_ DER
KÖLNISCHE
KRIEG
MERGEROISITEls
..
Der Kölnifche Krieg,
——_
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Der
Kölniſche Krieg.
Don
Max Lofen.
Borgefdidte
1565— 15831.
Gotha.
Friedrich Andreas Perthes
1882.
C. A. Cornelius
danfbar gewidmet.
Dorwort.
Als ih vor etwa zehn Yahren nach längerer
Unterbrechung die geſchichtlichen Studien wieder auf—
nahm, wählte ich, auf den Rat meines früheren
Lehrers, Profeſſor C. A. Cornelius, als Gegenftand
ben Kölniſchen Krieg, d. i. den durch bayrifch- fpa-
nische Waffen unterdrückten Verſuch des Kırfürften
Gebhard Truchſeß, die „Freiſtellung“ der Neligion und
in der Folge die proteftantifche Reform in feinem
Erzftift durchzuführen, den evangeliſchen Neichsftänden
die Mehrheit im Kurfürftenkolleg und damit die Ent-
ſcheidung bei der römischen Königswahl in die Hand
zu geben. Unftreitig war der gewählte Stoff ein be—
deutender: in einem Zeitraum von mehr als jechzig
Fahren, vom Augsburger Neligionsfrieden bis zum Aus-
bruch des 30jährigen Krieges, ift der Kölnische Kricg
das wichtigfte Ereignis der deutjchen Gefchichte; zudem
hielt ih, mit Cornelius, auf Grund der gedruckten
Litteratur, diefen Stoff für einen in fi wohl abge-
Ichloffenen, für eine Monographie darum wohlgeeig—
VIII Vorwort.
neten; ich hoffte ihn binnen wenigen Jahren erforſchen
und darſtellen zu können. Als ich dann aber zu den
eigentlichen Quellen, den bisher in den Archiven ruhen—
den Briefen und Akten der Beteiligten, vordrang, mußte
ich bald die Meinung aufgeben, daß der Truchſeſſen—
krieg ein ſtofflich wohl abgeſchloſſenes, zeitlich eng be—
grenztes Ereignis ſei, erkannte in ihm vielmehr die
Kataſtrophe einer ſeit mehr als fünfzehn Jahren, näm—
lich ſeit den Jahren 1565—1567, großenteils plan—
mäßig ſich vollziehenden Entwickelung, an welcher die
meiſten deutſchen Reichsſtände und daneben von den
großen auswärtigen Mächten namentlich der römiſche
Stuhl, Spanien und die Niederlande teilgenommen
haben. Das Geh. Haus- und Staatsarchiv, Das All-
gemeine Reichsarchiv und das Kreisarhiv in München,
die preußiſchen Staatsardhive zu Düffeldorf, often
(jetzt Wiesbaden), Marburg, Münfter und Hannover, das
Hanptitaatsarchiv zu Dresden, das Statthaltereiarchiv
zu Innsbruck, das fürſtlich Wittgenfteinfche Archiv und
die Bibliothek zu Berleburg, das Bezirksarchiv zu Straß—
burg, jowie die beiden großen Münchener Bibliothefen
habe ich vor und nach für meine Zwecke ausgebeutet, —
überall durch die Vorftände und Beamten mit einer bie
dienstlichen Verpflichtungen weit überfteigenden Zuvor—
fommenbheit aufgenommen und gefördert, wofür ich den
lebhafteften Dank empfinde und hier ausfpreche. Gerne
hätte ich noch auf einige weitere Archive, namentlich auf die
Wiener, meine Forfchungen ausgedehnt, aber die über-
große Maſſe des bereits gefammelten Aftenmaterials
Vorwort. IX
nötigte mich, an irgendeinem Punkte abzubrechen, es
anderen überlaffend, unvermeidliche Lücken auszufüllen.
Da ich überwiegend aus ungedructen, nicht allge-
mein zugänglichen Quellen jchöpfte, konnte ich mich
vielfach nicht jo kurz faffen, wie ich gewünfcht hätte;
um dem Leſer ein eigenes Urteil zu ermöglichen, mußte
ich oft auf das Einzelne der verworrenen Verhandlungen
und Praktiken eingehen und einen großen Teil meines
Aktenmateriald in die Darftellung verweben. So er-
forderte denn die Vorgejchichte des Kölniſchen Krieges
einen eigenen ſtarken Band.
Der Drud meines Buches war faft vollendet, als
mir der neunte Band der „Publikationen der Föniglich
Preußischen Staatsarchive“, X. Kellers „Gegenrefor—
mation in Weftfalen und am Niederrhein, 1. Teil
(1555 — 1585)“ zur Hand fam. Hier ift aus den Ar-
chiven zu Düffeldorf, Münfter und Marburg, ſowie aus
dem Münchener Neichsarchiv u. a. auch ein nicht unbe-
trächtlicher Teil jener Akten abgedruckt, welche ich für mein
Werk benutt habe. So mangelhaft Kellers Publikation
auch fein mag, bedauere ich Doch aufrichtig, daß fie nicht
einige Monate früher erfolgt ift; denn alsdann würde
fie mir geftattet haben, manche Stelle meines Buches
Stark zu kürzen. Anderſeits bringt fie mir auch jeßt noch
den Gewinn, daß mm meine Darftellung mit einem
Teil meiner Quellen Teichter verglichen werden kann.
Den Kölnifchen Krieg jelbft, der auf engerem Raum
und in viel Fürzerer Zeit fi) abjpielt, für welchen auch
bereit3 weit mehr Quellenmaterial gedruckt ift und vor—
X Vorwort.
ausfichtlih in den nächſten Jahren noch gedruckt wer-
den wird, gebenfe ich in einem zweiten Bande von viel
geringerem Umfang darzuftellen. Da jedoch bis zur
Bollendung desſelben ficherlich noch Fahre vergehen
werden, fo war ich bemüht, meinen erjten Band fo
weit als möglich zu einem einheitlichen Ganzen zu ge-
ftalten. Wie ich den wirren Stoff zu ordnen gefucht
habe, wird die Zufammenftellung der Überschriften der
8 Bücher meined Werkes und ihrer 32 Kapitel er-
fennen laffen; die Stelle eines genaneren Inhaltsver—
zeichniffes möge das Negifter am Ende des Bandes
vertreten. Die Überficht über die von mir benußten
Archivalien macht e8 anderen Forſchern leicht, meine
Arbeit zu prüfen, zu ergänzen, zu berichtigen.
München, im Dezember 1881.
Mar Pollen.
Inhalt.
Erites Buch. Salentin von Iſenburg, Kurfürjt von Köln.
1. Refignation des Erzbiſchofs Friebrih von Wied.
2. Die Wahl Salentins von Senbura .» » » 2 2 2 22. .17
3. Kurfürft Salentins Anfänge . EEE BE 2
3 weites Buch. Herzog Ernjt von Bayern.
. Die bayriſche Politit unter Herzog Albreht V.. . . 2... 58
— der geiſtlichen Laufbahn der Herzogs Ernſt von Bayern. —
Erwerbung des iftes ———
Bayerns erſte Bemühungen um bas Ernife Kim — 8
4. Innere Hemmniſſe der bayriſchen Kirchenpolitif . 4 8
5. Die niederſächſiſchen Hocftifter. — Herzog Ernft — Admi⸗
niſtrator von Hi JJ
Drittes Buch. Köln und das Reich zu Kurfürſt Salentins
Zeit.
1. Die Stabt Köln um das Jahr 1572 . . 2. 2 2 222 ..153
2. Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. . . . . 183
3. Kurfürft Salentin und das Haus Naflau . > 2 2 2.2....200
Viertes Buch. Das Haus Jülich und das Stift Münfter.
1. Die weftfälifchen Hodhftifter unter Bifhof Johann von Hoya. —
Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter . . . 223
2. Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. —
Tod bes Herzogs Karl Friedri .. 250
3. Stift Münfter nad dem Tode bes Herzogs Karl — 266
Fünftes Buch. Bremen gegen Bahern.
1. Kurfürſt Salentins köln-münfterfcher Plan. — Römiſche Königs-
wahl und Freiſtellung.. 2289
XII Inhalt.
€
. Der Regensburger Wahltag. — Zwieipalt im Stift N 313
2
3. Herzog Emft in Rom . . . i . 334
4. Papft Gregor XII. und bie wieberbeutfihen Socfifter eo... 859
5. Die köln-münfterfche Frage und bie Freiftellung zur a bes
Regensburger Reihstagg . . - 383
6. Der Plan einer Kölner Roabjutorie bes Herzogs Sat. . + 412
7, Die vereitelte Poftulation zu Münfter. . . . o. . 48
Schites Buch. Die Kölner Wahl des Jahres 1577.
1. Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln . » 2» 2 2.2. 467
2. Das Ende des Salentinihen Plan . . » 2 2 2202. 492
3. Kurfürft Salenting Rüdtritt. - >» > > 2 2 nenn. 519
4. Die Kapitelöregierung . . 6
5. Die Wahl bes Gebhard Teucfeh a een ee
Siebentes Buch. Gebhard Truchſeß und Konrad von
Weſterholt.
1. Der Niederrhein und das Stift Münſter nach der * des
Gebhard Truchſeß . . 587
2. Der kölniſche Prozeß an ber zömifchen Burke Aa . 610
3. Köln-Münſter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bape, —
Gebhard Truchſeß vom Papſte beſtätigt - .. . 637
4. Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter . . 676
Achtes Buch. Hochftift Lüttich und das Haus Bayern.
1. Stift Lüttich unter Bifchof Gerhard von Groesbel . . . . 711
2. Herzog Ernft von Bayern wird Bifhof von Lüttih . . . . 733
Aberſicht
über die eingehend benuhten Archivalien.
I. Sans A. = Geh. Hausarchiv in Münden.
Zwei Fascitel Herzog Ernft betr. (ohne Signatur vgl. u. ©. 112,
334. 389).
II. $tA. = Heß. Staatsarchiv in Münden. Bayrifde (ſchwarze)
Abteilung.
9/1 bis 4 (Erzbistum Köln T. I—IV).
38/2 bis 19 (meiftens Akten über bie köln-münfterfhe Wahl bes
Herzogs Ernft).
53/1 u. 14 (Korreſpondenz mit Kurfachfen).
95/4 bis 8 (Bifhoftum Hildesheim T. TI—VI).
96/1 (Köln 1577/78).
98/1 (Münfter 1577—1739).
139/1 u. 2 (Korrefpondenz mit Rom in der Kölner Sadıe).
160/11; 161/3 u. 12; 162/11 u. 15 (Deputationd- und Reichstags
banblungen).
223/10 bis 13; 224/2 bi8 5 (aus ber Serie: Landsberger] Bunbes-
ſachen die Nrn. 58/65).
227/3 (Briefe des Dr. Andr. Fabricius 1576).
229/10; 230/1 bis 3. 5. 7; 231/7 (aus ber Serie: Korrefponbenz
ber auswärtigen Refibenten).
284/12 u. 13 (aus der Serie: Frankreich bie Nrn. 5 u. 6).
309/1 (Korrefp. des Erasmus Fend).
311/1. 13. 14. 16 (Korrefp. des Dr. Fabricius und des Dr. Pfifter).
359/5. 8 u. 9 (beſonders Korrefp. mit Fabricius).
359/46 u. 48 (Neihstage von 1570 u. 1576 betr).
378/2 u. 7 (Köln. Wahl 1578/79).
399/49. 53. 55 bis 59. 77 (Köln. Sache betr.).
401/2 u. 10 (aus ber Serie: Lanböberger Bunbesacta).
415/1 u. 40—50 (Alten aus dem Jahre 1570).
487/2 (Salzburger Kapitelplat betr.).
XIV
III,
IV
VL
VII.
Überſicht über die eingehend benutzten Archivalien.
BA. = Allgemeines Reichsarchiv in Münden.
Hodftift Augsburg T. IIT—V.
Hochſtift Freifing T. IV—XII Nr. 75/83.
Hodftift Halberftabt T. I.
Bilhoftum Lüttih T. Iu. II.
Bilhoftum Münſter T. II—X.
Hodftift Regensburg T. I. Lit. R und Lit. E. E.
Erzftift Salzburg T. XI u. XIII.
Hochſtift Trier T. IV.
Gülch und Eleve T. I u. II.
Ofterreihifche Sachen T. VIII.
Fürftenfaden T. XXV. XXX. XXXV.
Fürftenfachen, Specialia C. Nr. 372. 404. 407. 412, 413.
Zektierte Fürftenfahen (Korrefp. Wilhelms V. mit Albrecht V.
1570/77).
Unruhen im Erzftift Köln 1577/84 T. 1.
Übelsfelekt. Trautmansporf Fasc. 1.
KrA. = Kreisarchiv zu Münden.
I, Geiftlihe Saden Nr. 2; Nr. 2 ad Fasc. 9/2; Nr. 4.
Nr. 342 (Acta die Geſandtſchaft in Rom betr. 1578/1654).
Bibl. Föringer. = Bibliotheca Foeringeriana. Auftion in
Münden am 5. Juli 1880,
Nr. 3238/39. (2 Bände Or.-Alten ber Freifinger Kanzlei des Her-
3098 Ernft, zur Zeit in meinem Befib).
DA. = Staatsarchiv zu Püffeldorf.
Köln. Domftift. Domkap.-Protof. Nr. 151/159 (Ao. 1566/1583).
Ebd., Nr. 323, 323%, 323 (Erzbifchof Salentin); 324® u. b (Geb-
hard Truchſeß).
Kurköln. Erzbiſchöfe. Saleutin von Iſenburg Nr. 1 u. 2.
Ebd., Gebhard Truchſeß Nr. 18 u. 15; 5b (mafjaı. Korreip. 1576/90).
Jülich-⸗Berg. Landesarchiv: Landesherrlihe Familienſachen Nr. 28%—i
(vgl. u. ©. 266).
Ebd., Politifche Begebenheiten Nr. 17. 18 u. 19.
Geiftlihe Saden. Generalia 16i.
UA. = Sfaatsardiv zu Marburg.
Meiftens aus dem früheren Regierungsarchiv zu Kaflel:
Rep. II. Cell. 5. Vol. XII. (Erzſtift Köln betr. 1577).
Rep. II. Eell. 6. Vol. III. (Köln. Saden 1571/79) und Vol. X.
Nr. 6 (Religionsjachen 1571/84).
Rep. II. Cell. 19. Vol. V. (Hildesheim betr. 1573).
Rep. II. Cell. 26. Nr. 1/2 (Osnabrüd betr. 1572/74).
Rep. II. Eell. 27. Vol. II. Nr. 2/4 (Paderborn betr. 1566/77).
Rep. IV. Eell. 9 (Herzöge von Jülich 1575/76).
Rep. V. Cell. 75. Vol. II. Nr. 4/6 (Münfter betr. 1575/79).
VIII.
IX.
XI.
XIII.
XIV.
XV.
Überſicht über die eingehend benutzten Archivalien. XV
Fase. Köln 1574/1674, Nr. 1 u. 2 (alte Marburger Alten).
Köln 1515/1580 (Marburger und Kaffeler Alten).
Erzftift Bremen 1535/1643 Fasc. 1578/80 (Marburger Alten).
DIA. = Staatsarhiv zu Idſtein, jetzt Wiesbaden, Abteilung
Diffendurger Ardiv.
C. 368 u. 372 (Köln. Sache 1573/76 und Freiſtellung 1575).
G. 80 (Orafentage 1576/79).
R. 60 (Srafenfaden und Kölnifhe Wahl 1576/77).
R. 408 nebft 71. 469 u. 470 (Regensb. Reichstag von 1576 betr.).
Dilleub. Korrefpondenzen 1567/79 (17 Fase. allerhand Schreiben
nah Jahren georbnet).
WrA. = Staatsarchiv zu Münfter.
Miünfter. Landesarchiv 1. 104 (vgl. u. S. 267 u. 383).
Domtapitel-Protofolle 1575/77.
SA. = Staatsarchiv zu Hannover.
Hildesheim de Ao 1573 (1 Fasc. Hildesheimer und 1 Fase. Braun-
ſchweiger Alten).
DrA. = Sanpffiaatsardiv in Presden.
loc. 8525. fol. 213 ff. (vgl. u. ©. 563).
loc. 8926 (1 Band und 2 Hefte, Köln. und Münſter. Refignation
1572/79).
3A. = SHtatthaltereiarhiv zu Zunsbruck.
Abteilung: Ferdinandeum, fol. 110, Nr. 135. fol. 111, Nr. 140.
(Kardinal Andreas von OÖfterreich betr.).
Ferdinandeum, fol. 226 ad Nr. 327 (Korrefp. mit dem Bapfte).
BR. = Fürftl. Wittgenfteinfhes Archiv zu DBerledurg.
Lit. K (Kirhenfaden (Nr. 27 u. 29 Gebhard Truchſeß 1582 und
Freiftellung 1575 ff.).
BB. = Bibliothek zu Zerleburg. Tagebücher des Grafen Ludwig
von Mittgenftein (ſ. u. S. 290).
StrA. = Bezirks- (Departements:) Ardiv zu Straßburg.
G. 202 u. 208 (Wahl und Belehnung des Biſchofs Johann von
Manderfcheid 1569/73).
G. 247 (Beziehungen zum Erzſtiſt Köln 1568/1667).
G. 679 (f. u. ©. 36).
MB. = Hof- und Staatsbibliotheß zu Münden,
Manuscripta . domini de Redinghoven. Cgm (Codex Germanicus
Monacensis) No. 2213. T. 9. 27. 59. 68.
Erites Buch.
Solentin von Ienburg, Kurfürſt von Köln.
— — —
Lofſen, Köln. Krieg 1. 1
1. Kapitel.
Refignation des Erzbiſchofs Friedrich von Wied. *
In der Frühe des 25. Dftober 1567 erſchien, umgeben von
feinen Räten und von faiferlihen Kommifjaren, der Erzbiſchof
Friedrih IV., Graf von Wied, im Kölner Kapitelhaus und ließ
dem verfammelten Domkapitel durch feinen Kanzler vortragen:
längit habe er vorgehabt, wegen jeiner Kränklichkeit vom Stifte
abzuftehen, der Kaiſer aber habe ihn ermahnt zu bleiben und erft
*Quellen: I. Für Erzb. Friedrichs Refignation: E. Reimanns forgfältige
Arbeiten über Friedrich von Wieb in Forfhungen z. D. G. XI u. XIII,
fowie bie bort verzeichnete Yitteratur, beſonders Lagomarsini,
Pogiani Epistolae, t. IV. — Außerbem Merssaeus Cratepolius,
Electorum eccles. catalogus, Col. Agr. 1580, p. 143sq. Die erfte
Ausgabe von 1578 ift weniger ausführlid. — Ennen, Gefhichte ber
Stabt Köln, IV. 628, fowie meine Bemerkungen bazu im Theol.
Litteraturblatt 1875, Sp. 535. Mein inbezug auf Caſſander
bafelbft geäußerte® Bebenfen ift jebod nah Gabbema, Epist.
clar. vir., p. 205 unbegründet. — Aus Arhiven: DA. Kölner
Domtap. Protofolle, Nr. 151 u. 152. Bei meinem Auszug aus
benfelben habe ich erft von Oftober 1567 ab Vollſtändigkeit erftrebt, für
die Zeit vorher nur einzelne Notizen gemacht; eingehend benutt, wür—
den bie Protofolle geftatten ben Streit zwilchen Friebrih und feinem
Domkapitel weit genauer barzuftellen. — Briefmechfel bes Herzogs
Albrecht von Bayern mit Karb. Otto Truchfeß fowie mit Dr. Hegen-
miüller nebft zugehörigen Kopieen StA. 9/3. — Einzelnes auch StA.
38/2 und RA. Hochſtift Augsburg, Bd. III.
II. Für das Scheitern ber Caſſandriſchen Reformation am clevi-
fhen Hof: Hamelmanns im Jahre 1568 gefchriebene Hist. eccl.
renati Evangelii in aula Clivensi in Hamelmanni Opp. geneal.-
1 *
4 Erfted Buch. Erſtes Kapitel.
auf fein Anhalten Kommiffare verordnet, durch deren Vermittelung
nun feines Abjtandes halber ein Vertrag entworfen ſei. So res
figniere er denn in allerbefter Form, pure libere et fimpliciter,
zuhanden des Domkapitels und ermahne diejes zu guter neuer
Wahl. — Das Kapitel erwiderte: fie hätten gewünſcht, Kur—
fürft Friedrich könnte dem Erzjtift weiter vorftehen. Weil er aber
wegen Kränklichkeit abgeftanden, jo nähmen fie im Namen Gottes
den Verziht an und bäten ihre Kurfürftlihe Gnaden auch fünftig
dem Stift mit feinem Rat beizuftehen.
So höflich endigte ein Streit, den Erzbiichof und Kapitel
lange Zeit hindurch mit großer gegenjeitiger Exbitterung geführt,
an welchem Papſt und Kaiſer teilgenommen hatten, deſſen Aus—
gang für das ganze Reich höchſt wichtig war.
Allerdings war Friedrich von Wied ſchwerhörig und auch ſonſt
leidend; nicht dies aber war der wirkliche Grund ſeines Rücktrittes
vom Erzſtift, ſondern die Hartnädigfeit, womit er ſich geweigert
hatte, das tridentiniiche Glaubensbefenntnis zu beihmwören. Anz
histor. Lemgoviae 1711, p. 9BAsqq. — 3. D.v. Steineu, Refor-
mationsbiftorie bes Herzogtums Eleve. Lippftabt 1727. Hier Beil. X.
©. 263/388 der im Jahre 1566 vollendete Reformationsentwurf. —
Groen van Prinsterer, Archives III. Nr. 256. 258. 260. —
Lacomblet, Archiv f. d. Geſch. des Niederrheins, V. 1. Hft.
1866. (gl. VI, 1868, ©. 168.) — Die ſchöne Monographie von
Albrecht Wolters, Konrad v. Heresbach, 1867. — Aus ber Zeit-
Ihrift des Berg. Geſch. Vs. folg. Auffäge: W. Harleß über Gerh.
Beltius, IIL 369 ff. Bei Beltius’ Aufzeihnungen muß man aber im
Auge behalten, daß fie aus der Erinnerung, 25 Jahre nah feinem
Weggang vom Hofe des Herzogs Wilhelm, gefchrieben find. K. W.
Bouterwel, Die Reformation im Wuppertal und Peter Los' Anteil
an berjelden IV. ©. 2735. 8. Krafft, Beiträge zur Reformations-
geſchichte des Niederrheins IX. 162 ff. (1873) Habe ich erft gelefen, als
ih das folgende Kapitel längft gefchrieben Batte. Um fo erfreulicher
war mir, baß fi meine Auffafjung ber Religionsverhältnifie am
eleviſchen Hof vielfach mit der dieſes Forfchers begegnet. — Kritifche
Überfichten über die Fitteratur ber nieberrheinifchen Neformationsge-
Ihichte überhaupt von 8. Krafft, in der angef. Zeitſchrift VL. 193ff.
jowie in ben Theolog. Arbeiten aus bem rhein. wifjenichaftl. Prediger-
verein III u. IV. (1877 u. 1880).
Nefignation des Erzbifchois Friebrih von Wied. 5
fänglich, als Friedrich für feine im November 1562 erfolgte Wahl
zum Erzbiſchof um die päpftliche Konfirmation nachſuchte, veran—
laßte nur jein Verlangen, diejelbe foftenfrei zu erhalten, ernſtliche
Anftände in Rom. Erſt al3 Pius V. den päpſtlichen Stuhl be=
ftieg (Januar 1566), wurde jene Formel zum unüberwindlichen
Stein des Anſtoßes. Von Pius IV. konnte man vielleicht er—
warten, daß er nad) altem Braud der Kurie von feinem für
alle gegebenen Geſetz einzelne ausgenommen hätte; Pius V. lieh
niemanden in Zweifel darüber, daß er die Zrienter Defrete rüd-
ſichtslos durchzuführen gedenfe. Gewohnt an möndishen Gehor—
jam und im Bewußtſein feiner reinen Abſichten war Pius V.
überhaupt unduldjam gegen Widerjprud ?), inbezug auf Erzbiichof
Friedrich hatte er nod) ganz beſondere Gründe nicht nachzugeben.
Unbefümmert um die noch gar nit erbetene päpftliche Beftätigung
hatte Friedrich gleih nach feiner eigenen Wahl bei Wahl und
Krönung des neuen römihen Königs Marimilian mitgewirkt;
nachher bemühte er ſich, in Einverftändnis mit Kaiſer Ferdinand
und König Marimilian, für Priefterehe und Laienkelch; dem in
Rom wegen feiner kirchlichen Geſinnung ſchlecht angeichriebenen
Herzog Wilhelm von Jülich war er in Freundfchaft verbunden
und glei diefem ein Gönner des DVermittelungstheologen Georg
Caſſander. Daher wurde der am faiferlihen Hof und ſonſt in
Deutihland als unzmweifelhafter Katholif geltende Erzbiſchof von
den Jeſuiten ihon im Jahre 1564 als „wenig katholiſch“ be=
zeichnet. Pins V., der die religiöfen Konzeſſionen feines Vor—
gängers möglichſt raid) wieder aus der Welt zu ſchaffen wünſchte,
1) Kard. Granvella urteilt über Pius V.: „es assi escrupuloso y
sospechoso, y como ha sido frayle, pretende muy expressamente ser
obedecido“*. — Ferner: „le parecerä que, como esta tan desnudo de inter-
esses y de pretender estados para sus parientes, pueda mas libremente
y sin respecto tratar con todos“... Gachard, Corresp. de Philippe IL,
I, 596 u. II. p. ıvı. Bol. Forfhungen XIII. 360. — liber Pius’ V. Eifer
für die Trienter Dekrete und feine Abneigung gegen Yaienfelh und Priefter-
ehe: Cyprianus, Tabellarium, p. 402 u. 404.
6 Erfte8 Bud. Erſtes Kapitel.
lag viel daran, gerade von diefem Mann ein Glaubensbefenntnis
zu erhalten, weldes unter anderm bejagte, „daß unter jeder ein=
zelnen der beiden Geftalten der ganze unzerteilte Chriſtus und ein
wahres Sakrament genofjen werde‘; ferner „daß Die heilige,
fatholiiche und apoftoliiche römiſche Kirche die Mutter und Lehr—
meifterin aller Kirchen‘, „der römiſche Papſt der Stellvertreter
Jeſu Chriſti“ ſei; ein Bekenntnis endlih, weldes die Anz
nahme aller Zrienter Beſchlüſſe ſchon in ſich zu ſchließen jchien.
Dazu kam, das nicht leicht ein anderer Biſchof des Reiches ge—
zwungen werden fonnte, einen Eid zu leiften, der von einem
Erzbiſchof und Kurfürften ungeftraft verweigert worden. Gab e3
do, wie Kardinal Commendone im Juli 1567 nad) Rom jchrieb,
in Deutihland jogar zahlreihe Katholifen, welche jegliche Auto—
rität des römischen Stuhles in Reichsſachen bejeitigt wünſchten.
Klar wie faum ein anderer erfannte Kardinal Commendone,
wie wichtig der Kölner Kal war. Schon im Jahr 1566 als
Zegat beim Augsburger Reihstag gab ſich Commendone alle
Mühe, durch perjönlihe Einwirkung auf den Kaifer, auf Fried-
richs Näte und auf Friedrich ſelbſt diejen zum Nachgeben zu bes
wegen. Aber vergebens. — Belleren Erfolg hatte die Kurie
im folgenden Zahr, weil fie neue Bundesgenoſſen fand, der Sur:
fürft aber jeine bisherigen verlor.
Zuftatten fam der Kurie zunächſt Friedrihs Zwiſt mit jeinem
Domkapitel. Dieſer ftammte jhon aus früherer Zeit. Anlaß
zum Streit boten vor allem die zahlreichen Artikel der Wahl-
fapitulation, duch melde das Sapitel einen beträchtlichen
Anteil an Regierung und Einkünften des Erzftifts ſich vorbe-
halten hatte). Reibungen liegen fi faum vermeiden, jelbit bei
1) Friedrichs Wahlartitel liegen mir nicht vor, wohl aber bie feines Nach—
folger8 (DA. Köln. Domftift, Nr. 323), welche in ben Hauptpunften ohne
Zweifel mit den von Friedrich beihworenen übereinftimmen. — Die Erblandes-
vereinigung von 1463 ift oft gebrudt, u. a. bei Lacomblet, Urkunden-
buch IV. Nr. 325, und bei Walter, Das alte Erzftift und bie Reichs—
ſtadt Köln, ©. 387. Bei Walter, ©. 395 auch bie neue Fafjung von
1550.
Refignation bes Erzbifchois Friedrih von Wieb. 7
der friedfertigiten Gejinnung auf beiden Seiten; fehlte es aber
hieran, jo war es dem Sapitel leicht, jedem regierenden Herrn
Verletzungen feiner Kapitulation nachzuweiſen. Dieje verpflichtete
3. B. den Erzbiſchof, feine wichtigen Sachen ohne Wiſſen und
Willen des Kapitels zu verhandeln und deshalb jederzeit zwei
Verordnete desjelben in feinem Rate zu haben; das war nicht
geichehen. — Ohne das Kapitel im geringften zu beichweren, follte
der Erzbiſchof eine Menge von Gläubigern befriedigen, Schulden
abtragen, verpfändete Güter einlöfen; das unterblieb, entweder
weil es Friedrih an Mitteln überhaupt fehlte oder weil der
farge Herr das Seine lieber jelbit in Händen behielt. — Folgen=
reiher wurden die geiftlichen Differenzen. Gleich der erfte Wahl:
artikel, ähnlich wie die alte Erblandesvereinigung verpflichtete
den Neugemwählten, binnen Jahresfrift Priefter zu werden und die
biihöflihe Weihe zu empfangen oder aber päpftlihe Dispens bei—
zubringen. Die beiden legten Vorgänger Friedrihs waren nie
Priefter geworden; auch er hatte, wie e3 jcheint, feine Luft dazu;
Dispens von Rom, jowie die bereit3 in den Konfordaten der
deutihen Nation geforderte päpftliche Beftätigung, war aber wenn
überhaupt jiherlih nur mehr um den Preis des tridentiniichen
Glaubensbefenntniffes zu erlangen. Im Domkapitel beftanden be=
ionders die‘ Doktoren oder Priefterfanonifer darauf, daß Fried-
rich als Erzbiſchof ih qualifiziere. inige weitere Forderungen
hingen damit zufammen und waren ebenfalls in den Wahlartikeln
begründet. So follte Friedrih einen Weihbiſchof einjegen und
bejolden; ferner alle Häretifer und Schismatiker austreiben und
zu diefem Zweck, auf feine Koften aber mit Hilfe der päpftlichen
Autorität, einen eigenen Inquiſitor bejtellen. Inwieweit des
Erzbiſchofs Säumen in diefen Punkten ‚nur durch den Mangel
an geeigneten Perjonen oder durch die Koften oder endlich durch
teligiöje Bedenken hervorgerufen war, fteht dahin ). — Das Aus:
1) Mit dem Mangel an tauglichen Leuten entſchuldigt ſich Friedrich ſelbſt
am 28. Auguſt 1566. DU. Domtap. Prot. — Über feine Kargheit wieder-
8 Erſtes Buch. Erſtes Kapitel.
bleiben der päpſtlichen Konfirmation bot dann dem Kapitel eine
Handhabe zu neuen Beſchwerden. Auf dem Augsburger Reichs—
tag war dem Kaiſer eine ſtattliche Türkenhilfe bewilligt worden;
der Kölner Kurfürſt, gedrängt ſeinen Teil zu erlegen, forderte
Kapitel und Klerus auf, beizuſteuern, insbeſondere die unter dem
Titel eines Subſidium Caritativum übliche Abgabe an jeden neu—
gewählten Herrn zu entrichten; man antwortete, er ſolle ſich
zuerſt das erzbiſchöfliche Pallium zu Rom holen. — Dann
wollte Friedrich das Geld zur Türkenhilfe durch eine Anleihe ſich
verſchaffen; das Kapitel proteſtierte und verwies wieder auf die
Wahlkapitulation, melde für jede Anleihe, Veräußerung oder
Verpfündung die Zuftimmung des Kapitels forderte.
Der Kurfürft Hagte nun beim Kaiſer, das Kapitel aber in
Rom beim Papſt, weldher daraus Anlaß nahm, nur um jo ent=
ichiedener auf der Profefjio fiver zu beftehen, widrigenfalls aber
mit Abjegung zu drohen. Laut wurde verkündet, der Prozeß ſei
bereit3 eingeleitet, im jtillen hoffte man, ſchon auf die Drohung
bin werde der Erwählte feine Würde freiwillig niederlegen.
Kaiſer Marimilian Hatte ji) bisher bemüht, durch den Hin—
weis darauf, daß man in Deutjchland behutjam gehen müſſe, den
Papſt von feinem Verlangen abzubringen. Er jelbit und andere
Fürſprecher machten weiter geltend, daß das Zrienter Konzil in
Deutihland noch nicht angenommen, daß zudem Friedrich lange
vor jenem Dekret gewählt jei, auf Grund deilen Pius IV. das
neue Glaubensbekenntnis vorgeichrieben hatte. Kurfürft Friedrich
jelbft beharrte vor allem darauf, daß er feine Neuerung einführen
wolle, die ihm ſelbſt zur Verkleinerung, feinen Mitkurfürften aber
zum Präjudiz gereihe. — Diefer lekte Grund verlor fein Ges
wicht, al3 es der Kurie gelang, den am 7. April 1567 neuges
wählten Trierer Erzbiſchof Jakob von Eltz zu bewegen, den
holte Bemerkungen in Weinsbergs Gedenkbuch (herausg. von Ennen),
Zeitichrift für deutſche Kulturgefchichte, 1874. Bgl. Hamelmann, Opp.
p. 1341.
Refignation des Erzbifchofs Friedrih von Wied. 9
Zrienter Eid zu ſchwören !). Auch zwei Suffraganbiihöfe Fried:
richs, Johann von Hoya, Biihof von Osnabrück und Münfter
und Gerhard Groesbeck von Lüttich, hatten bereits den Eid ge
leiftet. Nun lieg Kaiſer Marimilian, der die Dinge nie gern
auf die Spike getrieben ſah, den Kölner Erzbiſchof fallen und
juchte nur nod dem Mann, der bei jeiner Königswahl mitge-
bolfen und ihn jederzeit in Ehren gehalten hatte, einen möglichft
günftigen Rüdzug zu verſchaffen 2).
Kaiferlihe Kommiſſare kamen, fanden aber die Vermittelung
zwiſchen Erzbiſchof und Kapitel nicht leicht; denn allzu jehr war
man beiderjeit3 gegen einander verbittert. Mit Recht oder Un
1) In einem für den PBapft beftimmten Gutachten vom 26. Juli 1567
beutet Commenbone an, daß man fi vor und nah ber Trierer Neumahl
viel Mühe darum geben mußte. Lagomarsini |. c. IV. 304.
2) In ber Imftruftion für bie zweite faiferlihe Kommiffion (vom
20. September 1567) heißt e8 u. a.: Kurfürft Friedrich wifje, wie hoch fich
der Kaifer feine Konfirmation Habe angelegen fein laſſen. Ihm wäre nichts
lieber, als daß ©. 8. der Prof. fidei entladen bliebe. Da aber ber Er-
wählte von Trier „one ainiche wiberred, ſelbs guetwillig ja aigner bemegnus
biefelb profeffion jungft in erfuehung feiner I. confirmation geſchickt und ge—
laiftet“, fo werde Kurfürft Friedrich felbft ermejjen, „da wir uns in bier
ſachen weiter bemilehen folten, was uns daraus fur glimpfen ervolgen mechte
bei denen, die e8 one dz barfur halten wolten, das wir mer unfern aignen
willen und affection hierin fehen lieſſen, als das andern erzbifchonen und
biſchoven bife profeffion jo hoch zumider were”. Wollte er, der Kaifer, weiter
in den PBapft bringen, fo könnte daraus erfolgen, „dz hierdurch ſowol wir
als fein I. etwan in ungleichen beſchwerlichen verdacht ſchismatiſcher afjection
(die doch Gotlob meit von uns) fingfen und fallen und dannocht weniger
als nich ausrichten mechten.” Da nun Erzb. Trier bereit8 einen prä—
judiciellen Eingang gemadt „und e8 nunmehr an dem und e8 zumal nit
anberft fein könte, fonder alle andere erzbifchof und bifchof dijen weg auch
geen miüeften, fo wüften wir fainen andern rate noch mitl, als dz ſ. I. gleich
in dem namen Gotte8 den trierifchen fuesftapfen nachdretten tete und bie
profeffionem fidei, welche wir zwar fonft in irem contertu nit fur jo hoch
bedenklich hielten, zu erftatten bewilligt...“ — Die erfte etwa im Juli
1567 ausgeftellte faiferl. Inftrultion für ben Freiherrn v. Winneburg und
Joh. Achilles Ilſung liegt mir nicht vor; fie ſcheint aber ähnlichen Inhalts
gewejen zu fein, wie bie zweite auf Winneburg, Neuenar und Dr. Hegen-
miüller ausgeftellte vom 20. September.
10 Erftes Bud. Erftes Kapitel.
recht beichuldigten die Kapitularen ihren Erzbiſchof, er habe Hin
und wieder nad einem Soadjutor ſich umgefehen. Ohne das
Kapitel zu befragen, hatte der Erzbiihof einen Landtag ausge—
ichrieben, jenes aber, wieder gejtügt auf einen der Wahlartifel,
den Landftänden verboten, dajelbit zu erjcheinen. Am 2. Auguft
1567 teilte einer der Kommiſſare, Philipp der Ältere Freiherr v.
MWinneburg dem Domkapitel zuerjt des Kaiſers Wünſche mit; ein
paar Tage danach fand ein Landtag ftatt, über deſſen Verlauf
nur folgender Beriht an Kardinal Otto Truchſeß in Dillingen
vorliegt: „Am 6. [Huguft] ift ein Landtag zu Bonn gehalten
worden; da hat der faiferlihe Drator die Klagen beider Zeile,
de3 Ermwählten und des Kapitels, angehört. Da foll viel Hitzig—
feit vorgegangen fein und der Erwählte ſoweit bewegt, dab er
aus Zorn cediert; das hat das Kapitel geichehen laſſen, aber der
Herr Drator und die Landihaft haben den Erwählten erbeten,
noch einen Monat zu verziehen, bis fie Ihrer Majeftät jchreiben.
Das Kapitel aber hat es bei der Ceſſion bleiben laſſen.“
Nach Rom miüſſen ähnlihe Berichte von bereit erfolgter
Ceſſion des Erzbiſchofs gelangt fein, weldhe den Papſt veranlaßten,
dem Kapitel jegt jchon in einem Breve Glück zu wünſchen und
als geeigneten Nachfolger den Kardinal von Augsburg zu em—
pfehlen ?).
Die Domkapitularen mußten den vom Kaifer geforderten Auf—
ſchub hinnehmen, ihre feindfelige Geſinnung gegen Friedrich ließen
fie aber inzwijchen nicht ſchwinden, gingen vielmehr jo weit — wozu
ihnen allerdings der Buchſtabe der Erblandesvereinigung ein Recht
gab — für ſich einen Landtag in das Predigerklofter nah Köln
zu berufen. Diefer Landtag fand wirklich ftatt, doch wiſſen
wir nicht genau wann, noch aud) was auf ihm verhandelt wurde.
Es ſcheint, daß auf Grund eines Landtagsbeihlufies das Kapitel
1) Dieſes Breve d. d. Prid. Id. Sept. (bei Lagomarsini L. c.
IV, 315) wurbe mit eigenem Kurier nah Dillingen und von bier nad
Köln gefandt, aber erft am 31. Oktober, nah Friedrichs Rüdtritt, im Dom—
fapitel verlejen.
Refignation bes Erzbifchois Friebrih von Wied. 11
naher den Erzbiſchof vorforderte, damit er über feine Ver:
waltung Rechnung lege. Hierdurch wurde Friedrich jo gereist, daß
er mit einemmal zu verjtehen gab, lieber wolle er die Profeſſio
fidei leiften und ihnen allen zum Trotz vegierender Herr bleiben ?).
Schwerlid) war e3 ihm damit Ernſt; doc) erreichte er durch
diefe Drohung jo viel, daß es nun den feit Anfang Dftober in
Köln verweilenden neuen faiferlihen Kommifjaren, Winneburg,
Graf Hermann von Neuenar und Dr. Johann Hegenmüller, ges
lang, nad vierzehntägigen Mühen einen Vertrag zuftande zu
bringen, auf Grund deijen Friedrihs Refignation jo friedlicd wie
erzählt vor fich gehen konnte. Der Kurfürft verſprach, in eigener
Perſon im Kapitel zu ericheinen und hier pure libere et fimpliciter
zu rejignieren; dagegen verpflichtete jich das Kapitel, nod) vor der
Neuwahl mit Zuthun der faiferlihen Kommiſſare über einen an—
ftändigen Unterhalt mit Friedrich ſich zu vergleichen und dieſen
Punkt aud in die fünftigen Wahlartifel zu bringen. Auf Ab:
1) Über ben Landtag im Predigerkloſter finden fi) in den Domfap.-Protof.
nur folgende Notizen: 8. Okt. beichlieft das Kapitel, da die vom Kaifer
feftgefegte Bebenfzeit abgelaufen, ben Erzbifchof auf ben 11. oder 14. Dtt.
vor das Kapitel zu befcheiden, um wegen bes Abftandes zu verhandeln. —
9. Dkt. läßt der Erzbifchof fein Erfcheinen ablehnen, „van capitul hab con-
tra ipfum einen lantach ufgefchrieben, item ire curf. g. hab a Eaefare com=
mifjarios erhalten, wanner diefelben einen tach und plat irer curf. g. Alte
ſetzen wirden, wol biefelbige gutwillig erfchienen”. — 13. Oft. beginnen bie
neuen kaiſerl. Kommifjare mit dem Kapitel zu unterbandeln. — 14. Oft.
läßt der Kurfürft dem Kapitel berichten, er könne nicht ins Kapitel fommen,
„wolte lieber profefjionen fidei tuen und nit abften. Wolte aber capittel zu
irer curf. g. fommen und mit berfelbigen vom abftant fich vergleichen, wolte
nah getroffener vergleihung in loco capitulari refignieren”. — 15. Dtt.
fommen daraufhin Deputierte des Kapitel8 mit den faiferl. Kommifjaren zum
Kurfürften. „Revmus Hat proponieren lafien, wiewol ire curf. g. ad capitulum
berueffen, haben dennoch bebenken gehabt in capitulum zu fommen, quia
der gehaltener lantach in dem prebiger clofter fei irer curf. g. fmerzlid. Item
von dem abftant: Hab commifjarios erhalten; hab on ir vorwiſſen nit tuen
fonnen; hab mit feinem abftant gefucht bes ftift8 wolfart.“ — 16. Oft. wie-
derbolt das Kapitel bie Forderung, Friedrich folle entweber fimpliciter cebieren,
oder zuerft Rechnung ablegen. „So das nit gefchehen fol, wurbe bie not
capitulum zwingen, dem lantage in dem prebigerclofter nachzufegen.“
12 Erfte8 Buch. Erſtes Kapitel.
legung der Rechnung verzidteten die Kapitularen. Friedrich be:
hielt einen Platz im Kapitel und Chor, jedod ohne die dazu ges
hörigen Rechte, ferner die Domkuftorei und jeine bisherige Bez
haujung am Dom. Nachher wurde ihm nod das Haus Buſch—
hofen auf Lebenszeit eingeräumt. Über die Höhe des Unter:
haltes und einige andere Bertragsartifel hatten die faiferlichen
Kommiljare in der Zeit zwiſchen Abftand und Neuwahl noch viel
zu verhandeln, bi3 man ji endlid über die Summe von jährlich
3000 Zhalern einigte, welhe gemäß den Wahlartifein der neue
Erzbiſchof zahlen jollte aber nie gezahlt hat ). — Schon Ende des
nächſten Jahres (am 23. Dezember 1568) ift Friedrich in feiner
Kölner Behaufung geftorben und bei den Dominifanern beftattet
worden. Sein legtes Lebensjahr war, wie der Minorit —
berichtet, frommen Studien gewidmet.
So hatte alſo der römiſche Stuhl im Erzſtift Köln über
Kaiſer und Kurfürſt einen vollſtändigen Sieg davongetragen, —
einen Sieg, der doppelt wichtig wurde durch ſeinen Zuſammen—
hang mit den gleichzeitigen Ereigniſſen in den Nachbarlanden.
Der Bilderfturm, der im vorangegangenen Sommer (1566)
im Namen des reformierten Belenntnijjes die belgiſchen Nieder—
lande heimgejucht hatte, fühlte weithin die Neigung jelbit zu
friedlihen Reformen ab; erbittert über die dort begangenen Greuel
und bejorgt, daß anderwärts ſich Ähnliches wiederholen könne,
ſchloſſen ſich auch am Niederrhein viele Leute wieder enger an
das alte Kirhentum an. Als danach im Sommer 1567 Herzog
Alba mit feinem jpanifcheitalieniihen Kriegsvolf nad) den Nieder-
landen 309 und vor ihm her ſchon der Schreden die Schuldbe—
1) Mir liegt nur der Bertragsentwurf vom 24. Oftober vor, nicht bie
erft am 20./22. Dezember feftgeftellte definitive Fafjung. Inhaltlich ergiebt
ſich diefelbe aber aus den Domtfapitelprotofollen. Daß Friebrich wegen feines
baldigen — die ausbedungene Penſion nie erhielt, erwähnt Kratepoil
a. a. O. S. 144.
Refignation des Erzbiihois Friedrih von Wied. 13
mußten zu Zaufenden in die Nachbarlande trieb, diente deren
Kommen al3 neue Warnung bor religiöfen Neuerungen und nötigte
zugleich die Dbrigfeiten, die Zügel des Kirchenregimentes ſchärfer
al3 bisher anzuziehen.
Am Hofe des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg wurde
jeit dem Jahre 1564 über eine neue Reformationsordnung hin
und ber beraten; unter des Herzogs Räten und Landftänden gab
es calviniſch, lutheriſch, erasmiih und römiſch Gefinnte; jeder
fonnte ziemlih offen jeine Anfihten vertreten; im allgemeinen
herrſchte doch ein friedliches Nebeneinander, wie ınan es fonft in
Deutihland nur nody am kaiſerlichen Hofe fand, bier wie dort
zunächſt äußerlich bedingt durch die perjönlihe Milde und Men-
ichenfreundlichfeit des regierenden Herrn, die bei Kater Maximilian
zugleid einen ſtarken Zug von Sfepjis oder religiöfer Gleihgültig-
feit, bei Herzog Wilhelm eher von geiftiger Schwähe an fi
trug. Innerlich möglid war ein folder Friedftand nur dadurch,
daß an Herzog Wilhelms Hof feine der ertremen Parteien über-
wog, jondern immer nod jene jchon in den zwanziger und
dreißiger Fahren vorherrichende erasmiihe Mittelpartei, welche in
diefer Zeit (bis zu feinem am 3. Februar 1566 erfolgten Tode)
in Georg Gafjander ihren bedeutendften geiftigen Vertreter hatte.
Gerade die einflußreihiten Räte an Wilhelms Hof, die beiden
Kanzler, Heinrich Bars genannt Oliſleger und Wilhelm von
Disbed, gehörten ihr an. Konrad von Heresbad), des Herzogs
ehemaliger Erzieher, und der frühere Biihof von Münfter,
Herr Wilhelm Setteler, neigten zwar für ihre Perſonen mehr
der Augsburger Konfeffion zu, aber Heresbah war durd alte
Erinnerung mit Erasmus, Setteler dur Freundſchaft mit Caſſan—
der verbunden. Daher bewegten fi) denn auch Die neueren
Reformbeftrebungen des jülihichen Hofes ganz in der alten ver-
mittelnden Rihtung. Die hierarchiſche Verfaſſung und die lateinijche
Meſſe jollten beibehalten, daneben aber einzelne altlichlihe Ge—
bräuche, namentlidy der Laienkelch wieder hergeftellt werden, Die
Prieſterehe gejtattet fein. Vor allem follten die in Lehre und
14 Erſtes Bud. Erſtes Kapitel.
Leben, in Mefje und Saframentenverwaltung, in Bilderkult und
Mönchsweſen eingeſchlichenen abergläubiichen Mißbräuche abgeftellt,
in Predigt und Unterricht mehr Wert auf ein ſittenreines Leben
als auf ſubtile Unterſchiede in der Lehre gelegt werden. Be—
zeichnend iſt, daß zu gleicher Zeit, da man die alten Edikte gegen
Wiedertäufer und Sakramentierer neu einſchärfte und auch auf
die Calviniſten ausdehnte, ſtrenge Verordnungen gegen das Um—
hertragen der Bilder in der Bittwoche und gegen öffentliche Pro—
zeſſionen mit der konſekrierten Hoſtie erlaſſen wurden.
Auf Grund caſſandriſcher Vorſchläge wurde endlich im Jahre
1566 ein Reformationsentwurf fertig, durch den man die kirch—
lichen Gegenſätze allmählich auszugleichen hoffte. Der eifrige
Lutheraner Hamelmann erfuhr von ſeinen Freunden, derſelbe ſei
erträglich abgefaßt, jedoch ſo, daß er weder recht nach dem
Luthertum noch nach dem Papismus ſchmecke. Im Januar
1567 wurde der Entwurf einem Ausſchuß von vornehmen Land—
ſtänden und Räten von verſchiedener religiöſer Richtung vorgelegt.
Herzog Wilhelm jelbft lag das Werk ſehr am Herzen. Man kam
einander nahe genug, Dann aber unterblieb die Ausführung
des Beſchloſſenen. Die Räte mwiderrieten ihrem Herzog, eine Re—
formationsordnung jet Schon zu veröffentlichen, und ihrer Meinung
ftimmten dann aud die Landftände bei. — In erfter Linie war
man ohne Zweifel durd den Ausbruch der belgischen Unruhen ab=
geſchreckt. Ein weiterer Grund lag in der traurigen Körper: und
Geiftesperfaifung des Herzogs.
Herzog Wilhelm war zuerft auf dem Augsburger Reichstag,
im Frühjahr 1566, mehrmals von leichteren Schlaganfällen ge=
troffen worden; neue Anfälle im Herbft desjelben Jahres lähmten
au die Zunge, deren vollen Gebraud) der Herzog nie wieder
erlangt hat. Seitdem fehrten faft regelmäßig Tage wieder, an
denen er der Sprache beraubt, für Fremde unzugänglid, zu
Staatsgeihäften unfähig war. Die Räte mußten bei dieſem Zu:
ftand ihres Fürften, der ſich täglich noch verſchlimmern konnte,
eine natürliche Scheu haben, wichtige Reformen ins Leben zu
Refignation des Erzbiſchofs Friedrich von Wied. 15
rühren. Die nächte Folge für die jülih=cleviihen Lande war
nun, daß die bisher durch die Rückſicht nad) oben oder durd die
Hoffnung auf eine allgemeine Reform zurüdgehaltenen proteftanti=
ihen Kräfte auf ungeregeltere Weije ji geltend machten. ben
damals brachte man e3 dahin, daß am herzoglichen Hofe die Feier
der Mefje für einige Zeit ganz eingeftellt wurde. Dagegen faßten
nun auch durch die römiſch Geſinnten ihre Kräfte zufammen, um
bald als die Stärkeren in allen Hauptfragen die Enticheidung an
fi) zu reißen. Am jhlimmiten fuhr jene mittlere Richtung, welcher
Herzog Wilhelm perjönlid zugethan war; zum Zeil infolge feiner
Erkrankung — neben anderen noch ftärkeren Beweggründen, die
wir jpäter fennen lernen werden — verlor fie in ihm den Für-
ften, welcher den Willen und vielleiht auch die Macht beſeſſen
hätte, ihr deal einer im Geifte des chriftlihen Altertums von
Auswüchſen und Entitellungen geveinigten Kirche zu verwirk—
lichen.
Das Scheitern der Reformpläne des Jülicher Hofes wirkte
zurüd auf die Dinge im Erzitift Köln. War vordem SKurfürft
Friedrich zumeift vom Füliher Hof in feinem Widerftand gegen
die römiſchen Zumutungen beftärkt worden, jo mußten nun Herzog
Wilhelms Erkrankung und der daraus erfolgende Wirrwarr an
jeinem Hofe den Erzbiichof überzeugen helfen, daß fernerer Kampf
gegen die Kurie und die römiſch gefinnte Mehrheit feines Dom-
fapitel3 nußlos war ?).
1) Schon 1566 auf dem Augsburger Reichstag äußert Commendone
wiederholt die Anficht, daß Erzbifchof Friedrich hauptſächlich auf den Herzog
von Eleve Rüdficht nehme: l’eletto dipende in tutto da questo duca. Von
Friedrich felbft meint Commenbone: & assai buona persona et piü tosto igno-
rante che altrimenti. — Mali spiriti wollen die Sache vor ben Reichstag
bringen. Gli consiglieri, che per nome de l’elettore negotiano meco, mi
hanno detto espressamente, che l’elettore ha in questo negotio altri con-
siglieri che i suoi, et di altra qualitä che essi non sono. Das wird eben auf
Herzog Wilhelm zu beziehen fein. Lagomarsini l. c. IV. 294 u. 298
Im Jahre 1567 zählt Commendone unter ben Hauptichwierigfeiten ber
Kölner Sache auch folgende auf: gli interessi del duca di Cleves: il
quale con gli stati suoi eirconda quasi da ogni parte lo stato de la
16 Erſtes Bud. Erftes Kapitel.
chiesa di Colonia: et già molt’ anni tiene con questo eletto stretta in-
telligenza per le cagioni, che sono ben note a sua Bue, ]. c.,
p. 303. Diefe dem Papfte mwohlbelaunten Gründe find wohl bie im Jahre
vorher (l. c., p. 292) von Commenbone berührten: di non stabilire in
Germania quelle cose eirca le quali hora cercano alcuni far concordie et
misture di religione. — Im Sommer 1567, nad ber Nieberwerfung ber
nieberlänbifchen Bilderfiürmer und Qumultuanten, erklärt Commenbone
weitere Rüdfichten auf ben Herzog von Cleve für überflüffig. Er giebt ber
Kurie den Rat, den fpanifchen König gerade dadurch zum Einfchreiten gegen
Erzbifhof Friedrih zu bewegen, daß man ihm vorftelle, wie gefährlich das
Einvernehmen von Köln und Cleve für die fpanifchen Nieberlanbe ſei.
2. Kapitel.
Die Wahl Salentins von Ienburg.*
Wie hoch man aud) in Rom den im Erzftift Köln erlangten
Erfolg anſchlagen mochte, war es doch nur ein halber, wenn e3 nicht
gelang, an Erzbiſchof Friedrihs Stelle einen ergebneren oder doch
gefügigeren Nachfolger zu bringen. Schon lange vor Friedrichs
Rüdtritt beihäftigte man fi daher an der Kurie aud mit diejer
Frage. Zunächſt war die Vorfrage zu beantworten, auf welde
Weiſe überhaupt zu einem Nachfolger zu gelangen jei. Drei Wege
hatte man vor Augen: Beitellung eines Adminiftrators, Wahl
* Quellen: Die zum 1. Kapitel Quellen I. und Anm. 2 angeführten Bücher
und Arhivalien. — Ferner Korrefpondenz der Wetterauer Grafen, die
Freiftellung betr. 1565/66. Dil. X. C. 372. — Über die kirchlichen
Berbältniffe in den Gebieten ber rheinifchen Grafen und Herren von
MWinneburg, Manderfcheid, Sayn, Neuenar einiges bei Jacobſon,
Gefhhichte der Quellen des evangel. Kirchenrechtes ber Prov. Rheinlaud
und Weftfalen; 1844. Dafelbft weitere Fitteraturnachmweife. — Über
bie Familie Manderfcheid beſonders: Bärſch, Eiflia illustrata I. 2. —
Über die Schauenburger: Eyriacus Spangenberg, Ehronicon...
der graffen zu Holftein Schaumburgk, Stabthagn 1614. — Über bie
Sayner: Rhein. Antiguarins, 3. Abteil. 1, ©. 268 ff. — Über
Iſenburg ſ. Duellen zum 3. Kapitel. — Über die Statuten bes
Kölner Domkapiteld: bie gebiegene Arbeit von H. Hüffer, im befien
Forfhungen a. d. Gebiet des franz. u. bes rhein. Kirchenrechtes, 1863.
Einige Ergänzungen dazu gebenfe ich anderwärts zu veröffentlichen.
Meine Hauptquelle find natürlih die Domtfapitelprotofolle.
Loffen, Köln. Krieg I. 2
18 Erſtes Buch. Zweites Kapitel.
innerhalb oder Poſtulation außerhalb des Kapitels. In Rom hätte
man gern den erjten oder den dritten Weg eingejchlagen gejehen.
Für die Adminiftration meinte man einen Präcedenzfall zu haben:
Kardinal Nikolaus Cufanus ſei einmal drei Jahre lang zum Ad—
miniftrator von Köln beftellt geweſen ). Aber nit nur die
päpftlihe Partei im Domkapitel, jondern auch Commendone er=
flärte fi) gegen den Verſuch einer zeitweiligen Adminiftration ;
vor allem vertrug jid) damit die Kurwürde nicht. Poſtulation
zog dagegen auch Gommendone der Wahl vor, weil man unter den
wahlberedhtigten Kölner Dombherren feinen ganz geeigneten wußte.
Wahl (electio) und Poftulation unterſchieden ſich nad kirchlichem
Sprachgebrauch fo, daß eritere nur auf einen Wahlberechtigten fallen
fonnte; wer dies nidyt war, den fonnte man nur pojtulieren,
d. h. man richtete an den Papſt das Erſuchen (postulatio), zu
geftatten, daß ein Gewiſſer, der nad) den kanoniſchen Satzungen
nicht wählbar war, dennod der betreffenden Kirhe zum Haupt
gegeben werde ?).. Nady den Statuten des Kölner Domitiftes
forderte eine ſolche Poſtulation eine Stimmenmehrheit von zwei
Dritteln, mährend für die Wahl einfahe Majorität genügte.
Legtere hatte aber für Roms Zwede die Schattenjeite, da von
den bierundzwanzig Domfapitularen oder Wählern nur die jehzchn
Edelherren, nicht aber die am entſchiedenſten römiſch geſinnten
acht Doktoren oder Prieiterfanonifer wählbar maren. Unter
jümtlihen Edelherren wußte Commendone ſich nur eines Grafen
von Fienburg zu erinnern, deſſen Perſon ihm ziemlich gerühmt
1) Lagomarsini ]. c. IV, 311. Ich finde jedoch nichts That»
füchliches, was der Behauptung zugrunde läge. Es fcheint, daß an bie
Zeit gedacht werben muß, da Papft Eugen IV. in feinem Streit mit ben
Erzbifhöfen von Köln und Trier (1444/46) deren Abſetzung ausſprach. —
Hatte vielleicht der Papft vor feiner Ausföhnung mit Erzbifchof Dietrich von
Köln (Ianuar 1448) den Kardinal Nikolaus von Eues zum Abminiftrator
von Köln ernannt?
2) Ich folge ber Definition von Lagomarsini l. c. IV, 321. Andere
Definitionen bei Hinſchius, Kirchenrecht II, 677 ff.
Die Wahl Salentins von Ifenburg. 19
worden war; weit lieber aber wäre ihm die Pojtulation des Kar—
dinals von Augsburg, Dito Truchſeß, geweien. Keinen zuvers
läffigeren Freund hätte jih die Kurie für Köln wünſchen können.
Schon vor zwanzig Jahren dahte man in Rom daran, ihn an
Erzbiihof Hermanns Stelle nah Köln zu bringen). Bei dem
jegigen Zwift zwiſchen Kurie und Erzbiihof war er wieder der
erfte, den man als Adminiftrator oder Poftulierten ins Auge
faßte; im zweiter Linie erſt die übrigens ebenfall3 genehmen
Biihöfe von Lüttih und Osnabrück. Dem Kapitel gegenüber hatte
Dtto Truchſeß vor diefen beiden den Vorzug, dab er jelbft ein
Glied des in Köln ausihlieglid wählbaren hohen Adels war.
Denn der Biihof von Osnabrück und Münfter war zwar ein ges
borener Graf von Hoya, aber vonjeiten feiner Mutter, der
Schweſter de3 Schwedenkönigs Guſtav Waſa, nicht ebenbürtig;
und der Lütticher Biſchof, Gerhard von Groesbeck, gehörte einer
bloßen Ritterfamilie an. Man konnte vorausſetzen, daß das
Kölner Kapitel, welches ſtreng darüber wachte, daß jeder Domherr
acht Ahnen aus Fürſten-, Grafen- oder Freiherrenſtamm nachwies,
nicht leicht einen weniger edlen Biſchof über ſich ſetzen werde.
Seit mehr als zweihundert Jahren hatten nur Sprößlinge aus
fürſtlichen und gräflichen Häuſern, faſt ebenſo lang freilich auch nur
Domkapitularen den Kölner Stuhl beſtiegen.
Als Kardinal Truchſeß in ſeiner damaligen Reſidenz Dillingen
erfuhr — (erſt am 19. Juli 1567, wie er ſelbſt behauptet) —,
daß man in Rom ihn zum künftigen Erzbiſchof von Köln auser—
jehen, griff er eifrig zu und jandte alsbald eigene Gejandte nad)
1) Druffel, Viglius' Tagebud, ©. 224. VBarrentrapp, Hermann
von Wied, ©. 269. — Gommenbone® Nat (Lagomarsini Il. c.
IV, 306), den Kardinal durch feinen Neffen, ben Kanonikus Gebhard Truch—
feß, dem Kölner Domkapitel zur Poftulation vorzufchlagen, beweift, daß auch
Commendone, wiewohl weit beffer als bie anderen Kurialiften über beutfche
Dinge unterrichtet, bie Kölner Verhältniſſe nicht genau fannte. Denn
Gebhard beſaß zwar ein Kanonifat am Dom, war aber noch nicht Mitglied
bes Kapitels, alfo hier einflußlos.
2*
20 Erſtes Bud. Zweites Kapitel.
Köln, jowie nah Wien und nad) Münden, um dort das Terrain
zu unterfuhen, bier aber einflugreihe Fürſprecher zu gewinnen.
Am kaiſerlichen Hofe war man nicht ebenjo eifrig; es dauerte faſt
einen Monat, bis de3 Kardinal Gejandter, Dr. Thomas Geld,
bei Kaifer Marimilian perſönlich Audienz erlangen konnte. In—
zwiſchen brachten die faiferlihen Räte, namentlid) der Vizekanzler
Zafius, allerlei Schwierigfeiten vor: die anderen Kurfürften, be—
ſonders die drei weltlihen, würden in ihrem Kolleg nicht gerne
einen an den römischen Stuhl gebundenen Kardinal ſehen; es war
noch nicht vergeſſen, daß Otto Truchſeß einftmals feierlich gegen
den Religionsfrieden proteſtiert hatte. — Sogar Herzog Albrecht
von Bayern äußerte Bedenken: jedenfalls möge ſich der Kardinal
nicht anders als mit gutem Willen des Domlapitels und aller
anderen Beteiligten auf die Sache einlaſſen. Darüber kam einer
von Ottos Geſandten, Dr. Jakob Holzapfel, von Köln zurück, wo
er unter der Hand erfahren hatte, daß eine Anzahl Kapitularen,
namentlich die Prieſterkanoniker, nicht abgeneigt ſeien, ſeinen
Herrn zu poſtulieren, lieber jedenfalls als die nach den Stifts—
ſtatuten nicht qualifizierten Biſchöfe von Münſter und Lüttich oder
auch den Salzburger Erzbiſchoff. Auch Kaifer Marimilian gab
bejjeren Bejcheid, als anfangs zu erwarten war. Er veriprad,
feinen Rat Dr. Johann Hegenmüller, einen Vetter Selds, nad)
Köln zu ſenden; durd ihn und den Freiheren dv. Winneburg wolle
er den Kurfürften Friedrich nochmals ernſtlich ermahnen, das tri=
dentiniiche Slaubensbefenntnis abzulegen, — wenn aber vergeblid,
dann wolle er vor allen anderen den Kardinal zur Poſtulation
vorſchlagen, „weil das Domkapitel jest feinen zur Wahl taug=
lihen in feinem Schoße habe‘. Das Hang ſehr energiſch, viel
energiicher al3 die früher erwähnte kaiſerliche Inſtruktion für
Winneburg, Neuenar und Hegenmüller, energiiher aber aud, als
die Werbung, welche die Kommiffare am Tage nad Friedrichs
Rücktritt (26. Dftober) im Domkapitel wirklich vorbrachten. Laut
ihrer Inſtruktion follten die Kommiſſare nad erfolgter Refignation
das Kapitel ermahnen, einen unzweifelhaft katholiſchen Erzbiſchof
Die Wahl Salenting von Iſenburg. 21
und wohlgeeigneten Kurfürſten aus ſeinem Schoße zu wählen;
falls ſie in dieſem aber niemanden hätten, der ſich mit dieſer Bürde
beladen wolle, alſo genötigt ſeien zu poſtulieren, ſo empfehle der
Kaiſer ihnen den Kardinal Otto Truchſeß von Augsburg, über
deſſen Vorzüge zum Schluß viel Rühmliches geſagt wurde. — In
ihrer mündlichen Werbung ſcheinen die Kommiſſare noch nachdrück—
licher die Wahl und nicht die Poſtulation angeraten zu haben.
Zwei von den Kommiſſaren waren für ihre Perſonen ſicherlich
wenig geneigt, den Truchſeß des Kaiſers Weiſung gemäß auch
privatim zu empfehlen. Auf Hermann von Neuenar rechnete
Otto ſelbſt von vornherein nicht. Wie ſollte der reformierte
Graf einen römiſchen Kardinal als Lehnsherrn und Nachbarn ſich
wünſchen! Aber auch von dem Haupte der Kommiſſion, dem kai—
ſerlichen Hofratspräſidenten, Philipp dem Älteren, Freiherrn zu
Winneburg und Beilſtein, durfte Otto Truchſeß höchſtens erwarten,
daß er nicht geradezu ſeiner Inſtruktion zuwider handelte. Der
alte Freiherr hatte ſelbſt zwei Söhne, Johann Daniel und Jo—
hann, im Domkapitel; von dieſen bekannte ſich wenigſtens der
letztere, ebenſo wie der älteſte, weltliche Bruder Philipp der Jüngere,
ungeſcheut als Proteſtanten. Der Vater ſelbſt hatte noch im
vorigen Fahre beim Augsburger Reichsſtag an Beratungen der
evangeliichen Grafen über die Kreiftellung der Religion teilges
nommen. — Das mochte dem Kardinal unbekannt fein; doch er=
fuhr er bald menigitens jo viel, daß Winneburg ebeniomohl wie
Graf Neuenar perfönlid auf Seite der Grafen im Kapitel ftand.
Dieje aber wollten insgefamt von einer Poftulation nichts willen ;
jie könnten und wollten, erklärten fie öffentlih, die Schande ſich
nicht anthun laſſen, dag man jagen folle, nicht einer unter ihnen
jei wahlfähig; lieber würden fie ihre Präbenden und das Erzitift
verlafien, als poftulieren. Ihrer feien ſechzehn, der Prieſter—
fanonifer aber, welde die Poftulation gern ſähen, zur Zeit nur
ſieben.
Unter dieſen Umſtänden trug ſogar Dr. Hegenmüller Bedenken,
durch offene Parteinahme für den Kardinal ſich und den Kaiſer
22 Erſtes Buch. Zmeites Kapitel.
zu fompromittieren. Schon am 12. Dftober, kurz nad feiner
Ankunft in Köln, ſchrieb er an Herzog Albreht von Bayern, er
finde des Kardinals halben alle Dinge noch gar jehr im weiten
Felde; der gute Fromme Herr gebe ſich [dur fein übereifriges
Werben] ein wenig gar zu bloß. Hegenmüller nahm fogar Anz
ftand, das Empfehlungsichreiben des bayrischen Herzogs für Otto
dem Domkapitel zu präfentieren und that dies erſt Ende Novem-
ber auf wiederholtes Mahnen der Bevollmädtigten des Kardinals.
Dieje ſelbſt meinten, es wäre beſſer geweien, wenn fie beide,
Dr. Holzapfel und der Propit Hoyer, nicht jo lange bier gelegen
hätten. Inzwiſchen fam von Erzherzog Ferdinand von Zirol ein
eigener Gejandter mit Fürihriften für Kardinal Otto nah Köln.
Am 31. Dftober wurde das früher erwähnte Breve Pius’ V.
(vom 12. September) im Domkapitel verlefen; ein neues nod)
dringenderes päpftlihes Empfehlungsichreiben für den Kardinal
(vom 27. September) überreihten die kaiſerlichen Kommiſſare zehn
Zage vor der Neuwahl. Diejes lektere war, auf Commendones
Nat, erft dem Kaifer vorgelegt worden, — zur Auswahl neben
einem anderen, in weldhem außer Otto aud) die Biihöfe von
Münfter und Lüttich empfohlen wurden ). Kaiſer Marimilian
that zwar, als fei ihm ſelbſt Ottos Poſtulation durchaus er=
wünſcht, doch dürfte man fi nicht wundern, wenn jich finden
jollte, daß die Kommiſſare unter der Hand, nad) feinen geheimen
Weiſungen oder wenigitens in feinem Sinne, mehr für die Wahl
eines dem Saifer genehmen Domherrn gewirkt hätten. — Ein
legter Schimmer von Hoffnung lag für Dtto zulegt nur noch in
der Möglichkeit, daß fi) die Parteien im Kapitel über feinen der
Wahlkandidaten einigen und darum am Ende ihn poftulieren
würden.
An Bewerbern um die Wahl fehlte es nit, darunter vier
oder fünf wenigftens von folder Art, daß ihre Beftätigung durch)
1) Daß nur das den Kardinal von Augsburg empfehlende Breve bem
Kapitel vorgelegt wurbe, ergiebt das Protofoll vom 13. Dezember.
Die Wahl Salentins von Iſenburg. 23
Papft und Kaifer nit von vornherein undenkbar war. Hoffnung
auf die Wahl machte ſich zunächſt das Haupt des Kapitels, der
Domdehant Heinrih Graf von Sayn: gar ein feiner, junger
Herr, hieß e3 von ihm, aber nicht wenig verdädtig der Religion
halben und weil er einen Bruder habe, welcher Heftig in die
Sekten vertieft und mit fchweren Schulden beladen ſei. Der
Bruder, Graf Adolf, hatte in der That alsbald nad des Vaters
Zod die Reformation in der Grafſchaft eingeführt, Heinrich hielt
ſich jedoch, äußerlich wenigſtens, noch fatholiih. Vor etwa zwei
Jahren hatten die evangeliſchen Reichsgrafen bei Kurfürſt Fried—
rich und bei den Edelherren am Kölner Dom um Reformation
des Erzſtiftes oder wenigſtens um Freiſtellung der Religion auf
demſelben angehalten; damals antwortete ihnen der Dom—
dechant, er ſei nicht geſonnen, zur Zeit die alte, wahre, katholiſche
Religion, auf die er gelobt und geſchworen, zu verändern; würden
aber von ordentlicher Obrigkeit andere Wege bedacht, ſo ſolle ihm
auch nicht zuwider ſein, was ſeinen Mitherren gefällig. — Bei
ſeiner Wahl zum Domdechant (17. Oktober 1565) hatte Heinrich
geloben müſſen, binnen Jahresfriſt Prieſter zu werden; das that
er dann aber nicht, ging auch ebenſo wie die anderen Kölner
Edelherren in weltlichen Kleidern umher. In Kapitelsſachen ſpielte
er ſich dagegen als ſtrengen Katholiken auf; eben in dieſer Zeit der
Sedisvakanz ermahnte er einmal die anderen Kapitularen feierlich,
bei ihren Abſtimmungen fi katholiſch zu halten, damit er nicht,
mit Rat anderer Prälaten, ftrenge gegen fie einjchreiten müſſe. —
Sonft fagte man Heinrih nad, er habe „einen feltjamen Kopf“,
was im Hinblid auf fein jpäteres Leben wohl glaublich ift.
Meitere Bewerber waren zwei Grafen von Schauenburg, die
Brüder Hermann, poftulierter Biihof von Minden, und Anton,
der erſt jüngft (am 1. Dftober) Domkäpitular geworden war.
Man wollte wiſſen, den vierundzwanzigjährigen Mindener Biſchof
babe Kurfürft Friedrich ſelbſt ſich als Nachfolger auserſehen; doch
jagte man das auch von dem früheren Subdefan, Georg Graf
von Wittgenstein, der unlängft (31. Januar 1567) Dompropft
24 Erſtes Buch. Zweites Kapitel.
geworden und al3 folder nit Kapitular, alfo aud nicht mehr
wählbar war. Der Vater der beiden jungen Scauenburger,
Graf Dtto, vor Zeiten jelbft einmal Biſchof (von Hildesheim),
jegt aber Neiteroberft in ſpaniſchen Dienften, war jelbft zwar
offen lutheriſch, feine geiftlihen Söhne hatte er jedoch katholiſch
erziehen laſſen ). Für den geldarmen, finderreihen Grafen war
die Ausfiht, feine Söhne mit geiftlihen Pfründen gut verjorgt
und einjtmals vielleiht im Kurhut zu jehen, den zwei feiner
Brüder, die Erzbiſchöfe Adolf und Anton, bereits getragen hatten,
allzu verführeriih. Der Boftulierte von Minden war fogar er—
bötig, das Trienter Glaubensbefenntnis zu beſchwören, um ji)
dadurch die päpftlihe Konfirmation zu veridaffen. Im übrigen
ſagte man ihm nach, er ſei ein feines Herrlein, habe aber große
Luſt zu weltlichen Sachen. Gewiß war er einer von den Dom—
herren, von denen Dr. Holzapfel meinte, ſie hätten „kein Pfaffen—
fleiſch an ſich“. Auf Biſchof Hermann deutlich anſpielend, klagt
der Kölner Minorit Kratepoil ſpäterhin, die Biſchöfe ſeiner Zeit
ſeien nicht mehr Arbeiter im Weinberge des Herrn; ihr heiliges
Amt in der Kirche zu verrichten, ſchämten ſie ſich, nicht aber un—
nötigen Aufwand mit Dienerſchaft, Hunden und ſonſtigen Eitel—
feiten zu treiben ?).
Ein weiterer Wahlfandidat war der Kölner Domfcholafter
Johann Graf von Mandericheid - Blankenheim, nahmals Biſchof
von Straßburg ?). Über ihn erfuhr Kardinal Truchſeß durch
1) So hatte Graf Hermann 3. B. (im Jahre 1560) in Ingolftabt ftubiert
(Mederer, Annales I, 260), Graf Anton (im Jahre 1564) in Löwen
(Steph. Ifaac, Wahre und einfältige Hiftoria 1586, BI. 21b).
2) Merssaeus Cratepolius, p. 208 ber Ausgabe von 1578.
In der Ausgabe von 1580, p. 435 ift die entjprechende Stelle ſtark abge-
ſchwächt.
3) Im Jahre 1577 erzählte Dr. Hegenmüller dem Herzog Ernſt von
Bayern, vor zehn Jahren als er und Winneburg ebenfalls kaiſerliche Kom—
miſſare geweſen, „dazumal hete der her von Winnenberg den biſchoven von
Straßburg (als der ſein nahender bluetsfreunt) faſt gern befürdert ge—
ſehen“. StA. 38/13 fol. 213.
Die Wahl Salentins von Ifenburg. 25
ſeinen Kölner Gewährsmann, der Scholafter ſei gewiß ein frommer
Herr, aber nit ohne Verdacht der Religion halber; denn er
habe u. a. oftmal3 geäußert, daß er ſich wider die Konfeſſioniſten
nicht brauchen laſſen wolle. Auch jolle ev nicht das kanoniſche
Alter haben — (das kanoniſche Recht verlangt mindeſtens dreikig
Jahre für einen Biſchof) —; endlich werde er ſich gewiß durch
jeine Verwandten regieren laſſen. Die verihiedenen ſämtlich in
der Eifel anſäſſigen Zweige des gräflihen Hauſes Mandericheid
nahmen in kirchlichen Dingen, jovtel wir jehen, eine Art Mittels
ftellung ein; einerjeitS waren jie vielfach verwandt und ver—
ihmägert mit den proteftantiihen Grafen am Rhein und in der
Wetterau, anderſeits mußten fie wohl Rüdjiht nehmen auf ihre
fathotiihen Nahbarn, den Herzog von Jülich und die jpaniichen
Niederlande. Des Scholafters Mutter) und wohl aud jein
Bruder, der regierende Graf Hermann, waren perjönlic dem
lutheriſchen Belenntnis zugethan, die geiftlihen Glieder der Fa—
milie dagegen bequemten ſich dem katholiſchen Kult an. Es ift
bezeihnend für die Stellung der Familie, dab fie fih an der
1565 und 1566 betriebenen Agitation des Grafenftandes für die
Freiftellung der Religion auf den hohen Stiftern kaum beteiligte,
während doch ſowohl der Scholajter wie Graf Kuno von Man:
deriheid- Schleiden auf die vorhin erwähnte Werbung der evan-
geliihen Grafen in Köln für ihre Perjonen fih ganz gutwillig
geäußert hatten. — Von allen Kölner Domherren hatte damals
nur einer entſchieden und grundfäglidy gegen die Freiftellung ver.
Religion ſich ausgeſprochen: — Salentin Graf von Iſenburg—
Grenzau.
Als die abgeordneten Grafen im Januar 1566 zu ihm nad
Bonn kamen, erklärte er rundweg: er wolle ihrem Vorhaben nicht
1) Dagobert Fiſcher (Gef. der Stadt Zabern i. E., 1874, ©. 33).
erzählt, auf das Archiv von Zabern fich berufend, im Jahre 1572 habe
Biſchof Johann einen Intheriichen Prediger nah Zabern kommen lafjen, um
feiner fterbenden Mutter Margareta geb. Gräfin von Wieb das Abendmahl
zu reichen.
26 Erfte8 Bud. Zweites Kapitel.
allein feinen Beifall thun, fondern e3 vielmehr mit allem Exnft
verhindern; denn er gedenfe bei der alten fatholiihen Religion,
in welcher er erzogen, bis zum Ende feines Lebens zu bleiben ). —
Das war jener Graf von Iſenburg, jetzt Subdekan (Afterdedhant),
den man dem Kardinal Commendone gerühmt hatte. Auch Dtto
Truchſeß erfuhr von feinen Kölner Freunden nur Gutes über ihn;
er ſelbſt bezeichnet Salentin wiederholt al3 tapfer und tauglich
zu einem Biſchof, wenngleich es aud ihm am richtigen Alter
fehle. — Dies war jedoh ein Irrtum des Kardinal. Frag:
lich aber war, ob Graf Salentin überhaupt eine Wahl annehmen
würde, man muhte borausjegen, daß er als legter Sproß der
Iſenburg-Grenzauſchen Linie nicht gemwillt fein werde, durch den
Empfang der Priejterweihe und der biihöflichen Konfekration die
Befugnis zu heiraten ſich abzujchneiden. Nach ftrengem kanoniſchen
Recht wäre dies allerdings ſchon der Fall geweien durch die Sub—
diafonatsweihe, welche Salentin wie alle anderen Kölner Edel—
herren vor der Aufnahme ins Kapitel empfangen hatte. Aber
nad allgemeinem Brauch in den deutihen Hodjftiftern konnten die
adeligen Domberren, wenn fie auf Pfründe und Kapitelplatz ver
zichteten, troß der Subdiafonatsweihe jederzeit heiraten. Solde
Fälle kamen im Kölner Kapitel jahraus jahrein vor; es findet ſich
nicht, daß man in der Regel eine püpftlihe Dispens für nötig
gehalten hätte. Der Kardinal von Augsburg meinte, vielleicht
würde Graf Salentin die Wahl annehmen, um nad) einiger Zeit
‚mit guter Gelegenheit wieder auf das Stift zu verzichten.
Das Kapitel ſchien es mit der Neuwahl nit eben eilig zu
haben. Während der Sedisvalanz teilten ſich die Kapitularen in
die Negierungsgeihäfte und in die Einkünfte. Das mochte man=
1) Im Auguft 1567 wibmet Gerardus Belmannus Geldrienfis dem
Grafen Salentin feine Ausgabe bes Hoffmeifterfhen Kommentars zur
Apoſtelgeſchichte zunächft al8 einem: avitae et verae religionis studioso et
propugnatori ... . qui tanto ejus amore flagras, ut nihil non laborum,
nihil non molestiarum ejus conservandae et fovendae ergo suscipias et
aggrediaris.
Die Wahl Salenting von Iſenburg. 27
chem der Herren behagen; einige meinten jogar, dem Kapitel könne
auf einige Zeit, bis die Stiftsfhulden abgetragen, die Adminiftra=
tion anvertraut werden. Davon wollten aber die faiferlihen
Kommifjare nichts willen. Sie drohten mit der Ungnade des
Raijers, der einen Kurfürften brauche; das Kapitel dürfe nicht
denken, daß man feine Gefandten zu dem nah Fulda ausges
ihriebenen Kurfürſtentag zulaffen werde. Infolge ihres wieder
holten Drängens wurde endlih am 3. Dezember der Wahltag
auf Dienstag den 23. fejtgejegt und auf den Tag vorher, nad)
altem Herlommen, ein allgemeiner Landtag der Stiftsftände aus:
geichrieben. In der Zwiſchenzeit beichäftigte fi das Domkapitel
— außer mit der Abfindung Friedrihs von Wied — bejonders
mit der Revifion der Wahlartifel. Es jcheint nicht, daß man viel
zu Ändern fand; nur über den erjten Artikel gerieten Edelherren
und Prieſterkanoniker an einander. Die legteren verlangten, die
Klaujel, welde dem Erwählten freiftelle, beim apoftoliihen Stuhl
Dispens von der Priefterweihe zu erwirfen, jolle wegfallen. Da—
mit drangen fie nicht dur, brachten aber, mit Hilfe eines Teils
der Edelherren, einige andere Verſchärfungen bezüglid der Prieſter—
weihe und der Profeſſio fiver in den erjten Artikel, jo daß dieſer
nunmehr, überjegt aus dem lateiniichen Drginal, folgendermaßen
lautete:
„Wir N. N. Erwählter, veriprechen binnen einem Jahre
von heute ab uns zum Priefter ordinieren und zum Biſchof fon=
jefrieren zu lafen, jowie uns gemäß den Erfordernifien einer fol
hen Drdination und Konſekration zu verhalten und auf Erfordern
des Papftes die Profeffio fivei nicht zu verweigern. Sollten wir
aber durch vernünftigen Grund verhindert fein, im feſtgeſetzten
Zermin die Priefterweihe zu empfangen und deshalb bei dem
apoftoliichen Stuhl Dispens erlangen, jo joll das nit als ein
Zumiderhandeln gegen unferen Eid erjcheinen. Falls wir jedod)
unſere Perfon nit auf bejagte Weije qualifizieren noch aud)
binnen einem Jahre Dispens erlangen, jo werden wir auf ein=
fache Aufforderung des Kapitels libere pure et fimpliciter Das
28 Erſtes Buch. Zweites Kapitel.
Erzitift dem Kapitel reſignieren und unverfehrt (integre) refti-
tuieren.“ Die weitere Beftimmung des 1. Artifel3 über den zu
beftellenden Weihbiſchof, ſowie alle übrigen Artikel der Wahl-
fapitulation, über melde der vorige Erzbiſchof geſtrauchelt war
und an denen aud) der künftige ſich wieder ſtoßen jollte, jcheint
man unverändert herübergenommen zu haben. Am Wahltag,
unmittelbar vor der Wahl, wurde die Kapitulation von ſämtlichen
Kapitularen, und nad) der Wahl nochmals von dem Ermählten
eigenhändig unterzeichnet. Acht Edelherren liegen jedod in das
MWahlprotofoll einen Proteſt aufnehmen, daß fie in die Zuläße
zum erften Artikel, Priefterweihe und Profeſſio fidei betreffend,
nicht einwilligten und das Weitere wegen Dualififation und Reli
gion des Erzbiihofs dem fünftigen Herrin anheimftellten; alle
anderen Artikel dagegegen genehmigten aud) fie durch ihre Unter-
ihrift. Diefe acht Proteftierenden waren: zwei von den ſechs
Prälaten, der Chorbiſchof Kuno von Manderiheid - Schleiden und
der Junior-Diakon Hermann von Sayn (des Domdechanten
Bruder); ferner Ludwig Graf von Iſenburg-Büdingen, Chriſtoph
Ladislaus von Thengen Graf zu Nellenburg, der Poſtulierte von
Minden, Hermann Adolf Graf zu Solms, Johann von Winnes
burg und Beter Ernft von Kriechingen.
Die Berufung der Landftände vor der Neuwahl gründete ſich
bauptiählid auf die Erblandesvereinigung des Jahres 1463. In
diefem Fahre, glei) nad) dem Tode des Erzbiſchofs Dietrih und
im Andenken an die vielen Fehden und anderen Beſchwerden,
welche er über das Erzitift gebracht, hatten Domkapitel und welt—
liche Landftände ſich vereinigt, künftighin feinen Landesherrn anzu:
nehmen, bevor er gelobt, eine Anzahl Punkte, weldhe feiner Will:
für und Macht eine ftarfe Schranke zogen, unverbrüdlid zu bes
obachten. Inbezug auf die Neuwahl beftimmte Art. 13 der
Vereinigung, dag die Landftände jedem durch das Kapitel ein=
trächtig oder durch dejjen meiften Zeil erwählten Herrn Gehorjam
leiften würden. Im Jahre 1550 war die alte Erblandesver-
einigung durch Vertrag des Erzbiſchofs Adolf mit dem Domkapitel
Die Wahl Salentins von Iſenburg. 29
und den rheinischen Ständen in einigen Punkten erläutert und in
der Sprade dem Hochdeutſchen genähert worden. Mor jeder
Neuwahl pflegten die weltlichen Landſtände das Kapitel an dieſes
Grundgeſetz des Erztiftes zu erinnern. Auch jetzt geſchah dies
durh Grafen und Nitterihaft, welche das Kapitel zugleich er=
mahnten, darauf bedacht zu fein, daß der künftige Erzbischof beſſeres
Recht pflege und ihre bejonderen Privilegieen wohl beobachte. Neben
diefen allgemeinen Redensarten forderten fie diesmal das Kapitel
noch insbejondere auf, nur aus feinem Schoße zu wählen und
keineswegs zur Poſtulation zu greifen, ſowie einen ſolchen Landes-
fürften zu füren, der nicht wieder abtrete, jondern bis ans Ende
feiner Tage beim Erzjtift verharre. Die Ritterſchaft des ſeit mehr
als 150 Jahren ven Grafen von Schauenburg verpfündeten
Veites von Recklinghauſen brachte Klagen vor über Willlür und
Rehtsverlegungen ihres Pfandherrn und feiner Beamten. Im
übrigen verliefen Landtag und Wahl es friedlich und in ger
wohnter Drdnung.
Bon altersher beobachtete man im Kölner Domftift bei der
Wahl des Biihof3 wie der anderen Prälaten ein Verfahren,
welhes in diefer Form im kanoniſchen Recht nicht vorgejehen,
jedoh aus zwei ſonſt gebräudhlihen Wahlarten, dem Sfrutinium
und dem Compromiſſum, kombiniert war. Daher nannte man es
die Via scrutinii et compromissi mixti sive determinati. Der
Hergang bei der Biihofswahl war folgender: Nachdem die ges
wöhnlichen Formalitäten — (Citation aller Wahlberechtigten, Proteft
gegen Teilnahme von Erfommunizierten oder jonft fanoniih Uns
fähigen, und Anrufung des heiligen Geiftes) — erfüllt waren,
wurden drei Skrutatoren und Kompromifjarier gewählt, regelmäßig
der Domdehant, der Senior-Diakon und der Senior der Prie—
iterfanonifer. Dieje drei forderten in einem befonderen Gemad)
erft einander, dann allen anderen Slapitularen der Reihe nad) und
zwar jedem bejonders fein Votum ab, welches bon dem als
Notar Fungierenden Sapitelsjefretär jofort aufgejchrieben wurde.
Dann vergliden die Skrutatoren die abgegebenen Stimmen. War
30 Erfte8 Buch. Zmeites Kapitel.
nicht Einftimmigkeit, jondern nur Majorität erzielt, jo meldeten fie
dies im Kapitelhaus und baten, ohne Namen zu nennen, um die
Erlaubnis, dag ein Beitritt (accessio) der Minderzahl der Stim-
men zur Mehrzahl erfolge. Dieje Erlaubnis erteilte das Kapitel
und ermächtigte fie zugleid) denjenigen, weldem die major et sanior
pars capituli zugejtimmt babe, durch einen aus ihnen als fünf:
tigen Erzbischof zu erwählen und zu verfündigen. Unter weiteren
Formalitäten wurde alsdann die Wahl der Skrutatoren durd) das
Gejamtlapitel genehmigt und von dem Grwählten angenommen.
Darauf Glüdwunid, Unterzeihnung der Wahlartifel, bifchöflicher
Eid und Beihmwörung der Statuten, nun Vorftellung an die
Vertreter der Landftände, Erneuerung der Verträge mit der Reichs—
ftadt Köln, endlich Verkündigung und Inthroniſation im Chor der
Domkirche.
Man ſieht, in dieſen Vorſchriften iſt nichts darüber beſtimmt,
ob abſolute oder bloß relative Stimmenmehrheit erforderlich iſt,
bevor die Skrutatoren um die Acceſſio erſuchen und den Erz—
biſchof wählen. Auch ſcheint die Klauſel, daß die major pars zu—
gleich sanior ſein müſſe, der Willkür der Skrutatoren freien
Spielraum zu bieten. Dennoch findet ſich in einer ganzen Reihe
von Jahren in den Kapitelprotokollen niemals, daß eine ſolche
durch Serutinium et compromissum mixtum erfolgte Wahl eines
Prälaten beanſtandet worden wäre. Man wird alſo annehmen
dürfen, daß nach dem Herkommen ſchon die relative Majorität für
ausreichend erachtet wurde; die Klauſel von der sanior pars ca-
pituli wurde in Köln wie anderwärts durch die Regel, Stimmen
zu zählen und nicht zu wiegen, unſchädlich gemacht. Bald nach
dem Wahlakt wurde ein offizielles lateiniſches Protokoll über deſſen
Verlauf, das fjogenannte Wahldelret, abgefaßt, von jämtlichen
Mählern unterfhrieben und alsdann, zum Behuf der päpftlichen
Konfirmation, nad) Rom gefandt. Da auch diejes Protokoll Zahl
und Namen derer, welche für und gegen den Ermwählten geftimmt
hatten, nicht enthielt, jo blieb wenig Raum zur Anfechtung der
Wahl. Nah außen galt jeder Erwählte, falls nit jemand förm—
Die Wahl Salentins von Iſenburg. 31
lich proteſtierte, als einmütig oder ſogar einſtimmig gewählt. Der
Nimbus der Einmütigkeit erſcheint nur dann getrübt, wenn, wie
nachmals bei der Wahl des Gebhard Truchſeß, ein Kapitular
öffentlich proteſtierte und Vorgänge enthüllte, von denen nicht das
Kapitel als ſolches, ſondern nur die drei Skrutatoren und der
Notar nebſt Zeugen etwas zu wiſſen brauchten. Es iſt vielleicht
bloßer Zufall, daß der Kapitelsſekretär die Wahlliſte des 23. De—
zember 1567 aufbewahrt hat, wodurch wir heute wiſſen, wer für,
wer gegen Salentin von Fienburg ftimmte Für ihn ftimmten
fieben Edelherren: der Chorbiſchof Kuno und der Scholafter Jo—
bann von Manderiheid, die Grafen Ludwig von Sienburg-
Büdingen, Wilhelm von Reiffericheid, Hermann und Anton von
Schauenburg, der Freiherr Johann Daniel von Winneburg; jodann
ſämtliche Priefterfanonifer, deren damals zufällig nur fieben (itatt
acht) waren; in allem aljo vierzehn Wähler. Dem Domdedanten
Heinrih von Sayn fielen ebenfall3 jieben adelige Stimmen zu:
die der Brüder Reinhard und Hermann Mdolf von Solms, die
jeines eigenen Bruders Hermann, weiter von Chriftoph Ladis—
laus von Thengen, Philipp von Manderſcheid-Keil, Johann von
Winneburg und Peter Ernft von Kriehingen. Niemand durfte
ſich jelbft wählen, einem Rivalen mochte man jeine Stimme ges
wiß auch nicht” geben; der Dechant nannte deshalb den Poſtu—
lierten von Minden, Graf Salentin aber den Domſcholaſter.
Die Abjtimmung ergiebt, daß im allgemeinen die zweifelhaft Ka—
tholiichen den Domdehanten bevorzugten, jedod befinden ſich auch
unter Salentins Wählern drei, welche gegen den erften Artifel
der Kapitulation proteftiert hatten: ein Beweis, dab die kirchliche
Stellung nit allein den Ausihlag gab, jondern perjönliche oder
Familien-Intereſſen mit hineinjpielten.
An allerhand ,, Praftiten — das ift an mehr oder minder uns
erlaubten, fimoniftiihen Mitteln, Stimmen zu gewinnen — wird es
bei diefer Wahl jo wenig wie bei den meijten anderen geiftlichen
Wahlen gefehlt haben; wir wiſſen jedod nichts Näheres, als da
nad) Fahren behauptet wird, dem BPriefterfanonifus Dr. Gotfrid
u
32 Erſtes Buch. Zweites Kapitel.
Gropper, Dechant von St. Marien ad gradus, verdanfe Salentin
bauptjächlich feine Wahl 9); jedenfalls erſcheint er gleich nachher
als des neuen Kurfürften rechte Hand. Vermutlich wußte Gropper
die anderen Doktoren zu überzeugen, daß, da die Poſtulation
nicht Durchzujegen, es immerhin bejjer fein werde, einen entichiedenen
Katholifen auch ohne Konfekration und für fürzere Zeit zu wählen,
al3 einen verdädhtigen auf Lebensdauer. Daß Salentin fein Leben
lang Biſchof bleiben wolle, glaubte gewiß ſchon zur Zeit feiner
Mahl niemand.
As dem Ermählten durch den Senior der BPriefterfanonifer
Sebaſtian Novimola von Duisburg feine Wahl verfündigt wurde,
that er, als nähme er fie nur ungern an; er wies hin auf feine
Familienverhältniffe, auf die Schuldenlaft des Erztiftes, auf die
unruhige Zeit und die religiöfen Streitigkeiten. Erſt wieder-
holtem Erſuchen des Kapitel3 gab er nad, jedod nur unter
der Bedingung, daß das Kapitel unter einander und mit ihm
einig ſei und neben den Landſtänden ihm getreuli helfe, die
auf dem Stift laftenden Bejchwerden abzuftellen. Er mollte ſich
wohl für alle Fälle den Rüden deden und das Kapitel wenigſtens
einigermaßen binden. Nachher, al3 er im Kapitelhaus den Land-
ftänden vorgeftellt wurde, ließ er fih aud) von ihnen Rat und
Hilfe verſprechen. Die von dem Rate der Stadt Köln ihn vor:
gelegte Urkunde über Erneuerung der alten Verträge unterichrieb
und befiegelte er nur unter dem Vorbehalt, daß er an etwaige
Neuerungen in ihr nicht gebunden jein wolle.
Drei Zage nad) der Wahl erihien Salentin nohmals, und,
was ganz ungewöhnlich, ohne einen jeiner Räte vor verſammeltem
Kapitel und erinnerte die Kapitularen an ihr Verſprechen, einig
1) Am 21. Juli 1576 berichtet der bayriſche Gefanbte Dr. Fabricius aus
Nom an feinen Herzog über eine Unterrebung, bie er daſelbſt mit Kurfürft
Calentins Rat Dr. Gropper hatte und fügt bei: „„Certe non miror, electorem
tam multa cedere huic Groppero, posteaquam certo jam pridem cogno-
verim, illius propemodum unius consilio et auxiliis factum fuisse, ut tam
egregie ante aliquot annos eluderetur p. m. Card. Augustanus tandemque
suflragia in praesentem Salentinum reciderint.“ StA. 227/3 fol. 16.
Die Wahl Salentins von Ifenburg. 33
und ihm behilflich zu fein. In diefem Falle wolle er alles daran
fegen, jelbft feine Privateinkünfte nicht ſchonen, um das Erzitift
wieder in beijeren Stand zu ſetzen, die alte wahre Religion zu
handhaben, was dem Stift entzogen wieder herbeizubringen und
allen weiteren Abbruch zu verhüten. Nicht ein Herr, ſondern ein
Diener des Stift3 wolle er fein )).
Wir werden jehen, wie Kurfürft und Kapitel ihr gegenfeitiges
Deriprechen verftanden und hielten. Einftweilen begrüßten wenig:
ſtens die katholiſch Gefinnten Salentins Wahl mit aufrihtiger Freude.
Selbft Kardinal Truchſeß erklärte fih gegen feinen Freund, den
bayriſchen Herzog, völlig zufrieden mit ihr: „Gott hab Lob, Dank,
Ehr und Preis, ſchrieb er, und ich bin es herzlich erfreut worden,
bon wegen daß ein gute Wahl ift und daß ich dieſer jchweren
Bürde dadurch erledigt bin‘ ?).
1) Das urfprüngliche Protofoll biefer Ansprache Salenting wurbe fpäter
offiziell redigiert und dabei einigermaßen abgeſchwächt. So fiel 3. ®. bie
Erklärung weg, daß der Ermwählte feine eigenen Einkünfte einſchießen wolle.
In ihrer neuen Faſſung wurde bie Anfpradhe am 21. Februar 1568 im
Kapitel verlefen und genehmigt.
2) Im Jahre 1568 widmet Melchior Hittorp fein großes Titurgifches
Sammelwert De divinis catholicae ecelesiae officiis ac ministeriis bem
Kurfürften Salentin, ut quemadmodum te non solum civitas Coloniensis,
sed universa dioecesis antea communibus vocibus unanimique consensu,
non secus atque olim Ambrosium cives Mediolanenses, sibi dari episco-
pum hoc, tam difficillimo tempore expetiverant et Reverendorum atque
Ollustrium Ecelesiae Colon. procerum suffragiis electum sibique exhibitum
nunc faustis acclamationibus congaudent et congratulantur: ita eandem
ego electionem atque ad episcopatum legitimam vocationem, quam nullo
ambitu factam et tu tibi ipsi es conscius et tota Colonia non ignorat,
nosque propterea divinitus factam non ambigimus et omnia nobis felicia
ex ea auguramur et audemus polliceri, gratulatione etiam aliqua quamvis
‚sera prosequerer. . . . Auch der fromme Andernacher Ratsherr Ludwig
Hillesheim fpricht in einem gebrudten Glüdwunfh die Hoffnung aus, daß
unter Kurfürft Salentin bie Not ber katholifchen Kirche und bes Vollkes ge-
mildert werbe: quamobrem, confirmata omnium ope, gratulatione publica
excepta est virtus tua. Oratio gratulatoria cum narratione Psalmi LXIIII
ad Reymum, „, D. Salentinum. Autore Ludovico Hillessemio Andernaco,
Coloniae 1568.
Loſſen, Köln. Krieg 1. 3
3. Kapitel.
Kurfürſt Salentins Anfänge. *
Als Salentin von Fienburg durd die Wahl des 23. Dezem-
ber 1567 auf den erzbiihöflihen Stuhl von Köln erhoben wurde,
ftand er in jeinem jechsunddreißigften Lebensjahre. Won der
äußeren Erfheinung des Mannes fünnen wir uns nad) Münzen
und nah Berihten von Zeitgenoffen ungefähr ein Bild maden:
* Quellen: Über Salenting Familie, Iugendgefhichte und Charakter:
Fiſcher, Geſchlechtsreihe der ... Häufer Ifenburg, Wied und Runkel.
Mannheim 1778. — Häberlin, Neueſte teutſche Reichsgeſch. VI, 103
u. 346. — Scotti, Provinzialgeſetze, Z. Sammlung. Kurfürſtentum
Köln I, Nr. 24. — Rhein. Antiquarius III, 1. ©. 478f. —
Ennen a. a. O. IV, 642. — Münzen bes Kurfürften Salentin find
abgebildet bei Köhler, Hiftor. Münzbeluftigung, IV. Th., ©. 185 und
im Anhang von 3. St. Red, Geſch. der gräfl. und fürftl. Häujer
Iſenburg, Runtel, Wied. Weimar 1825. Ein Salentinfcher Dufaten und
verichiedene Thaler auch im Münchener Münzfabinet. Die Abbildung des
heute nicht mehr fihtbaren Grabmales Salentins in ber ehemaligen
Abtei Rommersborf bei Fifher a. a. O. zeigt Salentin als Greiß
mit wenig veränberten Gefichtszügen. — Meine Eharafkteriftit Salentins
entnehme ich hauptfächlich einem ausführlichen für den Herzog von
Bayern gefchriebenen Berichte des trierifchen Rates Philipp von Naffau,
aus bem Jahre 1569. „Bedenken Cöln Halb.” StA. 38/3 fol. 9;
vgl. dazu Prinsterer 1. c. IV, 35sqg. und VII, 297.
Gachard, Corresp. de Philippe IL, II, 277 und III, 162. — Be
weile für Salentind Freude am ftarten Trunk in feinem fpäter zu er—
mwähnenden Briefwechfel mit Graf Johann von Naſſau und fonft. —
Was Hans von Schweinihen Denkwürbigfeiten, herausgeg. von
Kurfürft Salentins Anfänge. 35
eine ftattlihe Figur, im Ebenma dazu der Kopf mit dem hoben,
vorne Schon fait fahlen Schädel, mit der ftarfen Adlernaſe und
einem über die Bruft niederwallenden Vollbart; der Leib allzeit
in mweltlicher Kleidung, am liebften in der Reiterrüftung. Geiſt—
liche Tracht hat Salentin vielleiht nur einmal in feinem Leben
angelegt — glei nad der Wahl, da er gemäß dem Herkommen
im erzbiihöflihen Gewand den Eid leiftete und alsdann, im Dome
auf dem Hodaltare figend, dem Klerus und dem Volt als Erz-
biihof verfündigt wurde. Vor feinem Menjchen machte Salentin
ein Hehl daraus, daß er fonderlihe Luft zu Kriegsſachen habe,
und gar nicht zum BPfaffenftand. Seine Kammerwände waren
mit Harniſch und Büchſen behängt; fein Hofgefinde mollte er
„auf reiteriſch geputzt“ haben; er jelbjt und die Hofleute, gelehrt
und ungelehrt, ritten auf Reifen, auch wo gar feine Gefahr, jtet3
im Harnifh. Bon ſtarkem Trinken war er ein großer Freund,
wie das derzeit zu einem tapferen deutihen Manne gehörte. Mit
dem Cölibat jcheint er es nicht firenger genommen zu haben als
die meiften anderen Geiftlihen der hohen Stifter. Nachmals, als
9. Defterley, S. 106 von Salentin erzählt, laſſe ich auf feinem
Wert oder Unwert beruhen. Gerabezu Anftößiges finde ich fonft von
Salentin nicht berichtet. Vielleicht war feine Marime bie jo mander
anderen Leute: si non caste tamen caute. — Galenting Freude
an ber fhönen Kunft bekunden u. a. feine zablreihen Bauten. Ein-
mal (2. Auguft 1574) madt ihm Graf Johann von Nafiau ein Bild
(mergenbilt) zum Gejchent: „als demjenigen jo mir bewuft, das er bie
funft des malens ober contrafeteur (!) lieb, und fchone bilder und gemelft
gern ſehet“. — Im ber Natur richtete Salentin fein Augenmerk nicht
nur anf das, was bamals für fehenswert galt (vgl. Strunck
(Schaten), Annal. Paderb. III, p. 440), fondern aud auf Schönhei-
ten, bie erft unfere Zeit recht mwürbigen lernte, 3. B. ben Königsſee bei
Berchtesgaden, ben Salentin im Jahre 1575 aufſuchte. — Salentins
gelehrte Bildung im geiftlicher und meltlicher Litteratur und Geſchichte,
fowie feine Sprachentenntnis (lateinisch, franzöfifch, griechiſch u. f. mw.)
rühmt Belman in ber zu Kap. 1 Anm. 9 erwähnten Wibmung, bie
man freilich nicht buchſtäblich zu nehmen. haben wird. — Über Sa-
lentins erfte Regierungshandlungen, befonders die Domfapitelprotofolle
im DA. Bol. Merssaeus Cratepolius 1. c. p. 150sgaq.
und Gelenius, De Coloniae Agripp. magnitudine 1645,
3*+
36 Erſtes Bud. Drittes Kapitel.
er längſt vefigniert und fi) verheiratet hatte, erinnerte ihn ein
alter perfönlicher Freund und politiicher Gegner, Graf Johann von
Naffau, Icherzend daran, daß er „je und allmwegen ein jonder
Patron und Liebhaber der Frauen und Jungfrauen, doch etwas
mehr der jungen und jchönen al3 der alten, gewejen, und hinwider
bon denfelben auch viel Ehr, Liebs und Dienft empfangen‘. Den
Geſchmack für die ſchönen Künfte teilte Salentin mit vielen jeiner
Zeitgenoffen, den Sinn für die Schöne Natur mit wenigen. Die
gewöhnliche gelehrte Bildung von damals hatte er auf verſchiedenen
Schulen und Univerfitäten ſich angeeignet, ohne darüber feinen
praftiichen Verſtand, den derben Mutterwig und die angeborene
Beredfankeit zu verlieren. Viel Schlauheit und viel Luft an
Ränken und feinen Liften ftecte unter dem polternden Weſen des
groben Reitersmannes; mandmal freilich trug fein Jähzorn über
alle Eugen Anfchläge den Sieg davon. Man meinte, das ſei ein
Erbfehler der Familie: der Großvater und ein älterer Bruder
feien „um ein gering Urjad von der Golera erhigt in einem
Moment geſund und tot geweſen“.
p. 76. — Über ben Streit um Kaiſerswerth Lacomblet, Archiv,
Bd. IV. — Über Salentins Beziehungen zu Wilhelm von Oranien im
Jahre 1568: Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Fr. II, 241. 244,
255. Einzelne Korrefpondenzen hierüber auh DA. Kriegg- und
Alianzverhandlungen, Nr. 9. — Über Salentins Streit mit der Stabt
Köln: Ennen a. a. ©. IV, 588/599. — Über die Verhandlungen
mit Rom wegen ber Konfirmation außer den Domfapitelprotofollen
befonder8 die Korrefponbenz des Herzogs Albreht von Bayern mit
Otto Truchſeß, teils bei Wimmer, Bertraulicher Briefwechſel ıc.
(aus Steichele, Beiträge zur Geſchichte des Bistums Augsburg
1851), teils RA. Hocftift Augsburg, Bb. IV. Einiges auch bei
Laderchius, Annal. Eccles. Contin. Baronii, T. XXIII, p. 73sqq. —
Salentins Inſtruktion für Eafpar Gropper und Wild. Quad StrY.,
Serie G, Nr. 679; Schreiben Groppers an Salentin (vom 17. Juli
1568) daſelbſt G, Nr. 247 — beide Eopieen erwünſcht als Ergänzung
der im DA. größtenteils fehlenden Korrefpondenz Salentins. StrY.,
Serie G, Nr. 202 u. 208 auch Driginallorrefpondenz des Kardi-
nals von Augsburg mit Bifchof Johann von Straßburg, befien Kon-
firmation betreffend. — Johann leiftet erft unter Papft Gregor XIII. den
Trienter Eid.
Kurfürft Salentins Anfänge. 37
Gewiß niht eigene Neigung, fondern das Familieninterefie
führte den jungen Salentin in den geiftlihen Stand. Sein Vater,
Sraf Heinrich der Ältere zu Iſenburg und Grenzau, hatte drei
Söhne und nur eine Heine verſchuldete und zum Zeil verjegte
Grafſchaft, beſtehend in drei auseinanderliegenden Gebieten auf
dem rechten Rheinufer: am Saynbach das alte mit Wied ge-
meinfame Stammhaus Iſenburg, unweit davon die Burg Grenzau
mit einigen zugehörigen Dörfern; weiter oben am Wefterwald das
Städtchen und Schloß Herſchbach nebit ein paar Heinen Ortſchaf—
ten im Zlußgebiet der oberen Wied; am Rhein die Burg Aren-
fel3 wieder mit ein paar Dörfern. Dazu noch einige Zehnten
und dergleihen Berechtigungen, — alles teils Allode, teils Lehen
von Zrier, Köln, Kurpfalz, Fulda. Seine Gemahlin Margaretha
Gräfin von Wertheim brachte ihm den Anſpruch auf einen Anteil
an ein paar weiteren fuldiihen Lehen im Maingebiet zu, Schloß
Breuberg und Dorf NRemlingen.
Indem Graf Heinrih von Iſenburg feine beiden älteren
Söhne Johann und Salentin in den geiftlichen Stand gab, ver=
jegte er fie am eheften in die Lage, mittelft geiftliher Pfründen
ſich felbft zu unterhalten. Der jüngite Sohn Anton blieb welt-
lich; da er aber ſchon in jungen Jahren umkam, jo verzichtete der
ältefte, Zohann, auf feine Domherrenpfründen zu Zrier und zu Straß-
burg und heiratete eine Gräfin von Manderiheid-Schleiden, ftarb
jedod ebenfalls Finderlos im Jahre 1567. — So war Salentin
furz dor jeiner Wahl zum Erzbiſchof vegierender Herr zu Iſen—
burg und Grenzau geworden. Außerft dürftig find die Nachrichten
über feine Jugendjahre. Fünfzehn Jahre alt (1547), wurde er
zugleich mit jeinem Bruder Johann an der Kölner Univerfität
immatrifuliert; 1561, alſo im Alter von neunundzwanzig Jahren,
finden wir ihn noch bei den Studien: ex bewirbt fid) damals beim
Kölner Domkapitel vergeblih um Unterftügung für eine Studien-
reife, vermutlich auf irgend eine franzöfiihe Univerfität. In—
zwiihen hatte er die gewöhnliche geiftlihe Stufenleiter der vor—
nehmen rheiniſchen Herren erftiegen. 1548 erhielt er eine Doms
38 Erfte8 Bud. Drittes Kapitel.
pfründe zu Mainz, 1552 ein Kanonikat am Kölner Dom. 1558
fam er ins Donfapitel. Ein Bruder feines Vaters, Gerlach,
war Dedant bei St. Gereon, der nächſt vornehmen Kölner
Kollegiatkicche, gemweien; vermutlich bat diejer feinem Neffen die
Nachfolge in der einträglihen Würde verſchafft. Auch im Hoch—
jtift Straßburg, welches nur Edelherren, großenteil3 diefelben wie
das Kölner Domkapitel, zu Mitgliedern hatte, wurde Salentin
Kapitular, Später Domjcholafter, dann Domkuſtor. In feinen
jüngeren Jahren ſchien er durch Familienbeziehungen eher auf das
Erzitift Trier hingewieſen: feines Vaters zweiter Bruder Johann
befleidete zu Trier verihiedene hohe geiftlihe Würden und wurde
ſchließlich ſogar Erzbiſchof (1547); bei ihm war Salentin vor=
und nachher teilweie erzogen worden. Aber Kurfürſt Johanns
Regierung war für das Erzftift Zrier feine glückliche; auch jtarb
er Schon im Fahre 1556, ohne daß ihm der Neffe in einer feiner
geiftlihen Würden und Pfründen gefolgt wäre. — Vielleiht hat
die befondere Bitterfeit, welche Salentin nachmals, al3 Graf von
Sienburg und als Kölner Kurfürft, in feinen Irrungen mit Kur—
trier an den Tag legt, in diefen alten Gejdhichten einen Grund. —
Beſſer ging es ihm in Kurmainz und Kurköln. Als Gejandten
des Mainzer Kurfürften finden wir ihn 1565 bei Kaiſer Ferdi-
nands Erequien in Prag und bald danad) unter den Bilitatoren
des Kammergerihtes. Am Hofe des Kurfürften von Köln find
wir ihm im Januar 1566 begegnet. Das Kölner Domlapitel
ordnet ihn in demfelben Fahre, neben Graf Georg von Wittgen-
ftein, zum Augsburger Reichstag ab und erwählt ihn, im Januar
1567, als deſſen Nachfolger zum Afterdehant. Kurz vor Kurfürft
Friedrichs Nefignation erſcheint Salentin als fein und des Doms
fapitel3 Vertreter mit einigen anderen Herren auf einem weſtfäliſchen
Landtage; nachher ift er unter den zur Einnahme des Stiftes
während der Sedisvalanz deputierten Domtlapitularen. — Das
ift jo ziemlich alles, was wir über Salentin bis zu dem Augen—
blicke wiſſen, da er als ermwählter Erzbiſchof die Zügel des geift=
lichen und weltlichen Regimentes jofort mit kräftiger Hand ergreift.
Kurfürft Salentins Anfänge. 39
Salentin hatte gelobt, nad Möglichkeit das, was dem Stifte
entzogen, wieder herbeizubringen; es währte nicht lange, jo fing er
an, fein Verſprechen einzulöien. Ein paar Monate ſchon nad) feiner
Wahl brachte er mit Hilfe des Domkapitel3, nad) dem Tode des
Pfandinhabers, das jeit langer Zeit verpfändete Haus Erprath an
der Erft wieder an das Erzſtift. Damit begann die ftattlicdhye
Reihe von Einlöfungen verpfändeter Stiftägüter, welche einer dank:
bareren Nachwelt Anlaß gab, dieſen Kurfürſten den Fundatoren
und Donatoren der Kölner Kirche beizuzählen. Die ſchwebende
Schuld betrug über 42,000 Zhaler; weit mehr noch die fundierte.
Um die drängenden Gläubiger und Bürgen zu beichwichtigen, ließ
fich der Kurfürft vom Kapitel zunächſt ermächtigen, eine Anleihe
von 5000 Xhalern aufzunehmen ). in alter Zankapfel zwi:
ſchen den herzoglihen Häufern von Gleve und Fülih und dem
Erzitift Köln waren Stadt und Schloß Kaifersmerth mit dem
einträglichen Rheinzoll, welche Erzbiihof Dietrih, einen Bruder:
zwift im clevifchen Hauje benugend, im Jahre 1424 von Graf
Gerhard von der Mark für 100,000 Gulden erfauft hatte. Die
Herzöge von Gleve und Jülich betrachteten diefen Verkauf niemals
1) Die gebräudlichften Geldforten in ber uns beſchäftigenden Zeit find:
a) Bon Silbermünzen der Reihsgulden zu 15 Baten = 60 Kreuzer
(1 Kreuzer = 2 bis 4 Piennige = 9 Heller); der Reichsthaler, wechſelnd
im Kurs, durchſchnittlich 68 Kreuzer geltend. Er war am Rhein aud
als Rechnungsmünze in Gebrauh und danı in 26 ganze ober 52 halbe
Albus geteilt (1 Thaler = 4 bis 5 Mark heutige Reichswährung an Silber:
gehalt, aber drei- bis fünfmal foviel an Gelbwert). b) Bon Goldmünzen:
der Goldgulden = 14 NReichsgulben (75 Kr.); ber Dufaten = 14 Thaler (etwa
104 Kr.; die Goldfrone etwa = MW Kr.). Daneben waren aber eine Menge
andere reihsftänbifhe und auslänbifche Münzen in Umlauf, teilweife unter
gleihen Namen wie die genannten Reihsmiünzen, mit fehr wechfelndem Kurs,
jo daß es oft ſchwierig ift, gemau zur fagen, melde Münze gemeint ift. —
Im Domtapitelprototoll fehlt bei den obigen Zahlen die Bezeichnung der Münze
ganz. Ich nehme daher an, daß bie in Köln gebräudlichfte, der Thaler, ge=
meint if. — Wie übel Salentins Vorfahren im Erzftift gehauft Hatten,
erfieht man 3. B. daraus, daß Salentin fogar eine goldene „Bettzierabe”
von Juden zu Deus um 200 Thaler einlöfen mußte.
40 Erſtes Bud. Drittes Kapitel.
als rechtskräftig; jegt wollte Herzog Wilhelm IV. den wertvollen
Beſitz wieder einlöjen, ftieß aber bei Kurfürft Salentin auf hart—
nädigen Widerftand. Die gegenfeitige Verftimmung zwiſchen Her—
309 und Kurfürft wurde weiter dadurch genährt, daß fi Salentin
jeines Selundarklerus in deſſen Prozeß gegen den Herzog energiſch
annahm. Die Kölner Kollegiatlichen — der Clerus secundarius
im Unterjhied von dem Domkapitel al3 dem Clerus primarius — -
hatten ihre beften Einkünfte im Jülicher Land; der Herzog wollte
fie für diefelben zu feinen Landſteuern heranziehen, fie proteftierten
und führten gegen ihn am Kammergeriht Prozeß, wobei ihnen
nun Kurfürft Salentin mit Rat und That zur Hand ging.
Im Sommer 1568 erhielt Salentin Gelegenheit, zu zeigen,
daß er auch in den großen politiihen Händeln feinen eigenen
Meg gehen wollte. Wilhelm von Dranien jammelte damals ein
Heer zu feinem erften Einfall in die Niederlande. Auf Eurtrieri=
ihem Gebiet, bei der Abtei Rommersdorf im Engerögau, war der
Mufterplag; die anziehenden Reiter und Knete berührten vielfach)
auch das benachbarte kölniſche; das ging nicht ab ohne Räubereien
und anderen Unfug. Das Kölner Domkapitel ſcheint der Anficht
gewejen zu jein, das Stift werde am beiten durch Anſchluß an
den Herzog von Alba oder wenigſtens an Jülich verteidigt; der
Kurfürſt aber 309 vor, fein Land ſelbſt vor ftreifenden Notten zu
ihügen und nahm deshalb ein paar Hundert Mann Reiter und
Hafenshügen in Sold. Albas Anfinnen zu Maßregeln gegen
Dranien ablehnend, ließ er fid) von dieſem ſelbſt, durch Vermitte—
lung des Pfälzer Kurfürften, verſprechen, daß er fünftighin die
Unterthanen von Köln und Zrier möglichſt verichonen wolle. In
der That hören wir ſeitdem nichts mehr vom Übelhaujen des
oraniſchen Kriegsvolfes.
Aber nit nur des Stiftes Rechte und Intereſſen gegen außen,
fondern ebenſowohl feine eigenen al3 Landesherr jowie al3 Graf
von Iſenburg wollte Salentin gewahrt wiſſen. Wir jahen bereits,
daß der vorige Kurfürft von ihm feine Zahlung jeiner Penfion
erlangen konnte. Mit der Reichsftadt Köln erneuerte ſich der alte
Kurfürft Salentins Anfänge. 41
Streit über die hohe Gerichtsbarkeit Ihon in den eriten Monaten
feiner Regierung. Dem Kapitel gegenüber waren des Erzbiichofs
Rechte durch die Wahlkapitulation ſtark genug beichnitten. Salentin
beftand zunäcdhit darauf, daß wenigſtens da, wo dieje einmal dem
Domkapitel Pflichten zufhob, dieſelben auch erfüllt würden.
Artikel 3 der Kapitulation beftimmte, daß der Erzbiichof feine
wichtigen Sachen ohne Wiſſen und Willen des Kapitels verhandeln
dürfe und darum ftet3 zwei Deputierte desjelben in feinem Rate
haben ſolle. Das Kapitel hatte ficherlih nicht die Abficht ges
habt, ji jelbit, jondern dem regierenden Herrn einen Zwang
aufzulegen. Es war eine von den Beihwerden des Kapitels gegen
Friedrih von Wied, daß er dieſer Verpflihtung nicht nachge—
fommen. Nun aber forderte der neue Kurfürſt ſelbſt eine be=
ftändige Deputation an Hof, und das Kapitel zeigte ſich jaumfelig,
jei es aus Bequemlichkeit, ſei es, weil die Herren fürdhteten, durch
den Aufenthalt bei Hof ihre Kölner Präfenzgelder einzubüßen.
Im eriten Wahlartikel hatte der Gemählte verſprochen, baldigft,
mit Rat des Kapitels, einen Weihbiſchof zu beitellen. Salentin zeigte
alsbald dem Kapitel jeine Abjiht an, den Theologieprofeffor und
Paſtor von St. Alban zu Köln, Theobald Craſchel von Aachen, als
jolhen anzunehmen; das Kapitel wollte lieber den mit feiner Geneh-
migung bereit3 von Friedrid von Wied vorgeichlagenen Domprediger
Johann Walſchartz von Zongern; Salentin blieb aber bei jeiner
Ernennung und das Kapitel gab nad. — Im geiftlichen Regi—
ment handelte der Kurfürſt anfänglih ganz nad des Kapitels
Wunſch, indem er häretiſche Prädikanten und Wiedertäufer zur
Strafe 309; al3 er aber für das Frühjahr 1569 eine allgemeine
Viſitation durd) den defignierten Weihbiſchof und ein paar fur
fürftlihe Räte anordnete, meinte das Kapitel, vor erlangter
Konfirmation gehe das nicht an. Dod fand man nachher,
gleihiam als Erefutor früherer Reformdelrete und auf Grund der
Zrienter Beihlüffe, könne Salentin allerdings PBartikularvifitationen
abhalten; damit beihwichtigte man auch den Domdechanten, der
ſich über Eingriffe in feine Rechte als Archidiakon von Soeſt und
42 Erſtes Bud. Drittes Kapitel.
Neuß beichwerte. — Bedenklicher für die Folge wurde eine Diffe-
venz über den fiebenten Artikel der Kapitulation, gemäß welchem
alle furfürftlihen Beamten dem Kapitel gegenüber auf die Wahl:
artikel verpflichtet werden ſollten. Salentin erklärte, etlihe alte
Räte wollten lieber ihren Dienft verlaflen, al3 dem Sapitel ver:
eidigt fein; man möge fie ſtatt defien in Gegenwart der Kapitel-
herren ihm und dem Erzitift den Eid leiften lafien. Die
Sache blieb einftweilen in der Schmwebe, ebenjo eine Differenz
wegen Neuordnung der furfürftlihen Regiitratur zu Bonn. — Im
nächſten Fahre, 1569, famen neue Streitpunkte hinzu. Bor
langer langer Zeit (1325) hatte ein VBorfahre Salentins das Haus
Lahr (an der oberen Wied) dem Erzftift verpfändet; jekt wollte
Salentin als Graf von Iſenburg dasjelbe wieder einlöfen, das
Domkapitel aber meinte, das Haus jei längit Eigentum des Stifts
geworden. — Das Kapitel ſeinerſeits forderte ziemlich barſch, der
Kurfürſt jolle Verzicht leiften auf die Afterdechanei und die Doms
tuſtorei, welche er no in Händen hatte; erft als Salentin feine
erzbiſchöfliche Würde niederzulegen drohte, 309g man mildere Saiten
auf und beſchloß, in diefen und anderen Sachen glimpflih zu
handeln.
Durch das Ausbleiben der päpftlichen Konfirmation waren zus
nächſt freilih in geiftlihen Dingen dem Erwählten die Hände ges
bunden; daß aber Übelmollende auch in rein politiichen ſich dar—
aus eine Waffe gegen den regierenden Herrn machen konnten, hatte
erſt jüngit Kurfürft Friedrich erfahren.
Das kanoniſche Recht und die SKonfordate der deutichen
Nation beftimmten, daß jeder ermwählte Biſchof und Abt
binnen drei Monaten nad) Annahme der Wahl perjönlid oder
durd) Gejandte um deren Beltätigung in Nom erjuchen müſſe;
Erzbiihöfe mußten außerdem nod um das Pallium bitten ).
1) Die Dekretale Papft Nikolaus’ III. Cupientes c. 16 in VIto de
elect. I, 6, welche in den Konkordaten der deuifchen Nation von 1418—48
ausbrüdlich beftätigt wird, verlangt fogar, daß erwählte Biſchöfe binnen
Kurfürft Salentins Anfänge. 43
Das Erfuhen um die Konfirmation pflegte gemeiniam von
dem Erwählten und von den Wählern geftellt zu werden; von
legteren, indem fie das früher erwähnte Protokoll der Wahl
(Wahldekret) nad) Rom jandten. Da diefes von ſämtlichen Ka—
pitularen unterjchrieben fein jollte, fo gab es leicht Verzögerung. —
So aud diesmal. Salentin richtete deshalb ſchon am 1. Fe—
bruar 1568 ein fehr ergebenes Entichuldigungsichreiben an den
Papft, welches er durd) feinen Profurator, den Propft zu Bonn
Dr. Kaſpar Gropper, damals Auditor an der römischen Rota,
überreihen ließ. Pius V. antwortete, er habe bereit3 mit großer
Freude von diejer guten Wahl vernommen; Salentin möge nun
aud, zum Beſten der Kölner Kirche, baldigft thun was erforderlich),
um vom Papſte fonfirmiert und danach zum Biſchof konſekriert
zu werden, — mit anderen Worten, fi vor allem zum Prieſter
weihen zu laffen. Dazu aber war Salentin — wie das Dom—
fapitel bereit3 vor der Wahl recht wohl wußte, jedodh nicht dem
Papfte geradezu ind Angefiht jagen mochte — mit nidhten ge—
fonnen. Vermutlid in der Vorausſetzung, das Pius V. ſich nicht
jo leicht zu einer Konfirmation ohne Konſekration verftchen werde,
entzog jid) der von Salentin bereit3 nad) Rom abgeoronete Pries
fterfanonifus Dr. Gotfrid Gropper, dem undankbaren Auftrag und
überlieg denſelben feinen in Rom lebenden Mitverordneten,
jeinem Oheim Dr. Kaſpar Gropper und dem päpftlichen Kämmerer
Wilhelm Duad von Landskron. Sie wurden nun von Salentin
ermädtigt, in Rom über jeine Perſon, Alter, Sitten und Studien,
worauf man, wie e3 heiße, Dort jegt viel halte, jede gewünschte
Auskunft zu geben, aud in feinem Namen ein Befenntnis des
einem Monat nah Annahme ber Wahl fich felbft auf den Weg nad Rom
maden oder ihren Bevollmächtigten ſchicken follen, um bie päpftlihe Kon—
firmation zu erbitten. In ber Praris bielt man fich jedoch an die Be—
fiimmung be8 cap. 6. „Quam sit ecclesiis “: Ceterum quivis electus infra tres
menses post consensum, electioni de se celebratae praestitum, confirma-
tionem electionis ipsius petere non omittat. — Über das Pallium:
Hinſchius a. a. O. II, 23.
44 Erſtes Bud. Drittes Kapitel.
fatholiihen Glaubens zu beihwören. Dagegen follten fie ihm,
außer feiner Konfirmation und der jeines dejignierten Weih—
biſchofs, allerhand päpftliche Privilegien und Indulte verichaffen,
u. a. das Recht, die Pfarreien im Erzitifte (außerhalb der Stadt
Köln) zu befegen, das Recht der erften Bitte an alle Pfründen-
verleiher in demſelben, das Privileg eines geborenen Legaten des
apoftoliihen Stuhles und anderes mehr ). Die Zare für
Konfirmation und Pallium ganz oder auch nur zur Hälfte oder
ein Drittel zu bezahlen, ſei ihm bei der mehr al3 100,000 Gold=
fronen betragenden Sculdenlaft jeines Erzitiftes durchaus un—
möglich.
Als Salentins Agenten dieſe ihre Inſtruktion dem Kardinal—
proteltor der deutſchen Nation, Otto Truchſeß, vorlegten, fand er
in ihr allerhand Bedenkliches: es fehlte der genauere Nachweis
(Formal-Prozeß) über die kanoniſchen Eigenſchaften des Erwählten,
es fehlte das ſpezielle Glaubensbekenntnis, worauf man jetzt in
Rom ſo ſtrenge hielt; obendrein ſollte die Expedition gratis er—
folgen, das heißt den Kurialiſten eine Einnahme von etwa
10,000 Goldgulden entgehen, die ſie als ihr wohlerworbenes Recht
anſahen 2).
1) Nach beſtehendem Rechte hatte der Erzbiſchof im ganzen Erzſtifte gar
feine Pfründen zu vergeben; die meiſten wurden durch die verſchiedenen Kölner
Kollegiattirchen vergeben (vgl. 3. Buch, 1. Kap.). — Über das Jus primaria-
rum precum Hinfhius a. a. ©. Il, 639. Hinſchius erwähnt jedoch ben
Kölner Erzbifhof nicht unter denjenigen beutjchen Reichsfürften, welche biefes
Recht beanipruchten. Daß man auch in Köln basfelbe nicht auf päpftliches
Subult, fondern auf das Herlommen gründete, geht aus Salentins In—
firuftion für Gropper und Quad hervor: diefelben follen Konfirmation ver-
langen, „bweil auch unfere forfarn am erzftift altem Töblichen prauch nach uf
alle und jegliche collatores unb collatrices jure consuetudinario ire pri-
marias preces uf tügliche perfonen zu verleihen und daher auch ex abun-
danti a sede apostolica confirmationes illarum precum zu erlangen pflegen.“ —
Über das Privileg legati nati apostolicae sedis Hinfhius a. a. ©.
I, 518 u. 612 und von ber bort angeführten Litteratur befonbers
Sartori IL, 1. ©. 271ff.
2) Döllinger, Beitr. zur polit., kirchl. und Kultur-Gefchichte der ſechs
Kurfürft Salentind Anfänge. 45
Uber das erite Bedenken fam man am leichteften hinweg: als
die Agenten, am 16. Juli 1568, ihre zweite Audienz beim
Bapfte hatten, gab diefer zu, daß Salentins Prozeß zu Nom
formiert werde. Dagegen wollte fih Pius V. mit dem allzu
allgemeinen Glaubensbefenntnis der Inſtruktion nicht begnügen,
fondern beftand darauf, daß Salentin den Eid gemäß dem Zrienter
Dekret in Köln ablege und dann die Urkunde, durch feine Unterichrift,
ſowie fein und des Kapitel3 Siegel bekräftigt, nad) Rom überjende.
Bezüglih der Taxe verſprach der Papſt mündlich möglichſten Nach—
laß. Zugleich aber forderte er neuerdings, der Erwählte ſolle ſich
baldigſt zum Prieſter weihen laſſen, um alsdann, nach Empfang
der Konfirmation und des Palliums, auch zum Biſchof konſekriert
zu werden. Bis dahin müſſe auch die Beſtätigung des Weih—
biſchofs unterbleiben. Denn, ſagte Pius, ſo lange wir noch keinen
beſtätigten Erzbiſchof haben, können wir ihm auch keinen Suffragan
oder vicarius in spiritualibus et pontificalibus geben. — Die
übrigen Punkte der Inftruftion Salentins blieben einftweilen un=
berührt. Dieſer miündlihen Antwort entiprehend lauteten aud)
die beiden Breven, welhe der Papſt an Ermählten und Kapitel
richtete.
So ftand man denn wieder vor derjelben Streitfrage, melde
unter dem vorigen Kurfürften das Kölner Erzitift verwirrt
hatte. Ob aud der Ausgang wieder der gleiche fein werde —
das hing zunächſt von der Perſon des Erwählten ab, der ein=
zigen, welche in diefem Streite gewechjelt hatte. Das Domkapitel
machte bereit? Miene zu einem ähnlichen Verhalten wie unter
Friedrih von Wied. Als ihm die Sache zu Anfang des Jahres
1569 vorgelegt wurde, ſchob e3 die Entſcheidung hinaus; naher
verftand e3 fi) zwar dazu — auf Betreiben des Domſcholaſters
legten Jahrhunderte, Bb. II, S. x u. 79. Sartoria.a. O. I, 2. ©. 307
giebt al8 Durchſchnittsſtaxe für die Konfirmation des Kölner Erzbiſchofs fogar
20,000 Seubi an; bie Abgaben fir das Pallium berechnet er $ 524 auf
30,000 Gulben.
46 Erfte8 Buch. Drittes Kapitel.
Johann von Manderiheid, der jegt als erwählter Biſchof von
Straßburg in ähnlicher Lage war wie Salentin — zugunften feines
erwählten Herrn an den Kaiſer und an den Sardinal von Augs—
burg zu jchreiben, ſetzte aber in die Briefe allerlei verfängliche
Klaujeln: fie jeien erbötig, der päpftlichen Heiligkeit zu gehorchen,
wollten aber auch den Kurfürften „der Gebür berichten‘, mit
anderen Worten auch ihn zum Gehorjam ermahnen. Salentin
nahm das übel auf, ließ ſich aber in jeinem Entſchluſſe nicht irre
mahen. Schon am 1. Januar 1569 berichtet Dito Truchſeß
aus Rom an den Herzog von Bayern: „Der Ermwählte von
Köln hat gar trogig hierher geichrieben und ſchlägt gar ab, die
Profeifio fidei zu thun, die Konfelration und die Zare weder
biel noch wenig, darob ihr Heilt nit unbillig gar übel zufrieden;
und, jopiel zu merken, wird ihr Heilt ihn gar nit fonfirmieren
fonder auf Mittel und Weg traten, wie er möchte priviert
und ein ander eingejeßt werden. Miünpdli äußerte ſich Sa—
fentin noch trogiger: was die Profeffio fidei angehe, mwolle er
feine Neuerung machen; er gedenfe nicht beharrlich beim Stift zu
bleiben, jondern fein Geſchlecht, das auf ihm beftehe, zu erweitern;
fein Schmier oder Salbe folle ihm auf den Kopf kommen; für
die Konfirmation gedenfe er feinen Gulden nah Rom zu jchiden.
Im Kapitel jei feiner, den Kaiſer oder Papft ihm vorziehen
möchten; jo müſſe man ihn leiden, wenn er aud nicht leifte, was
ihm der Papft auferlege — und dergleihen Reden.
Pius V. mochte für feine Perſon geneigt genug fein, rüd-
ſichtslos einzufchreiten; doch gab es auch Leute an der Kurie,
welche die gefährlichen Folgen beifer bedadten. Wohl hatte man
ichon eine ziemliche Anzahl von neugewählten deutihen Biſchöfen
durch diefe und jene Motive dahin gebraht, das Trienter Glau—
bensbefenntnis zu beſchwören: außer dem Zrierer Erzbiſchof die
Biihöfe von Lüttich, Münfter, Regensburg. Auch der Poftulierte
von Minden war bereit dazu. Aber das waren meiftens Leute,
die entweder nicht die Macht hatten, Rom ſich zu mwiderjegen oder
denen die päpftlihe Beftätigung jolhen Vorteil bradte, daß fie
Kurfürft Salentins Anfänge. 47
aud einige Unannehmlichkeiten mit in den Kauf nahmen. Jetzt—
aber jekte no ein anderer Graf des Reiches, der am 26. Ja—
nuar 1569 zum Bilhof von Straßburg gewählte Johann von
Manderiheid, den römiſchen Anſprüchen, wenn aud nicht wie
Kurfürft Salentin ein offenes Nein, jo doch ſehr durchſichtige
Ausflüchte entgegen. Falls fie beide dem Gehoriam gegen Rom
fih ganz entziehen wollten, konnte es ihnen an Bundesgenoffen
nicht fehlen. Graf Johanns Familie und er jelbft ftanden ohne—
bin im Verdacht häretiiher Neigungen; dennoh war er nur mit
ſchwacher Majorität gegen einen offen proteftantiihen Mitbewerber,
den Bruder des Pfälzer Kurfürften, Pfalzgraf Reichard von
Simmern, gewählt worden. Allerdings ſuchte Johann in Rom
um die Konfirmation nad, fein Kanzler Dr. Welfinger verficherte
auch dort, jein Herr fer gut fatholiih ; aber jahrelang richtete der
Kardinal von Augsburg vergeblih Droh⸗ wie Schmeichelbriefe an
Johann, um ihn zu bewegen, eigene Gelandte nah Rom abzu=
ordnen und den Trienter Eid zu leiften. Inzwiſchen blieb er
zwar unbeftätigt, half fi) aber, wie andere Biichöfe, durch kaiſer—
fiche Lehensindulte über die nächften Schwierigkeiten hinaus. — Aud)
Kurfürft Salentin wandte fih zunähft an den Kaiſer, und für
ihn Scheint Marimilian ein regeres Intereſſe bethätigt zu haben,
al3 in der gleichen Lage für feinen Vorgänger, — vielleiht eben
nur, weil Salentin jelbit ein anderer Mann war als jener. Der
faiferlihe Drator an der Kurie, Graf Proiper von Arco, erhielt
Befehl, den Papft von übereilten Schritten abzubringen ; aud König
Philipps Vermittelung wurde in Anjprud genommen; Marimiltan
ſchrieb jelbit an einzelne Kardinäle, zulegt an den Kardinalprotektor
Otto Truchſeß, dem man bei Hof in diefer Sache nicht traute.
Man warnte ihn deutlich genug vor jeder Zeilnahme an einem
Vorhaben, welches ganz und gar ungereimt, den Statuten des
Kölner Erzitiftes und anderem hoch zumider ſei. — Wirklih be
mühte fih der Kardinal nunmehr (im November 1569) und ſchon
jeit einiger Zeit im Sinne des Kaiſers für einen gütlihen Aus—
gleih: etwa den, daß Salentin die Profeſſio fidei leifte, der Papft
48 Erfte8 Bud. Drittes Kapitel.
aber auch ohne Konfekration ihn beftätige; — anfänglidy aber war
Dito Truchſeß dod nicht jo ganz unſchuldig geweien, wie er ſich
jegt dem Kaifer und dem Kurfürften gegenüber den Anſchein gab.
Denn von ihm felbft wurde zuerſt der Gedanke ausgeiprochen,
Pius V. könne den jekigen Erwählten von Köln privieren und
hierauf motu proprio an jeine Stelle den vierzehnjährigen Her:
309 Ernſt von Bayern ernennen, den dann die Leute des
ſpaniſchen Königs in den Beſitz des Erzftiftes zu ſetzen hätten.
Otto Truchſeß Hatte feine Mitwirkung zu diefem Projekt dem
bayriichen Herzog angeboten; dieſer aber miderriet jede Gewalt,
wenngleich auch er feinen Sohn gern auf den Kölner Stuhl er-
hoben gejehen hätte, jei es nun auf dem Wege, daß der Kardinal
jelbft Erzbifhof wurde und jenen alsdann zum Koadjutor annahm,
jet e3, indem alle Beteiligten, Kurfürft ‚und Kapitel, Papft und
Kaifer, übereinfamen, feinem Sohne die Adminiftration zu über-
tragen, oder endlich dadurch, daß Salentin jelbit nod einige Zeit
weiter regierte und dann den inzwiihen zum Mann heranwachſen—
den Knaben zu feinem Koadjutor und Nachfolger machte.
Der Gedanke an die Nachfolge des jungen Herzogs von
Bayern lag an ſich nahe genug. Neben dem Kaiſerhauſe war das
bayriiche faſt das einzige entidhieden katholiſche Fürftenhaus im
Deutichen Reihe; Herzog Ernſt, Albrechts jüngfter Sohn, gehörte
bereit3 dem geiftlihen Stande an, mar ſeit ein paar Jahren
Adminiftrator des Stiftes Freifing, auch ſchon Kanonikus im
Kölner Domftift. Bereits während des Streites zwiſchen Friedrich
von Wied und jeinem Domkapitel hatte man feiner mehrmals ges
dacht. — So empfahl im Sommer 1567 Kardinal Commendone
der Kurie, in der Kölner Sache namentlid) den bayriichen Herzog
zurate zu ziehen, da diefer ohnehin wünſche, daß fein Sohn mit
der Zeit dort Erzbiihof werde. Schon ein Jahr vorher hatte der
furkölniihe Kanzler Dr. Burkhart dem bayrischen Herzog im Ver:
trauen angedeutet, wie diejer feinem Sohne die Bonner Propftei
und dadurd Gelegenheit verihaffen fünne, nah Köln und nad)
Lüttich zu fommen. „Denn“, meinte Burkhart, „mich dünkt nunmehr,
Kurfürft Salentins Anfänge. 49
omnibus circumstantiis consideratis, die Fürften und Fürften-
mäßigen von den hohen Häufern werden die Erz- und Stifter
müſſen erhalten. Eo ventum est‘) Nunmehr, im Jahre
1569, wurden diefe Wünſche zum beftimmten Plan. Was für
und gegen ihn geſchieht, macht in den folgenden zehn Jahren den
wichtigſten Zeil der Geſchichte des Erzftiftes Köln aus. — Es
ift nötig, ehe wir auf diefe Dinge eingehen, die kirchliche und po=
litiſche Stellung des Haufes Bayern, fowie die Perjonen der
beiden Herzöge Albrecht und Ernft ins Auge zu fallen.
1) Kanzler Burkhart an Herzog Albrecht. Bonn, 19. September 1566.
StA. 38/2. fol. 68. Auf biefen Brief Hin Tieß Herzog Albrecht durch feinen
römischen Agenten Eaftellino bei Dr. Kafpar Gropper heimlich anfragen, ob
biefer vielleicht gefonnen fei, feine Bonner Propftei zugunften eines großen
Herrn zu refignieren. Gropper Hatte aber Heine Luft. Caftellinius an
Herzog Albredt. Rom, 29. Oft. 1566. RX. Freifing, Nr. 76. fol. 176.
Loſſen, Köln. Krieg 1. 4
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weites Bud.
Herzog Ernft von Bayern.
4%
1. Kapitel.
Die bayrifche Politik unter Herzog Albrecht V.*
Geraume Zeit ſchon, ehe unfere Geſchichte beginnt, hatte das
Haus Bayern in der allgemeinen Zagesfrage, der kirchlichen, auf
Seite des Papftes Stellung genommen. Es war nicht immer
jo geweſen. Bald nad Antritt feiner Regierung hatte vielmehr
Herzog Albrecht perfönlih zum Paſſauer Vertrag mitgeholfen;
naher auch zum Augsburger Religionsfrieden, durch melden die
bon Rom für die ganze Welt geforderte Kircheneinheit für das
*Quellen: Das Leben Herzog Albrechts V. und befonbers feine Kirchliche
Politik ift zuletst zu Anfang ber vierziger Jahre, infolge einer von ber
Univerfität München 1841—1842 geftellten Preisaufgabe, fpeziell be-
arbeitet worben. Drei Bearbeiter, Ked, Jungermann und Wim-
mer, wurben mit bem Preis gefrönt. Die nachher gebrudten Preis-
fchriften ber beiden erften Haben feinen felbftänbigen Wert; bie britte,
von welcher ein Bruchftüd veröffentliht wurde — Fr. Wimmer,
Die religiöfen Zuftände in Bayern um bie Mitte bes fechzehnten Jahr-
bunberts, München 1845 (auch im Oberbayer. Archiv VII, ©. 45/96) —
zeichnet fih aus durch ausgebehnte Litteraturnachweife und bat auch
ungebrudte Duellen benutzt. — Border fhon war das fleifige aber
tendenziöfe Bub von ©. Sugenheim, Bayerns Kirhen- unb
Bollszuftände im fechzehnten Jahrhundert, Gießen 1842 erfchienen,
fowie das auf tüchtigen Studien und guter Einficht beruhende, aber
ebenfalls nicht unparteiifche Buch von C. M. Freiherr v. Aretin, Ge-
ſchichte Marimilians L, erfter (einziger) Band, Paſſau 1842, befien
größere Hälfte mit Herzog Albrecht V. fich beſchäftigt. Aretin bat viele
Münchener Archivalien benutzt. — Ich babe bie von biefen Vorgängern
benugten gebrudten Ouellen ſämtlich durchzuſehen geftrebt, bin dagegen
54 Zweited Bud. Erftes Kapitel.
Deutihe Reich thatjächlih aufgehoben wurde. An der Kurie be—
trachtete man dieſe Mithilfe des bayrischen Herzogs wie einen
Abfall von den ruhmreichen Überlieferungen feines Haufes. Doc
faßte man ſchon im nächſten Jahre wieder eine bejfere Meinung
bon Herzog Albreht, da er den Jeſuiten an feiner Univerfität
Sngolftadt ein mwohlausgeftattetes Kollegium errichtete *). Einige
Sahre ipäter (1559) konnte die Geſellſchaft ein zweites Kolleg
in Bayern gründen, in der Reſidenz Münden, ein drittes folgte
dann in den fiebziger Jahren zu Landshut.
Mittlerweile hatte die Hoffnung, durch die Prieſterehe die
fittlihen Gebrechen des deutichen Klerus zu heilen und durch den
Laienkelch den religiöjen Zwiefpalt zu heben, Wurzel in meiten
Kreifen geichlagen, welche ſich vordem gegen die lutherifche Reform
feindlid) verhielten. Selbft Kaifer Ferdinand, über deifen katho—
in meinen arhivalifchen Forſchungen nicht bis auf bie in dieſem Kapitel
behandelten Ereignifje zurüdgegangen. Daher berührt fich meine Dar-
fiellung vielfach mit der von Aretin. — Über bie Kataftrophe von
1563/64 haben 305. Ferd. Hufhberg, Geſchichte des Gefamt-
hauſes Ortenburg, 2. Teil, Suljbah 1825; M. v. Freyberg,
Geſchichte der bayrifchen Landftände, 2. Band, Sulzbach 1829, und
3. Buehl in feinem fhönen Auffag: „Das Verfahren Albrechts V....
gegen ben Grafen Joachim von Ortenburg und einige andere Land—
fafien” im Oberbayer. Archiv, 2. Band, S. 234 ff. (Münden 1840),
viel interefiantes Material aus bayrifchen Archiven veröffentlicht, doch
bleibt eine auf ausgebehnteren Forſchungen beruhende Unterfuchung
Bebirfnis.
1) Am 8. Suni 1556 ſchreibt Ignatius von Loyola an Herzog Albrechts
Sekretär Schweider: „Inter alias causas, cur properavimus collegium
Ingolstadium mittere ante fervorem aestatis illa etiam fuit, ut sinister
quidam rumor, qui post Augustanam diaetam in Urbe eoepit increbescere,
ac suspiciones non vulgarium hominum, contrario veritatis experimento,
statim sopirentur: qui enim nostrae congregationis homines evocari,
collegiumque eis ab Illmo principe Ingolstadii constitui audiunt, quan-
tum a scopo aberraverint, cum nescio quag prius suspicarentur ac dic-
titarent, facile intelligent.“ Ign. Agricola, Hist. provinciae S. J.
Germaniae sup. I, 34 (Agricola ift Hauptquelle für Lipowsky, Gefchichte
ber Yefuiten in Bayern, 1. Teil, 1816).
Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 55
liſchen Eifer nicht der leifefte Zweifel obwaltete ?), erachtete dieſe
beiden Konzeſſionen als unvermeidlih, um weiteren Abfall von
der alten Kirche zu verhüten. Ganz ähnlich wie in feinen Erb: .
landen lagen die Dinge in Bayern. — Daß Herzog Albrecht
für fichlihe Neuerungen oder Reformen jemals eine perjönliche
Vorliebe gehabt hätte, wird ſich ſchwerlich erweiſen laſſen. Er
war katholiſch, wenn man will jelbjt Fromm, in der Weiſe feiner
Vorfahren, zu der Zeit da es noch feine Protejtanten gab. Täg-
lich hörte er feine heilige Mefje ?), hielt die kirchlichen Abſtinenz—
tage oder ließ fih do von ihrer Beobachtung dispenfieren; an
Abläſſen, Prozeſſionen, Wallfahrten hat er wohl niemals Anſtoß
genommen und auch felbit, in ſpäteren Jahren wenigftens, an der=
gleihen ſich beteiligt. Jedoch jcheint es nicht, daß ihm von all
diefen Dingen etwas Herzensjahe gewejen wäre. Seine wirk—
lichen Leidenschaften, über denen er alle Staatsgefhäfte liegen
ließ, waren die Jagd, die Mufif und etwa nod) die Schöne Kunft.
Er hatte wohl Hofprediger, aber feinen ftändigen Beichtvater, wie
er dod nad) der neuen bejonders durd die Jeſuiten gepflegten
Richtung im Katholicismus für jeden Fürften unentbehrlich jchien.
Perſönliche Gehäfjigfeit gegen Andersglaubende lag nicht in Albrechts
Weſen. Zu jeines Vaters ‘und feines Oheims Zeit war in
Bayern mit Feuer und Schwert gegen Wiedertäufer und andere
Keger gewütet worden; unter Herzog Albrecht hat, ſoviel wir
willen, niemand um des Glaubens willen den Zod erlitten.
Bei folder Geſinnung des Herzogs wurde es Firchenfeindlichen
Beitrebungen leiht, in Bayern einzudringen und aufzufommen.
1) Kardinal Commendone urteilt (Februar 1563) über Kaifer Ferdinand:
„Jo tengo per fermo, l’animo di sua Maestä essere cosi buono, che, se
si potesse dividere la sua bontä fra li prineipi ecelesiastici et seculari di
Germania, bastarebbe assai per restituire la religione catholica in quella
provineia.“ Lagomarsinil.c. III, 242. °
2) Die Thatfache wird im den meiften gebrudten Leichenreden auf Herzog
Albrecht rühmend erwähnt. Der Jeſuit Gregorius de Balentia verwahrt
babei den Herzog gegen bie Unterftellung, daß biefer etwa ber ſchönen Mufit
zuliebe dem Gottesbienft beigewohnt habe.
56 Zweites Bud. Erſtes Kapitel.
Schon im Jahre 1553, auf einem Landtage zu Landshut, traten
die beiden weltlichen Stände mit dem Wunſche hervor, daß die
. reine, das hieß die evangelifche Lehre gepredigt und das Sakra—
ment des Altar3 unter beiden Geftalten gejpendet werden dürfe;
fie beichwerten ſich weiterhin über gewiſſe Anjchläge, welche darauf
abzielten, eine Inquifition in Bayern einzuführen. Diejem legten
Verdacht miderfprad der Herzog voll Unmillen, übrigens aber
verwies er wegen der Religionsſachen, welche das ganze Reich be=
rührten, auf die Bejchlüffe einer künftigen Synode oder eines
Reihstages. Einige Wochen jpäter, bei einer zu Mühldorf ab-
gehaltenen Verfammlung mehrerer geiftlihen und weltlichen Stände
der Salzburger Kirchenprovinz, ſprachen und ftimmten des Herzogs
Näte für milde Behandlung der Abgewichenen und gegen jede
Inquifition. — Es war die Zeit, da Herzog Albrecht mit anderen
deutichen, teilweiſe proteftantiihen Fürften gegen Kaifer Karla
Succejfionspläne und für Handhabung des Paſſauer Vertrages
verbündet war ?).
Beim nächſten Landtage, im März 1556 zu München, wieder-
holten die weltlihen Stände nod) ungeftümer ihre religiöfen
Forderungen. Da die Prälaten über diefe Dinge nicht mit ver-
handeln wollten, jo gingen die beiden anderen Stände für ſich
allein vor; neben der allgemeinen Bitte, dak das Wort Gottes
nach bibliiher Lehre rein verkündet werde, hatte man einige bes
iondere Wünſche: die Priefterehe jolle erlaubt, das Abftinenzgebot
aufgehoben, der Laienkelch gejtattet werden. Ein paar Wochen
lang fträubte fi der Herzog. Aber er brauchte Geld, um feine
Schulden zu deden und feinen Oheim Herzog Ernſt, den früheren
Biihof von Paflau und Salzburg, abzufinden, damit diefer nicht
neuerdings Anſpruch auf die Mitregierung erhöbe, — und die
weltlichen Stände ließen ſich nicht einmal auf die Erörterung
feiner Propofition ein, ehe fie auf ihre Petition Beſcheid hätten.
1) Stumpf, Diplomat. Gef. des Heibelb. Fürftenvereins 1553 —1556
in ber Zeitfchr. für Bayern, 2. Jahrg., 3b. II, 1817,
Die bayrifche Politit unter Herzog Albredt V. 57
So verjtand fi denn der Herzog am Samstag vor Judica,
21. März 1556, zu folgender Dellaration: die Kommunion unter
beiden Geftalten wird fogleih und unerwartet des Reichstages
jedermann geftattet, ebenjo der Genuß des Fleiſches an Fafttagen
jenen, die fi dazu gezwungen fühlen. Der Herzog will an feine
Regierungen hierüber Befehl erlaffen und ſich aud mit den
Biſchöfen benehmen, jedoch feinen Pfarrer zwingen, aud) nicht den
Öffentlichen Fleiſchverlauf zu verbotenen Zeiten geftatten. Wegen
taugliher Seeljorger, die das Wort Gottes rein und lauter, nad)
dem Verſtand der allgemeinen apoftoliichen Kirche, verkünden, wird
mit der geiftlichen Dbrigfeit gehandelt werden). — Man ftritt
noch etwas über die Auslegung einzelner Sätze diejer Deklaration ;
einftweilen aber verftanden ſich nunmehr die Stände gutwillig zur
Abfindung des Herzogs Ernſt und zu einigen weiteren Zahlungen
an Herzog Albredt.
Im Dezember des folgenden Jahres (1557) I der Her=
309 feiner Schulden wegen die Landftände ſchon mieder ver—
jammeln. Sofort begegneten jie ihm wieder mit Religionsbe—
ſchwerden: die Deklaration hatte man, aber nur wenige Priefter
famen ihr nad; deshalb möge ſich der Herzog mit den Biſchöfen
dahin benehmen und feinen Beamten befehlen, dab feinem die
beiden Geftalten verweigert oder daß mwenigitens Priefter, die zu
ihrer Spendung willig, geihligt würden. Der: Herzog beriprad)
mit den Biihöfen zu unterhandeln, aber zu einer Ausdehnung
jeiner Deklaration lieg er fi) diesmal nicht drängen; dagegen
beritand er fih dazu, die politiichen Freiheiten der Landſtände zu
erweitern, welche dafür des Herzogs Schulden zum größten Zeil
übernahmen.
1) Das Ausfchreiben des Herzogs vom 31. Mär; 1556, mwoburd ben
Regierungen die Deflaration vom 21. März eröffnet wird, ift anflatt einer
Borrede zu [Rrenner?]) Der Landtag im Herzogtum Bayern vom Jahre
15570. O. 1803 gebrudt. — Im Eingange ‚verwahrt fi Herzog Albrecht
dagegen, daß feine Deklaration oder Berfiherung vor Strafe und Ungnabe
etwa als Bewilligung oder Zulaffung gedeutet werde. Auch fonft erfcheint
in dem Ausfchreiben bie Deklaration fo weit als möglih abgeſchwächt.
58 Zweite Buch. Erftes Kapitel.
Aber die Schuldenlaft wuchs danach wieder Jahr um Jahr.
Albrehts natürliche Neigung zu Prunk und Pradt war noch
genährt worden durch jeine Ehe mit der Erzherzogin Anna von
Dfterreidh, der Tochter des Königs, dann Kaifers Ferdinand. Kein
König hätte ji) des Aufwandes zu ſchämen brauchen, der am bayri=
ſchen Hofe herrſchte; auch die fünftleriichen Lichhabereien des Herzogs
fojteten viel Geld ). Dazu famen nod) bejondere Gelegenheiten zu
größeren Ausgaben: ein Reichstag, Reifen nad) Wien und nad) Prag
zu Familienfeſten, nad Frankfurt zur Königswahl, Beſchickung des
Zrienter Konzils und anderes mehr, jo daß man ſchließlich die
Zanditände wieder berufen mußte. Am 16. März 1563 wurde
jener Landtag zu Ingolſtadt eröffnet, von dem man gewöhnlich,
wie es jcheint mit Recht, den Umſchlag in Herzog Albrechts kirch—
licher Politik datiert. Heftiger als früher aber nicht mehr fo ein-
mütig forderten. die weltlichen Stände die Abftellung ihrer reli—
giöſen Beihwerden. Während aber die große Mehrheit nur
darauf beitand, daß die Deklaration von 1556 beſſer als bisher
durchgeführt werde, fand eine Minderheit der Landſaſſen, dreiund—
bierzig an der Zahl, mit der Deklaration ſei nichts ausgerichtet,
man müſſe die Freiftellung der Augsburger Konfeſſion fordern.
Es waren darunter angejehene und aud tüchtige Leute: vor allen
Pancraz don Freyberg, Herzog Albrechts früherer Hofmarſchall,
welcher unlängft der Religion wegen den Hof in halber Ungnade
verlaffen hatte: „ein gejchieter, ernftlicher, fleigiger und arbeit
jamer Mann‘, jagt Wiguleus Hund von ihm, „der außerhalb
der Religion feinem Herren und dem Hof ſonſt wohl angeitanden ‘;
ferner zwei Männer, die als Beſitzer reihsunmittelbarer Herr
1) Die Kunftbeftrebungen am bayrifhen Hofe unter Albreht V. und
Wilhelm V. bat zuletst, übrigens fehr flüchtig, I. Stodbauer (Wiener
Quellenſchriften, 1874) behandelt. Außer ben von Stodbauer und vor
ihm ſchon von Freiberg und von Ehrift benusgten 5 Bänden des Münchener
NReihsarchives enthalten aud die politifhen Korreipondenzen des Herzogs
Albrecht, namentlih mit Kardinälen und römifhen Agenten, zerftveute No»
tizen über feine Kunftiammlungen.
Die bayrifche Politif unter Herzog Albrecht V. 59
ihaften fich mehr herausnehmen durften als andere: Graf Joachim
von Drtenburg und Wolf Dietrih von Marlrain, Freiherr zu
Waldeck, den derjelbe Dr. Hund einen „verſtändigen, ehrlichen und
wohlhaujenden Herrn‘ nennt, „der einem großen Herren, da fie
einer Religion, wohl einen ftattlihen Diener geben hätt.“ Doch
fanden ſich unter den Wortführern aud Leute von anderen Schlag,
wie der Schuldenmacher Oswald von Ed, des Kanzlers Leonhard
ungleiher Sohn ). — Gegen diejenigen, welche ſich nur auf feine
eigene Deklaration beriefen, zeigte ſich Herzog Albrecht ziemlich
nachgiebig, wenigſtens bezüglich des Laienfelhes, um deſſen Zus
laſſung er jelbit, gemeinfam mit Sailer Ferdinand, eben damals in
Trient und in Rom fid bemühte. Er veriprad dafür zu jorgen,
daß, falls bis nächſten Johannis von dort feine oder eine ab—
ihlägige Antwort komme, dennod der Gebraud) des Keldyes, jedoch
während der Meile, nad) abgelegter Beichte und ohne Ärgernis
der Übrigen, zugefihert werde. Um fo ſchroffer trat er dann aber,
nachdem er die Utraquiften al3 die Majorität zufrieden geftellt,
gegen die Konfefjioniften auf). Aus Straubing und Stadt am
Hof waren einzelne Bürger wegen ihres lutheriichen Bekenntniſſes
ausgemwiejen worden; troß der Yürbitte der Stände bewilligte der
Herzog nichts als eine Verlängerung des Termins zum Verkauf
ihrer Güter. — Die Stände winihten, daß die Deklaration von
1) Über Freyberg und Maxlrain: Wiguleus Hund, Bayrifh Stammen
Buh ber ander Teil, Ingolftabt 1586, ©. 99 u. 157. Bei ber
Stammtafel der Grafen von Drtenberg a. a. O., ©. 13ff. erwähnt Hunb
mit feinem Worte ihrer Streitigkeiten mit Herzog Albrecht. über Oswald
von Ed: Hundes Stammenbuh, 3. Teil, bei Freyberg, Sammlung
biftorifcher Schriften und Urkunden III, 288.
2) Bei Freyberg, Lanbftände II, 355 ift unter den „ungebührlichen
aufrührerifchen Reden” auf dem Landtage von 1563 auch folgende von Achaz
von Laiming verzeichnet: „Die Decimation feie ein recht Gift, das ber
Papft zu Berblendung des Fürften ausgegofien.” — Ob etwa ein urfächlider
Zuſammenhang befteht zwifchen dem am 16. Mai 1562 von Papſt Pius IV.
dem bayriſchen Herzog bewilligten Kichenzehnten und Albrechts ſchroffem
Auftreten gegen bie Konfeffioniften im Jahre 1563?
60 Zweites Bud. Erſtes Kapitel.
1556 weiter ausgelegt werde; der Herzog ließ antworten, wenn
man Neuerungen fordere, werde er die Deklaration jelbjt wider:
rufen. — Die Stände baten, der Herzog möge denjenigen Land—
jaflen, welche der Augsburger Konfeffion anhingen, feine Ungnade
bemweijen; Herzog Albrecht erwiderte, daß er gemäß dem Religions-
frieden nicht ſchuldig und aud nicht gemwillt jei, andere Religionen
in feinem Fürftentum zu dulden. — Für die vom Adel war des
Herzogs perfönliche Ungnade wohl das Empfindlichfte. Die Anhänger
der Augsburger Konfeifion wurden nicht einmal mehr zur herzog-
lichen Zafel geladen; al3 dem Herzog zu Ohren fam, daß fie fi
darüber beklagten, antwortete er, wie man jid) in der ganzen Stadt
erzählte: „qui mecum non credit, mecum non edit“ ?). — Allerlei
ungebührlihe oder aufrühreriihe Reden, die während des Land:
tages gefallen fein follten, wurden dem Herzog hinterbracht; darauf:
hin wurde Pancraz von Freyberg zur Rede geftellt, diesmal aber
nichts weiter gegen ihn vorgenommen.
Nicht lange danach vollendete des Herzogs Streit mit den
Grafen von Drtenburg Bayerns Brud mit dem Proteftantismus.
Schon ſeit dem Fahre 1549 ſchleppte fih am Kammergericht ein
Prozeß Hin über die von Bayern beftrittene Reihsunmittelbarkeit
der niederbayriihen Grafſchaft Ortenburg. Die perjönlichen Be—
ziehungen der beiderjeitigen Herren ſcheinen lange Zeit nicht jehr
darunter gelitten zu haben; wenigjtens nahm Herzog Albrecht nod)
im Jahre 1558 feinen Anftand, den Grafen Joachim von Orten—
burg an die Spige einer wegen des Laienfelhes an die Nachbar—
biihöfe abgeordneten Gejandtichaft zu ftellen. Nachher aber be-
fannte jih Graf Foahim offen zur Augsburger Konfeſſion; auf
dem Ingolftädter Landtage machte er den Führer der Adeligen und
Bürger, welche deren Freiftellung forderten. Kurz darauf holte er
ſich evangeliiche Prediger herbei und verfündete, im Dftober 1563,
1) Seb. Haydlauf, Oratio lugubris in Alberti analysin. Monachii
1580. Hayblauf lebte um die Zeit jenes Landtages in Ingolftabt als Kaplan
an St. Moriz. Mederer, Ann. Acad. Ingolstad. I, 309.
Die bayrifhe Politit unter Herzog Albrecht V. 61
die Einführung der Augsburger Konfeſſion in feiner Grafſchaft Orten—
burg. Scharenweiſe liefen die Bauern aus den benachbarten bay—
riſchen Drtichaften zu Predigt und Sakramenten herbei. Graf Joachim
jelbft trat in lebhaften Briefwechſel mit dem Marlrainer und
anderen evangeliihen Adeligen in Bayern, um auch fie zur Refor—
mation ihrer Unterthanen und Hinterjaffen zu bewegen. Nach
Münden vorgeladen erſchienen Graf Joachim und fein Vetter
Ulrich, weigerten ſich aber, ihre ungemweihten Prädifanten zu ent=
fernen und den katholischen Gottesdienft wieder aufzurichten. Des
Herzogs Sache ſei e3, feine bayriihen Unterthanen vom Aus—
laufen auf Drtenburger Gebiet abzuhalten.
Nun Schritt Herzog Albrecht zur Gewalt. — Ein paar Wochen
zuvor hatte Wilhelm von Grumbad mit feinen Adelsgejellen die
Stadt Würzburg überrumpelt, das Domkapitel und den Biſchof,
Herzog Albrechts Verbündete, zu einem beſchwerlichen Vertrag ges
nötigt; in den Niederlanden war eben damal3 der Adel zum
Sturze des Kardinal3 Granvella verſchworen; aud bei dem un—
längft beendigten erften franzöfiihen Bürgerkrieg hatte nicht bloß
die Religion dem hugenottiichen Adel die Waffen in die Hand ge-
drüdt: — was lag näher ala die Beforgnis, daß all’ diefe Regungen
des Adels in einem Zujammenhange ftünden und auf die Be—
freiung desjelben von der Herrichaft der Fürften abzielten. In—
jomweit daher Herzog Albreht auf Grund feiner fürftlihen Landes-
hoheit gegen den LDrtenburger und andere bayriihe Adelige
einjchritt, durfte er auf Sympathieen auch bei manden proteſtan—
tiihen Fürften rechnen, welche fonft feine kirchlichen Reaktions-
gelüfte gerne durchkreuzt hätten.
Der Herzog begann damit, daß er um Neujahr 1564 vor
die Schlöffer Alt- und Neu = Drtenburg einige Reiter jchidte,
welche auf Grund des beanſpruchten Offnungsredtes Einlaß er-
zwangen. Trotzdem fuhr der Prädilant fort zu predigen und wie
zubor liefen ihm die bayriichen Unterthanen zu Zaufenden zu.
Da griff man ihn mitjamt feinem Gehilfen und führte beide
über die Landesgrenze, wo fie gegen Urfehde entlafien wurden.
62 . Zweites Buch. Erſtes Kapitel.
Graf Joachim Hagte über Verlegung des Land- und Religions-
friedens bei den Reihsftänden und beim Kammergericht; Herzog
Albrecht citierte ihn wieder nah Münden. Diesmal erihien er
nicht, jondern ging zum Kaiſer. Nun legte der Herzog Beichlag
auf Graf Joachims bayriihe Landgüter. Im Mai 1564 wurde
neben anderen Schlöffern auch Mattighofen beieft, wo man die
Briefe fand, welche die bayrischen Adeligen mit Graf Joachim
gewechſelt hatten. Darin kamen ftarfe Dinge vor: Achaz von
Laiming hatte den Herzog mit „König Pharao‘ verglichen,
Marlrain von ihm und jeinem Regiment als von „des Zeufels
Anhang‘ geiproden. In jolden Worten, melde Graf Joachim
nachher als „Seufzer und vertrauliche Klagen über die Verfolger
der Wahrheit‘ entihuldigte, fand der Herzog nicht nur feine
fürftlihe Ehre und jeine Religion beleidigt, jondern auch die An-
zeigen einer Verſchwörung und meuteriichen Verbindung, um ihn
wider Willen zu zwingen, die Landesreligion zu ändern. Die
Betroffenen wurden vor eine anjehnlihe Verfammlung von bor=
nehmen Räten und Landſaſſen geladen (Juni 1564); zum größten
Teil erichienen, wideripradhen fie zwar der vorgeblihen Ver—
ihmwörung, wegen der Ehrenkränkungen aber leifteten fie Fußfall
und Abbitte oder baten gar, je nad) der Schwere ihres Vergehens,
um Gnade, die ihnen denn auch, unbeſchadet ihrer adeligen Ehren,
gewährt wurde). Die Strafe beitand hauptſächlich im Aus—
1) Neuerdings hat Florian Rieß (Der felige Petrus Canifius, Frei-
burg i. B. 1865, ©. 329) die alte Erzählung feiner Orbensgenofien von
der Adelsverſchwörung gegen Herzog Albreht zu retten gefucht, aber im
apologetifchen Eifer überfehen, daß Brunner ſelbſt (Excubiae tute-
lares, p. 539) die Gefhidhte von ben auf dem Ambos zerichlagenen
Siegelringen nur vom Hörenfagen fennen will, d. 5. aus ber Boltsfage.
Gewöhnlich wird Herzog Albrechts nachmaliger Beiname „ber Grof-
miütige” auf jeine gegen bie befiegten Abdeligen gelibte Großmut bezogen. Er
ift aber urſprünglich nur eine Überfegung bes lateinifchen Beinamens
Magnanimus, ber bereit8 in ben 1580 von Wolfgang Eder in Ingolftabt
gebrudten Leichenreden wieberholt vorfommt, im Sinne von „hochherzig” ober
„tapfer“. So ſchon auf dem Titel ber erwähnten Orationes funebres in
Die bayrifhe Politif unter Herzog Albrecht V. 63
ſchluß der Schuldigen von fünftigen Landtagen. Sie genügte,
um aud) für die Zukunft allen politiichen und firhlichen Reform:
gelüften des bayriihen Adels ein Ende zu machen. — Beim
nächiten Landtage (Dezember 1565) übernahmen die Landftände
ganz gutwillig des Herzogs neue Schulden, ließen ſich eine Ver—
doppelung des Aufihlages auf das Getränk und eine Landfteuer
gefallen und brachten trogdem fein Wort von der Religion vor. —
Auf ſpäteren Landtagen (1568 und 1570) famen zwar wieder
Religionsbeihwerden zur Sprade, aber nur nod) in der Bitte
beftehend, der Herzog möge nicht wegen der Religion, insbejondere
nicht wegen des Abendmahles unter beiden Geftalten, Bürger und
Bauern aus dem Lande treiben.
Die Streitigkeiten mit den Grafen von Drtenburg, deren
Reichsſtandſchaft, und demnach aud ihr Reformationsrecht in ihrer
Grafihaft, vom Kaifer und von den meilten Reichsftänden aner=
lanut, durch Urteil des Kammergerichtes bekräftigt war, dauerten
mit wechſelndem Erfolg nod Jahrzehnte lang fort; doch blieben
menigitens die bayrischen Unterthanen, da der lutheriſche Gottes—
dienft in der Schloßfapelle des Drtenburgers ifoliert war, vor
neuer Anſteckung bewahrt.
Der Laienkelch wurde durch die kirchliche Reaktion in Bayern
nicht fofort mitbetroffen, jo jehr man dies auch an der Kurie
gewünscht hätte. Als man hier erfuhr, Herzog Albrecht habe
jeinen Landſtänden verfprodhen, ihnen mit oder ohne Genehmigung
von Papft und Konzil den Kelch zu verichaffen, geriet man zu
Rom und zu Trient in den größten Schreden. Eiligſt wurde
ein Nuntius abgefandt, um nod) in elfter Stunde den Fürften,
welhen man bisher al3 das feftefte Bollwerk der katholiſchen
exequiis Sermo Alberto V. . .. catholicae religionis in Germania pro-
pugnatori magnanimo celebratis habitae. — Herzog Albrechts Wappen
(die bayrifhen Weden und ber Witteldbacher Löwe) wirb auf dem Titelblatt
ber Orationes von Engerb fo gedeutet:
Religio cibus est animae panisque salutis
Magnanimusque leo valet hunc defendere panem.
64 Zweites Buch. Erſtes Kapitel.
Kirche in Deutichland anfah, von folder Shwäde und Anmaßung
abzumahnen 1). Kardinal Hofius beſchwor den Herzog, feinen er=
erbten und bisher unverjehrt bewahrten Ruhm der Frömmigkeit
und Standhaftigkeit im Glauben nicht aljo mit einem Schlage zu
vernichten. Den Herzog verdroß es zwar, daß man ihm nicht
viel mehr für fein Verhalten auf dem Ingolftadter Landtage Lob
Ipendete, Do gab er dem Nuntius Drmanetti infoweit nad, daß
er die Erfüllung feines den Landftänden gegebenen Verſprechens jo
lange vertagte, bis Bapft Pius IV. jelbft, infolge der von Herzog
Albrecht gemeinfam mit Kaifer Ferdinand und den vornehmften
geiftlihen Fürften gemachten Vorftellungen, am 16. April 1564
den Laienkelch bewilligte, übrigens nur unter jehr erſchwerenden
Bedingungen.
Inzwiſchen Hatte jih am bayriſchen Hofe die Geneigt-
beit zu religiöfen Konzeffionen an die Unterthanen noch weiter
vermindert. Nachdem e3 einmal, der Neligion wegen, zum
offenen Bruche mit dem Grafen von Drtenburg gekommen war,
wurden mande Rüdfichten überflüffig, welche man bisher auf die
Utraquiften, feine Gejinnungsverwandten, genommen hatte. Sodann
lieferte die mühelofe Demütigung der adeligen Freunde des Drten-
burger3 den Beweis, daß die kirchliche Oppoſition in Bayern weit
weniger Kraft beſaß, als man befürchtet haben mochte. Endlich
1) Die bayrifchen Akten über die Sendung des Nuntius Ormanetti an
Herzog Albrecht bei Aretin, Bayerns auswärtige VBerhältniffe, 1839, Ur-
funben, ©. 5ff., aber mit vielen auch finnftörenden Fehlern. — Die Dri-
ginale KrA. Geiftl. Saden, Nr. 9. Hier wie bei Aretin fehlt das Breve
vom 2. Juni 1563, welches Höfler in ber römifchen Bibliotheca Angelica
fopiert und zuerft felbft in einem Artikel in Besnarbs Nepertorium für
tath. Leben, 1841, I, 311 benutt, ſodann Aretin zur Benugung für
deſſen Gefchichte Marimilians I. (S. 101ff.) mitgeteilt Hat. Auch eine Ant-
wort des bayrifchen Herzogs Tiegt nicht vor. Wahrſcheinlich ift daher das
ohnehin auffallend fehroffe Breve ber Bibl. Angel. nur ein nicht abgefanbter
Entwurf. — Der Brief des Hofius am Herzog Albret in Hosii Opera
II. Col. 1584, p. 212. Datum besfelben und Antwort bes Herzogs Albrecht
bei Aretin, Marimilian, S. 104 Anm.
Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 65
befam jet in Bayern ein Mann das Heft in die Hand, deſſen
Perſon den engften Anſchluß an Rom gleihjam vepräfentierte.
Das mar Herzog Albrehts oberfter Kanzler, Simon Thaddäus
Et, der Stiefbruder des berühmten Xheologen Dr. Johann
von Ed.
Dr. Eck hatte den talentvollen Knaben, da er noch nit acht
Jahre alt, zu fi nad) Ingolftadt genommen, VBaterftelle an ihm
vertreten und Simons Studien geleitet, bis diejer, wohl im Jahre
1536, die juriftiihe Doktorwürde erwarb. Nun brachte der
einflußreihe Xheologe feinen Bruder in Amt bei verjdiedenen
geiftlihen Fürften: zuerft als Dffizial des Paſſauer Biſchofs nad
Wien, dann nad Salzburg, endlich in feine Nähe nad Eichitätt.
Bon hier nahm er denjelben wieder in fein Haus und verheiratete
ihn mit einer reihen Wittwe (1542). Da Dr. Johann Ed
Ihon im Februar des folgenden Jahres ftarb, zeigte fich Her:
309g Wilhelm IV. feinem berühmten Xheologen dankbar, indem
er deifen Bruder zum Kanzler des Nentamtes Burghaufen er=
nannte, weldes Amt Simon EE nun jahrelang bekleidete. — So
verſchieden aud) die beiden Brüder im Außeren und im Charakter
waren, der bäueriſch grobe, materiellem Genuß ergebene, Geſchenken
ſehr zugängliche Theologe und der zartgebaute und ſchwächliche,
dafür aber feingebildete und unbeftechliche Jurift, jo hatte doch der
jüngere Bruder den tiefiten Grund feines Empfindens und Han—
delns, feine religiöjen Überzeugungen von dem älteren übernommen.
Bon ihm hatte er gelernt die päpftliche Autorität über jede andere
zu ftellen, die Kirchengeſetze als göttliche Gebote zu betrachten,
äußerlihen Kulthandlungen den höchſten Wert beisumeffen. Der
grimmige Haß, mit melden Dr. Johann Eds kirchliche Gegner
den Mann verfolgten, weldher ihm ein zweiter Vater gemejen,
machte nahmals den Kanzler EL zu einem unverjöhnlichen Feinde
des proteftantiihen Befenntniffes ?).
1) Biographifches über den Kanzler Simon Ed in der Vorrede zu ben
von ihm herausgegebenen: Tres orationes funebres in exequiis Joannis
Lojjen, Köln. Krieg I. 5
66 Zweite Bud. Erſtes Kapitel.
Über Simon Eds Verhalten in kirchenpolitiſchen Dingen vor
der Zeit, da er oberiter Kanzler wurde, wiſſen wir nur wenig.
1553 befand er ſich unter den bayriſchen Näten auf jener Ver-
fammlung zu Mühldorf; daß er aber dort nicht nad jeinem
Sinne, jondern nur der Inftruftion des Herzogs gemäß ſprach oder
ftimmte, ergiebt fi) daraus, daß er um dieſelbe Zeit einen Ent-
wurf zu einem Religionsmandat einfandte, worin er ftrenge Auf—
jiht über die Lehre und kräftiges Einſchreiten gegen verführerifche
Geiftliche forderte. Für jegt drang Ed mit ſolchen Forderungen nicht
durch, weil Herzog Albrecht, abgejehen von der Not des Augen—
blickes, noch dem Einfluß anderer Räte zugänglih war, melde
entweder jelbit zur Augsburger Konfeſſion hinneigten, wie der Hof-
marihall Pancraz von Freyberg, oder dod Gegner des römischen
Kirchenregimentes und Freunde firdhlicher Reformen waren, wie die
Doltoren Georg Stockhammer, Auguftin Baumgartner und Wi-
guleus Hund. Erſt infolge der Niederlage des Adels auf und
nad) dem Ingolftädter Landtag erlangten an Herzog Albrechts Hofe
die DBertreter der römischen Richtung und namentlih der Kanzler
Eckii. Ingolst. 1543, fowie in ben von Wolfg. Zettel gefammelten
Leichenreden auf den Kanzler felbft: Luctus Academiae Ingolstadiensis in
obitum . . . Simonis Taddaei Eckii. Ingolst. 1574. Dazu Theod.
Wiedemann, Dr. Joh. Ed, ©. 425fl. Nah Mederer]. c. I, 122
u. 126 hieß ber Kanzler eigentlih Simon Judas Mair. Der Name Ed
ſtammt befanntlid von dem fchwäbifchen Heimatsborfe der beiden Brüber.
Wiedemanns Annahme, Simon Ed fei bereit8 1532, alſo faum 18 Jahre
alt, Doktor beiber Rechte geworben, gründet fih nur barauf, daß bie Pro-
motion unter dem Rektorate feine Bruders ſtattfand. Johann Ed war
aber 1536 von neuem Rektor. Zu biefem Promotionsjahre ftimmt die An-
gabe des Oſſanäus, daß Simon Ed nah Erlangung der Magifterwürbe
(1530) 5 Jahre Jurisprudenz ftubiert babe. Rotmar (bei Mederer
l. c. H, 15) fagt von Kanzler Ed: Vir pius, justus et incorruptus,
gravis, cum res poscebat, et humanus simul: religionis amantissimus,
adeo ut repurgandae a sordibus haereticorum Bavariae primus pene sere-
nissimo nostro prineipi autor fuerit multumque in ea re desudaverit.
Singularis fuit studiosorum Maecenas, et academiae patronus benignissi-
mus. — In den Akten babe ich nichts gefunden, was den in ben Leichen-
reden und von Rotmar dem Kanzler geipenbeten Lobe widerſpräche.
Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 67
Dr. Eck das Übergewicht. — Es ift vielleicht nicht bloßer Zufall,
daß es vorzugsweiſe Leute von bürgerlicher Abkunft find, außer Eck
auch jein jpäterer Nachfolger Dr. Ehriftoph Elfenheimer, jodann die
Geheimiefretäre Heinrih Schweider und Erasmus Fend, welche
als Vertreter der kirchlichen Reaktion auftreten. Wie bei dem
landſtändiſchen Adel in Bayern und Oſterreich das Streben nad
Erweiterung feiner politiihen Rechte verbunden war mit dem
Verlangen nah Freiftellung der Religion, jo erwieſen fid) ander:
jeit3 bürgerlihe Rechtsgelehrte als die eifrigften Werkzeuge des
beginnenden geiftlihen und meltlihen Abfolutismus der Landes-
fürften. — Im Jahre 1557 wohnte Simon Ef noch al3 Kanzler
bon Burghaufen dem Religionsgeiprädhe zu Worms bei, wo er
Gelegenheit fand, die größte Schwäche der kirchlichen Gegner, ihre
eigene Uneinigfeit, aus nächſter Nähe zu beobadhten. Gemaltig
hob gerade diefer Tag das Selbftvertrauen der zuvor jo mutlofen
römiſch- katholischen Partei. Nicht lange danach ift Eds Bes
rufung nad) Münden als Geheimer Rat und oberfter Kanzler er—
folgt. Yu einer Zeit, da man bereit3 anfing die meiften Staat3-
geſchäfte ſchriftlich abzumachen, war der Kanzler in der Regel der
leitende Staatsminifter. Er konzipierte oder korrigierte alle wich—
tigen Schreiben, verfaßte die Inſtruktionen für die Geſandten,
führte im Namen des Fürften das Wort bei Audienzen, Bes
ratungen und Verfammlungen. Da die Privatangelegenheiten des
regierenden Herrn von den ftaatlihen nod nicht ſtreng geichieden
waren, jo finden wir die Kanzler häufig auch als Kabinettsjefretäre
und ſonſt al3 Vertraute ihrer Fürften. Dr. Ed war jedenfalls
beides, leitender Minifter und periönlicer Vertrauensmann feines
Herzogs ?).
Im April 1564, kurz che das päpftlihe Breve über den
Laienkelch eintraf, ließ Herzog Albrecht jeine angefeheniten Räte
1) Herzog Albrecht ließ fih von Ed, fowie von befien Nachfolger Elfen-
beimer mitunter fogar zu eigenhänbigen Briefen an feine Söhne das
Konzept machen.
5*
68 Zweite Buch. Erftes Kapitel.
und Beamten zu München über die Religionsfrage beraten. Ed
iprad gegen Laienkelch und Prieſterehe, Elſenheimer und der
Kanzler des Landsberger Bundes, Dr. Onufrius Perbinger, ſtimm—
ten ihm bei; gemäß ihren Vorjchlägen wurden alsbald dem Ge—
brauche des Kelches enge und immer engere Schranken gezogen,
und endlih im Jahre 1571 den Papft geradezu um Widerruf
jeiner Konzeifion vom 16. April 1564 erſucht ?).
Gleich im Beginn der Münchener Konferenzen hatte der Kanzler
Eck eine Art Programm der fatholiichen Reftauration entwidelt.
Es enthielt negative und pofitive Vorſchläge: häretiſche Konven—
tifel jollten verboten, das Auslaufen beftraft, Rädelsführer außer
Landes geihafft werden; zugleidy aber müſſe man die Kirchen mit
beſſeren Prieſtern bejegen, die Schulen neu ordnen, an die ver—
führten Drte tüchtige Prediger, namentlich Jeſuiten, ſchicken. Für
diejes Programm ift Simon Ed ſelbſt noch etwa zehn Jahre
thätig geweſen; al3 er jtarb, hatte er einen Nachfolger, der in
feinem Geiſte fortarbeitete. So gelang es in Bayern nad und
nad) die Keime des Proteftantismus auszurotten oder wenigitens
zu verhüten, daß fie fernerhin offen an den Tag traten. Herzog
Albrecht jelbft aber fand, kurz nachdem er fi in der kirchlichen
Reformfrage für den Papft entichieden hatte, in feinen Familien—
intereffen einen neuen gemwichtigen Beweggrund, mit dem vömijchen
Stuhl auf gutem Fuße zu bleiben. Das war der Wunſch, feinen
üngften Sohn, Herzog Ernft, mit Würden und Ein-
fünften NR
1) Herzog Albrecht an ben Kardinal von Augsburg. Münden, 28. Sept.
1571. (Kopie von Eds Hand.) RU. Hocftift Augsburg IV, 515.
2. Kapitel.
Beginn der geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernft von
Bayern. — Erwerbung des Hodkiftes Freifing. *
Im Fahre 1506 vertrugen die beiden Brüder Albreht IV.
und Wolfgang von Dber= und Niederbayern ihre Streitigkeiten
über die Erbfolge dahin, daß fortan in ewigen Zeiten das Her—
zogtum Bayern nicht mehr geteilt, jondern jedesmal der ältefte
Sohn weltlihen Standes allein regierender Herr werden folle.
* Quellen: Aftenftüde über bie bayrifche Primogenitur bei Aettenthover,
Kurzgefaßte Gefhichte der Herzöge von Bayern. Regensburg 1767.
©. 356ff. Dazu Sugenheim a. a. O., S. 1ff. u. 342ff. Hier
aus ben Landtagsverhandlungen von 1514 u. a. folgende bezeichnenbe
Äußerung der verwitweten Herzogin Kunigunde von Bayern: es er-
fordere ihre „er und fueg, bieweil baid fürften eelih aus ir geborn,
daß fi ungleichalt der erbſchaft ober der titl zwifchen inen nit geftatte;
wiewol ir ber und gemabel I. g. herzog Albrecht ain vermainte orb-
nung, bie in teutfchen landen unerbört, auch in biefem fürftentumb
ain neus ift, aus etlichen anweifern fürgenommen unb aufgeridht, und
die wider bie natur und billihait wol ze achten geweſt, fo hab ir ©.
bob nie als die muetter barein willigen wellen. . .“ Noch im
Jahre 1597 meint Herzog Wilhelm V. von Bayern, e8 ſei „das jus
primogeniturae in unferm hauß noch nit fo wol funbirt, das nit
etwan buch unrumige und ubel contentirte fepf mit ber zeit mie und
arbeit entftehm mechte.“ Stieve, Akten bes Dreißigjährigen Krieges
IV, 528. Die beutjchen Territorien, in melden gegen Enbe bes
16. Jahrhunderts bie Primogenitur mehr oder minder vollftändig durch—
geführt wurbe, verzeichnet Fider, Vom Neihsfürftenftande, I, 265. —
Die beutfchen Hochſtifter, melde um das Jahr 1550 in den Hänben
70 Zweites Bud. Zweites Kapitel.
Nur allmählich befeftigte ſich die bayriſche Primogenitur. Albrechts
älteſter Sohn Wilhelm mußte fih noch dazu verftehen, feinen
Bruder Ludwig zum Mitregenten anzunehmen, und beide hatten
ih zu wehren, dat nicht auch der dritte in den geiftlihen Stand
gegebene Bruder Ernft troß der Abfindung mit Geld einen Ans
teil an der Regierung in Anipruh nahm. Zum Vorteil für die
Einheit des Fürftentums war von diefen drei Brüdern nur der
ältefte verheiratet und blieb aud von feinen Söhnen nur einer,
der nadhmalige Herzog Albreht V., am Leben. Im Jahre 1546,
als ji) diefer mit König Ferdinand Tochter Anna vermählte,
veriprad) Herzog Wilhelm IV. ihm allein, ohne Rüdjiht auf
etwaige andere künftige Söhne, die Negierung zu binterlaffen.
Dennoch gab es nachher, wie wir bereits jahen, zwiſchen Albrecht V.
und jeinem Oheim Herzog Ernſt wiederum Anftände wegen der
Landeshoheit.
Inzwiſchen hatte aber die Anſicht, daß das Fürſtentum ſeiner
Natur nach unteilbar ſei, eine Anſicht, von der man noch zu An—
proteſtantiſcher Fürſten waren, ſind zuſammengeſtellt aus Potthaſt,
Wegweiſer, Supplement. Berlin 1868.
Über die deutſchen Domkapitel und ihre Statuten im allgemeinen
Hinſchius, K. R. II, 49ff. und von der dort verzeichneten
zahlreichen Litteratur namentlich: Dürr, De Capitulis clausis.
Mogunt. 1763; aud bei Aug. Schmidt, Thesaurus juris eccles.
III, 122sgg. Andere Abhandlungen von Dürr in T. V des Thesau-
rus. Für Köln befonders bie oben ©. 17 genannte Abhandlung von
Hüffer. Ültere Kölner Statuten bei Würdtwein, Subsidia
diplom. III, 76. — Für Salzburg: 2. Hübner, Beichreibung ber
Nefidenzftabt Salzburg II, 170ff. Salzburg 1793. Akten über bie
Erwerbung des Salzburger Kanonilats für Herzog Ernft RX.
Salzburg, T. XI. — Über das Kölner Kanonifat DU. Domtap.
Protot. Nr. 151 u. StA. 38/2. — Über die Trierer Dompfründe
einiges RU. Trier, T. IV. fol. 84/94. Gegen Enbe bes Jahres
1573 war einmal die Nebe von einer etwaigen Reſidenz bed Herzogs
Ernft im Erzftifte Trier, e8 fam aber nicht dazu. — Die Notiz über
das Würzburger Kanonikat aus WKrA. Rezeßbuch ber aufgefchworenen
Domherren, de Ao 1263/1620. — Die Akten über Herzog Albrechts
Verhandlungen mit Bifhof Moriz und dem fFreifinger Dom-
tapitel babe ich bisher nicht aufgefunden. AN. Fürftenfachen Spec.
C. Nr. 404, ein nicht vor dem Jahre 1575 niedergefchriebenesd Bruch—
Beginn ber geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernſt von Bayern. 71
fang des Jahrhunderts meinen konnte, fie wideriprehe der Natur
und Billigfeit, im Deutichen Reiche mehr und mehr Raum gewonnen.
In einer ganzen Reihe von deutihen Fürftentümern it im letzten
Drittel des 16. Jahrhunderts die Primogenitur eingeführt wor—
den. Auch Herzog Albreht von Bayern wollte die mühſam er=
fämpfte Einheit jeiner Lande nicht wieder zerreißen laſſen. War
das Prinzip einmal anerkannt, jo blieb die Frage, wie nun die nad):
geborenen Söhne ftandesgemäß zu veriorgen jeien. — Am beiten,
indem man ihnen ein geiftliches Fürftentum verſchaffte. Prote—
ſtantiſche Fürften konnten das bei den im Bereihe ihrer Macht
gelegenen Stiftern ohne oder aud gegen den Willen des Papftes
durchſetzen. So finden wir um die Mitte des Jahrhunderts
brandenburgiiche Prinzen in Magdeburg, Halberftadt, Havelberg
und Lebus; Braunichweiger in Bremen, Verden und Minden ;
Mecklenburger in Schwerin und Rageburg; Pommern in Kammin;
das ſächſiſche Kurhaus ſchickt ih an, Merieburg, Meißen
und Naumburg jeinen Landen ganz einzuverleiben. Dagegen
ftüd einer „Relation expeditionis pro Ernesto“ von Dr. Pfifters Hand,
auf beren Nichtigkeit man fi aber nicht verlafien kann, da Pfifter
zeitweilig geftörten Geiftes war. Die Verhandlungen mit Rom
wegen Freifing anfcheinenb faft vollftändig RA. Freifing, Nr. 75 u.
76. Einzelnes noch RU. Augsburg, T. III und gebrudt bei
Laderchiusl. c. XXI, 150 u. 426. — Über Iobocus Caſtner:
Äußerungen feines Freundes Rotmar bei Mederer 1. c. I, 229
u. 277. Mir ift bisher nur ein Brief Caſtners vorgelommen (am
Kanzler Ed vom 26. Mai 1569. RX. Salzburg, T. XI, fol. 112),
worin Caſtner ſich als gewifienbafter Lehrer erweiſt. Als bloße Ver-
leumdung betrachte ich einige fpäter zu erwähnenbe Anbentungen von
Dr. Adrian Aerntsperg aus dem Jahre 1572. — Biographiſches über
Moriz v. Sanbizell bei Hund, Metropolis Salisburg. ed. Gewold.
Mon. 1620. I. 112 und bei Meihelbed, Kurtze Frepfingifche
Chronica 1724, ©. 276. — Über Martin Eifengrein: Mederer,
Annales I u. II passim (ſ. Inder in Bd. III), ferner bie von
Rotmar herausgegebenen Orationes funebres quatuor in obitum...
Martini Eisengreinii. Ingolst. 1578. — Über Andreas Fabriciug:
Mederer l. c. II, 73sqqg. (au8 Engerds Annalen). Danach fei
fein eigentliher Familienname Matius geweien, welchen Anbreas und
fein Bruder Gottfried gegen den eines Oheims von mütterlicher Seite
vertaufhten. Valerius Andreas, Bibl. Belg. 1643. 4°, p. 48
72 Zweites Bud. Zweites Kapitel.
ſahen fi die fatholifch gebliebenen Häuſer, wie das lothringiſche
und das bayriſche, bei ihren übrigens gleihartigen Beftrebungen
auf das Wohlwollen des römiſchen Papftes angeiwiejen.
Als Herzog Albrecht V. im Jahre 1565 ſich entſchloß, einen feiner
Söhne in den geiftlihen Stand zu geben, hatte er zunächſt ſicher—
(ih feine weitere Abjiht als die, ihn gut zu verjorgen. Von
jeinen fünf Söhnen lebten damal3 nod drei: Wilhelm (als ältefter
der künftige Landesherr), Ferdinand und Ernſt. Ferdinand, der
damals ſchon in feinem jechzehnten Jahre ftand und große Luft
zum Waffenhandwerk zeigte, mochte dem Water al3 wenig geeignet
zum geiftlihen Stande erſcheinen; dagegen joll Herzog Ernit, der,
al3 das jüngfte von Albreht3 fieben Kindern, am 17. Dezember
1554 zu München geboren war, jelbit Vorliebe für denfelben ver-
raten haben; vielleiht war fie ihm von Jodocus Gaftner einge:
flögt, jeinem erften Lehrer in den humaniftiichen Wiſſenſchaften, einem
Mann von ernfter Richtung, der fpäter in den Jeſuitenorden
eintrat.
giebt an: A. F. Hodegiae (zu Hobeige), municipio Leod. natus,
philosophiam et theologiam a Gothofredo fratre ... aliisque di-
dieit, et Lovanii ad S. Gertrudem docuit. In einem Briefe an
ben Kanzler Ed vom 8. Juli 1568 bemerkt A. 5. gelegentlich:
ante octo annos, dum agerem praesidem quotelebeticarum quas
vocant quaestionrum Lovanii.. Daß er auf Beranlaffung bes
Papftes Pius V. zu Herzog Ernft gelommen fei, behauptet er jelbft
wiederholt. Im einem Breve Pius’ V. an das fFreifinger Dom-
fapitel vom 25. Januar 1567 RU. Freifing Nr. 75, fol. 216
wird A. F. neben Ludwig Schrenk, Philipp Dobereiner, Tilman
Bredebach und Georg Lauther für die im päpftlihen Monaten er-
ledigten Kanonilate ernannt. Std. 311/13 eine Abrebe zwifchen
Kanzler Ed und %. betreffend 58. Beftallung vom 28. Mai 1567,
von Pfifters Hand. Der erfte Brief Fs., melden ich bisher in
den Münchener Archiven gefunden, ift an Ed gerichtet aus fFrei-
fing vom 6. Januar 1568. RA. Salzburg Xl, 86. Damit fchidt
5. an ben Kanzler und befien Gattin einige Gejchenfe als Dant für
deren Gaftfreundfchaft, bittet ferner ben Kanzler, gewiſſe Stellen feines
Samfon durdzulefen, die Chöre aber Orlando (di Lafjo) zum Kom-
ponieren zuzuftellen; empfiehlt zugleih einige feiner Berwanbten,
darunter ben nachmals berühmten Theologie - Profefior Petrus
Stevart.
Beginn ber geiftlihen Laufbahn der Herzogs Ernft von Bayern. 78
Der erſte Schritt in der geiftlihen Laufbahn für Herzog
Ernſt wie für andere vornehme Herren war der, ein Kanonifat
an irgendeiner SKollegiatkiche ſich zu verichaffen, am beften an
einem Domftifte. Fähig, eine Präbende oder ein Kanonifat an
einem der deutihen Hodhjftifter zu erwerben, war im 16. Jahr—
hundert nur, wer entweder adelige Geburt nachweiſen fonnte oder
einen der höheren akademiſchen Grade (Doktorat oder Licentiat)
erlangt hatte. Die geforderte Adelsſtufe ſowie die Zahl der
Ahnen mar in den einzelnen Stiftern verſchieden. Während
Köln und Straßburg nur Fürften- und Grafenmäßige in ihre
Domkapitel aufnahmen, forderten andere Stifter den Ritteradel;
wieder andere liegen auch niederen Adel und ſtädtiſches Patriziat
zu. Wer die erforderliche Ahnenreihe nachwies, konnte Kanonikus
werden. Jedoch war in den meiften Stiftern die Zahl der Ka—
nonifer eine geſchloſſene. Ein beftimmtes Alter war in der Regel
nicht vorgefchrieben; am Kölner Dom galt 3. B. der Grundſatz,
daß Adelige Schon durch die Taufe zu Evelpräbenden fähig würden ?).
Einkünfte bezogen aber diefe jungen Kanoniker erſt, nachdem fie
von ihrer Stelle im Chore perſönlich Befit, genommen und erjte
Nefidenz gehalten hatten. Über die Zeitdauer und fonftigen Bes
dingungen der Refidenz und des von ihr abhängigen Genuſſes der
Pfründe hatte jedes Domkapitel feine befonderen Statuten; ein
Grundgedanke herrſcht jedoch überall: den Kreis der zum Mitgenuß
Berechtigten möglichſt einzuengen.
Der Anfang wurde für Herzog Ernſt mit dem angejehenen
und benachbarten Erzftift Salzburg gemacht. Unter dem Vorwande
1) In ben bei Würdtwein 1. c. abgebrudten Constitutiones Eccl.
Metrop. Colon. vom Sabre 1423, Cap. XXII, wird zwar neuerbings ber
Mißbrauch verboten: infantibaus . . . adhuc in cunabilis existentibus
canonicatus et praebendas conferri, aber man febrte fi nad wie vor
nicht daran. 10. Dezember 1574 (DA. Domkap. Protof. Nr. 156)
wird 3. B. bie Ernennung eines 14jährigen Knaben zu einer Ebdelpräbenbe
genehmigt, nachdem verſchiedene Kapitularen Präcedenzfälle angeführt und
der Senior ber Priefterfanonifer u. a. bemerkt hat: quod semper audierit
nobiles ad praebendas qualificatos per baptismum,
74 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
einer Einladung zur Jagd begab fi der Kanzler Ef im Juni
1565 nad Salzburg zum Erzbiihof Hans Jakob Khuen
und erfuhte ihn, dem zum geiftlihen Stande beftimmten
jüngften Sohn feines Herzogs zu einem Platz im Domkapitel zu
verhelfen. Gelegenheit fand ſich bald. Ein Salzburger Domberr,
Wolfgang Adam von Haunfperg, hatte vor zu heiraten und des—
halb fein Kanonikat zu vefignieren. Durd dritte Hand bot er
e3 gegen Geldentihädigung dem bayrischen Herzog an. Diejer
Handel wurde als fimoniftiich abgelehnt, dagegen ließ Albrecht den
Haunsperger vertröften, wenn er ſich in jeine Dienfte begeben und
in Religions- und anderen Sachen gebührlic halten wolle, werde
man ihn mit Gnaden gebraudhen und befördern I). — Nun nahın
die Sache ihren jtatutenmäßigen Verlauf: Haunfperger reſignierte
jein Kanonifat zuhänden des Kapitels; ſofort hielten die Proku—
ratoren des Herzogs Ernſt um die erledigte Pfründe an, bewiejen
deſſen fürftlihe Abjtammung von Eltern und Großeltern und ges
lobten Beobachtung der Statuten des Stiftes. Daraufhin ver-
liehen Dechant und Kapitel, am 25. Auguft 1565, Haunfpergers
Kanonikat und Präbende dem Herzog Ernſt von Bayern. Diejer
hätte nun feine erjte Reſidenz gleih am nächſten Rupredtstage
im Herbft ?) anfangen können und follen, verſchob dies aber wegen
einer in Salzburg herrſchenden Krankheit und Hat fie dann erſt
im September 1568 angetreten.
Sobald Herzog Ernft in Salzburg Kanonikus geworden,
wandte ji Herzog Albreht an die drei geiftlihen Kurfürften und
an den Biihof von Würzburg, ſowie an deren Domkapitel mit
der Bitte, feinen nunmehr geiftlihen Sohn aud auf ihre Stifter
1) Haunfperg ließ ſich das Pflegamt Wilthut und einen Ratsſitz zu
Burghaufen zufihern. AS Rat zu Burgbaufen nennt ihn Hund,
Stammenbud, 3. Th., a. a. O. ©. 365.
2) Die Salzburger Kirche feierte das Feſt ihres Gründers und Patrond
St. Rupredt an zwei Tagen, am Tobestage 27. März, umb am Tage ber
Übertragung feiner Gebeine (Translatio) 24. September. An den Boraben-
ben biefer beiden Fefte fanden regelmäßig Peremptorialfapitel ftatt.
Beginn ber geiftlihen Laufbahn des Herzogs Exrnft von Bavern. 75
zu befördern. — In Köln, Zrier und Würzburg geihah dies
jehr raſch. Bereits am 5. Dezember 1565 ernannte der Kölner
Domdehant Heinrih Graf zu Sayn den bayriihen Herzog für
das duch die Nefignation eines Grafen von Beichlingen !) er:
ledigte Kanonifat nebſt Präbende. Fünfzig Präbenden gab es im
ganzen an der Kölner Domlirhe: zwei davon ftanden Papft und
Kaifer zu, die anderen achtundvierzig waren zur Hälfte Kapitulars
präbenden und zwar, wie bereit erwähnt, ſechzehn für Edelherren,
acht für Doktoren und Licentiaten des kanoniſchen Rechtes oder
der Theologie, die fogen. Priefterfanonifer, auch, nad) ihrer vor=
maligen Siebenzahl, Siebenpriejter geheißen. Die übrigen vier—
undzwanzig Kanonifate waren ausſchließlich wieder für Hocadelige
bejtimmt, und — abgejehen davon, daß ſich aus ihnen die ſechzehn
Edelherren des Stapitel3 ergänzten — im Grunde bloße Sine—
furen. Die Einkünfte einer jolden einfachen Edelpfründe ſchätzte
man in der eriten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht über 100
rheiniſche Goldgulden, die eines SKapitelplages zur gleichen Zeit
auf 300—400 Goldgulden, einige Jahrzehnte ſpäter auf etwa
500. Um diefe Einkünfte zu genieken, mußte jeder Kanonikus
jährlich 17 Wochen und 3 Zage in Köln vefidieren, konnte jedoch
feine Stelle im Chor durch einen aus der niederen Geiftlichfeit
genommenen Vikarius vertreten laſſen. Das Recht der Ernennung
zu den einfachen Edelpfründen wechielte im Zurnus ab zwiſchen
den ſechs Prälaten des Erzitiftes: Dechant, Afterdehant, Chor—
biſchof, Scholaftifus, Senior- Diakon und Junior-Diakon. Die
Einfünfte dieſer Prälaten waren beträchtlich höher als die der
anderen Sapitularen. Am beiten ftand der Dompropft, wel
her aber im 16. Jahrhundert nit mehr Mitglied des Kapitels
war. Jeder Kanonikus hatte bei der Aufnahme 68 Gold—
gulden ſogen. Statutengeld „zur Beſſerung der Kirchengüter“ zu
entrihten, dann ein Faß (Zulaft) Wein, welcher unter Kapitulare,
Kanonifer und Vikare verteilt wurde. Sein eigenes Anrecht
1) Bartholomäus Friedrich, letzter Graf von Beidlingen, 7 1567.
76 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
datierte aber nicht Shon von der Ernennung an, fondern erſt von
der perfönlihen Befignahme. Nach diefer vergingen dann noch
drei Jahre und ein Monat, die jogen. anni carentiae, bis der
junge Sanonifus zur Reſidenz und den Einkünften zugelaffen
wurde. In der Zmwilchenzeit mußte die Ahnenprobe abgelegt
werden; dieſe beitand darin, daß je vier Fürſten, Grafen oder
Freiherren in Form eines offenen Briefes an Dechant und Ka—
pitel bezeugten, dag N. N., Beweiſer des Briefes, ſowohl von
Vater: wie von Mutterfeite von bier freien edlen Stämmen ab=
ftamme, daß diefe Ahnen allweg zu rechter Ehe geſeſſen, und daß
auch die Stämme jeit Menfchengedenfen und länger für frei und
edel gehalten worden ſeien.
Dem bayriihen Herzog mochte es bedenklich ſcheinen, feinen
jungen Sohn jetzt Schon nad) dem leichtlebigen Köln zu enden.
Daher ſchrieb er jelbft im Sommer 1566 an Kurfürft Friedrich, jein
Kanzler Eck aber an den kurkölniſchen Kanzler Dr. Burkhart, den
Sohn eines vormaligen Ingolftädter Profeſſors ), damit durch ihre
Vermittelung dem Herzog Ernft die perjönlihe Beſitznahme jeines
Kanonikats erlaffen werde. Das widerſprach aber den Statuten
wie dem Herfommen; erſt jüngft hatte man zwei jungen Herzögen
bon Lauenburg die gleihe Bitte abgeſchlagen. Auch diesmal war
ein Zeil der Kapitularen entjchieden dagegen, die einen, weil fie
überhaupt feinen Präcedenzfall ſchaffen, die anderen, weil fie nicht
wollten, daß ein Fürft vor den Grafen etwas voraus habe. Erſt
nad dreimaliger Umfrage im Kapitel verſchaffte die Rückſicht auf
die wertvolle Freundihaft des bayrischen Herzogs dem Antrage
die Mehrheit. Doch wurde in die Urkunde ein Proteft gegen alle
1) Mederer 1. c. I, 123. Prantl, Gecſchichte ber Univerfität
Münden II, 487, verwechfelt den kölniſchen Kanzler mit feinem 1539 ge—
ftorbenen Vater. Nicht biefem fonbern bem Kanzler wurbe Erftenbergers
Autonomia untergefhoben. Der jüngere Franz Burfhart wurde bereits
unter Erzbischof Adolf (1546—1556) kurkölniſcher Nat; als folder ift er
1551 unter ben Kontrahenten bes Pafjauer Vertrages. Zuvor hatte er
dem Speierer Bifchof Philipp von Flersheim als Rat gedient.
Beginn der geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernft von Bayern. 77
Konfequenzen aufgenommen; außerdem follten Hofmeifter und Prä—
ceptor des jungen Herzog3 geloben, dab fie diefen zu Fatholifcher
Lehre und Leben anleiten würden. Am Zage nad diefem Be-
ihluß, 16. Dftober, nahm Herzog Ernft3 Profurator, der Chor—
biſchof Graf Kuno von Manderiheid, unter den gewöhnlichen
Formalitäten Befig von Sanonifat und Präbende: zum Zeichen
der Inveſtitur ſetzte nämlid) der Dechant dem vor ihm knieenden
Profurator fein Barett (biretum) auf und führte ihn alsdann
ein Priefterfanonilus in den ihm zufommenden Chorſtuhl.
Auch im Erzitift Trier handhabten die Domberren felbit in
einem gewiſſen Zurnus die Ernennung zu den Kanonikaten. Im
Sommer 1567 fam die Reihe an den Domkuftor Johann von
Schönenburg, mit welchem Herzog Albreht auf dem jüngjten
Regensburger Reichstag befannt geworden war. Dieſer machte
durch den trieriihen Kanzler Dr. Johann Wimpheling das Aner-
bieten, Herzog Ernft zu einer Dompräbende zu ernennen, und
that dies dann beim nächften Generalkapitel, am Tage nad) Mariä
Geburt (9. September 1567). Am darauffolgenden St. Xhomas-
tag (21. Dezember) wurde Herzog Ernſt, nachdem er zuvor auch
bier, den Statuten gemäß, durch zwei ſogen. Kundſchaftsbriefe
(von Erzherzog Ferdinand und Kardinal Otto Truchſeß) feine
ehelihe Abftammung von je vier Ahnen von Vater: und Mutter-
jeite bewiejen hatte, unter die Trierer Kanonifer aufgenommen. —
Db in Mainz auf Herzog Albrechts Erſuchen Hin irgend etwas
geichehen ift, wiffen wir nit. — Im Würzburger Domftift war
Herzog Ernſt bereit3 am 28. Februar 1566 Kanonikus geworden.
Näheres ift darüber bis jet nicht befannt.
Inzwiſchen hatte Herzog Albrecht bereits Sorge getragen, ein
eigenes geiftliches Fürftentum, das Nahbarftift Freifing, für feinen
Sohn zu befommen.
Biſchof von Freifing war feit dem Jahre 1559 Moriz
von Sandizell, der, anfangs nur gegen ftarfe Oppofition ges
wählt, nachher als guter Haushalter ſich bewies, um feine
geiftlihen Pflichten aber wohl nicht viel kümmerte; wenig-
18 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
jtens ftand im allgemeinen der Freifinger Klerus, gleih dem
Regensburger, in bejonder3 jchlehtem Rufe. — Stift Freifing
mußte gerade dem bayrischen Haufe wohl zufagen. Der Biſchofs—
fit, jelbit und ein Zeil der anderen Kirhengüter waren von bay—
riſchem Gebiet umringt; anderjeit3 lag ein großer Zeil des Her—
zogtums Bayern, insbejondere die beiden Hauptitädte München
und Landshut, unter der geiftlihen Jurispiktion und, wie man
fid) ausprüdte, im Krifam von Freifing; dagegen waren wieder
die bayriihen Herzöge von altersher Schugvögte der Freifinger
Kirche; bayriihe Herzöge (von der älteren, pfälziichen Linie)
hatten in der ganzen erjten Hälfte diejes Fahrhunderts den biſchöf—
lichen Stuhl innegehabt. Wurde Herzog Albreht3 Sohn jekt
Biihof von Freifing, jo blieb er felbit unter des Vaters Augen,
während jein Stift gleihjam unter deſſen Vormundſchaft kam.
Mie man die Sade anfing, ift nicht genau befannt: e3 heißt,
eines Tages, im Herbite 1565, fei eine ftattliche bayriſche Kom—
miffion, beitehend aus dem Landhofmeifter Dito Heinricd Graf von
Schwarzenberg, Kanzler Ef, Dr. Perbinger und dem Sekretär
Erasmus Fend, unverjehens im Freifinger Domkapitel erſchienen
und babe erklärt, der Biſchof wolle zugunften des Herzogs Exnft
refignieren; das Kapitel möge feinen Konjens geben. — Ohne viel
Umstände wurde diejer erteilt. Dagegen verpflichtete fi) Herzog
Albrecht, während der Minderjährigkeit jeines Sohnes dem Kapitel
die Regierung zu überlafien. Die päpftliche Konfirmation — Papft
war damals noch Pius IV. — hoffte man ohne viel Mühe zu
erlangen ). Der Freifinger Domherr Dr. Johann Pfifter, der
1) 11. November 1565 fchreibt Kardinal Otto Truchſeß aus Dillingen
an Herzog Albrecht: „Ich befint die Freifingifch fach der maſſen mol ange-
georbnet, Got Lob, das ich fein zweiffel hab, E. L. werde bie confirmation
in anfehung €. 2. hohen verbienft gegen bem ftuel zu Rom und catbolifcher
religion omangefehen ber beereten concilii Tridentini erhalten.” Ähnlich
wieder am 23. November. Herzog Albrehts (von Fend abgefafte) erfte
Inftruftion für Pfifter und Eifengrein (vom 3. Dezember 1565) klingt fehr
zuverfihtlih: „Und nachdem wür gar in fainen zweifl ftellen, bie Bäbft.
Heil. werde ir diß wert mit unſerem fone (als durch welches wir ung
Ermwerbung des Hochftiftes Freiſing. 19
ihon für Biſchof Moriz die Konfirmation erwirkt hatte, jollte im
Namen von Biihof, Kapitel und Herzog nad Rom gehen; als
zweiter Gejandter der Lic. theol. Martin Eijengrein, damals
Pfarrer von St. Moriz in Ingolftadt und zugleich Superintendent
der Univerfität, einer jener Konvertiten, welche fi, jeitdem Her—
zog Albreht für die ftreitende römiſche Kirche Partei genommen
hatte, zahlreich unter feine Fahne drängten.
Die beiden Gejandten waren bereit3 unterwegs, als die Bot-
ſchaft, Pius IV. jei geftorben (am 9. Dezember 1565), fie nötigte
heimzufehren, um ji mit anderen Vollmachten zu verjehen für
den am 7. Januar 1566 neugewählten Papft Pius V., Michael
Shislieri, der wegen feiner ftrengen Yrömmigfeit allgemein be=
fannt war; jo kamen fie erft Ende ebruar 1566 nad) Rom. Auf
der Reife war ihnen der Kardinal von Augsburg begegnet, der
bon Rom fam und dort erfahren hatte, daß es nunmehr mit der
Freifinger Konfirmation nicht jo leicht gehen werde, wie er felbit
zu Lebzeiten Pius’ IV. gemeint hatte. Er riet daher, einftweilen
nur dem neuen Papfte zu gratulieren und mit der Hauptſache zu
warten, bis er jelbft mit Herzog Albrecht geredet habe. Diefen
Rat des Kardinals, an welchen der Herzog felbit fie gewielen
hatte, befolgten die Gejandten und brachten daher zunächſt nur in
öffentlicher feierliher Audienz (am 23. März) Pius V. die Glüd-
wünſche des Haujes Bayern dar. Das Wort führte der beredte
Eifengrein ). Der Papſt antwortete, er danke Gott, daß er in
lauter erfferen, was religion wür unb unfere füne feien unb ze bleiben ge=
denken) zuem beften mwolgefallen lafien, jo haben wür umb ſovil mer hofnung,
ir Hail. werbe uns ber annaten und tar halben befto wätterlicher bebenten.
Derowegen auch unfere gejanten irer Hall. und etlichen vertrauten carbinäln
in gehaim entbeden follen, das wür im tröftliher zuverficht aines milten ge-
werlihen beſchaids nit allain bife befchtwerb der ammaten unb tar halben
vom capitel und ftift auf uns genomen, ſonder auch dem refignierenben
biſchove auf den fal irer Hail. guethaiffens ain anfechliche penfion, fo fich in
tie 2000 Ff. erftredt, bie jare feins Iebens bewilligt haben, welches ban,
gegen; abtvettung ainer ſolchen bignitet, mit Teichtlic möge getabelt wer—
ben.
1) Rotmar (bei Mederer l. c. I, 300) verfichert: non arbitrabantur
80 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
dem allgemeinen Abfall einen Fürſten wie Herzog Albrecht aufbe—
wahrt, welcher ſeine Kniee nicht vor Baal beuge. — Die Char—
woche kam heran. Eiſengrein erfüllten die zahlreichen Außerungen
der Buße und Frömmigkeit, welche er in dem als gottlos ver—
ſchrieenen Rom erblickte, mit Bewunderung und Entzücken. Als
Pius V., ein ehrwürdiger Greis mit ſchneeweißem Bart, inmitten
feiner beften Kardinäle und der Kämmerer, vom Vatikan herab
der auf dem Petersplage ji drängenden Vollsmenge unter dem
Donner der Geihüge die alte Bannbulle In Coena Domini neu
berfünden ließ, da ſchien es dem frommen Konvertiten, al3 jei der
jüngfte Tag angebroden und al3 komme der Herr felbjt mit feinen
Engeln, die ganze Welt zu rihten. Dann ftaunte er in der Nacht
über die Reihen von Büßern, welde durch die Straßen zogen,
über ihre Sünden mehllagend und fi geihelnd, bis ihnen das
Blut vom. Rüden ranı. Er meinte, Calvin jelbft würde, aus
der Unterwelt zurüdgelehrt, am Dfterfonntage vor dem heiligen
und demütigen Papfte, der auf feinem Thronſeſſel jegenipendend
einhergetragen wurde, auf die Kniee gefallen ſein und mit ven
anderen dem Stellvertreter Chrifti fein Vivat Papa Pius V. zu=
gerufen haben 9.
Bald nah Dftern erhielten die Gejandten von Herzog Albrecht
Befehl, gemäß dem von Rom aus gegebenen Rat, bon der ges
wünſchten Milderung der Zare vorläufig nichts zu reden, fondern
einfah um Konfirmation des in Freifing Gejchehenen zu erfuchen.
Daraufhin Hatten Pfifter und Eifengrein, nebft dem ftändigen
Agenten ihres Herzogs Dr. Johann Paul Gaftellino, eine Privat:
audienz beim Papſte, welchen Eifengrein in langer Rede bat, die
Romanae curiae proceres, tantam vim dicendi tamque gravem et jucundam
eloquentiam in Germano inveniri posse oratore. — Die von Mederer
l. c. erwähnten gebrudten Propemptica fenne ich nicht.
1) Eifengreins eigenhänbiger Brief an Herzog Albrecht, worin er bie
Feier der Charwoche in Rom befchreibt (RA. Freifing Nr. 76, fol. 58),
ift ohne Nennung ber Namen, aber fonft wenig verändert, gebrudt in
Epistolae aliquot gravium virorum . . . de gestis Pii V. P.M. Coloniae
1567, p. 9.
Erwerbung des Hochftiftes Freifing. 81
Refignation des Freifinger Biſchofs anzunehmen und zu geftatten,
daß Herzog Ernſt diefer bedrohten und gefährdeten Kirche als
Aominiftrator, womöglich mit dem Biſchofstitel, vorgeſetzt merde.
Pius hörte ſchweigend zu, dann frug er nad) dem Alter des Prin-
zen. „Vierzehn Jahre‘ Y, antworteten fie, „aber an Frömmig—
feit, Wiffen und Erfahrung manchem Zwanzigjährigen voraus.‘ Der
Papit feufzte, dann jagte er, niemanden würde er lieber willfahren
als dem Herzog, deſſen Eifer für die katholiſche Religion und deijen
Zugenden er fenne, aber allzu jehr widerfprächen die Trienter Be—
ftimmungen und auch die alten Canones. Um einer einzelnen
Kirche, der Freifinger, zu helfen, fürchte er die gejamte Kirche und
Gott jelbft zu beleidigen. Er ließ fogar den Argwohn durch—
bliden, Herzog Ernſt könne am Ende die jegt auf ihn geſetzten
Hoffnungen täuſchen. Und was würden die häretiichen Fürften in
Deutichland dazu jagen? Schließlich verwies er die Gejandten
an die Kardinäle, in deren Sonfiftorium die Sache vorkommen
müſſe. Gerade ein Konfiftorium fürdhteten die Gefandten am
meilten, denn Hier, unter dem Vorige des Papftes, wolle jeder
Kardinal als eifriger Exekutor des Zrienter Konzils erfcheinen.
Da alfo auf dem direlten Wege in Rom nicht3 zu erreidhen war,
Ihlugen fie ihrem Herzog verſchiedene Umwege vor, auf denen
vielleicht leichter zum Ziele zu fommen: — etma durd) eine Koad—
jutorie oder dadurch, daß die biichöflichen Funktionen, bis zu Her:
zog Ernſts Volljährigkeit, zwiihen ihm, einem Weihbischof und
dem Domkapitel geteilt würden. Diefen zweiten Ausweg em=
pfahl ungefähr zur jelben Zeit auch der zu Augsburg bermeilende
Kardinal Commendone. Herzog Abreht war ganz einverftanden,
auch der Papft und einige andere zurat gezogene SKardinäle
Ihienen ihn im allgemeinen zu billigen; dennoch fam man in
Rom nit vorwärts, mochte nun des Papftes Gewiſſenhaftigkeit die
Urſache jein, oder der Wunſch, durch längeres Zögern den Wert
der erbetenen Gunft zu fteigern. Der Hochſommer nahte heran,
1) In der That war Herzog Ernft erft zwölf Jahre alt.
Loſſen, Köln. Rrieg I. ’ 6
82 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
während deſſen die meiſten Kardinäle der ungefunden Stadtluft zu
entfliehen pflegten und nur die dringendſten Geſchäfte erledigt
wurden. Eiſengrein, der ſeinen Hauptzweck erreicht, Rom geſehen
und an der Kurie ſich bekannt gemacht hatte 9), kehrte reichbeſchenkt
heim und überließ Pfiſter und Caſtellino die weitere Betreibung
der Sache.
In einer neuen Audienz, am 9. Juli, kam endlich der Papft
ſelbſt mit einem Vorſchlage hervor, wie die Sade fih machen
ließe. Das Freifinger Kapitel jolle für diesmal, unbeichadet feiner
Rechte für die Zukunft, auf fein Wahlrecht verzichten und ihm,
dem Papſte, anheimftellen ihre Kirche zu verſehen. Dann merde
er in der beſprochenen Weije die biihöfiihen Funktionen zwiſchen
Herzog Ernſt, Domkapitel und Weihbiihof teilen. Diejer Vor:
ſchlag bezwedte wohl, zu verhüten, daß andere al3 der Papft jelbft
über Defrete des Trienter Konzil3 ſich hinausſetzten. Pfiſter
antwortete, falls das Kapitel der Succeſſion des Herzogs Ernſt
gewiß ſei, werde es ohne Zweifel einwilligen. Das geſchah in
der That. Ein Formular des gewünſchten Verzichtes wurde aus
Rom dem Domkapitel zugeſendet und von dieſem alsbald unbe—
denklich ausgefertigt ?).
1) 15. Dezember 1565 ſchreibt Eifengrein aus Innsbruck an Fend:
Oro te, clarissime Vendi, effice ne mors Pontificis, quae hic nobis signi-
ficatur, fortasse occasionem praebeat me revocandi. Nam si Pfisterus
progredietur, potero ego finem meum nihilominus consequi et vel mortui
Pontificis pedes osculari, quem tamen vivum ego plane credidissem plus
miraculi operaturum. . .. At vidisse, notitiam contraxisse, me commen-
dasse hac vice sufficiet.
2) Meihelbed a. a. ©. giebt an, Biſchof Moriz habe am 18. Ok—
tober 1566 das Bistum feinem Kapitel übergeben ; ihm folgen die Biſchofs—
verzeichniffe von Potthaſt, Sams u. |. w. — Nach dem Obigen ift bie Re—
fignation des Biſchofs vielmehr in ben Herbſt 1565 zu fegen. Daß fie
1566 pro forma wiederholt worben fei, finde ich nicht; wenn aber doch,
dann nicht erft im Dftober, ba Pfifter jhon am 14. September 1566 aus
Rom meldet, baß er das Instrumentum resignationis des Freifinger Dom—
fapitel8 erhalten babe; anderfeits ift die Annahme ber Refignation und bie
Provifion des Herzogs Ernft durch Pius V. erft im Dezember 1566 er-
folgt.
Erwerbung bes Hochſtiftes Freifing. 33
Zrogdem fam man in Rom nod immer niht ans Ziel; man
wartete dort,. wie Herzog Albrecht erfuhr, auf Commendones Rüd:
funft aus Deutihland; vermutlih weil der mißtrauiſche Papft
dur ihn erſt Gewißheit erhalten wollte, daß vom Haufe Bayern
feine Säfularifierung der Freifinger Kirche zu beiorgen ſei. Viel—
leiht aud wußte Pius V. bereits, daß joeben (im Dftober 1566)
das Halberftädter Domkapitel den zweijährigen Entel des Herzogs
Heinrich) des Jüngeren zum Biſchof poftuliert hatte; — was man
dem Bayernherzog zugeltanden, ließ ji) dem ebenfall3 gut fatho=
liſchen Braunſchweiger ſchwer verweigern.
Commendone hatte ſchon im Frühjahr auf dem Reichstage dem
bayrifhen Herzog. jeine Hilfe in der. Freifinger Sache zugejagt.
Als er nun, im November 1566, nah Rom zurückkam, löfte er
jein Verſprechen ein. Er jdilderte dem Papfte die großen Ver—
dienfte. des Herzogs Albreht um die fatholiihe Kirhe und die
vortrefflihen Anlagen des Prinzen Ernft. Andere einflußreiche
Kardinäle, wie Morone, Farneſe und der von Araceli, Vizeproteftor
der deutihen Nation, endlih Pius’ V. Sefretär Anton Florebello,
Biihof von Lavallino, ſprachen ebenfall3 zugunften der Sache.
Auh König Philipp IL. Soll für Herzog Ernſt intercediert
haben). Pius V. gab nad. Im Konſiſtorium des 20. De-
zember 1566 genehmigte er die Refignation des Biſchofs Moriz
bon Freifing und den Verzicht des Domkapitel3 auf eigene Wahl;
drei Zage nachher, am 23. Dezember, wurde in einem neuen ge—
heimen Konfiftorium die Aodminiftration der Temporalien dem
— —
1) Im Januar 1580 teilt der päpftliche Nuntius Caſtagna dem bayriſchen
Rat Dr. Halver mit, er felbft babe zu der Zeit, als Herzog Albrecht „wegen
der bifficultet: propter minorennitatem ber Kun. Mt. zu Hifpanien promo-
toriale am die Papſt. Hlt. gebraucht“, als damaliger Nuntius am fpanifchen
Hofe dem König geraten, ſolche Fürfchriften zu geben. (RA. Miüufter,
T. IX. fol. 28.) Direkte Nachrichten über die ſpaniſche Interceffion find mir
bisher nicht vorgefommen. — Einige Briefe des Biſchofs Moriz, des Kar-
dinals Truchſeß und des Herzogs Albrecht an Karbinal Granvella, bie Frei—
finger Konfirmation betr. bei Poullet, Corresp. de Granvelle 1565—1586.
Brux. 1877. p. 103sgg. 145. 222. 226.
6*
84 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
bayriihen Herzog Ernſt übertragen, dem Kapitel die geiftliche
Jurisdiktion und dem Weihbiſchof die Pontifikalien (Firmen und
Weihen). Die Expedition erfolgte durch Breven; infolge deſſen
fiel die Zare, wegen welcher man fi auf bayriiher Seite ſchon
viele Sorge gemacht hatte, ganz weg und blieben nur etliche
hundert Kronen an Verehrungen für die Kurialiften zu entrichten !).
Im Januar gelangten die vom 29. Dezember datierten Breven
an die Herzöge Albreht und Ernſt, ſowie an das Freifinger
Domkapitel nad) Münden.
Herzog Albrehts Dankſchreiben an den Papſt fiel ziemlich lau
aus. Die ewigen Verzögerungen hatten ihn jo verdroſſen, daß er
noch im Dezember feinen Gejandten abberufen wollte, damit deſſen
längeres Verweilen nicht ihın zu Spott und Schande gereihe. Auch
war er verjtimmt, weil ſich Pius V. weder gegen feinen Theologen
und Liebling Eijengrein, noch gegen ihn jelbft — inbezug auf er=
betene Antiquitäten — bejonders freigebig bewieſen hatte 2).
1) Die Tare der apoftolifchen Kammer für die Konfirmation eines Frei—
finger Bifchofs betrug 4000 Dufaten (oder Goldgulden); biefe Summe be-
deutete jedoch nur eine Norm, wonach bie wirklichen Koften berechnet wur—
den. Nach einer Berehnung vom Jahre 1552 koftete, wenn von ber Tare
von 4000 Dukaten nichts nachgelaffen wurde, die Erpebition in Wirklichkeit
6674 Dutaten 5 Jul. = 7341 Goldkronen 9 Kreuzer; wurde die Tare
auf ein Viertel, aljo 1000 Goldg. rebuziert, jo machten die Koften noch
2394 Duft. 35 Jul. = 2634 Kronen 20 Kr., — alfo nicht ein Viertel,
fondern über ein Drittel des vollen Betrages.
2) In Fends Konzept zu dem Dankfchreiben bes Herzogs an den Papft
forrigierte der Kanzler Ed folgende Stelle hinein: Et licet diuturna haec
mora non tam gravis et molesta quam apud alios tam catholicos
quam haereticos haud parum ignominiosa mihi fuerit, qui nimirum
id a me secus quam decuerit factum esse interpretati sunt, cum tamen
in hoc toto negotio non tam filii mei quam ecclesiae et religionis uti-
litatem honorem et augmentum quaesiverim, tamen admittendum mi-
nime putavi, ut non intelligeret S. V., quantum me paterna ista sua et
clementissima dispositio exhilaraverit. An ber Kurie felbft betrachtete man
Herzog Ernſts Beftätigung für Freifing als einen Beweis ganz bejonberer
Gunft des Papftes gegen Herzog Albrecht. S. Relation bes Paolo Tiepolo
bei Alb£ri, Relazioni X, 187. — Für Eifengrein hatte Herzog Albrecht
vom Papfte irgendeine Propftei, Pfründe oder Penfion ohne neue Amts—
Erwerbung des Hochftiftes Freifing. 85
Warm dankte er dagegen dem Kardinal Commendone, welchem er
das Hauptverdienft an der endlichen Erledigung der Sache zu=
ſchrieb.
Dr. Pfiſter hatte in Rom noch allerhand geiſtliche Geſchäfte
für den Herzog, für das Freiſinger Kapitel und auch eigene
zu beſorgen — im Januar 1567 ließ er ſich im römiſchen Je—
ſuitenkolleg zum Prieſter weihen —, ſo daß er erſt Anfang März
die Rückreiſe antreten konnte, ein volles Jahr nad ſeiner Ankunft
in Rom.
Dem neuen Adminiftrator von Freifing war das Glück gleich)
anfangs günftig. Am 26. Februar 1567 rührte feinen Vorgänger
der Schlag, da der mwohlbeleibte Mann allzu früh nad) dem Eſſen
ins Bad ging; in einer BViertelftunde war er tot. Das geihah
im biihöflihen Schloſſe zu Freifing. Infolge davon erjparte Her—
30g Ernft nit nur die von Moriz von Sandizell ausbedungene
Penfion von jährlih 2000 Gulden, fondern ihm fiel aud, gemäß
dem Herfommen, deifen Fahınis zu, ein paar taufend Gulden in
bar und ein ftattliher Hausrat, welche die Verwandten geerbt
hätten, wenn Moriz bereits, wie dies für den folgenden Tag be=
ftimmt, in einer Privatwohnung gewejen wäre.
pflichten erbeten; Pius V. verlieh ihm zwar bie Propftei Bruchſal, mo aber
die päpftliche Kollation beftritten wurde, — und forberte obenbrein, Eiſen—
grein folle num, gemäß ben Trienter Defreten, auf feine frühere vom Herzoge
felöft erhaltene Propftei Moosburg verzichten. — Auf Herzog Albrechts Bitte,
der Papft möge den für ihn in Rom angefauften Statuen etwas von fich
beifügen, antwortete Pius V. dem Agenten Caftellino: sibi relatum fuisse,
nullas extare praeter paucas illas excellentiores, ex pulchro quem vocant
aspectu non amovendas, quodque, cum ipsa gentilitates istas non amet
sed rejiciat, gratissimum sibi fuisset, si in ipso sui pontificatus initio,
antequam populo Romano statuas Vaticanas dono dedisset, Illmae Celnis
desiderium intellexisset, quia tot dedisset, quot ipsa accipere voluisset.
14. Februar 1566 fchreibt der Herzog an Kaftellino (Ept. Fend): dabis
operam . . . ut locupletior ad nos perveniat veneranda ista suppellex,
qua certe quam unice delectemur, si S. D. N. compertum haberet, beni-
gnius forsan esset et promptior, talem aliquam erga nos liberalitatem
exercendi, cujus spem aliquando nobis fecerat. Es dauerte aber noch lange,
bis der Herzog von Pius V. wirklich etwas von Antiquitäten erhielt.
86 Zweites Buch. Zweites Kapitel.
Bald danach bezog der zwölfjährige Adminiſtrator feine Reſi—
denz; feierlich begrüßte ihn das Kapitel, inſtallierte ihn in Dom—
chor und Konklave und erkannte ihn, durch Überreichung der
Schlüſſel zum Schloſſe, als Adminiſtrator der Temporalien an.
Herzog Ernſt blieb jedoch auch in Freiſing unter der gewohnten
Zucht ſeines Hofmeiſters Chriſtoph von Pienzenau und ſeines Prä—
ceptors Jodocus Caſtner, welcher zugleich mit dem Herzog deſſen
jungen Vetter Markgraf Hans Jakob von Baden unterrichtete.
Nod in demjelben Jahre, 1567, fam an Herzog Ernſts Hof
ein Mann, welcher fortan auf feine Erziehung und Jugendge—
ihide größeren Einfluß als irgendein anderer geübt hat: An—
dreas Fabricius, Doktor der heiligen Schrift, ein Lütticher von
Geburt, der bis zum Jahre 1566 als Lehrer an der Univerfität
Löwen angeftellt, dann aber nad) Rom gegangen war, wo er dem
jüngſt gewählten Papfte Pius V. eine lateinische Tragödie, Reli-
gio patiens, widmete. Dieje Tragödie enthält im Munde ver-
ſchiedener allegoriicher Perfonen Klagen über das Berberben,
welches Luthers Kekerei, die Weltluft der Priefter und Laien,
endlich die Anmaßung der Fürften und Hofleute in geiftlichen
Dingen, über die Chriftenheit und bejonders über Franfreih und
Deutſchland gebraht haben und meiter bringen werden. Eine
zweite ähnliche Tragödie, Evangelicus fluctuans, widmete Fabri-
cius dem Kardinalnepoten Michael Bonello, Kardinal von Alefjandria,
beide bei Maternus Cholinus in Köln gedrudt, die erfte ſchon
1566, die zweite erft 1569, als Fabricius ſelbſt bereit3 in bayrijchen
Dienften ftand. Dahin fol er durch des Papites Empfehlung
gefommen fein. Wahricheinlih Hat ihn Dr. Pfifter aus Rom an
den bayrischen Hof mitgebradt, wo ihn Kanzler Eck gaftlic auf:
nahm und den Vertrag über feinen Eintritt in Herzog Ernſts
Dienfte mit ihm abſchloß. Zu Midaelis 1567 (nachdem er
zuvor noch feine Refivenz als Kanonikus der Domlirhe St. Lam—
bert zu Lüttih abfjolviert hatte) ſcheint Fabricius fein Amt als
geiftliher Gouverneur des Adminiftrators von Freiling angetreten zu
haben. Zu Herzog Wilhelms Hodyzeit mit Renata von Lothringen
Erwerbung bes Hochftiftes Freifing. 87
(Sebruar 1568) führten die Münchener Jejuitenzöglinge eine neue
lateiniihe Tragödie des Fabricius auf, „Samſon“, welche nachher
auch wieder durch Cholinus gedrudt wurde. In ihr wird die
Geſchichte des Samjon, bejonders feine Überliftung durd) die Delila,
dargeftellt. Die Chöre enthüllen die Haupttendenz des Stüdes,
nämlich eine Warnung vor der Ehe mit Andersgläubigen. In
der Widmung an Herzog Wilhelm ſpricht ſich Fabricius hierüber
noch deutliher aus. Zugleich preift er hier deſſen Vater, Herzog
Albrecht V., als einen zweiten Samſon, welder mit Hilfe der
berbeigezogenen Gelehrten viele taufend Unterthanen binnen wenigen
Sahren zur fatholiihen Einheit zurüdgeführt und erft jüngft auf
dem Reichstage (zu Augsburg 1566) die fegeriichen Füchſe gleich-
jam mit den Schwänzen aneinandergebunden, d. 5. ihre Liftigen
Anſchläge gegen die katholiſche Kirche vereitelt habe. Gott nod
verhaßter als die fleiſchliche Unzucht ſei die geiftliche, die Buhlerei
nämlich mit häretiſchen Lehren.
So befundete Dr. Fabricius, gleich beim Antritt feines Amtes,
aud) der Außenwelt, in welchem Geifte er feinen Zögling, den Ad—
miniftrator von Freifing, zu erziehen gedenke.
3. Kapitel.
Bayerns erſte Bemühungen um das Erzfift Köln.”
Gelegenheit, mit Kurfürft Salentin perjönliche Beziehungen an—
zufnüpfen, bot ſich dem bayrischen Herzoge, al3 er im Jahre 1569
den Plan einer Erweiterung des Landsberger Bundes verfolgte.
Diefer Plan war nit neu. Schon im Jahre 1560 hatte Kaijer
Ferdinand, der für feine vorderöfterreihiichen Lande Mitglied diejes
Vereins war, Ahnliches erftrebt; Nahbarftände von beiden Kon—
feffionen jollten aufgenommen, jodann am Rheine ein zweiter ähn-
liher Bund gebildet werden, der auch die niederburgundiichen
Erblande umfaſſen und ihnen als Rüdhalt gegen Frankreich dienen
* Quellen: Die bürftige gebructe Litteratur über ben Landsberger Bund
verzeichnet im allgemeinen: Stieve, Akten des 30jährigen Krieges
IV, 4f. — Bon dem von Stieve erwähnten mafjenhaften Akten—
material über benfelben im Münchener Staatsardiv benutte ih für
das folgende Kapitel aus der Serie „Schwäbiſche Bunbesfachen“ beſonders
bie Nummern 58 bis 65 = StN. 223/10 bis 13 u. 224/2 bis 5; aus ber
Serie „Landsberger Bunbes-Acta” Nr. 401/2. — Weitere Korreipon-
benzen zugleich über den Landsberger Berein unb bie Kölner Sade
StA. 160/11. 161/3. 284/12 u. 13. — Wertvolle Ergänzungen bazu
enthält der in: Coleccion de documentos ineditos para la Historia
de Espana, Madrid 1861, T. 37 u. 38 abgebrudte, leider nur
bi8 Ende 1569 reichende und zubem einige empfindliche Lüden auf-
weifende Briefwechfel zwifchen Alba und König Philipp. — Gachard,
Corresp. de Phil., T. II, p. 118sqgq. bringt nur fehr wenig bier-
über. — Über den Berfuh Stift Lüttich in den Landsberger Bund zu
bringen, ein paar Notizen bei F. Henaux, Hist. du Pays de Liege,
T. II, p. 121. Liöge 1856. — Über den von Kurfürft Friedrich von ber
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzitift Köln. 89
jollte. Aber eben diejes wollten die proteftantischen Fürften nit;
die Erweiterung unterblieb. Der Gedanke erwadhte von neuem,
al3 in den Jahren 1568—1569 der niederländiich = franzöfiiche
Religionskrieg Hoffen und Fürchten der ganzen Ghriftenheit in
Mitleidenihaft 309. Wohl hatte das Reich feinen Neligions-
frieden, aber das gegenfeitige Mibtrauen war bei Proteftanten
wie Katholiken ftark genug, daß fie meinen fonnten, wenn im
Welten die ihrer Religion feindlihe Partei enticheidend fiege,
werde aud an fie die Reihe kommen. Deshalb zeigen ji un—
gefähr zur felben Zeit jene Reichsftände, welche entweder der Ge—
fahr näher ſaßen oder durch ihren kirchlichen Standpunkt einer
der kümpfenden Parteien im Weiten ji) verwandter fühlten, be=
ftrebt, dur) einen Bund mit den Glaubensgenofjen in und
außer dem Reiche gegen feindliche Angriffe fih zu ſichern. Auf
protejtantiiher Seite juchte der reformierte Kurfürft Friedrich III.
von der Pfalz ſchon feit einigen Jahren einen allgemeinen evan—
geliichen Bund zu bilden; auf fatholiicher plante man am bayri-
ihen Hofe, den Landsberger Schirmverein, welcher bisher nur
einige oberdeutihe Stände umfahte, darunter auch eine halb und
eine ganz proteftantiiche Stadt, Augsburg und Nürnberg, durd)
die Aufnahme der meiften anderen fatholiichen und einiger wenigen
Pfalz geplanten evangelifhen Bund und die Beziehungen ber prote-
ftantifhen Stände zum Landsberger Verein in ben Jahren 1569/70
Kluckhohn a. a. O., Bd. II paffim und meine Beſprechung des—
ſelben im Bonner Theol. Litteraturbl. von 1873, Nr. 10 u. 11.
Meine damalige Anſicht von dem „friedlichen Charakter” des Lands—
berger Vereins Halte ich jedoch, nah Durchſicht der Alten, nur noch
in jehr bedingter Weife aufrecht. — Ich beabfichtige anderwärts auf
bie Erweiterung des Bundes in ben Jahren 1569 ff. genauer einzut-
geben, greife bier nur heraus, was auf die bayrifche Bewerbung um
Köln Bezug zu haben ſcheint. — Für diefe ift fpeziell wichtig Herzog
Albrechts Briefwechſel mit Karbinal Dtto Truchfeß, zum Zeil gedrudt
bei Wimmer a. a. O. GVertraul. Briefwechfel), zum Zeil noch unge-
drudt: RU. Hodftift Augsburg, T. IV. Ferner StA. 38/2 bis 4.
Einzelne Ergänzungen hierzu StA. 9/4. 359/46. 415/5 u. 40 bis 50. —
Über Herzog Ernſts erfte Nefidenz in Köln DA. Domtap. Brot.,
Nr. 154.
0 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
proteſtantiſchen Reichsſtände zu einem alle Katholiken ſchützenden
Bunde zu erweitern. Von Burgund, das iſt von den ſpaniſchen
Niederlanden, ſprach man nicht öffentlich, aber zu München und
vielleicht auch in Junsbruck hegte man gleich anfangs den ſtillen
Wunſch, den Generalgouverneur Herzog Alba ebenfalls in den
Verein hereinzuziehen. Man nahm in München jene Idee des
Kaiſers Ferdinand wieder auf von zwei gleichartigen, vorwiegend
katholiſchen Bünden: ein oberdeutſcher, verſtärkt durch neue Mit—
glieder von beiden Konfeſſionen unter Bayerns Führung, der andere
vornehmlich die rheiniſchen geiſtlichen Stifter und daneben Burgund
umfaſſend, unter einem eigenen Oberhauptmann, beide ſodann
durch einen Korreſpondenzvertrag mit einander verbunden.
Abgeſehen von kirchlichen und politiſchen Motiven geſtattete
jede Erweiterung des Bundes die drückend empfundene Laſt der
Beſoldung von Dffizieren und Kriegsleuten den bisherigen Mit—
gliedern zum Zeil abzunehmen. Gerade jetzt war dieje Laft
ſchwerer als gewöhnlid. Erzherzog Ferdinand hatte zum Schutze
des Elſaſſes vor des Pfalzgrafen Wolfgang, dann vor Draniens
und Herzog Aumales Kriegsvolt Knechte geworben, — auf Koſten
des Landsberger Bundes, der dazu noch, gemäß Beſchluß eines
Einigungstages zu Münden im März 1569, cin paar tauſend
Reiter in Wartegeld nahm. Damals nun fing man an zuerft
Öffentlich von der Erweiterung des Bundes zu ſprechen. Anlaß
bot die Beichwerde der Nürnberger, dab jo wenige Stände der
Augsburger Konfeſſion in vdemjelben feien. Sie gerieten, er:
Härten fie auf dem nächften Einigungstage im Juni 1569, wegen
ihrer Zeilnahme an einem „Papiſten- oder Pfaffenbund‘ in
üble Nachrede bei ihren Glaubensgenofien. Nur widerwillig
liegen fie fi Die Verlängerung des Vereins auf fieben weitere
Fahre gefallen. Man beihloß alſo den Bund durch friedliebende
Stände von beiden Religionen zu erweitern und zugleih, um das
im Reihe verbreitete Mißtrauen zu heben, den Kaiſer um deſſen
DBeftätigung anzugehen. Der Bundesoberhauptmann Herzog Albredht,
jodann die Städte Augsburg und Nürnberg jollten die Verhand-
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 9
tungen führen. Man ſprach beiläufig von Kurſachſen, von dem
Markgrafen von Brandenburg (Ansbach), dem Herzoge von Würt-
temberg , von etlichen geiftlihen Fürften am Rhein, von den
Städten Ulm und Straßburg; von einer Aufnahme Burgunds
. war auf dem Bundestag nit die Rede. Dem Kaifer lich nach—
ber Herzog Albrecht zwar einige allgemeine Andeutungen über die
beablichtigte Erweiterung des Bundes machen, aber auch ihm jagte
man, auf den Rat des Dr. Eck und des Bundesfanzlers Verbinger,
nichts von den ſpaniſchen Niederlanden.
Vom Frühjahr bis in den Herbit 1569 waren bayriiche Ab—
geordnete unterwegs zu den verichiedenen Ständen. Die proteftan-
tiihen, Württemberg, Brandenburg, Kurſachſen, gaben abichlägige
oder ausmweichende Antwort; dagegen fand Herzog Albrechts Ges
fandter, der Würzburger Kanzler Balthaſar von Hellu, die geiſt—
lichen Kurfürften willig, am meiften den Trierer. Aber auch Sa—
lentin von Köln zeigte wider Erwarten große Luft zu dem Bunde
mit Bayern — jedody unter einer Bedingung: am Rhein müfje
ein eigener Dberft und zwar ein Kurfürſt aufgeftellt werden. Da—
bei dachte er fiherlih nur an ſich jelbit und nicht an einen jeiner
gemeihten Kollegen. Herzog Albreht hatte nicht viel einzumenden,
wohl aber die Mitkurfürften, namentlih Jalob von Xrier. Sie
ihügten die Koften vor; in Wahrheit wollten jie lieber unter dem
bayriſchen Herzoge ftehen als unter ihrem Kollegen Salentin,
mit welchem Kurtrier ohnehin bereits in Privathändel geraten
war.
Als im September in Boppard zum zweitenmal Abgeordnete
der drei Kurfüriten wegen des Landsberger Vereins zujammen-
tamen, beſchloſſen fie demjelben unter gewilfen Vorbehalten beizu-
treten, ohne einen eigenen Dberft aufzuftellen. Auch Salentins
Gejandter Anton von El, ein Neffe des Kurfürften Jalob von
Trier und zugleich trieriiher Marihall, lie ſich diefen Beſchluß
gefallen. Aber Salentin ſelbſt verweigerte nachher rundweg die
Genehmigung: fein Gefandter habe feinen gemefjenen Befehlen
zumider gehandelt; nur unter der von Anfang an geftellten Be-
92 Zweites Bud. Drittes Kapitel.
dingung fünne er dem Bunde beitreten. Am Fülicher Hofe waren
die einflußreichiten Räte, namentlich der cleviiche Kanzler Diifleger
überhaupt dem Landsberger Vereine abgeneigt ; öffentlich machte man
den Beitritt abhängig von der Zuftimmung der Landftände, auf
die fein Kundiger rechnen konnte. Die Biihöfe von Lüttid und
Münfter richteten fi) nach dem Herzoge von Jülich; andere fatho=
liſche Stände zögerten mit der Antwort. — Die Folge war, daß
beim nächſten Einigungstage zu Münden, im Dezember 1569,
nur zwei neue Mitglieder, die Kurfürjten von Mainz und Zrier,
beitraten, und von ihnen der erſte nur nod mit halbem Herzen.
Das kam zumeiſt daher, dag man inzwilchen erfahren hatte, wie
jehr Kaiſer Marimilian der geplanten Erweiterung des Bundes
wideritrebte.
Dem Kaiſer waren die Abjihten Bayerns nicht lange ver—
borgen geblieben. Es war überhaupt jchwer im Deutichen Reiche,
deſſen Fürften faſt nichts ohne ihre Räte thaten, politische Projekte
geheim zu halten; zudem war der Hauptunterhändler Hellu wenig
verſchwiegen. Man darf annehmen, daß Kaifer Marimilian um
alles, was damals im proteftantiihen und im fatholtihen Lager
borging, nod viel beſſer Beicheid wußte, als er in den ung bor=
liegenden Schreiben zu verraten für gut findet. Konnte er
ruhig zufehen, wenn ſich hüben und drüben zwei große bewaffnete,
aufs Ausland geftügte Bünde bildeten, zwiſchen denen für die
faiterlihe Autorität faum nod) Raum blieb? Und lag nicht
darin für den Neligionsfrieden, als deſſen Hüter er fi betrachtete,
die allergröhte Gefahr? Er that alſo nur, was zugleid die
Pflicht feines Amtes und der Vorteil feines Haufes geboten, wenn
er auf alle Weife der Bildung von Separatbündniſſen entgegen-
arbeitete. Marimilian ſelbſt hat einmal gejagt, er müſſe zwiſchen
ven beiden Parteien im Reihe das Gleichgewicht jo halten, daß
die Wage gleich .einitehe ). Nie löſte er diefe Aufgabe unter
1) Häberlin a. a. ©. IX, 368 (aus Lebeumann, De Pace Relig.
Acta publ,, ®b. II, Kap. 16 (Ed. noviss. 1288), zunächſt von den geift-
lichen und weltlichen Kurfürften gefagt, aber auch allgemeiner zu verftehen.
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 93
ſchwierigeren Verhältniſſen als in jenen Jahren, da er im
Reihe den Frieden erhielt, während das übrige Europa von blu:
tigen Bürgerfriegen und Greuelthaten erjchüttert wurde.
Ein erfter Erfolg des Kaiſers war ſchon, daß ihm im Früh:
jahre 1569 auf dem Frankfurter Deputationstage die Reichsſtände
das Amt zuerfannten, al3 Generaloberft die weftlihe Grenze gegen
die Einfälle der feindlihen Kriegsvölfer zu ſchützen. Zu feinem
Lieutenant ernannte Marimilian den berühmten Oberſt Lazarus
von Schwendi, deſſen Perjon dann auch den Kurpfälzern das un:
liebe Amt erträglich erjcheinen ließ. Darauf jcheiterte im Sep—
tember auf einem Zage zu Erfurt die von den Pfälzern betriebene
proteftantiich = engliihe Konföderation an dem Wideriprud der
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg, melde des Kaiſers
Abneigung gegen Separatbündniffe teilten ). Mehr Mühe Loftete
e3, die Erweiterung des Landsberger Bundes zu hintertreiben,
weil Marimilian dabei auf König Philipp, feinen Vetter, Schwa—
ger und Fünftigen Eidam, Rüdfihten zu nehmen hatte. Um fo
mehr muß man e3 als ein Meifterftüd der Staatskunft aner-
fennen, daß es dem Kaifer ſchließlich fat gelang, das Odium der
Ausihliegung Burgunds auf den bayrischen Herzog abzumwälzen.
Mitte Dftober lief bei Herzog Albrecht zuerjt eine leiſe ta=
deinde Anfrage des Kaiſers ein, ob wahr jei, was das Gerücht
von geheimen Bemühungen um Grmeiterung des Landsberger
Dereins jage? Da Abreht der Andeutung, als babe er etwas
Ungebührlihes gethan, wideriprad, und nur ein paar unverdächtige
Stände nannte, mit denen er unterhandle, wie Sachſen und
Württemberg, jo gab ihm Marimilian deutlicher zu verftehen,
dag er um Albrechts Verhandlungen mit den rheinischen Biſchöfen,
1) Alba fchreibt dem Markgrafen Hans von Brandenburg, ber bamals
fpanifches Dienftgeldb bezog, das Hauptverbienft an ber Bereitelung bes
evangeliſch⸗ proteſtantiſchen Bündniſſes zu (Colecc. de docum. 1. c., T. 38,
p. 210 u. 273); in den von Neudeder, Heppe und Kludhohn abgebrudten
Alten über die Erfurter Berfammlung finde ich jeboch feinen Beweis für biefe
Behauptung.
94 Zweites Bud. Drittes Kapitel.
mit Lothringen und Herzog Alba wohl wife, fo .wie daß manche
Leute das gleichzeitige Werben bei den proteftantiichen Ständen
für bloßes Blendwerk hielten. Auch jegt noch verhehlte Albrecht
dem Kaiſer die geplante Aufnahme der ſpaniſchen Niederlande in
feinen Bund. Da erhielt er, Anfang Dezember 1569, einen teils
eigenhändigen teils dem Vizekanzler Zafius in die Feder diktierten
Brief des Kaifers, worin mit ſtarken Worten gerügt wurde, daß
Albrecht aus freien Stüden die Traktation mit Alba angefangen,
ihm aber, dem katholischen Dberhaupte, fie verheimlicht habe. Zum
Beweis konnte Marimilian bereit3 auf ein Schreiben Albas an
den Spanischen Gefandten in Wien, den Herrin von Chantonay,
binmweifen, in welchem ſtand, er, Alba, jei von dem bayriichen
Herzoge um Beitritt zum Landsberger Bund angegangen worden,
Chantonay folle den Kaiſer eriuhen, die Sache zu befördern.
Wenn Abreht daraufhin behauptete, nicht von ihm, fondern von
Alba jei diejes Erſuchen ausgegangen, jo war das formell richtig;
formell hatte Alba, in einem Schreiben vom 23. uni 1569,
die Initiative ergriffen und Herzog Albreht erſt auf diefes hin
‚ven Würzburger Kanzler zu geheimem Anbringen bei Alba bes
glaubigt; dagegen hatte Hellu, ein geborener Unterthan des jpa=
niſchen Königs (aus dem Herzogtum Geldern), für ſich zwar, aber
mit Wilfen und Willen des bayriihen Herzogs, ſchon zuvor mit
dem Brüfjeler Hofe über die Sade verhandelt, und noch früher
hatten einige vertraute Räte des Trierer Kurfürften, der Kanzler
MWimpheling und der Ritter Philipp von Naffau, ohne Zweifel
ebenfall3 mit Vorwiſſen Herzog Albrehts, den Plan eines katho—
liſchen Bundes mit Albas Räten erörtert.
Der Kaiſer widerſetzte ſich zwar nicht unbedingt jeder Er—
mweiterung des Bundes, aber er forderte, daß von den Nieder:
landen zur Zeit nit die Rede jei, ſowie daß andere katholiſche
Stände nur gleichzeitig mit evangeliihen von ungefähr gleicher
Macht aufgenommen würden, alſo mit den drei geiftlichen Kur—
fürften zugleih die drei weltlihen. Nun war dem bayrijhen
Herzoge allenfall3 fein Freund Kurfürft Auguft von Sadjen als
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 95
Bundesgenofje recht, nicht aber der weit entiefiene Brandenburger
und noch viel weniger jein Rivale, der Kurfürft Pfalzgraf, der
eifrige Feind Spaniens und der römischen Kirche. Die prote-
ftantiihen Fürſten ihrerjeits ließen ji zwar auf lange Verhand-
(ungen ein, aber es war ihnen damit nit Ernſt. In den bei—
den nächſten Jahren 1570 und 1571 jhrieb und ſchickte man
piel Hin und her; Herzog Albrecht reifte jelbit einmal (im Februar
1570) nad) Prag, um in einer perfünlihen Zuſammenkunft den
Kaifer und den Kurfüriten Auguft feinen Vorſchlägen geneigter zu
ftimmen. Aber vergeblih! — Das Ende von allem war, daß
bis zum näditen Landsberger Einigungstage (im Februar 1572)
nicht nur fein neuer Stand gewonnen war, jondern Kurmainz
bereit3 Luft zeigte, bei erfter Gelegenheit wieder vom Vereine los:
zufommen. Das früher viel Herzlihere Verhältnis der beiden
Schwäger Marimilian und Albrecht erfaltete hauptſächlich infolge
der Differenzen wegen de3 Landsberger Bundes; die Rück—
wirfung fpürte dann Bayern mieder bei anderen Zielen feiner
Bolitit, zu denen es der Hilfe des Kaiſers bedurft hätte.
Die bayrifhe Bewerbung um das Erzftift Köln hängt mit
dieien Verhandlungen über den Landsberger Bund in zweifacher
Meile zuſammen: Außerlih dadurch, daß diejelben dem Herzoge
mehrfach Gelegenheit boten, durch feine wegen de3 Bundes abge-
ordneten Räte und perſönlich aud die Kölner Sadje zu betreiben;
fodann innerlich, indem Alba, welcher die Aufnahme der Nie-
derlande in den Berein lebhaft wünſchte, die Beförderung eines
bayriihen Prinzen nad) Köln als eine Art Gegengabe von feiner
Seite betrachtete.
Mir erinnern ung, wie Hurfürft Salentin, weil er das Tri—
enter Slaubensbefenntnis nicht beihmören und nicht Priefter wer—
den wollte, mit dem Papfte in Zwiſt geraten war und wie
Pius V. bereit? daran dachte den ftörrigen Mann abzujeßen.
Wen ſich der Papſt als Nachfolger dachte, konnte ſelbſt
Otto Truchſeß anfangs nit berausbringen, obgleih ihn als
Kardinalproteftor der deutihen Nation die Sache zunächſt an=
9 Zweite® Bud. Drittes Kapitel.
ging). Vermutlih wieder die nämlihen Erjagmänner, wie
ihon zur Zeit Friedrichs von Wied, alfo die Biſchöfe von Münfter
oder Lüttih, oder den Kardinal von Augsburg ſelbſt. Otto
Truchſeß verfihert naher mehr al3 einmal dem bayriſchen Her-
309, Pius V. habe ihn auch diesmal wieder nad) Köln bringen
wollen und bereits mit Alba darüber verhandelt, er aber babe
das jederzeit abgemwiefen; er würde das Erzftift nit annehmen,
wenn man e3 ihn aud auf den Händen nah Rom trüge. Da—
gegen habe er ftet3 die Nachfolge des Herzogs Ernſt empfohlen.
In den Briefen des Kardinal an Herzog Albrecht ift in der
That, wie jhon erwähnt, fpäteftens feit Anfang des Jahres 1569,
bon diefer Löſung des Kölner Konfliltes die Rede. Im März
1569 ſchlug Dito dem Herzoge vor, diefer möge durch den fül-
niihen Kanzler oder durch andere dahin Handeln, daß Herzog
Ernft mit Zuftimmung des Kapitels als Salentins Koadjutor
oder al3 Aominiftrator angenommen werde. Der Herzog wollte
auch, bei Gelegenheit des Frankfurter Deputationstages, den
Dr. Burkhart im Vertrauen deshalb aniprechen laffen; diejer kam
aber nicht nad Frankfurt. Sm Juni wandte fi dann der
Kardinal, aus eigenem Antriebe wie es ſcheint, an Pius V. jelbft,
fand jedoch bei ihm fein geneigte Ohr. Herzog Ernſt ſei zu
jung, habe bereit3 eine Kirche, werde vielleicht dem Kaiſer nicht
genehm fein. Aus dieſem legten Bedenken möchte man jchließen,
dat Kaifer Marimilian ſchon damals dur feinen Botſchafter in
Rom gegen Herzog Ernſts Roadjutorie oder Adminiftration fich
1) 27. Auguft 1569 fohreibt Otto Truchſeß an Herzog Albrecht u. a.:
„Aller billihait nad folt man ſolche ding om ben Protector nit handlen.
Aber diſe bapft. Hailt handlet dergleichen teutfche und andere ſachen fir fich
fel68 und braucht nit vil ratten. . . . Es muß was vorhanden fein, fei was
es wel, und ich halt barfir ir Hailt Hab fich ſchon refolviert. Wen ir Hailt
was ſolchs verbanden, jo belt fie e8 vor mengen haimblich, und Bit etlich
tag Got den almechtigen, das er ir Hailt infpiriere, und was aljo darnach
ir Hailt einfeh, das tuet fi om meitter rat oder communication. Wie nun
folde infpiration mit biefer Colniſcher firh geraten mag, fan ih nit
wiſſen. . . .“ Wimmera a. O., S. 111.
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 97
ausgeiprodhen hatte. Zwei Monate jpäter war man am bayri=
hen Hofe hierüber nicht mehr in Zweifel. Otto Truchſeß hatte
zufällig erfahren, der Papft jet neuerdings heftig erboft über Sa—
lentin und wolle mit feiner Abjegung nicht länger warten; darauf:
hin eilte Dito zu dem kaiſerlichen Botihafter Graf Proiper von
Arco, nahher aud zum Papfte ſelbſt, um mit beiden zugunften
von Herzog Ernſt zu ſprechen. Pius V. wiederholte jedod) feine
früheren Bedenken und aud Graf Arco wies hin auf deſſen
Jugend: im Deutihen Reihe könne nad) dem Herlommen fein
geiftliher Kurfürft duch einen Subſtituten vertreten werden.
Diejer Einwand, meinte man in Münden, ſei nicht im Kopfe des
Botſchafters entiprungen, der von der Kurfürftenordnung nicht viel
verftehe, jondern vom Kaifer jelbft ihm eingegeben, um einer etwai=
gen bayrischen Bewerbung um Köln vorzubeugen.
Man war in Münden mit dem übereifrigen Vorgehen des
Kardinal nicht ganz zufrieden. Vorerft wollte man Gewißheit
haben, ob Kurfürft Salentin denn auch gejonnen jei gutwillig
zurüdzutreten. Herzog Albrecht bat aljo den Kardinal, bei Pius V.,
der wohl viel ſchöne Worte, aber wenig Thaten für Bayern habe,
die Sache ruhen zu lafjen und fih nur dafür zu bemühen, daß
der Kurfürft, der ein eifrig guter Katholikus ſei und dem Erzſtift
mit Nuten vorjtehe, wegen der Konfekration nicht fo fehr ges
drängt werde). Wirklich ließ fid) der Papſt bewegen, nod) eine
Zeit lang abzuwarten, ob Salentin nicht wenigftens zur Profeſſio
fidet jich bequemen werde.
Unterdes hatten am Rhein Bayerns Bemühungen um Köln
etwas beijeren Erfolg al3 in Rom. Im Spätherbft 1569 fam
Herzog Albrechts Rat Dr. Ludolf Halver nad) Köln und nad)
Brüffel. Genauere Berichte über feine Neife liegen nicht vor,
1) Herzog. Albrecht hatte vermutlich vor kurzem das früher (f. 0. ©. 34)
angeführte Bedenken Philipps von Naſſau über Kurfürft Salentin erhalten.
Ihm ift ohne Zweifel das Urteil entnommen, welches Albrechts Brief an
den Kardinal über Salentin ausſpricht.
eoffen, Köln. Krieg I. 7
98 Zweite® Buch. Drittes Kapitel.
do wien wir, dag er damal3 mit Alba und deſſen deutjchen
Räten, namentlid mit dem Sekretär Urban Scharberger die
Kölner Sache beiprohen hat, und daß daraufhin die Brüffeler
Regierung ſich anheiihig machte, den Kölner Kurfürften zu Herzog
Ernſts Gunften zu bearbeiten ). Auch Kurfürft Zalob von Trier
verſprach zur jelben Zeit die bayriihe Bewerbung um Köln eifrig
zu unterftügen. Sein Rat Philipp von Nafjau, der damals neben
Hellu hauptjächlic die Erweiterung des Landsberger Bundes betrieb,
meinte, wenn Bayern exit Köln Habe, würden Münfter, Paderborn
und Osnabrück von ſelbſt nahfolgen. König Philipp hätte wohl
lieber gejehen, daß man in erſter Linie dem bei ihm ſehr gut an=
geichriebenen Lütticher Biſchof nad Köln verhülfe, aber Alba über:
1) Dr. Halver reife etwa Ende Oftober von Straßburg nah dem
Niederrhein, traf jebod den Kurfürften und wohl auch deſſen Kanzler hier nicht
an. Bon Köln ging Halver über Wejel nah Antwerpen, von bort über
Paris und Nancy wieder nah Straßburg. Kurze Briefe Halvers Tiegen
vor aus Wefel vom 9. und aus Antwerpen vom 11. November, ein län-
gerer aus Schlettftabt vom 28. November (StA. 160/11 fol. 495 ff.),
aber in allen verfpricht er genauer bei feiner Rückkunft nah München zu
berichten. Diefe erfolgte erft zu Anfang bes folgenden Jahres; inzwifchen
hatte Alba bereits durch einen eigenen Kurier bein bayriſchen Herzoge mitgeteilt,
daß er mit Salentin wegen ber Succelfion zu unterhandeln begonnen habe.
Leider fehlt mir bisher gerade diefer wichtige Brief Albas, ſowie Albrechts
Antwort vom 28. Dezember und parallel laufende Briefe von Scharberger
und Ed. Einige Andeutungen über deren Inhalt geben Briefe Albas
umb Scharberger8 vom 6. Januar 1570. StA. 223/13, fol. 26 u. 28.
Alba ſchreibt u. a.: „Wir wollen auch biefer angefangenen handlung, laut
unfers vorigen erbietteng mit allem getreuen vleiß wurglich nachfegen und
biefeldig vermittelt götlicher gaben, wofer immer muglih, zu gludlicher
entfchaft bringen, ban wir haben biefer tagen von baiderſeits werorbenten
unterhandler zeittung befomen, das er fi in kurz allhie bei ung finden und
ber handlung weitter abwarten wölle.“ Übrigens hatte Alba ſchon ebe
Halver zu ihm nach Brüffel kam — fei e8 auf Anregung von Trier ober
aus eigenem Antrieb — daran gedacht, Herzog Ernft an Salentins Stelle
zu bringen, und biefen Plan fpätefiens am 11. Dftober 1569 feinem
Könige unterbreitet. 18. November 1569 (Coleccion 1. c., T. 38, p. 228)
erklärt fih Philipp damit einverftanden, in einem Schreiben, worin er zu—
gleich feine Anſicht von der Notwendigkeit einer allgemeinen fatholifchen Liga
entwidelt.
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftiit Köln. 99
zeugte ihn, daß das ausſichtslos, weil es Gerhard von Groesbeck
an dem ſtatutenmäßigen Adel fehlte. Von Brüſſel aus würde
man ſchon zum Dank dafür, daß ſich Herzog Albrecht ſo große
Mühe gab, die Niederlande in den Landsberger Verein zu bringen
und fi) darüber ſogar dem Mißfallen des Kaiſers ausſetzte, Bayerns
Kölner Pläne unterftügt haben; zudem entiprachen dieje aber auch
dem eigenen Intereſſe der Spaniicheniederländiichen Regierung. Denn
für fie war das Erzitift Köln, fo lange man von Deutſchland
her ftet3 neue Angriffe Dranien® und der Geufen zu erwarten
hatte, ein entweder ſehr nügliher oder jehr unbequemer Nachbar,
jeder Kölner Kurfürſt demnach ein wertvoller Bundesgenoiie.
Wurde ein bayriiher Herzog Kurfürft, jo war König Philipp
feiner Allianz in der zur Zeit mwidtigften Frage, der kirchlichen,
von vornherein gewiß. Man ftellte fich alfo in Brüffel die doppelte
Aufgabe, zunächſt Salentin jelbit zum Freunde zu geminnen,
fodann durch ihn die bayriihe Nachfolge im Erzitift Köln zu
fichern ?).
Die gewöhnliche Art, wie der ſpaniſche und ebenjo der fran-
zöſiſche König fi Freunde im Deutjchen Reiche machten, war die,
daß fie einzelnen Fürften und Grafen, Kriegsoberjten und fürft-
lichen Räten jährliche Penſionen zuſagten und fie dagegen zu ges
willen Kriegsdieniten oder auch nur zu politifchen Berichten ver—
pflihteten. Die Annahme einer jolhen ſpaniſchen oder franzöfi-
ihen Penſion galt durchaus nicht für unehrenhaft und erfolgte
ganz offen. Sogar proteftantiiche Fürften und Grafen, welche im
übrigen die Spanier al3 Unterdrüder ihrer Religion hakten,
nahmen von dem ſpaniſchen Könige unbedenklich Geld an, leifteten
1) In dem vorhin erwähnten Briefe König Philipps an Alba heikt es
u. a.: el arzobispado de Colonia ... estaria muy bien en el obispo
de Freinsingue, hijo del duque de Baviera, y cuando esto se pudiese
encaminar, holgaria yo mucho dello, pues esta claro que demas de la
religion, vernia muy ä cuenta para la seguridad desos estados tenerle
por vecino, y tanto mas si saliese el negocio hecho por vuestro medio
ven mi nombre. ...
7*
100 Zweite Bud. Drittes Kapitel.
ihm fogar gegen feine wegen der Religion aufgeftandenen Unters
thanen Kriegsdienfte. So finden wir um dieje Zeit Herzöge von
Holftein und von Lauenburg, einen Markgrafen von Brandenburg,
Grafen von Schauenburg, von Schwarzburg, von Weiterburg,
von Eberſtein unter den spanischen Penſionären und Kriegs—
oberften ). Es konnte freilich auch fommen, daß fie eines Tages,
wenn fie bei Spanien ihre Rechnung nit fanden, deſſen Dienft
mit dem eines Rivalen oder Feindes, Frankreid) oder Dranien,
vertauſchten. Wollten Kaifer und Reid, wie 3. B. auf dem
Speierer Neihätage des Jahres 1570, diefem Dienftnehmen bei
fremden Potentaten eine Schranke jegen, jo empfanden das die
meiften katholiſchen wie evangeliihen Fürſten al3 eine unerhörte
Beſchränkung ihrer deutſchen Libertät.
Auch mit Kurfürft Salentin verhandelte Alba feit dem Früh:
jahre 1569 wegen eines Penfionsverhältnifies. Die erjte An—
regung ging aus bon Salentin ſelbſt, durch einen kölniſchen
Adeligen, den Rittmeifter Hans Brempt 2). Bon Alba dagegen kam
der Gedanke, mittel3 diefer Penſion zugleid) die geplante katholische
Liga zu befördern und die kölniſche Succeſſion im ſpaniſch-katholiſchen
Interejje zu regeln. Um die Jahreswende 1569 wurde ein Ver—
trag abgeichlofjen, welcher dem Kurfürften Salentin, aber nicht als
Kurfürft von Köln, jondern als Graf von Iſenburg, eine jährliche
Penſion von 4000 Xhalern zuficherte. Salentin ſeinerſeits verpflichtete
1) Über die fpanifchen Penfionäre in ben Jahren 1568/69 mancherlei
Notizen in den angeführten Bänden 37 u. 38 ber Coleceion de docum.
ined. Die Grafen von Eberftein werben zwar bort als katholiſch bezeichnet,
erfcheinen aber bei den oben (S. 21 u. 25) erwähnten Berhandlungen der
Grafen über bie Freiftellung 1565/6 neben ben Grafen von Wefterburg als
Anhänger der Augsburger Konfeffion.
2) In Albas Schreiben vom 11. März 1569 (Coleccion 1. c., T. 38,
p- 9) erjcheint zwar ein Hans Berna ritmestre als Salentins Mittelgmann ;
das ift aber gewiß nur eine ber in biefer Sammlung gewöhnlichen Verun—
ftaltungen beutfher Eigennamen. Im dem Briefe des Königs vom 24. De-
zember (l. c. p. 273sqgq.) ift richtig Hans Brempt al8 Unterhänbler Sa-
lentins genannt.
Bayerns erfte Bemühungen um bag Erzftift Köln. 101
fih auf Erfordern jederzeit bis zu 3000 Reiter dem Könige zu
ftellen. Von Salentins fünftigem Nüdtritt vom Erzitift ftand
niht3 im Vertrage. Dagegen wird nachher von jpaniicher Seite
behauptet, man babe Salentin deutlich zu verftehen gegeben, daß
ihm eine jo hohe Penſion nur mit Rüdfiht auf jeine Mithilfe zur
Nachfolge des bayriichen Herzogs bewilligt worden ſei; Salentin
aber will derartige Zumutungen Aldas von Anfang an, als wider
fein Gemifjen gehend, von der Hand gewiejen haben. — Wie viel
Wahres an beiden Behauptungen, läßt ſich aus den vorliegenden
dürftigen Berichten nicht ermitteln. Won beiden Seiten wird
zugegeben, daß Salentin auf den bevorſtehenden Reichstag ver—
wies, wo er mit Herzog Albrecht perſönlich über dieſe Dinge reden
wolle). Gewiß ift ferner, daß Salentin damal3 auf den bay—
riihen Herzog gar nicht gut zu ſprechen war. Albrecht hatte
feine Forderung, dab ein eigener Bundesoberft am Rhein
aufgeftellt werde, ausmweichend beantwortet und dann dod ohne
weitere Rüdfiht auf Köln die beiden anderen geiftlihen Kurfürften
im Dezember 1569 in den Landsberger Verein aufgenommen.
Bielleiht wußte Salentin au, daß man dem ihm feindjelig ge-
finnten Herzog Wilhelm von Jülich eben damals ein eigenes
Dberftenamt in Ausfiht ftellte, während man es ihm vermweigerte-
Möglid ferner, daß er von Rom oder von Wien aus erfahren
hatte, daß bereits mit dem Papſte über Herzog Ernſt al3 jeinen
Erſatzmann gefprohen worden war. Salentin äußerte den Ver:
dacht, Bayern wolle fi) mit Gewalt an feine Stelle drängen.
Dbendrein ärgerte ihn, daß gerade die ihm verhaßten Kurtrierer
die Vermittler für Bayern spielen wollten. Herzog Albrecht
1) Der Wortlaut des Penfionsvertrages felbft liegt leider nicht vor. —
Die obigen Detail entnehme ich Briefen von Fabricius und von Schar—
berger an Ed, von Ehantonay an Hans Jakob Fugger, von Alba an Herzog
Albredt: StA. 38,3. 223/13 und 224/3; ferner einem Briefe bes Frances
de Alava an König Philipp bei Gachard, 1. c. II, 219 und einem
Briefe de8 Grafen Johann von Naffau an feinen Bruder, vom 1. No—
vember 1573 DillA. C. 368.
102 Zweites Buch. Drittes Kapitel.
fand gut, duch Philipp von Naffau (im Februar 1570) dem
Kanzler Burkhart zu verjihern, dag man feinem Herrn nicht nad
dem Amte trachte. Daraufhin lie Salentin den bayriichen Her—
zog neuerdings auffordern, mit ihm perjönlid auf dem Speierer
Neihstage zu ſprechen, und empfahl weiter den jungen Herzog
Ernſt zur erften Reſidenz nad Köln zu ſchicken, um fi dort be—
fannt und angenehm zu machen. Das rieten auch Philipp von
Naffau und der Kanzler Wimpheling. Herzog Albrecht wollte
zwar nicht jelbft zum Reichstage gehen, wohl aber feinen Sohn
dorthin und fpäter vielleiht auch nach Köln ſchicken.
Beim Kaiſer gedachte Albreht, bei Gelegenheit feines Be—
judhes in Prag im Februar 1570, auch der Kölner Succeſſion;
Marimilian verſprach ihm, feinen jungen Vetter debito modo,
zu deutſch möglichſt lau, zu unterftügen. Auch Albrechts meitere
Bitte, der Kaifer möge dem Kurfürften zureden, dem Landsberger
Vereine beizutreten, wurde in einer Weiſe erfüllt, dab Salentin
leiht merken fonnte, jein Nichteintritt entipreche bejjer den Wün—
ſchen des Kaiſers.
Dagegen wurde Pius V. in der Kölner Sache gleichſam über
Naht anderen Sinnes. Den Umſchlag bewirkte ein Schreiben
Albas an Don Juan de Zufiiga, den fpanischen Gejandten in
Rom, worin diefer aufgefordert wurde, dem Papſte die Gründe
für die bayriſche Nachfolge in Köln vorzutragen. Es ſcheint, daß
König Philipp ſelbſt dieſen Auftrag feines niederländiihen Statts
halters beftätigte. Am 24. Mai entledigte ſich Zuñiga desjelben
bei Pius V. Der Papft erwiderte mit warmem Dante für
den Eifer und die Sorgfalt, melde Alba in diefem Handel be=
wieſen habe. Er ihäge, fagte er, Albas Nat und Anleitung
nicht gering, denn er jei namentlich in den deutſchen Saden, in
denen er nicht bejonders erfahren jei, auch nicht wilfe, wen zu
trauen, guten Rates wohl bedürftig. Deshalb befinde er aus den
von Alba dargelegten Gründen für gut, daß des bayriſchen Her—
3098 Sohn der Kölner Kirche vorgefeht werde, teile auch die An—
fiht, dab dieſe feine Zuftimmung vorerjt geheim bleiben müſſe.
Bayerns erſte Bemühungen um das Erzftift Köln. 103
Wirklich erfuhr jogar der Kardinal von Augsburg erft im Juli
davon und jedenfalls nur durch den ſpaniſchen Gejandten ?).
Inzwiſchen war Herzog Albrecht durch Alba bereit3 von allem
genau unterrichtet, hatte auch ſchon dem Papfte gedankt und feinen
Sohn ihm empfohlen. Das Weitere jollte auf dem Reichstage
durch den Herin von Chantonay mit Kurfürft Salentin und Her=
zog Ernſt perſönlich beiprochen werden.
Am 6. Juli traf Salentin in Speier ein; ſchon vorher hatte
ſein Kanzler Burkhart dem Dr. Wiguleus Hund, der von den
bayriſchen Reichstagsgeſandten allein in dieſe Sache eingeweiht
war, im Vertrauen mitgeteilt, wie ärgerlich ſein Herr ſei, daß die
Sache vorzeitig ruchbar geworden, ja daß man ſogar von ſeiner
Abſetzung und von gewaltſamem Eindringen eines anderen ſpreche;
auch daß Trier ſich eingemiſcht, werde mehr ſchaden als nützen; Her—
zog Albrecht hätte in eigener Perſon kommen ſollen, u. dgl. m.
Am 12. Juli, am Tage vor der Eröffnung des Reichstages, kam
auch Herzog Ernſt mit ſeinen Hofmeiſtern Pienzenau und Fabri—
cius nach Speier. Einige Tage danach (am 17.), als Herzog
Ernſt dem Kurfürſten ſeine erſte Aufwartung gemacht hatte, ſprach
ſich Salentin gegen Dr. Hund noch viel ſchärfer aus als zuvor ſein
Kanzler. Er that als gehe ihn die ganze bayriſche Bewerbung nichts
an; Alba habe dieſe Sache bei Gelegenheit eines anderen Handels
angezettelt und ihn bei feinem Domkapitel in den Verdacht ge—
bracht, als ſtehe er mit dem Kaiſer, mit Spanien und Bayern
in heimlichen eigennützigen Praktiken. Daraus entſtünden allerlei
Gegenpraftifen. Billigerweife hätte man die Dinge zuerft ver-
traulih an ihn, den Prinzipal, bringen ſollen; er würde geraten
haben, den jungen Herzog zur Refidenz nad Köln zu jhiden, um
fi) Hier durch beſcheidenes Weſen bei Domkapitularen und Land:
ftänden beliebt zu madhen. Er jeinerfeit3 würde dann als ein
rechter alter Katholitus dem bayriſchen Herzog gern alle erlaubte
1) Nachher bildete ſich ber Kardinal freilich ein, er felbit babe den Papit
beftimmt, im bie bayrifhe Succeffion einzuwilligen.
104 Zweites Bud. Drittes Kapitel.
Hilfe bemiejen haben und die Sache hätte fih ganz von ſelbſt ges
madt. Dazwiſchen redete Salentin manderlei über die jeltiamen
Köpfe in jeinem Kapitel; denn mit diefem war er vor furzem
in bitteren Zwiſt geraten, den man nur duch eine Art Waffen:
ftillftand bis nad dem Reichstag verihoben hatte. — Daß es an
Gegenpraftifen gegen die Nachfolge Bayerns in Köln Schon damals
nicht fehlte, ift an ſich wahrſcheinlich, wenn wir auch einen po—
jitiven Beweis erft aus dem Anfang November haben. Damals
berieten zu Speier ein paar Wetterauer Grafen, ob vielleicht
durh den Erzbiihof von Bremen, Herzog Heinrich von Lauen=
burg, der zugleidh in Köln Domberr war, und durch deſſen Oheim,
den ſächſiſchen Kurfürften, Bayern von der Kölner Kur ferngehalten
werden fönne )).
Dr. Hund war über Salentins rauhes, polterndes Auftreten
jo beftürzt, daß er feinen Herzog bat, einen erfahrneren Mann
herzuichidfen, denn er jei mit dergleihen Dingen nie umgegangen,
auch zu ſehr mit den Neihsjahen beladen. Der Kaiſer erbot
fi) in Speier zwar in verbindlichen Worten, feinen jungen Neffen
beitens zu befördern, riet aber bejjere Gelegenheit abzuwarten und
machte zugleich dem Herzog Albreht von neuen jharfe Vorwürfe
über jeine fortdauernde Unterhandlung mit Alba.
Hund war ganz ratlos; jende man, meinte er, den Herzog
Ernſt jest nad) Köln, jo werde das Geſchrei nur noch größer, die
Gegenpraftifen um jo mächtiger werden; zudem möge man be=
1) Diarium Lud. Comitis Witgensteinii bei Sendenberg, Sammlung
von ungebrudt- und raren Schriften. Il. Tl. (Frantfurt a. M. 1745), ©. 51.
Zum 5. November: In prandio apud Constein (!) cum quo J. Adolphus
(!) et ego consultavimus, qua ratione episcopus Freisingensis impediri
queat ne ad electoratus dignitatem perveniat. — Constein consulit Bre-
mensem monendum, ut causam hanc cum electore Saxone apud capi-
tulum solieitet. — 13. Dezember fpriht Graf Ludwig von Wittgenftein auch
mit Landgraf Wilhelm von Hefien hierüber (a. a. O. ©. 102). — Eonftein
ift entweder Lefefehler für Honftein (= Hohenftein), oder = Königftein;
ftatt J. Adolphus wird H. Adolphus — Hermann Adolf Graf zu Solms
zu leſen fein.
Bayerns erfie Bemühungen um das Ersftift Köln. 105
denfen, wie verhaßt hierort3 der ſpaniſche Name und wie miß—
günftig viele hohe Stände gegen jede Erhöhung des Haufes
Bayern jeien, al3 ſchier des einzigen noch fatholiichen im Reiche.
Er riet, da der Kaifer dem jungen Herzog für die Dauer feines
Speierer Aufenthaltes die Präfidentihaft im Reichshofrat angeboten
habe, dieſes Amt anzunehmen, weil fi damit Herzog Ernſts Hier:
berfommen beſſer beſchönigen laffe.
Indeſſen war glüdliherweile der Herr von Chantonay, Kar—
dinal Granvellas Bruder, ein angejehener und fluger, in den
deutijhen und niederländiihen Dingen gleih wohlbewanderter
Mann, in Speier eingetroffen und unterzog ſich jofort der wei—
teren Verhandlung mit Salentin. Auch gegen ihn zeigte ſich
diejer anfangs verftimmt über die Art und Weiſe, wie man den
fölniihen Handel angefangen. Er wiederholte mehr als einmal,
daß er zwar nicht vorhabe geiftlich zu bleiben, aber über die Zeit
feiner Refignation nod nichts beitimmen könne. Von Koadjutorie
und Poftulation wollte er nicht3 wiſſen, jondern beftand darauf,
Herzog Ernſt jolle in Köln vefivieren, um ins Domkapitel zu
fommen und wählbar zu werden. ö
Nach einiger Zeit fanden die bayriihen Gejandten, Salentin
ſei jegt ein ganz anderer; er verweigere zwar nad) wie vor, mit.
Berufung auf fein Gewiſſen, beftimmte Zufagen, zeige ſich aber
ſonſt entgegenlommend und dienftwillig. Dieſe größere Freund
lichkeit erllärt fih einfach jo, daß Salentin feinem Arger ges
nügend Luft gemacht, die anderen aber jegt alles thaten oder zu
thun veripradhen, was er nur wünſchen mochte. Alba lie ihn
jogar erjuchen, nod) eine Zeit lang das Erzitift zu behalten. Nun
war er fiher, dak man ihn auch von Rom aus nicht weiter be=
läftigen werde. Der Kaiſer war für feine Perſon fehr einver:
ftanden, wenn Salentin nody länger Kurfürft blieb. Chantonay
meinte, wohl mit Recht, Marimilian habe bereits die fünftige rö—
miſche Königswahl im Auge). Ferner entihlog man fi, Sa—
1) Salentin felöft verfichert fpäterhin (Mai 1576) dem bayrifhen Her-
106 Zweites Bud. Drittes Kapitel.
lentins Aufforderung gemäß, den Adminiftrator von Freifing zur
Reſidenz nad Köln zu ſchicken. Das billigte man in Brüffel,
aud der Kaifer riet dringend, dem Kurfürften hierin den Willen
zu thun. Herzog Albrecht ſagte jchlieglih Ja, nachdem auch
Dr. Hund, Pienzenau und Fabricius ihre bisherigen Bedenken aufs
gegeben hatten.
Möglichſt bald follte nun die Refidenz angetreten werden; nur
mußten Herzog Ernſt und feine Begleiter wegen der Vorbe—
reitungen zur Kölner Reife nochmals nad) Bayern zurüd. Am
6. September reiften fie ab; am 26. Dftober war Herzog
Ernft mit einem Gefolge von etwa dreißig Perjonen, ‚darunter
Fabricius und al3 neuer Hofmeilter Chriftoph von Raindorf, wieder
in Speier, wo fie den Kaiſer und den Kölner Kurfürſten noch
antrafen. Am 6. November festen fie zu Schiff die Reife fort;
am 12. famen fie in Köln an und nahmen vorläufig Wohnung
im Haufe des Dedhanten von St. Andreas und Briefterfanonifus
am hohen Domftift, Dr. Johann v. Swolgen, fpäter dann in
der anſtoßenden Propitei.
Gleich anfangs erfuhr Herzog Ernſt, dab das Domkapitel
nit gejonnen war, den Weg zum Kurfürftentum ihm zu ebnen.
‚Die offenen Briefe, durch welche Herzog Ernſt feine Abftammung
von acht Ahnen bewies t), waren bereit3 im vorigen Jahre dem
Domkapitel vorgelegt worden; jegt erklärten die zwei vom Kapitel
beftellten Graminatoren, der Domdehant und ein Graf von Solms,
von den vier Stämmen von WMutterfeite: Dfterreih, Spanien,
zoge, er wäre vor biefer Zeit und ſchon bald nad dem Speierer Reichstage
abgeftanden, „bo fi nit von irer K. Mt von wegen ber vorfieenden wal
eines xöm. fönigs und fonft anderer mer verhinderungen bavon abgehalten
worden.“
1) Vgl. o. ©. 76 Kopie der Probatio nobilitatis für Herzog Ernſt im
Münchener Hausarchiv, datiert 1569 Mittwoch nach Trinitatis (= 8. Jumi).
Die Briefe waren befiegelt ex parte patris von Wolf Graf von Öttingen,
Otto Heinrih Graf von Schwarzenberg, Eitel Friedrih Graf von Zollern
und Wilhelm von Bern Herr zu ber Yaitern; ex parte matris von
Karl d. Ä. Graf von Zollern, Friedrih Graf von Öttingen, Heinrih Graf
zu Fürftenberg und Jakob Truchfeß Herr zu Walbburg.
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln, 107
Ungarn und Abret jet ihnen der legte nicht bekannt. Am 15. No-
pember kam e3 darüber im Domkapitel, in Gegenwart des Her-
3098 Ernſt, zu einem Wortwechſel zwiihen dem Dechanten und
dem redefertigen Dr. Fabricius, der ſich ſogar zu Drohungen
gegen das Kapitel hinreißen ließ. Zwei Tage danach erichienen
Herzog Ernits Räte wieder im Sapitel und bewiejen aus vers
ſchiedenen Geſchichtsbüchern, welche ihnen der Buchhändler Cho—
linus, des Fabricius Freund, verihafft Hatte, dak das Haus
Albret wirklich ein Fürſtengeſchlecht ſei. Das Kapitel gab fi) aber
nur unter der Bedingung damit zufrieden, daß binnen ſechs
Monaten niht aus Hiftorien, jondern durch eine ordentliche Urs
funde über den Stamm Albret weiterer Bericht geliefert werde.
Jetzt erſt durfte Herzog Ernſt perfönlih im Kapitel den Ka:
nonifereid leiften und feine im ganzen ſechs Monate dauernde erfte
Refidenz antreten. Sonntag den 19. November begann dieje Damit,
day er, wiewohl nod ohne höhere Weihe, im Hochamt die Epijtel
fang. Das mußte er ſechs Wochen und drei Tage hinter einander
fortfegen, bis zum 3. Januar, an welchem Zage er im Kapitel
von der erſten Reſidenz abfolvtert wurde.
Barum Herzog Ernft den Kölner Domtkapitularen, bejonders
den Edelherren, al3 Erzbiſchof nicht genehm war, hatte Dr. Smwolgen
gleich in den erften Zagen ihm und den Seinen verraten. Zus
nächft würden die Grafen im Kapitel einen Fürſten überhaupt
nicht gerne über ſich jeken, zumal aber feinen aus dem mächtigen
und eifrig Latholiihen Haufe Bayern; einem ſolchen könnte es ein-
fallen, ihre Sitten mit Gewalt reformieren zu wollen. Sodann
beftehe ein altes Vorurteil gegen das bayriidhe Haus von den
Zeiten des Erzbiſchofs Ruprecht ber, jenes Pralzgrafen, der vor
hundert Jahren die Burgunder zur Belagerung von Neuß
berbeigerufen und das Stift faft zugrunde gerichtet habe. „Wir
haben einmal gebaiert“, beige es gleichſam ſprichwörtlich, „ wir
wollen nimmer baiern.“) — Vor diefem alten Vorurteil
1) „baiern” ift im fkölnifchen Dialekt jo viel wie „läuten”. Den Sinn
des Wortfpield verftehe ich aber nicht. r
108 . Zweites Bud. Drittes Kapitel.
hatte ſchon Kardinal Truchſeß vor Jahr und Zag den Herzog
gewarnt). Swolgens weiteren Bedenken fonnte zum Zeil
durch päpftliche Dispens abgeholfen werden: Herzog Ernſt könne
nit Kapitular werden, weil er nod) feine höhere Weihe habe; e3
fehle ihm das für einen Biſchof erforderlihe Alter; auch jei er
bereit3 mit einer Kirche vermählt, dürfe alfo nicht gewählt jondern
nur poftuliert werden; nun fordere aber eine Poſtulation zwei
Drittel aller Stimmen, und wie wenig das Kapitel geneigt jet
zu poftulieren, babe erft jüngft der Kardinal von Augsburg er-
fahren.
Auf Grund all diejer Bedenken beichloffen Herzog Ernſts
Räte von Salentins Refignation einjtweilen weder mit den Edel—
herren noch auch mit den Priefterfanonifern zu reden. Dr. Hal-
ber, welder von Herzog Albredht bereit3 Befehl Hatte, bei den
Kölner Edelherren Stimmen zu merben, wurde nun, um Ver—
dacht und Gegenpraftifen zu verhüten, gar nicht nah Köln ge=
ſchickt.
Dagegen gewann ſich Herzog Ernſt durch ſeine ſtreng kirch—
liche Haltung die Sympathieen der römiſch Geſinnten in Köln.
Im Sommer 1570 hatte der Kölner Rat, auf Betreiben des
Klerus und der Univerſität ſowie des Herzogs von Alba, allen
Fremden, welche der Bilderſtürmerei oder der Häreſie verdächtig,
befohlen die Stadt zu räumen. Herzog Ernſt veranlaßte ſeinen
Vater, nach dem Vorgange des Papſtes, des Kaiſers und des
Erzherzogs Ferdinand, wegen ſolchen Eifers ein lobendes Schrei—
ben an den Rat zu richten. Anderſeits verwendete er ſich, auf
1) „So bin ich in erfarung kommen (das ſchreib ih E. 2. in vertrauwen,
dan hochſt von nötten das ſi es wiſſe), das ein böſe alte doch ongrontliche
gemain opinion bein eolniſchen capitl gwiß fein fol, mit leichtlich ein erz=
bifhof auß dem hauß Bair anzunemen, fonderlih von wegen ains erz=-
biſchoffen, welcher mit gwalt fol geriert haben und ires fagens vil ſchaden
ben ftift zugefiegt. Bit E. 8, verzeihe das ich bife ding melde; ben es ift
hoch von nötten, das E. 8. wiſſe, domit man folder onerbeblich opinion
wiſſe abzulainen.“ Kardinal Truchjeß an Herzog Albrecht, 6. Aug. 1569, DO.
eigh. RA. Hochſt. Augsburg IV, 123.
Bayerns erfte Bemühungen um das Ersftiit Köln. 109
Bitte von Klerus und Univerfität, bei Alba dafür, daß deſſen
Verbot, welches den Niederländern den Beſuch aller fremden Uni-
verfitäten, mit Ausnahme von Rom, verbot, für Köln aufgehoben
werde. Herzog Ernſts Fürfchrift Scheint freilich nicht mehr ge
fruchtet zu haben al3 die eigenen Bitten der Stadt ?).
Auch in feinem Außeren ſuchte Herzog Ernft den durd das
Trienter Konzil neu eingejhärften römischen Vorfchriften zu ent—
ſprechen. Er trug die Zonfur, ging in Soutane und Zalar und
im vieredigen geiftlihen Barett. Wie ſehr das gegen die Sitte
der Kölner Dombherren abſtach, erfahren wir aus einem gelegent=
lichen Berichte des Dr. Fabricius an den bayriichen Kanzler. Her—
309g Ernft war eines Tages zugleich mit dem Domdechanten zugafte
bei dem Biſchof von Straßburg, der als Domſcholaſter jährlich
einige Zeit zu Köln vefidierte. Nah Tiſch fingen die beiden
Domherren an, über Zonfur und Kleidung des jungen Herzogs
fi luftig zu maden. Auch er jei, ſagte der Domdehant, nicht
nur Kleriker, jondern habe ſogar die höheren Weihen (er war
Diakon), trage aber dennoch feine Tonſur. Wozu der Talar und
der lange Fefuitenrod! warum Herzog Ernft nicht wie die anderen
Evelherren in meltliher Kleidung ausgehe! Nun, meinte der
Straßburger Biihof, den Zalar fünne der Herzog wohl beibe-
halten — er jelbit trug ihn auch —, aber ftatt der Soutane
ſolle er einen kürzeren Rod und ſogen. Geufenftiefel (2) tragen ?).
1) Placcart et ordonnance du Roy nostre Sire contenant deffence d’aller
estudier ou demeurer es universitez ou escolles estrangieres excepte celle
de Rome . .. Bruxelles ... . le IIIIe. jour de Mars 1569, 4 BI. 40,
Imprime en la ville de Br. 1569 par Michiel de Hamont, Impri-
meur jure. — Genaueres über bie kirchlichen BVerhältnifje der Stabt Köln
ſ. u. 3. Bud, 1. Kap.
2) Argentinensis .... ut magis pius videretur, subjecit vestem qui-
dem talarem posse retineri, sed interiorem tamen esse abjiciendam et
ejus loco caligas quas Gusiacas vocant brevioremque tunicam assumen-
dam, nam et hoc modo ipse vestitus incedit. — Bezüglih ber geiftlichen
Kleidung jhärft das Tridentinum (Sess. XIV, cap. VI de Reform.) bie
Konftitution Klemens’ V. und bes Konzils von Vienne ein, welche vestem
talarem et tonsuram clericalem von allen Klerifern fordert.
110 Zweite® Buch. Drittes Kapitel.
Dann bot ihm der Dehant fir ein andermal jeine eigene Be—
hauſung gn, wenn er mit weniger Gefolge fommen molle; der
Straßburger aber meinte, Ernſt werde es zu nichts bringen, jo
lange er jenen Xheologen bei ſich habe, den Fabricius nämlid,,
der jelbft bei diejem Gejpräd zugegen war. Die beiden Herren,
fügt Fabricius bei, jeien mit dem jungen Herzog umgegangen, wie
die Phariſäer mit Chriftus; nichts hätten fie geſucht, als wie fie
dem unerfahrenen Fünglinge mit ihren liftigen Schmeichelworten
eine Äußerung entlodten, die fih dann ausbeuten liege, um ihm
die Gemüter zu entfremden. — Wenn zwei Domberren, melde
als fatholiich galten, jo daten, was war dann bon den anderen
zu erwarten!
Noch eine weitere Rüdjiht ließ e3 Herzog Ernft3 Hofmeiftern
Fabricius und Raindorf ratſam ericheinen, die Kölner Refidenz
möglichſt bald zu beendigen. Ernſt war nod) jehr jung (16 Jahre
alt), feine weihe Natur ſchien ihnen beionders empfänglich für
das üppige Leben, welches ihn bier zu Köln umgab; mie groß
war die Gefahr, das er der Verführung unterlag! Deshalb
hauptſächlich vieten fie, Herzog Albrecht möge feinen Sohn balvigft
abberufen.
Die erfte Reſidenz war ohne weitere Zwiſchenfälle abgelaufen ’).
In den Domtkapitel-Protofollen kommt Herzog Ernſts Name nur
noch einmal, am 30. April vor, da feine Hofmeiſter ein kaiſerliches
Schreiben überreihten, welches beftätigte, daß das Haus Albret
ein Fürſtengeſchlecht ſei.
An Salentins Hof ſcheint Herzog Ernſt nur zweimal zu kurzen
Beſuchen geweſen zu ſein; einmal in Brühl, dann unmittelbar
vor Antritt der Heimreiſe in Poppelsdorf. Wenn wahr iſt, was
man ſich über die dort herrſchende Leichtfertigkeit erzählte ?), To
1) Die Refidenz ging zu Mittfaften 1571, genau 6 Monate nad Beginn,
u Ende.
2) Bal. 0. S. 34. Fabricius fchreibt bereitS am 17. Auguft 1570 aus
Speier an Kanzler Ed: Quin si idem elector post residentiam ultro etiam
offerret suam aulam, nulla ratione judicarem acquiescendum, nisi adole-
scentem continuo perditum velletis.
Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 111
begreift man, daß Fabricius Bedenken trug, feinen Zögling dort lange
verweilen zu laffen. Eine Reife desjelben durch die Niederlande war
beabfichtigt, unterblieb aber, weil der Kaifer fie nicht wünſchte.
Dagegen war Fabricius gleih im Anfang der Kölner Refidenz in
Brüffel bei Alba, und diejer lie ſeinerſeits zweimal den jungen
Herzog durch eigene Gejandte begrüßen. Herzog Wilhelm von
Tülih, des Prinzen Oheim von mütterliher Seite, wurde kurz
vor der Rückreiſe in Eleve beſucht, ſodann auf dem Heimmege die
beiden Kurfürften von Zrier und von Mainz.
Am 2. Mai 1571 war Herzog Ernſt von Köln abgereift, am
22. traf er in Münden ein, mo er den Befehl feines Vaters
vorfand, fi alsbald nad Freifing zu verfügen und dort abzu=
warten, bis ihm der Vater Zeit und Ort beitimmen werde, um
Beriht zu erjtatten.
4. Kapitel.
Innere Hemmniſſe der bayriſchen LKirchenpolitik. *
Melde äußeren Schwierigkeiten der Charakter und die Ab—
fihten des Kölner Kurfürften ſowie die Gefinnung der Dome
herren der bayriichen Bewerbung um das Erzitift Köln in den
Meg legten, Hatten Herzog Albrecht und feine Räte ſchon
bor und während der Kölner» Refidenz des Herzogs Ernft em—
pfunden. Bald nachdem vieler heimgefehrt, ſtießen fie auf ein
* Quellen: Briefe und Aften tiber bie fittlihe Führung bes Herzogs Ernft
in ben Jahren 1570—1573 in den Bänden AU. Hochſtift Freifing
Nr. 77 u. 78, jedoch lückenhaft, fchlecht georbnet und großenteild un—
batiert, fo daß die Zeitbeftimmung mitunter zweifelhaft bleibt. Aus
früheren Jahren einzelnes in ben Bänden Nr. 75 u. 76 berfelben
Serie. — Briefe aus der Zeit ber Salzburger Reſidenz (Herbft 1568
bis Herbft 1569) RA. Hocftift Salzburg, T. I. Dafelbft fol. 53 der
frühefte mir vorgefommene eigenhänbige Brief von Herzog Ernft (vom
1. September 1565), welcher bereit8 bie hübſche ftehende Hanbjchrift
fpäterer Jahre aufmweifl. — Während ber Salzburger Nefidenz nahm
Herzog Ernft perfönlih teil am ber erften auf Grund ber Trienter
Dekrete daſelbſt (im März 1569) abgehaltenen Provinzialfynobe (f. über
bife Dalham, Concilia Salisburgensia, Aug. Vind. 1788,
p. 348 qq. nebft den Ergänzungen bei Gärtner, Salzburg. gelehrte
Unterbaltungen, 3. Heft, Salzb. 1812). — Korreipondenz bes Herzogs
Albrecht mit Kardinal Truchfeß: RA. Hochſtift Augsburg, T. IV u.
V. — Einzelne weitere Notizen über Herzog Ernſts Jugendgeſchichte:
St. X. 9/4. 38/3 u. 4. 230/1 fol. 39. Ein Bortrag des Dr. El—
jenheimer an Herzog Ernft vom 16. Januar 1574 im Münd. Haus—
archiv enthält auch mande Angaben über befien Leben in ben früheren
Innere Hemmnifje der bayrifchen Kirchenpolitif. 113
ernftlihes inneres Hindernis ihrer Kirchenpolitik: Ernſt be:
fundete mit einem Mal entichiedene Unluft am geiftlihen Stand
und legte die Abfiht an den Zag, ſich von ihm als von einem
drüdenden Joche zu befreien. Er jelbit giebt ipäter an, dieſe
Unluft jei bereits im Herbite 1568, al3 er zur erften Reſidenz
nah Salzburg ging, ganz plöglid über ihn gekommen; wir be-
gegnen jedoch noch ein paar Jahre fpäter Äußerungen von ihm,
welche beinahe Begeifterung für feinen geiftlihen Beruf ver—
taten ). Die eigene Jugend und menſchliche Schwäche, jodann
Jahren. Ein paar Briefe betr. die Sendung des Fabricius nad
Rom im Jahre 1573 bei Theiner 1. c. I, 11489q. — Einiges
Biographiſche für Herzog Erufts Jugend auch in den Vorreben zur fol-
genden ihm gemwibmeten Büchern: 1) Catechismus catholicus ... in
compendium redactus ... per D. Georg. Eder Frisingensem, S. C.
M. Consil. Coloniae 1569. In ber Epistola nuncupatoria giebt
Eder folgende Urfahen an, weshalb er den Katechismus bem jungen
Herzog widme: (1) bie Verbienfte des Herzogs Albrecht um bie fatho-
liſche Kirche: Movit me vel inprimis parentis tui Alberti, principis
re vera magnanimi, summa illa in fide catholica constantia, qua
is verae ac avitae majorum nostrorum religionis dignitatem in
Germania nostra his diffieillimis temporibus alter veluti Hercules
quidam pene solus sustinere videtur; (2) feine (Eders) Liebe zu feinem
Baterland (Freiftug) und fein Wunſch, daß basfelbe dem alten Glau—
ben treu bleibe: a qua sollicitudine jam dudum me liberavit fama
illa percelebris et exoptata, qua toti pene innotuit orbi, J. C. T.
Frisingensis ecclesiae administrationem, maximo catholicorum om-
nium consensu et applausu, ultro delatam fuisse atque concre-
ditam. .. . Deinde cum hoc tempore in maximo contemptu apud
plerosque ecclesiasticae potestatis sit autoritas, quis non videt ob-
1) In einem Briefe an Fabricius, aus dem Sept. 1570 (St. 38/4,
fol. 78), worin Herzog Ernft biefen zu bewegen fucht, fein Erzieher zu blei-
ben, fommt 3. B. folgende Stelle vor: „wan ir mid bermaßen unbermifet,
das ich mit ber zeit auch andere kunt leren und in ain guets erempel vortra-
gen, fo zweiflete ich gar nit, ih wur ain großen nut in der heiligen chriftlicyen
firchen fohaffen und wurt euch bei Got nit allain meinethalben ein groß me-
ritum machen, funder auch ir wurt der anderen jelen feligfait bei Got in
feinem raich tailhaftig fein, die durch mich bei dem alten rechten waren und
catbolifhen glauben erhalten und befert wurden.” — Die oben gebrudten
Äußerungen von Eder und Canifius beweifen wenigſtens fo viel, baf bis
Lofſſen, Köln. Krieg I. 8
114 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
fremde Einflüffe und nit am wenigften eine verkehrte Erziehung
laſſen jein anfänglides Schwanfen, dann feinen Widerwillen gegen
denjelben jo natürlich erjcheinen, daß nur geiftige Beſchränktheit
und Aberglaube wähnen konnten, e3 bedürfe, um ihn zu erklären,
dämoniſcher Einflüffe.
Als unreifer Knabe von zehn oder elf Jahren hatte Exnft,
des Vaters Wünſchen folgend und vielleicht beraten von feinem
frommen Lehrer Jodokus Gaftner, den geiftlihen Stand ermählt.
Auch der düftere Ernſt des ascetiihen Fabricius mag auf den be-
gabten, dabei weichherzigen Knaben eine Zeit lang tieferen Ein—
drud gemacht haben. Aber mit den Jahren der Entwidelung
wuchs aud die Sinnlichkeit. In Freifing wie in Salzburg hatte
Ernft das ſchlechte Beiſpiel feiner leichtfertigen Standesgenoffen
vor Augen. Es ſcheint, daß man einen und den anderen bon
ihnen, namentlid einen jungen Fugger jhon damals aus feiner
secro Dei voluntate sic effectum esse, ut inter sacrosanctos Ger-
maniae antistites unus maxime is esset, qui reliquorum omnium
dignitatem viribus suis et autoritate plurimum ornare posset atque
tueri? Quo tandem accedit praestans illa et pene divina naturae
tuae bonitas, qua J. C. T. ad religionem et pietatem nata esse
videatur, quam etiam diligens parentum educatio ita confirmavit,
ut spes bonis omnibus neque vana sit neque temeraria, te maxi-
mum totius ecclesiae futurum esse lumen et columen. — Über be—
ruft fich für diefes Urteil über die Herzöge Albrecht und Ernſt zum
Teil auf das, was Dr. Andreas Fabricius, praeclarus et orator et
theologus ac -piorum J. C. T. studiorum optimus moderator,
Johann Pfifter und Dr. Martin Eifengrein ihm mitgeteilt haben. —
Auch die zweite verbeflerte Auflage des Ederſchen Katehismus: Com-
pendium Catechismi catholiei .... per D. Georg. Eder. Col. 1570
ift wieder dem Abminiftrator von Freifing gemwibmet, cui et studium
et laborem nostrum in hoc opere quantumvis exiguo et gratum
fuisse et acceptum jamdudum pluribus fide dignis testimoniis per-
cepi. — 2) De justificatione doctrina universa ... autore R. P.
et praestanti theologo Andrea Vega Hispano ... Coloniae 1572.
An der an Herzog Ernft gerichteten, aus Innsbrud 1. Auguft 1572
zum Sabre 1572 von Herzog Ernfi8 Abneigung gegen ben geifilihen Stand
noch nichts in die Öffentlichkeit gebrungen war.
Innere Hemmniffe der bayrifhen Kirchenpolitit. 115
Umgebung entfernen mußte. Größer noch wurde die Gefahr der
Verführung, al3 politiihe Gründe den bayriichen Herzog bewogen,
feinen Sohn zum Neihstag nad) Speier zu ſchicken. Hier trat
der kaum fiebzehnjährige Jüngling zum erjtenmal als jelbftändiger
Reichsfürſt auf; der Einfluß feiner Erzieher konnte ſich nicht mehr fo
ausichliegend wie bisher geltend machen. Bitter klagt der Freifinger
Hofmeister Pienzenau in einem vertraulichen Briefe aus Epeier,
daß das üppige Leben auf dem Neihstage, das Bankettieren mit
feinem übermäßigen Zutrinfen und die ungewohnte Freiheit dem
jungen Heren allzufehr behage. In zwei Monaten werde er mehr
vergeffen, als er in einem halben Jahre gelernt habe, und vielleicht
nicht mehr zum Studieren zu bringen fein. AU jein Gemüt ftehe
dahin, daß er gerne frei würde. — Der Gefahren des Kölner
Aufenthaltes wurde bereit3 gedacht, aber aud, daß fi) Ernft dort
nod in den Schranken jeines geiftlihen Standes hielt). Dafür
batierten Vorrede teilt Peter Eanifius mit, daß er ben Kölner
Buchhändler Gervinus Calenius veranlaßt babe, dieſes Wert bes
P. Vega neu und befjer al8 zuvor herauszugeben. Er ermahnt weiter
ben Abminiftrator von Freiſing, ber übereinftimmenden Lehre des
P. Bega und feines eigenen Lehrer und Theologen Dr. Andreas Fab-
rieius, quem tu libenter audis et merito diligis, zu folgen und bie
auf ihn gefegten Hoffnungen aller Guten zu erfüllen. Nos autem
divinae bonitati jure gratias agimus, cum laetis contemplamur
oculis, hunc juventutis tuae florem non luxu et ocio marcescere, sed
praeclaris bonarum artium et rerum sacrarum studiis magis ma-
gisque splendescere, cumque consideramus generosum tuum animum
ad veram pietatem divinasque ceremonias natura esse propensum. —
Testantur sane Colonienses, norunt Salsburgenses, admirantur Fri-
singenses, quam rarum et excellens orthodoxae religionis specimen,
cum apud illos proximis annis degeres, palam praebueris, vera ut
nobilitate et nobili pietate alios, genere quantumvis illustres,
facile antecellas. — Ih brude diefe Lobfprüche wieder ab, nicht
als ob ich ihnen großen inneren Wert beilegte, fonbern weil fie bie
Bedeutung kennzeichnen, welche auch fernerftehende eifrige Katholiken
dem geiftlichen Berufe des bayriſchen Prinzen beimafen.
1) Am 16. Mai 1573 ſchreibt Fabricius aus Nom an Herzog Albrecht
(StA. 95/5. fol. 194): quo (tempore) apud Colonienses viximus, nihil scio
8 *
116 Zweites Buch. Viertes Kapitel.
dal er damals noch nicht entſchloſſen war, denjelben aufzugeben,
aber auch nicht gerne ſchon gebunden fein wollte, haben wir einen
ficheren Beweis: al3 er nad) jener Beratung mit dem Dechanten
bon St. Andreas, Dr. Swolgen, erfuhr, daß er nur nad) Em—
pfang einer höheren Weihe Domkapitular werden könne, erſchrak
er anfangs; auf Fabricius’ Zureden aber und nachdem er aus
defien Hand in der goldenen Sapelle der St. Urfulafiche die
Kommunion empfangen hatte, erklärte er fich bereit, die Weihen zu
nehmen und fid) ganz Gott und feiner Kirche zu widmen. Fabri—
cius that daraufhin bereit3 Schritte, um von Rom die nötige
Altersdispens zu erhalten.
Gegen Ausgang des Jahres 1571 trat Herzog Ernſts ver—
änderte Neigung vdeutliher hervor. Mancherlei fittlihe Ver—
irrungen verurſachten oder begleiteten den Umſchlag. Man kann
jeine Erzieher nit von aller Mitihuld freiiprehen. Dr. Fabri-
cius hatte bei der Erziehung des Prinzen fiherlic ein hohes Ideal
vor Augen; einen Kirhenfürften wollte er aus ihm machen, ähnlich
dem Mailänder Erzbiihof Karl Borromeo: ernſt im Weſen, ftreng
in den Sitten, dem Gebet und der Askeſe ergeben, jelbit recht—
gläubig und auch gegen andere ein Eiferer für die Erhaltung und
Ausbreitung der römiſch-katholiſchen Kirche. Was konnte ein
deutiher Biihof von folder Art, jelbit Landesherr und obendrein
auf die Macht des Haujes Bayern geftügt, für die Neftauration
des Katholicismus werden! — Fabricius’ großer perſönlicher Ehr—
geiz verwuchs ganz mit dem Gedanken, Erzieher und Ratgeber
eines ſolchen Kirchenfürjten zu fein. Die Aufgabe war nit
leiht. Wohl ging der Füngling willig auf feines Erziehers Ideen
ein, aber er hielt jie nicht feſt. Leicht auffafjend liebte er zugleich
die Abwechſelung; das Ginerlei der jcholaftiihen Studien er=
müdete ihn; mehr freuten ihn körperliche Übungen, Karten= und
Miürfelipiel. Seine leutjelige und freigebige Natur lodte Schmeich—
publieitus adeo grave esse commissum, cujus nos magnopere pudere
debeat.
Innere Hemmnifje der bayrischen Kirchenpolitif. 117
ler an. Wenn auch jein Jähzorn und Übermut mitunter ver
legte, jo gewann ihm wieder jeine Vertraulichkeit die Ergebenheit
der Dienerihaft und anderer Leute aus niederem Stande. Eine
verftändige, maßhaltende Erziehung konnte dieje gewöhnlichen Eigen-
ihaften talentvoller Knaben zum Guten lenken; dem verdrießlichen,
leicht verlegten Fabricius fehlte jedes Verftändnis für die Neigungen
und Schwächen feines Zöglings. Er meinte auf diejen jeinen
eigenen Hang zu weitichweifigen religiöjen Betrachtungen, eine
Freude an abftraften theologiihen Studien, feine Liebhaberei für
eine mechanisch geregelte Lebensweiſe leicht übertragen zu können.
Rede Äußerung fnabenhaften Übermutes, jeder kleine jugendliche
Fehltritt wurde in feinen Augen zu einem jchweren Vergehen
und 309 lange jalbungsvolle Strafpredigten nad) jih. Er bedadte
nicht, wie leicht er dadurch feinen Zögling entweder zu offener
Auflehnung gegen die überftvenge Zucht treiben, oder aus ihm,
deſſen ſchlimmſter Fehler ohnehin der Hang zur Unmwahrheit war,
einen Heuchler machen konnte. Die Gefahr wuchs, nachdem durch
Fabricius ein zweiter ihm jelbft ganz ähnliher Mann in Ernſts
Umgebung gebracht worden war.
Gaftner hatte bald nad) der Salzburger Refidenz, noch im
Jahre 1569 oder Anfang 1570, feine Stelle aufgegeben, —
warum wiſſen wir nicht). Eine Zeit lang vertrat ihn ein junger
Verwandter des Fabridus, Servatius Lovius, ein niederländischer
Geiftliher, dem Fabricius eine Kaplansftelle am Freifinger Hofe
verichafft hatte. Diefer ftarb kurz vor Antritt der Kölner Reife.
In Köln nahm nun Fabricius als neuen Präjzeptor den
Dr. Adrian Aerntsperg an, einen Juristen aus Holland, welder
ioeben‘ jeine Studienreijen beendigt hatte und durch die nieder-
ländiichen Unruhen von der Heimkehr in fein Vaterland abgehalten
1) Was Aerntsperg im Jahre 1572 behauptet: priusguam D. Andreas ad
gubernationem N. [sc. Ernesti] pervenit, aut proprio aut Castneri vitio
fuit corruptus [sc. Ernestus]. Castnero pravitatem suam agnoscenti et
ideo remoto suffectus est D. Servatius .. . (RU. Freifing, Nr. 77 fol.
78), betrachte ich al8 bloße Berleumdung, vgl. 0. ©. 71.
118 Zweited Bud. Viertes Kapitel.
wurde '). Diejer Aerntsperg war ein fteifer, aufgeblajener, über
die Maßen langweiliger Pedant, der auf den lebensfrohen Jüng—
ling niemal3 den geringften Einfluß zu gewinnen vermodte. Aus—
länder waren alfo die beiden Männer, welche über Exnft3 Thun
und Laſſen hauptjählih zu beftimmen hatten. Denn der reis
finger Hofmeifter Pienzenau und die anderen bayrischen Adeligen,
weldye vorübergehend während der Reſidenz zu Salzburg und zu
Köln Hofmeifterftelle verfahen, hatten mehr mit den äußeren An—
gelegenheiten des Hofhaltes zu ſchaffen. — Nichts war natürlicher,
als daß ſich allerhand Leute an Herzog Ernſt herandrängten,
welche befjer auf feine Neigungen und Schwächen eingingen.
Nicht lange nad der Rüdkunft von Köln werden Klagen laut,
daß Ernſt nit mehr ftudieren wolle, daß er mit Eſſen und
Zrinfen fi übernehme, daß er der Jagd, dem Schieken, dem
Spiel zu jehr nahhänge, vor allem aber daß er ſich der Schwarzen
Kunft, der Magie, ergeben habe. Es kann faum zweifelhaft fein,
daß Ernſt, gleich den meiſten Zeitgenoffen, die Aldhimie und Magie
nit als bloßen Zeitvertreib, jondern als eine ernſte Kunſt bes
trachtete, bei der wohl aud) der Böſe feine Hand im Spiele haben
fonnte. Seine Erzieher und feine Mutter waren überzeugt, daß
e3 gerade dieſe Zeufelsfunft jei, welche Ernſt den geiftlihen Stand
verleidete. Unbefangen werden wir den Grund einerjeit3 in
jeiner Vorliebe für weltlihe Beichäftigungen, befonders für das
Waffenhandwerk, anderſeits in dem Widerwillen gegen den der
fatholiichen Geiftlichfeit auferlegten Cölibat zu ſuchen haben.
Vor Weihnahten 1571 kam es zuerft zwiſchen Herzog Ernſt und
dem Kanzler Ed, bald danach auch zwiſchen ihm und feiner Mutter
zu erniten Crörterungen über jein in der jüngiten Zeit geführtes
unregelmähiges Leben und zugleich über feine Bedenken gegen den
1) Dies erzählt Aerntsperg jelbft in der vom 1. Mai 1571 aus Köln
batierten Widmung der von ihm herausgegebenen Schrift: Alcuinus de
Psalmorum usu .. . nunc recens per Hadrianum Aerntsbergium in lucem
productus. Coloniae apud Maternum Cholinum Anno 1571.
Innere Hemmniffe der bayriſchen Kirchenpolitif. 119
geiftlihen Beruf. Ernſt veriprad ſich zu beſſern, äußerte aber
zugleid; den Wunſch, man möge ihn auf einige Zeit nad Nom
ſenden. Dort unter den Augen des frommen Papftes Pius V.,
meinte er jpäter, könne er viel Gutes lernen und werde gleichſam
einen Spiegel des geiftlihen Standes vor Augen haben. Die
Herzogin ihrerfeits jcheint damals ihrem Sohne versprochen zu
haben, das man ihn nicht zwingen werde wider Willen geiftlich
zu bleiben. Fabricius, der felbft nad) Rom verlangte, nährte
Hoffnungen und Wünſche des reifeluftigen Fünglings und über:
nahm e3 nachher aud, den Kanzler Ed und den Vater jelbft für die
Reife zu gewinnen. Wirklih gab Herzog Albreht zu Anfang
März 1572 feine Einwilligung; der nächſte Herbft wurde bereits
als Zeitpunkt ins Auge gefaßt und mit dem damals in Rom
lebenden Kardinal von Augsburg über den Plan und jeine Vor:
bereitung forrejpondiert. Albrecht wünſchte feinen Sohn, um ihn
leichter in Zucht und Gottesfurdht zu erhalten, entweder im päpft=
lihen Balafte jelbjt oder bei dem Kardinal untergebradt. Der
Tod Pius’ V. (am 1. Mai 1572) verurfachte nur vorübergehend
Bedenken, da jhon nah zwölf Zagen in dem Sardinal Hugo
Boncompagni ein neuer Papſt, Gregor XIII., gewählt wurde,
deſſen Perſon ebenfalls genügende Bürgſchaft für forgfältige Über:
wahung des Prinzen zu bieten ſchien. Kardinal Truchſeß ver-
ſprach diefen in feinem Palaſte aufzunehmen und erwartete ihn für
den nächſten Monat Dftober. Er hatte die Zuftimmung des
Papftes eingeholt und wollte ſchon anfangen allerlei Hausrat anzu:
Ihaffen, al3 er von Münden die Nachricht erhielt, die Reife jet
für diefen Herbſt zweifelhaft, dann weiter, fie ſei vorläufig ganz
eingeftellt. Unwohlſein des älteren Bruders Herzog Ferdinand,
Kriegsgewerbe u. dgl. wurden vorgeſchützt; der wirkliche Grund
aber war, daß Ernſt von neuem und diesmal ganz entihieden er-
klärt hatte, ex wolle fein Geiftlicher bleiben.
Als Administrator von Freiling hatte Ernft im Fahre 1572
an der jährlichen PVifitation des Kammergerichtes teilzunehmen ;
im Mai verweilte er zu diefem Zwed ein paar Wochen in
120 Zweite Bud. Viertes Kapitel.
Speier. Ein Bericht des Dr. Hund über fein Verhalten daſelbſt
lautet günftig; dennoch meinte man jpäter am bayriichen Hofe, die
Veränderung in Ernſts Weſen gerade diefem Aufenthalt, ins=
bejondere einem Zufammentreffen mit dem Pfalzgrafen Johann Ka—
ſimir und einem furpfälziichen Rate zufchreiben zu müfjen !). Fab—
ricius war nit mit nad) Speier gegangen; von feiner Zucht
zeitweilig befreit mag ſich das Selbftgefühl des jungen Fürften
ftärfer entmwidelt haben. Als Ernft nad Freifing zurückkam,
wollte er ſich das alte Joch nicht mehr gefallen laffen. Er ver—
nachläſfigte wieder die Studien und brachte feine Zeit mit Jagen oder
mit Schießen und Werfen zu. Als Fabricius ihm das wehrte,
fam e3 zu heftigen Auftritten; der leidenihaftlihe Jüngling ſoll
feinem Erzieher jogar mit Schlägen gedroht haben. Vielleicht
aus Furcht vor Strafe oder vor der Anzeige an feine Eltern
(— Fabricius meint, Ernſt habe bejonders gefürchtet, man werde
feine Beihäftigung mit der Magie verraten —) machte fi) Her=
zog Ernft eines Tages heimlich fort aus dem Schloffe zu Freifing,
fchrte jedoch, wie es jcheint auf gute Worte des Hofmeifters Pien=
zenau, bald zurüd. Man bejorgte aber, der Fluchtverſuch könne
ſich wiederholen. — Aus diefer Zeit ftammen wohl aud bes
ftimmte Angaben über Herzog Ernſts Umgang mit leichtfertigen
Dirnen.
ALS dieſe Ärgerlihen Vorgänge dem Vater zu Ohren famen,
zugleich mit der Nachricht, Ernft habe erflärt, er wolle lieber ein
1) In einem etwa aus dem Juni 1572 ftammenden „Bebenten (Ed8)
wie h. Ernft wider in ein bisciplin und zucht zu bringen” (RA. Frei-
fing Nr. 77 fol. 71] heißt e8 u. a.: „Fürs brit, nachdem ſ. f. ©. [b. i.
Herzog Albrecht] gwiß willen hab, das im [b. i. Herzog Ernft] pialggraf
Hans Cafimir zc., weil er jungftlich zue Speir gwefen, ein Brief von aigner
bant gejchriben, den er niemant lefen noch fechen wellen lafjen, das er ben-
jelben brief herfur geb, oder ba er in mit mer bet, das er bie warheit was
darinnen geftanden fei [geftee]. — Furs viert, weil er mit bem Pfälziſchen,
der in mit auf die pierfch gefuert, vil reden allein gehabt, was biefelben
reben gewefen feien.” — Weiteres über diefen Verlehr mit den Kurpfälzern
babe ich nicht gefunden.
Innere Hemmnifje ber bayrifchen Kirchenpolitif. 121
Keger werden als geiftlih bleiben, wurde die Reife nah Nom
aufgegeben. Albreht war jo erboft über feinen Sohn, daß er ihn
gar nicht vor fich ließ, fondern dur Kanzler Ed und Dr. Ber:
binger in Freifing zur Rede ſtellte. Ernſt geftand jeine Vergehen
ein und bat um Berzeihung, aber das Verſprechen geiftlih zu
bleiben gab er nicht. Infolge deifen dauerte auch des Waters
Ungnade fort. Ebenſo wenig erfolgte eine wirkliche Beſſerung im
Leben des Prinzen. Nach wie vor vernachläſſigte er die Studien,
ſaß ftatt deifen über Nitterromanen !) oder trieb Muſik, ging
Tag für Tag auf die Jagd oder zum Büchſen- und Armbruft-
ihiegen. Mit Fremden hielt er Zrinfgelage und erfreute ſich
daran, die anderen mit Zutrinfen voll zu machen. Ihm jelbft
ſagte man nad, er jei imftande, in einem Tage fieben bis acht
Shen! (Maß) Wein zu trinken. Seinen Genoffen verehrte er
goldene Ketten, Ringe, Schaupfennige mit feinem Bildniß, jpielte,
machte Schulden und fuchte Geld zu borgen. Unter dem Bor:
wand, daß er ja doch nicht geiftlich werde, wollte er das Brevier
niht mehr beten; in der Kirche ſchwätzte er mit den Domberren
oder ſchaute nad) jhönen Frauen. Man klagte, ſchon lange ſei er
nicht mehr zu den Saframenten gegangen; das letzte Mal habe
er jogar feinen Beichtvater zum beften gehalten, indem er bei
zweien zugleich beichtete. Faft am ſchlimmſten fand Aerntsperg, daß
Ernit lieber mit Goldſchmieden und anderen Handwerkern, welche
ihm bei jeinem Schmelzen und Schmieden halfen, den ganzen Tag
im Schmuße figen, al3 eine Stunde den Studien widmen
wollte.
Inzwiſchen war Herzog Albrecht allzu jehr mit der Jagd be:
1) Aerntsperg behauptet in feinen Ausfagen über Ernſts Sündenleben
(RA. Freifing, Nr. 77. fol. 78) u. a.: Ernft babe fich, feit er die verbotenen
Künfte weniger treibe, andere nicht weniger ſchädliche Bücher verſchafft: ut
sunt germaniei libri Amadis de Gaulla, amoris pleni, scimpf und ernst etc.
aliique ejus farinae incogniti, cujusmodi ita addietus, ut non [solum]
lectionibus praescriptis sed etiam lectioni horarum, fortassis etiam in
templo sub sacro praeferat. [„Schimpf und Ernſt“ ift das befannte Volks—
bud von oder nah Johannes Pauli].
122 Zweite® Bud. Viertes Kapitel,
ihäftigt, al3 daß er fih um diefe Dinge viel gekümmert hätte.
Erſt Ende Dftober wurde das Vorgefallene gründlich unterſucht.
Der Hofmeifter Pienzenau, Fabricius und Yerntsperg wurden vom
Kanzler Eck ausgefragt und braten jeder ein langes Sünden—
regifter ihres Zöglings vor. Daraufhin wurde Ernſt am 24. No=
vember nad Dachau beſchieden, in Gegenwart feiner Mutter und
der Grogmutter Herzogin Jakobe von Baden, durh Eck einem
ftrengen Verhöre unterworfen und endlih, durch die Androhung
des väterlihen Zornes, fein wilder Troß gebeugt. Er bat Fab—
ricius um Verzeihung und gelobte von neuem, ſich zu befjern; nur
wegen des Verbleibens im geiftlihen Stande erbat er ſich Bes
denfzeit, melde ihm der Vater aber nur bis Weihnachten ge—
währte.
Als letzter Verſuch, den Eigenſinn des Jünglings auch in
dieſem Punkte zu brechen, wurde beſchloſſen, ihn bei einem Je—
ſuiten geiſtliche Exerzitien machen zu laſſen. Der Rektor des
Münchener Jeſuitenkollegs und Beichtvater der herzoglichen Fa—
milie P. Dominikus Mengin, ein Lothringer von Geburt, kam
nad Freiſing und widmete ſich ein paar Wochen lang ausſchließ—
lich diefem Werke, welches er mie eine förmliche Zeufelsaustreibung
behandelte. Nach einiger Zeit brachte er es dahin, daß ihm Ernſt
einen ganzen Korb voll magiiher Schriften und Geräte zum Ver—
brennen auslieferte. Ernſt jelbit erklärte, die teufliihe Kunft habe
ihn zu feinem böfen Xreiben verführt). Er beichtete dem Pater,
empfing die Kommunion und gleid) danad erklärte er ſich bereit,
dem Willen des Vaters gemäß im geiftlichen Stande zu leben
und zu fterben. Niemals habe er, berichtete P. Mengin, einen
gehorjameren Schüler gehabt. Noch vor Weihnachten teilte Ernſt
1) Am 22. Dezember 1572 (RX. Freifing, Nr. 77. fol. 144) fchreibt Herzog
Ernft u. a. an feinen Vater: „E. f. ©. wellen alle meine mishandlungen
nit mir und meinem böjen willen ober herzen zuelegen, fonder vil mer bem
[hlüpferigen alter und meiner unmwifjenden und umverftendigen jugent, den
falfhen zungen und dem greulihen und verfluechten teufelwert, die mich dan
zu dem allen bracht haben, gnediglich alles übel zumeßen.“
Innere Hemmnifje der bayriſchen Kirchenpolitit. 123
in einem demütigen Briefe aud dem Vater feinen Entihluß mit,
bat dagegen, man möge ihn nunmehr nad) Rom, diefem Theatrum
pietatis reifen laſſen. Fabricius unterftüßte wieder perſönlich dieſe
Bitte und fie wurde gewährt.
Aber bald kamen neue Klagen über feinen Wanfelmut.
P. Mengin war nod in Freifing, al3 man eines Tages ent=
dedte, daß ih Herzog Ernſt in der legten Zeit mehrmals des
Naht aus dem Schloſſe geihlihen hatte und zu der Tochter
eines Freilinger Bürgers, Namens Daimer, gegangen war. Ernſt
geftand alsbald jein Vergehen und gelobte wieder Beſſerung, ver—
fiherte übrigens, daß er feine unehrbaren Abjihten gehabt habe.
Sogar Fabricius, der fonft ftet3 das Argfte vorausfegte, war
diesmal überzeugt, daß die Sache nur eine ziemlich unfchuldige, durd)
das Leſen der Ritterromane veranlaßte Liebelei geweſen ſei. Her—
zog Albrecht nahm ſie jedoch ernſter und dachte ſchon wieder daran,
die römiſche Reiſe ganz einzuſtellen. Das aber widerriet Fabri—
cius und ſetzte durch, daß man zunächſt ihn, Fabricius allein als—
bald nach Rom zu ſchicken beſchloß, um dort mit dem Kardinal
von Augsburg das Nötige über Ernſts Kommen zu beraten. In—
zwiſchen ſollte Ernſt ſeine Studien in Ingolſtadt fortſetzen. —
Nachher blieb er jedoch in Freiſing.
Nun verlautet längere Zeit nichts mehr über Ernſts ſittliches
Verhalten ). Vermutlich wird er auch weiterhin zwiſchen dem
Faffen und Brechen von guten Vorſätzen Hin und her geſchwankt
1) Am 31. Iuli 1573 fchreibt Fabricius aus Subiaco an Ed (RU.
Freifing, Nr. 78, fol. 57): Prudenter quidem agit pater Rector, ne sacra-
mentum confessionis vel suspectum vel odiosum reddat, quod mollius eum
tractat. Quid vero doctor Adrianus vel D. Egidius [ein anderer Ber-
wanbter, ben Fabricius an den freifinger Hof gebracht hatte] de eodem
sentiant, subjecta clausula satis ostendit: „Adfuit quidem (ita ad ver-
bum habent literae) pater Rector, qui licet omnem adhibuerit diligen-
tiam, parum cum illo profecit. Imo nudius tertius cum abiret, se in
spiritum sanctum peccasse ajebat, quia illum apud parentes ita lauda-
verat. Dicant alii quiequid velint, is est qui antea fuit et mansurus,
nisi illum Deus oculis misericordiae respiciat.‘“
124 Zweited Bud. Viertes Kapitel.
haben, doch ſo, das einerſeits die ſtrenge Überwachung, anderſeits
die Hoffnung auf die römiſche Reiſe von gröberen Fehltritten ihn
abhielten.
Anfang Februar (1573) machte ſich Fabricius auf den Weg
nah Rom. Sein Auftrag ging dahin, eine ganze Reihe von kirch—
lichen Angelegenheiten für Herzog Albrecht zu betreiben, die meiften
übrigens von folder Art, daß fie recht wohl des Herzogs ftändiger
Agent in Rom, Dr. Gajtellino oder fein Freund der Kardinal
von Augsburg hätten erledigen können. Offenbar jollten jene An—
gelegenheiten nur einen pafjenden Vorwand für des Fabricius
Romreife abgeben. Der eigentlihe Zweck vderjelben, die Vorbe—
reitung der Neije feines Zöglings nad Italien, war in feinem
Memorial gar nit erwähnt, wohl aber verſchiedene andere
Punkte, weldhe den Herzog Ernſt betrafen: jo jollte er erwirken,
daß die geiftliche Jurisdiltion im Stift Freifing den unmiürdigen
Händen der Domkapitulare entzogen und dem Adminiftrator über-
tragen werde, „deſſen Frömmigkeit, religiöier Eifer und unbeidol-
tene Lebensführung bereits hinlänglich bekannt jeien.‘ Ferner
jollte Fabricius den neuen Papſt geneigt ftimmen, die Kölner Anz
gelegenheit zu befördern, dagegen einer etwaigen Abfiht, dem jungen
Herzog den Kardinalshut zu geben — eine Abſicht, welhe Pius V.
wiederholt ausgeiprohen — auf beſcheidene Weiſe entgegen-
treten.
Eben war Fabricius in Rom eingetroffen (März 1573), als
man am bayriihen Hofe die Nachricht erhielt, der greife Biſchof
Burfard von Hildesheim fei geitorben und, faum vierzehn Tage
ipäter, Herzog Ernit zu feinem Nachfolger erwählt worden. Nun—
mehr befam der Aufenthalt des Fabrictus in Rom den neuen
Hauptzwed, feinem Zöglinge die päpftliche Konfirmation für Hil-
desheim zu verihaffen. Den jungen Herzog aber fnüpfte die An—
nahme der Hildesheimer Wahl von neuem und feiter al3 bisher
an feinen geiftlihen Beruf.
5. Kapitel.
Die niederſächſiſchen Hochſtifter. — Herzog Ernft wird
Adminiftrator von Hildesheim.*
— ——
Biſchof von Hildesheim war ſeit dem Jahre 1557 Burkard
bon Dberg, aus einheimiſchem Rittergeſchlecht, ein Sechziger ſchon
zur Zeit feiner Wahl, melde Herzog Heinrih der Jüngere von
Braunſchweig, der feinen mächtigen Nachbar wünſchte, durchgefegt
hatte.
*Quellen: Im allgemeinen: Havemann, Geſch. der Lande Braunſchweig
und Lüneburg, 2. Band, Göttingen 1855. In ſeinem Urteil über
Herzog Julius ſcheint mir Havemann zu ſehr durch die lobenden Lei—
chenreden beeinflußt. — Für Hildesheim: Wahsmuth, Geſch. von
Hodftift und Stadt Hildesheim, Hildesheim 1863. Lüntzel (aus
befien Nachlaß), Geſch. der Diözefe und Stadt Hildesheim, Hildesh.
1858, I, 404f. Die meiften von Wachsſsmuth unb Lüngel citierten
Werke, namentlich Lauenfteind Bücher habe ich, foweit dies für meinen
Zwed nötig, burchgefehen. Kopie einer hanbfhriftlih aud von Have—
mann benugten Chronik ber Biſchöfe von Hildesheim bis auf Herzog
Ernſt MB. Cgm. 2213. Nr. 68. — Für Halberftabt fehlt es
an einer tüchtigen neueren Bistumsgeſchichte. Frank, Geſch. bes
Bistums nachmal. Fürftentums Halberftabt, Halberft. 1853, genügt
nit. Die ältere Litteratur verzeichnet fehr vollftändig Lucanus,
Hiftor. Bibliothek vom Fürftentum Halberftabt, 2 Teile, Halberft. 1778
u. 1784. — Für Magdeburg: Dreyhaupt, Beichreibung bes Saal-
freifes, 1. Zeil, Halle 1755 (reip. 1749), ©. 290ff. Abel,
Stifts-, Stabt- und Landchronik des Fürftentums Halberftabt, Bern-
burg 1754, ©. 493 ff. — Einzelne wertvolle Notizen in des Chy-
traeus Saxonia und mebr noch bei Eyriacus Spangenberg,
126 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
Hildesheim war bordem eines der anſehnlichſten niederſächſiſchen
Hochſtifter geweien, aber in der unglüdlidhen Fehde, welche Biſchof
Sohann IV., Herzog von Lauenburg, gegen die Herzöge von
Braunſchweig geführt (1519—1523), büßte es etwa zwei Drittel
jeines Gebietes ein. Nur no drei Amter und Schlöffer, Steuer:
wald, Peina und Marienburg, ſowie die alte Stadt Hildesheim
gehörten zu Burkards Zeiten dem Biſchofe und von diejen war
obendrein Peina dem Herzoge von Holftein, Marienburg dem
Domkapitel verpfändet ). Burkard flagte wohl, er könne faum
joviel aus jeinem Stifte ziehen, um fi des Hunger3 zu er—
wehren 2). Seine Vorgänger hatten an der Kurie Prozeß geführt,
um die verlorenen Stiftägüter wieder zu befommen. Gin Stuhl-
ſpruch unter Papft Paul III (im Fahre 1540) entichied für fie,
a. a. D., insbefondere für Minden. Minden gehörte übrigens nach
ber Reich8verfaflung zum weftfälifchen Kreis, desgleihen Stift Verden. —
Einige Briefe betr. die Halberftäbter Poftulation des Herzogs Heinrich
Julius bei Laderchius 1. c. XXII, p. 424sq. u. XXIII, p. 68. —
Über Herzog Ernſts Poftulation zu Hildesheim einiges bei Fr. €.
v. Mofer, Beiträge IV, 456. Aretin, Bayerns auswärtige Ver—
hältniſſe, Urkunden, Nr. III. Der Abdruck der Akten bei Aretin
wimmelt jedoch von finnftörenden Fehlern, bat auch inhaltlich Lüden,
welhe zum Teil ergänzt werben buch Theiner, Ann. Eccles.
I, 525sqg. Die Originale ber von Aretin gebrudten Aften (III,
Nr. 1/4) im KrA. 1. Geiftl. Saden Nr. 9% ad Fate. 2.
Die Arhivalien, auf welchen meine Erzählung hauptſächlich be—
ruht, find fir Hildesheim: StA. 95/4. 5 u. 6. RU. Hochſt. Freifing
Nr. 78 und Hodft. Augsburg, Bd. V. MU. Regier. = Ardhiv
Rep. II, Cell. 19, Vol. V. HU. Zwei Fasc. Bist. Hildesheim betr.
de Ao 1573 (der eine Hildesheimer, der andere Braunfchweiger Akten
enthaltend). — Für Halberftabt: RU. Hodft. Halberſtadt Bd. I. —
Für Magdeburg: RA. Hodft. Augsburg Bo. IV. StA. 38/4 fol.
121 und 415/40 bis 50.
1) Haus Marienburg a. d. Innerfte, fhon im 15. Jahrhundert im Be—
fige des Domkapitels (Küntzel II, 529) war zu Burkards Zeit von jenem
wieder an einen Herrn von Steinberg verpfänbet.
2) Beiträge zur Hildesb. Geſch. I, 388 (aus einem Briefe des Biſchofs
an Dr. Halver vom 10. Auguft 1572).
Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 127
aber niemand übernahm die Exekution. Dann war die Sade
ans Kammergeriht gebracht worden (1548), aber Biihof Burkard
mußte jie hier einjhlafen laffen, weil er anfangs jelbft der Hilfe
des Herzogs Heinrich gegen jein Domkapitel und die Stadt be:
durfte.
Die heutige Stadt Hildesheim zerfiel damals nod in zwei
an einander gebaute aber ganz unabhängige und nicht jehr ein-
trächtige Städte. Nur die alte oder eigentlihe Stadt Hildesheim
ftand unter der AJurisdiktion des Biſchofs, die Neuftadt unter
dem Dompropft, — derzeit Graf Wilhelm von Schauenburg,
Bruder der vormaligen Kölner Erzbiihöte Adolf und Anton.
Über das gegenfeitige Verhältnis erhielt Herzog Albreht von
Bayern folgende kurze, treffende Auskunft: „die alte Stadt
refognosciert den Biſchof für ihren Herrn, dod da fie thun was
fie wollen; die Neuftadt gehört der Dompropftei und thun auch
was fie wollen.‘
Die Reformation war in beiden Städten bereit3 im Jahre
1542, nit ohne Gewaltſamkeit vonjeiten der Gemeinde, zum
Siege gelangt. Ein paar Fahre lang wurde gar fein katholiicher
Gottesdienst geduldet. Später wurden durch bejondere Verträge
zwiſchen den Biihöfen und der Stadt dem römiihen Klerus wies
der eine Anzahl Kirchen, namentlih der Dom und die Godehardi=
fire, eingeräumt, während die anderen Hauptlichen den Luthe—
ranern verblieben. Seitdem lebte man im ganzen friedlich neben
einander: die Dombherren in ihren Kurien auf der Domfreiheit,
der Biſchof gewöhnlich auf feinem Schloſſe Steuerwald, unweit
der Stadt. In diefer und vor ihren Mauern waren nod zwei
Kollegiatlichen und ein halbes Dutzend Mönchs- und Nonnen=
öfter in Händen der Katholifen; die Bürgerſchaft ſelbſt, ſowie
die Stiftzjunfer mit ihren Unterthanen waren durchweg evange—
liſch. — Ganz ähnlih ſah es um das Jahr 1566 in den
übrigen niederfähfiichen Landihaften aus, melde das Stift um—
gaben.
Eine legte ſtarke Stüge hatten die Katholifen jener Gegenden
128 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
an Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunfhweig-Wolfenbüttel.
Aber er ftand damals (im Fahre 1566) bereit3 in feinem
77. Lebensjahr, und fein einziger überlebender Sohn, Herzog
Julius, war ein entjchiedener Zutheraner, der um feines Bekennt—
niſſes willen jahrelang des Vaters Zorn und Ungnade getragen
hatte. Es wurde darum folgenreich für die kirchliche Entwidelung
in ganz Niederſachſen, daß Herzog Heinrid, als feine zweite Ehe
finderlos blieb, mit jeinem einzigen Sohne und Erben ſich aus-
jöhnte (im Jahre 1564), obwohl diefer an feinem lutheriihen Be—
kenntniſſe fefthielt. Man konnte nun nit mehr zweifeln, daß in
Zukunft der Augsburger Konfejfion die Wleinherrihaft im Fürften-
tum gehören werde. Schon jegt wandten fid) die meiften Räte
und Adeligen der aufgehenden Sonne zu; nur ein paar alte
Räte blieben mit Herzog Heinrid ihrem fatholiichen Glauben
treu.
Zunächſt aus diefen Verhältniffen erklärt es ſich, daß Biſchof
Burkard und diejenigen Hildesheimer Domherren, melde gleich
ihm noch katholiſch waren, anderwärts einen Erſatz für die wan—
fende Stütze ſuchten. Manden von den adeligen Herren im Doms
fapitel mochte außerdem die Macht des braunjchweigiichen Hauſes
allzu bedrohlid für die eigene Autorität ericheinen. Gerade damals
erhielt jene einen neuen Zuwachs durch die Erwerbung des Hoch—
ftiftes Halberjtadt.
Achtundachtzig Jahre lang war Halberftadt durch eine Art
Perjonalunion mit dem Erzftift Magdeburg verbunden gemeien,
die längfte Zeit unter Fürften aus dem Haufe Brandenburg.
Seht, im September 1566, ging jedes ver beiden Domtapitel
jeinen eigenen Weg: die Magdeburger Domherren poftulierten
wieder einen Brandenburger, den zwanzigjährigen Enkel des
Kurfürften Joachim, die Halberjtädter aber einen Braunfchweiger,
Herzog Heinrichs Enkel, Heinrih Julius, ein Kind von zwei
Jahren.
In den für die Offentlichteit beſtimmten Aktenſtücken wird als
Hauptmotiv für dieſe Poſtulation geltend gemacht, daß ſich das Stift
‚Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 129
dadurch von feiner Schuldenlaſt befreien könne. Denn Großvater
und Vater des Poſtulierten verpflichteten ſich, bis derſelbe ſein acht—
zehntes Jahr erreicht, die Adminiſtration dem Kapitel zu über—
laſſen, ſo daß dieſes aus den Überſchüſſen die Schulden tilgen
könne. Schwerer wogen aber ohne Zweifel, bei der Trennung
von Magdeburg und vom Haufe Brandenburg, die firhlihen Be:
weggründe.
Markgraf Sigismund, der legte gemeinſame Erzbiihof und
Biſchof, hatte begonnen, die wenigen übrig gebliebenen fatholiichen
Stifter und Klöfter im Erzitift Magdeburg gewaltiam zu refor—
mieren. Die Magdeburger Domberren mochten damit einver—
ftanden fein, nicht aber die Halberjtädter, welche ſich in ihrer
Mehrheit noch zur Fatholiihen Kirche hielten. Von jedem neuen
Brandenburger hatte man fi des leihen zu verjehen. Da:
gegen war bon den Braunſchweigern der vegierende Herzog
Heinrich ſelbſt noch fatholiih, Herzog Julius zwar für feine Ber:
fon der Augsburger Konfeſſion ergeben, aber erbötig, zugleich mit
dem Vater zu geloben, daß ihr Enkel und Sohn den geiftlichen
Stand mit Habit und anderem, gleich den vorigen Biſchöfen von
alteräher, annehmen und führen, daß et in geiftlihen Sachen dem
Bapft, in weltlihen dem Kaiſer ſchuldigen Gehorjam leiften und
ohne deren Willen und Willen in den römischen Kirchenordnungen
nichts ändern werde u. j. w. Obendrein wurde die Verbindlich—
feit der Poftulation von der Einwilligung des Papftes abhängig
gemacht, jo daß die katholiſchen Domherren zu Halberftadt, als fie
im Dftober 1566 das Kind zu ihrem künftigen Biſchof wählten,
recht wohl im guten Glauben fein konnten, für das Befte ihrer
Kirche gejorgt zu haben). Unmöglich Freilich) konnte jemand ſich
verheblen, daß ein foldhes Abkommen mit dem lutheriihen Vater
1) Kopie der Kapitulation ber Herzöge Heinrich und Julius mit dem
Domtapitel, bat. Wolfenbüttel 20. Okt. 1566 RU. Hodft. Halberftabt I.
fol. 144. Der Inhalt der Kapitulation fcheint wenig befannt zu fein, ba
die gewöhnlichen Angaben über fie fämtlich Irriges enthalten.
Lofien, Köln, Krieg I. 9
130 Zweite Bud. KFünftes Kapitel.
eines unmündigen Kindes auch ernfte Gefahren für den Katholicis—
mus im Stift und in ganz Niederfachien in fi ſchloß.
Biihof Burkard von Hildesheim war der alten Kirche auf-
richtig ergeben, ebenſo jein vertrauter Rat der Domherr und
Licentiat der Rechte Hermann von Horneburg, ein jüngerer Mann,
welchen wir als den eigentlichen Urheber der Anlehnung an das
Haus Bayern betrachten dürfen. Im Laufe des Jahres 1566 mar
Horneburg felbft am bayrifhen Hof und trug hier dem Herrn
Hans Falob Fugger, damals Kammerpräfident bei Herzog Albrecht,
jowie dem Kanzler Ed den Plan vor, Herzog Ernft zum Koad—
jutor in Hildesheim zu machen. Fugger und Ed, beide erfüllt
bon der Idee der Wiederheritellung der römiſchen Kirche in ganz
Deutihland, gingen auf Horneburgs Plan ein, über deſſen Schatten-
jeiten fie übrigens nicht im Yweifel waren. Im Dezember 1566,
nad) Horneburgs Heimkehr, erfolgte der erſte förmliche Antrag
vonfeiten des Biſchofs. Er habe, ſchrieb Biihof Burkard an
Fugger und Ed, auf Grund ihrer Unterredung mit Horneburg
die Sahe mit den älteften und vornehmften Sapitularen in ges
heime Beratung gezogen und fer entihloflen, vor anderen Per—
fonen furfürftlihen und fürftlihen Standes, welche bis zur Stunde
vielmals darum angejucht, Herzog Albrechts Sohn zum Soadjutor
anzunehmen. Zu Dftern jolle zum Vollzug der Sache jemand
nah Bayern abgeordnet werden. — Vermutlich hatte die Er—
ledigung von Magdeburg und Halberftadt die Bewerber um diefe
Stifter, namentlih die Brandenburger und die Braunjchweiger,
veranlaßt, auch bei dem alten Herrn von Hildesheim wieder ein=
mal anzuflopfen, was dann den Plan einer bayriichen Koadjutorie
um jo ſchneller zur Reife brachte.
Zu Dftern 1567 fam Horneburg nah Münden. Die ein=
zelnen Punkte, welche Biſchof und Kapitel bewilligt haben wollten,
fanden Fugger und Eck nicht unbillig, aber fie beftanden darauf,
jene jollten, ehe fie ihres Herzogs Sohn fürmlid um Annahme
der Koadjutorie erfuchten, die Genehmigung des Papſtes erwirken.
Da man jhon bei der Freiſinger Sache, welche doch den Zrienter
Die niederſächſiſchen Hochftifter. 181
Dekreten nicht jo ſtracks zumiderlief, wie die jegt verlangte Häu—
fung bifhöfliher Würden, bei Pius V. auf großen Widerftand
geftogen war, jo wollte man ihn vor allem überzeugen, daß die
Hildesheimer Koadjutorie nit aus Eigennuß, ſondern nur zur
Erhaltung des Stiftes und der fatholiihen Religion gewünſcht
werde.
Mit diefem Beſcheid ging Horneburg nad Hildesheim zurüd;
im Herbft fam er wieder und brachte die Antwort, Biſchof Burkard
und die älteften Kapitularen ſeien einverftanden, daß jemand nad)
Rom geſchickt werde. Auf Albrehts Rat ging Horneburg ſelbſt dort=
bin, während de3 Herzogs Agent Gaftellino, der aber außer Bayern
auch andere Parteien vertrat, den Befehl erhielt, unter der Hand,
wie für ji, defien Werbung zu unterftügen. Ende November
brachte Horneburg, von aftellino eingeführt, fein Geſuch bei
Pius V. vor, zunächſt ohne die Perjon des gewünschten Koad—
jutors zu nennen; es jei, jagte er, bei jeiner Abreife noch feine
Perſon auserjehen geweien. Dr. Ef hatte gemeint, wenn man
bon einem Koadjutor aus mächtigem Haufe rede, werde der Papft
von ſelbſt auf Herzog Ernſt verfallen. Pius V. ſchien aber viel-
mehr an den Braunſchweiger Prinzen zu denken; denn er jprad)
davon, daß er der Halberftädter PVoftulation feine Zuftimmung
verjagt habe, troß Herzog Heinrichs Verſprechen, feinen Entel ka—
tholiich zu erziehen; der alte Herr könne jeden Tag fterben und
dann werde das Kind mahrjcheinlid in die Fußtapfen feines
häretiihen Waters treten.
Erft im Januar ging Horneburg wieder zum Papft, diesmal
um Verdacht zu verhüten allein, und nannte den gewünſchten
Koadjutor. Pius V. erwiderte, die Sache müſſe veiflid) erwogen
werden. — Das Ende von folder Erwägung war ein entichie-
denes Nein! Er fürchte fein Gewiſſen zu verlegen und Ärgernis
zu geben; Exnft jei zu jung und bereit3 mit der Sorge für eine
Kirche betraut; ihn blog zum Koadjutor in temporalibus zu machen,
gehe nicht an, weil ſchon bei der Freiſinger Sade eine derartige
Trennung am faiferlihen Hofe übel vermerkt worden fei; aud)
9*
132 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
jeien Hildesheim und Freifing zu weit bon einander entlegen.
Übrigens wolle er den bayriſchen Herzog von der Bitte in Kennt—
nis feßen und ihm die Hildesheimer Kirche beſtens empfehlen. —
Das geihah denn aud durch ein Breve, welches Horneburg im
uni 1568 mit nad) Deutichland herausbrachte. Herzog Albrecht
antwortete, ihn perſönlich befümmere die abſchlägige Antwort nicht
im mindeften; denn er habe nur den wiederholten Bitten des
Biihof3 Raum gegeben, aber dann noch alles in das Belieben
Seiner Heiligkeit geftellt.
Horneburg war noch nicht wieder zuhauſe angelangt, al3 der
am 11. Juni 1568 erfolgte Tod des alten Herzogs von Braun—
ſchweig die gefährdete Lage der katholiſchen Überrefte Niederſachſens
an den Tag brachte. Am Hofe zu Wolfenbüttel hörte alsbald
die Meife auf; Heinrihs Beichtvater Lafthaufen verließ als der
legte katholiſche Weltgeiftlihe das Land. Auch die wenigen melt-
lichen Räte, welhe am fatholiihen Glauben fefthielten, mußten
ihren Dienft aufgeben, unter ihnen der tüchtige Vizekanzler
Dr. Ludolf Halver, der bald darauf einen neuen größeren Wir-
fungskreis für die katholiſche Neftauration in bayrifhen Dien—
ften fand). Auch in der auswärtigen Politik des Wolfen-
1) In einer im Jahre 1564 gejchriebenen Schrift fpendet Hamelmann
(Hamelm., Opp., p. 210) feinem ehemaligen Mitſchüler und Freund Halver
großes Lob; vir excellenter praesertim in jure ac historiis doctus, et in
aulis regum ac multorum principum propter magnas legationes, quas
strenue subivit, est notus. Hamelmann nennt ihn bafeldft Monasteriensis;
jedoch erhellt aus einem Briefe Halvers (RA. Hochſt. Miünfter VIII. fol. 52),
daß er in Münfter weder geboren noch erzogen war, ſondern nur als Knabe
nad ber Einnahme ber Stabt (alfo etwa Enbe ber dreißiger Jahre) einige
Zeit daſelbſt gelebt Hat, danach zur Löwen und Heibelberg (al8 Stubent?).
In einer fpäteren Schrift (Opp., p. 896sq.) gebenft Hamelmann ber Thä-
tigkeit Halvers für die katholiſche Neftauration unter Herzog Heintih d. 3.
Halver war au fpanifcher Benfionär (Weiss, Papiers de Granvelle VIII,
183), die Zahlung aber, wie gewöhnlich bei den fpanifchen Penſionen, rüd-
fündig. Späteftens im April 1569 ift Halver bereit8 bayrifcher Rat, feine
Familie damals fhon in Münden (St. 161/3 passim). 13. Mai 1569
gratuliert Biſchof Burkard von Hildesheim (Or. von Körnleins Hand StA.
Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 133
bütteler Hofes befundete jih der Umſchwung: der neue Herzog
wies Spanisches Wartegeld zurüd, nahm fogar den von jeis
nem Vater getragenen Drden vom Goldenen Vlies nit an; —
dem deutihen Zweige des Haufes Ofterreih blieb er übrigens
treu ergeben. Katholiſch und befonders ſpaniſch gefinnt war
allerdings noch fein Vetter, Herzog Erid II. von Braunfchweig-
Galenberg; aber der war ein unftäter Abenteurer, fait immer in
fremde oder eigene Kriegshändel außerhalb feines Landes ver-
wickelt und deshalb fait ohne Einfluß auf die religiöje Entwidelung
innerhalb desjelben. |
Zu Hildesheim ſah man voll Sorge in die Zukunft. Biſchof
Burkard empfahl ſich alsbald, mit Berufung auf das päpftliche
Breve, dem Schutze des bayriſchen Herzogs. Gleichzeitig ver-
ficherte fein Sekretär Peter Körnlein, der damals wohl ſchon bay—
riihe Penſion bezog, er wolle feine Ader an jeinem Leibe haben,
die nicht gut bayrijch fein und bleiben werde. Mehr durch die
That bewies Horneburg jeine bayriihe und fatholiiche Gefinnung.
Ihm ohne Zweifel ift es zuzujchreiben, dag Biihof und Doms
fapitel jegt einen Schritt thaten, in deſſen Folge Stift Hildesheim
der römischen Kirche erhalten und auf zwei Jahrhunderte hinaus
faft ununterbrochen dem bayrischen Haufe verbunden blieb.
Am 30. November 1568 einigten ſich, bei ihren fürftlichen,
adeligen und fonftigen Würden, Ehren und Treuen, zwölf Hildes-
heimer Domberren, darunter der Dehant Willen Freitag und der
Scholaſter Dieterih Bleder, mit Biſchof Burkard, feinen anderen
als den Sohn des Herzogs Albreht von Bayern zum Koadjutor
95/6 fol. 37) Halver zu feinem Eintritt in bayrifche Dienfte, „bar bie alte
catholifche kirchen Gotlob umnverbrudt geblieben“. Halver felbft jchreibt
28. Nov. 1569 an Kanzler Ed (StA. 160/11 fol. 517): „Ich tue allezeit
was mein löblicher furft Herzog Albrecht und E. ©. raten und haben wollen.
In hoc principe mihi dux Henricus :c. revixit.“ — Was Halver und andere
(in den bayrifchen Alten) von der Behandlung erzählen, welche Herzog Hein-
richs alte Räte nach deſſen Tod erfuhren, mwiderfpricht einigermaßen ben ge—
wöhnlihen Angaben von Herzog Julius’ Großmut und Milde.
134 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
anzunehmen. Sollte Biihof Burkard fterben, che dieſes Koad-
jutoriewerk beendigt, jo wollten die anderen Unterzeichner dieſer
Union dennod) in gleicher Weiſe verbunden bleiben und einträchtig den
Herzog Ernft zum Nachfolger wählen. — Es gab allerdings einige
vierzig Kanonilate am Hildesheimer Dom, aber die meiften von
ihnen waren entweder überhaupt nicht mehr oder doch nicht von
Kapitularen bejegt, jo dab jene Zwölfzahl die Majorität des
Kapitel ausmachte und, wenn fie, wie zu erwarten, ihr Ehrenwort
hielt, der Erfolg geſichert war ”).
Bon da ab erfahren wir fait ein Jahr lang nichts mehr über
die Hildesheimer Dinge, abgejehen von einer gelegentlihen An—
deutung, daß man zu Wolfenbüttel um die Verbindung mit
Bayern etwas wußte und, wohl mit Unrecht, den Dr. Halver
für den Vermittler hielt. Gegen Biſchof und Kapitel ließ ſich
Herzog Julius feinen Unmut anmerken, ſondern ſuchte vielmehr
— mie er denn Überhaupt im Gegenjage zu feinem Vater ein
friedliebender Herr war — durch einen Vergleich den alten Streit
mit Hildesheim aus der Welt zu jchaffen.
Biſchof Burkard hatte vor einiger Zeit den Prozeß gegen
Braunſchweig wieder aufgenommen und vom Kaifer die Ernennung
der Kurfürften von Mainz und Sachſen und des Herzogs Albreht von
Bayern zu Kommiſſaren erlangt. Um diejer Kommiſſion auszumei=
hen ſchlug Herzog Julius dem Stift gütliche Unterhandlung durd)
Räte beider Zeile vor. Ehe Biſchof und Kapitel jih darauf
einliegen, fragten fie zubor den bayrischen Herzog um Nat. Bei
1) Bei Lüntzel II, 496ff. find die Verbältniffe des Hildesheimer Dom-
fapitel8 leider nur bis Anfang des 16. Jahrhunderts entwidelt. Das Ber-
zeihnis der Domberren, welche im 16. Jahrhundert lebten, bei Lauen—
ftein, Diplomat. Hiftorie des Bistums Hildesheim, S. 234—243 ift nicht
vollftändig genug, um daraus eine Statiftif für einen gewiſſen Zeitpunkt zu
machen. Bielleiht hängt bie Kleine Zahl der Domberren mit ber Ber-
fleinerung bes Stift8 zufammen. Außerdem waren wohl auch in Hildes-
beim wie anberwärts Reſidenz und Subbialonatsweihe VBorbebingungen für
einen Kapitelplat. Der Dompropft gehörte im 16. Jahrhundert (gleihwie
in Köln) nicht mehr zum Kapitel.
Die niederſächſiſchen Hochftifter. 135
diefem Anlaß, im November 1569, überbrachte Horneburg aud)
eine Kopie der ein Fahr zuvor abgeſchloſſenen Union. Herzog
Albrecht lehnte zwar eine beftimmte Zufage wegen Annahme ver
Koadjutorie ab, hatte aber nichts dagegen, dab man über einige
Zeit nohmal3 in Rom anfrage und aud dort von der Union
Kenntnis gebe. Bezüglich der gütlihen Verhandlung mit Braun-
ſchweig ließ er durhbliden, man möge nicht zu weit gehen und
lieber den Nachkommen überlafien, eine beſſere Gelegenheit zu
finden, um das Verlorene wieder zu erlangen.
Indeſſen gingen die Verhandlungen mit Braunſchweig boran.
Wiewohl Herzog Albreht auf Horneburgs dringenden Wunſch
nohmal3 vor allzu großen Konzefjionen warnte, fam man im
Laufe des Jahres 1570 doch einem Vergleih mit Braunſchweig
immer näher. Die Herzöge Julius und Eridy wollten jeder dem
Stift ein paar Ämter zurüdgeben und dafür alles übrige als
Mannesicehen behalten. Der Hildesheimer Kanzler Sigfrid
Nung, ein Braunfchweiger Unterthan, war für den Vergleich;
von ihm beraten dann auch der alte, wie Horneburg behauptet,
bereit3 verlindiſchte Biihof und ebenſo ein Zeil des Kapitels,
darunter auch einzelne Unterzeichner der Union, die einen, wie
der Scholafter Dieterich Bleder, wenn Horneburg zu glauben tft, aus
Eigennug, die anderen aus rveligidien Motiven ). Denn der
1) Auf Grund einer Unterrebung mit Hormeburg (am 12. Juli 1570)
machte fich Fugger folgende Notizen (StA. 95/5 fol. 101; vgl. 95/6 fol,
72): „Die 2 der feolafter ging gern hinderſich der union, ſuecht proprium
commobum, der ander [b. i. Gebhart von Bothmer] in fein Hof vor 4 jarn
fub utraque communiciert.” Noch deutlicher in Fuggers Bericht an Herzog
Albrecht: „Dan die! 2 gfanten war ber aine ber fcolafter fo in ber ver-
willigung underſchriben, aber zufagens und aigennut halber gern ben kopf
auß ber balfter wolt fchlaiffen; der ander wer gut [gar?] Iutrifh und het
nit underſchriben, weil er damaln ber jungern ainer gweſt. Diſe mwolten
mit irem anhang gern den ftift in Herzog Julius oder deſſen von Lubed
handen pringen, bamit fi wie andere eingezogene ftift mochten frei fein irs
gfallens zue leben.” — Ein „Gruert [I. Gevert?] von Bothmer” ift übrigens
unter ben Unterzeihnern ber Union.
136 Zweites Buch. Fünftes Kapitel.
Hintergedanfe bei den Verhandlungen mit Braunfchweig war,
mern der Vergleich geglüct, jolle entweder Herzog Julius’ Sohn,
der Poftulierte von Halberftadt, oder jein Freund, der lutheriiche
Biihof Eberhard Holle von Lübeck und Verden, als Koadjutor
angenommen werden.
Im Suli 1570 gingen eigene Gelandte von Biſchof und
Kapitel zu Herzog Albrecht, um aus ihm eine Billigung des
Vergleiches berauszuloden und auf ſolche Weife, wie Horneburg
behauptet, ihren Kopf wieder aus der Schleife zu ziehen, in die
fie geraten.
Aber Horneburg war den Geſandten heimlih borausgeeilt;
al3 er in Münden den Herzog und feinen Kanzler nicht fand,
ging er nad) Zauffichen zu Hans Jakob Fugger und beſchwor
diefen, dahin zu wirken, daß Albreht auf feine Billigung des
Vergleiches ſich einlaffe, jondern ausprüdiid auf die Union hin—
weile. Im Befik von Hildesheim könne Ernſt aud andere
Stifter, zunächſt Halberftadt und Minden, und dadurd) die nötige
Autorität und Macht erlangen, um die fatholifche Kirche in jenen
Landen wieder herzuftellen. Sollte aber feiner Zeit Stift Hildes-
heim dem Herzoge nicht für jeinen Sohn zufagen, jo würde
alsdann leicht ein anderer fatholiiher Mann an deſſen Stelle zu
bringen fein.
Horneburgs und Fuggers dringenden Bitten entipredjend fer—
tigte der Herzog am 28. Juli die Gejandten (den Scholaſter
Bleder, den Domherrn Gebhard von Bothmer und den Sefretär
Körnlein) mit einen Beſcheid ab, der inbezug auf jenen Vergleich
allerdings zweifelhaft, aber, wie Fugger meinte, immerhin jo ab=
gefaßt war, dal das Kapitel wohl merken fonnte, wohin Albrechts
Rat ging. Wichtiger aber war, dab im Eingang ausdrücklich
Bezug genommen wurde auf die Union, für melde ji der Her—
zog in Gnaden und Freundſchaft erfenntlid zeigen wolle. Denn
hierin lag gewiſſermaßen ſchon die Annahme einer Koadjutorie oder
fünftigen Wahl und demnach eine gegenfeitige Verpflichtung zwi—
ihen dem Haufe Bayern und dem Stift Hildesheim. — Man
Die niederfächfiichen Hochſtifter. & 137
wird annehmen dürfen, daß die von Horneburg eröffnete Ausſicht
auf die Erwerbung anderer Nachbarftifter, namentlich von Minden
und Halberftadt und jomit auf eine mweitergreifende fatholiiche Re—
ftauration in Niederfachjen, nicht ohne Einfluß auf des Herzogs
Antwort gewejen war.
Das Stift Minden war jeit dem Januar 1567 im Beſitze
des uns von der Kölner Wahl ber befannten jungen Grafen
Hermann von Schauenburg. Wiewohl Hermann für katholiſch galt,
erklärte do) Pius V. bejtimmt, er werde denjelben, jo lange fein
Bater Graf Dtto lebe, in feinem Bistum beftätigen. — Diefer
Graf Dito war nämlich in feinen jungen Jahren ſelbſt einmal
Biſchof geweſen (von Hildesheim), aber, weil er fi nicht kon—
jefrieren noch fonfirmieren ließ, ohne viel Umftände bald abgejet
worden. Wenn aud den Grafen jelbit, der mehr Luft zu
Kriegshändeln hatte, das wenig kümmerte, jo war doh in Rom
wohl von jener Fugendzeit her jein Name ſchwarz angeftrihen
geblieben; jet mußte e3 der Sohn entgelten. — Bereits im
Jahre 1569 gelangte an den Herzog von Bayern, wir willen
nicht beſtimmt von welder Seite !), die Andeutung, daß man
in Minden jeinen Sohn Ernſt gerne als Biſchof jehen würde.
Daraufhin ertundigte fid) Albrecht in Rom bei dem Kardinal von
Augsburg nad) der Lage der Dinge; diefer riet aber damals von
einer Bewerbung ab. Bielleiht daß jest die von Horneburg
genährte Hoffnung, Minden zugleih mit anderen Stiftern zu er:
langeu, den Plan wieder aufnehmen lieh.
Auf Halberjtadt konnte jih das Haus Bayern mit demſelben
Grund oder Ungrund Hoffnung machen wie auf Minden. Denn
aud) der dortige Poftulierte hatte feine Ausfiht, von Rom bes
ftätigt zu werden. Wenn Pius V. ſchon dem dringenden Er—
ſuchen des alten Herzogs Heinrich nicht ftattgab, wie ſehr er jonft
dieſem letzten fatholiihen Fürften in Niederfachien gewogen, fo
war jeit deifen Tod und da fein Sohn begonnen hatte feine Erb—
1) Vielleicht von Anton von Langen, der zugleih zu Minden und zu
Hildesheim Domherr war.
138 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
lande zu reformieren, nod weit weniger auf Nachgiebigfeit des
Papftes zu rechnen. Horneburg ſprach ſchon im November 1569
in Münden davon, daß man, einmal im Befige von Hildesheim,
leiht audy Halberftadt ſowie Magdeburg dazu befommen fönne.
Bon Halberftadt, wo das Kapitel der Sache bereit3 müde fei und
gerne einen hätte, der fonfirmiert würde, ſprach er auch jest (im
Suli 1570) wieder; von Magdeburg aber riet er abzufehen, weil
dort niemand mehr katholiſch, den Konfeffioniften aber nicht zu
trauen jet. Sonft hätte das Erzitift Magdeburg nicht nur feiner
Zage nad) beſſer als Minden zum Stift) Hildesheim gepaßt, Ton-
dern e3 war auch daſelbſt jüngft eine Veränderung erfolgt, welche
das Einjhreiten des Papftes, weit mehr als in jenen anderen
Stiftern, herauszufordern ſchien.
Zu Anfang des Jahres 1570 vermählte ji) nämlich der Ad-
miniftrator von Magdeburg, Markgraf Joachim Friedrich mit der
Tochter des Markgrafen Hans von Küftrin, allerdings mit Vorwifjen
und Willen feines Domlapitel3, aus welchem alsbald einzelne fein
Beiipiel befolgten, aber in offenem und bisher noch in feinem
Hoditift gewagtem Widerſpruch gegen den geiftlihen Vorbehalt.
Zudem hatte er bereits im Jahre 1567 die Jahrzehnte lang ver—
ſchloſſene Domkirche dem evangelischen Gottesdienfte eingeräumt
und fuhr fort, geftügt auf wiederholte Landtagsabſchiede, mit der
von feinem Vorgänger begonnenen Reformation der Klöfter und
Stiftsfirhen. Schon vor der Verheiratung des Adminiftrators
hatte der Kardinal von Augsburg den bayriſchen Herzog ermahnt,
für Herzog Ernſt fein Augenmerk auf Magdeburg zu richten; jet,
da jener durch feine Ehe, nach dem gemeinen Recht und dem
Neligionsfrieden, des Stiftes unfähig geworden, glaubte er e3 an
der Zeit vorzugehen. Kapitel und Landſchaft, meinte er, jeien
ohnehin nicht durchaus auf Seite des Adminiftrators; auch jühen
der Kurfürft von Sachſen und andere diefen Nachbar nit gern,
der Bapft werde ihn willig abjegen und einen anderen ernennen,
wenn er nur eines Nücdhalts und Exekutors gewiß ſei. — Aber
freilich, gerade an dieſer Hauptſache fehlte es. Kaiſer Marimilian,
Die nieberfächfifchen Hochſtifter. 139
bei welhem Pius V. anfragte, hütete fi) dem gut faiferlihen Ad—
miniftrator, dem Erben der Kurwürde, und zugleid) feinem ganzen
Haufe vor den Kopf zu ftoßen. Auch Herzog Albrecht mochte
fi nicht wegen Magdeburg Unannehmlichkeiten ausſetzen. Otto
Truchſeß dachte dann mohl eine Zeit lang daran, fi jelbit zum
Nachfolger des Adminiftrator3 ernennen zu laſſen, aber der Kaifer
widerriet jeden derartigen Verſuch ). — Fahre vergingen nod,
ehe der Magdeburger Befikitand ernftlih angefochten wurde.
Indeſſen war der geplante Ausgleich zwiſchen Stift Hildes-
heim und Braunſchweig zu Anfang des Jahres 1571 geicheitert.
Die Haupturfahe war ohne Zweifel Herzog Albrehts Haltung,
wenn aud) das Kapitel „des Glimpfes wegen andere Gründe
vorihob 2). Horneburg war voller Freude: jekt, meinte er, folle
man die bayrische Koadjutorie von neuem in Rom betreiben. Daß
e3 dazu nit fam, Bayern vielmehr in der nächſten Zeit in der
Hildesheimer Sache ſich auffallend kalt verhält, erklärt ſich am ein=
fachſten durch die gerade damals erfolgte Sinnesänderung des jungen
1) 17. März 1570 (RA. Hochſt. Augsburg IV, 255 Kpt. Ed) ſchreibt
Herzog Albrecht an ben Kardinal von Augsburg: „Mit Magdeburg wirbet
im bie pabft. Ht wol wiſſen recht ze tuen, einmal occupiert benfelben ftift
ber intrufus wiber alle recht und ben religionfriden, Do die papft. Ht und
die 8. Mt wellen, wer villeiht rat zu finden; das wir uns aber darumben
vaft bewerben follen, das felt uns bes unlufts halben, der uns bavon aufs
erwachſen murbe, billich Hoch bedenklich; wir wiſſen auch nit ob es anzu—
nemmen were, bo gleich ber jetig von ber papſt. Ht und K. Mt priviert
würde Wans nit dahin fan gericht werben, das ers om unfer zutuen ab—
brit und alsban bie poftulation unfers ſons vom capitl ervolget, fo ift es
uns gar nit anzenemmen.” — Zu Anfang des Jahres 1573, ba ber Dom-
propft Bödlin, ohne Genehmigung des römischen Stuhles einem proteftantifchen
Fürften (welchem?) die Propftei refignierte, wollte fi ber Karbinal von
Augsburg feldft zum Vompropſt ernennen laſſen, aber fein kurz darauf er-
folgter Tod verhinderte die Ausführung.
2) Chytraeus, Saxonia lib. XIX (zum Sabre 1556!) hat eine kurze
Notiz Über den Abbruch der Verhandlungen, kennt aber ben wahren Grund
nicht: in delectu praefecturarum, cum quas episcopus peteret principes
retinere cuperent, et quas hi offerrent ille accipere recusaret, dissensio
rursus exacerbata conventionem jam factam diremit.
140 Zweited Bud. Fünftes Kapitel.
Herzogs Ernſt. Diefer hatte übrigens für feine Perfon ſchon
früher wenig Luft zu der Hildesheimer Koadjutorie geäußert; das
war dem Biihof zu Ohren gelommen und hatte auch auf ihn
abfühlend gewirkt und ihn geneigter geftimmt, auf Anerbietungen
bon anderer Seite zu hören. Sole kamen an Biſchof Burkard
nad wie vor nit nur von Braunjchweig, ſondern auch von Her=
zog Wolf von Holftein; — bier mit großer Ausfiht auf Erfolg.
Adolfs Bruder, Herzog Friedrich von Holjtein, war Burkards
Vorgänger in Hildesheim geweſen und hatte al3 jolder Amt und
Schloß Peina eingelöft, welhe zur Zeit noch in Herzog Adolfs
Händen waren. Wenn jegt Biſchof Burkard Adolf3 unmündigen
Sohn Herzog Friedrih als Koadjutor annahm, jo ließ ſich Peina
vielleicht ohne große Koften wieder ans Stift bringen. Aber auch
außerdem machte der Herzog die lodenditen Verſprechungen, kirch—
licher und politiiher Art. Sein Sohn jolle nah Köln zum
Studium gejhidt werden; er, der Vater wolle von Papft und
Kaifer Empfehlungen beibringen; bis Friedrich mündig, follten
Biihof und Kapitel allein die Regierung behalten und in der
Religion nichts geändert werden; falls es nicht zum gütlichen
Vergleich mit Braunſchweig komme, werde er auf feine Koften den
Proze am Kammergericht weiter führen. Dem Biſchof jelbjt
wurde eine fürftliche Verehrung verſprochen; für die Beobachtung
des Vertrages wollte der Herzog Bürgen ftellen. — Was man
nur verlangen mochte, war er bereit zu bewilligen ?).
Selbit Herzog Albrecht von Bayern zeigte ſich dieſem Projekt
nicht ganz abgeneigt. An Bedenken gegen die Koadjutorie jeines
1) 31. Juli 1574 fchreibt Körnlein an den Freifinger Kanzler Dr. Römer
(Or. HA. a. a. D.): „Hocermelter furft hochfeliger Biſchof Burkard], weil
er wuſte, das er [Herzog Adolf] kein catholicus, ließ ime ezlihe articul an«
ftellen, zu dem grunt, f. f. ©. daraus vermerken wurbe, man mwolte un—
muglide ja wiber fein comfcientiam hendel anftellen, dardurch verurfacht
werben ben handel pleiben zu laflen, aber man funte bie conbditiones fo
wunderlih nit ftellen, 5. Adolf erbote fih einzugen und biefelbigen einzu—
willigen.“
Herzog Ernft wird Adminiftrator von Hildesheim. 141
eigenen Sohnes hatte es ohnehin nie gefehlt. „Ich glaube“,
ſchrieb Kanzler Ed einmal an den Sekretär Körnlein, „eure Lands»
leute würden [eben] jo lieb den Paſcha von Dfen zu einem Bischof
haben al3 einen bayriihen Fürften.‘ Immerhin war der Herzog
bon Holftein für den Fortbeitand der fatholiihen Kirche in Hil—
desheim weniger bedrohlich als der benachbarte mächtige Braun-
jhweiger. Herzog Adolf teilte außerdem die politiihe Partei:
ftellung des bayriihen Herzogs; wiewohl QZutheraner, war er
dennoch Dberft und Rat des ſpaniſchen Königs, für den er eben
damal3 (1572) eine Schar Reiter nad) den Niederlanden führte.
Zu Anfang des Jahres 1573 glaubte Herzog Adolf mit dem
Biihof im reinen zu fein; nur die Zuftimmung des Kapitels
fehlte noch. — Da ftarb der alte Herr in der Frühe des 23. Fe—
bruar 1573.
Kaum hatte der Biihof die Augen geſchloſſen, als die alten
Liebhaber der Hildesheinier Kirche, vor allen die beiden Herzöge von
Braunſchweig und von Holftein, ſich anfchicten, bei den „, Exrb- und
Grundherren des Stift‘, den Domlapitularen, al3 Bewerber zu
eriheinen ). Herzog Julius erſuchte alle feine Nachbarn, die
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg, den Adminiftrator von
Magdeburg, den Landgrafen Wilhelm von Heffen, feinen Better
Herzog Erich und feine Stiefmutter die Herzogin-Witwe Sophia, ja
jogar den König von Dänemark, bei Domkapitel und. Stadt Hil—
desheim ſich zu verwenden, damit entweder fein nunmehr neun=
führiger Sohn, der Voftulierte von Halberftadt, oder aber jemand
aus dem Kapitel jelbjt zum Biſchof gewählt werde. Er jelbft bes
abjichtigte baldigft eine ftattliche Gefandtichaft nach Hildesheim zu
jenden.
Sie follte eine fertige Thatſache vorfinden.
1) Weitere Bewerber waren B. Eberhard von Lübel unb Verden, aus
dem urfprünglich Hilbesheimifchen Geflecht derer von Holle, fobann bie
Herzöge von Lüneburg für einen aus ihrer Familie, — und vielleicht noch
anbere.
142 Zweited Bud. Fünftes Kapitel.
Noch am Zodestage des Biihof3 hatte Hermann von Horne=
burg einen eigenen Boten an den bayrischen Kanzler abgejendet. —
Er war entſchloſſen, jegt mit der Union hervorzutreten und die
anderen Domlapitularen an ihr Ehrenwort zu mahnen. Dagegen
rechnete er darauf, daß man ihn auch vonfeiten Bayerns nicht im
Stiche lafjen werde. Als er dann aber jah, wie eifrig die Gegen-
bewerber waren, wartete er die Antwort von Münden gar nicht
ab, jondern beeilte ſich ihren fürmlihen Anträgen zuvorzukommen.
Am Abend des 7. März follten Herzog Julius’ Gejandte in
Hildesheim eintreffen; am 6. beichloß das Kapitel ſchon am anderen
Vormittag zur neuen Boftulation zu ſchreiten. So geihah es.
Die Mehrheit des Kapitels hielt feft an der Union bon 1568:
am 7. März 1573, vormittags 10 Uhr wurde Herzog Ernft
bon Bayern, Aominiftrator bon Freifing, bon den anweſenden
Kapitularen einftimmig poftuliert ) und eine Stunde fpäter von
der Domkanzel als Biſchof ausgerufen.
In weiten Kreifen erregte dieſe Wahl gerechtes Aufſehen.
Man war feit langer Zeit gewohnt, nur nad) Familienintereffen,
bald des Stiftsadels, bald der Nahbarfürften, über die deutſchen
Bistümer entjhieden zu jehen. Dabei ſchien es ſelbſtverſtändlich,
dab ganz Niederfachfen der Augsburger Konfeljion gehöre und den
Reſten der römiſchen Kirche nur Zeit gelaffen werde, in Frieden
auszufterben. Nun jollte mit einem Mal ein weit entjeffenes,
ftreng fatholiiches, oberdeutſches Fürftenhaus inmitten der nieder-
deutichen, längſt evangelifierten Landſchaften einen Biſchofsſitz ein—
nehmen, der zwar zur Zeit wenig materielle Macht, aber wichtige
Rechtsanſprüche verlieh, und vor allem eine bequeme Handhabe zu
kirchlicher Propaganda. Die Erwerbung irgendeiner reihen ihrer
1) Horneburg ſchreibt an Ed, Herzog Ernft fei „einhellig von allen capi-
tularen, fo vihel berfelben in electione gewefen, nullo biscrepante, in episco—
pum Hildeshemenſem poftulieret worden”. — Damit wohl vereinbar ift Körn-
leins Bericht an Herzog Albrecht; Ernft fei „auf vorige gehabte underrebung
und ervolgte union, unangefehen irer etliche boch wenig perfonen anderwerts
gern gemwolt, . . . poftuliert worden“. StA. 95/5 fol. 110ff.
Herzog Ernſt wird Abminiftrator von Hilbesheim. 143
jelbft wegen begehrten Prründe würde ficherlih weniger Beſorgnis
erwedt haben. Manche Leute hofften noch, die Poftulation fei
vielleicht nichts als eine Außerung des Trotzes der Dompfaffen
gegen die Herzöge von Braunſchweig und Holftein, und der Bayern=
herzog, als ein friedliebender Fürft, werde fi hüten eine ſolche
Wahl anzunehmen. Aud Herzog Julius felbft ſchmeichelte fich
mit diefer Hoffnung und veranlaßte deshalb noc mehrere Wochen
jpäter die vornehmſten Hanfeftädte, wie von fih aus, unter Her—
vorhebung der firhlihen Gründe, die Wahl feines Sohnes bei der
alten Stadt Hildesheim zu empfehlen. Es nahm ſich dann frei=
lich jeltfam aus, als nod) im Mai 1573, nachdem Bayern die
Poftulation längft angenommen, Fürſchriften von Hamburg, Lübeck,
Lüneburg und Bremen in Hildesheim einliefen, die jo lauteten,
als wiſſe man dort noch gar nichts von der längft vollzogenen
Neuwahl.
Horneburg und Körnlein hatten ſofort nach der Wahl einen
eigenen Boten nach Bayern geſandt; vierzehn Tage ſpäter folgten
Abgeordnete des Kapitels (wieder der Scholaſter Blecker, Gebhard
von Bothmer und Körnlein) mit dem Poſtulationsdekret und einer
ganz unbedenklichen Kapitulation )).
Herzog Albrecht war für ſeine Perſon entſchloſſen, die Poſtu—
lation anzunehmen, aber er wollte zuvor Gewißheit haben, daß
auch der Papſt ſie gutheiße. Gleich nach dem Eintreffen des
erſten Boten bat er daher den Kardinal von Augsburg, Seine
Heiligkeit deshalb anzuſprechen. „Denn“, ſchrieb er, „Euer
Liebden und Freundſchaft haben zu gedenken, daß weder wir nod)
unfer Sohn defjen kein Nutz ſondern nur Beihwerung und Scha=
den hätten und diefen Stift feiner andern Urjad annehmen wür—
den, al3 daß wir verhüten, damit er nit in Iutherifher Fürften
1) Entwurf einer Kapitulation in fieben Artifeln im HA. a. a. O. ſtimmt
inhaltlich überein mit den Bedingungen, welche Bifhof und Kapitel bereits
im Sabre 1567 dem bayrifchen Herzog vorlegten. — Die Kapitulation bes
Biſchofs Burkard vom 1. Dezember 1562 bei Lünig, Reichsarchiv,
Bd. XVII (Spicil. eccles. II.), ©. 1099 ff, geht viel mehr ing Einzelne.
144 Aweited Bud. Fünftes Kapitel.
Händ käme und [damit] derjelbe mit der Zeit auf einen tauglichen
tatholiihen Biſchof möchte transferiert werden.‘ Bedenklicher war
anfangs Herzog Ernſt, obwohl er fid) damals bereits entichlofjen
hatte, im geiftlihen Stande zu verharren; doch fügte er fid) dem
Wunſch und Willen feines Vaters. Die Hildesheimer Gejandten
erhielten alfo zu Freifing wie zu München willfährigen Beſcheid.
Herzog Albrecht übernahm es, niht nur in Rom die Konfirmation
zu erwirken, ſondern auch den Kaifer und die Nachbarfürſten über
die Annahme der Poftulation zu beruhigen.
Bon allen proteftantiihen Fürften zeigte Kurfürft Auguft von
Sachſen am wenigiten Mißtrauen wegen der Wahl des bayriichen
Prinzen. Er lehnte jogar die Bitte des Braunſchweigers um
Interceflion in faſt unhöfliher Form ab: er kenne niemanden im
Kapitel, ſtecke ji nicht gern in fremde Händel u. dgl. Kopie
dieſes Schreibens ſchickte er an Herzog Albrecht und wünſchte dies
jem, noch ehe ihm jelbit eine fürmliche Anzeige zugegangen, Glück
zur Wahl feines Sohnes.
Kurfürft Johann Georg von Brandenburg hatte zwar für
Herzog Heinrid Julius intercediert, al3 aber nachher ihm und
anderen Nahbarfürften Herzog Albrecht beteuerte, die Poftulation
jei ganz ohne fein Zuthun erfolgt; nur weil er in ihr eine bejon=
fondere Eingebung Gottes erfennen müſſe, habe er jeinem Sohne
geraten das weit entlegene und zerriffene Stift anzunehmen; diejer
werde gute Nachbarſchaft halten u. ſ. w.: — da gratulierte auch
Sohann Georg ſehr artig und verfidherte ſeinerſeits, er wolle ſich
nicht durch ausgeiprengte Zeitungen zu Mißtrauen und Argwohn
bewegen laſſen. — Ebenſo freundſchaftlich gratulierten die Herz
zöge von Braunſchweig-Lüneburg und Grubenhagen, fie vielleicht
aus alter Eiferfuht jedem Machtzuwachs des Wolfenbütteler
Vetters abgeneigt.
Landgraf Wilhelm von Heſſen, von zwei Seiten um jeine
Fürſchrift angegangen, hatte nur ganz allgemein die Wahl eines
friedliebenden Biſchofs in Hildesheim empfohlen. Daneben aber
fonnte er, der überhaupt gerne den Eugen Ratgeber machte, nicht
Herzog Ernft wird Abminiftrator von Hildesheim. 145
umhin, eigenhändig ‚den Braunfchweiger Herzog zu warnen, nur
ja vorſichtig und mit Rat feiner Theologen zu handeln: „Denn
der Teufel ift liſtig und der Antichrift geſchwinde; damit nit
etwa E. 2. Söhnlein ud E. 2. ſelbſt etwas von der Süßig—
feit des Weins ſchlecken und dadurch caracterem bestiae, zu
Gefahr ihrer Seelen, an ſich bringen. Zudem Sehen E. 2.
Erempla genugfam, was Gedeihen dabei ift, wann man die Kin—
der fo jung anf die papiftiichen Stift thut ſtecken.“ — Solche
Meisheit hatte übrigens ihn jelbft nicht abgehalten, nod im Jahre
1568 für feinen Bruder Georg um Stift Paderborn fi) zu bes
mühen, und viele Jahre ſpäter meinte er jogar, um Biſchof von
Danabrüd zu werden, könne Graf Bernhard von Walde mit
gutem Gewiſſen auf den römiſch-katholiſchen Glauben ſchwören:
„denn er berftchet damit Romanam fidem, qualis tractatur in
epistola ad Romanos.“ ') — As’ er dann von Herzog Julius
erfuhr, wer in Hildesheim gewählt fei, juchte er jenen zwar über
die Wahl zu beruhigen, weil der alte Herzog von Bayern ein fo
friedfamer Fürſt fei, daß er um diefes Stiftes willen das, was er
mit der Feder nicht gewinnen könne, mit dem Spieß oder der
Fahne nicht ſuchen werde; gleichwohl, meinte er, wenn man ein
Generalwerk der Religion halber vornehmen wolle, fünne man
hieraus ‚einen guten Anfang machen. In ähnlichem Sinn jchrieb
er an die ‚Kurfürften von Sachen und der Pfalz und an den
Herzog von Mürttemberg. — Auch zu Heidelberg und zu Stutt—
gart war man wenig erfreut über dieſe Wahl. Herzog Ludwig
bon Württemberg wollte noch am 23. März nicht glauben, daß
fi) fein Vetter von Bayern ſo weit von feinem Vater in ‚einen
ſolchen Zank und unfriedlihes Wejen begeben werde. — Übrigens
antwortete auch Landgraf Wilhelm auf Herzog Albrechts Anzeige
von der PBoftulation feines Sohnes ganz freundichaftlid).
1) Über Paderborn: Rommel, Geſch. von Hefien V, 518. — Die
Äußerung ‚des Landgrafen über die fides Romana ‚in einem Brief an Eck—
brecht v. d. Malsburg vom 15. September 1585. MU. Rep. II. Cell. 26.
fol. 168.
Lofien, Köln. Krieg 1. 10
146 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
In ihren Intereffen unmittelbar betroffen waren durch die Wahl
nur die Herzöge von Braunſchweig und bon Holftein, jener als
Befiger des fogen. großen Stiftes Hildesheim, dieſer al3 Inhaber
von Peina. Aber jehr verichieden war die Art, wie beide ſich
benahmen. Herzog Julius äußerte zwar, er molle fi megen
diefer Wahl nicht unzeitige graue Haare wachſen laffen, aber alle
jeine Schritte befundeten, wie fehr fie ihn erregte und wie
gerne er fie noch nachträglich ungeſchehen gemacht hätte). Der
franzöfiihe Dberft Kaſpar von Schönberg, der damals gerade in
Wolfenbüttel war, hoffte jogar, freilid) vergebens, er könne den
Herzog, infolge feiner Verftimmung über die Hildesheimer Poftu-
ation, dem mit Bayern enge verbundenen Haufe Oſterreich ent-
fremden. Als nachher auch bei den Herzögen Julius und Erich
Schreiben von Herzog Albrecht einliefen, in melden dieſer fein
eifriges Fefthalten am Religions und Landfrieden beteuerte und
im Namen feines Sohnes den blutsverwandten Braunſchweigern
gute Nachbarſchaft anbot, ließen dieje noch in ihrer ſonſt Höflichen
Antwort den Verdruß über Herzog Ernſts Wahl deutlid) durch—
bliden.
Ganz anders Herzog Adolf von Holftein. Sofort nad) der
Roftulation bat er den Kaifer zu vermitteln, daß nunmehr, auf
Grund jeiner früheren Abrede mit Biſchof Burkard, Herzog Ernſt
feinen Sohn als Koadjutor annehme. Dabei wiederholte er fein
Veriprechen, diefen Sohn gemäß den Defreten des Trienter Kon—
zils zum Biſchof zu qualifizieren. Der Hildesheimer Sekretär
1) Im P. S. des Schreibens, worin Herzog Julius dem Landgrafen bie
Wahl des bayrifchen Herzogs mitteilt, heißt es: „Es leſſet fih aus allerhant
umbftenden und ben uns einbrachten zeitungen faft anfeben, alfe wolten
blau und weiß, ſchwarz und gelbe ſich unter einander vermifchen und an
einander wachfen, darzu ſchwarz und weiß, rot und gelb fo gar nicht zufehen
mochte, dz wir dan unfers teils wol leiden und gefchehen Lafien konnen, zu—
verfichtig, E. L. werde ſich barob fo weinig alfe wir entfegen.” — Ich weiß
biefe jebenfall® den Wappenfarben entnommene Anfpielung nicht recht zu
deuten; ift vielleicht gemeint, daß Brandenburg und Braunſchweig nicht zu—
jehen könnten, wenn Bayern und Sachſen ſich allzu eng befreundeten ?
Herzog Ernft wird Abminiftrator von Hildesheim. 147
Körnlein wurde, al3 er im März nad Münden reifte, von feinen
Räten zu Peina beauftragt, diejelben Eröffnungen aud in Mün—
chen zu machen. Auch brieflid) wiederholte Herzog Adolf feinen
Antrag. Dabei verfiherte er nachdrücklich, er habe durchaus feine
Urſache zu Mißfallen und Verdacht, jehe vielmehr in Herzog
Ernſts Wahl eine ganz bejondere, ihm jehr erwünſchte Schieung
des Allmächtigen.
In den folgenden Jahren ift dann zwiichen dem SHolfteiner
Herzog und der Hildesheimer Negierung über die gewünſchte
Koadjutorie mehrfach verhandelt worden. Von biſchöflicher Seite
wies man das Projekt nicht ganz von der Hand, weil man mittels
feiner am leichteften in den Beſitz bon Peina hätte kommen
fünnen.
Wenig entgegenlommend gegen ihren neuen Landesherrn be—
nahm jich die alte Stadt Hildesheim; jie antwortete nicht einmal
auf die Anzeige von feiner Poftulation. Dennoch meinte Horne=
burg, die Bürger jeten mit ihr immerhin bejjer zufrieden, als wenn
das Kapitel einen Nahbarfüriten gewählt hätte.
Herzog Albrechts andere Aufgabe, die Erlangung der päpftlichen
Konfirmation, wurde leichter gelöſt, al3 man in München jelbft
erwartet haben mochte. Das kam daher, daß man es nicht mehr
mit dem geftrengen Pius V. zu thun hatte, jondern mit feinem
am 13. Mai 1572 ermwählten Nachfolger Hugo Boncompagni,
Papft Gregor XI.
Pius V. hatte fein Hehl daraus gemacht, daß er zu den
Deutſchen insgemein fein vechtes Vertrauen habe, alfo auch feine
rechte Liebe; Gregor XI. rühmte fich jelbft deutſcher Abſtammung;
als Profeffor des kanoniſchen Rechts zu Bologna hatte er die
deutiche Nation wohl beijer kennen gelernt als ſonſt die Kurialiften;
fie der römischen Kirche wiederzugewinnen, betrachtete er gleid)-
fam al3 feinen bejonderen Beruf. Teilweiſe in Erinnerung an
fein großes Vorbild, Gregor L, den Bekehrer der germanifchen
Angelfachien, hatte er feinen Papftnamen gewählt. Zudem lag
feiner ruhe: und friedliebenden Natur die möndiihe Strenge feines
10*
148 Zweited Bud. Fünftes Kapitel.
Vorgängers fern; fie hätte auch jchleht zu feinem nicht ganz
tadelfreien Vorleben gepaßt. Vor allem aber folgte er jo voll-
ftändig, wie faum je ein anderer Papft, den geiftigen Impulſen
des Jeſuitenordens, ſowohl in feinem Privatleben, worin er ſich
bon einem ſpaniſchen Jeſuiten, dem Pater Xoledo, leiten lieh,
wie in der Verwaltung der allgemeinen römiſchen Kirche. Nun
hatten aber die Jeſuiten längſt erkannt, ein wie wirkſames Mittel
der katholiſchen Aeftauration die Verflechtung der politiichen und
Familien-Intereſſen der weltlichen Machthaber mit den kirchlichen
Zwecken der römischen Kurie war. Bei feinem anderen deutjchen
Fürften lag dieſe Verflehtung bereits jo fertig vor, wie bei Her-
309 Albrecht von Bayern. Nur ein Mann wie Pius V., dieſer
„ſeltſame päpftiiche Kopf’, wie Hans Jakob Fugger ihn einmal
nannte, hatte die Vorteile geringihägen können, welche ein bay-
riſcher Bischof zu Hildesheim der römischen Kirche veriprad).
Herzog Abreht wandte ſich wegen der Hildesheimer Konfir-
mation zuerft an feinen alten Freund, den Kardinal don Augs—
burg. Aber jein Brief fand diefen nicht mehr am Leben. Nach langem
Kränkeln, dennod unerwartet, war Otto Truchſeß am 2. April
1573 geftorben. Ein paar Wochen zuvor war Albrechts Gejandter
Dr. Fabricius in Rom eingetroffen und hatte im Palaſt des Kar—
dinals Wohnung gefunden. Er öffnete nun die an den Kardinal
adrejlierten Briefe feines Herzogs und übernahm es, deifen neuen
Auftrag auszuführen. An dem Kardinal von Ermeland, Stanis-
laus Hofius, fand ‚er einen Erſatz für den hingeſchiedenen Gönner !).
1) 11. April 1573 fehreibt Hofius an Herzog Albreht u. .a.: Magnam
Revmi filii sui negocia commendata habere velim: cum imperare pro suo
jure non orare possit et debeat. ... . Orbata est Illna Cels. V. homine
sibi longe addictissimo et ad omnia illius mandata exhaurienda para-
tissimo ... . Illmo Cardinali Augustano ... Verum de me eadem sibi
omnia quae de illo recte polliceri potest. Potuit ille facultate fuisse
paratior ad inserviendum Illmae Cels. V., sed voluntate certe promptior
non fuit. RU. Freifing Mr. 78. fol. 32.
Herzog Ernft. wirb Abminiftrator von Hildesheim. 149
Gleich am Tag nach Empfang der Briefe (18. April) begab ſich
Hofius mit Fabricius zum Papft und empfahl ihm aufs wärmite
diefe Poftulation, welde Nuten nur der Hildesheimer Kirche
bringe, dem Haufe Bayern aber nichts als Hab und vielleicht Ges
fahren. Papft Gregor zeigte fich ſchon in dieſer Audienz jehr ges
neigt; noch am jelben Abend ließ er dem Kardinal jagen, dieſer
fönne dem bayrischen Herzog feine Einwilligung melden,
Bis zur Ausfertigung der Konfirmation vergingen freilich noch
beinahe ſechs Monate. Die üblichen Formalitäten, ſodann das
Herannahen des Sommers mit feinem: allgemeinen Stilljtand der
Geihäfte an der Kurie trugen zunächſt Schuld daran. Auch ſcheint
es nicht, al3 hätte Fabricius, der jih als Gaft des ihm durch
gleihartige Studien und Neigungen. enge verbundenen Kardinals
Hofius in Subiaco ganz behaglich fühlte, beſonders geeilt. Seine
fonftigen Geſchäfte waren meiſt ſchon glücklich erledigt. Es war
ihnen zuftatten gefommen, dab Fabricius eben damals ſich und das
Haus Bayern durch ein großes Bud) über die Augsburger Kon—
feifion in neue Gunft bei der Kurie geſetzt hatte). Am 9. Ok—
tober trat er endlid) die Heimreiſe an, verjehen mit einem Breve,
welches den jungen Herzog zum Adminiſtrator von Hildesheim er—
nannte. Die Expedition erfolgte gratis; deshalb hatte man wies
der, wie bei der Freifinger Sache, die Form des Breves und nicht
die der Bulle gewählt.
Die anderen perjönlihen Angelegenheiten des Herzogs Ernſt,
1) Harmonia Confessionis Augustanae, doctrinae evangelicae consensum
declarans.... studio et opera Andreae Fabricii Leodii (Coloniae 1573, 2°),
den Herzögen Albrecht und Ernft gewidmet, ein Buch, welches in der pole-
mifchen Litteratur ber Zeit einen nicht ganz untergeorbneten Pla einnimmt.
14. März 1573 fohreibt Fabricius ſelbſt an Eck (RA. Freifing Nr. 78 fol. 34):
Bonus princeps [b. i. Hoſius] praeter omne meum meritum per totaın
Urbem adeo celebravit meam Harmoniam, ut ipsemet plurimum admirer. —
26. September fchreibt er an Herzog Albrecht (StA. 95/5 fol. 242), der Papft
ſcheine feine Schriften über Berbienft zu ſchätzen und molle ihm als Lohn
für feine Harmonia ein allzu ſchweres Kirchenamt (d. i. ein Bistum) auf-
erlegen.
150 Zweites Bud. Fünftes Kapitel.
welche den urſprünglichen und eigentlihen Zweck der Sendung des
Fabricius bildeten, waren in folgender Weiſe erledigt worden: Die
Freifinger Adminiftration war zugeftanden,; um aber den bayriichen
Herzog vor dem Vorwurf zu hüten, daß er jein dem Doms
fapitel gegebenes Wort nicht gehalten, ſah es Fabricius gern, daß
einer der beiden Nuntien, melde Gregor XII. damals nad
Deutihland abordnete, Bartholomäus Graf von Porzia, den Auf—
trag erhielt, im Namen des Papftes, motu proprio, dem Frei—
finger Kapitel ein Amt zu entziehen, deſſen e3 ſich unwürdig ges
macht habe. — Die Andeutung, daß Herzog Albrecht daran denke
feinen Sohn nah Rom zu ididen, war bier mit der größten
Freude begrüßt worden. Der Papft felbit und die Kardinäle
drängten darauf, daß die Reife recht bald ausgeführt werde.
Gregor bot eine Wohnung im Batifan an und fügte nod den
Wunſch Hinzu, daß zugleih mit Herzog Ernſt auch fein ebenfalls
zum geiftlihen Stand bejtimmter Vetter, des Herzogs von Gleve
jüngerer Sohn, nad Rom kommen möge. Zu den Aufträgen,
welche der Nuntius Porzia mit nad Deutichland nahm, gehörte
aud die dringende Einladung zu diefer Reife. — Aud) die dritte
Angelegenheit, die gewünſchte Beförderung der bayriſchen Succeſſion
in Köln, brachte man in Rom damit in Verbindung. Man gab
dem Dr. Fabricius zu verſtehen, daß man beſonders deshalb Her—
zog Ernſts Kommen ſehr wünſche, um ihn genauer kennen zu
lernen und danach zu beurteilen, ob er der Hilfe Roms in der
Kölner Sache würdig ſei.
Drittes Bud.
Köln und das Reid) zu Kurfürſt Salentins Beit.
—.
1. Kapitel.
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. *
In Brauns Städtebud,, einem der berühmteften Bücher aus
Kurfürſt Salenting Zeit, wird das glüdlihe Köln doppelt glück—
lic gepriejen, weil e3 unter der frommen und Eugen Oberleitung
diejes heroiſchen Fürften frei fei von den taufend Übeln, welde
anderen Städten das neidiſche Schidial bereite ?).
* Quellen: Eine Überficht über die Lage und Verfaſſung des rheinifchen Erz«
ftiftes giebt die Hiſtoriſch geograph. Befhreibung bes Erzftifts
Köln, Frankfurt a. M. 1783, deren Angaben großenteild den Ma—
terialien zur geift- und weltlichen Statiftif des nieberrheinifchen und
weftfälifchen Kreifes, 3 Bbe., Erlangen 1781—1783 entnommen find.
Auf Grund der „Beihreibung” Hat Büſching in ber 7. Ausgabe
feiner Erdbeſchreibung, 6. Teil, 1790, feine früher fehr mangelhafte
Beichreibung des Erzftiftes umgearbeitet. Weitere Litteratur verzeichnet
Ferd. Walter, Das alte Erzftift und die Reihsftabt Köln, Bonn
1866. — Das Äußere der Stabt im 16. Jahrhundert auf dem arofen
alten Holzfchnitt des Anton von Worms, welchen D. Levy Elfan
im Sabre 1850 neu herausgegeben bat. Denfelben erläutert Sotz-
mann, Über des Anton von Worms Abbildung der Stadt Köln, Köln
1819, und (mit Zufägen) Merlo, Nachrichten von dem Leben unb ben
Merten kölniſcher Künftler, Köln 1850, ©. 521 ff. — Das Innere ber Stabt
in der Anſicht aus ber Bogelperfpeftive im 1. Band von Brauns
1) Alex. Graphei . .. Colloquium im Vorwort bes 1. Bandes ber
läteinifhen Ausgabe der Civitates orbis terrarum. Neben Salentin preifen
bes Grapheus lateiniſche Herameter befien erften Rat Dr. Gropper, ben Bürger-
meifter Lyskirchen und bie beiden Subermann, Hermann und Heinrich.
154 Drittes Buch. Erſtes Kapitel.
In der That hob ſich die glückliche Lage des Erzitifts Köln
heil ab von dem düjteren Hintergrunde der durch Aufruhr und
Krieg vermwüfteten belgiihen Nachbarlande, und mittelbar kam
aud der Reichsſtadt Köln zugute, daß Salentin mit kräftiger
Hand Frieden und Drdnung in jeinem Lande aufrecht hielt.
Das Erzitift Köln beftand aus zwei weit aus einander gelegenen
Zeilen: dem rheiniſchen Erzftift, wozu man auch das Welt!)
Redlinghaufen rechnete (welches aber ſchon jeit der Zeit des Erz:
biſchofs Dieterich, d. h. über 120 Jahre, den Grafen von Schauen—
burg verpfändet war), und dem Herzogtum Weftfalen nebſt der
Grafihaft Arnsberg. Das rheinifche Stift, in Ober: und Nieder:
ftift eingeteilt, zog ji in einer durchſchnittlichen Breite von drei
Meilen etwa zwanzig deutiche Meilen lang am Rheine hin, hauptſäch—
Städtebuch, 1572, von Hogenberg nah Mercators großer Zeichnung
geftochen (vgl. Sogmann ©. 14ff. und Merlo ©. 189f.). — Viele,
leider fchlecht georbnete und nicht immer zuverläffige Einzelheiten bei
Ennen, Gefhichte der Stabt Köln, Bb. IV u. V, 1875 u. 1880. Eine
zuſammenhängende Gefhichte ber Stabtbefeftigung bis ins 17. Jahr—
Hundert jedoch ſchon in Bb. I, ©. Hölff. Abbildung eines ber alten
Thore mit Mauer und Stabtgraben bei Boifferde, Dentmale ber
Baukunſt am Niederrhein, 2. Ausg., Münden 1844. — Gute Über-
ficht über Gefchichte und Verfaffung der Stadt von Hegel, Verfaſſungs—
gefhichte von Köln im MU., Leipzig 1877 (aus ber Einleitung zu
3b. XII u. XIV der Ehronifen der deutſchen Städte). — Über Kirchen
und Klerus zu Köln: Aeg. Gelenius, De Coloniae Agripp. mag-
nitudine, Col. 1645, wo bie zuerfi von Erh. Winheim, Sacrarium
Agrippinae, Col. 1607, gefammelten Notizen bebeutenb erweitert find.
K. Krafft, Mitteilungen aus ber nieberrheinifhen Reformations-
gefchichte in der Zeitfchrift des berg. ©.-8.8 VI, 193ff. — Über bie
Univerfität: Jac. Middendorp, Academiarum orbis Christ. libri
1) Das Beft = das Amt. Bol. Evelt, Zur älteren Geſchichte bes
Beftes R. in Monatsfchrift für rhein.weſtf. Gefchichtsforfhung 1876, ©. 21f.
Die lateinifche Form Vesta (Recklinghusana) ließe eher die übrigens auch
vortommende Form die Belt (= bie Feſte) erwarten. Das bamalige Beft
entfpricht dem heutigen Kreis R. ohne bie ehemalige Herrlichkeit Lembeck.
E8 gehörten dazu bie Städte Dorften und NRedlinghaufen, fowie Schloß
Horneburg.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 155
lich auf deifen linfen Ufer, vom Weißen Zurm bei Andernach
an, welcher zugleidh die Sprachgrenze zwiſchen Ober- und Nieder:
deutich bildet, bis gegen Niederweiel. Begrenzt, jowie vielfach
durchdrungen und zerriffen war diejes Gebiet vom Erzſtift Trier,
bon den Herzogtümern Jülich, Berg und Eleve, der Grafſchaft Mörs
und dem damals ſpaniſchen Herzogtum Geldern. Wohl abgerundet
rings um das Flußgebiet der oberen Ruhr war dagegen das Herz
zogtum Weltfalen. An Flähenraum dem rheiniſchen Zeil mins
deſtens gleich, fonnte fi) fein gebirgiger, mwaldreiher Boden an
Fruchtbarkeit mit jenem bei weitem nicht meſſen.
In der Mitte der rheiniſchen Stiftslande, ganz ohne eigenes
Zandgebiet, lag die Reihsftadt Köln, unter den freien Städten
des Deutihen Reiches die erfte, unter den 72 Hanfeftädten einer
der vier Vororte. Schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts hatte
eine Ummallung der Stadt den Umfang gegeben, in welden
heute noch die Feſtungswerke fie einfhnüren. Aber im 16. Jahr:
hundert war die gewaltige Ringmauer mit ihren 13 burgarti—
gen Thoren und ihren 83 Zürmen feine beengende Feſſel,
jondern ein ſchützender Schild, der Stolz der Kölner Bürgerichaft,
an deifen Verſtärkung fie jeit Jahrhunderten unabläſſig arbeitete,
Die damalige Einwohnerihaft, welde man auf etwa 60,000
duo. Col. 1572, p. 273. Nicht wefentlich verfchieben aber etwas bürf-
tiger inbezug auf perfönliche Notizen über Kölner Gelehrte ift die im
übrigen erweiterte Ausgabe in brei Büchern von 1583. Bianco,
Die alte Univerfität Köln, 1. Teil Köln 1856; 2. Teil, 2. Aufl., 1850.
Im Nahtrag bes 1. Teild Auszüge aus alten Sefuiten- Annalen,
welche mitunter vollftändiger find als das benfelben Annalen Ent-
nommene bei Reiffenberg, Hist. Soc. Jesu ad Rhenum Infer.
Col. Agr. 1764. lib. I-VII. Bol. Florian Rieß, Der fel. Petrus
Eanifius, Freib. i. Br. 1875, ©. 29 ff. 227ff. u. 350, defien Haupt-
quelle Hier Reiffenberg ift. — Über alles Biographiſche: Hartzheim,
Biblioth. Colop., Col. 1747; die Anfänge bes Kölner Jeſuitenkollegs
namentlich in ben Artifeln über Jac. Leichius, Johannes ab Reidt,
Kukana domus unb Tricoronatum Gymnasium, p. 146. 195. 213.
361. Über die Ermorbung ber brei Iefuiten im Jahre 1574 ein auß-
führlier Beriht von Georg Braun in ber 2. latein. Auflage bes
1. Bandes feines Städtebuches von 1575. Der auf Befehl des Rates
156 Drittes Buch. Erſtes Kapitel.
Seelen ſchätzen darf, fand auf einem Raum von mehr als 1500
Morgen reihlih Play). Über ein Viertel der ganzen Stadt:
flähe war mit Gärten, meiftens Weingärten, bebaut. Namentlich
in den äußeren Stadtteilen hatten einzelne Stiftskirchen und Klöfter
großen Grundbeſitz. Aber aud) im Innern der Stadt weit der
alte Stadtplan große Weingärten auf, da wo jetzt die Häufer
der reichten Leute mit Gärthen von ein paar Duadratihuhen
fid) begnügen müſſen.
Von außen betrachtet, beſonders von der Aheinjeite aus, ges
mährte die Stadt im 16. Jahrhundert. unftreitig ein ftattlicheres
abgefaßte offizielle Bericht ift bei Reiffenberg 1. c. Mantissa,
p. 56sqg. wieder abgebrudt, aber ohne bie manches Charafteriftifche
über Kefjel und Reidt enthaltende Leichenprebigt bes Dr. Nikolaus Elgard.
GEinzelnes über das Wirken ber Kölner Iefuiten zu Anfang ber fech-
ziger Jahre in einem Briefe Commenbone® bei Gratiani, De
scriptis invita Minerva (ed. Lagomarsini), T. II, Flor. 1746,
p. 33sqgq.; ferner in einem Briefe des Pollius an Gualther: Zeitjchr.
bes berg. ©.- 8.8 IX, 162ff. (was hier über ben jüngeren Caniſius
gefagt ift, paßt eher auf Neibt); passim in den Briefen von und an
Georg Eafjander; fobann im der vom Heidelberger Hof ausgegangenen
polemifchen Schriit: Ein kurtzer Wegmweifer, wie jet bie lauffenbe
irtumb zu meiden... 0. O. 1564, Bl. 3. Im biefer auch inter-
eſſante Notizen über „Schwenffelder und Frantiften.”
Über die wegen ber nieberländifchen Reformation in Köln 1570—1572
entftandenen Irrungen außer Reiffenberg, Bianco, Ennen, aud
Zeitſchr. f. D. Kulturgefh. N. 5. 3 (1874), S. 496ff. (aus Weins-
1) Ennen I, 683 giebt im Text für ben Anfang bes 16. Jahrhunderts
die Zahl der Häufer auf 7279 an, während bie Summa ber Einzelziffern
im der Note bajelbft 7639 ergiebt; das Haus, wie E. will, zu 8 Einwohnern
gerechnet, ergiebt dies etwa 60,000 Seelen. Im ben oben angeführten Materialien
II, 86 (vgl. I, 174) ift bie Zahl der weltlichen Wohnhäuſer fir das Jahr
1781 auf 8000, die Zahl der Einwohner (ohne Geiftlichteit) auf etwa 40,000
geſchätzt. Schlägt mar ben allgemeinen Rückgang ber Bevölkerung von
Dentihland im 17. Iahrhundert (wozu fir Köln noch die Ausweifung ber
Proteftanten fommt) auf ein Viertel bis ein Drittel an, fo erhält man
für die Zeit vor dem Köfnifhen Krieg ebenfall® die Zahl von etwa 60,000
Seelen.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 157
Bid als heutzutage. Auf dem berühmten Holzihnitt des Anton
von Worms, aus dem Fahre 1532, fieht man vom Rhein aus
vierzig Kirchen und drei Kapellen, von denen jekt nur noch die
Hälfte übrig ift. Im ganzen zählte man um das Jahr 1572
neben der dem heiligen Petrus gewidmeten Domkirche, welche felbft
in ihrer damaligen Geftalt al3 ein Wunderwerk der Baukunſt er-
ſchien, zehn weitere Kollegiat= und neunzehn Pfarrkirchen; dazu
zahlreihe Mönchs- und Nonnenklöfter, Kongregationen, Bruder-
ihaften, Hojpitäler, deren jedes feine eigene Kirche hatte; endlich
eine Menge von Kapellen in Privathäufern, jo daß man bes
baupten wollte, e3 jeien in Köln jo viele Kirchen als Tage im
Sahre 9.
berg8 Gedenkbuch). Neudeder, Neue Beitr. zur Gef. der Ref.
I, 137 (von Neubeder irrig ins Jahr 1557 geſetzt). Laderchius
XXIV, 131sgqg. (2 Breven Pius’ V. an ben Kölner Rat vom 22. Febr.
und 21. Aug. 1570; das erfte tabelt benfelben wegen ber angeblichen
Aufnahme nieberl. Häretifer, das zweite fpricht des Papftes Freude
aus, daß die Nachricht irrig war. Daſelbſt p. 133sq. auch zwei
Breven an Rat und Univerfität vom 3. Juli 1570, biefelben auf-
forbernd, ben Jeſuiten zu geftatten, ihrem Iuftitut gemäß zu unter-
richten). Koch, Duellen zur Gefchichte des Kaiſers Marimilian IL,
Bd. II, ©. 88. Kluckhohn II. Nr. 625. 632. 640. Tadama,
Willem graaf van den Berg, p. 79sqg. Relation bes Propftes Joh.
Fond über eine Aubdienz in Köln, namens des Herzogs von Alba im
Sabre 1572 bei Aubertus Miraeus, Opp. ed. Foppens IV, 127. —
Aus Arhiven: DA. Domkap. Prot. 1569, Dez. 9. 12. 17; 1570,
März 1; 1571, Nov. 19; 1572, Juni 18. DillA. Dil. Korrefp.
1570, fol. 185; 1571, fol. 4. MX. Köln 1515—1580.
1) Tot quoque templa, dies quot in anno conspicis, extant ſchreibt
Bernh. Moller, Rhenus et ejus descriptio, Col. 1570, p. 179. Ähnlich
im Sabre 1607 Winheim, p. 4: ita florere coepit, ut tot fana Deo con-
secrata modo constructa habeat (si oratoria publica et privata singula
reliquiis sacris exomata connumerentur) quot dies conficit annus, vel, ut
alii malunt, quot ossibus constant tres Magi. Und ſchon im Jahre 1516
gedenkt Pfefferlorn (Zeitfehr. des berg. G.-8.8 VI, 252 Anm.) der gemeinen
Sage, daß in Köln fo viele Gotteshäufer feien al8 Tage im Jahr. — Ein
von K. Krafit a. a. DO. mitgeteilte® Verzeichnis von Peter Blomevenna aus
158 Dritte® Bud. Erſtes Kapitel.
Auch an ſchönen weltlichen Gebäuden, öffentlichen und privaten,
fehlte es nicht: das anfehnlichfte von allen, das Rathaus mit
jeinem zierlihen, mit vielen Standbildern geſchmückten Turm, er-
hielt eben damals (1569—1572) feinen herrlichen Renaiſſance—
borbau. Als geeignetes Lokal für Doktorihmäufe, Hochzeiten,
Primiz-Eſſen hatte der Rat unlängft (1561) das ftattlihe Haus
Quatermarkt in feinen Befig gebracht. In dem prächtigen oberen
Stod des Kölner Zanzhaufes, des Gürzenich, wurden öffentliche
Feftlichkeiten abgehalten. Die Rathausfapelle, dem Rathaus gegen-
über, zierte das VBotivbild des Meifters Stephan, welches wir
heute als Dombild bewundern. Schöne Privathäufer fanden ſich
namentlih am Altenmarkt und am Heumarkt. Auf dem Holzmarft
am Rhein lag der Palaft des Nitters und faiferlihen Nates
Arnold von Siegen, der zmölfmal regierender Bürgermeifter ge—
wejen war und nun, feit dem Jahre 1564, in mwohlverdienter Ruhe
lebte. Ber ihm pflegten Kaiſer und Fürften abzufteigen, zuletzt
nod, im Fahre 1570, Kaiſer Maximilians Tochter Anna, als fie
ihrem Gemahl, König Philipp, zugeführt wurde. Am. Neumarkt,
damals ein jchöner, mit Anlagen verjehener Platz, erhob ſich mit
einem jtattlihen Zurm das Haus des Bürgermeifters Konftantin
bon Lyskirchen, der im Jahre 1572 auch ſchon zum jiebenten Mal
regierender Bürgermeifter wurde. Die Straßen der Stadt fchienen
den damals Lebenden breit, das Pflafter vortrefflih. ine be—
jondere Zierde der Stadt war der Stadtgraben mit feinen ſchatten—
ipendenden Bäumen. „Cöllen ein Kroin, boven [über] allen Steden
ſchoin“, lautete ein altes, wohlberechtigtes Kölner Spridwort. In
feiner anderen deutihen Stadt herrihte jo veges Leben, jo viel
Handel und Verkehr. Heiter und gefellig war der Sinn der Be—
wohner, jo daß aud Fremde von aller Art gern in Köln ver
weilten und ſich wohl hier fühlten. Schon im 16. Jahrhundert
begegnen wir der Warnung eines Dichters vor den rheinischen
ben breißiger Jahren des 16. Jahrhunderts rechnet wirflih über 240
Kirchen und Kapellen zufammen.
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 159
Sirenen, die mit ihren Zänzen und Gefängen den Jüngling ver—
loden 9).
Das geiftige Leben der Stadt war gleichſam eingeformt in die
drei großen Korporationen: Rat, Klerus und Univerfität, welche
man ſymboliſch den drei Kronen im Kölner Wappen verglid).
Die politiihe Verfaſſung der Stadt war im weſentlichen nod)
die gleiche, wie fie nad) dem Sturz der Geihlechterherrihaft im
Jahre 1396 der Verbundbrief feftfegte und der ſogen. Transfix—
brief von 1513 in einzelnen Punkten erläuterte. Danach wählten
die 22 Zünfte, oder Amter und Gaffeln, wie fie in Köln hießen,
jährlih in zwei Abteilungen (zu Johannis Baptiftä und zu
Weihnachten) 36 Ratsherren, welche ſich dur Kooptation aus der
ganzen Bürgerihaft auf einen Rat von 49 Mitgliedern ergänzten 2).
Diejer Rat ernannte jodann die beiden Bürgermeifter und die ſon—
ftigen ftädtiichen Beamten. In wichtigen Sachen mußte ein Aus-
ſchuß der Zünfte (die Vierundvierzig), je zwei bon jeder Zunft,
befragt werden. Trotz diefer demofratiihen Grundlage war die
Handhabung der Verfaſſung eine faſt oligarchiſche, indem die
beiden regierenden Bürgermeifter jchon ſeit der Mitte des
15. Jahrhunderts regelmäßig jedes dritte Fahr wiedergewählt
wurden und obendrein al3 Altbürgermeifter in der Zwiſchenzeit die
wichtigsten anderen Amter befleideten. So kommt e3, daß bei-
ipiel3weife in den 25 Jahren von 1555—1579 nur 15 ver—
ſchiedene Perfonen das Bürgermeifteramt bekleidet haben 3).
1) „At vos non cameram studiosi eredite nymphis,
Credite nec valli; toxica vallis alit.
Ne vetitam cernant, oculos averte, choream,
Qui fugit ex oculis, pectora linquit amor.“
Moller p. 175 u. 179.
2) Hegel a. a. O., 14. Band, S. cexıy meint irrig, im 17. Jahr-
hundert babe das fogen. „Gebreh“ nur 7, nicht 13 Mitglieber gezählt;
Hegel hat ohne Zweifel die betreffende Stelle bei Gelenius, p. 14 falſch
gelejen.
3) Verzeichnis aller regierenden Birgermeifter von 1396—1645 bei
Gelenius, p. 636sggq.
4160 Drittes Bud. Erftes Kapitel.
Sehr zahlveih, wie ſchon die Menge der Kirchen vorausſetzen
(äßt, war der Kölner Klerus. Gleih dem Domkapitel zeichnete
fih noch die Kollegiatlirhe St. Gereon dadurh aus, daß jie
außer einer Anzahl Priefter nur Kanoniker von hohem Adel auf-
nahm. Ein ähnliches Privileg gewährten hochadeligen Damen das
Stift St. Urſula; das Damenftift St. Marien im Sapitol
forderte Nitteradel; das Stift St. Käcilien war Frauen von
Adel oder Patriziergefhleht zugänglid. Bei jedem dieſer drei
Damenftifter gab es aud einige Priefterfanonifer, an der Spiße
ftand aber eine Abtiffin. Im den anderen männlichen Kollegiat-
fichen St. Severin, Eunibert, Andreas, Apofteln, St. Marien
ad gradus und St. Georg jcheint der Adel keine Vorrechte ges
noffen zu Haben; wir ‚begegnen dort Kanonifern aus verichiedenen
Ständen, ſelbſt Ausländern. Die Prälaten der fieben männlichen
Kollegiatlivhen nebft den zwei DBenediktineräbten von Pantaleon
und St. Martin bildeten — zum Unterfhied vom Domkapitel —
den ſogen. Sekundarklerus 9.
Alle dieſe Kollegiat- und Kloſterkirchen und neben ihnen viele
andere geiftliche Korporationen in und außer der Stadt hatten
im Erzitift Köln und im benachbarten Fülicher Lande reiche Be—
figungen und Einkünfte. Im 17. Jahrhundert machten die Län—
dereien des Klerus im rheinischen Erzftift über ein Viertel des
ganzen :bebauten Bodens ‚aus, im 16. Jahrhundert wohl nicht
weniger. Dagegen Hagten die Pfarrer der neunzehn Kölner
Pfarreien über ſchmale Einfünfte, welchem Übelftande man ſpä—
terhin dadurch abhalf, daß mit den meiften von ihnen je ein
Kanonifat verbunden wurde. Über die Gefamtftärfe der Kölner
Geiftlichkeit liegt aus dem 16. Jahrhundert feine Angabe vor.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird ſie (einſchließlich der
1).Der Schofafter von St. Gereon, ein Priefterfanonitus, war Sprecher
des Clerus secundarius und hieß als folder Os cleri. Ennen IV, 371
faßt biefen Amtstitel irrtümlih als einen perſonlichen Ehrennamen des
Dr. Johann Gropper.
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 161
fogen. Duäfolen, das ift der Beghinen oder Schweftern aus
dem dritten Orden) auf etwa 2500 Köpfe geſchätzt, welche Zahl
für das ausgehende 16. Jahrhundert vielleicht etwas zu hoch ge-
griffen fein dürfte.
Zunächſt duch den Klerus ftand die Stadt in Beziehung mit
dem Erzbiſchof, infofern als die geſamte Geiftlichkeit in Stadt und
Land deſſen Jurisdiftion untergeben war. Geiftlihe Verbrecher wur—
den dem Erzbiſchof ſelbſt ausgeliefert. Die niedere geiftliche Gerichts—
barkeit übte dieſer für den rheiniſchen Teil des Erzftiftes durch feinen
Dffizial in Köln aus: al3 folder fungierte ſchon feit dem Jahre
1554 der Priefterfanonitus am Dom, Dr. Johann Kempis. Die
Kriminaljuftiz des Erzbischofs erſtreckte fich aber auch über die Kölner
Bürgerſchaft; fie wurde gehandhabt durch feinen aus den Bürgern
ernannten und belehnten Greven und die von ihm „angewäldigten“
Schöffen). Diejes Verhältnis bot den meisten Anlaß zu den
ftet3 mwiederfehrenden Reibereien zwiſchen Erzbiſchöfen und Stadt.
In der Theorie mwenigitens erkannten jene überhaupt die Reichs—
ſtandſchaft der Stadt nit unbedingt an; immer wieder erhoben
fie den Anfprud, die Kölner al3 „ihre lieben und getreuen Bür-
ger‘ anzureden. Dagegen fträubte ſich der Rat regelmäßig gegen
den Eintritt des neuen Erzbiſchofs und die damit ver—
bundene Huldigung. Schon unmittelbar nad) feiner Wahl hatte
Kurfürft Salentin gegen Neuerungen in den ftädtifhen Privilegien
proteftiert. Mehr zufälliger Art und ähnlich überall wiederfehtend,
wo verſchiedene Reichsſtände einander berührten, waren die
Differenzen über Zölle und fonftige Einfünfte, wobei es ſich in
1) Der Kölner Rat felbft gab im Jahre 1571 pfäßzifchen Geſandten
folgenden Bericht über die Kriminaljuftiz in Köln: „Do fi ein criminalfach
in der flat Coln begebe und e8 ein geiftlich perfon were, fo Tieffert man bie-
felb nach dem angrief ſtracks dem biſchof, ſolchen (wie in criminalibus ber
brauch) zu begrabieren und hernach juftitiam zu tun; wie auch dem rectori,
fo er der umiverfitet verwant; was burger inmwoner oder frembbe, bie
Tieffert man greve und fcheffen, nachdem man fih ber fahen erfarn.” MA.
a. a. O.
Lofſen, Köln, Krieg I. 11
162 Dritte® Buch. Erftes Kapitel,
der Regel nur um Mein und Dein, niht um eiferfüdhtig gewahrte
Hoheitsrechte handelte.
Die dritte große Kölner Korporation, die Univerfität, hing
zugleich mit dem Rat und mit dem Klerus zufammen: — mit dem
Klerus, da fie niht nur durch päpftliche Bulle im Jahre 1388
gegründet war, jondern aud fortwährend einen Klerifer, den Dom-
propft, zum Kanzler und drei andere Geiftlihe zu Hütern ihrer
Privilegien hatte; weiter injofern, al3 unter ihren vier Fakul—
täten die theologiihe den erften Rang einnahm und aud die zur
Artiſtenfalultät gehörigen Gymnaſien regelmäßig einen geiftlichen
Negenten und eine ganz geiftlihe Drganifation hatten; — mit
dem Rate aber, da diejer durch die vier Altbürgermeifter als
jogen. Proviforen die DOberauffiht über die ganze Univerfität führte,
die meiften Profefjoren anftellte und auch, ſoweit nicht kirchliche
Pfründen ausreihten, das Geld für die Befoldungen bergab.
Übrigens redete man ſchon ſeit bald 50 Jahren von einer dringend
notwendigen Reform der Univerfität, melde nad der Meinung
der Profefjoren hauptſächlich in Beihaffung höherer Einkünfte be=
jtehen jollte.
Faſſen wir nun das geiftige Leben ins Auge, welches auf
jolhem Boden und in diefen Formen fi bewegt, jo Fällt zumeift
der ſpezifiſch katholiſche Charakter desjelben auf. Feder Außen:
ftehende muß den Eindrud befommen, al3 hätte e3 für Köln nie-
mals eine deutihe Reformation gegeben; jo jehr trägt hier alles
nod) daS Gepräge des jpäteren Mittelalters. An etwa taufend
Altären wird täglich Meſſe gelejen; der Rat ſelbſt erſcheint vor
jeder Sigung zu einer Mefje vor jenem Votibbilde in der Nats-
fapelle. In einer Kapelle des Domdors fteht der Schrein mit
den LZeibern der heiligen Dreilönige, zu denen nod wie boralters
bon nah und fern das Volk wallfahrtet. Auch St. Gereon mit
den Reliquien der kölniſchen Märtyrer und St. Urjula mit den
Gebeinen der 11,000 Jungfrauen loden nod immer Scharen von
Andächtigen herbei. Arm zweiten Freitag nad Oſtern und an an=
deren Tagen ziehen feierlihe Prozeſſionen durch die Stadt, wohei
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 163
mit dem Sanktifjimum aud die Reliquieen der kölniſchen Heiligen,
darunter mande abenteuerlihe Erfindung frommer Phantafie, im
Triumph umbergetragen werden. In ſchlimmen Zeiten erjucht der
Nat jelbit in aller Form die Geiftlichkeit um Veranſtaltung bon be—
ionderen Prozeifionen. — Man fragt fi erftaunt: Giebt es denn
in diefer großen Handelsſtadt feine Lutheraner, denen ſolche Dinge
ein Ärgernis, feine Galviniften, denen fie ein gottesläfterlicher
Greuel find, feine Wiedertäufer und Seltierer, die von allem Außer:
(ihen Kult nicht3 wiſſen wollen, feine Vermittelungsleute, melde
die Reinheit der Lehre und die Einheit der Kirche durch Mip-
bräude des Kultus gefährdet glauben, feine Indifferenten und
Spötter, die dem Volke diejes Treiben verleiden? Gewiß, alle
diefe oppofitionellen Elemente waren und jind, um das Jahr 1572,
noch da und find zum Zeil recht zahlreid.
Zutheraner und Wiedertäufer hatten von Anfang an aud in
Köln Eingang gefunden; der Rat war aber alsbald mit blutiger
Härte gegen beide eingeſchritten. Das Luthertum trat infolge defien
frühe in den Hintergrund; jogar zur Zeit der Reformation Her:
manns von Wied erhoben fid in der Stadt nur vereinzelte luthe—
riihe Stimmen ). Weit Fräftiger und nachhaltiger regte fih in
Köln der Reformationsgeift in feiner zwinglis calvinishen Form.
Der kölniſche Handel hatte von jeher, dem Rheinftrom folgend,
fein Hauptgebiet in den belgiihen Niederlanden und weiter in
England gefunden. Hand in Hand mit dem Warenverfehr ging
der geiftige. In Antwerpen und in London famen die jungen
Kölner Kaufleute, melde fid) dort ihre Ausbildung holten, mit
proteftantijchen, insbeſondere calviniſchen Ideen in Berührung; daß
einer und der andere perjönlic von folchen ergriffen wurde, konnte
nicht ausbleiben. Biel ftärker wurde danad) der Einfluß, melden
1) Über Kölns firhlihe Haltung beim Ausbruch ber Reformation:
Krafft in Zeitfhr. des Berg. G.-B. VI, 243; in ben zwanziger umb
breißiger Jahren: Cornelius, Aufruhr in Miünfter I, 54. 70. 78; II, 102;
zur Zeit Hermanns von Wieb: VBarrentrapp, Hermann von Wied,
©. 159. 248.
11*
164 Dritte Bud. Erſtes Kapitel,
die wegen der belgischen Unruhen nah Köln geflüchteten Nieder-
länder auf die religiöfen Verhältniſſe ausübten. Die erften diefer
Flüchtlinge waren größtenteils jolche, die entweder am Bilderfturm
beteiligt oder mindeftens irgendwelcher Abweichung von der römiſch⸗
katholiſchen Kirche fich bewußt waren. Dieſe niederländischen Pro—
teftanten waren zahlreiher als die bisher in Köln anfälfigen:
ihon im Fahre 1568 jhäste man fie auf 115 bis 150 Fa—
milien, im Jahre 1570 jogar auf mehr al3 1000 Köpfe !). Das
Belenntnis, um dejjentwillen man fie verfolgte, war ihnen defto
teurer geworden und verlangte nad äußerer Bethätigung. Ihre
Anweſenheit machte auch den einheimischen Proteftanten mehr Mut,
ihre Religion auszuüben. Nur ganz heimlich Hatten bisher evan-
geliſche Prädikanten in der Stadt das Abendmahl gefpendet, Chen
zufammengegeben, Kinder getauft; in aller Stille waren die Leichen
derjenigen, welche den Empfang der fatholiichen Sterbeſakramente
berweigert, im freien Felde vor der Stadt beerdigt worden. Sekt,
d. h. etwa jeit dem Jahre 1566, geihah das alles viel öffent:
licher und ohne Scheu 2). In mehreren Häufern wurden evan—
geliihe Konventifel gehalten, das Abendmahl ausgeteilt. Mit
ftattlihem Trauergepränge geleitete man evangeliſche Leichen zur
Stadt hinaus. Als an zwei Sonntagen im März 1567 ein
1) Ennen IV, 856. Oraniens Gemahlin behauptet im Ian. 1569
(iſtor. Taſchenbuch 1836, ©. 132), e8 feien in Köln noch über 150
niederl. Herren- unb Ebellentsweiber, mit benen fie ſich umterhalten könne.
25. Februar 1570 fchreibt Kardinal Truchſeß an Herzog Albrecht (RA.
Hodft. Augsburg IV. fol. 247): „Die B. Ht fchreibt jezt ain breve ab
fenatum und halt bei inem an, das fie geufen rebellen und vertribne
Niberlender auf ber fiat treiben umb fi barin nit lenger dulden, ſonderlich
bes von Orainge gemabel, welche ir aigne fectifche prebiger in ber ftat hat
und das colnifch volk Heftig verfiert; und follen fonft mer als ain tauſend
vertribner geufen in ber ftat mit hauß eintommen fein.” Nach einem am
19. Mat 1572 abgeſchloſſenen Berzeihnis ber Jeſuiten waren bamals
noch über 88 Häuſer von Geufen bewohnt. Reiffenberg, p. 143 N r.
2) Religionsbefchwerben ber Kölner Proteftanten kommen bereit auf
dem NReichstage von 1566 zur Sprade. Häberlin, NIRG. VL 161.
169.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 165
veformierter Prediger vor den Thoren von Köln, zu Niel und zu
Rodenkirchen, öffentlich predigte, lief eine Menge Leute aus der
Stadt hinzu. So hatte in den Niederlanden die Evangelifierung
der größeren Städte begonnen. Allerdings verbot der Rat alsbald
bei ſtrenger Strafe und Verluſt des Bürgerrehts dieſes Auslaufen
und den Beſuch aller Feld- und Winkfelpredigten, erneuerte und
verichärfte auch jeine Älteren Morgenſprachen gegen jede religiöie
Abſonderung; aber es verging noch einige Zeit und kamen erft
noch ſtarke Antriebe von außen hinzu, ehe er ſich entichloß, die
Beobachtung feiner Edikte mit Gewalt zu erzwingen.
Weit weniger Umftände machte man in Köln von jeher mit
den Wiedertäufern, obwohl fie viel zahlreicher waren al3 die Re—
formierten. Um das Fahr 1568 wollte man willen, es jeien
ihrer bei 6000 in der Stadt verborgen ). Im ganzen römischen
Neid wurden die Wiedertäufer nit bloß als kirchliche Ketzer,
ſondern al3 Feinde jeder gejellichaftlihen Drdnung betradhtet und
behandelt. Wenn der Kölner Rat nad ſolchen griff, die jich zur
Augsburger Konfeffion bekannten, jo vergriff er fih damit an fo
und jo vielen Reichsſtänden, welche den Kölner Handel und die Kölner
Bürger in ihren Gebieten das entgelten lafjen konnten. Bei Ver—
folgung der Wiedertäufer gingen dagegen Papijten und Galvinijten,
Zutheraner und jogar Erasmianer Hand in Hand. Dbendrein
waren es meiſt geringe Leute, die ſich nicht jelbit ihrer Haut
mehren fonnten. Nur insgeheim mwagten es deshalb die Wieder—
täufer in Köln, zum Gebet fih zu verfammeln; felten exteilte
man wirklich einmal die Wiedertaufe. Bon Zeit zu Zeit zog der
1) Hamelmann in einer etwa 1568 geichriebenen Edhriftt (Hamelm.
Opp., p. 1339): Anno 1565 habuerunt negotium cum anabaptistis, quorum
aliqui erant captivi, quidam etiam necati sunt: atque istius sectae ho-
minum audio prope sex millia latere Coloniae. Um biefe Zahl nicht maß-
(08 "übertrieben zu finden, müßte man annehmen, daß bier unter den Wie-
bertäufern nicht nur Anhänger von Menno Symons unb David Jöriß,
fondern alle jene gemeint jeien, die ſich aus religiöfen Gründen von Kult und
Sakramenten ber großen Religionsgefellichaften fernbielten.
166 Drittes Bud. Erſtes Kapitel.
Nat ein paar von ihnen ein und überlieferte die Überführten dem
Greven, der mandmal wider Willen, gemäß Reichsgeſetz, fie
föpfen, im Rhein ertränfen oder mindeitens außer Landes weijen
mußte. In der Regel verweigerten jelbit die, welche zu Widerruf
und Buße fich herbeiließen, ftandhaft das Nennen von Mitichul-
digen, jo daß doch die Verfolgung in den fechziger und fiebziger
Jahren, welche uns hier zunächſt beihäftigen, niemals einen all=
gemeinen Charakter annahın.
Den Wiedertäufern nahe ftanden jene ftillen Leute, melde
mehr Wert auf ein rechtlihes Leben al3 auf äußere Kirchlichkeit
legten, am liebjten mit ihrem häuslichen Gottesdienſt ſich bes
gnügten, bier ihre Bibel lajen und mitunter an der Nachfolge
Ehrifti des Thomas von Kempen ji ebenjowohl erbauten wie an
einer lutheriſchen Poſtille. Unter den höheren Ständen am
Niederrhein, namentlich unter der Nitterichaft, foll dieſe Klaſſe
von Leuten jehr zahlreich geweſen fein. Kundige Zeitgenofjen be—
baupten, daß unter ihnen die Bücher Schwenffelds und Sebaftian
Franks großen Anklang fanden, nicht etwa wegen der bejonderen
dogmatiſchen Irrtümer dieſer Autoren, fondern weil jie das Haupt=
gewicht auf ein frommes Leben legten und lehrten, wie man ſich
innerlih bon den herrihenden Religionsgefellihaften freimachen
könne, ohne ſich doch äußerlich von ihnen zu trennen ?).
Eine andere Art von Gegnern des in Köln herrichenden
1) „Darumb ift die ler des Schwendfelts vielen ebelleuten fo angenem,
das ſölche ler inen ein vermeinte freiheit gibt, mit ben papiften zu heuchlen,
on befantnuß ftilfchweigend unter irem regiment zu wonen, ber päßftlichen
güter zu geniefien, ire finder brüber und ſchweſter im ſtift und clöfter zu
fteden ꝛe. wie viel Lutheriſchen. Item auch umb diefe urfach, daß fie durch
biefe Schwendfeldiihe und Frandifche ler nicht verbotten werben, bie Bibel
zu leſen, predig zu hören und abentmal zu entpfangen, ſondern mögen nad
eignen finnen glauben was fie willen ober was fie gutdünkt.“ Weg-
weifer Bl. 37 und ähnlih an anderen Stellen. — Ein Mufter biefer Art
von Leuten in Köln aus etwas fpäterer Zeit ift Aggäus Albada. Vgl. meine
Studie über denfelben im Hiſtor. Tafhenbuh 1876 und Christ. Sepp,
Drie Evangeliedienaren uit den tijd der hervorming. Leiden 1879.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 167
Kirhentums waren jene, welche zwiſchen der idealen katholischen
und der realen römischen Kirche einen Unterſchied machten, die
Reformbedürftigleit diefer zugaben und deshalb einen goldenen
Mittelweg zwiihen Papittum und Reformation gehen wollten,
Gefinnungsgenofjen des Erasmus aljo, wie der unlängft verſtor—
bene Gaffander einer geweien und der alte Georg Wizel in Mainz
nod) war. Georg Caſſander hatte jeine legten Lebensjahre großen:
teil3 in Köln zugebracht; hier hatte er einen mehr durch perjün-
lihe Bedeutung, al3 durch Zahl ausgezeichneten Kreis von gleich—
gejinnten Freunden gehabt: Philologen, Ärzte, auch einzelne Theo:
logen, überhaupt humaniſtiſch gebildete Leute, darunter aud) einzelne
Kölner Batrizier, zu denen wir vor allen den hochangeſehenen
Bürgermeifter Konftantin von Lyskirchen zühlen dürfen. Won
anderen Batrizierfamilien ericheinen unter Caſſanders Freunden
bejonder3 die Sudermann, mit welchen der aud) in Köln begüterte
cleviiche Kanzler Oliſleger verihwägert war )).
1) Litteratur über Cafjander und Cafjandrianer Habe ih im Theol.
Litteraturbl. 1876, Sp. 603 ff. verzeichnet. — Dlifleger war, nah Fahne,
Geſch. der Herren und Frei. v. Hövel, ©. 174f., mit Anna Subermann,
Schweſter des langjährigen Syndikus der Hanfa, Heinrih S. verheiratet;
eine ältere Schwefter des Tetsteren mit dem furf. Greven Kafpar Gailen-
firchen, ebenfalls einem Cafjandrianer. — Über Konftantin von Lyskirchen:
Cassander, Opp. p. 1147. Reiffenberg, p. 37. 53. 89. 101 und
ähnlih Bianco I, 870. 875. 895. 905. 14. Dezember 1571 fchreiben bie
Kurpfälzer Gefandten Meinhart v. Schönberg und Wenzel Zuleger an ihren
Herrn: „Die uf unfer feitten, fo die verftendigften, darunder auch der bur—
germeifter Lystirchen, wenden fur, das dennoft die burger zu Coln e. curf.
und f. ©. landen brauchen mußen und bas fih8 nit ſchicken wölle diefelben
zu erzumen und vor dem fopf zu ftoßen.” MU. a. a. ©. fol. 526. Da-
gegen rühmt Gregor XIII. in einem Breve an 2. vom 27. April 1581
(bei Reiffenberg, Mantissa, p. 67) fogar befien Eifer gegen die Keker.
Die ſcheinbar widerſprechenden Nachrichten über 28. religiöies Verhalten er-
flären fi durch die Annahme, daß er Erasmianer war. ALS gerechter und
Huger Bürgermeifter, zugleih al8 Freund ber Mufen und Künfte wird L. im
dem ©. 153 Anm. angeführten Kolloquium geprieſen. 2. war 1554 zum erften«
mal regierender Bürgermeifter, 1581 zum zehnten- und legtenmal; am
11. Dezember besfelben Jahres ftarb er. Gelenius, p. 639 (28. Fami-
liengrab war in ber abgebrochenen Kreuzbrüderkirche, Gel. 502; ein jüngerer
168 Dritte8 Bud. Erftes Kapitel.
Diefen aus Grundſatz vermittelnden Leuten veiht fi endlich
die weit zahlreichere Klaſſe der kirchlich Sleichgültigen an, Leute,
denen zwar das verfolgungsfüchtige Papfttum zuwider, aber auch
an Luthertum und Galvinismus nichts gelegen war, Leute, die
dort, wo jie gerade verweilten, jo viel vom herrſchenden Kirchen—
tum mitmachten al3 nötig, um ſich nicht Unannehmlichfeiten aus—
zuſetzen. Solcher Lebemänner gab es ohne Zweifel in Städten
wie Köln eine Menge, wenn fie auch naturgemäß in der Ge—
ihichte feinen großen Eindrud hinterlaffen haben ?).
Es fehlte alſo in Köln nit an Elementen, welde der römiſch—
katholischen Kirche feindfelig waren. Wie erklärt es ſich nun, daß
deren Herrschaft, ganz anders als in allen anderen deutichen
Neihsftädten, in Köln Leinen Augenblid gefährdet wurde? Der
einfachfte Grund wird wohl der gewichtigſte jein: anderwärts jiegte
die Reformation, weil die dogmatiihe Trennung von der fatho=
liſchen Lehre in dem nationalen Gegenſatz gegen Rom eine breite
volfstümlihe Grundlage und in dem materiellen Intereſſe der
Machthaber ein williges Werkzeug zur Aufrihtung eines neuen
Kirchenweſens fand. In Köln dagegen überwog die Anhänglichkeit
an Rom den nationalen Gegenfag und trieb fein materieller Vor—
teil die ſtädtiſche Obrigkeit, an Stelle der alten Kirche eine neue
zu ſetzen.
Kölns größter Ruhm von altersher war feine Gründung als
eine römische Kolonie im Lande der Übier; davon eben trug die
Stadt ihren Namen Colonia und dazu nod) den chrenvollen Bei-
namen einer römiſchen Kaiferin, der bier geborenen Agrippina.
—
Konſt. v. L., deſſen Grabſchrift Gelenius, p. 407 abbrudt, hatte fein Grab
in ber Pfarrlirde St. Peter). — Daß die Zahl friebliebender, gelehrter und
frommer Katholifen in Köln flein war, fagt Caſſander felbft Opp.,
p. 1156.
1) Ein folder Lebemann war 3. B. Thomas Rehdiger: Gillet, Erato
von Krafitheim II, 58 ff. und Zeitſchr. f. d. Kulturgefh. N. 5. IV, 61ff.
Verdruß eifriger Proteftanten über biefe Leute: vgl. Groen van Prin-
sterer IV, 183.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 169
Ihre nächſte glorreihe Erinnerung war dann, daß fie den römiſchen
Kaiſern Vitellius und Veipafian gegen ihre germanischen Stammes=
genofjen treu geblieben war. Es entiprad ganz der Haffiich ges
bildeten Denfweife des 16. Jahrhunderts, dag man über alle
Wechſelfälle des barbariichen Mittelalters hinweg an dieſe römi—
ſchen Erirfterungen anfnüpfte und jogar in der ftädtiihen Ver—
faffung eine Nachbildung der altrömifhen Republik finden wollte.
Enger no knüpfte Kölns kirchliche Geſchichte an Rom an. Die
als Geſchichte betrachtete Legende wußte zu erzählen, daß ein
Fünger des Apojtel3 Petrus ſelbſt, der heilige Maternus, in Köln
bereit3 das Evangelium gepredigt und jeinen Biſchofsſitz aufges
ihlagen habe. Eine fortwährende Beglaubigung dieſer Sage
hatten die Kölner des 16. Jahrhunderts in ihrem großen Stadt-
fiegel, welches den Apoftel Petrus darjtellte und die Umſchrift
trug: Sancta Colonia Dei gratia Romanae Ecclesiae fidelis filia.
Die weiteren Legenden von dem heiligen Märtyrer Gereon und
jeinen Gefährten, von der thebaiihen Legion, von der heiligen
Urſula und ihren 11,000 Jungfrauen, deren Gebeine zu Köln
gezeigt wurden, famen jedenfalls dem katholiſchen Heiligen= und
Neliquienkult zuftatten. Die ftolzefte Erinnerung aus dem Mittel-
alter war dann die Übertragung der Gebeine der heiligen Drei—
fönige von Mailand nad Köln; ihnen zu Ehren führte die Stadt
die drei goldenen Kronen in ihrem Wappen. Unter den Biichöfen
der Kölner Kiche zählte man ein ganzes Dutzend Heilige. Das
„heilige Köln’, ein „zweites Rom‘ nannte man die Stadt und
wiederholte, gerade in der Zeit der Reformation in polemiſchem
Intereffe, immer wieder die erften Strophen des alten kölniſchen
Kirchenliedes, das man an Patronatsfeſten zu Ehren der Kölner
Heiligen zu fingen pflegte:
„Gaude felix Agrippina sanctaque Colonia,
Sanctitatis tuae bina gerens testimonia:
Postquam fidem suscepisti, civitas praenobilis,
Recidiva non fuisti, sed in fide stabilis.“ ?)
1) Das ganze Melos Colon. Ecel., aus acht Strophen beſtehend, bei
170 Dritte8 Buch. Erſtes Kapitel.
Ohne Übertreibung fann man jagen, daß der gewöhnliche Köl—
ner Bürger innerhalb feiner Stadtmauern ſich mehr als Bürger
de3 päpftlihen Nom, als wie des Deutihen Reiches fühlte.
Aus dem Reliquien und Heiligenfult erwuchſen der Stadt
aud materielle Vorteile. Die Reformation hatte den Zulauf zu
den Kölner Heiligtümern, namentlid) den Leibern der heiligen Drei-
fönige, zwar bermindert, aber nicht abgeftellt. Wie fehr das ges
meine Volk zu Köln an feinen Bildern und Reliquien hing, hatten
Bucer und Melandthon zu den Zeiten Hermanns von Wied
erfahren. Die großen Prozeifionen wurden in Köln zugleih als
große Volksfeſte gefeiert; je nad) der Zeitrihtung hielt eines das
andere aufrecht. Doch ift nicht gerade diefe Art von materiellem
Vorteil gemeint, wenn wir behaupten, in Köln habe die Obrig—
feit fein Intereſſe an Befeitigung der alten Kirche gehabt. Anders:
wärts im Deutihen Reihe war überall die Ausbeutung firhlicher
Ämter und Pfründen durd die römiſche Kurie die Haupturſache
des grimmigen Haſſes gegen das Papſttum geweſen; in Köln
dagegen hatten der Rat und die geiftlichen Stifter bei Zeiten
verftanden, dur Privilegien oder Gewohnheit Roms Einmiſchung
zu entfernen. Nur in vereinzelten Fällen vergab im 16. Fahr:
hundert die Kurie irgendeine der zahllofen Kölner Pfründen; die ,
meiften der Rat oder die geiftlihen Stifter felbft. Die Kölner
Geiftlichfeit, namentlich das Domkapitel, beſetzte fogar einen großen
Zeil der Pfarreien und fonftigen Kirchenämter im übrigen Erz—
ftift. Geiftlihe und meltlihe Obrigfeiten zogen alſo hier den
Hauptnugen von der Erhaltung des alten Kirchenweſens. Man
mochte das Bedürfnis fühlen, Mißbräuche zu reformieren, die
Bräuche jelbft mochte man nicht antaften.
Gelenius, p. 657. Ulenberg, Antwort auf Joannis Babii vermeinte
warnung, Cöln 1592, überfegt bie beiden erften Strophen bes „alten
Ehrenlieds” im Vorwort alfo: „Erfrene did, o Cöln, bu glüdhait und
beifige ftat, die dir zweierlei zeugniß trageft deiner beiligfeit: nachdem bu
ben Glauben haft angenommen, dur edle meitberümpte ftat, Biftu nicht
widerumb abgefallen, fonder im glauben beitendig geblieben.“
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 171
Im allgemeinen fallen dem Kölner Klerus im 16. Jahrhundert
die nämlihen Fehler zur Lajt, über die man anderwärts klagte:
alſo Verweltlihung, Roheit, Trunk- und Habſucht, fittlihe Aus—
ſchweifungen. Auch den Kölner Geiſtlichen ſagte man nach, daß
weitaus die meiſten im Konkubinat lebten ). Das Domkapitel
felbft ging mit dem ſchlechten Beiipiel voran. Den Domdehanten
3. DB. beichuldigte Kurfürft Salentin im Jahre 1572, im Ange—
ficht kaiſerlicher Kommiſſare, dag er mit feiner Konfubine auf
Schloß Zons dffentlih Haus halte, jedermann zum Ärgernis,
der dort auf= und abziehe. Ahntiches fagte alle Welt von
dem Senior-Diafon Graf Reinhard von Solms. Selbſt ange—
jehene Priefterfanonifer waren nicht frei von demjelben Vorwurf.
Der Senior des Domkapitel, Sebaftian Novimola, Profeifor der
Xheologie und mehrmals Rektor der Univerfität, Pfarrer der
erften Kölner Pfarrei (St. Columba), ein berühmter Prediger
und Eiferer für den fatholiihen Glauben, unterhielt ganz vffen
und bis in fein hohes Alter jeine Konkubine in einem Nonnen=
Elofter. AS ihm im Jahre 1577 ein päpftliher Nuntius deshalb
Vorwürfe mahte und mit Beriht an den Papſt drohte, ant-
wortete er cynifh genug: „Was wollt ihr jhreiben, als daß id)
eine Hure habe.” 2) Die Geriht3= und Ratsprotofolle jener Zeit
find voll von Fällen, in welchen gegen ehebreheriihe oder zucht—
1) Draftifch fehildert die unter der Kölner Geiftlichkeit herrſchende Leicht»
fertigfeit Hans von Shweinihen, Denkwürbigfeiten, herausg. von Oefter-
ley, ©. 108 u. 126. Bon der Lichtfeite lernt man das freie Leben in einem
ber Kölner Damenftifter (St. Urfula?) kennen bei Gratiani l. c. II, 26sg.
Cratepolius, Catal. 1580, p. 138 rübmt von Dr. Job. Gropper: a
foedo concubinatu, quo se plerique ex clero turpiter dehonestant, alie-
nissimus. Caſſander (Opp. p. 990) behauptet: eo res jam rediit, ut vix
centesimum invenias, qui ab omni commercio feminarum abstineat. Beide
unverbäctige Zeugen lebten in Köln felbft.
2) StA. 311/16. fol. 41. Nah Ennen in Monatsfchrift für rhein.-
meftf. Gefchichtsforihung 1875, I, 411 gehörte auch der Priefterfanonifus
am Dom und Dedbant von St. Georg Dr. Konrad Orth von Hagen zu
den Konfubinariern. Anderwärts finde ich feinen Anhalt fir biefen Vor—
wurf.
172 Drittes Buch. Erſtes Kapitel.
(oje Geiftlihe eingefchritten werden mußte). Dagegen zeichnete
fih der Kölner Klerus vorteilhaft dadurch aus, daß er fid) des
ſonſt jo ſehr vernachläffigten Predigtamtes mit Eifer annahm.
Viele Kirchen rühmten fi) trefflicher Prediger aus der Welt—
und Drdensgeiftlichkeit ?). — Unter der lehteren verdient ganz be—
ſondere Beachtung die Geſellſchaft Jeſu, ſchon deshalb, weil wir
ihren Einfluß auch in vielen politiſchen Händeln ſpüren, wenn auch
nicht immer nachweiſen können.
Köln war einer der Orte, an welchen die Jeſuiten zuerſt feſten
Fuß zu faſſen ſuchten. Schon im Jahre 1542 hatte P. Faber
dorthin zwei feiner ſpaniſchen Genoffen gejandt; bald danach ge=
wann der Diden zu Köln fein erſtes deutſches Mitglied, Peter
Banifius aus Nimmwegen, nachmals das gemwaltigite Werkzeug der
katholiſchen Reftauration in Deutihland. Als die Schwierigkeiten,
auf welche die Niederlafjung eines neuen Drdens in Köln ftieh,
den Gedanken nahelegten, diefen Poften wieder aufzugeben, jchrieb
P. Faber von Spanien aus, er wolle jeine Gefährten lieber tot
zu Köln, als anderswo in Wohlbehagen wiflen. Dem Refor-
mationsperiud; Hermanns von Wied gegenüber erwieſen fid) die
Kölner Jeſuiten, namentlich der junge Ganifius, bereit al3 eine
ftarke Stüße der alten Kirche. Caniſius hat zwar nad dem Fahre
1547 nicht mehr dauernd in Köln verweilt, blieb aber nod) lange
Beit mit dieſer feiner zweiten Vaterſtadt in lebhafter Verbindung.
Bei jeinem erften Wiederbefudh, im Jahre 1558, und als päpft-
licher Abgefandter im Jahre 1566 wurde er von ihr aufs ehren-
bollite empfangen; im jelben Sabre 1566 hat er ihr die zweite
Auflage feines großen Katehismus gewidmet (die erite, welche
1) Ennen IV, 48ff. 746 ff.
2) 12. Oft. 1567 jchreibt Dr. Hegenmüller aus Köln an Herzog Albrecht:
„Aldie befind ich alle ding guet catholifch und ift diefe flat mit prebicanten
und andern gaiftlichen perfonen wol verfechen.” Am 22. November derſelbe
an Bizefanzler Zafius: „Der magiftratus ift noch fer guet catholiſch und
baben in ber warheit ein treffenliche clerifei alhie.” StA. 9/3 fol. 90
u. 154.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 175
unter feinem Namen erihien), mit den größten Lobpreifungen
wegen ihrer Standhaftigfeit im katholiichen Glauben. Er wendet
u. a. auf die Kölner an, was der Apoftel Paulus von den rö-
miſchen Chriften jchreibt: „Euer Glaube wird in der ganzen
Welt verfündigt.‘
Wie der Anfang, jo ift auch die Fortentwidelung des Kölner
Jeſuiten-Kollegs im nächſten Vierteljahrhundert mit den Namen
einiger wenigen berborragenden Perſönlichkeiten verknüpft; zwei
Namen bejonders: Leonard Kefjel und Johann von Neidt. Von
P. Leonard, einem Löwener von Geburt, dem erften Rektor des
Kölner Kolleg, jagt ein Jeſuiten-Annaliſt: „Er veritand ſich be—
fonder3 auf die Reinigung der Gewiſſen. Durch vertrauliche Be—
fprehungen und Ermahnungen wußte er die Herzen der Studenten
und anderer, weldhe zu ihm famen, jo zu erſchüttern, daß fie aus
Sehnfuht nad) einem volllommenen Leben ihr Vaterland, Eltern,
Vermögen, ja ſich felbft verließen, um fi der Zucht der Gefell-
Ihaft zu ergeben. Zunächſt freilich erweckte gerade diejer über-
große Seeleneifer der Gejellihaft mächtige Feinde in der Stadt.
Man klagte darüber, daß die Jeſuiten die Kinder vormehmer Leute
aud) gegen der Eltern Willen zum Eintritt in ihren Orden ver:
leiteten, darin fefthielten oder heimlid außer Landes ſchickten. Im
Sabre 1552 entitand aus ſolchem Anla ein förmlicher Volks—
auflauf gegen die Jeſuiten, infolge deſſen fie fich genötigt jahen,
faft alle ihre Zöglinge zu entlaffen 1); e3 vergingen einige Jahre,
bis ein zufälliges Ereignis, der Streit der Univerfität mit dem
Regens der neuen Dreifronen-Burje, Jakob Leihius, den Jeſuiten
willfommene Gelegenheit verichaffte, wieder feftere Pofition zu ges
winnen. Leichius hatte fi, mwiewohl Priefter, verheiratet und
auch ſonſt proteftantifcher Neigungen verdächtig gemadt. Die
1) Reiffenberg, p. 35sqgq. und Bianco I, 870 refp. ihre Gewährs-
männer, die älteren Jejuiten-Annaliften, fcheinen bie Urſache des Unmuts ber
Kölner abfichtlih in Dunkel zu Hüllen. Ich erzähle die Sache, wie fie mir
am wahrfceinlichiten vortommt. Lystirhen, den bie Sefuiten-Annalen be=
reits 1552 als ihren Hauptgegner bezeichnen, wurde in Wahrheit zuerft im
Sabre 1554 Bürgermeifter.
174 Dritte® Bud. Erſtes Kapitel.
übrige Artiftenfakultät forderte deshalb den Ausihluß jeiner
Burje von der Univerfität und erreichte dies beim Nat. In die
freigemordene Burje zogen am Vorabend Marii Lichtmeß 1557
die Jeſuiten ein, nicht zwar im Namen ihres Drdens, jondern
im Namen eines einzelnen Mitgliedes, des Pater Johann von
Reidt. — Das war einer von jenen vornehmen Fünglingen, melde
P. Leonard für die Gejellfhaft gewonnen und zur Ausbildung nad)
Rom geichiet hatte; jet (im Jahre 1556) jandte ihn Ignatius mit
einigen anderen aus Köln gekommenen Jeſuiten, namentlich den Nie—
derländern Heinrih Dionyſius und Franz Cofter, dahin zurüd. —
Reidt, dem Kölner Patrizier und Graduierten der Univerfität,
räumten Rat und Univerjität das Dreifronen- Gymnafium ein,
zunächit freilich nur mietweife, auf je zwei Jahre und auf Wohl:
verhalten. Aber die Jeſuiten find nicht wieder aus der Burſe
und dem Verband der Univerfität hinausgegangen, jo oft fie auch
in Zwiſt mit den anderen Gymnaſien und mit dem Nate felbft
gerieten: mit den anderen Gymnafien, weil fie ihnen und jogar
den Trivialihulen die Schüler abjpenftig machten; mit dem Rat,
weil jie allezeit beftrebt waren, ihr Gymnaſium nad den Regeln
ihres Ordens und nit nad den Satzungen des Rates und den
Statuten der Iniverjität einzurichten. Mit großer Ausdauer und
Konjequenz haben die Jeſuiten auch in Köln das Ziel verfolgt,
zuerft nur einen gewiſſen Zeil des öffentlihen Unterrichts in ihre
Hand zu befommen, diejen aber ganz nad ihrer Drdensregel zu
geftalten, nachher dann das gefamte Unterrihtsweien der Stadt
ihrer DOberleitung zu unterwerfen. Daß die erften großen Schwie-
rigfeiten glüdlid überwunden wurden, verdankt die Gejellichaft faft
ausschlieglih dem Pater Reidt.
Dhne Zweifel war diefer ein ungewöhnliher Menſch. Ein
Zeitgenoffe, der Chronist Hermann von Weinsberg, jagt von ihm:
„Reitzius, Sohn, Neffe und Schwager eines Bürgermeifters und
vom beiten Geihleht in Köln, konnte leiht ein großer Prälat
und Herr werden, aber er hielt jid) demütig und ſchlicht, predigte
viel und unterrichtete die Schüler; er war beredt, gelehrt und gab
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 175
gutes Exempel.“ Dennoch war es weniger nod) feine Perjönlid-
feit als jein Geſchlecht, was ihm jo große Bedeutung verichaffte.
Merkwürdig genug: die leichtlebige Kaufmannzftadt, in der ſich die
Familien regelmäßig nur ein paar Generationen hindurd in Reich
tum und Anjehen zu erhalten pflegten, blieb troß ſolchem unaufhör—
lichen Wechſel dennoch eine echte Patrizierftadt; faum hatten Groß-
bater und Vater eine gewiſſe gejellichaftliche Stellung errungen, fo
fühlten Sohn und Enkel ſich Schon als ſtädtiſche Ariftofraten und er-
hielten aud) von der übrigen Bevölkerung willig einen Anteil an
den Öffentlichen Ehren und Stellen. — Die Jefuiten als folde er=
idienen im 16. Jahrhundert der Kölner Bürgerichaft als Fremde,
den Thomiſten und Albertiften der Univerjität als Neuerer und
Eindringlinge, dem Rat als unbequeme Friedenzftörer ; dem Patrizier-
john Johann von Neidt dagegen ftanden alle Zhüren offen. Er
aber, dem feine Gejellichaft mehr war als Vater und Bruder, 309
die anderen Jeſuiten nad fih. Hauptſächlich durch Reidts Ver—
mittelung kamen die Jeſuiten nad) und nad) in zeitweiligen oder blei—
benden Beſitz einer ganzen Anzahl von Kanzeln. Erzbiihof Johann
Gebhard (von Manzfeld) überließ ihnen (1558) die Morgenpredigt
im Dom; zum Zeil jchon früher erhielten fie die Kanzeln in den
Stiftskirchen St. Urjula und St. Marien im Kapitol, im Kloſter
St. Gertrud, in den Pfarrlichen Maria Lyslichen, St. Mau:
ritius, St. Jakob. Mit beionderem Eifer nahmen fie fih des
Beihtituhles an; unter ihrem Einfluß wurde auh in Köln
das häufige Beichten und Kommunizieren Sitte. (Die Ma:
rianiſche Sodalität, melde neben ihrem frommen Zweck gemein-
famer Andacht alsbald auch al3 ein geeignetes Mittel zu kirchen—
politischer Wirkſamkeit ſich erwies, hat der Pater Franz Coſter im
Jahre 1576 zuerſt eingeführt.)
Das Zejuitengymnafium fand jhnell großen Zulauf. Schon
im Jahre 1558 zählte Regens Reidt gegen 500 Zöglinge, darunter
etwa 60 interne !); von da ab bis zum Jahre 1582 ſchwankt
1) Reiffenberg, p. 72. Nah Hartzheim, p. 196 und Bianco
176 Dritte Bud. Erftes Kapitel.
die Schülerzahl zwiſchen 500 und 1000. Anfangs fonnten die
Jeſuiten nit jo vollftändig, wie jie gern gewollt hätten, ihre
Ordensregeln inbezug auf die Schule durchführen; förmliche jchrift-
liche Verſprechen banden ihnen, Rat und Univerfität gegenüber,
die Hände. Dagegen tadelten Provinzial und General jharf jede
Abmeihung von der allgemeinen Drdensregel, und Hinter dem
Gehorſam gegen die geiftlihen Dberen mußte das der weltlichen
Obrigkeit gegebene Wort gewöhnlich zurüctehen. Die materielle
Lage des Jeſuitenkollegs war in den erften Sahrzehnten nicht
glänzend; oft war man auf die Kaffe einzelner reichen Mitglieder,
mandmal auch auf Almoſen Fremder angewieſen. Doch konnten
die Jeſuiten nach und nad) ein paar Häujer und Grundftüde in
und außer der Stadt erwerben, bis fie endlich (jedoch erſt im
Jahre 1582) in den Beſitz eines ganzen Kloſters mit eigener
Kirche gelangten. Die beiden Freunde Keſſel und Reidt erlebten
das nicht mehr; fie fielen zuſammen mit einem dritten Jeſuiten
im Fahre 1574 dem Meſſer eines wahnfinnigen Drdensbruders
zum Opfer. Ihr Werk war aber damals bereit3 feitgewurzelt; es
ift ſogar wahrſcheinlich, daß ihr tragiiches Ende manchen frühe:
ren Gegner ihrem Inſtitut verjöhnte.
Litterariih haben ſich die Kölner Jeſuiten in den erften Jahr—
zehnten ihres Kölner Wirkens nur wenig hervorgethan; ſelbſt auf
dem von den Jeſuiten fonft jo eifrig bebauten Gebiet der Pole:
mie gegen den Proteftantismus find die Kölner nur ſpärlich ver—
treten. Ohne Zweifel war ihre geiftige Kraft durch Schule,
Predigt und Beidhtehören zunächſt vollauf in Anſpruch genommen.
Etwas mehr jchriftitelleriiche Thätigkeit entmwidelten in dieſer
I, 886 foll das Iefuitengymnafium 1558 fon 800 Schüler, barınter 60
bis 80 Konviktoren gehabt haben. Das ift aber offenbar falſch, da dieſelben
Autoren fonft nicht behaupten könnten, das Sefuitengymnafium babe
1570—1572 faum einen Rüdgang ber Schülerzahl erlitten, während doch
für 1570 nur 500, für 1573 nur 453 Schüler verzeichnet werben. Erſt
1579—1580, unter viel günftigeren äußeren Berbältnifien, flieg die Schüler-
zahl über 1000. Bianco I, 303.
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 177
Zeit die nicht jefuitiihen Mitglieder der theologiichen und der
Artiften- Fakultät. In befonderem Anjehen bis in die Zeiten Sa—
lentins jtand der langjährige Regens der Montanerburje, aud)
Prieſterlanonikus am Dom, Dr. Gerhard Matthiſius von Geldern,
ein ſcharfer Gegner der Jeſuiten, dem jie Schuld gaben, dab die
Stipendien der eingegangenen Kukanerburſe nicht ihrer Nachfolgerin,
der neuen Dreikronenburſe, fjondern den beiden anderen alten
Gyinnafien, dem Montanum und dem Laurentianum, zugeteilt
wurden. Auch in den Schriften feines Schülers, des M. Gerhard
Habbius von Lüneren, ſpürt man die Feindieligfeit des Montaner-
Gymnaſiums gegen die Jeſuiten ). Zur Univerfität gehörten aud)
der nahmals unter Erzbiſchof Gebhard Truchſeß zu großem Ein-
fluß gelangte Jakob Middendorp aus Dverijffel, der Verfaſſer des
viel gelejenen, mehrfach aufgelegten Buches über die Alademieen
der Chriftenheit, er aber ein Freund der Sejuiten, ferner der ges
lehrte Konvertit aus dem Judentum, Johann Iſaak. Der Uni:
verjität ferner ftanden der gelehrte, aber kritilloſe Legendenſammler
und Chroniſt Laurenz Surius aus dem Kartäufer-Drden, ſowie
die beiden Brüder Georg und Meldior Braun und der vortreff:
fiche Liturgifer Melchior Hittorp.
1) Matthifius’ Schriften verzeihnet Hartzheim, p. 99. Sein Lob bei
Middendorp (Ausg. von 1572), p. 280. Er ift am 11. April 1572 (micht
1574) geftorben. — Über Habbius Hartzheim, p. 96. In der Vorrede
zu feinem ben brei Brüdern Gropper gewibmeten Theologiae .. .. com-
pendium Col, Agr. 1573 nennt Habbius den Matthifiuß exquisitissimae
eruditionis atque divinae propemodum castitatis et innocentiae doctorem
. splendidum hujus academiae decus. Habbius Hagt bier bitter über
jeine Berleumber und Neider. Daß dies auf bie Jeſuiten gebt, fchließe ich
aus einer anderen Schrift bes Habbius: Orationes tres habitae .. . Co-
loniae in schola artium (Col. Agr. 1573, p. 53; 2. Rede de Conscientia):
nec multum alieni ab anxia seu timida censentur conseientia novi quidam
domini, qui pro administratis in ecelesia saeramentis numulos verentur
accipere secundum antiquam eeclesiae consuetudinem. Omnia autem hi
gratis praesiare cupiunt, ut sie aliis exelusis soli recipiantur et ab ho-
minibus videantur. — Im der 3. Rebe de Intentione mentis, welche im
Dezember 1570 in Gegenwart des Herzogs Ernſt von Bayern gebalten
wurde, eifert Habbius für Austreibung ber Häretifer aus ber Stabt.
Lofjen, Köln. Krieg I 12
178 Drittes Bud. Erſtes Kapitel.
An tüchtigen Juriſten und Arzten fehlte e3 niemals in Köln.
Ihre praftiihen Studien fanden in der großen Handelsftadt im
allgemeinen einen günftigeren Boden als die theologischen und philo-
ſophiſchen. Man klagte damals, daß auch diejenigen Juriften und
Mediziner, welche eine Profeffur an der Univerfität befleideten, ſich
ihr weniger widmeten, al3 der beſſer lohnenden praktiſchen Aus—
übung ihres Berufes.
Befjere Dienfte al3 dieſe Profefforen und Gelehrten leifteten
der Wiſſenſchaft und vor allem der römiſchen Kirche die Kölner
Buchdruder und Buchhändler. Für die Fatholiich = theologijche
Litteratur war Köln zu Salentins Zeit unftreitig noch der erfte
Pla in Deutihland. Nur allmählih fing Ingolftadt an, ihm
diefen Rang ftreitig zu machen. Namentlid) zwei Buchdruder,
Maternus Cholinus und der gelehrte Licentiat der Rechte Gerwin
Galenius aus Lippftadt, welder durd Heirat die altberühmte
‚ Duentelihe Buchdruderei übernommen hatte, wetteiferten im
Druden theologiiher Schriften ). Außer diefen beiden zählte
Köln noch etwa ein halbes Dutzend weitere Buchhändlerfirmen,
zum Zeil fehr angejehene, welche neben anderen Büchern mitunter
auch theologiihe Schriften drudten, jo die Familie Birkmann,
Peter Horft u. a.
Köln war aljo eine fatholiihe Stadt. Dennoch hatten die
Proteftanten bier — ähnlich mie in evangelischen Reichsſtädten
die Katholiken — ſeit dem Augsburger Religionsfrieden im ganzen
unbehelligt gelebt, nur durften fie feine öffentliche Ausübung ihrer
1) Biographifches über beide: Hamelmann, Opp., p. 252. 1340.
Gelenius, p. 421sq. Merlo 129 N. Der Meffatalog der Frankfurter
Herbftmefie von 1568 verzeichnet z. B. nicht weniger als neun ober zehn
tbeologifche Novitäten aus dem Berlage des Maternus Cholinus. 15. Ian.
1577 empfiehlt Dr. Fabricius dem Karbinal von Como, ein Breve an Cho—
linus zu richten (was dann auch gefchieht), vir enim est sedi Aplicae ad-
modum addietus et propter virtutes ac industriam magnis et optimis
quibuscunque carus. Nec quisquam est Coloniae, per quem Rmw D.
Nuntius melius de universo reip. Colon. statu informari poterit. StA.
311/14. fol. 95.
Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 179
Religion beanſpruchen. Erſt infolge der niederländischen Unruhen
wurde das anders. Die reformierten Niederländer, welche damals
nad Köln flüchteten, hatten fi daran gewöhnt, dort, wo man
ihre Bitten um freie Religionsübung nit gutwillig gewährte, mit
Aufruhr und Waffengewalt die Obrigkeit zu nötigen; viele hatten
ihre Hände duch den Bilderfturm befledt. Sein Wunder, daß
der Kölner Rat fie nur mit Mißtrauen bereinließ und fih durch
ftrenge Edikte vor ihnen zu fihern ſuchte. Wer feine katholiſche
Rechtgläubigfeit nicht nachweifen fonnte, wer der geordneten
Saframentenverwaltung fid) entzog, wer häretiiche Konventifel in
Häufern und auf Schiffen bejuchte, wer „Vivent les Gueux!“ rief,
wer fih bei katholiſchen Prozeffionen unehrerbietig zeigte oder
Saframente und Heilige läfterte, jollte ftreng beftraft oder der
Stadt verwiejen werden. Die Ausführung hielt jedoch mit dem
Befehl nicht gleichen Schritt, jo daß, wie erwähnt, die Zahl der
fremden Reformierten zuſehends wuchs. So lange vorzugsweiſe
vornehme und reiche Leute nach Köln flüchteten, die dort nur ihr
Geld verzehrten, hatte die Kölner Bürgerſchaft im allgemeinen
jedenfalls mehr materiellen Nutzen als Schaden von dieſem Frem—
denzuzug. Die Mieten ſollen damals um mehr als das Doppelte
geſtiegen ſein. Aber Albas Tyrannei trieb bald auch viele kleine
Leute in die Fremde. Ihre Konkurrenz verminderte den Kölner
Handwerkern den Verdienſt, ihre Zahl verteuerte die Lebensmittel;
deshalb fanden Klerus und Univerfität beim gemeinen Wolfe
kräftige Unterftügung, als fie im Jahre 1569 anfingen, auf Aus—
treibung all dieſer fremden Keger hinzuarbeiten ). Die Univer-
fität befam damals zu ihrer von alters vorherrſchenden Abneigung
gegen jede religiöfe Neuerung noch ein bejonderes Intereſſe, gegen
1) 25. Auguft 1570 fohreibt der Kölner Rat an Oranien u. a.: „das
unfere burger auch, nit allein abgefonbert fonber ganze zumpften von wegen
ber teurung, verhinberung burgerlicher narung gewerbs und hantwerken, fich
irer [b. i. ber Fremden] beiwonung zum bogften und vilfältiglichen beklaget“.
DillA. a. a. O.
12*
150 Dritte Bud. Erſtes Kapitel.
die niederländischen Hüretifer energiich aufzutreten: — Auf Albas
und Granvellas Rat hin Hatte König Philipp durch ein Plakat
vom 4. März 1569 all feinen Unterthanen den Beſuch fremder
Univerfitäten verboten. Für die Kölner Univerfität, welche von
jeher zahlreihe Studenten aus den niederländischen Provinzen
zählte, war das ein harter Schlag. Papft, Kaifer und katholiſche
Fürſten jegte fie in Bewegung, um von Alba und König Philipp
zu erlangen, daß Köln von dem allgemeinen Verbot ausgenommen
werde. Als Gegendienft arbeitete fie hin auf die Ausmweifung der
niederländiihen Proteftanten. Namentlich ſoll fid der Water
Reidt in feiner einflugreihen Verwandtihaft dafür bemüht, auch
zu den gemeinjamen Beratungen von Klerus und Univerfität über
diefe Angelegenheit die Anregung gegeben haben. Andere Geiftlihe
und Mitglieder der Univerfität wollten fid) dann von dem neuen
Orden an Eifer gegen die Ketzer nicht überbieten lafjen.
Es traf fih, daß in den Fahren 1570 und 1571 nicht der
freifinnige Konſtantin von Lyskirchen, ſondern ein paar eifrig
römiſch-⸗geſinnte Biürgermeifter im Amte waren. Die große Mehr-
heit des Rates war den Keßern ohnehin abgemeigt; hatte man
doch Ihon in den Jahren 1562 und 1564 beſchloſſen, alle Rats
herren auf den alten fatholiihen Glauben zu vereidigen. Am
21. Juli 1570 erging ein neues Dekret des Rates, welches
allen niederländiihen Emigranten, die fi nicht der alten katho—
liſchen Religion gemäß gehalten, ohne Rückſicht auf etwa erlangte
Bürgerrecht gebot, bis zum 13. Auguft desjelben Jahres Die Stadt
zu verlaſſen. Wergebens traten die gerade auf dem Gpeierer
Reihstage verfammelten proteftantiihen Stände für ihre Glau—
bensgenofjen ein. Es wurden ihrer wirklich angeblich mehrere
Hundert ausgewiefen. Jedoch fanden ſich alsbald wieder neue
zahlreiche Flüchtlinge in Köln ein; auch die heimlichen Konventifel
begannen wieder. Bon neuem drängten deshalb Klerus und Uni—
verfität den Rat, er folle die fremden Ketzer hinausſchaffen. Nun:
mehr jchritt dieſer wirflih in einer Weiſe ein, welche damals in
weiten Kreifen Auffehen erregte. Am Martinsabend 1571 ließ
Die Stadt Köln um. das Jahr 1572. 181
er in einem Haufe Unter Helmichläger durch jeine Gewaltrichter
mit bewaffneter Hand ein geheimes Konventikel aufheben. Neun—
zehn Perjonen, meiſt geborene Niederländer, aber in Köln einge:
bürgert, mit ihnen der Prädifant, Herr Heinrih Bellenius, wur:
den verhaftet, der Prädifant als geiftlihe Perfon den Erzbiſchof
ausgeliefert, die anderen vom Rate felbft wegen Übertretung feiner
Edikte und Morgenſprachen vor Gericht geftellt ). In aller Eile
verwandten ſich die benachbarten evangelischen Fürften durch eigene
Gejandte oder brieflih für ihre Glaubensgenoffen, aber ihr Hin-
weis auf die angebliche Berlegung des Religionsfriedens wurde
vom Rate ſcharf zurückgewieſen. Auch Kurfürft Salentin, bei dem
fie wegen des Prädikanten Fürbitte einlegten, verbat fi jede
Einmiſchung in feine Iandesherrlihe Dbrigfeit. Es verdroß ihn
namentlih, daß fi die Gejandten herausgenommen hatten, dem
Stadtrat wegen der Auslieferung des Bellenius Vorwürfe zu maden.
Sedo übergab er diefen jpäter, nahdem man im gütlichen und
peinlihen Verhör nicht viel herausgebracht, aus bejonderer Gunft
feiner früheren Herrin, der Kurfürftin von der Pfalz. Die anderen
Gefangenen wurden ſämtlich der Stadt verwieſen, jonft waren fie,
nad) Berichten, die den beifiihen Landgrafen zugingen, „ganz
fanftmütig ‘ behandelt worden, während die Kurpfälzer behaupteten,
man habe mehrere hart gefoltert. Nachträglih richteten die drei
weltlichen Kurfürften und einige andere evangeliche Fürften noch eine
Beichwerde über das, was in Köln geſchehen war, und über aller-
band andere Religionsbedrüdungen ihrer Glaubensgenoſſen an den
Kaiſer; dagegen ließen der Trierer Kurfürſt und Herzog Alba die
Stadt durch eigene Gejandte wiederholt ihres Beifalls verfichern.
Schon im nächſten Jahre hören wir von neuen Klagen des
Klerus und der Univerfität über den Übermut der Häretifer in
der Stadt, und Ähnliches wiederholt ſich das ganze Jahrzehnt
1) Ennen IV, 864 nennt ben Prädikanten „Heinrich von Velheim, auch
Heinrich Roland genannt, aus dem Lüttichfchen, früher Kaplan beim Herrn von
Breberode” ; in den cit. Alten beißt er regelmäßig: „Er (Herr) Heinrich Belle
nius” ober „Bellen“, wohl nach feinem Heimatsort Wellen f. von Haflelt?
182 Drittes Bud. Erſtes Kapitel.
hindurch) bis zum Ausbrud des Kölnischen Krieges bald ftärker,
bald ſchwächer, je nachdem die politischen Verhältniffe im Erzftift
und in den Nahbarlanden den Mut der Neformierten in Köln
hoben oder ſchwächten. Bon Zeit zu Zeit ftellte der Nat wieder
einmal ein Beiſpiel auf an einem und dem anderen, der jeine Edikte
zu offen übertreten oder auf eine neue Anregung bon auswärts
hin. Im allgemeinen blieb alles beim alten. Die reformierte
niederländiiche Gemeinde in Köln gab fih jogar gerade in jener
Zeit der Verfolgung, im Jahre 1571, eine feite Organisation; —
aber fie und die Proteftanten überhaupt blieben eine ſchwache
Minderheit, welche nicht vermodte, das katholiſche Gepräge der
Stadt zu verwiſchen.
2. Kapitel.
Kurfürſt Salentins Streit mit feinem Domkapitel. *
Nicht erft in den nachfolgenden traurigen Zeiten des Kölniſchen
Krieges, Tondern Schon während Salentins Regierung priefen Nahe—
und Fernerftehende jeine trefflihe Verwaltung, die zur rechten
Zeit zu jparen, am rechten Dit auszugeben veritand. Sein Eifer
für das Beſte des Landes fiel um jo mehr auf, weil ihm, dem
geiftlichen Fürften, die natürliche Sorge für die Nachkommen fein
*QJuellen: Salentins Bauten und Einlöfungen find kurz zufammengeftellt
bei Cratepolius, p. lölsg. ber Ausgabe von 1580. Daraus
wohl bei Gelenius, p. 76sq. Weitere zeitgenöffiihe Zeugnifje für
feine gute Regierung: Kleinforgen, Kirchengeſchichte von Weftfalen
II, 424. 428. Kleinſorgen war bereit8 unter Salentin kurkölniſcher
Rat. Isselt, Hist. sui temporis a. a. 1577 (p. 567sq. ber Ausg.
von 1602). Späterhin wollte man wiſſen (Stieve, Akten des Dreißig-
jährigen Krieges IV, 355, 1), das Stift habe Salentin täglich 400
Goldgulden getragen. Über die fung von Erprath, Nebem, Brilon,
besgleichen über Schulbentilgung manderlei in ben Domfap. - Brotof.
DA. Über Haus Nette: Bärſch, Eiflia illustrata II. 1. 2. ©. 34.
Das Bei Redlinghaufen und Kaiſerswerth behandle ich unten ein-
gehend.
Für Salentins Streit mit feinem Kapitel find die Domkap.-Protof.
im DA. eine wertvolle, wenn auch einfeitige und Tüdenbafte Duelle.
Namentlich fehlen mir bie mit dem Kaifer gewechfelten Schriften; mit-
unter ift auch, 3. B. bei den Berbanblungen mit ben faiferlichen
Kommifjaren im Juli 1571, auf ein mir nicht zu Geficht gelommenes
befonderes Protofoll verwiefen. Gebrudt finde ih von bem in Betracht
184 Drittes Buch. Zweites Kapitel.
Bemweggrund fein konnte. Mehrfach begegnen wir jogar dem Arg—
wohn, nur deshalb jorge Salentin jo gut für das Erzitift, um
nachher für ſich deſto mehr Nuten herauszufchlagen ?). Während
er durch jtattlihe Neubauten an den Schlöffern zu Bonn, Poppels-
dorf, Brühl, Kaiferswerth, Arnsberg u. a. feiner Bauluft genug
that, tilgte er gleichzeitig einen großen Zeil der ſchwebenden Stifts-
ſchulden, ſammelte einen anjehnlihen Vorrat an Geld und Wertjachen
und löfte mande von den Vorfahren verpfändete Güter und Ein-
fünfte wieder ein: im rheiniſchen Stift außer dem bereit3 er—
wähnten Erprath die Häuſer Nette bei Andernach und Wichterich
fonimenden älteren Verträgen nur: 1) Vertrag zwiſchen Erzbifchof
Dietrid und feinem Kapitel über den halben Zoll zu Bonn vom
19. September 1454 im Archiv f. d. Gef. und Statiftil des Vater—
fandes. Bonn 1785. I. Nr. 14. 2) Vereinbarung über Zons vom
26. März 1463 bei Lacomblet, Urkundenbuch IV. Nr. 324.
3) Verſchreibung bes Erzbifhofs Johann Gebhard betr. den Zoll zu
Rheinberg vom 27. Zuli 1558 bei Lacomblet a. a. D., Nr. 561.
Den Inhalt des wichtigen Bertrages von 1561 kann ih nur durch
Kombination aus Art. 27 der Wahlkapitulation Salenting und Art. 28
derjenigen feines Nachfolger8 angeben. — Über ven Landtag zu Bon
Dftober 1572 einiges in einem Brief bes faiferlihen Kommifjars Ti—
motheus Jung an H. Bayern StA. 229/10, fol. 367. Über den
Landtag zu Köln Suni 1573: Giersberg, Das Erbmarſchallamt im
ehemaligen Erzftift Köln. Niederrhein. Annalen, Heft 26 u. 27, 1874,
S. 317 ff. — Über die proviforifche Einnahme von Zons durch Sa-
fentin im November 1573 Notizen in Briefen Salentins an Graf
Johann von Naſſau DillA. Fasc. C. 368 (f. Quellen zum folgenden
Kapitel).
1) In dem oben ©. 34 u. 97 angeführten Bebenfen bes trierifchen Rates
Philipp von Naſſau aus dem Jahre 1569 kommt folgende Stelle vor:
„Mus man geftan, das er in kurzer Zeit bem ftift zu mut fil gelt angelegt,
ſchickt fi wol mit gelt ein vorrat ze machen. Da er fil gelt famelen wurt
fo ift e8 fundig, das fein erbichaft gar befchwert und verſetzt, ift auch zu
vermmten, wert im eher als einem frembben colligiren.” — 6. Suni 1575
ſchreibt Requefens an König Philipp (Gachard 1. c. III, 319), man ver-
fihere, der Kurfürft habe bereits fiir 300,000 Thaler Stiftsgüter eingelöft;
wenn Salentin nicht vorhabe, das Erzftift erblich zur machen, würde er biefe
Summe wohl eher zur Berbefferung feiner eigenen Erbgüter verwendet
haben.
Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domkapitel. 185
im Amt Lehenih, Schloß und Stadt Ürdingen; in Weftfalen
Prandihaften zu Brilon und zu Nehem; auch die weitaus wich—
tigfte Löſung, die des Veſtes Redlinghaufen aus den Händen ver
Grafen von Schauenburg, wurde von Salentin ſchon bald nad)
Antritt der Regierung in Angriff genommen, jedod erit im Jahre
1576 zu Ende geführt.
Mit all diefen Löfungen, jowie mit dem umgelehrten Bes
mühen, Stadt und Schloß Kaiſerswerth nicht jelbit an den Herzog
bon Fülih durch Löjung zu verlieren, war das Domkapitel ganz
einverftanden, half mitunter dazu durch Darleihen oder Bürgichaft.
Aber bald kam Salentin mit feinem Beftreben, die landesherrlichen
Einkünfte zu verbeffern, auch auf Dinge, wobei fein Kapitel und
er nicht mehr gleiches Antereffe hatten. Der Eigenfinn und die
Grobheit, womit er auch dem Kapitel gegenüber auf dem beitand,
was er für jein Recht hielt, führte zu Zerwürfniſſen, wie jie er:
bitterter feit hundert Fahren nicht dagewejen waren !). Schließ—
Über Salentins nieverländifchen Feldzug im Jahre 1572: Groen
van Prinsterer, Archives III, 443, 488sq.; IV, 8*, Gachard,
Corr. de Philippe U., T. II, p. 271sqgq. 302. 354. Kluckhohn
II, 491f. Isselt l. ce, a. a. 1572, p. 277 n. 288 ber Ausgabe
von 1602. Patent des Kurfürften Salentin für feinen Rat und Amt»
mann zu Od und Rheinbach Iohann von Brempt als obriften
Lieutenant über 2400 Pferde, dat. Brül 17. Juli 1572 MA. Erzſt.
Köln Ref. 1582/4. Korrefp. Albas und Scharberger8 mit Herzog
Albrecht StA. 223/13, fol. 172 u. 224/5, fol. 211. 264ff. Timoth.
Jung an Herzog Albredt, 15. Oktober 1572. StA. 229/10, fol. 360.
Korreip. Herzog Albreht8 mit Kardinal Truchſeß RU Augsburg,
Pb. V, ©. 120 und Wimmer a. a. O. ©. 114. — Korreſp. zwiſchen
Sadien und Heſſen über die im Jahre 1572 beabfichtigte Werbung
für Erzb. H. von Bremen, DrA. loc. 8926, fol. 1f. MA. Erzft.
Köln 1574—1674, Fasc. 2 (Marb. Akten) und MA. R. 4. Schubt.
Rep. II. Eell. 6. Bol. III. Köln. Sachen (Kafjeler Alten. MU.
Biſch. Osmabrüd, fol. 44.
. 1) Dies behauptet, ohne zu übertreiben, Erzb. Heinrich von Bremen in einem
Brief an Kurfürft von Sachſen vom 5. Januar 1573: „Uber diefes ift gewiſſe
war, das zwifchen bem erzbiihoffe zu Coln und dem tumbcapitel bofelbft
gar groffe uneinigfeit und ſchwere mißverftentnus erwachfen ift, und wie uns
156 Drittes Buch. Zweites Kapitel.
ih mußte doch jein trogiger Eigenmwille an dem trägen aber
zähen Widerftand einer vielföpfigen, durch allerhand geiftige Gegen-
füge geipaltenen, aber durch gemeinfame materielle Intereſſen zus
jammengehaltenen Korporation erlahmen. Die Folge war, daß
mit Salentins Perſon zugleih wichtige allgemeine kirchliche und
politiiche Intereſſen, zu deren Vertreter er ſich gemacht hatte, eine
Niederlage erlitten. Hierdurch gewinnen diefe Irrungen eine über
die Zerritorialgefhichte des Erzftift3 hinausreichende Wichtigkeit.
Genaue Buchführung ift die Grundlage jeder mwirtichaftlichen
Reform; darum nahm Salentin alsbald die Stiftsrechnungen zur
Hand und jeßte, da er in ihnen Unordnung merkte, eine Rechen:
fanımer ein, welche herausbradhte, daß wie anderwärts jo auch in
der Abrehnung zwiſchen Erzbiihof und Kapitel nicht alles jo
ihön ftimmte, wie e3 fjollte oder den Anfchein hatte. Seit den
Zeiten des Erzbischofs Dietrid (von Mörs), d. i. feit der Mitte
de3 15. Jahrhunderts, ftanden Erzbiihof und Kapitel mit einander
in einer ziemlich verwidelten Rechnung. Während einer fünfzig—
jährigen Regierung in fehdeluftiger Zeit hatte Dietrih an vielen
Kriegshändeln teilgenommen, darum viele Schulden gemadt. Das
Domkapitel trat für den regierenden Herrn als Bürge oder
Hauptſchuldner ein und ließ fi dafür verichiedene Stiftseinfünfte
verpfünden. So war ſchon zu Dietrichs Lebzeiten Kölner Bürgern,
vertraulich zugefchrieben worben, fol der wieberwille bofelbft jo groß und be—
ſchwerlich ſein, als innerhalb Hundert jaren von inen niemals ift gehoret
worden.” Dr. a. a. O., fol. 72. — Die Irrung zwifhen Erzbifchof
Hermann von Wied und feinem Kapitel, wiewohl fachlich wichtiger, nahm
doch nie diefen Grab perſönlicher Gehäffigteit an; man wirb durch biefelbe
an die Streitigkeiten zwiſchen Erzbifchof Ruprecht (1463—1480) unb feinem
Kapitel erinnert. Bereit8 am 4. März 1571 ſchreibt Dr. Andreas Fab-
rieius aus Köln an Kanzler Ed: Rmus nuper litem admodum gravem
adversus capitulum instituit, in qua si triumphet, intelligo quod singulis
canonicis centum aurei et ultra distrahentur. Unde hodie quidam vir
prudens et gravis mihi amicus singularis narravit, capitulares ita Rm>
affectos, quod optarent Pontificem uti suo jure et alterum in ejus locum
substituere. StA. 38/4, fol. 110.
Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 187
den Ipäter jogen. alten Domrentnern, deren Hauptihuldner das
Kapitel war, der halbe Zoll zu Bonn verihrieben worden, die
Erhebung jedoch in Händen des Erzbiihofs geblieben. Während
der Sedisvalanz nah Dietrih Tod (im Jahre 1463) hatte jo-
dann das Domkapitel vereinbart, daß ihm für feine weiteren Vor—
ſchüſſe Schloß, Stadt und Amt Zons (oberhalb Düffeldorf) mit
dem von Neuß dahin verlegten Zoll eingeräumt werde. Aus
ähnlihen Gründen mußten fpätere Erzbiihöfe aud einen Zeil
der Rheinzölle zu Berd (Rheinberg) und Linz dem Kapitel ver=
ichreiben. Salentins vorlegter Vorgänger, Johann Gebhard von
Manzfeld, ein Verſchwender und jhlehter Wirtihafter, hatte ſich
zuleßt, im Sabre 1561, wegen all diefer Schulden und Pfand:
ſchaften auf einen Vertrag mit feinem Kapitel eingelaffen, deſſen
wejentliche Beitimmungen aud in Art. 27 der Wahlkapitulation
Salentins aufgenommen und jomit von diejem jelbjt zweimal, vor
und nad der Wahl, beihworen worden waren. Der Inhalt
diejes Vertrages ift etwa folgender: Zons bleibt in Händen des
Kapitels; der Erzbiſchof veripriht jedoh, falls der dortige
Zoll jährlid) nit 4985 Goldgulden aufbringt, das Mangelnde
aus feinen eigenen Zöllen zu Linz, Bonn und Kaiferswerth zu
deden; weitere Schulden, welche das Kapitel für Johann Geb:
hard und jeine Vorgänger übernommen hat, werden mit jährlich
8694 Goldgulden in gewilfen Raten aus den Zöllen Berd, Linz
und Bonn und einer Abgabe vom Stift Münfter verzinft; aud)
bier muß der Erzbiichor eintreten, fall die genannten Zollftätten
nit jo viel tragen, um den Rentnern ihre fälligen Renten zu
zahlen. — Salentins Reviſoren bradten nun heraus, daß die
Abrechnung, auf Grund deren diefer Vertrag abgeſchloſſen, nicht
in Drdnung ſei. Wiewohl Johann Gebhard erklärt habe, die
Rechnung ſei von ihm geprüft und richtig befunden worden, jei
dies in Wirklichkeit nicht der Fall gewefen. Auf diefe Darlegung
bin forderte der Kurfürft im Januar 1570 das Kapitel auf, De—
putierte zu ihm nad) Brühl oder Bonn abzuordnen, um gemein=
ſam die alten Rechnungen und den Vertrag durchzugehen. Zugleich
188 Dritte Bud. Zweites Kapitel.
verlangte er Abrechnung über den halben Zoll zu Bonn, aus
weldhem das Kapitel die Renten der alten Domrentner entrichtete.
Verwalter diefer Domrente war ſeit längerer Zeit der Senior der
Prieſterkanoniker Sebaftian Novimola (Nyermül) von Duisburg,
welchem Salentin vielleiht von früher her grollte. Wenigſtens
hatte ihm Novimola ſchon im Jahre 1568 bei der Löſung von
Erprath Schwierigkeiten gemacht.
Die Verhandlung zwiſchen Erzbiſchoff und Kapitel nahm
glei) anfangs einen gereizten Zon an. Das Kapitel trat für
Novimola ein, der nur mit ihm und nicht mit dem Kurfürften
abrechnen wollte; es ſchickte zur verlangten Rebijion niemanden
hinaus, jondern gab dem Kurfürſten anheim, im Kapitel jelbit
etwaige Einreden gegen den Vertrag von 1561 borzubringen; es
erinnerte ihn daran, daß er felbit in feiner Kapitulation den
Vertrag beihworen habe u. f. wm. Dagegen verbot der Kurfürft
jeinen Zöllnern, fernerhin Gefälle an das Kapitel abzuliefern;
forderte Aufklärung über ſcharfe Worte, welche im Kapitel über
ihn gefallen feten; redete öffentlich von jeltiamen Verträgen, mit
welchen die Erzbiihöfe verftridt jeien; drohte, von dem Eid, den
er habe ſchwören müſſen, der Hohen Obrigkeit Kenntnis zu
geben.
Der herannahende Reichstag verhütete zunächit weitere Wer:
ihärfung des Streits. Auf einer Zufammenkunft Salentins mit
einigen ihm geneigten Sapitularen in der Dechanei von St. Gereon
(alio gleichſam auf neutralem Boden) fam man überein (am
27. Juni 1570), die Sache bis nah dem Reichstag ruhen zu
laſſen. Inbezug auf die hohen Koften der perſönlichen Teilnahme
Salentins am Reichstag zeigte fih das Kapitel jogar ſehr freis
gebig, — freilich nicht aus eigener Taſche. Man geftattete dem
Kurfürften, das nötige Geld, gegen bloßen Schein, einem Vorrat zu
entnehmen, welcher gemäß der Wahlkapitulation (Art. 40) zur
Tilgung der ſchwebenden Forderungen Kölner Bürger, der fogen.
Kreditoren und Fidejufforen, beftimmt war.
Aber ihon beim nächſten Generalfapitel (im Januar 1571)
Kurfürft Salentind Streit mit feinem Domtapitel. 189
fam e3 zum offenen, fortan unheilbaren Bruch. Möglich, daß
einzelne Kapitularen durch den Verdacht, Salentin begünftige
Bayerns Bewerbung um die Koadjutorie und Succeifion, gereizt
waren; entjcheidend für das Kapitel war jedenfalls die Schärfe,
mit welcher der Kurfürft nunmehr feine Forderungen wegen Zons
formulierte: entweder jolle man ihm alsbald über Zons ſowie
über den halben Zoll zu Bonn Rechnung legen, oder aber Schloß
und Zoll zu Zons ihm einräumen und mit Zumweifung der Ein-
fünfte fid) begnügen.
Dazu kamen Streitigkeiten um Nebendinge, die jedoch faft
. mehr als die Hauptiadhe die Parteien gegen einander erbitterten.
Salentin verlangte nämlid neuerdings, man folle Deputierte zu
ihm heraus nad) Brühl jhiden, und ließ, da das wieder abgelehnt
wurde, weil Kapitelsſachen vor diejes jelbit gehörten, dem Kapitel
jagen, er müfle den Streit vor den Kaiſer bringen; außerdem
forderte er einen Landtag.
Die Verhandlung vor dem Kaiſer fcheute das Kapitel; deshalb
ſchickte es jegt feinen Scholafter, den Straßburger Biihof, zum
Kurfürften hinaus, um ſolche Weiterung zu verhüten. Aber
Biſchof Johann fam nit nur ohne Erfolg, Tondern als er—
bitterter Gegner Salentins zurüd. Wermutlih hatte diejer, im
Zorne feiner Zunge niemals Meifter, den eitlen Herrn perſönlich
beleidigt. Dem ganzen Kapitel lie der Kurfürft Tagen, etliche
(ev meinte namentlid die Priefterfanoniker) hätten, ohne daß
die Vornehmen im Kapitel darum gewußt, unredlid gehandelt.
Nod einmal verſuchte das Kapitel ſich gütlih mit ihm zu ver-
fändigen. Eine ftattlihe Deputation ging nad Brühl, auch
fie ohne Erfolg. Ebenſo wenig fruchtete die Vermittelung des
zufällig anweſenden alten Freiheren von Winneburg. Salen-
tin beftand darauf, daß er den Streit vor den Kaiſer bringen
müfle.
Nun überwog aud) im Kapitel die jchroffere Meinung. Am
14. Februar 1571 beihloffen einmütig alle Anweſenden, 13 Edel:
herren und ſämtliche Priefterfanonifer, auger Dr. Godfrid Gropper,
1% Drittes Buch. Zweites Kapitel.
dem Rat und Vertrauten Salentins, „auf gebührlihe Gegenwehr
gegen den Kurfürften ſich einzulaffen, und einer vom anderen nicht
abzuſondern“. Dieſe Vereinbarung wurde ſchriftlich abgefaßt und,
was ganz ungewöhnlich bei Kapitelsbeſchlüſſen, von ſämtlichen An—
weſenden eigenhändig unterzeichnet. Zugleich richtete man eine
Beſchwerde an den Kaiſer. Der Straßburger Biſchof übernahm
es, beim Mainzer Kurfürſten und beim Kaiſer die Sache zu be—
treiben.
Im Sommer 1571 erſchienen daraufhin in Köln zwei kaiſerliche
Kommifjare, ein Herr von Flerzheim und der Dr. Hegenmüller ;
auch auf einem Landtag wurde über die Differenzen verhandelt.
Näheres wiſſen wir nit; Erfolg hatten jedenfalls weder Kom—
miffare noch Landtag.
Darauf wurde, wie es im Reiche bei vderlei Händeln der
Braud) war, über die Zonjer Sade in weitläufigen Schriften weiter
verhandelt. Auf die an den Kaifer gerichtete Beſchwerde des
Kapitel3 erließ der Kurfürft feine Replik, das Kapitel antwortete
(Ende November 1571) mit einer Duplik. Dieje goß bon neuem
DI ins Feuer. Denn Salentin behauptete, als fie ihm im Früh—
jahr 1572 vor Augen kam, fie enthalte perſönliche Injurien, wegen
deren ihm das Kapitel vor allem Abbitte leiften müſſe. Won
acht Edelherren wollte er willen, fie hätten nichts damit zu thun,
jondern die Siebenpriefter hätten von ſich aus die Injurien in die
Duplik gejegt. Wir wiſſen die Worte, über melde Salentin fo
erboft war, nicht genau, jondern nur im allgemeinen, daß ihm der
Vorwurf gemacht war, er habe gegen jeinen Eid gehandelt. —
Dielleiht war feine Empfindlichkeit auch dadurch gefteigert, daß
ihm das Kapitel nad) langen Verhandlungen (im Mai 1572) die
Löſung des Haufes Lar endgültig verweigerte. Anderjeit3 gab
Salentin feinerfeit3 eben damals dem Kapitel neuen Grund zu
Beihwerden durch feine Einmiſchung in die niederländiichen Kriegs:
händel.
Salentin war, wie wir wiſſen, ſeit Anfang des Jahres 1570
Penſionär des ſpaniſchen Königs; bereits im Frühjahr 1671 war
Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domtapitel. 191
ihm die erite Jahrespenfion ausbezahlt worden, ein Beweis, daß
die Spanier, jonft jehr unpünktlihe Zahler, auf diefe Verbindung
Wert legten. Das folgende Jahr bot Anlaß, feine Kriegspdienfte in
Anspruch zu nehmen. Die Einnahme von Briel durd) die Geufen,
am 1. April 1572, hatte da3 Signal zum Aufitand der Nord-
niederlande gegeben ; im folgenden Monat bemächtigte fi Graf Lud—
wig von Naffau mit Hilfe franzöfiiher Galviniften der Stadt Mons
im Hennegau; im Juli erichten Dranien mit deutſchem und nieder:
ländifchem Kriegsvolf an der Maas; — fo von allen Seiten bedroht,
beeilte fid) Alba, die deutſchen Penfionäre zum Anzug mit ihren
beftallten Reitern und Knehten aufzumahnen. Gleich den Herzögen
Adolf von Holftein, Franz von Lauenburg, Erih von Braun=
ihmweig, Graf Otto von Schauenburg und anderen Herren folgte
auch Salentin der Aufmahnung. Bereit3 im Juli waren von
ihm 2000 Reiter unter feinem oberjten Nittmeifter Johann von
Brempt im Antritt. Da Dranien Aufklärung forderte, ob er
Erzitift und Domkapitel al3 feine Feinde zu betrachten habe, ließ
Salentin dem Kapitel jagen: e3 habe mit dem Prinzen nichts zu
ihaffen; er aber diene, nicht als Kurfürft von Köln fondern als
Graf Iſenburg, auf Erjuhen des Kaifers, einem fremden Poten-
taten, wie das einem jeden im Reiche freiftche. Außerdem habe
er feinen Unterthanen nicht verboten, dem Prinzen zu dienen, fei
alſo nicht deſſen Feind.
Das Domkapitel entihuldigte ih bei Dranien, fo gut es
eben ging, war aber keineswegs einverftanden mit diefer Einmiſchung
jeines Hauptes in fremde Kriegshändel. Wie nahe lag die Ges
fahr, daß dadurch aud das Erzitift aus feiner Neutralität geriffen
und in die niederländiihen Unruhen vermwidelt wurde! Zudem
verbot die Kurfürften-Einigung jedem ihrer Mitglieder, fremden
Potentaten durch Penfion fi verwandt zu machen. Der Kaijer
jeinerjeit3 verficherte, Salentin ſei gegen feinen Willen in ſpaniſche
Kriegsdienfte getreten. — Übrigens verzögerte Salentin den An—
ritt feiner Reiter, vielleicht um nit auf Kölner Gebiet mit dem
Kriegsvolf des Prinzen zufammenzuftoßen. Nur ein paar Reiter
192 Drittes Buch. Zweites Kapitel.
und Wagen des Herrn von Brempt fielen Draniens Leuten in
die Hände und mit ihnen Briefe Albas und Salentins, die dann
der Pfälzer Kurfürft unter den proteftantiihen Ständen zirkulieven
ließ, um aus ihrem Anhalt die Notwendigkeit eines evangelischen
Defenſivbundes zu erweiſen.
Anfangs September trafen Salentins Reiter im Lager vor
Mons ein, mit ihnen der Kurfürſt ſelbſt, in einem Aufzug, welcher
Albas Erſtaunen erregte. „Der Erzbiſchof“, ſchrieb Alba an
König Philipp, „hat ſich bei mir eingefunden in voller Reiter—
rüftung, Piſtolen an der Seite, fieht irgend einem feiner Neiter
ganz glei; er jagt mir, er jei bereit, für Eure Majeftät zu fter-
ben. Don Figur ift er ein gar flattlicher Herr und erbeut ſich
body gegen Eure Majeſtät.“ ) Große Striegäthaten waren jedod)
Salentin und feinen Neitern diesmal nicht beihieden, da Mons,
nachdem Draniens Verſuch, die Stadt zu entiegen, kläglich mißglückt,
bereit3 am 19. September fapitulierte. Salentins Reiter lagen
nod einige Zeit zu Maeftriht in Bejakung und wurden dan,
gegen Ende des Jahres, wie alle anderen deutichen Reiter verab-
ſchiedet, jedoch in Wartegeld behalten.
Salentins Anmwejenheit im Lager vor Mons benugten Alba
und der deutiche Sekretär Scharberger, um mit ihm perjönlid)
über die Succejfion in Köln zu ſprechen. Der Kurfürft verficherte,
wie gewöhnlid, daß er in nicht gar langer Zeit reiignieren wolle,
äußerte ſich auch ganz verbindlid über Herzog Ernſt von Bayern,
auf beitimmte Zufagen ließ er ſich jedoch nit ein. Scharberger
meinte, wenn man Salentin veripreche, ihn zu einem Dberften des
Landsberger Bundes zu machen oder nad) der Refignation ihm eine
Statthalterihaft in den Niederlanden zu geben, würde er jein Officium
1) El se ha hallado comigo con su cosselete y pistoletes, como qual-
quier de sus reystres, offreciendome de morir por V. Mad. Tiene muy buena
persona de hombre y muestra grande afficion al servicio de V, Mad,
Gachard 1. c. II, 277. Die Stelle ift aud) von Motley, The rise of
the Dutch Republic, P. III, Ch. VII benutt. Motleys Angabe, Salentin
babe dem Herzog geraten, eine Schlacht zu liefern, ftammt aus Bor, Nederl.
Oorloghen VI, 13.
Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 193
um fo beſſer thun. Auf bayriiher Seite verhielt man fih auf—
fallend fühl: man habe, hieß es, während Herzog Ernfts Kölner
Nefidenz aus dem Benchmen der Domlapitularen und des Kur—
fürften jelbft nur wenig Hoffnung auf Erfolg ſchöpfen können. —
Auch Hier erinnern wir uns wieder, daß es Herzog Ernſt felbft
war, auf den man damals in Münden am wenigften Hoffnung
ſetzte.
Wenn auch von dieſen Verhandlungen über die bayriſche
Succeſſion nichts in die OÖffentlichkeit drang, genügte doch ſchon
Salentins Kriegszug, um den Gerüchten von ſeiner baldigen Re—
ſignation friſche Nahrung zu geben. In Rom wollte man damals
wiſſen, Salentin werde ſich mit einer Tochter des bei Heyligerlee
(im Fahre 1568) gefallenen Grafen von Arenberg verheiraten und
deſſen Gouvernement Friesland erhalten. Kardinal Truchſeß riet
ihon dem bayriſchen Herzog, nun ohne Säumen wieder um die
Nahfolge in Köln anzuhalten. Entiprehende Wirkung übte das
Gerücht im Lager der Gegner. Auf Antrieb des Bruders des
Kölner Dompropftes, Ludwig Graf von Wittgenftein und des
Statthalters zu Marburg, Burkart von Kram, wollten die heſſi—
ſchen Landgrafen und Kurfürft Auguft von Sachſen den Erzbifchof
Heinrich von Bremen, Augufts Schweiterfohn, der vor kurzem
(am 23. Februar 1572) Domlapitular zu Köln geworden war,
als Gegenkandidaten gegen den bayriichen Herzog unterftügen. Die
anderen mutmaßlichen Bewerber, Anton von Schauenburg und
Ehriftoph Ladislaus von Xhengen, hielt man nit für gefähr:
ih. Ein ſächſiſcher und ein heſſiſcher Geſandter waren bereits
unterwegs nah Köln, al3 ein Schreiben de3 Grafen von Witt:
genftein die Gerüchte von Salentins Refignation für grundlos
erklärte und der beabfidhtigten Werbung ein Ende madıte.
Inzwiſchen war nämlich Salentin aus den Niederlanden zu—
rückgelommen und auf einem im Dftober 1572 zu Bonn ab-
gehaltenen Landtag in einer Weife aufgetreten, welde feinen
Zweifel ließ, daß er nicht jo bald an Rücktritt denke. Über die
Hauptvorlage des Landtags, die rüdjtändige Reichs- und Türken—
Loffen, Köln. Krieg L 13
194 Dritte8 Buch. Zweites Kapitel.
fteuer, war man bereit im reinen, als der Kurfürſt jene Duplif
de3 Kapitel mit den angeblichen Injurien, ſowie feine ebenfalls
an den Kaiſer gerichtete Zriplif vor verjammelten Ständen und
den anmejenden faiferlihen Kommiſſaren vorlefen ließ. Die
Triplit Schloß ungefähr mit folgenden Worten, melde Kanzler
Burkhart auf ausdrüdlihen Befehl feines Herrn auch noch mind-
(id) wiederholen mußte: „Wer ihn, den Kurfürften zeihe, daß er
wider feinen Eid gehandelt, der rede den Ungrund und nidht wie
ein ehrliebender Mann. E3 jeien aud vordem etliche Kapitularen
bei ihm geweſen und hätten fi entihuldigt, daß fie bon des
Kapitels Erkufationg- oder Diffamationsihrift niht3 wüßten; dieſe
und wer noch weiter fi entihuldigen werde, halte er, der Kur—
fürft für entjehuldigt, die anderen aber für eben ſolche Leute, wo:
für fie ihn ſelbſt ausgegoffen (verleumdet) hätten.‘ — Das Kapitel
antwortete, von ihm jei nichts animo injuriandi geſchehen; es bat,
der Kurfürft möge bis zu endlihem Austrag der Zonſer Sache
nichts thätlich vornehmen. Auch die Faiferlihen Kommiſſare jpra=
hen auf Erſuchen des Kapitel3 den Kurfürften deshalb an; ver
aber lehnte jede Zujage ab: er könne nicht leiden, daß man eine
ſolche furfürftlihe Reſidenz zu einem öffentlichen unzüchtigen Haus
made. Er begehre niht3 al3 den bloßen Beſitz von Bons, die
Nutznießung wolle er bis zum Austrag der Sade dem Kapitel
lafjen. |
Salentins grobes Auftreten machte diefen Austrag gewiß nicht
leihter. Das Kapitel beharrte auf feinen durd den Vertrag von
1561 erworbenen Redten. Es verwies die alten Domrentner,
ſowie die Kreditoren und Fidejufforen, als fie wiederholt auf Grund
der alten Verträge Zahlung forderten, an den Erzbiſchof, welchem
man im vorigen Jahre die Überichüffe der alten Domrente ausge—
händigt habe. Salentin ſeinerſeits jchidte die Abgeordneten des
Kölner Rates, welche für ihre Mitbürger intercedierten, wieder an
das Domkapitel zurüd. — Nachgiebiger zeigte fih das Kapitel in
der Injurienſache, vielleicht beeinflußt dur die Haltung der welt:
lihen Stiftsftände, melde, wie man erfuhr, in einem Schreiben
Kurfürft Salentind Streit mit feinem Domtapitel. 1%
an den Kaifer für Salentin Bartei genommen hatten. Am
19. November 1572 ſchrieb das Kapitel an den Kurfürften, man
babe nicht die Abficht gehabt, ihn zu injuriieren. — Was nun wies
der dazwiſchen fiel, wiſſen wir nicht; jedenfalls war Salentins Zorn
nicht beſchwichtigt. Anfang März 1573, als ihm der Kapitelbote
einen die Streitfragen gar nicht betreffenden Brief des Kapitels
in Kaiſerswerth überreichte, ſchickte er denſelben uneröffnet zurück.
Er wolle, ſagte er in Gegenwart des Dr. Gotfrid Gropper und
einiger anderen Räte, von feinen Ehrlojen Briefe empfangen, der
Bote jolle fi) alsbald von dannen machen; hätte er, der Kurfürft,
andere an gelegenem Drt, jo wolle er anders mit ihnen handeln.
Um der immer wachlenden gegenfeitigen Verbitterung ein Ende
zu machen, forderten im Mai 1573 einige hervorragende Mit-
glieder der Ritterihaft, welche zugleich kurfürſtliche Räte waren,
den Grafen Werner von Salm-Reifferiheid als Erbmarſchall auf,
gemäß dem 15. Artikel der Erblandesvereinigung einen Landtag
auszuſchreiben ). Das geihah. Der Landtag wurde im Juni
zu Köln abgehalten; Deputierte des Kapitel3 waren zugegen,
jedod nur ad audiendum. Durch fie ließen die weltlichen Land—
ftände das Domkapitel auffordern, die Gebrechen wegen Zons und
wegen der Injurien ihnen zur Dermittelung vorzulegen; aud)
iollten, da etliche Kapitularen wegen der Injurien fich bereits per-
ſönlich entichuldigt, die anderen das gleichfalls thun. — Das Kapitel
nahm ſich Bedenkzeit bis zum 17. Auguft, auf welden Tag es
1) Der betr. Artikel Tautet: „Item besgelichen off ſache were bat ebel-
manne ritterfhaft aber ſtede fementlichen aber in fonderbeit van bem capittell
umb redeliche urfache begerden oud in maiffen vurfchreven by eyn zo fomen,
dat fall yn bat capittell nyet mweigeren; und off bat alfo geweigert wurde
des doch nyet ſyn enjall, jo fall eyn erffmarſchalck bes fiycht van Eoelne
die macht haven in gelicher maifjen 30 boyn, befielven ber marfchald nyet
weigeren noch vertzoch machen fol.” Lacomblet IV, Nr. 325. — Giers-
berg a. a. O., ©. 329 giebt einen Auszug aus dem Bebenfen ber brei
abeligen Räte und Landſaſſen, Georg von ber Leien Lanbhofmeifter, Rutger
von der Horft Marſchalk und Wilhelm von ber Horft Durmwerter [Thürwärter)],
worin fie fiir nötig erklären, daß der Erbmarfchalt wegen der Zonfer Sade
etliche Grafen, besgl. Ritterſchaft und Stäbte demnächſt nach Köln befchreibe.
13*
196 Dritte® Bud. Zweites Kapitel.
alle feine Mitglieder wegen der Jrrungen mit dem Erzbiſchof be=
rufen hatte.
As am 21. Auguft die Beratungen im Kapitel begannen,
ftanden id) unter den Anmejenden (neun Evdelherren und ſämt—
liche Priefterfanonifer) zwei Parteien jchroff gegenüber, von denen
die eine, geführt von dem Scholafter, Biihof Johann von Straß—
burg, welchem ſich der Ehorbiihof Anton von Schauenburg, Graf
Hermann Wolf von Solms, jowie die meiften Priefter, nament-
ih der Senior Novimola, anjhloffen, von einer Entihuldigung
der einzelnen Kapitularen nichts willen wollte; das Kapitel, jagte
der Scholafter, beitehe aus Fürften und Grafen, wie zu anderen
Zeiten jo jolle es auch jet feine Reputation wahren.
Am eriten Zag bradte man es zu feinem gemeinjamen Be—
ſchluß; aud am zweiten mußte dreimal umgefragt werden, bis es
gelang, für eine Art Kompromiß, gegen das aber der Scholafter
ausdrüdlich proteftierte, Majorität zu machen: es wurde nämlich
jedem Einzelnen freigeftellt, fich jo zu entihuldigen, wie es das
Kapitel bereit3 im allgemeinen gethan, daß man nämlich nit animo
injuriandi gehandelt habe. Dagegen ſei am Inhalt der Duplik
feftzuhalten und des Erzbiſchofs Einrede gegen den Vertrag von
1561 abzuwarten.
Deputierte des Kapitel3 zogen mit diefem Beſcheid zum Kur—
fürjten hinaus, brachten aber die Antwort zurüd, Salentin jei
mit diefer Entihuldigung nicht zufrieden; man möge nur die
Prieſterkanoniker auf ihren Eid fragen, ob fie nit die Duplik
bei jih zuhauje gehabt und bier die injuridien Worte — da
der Kurfürft feinem Gelübde zumidergehandelt — hineingefegt
hätten; auch beim Kaifer, an den die Duplik gerichtet, müſſe man
fi) entichuldigen. In der Hauptſache erbot er fih, aus den alten
Nehnungen von Erzbiſchof Antons Zeit an den SKapitelsgrafen
nachzuweiſen, daß das Erzftift um etlihe taufend Gulden über:
vorteilt fei und dak das Kapitel niht mit Zug und Recht den
Zoll von Zons innehabe.
Anfangs September beriet man nun bon neuem im Sapitel
Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 197
und fam dem Kurfürften diesmal noch weiter entgegen. Nament—
(ih gab fid) Dr. Gropper alle Mühe, feine Confratres mit feinem
Herrn auszuſöhnen. Vermutlich fam ihm dabei die Abreife des
Straßburger Biſchofs zuftatten. Im Auftrag des Kapitels ſetzte
Gropper gemeinjam mit dem Kanzler und anderen furfürftlichen
Räten eine Entihuldigung wegen der Injurien auf, welde nach—
her vom Kapitel genehmigt und von Salentin acceptiert wurde.
Nun hatte man fih noch darüber zu einigen, ob aud an den
Kaiſer eine Entihuldigung zu richten jei. j
In der Hauptſache dagegen, bei welcher Gotfrid Gropper auch
die Hilfe feines Oheims, des damals als päpftlicher Nuntius in
Köln verweilenden Dr. Kafpar Gropper, in Aniprud nahm, wurde
fein Vergleich erzielt. Das Kapitel beftand darauf, daß dem
Kurfürften die Laft des Beweiſes gegen feinen durch den Vertrag
von 1561 anerkannten Befigitand obliege; der Erzbiſchof aber
wollte, dag man ihm jofort Schloß, Stadt und Amt Zons ein-
räume, während die Einkünfte bis zum Austrag dem Kapitel ver—
bleiben jollten.
Nod waren die Verhandlungen hierüber im Gang, als Sa—
lentin durch einen Gewaltakt der rechtlichen Entiheidung vorgriff.
In den erften Zagen des November (1573) erſchien er unver:
ſehens mit feinem Gefolge zu Zons, wo bisher namens des Ka—
pitel3 der Domdechant gebot, und ſchlug bier feinen Hofhalt auf,
al3 wolle er von Schloß und Amt bleibenden Befik ergreifen.
Man ziehe ihn, jagte er zu den Deputierten des Kapitels, ſchon
allzu lange ohne Rejolution hin. — Im erften Augenblid der Be-
ftürzung beihloß das Kapitel, wenn Salentin Zons nur als erz=
biſchöfliches Offenhaus betrachte, ihm den Aufenthalt dafelbit nicht
zu wehren, und proteftierte nur, daß es feinen Rechten dadurch
nichts vergeben wolle.
Jedoch zog der Kurfürft Sehr bald wieder ab von Zong,
worauf aud) die Verhandlungen über die Entichuldigung wieder auf:
genommen und, joviel wir jehen, faſt bis zur Verftändigung geführt
wurden. Im Laufe des Dezember wurde aud über den Vertrag
198 Dritte Buch. Zweites Kapitel.
von 1561 zwiſchen dem Kapitel und furfürftlichen Räten eingehend
verhandelt. Das Hauptargument der legteren war immer wieder,
Salentin fei nicht verpflichtet, einen Vertrag zu halten, der durch
Dolus zuftande gefommen und von ihm nur infolge groben Irr—
tums beihworen worden ſei. Daß Dolus vorliege, behauptete
bon den alten kurkölniſchen Räten namentlih Dr. Slafer, während
von den Kapitularen namentlich der Senior Novimola e3 leugnete.
Die Präfumption war jedenfalls für das Kapitel.
Im Dezember ermannte fi endlih auch das Kapitel, geftützt
auf ausführlihe Gutachten feiner Rechtsbeiſtände und nad) Zu—
ziehung des Dompropftes, aus dem bloßen Wortftreit herauszu-
treten: Stadt, Schloß und Zoll zu Zons follten in Verwahr ge—
nommen werden. Da der Domdehant Bedenken trug, dieſem
Auftrag ſich zu unterziehen, und andeutete, daß er jelbit eheſtens re—
fignieven wolle, bat das Kapitel den jungen Herzog Friedrih von
Lauenburg, Bruder des Bremer Erzbiihofs, der erſt vor kurzem
(23. September d. J.) Domlapitular geworden, gemeinfam mit
Hermann Adolf von Solms Zons zu verwahren; die Amtleute
und Unterthanen dafelbft und in den anderen bisher vom Doms
dechanten verwalteten Ämtern wurden neu beeidigt, auf Anfang
März alle abwejenden Kapitularen bejchrieben und endlid der -
Kaifer von neuem und dringend um Schuß gegen den Erzbiſchof
angerufen ").
Salentin jeinerjeits ſchien einem Einjchreiten des Kaiſers wie
aud des Papftes mit voller Ruhe entgegenzufehen. Schon im
1) In meinem Auszug aus ben Domtfap.-PBrotofollen finde ih zwar
fein Schreiben berart an den Kaifer notiert, wohl aber unterm 9. März
1573: „D. Subdecanus refert, das Rmus ſich erclert, das ab Eaejarem a
Capitulo Binder irer curf. ©. Her [chreiben] aufgangen, und das irer curf.
©. begeren fei, das ein jeber capitularher ſich erclere, ob er bei ſollichem
ſchreiben gemwefen oder nit.” — Das kann ih im Zufammenhang mit wei-
teren Notizen (vgl. Protof. zum 21. Februar 1574) nur fo verftehen, daß
das Kapitel, unter Verzicht auf bie bisherige gütliche Verhandlung, ben Kaifer
gebeten hatte, durch eine Kommiffion zwifchen ihm und dem Kurfürften zu
entſcheiden.
Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domtapitel. 1%
November hatte er in Zons den Deputierten des Kapitels u. a.
erklärt: „Sie follten nur hinlaufen wohin fie wollten, zu Papſt
oder Kaifer, überall jei ein Riegel vorgefhoben.‘ ) — War das
leere Prahlerei, oder hatte er wirklid Grund, alfo auf die Hilfe
der höchſten geiftlihen und wmeltlihen Dbrigfeit zu pochen? —
War's doch noch nit lange ber, daß der Papft ihn felbft
hatte abjegen wollen, und nod vor Jahresfriſt hatte der Kaifer
vor Kapitel und Landftänden fein Verhalten offen mißbilligen
lafien! — Wir verlaffen bier, auf feinem Höhepunkt, Salentins
Streit mit feinem Kapitel für einige Zeit, um zu fehen, melde
Stellung der Kurfürft damals zu Kaifer und Neid), zu Rom und
Roms Feinden einnahın.
1) „Muchte capitulum binlauffen wor fie wollen, zum pabft, zum feifer,
fei ein fted darfür geftochen.“ Protof. zum 6. Nov. 1573 DU.
3. Kapitel.
Kurfürſt Solentin und das Haus Nafan.*
As Pius V. zur Zeit des Speirer Reichstags durd) den
Herzog von Alba fi bewegen ließ, von feindfeligen Schritten gegen
den Ermwählten von Köln vorläufig abzuftehen, fehlte viel, daß man
zu Rom mit Salentins Verhalten zufrieden gewefen wäre. Wir
erjehen das aus Briefen des Kardinal von Augsburg, der unter
Pius V. zwar jelbft nicht viel Einfluß hatte, aber immerhin ein
getreues Echo der an der Kurie herrichenden Stimmung war. Es
jei zu erbarmen, jchrieb er am 1. Dezember 1571 an den Herzog
von Bayern, dab das gewaltige Stift Köln alſo in Ungehorfam
* Quellen: I. Über Kurfürft Salenting Verhältnis zur Kurie einzelnes in
ben bereit8 citierten Altenbänden: RA. Hochſt. Augsburg IV. u.
V. StA. 224/2 bis 5. Ferner DA. Domtap.-Prot. Über die Nuntien
Porzia und Gropper: Theiner, Ann. eccl. I passim; vgl. Maffei,
Annali di Gregorio XIII. I, 77 u. 135sqg. Biographiſches über
die Familie Gropper in der ©. 177 citierten Vorrede von Habbiug;
vgl. Hartzheim l. c., p. 175 sgg.
II. Über die Rivalität der Häufer Ofterreih und Frankreich bei ber
Bewerbung um bie polnifche und um bie Kaifer-Krone 1572—1574, und
befonders über ben Zufammenbang der nieberländifchen Kriegshändel
mit berfelben orientiert am beſten Groen van Prinsterer,
Archives IV; vgl. das VIII, 479sqqg. abgebrudte Memorial über
die vom Haufe Dillenburg dem Haufe Breda (Dranien) und ben
Niederlanden geleifteten Dienfte. Das fonft tüchtige Bud) des Marquis
beNoailles: „Henri de Valois et la Pologne en 1572“ (3 vol., Paris
1867) führt im dieſer Hinficht nicht mwefentlih über Groen van Prin-
fterer hinaus. Einzelnes bei Kluckhohn, Bd. II, und bei Gachard,
Kurfürft Salentin und bas Haus Nafjau. 201
gegen den römiſchen Stuhl verharre; der jegige Elektus werde
aber gewiß zu jeiner Zeit Gottes Strafe empfangen. Und nod
im uni 1572, aljo zur jelben Zeit, da Salentin ſich anſchickte,
dem Herzog von Alba feine Reiter zuzuführen, meinte der Kar—
dinal, Salentin warte nur auf den Ausgang des oraniſchen Kriegs-
zuges, um je nachdem jein Stift zu fäkularifieren.
Auch am Brüffeler Hof, wo man fonft beifer Beicheid mußte
al3 in Rom, gingen über Salentin ſehr wideriprechende Gerüchte.
Einmal (im Winter 1570 auf 1571) hieß es, der Kurfürſt wolle
eine Pfalzgräfin heiraten und trogdem Kurfürft bleiben; Ende des
Jahres 1571 dagegen, Salentin, wiewohl mehr zum weltlichen Stand,
beionder3 zur Neiterei, geneigt, denke doch daran, feinen jegigen
Stand fortzufeßen, bevorab wenn der Papft das Pallium oder viel-
leiht das Jurament befjer faufgeben (billiger verkaufen) wolle.
AM diefen Gerüchten braucht nicht viel Thatſächliches zugrunde
zu liegen: fie famen vielleicht gerade darum in Umlauf, weil Sa-
lentin nichts that und die Leute reden ließ. Wichtig urteilt der
Brüffeler Sekretär Scharberger im Januar 1572: jo lange man
bon der Häupter wegen aljo zujehe, werde man fi auch auf der
anderen Seite deſto weniger eilen.
Darüber ftarb Papft Pius V. und erfolgte in Rom jener
Corresp. de Phil., II, 397; vgl. III, 140. Was ich über
Salenting Anteil an den nieberländifch = franzöfifhen Händeln der
Jahre 1572—1574 Neues gebe, verdanfe ich faft ganz dem DIMN.
Fasc. C. 368, welcher u. a. ben größten Zeil ber geheimen Korre—
fpondenz Salenting mit Graf Johann von Naffan enthält. Einzelne
Ergänzungen auch Dill. Korrefp. 1573—1575 und MU. Köln 1515
bis 1580, fol. 431. Jene geheime Korrefpondenz ift großenteils nicht,
mitunter auch (abfichtlih ?) falfch datiert; doch Hoffe ich meiftens das
richtige Datum herftellen zu können. Diefelbe dauert fort bis in das
Jahr 1576. — Über die religidg-politifhen Beſtrebungen der Wetter-
auer Grafen im allgemeinen 3. Arnoldi, Aufllärungen in db. Geſch.
bes d. Neichsgrafenftandes, Marburg 1802 (aus Dillend. Arhivalien).
Für die Zeit feit dem Jahre 1566 Meifnerd Relation vom Augsb.
Reihstag bei H. Chr. Sendenberg, Sammlung von ungebrudt-
und raren Schriften I, 212. Weiteres Archivalifche (von Arnoldi
nicht benutzt) Dill A. C. 372. Bol. Quellen zum 5. Bud, 1. Kap.
202 Dritte Buch. Drittes Kapitel.
Syſtemwechſel, deijen wejentlichiten Zug, das Beſtreben, die Fürften
durch ihren perſönlichen Vorteil an die römische Kirche zu fnüpfen,
wir bereit3 fennen gelernt haben. Im Juni 1573 ordnete Gre—
gor XII. zwei außerordentlihe Nuntien nad Deutſchland ab, den
einen, Graf Porzia, nad) Dberdeutichland, den anderen, Dr. Kaſpar
Gropper, zu den katholiſch gebliebenen Ständen in Franken, am
Rhein, in Niederdeutichland. Im allgemeinen hatten beide Befehl,
die Publikation und Exekution der Trienter Konzilsbeihlüffe zu
betreiben, daneben dann eine Menge von befonderen Aufträgen
für einzelne Reichsftände und BPerfonen. Mit dem Erwählten
von Köln jollte Gropper hauptſächlich die Konfirmationsangelegen-
heit ordnen.
Der Unterhändler, ein jüngerer Bruder des berühmten im
Fahre 1559 zu Rom verftorbenen Theologen Dr. Johann Gropper
und jein Nachfolger als Propft und Ardidiafon von Bonn, war
gut gewählt, da er gewiſſermaßen mit einem Fuß im Erzſtift
Köln, mit dem anderen, al3 Aupditor der Rota, in der Kurie
ftand. Zudem machte ihn fein nachgiebiges Zemperament jowie
feine Empfänglichfeit für Geſchenke zum Vermittler wohl geeignet.
Bereit3 im Jahre 1568 hatte er fi als Salentins Sollicitator
um deſſen Konfirmation bemüht. Jetzt kam ihm zugut, daß jein
eigener Neffe, Dr. Gotfrid Gropper, Dedant von St. Marien
ad gradus, Scholaftifus von St. Gereon und BPriefterfanonifus
am hohen Dom zu Köln, Salentins vertrautefter Rat war ?).
Wie Gotfrid Gropper bei dem Streit um den Zoll von Zons
feinen Oheim, den Nuntius, zurate zog, fo wird er dieſem ſeiner—
ſeits als Gehilfe bei den Verhandlungen über die Konfirmation
gedient haben.
Den eriten Anlaß, die Berhandlungen wieder aufzunehmen,
1) Vgl. oben ©. 32 Anm. In dem oben ©. 153 Anm. angeführten
Eolloquium rühmt Grapheus von Dr. Gotfrid Gropper:
Groppere, salubri
Consilio qui primus ades: te docta Minerva
Erudiit, tibi sacrosancta volumina legum
Nosse dedit, Sophiae jocundos ire per hortos.
Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 203
bot die zunächft vom Domkapitel, ſodann auch von Salentin jelbft
an den neuen Papſt gerichtete Bitte um endlihe Konfirmation
de3 jo lange ſchon defignierten Weihbiſchofs Dr. Theobald Craſchel.
Gregor XIH. berief ji wieder auf den von Pius V. aufgeftellten
Satz, daß man feinen Suffragan, d. i. Gehilfen des Erzbiſchofs
machen könne, ehe man einen Erzbiihof habe, des letzteren Bes
ftätigung alfo vorausgehen müſſe. Bereits im Dezember 1572
ging in Brüffel das Gerücht, der Kurfürft habe nun aud um
jeine eigene Konfirmation nad Rom geſchrieben. Scharberger wollte
zwar nit daran glauben — hatte er doch jüngft mit eigenen
Augen gejehen, wie wenig vom Geiftlihen Salentin an ſich hatte.
Das bewies jedod) nichts; fraglich war vielmehr nur, ob man fi
in Rom und Köln über die Bedingungen der Konfirmation einigen
fonnte ). Pius V. hatte zwei Bedingungen als unerläßlich auf:
gejtellt: Den Zrienter Eid und die Prieiterweihe. Die zweite
ließ Gregor fallen; er veriprad auf einige Zeit zu Dispenfieren.
Damit fiel Salentins Hauptanftand. Denn er wollte zwar fatho=
lic bleiben, aber jedenfalls heiraten; wurde er Priefter, jo mußte
er auf Erhaltung feines Stammes verzihten. Seine Bedenken
gegen den Zrienter Eid, von Anfang an mehr gegen die formelle
Neuerung al3 gegen den Inhalt gerichtet, find vielleicht durch den
Kaifer gehoben worden. WMarimilian hatte ja ſchon dem Vor—
1) 15. November 1572 bewilligt das Domkapitel bem befignierten Weih-
bifhof ein Fürfchreiben an ven Papft, 29. November 1572 wird basjelbe
ausgefertigt. DA. Domlap.-Prot. 7. Mai 1573 fchreibt Salentin deshalb
an Gregor XIII. Theiner |. c., p. 112. Zum 26. Oftober 1573 notiert
das Protokoll aus dem erften Vortrag des Nuntius Gropper im Kapitel:
Capitulum seripsisse quidem Pontifici de suffraganeo, quae literae fue-
runt quidem Pontifici gratae, sed doluisse, quod non potuerit gratificari ;
nec enim posse suffraganeum dari, nisi sit cui suffragetur. Itaque Rmum
eommonendum, ut is quemadmodum confirmationem petiit, ita eam pro-
sequi velit. Egit nuncius cum D. Rmo et sperat ipsum et suffraganeum
confirmandum; si non succedat, aget cum capitulo latius. Bgl. oben
©. 45. Steph. Ifaac, Hiftoria BL. 245 behauptet, Erafchel fei wegen
der Religion den Jeſuiten verbächtig gewefen und deshalb lange Zeit unbe-
ftätigt geblieben.
204 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
gänger Friedrih von Wied geraten, den Eid zu leiften, wie konnte
er jegt abraten? Die Sache wurde übrigens ziemlich geheim be=
handelt. Wir wiſſen nur ſoviel, daß die Urkunde über den Trienter
Eid, von Salentin eigenhändig unterjchrieben, durch den Wiener
Nuntius Johann Delfino nah Rom übermittelt wurde. Späte:
ſtens im Dezember 1573 muß fie bier eingetroffen fein, denn
bereit3 am 19. d. Mts. erfolgte Salentins Konfirmation ). Von
diejem Tage ift wenigftens das Breve datiert, worin Gregor dem
Erzbiſchof mitteilt, daß er mit Zuftimmung aller Kardinäle des
Konfiftoriums ihn beftätigt habe, wegen der bisherigen Nutznießung
der erzbiihöflichen Einkünfte dispenfiere und ihm gejtatte, während
eines Jahres ungeweiht zu bleiben. Zugleich veriprad der Papft
den gewünſchten MWeihbiihof zu geben und ermahnte da3 Dom—
fapitel, feinen nunmehrigen Erzbiihof in Erfüllung der Pflichten
feines Amtes zu unterftügen. Die Zare für Konfirmation und
Pallium wurde dem Erzbiihof ganz erlaffen; nur für die Expe—
dition der Bullen u. dal. verblieben einige Koften, welche aber
jedenfall3 viel weniger betrugen al3 das Subsidium caritativum,
d. i. die Beifteuer, melde nah altem Braud) und Recht jeder be—
ftätigte Erzbiihof von feinem Klerus fordern durfte). Für den
1) Das Breve vom 19. Dezember 1573 bei Theiner, p. 113. Am
31. Dezember 1573 ſchickt der bayrifche Agent zu Wien, 2. Haberftod, an Her-
zog Albrecht eine Kopie der von Kurfürft Salentin abgelegten Profeffio fidei
und bemerkt dazu, eine gute Perfon (der Nuntius felbft?) Habe ihn dieſelbe
im gebeimften Vertrauen während ber Nacht abfchreiben laſſen. StA. 9/3,
fol. 174. Die Formel ift die gewöhnliche, nur ift (wenigftens in Haberſtocks
Kopie) die Nennung ber Zrienter Synode vermieden. 9. Januar 1574
ſchreibt Dr. Bieheufer aus Wien an Herzog Albredt: „Sovil den erz=-
biſchoffen zue Cöln curf. betrift, feint ier 8. Mt das die profeffio fidei zue
ber bäbftlihen Ht beniegen bejchehen und fein curf. G. drauf confirmiert
worben, gift und gar wol zefriden.” StA. 230/83, fol. 220.
2) Erft am 7. Juli 1574 läßt Salentin durch Gotfrid Gropper dem
Domkapitel feine Konfirmation anzeigen und zugleih um das Subſidium
caritativum anhalten. Vermutlich waren alfo damals erft die erforberlichen
Bullen eingetroffen. Die Verhandlungen mit dem Klerus über das Sub-
fidium caritativum wurden im Januar 1575 zur Aufriebenheit des Erz-
biſchofs beenbigt.
Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 205
gutrechnenden Salentin wurde jomit die Konfirmation obendrein
ein gutes Geſchäft. Der Hauptgrund der ungewöhnlichen Groß—
mut der Kurie war ohne Zweifel der Wunſch und die Hoffnung,
durch Salentins Hilfe einen dem römiſchen Stuhl genehmen Nach—
folger auf den Kölner Biſchofsſitz zu bringen !).
Im Vertrauen alfo auf die bevorftehende Konfirmation hatte
Salentin im November 1573 über die von feinem Domkapitel auf
den Bapft gefegte Hoffnung geipottet. Von Kaifer Marimilian aber
durfte er vermutlich wegen feiner Haltung in der Frage der fünf:
tigen römiſchen Königswahl Gegendienfte erwarten.
Schon zur Zeit des Speirer Neihstages und ſpäter wieders
holt hatten einfihtige Beobachter (zuevft Chantonay, dann Schar—
berger) fid) Salentins Zaudern mit der Refignation durch Rüd-
fihten auf die römische Königswahl erklärt. Wiewohl Kaifer
Marimilian erft einige vierzig Jahre alt war, ließen ſchwere
förperlihe Leiden feinen frühen Tod vorausjehen. Darum lag
ihm daran, beizeiten jeinem jet etwa zwanzigjähtigen älteften
1) 28. Auguft 1573 fchreibt Dr. Fabricius aus Subiaco an Herzog
Albrecht, der Karbinal von Trient habe ihm auf feine Frage, warum Papft
und Karbinäle Herzog Ernſts Sendung nad Rom wünfchten, geantwortet:
Sedem Aplicam serio cogitare de majoribus ornamentis vestri filii, atque
ut hoc tutiori conscientia aliquando fieri possit, ipsam velle ex ejus mo-
ribus et studiis coram cognoscere, quanta spes in illo reponi debeat.
Fabricius fährt fort: Scio ego quare potissimum Gropperus mittatur nun-
cius in Germaniam. Multis sane egi cum S. Ste de eo negotio quod a
nobis Spirae apud Caesarem et alios tractatum est, et quanta pericula,
nisi tempestive occurratur, hinc expetenda sint, ita exposui, ut qua
parte major erat securitas ea parte plurimum advigilari incipiatur. RU.
Hreifing Nr. 78, fol. 68; vgl. oben ©. 150. Als der Nuntius Porzia -im
Oltober 1573 nah Münden kam, ſprach er bem Herzog von dem großen Ver—
langen ©. Ht: a gratificarla... o nella persona sua o ne’ figliuoli Illmi,..
di che sicome n'havea havuto qualche segno nella habilitä a conseguire il
vescovato Hildesemense, cosi si promettesse di; vederle piu apparente, pre-
sentandosi l’occasione nell’ arcivescovato di Colonia. Theiner I, 525.
In der offiziellen Faſſung des Vortrags Porzias bei Aretin, Bayerns
ausw. Verh., Urk. S. 17, ift dieſe Abficht inbezug auf Köln, jedenfall nur
um fie befier geheim zu halten, nicht erwähnt.
206 Drittes Bud. Drittes Kapitel.
Sohn Rudolf die Nachfolge im Kaifertum zu fichern. Ander-
ſeits juchten ſchon ſeit 1571 franzöfiiche Agenten bei einzelnen
deutihen Fürften herauszufühlen, ob nicht ihrem Königshaufe, dem
Erbfeind des Haufes OÖſterreich, diesmal die Kaiferwürde zufallen
könne. Nur für kurze Zeit gerieten infolge der Bartholomäus=
nacht diefe franzöfiihen Praltiken ins Stoden. Die fortdauernde
Bewerbung des Herzogs Heinrid) von Anjou um die dur den
Tod des lekten Fagellonenfönigs (Juli 1572) freigewordene pol-
niihe Krone bot neuen Anlaß, aud von der römischen Königs-
wahl wieder mit den deutihen Fürften zu ſprechen. Ohne Zweifel
wußte Marimilian um dieſe franzöjiihen Umtriebe gegen fein
Haus. Hatte man doc auch feinen guten Freund, den Kurfürften
Auguft von Sachſen, bereit3 um jeine Stimme für Frankreich an=
geiprodhen. Zu Anfang des Jahres 1573 kam Auguft perjönlic)
zum Saifer nah Wien. Nachher finden wir ihn als entichiedenen
Gegner der franzöfiihen und Freund der öfterreihiichen Bewerbung
um die polnische Krone. Vermutlich fiherte ih Marimilian
gleichzeitig Schon feine Stimme für die Wahl Rudolfs zum rö—
miihen König. Nicht minder wahrſcheinlich, wenngleich noch nicht
aftenmäßig nachgewieſen ift, daß auch mit anderen den Haufe
Dfterreih von vornherein wohlgeneigten Kurfürften, zunächſt etwa
mit dem Brandenburger, dann mit Salentin von Köln, jhon in
den Jahren 1572 und 1573 derartige Abreden im Werk waren.
Mir vermuten weiter, jedocd weniger zuverläffig, daß mit Salen—
tins Beziehungen zum Kaiſer auch feine jekige Haltung in den
niederländiihen Händeln zujammenhängt.
Seit dem Beginn der niederländischen Unruhen und immer
mehr, je mehr Albas Zyrannei die deutihen Stände, namentlich)
die evangeliichen, beichädigte oder beunruhigte, hatte Kaiſer Maxi—
milian zu vermitteln geſucht. Im Jahre 1572, als die Ein-
miſchung der Franzofen die Gefahr erkennen ließ, daß die bur—
gundiichen Exblande dem Haufe Dfterreih ganz entriffen werden
könnten, und al3 zugleih Alba, die Ohnmacht feines Schredens=
ſyſtems erfennend, jeine Entlafjung von König Philipp forderte,
Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 207
nahm Maximilian die Gelegenheit wahr, ji neuerdings als
Vermittler anzubieten und darauf hinzuweiſen, daß der König
durch Ernennung eines der Brüder oder Söhne des Kaifers zu
feinem Statthalter die Gemüter in den Niederlanden verjühnen
lkönne. Vielleiht auf Wunſch des Kaifers, vielleiht auch aus
eigenem Antrieb — denn auch jeine Lande litten unter dem
Kriege — ſandte Kurfürft Salentin im Juli 1573 feinen Oberft
Hans Brempt zu Alba und erbot fi zwiſchen Dranien und dem
König zu vermitteln. Seltſam genug, gerade Salentin, deſſen
Reiter nod) vor wenigen Monaten gegen Dranien im Felde gelegen
hatten, in diefer Rolle zu jehen! Da auf ein älteres freund-
Ihaftliches Verhältnis zu Dranien nichts Hindeutet, jehen wir ung
zur Erklärung auf das wenige bingewiejen, was wir über Sa—
Ientins bisherige Beziehungen zu Draniens Brüdern, den Grafen
von Naflau, wiſſen.
In perfönlihem Verkehr mit diefen, von den allerwärts üb:
lihen Grenzirrungen abgefehen, finden wir den Kurfürften zuerft
in Dftober 1572. Damals hatten die Reiter des Herzogs Eric)
von Braunſchweig auf ihrem Anritt nad) den Niederlanden bei
der weſtfäliſchen Stadt Drolshagen, auf Kölner Gebiet, ſieben
oder acht Stück Geſchütz weggenommen, melde Eigentum des
Grafen Johann von Naſſau waren. Auf Sohanns Bitte jete
Salentin duch, daß Herzog Erich dieſes Geihüg ihm in Vers
wahr lief. Einige Monate jpäter erihien Graf Johann mit
jeinem jüngeren Bruder Heinrich zu Arnsberg, wo fie vom Fur:
fürften jehr gnädig aufgenommen und mit den kurkölniſchen Lehen
des Hauſes Naffau belehnt wurden !). Ber diefem Anlaß ermwiejen
die Grafen ihrerjeit3 einem Manne einen Dienft, der bei Salentin
in großer Gunft ftand, dem kölniſchen Marihall Rutger von der.
Horft. Diefer war mit feinen Brüdern Dietrih und Heinrid an
einem großen Salzhandel beteiligt, welder von Friesland aus
1) Die tölnifchen Lehen des Haufes Naffau find verzeichnet bei Yacoın-
blet, Archiv IV, 405.
208 Dritte Bud. Drittes Kapitel.
nad dem Rhein und anderen Gegenden hin betrieben wurde. Die
Grafen verwandten ſich num bei ihrem Bruder, dem Prinzen, jehr
warm dafür, dak man von niederländiiher Seite dem Verſand
jenes Salzes nichts in den Weg lege, um fo jenen wichtigen
Mann aud fernerhin dem Haufe Naffau wohlgeneigt zu erhalten ?).
Seitdem erjheint Rutger von der Horſt mehrfach als Vertrauens—
mann zwiſchen Salentin und den Nafjauern.
Mieder ein paar Monate jpäter (im Mai 1573) wurde Graf
Johann eines Tages von Salentin, unter Berufung auf ihr
jüngftes Zuſammenſein in Arnsberg, zu einer baldigen vertraus
lihen Unterredung nad) Schloß Brühl dringend eingeladen. Jo—
bann erſchien ſofort. Worüber beide verhandelten, können wir
wieder nur erraten: vermutlich eben über jene vom Kaiſer oder
bon Salentin gewünschte Ausföhnung Draniens mit dem ſpaniſchen
König. Brempt wurde wohl gerade infolge der Brühler Unter-
vedung zu Alba gefandt, welcher übrigens den ungebetenen Ver—
mittler ziemlich ſchroff abwies. Während der Zufammenfunft in
Brühl ſcheint Salentin u. a. aud) über feine Unluft am geiftlichen
Stand, fowie über feinen Wunſch, durch eine reihe Heirat feine
Familienverhältniffe aufzubeſſern, in feiner Weife derb und offen=
berzig geiprochen zu haben. Das wurde wenigftens der Nuntt,
an welchen die Naſſauer Grafen den Kurfürften zu faffen und mit
den Intereſſen ihres Haujes zu verfledhten juchten.
Wir werfen hier einen flüchtigen Blick auf die politische
Stellung diefes Grafenhaufes.
MWilheln von Dranien hatte fein eigenes Schidjal auf die
Mürfel gejekt, welche über die Freiheit der Niederlande vom ſpa—
nischen Joch entſchieden. Dadurch kam feine Perſon gleihjam ins
Zentrum der europäischen Politik zu ftehen. Denn die Nieder-
1) Der Salzhandel ber Gebrüder von ber Horft gab bem Grafen Johann
fpäter noch mehrmals Anlaß zu Empfehlungsbriefen, 3. B. an Kafpar von
Schönberg und an Graf Günther von Shwarzburg. Auch vom Kurfürften von der
Pfalz und vom Herzog von Jülich verſchafften fi die Brüder Empfehlungen
an Oranien und die Staaten. DillA. Dill. Korr. 1574, fol. 119 ff. 353.
Kurfürft Salentin und das Haus Nafjaı. 209
lande waren das Feld, auf welhen die Häufer Oſterreich und
Frankreich, Rom und Genf um die Weltherrſchaft ſtritten. Auf
fih allein angemwiejen hätten Dranien und feine Niederländer
ſehr bald der militärifhen Überlegenheit der Spanier erliegen
müſſen; num aber fanden fie, bald aus politiidden, bald aus reli-
giöſen Motiven immer wieder einen Rückhalt an Frankreich, an
England, an Deutihland. Den Mittelpunkt der deutſchen Un-
terftügung bildete die naſſauiſche Feſte Dillenburg. Hier hatte
fih Dranien zu feinem erjten Feldzug gegen Alba gerüftet; hier
fand er eine Zufluchtsſtätte, als er, ein Flüchtling, im Jahre
1569 die Waffen niederlegen mußte; von hier aus wurden mies
der die Weiter und Knechte geworben, mit welden er im Jahre
1572 die Waffen von neuem ergriff. Seine Brüder, die
Grafen von Naffau-Dillenburg, gaben dazu ihr Geld, ihre Klei—
nodien, ihren Kredit her. „Eher follte die Welt aus den
Fugen gehen, al3 daß fie in Niedrigfeit ftille figen wollten “,
urteilte damals ein feiner Kopf über die Naffauer Grafen !). Be:
reit3 hatte einer von ihnen, Graf Adolf, im Dienfte der nieder-
ländiſchen Unabhängigkeit jein Leben gelafien (1568). Ein anderer
Bruder, Graf Ludwig, war bald da bald dort in Halb Europa,
mo immer er dur feine religiöſe Begeifterung, verbunden mit
jeinem ritterlihen vor feiner Gefahr erichredenden Auftreten den
fämpfenden Niederländern Sympathieen und materielle Hilfe zu
verichaffen wußte. Selbit den ug abwägenden ſächſiſchen Kur:
fürften nahm er. für fi, ein. Bon Landgraf Wilhelm von Heffen
1) Les dits princes d’Orange (gemeint find die Nafjauer Grafen, na-
mentlich Ludwig) veulent plustost veoyr renverser le munde san dessus
dessoubz, que demeurer paisibles en basse fortune, fchreibt Jean be Mor-
villiers, Biſchof von Orleans, im einem Gutachten für die Königin Katharina
von Medici vom 11. April 1573. Groen van Prinsterer IV, 63* —
Eine: Anfiht. von Dilfenburg, im Jahre 1517 (sic! wohl 1617?) und ein
Grundriß vom Jahre 1763 in einem Auffat von Aug. Spieß über bas
Schloß Dillenburg im den Ann. bes 83.8 für nafl. Altertumskunde und
Geſchichtsforſchung 1870, X, 228 ff.
Loffen, Köln. Krieg I. 14
210 Drittes Bud. Drittes Kapitel.
fagte man, Graf Ludwig ſei ihm ein Halbgott. Die Spanier,
Draniens Zodfeinde, behandelten feinen tapferen Bruder nad) der
Kapitulation von Mons mit ausgefudter Hochachtung. Bedäch—
tiger und borfichtiger, aber gerade deshalb wohl geeignet, mit den
meift ängftlihen, ftet3 umftändlichen deutihen Reichsſtänden zu
verhandeln, war der ältere Bruder Graf Johann, der Landesherr
der Grafſchaft Naffau Dillenburg.
Der Waffengang des Jahres 1572 hatte für Dranien und
feine Niederländer wieder mit einer ſchweren Niederlage geendigt;
mühſam nur und halb verzweifelnd mwehrten fi ein paar hollän-
diſche und feeländiihe Städte gegen die ſiegreich bordringenden
Spanier. Da erwedte Frankreichs Politik im Frühjahr 1573
neue glänzende Hoffnungen. Man zeigte fih am franzöfiichen
Hof entichloffen, die Bewerbung um die polnische Krone mit allem
Eifer fortzufegen; galt es doch auch hier, dem Haufe Oſterreich
den Rang abzulaufen. Darum waren alle Feinde diejes Haufes,
des deutichen wie des ſpaniſchen Zweiges, millfommene Bundes-
genofjen. Als jolhen bot fih im März 1573 Graf Ludwig bon
Naffau den Franzofen an: er veriprad mit den Hugenotten, deren
Widerſtand im Süden von Franfreih nod nicht gebrochen, zu
vermitteln, die deutichen Proteftanten, durch die Pariſer Blut-
hochzeit der Krone Frankreich entfremdet, mit ihr wieder auszu—
ſöhnen, fie Frankreichs Bewerbung um die polnische und zugleich
um die Kaiferfrone geneigt zu machen. Als Gegendienit forderte
Ludwig energiihe Unterftügung feines Bruders und der Nieder:
länder und drohte andernfalls mit neuer bemwaffneter Einmiſchung
deutiher Söldlinge in den franzöfiichen Bürgerkrieg. Die Ver—
bandlungen, welde für Frankreich durch den aus Deutichland
ftammenden Dberften Kajpar von Schönberg geführt wurden,
hatten zur Folge, daß Frankreich, ohne offen mit Spanien zu
brechen, doch die Naffauer Grafen durch ein freies Geſchenk von
100,000 Kronen inftand feßte, einen neuen Kriegszug auszurüjten,
der den hartbedrängten Holländern und Seeländern Luft machen
jollte. Am Heidelberger Hof ging man aus Eifer für die Refor-
Kurfürft Salentin und das Haus Nafiau. 211
mation und aus Haß gegen das Haus Äſterreich bereitwillig auf
die franzöſiſch-naſſauiſchen Pläne ein.
Das find in den Hauptzügen die Anfchläge, in welche die
Naſſauer Grafen auch den Kölner Kurfürften mittels feiner
Heiratzprojefte zu verwideln gedachten. Im Auguft 1573 fanden
ſich Graf Johann und Schönberg in Heidelberg ein, wo Kurfürft
Friedrich) IH. feine Mithilfe nicht bloß bei der Werbung Frank—
reichs um die römische Königskrone, jondern aud bei der Ge—
winnung des Kölner Kurfürften in Ausfiht ſtellte. Man wollte,
heißt es in einer Pfälzer Inftruftion, den Kurfürften dem Herzog
Alba abpraktizieren und ihm ein Weib und Penſion von der
Krone Frantreih an den Hals werfen. Die BPenfion follte
Schönberg perjönlih in Paris erwirken; das Weib follte wohl
Kurfürft Friedrichs jüngſte Tochter Kunigunde fein, wobei man
freilich vorausfeßte, daß Salentin erft zum Proteftantismus über-
treten und außerdem Kurfürſt bleiben müſſe ?).
1) De la Huguerye (Memoires, T. I [Paris 1877], p. 203sq.) er-
zählt, zur Zeit ber Reife des Königs Heinrih nad Polen hätten bie Nafjauer
und die Kurpfälzer bie rheinischen Bifchöfe (von Speier, Mainz, Trier,
Lüttich) zum Heiraten bewegen wollen: pres de celuy de Cologne qui estoit
lors Salatin comte d’Isembourg ... (on gaigna) son mareschal [ba8 paßt
auf Rutger von ber Horft] avec de grands moyens; offrant led. Sr Elec-
teur [d. i. Kurfürft won der Pfalz] aud. Evesque de Colongne sa fille en
mariage et de luy conserver l’&vesch& et Electorat héréditaire en sa maison.
De la Huguerye ift fonft freilich fein zuverläffiger Gewährsmann, jedoch
werben biegmal feine Angaben von anderer Seite beftätigt. November 1573
ſchreibt Landgraf Wilhelm an Pfalzgraf Joh. Kafimir: „Darneben können
wir nicht umberlafien E. 8. f. und vertreulich zur erinnern, das E. L. je
juvenili arbore verjöneten feinden und pfaffen nicht zu viel glauben geben,
fondern fich in al den bewuften ſachen gnugzamb verfichern laſſen, bamit
E. 2. oder derjelben fchwefter nicht uf ein eis gefüirt werben.“ Groen van
Prinsterer 1. c., p. 127*. Unter dem verföhnten Pfaffen kann ih nur
Erzbiſchof Salentin verftehen; die Schwefter bes Pfalzgrafen ift die bamals
(1573) etwa fiebzehnjährige Kunigunde Jakobe, die fpätere zweite Gemahlin
bes Grafen Johann von Naſſau. Dazu paßt folgende Stelle ber unten
angeführten Inftruftion für Dr. Ehem aus dem Januar 1574: „So weren
wir... ©. L. zu einem anſehnlichen Heirat und freunbichaft,. dardurch fie
die fürnemfte cur- und fürftliche häuſer im 5. reich am fich brachten, woferne
14*
212 Dritted Bud. Drittes Kapitel.
Noh tm jelben Monat kamen die beiden Grafen Johann
und. Ludwig perjönli mit Salentin zuſammen; doch war man
damals wohl noch nicht jo weit, um über anderes als die (von
Alba bereit? zurückgewieſene) Vermittelung in den Niederlanden
zu ſprechen. Ende September aber meldete Schönberg aus Paris,
fein Herr, der König verlange gar ſehr zu erfahren, was Graf
Zohann mit dem Kölner Biſchof verrichtet. „Könnt ihr ihn“,
fügte er bei, „eueren Erzfeinden mit unſerm Gelde abftriden, jo
joll euch unfer Beutel offenftehen.‘‘
Bald danad) ging Pralzgraf Johann Kafimir, Kurfürft Fried-
richs zweiter Sohn, nad) vorheriger Beratung mit den Naffauer
Grafen und mit Landgraf Wilhelm, zu feinem Schwiegervater
Kurfürſt Auguft nad) Dresden, um aud ihn für das niederländifche
franzöfifch=polnifhe Bündnis zu geminnen; Graf Johann aber
brach in aller Stille am 22. Dftober nad) Arnsberg auf zum
Kölner Kurfürften. Nur jehr allmählih, auf Ummegen, konnte ex
feine eigentlihe Abfiht anbringen. Denn Salentin war auf
Oraniens deutiche Freunde damals jehr ſchlecht zu iprechen, na=
mentlih auf Johann Kafimir, der vor furzem die Kedheit gehabt
hatte, an einer mit kaiſerlichem Geleit in die Niederlande gehenden
Pulverjendung ji zu vergreifen. Deshalb begann der Graf mit
den Angelegenheiten des deutichen Grafenftandes, bezüglih deren
er bei Salentin, als Graf von Fienburg, von vornherein einer
gewiſſen Geneigtheit jicher jein durfte.
Die deutichen Reichsgrafen hatten an der jeit dem Augsburger
Religionsfrieden fortichreitenden Entwidelung der deutichen Land—
ſchaften zu territorialer Unabhängigleit nur in geringem Grad teilge-
nommen. Am meiften ſtand ihnen ihre mangelhafte Vertretung
auf den Reichsverfammlungen im Wege. Denn nur zwei Ver:
tretern ſämtlicher Grafen, einem ſchwäbiſchen und einem Wetter:
auer, geftanden die anderen Weichsftände eine Kuriatitinme
auf den Reichstagen zu. Allerlei Nachteile in Zoll:, Steuer:
derſelbige ©. 2. anmmtig, zu befürbern erpuettig.“ Groen van Prin-
sterer 1. c. IV, 342.
Kurfürft Salentin und bas Haus Naffau. 215
und Juſtizſachen hingen mit dieſer ſchwachen Bertretung zus
fammen. Um ihre Standesreihte beſſer zu mahren, hatten des
halb ſchon vor emiger Zeit die ſchwäbiſchen Grafen einen neuen
Verein gebildet; die Wetterauer folgten im November 1565
ihrem Beiſpiel. Es waren zuerft die Grafen von Naſſau,
Iſenburg- Büdingen, Wittgenftein, Solms, Stolberg: Königftein;
ipäter traten noch andere Grafen, aus den Häufern Hanau,
Wefterburg, Wied und Sayn, der Einigung bei. Salentins Graf:
ſchaft Nieder-Fienburg-Grenzau, obwohl nicht eigentlid, zur Wetterau
gehörig (ebenfo wenig wie Wied), hätte ihrer Lage nad recht
wohl in dieje Einigung gepaßt; hatte doch auch Salentins Vater,
nebft einigen anderen rheiniſchen, jogen. niederländischen Grafen
bordem in einem gemeinjamen Verein mit den Wetterauer Grafen
geftanden. Den Sohn hielt zunächſt wohl feine kirchliche Stellung
vom Beitritt ab. Denn die anderen jogen. Wetterauer Grafen
waren ſämtlich proteftantiih; von ihnen ging beim Reichstag von
1566 Die Supplifation der Grafen aus, worin die Freiftellung
der Religion und die Abihaffung der beichwerlichen Juramente
auf den hohen Domitiftern gefordert wurde. Bald danach bes
fundeten die MWetterauer Grafen lebhafte Sympathieen mit dem
niederländiichen Aufftand, der ja jelbft in jeinen Anfängen den
Charakter einer Auflehnung des Adels gegen das Fürftentum trug.
Die Gemeinihaft der Standesintereffen, melde die Naſſauer Gra—⸗
fen bei Salentin vorausjegen durften, war alſo dur feine ab:
weichende kirchliche und politiihe Stellung gemiffermaßen in der
Schwebe gehalten.
Graf Johann ſuchte zunähft dem Kurfürften Har zu machen,
wie vorteilhaft e3 für den ganzen Grafenitand jei, menn fie zu
Schutz und Zruß ſich feft an einander ſchlöſſen. Er teilte über die
neue Einigung der Wetterauer Grafen einiges mit, und mie fie
ſich bereits mit etlichen benachbarten Fürften, Adeligen und Städten,
und auch mit auswärtigen Potentaten über eine vertrauliche Korre—
Ipondenz verglichen hätten oder noch vergleichen wollten ). Dann
1) De Ta Hugierve (Mem. I, 148 sqg.) Übertreibt in gewohnter Weife,
214 Dritte8 Buch. Drittes Kapitel.
fam er auf das Erzftift Köln zu reden, faft das einzige, zu wel—
chem die Grafen noch freien Zutritt hätten, da ihnen Mainz und
Zrier neuerdings faft ganz verichloffen jeien. Er bat den Kurs
fürften um feinen Rat, wie jenes Erzitift dem Grafenftand er—
halten bleiben fünne. Damit war er endlich bei der Freiftellung
angelangt und auf dem Wege, dem Kurfürſten begreiflich zu machen,
wie nützlich e3 für ihn jein würde, wenn er fich verheiraten und
dabei doch Kurfürft bleiben könne.
Wie nun das Geſpräch weiter ging und und wie Johann auf
das Angebot einer franzöfiihen Penſion fam, willen wir im ein=
zelnen nicht; aber über das Gejamtergebnis der faft jechstägigen
Verhandlung liegt ein Bericht von Johann an einen feiner Brüder
bor, der einen trefflihen Einblid in die höchfliegenden Pläne und
Hoffnungen der Nafjauer Grafen geftattet ). Johann äußert fich
in diefem Brief höchlich zufrieden über den bei Salentin erzielten
Erfolg. In folgenden Punkten meint er auf feinen Beitritt zu
der franzöjiich=proteftantiichen Koalition rechnen zu Dürfen:
1) Salentin jcheint bereit, falls die Sade vorläufig geheim
gehalten wird und die Penſion hoch genug ausfällt, fein ſpaniſches
Dienftverhältnis mit einem franzöjiihen zu vertaujcen.
2) Eine Zufage, die Religion im Erzftift freizuftellen, hat
zwar Johann noch nicht zu fordern gewagt; aber für feine Per:
jon zeigte fih Salentin gemillt, falls man ihm die nötige Unter—
ftügung verſchaffe, troß Heirat Kurfürft zu bleiben. Auch ſchien
er nicht abgeneigt, über die Zulafjung protejtantiiher Kapitularen
wenn er behauptet, vor Oftern 1573 habe unter ber Oberleitung bes Kurfürften
von der Pfalz eine Einigung von Grafen und Baronen beftanden, welche über
10,000 Reiter und 20,000 Landsknechte verfügte. Die Wetterauer Grafen
für ſich konnten ſchwerlich ein Zehntel diefer Leute auf bie Beine bringen.
2) DillA. C. 368, fol. 25 ein Konzept bes Grafen Johann zu einer
fehr ausführlichen Relation über den Anfang der Verhandlungen mit Sa-
Yentin, welches jebodh nur bis zum Ende ber erften Unterrebung reicht.
Der Bericht Über das Gefamtergebnis vom 1. November 1573 (eigh. Orig.?),
wohl an Graf Ludwig gerichtet, a. a. O., fol. 32. Ein Brief von Graf
Johann an Oranien vom 21. November bei Groen van Prinsterer
1. c., Idre Serie Supplement, p. 140*sqg. ift leider nicht entziffert.
Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 215
im Erzftift neben den katholiſchen weiter mit fi veden zu
laſſen.
3) Von einer baldigen römiſchen Königswahl (eines öſter—
reichiſchen Erzherzogs natürlich) wollte Salentin nichts wiſſen.
Das von Johann vorgeſchlagene Medium, d. h. wohl das durch
Sachſen und Pfalz während der Erledigung des Kaiſertums aus—
zuübende Reichsvikariat, ſchien ihm wohl zu gefallen.
4) Rom hat zwar dem Kurfürſten große Anerbietungen ge—
macht, aber noch hat dieſer auf nichts ſich eingelaſſen. Es iſt
alſo hohe Zeit, bald etwas zu thun.
Nicht alle Leute waren ſo vertrauensſelig wie Graf Johann.
Oranien mahnte wiederholt, den Kurfürſten ſcharf im Auge zu be—
halten. Auch Landgraf Wilhelm traute nicht recht. Dagegen
meinten die Kurpfälzer ihrer Sache ſchon ganz ſicher zu fein. Pfalz:
graf Johann Kafimiv und Dr. Chem überbracdhten die frohe Bot-
ſchaft von Salentins bevorftehender Belehrung nad Kafjel und
Dresden und verleiteten dadurch den Kurfürften nicht minder wie
den Landgrafen, dem Erzbischof, falls er die Freiftellung gewähre,
ihre Unterftügung zu veripreden.
Graf Johann ſetzte einftweilen die angeiponnene Korrefpondenz
mit Salentin brieflih fort, aber verſteckt unter falſchen Namen, er
jelbft unter dem feines Hofmeifters Clement von Nimptid, der Kur—
fürft gewöhnlich unter dem Namen des kölniſchen Stallmeifters Wolter
von Gebertähaen ). Den Inhalt diejer Korreipondenz bildet vor
allem die von Salentin dringend gewünjchte baldige Auszahlung
der beriprochenen franzöfiihen Penfion. Denn Werke und nicht
1) Element von Nimptfh (auch Nimes, Nimats u. f. w. gefchrieben)
ift wirflih der Name bes nafjauifhen Hofmeifters (wohl aus ber fchlefifchen
Adelsfamilie diefes Namens); ein kölniſcher Stallmeifter Gebertshaen ift mir
jedoch fonft nicht begegnet. Es gab eine Adelsfamilie diefes Namens, nafjauifche
Lehensleute aus dem gräflih Saynſchen Dorf Gebhartshain (bei Altenkirchen)
ftammend. Arnoldi, Miscellaneen (Marburg 1798), ©. 265. Im 17. Jahr-
hundert erjcheinen die Geberghaen übrigens auch unter ber Kölner Nitter-
ſchaft vgl. Mart. Henr. a Strevesdorff, Archidioec. Colon. descriptio,
Ed. III (1730), p. 56.
216 Drittes Bud. Drittes Kapitel.
bloß Worte wollte er jehen. Schönberg hatte allerdings berichtet,
das König Karl IX. dem Kurfürften eine Penfion bewilligt Habe,
das Geld jelbft kam aber nicht, troß allen Mahnungen des Gra—
‚ren Johann. In einem jeiner Briefe an Salentin, vom 23. No=
vember 1578, bittet der Graf dringend, der Kurfürſt möge ſich doch
zu dem bewußten Jurament (dem Trienter Eid nämlich) nicht
eher verjtehen, bis fie noch einmal mit einander geiprochen hätten. —
Wir wiſſen bereits, daß dieſe Bitte vergeblih war. Nicht lange
währte es, fo kamen nod) andere Anzeigen, dab Johann allzu fühne
Hoffnungen auf Salentin geſetzt hatte.
Im Dezember 1573 traf der neue Polenkönig Heinrich in der
Pfalz ein. Des Kurfürften jüngfter Sohn Ghriftoph und Graf
Ludwig don Naffau Hatten ihn ſchon jenjeits der Grenze in
Empfang genommen und führten ihn nun durch die deutichen
Lande. Auch Graf Fohann und Dr. Chem gaben ihm eine Zeit
lang das Geleite. In Hanau verabihiedeten jie jih, um Kurfürft
Salentin aufzufuhen. Sie hatten ihm die Nachricht zu bringen,
dag ihm von Frankreih 16,000 Livres jährliche Penfion ausgeſetzt
jeien und demnächſt bereit3 ein Fahresgehalt von 6000 Kronen
im voraus bezahlt werden ſolle ). Weiter jollten fie veriprechen,
daß die proteftantiihen Fürften, neben dem Pfälzer Kurfürften
namentlih Landgraf Wilhelm und Kurfürft Auguft, ihn als ver—
heirateten Biſchof aufrecht Halten und der franzöfiihe König fie
dabei unterftügen würde. Dagegen war in Ehems Inſtruktion
auch das, was man von Salentin forderte, deutlich genug ausge—
ſprochen. Es jollte ihm zunächſt seine förmlide Strafpredigt ges
halten werden, weil er fi) al3 ſpaniſcher Beftallter in die nieder:
ländiſchen Kriegshändel eingelaffen. Seine Abfiht zu heiraten ſei
löblich, nicht ebenjo die Abſicht zu refignieren; denn daraus würde
1) Erfter Entwurf zu einer franzöfifhen Beſtallung Salentins dat.
Chalons 20. November 1573 DIEN. a. a. O., fol. 52. Darin verfpridt
Karl IX., dem Kurfürften fortan als Beweis feiner Freundſchaft jährlich
16,000 Livres tourmois zahlen zu laflen. Auf die in Kraft getretene Be—
ftalung vom 4. April 1574 fomme ich fpäter.
Kurfürft Salentin und das Haus Nafjan. 217
dem Grafenſtand großer Nachteil erwachien, demjelben namentlid)
feine Stimme bei der fünftigen römiſchen Königswahl entgehen.
Salentin möge ſich alfo zwar verehelihen, aber das Erzitift be—
halten. Das rechte Mittel dazu ſei die Freiftellung der Religion
und die Befeitigung der beſchwerlichen Juramente im Erzftift Köln.
Salentin jolle jelbft zur wahren chriftlichen Religion der Augs-
burger Konfeſſion treten und eine gottielige Reformation vor—
nehmen, wie jie m Köln vordem von Erzbiſchof Hermann verjucht
und in Magdeburg jüngſt mit Erfolg durchgeführt worden jei.
Nur jo werde er bei den Ständen der Augsburger Konfeflion ſich
einen Rüden fihern. Falls Salentin durch die in der Inſtruktion
meitläufig ausgeführten Gründe zum Übertritt und zur Refor-
mation jeines Erzitiftes jich bereit finden laffe, wolle man ihm
zu einer „anjehnlihen Heirat und Freundſchaft“ verhelfen.
Im Januar 1574 trafen Graf Johann und Dr. Chem bei
Kurfürft Satentin in Kaiferswerth ein, mit ihnen gleichzeitig durch
fonderbaren Zufall der Nuntius Gropper mit jenem Breve, wel-
ches dem Erzbiihof jeine Konfirmation ankündigte. „E. f. ©.
können gedenken‘, jchrieb Ehem an Landgraf Wilhelm, was es
hir ein jeltiamer Effeft geweien, da Graf Johann und ich bei
des Bapftes Nuntiv und feinen ımitgeordneten Jeſuiten an des
Kurfürften Zafel mit einander gegeſſen und getrunfen haben, als
einer den Kurfürften unjerem Herrn Gott, der ander aber dem
Zeufel hat wollen zuführen.‘ — Derjenige, welcher am meiften
Grund hatte, über dieſes Zufammentreffen zu lachen, war übrigens
Sulentin. Nicht als hätte er die Kurpfälzer mit Abſicht hinter—
gangen; fie betrogen fi nur jelbft, wenn fie feine derbe Dffen-
berzigfeit nicht für bare Münze nahmen.
Als Ehem ic, feiner Aufträge, etwa jo wie die Anftruftion
lautete, mündlich entledigt Hatte, antwortete der Kurfürft im Bei—
fein des Marihalls von der Horft ebenfalls mündlich auf alle
einzelnen Punkte. Er fing damit an, wie er das au jonft
liebte, vet derb auf den Pfaffenſtand zu ſchimpfen, dem er fi
nicht aus Neigung ergeben habe, jondern von Herzen feind ſei.
218 Dritted Bud. Drittes Kapitel.
Als Kriegsmann geboren und zum Kriege von Natur geneigt, habe
er gleich feinen Vorfahren Spanien im Krieg gedient, ſonſt aber,
als ein ehrlicher alter Deutiher, mit ſpaniſchen Praktiken nichts
zu Schaffen. Auch fer er nicht verheiratet mit dem ſpaniſchen König,
deſſen Leute ihm vor den Kopf geitogen und nicht richtige Zahlung
geleiftet. Franzöfiihe Kronen feien ihm nicht minder lieb als
ſpaniſche Königsthaler. Dann zog er (08 über das Trienter Winfel-
fonzil und die Jeſuiten, verfiherte aber daneben, daß e3 wider
jein Gewiſſen gehe, von der Fatholiihen Religion, in der er ges
tauft und erzogen, abzutreten. Deshalb müſſe er aud) die ange=
fonnene Heirat, da fie auf dem Fundament der Religion berube,
danfend ablehnen. Man habe feltfame Praftifen um fein Erz—
ftift getrieben, aber er jet nit der Mann, es zu verkaufen.
Wenn er abtrete, möge der Zeufel fein Kapitel holen. Wenn-
gleich er jelbit bei feiner Religion zu bleiben gedenfe, wolle er
doch die andere weder hafjen noch verfolgen. Schließlich gab er
übrigens zu verftehen, wenn man Mittel wife, ihn beim Stift
zu handhaben, zwar verheiratet, aber ohne daß er zur anderen
Religion getreten, jo wolle er nicht refignieren.
Hier lag der Kern der Sache! Salentin wollte das franzö—
fiihe Geld ohne jede Verpflihtung; den Nafjauern aber und den
Pfülzern kam e3 darauf an, daß er fich verpflichte, als Kurfürft
bon Köln bei dem bevorftehenden Feldzug gegen Spanien ihnen
den Rüden zu deden. Deshalb wurde die Aushändigung des
Geldes verzögert; Graf Johann ſchrieb nad) der Kaiſerswerther
Zuſammenkunft erft noch einmal an Salentin, um ſich zu ver—
gewiſſern, daß diejer wirklich eine Zeit lang menigftens Erzbiſchof
bleiben und ſich verpflichten wolle, feiner jegigen Geſellſchaft, d. h.
den Spaniern, aufzulündigen. Er wollte gehört haben, Salentin
gebe Wartegeld aus, daher das Mißtrauen. Dieſem legten
Verdacht widerſprach Salentin entſchieden, auf weiteres aber ließ
er fih nit ein: wenn es mit gutem Gewiſſen fein könne, wolle
er wohl nod eine Zeit lang im geiftlihen Stand bleiben, wenn-
gleih er mehr heraus denn hinein trachte. Aber man mürde ihn
Kurfürft Salentin und das Haus Nafjaı. 219
der Leichtfertigleit zeihen können, wenn er jeine bisherige Gejell-
haft jekt in ihrer höchſten Not um Geld verlaffen wollte,
während er fi doch mit der Zeit gütlih von ihnen frei oder
wenigftens neutral machen könne, wie es ihm al3 einem Ver—
dorbenen von Adel und Kriegsmann dienlich.
Dr. Chem mar mit dem Ergebnis der SKaiferswerther Zu:
fammenkunft im ganzen zufrieden; als ein Fanatiker des refor—
mierten Belentnifjes meinte er ſogar, man babe Salentin bereits
auf gutem Weg zum Evangelium. Landgraf Wilhelm urteilte
anders. Er hatte inzwiſchen erfahren, daß ſich Salentin kurz
por der Kaiſerswerther Zufammenkunft gegen den kurſächſiſchen
Rat Hans von Lindenau jehr ſcharf über den Pfälzer Kurfürften
ausgedrüdt habe, weil diefer nicht nur in Religionsfahen von
den anderen Augsburger Konfellions = Verwandten fid) abjondere,
fondern auch in allerlei Händel mit Frankreich und Spanien
einlaffe, die ebenjo dem Neid) wie ihm felbft zu großem Schaden
gereihen könnten. Zugleih hatte Salentin auch gegen Lindenau
entſchieden erklärt, dab er zwar geneigt fei, jopiel an ihm, Frieden
und Einigkeit im Neid) zu erhalten, für feine Perſon aber in der
katholischen Religion leben und fterben wolle. Nun warf Landgraf
Wilhelm dem Doktor Ehem vor, diefer habe ihn glauben machen
wollen, die Vorſchläge feien von Salentin und nicht, wie ich jetzt
berausftelle, von den Kurpfälzern ausgegangen. Die Kaiſerswerther
Antwort ſei weder gejotten noch gebraten; ihn dünfe, die bewußte
Perſon (Salentin) habe entweder einen Sparten verloren oder —
eine Schlange jet im Graſe verſteckt. „Wir hätten ‘‘, fügte er bei, „auch
wohl leiden mögen, dieweil Ihr feinen befjeren oder gemwifjeren Grund
gehabt, Ihr hättet das Maul gegen ihn jo weit nicht aufgethan, auch
ionderlid) des Kurfürften von Sachſen und unferer damit verihont;
denn wir's dafür halten, was ihr ihm angebradit, werde nicht
lange heimlich bleiben, fondern bald an gehörende Ort“ (er meinte
wohl an den Kaifer) „gelangen, wo es nicht ſchon da ift, und
werde e3 ihm fehr nütze machen; denn wir haben’3 je und aller=
wege für ein lauter Erpisfation und Brillen gehalten.‘
220 Drittes Buch. Drittes Kapitel.
Ehe noch Salentin zum erſtenmale ſeine franzöſiſche Penſion
erhielt, erfolgten, kurz nad) einander, drei wichtige Ereigniffe,
welche einerſeits ſeine perſönliche Stellung innerhalb der großen
politiſchen Parteien, anderſeits die Verhältniſſe der geſamten
niederrheiniſch-⸗weſtfäliſchen Landſchaften weſentlich veränderten.
Das eine davon war die Vernichtung des Hilfsheeres, welches
Ludwig von Naſſau zu Anfang des Jahres 1574 den Nieder-
ländern hatte zuführen wollen: auf der Mobler Heide unweit
Nimmegen am 14. April. Graf Ludwig felbft und fein Bruder
Heinrich, ſowie Kurfürſt Friedrichs Sohn Chriftoph fanden dabei ihren
Tod, — Einige Wochen ſpäter (am 30. Mai) ftarb König Karl IX.
von Frankreih. Auf die erfte Nachricht von feinem Tod verlieh
der Polenkönig Heinrich in fluchtähnlicher Eile fein nordiſches
Reich, um nicht der franzöfiichen Krone verluftig zu gehen. Da—
mit zerfiel die große franzöſiſch- polnishe Koalition gegen das
Haus Oſterreich, deren höchſtes Ziel die Kaiſerkrone gemeien
war. Die deutihen Mittelglieder der Koalition, die Kurpfälzer
und das Haus Naffau, fahen ſich gezwungen, wieder in den
inneren Feinden der franzöfiichen Krone, anftatt in diejer ſelbft
ihre Bundesgenoffen zu ſuchen. Unter dieſen Umständen konnte
Salentins Berbindung mit dem Franzöfiihen König ihnen jeldft
gefährlih werden. — Wichtiger noch für das ganze weltliche
Niederdeutihland wurde das dritte Ereignis, der am 5. April
1574 eingetretene Tod des Biſchofs Johann von Hoya, der
feit einer Reihe von Jahren drei Hodftifter, Dsnabrüd, Münfter
und Paderborn, in feiner Hand vereinigt hatte. Dieſe Ver—
bindung Löfte fi jetzt: die drei Stifter fielen verſchiedenen
Herren zu, von denen jeder feine bejonderen perjönlichen oder
Yamilien-Intereffen hatte, welchen er fein neues Land dienftbar zu
machen fuchte.
Diertes Bud.
Das Haus Jülich und das Stift Münſter.
—— ——
1. Kapitel.
Die weftfälifhen Hochſtifter unter Bifhof Iohann von
Hoya. — Herzog Iohann Wilhelm wird Koadjutor zu
Münſter.*
Johann Graf von Hoya, nachmals Biſchof von Osnabrück,
Münſter und Paderborn, war im Jahre 1529 zu Wiborg in
Finnland geboren, wo fein mit König Guſtav Waſa verſchwägerter
Vater eine Zeit lang als ſchwediſcher Statthalter lebte. Frühe
verlor er die Eltern, erhielt jedoch eine jorgfältige, faſt gelehrte
Bildung, namentlich in Franfreih und Italien. Sieben ver:
ſchiedener Sprachen, rühmte man ihm ipäter nad, ſei er fundig
* Quellen: Für bie Gefchichte bes Bifchofs Johann von Hoya im allgemeinen
und fir Osnabrüd insbefondere: Stüve, Geſchichte bes Hochſtiftes
Dsnabrüd, 2. Teil, 1872. — Für Münfter: Kock, Series Episco-
porum Monaster. Pars III. Monast. 1802. 9. A. Erhard, Ge-
ſchichte Münfters, Münfter 1837, enthält über Biſchof Bernharb von
Raesfeld einiges Eigentümliche, nicht aber für Johann. Nöchells
Ehronit in Gefhihtsquellen bes Bistums Miünfter, Bd. III,
herausgegeben von Janſſen 1856, ift für Johanns Zeit fehr bürftig. —
Für Paderborn: Strunck (Schaten contin.), Annal. Paderborn,
P. III. 1741. Kerffenbroids Catalogus Episc. Paderborn., wel-
den Strund und Kod oft anführen, lag mir nicht vor. — Eine furze
Biograpbie Johanns im lateiniſchen Diftihen bei Chytraeus,
Saxonia, lib. XXIII. — Über feine Beziehungen zu Rom: Lagomar-
sini, Pogiani Ep. III, 60; IV, 168. 304. 314. 322. 405 und Anm.
ju Gratiani, De scriptis invita Minerva II, 35. Laderchius,
J. c. XXI, 420. — Über bie kirchlichen Berbältniffe in den weft-
224 Viertes Bud. Erſtes Kapitel.
geweien. Johanns Anteil an der ohnehm überjchuldeten Graf:
ihaft Hoya (an der unteren Weſer) war gering; darum trat er
nach beendigten Studien (im Fahre 1552) als adeliger Aſſeſſor
beim Reichskammergericht ein und bewarb fi im folgenden Jahre
mit Erfolg um das erledigte Stift Dsnabrüd. Das Amt eines
Kammerriters, wozu ihn Kaifer Karl V. im Fahre 1555 er-
nannte, legte er jedoch ſchon im nächſten Fahre wieder nieder,
vermutlich weil er der Zeilnahme an franzöfiihen Ränfen verz -
dächtig geworden war. Seitdem lebte er ein Jahrzehnt lang ohne
beionderen Anteil an den Reihsgeihäften in feinem Heinen Stift
Osnabrück. Dieſes ftedte ſchon von früher Ber in ſchweren Schul—
den, welche Johann Bei feiner Wahl auf ſich nehmen mußte. Die
ewigen Kriegshändel der fünfziger Jahre, dazu des Biſchofs Hang
zu fürftlihem Prunk fteigerten die Schuldenlaft; Verhandlungen
mit Domkapitel und Landftänden über ihre Zilgung füllen des
Biſchofs Regierungsthätigfeit in diefen Jahren überwiegend aus,
In kirchlichen Dingen hielt fi Johann perfönlih zur römi—
hen Kirche, ftand mit den Kardinälen Dtto. Truchſeß und Come
mendone, jpäter aud mit Pater Ganifius in freundſchaftlichem
Verkehr, lich ſich aber doch nicht dazu bringen, das Trienter Konzil
zu beihiden oder die Weihen zu nehmen. Dem Vordringen der
evangeliihen Lehre in Stadt und Stift wurde wenig Widerftand
faliſchen Stiftern Hamelmann 1. c., p. 1137. 1296. 1344 gg.
Zacobfon aa O., ©. 4925. 515ff. A Tibus, Gefchichtliche
Nachrichten über die. Weibbifchöfe von Miünfter,. Müufter 1862, wo
u. a. das bei Niefert, Münſterſche Urtunbenflg. VII, 27ff. abge-
drudte Bifitationsprotofoll ergänzt und bargethan wird, daß basfelbe
ben Jahren 1571—1573 (nit 1592), angehört. — Münfterfche Ka-
pitulation bes Bifchois Johaun (im Auszug) RA. Hochſt. Münſter
II, 453. — Über die Paderborner Wahl von 1568 Rommel
a. a. O. V, 518. Dazu MA. Paderborn, Cell. 27, Bol. III, ®r. 4.
DU. Domkap.=Prot. vom 15. Februar 1568. — Einzelne Notizen
über Johanns Perfon StA. 95/6. 223/11. 225/2. 224/5. Korreſp.
desjelben mit Landgraf — Groen van Prinsterer |. c.
IV, 294. 350. 5ä*.
Über Herzog Wilhehn von Julich⸗ EleverBerg: Teschenmacher,
Annales Cliviae ed. Dithmarus, Lipsiae 1721, Brosius, Juliae
Die weftfälifchen Hocftifter unter Bifhof Iohann von Hoya. 225
entgegengefegt. Die Folge war, daß altkirhlihe und reforma-
toriihe Lehre und Zeremonieen teilweife neben einander beftanden,
teilweife, namentlih auf dem Land, ein dem Interim Sailer
Karls ähnlicher Mittelzuftand fi) herausbildete. Die Geiftlichteit
war durchgehends katholiſch geweiht, lebte aber entweder in offenem
Konkubinat oder in förmlicher Ehe; Laienfelh und deutſcher Kir—
Hengejang waren allgemein in Gebraud. In der Hauptftadt hielt
nur der Dom die alten Zeremonieen unverändert feft; an den
übrigen Kirchen, bei deren Belegung der Stadtrat mitzufprecdhen
hatte, amtierten halb oder ganz lutheriſche Pfarrer; ſelbſt die
Domſchule Hatte bis in die fechziger Jahre evangeliihe Lehrer.
Der Stiftäadel, meist auf diefer, jodann auf den ſächſiſchen Uni—
verfitäten gebildet, Schloß jid) zum größten Zeil der Reformation
offen an. Des Biſchofs eigene Mittelftellung wird u. a. dadurch
bezeichnet, daß er noch in den fechziger Jahren feinen Dom-
propft Zobft von Dinklage zu den Beratungen des cleviichen
Hofes über eine von Rom unabhängige Kirhenreform abordnete. —
Aber nicht lange danach brachte Johanns Wahl zum Biſchof von
Münfter eine entichiedene Sinnesänderung zumege.
Die kirchlichen Verhältnifie im Stift Münfter ähnelten auf dem
Lande und in den feinen Städten denen im benadbarten Dsna=
brückiſchen. Die Pfarrer, jowie ihre BVizefuraten und Kapläne,
Montiumque Comitum Annal. III, Col. Agr. 1731. von Haef-
ten, Einleitung zu Bd. V ber Urkunden und Aktenftüde zur Gefchichte
bes Kurfürften Ssriebrih Wilhelm, 1869. Dazu bie oben ©. 3 u. 4
verzeichneten Schriften. — Meine Hauptquelle für die Bewerbung um
Münfter und Osnabrüd find zwei Altenbände im DA. Lanbesherrl.
Familienfachen 28% u. 28b (vgl. u. Quellen zu Kap. 3), welche an einigen
Stellen ergänzt werben durch die von Stüve a. a. DO. benutzten
Dsnabrüder Arhivalien; ferner durch MA. Bild. von Osnabrüd
1572—1698. Rep. II. Cell. 26 und Rep. II. Eell. 19. Bol. II.
Über Herzog Heinrih von Lauenburg im allgemeinen v. Robbe,
Geſchichte und Landesbeſchreibung des Herzogtums Lauenburg, 2. Teil,
Altond 1836. F. W. Wiedemannn, Geſchichte des Herzogtums
Bremen, Bd. II, Stabe 1866. Bel. Stüve a. a. O. Bei
Laderchius l. c., XXIII, 65sq. ihn betreffende Briefe von Kaiſer
und PBapft.
Loſſen, Köln. Krieg I. 15
226 Bierte® Buch. Erſtes Kapitel.
welchen die Seeljorge zum großen Zeil überlajjen blieb, waren
regelmäßig geweiht und durch die biihöfliche Obrigkeit eingejegt,
gingen nachher aber mit evangeliichen Reformen oft noch über das
Interim hinaus. Auch hier wurde das Abendmahl gewöhnlich)
unter beiden Geftalten ausgeteilt, wobei mitunter die Gitte
herrichte, nur das Brot während der Mefje, den Wein dagegen
erit nachher bei der Laien-ommunion oder am Krankenbette zu
fonjefrieren. Ohrenbeichte und letzte Dlung waren an vielen
Drten ganz außer Gebraud. Die Geiftlichkeit lebte zum größten
Zeil im Konkfubinat. Nur wo zufällig ein wirklich römisch-gefinnter
Geiftliher die Seelſorge hatte, entſprach auch die kirchliche Praris
mehr der römischen, während wieder einzelne Pfarrer auf dem
Wege lutheriſcher und calviniiher Reform weiter gingen, als dies
die Laien im allgemeinen forderten. Das war beionders an ſol—
chen Drten der Fall, die zwar unter der kirchlichen Jurisdiktion
des Biſchofs ftanden, aber Iutheriihe Landesherren hatten: jo in
der Ichauenburgiichen Landihaft Gemen und in der bentheimjchen
Herrihaft Steinfurt. Im münfterihen Niederſtift (d. i. den
heute oldenburgiihen Amtern Kloppenburg und Vechta und dem
bannoverihen Amt Meppen), wo die firdhlide Jurisdiktion den
Dsnabrüder Archidiakonen zugehörte, glichen die kirchlichen Zuftände
durhaus denen im Stifte Dsnabrüd, d. 5. lutheriiche Lehre und
Kult überwogen.
Dagegen herrichte in der Stadt Münſter jeit der Nieder:
werfung der Wiedertäufer die römiſch-katholiſche Kirche unbeftritten.
In den Pfarrkirchen wie in den zahlreihen Kollegiat- und Kloſter—
firhen entiprad alles genau den römischen Vorſchriften. Die
Erinnerung an die Greuel der Wiedertäufer verſchloß allen reli=
giöjen Reform: Fdeen die Thore der Stadt ). Selbſt vom Laien-
1) Hamelmaun fchreibt um das Jahr 1568 (1. c. p. 1297): Aceidit
autem ex ista secta (Anabaptistarum) hoc, ut viri boni et proceres, qui
veritati addieti erant, sint mutati et ad papisticam religionem inclina-
rint, timentes, illud doctrinae genus, quod nos profitemur, non esse di-
versam ab Anabaptistica. SHamelmanns weitere Behauptung p. 1303:
Die weſtfäliſchen Hocftifter unter Biſchoff Johann von Hoya. 27
feld) wollte man bier nichts wien. Daß unter den münfterichen
Geiftlihen eifrige und gelehrte Verteidiger der römischen Kirche
damals nicht fehlten — ſo der Domprediger und Dominikaner
Nikolaus Steinlage, die Pfarrer von Lamberti und Servatii,
Kaſpar Didius und Johann Kridt, legterer zugleich Weihbiſchof —,
giebt jelbit der hämtihe, mit den münſterſchen Dingen übrigens
wohlbefannte Hamelmann zu. Das fittlihe Leben der münfter-
hen Geiſtlichkeit war jedoch nicht viel anders geworden, als zu
den Zeiten vor der Wiedertäuferei. Auch in der Stadt lebten
Kollegiat- und Prarrgeiftliche meiftens im Konkubinat. Von den
vornehmen Herren des Domkapitel3 konnte man nod jagen, wie
bor vierzig Jahren, „dab der größte Zeil nichts jei als Vertreter
des Adels, herrſchgierige oder lebensluftige Junker, ariftofratiiche
Häupter des Landes, die vom geiftlihen Stand nur das Kleid zu
jeweiligem Gebrauch entlehnten ?).
Da lief im Sommer 1566 ein Rundſchreiben Pius’ V. an die
deutichen Biſchöfe in Münfter ein, welches aufs ſtrengſte befahl, alle
Geiftlichen zur Abichaffung ihrer Konkubinen zu nötigen. Man wußte
im voraus, daß im Munde diejes Papftes die gewaltigen Worte
des Kurialftiles ernft gemeint waren; zudem berief jih Pius V.
ausdrüdlic darauf, daß er der Mithilfe des Kaiſers ficher jei.
Der Biihor von Münfter, Bernhard von Raesfeld, wiemohl jelbft
in diejem Punkt nicht tadelfrei, wagte nicht jeinem Klerus das
Breve vorzuenthalten, ſtieß aber, al3 er e3 auf einer Synode im
Dftober 1566 publizieren wollte, auf jo heftigen Widerſpruch, daß
er die mühjame Regierung, deren er ohnehin längft überbrüffig,
jegt niederlegte (am 25. Dftober 1566) und fi gegen lÜber-
laffung einer Domkurie ins Privatleben zurüdzog ?). Drei Zage
per totam ditionem nihil aliud viget quam papatus, widerſpricht jedoch
dem Bifttationsprototoll bei Niefert a. a. ©.
1) Cornelius a. a. ©. I, 136.
2) Das päpftlihe Rundſchreiben bei Laderchius XXI, 143. —
Erhard a. a. O., ©. 388 ff., mweift allerbings nah, daß Biſchof Bernharb
ſchon feit 1563 an Refignation dachte, folgert daraus aber zuviel (S. 391 A.),
15*
228 Biertes Bud. Erſtes Kapitel.
danad, am 28. Dftober, wählte das Domkapitel den Dsnabrüder
Biſchof Johann von Hoya zu feinem Nachfolger. Schon einige
Rage vor Bernhards Rüdtritt hatte es mit Johann eine Kapi-
tulation vereinbart, welche zeigt, daß die Dombherren, wie loder
au ihre Sitten jein mochten, dod in der Lehre der römischen
Kirche unbedingt ergeben waren: Bevor vom Papfte die Konfir—
mation und vom Kaiſer die Regalien erlangt, dürfe der Ermählte
der Regierung ſich nicht annehmen; er jolle nit bloß für feine
Perſon katholiſch fein, jondern auch die alte katholiſche Religion,
wie die römische Kirche diejelbe bisher bekannt, im ganzen Stift
handhaben und feine fremde Lehre dulden, dem Papfte und dem
Kaiſer folle er allen jhuldigen Gehorſam leiften und binnen
einem Jahre nad erlangter Konfirmation fi konſekrieren laffen.
Im übrigen enthielt die Kapitulation gleich allen anderen dieſer
Zeit zahlreiche Artikel, welche des Biſchofs landesherrlihe Gewalt
zugunften des Domlapitel3 und der anderen Landftände einſchränk—
ten. Ihr eigentümlich ift die Bedingung, daß die päpftliche Be—
ftätigung nur für den Biſchofstitel, nicht für eine bloße Adminiftra-
tion erlangt werden dürfe.
Biihof Johann Hatte ſchon einige Monate vor diefer Wahl
dem Kardinallegaten Morone veriprodhen, ſich weihen zu lafien.
Die Erwerbung eines jo anjehnliden Stiftes wie Münfter er—
leihterte ohne Zweifel dem ehrgeizigen, ftet3 geldbedürftigen Herrn
diefen Entſchluß. Das Weitere vermittelte der Huge Commen-
done. Auf feinen Rat hin erteilte der ſonſt jo ftrenge Papft
ohne weiteres Abjolution wegen des langen Aufihubs der Kon—
jefration, geftattete, dah abweichend von der kanoniſchen Regel ein
und wiberfpricht ſich nachher felbft (S. 394). Es ift fehr unmahrfcheinlich,
daß dem Ehronoftihon bei Ehyträus (1. c. lib. XXI aus Kerfjenbroid ?):
Et CVM sCorta VeLInt, LVgens eLeCte reCedes (1566), nichts Thatſäch-
liches zugrunde Tiegen ſollte. Strund (l. c., p. 382) citiert als feine Quelle
neben Chyträus noch „Masen. Ms. collect, hist, Pad.“ Man ift nicht be—
xechtigt, die alte Erzählung, bevor fie fritifch geprüft, zu verwerfen.
Die weftfälifchen Hocflifter unter Bifchof Johann von Hoya. 229
einziger Biſchof unter Affiftenz einiger Äbte die Biſchofsweihe vor=
nehme, und gab zu, daß der Erwählte als Biihof von Münfter
zugleih Aominiftrator von Dsnabrüd blieb. ALS einer der erften
deutihen Biſchöfe leiftete nun Johann den Zridentiner Eid in die
Hände des Weihbiſchofs Kridt und wurde von ihm, am 4. und
5. Dftober 1567, im Sreuzherrenklofter Bentlage bei Rheine erft
zum Priefter, danad) zum Biſchof geweiht. Unter Affiftenz des
münfterihen Domdehanten Johann von Schending und des
Scholaſters Goddert von Raesfeld, eines Bruders des abgetretenen
Biſchofs, feierte der Neugeweihte feine Primiz. — Wenige Mo—
nate jpäter verichaffte ihm der Tod des alten Paderborner Biſchofs,
Rembert von Kerfjenbroid, neuen Machtzuwachs.
Die kirhlihen Verhältniſſe im Stift Paderborn entipradhen
etwa den osnabrüdishen: die große Mehrzahl der Geiftlihen und
Laien in einem Zuftand der Unsicherheit, des Schwanfens zwischen
den gewohnten Formen der alten Kirche und den Forderungen der
neuen evangeliihen Lehre; Hin und wieder ein Geiftlicher bereits
vom Geifte der auf feſten Grundfägen erbauten tridentiniichen
Reform ergriffen, andere dagegen gemwillt, folgerechter als die
übrigen das lutheriihe Syftem von der Rechtfertigung durd den
Glauben ohne des Geſetzes Werle aud auf Kult und Sakra—
mentenfpendung anzuwenden. An den benadbarten lutherischen
Grafen von Schauenburg, Walde, Lippe, zum Zeil des Stiftes
Lehensleuten, und befonders an dem Landgrafen von Hefjen hatten
dieje einen ſtarken Rüdhalt. Einer der erften Adeligen des Lan-
des, der Edelherr Johann von Büren, hatte ji) bereits offen für
das Luthertum erklärt. Ebenſo gefinnt war die Mafje der Pader—
borner Bürgerſchaft. In den legten Regierungsjahren des für
feine Perfon zwar eifrig katholiſchen, aber bereit3 altersſchwachen
Biſchofs Rembert hatte fie in dem Pfarrer der Marktlirhe, Mar—
tin Hoitband, einen vom Utraquiften allmählih zum Lutheraner
gewordenen Führer gefunden, den der Biihof nur mit großer
Mühe aus der Stadt entfernen konnte. Hoitband begab ſich in
den Schuß des Landgrafen von Helfen, der fi, auf Anrufen von
u . Viertes Bud. Erftes Kapitel.
Hoitbands Pfarrfindern, für feine Wiedereiniegung bemühte.
Darüber ftarb der Biſchof.
Vielleiht waren es gerade dieſe Verhältniffe, melde das
Domkapitel bewogen, Schon zehn Zage nad) Remberts Tode einen
mächtigen fatholiihen Nachbarfürften, den Biihof von Münſter
und Dsnabrüd, als neuen Herrn zu wählen (22. Februar 1568).
Bon drei Gegenbewerbern willen wir: bon dem einen, Landgraf
Wilhelm für feinen jüngften Bruder Georg, wollten die Dom:
herren wegen der Religion nidht3 wiſſen; auch gegen den zweiten,
Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunſchweig für feinen Entel,
mochten veligiöje Bedenken ſprechen; der dritte, Kurfürft Salentin
von Köln, war zwar fatholiih und mächtig genug, aud war
Paderborn ſchon mehr al3 einmal mit Köln vereinigt geweien;
man nahm aber vielleicht Anſtoß daran, daß Salentin noch nicht
vom Bapit für Köln beftätigt war.
Der neue Biihof Johann von Hoya entiprad den Er—
wartungen der Katholifen. Hoitband hatte nad) Rembert3 Tod
gewagt, nad Paderborn zurüdzufehren, wo ihm die Bürgerichaft
jofort wieder zufiel. Aber bereits im Auguft 1568 mußte er vor
Biihof Johann eriheinen und dann von neuem die Stadt räumen.
Dieje Energie erwarb dem Grwählten die volle Gunst des Papites.
Zwar kam es Pius V. anfangs hart an, gegen feine Grundiäße
drei Bistümer in einer Hand vereinigt zu laſſen; ſchließlich half
er ſich durd eine Fiktion, welche zugleich den Vorteil einer Stei—
gerung der päpftlihen Machtfülle in ſich ſchloß. Der Papſt bes
traute nämlich, vorgeblich nach eigenem Ermeſſen und auf Wider:
ruf, den Biihof von Münfter mit der zeitweiligen Verwaltung
de3 verwaiften Stiftes Paderborn. Johanns Agent in Rom, der
osnabrüdiihe Sekretär Lorenz Schrader, rühmte ſich ſpäter, dieſen
Ausweg gefunden zu haben, welcher dem Biihof den Vorteil bot,
daß er nicht wieder wie für die münfterfche Konfirmation ein
paar taujend Zhaler nad Rom zahlen mußte.
Don da ab zeigt fih Johann von Hoya bemüht, in feinen
drei Stiftern die Dekrete des Xrienter Konzils durchzuführen.
Die weſtfäliſchen Hochftifter unter Bifhof Johann von Hoya. 2381
Regelmäßige Diöcefaniynoden wurden vorgeichrieben, Vifitationen
abgehalten und dabei die Geiftlihen über Lehre, Leben und
Salramentenverwaltung ausgefragt, hartnädig bäretiiche des Lan-
de3 verwieſen. Als Slaubensnorm ſollte fünftighin der auf Grund
der Zrienter Dekrete abgefaßte römishe Katechismus gelten, von
welhen Biſchof Johann eine eigene Ausgabe in Köln druden
ließ ). Weitaus die meiften Geiftlihen, aud im Osnabrückiſchen,
fügten fi geduldig des Biſchofs Machtgebot, leifteten den Eid
auf das Zridentinum und gelobten bei der ihnen auferlegten rö—
miſchen Gottesdienftordnung zu leben und zu ſterben. Nachmals
brachen freilich viele den erzwungenen Eid nicht minder leichtfinnig,
als jie ihn jegt ſchwuren.
Dem kirchlichen Verhalten Johanns entipradh das politiſche.
Er unterhielt mit dem Brüſſeler Hof freundſchaftliche Beziehungen,
zeigte für ſeine Perſon große Luſt, dem Landsberger Verein bei—
zutreten, und ließ ſelbſt die Geneigtheit durchblicken, den jungen
Herzog Ernſt von Bayern zu ſeinem Koadjutor zu machen. Wie
ſehr ſein Anſehen durch den Beſitz der drei Stifter gewachſen war,
zeigt ſich z. B. darin, daß durch ihn Kaiſer Maximilian im Jahre
1670 ſeine mit König Philipp verlobte Tochter Anna nach den
Niederlanden geleiten ließ. Daneben gab er freilich den höf—
lichen Verkehr mit den proteſtantiſchen Nachbaren, namentlich
mit Landgraf Wilhelm von Heſſen und Herzog Julius von
Braunſchweig, nicht auf. Einmal (im Jahre 1570) fand er ſich
— — — —
1) Catechismus ex decreto Concilii Tridentini ad Parochos ...
mandato et autoritate Rei in Christo patris S. R. I. principis et domini,
Dni Joannis ex comitibus de Hoya, episcopi Monasteriensis, necnon Osna-
burgensis et Paderbomnensis ecclesiarum administratoris perpetui etc.
editus. Coloniae apud Gervinum Calenium et haeredes Quentelios. 1572.
40 in ſchönem Drud und Papier. Auf ber Nüdfeite bes Titel ein Bruft-
bild des Biſchofs in Holzichnitt. Dabei auch ein Breve Pius’ V. vom
3. November 1571, wodurd der Bifchof ermächtigt wird, den römischen Ka—
tehismus zu bruden und zu überlegen. Ein Eremplar besfelben fchidte
Johann mit feinen Briefen zur Empfehlung ber Koadjutorie des Herzogs
Johann Wilhelm nah Rom.
232 Viertes Buch. Erftes Kapitel.
jogar bei der Zaufe einer Zochter des lutheriihen Herzogs in
Wolfenbüttel ein‘). Das geihah zumeift wohl zur Erhaltung
feines fürftlihen Anjehens, auf das er gewaltigen Wert legte.
Man konnte ihn tief beleidigen, wenn man ihn nicht mit den be=
anipruchten fürftlichen Ziteln ehrte. Er hielt ein zahlreihes Hof-
gefinde; „‚vierundzwanzig vom Adel‘, berichtet man im Jahre
1570, „warteten ihm allein auf den Dienft“. Dabei war er
gaftfrei und ein Freund von ftarken Zrinkgelagen. — Aber Prunk—
ſucht und Gaftereien waren gefährlihe Klippen für feine fatho-
liſchen Reftaurationsbeitrebungen. Sie bradten ihn immer tiefer
in Schulden; er brauchte die Hilfe feiner Landftände und mußte
fie, wenigftens im Osnabrückiſchen, dadurch erfaufen, daß er’zu
religiöfen Eigenheiten ein Auge zudrückte. So kam es, daß hier
und vermutlih ebenjo im Stift Paderborn troß feinem heftigen
Anlauf die kirchlichen Verhältnifie am Ende feiner Regierung nicht
viel anders lagen als am Anfang.
Der Wunſch, aus den Schulden herauszulommen, war e3 ver—
mutlih aud, was ihn bereitwillig auf den Vorſchlag eingehen lieh,
den Sohn des reihen Herzogs von Fülih-Eleve-Berg zum Koad—
jutor zu machen. Doch ging diejer Plan nit von ihm fondern
vom berzoglihen Hofe aus.
Im Jahre 1496 hatte die Eheberedung zwischen dem Erben
von Gleve-Marf, Herzog Johann III, und Maria, der Erbin von
Fülih-Berg-Ravensberg, den Grund gelegt zu der Union diefer
Landichaften, welhe dann im Fahre 1521, elf Jahre nad) der
Bermählung Johanns mit Maria, wirklich erfolgte. Dem einzigen
Sohn beider, Herzog Wilhelm IV., fielen im Jahre 1539 die
weiten ſchönen Lande zujammen zu; die Landftände wünſch—
ten aber, dag aud über Herzog Wilhelms Leben hinaus die
1) Kock L. c., p. 135 ohne Angabe der Duelle.
Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 233
Vereinigung fortdauere. Dieſe war anfangs eine bloße Berjonal-
union geweſen; nad) und nad) brachte jedoch die Gemeinſamkeit des
Regenten auch zwiſchen den politiichen Intereſſen feiner Unters
thanen und Länder eine gewiſſe Ausgleihung zumege, wie fie ähn—
lich ein FZahrhundert früher bei der Vereinigung von Jülich mit
Berg und von Cleve mit Mark vor fi gegangen war. Es
blieben zwar zwei Kanzleien, zu Düffeldorf und zu Cleve, und ein
doppelter Hofrat beftehen, doch gab e3 jchon eine Menge von ge=
meinjamen Angelegenheiten, welche in gemeinfamer Beratung er=
ledigt wurden. Dazu kam, daß fi des Herzogs Hoflager bald da
bald dort in den verjchiedenen Landichaften befand; das erleichterte
perfönlihe Beziehungen unter dem Landadel und machte aud ihm
die Fortdauer der gemeinfamen Regierung erwünſcht. Endlich war
ohne Zweifel auch hier der allgemeine Drang des Jahrhunderts
zur Ausbildung der Primogenitur wirkſam. Vermutlich hatte man
ſchon bei der Vermählung Wilhelms IV. mit König Ferdinands
Tochter Maria im Jahre 1546 die Fortdauer der Union ins
Auge gefaßt, wenngleih erſt Kaifer Ferdinand im Jahre 1559
eine förmliche Urkunde darüber augftellte, die dann im Jahre 1566
Kaiſer Maprimilian II. beftätigte, beide gleichzeitig mit der Er—
neuerung des Privilegs von Kaifer Karl, welches auch die Tüchter
zur Erbfolge zuließ ?).
Wilhelm und Maria hatten fieben Kinder, darunter zwei
Söhne; Karl Friedrich, geboren am 28. April 1555, und Johann
Wilhelm, geboren am 29. Mai 1562. Wenn e3 unter allen
Umftänden rätlich war, den nicht zur Regierung beftimmten
jüngeren Sohn beizeiten zu verforgen, jo wurde dies doppelt nötig,
. 1) Die Eheberebung von 1496 bei Lacomblet, Urkundenbuch IV.
Nr. 474. Über ihre Bedeutung vgl. P. Haffel, Die Rehtsanfprüche
u. f. w. in Zeitfehr. des berg. G.V. I. — Die Urkunden, durch welche bie
Kaifer Ferbinand und Marimilian das Privilegium unionis beftätigen (bei
Dittmar, Cod. diplomat. zu Teschenmacher Il. c., Nr. 118 u. 121)
beziehen fih auf eine bafelbft und ebenfall8 bei Lacomblet fehlende Erb—
teilung zwifchen Herzog Wilhelms Eltern.
234 Vierte Buch. Erſtes Kapitel.
jeit Herzog Wilhelm von Schlaganfällen heimgefuht und jein
früher Tod zu befürchten war. Als befte Verforgung erſchien auch
hier, ebenjo wie in ähnlicher Lage in Bayern und anderwärts, der
Beſitz eines der benachbarten Hochſtiftet. Wie Freiling dem bay:
rischen Haufe, jo ftanden die weſtfäliſchen Domftifter, namentlich)
das größte und reichite von ihnen, das münfteriche, dem Haufe
Sülih=Cleve bejonders wohl an. Es grenzte im Weſten und
Süden an das Herzogtum Gleve, weiter im Süden an die Graf:
ihaft Mark. Die zu Jülich gehörige Grafſchaft Ravensberg lag
faft wie eine Enklave zwiſchen den drei Stiftern des Biſchofs
Kohann. In den Domtapiteln zu Münfter und Dsnabrüd, welde
faft nur Mitglieder der niederheiniich: weitfäliichen Ritterſchaft
zuließen, waren die Domberren zum guten Zeil Herzog Wilhelms
geborene Unterthanen oder Lehensleute. Auch des Biſchofs per
ſönliche Lage erleichterte eine Verftändigung mit ihm. Johann
war zwar nod ein Mann in den beften Jahren, aber von jehr
ſchwankender Gejundheit. Er jelbft that durch feinen Hang zum
Trunf das meifte, fie vorzeitig zu zerrütten. Ungefähr zu Anfang des
Jahres 1570 bekam er zuerſt epileptijhe Anfälle, die ſich nachher
wiederholten. Dennod lieg der Biſchof das übermäßige Trinken
nicht. Zuletzt wurde er ſchwindſüchtig, jo dag jedermann feinen
frühen Tod vorausſah ). Des Biſchofs Familie, die Örafen von
—
1) 27. Mai 1570 ſchreibt der Würzburger Kanzler Hellu an Dr. Ed,
der Bifchof Habe vor zwei Monaten einmal und zuvor aud ſchon zweimal
morbum caducum gehabt „unb tuot auß fonderm guoten herzen und willen,
fo er zu erlichen leutten bat, wil exceß, das alfo vil leut mitleiden und forg
ſeins gefunts haben“. StR. 224/5. fol. 163. — 21. September 1570
ſchreibt Philipp von Naſſau an Ed, eine vertraute Perjon [der münfterfche
Marihall] habe ihm gefagt: „das E [dev Biſchof] im drunk fil vet, das
morgens alles vergefien“, unb weiter: „das E nit uber brei jar leben fonte“.
Sta. 224/2. fol. 252. — Kock 1. c., p. 139 teilt aus Höveld mir nicht
vorliegendem Speculum Westphaliae veteris folgende Stelle mit: dolendum
est fuisse hominem usque adeo poculis deditum et rerum saecularium
negotiis et illecebris captum, simulque superstitiosis et externa specie
. splendidis pontificum ritibus magis quam evangelii doctrinae animo
fideli addietum.
Herzog Johann Wilhelm wird Koadjutor von Münſter. 235
Hoya, waren dem Ausfterben nahe; vertrautere Beziehungen zu an—
deren gräflichen oder fürftlichen Häuſern hatte er nicht ; die proteftan=
tiihen Nachbarfürften waren ihm infolge feines jegigen, ſchroff
römiſch-katholiſchen Verhaltens entfremdet: — fo fühlte er ſich ſelbſt
gedrängt zum Anſchluß an Jülich und die ſpaniſchen Niederlande.
Auf herzoglicher Seite find es gerade die entſchieden katholiſchen
Räte, von weldhen der Plan der Koadjutorie ausgeht oder am
eifrigiten betrieben wird. Der allerentichtedenite unter ihnen,
Heinrih von der Rede, Droft in der Lymers, begegnet uns ala
erſter Unterhändler.
Im Mai 1571 erhielt Heinrich von der Recke von ſeinem Herzog
Befehl, bei Biſchof Johann vertraulich anzufragen, ob dieſer nicht
geneigt ſei, des Herzogs jüngeren Sohn als Koadjutor und Nach—
folger zunächſt für Münſter anzunehmen; in dieſem Fall möge der
Biſchof die Sahe wie von ſich aus bei feinem Domkapitel an—
regen. Man fürdtete beſonders Anftände veligtöfer Natur. Wir
fennen des Herzogs kirchliche Mittelftellung, wiſſen, welche Freiheit
das evangeliihe Belenntnis an feinem Hof und in feinen Ländern
genoß; gehörten ihm doch des Herzogs eigene Schweiter und jeine
erwachienen Töchter offen an. Alle römiſch Gefinnten waren voll
Miktrauen gegen Herzog Wilhelm. Deshalb follte Red ver:
ſprechen, daß der Herzog feinen Sohn katholiſch erziehen laſſen,
und, falls diejer ſpäter nicht geiftlih oder nicht katholiſch bleibe,
dem Domkapitel die freie Wahl wieder anheimgeben wolle.
Es ſcheint, dal der Bischof ohne weiteres feine Mithilfe in
Aussicht jtellte; der Form nad ſollte jedod die Sache zuerft beim
Kapitel anhängig gemacht werden. Darauf gewann Ned zuerit den
eifrig katholischen jegigen Domdehant, Goddert von Raesfeld, für den
Plan, und durch ihn auch die anderen angejehenjten Domherren.
Bereits im November wurde zu Ahaus, wo der Biſchof refidierte,
zwiichen feinen und des Herzogs Näten, jodann zu Münfter mit
Vertretern des Kapitels eine Kapitulation vereinbart, welche Her—
zog Wilhelm am 23. Dezember 1571 zu Jülich unterzeichnete.
Sie gewährte dem erwählten Koadjutor vorläufig feinerlei Rechte,
236 Viertes Buch. Erſtes Kapitel.
fondern nur eine Art Anwartihaft auf das Stift, bedingte da=
gegen, daß derjelbe fatholiich erzogen und zum geiftlihen Stande
qualifiziert werde. Vor allem aber folle er fih die Einwilligung
des Papſtes verihaffen. Das war feine leichte Aufgabe. — Was
bedeutete die Koadjutorie eines neunjührigen Knaben? Entweder
ftand, da Bischof Johann aller Wahrſcheinlichleit nach nur noch
wenige Jahre zu leben hatte, ein langes Verwaiſtſein der münfter-
ihen Kirche bevor, oder man befand fid) auf dem Wege zur Sä—
fularifation des Stiftes. Auf tiefes Miptrauen vonfeiten Roms
mußte Herzog Wilhelm gefaßt fein, wenn auch fein jo ftrenger
Mann wie Pius V. Papſt war.
Anfang Januar 1572 begab ſich der cleviihe Rat Dr. Andreas
Mafius !), ein geborener Niederländer, der am Brüffeler Hof gut
befannt und wohl angefchrieben war, zu Herzog Alba und bat ihn
die münſterſche Koadjutorie bei Pius V. für feine Perfon zu em—
prehlen. Alba hatte Urſache, mit dem politiihen Verhalten der
cleviihen Regierung während der niederländifchen Unruhen zus
frieden zu fein; aud hatte er fi) nody im vorigen Jahre durch
einen eigenen Gejandten überzeugt, daß mwenigitens Herzog Wilhelm
jelbft und fein älterer Sohn ſich katholiſch hielten, die Meſſe be—
fudten u. ſ. w.?) Dennoch zauderte er jegt die Verantwortung
1) Biographifches über Maſius giebt u. a. H. A. Grifum bei Borheck,
Archiv für die Gefchichte der deutſchen Nieber-Rheinlande, Bd. I, Elberfeld
1800, ©. 147ff.; vgl. Wolters, Heresbach, ©. 162. 184. 259 und van
der Aa, Biogr. Woordenboek s. v.
2) Bericht des Joh. Bapt. be Taſſis vom 23. Januar 1571, leider nur
in ſchlechter Überfegung, bei Lacomblet, Archiv V, 210ff. — Über bie
erfte Kommunion des Herzogs Karl Friebrih zu Oftern 1570 interefiante
Briefe des Heren Wernder zu Gimnih DA. Zülih- Berg. Geiſtl. Saden.
Generalia 16. Zu Anfang des Jahres 1570 giebt Gimnich ein Gutachten
ab: „aus was urſachen e8 meines bebunfens ratfam, das ber jonger m. 9.
b. das hochwirdich facrament bes altar8 unter einer catolichsjcher mes ent-
fange” ; darauf antworten bie Düffeldorfer Räte: „nachdem nun ire f. ©.
die fah dahin verftanden, ba8 man ber communion under beider geftalt
fein beſchwerung trage, ſonder allein das biefelbe under einer catholifher
meß chriſtlich außgeſpendet werbe, wie im feiferliben hof auch breuchlich fein
Herzog Johann Wilhelm wird Koadbjutor von Münfter. 237
für eine perjönliche Empfehlung auf fih zu nehmen; er wollte erſt
an feinen König berichten und dann deſſen Empfehlung die eigene
beifügen, ließ ſich jedoch ſchließlich durch den mit Mafius be—
freundeten alten Präſidenten Viglius van Zwichem beſtimmen, dem
Geſandten ein Schreiben an den Papſt in der gewünſchten Form
mitzugeben.
Nun erſt bat Herzog Wilhelm den ſpaniſchen König ſelbſt
ſowie den Kaifer um ihre Fürichriften; ihnen, feinen Verwandten,
enthüllte er das wahre Motiv der gewünſchten Koadjutorie, die
Fortdauer der Union feiner Lande, während er den Lütticher
Biſchof und den Trierer Kurfürften, beide als eifrige Katholiken in
Rom wohl angejehen, unter Hinweis auf die firhliden Vorteile
der Koadjutorie um ihre Empfehlung anging.
Während die erbetenen Fürſchriften nad und nad einliefen,
war Alba neuerdings bedenklich geworden. Er hatte erfahren, des
Herzogs älterer Sohn, der damals am fatjerlihen Hofe ſich auf:
hielt, habe dort am legten Weihnahtsfeft die Kommunion nicht
anders al3 unter beiden Geftalten empfangen wollen. Das erſchien
dem Spanier als ein jchlimmer Beweis häretiſcher Gefinnung; er
fürdhtete, der jüngere Sohn möchte ebenjo erzogen werden, und
König Philipp, wenn er es erführe, feine Empfehlung widerrufen
und dadurd) daS Gerede nur Ärger werden. Darum beichied er
den Dr. Mafius im März wieder nad) Brüffel und eröffnete ihm
im Vertrauen mündlid) feine Bedenken. Mafius gab fich alle Mühe
diejelben zu heben; er beteuerte, Herzog Karl Friedrich ſei feither
fatholifch erzogen worden, wie denn fein jegiger Präceptor Stephan
Winand Pighius von Kampen am Brüffeler Hofe mohlbefannt jei.
Falls der Herzog wirklich unter beiden Gejtalten fommuniziere,
mag, fo haben ir f. ©. bafjelbig nit allein alsbald gnediglich gewilligt,
fonder auch dergeftalt mit zu communicieren ſich erbotten, unb vor obbe-
fimbter catbolifcher meh, fovern communicanten barbei vorhanden, fein ab-
ſcheuens zu haben fich deutlich gnug erclert.” So folle e8 aljo kommenden
Oftern mit Herzog Karl Friedrich gehalten werden. — Ein Bericht Gimnichs
an Hellu über die firhlihen Zuftänne am berzogliden Hof vom 15. Sep-
tember 1570 StA. 224/2. fol, 240.
238 Viertes Bud. Erſtes Kapitel.
fo jet dies dod nicht der katholischen Religion zuwider, jondern
bei vielen deutſchen Katholiken, ja beim Kaifer Marimilian felbft
jo der Brauch, teilweije mit päpitliher Dispens. Der jüngere
Bruder aber habe bis jegt überhaupt noch nit kommuniziert,
auch jei in der münfterichen Kapitulation ausdrücklich bedingt, daß
er fi der römiſch-katholiſchen Kirche gemäß halten müſſe. Alba
gab ſich aber damit noch nicht zufrieden, jo dag Mafius ohne das
königliche Fürſchreiben heimkehren mußte. Ende April kam er
wieder und brachte eine Inſtruktion feines Herzogs mit, worin
diefer neuerdings verlicherte, jein Sohn jolle nicht anders, als es
in der fatholiihen und römischen Kirche hergebracht, erzogen wer=
den; er werde denjelben eheftens in ein Kollegium ſchicken, wo
man die fatholiiche Religion und die römischen Kirchengebräuche
durhaus halte, fpäter dann auf eine unverdächtige katholiſche Uni—
verſität. Auch diesmal vermittelte Viglius, das Alba endlich die
Empfehlung jeines Königs dem herzoglichen Gefandten aus—
händigte.
Dem redlichen Maſius mag die zweideutige Rolle, welche er
hier ſpielte, ſcwwer genug geworden ſein. Mit einer faſt krank—
haften Wärme des Gefühls hatte Herzog Wilhelm, als ſein Ver—
ſtand ſchon geſchwächt war, an dem altkirchlichen Symbol der beiden
Geſtalten, zugleich dem Symbol kirchlicher Wiedervereinigung, feſt—
gehalten. Maſius ſelbſt war ein Geſinnungsgenoſſe des Erasmus,
ein vertrauter Freund des Caſſander geweſen, in deſſen Ver—
mittelungsvorſchlägen der Laienkelch eine wichtige Stelle einnahm.
Nun verſtanden ſich Herr und Diener aus politiſchen Motiven zu
einem Verſprechen, welches wenigſtens Alba ſo deuten mußte, als
hätte man für Herzog Johann Wilhelm bereits auf den Laien—
feld verzichtet, — und unter denen, welche die neue Inſtruktion
für Mafius mitberaten hatten, war auch der cleviiche Kanzler
Diifleger, bisher an Herzog Wilhelms Hof der entihiedenfte Ver—
treter caffandriiher Ideen ).
1) Über Ofiffeger: Wolters a. a. O. und Neformationsgefdichte ber
Herzog Johann Wilhelm wird Koadjutor von Miünfter. 239
Geraume Zeit verging jedoch nod, che der Herzog von dem
Empfehlungsihreiben in Rom wirklich Gebrauch machte. Viel:
leicht zögerte man anfangs abfichtlih, um zuvor aud mit dem
Dsnabrüder Domkapitel über eine Koadjutorie fich zu verftändigen.
Schon im November 1571, glei nad) dem Abſchluß der mün—
fterichen Kapitulation, hatte ſich zu diefem Zweck einer der ange—
ſehenſten Räte des Herzogs, der Amtmann zum Sparenberg, Dtto
bon dem Bylandt, Herr zu Aheidt, mit dem vornehmſten osna=
brückiſchen Rat, Franz Lüning, Droft zu Fürftenau, nad) Dsna=
brüc begeben, war aber von den anweſenden Dombherren mit aller-
band VBorwänden Hingehalten worden. — Der wahre Grund diejes
ablehnenden Verhaltens wurde erjt nad) ein paar Monaten, nach—
dem Biihof Johann jelbit die Sache mehrmals wieder angeregt
hatte, offenfundig. Ein Gegenbewerber war vorhanden, der ein
Vorrecht zu haben behauptete und auch jeinerjeits auf gute Für-
iprecher ich berief. Das war der junge Bremer Erzbiſchof, Herzog
Heinrich von Lauenburg, dem wir als Domherrn zu Köln bereits
begegnet find.
Biihof Johann hatte zu einer Zeit, da er noch nicht an
fatholiiche Reftauration dachte, mit Heinrichs Vater, Herzog Franz,
und feinem älteren Bruder Magnus Freundichaft geichloffen 19),
welche noch fortdauerte, al3 Johann bereit3 Biſchof von Münfter
geworden war. Denn erjt nachher ſcheint er den Lauenburger
Herzögen veriproden zu haben, ihrem Sohn und Bruder zur
Nachfolge in Dsnabrüd und Münfter zu verhelfen. Heinrich war
diefem Plane zulieb jelbit einmal mit feiner Mutter auf Schloß
burg bei dem Biihof und nachher aud in Münfter bei dem
Stadt Weſel. Doch madht ihn Wolters mit Unrecht zu einem Evange-
liſchen.
1) Wahrſcheinlich im Jahre 1559 bei einem gemeinſamen Aufenthalt in
Schweden. Chytraeus lib. XX, vgl. Stüve II, 185. Auch in einer
Inſtruktion des Erzbifhofs Heinrih für Landgraf Wilhelm, dat. Börbe
18. November 1572 (MX. Biſch. Osnabrüd 1572/1698), wird der Urfprung
ber Freundſchaft auf die ſchwediſche Reife zurückgeführt.
240 Viertes Bud. Erſtes Kapitel.
Domdehanten Raesfeld. An ſich war diefer Blan ſelbſt für einen
gut fatholiihen Biſchof nit verwerflih. Denn wenngleih Hein—
richs Vater und Ältere Brüder lutheriſch waren, ftudierte er ſelbſt
mit feinem jüngeren Bruder Friedrih doch ſchon feit mehreren
Jahren in Köln, hielt fi) katholiich und ftand im Rufe eines be=
gabten, frommen und jittjamen -jungen Menſchen ’). Bedenklicher
wurde der Plan, al3 Heinrih am 17. Februar 1567 zum Erz—
biihof von Bremen gewählt wurde. Sein Vorgänger dajelbft,
der alte Herzog Georg von Braunſchweig, hatte noch als katholiſch
gegolten, aber Domkapitel, Stadt und Land waren, mit Ausnahme
einiger Klöfter, längſt ſchon proteftantiih. Heinrih, welden das
Kapitel hauptſächlich deshalb mählte, um in ruhigen Beſitz des
vom Haufe Lauenburg beanspruchten Landes Wurften zu kommen,
mußte fih in feiner Kapitulation verpflichten, die Augsburger
Konfeilion im Erzitift aufrecht zu halten. Zwar bemühte er
ſich, durch Kaiſer Marimilian al3 Belenner der katholiſchen Reli—
1) Kaiſer Marimilian ſchreibt an den Papſt am 10. Januar 1568 (bei
Laderchius l. c.): Quod ad personam ipsius Illustris Electi attinet,
profitetur ille et tuetur religionem nostram catholicam et Stem V, se-
demque Aplicam summa observantia prosequitur, eaque est, ut accepimus,
indole prudentia eruditione pietate ac vitae morumque honestate et pro-
bitate et iis demum excellentibus animi dotibus praeditus, ut maximam
de se bonorum virorum expectationem concitaverit, atque ad hoc am-
plissimum archiepiscopale munus [scil. Bremense] valde idoneus jam esse
judicetur. Wenn man aud von biefem Lob ein gut Teil als offizielle
Phrafe abftreichen darf, fo berichtet doch jelbft der Nuntius Gropper an ben
Karb. von Como am 6. DOftober 1574 (bei Theiner 1. c. I, 219) quod
antea hic Coloniae varia pietatis et catholicae religionis (quemadmodum
testium dieta comprobant) inditia reliquerat; und ber ſächſiſche Rat Erich
Bollmar von Berlepſch fchreibt an feinen Kurfürften (4. November 1572
DrX. loc. 8926), daß Heinrich „acht ganze jar zu Eoln mit großem lob ein—
gezogen und vleißig refibirt, auch daſelbſt und funft viler herlicher furftlicher
gaben und tugenden halb von meniglih wol geachtet und im einem großen
anfeben iſt“. — Nah Göcke (in Pids Monatsſchrift für die Gefhichte Weft-
beutichlands, 1878, S. 591ff.) begann Heinrichs Aufenthalt zu Köln im
Jahre 1564 und dauerte wohl bis zur Übernahme ber Regierung bes Erz-
ftift8 Bremen, etwa im Jahre 1571, vgl. Wiedemann a. a. O., ©. 164.
Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 241
gion und Verehrer des apoftoliihen Stuhles empfohlen, alsbald
um die päpftlihe Konfirmation, nahm dann aber, ohne fie abzu=
warten und ungeweiht, den erzbiihöflichen Titel an. Dies und die
„Verachtung des langen Rockes“ Führt Biſchof Johann nachher
als jeine Gründe an, weshalb er den jungen Herzog Heinrich bei
der Bewerbung um Dsnabrüd nit weiter unterftügen Lönne.
Man wird aber dem Biſchof faum unrecht thun, wenn man an—
nimmt, dab ihm neben und vor den religiöfen Motiven die
Freundihaft des reihen Herzogs von Gleve wertvoller war als
die der armen überjchuldeten Lauenburger.
Johanns Rat und vormaliger Agent zu Rom, Lorenz Schra=
der, und auf herzoglider Seite namentlih der Amtmann zum
Sparenberg, behandelten die Koadjutorie ganz wie einen Kauf:
handel, wobei dem Meiftbietenden die Ware zufällt. Nach Ab-
ſchluß der Verhandlungen um Münfter erhielten der Biſchof ſelbſt,
feine Räte und die befreundeten Domberren reihe Geſchenke;
außerdem zahlte Herzog Wilhelm fpäterhin nod eine Schuld des
Biihofs im Betrage von 2800 Goldgulden, von denen er nie
etwas wiedergefehen hat. Doch zogen nidht nur die einzelnen
Perſonen, ſondern aud) das Stift al3 ſolches Vorteil von der
Koadjutorie. Don altersher beftanden zwiſchen Stift Müniter
einerfeit3 und dem Herzogtum Cleve ſowie der Grafſchaft Mart
anderjeit3 Grenz: und Hoheitsftreitigfeiten, die jegt zum Lohne für
die Koadjutorie beigelegt werden jollten. Die cleviſchen Irrungen
wurden auch wirklich am 5. Dftober 1572 durch einen Ber:
trag zu Bocholt geichlichtet ), die ftreitigen Grenzen zwiichen
dem Stift und der Grafihaft Mark jedoh erft nad) Johanns
Tod beridtigt. Hätte man fi mit dem Dsnabrüder Kapitel ge—
einigt, jo wäre aud hier ein Vergleich über die Irrungen zwiſchen
diefem Stift und der Grafihaft Ravensberg der Lohn gemwejen.
In Münfter war alles jo raſch und geheim abgemacht worden,
daß den Lauenburgern nur noch das Nachſehen blieb; in Osna—
1) Lacomblet, Urkundenbuch IV, Nr. 575.
Lofien, Köln. Krieg L 16
242 Biertes Bud. Erſtes Kapitel.
brüd aber trat Herzog Heinrich offen als Gegenbewerber auf. Ex
und jein Vater mahnten den Biihof an jein gegebenes Wort.
Zwar verfiherte Johann, er habe nichts feft veriproden, fondern.
nur einen von Heinrichs katholiſchem Verhalten abhängigen Wunſch
geäußert, redete fi aud damit aus, daß er ohne fein Domkapitel
nichts thun könne, aber die Lauenburger beriefen ſich auf fo be
ſtimmte Zufagen, daß fogar Heinrichs Oheim, der Kurfürft von
Sachſen, ſowie Landgraf Wilhelm von Heſſen darauf Bezug neh-
men fonnten, als fie im Laufe des Jahres 1572 den Biſchof und
den Herzog von Fülih erſuchten, Stift Dsnabrüd dem Bremer
Erzbischof zu überlaffen. Biihof und Herzog ließen fi) dadurch
nicht don ihrer Abfiht abbringen, verfuchten vielmehr noch im
folgenden Jahre (1573) wiederholt, Johann fogar einmal in Per:
jon, die Dsnabrüder Domberren für Johann Wilhelms Koad—
jutorie zu gewinnen; dieje aber, da fie es weder mit der einen
noch mit der anderen Partei verderben wollten, verſchanzten fich
hinter der Antwort, eine Koadjutorie fei gegen Herlommen und
Privilegien ihres Stiftes, auch fähen fie für jest deren Not—
wendigfeit nicht ein; was bei einer Sedisvalanz geichehen werde,
ftellten fie dem Allmädhtigen anheim. — Schlieglih erfuhr man,
daß Domkapitel und Landftände zu Dsnabrüd ſich verglichen.
hätten, feinen Koadjutor oder Biſchof ohne gegenfeitige Übereinkunft
zu wählen.
Inzwiſchen hatte fih die münſterſche Konfirmationsſache lang-
ſam weitergeſchleppt. Abgejehen von der vermutlich mitwirken-
den Rüdjiht auf Dsnabrüd erihwerten die Verhältniffe an Her—
309g Wilhelms Hof überhaupt raſche Entſchlüſſe. Da der Herzog
jelbft nicht ganz oder nicht immer zurechnungsfähig war, mußten
wichtige Beihlüffe immer erft bon einer ganzen Anzahl von
Räten erwogen werden, in gemeinfamen Angelegenheiten oben=
drein von Räten beider Landihaften )yY. Dazu kam in dieſem
1) In den von mir benusten Düffeldorfer Akten find jahrelang bei allen
wichtigeren Beſchlüſſen und Vorträgen bie jülichfchen und clevifhen Räte na-
Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Miünfter. 243
Fall, daß mande Räte mit Rom nicht gerne zu ſchaffen hatten.
Suchte doch jelbft der jonft zu den katholiſchen Räten gezählte
Kanzler Dlifleger für feine Perſon von diefer Sache ſich frei zu
machen. Dann drängte ſich der von Biſchof Johann empfohlene
Lorenz Schrader ein und wünſchte die Leitung in feine Hand zu
befommen, wurde aber abgewieſen, da Red, Mafius und der
Domdehant Raesfeld ihn für „eigennügig und gefährlich‘ er=
Härten. Erſt Ende September 1572, auf jenem Zag zu Bocholt,
wo die Grenzgebrechen vertragen wurden, vereinbarten des Herzogs
Räte mit Biihof und Kapitel, insbejondere dem Domdechant, wie
die Konfirmation zu betreiben. Ein cleviicher Unterthan, der ſich
wegen verjchiedener Privatfahen an der Kurie aufbielt, Wolfgang
Hammerftein, ferner der uns befannte Johann Paul Gaftellino
wurden al3 Agenten de3 Herzogs beftellt und jollten den mün—
fterichen Agenten Cosmus de AngeliS und den gerade in Rom
verweilenden Lüttiher Archidialon Laevinus Zorrentius zuziehen.
Die Urkunden über die Koadjutorie nebft den Fürjchriften, Anfang
Dftober abgefhidt, trafen durch zufällige Verjpätung erft Anfang
Januar 1573 in Rom ein, al3 die münſterſche Sade in der ge=
ſchwätzigen Stadt bereit3 Tagesgeſpräch war.
Der Papft perjönlich hatte bereit3 im Sommer Kenntnis von
ihr erhalten, durch kaiſerliche Geſandte, welhe ihm zur Thronbe—
fteigung Glück wünſchten und bei diefem Anlaß aud eine Em-
pfehlung für den erwählten Koadjutor von Münfter überreichten.
Auch hier zeigte fi wieder der in Rom erfolgte Syſtemwechſel.
Pius V. würde ohne Zweifel ſchroff auf das Zrienter Defret über
Koadjutorieen (Sess. XXV. de Ref. cap. VII) verwieſen haben,
Gregor XI. gab den Troſt, wegen der Zemporalien jollten feine
großen Schwierigkeiten gemaht werden, wenn man auch inbezug
auf die Spiritualien nicht wohl dispenfieren könne. — Allgemein
mentlih aufgeführt, welche daran teilnahmen. Wusgefertigt und gegen-
gezeichnet find bie meiften Schreiben von Paul Langer, dem katholiſch und
fpanifch gefinnten Geh. Kammerfelretär bes Herzogs.
16 *
244 Viertes Bud. Erftes Kapitel.
befannt an der Kurie wurde die Sache gegen Ende des Jahres
durch Briefe Schrader, der entweder feine doch nicht ganz außer
Spiel gelaffene Perſon wichtig zu machen juchte, oder auch einer
von jenen falfchen Freunden war, die, wie Hammerftein meinte,
der Koadjutorie Johann Wilhelms durd) öffentliches Gerede über
fie Steine in den Weg legen wollten.
Die einzige wirkliche Schwierigkeit der Konfirmation lag in
dem Mißtrauen, welches die Kurie in die Rechtgläubigfeit des
berzoglihen Haufes ſetzte. Eben jekt, zu ungelegener Zeit, kam
zu den alten Verdachtsgründen die Nachricht, daß Herzog Wilhelm
feine ältefte Tochter Maria Eleonore dem lutheriihen Herzog bon
Preußen verlobt habe. Als Gegenmittel riet Hammerftein durch
Alba und den Lütticher Biſchof des Herzogs Eifer für die Ver—
treibung der Ketzer aus feinen Landen und für die Unterftükung
des katholiſchen Königs gegen die niederländischen Rebellen in
ähnlicher Weiſe bezeugen zu lafjen, wie dies früher durch die Für-
ſchrift des Erzbiſchofs von Zrier gejchehen war). Das ericdien
dern Herzog feiner nicht würdig, dod war ihm recht, daß Biſchof
und Domkapitel zu Münfter von ſich aus in diefem Sinn an
Papft und Kardinäle fchrieben. Sodann verftand er fi jegt zu
einigen teilweife ſchon durch die Kapitulation geforderten Schritten,
welche Johann Wilhelms katholiſche und geiftlihe Erziehung be—
tunden follten. Nod im Frühjahr 1573 wurde der jegt elfjährige
Snabe der Kollegiatliche St. Viktor in dem katholiihen Städtdyen
Zanten zur ferneren Ausbildung übergeben ; gleichzeitig verichaffte
1) Über die Herzogin Maria Elenore ſ. Borheda.a.D., ©. 244ff. —
7. April 1573 fchreibt ber clevifche Nat Heinrich v. Weze aus Bevenar an
Baul Langer (DU. a. a. D. 288, fol. 480): „Ich trag nit geringe furforg,
eb ſollen die [von Hammerftein] begerte teftimonia ſchwerlich zu erhalten
fein, fonderlih von dem Herzogen von Alba, maxime propter mutationem
religionis in nostra aula et aliis locis. Und forcht ba8 biefe verenderung
dem ganzen handel nit Heine verhinberung bringen wirt.“ Ob fi biefe
Bemerkung auf die prenfifche Heirat beziehen Täßt, ſcheint freilich zweifelhaft;
von einer anderen Religionsveränderung an Wilhelms Hof in biefer Zeit
weiß ich aber nichts.
Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Münſter. 245
man ihm, mittel Emennung durch den Afterdehant Chriftoph
Ladislaus von Thengen, al3 nächitberechtigten Prälaten, eine Dom:
präbende zu Köln (22. Mai) y. Im Juni empfing der Knabe
durch den münfterfhen Weihbischof Kridt die erfte Weihe und die
Tonſur. Im Juli, als fein bisheriger Hofmeifter Wilhelm von
Neuenhofe genannt Ley ftarb, wurde der am entjchiedenften rö—
miſch gejinnte von Wilhelms Räten, Heinrih von der Rede, deſſen
Nachfolger.
Mittlerweile hatte der Papſt, auf ein Gutachten der deutſchen
Kongregation Hin, die Koadjutorie zu beftätigen beichloffen, jedoch
unter zwei Bedingungen: 1) Der ältere Bruder müſſe die
Kapitulation beftätigen und für Johann Wilhelms katholiſche Er—
ztehung fid) verbürgen. 2) Der poftulierte Koadjutor jelbit jolle
zu feiner weiteren geiftlihen Ausbildung nad) Rom kommen. Der
Nuntius in Wien, Johann Delfino, überbrachte diejen Beſcheid
dem Kaifer und dem Herzog Karl Friedrih; dem alten Herzog
follte er dur Dr. Kaſpar Gropper, welcher gerade damals als
außerordentliher Nuntius nad) Niedverdeutichland ging, ebenfalls
mündlich eröffnet werden; ein verbindliches aber nichtsſagendes
Breve verwies einftweilen auf diefen künftigen Gefandten.
Die erfte Bedingung fand feinen Anftand; bereit3 im Juli
1573 gab Herzog Karl Friedrih die geforderte Erklärung ab.
Dagegen hielten jelbft die katholiſchen Räte des Herzogs nicht für
ratfam, den jungen Prinzen nad Rom zu ſchicken. Herzog Wil-
beim behielt fi) zwar jeine Antwort vor, weil ja auch das päpft=
liche Breve auf mündliche Eröffnung verwies, jedod ſprach der
Kaiſer in feinem Namen gegen Delfino den Wunſch aus, da die
Reife nah Rom, in Anbetraht der Jugend und ſchwachen Ge—
jundheit Johann Wilhelms, aufgejhoben und diefer inzwiichen
anderwärts katholiſch erzogen werde. Den gleihen Wunſch ent=
hielt auch Karl Friedrichs Schreiben an den Papſt.
Dr. Gropper traf im Herbft 1573 am Niederrhein em, zur
1) Domtap.-Prot. vom 18., 20. und 22. Mai 1573 DA.
246 Viertes Bud. Erſtes Kapitel.
Zeit da der Herzog auf der Reife nad) Königsberg fi befand,
um in Perſon feine ältefte Tochter ihrem Berlobten zuzuführen.
Erft am 14. Januar 1574 fonnte der Nuntius vor dem Herzog
in Gegenwart einer Anzahl katholiſcher Räte!) der päpftlidhen
Aufträge ſich entledigen. Die beiden ſchon zuvor verhandelten
Hauptpunfte machten am wenigſten Schwierigkeit. Herzog Wilhelm
wiederholte das Verſprechen, daß fein älterer Sohn die Kapitu-
lation in optima forma betätigen und für Johann Wilhelms
Erziehung im fatholifhen Glauben nah Kräften bemüht jein
werde. Die Sendung desjelben nad) Rom wurde für ſpätere Zeit
in Ausſicht geftellt; für jekt möge man ſich damit begnügen, daß
er einftweilen noch in Xanten, jpäter jodann an einer katholiſchen
Univerfität für feinen geiftlihen Beruf erzogen werde. Dem
Nuntius wurde anheimgegeben, des Prinzen Hofmeifter, Präceptor
und Kaplan ihr katholiſches Glaubensbefenntnis abzufordern: . Nur
Katholiken jollten in Johann Wilhelms Dienften gelafjen werden.
Die Inftruftion des Nuntius enthielt aber nod einige jehr
heille Nebenartifel, melde Gropper, des Herzogs geborener Unter—
than und vormaliger Rat, im Einvernehmen mit einigen ver—
trauten Räten, in möglichſt abgeſchwächter Form vorzubringen
ſuchte. Er mußte den Herzog ermahnen, keine ketzeriſchen Hof—
geiſtlichen und auch unter ſeinen weltlichen Räten und Beamten
möglichſt wenige unkatholiſche zu dulden, mußte rügen, daß an den
Schulen zu Düſſeldorf und Duisburg ketzeriſche Schulmeiſter ſich
eingeſchlichen hätten und ſogar Schmähſchriften gegen den apoſto—
liſchen Stuhl verbreiteten, mußte fordern, daß Viſitationen der
Geiſtlichleit und der Schulen angeſtellt und die Schulrektoren an—
gehalten würden, nad) den Univerfitäten Köln und Löwen fi zu
richten ?), jollte endlih dem Herzog dringend raten, einige bon
1) Kanzler Orsbeck, Hofmeifter Schwarzenberg, Marſchälle Reufchenberg
und Wachtendonck, Heinrih von ber Rede, Amtmann von ber SHorft,
Dr. ®ee, Lie. Lauermann und Sekretär Langer.
2) Wie mangelhaft man übrigens in Nom über bie nieberrheinifcher
Dinge unterrichtet war, fieht man daraus, daß Gropper auch bie Entfernung
Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 247
jeinen Töchtern an einen fatholiihen Hof, zur Kaiferin, zur Herz
zogin von Bayern oder zu des Kaiſers Schwefter nad) Hall in Tirol
zu ſchicken. Auf all’ diefe Punkte ließ der Herzog erſt mündlich,
dann ſchriftlich durchaus entgegenlommend antworten: Unter den
Hofgeiftlichen habe wohl vordem ein und der andere anfangs fa=
tholiſche nachher irrige Meinungen angenommen — man dachte
wohl zunächſt an Gerhard Beltius!) —, ſei jedod), ſobald man
dies bemerkt, entfernt worden; dagegen ſeien die jegigen Hoffapläne
in Lehre und Wandel ſämtlich katholiſch. Etwaigen unbemwährten
Schulmeiftern wolle man nadfragen und, falls ſich jolde fünden,
fie abichaffen. — Ein derartiger Befehl, fpeziell gegen Galviniften
gerichtet, erging in der That kurz nachher an die clevischen und
märkiſchen Amtleute. — In weltlichen Angelegenheiten fünne man
leider unfatholiihe Räte und Beamte zur Zeit nod nicht ent=
behren. Der Rat wegen der Töchter des Herzogs folle mit dem
Kaifer erwogen werden. Zum Schluß aber mußten die Räte eine
dem Nuntius ſehr ungelegene Gegenforderung vortragen: Des
Herzogs eigenes Bemühen, die wahre katholische Religion in feinen
Landen zu erhalten, werde bejonders dadurch erſchwert, daß jo viele
feiner Unterthanen die Kommunion unter beiden Geltalten ver=
langten; werde fie ihnen verweigert, jo wendeten fie fi ganz von
der fatholiihen Gemeinde ab und verdammten Sekten zu. Der
Papft möge darum dem Herzog und all feinen Angehörigen und
Unterthanen den Laienkelch gejtatten. — Gropper meinte, für feine
Perſon, feine Kinder und das Hofgejinde in geringer Anzahl werde
der Herzog unter gewiſſen Bedingungen eine ſolche Konzeſſion wohl
erlangen können, aber die allgemeine Zulafjung des Laienkelches würde
allerlei Sekten und ſchrecklichen Profanationen Thür und Thor öffnen ;
er bat dringend, diefen Punkt in des Herzogs Ichriftliher Antwort
des bereit8 im Jahre 1564 geftorbenen Düfjeldorfer Schulreftord Monheim
zu forbern hatte.
1) Beltius war vom September 1558 bis Januar 1566 Hofprebiger bei
Herzog Wilhelm; danach bis zu feinem Tod im Jahre 1593 evangelifcher
Prediger an St. Willibrord zur Wefel. Zeitſchr. des berg. G.«V. III, 369 ff.
248 Biertes Buch. Erſtes Kapitel.
fo zu faffen, daß in Rom nicht auf ihn jelbft, den Nuntius, Ver—
dacht falle. Die Räte mwiderrieten aber, wegen der dem Nuntius
befannten Verfaffung des Herzogs und da die Antwort bereits unter=
zeichnet, nochmals auf diejen Punkt zurüdzulommen; feinen eige=
nen Vortrag könne Gropper ja jo einrichten, daß jeder Verdacht
ausgeichloffen ſei. — Die offenbar für Rom beſtimmte lateinifche
Faffung des Vortrages ift denn aud in manden Punkten viel
ſchärfer, als derjelbe mündlich gelautet hatte.
Man ging im ganzen befriedigt auseinander. Gropper erhielt
zum Lohn für die guten Dienfte, die er befonders in der Koad—
jutoriefahe zu leiften veriprad, ein Geſchenk von 700 Goldgulden
und außerdem die Erlaubnis, feinen Neffen Gotfrid die Propftei
Soeft zu übertragen. Sein Beriht nah Rom über den Herzog
muß ſehr günftig gelautet haben, denn ein paar Moden fpäter
beglückwünſchte diefen ein päpftliches Breve wegen feiner Wachſam—
feit für die Reinhaltung feines Landes von der Peft der Härefie.
Die neuerdings erbetene Konfirmation der Koadjutorie erfolgte
zwar nicht jo raid), wie Öropper in Ausficht geftellt hatte, jedoch
wurde diefer von Rom aus ermächtigt, für den Fall des Todes
de3 münfterihen Biſchofs die Sache wenigſtens in der Schwebe
zu halten.
Bon Tag zu Tag wurde Biihof Johann Hinfälliger: wer bei
Verteilung der Erbſchaft nicht leer ausgehen wollte, traf jegt ſchon
feine Vorkehrungen. Ausgangs März kamen Gejandte des mün—
fterihen Domkapitels (der Domherr Konrad von Weiterholt und
der Syndifus Lie. Schade) nad) Köln zu Dr. Gropper, von da
nad) Gleve, wohin ihnen der Nuntius auf dem Fuße folgte. Hier
verftändigten fi die drei Parteien über den Weg, welden mar
nad Zohanns Tod einzufchlagen habe. — Acht Zage danach, in
der Frühe des 5. April 1574, verichied der Biſchof auf Schloß
Ahaus, nicht ganz 45 Fahre alt, nachdem er mehr als zwanzig
Jahre über Stift Dsnabrüd, mehr als acht über Münfter und
ſechs Jahre über Paderborn regiert hatte. Im Chore des Doms
zu Münfter wurde er feierlich beftattet. Die Nachrufe der Zeit:
Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Miünfter. 249
genoffen rühmen bejonders des Verſtorbenen Sprachenkenntnis,
einzelne auch feinen religiöjen Eifer. Der Rektor Kerfienbroid jagt
von ihm in jeinem Katalog der Paderborner Biichöfe:
„Allzeit verteidiget er den Glauben der Väter unbeugjam,
Welcher gefihert hier jtand unter jo kräftiger Hut“ ?).
In der That ift des Biſchofs kirchliches Verhalten für die
allgemeine Geſchichte der niederdeutihen Lande wichtig geworden.
In einer Zeit des Schwankens, der allgemeinen Unentichiedenheit
zwifchen den kirchlichen Gegenfäßen, hat Johann von Hoya durch
feinen offenen Anſchluß an die Zrienter Kirchenreform viel dazu
beigetragen, daß ſich inmitten Halb oder ganz proteftantiicher Land-
ihaften ein fefter römiich-fatholiicher Kern bildete, von dem fortan
und bis heute nur noch einzelne loje Teile fi) abgebrödelt haben.
1) Religionis erat rigidus defensor avitae,
Quae tanto hic semper vindice tuta stetit.
Anh in der von dem münfterfhen Kanzler Wilhelm Sted verfaßten
Grabſchrift (bei Kock 1. c. p. 141) Heißt Johann: religionis catholicae pro-
pugnator acerrimus.
2. Kapitel.
Die Nenwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrück. —
Tod des Herzogs Karl Friedrich. *
Von den drei Hodjtiftern, melde Johann von Hoya beſeſſen
batte, erhielt zuerft das Paderborner einen neuen Herın. — Bei
den Verhandlungen über Annahme eines Koadjutors zu Lebzeiten
Johanns wird diefes Stiftes felten gedadt. Einmal (im Jahre
1572) läßt der münjterihe Domdehant Goddert von Raesfeld,
*Quellen: 1) Für bie Neumahlen im den weftfälifchen Stiftern f. o. Ouellen zu
Kap. 1; ferner ein paar Berichte des Nuntius Gropper an Karbinal
&omo bei Theiner 1. c. I, 212sgqg.
2) Für Herzog Karl Friedrichs Leben ift Hauptquelle die ausführliche
und ſchöne Biographie von feinem. ehemaligen Präceptor: Steph.
Vinandus Pighius Campensis, Hercules Prodieius seu Prinecipis
juventutis vita et peregrinatio. Antverpiae 1587. Der Hercules
Prodicius (Herfule8 am Scheideweg) unb princeps juventutis ift Karl
Friedrich. — Über Karls römischen Aufenthalt und Tod Berichte von
Herzog Ernft und den Seinen: RU. Freifing, Nr. 79 u. 80. RA. Jülich
und Eleve, T. IL. Zwei Briefe von Herzog Ernft an Herzog Wil-
beim IV. unb an ben Kaifer find auch gebrudt bei Lacomblet,
Urfundenbud IV, Nr. 576 u. Zeitfchr. des berg. ©.-®., Bd. XIIL. Herzog
Ernft fchrieb diefe beiden Briefe auf Wunfch bes Papftes „bamit nit
ander leit fi) zu entſchuldigen und daneben ir Ht für bie Iuden ftellen
molten, bie doch warlich fih im bifem cafır gar vätterlih und mol
gegen bem prinzen verhalten”. (Herzog Ernft an feinen Bater. Dr.
eigh. AA. Freifing, Nr. 80, fol. 114.) Briefe von Gimnih an Her-
309g Wilhelm vom 14. Febr. u. 12. März in Rebingbovens Sammlung
MB. Cgm. 2213, IX, fol. 92ff.
Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 1
der aud zu Paderborn Domherr war, dem Herzog von Jülich
feine Hilfe anbieten, um Paderborn ſowie Minden zu erlangen;
bald nachher behauptet der Herr von Rheidt, man habe, unge=
achtet der Gegenpraftifen von Köln und Bayern !), Stift Paper:
born in der Hand. Dennoch erfährt man nichts von ernftlichen
Bemühungen des cleviihen Hofes um dasjelbe und ebenjo wenig
bon ſolchen der Zauenburger. Es Elingt wie Spott, wenn Biſchof
Johann einmal (April 1572) die Lauenburger Gejandten fragte,
warum fie denn nichts von Paderborn meldeten, ob e3 etwa zu
entlegen? — Die Bermutung liegt nahe, daß hier diejen beiden
Rivalen ein dritter, Kurfürft Salentin von Köln bereit3 den Rang
abgelaufen hatte. Machte er ſich doch ſchon im Jahre 1568
Hoffnung auf das Stift. Zu Anfang des Jahres 1572 begegnet
uns die beftimmte Angabe, daß er fi) um die Koadjutorie be=
mübte 2). Aus der Schnelligkeit, womit nachmals die Entſcheidung
zu feinen Gunften fiel, darf man zurüdihliegen, daß ſchon im
boraus mit dem Paderborner Kapitel alles abgemaht war. Es
jagen in diejem neben dem Stift3adel befonders Ritterbürtige aus
dem benadbarten kölniſchen Herzogtum Weftfalen, Herren von
Meichede, Hakfeld, Fürftenberg. Anderſeits gehörten ein Hakfeld
und ein Fürftenberg zu Salentins vertrauteren Räten. Eben von
dieſem letzteren, Kafpar von Fürftenberg, dem Bruder des Paper:
borner Domherrn Dieterih, ftammt jene Angabe aus dem Jahr
1572. Salentin hielt fi mit Vorliebe im Herzogtum Weſt—
falen auf; am Rhein warf man ihm fogar Parteilichfeit für die
Weſtfalen vor ?).
1) Bon bayrifhen Praktifen um Paderborn in biefer Zeit ift mir fonft
nichts befannt.
2) Pieler, €. v. Fürftenberg (Paberb. 1873), ©. 13 aus 5.8 Tagebuch
vom 31. Ian. 1572: „Mit m. g. 5. von ber gefuchten paberbornifchen
coabjutori geret”.
3) Dr. Timoth. Yung fhreibt am 12. Nov. 1572 an ben Herzog von
Bayern: „haben ir cf. ©. ein grofien unmillen auf das cap. und ritterfchaft
geworfen unb trauen auch inen das minft nit; fonber allein Weftphalen
22 Bierted Bud. Zweites Kapitel.
Während des Jahres 1573 lich Landgraf Wilhelm von Hefien
einmal einigen vornehmen Paderborner Adeligen, dem Landdroft
Friedrih von Weitfalen, Bruder des Dompropftes und des Se—
niors, und dem Herrn Schönberg Spiegel zum Defenberg, feinen
Zehensleuten, die Nachfolge des Bremer Erzbiſchofs empfehlen und
befam gute Vertröſtung. AS dann Biſchof Johann im April
1574 im Sterben lag, bat Erzbiihof Heinrich) den Landgrafen,
ihn neuerdings jowohl in Paderborn wie in Dsnabrüd zu em-
pfehlen. Der Landgraf that das auch in Denabrüd; in Bader:
born aber empfahl er zugleih mit ihm und zwar viel wärmer
jeinen Mündel, den jungen Grafen Philipp von Waldeck. Denn
ihm lag zunächſt nur daran, daß nicht „der große Papift und
ſeltſame Vogel“ — er meinte Salentin von Köln — fein Nach—
bar werde; darum erinnerte er das Domkapitel an die Fabel vom
Hirſch und vom Roß, das ſich dem ſchönen Sattel zuliebe in die
Knechtichaft des Reiters gab. „Nehmt ihr‘, fchrieb er eigen-
händig an jene beiden Lehensleute, „einen großen Hanjen, jo be=
denkt, was euch daraus erfolgen kann. Das habt ihr euch diejes
Drts [bei Waldel] nicht zu beforgen. Da ihr aber je einen
Fürften wolltet haben, jo wäre mir der Erzbiſchof zu Bremen
auch zu leiden. Das Hang doch faft wie eine Warnung aud)
bor Heinrih und war mindeftens ein taktiicher Fehler, da jede
Doppelempfehlung faum ſoviel wog wie eine halbe, Heinrih allein
aber neben Salentin vielleiht auf Erfolg rechnen konnte. Das
Domkapitel gab den Gejandten de3 Landgrafen eine höflihe Ant-
wort (15. April), aber die Eingeweihten wußten bereit, daß
Salentins Wahl gewiß jei. Die jülihihen Gejandten blieben
darum, auf den Rat Goddert3 von Raesfeld, ganz weg; bre=
miſche waren da, aber bon vornherein mutlos; wer von den Dom:
herren den Kölner Kurfürjten nicht wählen mochte, wie Goddert
von Raesfeld, ftellte jeine Stimme dem Sapitel anheim; — jo
wirt von t. cf. ©. gepreift und gelobt umb baflelbig lant bebalt ir cf. ©.
gewißlichen bei ber bignitet noch eim zeitlang.“ StA. 229/10, fol. 367.
Die Neumahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 258
wurde Hurfürft Salentin am 21. April einmütig zum Biſchof
poftuliert. Bereit3 am 4. September vom Papft als Adminiftrator
beftätigt, hielt ev am 9. Dezember feinen feierlihen Einritt in
Paderborn, nicht im Biihofsgewand, fondern in Harniſch und
Waffen, geleitet von tauiend Reitern, „als hätte ex, jagen die
Zeitgenofien, zeigen wollen, daß er bereit jei, feine Kirche mit den
Waffen zu verteidigen‘.
Nur vierthalb Zahre Hat Salentin das Stift regiert, aber ein
gutes Andenken Hinterlaffen. Auch hier wie im Grzftift Köln gab
er ſich alsbald an die Einlöfung verpfändeter Tafelgüter: Schloß
und Stadt Beverungen an der Weſer, Zehnten zu Nieheim,
Mühlen zu Salzlotten werden al3 joldhe genannt. Außerdem
ſoll er dem Nachfolger Silbergerät im Wert von mehreren tauſend
Goldgulden hinterlaffen haben. in weiteres Verdienſt erwarb er
ih als Wiederherfteller der verfallenen Domſchule; er gründete
ein eigenes Collegium Salentinianum, ordnete Einkünfte und Ver—
waltung der erneuerten Domſchule und jegte ihr als erſten Rektor
den Mag. Hermann von Kerfjenbroid vor, als diefer im Jahre
1575, wegen feiner Gedichte der münfterihen Wiedertäufer miß-
liebig geworden, das Rektorat der münfterjhen Domſchule nieder-
legte. Die Freunde kirchlicher Neuerungen mußten fi) unter Sa—
lentind Regiment nicht minder wie unter dem feines Vorgängers
ftille Halten 9.
Auch im Stift Münfter wurden die Dinge raſch neugeordnet.
Schwierigkeiten war duch die Beratung zu Cleve kurz vor Biſchof
Johanns Tod vorgebeugt. Dort hatten die Gefandten des Ka—
pitels veriproden, an Johann Wilhelms Succeſſion feftzuhalten
und Dr. Gropper, zwar nit als päpftliher Nuntius aber für
1) Kleinforgen, 8.-©. II, 424. für bie Behauptung bes Landgrafen
Wilhelm (in einem Briefe an ben Kurfürften von Sachſen vom 9. April 1575
MA. Köln 1575—1580, fol. 38T): „das der bifchof zu Coln, der doch alzeit
vorgeben, das er ben pfafien und fonberlich ben jefuitern gar gramb fei, fich
igo unberftehet biefelben im ftift Paderborn auch einzufuren“, finde ich fonft
feine Beweife.
254 Biertes Bud. Zweites Kapitel.
jeine Perſon zugeftimmt; ein Breve an das Kapitel, weldes zu
diejem Beſchluß nicht paßte, wurde von Gropper zurüdbehalten ?).
Während Johann Wilhelms Minderjährigfeit jollte ein dem Dom-
fapitel entnommener Adminiftrator das Stift regieren 2). Andere von
Rom aus vorgeichlagene Wege, namentlich eine Adminiftration des
feit Ablegung der Profeſſio fivei dort gut angejchriebenen Kölner
Kurfürften, waren dem" Herzog nicht genehm. Die Bejorgnis, das
Domkapitel werde ſich vielleiht an das zu Cleve gegebene Ver-
ſprechen nit binden, wurde durch bündige Zufiherungen der an-
gejehenften Leute im Stift, des Domdechanten, des Marihalls
Herman von Velen, des, Kanzlers Sted, jchnell gehoben; auch das
Domkapitel jelbft erlärte ich gegen Gejandte des Herzogs ganz
befriedigend; ein Mitbewerber war überhaupt nicht da. Als die
cleviihen Räte mit den Stiftsräten und dem Nuntius am 18. April
in Münfter zufammentraten und die frühere Kapitulation Johann
Wilhelms wieder vornahmen, fand man nur an der Form einiges
zu ändern. Die Neuwahl ging darauf am 28. April in gewohn—
ter Weife vor fih: in der Frühe überreihten cleviiche Räte die
geänderte Kapitulation, unterzeichnet von Herzog Wilhelm und
verbürgt durch eine ftattliche Anzahl feiner geiftlichen und welt—
lihen Landſaſſen; dann feierte man im Dom die Mefje vom hei-
ligen Geifte, und nachher traten die Domlapitularen im Kapitel
haus zur Wahl zufammen. Nah einer Stunde erichienen fie
wieder im Domchor, wo der Syndilus in ihrem Namen verkündete,
daß der zu Lebzeiten des vorigen Biſchofs zum Koadjutor ver
ordnete Herzog Johann Wilhelm als Biihof und vegierender
Herr des Stift3 poftuliert und angenommen und al3 folder zu
halten jet.
1) Das Breve vom 5. Febr. 1574 (bei Theiner 1. c. I, 233) forbert
das Kapitel auf, im Falle des Abfterbens Biſchof Iohanns einen geeigneten
Mann zu wählen, behandelt alfo die münfterfche Kirche als erledigt.
2) Man dachte an den früheren Bifhof Bernhard v. Raesfeld, ber
übrigens felbft bald nach Johanns Tod ftarb (am 18. April), oder an befien
Bruder, den Domdechant.
”
Die Neuwahlen zu Paberborn, Miünfter und Osnabrüd. 255
Die Publikation zum regierenden Herrn bedeutete jedoch nicht
irgendwelden Anſpruch auf die wirkliche Regierung. Bon ihr
jolte Johann Wilhelm nad wie vor bis zu feiner Großjährigkeit
und Dualififation zum geiftlichen Stand ausgeſchloſſen bleiben. Die
Neuordnung der Regierung blieb einem Landtag überlafien, welcher
auf den 25. Mai ausgeichrieben wurde — nah dem Laerbrud
bei Münfter, wo die Landftände (Domtapitel, Ritterſchaft, Stadt
und Landftädte) nad alter Sitte unter freiem Himmel ſich zu ver-
fammeln und alles in einem Zage abzumadhen pflegten ). Dies—
mal gab es Anftände, fo daß man die Verhandlungen in der
Stadt fortjegen mußte: die Städte hatten allerlei Gebrechen mit
der Ritterſchaft, forderten insbejondere auch einen Anteil an der
Regierung und eine beftimmte Verwendung der Überſchüſſe der
Verwaltung. Es ſcheint aber nicht, daß fie viel erzielten; von
der Regierung blieben fie jedenfall3 ausgeſchloſſen. Dieje murde
gebildet zunächit aus einem dem Domkapitel entnommenen Statt:
halter Konrad von Wefterholt ?), einem jüngeren Mann, der einer
der angefehenften Familien des Stifts angehörte, jedoch ſelbſt nicht
aus dieſem, jondern aus der niederländiihen Landihaft Twenthe
ftammte, aljo ein geborener Unterthan des ſpaniſchen Königs war;
ihm wurden vier fogen. „Verordnete zur Regierung‘ beigegeben,
zwei aus dem Domkapitel, Propft Goswin von Raesfeld und
Scholafter Hermann von Diepenbroid, und zwei aus der Ritter
haft, Marſchall Velen Droft in Emsland und Bevergern und
Zutger von Raesfeld Droft zu Wolbeck und Saſſenberg. Dazu
famen noch ein Sanzler Dr. Stel und ein Rechtsgelehrter
1) Hobbeling, Beihreibung bes Stifts Münfter (herausg. von I. D,
v. Steinen, Dortmund 1742), ©. 119ff.; vgl. Geſchichtsquellen des Bistums
Münfter I, 195.
2) In den münfterfchen Poftulationsakten findet ſich mehrfach Kopie einer
Urkunde, wonach K. v. Wefterholt bereits am 29. April 1574 in Gegenwart
des Nuntius Gropper als Statthalter den Eid auf die Prof. fidei Trident.
leiſtete. Demnach ift er ſchon bald nach Johanns Tod zum Statthalter er-
nannt und vom Landtag vielleicht nur beftätigt worben.
256 Vierteb Buch. Zweites Kapitel.
Dr. Hüſeken, die ſchon unter Biſchof Johann gedient hatten ?).
Die Befugniffe der neuen Regierung waren im allgemeinen die
eines regierenden Herrn; die Ernennungen zu geiftlihen Pfründen,
Droftene und Rentmeifterämtern behielt fi) jedoch das Domlapitel
vor. In wichtigen Fällen follte die Regierung die anderen Land:
Ichaftsräte (Darunter aud ein paar Vertreter der Stadt), oder
das Domkapitel und den Stadtrat von Münfter zuziehen, oder
endlich, nad) Gutachten diefer beiden legteren, die Landftände jelbft
bejchreiben. In welchen Fällen das eine oder das andere zu ges
ſchehen babe, war nicht genauer bejtimmt; nur am Schluße hie
3: wenn der Statthalter oder einer der DVerordneten durch Tod
oder jonft abginge, folle das Domkapitel Erſatz verordnen.
Auch Herzog Wilhelm hatte feine Räte zum Landtag abge
ordnet; fie dankten für die Poſtulation ihres jungen Herrn, er—
mahnten die Stände zum Gehorfam gegen die Stiftsregierung -
und verſprachen für Notfälle den Schug ihres Herzogs.
Bon Münfter aus ſchickten die Räte einen Vertrauten nad)
Osnabrück zu einem legten Verſuch, ob nicht auch dieſes Stift
für Johann Wilhelm zu erlangen ſei. — Gejandte, welche der
Herzog bereits Mitte April dorthin abgeoronet hatte, waren
bom Domkapitel ähnlich wie zu Biſchof Johanns Zeit mit einis
gen frommen Redensarten abgefertigt worden; bremiſche Ge—
jandte, melde tags zuvor (14. April) für ihren Herrn wars
ben, werden wohl die gleiche Antwort befommen haben. —
Außer Herzog Johann Wilhelm und Erzbiſchof Heinrich gab
es noch mande andere Liebhaber der Dsnabrüder Kirche: io
Graf Dtto von Schauenburg für einen feiner geiftlihen Söhne
und Herzog Erich von Braunſchweig für einen Baftardjohn, für
welchen er auch ſchon in Paderborn vergeblich angeklopft hatte.
Kurfürft Salentin von Köln behauptet fpäterhin ?), er hätte,
1) IJanffen (Gefhichtsqu. des Bistums Münſter III, 50, Anm. 1) läßt
irrtümlich zwei Mitglieder des Stabtrats an ber Regierung teilhaben, wäh-
rend doch Corfey (a. a. O. ©. 332) das Verhältnis ganz richtig angiebt.
2) Dem kurfächfifchen Rat Dr. Paul gegenüber, im März 1577. Dr. loc.
Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 257
wenn er gewollt, damals Dsnabrüd haben fünnen, aber ftatt
feiner den Bremer Erzbiihor empfohlen. Das lektere wenig-
ſtens ift Thatjadhe; außerdem wurde Heinrid) wieder wie vormals
von Kurfürſt Auguft und Landgraf Wilhelm empfohlen. Am
beften aber empfahl ihn das Lob, welches er fich ſelbſt durch feine
gute Verwaltung des Erzftift3 Bremen und durch fein perfönliches
Auftreten bereit erworben hatte. As ihn im folgenden Fahre
ein päpftliher Nuntius Alerander Trivio in feinem Erzitift auf-
juchte, hörte er ihn allgemein al3 Hugen und gerechten Regenten
rühmen. „Was aber feine Perfon angeht‘, jchreibt Zrivio an
den Kardinal von Como, „ſo höre id) ihn nicht nur von feinen
Bremer Unterthanen, fondern aud) auswärts ſehr loben; mir per=
ſönlich ift fein Weſen jehr höflich und liebenswürdig erichienen
und. er gilt, was in jenen Ländern viel heigen will, al3 nüchtern
und als ein Freund der Wiffenihaften; — furzum, nichts vom
Barbaren habe ich an ihm bemerkt‘ *).
Das einzige Bedenken gegen Heinridy war die Religion. Die
Mehrheit des Dsnabrüder Kapitels war noch katholiſch, der Erz:
biihof aber, wiewohl er ſich mitunter als Katholiken ausgab, galt
do in der Nähe allgemein als Anhänger der Augsburger Kon—
feſſion. Man begegnete diefem Bedenken durch eine Kapitulation,
welhe dem Stift feinen fatholiichen Charakter wahren jollte.
Heinrich mußte veriprehen, das Domkapitel und alle, die deſſen
Jurisdiktion untergeben, bei der fatholiihen Religion zu erhalten,
ſich jelbft nad dem geiftlihen Recht zu qualifizieren, die Weihen
8926, fol. 117. Ähnlich auch fhon Autger von der Horft in einem Briefe
an Graf Johann von Naſſau vom 24. Juni 1574. Dill. Eorr. 1574, fol. 122.
1) Commendato universalmente, quanto al governo politico appartiene,
per giusto et prudente. .. Quanto alla persona sua, lo sento laudare
assai, non solo nella diocesi Bremense dalli sudditi, ma fuori ancora da
altri, et a me & parso di molto cortese et. amabil natura, et quello che
in questi paesi & assai, ha nome di sobrio et d’inclinato alle lettere, et
in somma non ho visto cosa in lui che habbia del barbaro. Theiner
l. ce. II, 470sq. Schon biefe Stelle beweift, wie wenig treffend Heinrichs
Charakter von Wiedemann a. a. O., S. 162 gezeichnet if.
Loſſen, Köln. Krieg 1. 17
28 Biertes Buch. Zweites Kapitel.
zu nehmen und die päpftlihe Konfirmation zu erwirfen. Bis da=
bin jolle dem Domkapitel die Regierung verbleiben; jei aber die
Konfirmation überhaupt nit zu erlangen, jo jolle Heinrich auf
das Stift wieder verzichten und dem Kapitel die freie Mahl ans
heimgeben. Außerdem wurde aud hier wie anderwärt3 die alte
Wahlkapitulation durd neue Beltimmungen verihärft, welche dem
Kapitel mehr Rechte, dem Landesfürften mehr Laften zuteilten. —
Des Erzbischofs Abgeordnete genehmigten alles. Daraufhin wurde
Heinrih am 22. Juni zum Biſchof von Osnabrück poftuliert und
proflamiert ?).
Ohne Säumen that der Erwählte Schritte, um ji die päpft-
liche Konfirmation für Dsnabrüd zu verihaffen. Anfangs Juli
hatten ihm einige Dombherren die Poſtulationsurkunde nad)
Bremervörde überbradht; bereit3 im Auguft finden wir Lorenz
Schrader, den ehemaligen Dsnabrüder Sekretär des Biſchofs Johann,
al3 feinen Abgeordneten bei Dr. Gropper in Köln. Schrader brachte
gleich ein Fatholiihes Glaubensbefenntnis mit, an welchen der
Nuntius nichts auszufegen fand, als die Klauſel am Schluß:
„unbeihadet unferer früher eingegangenen Verpflichtungen und
Verſprechungen“. Zu diejer Klaufel, fagte Schrader, hätten den
Boftulierten feine von der fatholiihen Religion längjt abgewichenen
Bremer Unterthanen genötigt, um ſich zu fichern, daß ſie nicht
gegen den beſchworenen Religionsfrieden bejhwert würden. Gropper
rügte zwar, daß der Erzbiſchof alfo zwei Herren dienen, zwei
einander widerſprechende Eidihwüre leiften wolle, überlich übrigens
die Entiheidung dem Kardinal von Como. Einftweilen blieb die
Sade in der Schwebe und hätte jomit auch, gemäß der Kapitulation,
die Stiftsregierung in der Hand des Domfapitels bleiben jollen.
1) Stüve, ©. 234 giebt an, „ba fi) die Mehrheit des Domlapitels
am 23. Mai für ihn entſchied“. Möglich, daß an dieſem Tage bereits be—
fchlofjen wurde mit Heinrich zu fapitulieren; vollzogen wurde die Poftulation
jebenfalls erft am 22. Juni, wie Heinrich felbft am 23. feinem Vater melbet
(Monatsſchr. f. d. Gefch. Weftbeutichlands 1878, ©. 594) und am 5. Juli
dem Landgrafen Wilhelm (MA. Bild. Osnabr., fol. 92).
Die Neuwahlen zu Paderborn, Miünfter und Osnabrüd. 259
Sie wurde diejem jedody bald läftig; denn die zahlreihen Gläu—
biger des vorigen Biſchofs drängten auf Zahlung, mit der Stadt
Dsnabrüd und einzelnen Privaten gab es verdrießlihe Händel;
vermutlih hatte jih Heinrich inzwiihen aud ſchon ein Lehens—
indult vom Kaiſer verihafft. Das Kapitel nahm aljo die Ver—
bandlungen wieder auf und einigte fih im März 1575 mit feinem
Erwählten dahin, daß diefer die Administration gegen einen Re—
vers übernahm, worin er neuerdings verſprach, im Falle der Nicht:
beftätigung zurüdzutreten.. Am 11. Mai 1575 hielt er — ohne
großen Prunk, denn Stadt und Land waren von der Peſt heim:
gejuht — feinen Einritt als Landesfürft.
Gegen die Perfon des clevischen Herzogs hatte man in Rom
zwar nicht jo ftarke Bedenken, wie gegen Heinrih von Lauenburg,
dennoh kam aud die münfterihe Konfirmationsiahe faum von
der Stelle. Obwohl Gropper die Urkunden über die neue Poſtu—
lation, ohne Zweifel von warmen Empfehlungen begleitet, ſofort
nad Rom jchidte, obwohl auch der Kaiſer des Herzogs neue Bitte
um Konfirmation wiederholt und dringend unterjtüßte, antwortete
Rom mit neuen Bedingungen. Augenſcheinlich war das alte
Miktrauen gegen des Haus Jülich nicht geichwunden, eher viel:
leicht gewachſen. An Grund dazu fehlte es nicht. Eben in die—
jer Zeit verlobte der Herzog auch feine zweite Zochter Anna
einem häretiſchen Fürften, Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neu—
burg, dem Sohne jenes Wolfgang, der als Barteigänger der
franzöfiichen Hugenotten gegen des Papſtes eigene Soldaten im
Feld geftanden hatte. Wieder geleitete Herzog Wilhelm felbft die
Braut ihrem Gemahle zu. Während er zu Neuburg vermeilte
(September=Dftober 1574), empfing Dr. Gropper ein Schreiben
des Kardinal von Como, worin es hieß, die münſterſche Kapi—
tulation ſei zwar nicht übel, könne aber doch noch verbefjert wer:
den. Bis jie zu diefem Zwecke gründlich geprüft, möge man einft=
weilen zwei Punkte ändern: 1) anftatt eines Statthalters für die
Temporalien und eines Weihbiſchofs für die Spiritualien werde
beſſer nur ein Weihbiihof oder Kommiſſar aufgeftellt, ohne den
17*
260 Viertes Buch. Zweites Kapitel.
auch in weltlichen Dingen nichts geſchehen dürfe; 2) weil man
bei Johann Wilhelms großer Jugend nicht wiſſen könne, ob er
nicht den geiſtlichen Stand wieder verlaſſen werde, möge der Kaiſer
und einer von den Fürſten, welche früher für ihn intercediert, ſich
verbürgen, daß er in dieſem Falle nicht irgend etwas von den
Kirchengütern ſich aneigne, — Forderungen, welche die Beſorgnis
vor Säculariſationsgelüſten an der Stirne tragen.
Als Herzog Wilhelms Räte nach ſeiner Rückkunft von der
Neuburger Reife (im November 1574) das Schreiben des Kar—
dinal3 von Como vornahmen, fanden fie den eriten Punkt weniger
für ihren Herzog bedenklih als für Domkapitel und Ritterſchaft,
in deren Händen die Regierung jest lag; der Herzog jelbit könne,
um fid) nicht des Vertragsbruches verdädtig zu machen, nichts
thun; was aber Gropper in Münfter ausrichte, werde auch dem
Herzog ohne Zweifel genehm ſein ). Die Zumutung dagegen,
die bereit3 mit jo ſtarken Garantieen verjehene Kapitulation nod)=
mal3 dur den Kaifer und fremde Fürften zu verbürgen, nahmen
Herzog Wilhelm und jeine Räte jehr empfindlih auf. Dafür er-
griff man eine andere Gelegenheit, um dem Papfte des Herzogs
katholiſche Geſinnung zu beweiſen.
Das römiſche Jubeljahr ſtand bevor; Papſt Gregor wünſchte
ſehnlich, zur Erhöhung der Autorität des apoſtoliſchen Stuhles
1) 16. Januar 1575 teilt Gropper dem Herzog mit, daß er nach Mün—
ſter unterwegs ſei (DA. 280, fol. 287). Über feine Verrichtung daſelbſt
fehlen mir Nachrichten, doch erfieht man aus Tibus a. a. O., ©. 108ff.,
daß er am 19. Januar mit dem Domkapitel über die künftige Stellung bes
Weihbiſchofs (alfo eben über den einen von Comos Aufträgen) verhanbelte.
Bermutlih forderte der Nuntius, das Domkapitel folle dem Weihbifchof
größere Rechte einräumen, während biefes Kridts Perfon für ungeeignet fanb
und ihn beshalb durch Dr. Nikolaus Elgard, einen erprobten Borkämpfer
ber tatholifchen Reftauration, erſetzt wünſchte. Noch im Jahre 1576 fpricht
das Kapitel den Wunſch aus, daß Elgarb Weihbifchof werde (MA. Domtlap.-
Prot., fol. 71). — Über dem Streben, feinen Weihbifhof Kribt weiß zu
waſchen, verfällt Tibus auf die feltfamften Phantafieen. Von einer „pro-
teftantifchen Mehrheit des Kapitels” kann überhaupt und zumal in biefer Zeit
nicht die Rebe fein.
Romreife und Tod bes Herzogs Karl Friedrich. 261
und zur Befeftigung der Einheit der ihm treugebliebenen Na—
tionen, es recht würdig zu begehen ). Er lud alle katholischen
Fürften auf das dringendfte ein, in Perjon zu kommen und aus
der Hand des Stellvertreters Chrifti die geöffneten Gnadenſchätze
des Himmels zu empfangen. Auch an den Herzog von Eleve er:
ging ein ſolches Breve, welches Gropper eben jet überreichte, da
man an deſſen Hofe die münſterſche Poftulation endlih einmal
geordnet zu jehen verlangte. Sonft hatten diefe Erasmianer und
Gaffandrianer am römischen Ablaßweſen wenig gutes gefunden;
jest antwortete der Herzog auf die Einladung zur Zeilnahme an
dem großen Ablaßfeft: ihn jelbit Hinderten zwar die belgiichen
Unruhen und fein Alter perjönlich zu kommen; damit aber er und
jeine Familie diefer großen Wohlthat der göttlihen Gnade und
des NReihtums der Erbarmungen nicht verluftig gehe, werde fein
eritgeborener Sohn zum Jubiläum fommen und nichts verjäumen,
was die heilige Zeit verlange 2).
Diejer Sohn, Herzog Karl Friedrih, war im Herbit 1571
an den kaiſerlichen Hof geidhiet worden, um bier ein paar Jahre
zu verweilen; danach jollte er zur Vollendung jeiner Erziehung
eine große Reife durch Italien, Frankreich und die Niederlande
maden, jpäter wohl Mitregent des geiftesihwachen Vater wer—
den. Wernher Herr zu Gimmih, des alten Herzogs Jugend—
genoſſe und Erzieher feines älteften Sohnes jeit deſſen Knaben—
jahren, übernahm auch für die Reife das Hofmeifteramt; als
Präceptor ging der ſchon genannte Winand Pighius mit, ein
geiftvoller Gelehrter, zugleih ein Mann von Welt, bereit3 ein
Fünfziger aber jugendlich begeiftert für die klaſſiſchen Studien, die
1) Über das Jubiläum von 1575: Pighiusl. c., p. 397sqq. Maffei,
Annali di Gregorio XIII. I, 142sqq. Theiner II, 1sgg.
2) Herzog Wilhelms Schreiben an den Papſt (Hambach, 6. Dez. 1575,
Kop. DA. 286, fol. 267) ift fo ungewöhnlich devot, daß man zweifeln möchte,
ob es wirklih fo abgeſchickt. Doch ließe fih als äußerer Grund hierfür
böchftens anführen, daß fih a. a. DO. fein Konzept desjelben mit den Namen
ber anweſenden Räte findet.
262 Viertes Bud. Zweites Kapitel.
ihöne Kunft und die jhöne Natur. Der talentvolle und gut=
artige Knabe und Füngling machte feinen Erziehern wenig Mühe.
Fromm und mäßig gewöhnt von Kind an, nad) des Vaters gutem
Beiipiel )), trieb er pflichteifrig fein Latein, Franzöſiſch und Ita—
lieniſch mit Pighius, voll Leivenihaft aber und Ehrgeiz mit Gim—
nic, den alten Waffengefährten Kaifer Karls, die Übungen in
den Waffen und zu Pferde. Im Reiten, Jagen und Bergfteigen
mutete er ſich leicht mehr zu, al3 jeinem zwar gejunden aber
zarten und noch nicht völlig entwidelten Körper zuträglid war.
Faſt drei Jahre blieb Karl am faiferlihen Hof; auch dann
nod ließ ihn der Kaifer, jein Obheim, nur ungern ziehen. Aber
der Vater wollte feinen Sohn nidt mehr allzulang vermiffen.
Co wurde denn im September 1574 die große Reiſe angetreten,
von Wien über Salzburg und Innsbruck nah Venedig, dann
nah Mailand; Hierauf an die Heinen italienischen Fürftenhöfe,
endlid) über Ancona und Loretto nad) Rom. Bereits in Venedig
war dem Prinzen eine perfönlihe Einladung des Papſtes zum
Zubiläum überreiht worden. Am 16. Dezember zog er al3 Gaft
Gregors XII. im Batifan ein. Etwa zur jelben Zeit gelangte
Herzog Wilhelms Befehl nah Rom, fein Sohn folle am Jubi—
läum teilnehmen und daneben um die Konfirmation feines jüngeren
Bruders id) bemühen.
Herzog Karl Friedrich war ſchon nit mehr in den Eras—
miihen Anſchauungen aufgewachſen, wie fein Water und deifen
Räte. Sein Hofmeifter Gimnid hatte fich feit geraumer Zeit der
römischen Partei an Herzog Wilhelms Hof angeſchloſſen ); Pig:
1) Beweife für dieſes aute Beifpiel aus ben Jahren 1558, 1562 und
1563 giebt u. a. Krafft, Beitr. zur Reformationsgefch. des Niederrheins
in ber Zeitichr. des berg. G.-®. IX, 172f.; vgl. Pighius 1. c, p. 163
u. 170.
2) Gerhard Veltins erzählt im Jahre 1591, fo lange er Hofprediger ge—
wejen (1558—1566), habe Herzog Wilhelm ftet8 unter beiden Geftalten fom-
muniziert. „Und warn f. f. ©. comvenierte (!) giengen mit f. f. ©. der faliger
graf Franz [d. i. von Walded] mit viel andern graven, der canzler felbft
(d. i. Dliffeger]), 2 mail obrifter marfchalt Herbenberg [d. i. Wilhelm von
Romreife und Tod des Herzogs Karl Friedrich. 263
hius war zwar zunächſt Humanift und gewiß kein kirchlicher
Eiferer, aber al3 Zögling der Löwener Hochſchule, der jeine Bildung
in Stalien vollendet, jodann lange Fahre an Kardinal Granvellas
Hof gedient hatte, waren ihm jedenfalls die römiſchen Anihauungen
von der Kiche geläufig. Zuhauſe hatte Vincenz von Lerin als
Handbuch Für Karls religiöſen Unterricht gedient; in Wien be—
nugte Pighius daneben ſchon jo ſtreng römische Lehrbücher wie
Evers Katehismus und die jogen. Confessio Petrocoviensis des
Kardinals Hofius.
Wenn Karl am Hofe feines Vaters, jodann am faijerlichen
die Kommunion unter beiden Geſtalten empfing, jo geihah das
gewiß nit auf Veranlafjung feiner beiden Erzieher, ſondern nad)
dem Wunsch und Betipiel derer, welchen der lenktjame Knabe und
Züngling zunächſt zu gehorchen hatte, erit des Vaters dann des
Dheims und Kaiſers. Fest in Rom wünſchte Bapit Gregor aufs
lebhaftejte, Herzog Karl Friedrich, der ihm mit jo kindlicher Ehr—
furcht entgegenfam, unbedenklich den Pantoffel küßte und die
Schleppe nachtrug, jolle ji gerade hier von dem als ſchismatiſch
betrachteten Gebrauch des Laienkelches freimachen. Herzog Ernſt
von Bayern, der ſeit dem Frühjahr in Rom lebte, wurde veran—
laßt, ſeinen faſt gleichalterigen Vetter zu bewegen mit ihm gemein—
ſam die Kommunion zu empfangen. Es koſtete kaum Mühe, dieſen
zu überreden. Am Weihnachtsabend wohnten die beiden jungen
Fürſten im St. Peter der feierlichen Eröffnung der heiligen Pforte
bei, jener Zeremonie, mit welcher das Jubiläum eingeleitet wird;
am Morgen des Chriſttages empfingen ſie in der päpſtlichen Ka—
Bernſau Herr zu Hardenberg], Schwarzburg [d. i. Gothard Freih. v. Schwar-
zenberg], fo lang er turwerter war, item Gymid [d. i. Wernher von
Gimnich], 6i8 das er über tifch die orbnung Chrifti geleftert hatte, darauf
ich verurfacht ware, vor des nachtmals zeit zu leren, daß nimant mit bem
fürften communicieren ful binfort, fie woltens mir erft anzeigen. Da tet
Gymich mie Lucifer und nam etliche junfhern mit fih und giengen ins
clofter zu Düffeldorf. Das war ber irfte feisma zu hove.“ Zeitſchr. des
Berg. G.«V. III, 369ff.; vgl. Wolters, Heresbach, ©. 189 und oben
©. 236, Anm. 2.
264 Vierte Buch. Zweites Kapitel.
pelle aus des Papftes Hand die Kommunion unter der Geftalt
des Brodes.
Nun war alle Welt in Rom doppelt entzüdt über den be=
iheidenen Füngling, deifen Herzensgüte ohnehin jchnell den etwas
linliſchen Eindrud vergejjen ließ, den jeine Schüchternheit anfangs
machen mochte. Papſt und Kardinäle wetteiferten mit Auszeichnungen,
die jelbjt die Eiferfucht des franzöſiſchen, des portugiefiichen und des
venetianiſchen Gejandten erregten. Die größte Ehre wurde ihm am
Neujahrstage zuteil. Nach der Mefje überreichte Gregor dem vor
jeinem Throne fnieenden Prinzen das geweihte Schwert, nebft
Hut und Schwertgurt, welche der Papft alljährlid) vor der Ehrift-
mette al3 ein Symbol feiner Dbergewalt über alle Getauften zn
mweihen pflegt. „Nimm bin das heilige Schwert, und werde ein
Verteidiger der katholifhen Kirche‘, ſprach der Papft, und der
Jüngling antwortete, er bitte Gott, daß ihm vergönnt fein möge,
menigftens einigermaßen den Erwartungen Seiner Heiligleit zu
entiprechen.
Am andern Tag nahm Karl Abihied, um nad Neapel zu
gehen; auf dringenden Wunſch des Papftes follte er aber von
dort wieder nad) Rom zurüdfommen, um dann auch einige ge=
ihäftlihe Dinge, namentlich die münſterſche Konfirmation, zu er—
ledigen. Den kirchlichen Feierlichkeiten Roms folgten jetzt die
weltlichen Zuftbarkeiten Neapel. Kardinal Granvella, der Vize:
fönig, bewirtete jeinen Gaft mit königlicher Pracht; Campaniens
ihmwelgerifcher Adel zog den Füngling halb wider Willen von Felt
zu Feſt. Müde und abgeipannt kam Karl am 24. Januar nad
Rom zurück!). In der nädjftfolgenden Nacht erkrankte er mit
ftarfem Fieber. Zwei Tage fpäter zeigten ſich die Blattern. —
Gerade vor einem Jahre hatte er in Wien an den Kindsfleden
frank gelegen. Der Krankheitsftoff, meinten nachher die Arzte,
1) Maffei l. c,, p. 202 deutet an, baß ber junge Herzog durch gröbere
Ausſchweifungen in Neapel feine Krankheit ſelbſt verfchuldet habe. Dr. Fab-
ricius fpricht ſich darüber noch viel beftimmter aus. RA. Freifing Nr. 81,
fol. 174.
Romreiſe und Tod des Herzogs Karl Friedrich. 265
jei damals nicht ganz aus dem Körper herausgetrieben worden;
die ſtarken Strapazen der Reife hätten den Wiederausbruch ver—
zögert, aber auch die innere Entzündung verihlimmert. Dazu
fam, daß der Füngling zu Huften neigte; vielleicht war bereits,
infolge übergroßer Anftrengungen, feine Zunge angegriffen. — Die
Krankheit ipottete jegt aller Mühe der Arzte und aller Sorgfalt
der Pflege. Der ganze päpftliche Hof folgte mit ängjtliher Teil—
name ihren Fortihritten. In allen Kirchen und Klöſtern wurde
für des Prinzen Genefung gebetet. Der Papſt jelbit erichien per-
fönlih an jeinem Srankenbett. Einmal, am 5. Februar, ſchien
eine Wendung zur Beſſerung einzutreten; es war aber nur ein
legtes Auffladern der erlöihenden Lebenskraft. Zwei Zage jpäter
mußte man alle Hoffnung aufgeben. Karl empfing die Sterbe-
jaframente, nahm Abſchied von feinem treuen Hofmeifter und allen
anderen Dienern und jandte Eltern und Geſchwiſtern den legten
Gruß. Am Vormittag des 9. Februar, am fünfzehnten Tage der
Krankheit, jtarb er. Die Leiche wurde mit feierliher Pracht, ges
tragen von vierundzwanzig deutihen Adeligen, geleitet vom ganzen
päpftlihen Hofe, aus dem Vatikan nad der deutichen Kirche
Sta Maria dell’ Anima verbradt. Hier blieb jie auf Befehl des
Papites in einem Bleifarg ftehen, bis der Vater entichieden habe,
was mit ihr geihehen tolle. — Sie wurde nahher im Chor der—
jelben Kirhe, dem Grabmal des deutihen Papftes Hadrian VI.
gegenüber, beftattet und über dem Grabe ein prunfvolles Monu=
ment errichtet.
3. Kapitel.
Stift Münfter nad) dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. *
Als Herzog Wilhelm von dem Tode feines Sohnes, des
Stolzes und der Freude jeines Alters, Kunde erhielt, da brad)
er anfangs faſt zufammen vor Schmerz. Dann wechjelten bei
den armen, der Sprade nur halb mächtigen Manne Ausbrüche
blinder Wut mit dumpfer Trauer. Endlich gelang es, ihn jo weit
zu beruhigen, daß er jelbft mit einer gewiſſen Freude vernahm, wie
Rom feinen Sohn nod) nad) dem Tode geehrt habe und daß er
des Papſtes fromm mohlmollenden Zroftbrief mit einem gotter-
gebenen Dankſchreiben erwiderte.
Zu dem Kummer um den Verluſt des ältejten Sohnes ges
*QJuellen: Die bayrifhen Akten der Bewerbung um Münfter 1575—1585
größtenteil8 hronologifch geordnet in 9 Bänden AA. Bilchoft. Miünfter
II—X. (Ergänzungen dazu für die Jahre 1579—1585 StA. 98/1).
Diefe Serie und die o. S. 225 Anm. angeführte DA. Landesherrl. Fami—
lienſachen 283—1 ergänzen einander im allgemeinen berart, daß das eine
Archiv die Konzepte jener Briefe enthält, deren Originale in dem an—
deren find. Bon den zwifchen Münfter und Jülich gewechjelten Schrif-
ten erhielt der bayrifche Hof regelmäßig Kopie. Die beiberfeitigen Akten
beweifen, daß inbezug auf die münfterfche Poftulation (und ebenfo fpäter .
auf die Bewerbung um Köln und um Lüttich) zmwifchen den Häufern
Jülich und Bayern volles gegenfeitiges Vertrauen obwaltete. Ich babe
die Münchener Archivalien zuerft benutt, nachher aber regelmäßig
meine Ercerpte mit ben Düffeld. Alten verglichen. — Für biefes Ka-
pitel fommen befonders in Betradt RA. Münfter T. II u. DA. 280. —
Eine weitere Hauptquelle für die münfterfhe Poftulationsfache von
Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrid. 267
jellte ji alsbald die Sorge, was aus dem zweiten, nunmehr eins
zigen, werden jolle. Johann Wilhelm, ein Knabe von dreizehn
Fahren, nod) nicht geiftesihwad, aber-von jehr ſchwächlichem Körper,
war jetzt der künftige Landesherr: daß er den geiltliden Stand
verlaffen müſſe, ſchien ſelbſtverſtändlich; in welchem Geiſte er aber
fortan erzogen und wem Stift Münſter zufallen werde, waren
offene Fragen, von Wichtigkeit nicht nur für die eigenen, ſondern
auch für die Nachbarlande und weiterhin für alle Reichsſtände. —
Auch in Rom beſchäftigte man ſich mit ihnen ſofort nach Karl
Friedrichs Tod.
Wernher von Gimnich und Dr. Fabricius, welche die gleiche
kirchliche Geſinnung zu vertrauten Freunden gemacht hatte, thaten
zunächſt Schritte, damit Johann Wilhelm einen gut katholiſchen
Hofmeiſter erhalte. Gimnich, überzeugt, daß ihm ſelbſt dieſer
Todesfall allzu große Mißgunſt zuziehen werde, dachte an den
Jülicher Marſchall Johann von Reuſchenberg, einen angeſehenen
und eifrigen Katholiken, der ſich zudem vorausſichtlich ganz nach
ſeinem Rate richten werde. Das teilte Fabricius alsbald dem
Papſte mit, nachher auch dem ſpaniſchen Botſchafter. Man wollte
beruhen, auf ven alten Herzog von Jülich durch feine beiden
Schwäger, den Kaiſer und den Herzog von Bayern, gleich bei
den Beileidsbezeugungen in diefer Richtung Einfluß zu üben. Ein
Jakobi 1575 bis Februar 1577 ift ein Band Protokolle des Domkapitels
1575— 1577 im Dirt. (119 beſchr. BL). Für die unmittelbar vor»
bergebende und die folgende Zeit (bis 1588) finden fich daſelbſt feine
Kap. Protokolle; fonftige Archivalien über die Poſtulationsverhandlung
von 1571—1585 jedod in Menge, namentlich Abteil. Münfter. Yandes-
ardiv 1. 102-1, zum großen Teil aus dem Nachlaß des Dechanten
Raesfeld, aber noch ungeorbnet, weshalb ich fie nur flüchtig durchgeſehen
babe. — Korrefp. des bayr. Gefandten in Rom mit Herzog Albrecht
Münfter betr. RA. Freifing, Nr. 80 u. 81; einige Ergänzungen RU.
Jülich und Cleve I. u. II. — Alten betr. die Bemühungen des Pfalz-
grafen von Neuburg um Münfter MA. Schubl. Rep. V. Cell. 75,
Bol. III, Nr. 4 (Reſign. des Stifts M. betr. 1575). — Alten ber
Gefandtfchaft von Kurpfalz, Braunfchweig und Hefjen ar den Herzog
von Jülich MU. Herz. Jülich betr. 1575—1576. — über die Abfichten
der Reformierten auf M., vol. das folg. Kapitel. — Gropper an Karb.
268 Diertes Bud. Drittes Kapitel.
paar Tage fpäter ſprach Fabricius mit dem Botichafter auch über
Stift Münfter. Da Gimnid) und andere meinten, das dortige
Domkapitel und der alte Herzog jelbjt würden Herzog Ernſt viel-
leicht nicht ungern an Stelle des jegigen Poftulierten nehmen, jo
riet Fabricius, König Philipp möge, gleihjam im eigenen Intereſſe
eines Nachbarn, den bayriihen Herzog als Nachfolger empfehlen ;
grenzte doch das Stift fait jeiner ganzen weftlichen Länge nad an
die ſpaniſchen Niederlande. — Wirklid) eigneten ſich ſowohl der
Botjchafter wie jein Bruder, der Statthalter der Niederlande,
Don Luis de Requejens (y Zuñiga) den Gedanken des bayriichen
Gejandten volljtändig an”).
Auch in Münden folgte man bereitwillig den von Rom er—
Como 7. Mai 1575 Theiner II, 37. Erzherzog Ferdiuand an ben
Papft 9. Juli 1575 1. c. U, 66.
Über Schenfings Prozeß feine eigene Debuttion: Ad omnes S. R.I.
et singularum provinciarum ordines ipsosque canonicos Monast.
adversarios. Pro militari progenitorum suorum nobilitate . . . Jo-
hannes Schencking u. j. doctor canonicus Augustanus 1576, 40. —
Über den Standpunkt des Kapitels vgl. ein Schreiben besfelben an
ben Papft (vom 20. Juni 1572) bei Theiner I, 21. Briefe und
Alten über biefen Prozeß zerftreut in vielen Ardiven u. a. RA. Mün-
fter II, fol. 10/63. Eine kurze Gefchichte desfelben bis zum Jahre 1596
in Röchells Chronik: Gefchichtsgu. des Bist. Münfter III, 23ff. Der
Prozeß ift im Jahre 1709 vom Kaifer zugunften der Erbmänner ent=-
ſchieden worden: Strunck l. c., p. 344sq.; Kock I. c. III, 104.
Was L. Keller in einem Aufjat über Kerfienbroid Zeitfehr. f. Preuß.
Geſch. XV, 1878, ©. 59ff. über Beziehungen dieſes Prozeſſes zu ber
tatholifhen Reftauration in M. zu wiſſen glaubt, ift bloße Phantafie.
1) Am 13. Febr. 1575 berichtet Fabricius an Herzog Albrecht, baß er
mit Don Juan de Zuñiga über Johann Wilhelms künftige Erziehung ge—
ſprochen und Reuſchenberg als Hofmeifter empfohlen babe; zwifchen bem
19. und 26. Februar fand banı bie Beiprehung über das Stift Münfter
ftatt. — Am 12. März 1575 bittet Requefens den bayrifchen Herzog, feinem
Schwager ‚Herzog Wilhelm den Marſchall Reufchenberg als künftigen Hof-
meifter zu empfehlen und am 26. März ſchreibt Requefens wieder an Herzog
Albrecht, defien Sohn werde feinem König als Nachbar in Münfter gewiß fehr
angenehm fein. — Diefe beiden Briefe des Requeſens ftehen zu jenen römi—
ſchen Geſprächen offenbar in Verhältnis von Wirkung zu Urfache.
Stift Münfter nad dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 269
haltenen Winfen. Hans Jakob von Dandorf erhielt Befehl, dem
alten Herzog von Jülich, nad) ausgeſprochenem Beileid, den Rat
zu geben, er möge feinem nunmehr einzigen Sohn redt eifrige,
gut und durchaus rein fatholiihe Leute, Hofmeifter, Präceptor
und Diener, zuordnen. Bei dem jülihichen Hofmeifter Gothard
Freiherr von Schwarzenberg und dem Kammerfefretär Paul Langer
jollte Dandorf im Vertrauen entweder Gimnich oder den Mar:
ſchall Reujhenberg als Hofmeifter empfehlen; den Sekretär allein
aber, gleihmwie für fi, über Mittel und Wege ausfragen, wie
etwa Münfter für Herzog Ernſt zu erlangen jei.
Lange Fahre hindurch waren die Beziehungen zwiſchen den
Häufern Fülih und Bayern, trog der Schwägerſchaft, jehr loſe
gewejen, — zumeift wohl wegen der verjchiedenen kirchlichen und
politiihen Stellung beider. Nod vor wenigen Jahren hatte man
am jülihihen Hofe die Einladung zum Eintritt in den Lands—
berger Bund ehr kalt aufgenommen. Danach aber räumte Her-
309 Wilhelms neue Freundichaft mit Rom das Haupthindernis
der Annäherung an das Fatholiihe Bayern hinweg. Bei der
Neuburger Hochzeit, im Dftober 1574, famen die beiden Schwä-
ger einander auch perfünlih näher; vermutlih auf Rat des
Bayernherzog mies damals Herzog Wilhelm eine Interceifion
evangelifher Fürften für die in feinen Ländern abgeſetzten Prä-
difanten zurüd ). Auch Schwarzenberg und Langer hatten wohl auf
1) Ein eigenh. PS. des Herzogs Wilhelm zu einem Schreiben an Herzog
Albrecht aus Neuburg a. D. vom 10. Oft. 1574 lautet: „Wir beforgen ber
pfaltgraf werbe uns ber entfetster firchendiener halben ferner anſuchen, wyr
werben aber bei voriger unfer antwort verharren.” RA. Gülh und Eleve
I, 117. (Einige Tage vorher dankt Herzog Wilhelm feinem Schwager für bie
zu Ingolftadt erfahrene herrliche Traktation.) Am 13. Februar 1575 fchreibt
Dr. Fabricius an Herzog Albreht (RN. Freifing, Nr. 80, fol. 127), der
Papft habe ihm gefagt: se cognovisse C. V. (quo tempore nuptiae Bipon-
tini celebrarentur) partim autoritate partim dexteritate quadam effecisse,
ut pollicitus fuerit [princeps Clivensis] se catholicae religionis serium et
ardentiorem propugnatorem futurum neque in sua provincia aliam reli-
gionem in posterum permissurum, quam quae catholicae et apostolicae
per omnia conformis esset.
270 Viertes Buch. Drittes Kapitel.
jener Hochzeit mit Herzog Albreht und feinen Räten als eifrige
Katholiten Freundihaft geſchloſſen. Einer von dieſen beiden
Männern hat zuerft, ſchon vor Dandorfs Ankunft, jei es nun von
ſich aus oder vielleiht auf Briefe von Gimnid hin, dem alten
Herzog vorgeihlagen, jeinen Neffen Herzog Ernſt an Johann
Wilhelms Stelle nad) Münfter zu bringen.
Bei dem hohen Wert, welchen alle deutichen Fürften der
Verwandtihaft beimaßen, lag dieſer Gedanke nahe; zudem
waren gerade jegt Äußere und innere Verhältniſſe der römijch-
fatholiihen Partei am Füliher Hofe bejonders günſtig. In den
benahbarten Niederlanden machte unter dem Gouvernement des
Requeiens die Unterwerfung der Rebellen gute Fortſchritte; an
Wilhelms Hof jelbjt hatte die alte Erasmiſche Mittelpartei in dem
cleviihen Kanzler Diifleger ihren einflugreihiten Vertreter jüngft
verloren ) (Fr 15. Februar 1575); mehrere der jeßt bei Hofe
angejehenen Leute — neben Schwarzenberg und Langer nod) die
Marihälle Reufchenberg und Arnold von Wahtendond, dann
Dietrich von der Hort, Amtmann zu Düſſeldorf — traten als eifrige
Katholiken auf; zu ihnen hielten ſich jegt auch der jülichſche Kanz—
(er Orsbeck und der cleviihe Rat Dr. Heintih von Wege, der
bald nachher Oliſlegers Nachfolger wurde. Vor furzem hatte der
Herzog ſeine beiden jüngeren Töchter ernſtlich aufgefordert,
1) Wolters, Heresbach, S. 197 Anm. Fabricius berichtet an Herzog
Albreht am 9. April (nah Mitteilungen, welche Gimnich vom Jülicher
Hofe erhalten Hatte): De provinciae statu significatur, illum tran-
quillum esse, vix diebus quinque a principis obitu e medio, haud dubie
divina providentia, sublato cancellario Clivensi, qui, ut autoritate plu-
rimum valebat, ita pravorum hominum ejus provinciae erat refugium et
azulum, sic ut per ipsius e vita excessum catholicorum vires non parum
sint augmentatae ac confirmatae, haereticorum vero e contra potestati
hine multum decesserit. — Praeterea quia praefectus [scil. Gimnich] apud
quosdam consiliarios, quos ille confidentiores habebat, nonnullam negotii
Monaster. significationem dedisset, ita rescribunt, ut plane arbitrentur,
rem exiguam difficultatem habituram ac seniorem principem pro sua in
Sertem V, addietione in Illmum Ernestum potius quam alterum hac in
parte inclinaturum.,
Stift Münfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 271
fünftige Dftern die Kommunion während einer fatholiichen Meſſe
zu empfangen. Da fie fid) weigerten, vief er die Hilfe des Kaiſers
an’). — Dandorf fand alfo am Füliher Hof den Boden für
die Wünſche jeines Herrn bereit3 geebnet; mit der Meldung,
Herzog Wilhelm ſei im Begriff, einen vertrauten Rat, Heinrid)
von der Rede nad) Münfter zu ſchicken, konnte er zurüdreiien 2).
Mir find diefem Heinrid von der Rede bereit3 als Unter:
händler in der münfterichen Koadjutorie= und Poſtulationsſache,
dann al3 Hofmeifter des Herzogs Johann Wilhelm begegnet; von
jegt ab fpielt ev in den münfterfchen Dingen fait die wichtigfte
Rolle. Über fein früheres Leben liegen, nur ſpärliche Nachrich—
ten vor. Er ftammte aus einem alten in der Grafihaft Mark
und im Stift Münfter anfäfligen Rittergeſchlecht, hatte längere
Zeit (etwa um das Fahr 1550) in Italien ftudiert und mar
wohl dort Licentiat der Rechte geworden. In die Heimat zu—
rüdgefehrt wurde er Amtmann in der Lymers (bei Emmerich)
und cleviicher Rat und als folder der Kollege feines italieniichen
Studienfreundes Andreas Mafius und des Dr. Heinrich von Wege,
mit welhen er lange Zeit zu Zevenar gemeinfam haushielt. In
den Religionsverhandlungen der jechziger Jahre an Herzog Wil:
helms Hof ericheint Red als Hauptvertreter der römiſch-katholiſchen
Richtung: „einen heftigen Anhänger des Papſttums“, „einen
ganzen Papiften‘ nennt ihn Hamelmann; im Jahre 1570 wird
Reck dem bayriihen Herzog als einer der zuverläfjigften Katho-
lifen am cleviſchen Hofe gerühmt. Pighius ſpricht nachmals von
Red und Mafius, die er von Zevenar ber fannte, als von
Männern, die nit minder an Frömmigkeit und Gelehrjamleit,
wie an Erfahrung, Sprachenkenntnis und richtigem Urteil unüber:
trefflich gemweien fein. — In den Aften tritt uns Heinrih von
1) Lacomblet, Urkunbenbuh IV, Nr. 577.
2) Danborfs Relation über feine erfte Reife zu dem Herzog von Jülich
fehlt in dem Akten. Ihr Inhalt ergiebt fih ungefähr aus einem Schreiben von
Herzog Albrecht an Fabricius vom 26. März, AU. Freifing Nr. 80, fol. 208.
272 Viertes Bud. Drittes Kapitel. 5
der Rede als ein Mann von Harem Wollen und rüdjichtslojer
Energie entgegen ').
Nody im Laufe des März begab fid) Red nad) Münfter, an—
geblih nur um dem Domkapitel den Tod des Herzogs Karl Friedrich
anzuzeigen und zugleich die Frage vorzulegen, ob nit ratſam, daß
Sohann Wilhelm noch eine Zeit lang im geiftlichen Stande bleibe
und nicht fofort auf die Poftulation verzichte. — Die anweſenden
Domherren wollten vorerft mit den anderen beraten. — Nachher
eröffnete Red dem Domdehanten Raesfeld im Vertrauen den
eigentlichen Zwed feines Kommens: Herzog Wilhelm werde feinen
Sohn gerne al3bald zurüdtreten laffen, falls man feinen Neffen
als Nachfolger annehme. Raesfeld äußerte allerlei Bedenken,
meinte aber jchließlih, der Herzog von Bayern könne mit Hilfe
jülihiher Räte deshalb beim Kapitel anhalten; jehr dienlich werde
eine Empfehlung durch den Kölner Kurfürften fein. Einige Wo—
hen ſpäter ſprach Raesfeld gegen Neck bereits die Hoffnung aus,
falls Kurfürft Salentin für Herzog Ernft intercediere und letzterer
auf eine billige Kapitulation ſich einlafje, werde feine Poſtulation
wohl durchzujegen fein. — Aus diejen Andeutungen Raesfelds geht
hervor, daß es im münfterichen Kapitel eine ftarfe Partei gab,
welche den Herrn von Köln und Paderborn gerne aud als Biſchof
bon Münfter gejehen hätte.
Auch ſonſt fehlte es nicht an Bewerberin um das vorausficht-
(ih bald freimerdende Stift. Philipp Ludwig Pfalzgraf von Neu—
burg madte jih als Schwager des jekigen Poftulierten Hoffnung,
einen feiner jüngeren Brüder dahin befördert zu jehen; jedoch bes
deutete man an Herzog Wilhelms Hofe feinem Gejandten, daß
das Domkapitel, welchem die Wahl zuftehe, feinen Biſchof haben
1) Über Red: Hamelmann |. c. 1004. 1009. : Andr. Masius,
De Paradiso Commentarius Antv. 1569 Praef. Pighius l. c. 569.
StA. 224/2, fol. 252 u. 341. Ned nennt einmal ben bayrifchen Kanzler
Eljenheimer und den Dr. Wig. Hund alte Belannte (von Stalien ber?)
NA. Münfter II, 1.
Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 273
wolle, der dem Papfte nicht zugethan, es jei denn, daß die Stifts—
faflen, wie im Stift Magdeburg geihehen, des Kapitels mächtig
fein wollten. Kurpfalz und die Wetterauer Grafen wünſchten als
Nachfolger Johann Wilhelms entweder einen proteftantiihen Gra—
fen oder den Bremer Erzbifhof, der dann im Stifte entweder
eine evangeliihe Reform oder mindeftens die Freiftellung der Reli—
gion durchſetzen ſollte.
Neben ihren Abſichten auf Münſter gedachten die proteſtan—
tiſchen Stände auch für ihre Religionsgenoſſen in den jülich—
cleviſchen Landen aus Karl Friedrichs Tode Nutzen zu ziehen. Es
iſt leicht zu denken, daß dieſer Tod zu allerhand ſchlimmen Reden
Anlaß gab. Sprach doch ſogar der als katholiſch geltende Herzog
Erich von Braunſchweig ſofort den Verdacht aus, „dem guten
jungen Fürſten ſei etwa ein wälſche Suppen präpariert worden“.
Leichtgläubigkeit oder böſer Wille verbreiteten. das Gerücht, der
Bapit felbit habe dem Prinzen bei der Kommunion Gift gereicht.
Auf den Wunſch des Landgrafen Wilhelm von Heffen verbanden
fi mit ihm der Pfälzer Kurfürft und Herzog Julius von Braun=
ſchweig zu einer gemeinſamen Gefandtihaft an Herzog Wilhelm,
welche, gelegentlich der Beileidsbezeugungen, ihm und feinen Räten
wegen der Religion feiner Unterthanen, namentlid) aber zugunften
jeiner beiden noch unverheirateten Töchter entichiedene Vorftellungen
machen follte. Die Gejandten eridienen am 20. Mai auf Schloß
Hambad vor Herzog Wilhelm und einigen meift katholischen Räten,
anderen Morgens dann nohmals vor den Näten allein). Der
Eurpfälziihe Rat Dr. Dietrih Weyer, ein Sohn von Herzog
Wilhelms Leibarzt Johann Weyer (MWier), führte das Wort.
Obwohl die Gefandten ſelbſt die Inſtruktion ihrer Herren in
1) Der heſſiſche Gefanbte Georg von Scholey nennt als anweſende Räte
den Kanzler Orsbed, ben Hofmeifter Schwarzenberg, bie Licentiaten Weſch—
pfennig und Mulert, den Sekretär Langer. Auf dem Konzept ber Antwort
des Herzogs ift ferner noch der Düffelborfer Amtmann Horft unter demjenigen
genannt, welche dieſe Antwort borberieten.
Loſſen, Köln. Krieg 1. 18
274 Vierte Bud. Drittes Kapitel.
einigen Punkten milderten — (in der Ermahnung an die Räte
unterdrüdten fie 3. B. den Vergleich, daß der Herzog an feinem
eigenen Fleifh und Blut Gottes Strafe für feinen Abfall von
der Augsburger Konfeſſion erfahren habe, nicht anders als Pha—
rao in Ägypten mit der Erftgeburt) —, troß folhen Milderungen
blieb ihre Werbung unerhört rüdjihtslos, ja geradezu unver-
ſchämt.
Dieſer Todesfall, ſagten fie u. a., möge dem Herzog als
Mahnung dienen, nicht länger aus weltliher Furcht der einmal
erkannten und befannten Wahrheit der Augsburger Konfeſſion zu
widerftreben, feine Töchter wie vordem und feinen nunmehr einzigen
Sohn in der wahren hriftlichen Lehre und im rechten Gebrauch
der Sakramente zu erziehen, nicht durch böſe friedhäſſige Leute
fid) regieren zu laſſen. Aud feinen Unterthanen jolle der Herzog
die Finfternis des Papfttums nit aufzwingen. Es feien Erempel
genug vor Augen, daß weder Glüd nod Heil beim Papfte und
jeinem friedhäffigen, unruhigen Anhang, wie denn ihre Fürften den
unzeitigen Tod des jungen Prinzen eben für eine der Früchte des
Papftes, feiner Kardinäle und Legaten hielten. Sie warnten den
Herzog vor Unruhen feiner Unterthanen, falls er nicht die öffent-
liche Übung der Augsburger Konfeifion geftatte. — Dieſen Vor—
trag ftellten fie dem Herzog fogar jchriftlih zu. Noch ftärkere
Dinge über die Greuel des Papfttums befamen die Räte münd-
ih zu hören.
Kanzler Orsbeck antwortete namens feines Herzogs, fpäter
au für fih und die anderen Räte, jehr maßvoll aber entichieden
abmeijend. Er beftritt u. a., daß Herzog Wilhelm jemals die
Augsburger Konfeffion angenommen babe; denn wenngleich er dies
jelbe in vielen Artikeln der alten katholiſchen Religion gemäß finde,
heine fie ihm doch in anderen beventlih. Noch heute würde der
Herzog, gemeinfam mit Kaifer und Reichsſtänden, die in der Kirche
eingeriffenen Mißbräuche gerne befeitigen und dadurd die Einheit in
der Religion befördern ; die Konfeffionsverwandten feien aber unter
ſich jelbft nicht einig. Allerlei Selten oder die Willkür unmifjen-
Stift Miünfter nach dem Tode bes Herzogs Karl Frievrid. 275
der Prarrherren und anderer könne der Herzog nicht dulden, beftehe
daher auf feinen bereit3 vor zwölf bis vierzehn Jahren ergangenen
Mandaten; damit thue er nichts, als was ihm im Religionsfrieden
zugelafjen. Daß er feine älteren Töchter an evangelifhe Fürften
verheiratet, jei fein Beweis, daß er jelbit der Augsburger Kon—
fejfion angehörte: alte Freundſchaft dürfe wegen verſchiedener reli=
giöjen Meinungen nicht aufgehoben werden. Seines Sohnes Tod
ſei eine göttlihe Heimfuhung; auch andere Fürften, wie Sachſen
und Württemberg, hätten unlängjt in blühender Jugend Söhne
verloren, die do nicht nad) Rom gezogen. Der Herzog erwarte,
daß ihm die Fürften in Religionsſachen nicht Ziel und Maß ſetzen
wollten und nicht Ungelegenheit vonfeiten feiner Unterthanen
gönnten. Was in feinen Landen in Religionsfahen gejchehen, jei
von ihm und feinen friedliebenden Räten wohl bedacht. Er jelbft
wolle bei der Religion bleiben, darin er erzogen, und habe auch
jeinem Sohne bereit3 Perjonen zugeordnet, welche der wahren
chriſtlichen katholischen Religion anhängig.
In der That machte, wie der Braunfchweiger Herzog bon
vornherein befürchtet, allzu ſcharf diesmal ſchartig. — Die Ge—
jandten jelbft fühlten, daß fie das Maß überjchritten hatten, und
juchten fi mit dem Wortlaut ihrer Inſtruktion zu entſchuldigen.
Dbendrein hatten fie ſich Blößen gegeben durch thatfächlich falſche
Behauptungen, 3. B. die, daß man des Herzogs Unterthanen zum
Empfang der Kommunion unter einer Geftalt zwinge. — Den
Herzog aber fettete die hochfahrende, faft geringichäßige Art, wie
ihn die proteftantishen Fürften behandelten, nur noch fejter an
die römiſch-katholiſchen Intereſſen.
Wenige Tage nach der Abreiſe dieſer Geſandten erſuchte Herzog
Wilhelm ſeine Schwägerin Herzogin Anna von Bayern, feine
beiden jüngeren Töchter, welche ſich nicht zum Beſuch der Meife
verftehen wollten, für einige Zeit an ihren Hof zu nehmen. Jo—
hann Wilhelms Hofmeifter wurde wirklid) der won Rom aus em—
pfohlene Marſchall Reuſchenberg. Als Wernher von Gimnih von
Rom zurücklam, fand er bei feinem Herrn und alten Freunde ftatt
18*
276 Viertes Buch. Drittes Kapitel.
der befürchteten Ungnade herzliche Aufnahme; er wurde zum Land—
droft des Fürftentums und zum Gouverneur der Feſtung Jülich
befördert und noch dazu beauftragt, Johann Wilhelms Erziehung
zu überwadhen. Gimnich trat jeinen neuen Dienft, wie er felbft
an Fabricius nad) Rom jchrieb, mit dem Entihluß an, „daß er
fi) von feinem Widerwärtigen, wie hoch fie auch pochen könnten,
don Beförderung unferer wahren fatholiichen Religion werde ab—
ſchrecken laſſen“. — Zu Lebzeiten Karl Friedrichs maren vom
Jülicher Hofe aus die erften Schritte gethan worden, um dem
jungen Boftulierten von Münfter auch Hochſtift Lüttich, jowie die
Abteien Stablo und Prüm zu verihaffen; jetzt bemühte ſich der
Herzog, nody ehe von Bayern eine derartige Zumutung an ihn
gelangte, den Abt von Stablo und Prüm, Chriſtoph Graf von
Mandericheid, zu bewegen, daß er jeine für Johann Wilhelm ges
gebene Zufage nun auf Herzog Ernſt übertrage ). — Auch der
Blan, Münjter in die Hände des bayriſchen Prinzen zu bringen,
wurde entſchieden verfolgt.
Das Domkapitel zu Münfter hatte mit der Antwort auf von
der Redes Werbung gewartet, bis es fih in Rom erkundigt, wie
man ſich jegt dort zu der früheren Poftulation ftellen wolle. Am
30. Mai kamen Gefandte des Kapitel3, der Scholafter Hermann
von Diepenbroid, Statthalter Wejterholt und Syndikus Schade,
nad) Hambad) zum Herzog, und berichteten, Rom werde unter
den jetzigen Verhältniſſen den Poſtulierten ſchwerlich konfir—
mieren; deshalb ſei ratſam, daß Johann Wilhelm zurücktrete,
damit das Stift endlich einen regierenden Herrn bekomme und
nicht etwa bon Rom aus ein Eingriff in ihr Wahlreht er—
folge. Die Räte des Herzogg — Ned war nicht zugegen —
fuchten zuerjt die Bedenken gegen die Fortdauer der Poftulation
zu widerlegen, erinnerten dann aber daran, daß Red privatim
bereit3 den Adminiftrator von Freifing als Nachfolger in Münfter
borgeihlagen habe. Davon wußten jedod die Gejandten nichts,
1) Weiteres hierüber |. u. 8. Bud, 1. Kapitel.
Stift Miünfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 277
da Red bisher nur mit dem Domdechanten im Vertrauen ges
Iprohen Hatte. Man trug nun aud den Gejandten „gejelliger:
weile‘ vor, was alles den bayriihen Herzog empfehle, doch
äußerten fie ähnliche Bedenken wie früher der Domdechant: Herzog
Ernft jei weit entjefjen, feine anderen Bistümer ſehr entlegen; er
werde ſchwerlich zu Münfter vejivieren wollen, jei von hohem
Stamme und werde darum vielleiht Erzbiihof oder Kardinal
werden wollen und dann ihrem Stifte große Ausgaben zumuten;
Münfter könne in die Hildesheimer Irrungen (mit Braunfchmweig)
verwidelt werden; zulegt, nicht als letztes des Kapitels Rechtsſache
gegen Dr. Schenfing, der bei Herzog Ernſt Hofmeifter ſei und
bon ihm jehr begünftigt werde.
Dieſe Schenkingihe Sache war ein Rechtsſtreit, welcher das
Kapitel Schon jeit Jahren angelegentlichit beichäftigte. Im Jahre
1557 hatte Papſt Paul IV. dem Augsburger Kanonikus Dr. Jo:
hann Schenking, einem geborenen Münfteraner aus dem alten
Patriziat der Erbmänner '), eine in einem päpftlichen Monat er:
ledigte münſterſche Dompräbende verliehen, auf jeine Verſicherung
bin, daß er von Adel. As Schenking bald darauf von der
Pfründe Beſitz ergreifen wollte, widerjeßte fi das Kapitel, meil
er, wie die münfterihen Erbmänner überhaupt, nicht von ritter-
mäßigem Adel je. Schenking kehrte nah Rom zurüd und
führte gegen das Domkapitel an der Rota Prozeß, der im Jahre
1558 in eriter Inſtanz für ihn entſchieden, danad) aber auf eine
Verfügung Pius’ IV. Hin wieder aufgenommen wurde, bis Schen=
fing bemiefen haben werde, daß er nicht bloß adelig, ſondern auch
rittermäßig ſei (nobilis militaris). 1573 erlangte Schenking in
zweiter Inſtanz ein günſtiges Urteil der Rota; nun aber ſetzte
das Kapitel Himmel und Erde in Bewegung, um die Exelution
zu hintertreiben und den Nitteradel im ausſchließlichen Beſitz der
‚münfterihen Dompräbenden zu erhalten. Unter dem Vorgeben,
1) Über die münfterfchen Erbmänner überhaupt vgl. Cornelius a. a. DO.
L, 139.
278 Viertes Bud. Drittes Kapitel.
daß durch fiebenjährige Litispendenz Schenkings Pfründe erledigt
jei, verichaffte ſich Rotger von Raesfeld in Rom eine neue Er—
nennung für diefelbe; die Domherren wandten ſich an Kaiſer und
Fürften, um durch ihre Interceffionen in Rom Sufpenjion des
Urteils und neue Entſcheidung zugunften des Nitteradel3 zu er:
langen. Aber au ihr Gegner erlangte fürjtlihe Fürſchriften, jo
bon den bayriſchen Herzögen Albrecht und Ernſt, in deſſen Dienfte
Schenting Ende 1573 getreten war, um während der Romreiſe
das Hofmeifteramt zu befleiden. Man begreift, da die Dom-
herren Anftand nahmen, den Patron ihres gehaßten und gefürch—
teten Gegners zu ihrem eigenen Haupt zu wählen. Anderjeits
hatte Fabricius in Rom fofort darauf hingewieſen, daß ſich Her-
30g Ernſt durch DVermittelung in Schenkings Sahe vielleiht die
Gemüter der Dombherren gewinnen könne.
Als Heinrich von der Rede noch während der Verhandlungen
mit den Abgeordneten des Kapitel3 nad) Hambah kam, war er
wenig erfreut, daß man mit ihnen jest Schon über die bayriſche
Succejjion geſprochen habe; wenigſtens follten fie, was ihnen ges
jelligerweife mitgeteilt, für fich behalten. Das Kapitel als ſolches
erhielt nur die Antwort, der Herzog erwarte die päpftliche Kon—
firmation und halte bei diefen geſchwinden Läufen für ratſam, daß
fein Sohn das Stift nod) eine Zeit lang behalte; da das Kapitel
aber anderer Anfiht, wolle er demnächſt eigene Gejandte zu ihnen
Ihiden. Ned erbot fid) wieder nad) Münfter zu gehen; gemäß
jeinem Gutachten erhielt der Agent Hammerftein Befehl, in Rom
mitzuteilen, daß der Herzog feinen Sohn jo lange im jeßigen
Stande lafjen wolle, bis ein anderer tauglicher Fatholiicher Biſchof
gewählt werden könne; Hammerftein folle deshalb von neuem auf
Johann Wilhelms Konfirmation dringen. Herzog Albreht von
Bayern wurde gebeten, zum Beſten feines eigenen Sohnes, diejes
Geſuch in Rom zu unterftüßen.
Am 17. Juni fam Red wieder nah Münfter und enthüllte,
bevor er ſich feines amtlichen Auftrages entledigte, fünf vornehmen
Domherren, Propft, Dehant, Scholafter, Domtellner (Meldior
Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 279
von Büren) und Statthalter, vertraulih die wahren Abfichten
jeines Hofes. Infolge davon fiel die Antwort des Kapitels derart
aus, daß ein Eingeweihter aus ihr ſchon entnehmen konnte, unter
welchen Bedingungen man jih zur Boftulation des bayrischen Her:
3093 verjtehen werde. Die VBorbedingung, baldiger Rücktritt des
jegigen Poſtulierten, wurde zwar feftgehalten, jedoch verficherten
jene fünf, fie wollten für ihre Perſonen, wenngleid fie dem Ka—
pitel nicht weiter vorgreifen könnten, eine bayriſche Werbung ges
treulid) befördern. Der Domdehant, Recks Berater in allem,
veriprad) zu diefem Behuf die Kapitularen auf den legten Juni
nad) Horftmar zu berufen, — nicht nad) Münfter jelbit, weil bier
die Peſt ausgebrohen war‘). Auch empfahl er nochmals, den
Kölner Kurfürſten nit zu vergeſſen.
Mittlerweile waren drei bayriihe Gejandte, der Freifinger
Hofmeister Chriftoph von Pienzenau, Dr. Halver und Dandorf in
Düſſeldorf eingetroffen, wo fie dem Herzog und einigen katholischen
Näten ihre Inftruftion vorlegten (22. Juni). Der Herzog ver-
iprad), ihnen feinen Rat Red zum Kapiteltag in Horftmar beizu-
ordnen, wo der Markt den Kauf machen werde. Das Anerbieten
des Statthalters Requeſens, Herzog Ernit durch einen eigenen Ge—
fandten in Münfter zu empfehlen, jchien bedenklich, ein freundliches
Schreiben an das Kapitel fünne jedoh nichts ſchaden. Den; Köl-
ner Kurfürften möge man immerhin, weil das der Dechant für
gut anjehe, um feine Interceffion erſuchen, dürfe fi) aber wenig
Erfolg veriprehen, weil Salentin allem Anjchein nad) jelbft ein Auge
auf Münfter geworfen habe. — Darin täufhte man fi) nicht.
Als die Gejandten von Düſſeldorf nad Arnsberg zum Kurfürften
famen, wurden fie mit den binfälligiten Ausreden abgeipeift, jo
daß fie die Luft verloren, weiter in ihn zu dringen. Am 28. Juni
kamen die drei Gefandten nad Horftmar, wo ſich kurz danad)
auch eine Anzahl Domberren und von der Rede einfanden; am 30.
1) Über die Pet in Münfter 1575/76 vgl. Kock II, 146sq.;
Röchells Chronik in G.-QD. III, 50.
250 Biertes Buch. Drittes Kapitel.
traten fie in Beratungen mit einem Ausihuß des Kapitels, be—
ftehend aus den genannten fünf Herren und als ſechſtem dem frü—
beren Propft Bernhard von Morrien. Zuerft empfahl Red wieder
die Perjon des Adminiftrators von Freifing, bejonders wegen des
Nutzens, welcher aus feiner Wahl dem wahren fatholiihen Glau—
ben erwachſen würde, etwaigen Bedenken fünne durch die Kapi-
tulation vorgebeugt werden; zeige jih das Kapitel millfährig, fo
werde Herzog Wilhelm feinen Sohn bewegen, von der angenom=
menen und fchon etlihermaßen Eonfirmierten Poftulation abzuftehen,
andernfalls aber jolle diefe wie jeine frühere Erklärung dem Po—
ftulierten nicht präjudizieren. — Anderen Tags warben die bayrischen
Sejandten fir Herzog Ernft bei dem Ausihuß, der fie auf das
Blenarkapitel künftigen Jakobi verwies, aber bereit war, ohne Ver-
bindlichfeit für beide Zeile, jest ſchon über eine etwaige Kapi—
tulation zu beraten. Man einigte ſich im allgemeinen über eine
Erneuerung der Kapitulation Fohanns von Hoya, nur erinnerten
ein paar Zuſätze an die gegen den bayriichen Herzog erhobenen
Bedenken: u. a. die Beitimmungen, der Poſtulierte jolle nit Kar—
dinal werden, er jolle Schenfings Sache entweder in Güte vers
aleihen oder aber zum Kapitel Halten. Die Gejandten nahmen
nur an der einen Bedingung Anſtoß, dag nicht etwa andere
Fürften fondern eine Anzahl adeliger Landſaſſen in und außer
dem Stift die Kapitulation verbürgen jollten; aber die Dom:
herren wollten von diefem alten Herfommen, namentlid) aus Rüd= _
ficht auf die Ritterichaft, nicht abweichen. Donnerstag nad) Jakobi
(27. Zuli) jollten die Gefandten von Fülih und Bayern auf dem
Generalfapitel zu Lüdinghaufen wieder erjcheinen, mit der Rati—
fitation ihrer Herren, um fi endgültig über die Kapitulation
zu vergleihen. Der Domdehant machte Hoffnung, dag dann
die Neumahl bereit3 zu Martini ftattfinden, Herzog Ernſt alſo
noch während feines römiſchen Aufenthaltes feine Konfirmation
jelbft erwirken fünne. Von der geforderten Bürgichaft abgejehen,
hielten Ned und die bayriihen Gejandten, auf Grund vertraus
liher Zujagen der Domherren, die Sache bereit3 für gewiß.
Stift Münfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friebrid. 281
Heinrich von der Rede, beridteten die bayriihen Geſandten nad)
Münden, habe zum Überfluß proteftiert, daß feine Fürften und
Herren, Falls Herzog Ernſt nicht poftuliert werde, mit nichten
bon dem Stifte abtreten, jondern bei der vorigen Boltulation
beharren wollten.
Daß Herzog Wilhelm feinen anderen Nachfolger in Münſter
wollte, al3 jeinen Neffen, hatte er auch jchon anderwärts zu er-
fennen gegeben. Ungefähr gleichzeitig mit den bayrichen waren
in Düffeldorf zwei andere Geſandte eingetroffen: der junge Graf
Georg von Thurn für Erzherzog Ferdinand von Ofterreich, und der
Kölner Stadt-Syndilus Dr. Konrad Betzdorp für den Kölner Chor-
biſchof Herzog Friedrih von Sachſen-Lauenburg. Der Erzherzog
ließ bitten, Stift Münfter feinem älteften Sohn Andreas zu ver
gönnen, für den Herzog bradte Betzdorp Empfehlungen von
deſſen Oheim Kurfürſt Auguft mit. Beide Gefandten wurden
— Graf Thurn, wegen der nahen Verwandtichaft mit jeinem
Herrn, nur höflicher — mit dem Beſcheid abgefertigt, Herzog Wil-
helm könne, ohne Verlegung feiner fürftlihen Reputation, feinen
anderen mehr empfehlen al3 feinen nächiten Blutsperwandten, Her—
309 Ernſt von Bayern.
Die Gegenbewerbung des Lauenburgers war wenig gefährlich,
ander3 die des Erzherzog. — Graf Zhurn motivierte jeine
Bitte, der Herzog möge ſich wenigſtens neutral halten, ausdrück—
lid) damit, daß Ferdinands Sohn nicht bloß dem Kaiſer genehm,
iondern aud) dem Papfte lieber fein werde als irgend ein an—
derer. — Wiewohl man am Füliher Hofe diejer Bemerkung
anfangs wenig Wert beilegte, mies ſie doch bereit3 deutlich Hin
auf ein Haupthemmnis der bayriihen Bewerbung um das Stift
Münfter.
As Hammerftein, unterftügt von dem bayriihen Gejandten
Fabricius, die neue Bitte um Johann Wilhelms Konfirmation
in Rom vorbradhte, vorerft ohne den eigentlichen Zweck, Herzog
Ernſts Nachfolge, zu erwähnen, hörte der Papft die beiden mit io
berdriehliher Miene an, das Fabricius ſchon zufrieden war, als
282 Viertes Bud. Drittes Kapitel.
Gregor wenigftens nicht geradezu Nein jagte, fondern einigen
Kardinälen die Sache überwies. Fabricius ſchrieb dieſe ihre ungnä=
dige Aufnahme nur dem Argwohn vor jülihichen Säkularifations-
gelüften zu; e3 ift jedod anzunehmen, daß Gregor ihre eigentliche
Abſicht recht gut kannte, aber gerade fie nicht billigte. Hatte doc) der
Nuntius Gropper bereit? Anfangs Mat nad) Rom berichtet, daß
man den bayrischen Herzog nad Münfter bringen wolle, und für
jeine Perſon dieien Plan ohne Zweifel empfohlen. Die Wünſche
der Kurie aber gingen andersmohin.
Mohl Ihägte man in Rom die Freundihaft des fatholiichen
Bayernherzogs nicht gering; aber auch Erzherzog Ferdinand, der
Herr von Zirol und Vorderöfterreih, war ein eifriger Katholik. —
Mit den beiden dem wahren Gott allein treugebliebenen Stämmen
Benjamin und Juda hat P. Ganifius einmal Zirol und Bayern
verglihen. — Nun befaß Herzog Ernft bereit zwei Bistümer
und jollte nad) dem gerade jekt zu Rom wieder aufgenommenen
Plane auch nod Köln erhalten, wozu alſo noch mehr Bistümer
in feiner Hand anhäufen! Anderfeits Hatte aud Erzherzog Fer:
dinand einen der von Philippine Welfer ihm geborenen Söhne,
den älteren, Andreas, zum geiftlihen Stande beftimmt, aber nod)
war derfelbe mit feiner geiftlihen Würde oder Pfründe ausge-
ftattet. Jetzt bot fih mit Münfter eine pafjende Gelegenheit.
Es jcheint, daß der Erzherzog ſchon glei nad) Herzog Karl
Friedrih3 Tod durch Frater Sporeno, einen Barfüßermönd, der
ipäter Hofmeifter des jungen Andreas wurde, den Papft um
feine Hilfe in der münſterſchen Sahe anging. Aus den An—
deutungen, welche Graf Thurn zu Düffeldorf machte, läßt ſich
ichließen, daß der Erzherzog ſchon damals der päpftlichen Unter:
ftüßung ſich ficher glaubte. Anfangs Juli finden wir Sporeno
wieder in Innsbruck, im Beſitze beftimmter Zufagen Gregors.
Indeſſen gingen Bayern und Jülich dem münſterſchen Gene—
ralfapitel vertrauenspoll entgegen. Dandorf war mit dem Kapi-
tulationsentwurf zu Herzog Albreht zurüdgeeilt, der zwar an
einigen Punkten Anſtoß nahm, u. a. aud an den Beitimmungen
Stift Münfter nach dem Tode bes Herzogs Karl Friedrich. 283
wegen des Kardinalat3 und des Dr. Schenking, aber auf eine Ver—
ftändigung darüber rechnete. Das gewichtigſte Bedenken hatte
bereits Herzog Wilhelm gehoben duch die Zujage, nötigenfalls
durch feine Landſaſſen die Kapitulation zu verbürgen.
Als Red und Dandorf in Lüdinghaufen eintrafen — die
beiden anderen bayriihen Gejandten famen nit mehr mit —,
fanden fie das Kapitel zahlreich verfammelt und bereit3 in Bes
vatung über die fünftige Poftulation. Ein Ausſchuß, wieder die
obengenannten jech3 Herren, war ernannt, um die Sache vor—
zuberaten und dann in Plenum zu referieren. Das geihah am
Vormittag des 27. Juli vor neunzehn Kapitularen dur den
Syndifus Schade. Die Verordneten, jagte er, hätten alle Ber:
fonen durchgegangen, melde vielleiht nah der Poſtulation
tradhteten, und feine pafjender gefunden als Herzog Ernſt von
Bayern; man möge aljo mit den bayriichen Gejandten handeln,
um die Voftulation aus Johann Wilhelms Händen zu bringen
und alsdann mit Bayern zu fapitulieren; zur Vorbereitung, ſagte
der Dechant, habe man bereit3 etwas zu Papier gebradit. —
Auf feinen Vorfhlag wurde die zu Horftmar vereinbarte Kapi—
tulation vorgelefen und gut befunden; nur ein paar Artikel wünjchte
das Kapitel ſchärfer oder deutlicher gefaßt.
Am Nachmittag Hatte Heinrih von der Rede Audienz im
Kapitel; er fand eine Verſammlung vor von ahtundzwanzig Dom—
herren, darunter mehrere jüngere, die noch ungemweiht, daher
nicht jtimmberechtigt waren. (E3 gab im ganzen zmweiundbierzig
Dombherrenpfründen, die aber wohl nicht ſämtlich befegt waren.)
Ned referierte kurz, wie fein Herzog nad Karl Friedrichs Tode
feinen jüngeren Sohn noch eine Zeit lang beim Gtifte habe
laſſen wollen, dann aber auf Wunſch des Kapitels fich bereit er—
Härt habe, doch ohne Präjudiz für feinen Sohn, dieſen refig-
tieren zu laffen, wenn man über eine qualifizierte Perſon einig
fi; das Kapitel möge alſo feiner Fürbitte für den fatholifchen,
ihm naheverwandten Herzog Ernſt ftattgeben. — Das Kapitel
erwiderte, fie feien erbötig, eine tauglihe katholiſche Perſon, die
284 Viertes Buch. Drittes Kapitel.
dem Herzog gefallen werde, zu poftulieren, damit e3 aber
zu freier Wahl kommen könne, müjje.zuvor der jetzige Poftulierte
rejignieren.
Nun gab es ein Wechjelreden Hin und her. Red behauptete,
jeine Erklärung hindere die freie Wahl nit; die Majorität des
Kapitels blieb dabei, dies ſei doch der Fall; fie könnten nicht
eher auf eine Kapitulation mit Bayern fid) einlaffen, bis das
frühere Poftulationsdefret wieder in ihren Händen ſei. Dazwiſchen
fielen von beiden Seiten jpigige Worte: Red betonte, daß fein
Herr bisher nur Unkoften und feinen einzigen Vorteil aus der
Voftulation gezogen habe; das Kapitel wies darauf Hin, daß eine
bloße Poftulation ohne Konfirmation keine Nechte verleihe. Das
Ende war ein Kapitelsbeihluß, da man durch eigene Botſchaft
den jungen Herrn um Herausgabe des Poſtulationsdekretes er-
ſuchen wolle.
Anderen Tags (28. Juli) erihien Dandorf, von Red be
gleitet, vor dem Kapitel. Die jungen Herren von geftern Nach—
mittag fehlten meiftens; nur noch fiebzehn Domberren waren
zugegen. Dandorf bat im Namen feines Herzogs, mit ihm in
Verhandlungen über eine unverbindliche Kapitulation einzutreten,
überreichte ein Beglaubigungsihreiben des Statthalter Requeſens
für Dr. Halver, um zu zeigen, daß Bayern mit Spanien in
gutem Einvernehmen jtehe, und verſprach, daß fein Herzog in
Schenkings Sache bei Papft und Kaifer vermitteln werde; —
das Kapitel blieb jedoch bei feinem geftrigen Beſchluß, vor Re—
fignation des jetzigen Boftulierten zu feiner neuen Kapitulation
zu schreiten. Ähnliche Antwort empfingen Herzog Friedrich von
Sadjen-Lauenburg, der durch eigenen Gejandten für fi, und das
Denabrüder Domkapitel, welches brieflich für feinen Biſchof um
die Poftulatton gebeten hatte.
Ungeachtet des augenblidlihen Mikerfolges reiften Red und
Dandorf guten Mut3 von Lüdinghaufen ab; hatte doch der
Domdehant verfihert, der bisher am meiften gefürchtete Kölner
Kurfürft jei zu Münfter und bei allen Nahbaren nicht mehr gut
Stift Münfter nah dem Tobe des Herzogs Karl Friedrich. 285
angefchrieben, bewerbe fi aud zur Zeit gar nit um die Po—
ftulation; den Bremer Erzbiſchof aber werde man als lutheriſch
feineswegs poftulieren. Mehr Ausficht, meinte Dandorf, würde
deffen jüngerer Bruder Herzog Friedrich haben, der katholiſch ſei
und zu Köln und Münfter als ein frommer junger Herr gerühmt
werde; jedoch fiherten Herzog Wilhelms Hilfe, ſodann die Zus
neigung des im Stift allmädhtigen Domdechanten ?), der vor—
nehmſten SKapitulare und etliher angejehenen Landftände, falls
Johann Wilhelm refigniere, dem Sohne feines Herzogs die neue
Mahl. Nächten Martini, meinte Dandorf, könne dieſe bereits
ftattfinden.
1) Cujus uutu hoc tempore omnia aguntur et reguntur, fagt Danborf
in feiner Relation vom 2. Sept. 1575. RA. Miünfter II, 436.
Sünftes Bud),
Bremen gegen Bayern.
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1. Kapitel.
Kurfürſt Salentins Köln- Münfter/fher Plan. — W-
mifche Aönigswahl und Freiftellung.*
Bon der Rede und Dandorf hatten das Stift Münfter unter
dem Eindruck verlaffen, dag nur der übergroße Eifer einiger Doms
berten für ihre Statuten und Freiheiten diesmal den Erfolg der
bayriihen Werbung verhindert habe. Diet Meinung hätte durch
das Ansuchen, welches die Gefandten des Domkapitels, Diepen-
broid, Weſterholt und Schade, am 15. Auguft zu Düffeldorf vor:
* Quellen: Für die münfterfhe Wahlfache ſ. Ouellen zu Buch 4, Kap. 3. —
Fir Salentins Beziehungen zn Johann von Nafſau DIEA. C. 368
u. 372. DillKorr. 1573. 1574. 1575. Dafelbft auch einiges über bie
nieberlänbifche Pacififation, die römifche Königswahl und die Frei-
ftellung; vgl. Onellen zu Bud 3, Kap. 3. Im ganzen richtig erzählt
Salentins Friebensbemühungen: J. B. de Tassis Comment. 1. II
bei Hoynck van Papendrecht, Anal. Belg. II. 2, 193. Dazu Ga-
chard l. ce. III, 132. 140sq. 157. 162 q. 178. 241. 575 Klud-
hohn a. a. ©. II, Nr. 737/8 u. 750. — Die kaiferlihen Akten ber
Wahl Rudolfs faft vollftändig bei 3. M. Schneidt, Vollſtänd. Geſch.
der röm. Königswahl Rudolfs II. Würzburg 1792, auf welche wichtige
Sammlung id durch bie Aushängebogen der Einleitung zu Bezolds
Publikation über Pfalzgraf Joh. Kaſimir aufmerkfam gemacht wurbe, als
der Satz meines Buches bis hierher vorgefähritten war. Bol. Bezold
a. a. O., ©. 186ff. Ergänzungen zu Schneibt bei Kluckhohn II,
Nr. 783Ff., befonders Nr. 795; ferner StR. 161/12. — Über Frei-
ftellung und Deklaration namentlih Erftenberger® Autonomia; vgl.
über fie und verwandte Schriften: Stieve a. a. DO. IV, 156ff. Die
Loſſen, Köln. Krieg I. 19
N
290 Fünftes Bud. Erftes Kapitel.
brachten, bekräftigt werden können. — Zur Erhaltung ihres Wahl-
rechts und gemäß der Kapitulation, fagten fie, möge man ihnen
die frühere Poftulation ohne Bedingung zurüdgeben und freie
Mahl verftatten, dann wollten jie jich über eine fatholiiche Per:
jon vergleihen, die nicht nur ihrem Stifte nüßlich fein, jondern
auh mit Herzog Wilhelm gute Nahbarihaft und Freundſchaft
halten jolle. — Aber aus des Herzogs Antwort erfieht man, daß
man am Jülicher Hofe bereit3 Witterung hatte von anderen Mo:
tiven des Kapitels, al3 dem bloßen Eifer für Rechte und Frei:
heiten. Der Herzog, hieß es, wolle das Kapitel ungern an feiner
freien Wahl verhindern, nur hätte man mit ſolchem Anfuchen vor
der Kapitulation mit den bayrischen Gefandten kommen ſollen;
nun werde er aber gewarnt, daß von Perjonen hohen und nie
deren Standes Praktiken getrieben würden, um im Sapitel eine
dem Stift verderblihe Spaltung zu erweden; diefe zu verhüten,
jollten fi die Kapitularen zuerft über eine wohl qualifizierte,
fatholiihe und den Nachbarn genehme Perjon vergleichen, nachher
wolle er feinen Sohn zum Rücktritt bewegen. — Im Privat:
geſpräch an die Hambacher Unterredung erinnert, entihuldigten fid
ältere Litteratur über dem geiftlichen Vorbehalt ift gut zufammengeftellt
in der Differtation von Häberlin, De Reservato Ecelesiastico ex
mente Pacis religiosae, Helmst. 1755. — Über die Fuldaer Wirren:
9. Heppe, Die Reftauration des Katholicismus in Fulda, Marburg
1850. Heppes „Abbrud der Deklaration” ift übrigens durch Nach—
Täffigkeit vielfach verftümmelt. Einiges bisher Unbefannte iiber bie Ge—
Ihichte der Deklaration, worauf ih anderwärts zurüdzufommen
dene: StA. 230/7. MA. Herzöge von Jülich 1575/1576 und Köln
1515—1580, fol. 359 ff. — Über Graf Ludwig von Wittgenftein: F. W.
Windel, Aus dem Leben Ludwigs d. X. von Sayır, regierender Graf
zu Wittgenftein, Berleburg 1855, und besf. Chronik der evang. Ge-
meinde Berleburg, Lüdenfcheib 1872. G. Friedländer, Beitr. zur
Reformationsgeſch, Berlin 1837, ©. 125—268. Hüffen, Geld. b.
Herrihaft Homburg an der Mark, Bremen 1870. 7 Bände Tage
bücher des Grafen Lubwig aus den Jahren 1559—1605 in ber fürfil.
wittgenfteinfchen Bibliothek zu Berleburg (Lit. A, Nr. 173). Auszüge
aus ben beiden erftien Bänden in beutfcher Uberfegung in Windels
zuerft genannten, leider nicht fortgefetstem Schriftchen. Ich habe bie Dri-
ginaltagebücher in Berleburg benutt. Zmei weitere Tagebücher des Gra-
Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 291
Diepenbroid und Wefterholt damit, daß das, was zu Liidinghaufen
geichehen, ganz unerwartet gelommen jet und fie perjönlic gegen
einen Beſchluß des Kapitels nichts machen fünnten.
„Praltiken hoher und niederer Perſonen“ hatten in der That
den Ausgang des Lüdinghaufer Kapitels verihuldet. — Wir er:
innern uns, wie der Domdehant Raesfeld anfangs wiederholt
und dringend empfohlen hatte, Bayern jolle ſich die Unterjtügung
des Kölner Erzbiſchofs jihern, wie aber zulegt, beim Lüdinghaufer
Generalfapitel, dieſer Gegenbewerber mit einemmal ganz unges
fährlich geworden fein ſollte: — daß dem mirklid jo, wäre faum
verſtändlich, erklärte es fi nicht einfach jo, daß Salentin aller
dings für feine Perfon zurüdgetreten war, aber nur um einen
anderen an feine Stelle zu jeßen: jeinen Freund Herzog Heinrich
von Lauenburg, Erzbiſchof von Bremen.
Salentins Freundihaft für Heinrih ftammte ſchon aus der
Zeit, da dieſer noh in Studien zu Köln lebte‘). Als Dom:
fen Ludwig vom Reichstag von 1570 und vom Wahltag von 1575 find
gebrudt in: Sendenbergifhe Sammlung von ungebrudt- und raren
Schriften II, 1/104 u. III, 1/119; das zweite auch wieder bei Schneibt
a. a. O. S. 486 ff. Über die Einführung der Reformation in den Graf-
haften Wittgenftein und Berleburg: Jacobfon a. a. O., ©. 572ff.
und desf. Urkundenfammlung, Nr. 273. Einiges auch in der an Graf
Lubwig gerichteten Vorrede des evangelifhen Pfarrers zu Raumland:
Paulus Aſphe Lasphenfis, Außlegung bes heil. propheten Daniels,
[Biorzheim] 1560. Die Spuren, aus welden ih die im Text bar-
gelegte Vereinbarung zwiſchen Kurfürft Salentin, Erzbiſchof Heinrich,
ben Wetterauer Grafen und einer Anzahl münfterfcher Herren folgere:
Groen van Prinsterer V, 149. 152. 168. 179sqq. 231. 276.
gl. Calendar of State Papers for. Ser. 1575/1577, No. 133. Dazu
einzelne Briefe im DIUA. C. 368 u. 372 und MU. Reg. U. Bild.
Dsnabrüd 1572/1698 (Rep. II. Cell. 26. fol. 96) und Rep. V. Cell.
75. Bol. III. — Über die Wiederaufnahme der bayrifchen Bewerbung
um Köln: RU. Freifing, Nr. 79. 80. 81. StA. 38/5. Breve vom
5. Febr. 1575 an Erzbifhof Salentin bei Theiner II, 58; Schreiben
Groppers an Kardinal Como vom 7. Mai 1575. 1. c. II, 37.
1) Im September 1575 empfiehlt Johann von Naffau dem Kölner Kur—
fürften Heinrih8 Perſon u. a. mit folgenden Gründen: „ban berfelbig (wie
19*
292 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel.
fapitular beteiligte fi) Heinrid) nachher, im Gegenfag zu feinem
Bruder, dem Chorbiſchof, niemals aktiv an den feindjeligen Schrit-
ten des Kapitel3 gegen den Kurfürften. Dann wurden Galentin
und Heinrich als neugemwählte Herren von Paderborn und Osna—
brüd Nachbarn; Salentin felbit hatte den Bremer Erzbiſchof den
Danabrüdern empfohlen. Man mag fi; denken, daß beide als
tüchtige Negenten Gefallen an einander fanden. — Doch kamen
bei Salentin ſolche allgemeine Erwägungen gewiß exft in zweiter
Linie; der Hauptgrund, warum er gerade dem Bremer Erzbiſchof
nad; Münſter verhelfen wollte, war der, daß dies zu feinen ſon—
ftigen Plänen für feinen künftigen Rücktritt vom Erzſtift Köln
vortrefflich paßte. Denn, trotz allem, was Galentin ſcheinbar
oder wirklich in Widerſpruch damit that, verlor er dennoch diejen
Rücktritt nie ganz außer Augen. Der Gedanke daran bewog ihn
auch, die vordem mit dem Haufe Naſſau angelnüpfte Verbindung
nicht wieder fallen zu laſſen; — jest begegneten fid) inbezug auf
Ras Stift Münfter feine eigenen Wünſche mit denen der Nafjauer
und anderen MWetterauer Grafen.
Wir baben Salentins Berbindung mit Johann von Naſſau
und den Surpfälzern bis zu dem Augenblid verfolgt, da die
Schlacht auf der Moofer Heide und König Karls IX. Tod die
große franzdjiichsproteftantifche Koalition gegen das Haus Djter-
reich; ausetnanderfprengten. Anfangs juchte der franzöjiiche Hof
von iren curf. ©. ich oftermals gehört) ein verftendiger feiner junger ber
tere, bem ire curf. G. alzeit vertrauet und wol gewogen geweſen und ein-
anber allerfeit8 von jugent auf fer lieb und wert gehabt Ketten. So hette
beßelben bern vetter oder ber vatter bießen bern und ſ. ©. bruber irer curf.
©. fur vielen jaren als einem vatter commenbirt und bevolen, auch fie vie
berren zur volge und gehorfamb vermanet.“ Im feiner Antwort giebt ber
Kurfürft das zu und fügt noch bei: „das bießer her gegen ire curf. ©. ſich
alzeit jo wol erzeigt und verhalten hette”. Aus dem Beriht Graf Johanns
an Landgraf Wilhelm Or. MA. Reg. A. Schubl. Rep. II. Cell. 6. Bol. IIL
Köln. Sachen, fol. 66. Kop. auch DillA. C. 372, fol. 329.
Römische Königswahl und Freiftellung. 298
durch Kaſpar von Schönberg noch weiterhin Fühlung mit dem
‚Heidelberger Hof zu behalten: das Driginal der franzöſiſchen Vers
ihreibung für Kurfürſt Salentin, datiert vom 4. April aus Vin—
cenne3, wurde dem Pfälzer Kurfürften zugeftellt und dann durd)
Graf Johann Mitte Juni Salentin ausgehändigt. Deſſen Wunſch,
daß fi) die Penſion über die Zeit feines Kurfürftenftandes hinaus
erftreefen jolle, war nicht erfüllt; die Verſchreibung enthielt viel=
mehr ausdrücklich die Klaufel: „ſo lange er Erzbiihof fein wird‘;
dafür aber follte fie von 6000 auf 8000 Kronen erhöht und für
das erfte Jahr ſofort entrichtet werden. Im Juli reifte ein
Kämmerling Satentins über die Pfalz nad Met, um das Geld
zu erheben, erhielt übrigens diesmal nur 6000 Kronen ). Da
der Bote nicht wieder durch die Pfalz zurüdkehrte, jo machte ſich
Kurfürft Friedrich bereits Sorge, der neue franzöſiſche König Hein-
ih IH. juche für eigene Rechnung, etwa auch auf Koften der
Hugenotten und ihrer deutihen Freunde, jeinen Handel mit dem
Kölner Kurfürften abzuſchließen. — Es ift die Zeit, da Huges
notten und Bolitifer gegen den franzöfiihen Hof verbündet find;
bereit3 hat Pfalzgraf Johann Kafimir, des Kurfürften Sohn, ſich
ihnen zu Kriegsdieniten verpflichtet ; der Pfälzer Hof hat darum
in der That Urſache, die durch ihn ſelbſt eingeleitete Verbindung
Salentind mit der franzöfiihen Krone von nun ab mit ‚Miß-
trauen zu betrachten. — Graf Johann wurde aljo von Kurfürft
Friedrich beauftragt, zu verhüten, da Salentin nidt etwa in
franzöftiche Werbungen ſich einlaffe. Als er eben die erften Schritte
in dieier Richtung that, nahm Salentin jelbft aus den nieder-
1) Bol. 0. ©. 216. 3. Sept. 1574 antwortet Wolter von Geberts-
baen [d. i. Kurfürft Salentin] dem Hofmeifter Element von Nimptih [b. i.
Graf Iohann] auf deſſen Frage, 06 er ftatt der bewußten ſechs Stüd acht
erhalten habe [d. i. 8000 Kronen ftatt 6000]: „Soviel daeß ich bie bemufte
ſtueck haeb laeßen boelen, dae faen ich Euch nicht verhalten, daeß mir nicht
mer geliebert als fer ftued; waen noch mer zu befoemen, wer fuer ein armes
reuterlein fer guet, daen bie fer ftued mir albereit weit in fattel geholfen ze.“
Or. eighdg. DIA. C. 368, fol. 100.
294 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel.
ländifhen Händeln Anlaß, den jeit einigen Monaten nur ſchwach
unterhaltenen vertraulichen Verkehr mit Johann wieder zu be
leben.
Im vorigen Jahre (1573) hatte Salentin, wie wir willen,
dem Herzog von Alba angeboten, mit Dranien zu vermitteln,
jener aber das Anerbieten abgelehnt. Als nun Alba bald danad),
im November 1573, fein umfonft durch blutige Härte befledtes
Statthalteramt niederlegte und Requeſens an feine Stelle trat,
dem von Mailand her der Auf eines Hugen und geredhten Mannes
bovausging, wurde zwar der Krieg gegen die abtrünnigen Holländer
und Zeeländer und ihre deutichen Verbündeten energiſch Fortgejett,
daneben aber zeigte ſich Geneigtheit, dur größere Milde die
Herzen der Niederländer wieder zu gewinnen. Das ermutigte zu
neuen Ausgleihsverfuhen. Die rheiniſch-weſtfäliſchen Kreisftände,
fodann die vier rheiniſchen Kurfürften, als Nachbarn unter den
Übeln des belgiſchen Krieges mit leidend, wünſchten, der Kaifer möge
einjhreiten. Unterhändler boten fi von verſchiedenen Seiten an,
unter ihnen auch wieder Kurfürft Salentin, Anfangs Auguft 1574,
in Briefen an den Statthalter und an den Sekretär Scharberger.
Requefens fandte daraufhin den Rat Johann Funk (Foncq) unter
anderen Vorwänden — (Funk war zugleich Propſt von St. Se—
verin. in Köln) — zu Salentin, welher ſich erbot, dur Johann
von Nafjau zu erfunden, unter weldhen Bedingungen Dranien die
Niederlande verlaffen wolle; Salentin ftellte in Ausfiht, daß man
nicht auf Zulaffung der reformierten Religion beftehen werde. Auf
jeinen Wunſch kam der Graf Anfangs September nah Arnsberg
zu einer perjönlihen Unterredung, infolge deren Salentin ven
Statthalter um einen Geleitsbrief für Johann erfuchte, damit
ſich diefer zu perjönlien Verhandlungen mit Dranien nad) Holland
begeben fünne. Johann meinte, man werde vielleiht vorſchlagen,
einen bon des Kaifers jüngeren Söhnen zum. &ubernator ver
Niederlande zu mahen. Bon Salentins Aufrihtigleit war er
überzeugt: „befinde, jchrieb er an Dranien, „in Wahrheit, allen
Umftänden nad, dab er (Salentin) außerhalb jeiner Religion
Römische Königswahl und Freiftellung. 29%
fonften die Sachen rechtſchaffen, treulid) und wohl meinet, und
dürfen E. ©. ſich gewißlich daſelbſt eines aufrichtigen, redlichen
Gemüts vertröften, wofern anders ein Tröpflein oder Fünklein
Nedlichkeit in der Welt noch übrig ift. Hoffe, er joll bierinnen
viel Guts thun, wofern man ihme nur etwas zu bandlen unter
die Hand geben möchte.‘ — Requejens jeinerjeit3 argwöhnte ges
fährlihe Hintergedanfen hinter Graf Johanns NReifeprojeft und
verweigerte ihm deshalb, ungeachtet der Empfehlung des Kaiſers,
den von Salentin verlangten Geleitsbrief. Die Folge war, daß
der Kurfürſt, anjcheinend verftimmt, feine Hand von der Vermittes
lung zurüdzog, während der SKaifer bis tief ins folgende Fahr
hinein durd) Graf Günther von Schwarzburg mit mehr Umftänden
aber nicht mehr Erfolg jeine Friedensbemühungen fortjegte. Vom
Brüffeler Hof erntete Salentin für jeine Vermittelung nichts als
das gründlichfte Mißtrauen in jeine kirchlichen und politiichen Ab—
fihten 1); dagegen dauerten, genährt durch Keine gegenjeitige Ge—
ſchenke, feine freundihaftlihen Beziehungen zu Graf Johann fort,
jo daß eben damals der Kurpfälzer Hof ſich Johanns zu bedienen
gedachte, um in der wichtigen Frage der römischen Königswahl
den Kölner Kurfürften für feine Abfichten zu gewinnen.
Bereits feit dem Fahre 1573 murde, wie erwähnt, dieſe
Frage unter den deutihen Reihsftänden erörtert. Im Mai 1574
waren die vertraulichen Vorberatungen zwiſchen dem Kaiſer und
den Kurfürften von Mainz, Sachſen und Brandenburg fo weit ges
diehen, daß die beiden legteren in einem Geſamtſchreiben an den
Kaifer (aus Jüterbogk 4. Mai) in aller Form den Wunſch aus=
1) Requejens ließ fih von Graf Günther von Schwarzburg u. a. ein-
reden, Kurfürft Salentin fei für 10,000 Thaler franzöfifcher Benfionär ges
worden, babe verfproden, dem franzöfifchen König feine Stimme bei ber
römischen Königswahl zu geben, und fei deshalb felbft verkleidet in Met ge-
weien. Einige Monate fpäter ließ er fih erzählen, Salentin wolle bei Graf
Johann Pate werben trog calviniiher Taufe des Kindes, wolle befien
Schwefter Heiraten und dennoch das Erzftiit behalten u. f. w. Gachard
l. c. III, 258 u. 319.
236 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel.
ſprachen, daß, nad dem Beiſpiel der Vorfahren, beizeiten auf ein
fünftiges gewiljes Haupt gedacht werde. Einige Wochen ſpäter
(am 14. Juni) trafen ji die Kurfürften Auguft von Sachſen
und Daniel von Mainz zu Mühlhauſen in Thüringen und verab«
redeten bereits für den Herbit einen Kurfürftentag zur Beratung
über Die Nachfolge im Neid. Auf feinem Rückweg vom Eichs—
feld nad dem Rhein (im Waldeckſchen) beſprach ſich Kurfürft Da—
niel auch mit Salentin *), der ebenfalls mit dem Ausfchreiben des
Kollegialtags einverstanden war. Zulegt ftimmte auch noch Kur—
fürſt Jakob von Zrier zu. Daß es fih nur um die Nachfolge
des ülteften Sohnes de3 Kaiſers handelte, galt al3 jelbitveritänd-
lich, wenn man aud in den amtlichen Altenſtücken nod feinen
Namen nannte. Der Kaifer erbot ſich, Rudolfs Krönung zum
König von Böhmen — König von Ungarn war derjelbe bereits
jeit dem September 1572 — möglichſt zu beeilen und alsdann
mit feinem Sohne einen für das nächſte Frühjahr nah Frankfurt
auszuichreibenden Kurfürftentag zu beſuchen. Den Pfälzer Kur:
fürften lieg man in all diefen Verhandlungen ganz aus dem
Spiel, da man von ihm ernftlihe Schwierigkeiten erwarten mußte;
war man doch jhon bei Marimilians Königswahl im Fahre 1562
auf solche geſtoßen; auch waren die Praftifen, welche die Kur—
pfälzer in den legten zwei Jahren wegen der fünftigen Königs-—
wahl mit Frankreich getrieben hatten, dem Kaiſer nicht geheim ges
blieben. Freilich blieb auch dem Pfalzgrafen nicht alles verborgen,
was Martmilian mit feinen furfürftlihen Kollegen verhandelte.
Erit im Dftober 1574, al3 der Kaijer feiner Sache ſonſt jicher
war, zeigte er dem Kurfürften von der Pfalz und zugleid einigen
1) Kluckhohn II, 766. Im der Relation bes mainzifchen Hofmeifters
Hartmut von Eronberg (bei Schneibt a. a. O., ©. 68 ff.) wird ein Klo»
fter „Graidelor“ al8 Drt der Zuſammenkunft zwifchen den Kurfürften von
Mainz und Köln genannt; gemeint ift wohl das Benediktinerklofter „Brebe-
lar” im weftfäliihen Amt Brilon, nahe der waldeckſchen Grenze. Bermut-
ih reiften die beiden Herren eine Strede weit zufammen, fo daß beide An-
gaben richtig fein können.
Römifche Königewahl und Freiftellung. 7
anderen Kurfürſten brieflih an, daß er demnächſt durch Kommiſſare
um eine Kollegialverfammmlung wegen der künftigen Neihsregierung
erjuchen werde; im November traten "die Kommiſſare ihre Rımds
reife an: der alte Herr von Harrad) und Dr. Hegenmüller an den
Rhein, der Herr von Rojenberg und Dr. Vieheuſer nad Sachſen
und Brandenburg. Wergebens bemühte jih Kurfürit Friedrich,
jeine Kollegen zu beftimmen, die perjönlihe Zuſammenkunft vor
läufig nicht zuzufagen, jondern vorerjt die Räte zufammenzwichiden
und inzwiihen dem Kaiſer anitatt der Wahl eines Nachfolgers
die Beiordnung einer Art von Reichsregiment vorzuichlagen.
Mainz, Sachſen, Brandenburg lehnten jede Verſammlung der
Räte kurzerhand ab. Etwas mehr Entgegenfonmen zeigte Kur—
fürft Salentin, welchen eben wegen diejer Angelegenheit Graf Fo:
hann von Naffau in den eriten Zagen des Dezember 1574 zu
Arnsberg aufjudhte: zwar wollte auch er von der Zuſammen—
ſchickung der Räte nichts wiſſen, gab aber feinem Pfälzer Kollegen
den ‚freundichaftlihen Hat, anftatt dur vergeblichen Widerftand
gegen Rudolfs Succejjion den Unglimpf auf ſich zu laden, lieber
auf eine gute MWahlkapitulation bedacht zu fein, durd) welche die
Freiheit der deutichen Nation, die Hoheit der Kurfürften und die
Stellung des pfälzischen Haujes gelihert werde. Für feine Per:
fon wünſchte Salentin, gleich) anderen Fürten !), vor allen, daß
Marimilian jeinen in Spanien erzogenen und nod) immer von Spa-
niern und Jtalienern umgebenen Sohn König Rudolf fortan mit
deutihen Räten umgebe und zu Reihsjachen feine Fremden zulaffe,
Wirklich gab Kurfürft Friedrich daraufhin den beabjichtigten Wider:
1) Herzog Albrecht von Bayern antwortet 3. B. auf ein durch Dr. Hegen-
miüller überbrachtes eigenhändige8 Schreiben des Kaifers (am 29. Oft. 1574
Kop. StA. 161/12, fol. 142): „Und deucht mich in meiner einfalt nit un—
ratfam ſei, E. DM. hetten iren geliebten jon die f. W. zu Ungern dahin ver-
monen laſſen, das fich. ir f. W. gegen ben teurfchen cur und furften, graven
und. bern, fo je zumeilen an E. M. bove fommen, freuntlich umb gnebig
erzeigt bet, damit bie gemüeter zum tail gewonnen wurden, wie dan bie guete
tuntihaft E. M. ſelbs nit wenig furtreglich fein könt.“
298 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel.
ſpruch auf, veriprah den faiferlihen Kommiſſaren, gleih allen
anderen Kurfürften auf einem gemäß der goldenen Bulle nad)
Frankfurt auszujchreibenden Kurfürftentag zu ericheinen, und ließ
ji) naher auch gefallen, da die Zujammenfunft nad Regens—
burg verlegt wurde.
Dagegen juchte nun das Pfälzer Haus die Königswahl zu bes
nugen, um die politiihe Stellung der Proteftanten im Reid) zu
berbefjern. Die „Freiſtellung“ follte der Preis werden für die
Fortdauer der Kaiferwürde im Haufe Diterreid.
Die Forderung der „Freiſtellung“, d. 5. die Forderung, daß
es auch den geiftlihen Reichsſtänden freiftehen jolle, ohne Verluſt
ihrer Würden zur Augsburger Konfeffion überzutreten, hatte bei
den Beratungen über den Neligionsfrieden die längiten und hef—
tigften Kämpfe verurfadt. Durd König Ferdinands beftimmte
Meigerung, in diefem Punkte weiter nachzugeben, war ſchließlich
der „Vorbehalt der Geiftlichen‘ 1) in den Neligionsfrieden von
1555 bineingefommen, jedody in einer Form, welche fortwährend
an den Widerjprud der Proteftanten erinnerte: Nachdem fich,
heißt es in dem betreffenden Artikel des Neligionsfriedens ($ 18),
die Stände von beiden Religionen nicht vergleihen konnten, wie
e3 mit den Stiftern und Pfründen derjenigen Geiftlihen zu hal-
ten, welche von der alten Religion abtreten würden, babe König
Ferdinand, kraft der ihm von Saifer Karl gegebenen Vollmacht,
feſtgeſetzt, daß jeder folche Geiftlihe fein Bistum oder jeine Pfründe
alsbald verlaffen, den Kapiteln aber oder fonft Berechtigten die
Wahl einer der alten Religion verwandten Perſon zugelaffen jein
folle. Dagegen erwirkte der Kurfürft von Sachſen, zum Lohn
für feine bei diefem Artikel bewiejene Nachgiebigfeit, von König
Ferdinand eine Deklaration de3 Inhalts, daß diejenigen Unter:
1) „Der geiftlihde Vorbehalt“ (Reservatum ecclesiasticum) fagt man
zwar (feit dem vorigen Jahrhundert?) gewöhnlich, ber urjprünglide Aus-
brud aber lautet richtiger: „Der Geiftliben Vorbehalt“ (Reservatum eccle-
siasticorum).
Römische Königswahl und Freiftellung. 299
thanen geiftliher Fürften, bei welden damals (d. i. im Sahre
1555) die Augsburger Konfefjion bereit3 lange Zeit in Übung
war, durch niemanden von ihr gedrungen werden dürften. —
Aber während der Artikel über den Vorbehalt der Geiftlichen in
den Weligionsfrieden aufgenommen und mit diefem durch den
Mainzer Kurfürften als Reichskanzler dem SKammergeriht zur
künftigen Rechtsnorm infinuiert wurde, gejhah das mit König
Ferdinands Deklaration nicht; von ihr beſaß nur der Kurfürft
bon Sadjen, gleich al3 wäre e3 eine Privaturfunde, eine authen=
tiiche Ausfertigung. — So erklärt ſich die auffallende Thatiache,
daß faum zwanzig Jahre nad dem Weligionsfrieden die meiften
Reihsftände, evangeliiche wie fatholiihe, von diefer Deklaration
nicht3 mehr wußten, bis fie aus Anlaß der Fuldaer Religions-
wirren gleihjfam von neuem ans Licht gezogen wurde.
Was im Fahre 1555 verjäumt oder unerreihbar geweſen
war, juchten die proteftantiihen Stände auf den folgenden Reichs—
tagen gutzumadjen: fie protejtierten gegen die VBerbindlichleit des
geiftlihen Vorbehalt3 und forderten die Aufnahme der Freiftellung
in den Neligionsfrieden; jo 1556 und 1557 zu Regensburg,
1559 zu Augsburg. Aber als Kaiſer wie zuvor als König weis
gerte ſich Ferdinand durhaus, zu dieſer Abänderung des Religions—
friedens die Hand zu bieten. — Von feinem Sohne und Nach—
folger Marimilian durften jih die Proteftanten größerer Neigung
zu Zugeftändnifen verjehen. Deshalb wurde auf feinem erſten
Reichstag, zu Augsburg im Jahre 1566, dringender als jeither
die Freiftellung gefordert. Bielleiht hätte Marimilian für eine
Perſon gern nachgegeben, aber die katholiſchen Reichsſtände, bereits
ermutigt durch den beginnenden Zwiſt zwiſchen Lutheranern und
Calviniſten, widerfegten fich jeder Anderung des Neligionsfriedeng,
jo daß e3 ſchließlich wieder bei einer bloßen Beſtätigung desjelben
blieb.
Zu Augsburg trat zuerft die Forderung einer anderen Art der
Freiftellung in die Offentlifeit. Bisher waren es die prote—
ftantiihen Fürften geweſen, welche den Vorbehalt aufgehoben
300 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel.
wünſchten, um durch den Übertritt geiſtlicher Fürſten ihre Partei
zu verſtärken; ſeit dem Jahre 1566 geſellten ſich zu ihnen die
proteſtantiſchen Grafen und Freiherren, welche, teils duch den
geiſtlichen Vorbehalt, teils durch die vor Beſitznahme einer Pfründe
zu ſchwörenden religiöſen Eide ihren Söhnen die hohen Stifter
verſchloſſen ſahen, und darum die Freiſtellung der Religion inner—
halb derſelben forderten )Y. Die Agitation hierfür ging von den
MWetterauer Grafen aus, namentlid) von zweien unter ihnen, Jo—
hann von Nafjau und Ludwig von Wittgenftein. Zunächſt hatten
fie e3 auf die beiden Hodhjftifter Köln und Straßburg abgeiehen,
wo die Dombervenftellen zwar nur dem Grafen- und Freiherren-
ftand zugänglich waren, aber, wenigitens in Köln, die eidliche
Verpflichtung auf die römiſch-katholiſche Religion evangeliihe Herren,
welche nicht das Opfer ihrer veligiöfen Überzeugung bringen oder es
nicht mit dem Eid leicht nehmen wollten, vom Befige der Pfründen
ausſchloß. Auf Betreiben der beiden Freunde und Nachbarn hatte
bereit3 vor dem Reichstag von 1566 eine Anzahl von proteſtantiſchen
Grafen den Erzbiihof Friedrih von Wied und die Kölner Doms
herren vertraulich gebeten, die Statuten ihres Hochſtifts zu ändern
und die Religion freizuftellen. Johann und Ludwig braten dann
eine Menge Unterjchriften rheiniſcher, fränkiſcher, thüringiicher,
Harzer und Wetterauer Grafen zu einer auf dem Reichstag dem
Kaijer zu überreihenden Supplifation zufammen, worin unter be=
jonderer Bezugnahme auf Köln und Straßburg gebeten murde,
„die beihmwerlihen Pflihten, AJuramente und Statuten‘ der
Hodjitifter jo zu mildern, daß auch Augsburger Konfeſſions-Ver—
1) Boshaft aber nicht unrichtig heißt e8 in der Autonomia I, 676:
„bat fih auch under diefem reichstag [von 1566] . . . noch ein neue ſondere
partei, nemlich etlicher reichsgraven und bern erhaben, welche (wie vermut—
lich) fih in einnemung ber ftift und clöfter etwas verfaumet gehabt, ober
villeiht vor den gröfjern nit zufommen mögen, und berhalben nummer in. ber
tuchen und fedel empfinden wöllen, wie wol iren voreltern bie ftift gebienet,
und wie unmeißlich fie in dem gehandlet, dz fie diejelben bißhero vertruden
und verichliden helfen.”
Römifhe Königswahl und Freiftellung. 301
wandte ihre Söhne mit gutem Gewiſſen dahin geben könnten.
Aber auch die Grafen mie zubor ſchon die evangeliichen Fürften
erhielten von Kaiſer Marimilian nur eine ausweidhende Ant-
wort’).
Diejer geringe Erfolg war hauptſächlich ſchuld, daß die evan-
geliichen Stände auf den beiden nächſten Reihstagen, 1567 zu
Negensburg und 1570 zu Speier, von ihren religiöjen Anſprüchen
ſchwiegen. Bald danach aber machten verihiedene Gründe die
Frage der Freiftellung wieder zu einer brennenden. Die Greuel
der Bartholomäusnadht, die fortdauernden blutigen Religions:
kriege in Frankreih und den Niederlanden bewirkten, daß ſich auch
in Deutſchland die Gemüter wieder mehr und mehr für kirchliche
Streitfragen erhigten ; dazu fam auf proteftantiiher Seite die ſteigende
Bejorgnis vor dem Umjichgreifen der von einzelnen geiftlichen
Fürſten begonnenen katholiſchen Reſtauration in Gegenden, melde
man dem Evangelium längft gefichert glaubte. Das Beiipiel hatte
Johann von Hoya in feinen meitfäliichen Stiftern gegeben; ihm
folgte (jeit 1571) der junge Abt von Fulda, Balthafar von
Dernbach, diefem (jeit 1574) im benadbarten Eichsfeld der alte
Mainzer Kurfürft Daniel Brendel; von Kurfürft Salentin hieß
es, übrigens irrig, er wolle im Stift Paderborn die Jeſuiten
einführen. — Für Kurſachſen und Helen erwuchs aus dieſen
1) Dr. Johann Meißner, der Gefandte der Wetterauer Grafen beim
Reichstag von 1566 in feiner Relation (bei Sendenberg a. a. D. I, 259)
und ebenfo die Autonomia, fol. 72b behaupten zwar, auf bie Suppli-
fation der Grafen fei gar feine Antwort bes Kaifer8 erfolgt; auf dem Kon—
zept der Supplifation in DiNA. C. 372, fol. 104 ſteht jebod Folgendes:
„Rota: bie antwort fo von der 8. M. bieruf erbolget, ift bei ben reiche-
actis in ber canzlei zu finden.” Sobann bemerkt Graf Johann in Briefen an
den Kurfürften von Sachſen und ben Landgrafen von Hefien vom 8. Mai 1570
(a. a. O., fol. 140), worin er bittet, auch auf dem Speirer Reichstag wieber
um die Freiftellung anzuhalten, 8. M. babe auf die Suppflifation ber Gra-
fen erklärt: „daß fie dahin bedacht fein wolten, wie nicht allein biefer fonber
alle andere unverglichene religionspuncten zu verhoffentlicher gotfeliger chrift-
licher vergleihung und reformation nad aller moglicheit gebracht werden
möchten”.
302 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel.
Gegenreformationen die Gefahr, mitten zwiſchen ihren Gebieten
ganz katholiſche Territorien entjtehen zu jehen, von melden aus
auf ihre eigenen Unterthanen leicht eingwirkt werden fonnte.
Jetzt erinnerte man fih wieder an König Ferdinands Dekla—
ration, melde das Weformationsreht der geiftlihen Fürſten
beſchränkte. Zwar war diefelbe nicht ganz vergeſſen worden: jo
hatten in den Jahren 1570 und 1571, als der Biihof von
Würzburg in dem mit Henneberg gemeinfamen Städtchen Münner-
jtadt die bereits jeit 1547 in Übung ftehende Augsburger Kon:
feſſion abſchaffen wollte, die proteftantiihen Stände, eben unter
Hinweis. auf fie, beim Neihstag und beim Kaiſer für Henneberg
intercediert. Dagegen beriefen fih Stadt und Ritterſchaft von
Fulda gegenüber den fatholiihen Reformen ihres Abtes anfangs
(1573) nicht jpeziell auf die Deklaration, jondern nur im allge
meinen auf den Pafjauer Vertrag und den Religionsfrieden, ſowie auf
Balthafars Wahlkapitulation. Seit Anfang des Jahres 1574
wird aber aud) im der Fuldaer Sahe der Ferdinandeiihen De—
klaration gedacht, und es läßt fi genau verfolgen, daß dies auf
Anregung don Sachſen und Heilen geihieht. Der kurſächſiſche
Rat Dr. Lindemann Hatte den Fuldaern das Driginal der
Deklaration gezeigt; zur ſelben Zeit verbreiteten Sachſen und
Heſſen einen mit der Jahreszahl 1555 verjehenen Abdruck der:
ſelben.
Indem Kurfürſt Auguſt, aus Anlaß der Fuldaer Sache, ſich
entſchloß, im eigenen Intereſſe die früher verſäumte Aufnahme der
Deklaration in den Religionsfrieden und ihre Inſinuierung an das
Kammergericht beim Wahltag zu betreiben, wurde er geneigter, auch
die verwandte, nur weitergehende Forderung der Freiſtellung zu unter=
ftügen. Zreibende Kraft der neuen Bewegung für die Freiftellung
war jedod nicht der fächjiiche, jondern der kurpfälziihe Hof. In
Heidelberg herrſchten unter Kurfürft Friedrich III. überhaupt kirch—
liche Anjhauungen vor; zudem ftand an ihm jeit Anfang des
Jahres 1574 ein Mann im höchſten Anjehen, welcher die Er—
langung der Freiftellung gleihjam als jeine Lebensaufgabe bes
Römifhe Königswahl und Freiftellung. 303
trachtete. Das war des Kurfürften neuer Großhofmeifter, Ludwig
Graf von Wittgenftein.
Von Haus aus dedten ſich inbezug auf die Freiftellung die
Intereſſen des Grafenftandes und de3 niederen Adels nicht vollitän-
dig mit denen der proteftantiihen Fürften,; Grafen und Ritterichaft
begten gegen die Fürften, vielfach mit Recht, den Verdacht, daß es
diejen mehr um die Säfularifierung als um die Evangelifierung
der geiftlihen Stiftungen zu thun ſei und daß infolge der Freis
ftellung der Adel nur um jo mehr unterdrüdt werden würde.
Darum hatten ji die Grafen, als fie im Jahre 1566 in die
Agitation für die Freiftellung eintraten, lange befonnen, ob fie die
Interceſſion der evangeliihen Fürften anrufen follten. Die näm-
(ihe Befürchtung hielt nachmals den niederen Adel ab, der Bes
wegung ſich anzuſchließen; er hatte insbejondere Grund, aud) dent
Pfälzer Kurfürften zu mißtrauen ). — Nicht jo die Wetterauer
Grafen. Ihre Interefien hatte der Kurpfälzer Hof beim nieder-
ländiſchen Aufftand, und namentlih bei dem lekten Feldzug des
Grafen Ludwig von Nafjau (1574) ganz zu den feinen gemacht.
Kurfürft Friedrichs einflugreichfte Räte, der Kanzler Ehen, die Dok—
toren Weyer und Beutterih, der Licentiat Zuleger, Peter Dathenus
u. a. ftanden jeit Fahren mit den Wetterauer Grafen, namentlich
mit den Nafjauern, aber auch ſchon mit den Wittgenfteinern in
vertrauten Beziehungen. Nun da Graf Ludwig als Großhof:
1) 2. Februar 1566 fchreibt 3. B. Graf Lubwig von Wittgenftein
an Johann von Nafjau, er könne fich nicht endlich entfchließen, 06 man
die gerade in Marburg verfammelten Fürften um ihre Interceffion an-
gehen folle; „folt vor allen dingen notig fein, daß man bes alten land—
graven [Landgraf Philipp] gemuhet zuvor etwas erfennen mochte, und
fonte bäfjelbig meines erachtens bei landgrave Wilhelm vertraulich durch
E. ©. bruder gr. Ludwig wol fuglich gejcheen, fofern Bahus et Venus nicht
daran hinderlich; dan ber alt, wie E. L. wiſſen, ift fehr argwoniſch und
mocht Tieberlih etwas drauß imaginiren, baß im ben handel verdechtig
mechte.” DIA. C. 372, fol. 36. — Über das Mißtrauen ber Ritterfchaft
gegen Kurpfalz: Bezold a. a. O., ©. 7 u. 202 und bie bort citierten
Duellen, beſonders Kluckhohn II, Nr. 732 u. 862. Auf Weiteres fomme
ih unten.
304 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel.
meifter gleichjam Minifterpräfident des Kurfürften war, fiel vollends
jeder Grund zu gegenfeitigem Mißtrauen weg.
Ludwig von Sayn, Graf zu Wittgenftein, jest ein Mann
von einigen vierzig Jahren (geboren am 7. Dezember 1532), hatte
fich in feiner Jugend auf verichiedenen Univerfitäten und durch
weite Reifen für den höheren Reichs- oder Kirchendienſt ausge:
bildet. Dazmwiihen war er Kanonifus am Kölner Dom geworden,
ein Jahr lang and, während feines Aufenthaltes in Italien,
päpftliher Kämmerer. Von feinen Reifen dur Jtalien, Frank:
reich, England, die Niederlande eben heimgekehrt, machte ihn ver
od feines Älteften Bruders Wilhelm (1558) zum regierenden
Herrn der Grafihaften MWittgenftein und Berleburg und einiger
zugehörigen Herrſchaften. Ludwig und nicht der ältere Bruder
Georg wurde regierender Herr, weil dieſer durd Dompfründen zu
Köln und zu Straßburg bereit3 gut verforgt war. Der Vater,
Graf Wilhelm d. A. lebte zwar noch, hatte aber wegen Alters:
ſchwäche die Regierung ſchon früher niedergelegt, nahdem er furz
zuvor (im Jahre 1555) dur eine Kirchenordnung nad) heſſiſchem
Mufter in der Grafſchaft die längſt Schon vorherrſchende prote-
ftantiihe Reform allgemein durchgeführt hatte. Auch jeine beiden
Söhne Georg und Ludwig gehörten innerlih wohl ſchon damals
dem proteftantiihen Belenntnis an, wenngleih Georg noch jahres
lang ats Dompropft zu Köln ji jo vorſichtig benahm, daß Ferner:
jtehende ihn für einen römiihen Katholifen halten fonnten !).
Dagegen zeigte fi) Ludwig ſchon als junger Mann von nod) nicht
1) Reiffenberg |. c., p. 74 nennt zum Jahre 1559 den Dompropft ()
MW. unter ben Wohlthätern bes Kölner Jejuitentollegs. (Ob Berwechfelung mit
feinem Vorgänger Herzog Georg von Braunfchweig?) In Graf Ludwigs
Tagebüchern finden ſich wiederholt Konzepte zu Briefen, worin er feinen Bru-
ber Georg auffordert, auf größere Harmonie feines Leben® mit feinen refi-
giöſen Überzeugungen bebacht zu fein. Ein Beweis feiner zweibentiger over
norfichtigen Haltung noch aus bem Jahre 1578 bei Groen van Prin-
sterer VI, 488. Dagegen bezeichnet Hamelmann (Opp., p. 1337 u. 1341)
ſchon Ende der ſechziger Jahre dem Grafen Georg als aufrihtigen Anhänger
des Evangeliums.
Römische Königswahl und Freiftellung. 305
dreißig Jahren bemüht, aud fein Äußeres Verhalten mit feinen
religiöfen Anſchauungen in Einklang zu jegen. Das einſame Leben
auf den mwaldigen Höhen feiner armen, dünnbevölferten Grafſchaft,
wo faum ein anderer geiltiger Verkehr möglich war al3 mit ein
paar evangeliihen Landgeiftlichen, bejtärkte ohne Zweifel die Ent-
Schiedenheit, aber auch die Einfeitigfeit feiner religiöien Über:
zeugungen. Ernſte Schiedjale, wie die faft wunderbare Errettung
vom Zode des Ertrinfens in der Saar, fodann der frühe Tod
feiner erften Gemahlin, mögen feinem Weſen den grübelnden,
fhwermütigen Zug aufgeprägt haben, der uns in feinen ſorg—
fältig geführten Zagebüchern und feiner ausgedehnten Korrefpondenz
vielfach entgegentritt ?). Nach dem Tode der erften Gemahlin (im
Mai 1565) begab jih Graf Ludwig wieder für längere Zeit auf
Reifen; damals lernte er vermutlid die Schweizer Reformatoren
perjönlich kennen, befonders die Züriher und Theodor Beza, mit
denen er fortan einen lebhaften Briefwechſel unterhielt. Hierdurch),
fodann durch Anlegung einer reihen Bibliothet blieb der hoch—
gebildete Mann, trotz gemilfenhafter Verwaltung feines Grafen:
amtes und feiner Güter, in Verbindung mit den großen
Belthändeln. — Ein paar Mal, jo 1562 beim Frankfurter
Wahltag al3 kölnischer Rat, dann auf dem Speirer Reichstag von
1570 al3 Mitglied des kaiferlihen Hofrats, nahm er auch Anteil
an der praftiihen Politit des Reiches. Biel bedeutender wurde
jedod die Thätigkeit, melde er jeit dem Jahre 1565 für die
Sache der Freiftellung entfaltete. — Die proteitantifhen Grafen
jahen ihre materielle Eriftenz gefährdet, wenn die Auferlegung
neuer oder aud) nur das Fortbeftehen der alten Statuten und
Eide e3 ihnen unmöglich machte, ihre jüngeren Söhne mit geift-
Iihen Pfründen auszuftatten; Graf Ludwigs eigener Bruder Georg
mußte al3 Afterdechant, dann al3 Dompropit zu Köln beftändig
1) Ein gewifjer ängftlicher Gefichtsausbrud fiel mir auch in einem Ori—
ginalporträt Ludwigs im Berleburger Schloß auf, welches benfelben als
Mann von einigen vierzig Jahren barftellt.
Loffen, Köln. Krieg J. 20
306. Fünfte; Bud. Erftetr Kapitel.
zwiſchen ſeiner perjönlichen: Überzeugung und: ſeinen kirchlichen
Pflichteu lavieren; Familien-wie Standesintereſſe fiel alſo bei dem
Großhofmeiſter mit der perſönlichen Überzeugung zuſammen. Wie
Graf Ludwig zuſammen mit Johann von Naſſau in den: Jahren
1565—1566 zu Köln und zu Augsburg die Freiftellung haupts:
jächlic betrieben: hatte, jo. jprach er: zuerft aufı dem Reichstag von:
1570 den Gedanken aus, man jolle juchen, den Bremer Erzbiſchof
nah Köln zu bringen, und: erneuerte: diefen: Vorſchlag zwei Jahre
jpäter bei Heffen und Sachſen. — Fest konnte er: ala. pfälziicher:
Großhormeifter, neben jeinem perfönlihen. Einfluß: und dem den
anderen: Wetterauer Grafen, die Macht der Kurpfälzer zum. Beſten
der Freiftellung verwenden. Als Graf Johann gegen Ende. de
Jahres 1574 im Auftrag des Kurfürften: Friedrich; wegen der rö—
miſchen Königswahl zu Kurfürft Salentin ging, empfahl: ihm Graf
Ludwig dringend, bei diejer Gelegenheit das im Jahre 1566. be=
gonnene Werk der Reformation der hohen Stifter wieder. in die
Hand zu nehmen. Auch in anderen vertraulichen Briefen Ludwigs
aus diefer Zeit wird mehrfach: die Abjicht: ausgeſprochen, die rö—
miſche Königswahl zur Reformation der Hodjtifter oder wenigſtens
zur Erlangung der Freiftellung zu. benugen. Zum gleichen: Zweck
trat Ludwigs Bruder, der Dompropft, in Verbindung: mit dem
bei Kaiſer Marimilian in: Hofer Gunſt ftehenden Oberſten Lazarus
von: Schwendi, der ſich vor kurzem in feinem ,, Bedenken von Re—
gierung des: römischen Reichs und: Freiftellung der. Religion“ als
Freund der: religiöien: Zoleranz erflärt hatte‘). Als dann der
Tod des Herzogs Karl Friedrid) von Cleve die Ausjiht auf bal—
dige Erledigung des Stiftes Münſter eröffnete, juchten die. beiden
Freunde Ludwig von Wittgenftein: und Johann von Nafjau Ges
legenheit, auch. dort für die Sade der Freiftellung zu wirken.
Hier jolle man, meinte Graf Johann, ftatt langer Diskurſe einen
| 1) Schwendis Bebenten, vom 15. Mai 1574 batiert, ift u. a. gebrudt
bei Melch. Goldast, Constitutiones Imper., t. IV, nenerbing®: wieber im
einem übrigens wenig bebeutenden. Schriftchen von IJanto über Schwenbi:
Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 307
praßtiihen: Anfang mahen. — Damit. gelangen wir wieder an den
Punkt, wo fi. die Wünſche der. Wetterauer Grafen mit denen
des Kurfürften Salentin begegneten.
Graf Ludwig von Wittgenftein verweilte in’ Berleburg,. als:
die: Zeitung vom Zode: des cleviſchen Prinzen. einkief; kurz danach,
am: Balmjonntag 27: März, kam er. mit Johann. von Nafjau in
Dillenburg zujammen, um zu beraten, wie die Freiftellung. vor,
- und auf dem Wahltag: zu betreiben. Hier werden: die. beider
Freunde. auch den: Beihluß gefaßt haben, dem Bremer: Exzbiichof
nach Münfter zu verhelfen; wegen beider Angelegenheiten. bat. Graf
Johann. einige Tage jpäter: den vormaligen Biſchof von Münfter,,
Herren Wilhelm: Ketteler, um: eine Zulammenkunft, die, wie. es
iheint, zu Anfang Mai in Köln wirklich ftattgefunden hat. —
Mittlerweile. war bereit3 durd. einen dem Prinzen von. Dranien:
naheſtehenden niederrheiniichen Adeligen, Winand: von Breyl, ur—
ſprünglich ohne Abfihten auf Stift. Münfter, eine Verbindung
zwiſchen dem Bremer Etzbiſchof und dem Haufe. Najjau anger
fmipft worden. Breyl war weiterhin'befreundet mit. dem kölniſchen
Marihall Rutger von der Horft, dem Vertrauten des Kurfürften,
ſowie mit einiger im Stift Münfter anjäffigen oder wohlbefannten.
Leuten, namentlih mit dem. jülihichen. Kammermeifter Johann
Setteler, dem Bruder des vormaligen Biſchofs. Breyl, von: der
Horit. und die Brüder Setteler find vermutlih — denn nur, zu:
Vermutungen: leiten: die vorliegenden Spuren — die Mittelglieder;
für die Verftändigung zwiſchen Salentin und Heinrich einerſeits
und einer Anzahl minftericher Domherren anderjeit3 über: Hein-
richs künftige Wahl zum Biihof von Münfter. Im April. kam
Johann von Naffau mit. dem. Freiheren Johann von. Winneburg,,
dem Schwager: ver Wittgenfteiner Grafen, zu Salentin auf; deijen
Schloß Herſchbach am Wefterwald, um: über die: Freiftellung, zus
gleich aber. wohl auch über die: münſterſche Neumahl mit ihm zu.
reden. Kurz danad) hieß es, Johann. wolle: jelbit: mit. Salentin
20 *
308 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel.
nad) dem Erzitift Bremen ziehen; daß es nit dazu fam, lag
vielleiht nur daran, daß Johann durch ein Wechſelfieber den
ganzen Sommer hindurch an jein Haus Dillenburg gefeijelt war.
Dagegen verweilte Salentin während der Sommermonate 1575
meiftens zu Arnsberg oder auf dem paderbornischen Neuhaus, von
wo aus er den Nahbarfürften Beſuche machte; zu gleicher Zeit
hielt ſich Erzbiſchof Heinrih im Stift Osnabrück auf, beide alfo
nahe bei einander und nahe beim Stift Münfter — (Haus Fürftenau,
wo Heinrih Hof hielt, liegt nur einige Meilen entfernt von dem
Städtchen Rheine, wo Wilhelm Ketteler wohnte) —: aud ohne
äußere Anhaltspunkte darf man fat mit Gewißheit annehmen, daß
damals auf perfönlihen Zujammenfünften die Verabredungen
wegen der fünftigen Biſchofswahl zu Münfter getroffen wurden.
In einem Briefe aus Fürftenau (vom 10. Juli) bittet Erzbiſchof
Heinrich den Landgrafen von Heſſen, für ihn in Münfter durch
Gejandte zu intercedieren. „Denn wir haben“, jchreibt er, „weil
wir dem Ort nunmehr mit unjer Hofhaltung jo nahent und benad)-
barlich angefeflen, auch unſerer Perſon halben etzlicher anſehenlicher
Herren des Kapitels Gemüter occupieren und gewinnen laſſen, von
denen wir uns aller Zuneiglichkeit und Beförderung faſt ungezweifelt
vertröften und feind au nod im Werk, ſolches von Tag zu Tag
je mehr bei anderen zu thun.‘ — Der Landgraf hatte anfangs
wenig Luft zu einer wie er meinte doch vergeblihen Interceſſion;
er hatte von der Herrin von Steinfurt, Anna Gräfin von Ted:
lenburg, erfahren, das Domkapitel wolle nur einen gemeihten
Prieſter wählen, und glaubte, das Stift ſei dem Freifinger Biſchof
bereits ficher; als ihm dann aber die Gräfin wieder fchrieb,
etliche aus Kapitel, Regierung und Ritterſchaft Hätten nicht allzu
großen Willen zu dem von Bayern, jondern mehr zu dem nahe—
geſeſſenen, auch ihr als Nahbar erwünſchten Bremer Erzbiſchof;
ein münſterſcher und zugleih jülichſcher Rat — Wilhelm Ketteler
ohne Zweifel — habe im Vertrauen geraten, der Landgraf möge
nod vor Jakobi durch anjehnlihe Geſandte beim Domkapitel für
Erzbiihof Heinrich werben laſſen: — da fand es aud Landgraf
Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 309
Wilhelm an der Zeit, den Münfterichen zu Gemüt zu führen, daß
fie fi nicht wie die Fröſche des Äſop einen Storch, der fie nad:
ber freife, zum Herrn erwählen follten ). Ein Gejandter des Land-
grafen war bereits für das Lüdinghauſer Generalfapitel beftimmt,
al3 am 20. Juli ein Schreiben vom Erzbiſchof Heinrich eintraf,
worin diejer bat, die Schidung bis auf weiteres einzuftellen.
Was bedeutet diefe plöglihe Ablehnung einer eben noch
dringend erbetenen Interceſſion? — nichts anderes, jcheint eg,
.al3 daß eben jegt, Mitte Juli aljo, Erzbiihof Heinrih und °
Kurfürft Salentin mit ihren münfterichen Freunden jenen Plan
- fetgeftellt hatten, deiien gelungene Ausführung in dem angeblich
unerwertteten Ausgang des Lüdinghaufer Kapitels vorliegt, ein
Plan, der etwa jo lautet: man fchiebt vorläufig die Perfonen-
frage, Bremen oder Bayern, beifeite; ftatt deſſen fteifen ſich Hein-
richs Freunde im Kapitel auf die Forderung freier Wahl; hat
erit der Herzog von Jülich die alte Poftulation herausgegeben,
jo hat man freie Hand und mag wählen, wen man will. —
Nur fo, jheint es, reimen fi die früher gefchilderten Vorgänge
bor und auf dem Lüdinghauſer Generalfapitel mit dem, was wir
jest don den Anſchlägen Salentins, Heinrichs und der Wetterauer
Grafen willen. — Das aljo find die „Praktiken hoher und
1) „Dieweil fih nun ber große vogel [der Herzog von Bayern] umb dießen
ftieft fo hart annimpt und zu beforgen ftehet, da er hienein kommen folte,
das nicht allein die benachbarten fondern auch das tumbcapittel ſelbſt vor
ime bie fnie buden und er fie anders als bie vorgehenbe bifchoffe geton, zu
hor treiben wurbe, fintemal er ein große autoritet beifal und rudhalt beim
pabft faifer Spanien unt Gulih bat, wir mollen gefchweigen, das er mit
dem jeſuiteriſchen gefchmeiß nicht allein den ftieft fonbern auch bie umb-
liegende lande vermutlich hart graviren und bruden wurde, fo wil warlid
unfers erachtens nicht allein des tumbcapittel8 ſondern auch ber benachbarten
hochſte notturft erfordern, das fie ſolche und bergleichen gelegenbeiten umb—
ftende und beforgliche confequenzen al wol in acht nemen bebenfen und zu—
ſehen, das ſie nicht ein ftorf erwelen und zum nachbarn befommen, mie bie
frojhe im Efopo, der fie darnach freße.“ Landgraf Wilhelm an Anna
Gräfin zu Tedlenburg. 23. Yuli 1575. Kpt. u. Kop. MU. a. a. DO. Rep.
V. Cell. 75. Bol. III. fol. 46 u. 65.
810 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel.
niederer Perſonen“, von denen man im -Auguft 1575 am Jülicher
Hof, zu fpät freilich, eine gewiſſe Kenntnis erhalten hatte.
Die Wetterauer Grafen mochten mit dem Dienft, welchen
‚Kurfürit Salentin ihnen in der münfterichen Sache geleiftet, vorläufig
zufrieden fein; als Gegendienſt gedachte Graf Johann wermutlich,
Saulentin zu einer Penfion von Erzbiſchof Heinrich oder auch von
der Königin von England zu verhelfen. Auch veriprad) er, ſich
alle Mühe bei Kaſpar von Schönberg zu geben, damit die An—
gelegenheit der jchon wieder fälligen franzöfiihen Penſion endlich
‚einmal in Richtigkeit gebracht werde. Dagegen war für Salentin
die Abfiht, den Bremer Erzbifhof nad) Münfter und wohl aud)
nad Paderborn zu bringen, nur die eine Hälfte feines Planes ;
die andere war der Wunſch, zu feinem Nachfolger in Köln eben
den bayrischen Herzog zu machen, dem er in Münfter den Riegel
vorſchob; Salentin mochte darauf rechnen, daß zwei jo mächtige
Fürften, welche beide ihre Erhebung ihm verdankten, nachmals,
wenn er felbft wieder bloßer Graf non Iſenburg war, fi ihm
dankbar beweiſen, jenem Haufe ‚materielle Vorteile, ihm ſelbſt An—
ſehen und Einfluß verschaffen würden.
Die Gerühte über Salentins baldigen Rüdtritt waren, nad):
dem fie eine Zeit lang zumeist wohl infolge der Annahme des
Stifts Paderborn veritummt, gegen Ende des Jahres 1574 wie:
der laut geworden, diesmal mit einigem Anſpruch auf Glaub:
würdigfeit. Der Kurfürft jelbit Hatte gegen den Nuntius Gropper
oder deſſen Gehilfen Elgard geäußert, er wolle demnächſt reſig—
nieren und wünſche den bayriihen Herzog zu feinem Nachfolger.
Seine Worte müſſen jehr bejtimmt gelautet ‚haben, denn Gropper
und Elgard beeilten fi, darüber nad Rom zu berichten; aud an
Herzog Albrecht von Bayern ſchrieb Gropper und empfahl, auf
baldige Erwerbung eines Kapitelplages in Köln zu denken. So
wenig wahrſcheinlich man auch Groppers Mitteilung am bayriichen
Hofe fand, erging doch nad) Rom die Weifung, Herzog Etnft folle,
um Kapitular in Köln werden zu fönnen, fowie feinem eigenen
früheren VBeriprechen gemäß, die höheren: Weihen nehmen und als=
Kurfürft Salentins Köln⸗Münſter'ſcher Plan. 34
dann einen Profurator in Köln beitellen, um den erften exledigten
Kapitelplag zu optieren. Als diejer Befehl in Rom eintraf, hatte
ſich Herzog Ernft bereits — auf den Rat des Papftes, zunächſt um
einen feiner würdigen Plag in der päpftlihen Kapelle zu erhal:
ten — zum Gubdiafon weihen laffen (am 21. Dezember 1574
durch den Kardinal Gabriel Paleotto, Biihof von Bologna).
Urkunden hierüber fowie über die erforderliche Altersdispens wur—
ven an den Priefterfanoniftus Dr. Hermann Winkel nad) Köln
gefandt und jpäterhin von ihm dem Kapitel vorgelegt 9.
Im Januar 1575 beiprad Dr. Fabricius mit dem Bapfte
und dem Kardinal von Como eingehend die Kölner Angelegenheit
und fand bei ihnen den beiten Willen. ‚Seine Heiligkeit iſt“, be—
richtete der Geſandte nah Münden, „ſo gejinnt gegen Herzog
Ernſt, daß fie denfjelben nit nur zum Biſchof der Kölner oder
irgendeiner anderen Kirche wünſchte, jondern, wenn das möglid)
wäre, zum Univerjalbiihof von ganz Deutſchland; möchte nur auch
‚Herzog Ernſt fi jo halten, daß er die auf ihn geſetzte Hoffnung
nit täuscht.‘ Fabricius riet dem Kardinal-Sekretär, niht an den
Kaiſer fi zu menden, jondern vor allem Gewißheit zu erlangen,
ob der Kurfürſt mwirklih auf Seiten Bayerns ſtehe; dann laffe ſich
vielleiht an eine Koadjutorie denken. Ohne Zweifel infolge dieſer
Beiprehung mit dem bayrischen Gejandten richtete Gregor XHL
am 5. Februar 1575 ein Breve an Salentin, worin er deſſen
durch den Nuntius Gropper gemeldeten Entſchluß, fein ſo trefflich
verwaltetes Hirtenamt niederzulegen, bedauert und ihn auffordert,
fi offen gegen den Nuntius auszufprehen, ob nit ratjam, daß
ihm der Papft zuvor einen Koadjutor gebe; „denn wir würden
dir‘, heit e3 weiter, ‚einen höchſt geeigneten und dir durchaus
genehmen Mann geben, und zwar eben den, welder, wie unſer
geliebter Sohn Nikolaus Elgard aus dem Geſpräch mit dir ent=
nommen hat, dir jelbit gefällt‘. Auch der Kaiſer und König
Philipp würden damit gewiß einverjtanden fein. Jedenfalls möge
1) Am 6. Juli 1575. DA. Domtap.- Brot. Nr. 156.
312 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel.
Salentin feinen Entſchluß fafjen, ohne ſich zuvor mit ihm, dem
Papſte, zu verftindigen.
Als der Nuntius dieſes Breve dem Kurfürften überreichte,
äußerte fi) Salentin inbezug auf den Koadjutorievorichlag jehr
zurüdhaltend. Gropper felbit meinte, bei dem gegenwärtigen Zwift
des Domkapitels mit dem Kurfürften werde die laut den Statuten
der Kölner Kirche und Salentins Eid erforderlihe Zuftimmung
des Kapitels ſchwerlich zu erreihen fein. Dagegen riet nit nur
Gropper, ſondern auch, ohne Zweifel im Auftrag feines Herrn,
der Kanzler Dr. Burkhart, Herzog Albrecht möge baldigft einen
Kapitelplatz für feinen Sohn zu erlangen juchen. Er rechne dar-
auf, ſchrieb Burkhart, daß zwiſchen feinem Herrn und dem
Herzog bei ihrer nächſten Zuſammenkunft (auf dem künftigen
MWahltag) eine „vertraulihe und erſprießliche Konverſation“ ftatt-
finden werde. — Auch Salentins Rat, Dr. Gotfrid Gropper, der
im Frühjahr 1575 in Geſchäften desjelben nah Rom kam, em=
pfahl bier dringend, Herzog Ernft möge baldigjt heimfehren, um
in Köln Refidenz zu halten und ſich die Zuneigung des Kurfürften
und des Kapitel zu erwerben. |
Während jomohl Herzog Albreht wie Fabricius all dieſen An—
deutungen nur geringen Wert beilegten, weil fie auf Grund ihrer
früheren Erfahrungen an Salentins Ernſt und Aufrichtigkeit nicht
recht glaubten, nahmen Bayerns Gegner, namentlid) die Wetter-
auer Grafen, die Gerüchte von Salentins baldigem Rücktritt und
Bayerns neuer Bewerbung um das Erzftift jehr ernft; fie waren
entichlojien, die bayriiche Kandidatur jowohl in Köln wie in Mün—
fter aus allen Kräften zu bekämpfen; — als nächſtes Kampffeld
für dieſe beiden Zwecke und gleichzeitig für die Freiftellung erſahen
fie jich den bevorftehenden Regensburger Wahltag.
2. Kapitel.
Der Regensburger Wahltag. — Zwieſpalt im Stift
Münfter. *
Nah formellem Recht war der Wahltag, welcher im Dftober
1575 zu Regensburg eröffnet wurde, nur eine Sollegialver-
fammlung der ſieben Kurfürften, welche allein die Bedingungen
* Quellen: Über den Regensb. Wahltag: Schneidt, Sendenberg,
Kludbohn a. a. O., ſ. o. S. 289. Ferner Lehmann, De pace
religionis, Ausg. von 1707, Tom. I, lib. U, c. XIV/XVIII. Aus-
zug aus Sendenberg und Lehmann bei Häberlin IX, 328/423.
Berichte des Nuntius Delfino bei Theiner 1. c. II, 463sqg. Be-
richt des Agenten ber Wetterauer Grafen, Lic. I. Antreht BA. Lit.
K. 29, fol. 53. — Korrefp. der Wetterauer Grafen über bie Freiftellung,
fölnifhe und münfterfhe Sache DillA. C. 368 u. 372; Dill. Korr.
1573 u. 1575. BA. Lit. K. 27, Nr. 36. MA. Reg. A. Schubl.
Rep. II, Eell. 6, Bol. II. Groen van Pr. V, 168sqq. 251.
285 sqq. 307 qq.
Über die münfterfche Wahlfadhe: RA. Münfter Tom. II u. DA. 28b
ber 0. ©. 266 beſprochenen Serien; Ergänzungen in ben Streitſchriften
der Senioren und Junioren aus ben Jahren 1577/1579 in ben fol-
genden Bänden. Protokolle der VBerfammlung am Stulerbaum 1. Sept.,
des Martini- Kapitel8 unb ber Lübinghaufer Berfammlung vom
21. Nov. MrA. Domtap.-Prot. — Über Erzherzog Ferdinands Be—
werbung um Münfter einiges JA. Ferdin. fol. 111, Nr. 140 u. fol.
126 ad Nr. 327. RU. Regensburg Tom. I. Lit. R. — Korrefp. bes
Dr. Fabricius mit Herzog Albreht RU. Freifing Nr. 82, — Breve
an Herzog Albrecht vom 19. September 1575 und Schreiben ber Se-
nioren an ben Papſt vom 22. November 1575 bei Theiner 1. c.
I, 31 u. 30,
314 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
feftzufegen hatten, auf welche Hin fie einen neuen römiſchen König
wählen wollten; thatfädhlih boten aber die Wahltage aud den
niederen Reichsftänden Gelegenheit, ihre Wünjche geltend zu machen,
indirekt jelbit auf die Wahlfapitulation Einfluß zu üben. Denn
e3 war herkömmlich, daß der Kaifer zur Zeilnahme an Wahl und
Krönung feines Nachfolgers, dem wichtigſten und feierlichften Akt
feiner ganzen Regierung, auch andere Fürften einlud. Hier
wo es glänzende Felte zu feiern gab, bei denen ein jeder feinen
Neihtum und jeinen Geſchmack entfalten konnte, eridjienen dieje
kieber in Perſon als auf den Reichsſstagen, wo langweilige ge—
chäftlihe Dinge die befte Zeit wegnahmen. Vom Sailer einge-
laden oder im Gefolge von Kurfürften und Fürften famen aud)
Grafen, Freiherren und Adelige; mander mochte hoffen, im freien
periöntihen Verkehr mühelos Abſichten zu erreihen, Gunft und
Gnaden zu finden, um die er jonft in endloſen Schreibereien
von Kanzlei’ zu Kanzlei oft vergebens unterhandeln oder bitten
mußte.
Auch in den Angelegenheiten, welche uns zulegt beidhäftigten,
Freiftellung und Deklaration, kölniſche Refignation und münfteriche
Neumahl, erwarteten die Beteiligten vom Wahltag Erfüllung oder
doch Förderung ihrer Wünſche.
Den Frühling und Sommer 1575 bindurd) hatten die evanz
geliihen Grafen, namentlid) jene, deren Yamilien zu Köln und
Straßburg Dompräbenden bejagen, die Wittgenftein, Winneburg,
Solms, mit Vorarbeiten für die Freiftellung der Religion auf
den hohen Stiftern fi beihäftigt. Zunächſt galt es, der Unter:
ftügung oder der wohlwollenden Neutralität der evangeliſchen
Fürften ſich zu verfihern. inen offenen Gönner hatten fie
in Kurfürft Friedrid) von der Pfalz. Seine Räte, neben dem
Großhofmeifter jelbft namentlih Weyer, Zuleger und Beutterich,
berieten gemeinfam mit den Grafen, verfaßten Gutachten für fie.
Die Kurfürften Auguft von Sadien und Johann Georg von
Brandenburg, welhe man duch den Adminiftrator von Magde—
burg, Johann Georgs Sohn, der ja jelbit in. Wideriprud mit
Der Regensburger Wahltag. 315
dem geiftlihen Vorbehalt fein Erzftift behauptete, für die Frei-
ftellung zu gewinnen hoffte, zeigten beide wenig Neigung, auf dem
Wahltag mit diefer Sache ſich zu befaffen; dagegen verſprach
Landgraf Wilhelm von Heffen feine Hilfe, und nad ihm pflegten
andere fleinere Fürften, wie die Pfalzgrafen von Neuburg und
Ameibrüden, fi zu richten. Auf ein beionderes Intereſſe an der
Frage rechneten die Grafen bei Pfalzgraf Neihard von Simmern.
Reihard war felbft lange Jahre Domherr zu Köln und zu Straß:
burg geweien; nod) im Jahre 1569 Hatte er um den GStraß-
burger Biſchofsſtuhl fi) beworben, und erſt als er dabei unter=
legen war, jeine Pfründen refigniert und ſich verheiratet. Leider!
meinten jet die Grafen, da er hierdurch gleih vielen anderen
ewangeliih gefinnten Dombherren, welche bei ihrer Verheiratung
zefignierten — jo jüngft noch der Kölner Domdechant Graf Hein-
th von Sayn und der Freiherr Peter Ernft von Kriedingen —,
ein ſtarkes Präjudiz gegen die Freiftellung geichaffen habe. Jedoch
hofften die Grafen, Reihard könne vielleicht jest den ihm von
früher her verbundenen Kölner Afterdehant und Straßburger
Dompropft Chriftoph Ladislaus von Thengen, welcher ſich vordem
offen zur Augsburger Konfeſſion befannt und nun als lekter
feines Stammes Anla zum Heiraten habe, bewegen, trog Heirat
feine Pfründen zu behaupten und alfo mit der Freiftellung einen
praktiſchen Anfang zu machen ). Der Pfalzgraf wollte mit
1) Winneburg meinte, außer Pialzgraf Reichard, welchen Thengen ſeine
Kölner Dompfründe verbanfe, könne auch der Markgraf von Baden mit
demfelben reden, denn an befien Hof fei Thengen drei Jahre lang und, wie
man berichte, der evangelifchen Religion zugethan geweſen. Noch im Jahre
1566 bei der Werbung ber evangelifchen Grafen in Köln (f. o. S. 25) hatte
fi auch Thengen zu Gunften ber Freiftellung erklärt; vgl. auch S. 28. 1569
galt er aber bereits als römifch-katholifh. Wimmer, Vertraul. Briefw.,
&.107. Beweife für feine Konverfion hauptſächlich aus Häberlin bei Stieve
©. 45 u. 143. Im einer Schrift des Grafen Georg von Wittgenftein aus
ber Zeit des Straßburger Kapitelsftreites (BU. Lit. K. 27, Nr. 29) Heißt
es von Thengen, daß er „fich offentlich zu der evangelifchen ler befent und
aldie [in Straßburg] das h. nachtmal darauf empfangen“.
816 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
Thengen, „dem Mameluden ‘‘, wie er jagte, „Der vormals Gottes
Wort erfannt und befannt und doch abgefallen “, obwohl er fein
Vetter ſei, nichts zu ſchaffen haben, ging ſonſt aber bereit-
willig auf die Abfichten der Grafen ein. Auf feinen Rat wurde
beichloffen, bereit3 auf dem Wahltag den drei weltlichen Kurfürften
eine Supplifation um die Freiftellung zu überreihen, melde An—
laß geben jollte, die Frage auh auf den dem Wahltag voraus—
fichtlich bald folgenden Reichstag zu bringen. Der zweibrüdiihe
Rat Licentiat Heinrih Schwebel, welcher mit Philipp dem Jün—
geren von Winneburg bei Pfalzgraf Reihard geweſen war, jollte
mit Benugung der bereit3 vorliegenden Gutachten die Supplifation
abfaffen. In zweien diefer Gutachten wurde bejonders empfohlen,
nah und nad einzelne evangeliiche Herren in die SKanonifate
einiger oberdeutichen Stifter zu bringen: jo nad Straßburg, wo
man an der evangeliihen Stadt einen Rüdhalt habe, dann nad
Speier und Worms, wo man der Biichöfe halb ſicher zu fein
meinte und einen großenteil3 evangeliſchen Adel Hinter ſich
wuhte !); das Weitere würde fih dann jchon von jelbft machen.
Ganz anders lautete das Gutachten eines fanatiſchen Reformierten,
1) In einem biefer Gutachten (wahrſcheinlich des Lic. Schwebel) beißt
e8 u. a.: „Inſonderheit hette man bei itt regterendem bifchof zu Speir ein
gar gutte gelegenheit und wurden i. f. ©. wie verhoffentlich ſich nicht fer
wieber bieße reformation fegen, war fie jehen, das fie vom curf. pfalzgraven
[hut und ſchirm hetten. . . . Bor dem bifchof zue Wormbs bat man fich
wie bewuft nicht hoch zu beforgen noch zu befaren; und zue biefer refor-
mation ittgebachter beiber ftift wurbe bie ritterfhaft. am Rhein, fo merer-
teils evangeliih, dem curf. die hilfliche hant gern bieten.” De la Hu»
guerye (Mem. I, 203; vgl. Bezolba.a.D., ©. 129) erzählt zum Jahre
1574, man babe u. a. auch ben Speirer Bifhof, Marquard von Hatftein,
zum Seiraten bewegen wollen: et desja avoit gaigne l’&vesque de Speire,
qui avoit sa femme toute trouvse. liber Beziehungen Ludwigs von Witt
genftein zu bemfelben im folgenden Jahre f. u. Am 6. Nov. 1577 fchreibt
Kanzler Elſenheimer an Herzog Albrecht von Bayern u. a.: „E. f. ©. fol
ih im unbertenigfeit nit pergen, dz bifer bifchov etlichen ber religion Halb je
lenger je mer ſuspeet.“ StA. 96/1, fol. 30.
‚Der Regensburger Wahltag. 317
des kurpfälziihen Rates Wenzel Zuleger )Y. Die Freiftellung,
meinte er, ſei das befte Mittel, um die papiftiiche Abgötterei und
das üppige Leben der Bauchgeiftlihen auf den Stiftern auszu:
zotten, den Übermut und Eigenug des Haufes Ofterreih zu bre—
hen, die Einigkeit im Reiche herzuſtellen; der jchnellfte Weg zur
Sreiftellung aber fei ein Interregnum, wie in Polen, mit Kurpfalz
und Sachſen als Reichsvikaren; da jedod) darüber nod) längere
Zeit vergehen könne, jo jollten einftweilen die drei weltlichen Kur—
fürften ihren geiftlihen Kollegen und anderen Biſchöfen, welde die
Freiftellung bemwilligen wollten, Schug angeloben. — Aud) den
anderen Ratgebern der evangeliihen Grafen war es durchgängig
nicht um die bloße Freiftellung der Religion, jondern um völlige
Reformation der Stifter zu thun; „aber“, meinte der Herr von
MWinneburg, „da man Vögel fangen will, muß man nidt mit
Prügeln darunter werfen‘. Man fand darum für nötig, die Sup—
plifation möglihft glimpflih zu ftellen, um die Papiften glauben zu
machen, daß es fih nicht um Vertilgung ihrer Religion handele,
fondern nur, zum Beften des ganzen Adelftandes, um die Freis
stellung der Augsburger Konfeffion. — In der That macht die
von Schmebel aufgejegte und jodann von einigen Grafen noch
weiter gemilderte Supplifation, welde beim Beginn des Wahl:
tages (wieder, wie im Jahre 1566, im Namen der rheiniſchen,
fränkischen, Thüringer, Harzer, Wetterauer und anderer der Augs—
burger Konfeifion verwandten Grafen und Herren) den weltlichen
Kurfürften, Später aud dem Kaifer überreicht wurde, vorzugsweiſe
politiihe Gründe für die Freiftellung geltend: der Untergang des
gräflihen Standes ſei zu bejorgen, wenn es den Augsburger
Konfeſſions⸗ Verwandten durd) die beſchwerlichen Statuten und Jura—
mente unmöglid gemacht werde, ihre vielen Kinder zum Zeil auf
die hohen Stifter zu bringen, und demnad alle weltlid; werden
müßten; die Gleihhftellung der Augsburger Konfeſſions-Verwandten
1) Über Zuleger: Groen van Pr. IV, 297; Kludhohn ſ. Regiſier;
Bezold, ©. 12. 24. 121. 138. 158 u. ſ. w.
318 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
mit den: Römiſch-Katholiſchen entipreche dem: Geifte des Religions—
friedens und. der Billigfeit,. aus der. Verweigerung entftehe. gegen=
jeitiges Mißtrauen. Zum Beweis: dafür, dag man nicht durch die:
Freiftellung die römiſche Religion: ganz: vertilgen: wolle, weift. die:
Supplifation auf das Vorbild. des Kammergerichtes: hin; der Be—
ſorgnis, daß man die geiftlichen Güter erblih machen wolle, könne
durch Eide, Kautionen und Reichsſatzungen vorgebeugt werden.
Man jolle. jedem Domherrn die Wahl lafjen, entweder die alten,
durch, das Zrienter Konzil noch verichärften Eide oder einen neuen:
Eid des bloßen politiihen Gehorſams zu ſchwören ?).
Kurfürft Friedrih, der gegen jeine. anfänglide Zuſage nicht
jelbft zur römischen Königswahl erjchien, jondern durch feinen
älteften Sohn Ludwig ſich vertreten: ließ, hatte dieſen und die
beigeordneten Räte angewiefen, u. a. zu fordern, daß der Frei—
ftellung in der. Wahlkapitulation gedacht werde; aber Sadjen und:
Brandenburg verzichteten: von vornherein auf eine: jo. weitgehende
Neuerung und wollten: ſich zufrieden. geben,. wern nur. König Fer—
dinands Deklaration von neuem beftätigt und‘ deshalb. in die, Ka—
pitulation aufgenommen werde. Gegen. diejed Verlangen der: drei:
weltlichen Kurfürften jträubten jich jedoch die drei geiftlihen aufs
äußerſte. Sie machten geltend, daß die: geiftlichen Fürften durch
die Deklaration in: ihrer: Landeshoheit. ftärfer bejchränft würden
als die weltlichen und ihre. Unterthanen. dadurch einen Vorwand‘
zu. Ungehorjam und: Aufruhr erhielten; fie alle wollten: von diejer.
dem Religionsfrieden grundjäglich widerſprechenden angeblichen: Des:
faration desjelben erft jüngft durch das. Gerücht erfahren baben;,
in ihren. Archiven finde fie fih nicht. Salentin. von. Köln. ver-
ficherte, jem. Kanzler und jein. Landhofmeifter,. die: ſchon bei den:
Verhandlungen über. den Religionsfrieden: geweſen, könnten. fi am.
nicht3 erinnern; dasſelbe behauptete von fih Daniel von: Mainz,
1) Die Supplilation ift zuerft gebrudt in: Supplicationes, Erflärungen
und Proteftationes . . bie Freiftellung ber Geiftlichen bel. 1576, ©. 36;
fobann: in Joh. Kafimirs Ausfchreibem von 1588, Beil. Nr. XXIIL und in
der Autonomia I, fol. 74. Schwebels Konzept Di. C. 372..fol. 289.
Der. Regensburger Wahltag. 319:
der: bereits; im. Jahre 1555 Kurfürft geworden war. Die Echtheit
der. Urkunde konnten jie freilich nicht mehr beftreiten, nachdem
Kurfürft Auguft von Sahfen in einer Kollegialfigung das Original
mit: dem: faiferlihen Siegel und den. Unterfchriften König. Ferdi:
nands und feines: Kanzlers Dr. Jonas vorgewieſen; nun aber
fteiften fie. ſich darauf,. daß; bei der legten Königswahl der Sade
nicht gedacht worden. und ſie nicht berechtigt jeien, den anderen
hier nicht. vertretenen geiftlihen: Ständen ein ſolches Präjudiz zu
machen: Nach. dreitägigen vergeblihen Verſuchen, einen Majoritäts:
beichluß zu erzielen (am 14., 15. und 18. Dftober), blieben beide
Zeile hartnädig auf ihrer Meinung beftefen. — Da unternahm
es der Kaiſer felbit, einen Ausweg zu. finden: auf fein perjönliches
Zureden. bewilligte: zuerft Auguft von: Sachſen (am 22. Dftober),
danach aud der Brandenburger Kurfürft und Pfalzgraf Ludwig,
daß für diesmal von: förmliher Betätigung: der Deklaration ab—
geſehen werde; dagegen verſprach Mapimilian, auf dem künftigen:
Reichstag. die: Sache richtig zu: machen und’ zu verhüten, daß in—
zwifchen: durch Nichtbeachtung der Deklaration Unruhen entftün-
den. — Nun endlih, am 27. Dftober, erfolgte einftimmig König.
Rudolfs Wahl: zum römischen König !), und alsdann, amt Feite
Allerheiligen, mit: den hergebrachten Zeremonieen und. Seitlichkeiten,
ſeine feierliche. Königskrönung.
Daß Kurfürſt Salentin den Wahltag benutzen werde, um die
nah dem allgemeinen Gerücht geplante bayriihe Succeſſion im
Erzftift Köln ins Werk zu richten, mußte man borausjegen. Dem
vorzubauen, brady darum Graf Johann von Naſſau Ende Sep:
tember, al3, er erfuhr, Salentin jei unterwegs nad Regensburg,
1) In dem. Bebenten ber. faiferligen Räte. bei Schneidt, ©. 545 wird
zwar worgefchlagen, der König von Böhmen folle fih der Abftimmung ent-
halten; der päpftliche Nuntius behauptet jedoch, König Rudolf habe dem Kur-
fürften: von Sachſen fein: Votum gegeben: Theiner II, 466.
320 Fünftes Buch. Zweites Kapitel.
in Eile auf, ihm nad, und gab ihm dann mehrere Tage lang,
bi? nad Kitzingen jenjeit3 Würzburg, das Geleit. Unterwegs
ſprach er den Hurfürften, ſoweit ihm diefer über dem ftarken Trin—
ken Zeit ließ, auch wegen der Gerüchte an, melde über deſſen
baldigen Rücktritt und die Abficht, den bayriihen Herzog nad)
Köln zu bringen, verbreitet fein. Salentin gab zu, daß ſchon
beim Speirer Reichstag und feitdem wiederholt von Difterreich,
Spanien, Bayern und anderen ihm Großes veriprodyen worden
jet, wenn er dem Freifinger Biſchof nah Köln verhelfe; er aber
habe ſich jederzeit geweigert. Nun jeien aber die Dinge fo weit
gelommen, daß fernerer Widerftand vergeblih; allzu tief habe man
die Macht der Siebenpriefter in feinem Domkapitel einmurzeln
laffen, auch die Edelherren hätten fein treue® Bemühen um des
Stiftes Gedeihen nicht unterftügt, jondern ihm auf alle Weife
MWidermärtigfeiten und Hinderniffe in den Weg gelegt; er habe
nun nit Luft, mit Schimpf und Spott zwiſchen zwei Stühlen
niederzufigen, jondern müſſe auch auf jeinen Vorteil ſehen; das
werde man ihm, denke er, nicht übel nehmen. — Dagegen ftellte
ihm nun Graf Johann vor, wie viel erwünjchter für das Gtift,
für Grafen und Adel, wie viel vorteilhafter für Salentin jelbft
e3 jein würde, wenn ftatt des bayriihen Herzogs der dem Kur—
fürften von Jugend an liebe und werte Heinrih von Lauenburg
juccedierte: von Grafen und Adel, von Ritterfhaft und Land-
ftänden, von Heinrich felbft und feiner ganzen Verwandtichaft,
Sachſen, Brandenburg und Hefjen, endlih von der Krone Frank—
reich jei ihm der Dank fiher, fall3 er durch die ihm ergebenen
Edelherren dem Bremer Erzbiſchof nad Köln verhelfe. Wenig:
ftens möge Salentin feinen Entſchluß hinausſchieben und auf dem
Wahltage keine Zufage geben; er ſelbſt, Johann, wolle fi) wie:
der für baldige Zahlung ver fälligen franzöfiihen Penſion be-
mühen, — Kaſpar von Schönberg war nämlid) vor einigen Mo-
naten (im Juli) zu Neuhaus bei Salentin geweſen und hatte
verſprochen, die Penſion folle zur nächſten Frankfurter Herbit:
mefje bezahlt werden, was dann freilid doch wieder nicht ge:
Zwiefpalt im Stift Münfter. 321
ihah ). — Salentin äußerte ſich daraufhin ſehr günftig über
Herzog Heinrichs Perſon, verſprach auch die Sache weiter zu er—
wägen; nur dürfe man nicht ihn allein „den Undank verdienen
laſſen“. Sollte es aber je nicht gelingen, den Erzbiſchof nad
Köln zu bringen, jo hoffe er demfelben do zum Stift Münfter und
zu anderen guten ©elegenheiten zu verhelfen.
In Regensburg ſprach naher (am 15. Dftober) aud Graf
Ludwig von Wittgenftein, im Auftrag des Pfälzer Kurfürften, Sa:
(entin im Bertrauen an über das Gerücht, da derſelbe reſignieren
wolle. Sein Herr habe mit großem Bedauern davon gehört; Sa—
lentin möge entweder, ungeachtet einer etwaigen Verheiratung, fein
Erzitift behalten und dafelbft die Freiltellung einführen, oder, wenn
er endlid) zu refignieren gemeint, dem Bremer Erzbiihof, der
nicht nur tüchtig fer, ſondern ſich unzweifelhaft auch dankbar er=
weifen werde, zur Nachfolge verhelfen. — Salentin antwortete
mit höflihen Redensarten: er ſei dem Bremer Erzbiſchof wohl
geneigt, müſſe aber die Neuwahl denen, welchen fie zukomme, frei
anheimgeben u. dgl.
Graf Johann, von feinem Ritt mit Salentin wieder nad) Dillen-
burg heimgefehrt, beeilte fih, dem Pfälzer Kurfürften, dem Landgrafen
Wilhelm, dem Prinzen von Dranien, den befreundeten Grafen auf
dem Wahltag und anderen über jeine Beiprehung mit Salentin zu
berichten, und forderte allerjeit3 auf, der Freiftellung und dem
1) Schönberg wollte den Kurfürften glauben machen, fein König getraue
fi wegen des bevorftehenden neuen Bürgerkrieges nicht, das Gelb heraus—
zuſchicken; er felbft, Schönberg, fei aber erbötig, Die Schuld zu entrichten, nur müſſe
Salentin zu ihm nad Paris oder in® Lager ſchicken. Graf Johann meinte
zwar, Salentin folle, um bie Franzofen bei guter Laune zu halten, eine Weile
zufeben; das war aber nicht nach Salentins Gefhmad; er fehrieb von Regens-
burg aus einen groben Brief an Schönberg und erreichte wenigftens fo viel,
daß biefer feinen König dringend bat, mit ber Zahlung nicht länger zu
fäumen, da Salentins Dienfte im Fall eines neuen Krieges von hohem Wert
feien. Diefer Brief Schönbergd bei Groen van Pr. VI, 253 ift irrig
vom Herausgeber ins Jahr 1577 ftatt 1575 gefett und dadurch bemfelben
unverftändlich geworben. — Was daraufhin erfolgte, weiß ich nicht.
offen, Köln. Krieg I. 21
322 Fünftes Buch. Zweites Kapitel.
Evangelium zum Nußen, dem Bapfte.aber und feinem Anhang, dem
ipanifchen und dem öjterreihtiihen Haufe zum Schaden, die bay—
riihe Bewerbung um Köln wie immer möglich zu befämpfen, da=
gegen den Bremer Erzbiihof zu fördern. Am meiften lag ihm
daran, daß dem Kurfüriten von Sachſen Luft gemacht werde, des
Bremer Erzbiſchofs jih anzunehmen; — freilid) war inbezug
auf ihn Johanns Eifer für Heinrihs Perfon nit ohne Neben-
rückſichten. Draniens neue Heirat mit der Prinzeſſin Charlotte
von Bourbon (im Juni 1575), während feine Gemahlin Anna
von Sachſen, die Nichte des Kurfürſten Auguft, noch lebte, hatte
diefen mit dem grimmigiten Haß zunächſt gegen den Prinzen felbft,
dann aud gegen alle wirklichen oder vermeinten Beförderer dieſer
Heirat erfüllt). Graf Johann, der in der That den unzeitigen
Entihluß feines Bruders und deſſen Begünftigung durch den Kur:
pfälzer Hof ernſtlich mißbilligte, wünfchte lebhaft, auch den Kurfürsten
Auguſt von diefer feiner Unschuld zu überzeugen. Aus Johanns
Eifer für Erzbiſchof Heintih, den Schweiterfohn des Kurfürften,
jollte diefer erjehen, daß er, Graf Johann, „derjenig nicht wäre,
welcher, wie ihrer furf. ©. von unfern Mikgünftigen leider übel
eingebildet worden, Luft und Liebe haben jolle, derjelben alle Wi-
derwärtigfeit, Hohn und Spott zu beweiſen.“ Aus vdemifelben
Grund ermahnte Johann damals aud) jeinen Bruder, den Prin—
zen; „dem Biihof zu Bremen gütlich unter Augen zu gehn, wenn
ihm auch von dorther nit allemal begegnet, wie man ſich wohl
verjehen und an ihme felbft recht und billig wäre”. — Übrigens
hegte Johann jelbft gegen den Erzbiſchof einiges Mißtrauen:
einerjeitS fürdhtete er, wenn dieſer zu feinen beiden Stiftern Bre—
men und Dsnabrüd auch noch Münfter, Köln und Paderborn
1) Bol. ©. Richter, Die Punktirbücher bes Kurfürften Auguft von
Sachſen in Forfhungen 3. d. G. XX, 30; biefelben benutsten bereit8 vorher
Böttiger im Hiftor. Taſchenbuch 1836 und Kludhohn, Friedrich d. Fr.,
©. 476. ©. ferner Bezold a. a. O. ©. 138 f. u. 189., Über Graf Johanns
Stellung zu Oraniens britter Ehe Groen van Pr. V, Nr. 558. 561.
553; DillA. C. 372 und Dill. Korr. 1575.
Zwielpalt im Stift Münfter. 323
erhielte, könnte er Säfularifationsgelüfte befommen, Grafen und
Adel unterdrüden wollen; anderjeits, Heinrich möchte, gleich fo
manchen anderen deutſchen Fürſten, gegen die Reformierten oder
Galviniften etwas verbittert ſein; in beiden Richtungen ftand
ihm das Vorbild des Kurfürften Auguft bedrohlich vor Augen.
Deshalb wünſchte er, der Herr von Breyl jolle, zugleich mit der
Nachricht über Johanns Unterredung mit Salentin, dem Erzbiſchof zu
verftehen geben, daß diejer in Köln bejonders auf Grafen, Herren
und Adel von der reformierten Kirche zu rechnen habe; es würde
alfo nit wenig zuträglid) fein, wenn man zuweilen eine ſchrift—
liche Erklärung des Erzbiſchofs vorzeigen könnte, daß er Grafen
und Adel bei ihren Freiheiten und Geredtigfeiten erhalten, den
Stiftern nicht3 entziehen, wegen der Religion niemanden, heiße er
lutheriſch oder calviniih, verfolgen werde. Hierin, meinte Jo—
hann, müſſe man ji wohl vorjehen, damit man fid) nit etwa
jelbft eine Rute über den Rüden binde. — Von Dranien wünſchte
Johann, dieſer jolle ihm zur Betreibung jo vieler ihm auf dem
Halje liegenden Angelegenheiten, namentlich der kölniſchen und der
münfterichen, eine Geldhilfe von den niederländischen Ständen ver:
ihaffen, denen jein Bemühen ja aud zugute komme.
Daß für diefe namentlich die Frage, wer künftighin Herr von
Münfter fein werde, von Wichtigkeit war, hatte Dranien aller:
dings jelbft längft erkannt. Einen handgreiflihen Beweis dafür
kieferte ihm das Intereſſe, welches ihre Feinde an diejer Frage
nahmen. — Vor dem Lüdinghaufer Kapitel, Anfangs Juli, hatte
Requeſens an jeinen Lieutenant zu Groningen ein dem Gtatt-
halter Wefterholt zuzuftellendes warmes Empfehlungsichreiben für
Herzog Ernft abgejendet; der Kurier war aber durch Draniens
Leute niedergeworfen worden und ſo das Schreiben in des Prin—
zen Hände gelangt, der alsbald feinen Bruder Johann aufforderte,
durch den Herrn von Ketteler und andere die bayriiche Bewerbung
um Münfter wenn möglid) zu vereiteln, und außerdem jelbft einen
eigenen Gejandten, den Herrn Wilhelın von Mavelde im Monat
Auguft nah Düfjeldorf zum Herzog ſchickte und diefem vorftellen
21*
324 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
ließ, er möge bis zu friedlicheren Zeiten oder wenigftens, bis fi)
ein friedliebender und guter Nachbar als Nachfolger gefunden, das
Stift in den Händen feines Sohnes laffen ). — Der Ge:
fandte wurde in Düffeldorf kurz abgewieſen; man wird aber nicht
zweifeln dürfen, daß Dranien fortan aud unter der Hand, etwa
durd) befreundete Adelige, den bayriſch-jülichſchen Plänen im
Stift Münfter entgegenarbeitete.
Salentins Abfiht, den bayriihen Herzog durch perſönliche Be—
iprehung auf dem Wahltag für feinen Köln münfterihen Plan zu
gewinnen, wurde nicht ausgeführt. Salentin hatte darauf ges
rechnet, Herzog Albrecht werde, auf die Andeutungen Hin, welche
jein Kanzler Burkhart im Sommer brieflih gemacht hatte, die Ini—
tiative ergreifen; das geſchah jedod) nicht, obwohl die beiden Herren
zu Regensburg oft genug freundihaftlih zujammen waren ?), —
ohne Zweifel deshalb nicht, weil Albrecht nicht an Salentins ernt-
liche Abfiht zu vefignieren glaubte. Darum entſchloß fih Salentin
1) Der Gefanbte behauptete, die fpanifche Faktion gehe damit um, wie
Dranien durch aufgefangene Briefe erfahren babe, de8 Herzogs Sohn vom
Stift Münfter zu verdrängen, angeblih um einen gut fatholifchen Bifchof
dahin zu bringen, in Wirklichfeit um den münfterfchen und clevifchen Adel
zu unterbrüden und in der Folge diefe Lande unb den Herzog felbft ihrer
Botmäßigkeit zu unterwerfen.
2) 21. Dezember 1575 fehreibt Kanzler Burkhart an Kanzler Elfenheimer:
„Mich verdreußts in toto corde, das die rais gen Munden nit fortgangen, ba
bet man vil guets fonnen verrichten; etiam et saepe sum miratus et adhuc
miror, warumb m. g. f. u. ber [Herzog Albrecht] uf mein untertenig anzeig
de hoc negotio cum Rmo D. meo nit converfiert. Forte sic visum superis
et fata voluerunt“ (RA. Miünfter II, fol. 520). 3. November hatte Fabri—
eins aus Nom an Herzog Albrecht berichtet, dem Herzog Ernſt liege jekt
nicht niel an Miünfter, da ihm Hoffnungen auf die Kölner Koabjutorie ge—
macht worben feien; barauf antwortet Herzog Albreht am 26. November:
„quae is [Herzog Ernft] de Coloniensi coadjutoria sibi somniat, ea nos
ex nullis prorsus conjecturis assequimur; sed nec ulla dedit rei indicia
Archiepiscopus, cum tamen persaepe et familiariter nobiscum esset Ratis-
ponae“ (RX. Freifing 82, fol. 115 u. 234). Herzog Albrecht Teugnet bie
neue Korrefpondenz mit Kurfürft Salentin wegen Köln wohl nur beshalb
bier ab, um nicht feinen Sohn in feiner Gleichgültigkeit gegen Münfler zu
beftärfen.
Zwieſpalt im Stift Münfter. 3%
noch im legten Augenblid, al3 die Königskrönung ſchon vorüber
und alle Welt reijefertig war, jelbft den Wunſch nad) einer per—
fönlihen Beiprehung wegen Köln uud Münfter zu äußern. Her:
zog Albrecht entihuldigte ſich jedoch damit, daß er bereit? unter:
wegs jei, und ſchickte nur feinen Kanzler Dr. Eljenheimer. Wie
jehr dies aud) Salentin verftimmen mochte, jo hielt ev doch mit
jeinem Plane nicht länger zurück: da er entichloffen fei, ſagte er,
nicht länger mehr im geiftlichen Stande und beim Erzftift Köln
zu verharren, jo erbiete er fih zu aller Beförderung und Hilfe,
um des Herzogs Sohn zum Erzitift zu bringen; dagegen folle ſich
diefer um das Stift Münfter, worauf er do nicht die geringite
Ausfiht habe, nicht länger bemühen, jondern dasjelbe dem Bremer
Erzbiihof überlaffen, weldyer bereit3 die meisten Domherren auf
feiner Seite habe. — Erſt am 17. November antwortete der
Herzog brieflidy auf diefe Eröffnung. Unter höflihem Bedauern,
daß Salentin nicht länger Erzbiichof bleiben wolle, nahm er in-
bezug auf Köln defjen Erbieten zu hohem Dank an; inbezug auf
Münſter habe er fich jedod) gegen das Domtapitel bereit3 jo weit
eingelafjen, daß er ehrenhalber und aus Rüdjiht auf den Her—
zog von Jülich nicht mehr zurüdtreten könne, ſondern das Ende
abwarten müſſe. — Dieſe froftige Antwort entiprang ohne Zwei—
fel der Meinung des Herzogs, daß nad allem, was er in den
legten Monaten und noch auf dem Wahltag jelbft über die mün-
fterichen Dinge erfahren, diejes Stift feinem Sohne fo gut wie
gewiß, der Erfolg vielleiht auf dem ſoeben, zu Martini, ges
haltenen Generalfapitel ſchon befiegelt ſei.
As man am Jülicher Hofe im Laufe des Auguft von den
Praktiken gegen die bayriſche Succeifion im Stift Münfter einige
Kenntnis erhalten hatte, riet Heinrich von der Rede, der Dom:
dechant jolle vor dem nächſten Generalfapitel nochmals einige ange
jehene Domherren zufammen beicheiden, um meiteren Ränken vor—
326 Fünftes Buch. Zweites Kapitel.
zubauen. Dr. Schenfings Prozeß bot dann dem Dedanten einen
guten Vorwand, ohne jedes Aufſehen eine ſolche Zuſammenkunft
zu veranftalten. Schenfing hatte, wie wir willen, vor zmei
Fahren ein neues günftiges Urteil der Rota erlangt, das Dom—
fapitel hoffte aber durd) Vermittelung des Kaifers die Erefution
zu hintertreiben und die Überweifung der Sache an einige deutiche
geiftlihe Fürften oder Prälaten zu neuer Entſcheidung durchzu—
jegen. Der Wahltag follte benugt werden, um diefen Wunſch
Kaiſer und Fürften perfönlic) vorzutragen. Zur Beratung hierüber
berief aljo der Dechant (kraft der ihm für die Zeit der Peſt erteilten
Vollmacht) etwa zwölf Domberren auf den 1. September an den
Stulerbaum (zwei Meilen nordweftlih von Münfter) und ftellte
ihnen vor, wie gut es fein würde, wenn man beſonders aud) der
Unterftügung des bayriſchen Herzogs fich verfiherte. Dabei werde
aber ohne Zweifel die Rede auf die münfterihe Poftulation kom—
men und müfje man dann dem Herzog berichten, was auf und
und jeit dem Lüdinghauſer Kapitel vorgegangen. Um nun Herzog
Albrecht in Schenfings Sache günftig zu jtimmen, fei vatjam, ihm
bon neuem Hoffnung auf Münfter zu machen und ihm zu bes
deuten, melde Bedenken Hauptjählid gegen die Wahl jeines
Sohnes erhoben worden: nämlich ob dieſer auch gemillt fein
werde, den größten Zeil des Jahres im Stift Münfter zu reſi—
dieren, jodann ob Herzog Albreht und jein Sohn ſich anheiſchig
maden fünnten, Dr. Schenfings Sade, worin beide bisher diejem
ihrem Gegner Gunſt erwiejen, in Richtigkeit zu bringen. — Des
Domdehanten Borihlag blieb nicht ohne Widerſpruch; am Stuler:
baum zuerit jcheinen Bayerns Freunde gemerkt zu haben, daß der
Statthalter Wefterholt und der Scholafter Diepenbroid es nicht
mit ihnen hielten. Doch liegen fi beide ſchließlich den Beſchluß
der Majorität gefallen, der Statthalter gab nachher ſogar jchrift-
lich feine Zuftimmung zu der gemäß dem Beihlug vom 1. Sep-
tember abgefaßten Inſtruktion für die Kapitelsgefandten. Jedoch
ging infolge der hervorgetretenen Differenzen fein Domherr nad)
Regensburg, jondern nur der Syndilus Schade mit dem Sekretär
Zwielpalt im Stift Miünfter. 327
Engelbert Schmale). — Dieje braten am 6. Dftober ihre
Merbung bei Herzog Albredt vor, welcher folgenden fchriftlichen
Beiheid gab: regelmäßig und die meifte Zeit folle fein Sohn,
wenn gewählt, zu Münfter vefidieren, doh werde man denfelben
hoffentlich nicht jo ftreng binden, wenn etwa in der Nähe vom
Stift Münfter, dieſem ſelbſt zu gutem, noch ein Stift — der Her—
zog dachte damals zunähft an Lüttich — zu erlangen ſei. Dem
Dr. Schenking habe er zwar auf deſſen Vorgeben, daß er feinen
Nitteradel bewiejen, die gewöhnliche ohnehin nicht leicht jemanden
und zumal nicht dem Hofmeilter feines Sohnes zu berweigernde
Fürſchrift bewilligt, beſondere Gunft ihm aber nicht erwiejen, außer—
dem auch jchon, auf genaueren Beriht von Köln und Jülich Hin,
der Sade ſich ganz entihlagen. Eine beftimmte Zufage zu geben,
ftehe freilich nicht in feiner Macht, doch wollten er und fein Sohn
am faijerlihen Hof und an der Kurie für Erhaltung der Pri—
vilegien und Statuten des Domkapitels ſich bemühen und dieſem
durch gütlihen Vergleich oder jonft aus dem läftigen Handel zu
helfen juhen. Dagegen hoffe er, daß das Kapitel jegt mit der
Poitulation fortſchreiten werde, damit fein Sohn nicht inzwiſchen
andere Gelegenheiten verfäume. — Die Gefandten fchienen jehr
zufrieden mit diefem Beicheid, zumal da der Herzog vermittelte, daß
auch der Katfer wieder in Schenkings Sade zugunften des Ka—
pitel3 in Rom intercedierte.
1) In ihren fpäteren Streitſchriften behaupten die Senioren, ſämtliche
Kapitularen und namentlih Wefterholt hätten fi die Inftruftion fir bie
Gefandten zum Wahltag gefallen Laffen; dagegen will Wefterbolt allerlei
eingewendet haben, aber überftimmt worden fein. — Wiewohl bie Senioren
dies wiederholt beftreiten, muß bod etwas Wahres baran fein, ba von ber
Rede jelöft am 7. Oktober 1575 an feinen Herzog fehreibt, der Dechaut habe
ihm zu Borken u. a. erzählt: „obwol bozumal [am Stulerbaum] . . ber
poftulation des abminiftrator8 zu Hildesheim und Freiſingen halber vil
banbelung gepflogen, fo hetten fie ſich bo einer einmutiger meinung nit
vergleichen konnen und wollen, daher dan verurſacht, daß feiner auß bem
capitel funder ire ſyndieus und fecretarius uf Regenspurg abgefertigt.“
DA. 28b. fol. 525. Das Kapitelprotofoll verzeichnet nur den gemeinfamen
Beſchluß.
528 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
Schon früher hatte Herzog Albreht einen neuen Verſuch des
Erzherzog Ferdinand, feinen Sohn Andreas in Münſter einzus
drängen, entſchieden zurüdgewiefen. — Der Ausgang des Lüding—
haufer Kapitels mochte des Erzherzogs Hoffnungen wieder belebt
haben. Anfangs September ließ er durd) Frater Sporeno jeinen
Schwager Albreht im Vertrauen bitten, feinem Sohne das Stift
Münfter zu überlaffen. Der Herzog lehnte dieſes Anfinnen ab,
erbot ji) dagegen, dem Erzherzog bei einer etwaigen Bewerbung
um das Stift Regensburg behilflich zu fein. Diejes Anerbieten
wies der Erzherzog nit von der Hand, ſetzte aber dennoch jeine
Bemühungen um Münfter fort. Er vertraute vor allem auf
Roms Hilfe. Der Kardinal von Como verichaffte ihm eben da—
mals (am 19. September) ein päpftlihes Breve an Herzog Als
bredt, „in allerbefter Form‘ (scritto in buonissima forma),
wie Como jelbit fih ausdrüdte. Darin ftand: Gregor habe gehofft,
Herzog Ernft werde zum Biſchof von Münfter poftuliert werden,
erfahre nun aber, das werde aus vielen Gründen jchwerlich ge
ihehen; wenn aud Herzog Albreht ſolchen Zweifel hege, werde
derjelbe ihm Durch eifrige Beförderung von Erzherzog Ferdinands
Sohn einen großen Gefallen thun. — Ehe diejes Breve in Her—
309 Albrechts Hände fam, hatte diejer feinerjeit3, auf den Nat
des münfterjhen Domdechanten, ſowohl an den Kardinalproteftor
der deutichen Nation, Ludwig Madruzzi, wie an den Papſt felbit
gejchrieben, um beide zu veranlaffen, feinen Sohn dem münfter
ihen Domkapitel zu empfehlen. Der Papft und nachher auch der
Kardinal nahmen aber dieje Bitte jehr zurüdhaltend auf; ver
Kardinal von Como rügte jogar, wie Dr. Fabricius erfuhr, die
Begehrlichkeit des bayriſchen Herzogs, der für feinen Sohn nad)
mehreren neuen Bistümern zugleid ftrebe, während dieſer doch
nit einmal feiner jekigen würdig ſei. Anderjeit3 nahm aber
auch Herzog Albrecht das Eintreten des PVapftes für Andreas ſehr
übel; der Papft könne ihm, antwortete er, nicht zumuten, Erz:
herzog Ferdinands Sohn gegen feinen eigenen zu begünftigen; ©. Hei—
ligfeit möge zuiehen, daß nicht am Ende weder der eine nod
Zwiefpalt im Stift Münfter. 324
der andere das Bistum erlange, fondern ein in der Religion
wenig zuverläffiger dritter. — AS Herzog Albrecht diejes ſchrieb
(am 18. November), wußte er noch nichts über den Ausgang des
Martinifapitels; erſt am 8. Dezember traf, ſchon längft mit großer
Spannung erwartet, Bericht über diefen in Münden ein.
Der Domdehant hatte, weil das Sterben in Münfter noch
nicht ganz aufhörte, das Martini-Generallapitel nad) dem Städt-
hen Dülmen ausgeſchrieben; auf Raesfelds Nat erichienen dies—
mal feine Gejandte des Herzogs von Fülih, aber gleihjam pri—
patim fand fi) dennoch Heinrih von der Rede am Vorabend
Martini in Dülmen ein, um nötigenfall3 ein und den andern
Domherrn, namentlich Unterthanen feines Herzogs, wie die Brü—
der von Nagell und von Elverfeld, Autger von Asbeck u. a. zu
bearbeiten; einige weitere herzogliche Räte hielten jich bereit, auf
Erfordern zum Abſchluß einer Kapitulation ebenfalls in Dülmen
zu ericheinen. Red war guten Wutes; vor allem weil er das
zur Zeit einflußreichite Gefchleht im Stift, die Herren von Raes—
feld, auf feiner Seite wußte. Fünf Mitglieder desfelben jagen im
Domkapitel, darunter drei Prälaten, Propit, Dehant und Dom—
fuftor; ein Bruder der beiden legteren, Ludger von Raesfeld, war
Droft zu Wolbed und Safjenberg und einer von den Verordneten
zur Regierung; ein Schwager des Dompropftes, Adrian von Enfe,
Droft zum Stromberg. Diejes Geſchlecht, fagten feine Feinde,
regiere das Kapitel und das ganze Land). Den Vater der
beiden jüngeren Domherren Raesfeld, Goswin, hatte Herzog Wil-
1) 3. Oftober 1575 ſchreibt Henrich von der Wid, Dr. Schenfings Agent
auf dem Regensburger Wahltag, an Herzog Albrecht, die münfterfhen Dom-
berren ließen feinen zu, ber ihnen nicht gefällig, „und ftellen fih aljo, als
warn fie aus dem patrimonio Christi et suae ecelesiae ein weltlich erbreich,
darin etlich wenig gefchlechte regiren follen, anrichten willen, — wie ban vor
augen, das acht oder 9 ains geſchlechts io tumbhern zu Munfter fein und
{hier mit den iren das capittel und ganze lant regiren”. RA. Münfter
I, 468 vgl. o. ©. 285. Ein lobendes Epigramm auf bie fünf Söhne Ar-
nolds von Raesfeld, Bernhard, Goddert, Bitter, Ludger und Heinrich in
Geſchichtsqu. des Bist. Münfter III, 27, vgl. ©. 330.
330 Fünftes Buch. Zweites Kapitel.
beim eben nod, mit Rückſicht auf die künftige Wahl, durch Auf—
bebung einer Pfändung fi verpflichtet.
Bei Eröffnung des Kapitels in der Stiftskirche St. Viktor
waren 26 Domberren zugegen. Am eriten Zag, 11. November,
wurden nur Landſachen verhandelt. Am andern Morgen kam
die Poſtulationsſache vor: der Syndifus referierte über die letzte
Verhandlung mit dem Herzog von Jülich, die Sendung nad)
Regensburg, den Stand der Schenfingihen Sade; die einges
laufenen Fürichreiben wurden verlefen: vom Kaifer für den Kölner
Dondehant Anton von Schauenburg, von Herzog Wilhelm und
von Requeſens für den Adminiftrator von Freifing, von Herzog
Sulius von Braunſchweig für einen feiner Söhne oder für den
Kölner Chorbiihof u. a. m.; hierauf kam es zu einem erjten ges
meinjamen Beihluß: jeder etwaigen Poſtulation müfje eine Ka—
pitulation vorhergehen. Daran ſchloß ſich die Frage und Ab—
ftimmung, mit wen nun zu fapitulieren: die meilten Prälaten,
Propſt, Dedant, Kuftor, Kellner, einige weitere Senioren und ein
paar Junioren, in allem zehn oder elf, ftimmten für Herzog Ernſt
von Bayern; alle anderen, dem Beifpiel de3 Scholafter3 Diepen-
broid und des Statthalter Wefterholt folgend, nannten ohne
weitere Motivierung den Bremer Erzbiihof, Herzog Heinrih von
Lauenburg: es war die entſchiedene Majorität, 15 Berfonen,
welche 17 Stimmen vertraten). Fuhr man fort, jo war Hein-
1) Das zuverläffigfte Verzeichnis ber bayrifchen und bremifchen Botanten
beim MartinisKapitel 1575 enthält ein Schreiben bes Erzbiſchofs von Bre—
men an ben Kurfürften von Sachſen vom 11. März; 1577 (DrX. loc. 8926.
fol. 111). Danach votierten für Bayern: 1) Goswin von Raesfeld, Dom-
propft; 2) Gothart v. R., Dechant; 3) Bitter v. R., Kuftor; 4) Bitter
v. R., Junior; 5) Adolf v. R.; 6) Melchior v. Büren, Kellner; 7) Balter
(Balthafar) v. Büren; 8) Arnt v. Büren; 9) Bernhart Morrien; 10) Hei—
denreih Drofte. — Für Bremen: 1) Berent Edelherr zu Büren, „vice-
dominus et primum locum in capitulo obtinens post episcopum “;
2) Iohann Nagel, Senior; 3) Hermann Diepenbroid, Domjcolafter ;
4) Bernhart Schmifing, Burfarius; 5) Konrad v. Wefterholt, Domſcholaſter;
6) Wilhelm Schenting, Kantor Osnabr.; 7) Herbort de Baer, Subjenior
Zwiefpalt im Stift Münfter. 331
richs Wahl entſchieden; voll Zorn verließ darum der Dechant
jamt feinem Anhang den Saal!); es kam zu feinem Kapitel
beihluß. Am Nahmittag machten Propft, Kuftor und vier andere
Senioren nebit dem Syndilus noch einen Verſuch, die beiden
Herren, melde man am Vormittag al3 die Führer der Gegen-
partei erkannt hatte, Diepenbroid und Wefterholt, umzuftinmen,
aber vergeblih. Umſonſt war aud alles Zureden vonfeiten Recks
gewefen. — Der offene Zwieipalt war ausgebrohen. Am nächſten
Zage berieten und beichlofien beide Parteien bereit3 in getrennten
Lagern. Heinrih3 Anhänger jeßten eine jchriftlihe Erklärung auf,
worin jie fi verpflichteten, feinem andern als dem von der
Majorität bezeichneten ihre Stimmen zu geben; mit Petſchaft und
Dsnabr.; 8) Chriſtoph v. Elverfeld; 9) Matthias Nagell; 10) Wennemar
v. Aſchebroick; 11) Bernhart v. Heiden; 12) Ludede (Lukas) Nagell;
13) Wilhelm v. Elverjeld; 14) Rotger Ketteler; 15) Jorge Nagell; 16) Ro—
lef von Münfter; 17) H. [T. Rutger v.] Asbed. — Diefes BVerzeichnis laßt
fi mit der Lifte der 26 Anmwefenden im Domkap.Protok. folgendermaßen
vereinigen: 1) Das Verzeichnis nennt unter den bremifchen Votanten zwei
im Protofoll fehlende Perfonen, den Senior Nagell und Rolef von Mün—
fier. Bon dem altersfhwachen Senior N. wiffen wir, daß er nicht jelbft zu
Dülmen erfhien, fondern feinem Better Lubede fein auf den Kandidaten
der Majorität lautendes Botum ſchriftlich mitgab, fowie nachträglich die Er-
Härung ber Majorität unterzeichnete. Bei Rolef von Münfter wirb alfo
vermutlich das Gleihe der Fall fein. 2) Unter den bayrifhen Votanten
fehlt in dem Bremer Berzeichnis Jodokus Drofte, den wir in dem Protokoll
des 13. November bei ber Seniorenpartei finden. Dies erklärt fich durch
folgende Notiz im Prototoll vom 5. April 1576: „er hab nicht anders ge-
wußt, man wol mit Baiern votiren; biß man zu Dulmen fommen, hab bie
vota anders gefunden, barumb er fein votum einbehalten”. Er hatte fich
demnach am 12. November der Abftimmung enthalten. — Alle fonft vor-
fommenden Berzeichniffe der bayrifhen und bremifchen Votanten find ent-
weber ungenau oder batieren aus fpäterer Zeit.
1) Wefterholt und Genofien fagen in ihrer Schrift vom 2. April 1577,
ber Dechant und feine Mitftimmenden feiern, „um Majoritätsbefhluß zu
verhindern, voll Zorn und Ungebuld aus dem Kapitel gelaufen“; bie Se—
nioren behaupten dagegen (im Juni 1577), „nicht im Born, fondern mit
guter Geduld, um Spaltung zu verhüten, feien fie Hinausgegangen“. Auch
fonft muß manchmal zwifchen den verfchieden gefärbten Berichten ber bei—
den Parteien ein Mittelton gewählt werben.
332 Fünftes Bud. Zweites Kapitel.
Unterschrift befräftigten fie diefe Erklärung. Nur der eine Führer
jelbft, Konrad von Wefterholt, unterjchrieb nicht; aber in feine
und des Scholafter3 Hände übergaben die anderen das wichtige
Dokument; jene hinterlegten es dann bei zwei anderen Adeligen.
Die Minorität machte ihrem Verdruß zunähft Luft durch einen
Akt Heinliher Rache: fie beſchloß (am 13. November) namens
des Kapitels, die bisherige ftattliche Bejoldung des Statthalters
zu verringern und ihm fernerhin nicht mehr zu geben, als den
beiden anderen Mitgliedern der Regierung aus dem Kapitel, — an=
geblich weil ſich berausgeftellt, daß der Statthalter nicht mehr
Unfoften und Arbeit habe als dieſe ). Sodann beichlofjen fie bis
zu anderer Gelegenheit die Poftulation einzuftellen. Ned wurde
gebeten, dies feinem Herzog mitzuteilen. — Acht Tage ipäter, am
22. November, kamen fie in Lüdinghaufen wieder zujammen und
faßten einen Beſchluß von größerer Tragweite: im Namen von
Propft, Dechant und Senioren-Rapitularen — jo nannten fie fi)
fortan —, aber unter dem Siegel des Gejamtlapitel3 richteten fie
ein Schreiben an den Papft, worin fie über den zwiejpältigen
Beihlug des Martinifapitels berichteten und anfragten, „ob ©.
Heiligkeit, da beide Herren, Ernſt wie Heinrich, bereit3 Vorſteher
anderer Kirchen feien, aljo nur mit päpftliher Genehmigung po—
ftuliert werden fünnten, den bon ihnen oder den bon einigen
Sunioren empfohlenen vorziehe“. — Durch diejes Schreiben nö-
tigten die Senioren den Papit, ſich zu fragen, ob eine Empfehlung
bon Erzherzog Ferdinands Sohn jekt noch etwas nutzen fönne,
und ob e3 nicht Füger, Roms Einfluß für den bayriichen Herzog
in die Wagſchale zu werfen, al3 dur Neutralität einem jo ges
fährlihen Gegner mie dem Bremer Erzbiihof den Weg nad)
1) Nah Eorfey (Münft. Geſchichtsqu. III, 332) Hatte W. 1060 Rthlr.
jährliche Befoldung ohne die Naturalbezüge, die beiden anberen Berorbneten
aus dem Kapitel nur je 300. — Die Senioren behaupten fpäter, W. habe
jede Neuwahl zu Hintertreiben gefucht, um nicht fein einträgliches® Gtatt-
balteramt zu verlieren; ber Beihluß vom 13. November könnte alfo allen-
falls auch mehr als ein Akt kleinlicher Rache fein.
Zwiefpalt im Stift Münfter. 333
Münfter zu erleichtern. Papſt Gregor jelbft war übrigens, ſchon
ehe er dieſes Schreiben erhielt, zu einem ähnlichen Entihluß ges
langt, welchen Herzog Ernft von Bayern in ihm hervorgerufen
oder mindeſtens befeftigt hatte.
As Dr. Fabricius merkte, daß e3 ihm nicht gelingen
wollte, das erbetene Schreiben an das münfterfche Kapitel von
Gregor zu erhalten, bewog er feinen jungen Herzog, in Ber:
fon den Papft deshalb anzufprehen. Auch Ernſt erhielt anfangs
eine ablehnende Antwort: er habe, jagte Gregor, Erzherzog Fer-
dinands Sohn empfohlen, bevor er gewußt, daß das Haus Bayern
ſich um Münfter bewerbe ; es gezieme fi aljo nicht für ihn, fo gerne
er fonft Herzog Ernft die Poftulation gönne, dem Erzherzog und
feinem eigenen frühern Breve jet zuwider zu handeln. Bald
danad kam aber der Papft Herzog Ernſts Wünschen weiter ent-
gegen: am 17. Dezember richtete er ein Breve an das Kapitel,
welches zwar aus Rüdjiht auf den Erzherzog den bayrischen Herzog
nicht nannte, aber do zunächſt auf ihn paßte. Die Kapitularen,
bieß es darin, möchten baldigft zur Wahl eines guten Biſchofs
jchreiten, welcher drei Eigenſchaften befigen jolle: erftens müſſe er
ein eifriger Katholif fein, jodann von guten Sitten, endlid) der
Sohn eines mächtigen katholiichen Fürften, der ihre Kirche vor den
benachbarten häretiihen Fürften zu ſchützen vermöge. Herzog
Ernst jelbit nahm dieſes Breve nah München mit, gleihfam als
ein Abſchiedsgeſchenk des Papftes. — Denn er ftand im Begriff,
nachdem er mehr al3 anderthalb Jahre am päpftlihen Hofe ver:
weilt, in die Heimat zurüdzufehren, um fi dort in Perfon um
die rheiniſch-weſtfäliſchen Stifter zu bewerben.
3. Kapitel.
Herzog Ernf in Rom.*
Al3 der päpftlihe Nuntius Bartholomäus Graf von Porzia
im Dftober 1573 zu Münden Herzog Albreht3 Sohn nad Rom
einlud, erhielt er die Antwort, deſſen Sendung jei beabfichtigt,
man warte nur vor endgültigem Beihluß auf die Rückkunft des
Dr. Fabrictus von Rom. — Bald danach fam Fabricius; an
ihm, der felbft wieder nad) Rom verlangte, fand Ernſts Reifeluft
einen geſchickten Anwalt. Denn er jchilderte das jekige Rom als
einen Wohnſitz wahrer Frömmigkeit, wo unter den Augen von
Papft und Kardinälen für des Herzogs geiftlihe Erziehung mohl
geforgt werden könne; auch Porzia hatte verfihert, in Rom fünne
gottlob zur Zeit ein jeder Erbauung finden. Herzog Albrecht
* Quellen: Über die Verhandlung des Nuntius Porzia mit Herzog Albrecht:
Aretin, Bayern ausw. Berhältn., Urk., ©. 17ff., ergänzt durch
Porzias Beriht an Kardinal Como bei Theiner I, 525; vgl. oben
©. 126. — Eljenheimerd Bortrag an Herzog Ernft vom 16. Januar
1574 im Münd. Haus-9. f. 0. ©. 112. — Die während Ernft8 Rom—
reife gemechfelte Korreſpondenz faft vollftändig RA. Freifing, Nr. 78
bis 81. Einzelne Ergänzungen StA. 309/1. 311/14 u. 359/55; RN.
Münfter II. und Lüttich I (vgl. Quellen zu Buch 4, Kap. 3). Dr. Fabri-
cius fchrieb reſp. biktierte jede Woche zu ber am Samstag nad
Augsburg abgehenden Poft mindeftens einen, oft mehrere lange Briefe.
Kardinal Hoftus beflagt fih einmal in einem Brief an Herzog Albrecht
(vom 30. Januar 1574, RA. Freifing, Nr. 78, fol. 88) über bes
Fabricius Schreibfeligfeit: A Fabritio nostro me non vulgariter
amari certe mihi persuadeo, nisi quod me tam crebris suis literis
Herzog Ernſt in Rom. 535
aber wollte, bevor er einwilligte, gewiß fein, daß fein Sohn aud)
wirklich dem geiftlihen Stande treu bleiben werde. Ernſt mußte
eine jhriftlihe Erklärung hierüber abgeben; da dieſe nicht ganz
nah Wunſch ausfiel — Ernſt wollte fih zwar dem Willen und
der Entiheidung des Vaters fügen, äußerte aber allerhand Bes
denfen inbezug auf feinen Beruf zum geiftlihen Stand —, jo
wurde er im Janmar 1574 nochmals nah München beichieden,
um einen langen Vortrag von Dr. Eljenheimer, dem Vertreter
des todfranfen Kanzler3 Ed, anzuhören. Neben religiöjen Grün
den ftellte ihm Elſenheimer auch einige irdiſche Vorteile des Ver—
bleiben3 im geiftlihen Stande vor, welche wohl den größeren
Eindrud machten: in jeines Vaters Zeftament jei ihm für den
Fall, daß er nicht geiftlid bleibe, ein gar Geringes zum Unter—
halt verordnet, davon er kaum eines Grafen Stand, gejchweige
den eines Fürften werde führen können; folge er Dagegen feines
Vaters treuem Nat, jo jolle er nicht nur nad) Rom geicdidt,
ſondern auch ſonſt nichts unterlaffen werden, was ihm zu zeitlicher
und emwiger Wohlfahrt und Ehre gereihe. Daraufhin erklärte
Ernſt wieder Shriftlih, „dag er gerne, willig und mit Zuft bis
ans Ende feines Lebens beim geiftlihen Stand verharren, aud)
alles thun und leiten wolle, jo einem frommen Geiftlichen ges
bühre und wohl anftehe”. Mündlich veriprah er außerdem, in
Rom die höheren Weihen zu empfangen.
vehementer obruit, ut non aliae rei quam illarum lectioni vacare
mihi liceat. Vellem ut in scribendo minus esset officiosus neve
tam crebro mihi tanquam cum opportunitate suas epistolas legen-
das obtruderet; praesens cum eo loqui malo, quam in literis illius
lectitandis assidue versari. Mir ift das Excerpieren feiner Briefe bie
mübfamfte und unerquicdlichfte aller Vorarbeiten zu biefem Buche ge-
weſen. — Über Herzog Albrechts Abfichten auf das Erzftift Mainz
einige Andeutungen: RU. Kurmainz. Litteralien Fasc. 6. — Brief-
wechſel des Herzogs Albrecht mit dem Papft, feinen Sohn betreffend,
teilweife bei Theiner I, 115. 244sqgq.; II, 82sqq. 162. Einige
Notizen über Ernſts römifchen; Aufenthalt und beſonders über
feine Flucht auch bei Maffei I, 138. 203sqg. Maffei reflektiert
ziemlih genau die an ber Kurie über Ernfts Flucht berrichende
Anficht.
336 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
Wenige Tage danach, am 1. Februar 1574, ftarb, etwa
60 Jahre alt, Dr. Simon Thaddäus Ed, der Begründer und
langjährige Leiter der Fatholiihen Reftaurationspolitif in Bayern.
Diese ſelbſt erfuhr durch feinen Tod feine wejentlihe Änderung,
da Elienheimer, fein Nachfolger im Kanzleramt, die nächſten fünf-
zehn Fahre in gleihem Geifte, wenn auch nicht immer mit gleicher
Entidiedenheit, weiter wirkte. Glienheimer, von Geburt, foviel
erihtlih, ein Salzburger, war ſchon jeit etwa 15 Jahren als
Rat in bayriihen Dienften, nachdem er vorher einige Jahre
Aſſeſſor am Kammergeridht gemweien. Er galt als guter Juriſt,
wohlerfahren in den Reihsjahen, gewandt in der Rede und mit
der Feder, namentlich in deutſcher Sprade; im Gebraud) der la=
teiniſchen erjcheint er weniger geſchickt; etwas Italieniſch hatte er
während feiner Studienzeit in Italien getrieben, Franzöſiſch wohl
gar nicht: nah dem Tode des Reichsvizekanzlers Zafius hätte
ihn der Herzog gern zu dieſem wichtigen Amt befördert gefehen,
nahm aber felbit einigen Anftand an feinen mangelhaften Sprach—
fenntnifien. Von Charakter eriheint Elienheimer, joweit ſich aus
feiner amtlichen Thätigfeit urteilen läßt, als ein billigdenfender
und mohlmwollender Mann ?).
Am 23. März 1574 brach Herzog Ernft von Münden auf.
Fabricius war borausgereift, um in Rom alles Nötige für ihn
und das Gefolge vorzubereiten. Diejes beitand anfänglih aus
einigen fünfzig Perſonen, ftieg dann, da ſich unterwegs und
in Rom allerhand Leute dazu jchlugen, über achtzig, um nach—
ber wieder auf etwa jiebzig Perjonen reduziert zu werden;
mit weniger, hieß es, könne ein Fürft wie Herzog Emft in
Rom nit ausfommen. Vom Papſte wurden ihm die jogen.
Gemächer Innocenz' VII. im Batifan zur Verfügung geftellt,
1) Die biographiſchen Notizen über Elfenheimer befonders aus StA.
359/46 und 38/15, fol. 76. Ein abeliges Haus Elfenheim, im 16. Jahr-
hundert im Befit der Herren von Nicz zu Sprinzenftein, lag in ber Salz-
burger Borftabt Stein (Hübner, Beichreibung Salzburgs I, 485). Ber-
mutlih ftammte ber Kanzler daher, aber wohl aus bürgerlicher Familie.
Herzog Ernft in Rom. 537
dazu nod von Kardinal Farnefe das anftoßende Archipresbyte—
rat; — alles leere Räume und teilweife ſchlecht im Stand, welche
Fabricius erft mit dem nötigen Hausrat ausftatten mußte !).
Die Dberauffiht über den ganzen Hofhalt Hatte Dr. Fabri—
cius, der zugleih mit Amt und Titel eines Drator3 oder Ge—
jandten bekleidet wurde. Fabricius war nit wenig ſtolz auf
diefes Amt, welches ihm das Recht verlieh, ohne Vermittelung
eines Kardinal mit dem Papfte zu verhandeln. Seit Menfchen-
gedenfen hatten die bayriihen Herzöge feinen ftändigen Drator in
Rom gehabt, jondern nur. Agenten oder außerordentliche Gefandte:
der Glanz des bayriſchen Hauſes, behauptete Fabricius, ſei dadurch
gar fehr verdunfelt worden. Um diejes Haufes Würde zu wahren,
und jeine eigene, begann er alsbald einen Rangjtreit mit dem
ſavoyiſchen Gefandten und hatte Luft auch mit dem venetianifchen
anzubinden, hätte nicht Herzog Albrecht ſelbſt dies unterſagt.
Sechs Diener mußte er al3 Drator mindeitens haben, da jeder
gemöhnlihe Prälat in Rom ſchon nit anders ausgehe als von
vieren geleitet; andere Geſandten hätten zwei-, dreimal jo viele
Diener als er, aber der Ruf feiner Gelehrſamkeit überhebe ihn
der Notwendigkeit äußeren Prunfes. Von der unmittelbaren
Sorge für Herzog Ernſts Perſon und Hofhalt hatte Fabricius
ſich entbinden laffen; Hofmeifter war der uns befannte Dr. Jo—
hann Schenking, vormals Generalvifar des Kardinal von Augs-
burg; als Präzeptor und zugleih als Auditor ging Dr. Adrian
Aerntsperg mit nah Rom; das Hofgefinde, darunter eine Anzahl
junger Leute von gutem Adel, ein Zauffichen, ein Preifing, ein
Pienzenau, ein Stor von Dftrad) und andere, ftand unter dem
1) Bintertapeten (Teppiche) wurden fogar von München nachgefhidt. Die
großen Koften feines römischen Aufenthaltes beftritt Ernſt teil8 aus den Ein-
fünften feiner Bistümer, teils aus Zufchüffen des Vaters. Was Maffei (l. c.
p. 138) fagt: Gregorio lo accolse nel Vaticano, e postolo nel magnifico
appartamento, che chiamano d’Innocenzo, quivi colla famiglia, intorno
a sessanta bocche, lo speso molti mesi, e lo trattö da figliuolo — ift
alfo nur teilweife richtig.
gofjen, Köln. Krieg I. 22
338 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
Hofmarihall Hans Chriftoph von Jarsdorf. Neben einer aus-
führlichen deutſchen Inſtruktion, welche jedem einzelnen den Kreis
jeiner Pflichten beichrieb, hatte Ernft perſönlich eine lateiniſche In—
ſtruktion erhalten, welche dem Papft zu beliebiger Anderung vorgelent
werden follte. Denn Herzog Albrecht erklärte, daß er ©. Heiligs
feit feinen Sohn gleihjfam als ein Pfand feiner Ergebenheit an=
biete; von deren Befehlen jolle diefer jo vollitändig abhängen, als
jei er nicht mehr fein fondern des Papſtes Sohn. Fabricius,
der dieje Inſtruktion ſchon vor Herzog Ernfts Ankunft dem Papfte
und einigen Kardinälen vorlegte, verficherte, wer fie gelejen, be=
mundere Albrechts Klugheit und Frömmigkeit. „Jemand“, fügte er
bei, „hat mir gejagt, dieſe Inſtruktion müſſe vom heiligen Geifte
ſelbſt diktiert fein; nit nur anderen Fürften ſondern jelbit den
Kardinälen zeihne der Herzog darin eine abjolute Regel vor, nad)
welcher alle jene ich richten müßten, die für ein Vorfteheramt in
der Chriftenheit vorbereitet werden.‘ — Fabricius ſelbſt war «3
geweſen, der diejes angebliche Ideal geiftliher Fürften: Erziehung
diktiert hatte; Erasmus Fend, des Herzogs Sekretär, hatte nur
ein paar ftiliftiiche Werbefferungen darin angebradt. Der Geift,
in welchem fie abgefaßt, war der des Argwohns gegen Herzog
Ernſt: ſtrenge Überwahung bei Tag und Nacht follte Beobachtung
der auferlegten Pflichten, beſonders der kirchlichen, erzwingen,
äußerlich Sündhaftes verhüten; Morgen=, Abend= und Brevier-
gebet, Bejud von Meſſe und Predigt, Empfang der Saframente
- jollten durch den Hofmeifter oder einen andern in Rom nod) an-
zunehmenden „theologiſch gebildeten und in den römiſchen Bräu—
hen erfahrenen Gubernator‘ aufs genauefte geregelt und über-
wacht werden; ohne ihre Erlaubnis dürfe fein Buch in Ernfts
Hand kommen; mit niemanden folle er ein Wort reden, das nicht
einer der Gubernatoren mit anhöre, jedes leiſe Wort gelte als
verdächtig; feinen Brief dürfe er abjenden oder empfangen, ver
nicht Durch ihre Hände gegangen, fein verichloffenes Gefach befigen;
bei Tag und bei Nacht jollten die Gubernatoren und Dr. Adrian
freien Zugang zu Ernft haben. — Und nad) all dem verficherte
Herzog Ernſt in Rom. 339
die Inftruftion, fie wolle dem Herzog feine Feſſeln anlegen, jon=
dern ihn nur vor den Verlockungen und böſen Ratichlägen der
großen Stadt bewahren und auf dem rechten Wege halten oder
raſch darauf zurückführen!
Anfang April war Fabricius bereits in Rom eingetroffen und
wartete nun ungeduldig auf Herzog Ernſts Ankunft. Aber dieſer
und ſein Gefolge beeilten ſich nicht. So blieben ſie einige Tage
beim Herzog von Mantua, ſodann zwölf volle Tage in Florenz;
als Vorwand diente der gerade im Augenblick ihrer Ankunft
(21. April) erfolgte Tod des alten Herzogs Coſimo. Sicherlich
behagte das freie Leben in dem heitern Florenz zur ſchönſten
Zeit des Jahres dem leichtſinnigen Jüngling vortrefflich; Fabricius
wollte von dort erfahren haben, Ernſt bringe ſeine Zeit faſt nur
mit Karten- und Würfelſpiel zu. Schlimmer lautete, was er
bald danach an Herzog Albrecht berichtete: Ernſt habe mit der
Vrinzeſſin Leonore, der leichtfertigen Gemahlin des Prinzen Don
Pietro, einen Liebeshandel angefangen. Dr. Schenking und Her:
zog Ernſt ſelbſt wideriprachen mit aller Entichiedenheit, Fabricius
aber gab feinen Argwohn, daß in Florenz etwas Unrechtes ges
ihehen jet, nicht auf; die angebliche Fortdauer des geheimen Brief:
wechſels mit Florenz bildet fortan ein ftehendes Kapitel in den
römischen Briefen an Herzog Albrecht. — Daß Herzog Ernit in
den leichtfertigen Zon, der am Florentiner Hofe Mode war, gern
einftimmte, ift wahricheinlih genug; daß aber jein Verhältnis zu
Leonore de Zoledo über die Grenzen bloßen Hofmachens hinaus—
gegangen, ift durchaus unglaublid. Übrigens erwarb er ſich in
Florenz aud das Wohlwollen jeiner ftrengen und frommen Tante
Johanna von Dfterreich, der Gemahlin des Herzogs Franz.
Die Weiterreife nad) Rom erfolgte am 3. Mai. Zu Viterbo
wurde Herzog Exnft von dem päpftlichen Kämmerer Camillo Ca-
pilupi empfangen. Auch Fabricius kam ihm hier entgegen und
mit demjelben ein Kleines ſchwächliches Männchen von etwa
45 Jahren, Hieronymus Graf von Porzia, ein Vetter des Nun—
tius Bartholomäus, der unter Pius V. Geheimkämmerer gemejen
22*
340 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
war, jegt aber ohne Amt in Rom lebte. Mit ihnen 309 Herzog
Ernft in aller Stille, — um Etifette-Streitigleiten zu vermeiden.
am 10. Mai im Vatikan ein.
Fabricius war von der Zeit Pius' V. her mit Porzia be—
freundet; dieſen, der gleich ihm ſelbſt Prieſter war und der unter
Pius V. in Rom vorherrſchenden asketiſch-efrommen Richtung an—
gehörte, hatte Fabricius ohne Zweifel ſchon in der Inſtruktion
für Ernſt im Auge als jenen „theologiſch gebildeten und in den
römiſchen Sitten bewanderten Mann“, der als zweiter Guber—
nator angenommen werden ſollte. Fabricius verſchaffte demſelben
von den Kardinälen Chriſtoph und Ludwig Madruzzi warme Em—
pfehlungen an Herzog Albreht und bahnte ihm zugleih den Weg
zu der ihm zugedachten Stellung, indem er in Briefen an den Herzog
die bisherigen oberjten Auffeher über feinen Sohn, Schenking und
Jarsdorf, ſchlecht machte. Den Dr. Schenking hieß er träge,
ihläfrig und roh, Jarsdorf zu ſchwach und nachſichtig gegen das
Gefinde, beide Säufer und Schlemmer; den Grafen dagegen
ihilderte er al3 einen Ausbund aller Tugenden. Schenkings Ent-
fernung von Herzog Ernſt erflärte er außerdem für vätlid, weil
jener durd) feinen Prozeß gegen das münſterſche Domlapitel fich
jelbit und in der Folge auch feinen Herrn bei allen deutſchen
Fürften und Adeligen verhaßt made. Er mußte es dahin zu
bringen, daß auch Herzog Ernft über Schenfings Ungeſchicklichkeit
fih beſchwerte. Da Herzog Albrecht nicht jchnell genug feine
Vorſchläge genehmigte, wurde Fabricius ungeduldig und ſetzte
durch, daß der Papft, kraft der ihm in der Inftruftion gegebenen
Ermächtigung, den Grafen Porzia Ernft3 ganzem Hofhalt und
Hausweſen al3 Gubernator, dem Prinzen jelbit al3 Direktor vor:
jegte. Zwar nahm Herzog Albrecht diefe Eigenmädhtigfeit anfangs
übel, ließ fih dann aber durch Briefe von Fabricius und von
Porzia felbft, fowie dur) die Empfehlungen der Kardinäle ums
ftimmen, jo daß er feines Drator3 Anordnungen nachträglich
jogar lobte und dem Grafen die weiteften Vollmachten erteilte.
Mit Ernft3 Haltung in Rom war Fabricius im Anfang ganz
Herzog Ernft in Rom. 341
zufrieden: in den Audienzen beim Papſte, bei den Antrittsbe—
juchen bei den Kardinälen und deren Gegenbefuchen benahm er
fid) beicheiden und gewandt, wie einer, der in den römischen
Sitten und Zeremonieen ſchon jahrelang geübt. Auch die Briefe
bon Papft und Kardinälen an Herzog Albrecht find über feinen
Sohn des Lobes voll.
Nach Mitte Juni fiedelte Ernſt mit feinem Hofhalt nad) dem
fühlen und lieblihen Zivoli über, wo ihm die Villa Ejte, wegen
ihrer Gärten, Statuen und Wafjerfünfte damals als eines der
Weltwunder gepriefen, für die heißen Monate zur Verfügung ges
ftellt war. In Tivoli beginnt die Reihe der bitteren Anklagen
von Fabricius und Porzia gegen Herzog Ernft, die fortan wäh—
rend des ganzen römischen Aufenthaltes Fein Ende nehmen. Ernft
hatte ji mit einer Dirne vergangen, welde ihm durd) den in
Rom angenommenen italienischen Truchſeß (scalco) Camillo Baldi,
angeblih mit Willen und Willen des deutichen Arztes Dr. Jo—
bann Albertus Wimpinäus ?) zugeführt worden war. Ernſt ges
ftand nachher fein Vergehen offen ein, warf aber feinen Guber—
natoren Fabricius und Porzia, feinen „Pedanten“, wie er fie
hieß, mit Recht vor, daß fie es ihm nicht in der Stille väterlich
verwieſen, fondern felbjt allenthalben ausgebreitet hätten; „fein ‘,
ihrieb er, „in der ftat wie die unfinnigen umbgeloffen und ges
ſchtien: Dii boni, princeps noster fornicatus est, die ſach menig=
(ich geklagt und ſchir mit trommetten ausruffen lagen, den ſchönen
band! an vil cardinäl und die papft. Heilt jelbft gebradt, als
wan dem papftumb daran gelegen wär. Haben gemwölt, der pabft
fol dieſelb perſon gefangen legen und mit ruetten ausftreidhen
1) Über Joh. Albertus Wimpinäus (oder Wimpinenfis), ber als An-
bänger des Theophraftus Paracelfus fowie als theologiſcher Schriftfteller nicht
ganz ohne Namen ift, fe Grienwald, Album Bavariae iatricae, Mon.
1733, p. 143 und beſonders jeine eigenen Heinen Schriften. — Ein Brief
von ihm an Herrn H. I. Fugger (vom 15. Mai 1574) über Ernfts Reife
von Florenz bis Rom, Empfang und Befinden bafeldft: RA. Freifing,
Nr. 78, fol. 249.
342 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
aßen, und in ſomma ain ſolches weſen darauf gemacht, das inen
die papft. Heilt felbit Hat müeßen filentium imponirn“. — Dr. Als
bertus wurde auf ihr Betreiben von Herzog Albreht abberufen ;
Camillo Baldi eines ſchmutzigen Lafters (fälſchlich?) beihuldigt
und daraufhin vom Hofe entfernt. Schenking, Jarsdorf und die
anderen deutichen Adeligen und Hofdiener waren zwar zum größ-
ten Zeil wenig zufrieden mit dem ftrengen Regiment des Drators
und des Grafen, welche ihrerjeitS wieder an ihnen allen, den
jungen Hans Taufkirchen ausgenommen, wenig zu loben fanden ;
aber fie fügten fi dem durch die Inſtruktion und wiederholte
Briefe des Herzogs mit faſt unumfchränkten Befehl über fie aus:
geitatteten veizbaren Gefandten. Übrigens minderten fi deffert
Klagen über Schenking und Farsdorf mehr und mehr, als ver
Zwed, Porzias Einihiebung in den Hofhalt, erreiht war.
Anfangs September, al3 die Hige nachließ, kehrte Fabricius
mit einem Zeil des Hofgefindes nad) Rom zurüd; Herzog Ernft
machte mit Porzia, Schenfing und etwa zwanzig weiteren Per:
jonen eine Rundreiſe auf die Villen der Kardinäle Farnefe, Chriſtoph
Madruzzi, Gambara, Commendone, ſodann nah Aſſiſi und nad)
Zoreto, damals neben Rom und Santiago de Gompoftella der
berühmtefte Wallfahrtsort des Abendlandes, wo der Herzog mit
jeinem ganzen Gefolge aus Porzias Hand die Kommunion em—
pfing. In der zweiten Dftoberwohe trafen fie wieder in
Rom ein.
Inzwiſchen hatte Fabricius über das was, in Zivoli geichehen,
mit dem Papſt und einigen Kardinälen geiprochen, fie aber, wohl
gegen feine Erwartung, ihm größere Nahficht anempfohlen. Aud)
Herzog Albrecht hörte damals zuerft ein offenes Wort gegen die
verfehrte Art, wie Fabricius und Porzia feinen Sohn behandelten.
Es fam von Kardinal Farneje, den Ernft joeben in feinem Palaſt
zu Gaprarola beſucht hatte. Farneſe lobte des Prinzen Anlage
zu hohen Xhaten und zugleich fein anmutiges Benehmen; dabei
fönne er aber die Bemerkung nicht unterlafjen, da ihm für des
Sünglings Natur eine freundliche Behandlung angemeſſener er—
Herzog Ernft in Rom. 343
ſcheine al3 eine ftvenge und herriſche. „Denn von Natur“, meinte
er, „üben edle und hervorragende Geilter die Tugend lieber aus
freien Stüden als gezwungen und werden unmillig und erbittert,
wenn man fie nötigen will.“ Auch Ernſt ſelbſt bat bald darauf
feinen Vater in einem gegen die Beihuldigung eines unſittlichen
Verhältnifies zur Donna Eleonora geridteten Briefe: „E. ©.
wellen nit allemal glauben geben; dan wan man aim nit wol wil,
jo madt ain ſach, die ainer arbais (Ameiſe) groß ift, ainem
ungeriichen oren gleich.“
Solde Warnungen und Bitten blieben in Münden nicht ganz
unbeadhtet. Eben auf Farneſes Brief hin warnten Elſenheimer und
Fend im Vertrauen den Drator, einerjeits nicht durch beftändige
Klagen über Herzog Ernſt und Befürchtungen vor noch ärgeren
Vergehen des Vaters Wohlwollen gegen den Sohn zu ertöten,
anderſeits nicht ſich felbft mehr gehaßt und gefürdtet, als geliebt
und verehrt zu machen. Fabricius nahm aber jolhe freundſchaft—
liche Warnungen höchſt empfindlih und bitter auf und ließ fich
von feiner Anficht, Ernſts Natur müfje durch Furcht im Zaume
gehalten werden, nicht abbringen. Des Baters Ohr ftand feinen
wie Porzias Klagen und Ratſchlägen nur allzu offen, und aud)
Fend war ſchließlich ſchwach oder Hofmann genug, feine gewandte
Feder immer wieder zu den Ichärfiten Mahn und Strafbriefen gegen
Ernft berzugeben: jo wenn er einmal (am 5. Januar 1575)
feinen Herzog an Porzia ſchreiben ließ, je ftrenger dieſer feine
Autorität gegen feinen Sohn wahre, deito dankbarer werde er,
Albrecht, ihm fein. Nicht lange danad) (5. Februar) verftieg ſich
der Herzog in einem auch wieder von Fend abgefagten Brief an
Porzia jogar zu dem Satze: „Uns wirft Du um jo lieber und
teurer jein, je weniger wir merfen, dag Du unjerem Sohn und
feinem Gefinde lieb und teuer biſt.“ Das follte vielleiht nur
eine rhetoriſche Phraſe fein, um Albrechts Vertrauen in des Gra—
fen redlihen Eifer zu bezeichnen; diefer aber nahm den Herzog
beim Wort und fühlte fih nun um fo mehr beredhtigt, den
Prinzen wie einen ungeratenen Jungen zu behandeln.
544 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
Trotz al feinen Klagen über Ernſts ungeiftlihe Fehler und
Neigungen blieb aber Fabricius raſtlos bedacht, die geiftliche
Würde und Maht jeines Zöglings zu fleigern. Nirgends
bot fi) dazu mehr Gelegenheit als bier, im Mittelpunkt der ka—
tholiihen Welt, von wo die einen ihre geiftlihen Würden und
Pfründen, die anderen menigftens die Beftätigung in denjelben
holen mußten. — Als Ende Dftober 1574 das Gerücht nad
Rom kam, der Mainzer Erzbiſchof fei geftorben, brachte Fabricius
beim Bapfte jofort die Rede darauf, ob man nicht dem Herzog
Ernft nad) Mainz verhelfen jolle. Gregor und fein Kardinal:
Sekretär zeigten fi ganz geneigt, wollten jchon ein Breve des—
halb an das dortige Domkapitel richten; das Gerücht erwies ſich
jedod) als falſch. Herzog Albrecht lobte den Eifer feines Dra-
tors — es Schade für die Zukunft nichts, daß man jegt ſchon
des guten Willens ©. Heilt fiher ſei —, forderte aber ftrengfte
Geheimhaltung. Wahrſcheinlich Hatte er ſich ſelbſt ſchon zuvor
(durch Elſenheimer) bei einem Mainzer Domherrn über die Lage
des Erzſtiftes erkundigt, was vielleicht nicht geheim genug ge—
blieben war und böſes Blut gemacht hatte. — Wie ſich Fabri—
cius bei Papſt Gregor und dem Kardinal von Como bemühte,
ſeinem Zögling den Weg nach Köln zu bahnen, iſt früher erwähnt
worden; ebenſo daß er der erſte war, welcher nach Herzog Karl
Friedrichs Tod den Rat gab, auf die Erwerbung von Münfter
zu denken. — Um dieſelbe Zeit richtete er auch auf Lüttich ſein
Augenmerk, ehe er noch wußte, daß der Herzog von Jülich ſeine
Dienſte zu deſſen Erlangung angeboten hatte. Fabricius war
ſelbſt, ſeit dem Jahre 1571, Kanonikus an der Lütticher Dom—
kirche )Y; als nun im Februar 1575 zwei ſeiner Kollegen, der
1) S. Bormans, Répert. chronol. . .. du chap. cath. de St. Lam-
bert à Liege bei Ram, Anal. pour servir à l’hist. ecel. de la Belgique
VII, 1870; vgl. 0. ©. 86. Bei Bormans zum 16. u. 26. Februar 1575
auch einige Notizen über bie oben erwähnte Geſandtſchaft Lütticher Dom-
berren nad Rom.
Herzog Ernft in Rom, 345
Dechant Winand von Wyngaerde und Herr Karl von Oyenbrugge
zu Duras in Gejhäften ihres Kapitel nah Rom famen, madte
fie Fabrictus mit dem jungen Herzog befannt und fand fie wohl-
geneigt, demjelben feiner Zeit zum Stift Lüttich zu verhelfen. —
Einige Monate jpäter, als das Bistum Augsburg durd) den Tod
Johann Egolfs von Knöringen (F 4. Juni 1575) frei wurde,
hätte Fabricius gerne gejehen, da man aud um diejes Stift fich
bewürbe; Herzog Albreht wollte aber davon nichts wiſſen. —
Dagegen trug man fi jowohl am Münchener Hof wie in Rom
geraume Zeit mit Projekten, wie Stift Halberitadt aus den
Händen von Braunſchweig in die des Haufes Bayern gebracht
werden fünne.
Ernſts perfönliches Verhalten während des Winters 1574—1575
hatten Fabricius und Porzia bald zu loben, bald zu tadeln. Lo—
benswert fanden jie bejonders, daß der Herzog, wie erwähnt,
gleihjam aus freien Stüden, am St. Thomastag 1574 zum Sub—
diafon ſich mweihen ließ. An den kirchlichen Feierlichkeiten bei Er—
„ Öffnung des Jubiläums nahm Ernſt eifrigen Anteil; ihm jchenfte
der Papſt den filber=vergoldeten Hammer, mit welchem er am
Weihnachtsabend die heilige Pforte in der Bafilifa von St. Peter
aufgeihlagen ). Im Gegenjag zu der etwas Iinkiihen Haltung
des jungen Herzogs von Cleve rühmte Fabricius in feinen Briefen
an Herzog Albrecht die Gejchidlichkeit, mit welcher Ernſt in die
römischen Sitten fid) eingelebt habe; das Verdienft daran fchreibt
er freilich zum guten Zeil ſich felbft und dem Grafen Porzia zu:
jemand babe öffentlich gejagt, man jehe leicht, daß Ernſt ganz
andere Lehrmeifter habe als der cleviihe Prinz. Bald darauf
bot ihm dagegen Karl Friedrihs Tod Anlaß zu einer für Ernſt
jehr ungünftigen Parallele zwifchen beiden: Karl Friedrichs Be—
1) Nach der gewöhnlichen Annahme befindet ſich dieſer Hammer jett im
Münchener Nationalmufenm; doch fcheint dem zu widerſprechen, baß ber
dort aufbewahrte, laut der Infhrift, vom Jubiläum des Jahres 1550 ber
ſtammt. Herzog Ernft ſchätzt den Wert des feinen auf etwa 400, Dr. Schen-
fing nur auf ungefähr 200 Kronen.
346 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
iheidenheit, Folgjamkeit und Dankbarkeit gegen feinen Hofmeifter
werden in leuchtenden Gegeniag geftellt zu der Berichlagenheit,
dem Zroß und der Undankbarfeit des eigenen Zöglings. — Mehr
und mehr fteigern ſich ſeitdem Die Klagen über dieſen; zugleich
giebt fi aber au der Hauptgrund des Verdruffes über Ernft
immer deutliher zu erkennen: Es war diefem gelungen, „durch
feine ſcheinbare Aufrichtigkeit und Frömmigkeit‘, wie Fabricius
jagte, „durch feine Berftellung und Heuchelei“, wie der Graf fi
ausdrüct, aller Herzen an der Kurie, body und, nieder, vor allem
Papſt und Kardinäle für fi) einzunehmen. Alle wünſchten, daß
der zwanzigjähtige Füngling nit mehr wie ein Knabe behandelt
werde, jondern eine feinen edlen Anlagen und feinem hohen Stande
entiprechende Freiheit genieße. Auch Dr. Schenking neigte ſich
diejer Meinung zu. „E. f. ©. wolle bedenken‘, jchrieb er einmal
an Herzog Albrecht, „wie beſchwerlich e3 ei, einem jungen Fürften,
der jo eines hohen Verſtands als E. f. ©. Herr Sohn und jetzt—
mehr im 21. Fahr ift, dermaßen, infonderheit hie zu Rom, zu
dienen, day man ihn auch regiere.“ Fabricius und Porzia fträubs
ten ji) aber mit aller Gewalt gegen jede Nachgiebigkeit. „Dieſer
Kopf‘, bemerkt Fabricius einmal, „it fo geartet, dab er fich,
wenn man ihm aud nur ein wenig die Zügel nachläßt, ſofort
jählings in den Abgrund ſtürzt.“ — Den Vater hatten fie, wie
immer, auf ihrer Seite.
Da erkrankte Fabricius im April 1575 an nerböjem Kopf:
weh und mußte zu feiner Erholung auf kurze Zeit nad) Zivoli
gehen. In jeiner Abmwejenheit traf der Papſt in Ernſts Hofhalt
einige Anderungen in feinem Sinn. Er beauftragte feinen eigenen
Beihtvater und Prediger, den gelehrten ſpaniſchen Jeſuiten
P. Toledo, dem Prinzen theologifhen Unterricht zu erteilen. Mit
oder ohne ausdrüdlichen Befehl des Papſtes fiel dadurd) dem
Vater, einem der angejehenften Männer an der Kurie, eine Art
Dberleitung über Ernft zu, die er benugte, um demfelben nad)
und nad freiere Bewegung zu verichaffen. Porzia und aud)
Fabricius felbft, al3 er von Tivoli zurüdfam, hatten ſich anfangs
Herzog Ernſt in Nom. 847
durhaus nicht über P. Toledo zu beſchweren: Ernſt ſchien ihnen
lenfjamer und nachgiebiger zu werden; Fabricius war glüdlid, als
ihn jein alter Zögling am BPfingftfeft, vor Empfang der Kom—
munion, um VBerzeihung und um ein gutes Wort bei feinem Vater
bat. Fett fanden Fabricius und Porzia fogar, daß der Umgang
mit dem SKardinal Ferdinand von Medici, vor dem fie früher
ernftlich gewarnt, gut auf Herzog Ernſt wirkte. Im Laufe des
Juni beginnen aber ihre Klagen von neuem. Anlaß bot zunächit
die Wahl der Sommerwohnung. Aufs Land wollten fie, in Er:
innerung an das, was im vorigen Jahr zu Zivoli borgefommen,
den Herzog nicht mehr laſſen. Porzia behauptete ſogar, anders
als alle Welt, die römische Sommerluft ei, wenn man vernünftig
lebe, jehr gefund. Daß aber aud der Vatikan gejund, machte er
gewiß niemanden glauben. — Ernſt hatte mit Genehmigung des
Vapftes bereit Anfangs Mai eine Sommerwohnung in gefunder
Lage ausgefuht: nahe beim Palaſt San Marco (jegt Palazzo
di Venezia), wo Gregor während der Sommermonate refidierte;
Porzia wußte aber diefe Wahl wieder rüdgängig zu machen: das
Haus hatte gefährliche Hinterthüren. Ernſt warf feinen uber:
natoren nachmals vor, fie hätten die Verleumdung ausgeiprengt, er
babe Diejes Haus ausgeſucht, um den vornehmen römischen Frauen
der Nachbarſchaft nachzuſtellen. — Dafür wählte nun Borzia
jelbft einen ebenfalls unweit San Marco gelegenen, dem Kardinal
von Medici gehörigen Palaft aus, welchen Ernſt mit dem ganzen
Hofhalt im Monat Juni bezog '). Aber auch diejer von Porzia
ausgeſuchte Palaſt war nicht wie ein Zuchthaus verwahrt; ſehr
bald bemerkte Fabricius, daß Ernſt Gelegenheit ſuche, bei Nacht
auszugehen; er deutet an, daß er bisher auf Wunſch anderer Leute
(d. i. des Papſtes ſelbſt) günftiger über Ernſt berichtet habe, als
1) Dr. Schenting bezeichnet im einem Brief an Herzog Albrecht bie Lage
bes Palaftes genauer: „nit weit von Sanct Marr al Arco di Konnigliano
ein pallas vom carbinal de Mebicis uberflommen, in welchem zeit feines
lebens der carbinal Boba gehauſet“. AA. Freifing Nr. 81, fol. 13.
348 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
diefer verdiene. Doch verſicherte er damals noch, P. Toledo ſei
der einzige, weldyer des Jünglings eingewurzelten Trotz und feine
Schlaubeit zu bemältigen vermöge. — Im Juli beginnen Fabri-
cius und Porzia aud über Zoledo zu Hagen: durch deſſen Ver—
mittelung hatte Ernft vom Papfte die Erlaubnis erwirkt, in feiner
Kammer allein zu jchlafen und diefelbe abzuſchließen; zu Porzias
großem Ärger wollte er auch, nad ſpaniſcher Etikette, allein
ipeifen; er verbat fi) des Grafen bejtändige Gegenwart bei den
Beſuchen der Kardinäle und Prälaten; die Studien ließ er, außer
ein paar theologiſchen Lektionen bei P. Toledo, wieder ganz liegen.
Den guten Pater, meinte nun Fabricius, führe Ernſt Hinters
Licht wie ehemals den Münchener Jefuitenreftor. — Zu offenem
Zwiſt zwiſchen P. Zoledo und den beiden kam es, al3 Ernſt, die
gewährte Freiheit mißbrauchend, durch cine Nebenthür und
streppe fi ein= oder mehrmals des Nachts aus dem Haufe ge=
Ihlihen hatte. Jetzt warfen fie dem Pater vor, feine Nachſicht
jei Schuld daran. Toledo verfiegelte nun ſelbſt die gefährliche
Thür und Zreppe; aber das Recht, in feiner Kammer allein zu
fein, entzog er dem Herzog nicht. — Porzia argmöhnte alsbald,
daß Ernft, da ihm die Thüren verichloffen, einen andern Weg
aus dem Haufe ſuche. Ohnehin hatte er bei demjelben allerlei
verdächtiges deutiches Eifengerät bemerkt. Nicht unwahrſcheinlich
it, daß Porzia, wie Herzog Ernft ihm ſpäter vorwirft, geheime
Spione aufgeitellt hatte, um ihn zu überwachen, — vielleiht mit
dem Hintergedanfen, wenn er denjelben eines gröberen Ver—
gehens überführe, den verhaßten Aufſeher Toledo wieder zu ver—
drängen.
Wirklich war Ernft Schon einige Male des Nachts mittels
einer Stridleiter aus dem Fenfter geftiegen und zu einer römiſchen
Kurtifane gegangen. An Gehilfen der Leichtfertigfeit fehlte es
nicht in einem Lande, wo, wie Fabrictus fpäter ſelbſt zugeftand,
„jenes Lafter, welches doc die Brutftätte aller anderen ift, faft
für nichts geadhtet wird". — In der Naht des 31. Juli nahm
Ernft wieder einmal denjelben Weg, diesmal aber nicht ungeitraft.
Herzog Ernft in Rom. 349
Zufällig Vorübergehende (oder auflauernde Nachbarn?) fahen die
Stridleiter vom Fenfter herunterhängen, jchlugen Lärm und ſchnit—
ten fie unten ab. Darüber wurden die Leute im Haufe wad,
erbrahen des Herzogs Kammer und ftillten den Lärm Dann
ließ Porzia einige Diener auf der Straße warten, um dem Her—
zog zu jagen, die Leiter ſei abgejchnitten, er möge dur die Thür
wieder hereinfommen. — Als Ernft gegen Morgen zurüdtam und
man ihm jagte, Fabricius und Porzia mwühten, was geichehen,
entfernte er fi wieder, angeblich zu Toledo. Aber nicht zu ihm
ging er, fondern machte ji, aus Zom oder Scham, kaum mit
dem Nötigften verjehen und mit einem einzigen Begleiter, fort
aus Rom auf Neapel zu. Was er wollte, wußte er wohl felbit
nicht recht; vielleicht hoffte er bei Don Juan d'Auſtria, der da=
mal3 in Neapel war, einen großmütigen Beichüger zu finden. —
Am andern Morgen erfuhren P. Zoledo, der Papſt und die ganze
Stadt, was geichehen.
Die nächſte Sorge war, Herzog Ernft aufzujuchen und wo
möglih nad) Rom zurüdzuführen. Inzwiſchen verbot der Bapft,
bei Strafe der Erfommunifation, den Leuten des Herzogs, irgend-
etwas an Herzog Albreht zu beridten. Fabricius und Porzia
hatten aber bereit3 durch eine zufällige Post alles nad Münden
gejchrieben und faft die ganze Schuld an dem Gejchehenen Toledo
zur Laſt gelegt: — jetzt hießen fie ihn den ſchlimmſten aller Vers
führer, einen verfappten Juden, der fie ärger verraten habe, als
die erjten Juden unjern Herrn. — Schon am dritten Tag ge-
lang e3 dem päpftlichen Kämmerer Gamillo Gapilupi, den Prinzen
in oder bei Seifa einzuholen und zu einem bedingten Verſprechen
der Rückkehr zu bewegen. Gapilupi Fihrte ihn zunächſt zum Kar—
dinal von Granvella nad Gaöta, wo diejer, nachdem er fein Amt
als Vizekönig von Neapel niedergelegt, den Sommer zubradte.
Bei ihm fand Ernſt herzliche und zugleich fürftlihe Aufnahme.
Jetzt erſt ſchickte der Papſt einen eigenen Kurier nad) Augs:
burg ab an den Nuntius Porzia, um durch diefen den Vater von
dem Vorgefallenen zu unterrichten und zugleid) Verzeihung für
350 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
den zu veuiger Rückkehr nad) Rom bereiten Sohn zu erbitten,
Aber nit diefem maß er die meifte Schuld bei, fondern feinen
überftvengen Zuchtmeiftern Fabricius und Porzia; beiden folle die
Aufſicht über Ernſt entzogen werden. Auch die Kardinäle Ludwig
Madruzzi und Gommendone legten Würbitte für den Jüng—
ling ein. Jedermann, jchrieb Madruzzi, entichuldige das Be:
gangene al3 einen Fehler der Jugend, unter dem Ernſts Ruf in
der Stadt nicht gelitten habe. Das Schlimmfte dabei (die Flut)
ichreibe man mehr anderen zu al3 ihm, „der unter den einen.
niemanden hatte, dem er traute, und darum, als er fich entdeckt
fah, lieber dem Außerſten und Schlimmften ſich ausjegen, als dar:
auf bauen wollte, daß die Seinen jein Vergehen zudeden, ver:
fleinern, entichuldigen würden.‘
Noch entichiedener nahm ſich Granvella des Flüchtlings ar.
Fabricius Hatte diefen mit Schmeihelworten und durd) das Ber:
iprechen, beim Water zu vermitteln, zur Rückkehr bewegen wollen;
auf des Kardinal Autorität geftügt, lehnte Herzog Ernſt diejes
Anerbieten ftolz ab. Granvella jelbjt warf ſich zum Verteidiger
de3 Prinzen auf: Qui nimis emungit, elicit sanguinem, jchrieb
er an Herzog Albrecht; Fabricius jelbft habe durch feine Sudt,
den 2ıljährigen Fürften unter feiner Herrichaft zu Halten, wie
ehemals als Pädagog den Knaben, Herzog Ernſt zur Verzweif—
lung getrieben. Der Drator möge nur, wie er drohe, zu Herzog
Albrecht reifen, aber dann auch nicht wiederfommen; denn für
dieje Aufgabe, die Sorge für Herzog Ernſt, paſſe er nidt. Er
ihlug vor, man ſolle des Prinzen Sehnſucht, Neapel zu jehen,
al8 Grund der Entfernung von Rom ausgeben. Bei ihm, in
Gaöta, jowie bei Don Juan und beim Bizefönig von Neapel
möge man den Herzog laffen, bis dieſer nad) der Sommerhige, ohne
Gefahr für jeine Gejundheit und mit allen Ehren nad) Rom
zurücklehren könne. — Daß die römiſche Sommerluft, felbft bei
San Marco, nit jo gefund war, wie Porzia vorgegeben, erfuhr
Herzog Ernſts Gefolge. Ende Juli, wenige Zage vor Ernſts
Flucht, war der Marihall Farsdorf am Fieber gejtorben, im DI:
Herzog Ernſt in Nom. 351
tober jtarb der junge Zauffichen und außerdem mande Leute
aus dem niedern Hofgejinde.
Auf Befehl des Papftes mußte ſich Fabricius wirklid Gran—
vellas Rat und Ernſts Wünjchen anbequemen: ein Zeil der Hof:
leute und zwar diejenigen, welche der Herzog felbit verlangte, ein
junger Preifing und der aus Herzog Karl Friedrihs Gefolge
übernommene Freiherr Adolf von Schwarzenberg, wurden nad)
Gaöta beovdert; — nachträglich ſchickte ihm Fabricius auch noch
den nicht gewünſchten Dr. Adrianus zu, der aber in Gadta als
Spion, was er in der That war, ſchlecht behandelt wurde. Adri—
anus rächte fih, indem er über den Herzog und jeine Geſell—
ihafter in Gaëta: den Kardinal jelbit, den Kämmerer Gapilupi,
den ehemaligen Scalco Baldi, der angeblih ſchon bei der Flucht
aus Rom den Herzog begleitet hatte, und endlid) über die deut—
ihen Hofleute insgeheim »die übelften Berichte nad) Rom jandte.
Dafür liegen dann Ernits Freunde einen wie es heißt von Gapilupi
verfaßten angebliden Brief des Herzogs an Kardinal Madruzzi
in Rom zirkulieren, worin des Drator3 und des Grafen Hoch—
mut und Zyrannei allgemeiner Verachtung preisgegeben wurden.
Anfangs Dftober, nachdem der erſte Regen die Luft gereinigt,
trat Ernſt die Rüdreife an. Don Juan ließ ihn durch vier Ga—
leeren ehrenvoll von Gaẽta nad Civitä-Vechta bringen; von da
geleitete ihn eine Schar vornehmer Spanier feterlih nah Rom,
wo er mit Schenfing und den anderen deutichen Hofleuten wieder
jeine alte Wohnung im Vatikan bezog, während Fabricius, da
Herzog Ernſt ihn durchaus nicht wieder zu ſich nehmen mollte,
in dem Sommerpalaft bei San Marco blieb. Porzia war ſchon
zubor vom PBapfte für einige Zeit vom Hofe verwiefen worden;
ihn, den Kurialiſten, traf am meiften der allgemeine Haß. „Der
Graf iſt“, Schreibt Fabricrus, „nicht nur den unjauberen Hof:
leuten, fondern der ganzen Stadt, allen Frauen und Dirnen jo
verhaßt geworden, da fie ihn in Stüde reifen würden, wenn jie
ihn in ihre Hände bekämen.“ Für Porzia nahm faſt nur der alte
Kardinal von Zrient Partei; bei dieſem hielt er fih auf, bis ihn
352 Fünftes Buch. Drittes Kapitel.
im Spätherbft Fabricius wieder zu fi nehmen durfte — Mit
P. Zoledo fam Ernft auch nad) der Rüdkunft von Gadta wieder
viel zufammen, ferner mit dem jungen Sigmund Friedrid Fugger,
einem Sohn des unlängit verftorbenen bayriihen Kammerpräjiden-
ten, der infolge deifen von Fabrictus und Porzia ebenfalls unter
Ernfts DVerführer gerechnet und der Ungnade de3 Herzogs Albrecht
empfohlen wurde.
Während mit wenigen Ausnahmen ganz Rom für den Prin-
zen und gegen jeine Zuchtmeifter Partei nahm, bewahrte Herzog
Albrecht diefen fein volles Bertrauen und nahm teil an ihrem
Ha gegen alle Gegner. Namentlih gegen P. Zoledo, das an—
geblihe Haupt der Verführer feines Sohnes, fehrte ſich fein Zorn.
Auf Anftiften des Drator3 forderte er den Jeſuitengeneral auf,
diejes unmürdige Drdensglied zu betrafen ). Auch von Kardinal
Hofius verlangte er, wieder auf Fabricius’ Antrieb, diejer folle,
als Großpönitentiar, den Pater zur Rechenſchaft ziehen. Hofius
antwortete ausweichend; der Jeſuitengeneral (Everhard Mer-
curianus) redete jih damit aus, daß Zoledo auf beiondern Bes
fehl des Papſtes feiner Autorität entzogen fei, und verjuchte zu—
gleih eine übrigens ſehr matte Entichuldigung des Paters.
Dagegen fand diefer in den Kardinälen Madruzzi und Com—
mendone warme Verteidiger gegen feine Ankläger. Als Herzog
Albrecht zulegt aud beim Papfte jelbit in bitteren Worten über
P. Zoledo Klage führte, wies Gregor alle Anjhuldigungen gegen
diejen jeinen eigenen Ratgeber, einen nit nur gelehrten ſondern
1) Fabricius empfiehlt dem Herzog u. a., durch ben Münchener Sefuiten-
reftor ben General zu bedeuten, daß die ganze Gefellfchaft unter feinem Miß—
fallen leiden könne, wenn P. Toledo nicht beftraft werbe; tanto autem se-
curius hoc institui posse existimo, quanto majorem hucusque pater
generalis et praecipui ejus instituti ansam, ad totius societatis utilita-
tem, quaesierunt in ipsum animadvertendi, propter multa quae hic
recenseri nequeunt, sic ut hi sibi haud dubie sint gratulaturi, occa-
sionem ejus tuto faciendi tam commodam per Sertem V. oblatam esse.
RA. Freifing Nr. 81, fol. 150. — Ob hier etwas Thatfächliches oder bloße
Verleumdbung vorliegt, laſſe ich babingeftellt.
Herzog Ernft in Rom. 353
wahrhaft heiligmäßigen Mann mit der größten Entſchiedenheit
zurüd, al3 „leichtfertige Lügen, denen er fein eigenes Zeugnis
entgegenftelle‘. P. Zoledo jelbft beſchwerte fid) in einem -im Ge—
fühle gefränfter Unſchuld ftolzen, dabei doch nicht unbeſcheidenen
Brief an den Herzog, daß diejer ihn ungehört verdamme Das
beite Zeugnis ftellte nachmals Ernſt jelbft dem Pater aus. „Der
bat mid‘, ſchrieb er, ‚mit feinen treuen vermanungen und gots—
förchtigen janftmüettigen underweifungen und leren dahin gebracht,
daß ich die affectus quettes teil reprimirt, ime gefolgt und mein
gemüet zum tail in rue hab anheben mellen.‘‘
Schon vor Ernfts Flucht aus Rom Hatte Herzog Albrecht
auf die neuen ſchweren Anklagen der Gubernatoren hin beichlofien,
jeinen Sohn im nächſten Herbft heimkommen zu lafjen: deſſen
perfönlihe Bewerbung um Köln und Münfter jollte einen ſchick—
lichen Vorwand abgeben. Nun, nad der Kataftrophe, erichien baldige
Abberufung doppelt nötig; nur fürdhtete man einigermaßen dadurch
den Papft zu beleidigen jowie der Bewerbung um Münfter zu
ihaden. Albrecht beſchloß aljo eigene Gefandte nah Rom zu
Ihiden, den Hofmeifter feiner Gemahlin Erhard von Muggenthal
und den Kanonikus an der Münchener Frauenkirche Dr. Georg
Lauther, welche vom Papfte die Beitrafung der Verführer feines
Sohnes und deſſen jofortige Zurüdiendung fordern jollten. Ihre
Inſtruktion und ähnlich ein von Fend verfaßter eigenhändiger
Brief Albrechts an den Papft lauteten beinahe, als handelte es fich
um die Auslieferung eines Verbrechers. Am meiften erbittert
mar der Herzog darüber, dag er von jeinem Sohn bis gegen Ende
Ditober noch feine Zeile der Entihuldigung erhalten hatte !);
1) Am 15. Dftober, elf Tage nad der Rückkehr von Gaeta, hatte Ernft
znerft wieder, feit bem 30. Juli, an feinen Vater gefchrieben und um Ber-
zeihung file feine „Mißhandlung“ gebeten, übrigens nicht eben bemütig und
mit ſcharfen Worten gegen F. und P. Diefer Brief fonute aber bei Mug-
gentbals und Lauthers Abſendung noch nicht in Albrechts Händen fein und
war, mie e8 fcheint, überhaupt verloren gegangen. — Am 24. November
ſchict Exnft feinem Vater eine Kopie besfelben.
Toffen, Köln. Krieg I. 23
8354 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
er bat den Papft, Seinen entarteten Sohn, aus deſſen Still
ſchweigen, neben dem was er font erfahre, hervorgehe, daß diejer
fich feiner Botmäßigfeit ganz entziehen wolle, entweder in Rom zu
verhaften oder auf feine, Herzog Albrechts Koften bis zur deutichen
Grenze zurüdzufchiden, damit er weiter über ihn beichliegen könne.
„Sollte aber‘, hieß es zum Schluß, „E. Heiligkeit mir hierin
nicht mwillfahren wollen, jo müßte ih auf andere Wege bedacht
fein, meinem Sohne nit nur meine Gnade und mein Wohl:
wollen, jondern auch das väterlihe Erbe entziehen und ihn nicht
länger al3 Sohn anerkennen; müßte ferner auf Art und Weile
denfen, wie er ſich feiner beiden Bistümer und ihrer Einkünfte
nicht allzufehr erfreuen könnte; würde endlid vor Gott und Men-
ſchen über E. Heiligkeit Klage führen.‘
Am 23. Dftober von Regensburg aufgebrochen (mo der Her-
309 wegen de3 Wahltags vermeilte), trafen die Gefandten wegen
der Hinderniffe, welche ihnen der Ausbrud der Peſt in den Weg
legte, trog aller Eile erft am 10. November in Rom ein. Hier
fanden fie in Ernft durchaus nicht jenen rebelliihen und troßigen
Sohn, welchen fie nad Fabricius’ und Porzias Berichten ver:
muten mußten. Ernſt erklärte fi) vielmehr bereit, wenn fein
Vater darauf beftehe, jofort nah Münden abzureifen, und jollte
er au zu Fuß gehen oder gar friehen. Nur bat er, wegen der
ihlehten Jahreszeit und um ihm Beihimpfung zu eriparen,
wenigitens nod einige Wochen zuzugeben, oder doch zu geftatten,
daß er zuvor noch einmal durd eigenen Kurier an feinen Water
ſchreibe und defjen Enticheidung abwarte. Das bewilligten Mug-
genthal und Lauther. Ohnehin mußte, was fie von allen Seiten
hörten, fie milder gegen Ernft, wohl auch mißtrauifcher gegen
Fabricius und Porzia flimmen. Sie fanden, daß der Papft und
faft alle Kardinäle für den Herzog Partei nahmen; mündlich vor
ihnen und brieflich gegen Herzog Albredht gab Gregor dem Prin—
zen das Zeugnis, daß dieſer feit der Rückkunft von Gasta fi
tadellos gehalten, bat zugleich dringend, den Prinzen wenigftens
bis zum Anfang des nächſten Jahres in Rom zu laffen, da er
Herzog Ernft in Rom. 355
dann ſelbſt nad Bologna zu reifen gedenfe und Ernſt dorthin
mitnehmen könne. Denjelben Rat gaben Farneſe und andere
Kardinäle. Sogar Fabricius meinte jest, man könne mit der
Rückreiſe bis zur Schliegung der heiligen Pforte, aljo bis nad)
Weihnachten warten. Ernſt jelbft aber jegte fi Hin und fchrieb
an feinen Vater einen Brief von 80 Seiten, worin er unum-
wunden eingeftand, was er zu Tivoli und zu Rom begangen, und
für dieſe Vergehen jugendliher Leidenſchaft und menschlicher
Shwähe um Verzeihung bat; daneben aber entrollte er ein
langes Sündenregifter jeiner beiden von Ehrgeiz und Hochmut
getriebenen Zuchtmeifter, welches zwar nicht frei ift von Über:
treibungen und gehäffigen Unterftellungen, aber doch in den mei-
ften Punkten die Wahrheit jagt. Als Hauptihuldigen ftellt Ernſt
den Dr. Fabricius hin: diejer habe, um Drator und womöglich Kar—
dinal zu werden, jeine Sehnjuht nad) Rom genährt; hier fodann
hätten Fabricius ſowie jein Handlanger Borzia nur ihre eigene Ehre
gejucht, ihn aber nicht wie einen erwachſenen Fürften und ihren
Herrn, jondern wie einen ungeratenen Knaben und ihren Sklaven
behandelt und vor aller Welt als unzüchtigen Menſchen verfchrieen.
Der Graf fei in feiner Jugend jelbft ein lafterhafter Menſch ge=
weſen, habe dann aber unter Pius V. den Frommen geheuchelt,
um e3 zu etwas zu bringen; jedermann an der Kurie halte ihn
für einen „Fatzmann“ (Geden). Beide beihuldigt er, fie hätten
ihm feine Diener aufgehegt, Prälaten, Kardinäle, Nepoten gering-
ihägig behandelt oder verleumdet, den frommen und ehrlichen
P. Zoledo al3 Juden und Taugenichts ausgeſchrieen; dies aus
Rache, weil ihnen Zoledo nicht die gewünſchten Pfründen und
Würden verichaffte. Er bat feinen Vater, ihn ferner nicht mit
ſolchen Perſonen zu beichweren, „die aljo des Morgens unjern
Herrgott ein Biertelftund in Händen und den Teufel Tag und Nacht
im Herzen tragen.” Zum Schluß erbot er fid) wieder, auf neuen
Befehl ſofort zurüdzulommen, bat aber, feines Rufes wegen und
damit er fih von Papft und Kardinälen gebührend verabichieden
könne, um Frift bis nah Weihnachten.
23*
356 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
So ſchwere Anlagen, durch die Briefe von PBapft und Kar—
dinälen mehr oder minder bekräftigt, machten doch einen gewiſſen
Eindruck auf Herzog Albrecht. Ex mutete feinem Sohne nicht zu,
unter Fabrieius’ und Porzias Zucht zurüdzufehren, und geftattete
fein. Verbleiben bis nad Weihnachten. Alsdann ſolle er mit
Muggenthal und Lauther auf der Poft zurüdveiten, Schenking und
Porzia aber mit dem übrigen Gefinde nachfolgen; Fabricius er
hielt Befehl, hauptſächlich wegen der münfterjhen Sache, übrigens
jeinem eigenen Wunſch entiprehend, nod länger als Drator in
Rom zu bleiben. Dem Papfte antwortete der Herzog auf deſſen
letztes Schreiben, er jei bereit, gemäß den Wünſchen Sr. Heiligkeit
feinen Sohn aufzunehmen, wie der Vater im Evangelium den
verlorenen Sohn: „nicht joll ihm das Gewand nod das Gaft-
mahl fehlen, wenn ih nur wie dort der Vater mir mahrhaft
Glück wünſchen kann, dad mein Sohn, der verloren war, wieder-
gefunden.” Dem: Lobe des Papftes über P. Toledo ftimmte er
zwar nicht bei, und weniger nod dem Tadel gegen Fabricius und
Porzia, doch gab er jhon zu, Zoledo möge e3 wohl gut gemeint
haben, habe aber. feines Sohnes Charakter nicht jo richtig beur—
teilt, wie deſſen langjähriger Erzieher. — Fabricius hat auf)
nachmals Albrechts Gunft nie verloren ; über den Grafen Porzia
dagegen gewann man im perjönlichen Verkehr jehr raſch ein an:
deres Urteil als aus feinen und des Dvators römischen Briefen.
Im Jahre 1576 verwendete man ihn in Münden und Freifing
noch zu kirchlichen Bilitationen; bald danach wünſchte man jehr
„ſeine Bettelei und jein unnüges Maul‘ los zu werden, und
war froh, ala man ſich ihn zu Anfang des folgenden Jahres mit
einer nicht ernft gemeinten Empfehlung zum Karvinalat vom Halie
geihafft hatte,
Nah Weihnachten verabichiedete fi Herzog Ernſt von Papſt
und Kardinälen; auch feinem alten Erzieher ſagte er freundlich
Lebewohl. „E. f. G.“, ſchrieb Fabricus am Herzog Albrecht,
„werden dort erfahren, ob Ernſts Geſinnung dabei ſo aufrichtig
war wie die meine; denn er iſt gewohnt, ſeine Fehler durch die
Herzog Ernſt in Rom. 857
Beihuldigung jeiner Vorgeſetzten auszuwiſchen.“ Gleichſam zum
Beweis feiner eigenen Aufritigfeit ſandte Kabricius feinem Zög—
ling nod allerlei Mitteilungen nah über verbädhtigen Umgang
desſelben, Schulden u. dgl., wovon er und Porzia erſt nach und
nad Kenntnis erlangt, ımd gab Anmeihungen, wie man zuhaufe
gegen ihn inquirieren könne. Dagegen nahm Ernſt von Papſt
Gregor jelbft und von einigen Kardinälen, namentlid Ludwig
Madruzzi und Granvella, die wärmften Empfehlungen mit nad)
Deutſchland. „In aller Herzen‘, ichreibt 3. B. Madruzzi, „bei
hoch und nieder, die er fi durch feine bejondere Freundlichkeit
und Leutjeligfeit gewonnen hat, läßt Herzog Ernit die Sehnſucht
nad) ſich zurüd. Euer Gnaden mögen mir glauben, daß alles
Unliebe, was begegnet, entweder mit nichten dem Prinzen zur
Laſt gelegt, oder jedenfall3 von Urteilsfähigen, wenn denn doc
etwas ſich nicht von ihm wegnehmen läßt, dem Alter und der
Gelegenheit zugejchrieben wird.“ Schon vorher hatte auch Kar—
dinal Farneje wieder einmal feine Meinung dahin abgegeben, daß
ein Jüngling von jo hohem und ftolzem Sinne leiter durch
Sanftmut und Nahfiht, al3 durch Gewalt und Herrichaft auf dem
Wege der Pflicht ſich halten laffe.
Am 29. Dezember trat Herzog Ernft mit Muggenthal, Lauther
und wenigem Gefolge die Heimreife an — durd die Romagna,
da Florenz auf ausdrücklichen Befehl des Herzogs Albreht ver=
mieden werden mußte. Porzia und Schenking folgten in den
erften Tagen des Januar auf der Florentiner Straße. Als ſich der
Graf vom Papfte verabichiedete, machte Gregor ihn verantwort-
(ih, Falls Herzog Albrecht allzu ftrenge gegen jeinen Sohn ver—
fahre. In Florenz ermahnte ihn die fromme Gemahlin des Herz
3098 Franz, ihren Neffen nicht bei den Eltern zu verklagen; „hat
er doch“, jagte fie, „nichts gethan, was ihr Geiftlichen zu Rom
nicht Schlimmer thut
Am 15. Januar jpäteftens war Herzog Ernſt wieder in Mün—
hen; bald danach wurde er auf Grund der Andeutungen des
Dr. Fabricius über vermutete weitere Vergehen zur Rede geftellt;
358 Fünftes Bud. Drittes Kapitel.
man fam aber, fcheint es, bald zur Einfiht, daß er über das,
was er ſchon freiwillig befannt, nichts weiter einzugeftehen babe.
Am 3. Februar jhrieb Herzog Abreht an den Papft, jomwie an
die Kardinäle Granvella und Madruzzi, er babe feinen Sohn
gütig aufgenommen; gleichzeitig dankte Exnft jelbft dem Bapfte
für das erfahrene Wohlmollen und bat, ihm dasfelbe aud in Zu:
funft, insbefondere bei der münſterſchen Wahlfache, zu beweiſen.
4. Kapitel.
Papft Gregor XIII. und die niederdeutfhen Hodfifter.
Für Papſt Gregors Verlangen, die deutiche Nation in den Ge:
horſam der römischen Kirche zurüdzuführen, fand ſich in den Gebie-
ten der weltlihen proteftantiihen Fürften fein zuverläffiger Anhalts-
punkt. Denn ihnen bewilligte der Religionsfriede eine jo weit—
gehende Unabhängigkeit auf kirchlichem Gebiet, daß nur die ſchwache
Hoffnung blieb, durch Belehrung eines der Fürften auch in feinen
Landen den Katholicismus wieder herzuftellen. Gregor ſehnlich—
fter Wunſch wäre das freilich geweſen; ſchon im Jahre 1573
befahl er feinen beiden nad) Deutihland abgeordneten Nuntien,
Gropper und Porzia, u. a. auch auf die Belehrung lutheriſcher
*Quellen: 1) Gute Überficht über die troß dem geiftlichen Vorbehalt fätu-
larifierten nieberbeutfchen Hochſtifter bei Häberlin, De Reserv.
Eccles. vgl. 0. ©. 289. Über die Beziehungen Gregors XII. zu den
nieberbeutfhen Domftiftern im allgemeinen Theiner I, 212sgg.
525sqq.; II, 30. 50. 159 qq. 175sqq. 464sqg.; Ergänzungen bazu
bei Aretin, Bayerns ausw. Verh. Urk. Nr. III und in ber weitern
zu Bud 2, Kap. 5 verzeichn. Litteratur. — Für Halberftabt die zum
Teil ſchon dort angeführten Arhivalien: RA. Halberftabt Bd. I. StR.
95/5 bis 8. KrA. I. Geiftl. Saden 94 ad Fasc. 2. Einzelnes auch
RA. Münfter T. II. und Freifing Nr. 80 u. 82.
2) Für die münfterfche Poſtulationsſache ſ. o. Duellen zu Bud 4,
Kap. 8 und Bud 5, Kap. 2. Ferner JA. Ferdin. fol. 110, Nr. 135.
Kurfürft Salentind Schreiben an Herzog Albreht vom 22. Dezember
1575 Sta. 38/5, fol. 31. Inſtruktion für Danborf vom 12. Fe-
bruar 1576 und Relation D.8 vom 13. April StA. 38/7.
360 Fünftes Buch. Viertes Kapitel.
Fürften bedacht zu ſein ). Im folgenden Jahre, al3 man in Rom
erfuhr, wie Kurfürſt Auguft von Sachſen die Galviniften haſſe und
verfolge, hoffte man dieje jeine Stimmung benußen zu können, um
ihn der römischen Kirche zu nähern. Gregor wünjchte, der Her—
30g von Bayern möge zu dieſem Zweck einen eigenen Gejandten
nah Dresden jchiden, das fand man aber am bayrischen Hofe
nicht für rätlich; im vertraulihen Gejpräh mit jeinem Freunde
dem Kurfürften wollte jid) Herzog Albreht zwar alle Mühe geben,
teilte aber jelbft Gregors Hoffnungen nit.
Viel günftiger für den Papſt lagen die Dinge in den geiſt—
lihen Fürftentümern von Niederdeutihland. Der Religionsfriede
hatte die Konkordate der deutihen Nation, gleihjam das Grund:
gefeg für die Reichsſtifter, nicht aufgehoben; nad wie vor galt
alſo die Beftimmung, daß jeder neue Biihof und jomit Landes:
fürft fanoniid) gewählt und auf Grund einer Wahlprüfung vom
Bapfte beftätigt werden müſſe. Außerdem war, gemäß denjelben
Konkordaten, in manchen Domftiftern die Ernennung zu einem
Zeile der Kanonikate dem Papſte rejerviert. Dieje Rechtsnormen
begründeten eine gewiſſe Gemeinſamkeit der politiihen Intereſſen
der Domkapitel und des Papſtes: beiden lag daran, daß nicht
ein erwählter Biihof das Domftift in ein erbliches weltliches
Fürftentum verwandelte. Aber ganz abgejehen von diejer Bes
jorgnis war die Achtung vor Geſetz und Vertrag eine von den
Fremden oft angeftaunte Eigentümlichfeit der deutihen Nation:
man fand ſich Lieber durd allerhand Fiktionen und Sophismen
mit dem Buchſtaben der Geſetze ab, al3 daß man diefe, nachdem
1) Ma quello in che premerebbe grandemente la Sta S., sarebbe di
guadagnar qualche principe heretico — fagt Nuntius Porzia im Oktober
1573 dem bayriichen Herzog (Theiner I, 525, vgl. Aretin a. a. O.
S. 21); daß Nuntius Gropper einen ähnlichen Auftrag Hatte, ſchließe ich
teil8 aus der Analogie, teils aus feiner Bereitwilligkeit, mit Herzog Julius
von Braunschweig in Verbindung zu treten. — Für die Hoffnungen auf
Kurfürſt Augufts Belehrung im Jahre 1574 f. auch Bezold ©. 137,
Anm. 1.
Gregor XIIL. und die nieberbentfchen Hochſtifter. 861
ihre religiöje Grundlage längft geihwunden, aufgehoben hätte.
Ermählte Biihöfe, die ſich perfönlih zur Augsburger Konfeifion
befannten, trugen fein Bedenken gegenüber vorwiegend proteftan=
tiichen Kapiteln und vor einem vielleicht ganz proteftantiichen Land
eidlich zu geloben, daß jie ſich die päpftliche Beftätigung verichaffen
und jich nach geiſtlichem Hecht für ihr biſchöfliches Amt qualifizieren
würden. Gerade diefes Feithalten am Buchſtaben alter Geſetze
und Statuten gewährte dem römischen Stuhl und feinen deutichen
Anhängern die beite Handhabe für ihre Verfuche, wenigftens ein
und das andere niederdeutihe Domftift wiederzugemwinnen.
Außer Betracht blieben vorerit jene Stifter, welche entweder
feine oder nur eine beftrittene Reichsſtandſchaft beſaßen. Hier
waren die Domkapitel weder unabhängig noch mächtig genug,
einem reformierenden Schug= oder Landesherrn Widerftand zu
leiften. So in den drei kurmärkiſchen Bistimern Brandenburg,
Lebus und Havelberg, welche teils der Kurfürſt Johann Georg
jelbft, teil jein Sohn Markgraf Joachim Friedrid unter dem
Titel von Biſchöfen beinahe vollftändig jäkularifiert, jo in Kammin,
wo die Herzöge von Pommern, in Schwerin und Ratzeburg, wo
die von Medienburg al3 Biſchöfe oder Adminiftratoren die lekten
Refte des Katholiismus vertilgt hatten. Won den oberſächſiſchen
Domftiftern hatte Meißen noch einen eigenen vormals fatholiichen
Biihof, Johann von Haugwik, der aber jegt verheiratet war, und,
lange vor jeinem förmlichen (erjt im Jahre 1581 erfolgten) Rück—
tritt, dem Kurfürſten die Vertretung feines Stiftes dem Reiche
gegenüber freiwillig überlaſſen hatte; in Merjeburg und Naums
burg war früher ein Sohn des Kurfürften Auguft al3 Biſchof
poftuliert, nad) deſſen Zod aber diejem jelbft die Adminiftration
übertragen worden. — Alle dieje Stifter find denn aud bis zur
Auflöfung des Reiches nicht mehr aus den Händen weltliher Für-
iten herausgefommen.
Einem ähnlichen Schieial ging unter der Herrichaft der Branden—
burger das Erzſtift Magdeburg entgegen, wiewohl bier das Doms
fapitel zur Zeit noch im Vollbeſitz jeiner Rechte war. Aber es gab in
362 Fünftes Buch. Viertes Kapitel.
ihm und ebenfo im ganzen Land, wie bereits erwähnt, kaum
mehr einen einzigen Katholifen. Des Prinzips wegen betrachtete
zwar der Kaifer den Adminiftrator von Magdeburg, feit ſich diefer
verheiratet, nit mehr als berechtigten Vertreter des Erzitiftes,
fondern richtete amtliche Schreiben an das Domkapitel, aber an
ernftere Maßregeln gegen den Adminiftrator dachte er nicht; aud
in Rom fand man e3 nicht für zeitgemäß, diefe Dinge zu bes
rühren. Höchſtens jprad) man davon, durch Ernennung in den
jogen. apoftoliihen Monaten wieder einzelne fatholiihe Dom:
herren nah Magdeburg und in andere proteftantiih gewordene
Domftifter zu bringen ).
Für Bremen hatte zu den Zeiten Pius’ V. der junge Poſtu—
lierte, Herzog Heinrich) von Lauenburg, vergebens um die päpftliche
Konfirmation nachgeſucht; unter Gregor XIII. fcheint er ſich wohl
noch für Osnabrück aber nicht mehr für Bremen um diejelbe be=
müht zu haben: vielleicht weil hier das mit einer einzigen Aus—
nahme ganz protejtantiiche Kapitel und die Landftände vom PBapfte
nichts willen wollten, wodurd; dann aud jeder Gedanke an die
Reftauration des Katholicismus Hinfiel.
Lübeck hatte jeit dem Fahre 1561 in Eberhard von Holle
einen, wie e3 ſcheint, damal3 vom Papft beftätigten, aber nachher
offen lutheriſchen Biihof; 1566 wurde derjelbe auch Biſchof von
Verden, wo es noch einige Fatholiihe Domherren gab. Um der
Wahlkapitulation zu genügen, machte Eberhard im Jahre 1574
einen ſchwachen Verſuch, durd) den Nuntius Gropper für Ver—
den -fonfirmiert zu werden, wurde aber zurücgewiefen. Bei den
Reihsverfammlungen wurde der unverheiratete Biſchof ohne An-
ftand als Vertreter feiner Domftifter zugelafen ). So fand er
1) Ein folder Borfhlag wird z. B. in einem mie e8 ſcheint von Herm.
von Horneburg an den Nuntius Porzia gerichteten Schreiben aus dem Jahre
1574 oder 1575 erörtert (RA. Halberftabt, T. I, fol. 11), Es werben bie
Didcefen Minden, Berben, Lübel, Halberftadt und Magdeburg ind Auge
gefaßt; als päpftliher Manbatar ift Herzog Ernſt gebadt.
2) Oder nur für Lübeck? Später (im Jahre 1578) ſtößt Biſchof Eber-
Gregor XIII. und die niederdeutſchen Hodftifter. 363
fih im Jahre 1575 auf dem Wahltag zu Regensburg in Perſon
ein, und zwar, zu großem Ärgernis des Nuntius Delfino, „in
Soldatentraht‘. Als Delfino den geiftlihen Kurfürften und dem
Kaifer hierüber Vorftellungen machte und den Wunſch äußerte,
Eberhard feines Bistums Lübeck entjegt zu fehen, erhielt er die
Antwort, in diefen Landen laſſe ſich nicht alles machen mas recht
wäre; zu manden Dingen müffe man, um nit Schlimmeres her=
borzurufen, die Augen zudrüden.
Mehr Gunft in Rom fand Biihof Hermann von Minden;
ihm bemilligte Gregor bald nad feiner Xhronbefteigung, auf die
Empfehlung des Kurfürften Salentin, vielleicht auch des damals
noch lebenden Biſchofs Johann von Hoya, die von Pius V. jo ſchroff
verweigerte Konfirmation ). Bald bereute man freilich Diele
Nacgiebigkeit, da Gropper berichtete, der Konfirmierte entipredhe
durhaus nicht den auf ihn gejegten Erwartungen. Vielleicht war
e3 bier zumeift des Biſchofs ärgerliches Leben, was Anftoß er:
barb bei feinem Bemühen für Stift Verden ein faiferliches Lehensinbult zu
erhalten, auf große Anftände. — Für Lübed fordert noch die Kapitulation bes
Herzogs Iohann Adolf von Holftein vom Jahre 1586 (Noodt, Beitr. zur
.... Hiftorie d. Herzogt. Schleswig und Holftein. Hamburg 1744. I, 377),
daß der Ermwäßlte: „bei päbft. Ht approbationem electionis seu confirma-
tionem, wie auch gebürlihe und notbürftige dispensationem super aetate...
auszubringen” fich befleißigen folle (Art. 2). Im derfelben für dieſe Zmitter-
verhäftnifie jehr befehrenden Kapitulation werben ben Kapitularen „bie beiden
Religionen” gemäß Reichsabſchieden und Religionsfrieden zugelafien (Art. 1),
gleich nachher aber (Art. 3) die Konkordate der beutfchen Nation ausdrüd-
lich anerkannt.
1) Bei Theiner I, 235 ſchreibt Gregor XII. an Kurfürft Salentin
(4. Dezember 1574), er möge ben feines Amtes vergefienden Biſchof von
Minden ermaßnen: hoc autem eo accuratius facies, quia in obtinenda
ejus confirmatione pro eo sponsor fuisti. Dagegen behauptet Spangen-
berg a. a. O. ©. 283 „Graf Herman . . bat burh Hilf biſchof Johans
zu Münfter bie confirmation zu Rom erhalten. Bgl. o. ©. 137. — Bei
Gams, Ser. Episcop., p. 294 fehlt Bifchof Hermann trog ber päpftlichen
Konfirmation, ebenfo fein ohne Zweifel ebenfalls beftätigter Vorgänger Herzog
Georg von Braunfhweig. Ähnliche Willfür findet fih aud fonft bei Gams
und vermindert entjchieben die Brauchbarkeit feines Wertes.
364 Fünftes Bud. Viertes Kapitel.
regte. Im März 1575 ſchickte Gregor einen eigenen Nuntius,
den Bonner Kanonikus Alerander Trivio, nad) Minden, um den
Biſchof an jeine Amtspflihten zu mahnen. Zrivio fand in
einigen Klöftern und Kollegiatfichen der Stadt noch fatholiichen
Gottesdienft, die ftädtiiche Bevölkerung aber dem fatholiihen Kult
und Klerus äußerft feindfelig: — vor einigen Jahren war das
Domkapitel einmal ganz aus der Stadt vertrieben und erſt auf
Vermittelung des Kaiſers und des ſächſiſchen Kreiſes, wie es
heit, wieder hereingelaffen worden. Was Zrivio bei Biſchof
Hermann jelbft ausrichtete, wiſſen wir nicht; ernſtlich eingejchritten
ift man von Rom aus nicht gegen ihn; jein Rücktritt ift nachmals
(im Zahre 1581) auf Betreiben von Domkapitel und Landſchaft
erfolgt.
As der Mindener Biſchof, der in der Nähe gewiß nicht für
päpftlich galt, jeine Konfirmation erlangt hatte, machte fid) Herzog
Julius von Braunſchweig Hoffnung, Papft Gregor werde auch
jeinem nunmehr zehnjährigen Sohn, dem Poftulierten von Halber-
ftadt, die Beftätigung nit verfagen. — Diefe war, wie wir
wien, bei der Wahlkapitulation des Jahres 1566 ausdrücklich
vorbehalten worden. Herzog Julius, den alle Welt als eifrigen
Lutheraner kannte, hatte deshalb nad jeines Vaters Tod für gut
befunden, fih von neuem der Gefinnung der Halberftädter Dom-
herren zu berfihern. Sie verſprachen damals (im Januar 1569)
„bis zum äußerſten“ (usque ad extrema) an ihrer Poftulation
feftzuhalten, änderten übrigens an der Kapitulation jelbft nichts. —
Im Frühjahr 1574 erkundigte fid) nun Herzog Julius bei dem
Nuntius in Köln, was fein Sohn zu thun habe, um fonfirmiert
zu werden; etwa zur felben Zeit veranlafte er das Halberftädter
Kapitel nnd den Kaifer, deijen Konfirmation in Rom zu er—
bitten und zu befürworten. Gregor antwortete ohne Säumen
abihlägig (30. Juli 1574) und befahl dem Kapitel, unter war—
nendem Hinweis auf jein Devolutionsrecht, alsbald einen wirklichen
tühtigen Biſchof zu mählen. Ein ähnliches Breve erging nicht
lange danach aud an das Domkapitel zu Verden; beide mit jehr
Gregor XIII. und die niederdeutfchen Hochſtifter. 365
berichiedenem Erfolg. In Verden, wo e3 höchſtens nod ein paar
dem Namen nah katholiſche Domberren gab, das ganze Land
lutheriſch, der Landesherr jelbft ein tüchtiger und, ſoviel man ſieht,
beliebter Fürft war, blieb das Breve ein bloßes Stüd Papier.
Im. Halberftävter Domkapitel dagegen gab es überhaupt feine
Proteſtanten, fondern nur entweder römiſch oder erasmiſch gefinnte
Katholiten, die fi äußerlich nur dadurch unterſchieden, ob jie
unter einer oder unter beiden Geftalten fommunizierten. Im
Dome St. Stephan und in der Liebfrauenkiche wurde der fatho-
liche Gottesdienft ganz in alter Weife und Würde gefeiert. Es
gab ſelbſt noch einzelne angejehene fatholifhe Laien. Die Maſſe
der Bürgerihaft hatte zwar die Reformation angenommen, aber
mit großer Schonung für das Alte. Das Domkapitel, welchem
die Regierung gemäß der Kapitulation zuftand, fand willigen Ge—
horſam, vielleicht nicht am wenigſten deshalb, weil hier die Sitten
des Domtlerus beſſer waren als in den meiften anderen Dom—
ftiftern . Dennoch würde aud bier das Heine Häuflein von
Katholiten der Anziehung der großen proteftantiihen Maſſe viel
—
1) Dr. Elgard, welcher im April 1575 in Halberſtadt war, berichtet über
die dort empfangenen Einbrüde an den Kardinal von Como: Capitulares
Halberstatenses ut minimum media ex parte sunt catholiei et satis
quantum scio vita honesti. Qui non censentur catholici, hoc tantum
(quantum cognoscere potui) differunt, quod communicant sub utraque
specie, alioqui omnia officia in ecclesia et choro praestant, decano obe-
diunt, conservationem ecelesiae promovent, nec aeque quiequam mutatum
bi vellent quam solam communionem. Cultus Dei satis modeste et in-
tegre servatur. In templo B. Mariae die feriali honestas matronas sub
sacrificio missae vidi; in cathedrali ecclesia dominico die qualemeumgque
congregationem plebis catholicae conspexi, audientes primum sacrum et
expectantes concionem catholicam,. Tota civitas Halberstatensis ad ca-
pitulum seu episcopatum spectat. Senatus et cives satis obedientes sunt
capitulo, magis quam ante haec tempora. Cum tota undique Germania
funestis istis tumultibus fureret, hi cives quoque religionem matarunt
in ecclesiis parochialibus, sed nihil devastarunt; ipse enim altaria et
reliqua vidi integra. Intelligunt nunc, utcumque sub ecclesiastico et
catholico magistratu commodius posse vivere subditos, etiam non eatho-
licos. Theiner II, 44sgg.
366 Fünftes Bud. Viertes Kapitel.
ihneller gefolgt fein, hätte ihnen nit das angrenzende Stift
Hildesheim, feit dort das Haus Bayern Fuß gefaßt, einen Rück—
halt geboten. Aus religiöjen Gründen ſuchten die einen, wegen
perjönlicher Jnterefjen die anderen diefen NRüdhalt auf. Zudem
hatte Herzog Julius durd) fein ftrenges und eigennüßiges Regi—
ment fi viele Feinde, fomohl in feinen Erblanden wie in der
Nahbarihaft gemadt. ‚Niemand‘, ſchreibt der Hildesheimer
Sefretär Körnlein im Dezember 1574, „würde weinen, wenn
i. f. ©. etwas Widerwärtiges widerführe oder fie um das Gtift
Halberftadt kämen.‘
Bon Hildesheimer Seite griff jegt der Domberr Hermann von
Horneburg feinen alten Plan wieder auf, Halberftadt in die Hände
de3 bayriihen Haufes zu bringen. Als Mittelsleute dienten ihm
der Hildesheimer Domherr Anton von Langen, welder auch im
Halberftädter Kapitel al3 Domſcholaſter ſaß, und der Kanzler
Sigfrid Nung, welcher zugleih Syndifus für Halberftadt war.
Sonit rechnete man namentlid) nod auf den dortigen Domdehant
Friedrich von Brietzle ). Im September 1574 begab fi) Horne=
burg jelbft nah München und Augsburg, um jowohl Herzog Al—
bredt wie den Nuntius Porzia für feinen Plan zu gewinnen.
Der Nuntius ging bereitwilligft auf denjelben ein und empfahl
ihn ſofort der Kurie; aud am bayriihen Hofe mies man die
Sade nit von der Hand, nur wünſchte man Herzog Ernft nit
dur päpftlihe Provifion, in Kraft des Devolutionsrehtes, ſon—
dern durd neue Wahl des Kapitel nad) Halberftadt gebracht zu
jehen; in diefem Fall verſprach Herzog Albreht das Stift gegen
Gewalt von Braunſchweiger Seite zu hüten. Einen Brief dieſes
Inhalts, zur Mitteilung an den Halberftädter Dechant beftimmt,
nahm Horneburg mit nachhauſe. — Im Dezember konnte Borzia
bereit3 in München melden, daß man in Rom feinen Vorſchlag
genehmigt habe und nur von Herzog Albrecht zu erfahren wünſche,
1) Fr. von Brietzle war (nah Abel, Ehronit des Fürftentums Halber-
ftabt, S. 566) Dombehant von 1560 bis 1576.
Gregor XIII. und bie niederdeutſchen Hodhftifter. 367
wie diejer, falls der Papft auf neuer Poftulation bejtehe, die
Halberftädter Kirche zu verteidigen gedenfe. Daraufhin jagte der
Herzog wieder in allgemeinen Ausdrüden feinen Schug zu, fors
derte aber zunächſt noch weitere Maßregeln des Papſtes, um das
Kapitel wirklid) zu einer Neuwahl zu drängen.
Das Kapitel hatte das päpftlihe Breve vom 30. Juli jofort
durch eigene Gejandte in Wolfenbüttel vorlegen und fragen laffen,
was fie nun thun follten. Herzog Julius erinnerte fie an ihr
früheres Verſprechen, „bis zum äußerften‘ an ‚der Poftulation
feines Sohnes fejtzuhalten. Zum Beweis, daß diefer zu einem
tüchtigen Biſchof erzogen werde, ließ er ihn, in Gegenwart der
Gefandten, aus der lateiniihen Grammatik und aus Luthers Ka—
tehismus eraminieren, und naher den Geſandten durch feine
Räte auseinanderjegen, ihr Poftulierter habe für fein Alter genug
gelernt; das Kapitel möge nur dem Bapfte nochmals ausführlich
die Gründe vortragen, welche fie zu diefer Poftulation bewogen.
Gleichzeitig beihmwerte fi Herzog Julius bei dem Nuntius Grop=
per über das Breve vom 30. Juli und ftellte in Ausfiht, daß
er jeinen Sohn ſpäterhin auf eine fatholiihe Univerfität jenden
werde. Das Kapitel richtete nun mwirklih, am 26. Dftober 1574,
ein langes Schreiben an den Papft, worin fie ihre Poſtulation
damit rechtfertigten, daß fie nur durch Anpaſſen an die Verhält-
niffe ven fatholiihen Kult und die Autorität des römiſchen
Stuhles in ihrer Kirche hätten erhalten können; der Papft möge
daher ihre Poftulation wenigftens jo lange dulden, bis der Poſtu—
lierte herangewachſen.
Erft Anfangs Mai des folgenden Jahres (1575) erfolgte eine
Antwort von Rom, welche in den jchärfiten Ausdrüden und unter
Strafandrohung den Befehl wiederholte, einen geeigneten Biſchof
zu wählen oder zu poftulieren, und zwar binnen acht Zagen nad)
Empfang des Breves. Nah langem Befinnen hatte man damit
den Rat des Nuntius Porzia und mittelbar aud des bayrijchen
Herzogs befolgt, welche ihrerjeit3 wieder von Hildesheim aus be=
raten waren; Horneburg und Störnlein waren nämlich der Anficht,
368 Fünftes Buch. Viertes Kapitel.
die Halberftädter Dombderren jelbit wünſchten, daß von Rom aus
veht in fie gedrungen würde, damit fie fih um fo eher gegen
Herzog Julius entihuldigen könnten; einer neuen Provifion durch
den Bapft, meinte Körnlein, würden fie fi) willig fügen, nament=
lid) wenn man ihnen für die Zukunft ihr Wahlrecht laſſe, während
man fie zu neuer Poftulation nicht jo leicht bringen werde. Ende
Mat befand ſich das neue Breve bereits in Porzias Händen,
wurde aber erjt im September weiterbefördert, nachdem Herzog
Albrecht fih zuvor in Hildesheim und Halberftadt erfundigt, ob
man dort feine Überreihung für ratfam halte. Dies war be
jaht, dem Herzog aber zugleich bedeutet worden, er möge vor
allem beim Kaiſer unterbauen, denn deflen Rat würden die Dom:
herren jedenfalls einholen und befolgen. Das war freilich nicht
nad Herzog Albreht3 Sinn; — mie war zu denken, daß Kaiſer
Maximilian gutwillig die Hand dazu bieten würde, einen ihm jo
ergebenen Fürften wie Herzog Julius ſchwer zu beleidigen und zu
ihädigen, oder aud daß es ihm vecht fein werde, wenn jich der
Papſt herausnahm, über ein Reihsfürftentum zu verfügen! Doch
ſchrieb Herzog Albrecht menigitens an den faiterlihen Geheimrat
Dr. Vieheuſer, feinen gebovenen Unterthan und ehemaligen Kat,
um durd) ihn den Kaifer zu veranlafien, daß diefer die Doms
fapitularen entweder zum Gehorfam gegen ihre geiftliche Obrigkeit
ermahne, oder ihnen wenigſtens eine Neuwahl nit widerrate.
„Denn“, fügt der Herzog bei, „da der jekige Poftulierte zu
feinen Jahren und Poſſeſfion diejes Stiftes kommen fol, ift zu
bejorgen, das Stift werde wie andere mehr gar gefreſſen und
ver Katholicismus daſelbſt allerding ausgetilgt.‘‘ Dr. Vieheuſer
veriprad) fein Beftes zu thun, gab aber wenig Hoffnung; er fürchte,
Herzog Julius werde, wenn er das Geringite merke, Feind und
Freund anrufen, und daraus. gefährliche Weiterung entjtehen, an
der dann der bayriihe Herzog die Schuld tragen müſſe. Das
Kapitel Hätte billig die Sache vorbedacht haben jollen.
In der That war der Sohn Heinrich des Jüngeren nicht der
Mann, der jich jo leicht einshüchtern lief. Als ihm das Domkapitel
Gregor XIII. und die niederdeutſchen Hodhftifter. 869
Kopie des neuen Breves mitteilte und dabei äußerte, nun bleibe
ihnen nichts übrig als zu geboren, der Herzog möge freiwillig
zurüdtreten, — da ließ diefer ihnen durch eigene Geſandte erflären,
das Breve ſei erichlichen (sub- et obreptitie ausgebradt); denn
3 ſei nicht wahr, daß fein Sohn von häretiihen Eltern und
Lehrern erzogen werde, auch jei derjelbe nicht mehr minderjährig
fondern bereit3 13 Jahre alt, vom Kaifer zum Rektor der Univer:
fität Helmftädt ernannt, als Boftulierter bezeichnet u. f. w. Er
mahnte die Kapitularen wieder an ihre frühere Zufage, von der fie
fich durch leere Drohungen nicht abſchrecken lafjen follten. Auch
andere Erzbiihöfe und Biichöfe, wie die von Magdeburg, Bremen,
Osnabrück, Verden, jeien trotz bermeigerter Konfirmation im
ruhigen Befig ihrer Stifter geblieben; „es wäre denn, daß viel—
leiht der Stern den roten und gelben Löwen nicht jo wohl als
den blauen und weißen jcheinen möchte.‘ — Die Domberren
thaten zwar, al3 verftünden fie Diefe Anipielung nit, mußten
aber recht gut, wer die beiden Löwen waren; hatte doch Herzog
Julius ſchon vor einigen Monaten vor den Praftiten, welche gegen
fein Haus angefponnen würden, fie warnen laſſen. — Zum Schluß
forderte der Herzog das Kapitel auf, nochmals nad Rom zu ſchrei—
ben und a Pontifice male informato ad melius informandum zu
appellieren. Das Kapitel erflärte das zwar für eine überflüffige
Formalität, erfüllte fie aber doch und zwar in einer Weile, welche
den Streit faft ins Lächerliche zog. So ericheint unter den
Gründen, weshalb Alter und Erziehung des BPoftulierten feiner
Konfirmation niht im Wege ftehen dürften, aud der Sprud):
„Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge haft du dir dein
Lob bereitet, o Herr”, — und fogar folgende Verdrehung eines
Bibelmortes: „Gott, mwelder dem BPoftulierten Heinrih Julius
das Wollen gab Bischof zu fein, wird auch das Können geben.‘
Meniger frivol aber faum aufrihtiger Hang das Verſprechen, der
junge Herzog folle nad) beendigtem Rektorat auf die Univerfität
Köln geſchickt werden. In Wahrheit von Gewicht war nur ein
an letzter Stelle genanntes Motiv: wenn der — nicht nach⸗
Lo ſſen, Köln. Krieg J.
370 Fünftes Bud. Viertes Kapitel.
gebe, drohe dem Stift die äußerſte Gefahr, denn Herzog Julius
werde nicht gutwillig auf die Poftulation verzichten.
Zwar blieb Horneburg aud) jegt noch bei feiner Behauptung,
e3 ſei der Mehrheit des Kapitels nicht wirklich darum zu thun ihren
Poftulierten beizubehalten, der Papft möge ihnen nur den Scheffet
vollmeifen, das Außerfte, d. h. die Erfommunifation, androhen,
dann werde man jchlieglich zum gewünſchten Ziel gelangen; aber
in Rom, wo Ende Dezember 1575 ein eigener Gejandter des
Kapitels mit deſſen Appellation eintraf, jah man jegt ein, daß
man einen jonft gerne vermiedenen Fehler begangen hatte, indem
der Papft unter Strafandrohung etwas befahl, das zu erzwingen er
nicht die Mittel befah. — Am 10. März 1576 wurde der Ge-
jandte des Kapitel3 mit einem neuen Breve entlaffen, welches den
Rückzug kaum verhüllte. Der Papit vernehme gerne, hieß es
darin, das Anerbieten des Kapitel® und des Waters des Poſtu—
lierten jelbit, diefen nah Rom oder auf eine andere fatholifche
Univerfität zu jenden. Heinrich Julius möge alfo nah Rom
fommen; inzwiſchen wolle er, der Papſt, jemanden aus dem Ka—
pitel mit der Verwaltung des Bistums betrauen; thue aber das
Kapitel feine Pflicht nicht, jo werde er jelbit die jeine gewiß, nicht
verſäumen !). Ä
Auch Herzog Albrecht hatte, jchon ehe er von dieſem Breve
wußte, den Rüdzug angetreten. Man habe, jchrieb er am
16. März 1576 an den Nuntius Porzia, ihn fälſchlich berichtet,
das Kapitel ſelbſt wünjche feine frühere Poſtulation vernichtet zu
jehen; da dem nicht fo jei, wolle er nichts mehr mit der Sade zu
thun haben 2). Ähnliche Weifung war ſchon zuvor dem Drator
in Rom zugegangen. Dod gab man in Münden noch nit alle
1) Theiner II, 176. Das daſelbſt p. 175 abgebrudte viel ſchärfere
Breve vom 11. Februar ift wohl einem nicht gut befundenen und barum
nicht benutzten Konzept entnommen.
2) Herzog Albrechts Schreiben an Porzia bei Theiner II, 32 irrtiim-
ih ins Jahr 1575 (ftatt 1576) geſetzt; Konzept von Fend RA. Halberftabt
I, 167.
. Gregor XIII. und bie nieberbeutfchen Hodhftifter. 871
Hoffnung auf; als der Kanzler Nun bald darauf nad Münden
fam und beftätigte, daß feinesfalls auf eine neue Poſtulation des
Kapitels zu rechnen fei, weil die Domberren als Deutihe von
Adel duch ihr Wort ſich gebunden fühlten, kam Herzog Albrecht
auf den Weg zurüd, den er früher nicht betreten ſehen wollte:
Provifion jeines Sohnes durch den Papft. Aber aud) dieſes
Projekt vereitelte zuletzt Kaiſer Maximilian. Im Mai 1576
erihienen zu Halberftadt Braunſchweiger Näte mit einem kaiſer—
lichen Indult, welches den jungen Poftulierten auf zwei Jahre
mit der weltliden Dbrigfeit im Stift belehnte. Man wollte
wifjen, das jei der Dank dafür, da Herzog Julius dem ſtets
geldbedürftigen Kaifer ein Darlehen bon 50,000 XThalern ver-
jproden habe. Das Indult wurde freilich, weil es der Kapitu-
lation offen widerſprach, einftweilen nicht buchftäblih ausgeführt,
jondern zwiſchen Herzog und Kapitel ein neuer Vertrag (Ende
Mai) abgeihlofen, wonach diejes auch fernerhin die Adminiſtra—
tion behielt; die Stiftsunterthanen mußten jedoch ſchon im vor—
aus dem Poftulierten huldigen. — Nun erft gab Herzog Albrecht
die Hoffnung auf, Halberftadt für jein Haus zu erwerben und der
fatholiihen Kirche zu erhalten ?).
In denjelden Tagen, da man in Rom dur die Ankunft des
Halberftädter Geſandten die verzweifelte Lage der dortigen Kirche
erfuhr, erſah man aus der Anfrage der münfterfhen Senioren
bom 22. November 1575, daß aud Stift Münfter, bisher als
1) 29. Juni 1576 ſchreibt Herzog Albrecht aus Grefenthal an Köcnlein
(Kpt. Eljenheimer RU. Halberftabt I, 191): „Wie uns gebinfen wil ...
wirbet e8 umb benjelben ftift nunmer nachent getan und berfelb wie andere
mer mit ber zeit gar prophanirt werben, baran dz capitel felb gutes tails
ſchuldig; und pflegt alſo allen denen fo irer orbentlichen geiftlichen oberfeit
die ſchuldig gehorſam nit laiften zu gen... . Aber wie dem, fo haben bie
catholifchen big und anders mer, fo ber almechtig verhengt, jetiger zeit bil
- leichter zu Hagen dan zur wenden, dahin wir e8 unſers tails, bis der al-
mechtig einmal böfferung ſchicket, auch ſtellen.“
24 *
83172 Fünfte Bud. Viertes Kapitel. ®
eine feite Burg der römischen Kirche in Deutihland angejehen, in
Gefahr ftand, einem gefürdteten Gegner in die Hände zu fallen.
Darüber, daß der Bremer Erzbiſchof nit zuzulafen, war man
am päpftlihen Stuhl nit im Zweifel; aber die Frage, ob Herzog
Ernſt von Bayern genehm, mochte man nicht ebenio direkt mit Ja
beantworten. „Unſere Meinung ift‘, beißt e3 in der vom
28. Sanuar 1576 datierten Antwort des Papftes an die Se—
nioren, „daß wir einer Poftulation des vormals für die Kirchen
bon Bremen und Dsnabrüd poftulierten Heinrich Teineswegs zu—
ftimmen wollen. Vieles bewegt uns dazu, darunter nicht am
wenigiten, dab derjelbe von dem apoftoliihen Stuhl niemals irgend-
eine Beltätigung für feine Poftulation erbeten hat. Was für
einen Hirten wir aber von euch erwählt wünſchen, haben wir eud
jüngft gefchrieben [nämlid) in dem bon Herzog Ernſt mitgenom-
menen Brebe vom 17. Dezember] und deuten es auch jegt kurz
an: wählet den Sohn irgendeines fatholiihen und dieſem heiligen
apoftoliihen Stuhl ergebenen Fürften“ u. ſ. w. — Dieſe ge
ſchraubte Antwort erflärt ſich durch die Rüdfiht, welhe man in
Rom nod immer auf den öÖfterreihiichen Erzherzog nahm.
Die Schwierigfeiten, melden die bayriihe Bewerbung um
Münfter fortwährend begegnete, hielten in Erzherzog Ferdinand
die Hoffnung wach, dab das Stift ſchließlich doch noch für feinen
Sohn Andreas zu gewinnen fei; vermutlih auf Anregung des
wieder in Rom vermweilenden Frater Sporeno ſchickte Ferdinand
zu dieſem Zweck zu Ende des Jahres 1575 feinen Rat Dr. Joh.
Chryſoſtomus Hochſtetter zum Nuntius Gropper und zu Herzog
Wilhelm von Fülih. Was Gropper antwortete, wiſſen wir nidt;
am Hofe des Herzogs aber gab man fi alle Mühe, dem Ey:
herzog jede Hoffnung zu nehmen: trotz der erfolgten Spaltung,
hieß es in dem zu Hambadh am 12. Januar dem Gefandten cr-
teilten Beicheid, jeien die Dinge nody im vorigen Stand; auf
jeden Fall aber jei der Herzog entihloffen, feinen Sohn nicht
eher von der Poftulation abtreten zu lafjen, bis man feinem Be:
gehren willfahrt.
Gregor XIII. und bie niederdeutſchen Hodftifter. 873
Kaum minder deutlich, wenn auch in der Form weniger Ihroff,
lauteten die Erklärungen, welche der Herzog (auf Grund einer
neuen Verabredung Heinrih3 von der Rede mit dem Dom—
dechanten) zur jelben Zeit nah Münſter und nad) Rom gelangen
ließ. Das Domkapitel wurde ernftlih vor den Gefahren gewarnt,
welche aus der Abfonderung der Junioren von den Prälaten ent
ftehen könnten; ſei fein Vergleich möglih, jo jolle fein Sohn
jo lange Poſtulierter bleiben, als dies der päpftlichen Hei—
figfeit gefällig; das Kapitel möge fih aljo mit ihm um Jo—
hann Wilhelms Konfirmation bemühen. Zugleih erging an jeden
der Dombherren, melde fi zu Dülmen für Bayern erklärt hatten,
ein Danf= und Aufmunterungsichreiben, während die bremiiden
Botanten, namentlich berzoglihe ‚Unterthanen, wie der Senior
Johann von Nagell und feine jungen Vettern Jörg, Lulas und
Matthias, Autger von Asbed, die Gebrüder Elverfeld, der Vize
dominus Bernhard von Büren und Bernhard von Heiden, dur
vornehme jülichcleviihe Hofleute und Adelige zur Rede geitellt
und für die Zukunft zu befjerer Haltung aufgefordert wurden. —
Dieje durch mehrere Monate ſich hinziehenden Beiprehungen hatte
aber faum einen anderen Erfolg, als daß man am Jülicher Hofe
genauer erfuhr, wie die Dinge beim Martini-Sapitel verlaufen und
daß an der Spaltung der Statthalter Wefterholt die meifte Schuld
trug. Der andere bisherige Führer der Majorität, Hermann
bon Diepenbroid hatte im Dezember feinen Kapitelplatz vefigniert,
der dann wieder einem bremiſch Gefinnten, Bernhard von Weiters
holt, zufiel.
Dem Papfte ftellte Herzog Wilhelm (aus Hambach, 12. Ja:
nuar) den bisherigen Verlauf der Poſtulationsſache jo dar, als
babe er von Anfang an hauptſächlich im Intereſſe der katholi—
ihen Kirche den Adminiftrator von Freifing als Nachfolger
jeines Sohnes auserjehen, weldhe Wahl Prälaten und Senioren
— seniores und zugleich saniores — gebilligt, während die
Junioren von Herzog Ernft wegen feines allzu großen Eifers für
die fatholiihe Religion nichts wiſſen, fondern einen ihren Sitten
374 Fünftes Bud. Viertes Kapitel.
beifer entiprechenden Negenten haben wollten, unter dem fie ein
freiere3 Leben führen Fönnten. Der Papſt möge alfo dieſen Junio—
ren befehlen, ihren Prälaten und Senioren beizupflichten, widrigen=
fall3 er Johann Wilhelms Poftulation von neuem beftätigen und
feine Refignation nicht zulafien werde. — Auf Wunſch des Herzogs
bon Jülich befahl auch Herzog Albrecht feinem Drator in Rom,
diejes Geſuch aus allen Kräften zu unterftügen. Wirkſamer nod
war die Hilfe, welche von jpaniiher Seite fam. Requeſens, die
gefürftete Gräfin von Arenberg !), und jogar König Philipp jelbft
hatten vor dem Martini-Slapitel auf Betreiben des Herzogs bon
Jülich den münfterfhen Statthalter aufgefordert, für den dem
fatholiihen König genehmen Herzog von Bayern fi zu bemühen;
nachdem der Zwiejpalt in Münfter ausgebrochen, jchrieb Requeſens
wieder nad) Rom und riet, ganz übereinftimmend mit den Wün—
ihen der bayriihen Partei, der Papſt möge feinen Nuntius
Gropper nah Münfter ſchicken und einftweilen die Nefignation des
Poſtulierten nit zulaſſen.
Am 3. Februar überreichten Hammerſtein und Fabricius dem
Papſte das Schreiben des Herzogs von Jülich; am nächſten Tage
ihon (4. Februar) wurde an das münfterjhe Domkapitel (nicht
wieder an die Senioren allein) ein neues Breve ausgefertigt,
welches die Junioren aufforderte, ihren Senioren nadhzugeben, da
diefe, gemäß den früheren Breven vom 17. Dezember und 28. Ja:
nuar, den Sohn eines mächtigen fatholiihen Fürften, jene aber,
ohne Zweifel aus jugendlicher Unerfahrenheit, einen ungeeigneten
poftulieren wollten. Der Papft wiederholte, daß er feinen fon=
firmieren werde, deſſen Water nicht katholiſch, auch werde Johann
Wilhelm, wider feinen, des Papſtes Willen auf die Poſtulation
nicht verzichten. — Diesmal war alfo weder der Bremer Erz:
biihof no Herzog Ernft mit Namen genannt, wenn auch auf
beide deutlich genug hingewieſen; von Wichtigkeit aber war, daß
1) Wefterbolt hatte, wie e8 beißt, vormals in einem Dienftverbältnis zu
ihr geftanben.
Gregor XIII. und bie niederdeutichen Hochſtifter. 375
in dieſem Breve zuerft Johann Wilhelms Poftulation wenigſtens
indirekt beftätigt wurde, allem Anjchein nad; infolge der Ratichläge
des in Rom hochangeſehenen Statthalters Requeſens und feines
Bruders, des ſpaniſchen Botſchafters.
Das Breve vom 4. Februar wurde direft nad Köln an den
Nuntius Gropper gejandt, mit dem Befehl, es perjönlid in Mün—
fter zu überreihen. So kam es eher in Groppers Hände ala
das über Münfter gejandte Breve an die Senioren, und aud)
eher al3 das von Herzog Ernſt mitgenommene vom 17. Dezem:
ber. Am 18. März erihien Gropper nebſt feinem Gehilfen
Dr. Nikolaus Elgard in Münfter, wo fie fi drei Zage lang
alle Mühe gaben, den Dombherren die Zuſage abzuringen, daß fie
auf die Wahl des Bremer Erzbiihofs, als eines nicht von fatho=
liſchen Eltern geborenen Fürften, verzichten wollten. Die faft
vollzählig anweſende Seniorenpartei jtimmte dem Nuntius bei,
daß Heinrid) von Lauenburg durch das Breve deutlich) genug aus:
geichloffen und fie als geiftlihe Perjonen verpflichtet jeien, ihrer
geiftlichen Dbrigfeit zu gehorchen; dagegen verſicherten die Führer
der Junioren, der Burjener Bernhard Schmijing und der Statt:
halter Welterholt, zwar au, fie wollten dem Papſte gehorjam
bleiben und einen katholiſchen Fürften poftulieren, meinten aber,
e3 könne recht wohl jemand jelbit katholiſch jein, wenn auch feine
Eltern das nicht jeien; Erzbiſchof Heinrich ſei aber, wie fie nicht
anders wühten, Fatholiih, fer al3 folder in anderen Stiftern (zu
Osnabrück) poftuliert worden, habe Profeſſio fivei geleiftet, fatho-
liſche Sakramente empfangen u. j. w. Gropper gab zu, daß
Heinrid in der That zweimal durch Lorenz Schrader um feine
Konfirmation nahgefuht und Profefjio fidei angeboten habe, jedod)
mit einer SKlaufel, welche nicht angenommen werden fonnte;
daraufhin ſei Schrader wiedergekommen und babe gefagt, „Sein
Herr wolle e3 bleiben lafjen‘.
Ein viel gemwichtigeres Motiv für Rom, den Bremer Erz:
biſchof nicht zu beftätigen, war erjt neuerdings hinzugekommen:
am 25. Dftober vorigen Jahres Hatte fid) Heinrih zu Hagen im
376 Fünfte Buch. Viertes Kapitel.
Lande Bremen durch einen evangeliihen Prediger in aller Form
ehelich trauen laffen. — Als Student zu Köln wohnte Heinrid)
mit jeinem jünger Bruder im Haufe des Profeffors und Stadt-
iyndifus Dr. Konrad Begdorp. Hier fing er mit deifen Mündel
Anna von Broich, der Tochter eines bormaligen Kölner Bürger:
meifters, ein Liebesverhältnis an und lebte mit ihr nachher auf
jeinen Schlöſſern im Bremiihen. In der Urkunde über die
Trauung, welde der Schloßprediger Gade nebfl vier Zeugen aus—
itellte, heißt e3, der Erzbiihor habe ihm als jeinem Baftor und
Beihtvater zu erkennen gegeben, daß er die Gabe der Keujchheit
nicht befige, daher, um dem Zorn und der Strafe Gottes nicht
anheimzufallen, in die Ehe treten wolle. Er, der Prediger
babe diefen Entihluß gebilligt und die Trauung nad) den Ord—
nungen der Kirche mit Jawort, Handſchlag und Trauringen voll
zogen. Natürlih wurde diefe Zrauung geheimgehalten, jo daß
Gropper gleich manchen anderen Leuten nur gerüchtmweife darum
mußte und amtlich gegen den Bremer Erzbiihof feinen Gebrauch
davon machen konnte). Daß der Grund, auf welden hin er
fih in Münfter gegen Herzog Heinrich erklärte, deſſen Abftammung
bon unlatholiihen Eltern, nicht ftihhaltig ſei, ſah Gropper felbft
wohl ein; auf ihn Hin hätte 3. B. auch dem Mindener oder dem
Straßburger Biihof die Konfirmation verweigert werden müſſen.
1) Wiedemann a. a. O, ©. 177; vgl. Kobbe I, 318f. Ennen
V, 70, Anm. 1. Nah Gelenius 1. c., p. 639 war Annas Bater Heinrich
von Broih viermal Bürgermeifter, in ben Jahren 1542/1551. — Schon
am 21. Dezember 1575 fchreibt der kölniſche Kanzler Burkhart an Elfen-
heimer (RA. Münfter II, 518): „Es bat fi, ut dieitur, mit ainer furft«
fihen perfon ecclesiasticae administrationis, feit wir in Regensburg ge
weſen, ain jelzame mutation begeben, mihi quasi incredibilis. Si praesens
plura.“ Nach dem Zufammenhang gebt das eben auf Erzbiſchof Heinrich.
Genaueres berichtet Dandorf aus Düſſeldorf 10. März 1576 an feinen
Herzog (RA. Münfter III, 87): „Dan fovil den erzbifhove zu Bremen be-
trift, der ift nicht allain er profefjo Iutherifch, fonder es geet bie jag bißer
orten, fonderlih am bieigen hof für gewiß, wie fich der zu ainer burger-
meifter8 tochter von Köln verheurat, bie er albereit bei ime auf ainem bes
erzftift8 hauſe figent, mit ir auch, wie ich glaubwurbig bericht, gleihwol in
der ftil ſchon intronifirt und ehelich eingelait worben.“
Gregor XIII. und die nieberdeutfchen Hochſtifter. 877
Die Juniorenpartei machte gegen Gropper geltend, daß das
Breve vom 4. Februar den Erzbiſchof nicht nenne, ihnen aber
eine Deklarierung des Breves nicht zufomme. Man folle aljo von
Rom fpezielle Erklärung fordern, welchen von beiden Bewerbern,
den Bremer Erzbifhof oder den Freifinger Biſchof, der Papft bes
ftätigen wolle. Die Senioren ftimmten zu, ohne mit einem Wort
zu verraten, daß fie jelbit jchon im November vorigen Jahres
diefe Frage an den Bapft gerichtet hatten. Ferner willigten fie
ein, dab Herzog Wilhelm neuerdings aufgefordert und auch der
Papft gebeten werde, den Poftulierten refignieren zu laffen, damit
man zu neuer Poftulation ſchreiten könne. Das Schreiben des
Kapitel3 an den Papft (dat. 20. März) zeigt die Spuren des
dorausgegangenen Disputs: Sie feien zwar alle bereit, heißt es
darin, einen fatholiihen Fürften zu poftulieren, doch ſcheine es
einigen bon ihnen zu genügen, wenn der Betreffende für jeine Per-
fon fatholif, wie dies bei dem Poftulierten von Bremen und
Denabrüd der Fall fei; dagegen wollten die meiften Senioren
lieber den Sohn des bayriihen Herzogs poftulieren. Um alfo
den Übeln einer zmwiejpältigen Wahl vorzubeugen, möge der Papft,
unbejchadet ihrer Privilegien und Gewohnheiten, erklären, weſſen
Poſtulation er, falls einer von diejen beiden Herren poftuliert
werde, lieber beftätigen wolle. Hierzu jei aber vor allem nötig,
daß dem jungen Herzog von Jülich geftattet werde, auf feine Po—
ftulation zu verzichten.
Biel rückhaltloſer als über den Papft äußerten die Junioren,
Dr. Gropper gegenüber, ihren Verdruß über Herzog Wilhelm und
die Senioren. Es ehe aus, jagte Wefterholt u. a., als wolle
man die Poſtulation erblih machen und das Kapitel zu einer
Voftulation zwingen. Den Bwieipalt hätten die Senioren ver—
ſchuldet, indem fie ſich verabredet, felbft wider den Willen der
anderen, den Freifinger Biſchof, der fein Nahbar, zum Biichof
zu machen; die von Raesfeld wollten das Regiment allein
haben.
Nah Köln zurüdgefehrtt, traf Gropper bier den joeben
878 Fünftes Bud. Viertes Kapitel,
vom Paderborner Neuhaus wieder angelangten bayriſchen Rat
Hans Jakob von Dandorf, welcher ihm die beiden älteren Breven
vom 17. Dezember und vom 28. Januar überreihte. Dandorf-
war Ende Februar an den Niederrhein gejchieft worden, meil
Kurfürft Salentin, anftatt weiterer Antwort auf Herzog Albrechts
Schreiben vom vorigen November, verlangt hatte, der Herzog jolle
wegen der Stifter Köln und Müniter eine vertraute Perſon zu
mündliher Beiprehung jenden. Da man in München noch immer
annahm, es jei Salentin nicht recht Exnft mit dem Rücktritt von
Köln, fondern mehr um Münfter zu thun, jo war Dandorf bes
auftragt, hauptjächlic auf Feſtſetzung einer gewiſſen Zeit für die
Nefignation zu drängen, wegen Münfter aber auf nichts Verbind—
liches ſich einzulaffen. In Düffeldorf billigten die anmejenden
Räte (Drsbed, Schwarzenberg, Gimnich, Langer), dann aud der
Herzog ſelbſt dieſe Inſtruktion und meinten, bei ernftlichem Be:
treiben werde man, wenn aud mit einigem Verzug, nicht nur in
Münfter zum Ziele kommen, jondern fid) dadurch fogar den Weg
nad Köln erleichtern. Doch trat damals aud ein Ratſchlag
anderer Art an Dandorf heran; er kam von dem Herrn von
Rheidt, Dit von dem Bylandt, dem wir bei den Verhandlungen
über Johann Wilhelms Koadjutorie wiederholt begegnet find. In
einem Briefe an den Kammerſekretär Langer bot ſich dieſer eben
jegt als Vermittler an, um dem Freifinger Biſchof das Erzſtift
Köln zu verichaffen. Er behauptete einen eigenhändigen Brief
Salentins gelefen zu haben, worin dieſer erkläre, daß er ohne
Wiſſen und Willen des Bremer Erzbiihofs die Kurwürde nie:
manden refignieren werde. Beide Herren, meinte Rheidt, feien
einander jo verftrict [verbunden], daß einer ohne den andern
nicht3 thun könne oder wolle. Rheidt machte ſich nun anheiſchig,
durd) ein paar Vertraute des Bremer Erzbiſchofs, von denen er
diefe Dinge erfahren, e3 dahin zu bringen, dag Heinrich und feine
Anhänger im Kölner Kapitel dem bayriichen Herzog ihre Stimmen
gäben, wogegen diefer nur dem Bruder des Erzbischofs das Stift
Hildesheim, „oder dergleihen Heinen Stüde eines‘ zu überlafjen
Gregor XII. und die niederdeutſchen Hochftifter. 379
braude. Nah Ditern, wenn Salentin zu Neuhaus fei, Heinrich
aber auf der Iburg, Fönnten diefe Dinge auf dem in der Mitte
gelegenen Sparenberg (bei Bielefeld, wo Rheidt Amtmann war)
jehr bequem abgemadht werden. — Ohne Zweifel hatte der Herr
von Rheidt diefe Dinge von beteiligter Seite felbit erfahren, und
zwar in der Abjicht, ihn als Mittelsmann zu benugen; man wird
zunächſt an Lorenz Schrader zu denken haben, Herzog Heinrichs
Faktotum in der münfterihen Wahljache, mit welchem Aheidt von
früherher befannt war. „Das Heine Stüd‘ aber, auf welches
Bayern verzichten follte, war natürlich nicht etwa Hildesheim,
fondern eben Stift Münfter.
Als Dandorf aht Tage jpäter (am 18. März) zu Kurfürft
Salentin nah Neuhaus kam, entwidelte ihm diefer ganz rüdhalts-
103 feinen köln-münſterſchen Plan: er habe vor, bereit3 am 1. Sep-
tember diejes Jahres zu refignieren, um fi zu verheiraten, und
jei feſt entihlofjen, dem Freiſinger Aominiftrator nah Köln zu
verhelfen; er ſprach jodann eingehend über Mittel und Wege, wie
man das Kölner Kapitel und die einzelnen Kapitularen gewinnen
önne; einen SKapitelplag 3. B. könne fi) Herzog Ernſt durch
Refignation des geiftesihwahen Grafen Wilhelm von Reiffericheid
verichaffen. Zwar hätten ihm die proteftantiihen Stände mehr
al3 100,000 Kronen geboten, wenn er dem Bremer Erzbiichof
nad Köln verhelfe, aber das verbiete ihm fein Gewiſſen, da der-
jelbe in der Religion nicht sincerus fei. Stift Münfter dagegen,
mo Herzog Heinrid) bereitS 22 (?) Stimmen babe, folle man
demfelben überlajjen; Herzog Ernſt pafje auch nicht dahin, „denn
e3 feien ſeltſame, grobe, wandelbare Leute, ſowohl unter den Dom:
herren al3 unter Amtleuten und Ritterihaft, die um einen jungen
Herrn, der ihrer Gebräuche nit erfahren, nicht viel gäben und
jelbft Herren fein wollten‘. Durch Verzicht auf Münfter werde
Ernft jih Stimme und Einfluß des Bremer Erzbiſchofs bei der
Kölner Wahl fihern. Anfangs April wolle er, der Kurfürft, eine
Reife nad) Italien und Spanien machen, zubor aber periönlich
mit dem Herzog von Jülich über diefe Dinge reden und aud)
3830 Fünftes Bud. Bierted Kapitel.
nah Münden kommen. — Dandorf verfprad über alles zu be=
richten und ging dann zunächſt wieder nad Düfjeldorf, wo man
beichlog, zwar, gemäß Salentins Rat, mit den Kölner Domlapi—
tularen in Verhandlungen zu treten, aber, trotz demielben, die Be—
werbung um Münfter ernſtlich fortzufegen. Herzog Albrecht könne
fi) bei Salentin durch Verweiſung auf den Herzog von Jülich,
das münfterfhe Kapitel und den Papft entidhuldigen, den Bre—
mer Erzbiihof aber zwiſchen Furcht und Hoffnung in der Schwebe
balten.
Eben war Dandorf von Düffeldorf abgereift, al3 der Nuntius
Gropper dort eintraf, um über feine Verhandlung in Münfter zu
berichten. Er war perjönlich der Meinung, dag man die beiden
ihon jo alten Breven zurüdhalten und neue Antwort von Rom
abwarten folle. In Düfjeldorf aber fand man für ratſam, wenig-
ftens das Breve an die Senioren (vom 28. Januar), welches den
Bremer Erzbiihof mit Namen von der Konfirmation ausſchloß,
noch nadhträglich abzugeben. Gropper machte ſich alfo Anfangs April
mit Elgard zum zweitenmale auf nah Münfter, wohin er zugleich
eine Antwort des Herzogs auf das letzte Schreiben des Kapitels mit-
nahm: — der Herzog wiederholte feine frühere Forderung, das Ka—
pitel ſolle jich vorerft über eine wohlgeeignete Perſon vergleichen,
dann wolle er jie ungern an neuer Wahl hindern . Gropper
fand jedoch bei feiner Ankunft in Münſter (4. April) die allge
meine Stimmung noch ungünftiger für Bayern als das erfte
Mal. — Das war zunächft bewirkt worden durd) eine aus fieben an=
gejehenen bremiſchen und osnabrüdiichen Domherren und Räten be=
ftehende Geſandtſchaft, welche vor einigen Tagen (amı 29. März)
in Münfter in aller Form erklärt hatte, ihr Herr wolle fih auf
die ihm beim Martini-Sapitel des letzten Jahres angebotene Kapi—
tulation und Poftulation als auf eine göttliche Fügung einlafjen,
1) Schärfer hatte Herzog Wilhelm bereit8 einige Wochen vorher gegen
Abgeorbnete der münſterſchen Regierung ausgefproden, baß er unb ber
bayrifche Herzog ihrer Reputation wegen von der Poftulation nicht abſtehen
tünnten.
Gregor XIIL. und bie nieberbeutihen Hochſtifter. 381
und jei bereit zu geloben, daß er das Stift Münfter bei der
orthodoren latholiſchen Religion handhaben, nichts was er vorfinde
ändern, den größern Zeil des Jahres im Stift oder in der Nähe
tefidieren werde u. f. m. Zwar hatte das Sapitel nad) langer
Diskuffion beſchloſſen, zur Zeit auf diefen Antrag nicht einzugehen,
weil man zubor die alte Poftulation wieder in Händen, aud) Ant-
wort vom Papfte haben müſſe; aber auf die einzelnen Domherren
hatte die Gefandtihaft ohne Zweifel großen Eindrud gemadt.
Die Gejandten aus beiden Stiftern rühmten Heinrihs Perſon
und Verwaltung ganz ungemein: „in vielen Fahren‘, fagten fie,
„ſeien fie unter feinem Herrn jo ſtattlich geſeſſen, wie unter
dieſem“. Solches Lob wog beionders jhwer aus dem Munde
bon Leuten, die wie der Dsnabrüder Senior und Thejaurar Kon—
rad von Setteler oder der Droft zu Iburg Gerd von Ledebur
jelbft der münſterſchen Ritterfhaft angehörten. Im Domtapitel
fielen damals bereit3 Worte, welche zeigten, daß man anfing, ſich
von Rom zu emanzipieren. Das päpftlihe Breve, fügte u. a.
Weſterholt, jei den Konlordaten der deutſchen Nation zumider;
denn man wolle dem Kapitel vorichreiben, was für eine Perſon
e3 poftulieren jolle; die Erklärung des Herzogs von Jülich
und das Breve jeien „lauter praftiziertes Werk‘, u. dgl. ſpitze
Reden. Die bremiihen Gefandten felbft ermahnten das Kapitel,
ihre alte Freiheit fi) nit vom Papſte nehmen zu lafien. —
Auch bei der Neuwahl eines Scholafters an Diepenbroid3 Stelle
(am 30. März) zeigte ſich die Gefinnung der Mehrheit; denn die
Wahl zu diefer Würde, der nächſten nad dem Dekanat, fiel auf
den Führer der bremiihen Partei, Konrad von Wefterholt.
Al3 nun Dr. Gropper am 5. April wieder im Kapitel er:
Ihien und auf Grund des Breves vom 28. Januar dasjelbe auf-
forderte, nunmehr den Bremer Erzbiſchof fallen zu laſſen Y, fahen
1) Bon dem Breve vom 17. Dezember ift zwar nachher faum mehr bie
Rebe, es muß aber damals mit überreicht worden fein, da Kopie bavon als
Beilage in einer Schrift der Senioren vom Jahre 1577 erfcheint.
382 Fünftes Buch. Viertes Kapitel.
fi) die Senioren genötigt einzugeftehen, welde Anfrage fie vor—
dem, ohne Willen ihrer Mitlapitularen, an den Papft gerichtet
hatten; der Dechant verwahrte fich übrigens gegen den Vorwurf,
al3 hätten fie mit diefem Schreiben Praltifen getrieben, und
verficherte, fie feien bereit nachzugeben, falls der Papft den
Bremer Erzbiihof beftätigen wolle. Weſterholt wiederholte da=
gegen namens der Junioren, daß aud fie dem Willen des
Bapftes gemäß, aber unbejhadet ihrer Statuten und Privilegien,
einen fatholiichen Biſchof wählen wollten; zunächſt müſſe jedoch
Herzog Johann Wilhelm zurüdtreten, damit es nicht eine er—
zwungene Poftulation ſei. — Trotz allen Gegenvorftellungen des
Nuntius jegten die Junioren einen Kapitelsbeihluß durch, daß man
fi) jet auf weiter nichts einlaflen, fondern erſt alle Abweſenden
zum Behuf einer Vergleihung auf den Mittwoch nah Dftern
(25. April) beichreiben wolle.
So verließ denn Gropper die Stadt zum zweitenmale unver
richteter Dinge; mit fih nahm er die im gejelligen Verkehr ge-
ſchöpfte Überzeugung, daß das ganze Werk auf dem Kölner Kurs
fürften beruhe: man warte ab, ob es ihm nicht gelingen werde,
die Herzöge von Jülich und Bayern, vielleiht aud den Papft
jelbft, für den Bremer Erzbiſchof zu gewinnen.
5. Kapitel.
Die köln-münfterfhe Frage und die Freiftellung zur Beit
des Regensburger Reichstags.“
Anfangs April begab ih Kurfürft Salentin aus Weftfalen
wieder an den Rhein, nad) Schloß Kaiferswerth, von wo aus er
eines Morgens (am 6. April) ganz in der Frühe nach dem nahen
Düfjeldorf kam und fi felbjt beim Herzog zugafte (ud. — Ein
ſolcher „Überfall“ unter befreundeten Fürſten galt als beſonderer
Beweis eines herzlichen Verhältniſſes. Bisher war freilich nicht
viel Herzlichleit zwiſchen Salentin und Herzog Wilhelm zu ſpüren
gewejen. Der Redtsftreit der beiden Herren über die Einkünfte
* Quellen: Bayrifch= jülichſche Korreſpondenz die Bewerbung um Münfter
und Köln betr. AU. Münfter III u. IV. DU. 28°; vgl. 0. ©. 266.
Einzelneg auch AA. Lüttih T. I. StA. 38/3 u. 8; 227/383. DA.
Bolit. Begebenheiten 17 und DA. Köln. Domftift 323%. — MX.
Domkap.-Protok. Zwei wichtige Brieflopieen aus ben Papieren bes
Domdechanten Raesield (Kurfürft Salentin am den Erzbifhof von
Bremen 16. April 1576 und Dr. Egeling an ben Erzbifchof von
Bremen 16. Aug. 1576) MrA. Land. U. 1. 10h (vgl. 0. ©. 267). —
Berichte an den Papft und päpftliche Breven bei Theiner II, 152qg.
u. 522sqq., barunter auch einzelne Briefe des Nuntius Delfino und
des Kardinals Morone über ben Regensburger Reichstag. Die
ältere Litteratur über biefen hat Häberlin a. a. O. Bd. X verzeichnet
und ercerpiert. Ergänzungen zu Häberlin aus Braunfchweiger Archi—
valien in: [Schmibt-Phifelied] Hiftorifhe Miscellaneen, 2. ZL,
Halle 1784. Ferner bei Groen van Prinsterer V, Nr. 590/1.
605. 622. Aretin, Marim. L, ©. 213ff. Kluckhhohn II, Nr. 862,
384 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel.
des Kölner Klerus im Füliher Land, dann der über die Pfand:
ihaft Kaiſerswerth hatten auch auf ihren perfönlicen Verkehr
ftörend eingewirkt. Es lag in Salentins Temperament, alle feine
Rechts- und Befigftreitigleiten perjönlid zu nehmen; anderſeits
betrachtete der Herzog die Wiedereinlöfung von Kaiferswerth
gleichſam als Ehrenſache feines Haujes: auf feinen Wunſch hatten
fih der Kaifer und Herzog Albredt von Bayern aufs wärmſte
bei Salentin dafür verwendet, daß dieſer nicht jo eigenfinnig auf
dem Prozeßweg beftehe, jondern Austrag zulafien möge, — aber
vergeblih ). Herzog Wilhelm, ohnehin ein armer kranker
Mann, war daher anfangs nicht wenig erſchrocken über den uner:
warteten Beſuch, und hatte Mühe, ſich jo weit zu fafjen, daß er in
Perſon, nod im Nachtkleid, feinen hohen Gaſt empfangen konnte.
Nachher hörten die beiden Herren zuſammen Predigt und Hod:
amt; dann trug Salentin, in Gegenwart von Drsbed, Gimnich,
Schwarzenberg und Langer, dem Herzog feinen föln = müniter:
hen Plan vor, etwa jo wie bor einigen Wochen zu Neuhaus
dem bayriihen Rat Dandorf. Der Herzog redete fih damit aus,
866. 869. 878ff. (bis zum Schluß). Bon ungebrudten Quellen be
nutzte ich bie bayrifche Reichstags - Korrefpondenz StA. 161/12 und
162/11. Daſelbſt 162/15 Brucftüd des Tagebuches eines Kurpfälzer
Rates (Wolf Haller?). Einige eigenhändige Briefe von Kaifer Marir
milian und Herzog Albrecht, den Neihstag und die Deklaration be
treffend, RU. Ofterr. Saden, T. VII. Bgl. Bezold a. a. O,
S. 198fj. Relation der Gefandten ber Wetterauer Grafen, Rai—
munbus Pius Fichard unb Mag. Joh. von Rehe DillA. R. 408. —
Über die Betreibung ber Freiftelung und Dellaration vor und auf
dem Reichstag einzelne Nachrichten auch im Tagebuch Nr. III des Gra-
fen Ludwig von Wittgenftein (1574/79) in ber Berleburger Biblio-
tel, vgl. 0. ©. 2905. Ein Tagebuch besfelben liber bie Zeit feines
Regensburger Aufenthaltes Liegt leider nicht vor. Sonſtige Brud-
ftüde aus ber Korrefpondenz ber Wetterauer Grafen BA, Lit. K. 7
u. 29. Di. R. 469; G. 80; Dill. Korrefp. 1574—1576. MU.
Reg. U. Schubl. Rep. II. Eell. 6. Bol. III.
1) Bgl. 0.6.39 u. 185. Bayrifche Korreſpondenz betreffend die Einlöfung
‚von Kaiferswerth RA. Gülch und Cleve T. I.
Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. des Reichſstags von 1576. 885
daß er bereit3 befchlofien habe, wegen des Zwieſpalts der Dom-
herren feinen Sohn nod einige Zeit beim Stift Münfter zu
lafien, aud) dem Papſte und dem bayrischen Herzog nicht vor—
greifen dürfe u. dgl. Dennoch ſchied Salentin mit dem Eindrud,
dag Herzog Wilhelm perjönlid dem Bremer Erzbiihof nicht ab:
geneigt jet und nur verlange, dab zubor das Haus Bayern für
feinen Plan gewonnen werde. Salentin ſchrieb aljo an den
Bremer Erzbifhof, diefer möge, um die beiden Bedenken wegen
feiner Religion und feiner angeblien Heirat zu heben, baldigit
eine bündige Erklärung abgeben, „damit man den Leuten die
Mäuler zuftopfen und die Sahe zum gewünjchten Ende bringen
fönne “.
Herzog Heinrih war ohnehin niht der Mann, der «3,
feinen Zwed zu erreihen, an böflihen Redensarten fehlen lieh.
So hatte er jüngft, ehe er feine Gefandten nah Münfter ab:
ordnete, den Herzog bon Jülich brieflih in der beicheidenften
Weiſe gebeten, diefer möge die ihm nad göttliher Fügung ange—
tragene Wahl, wenn nit unterjtügen, jo doch nicht verhin-
dern; dafür wolle er demjelben ein guter Freund und Nachbar
werden.
Als er dann erfuhr, daß Gropper auf Grund des Breves vom
4. Februar feine Poftulation bekämpft habe, fchrieb er an den
Papft jelbft (aus Börde, 1. April) und bat, durd ein anderes Breve
an das Kapitel foldher Deutung zu widerfpreden; S. Heiligkeit
fönne aus diefem wie aus feinen früheren Briefen, und aus der
Bereitwilligkeit, mit der er fi einer Prüfung feiner Perſon
unterzogen babe, feine volllommene Ergebenheit zur Genüge er—
ſehen; außerdem habe er vor, demnächſt durch eigene Gejandte die
Gründe vorzutragen, weshalb die eine feiner Profeffio fidei bei—
gefügte Klauſel feiner Beftätigung nit im Wege ftehen dürfe.
Nunmehr, auf Kurfürft Salentins Brief Hin, beauftragte Heinrich
feine nad) Regensburg zum Reichstag gehenden Gejandten, auch
den bayriichen Herzog um Überlaffung von Stift Münfter zu
bitten, wo er jiebzehn, Herzog Ernſt aber nur zehn Stimmen
Lofſen, Köln. Krieg I. 25
386 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
für fi babe; dagegen molle er diejen „in gleihmäßigen Sachen“
(d. 5. bei der Kölner Wahl) nad Kräften befördern.
Während Kurfürft Salentin unterwegs nah Münden war,
murde auf dem münfterichen Generalfapitel am Mittwoch nad
Dftern (25. April) nochmals ein vergeblicher Verſuch gemacht, die
beiden feindlichen Parteien unter einen Hut zu bringen. Nuntius
Gropper war dazu wieder jamt feinem Gehilfen Elgard erichienen;
ferner namens des Herzogs von Jülich Heinrid) von der Rede nebit
dem Düffeldorfer Amtmann Dietrich bon der Horft und dem Licen-
tiaten Loumerman. Sie hatten den Auftrag, die Domherren
nochmals aufzufordern, ſich mit dem Herzog über die neue Poſtu—
lation zu vergleihen; — menn nicht, jo jei der Herzog ent-
ichloffen, feinen nunmehr fonfirmierten Sohn jo lange beim geift-
lihen Stande und beim Stift Münfter zu laffen, als dies dem
Papfte gefällig. Hier mar alſo das Breve vom 4. Februar
jo gedeutet, al3 jei dadurch Johann Wilhelm bereits fonftrmiert.
Antwort von Rom auf die Anfrage des Kapitel3 wegen der bei-
den Gegenbewerber war noch nicht eingetroffen; Gropper hatte
jedoch wieder ein neues Breve an das Kapitel (vom 17. März)
erhalten, welches auf das Drängen von Dr. Fabricius ausgeftellt
worden war, der fi über die von Rom anderen Leuten (näm—
(id) dem Erzherzog Ferdinand) bemiejene, jeinem Herrn aber vor—
enthaltene Gunft bitter bejchwert hatte. Mit der Form dieſes
Breves war nachher freilich der bayriſche Gejandte nicht ganz zus
frieden: denn es pries in jo ſtarken Worten Herzog Albrechts
Eifer für die katholiſche Neligion und feinen Haß gegen die Peſt
der Hürefie, dab jeder Kundige befürchten mußte, e3 werde in
Münfter eine der beabfichtigten entgegengefegte Wirkung haben.
Darum fanden Gropper und Herzog Wilhelms Gefandte rat-
jam, lieber gar feinen Gebrauch von dieſem Breve zu machen,
fondern wieder nur auf Grund der früheren Breven die Poſtu—
lation des bayrischen Herzogs zu empfehlen). Drei Tage lang,
1) Das Original de8 bei Theiner II, 163 abgebrudten Breves vom
17. März mit umerbrocdhenem Siegel DA. 28°, fol. 168.
Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 887
vom 26. bis zum 28. April, gaben ſich Gropper und Elgard,
fowie die jülihichen Gefandten, namentlic) Red, alle Mühe, die bre-
mischen Botanten auf ihre Seite zu ziehen. Aber nur Zoft Drofte,
der die legten Male ſchwankend geftimmt Hatte, verſprach jekt den
Senioren, in Zukunft feft zu ihnen zu halten, während Wefterholt
allen aus dem kanoniſchen Recht hergeholten Argumenten für Her:
zog Ernſts Poſtulation als ſchlagfertiger Dpponent zu begegnen
wußte. Schließlich mußte Gropper zum drittenmale die Hoffnung
aufgeben, irgendetwas zu erzielen; er blieb überzeugt, die Junioren
ſeien ſo hartnäckig nur im Vertrauen darauf, daß der Kölner
Kurfürſt auf ſeiner Reiſe nach Bayern und nach Rom alle Hin—
derniſſe der bremiſchen Succeſſion wegräumen werde. Außerdem
waren die Junioren ohne Zweifel auch diesmal durch bremiſche
Geſandte (unter ihnen wieder Lorenz Schrader) ermutigt, welche,
angeblich um für ihren Herrn Kopie des Breves vom 28. Januar
zu fordern, bereits jeit dem 24. April in Miünfter ji aufs
hielten.
Beror Dr. Gropper Münfter verließ, verabredete ev mit den
jülichſchen Gejandten — jedenfalls mit Wiſſen und Willen des
Domdehanten —, da man in Rom das Erſuchen jtellen wolle,
den jesigen Poftulierten zu fonfirmieren und mit der Adminiftra=
tion des Stifts, unter Beiziehung von Dedant und Senioren,
zu betrauen. Auch wurde bereit3 die Frage aufgeworfen, ob nicht
der Papft die Rädelsführer — außer Weterholt noch Wilhelm
von Schenfing und den Senior Nagel — wegen ihres Unge—
horſams nad Rom vorladen jolle.
Acht Tage ſpäter, am 5. Mai, traf Kurfürft Salentin in
Münden ein; in feinem Gefolge befanden jih, neben Graf Karl
von Arenberg, auch drei Kölner Domlapitularen: Chriftoph La—
dislaus von Thengen, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Got:
frid Gropper. Herzog Albrecht war durch Dandorf und den Her:
zog von Jülich von dem eigentlihen Zweck dieſes Beſuches Längft
unterrichtet, hatte auch ſchon im voraus fat feierlih erklärt, daß
er zwar Salentins Anerbieten inbezug auf Köln annehmen, Stift
25*
3838 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel.
Münfter aber, weil Ehre und Gewiſſen ihm ſolchen Handel ver:
böten, dem Bremer Erzbiſchof nicht überlaffen wolle. Eine minder
ideale Erwägung lief freilich mit unter: er fürchtete, wenn er auf
Münfter verzichte, che ihm Köln gewiß, könne fein Sohn zwiſchen
zwei Stühle zu figen kommen und aljo den Spott ſamt dem
Schaden haben. In den Unterredungen, welche Salentin anfangs
mit dem Herzog jelbft, in Gegenwart von Elfenheimer und Dans
dorf, fodann, nad Herzog Albrechts Abreife in das Bad Üüber—
fingen, der Kurfürft und Dr. Gropper mit den beiden Räten allein
führten, wurden von bayrifher Seite wohl ein Dußend Gründe
geltend gemacht, weshalb man nicht auf Münfter verzichten könne:
religiöfe Bedenken, die eigene Ehre, Rüdfihten auf Spanien, auf
den Herzog von Fülih, auf Erzherzog Ferdinand, auf die bayri=
ihen Votanten im Kapitel, auf den Papſt. — Aber auch Sa—
lentin war um Gegengründe nicht verlegen: Erzbiſchof Heinrid)
jei gewiß fatholiih und er erwarte täglid von ihm einen Brief,
welcher das befräftigen werde; Herzog Ernſt habe nit die ge=
ringfte Ausfiht auf Münfter, paſſe aud nicht zu den feltiamen
Reuten dort; er wies hin auf die zu erwartenden Gegenvdienfte
der bremiihen Partei im Kölner Kapitel, vor allem aber auf
feine eigene Pflicht der Dankbarkeit gegen Heinrich, der in feinen
Kölner Irrungen treulid zu ihm gehalten. — Zuletzt gab Herzog
Albreht wenigſtens jo weit nad), daß er ſich für feine Perſon des
münfterichen Handels fernerhin nicht mehr annehmen jondern ab=
warten wollte, wozu Papft und Domkapitel ſich entichlöffen.
Ahnlihen Beſcheid erteilte er einige Wochen ſpäter Heinrichs Ge:
ſandten Dr. Gedeon Egeling und Hermann von der Bede, melde
ihn auf ihrem Wege zum Reichstag im Bad Überfingen (bei Geis—
fingen) aufſuchten. — Salentin feinerjeit3 erbot fi) gegen Herzog
Albrecht zur Fräftigen Mithilfe bei einer Bewerbung um Köln:
er wolle entweder mit Suipenfion und Erlommunilation gegen
die dem Haufe Bayern feindjeligen, häretiihen Domherren vor=
gehen und dadurd die Majorität der übrigbleibenden Wähler dem
bayriichen Herzog fihern, oder diefen mit Zuftimmung des Ka—
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1567. 889
pitel3 zu jeinem Koadjutor machen. Den eriten Weg widerriet
man in Münden, namentlid) mit Rüdjiht auf den bevorftehenden
Reichstag, wo man ohnehin die Freiftellung der Religion auf den
hohen Stiftern wieder eifrig genug betreiben werde; mit einer
Koadjutorie war man dagegen jehr einverftanden, oder auch damit,
daß Salentin einfach vefigniere, aber bei der Neumahl den Herzog
Ernft unterftüge. Für legteren Fall gaben die drei in Münden
mit anmejenden Domtkapitularen bereits gute Zufagen. Als Gegen-
dienft für Salentins Verjprehungen inbezug auf die Kölner Suc—
cejjion wollte Herzog Albreht bei König Philipp ſich dafür ver:
wenden, dab Salentin feine ſeit Jahren rücjtändige Penfion bezahlt
und die während des NReiterdienftes vor Mons gemachten Aus—
lagen vergütet würden ?).
Bon Münden aus wollte Salentin nad Rom, um jich dort
in Berjon des Papftes Zuftimmung zu feinem köln-münſterſchen
Plan zu holen. Dieſe römiſche Reife mißfiel aber dem Herzog
durhaus; bejondern Anftog nahm man in Münden daran, daß
der Kurfürft, jo wie er war, in weltlicher und militärischer Tracht,
in Rom erjheinen, auch dem Papſte die Füße nicht Füllen
wollte; man widerriet ihm alſo die Reife, befonders wegen der in
Stalien ausgebrochenen Peſt, fodann weil die Frage der Frei—
ftellung feine perjönlide Anmwejenheit beim Reichstag jehr wünjdens-
wert made. Nach Albrechts Abreiſe ins Bad blieb Salentin noch
ein paar Tage mit defien Söhnen zufammen, ergögte ſich in Mün—
hen und Starnberg mit Jagen, Fiſchen und Trinken, und ritt
1) Die bayrifchen Akten über dieſe Befprechungen mit Salentin babe ich
bisher, abgefehen von ein paar Briefen Elſenheimers StA. 230/5, in ben
Münchener Archiven nicht gefunden, entnehme daher meine Erzählung haupt»
fählih dem an Herzog Jülich darüber erftatteten Bericht DA. 28°, fol. 242,
welcher ohne Zweifel alles Wefentliche getreu enthalten wird; vgl. 0. S. 266. —
Herzog Albrechts Brief an ben Erzherzog Ferbinandb, worin er über Sa-
lentins beabfichtigte Romreife berichtet StA. 161/12, fol. 377. Über Sa-
lenting Aufenthalt am Starnberger See ein eigenhänbiger Bericht von Herzog
Ernft an feinen Vater im Münchener Hausardiv.
30 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
dann weiter nad Innsbruck, wo ihm, auf Albrehts Veranlaffung,
aud) Erzherzog Ferdinand die Reiſe nad) Italien auszureden
ſuchte. Wirklich ließ ſich Salentin überreden, wenigftens die Rom:
reife aufzugeben und nur bis Venedig zu gehen —, von dort
dann zurüd zum Reichstag. Auf dem Weg nad) Venedig jchidte
er feinen Rat Dr. Gotfrid Gropper ftatt jeiner weiter nad)
Rom. — In Innsbrud hatte ihm Erzherzog Ferdinand den Wunſch
borgetragen, feinen Sohn Andreas nad Münfter zu bringen, mar
aber damit entichieden abgewieſen worden ?).
Die Nachricht, daß Kurfürft Salentin in Perfon nah Rom
fommen wolle, hatte dort und allerwärts die mideriprechenpditen
Gerüchte hervorgerufen; die einen brachten die Reiſe mit den
niederländischen Dingen in Zujammenhang; andere, wie Dr. Fabri—
cms, Schon richtiger, mit Salentins Heiratsplänen: man bes
hauptete, Salentin wolle eine Tochter der gefürfteten Gräfin von
Arenberg heiraten und deren Sohn, feinem fünftigen Schwager
Karl, nad Köln verhelfen; wieder andere, wie Graf Johann von
Naſſau, hielten das Projekt einer Reiſe nad Italien und Spanien
1) In einem Gutachten ber Räte bes Erzherzogs vom 20. Anguft 1576
(Kpt. IQ. Ferdin. fol. 110, Nr. 135) fommt folgende Stelle vor: „bieweil
e. D. von dem curf. von Cöln alberait diſe erclerung empfangen haben, das
biefelbe den von Bremen zu dem bistumb Munfter zu befurbern furhabens
und bavon nit weichen wil, fo ift diß orts fchlechte und vaft fein hofnung
zu machen”. — Dagegen heißt e8 in einem fpätern Bericht bes kurſächſiſchen
Nates Dr. Andr. Paul über ein Geſpräch mit Kurfürft Salentin (vom
26. März 1577. Dr. loc. 8926): „haben ſ. ch. ©. mir angezeigt, bad
verfchienen jar, auf f. cf. G. wiberreife aus Italia, erzh. Ferbinant f. ci. ©.
zu Insprud vermelbet, daß ber pabft f. f. D. für bero fün einen hofnung
zum ftift Cöln gemacht, aber f. cf. ©. hetten alsbald gefagt, daß es un-
muglich were und f. f. D. durften folches im irem fin mit nemen, nund wer
f. f. D. die gelegenbeit befier befent, ban f. cf. ©. fagen konten“. — Ih
nehme an, daß entweber Dr. Paull ben Kurfürften nicht richtig verſtanden
hatte und deshalb Kölu und Münfter verwechfelt, ober baf ber Erzherzog
wirklich gleichzeitig wegen Köln und wegen Münfter anfragte. Ob das Ge
fpräh auf der Hin- und Rückreiſe Salentins ftattfand, ift unweſentlich; mir
ift Übrigens von einem zweimaligen Aufenthalt Salentins in Innsbrud nichts
befannt.
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 391
gar nicht für ernft gemeint. Das war jedoh zu viel Mißtrauen:
es ift wohl glaublich, daß Salentin neben der Luft am Reifen
wirklich die Abfiht hatte, beim Papite feinen köln- münfterfchen
Plan, bei König Philipp aber feine Geldgeihäfte perſönlich ins
Reine zu bringen; daß er dann nicht weiter fam als bis Venedig,
wo man ihm große Ehren erwies, war veranlaft einesteils durch
das gefährliche Auftreten der Peſt, andernteil3 durch Kaiſer Maris
milians Wunſch, den Kurfürften in Perſon beim Reichstag zu
ſehen.
Eine allgemeine Reichsverſammlung war bereits auf dem
Wahltag des vorigen Jahres beſchloſſen und bald nachher auf
den Februar 1576 nach Regensburg ausgeſchrieben worden.
Allerlei andere Angelegenheiten, beſonders die neue Bewerbung
um die polniſche Krone, nötigten dann den Kaiſer, den Reichstag
bis zum 1. Mai zu vertagen; ſchließlich wurde es Mitte Juni,
bis Maximilian ſelbſt in Regensburg eintraf. Der Kaiſer er—
wartete dom Reichstag vor allem eine ausgiebige Türkenhilfe,
zum beifern Schuße der Grenzen des Reiches gegen den Exbfeind
der Chriſtenheit. Hauptſächlich darum wünſchte er die perjönliche
Anmejenheit möglichſt vieler Fürften; auf das Erſcheinen eines fo
gut deutich gefinnten, ihm perjönlich ergebenen, dabei Eriegsluftigen
Herrn wie Kurfürſt Salentin modte er beiondern Wert legen.
Dagegen ſahen die meiften anderen Leute, hoch und nieder, viel
weniger wegen der Zürkennot dem Reichstag mit Spannung ent:
gegen, al3 weil fie von ihm folgenreihe Beſchlüſſe in den kirchen—
politiihen Streitfragen erwarteten. Auf dem jüngiten Wahltag
war die Frage der Freiftellung wieder einmal angeregt, außerdem
fehr entichieden die Beitätigung der Ferdinandeischen Deklaration
gefordert worden. Nur durch das Beriprechen, dieſen legten
Punkt auf dem nächſten Reichstag richtig zu machen, hatte damals
Marimilian die mweltlihen Kurfürften beſchwichtigt. Der Grund,
weshalb fie die Deklaration in den Neligionzfrieden aufgenommen
haben wollten, ihre Beſorgnis vor der fatholiihen Reftauration
in ihrer Nähe, war feither nur ftärker geworden. Denn, unbe
392 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel.
fümmert um des Kaiſers Zufage auf dem Wahltag, ſetzten der
Abt von Fulda und der Mainzer Kurfürft in der Buchau und
auf dem Eichsfeld die Gegenreformation fort. Der Plan, beim
Reichstag die Freiftellung zu betreiben, wurde zunächſt wieder
durch die Wetterauer Grafen verfolgt. Bald nad dem Wahltag
hatte ſich der pfälziſche Großhofmeiſter, Ludwig von Wittgenftein,
in feine Heimat nad) dem Weſterwald begeben, wo er ſich den
Winter über mit anderen Wetterauer Grafen mit Vorberatungen
wegen der Freiftellung beſchäftigte. Es ſchien vor allem nötig,
ih die Mitwirfung des niedern Adels zu verichaffen. Die
Grundlage war gegeben, injofern auch unter der Reichsritterichaft
und dem landjäfjigen Adel, beionders in Franken, Thüringen und
Sachſen, nit minder wie unter den Grafen die große Mehrheit
fich) zur Augsburger Konfeifion bekannte, demnach wünſchen mußte,
daß ihren Söhnen beim Eintritt in geiftlihe Stifter nicht das
Joch des Papfttums auferlegt werde. Hinderlih aber war das
Mißtrauen der Nitterichaft, dab es jekt den Grafen mie früher
den Fürften mehr um die Einziehung der geiftlichen Güter
al3 um die Freiftellung der Religion zu thun fe. Traten doch
die Grafen dem Nitteradel gegenüber ebenjowohl als der höhere
Stand auf, wie jenen gegenüber die Fürften. Der Adel wehrte
ji) mit den gleihen Waffen, die man gegen ihn angewandt hatte.
Wie fi) die Fürften- und Grafenmäßigen in Köln und Straßburg
die Alleinberedtigung zum Eintritt in die Domkapitel verſchafft
hatten, jo ließen umgekehrt ſolche Stifter, in welchen die Ritter
ſchaft das Übergewicht hatte, jo Mainz und Trier, in diejer Zeit
nur noch ritterbürtige Domherren zu. Das Streben, die Bes
tehtigung immer mehr einzuengen, war damit freilich nicht zu
Ende: vor kurzem hatte 3. B. das Mainzer Kapitel mit Majo—
rität ein Statut aufgenommen, da nur noch Nitterbürtige aus
den oberdeutihen Ritterkreifen Domherren werden follten, wodurch
fie fi) nun wieder den niederdeutichen Adel, gemeinjam mit Gra—
fen und Fürften, zu Gegnern madten. So fielen aljo die mates
riellen Intereifen bald für diefe bald für jene Seite ind Gewidt;
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 398
fraglid) blieb, ob das religiöſe Gemeingefühl ftark genug war, nad)
der oder jener Seite den Ausſchlag zu geben )). j
Bereits auf dem Wahltag hatten die Grafen den im Gefolge
der weltlichen Kurfürften erſchienenen evangeliichen Adeligen ihre
Supplifation um die Freiftellung mitgeteilt und fie zu gleichem
Anſuchen aufgefordert; doch war es wegen des raſchen Schluſſes
des Wahltages nicht dazu gekommen. Jetzt nahm mit den Wetter—
auer Grafen ein alter Freund derſelben aus dem heſſiſchen Adel,
Burkart von Kram, Statthalter zu Marburg, die Sache in die
Hand. Mit befreundeten proteſtantiſchen Grafen und Adeligen in
Sachſen, Thüringen, Franken und Schwaben wurde eifrig korre—
ſpondiert, die Supplikation vom Wahltag nebſt verſchiedenen Gut—
achten über die Freiſtellung umhergeſandt, für den bevorſtehenden
Reichstag eine allgemeine Bewegung zugunſten der Freiſtellung
angeregt. Bon den Fürften erboten fih namentlich Kurpfalz und
Heſſen zur Unterftügung, während Kurſachſen und Brandenburg
ih) Ihon im voraus wenig geneigt zeigten. Daneben vernehmen
wir die Klage (wie jie freilich zu allen Zeiten berechtigt fein
1) Über diefes Streben des Mainzer Domtapitel8 und feine Betämpfung
in ben Jahren 1573/1576 zerfireute Notizen in den von mir benutten
Münchener, Düffeldorfer und Dillenburger Archivalien. Bei einem ähnlichen
Streit im 18. Jahrhundert ift von jemem älteren gelegentlih die Rebe:
3. Mofer, Bermifchte Nachrichten von reichsritterich. Sachen 1772, ©. 91;
vgl. Stüve a. a. ©. UI, 261. 598. Sonftige Nachrichten hierüber find
mir nicht vorgefommen. — Eine gründliche Unterfuhung über das damalige
Berhalten der Reichsritterſchaft zur Freiftellung wäre ſehr erwünſcht (vgl.
bie Bemerkungen von Ranke, Zur beutihen Gedichte (Werte VII), ©. 91
und Bezold a. a. O. ©. 202). Schon im Jahre 1570 macht übrigens
Kard. Granvella den ſpaniſchen König darauf aufmerkſam, daß ein großer
Zeil des Adels gegen die Freiftellung fei und daß hierdurch die Bistilmer
und Stifter vor der Begehrlichleit der Fürften gejchligt würden. Gachard
l. c. UI, 127. Einige eigentümlihe Nachrichten über die Oppofition der
Neichsritterfchaft gegen bie Freiftellung vor und auf dem Reichstag von
1576 in (Erftenbergerd) Autonomia I, fol. 113—118 (Auszug bei
Häberlin X, 360 ff.); anderes zerftreut in den oben angeführten Archivalien.
Roth von Schredenfteim bringt hierüber nichts.
2394 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
wird), daß jelbft von den Nädhftbeteiligten viele die Sache des
Gemeinwohl3 ſich jo wenig zu Herzen nahmen ). Bedenklicher
war, daß jelbit in den Kreiſen derjenigen, melde die Freiftellung
wünjchten, damals noch die Meinung vorherridte, fie ſei dem
Neligionsfrieden offenbar zuwider und ohne jede Ausfiht auf
Erfolg ?).
Im Monat März, als Graf Ludwig von Wittgenftein wieder
am Heidelberger Hofe war, lud Kurfürft Friedrih eine Anzahl
angejehener Adeligen der Nahbarihaft dorthin ein, um über die
Freiftellung zu beraten. Die Eingeladenen fand man für ihre
Perfonen derfelben geneigt, erfuhr aber bald, daß bei der über:
1) In einem Brief an ben Grafen Johann von Naſſau vom 12. Februar
1576 (DIN. Dill. Korr. 1576, fol. 29) befchwert fi) Dr. Schwarz bitter über
die damals auf einer Hochzeit zu Hanau anmefenden Grafen und gräflichen
Diener: „Soviel die fachen den gravenftant und gemeine wolfart belangent
antrift, hat man vor freffen und fauffen alhie nichts fruchtbarlihs konnen
bebenfen noch ausrichten. ... Es ift in warheit zu erbarmen, das bie vor-
fiehende hodhwichtige fachen jo gar wenig bedacht werben. Aber wir leben
dermaſſen, daß Got urſach bet uns mit blintheit zu ftraffen.“
2) So ſchreibt z. B. ber beifiihe Kanzler Reinhard Sceffer am 1. Ja—
nuar 1576 an Burkart von Kram (Kop. BU. K. 27, Nr. 33), er würde
fih gerne alle Mühe für bie Freiftellung geben, „jofern allein etwaz hofnung
zu fruchtbarlicher verrichtung fein konte. Dz ich aber die rechte warheit fag,
fo ift ein ſolch ſpinos intricat und verworren meitleuftig werk, dz ih noch
zur zeit rebus sic stantibus und aldieweil fein ander mittel barzwifchen
fompt, bie geringfte hofnung barzır nicht haben far. Dan es fonnens bie
geiftlichen irer eib und pflicht halber, darmit fie dem bapft verfiridt fein,
nicht willigen. Sie werben auch ome dz umb erhaltung willen irer bapfti-
ſchen religion keins wegs tuen; dan fo bald bie freiftellung erlangt, ligt dz
babftumb im bred. Es wurt fie auch bie beforgte einzihung, reiffung (!)
und verberbung ber ftifte merklich beterrien, und biefe vorforgen wirb man
inen auch [? durch] feine caution ober reichsconftitution benemen konnen. Je
mer auch den furften graven und abel ber A. E. zum ftiften bie tur geofnet,
je mer wirt fie ben bebftifchen furften graven und adel verfperret. Den
vorteil werben fie mit willen nimmer begeben. Darumb ift furwar nod
zur zeit alle mube unb arbeit verloren, und wen gleich ber Cicero vorn
toten wider ufftunde und beshalben ein fupplication ftelte, fo wirt es
doch biefelbige, wie gefagt, noch zur zeit nicht8 ausmachen. Es gehört ein
ander präparatorium bazu, bavon aber nicht zu reden ift.“
Köln-Münfter u. db. Freiftellung z. 3. bes Reichstags von 1576. 395
wiegenden Mehrheit der rheiniihen Ritterſchaft nicht das Gleiche
der Fall war. Auf zwei allgemeinen Rittertagen der rheinischen
Nitterichaft, welche infolge der Heidelberger Beratung Anfangs
Juni zu Worms und zu Frankfurt ftattfanden, wurde vielmehr
einmütig beichloffen, feineswegs in die Freiftellung einzumilligen
und diefen Beſchluß auch der fränkischen und ſchwäbiſchen Ritter—
Ihaft mitzuteilen. Die Einmütigfeit diejes Beſchluſſes ift um fo
merfwürdiger, da es zum großen Zeil evangeliidhe Adelige waren,
wie die Burgmannen der Burg Friedberg in der Wetterau, welche
ihn faßten. Graf Johann von Naffau meinte, der Mainzer
Hof habe ihnen durch allerhand Praktiken dieſen Pfeil befiedert,
der wirkliche Beweggrund ift jedod in dem Abſchied der Ritter
tage deutlich ausgeſprochen; nad ihm follte nämlid auf dem
Reihstag nicht bloß der Freiftellung widerſprochen, ſondern aud)
um Reftitution der Stifter und geiftlihen Güter, die feit dem
Paffauer Vertrag und Neligionsfrieden eingezogen, erſucht und
gebeten werden: aljo Mißtrauen gegen Fürften und Grafen, daß
diefen Die Freiftellung nur ein Mittel zu weiterer Einziehung
geiſtlicher Güter auf Koften des Adels fein folle, ein Mißtrauen,
welches vielleicht genährt wurde durd den Eifer, welchen die oben=
drein als Galviniften verdächtigen Kurpfälzer für die Freiftellung
an den Tag legten ?). Dazu 'kam dann nod die Überzeugung,
daß die Freiftellung den Religionsfrieden, dieſes Fundament des
politiichen Friedens im Reiche, erichüttern werde.
Dagegen fand der Großhofmeiſter damals einen Freund der
1) Es ift übrigens zu beachten, daß in ben Jahren 1532/1577 hinter
einander zwei Ritter Brendel von Homburg, alfo Verwandte des Kurfürften
Daniel von Mainz, Burggrafen zu Friedberg waren, der erfte, Johann,
zugleich Ritterhauptmann bes rheinlänbifchen Adels, der andere, Joh. Oyger,
zuvor mainziſcher Bizebom im Rheingau. Während bie Burg fon im
Jahre 1567 eine Einigung mit den Wetterauer Grafen ablehnt, tritt fie mit
der rheinifchen Ritterfchaft in nähere Verbindung. Vgl. Dieffenbad,
Geſchichte der Stadt und Burg Friedberg i. d. W., Darmftabt 1857,
&. 187 ff.
396 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
Freiftellung in einem Manne, der fi auf der andern Seite als
eifrigen Katholifen und Freund der Jeſuiten ausgab, nämlich in
Marquard von Hatjtein dem Biihof von Speier und Kammer:
rihter. Im Mai verhandelte Graf Ludwig perfönlih mit ihm;
Anfangs Juni bittet ev den Biſchof brieflih um ein Gutachten,
wie die Freiftellung auf den GStiftern jo anzuftellen, daß der
bei vielen eingewurzelte ſchädliche Verdacht aufgehoben werde, als
ſuchten etliche bierdurd) der Stifter Untergang oder jonft beſon—
deren Vorteil.
Unter diefen Vorbereitungen für die Freiftellung erfuhr man,
Kurfürft Salentin jei nah Münden geveift; Graf Johann von
Naſſau hatte ihn felbft unterwegs beim Kurfürften von Mainz be=
grüßt, und fi) vermutlich bei diefer Gelegenheit überzeugt, daß
Salentin mit der Abjiht nah Münden gehe, feinen Handel
wegen der Kölner Kur mit dem Haufe Bayern abzuſchließen; kaum
fonnte es etwas Bedenklicheres für die Sache der Freiftellung
geben. Burkart von Kram forderte aljo den Kölner Dompropit Georg
von Wittgenftein auf, aus allen Kräften diefem Plane entgegen-
zuarbeiten und dafür dem Bremer Erzbiihof nad) Köln zu ver:
helfen; er frug an, ob etwa einige evangeliiche Kurfürften und
Fürsten fi deswegen direft an das Kölner Kapitel wenden jollten.
Der Dompropft und Graf Hermann Adolf von Solms (melde
damals in Straßburg ihre Domherren-Reſidenz hielten) wider:
rieten dies; wohl aber könnten Sachſen und Hefjen mit Erzbiſchof
Heinrich handeln, damit diefer ein Herz falle, der Sache ſich ernſt—
lid) anzunehmen. „Ich wollt‘, fügt Graf Hermann Adolf bei,
„man hätt lang zu den Saden gethan und ebenjo wenig als
andere gefeiert. Der Biihof von Freifingen ftehet nun etlic Jahr
danach und follicitiert der Herzog von Güld für i. f. G., wie
dann i. f. G. [der Herzog von Jülich] mir auch derhalben al3 mein
Votum dahin zu geben zumuten laffen; hab aber vdergeftalt Ant—
wort geben, daß ich mic) verjehe, ich werde nit mehr von da
angefochten werden. Der Biihof von Freifingen, wie ſich's an-
jehen läßt, dürft wohl die Braut beimführen, welches ic nit der—
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 897
halben vermelde, das Merk liegen zu laſſen, jonder auf daß man
jehe, e3 ſei faft am Nagel gebrennt und aufzuwachen Zeit jet.‘
In der That hatte Herzog Wilhelm von Jülich Anfangs
Mai begonnen, ſich für die Kölner Succeffion feines Neffen, ges
mäß den Ratichlägen des Kurfürften Salentin, zu bemühen. Dieſe
Ratſchläge waren geweſen: 1) Herzog Ernſt ſolle fuchen einen
Kapitelplat zu befommen; 2) man folle jih der Stimmen der
Siebenpriefter und derjenigen von fünf oder ſechs Edelherren ver—
fihern, dann habe man Majorität. Demnach wurde der Erb-
landmarſchall des Erzftiftes Köln, Graf Werner von Reiffericheid,
der zugleich jülihiher Rat war, nad) Düſſeldorf bejchieden und
bier aufgefordert, zu Herzog Ernſts Gunſten jeinen ſchwachſinnigen
Bruder Wilhelm zum Verzicht auf feinen Sapitelplag zu bes
wegen, feinen andern Bruder Johann aber um feine Stimme
für die künftige Neuwahl anzufprehen. Graf Werner erbot jid,
alles Mögliche zu thun, erzielte aber nichts; feinen Mikerfolg
jchreibt er jelbit dem Umftand zu, dab die bayriihe Bewerbung
„allzu zeitlih auf der Straße‘, d. h. offenkundig geweſen ei.
Nachher bewilligten die Brüder zwar Graf Wilhelms Refignation,
aber unter Bedingungen, welche daraus einen offen ſimoniſtiſchen
Handel gemadt hätten, weshalb man von bayriiher Seite auf
diejes Projekt verzichtete. — Unter den Stimmen der Edelherren
legte man am meiften Wert auf die des Straßburger Biihofs,
Johann von Mandericheid- Blankenheim. Herzog Wilhelm, der
mit der ganzen Familie von Manderiheid auf freundſchaftlichem
Fuße Stand, ließ gegen Ende Mat den älteren Bruder des Biſchofs,
Graf Hermann, nad) Cleve fommen, und erſuchte ihn zunächſt mit
jeinem Bruder, jodann mit zwei weiteren Domberren, nämlid)
feinem Vetter Philipp von Manderſcheid-Keil und Graf Philipp von
der Mark, zu handeln, damit fie dem bayriichen Herzog ihre Stim—
men zufagten. Außerdem ſchickte Herzog Albrecht von Bayern, auf
den Rat von Jülich Hin, Anfangs Juni einen eigenen Gejandten,
feinen Sanzler Elfenheimer, nad) Zabern zu dem ehrgierigen Biſchof
und lich ihn bitten, bei Salentins bevorftehender Refignation feinem
898 Fünfte® Bud. Fünftes Kapitel.
Sohne Herzog Ernſt jomeit behilflich zu fein, als es ihm Ge
wiſſens halber verantwortlih. Der Biſchof ſprach ſich gegen Elien-
heimer zwar jehr wohlwollend über Ernſt aus, deſſen gute Eigen:
ihaften er während deifen Kölner Reſidenz kennen gelernt habe,
meinte aber, es jei dem Kurfürjten mit feinem ſchon jo lange Zeit
geführten Gerede von baldiger Refignation und Heirat nicht ernft.
Man möge fih vor allem um einen Kapitelplag bewerben. Übri-
gens ſchloß Elienheimer aus Biſchof Fohanns ganzem Benehmen,
daß diejer ſich jelbit Hoffnungen auf das Erzftift made. Deut
liher konnte man des Biſchofs wahre Gefinnung aus der Ant-
wort entnehmen, melde er bald darauf feinem Bruder, Graf
Hermann, zufchrieb: Diejer werde fi al3 ehemaliger Domberr
jelbjt erinnern, was Eid und Pflicht eines Kapitularen verlangten;
er könne ſich jo eilig und unbedacht nicht refolvieren u. dgl. —
Mas mit Graf Philipp von Manderſcheid-Keil damals verhandelt
wurde, wiſſen wir nicht; der Stimme Philipps von der Marl
ſuchte man ſich nachher auch durd die Gräfin von Arenberg, jeine
Verwandte, und dur Kurfürft Salentin jelbft zu verjihern. Der
Afterdehant Thengen, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Grop—
per hatten ſich bereit3 in Münden für Herzog Ernft erklärt und in
diefem Sinn an einige andere Domkapitularen gefchrieben. Johann
Daniel3 Bruder Johann war zwar offen lutheriſch, doch dachte
man ihn dur feinen Vater, den Reichshofratspräjivdenten, für
Bayern zu gewinnen. Die beiden Brüder Solms, Reinhard und
Hermann Adolf, von melden der legtere ſich ungeſcheut als Ne
formierten bekannte, ließ Herzog Wilhelm durch ihren als katholiſch
geltenden Bruder Eberhard, Landoroft von Weitfalen, um ihre
Stimmen erjuhen. — Wir wilfen bereits, da Graf Hermann
Adolf nichts Eiligeres zu thun hatte, als diejes Anſuchen offen
fundig zu machen, um dadurd der Sache jelbft zu ſchaden. Denn
die Priefterfanonifer, welche man fonft der bayrischen Succeſſion
bon vornherein geneigt und nur zum Teil mit der Schwäche be
haftet glaubte, daß fie „Verehrungen“ liebten — „die Pfaffen
haben gern Geld‘, meinte Hermann Adolf von Solms —, wur:
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 399
den durch ſolche Offentlichkeit ſcheu gemacht. Als Herzog Wilhelms
in Köln anjäifige Räte, Dr. Johann Hardenrat und Dr. Walter
Fabricius, die beiden Dehanten von St. Andreas und St. Georg,
Smwolgen und Drt, dann aud) die anderen Priefterkanonifer um
ihre Stimmen für Herzog Ernſt anſprachen, fanden jie zwar alle
wohl geneigt, auf bejtimmte Zujagen wollte fi aber feiner ein-
laffen. Swolgen und Drt, und ebenjo auf eine direfte Anfrage
bon Herzog Albrecht Dr. Hermann Winkel, rieten aud wieder,
Herzog Ernſt jolle vor allem Sapitular werden. Winkel erinnerte
an das von jedem Kölner Kanonikus und Sapitular beichworene
Statut, niemals einen andern al3 einen Kapitular zum Prälaten
zu wählen; außerdem würde zur Poftulation eines nit Wähl—
baren Zwei-Drittel-Majorität erforderlich fein.
Indeſſen hatte der Kaifer, am 25. Juni, den Reichstag in
Perſon eröffnet. Nach Verlefung der Propofition durd den Reichs—
hofratsjefretär Erftenberger ſchilderte Maximilian felbft in beredten
und bemweglihen Worten die Gefahr, welche dem Reihe von dem
Türken drohe. Mißmutig bemerkten die Proteftanten, daß der
Religionsjache wieder, wie ſchon im Ausſchreiben, mit feinem Worte
gedacht war. Die Schuld mahen fie, niht ohne Grund, dem
in Regensburg anweſenden päpftlihen Xegaten, Kardinal Jo—
bann Morone, bei, welchen Gregor XII. Hauptjählid um die
geplante Freiftellung zu Hintertreiben nad Regensburg gejandt
hatte. Morone, der bereit? aht Tage vor dem Kaiſer (am Pfingit:
abend den 9. Juni) in Regensburg eingetroffen war, machte es
fih alsbald zur Aufgabe, die anweſenden Biihöfe und Gefandten
der katholischen Stände im gefelligen Verkehr zu ermutigen, die
abweſenden fatholiihen Fürften aber dringend zu bitten, in Per:
ion zum Neichstag zu fommen. Den höchſten Wert legte er auf
das Erſcheinen des Herzogs von Bayern. Herzog Albreht war
nah Mitte Juni von Bad Überkingen aus mit Gemahlin, zweien
feiner Kinder und ftattlihem Gefolge nah Sachſen aufgebrochen,
zu einem Freundſchaftsbeſuch bei Kurfürft Auguft, mit der ftarfen
Nebenabficht, diefen durch perjönliches Zureden von der Betreibung
400 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
der Freiftellung und Deklaration auf dem Reichstag abzubringen.
Er veriprad) auf dem Rückweg nad). Regensburg zu fommen und
ſchickte einſtweilen, Anfangs Juli, feinen älteften Sohn, Herzog
Wilhelm, dorthin.
Bon den proteftantiihen Ständen hatten Kurpfalz und Hefjen
ihre Gejandten beauftragt, vor Beltätigung der Deklaration auf
feine anderen Verhandlungen ſich. einzulaffen; fie wollten ſofort
Separatberatungen unter den Augsburger Konfeflions=: Verwandten
beginnen ; die ſächſiſchen Gefandten beftanden jedod) darauf, dak man
zuerft die kaiſerliche Propofition abwarten müſſe. Als diefe nun,
in Widerſpruch mit der auf dem Wahltag gegebenen Zufage, nichts
bon der Deklaration enthielt, verftanden fih aud die ſächſiſchen
Geſandten zu Sonderverhandlungen unter dem Vorſitz der Kur:
pfäßzer. Eine von dem pfälziihen Vizekanzler Dr. Paſtor ent=
worfene Supplifation wurde von ſämtlichen evangeliſchen Ge—
jandten genehmigt — nur die Pfalz-Neuburger hielten ſich wegen
Privatintereffen fern — und am 29. Juni dem Kaiſer überreidt.
Sie forderte, daß vor allem die Religionsbeſchwerden, insbejondere
die Deklaration, vorgenommen würden. Zugleich wurde das frü-
here Anjuchen der evangeliihen Grafen um Aufhebung des geiit-
lihen Vorbehalts dem Kaifer empfohlen, obwohl die kurſächſiſchen
und brandenburgiichen Gefandten zuvor privatim erflärt hatten,
die Sreiftellung widerſpreche dem Religionsfrieden. Auch einige
andere proteftantiihe Beſchwerdeſchriften, u. a. eine der Grafen
bon Drtenburg gegen Bayern, wurden mit überreiht. Die evan-
geliihen Grafen felbft übergaben einige Tage jpäter (am 2. Juli)
dem Kaiſer eine neue ausführlihe Gupplifation um die Preis
ftellung. — Die Gefandten der Tatholiihen Stände hatten ſchon
zuvor insgeheim verabredet, auf feine Neligionsverhandlungen
ji) einzulaffen; das ließen fie num dur die Gejandten der geiſt—
lihen Kurfürften dem Kaiſer melden, mit der Drohung, daß fie
Befehl hätten, andernfalls eher davon zu ziehen. — Die Stim—
mung der Proteftanten war im allgemeinen wenig hoffnungsvoll ;
fie fürdteten befonders, Kaifer Marimilian werde fid) durh Mo—
Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 401
tones Anmejenheit zum Lavieren bewegen laſſen. Doch brachten
fie es nod) einmal zu einem einmütigen Beihlug — nur Neu:
burg bielt fi wieder fein —: am 10. Juli mahnten fie den
Kaiſer an ihre Supplifation vom 29. Juni und drohten ihrerfeitg,
daß fie vor Erledigung ihrer Religionsbefhwerden, insbefondere
bevor die Deklaration beftätigt, auf feine Erledigung der propo-
nierten Hauptpunfte fid) einlafen würden.
Ein paar Tage zuvor (am 7. Juli) war Kurfürſt Salentin
in Regensburg eingetroffen und hatte fofort die Führung der
fatholiihen Partei übernommen. Seine Ankunft ermutigte die
Furchtſamen, ſchreckte die Lauen, welche zu Sonzeffionen bereit
gewejen wären. Bon Salentin geführt erſchienen am Morgen
des 14. Juli jämtlihe damals anweſende katholiſche Fürften,
Herzog Wilhelm von Bayern, die Biihöfe von Eichſtätt, Augs—
burg und Regensburg in Perſon, ferner die Gefandten aller
anderen fatholiihen Stände vor Kaiſer Marimilian und erflärten,
dag fie ſich über Freiftellung und Deklaration auf feinen Disput
mit dem andern Zeil einlafjen könnten, jondern es bei dem Bud)-
ftaben des Neligionsfriedens zu laffen und mit der Beratung der
BVropofition fortzufahren bäten. — Am Nachmittag ließ darauf:
bin der Kaifer duch den Vizekanzler Dr. Weber den evangelifchen
Ständen die Vorantwort zuſtellen: ihr Anſuchen wegen Dekla—
ration und Freiftellung müſſe in weitere Erwägung mit den fa=
tholifchen Ständen gezogen, ihre bejonderen Beſchwerden aber
jollten durch die Reichshofkanzlei erledigt werden; er erwarte alfo,
daß fie inzwilchen mit der Beratung des hochwichtigen erften
Artifel3 der Propofition (die Zürkenhilfe betreffend) fortfahren
würden. Hierauf fam es im Schoße der Konfefjioniften jelbft
zum Zwiejpalt: die Kurpfälzer und ein Zeil der fürftlichen Ge—
fandten wollten darauf beftehen, daß ſich der Kaiſer vor weiterer
Beratung endgültig im Neligionspunft erflären müfle, die Mehr:
beit der fürftlihen Gefandten ſchloß fi jedody) der Meinung von
Kurſachſen und Brandenburg an, daß man mit der Beratung fort=
fahren folle, unter der Bedingung, daß alles, was gewährt werde,
Loffen, Köln. Krieg 1. 26
492 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
unverbindlich fei, falls der Kaiſer den Religionsbeſchwerden nicht
abhelfe. Dieje teilweife Nachgiebigleit war zunächſt eine Folge
bon bejonderen perjönlihen Beiprehungen Marimilians mit den
Gejandten der drei weltlichen Kurfürften, wobei nur die Sur:
pfälzer — an ihrer Spike der Großhofmeifter Ludwig von Witt:
genftein — hartnädig geblieben waren. Im Laufe der nächften
Wochen, während über die Kontribution und die anderen Artikel
der BPropofition (Reichsmatrikel, Seſſion, Landfrieden, Juſtiz
u. |. mw.) beraten wurde, ftellte fi) allmählih die allgemeine
Meinung feft, daß man die Freiftellung für diesmal auf fich be
ruhen laſſen müfje, dagegen für die Deklaration eine neue kaiſer—
liche Beftätigung herausbringen könne. Auch unter den fatholifchen
Ständen fowie unter den Ffaiferlihen Räten waren manche der
Anficht, daß fi) hiergegen, da man es mit einem echten kaiſer—
lichen Brief zu thun habe, nichts thun laſſe. Selbſt Morone
ihien fih mit dem Gedanken zu tröften, daß dieſe unvermeidliche
Konzeffion nicht ſehr wichtig, da fie nur auf jene wenigen Unter
thanen geiftliher Fürften ſich beziehe, welche ſich bereit3 zur Zeit
des Paſſauer Vertrags im Befig der Augsburger Konfeifion bes
fanden.
Kurz zubor war die Frage, welche den Streit über die Dekla—
ration veranlaft hatte, die Fuldaer, in ein neues Stadium ges
treten, worin fi) feiner von den nicht unmittelbar beteiligten
Reihsftänden zurechtfand und worüber deshalb auch die Anfichten,
ganz abweichend von der fonftigen Barteiftellung, auseinander:
gingen Y). Abt Balthafar war nämlich eines Tages (am 22. Juni),
als er fih in dem Städtchen Hammelburg befand, um bier die
Gegenreformation durdhzuführen, von feinem GStiftsadel, im Ein:
1) Für bie Gefchihte der Fuldaer Wirren muß zur Zeit noch bie oben
©. 290 genannte, ganz ungenügende Schrift von Heppe als Quelle biemen.
Einzelne Ergänzungen bei Kluckhohn, Bd. II (f. Regiſter) und in den von
mir benutten Archivalien. Mehr jcheinen folgende von mir nicht eingehend
benutste Altenbände zu enthalten: StA. 162/10 und RA. Hodftift Würzburg,
T. I.
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 408
verſtändnis mit feinem Kapitel, überfallen und genötigt worden,
angeblid freiwillig zugunften des Biihofs von Würzburg abzu=
danken. Die einen betrachteten das als einen Erfolg der Frei—
teller, die anderen al$ das Gegenteil, da der junge Biſchof von
Würzburg, Julius Echter, jelbjt als Vorkämpfer der katholischen
Reftauration befannt war. So erklärt es fi, daß nicht bloß
evangeliihe Nachbarn, wie der ſächſiſche Kurfürft, mit diefer An-
derung zufrieden waren, jondern, eine Zeit lang wenigitens, ſogar
der eifrigfte aller Fatholiichen Fürften, Herzog Albrecht von Bayern,
während der Papft und fein Legat, der Kaifer und die geiftlichen
Kurfürften die Einmiihung des Würzburger Biſchofs als frevel-
hafte Gemaltthat verurteilten und fofortige Reftitution des Abtes
verlangten. Schließlich kam es zu einem Kompromiß, nämlid)
Sequefter des Stifts durd) den Kaifer und Verwaltung desjelben
durch den Deutichordensmeifter, welche erſt zu Anfang des folgen:
den Jahrhunderts ihr Ende erreichten.
Daran, daß die Deklaration auf dem Reichstag ſchließlich Doc)
nicht beitätigt und nidt in den Neligionsfrieden aufgenommen,
niht dem Kammergericht infinuiert wurde, Fam Verdienſt oder
Schuld zumeift dem bayriichen Herzog zu: ihm gelang es bei
feinem Aufenthalt in Dresden den Kurfürften Auguft, durch die
Borftellung, daß die fatholiihen Stände lieber den Reichstag ver:
lafjen al3 in eine Neuerung einmwilligen würden, zu der Zulage
zu bewegen, daß er für diesmal auf Beftätigung der Deklaration
nicht beftehen, fjondern fih mit dem Wortlaut des Religions:
friedens begnügen wolle. — Bei feinen Religionsgenoffen ent:
ihuldigte fi der Kurfürft nachher damit, daß er nicht um der
Unterthanen fremder Fürften willen den ganzen Religionsfrieden
in Frage ftellen, das heilige römiſche Reich zerrütten und dem
Zürfen ſchutzlos preisgeben wollte). — Bon Dresden aus for-
1) Rechtfertigungsfchreiben des Kurfürften an Herzog Julius von Braun-
ſchweig und Landgraf Wilhelm von Hefien, datiert Glüdsburg, 1. Oft. 1576
in Hifl. Miscelt. II, S. 102ff.; vgl. Bezold, S. 201, Anm. 2.
26 *
404 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel.
derten Kurfürft Auguft und Herzog Albrecht den Kaifer auf, es
beim Buchftaben des Neligionsfriedens zu laſſen. — Marimilian
jelbft ſchien damals jehr geneigt, den Augsburger Konfeſſions—
Verwandten nachzugeben; fein alter Freund Lazarus von Schwendi,
der mit Graf Ludwig von Wittgenftein vertraute Beziehungen
unterhielt, war bei ihm in Regensburg und redete ihm zu, daß
etwas geſchehen müfje, wenn man Unruhen im Reich verhüten
wolle. Ein vornehmer faiferliher Hofrat ſagte eines Tages jelbft
zu dem wolfenbüttelihen Kanzler Mugeltin, der Kaiſer wundere
fich, weshalb man ihm von evangeliiher Seite nicht mehr zufege.
Daraufhin bejchloffen die proteftantiihen Stände von neuem, jedod)
nur mündlich, an die veriprocdhene Entjheidung zu mahnen 9. —
Gerade in diefem Augenblid, am 16. Auguft, kam Herzog Albredt
auf der Nücreife von Dresden nad) Regensburg. Nur drei Zage
blieb er da, aber dieje drei Zage wurden für die Frage der De:
klaration entjheidend. In dem Logis des Salzburger Erzbiſchofs,
welcher wegen einer Verlekung am Fuß das Zimmer hütete, er:
ſchienen Kurfürft Salentin, Erzherzog Ferdinand, Herzog Albrecht
und alle anderen anwejenden fatholiichen Fürften und Gefandte
abermals in Perſon vor Kaifer Marimilian und forderten ihn
neuerdings dringend und drohend auf, feine Anderung des Reli:
gionsfriedens zu bemilligen. Es kam ihnen zugute, daß ſich bis—
her die katholiſchen Stände, inbezug auf die von Marimilian jehn:
lichft verlangte Türkenhilfe, neben Kurſachſen am freigebigften gezeigt
hatten. — Am 25. Auguft ging den Augsburger Konfeſſions-
1) Häberlin X, 292 ff. giebt Auszug aus einer angeblich am 25. Aug.
überreihten „Erinnerungsfchrift”, bemerkt aber dabei, daß biefelbe bei Burg-
farb [d. i. in der Autonomia] und Lehmann fehle. Häberlins Bedenken wird
gehoben durch folgende Stelle in Ficharbs Relation (DINA.) zum 24. Auguf:
„Den 24fen Haben die €. 8. [Konfeffionsverwandten] bei der K. Mt nur
muntlih um refolution uf ire fupplicationes der religionsfachen halben ange
halten und die anmanungsfchrift durch der curf. Sarifchen verurfachen und
perfuafion, al8 ob die 8. Mt mit der refolution gefaft, warn man nur
darumb anbielte (welches doch nicht geweſen) zue ubergeben underloßen.“
Köin-Münfter u. d. Freiftellung z. 3. bes Reichstags von 1576. 406
Verwandten, am 27. den Katholiſchen eine Refolution des Kaifers
in der Religionsjadhe zu, dahın lautend, daß er erbötig fei, den
Religionsfrieden von neuem zu beftätigen, aber wider den Willen
der einen oder der andern Partei keine Anderung in ihm machen
könne; feines Vaters Deklaration lafje er auf ich beruhen. Da—
neben verſprach er, fich alle Mühe zu geben, um die beiderfeitigen
Religionsbeihwerden abzuftellen, und ermahnte beide Parteien, auch
ihrerjeit3 ſich friedfertig und dem Religionsfrieden gemäß zu ver—
halten. Gleichzeitig (am 25. Auguft) wurde die neue Suppli-
fation der Grafen um die Freiftellung rund abgefchlagen.
Kurfürft Salentin hatte, als diefe Reſolution erfolgte, den
Reichstag bereits verlaffen. Er war, wie es jcheint, nur jo lange
in Regensburg geblieben, um noch perfönlic mit feinem von Rom
zurüderwarteten Rat Dr. Gropper, ſowie mit dem von Dresden
fommenden Herzog Albrecht über feinen köln-münſterſchen Plan
iprechen zu können.
Als Gotfrid Gropper etwa Anfang Juni in Rom eintraf,
fand er die Kurie in einiger Aufregung wegen der münfterichen
Angelegenheit. Zuerſt war vom dortigen Domkapitel die Anfrage
eingelaufen, ob Rom den Adminiftrator von Freifing oder den
Boftulierten von Bremen vorziehe; dann kam von lekterem jelbit
das Anfinnen, feine Wahl nit zu hindern; nachher hatte der
bayrifhe Geſandte mitgeteilt, Kurfürft Salentin jelbft bemühe ſich
für den Bremer Erzbifchof. Gregor hatte das von einem jo from
men Katholifen wie Salentin anfangs gar nicht glauben wollen,
bi3 es die Berichte feiner eigenen Nuntien beftätigten. Dazu kam
endlid) der von dem Nuntius Gropper und von Bayern em—
pfohlene Wunſch des Herzogs von Jülich, daß fein Sohn als
Boftulierter förmlich beftätigt und zum Adminiftrator von Münfter
ernannt werde. — Über die dem Domkapitel und dem Bremer
Poftulierten zu erteilende Antwort war man raſch entſchloſſen:
ein Breve vom 2. Juni bedeutete dem Kapitel, daß Herzog Hein-
vi nicht beftätigt werden könne, weil er bisher feine Schuldigkeit
nicht gethan, um für feine beiden anderen Kirchen fonfirmiert zu
406 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
werden; der zweite Vorgejchlagene, Herzog Exnft, jei dagegen dem
Papſte jehr genehm und ihrer Kirhe durchaus zu empfehlen.
Unter demfelben Datum wurde der Poftulierte von Bremen er—
mahnt, durd die That jene Dbjervanz und Devotion gegen den
heiligen Stuhl zu beweifen, melde feine Worte zeigten; dann
werde ihm der Papſt jehr gerne Gnaden erweijen. — Nicht eben
jo jhnell konnte man ſich entichlieen, die verlangte Adminiftration
Johann Wilhelms zuzugeben. An ſich war es eine res mali
exempli, einen minderjährigen Fürftenjohn, von dem man beftimmt
wußte, dab er nicht geiftlid bleiben fönne, als Haupt einer
Kirche zu betätigen; jodann aber — und diefes Bedenken wog
jedenfalls ſchwerer — traute man in Rom der fatholiichen Ge—
finnung des Jülicher Hofes noch immer nit recht. Erſt vor
kurzem hatte man neuen Anla zum Mißtrauen erhalten.
Zwar hatte Herzog Wilhelm im Anfang diefes Jahres
jeine Schweiter Amalie und feine beiden jüngeren Töchter Mag-
dalena und Sibylla durch einen kaiſerlichen Geſandten, den alten
Heren von Winneburg, förmlich auffordern laffen, mit ihm die
Meſſe zu befuchen, und fie widrigenfall3 mit feiner Ungnade bedroht ;
aber nit nur waren dieſe Bekehrungsverſuche und Drohungen
vergeblid) geblieben, jondern des Herzogs Aufforderung ſelbſt ent=
hielt die in Roms Augen höchſt anftögige Zufage, daß feine Töch—
ter glei) ihm bei der Kommunion die beiden Geftalten gebrauchen
jollten ). Bedenkliher noch war die Nachricht, daß aud) der
1) Lacomblet, Archiv V, 82ff.; vgl. Lacomblet, Urkundenbuch IV,
Nr. 577. Ein Bericht des Grafen Hermann von Neuenar an ben Kurfürften von
der Pialz aus Bebbur 15. Januar 1576 (Kop. MA. Herz. Jülich 1575/1576)
über die Verhandlung bes Herzogs Wilhelm mit feinen Töchtern wird in
der Hauptfache beftätigt dur ein Schreiben des Kammerſekretärs Langer
an den bayrijchen Sekretär Winklmair (datiert Hambadh 13. Januar 1576
NA. Münfter II, fol. 18). — Graf Neuenar ſchreibt u. a.: „Und nachdem
derjelben fi. f. G.] ſchweſter ichtwas dargegen reden wöllen, feind ire f. ©.
dermafjen entrüft, das diefelbe die fchwefter zu Hambach auf dem ſchloß uber
die gallereien gejägt mit einem bloſſen rappier, alfo dba nicht ein guetter
man inen beiden ein tur zugefchlagen, beiten ire f. ©. bie ſchweſter erftochen;
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 407
jegt vierzehnjährige Jungherzog Fohann Wilhelm feine für Dftern
diefes Jahres anberaumte erjte Kommunion unter beiden Geftalten
feiern werde. Durch ein eigenes Breve (vom 10. März) bat
daher der Papft den bayriihen Herzog angelegentlihft, — als
Gegendienſt für fein Entgegenkommen in der münfterfchen Sadıe,
eine utraquiftiihe Kommunion feines Neffen zu BHintertreiben.
Herzog Albrecht jchrieb denn auch in diefem Sinne an den jülich—
ihen Hofmeifter Schwarzenberg und feine Gemahlin Herzogin
Anna an ihren Schwager felbit, wodurch fie wenigftens fo viel er—
reichten, daß Wilhelm ſich entihloß, die Erftlommunion feines Soh—
nes noch aufzujdieben. Als dann Pfingften herannahte, wurde
die Bejorgnis don neuem rege, daß der junge Herzog mit dem
Kelch Fommunizieren werde. Deshalb mußte Groppers Stollege
Dr. Elgard eigens an den Füliher Hof gehen, um im Namen
des Papſtes Gegenvorftellungen zu machen. Der alte Herzog
nahm diejes Drängen übel auf, gab aber doch wieder fo weit nad,
dag die Kommunion feines Sohnes abermals aufgejhoben wurde. —
Diefe Dinge trugen offenbar die meifte Schuld, daß man fid) in
Rom, troß den Empfehlungen vonfeiten des Nuntius und des
bayrifhen Hofes, fo ſchwer entſchließen mochte, Johann Wilhelms
PVoftulation förmlich zu beftätigen. Einftweilen wurden dem alten
Herzog, Übrigens in freundſchaftlichſter Form, einige kirchliche Be—
denfen mitgeteilt, über die man vorerft den Nuntius Gropper per-
fönlih in Rom hören wolle.
Wie viel oder wie wenig Salentins Gefandter, Gotfrid Gropper,
von den Wünjchen feines Herrn inbezug auf Stift Münfter der
Kurie eröffnete, wiſſen wir nicht. Wahrſcheinlich wird ſich der
fuge, an der Kurie mohlbewanderte Mann, als er merkte, daß
eine ausdrückliche Genehmigung der Wahl des Bremer Erzbiichofs
nicht zu erwarten fei, wohl gehütet haben, jelbft ein Nein her—
auszufordern. Dem bayriſchen Gejandten, der ihn wegen Münfter
auß welchem handel jetsiges eltiftes freulin Magdalena bermafien erfchroden,
daß fie ein halbe rachung daruber kriegen und gar betligend ift.“
408 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel.
auszufragen fuchte, antwortete er, fein Herr ſei anfangs allerdings
aus alter Freundihaft für den Bremer geweſen; feit er aber ge-
merkt, daß diefer Pläne verfolge, welche für einen guten Fürften
nicht ziemlich, jei er ganz geneigt, den bayrijchen Herzog aud in
Meünfter zu befördern. — Daß Salentin diefem nad Köln ver-
helfen wolle, verkündete Gropper in Rom offen als Hauptzwed
jeines Kommens. Hierbei fand er vonfeiten der Kurie die zuvor:
fommendfte Hilfe. In Form von Breven bewilligte man ihm
alles, was und wie er es verlangte. Won zwei Breven, beide
bom 30. Juni datiert, ermächtigte das eine den Kölner Erzbiſchof,
ohne Nennung eines Namens, einen würdigen katholischen Road:
jutor anzunehmen und dabei auch die Zuftimmung feines Kapitels
einzuholen; das andere ermächtigte und ermahnte ihn, vor Nieder:
legung feiner Würde den Wominiftrator von Hildesheim und Frei-
fing al3 Koadjutor anzunehmen und zwar jelbjt gegen den Willen
und troß dem Widerſpruch feines Domkapitels ). in drittes
Breve endlih, vom 1. Juli datiert, beauftragte den Erzbiſchof,
kraft päpftlicher Autorität gegen alle der Härefie verdächtigen Dom-
fapitularen zu inquivieren, Prozeß zu führen, mit Strafen jelbft
bis zur Privation einzujchreiten u. |. w.
Die beiden erjten Breven wurden in der zweiten Juli—
Mode dem SKardinallegaten nad Regensburg zugeihidt, mit
dem dritten Gropper jelbft etwa acht Zage jpäter von Rom ab-
gefertigt. Das nahm Salentin als einen Vorwand, um fi in
Regensburg gegen Rom und namentlich gegen den Legaten aufs
heftigfte erzürnt zu zeigen, al3 habe diefer den Aufenthalt feines
Geſandten veriduldet. Salentin trieb feinen wirklichen oder
1) inque eo etiam possis capituli tui consensum requirere, beißt e8 in
bem erften Breve; idque facies etiam adversante et reluctante capitulo,
in quo absolvimus te ab omni vinculo juramenti, si quo forte teneris
astrietius — in dem zweiten Breve. Das mildere gebrudt bei Theiner
II, 158, das fchärfere bei Lacomblet, Urkundenbudh IV, Nr. 578. Kopie
von beiden, ſowie von dem Breve vom 1. Juli fhidte Salentin am 30. Auguft
aus Dresden an Herzog Albrecht.
Köln-Münfter u. d. Freiftellung z. 3. des Reichstags von 1576. 409
ſcheinbaren Groll gegen Morone jo weit, daß er benfelben in
Regensburg weder beſuchte, noch auch Bejuhe von ihm und den
mitanmwefenden päpftlihen Nuntien annahm). Morone jelbit
beklagte fi gegen Gotfrid Gropper naher bitter über dieje Un—
höflichleit: während jelbft der Kaifer und König Rudolf, Erzherzog
Ferdinand und Herzog Albrecht, ja jogar Abgeordnete vieler pro-
teftantiihen Fürften ihn in Perjon beſucht hätten ?), habe er bei
Salentin nicht einmal eine Audienz erhalten können. — Wenn
e3 dem Kurfürften mit dem zur Schau getragenen Groll Ernſt
war, jo galt er gewiß weder der furzen Verzögerung — denn im
Vergleich zu dem fonftigen ſchleppenden Geſchäftsgang an der Kurie
war Groppers Erpedition vielmehr ſehr raſch erfolgt —, nod)
aud der angeblich zweideutigen Haltung Morones in der Kölner
Succeſſionsſache ®), Sondern wohl der Nachricht, daß Rom
1) Daraus ſieht man, daß der ſchlaue Karbinal („ven gefchicteften kirch-
lihen Diplomaten, der je gelebt bat”, nennt ihn Ranke a. a.D., ©. 108)
auf Salentins fatholifche Haltung in den Reichsſachen perfönlich feinen Einfluß
geübt Haben kanu. Über Morones Thätigkeit in Regensburg vgl. neben Theiner
l. c. no Maffei, Annali di Gregorio I, 226sqq. — Die Alten ber
Verhandlung zwifchen Morone und Herzog Albreht Kra. Rep. IV. lit. r.
Fasc. 2/3 (3. Teil gebrudt bei Aretin, Bayerns ausw. Verb. Urk., ©. 32 ff.)
betreffen faft nur fpeziell Bayrifhe Dinge. Weitere Or.-Briefe Morones an
Herzog Albredt vom 30. Mai, 12. Juni, 12. Auguft RA. Miünfter III,
237. IV, 26; Lüttih I, 66; — an ben Herzog von Jülich DA. 28°, fol.
323; Bericht Herzog Wilhelms von Bayern an feinen Bater über ein Ge—
ſpräch mit Morone, datiert Regensb. 30. Juli, RA. Tectierte Fürftenfachen.
2) Ein Beſuch des Wolfenbütteler Kanzler Mutzeltin bei Morone (aus
Anlaß der Halberftäbter Sache) ift erwähnt Hiftor. Miscell. II, 151.
3) 22. Auguft 1576 berichtet Danborf an Herzog Albrecht über eine
nad defien Abreife von Regensburg bei Salentin gehabte Audienz u. a.:
„Alſo haben fein curf. G. zum eingang der tractation ſich ganz Hitig wider
den carbinalem Moronum in colera commovirt, als ob ire f. ©. haimlicher
waiß, auch one bevelch und hinterrucks ber bäbſt. Ht und fiir fich felbs, vil-
leicht feins privats interefie halben, mit der K. Mt und erzh. Ferbinanden
von wegen vortjegung ber baiber fünen ainen zu bem erzftift Eöln geprac-
ticirt, dadurch fein bes curf. und e. f. ©. heilfams und chriftlihs fürhaben
mit bero geliebtem fon ganz und gar zu wibertreiben“ u. f. w. Der Kar-
dinal wies; nachher Gropper gegenüber biefen Vorwurf etiam profusis la-
chrimis als unbegründet zurüd.
410 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel.
feinen Wünſchen inbezug auf Stift Münfter nicht nachgeben
werde.
In Regensburg hatte Salentin aud mit dem jungen Herzog
Wilhelm von Bayern über feinen köln-münſterſchen Plan ein-
gehend geiprochen und dabei, um den bayrischen Herzog milliger
zu jtimmen, au auf fein Stift Paderborn Ausfihten gemadt.
Herzog Wilhelm hatte dies alsbald feinem Vater nad) Sachſen
berichtet, der zwar im allgemeinen auf feinem frühern Stand-
punkt blieb, daß er Ehren und Gewiſſens halber auf Münfter nicht
verzichten könne, aber doch dem Kurfürften einen Schritt meiter
als zuvor in München entgegenlam: wenn fein Sohn, ließ er
dieſem jagen, erſt Köln und alfo drei Stifter habe, werde man
wegen Münfter viel weniger Schwierigkeiten machen. Ahnlich
muß ſich Herzog Albrecht nachher zu Regensburg gegen Salentin
jelbft ausgeiprodhen haben. Diefer deutete wenigitens Albrechts
Außerungen als Zuftimmung zu feinem Plane. Am 16. Auguft
berichtet der bremiſche Reichstagsgefandte Dr. Egeling in Eile an
feinen Erzbischof, er habe ſoeben von Kurfürft Salentin erfahren,
daß Herzog Albrecht, wenn zuvor der Handel mit Köln für feinen
Sohn rihtig, auf Münfter verzichten und dort ſogar ſelbſt für
Herzog Heinrich fi verwenden wolle. Salentin jei im Begriff,
nah Sachſen abzureifen, und molle dort auh mit Kurfürft
Auguft die Sache richtig machen, nachher aber den Erzbiihof zu
einer Unterredung zwifchen Dsnabrüd und Paderborn — nad) dem
Sparenberg alſo? — beicheiden. Über feine Abfihten inbezug auf
Köln ſprach ſich Salentin nad) Empfang der römischen Breven in
einem bon Gropper verfaßten und dem bayriihen Kat Dandorf
zugeftellten Memorial deutlich aus. Gemäß diefem Memorial wollte
Salentin zunächſt in freundfchaftliher Weife den Priefterfanonifern
und Epdelherren die Koadjutorie des bayriichen Herzogs vorſchlagen
und, wenn fie gutwillig darauf eingingen, ihnen alles vergeben,
was fie B3fes gethan, aud all’ feine Anſprüche und Prozefie
gegen das Kapitel fallen lafjen; follten aber die Kapitularen wider:
jeglic fein, jo werde er mit den zwei anderen ſchärferen Breven
Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichſtags von 1576. 411
bervorrüden; Dr. Gropper werde ſich alsbald nah Köln be=
geben, um die Gemüter feiner Gonfratres auf dieſe Abfichten ihres
Erzbiſchofs vorzubereiten. — Salentin jelbft wies bereit3 am
28. Auguft in einem Schreiben aus Dresden Dechant und Kapitel
zu Köln auf die Eröffnungen hin, welche Gropper ihnen gemacht
haben werde, und ftellte „gnädiglich gefinnend und befehlend ‘
das Erſuchen, daß alle abwejenden Domberren binnen acht Wochen
nad Empfang diejes Schreibens im Erzſtift erſcheinen follten, um
weiteren Beriht von ihm felbjt zu vernehmen.
6. Kapitel.
Der Plan einer Kölner Koadiutorie des Herzogs Ernft.*
—
Die Annahme eines Koadjutors mit dem Rechte der Nach—
folge war im Erzitift Köln zwar ungebräuchlich, aber nicht uner—
hört: jo hatte vor etwa vierzig Jahren Erzbiihof Hermann von
Wied den Grafen Adolf von Schauenburg, feinen jpäteren Nach—
folger, auf Wunſch des Kaifers zu feinem Koadjutor gemadt;
aud der jegige Dompropft Georg von Wittgenftein war bereits
*Quellen: Über die Einlöfung des Veſtes von Redlinghaufen, den Streit
um Zons und andere Streitigfeiten Salentins mit feinem Domlapitel
zerftreute Notizen in den Domtlap.-Protot. DA. ; einiges auh DNA.
C. 368; vgl. oben ©. 154 und ©. 183ff. Ferner Spangen-
berg, Schauenburg. Ehronicon, Stabthagn 1614, ©. 269. Zwei
Fascifel DA. Köln. Domftift, Nr. 323» u. 323d. — Bayriſche Alten
über den Koadjutorieplan StA. 38, Nr. 3. 7. 11 u. 12. RA. Mün—
fter, T. IV. — Quellen zur Geſchichte des Reichſstages f. o. zu Kap.
5, ©. 383; über Kurfachfens Haltung in ber Religionsfrage aufßer-
dem StA. 53/3 und RA. Fürftenfaden, T. XXV. — Über bie Be-
mühungen ber Wetterauer Grafen gegen bie bayrifhe Koadjutorie in
Köln: DIEA. R. 60. DA. Erzbifhöfe. Gebharb Truchfeß, Nr. 5b. MA.
Köln 1515—1580 (Marburger Arhivalien) und Reg. 4. Rep. LI.
Cell. 5. Bol. XI. (Kaffeler Ardhivalien). Dr. Schwarz’ Relation über
die Werbung in Köln, datiert 21. Januar 1577, gebrudt (mit man—
chen Lefeiehlern) bei 3. Arnoldi, Auftlärungen in d. Geſch. bes d.
Reichsgrafenftandes, Marburg 1802. — Einige Briefe betreffend bie
Kölner Koadjutorie: Theiner II, 1688q. u. 276. Über die Auf-
regung, welche Salentind Bortrag vom 23. September in Köln her—
vorrief, berichtet Eolshill an Lord Burghley 4. Oktober 1577. Ca-
lendar of St. for. Ser. 1575/1577, p. 392.
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 415
Koadjutor feines Vorgängers geweſen. Allerdings aber wurde für
jede Koadjutorie die Zuftimmung des Kapitels ftrengftens gefordert ;
Kurfürft Salentin ſelbſt Hatte im 5. Artikel feiner Wahlkapitu:
lation umftändlid) gelobt, ohne dieſe weder einen Nachfolger, noch
Koadjutor, nod jonftige ähnliche Perfon anzunehmen. Ferner ent-
hielten alle Eidesformeln für Kanoniker, Rapitularen und Prälaten
die Verpflihtung, nur Mitglieder des Kapitels zu Prälaten zu
wählen.
Daß Herzog Ernjt Domkapitular werden jolle, hatte Salentin
jelbft wiederholt gefordert; die Zuftimmung des Kapitels zur Koad—
jutorie desjelben gedachte er durch Nachgiebigkeit in feinen Strei—
tigfeiten mit dem Kapitel, namentlih in der Zonfer Sade, zu
erfaufen. Wir haben dieſen Streit bis zu dem Augenblid ver=
folgt, da Salentin durch fein Eintreten für König Rudolfs Wahl
zum römiſchen König ſich Anſpruch auf den Dank des Kaiſers er:
warb. Er erwartete diefen Dank in zwei Angelegenheiten, melde
ihm faft ebenmäßig angelegen waren: bei der Einlöfung des den
Grafen von Schauenburg verpfändeten Veſtes von Redlinghaufen,
und in der Zonſer Streitſache.
Jene Pfandihaft Hatte Salentin bald nad Antritt der Re—
gierung gelündigt. Sein Kapitel war damit ganz einverftanden; die
veftiichen Unterthanen, von ihren Pfandherren mannigfach be—
ihwert, verlangten nad) der Ablöfung und veripraden ein gut
Zeil des nötigen Geldes jelbit aufzubringen; die Pfandherren
dagegen fträubten fi) mit aller Gewalt, ohne Zweifel, weil der
wirkliche Wert des Pfandes die Einlöfungsfumme damals weit
überſtieg. Sie erwirkten anfangs eine kaiſerliche Kommilfion,
braten dann die Sache auf den Rechtsweg und hätten vielleicht
durch Verſchleppung Salentins Abficht vereitelt, wenn diefer nicht
feine Zuftimmung zu Rudolf3 Wahl, mie behauptet wird, aus
alter Feindihaft gegen den jegigen Pfandinhaber Graf Dtto ?),
1) Spangenberg a. a. D., welcher außerdem behauptet, Salentin babe
„das Bet R. ad vitam zum Reſervat behalten” wollen. Sonft finde ich
feinen Anhalt für dieſen Verdacht.
414 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
ausdrücklich an des Kaiſers Einwilligung zur Löſung des Beftes
geknüpft hätte. Genaueres über die Verhandlungen hierüber ift
nicht befannt; das Ende war, dab das Veſt, nachdem es über
120 Fahre der Kölner Kirche entfremdet, im Mai 1576 gegen
Entridtung von 17,550 Goldgulden ihr wieder anheimfiel. Graf
Johann von Naffau, als naher Verwandter der Schauenburger
Grafen, hatte vergebens jeinen Freund, den Kurfürften, um Ge:
duld gebeten; vergebens aud hatten die beiden Söhne des Grafen
Dtto, welche felbit Domhberren zu Köln waren, Hermann, Biſchof
von Minden, und Anton, der im Frühjahr 1574 an Stelle Hein:
rih3 von Sayn Domdehant geworden, das Kapitel auf ihre Seite
zu ziehen geſucht; zumeift wohl infolge hiervon gehörten fortan
die beiden Brüder, namentlid) Hermann, zu Salentins entſchiedenen
Gegnern.
Megen Zons (und zugleid wegen des Veftes) war der Kanzler
Dr. Burfhart im Auguft 1574 am faiferlihen Hof; ein paar
Monate nachher erfolgte in der Zonjer Sadhe ein Urteil des
Kaiſers, welches bereits eine halbe Entiheidung zugunften des
Kurfürften enthielt: der Kaifer ernannte den Biſchof Gerhard von
güttih und den Grafen Hermann von Neuenar zu feinen Kom:
mifjaren und beauftragte zugleid) den lektern, die Einfünfte von
Zons im Namen des Kaiſers zu fequeitrieren. Damit er:
kannte Marimilian die vom Kapitel bisher hartnäckig beftrittene
Litispendenz an. Das Kapitel appellierte an das Kammergeridt,
proteftierte gegen Kommilfion und Seqeftration und traf Ans
ftalten, der letztem mit Gewalt zu begegnen. — Dazwiſchen
jpielten andere minder wichtige Neibereien: So verlangte das
Kapitel, die furfürftlihen Beamten, namentlih der VDberfiegler
(LZutger von Heresbach), jollten ihm gemäß Art. 6 und 7 der
Wahlfapitulation den Eid leiften; der Dberfiegler weigerte ſich
aber unter Berufung auf das Verbot des Erzbiſchofs. — Saler-
tin jeinerfeitS forderte Wahl eines neuen Scholaſters, weil der
jegige (der Straßburger Bischof, einer feiner Hauptgegner) feine
Refidenz in Köln halte. — Für die Zukunft war nicht unwichtig,
Der Plan einer Kölner Koadjutorie bes Herzogs Ernft. 415
daß der Kurfürſt um diefelbe Zeit mit Grafen und Ritterichaft
de3 Erzftift3 fi) überwarf, weil er ſich herausnahm, wegen rüd-
ftändiger Zürkenfteuer deren Hofleute zu befteuern. Dagegen
traf Salentin im Sommer 1575 ein vorteilhaftes Ablommen mit
den Kölner Stiftsgläubigern (den fogen. Sreditoren und Fide-
jufforen), welchem aud das Domkapitel beitrat. — Alle anderen
Streitigkeiten zwiſchen Kurfürft und Kapitel verichärften ſich aber
eben damals.
Das Domkapitel hatte wegen der Zonjer Sache alle Kapi-
tularen auf den 2. Auguft (1575) zufammenbejchrieben und er-
juhte nun den Kurfürften, in der Nähe zu verweilen. Der aber
antwortete: dem Sapitel zuliebe werde er feinen Schritt voran
tbun; man könne mit feinen Räten verhandeln. Bald darauf
fım er zwar perfönlid) nad) Köln, wollte aber nur den Edelherren
und nicht den Priefterfanonifern Audienz geben. — Zum 2. Auguft
erihienen zwölf Endelherren, darunter aud der Bremer Erzbiſchof
und der Straßburger Biſchof, in Köln, wo man nun faft 14 Tage
lang im Schoß des Kapitel3 und mit Salentins Räten wegen Bons
verhandelte. Zulegt wurde mit ftarker Majorität beichloffen, von
dem Vertrag des Jahres 1561 nicht abzugehn, feinen Sequefter
zuzulafien, jondern eine lage des Kurfürften am Kammergericht
zu erwarten. Erzbiſchof Heinric hatte fi) vergeblid bemüht, das
Kapitel nachgiebiger zu ſtimmen. — Während der Beratungen
wurden aud Salentins Waphlartifel, jowie die alte Erblandesver-
einigung berlefen, woraus ſich ergab, daß der Kurfürft noch in
vielen anderen Punkten gegen Eid und Verträge handle; man
faßte deshalb, für den Fall daß er Hartnädig bliebe, die Berufung
eines Landtags ins Auge. Außer dem Afterdehant Thengen und
dem Dr. Gotfrid Gropper, unterzeichneten wieder (am 13. Auguft
1575), ähnlich wie im Februar 1571, alle Anwejenden
einen Abſchied, worin fie fi) verpflichteten, an dieſen Bejchlüffen
feftzuhalten. — Bald nachher. verzichtete der Graf vor Neuenar
freiwillig auf Kommiſſion und Sequeftration; den Lürtiher Biſchof
ließ fih das Kapitel als bloßen faiferlihen Kommiſſar in der
416 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel.
BZonjer Sache gefallen, verhandelte auch ſpäterhin, wiewohl unter
Proteft, vor feinen Subvelegierten.
Um die Zeit des Regensburger Wahltags ruhte der Streit
faft vollftändig. Salentin fing ihn zuerft wieder an, indem er,
Anfangs Januar 1576, duch feine Räte allerhand Beichwerden
und Forderungen an das Kapitel gelangen ließ: dieſes halte nicht,
was e3 bei dem Vertrag mit den Kreditoren und Fidejufforen ge=
lobt; der Paftor von St. Columba (Sebaftian Novimola, Sa:
lentins alter Gegner) habe ſich aus der alten Domrente jährlich
50 Goldgulden zuviel angeeignet, deshalb oder wegen angeblicher
Injurien gegen den Kaifer jolle man denfelben ihm ausliefern ; die
Prälaten des Kapitels jollten ihn, den Kurfürften, gemäß Art. 7 der
Wahlkapitulation, um ihre Konfirmation erfuhen — damit war e3
auf feine beiden ſchlimmſten Gegner unter den Edelherren abgejehen,
den Straßburger Biſchof als Scholafter und den im September
1574 neugewählten Chorbifchof, Herzog Friedrih von Sachſen—
Lauenburg. Daneben forderte Salentin von neuem, der Straß-
burger Bischof folle das Scholafteramt niederlegen. Das Kapitel
antwortete in der Form höflih, in der Sache hinhaltend. Auch
ſonſt fpricht fi in den Kapitelprotofollen aus diefer Zeit eine
weit verjöhnlichere Stimmung aus, al3 in denen des vergangenen
Monats Auguſt. Das erflärt ſich dadurd, daß bon den Edel:
herren damals meift nur der ziemlich harakterloje Domdechant,
der außerdem zur Zeit noch auf Salentins Nachgiebigfeit in der
veftiihen Sade hoffte, und neben ihm zwei entſchiedene Freunde
Salentins, Thengen und Joh. Daniel von Winneburg, anweſend
waren. Diefe beiden ftellten im März 1576 fogar den Antrag,
man möge den Kurfürften bitten, alle Ungnade wegen Zons fallen
zu laffen, und fi zu gütlichen Unterhandlungen erbieten; und das
Kapitel wies diefen Vorſchlag nicht grundfäglid ab, ſondern ver-
ſchob nur die Antwort bis zur Ankunft anderer Herren. — Als
Salentin in derjelben Zeit (April 1576) an den Rhein kam, um
mit dem Herzog von Jülich feinen köln-münſterſchen Plan zu be=
ipredhen, machte er in Kaiſerswerth auch einigen Deputierten des
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernft. 417
Kapitel3 die erften Andeutungen über denjelben. Im Mai em—
pfahlen dann feine Begleiter und Freunde aus dem Sapitel,
Thengen, Winneburg und Gropper, von Münden aus brieflich
ihren Mitkapitularen Herzog Ernfts Koadjutorie. — Es ift aljo
nicht ganz unverftändlih, wie Salentin zur Zeit des Reichstags
ſich Hoffnung machen konnte, die Mehrheit des Kapitels werde ſich
die Koadjutorie gutwillig gefallen lafjen.
Am 12. September teilte Dr. Gropper in Salentins Auftrag
dem Domlapitel mit, der Kurfürft beabjichtige zu vefignieren, wolle
aber zubor wegen Zons und anderer Gebrehen ſich mit dem Ka—
pitel vergleihen, — alle wußten, daß es fi) dabei um die Koad—
jutorie handeln jolle, feiner aber ſprach e3 offen aus.. Am folgen-
den Tag traf jenes Schreiben Salentins aus Dresden ein, worin
auf Eröffnungen Groppers verwiejen wurde. Diefer, zu näherer
Auskunft aufgefordert, ging wieder nit über allgemeine Redens—
arten hinaus. Man beſchloß alfo alle abmwejenden Domherren
auf den 7. November zu berufen, um des Kurfürften Wünſche
zu vernehmen. Salentin, der inzwiſchen wieder an den Ahein
gekommen war, hatte aber nicht Luft, jo lange zu warten, jondern
ud ſchon am 20. September von feiner Burg Arenfel3 aus alle
anweſenden Domlapitularen auf künftigen Sonntag den 23. mor=
gens 6 Uhr in den kurfürftlihen Hof zu Köln, wo er über wich—
tige Dinge mit ihnen perjönlih zu reden habe. Als nun am
Sonntagmorgen der Domdehant und alle adht BPriefterfanonifer
im Kölniſchen Hofe erichienen, fanden fie beim Kurfürften den
Grafen Hermann von Neuenar, viele Räte und zahlveihes Hof-
gefinde, in deren Gegenwart, bei geöffneten Thüren, Salentin mit
_ einer groben Strafrede an die Kapitularen begann, — wegen der
Undankbarkeit und des Ungehorſams, womit fie jeinen väter—
lichen Ablihten begegnet. Dennod wolle er ihnen, wenn fie jich
in gewiſſer Frift mit ihm verglichen, das Erzitift unentgeltlich)
wieder zuftellen; wenn aber nicht, jo werde er auf andere Wege
gedenken, welche dem Kapitel leid fein, Leib und Gut, Geld und
Blut foften würden. Er drohte, dab er heiraten und dennoch
Lofjen, Köln. Krieg 1. 27
418 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
das Erzſtift behalten und erblid) machen wolle. Weiter verficherte
er, das Papft und Kaifer ihn ermächtigt, aud) wider den Willen
des Kapitel einen Koadjutor anzunehmen, und ließ zum Beweis
das jchärfere der beiden Breven vom 30. Juni verlefen, jedod
ohne den Namen des Herzogs Ernſt. Zum Schluß forderte er
jeine Räte und die jonjtige Umgebung auf, dieſe feine Warnung
und Erinnerung aud) anderen zu melden und nicht zu ver
ſchweigen.
Andern Tages erging vonſeiten des Kapitels ſofort Bericht
über dieſen ſeltſamen Vortrag an alle abweſenden Domherren.
Einige antworteten ſchriftlich: der Straßburger Biſchof lehnte es
ab, zu dem allgemeinen Kapitel des 7. November, vorausſicht—
(ih) doc) vergebens, zu ericheinen, riet vielmehr in einem aud)
für das Kapitel bejtimmten Begleitidhreiben an Hermann Adolf
von Solms über die unerhörten Drohungen und Handlungen des
Kurfürften an Papft und Kaiſer zu berichten, einmütig zuſammen—
zuftehen und die Landſtände zu bejchreiben; bei einem Landtag wolle
er eriheinen. — Dagegen empfahl der Afterdehant Thengen, des
Kurfürften Gemüt durd) Sriedensliebe wieder zu gewinnen. — Der
Bremer Erzbiihof jchidte einen eigenen Gejandten, den Lorenz
Schrader, zum 7. November nah Köln, um das Kapitel zu er
mahnen, „dem Herrn Kurfürften als dem von Gott vorgeſetzten
ordentlihen Haupt mit Glimpf und guter Beicheidenheit unter
Augen zu gehen und in allem zu willfahren, was immer, um
Einigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit des Erzitiftes zu erhalten,
nachgegeben werden könne.“ — Das entiprad) aber durchaus nicht
der jegigen Stimmung der Mehrheit; das Kapitel, zum 7. No:
vember ziemlid) zahlreih verfammelt, forderte vielmehr den in
Brühl weilenden Kurfürften furzweg auf, er folle angeben, über
was und mie er fi vergleihen wolle; des Vortrags vom
23. September gedadhte man dabei mit feinem Wort. Das
nannte Salentin in feiner Antwort ein „ſchimpfliches Anmuten ‘“.
„Iſt nun euer Will“, fügte er bei, „Die Saden, wie euch längſt
wohl angejtanden zu bedenken und ferner der Gebühr mit uns zu
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 419
traftieren, wohl gut; im Fall anders, mögen wir's mit Gott und
vor menniglid bezeugen, daß wir zu feinem Verlauf [feiner Wei-
terung] Urſach gegeben. Dies haben wir euch nit ſollen verhalten
und jeind euch nod zur Zeit gewogen.‘
Nun legten fi die furfürftlihen Räte ins Mittel und brach—
ten es durch mehrtägiges Unterhandeln dahin, daß Salentin ein-
willigte, dem Kapitel neuerdingg — angeblid) weil am 23. Sep-
tember nur ein Edelherr zugegen gewejen — über die beabjichtigte
Koadjutorie Vortrag halten zu laſſen. Das geihah am 23. No-
vember durch Landhofmeifter, Kanzler und zehn andere adelige und
rechtsgelehrte Räte. Der Kurfürft wolle, trugen fie vor, weil
das Kapitel feinen Verſprechungen nicht nachgefommen jei und wegen
der beſchwerlichen Zeiten das Erzftift verlaffen und feinen eigenen
Sachen vorftehen. Nun hätten ihm Papft und Kaiſer befohlen, den
Freifinger Adminiftrator, Herzog Ernft von Bayern, zum Koad—
jutor und Nachfolger anzunehmen; das Kapitel folle ſich aljo
hierüber. mit ihm vergleichen, damit es, ſoweit al3 möglich unbe—
ſchadet der Privilegien und Statuten ihrer Kirche, ins Werk geſetzt
werde; wenn nicht, möge jeder erwarten, was ihm widerfahren
werde; er, der Kurfürft wolle daran feine Schuld haben. — Das
Kapitel verſchob bejtimmte Antwort, bis e3 alle abweienden Dom—
herren um ihre Meinung befragt habe. — Am nächſten Tag kam
Salentin jelbft in die Stadt herein, um, wie er jagen ließ, fi
perjönlih bon den Herren Antwort zu holen und mit ihnen fröh—
lich zu fein. Am Abend Hatte er eine Anzahl Kapitularen als
Säfte bei ſich im Kölniſchen Hof und redete vor ihnen derb und
deutlich über die beabjichtigte Koadjutorie. Er jelbit, behauptete
er, habe dazu nichts gethan; aber Papſt und Kaifer wollten bei
diefem Zwiejpalt der Neligion dem Kapitel die freie Wahl nicht
anvertrauen; er werde alſo nicht abtreten, bis er jeines Nachfolgers
gewiß; Vögelchen friß oder ftirb, werde es heißen ). Die Herren
1) Im Domlap. = Protokoll ift diefe Drohung nachträglich ausgeftrichen,
aber wohl nur, weil man an bem berben Ausbrud Anſtoß nahm.
27°
420 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
möchten fi) alfo, wenn nicht im Kapitel, doch für ihre Perſon
erflären. Könnten fie übrigens bei Papit und Kaiſer etwas an—
dere3 erlangen, jo ſei's ihm aud, vet. — Dieje und ähnliche
Reden wurden in der nächſten Kapitelsfigung gemeldet, brachten
aber in dem bereitS vorher gefaßten Beſchluß, alle Kapitularen
wegen der Koadjutorie auf den 15. Januar zujammenzurufen,
feine Änderung zumege.
Durch all’ dieje Vorgänge geriet zunächſt das Kapitel jelbft in
gewaltige Aufregung und Verwirrung. In und außer demjelben
fam es zwiichen den Epdelherren, melde mehr oder minder zum
Kurfürften hielten, wie Joh. Daniel von Winneburg, Johann von
Reifferiheid und Philipp von der Marl, und den anderen, na-
mentlid) dem jüngeren Winneburg, zu jo heftigem Bank, daß jene
eine Zeit lang gar nicht mehr im Kapitel erjcheinen mochten. Alle
Priefterfanoniker, aud) die am beiten bayriich gejinnten, wollten
von einer Koadjutorie nichts wilfen. Schon Anfangs September
hatte Dr. Winkel den jülihihen Sekretär Langer vor diefem Pro—
jekt ernftlih gewarnt: es laffe ſich anſehen, meinte er, al3 wolle
der Hurfünft den Herzog von Bayern damit aufs Eis führen und
etwa ſich jelbjt ein Intereſſe am Erzftift anmahen. Langer hatte
das ſofort nad) München weiter berichtet; jetzt ließ Dr. Winkel
no viel dringendere Warnungen direkt und indirekt dorthin ges
langen: Das Breve, welches den Kurfürften ermäcdhtige, gegen den
Willen feines Kapitel Herzog Ernft zum Koadjutor anzunehmen,
wideripredye dem gemeinen Recht, den Beſchlüſſen der Konzilien,
den Statuten der Kölner Kirche, der Erblandesvereinigung; es
jehe bereits aus, al3 wollten die Landſtände ji auflehnen. Die
Gegenpartet werde bei ihren Verwandten und bei den Reidjs-
fürften Hilfe finden, „in Betrachtung, daß auch die Stände des
heiligen Reichs nit gern dahin verjtehen jollten, dag man von
Rom und päpftlicher Heilt des heiligen römischen Reichs Kurfürften
holen ſollte“. Biel ratſamer jei der föniglihe Weg der freien
Wahl; Herzog Ernft folle nur ſuchen Kapitular zu werden und
dann ſofort jeloft herunter an den Ahein fommen, dann würden
Der Plan einer Kölner Koadjutorie bes Herzogs Ernſt. 421
fi) mit Gottes Hilfe alle Hinderniffe leicht bejeitigen laffen, denn
eines Menſchen Antlitz ſei gleich) dem eines Löwen (facies hominis
est facies leonis).
Auch am Münchener Hofe hatte man e3 von vornherein für
nügliher gehalten, wenn der Kurfürft es zunächſt wenigſtens mit
Güte verſuchte; Salentin aber ſchien es auf Gewalt faft abgejehen
zu haben. Zur jelben Zeit, da die Freunde Bayerns in Köln und
der Herzog von Jülich den Weg der freien Wahl anrieten, ichicte
Salentin allerlei zur Übermittelung nah Rom beftimmte Schriften
nad München, in welden gebeten wurde, feine Vollmadyten für
Annahme eines Koadjutors weiter auszudehnen. Gr wolle,
jhrieb er am 29. November eigenhändig aus Kaiferswerth an
Herzog Albrecht, ungefähr Mitte Januar abtreten, den Admini-
ſtrator don Zreifing als feinen Koadjutor und Succefjor dem Kapitel
und der Landichaft präfentieren und, wo vonnöten, nad all jeinem
Bermögen „ manutenieren ‘’ [aufrecht halten]. — Diejer Brief enthält
nebenbei auch die erfte deutliche Anfpielung darauf, daß Salentin
feine künftige Braut bereits gewählt hatte: nämlid eine Tochter
der dom Kaiſer jüngft in den Reidhsfürftenftand erhobenen Gräfin:
Witwe von Arenberg, welde das Gerücht übrigens ſchon jeit
Fahren als Salentins künftige Gemahlin bezeichnete ?).
Am meiften bedroht durch Salentins Koadjutorieplan fühlten
1) „Mittlerweil wil ich noch den leuten bragten, welche mir €. L. zue
einem voirdanz zu Munchen haben prefentiren wullen und noch befchener
refignation mit Gottes wil kuenner als zu Munchen ben daenz aen bie
baent nemen; dan daezumael waer bie zeit noch nicht voirhanden und ich
ſchemet mic auch, wie der buler braud iſt.“ (Kurfirft Salentin an Herzog
Aldredt DO. eigh. StA. 38/3, fol. 154.) Daß bier von der Tochter ber
Gräfin von Arenberg die Rede ift, erfieht man u. a. aus einer Nachricht von
Dr. Schwarz an Graf Johann vom 30. Juni 1576 (DNA. Dill. Korrefp.
1576, fol. 140): e8 fei ihm für gewiß angezeigt, „daß ber curf. zu Collen
bei dem herzogen zu Baiern gewefen und doſelbſt ſich in ein heurat mit ber
jungen von Arnbergk folle begeben wollen.” Graf Johann meldet nachher
das Gerücht jeinem Bruder Dranien, Groen van Prinsterer V, 392
u. 434. — über ältere Gerüchte vgl. o. &. 193 u. 390.
422 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
fi) Die proteftantiihen Grafen in und außer dem Kapitel; für fie
war die geplante Verkürzung des Wahlrechts das Kleinere Übel
neben der Gefahr, welche aus der Perſon des beabjihtigten Koad-
jutors erwuchs. Nod manchen anderen Leuten mochte es unbe—
quem fein, wenn das mächtige Fatholiiche Fürftenhaus Bayern im
Erzitift feiten Fuß faßte, die evangeliſchen Grafen aber jahen
dadurd) ihre Eriftenz bedroht; naturgemäß bilden deshalb fie den
Kern der Dppofition gegen Herzog Ernfts Nachfolge. — Die allge=
meinen politiichen Verhältniffe, unter welchen fie jegt ihren Kampf
begannen, lagen jedoh für die proteftantiihen Reichsſtände über:
haupt und für die Grafen insbejondere höchſt ungünftig.
Im Laufe des September hatten fi die Proteftanten noch
einmal Hoffnung gemacht, eine oder die andere religiöje Konzeflion
auf dem Reichstag zu erlangen. Die kaiſerliche Reſolution vom
25. Auguft war am 9. September mit einer Replik beantwortet
worden, in welcher man neuerdings Beftätigung der Deklaration
forderte und daneben im allgemeinen gegen die Ausweifung evan—
geliiher Unterthanen durch Fatholiihe Fürften proteftierte; jedod)
hatten fih die kurſächſiſchen Geſandten auf ausprüdlichen Befehl
ihres Herrn an diejer Replik nicht mehr beteiligt. Da verlautete
neuerdings, der Kaiſer felbft wünfche, daß die katholiſchen Stände,
um den Reichstag zu glücklichem Ende zu bringen, auch einmal
etwas nachgäben. Wirklih frug der Geheimrat Dr. Vieheuſer
bei den Gejandten der namhafteften katholiſchen Stände vertrau:
lich an, ob fie nicht ermächtigt feien, im Neligionspunft ſich weiter
einzulafien oder wenigſtens deſſen Verſchiebung auf den nächſten
Reichstag zu bewilligen. Kurfürft Auguft von Sachſen fürdtete
bereits, der Kaiſer werde nun, nachdem er doch zuvor ihn felbft
gebeten, fih mit dem Buchſtaben des Religionsfriedens zu be=
gnügen, aus freien Stüden inbezug auf die Dellaration mehr be—
willigen, und dadurch ihn, den Kurfürften, bei feinen Glaubens—
genoffen in ein falſches Licht ſetzen. Darum mar es ihm jetzt
ganz recht, daß die katholiſchen Stände feitblieben und nicht ein=
mal die Nemiffion der religiöjen Streitfragen auf einen fünftigen
Der Plan einer Kölner Koadbjutorie der Herzogs Ernſt. 423
Reichstag zugeftanden. Da der Kaiſer jo feinen legten Verſuch,
einen Mittelweg zu finden, mißlingen jah, wiederholte ev am
24. September feinen den Konfeflionsverwandten früher gegebenen
Beſcheid, daß es nit in feiner Macht ftehe, gegen den Willen
der fatholiihen Stände etwas am Religionsfrieden zu ändern.
Die Proteftanten, wieder ohne Sachſen, replizierten zwar nod)
einmal (am 5. Dftober), aber ſchon ohne eigenes Vertrauen auf
Erfolg, nur damit man die Betätigung der Deklaration nicht für
aufgegeben (pro causa decisa et derelicta) halte.
Noch weniger Glück hatten die evangeliichen Grafen mit ihren
Bemühungen um die Freiftellung. Schon ehe der SKaifer ihr
erſtes Geſuch zurückgewieſen hatte, wurde in Regensburg ein ges
dructes „Summariſches Verzeichnis etliher Einreden und Er—
innerung wider die Freiftellung‘‘ verbreitet, nad) den einen das
Merk eines Papiften, nad) den anderen das eines verkappten Preis
jtellers, in Wirklichleit wohl cher das eines „Hofchriſten“, d. h.
eines jener an Marimilians Hof einflußreihen Politiker, welche
mehr dem politischen Frieden zuliebe al3 aus religiöfen Gründen
die kirchenpolitiſchen Inftitutionen des Reiches möglichſt geichont
jehen wollten. Die Schrift zergliederte in ſpöttiſchem Tone die
Argumente der Freifteller und zeigte, daß es ihnen viel weniger
um die Religion al3 um die Güter zu thun jet, daß aber, zur
Zeit wenigftens, aus der Freiftellung nur größere Zerrüttung im
Reich folgen werde. Diefe Schrift gab den proteftantiichen Grafen
Anlaß zu einer langen Erwiderung, welche fie zuerjt in der Ber:
ſammlung der Konfeffionsverwandten vorlegten, und ſodann, nad):
dem man bier „die groben Spän abgehobelt‘‘, nebit einer Für:
ichrift der evangeliihen Gejandten — außer Sachſen — am
5. Dftober den Geheimräten des Kaifers überreihten ). An:
1) Lehenmann, De Pace relig. L. II. c. 41 und nad) ihm Häber-
lin a. a. O. X, 358f. geben zwar an, daß ſich außer den kurfächſiſchen
auch die kurbrandenburgifchen Gefandten von ber Fürbitte ausgeſchloſſen
hätten; doch waren fie, nad) der o. ©. 384 angeführten Relation der Wetter-
424 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel.
geblid) ſprachen die Grafen in ihr aud) im Sinne des niedern
Adels, aber ſchon wenige Tage fpäter wurde aller Welt offen:
fundig, daß von diefem ein großer Zeil jeine Intereſſen durchaus
nicht als glei mit denen des Grafenftandes anfah. Die Wirkung
der vor einigen Monaten gehaltenen Nittertage, jowie der jeither
in der Stille unter der Nitterfhaft fortgefegten Agitatton gegen
Grafen und Fürften trat jekt an den Tag: am 9. Dftober über:
reichten die Abgeordneten der drei Reichsritterkreife (am Rhein, in
Franken und in Schwaben) den Geheimräten des Kaiſers eine
Eingabe, in welcher fie ſich ſcharf gegen die Freiftellung erklärten,
infolge deren bereit3 an vielen Drten viele anſehnliche Stifter zu:
grunde gerichtet feien; der Kaifer möge darum dieſe gejuchte Frei:
jtellung, welche zu jonderlihem Nachteil der Stifter und des Adels
gelange, gänzlich bejeitigen und alles beim alten Herkommen und
dem aufgerichteten Neligionsfrieden bleiben laffen. Dem todfranfen
Kaiſer, der feinen Hauptzwed, eine ftattliche Türkenhilfe, bereits vom
Reichstag erlangt hatte und fid) nad) einem baldigen friedlichen Schluß
desjelben jehnte, kam diefe Erklärung jetzt ſehr gelegen; in jeinem
Namen gaben die Geheimräte der Ritterihaft beruhigende Zu:
fiherungen. Am nächſten Tage (10. Dftober) ermahnten fie aud)
die Grafen fowie die Gefandten der Konfeffionsverwandten, fi mit
des Kaiſers früheren Rejolutionen zu begnügen und am Religions-
frieden feftzuhalten. — Zwei Zage darauf, am Vormittag des
12. Dftober, zur jelben Stunde, al3 in Gegenwart des Königs
Rudolf der Reihstagsabichied verlefen wurde, ftarb Kaiſer Maxi—
milian, im fünfzigften Sabre feines Alters, im zwölften feiner
fnijerlihen Regierung. Alle Parteien hatten in diefer Zeit an
Marimilians Doppelzüngigkeit, an dem Widerſpruch zwiſchen feinen
Morten und Handlungen mit Recht oftmals Anftoß genommen ;
jein Huges Maßhalten und vielleicht mehr noch der Zauber feiner
liebenswürdigen Perſönlichkeit entwaffneten doch immer wieder jede
auer Gefandten jedenfalls bei Überreihung der Schriften am 5. Oktober zu—
gegen; vgl. Bezold a. a. O. ©. 204 Aum.
Der Plan einer Kölner Koabjutorie bes Herzogs Ernſt. 425
ernftlihe Dppofition, verhinderten bleibende Zerwürfniffe; noch
unter feinem Saifer hatte man im ganzen jo friedlich neben ein-
ander gelebt. Bi an jein Lebensende war Marimilian nicht
müde geworden, allerwärt3 zu vermitteln und zu befchwichtigen;
im Herzen ein Anhänger der Augsburger Konfeffion, nad außen
fatholiich und dem Papſte gehorfam, waren in feiner Perſon
die großen kirchlichen Gegenfäge gleihlam ausgeglihen. Wie
darum alle friedliebenden Deutihen in den legten Wochen die
vielfach wechſelnden Nachrichten über des Kaifers zwiichen Leben
und Sterben ſchwankende Gejundheit mit banger Sorge ver:
folgt hatten, jo war jetzt aufrihtige Zrauer das allgemeine
Gefühl in der Nation. Bei den Proteftanten kam dazu die
Beforgnis, daß der junge und umnerfahrene König Rudolf, in
ſpaniſchen Sitten aufgewachſen, ſeine Macht und feinen Einfluß
im Dienfte ſpaniſch-päpſtlicher Anſchauungen geltend machen werde.
Ohnehin war infolge der langen Religionsdebatten auf dem Reichs—
tag die gegenfeitige Erbitterung zwiichen den Ständen beider Re—
ligionen bedenklich gewachſen ?).
Vierzehn Zage jpäter wurde die reformierte Partei unter den
Proteftanten durch den Zod ihres bisherigen Hauptes, des Kur—
fürften Friedrih von der Pfalz, noch ſchwerer betroffen, — am
ichwerften wohl die Wetterauer Grafen. Sie hatten bisher in
allen kirchlichen und politischen Fragen zu den Kurpfälzern ges
halten: mit diefen der lutherischen Konkordienformel ſich widerſetzt,
in den niederländischen Kriegshändeln, in der polnischen Frage,
bezüglich der römischen Königswahl deren antiöfterreihiihen Stand-
punkt geteilt, wogegen die Pfälzer ihrerſeits mit allem Eifer der
für den Grafenftand bejonders wichtigen Freiſtellung ſich an—
1) In einem Schreiben an Herzog Julius (vom 1. Dftober) Elagt ber
Braunfchweiger Kanzler Mutzeltin, e8 fei zur beforgen, „baß man ben fran—
zefifchen krieg im teutſchem lande haben wirbet; ban es wirbet unter ber
ftende beider religion aefanten eine unglaubliche verbitterung gefpurt und
vermerfet”. Hiftor. Miscell., S. 101. Andere Beweife in den von
mir benutten Reichstagskorreſpondenzen.
426 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
nahmen. Nun folgte in der Kurwürde dem fanatiichen Gal-
viniften Friedrich fein kaum minder eifrig lutheriſcher Sohn Lud—
wig; man mußte darauf gefaßt fein, daß er das reformierte
Kirchenweſen in der Pfalz baldigft über den Haufen werfen werde.
In den Reichsſachen hatte ih Pfalzgraf Ludwig bereits auf
den Regensburger Wahltag viel Faiferlicher gezeigt als die Räte
jeines Vaters, au nie verhehlt, daß er mit deſſen Einmiſchung
in die franzöfiihen und niederländiichen Händel nicht einverftanden
je. Es war zu vermuten, daß er es aud) inbezug auf die
Breiftellung mehr mit feinen Mitkurfürften als mit den Wetterauer
Grafen halten werde. — Die Gefandten der proteftantiihen Stände
hatten vor ihrem Abzug von Regensburg unter Führung der Kur:
pfälzer vereinbart, ihren Herrichaften die Enticheidung zu über:
laſſen, ob diefe Die don den Gejandten nur bedingt bewilligte
Türkenhilfe wirklich entrihten wollten. Die Wetterauer Grafen
hätten daraufhin die Kontribution gern verweigert, da aber der
neue Pfülzer Kurfürſt nad) dem Vorgang des Brandenburgers fid)
jegt der Meinung Kurſachſens anſchloß, mußten fi) Die kleineren
Stände wohl oder übel fügen.
Auh in der Kölner Angelegenheit ſetzten die Wetterauer
Grafen von vornherein wenig Vertrauen auf Kurfürſt Ludwig.
Nicht ihn betrachteten fie als den geiftigen Erben Friedrichs ILL,
jondern den Landgrafen Wilhelm von Heſſen ). An dieſen wandte
fi) daher Fohann von Naffau zuerft mit der Bitte, daß das
Kölner Domkapitel durch eine Geſandtſchaft der evangeliichen Fürften
zum MWiderftand gegen Salentins Koadjutorieplan ermutigt werde;
1) 30. November 1576 fchreibt Graf Johann an Landgraf Wilhelm u. a.:
„ſo bin ich der dienftlichen zuverfiht und hofnung, €. ©. werde als ein
liebhaber gotlih8 wort und unfers algemeinen vatterlants, furnemlich aber
in betradhtung, das E. G. nunmer nah abgang weilant bes durchl.
. .. bern Friderichs pfalzgr. und curf. . . . diß negotium faft merertails
allein obligt, dife fache auch one meine erinnerung nicht allein fur ſich jelbften
zu gemut furem, fondern auch biefelbe bei ben andern evangelifchen cur,
furften und ftenden ber gebur zu follicitieren und zu bejurbern wiſſen.“
MA. Erzit. Köln 1577, fol. 85.
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 427
denn allen evangeliichen Ständen liege daran, daß das Erzitift
nicht dem Freifinger Bischof zufalle, der nicht nur ganz und gar
bon den Jeſuiten eingenommen fei, ſondern auch mit Hilfe feiner
Verwandten und des ganzen papiftiihen Haufens die jeſuitiſche
und Spanische Regierung, Inquifition und Knechtſchaft leicht werde
einführen können. — Jedoch verließen fi die Grafen mit Grund
weit weniger auf die Hilfe der Fürften als auf ihre eigene Kraft
und die ihrer Freunde im Erzftift. Auf den 9. Dezember war
ein Wetterauer Grafentag nad der gewöhnlichen Malftatt Butzbach
ausgeſchrieben, um wegen der Türkenhilfe fowie über die erſtrebte
engere Verbindung ſämtlicher Reichsgrafen zu beraten; die Kölner
Wahlſache erwies ſich aber Sofort als weitaus der widhtigite
Gegenftand. Ihretwegen blieben die perſönlich erjchienenen Grafen
Albrecht von Nafjau- Saarbrüden, Johann von Nafjau = Dillen-
burg, Ludwig von Wittgenftein und deſſen beide Schwäger Jo—
hann Georg und Dito von Solms-Laubach noch tagelang bei:
ſammen, als der eigentlihe Grafentag längft zu Ende war. Man
erwog, wie durch Salentins Angriff auf die freie Wahl der
Grafenftand in Gefahr gerate, nachdem ihm die beiden Kurfürſten—
tümer Mainz und Trier bereit verſchloſſen, auch vom Kölner
verdrängt zu werden. Darum folle man durd) eine Geſandtſchaft
das Kapitel auffordern, an feiner freien Wahl feftzubalten und
hierfür den Beiftand der Grafen anbieten; aud eine Beihidung
des Kurfürſten jelbft wurde in Ausficht genommen; ferner wollte
man etliche Kurfürften und Fürften und alle anderen Reichsgrafen
um ihre Hilfe anrufen; den einzelnen Kölner Domherren jowie den
Landftänden müſſe man die Gründe vortragen, welche für die Er—
haltung der freien Wahl, ganz beſonders aber gegen die Nachfolge
des Haufes Bayern ſprächen. Die Betreibung der Sadje wurde
einem Ausſchuß von ſechs Grafen übertragen, fiel dann aber
hauptjächlich den beiden Freunden Johann von Naffau und Lud—
wig bon Wittgenftein anheim. — Graf Ludwig bielt fi den Win-
ter über wieder in Berleburg auf und fiedelte im nächſten Früh—
jahr, als in der Pfalz die lutheriſche Reaktion begann, nad)
428 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
Niederlegung jeiner Großhofmeifterftelle, ganz nad) dem Wefterwald
über, wo er und Graf Johann den aus Kurjachlen und aus der
Pfalz vertriebenen reformierten Geiftlihen ein Aſyl bereiteten.
An den für die Kölner Sache zunächſt ins Vertrauen ges
zogenen Fürftenhöfen, Heffen und Pfalz, fanden die Grafen anfangs
nicht das gehoffte Entgegenfommen. Die alten zur Zeit nod im
Amt ftchenden Pfälzer Räte, namentlich der Kanzler Ehen, waren
zwar fir ihre Perſon willig genug, fürdhteten aber, wenn fie die
Sache an Kurfürſt Ludwig brächten, werde diejer nur mißtrauiſch
werden. Sie erbaten daher die Vermittelung des Pralzgrafen
Johann Kafimir, der fih damals zu Straßburg aufhielt. Sehr
furzfichtig urteilte aud) diesmal wieder der ſonſt fo Huge Landgraf
Wilhelm über die durch Burkart von Kram an ihn gelangten Wünſche
der Grafen. Bei Lichte bejehen, meinte er, ſei die Sache nur eine
Hurerei mit Frau Simonia, womit er nicht umzugehen wiſſe und
wobei er für ſich und feine Religionsgenoffen weder großen Vor:
teil nod) Gelegenheit zur Beförderung der wahren hriftlichen Re—
ligion jehen föünne, zumal man auf dem Reichstag nichts für die
Sreiftellung erlangt habe. Er begreife daher jehr wohl, daß der
Bremer Erzbiichof Bedenken trage, ſich um das Erzitift Köln zu
bemühen; ihm gelte auch faft glei), ob der Freifinger Biſchof oder
ein anderer poftuliert werde, da doch feiner Biſchof werden fünne,
der nicht auf die papiftiiche Religion ſchwöre, die evangeliidhe da—
gegen verſchwöre. Seine bloße Wahlfreiheit werde das Kapitel
viel leichter mit Hilfe des Papftes und anderer Domkapitel als
mit Hilfe der Sonfeifionsverwandten behaupten können. — In
diefem Sinne mußte Kram im Namen der Landgrafen an Johann
von Naffau und Ludwig von Wittgenftein jchreiben.
Inzwiſchen nahte der Termin, welchen das Kölner Kapitel
zur Beratung über den Koadjutorieplan angelegt hatte. inige
Zage zuvor, am 9. Januar, kamen Graf Dtto von Solms,
der naſſauiſche Rat Dr. Schwarz (Graf Fohann ſelbſt mar
durch den Ausbruch der Veit in Siegen feitgehalten) und ein
in Köln gut bekannter Licentiat der Rechte Theophylus Dafypo-
Der Plan einer Kölner Koadjutorie des Herzogs Ernft. 429
dius ) bei Graf Ludwig in Berleburg zufammen, um über die
Ausführung der Butzbacher Beichlüffe zu beraten. Als gräfliche
Gejandte an das Kapitel waren Dtto von Solms und Hermann
von Sayn nebit dem Dr. Schwarz auserjehen, nachdem Graf
Hermanns Bruder Heinrih, der vormalige Kölner Domdedant,
jeine Teilnahme verweigert hatte. Dagegen hatte von den fölni-
ihen Grafen Hermann von Manderiheid-Blanfenheim, der Bruder
des Straßburger Biſchofs, feine Unterftügung bereits zugefagt.
Daiypodius gab Auskunft, auf wen unter der kölniſchen Ritter:
ihaft als Gegner der bayriichen Succeſſion zu rechnen ſei —
meift Leute die offen oder heimlich zur Augsburger Konfeifion
hielten, darunter die beiden (aud im Kölnifchen begüterten ?)
Ketteler, der Marſchall Rutger von der Horft, Winand von Breyl
zu Viſchenich, ein Blanfart, ein Bongart, ein Quad u. a. m.
Dafypodius deutete übrigens an, daß ſich die Kölner Ritterſchaft
durch das hochmütige Auftreten der Kapitelsgrafen feither manch—
mal verlegt gefühlt habe 2). Auch einzelne Kölner Bürger, na—
1) Aus Ludwig von Wittgenfteind Tagebuch (Bd. III, fol. 41 Berleb.
Bibl.) ergiebt fih, daß diefer Dafypobius im Januar 1575 mit Graf Otto
von Solms (al8 deſſen Hofmeifter ?) zu Venedig fih aufhielt. Sonft habe
ich über feine Perfon keine Nachrichten gefunden.
2) „Aegre ferunt nobiles, quod tam parvi estimentur a comitibus, ut
vix alloquantur, nunquam etiam ad convivia vocentur, et nonnulli de
ipsis loquantur, ac si ipsorum essent mancipia. Existimatur quondam
ex comitibus junioribus fortassis aliquid verborum elapsum. ... No-
biles: Wigant von Bryel zu Vilhinih (am Nande: promissio gratiarum
comitum), cujus consilium petendum. — Nota: Doctor Swarz allo-
quatur den abgeftandenen hern von Münfter nomine Ketler. — Rödcher
von der Horft cölnischer marſchalk. — Blankhart, jo die namen der ritter-
Schaft collegiert. — Der hör von Köppel Bumgart. — Her von ber Heyben,
fo auch vertritt geweſen; Johan von Lützenrod, Dietrich von DI (1), Lütcher
Quad ber zu Miülen, Wilhelm von Goloftein, Albrecht von Lövenicht, bau—
meifter zu Allendorf, hos alloquutos esse nemini revelandum preterquam
Hermanno a Solms, Bredenauio. Nota: doctor Swarz fol mit dem bur-
germeifter Leußkircher handlen, Johan Ketler cum illo aget doctor Swarz..
Plebei: Doctor Johan Stephan vertrenlich anzufprechen und rats zu frogen,
wie den fachen zu tun, ego aut Swarzius.....“ Aus ben Aufzeichnungen
450 Fünftes Buch, Sechſtes Kapitel.
mentlih den Bürgermeifter Konftantin von Lyskirchen, fodann
einen gewiffen Dr. Johann Stephan riet er anzufpreden. Die
Prieſterkanoniker könnten duch ein und den andern Adeligen gegen
Bayern bearbeitet werden. — Bon den Motiven, welde Daſy—
podius aufzeichnete, um damit Die verjchiedenen Stände des Erz:
ftift3 gegen die bayriſche Succefjion einzunehmen, waren mande in
der That wohlerwogen und wirkſam genug. Sp wenn er riet,
die Grafen davor zu warnen, dab das Haus Bayern, einmal im
Belige der Kölner Kur, fich nicht mehr jo leicht daraus vertreiben
laffen werde, fo wenig wie das Haus Dfterreich aus dem Kaiſertum;
dadurch werde aber der Grafenjtand jeine Stimme im Kurfürftens
at ganz verlieren und um jo leichter unterdrüdt werden. Die
Privilegien der geiftlichen wie der weltlihen Stände und des
Domlapitels jelbft ſeien durch die übergroße Macht des bayrijchen
Haufes gefährdet. Bayerns Freundihaft mit dem Haufe Burgund
fönne leiht den niederländiichen Krieg ins Erzjtift ziehen. Die
Siebenpriefter jolle man bejonders davor warnen, daß fih Sa—
lentin, wenn ihm die Einjegung feines Nachfolgers gelinge, an
ihnen räden werde, weil fie al3 Doctore3 juris an den Zer—
würfniffen mit ihm hauptſächlich jchuld jeien. Der Ritterſchaft
fönne man zu bedenken geben, wie jehr in Bayern ihre Standes:
genofjen, namentlih in Religionsſachen, bedrüdt würden. „Zu
beforgen, dab hiemit aud möchte ein hiſpaniſch Regiment einge:
führt werden, von hiſpaniſchen und italienischen Räten, dazu aud)
bayrifcher Pracht, und wohl zu bedenken, daß fie jchon einmal ge—
beiert haben, und ift die Ned, es hab das Kapitel und die Ritter-
haft unter ſich beſchloſſen fein baieriſchen Biſchof mehr zu er:
wählen. — Aljo ähnlide Gründe und Vorurteile, wie wir fie
ihon im Fahre 1570 gegen die bayriihe Succeſſion geltend machen
hörten.
Am 13. Januar fanden fih Graf Otto von Solms,
des Dafypodius DillA. R. 60. fol. 266. Erwünſcht wären weitere Auf-
Härungen über eine und die andere von biefen Perfonen.
Der Plan einer Kölner Koadbjutorie des Herzogs Ernit. 431
Dr. Schwarz und Dafypodius in Köln ein und nahmen Wohnung
bei dem Dompropft und bei Hermann Adolf von Solms, mit
welchen, jomwie mit Hermann von Sayn und Hermann von Man-
dericheid die weiteren Schritte beraten wurden. Auch des Grafen
Hermann von Neuenar junger Vetter Adolf kam auf einen Tag
zu ihnen nad Köln. Man beihloß, die Werbung in der glimpf—
lichften Form dem Kapitel vorzutragen. Nur im allgemeinen,
ohne Herzog Ernft zu nennen, wollte man davon jpreden, dal
der Kurfürft dem Vernehmen nach durch ungewöhnliche und be=
denkliche Mittel feinen Nachfolger beftellen wolle. Davor wollten
die Wetterauer und andere benadhbarte Grafen als Mitinterefjierte
das Kapitel warnen und fid erbieten, dasjelbe bei jeinen Rechten
und Gerectigfeiten gegen ungebührlihen Zwang jchügen zu
helfen.
Der Kurfürft hatte jeit der legten Begegnung mit den Doms
fapitularen am 24. November nicht das mindefte gethan, um ihren
guten Willen für feinen Koadjutorieplan zu gewinnen. Im
Gegenteil ließ er wenige Zage danad) dem Chorbiihof und Amt—
mann zu Zons, Herzog Friedrid von Sadjen, fünfzig Schweine vom
Müllenbuſch weg nad) Kaijerswerth und Linn treiben. Nach diejer
That zog er wieder in jein Herzogtum Weitfalen, dann ins Stift
Paderborn und mahnte von hier aus das Kapitel an jeine frü—
here Forderung, daß die Prälaten ihre Wahldekrete ihm vorlegen
und Konfirmation erbitten jollten. Am 7. Januar, acht Tage vor
dem Termin für die allgemeine Zuſammenkunft, forderte ex ſodann
Dechant und Kapitel auf, gemäß feinem perjönlichen Vortrag vom
24. November, zu Gottes Ehre und zur Beförderung der fatho=
lifchen Religion, jih mit ihm zu vergleihen. Im einer eigen-
händigen Nahihrift zu dieſem Brief bemalt er u. a.: „Euch
ift unverborgen, welder Gejtalt und durch welche, über alle Pflicht
und Gebühr, wir vielfältig, ja immerdar verhindert. Dieweil
dann joldes Schimpfs, Trutzens, Übermuts, Ungehorfams lang
Zeit [fein] Aufhörens gemwejen, jo thun wir euch väterlich erjuchen
und ermahnen, ihr wollet euch allen vorigen Verlauf zu Herzen
432 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel.
gehen lafjen und gedenfen, da ihr Gott im Himmel nicht er—
zürnet und zu feinem Verlauf weitere Urſach gebet“ u. ſ. m.
Bald darauf, als ihn das Kapitel erjuchte, ev möge für die be=
vorftehende Verſammlung die von ihm und feinen Räten ange-
zogenen Befehle von Papſt und Kaifer in glaubhafter Form mit-
teilen, erflärte er das für ein „aufzügliches und unnötiges An—
muten“. — So war denn beim BZufammentritt des Kapitels die
allgemeine Stimmung der Kapitularen wenn möglich noch gereizter
al3 zuvor.
Es erjhienen zu der Verſammlung vom 14. Januar ab nad)
und nad) jämtlihe Edelherren und Briefterfanonifer, vier aus—
genommen: der Shwahlinnige Wilhelm von Reifferiheid, der auch
ſonſt faft nie in Perſon erihien, Hans Philipp von Mander:
iheid-Geroljtein, der noch auf der Univerfität Döle ftudierte, der
Bremer Erzbifhof und der Mindener Biſchof. Erzbiihof Heinrich
ließ diesmal gar nichts von ſich hören, der Mindener Biſchof
entihuldigte jein Ausbleiben mit dem unlängft (am 22. Dezember)
erfolgten Tode feines Vaters, erflärte aber brieflih, daß er für
jeine Perfon von der freien Wahl ſich keineswegs dringen noch
auch den Freiheiten und Gewohnheiten der Kölner Kirche etwas
entziehen lafjen wolle; man möge bei Papft und Kaiſer gegen
die dom Kurfürften erſchlichenen unerhörten Indulte Beichwerde
führen. — Wegen der Wichtigkeit der Sache nahm auf befondere
Einladung aud der Dompropit an den Beratungen teil.
Diefe begannen am 17. Januar damit, dag man jenen gegen
Salentin gerichteten Abjchied vom 13. Auguft 1575 wieder vor-
nahın und von Kapitels wegen die beiden Kapitularen, welche ſich
damals der Unterzeichnung entzogen hatten, Thengen und Gropper,
in ſchroffer Form aufforderte, nachträglich zu unterjchreiben. Der
Afterdehant fügte fich alsbald; aud Herr Gebhard Truchſeß, der
vormals nicht ‚zugegen gewejen war, unterſchrieb jegt freiwillig.
Gropper zog ih anfangs; da rüdte man gegen ihn mit dem
Vorwurf hervor, daß er jelbft jenes gegen die Wahlfreiheit des
Kapitels gerichtete Breve in Rom ausgebraht oder wenigitens
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernft. 433
darum gewußt habe, ohne dem Kapitel Mitteilung zu machen. —
Inzwiſchen waren die gräflichen Gefandten Dtto von Solms und
Hermann von Sayn nebit dem Dr. Schwarz (am 18. Januar)
vor dem Kapitel erjchienen und hatten durch den legtern das
Erſuchen und Erbieten der Grafen mündlid vortragen laſſen.
Diefe Werbung und die gleichzeitigen vertraulichen Verhandlungen
mit einzelnen Kapitularen beftärkten ohne Zweifel das Kapitel
in Seinem Widerftand gegen Salentins Plan. Den Grafen
wurde am folgenden Tag geantwortet, das Kapitel fei ent=
ſchloſſen, an feiner ordentliden freien Wahl feitzuhalten, und
nehme für den Fall, daß der Kurfürft wider Erwarten etwas
gegen Statuten und Herlommen vornehmen werde, das Erbieten
der Grafen zu Dank an. — Einem Eingeftändnis Groppers in
diefem Augenblid wäre ohne Zweifel jeine Ausftogung aus dem
Kapitel auf dem Fuße gefolgt; jo legte er fih denn aufs Leugnen,
Daß Papſt und Kardinäle mit ihm über die Sache geiprocdhen, ges
ftand er zwar zu, doch habe er nicht gewußt, was man im
Sinne gehabt; er berief fih auf den Sa: facti alieni proba-
bilis est ignorantia; nicht wegen der Koadjutorie, jondern wegen
der Dispens zum Heiraten u. dgl. habe ihn der Kurfürſt nad)
Rom geihidt. Erſt nachdem Gropper dieje Entihuldigungen an
Eidesſtatt wiederholt hatte, jtand man für jegt von weiterer Ver—
folgung ab; der Straßburger Biſchof behielt ſich jedoch Privat:
fage vor. Die Vereinigung vom Auguft 1575 unterjchrieb
Gropper nunmehr. Darauf ging man an die Beratung der Er-
klärungen des Kurfürften vom 23. September und 23. November
vorigen Jahres. Man beihloß wegen Salentins Behauptung, daß
Papſt und Kaifer dem Kapitel die freie Wahl nicht anvertrauten,
bei beiden höchſten Dbrigfeiten Beihwerde zu führen; vom Kurs
fürften jelbjt aber forderte man zunächſt wieder, er jolle das apo—
ſtoliſche Breve und den angeblihen Befehl des Kaifers in glaub—
after Form vorlegen, eher könne man ſich auf feinen Vortrag
nicht entichließen. Sodann nahm man die Statuten und Eides=
formeln der Kölner Domkiche, Salentins Wahlartifel und die
Loffen, Köln. Krieg I. 28
434 Fünftes Bud. Sechftes Kapitel.
Erblandesvereinigung wieder vor, und fand in ihnen allen, ſowie
im fanonishen Redt, im Bafeler Konzil und in den Sonfordaten
der deutihen Nation, endlih in den Zrienter Konzilsdekreten
(Sess. XXV. de Ref. cap. 7) eine Menge VBorjchriften gegen eine
erzwungene Soadjutorie. Demgemäß wurde am 24. Januar ein=
mütig beichlofien — Thengen und Gropper fehlten, fügten ſich
aber nachher —, fid) auf die Koadjutorie nit einzulaffen, jondern
in Schreiben an Papft und Saifer und an den Kurfürften da—
gegen zu erklären. Auch die Kurfürften von Mainz und Zrier,
welche jn kaiſerlichem Auftrag durch eigene Geſandte ihre Ver—
mittelung anboten, ſowie deren Domkapitel wollte man um Bei—
ſtand angehen. Ein Ausſchuß, beſtehend aus Dompropſt, Dechant,
Scholaſter, Hermann Adolf von Solms, Gebhard Truchſeß,
Dr. Orth und Dr. Swolgen, wurde mit der Reviſion der Brief—
konzepte betraut. Über den Wortlaut der verſchiedenen Briefe
— an den Papſt ſowie die Kardinäle Morone und Madruzzi, an
den Kaiſer und ſeine Geheimen Räte Trautſon, Dietrichſtein und
Dr. Vieheuſer, ſowie den Sekretär Erſtenberger ), an die Kur—
fürſten und die Domkapitel von Mainz und Trier, endlich an
Salentin ſelbſt — wurde noch bis zum 4. Februar beraten, das
Datum dann verſchieden, vom 26. Januar bis 1. Februar, ge—
ſtellt. Der erſte Entwurf zu dem Schreiben an den Papft, von
den Kapitelsſekretär Jodokus Gerking von Lemgo (Lemgovius),
war abgelehnt worden, weil er der päpſtlichen Jurisdiktion zu
viel einzuräumen ſchien. Das Schreiben an Salentin, datiert
vom 1. Februar, welches der Straßburger Bischof verfaßt, Thengen
aber und Philipp von der Mark vergeblih zu mildern gefucht
hatten, referiert ausführlih, was Salentin bisher mit jeinem
Kapitel in der Koadjutorieſache verhandelt, mit allerlei ſcharfen
Zwiſchenbemerkungen: der Kurfürft habe ſich ohne Zweifel durd)
böje Leute wider fein Kapitel verhegen laſſen, fie verbäten ſich in
1) Dem letztern (Exftenberger) wurden zugleich 50 Kronen verehrt, mit
bem Berfprechen mweiterer Gunft und Dankbarkeit für die Zukunft.
Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 435
Zukunft, dag man fie des Ungehorfams, der Ungebühr u. f. m.
ungütlich bezichtige; wenn Salentin daran denke, als Erzbiichof
zu heiraten und das Erzitift an feine Erben zu bringen, würde
das ihm als einem fatholifchen geiftlihen Kurfürften unverant-
wortlich und allen Reichsſtänden beichwerlich fein u. f. m. Aus:
führlich werden jowohl in diefem wie in allen anderen Schreiben
des Kapitels die gewichtigen Gründe dargelegt, welche gegen eine
Koadjutorie wider Willen des Kapitels ſprächen; in dem Schreiben
an den Kaijer wird noch bejonders hervorgehoben, daß bereits
nicht geringe Glieder des Reiches erklärt hätten, fie miürden im
Intereſſe des Fürften- und Grafenftandes folder Neuerung ungern
zuſehen.
Vom 4. bis 11. Februar fanden im Kapitel feine Beratungen
ftatt, aber vermutlich draußen um jo mehr. Salentins gräfliche
Gegner werden diefe Zeit benugt haben, um gemäß der Berle-
burger Abrede bei den kölniſchen Landſtänden zu fondieren, ob e3
ratfam, die Hilfe eines Landtags gegen Salentin anzurufen.
Die Ausfihten müſſen günftig gewejen fein, da nad dem Kapitel-
protofoll des 11. Februar viele Herren dafür waren, daß ver=
möge der Erblandvereinigung, wenn der Erzbiſchof ſich nicht ges
bührlih halten würde, die Stände bejchrieben merden jollten.
Daraufhin murde die Erblandesvereinigung abermals im Kapitel
verleſen, desgleihen Salentins Wahlartifel Punkt für Punkt durch—
gegangen, wobei man unter ihren 42 Artileln etwa 18 fand, gegen
welche Salentin ſich verfehlt Hatte. Auf drei Hauptpunften wollte "
man aber in erfter Linie beftehen: Salentin müſſe 1) die Koad—
jutorie aufgeben und dem Kapitel feine freie Wahl lafjen; 2) er
folle gemäß dem Vertrag von 1561 die Mindereinnahme der
Zölle zu Zons und zu Berd (bis Auguft 1575 bereit3 über
10,000 und über 7000 Goldgulden), jowie die feit dem Jahre
1575 rücjtändigen Zahlungen vom Zoll zu Linz dem Sapitel
vergüten; 3) er folle ihnen zwei mit dem Veſt Redlinghaufen
eingelöfte Höfe, Der und Kor, welche vor Beiten dem Domlapitel
verpfändet waren, gemäß Art. 31 jeiner Kapitulation, wieder zu—
28 *
436 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel.
ftellen. Wenn fih der Kurfürft weigere, dieſe drei Hauptfor:
derungen zu erfüllen, zunächſt aber wenn er nicht alsbald auf die
Koadjutorie verzidhte, jo follten auf Grund der Erblandesver-
einigung die Landſtände beichrieben und ihnen nicht nur dieſe drei
Beihwerden, jondern aud alle anderen Verlegungen der Wahl:
artifel vorgelegt werden; zeige ſich Salentin dagegen in den drei
Hauptpunkten willfährig, jo wolle man Friedens halber einftweilen
von den anderen Mängeln abjehen. Die anmwefenden Kapitularen
gelobten, alle Ungelegenheit außer Gottes Gewalt hintangejeßt,
auf einem Landtag zu ericheinen und an dem jegt Vereinbarten
feftzuhalten. Wieder wurde, am 15. Februar, ein fürmlicher Ab:
Ihied hierüber verfaßt und von allen nod anmejenden acht Edel:
herren und jieben Priefterfanonifern unterfchrieben. Vier Freunde
Salentins, Joh. Daniel von Winneburg, Johann von Reiffer:
iheid, Philipp von der Marl und Dr. Gropper entzogen jid)
der Unterichrift; Thengens Name dagegen fteht unter dem Ab—
ſchied.
Während dieſer letzten Beratungen des Kapitels liefen wieder
zwei Briefe des Kurfürſten ein, — vom 8. Februar aus Neuhaus:
in dem erſten forderte er jene Prälaten, welche ſich noch nicht ge—
horſam erzeigt (Scholaſter und Chorbiſchof nämlich), neuerdings
auf, um ihre Konfirmation zu bitten; in dem zweiten verbat er ſich
zunächſt des Kapitels Verwendung für jene fünfzig Schweine des
Chorbiſchofs, den er dabei einen „vermeinten Chorbiſchof“ be—
titelte; in der Nachſchrift aber verlangte er, anftatt einer Antwort
auf das „lang und weit erholte‘ Schreiben des Kapitel vom
1. Februar, die Herren follten noch etwa drei Wochen beiſammen
bleiben, dann wolle er „dem Vaterland und ihnen jämtlid zu
gutem‘ in Perſon eriheinen und die Sache capitulariter ver—
rihten. Das Kapitel Shrieb ihm zurüd: jie warteten nun ſchon
über vier Wochen auf die Erklärung; der Dechant fei bereits
abgereift, andere Prälaten und Kapitulare fönnten aud nicht
länger bleiben; Salentin möge alfo entweder dur feine Räte
den gerade Anmwefenden feine Meinung anzeigen oder Die
Der Plan einer Kölner Koadjutorie des Herzogs Ernft. 437
Sachen einftellen bis zu der nad Ditern wieder ftattfindenden
allgemeinen Kapitelsverfammlung. — Am 16. oder 17. Februar
reifte der Straßburger Bischof von Köln ab, am 18. fanden fid)
nur noch vier Edelherren und fünf Prieiter im Kapitel ein. „Und
jo geht man auseinander’, jchreibt der jülihihe Rat Walter
Fabricius an Dandorf, „ohne daß in der Hauptſache etwas ge=
ihehen, mit WBerbitterung der Gemüter und, was jchlimmer: ift,
nicht ohne Injurien und Schmähungen einiger.‘
7. Kapitel.
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. ”
Nachdem Kutfürft Salentin im Mai 1576 die Einwilligung
des Herzogs von Bayern in feinen köln-münſterſchen Plan er:
langt zu haben meinte, wird er nicht verjäumt haben, alsbald
wieder an den Bremer Erzbiihof und an Weſterholt zu berichten,
um aud ihr Vertrauen auf guten Erfolg in Münfter neu zu bes
leben. — Beim nädften münfterihen Generalfapitel (Jakobi
1576) ſchlug Wejterholt vor, man folle dem Herzog von Jülich
anheimgeben, neben dem Kreifinger Biihof noch ein oder zwei
Perfonen zu benennen, unter welchen dann das Kapitel einen
neuen Biſchof zu wählen hätte. Protofolle oder fonftige genauere
Berichte über diefes Kapitel liegen nicht vor, doh wird man an—
*Quellen: Hauptquelle find die 0. ©. 266f. angeführten Domkap.-Protok.
im MraA.; für das Sakobifapitel 1576 wurde wahrſcheinlich fein
Protokoll geführt, weil der Sekretär Schmale damals in Regensburg
war. Ferner von ben beiden bafelbft verzeichneten Serien AU. Münfter
dieBände IV. V. VI u. VIll und DA. 28 die Nrn. c. d. e. Einzelne Briefe
und Akten, welche zugleich die kölnifche Wahlfache betrefien, auch StA. 9/2
u. 4 und 38/7 u. 12. DA. Bolit. Begebenheiten Nr. 17. Beſonders
wichtig ift fodanı der ſchon mehrmals angeführte Band DrA. loc. 8926
(Köln. Refignation 1572/79). — Über die öſterreichiſchen Bemühungen,
Minfter für Erzherzog Ferdinands Sohn zu erlangen, auch IX.
Ferdin. fol. 110, Nr. 135 und RU. Regensburg T. 1. lit. R. —
Von gedrudter Litteratur kommt für diefes Kapitel beinahe nur die o.
©. 268 angeführte Debuftion Dr. Schentings in Betracht.
Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 439
nehmen dürfen, daß Wefterholt mit feinem Vorichlag bezwedte, den
Senioren und dem Herzog von Jülich einen ehrenhaften Rücktritt
von der bayriihen Kandidatur zu erleichtern. Soll dod) der
Führer der bayriihen Partei jelbft, Domdehant Raesfeld, fchon
früher (im März 1576?) gegen bremiihe Geſandte geäußert
haben, Erzbiſchof Heinrich jolle, falls er mit Bayern und Jülich
fi) verftändige, bei ihm wenig Widerſpruch zu erwarten haben. —
Die Senioren liegen ſich Weſterholts Vorſchlag gefallen; eigene
Gelandte sollten denjelben dem Füliher Hof überbringen. Die
Inſtruktion des Kapitels für dieſe Geſandten entſprach nachher
aber den Abfihten des Statthalters ehr wenig. Sie begann mit
der Bitte um neue Fürjchriften in Dr. Scenfings Sade. Dann
hieß es, ein Zeil des Kapitels und der Stiftsftände ſei haupt:
jählid) aus zwei Gründen bisher gegen die Perſon des Herzogs
Ernft geweien: einmal wegen der Gunft, welche Dr. Schenking,
deſſen früherer Hofmeifter, beim Hauſe Bayern gefunden habe,
jodann weil man von dem in Italien weilenden Freifinger Ad—
miniftrator eine Inquifition gegen die Gewiffen der Unterthanen
und infolge deſſen Zerrüttung oder Rebellion im Stift Münfter
befürchte. Falls Herzog Wilhelm in diefen beiden Punkten dem
Kapitel genügende Sicherheit verichaffen fünne, würde man nicht
abgeneigt fein, jeinen Neffen zu poftulieren,; andernfalls aber gebe
man ihm anheim, neben Herzog Ernſt nod ein oder zwei Ber:
onen zur Auswahl zu benennen. — Weſterholts Vorſchlag ift
alfo hier ganz als Nebenfache behandelt, die Werbung cher zum
Vorteil al3 zum Schaden der bayriihen Succeſſion geitellt. Wir
werden in diejer Fafſung der Inſtruktion einen geſchickten Schach—
zug der bayriihen Partei im Kapitel, insbejondere des Dechanten
und des Syndikus zu erkennen haben, welde die Wirkung un-
günftiger Nahrihten, die gerade damals über die bayriichen
Herzöge im Münfterichen verbreitet wurden, durd deren Wer:
fnüpfung mit der Schenkingihen Sache abzuſchwächen wußten.
Im Mat 1576 war Erzbiſchof Heinrichs osnabrückiſcher Rat
Lorenz Schrader auf dem Weg zum Reichstag aud nad Münden
410 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
und Freifing gefommen, wo ihm mancherlei über Herzog Ernſts
Perfon und Sitten zu Ohren fam. Er fah den römischen Kult
mit Prozeflionen, Meffen und Abläjfen in vollfter Blüte, daneben
manche Anjäge zu kirchlicher Viſitation und Reform im Geifte des
Zrienter Konzils. Aus all dem, was er geliehen und erfahren,
machte er einen im allgemeinen auf Thatſachen beruhenden aber
tendenziös gefärbten langen Beriht, der dann in Form eines
Briefe an einen geiftlihen Herrn auf dem Reichstag und gewiß
mehr nod im Münfterlande verbreitet wurde. Won Herzog Ernft
hieß es darin, er ſei totus Italianizatus, totus Romanizatus et
catholieissimus. In jeiner Diöceſe Freifing und ähnlid in ganz
Bayern werde feiner geduldet, welcher von der im Zrienter Konzil
begriffenen Religion der römiſchen Kirche abweihe. Sogar die
Freifinger Domberren müßten wie Mönde im langen Sejuiten-
talar umbergehen und durchaus nad) den kanoniſchen und triden=
tiniſchen Worichriften leben; feinem ſei geftattet, eine Haushälterin
oder Konkubine zu halten. Lauter Fremde, Staliener oder Nie-
derländer, feien als Vifitatoren — quos nos vocamus Inquisito-
res — aufgeftellt, an ihrer Spike ein ziemlich) ungelehrter, des
Deutſchen ganz unfundiger, aber jehr katholiſcher italienischer Graf
Porzia, den man in Bayern den „Bettelgrafen‘ nenne. Auch
von Herzog Ernſts verſchwenderiſchem Leben in Stalien und der
über ihn verhängten Ungnade feines Waters war einiges halb wahr,
halb falfch erzählt. Weiter hieß es: wer aus dem Klerus der großen
Münchener Ablaßprozeifion zu Pfingiten d. J. nicht beigewohnt,
jei mit Verluft feiner Pfründe bedroht worden; fünfundzwanzig
Mefjen jeien damals in der Frauenfiche gleichzeitig an verſchie—
denen Altären gefeiert worden. Auch die Laien müßten in Bayern
der römischen Kirche gemäß leben oder, ohne Rüdjiht auf Rang
und Stand, binnen SJahresfrift das Land räumen; insbejondere
wurde über Herzog Albrechts Feindfeligkeit gegen die Grafen von
Drtenburg in der gehäfligiten Weife berichte. — Im Münſter—
lande, wo man fi) zwar im ganzen fatholiich hielt, aber ohne
Zwang gegen die Laien, namentlid) den Adel, und mit großer
Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 441
Nahfiht für die freien Sitten des höheren Klerus, mußten ſolche
Nachrichten böjes Blut mahen. Aud) im Domkapitel wird man die
Sache beiproden haben ; die Erwähnung der Belorgnis vor einer
Inquifition in der Inſtruktion des Kapitel3 ift offenbar ein Echo
des Schraderihen Briefes.
Dagegen fam die jüngite Entwidelung der Schenkingſchen
Streitiahe wieder der bayriihen Partei in Münfter zuftatten.
Domkapitel und Ritterſchaft hatten, um mit Hilfe von Saifer
und Reihsitänden die Erefution des zu Schenkings Gunften an
der römischen Rota gefällten Urteil zu bintertreiben, einen ges
meinichaftlihen Geiandten, den Kapitelsſekretär Schmale zum
Reichstag abgeordnet. Aber aud Dr. Schenfing war in Perfon
in Regensburg und fand Freunde. Bereits am 27. Juli wies
der Kaiſer durd) ein Dekret des Geheimen Nates die Sache von
ih) ab und zurüd an den römiſchen Stuhl, vor den ſie gehöre.
Kapitel und Nitterichaft appellierten gegen diejes Dekret an ſämt—
liche Reichsſtände und bemühten ſich zugleich in Rom jelbit Revifion
des Urteils — jujpendiert war es bereit3 — zu erlangen; auf
Empfehlungen von bayrifher Seite legte man mit Recht bejonderen
Wert.
Um 13. September braten die Geſandten des Kapitels, der
Scholafter Wefterholt, der Domkuftor Bitter von Raesfeld und
der Syndifus Schade, ihre Werbung auf Schloß Hambad) vor. Ihr
Wunſch, Herzog Wilhelm möge ein paar weitere Kandidaten be=
nennen, wurde rund abgeichlagen ; dagegen gab der Herzog inbezug auf
Schenkings Prozeß nicht nur für ſich jelbit die beften Veriprechungen,
ſondern juhte aud) den Gejandten das Mißtrauen gegen Herzog
Ernft auszureden. Da die Gefandten aber erklärten, das Kapitel
werde ſich auf eine Kapitulation mit Bayern nit einlaffen, bevor
man wegen der beiden Bedenken verfichert jei, übernahm es der
Herzog, darüber nad) Münfter zu berichten. — Am Füliher Hof
jah man in der neuen Werbung ein Zeichen, da die Verbitterung
der Gemüter in Münfter gemildert, alſo auf baldige Poftulation
des Freilinger Aominiftrators wieder Ausſicht ſei. In diejer
442 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel.
Hoffnung wurde man bejonders durch Privatgeipräche beitärkt,
welche zuerft, bei einem Ausflug nad) der im Bau ftehenden nahen
Feftung Fülih, der Landdroft Wernher von Gimnid, andern
Zags auch der Hofmeifter Schwarzenberg und Paul Langer mit
Weſterholt gepflogen hatten. Diejer ſchien eifrig bemüht, die
Näte zu Überzeugen, daß nicht durd) feine Schuld die Boftulation
bisher unterblieben jet: da er gejehen, daß die jüngeren Herren
durch die Beſorgnis dor der römiſchen Inquifition, dann durch
das herriihe Auftreten ihres Dedanten und des Droften Hein:
rich von der Nede verbittert worden, habe er, nur um Wei—
terung zu verhüten, ſich eingemiſcht und es glüdlidh dahin ges
bracht, daß jene in Zukunft jo ftinmen würden, wie er; man
möge Vertrauen auf ihn ſetzen, er werde halten, was ev früher
zugejagt, und jchlieglic alles nad) dem Wunſch des Herzogs ab»
laufen. — Weſterholt behauptete nahmals, er jet zu Hambach
jtet3 in allgemeinen Ausdrüden geblieben und habe dabei die Be:
mühungen des Kurfürften Salentin im Auge gehabt, welcher beide
Parteien dadurch zufriedenftellen wollte, daß der bayriſche Herzog
nah Köln, Erzbiſchof Heinrich aber nah Münfter gebracht werde.
Die Räte aber fahten feine Worte jo auf, als werde Weiterholt
fortan die bayriihe Bewerbung um Münfter unterjtügen; hatte
diefer doch fogar geäußert, er felbit habe dem Bremer Erzbiichor
abgeraten, fih um Münfter zu bewerben, weil doch der päpftliche
Konjens nimmermehr zu erlangen fein werde !).
1) Wenige Tage nah den Hambader Unterrebungen (am 21. September,
NA. Münfter IV, 135) berichtet Langer an den bayrifhen Sekretär Winfl-
mair u. a. folgende Äußerung Wefterholts: „wie er au mit dem bern erz-
biichoffen zu Bremen felbft in underredung gewefen, fein furnemen nit ap-
probirt, jonder ganz zuwider gemacht, unb aud bei pabft. Ht, die one
zweiffel feine profeffion fidei abfordern lafjen wurde, nimmer ber confenf zu
erhalten.” In den fpäteren Streitichriiten der Senioren und Junioren jucht man
auf der einen Seite das Gewicht der Äußerungen des Statthalter® zu übertreiben,
auf ber andern ungebührlich abzuſchwächen, jo daß hier wie auch ſonſt das
richtige Mittel gefucht werden muß. Wie die Senioren behaupten, erklärte Wefter-
holt auf feinen beiden letsten Reifen an den Jülicher Hof: Bremen babe fid
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 443
Im Vertrauen auf erwünschten Ausfall einer Neuwahl ftellte
nunmehr der Füliher Hof feine in der jüngiten Zeit zu Rom
beim Bapfte und zu Regensburg bei Kardinal Morone eifrig be—
triebene Benrühung um Johann Wilhelms Konfirmation vorläufig
ein; ein Schreiben des Kaiſers, welches den Sohn des Erzherzogs
Ferdinand zur Nachfolge in Münfter empfahl, weil Herzog Ernſt
durch Überlaffung von Köln und Osnabrück — follte heißen
Paderborn — ohnehin genugſam verjehen fein werde, wurde Ende
September von Herzog Wilhelm durh Hinweis auf die jüngften
Beriprehungen der münfterfchen Gefandten erwidert und abge—
wieſen ?).
Gegen Ende Dftober lief von Münden Antwort ein auf die
beiden Bedenken des münfterichen Kapitels; inbezug auf Schen—
fings Sache ganz nah Wunſch: wie Herzog Albrecht bereits in
Regensburg den Kardinal Morone um Suſpenſion des Urteils
der Poftularion entfchlagen und er (Wefterbolt) i. f. ©. endlich abgefagt,
„auß urfachen, das biefelben der catholifchen religion nit fein noch fih zum
biſchoflichen ftande qualificieren fkonten” (Senioren an Bremen. 18. März
1577. RU. Münfter V, 107 und DA. 284, 167 u. 202). Dagegen will
Weſterholt felöft nur gefagt haben: „daß E. f. ©. [Erzbifchof von Bremen],
al8 ir die capitılationsarticul zu verlefen zugeftelt, angezeigt, daß fie etwas
ſcharf geftelt; wolten fie bei fih behalten und in reifen vat und bebenfen
nemen und bernegft fih der gepur darauf ercleren. Doc geftche ich wol
biebei gefacdht zu haben, daß etwa bie Bremifchen E. f. ©. darvon abraten
mochten, junft €. f. &. perfoen halber wurde ef mol feinen mangel haben.”
(Junioren an Bremen. 2. April 1577. RA. Miünfter VI, 12 und DA.
284, fol. 238 u. 271).
1) 9. Juni 1576 berichtete Frater Sporeno aus Rom an Erzherzog
Ferdinand, da die münfterfchen Junioren den Bremer Erzbiihof nicht wählen
dürften, den Freifinger Bifchof aber durchaus nicht wollten, ſondern lieber
einen Dritten, fo fei e8 an ber Zeit, die Praktiken für den Herrn Andreas
wieder aufzunehmen. Daraufhin ſprach der Erzherzog in Regensburg
feinen Bruder ben Kaiſer um feine Bermittelung hierbei an und wiederholte,
troß dem Abraten feiner eigenen Räte, im Monat Auguft brieflih die Bitte
um Fürſchriften des Kaifers an Kurfürft Salentin und an ben Herzog von
Jülich. Am 13. September 1576 fchrieb der Kaifer deshalb an den letztern,
vermutlich alfo aub an den Kurfürften,; Herzog Wilhelm antwortete aus
Bensberg 30. September 1576 (Akten hierüber Ja. AA. u. DU. a. a. O.).
444 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel.
der Rota und Überweifung der Sade an einige deutiche geiftliche
Fürften angeſprochen hatte, jo jchrieb er jest in gleihem Sinn an
den Bapft jelbit; außerdem bezeichnete er es als „ungereimt und
ungebührlich“, wenn jein Sohn den auf Wunſch des Kapitel3 ent=
laifenen Schenling wieder in jeine Dienfte nehmen würde. —
Nicht ebenjo befriedigte Albrechts Antwort wegen der befürchteten
Inquiſition: allerdings erklärte der Herzog, fein Sohn werde
„mit Beicheidenheit, nad) Gelegenheit von Zeit, Dit und Ber:
jonen‘ verfahren und lieber hriftlihe Unterwerfung und andere
janfte und milde Mittel als Gewalt anwenden, um die fatholiiche
Religion zu erhalten und auszubreiten; auch werde derjelbe nicht
anders als mit Rat des Domlapitel3 Handeln und Weiterung
und Unruhe jo viel al3 möglich vermeiden; — „daß aber unier
Sohn‘, hie es weiter, „da derjelb zu dem Stift Münfter po—
ftuliert würde, den Unterthanen die Religion weiter dann der
Religionsfrieden ausweiſet, allerding und erprejje freiftellen und
ſich feines biſchöflichen Amts in Religionsfahen gar nit gebrauchen
jolle, dardurd) die Unterthanen noch mehr und dermaßen geftärkt,
dag aud die janften und milden Weg weiter nichts würfen oder
fruhten könnten, das würde ja unferm Sohn hochbeſchwerlich,
gegen Gott und die geiftliche hohe Obrigkeit unverantmwortlid, auch
Profeſſioni fidei, jo ein jeglicher Biſchof vermög des trientiichen
Concilii thun fol und muß, zugegen fein; derwegen wir dann
gänzlid darfür Halten, daß foldes eines würdigen Domlapitels
Will oder Meinung nit ſei.“ Zudem würde das Kapitel durch
eine „unnötige und ungewöhnliche Afjefuration‘ nur jich jelbft
Ihaden und die Unterthanen in ihrem Irrtum ftärfen und hals—
ftarrig machen.
Am jülihihen Hof nahm man Anftand, die bayriihe Reſo—
lution in diefer Form in Münfter vorzulegen. Auf Grund
einer Beiprehung Reds mit dem Domdehanten (zu Bor:
fen am 7. November) beihlog man eine von den anftößigen
Stellen gereinigte Kopie der Refolution zum Martinisfapitel nad)
Münfter zu ſchicken und daraufhin Junioren und Senioren auf:
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 445
zufordern, fi nunmehr über die Wahl des Freifinger Admi—
niftrator3 zu vergleihen. Daß Red ſelbſt wieder mit nad) Mün—
fter fomme, fand der Dechant nicht ratfam; denn Kurfürft Sa:
lentin babe vor wenigen Wochen bei verjchiedenen Domberren
heftig für Erzbiſchof Heinrid) geworben und dabei verlauten lafjen,
Bayern und Jülich hätten in deſſen Wahl eingewilligt; dadurch
fei den Anhängern Bremens der Mut gewachſen, jo daß Recks
Anweſenheit nur Anlaß zu neuem Bank geben werde.
Leider willen wir über das, was Salentin feit feiner Abreije
vom Reichstag zugunften des Bremer Erzbiſchofs gethan, mur
äußerft wenig Zuverläffiges. In Dresden, wohin er ſich zunädhit
begeben ?), empfahl ihm Kurfürft Auguft feinen Neffen Herzog
Heinrih als Nachfolger für Köln, meinte aud), jedod irrtümlich,
Salentins Zujage erhalten zu haben. Salentin behauptet nachher
— mas an fid wahriheinlihd —, nur für Münfter habe er dem
ſächſiſchen Kurfürjten Zufagen gegeben, und Erzbiſchof Heinrich ſelbſt
lehnt in einem Brief aus Vörde (vom 10. September) jede Be:
werbung um Köln ab, weil er den durd die Kölner Statuten
geforderten Eid ohne Verlegung feines hriftlihen Gewiſſens nicht
leiften könne, auch ſchon ein Erzitift befige. — Mehr als durd)
ſolche religiöfe und rechtliche Bedenken wurde er jedenfalls durch jein
Abkommen mit Salentin hiezu bejtimmt. — Vermutli im Laufe
des Dftober hat dann irgendwo in Weſtfalen eine Zuſammenkunft der
beiden Freunde ftattgefunden und etwa um die nämliche Zeit auch
jene Privatverhandlungen Salentins mit verſchiedenen münfterjchen
Domherren (zunähft wohl mit Wefterholt), von weldyen Red etwas
durch den Decdanten erfuhr. Weſterholt ſeinerſeits foll bereits
um die Zeit jeiner Sendung nad) Hambach — aljo um die
Mitte September — perfönlid bei Kurfürft Salentin in Arenberg
geweſen fein, vielleiht um ihn wegen feiner Zeilnahme an diefer
1) Eine Notiz über Salentins damaligen Aufenthalt in Dresden (und
Wolfenbüttel) auch in (Schmidt-Phifelded) Hiftor. Miscellaneen ©. 96;
vgl. 0. ©. 410f.
446 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
Geſandtſchaft zu beruhigen ). — Der Domdechant ſah aljo dem
Martini-Rapitel viel weniger zuderjihtlih entgegen als der Jü—
liher Hof. Daß der Berlauf des Kapitels diefem und nicht
dem Dedanten recht gab, war zumeift wieder eine Folge der
Schenkingſchen Sad.
Während des Monats Auguft hatte Dr. Schenting in Regens—
burg ein ftattlihes Buch ericheinen laffen und ſelbſt unter den
Reichsſtänden verteilt, worin er seinen und der anderen Erb-
männer Anſpruch auf den Nitteradel, demnach aud) auf den Be—
fi, münfteriher Dompfründen verteidigte. Dieje Deduftion gab
mohl mit einen Grund ab, daß die Reichsſtände (am 3. Sep:
tember) mit Majorität dem fatferlihen Dekret vom 27. Auli
beitraten; jo ſah fih alio das Domkapitel darauf angewieſen,
fortan nur noch von Rom felbft Hilfe in feiner Sade zu erwar=
ten; Gönner wie Bayern, melde dort Gewicht hatten, wurden
nun doppelt wertvoll. — Die jhlimmen Nachrichten, melde der
Sekretär Schmale vom Reichstag mitbradhte, wurden zuerft einem
Ausſchuß der münfterihen Ritterichaft vorgelegt, ſodann bei Be—
ginn des Oeneralfapitel3 (am 13. November) den zahlreich er=
1) 28. Dezember 1576 erſucht Kurfürft Salentin in einem furzen
Schreiben aus Marienfeld den Statthalter, feinem „hiebevor zu Arnburg
getanen erbieten nah”, „Sachen Halb fo wir mit Euch zu reden haben”,
baldigft zu ihm nach Neuhaus zu fommen. Im einem viel fpäteren Schrei-
ben ber Senioren an ben Herzog von Yülih (vom 26. Dezember 1578,
RU. Münfter VIII, 354) wird angenommen, baß bie bier erwähnte Zu-
jammentunft zu Aruburg (d. i. Arenberg) zur Zeit der Geſandtſchaft nad
Hambach, alfo im September 1576, ftattgefunden babe. Wefterbolt konnte
in der That von Hambad aus mit einem geringen Umweg über Schloß
Urenberg (am der. oberen Ahr) nach bem Rhein zurüdreifen. Aus Brie-
fen ber Gräfin-Witwe von Arenberg an ben Herzog von Zülih (DA. Polit.
Begebenheiten Nr. 18) ergiebt fih, daß biefelbe im Sommer und Herbft
1576 auf Arenberg verweilte; ihr künftiger Schwiegerfohn Kurfürft Salentin
wird fie vermutlich bier befucht haben. Im einem Brief an bem Herzog von
Jülich (vom 28. Auguft 1576) fehreibt die Gräfin, fie babe biefem GSadr.n
mitzuteilen, die der Weber nicht anzuvertrauen: d. 6. er folche, vr die
Heirat ihrer Tochter mit Salentin betrafen.
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 447
Ihienenen Domherren. Gleich darauf wurde die bayriihe Reſo—
Iution in ihrer am Jülicher Hofe zurechtgeftugten Form nebft
Herzog Wilhelms Begleitihreiben verlefen. — Nun, da alle Be:
denken bejeitigt, proponierte der Dedant, folle man zur Kapitu—
lation mit Bayern jhreiten. Die Senioren ftimmten jofort zu;
aber auch Wefterholt und Genoffen wagten jet feinen Wider—
ſpruch, jei es bloß aus Rückſicht auf Schenfings Prozeß, oder
aud weil Kurfürft Salentin und Erzbiihof Heinrich nicht geleiftet,
was man von ihnen verlangt hatte. Man beihloß einmütig, die
Wahlſache durch einen Ausſchuß von neun Perfonen vorzuberaten,
welhe am andern Morgen in der Dompropftei zufammentraten:
ſechs Herren von der bayriſchen Partei, drei (Wejterholt, der
Vizedominus Bernhard von Büren und Herr Wilhelm Schenting)
von der bisher bremiſchen. Wiewohl vonfeiten diefer drei Herren
allerlei Äußerungen fielen, welche durchblicken ließen, daß fie nicht
bon Herzen dabei waren Y), ftimmten fie doch zu, daß die vor=
mals (Juni Juli 1575) vereinbarte Kapitulation wieder vorge—
nommen werde. Man fand nur einzelnes in ihr zu verbeflern.
Zu dem Artikel, gemäß welchem der Poſtulierte niht nur für
jeine Perfon fatholiich fein, jondern aud im ganzen Stift die
fatholifche Religion handhaben jolle, wurde jegt beigefügt: daß
derjelbe nicht anders als mit guter Beſcheidenheit und Glimpf
bandlen, aud alles, daraus Weiterung, Unruhe u. dgl. Ungemach
entitehen möchte, vermeiden folle, alles nad) Rat und mit Be—
willigung feines Domkapitel. Mit Rüdjiht auf Schentings
Sache beftimmte man, der Poftulierte ſolle die päpftlihen und
1) Während 3. B. die Senioren ſchon von einer Poftulation des bayri—
ſchen Herzog8 rebeten, fprachen die anderen immer nur von ber Kapitulation ;
al8 der Dechant darauf bemerkte, wenn man erft fapituliert, müſſe man
nachher auch beftändig fein, erwiderte Wefterholt, man fei nicht gemeint
„Sole Herren zu verieren”; doch müfje nach erfolgter Kapitulation und
Affeturation ber Herzog von Jülich das alte Poftulationsdefret herausgeben,
damit man freie Wahl Habe. — Wefterholt behauptet nachmals, unter ben
Herren, die man nicht verieren bürfe, habe er namentlich ben Kölner Kur—
fürften verftanden.
448 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel.
faiferlihen Privilegien aufrecht halten, namentlich diejenigen, wo—
nah nur rittermäßige Adelige, nah erfolgter Ahnenprobe zu Ka—
nonifern aufgenommen werden dürften, außerdem jolle derjelbe
alles aufbieten, damit das Kapitel von der durch Dr. Schenfing
ihm zugefügten Beſchwerde befreit werde. Weiterhin folle Herzog
Albrecht für fi und feine Nachfolger veripredhen, dem Boftulierten,
da die Einkünfte von Münfter für einen fürftlihen Hofhalt nicht
ausreihten, eine jährlihe Rente aus Bayern zu verabreichen.
Auch wurde ausdrüdlih gefordert, daß der Poſtulierte wegen
anderer Stifter, die er befige, — man dachte wieder an Hildes:
heim und deifen Streit mit Braunſchweig — das Stift Münfter
nit in Gefahr und Nachteil bringen dürfe.
Nachher ftimmte auch das Plenum dem Kapitulationsentwurf
bei, Wefterholt und andere Junioren übrigens wieder mit dem
Vorbehalt, dab es fein Postulatio coacta fein dürfe. Der bay:
riſche Herzog jollte durd) den Herzog von Jülich erſucht werden,
zu endliher DVergleihung über die Kapitulation Gejandte zu
Ihiden, Herzog Wilhelm ſelbſt aber vor allem das alte Poſtu—
lationsdefret zurüdgeben. Zum Beſchluß erklärten alle anmwejenden
Herren — 23 an der Zahl — „mit handgebender Treue“ in
die Hände des Kapitelsſekretärs, daß nunmehr aller Mikverftand
unter ihnen aufgehoben jein und bei dieſem einhelligen Beſchluß
verharrt werden ſolle. Die Inftruftion für die Gefandten an den
Herzog von Jülich wurde am folgenden Zag genehmigt; gleich
zeitig bat Wefterholt, ihm feine vor zwei Fahren verringerte Be:
joldung wieder voll auszuzahlen, wurde aber, angeblid weil nur
noch wenige Herren (14) zugegen, auf ein ander Mal ver:
wieſen.
Am 30. November erſchienen die Geſandten des Kapitels
(Scholaſter, Domkuſtor und Sekretär) auf Schloß Bensberg; am
folgenden Tage bereits ging ein reitender Bote nach München
ab. Für ſeine Perſon erteilte Herzog Wilhelm neue Fürſchriften
in der Schenkingihen Sache, erflärte außerdem, „wenn die Sache
zu gutem Ende geraten und richtig‘, wolle er vollziehen was die
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 449
Kapitulation jeinem Sohne auferlege (d. 5. refignieren). — Wefter-
bolt ſoll aud diesmal wieder einem und dem andern herzoglidhen
Rat die bündigften Verſprechungen gegeben haben ). Daß man dieje
für aufrichtig hielt, fieht man aus einem bon Bensberg aus an
Dandorf gerichteten Brief des Kapitelsjefretärs Schmale: „Dem
allmächtigen Gott fei Lob und Dank“, fchreibt Schmale, „daß
e3 zu diefem Stande geraten; denn nunmehr der Herr Statt—
halter und die Junioren-Kanonichen ſich der andern bewußten
Meinung endlic begeben; ift nun nichts übrig, allein daß man
ih) der Kapitulation endlich vergleiche und zum eheften zu der
Poſtulation gefchritten werde. Schmale meint, die Bemühungen
der Herzöge Albreht und Ernſt in Schenfings Sade, deren er in
feiner Relation beftens gedacht habe, hätten dabei nicht wenig ge=
bolfen. |
Die guten Nachrichten über die münfterihe Sache trafen un-
gefähr gleichzeitig mit den bedenklihen über die kölniſche — vor
Weihnachten — am bayriihen Hofe ein. In beiden folgte man
den Ratſchlägen des jülihichen Hofes. Nah Rom wurde, da die
Poſtverbindungen wegen der in Stalien herrihenden Peſt zu un:
fiher waren, ein eigener Kurier an Dr. Fabricius gefandt, damit
diejer dem römischen Stuhle Salentins Plan einer erzwungenen
Koadjutorie widerrate; zu Salentin jelbit ging Dandorf mit dem
gleihen Auftrag; wegen Münfter jollte jid) Dandorf mit Salentin
in feinen Disput einlaffen, aber nachher mit zwei weiteren Ge—
fandten, Wolf Wilhelm von Marlrain und Dr. Halver zum Ab-
ihluß der Kapitulation in Münfter einfinden. Den Sapitula=
tionsentwurf fand man in München im allgemeinen unbedenklich;
doh wünſchte man einzelne Bejtimmungen gemildert oder erläutert:
1) In einer feiner fpäteren Streitfchriften (vom 12. Juni 1577. RU.
Münfter VI, 44 und DA. 284, fol. 630) verlegt Wefterbolt felbft fein „Fa-
miliargeſpräch“ mit Schwarzenberg nach Bensberg, alfo in ben November
1576, während in dem o. &. 442 Anm. erwähnten Bericht Langers bereits
über ein im September ftattgehabtes „gefelliges Kolloquium” zwifchen
Schwarzenberg und Wefterholt berichtet wird.
Lojien, Köln. Krieg I. 29
450 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
fo die wegen Erlangung der Konfirmation und der Negalien auf
Koften des Poftulierten und die wegen fortwährender Nefidenz
im Stifte jelbft. Bon den neuen Zufägen fand Herzog Albrecht
den, dab der Poftulierte jein bifchöflihes Amt nur „nach Rat
und Bewilligung‘ des Kapitels ausüben jolle, ſchwer und ver—
Heinerlih; man möge den Artifel etwa jo fallen wie in feiner
legten Rejolution: „daß fein Sohn mit guter Beſcheidenheit und
Glimpf handeln, au ohne Rat und Bewilligung des Kapitels
nichts vornehmen folle, daraus Weiterung, Unruhe und dergleichen
Unrat entftehen möchte‘; auch die Forderung einer jährlichen Rente
aus bayriihen Einkünften mißfiel dem Herzog; zulekt war wieder
der Wunſch ausgefprohen, daß das Kapitel auf die Bürgſchaft
jülich-cleviſcher Unterthanen verzichte.
Nicht blog am cleviihen und am bayriſchen Hof, ſondern auch
in den Kreifen der Gegner betradhtete man Herzog Ernſts Poſtu—
lation jhon als gewiß). Selbft Kurfürft Salentin und Erz:
biſchof Heinrich gaben in diefer Zeit das Spiel verloren. Am
4. Januar 1577 ſchreibt Salentin in einem eigenhändigen Brief
aus Neuhaus an Kurfürft Auguft von Sadjen, er habe fi bis-
ber aufs höchſte befliffen, feinem Freund und Bruder von Bremen
zum Stift Münfter zu verhelfen; nun treibe aber der Herzog von
Jülich den Handel jo geſchwind dagegen, daß er nicht zu feinem
Ziele fommen könne; deshalb falle ihm auch bedenklich, fein Erzſtift
und Kurfürſtentum aljo, wie er zuvor wohl gemeint, zu rejignieren,
1) 28. Dezember 1576 ſchreibt Ludwig von Wittgenftein an Burkhart
von Kram (MA. Köln 1515/80, fol. 195), das miünfterfche Kapitel Habe,
wie man von Köln fchreibe, den Freifinger Biſchof poftuliert; ba nunmehr
die Hoffnung des Bremer Erzbifhofs auf Miünfter gefallen fei, werde biejer
vielleicht eher geneigt fein, bes Domftifts Köln ſich ernftlich anzunehmen. —
Auch Graf Johann berichtet Anfang Ianuar in Briefen an Herzog Julius
von Braunfchweig und an Oranien (DillA. R. 60, fol. 97 und Groen
van Prinsterer V, 600), „das ber von Freifingen, über vieler leute
vermuten und zuverficht, das flift Münfter enblih an ſich bracht und barzu
poftulirt worden.” — Am wenigften zuverfichtlih äußert fih der Domdechaut
jelöft in einem Brief an den Herzog von Jülich DA. 284, fol. 12.
Die vereitelte Poftulation zu Münſter. 451
„denn umb eines hriftlihen Heirats willen jo leichtlich abzuftehn,
ift etwas bedenklich, injonderheit warn man alfo gefährlich handlen
will, wie igo beichieht‘ u. ſ. w. Schärfer noch in einem eben-
falls eigenhändigen Brief vom gleihen Zag an Erzbiſchof Hein-
rich jelbft: „E. 2. mag ich nicht bergen, wie daß ich den ſchönen
Mann, den Statthalter von Münfter, bei mir gehabt, und hätte
gemeinet, er würde noch etwas Troſt in bewußter Sachen mir
angezeigt haben. So feind feine hifpanische Boffen gar aus und
gibt die Sahe nur ganz und gar verloren. Hätt er ins Teufels
Namen ſolchs zeitliher bevadt, hätt er E. 2. und mid auf fein
Narrenfeil dürfen führen. E. 2. werden weiters von E. L. Rat
und Diener 8. Schradern können bericht werden. Inmittelſt
müfjen E. L. und ich den Sachen zujehen, wo fie hinaus wollen.
Credo quod mirabilem certe aut calamitosum sortientur exi-
tum; die Zeit wirds geben. Ich hätte E. 2. gern mehr ge=
ihrieben, habs aber fürwahr gar und ganz an der Zeit nicht ge=
halten... E. L. allzeit getreuer Bruder ex animo GSalentin
Kurfürſt.“
Die hier erwähnte Beſprechung Salentins mit Weſterholt
hatte am 2. oder 3. Januar, vermutlich in Gegenwart Schraders,
ſtattgefunden. Vorhergegangen war ihr, während der Weihnadhts-
tage, eine Zufammenkunft des Kurfürjten mit Erzbischof Heinrid)
in Kloſter Marienfelde (bei Warendorf nahe dem osnabrückiſchen
Miedenbrüd), wo beide Herren hauptſächlich über den unverhofften
Abfall des Statthalter3 geredet haben werden. Damals wohl
verſprach Salentin, weil er feine Zufage wegen Münfter nicht
halten konnte, feinem Freunde nad) Paderborn zu verhelfen. Daß
er es naher in Neuhaus an Vorwürfen und Drohungen gegen
den unbeftändigen Statthalter nicht fehlen ließ, müßte man vor—
ausjegen, wühten wir es auch nit aus feinem eigenen Munde.
Weiterholt wird ſich wohl damit entihuldigt haben, daß der Erz:
biihof die ihm vorgelegte Kapitulation nicht angenommen habe,
und deshalb jowie wegen Schenfings Sahe feine bisherigen An—
bänger zur Kapitulation mit Bayern fi verftehen mußten. —
29*
452 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
Die maßloſe Grobheit, welche Salentin um diejelbe Zeit in jeinen
Briefen an das Kölner Domkapitel zur Schau trägt, hängt wohl
mit feinem Ärger über die münfterichen Dinge zufammen: weil er
wegen diejer feinen Rücktritt vom Erzftift aufihob, brauchte er
feinen Kölner Gegnern gegenüber feinen Grimm nicht länger zu
zügeln. — Ws Dandorf um die Mitte Januar nach Neuhaus
fım, um dem Kurfürften die geplante Koadjutorie zu widerraten,
äußerte ſich Salentin aufs beftigfte erzümt über den Gang der
münſterſchen Sade. Die Schuld maß er bejonder3 dem Herzog
von Jülich und deſſen Rat Heinrih von der Rede bei; daneben
zog er 108 gegen die von Raesfeld, den Statthalter Wefterholt und
den Nuntius Gropper: „als die hierunter nit allerding ehrbar
und redlich, ſonder wider ihr Zufag gehandlet.“ Die köl:
niſche Sache werde das entgelten müſſen. Dandorf gab fih alle
Mühe den Kurfürften zu beichwichtigen und namentlih feinen
eigenen Herzog von aller Schuld rein zu waſchen: da das Dome
fapitel aus freien Stüden fi erboten habe, Herzog Ernſt zu po=
ftulieren und da die Kölner Wahl noch ungewiß jei, habe Herzog
Albreht das Gewiſſe dem Ungewiſſen vorziehen müfjen, perſönlich
aber weder dem Kurfürften nod dem Erzbiſchof ein Hindernis in
ven Weg gelegt. Salentin ſchien ſich zulegt zufrieden zu geben,
meinte aber, diefe dem Bremer Erzbiſchof zugefügte Unbill möchte
zu feiner Zeit am Stift, namentlid an den Raesfeldiihen und
an Wefterholt, gerochen werden ?).
Auf Herzog Albrechts Wunſch hatte der Domdehant den
2. Februar al3 Termin zum Abſchluß der Kapitulation anberaumt ;
doch vergingen ein paar Zage und bedurfte es noch befonderer Cita—
tionen, ehe die Domherren ziemlich vollzählig — einige zwanzig —
beifammen waren. Bayerns bisherige Gegner mochten wenig Luft
1) Zwei Briefe Dandorfs an Herzog Albredht vom 15. u. 26. Januar
babe ih in den Münchener Archiven bisher nicht gefunden, entnehme daher
meine Angaben über Dandorfs Gefpräh mit Salentin einem Brief besfelben
an Paul Langer: DA. Polit. Begebenheiten Nr. 17, fol. 90.
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 453
haben, ihre eigene Niederlage zu befiegeln ). Am 5. Februar
erichienen Heinrich von der Rede und die drei bayriſchen Gejandten
vor dem Kapitel und erklärten ſich bereit, über Kapitulation und
Afefuration zu verhandeln. Darauf wurde ein Ausſchuß von
fünf Prälaten, Propſt, Dechant, Scholafter, Domkuftor und Vize—
dominus — alfo aud zwei bisher bremiſch gefinnte — beftellt,
welcher die meiften von Herzog Albrecht gewünſchten Anderungen
in der Kapitulation vajch bewilligte. Nur bezüglich der Refidenz-
pfliht wurde daran feftgehalten, daß der Poftulierte jährlih min—
deitens vier Monate im Stift und aud die übrige Zeit in der
Nähe rejidieren müſſe; auch von der verlangten Bürgihaft jülich-
cleviiher Landſaſſen ging man nit ab. Andern Tags wurde
das mit dem Ausſchuß Vereinbarte vom Kapitel einmütig ges
nehmigt. Nur erklärten dabei Weiterholt und etlihe Junioren,
dab „alles, was auf die Kapitulation gehandelt werde, unverbind-
ih und die freie Wahl vorbehalten jein ſolle“. Den Gejandten
wurde angezeigt, man ſei einig, mit dem Aodminiftrator von Frei—
fing zu fapitulieren, von der Rede ſolle alſo nunmehr das Poſtu—
lationsdefret herausgeben; diejer erklärte fi) willig, jobald man
wirklih zur Boftulation ſchreite. Am folgenden Tag (7. Februar)
einigte man fich wegen der verlangten Bürgihaft: das Domkapitel
verzichtete auf die zeitraubende Forderung, daß dieje bereits vor der
Neumahl im Driginal vorliegen müſſe, und begnügte ſich einjtweilen
mit einer von den vier Geſandten ausgeftellten Interims-Afjeluration,
für welde fünf vornehme münfteriche Adelige Rückbürgſchaft über:
nahmen. ine Abkürzung des üblichen vierzehntägigen Termins
zur Berufung aller Abwejenden wurde jedoch nicht zugeſtanden;
der erite Sonntag in der Faften, 23. Februar, wurde für die
Poſtulation feſtgeſetzt. Zwei Zage ipäter lehnten die noch an—
weienden acht Domberren das diesmal von den Merordneten
1) Als befonders citiert nennt das Protofoll die Herren Wilh. Schenting,
Wild. Elverfeld, Lukas, Matthiad und Jörg Nagell und Jörg Ketteler, —
lauter entjchievene Gegner Bayerns.
454 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
zur Regierung geftellte Erſuchen, dem Statthalter feinen früheren
Gehalt wiederzugeben, neuerdings ab.
Ned und die bayriihen Gejandten verliegen Münfter in vollem
Vertrauen auf den 23. Februar: „auf welden Tag‘, ſchreiben
die legteren an Herzog Albrecht, „wir zu Gott hoffen und ven
beſchehenen Abreden nad für gewiß halten, daß E. f. ©. geliebter
Sohn zum Bischof von Münfter poftuliert werden joll‘. Dr. Hal—
ver hatte ſolche Zuverſicht namentlich aus periönlichen Beiprehungen
mit dem Statthalter gewonnen; dem Bedenken Wefterholt3, daß
Herzog Albrecht veriprohen habe, Müniter dem Bremer Erzbiſchof
zu überlaffen, mwideriprad) Dandorf mit Berufung auf feine eigene
Zeilnahme an den Münchener Unterredungen zwiſchen Salentin
und jeinem Herzog.
Während der legten Verhandlungen Hatte jid) auch Lorenz
Schrader in Münfter eingefunden, mit einem Brief von Kurfürft
Salentin an Dandorf, der dem Kurfürften beicheinigen sollte,
welche Vertröftung ihm Herzog Albrecht wegen Münfter vormals
gegeben habe, damit Salentin felbft bei Erzbiihof Heinrich
defto beſſer entſchuldigt ſei. Dandorf verfiherte, daß ſich fein
Herzog ſeither, feinem Erbieten gemäß, nicht mehr ſelbſt um
Münfter beworben Habe. Schrader ſchien zufriedengeftellt,
wünſchte im Namen des Erzbiihofs Glück und veriprad, daß
diefer bei der Bewerbung um Köln dem Herzog Ernſt jo viel
als möglich behilflich fein, ja vielleicht jelbit, gemäß Salentins
Wunſch, feinen Kapitelplatz demjelben abtreten werde. Dagegen
werde Herzog Ernft, einmal im Belige von Köln, Hoffentlich
Stift Münfter zur Belohnung feinem Herrn abtreten. Dandorf
antwortete mit einigen allgemeinen Redensarten über ſchuldigen
Dank feiner Herzöge u. dgl.
Zwei Zage vor dem Poftulationstermin, am 21. Februar,
erihienen zu Münſter die drei bayriſchen Gefandten und für den
Herzog von Jülich neben Ned noch Dietrih von der Horft und
der cleviihe Marihal Wahtendond. Die leteren brachten
Vollmachten mit zur Rückgabe des Poftulationsdelret3 und zur
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 455
Dornahme der Refignation, welche vom Sapitel angenommen
wurden. Als nun Red und Horft (der cleviihe Marihall war
nod nicht angefommen) perjönlih im Sapitel erſchienen und Gr:
Härung forderten, ob man aud nad) erfolgter Refignation al3bald
zur PBoftulation des Adminiftrators von Freifing fchreiten werde,
gaben die Senioren eine beruhigende, wenngleih etwas verklau-
fulierte Antwort; der Scholafter aber wollte jih, um die freie
Wahl zu erhalten, vor wirklicher Rejignation nicht weiter verpflichten
oder erllären. Ähnlich einige Junioren; andere äußerten ihren
Unmillen rüdhaltlojer. Er wolle jein Votum frei haben, erklärte
3. B. der Vizedominus; fomme e3 zur Poftulation, jo werde ohne
Zweifel jeder von Adel feinen Eid bedenken. Georg Ketteler fügte
bei, nun ftelle fi) heraus, was Jülich vordem mit der Koadjutorie
geſucht. Der Beihluß wurde ausgejegt. Den folgenden Zag,
an welchem fein Kapitel itattfand, benugten die Gefandten, um
mit einzelnen Junioren und namentlih mit Wefterholt privatim
zu ſprechen. Des Statthalters Außerungen beihwichtigten die
aufgetauchten Beforgniffe: jie jollten Vertrauen haben, fagte er
u. a. zu Dr. Halver, denn man wiſſe von feiner Kapitulation als
mit Bayern; man werde ehrbar und aufrichtig handeln u. ſ. w.
Auch einige Herren von der Ritterfhaft meinten, man dürfe ſich
auf Wefterholt verlafjen.
Am Morgen des 23. Februar einigte ſich das Kapitel über
eine Refolution, welhe die Spuren der borausgegangenen Dis:
kuſſion an jih trägt: nachdem man, hieß es, vordem im Sapitel
beichloifen Habe, feinen zu poftulieren, ehe man mit ihm fapituliert
und Aifefuration befommen, und nachdem man darauf mit dem
Adminiftrator von Freifing fapituliert, ſolle, jobald das Poſtu—
lationsdekret herausgegeben und die Refignation wirklich erfolgt jei,
zur neuen Poſtulation gefhritten werden. Als die Refolution
den jülihihen Geſandten ſchriftlich zugeftellt worden war, erklärten
diefe im Kapitel, fie fänden diefelbe den Befehlen ihrer Herren ges
mäß und wollten in das ganze Kapitel fein Mißtrauen jegen.
Sie übergaben aljo das Driginal ihres Poſtulationsdekrets und
456 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
liegen durch zwei zu Prokuratoren beftellte münfteriche Geiftliche
(den Siegler und Dedant am alten Dom, Jakob Vo, und den
Dechanten zu Überwaſſer, Michael Ruperti) Kirche und Stift zu
Händen des Kapitels rejignieren. Das Kapitel nahm die Refig-
nation an und beihloß jodann, dem Herfommen gemäß !), per
viam serutinii zur neuen Poftulation zu jchreiten. — Es ift dies
der im kanoniſchen Recht vorgeiehene, bei den deutichen Kapitels—
wahlen damals üblihe Wahlmodus und zwar in der früher be—
iprochenen Form eine3 serutinium et compromissum mixtum
sive determinatum, jedod) ohne die in Köln gebräuchliche accessio
votorum. — Zu Skrutatoren wurden der Propft Goswin von
Raesfeld, der Scholafter Wefterholt und Herr Bernhard Morrien
gewählt. Darauf z0g man in den Dom zur feierlihen Meſſe
vom heiligen Geifte. Bei der Rüdkunft ins Kapitelhaus ermahnte
der Dechant die Kapitularen nochmals, aller früheren Beſchlüſſe
jeßt eingedenf zu fein. Darauf ftiegen die Skrutatoren mit dem
Sefretär, einem weitern Notar und zwei Zeugen in den oberen
Saal des Kapitelhaujes, um das Wahlgeſchäft an ſich jelbit anzu=
fangen. Der Propit als erfter nannte den Adminiftrator von
Freiling, nad) ihm Weiterholt den Bremer Erzbiihof. Da das
Herr Morrien und der Propft vernahmen, fuhren fie los gegen
den ungetreuen Mann und meigerten ji jein Votum aufzu=
nehmen: „dann fie bald Rechnung machen können, daß noch andere
1) Das Protokoll fagt ausbrüdlih: Domini concluserunt, quod velint
ad novam postulationem procedere per viam scrutinii, tanquam magis
usitatam ac approbatam. Die bayrifchen Gefandten machen ſich alfo nach—
träglich fchlauer als fie gewefen waren, indem fie in ihrer Relation vom
25. Februar 1577 (RA. Münfter V, 45) behaupten, bie Senioren hätten
mit ihrem und der jülichfhen Geſandten Vorwiſſen „zu merer ficherheit ben
weg bes ferutinii gebraudt und neben andern ferutatoren ben juspectum
ftathalter auch beputiert, damit fie in anfang feines voti gewiß fein medh-
ten... . und mwofern er feine vorige befe büd mwiberumb brauchen wurde, nit
procebieren fonder da8 werk. . . gar abſchaffen und einftellen mochten.” —
Wohl aber mag wahr fein, daß die Senioren vor der Wahl verabrebeten,
nur dann mit dem Serutinium fortzufahren, wenn Wefterholt dem Frei—
finger Abminiftrator feine Stimme gäbe.
Die vereitelte Poftulation zu Münſter. 457
15 darauf folgen und hochgedachter Erzbiichof zu Bremen alſo die
meiften Stimmen haben und damit durchgehen würde.“ Sie ftellten
den Scolafter zur Rede, wie er, feiner Zufage und dem Slapitels-
beihlug zumider, jemanden poftulieren könne, mit dem nicht vor=
ber fapituliert. Wefterholt erwiderte, ev und andere hätten dem
von Bremen ebenjowohl wie dem von Kreiling eine Kapitulation
zugeftellt und jest richtige Erklärung darauf erhalten. Zum Bes
mei zog er ein mit des Biſchofs Hand und Siegel verjehenes
Schreiben hervor und mollte e3 den anderen Skrutatoren vorlejen.
Sie aber mochten davon nichts hören, jondern liefen wieder hinab
in den untern Saal und referierten dem Kapitel. Darauf ver—
tagte der Dechant weitere Handlung bis zum folgenden Tag ?).
Diejes faſt alle Welt überrafchende Ereignis war aber alio
gekommen.
Als Schrader vor vierzehn Tagen nach Münſter kam, war
ſeine Beſprechung mit Dandorf gewiß nur der kleinſte Teil
der Aufträge Salentins. Seine Hauptaufgabe wird ein letzter
Verſuch geweſen ſein, die Junioren bei Bremen feſtzuhalten; ſie
wurde ihm durch die kalte Art, wie Dandorf ſelbſt für die Zukunft
Zuſagen ablehnte, vielleicht erleichtet. Manche Junioren waren
wohl ohnehin geſonnen, unter allen Umſtänden dem Bremer ihre
Stimmen zu geben. Von Weſterholt dürfte anzunehmen ſein,
daß er wirklich eine Zeit lang die bremiſche Kandidatur fallen ge—
1) Ich erzähle den Hergang bei der Wahl hauptſächlich nach dem Be—
richt, welchen der kurſächſiſche Rat Dr. Andreas Paull am 3. März 1577
feinem Herrn erftattete (DO. DrA. a. a. O. fol. 89). Dr. Paull hatte feine
Informationen teil® in Osnabrüd von Schrader, teild in Münfter von
Wefterbolt felöft geholt. Sein auch im übrigen durchaus mahrbeitsgetreuer
Beriht wird durch die nur minder ausführliche Relation der bayrifchen
Gejandten (vgl. die vorige Anm.) und das Prototoll des Kapitels befräf-
tigt. Die Erzäblung bei Strunck, Ann. Paderb. lib. XXI zum Jahre
1578 — angeblih aus einer handſchriftlichen münfterfhen Ehronit —, wie der
Synditus durh Scharren mit dem Fuße dem Decdanten ein werabrebetes
Zeichen gegeben babe, um den Wahlaktt zu fufpendieren, ift offenbar nur
eine voltstümliche Umgeftaltung des wirklichen Hergangs.
458 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel.
lafjen hatte, vielleicht weil der Erzbiſchof die verlangten Garantieen
für jein fatholiiches Verhalten nicht geben konnte oder wollte );
das Ende aber war, daß der Statthalter in demjelben Augenblid, da
er der Kapitulation mit Bayern zuftimmte, dem Lorenz Schrader
verſprach, falls Erzbiſchof Heinrich jetzt noch die Kapitulation an—
nehme, werde er mit ſeinem Anhang für ihn ſtimmen. Mit dieſer
Zuſage und einer Kopie der Kapitulation eilte Schrader nach
Hagen im Lande Bremen, wo er gegen den 13. Februar eintraf ?).
Heinrich, der bereit3 alle Hoffnung aufgegeben hatte, vernahm feine
Eröffnungen voll Mißtrauen und mochte nicht ohne weiteres Ja
jagen, jondern gab folgende geichraubte Erklärung ab: allerdings
würde man, wenn man bordem über Sapitulation und Affefuration
mit ihm verhandelt, an dem mas chrijtlih, ehrbar und billig,
jowohl in Religions: als in politiihen Sachen feinen Mangel auf
jeiner Seite gejpürt haben; da er aber unlängft erfahren, daß
aud der Statthalter und feine Mitftinnmenden mit dem Admini-
ftrator von Freiſing ſich verglichen hätten, ſehe er nicht ein, zu
welchem Effelt und Ende er fich jetzt noch obligieren folle; es
würde ihm aud übel anftehen, in beichloffener Sache den Biſchof
von Hildesheim an Vermehrung feiner Ehre, feines Standes und
Glückes zu hindern. Sollte jedod) der Statthalter diefe Sache durch
fügliche Mittel noch dahin richten können, daß er, Erzbiſchof Heinrich,
bei fünftigem Wahltag zum Biihof von Münfter möchte poftuliert
1) Die Senioren felbft, in einer ihrer fpäteren Streitfchriften (vom Juni
1579. AA. Münfter V. 309 und DA. 284, fol. 588 u. 628), nehmen ar,
der Statthalter habe eine Zeit lang ernftlich beabfichtigt, den bayrifchen
Herzog zu poftulieren, „wie er ban ben bremifchen fecretarien Hermanußen
zur Bede mit boefem befcheide abgewifen [im Spätjahr 1576 ?], daß derſelber
folgent8 an den tumbfcolafter gejchrieben: Reverendissimum suum potius
coeli ruinam expectasse quam tale nuncium per ipsum allatum .... im
fal ber not mit gemelts fecretarien eigner original miffiven ... zu be—
weifen.“
2) Am 5. Februar fand das Gefpräh zwifchen Schrader und Danborf
in Münfter ftatt; am 13. ift bereit bie Refolution bes Erzbifchof8 in Hagen
ausgefertigt; Schrader legte alfo einen Weg von minbdeftens zweimal 25
beutfchen Meilen in weniger ald 8 Tagen zurüd.
Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 459
werden, jo wolle er ſich al3dann, feinem vorigen Erbieten gemäß,
„unverweislih und aufrichtig al3 ein teutſcher wahrwortiger Fürft
erzeigen und dermaßen im Merk verhalten, daß jowohl das Dom=
fapitel al3 andere Hinterfafien des Stifts Münfter damit zu
aller billigen Genüge zufrieden fein und feiner Regierung durd)
Gottes Gnade und Segen fi) zu erfreuen haben ſollten.“ —
Das aljo war jene von Weiterholt beim Skrutinium borgezeigte
Erklärung und angeblihe Verfiherung der Kapitulation. Schrader
hatte fie gerade nod) rechtzeitig überbracht; mit ihm verbanden ſich
jest die Junioren aufs neue, an der Perſon des Erzbiſchofs feſt—
zubalten.
Am andern Morgen (24. Februar) liegen die bayriſchen und
jülichſchen Gejandten dem Kapitel durch Dr. Halver ihr Befremden
ausiprehen, daß es geftern nicht zur Voftulation gekommen jei.
Während fie draußen auf Antwort warteten, fam es im Kapitel
zu beftigem Wortwechjel, jo daß der Dedant die Drdnung faum
aufreht halten konnte. Die Senioren verlangten, was man ein=
mal beidhloffen, jolle man auch ehrlih Halten; der Domluſtor
warf Wefterholt, al3 feinem früheren Mitgefandten, geradezu Wort-
brud vor. Dagegen beriefen fi Wejterholt und Genoſſen auf
ihr freies Wahlrecht. Jetzt habe man, jagte der Bizedominus,
was man feit vielen Jahren geſucht; er aber wolle fein Votum
frei haben und weder Jülich noch Bayern dafür anfehen; man
müjje verhüten, daß nicht der Papft einen Keil einjeße. Aus
diefer Außerung wohl nahm der Dechant Anlaß, Erklärung zu
verlangen, ob alle Herren im Gehorjam des Papftes leben wollten.
Die Senioren antworteten einfah: Fa; — Weiterhult und die
Seinen: Ja, jo weit es nit gegen Statuten und Privilegien.
Darauf ftellte der Dechant die dritte Frage: ob man den drei
in der Boftulationsfahe erlaffenen päpftlihen Breven gehorden
wolle. Der Scholafter und feine Anhänger antworteten: in lieito
wollten fie gehorchen, nicht aber gegen die Konfordate der deutihen
Nation; man wiſſe, der Papft könne und wolle in der Poſtu—
lationsfahe nicht befehlen, jondern nur empfehlen. Nun ver-
460 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel.
langte der Dechant jene andere Kapitulation zu fehen, von der
man geftern geredet. Wefterholt antwortete, etlihe Herren hätten
die Dülmener Kapitulation dem Erzbiihof von Bremen vorgelegt;
darauf habe diefer ſich eingelaffen und geftern feine Kapitulation
geſchickt. — Wie viel und wie wenig Wahres an diejer Behauptung,
willen wir. — In fünfter Umfrage erklärten endlich die Senioren,
fie wollten für fi) den Gejandten antworten, und überliegen den
anderen das auch ihrerfeitS zu thun. Darauf wurden die Ges
fandten wieder beſchieden, um gegen die Gewohnheit nicht aus dem
Munde des Syndifus, jondern aus dem des Dechanten jelbit zu ver—
nehmen, das Mißverſtand vorgefallen jei, die Senioren aber halten
wollten, was zugefagt. — Lic. Schade war nämlich voll Ärger aus
dem Kapitel gelaufen, weil er nicht länger Syndilus fein wolle,
wenn man nicht halte was veriprohen. — Darauf lobte Dr. Hal-
ver im Namen der Gelandten die Senioren und jprad) die Hoff:
nung aus, aud die anderen würden „des alten deutichen aufs
rechten Vorhabens und Gemüts jein‘ und ihr Wort halten. Er
erinnerte namentlich Wefterholt an feine wiederholten Zufagen und
warnte davor, dag man e3 mit großen vornehmen Herren zu thun
habe, die mit dem Schimpf nicht fürlieb nehmen würden ?).
Darauf berieten die Kapitularen wieder untereinander. Der
Dechant ermahnte nochmals, den päpftlihen Breven zu gehordhen,
Schenkings Sache nicht in Not, das Kapitel jelbft nit in Gefahr
zu bringen. Wejterholt aber berief ji) darauf, daß er fich bei
jeinen Werbungen am Jülicher Hof ftet3 ausbedungen babe, daß
die Vota frei fein müßten. Er jelbft habe mit dem Herrn Wil-
heim Schenking die Kapitulation vormals dem Bremer Erzbiihof
präjentiert; darauf jei nun vor wenigen Tagen deſſen Erklärung ge—
1) „zu erachten, das biefelbe ben ſchimpf wor lieb nicht mwollen auf»
nehemen“, beißt e8 in dem hochdeutſch aber mit einzelnen nieberbeutfchen
Wendungen abgefaßten Protofoll fol. 1076, — alſo ein weiterer Beweis, ba
das „fürlieb nehmen” nicht erft im 17. Jahrhundert auftaucht; vgl.
Grimm, Deutjches Wörterbuch VI, 912 gegen IV, 1. 768; „lieb“ wird
an unferer Stelle übrigens als Hauptwort aufzufafien fein.
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 461
fommen und hier in der Stadt ). — Auf Wunſch einiger Herren
aus beiden Parteien, der beiden Drofte und des Herin Wilhelm
Schenking, vertagte der Dechant die Beratung, um weiteren Ver—
glei zu juchen, gedachte aber noch des Gerüchts, daß die Ju—
nioren Hand und Siegel von fi) gegeben; dieſe ihre Verſchreibung
fole man vorbringen, um zu jehen, ob fie nicht früheren Eiden
und Pflichten zumider fei.
Als man nun die Geſandten zum drittenmale berief, erklärte
Weſterholt aud vor ihnen mit gar wenigen falten Worten, daß
er ſich jederzeit jein freies Votum vorbehalten habe; man jolle nur
mit der Poftulation fortfahren; wer es dann befomme, der habe
e3 zu genießen. Hierauf erklärten die jülichſchen Gejandten, wenn
man gefährlich oder betrüglid mit ihnen handle, müßten fie ihr
Poſtulationsdekret zurüdfordern und die Refignation widerrufen.
Daß die Junioren mit Hand und Petſchaft fi verbunden, einen
andern zu wählen, aber trogdem mit Bayern fapituliert, würden
ihre Fürften zu ahnden miljen.
Am Nachmittag hielten beide Parteien mit ihren Freunden
abgeionderte Beratung; ein legter Verſuch, den Statthalter durch
einige feiner Verwandten und andere von der Ritterichaft auf die
bayriihe Seite zu ziehen, blieb vergeblih. Am folgenden Morgen
(25. Februar) fanden fih anfangs nur die zehn Herren von der
Seniorenpartei im biihöflihen Hofe zufammen ; hierhin und nicht
ins Kapitelhaus hatte der Dechant das Kapitel beichrieben, weil
man nad Weiterholts geftrigen Reden beiorgte, die Junioren ges
dächten den nur im Kapitelhaus ftatthaften Wahlakt fortzufegen.
1) „Er Hab in beifein Her Wilhelm Schenkingks Bremmen die capitulation
präfentirt, hab fie nicht wollen annehemen, aber darnach nur vor weinigen
tagen fei die erclerung eintommen, und fei albie in der ftat.” (Nachher nennt
Mefterholt anftatt des Wilhelm Schenfing ben früheren Scholafter Diepen-
Broid; — alfo auch Bier ein Widerſpruch ober bloßer Schreibfehler im
Prototol?) — Bielleiht Hatte Kod (1. c. III, 153) ober fein Gewährsmann
Das Protokoll vor fih und bezog die legten Worte fälſchlich auf ben Erz-
Bischof ftatt auf die Kapitulation, da er zum 24. Februar bemerkt: sunt
qui Henricum ipsum non longe abfuisse affirmant.
462 Fünfte Bud. Siebentes Kapitel.
Alsbald erihienen denn auch Scolafter und Vizedominus und
verlangten namens der anderen Herren NRüdkehr ins Kapitelhaug,
liegen fich jedody nad einigem Wortwechjel bejtimmen, mit ihren
Anhängern, 14 an der Zahl, in den Biihofshof zu kommen.
(Aud der Syndifus war wieder mit anweſend und entichuldigte
jein geftriges Weggehen.) Nach einigem weiteren Streit darüber,
ob man im Biſchofshof — in loco profano, wie die Runioren be=
baupteten — von der Poftulation reden dürfe, teilten die Ju—
nioren mit, ein bremifcher Gejandter fei mit der Kapitulation und
berfiegelter Inſtruktion da und bereit, im Kapitelhaus diejelben
vorzulegen. Der Dedant verlangte Aufklärung über dieſe angeb-
liche, doch jelbft niht im Kapitelhaus abgeſchloſſene Kapitulation.
Nun verwidelte ſich Wefterholt in Widerſprüche: zuerft behauptete
er, e3 feien die zu Dülmen verabredeten Artikel, welche er und
der frühere Scholafter Diepenbroid (!) dem Erzbiihof zugeftellt;
dann gab er zu, daß diefelben nachträglich abgeändert morden
jeien. Übrigens geftand er jest ein (mie ſchon tags zuvor der
Burſener Schmiling), man babe ſich mit Bayern einlafjen müſſen,
weil man auf feine andere Weife die alte Poftulation aus Jülichs
Händen herausbringen konnte. Am Schluß de3 Disputs über-
reihte er eine am geftrigen Nachmittag aufgefegte Erklärung der
Junioren, aus drei Hauptpunkten beftehend: 1) fie könnten ſich
Ehren und Gewiſſens halber von Bremen nicht abwenden; 2) man
iolle mit dem Poftulationsaft fortfahren; nachher könnten unpar=
teiiſche Obere ) entſcheiden oder die beiden Poſtulandi unter ein:
ander ſich vergleichen, „wie vermerkt wird, dab albereits ein
guter Anfang gemacht und Mittel vorftehet‘; 3) fie führten Be—
ſchwerde über allerhand ſcharfe und unglimpflihe Worte der bay:
riihen und jülihihen Gejandten. Hierauf entfernten fie fi)
wieder und überliehen e3 den Senioren, diejen zu berichten.
——
1) Da der Dedant Erklärung forderte, wer mit den Worten „un.
parteiifche Obere” gemeint fei, antworteten bie Junioren „geiftlihe und welt-
liche Obrigleit“.
Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 463
Im Namen der Gefandten antwortete Dr. Halver auf die
drei Punkte: den erften erwiderte er mit ſcharfen Vorwürfen, daß
die Junioren mit zwei verichiedenen Herren fapituliert; damit jei
der Grund der Nefignation hingefallen; man ſolle aljo das Poſtu—
lationsdefret wieder herausgeben, zumal die Refignation, weil ohne
päpftlihen Konſens erfolgt, ohnehin ungültig fei; die Poftulation
bei joldem Zwieſpalt fortzufegen, ſei durchaus unratfam; über die
angeblihen Injurien würden Kaifer, Kurfürften und Fürften ent-
jheiden. Darauf verſprachen die Senioren wiederum, an dem was
verabredet feitzuhalten. Daß das Poſtulationsdekret zurüdgegeben
werde, fanden fie zwar für billig, wagten es aber nicht für fi
allein, „dieweil fie mit jeltjamen Leuten zu thun, die ihnen gerne
die Landftände follten über den Hals ziehen. Sie wollten alſo
Deputierten der Stiftsftände das Verlangen vorlegen. Inzwiſchen
würden fie aud) an den Papft berichten. Für den Notfall möchten
Jülich und Bayern ihnen bewaffnete Hilfe verſprechen und nicht
fie, namentlich nicht inbezug auf Dr. Schenkings Sade, der Ju—
nioren unbilliges Vorhaben entgelten laffen.
Am Nahmittag kamen Senioren und Junioren nohmals im
biihöflihen Hof zufammen, aber ohne weiteren Erfolg, als daß
die beiderjeitigen Vorwürfe und Anſprüche ſchärfer als je zuvor aus=
geiprochen wurden. Die Junioren behaupteten: von dem Bremer
Erzbiſchof bei ihren adeligen Ehren ermahnt, hätten fie demſelben
die Kapitulation zuftellen müſſen; Johann Wilhelms Rejignation
jet, da er nicht geiftlich erzogen werde, nicht mehr als Pflicht und
Schuldigkeit; in Schenfings Sahe habe Bremen mehr zu leiften
veriproden als Bayern; zur Kapitulation mit leßterem jeien fie
gezwungen worden, durch Jülichs Weigerung anders zu rejignieren,
Jülich habe alſo den Betrug verſchuldet; man möge nur die beiden
Herren ein Jus quaesitum erlangen lafjen, dann könnten diejelben
mit einander disputieren; gegen Rückgabe des alten Poſtulations-
def ret3 proteftierten fie. — Die Senioren dagegen erllärten: wie
reime es fich, daß die Junioren ftet3 vom freien Votum jprächen,
und doch dur adelige Ehren an Bremen gebunden fein wollten;
464 Fünftes Bub. Siebentes Kapitel.
Weſterholt habe jelbft an allen Schritten des Kapitels in der
Poſtulationsſache teilgenommen; in Schenkings Sache ſei nichts
mehr auf dem Rechtsweg, ſondern nur noch durch Gnade zu er—
langen, durch Vermittelung von Bayern und Jülich habe man
eben jetzt Beſſerung erzielt — in der That hatte der Papft kürz—
lich den Proze zur Revifion an die deutiche Kongregation ver:
wiejen; der Poftulierte ſei noch geiftlih), halte ſich nicht anders
als die Herren vom Kapitel jelbit; man möge große Herren nicht
an einander been: quidquid delirant reges, plectuntur Achivi,
werde e3 jonft heißen; fie müßten den Streit an den Drt bringen
(nad) Rom), von wo die Konfirmation der PVoftulation abhänge. —
Zum Schluß erklärte der Dechant den Boftulationsalt bis auf
weiteres für jufpendiert.
Am nähften Tag (26. Februar) fand fein gemeinfames Kapitel
mehr ftatt. Die Senioren verfammelten ji im biihöflichen Hof
und formulierten das Dekret des Dechanten über die Suſpenſion
der Poftulation. Sie beſchloſſen ſodann ausführlih nah Rom
zu berichten und von dort Entiheidung zu fordern. Diejen no:
tariell gefaßten Beichlüffen ftimmten zehn Herren bei, für ſich und
als Bevollmächtigte zweier abweienden: des Trierer Domdechanten
Bartholomäus von der Leyen und des jüngeren Bitter von Raes—
feld. Dagegen erließ die Majorität, ſiebzehn am der Zahl,
einen notariellen Proteft gegen die Suſpenſion des Wahlaktes und
jedes hieraus etwa erwachſende Präjudiz. Noh am jelben
Tag wurde den Gejandten des Herzogs von Jülich — nachdem
man zubor die Zuftimmung einiger Vertreter der Ritterfhaft, ſowie
der Stadt Münfter eingeholt — das Driginal ihres Poftulations-
defret3 von den Senioren wieder zugeftellt; doch mußten fie ſich
berbürgen, daß fie das Dekret bei einer demnächſt abzuhaltenden
Beratung mit einem Ausfhuß der Stände den Senioren wieder
einhändigen würden. Gleich darauf traten die Gejandten von
Bayern und Jülich die Rücreife nad) Düffeldorf an.
Sechſtes Bud.
Die Kölner Wahl des Iahres 1577.
— — ——
Loſſen, Köln. Krieg 1. 30
1. Kapitel.
Herzog Ernſt wird Domkapitular zu Köln.*
Feſt entihloffen ihr Wahlrecht zu behaupten waren die Kölner
Domkapitularen im Februar 1577 auseinandergegangen. In dies
jem Entſchluß ftimmten mit den ganz oder halb proteftantiichen
Edelherren die eifrig fatholiih und bayriſch gefinnten Priefter-
fanonifer überein. Auch nad ihrer Meinung jollte ihr Erzſtift nur
mittel3 freier Wahl durd) die Mehrheit des Kapitels dem bayrijchen
Herzog zufallen. Um wählbar zu fein, mußte Herzog Ernft zubor
jelbft Domherr werden; da aber die Zahl der Kapitularen eine
geſchloſſene und zur Zeit fein Pla frei war, fonnte er das nur,
wenn eines der jegigen Mitglieder verzichtete. Solchen Verzicht
bon dem geiftesihwachen Grafen Wilhelm von Reiffericheid zu er-
langen, hatte jih, wie wir jahen, der Herzog bon Jülich ſchon
im vorigen Jahre vergeblih bemüht, darauf faßte man die Re—
* Quellen: 1) Aus tem DU: Domkap.-Prot. Nr. 157. — Kurköln-
Erzbifchöfe. Gebh. Truchfeß, Nr. 1. — Köln-Domftift 323% (aus
dieſem Bande find ein paar Briefe teils volftändig gebrudt, teils im
Auszug bei Lacomblet, Urk. IV, Nr. 579). — Polit. Begebenheiten,
Nr. 17. Einzelne auch: Landesherrl. Familienſachen 28° u. 4 (vgl.
0. ©. 266).
2) Aus den Münchener Archiven: StA. 38, Nr. 3. 7. 8. 10—15
(namentlih 38/12). Die zwei Koabjutoriebreven vom 13. Januar
1577: StA. 139/15; Korrefp. Herzog Albrechts mit Don Juan
d’Auftria: StA. 9/3; Korrefp. mit Kurſachſen: StA. 53/1 u. 14.
401/10; einzelne Ergänzungen: StA. 311/14. 359/8. 399/49. 58
u. 77. — RU. Münfter, T. V; Lüttih, T. I; Freifing Nr. 83;
30*
468 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel.
fignation des in Studien zu Döle verweilenden jungen Grafen
Hans Philipp von Manderjheid-Gerolftein ins Auge.
Die ganze Familie Manderſcheid war dem Herzog von Jülich
vielfach zu Dank verpflichtet, Hans Philipps Vater, Hans Gerhard,
zudem in beſchränkten Verhältniſſen und mit einer großen Kinder:
ihar beladen. Man durfte hoffen, durch materielle Vorteile jeinen
Sohn zum Verziht auf feinen Kölner Kapitelplag zu bemegen.
Schon Ende November 1576, unmittelbar nachdem der Kurfürft
durch die ſchroffe Forderung der Koadjutorie fein Domkapitel fo
gewaltig erregt hatte, jchicte deshalb Herzog Wilhelm einen eigenen
Gefandten, den Licentiaten Rudolf von der Broel, nad) Gerol-
ftein- zum alten Grafen, welder denn auch jofort, gegen das Ver—
ſprechen der Schadloshaltung,. feinen Sohn aufforderte, die ges
wünſchte Ceſſion zu bewilligen. Hans Philipp machte anfangs
Schwierigkeiten, wollte nur mit Wiſſen und Willen des Kapitels
tefignieren, um ſicher zu jein, daß er nad) folder Cessio imagi-
naria wieder ins Kapitel aufgenommen werde, und verlangte Ge—
wißheit über die in Ausfiht geftellte Schadloshaltung. — Kur:
fürft Sulentin meinte, dieſe Antwort habe das junge Herrchen
und jeine Umgebung nicht ſelbſt gedichtet, ſondern jie jet ihnen
bon anderen borgemalt worden; in der That Äußerte fi) damals
Tectierte Fürftenfachen Nr. 412 (kurpfälzifhe Alten), — Ein Brief von
Herzog Albrecht an Dr. Fabricius auch KrA. I. Geiftl. Saden, Nr. 2,
3) Kurfächfifche Arhivalien: DrA. loc. 8926. Kölner Refignation
1572/1579. Ergänzungen dazu: a. a. DO. Schriften bel. Kurfürſt
Auguſtens vorgehabte Beförderung u |. w. 1577. — Ein paar Notizen
über Dr. Pauli Sendung an Kurfürft Salentin bei: [Imman. Weber]
Decades tres Ep. Langueti, No. 31 und Gillet, Crato II, 173
Anm. 5. (Biographifces über Dr. Paull bei Melch, Adam, Vitae
German. Jurecons. et Politie., Heidelb. 1620, p. 303sqg. aus
305. Stradius, Klag und Leichpredigten, Kaffel 1610, ©. 129 ff.)
. 4) Über die Bemühungen der Wetterauer Grafen gegen bie bayrifche
Koabjutgrie in Köln: Ludwig von Wittgenfteins Tagebuh Nr. IU
(vgl. 0. Quellen zu Bud 5, Kap. 1), DillA. B. 60. MU, Erzftift
- Köln 1577 (Kafieler Akten) und Köln 1515/1580 (Marburger Alten).
Groen van Prinsterer V, 599. (Einige unwichtige Breven,
Porziad Sendung nad, Köln betr. bei Theiner II, 273sq.)
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 469
der Biihof von Straßburg, von jülihichen Räten behufs ver
Geffion feines Vetters angeſprochen, nit wenig verdächtig. Grit
als Herzog Wilhelm nochmals in Gerolftein und in Döle ziemlich
ungnädig um die Ceſſion erfucht hatte, ftellte Hans Philipp (am
30. Zanuar) Vollmacht aus, feinen Rapitelplag, angeblid weil er
wegen feiner Studien der bevorftehenden Refignation des Kur—
fürften nicht beimohnen fünne, jemanden zu refignieren, der dies
fönne. Privatim ſprach er dabei die Erwartung aus, Herzog
Wilhelm werde ihn insgeheim fo lange ſchadlos halten, bis der
Freifinger Adminiftrator in die Lage komme, dies zu thun, oder
bis er jelbjt wieder zum Kapitel zugelafjen jein werde !). Ende
Februar war die Geffionsurfunde in Herzog Wilhelms Händen.
Nun fehlte no, daß Herzog Ernſt auch der Nächitberechtigte
zur Beanjpruhung (Option) des freigewordenen Kapitelplages
wurde. Diejes Recht Hing ab von der Anciennetät im Beſitze
einer Dompräbende: jo nämlid, daß jedesmal der im ange
ältefte Kanonikus, welcher feine erfte Refidenz gehalten und die
Subdiafonatsweihe empfangen hatte, das Vorrecht zu ſolcher
Dption befaß. Der Ernennung nad) hatte Herzog Ernft nicht
weniger al3 fünf Vormänner: die Grafen Wilhelm von Schauen-
burg, Chriftoph don Stolberg, Friedrich) der Jüngere von Öttingen,
Ernft von Mansfeld und Simon zur Lippe. Die beiden lehteren
blieben außer Betracht, weil fie ihre erſte Refidenz noch nicht ges
halten hatten; die anderen aber mußten freiwillig auf ihr Vor—
recht verzichten. Am leichteften fam man zum Biel bei dem unter
bayriihem Einfluß ftehenden Grafen von Ottingen. Schon am
18. Januar gab er auf Herzog Albrechts Erſuchen die verlangte
Erklärung ab, daß er binnen einem Jahre nicht beim Domſtift
Köln reſidieren und Präbende verdienen oder einen freiwerdenden
1) Hans Philipp von Manderſcheid erhielt nachher vom bayriſchen Her—
zog ein Geſchent von 200 Dukaten in Gold, außerdem zur Entſchädigung
für die verlorenen Einkünfte eine jährliche Penfion. Auch der Bater empfing
ein reiches Dankgeſchenk.
470 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel,
Kapitelplag begehrten wolle. Dagegen beantwortete Wilhelm von
Schauenburg, der Oheim des Mindener Biihofs und des Kölner
Domdehanten, das erſte briefliche Erſuchen des Herzogs von
Jülich gar nicht einmal. Hierauf ſchickte der Herzog feinen Amt:
mann zu Ravensberg, Kajpar Ledebur, nah Hildesheim, wo Graf
Wilhelm als Dompropft wohnte; diejer erlangte den gewünjchten
Verzicht gegen das Verfprechen, daß fein Herzog dem Dompropft
für allerlei Privathändel und Prozeſſe einen Schußbrief aus—
ftellen, jowie ihm Empfehlungen an das SKammergeriht und an
Herzog Ernft von Bayern, al3 Aominiftrator von Hildesheim, er—
teilen wolle ?).
Die meiften Schwierigfeiten fand man bei dem Bemühen, den
dritten Vormann, Graf Chriftoph von Stolberg, Dompropft zu
Halberftadt, zum Verzicht zu bewegen. Als Erbe feines unlängit
verftorbenen Bruders Ludwig war Ehrijtoph Herr der Grafichaft
Königitein am Taunus und infolge deſſen Mitglied des Wetterauer
Grafenvereind geworden, hatte fih auch ſchon an deſſen Agitation
gegen Salentins Koadjutorieplan beteiligt. Er befannte ſich zur
Augsburger Konfeſſion, war zudem durch feine Schwefter Juliane
der Oheim der Grafen von Nafjau= Dillenburg und, da er zur
Zeit auf Schloß Königftein wohnte, dem perjönlihen Einfluß der
MWetterauer Grafen viel zugänglider, al3 der Schauenburger. So
geboten ihm alfo die ftärkjten Beweggründe, einen Schritt zu unter:
lafjen, welcher dem Haufe Bayern den Zugang zum Erzftift Köln
erleichterte. Längere Zeit blieben denn auch alle Bemühungen der
bayrischen Partei vergeblih. Zwei Briefe des Herzogs von Jü—
lid) beantwortete er ausweichend, mit Berufung auf feine Pflichten
und Redte als Kölner Kanonikus; auch gegen einige Räte des
Herzogs, welche ihn perfönlid in Königftein anſprachen, blieb er
bei feinen früheren Ausreden und verlangte, da man dieje nicht
1) Lebebur ſprach danach auch den Grafen Simon zur Lippe um eine
Erffärung de non residentia an, wurde aber abgewiefen; bierauf belehrte
Dr. Wintel die Jülicher, daß man feiner Erklärung gar nicht bebürfe.
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 471
gelten ließ, vom Kölner Domkapitel ſchriftlichen Beſcheid, wie er
fi) zu verhalten habe. Nachher ging abermals ein eigener Ge—
jandter des Herzogs, mit einer Empfehlung von Kurmainz, nad
Königftein, fand aber den Grafen nicht zuhaufe.
Der ganze Plan, den bayriihen Herzog durd freie Wahl
nah Köln zu bringen, lief Gefahr, an "diefem Hemmnis zu
icheitern. Herzog Albrecht bedachte deshalb, ob man nicht doch
wieder auf den Weg der Koadjutorie zurüdtommen folle.. Man:
herlei ſchien ohnehin Hierfür zu ſprechen. Zunächſt war man
gerade für diefen Weg mit den weiteſten Vollmadten von Rom
verſehen. Wir erinnern uns, wie Kurfürſt Salentin Ende No=
vember 1576 von Rom forderte, diejes jolle ihm feine Befugniffe
zur Einjegung eines Koadjutors noch weiter ausdehnen. Herzog
Albrecht Hatte damals Salentind Schreiben durch einen eigenen
Kurier nah Rom befördert, zugleih aber, auf Grund der vom
jülihichen Hof und aus Köln eingelaufenen Warnungen, durd
feinen Gejandten Dr. Fabricius den Papſt bitten laffen, dem
Kurfürften Gewalt zu widerraten und gütlihe Verhandlung mit
jeinem Kapitel zu empfehlen. Im Zweifel, was auf jo wider-
Iprechende Ratichläge zu thun, verfuhr man in Rom ganz nad)
de3 Fabricius Andeutungen. Am 13. Januar, ſchon wenige Tage
nach der Ankunft des bayriichen Kuriers, wurden, im Anſchluß an
die früheren Soadjutorie=Breven an Salentin (vom 30. Juni
1576), zwei verſchiedene Breven für Herzog Ernſt ausgefertigt,
in welchen beiden er zum Koadjutor und fünftigen Erzbifhof von
Köln beftellt wurde, — in dem einen vorbehaltlich der Zuftimmung
de3 Erzbiſchofs jowie der major et sanior pars capituli, in dem
andern mit der Erlaubnis, aud feine Zuftimmung vonjeiten des
Kapitel zu verlangen. Die Breven wurden dem bayriichen Her:
zog zugejendet, zugleich aber dem Nuntius Porzia befohlen, ji
in Perfon mit der Kölner Succeffionsjadhe zu befaffen. (Porzia
war nämlich ohnehin beauftragt, zunächſt wegen der von Jülich
verlangten Beftätigung der münſterſchen Poftulation, fih nad
dem Niederrhein zu verfügen). Der Nuntius in Prag, Delfino,
412 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel.
erhielt Befehl, beim Kaiſer die Succeffion des bayrischen Prinzen
in Köln zu befürworten !).
Auch König Philipp von Spanien hatte ſich vor furzem mit
Salentins Abfiht, Herzog Ernſt zu feinem Nachfolger zu madyen,
einverftanden erklärt. Dieſer Entſchluß Hatte freilih, nad) jpa=
niſcher Unfitte, lange genug auf fih warten lafjen; denn bereits
im Mai 1576, nad jeiner Beiprehung mit Salentin, hatte Her:
309 Albrecht von Überlingen aus, unter Hinweis auf die vor»
maligen Verhandlungen mit Alba und Chantonay, den König ges
beten, des Kurfürften Succeſſionsplan zu befördern, — namentlich
dadurd, daß der König diefem jeine rüdjtändige Penfion und jeine
Auslagen vom Feldzug vor Mons her vergüte. Erft am 2. Des
zember erteilte Philipp brieflih Antwort, in welcher dieje letzte
Bitte ganz mit Stillihweigen übergangen wurde; es hieß darin
nur, der König habe ſich entichloffen, naddem er nunmehr von
Salentin jelbft über deſſen Meinung ausführlid unterrichtet, Her:
zog Albrechts Sohn zur Erlangung von Köln behilflich zu fein,
und habe feinem niederländiihen Statthalter und Bruder, Don
Juan D’Auftria, Hierüber Befehl erteilt. — Am Schluß des
1) Der bisherige Nuntius in Köln, Dr. Kafpar Gropper, war, wie «8
fceint, in halber Ungnabe bei ber Kurie; 6. April 1578 ſchreibt Herzog
Albrecht an Dr. Fabricius, er wünſche u. a. ben ältern Gropper nad Nom
berufen zu ſehen, sed ita tamen, ne illi ex veteri quadam Urbis suspicione
vel minimum discriminis metui queat. Fabrieius bemerkt bagegen fchon
am 12. April 1578: ut autem Gropperus senior ad Urbem evocetur,
ipse haud dubie petierit, quo sic majori cum honore huc revertatur;
nam non ignorat, quo res illius hoc loco versentur; sed non puto tam
magnam per eum ad meliores eventus accessionem expectandam, postea-
quam suae existimationi apud Sedem non parum detractum sit, ut non
ea qua antea hic polleat auctoritate (StA. 38/16, fol. 293 u. 270).
Über die Urfache biefer Ungunft habe ich bisher nichts gefunden. — Porzia
erbielt von Rom ein beglaubigendes Breve an Gropper; weitere an das
Domtapitel, an ben Kölner Rat und an ben Buchdruder und Ratsherrn
Maternus Cholinus, das Tetstere auf Anraten des bayrifchen Gefandten, bei
welchem ein Sohn von Cholinus Sefretärftelle bekleidete, vol. 0. ©. 178
Anm.
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 473
Schreibens folgten dann noch ein paar Süße, welde dem bay-
riſchen Herzog die Befriedigung über dasjelbe gründlid) verleideten.
Es wurde nämlich die bereits im Dftober 1575 von Herzog Albrecht
geftellte und jeitdem nod zweimal dringend wiederholte Bitte um
Fürihriften an Biſchoff und Domkapitel zu Lüttich für diesmal
abgelehnt: diefe jeien wohl jegt, da Ernft nah Köln kommen
ſolle, unnötig; falls Herzog Albrecht übrigens anderer Meinung
jei, werde man bei Don Juan fi aller Zuneigung und Hilfe zu
verſehen haben.
Am Münchener Hof betrachtete man diefen Brief des ſpani—
ihen Königs nit nur als eine höfliche Abweifung inbezug auf
Lüttich, ſondern hielt fogar das Anerbieten in der Kölner Sache
nit für recht ernft gemeint. Dagegen fand man in Don Juan
d’Auftria, welcher im November 1576, nad) dem achtmonatlichen
berworrenen Interregnum des niederländiichen Staatsrates, an die
Stelle des im März geftorbenen Requeſens getreten war, einen
aufrihtigen Freund des bayriihen Haufes. Saum hatte dieſer
die Ermächtigung feines königlichen Bruders in Händen, als
er durch eigene Gejandte Salentin vorftellen lie, wie nützlich
für das Gemeinwohl jomwie für die ſpaniſchen Niederlande die
Nachfolge des bayrischen Herzogs im Erzitift Köln fein werde.
Auh dem Herzog Albrecht bot Don Juan feine weiteren
Dienfte in dieſer Sache an. Da feine Hilfe aber zur Zeit in
Köln mehr ſchaden als nützen zu können ſchien, antwortete Her-
zog Albrecht zunähft nur mit einem böflihen Dankichreiben,
beklagte jih dagegen durch feinen Kanzler Eljenheimer, welcher
Mitte Januar wegen anderer Geihäfte nah Prag an den kai—
ferlihen Hof ging), bei dem ſpaniſchen Botſchafter, Marques
de Almazan, ziemlich empfindlih darüber, daß man feinen
Kurier jo lange, in Spanien zurüdgehalten und ſchließlich ohne
1) Wegen ber Neubelehnung durch Kaifer Ruboli und megen des Pro-
zeffe8 mit Graf Ortenburg.
474 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel.
die erbetenen Fürſchriften in der Lüttiher Sache weggeſchickt
babe !).
Während feines Aufenthaltes in Prag verihaffte ſich der bay-
riihe Kanzler von Kaifer Rudolf Empfehlungen für Herzog Exnft
an das Kölner Domkapitel, ſowie an die drei geiftlihen Kurfürften.
Er hatte aber Prag noch nicht lange verlafien, als hier die Bes
ihmerdeichrift des Domlapitel3 gegen Salentins Koadjutorieplan
(vom 28. Januar) einlief. Indem man aus ihr am Hof des
Kaiſers erjah, daß die bayriihe Nachfolge in Köln nody lange nicht
jo gewiß war, wie man gemeint haben mochte, wurde die Hoff:
nung lebendig, daß vielleiht anftatt des durch Salentins Koad—
jutorieprojeft dem Kapitel verdächtig gewordenen bayriſchen Herzogs
einer von des Kaiſers Brüdern nad Köln gebracht werden könne.
Geheime Fühlung in dieſer Richtung Hatte man bereits früher
vonfeiten Ofterreihs gefuht. Aus Salentins Munde willen wir,
daß ſchon Kaifer Marimilian beim Regensburger Reichstag ihn
gefragt hatte, ob nit etwa einer feiner Söhne nad Köln ge:
bracht werden könne. Salentin will jedoch dieſes Anfinnen ent-
ſchieden zurüdgewiejen haben und behauptet ſpäter ſogar wiederholt,
der Kaifer babe Herzog Ernſts Koadjutorie gebilligt oder jelbft
befohlen. Daß Marimilian, der e3 in Worten gern allen Leuten
recht machte, mündliche Außerungen derart gethan, wird nicht zu
bezweifeln fein; etwas Schriftliches hatte jedoch Salentin von ihm
jedenfall3 nicht in der Hand, ſonſt wäre es nadhträglih zum Vor:
1) Almazan fuchte den langen Aufenthalt des Kuriers mit ben „viel=
fältigen und großen Geſchäften“ feines Königs zu entfhulbigen; bie Ber-
weigerung ber Fürfchriften fiir Lüttich damit, daß man „in Hispaniis mit
ben bistumen etwa® mer ferupulos ban bieraufien: in Teutſchlant were
nicht felgam, das etwo ainer zwai ober brei ftift beifamen bielte, dz aber in
Hispaniis für ergerlih und fchablih gehalten mwurbe”. Elſenheimer ant-
wortete barauf, in Deutſchland müfje, weil fo viele Bistiimer bereitd pro-
faniert, eingezogen oder abgefallen, zur Erhaltung ber übrigen mande® to-
leriert werben, was ben Kanones nicht allerbing gleichförmig; alles was
dem bayrifchen Haufe zugehe, gereihe bem fpanifhen Könige zum beften
u. ſ. w.
Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln. 475
ſchein gelommen. Durd mündliche Zufagen feines Vaters fonnte
fi) aber Kaifer Rudolf, auch wenn er davon wußte, nicht ges
bunden fühlen. Im Januar 1577 taucht da und dort die
Nahriht auf, daß man zugunften eines der jungen Erzherzöge
wegen Köln angeklopft habe. So erfuhr Herzog Albrecht, freilich
ohne jelbit daran zu glauben, die Kaiferin-Mutter habe ſich des—
halb an den Papft gewendet. Ähnliches hörte Dandorf in Köln,
fonnte aber auch dem Gerede nit auf den Grund kommen.
Sehr beitimmt dagegen behauptet bereit3 Anfangs Januar der
Bruder des Straßburger Biſchofs, Hermann von Manderscheid,
zwei kaiſerliche Gefandte, der alte Freiherr von Winneburg und
ein Doktor (Andreas Gail) hätten zu Zülpich mit einander beraten,
wie einer von des Kaifers Brüdern nah Köln zu bringen, und
Kurfürſt Salentin jelbft erzählt ſpäter, Kaifer Rudolf habe zur
jelben Zeit, da feine Gefandten ihn, den Kurfürften baten, die mit
jeinem Water gepflogene Vertraulichkeit fortzufegen, durch den
Herin don Dannemwig in Köln heimlich für Erzherzog Matthias
praktiziert. (Diejer Dannewig hielt jih damals längere Zeit
Hindurh in Köln auf, vermutlic wegen jener Verhandlungen mit
den belgiſchen Adeligen, auf Grund deren Matthias nadhmals in
die Niederlande berufen wurde.) — Seht aber, da die Beſchwerde—
Ihrift des Domlapitel3 Herzog Ernſts Nachfolge jehr zweifelhaft
erscheinen lich, trat Kaifer Rudolf offen al3 Bewerber für einen
feiner Brüder auf. Während er die Kurfürften von Mainz und
Zrier und Herzog Albrecht jelbft um Gutachten erſuchte, wie Un—
rat und Weiterung in Köln zu verhüten, frug er bei Kurfürft
Salentin bereit3 an, ob nicht etwa die Beförderung eines feiner
Brüder nah Köln ein gutes Mittel dazu ſei. — Salentin ent=
Schloß fi, dem Kaiſer in Perſon die Antwort zu überbringen.
| Wir haben den Kurfürften auf dem Paderborner Neuhaus
verlaffen, von wo er im Januar und Februar 1577 feine groben
Briefe an das Domkapitel ſchrieb, dazwiſchen auch mit dem bay-
riihen Rat Dandorf über feinen Koadjutorieplan verhandelte. Als
Dandorf ihm den rauhen Weg widerriet, antwortete er, der Papft
476 Schftes Bud. Erſtes Kapitel.
jelbit habe die Koadjutorie vorgeihlagen und der verftorbene Kaifer
fie gebilligt; durch etliche unruhige friedhäffige Leute im Kapitel,
die ärgſten Verfolger der fatholiihen Religion, dürfe man ſich
nicht abichreden lafien. Wenn aber der Herzog von Bayern oder
das Kapitel beſſere Mittel wüßten, ſei's ihm auch recht. Zugleich
erbot er fi, Falls etwa Hans Philipp von Mandericheid nicht
zum Verzicht auf feinen Kapitelplatz zu bewegen, den Bremer Erz—
biihof darum anzugehen. — Dandorf hoffte ſchon, Salentin habe
damit den Weg der Koabdjutorie verlaffen; das erwies fi) aber
bald al3 Irrtum.
Als Salentin gegen den 20. Februar aus Weſtfalen wieder
an den Rhein fam, fing aud) der Zank mit dem Domkapitel jofort
wieder an, zunächſt wegen der Kreditoren und Fidejuſſoren, die
wieder einmal vom Kapitel Zahlung forderten, von dieſem aber,
gemäß dem Vertrag von 1561, an den Hurfürften verwieſen wur—
den. Auch die Höfe Der und Chor und die 50 Schweine des
Chorbiſchofs famen wieder zur Sprache: der Chorbiſchof drohte,
wenn ihm das Kapitel nicht zu feinen Schweinen verhelfe und vie
ehrenrührigen Worte des Kurfürften (,, vermeinter Chorbiſchof“)
nicht abgeftellt würden, werde er fich jelbft durch fremde Reiter
und Knechte Hilfe ſchaffen. Doch beſchwichtigten nachher die kur—
fürſtlichen Räte für den Augenblick all' dieſe Zwiſtigkeiten, ebenſo
einen anfangs ſehr drohend ausſehenden neuen Streit, in welchen
Salentin mit der Stadt Köln geraten war. — An den von alters
üblichen Reibereien zwiſchen Erzbiihof und Stadt, namentlich
wegen der hohen Gerichtsbarkeit, hatte es während Salentins
ganzer Regierungszeit nicht gefehlt; der neue Streit fing damit
an, daß der Kurfürſt zu Anfang des Jahres 1677 die herkömm—
liche Abgabe, welche ſeine Meſſer, die ſogen. „Salzmudder“ von
den in Köln ausgeladenen Meßgütern (Salz, Getreide, Hülfen-
früchte, Kohlen u. ſ. mw.) erhoben, willfürlih erhöhte. Darauf
hie der Rat die Salgmudder in den Turm gehn. Als Salentin
jegt an den Rhein kam, rächte er fih durch Wegnahme des Stem—
pel3, mit welhem die Freizeihen der Schiffsleute gezeichnet wur—
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 477
den: dadurd) wurde der ganze Aheinhandel mit Stodung bedroht;
ſchon wollten ſich die anderen rheinischen Fürften ins Mittel legen,
als auch bier Salentins Räte und das Domkapitel durch beider-
feitiges Nachgeben einen vorläufigen Vergleich zuftande brachten )).
Während feines Aufenthaltes am Rhein (vor dem 1. März)
erhielt Salentin das vorhin erwähnte Schreiben des Kaijers, wel—
des ihn bewog, in Eile nah Prag aufzubrehen. As Vorwand
nahm er die Teilnahme an den feierlihen Erequien, welche dort
am 22. und 23. März für den verftorbenen Kaiſer ftattfinden
follten. Vor der Abreife hatte Salentin eine Anzahl Domkapi—
tularen bei fi zu Gafte, vor denen er wieder einmal in gewohnter
Meile dem Kapitel feine Undankbarkeit vorwarf und drohte, er
werde mit Hilfe von Papſt und Kaiſer einen mächtigeren Nach—
folger einjegen. Unterwegs forderte er dann das Kapitel ſelbſt
brieflih auf, neuerdings eine allgemeine Verſammlung auszus
fchreiben, zu welder er, dem Erzftift zum Wohl und dem Kapitel,
wenngleich unverdienterweife, zum beiten, in Perſon ericheinen
wolle.
Am 19. März traf Salentin in Prag ein; tags danad) der
ſächſiſche Rat Dr. Andreas Paull, weldyen Kurfürſt Auguft, gemäß
Salentins Wunſch (in deifen Schreiben vom 4. Januar) bereits
Ende Januar zu ihm abgeoronet hatte. Dr. Paull war zuerft
nad) dem Lande Bremen gegangen, um ſich von Erzbiſchof Hein-
ri) über jeine Beziehungen zu Salentin informieren zu lafien,
Dann auf Heinrichs Rat nah Dsnabrüd zu Lorenz Schrader und
naher nad) Münfter, wo er Ende Februar eintraf, als eben die
— — — —
1) Die lückenhaften Notizen in ben Domkap.- Protof. über den Streit
wezen ber „Salzmubber” werben verſtändlich durch Angaben über einen ein
Zahrhundert jüngern ähnlichen Streit in „Bollftänd. Sammlung (be8
Kurfürften Marimilion Friedrich) die Verfaffung bes Hohen Erzſtifts Cölln
betr.”, Bb. I, Eöln 1772, Nr, 34 u. 35. — Über die Sperrung. bes Rheins
Durch Salentin einiges: AA. Fürftenfachen, Nr. 412 und MA. Köln
1574/1674, Fase. 1. Ennen IV, 592. 596ff. behandelt die Streitigfeiten
zwiſchen Salentin unb ber Stabt fehr oberflählih umb ungenau.
478 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel.
Entjheidung im Kapitel gefallen war. Da Salentin damals
Weſtfalen ſchon verlaffen hatte, 309 der Gefandte ihm nad) an den
Rhein, dann über Frankfurt bis nah Prag, mo er endlid) Ge—
legenheit hatte, am 21. und 25. März mit Salentin allein zu
iprehen. Ausführlich und anſcheinend ganz offenherzig erzählte ihm
diefer, was er alles gethan, um Erzbiſchof Heinrich nad; Dsnabrüd,
Münfter und Paderborn, ſowie den bayriihen Herzog nah Köln
zu bringen, das letere aber nicht aus eigenem Willen, ſondern
auf vielfaches Drängen des Papftes, des ſpaniſchen Königs und
de3 bayriihen Hauſes ſelbſt, und fchließlih in der Hoffnung,
Herzog Ernft jolle ihm die von feinem Kapitel erfahrenen Un—
bilden rächen helfen. Da nun das Sapitel feinem Koadjutorie-
plan fi widerſetze, wünjche er von Kurfürft Auguft im Vertrauen
zu erfahren, weſſen er ſich bei ihm zu verſehen habe, falls er ein
Meib nehmen und dennoch jein Erzftift behalten wolle; wiewohl
er bei der alten Religion bleiben wolle, finde er das nirgends
verboten, wiſſe auch nicht, ob er den leichtfertigen Buben (jeinen
Domtkapitularen) zu Gefallen jo leicht vefignieren ſolle. Freilich
werde das MWeiterungen machen; drum wäre ihm lieber, wenn es
auf andere Weife ginge; an Landgraf Wilhelm, den Schreier,
der die ganze Welt voll ſchreie und danach nichts thue, wolle
er fich nicht hängen u. f. wm. — Bon Dr. Paul erfuhr nun Sa-
Ientin zu feinem großen Vergnügen Genaueres über den Verlauf
des münfterihen Wahlkapitels. Darauf zog er los gegen den
Herzog don Fülih, der fein Wort ſchlecht gehalten habe, während
er über Herzog Albreht von Bayern fi viel ſchonender aus-
drückte; Kurfürft Auguft, meinte er, könne viel dazu thun, daß
Albrecht einem Neffen, dem Erzbiihof, Münfter überlaffe. Er felbft
wolle hierüber jegt mit dem Kaijer und mit dem zu den Erequien
bergefommenen Herzog Wilhelm von Bayern reden, nachher auch
mit Jülich, ſowie mit dem Papft und deſſen Kölner Nuntius ver—
handeln. Der Freifinger Biſchof fei fein Pfaff für die Kirche; mit
dem langen Haar und dem Jeſuitern ſei's in Münfter nit ge=
than; man müffe mit den Leuten unten und oben liegen können.
Herzog Ernft wird Domtlapitular zu Köln. 479
Erzbiſchof Heinrich paſſe befjer dahin: er möge wohl nit jo gar
ifrupulos katholiſch fein, habe aber in feinen jekigen Stiftern in
der Religion nichts geändert und was wollten die münfterjchen
Pfaffen mehr; ins Herz fönne er feinem ſehen und man müſſe
einem jeglihen jein Gewiſſen frei laſſen ?).
Zwiſchen den beiden Unterredungen mit Dr. Paull ſprach der
Kurfürft auch mit Kaifer Rudolf und ſuchte ihm den Gedanlen,
einen feiner Brüder nad Köln zu bringen, auszureden und ihn
für feine eigene fölnsmünfterihe Kombination zu gewinnen !).
Weiterhin nahm er den jungen Herzog von Bayern vor und beſchul—
digte deſſen Vater, viel rüchaltlojer al3 zuvor dem Dr. Paull gegen-
über, daß diefer fein zu Münden gegebenes Wort nicht gehalten
habe; die münſterſche Sache werde die ‚gute Vertraulichkeit zwiſchen
Kurfürft Auguft und Herzog Albrecht zerftören; ſich ſelbſt jchrieb
er das Verdienft am Ausgang de3 münfterjhen Wahltages zu.
Einige Tage jpäter, noh von Prag aus, ſchrieb Salentin an
Herzog Albrecht jelbft und drüdte, unter Bezugnahme auf jein
Geſpräch mit Herzog Wilhelm und auf mündliche Eröffnungen,
welche er jüngft durch Karl von Arenberg gemaht habe, den
Wunſch aus: Albreht und der Herzog don Jülich ſowie das
Domkapitel möchten ſich gefallen lafien, dab ihm die ganze Sache
anheimgeftellt werde, alsdann hoffe er jo zu Handeln, daß
man ihm nachher allerfeit3 zu danken haben werde. Gott fei
jein Zeuge, daß er's zu beiden Zeilen treulicd meine. Her—
1) Der Kürze wegen ziehe ich bie in ben beiden Aubdienzen des Dr. Paul
von Salentin gemachten Äußerungen zufammen, und benute babei auch
Paulls erfte Notizen, welche mitunter viel berber, demnach getreuer find als
fein nachheriger Beriht an Kurfürft Auguft.
2) Ein geheimer faiferliher Rat (Vieheuſer) teilte nachmals dem bayri-
ſchen Kanzler hierüber mit: „al8 der abgeftanten ber uf ber befingfnus zu
Prag geweſen und die K. Mt ine angefprochen, ob e8 nit ein mainung, bo
fur €, f. ©. fon alhie [in Köln] nichts fruchtsbers zu erlangen, dz alsdan
i. Mt bruder ainer befürbert wurde, das er folches i. Mt bazumal runt
und etwas unbefhaidenlich mit rauchen worten abgeſchlagen.“ Elſenheimer an
Herzog Albrecht 30. Oktober 1577. SA. 38/15, fol. 134.
480 Sechſtes Bud. Erftes Kapitel.
zog Ernſt jolle jih gefaßt machen, mitfamt feinem Bruder Wil-
heim eheitens zu ihm nad Köln zu kommen. — Ferner empfahl
Salentin brieflid) dem ſächſiſchen Kurfürften, baldigft durch einen
eigenen Geſandten Herzog Albreht zu erjuchen, diefer möge zu
Erzbiſchof Heinrih3 Gunften von Münfter ablaffen oder wenig:
ftens den Erfolg der Kölner Succeifion abwarten. Eine ähnliche
Bitte hatte Herzog Heinrich jelbft bereit3 am 11. März aus
Iburg an feinen Oheim gerichtet und ſich zugleidy erboten „in
der anderen Sache, dazu Bayern gleichfalls afpiriere ſd. i. der
fölnishen] dem Herzog nicht zumider, jondern, jo viel jih Ehren
und Gewiſſens halber thun laſſen, aud des Domkapitel zu
Köln Freiheit und Hoheit erleiden wolle, etwas mit beförderlid
zu ſein.“
Bon bayrisher Seite war Kurfürft Auguft Schon früher in die
fölniihe Wahljache hereingezogen worden; am 17. Februar hatte
ihm Herzog Albrecht einiges mitgeteilt über den Widerftand, wel—
hen jein Sohn, niht ohne Salentins Schuld, beim Domkapitel
finde, und demnach gebeten, Kurfürft Auguft möge zugleid mit
dem Brandenburger Kurfürften diefem erklären, fie fünnten jeinen
Sohn, ihren Blutsfreund, als Mitkurfürften wohl: leiden; er
halte dafür, fügt Albrecht bei, das jolle bei den nicht gar
durchaus katholiſchen Kapitularen, deren, wie er berichtet, nicht
wenige feien, wohl etwas wirken; aud) halte er dafür, Kurfürft
August Tolle um jo weniger Bedenken haben, weil fie jonjt wohl
einen nehmen möchten, der ihm vielleicht nicht jo angenehm ſei
als jein, Herzog Albrechts Sohn.
Johann Georg von Brandenburg war gerade außer Landes,
Kurfürft Auguft aber empfahl wirklich jofort (am 1. März) Her-
309g Ernft dem Kölner Kapitel in der gewünfchten Weile. —
Nun aber ſchickte er, auf feines Neffen Bitte, aud) an Herzog
Albrecht einen eigenen Geſandten, um diejen zu erſuchen, den von
der Mehrheit der münfterichen Domherren erwählten Bremer Erz-
biſchof, feinem früheren Erbieten gemäß, an Erlangung dieies
Stiftes nicht länger zu hindern.
Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln. 481
Kurfürft Salentin jelbft richtete von Prag aus zwei Briefe
nah Münfter: den einen an Dechant und Kapitel, welde er als
ihr Metropolit ermahnte, fid) zu einigen und den der Mehrheit
gefälligen Erzbiſchof Heinrid) als Biſchof anzunehmen; den andern
an Wefterholt und Genoffen, welche er lobte, daß fie beim
legten Kapitel ih jo wacker auf Heinrichs Seite gehalten;
auch fürder jollten fie fich zu feiner andern Meinung bewegen
lafjen. Ä
Ganz anders Hangen zwei Briefe, die Salentin am nämlichen
Tag (24. März) an fein eigenes Domkapitel nad) Köln fchrieb.
In dem einen befahl ers, nodhmals und zum Überfluß, fie follten
ihre Prälaten binnen drei Wochen an jein Hoflager abfertigen,
um ihre Konfirmation zu begehren, fall3 diejelben aber jäumig,
fie nit mehr für Prälaten halten; in dem andern mahnte er
fie „an ihrer etliher wild ungebührlid Leben und ungeiftlichen
Mandel, aud, welches das allerbeſchwerlichſt, widerwärtige Reli—
gion“; fie jollten die Urheber ſolcher Argerniſſe und Schismata,
anftatt fie wie bisher in ihrem Ungehorfam zu beftärken, vielmehr
anhalten, ihrem Beruf und unjerer alten alleinjeligmachenden Res -
ligion, fo wie den Statuten der Kölner Kirche gemäß zu leben,
widrigenfalls aber im Laufe der nächſten vier Wochen jie ihrer
Pfründen und Einkünfte entiegen, und nicht länger in Chor und
Kapitel dulden. Er forderte richtige Erklärung durch den Über-
bringer dieſes, jonft wolle er fie ſelbſt als Detentores (Hebler) an=
ſehen und ſolches an ihnen und ihren Gütern ahnden.
Nach ſolchen fühnen Worten verließ der Kurfürft den Hof
des Kaiſers und ritt in Eile nad feinem Exzitift zurüd, da das
Kapitel, feinem Begehren gemäß, auf den 22. April eine allge:
meine Kapitelverfammlung ausgejchrieben hatte.
Inzwiſchen war aud der päpftlihe Nuntius Porzia am Nies
derrhein eingetroffen. Auf bayriicher Seite hatte man feine Ab-
fendung nah Köln anfangs mit einigem Mißtrauen betrachtet,
weil man nicht herausbringen fonnte, welche bejondere Aufträge
er in der Kölner Sade habe; man argmöhnte a Rom
offen, Köln, Krieg I.
482 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel.
ziehe aud) für Köln, wie vordem für Münfter, einen Biihof aus
dem Haufe Dfterreich vor. Doch ſchwand das Mißtrauen, da Porzia
ſchon von der Reiſe, von Aſchaffenburg aus an Herzog Albrecht
ſchrieb, er werde ſich zwar in Köln nach den Befehlen Sr. Heilig—
keit richten, aber dabei es für ſein größtes Glück anſehen, wenn
er zugleich des Herzogs Wünſche erfüllen dürfe, und da er nach—
her in Koblenz den trieriſchen Kanzler Wimpheling verſicherte, er
ſei weder von Papſt noch Kaiſer beauftragt, für jemand anders
als für Herzog Ernſt zu wirken. In Bonn empfing Porzia durch
den bayriſchen Rat Dandorf die beiden an Herzog Ernſt gerich—
teten Breven vom 13. Januar; er ſelbſt war wohl ſchon von
Rom aus ermächtigt, den Prozeß gegen häretiſche Kölner Dom:
herren einzuleiten. Aber Wimpheling und nachher Dr. Wintel
und Dandorf überzeugten ihn, daß mit Gewalt jegt in Köln nichts
zu machen jei. Auf den wiederholten dringenden Rat Dandorfs,
der nun ſchon jeit mehreren Monaten die Dinge aus der Nähe bes
trachtete, schrieb Herzog Albreht auch nad) Rom Briefe über Briefe,
um don der erzwungenen Koadjutorie abzuraten und für den Fall
der freien Wahl die nötigen Dispenje für Herzog Ernſt zu er:
bitten. Auch beim Kaiſer verwahrte ſich Albrecht gegen die Unter:
ftellung, als fei er mit Salentins rauhem Auftreten einverftanden
oder gemillt, jeinen Sohn wider des Kapitels Willen nah Köln
zu bringen; er behauptete jogar, das Koadjutoriebreve — nur von
dem einen, in welchem von der inmilligung des Kapitels die
Rede ift, ſprach er — fei ganz ohne fein Zuthun erlaffen, aud
habe er es dem Kapitel nicht infinuieren wollen; der Kaiſer ſelbſt
möge den KHurfürften zur Milde ermahnen, jeinen Sohn Ernit
aber dem Sapitel dur eigene Geſandte empfehlen.
Auf diefen Brief Hin erklärte fi Kaiſer Rudolf, am 1. April,
bereit, zur Zeit der. Nefignation und Neuwahl zu Herzog Exnfts
Sunften eigene Kommiſſare nah Köln zu jenden, fügte jedod)
einen Zuſatz bei, welcher den Wert diejes Verſprechens ſehr ver:
minderte. Die Beichwerdeihrift des Kapitel3 (vom 28. Januar),
meinte der Kaiſer, jehe aus, als gedente dasjelbe Ernſts Nachfolge
Herzog Ernft wird Domtkapitular zu Köln. 483
zu hindern und ihm vielleicht einen vorzuziehen, der nicht oder doch
nicht eifrig fatholiih; zwar wolle er, der Kaiſer, das gerne durch
Beförderung des Herzogs Ernft verhindern helfen; erweiſe fich dieſe
jedoch als unmöglid, jo wäre vielleiht das beſte Mittel, wenn,
anftatt jenes einem von jeinen (des Kaifers) Brüdern „deren
eine gute Anzahl und noch unverjehen‘, nah Köln verholfen
werde; einen jo nahen Blutsverwandten werde Albrecht ohne
Zweifel dort lieber jehen als einen Fremden. — Diejes Schreiben
traf am 6. April in München ein; ein paar Tage vorher mar
Herzog Albreht3 Sohn Wilhelm aus Prag zurüdgelommen, deſſen
mündlihe Mitteilung, dab Salentin auf Ernſts Kölner Koadjutorie
beitehe, aber Verziht auf Münfter fordere, bald danach durd) Sas
lentins Brief aus Prag bekräftigt wurde.
Gott behüte mid) vor meinen guten Freunden! mochte Herzog
Abreht denken, al3 er die Briefe Salentins und des Kaiſers
erhielt. Sofort wies er in ſcharfem Ton Salentins Andeutung
zurüd, als jet er feiner Zujfage wegen Münfter nicht aufrichtig und
fürſtlich nachgekommen; die angebotene Beförderung feines Sohnes
nad) Köln nahın er zwar danfend an, aber mit der jpigigen
Bemerkung: da fi das Domkapitel von jeiner freien Wahl nicht
abbringen laffen wolle und dabei Grafen und Ritterſchaft des Stifts
auf jeiner Seite habe, möge ſich der Kurfürft jelbit etlichermaßen
überwinden, und mit jeinem Kapitel auf gütlihen Weg ver-
gleihen. Sobald der Kapitelplag erlangt, wolle er dann jeine
beiden Söhne Wilhelm und Ernjt oder wenigjtens den leßtern nad)
Köln ſchicken. — Die viel jchwierigere Aufgabe, die drohende
Gegenbewerbung eines öfterreichiichen Erzherzogs zu bejeitigen, ohne
fih do den Kaijer zum Gegner zu machen, wurde durch einen
von Gljenheimer jehr geihidt abgefahten, langen eigenhändigen
Brief des Herzogs Albrecht gelöft. Albrecht erinnert in dem—
felben den Kaiſer zunächſt daran, mie er ſich deſſen hochjeligem
Vater bereit3 beim Speirer Reichstag im Vertrauen entdedt aber
zurüdzuftehen erboten habe, falls Marimilian einen feiner eigenen
Söhne nad) Köln zu bringen gedenke; ähnlich jüngft wieder in
31*
484 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel.
Regensburg. Kaiſer Marimilian babe das aber nicht gewollt,
fondern jeinem Sohn Ernſt alle möglide Hilfe veriproden.
MWiewohl nun er, Herzog Albrecht in dem von Kaifer Rudolf ge—
jegten Fall das Erzjtift niemanden lieber gönne, als einem von
deſſen Brüdern, jei doch zu befürchten, daß der Kaiſer durch eine
Eventualbewerbung für einen von diejen wenig ausridten, dagegen
feinen Sohn Ernſt um das Erzitift bringen werde: „dadurch
num leichtlich ein Dritter, jo der fatholiihen Religion nit zugethan
oder doch darin nit ſehr eiferig, in das Spiel kommen und die
Braut heimführen möchte, welches jonder Zweifel E. K. Mt Will
oder Meinung nit iſt“. Das Kapitel beftehe auf freier Wahl,
dürfe aber nur einen Kapitular wählen, was von des Saifers
Brüdern feiner in jo kurzer Zeit werden könne. Ob des Kaiſers
Empfehlung für Herzog Ernſt Erfolg habe, werde ſich erſt am
Ende der Wahl zeigen, dagegen die Epentualempfehlung eines
feiner eigenen Brüder von vielen als die ernfter gemeinte aufgefaßt
werden; da nun feiner bon diefen wählbar, werde man, damit
fich feiner von beiden Zeilen beklagen könne, lieber einen dritten
nehmen; jedenfalls würden die fatholiichen Stimmen gefpalten,
die zahlreihen unfatholiihen aber in den Stand gejet, die beiden
Häufer Ofterreih und Bayern, beide gleichmäßig wegen ihres
katholischen Eifers ihnen verhaßt, auszuſchließen, beiden zu Spott
und Verkleinerung, „deſſen ihrer viel im heiligen Reich in die Fauft
lachen und beiden Häufern wohl gönnen werden, zu gejchweigen,
daß aud die katholiſche Neligion und diejes Eraftifts Wohlfahrt
dadurh in große Gefahr gejegt wird.“ In einem Begleit-
ſchreiben an Dr. Vieheuſer lie der Herzog feiner Empfindlichkeit
freieren Lauf, dag man am faiferlihen Hofe jekt erft, da man
doch ſchon jo lange von jeinem Bemühen um Köln wiſſe, an eigene
Bewerbung denke. Vieheuſer, mit dem Zufag in dem kaiſerlichen
Schreiben ohnehin nicht einverftanden, legte den anderen Geheim—
täten, Zrautfon, Harrah und Dr. Weber — der lektere, ohne—
bin fein Freund des bayriihen Haufes, war wohl der Urheber des
Zufages — Herzog Albrechts Privatichreiben vor, worauf die Ge—
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 485
heimräte in Gegenwart des Kaiſers die Sache von neuem be—
vieten und auf die Eventualbewerbung um Köln zu verzichten be=
ſchloſſen. Am 22. April jchrieb demnach Rudolf an den Herzog,
feine Anregung jei ohnehin nur für den Fall gänzlichen Ber:
ihlagen3 der bayriihen Bewerbung, jo zu jagen in casum de-
speratae causae gemeint gewejen, mehr um eine andere jektiereriiche
Wahl zu verhindern, al3 weil er befondere Hoffnung für einen feiner
Brüder hege. Er werde alfo au in Zukunft feinen andern als
Herzog Abreht3 Sohn befördern.
Inzwiſchen hatten in Köln ſelbſt Dandorfs unermüdlicher Eifer
und die thätige Hilfe des trieriihen Kanzlers dem Haufe Bayern
einen wichtigen Erfolg verichafft.
Als der jülihiche Gefandte gegen Ende März abermals un—
verrihteter Sade von Königitein zurüdgelommen war, begab fid)
Dandorf jelbft auf feinem Rückweg nad) Münden, von Dr. Wim:
pheling begleitet, zu Graf Chriftoph von Stolberg, welden fie
duch das Verſprechen, daß der Herzog von Bayern beim Kaiſer
für Nahla der mit der Grafichaft Königftein übernommenen
rückſtändigen Reichsſteuern ſich verwenden werde, dahin zu bringen
mußten, daß er, in gleicher Weiſe wie zuvor Friedrih bon
Ottingen und Wilhelm von Schauenburg, auf fein Vorrecht bei
der Dption des Kölner Kapitelplages verzichtete). Alſo auch
hier wogen, wie zubor bei dem Schauenburger, die Brivatinterefien
ſchwerer al3 die allgemeinen der Augsburger Konfeffion und des
Grafenſtandes.
Bayerns Freunde im Kölner Kapitel verloren nun keinen
Augenblick: es waren zur Zeit nur drei Edelherren in Köln an—
weſend, darunter zwei bayriſch geſinnte, Thengen, dem als After—
1) Graf Chriſtophs Verzichterklärung iſt vom 3. April 1577 (aus Frank—
furt) datiert. Ehe Herzog Albrecht wußte, daß biefelbe erfolgt, verſchaffte
er fih noch ein vom 11. April datiertes Fürfchreiben bes Kaifer8 an den—
felben. — Am 20. April intercebiert Herzog Albrecht beim Kaifer für Erlaß
ber rüdftänbigen Neichshilfen des Grafen Chriftoph.
486 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel.
dechant in Abwejenheit des Dechanten der Borfig im Kapitel zu:
ftand, und oh. Daniel von Winneburg, ſodann Reinhard von
Solms, der ſich bisher anicheinend neutral verhalten hatte; vie
Siebenpriefter waren bereit3 früher durch Dr. Wimpheling, neuer:
dings durch den Nuntius Porzia zugunften der bayriſchen Suc—
cefjion bearbeitet worden, fo daß man der Majorität fiher mar,
als am 10. April die Bevollmächtigten des Grafen von Mander:
ſcheid- Gerolftein deſſen Kapitelplag refignierten und gleich darauf
Herzog Ernſts Profuratoren um denfelben anhielten. Dabei legte
deren MWortführer, der Kanonikus an St. Gereon, Lie. jur.
Jakob Middendorp, Urkunde über Ernfts Subviafonatsmweihe, ſowie
die drei Verzichterflärungen von Schauenburg, Stolberg und
Dttingen bor und that dar, dab Herzog Ernft nunmehr senior
in ordine fei. Bon den acht Priefterfanonikern fehlte der Senior
Novimola, vermutlich abſichtlich, nachdem er, nebft einem andern
Prieſter (Paul Kuhoven?), zuvor vergeblich begehrt hatte, man
jolle den Beſchluß über den SKapitelplag bi3 zur Ankunft mehrerer
Herren ausſetzen; Graf Reinhard von Solms machte feine Ein-
wendung; jo beihloß denn das Kapitel einmütig, unter den üb-
lichen VBerwahrungen den bayriihen Herzog zu dem erledigten
Rapitelplag zuzulaffen 2): als Stellvertreter desjelben leiſtete
Middendorp den Kapiteleid.
Man hatte den rechten Moment erfaßt, den Gegnern einen
großen Vorſprung abgewonnen; vierzehn Zage fpäter, als die
anderen Edelherren zu dem peremptorischen Kapitel erſchienen,
hätte man den Kapitelplatz nicht mehr jo leicht, vielleicht gar nicht
mehr erlangt. Bereits hatten gute Freunde dem jungen Man:
—
1) Dieſe Verwahrungen lauten im Kap.=Protof.: „Capitulum admittit
D. Ernestum . . . ad locum capitularem, salvo tamen jure uniuscu-
jusque et quatenus nemo senior intra sex menses qualificatus venerit,
item quod cavebitur de relevando capitulum indemne, item quod D.
Ernestus personaliter juramentum capitulare praestabit et de indemnitate
cavebit. Ähnliche Verwahrungen tehren bei der Verleihung von Kapitel-
plägen regelmäßig wieber.
Herzog Ernſt wird Domtapitular zu Köln. 487
derſcheid jeine Reſignation verleidet; er ſchien Luft zu haben, fie
zu widerrufen. Die evangeliihen Grafen und die jonftigen Gegner
Bayerns in und außer dem Kapitel hatten es in den legten Mo—
naten offenbar an der nötigen Vorfiht und Nührigfeit fehlen
lajien. Das fam zunädft wohl daher, daß die beiden Männer,
welche jonft immer auf der Vorhut ftanden, Johann von Naſſau
und Ludwig von Wittgenftein, zur Zeit durch andere Ange:
fegenheiten abgezogen waren: Graf Johann dadurd daß die Pet
in feinem Haus Dillenburg ausbrad und ihn zwang, jelbft längere
Zeit gleihlam interniert in Siegen zu leben, Graf Ludwig durd
die Sorge wegen der in der Pfalz bereits begonnenen und noch
fchlimmer drohenden lutheriichen Gegenreformation.
Anfang Februar, nad) der Werbung der Grafen in Köln, war
Dr. Jakob Schwarz nad) Heidelberg gegangen, um dem Großhof:
meifter über dieſe zu beridten. Unterwegs in Aichaffenburg, wo
er mit dem Nuntius Porzia an einen Zi zu figen fam, ſprach
er den Mainzer Kurfüriten wegen der Kölner Sache im Vertrauen
an und fand ihn mit Salentins rauhem Vorgehen durchaus nicht
einverftanden. In Heidelberg traf er jegt den Pfalzgrafen Johann
Kaſimir, der ih) dur Ludwig von Wittgenftein und die anderen
alten Räte beftimmen ließ, im Intereſſe der Kölner Domberren
und der MWetterauer Grafen den Bremer Erzbiſchof ſowie deijen
Bruder Herzog Friedrih als Kölner Domherren ernftlih zu er-
mahnen, die Freiheit ihrer Wahl zu behaupten und die Neuwahl
auf jemanden zu richten, welcher die Freiheit der deutihen Nation
in Acht Habe, der niederländischen Unruhen ſich nicht teilhaftig
made und die vertrauliche Korrejpondenz mit den anderen Kur—
fürften erhalte; er erbot fih, fie und ihre Mitlapitularen bei
ihrer freien Wahl zu handhaben. Biel jchärfer äußerte ſich Jo—
hann Kafimir in gleichzeitigen Briefen an feinen Bruder, den Kurs
fürften und an Landgraf Wilhelm gegen den „leidigen Papſt zu
Rom‘, der durch jeine Praktiten gegen die freie Wahl zu Köln
den Landsberger Bund ſtärken und jein blutdürftiges Vorhaben
mit Erequierung des Trienter Konzils ins Werk richten wolle;
488 Schftes Bud. Erftes Kapitel.
er empfahl, gemeinfam mit anderen benahbarten Fürften, das
Domkapitel zur Erhaltung feiner freien Wahl aufzufordern.
Der Kölner Chorbiſchof erklärte fih daraufhin für feine Perſon
entihlofjen, Herflommen und Statuten zu verteidigen und gegen
etwaige thätige und ungütliche Angriffe den Rat und die Hilfe des
Pralzgrafen in Anſpruch zu nehmen; von Erzbiihof Heinrich liegt
feine Antwort vor; Landgraf Wilhelm beantwortete das Erjuchen
der Wetterauer Grafen auch diesmal wieder, ähnlich wie früher,
faft teilmahmlos; dagegen zeigte ſich Kurfürft Ludwig über Er—
warten eifrig. Auf das Schreiben feines Bruders Hin ermahnte
er jofort — nit jo plump in der Form, aber in ganz ähn—
lihem Sinn, wie zubor diefer ihn — feine beiden Mitkurfürften
von Sachſen und Brandenburg, „die Beftellung des höchſten und
bertrauteften Rates des heiligen Reiches nicht in des biſchöflichen
Hofs zu Rom Hände und Macht geraten zu laffen‘. — Beide
Kurfürften erklärten ſich hierzu bereit, was übrigens den von
Sadien, wie wir jahen, nicht abhielt, jelbit in Köln für den Sohn
des bayrifhen Herzogs ſich zu verwenden.
Moeiter aber geſchah vonjeiten der Grafen und proteftantischen
Fürften Wochen hindurch faum etwas, um die bayriihe Nach—
folge in Köln zu Hintertreiben. Die früher beichlofjene Gejandt=
ihaft der Wetterauer Grafen an Kurfürft Salentin fam nicht
zuftande: Graf Johann fand es jetzt bedenklich „der Katze allein
die Schelle anzuhängen und fih mit des Kurfürften und anderer
großen Herren Unmillen ferner zu beladen.” Er ſei dem be=
forgten Badenftreih am nächſten geſeſſen; wenn die (bayriichen)
Praftiten Erfolg hätten, werde man ihm auf gut ſpaniſch für
feine in diefer Sahe angewandte Mühe danken; er befürchtete
jogar, Kurfürft Salentin könnte ſich bewegen lafjen, bei einem Be—
juche ihn „bei der Fauft zu nehmen, um ſich feiner Perfon zur
Ledigmadung feiner eigenen (im September 1576 zu Brüſſel mit
Oraniens Zuthun) verftridten niederländischen Freunde zu be=
dienen.‘ |
Im allgemeinen meinte man wohl mit weiteren Schritten
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 489
Zeit zu haben bis zum peremptoriihen Kapitel des 22. April und
erfuhr zu jpät, daß man von der bayriihen Partei überrumpelt
worden. Nun war der Ärger gewaltig groß. Dazu fam noch
der Zorn über die höhniihen Prager Briefe Salentins, welde
am jelben Zage, da Herzog Ernſt Kapitular wurde, im Kapitel
einliefen. In einem dritten Brief vom 22. April aus Schloß
Arenfel3 wiederholte Salentin abermals, daß er wegen der Suc—
ceſſion auf jeiner früheren Meinung bleibe und dariiber des Ka—
pitel3 Rejolution erwarte.
Über Salentinsg Drohung mit der Inquifition äußerten ſich
übrigens die bayriichgelinnten Kapitularen faum minder erbittert,
al3 jeine proteftantiihen Gegner. In Briefen an Herzog Albrecht
machten jih Dr. Winkel und ſogar der Nuntius Porzia zu Dr:
ganen diejer Erbitterung. Seitdem diejes Gerücht verbreitet,
ihreibt Porzia u. a., bemerfe er, daß jelbit die Zuneigung der
bisherigen Freunde des Herzogs Ernſt zu ſchwinden anfange;
immer offener erkläre man e3 für eine Schande, daß einer, den
der Kapitularen Gunſt zu jeiner Würde erhoben, fie nur zum beften
halte; es fei unerträglid, daß Salentin, nachdem er jelbft jo viele
Jahre jein Hirtenamt verjäumt, nun kurz vor der Abdanfung
feinem Kapitel darthun wolle, daß es nichts als Schimpf und
Spott verdiene. Übereinftimmend erklärten Porzia, Winkel und der
jülihihe Rat Dr. Walter Fabricius für dringend nötig, daß Herzog
Ernst jchleunigit jelbit komme, um durd) perfönliche Liebenswürdig—
feit die Gemüter der Kapitularen wiederzugewinnen. „Herzog
Ernit3 Gegenwart‘, hatte auch Dandorf ſchon früher geichrieben,
„kann in einem Moment mehr Nuten jchaffen, als zehn anderer
noch jo fleigiger Sollicitatoren Mühe und Arbeit.‘
Am 25. April begannen die Beratungen des peremptoriichen
Kapitels mit Verlefung und Beantwortung der drei lekten Schrei-
ben de3 Kurfürften. Das eine wegen der Succejlion ermwiderte
man mit der Forderung, er möge ſich zunächit auf das Schreiben des
Kapitels vom 1. Februar refolvieren; daran wurden Mahnungen ge=
nüpft wegen der rückſtändigen Renten, wegen der Höfe Der und Chor
40 Sechſtes Bud. Erftes Kapitel,
und wegen der 50 Schweine des Chorbiſchofs. In einem zweiten
Schreiben verwies das Kapitel den Kurfürften mit feinem An—
finnen wegen der Prälaten an diefe felbft; in dem dritten endlich
fragte man ihn, warum er, wenn wirklich etlihe von ihnen der
alten fatholiihen wahren Religion nicht gemäß lebten, diejelben
nicht längft an das was ſich gebühre ermahnt, fie in Chor und
Kapitel geduldet, feinen nambaft gemacht, verklagt, in Form Rech—
tens verdammt und deklariert habe, ob es etwa ziemlich oder rat—
am, jet, da man andere wichtige Dinge zu verhandeln babe,
folhen Exekutivprozeß vorzunehmen!
Zwiſchendrein (am 26. April) kam es unter den Kapitularen
jelbft über Herzog Ernſts Kapitelplag zu heftigem Zanf. Reinhard
von Solms und Joh. Daniel von Winneburg fehlten an diejem
Zage; der Afterdehant aber war zugegen und außerdem von den
Edelherren der Ehorbiichof, Graf Hermann Adolf von Solms, Jo—
hann von Winneburg und der Erbtruchſeß; dieje vier forderten, daß
das Protokoll vom 10. April nohmals verlefen werde; man habe,
behaupteten jie, bei der Aufnahme des bayriſchen Herzogs die
Statuten Hinterliftig umgangen, der Beihlug müſſe rüdgängig ge—
macht werden; am ärgjten tobte der Ehorbiihof. Xhengen und
die Priefterfanonifer blieben aber bei ihrem früheren Kapitelbeſchluß
ftehen. Die gegenjeitige Erbitterung war jo groß, daß nadıher
tagelang gar fein Kapitel gehalten werden fonnte.
Mittlerweile befand ſich Herzog Ernſt bereit3 auf dem Wege
nah Köln. Mit ftattlihem Gefolge, darunter Wolf Wilhelm
Freiherr von Marlrain, Dandorf und der freilingiiche Kanzler
Römer, war er am 28. April von München aufgebrohen. Den
Herzog Wilhelm mitzufhiden, hatte man nicht für ratſam befun=
den. In Stuttgart holte fie ein von Herzog Albreht auf die
legten Kölner Briefe hin nachgefandter Kurier ein, welcher mahnte,
die Reife möglichſt zu beichleunigen. Das geihah. — Am 4. Mai
von Stuttgart aufgebrodhen, traf Herzog Ernſt mit den einen
bereit3 am ı11ten in Köln ein.
An diefem und dem vorhergegangenen Zage war im Dom:
Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 491
fapitel neuerdings über Herzog Ernſts Kapitelplag geftritten wor:
den.” Thengen forderte das Kapitel auf, ſich feiner gegen des
Chorbiſchoffs Drohungen anzunehmen. Daraufhin erklärten die
Kapitularen, welche am 10. April zugegen geweſen, abermals, fie
ließen es, salvo jure uniuscujusque, bei dem damaligen Beichluß
bewenden ?). — Zwei Tage darauf, am 13. Mai, als nur nod)
wenige Edelherren anmwejend waren, und namentlic der Chorbiſchof
niht mehr, ftimmte auch Gebhard Truchſeß der Verleihung des
Kapitelplages an Herzog Exnft bei. Nur Johann von Winneburg
und der Senior Novimola beharrten auf ihrem Widerſpruch, während
das Kapitel als folches, unter Thengens Vorfig, nun zum zmeiten-
mal jeinen Beihluß vom 10. April förmlich betätigte. — Gleich
danach erſchien Herzog Ernſt jelbit im Kapitel, leiftete in die Hände
de3 Afterdechanten die üblihe Bürgihaft wegen Schadloshaltung
des Kapitels, ſchwor den Eid der Domlapitularen und nahm dann
perſönlich Beſitz von feinem Kapitelplag.
1) Graf Reinhard von Solms erflärt am 11. Mai betr. feiner Zu-
fimmung zu dem Beſchluß des 10. April: „fei dabei geweſen und bewilligt,
auf urfachen, das fonderlich der rechten verftenbige capitulare® gejacht, das
follih8 den flatuten nit zumibber fein fol”.
2. Kapitel.
Das Ende des Salentinfhen Planes.*
Nah der Rüdkunft feiner und der bayriihen Geſandten von
dem mißglückten münfterihen Wahltag lieg Herzog Wilhelm dies
jelben gemeinfam mit vier weiteren Räten beraten, was nun zu
thun. Vor allem beihlog man die Refignation zu widerrufen.
Das geihah am 6. März durh einen notariellen Akt, worin
Herzog Johann Wilhelm erklärte: weil man verjudt habe, die
* Quellen: 1) Für bie münfterfche Poftulationsfahe: RA. Münfter V m.
VI; DA. 284, vgl. 0. ©. 266. Einzelne Ergänzungen in ben zu
Kap. 1 angeführten, bauptfächlich die Kölner Sache betr. Archivalien :
St“. 38/12 u. 14; 311/14; 399/49. DA. Polit. Begebenheiten,
Nr. 17. Freifinger Alten: Bibl. Föringer. Nr. 3288/9. Kurfächfifche
Alten: DrA. loc. 8926. Gebrudt find ein paar Briefe bei Theiner
IT, 287sqq.; bas Breve vom 16. April 1577 an Herzog Johann
Wilhelm, wodurch feine etwaige Refignation annulliert wird, bei
Niefert, Münfterfhe Urkundenſamml. VII, 225.
2) Für die Kölner Wahlſache im allgemeinen bie zum vorigen Ka—
pitel verzeichneten Archivalien. Ferner StA. 227/2. DillA. Dill. Korr.
Ao 1577. MA. Köln 1574/1674, Nr. 1 (betr. bes neuen Streites
zwiſchen Salentin und ber Stabt Köln). Porzias erfter Vortrag an
das Kapitel bei Theiner II, 277. Ein Brief Johanns von Naffau
an Landgraf Wilhelm bei Groen van Prinsterer VI, 96sqg.
Über die Kölner Verhandlung mit Sidney einige Notizen in Lan-
gueti Ep, secr., I. 2, 291sq. u. 320 unb Ep. ad Sydnaeum. Lugd.
Batav. 1646, p. 266 u. 275. Die mir zugänglichen neueren Bio—
graphieen Sir Phil. Sidneys (von Steuart A. Peard und von For
Bourne) haben über Sidneys Kölner Aufenthalt nichts Neues.
Das Ende des Salentinfhen Planes. 493
neue Boftulation auf einen im kanoniſchen Recht verbotenen Weg
zu lenken, und nachträglich dahin belehrt, daß er ohne päpftliche
Erlaubnis gar nicht refignieren durfte, mwiderrufe er nunmehr, mit
Zuftimmung feines Vaters, die früher erteilte Vollmacht und
alles, was darauf erfolgt, und appelliere darüber an den apofto=
liſchen Stuhl. Domkapitel, Regierung, Ritterihaft und Städte
des Stiftes Münfter wurden von diefem Widerruf in Kenntnis
gejegt und zugleich aufgefordert, den Scholafter Wefterholt, wegen
des den Häujern Bayern und Jülich zugefügten Schimpfes, nicht
mehr als Statthalter anzuerkennen. Nah Prag ging ein eigener
Kurier mit der von Bayern unterftügten Bitte, der Kaiſer möge
Weſterholt und Genoſſen ermahnen, ſich mit ihren Senioren zu
vereinigen, den Landftänden aber befehlen, feinen, der nicht or—
dentlih erwählt und nicht vom Papſte Eonfirmiert und vom
Kaiſer belehnt jei, als Heren anzunehmen. Zum Bapite begab
ih, zugleih im Auftrag der münfterfhen Senioren und des Her:
3098 von Fülih, ſowie mit Empfehlungen vom bayrilchen Hofe,
Herr Johann von Raesfeld, ein Neffe des Domdechanten und
ehemaliger Zögling des germaniſchen Kollegs in Rom, um zu er=
langen, daß niht nur Johann Wilhelms Refignation für ungültig
erklärt, jondern auch die Räpdelsführer der Konfpiranten — außer
Wefterholt noch der Burjener Schmifing und Bernhard von
Büren — an die Hurie citiert und dort beftraft würden.
ALS die jülihichen Gejandten ?) mit ihrer Revokationsurkunde
am 14. März vor dem Ausſchuß der Landftände in Münſter er=
ichienen, erklärten ſich Regierung und Vertreter der Ritterſchaft
gemwillt, alles im alten Stand zu laffen, wie es der Landtag auf
dem Laerbrud im Jahre 1574 angeordnet. Das jüngft nur mit Vor—
behalt zurüdgegebene Boftulationsdefret ließ man in den Händen der
Geſandten; aud Johann Wilhelms Vollmacht zur Refignation
wurde dieſen wieder zugeitellt. Etwas zweifelhaft antworteten die
1) Außer ben brei jüngft gebrauchten: Wachtendond, Red und Horft
noch ber Herr von Rheidt und Dr. Konrad Fürftenberg.
494 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
Bertreter der Städte. Auf die Forderung, Weiterholt nicht mehr
als Statthalter zu betrachten, ließen ſich jedoch weder Regierung
noch Ausſchuß ein; Wefterholt felbft wies darauf hin, die Jülich—
ihen hätten ihn nicht angeftellt, alfo aud nicht abzujegen, er be=
rief ih anfangs auf eine allgemeine Ständeverjammlung, ließ ſich
dann aber, nad der Abreife der Gejandten, willig finden, zubor
noch einmal auf einem im nächſten Monat — Montag nad Qua—
fimodo geniti — abzuhaltenden zahlreiheren Ausihußtag zu er—
ſcheinen, wo verfucht werden follte, die Domberren beider Parteien
mit einander zu vergleichen.
Zur Beit jahen freilich die Dinge nicht nah Vergleich aus:
e3 entipann ſich vielmehr jegt, nad deutihem Brauch, ein weit—
läufiger Schriftenwechiel, zu welchem ein Schreiben de3 Bremer
Erzbiſchofs an Goddert von Raesfeld, aus Iburg vom 14. März,
den erſten Anftoß gab. Heinrid forderte nämlih, auf Grund
früherer Zufagen, den Dechanten auf, ihm nicht länger den Zus
gang zum Stift Münſter zu veriperren, jondern abzuwarten, was
Kurfürft Salentin bei Bayern und Jülich ausrichten werde. Der
Dedant und Genojjen antworteten am 18. März mit einer
ausführlihen Darlegung des ganzen Wahlhandels, ihres Rechts
und des Unrechts der Gegner. Darauf erwiderten die Junioren,
nad einer perjönlichen Beiprehung ihrer Führer mit dem Erz—
biihof, nit minder umftändlih, am 2. April, durch Herbor=
hebung alles deffen, was zu ihren Gunften ſprach. Solcher
Wechſelſchriften folgten nachher nod mehrere: wertvoll für den
Geihichtichreiber duch nachträgliche Enthüllungen deſſen, mas
früher gefchehen, goffen fie zur Zeit nur DI ins Feuer, da die
eingeftreuten gegenfeitigen Injurien den Zwiſt verbitterten und
Veriöhnung erichwerten.
Auch der Herzog von Jülich forderte auf den Rat ded Dom—
dehanten den Erzbiihof brieflih auf, ſich Wefterholts Prattiten
gegen die fürftlihen Häufer Bayern und Jülich nicht gefallen zu
lafjen, wurde aber von Heinrich ſcharf zurüdgemiefen.
Ernftlich beiorgt wurde die bayriſche Partei infolge des Gerüchte,
Das Ende des Salentinihen Planes. 495
Weſterholt und Genoſſen wollten nad Ablauf der im kanoniſchen
Recht für alle Neumahlen vorgeichriebenen dreimonatlihen Frift
bon dem Dechanten Fortiegung des Poftulationsaktes verlangen,
widrigenfalls jie jelbft, unter Führung der Prälaten von ihrer
Partei, zur Wahl eines neuen Biſchofs durch Majorität jchreiten
würden ?). Dieje Beforgnis wuchs, da Welterholt Ende März
feine frühere Zufage, vor einem Ausſchuß der Stände zu ericheinen,
zurüdnahm, weil die mititimmenden Herren ſich nur vor einem
gemeinen Landtag verantworten wollten. Erſt nad mehrtägigen
Verhandlungen veriprad er wenigitens für jeine Perſon vor dem
Ausihuß zu ericheinen. Diejer Trotz war wohl zunächſt die
Wirkung der eben damal3 aus Prag an das Kapitel insgemein
und an Weſterholt im beiondern gelangten Grmahnung des
Kölner Kurfürften, an Erzbischof Heinrichs Wahl feitzuhalten. Auch
Lorenz Schrader fam am 1. April wieder einmal nad) Münfter,
angeblich nur um neuerdings Kopie der gegen feinen Herrn ges
richteten päpftlihen Breven zu verlangen, in Wirklichkeit wohl,
um die bremiihe Partei in ihrem Widerftand gegen Bayern zu
beitärfen: am Tage nachher, 2. April, überreidhte ein Notar dem
Domdehant die durd das Gerücht bereit3 angekündigte scedula.
requisitionis, das ift eine von Senior und Scholafter im Namen
von 17 Domherren, al3 der major et sanior pars capituli, aus-
geftellte Aufforderung, vor Ablauf der dreimonatlihen Frift, vom
23. Februar an, die wider ihren Willen jujpendierte Poftulation
fortzufegen. Der Dechant behalf ſich einftweilen mit einem Proteft
wegen ungenügender Legitimation des Notars.
Am 15. April begannen die Verhandlungen der Regierung
und des Ständeausichuffes mit den Domherren beider Parteien
und zogen fi zwölf ganze Tage hin. Wefterholt trat anfangs
wieder, zuerft nur für fi, dann aud für jeine gerade anweſenden
1) In Münden fohentte man fogar dem ganz grumblofen Gerücht Blau»
ben, Erzbiſchof Heinrich habe bereit ben Kaifer um ein Lehensinbult für
Münfter gebeten.
4% Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
Parteigenoſſen, ziemlih trogig auf: — während die Senioren
ſich zu gerichtlichem Austrag der Injurienklage erboten, wollten
Weſterholt und feine Mitftimmenden gegen die Injurien des Her-
3093 von Jülich (in deſſen Schreiben an die Landftände) und der
Senioren (in ihrer Schrift vom 18. März) ihre Ehre vor einem
Landtag verteidigen, — allmählih wurde Weiterholt jedoch nach—
giebiger, zunächft wohl weil Regierung und Ausihuß mehr auf
Seite der Senioren neigten Y), ſodann aber aud) infolge einiger
bor kurzem eingelaufenen Schreiben des Kaiſers an Kapitel und
Landitände, worin es hieß, der Kaifer habe vernommen, daß man
dem Sohne des Herzogs von Jülich nicht gehalten, was ver—
glihen; er müſſe, wenngleich er der geiftlichen Obrigkeit hierin
nicht vorgreifen wolle, dod um Zerrüttung des gemeinen Weſens
zu verhüten, fraft feines Amtes, zur Beobachtung der heiligen
Kanones und der Statuten ihrer Kirche ermahnen, ſowie zur
Mahl einer Perſon, die vom Papfte fonfirmiert und von ihm be=
lehnt werden fünne u. ſ. mw.
Mährend der Verhandlungen vor dem Ausihuß murde in
Münfter eine auf den Rat Recks und des Domdechanten aufge
nommene neue Appellations= und Gitationsurtunde des Poſtu—
lierten infinuiert: ein langes, ſchwulſtiges, lateiniſches Altenftüd,
das gemeiniame Werk einiger rechtsgelehrten Räte des Herzogs
und mehrerer Kölner Geiftlihen. Darin war in den beleidigend-
ften Ausdrüden von der Verſchwörung Wefterholt3 und feiner
Genoſſen geſprochen; auch Erzbiſchof Heinrich ging nicht leer aus:
ein gewiſſer Konrad von Wefterholt, hieß es u. a., babe, ohne
Zweifel von feinem boshaften Geifte getrieben, eid= und ehrver—
gefjen, mit feinen Künften, Ränfen und Liſten gegen göttlihe und
menihlihe Rechte die Junioren im Kapitel an fi gehängt, um
1) Diefelben wollten, um größere Berbitterung zu verhliten, ben Streit
nicht vor einen Landtag gebracht fehen, betonten die Verpflihtung, keinen zu
poftulieren, mit bem nicht fapituliert worben fei, baten bie päpſtliche Ent-
ſcheidung abzumarten und nicht durch eine Doppelwahl über bie unfchulbigen
Unterthanen Berberben zu bringen u. f. w.
Das Ende des Salentinfchen Planes. 497
einen Biſchof einzufegen, von dem er wußte, daß derjelbe dem Papite
verhaßt ſei und von ihm nicht beftätigt werden könne; Aufruhr,
Schisma und allgemeine Verwirrung habe diejer verichmigte bös—
artige Kopf erregen wollen; der Senior Nagell wurde „ein abge-
lebter, ſchwacher, vielleicht irrfinniger Greis‘ genannt. Auch in
diefem Altenftüd ftand wieder, daß die Herzöge von Jülich den
Scholafter nit mehr al3 Statthalter anerkenneten. — Aber jo
weit wagten jelbft die Senioren nit ihnen zu folgen. Cie
meinten zwar einmal bei den Verhandlungen vor dem Ausſchuß,
der Statthalter ſolle fi jeines Amtes jo lange enthalten, bis er
fih von den Anſchuldigungen des Poftulierten gereinigt babe,
liegen aber nachher geſchehen, daß der Dompropft Goswin von
Raesfeld wieder mit dem Statthalter zurate ging, was eine Zeit
lang unterblieben war. Dagegen veripraden nun Wefterholt und
die anmeienden Junioren, bis zu päpftlihem Erkenntnis die neue
Roftulation einzuftellen, vorausgeſetzt, daß nicht — durch Devo:
Iution an den Papft — ihrer freien Wahl etwas vergeben werde.
Doch dauerte e3 noch einige Zeit, bis die Senioren wirklich die
Beruhigung gewannen, daß Weiterholt fie nit mit einer Neu—
wahl überrumpeln werde ?).
Inzwiſchen war Johann von Raesfeld in Nom eingetroffen,
wo fi) der bayriihe Gefandte mit gewohntem Eifer feiner an—
nahm. Fabricius beftimmte den Papſt und die mit der münfterichen
Sade betrauten Kardinäle, Morone, Como, Madruzzi, die beiden
Forderungen: Reftitution des Poftulierten und Citation der Rä-
delsführer, jchleunigft zu bemwilligen. Papſt Gregor bedauerte zwar,
daß man die beiden Fürften jo arg hintergangen, meinte aber, fie
hätten auch nicht jo leicht trauen jollen; dagegen ließ der Staats:
jefretär Kardinal von Como faſt eine gewiſſe Schadenfreude durch—
1) Die Senioren nahmen deshalb das Anerbieten bes bayrifchen Herzogs
an, im Notfall ihnen ein paar nahewohnende, in ber Beftallung bes Lands-
berger Bundes ſtehende Rittmeifter (mamentlich Afche von Holle) zuhilfe zu
ſenden.
Loſſen, Köln. Krieg 1. 32
498 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
bliden: moraliih möchten die Junioren freilich jehr ftrafbar fein,
wie ihnen aber juriftiih beizufommen, jehe er nit; was wolle
man machen, wenn fie, nad) Rom citiert, wirklich erichienen und
erklärten, fie hätten, um ihre freie Wahl, Rechte und Privilegien
ihrer Kirche zu verteidigen, Lift durch Lift wettſchlagen, Betrug,
mit Betrug vergelten müſſen? Auch müſſe man fi hüten, durch
übergroße Strenge gegen die Münfteraner die Kölner ſtutzig zu
machen, namentlid) aber dem Kurfürften vor den Kopf zu ftoßen. —
Schließlich wählte man in Rom wieder einen Mittelweg: der
Nuntius Porzia erhielt Befehl, fi nad Münfter zu begeben, um
die Junioren durch Güte zum Vergleich mit den Senioren zu.
bewegen; für den Fall aber, daß ihm dies nicht gelänge, wurden
zwei Breven an den Poftulierten und an das Kapitel beigelegt
(vom 16. April), welche Johann Wilhelms Rejignation, al3 wider
des Papſtes Willen erfolgt, annullierten; ein drittes, jehr jcharfes-
Breve verbot neuerdings dem Kapitel, den Boftulierten von
Bremen zu wählen ?).
Mit dieſen drei Breven eilte Johann von Raesfeld nad
Deutichland zurüd, am 1. Mai war er bereit3 in Münden; in
Stuttgart überholte er mit Eilpoft den Herzog Ernſt, welcher ihm
einen Brief an Porzia mitgab, die Bitte enthaltend, diefer möge
mit der Ausführung feiner münfterihen Aufträge bis zu Ernits
Ankunft warten. — Zu Köln fand Raesfeld den Nuntius ohnehin
mit der Kölner Wahlſache vollauf beihäftigt.
1) Den Wortlaut der drei Breven konnten übrigens weder Dr. Fabri—
cius noch ber jülihfche Agent Hammerftein erfahren; Karbinal Morone ſprach
fih ohnehin empfindlich darüber aus, daß ber bayriſche DOrator immer ben
Papft belehren mwolle, was biefer zum Wohle einer Kirche zu thun und zu
lafien babe.
Das Ende des Salentinfchen Planes. 499
Bald nad feiner Ankunft am Rhein hatte Kurfürft Salentin
jein Hoflager in Schloß Kaiſerswerth aufgefhlagen, weldes nun für
mehrere Wochen der Mittelpunkt aller Bemühungen für und wider
die bayriſche Succeffion wurde. — Porzia hätte fi) gerne jofort
in Perſon zum Kurfürften begeben, um ihm die beabſichtigte In—
quiſition und gewaltſame Einſetzung eines Koadjutors zu mider-
raten, Salentin lehnte jedoch für jegt den Beſuch des Nuntiug
ab, und ließ demſelben nur durch einige Räte ſagen, ihm ſei es
bloß darum zu thun, Herzog Ernſts Nachfolge zu ſichern; werde
der Weg der Koadjutorie nicht beliebt, ſo ſei ihm auch die freie
Wahl recht, nur ſolle ſich der Nuntius für dieſen Fall von den
Prieſterkanonikern feſt verſprechen laſſen, keinem andern als dem
bayriſchen Herzog ihre Stimmen zu geben . Noch nachgiebiger
erklärte ſich Salentin brieflich gegen den Herzog von Jülich auf
deſſen Bitte, er möge zum Beſten ſeines Neffen auf die beiden
Forderungen der Inquiſition und der Konfirmation der Kölner
Prälaten verzihten. Als daraufhin Ende April Herzog Wil-
heims Räte, Dr. Konrad Fürftenberg und Dr. Walter Fabricius,
nad; Kaiſerswerth famen und zuerft mit Salentins Räten, nachher
mit dieſem jelbft erwogen, wie Herzog Exnft auf dem Wege freier
Wahl nad Köln zu bringen ſei, empfahl Salentin auch ihnen aufs
dringendfte, dafür zu jorgen, daß eine ausreichende Zahl von Edel⸗
herren und Siebenprieſtern entweder dem Nuntius oder ihm, dem
Kurfürſten, oder auch dem Herzog don Jülich gelobe, für Ernſt zu
ſtimmen. Salentins Räte machten nochmals darauf aufmerkſam,
wie wichtig es ſei, den Herrn Gebhard Truchſeß zu gewinnen,
als den, der neben Herzog Ernft am meiſten Ausfiht habe, ſelbft
gewählt zu werden. — Auf Salentins Rat lief; Herzog Wilhelm
aud den niederländiichen Statthalter Don Juan um jeine Inter—
zeſſion beim Domkapitel erfuhen, worauf diefer Ende Mai zwei
1) Damals erft wurden dem Kurfürften die beiden Koabjutoriebreven vom
13. Januar (f. o. ©. 471 u. 482) zugeftellt; man war lange unſchlüſſig
geweſen, ob fie nicht überhaupt zurüdzuhalten, fürchtete dann aber Salentin
baburch zu beleidigen.
32 *
500 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
Gejandte nah Köln ſchickte !), Die jedodh, da fie das Kapitel nicht
beifammen fanden, in aller Stille wieder heimlehrten. Auch der
Lütticher Biihof wurde wieder um feine Hilfe zur Gewinnung
der Stimmen von Mandericheid- Keil und von der Mark anges
gangen, antwortete höflich, that aber kaum etwas.
Kurfürft Salentin ſchien mit einemmale gemillt, jogar felbft
duch Freundlichkeit fein Domkapitel für die bayriihe Suc-
ceſſion einzunehmen. Nachdem er foeben noch den Boten des Ka—
pitel3, welder ihm deſſen Briefe vom 27. April überbracdhte, fünf
Zage lang auf einen blogen Empfangsichein hatte warten lafien,
gab er nun zu, daß feine in Saiferswerth anweſenden Räte am
6. Mai das Kapitel jehr höflich eriuchten, bei Salentins bevor:
ftehendem Rüdtritt einen Herrn zu wählen, welcher dem Papſt
und dem Saifer, dem jpanischen König und anderen katholiſchen
Fürften angenehm fein und vom jegigen Kurfürften allen Rat und
Beriht erhalten werde. Fünf Zage fpäter erſchienen diejelben
Räte, dreizehn an der Zahl, darunter der weitfäliiche Landdroft
Eberhard Graf zu Solms, der Landhofmeifter Jörg von der
Leyen, der Marihalt Rutger von der Horft und der Kanzler
Burkhart, in Perfon im Kapitel, um Salentins Antwort auf die
jüngften Briefe des Kapitel zu überbringen. Der Kurfürft, jagten
fie, lafje noch einmal an das erinnern, was er zum Beſten der fa-
tholiihen Religion, des Reiches und des Erzſtiftes inbetreff der
Succeſſion anempfohlen habe; molle man aber feinem Rat und
dem Gutachten der höchſten Häupter der Chriftenheit nicht folgen,
jo müfje er e8 Gott und der Zeit befehlen. Auch bezüglid der
übrigen Streitpunfte (Reftanten aus den Zöllen, Höfe Der und
Chor, Schweine des Chorbiſchofs) lauteten Inſtruktion und
Merbung viel maßvoller als jonft: das Kapitel möge fi) an einen
beliebigen Drt in der Nähe, 3. B. nad Brühl, zu ihm verfügen;
dort wolle er fih in freundlicher Konverjation über alles mit
1) Karl Rym, Herr zu Eedenbefe, vormals kaiferlicher Gefanbter beim Tür—
ten, und Dr. Johann Mambefius, Profefior des geiftlichen Rechts zu Löwen.
Das Ende des Salentinfhen Planes. 508
ihnen verjtändigen. — Das lehnte jedoh das Kapitel als unge—
bräuchlich ab: der Kurfürft möge jelbft in die Stadt kommen;
auch Hinfichtlih der anderen Punkte wiederholte man die früheren
Forderungen, übrigens in höfliher Form ?).
Inzwiihen war der Nuntius Porzia — am 8. Mai — zum
eritenmale vor verfammeltem Kapitel erichienen und hatte in län—
gerer wohlgeſetzter Rede die Gründe entwidelt, welche die Kapitu—
laren beitimmen müßten, feinen andern als den von Papſt und
Kaiſer empfohlenen bayrifhen Herzog zu wählen 2). Das Kapitel,
in welchem can diefem Tage außer den Prieftern nur vier aus—
geiprochen fatholiihe Edelherren, Zhengen, Joh. Daniel von
MWinneburg, Gebhard Truchſeß und von der Mark, zugegen waren,
dankte dem Papft und jeinem Nuntius für ihr väterlihes Wohl—
wollen und veriprah, nad) Beratung mit den anderen Herren
Porzias Vortrag zu beantworten.
Aht Tage nachher — am 15. Mai — machten der Nuntius
und zugleih Herzog Ernft mit feinen Näten dem nunmehr in
Brühl rejidierenden Kurfürften ihre Aufwartung; beide baten ihn,
die beabfichtigte Inquifition und Koadjutorie fallen zu laſſen. Auch
bon Herzog Abreht war wieder ein Schreiben ähnlihen Inhalts
eingelaufen: Salentin möge, um zu berhüten, daß ji die Augs—
burger Konfeſſions-Verwandten der Sache annähmen und heftiger
al3 zuvor die Freiftellung forderten, duch Güte die Gemüter der
Kapitularen zu gewinnen ſuchen und „hernach gleich den lieben
1) Der Aiterdehant, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Gropper
flimmten bafür, „das Rmo dero vatterlicher regierung halber zu danken“, —
wos das Kapitel aber nicht that.
2) Er begreife nicht, fagte er u. a., wie fich jemand durch das Belannt-
werben bes Wunfches St. Heiligfeit verletzt fühlen könne; nie habe bie Kölner
Kirche fich geweigert, au8 ber Hanb bes allgemeinen Oberbirten ber ganzen
Kirche ihre Vorfteher zu empfangen; denn recht wohl wußte fie, daß die Güte
bes römiſchen Stuhles ihr das Wahlrecht doch nur unter dem Vorbehalt
verliehen babe, fich ſelbſt, wenn nötig, besfelben wieber zu bebienen; eine
ſolche Notwendigkeit liege jet vor u. f. w., — alfo eine offene Darlegung
bes päpftlichen Univerfalepiftopats!
502 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
Gott und die freie Wahl malten laſſen“. — Salentin madte
faum noch Einwendungen; nur warnte er abermals, nicht mit
Ihönen Worten ſich zu begnügen, jondern fi, damit es nicht gehe
wie jüngft zu Münfter, stipulata manu des Prinzen Wahl ver:
ſprechen zu laſſen. — As Porzia und Herzog Ernſt eben wieder
aufbrehen wollten, traf in Brühl auf dem Wege nad England
ein kaiſerlicher Geſandter ein, der Freiherr Hans bon Breuner,
welcher den Kurfürften mündlich, im Namen des Kaiſers aber auf
Grund eines bloßen Beglaubigungsicreibens, aufforderte, baldigit
zu refignieren und dem Kapitel feine freie Wahl zu laffen. Sa—
lentin geriet in heftigen Zorn über diefe, wie er fagte, den Ab-
ſichten des hochſeligen und den früheren Erklärungen des jegigen
Kaiſers mwideripredhende Werbung. Der Kaiſer jolle ihm, ant-
wortete er in der Eile und Hige, ſolchen Befehl jchriftlich erteilen,
dann ei er jeden Augenblic bereit abzutreten, wolle aber feine Schuld
haben, wenn e3 naher mit der Neuwahl ſchlimm gehe! Herzog
Ernft und der Nuntius beihwichtigten ihn jo gut e3 gehen wollte;
man beihloß ji) von neuem an den Sailer zu wenden, damit er
die beiden anderen geiftlichen Kurfürften und einige faiferliche Räte
beauftrage, Herzog Ernft zum Beſten zwiſchen Kurfürft und Kapitel
zu vermitteln; eine ſolche kaiſerliche Kommiſſion wünſchte man na=
mentlich wegen des Herrn Gebhard Truchſeß; könnte man ihn be
wegen, nicht länger ſelbſt nad) der Kur zu traten, jo Hoffte man
alle Gefahren einer freien Wahl befeitigt.
Schon feit einiger Zeit erfannte man auf bayriiher Seite im
Truchſeſſen den gefährlichiten Rivalen. — Gebhard Truchſeß, Frei:
berr von Waldburg, ein Neffe des Kardinal von Augsburg, hatte
fi früher um die Lölniihen Dinge wenig gefümmert, aud von
den Streitigkeiten zwiſchen Kurfürft und Kapitel lange fern gehalten.
Erft im Januar 1577 nahm er für einige Zeit Reſidenz in Köln
und bielt ſich ſeitdem zur Majorität des Kapitels, übrigens ohne
beſondere perſönliche Feindfeligkeit gegen Salentin an den Tag zu
legen. Jedoch unterjchrieb er nachträglich, zugleih mit dem After:
dehant, die Union des Kapitel vom 13. Auguft 1575, und jo
Das Ende bes Salentinihen Planes. 508
dann den Abihied vom 15. Februar 1577, übernahm aud, neben
dem Straßburger Biſchof, eine Kommiſſion des Kapitels zur Ver—
teidigung der Wahlfreiheit beim Kaiſer und bei den anderen geift=
lichen Kurfürften. Als Gebhard Ende April wieder nad Köln
fam, äußerte er fid), wie wir fahen, über die Verleihung des
Rapitelplages an Herzog Ernft anfangs zweifelhaft, ftimmte
{chlieglih aber zu. Damals waren bereits aller Augen auf ihn
gerihtet. Schon am 13. März fchreibt Dandorf aus Köln an
Herzog Albrecht: der Truchſeß finde bei Edelherren und Kanonikern,
auch ſonſt menniglih nicht ſchlechte Gunſt und Favor; bei einer
Wahl werde man ihn vermutlid dem Straßburger Biſchof vor:
ziehen; da er übrigens dem Haufe Bayern jehr zugethan fei, möge
der Herzog Ihriftlih) oder mündlid mit ihm handeln. — Das war
zum Zeil bereit geſchehen: auf Wunſch des Herzogs hatte Herr
Karl Truchſeß, Kammergerichtspräfident zu Speier, an feinen Bru—
der Gebhard geichrieben, dieſer möge, der katholischen Religion zum
Beiten und zum Dank für die von Herzog Albrecht ihrem Oheim
und Vater und allen Truchſeſſen erwiejene Gnade, die Nachfolge
des Herzogs Ernſt befördern. Sodann erhielt Dandorf jelbit,
gerade al3 er jein Schreiben vom 13. März abſchicken wollte, den
Auftrag, mit Gebhard perjönlid zu reden. Der Truchſeß ſprach
fih hierauf gegen Dandorf jehr mwohlmollend über Herzog Exrnft
aus; leid thue ihm nur, daß der Kurfürft dur feine Schärfe
und Unbeicheidenheit auch gegen jenen viele Gemüter erbittert
babe; wenn man Vögel fangen wolle, dürfe man nicht mit Prü—
geln danach werfen. Bindende Zujagen vermicd jedod Gebhard
forgfältig, jowohl gegen Dandorf, wie zubor gegen den trieriichen
Kanzler. Auch nahher wurde Herzog Albreht von Köln aus
wiederholt aufmerkſam gemadt, wie wichtig e3 jei, gerade den
Zruchjefien zu gewinnen. — Der Grund liegt auf der Hand:
Gebhard hielt fih, ſchon auf Grund feiner Familientraditionen,
zur fatholiichen Partei; das machte ihn, abgejehen von feinen
perjönlihen Eigenichaften, den Priefterfanonikern genehm, während
er zugleid) den proteftantiich gefinnten Grafen im Kapitel wegen
504 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
der geringen Macht jeines Hauſes mindeftens als ungefährlid er>
icheinen mußte.
Seitdem Herzog Ernſt den Kapitelplag erlangt, war die zeit
meilige Läſſigleit der protejtantiihen Grafen verihwunden. Zudem
hatten jeßt ihre beiden Führer, Ludwig von Wittgenftein und
Johann von Naffau, die Hände wieder frei: denn Ludwig lebte
jeit kurzem ganz in Berleburg, und Johann mar endlich von der
Peſtgefahr befreit, beide voll Eifer, das Verſäumte gutzumachen.
Ende April ging Graf Johanns Rat Dr. Jakob Schwarz nad
Köln, wo er nun wochenlang in vertrauten Verkehr mit dem
Dompropft und mit Graf Hermann Adolf von Solms ver:
weilte. Dringend riet er jeinem Herrn, ſämtliche Grafen, jodann
Pfalz und Hejjen von den bayriih=papiftiihen Praftifen zu ver:
ftändigen, damit jene den Gutherzigen im Kapitel für den Not
fall ihren Schu, zuiagten; außerdem erinnerte er an den früheren
Beſchluß der Wetterauer Grafen, durch eigene Gejandte Salentin
die geplante Gewalt zu widerraten. Da nun Graf Johann zur
jelben Zeit von dem Herrn Winand von Breyl erfuhr, der Kur:
fürft habe gegen ihn in Saiferswerth jein Befremden geäußert,
warum er jeit jo langer Zeit gar nichts von Graf Johann höre,
jo brach diejer in Eile von Siegen auf über Köln nad) Kailerd:
werth zu Salentin, bei dem er mehrere Tage blieb. Was zwi—
ſchen beiden verhandelt wurde, wiſſen wir nicht, dürfen aber un
bedenklich annehmen, das jih Johann alle Mühe gegeben haben
wird, noch in legter Stunde den Surfürften von der ſpaniſch—
bayriihen Partei abzuziehen. Salentin war eben damals im Bes
griff, den Herrn von Breyl nad) Frankreich) zu ſchicken, jedenfall
wegen feiner rückſtändigen Penſion; — wahrſcheinlich machte os
hann ihm Ausfiht auf Erſatz durd eine Benfion von der Königin
von England.
Bon Kaijerswertd nah Köln zurückgekehrt, traf Johann
mit Sir Philipp Sidney zuſammen, der als Gejandter der
Königin Eliſabeth nad) Prag und nad Heidelberg ging, um
an beiden Orten wegen des jüngften Regierungswechſels zu fon=
Das Ende des Salentinfhen Planes. 505
dolieren und zu gratulieren, daneben aber den früheren Plan
einer Allianz zwiihen Eliſabeth und den deutihen Proteſtanten
wieder betrieb. Bei Sidney befand ſich deſſen Freund Hubert
Languet, der Korrefpondent des ſächſiſchen Kurfürften, ein alter
Lobredner eines allgemeinen antipapiftiichen Bundes. Mit beiden
verhandelte Graf Johann, der jelbit weder Latein nod Frans
zöfiich fertig genug ſprach, zuerft durd Dr. Schwarz und den
Licentiaten Dafypodius, verzeichnete dann aber ſelbſt in einem
Memorial für Sidney die Hauptpunfte, welche dieſer jeiner Kö—
nigin vortragen jollte: Seit einigen Jahren verfolge der Papſt,
um die deutjche Freiheit zu unterdrüden und die wahre Religion
auszurotten, insbefondere den Plan, die anſehnlichſten Domitifter
in die Hände folder vornehmen Familien zu bringen, welde ſich
zum Gehorjam gegen die römiſche Kirche verpflichteten. Seinen
habe der Papft Hierfür geeigneter befunden, als den Sohn des
Herzogs Albreht von Bayern, teil3 wegen jeines Eifers für die
römiſche Kirche, teil3 wegen der Macht und der hohen Berbindungen
diejes Haufes. „Denn um die Wahrheit zu jagen‘, heit es
weiter, „haben bejagter Herzog von Bayern und feine Vorfahren
inbezug auf die Unterdrüdung der Anhänger der wahren Religion
alle anderen Berfolger derjelben in Deutichland jederzeit über-
troffen, und heute ift der Herzog von Bayern überzeugt, daß dies
der größte und ſchönſte Ruhm fei, den er jeinen Nachkommen
hinterlaſſen könne.“ Das Memorial erinnert daran, dab Herzog
Ernſt bereit3 zum Biſchof von Freifing und Hildesheim gemacht
jei, und daß man feit Fahren mit allen möglihen Praktiken ihn
nah Köln und Münfter zu bringen ſuche; auch wird der, wie
wir willen, nit grundlojen Gerüchte gedacht, da Bayerns Blide
bereit3 auf die Stifter Lüttich, Magdeburg, Trier gerichtet jeien.
Anderjeit3 feien auch aus dem Haufe Ofterreich bereit3 zwei Prin-
zen — des Kaiſers Bruder Albreht und Erzherzog Ferdinands
Sohn Andreas — zu Kardinälen gemacht und auch für fie ohne
Zweifel die Erwerbung deuticher Bistümer beabſichtigt. Solchem
Streben entgegen müßten die Bekenner der wahren Religion jene
506 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
Leute, welde nur aus Eigennug dasjelbe beförderten, durch ſichere
Hoffnung auf Lohn umzuſtimmen fuhen; zu diefen Leuten gehöre
aber jegt vor allen Kurfürft Salentin, den man mit einer jähr⸗
lichen Penſion von einigen tauſend Kronen wohl auf die gute
Seite ziehen könne. Königin Eliſabeth möge alſo auch ihrerſeits
dazu einiges beitragen. — Wir ſehen, Graf Johann macht hier
ſeinem Zweck zuliebe den Kurfürſten käuflicher, als dieſer in Wirk—
lichleit war; denn auch von Salentin hätte man ſagen können,
was man von Mirabeau geſagt hat: er verkaufte ſich nicht, aber
— er ließ ſich bezahlen. — In Zuſammenhang mit dieſen
Verhandlungen des Grafen Johann mit Salentin einerſeits, mit
Sidney und Languet anderſeits, ſteht ohne Zweifel die eilige
Abſendung des Herrn von Breyl an Erzbiſchof Heinrich von
Bremen; Graf Johann übernahm es, Breyl bei Salentin
wegen dieſer kurzen Verzögerung ſeiner Reiſe nach Br
zu entichuldigen.
In Köln erneuerte Graf Johann aud die im Januar ange
tnüpfte Verbindung der Wetterauer Grafen mit einzelnen Priefter-
kanonifern und Mitgliedern der weltlichen Landftände, Grafen und
Nittern, jowie mit Kölner Bürgern). Jetzt ſchon rechnete man
darauf, daß der Landtag, welder nad dem Herkommen zwi—
ſchen Tod oder Refignation des einen und Neuwahl des andern Kurz
fürften ftattfand, dazu dienen werde, die Domlapitularen von Her=
zog Ernſts Wahl abzuſchrecken. Dr. Schwarz und Lie. Dafypodius
fammelten beveit3 Stoff zu einem Diskurs oder einer Flugichrift,
durch melde die Öffentlihe Meinung gegen das Haus Bayern be—
arbeitet werden follte.e Bei der Kölner Bürgerfchaft kam es
Bayerns Gegnern zuftatten, daß der Zwiſt zwiſchen Salentin und
der Stadt von neuem heftig entbrannt war.
1) Den Domherrn Johann von Neifferfcheid, welcher gleich feinem Bruder,
dem Erbmarſchall zu Salentin bielt, hatte Graf Johann ſchon von Kaiferd-
werth aus um eine geheime Zufammenfunft im Haufe eine® Herrn von
Allendorf (vgl. 0. S. 429, Anm. 2) zum Himmelgeift gebeten.
Das Ende bes Salentinihen Planes. 507
Die beiderfeitigen thätlihen Eingriffe waren, wie erwähnt, im
Februar d. J. durd Vergleich beigelegt worden; bezüglich ber
Rechtsfrage hatte der Stadtrat das Kammergeriht angerufen und
bereit3 ein mandatum sine clausula gegen den Kurfürften erlangt.
Darauf bradte diefer Ende Mai eine ‚alte Rolle‘ hervor, ges
mäß welcher die Güter Kölner Bürger einen bisher auf den kurs
fürftlihen Zöllen genoffenen Zollnachlaß verlieren jollten. Sofort
rief nun der Kölner Rat die anderen rheinischen Fürften wieder
auf, gegen ſolche, Sperrung des Rheins per indirectum“ mit ihm
gemeinfame Sade zu mahen, und gedachte dabei auch gemilfer
Schimpf- und Drohreden, welche Salentin jüngft zu Kaiſerswerth
gegen Rat und Bürgerihaft an offener Zafel ausgeftoßen habe.
Salentin jollte gejagt haben: „er wolle denen von Köln einen
mächtigeren Nachfolger jegen, der fie beſſer meiftern und putzen
werde; wolle aud) Pfaffen und Bürger aneinanderhegen, bis daß
die Bürger die Pfaffen totihlügen; dann wolle er jelbit kommen
und unter die Bürger, Weiber und Sinder dreinhauen, daß er
bi3 an die Knöchel im Blut gehen könne”. — Daß Salentin
wirklich jo tolles Zeug zu Kaiferswerth geredet, wird bon ver—
ſchiedenen Seiten bejtätigt, mir wiſſen, daß er auch fonft im Zorn,
zumal beim Trunk, feiner Zunge niht Meifter war. Wie jehr
er der Stadt grollte, erfieht man übrigens aud daraus, daß er
eines Zages im Juni eine große Anzahl feiner Räte an das
Domkapitel jhidte und Zuordnung von Deputierten verlangte,
weil er von der Stadt „Abtracht“ (Genugthuung) fordern wolle
für all’ die Eingriffe, welche fie ſich in jeine geiftliche und weltliche
Hoheit und Jurisdiktion herausgenommen.
Endlich Fakten Graf Johann und feine Kölner Freunde wieder
eine Unterftüßung des Kapitel3 dur die evangeliihen Fürften ins
Auge. Der Kölner Dompropft ftand in freundſchaftlicher Korre—
fpondenz mit einem von den alten, dem reformierten Belenntnis
zugethanen pfälziichen Räten, der ſich aber mit dem neuen lutheri-
ſchen Regiment zurechtgefunden hatte, Dr. Joſt Reuber, und ließ durch
ihn allerlei in der Hauptiahe richtige, wenn aud) übertriebene
*
ee RE
503 Sechſtes Buch. Zweites Kapitel.
Nachrichten über die Praktiken Salentins, Porzias und des Her—
zogs Ernſt an jeinen mit dem heſſiſchen Landgrafen damals im
Bad Ems verweilenden Kurfürſten Ludwig gelangen. Auf dem
Rückweg von Köln begab fi jodann Graf Johann jelbjt nad)
Ems und wußte den Kurfürften Ludwig zu überzeugen, daß zus
gunften des Kapitels etwas Ernftlihes geihehen müſſe. Ludwig
jandte die aus Köln erhaltenen Berichte an Heſſen und an jeine
beiden weltlichen Mitkurfürften und ſchlug eine gemeinichaftliche
Gelandtihaft an Salentin oder an das Domkapitel vor. Aber
jein Vorihlag fand wenig Beifall, denn Landgraf Wilhelm
meinte wieder, dies „Pfaffenwerk“ ſei den evangelifchen Fürften
gleichgültig, „fintemal uns und unjeren Söhnen in einem Weg
wie im andern der Zugang zum Stift rebus sic stantibus ab-
geſtrickt iſt“; Kurfürſt Auguft aber und feine Räte hatten nicht
Luft, den Disput über die Freiftellung ſchon wieder auf die Bahn
zu bringen; auch ſchien es dem Kurfürften unziemlih, die Kölner
Kapitularen gegen ihren Kurfürften zu beftärfen; würde er e3 doch
aud nicht dulden, daß fi eine fremde Herrihaft feiner Unter:
thanen gegen ihn annähme. Jedenfalls müſſe man abwarten, bis
man bon beteiligter Seite, etwa von der Stadt Köln oder aud)
von den Wetterauer Grafen, fürmlid) um WVermittelung gebeten
werde. Die von Köln aus verbreiteten Gerüchte von einer neuen
gefährlichen Papiftenliga fand man am ſächſiſchen Hofe wenig
glaubwürdig; man möge nur im Weihe unter einander feit zu—
jammenhalten, beim Religionsfrieden bleiben, auf fremde Bündniſſe
fih nicht einlaffen, — eine Bemerkung, welde zunächſt wohl
auf die neuerdings bon England gelommene Anregung zu einem
allgemeinen evangeliihen Bunde ging. Nachher wurde auf einer
Verſammlung von Räten der Erbeinigungsverwandten Sadjen,
Brandenburg und Hefien — im Monat Juni zu Naumburg —
u. a. auch die Kölner Wahlſache beiprodhen, aber beichloffen, ſich
ihrer vorläufig nit anzunehmen, fondern beim nächſten Deputas
tionstag im Auguft zu Frankfurt mit anderen Sonfejfionsvers
wandten weiter davon zu ſprechen. — So blieb die Zhätigfeit
Das Ende des Salentinfhen Planes. 509
der evangeliihen Fürften zur Zeit auf den üblichen umftändlichen
Schriftenaustaufh von Hof zu Hof beichränft 19).
Die Wetlerauer Grafen ließen für fih jedoch an Eifer nicht
nad. Ende Mai, bei Graf Johanns Rüdkunft von Köln, fanden
fih Ludwig von Wittgenftein und zwei Grafen bon Solms (Kon—
rad von Solms=Braunfel und Otto von Solms-Laubach) bei
ihm zu Dillenburg ein und verabredeten, da man ſchon vor dem
künftigen Kölner Landtag die kurkölniſchen Grafen Reiffericheid,
- Neuenar und Manderiheid für die Behauptung der freien Wahl
zu Köln und der Rechte des Grafenftandes bearbeiten, zum Land:
tag jelbft aber wieder eine Geſandtſchaft der Wetterauer Grafen
abordnen wolle. Weitere Beiprehungen fanden nachher zu Eber3-
bad) und wieder zu Dillenburg ftatt, wo man fih u. a. darüber
einigte, daß die Wetterauer Grafen in aller Form den Pfälzer
Kurfürften und feinen Bruder Johann Kafimir, fowie die heifiichen
Landgrafen um ihre Hilfe zur Erhaltung der freien Wahl in Köln
erſuchen jollten.
Der bayriihen Partei fam von diefen Gegenpraftifen genug zu
Ohren, um fie zu warnen, auf ihrer Hut zu fein und fi) bei=
zeiten möglihft viele Stimmen zu ſichern. As kurz nad dem
Beſuche des Nuntius und des Herzogs Exnft, infolge der früheren
Aufforderung des Kurfürften an das Gejamtkapitel, die Domberren
Thengen, Reinhard von Solms, Joh. Daniel von Winneburg und
Gebhard Truchſeß in Brühl erichienen, forderte Salentin von
ihnen, fie follten ſich verpflihten, nad) feinem Rücktritt feinem
andern als dem bayrischen Herzog ihre Stimmen zu geben. Zwar
ließ ji feiner von ihnen Öffentlich auf diefe Zumutung ein, doch
erllärten ſich wenigſtens Thengen und Winneburg gut bayrifch,
au auf Graf Reinhard Stimme rechnete man; war er es doch
1) Graf Iohanns Abficht, gelegentlich einer in Dillenburg zu haltenden
Kindtaufe eine größere Anzahl Fürften und Herren zufammenzubringen,
wurde baburch vereitelt, daß feine Gemahlin nur einen toten Knaben zur
Belt brachte und felbft längere Zeit in äußerfter Lebensgefahr ſchwebte.
Dil. Korr. 1577, fol. 259 u. 263; vgl. Groen van Prinsterer VI, 96.
510 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
namentlih, der den bayriſchen Näten vielerlei — freilich nicht
lauter Zuverläffigeg — über die Praktiken der Gegner hinterbrachte,
vor allem über ihre Abfiht, Die Neuwahl auf den Truchſeſſen zu
lenken. Hauptjählih mit Rüdjicht auf dieſen letztern lieh Herzog
Aldreht Ende Mai dur feinen Hofdiener Emmanuel Weljer den
Kaifer bitten, baldigft Kommiffare nad Köln zu fenden, und wo—
möglid unter ihnen Albrechts früheren Landhofmeifter, den jegigen
faiferlihen Hofmarihall, Ditheinih Graf von Schmwarzenberg,
einen nahen Verwandten des Truchſeſſen. An die Grafen von
Reifferſcheid und von der Mark jchrieb Dr. Gotfrid Gropper, um von
ihnen bindende Zuſagen wegen Herzog Ernſts Wahl zu erhalten.
Auch auf die Stimme des Domdehanten Anton von Schauenburg
rechnete man, wurde aber irre an ihm, da er bei feiner Rückkunft
nad Köln, Ende Mai, zweimal eine Einladung des Herzogs Ernft
ausihlug; man fürdhtete, fein Bruder, der Biſchof von Minden,
habe ihn umgeftimmt, doch machten Thengen und Gotfrid Grop—
per, Bayerns eifrigite Parteigänger, noch Hoffnung, ihn wiederzu-
gewinnen. Xhengen erbot jih, in Perfon zu Herzog Julius von
Braunihweig zu reifen, um durd ihn ſowohl den Mindener
Biihof, wie den Erzbiſchof von Bremen für Herzog Ernſts Wahl
einzunehmen. Denn troß allem, was mit Münfter vorgegangen,
zählte die bayriihe Partei noch immer auf Erzbiihof Heinrichs
Stimme bei der Kölner Wahl. Dieje Hoffnung beftimmte jegt auch
ihr Verhalten in der münfterihen Poftulationsjache.
Unter den Breven, melde Johann von Raesfeld aus Rom
mitgebracht hatte, war, wie erwähnt, aud) eines, welches neuer=
dings die Wahl des Poftulierten von Bremen verbot; zufolge
einer Beratung mit Herzog Ernjt und dejjen Räten beſchloß jedoch
der Nuntius Porzia, dieſes Breve vorläufig zurüdzubalten, um
nicht den Bremer Erzbiihof nod mehr zu reizen und dadurd)
Herzog Ernfts Kölner Wahl zu gefährden. Die beiden Reftitu-
tionsbreven hätten Ernft und feine Räte dagegen gerne baldigit
Das Ende bes Salentinfchen Planes. 511
überreicht geſehen, während der Nuntius, gemäß den päpftlichen
Befehlen, zuerſt perſönlich mit den Junioren verhandeln und nur,
wenn ſie hartnäckig, die Breven inſinuieren wollte. In dieſer
Abſicht machte ſich Porzia am 20. Mai auf den Weg nach Mün—
ſter, über Dinslacken, wo Herzog Wilhelm damals Hof hielt.
Hier ließ er ſich beſtimmen, vor ſeiner Weiterreiſe, zu Schermbeck
an der münſterſchen Grenze, mit dem. Domdechanten Raesfeld und
dem cleviihen Hofmeifter Red eine geheime Beſprechung zu halten,
infolge deren er die Reife nad) Münfter ganz aufgab; denn Raes—
feld und Ned überzeugten ihn, daß eine foldhe vielleicht nit un—
gefährlich, jedenfalls vergeblid fein werde; Raesfeld brachte die
Nachricht mit, Erzbifhof Heinrich fomme chen jet in Klofter Lies—
born (bei Lippſtadt) mit Kurfürft Salentin und Wefterholt zu—
jammen, gewiß nit um nachzugeben; es drohe Gefahr, daß
Mefterholt und Genofjen bei Ablauf des Wahltermins den Erz=
biſchof mit Gewalt ins Stift einjeßen würden; ſchon jet vermöge
der Dechant faum mehr feine Mitftimmenden auf bayriſcher Seite
zu halten. Auf diefe Mitteilungen bin übergab nun Porzia die
beiden Reftitutionsbreven dem Herzog von Jülich. Diejer lieh das
Driginal des einen und Kopieen de3 andern fofort, am 3. Juni,
durd Notar und Zeugen allen Beteiligten in Münfter zuftellen; darauf
verſprachen Senioren und Regierung zu gehorchen, der alte Senior
Nagell und die Junioren jowie die Vertreter der Stadt behielten
ih Antwort vor, — Weſterholt jelbft war abmwejend, wie es
hieß in Arnsberg bei Kurfürft Salentin. Die Zufammenkunft in
Liesborn hatte wirklich ftattgefunden, nur war ftatt des Erzbiſchofs
fein Rat Schrader erjchienen, welcher fih alsdann mit Ems
pfehlungen Salentins nad Köln zu Porzia begab und dieſem aus-
führlich über den ganzen Poftulationshandel, die Friedliebe jeines
Herrn, jowie deſſen Ergebenheit gegen den apoftoliihen Stuhl be-
rihtete. Der Nuntius that ſich aber nachher nicht wenig darauf
zugut, daß er diefen Schlaufopf, der ihn nur ausholen wollte,
jo falt habe abfahren lafjen. Er jei, behauptete Porzia, nur
wegen der Kölner Sache da, wegen Münfter habe er gar feine
512 Sehftes Buch. Zweites Kapitel.
Aufträge; nicht einmal die von Schrader mitgebrahten Schriften
nahm er an, angeblich weil er fein Deutſch verftehe. Übrigens
ließ aud Schrader über den eigentlihen Zweck feines Stommens
nicht3 verlauten; er habe nur, fagte er, den Nuntius informieren
wollen. — Man wird annehmen dürfen, dab Schrader haupt:
ſächlich darum kam, um ſich perfönlid) über den Stand der Kölner
Wahljahe zu erkundigen; gewiß wird er nicht verfäumt haben,
im Auftrag feines Herrn mit den Gegnern Bayerns in Köln Ver:
bindungen anzufnüpfen. Denn ihren Zweck, durch ſanftes Auf—
treten in der münſterſchen Sadhe Herzog Ernſt die Stimme des
Bremer Erzbiſchofs zu fihern, erreichte die bayriiche Partei nicht,
jondern im Gegenteil ſchloß ſich Heinrid eben damals entſchieden
den Feinden Bayerns an. Zwei Dinge werden hierfür den
Ausichlag gegeben haben: einerjeitS die ungeſchickte Art, wie jeine
Perfon in der Appellationsurkunde des Herzogs von Jülich vom
16. April behandelt worden, anderjeit3 die Nachricht, daß der
auf feine Veranlafjung von Kurfürft Auguft nah Münden ab—
geordnete ſächſiſche Rat Alerander Pflug ohne jeden Erfolg zurück—
gefommen war.
Als Alerander Pflug am 15. April dem bayriihen Herzog
feinen Auftrag vorgetragen hatte, erzählte ihm dieſer zuerft in
Perſon, wie „„unadelig und unehrenhaft‘ man mit ihm und feinem
Sohne, jowie mit dem Herzog von Jülich in Münfter umge—
gangen; dem Erzbiſchof von Bremen meſſe er feine Schuld bei,
wohl aber dem Kurfürften Salentin, der fid) in Prag gegen feinen
Sohn Wilhelm jelbft des Geſchehenen gerühmt habe; aufs ent=
ſchiedenſte widerſprach Albrecht der Behauptung, daß er jelbft nicht
Wort gehalten habe. Nachher ließ er dem Gefandten durch Kanzler
Eljenheimer und Dr. Halver einen ausführlichen Bericht über den
Verlauf der münfterfchen Sade zuftellen, welcher mit der Bitte
ſchloß, Kurfürft Auguft möge ihm feine Weigerung, Münfter dem
Erzbiſchof zu überlafien, nicht übelnehmen, da ihm dies Ehren
und Gewiſſens halber unmöglich ſei, jondern möge vielmehr den
Erzbiſchof ermahnen, dem Handel feinen ordentlihen Austrag zu
Das Ende des Salentinfchen Planes. 513
laffen. In einem eigenhändigen Brief an Kurfürft Auguft ſprach
er außerdem die Erwartung aus, ihre gute Brüderlichleit und
Vertraulichkeit werde nicht durch dieſe Sache, wie eine jet in
hohem Stande befindlihe Perſon [Kurfürft Salentin] geäußert,
Störung oder Trennung erleiden. Dies fagte Auguft in feiner
ebenfalls eigenhändigen Antwort zu; „und ift mir endlich“, fügt
er bei, „ſo viel daran nicht gelegen, wer Biſchof oder Bader,
dem Sprihwort nah, zu Münfter fei; dab ic aber meiner
Schweſter Sohn, den Erzbiihof zu Bremen, hierzu von dir gerne
befördert gejehen, wirft du mir meines Verhoffens nicht verargen,
weil du deines Sohnes halben mit dem Stift Köln gleihmäßige
Förderung bei mir geſucht Haft, welches ich dann auch treulic
und willig gethan. Stehet derhalben nunmehr an beiden Drten
bei den Herren Kapitularen, wen fie poftulieren werden.‘ — Als
Albreht bald nachher (im Monat Juni) durch jeinen, hauptſäch—
lich wegen der neuerdings erjtrebten Erweiterung des Landsberger
Bundes abgeihidten Rat Halver nochmals bitten ließ, Kurfürft
Auguft möge den Bremer Erzbiihof bewegen, zu feiner Weiterung
Urſache zu geben, fondern es bei.der Appellation nad) Rom be—
ruhen zu lafjen, verjprad der Kurfürft zwar für gütliche Beilegung
des PVoftulationsftreites fi zu bemühen, that aber nichts weiter,
als daß er feinem Neffen von Pflugs Relation und Herzog Als
brechts Beſcheid Kenntnis gab. Dagegen ſandte Erzbiihof Hein—
rih feinem Oheim die Rechtfertigungsichrift Wefterholts und
außerdem Kopieen von Berichten, welhe er von einem ebange=
lichen Domherrn zu Köln (Hermann Adolf von Solms) über die
dortigen Vorgänge, insbejondere über die geplante Ausſchließung
aller evangelischen Kapitularen, erhalten habe. Daß ſolche Abſicht
bintertrieben werde, müſſe namentlid den Herzögen Julius von
Braunschweig und Adolf von Holftein, deren Söhne bereit3 Ka—
nonifer zu Köln, angelegen fein. In einem eigenhändigen Poft=
ſcript, vom 21. Juni, fordert Heinrich feinen Dheim auf, „als
das vornehmfte Haupt aller derer, jo fi) [zu] der reinen gefunden
Lehre der Augsburger Konfeſſion bekennen, auch diejelbige je und
Loſſen, Köln. Krieg I. 33
514 Sechſtes Buch. Zweites Kapitel.
allzeit vor allen anderen Kur- und Fürſten vornehmlid befördert
haben‘, diefen beſchwerlichen Saden zu begegnen und borzubauen.
Zugleich ſagte er jih nunmehr für jeine Perſon von Kurfürft Sa—
lentins jo lange verfolgtem köln-münſterſchen Plane förmlid) Los.
„as auch‘, jchreibt er, „in der bayriihen Rejolution angezogen,
daß ©. 2. mir mit Münfter Gewiſſens halber nicht können wei—
hen, jo muß ich's dabei wenden laffen und den Event göttlicher
Schickung heimftellen, und fann viel weniger meines chriſtlichen
Gewiſſens halber S. des Bayern 2. Sohn, dem Aodminiftratoren
zu Freifingen, in der kölniſchen Sade einige Beförderung er—
zeigen, weil ih nun jceinbarlih jehe, mas für ein Unheil
daraus erwachſen wird, jofern er dazu fommt, in dem auch
E 8. mid) unfreundlih nicht werden verdenfen.” Er bat,
Kurfürft Auguft möge den Kölner Kurfürften von der beab-
fihtigten Erfommunifation feiner Kapitularen abmahnen und fügte
als Beweis, wie jhlimm es der Papft meine, Kopie eines Breves
(vom 4. Februar 1576) an das münfteriche Kapitel bei, woraus
zu erjehen, daß derjelbe feinen, der nicht von papiftiidhen Eltern
geboren, fonfirmieren wolle. — Dem Herzog von Fülih hatte
Heinrich bereit3 am 30. Mai erklärt, indem er demjelben die an ihn
gerichteten Streitihriften der Senioren und Junioren zujandte, er
befinde „gleichwohl die Saden auf des Statthalter Seite jo gar
unrihtig nicht, wie man fie ſonſt machen wollen‘; zugleich be=
ſchwerte er fich bitter, daß des Herzogs Sohn in feiner Appella=
tion ihn dermaßen „durch öffentlihen Anſchlag ausgetragen ‘;
eher Hätte er eine Freundliche Warnung erwartet, wenn dem Herzog
bewußt, wie ungütlih man zu Rom gegen ihn gefinnt jet.
In denjelben Tagen, da fich Erzbischof Heinrih, auf Grund
jeines religiöjen Belenntnifjes, als offenen Gegner der bayriichen
Nachfolge in Köln erklärte, that Herzog Ernft dajelbit einen Schritt,
der ihn vor aller Welt als Vertreter der katholiichen Reftauration
befundete: er hieß Sich freimillig, ehe no irgendein Eid oder
Statut ihn dazu verpflichtete, zum Prieſter weihen.
Am 29. Mai, nadhdem durd die Brühler Beiprehung mit
Das Ende des Salentinfchen Planes. 515
Kurfürft Salentin feitgeftellt war, dat man die bayriihe Nach—
folge nur nod mittels freier Wahl ſuchen wolle, Hatte Her:
309 Ernſt die beiden angejehenften Prieſterkanoniker, Smolgen
und Drth, bei fih zum Morgenmahl, um von ihnen zu er—
fahren, wie er die Gemüter der Kapitularen, insbejondere der
Priefter, gewinnen Fönne Sie meinten, zunädft follten Herzog
Ernſt und jein Vater fih bemühen, daß die Mißverſtändniſſe
zwiſchen Kurfürft und Kapitel vor Salentins Refignation gehoben
würden, jo wie daß diejer dem Kapitel die rüditändigen Renten
vergüte. Ernft wies darauf hin, daß Salentin ihm zuliebe bereits
in die faiferlihe Kommiffion gemwilligt und auf die Koadjutorie
verzichtet habe; auch fernerhin wolle er jo viel als möglid) ver:
mitteln, nur jei der Punkt wegen der Rückſtände ſchwierig, weil
eben die Aheinzölle infolge der niederländifchen Unruhen meniger
eintrügen. Diejen beiden Wünſchen fügte Swolgen dann noch
einen dritten hinzu: ſeit langen Fahren, jagte er, hätten fie nur
Kurfürften und nie einen fonjekrierten Erzbiſchof gehabt; nun wolle
das Kapitel gern einmal einen wirklichen Bischof haben; fie hätten
deshalb geihmworen, feinen zu wählen, der ſich nicht zum Prieſter
weihen laffe; wenn der Herzog dies zu thun veripredhe, würden
ihm von den acht Priefterfanonifern mindeftens jieben ihre Stim—
men geben. Ohne abzumarten, was jeine mitanmwejenden Räte
dazu jagten, antwortete Ernſt ſofort: er jei bereit, nit nur,
falls ex gewählt, Priefter und Biſchof zu werden, fondern würde
fi) ſelbſt als einfacher Kanonikus weihen laffen, wie viel mehr
jegt, da er bereits zwei Bistümer befige; jofort wolle er die
nötigen Dispenje von Rom verlangen. Die Räte meinten zwar,
eine Drdination vor der Wahl werde, wenn hernach der ges
hoffte Erfolg nicht erreicht, verkleinerlih für Herzog Ernſt fein;
dieſer ließ ſich jedoch nicht irremachen. — Vielleiht war gerade
infolge der heftigen Dppofition, welche er bei den proteftantiidhen
Elementen des Kapitels fand, der fatholiihe Eifer jeiner Knaben
jahre wieder erwacht.
Die Inftruftion, melde Herzog Albreht jeinem Sohn und
33%
516 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel.
deilen Räten mit nad Köln gab, war noch erfüllt von demielben
Geifte des Mißtrauens in Herzog Ernft, welchen vormals die In—
ftruftion zur Reife nah) Rom atmete; Ernſts Fehler und Schwä-
hen: feine Nadhläffigleit im Gebet, feine Unbeftändigfeit im Reden,
feine Freude an Zrinfereien und am Weidwerk, jein Hang zu
Verihwendung und Spiel, zu Schuldenmaden und meltlicher
Leichtfertigkeit, waren in ihr ſcharf hervorgehoben; den zugeordneten
Räten, namentlih dem Freiherrn von Marlrain als Marſchall
und Dandorf al3 Hofmeifter, war die ftrengfte Aufjiht über Her—
zog Ernſt anbefohlen. — Dieje fanden jedod feinen Anlaß zur
Strenge. Denn Ernft hielt ſich von felbft jo, daß fie nur Rühm—
liches zu berichten wußten; freili waren au fie jelbft nicht fo
engherzige und argwöhniſche Zuchtmeifter, wie vordem Fabricius
und Porzia. Bejonders fanden fie Ernfts Frömmigkeit zu loben:
er beſuchte fleißig die Kirchen, nahm teil an Prozeſſionen, aſſi—
ftierte fogar am Fronleihnamsfeft, zur Freude der ganzen Kölner
Klerifei, beim Hochamt im Dom und jang dabei das Evange—
lium ). Außerdem benahın er fih freundlich gegen die Edel—
herren jeiner Partei, würdig gegen die Gegner und Zweifelhaften,
höflich gegen jedermann, verjäumte aud nicht vor angejehenen Bür-
gern, namentlid) dem Bürgermeifter Lyslirchen, id) von dem Ver—
dacht zu reinigen, als fei er mit Salentins Drohungen gegen die
Stadt einveritanden.
Ernſts Abfiht, jekt ſchon die Priefterweihe zu empfangen,
ſchien aud feinem Vater, aus gleihem Grund wie den Räten,
bedenklih; dagegen drängten der Nuntius und einige Priefter-
fanonifer auf baldigen Empfang; ihren Gründen und Herzog
Ernfts entſchiedenem Willen gaben die Räte nad. Bereit3 war
die Weihe auf den Fohannisabend, die Feier der Primiz auf das
Feft Peter und Paul feftgefegt, als des Herzogs förperliches Be-
1) Wiewohl er erft Subbiafon war. Eine Angabe über Herzog Ernits
Weihe zum Diakon babe ich nicht gefunden; wielleicht unmittelbar vor ber
Prieftermeibe ?
Das Ende bed Salentinfhen Planes. 517
finden einen Aufihub ratſam ericheinen lied. Schon jeit Ende
Mar fühlte ſich Ernſt infolge eines Aderlaſſes unwohl, bald danach
zeigte fi) an feinem ganzen Leib, bejonder aber an den Händen,
ein ichmerzhafter läftiger Ausihlag, der troß allen Salben und
anderen Mitteln nicht weichen wollte und ihn tagelang ans Zim—
mer feflelte. Dr. Reiner Solenander, des Herzogs von Jülich
Leibmedicus, fam und riet, no vor den Hundstagen, wenigftens
ein paar Wochen lang, Bad Burtſcheid bei Aachen zu gebrauchen.
Die Räte wünſchten alfo, daß die Priefterweihe bis zu Ernſts
Rückkunft aus dem Bade verſchoben werde. Aber die Priefter-
fanonifer und befonder3 Porzia nahmen das jehr übel auf: wenn
Herzog Ernſt nicht noch vor feiner Abreife ſich weihen lafje, er—
flärte der Nuntius, jehe er fein Mittel, die gemogenen Kapitu—
laren, namentlid die Priefter, länger an ihrem Pla zu halten;
jie würden glauben, man meine e3 nicht ernft, fondern gebe nur
ihöne Worte, wie die früheren Kurfürften. Ein Anftoß von außen
fam hinzu: Seit feiner Rüdkunft nah Köln trat au der Dom—
dehant Anton von Schauenburg al3 Bewerber um die Kur auf;
die bayrischen Räte meinten, auf Anftiften de3 Dompropftes und
des Grafen Hermann Adolf von Solms, welche wüßten, daß der
gute junge Herr ziemlich beichränft fei, und ſolchermaßen feine
Stimme dem bayriichen Herzog entziehen wollten. Graf Anton
(ud bereit3 die Priefterfanonifer zu Tiſch ein, bat fie um ihre
Gunſt und verſprach ich eheftens zum Priefter weihen zu lafien. —
Kanoniſche Hinderniffe ftanden Herzog Ernſts Weihe nicht mehr im
Mege, jeitdem die von Rom wiederholt, zulegt durch einen eigenen
Kurier feines Vaters, für den Fall der freien Wahl geforderten
Dispenie — zur Weihe außerhalb der gewöhnlichen (Duatember=)
Zeiten und vor Erreihung des kanoniſchen Alters, ferner zur
Beibehaltung mehrerer Bistümer — endlid eingetroffen maren.
So ließ fid) denn Herzog Ernft am frühen Morgen des 19. Juni
in der GStiftsfirhe St. Gereon, in Gegenwart feiner Räte, zweier
Priefterfanonifer, des jülihihen Rates Dr. Walter Fabricius und
einiger anderen Perſonen durd den Kölner Weihbiihof. zum Prie=
518 Schfted Bud. Zweites Kapitel.
fter weihen ). — As er naher im Domkapitel erihien, gratus
lierten ihm jämtliche Prieſterkanoniker „mit jonderem Eifer und
Freuden‘, der Truchſeß aber „mit wenig Worten und ftillen Ge—
bärden‘. Am nächſten Zage ſchon trat Herzog Exnft feine Bade:
reife an, Dr. Gotfrid Gropper erbot ſich inzwiſchen in Köln zu
bleiben, wohl aufzumerfen und des Herzogs Stelle zu vertreten.
1) Der Kölner Weihbifhof Dr. Erafchel wird zwar in ben bayrifcen
Berichten nicht ausdrücklich als Konfelrator genannt, aber aud fein
anderer; alſo war er es ohne Zweifel.
3. Kapitel.
Kurfürſt Salentins‘ Rücktritt. *
m
Bei Salentins Wahl im Jahre 1567 hatte ſich gezeigt, daß
von den beiden höchſten Dbrigfeiten der Kaiſer den größeren Ein-
fluß auf das Kölner Domkapitel beſaß. Jedoch war aud des
Papites Macht nicht gering, da ſich nicht leicht einer von den
Briefterfanonifern jeinem ausgeſprochenen Willen zu widerſetzen
wagte. Wenn alfo Gregor XII. auf Herzog Ernſts Wahl be=
ftand, jo waren Ddiefem von den vierundzwanzig MWählerftimmen
acht beinahe gewiß. Voll Eifer hatte vor nun fieben Jahren
unter ſpaniſchem Einfluß Papft Pius V. den Gedanken der bay—
riſchen Succeifion in Köln ergriffen; al3 dann im Jahre 1574
Kurfürft Salentin den Plan wieder aufnahm, fand derjelbe fo
*Quellen: Die meiften ber o. Kap. 1 u. 2 angeführten Arcivalien, be-
fonder8 DA. Domlap.-Protot. Nr 157; Erzbifchöfe. Gebhard Truchfeh
1a u. db; Köln Domftift 323 ® u. b; Jül.Berg. Polit. Begebenheiten
Nr. 17. — StA. 38/3 u. 10 bis 14 (namentlih Nr. 13); 399/49
u. 59; einzelnes 161/3; 230/2; 401/10. — RU. Münfter T. VI. —
Kr. J. Geiftl. Sachen Fasc. 2 (Briefmwechfel zwiſchen Herzog Albrecht
und Dr. Fabricius). — Freifinger Akten: Bibl. Föringer. Nr. 3238/9. —
Dri. loc. 8926. — MA. Erzftift Köln 1577. — DillA. R. 60 und
Dill. Korr. 1577. — Gebrudt nur wenige® bei Theiner II, 274.
279sq. Groen van Prinsterer VI, 151. Lacomblet, Ur-
tundenbud IV, Nr. 580. Aus Herm. von Weinsbergs Gebenf-
buch (von Ennen) Zeitfhr. f. D. Kult. Geld. 1874, ©. 732.
Ennen IV, 644. Über Salentins NRefignation in Paderborn
Strunck (Schaten), Ann. Paderb. ad a. 1577.
520 Sechſtes Bud. Dritted Kapitel.
ſehr Papft Gregors Billigung, daß er, aus eigenem Antrieb und
Salentins Wünjhen zuvorkommend, dieſen ermächtigte, jelbit
wider den Willen feines Kapitel3 den jungen Bayernherzog zum
Koadjutor anzunehmen. Mit diefer Erlaubnis in der Hand ge=
dachte Salentin fein Domtapitel gefügig zu maden. Und nod im
Januar diefes Jahres hatte Gregor in aller Form den Admi—
niftrator von Freifing zu Salentins Koadjutor und Nachfolger
beftellt. — Da trafen, am 30. April 1577, jene Schreiben des
Domkapitels vom 26. Januar in Rom ein, in melden bittere
Beichwerde geführt wurde über Salentins Behauptung, daß ihm
von Papſt und Kaiſer befohlen jei, den bayriihen Herzog auch
wider des Kapitels Willen zum Koadjutor anzunehmen. Monate-
lang war das Briefpafet infolge der durch die Peſt verurſachten
Verkehrsſtockung in Trient liegen geblieben, bis es endlih ein vom
faijerlihen Hof zurüdkehrender Kurier mit nah Rom nahm.
Sofort begab fih nun der Agent des Sapitel3, Dr. Leonard
Voſſius aus Hafjelt, päpftliher Kämmerer, zum Kardinal von
Como, überreichte die Schreiben und bat zugleih um Kopie jenes-
Breves, auf Grund deſſen der Kurfürſt die Koadjutorie haupt—
ählih forderte. Zwar konnte er diefe Kopie nicht gleich be=
fommen, jedod äußerte fi der Kardinal in einer Weiſe, daß
Voſſius fih befugt glaubte, ſchon mit der nächſten Poſt feine
Herren vom Kapitel zu verfichern, es ſei gewiß nit der Wille
diejes Vapftes, den man megen feiner Milde und feines Eifers
für die Erhaltung aller alten Privilegien den „ Friedfertigen ‘
nenne, dab ihnen ihr Erzbiſchof mit folder Schärfe einen Koad—
jutor und Nachfolger aufdringe. Verdächtig müſſe ihnen ſchon er=
iheinen, daß Salentin weder Kopie des Breves mitgeteilt noch
Einfiht geitattet habe. — Diejes Schreiben traf nod vor Herzog
Ernft3 Abreife ins Bad Burticheid, Anfangs Juni, in Köln ein
und machte unter den Kapitularen großen Eindrud. Vor Herzog
Eruft jowie vor dem Nuntius Porzia wurde der Wortlaut jorg-
fältig geheimgehalten, was zur Folge hatte, daß beiden ſtark
Übertriebenes über deſſen Inhalt hinterbracht wurde: Voſſius habe
Kurfürft Salentins Rüdtritt. 521
geichrieben, der Papſt jet durchaus gemillt, das Kapitel bei feiner
freien Wahl zu handhaben, nur auf ſtarkes Anhalten etlicher
hoben Potentaten und wider feinen eigenen Willen habe er die
früheren Breven zu Herzog Ernſts Gunften erlaffen. Porzia war
heftig erzürnt über diefes Schreiben, welches feiner Inftruftion und
allem, was er bisher gehandelt, widerſpreche und ſowohl feine wie
des apoftoliihen Stuhles Autorität aufs äußerfte gefährde. Er
forderte jofort von Rom, daß der verwegene Autor berichtigt und
beftraft werde. — Vierzehn Tage danad), als Herzog Ernſt bereits
in Burtideid war, fam jedod ein zweiter Brief von Voſſius,
ähnlichen Inhalt wie der erjte, aber nody mit dem Zufag, er jei an—
gemwiejen, dem Kapitel zu verfihern, der Papft wolle ihnen nicht wider
ihren Willen den Biihof von Freifing zum Erzbiſchof aufbringen,
jondern verlange nur, daß fie einen flugen und würdigen fatho=
lichen Mann wählten; eben al3 einen ſolchen habe er ihnen den
bayriihen Herzog empfohlen; Salentin werde fein Breve vorlegen
können, welches ihn ermäcdhtige, wider ihren Willen einen Koad—
jutor anzunehmen; der Papft halte darum auch nicht für nötig,
jelbft auf das Schreiben des Kapitel3 zu antworten oder ihnen
die verlangte Kopie zuzuftellen; da fie ſich feit jo langer Zeit nicht
weiter bejchwert, jei vermutlich ohnehin jegt alles in Frieden. —
Der wirklihe Grund, weshalb Voifius feine Kopie des Koadjutorie=
breves befommen und mitſchicken fonnte, war aber der, daß der
bayriihe Gejandte dies zu hintertreiben gewußt hatte. Dr. Fabri—
cius bradte es weiter dahin, daß von den beiden Kardinälen, an
welche die Begleitichreiben des Kapitels gerichtet waren, der eine,
Madruzzi, nur in den allgemeinften Ausdrüden des Wohlwollens
antwortete, der andere, Morone, jogar mit einer mwarnten Em—
pfehlung des Herzogs Ernft: wenn dem Kapitel der Modus der
Koadjutorie nit genehm ſei, könnten fie diefen ja durch freie
Mahl zu ihrem Biſchof machen; dadurd würden die Zwiftigfeiten
mit ihrem jekigen Erzbiſchof am einfachſten gehoben.
In Köln verfehlten jedoh des Voſſius fede Lügen ihre
Wirkung nicht. Schon unter dem Eindrud feines erſten Briefes
522 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
iheint die Antwort abgefaßt, melde das Kapitel am 15. Juni
durd feine Deputierten, Herr Gebhard Truchſeß, Dr. Smolgen
und Dr. Kempis, dem Nuntius auf feinen Vortrag vom 8. Mai
zuftellen ließ. Sie jeien, heißt e3 darin, zu allem ſchuldigen Ge—
horſam gegen Papft und Staifer bereit; was fie an beide geſchrie—
ben, bedeute weder irgendwelchen Ungehorſam gegen diefe, nod
jet es gemeint zur Verachtung des Herzogs Ernſt, den fie jelbit
größerer Ehren für würdig eradhteten, ſondern nur zu pflicht:
ihuldiger Verteidigung der Freiheit ihrer Kirche. Wenn ihnen der
apoftoliihe Stuhl ihre freie Wahl laſſe, wollten fie bei der künf—
tigen Sedispalanz der väterlichen Ermahnung St. Heiligkeit ein—
gedenf fein, fomweit dies mit den kanoniſchen Satzungen, Kon—
zilien, Sonkordaten der deutichen Nation, Statuten, Gewohnheiten
und Privilegien ihrer Kirche vereinbar. — Porzias mündliche Ant-
wort, worin er das Kapitel neuerdings aufforderte, nad) dem
Willen von Papft und Kaifer den bayriſchen Herzog zum Biſchof
anzunehmen, wurde nachher von Gebhard Truchſeß als Agitationg:
mittel gegen dieſen jelbit benußt.
Mehr nod) befeftigte Voſſius' zweiter Brief die Kapitularen
in ihrem Entihluß, ſich feinen Schritt vom Wege der freien
Mahl abdrängen zu lafjen. Dr.-Gotfrid Gropper meldete dem
Herzog, die Gegner im Kapitel wollten fi) nunmehr in Rom be:
ftätigen laffen, daß der Stoadjutorieplan nit vom Papfte ausge:
gangen jei, und alsdann ihren Kurfürften bei anderen Kurfürften
und Fürften wegen Eidbruches verklagen, ihn aber (Gropper) als
Salentins Vermittler ohne weiteres aus dem Kapitel ſtoßen. —
Auch jonft hatte Gropper wenig Erfreulihes nad Burtiheid zu
berihten: Graf Ludwig von Wittgenftein verweile nebit einem
Grafen von Falkenftein zu Köln im Haufe feines Bruders, des
Dompropftes, wo fie viel mit dem Domdechanten praftizierten, um
diejen von Herzog Ernſt abzuziehen; andere Grafen, darunter aud
Hermann von Neuenar, würden zu Köln erwartet: Ein Her,
1) Einem Grafen von Falfenftein begegnen wir fonft nie in dieſen Hän-
Kurfürft Salentins Nüdtritt. 523
auf den man fi bisher feſt verlaffen habe, Elage, daß ihm der
Kurfürjt nicht Halte was verſprochen, und daher, „duro necessi-
tatis telo verwundet ‘, am Ende genötigt fein werde, wider Abjicht
und Neigung zu handeln; der Afterdehant Thengen ſei verleft,
weil Salentin ihn jüngft in Weſtfalen jchledht empfangen habe; der
Kurfürſt ſelbſt aber fühle fi dadurd) beleidigt, dal Geſandte von
Don Juan Y’Auftria jüngft zu Köln geweſen feien, ohne ihn anzu:
iprehen; das faſſe er ſo auf, als wolle man ihn von bayriicher
Seite jegt ganz umgehen.
Der „vom Pfeile der Not verwundete‘ Herr war Johann
Daniel von Winneburg, welder in ſchweren Schulden ftedte und
mit Pfändung bedroht war. — An Praktiken der Wetterauer
Grafen fehlte es in der That nicht: auf ihre Bitten bemühte ſich
Pfalzgraf Johann Kaſimir bereits jeit Anfang Juni, feinen Bru—
der den Kurfürften zu der geplanten Sendung an Kurfürft und
Kapitel von Köln zu bewegen. Zum jelben Zwed fanden ſich
einige Wochen jpäter Johann von Naffau und Konrad von Solms
in Perſon bei Kurfürft Ludwig und dem mit ihm befreundeten
Grafen von Henneberg im Bad Ems ein. Im Laufe des Juli
kam Graf Johann mit mehreren Grafen von Solms und den
Gejandten anderer Wetterauer Grafen wiederholt in Braunfels
zufammen, wo fie beſchloſſen, Hhauptjählih wohl um Kurfürft
Ludwigs Zaudern zu überwinden, die anderen Pfalzgrafen, na—
mentlid Johann Kaſimir und Reichard, ſowie die heſſiſchen Land—
grafen in aller Form um ihre Teilnahme an der gewünſchten
Geſandtſchaft nach Köln zu erſuchen. Von Braunfels aus ging
dein; Gropper irrt ſich alſo wohl im Namen; vielleicht iſt einer von Witt-
genſteins Schwägern, von Solms gemeint. Am 15. Juni jhreibt Graf Ludwig
an feinen Bruder (Tagebuh Nr. III. Berleb. Bibl): „Ich wil initio Julii
nah Eoln, bit Solms [d. t. Graf Hermann Adolf?) und Drures ufzu=-
halten.” — Bon Ende Juni bis zum September fehlen in Graf Ludwigs
Tagebuch alle Einträge; war er vielleicht die ganze Zeit über in Köln? —
Zum 12. Juli wird in den Domfap.-Protof, (DA.) erwähnt, daß damals
Graf Hermann von Nenenar zu Köln fih aufbielt.
524 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
Graf Zohann nah Marburg, wo es ihm endlich gelang, Land—
graf Wilhelms bisherige Gleihgültigfeit in der Wahlſache zu bre-
hen. Kurfürft Ludwig dagegen brachte es zu feinem Entſchluß;
von Natur ängftlih, trug er Bedenken, gleih im Anfang jeiner
Regierung ohne feine Mitkurfürften irgendetwas Ungemöhnliches
zu thun. Nachher bot ihm freilich die jetzt beobachtete Neutra-
lität willlommenen Anlaß, ji der auf Grund ihrer Verwandt-
ſchaft geftellten Bitte des bayriichen Herzogs um feine Fürſchrift
für Herzog Ernſt zu entziehen.
Der Hauptgrund der von Gropper gemeldeten tiefen Ver—
ftimmung Salentins war die Einfiht, da er nunmehr von Papft
und Kaiſer vollftändig im Stiche gelaffen ſei, folglih nicht mehr
hoffen dürfe, die verhaßten Domkapitularen zum Gehorfam zu zwin-
gen. — Der ſchriftliche Befehl des Kaiſers, welchen Salentin jüngſt
von deſſen Gejandten Hans Breuner gefordert, hatte nicht lange
auf ſich warten laffen. Ende Juni, als Salentin wieder einmal aus
Weitfalen an den Rhein gekommen war, erfuhr er, eigene failer-
lihe Kommiffare jeien abgeordnet, um zwiſchen ihm und feinem
Kapitel zu vermitteln, zugleih aber um ihn zu ermahnen, frei zu
tefignieren und des Kapitels ordentlihe Wahl nicht zu hindern ?).
Was Voſſius aus Rom geichrieben, wußte Salentin ohne Zweifel
durch feinen Vertrauten, Dr. Gropper. — Daraufhin ließ er Anfangs
Juli den Freifinger Kanzler, Dr. Römer, nad) Kaiferswerth fommen
und führte vor ihm, in Gegenwart feines Kanzlers Burkhart,
bittere Klage über das Benehmen der beiden höchſten Häupter:
beide feien ihren eigenen früheren Befehlen und Zuſagen untreu
geworden; freilich habe Kaiſer Rudolf ſchon vorher, während er ji
Öffentlich für Ernſt erklärt, heimlich für einen feiner Brüder prak—
tizieren laffen und ähnlid der Papft für Erzherzog Ferdinands
Sohn. Wenn Papft und Kaiſer es ernft gemeint, hätten fie er—
- 1) Die Inftruttion ber kaiferlihen Kommifjare kenne ich nur aus bem
lateinifhen Auszug bei Theiner 1. c., welcher ziemlih genau zu fein
ſcheint.
Kurfürft Salentins Rüdtritt. 525
klären jollen, das Kapitel werde, wenn es nicht den Nüglichften
und Würdigiten wähle, Konfirmation und Regalien nicht erlangen;
ftatt deffen fordere die neue kaiſerliche Kommilfion nicht? anderes
al3 feine Refignation und freie Wahl für das Kapitel, welches
dadurd nur in feiner Anmaßung beftärkt werde. Er ſei bereit,
eheſtens zu vefignieren,; jollten dann aber er und das Haus
Bayern einen Schimpf erleiden, jo würden Papft und Kaiſer aud)
nicht leer ausgehen. Auch über feine geiftlihen Mitkurfürften bes
ſchwerte er fi, weil fie fonnivierten und dijfimulierten. Zwiſchen—
drein ereiferte er fi nad) feiner Gewohnheit über fein Domfapitel
und die Pfaffen überhaupt: kaum eine alte Gans würde er
den leichtfertigen, gemifjenlofen, mehrernteil3 ketzeriſchen Kapitu—
laren anvertrauen, geſchweige denn dieſes hochlöbliche vornehmfte
Erzitift. Er habe aber dem Mainzer Erzbiihof ins Geficht ges
jagt, wenn durch ſolche Nadhläffigleit ihm und dem Haufe Bayern
Schimpf und Spott erfolge, wolle er den Schimpf rächen, alle
böſen Buben, fie feien Galviniften oder welcher Religion fie woll—
ten, al3 den Caſimirum und dergleichen, jo ihm hierzu rechte Geſellen
jein würden, an fi hängen, das ganze Stift mit Brand und
Mord verheeren und verderben, aud alle Pfaffen und ihn, den
Mainzer ſowohl als andere vertreiben, auf daß fie ſähen und ihren
Lohn empfingen, weil fie jeßt zur Zeit, da fie den fatholiichen
Glauben erhalten und Ihügen könnten, jchliefen und ftille ſäßen. —
Nachdem er alio feinem Zorne Luft gemacht, gab er den Wat,
man jolle dafür forgen, daß die faiferlihen Kommifjare zur Zeit
feiner Refignation, d. h. etwa Ende Auguft, alle Kapitularen
zufammenbejchrieben; dann könnten fie denjelben verſprechen, falls
man dem Kaifer — duch Wahl des bayrischen Herzogs — folge,
würden fie vermitteln, daß nachher die Irrungen zwiſchen Kurfürft
und Kapitel fallen gelaffen würden. In die Wahlfapitulation
dürfe man davon nichts, vor allem nicht die Zonjer Sache kom—
men laſſen. Er für jeine Perſon habe feine Luft mehr, megen
der politiihen Händel mit den hocdhmütigen und ungehorfamen
Kapitularen fi einzulaffen.
526 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
Daß es Salentin mit dem, was er dem Freifinger Kanzler
jagte, ernft war, zeigte ſich bald danach, als, am 18. Juli, die
faiferlihen Kommiſſare, Wolfgang Kämmerer von Worms genannt
von Dalberg, Dompropit zu Mainz, Andreas von Oberitein,
Domdehant zu Speier, und Dr. Hegenmüller bei ihm in Bonn
anlangten ). Auch vor ihnen beichwerte er fid) bitter, daß man
ihn jest zumute, Leuten, wie diefe, die Wahl frei anheimzugeben,
nachdem er fi früher, auf Befehl des Papſtes und mit Willen
und Willen des verftorbenen Kaiſers, jo lange bemüht, den Frei:
finger Bischof zu feinem Nachfolger zu maden. Er ſei bereit,
dem neuen Befehle gemäß, ohne einen Pfenning zurüdzubehalten,
frei zu vefignieren,; die Verantwortung für die Folgen lehne er
aber von fi ab. Wenn die Kommiffare nad) Köln Hinabzögen,
würden fie jehen, wie die Leute beichaffen und was fie mit ihrer
bloßen Empfehlung für Herzog Ernſt bei denſelben ausrichteten.
Eine Unterhandlung zwiſchen ihm und jeinem Sapitel jei über:
flüffig, denn die Zonſer Sade ſei vehthängig, und von /anderen
Irrungen wiſſe er nichts. — Damit ließ er die Kanoniker ſitzen
und ritt in jeinem Groll von dannen, nad feinem Schloß
Arenfel3.
Die Kommiffare aber zogen andern Zags nad) Köln, wo fie
von den Epdelherren nur Dechant und Afterdehant, den älteren
Solms und’ den älteren Winneburg, ſowie den Truchſeſſen fanden.
Eine Vollmacht, das ganze Kapitel zu citieren, hatten fie nicht;
jo beſchränkten fie fich darauf, die anmejenden Kapitularen einzeln
anzuiprechen und jedem gemäß ihrer Inſtruktion zu verlihern, daß
der Raifer das Kapitel bei feiner freien Wahl handhaben werde.
Daneben empfahlen fie die Wahl des bayriichen Herzogs. Geb:
1) Herzog Albrechts Anfinnen an den Kaifer, daß Salentins geiftliche
Mitturjürften und Graf Otto Heinrih von Schwarzenberg zu Kommijjaren
ernannt werben follten (vgl. o. ©. 510), war, als zu fpät erfolgt, abgelehnt
worden. Übrigens verficherte wenigſtens Dr. Hegenmüller fhon im voraus,
er werde e8 an Gifer zu Herzog Ernft8 Gunften richt fehlen Taffen.
Kurfürft Salentins Nüdtritt. 527
hard Truchſeß und der Dedant antworteten ausweichend, die
anderen meiſtens günftig für Herzog Ernft; einmütig aber erklärten
alle, diefem habe niemand mehr geihadet al3 der Kurfürſt jelbft
mit feinem rauhen Wuftreten und der Nuntius mit feinem
Eifern gegen die freie Wahl. Porzia jelbft, mit welchem der
ihm von früher her befannte Speirer Domdechant zunächſt allein
ſprach, dachte nicht jo: Allerdings Hatte er ich ſelbſt gegen
Salentins Koadjutorieplan erklärt, aber durchaus nicht in der
Meinung, dag man darum dem Kapitel die Wahl ganz frei laffen
jolle. Die Kommiſſare hätten entweder das Zugeftändnis freier
Wahl an die ausdrüdlihe Bedingung fnüpfen follen, daß fein
anderer als der von Papft und Kaifer Empfohlene gewählt werde,
oder hätten wenigftens zuerft den Herzog Ernſt empfehlen und
erſt nachdem jie feinetwegen Gewißheit erlangt, die freie Wahl ge—
ftatten follen. Die Art, wie fie jegt verführen, fei für den apo—
ſtoliſchen Stuhl und für ihn ſelbſt höchſt verlleinerlich; zudem
würden Bayerns Gegner im Kapitel dadurch nur um To beherzter,
Ernfts Ausfihten aber verichlehtert. Zum Beweis hierfür berief
fi) Porzia in einem Briefe an Herzog Albredt auf das Benehmen
des Truchieffen: wenn diefer nicht ficher darauf rechnete, im Falle
freier Wahl jelbft gewählt zu werden, würde er gewiß nicht
wagen, durch offene Dppofition gegen Herzog Ernft der Ungnade
de3 Herzogs von Bayern und des Erzherzogs Ferdinand fi aus—
zuſetzen.
Inzwiſchen waren, am 23. Juli, Herzog Ernſt mit dem Herrn
von Marlvain und Dr. Römer aus Burticheid, Dandorf aus
Bid Spaa zurüdgelommen und verhandelten nun aud mit den
faiferlihen Kommifjaren. Herzog Ernſt meinte anfangs, Ähnlich wie
der Nuntius, weil die Kommiffare vor verjanmelten Kapitel noch
nichts vorgebracht, könnten jie aud) jegt noch die Wahlfreiheit dahin
einichränfen, daß es Papſt und Kaiſer unbenommen bleibe, jederzeit
vor, in und nad der Wahl von ihrer Autorität Gebrauch zu
machen. Aber die Kommiljare ftellten ihm vor, daß fie gerade
duch ihre Verfiherung, Herzog Ernſt ſei ſchuldlos an dem ver—
53 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
ſuchten Zwang, ihm die Gemüter mancher Kapitularen wieder ge=
wonnen hätten; denn dieje jeien alle feft entichloffen, lieber das ganze
Stift zugrunde gehen, al3 ihre freie Wahl ſich nehmen zu lafjen;
fie, die Kommifjare, wollten ſich alle Mühe geben, Kurfürft und
Kapitel auszuföhnen und deswegen nad Bingen reifen, wo dem—
nächſt (Hauptjächlidy wegen der Aufnahme des neuen Pfälzer Kur-
fürften in das Kurfürftenfolleg) ein Kollegialtag der vier- rheinischen
Kurfürften ftattfinden jollte, wollten endlih Herzog Ernſt zuliebe
noch vor der Refignation wieder nad Köln kommen. — Schließ—
lich erklärten fi Herzog Ernft und feine Räte mit der Anficht
der Kommifjare völlig einverftanden ; auch der Nuntius, behaupteten
diefe, habe ſich zulegt mit ihnen verglichen. Porzia jelbft wider:
ſprach dem freilich: er habe nur gejagt, wenn die Kommiſſare jo
beftimmte Befehle von 8. Mt hätten, gebühre ihm nicht dicjelben
zu tadeln. — Auf Herzog Ernfts Wunſch ſprachen die Kommiſſare
aud mit einigen vornehmen Bürgern, zunächſt mit dem einen
Stadtiyndifus Dr. Betdorp, welcher fih aus Anlaß der Kaiſers—
werther Drohreden Salentins jehr ſcharf gegen Ernſt und für die
Mahl eines der Stadt genehmen Biſchofs ausgeiprochen hatte; —
ferner mit den beiden Bürgermeiftern Lyskirchen und Pilgrum !).
Lyskirchen gab zu, es jei allerlei geredet worden, jedod nicht im
Stadtrat ſelbſt; diefer ‚werde fi gewiß nicht in die Wahl ein-
mischen, oder dem Kapitel Ma und Drdnung geben wollen; wohl
aber würden jie auf dem beftehen, was altes Herkommen.
Gleich danah, am 26. Juli, brachen die failerlihen Kom:
miffare nah Bingen auf, um dort nod vor Salentins Ankunft
die Kurfürften von Mainz und Zrier um ihre Vermittelung zu
erjuchen. Während des Kollegialtags gab ſich befonders der alte
Huge Mainzer Kurfürft alle Mühe, Salentin einem Ausgleid) mit
jeinem Kapitel geneigt zu ftimmen. Jedoch brachten er und die
1) Nah Gelenius |. c., p. 639 waren Meldior von Mülheim und
Gerharb von Pilgrum die regierenden Bürgermeiſter des Jahres 1577,
Mülheim wirb jedoch im unferen Alten nie genannt.
Kurfürft Salentins Nüdtritt. 529
beiden anderen Kurfürſten trog mehrtägigem Zureden bei Salentin
nicht viel mehr zumege, als diefer ohnehin ſchon auf die Auf-
forderung des Kaiſers hin zugefagt hatte: nämlich daß er binnen
einem Monat frei refignieren und die Kapitularen an ihrer ordent:
lichen neuen Wahl nicht hindern wolle; diejen feinen Entſchluß
önnten Mainz und Trier feinem Kapitel in aller Form mitteilen
und dasjelbe auffordern, zum Behuf jeiner Refignation alle Ka—
pitularen auf den 4. September zu berufen. Außerdem gab er
noch zu, daß fein Streit mit der Stadt wegen der Zollerhöhung
niedergefchlagen und alles beim Herlommen gelafien werde. Von
einem gütlihen Vergleich mit feinem Kapitel wollte er dagegen
nah wie vor nidht3 hören ?).
Im Auftrag der Wetterauer Grafen fand fih Dr. Schwarz
zu Bingen ein, um nochmals bei Kurfürft Ludwig die gewünſchte
Sendung an Kurfürft und Kapitel zu betreiben, konnte jedoch
feine perſönliche Audienz erhalten; es ſeien, Hagte er, in Ludwigs
Umgebung Leute, melde dem Grafenitand entgegenarbeiteten,
wenngleich es auch nit an guten Freunden fehle. Noch immer
aber meinte Dr. Schwarz, Salentin ſuche jegt nur durd gute
Morte die Gegner fiher zu madhen, um inzwilchen feinen Willen
deſto bejjer zu erreihen. Da nun Kurfürft Ludwig allein, ohne
andere evangelische Fürften nichts thun wolle, und bisher nur die
Pfalzgrafen Reihard und Johann Kafimir ſich bereit erklärt, ſollten
die Grafen nochmals den Landgrafen Wilhelm und andere Herren
erſuchen, an der geplanten Gejandtihaft teilzunehmen. Man
1) Am 30. Mai hatte Salentin das Kapitel aufgefordert, zum 17. Juli
in Kaiferswertb fih einzufinden, um feiner Rechnungsablage beizumohnen;
„und wiewol wir baßelbig von recht oder gewonheit wegen zu tun nit
ſchuldig, fo wollen wir e8 gleihwol darumb nit umbgehen, damit ir funftigf-
lich nit zu fagen, wir hetten dieſem erzftift mit wie fich geburt furgeftanden“,
Am 14. Juni antwortete das Kapitel, der Kurfürft möge zu Köln, in Perfon
ober durch feine Räte, Rechnung legen. DA. Köln Domftift 3238,
fol. 275ff. Diefer Briefwechlel hatte jedenfall bie gegenfeitige Verbitterung
noch verſchärft.
Loſſen, Köln. Kricg 1. 34
530 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
erreichte denn auch wenigitens jo viel, daß Landgraf. Wilhelm um
die Zeit der angekündigten Refignation Salentins einen Rat feines
Bruders Philipp von Heifen-Aheinfels nah Köln zum Dompropft
ſchickte und als Nachbar die Neuwahl eines Herrn empfehlen lieh,
welcher zwiichen den beiden im Reiche zugelafjenen Religionen die
goldene Mittelftraße (auream mediocritatem) zu halten wife. —
Dagegen bradte damals Kurfürft Auguft von Sadjien, auf
dringendes Erſuchen jeines Freundes, des bayriidhen Herzogs, feine
frühere Fürihrift für deſſen Sohn dem Kölner Kapitel wieder in
Erinnerung )).
Die bayriihe Partei, welhe wußte, daß Salentins Binger
Erklärung aufrihtig gemeint, demnad die freie Wahl nicht länger
zweifelhaft war, gab fi nun daran, unter Anleitung des Dr. Grop=
per, mit dem kurkölniſchen Kalender in der Hand, jede einzelne
Mühlerftimme zu prüfen, ob fie borausfihtlih für oder gegen
Herzog Ernſt in die Wagichale fallen werde, die ſicher geglaubten
zu beftärfen, Zweifelhafte zu gewinnen. Von den 24 Wählern ?)
1) Auf Rat des Kurfürften Auguft erfuchte Herzog Albreht auch den
Brandenburger Kurfürften um ein Fürfchreiben für feinen Sohn (26. Juli)
und erhielt fpäter ein ſolches (datiert 23. Dftober) gegen fein eigenes Er-
warten, benutte e8 jeboch nicht.
2) Die 24 Kapitularen waren damals, nah dem Rang und der An—
cienmetät: 1) Anton Graf zu Holftein-Schauenburg, Domdechant; 2) Ehri-
ſtoph Ladislaus von Thengen, Graf zu Nellenburg, Afterbehant; 3) Fried-
rich, Herzog zu Sadjen- Lauenburg, Chorbiihoi; 4) Johann, Graf zu
Mandericheid-Blanfenheim, Biſchof von Straßburg, Scholafter; 5) Reinhard,
Graf zu Solms, Domfuftor und Senior - Diakon; 6) Philipp, Graf zu
Danderjceid- Keil, Junior-Diaton; 7) Wilhelm, Graf zu Salm-Keiffericheid ;
8) Hermann Adolf, Graf zu Solms; 9) Hermann, Graf zu Holftein-
Schauenburg, Bilhof von Minden; 10) Johann Daniel, Freiherr von
Winneburg; 11) Johann, Freiherr von Winneburg; 12) Gebhard Truchſeß,
Freiherr von Waldburg; 13) Johann, Graf zu Salm-Reifferfcheid; 14) Hein-
ri, Herzog zu Sadien- Lauenburg, Poftulierter von Bremen und Osna—
brück; 15) Philipp, Graf von der Dart; 16) Exrnft, Herzog von Bayern,
Apminiftrator von Hildesheim und Freifing; 17) Profeſſor Sebaftian No—
vimola (Nyermol) von Duisburg, Senior, Paftor von St. Kolumba;
18) Dr. Konrab Orth von Hagen, Subjenior, Dedant von St. Georg;
Kurfürft Salentins Ridtritt. 531
glaubte Herzog Exnft 13 bereit3 ſicher für fi zu haben oder doch
zu befommen; nämlich 8 Edelherren: Dechant und Afterdechant,
den älteren Solms und den älteren Winneburg, beide Reiffer—
icheid, den Bremer Erzbiihof und Philipp von der Mark, und
5 Doltoren: Orth, Smwolgen, Gropper, Winkel und Walſcharz.
Einige unter diejen hatten früher als Freunde des Straßburger
Biſchofs gegolten; da diefer aber feine Ausfichten habe, würden
fie, meinte man, lieber dem bayriihen Herzog als einem andern
zufallen. — Johann von Manderſcheid fonnte nämlich, da er bereits
ein Bistum beſaß, nad) kanoniſchem Recht nicht gewählt, ſondern
nur, mit Zweidrittelmajorität, poftuliert werden. Um hierin jicher
zu gehen, bat Herzog Ernſt ſowohl den Nuntius wie feinen Vater,
dafür zu forgen, daß nit etwa auch Biihof Johann dur eine
Dispens von Rom wählbar werde, wie er jelbit es geworden mar.
Den Domdehanten, der fih, wie wir jahen, eine Zeit lang
jelbit Hoffnung auf die Wahl gemacht, meinten Xhengen und
Gropper davon abgebracht zu haben; Zhengen ließ fih von ihm
in die Hand veripredhen, daß er ebenjo wie Thengen ftimmen
werde. — Der ältere Solms hatte fi wiederholt offen für Bayern
erflärt; doch mwollte man ihn und Graf Hermann Adolf durch
ihren älteren Bruder, den weſtfäliſchen Landdroſten, noch weiter
bearbeiten. — Die beiden Reifferihei und Philipp von ver
Markt hatten ſchon vordem dem Kurfüriten ihr Wort gegeben,
feinen andern als Ernſt zu wählen. Dieſes Verſprechen erneuerte
Johann von Reifferiheid, als er Anfangs Auguft nah Köln fam,
auch gegen Herzog Ernſt ſelbſt. — Den älteren Winneburg ver:
pflichtete fi) der Herzog, indem er ihn durch ein geheimes Ge—
ihent von 150 Thalern von der drohenden Pfändung durd) feine
Gläubiger befreite. — Des Bremer Erzbiſchofs wähnte man durd)
19) Dr. Johann von Swolgen, Dechant von St. Andreas; 20) Dr. Gotfrid
Gropper; 21) Dr. Johann Kempis, Offizial; 22) Dr. Hermann Wintel;
23) Profeſſor Johann Walfharz von Tongern; 24) Lic. Paul von Kuchoven,
Regent bes Laurentianum.
34*
532 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
das Hinhalten in der münfterihen Sache noch immer ficher zu fein,
wurde jedoch mährend des Monats Auguft durch Kurfürft Salentin
enttäuscht. Allerdings, ſchrieb Salentin, ſei Erzbiichof Heinrich vor:
dem, auf fein Begehren, gegen Herzog Ernſt wohl affektioniert geweien,
babe nun aber infolge der römischen Praktiken fein Gemüt geändert,
fo daß e3 vergeblid) jet, weiter in ihn zu dringen, falls man nicht
die münſterſche Sache auf beſſern Weg richten könne. Der Erzbiidof
jelbft wiederholte um dieſelbe Zeit in einem Brief an Kurfürft
Auguft feine frühere Erklärung, daß er dem Freilinger Biſchof
feine Stimme nicht geben könne. — Zu den Zweifelhaften zählte
man auf bayriſcher Seite namentlich den geiftig beichränften Grafen
Philipp von Manderſcheid-Keil. Man hoffte ſich feiner durch den
Herzog von Jülich, den Zrierer Dompropft Johann von Schönen:
burg, die gefürftete Gräfin von Arenberg und andere bei ihm ein
flußreiche Leute zu verfihern. Außerdem reifte, auf Herzog Ernſts
Wunſch, Philipps Better, Hans Gerhard von Manderſcheid—
Gerolftein, eigens zu ihm und brachte eine ziemlid) befriedigende
Antwort zurüd. Übrigens, meinte Hans Gerhard, werde ſein
Vetter, bei feiner ihm befannten „Komplexion“, ſchließlich ver
Mehrheit beifallen. — Auch auf die Stimme des Chorbiſchofs
machte Johann von Reifferſcheid Hoffnung, die aber jonjt nicht
geteilt wurde. — Den Straßburger Biſchof erinnerte Herzog
Abreht im Juli nod einmal an deſſen frühere Zufagen und bat
ihn, feinen ſchuldloſen Sohn nicht entgelten zu laffen, was zwiſchen
Salentin und dem Biſchof Widriges vorgefallen, wurde aber
mit den üblichen frommen Redensarten abgeſpeiſt. — Gebhard
Truchſeß jollte zwar, wie jein Bruder Karl verfiherte, gegen die
bayriihen Herzöge jegt noch ebenjo gejinnt jein wie früher; ernit-
li aber konnte man auf ihn, den gefährlichiten Rivalen, nicht
rechnen. Man erfuhr vielmehr, daß er während des Herzogs Ab:
weſenheit von Köln ji jehr bemüht habe, den Dr. Swolgen beim
Trunk von der bayriichen Seite weg auf feine eigene zu ziehen;
ähnliche Verfuche machten Gebhard und feine Brüder nachher aud
bei dem Afterdechant Thengen. — Bon den Siebenprieftern er:
Kurfürft Salentinsg Rüdtritt. 533
klärten ſich Kempis und Kuchoven zwar nicht geradezu gegen Her—
zog Ernſt, doch wußte man, daß beide beſondere Freunde des
Truchſeſſen waren; ſelbſt an der Zuverläjligfeit des Dr. Winkel,
in deſſen Haus der Truchſeß wohnte, zweifelte der Nuntius eine
Zeit lang. — Kaum irgendwelhe Hoffnung machte man fi auf
die Stimme des Seniors Novimola (Duisburg): „Mit dem‘,
ſchreibt Ernft an jeinen Vater, „it Mühe und Arbeit verloren,
qualibus enim moribus, tali etiam ingenio et natura praeditus
est.‘ — Im ganzen, rechnete man, würden, da die Kandidaten
fi nicht Selbft wählen durften, gegen die 13 Stimmen de3 Her:
3098 Ernft nur 9 für den Truchſeß oder den Straßburger Biſchof
in die Wagichale fallen.
Mittelbar, meinte Dr. Gropper, könne Bayerns Sade be=
fördert werden, wenn die kölniſche Nitterichaft das Domkapitel
ermahnte, ihre Neuwahl zu beichleunigen; Herzog Ernſt ſprach
alſo hierum den einflugreihen Hofmarihall Autger von der Horft
in Köln an. — Um die Vorurteile der Kölner Bürgerichaft gegen
das Haus Bayern zu befümpfen, lud der Herzog die Bürgermeifter
und andere angejehene Ratsherren zu Tiſch und lehnte bei diefem
Anlaß jede Mitihuld an Salentins Drohreden von fih ab. Dem
Nuntius gegenüber ſprach fi) denn aud nachher der eine Syn—
dilus, Dr. Steinwich, jehr verjchieden von jeinem Kollegen Dr. Betz-
dorp, ganz beruhigend aus über die Gefinnung des Rates gegen
Herzog Ernit.
Viel erwartete man bayrijcherjeit3 von einer Vermittelung der
Kurfürften von Mainz und Zrier. Teilweiſe ihretwegen ging der
bayriihe Kanzler Eljenheimer Anfangs Auguft jelbft nah Wien
an den kaiſerlichen Hof und bradte es, mit Hilfe des unlängjt
zum Vizekanzler beförderten Dr. Vieheufer wirklich dahin, daß der
Kaiſer den beiden Kurfürften eine neue Kommiljion zu Herzog
Ernſts Gunften übertrug }).
1) Aus Wien ſchreibt Elfenheimer an feinen Herzog u. a. (StA. 38/3,
fol. 130): „Sonft ift Dr. Viehauſern von Eoln hieher geſchriben worben, dz
534 Sechſtes Buch. Drittes Kapitel.
Über die Praktiken der Gegner des Hauſes Bayern
wiſſen wir aus diejer Zeit nur wenig; frühere Gerüchte über
ein beabjihtigtes thätlihes Einmiſchen proteftantiicher Fürſten
waren von dem Augenblick an veritummt, da feititand, daß des
Kapitels freie Wahl nicht gehindert fein werde. Sodann trug
das Einreigen der Peſt in Köln dazu bei, daß man wenig zu
einander fam und darum auch wenig von einander erfuhr. Am
9. Auguft citierte das Domkapitel, gemäß der Aufforderung von
Mainz und Zrier, wegen Salentins angekündigter Refignation alle
Abweienden auf den 4. September und bewilligte zugleid bis
dahin wegen der Veitgefahr einen allgemeinen Urlaub, von welchem
die Edelherren alsbald Gebraud machten. Auch Herzog Ernſt mit
den Seinen und der Nuntius Porzia begaben ſich fort aus der
ungeſund gewordenen Stadt, Porzia nad) der Giftercienjer= Abtei
Altenberg im Bergiihen, Ernft nah Schloß Bensberg, unmeit
davon, zu jeinem Oheim Herzog Wilhelm, der ihn freundlich
willtommen bie und zu den Jagden in der Umgegend mitnahm,
ohne übrigens das Gejchäftliche darüber ganz außeracht zu laſſen.
So wurde der ebenfalls am Jülicher Hof verweilende Graf Rein—
hard von Solms ſowohl von Herzog Wilhelm, wie von Emft
jelbft neuerdings um fein Votum angeiprodhen und gab die beiten
Zuſagen, fogar auf Ehrenwort. Ferner wurde in Bensberg der
kölniſche Erblandmarſchall gebeten, für Abkürzung des Wahlter-
mins ji) zu bemühen. Auch an Graf Hermann von Neuenar,
als Erbhofmeifter des Erzitifts, ließ Herzog Wilhelm, ungeachtet
e. f. ©. fon 14 vota haben fol, gleichwol fei fih mit gar allerding barauf
zu verlaflen, dan f. 5. G. nit wenig hinderlich fein moct: erſtlich das f. f. ©.
ein geborner furft und fi) die graven one das fer beklagen wie fi burdh bie
furften undergedrukt werden; am anbern bes konigs aus Hispanta und
berzogen von Gulich befurberung, dan man ſich beforgt, ire f. G. mochten
buch gedachts fonigs und herzogen favor gar zu gewaltig im ftift werben
und villeicht wil ding mit gebulden, fo fonft ein gemainer erzbifhon vom
gravenftant tun müß; und ban zum britten, dz e. f. ©. in ber religion fer
affectiontrt unt aller feger primarius abverfarius feien.“
Kurfürft Salenting Rücktritt. 535
der Gegenbedenfen der bayriihen Räte, durch den Kicentiaten
Louwerman das gleiche Anfinnen richten, — denn feine Näte,
Schwarzenberg, Drsbed, Langer, meinten, wenn Herzog Wilhelm
den Grafen al3 jeinem Lehensmann fein Gemüt eröffne, werde
diejer wenigitens, aus Furcht vor des Herzogs Ungnade, jeine
Praktiten gegen Bayern nicht mehr fo ungeicheut treiben.
Graf Hermann entichuldigte ſich mit allgemeinen Redensarten. —
Einen andern Lehensmann, den Grafen Jobſt von Schauenburg,
ließ Herzog Wilhelm damals um das Votum des Domdedanten,
feines Vetters, anſprechen; endlich ließ er auch den Paſtor von
St. Columba, Novimola, duch deſſen Duisburger Verwandte als
feinen Unterthan bei Vermeidung feiner Ungnade auffordern, für
Herzog Ernſt zu ſtimmen; Novimola redete ſich jedoch aus mit
jeinem Eid und den Statuten des Stifts, weldhe ihm bei Strafe
des Ausihlufies aus dem Kapitel verböten, irgendjemandem vor
der Wahl jein Votum zuzujagen.
Mittlerweile war der Kurier, welchen Herzog Albreht mit
jeinen und Porzias Beichwerden über die falichen Nachrichten des
Gerhard Voſſius abgeihicdt Hatte, in Rom eingetroffen — am
14. Juli. Gleih andern Tags verichaffte fi) Dr. Fabricius, da=
mit ihm der Kardinal von Como nicht zuvorkomme, eine Audienz
beim Bapite, den er zunächit durch feinen Bericht über Herzog
Ernſts Priefterweihe gut zu ftimmen wußte, und alsdann über
den angeblihen Inhalt der Briefe des Voſſius aniprad. Er ließ
einfliehen, vielleicht habe diejer etwaige Außerungen des Papftes
mißdeutet (etwa die, als jei es dem Papſte nit ſowohl darum
zu thun, das Kapitel an feiner freien Wahl zu hindern, als Her-
zog Ernjt zu empfehlen u. dgl.). Gregor wies jedoch ſolche
Unterftellung entſchieden von ſich: ſeit Monaten babe er den
Voſſius nit gejehen und jogar geglaubt, derjelbe ſei gar nicht
mehr in Rom. Wegen des Weiteren wolle er zunächſt feinen
Kardinaliefretär fragen, an welchen Porzias Briefe gerichtet waren.
ALS Fabricius hierauf jelbit zum Kardinal von Como kam, that
diefer zwar auch jehr unmwillig über die Verwegenheit des Voſſius,
536 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
der bereit3 auf feinen Befehl in Haft geſchickt fei, madte aber
nebenbei, unter dem Scheine des Wohlwollens, einen Vorſchlag,
welcher den Gejandten aufs äußerfte erregte. Es wäre, meinte
er, doch jehr bedenklich für Roms Autorität, wenn etwa Salentin,
des Verſchleppens müde, plößlich fein Amt niederlegte, dem Kapitel
freie Wahl ließe und dann jemand gewählt würde, der zwar viel=
leiht dem päpftlichen Stuhle nit ganz entipräche, dem man aber
doh die Konfirmation nicht verweigern könnte. Wie wäre es
alfo, wenn der Nuntius mit einem nur ganz allgemein eine gute
Mahl empfehlenden Breve an das Kapitel verjehen würde, welches
einftweilen geheim zu halten und erft dann hervorzuholen wäre,
wenn die freie Wahl gar nicht mehr zu umgehen? Fabricius,
ohnehin voll Mißtrauen gegen den Kardinal, witterte hinter dem
Vorſchlag ſofort den Gedanken, daß es dieſem vielleiht ganz recht
wäre, wenn anftatt des bayriihen Herzogs der Truchſeß gewählt
würde. War doc ein jüngerer Bruder desjelben, Chriſtoph, der
in Erzherzog Ferdinands Dienften ftand, unlängft zu Nom ges
weſen, angeblih in Gejchäften feines Herrn ’); wie, wenn das
nur ein Vorwand war, um feinem Bruder den Weg zu bahnen? —
Darum ſprach fi Fabricius jofort entihieden gegen den Vorſchlag
des Kardinals aus; mindeftens müſſe, wenn der Papft ein ſolches
Dreve durchaus wolle, feinem Herzog die Entſcheidung bleiben, ob
e3 zu benußen. Er machte geltend, dag der Adminiftrator von
Freifing durdy die früheren Koadjutoriebreven bereit3 ein wohl—
erworbenes Recht bejike; geftatte man jekt freie Wahl, jo werde
das die Domlkapitularen nur ermutigen, einen Mann nah ihrem
und niht nah Roms Herzen zu wählen. Nachher begab ſich
Fabricius auch zu den beiden neben dem Staatsjefretär einfluß-
reichſten und ſchon früher mit der köln-münſterſchen Sache betrau—
1) In einem Schreiben aus Rom an Erzherzog Ferdinand vom 1. Juni
1577 (3%. Ferdin. fol. 110, Nr. 135) drückt ber Kardinal von ©. Siſto,
einer der Nepoten Gregors XIII. feine Genugthuung darüber aus, daß er
ben Herrn Chriſtoph Truchfeß bier geſehen babe, havendolo molto prima
conosciuto mentr'era suo compagno di studio in Bologna.
Kurfürft Salentins Rücktritt. 537
ten Kardinälen Morone und Madruzzi, um fie gegen Comos Vor:
ihlag einzunehmen. Mit dem vorgeichlagenen Breve habe es
feine Eile, meinte Morone, ließ aber durchbliden, dab die Wahl
eines? Mannes mie Gebhard Truchſeß für den römiihen Stuhl
fein ganz unerwünjchter Ausgang fein würde. Madruzzi deutete
an, daß das, was Voſſius nad Köln geſchrieben, nicht aus deſſen
eigenen, jondern aus einem anderen Kopfe entiprungen jet — er
meinte den Kardinal von Como, der ſich überhaupt über die Be—
Ihlüffe der Kongregationen gern hinwegſetze. Nun ging Fabri-
cius wieder zum Papft und machte aud ihm Vorftellungen gegen
das beabjichtigte Breve, welche zur Folge hatten, daß Gregor die
Sache von neuem mit den drei Sardinälen beriet und anſcheinend
den Wünſchen des Gejandten nahgab: ftatt des vorgeichlagenen
Breves erging ein anderes an das Kölner Kapitel (vom 23. Juli),
welches des Voſſius leichtfertiges Schreiben ſcharf rügte, feiner
Beitrafung gedachte und die Kapitularen aufforderte, dem Nuntius
vollen Glauben zu jchenfen und vor allem recht bald einen tüch—
tigen neuen Hirten anzunehmen. Gin gleichzeitiges Breve an Herzog
Albrecht verwies auf das, was der Papft jegt an das Kapitel jchrieb,
brachte aber gleichſam nebenbei, in abgeſchwächter Form, den Vor—
ihlag des Kardinaljefretärs doch zur Geltung: da Herzog Albrecht
jüngft jelbjt erklärt habe, er wolle feinen Sohn nidht wider den
Willen des Kapitels nah Köln bringen und da deilen Widerjtand
Ihlimme Folgen haben. könnte, jo jei zu überlegen, ob nicht die dem
Nuntius früher gegebenen ftrengen Befehle etwas zu mildern und
die freiwillige Zuftimmung des Kapitel3 zu juchen ſei; wenn aber
auch dieſe nicht erreihbar, ob dann nicht etwa Herzog Ernſt mit
Hilfe feiner Freunde in Köln die dortige Kirche einem andern
tüchtigen SKatholifen, den er fi dadurch verbinde, verichaffen
fönne; jedoch wolle er, der Papſt, feine früheren Befehle nur
dann und infomweit abändern, als Albrecht jelbit dies für nötig
erkenne.
Gar ſehr verdroſſen dieje römiſchen Nachrichten und Breven
den bayriihen Herzog. Zwar teilten er und feine Räte jchon
538 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel.
lange nit mehr die Meinung feines Gefandten in Rom, daß
jeßt no an eine Koadjutorie zu denken jei, aber noch meniger
war Albrecht geionnen, seinen Sohn freiwillig zugunften eines
andern zurüdtreten zu laffen. In feinem, von Fend verfaßten
Begleitihreiben zu den an den Niederrhein weiterbeförderten rö—
miichen Briefen bemerkt der Herzog: wenn der Kardinal von Como
feine Abſicht erreicht hätte, oder das Domkapitel aud) nur das
Geringite davon erfahre, werde ihm Rom, von wo er nur För—
derung und Gutes erhofft, jiherlih den größten Schaden zugefügt
haben. „Es muß vielleiht‘‘, fügt er bei, „alle Büberei an ung
meiftern und fünfteln. Möchten ichier wünſchen, weil die römi-
Ihen Köpf aljo Hin und wider fchlagen, wir hätten mit den un-
gelenfen Zeutihen allein. zu ſchaffen; könnte man doch, was
fi) je nit wollt heben lafjen, mit weniger Sorg und Verkleinerung
fein in der Stille liegen laffen. Sollen dennoch diejen Gefellen
nod gute Wort und etwa viel Geld dazu geben. — Dennoch
that er das Seine, um mit Rom in gutem Einvernehmen zu
bleiben. Ende Auguft ging wieder ein Kurier dorthin mit warmen
Dankſchreiben an den Papft und die drei Kardinäle; zugleich er:
hielt Dr. Fabricius Befehl, den Papſt um eine neue ganz allge-
mein gehaltene Empfehlung feines Sohnes an das Domkapitel
anzuiprehen, in der aber fein Wort gegen die Freiheit der Wahl
ftehen dürfe. Vor allem aber follte fein Gejandter verhüten
— und darum hauptſächlich wurde ſchon wieder ein eigener Kurier
geihidt —, daß nicht etwa durch Dispens von Rom der Straß:
burger Biſchof wählbar werde. Denn dieſer follte, wie Herzog
Ernſt erfahren hatte, durch feinen feit einiger Zeit in Rom ver—
mweilenden Bruder Graf Arnold von Manderſcheid die beiden Briefe
des Voſſius veranlagt haben.
Zu dem für Salentins Refignation anberaumten Termin
des 4. September fehrte Herzog Ernſt aus dem Bergiſchen
nah Köln zurüd. Vor ihm fon waren die drei kaiſerlichen
Kommiffare, Dalberg, Dberftein und Hegenmüller, wiederge—
fommen und als Zugeordneter der alte Freiherr von Winne-
Kurfürſt Salentins Rüdtritt. 539
burg. Auch erihienen, auf Grund der von Bayern erwirkten
neuen faiferlihen Kommiſſion einige Subdelegierte von Mainz und
Zrier. Der Herzog von Jülich ſchickte als feine Abgeordneten den
Kanzler Orsbeck und den Dr. Walter Fabricius. Am 9. Septem—
ber fam Porzia aus dem Klofter Altenberg wieder in die Stadt.
Auch die meiften Edelherren fanden ſich nad) und nad ein. Da
kam es zwiichen Kurfürft und Kapitel noch einmal zu einem Streit,
durch welchen Salentins Rüdtritt leicht wieder hätte vereitelt wer—
den fünnen. — Am 20. Auguft hatte dieſer nämlid) aus Arns-
berg feinem Kapitel gejchrieben, er ſei in der Zhat der Regierung
längft müde und entſchloſſen, da ihnen jein auf Befehl der höchſten
Dbrigfeiten gemachter Vorſchlag nicht gefällig, das Erzitift zu ihren
freien Händen zu refignieren. Sie follten alio am 4. September
eriheinen und beijammen bleiben, bis das Werk pollendet. Er
jelbjt habe bereits die weſtfäliſchen Stände auf den 9. September
nad) Arnsberg, die rheinischen auf den 12. nad) Brühl beichrieben,
um fie ihrer Eide und Pflichten zu entlaffen. Weil dies der
einzige Zmwed der Landtage und die Zeit jo kurz fei, veriehe er
fih, dah dies Ausſchreiben dem Kapitel nicht zumider fein und fie
ihre Deputierten ebenfalls nad) Arnsberg und Brühl enden wür—
den. AS dieſes Schreiben am 6. September im Kapitel vor=
fam, erklärte diefes durch Majoritätsbeihluß, das Ausichreiben der
Zandtage ohne Vorwiſſen des Kapitel3 jei der Erblandesvereinigung
ſowie den Wahlartileln zumider ?); darum werde man feine De—
putierte abordnen. Von diefem Beihluß wurden auch die Grafen
von Mandericheid und Heifferiheid als Vertreter der weltlichen
Landitände in Kenntnis geſetzt. — Inzwiſchen war Salentin von
‚ Arnsberg nad) Paderborn gezogen und hatte hier am 5. Sep—
tember vor verjammeltem Domkapitel feine Würde als Admini—
1) Weber in der Erblanbesvereinigung von 1463 noch in ihrer Tekten
Saflung von 1550 (vgl. o. ©. 6 Anm.) findet ſich eine ausbrüdliche Be—
flimmung bierüber; wohl aber heißt e8 in Art. 3 der Wahlfapitulation Sa-
lentins: nec ullum conventum statuum seu dietam (ut vocant) patriae
indicere debemus, nisi prius desuper cum capitulo nostro causasque con-
ventus indicendi communicaverimus, et illo sciente et consentiente.
540 Schftes Bud. Drittes Kapitel.
ftrator dieſes Stiftes niedergelegt; am 8. war er wieder in Arns—
berg, wo er am folgenden Zage jeine lieben und getreuen welt:
fäliſchen Landftände ihrer Eide und Pflichten entband. Vom
Domkapitel war wirklich niemand erſchienen. — Voll Unmut
brad nun der Kurfürft nach dem Rhein auf, nachdem er zuvor
nohmal3 jeinem Domkapitel ſowie den faijerlihen Kommiſſaren
gemeldet hatte, am 12. werde er zu Brühl fein. Die failer:
lihen Kommifjare waren mit dem Trotz des Kapitels durdaus
nicht einverftanden und ebenjo wenig ein Zeil der Sapitularen.
Am 11. September machten deshalb Herzog Ernſt und einige bei
ihm zum Morgenmahl verjammelte Domberren mit einander aus,
dab man verjuchen wolle, den Beihluß des 6. September wieder
umzuftoßen. Demnad brachte in der Frühe des 12. September
Joh. Daniel ‚von Winneburg im Kapitel den Antrag ein, man
möge gemäß dem Begehren der faijerlihen Kommifjare zum heu:
tigen Landtag Deputierte nad) Brühl abordnen. Obſchon der
jüngere Winneburg und die beiden Solms proteftierten, be:
ſchloß jet die Majorität: weil dem Vernehmen nad) auf dem
Landtag nichts al3 Salentins Rejignation proponiert werde umd
weil fich Diejer in feinem Schreiben vom 20. Auguſt mit der
Kürze der Zeit entjchuldigt habe, wolle man unter Vorbehalt einige
Herren zum Landtag deputieren. Gleich nachher zogen oh.
Daniel von Winneburg, Herzog Ernft und Dr. Swolgen al
Deputierte hinaus nad) Brühl, wo fi) Thengen, Johann von
Neiffericheid und Dr. Gropper bereit3 befanden. Es fei gut, daß
fie gefommen, ſagte Salentin zum Herzog; ſonſt jei er entjchlofien
geweſen unverrichteter Dinge davonzureiten, die Kur zu behalten
und ein Weib dazu zu nehmen, und dann zu ſehen, wer fie ihm
nehmen wolle. Herzog Ernſt gab gute Worte, bat auch, der Kur:
fürft möge fid) im Kapitel mäßigen, damit nit er es entgelten
müfle. — Darauf ging der Landtag in aller Ruhe und Drdnung
vor fi; der Kurfürft fündigte den Ständen an, daß er morgen
im Rapitel zu Köln refignieren wolle; jobald dies gejchehen, ſeien
die Stände ihrer Eide gegen ihn entbunden.
Kurfürft Salentins Rüdtritt. 541
Am Morgen des 13. September herrſchte in der Stadt Köln
große Aufregung; man hatte erfahren, daß Salentin viele Reiter
und einiges Fußvolk um fih ſammele; das Gerücht ſprach von
einem geplanten Überfall. Für alle Fälle ließ der Rat die Bürger
unter die Waffen treten, die Thore fliegen, die Seitenftraßen
mit Ketten fperren. Als Salentin mit feinem Gefolge am Thore
erihien, dauerte e3 einige Zeit, bis man fie herein ließ. Um
9 Uhr morgens erfolgte der Einzug. Dreißig Trabanten in rotem
und weißem Sammet und etwa 300 Berittene, hauptjählih vom
Stiftsadel, begleiteten den Kurfürſten; dieſer jelbit war ſchwarz ges
Hleidet, aber weltlih, im kurzen Mantel. Sie ritten über die
Heeritrahe bis vor den Biihofshof in der Trankgaſſe. Von da
ging der Kurfürft zu Fuß in den Dom und wohnte mit feinem
Kapitel der Meſſe vom heiligen Geifte bei; es ſchlug gerade 12 Uhr,
da man das Ite missa est fang. Nun begab ji) Salentin, ges
feitet vor zwei faiferlihen Kommiſſaren, Dalberg und Oberitein,
mit allen anwejenden Domlkapitularen, zwanzig an der Zahl’),
aus dem Domchor in die anftogende Kapitelftube, in die man aud)
die anderen Gefandten und von den furfürftlihen Räten, von
Ritterſchaft und Dienern hineinließ, wer wollte. Die Kapitularen
faßen alle da in ihrem geiftlihen Habit, Chorrock und Beffen;
nur Hermann Adolf von Solms ohne jedes Abzeichen feines
geiftlihen Standes. Mit geſuchter Mäßigung trug Salentin in
Perſon feinem Kapitel vor, wie er auf deſſen wiederholte Bitten,
gegen jeinen Willen, die erzbiihöflihe und furfürftlihe Würde an—
genommen und nach beiten Kräften verwaltet habe; da es ihm
aber unmöglich jet, auf die Dauer Kurfürft zu bleiben, habe er
von Papſt und Kaifer, mit Vorwiſſen feiner Mitkurfürften, vie
Bewilligung zum NRüdtritt erhalten. So danke er denn vor den
fatjerlihen, kurfürſtlichen und fürftlihen Gejandten dem Kapitel
für die angebotene Würde und ftelle fie an dem Drt, da er fie
1) Es fehlten die drei Bifhöfe von Straßburg, Minden und Bremen
und Graf Philipp von Manderfceib.
>42 Schfte8 Bud. Drittes Kapitel.
empfangen, ihnen wieder frei zu Händen und ermahne fie zu bal—
diger einhelliger und guter Wahl. — Nah ihm ergriff Dr. Hegen-
müller das Wort, um im Namen des Kaifers dem Kurfürften das
Zeugnis zu geben, daß er fein Erzitift zehn Fahre lang zur Zus
friedenheit von Kaiſer, Reichsftänden und Unterthanen vegiert
habe. — Das Kapitel hielt erſt eine lange Beratung im Vor:
zimmer, dankte dann jeinem bisherigen Herrn mit fühlen Worten,
daß er die Negierung angenommen und dem Erzſtift zu gutem
vieles verrichtet habe; fie hätten wohl leiden können, daß Ihre kurf.
Gnaden im geiftlihen Stande verblieben; da es aber nicht deren
Gelegenheit, jo nähmen fie die Nefignation an und wollten bedacht
jein, einen neuen Herrn zu wählen, mit welchem Gott, dem Reiche
und dem Erzitift gedient jein werde. — Galentin erwiderte noch
einmal ein paar Worte: er wolle dem Stift wohl wünſchen, daß
fie ihrem Exbieten nachkämen, ermahme fie aber, einem fünftigen
Herin befjer zu gehordhen als ihm; ſonſt könne es schlimme Folgen
haben.
Hierauf ging er von dannen wieder in den Biihofshof, wo
er jih jegt in Rot und Weib Eleidete und ein Abſchiedsmahl
feierte, zu weldem die faiferlihen Kommiſſare und die anderen
Gejandten, aber fein Domherr, auch ſonſt feine Geiſtlichen geladen
waren. Nod am jpäten Abend ritt er mit feinem Gefolge wieder
zur Stadt hinaus bis nad Brühl, am folgenden Tage jodann
in feine Grafihaft Iſenburg nad) Schloß Arenfels.
4. Kapitel.
Die Kapitelsregierung.*
Gleich manchen anderen deutihen Domkapiteln liebte es auch
das Kölner, eine Neuwahl möglichſt lange hinauszuſchieben. Denn
während der Sedisvakanz teilten ſich ſämtliche Kapitularen in die
Ehren und Vorteile, welche ſonſt nur einem von ihnen zufielen.
Mitunter gereichte es ſelbſt dem Stift zum beſten, wenn die
Koſten des fürſtlichen Hofhaltes für einige Zeit wegfielen oder
ſtark vermindert wurden. Das gewöhnlichſte Motiv für die Ver—
längerung der Herrſchaft des Kapitels war jedoch der Wunſch, ver—
ſchiedenen Bewerbern Gelegenheit zu bieten, ihre Anſprüche geltend
zu machen, und mit Muße abzuwägen, weſſen Wahl dem ganzen
Kapitel oder ſeinen einzelnen Mitgliedern den größten Nutzen
verſprach. Solcher Muße ſtand zunächſt das kanoniſche Recht ent—
gegen, welches bei Verluſt des Wahlrechts die Neuwahl binnen
drei Monaten fordert, ferner das Intereſſe von Kaiſer und Reich,
*Quellen: Folgende meift fhon o. Kap. 1 bis 3 verzeichnete Archivalien:
DA. Domtap.-Protot. Nr. 157; Erzbifchäfe. Gebhard Truchſeß 10; Köln
Domſtift 323 u. 324ab, — StA. 9/3. 38/3 und 10 bis 15. 161/3.
359/8. 399/59. — RA. Münfter T. VI; Fürftenfadhen Spec. C.
Nr. 407. — Dr. loc. 8926. — MA. Köln 1577 (Kaffeler Akten)
und Köln 1515/80 (Marburger Akten). — Dil. R. 60 u. G. 80. —
Gedrudt nur ein paar Motizen in Languet, Ep. secr. I. 2,
p. 313. u. 321. Groen van Prinsterer VI, 211. Strunck
(Schaten), Ann. Paderb. lib. XXII, 443 gg.
544 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
oft aud der Stiftsunterthanen, welhen in der Regel mit einer
vieltöpfigen Interimsregierung nicht gedient war. Namentlih war
im 16. Jahrhundert der Anteil der Kurfürften an der Reichs—
regierung noch ein jo perjönlider, da nicht einmal ein weltlicher
minderjähriger Kurfürft in das Kurfürftenkolleg aufgenommen
wurde, geſchweige dag man die Stellvertreter eines geiftlihen an
den Prärogativen des Kurfürſtenſtandes hätte teilnehmen lafjen.
Als im Fahre 1562 Kurfürft Johann Gebhard während der
Verhandlungen über Marimilians römiſche Königswahl ftarb,
mußte dieſe jo lange vertagt werden, bis das Kölner Kapitel einen
neuen Herrn gewählt hatte). — Diesmal wünſchte insbejondere
nod das Haus Bayern die Neuwahl bejchleunigt zu jehen, denn
jede Verſchleppung erweiterte den Spielraum für neue Gegen=
praftifen; aud wurden die Koften des nun ſchon vier Monate
währenden Aufenthaltes des Herzogs Ernſt am Niederrhein, mit
mehreren Räten und zahlreihem Hofgefinde, zu einer drüdenden
Laft ). Abkürzung des Wahltermins war deshalb das nächſte
Ziel der bayriihen Politik.
Am Morgen nad) Salentins Refignation (14. September)
hatten nad einander der Nuntius Porzia, die faiferlihen Kom—
miffare und die Geſandten Don Juans und des Ipanifchen Königs
Audienz im Kapitel, zwei Tage ſpäter jodann die Subdelegierten
von Mainz und Zrier, weldye alle zu baldiger Neuwahl ermahn-
ten und zugleih al3 geeignetiten Kandidaten den jungen Herzog
von Bayern empfahlen. Der Nede des Nuntius merkte man an,
1) Häberlin IV, 467 und V, 14ff. Windel, Aus bem Leben Lud—
wigs des Älteren von Sayn, ©. 61 u. 66; vgl. 0. ©. 27 u. 97.
2) Dandorfs „Empfang und Ausgabe» Regifter” (RA. Fürftenfachen
Spec, ©. Nr. 407) notiert an Ausgaben für die Hin- und Nüdreife, fowie
für ben fiebenmonatlihen Aufenthalt am Nieberrhein 24,260 Gulben
34 Kreuzer. Diefe Summe begreift aber nur diejenigen Ausgaben, welcde
durch Dandorfs Hand gingen; Koften, welche von Herzog Albrecht beftritten
wurden, 3. B. für Geſandtſchaften, Kurierfendungen u. f. w. fommen in
Dandorfs Negifter nicht vor. Über den Gelbwert vgl. o. ©. 39 Anm.
Die Kapiteldregierung. 545
wie jehr das Zugeftändnis freier Wahl feinen eigenen Wünfchen
wideriprah. Der Papft, welcher vordem den Freilinger Biſchof
felbft vorgeihlagen habe, verwehre nun dem Kapitel nicht, Dielen
auch von fih aus mit der biſchöflichen Würde zu ſchmücken,
und zum Beweis, das fi des Papftes Wünſche inbezug auf
Herzog Ernft nicht geändert, überreichte er zugleich jenes Breve
vom 23. Juli, worin u. a. der Beitrafung des Voſſius gedacht
wird. — Vergeblid hatten die bayriihen Räte Bedenken geäußert
ſowohl gegen die Überreihung dieſes Breves als gegen die Art,
wie der Nuntius dem Kapitel die freie Wahl zugeftehen wollte;
Porzia war es offenbar, jo überichwenglih er auch jeine Ergeben-
beit gegen das Haus Bayern beteuerte )), zunächſt darum zu thun,
feine eigene Autorität und die des römiſchen Stuhles nit durd
ein Abgehen von dem bisherigen Standpunkt zu ſchädigen. —
Dagegen hoben die kaiſerlichen Kommiſſare ftark hervor, daß der
Kaiſer zwar den aud anderen hohen Häuſern genchmen bayriihen
Herzog aufs wärmfte empfehle, jedod des Kapitel3 freie Wahl
nit hindern wolle. — Die jpaniich= niederländischen Gejandten
empfahlen Herzog Ernſt al3 erwünſchten Nachbar, die Mainzer
und Trierer als einen gut katholiichen und mächtigen Fürften. —
Das Kapitel antwortete all diefen Geſandten höflich aber ohne
Verbindlichkeit: der Wahltag jolle feitgejegt werden, fobald das
Kapitel die Amter, Schlöffer und Städte eingenommen und aller-
band Nötiges angeordnet habe.
Nach dem Herkommen ſchickten nämlih Dechant und Kapitel,
als Erbherren des Stifts, nad) eingetretener Sedisvakanz Depu—
tierte in die verichtedenen Landesteile, um die Stiftshäufer einzus
nehmen, das Mobiliar zu inventarifieren und die Beamten dem
Kapitel zu vereiden. Die beiden in das Niederftift und das
1) Am 4. November 1577 fchreibt Porzia 3. B. an Elfenheimer (St.
9/3, fol. 225): Sermae Bavaricae genti ita me addietum fateor, ut quic-
quid facio .. . desiderium tamen meum nequaquam exaequet, et prop-
terea gratias mihi agi non libenter patior; vgl. aud o. ©. 482.
Loſſen, Köln. Krieg I. 35
546 Schftes Buch. Viertes Kapitel.
Veit Redlinghaujen gehenden Deputierten, Reinhard von Solms
und Dr. Swolgen, erhielten zugleich den Befehl, von den beiden
Höfen Der und Chor Beſitz zu ergreifen und jo dem Streit um
fie faktiich ein Ende zu machen ). Die Reichsgeichäfte, jo weit
dazu nicht periönlihe Teilnahme eines regierenden Herrn erforder-
ih, bejorgten auch fernerhin die bisherigen furfürftlichen Räte,
jegt aber im Namen des Kapitels; das Hofgefinde wurde einft=
weilen beurlaubt.
Einige Tage nad) Salentins Rücktritt fand ſich der bayriiche
Kanzler Dr. Eljenheimer bei Herzog Ernit ein, um fortan monate
lang in Köln zu bleiben, — ein Beiden, wie jehr nunmehr
Bayerns ganze Bolitif in der Bewerbung um das Erzitift kon—
zentriert war. Nah Rückkunft eines Teiles der Deputierten
erihien Eljenheimer, am 28. September, mit dem Freiheren von
Marlrain zunächſt vor verjammeltem Kapitel und bat in aller
Form, den Sohn jeines Herzogs zum Erzbischof zu wählen; dabei
gedachte er der Fürichriften von Papſt und Kaiſer und anderen
Herren, des Herzogs vornehmer Verwandtihaft und des dem
Erzitift ficherlich vorteilhaften Beſitzes zweier weiteren Bistümer.
Das Kapitel lobte Ernſts bisherige Haltung und veripradh bei
der fünftigen Wahl der Fürſchriften eingedenf zu fein. In dert
nächſten acht Tagen madhten dann Marlrain und Eljenheimer den
einzelnen in Köln anmejenden dreizehn bis vierzehn Kapitularen
ihre Aufwartung, jedod ohne bejondere neue Erfolge: diejenigen,
welche man ohnehin ſchon als bayriihgefinnt fannte, gaben auch
jegt wieder mehr oder minder beſtimmte Zuſagen für die Neu—
wahl; die anderen, wie der Domdehant, Gebhard Truchſeß,
Hermann Molf von Solms, die Doktoren Novimola und Kuchoven
antworteten ausweichend; nur Walſcharz (Zongern), den man eine
Zeit lang für truchieifiih gehalten, erklärte nun, er wiſſe feinen,
1) In das Oberftift gingen der Dombehant und ber Offizial Kempis,
nah Weftfalen Joh. von Winneburg und Dr. Winfel, ein geborener Atten-
borner.
Die Kapitelsregierung. 547
der unter den jeßigen Umftänden dem Erzſtift nützlicher ſei als
Herzog Ernſt. — Die bayriihen Räte jelbft verließen ſich übri-
gens mehr auf Nebenwege, auf Praftifen alfo, um zu ihrem Ziel
zu gelangen.
Bon den zu Anfang Auguft für ficher gehaltenen Stimmen
mußten nachher zwei, die des Bremer Erzbiihofs und die des
Domdehanten, zu den zweifelhaften gezählt werden; aber auch der
ältere Solms hatte kurz vor Salentins Refignation der bayriſchen
Partei großen Anſtoß gegeben, indem er im Kapitel daran er-
innerte, wie jehr Salentin, der dod nur ein Graf, fie geplagt
babe; man mühe ſich alfo wohl vorjehen, was ihnen von einem
mächtigeren Nachfolger begegnen könne. Als ihm Herzog Ernſt
wegen jolher für jeine Perſon nadteiligen Reden im Vertrauen
Vorwürfe machte, entihuldigte er fi damit, daß er vornehmlich
bezwedt habe, nicht bei den anderen Herren verdädtig und als—
dann etwa bon dem ihm al3 Senior: Diakon zulommenden Amt
eines Skrutators ausgefchloffen zu werden. Wenn er nicht be=
ftändig jei, möge ihn unfer Herrgott nicht lebendig von Herzog
Ernſt aus dem Zimmer laffen. Nachher erfuhr man aber wieder,
daß Graf Reinhard in dem ihm zur Bewahrung anvertrauten
Kaiſerswerth mit Bayerns Hauptgegnern, feinem Bruder Hermann
Adolf, dem Truchſeſſen und dem Chorbiſchof, verdächtigen Verkehr
unterhalte. Um ſich jeiner zu verfihern, ließ nun Herzog Ernft
der Haushälterin des Grafen, deren großer Einfluß auf denjelben
ftadtfundig war, ein paar goldene Armbänder verehren !).
Dagegen wurde die zubor durch Kurfürſt Salentin erſchüt—
1) In Danborfs Ausgaberegifter erfcheint unter bem 3. November ein
Boften von 27 Kronen = 46 Gulden 33 Kreuzer „für ain bar armpenbl,
die man auf bevelh m. g. f. u. bern .... bes graven Reinharden von
Solmbs dienerin oder haußhalterin verert.” Zum 4. Dezember dann noch
ein Poſten von 24 Gulden Zehrung und Berehrung an eine Kölner Bür-
gersfrau „bie in m. g. f. u. bern geſcheften in ainer ſachen nad Kaifers-
wört verraiſt.“ Dieſe Geſchäfte beftanben vermutlich in ber Überreichung ber
Armbänder.
35*
548 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
terte Hoffnung auf die Stimme des Bremer Erzbiſchofs nun
wieder gerade durch Salentin neu belebt. Das hing zujammen
mit dem Ausfall der Neuwahl im Stift Paderborn. — Kurz vor
feinem Rücktritt hatte Salentin den Bremer Erzbiſchof zu ſich
nach Neuhaus eingeladen und hier das Verſprechen erneuert, ihm
wo möglich zu dieſem Stift zu verhelfen; dagegen möge Heinrich
ſeinerſeits in Köln dem bayriſchen Herzog ſeine Stimme geben.
Salentin hielt ſein Wort: er riet den Paderborner Domherren
diesmal nicht zu wählen, ſondern einen mächtigen und benachbarten
Herrn (eben den Biſchof von Bremen und Dsnabrüd) zu poſtu—
lieren. Darauf wurde Heinrih, ohne bejonderes Bemühen von
feiner Seite, am 14. Dftober einftimmig zum Biſchof von Pader-
born poftuliert. Nur Goddert von Raesfeld enthielt ſich der Ab-
ftimmung ). Bayern und Jülich waren mit diefem Ausfall der
Wahl wohl zufrieden, denn fie hofften, Heinrich werde ſich nun
feichter zum Verzicht auf Münfter bereit finden laſſen. Es ver-
fautete, er wolle, angeblich zur Neuwahl, in Wirklihfeit aber mehr
um bei dem Nuntius Porzia feine dreifahe Konfirmation zu bes
treiben, perfönlic nad Köln kommen; das hätte Gelegenheit ges
boten, ſich mit ihm zu verftändigen, und etwa durch die Ausficht
auf Unterftügung in Rom fid ihn zu verpflichten. Wiederholt
schrieb Graf Salentin auf Herzog Ernſts Wunſch an den Erz:
biſchof und bat ihn, zunächft beim Wahltag, dann auch bei jeiner
Hochzeit nicht zu Fehlen. — Asbald nad) feiner Refignation hatte
nämlich Salentin feine in der Stille längft beftehende Verlobung
mit Antonia Wilhelma, der jüngeren Tochter der verwitweten Grä—
fin von Arenberg, veröffentlicht; die Hochzeit follte am 10. Dezember
zu Bonn gefeiert werden.
Bon den weiteren Stimmen der Edelherren war nur nod die
1) &o erzählt Exzbifchof Heinrich felbft in einem Brief an Kurfürft Auguft
som 17. Oftober (DrA. loc. 8926, fol. 315) die Geſchichte feiner Paber-
borner Wahl. In dem Berzeihnis der Paberborner Domherren bei Schaten
(1. e. ad a. 1577) wird ein Dietrich von Raesfeld genannt, während ber
doch zum Jahre 1568 aufgeführte Gobbert fehlt; vgl. o. ©. 251f.
Die Kapitelsregierung. 549
des Grafen Philipp von Manderſcheid-Keil zweifelhaft. Gemäß
dem früheren Beihluß liegen ihn jest ſowohl Herzog Wilhelm
wie die gefürftete Gräfin von Arenberg durd eigene Gejandte um
jein Votum für Herzog Ernſt erjuhen. Beiden antwortete er
böflih, wollte aber Ehren und Gewiſſens halber feine bindende
Zuſage geben. Als er Mitte Dftober jelbft nah Köln fam und
Marlrain und GEljenheimer ihm ihren Beſuch maden wollten,
entichuldigte er ſich mit jeiner Leibesſchwäche; auch der zufällig in
Köln anweſende faijerlihe Hofrat Dr. Andreas Sail verſuchte
vergebens im Intereſſe des Herzogs Ernft zum Grafen zu fommen.
Dieſe angeblihe Leibesſchwäche hielt ihn jedoch nit ab, Beſuche
bon der Gegenpartei anzunehmen. Eine legte ſchwache Hoffnung
jegte man noch auf den Zrierer Dompropft, welcher dur den
Kanzler Wimpheling veriprehen ließ, er wolle jid beim Wahltag
als Gejandter für Kurtrier einfinden und alsdann den Grafen
auf den rechten Weg weilen.
Nicht viel mehr erzielte man bei den drei Priefterfanonifern,
welche ſich bisher noh nit für Herzog Ernſt erklärt hatten:
Novimola, Kempis und Kuchoven. Nad Dr. Groppers Rat hätten
fämtlihe acht Priefter eine Union — eine honesta conspiratio,
wie Gropper ſich ausdrüdte — für die Wahl ein und derjelben
Perſon, natürlich des bayriichen Herzogs, abſchließen jollen ; der
Subjenior Orth, welcher, als der angejehenfte unter den Doktoren,
zum Führer auserjehen war, machte hierzu einen erſten Verſuch,
aber ohne viel Erfolg. Hoffnungen, welde der Nuntius,
Dr. Swolgen und der damals als Flüchtling zu Köln lebende
Biſchof von Roermond, Wilhelm Lindanus und andere aus ent=
gegenfommenden Reden eines der drei Verdächtigen ſchöpften,
murden durch mideriprechende Nachrichten bald wieder zerſtört.
Unter anderm fand es der Kanzler Eljenheimer ſehr auffallend,
daß die Antworten diefer drei Doktoren und die des Herrn Truch—
jeß bei feinem Beſuch „durchaus über einen Leiſt gerichtet‘
waren. Auch Dr. Winkel, wohl der aufrichtigſte Freund, welchen
das Haus Bayern in Köln bejaß, warnte, feinem von den dreien
550 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
zu trauen. Übrigens meinte Eljenheimer (in einem Briefe an
Herzog Albreht vom 16. Dftober), auch ohne diejelben habe Her—
309 Ernjt dreizehn Stimmen, „es ſei denn gar weder Treuen
noch Glauben mehr in der Welt”.
Inzwiſchen ging auch innerhalb des Kapitel3 nicht alles nad
Wunſch der bayriihen Partei. Der Wahltermin wurde durch
Beſchluß vom 30. September bis zum 2. Dezember hinausgerüdt,
dod) jollten jid) die Herren jchon acht Zage vorher, an ©. Katha—
rinen, zu den nötigen Worberatungen einfinden. Bald darauf
wurde zwar wegen Fortdauer der Peſt in Köln der allgemeine
Urlaub bis zum 4. November verlängert, aber desungeachtet
beichloifen die wenigen in Köln verbliebenen Herren, meilt Gegner
Bayerns, ſchon vom 15. Dftober ab in Brühl zufammenzufommen,
um bier die künftige Wahl vorzubereiten. — Auch Herzog Ernft
begab jih am 2. Dftober mit den Seinen nah Brühl und be-
teiligte ih nachher an den dortigen Beratungen des Kapitels.
Dieje beftanden hauptjählid darin, dak man Salentins Wahl:
artifel Bunkt für Punkt durchging und bei jedem anmerkte, wie
jener ſich dagegen verfehlt und wie für die Zukunft durch ſchär—
fere Beftimmungen AÄhnlihem vorzubeugen. Die Wortführer dabei
waren Hermann Adolf von Solms, der Truchſeß und der Kapitels—
jefretär Lemgovius, ein alter Gegner Salentins und Freund des
Straßburger Biſchofs. Bezeihnend für die Stimmung der Mehr:
heit war gleid einer der erſten Beihlüffe in Brühl: dem Chor:
biſchof folle der Wert der ihm von Salentin vordem weggenom—
menen 50 Schweine wieder erjegt werden. Als alle 42 Artikel
der Kapitulation durchgeſprochen waren, wurde am 19. Dftober
eine Deputation zu ihrer weiteren Prüfung und Verbeſſerung
ernannt, beftehend aus dem Domdehanten, Hermann Adolf von
Solms, Gebhard Truchſeß, Orth, Smolgen und Kempis, denen
ipäter in Köln nod der Straßburger Biſchof und der Senior
Novimola zugeordnet wurden, — in allem alſo ſechs Gegner und
nur zwei Freunde der bayrischen Succeffion. Drei Tage danad)
bradte Graf Hermann Adolf von Solms namens des Chor—
Die Kapiteldregierung. 551
biſchofs im Kapitel folgenden Antrag ein: da der vorige Kurfürſt
wegen des Zolls von Zons das Kapitel vielfältig verleumdet
und demſelben außerdem die Höfe Oer und Chor vorenthalten
habe, ſo ſei nötig, vor der Neuwahl die Landſtände zu beſchrei—
ben, damit ſich das Kapitel vor ihnen rechtfertigen könne. —
Die anweſenden Edelherren, darunter auch zwei bayriſchgeſinnte,
der Afterdechant und Johann von Reifferſcheid, ſtimmten anfangs
unbedenklich zu; als aber die Reihe an Herzog Ernſt kam, erklärte
ſich dieſer mit allerlei Gründen ſehr entſchieden gegen einen Land—
tag vor der Neuwahl. Von den vier anweſenden Doltoren fielen
ihm drei bei und in der zweiten Umfrage auch Thengen und
Reifferſcheid, ſo daß die Majorität, oder wenigſtens, wenn der
Domdechant von ſeinem Recht auf doppelte Stimme Gebrauch
machte, Stimmengleichheit auf ſeiner Seite war. Der Dechant
redete dem Herzog vergeblich zu, mit den anderen Majorität zu
machen; man ging ohne endgültigen Beſchluß auseinander: die
Landſtände ſollten zwar auf den 1. Dezember einberufen, aber
erſt an S. Katharinen, beim Zuſammentritt des ganzen Kapitels,
entſchieden werden, ob ihnen vor oder erſt nach der Neuwahl
Vortrag zu halten ſei. — Den Grund, weshalb man den Land—
tag vor der Wahl wollte und nicht wollte, ſprach man auf beiden
Seiten nicht offen aus: die einen gedachten denſelben zu be—
nutzen, um Herzog Ernſts Wahl zu hintertreiben, die anderen
wollten eben dies verhüten. — Wie der Plan, die Verſammlung
der Landſtände gegen Bayern zu benutzen, von den Wetterauer
Grafen ausgegangen und fortwährend im Auge behalten worden
war, jo handelten auch jetzt der Chorbiſchff und Hermann Adolf
bon Solms ohne Zweifel im Einverſtändnis mit ihren Wetter:
auer Freunden. Herzog Ernſt aber durchſchaute wenigſtens teilweiſe
ihre Hintergedanten, — daher feine Entichiedenheit. Die Frage, ob
Landtag vor oder nad) der Wahl, wurde nun für die nächſten
Wochen der Hauptitreitpunft für beide Parteien ?).
1) In dem bayrifchen Protokoll über die Vorgänge vom 22.—29. Ot—
52 Sechſtes Buch. Biertes Kapitel.
Fir alle Fälle gedahten Herzog Ernft und jeine Räte durch den
Herzog von Jülich und andere Mittelsmänner einigen vornehmen
Landftänden, namentlih dem Landhofmeiſter und dem Hofmarſchall,
die Bedenken gegen Herzog Ernits Perſon auszureden ; zunächſt aber
hofften fie noch, bei der Zufammenfunft an ©. Katharinen die Mehr:
heit des Kapitels bei dem Beſchluß feitzuhalten, dag erſt nad) der
Neuwahl mit den Landftänden gehandelt werden ſolle. An der
Spitze der Landftände ftanden die im Stift begüterten, übrigens
zur Zeit wenig zahlreihen Grafenfamilien ); von diefen konnten
Bayerns Gegner mehrere Grafen von Manderſcheid, jodann die
tober (Rpt. von Elfenheimer StA. 38/15, fol. 41. Or. 38/13, fol. 339)
heißt e8: „die urfach aber darumb dife leut fo Hoch uf bie landſchaft bringen
ift, damit bafelb den Tanbftenden, als bisher und noch ab partem vilfeltig
befchehen, eingebildet werben müg, wie ber abgeftanden ber nit allain das
tumbcapitel fonder auch bie graven ritterfchaft und ftet wider bie lantsver—
ainigung und fonft ire habende privilegia merflih und in mer weg befchwert.
Dieweil dan fein G., fo nur ein graf gewefen, ſolche ungebür gegen inen
furgenommen, hetten bie ftenbe fich deſſen, bo unfer g. f. u. ber als ein
mechtiger furft, jo groſſen anhang und ruden, noch mer zu beforgen. Zudem
bette der abgeftanden ire f. ©. bem tumbcapitel wiber iren willen ufdringen
wellen, allain barumb damit er nicht weniger auch nach feinem abftant ben
ftift feine gefallens regiren und, wie man pflegt zu jagen, bei j. f. G. das
fac totum fein müg. Dem allen nad were ber landſtende hohe notburft,
das tumbcapitel difer ding zu erinnern und zu ermanen, das fie in ber wal
daruf gebenfen und ainen graven oder bern aus irem mitel wölen follen,
damit fowol ein er. tumbcapitel als fie bie landſtende bergeleichen betrangung
in funftig geuberigt fein umb uberbaben beleiben mügen, mit augehenfter
betroungen, alles dahin gerichtet, ire f. ©. zu hindern und unber ben capis
tularn trennung und fpaltung zu erweden.”
1) Die Grafen bildeten nicht als folche, ſondern als Befiger einer An-
zahl von kurkölniſchen Lehen, mit bemen teilweife auch die Erbämter ver-
bunden waren, einen eigenen Landſtand. Da biefe Lehengüter im Lauf ber
Zeit wiederholt in andere Hände übergingen, fo find bie bei Strevesporff
und in der Befhreibung bes Erzftifts Köln (vgl. 0. ©. 215 Anm. und
©. 154) für das 17. und 18. Jahrhundert als Inhaber ber Lehen genannten
Grafenfamilien zum Teil andere al8 in der uns bejchäftigenden Zeit; für
biefe finde ich außer den Grafen von Salm-Heifferfcheid, Neuenar und Man—
derſcheid nur noch die Gräfin von Arenberg gelegentlih als kölniſche Land-
ſtände bezeichnet.
Die Kapiteldregierung. 558
beiden Grafen Hermann und Wolf von Neuenar als die Ihren
anjehen, während jih der Erbmarihall Werner von Reiffericheid
gleich jeinen beiden geiftlichen Brüdern bereits offen als Freund
des bayriihen Hauſes erklärt hatte, Jedoch mußte es Hermann
von Manderiheid, der Bruder des Straßburger Biſchofs, dahin
zu bringen, daß fi) der Erbmarſchall mit einer Anfangs November
zu Bonn abzuhaltenden Verſammlung der Kölner Stiftsgrafen
einverjtanden erkllärte; Graf Hermanns Abliht dabei war, ſich bis
zu dieſem kölniſchen Grafentag ein Schreiben der befreundeten
Wetterauer Grafen zu verichaffen, welches die früheren Warnungen
gegen die Wahl des bayriichen Herzogs wiederholen und dadurd)
zunächit ſämtliche Stiftsgrafen, jodann aud die anderen weltlichen
Stände und das Domkapitel gegen das Haus Bayern einnehmen
jollte. Gegen Ende Dftober kam auch der Biihof von Straß:
burg an den Niederrhein und hielt fi ſeitdem abwechſelnd zu
Blankenheim bei jeinem Bruder und zu Mörs bei Hermann von
Neuenar auf. Auch den Truchſeſſen finden wir einmal in Mörs.
Die geplante Grafenverfammlung in Bonn fand zwar nicht jtatt,
weil der ſchwer gichtleidende Graf Hermann von Neuenar nicht
dahin reifen konnte; dafür fam dann aber Hermann von Mander-
ſcheid mit jeinem Vetter Dietrich !) nah Mörs. — Inzwiſchen
war das gewünſchte Schreiben der Wetterauer Grafen eingelaufen:
eine angeblih von Ludwig von Wittgenftein als ausjchreibendem
und Johann von Naſſau als zugeordnetem Grafen bereit3 am
1. September, aljo vor Salentins Rüdtritt, an vie beiden
kölniſchen Stiftsgrafen Hermann von Neuenar und Hermann von
Manderiheid gerichtete Ermahnung, die freie Wahl in Köln aufs
recht zu halten und für die Wahl einer Perfon fih zu bemühen,
von melder die Handhabung der Vorrechte des Grafenftandes
1) Wohl Dietrich (VI.) von Manderſcheid-Schleiden und nicht der bald
danach, am 11. Dezember 1577, geftorbene alte Graf Dietrih von Manber-
fcheid- Keil, Graf Philipps ältefter Bruder; f. Bärſch, Eiflia illustrata I. 2.
524 ff. u. 560 ff.
554 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
zu erwarten ſei; dagegen jollten fie den „neugeſuchten, argliftigen
und teufliichen Griffen des Nuntius, welder alle, die der päpft=
lichen Religion nicht zugethan, vom Stift ausichliegen wolle‘, bei=
zeiten begegnen. Herzog Ernſts Name war in diefem amtlichen
Schreiben nit genannt, aber in einem Begleitihreiben an Herz
mann von Mandericheid legte Dr. Schwarz ausführlid die Gründe
dar, welche das Kapitel beftimmen mühten, überhaupt feinen Für—
ften, namentlich aber feinen aus dem Haufe Bayern zu wählen:
Gründe teil3 politiidher, teil3 religiöfer Natur, wie fie die Wetter-
auer Grafen all dieſe Fahre ber jo oft wiederholt hatten. Zum
Schluß meldete Dr. Schwarz, die Wetterauer Grafen dürften
hoffen, daß Pfalz, Helfen und etlihe andere Fürften zum Wahl-
tag Geſandte jchiden würden; ſie jelbft wollten demnächſt zu=
jammenfommen, um auch ihrerjeitS wegen des Beſuchs des Wahl-
tags Beihluß zu fallen ?).
Die Hoffnung auf die evangeliichen Fürften erwies fich freilich
bald danad) wieder als hinfällig. — Veranlaft durch den Doms
propft hatte Hermann Mdolf von Solms gleih nah Salentins
Rücktritt dem Landgrafen Wilhelm im Bad Ems über die Kölner
Dinge Bericht erftattet und ihn dringend gebeten, vor der Neu—
wahl eine Gejandtihaft der evangeliihen Nahbarfürften an das
Kapitel zuftande zu bringen. Landgraf Wilhelm war jegt für
feine Perſon ganz eifrig, ſchrieb Brief auf Brief an Kurfürft
Ludwig, damit diefer eine Anzahl füddeutiher Fürften zur Zeil-
nahme bewege und der Leitung des Ganzen fi unterziehe, bat
aud) den Herzog Julius von Braunſchweig, er möge jid) an der Ge—
jandtichaft beteiligen. Aber von Herzog Julius blieb jede Antwort
1) Graf Joh. von Nafjau verweilte bereits feit Anfang September in
den Niederlanden (vgl. Groen van Prinsterer VI, 131. 144. 180 gq.);
Graf Ludwig von Wittgenftein und Dr. Schwarz fanden jedoch für gut, das
Schreiben an die kölniſchen Grafen fo zu ftellen, als gebe e8 von Graf Jo—
hann mit aus und fei bereitS vor Salentins NRüdtritt gefchrieben; deshalb
wurde e8 auf den 1. September zurüddatiert; Hermann von Manderſcheid
‘erhielt Kenntnis von biefem Sachverhalt.
Die Kapiteldregierung. 555
aus und Kurfürft Ludwig fühlte ſich, wider feinen eigenen Wunſch,
durch jeine früher einerjeits den Grafen, anderjeit3 dem bayriſchen
Herzog erklärte Neutralität gebunden, ftellte jedod, um wenigſtens
jeinen guten Willen zu zeigen, feinem Mainzer Kollegen brieflich
vor, dab Weiterungen aus der Kölner Wahl am beiten zu verhüten
jeien, wenn man derſelben ihren ordentlichen freien Lauf laſſe. —
Da nun der Pfälzer Kurfürft zu der Sendung nad) Köln nicht
zu bewegen war, zog ſich ſchließlich auch Landgraf Wilhelm wieder
zurüd. Als Dr. Schwarz am 4. November die heifiichen Land—
grafen nochmals an die Gejandtichaft erinnerte und zugleih als
geeignetiten STandidaten den Herrn Gebhard Truchſeß rühmte,
der nur ein „„gedrungener Papiſt“ fer, ſonſt aber „gar ein ge—
ſchickter, aufrichtiger und gütiger Herr, der wohl ftudiert, aud in
fremden Sprachen ſich geübt und fonft dermaßen in all feinem
Leben und Wandel gehalten habe, daß man ihn eines ſolchen
hohen Standes wohl würdig möcht achten‘, — da ließ Landgraf
Wilhelm antworten, er mühe, da weder der Pfälzer Kurfürjt noch
andere Fürften zu der Schidung Luft hätten, es aud) gehen lafjen.
Über den Truchſeſſen aber habe er, der Landgraf „einen andern
Beriht und fonderlid, dal er nicht ein gedrungener, ſondern ein
williger und faft größerer Papiſt jei, als der von Freiſing ſelbſt,
auch diejes halben zu hriftlicher Belehrung mehr Hoffnung fein
jolle als von jenem.‘
So maren alſo die evangeliichen Grafen wieder auf fi ans
gewieſen. Hermann Adolf von Solms, der rührigite von allen,
machte ſich Anfangs November auf den Weg nad Niederſachſen
zu Erzbiihof Heinrih von Bremen und Biſchof Hermann von
Minden, um fid ihrer Stimmen zunächſt wohl wegen des Land-
tags, vermutlich aber auch ſchon für die Wahl, des Truchſeſſen zu
berfihern. — Am 11. und 12. November wurde ein Wetter—
auer Grafentag zu Butzbach gehalten, wo einige nahegejejjene
Grafen, von Solms, von Sienburg- Büdingen, von Hanau,
in Perſon erihienen, die anderen durch Geſandte vertreten
waren. Die Beratungen drehten ſich zumeift wieder um die
556 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
Kölner Wahl). Dr. Schwarz al3 Stellvertreter des ausſchrei—
benden Grafen Ludwig von Wittgenftein berichtete über die Schritte,
welche namens der Grafen jeit dem legten Grafentag (jeit Des
zember 1576) für die Erhaltung der freien Wahl in Köln gejchehen
jeien und wie man noch bis in die jüngften Tage verſucht habe,
diejelbe zu verhindern. Dabei gedachte er einer Warnung, welche
jüngft Salentin von Fienburg, angeblih im Bertrauen al3 guter
Freund, an Graf Johann von Naffau hatte gelangen laſſen: —
diejer und die anderen Wetterauer Grafen möchten ſich nicht durch
vergeblihes Bemühen gegen die mit oder ohne Gewalt fichere
Nachfolge des bayriihen Herzogs felbit in Gefahr bringen. —
Dr. Schwarz benußte diefe Warnung, welche er als ein Zeichen
der eigenen Bejorgnis der Gegner deutete, um die Grafen zum
Miderftand gegen das Haus Bayern nur um jo mutiger zu ma—
hen, Er ſchlug vor, denjenigen Grafen oder Herren, deſſen Wahl
die Wetterauer Grafen befördern jollten, zuvor verſprechen zu
lajien, daß er feinen im Stift wegen der Religion anfechten oder
mit den geichärften undhriftlihen Juramenten beichweren werde;
weiter ſolle derjelbe veriprechen, die Intereſſen des Grafenftandes
im Kurfürjtenrat zu vertreten. Ohne Zweifel wurde in Butzbach
auch Schon die Perjonenfrage erledigt: von den beiden allein in
Betraht kommenden Bewerbern, Biihof Johann von Straßburg
und Gebhard Truchſeß, war der legtere ven Metterauer Grafen
ohne Zweifel der genehmere 2). Man beichloß weiter bei den be=
1) Der Abſchied des Grafentages (DillA. G. 90. fol. 40) verzeichnet Be-
ſchlüſſe über folgende Punkte: 1) Abweifung der gräflihen Gefandten vom
Frankfurter Deputationstag; 2) Korrefpondenz mit den fränkiſchen Grafen;
3) Irrung mit der Burg Friedberg wegen ber ZTürfenfteuer; 4) Kölner
Sade (j. 0.); 5) das Konkordienbuch (basjelbe fol zur Zeit nicht unter-
fohrieben werben); 6) Bejolbung des gemeinfamen Syndikus Dr. Schwarz
und bes (Sefretärs) Mag. Johann von Rebe.
2) Der bremifche Sekretär Hermann von ber Bede erzählte fpäter ben
Räten des fächfiihen Kurfürften u. a.: „Der bifchof zu Strasburg bet fidh
auch umb das erzitiit Coln fleißig angenommen, er bette aber ber capitır-
laren gunft nicht, were zuvorn der U. E. zugetan gewejen und bernach wegen
Die Kapiteldregierung. 557
freundeten Dombherren vertraulid anzufragen, ob etwa, da bon
den Fürften nicht? mehr zu erwarten, wenigftens die Grafen zum
Wahltag Geſandte ſchicken follten. Für diefen Fall lag bereits
eine Inſtruktion vor; doch ftand man nachher auf den Rat der
Kölner Freunde von einer offiziellen Schidung ab und hielt für
beffer, daß fih Ludwig von Wittgenftein und Konrad von Solms
mit dem Dr. Schwarz zur Zeit der Neuwahl in aller Stille nad)
Köln begäben, um den befreumdeten Domberren mit Rat und
That zur Hand zu fein.
Da mit dem Eintreten der kalten Jahreszeit die Peſt nachließ,
und um die Gegenpraltiken beſſer zu überwachen, begaben ſich
Herzog Ernft und die Seinen am 31. Dftober von Brühl wies
der in die Stadt. In der Frühe des andern Morgens, Aller
heiligen, feierte Herzog Ernſt im Dom feine erfte heilige Meſſe,
mürdig und fromm, nad dem Zeugnis des Kanzlers Elſen—
beimer. — Der Nuntius hatte dringend empfohlen, damit nicht
länger zu erwarten, weil etliche fonft Anſtoß nehmen würden;
er meinte wohl namentlih den Paftor von ©. Golumba, der vor:
dem fein Votum von Herzog Ernſts Priefterweihe abhängig zu
machen jhien und deshalb nun gebeten wurde, bei der Primiz die
Diakonftelle zu übernehmen ). — Der bejondern Bedeutung
diejes Altes waren Herzog Ernſt und feine Anhänger ſich wohl
bewußt. So ſchreibt 3. B. Porzia nad) Münden: „S. f. ©.
u —
der hofnung zum erzftift Coln wider abgefallen 20.” (Bericht ber fächfifchen
Geheimräte vom 23. Dezember 1577. DrY. loc. 8926, fol. 320.) Was
von der Bede fonft über die Kölner Wahl erzählte, ift zwar gutenteils un—
richtig, die Thatfache aber, daß Biſchof Johann bei den anderen Kapitularen
wenig beliebt war, wird auch von den bayriichen Näten öfters erwähnt. —
Maffei 1. c. p. 271 bemerkt über bes Biſchofs Kandidatur, jedenfalls nad
Berichten des Nuntius: Noceva ad Argentina presso a’ buoni la sua molta
familiarita con le suddette persone [seil. eoi canoniei illustri in opinione
di eretici], ma presso a tutti un suo natural fasto e superbia somma-
mente dannosa e contraria a’ candidati. — Über bes Biſchofs religidfe
Haltung vol. 0. ©. 24f. 47..109f.
1) Ob Novimola ber Bitte nadfam, weiß ih nicht; ein ausführlicher
Bericht Elfenheimers über die Primiz ſcheint zu fehlen.
558 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel.
haben das unbefledte Opfer Gottes dargebradt, zu dieſen Zeiten
und hierzulande fürwahr ein hervorragendes Beiſpiel von Andadıt,
da jelbit Leute vom niederften Stande, nit etwa aus Ehrfurcht
und Demut, jondern aus Gleihgültigleit und Stolz diejes hohen
Dpfers fi enthalten. Ih möchte hieraus dem erhabenen bay-
riichen Haufe alles Glück und täglih wachſende Wohlfahrt vor—
ausfagen, wie denn jeitdem nicht nur meine Hoffnung, fondern
aud mein Verlangen nad) dem erwünjchten Erfolg, jo weit dies
noch möglich, geftiegen if.” — Für die Gegner aber war der
Umftand, daß Herzog Ernſt nun jelbit ein „Meßprieſter“ war,
fiherlicd ein neuer Beweis, da er „jeſuiteriſch“ gefinnt fei und
fi) von den Jeſuiten leiten lafjen werde. Fiel doch ſchon genug
auf, daß die beiden nit aus jo vornehmen Stamme entiprofienen
Kurfürften von Mainz und Zrier unter dem Einfluß der Jeſuiten
anfingen, den geiftlichen Pflichten ihres biſchöflichen Amtes ſich
jelbft mit Eifer zu unterziehen ?).
Auch) die anderen Domberren fanden fih, da die Peſt-Licenz
zu Ende war, wieder in Köln ein. Am Abend des 9. No=
vember kam der Straßburger Biſchof in die Stadt, nachdem ihn
das Kapitel, auf Betreiben des Sekretärs Lemgovius, wieder=
holt eigens eingeladen hatte, als ältefter Prälat an den Be—
ratungen über die neue Kapitulation teilzunehmen. In feiner
1) Am 6. November berichten die bayriihen Räte bei Herzog Ernft an
befien Vater (StA. 38/13, fol. 347), fie hörten die Gegner an H. E. nichts
tadeln, „allain dz i. f. ©. zuvil jefuiterifch fein und fich diefelben regiren laſſen,
welches ben unbertanen umleiblich fein wurt. Am andern were zu beforgen,
das haus Bairn möchte dem ftift nit gern mer aus den handen lafien,
fonder ewig bei fi behalten wollen.” Den erften Zabel nimmt Herzog
Aldreht in feiner Antwort (vom 25. November, Kpt. Send StA. 38/10,
fol. 82) eher als Lob: „dabei möchten wir aber wol leiden, das er, unfer
fon jeſuiteriſch genung, das ift gotsförchtig erbar und gelert, from und eiferig
were, welches ome frucht nit abgen könte, ba e8 gleich nit alle weltlinter gern
fähen.“ — Üüber ven geiftlichen Amtseifer der Kurfürften Joh. Daniel von
Mainz und Ialob von Trier: Serarius, Mogunt. Rerum lib. V, 921 qq.
Brower, Antiq. et Ann. Trevir. 1I, 405. 409. Kluckhohn LI, 971.
Die Kapitelöregierung. 559
Wohnung verfammelten jih nachher die Deputierten des Kapitels.
Bald wurde offenkundig, dal Bayerns Gegner in und außer dem
Kapitel die legten Wochen gut benugt hatten. Am 14. November
forderten die vier Grafen Hermann und Dietrich von Mander-
iheid, Hermann und Adolf von Neuenar das Kapitel jchriftlich
auf, während der Sedisvafanz einen Landtag zu berufen, um die
bon dem vorigen Kurfürften den Ständen gegen die Erblandver-
einigung zugefügten Beihwerden abzuftellen. Am folgenden Tag
follte im Kapitel über diejes Geſuch Beihluß gefaßt werden; da
aber der Straßburger Biſchof, weldyem als Scholafter die Umfrage
zuftand, befürchtete, die Majorität der 16 anmejenden Kapitularen
werde mit Herzog Ernſt den Landtag erſt nah der Neuwahl
wollen, jo lie er es nicht zur Abjtimmung kommen, fondern ver—
ſchob diefe bis zur Ankunft mehrerer Herren. Denjelben Streid)
wiederholte er, zum Verdruß der Bayriichgefinnten, im Kapitel
des 18. November. Inzwiſchen kam Hermann Adolf von Solms
von jeiner Reife nad) Niederfachien zurüd und rühmte ſich öffent-
li, daß er den Bremer Erzbiſchof auf feine Seite gebracht habe ?).
Weiter erfuhren die bayriihen Räte von einem der zur Worbe-
ratung der Kapitulation deputierten Doktoren (Smwolgen), daß
ihm der Straßburger Biſchof mit heftigen Drohmworten zugeſetzt
habe, den Landtag vor der Wahl zu bemilligen. Endlich fam
ihnen zu Ohren, die beiden bisherigen Rivalen ihres Herzogs,
der Straßburger Biſchof und der Truchſeß, hätten mit einander
einen Vertrag geſchloſſen, unterſchrieben und befiegelt, wonad der
Truchſeß ſamt feinem Anhang dem Biſchof bei der Kölner Wahl
zufallen, dagegen aber Johann ihm zum Stift Straßburg ver-
helfen jolle; der Straßburger Biihof aber wolle fi) gegen das
1) Aus Danborfs Ausgaberegifter geht bervor, daß auch Joh. Daniel
von Winneburg um ben 14. November — wahrſcheinlich alfo nad ber Rüd-
funft des Hermann Adolf von Solms — ins Stift Paberborn zu Erzbifchof
Heinrich ritt, wohl um der bayrischen Partei Gewißheit über fein Botum zu
verſchaffen. Gegen ben 23. November fcheint Winneburg zurüdgelehrt zu
fein. Zur Zehrung erhielt er 50 Thaler (= 58 Gulden).
560 Schftes Bud. Viertes Kapitel.
fanonishe Recht in Köln nicht poftulieren, ſondern mit eins
facher Majorität wählen lafjen, im Vertrauen darauf, dab die
Landftände, denen der Unterſchied zwiihen Wahl und Poſtu—
lation nicht geläufig, auf Grund des Artilels 13 der Land-
bereinigung eine jolhe Wahl verteidigen würden !). — Ohne
Zweifel haben fi) die beiden Gegenbewerber des bayriſchen Her—
3093 damals mit einander verftändigt, wenngleich wir nicht jagen
können, ob wirklich in der angegebenen Weile. — Die bayriichen
Räte fürdhteten, wenn fie im Vertrauen auf die Majorität,
welche Herzog Ernſt zur Zeit im Kapitel zu haben meinte, ohne
Rückſicht auf die Landftände zur Neuwahl fchritten, würde die
Gegenpartei ihren Ermwählten nicht anerkennen, jondern, auf die
Zandftände geftügt, einen andern Herrn aufwerfen. Cie baten
darum den noch im Klofter Altenberg weilenden Nuntius ſowie
die faiferlihen Kommifjare ihre Rückkunft möglihft zu beeilen,
ſchickten aud) eine eigene Stafette zu Herzog Albreht, damit er
für alle Fälle Maßregeln zu ihrem Schuge treffe. Auch den Her—
zog von Zülid baten jie um Nat und Hilfe.
Am 20. November forderten die drei Prälaten, Dedant,
Chorbiſchof und Scholafter, durch den Sekretär Lemgovius in aller
Form das Kapitel auf, dem Begehren der weltlichen Grafen und
der Landvereinigung gemäß, vor der Neuwahl einen Landtag zu
halten; fie verjprachen zugleich zu verhüten, daß nicht, wie etliche
Herren befürdhteten, auf demfelben etwas geihehe, wa3 der Re—
ligion oder der Jurisdiktion des Kapitels nachteilig jei, und pro=
1) Der betr. Artifel (13) der Erblanbvereinigung lautet in ber Faflung
von 1550: „13. Item wan bat capittel eindrechtlich oder bat: meiſte deyl
von deme capittel einen herren gefoeren und erwehlt hat, of ban jemanbt
were, ber auch were binnen oder buifjen dem capittel, in ſolche Kur bröge
zweytracht und umeinbrechtigfeit in bem ftifft machen wolde, fo follen alsdan
edelmanne, ritterfchaft, flede und gemeine landſchafft dem alſo ermwehlten
beren geborfamteit boin, mallih na fyme gebur, ben erwehlten herren uf fine
köſt, bey dem ftifft Helffen behalten, und ber fachen fall der berr ihn ein
beufft-berr fein.” PVollftändige Sammlung (ded Kurfürften Marimilian
Friedrich) 1772 I, 6.
Die Kapiteldregierung. 561
teftierten gegen die Folgen, wenn man dem. Begehren der Grafen
nicht millfahre. Der Beſchluß wurde Bis zum folgenden Tage
ausgejegt, erfolgte aber auch da wieder nicht, weil die drei Präs
laten: durch die Drohung, ſich abzufondern, wiederum eine. ihnen
ungünftige Abftimmung verhinderten. — Aber die Widerftands-
fraft der bayriſch gefinnten: Kapitularen war. bereits gebrochen ;
als fie nad) diefer legten Kapitelsjigung unter einander berieten,
was nun zu thun, entichloffen fie jih, um Weiterungen zu ver—
hüten, nachzugeben und den Landtag vor der Wahl zu bemilligen,
unter folgenden durch den bayriihen Kanzler formulierten Be:
dingungen: Auf dem Landtag dürfe 1) nichts vorgebracht werden,
was der katholiſchen Religion zuwider, oder 2) der geiftlichen und
weltlihen Jurisdiktion des Exrzitiftes nachteilig ſei; 3) die Lands
haft dürfe jih in die freie Wahl des Kapitels nicht einmifchen ;
4) Poſtulation und Wahl jollten nicht verwechſelt werden und
erftere nur gemäß dem geiftlihen Recht erfolgen. Die Gegenpartei
fträubte fih anfangs gegen dieſe Bedingungen, vermutlich weil ſich
der Straßburger Biihof nicht To glei in feinen Ausschluß von
der Wahl ergeben mochte, welder in der vierten Bedingung mittel:
bar enthalten war; er wird fid) aber ſchließlich überzeugt haben, daß
er nicht einmal Ausfiht auf einfahe Majorität habe und darum
immerhin die Wahl des Truchſeſſen der des bayrischen Herzogs vor:
zuziehen jei. — Andern Tags (am 22. November), als man im
Kapitel wieder zuſammenkam, brachte es Johanns geipreiztes
Weſen noch zu einem kleinen Poſſenſpiel: er beſchwerte ſich näm—
lich bitter, daß man ihn verdächtige, als habe er als Scholaſter
nicht jederzeit den Statuten gemäß votieren und konkludieren
laſſen; er ſei bereit, ſich wegen dieſes Vorwurfs zu verantworten,
könne ſonſt den Kapitelsberatungen fernerhin nicht beivohnen. Das
Kapitel beteuerte darauf, nicht„verweislich ſondern nur berichtweiſe“
ſei das Statutum de majoritate votorum von etlichen Herren an—
gezogen worden; Seine fürſtliche Gnaden möchten das nicht in
Ungutem verdenken, ſondern den Kapitelsſachen wie bisher bei—
wohnen. — Gleich darauf erſchienen die Grafen Hermann und
Lofſen, Köln. Krieg I. 36
562 Sechſtes Buch. Viertes Kapitel.
Dietrih von Manderſcheid im Kapitel und wiederholten, namens
ſämtlicher Stiftsgrafen, ihr jüngftes ſchriftliches Erſuchen. — Nun-
mehr faßte das Kapitel einmütig den zuvor ſchon zwiſchen beiden
Parteien vereinbarten Beſchluß, den Landtag vor der Wahl unter
den angegebenen vier Bedingungen zu bewilligen; der Landtag jolle
am 2. Dezember zu Köln im Kölnishen Hof gehalten, und zwei
Zage danad) zur Neumahl gefchritten werden.
5. Kapitel.
Die Wahl des Gebhard Eruchfeß.*
Die Deputation, welche mit der Vorberatung der neuen
Wahlartifel betraut war, fam damit nad vierzehn Tagen, am
29. November, zu Ende. Ihr Werk wurde naher vom Geſamt—
fapitel mit einigen Zufägen genehmigt und von jämtlichen an—
weſenden Kapitularen unterichrieben. In der Form richteten ſich
die Artikel im allgemeinen wieder nad) den alten, aber eine Menge
neuer Beichränfungen der ohnehin ſchon fo eingeengten erzbiichöf-
lichen Rechte diente al3 Unterpfand de3 Sieges, weldyen das Dom—
* Quellen: Folgende meift ſchon früher angeführte Archivalien: DA. Domkap.⸗
Protof. Nr. 157; Köln Domfift 323. 323. 324 u. 324ab, — StN.
38/3. 10. 13. 15—18; 230/3; 311/16; 399/55. 56 u. 59. — RA.
Fürftenfachen Spec. C. Nr. 407; Unruhen im Erzftift Köln 1577/84,
T. I (Hier fol. 1/29 DOr.-Briefe des Straßburger Bifhofs an Gebharb
Truchſeß vom Dezember 1577 His Februar 1578). — Dr. loc. 8926;
loc. 8525 (Bericht von Erich Volkmar v. Berlepfh an Kurfürft Auguft
über Salentins Hochzeit). — MB. Cgm. 2213. Bd. 59, fol. 80 ein
„Verzeichnus was auf des gr. zu Iſenburg bochzeitlichen erentag an
cleinoten und filbergefchir gefchenft und verert worden.” — Gebrudt
find einige päpftlihe umb andere Briefe bei Theiner II, 280 u.
370sqq. Lacomblet, Urk. IV, Nr. 581. Mande haldrichtige Ein-
zelnheiten über die Kölner Wahl bes Jahres 1577 bei Maffei,
Ann. di Gregorio I, 270sqq. und bei Ennen V, 3ff.; bafelbft
IV, 645 über Salentins Hochzeit. — Im allgemeinen vgl. Buch 1,
Kap. 2.
36 *
564 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel.
fapitel über Kurfürft Salentin davongetragen hatte. Die Ge—
ihichte ihres Streites ift in ihnen gleichſam abgeprägt.
Art. 1 fchreibt nunmehr die Erlangung der päpftlihen Kon—
firmation ausdrüdlid vor, dagegen fehlt die ſchon vor zehn Fahren
von den Prieſterkanonikern angefochtene Klaufel, das Dispens von
der Priefterweihe zuläifig. Bezeichnend für den Fortſchritt, welchen
der Geiſt der fatholiihen Reftauration inzwiihen im Erzſtift ges
macht hatte, erneuerten jekt nur noch zwei Edelherren, Hermann
Adolf von Solms und Johann von Winneburg, den damaligen
Proteſt gegen diefen Artitel ). — Alle furfürftlichen Räte, Sefre-
täre, Regiftratoren: ſollen fortan. auch dem Kapitel eidlich verbunden
fein. — Die Erblandvereinigung von 1463 und 1550 wird ſchon
in den Wahlartifeln ausdrüdlich beftätigt. — Kein Kanonifus oder
Prälat fol vom Erzbiſchof anders als vor dem Kapitel jelbft
gerichtlich angeiprochen werden; wenn Klerus und Unterthanen fich
zu Recht erbieten, darf ihnen der Kurfürft ihre Güter nicht. mit
Arreft belegen. — Johann Gebhards. Vertrag vom Fahre 1561
wird neuerdings beftätigt; demnah muß Salentins Nachfolger fi
verpflichten, den Abgang an den dem Kapitel verpfändeten Zöllen
zu Bons, Berd, Bonn zu erjegen. Vor zwei Jahren hatten die
Rückſtände aus Zons und Berd ungefähr 17,000 Goldgulden
betragen; jest ihäßte man fie ſchon auf 23,000 und die Fort—
dauer des niederländiichen Srieges ließ weiteren Rückgang ver
Bollerträgniffe erwarten. Dieſer Artikel enthielt obendrein, gleich
mehreren anderen, den Zujag, daß alles, was der jüngite Vor—
gänger ihm zumider gehandelt, widerrufen und nichtig fein jolle.
Der neue vegierende Herr verzichtete jomit von vornherein auf
alle Vorteile, welche Salentin in der Zonſer Streitſache durch Die
faijerlihe Kommiſſion und den Proze am Kammergericht bereits
erlangt hatte. — Die Höfe Der und Chor im Veſt Nedling-
1) gl. o. ©. 28. Im Wrotofoll des 5. Dezember 1577 beißt es
Herm. Ad. Solms et Joh. a Winnenb, quoad articulos repetunt suamı
protestationem quam tempore electionis D. Salentini, ut mihi dicebant,
interposuerunt.
Die Wahl des Gebharb Truchſeß. 565
hauſen verbleiben dem Kapitel. — Der Ertrag aus den von
Salentin gelöften Gütern fol zu weiteren Löfungen verwendet
und deren Einkünfte von Erzbiihof und Kapitel gemeinjam ver:
maltet werden. — Kaum einmal finden wir in einem Artikel
etwas gemildert ). Am Schluß find mehrere ganz neue Artikel
angehängt, von denen der erfte mehr als eine Vorſorge gegen
den mutmaßlichen künftigen Herrn ericheint, während die anderen
wieder an einige Momente aus dem Streit mit Salentin er—
innern. In Art. 43 veripricht nämlich der Neugewählte, daß er
etwa früher fontrahierte eigene Schulden nicht dem Erzftift zur
Zait legen wolle. Nun galt von den Bewerbern um die Kur der
Truchſeß als „zehrlich“, d. h. als Verſchwender; die Familie des
Domdehanten, von Schauenburg, war tief verichuldet, die Prunk—
juht des bayriihen Haujes ſprichwörtlich: der Artikel läßt fich
alſo als eine Vorkehr gegen dieſe drei Bewerber zugleih aufs
faſſen. — Art. 44 verbietet dem Ermählten feine Dompräbende
während feiner Regierung zu rejignieren: vermutlich in der Abficht
neue Koadjutoriepläne zu erſchweren. — Urt. 45 unterfagt alle
nicht ausdrüdlih von Kapitel und Landftänden genehmigten Bünd—
niffe und Dienftverhältniffe mit fremden Herren. — Art. 46
ordnet an, daß der regierende Herr, jo oft er das rheiniſche Erz—
ftift verlaffe, eine aus Kapitel und Räten genommene Statthalter-
Ihaft anordnen müſſe. — Der legte Artitel (47) bejagt wörtlid:
„Weil unſer legter Vorgänger, auf Anftiften, wie zu glauben,
und mit Rat übelmollender und unruhiger Leute, mit unjerm ehr-
würdigen Kapitel jchwere Jrrungen gehabt hat, fo veriprechen wir
von den alten oder neuen Räten feinen anzunehmen, außer mit
1) Der alte Art. 3 enthält die Beftimmung: quod nullo tempore contra
capitulum vel alium statum patriae ac dioecesis a Sede Aplica vel Caes.
Mte judices seu commissarios in judicio vel extra judicium sine consensu
ejusdem capituli petemus vel obtinebimus. Diefer Sat wurde in bem
neuen Urt. 4 weggelaſſen, ne capitulum videatur Rmum nimium con-
stringere, wie e8 im Protofoll der Deputierten vom 28. November heißt.
Da man folhe Rüdfiht fonft nirgend nahm, möchte man bier einen Hinter»
gedanfen vermuten.
566 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
Rat und Gutheißen unjeres Kapitel und nicht anders al3 gemäß
der Beftimmung der Landvereinigung unjeres Erzftifts.‘ — Diefer
Artikel hat feine eigene Geſchichte.
Am 13. November hatte ſich Salentin in einem Schreiben
an jämtliche kurkölniihe Räte (aus Schloß Grenzau) bitter be=
ſchwert, daß er für all’ feine dem Erzitift geleifteten Dienfte nichts
ernte als ehrenrührige und unrehtlihe Nahreden; man habe ihn
jogar wegen einiger noch nicht fälligen Bejoldungen beim Kammer—
gericht verklagt, auch ſonſt vielfach moleftiert und angelaufen ;
landfundig fei, mie man ihm nad feinem Abjtand mit Hohn,
Spott und Bedrohung begegnet: „nit anders, dann al3 mann
ih des ErzftiftS gar ein Fremder, ja desſelben der geringiter
Diener oder Hundsbub geweſen, der fein Lebenlang demjelben
niemal3 weder Gut3 gegonnt noch erzeigt hätt.“ Das könne er
nicht länger dulden, darum möchten die Räte mit ihm darauf be=
dacht fein, die chrenfräntenden Nachreden abzufhaffen und ihm
jagen, weſſen er fih von ihnen zu verjehen habe. Kopie diejes
Schreibens fam den Donnlapitularen zu, auf die es ja ohne Zwei—
fel gemünzt war. Wir wiſſen nicht, was die Räte ihrem alten
Herrn geantwortet haben; daß fie ihm nicht Steine nachwerfen
würden, wie das Domlapitel, war jedenfall vorauszuſetzen; doc
mußte diefem daran liegen, dag fie wenigſtens nicht, zumal nicht
auf dem bevorftehenden Landtag, geradezu gegen das Kapitel Partei
nahmen. Deshalb wurden jämtlihe Räte, adelige und gelehrte,
auf den 1. Dezember vor das Kapitel beichieden und hier auf:
gefordert, anzuzeigen, ob einer von ihnen wiſſe, daß das Kapitel
den Zoll von Zons nicht mit Fug innehabe. Die Räte, zahlreich
erihienen, antworteten durd Kanzler Burlhart, fie hätten ftets
bedauert, daß der Handel zwiſchen Kurfürft und Kapitel zu Ver:
bitterung geraten; in der Sache aber hielten fie jih daran, daß
fie als bloße Mandatare des Kurfürften gehandelt und daß es im
Reihe ungebräuchlich fer, in ſolcher Weile die Räte zur Rechen:
ſchaft zu ziehen; auch ſei die Sache rechthängig, einige von ihnen
al3 Zeugen zum Stillſchweigen verpflichtet u. f. w. Nachher
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 567
erklärten jedoch einige adelige Räte, darunter der Landhofmeijter
Georg von der Leyen und der Marſchall Rutger von der Horft,
für ihre Perjonen noch weiter: fie feien nicht gemeint geweſen,
das Kapitel zu verunglimpfen, hätten dieſes aud nicht in Ver—
dacht, dag anders als recht, billig und adelig gehandelt worden
ſei. Da der Landtag bevorftand, begnügte fid) das Kapitel einft=
weilen hiermit, fügte dann aber, ohne Zweifel um ſich für die
Zukunft zu fihern, noch in legter Stunde jenen Art. 47 der
Wahlkapitulation hinzu. — Übrigens findet ſich nicht, daß das
Kapitel nachher gegen die weitere Verwendung eines der alten
Räte Salentins Einſpruch erhoben hätte.
Über den Verlauf des am 2. Dezember im Kölnifchen Hofe
eröffneten Landtags fehlen direlte Nachrichten. Aus den Vorver-
handlungen ift zu fchließen, dab das Sapitel den anderen Land—
ftänden die Zonſer Streitfrage vorgelegt und für fein Verhalten
in derjelben die Billigung des Landtags verlangt, wohl aud
erhalten haben wird. Vagegen werden die Landftände ihrerjeits
gefordert haben, daß fünftighin jeder neugewählte Herr die Erb—
landvereinigung in aller Form beftätige und erneuere. Verbunden
damit war vermutlih eine Ermahnung von Grafen und Nitter=
{haft an das Kapitel, einen folden Heren zu wählen, von weldem
nit wieder Übergriffe in die Rechte der Landftände zu befürchten
fein. — Von Freunden Bayerns wird nachher behauptet, der
gichtleidende Graf Hermann von Neuenar habe fid) jogar ein oder
mehrere Male in das Kapitel tragen laſſen, um vor der Wahl des
bayrijchen Herzogs zu warnen. Die Domtapitel-Protofolle ent=
halten hiervon nichts; dennoch ift die Thatſache jehr wahrſchein—
li, wenn auch nit anzunehmen ift, daß Herzog Ernft3 Name
ausdrüdlih genannt wurde. Wenn Graf Hermanı vor der Wahl
eines allzu mächtigen Herrn warnte, wußte ohnehin jeder, wem das
galt. Der Landtag jheint fih bis zum 4. Dezember hingezogen
zu haben, da man feinetwegen die Wahl um einen Tag, bis zum
Sten verſchob.
Die Vorbereitungen zur Wahl dauerten auch während des
368 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
Landtags fort. Um S. Katharinen waren Nuntius Porzia und
die Drei faiferlihen Kommiſſare nah Köln zurüdgelommen umd
hatten am 27. nad) einander Audienz beim Kapitel, welchem jie
nohmals, ungefähr mit den früheren Gründen, die Wahl des
bayriihen Herzogs empfahlen. Porzia überreichte zugleid) ein
neues, auf jeinen Wunſch erlaffenes Breve (vom 24. September),
welches darauf Hinmwies, day das Kapitel jelbft den von Papſt
und Kaiſer und anderen Fürften empfohlenen Herzog Ernit als
einen der höchſten Ehren jehr mürdigen Mann bezeichnet habe.
Am folgenden Tag erichten im Sapitel, als Abgeoröneter von
König Philipp und Don Juan, der königlihe Rat und Propft
von S. Severin in Köln, Johann Fund, und erflärte von neuent
ven bayriihen Prinzen al3 einen dem fatholiihen König genehmen
Nachbar. Nah ihm ftellten vier Geſandte des Herzogs Erih von
Braunihweig dem Kapitel vor, daß durd Herzog Ernits Wahl
der fatholiichen Religion, den Neid) und dem Erzitift am beiten
gedient jein werde. — Herzog Erich, jeit langen Jahren ein
Parteigänger Spaniens, war neuerdings durd) feine Che mit Do=
rothea von Lothringen, der Schwägerin des jungen Bayernherzogs
Wilhelm, in nähere Beziehungen zum Haufe Bayern gekommen.
Den Wortführer jeiner Gejandten, Dr. Rudolf Elend, einen Kon—
vertiten, hatte ihm Herzog Albrecht ſelbſt unlängjt als Hofprediger
zugefandt. Herzog Eric unterjtügte jeine Intercejlion für Herzog
Ernſt durch das Exbieten, im Falle von deſſen Wahl dem Erzitift
mit Land und Leuten beizuftehen. Im Munde eines Mannes wie
Herzog Erih, der einftmals aus bloßer NRaufluft halb Nieder:
deutihland mit einem Söldnerheer verwültend durchzogen hatte,
fein leeres Wort. — Unter den Motiven, welde die Wetterauer
Grafen gegen die Wahl des bayriichen Herzogs geltend machten,
nahm deſſen Verbindung mit dem gefürchteten Braunfchweiger
regelmäßig eine Stelle ein; amderjeit3 hatte das Erzſtift Köln
diejen jicherlicdh lieber zum Freunde als zum Feinde !).
1) Über Herzog Erich den Jüngern im allgemeinen Havemann II,
Die Wahl des Gebharb Truchſeß. 569
Am 29. November wiederholten die Gejandten von Kurmainz
und Kurtrier (unter legteren auch der wegen jeines Einfluffes auf
Graf Philipp von Manderſcheid-Keil von bayriſcher Seite bejon-
ders gern gejehene Dompropft Schönenburg) ihre frühere Inter—
ceifion für den dem Papfte und dem Kaiſer genehmen, bereits
zum Prieſter geweihten Freifinger Biſchof, der mit Hilfe jeiner
mächtigen Verwandtſchaft alle Gefahren von ihrem Erzſtift leicht
fernhalten fünne. Am 2. Dezember folgte nod) eine warme Em—
pfehlung des Herzogs Ernſt durch jülihiche Gefandte (Landhof—
meifter Gimnich, Dr. Konrad Fürftenberg und Dr. Walter Fabri-
cius), und endlid die abermalige Bitte der bayrischen Räte
Maxlrain und Eljenheimer, ihren von jo vielen Seiten empfoh-
ienen, vom Kapitel jelbit belobten jungen Herrn zu wählen. —
Am 4. Dezember ließ das Kapitel all diefen Gejandten durch
einige Deputierte in allgemeinen Ausdrüden antworten: fie ins—
gemein und alle einzelnen Mitglieder wollten bei ihrer bevor-
ftehenden freien Wahl jo wählen, daß es zu Gottes Ehre, zum
gemeinen Beſten und zum Wohlgefallen von Papſt und Kaifer
gereichen werde.
Biel wichtiger für den Ausgang der Wahl war das, was
außerhalb des Kapitel im geheimen mit den einzelnen Wählern
verhandelt wurde. Leider wiſſen mir Genaueres nur über das,
was auf bayriiher Seite geihah; die Praftifen der Gegenbewerber
fennen wir faft nur aus den in die Offentlichkeit gelangten nicht
durchaus zuverläffigen Gerüchten 9.
296 ff. Über feine Beziehungen zum Haufe Bayern feit der Heirat mit
Dorothea von Lothringen (Dezember 1575) mancherlei zerftreut im ben
Münchener Archiven. Biographie Clencks von Engerd bei Mederer
II, 45sgg.; vgl. Prantl, Geſch. ber Univ. München IL, 492.
1) Mehr oder minder verbürgte Nachrichten über die antibayrifchen Prak—
tifen fammelte in Köln nad der Wahl zuerft Dr. Aernsperg, fpäter Dan-
dorf. Weiteres erfahren wir durch aufergerichtlihe Zeugenausfagen, welche
der bayriſche Gefandte Fabricius zum Zwed bes Prozefies gegen Gebharbs
Wahl in den Jahren 1578/79 in Rom erheben lief. Gewichtig find hier—
unter namentlich Ausfagen eines Sohnes bes jülichſchen Rates Walter
570 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
Bon den 13 Stimmen, auf welde die bayriſche Partei anfangs
zählte, waren ihr zulegt nur 10 ficher geblieben ; jie bedurfte aber,
da die beiden Gegenkandidaten außer Betracht blieben, mindeftens
12, um die abfolute Majorität (unter 22 Stimmen) zu haben.
Der Nuntius hoffte noch immer den Senior Novimola auf die
bayrische Seite zu bringen; er wußte, daß der alte Mann in jfan=
dalöſem Konkubinat, lebte und dachte wohl durch die Drohung mit
der Sufpenfion und Erlommunifation ihn an der Hand zu hal—
ten). Die anderen Freunde Bayerns teilten übrigens dieſe
Meinung nit. Dagegen veriprad) Graf Reinhard von Solms
wiederholt fowohl einzelnen fremden Gejandten, wie dem Herzog
Ernſt jelbft, er werde feine Zufage halten; al3 zwölften aber
glaubte die bayrifhe Partei den Lie. Paul von Kuchoven, der
früher für truchſeſſiſch galt, auf ihre Seite gebracht zu haben.
Denn Kuchoven veriprad den beiden zur Zeit als Flüchtlinge in
Köln lebenden Biihöfen von Roermond und Middelburg, feinen
Landsleuten, ferner dem Nuntius und dem Dedanten Orth für
Herzog Ernft zu ftimmen, falls dadurch deſſen Wahl gefihert jei.
Am Zage vor der Wahl wurde man aber feinetwegen wieder
zweifelhaft, da man hörte, Kuchoven, der feine Dompräbende durch
die Gunft des Stadtrates erlangt hatte und als Regent des
Laurentianum von diefem abhängig war, jei duch den Dffizial
Kempis, jowie duch einen angejehenen Ratsherrn, angeblih den
Fabricius, welcher bald nad der Wahl zum Eintritt in das germanijche
Kolleg nach Rom ging, ferner die eines früheren Dienerd bes Nuntius Porzia;
vgl. u. Buch 7, Kap. 2.
1) 28. November 1577 ſchreibt Borzia an Herzog Albrecht (StA. 399/59,
fol. 4): Ego vero . .. canonicos sacerdotes duos, qui animo a nobis
alienori esse videntur [d. i. Novimola und Kempis], perstringam etiam
acrius et .... monebo serio, cum praecipue in horum altero contra
omnium spem mihi uni sit adhuc aliqua spes, cui ex iis, quae a me
audivit et quae per alium insinuari curavi, scio magnum esse injectum
scrupulum. Damit bringe ih das o. ©. 171 erwähnte Geſpräch Porzias
mit Novimola in Verbindung, worüber ein früherer Diener des Nuntius im
Sanuar 1579 in Rom Ausfagen machte.
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 5711
Syndikus Dr. Steinwih, mit Verluft feiner Regentenftelle bedroht
worden, falls er den bayriichen Herzog wähle !). Kuchoven felbft
behauptete, Graf Meinhard werde nicht Wort halten und demnad)
Herzog Ernſt dur fein, Kuchobens Votum erft 11 Stimmen be=
fommen, aljo Stimmengleihheit und ein verderblihes Schisma
entjtehen. Daraufhin brachte man ihn und den Grafen am Vor—
abend der Wahl in Herzog Ernſts Behaufung zufanmen, wo fie
einander zujagten, für diejen zu ſtimmen. Nun erſt fah man auf
bayrijcher Seite dem Morgen des 5. Dezember mit einigem Ver—
frauen entgegen.
Inzwiſchen hatten aber aud die Gegner für die bevorftehende
Wahlihlaht ihre Reihe gemuftert und geſtärkt. Wir erinnern
uns, wie Hermann Adolf von Solms bei feiner Rückkunft aus
Niederfachien fi rühmte, den Bremer Erzbiihof auf feine Seite
gebracht zu haben; diefer jcheint ihm jogar einiges Geld für die
Koften der Wahlagitation mitgegeben zu haben. Wenigitens ver:
fiherte nachher der bremiihe Sekretär Hermann von der Bede
am Dresdener Hofe, jein Herr habe ji die Kölner Wahl 4000
bis 5000 Thaler koſten laſſen. Heinrich erichten nicht in Perſon
zu Köln, jondern ſchickte feinen Rat Schrader mit einer auf feinen
Bruder, den Chorbiſchof lautenden Vollmacht. Zeilnahme an der
Wahl durch Prokuratorium war nad kanoniſchem Recht geftattet,
nur mußte der Mandant die zu mählende Perſon beftimmt be=
zeichnen ). Auf bayrifher Seite wollte man nachher wiſſen,
1) Über Kuchoven (Paulus Kuckhovius) aus NRoermond: Bianco
I, 280ff. Kuchoven hatte feinen Kapitelplat zufolge Präfentation ber Pro-
viforen der Univerfität, troß dem anfänglichen Widerftreben des Kapitels, im
Dezember 1572 erhalten. DA. Domtkap.-Prot. Nr. 155.
2) c. 42 X de elect. I, 6. absens .... si voluerit, uni committat de
ipso collegio vicem suam — und c. 46 in VIto de elect. I, 6. cum pro-
curator unum suo, et alium domini sui nomine in scrutinio nominandum
duxerit, nihil agit, nisi de certa eligenda persöna sibi dominus dederit
speciale mandatum. Bon bayrifher Seite wirb offenbar naher, um das
Botum des Mindener Bifhofs anzufechten, diefem $ ein Sinn untergefchoben ,
ben er nad dem Wortlaut nicht hat.
572 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel.
Heinrich habe drei verichiedene Voten eingeihidt: vermutlich, wenn
es fid überhaupt jo verhält, eines auf den Domdedanten, das
andere auf den Scholafter, das dritte auf Herrn Truchſeß lauten;
feines jiherlidh auf Herzog Ernſt. — In einem Briefe an Sa—
lentin von Iſenburg (aus Schloß Börde vom 25. November),
worin er deifen Bitte ablehnt, zu feiner Hochzeit, ſowie zur Kölner
Mahl zu ericheinen, bemerkt Erzbiihof Heinrih: er jet der zu
Neuhaus geichehenen Fürbitte feines Freundes mohl eingedent,
lafje aber auf fi) beruhen, ob auch andere Leute [d. i. das Haus
Bayern] ihr Exrbieten jo gut meinten, wie fie wohl vorgäben.
„Die alten Sachſen“, fügt er hinzu, „haben gemeinlich den Stein
geicheuet, daran fie fi einmal geſtoßen.“ Doch wolle er in diejer
Sade ſich alles aus dem Sinn und Herzen jäten, was ihm mider
Zuverficht begegnet, und ſofern er mit votiere, allein Gottes Ehre
und des Stiftes Wohlftand inaht haben. — Diele dunfeln
Worte find wohl jo zu deuten, daß Heinrich feinem Bruder Auf-
trag gab, falls Herzog Ernſts Wahl ficher jei, überhaupt nicht
mitzumählen, andernfalls aber den, welcher die Majorität für ſich
habe. Darum aljo drei verſchiedene Voten.
Biihof Hermann von Minden, welcher ebenfalls nicht ſelbft
erihien, beitellte jeinen Bruder, den Domdechanten, al3 Profurator.
Bon bayriiher Seite wird nachher behauptet, des Biihofs Votum
habe unbeftimmt, nämlich auf den gelautet, welchem majora et
saniora vota zufielen, ſei aljo eigentlich ungültig geweien. Auf:
fallend ift immerhin, daß des Biſchofs Votum fi nicht mehr bei
den Aften findet, während doch die Voten der anderen drei bei
der Wahl fehlenden Herren, des Bremer Erzbiihof3 und der
beiden Grafen von Weiffericheid, im Driginal vorliegen. Die bei-
den legteren wurden nämlich faſt in lehter Stunde durch den
Zod ihrer Mutter bewogen weg zu bleiben; mit Abgabe ihrer
Stimmen (für Herzog Ernſt) bevollmädhtigten fie den Herrn Joh.
Daniel von Winneburg und den Grafen Philipp von der Mar.
Angeblich kurz vor der Wahl — oder wahrſcheinlicher, wie
erwähnt, ihon um den 21. November, al3 man im Kapitel wegen
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 573
des Landtags Beſchluß faßte — verftändigten fi die beiden
zulegt nody in Frage kommenden Rivalen von Herzog Ernſt, der
Straßburger Biſchof und Gebhard Truchſeß mit ihrem beiderfeitigen
Anhang, über gemeinfame Wahl des legtern. Seitdem hatte der Truch—
jeß 10 Stimmen feft, nämlid 8 Edelherren: Dedant, Chorbiſchof,
Scholaſter, Junior-Diakon (Philipp von Manderſcheid), Hermann
Adolf von Solms, den Mindener Biſchof und den Bremer Erz-
biihof; jodann 2 Priefter, den Senior Novimola und den Dffizial
Kempis. Novimola joll, damit man feiner fiher war, am Tage
bor der Wahl von dem Truchſeſſen 1000 Xhaler und außerdem
zwei Faß Wein von dem Straßburger Biſchof erhalten haben. —
Daß der Regent Kuchoven der Majorität beifallen werde, wußten
Gebhard Freunde jedenfalls gerade jo gut wie Herzog Ernft und
die Seinen. Die eigentlihe Entſcheidung lag alfo in der Hand
eines einzigen Mannes, des mwanfelmütigen Grafen Reinhard von
Solms. Um ihn feit zu machen, wurde auf der truchjefliichen
Seite ebenjo wie auf der bayriihen fein Mittel zu schlecht be=
funden. Auch er ſoll vom Truchſeſſen Wein zum Geichenf bes
fommen haben, jeine Haushälterin aber ein koſtbares Gewand,
Am Abend vor der Wahl, wird erzählt, habe ihn fein Bruder
Hermann Adolf von der Straße in das Haus des Dompropftes
geholt; hier wird er auch deſſen Bruder Ludwig von Wittgenftein,
den Grafen Konrad von Solms und den Dr. Jakob Schwarz ges
troffen haben, welche fich beveit3 jeit einigen Zagen in der Stille zu
Köln aufhielten. Beim Wein wurde nun der ſchwache Mann bes
arbeitet, jeine Stimme dem Truchieffen zu verſprechen. Das Zehen
fol nadher im Hauſe des Domdechanten bis 2 oder 3 Uhr in
der Nacht fortgedauert haben, jo daß manche der Herren in der
Frühe des andern Morgens noch halb im Rauſch zur Wahl er:
ſchienen ſeien.
Äußerlich hielt man ſich auch diesmal wieder genau an die
hergebrachten Formen. Bereits am 28. November waren durch
Anſchlag am Dom alle Abweſenden citiert worden; am 2. De—
zember wurde, wer nicht erſchienen und nicht vertreten ſei, für
574 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel.
fontumaz erklärt und von allen Anweſenden (au von Herzog
Ernft) ein Profurator bevollmädtigt, im Namen jämtliher Kapi—
tularen zum Abt von ©. Martin fi zu verfügen, damit dieſer
alle, welche etwa unbewußt geiftlihen Zenſuren verfallen, zum
Behuf der Wahl, ad abundantem cautelam, abjolviere ). Das
geihah am Aten, In der Frühe des 5. Dezember verjammelten
fih die Wähler im Dom zur Meſſe vom heiligen Geifte, wobei
Hermann Wolf von Solms und Johann von Winneburg, wie ge=
wöhnlich bei fahramentalen Handlungen des fatholiichen Kultes, ge—
fehlt haben follen. Nachher begann im anftogenden Kapitelfaat
die Wahl per scrutinium et compromissum mixtum sive de-
terminatum, genau fo wie bei Salentins Wahl im Fahre 1567.
Die Profuratorien der vier abweſenden Herren wurden ange=
nommen. Als die Skrutatoren — mie gewöhnlid der Dedant,
der Senior-Diafon und der Senior der Priefterfanonifer — die
Stimmen gejammelt hatten, kamen fie ins Kapitel zurück und
meldeten, diejelben jeien auf mehrere gefallen, einer habe jedoch
Majorität (plura vota), ob Acceſſio beliebt werde? Das Kapitel
antwortete: ja; Herzog Ernit aber und nad ihm nod vier andere
Herren — oh. Daniel von Winneburg, Orth, Smolgen und
Winfel — erklärten, nur jure uniuscujusque salvo fönnten fie
die Acceſſio bemilligen. Nach kurzer Entfernung erſchienen die
Sfrutatoren wieder und ließen dur den Senior Novimola den
Herrn Gebhard Truchſeß, Freiherrn von Waldburg zum Erzbiſchof
erwählen und verfündigen. Während der Erwählte ſich wie üblich
mit einigen Freunden — Dechant, Chorbiſchof, Scholafter Novi—
mola, Orth und Smolgen — binausbegab, um ſich über die An—
nahme der Wahl zu beraten, erklärte Herzog Ernſt im Sapitel,
unter den Wählern jeien einige zur Wahl unfähige geweien, darum
1) Außerdem abfolvierte auch ber Nuntius Porzia bie vermeintlichen
Anhänger des bayrifchen Herzogs, darunter au den Grafen Reinhard von
Solms, von allen geiftlihen Zenfuren. Nachher fuchte man freilich biefe
unbequeme Thatfache zu vertufchen.
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 575
fönne er der Wahl nicht beiftimmen, jondern behalte ſich fein
Recht vor und werde an Papſt und Kaifer, Kurfürften und Für:
ften berichten. Hierauf verließ er den Sapiteljaal, gefolgt von
dem älteren Winneburg und Philipp von der Marl. Auch Rein-
hard von Solms lief aus den Kapitel — wie Judas, da er den
Derrat begangen, jagten nachher die Bayern !). Der Truchſeß
aber kam zurüd und ließ durch Swolgen erklären, er hätte lieber
gejehen, wenn man jtatt feiner geringen Perſon eine andere er-
wählt, — wegen der böjen Zeiten und der Schulden, in denen
das Erzitift ſtecke, ſodann weil er vernehme, Herzog Ernft von
Bayern jei mit der Wahl unzufrieden. Das Kapitel ftellte ihm
1) Weshalb Graf Reinhard aus dem Kapitel ging, ift nicht leicht zu ent—
fheiden. Bei ber Beratung am 24. Dezember beſchloß das Kapitel fein
Meggeben folgendermaßen im Wahldefret zu motivieren: item addi debet,
quod D. Reinardus Solms ex commissione capituli exierit. Abiit enim
ad custodiam Caesaris Werdenae juxta commissionem suam. Demgemäß
ſteht wirklich im Dekret: interim etiam Dno Reinhardo comite a Solms,
ob certa et necessaria quaedam negocia, ex commissione nostra expedienda,
e loco capitulari exeunte. Gegenüber biefer Handgreiflichen Notlüge bin ich
geneigt anzunehmen, daß Graf Reinhard wirklich halb aus Beihämung über
feinen Wortbruch, Halb aus Furcht vor befien Folgen wie ein ſchuldbe—
wußter Knabe davonlief, da er ſah, daß Herzog Ernft die Wahl Gebharbs
nicht gebuldig hinnahm. Ernſt felbft behauptet in einem zum Zwecke der
Beitreitung der Wahl Ende April 1578 verfaßten „Diskurs“, Graf Rein-
hard fei nicht ob certa et necessaria negotia und nod weniger ex com-
missione capitulari aus bem Kapitel gegangen, „fonber verfert unb er-
blattert (!), mit zerrauftem bar, alsbalt postquam emisit votum et per-
fidiam commisit, als ainer der ain grofjes übel getan und, wie Judas Is—
cariote®, post proditionem Christi, poenitentia licet sera ductus, ben
negften dem Rhein zuegeloffen, ubergefarn, ſich dahaimb in dem har gerauft
und fein factum geclaget, ven megften auch pro sui quasi tuitione und
ſicherhait fi gen Kaiferswert gemacht.” StA. 38/18, fol. 58. Ähnlich bei
Maffei I, 275, jebenfall® nad Berichten des Nuntius Porzia: Rainero
per giustizia divina agitato da furie, ed a voci aperte accusando il suo
fallo, incontinente per disperazione usci di Colonia, e poco dopo infeli-
temente di vita. — Bon Reue ift übrigens nachher (1578) in Reinhards
Benehmen nichts zu fpüren; er hielt zu Gebhard Truchſeß, farb auch erfi
im Jahre 1580.
576 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
vor, die Wahl ſei göttlihe Berufung, Gott werde jeine Gnade
verleihen; fie jelbit wollten mit dem bayriihen Herzog alles zum
Frieden befördern Helfen. Nun nahın Gebhard die Wahl an,
leiftete den biſchöflichen Eid und beihwor die Wabhlartifel. Die
Kapitularen wünschten ihrem Ermählten Glück und ftellten ihn
alsdann den Vertretern der Lanpdftände vor, denen er veriprad),
baldigft die Landvereinigung zu erneuern. Hierauf geleitete man
ihn unter Slodengeläute zum Domdor, feste ihn in den erz=
bifhöflihen Gewändern auf den Hodaltar und ftimmte das Te
Deum an, der Senior Novimola aber verfündigte die Wahl dem
Volke.
Die ganze Stadt war in Erregung; der lärmende Jubel der
ſiegreichen Partei übertönte die Klagen der unterlegenen ). —
Tief beitürzt ſchickten die bayriihen Räte noch am Nachmittag eine
eigene Stafette mit der ſchlimmen Botihaft an den alten Herzog:
„Graf Reinhard von Solms und der Regent Burſae“, ſchreibt
Elſenheimer, „ſind aller Vermutung nad zu Buben worden!‘
Die Vermutung war in der Hauptfadhe richtig. — Auf dem Wege
zum Sapitel hatte Herzog Exnft den Grafen Reinhard noch einmal
an jeine Zuſage gemahnt und nod) einmal diejer veriproden Wort
zu halten; dann aber mählte er den Truchſeß. Seinem Bei-
1) Der Sekretär bes Biſchofs von Roermond macht 3. B. nachher in
Rom (Januar 1579, StA. 311/16) folgende Ausjage: quod dieta electione
celebrata improbi et suspecti per plateas exclamabant, Jesuitas non esse
a Deo exauditos ... . (est publicum et notorium). Nachmals (1583) for-
bert Herzog Ernft den Kölner Rat auf, dafür zu forgen, baf nicht mieber
wie vordem (1577) die Bürger im Dome während ber Wahl fi unge-
bührlich benähmen, namentlich mit Abſchießen ihrer Büchſen u. ſ. w. Nach
Ennen V, 19 Anm. 2 fett der Kölner Rat bereits am 9. Dezember 1577
einen Preis auf die Entdedung des Verfaſſers eines Libells gegen Herzog
Ernft, und der Straßburger Bifchof teilt am 11. Dezember bem Neugemähl-
ten mit, daß „oil pasquifn auf dem gafen gemacht werben”. Kopie eines
ziemlich ftumpfen und plumpen Tateinifhen „Famoslibells“ (in 7 Diftichen),
welches bald nad der Wahl am Dom angefchlagen worden fei, ſchickt Herzog
Albrecht fpäter dem ſächſiſchen Kurfürften. Herzog Eruft wirb barin mit
einem ben Päpften und Mönchen al8 Lafttier dienenden Efel verglichen.
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 577
fpiel folgte, um Majorität zu machen, der Regent Kuhoven. So
befam der Truchſeß 12 Stimmen, Herzog Emft nur 10; von
den Rivalen hatte der Sieger fein Votum dem Straßburger
Biihof, Herzog Ernſt das feine dem Afterdehant gegeben. —
Als das Kapitel am 7. Dezember wieder zufammenfam, legte der
Sekretär bereit3 den Entwurf eines Wahldefrets vor, welcher ges
nehmigt wurde. Von Herzog Ernſts Wählern waren Xhengen,
Swolgen, Gropper und Winkel zugegen, ohne Widerfprud zu er—
heben. Man beihloß au, die beiden Herren, welche fid mit dem
Herzog entfernt hatten, Winneburg und von der Mark, zur Unter:
zeihnung des Dekrets aufzufordern. Dem bayriſchen Herzog, wel—
her duch Dr. Aernsperg Kopie des Protokolls und des Wahl-
defret3 verlangte, wurde dies al3 ungebräuchlich abgeſchlagen.
In der erjten Beftürzung hatten die bayrifchen Räte das Spiel
faft verloren gegeben; al3 fie aber nachher mit ihren Freunden
berieten, namentlid) mit dem Nuntius, welcher feine eigene und des
römishen Stuhles Autorität durch den Ausgang der Wahl ſchwer
verlegt fühlte, kamen fie zu dem Entihluß, daß der Freilinger
Biihof feinen im Kapitel bereits angekündigten Proteft wirklich
verfolgen folle. Dr. Aernsperg wurde in Köln zurücgelafien, um
die Appellation abzufaffen und fie dem Eingedrungenen ſowie dem
Kapitel zu infinuieren, während Herzog Ernſt ſelbſt mit Marlrain,
Eljenheimer und wenigen anderen Begleitern jhon am 8. De—
zember von Köln abreifte, zuerft nah Hambah, um fi) vom
Herzog von Fülih zu verabſchieden, dann dur die Eifel und
über den Hundsrüd und Kreuznad nad) Rheinhaufen, von da auf
der Poſt nachhaufe, wo fie bereits vor Weihnachten eintrafen.
Dandorf und der Freifinger Kanzler folgten acht Tage jpäter mit
dem übrigen Hofgejinde. Che dieje beiden Köln verließen, rich—
teten fie nod) einen, offenbar von Dr. Adrianus Aernsperg aufs
gejegten, ausführlichen Brief an Herzog Albrecht, worin fie dieſen
in ihrem und zugleih in des Nuntius Namen beſchworen, das
Recht zu verfolgen, welches fein Sohn erlangt habe. „Ale“,
Schreiben fie, „welche bier der fatholiichen Religion —— ſind,
Loſſen, Köln. Krieg I.
578 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel.
in Klerus, Nitterichaft und Rat, jowie beide Nuntien [Porzia
und der alte Gropper] flehen, bitten und ermahnen, unſer g. Fürft
und Herr folle fein Jus in Romana Curia projequieren, find alle
der einhelligen Meinung, ſolches könne minimis labore sumptü
et tempore geſchehen.“ Der Nuntius meine, wenn man dieſe
Schmach dulde, werde Herzog Ernft auf allen Stiftern im ganzen
Reich verachtet werden und in ewiger Zeit zu feinem mehr fommen.
Dagegen verteidige Herzog Albrecht, indem er fein Haus und feines
Sohnes Sadje verteidige, zugleich die gemeine Sache, die Sache
Gottes und der Religion. Um den Prozeß zu betreiben, könne
Dr. Adrianus nad Rom geſchickt werden, Herzog Ernft jelbit ihm
fpäter nachfolgen.
Sicherlich murzelte der Eifer, melden Aernsperg entfaltete,
richt zum fleinjten Zeil in dem Wunſche des eiteln Mannes, in
der anjehnlichen Würde eines Sachwalters de3 bayriſchen Haufes
wieder nad) Rom zu kommen; Herzog Albreht aber, an die Rolle
eines Vorlämpfers der fatholiichen Religion längft gewöhnt, ließ
ſich allzu leicht einreden, dah das, was im Intereſſe jeines Haujes
zu liegen ſchien, zugleich die Sache Gottes und der fatholiichen
Kirche jei. — Auf die erfte Nachricht von der Niederlage feines
Sohnes ſchien er gemillt, fie al3 göttlihe Schidung ergeben Hinz
zunehmen. Sobald er aber jenes Schreiben von Dandorf und
Römer in Händen hatte, ftand fein Entſchluß feft, Gebhard Truch—
ſeß al3 Eindringling zu behandeln und jetzt noch das Erzitift für
feinen Sohn zu beanspruchen. Schon vor deſſen Rüdkunft (am
22. Dezember) jchrieb er in diefem Sinn an den Kaifer.
Indes triumpbierten die Sieger, namentlih Salentins alte
Feinde, der Straßburger Bischof, der Ehorbifhof und Hermann Adolf
von Solms, welchen Gebhard zumeift feine Wahl verdanfte und
weiche jegt mit Graf Hermarn von Neuenar in feinem Rate das
große Wort führten. Ihren Übermut legten fie bejonders bei Graf
Salentins Hochzeit an den Tag. Diefe war, mie erwähnt, auf
den 10. Dezember nad) Bonn angejegt worden. Salentin und
jeine künftige Schwiegermutter, die gefürftete Gräfin von Aren—
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 579
berg. hatten dazu viele und vornehme Säfte geladen, gedachten
daher anjtatt der vom Domkapitel eingeräumten Kanzlei das Bon:
ner Zollhaus zu benugen. Aber zwei Tage vorher kam Beſcheid
bon Köln, Kurfürft und Kapitel hätten ihr Zollhaus jelbft nötig;
au dürften nicht viel über 300 Pferde in die Stadt gelafjen
werden. Diejem Befehl Nachdruck zu geben, erjchienen am
9. Dezember der Domdehant und ein anderer Domherr in
Bonn !) und befegten das Zollhaus mit einigen Hakenſchützen;
zugleich wurde den Bürgern befohlen in Waffen zu ftehen. Kurz
darauf fam Salentin mit etlihen Begleitern nad Bonn, um die
Vorbereitungen zum Empfang feiner Braut zu treffen. . Als er
jah, dag nicht zu ändern war, was halb aus Furcht vor ihm,
balb ihm zum Trotz gejchehen, ritt er in Eile weg, um der
Arenbergihen Familie Nahriht zu geben; erft am Mittag des
Hochzeitstages kehrte er zurüd. Dadurch geriet aber die ganze
Feier in Unordnung. Erſt um 4 Uhr nachmittags konnte die
feierliche Einholung der Braut, erft abends 10 Uhr die Trauung
durch den kölniſchen Weihbiſchof erfolgen, gegen Mitternaht ging
man zu Zieh, um Halb drei Uhr morgens zum Tanz. Infolge
dejien wurde es am 11. Dezember wieder 2 Uhr nachmittags,
ehe die Morgengabe geihehen und die Hochzeitsgeſchenke überreicht
waren, jo daß man, wie der kurſächfiſche Gefandte Eric Volkmar
von Berlepſch bejonder3 hervorhebt, „jedes Tags mehr nicht als
einmal geſpeiſt“. An den üblichen Sejjionsftreitigleiten fehlte es
auch Hier nicht, jonft aber verlief alles ruhig und frievlih. Ber:
jönlic zugegen waren nur wenige hohe Herren: von Fürften nie
mand als der ältefte Bruder der Braut, der gefürftete Graf Kart
bon Arenberg, vom Grafenftand der Afterdehant Thengen, Joh.
Daniel von Winneburg und jein Vater der Präfident, Philipp
bon der Mark, ein junger Rheingraf und nod ein und der
1) Der ſächſiſche Geſandte Berlepfch nennt benjelben Hermann von Man—
derſcheid; da e8 aber feinen Domberrn biefe® Namens gab, ift wohl eher
Hermann Adolf von Solms gemeint.
87*
580 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
andere Graf, entweder für ſich oder als fürftlihe Geſandte.
Zahlreich erichienen die kurkölniſchen Räte, Hofjunfer und Lande
jaffen. Der ſpaniſche König ließ der Braut 6000 Kronen ver:
ehren, wohl nod als Dank für die Dienfte ihres bei Heyligerlee
gefallenen tapferen Vaters ) und nicht etwa um Salentins Pen-
fionsforderungen gut zu machen. Außer vielen Fürften und
Herren brachten auch die Landftände des Stifts Paderborn, dann
Ritterichaft und Städte des Herzogtums Weftfalen, das Kapitel
von St. Gereon in Köln und die dankbaren Landftände des Veſts
von Redlinghaufen ſchöne Geſchenke dar. Namens des neuen
Kurfürften, des Kölner Domkapitels und der rheinischen Landftände
erihien weder jemand nod) wurde etwas verehrt.
Ein paar Wochen fpäter begegnet ung Graf Salentins Name
nod einmal in den Domkapitel-Protofollen, um dann für Jahre
aus ihnen zu verichwinden. Am 2. Januar 1578 erichienen
zwei jeiner Diener vor dem Kapitel und führten in jeinem Auf-
trag Beichwerde, dak man ihm und den Seinen, namentlich dem
früheren Sekretär Herzig nachſage, fie hätten am 23. September
1576 ein päpftlihes Breve anders verlefen, al3 e3 gelautet; da=
ber lieg Salentin nun das Driginal vorzeigen und authentifche
Kopie überreihen: — e3 war jene Breve vom 30. Juni 1576,
welches ihn ermächtigte, aud gegen den Willen und trog dem
Widerſpruch des Kapitel3 den Freifinger Biſchof als Koadjutor
anzunehmen. Das Kapitel antwortete: wenn Verdacht entftanden,
jo trage daran die lange Hinterhaltung des Breves die Schuld;
da Salentin übrigens angeblidy nod ein Breve habe, worin von
einer Koadjutorie mit Zuftimmung des Kapitel3 die Rede fei, jo
möge er aud davon Kopie geben.
Der neue Herr trat alsbald nad) feiner Wahl, geleitet dur
1) Nah Gachard,Corresp. de Phil. II. II, 140 verſprach König Philipp
im Jahre 1570 den beiden Töchtern des Grafen von Arenberg 20,000 Gul-
ben (florins) Mitgift; nah Gachard erhielt bie ältere Tochter Margareta
bei ihrer Vermählung mit bem Grafen von Lalaing in der That 10,000
Gulden, 6000 Kronen waren wohl ebenfo viel (vgl. 0. ©. 39 Anım.).
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 581
einige Domtapitularen, eine Rundreiſe durch das rheiniſche Stift
an, um fi in allen Städten und Amtsfigen von Beamten und
Unterthanen huldigen zu lafjen. Überall geſchah dies unbedenklich);
bereit3 trafen aud die erften Glückwunſchſchreiben der Nachbar:
fürften ein. — Inzwiſchen war Dr. Adrianus ein paar Tage
vor Weihnachten mit feiner Appellationsurfunde endlid) fertig ges
worden, nachdem er fein Werk der Prüfung einer ganzen Reihe
bon gelehrten Freunden unterbreitet hatte). Am 23. Dezember
machte er zu Brühl einen erften vergebliden Anlauf, feine Ur—
funde vor Notar und Zeugen dem Neugewählten perjönlich zu
infinuieren; das glüdte ihm erſt, nad wiederholten vergeblichen
Verſuchen, am Neujahrstag bei Gebhards feierlichen Kirchgang
zu Kempen, — durch Vermittelung eines Düfjeldorfer Notars.
Im Domkapitel dagegen konnte er bereits am 26. Dezember feine
Appellation infinuieren, nahden man ihm aud) hier zuerft die
nachgeſuchte Audienz verweigert hatte, — unter irgendeinem Vor—
wand, in Wirklichkeit, weil man zuvor das Wahldekret fertig
haben wollte.
Seit man im Kapitel wußte, daß Herzog Ernit die Wahl
anfechten werde, jchien e3 notwendig, das zum Zweck der Konz
firmation nad) Rom zu fendende Dekret jo vorjihtig abzufafjen,
dag es nit etwa jelbjt eine Handhabe hierfür darböte. Beſorg—
nis erregte Ihon, daß im Kapitel des 20. Dezember, dem eriten,
welches jeit dem Tten ftattfand, drei Freunde Bayerns, Zhengen,
MWinneburg und von der Mark, ohne Entihuldigung fehlten. Bei
ihrer Eidespfliht aufgefordert, zu einem eigens wegen des Wahl:
defret3 auf den 24. Dezember anberaumten Kapitel zu ericheinen,
entichuldigte fi) Thengen mit Srankheit, Mark hielt fi ohne
weiteres fern, Winneburg dagegen erſchien. In dieſem Kapitel
1) Zuerſt Dandorf und dem Kanzler Römer, fodann dem Rat bes ſpa—
nifhen Königs Joh. Fund, hierauf den beiden Gropper und einem Proku—
rator am Kölner Gerichtshof (Lanzig?), endlich dem jülichſchen Rat
Dr. Fabricius,
682 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel.
einigte man fi in langer Beratung, wie das Wahldefret abzu=
faffen. Joh. Daniel von Winneburg und die dvei Priejter, melde
mit Herzog Ernſt der Acceifio nur bedingt — jure uniuscujusque
salvo — zugeftimmt hatten, gaben nun zu, daß davon im Wahl-
defret nichts erwähnt, jondern der Vorbehalt nur dem Freifinger
Biſchof zugeichrieben wurde. Ferner ließ fi Winneburg (und
Ipäter aud) von der Mark) gefallen, daß in das Dekret gejegt
wurde, fie beide hätten nur auf Bitten des Herzogs mit diejem
das Kapitel verlafien. Bon Reinhard von Solms aber jagte
man, er jei in Geſchäften des Kapitels weggegangen. Im übrigen
machte man das Wahldekret den früheren möglichſt ähnlih, ins—
bejondere umging man wieder die Frage, ob bereit3 vor der Ac—
cejfio einer der Kandidaten abjolute Majorität gehabt habe. —
Ein Zeil der bisher bayriſch gefinnten SKapitularen unterichrieb
das jo zurechtgeſtutzte Dekret ohne Anftand, jo Johann. von
Reifferſcheid und die meiften Priefterfanonifer,; Thengen zauderte
nod eine Zeit lang; andere Herren, wie Joh. Daniel von Winne=
burg und Swolgen, wollten anfangs eine Rehtsverwahrung im
Dekret angebracht jehen, begnügten fid) dann aber auf Verlangen
des Kapitel damit, für fich felbft vor Notar und Zeugen zu er=
Hären, daß fie jedem jein Recht liegen. Zuletzt von allen — erft
nad Mitte Januar — milligte Dr. Gropper, ernftliher Be—
drohung mweichend, in Das Dekret.
Diefes war inzwiſchen bereits nah Rom abgegangen, mit
Briefen des Kapitel3 (vom 27. Dezember) an Papit und Kar—
dinäle, worin die Verdienfte der Vorfahren Gebhards um die
katholische Kirche hervorgehoben wurden, insbejondere die des
Kardinal Otto von Augsburg, mit welchem jener nit nur
dur die engften Bande des Blutes verbunden, jondern in deſſen
Schule er auch gleihjam erzogen worden ſei. — Auch Gebhard
jelbft bat in devoten Ausdrüden den Papft um feine Konfir-
mation, fowie um einen Nachlaß an den Zaren. Auch er ges
dent dabei der Verdienfte feines verftorbenen Dheims um den rö—
mishen Stuhl und fügt bei: „Auch id) werde, ſoweit als mög-
Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 583
th, getreulid alles thun, was zur Erhaltung der wahren fatho-
liſchen Religion und zur Wiederheritellung der Kirche Gottes ge=
reihen fann, und werde mid) bemühen, daß Eure Heiligkeit von
allem, was einem wahren und für die Würde des heiligen apo=
ftoliihen Stuhles eifrigft bemühten Erzbiſchof geziemt, nichts an
mir vermiffen fol.“ in eigener Gejandter, der Licentiat Jo—
hann Doullart, bisher Dffizial des Biſchofs von Straßburg, ging
bereit3 Anfangs Januar, um die Konfirmation zu betreiben, nad
Nom; außerdem beftellten Erzbiihof und Kapitel noch einige in
Nom wohnhafte Prokuratoren, darunter auch den Dr. Gerhard
Voſſius. Eile ſchien nötig, da borauszufehen war, daß der Her:
308 bon Bayern mit Gegenbemühungen in Rom nicht jäumen
werde. — Ehe der Straßburger Biihof Köln verlieh, ließ er
ſich vom Kapitel den Auftrag geben, bei Papſt und Kaifer, Kur:
fürften und Fürften Gebhards Wahl zu verteidigen. Cine goldene
Kette und ein vergoldetes Trinfgeihirr, welches der neue Kurfürft
feinem bisherigen Gönner verehren wollte, hatte Biſchof Johann
vornehm dankend abgelehnt.
——— —
Siebentes Bud.
Gebhard Truchſeß und Konrad von Wefterholt.
—— —ñ —
1. Kapitel.
Der Niederrhein und das Stift Münfter nad der Wahl
des Gebhard Truchſeß.“*
Daß alle evangeliih und antirömiſch Gefinnten im Erzftift
Köln aus Gebhard Wahl neuen Mut jhöpfen würden, war von
bornherein zu erwarten. War er doh hauptiächlid infolge des
eifrigen Bemühens der reformierten Domberren gewählt, mit Hilfe
der Wetterauer Grafen und des von Rom ebenſo gehaßten wie
gefürchteten Hermann von Neuenar, in Wideriprud gegen die
Wünſche des Papftes und die wiederholten Ermahnungen jeines
Nuntius. Zudem fah man auch noh nah der Wahl einige res
formierte Grafen, den Dompropft Wittgenftein, Hermann Adolf
* Quellen: Über die proteftantifchen Negungen in Stabt und Ersftift Köln
nad Gebharbs Wahl Maffeil, 331 sq.; ferner in ben o. S.569 Anm. 1
angeführten Berichten Aernspergs und Danborfs und den römifchen
Zeugenausfagen StA. 38/16 und 311/16; aus etwas fpäterer Zeit
mancherlei DA. Domtap.- Protot. Nr. 158. — Über Gebharbs Ber
ziehungen zu Erzherzog Mattbiad und ben nieberlänbifchen General»
ftaaten Groen van Prinsterer VI, 181. 287. 292. 303sqg.
Über des Erzherzog Neife in die Niederlande überhaupt vgl. Ga-
chard, Corresp. de Guill. le Taeit. IV, xrın sqq. Einzelne Notizen
auch in ben von mir benutten Archivalien. — Abſchied des MWetter-
auer Grafentags zu Friedberg zum Teil bei 3. Arnoldi a. a. O.,
©. 246; vollftändiger Dill A. G. 80. fol. 44. — Korrefpondenzen über
die beabfichtigte, dann unterlaffene Gratulation des fpanifchen Königs
in ben für die münfterfche Sache unten verzeichneten Archivalien. —
Über den Landtag zu Eſſen Zeitfchr. des Berg. ©.-8.8 I, 201ff.;
über ben zu Grevenbroib Lacomblet, Archiv V, 217ff. und voll»
588 Siebentes Buch. Erftes Kapitel.
von Solms und Hermann von Neuenar im täglichen Verkehr mit
Gebhard. Wohl glaublid) erſcheint daher die Angabe, daß in den
Kölner Gaffeln das Verlangen nad) freier Religionsübung alsbald
wieder laut wurde, daß die Proteftanten ungeſcheuter al3 in den
legten Fahren zum Gottesdienft zufammenkamen, daß man fid da
und dort im erften Übermut an einem SHeiligenbilde vergriff.
Wenn auch gewi manches, was der Nuntius Porzia, auf bloße
Gerüchte Hin, über fegeriihe Äußerungen Gebhards nad) Rom be—
richtete, übertrieben ift ), fo ftand doc) immerhin, wenn man den
Dingen freien Lauf ließ, ein religiöfer Umſchwung in Stadt und
Erzitift zu erwarten, der für die römiihe Kirche um jo bedenf-
licher war, al3 er zufammenfiel einerjeit3 mit den Anfängen eines
Bündniſſes des neugewählten Kurfürften und der rebelliihen Nie=
derländer, anderjeit3 mit neuen lebhaften Regungen kirchlicher
Dppofition in den Landen des Herzogs von Fülid-Eleve-Berg.
Gegen Ende Dftober 1577, als Herzog Ernſt und die Seinen
gerade eifrigft beichäftigt waren, für die bevorjtehende Wahl Stim—
men zu werben, erfuhren fie eines Tages, Erzherzog Matthias,
fländiger MB. Cgm. 2213, Bd. 27 (Rebinghoven). Dazu Maffei
I. 328 und Theiner II, 295 u. 368. Korreſpondenz Porzias mit
Herzog Albreht und Elſenheimers mit Langer wieder in den Archi—
valien über die münfterfche Sache.
Über"die Verhandlungen betr. des Stiftes Miünfter vom Sommer
1577 bis zum März 1579 folgende meift ſchon früher verzeichnete
Arhivalien (vgl. ©. 266f.): DA. 28I—i, AU. Münfter, T. VI bis
VIII; Gülch und Cleve, T. II. StA. 38/13. 14. 16 u. 17; 96/1;
311/1 u. 16; 378/25 399/49 u. 59. DrX. loc. 89236. MA. Stift
Münfter. Reg. U. Rep. V. Cell. 75. Bol. III (Kaffeler Akten) und
Erzitift Bremen 1535/1643 (Marburger Alten). Einiges gebrudt bei
Theiner II, 293 qq. u. 3688q. Werbung bes bremifchen Rates
Markus Keller bei Kurfürft Auguft, aber irrtümlih ins Jahr 1573
ftatt 1578 geſetzt, in (Pids) Monatsfhrift f. d. Geſch. Weſtdeutſch—
lands 1878, ©. 595 ff.
1) Nicht nur übertrieben fondern geradezu falfch ift 3. B. das Meifte,
was Maffei (l. c. p. 331), ohne Zweifel nah Berichten Porzias_ über
Gebhard erzählt, und nah Maffei Ranke, Päpfte (5. Aufl.) II, 74.
Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 584
des Kaiſers Bruder, fei in aller Eile und Stille durch Köln ge:
veift, um fi) als fünftiger Generalgouverneur nad den Nieder:
landen zu begeben. Zwar verfiherte der Kaiſer allerwärt3, fein
Bruder habe ohne fein Wiſſen und wider feinen Willen Wien
verlaffen, bat ſogar den und jenen Fürſten, darunter auch Herzog
Ernft, denjelben zurüdzuhalten; allgemein aber glaubte man, das
geſchehe alles nur zum Schein, um den jpaniichen König und die
eigene Mutter zu beſchwichtigen. Wußte man do, daß ſchon zu
Kaiſer Marimilians Zeit am faiferlihen Hofe der Gedanke ernit-
lic erörtert worden war, einen Erzherzog zum Statthalter der
Niederlande zu machen, um dadurch dieſe dem Haufe Dfterreic
zu erhalten. Bereit3 auf dem Reichstag von 1576 hatten die
belgijhen Stände begonnen mit Matthias zu unterhandeln und in
jüngfter Zeit zu Wien ziemlid öffentlid) damit fortgefahren, Aber
jelbft wenn Kaifer Rudolf den Entihluß feines Bruders ernſtlich
mißbilligte, forderte doch die Ehre des Haufes Diterreih, nad:
dem diefer einmal in den Niederlanden als Statthalter aufgetreten
war, ihn nit mit Schimpf und Spott wieder abziehen zu
laffien. — Die Berufung des Erzherzogs war das Werk einiger
vornehmen belgifhen Herren geweſen, melde ji in dem Bruder
des Kaiſers ein Gegengewicht zugleich gegen den ſpaniſchen Gou—
berneur Don Juan d’Auftria und gegen Wilhelm von Dranien
zu verichaffen gedachten. Dranien mußte aber nachher, geſtützt
auf die ftädtiihen Gemeinden, den rat= und Hilflojen Füngling
zu einem Werkzeug in jeiner eigenen Hand zu machen: die Gene-
ralftaaten nahmen Matthias als Gouverneur an, zugleid aber den
Prinzen als deſſen Statthalter, angeblih unter, in der That wie
einen VBormund über ihm. Als Vermittler bei der Verftändigung
mit Matthias benußte Dranien, neben feinem von Matthias jelbft
berbeigerufenen Schwager Graf Günther von Schwarzburg, be—
fonders feinen jeit Anfang September in den Niederlanden ver-
weilenden Bruder Graf Johann. — So fehen wir aljo den einen
Führer der Wetterauer Grafen im felben Augenblid, da dieje bei
der Kölner Wahl den Sieg über das Haus Bayern dabontragen,
590 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
im Bunde mit dem Bruder des Kaiſers und mittelbar mit dem
ganzen deutichen Zweig des Haujes Oſterreich, in offener Feind:
ichaft aber gegen König Philipp und deſſen Statthalter, den mar:
men Freund der bayriihen Nachfolge in Köln. — Zwei Tage nad)
Herzog Ernſts Niederlage bei der Kölner Wahl wird Don Juan von
den Generalftaaten in aller Form abgeſetzt und als Feind des Vater:
kandes erklärt. Als Dranien im Dezember 1577 fich bemüht,
jeinem Bruder die Statthalterihaft für Holland und Zeeland zu
verihaffen, macht er ganz bejonders deſſen Verdienſte um die
MWahl des neuen Kölner Biſchofs geltend ?).
Solchermaßen innerlid) vorbereitet fanden die freundfchaftlihen
Beziehungen de3 neuen Kölner Kurfürften zu den belgischen Stän:
den bald aud äußeren Ausdrud. Bei jeiner Abreife von Brüffel,
am 24. Januar 1578, nahm Graf Johann ein Schreiben des
Erzherzogs an Kurfürft Gebhard mit, worin diefem im Namen
der Niederlande „alle Freundichaft, gute Korrefpondenz und ver:
traulihe Nachbarſchaft“ angeboten wurde. Mit diejem Schreiben
erihien Graf Johann am 12. Februar bei Gebhard auf Schloß
Poppelsdorf, wo er zwei Tage blieb. Näheres über das Zu:
ſammenſein der beiden Herren wiſſen wir nicht; vermutlich wird
Graf Johann fi) bemüht haben, die vor der Wahl angehnüpfte
Verbindung zu einem dauernden Bündnis zwiſchen den Wetter:
auer Grafen, dem Kölner Kurfürften und den niederländijchen
Ständen zu erweitern. Gebhard jelbft Hatte fich bereits vorher
bei den Wetterauer Grafen für die Beförderung feiner Wahl be:
dankt und als „Advokaten und PBroteltor des Grafenftandes‘
angeboten, wogegen dieſe — auf einem Tag zu Friedberg am
1) Oranien ftellte ben Deputierten von Höllanb vor: dat graaf Jan
wel goed verstand had en proper was om eenige goede dingen te wege
te brengen, gelyk hy ook gedaan hadt by de verkiezing van den nieuwen
bisschop van Keulen, die onze zaak zeer toegedaen was. Groen van
Prinsterer VI, 184 (au$ van der Spiegel, Bundel van onuitgeg.
stukken II, p. xvın). ®ei Groen van Prinsterer 1. c. auch ein treffendes Urteil
Languets Über den Zufammenhang zwifhen Don Iuan und Herzog Ernſt.
Niederrhein und Münfter nach dev Wahl des Gebhard Truchſeß. 598
28. Januar — einige Herren zum Surfürften abordneten, um
Glück zu wünſchen und ihm ihre Grafenkorreſpondenz, namentlich
die Vermittelung eines Einvernehmens mit den ſchwäbiſchen Gras
fen zu empfehlen.
Zwar gab auch König Philipp auf die Nachricht, Gebhard
Truchſeß, ein Lehensinann des Haufes Oſterreich und der Neffe
des in der ganzen Welt wegen feines katholiichen Eifers vordem
berühmten Kardinals von Augsburg, ſei zum Erzbiſchof erwählt,
jofort Auftrag, dem Ermwählten zu gratulieren; das unterblieb
jedoch vorderhand, weil Graf Karl von Arenberg, Salentins
Schwager, nod rechtzeitig über die Kölner Parteiverhältniffe auf:
Härte.
In Herzog Wilhelms Landen regte fi die kirchliche Oppo—
fition beſonders auf zwei Landtagen, welde im Herbſt 1577
wegen der auf dem Regensburger Reichstag bewilligten Türken—
hilfe abgehalten wurden — einem cleviſch-märkiſchen zu Eſſen (im
September) und einem jülich-bergiſchen zu Grevenbroich (im No-
bember). Auf beiden begleiteten Ritterihaft und Städte die Ber
willigung der Steuer mit der Forderung größerer Neligionsfreiheit,
auf beiden verbat man ſich die unter dem Namen einer Vifitation
angeblih drohende Inquiſition der Gemiffen. Die Stände von
Cleve- Mark, unter denen das evangeliiche Bekenntnis ohnehin
überwog, erklärten offen, daß fie bei der Augsburger Konfeſſion
Leib und Leben aufjegen wollten; aud die bergiichen ftellten
Forderungen, welche, wenn nicht dem Namen, doc) der Sache nad
die Freiftellung der Augsburger Konfeffion beveuteten, und — was
wichtiger — die bisher faſt ganz latholiſch gebliebenen Stände
von Jülich befürworteten diejes Verlangen. Dazu famen Be—
ſchwerden von Rat und Bürgerſchaft der Stabt Düffeldorf, weil
einige von ihren Geiftlihen gegen des Herzogs eigene Edilte
den Gebraud der beiden Geftalten beim Abendmahl vermehrten.
Hier nun begegneten fi) die Wünſche der Unterthanen mit Herzog
Wilhelms eigener Neigung. Wie früher an den Nuntius Gropper,
jo hatte er nachher an den Kardinal Morone — auf dem Regense
592 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
burger Neihstag — das Erjuhen gerichtet, feinen Unterthanen
eine allgemeine Dispens von Rom für den Laienkelh zu erwirken.
Da auf Morones gute Worte nichts erfolgt war, ließ der Herzog
während des Jahres 1577 die Kurie wiederholt an die Zufagen
diejes Kardinals erinnern. Während er den bergiichen Ständen
zu Grevenbroid in feiner Eigenſchaft als katholiſcher Landesherr
die Freiftellung der Augsburger Konfejfion rundweg verweigerte,
verſprach er den Düffeldorfern Abhilfe für ihre Beſchwerden; auch
gab er nad) wie vor nit zu, daß fein jest bald 16jähriger Sohn
unter einerlei Geftalt die Kommunion empfing. Als der Nuntius
Porzia im Januar 1578 zu ihm nad) Hambad) kam, mit einem
Breve, welches von allen religiöfen Konzeſſionen abriet, verſprach Her—
zog Wilhelm zwar fofort, er werde die Freiftellung nicht bemilligen,
forderte aber zugleid) von neuem Dispen3 wegen des Laienkelches.
Infolge diefer Hartnädigfeit jah man den alten Herzog in Rom
nad wie vor al3 einen halben Ketzer an und mochte ſich nicht
entihliegen, feinen Anjprühen in der münfterihen Poftulations-
ſache nachzugeben.
Jülich und Bayern hatten, wie wir ſahen, zu Anfang des
vorigen Sommers die münſterſche Frage abſichtlich ruhen laſſen,
um den Ausgang der Kölner Wahl und die daraus für Münſter
gehofften günſtigen Folgen abzuwarten. Da man ſich auch auf
der Gegenſeite von entſprechenden Erwägungen leiten ließ, geſchah
den ganzen Sommer und Herbſt 1577 in der münſterſchen Ange—
legenheit faft nichts, al3 da man den angefangenen Schriften-
wechjel mit längeren Pauſen fortipann. Im Juni, kurz nachdem
die Reftitutionsbreven in Miünfter überreiht waren, forderte
Moefterholt die Mitverordneten zur Regierung in einem längeren
Schreiben auf, die Zumutung des Herzogs von Jülich, ihn abzu=
ſetzen, von der Hand zu weilen; zugleich behielt er ſich wegen der
in den Schriften desfelben und der Senioren enthaltenen Injurien
den Rechtsweg vor. Als letztes Mittel, Wefterholt aus feinem
Amte und feine Anhänger zur Nachgiebigkeit zu bringen, hatte
Heinrih von der Rede in geheimem Cinverftändnis mit dem
Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 598
Domdehanten ſchon im vergangenen März geraten, man folle den
jungen Poftulierten als Aominiftrator ins Stift bringen. Nun
bejagte aber Art. 6 der Wahlfapitulation, daß die Regierung, fo
lange bis fid Johann Wilhelm zum geiftlihen Stande qualifiziere,
dem Domkapitel zuftehe. Red meinte, dur päpftlihe Dispens
fönne bier Rat geichafft werden; im Juli 1577 begab fi der
jülihihe Rat Dr. Walter Fabrictus zu einer vorläufigen Anfrage
darüber zum Nuntius Porzia, der fi aber zur Zeit auf die
Sache nicht einlafen mochte, jondern auch feinerfeit3 den Aus—
gang der Kölner Wahl abzuwarten empfahl. Cinftweilen begnügte
man fi) auf jülihicher Seite damit, in wiederholten Schreiben
an Kapitel und Regierung (im Juli und im September 1577)
den Anjhuldigungen Wefterholt3 und Genofjen zu widerſprechen
und auf der Abjegung des Statthalter zu beftehen. Auf das
legte dieſer Schreiben ermwiderte Wefterholt am 20. November 1577
in einer Weife, die vermuten läßt, daß er damals des Ausgangs
der Kölner Wahl bereits fiher war: Herzog Johann Wilhelm
babe ihn in verleglihen graufamen Schmähſchriften dergeſtalt in—
jurliert, daß er lieber 40,000 Thaler verlieren al3 ſolches dulden
wolle; auf Grund der GStiftsprivilegien fordere er demnad) das
Domkapitel auf, den Herzog al3 poftulierten Landesheren zur
Rechtfertigung vorzuladen ). — Ehe man fih noh am Jülicher
Hofe entichloffen hatte, was hierauf zu thun, erfolgte zu Köln die
Wahl des Truchſeſſen, welche von Wefterholt und Genofjen mit
Recht als ein Triumph ihrer eigenen Partei angejehen wurde. —
Kurz nah der Kölner Wahl (am 17. Dezember) fand zu Münfter
ein Landtag ftatt, auf weldem Wefterholt im Namen ſämtlicher
16 bremiſchen Votanten 2) — der Senior Nagell, der fiebzehnte,
1) Art. 8 der burh Domkapitel und Landftände am 6. April 1570 an—
genommenen Deklaration bed Stiftsprivilegs (bei Lünig, TRA. Spicil.
Eccl. Contin. I, 594) beftimmt, daß Klagen ber Unterthanen gegen ben
Landesherrn nah Willtür entweber beim Domkapitel ober beim Kammer-
gericht in erfter Inftanz angebracht werben mögen.
2) Die Senioren behaupten fpäterhin (Januar 1580), bie Herren Wil-
Loſſen, Köln. Krieg I. 38
594 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
war jüngft geftorben — eine vom 16. Dezember datierte fogen.
Affeverationsichrift überreichte, der man faft in jedem Gate die
veränderte politische Lage anmerkt. Diefer angebliche „Gegenbe—
riht auf zwei erdichtete und unerfindlihe Schmähjchreiben der
Cleviihen und Goddert3 von Raesfeld ſamt feinen Adhärenten‘
bringt ſachlich wenig Neues bei, unterjcheidet fi dagegen im Tone
weſentlich von allen früheren Schriften der Junioren.
Sorgfältig hatten Weſterholt und Genoſſen bisher vermieden,
die Autorität des römischen Stuhles grundfäglic zu beftreiten,
ſtets hatten jie vorgegeben, daß fie den Bremer Erzbischof gewählt,
weil fie ihn für katholiſch hielten; diesmals aber heißt es, die
Cleviſchen und die Senioren, namentlid Heinrih von der Rede
und der Domdechant, hätten dem Stift einen mächtigen Herrn
aufdringen wollen, der mit Spanischer Hilfe die römische Inqui—
fitton und die Jefuiten befördern, dem Adel und etlichen. Städten
die hergebrachte Freiheit der Gewiſſen nehmen und alle hinaus—
ihaffen jolle, welche der „‚päpftlichen römiſchen Religion“ nicht
anhängig. Sie ſprachen von „ erpraftizierten Breven“, welche den
Konkordaten der deutihen Nation zumider feien, von „römiſchen
Praltiken“, durch welche man ihnen den Adminiftrator von Freifing
babe aufnötigen wollen, von der „römiſchen und jpaniichen In—
quifition, welche man in diefem Stifte gern angeſtiftet“ u. ſ. w.
Den Cleviſchen ſei es mit ihrer Erklärung, dab Senioren und
Junioren ſich nur über eine qualifizierte Perfon zu vergleichen
brauchten, niemals ernit geweſen; fie jeien nur mit ihrer „Im—
prejfion‘ etwas behutjamer umgegangen, „dieweil fie vermerkt,
daß vielleicht dem Zeufel fein Handwerk verboten werden möcht“;
die Appellation ſelbſt wird „nichtswürdig“ genannt. Dem De—
hanten wirft die Affeveration vor, „daß er nun viele Jahre mit.
feinem Anhang eine gar parteitiche Herichapei in diefem Stift
helm Scenting und Herbort de Baer hätten „mit iren hand und pit-
ſchaften fchriftlih erclert, ‚zu folicher injurien niemant gevolmechtigt zu
haben.”
Niederrhein und Miünfter nach der Wahl bes Gebhard Truchſeß. 595
geübt“, den Cleviſchen, daß fie ihrer Kapitulation und den Pri—
bilegien de3 Stift3 zumider gehandelt hätten. Zum Schluß wer-
den die münfterihen Stände gewarnt vor den Unruhen, die zu
befürchten, wenn man dem von der Rede und dem Dechanten ges
ftatte, nit nur gegen des Stift3 Privilegien und Rechte zu han-
dein, jondern aud) al3 „Fürſtänder der Inquiſition“ Religion
und Gemiljen aller Ehrliebenden vom Adel und anderer ehrlichen
Leute zu inquirieren und zu beängftigen.
Die Senioren wollten anfangs diefen jcharfen Angriff ſofort
beantworten, ließen ſich dann aber dur die Herren bon der
Nitterichaft überreden. zu warten, bis Regierung und Deputierte
aus den Ständen die beiden Parteien verhört und einen Ver—
gleich verjucht haben würden.
Einige Tage vor diefem auf den 27. Januar 1578 angefeßten
Berhörtag kamen Dompropft und Dechant mit cleviichen Abge—
ordneten (Marihall Wachtendond, von der Rede und Dr. Har-
denrath) in der Stille zu Scherenbed zufammen und einigten fich
über die weiteren Schritte gegen Wefterholt und Genoſſen. Dem—
nach jchrieb Herzog Wilhelm zum Verhörtag an Kapitel, Regie
rung und Deputierte und verlangte unter Hinweis auf Weiter:
holts legte Schmähſchrift abermals enftlih, daß diefer aus dem
Statthalteramt entfernt werde. Der Vorladung des PBoftulierten
durch Weſterholt beſchloß man damit zu begegnen, da man diejen
jelbft zu Rom, in fonte justitiae, wegen feiner Schmähſchrift
verflagte; außerdem jollte Gelegenheit gejucht werden, ihn auf her—
zoglichem Gebiet aufzugreifen. Die ſcharfen Ausfälle der Affe
beration gegen Rom und Spanien follten benußt werden, um von
der Kurie endlid) die jo lange ſchon vergeblid geforderte Citation
und Privation der Rädelsführer zu erlangen und wenn möglich
auch Dispens zur Übernahme der Adminiftration durch Herzog
Zohann Wilhelm. Denn die Adminiftration war und blieb der
ſicherſte Weg Wefterholt zu befeitigen und dann allmählich die
Gemüter der Junioren für Bayern zu gewinnen. Gegenüber dem
Buchſtaben der Kapitulation machte Ned wieder jein Argument
38 *
896 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
geltend, dag Johann Wilhelm durch päpftlihe Dispens ebenjo gut
wie durch wirkliche Weihe zum geiftlihen Stande qualifiziert wer—
den könne; ohnehin habe man der päpftlihen SHeiligfeit feine
Schranken fegen können. — Schon vor der Zujammenkunft in
Scherenbeck hatte Red, der wohl mußte, da man in Rom an
der Minderjährigfeit des Poftulierten weit weniger Anftog nahm
als an dem kirchlichen Verhalten feines Baters, dem Stammer-
jefretär Langer empfohlen, bei jeder Gelegenheit anzudeuten: wenn
man nur den jungen Herrn ein= oder zweimal unter einerlei Ge—
ftalt fommunizieren lafje, werde wohl naher von Rom nicht nur
Dispens für die beiden Geftalten, jondern aud für die mün—
fterihe Aominiftration zu erhalten fein. — Um dem Mißtrauen
vorzubeugen, daß es das Haus Fülid) auf Einziehung oder dauern-
den Beſitz des Stiftes abgejehen habe, wurde der Herzog von
Bayern gebeten, anftatt feines Schwagerd um die Zulaffung der
Adminiftration Johann Wilhelms in Rom anzuhalten. Herzog
Albrecht, überzeugt, dag fein Schwager wirklich nur dem Herzog
Ernft zugutem die Wominiftration für feinen Sohn forderte, ging
bereitwilligft auf diefen Wunſch ein und drängte in wiederholten
Briefen an feinen Gefandten und an den Papft jelbit darauf,
das Wefterholt und fein Anhang ihrer Pfründen und Amter ent:
fett, die mweltlihe Regierung aber dem jungen Boftulierten über-
tragen werde. Er gewann für diefen Vorſchlag auch den Nuntius
Porzia, al3 diefer im Februar 1578 auf feinem Wege an den
fatferlihen Hof Münden berührte.
Mittlerweile war der münfterjhe Verhörtag ohne jeden Er-
folg für einen Ausgleih der Parteien abgelaufen, Wefterholt aber
durch die Schreiben des Herzogs von Jülich in feinem Amt ala
Statthalter eher befeftigt als erihüttert worden. Denn, wie ſchon
im borigen Jahre, berief er fi darauf, dag ihn das ganze Ka—
pitel im Einvernehmen mit den Landftänden angeftellt, alſo aud
wieder abzufegen Babe. Daraufhin mußten der Ausihuß der
Stände und die Verordneten zur Regierung, wiewohl die letzteren
jonft zum Herzog hielten, die Zumutung Wefterholt abzufeßen,
Niederrhein und Münfter nad der Wahl des Gebhard Truchſeß. 597
von fi ab: und auf einen gemeinen Landtag verweilen. Da nun
der nächſte Landtag Schon glei nad Dftern ftattfinden follte,
jo wünjchten die Senioren dringend, daß inzwilhen von Rom
aus gegen Weſterholt eingejchritten werde.
Wirklich gelang es dem raftlojen Eifer des bayrischen Ge—
jandten, wenigſtens einen Anfang des Einfchreitens zu erzielen.
Geſchickt gemahte Auszüge aus Weſterholts Affeveration dienten
dieſem Zwed. Unter dem 5. April wurden zwei Breven an Weiter:
holt ausgefertigt, von welchen eines, je nad) dem Gutdünken des
Herzogs von Fülid und der Senioren, gebraudt werden jollte;
durch beide wurde er vor die Kurie geladen, im einen, mildern, ohne
nähere Angabe von Gründen, im andern unter ſcharf tadelndem Hin-
weis auf feine Schmähungen gegen den römischen Stuhl und mit
der Drohung, daß er im Falle des Nichterfcheinens ipso facto
jujpendiert und aus dem Kapitel ausgejchloffen fein folle. Won einer
Übernahme der Regierung dur) den Poftulierten wollte man aber
in Rom zur Zeit noch nichts wiſſen, auch wurde die Citation der
anderen Rädelsführer verichoben, bi man gejehen, was Weiter-
holt thun werde). Bayriſche Kuriere brachten die beiden Breven
noch rechtzeitig vor dem zum 28. April einberufenen münfter
ihen Landtag nad) Eleve, wo Herzog Wilhelms Räte, im Ein-
vernehmen mit den Senioren, um den täglich wachſenden Übermut der
Junioren zu breden, für nötig fanden, das jchärfere Breve zu
überreihen. — MWefterholt Hatte fi erfühnt, nachdem er den
Domdehanten und Genofjen bereit3 vor den münfterjchen Dffizial
geladen, den Herzog von Fülih jamt feinem Sohn, ferner den
Hofmeifter von der Rede, endlich den Syndikus und den Sekretär
des Kapitel3 wegen Injurien am SKammergeriht zu verklagen.
Anfangs April wurde den Verklagten die Vorladung des Kam—
1) Eine Zeit lang war in Rom bavon bie Rebe, den Pater Eanifius
zum Herzog von Jülich zu fenden, zumächft wegen bes verlangten Laienkelches,
bann aber auch wegen ber Dispens zur Übernahme der münfterfhen Ab-
miniftration. Vielleicht gedachte man damals ſchon biefe Dispens gegen ben
Verzicht des Herzogs auf dem Laienkelch zu bewilligen.
598 Siebented Bud. Erſtes Kapitel.
mergerichts zugeftellt und der alte Herzog, jo heftig er auch über
dieje „Unverſchämtheit“ Weſterholts erzürnt war, konnte doch nicht
umbin, wenigitens zur Anhörung der Klage Profuratoren in Speier
zu bevollmächtigen.
Der münfterihe Landtag ging vorüber, ohne daß Wefterholt
und Genoſſen von der Poftulationsfahe und von ihrem Streit
mit dem Herzog von Jülich etwas vorbradten; deshalb hielten
e3 auch die Senioren für rätlicher, erft nad) demjelben das Breve
dem Statthalter zuzuftellen. Am 9. Mai überreichte diejem ein
cleviiher Notar die Citation. Wefterholt nahm fie ruhig bin
und that, als wolle er ihr gehorchen; er frug bereits beim Ka—
pitel an, ob dieſes ihm, da er aus eigenen Mitteln die Romreife
nit beſtreiten könne, inzwiſchen feine Einkünfte weiter folgen
lajien wolle. Aber entweder befann er ſich bald anders oder
zechnete von vornherein auf eine abſchlägige Antwort des Kapitels,
um einen Vorwand mehr zu befommen, in Rom nit zu er—
jcheinen.
Ein Anlaß von außen fam Hinzu, um den Statthalter in
jeinem Trotz zu bejtärfen: Mitte Mai lagerte fih ein Zrupp
niederdeuticher Neiter und Knechte, melde Graf Günther von
Schwarzburg für die belgiihen Stände geworben, in das Stift
Münfter ein und verübte hier vierzehn Zage lang großen Un—
fug. Man fprengte aus, fie jeien da, um Rache zu üben an
denen, welde Herzog Johann Wilhelms Reftitution und Weiter
holt3 Citation zumege gebradt. Als der Domdechant das Kapitel
anrief, ihm das Haus Lüdinghauſen, wo er wohnte, bewahren zu
helfen, entjtand darüber unter den Domberren heftiger Zank; im
Zorn oder Trunk warf Wefterholt dem SKapitelboten ein Glas
Mein an den Kopf; er felbft und zwei feiner jungen Freunde,
Asbeck und ein Elverfeld, machten Miene, den Sekretär Schmale
mit Schlägen zu traftieren. — In Stadt und Land regte fi
allgemein Unzufriedenheit über den jungen Poftulierten, der nicht
einmal imftande jei, das Stift vor fremder Gewalt zu jchügen;
e3 ſei nötig, daß das Stift endlih einen ordentlihen Herrn er—
Niederrhein und Minfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 599
halte. — Dieje Unruhen benugte Wefterholt, um fi in einem
Schreiben an den Papft (vom 31. Mai) zu entihuldigen, daß er
der Citation zur Zeit nit nahfommen könne; übrigens wolle er
Kapitel und Landftände deshalb befragen; inzwischen möge man
die gegen ihn erhobenen Beichuldigungen ihm mitteilen. Schmäh—
Ihriften habe er nicht herausgegeben, fondern nur die Freiheit des
Kapitels gegen Eingriffe eines weltlihen Fürften und ſich felbft
gegen Verleumdungen verteidigt. Auch feine Prozeſſe gegen den
Herzog von Jülich und deſſen Räte, ſowie gegen Goddert von
Raesfeld nötigten ihn zuhauſe zu bleiben.
Staatiihe Reiter lagen nod im Stift, als eines Tages (am
26. Juli) Deputierte der Stadt Münfter und der anderen Stift3-
ftädte vor den Domherren erichienen und, auf den durch das
Kriegsvolf erlittenen Schaden hinweiſend, beide Parteien auffor=
derten über einhellige Wahl eines neuen Herrn ſich zu vergleichen.
Die Senioren jhoben wieder alle Schuld an dem Zwieſpalt den
Gegnern zu, erflärten übrigens, wenn man zuvor die Poftulation
aus Jülichs Händen herausbringen fünne, werde ein Vergleich mit
den Junioren feine Schwierigkeit machen. Die Antwort der Junioren
fennen wir nit; wie fiegesbewußt fie waren, zeigt ſich jedoch
darin, daß fie einige Tage nachher ohne die Senioren Kapitel
hielten und in das durd den Zod des Senior? Nagell freiges
wordene Kanonikat einen ihrer Anhänger, Hermann Dobbe, ein=
jegten, obwohl ihnen bereit3 mitgeteilt war, daß der Papft dieſes
in einem päpftlihen Monat erledigte Kanonifat dem bon Herzog
Wilhelm empfohlenen jungen Autger von der Horft, einem Sohne
des Düffeldorfer Amtmanns, verliehen habe ?).
1) Als Herzog Wilhelm fpäterhin den Junioren eine Urkunde über bie
Berleihung dieſes Kanonikats zuftellen Tieß, ſoll Wefterholt dieſelbe zum
Spott an einem hohen Baum aufgehangen haben. DA. 28f fol. 276. In
Röchells Chronik (Münſter. Gefchichtsgu. III, 75) und daraus bei Kock,
Ser. Episc. Monast. III, 154 wird irrtümlich angegeben, Wefterholt Habe
ſich ſolche Verhöhnung fogar mit ber Citation nah Rom erlaubt. — Unter
den Kapitularen finden wir übrigens in ber mächften Zeit weder Dobbe noch
von ber Horft.
600 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
Auch unter der münfterjhen Ritterihaft gewann die Anficht
mehr und mehr Raum, daß am beften die beiden bisherigen
Gegenbewerber verzichteten und dann ein dritter al3 neuer Herr
poftuliert werde. Schon wurden beftimmte neue Bewerber ge=
nannt. Während des Monats Juli ſprach der heſſiſche Hofrichter
Arnold von Viermund einige Herren don der münſterſchen Ritter-
ihaft darum an, ob etwa dem jungen Grafen Bernhard von
Waldeck, der als Kanonifus zu Köln und zu Straßburg bereit3 dem
geiftlihen Stande angehörte, zu ihrem Stift verholfen werden könne.
Schon vor zwei Jahren war davon die Rede geweſen 9; jeßt
meinten Viermund und ein anderer beifiicher Lehensmann, Ed-
bredt von der Malsburg, der ebenfall3 Freunde unter der mün—
ſterſchen Nitterihaft hatte, wenn der Bremer Erzbiihof dem
Grafen Bernhard feine Rechte cediere, habe diefer gute Ausficht,
das Stift zu erlangen. Landgraf Wilhelm bot, als Obervor—
mund des jungen Waldeder Grafen, jeine Hand, um den Erz=
biichof zum Verzicht zu bewegen. Viermund ging Anfangs Sep—
tember deshalb nad Schloß Neuhaus zu Heinrih, der zwar
beftimmte Zufagen ablehnte — er müſſe erſt hören, was feine
„Gutgünſtigen“ im Kapitel dazu fagten —, übrigens aber fid)
jo äußerte, daß der Hofrihter mit den beiten Hoffnungen von ihm
ihied. Von Neuhaus ging Viermund wieder nah Münfter, wo
gerade (am 9. September) ein Landtag ftattfand. Auch hier lagen
die Dinge günftig für Graf Bernhard. Denn auf diefem Land»
tag trat die Ritterfchaft der Anfiht der Städte förmlich bei, daß
man nad der Poftulation eines Dritten ftreben jolle.e Man bes
1) Nah dem Martinitapitel 1576 bittet bie verwitiwete Gräfin Anna
von Walded geborene zur Lippe ben Herzog von Jülich al8 Verwandten ihres
im Jahre 1567 verftorbenen Gemahls Graf Johann — diefelben waren Nach—
geſchwiſterlinder —, er möge, falls Herzog Ernſt nicht poftuliert werben follte,
ihrem jüngften Sohn Graf Bernhard zum Stift Münfter verhelfen. —
Herzog Wilhelm verfpricht Hierauf in künftigen Fällen ihrer Kinder zu ge-
benfen. DA. 28°, fol, 343. — Üüber die Beziehungen des Landgrafen Mil-
beim zu den Grafen von Walded vgl. o. ©. 252.
Niederrhein und Münſter nach der Wahl bes Gebharb Truchſeß. 601
ſchloß, Regierung, Ritterſchaft und Städte follten zu diefem Zweck
eine eigene Gejandtihaft an den Herzog von Jülich abordnen.
Im Vertrauen erfuhr Viermund, man werde fih wohl gefallen
laffen, daß der Herzog dem Kapitel einige geeignete Perjonen zur
Auswahl benenne. Sofort ſchrieben aljo die verwitwete Gräfin
Anna und Graf Philipp von Waldeck an Herzog Wilhelm (am
10. September) und baten ihn fi für ihren Sohn und Bruder
zu erflären. Der Herzog antwortete mit einigen höflihen unver-
bindlichen Redensarten. Er war zur Zeit durdaus nicht gefonnen,
den Wünſchen der münfterfhen Landftände entgegenzufommen.
Noch am 8. Dftober (übrigens che ihm der letzte Landtagsbeſchluß
befannt war) forderte er von Bensberg aus die münfterjchen
Städte auf, fie follten die Junioren ermahnen, mit ihren Se—
nioren ſich zu vergleihen und die frühere Kapitulation (mit
Bayern) zu erfüllen, damit werde der Sache am bejten geholfen;
inzwiſchen verſpreche er das Stift nidht minder wie jein eigenes
Land vor unrehtmäßiger Gewalt zu ſchützen. Am gleichen Tag
ging ein nad Recks und Dr. Wezes Gutachten abgefaßtes Schrei=
ben nah Rom ab, worin der Papft nohmals entſchieden aufge
fordert wurde, den täglich Feder werdenden Wefterholt und Ge—
noffen nicht nur zu fufpendieren, jondern glei zu privieren,; der
Herzog bot feine Hilfe an, um päpftlihe Befehle durchzuführen.
Drei Wochen danad) erſchienen zu Hambach fünf Abgeordnete
von Negierung, Ritterihaft und Städten des Stifts Münfter ?)
und baten um eine Erklärung des Herzogs inbetreff des lekten
Zandtagsbeichlufjes. — Am 30. Dftober (1578) wurde ihnen ein
Beicheid erteilt, welcher nit nur von dem legten Bensberger
Schreiben, jondern von dem bisherigen Standpunkt überhaupt
1) Für die Regierung: Hermann von Velen, Droft zum Bevergern und
in Emsland, für die Ritterfchaft: Dietrich von Plettenberg (anftatt des an-
fänglich gewäßlten Grafen Arnd zu Bentheim, Herr von Steinfurt) und
Franz von Bodelſchwing, für die Städte: Bürgermeifter Joh. Berswordt und
Syndikus Lie. Meinhart Diethart.
602 - Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
weſentlich abweicht: das Domkapitel ſolle ſich nur über eine fa=
tholiſche qualifizierte Perſon vergleichen, die vom Papſte beftätigt
werden fünne; dann fei der Herzog nochmals gern bereit, jeinen
Sohn zurüdtreten zu laffen.
Man könnte geneigt fein, in diefem Beſcheid den Einfluß
Bayern =feindliher Räte zu ſuchen; da er aber nit minder als
alle früheren aus der Feder des gut bayriſch gefinnten Kammer—
ſekretärs Langer ftammt, jo liegt wohl nichts als eine ftiliftiiche
Ungejchidlichleit desjelben vor. Heinrich von der Nede er=
kannte jofort den begangenen Fehler und empfahl dringend, ihn
jo weit als möglich gut zu machen. Die Erklärung fei, fchreibt
er an Langer, „kalt und jchleht genug‘, und werde weder dem
Herzog don Bayern noch den Senioren gefallen. Auch feine
eigene Ehre fühlte er durd fie gefränft: denn nun ſehe es aus,
als ſeien alle die früheren jcharfen Schreiben nur durd die her:
zoglihen Räte erpraftiziert; Regierung und Landftände würden
nun erjt recht die Senioren drängen, nachzugeben. — Auch der
Domdehant war mit der Hambacher Rejolution jehr unzufrieden.
Schon vor längerer Zeit hatte er in einem Briefe an feinen
Freund Dr. Winkel in Köln geklagt, daß die Senioren von Füs
ih und Bayern im Stiche gelaffen würden. Seht ließ er den
Herzog durd) Otto von dem Bylandt wiſſen, Wefterholt habe vor,
“ dem dermaligen Inhaber des Erzitifts Köln auch nad Münſter
zu verhelfen, und ſei deshalb unlängit ſelbſt in Brühl geweien.
Ohne Zweifel lag diefer Nachricht etwas Thatſächliches zugrunde,
und jedenfall war der Plan gut ausgejonnen ). Der Truchſeß
galt allgemein als katholiſch, feine Beftätigung durch den Papft
wurde zuberjihtlih und bald erwartet; wenn alſo die münfterichen
Stände den Herzog beim Wort hielten, durften fie verlangen, daß
1) Gerüchtweife erfuhren Bayern und Jülich ſchon im Frühjahr 1578,
daß Wefterholt mit Gebhard Truchſeß anzutnüpfen ſuche. Danborf an
Herzog Albrecht 1. März 1578. StA. 38/16, fol. 164 und Goddert von
Raesfeld an Langer 23. März 1578. RA. Münfter VII, 61.
Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 608
er feinen Sohn refignieren laſſe, jobald fih das Domkapitel über
Gebhards Poftulation geeinigt. Bylandt teilte nachher noch weiter
mit, Kurfürft Gebhard und Erzbiſchof Heinrich gedächten ipäterhin
die Stifter Münfter und Paderborn gegen einander zu vertaufchen,
damit wieder wie vordem Münfter mit Dsnabrüd, Paderborn
mit Köln zuſammenkomme; denn allem Anſchein nad) wollten die
münfterihen Stände über kurz oder lang Bremen und anders feinen
zum Herrn haben. — Gebhard und Heinrich ſollen bereits im Juli
1578 einmal mehrere Zage lang zu Arnsberg beifammen geweſen
fein; al3 dann der Kurfürft im November in das Herzogtum
Weſtfalen fam, um jid) huldigen zu laifen, beſuchte ihn der Erz—
biſchof neuerdings in Arnsberg. Auch mit dem Herzog Julius
von Braunſchweig und mit den beijiihen Landgrafen unterhielt
Gebhard gute Nachbarſchaft; ebenfo wußte man am Jülicher Hofe
um jeine freundihaftlihen Beziehungen zu den niederländiichen
Ständen. Es bereitete ſich alio hier eine Koalition vor, melde
die Häufer Fülih und Bayern auf die Dauer von dem Belig
der weſtfäliſchen Hochſtifter auszufchließen drohte, von Zag zu
Tag erichien e3 notwendiger, Wefterholt aus feinem Statthalter:
amt zu entfernen und die Negierung von Münfter in die Hände
des jungen Poftulierten zu bringen. Wieder und wieder drängte
deshalb Herzog Wilhelm feinen Schwager Albrecht, dieſer aber
feinen Gefandten in Rom, daß man dort endlid die Wünſche der
beiden befreundeten Häufer erfüllen möge.
Indeſſen trug Herzog Wilhelms Hambacher Erklärung die von
Red erwarteten Früchte. Im Dezember 1578 beſchieden Regierung
und Ausſchuß der münfterihen Stände die beiden Parteien des
Kapitels vor fi, eröffneten ihnen die Rejolution vom 30. Di:
tober und forderten beide auf, nunmehr über eine qualifizierte
Perſon ſich zu vergleihen. Beide Zeile juchten zunächft wieder
ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen und überließen es Regierung
und Ständen, einen Ausgleih zu finden. Hierauf traten dieſe
wirklich mit beftimmten Vorichlägen hervor: Das Kapitel jolle ent=
weder: 1) die beiden bisherigen Gegenbewerber auffordern, die
604 Siebentes Buch. Erſtes Kapitel.
bordem von Herzog Ernſt bereit3 bewilligte Kapitulation nochmals
zu befiegeln und zu bverbürgen, und dann einen bon beiden po=
ftulieren; erfolge dabei abermals zwieipältige Wahl, jo follten
Papft und Kaijer entjcheiden. Oder: 2) Bremen und Bayern
jollten zurüctreten, der Herzog von Jülich aber gebeten werden,
jeinen Sohn refignieren zu laffen und drei oder vier andere taug—
liche Perjonen zur Auswahl zu benennen. Oder endlih: 3) Re—
gierung, Stiftsräte und Ständeausſchuß follten jieben bis acht
Domberren bezeichnen, welche mittel3 Kompromiß die Poftulation
zu erledigen hätten. — Den dritten Vorſchlag wieſen die Se—
nioren von vornherein zurüd, weil er den Freiheiten des Kapitels
widerſpreche; gegen 1) und 2) äußerten fie zwar auch Bedenken,
ließen ſich jedoch ſchließlich, vorausgejegt, da Herzog Wilhelm
einwillige, einen wie den andern gefallen. Wefterholt aber, ob—
wohl die Vorſchläge, wie die Senioren verjihern, größtenteils
von ihm ſelbſt herrührten, forderte wegen der Abmejenheit jeiner
Mitftimmenden zwei Monate Bedenlzeit. — Vermutlih war er
mit feinen Vorkehrungen für die durh die Hambacher Rejolution
geichaffene neue Lage noch nicht fertig; daher das Verlangen län=
gerer Frift. Erzbiſchof Heinrich hatte ſich bisher, wenngleich feine
Anhänger das Gegenteil behaupteten, auf feine beftimmte Kapi—
tulation eingelafjen, weil er einzelne Punkte in der von den Ju—
nioren ihm vorgelegten bayriichen Kapitulation entweder mit feinem
Gewiſſen oder mit feinen früher im Erzftift Bremen eingegangenen
Berpflihtungen nicht zu vereinbaren wußte. Da nun aber Ne
gierung und Ständeausihug zu Münfter darauf beftanden, daß
aud Heinrich die bayriſche Kapitulation annehmen folle, um ferner
nod als Kandidat zu gelten, mußten feine Anhänger neuerdings
juchen, fein Widerftreben zu überwinden. Anfangs Januar 1579
begab fi) einer von diefen — wahrſcheinlich Wefterholt felbft —
zum Erzbiſchof und ſcheint die Zuſage erhalten zu haben,
dag er die Kapitulation im weſentlichen unverändert annehmen
werde. Es bleibt dahingeftellt, ob Heinrich wirklich noch ernftlich
borhatte, fich jelbft in Münfter poftulieren zu lafien, oder ob er
Niederrhein und Münfter nad) der Wahl des Gebharb Truchſeß. 605
zunächſt nur durch Eingehen auf die Vorſchläge der Stände feiren
bayriichen Rivalen ausſchließen wollte, vielleiht mit dem von dem
Herrn von Rheydt angedeuteten Hintergedanten, nachträglich durch
Tauſch in den Belig von Münfter zu fommen. Nah außen hin
that er jetzt, als ſei er jelbft mit der Wahl des Grafen Bernhard
von Waldeck ganz einverftanden. Schon im November 1578
batte er durch einen feiner Räte, Markus Keller, in Dresden ver—
traulich anfragen laffen, ob jein Dheim der Kurfürft einverftanden
fei, wenn er gemäß dem Wunſche der Landgrafen feine Rechte auf
Münfter dem Grafen Bernhard übertrage; denn er ſelbſt könne
fi) wegen der heftigen Oppofition de3 Herzogs von Jülich und
weil die Senioren durhaus einen papiftiihen Herrn haben wollten,
laum mehr Hoffnung auf das Stift machen. Die jähliihen Ge—
beimräte empfahlen ihrem Herrn, diefer möge folhen Verzicht
billigen, aber nur mündlid — wohl aus Rüdjiht auf die bay-
riihe Freundſchaft —, denn „der Religion und anderer Bedenken
halb ſei nicht gut no ratjam, daß der Adminiftrator von Freifing
dort zu weit einfige und gewaltig werde‘. Dem heſſiſchen Hof-
richter Viermund verfiherte Heinrich zur felben Zeit, da er fi
bereit erklärte die bayriihe Kapitulation anzunehmen (Januar
1579), er thue dies nur auf den Wunſch feiner „, Gutgünftigen “
in Münfter, um ſeinerſeits den Vergleichsvorſchlägen zu entipredhen,
beabfichtige aber durchaus nit, den Grafen Bernhard hierdurch
auszuſchließen; vielmehr ſei e8 gerade jet, da Herzog Wilhelm
die Poſtulation eines dritten zugeftanden habe, an der Zeit, daß
fid) die Landgrafen für Bernhard verwendeten. Daraufhin ließen
dieje, im Februar 1579, durd) Georg von Scholley bei Herzog
Wilhelm perfönli für Bernhard von Waldeck Fürbitte einlegen und
waren jehr enttäufcht, al3 eine ſcharf abichlägige Antwort erfolgte.
In feinem Ärger hierüber meinte Landgraf Wilhelm, der Hofrichter
„ſperre etwa um feiner Privatlonfideration willen dem von Walded
das Maul auf‘). — Wir wiffen aber, daß die Dinge anders lagen.
1) Die Herren von Viermund (VBierminden) waren nah Rommel,
606 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel.
Am jülichſchen Hofe fühlte man fi genötigt, den durch die
Refolution vom 30. Dftober 1578 begangenen Fehler durch ver—
doppelten Eifer nach der Gegenjeite gut zu machen. Weit ent=
fernt von dem Gedanken, den Boftulierten abtreten zu lafjen, war
man vielmehr bedacht, ihn möglihft bald an die Regierung des
Stifts zu bringen. Hierzu bedurfte man aber vor allem der
Gunſt des römishen Stuhles. Durch ſolche Vorſtellungen vers
mutlih braten Johann Wilhelms jegiger Hofmeifter, Dietrich)
von der Horft, Amtmann zu Düffeldorf, und Paul Langer den
alten Herzog zu einem Zugeſtändnis, gegen welches er ſich jahre
lang mit aller Energie gefträubt Hatte, deren fein kranker Geift
und ſchwacher Körper noch fähig waren: er gab zu, daß fein Sohn
am Weihnachtsfeſt 1578 feine erfte Kommunion unter einerlei Ge—
ftalt feierte. Johann Wilhelm war damit ganz einverftanden !). —
Damit war nah einem jahrzehntelang geführten Kampf die
Niederlage der Erasmiihen Richtung am clevischen Hofe befiegelt;
die römiſch Gefinnten triumphierten. Ihre Freude teilte Herzog
Albreht von Bayern, der ſelbſt erft vor wenigen Monaten die
fatholiihen Räte feines Schwager brieflidh erſucht hatte, für bal-
dige Kommunion des jungen Herzogs nad altlirhlihem, nämlich
nad) römischen Gebrauch fid zu bemühen, und nun fofort die
frohe Botihaft dem Papſte melden lich, mit dem Auftrag fie zu
benugen, um endlich einmal Weſterholts Abjegung und Dispens
für Johann Wilhelms Adminiftration zu erlangen.
In der That ſchien es hoch an der Zeit, daf von Rom aus
zugunften des Herzogs von Jülich und der Senioren etwas
Ernitlihes geihah. Nach den Vergleihsverhandlungen im De—
Geſch. von Hefien V, 389 befonders in Weftfalen und Walde begütert und
obenbrein mit den Grafen von Waldeck verſchwägert.
1) „Dazu auch ber junger ber gar begirig gewefen, wie ich das mit
warbeit bezeugen muß; — aber für mein perfon, ber das meifte anbringen
berbalben bei dem alten bern, ehe der conjen® baruber hat mogen erhalten
werben, grofie ſtürm hab erbulben müſſen“, berichtet Langer an DDR
am 5. Februar 1579. RA. Münfter VIIL, fol. 61.
Niederrhein und Miünfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 607
zember 1578 hatte jogar der Domdehant den Mut zu fernerem
Widerftand faſt verloren. Als Dit von Bylandt in den letzten
Zagen des Jahres zufällig dur das Amt Wolbeck fam, wo des
Dehanten Bruder Lutger Droft war, fand fi Goddert von
Raesfeld bei ihm ein und klagte bitter, daß die Senioren nit
länger aushalten könnten, ſondern geihehen laſſen müßten, was
fie nicht wehren könnten; auch warnte er von neuem vor geheimen
Abmachungen, melde zwiſchen Kurfürft Gebhard und Erzbischof
Heintih im Werke jeien. Um diejelbe Zeit gaben die Senioren
in einem amtlichen Bericht an Herzog Wilhelm über die Dezember—
verhandlungen ihrem Verdruß Ausdrud, dab infolge jeines Ham—
bacher Beicheids viele Leute ihnen allein die Schuld beimäßen,
wenn man zu feiner einhelligen Poftulation gelange. Hierauf er—
mahnte zuerft Herzog Wilhelm, jodann auch Herzog Albrecht die
Senioren, wenigftens nod) jo lange ausharren, bis die täglich er—
wartete Entjheidung von Rom gekommen jei.
Mittlerweile änderte ih, infolge der allzu großen Giegesge-
wißheit, womit Wefterholt auftrat, die Lage in Münfter einiger:
maßen zugunften der Senioren. — Am 3. Februar 1579 über-
reichten Wefterholt und Genofjen der Regierung und dem Stände:
ausſchuß ihre Antwort auf die Dezembervorihläge: Es jei ratjam,
daß man jekt, um aus dem Zwieipalt zu fommen, auf eine dritte
Perſon denfe; die beiden früheren Bewerber hätten durd das
Reftitutionsbreve alle durh die Kapitulation mit ihnen etwa er=
worbenen Rechte verloren; Herzog Johann Wilhelm aber ſei ges
mäß feiner Kapitulation verpflichtet, pure, libere et jimpliciter zu
refignieren. Wolle man aber die beiden Herren, Bremen und
Bayern, nohmals in die Poftulation ftellen, jo möge man auch
den Bremer Erzbiſchof namens des ganzen Kapitel die Kapitu—
lation vorlegen und Aſſekuration verlangen. Zugleich übergab
MWefterholt einen Kapitulationsentwurf, welchen Erzbiihof Heinrich)
angeblich vorlängft, in Wahrheit wohl erft vor ein paar Wochen
angenommen hatte. Formell ſchloß ſich derjelbe ganz an die bay—
riſche Kapitulation an, aber mit einigen, wie Wejterholt ver-
608 Siebente® Bud. Erſtes Kapitel.
fiherte, unweſentlichen, in Wirklichkeit jehr wichtigen Wortän-
derungen. — In der bayriſchen Kapitulation heißt es in Art. 1
und 2, der Voftulierte müfje päpftlihe Konfirmation und faifer=
liche Regalien "erlangen und dürfe zuvor feiner Regierung fid)
unterfangen; im bremijchen Entwurf ift gejegt: wenn Konfirmation
oder Regalien nicht zu erlangen, folle der Poftulierte zurüd-
treten. — Art. 3 der bayrifhen Kapitulation fordert, daß
fi) der Voftulierte felbjt der alten katholiſchen Religion, wie fie
bisher von der römischen Kirche bekannt worden, gemäß verhalten
folle; im bremifchen Entwurf fteht von der Perſon des Poſtu—
fierten nicht, fondern nur, daß diefer Stift und Unterthanen bei
der alten katholiſchen orthodoren Religion ſchützen werde, obendrein
mit dem Zufat, daß derjelbe fi) dem Religionsfrieden gemäß ver—
halten ſolle. — In Urt. 6 der bayriſchen Kapitulation wird die
bishöfliche Konfekration verlangt, der bremiſche Entwurf ſpricht nur
von einer Dualififation zum biſchöflichen Amt, wie gebräuchlich.
Die Senioren verfehlten nicht, fofort die Tragweite diejer
Mortunterichiede hervorzuheben und darzuthun, daß aud im üb—
tigen Weſterholts jegige Erklärung den dur fie bereit3 ange—
nommenen Vergleichsvorſchlägen durhaus nicht entſpreche y. Das
machte Eindrud auf Regierung und Stände. Sie waren, jeden-
falls in ihrer Mehrheit, zur Zeit nit gewillt, die in dem bre=
milden Entwurf mittelbar enthaltene allgemeine Freiftellung der
Religion zuzugeben, und ebenjo wenig wollten fie, wie Wefterholt
das forderte, alle Rüdfiht auf den Jülicher Herzog beifeite ſetzen.
Darum antworteten fie, am 10. März, e3 fei nötig, ehe man an
die Wahl einer dritten Perfon denke, die frühere Poftulation aus
Jülichs Händen zu bringen; wolle man dann mit beiden Herren,
Bremen und Bayern, zugleich fapitulieren, jo fei feitzuhalten an
1) Dr. Halver erfuhr zu Köln von einem vornehmen miünfterfhen Abe-
tigen: „das man Gotlob uf dem münfterifhen landtag bem MWefterbolz bie
bant im lugen und betrugfad erwifcht und ime hoch verweifen lafien, bas
feine andere capitulation der erften gar ungleich und zumider.” Halver an
Herzog Albrecht. Köln, 14. April 1579, RA. Münfter T. VIII, fol. 113.
Niederrhein und Miünfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 609
der vordem vom ganzen Kapitel vereinbarten Kapitulation, bon
welcher der bremiſche Entwurf in etlihen Hauptftüden abweiche.
Gemeine Stände jeien, ihrer Meinung nad), gefonnen, unter dem
Krummſtab zu bleiben und feinen al3 Herrn anzunehmen, der
nicht, wie dies auch der Kaifer befohlen habe, zuvor die päpftliche
Konfirmation und die Regalien erlangt babe, und naher ala
geiftlicher Fürft und Biſchof fi Halten wolle. Vor allen weiteren
Schritten jollten fi) alfo der Statthalter und die ihm Zuſtimmen—
den inbetreff diefer Punkte erklären.
Noch ehe fie dies gethan, fam von Rom die jo lange erwar-
tete Hilfe für die Senioren. Am Dezember 1578 hatten ſich
Gregor XIH. und die Kardinäle der deutihen Kongregation end-
lich entichloffen, dem unabläffigen Drängen der Herzöge von Bayern
und Jülich wenigſtens inſoweit nachzugeben, daß der General:
auditor der apoftoliihen Kammer Befehl erhielt, Weſterholt wegen
des dur fein Nichtericheinen befundeten Ungehorfams von feinen
Ämtern und Pfründen zu fujpendieren und aus dem Kapitel aus:
zufchliegen; zu einem Beihluß, wie es mit der ferneren Ber:
waltung des Stiftes zu halten ei, brachte man es noch nicht. —
Zeils aus formellen Rückſichten, teil3 infolge von Gegenvorftellungen
einiger Freunde Weſterholts, welde auf fein baldiges Erjcheinen
Ausfiht eröffneten, wurde jedod) das Sujpenfionsmandat erit am
19. Januar 1579 ausgefertigt und erft im Laufe des Februar
dem bayriſchen Gejandten zugeitellt; am 30. März gelangte e3
über München nad) Düffeldorf in die Hände des Herzogs von
Jülich.
Loſſen, Köln. Krieg J. 39
2. Kapitel.
Der kölnifhe Prozeß an der römiſchen Kurie.“
— —
Das erſte Gefühl, welches die Nachricht von Gebhards Wahl
bei Papſt und Kardinälen erregte, war das einer allgemeinen Be—
friedigung, weil das befürchtete Schlimmere nicht eingetroffen. Vom
bayriſchen Hofe und vom eigenen Nuntius hatte man ſo viel von
der ketzeriſchen Geſinnung vieler, wenn nicht der meiſten Kölner
Domherren gehört, daß man ſich über die Wahl eines ganz oder
halb häretiſchen Biſchofs kaum hätte wundern dürfen. Freilich war
der von Rom empfohlene Kandidat unterlegen; — aber es war
eben Wahl geweſen und der Schaden traf doch zunächſt nur den
Unterlegenen jelbft und fein Haus, nicht aber den römischen Stuhl,
borausgejekt, daß der ftatt feiner Erwählte eine diefem genehme
* Quellen: Briefe und Akten über ben römifchen Prozeß in übergroßer Fülle:
StA. 38/3. 13. 15 bis 19 (beſonders 16); Kopien aud) Bibl. Föringer.
Nr. 3239. Auch bier gilt von Fabricius’ wöchentlichen Berichten meine
0. ©. 335 gemachte Bemerkung; Aernspergs Briefe find aber nicht bloß
mweitfchweifig, fondern noch dazu verworren gefchrieben. Einzelne Er-
gänzungen: StA. 9/3 u. 4 (u. a. Korrefpondenz mit dem Großherzog
von Toscana); 96/1; 139/1; 230/2 u. 231/7 (Berichte des Dr. Hegen-
müller und des bayrifchen Agenten Haberftod vom faiferlihen Hof);
311/1 u. 16; 359/8; 378/2 u. 7; 899/53. 58 u. 59. RU. Unruhen
im Erzftift Köln T. I (vgl. 0. ©. 563); Münfter T. VII; Lüttich
T. I; Gülch und Cleve T. II; Fürftenfachen Spec. C. Nr. 413. DA.
Landesherri. Familienfahen 28e u. f; Erzbiſchöfe. Gebhard Truchſeß
12 u. 1b; Köln Domftift 324; Domlap.-Protof. Nr. 158. Dril.
Der kölniſche Prozeß an ber römischen Kurie. 611
Perjon war. — Und warum jollte Herr Gebhard Truchſeß das
nit jein? Genau betrachtet, fand ſich fogar mandes, was
jeine Wahl dem Bapite vielleicht erwünſchter machte, als die des
bayriihen Prinzen. Zwei Bistümer befaß diefer bereits; um ein
drittes, das münfterfche, bemühte er jih, von Rom unterftügt, ſeit
langer Zeit und immer noch mit Ausſicht auf Erfolg. Zudem
fonnte täglid, durch Tod oder fonft, eines der im Bereich ver
bayriihen Hausmacht gelegenen Stifter, wie Salzburg, Regens—
burg, Palau frei werden, wo man dann den bayriſchen Herzog
fiherlih als Bewerber zu erwarten hatte. Solde Häufung
biihöflicher Amter in einer Hand, dem kanoniſchen Recht und
den tridentinischen Satzungen ohnehin widerſprechend, erihien um
jo bedenkliher, da man an der Kurie Herzog Ernfts fittliche
Schwächen gut genug fannte, was man aud offiziell über feine
Tugenden jagen mochte. Gebhard Truchſeß war freilich auch fein
Heiliger: vor Jahren, da er nad) feiner Studienzeit als Domherr
zu Augsburg fi) aufhielt, hatte fein Oheim, der Kardinal, bitter
zu tagen, daß Gebhard jo „unpfäffiih‘ fich halte, voll und toll
durch die Stadt ſchwärme, eher wie ein Waibel denn wie ein
Domberr gekleidet jei. Aber ſolche Fehler der Jugend, wenn man
überhaupt darum wußte, beurteilte man in Rom nicht gar ftrenge,
aud gab Gebhard nachher feinen weiteren Anlaß zu Klagen. An
feiner fatholiihen Gefinnung zmeifelte bis zu feiner Wahl nie
loc. 8926. DillA. Dill. Korrefp. 1578. SW. Ferdin. fol. 110.
Nr. 135. Aus dem Briefwechſel zwifchen den Herzögen von Bayern
und dem Bapfte ift einige® gebrudt bei Theiner II, 370sqqg. und
UI, 2 (namentlich bie beiben wichtigen Briefe vom 21. November 1578
und 31. Januar 1579). Ein paar Notizen bei Maffei I, 275sq.
und 330sqq9. Languet, Ep. seor. I, 2. p. 746. Groen van Pr.
VI, 488sqg. (Der Schreiber dieſes Briefs ift der Kölner Dompropft,
vgl. o. ©. 304 Anm.) Zeitfehr. f. deutſche Kulturgefh. N. F. I, 619
(aus Weinsberg Tagebud von Einen). Ein Abriß der Iugendgefchichte
bes Gebharb Truchſeß in meinem Artilel über venjelben in ber Allgem,
D. Biogr., Bd. VIIL Die dort und hier gemachten Angaben über
Gebhards Iugendjehler find der Korrefpondenz des Karbinal® von
Augsburg mit Herzog Albrecht (AA. Augsburg T. IV) entnommen.
39*
612 Siebente® Bud. Zweites Kapitel.
mand; fuchte man doch den Truchſeſſen von bayriſcher Seite gerade auf
fie Hin für Ernft3 Wahl einzunehmen. Daß aud) in Rom Gebhard
nicht als Häretiler verdächtig war, geht ſchon daraus hervor, daß
ihn der Papft vor nicht langer Zeit (im Jahre 1576) zum Augs-
burger Dompropft ernannt hatte. Und im Sommer 1577 fand
man dort wie erwähnt, den Gedanken, daß etwa Gebhard Truchſeß
anftatt de3 bayriichen Herzogs Erzbiſchof von Köln werden könne,
gar nicht jo ſchrecklich, äußerte fi vielleiht aud in dieſem
Sinne gegen Gebhards Bruder Chriftoph. Als Gregor XII. um
diefelbe Zeit bei Herzog Albrecht anfragte, ob diefer nicht unter
Umftänden feinen Sohn zugunften eines dem Haufe Bayern er=
gebenen Mannes zurüctreten laffen wolle, dachte er zunächit wohl
an den Truchſeſſen. Bor allem kam dieſem die Erinnerung an
feinen Oheim und Erzieher, den Kardinal Otto von Augsburg,
zuftatten: es lag fo nahe zu hoffen, daß Gebhard in die Fuß:
tapfen des Mannes treten werde, der jelbit in einer Zeit, als alle
anderen katholiſchen Fürften des Reiches wankten, zu Nom ge-
ftanden und mit Rom gegen die Duldung der Häretifer proteftiert
hatte. Gebhard ſelbſt hatte zwar nit in der Stadt Rom, wie
manche Leute an der Kurie meinten, aber doh an einer päpftlichen
Univerfität, zu Perugia, vielleicht aud zu Bologna eine Zeit lang
ftudiert ). Zudem durfte man vorausſetzen, Gebhards Wahl werde
1) 2. Februar 1578 berichtet Fabrieius an Herzog Albrecht (StA.
838/16, fol. 46): Ipsemet pontifex.... cardinalibus dicebat, plurimum esse
laetandum, quod suffragia in catholicum recidissent, eumque hujus urbis
et collegii Germaniei alumnum. Ita enim ejus Sti, falso tamen, persua-
sum fuerat; nam in Urbe ad quindecim dies integros eum nunquam
haesisse a fide dignis accepi. — 12. Auguft 1567 bezeichnet Gebharbs
Prokurator im Kölner Domkapitel Rom oder Bologna als locus studii des-
felben. DA. Domfap.-Protof. Nr. 152. — Als Studierenden zu Perugia
finden wir ihn bei Stölzel, Gel. Nichtertum II, 10 (immatr. pridie Cal.
Mart. Ao. 1568). Am 8. März; 1579 berichtet Aernsperg an Herzog Al-
breit, man fammele bier (in Rom) Zeugniffe über Gebharbs Leben während
feiner Peruginer Studienzeit. — Die irrige Meinung, Gebhard fei zu Rom
jelbft, gleihfam unter den Augen des Papftes, erzogen worben, ift jeboch in
alle Gefhichtsbücher übergegangen.
Der kölnifche Prozeß an der römifchen Kurie. 615
dem Haufe Dfterreich lieb fein, namentlih dem Erzherzog Fer—
dinand, dem man in Rom bejonder3 wohl wollte. Die Truch—
jeifen von Waldburg waren vorderöfterreihiiche Lehensleute und
dem Haufe Oſterreich von altersher verbunden. Yon Gebhards
Brüdern war der nädhjftjüngere Karl Präfident am Kammergericht,
der folgende, in Rom mohlbefannte Ehriftoph bei Erzherzog Fer—
dinand in Hofdienften ). Auf die Nachricht von Gebhards Wahl
äußerte der jeit einigen Monaten als Kardinal in Rom lebende
Sohn Ferdinands, Andreas von Ofterreih, unverhohlen feine Freude,
und ebenjo, al3 alter Diener des SKaiferhaufes, der Kardinal von
Granvella.
Faſt zwei Monate waren ſeit Gebhards Wahl verſtrichen und
man mochte in Rom hoffen, alles gehe in Ruhe und Frieden ab, —
als eines Tages der bayriſche Geſandte Dr. Fabricius beim Papfte
und ſodann bei den einzelnen Kardinälen erſchien, mit Briefen
ſeines Herzogs, worin Proteſt und Appellation gegen die Wahl
angekündigt wurde. Die Appellationsurkunde ſelbſt war zwar noch
nicht in Fabricius' Händen, ſondern nur Kopie jenes Kölner Brie—
fes, welcher den Herzog zu appellieren bewogen hatte; doch be—
mühte ſich der eifrige Mann jetzt ſchon Papſt und Kardinälen
far zu machen, daß nicht minder das Intereſſe des römiſchen
Stuhles und das Wohl der katholiſchen Kirche, als die Ehre des
Hauſes Bayern die Vernichtung der Wahl Gebhards und die Er—
hebung des Herzogs Ernſt forderten. — Überall fand er bedent-
liche Mienen. Man ließ die Rechtsfrage, da die Appellation jelbft
nod nicht vorlag, einftweilen offen, wies aber jetzt ſchon hin auf
die Schwierigkeiten der Erelution eines etwa für Herzog Ernft
gefällten Urteils. in allgemeines Gefühl von Schwäche be—
berrihte damals die Kurie und jagte ihr, daß fie e8 auf einen
1) Bgl. 0. ©. 536. Schon im Jahre 1575 war Chriſtoph Truchſeß
einmal im Auftrag des Erzberzogs Ferdinaub in Rom, wo er u. a. mit
Kardinal Ferdinand von Medici mündlich verhandelt. JA. Ferdin. fol.
226 ad Nr. 327.
614 Siebented Bud. Zweites Kapitel.
offenen Kampf mit den Häretifern im Deutichen Reihe nicht an-
fommen lafjen dürfe 1); ein Urteil ohne Erekution entiprad aber
nit der Würde des apoftoliihen Stuhles. Auf was für Bun-
desgenofjen rechnet ihr? — was jagen der Kaifer und die an—
deren deutichen Kurfürjten und Fürften zu diefer Appellation? —
das waren die eriten Fragen, melde dem bayriſchen Gejandten
bon allen Seiten begegneten. Der Berfud einer Grefution, be=
merkte u. a. der mit den vdeutichen Dingen mwohlvertraute Kar—
dinal Commendone, werde unfehlbar die niederländischen Unruhen
ins Reich ziehen; denn Gebhard, von Rom im Stiche gelaffen,
werde an Dranien, den Naſſauer Grafen, den heffiihen Landgrafen
willige Bundesgenoffen finden. Aud der ſpaniſche Gefandte äußerte
die Bejorgnis, Gebhard möchte fih mit den niederländiihen Re—
bellen verbünden. Sogar auf die katholischen Fürſten, meinten
mande Kardinäle, könne Herzog Ernft nicht ſicher zählen. Sie
wieſen namentlih auf Erzherzog Ferdinand hin. Der Pater To—
fedo, vordem von Fabricius jo maßlos geihmäht, jet wegen feines
großen Einfluffes auf Papſt und Kardinäle eifrigft als Freund
aufgefudht, bedauerte befonders, daß ſich Ernft nicht mindeftens
irgendwelchen Beſitz verichafft habe. In den 27 Jahren, feit er
Mitglied des Kardinalstollegs fei, ſagte der Venetianer Gornaro,
erinnere er ſich nicht, daß jemals eine deutſche Biihofswahl in
Rom umgeftoßen worden ſei. Am rüchaltlofeften drückte ſich
einer der päpftlichen Nepoten, Philipp Boncompagno, Kardinal
bon San Sifto, aus: die Sade fei fertig; fo wenig wie eine
einmal geſchlofſene Ehe könne Gebhards Bund mit der Kölner
1) Kardinal Morone bemerkt einmal gegen Fabricius: Nihil magis hodie
providendun: esse, quam ut causae novorum tumultuum praescindantur,
und Dr. Hegenmüller fchreibt an Herzog Albrecht (5. Februar 1578. StN.
230,2, fol. 69): „beforgt jederman ... . das man, wan Kon zu Rom .
vil erhalten, beſchwerlich zu ainer erecution fommen werde, im betrachtung,
wie gar wenig laider bifer zeit im Teutſchlant umb bie pabftlihe fulminierte
proceß, ercommunicationes und fuspenfione® gegeben wirt”.
Der kölnifche Prozeß an ber römischen Kurie. 615
Kirche wieder gelöft werden; Herzog Ernſt Habe bereit3 zwei Big-
tümer und jolle anderen aud etwas laſſen; wenn er nah Rom
fomme, könne er hier eine Würde erhalten, die höher jei als die
erzbiihöflihe (das Kardinalat). Fabricius ließ ſich zwar durch
P. Zoledo damit tröften, daß die Worte des unbejonnenen jungen
Mannes bei den anderen Kardinälen nicht ſchwer wögen, diesmal
hatten jie aber doc einiges Gewicht, als ein Anzeihen, wie der
Bapft jelbit über die Sache dachte. Ohne Zweifel von Gregor
veranlaßt, ſchrieb der Großherzog von Toscana bereits Anfangs
Februar an den ihm befreundeten jungen Herzog Wilhelm von
Bayern: nach Berichten aus Rom ſähen Papft und Kardinäle
gar nicht gerne, daß Die Wahl des Truchſeſſen angefochten werde.
Auch aus der Art, wie Gregor der Frage auswich, ob Herzog
Ernſt jelbft nad) Rom kommen jolle, konnte Fabricius entnehmen,
wie unlieb jenem der angekündigte Prozeß war.
Um den 12. Februar 1578 fam Dr. Aernsperg mit feiner
Appellation nad) Rom, fo daß nun Papſt und Kardinäle über
die Rechtsgründe urteilen konnten, mit welchen man. Gebhards
Wahl umftogen wollte. Der erfte Eindrud war fein günftiger.
Die Appellation behauptete, Gebhard Wahl ſei ungültig, meil
unter feinen Wählern einige notoriſche Häretifer, namentlich Her—
mann Adolf von Solms und Johann von Winneburg, und no=
torishe Konkubinarier oder ſonſt irregulär Gewordene, insbejondere
Reinhard von Solms, der Senior Novimola und der Domdedhant,
fi) befunden hätten, ferner weil einige Vota incerta abgegeben
worden, endlich weil Herzog Ernſt und jeine Anhänger die Accessio
votorum nur bedingt zugegeben hätten; ziehe man dieſe ungültigen
Stimmen ab, jo werde fi herausftellen, daß nicht Gebhard ſon—
dern Ernft von der major et sanior pars capituli gewählt fei.
Um diejen Beweis führen zu können, forderte Herzog Ernſt als
rechtmäßiger Appellant (Competitor) vom römischen Stuhle fogen.
litterae compulsoriales et remissoriae, durd) melde das Dom:
bapitel gezwungen werde, das bisher verweigerte Wahldefret und
das Wahlprotofoll nebit dem Skrutinium ihm herauszugeben;
616 - Siebente® Bud. Zweites Kapitel.
zu dieſem Zweck war Gebhard als Eindringling jamt feinen
Wählern binnen 60 Zagen vor die Kurie geladen.
Sofort mahten Papft und Kardinäle die Vertreter Bayerns
auf die Hauptſchwäche ihrer Appellation aufmerkſam: dieſe ſpreche
bon notoriihen Kekern und Jrregulären, während doch feiner als
folder zuvor förmlich erflärt worden jei, vielmehr Herzog Ernſt
jelbft alle zur Wahl zugelaffen habe. Alerander Sforza, durch
jeine hohe Geburt, fein ſcharfes Urteil und feine Geſchäftskenntnis
einer der angejehenjten Kardinäle, bemerkte dazu noch: wolle man
ih an Härefie und Frregularität ftogen, jo könne man alle
deutihen Biihofswahlen, ja jelbft die römiſche Königswahl an=
fechten. Ähnlich hatte ſich bereit3 früher der Kardinal Albani,
ebenfall3 ein angefehener Jurift, geäußert.
Während Fabricius und Aernsperg mit ihrem Rundgang zu
den Kardinälen beihäftigt waren, traf Gebhards Geſandter Jo—
hann Doullart mit dem Wahldekret in Rom ein und nahm
Wohnung bei einem der von Erzbiihof und Kapitel beftellten
Agenten, Franz Stravius, der zum Hofgefinde des Kardinals
Sforza gehörte. Ludwig Madruzzi führte als Kardinalproteftor
der deutſchen Nation den Gejandten jofort beim Papfte ein, welder
das Wahldefret mit wohlwollenden Worten entgegennahm. Diefes,
bereits mit 20 Unterſchriften verjehen, erjchütterte vollends den
Glauben an die Stihhaltigfeit der bayriihen Rechtsanſprüche. Der
Kardinal Drfini 3. B. meinte, er verftehe nit, wie man die
Wahl auf Grund der Wahlunfähigleit einzelner Perfonen an-
greifen wolle, da dod laut dem Dekret das ganze Kapitel ein=
mütig beſchloſſen habe, feine Stimmen zu publizieren, Herzog Ernft
aljo gar nicht einmal wiſſen könne, daß er zehn Stimmen gehabt
habe; behaupte ev dies dennod), jo folge daraus, daß auf feiner
Seite jelbit eine ſolche Verſchwörung beitanden habe, wie fie die
Appellation den Gegnern vorwerfe. Fabricius ſelbſt fand bedent-
lich, dar auch Ernſts Anhänger das Wahldelret ohne jeden Vor—
behalt unterzeichnet hatten. Dennoch gab er in jeinem ftarfen
Selbitgefühl die Sache nicht verloren ; aus den Worten des Dekrets
Der kölnifche Prozeß an der römifchen Kurie. 617
jelbft la3 er heraus, daß Gebhard nicht durch Mehrheit des Ka—
pitel3, fondern nur durdy Mehrheit der Stimmen (d. i. durd) res
lative und nicht durch abjolute Majorität), alſo unkanoniſch gewählt
jei, und hoffte durch diefen Nachweis, mit Hilfe einiger geſchickten
Advolaten, den Papft zu bejtimmen, die Herausgabe des Skruti—
niums und des eigentlihen Wahlprotofol3 zu befehlen, wodurch
dann das wahre Stimmenverhältnis aufgededt werden könne.
Das Wahldefret wurde vom Papſte zuerft in einem Kon—
fiftorium der Kardinäle vorgelegt, alsdann zugleich mit der bayri—
ſchen Appellation einer Deputation von vier Kardinälen, angejehenen
Kanoniften, zur Prüfuug überwiefen: Proſper Santa Groce,
Aerander Sforza, Flavius Drfini und Marc’ Anton Maffei.
Auch die trudjeiliihe Partei nahm Advolaten an, wollte jedod)
die deputierten Kardinäle nur zum Behuf der Konfirmation infor=
mieren, und nicht etwa, um ſich mit dem bayrifchen Gegner, welcher
gar nidht Appellant fondern bloßer Opponent fei, in einen Rechts—
ftreit einzulaffen. Die Deputation jelbjt erflärte von vornherein,
daß die Kurie nur in dem Falle die verlangten Kompuljorialien
und Remifjorien erteilen könne, wenn Herzog Ernſts Vertreter
zuvor genügende Verdachtgründe gegen die Nichtigfeit des Wahl—
defret3 vorgebracht hätten.
Mührend man fi jo in Rom den Anfchein gab, als behandle
man die Wahl wie eine reine Rechtsfrage, hatte man in der
That den Bli vielmehr nad) Deutichland gerichtet, um zu jehen,
wie Kaiſer und Fürften diejelbe aufnahmen, und demgemäß jich zu
entſchließen.
Im Reiche geſtalteten ſich die Dinge von Anfang an zu—
gunſten Gebhards. Gleich auf die Anzeige von ſeiner Wahl gra—
tulierten ihm die anderen rheiniſchen Kurfürſten; der Kaiſer kam
ſeiner Bitte um die Regalien auf halbem Wege entgegen. Schon
im Januar 1578 erſchien ein kaiſerlicher Geſandter, der Herr von
Heuſenſtamm bei Gebhard und begleitete die in einem eigenhändigen
Briefe Kaiſer Rudolfs ausgeſprochenen Glückwünſche mit der münd—
lichen Verficherung, daß der Kaiſer über die Wahl eines fo er—
618 Siebented Bud. Zweites Kapitel.
gebenen Diener3 und Freundes des Haufes Oſterreich hocherfreut
jei. Gebhard ſelbſt gab ſich alle Mühe, ſowohl den Kaiſer wie
feine geiftlichen Kollegen fi wohlgeneigt zu erhalten. — Heuſen—
ftamm hatte nebenbei, oder auch hauptſächlich, den Auftrag, wegen
der rüdjtändigen Zürfenfteuer zu mahnen. Gebhard unterhandelte
nun ſofort mit einem Ausſchuß der rheiniſchen Landftände, ſowie
mit Domkapitel und Klerus, und erlangte von beiden, ohne große
Schwierigkeit, anftändige Steuerquoten. Nur mußte er dafür dem
Klerus veriprehen, daß er gegen häretiſche Privatichulen und
nächtliche Zufammenfünfte einschreiten wolle. Zum Mainzer Sur:
fürften ging der Kanzler Burkhart, um ihn mit Hufe des Wahl-
defret3 von der Nichtigkeit der bayrischen Appellation zu überzeugen.
Bei Kurfürft Jakob von Trier erihien Gebhard ſelbſt Mitte Fe
bruar zu Koblenz, begleitet von dem Domherrn Johann von
Neiffericheid und dem Licentiaten Jakob Middendorp, einem Nie:
derländer von Geburt (aus Dotmarjum in Dverijffel), bisher Pro—
feffor des kanoniſchen Rechts an der Kölner Univerfität, jegt aber
furfürftliher Rat und Gebhards Berater namentlih in Recht3-
fragen. Da der Beſuch in Koblenz gerade in die Uuatemberzeit
fiel, in welcher nad) kirchlichem Braud die Weihen erteilt werden,
fo legte Gebhard feine kirchliche Geſinnung dadurh an den Zag,
daß er fih von Erzbiihof Jakob zum Diakon weihen ließ ').
Jakob ſeinerſeits verfiherte, dak er zumeiſt aus Rückſicht auf
Papſt und Kaifer fo eifrig für den bayrischen Herzog intercediert
habe, nun aber über Gebhards Wahl von Herzen fih freue und
das mit deſſen Oheim, dem Kardinal, unterhaltene vertrauliche Vers
1) Ennen, Gef. der Stabt Köln V, 13 teilt eine Urkunde des Weih-
biſchofs Craſchel vom 19. September 1583 (a. St.) mit, worin biefer be—
zeugt, daß er Mittwoch den 19. März 1578 zu Brühl dem Herrn Gebharb,
erwählter Erzbiſchof von Köln die Priefterweihe erteilt Habe. Gegenüber ber
anderwärts fehr beflimmt auftretenden Behauptung (vgl. 3. B. Isselt,
De Bello Colon. 1584, p. 11), Gebhard habe fi erft zum Priefter weihen
laſſen, als man anfing gegen ihn Verdacht zu hegen, wage ich ohne weitere
Beweife zur Zeit nicht vom der Angabe bei Ennen Gebrauch zu machen.
Der kölnifche Prozeß an der römiſchen Kurie. 619
ſtändnis zu erneuern wünſche. — Auch mit Jülich ſuchte Gebhard
gute Nachbarſchaft anzubahnen. Gleich zu Neujahr 1578 ſchickte
er Gejandte mit feinen Geſchenken an Herzog Wilhelm, der die
Artigleit wohl aufnahm, wenn er auch aus Rüdjiht auf Bayern
den Erwählten zur Zeit noch nicht anerkennen mochte. Auf die
Dauer war es wegen der beiderjeitigen Rechtsanſprüche freilich
nicht leicht gute Nahbarihaft zu erhalten; aber Herzog Wilhelm
und ein Zeil feiner Räte verhehlten menigitens nit, daß
ihnen der böflihe Gebhard als Nachbar lieber war als fein
rauher Vorgänger.
Am meiften fam darauf an, mie fi) das Domkapitel zu feinem
neuen Herrn ſtellte. Wir hörten ſchon, wie von den bayriichen
Votanten einer nah dem andern das Wahldekret unterzeichnete,
bis zulegt mit Herzog Ernſt nur noch der Graf von der Mark
zurücdblieb. Aber viele zuvor bayriſch gefinnte gingen meiter, als
fie die Pflicht, Kapitelsbeihlüffen zu gehochen, zu gehen nötigte.
Johann von Reifferſcheid hatte fich gleih nad der Wahl an Geb:
hard angeſchloſſen; nachher fand fi aud Ehriftoph Ladislaus von
Zhengen bei Hofe ein; die beiden Decdanten von St. Georg und
St. Andreas, Orth und Swolgen, trugen fein Bedenten, dem
in großer Geldnot ftedenden Neugewählten mit Darleihen zu
helfen. Auch die entidiedenften Parteigänger Bayerns verloren den
Mut, da nad) Dr. Aernspergs Abreife von Köm Woche auf Woche
verftrih, ohne dap man über die Durchführung der angekündigten
Appellation das Geringfte erfuhr. — Die meifte Schuld an diefer
Verſchleppung trug der langſame und pedantiiche Aernsperg, der
mit feiner Appellation erft am 18. Januar wieder nah München
gefommen war. Denn nun erft konnten, während Aernsperg jelbft,
diesmal mit mehr Eile, nah Rom ging, die beiden Kanzler
Elfenheimer und Römer an den faiferlihen Hof, Dandorf aber
an den Niederrhein abgejendet werden. Dandorf nahm Briefe
mit von Herzog Ernft an ſämtliche bayriihe Votanten, die Bitte
enthaltend, fie möchten an jeiner Perſon fethalten und ihm bei
der Führung feines Prozeſſes behilflich fein. Unterwegs bejuchte
620 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
er die beiden Kurfürften von Mainz und Zrier und bat jie, nicht3
zum Präjudiz für Herzog Ernft zu thun, insbejondere den Ein-
gedrungenen vor der Entiheidung von Rom nicht in das Kurs
fürftenfolleg aufzunehmen. Amtlic erklärten ji denn auch beide
Herren ganz befriedigend: fie bedauerten aufrihtig die dem bayri=
hen Haufe mwiderfahrene Unbill und ließen die Wahl jelbjt auf
ihrem Wert oder Unwert beruhen; im Brivatgeipräd dagegen
widerrieten beide ernftlih, die Sache weiter zu verfolgen. Erz:
biihof Daniel von Mainz meinte, Herzog Ernft jei gewiß in Köln
„enormiter lädiert‘ worden; er zmweifle auch nicht, daß man in
Rom zu Gunften desjelben Sentenz erhalten werde, aber mas
dann mit der Erefution? — ohne das äußerſte Verderben des
Stiftes und ohne merflihe Verwirrung und Empörung im heiligen
Neid) könne diefe nicht ins Werk gerichtet werden. Ahnlich äußerte
ſich nachher in Koblenz Kurfürft Fakob von Zrier. Was Gebhards
Aufnahme in das Kurfürftenkolleg angehe, könne er fih von feinen
übrigen Kollegen nicht abjondern. Inzwiſchen erfuhr Dandorf
dur einen guten Freund (den Kanzler Wimpheling?), was wir
über Gebhards Beſuch in Koblenz und den vertrauten Verkehr der
beiden Nachbarn bereit3 wiſſen; ferner, daß zwei Gejandte Geb-
hards, fein Bruder Karl und der Dr. Servatius Eid (ein ges
borener Lütticher, der vordem in Dienften des Biſchofs Johann
von Hoya gejtanden hatte), bereit3 unterwegs nad Wien jeien,
um ein faiferlihes Indult für die Verwaltung der Zemporalien
zu erbitten.
In Köln, wo man faum mehr an die bayriihe Appellation
dachte, erregte Dandorfs Ankunft, am 23. Februar, gewaltiges
Aufiehen ). Dandorf gab fih alle Mühe, die Domkapitularen
1) 1. März 1578 fchreibt Danborf aus Hambach an Winflmair (St.
38/16, fol. 230): „Ir glaubt nit, wie die graven barüber zufamen geloffen,
und was ih von dem gmainen pöfel im tumb zu Eöln, als kem ber curfürft
jelb8, für ain concurfum gehabt. Die gutherzigen haben ſichs hoch erfreut,
bie boshaftigen aber ſichs entſötzt und dz gejpot daraus getriben.“
Der kölnifhe Prozeß an der römiſchen Kurie. 621
der bayriihen Partei wieder zu ermutigen; einige, wie Winne—
burg, Zhengen und Dr. Winkel gaben aud die beiten Worte; den
mißlihen Umstand, daß fie alle bereit3 das Wahldefret unter—
fchrieben, entihuldigten fie mit dem geübten Zwang, machten da=
gegen aus ihrem privatim erhobenen Proteft möglichſt viel Weſens.
Nur Johann von Reifferfcheid erklärte offen, er habe allerdings
für Herzog Ernſt geftimmt, hätte diefen aud gerne al3 Kurfürften
gejehen ; nachdem aber Herr Gebhard Truchſeß einmal die Majo:
rität erlangt habe, müſſe er al3 Landftand gemäß der Erblandes-
vereinigung zu ihm halten, wolle aud dem Herzog von Bayern
und feinem Sohn treulih raten, e3 bei der Wahl beruhen zu
laffen, fonft würden fie fi) bei der Landihaft und jedermann nur
verhaßt machen und doch nichts ausrichten. — Dandorf meinte
zwar, Reifferjheid habe ſolche Worte im Trunk geſprochen; daß fie
aber wohl begründet, beftätigte er felbft dadurch, daß er aus
Furcht vor Nachſtellungen vonjeiten der auf einem Kreistag in Köln
anmejenden Wetterauer Grafen faum ein paar Tage in der Stadt
zu bleiben wagte. Hatte man doch auch dem Nuntius Porzia, weil
diejer über den Erwählten, Domkapitel und Klerus allerhand Schimpf-
liches nad) Rom berichtet, bis über Frankfurt hinaus nachgeftellt,
fo daß er nur unter ftarfem Geleit von Fülih und Xrier zu
reifen wagte.
Don Köln ging Dandorf nad Hambach zum Herzog von
Jülich, mit welchem er hauptſächlich wegen des Stiftes Lüttich zu
verhandeln hatte. Inbezug auf Köln verſprach Herzog Wilhelm,
nichts zu Herzog Ernſts Präjudiz zu thun, wenn er auch den
nachbarlichen Verkehr mit dem angeblid) Erwählten nicht vermeiden
könne. Nachher lehnte er die Zumutung, etwaige Einkünfte des
Kurfürften aus feinem Gebiet mit Beichlag zu belegen, höflich ab
und äußerte den lebhaften Wunſch, daß der Streit in Güte bei-
gelegt werde. Erſt Monate jpäter, al3 die Srrungen mit Köln
über die Steuerpflicht kölniſcher Güter einen gereizten Charakter
annahmen, fand man es am Jülicher Hofe zweckmäßig, Gebhards
Mahl wierer in Frage zu ftellen.
622 Siebente® Bud. Zweites Kapitel.
Indes war der bayriihe Kanzler Elfenheimer, zunächſt ohne
den Dr. Römer, am 20. Februar in Wien eingetroffen und hatte
fofort den Kaiſer perſönlich gebeten, bis zur Entſcheidung dur
die römische Kurie dem Eingedrungenen weder die Negalien noch
ein Lehensindult zu verleihen; denn erftens jei die Wahl nicht
frei gewejen, jodann habe Gebhard zwar majora aber nicht saniora
vota gehabt, vor allem aber bedeute dieje Wahl einen Verſuch, die
Freiftellung auf indireftem Wege einzuführen; Gebhard werde,
wenn er auch für feine Perſon katholiſch fei, nicht vermögen, den
Sreiftellern, denen er jeine Wahl verdanke, Schranken zu ſetzen. —
Der Kaifer antwortete, Dr. Hegenmüller habe ihn bereits unter
richtet, die Sache jei aber wichtig und müfje wohl erwogen wer:
den. Diejes Erwägen verzögerte jih, da der Hof im Begriffe
war nad Pressburg überzufiedeln; hier erhielten Eljenheimer und
Römer am 10. März den vom Tten datierten Beicheid, der Kaiſer
bedauere, dab fein Vetter Herzog Ernſt nicht gewählt worden jei,
fönne aber nichts Dazu thun, weil der ftatt deſſen Erwählte bereits
im Beſitz und ſchon von den anderen Kurfürften anerkannt fei;
übrigens wolle er von diejen ein Gutachten verlangen.
Über die Anficht des Kurfürften blied man nicht lange im un:
gewiſſen. Als im April 1578 ein Reihsdeputationstag zu Worms
zufammentrat, wurden Gebhards Räte jo gut wie die der anderen
Kurfürften eingeladen, erſchienen auch und nahmen teil an den Be—
ratungen. Die bayriihen Abgeordneten proteftierten zwar ſofort
por den Vertretern der anderen Hurfürften; dieſe ermwiderten aber:
da fie nicht anders mwühten, als dab Gebhard gewählt und be—
veit3 proflamiert, demjelben aud ſchon gehuldigt worden jei, jo
fei es nicht ihre Sade, die kurkölniſchen Geſandten auszuſchließen.
Zur jelben Zeit befand ſich Gebhard wieder einmal in Koblenz
beim Zrierer Kurfürften, in deſſen Hände er am 24. April, in
Gegenwart zweier feiner Räte, des Marihalls Autger von der
Horft und des Licentiaten Middendorp fowie einiger trieriihen
Räte, das tridentinische Glaubensbefenntnis beſchwor und den
Kurfürfteneid ablegte, worauf er von Kurfürft Jalob in aller
Der kölniſche Prozeß an der römifchen Kurie. 628
Form in das Kurfürftenkolleg aufgenommen wurde). — Als
naher, im Mai, die bayriihen Gejandten in Worms im ges
jamten Rat der furfürftlihen und fürftlihen Gejandten ihren Pro:
teft erneuerten, wiejen die kölniſchen Räte in ihrem Gegenproteft
triumphierend hin auf die bereits erfolgte Aufnahme ihres Heren
in das Kurfürftenkolleg, ſowie auf die 22 Unterfchriften unter dem
MWahldekret. „Und zweifelt man nicht‘, fügten fie ſpöttiſch bei,
„da die Vota, von deren Inhabilität Anregung geichehen, auf
ſ. f. ©. [Herzog Ernft] gefallen, es würde damit feinen Mangel
gehabt Haben.“ Privatim mußten ſich die Bayern noch ftärfere
Dinge jagen laffen. Die Kurpfälzer Gefandten ließen in Worms
verlauten, fal3 man zu Rom gegen den Truchſeſſen entjcheide,
müſſe man diejen exit recht im Beſitz erhalten. Kurfürft Auguft
von Sachſen, von deſſen Räten in Worms der Dr. Lindemann den
bayriihen Anſprüchen nod am meiften entgegengeflommen war, ließ
doch nachher feinem Freunde Herzog Albrecht dringend raten, einen
ehrenhaften Vergleich zu ſuchen; denn die Hurfürften würden ihren
Kollegen gegen Rom nicht im Stiche lafjen, weil fie nit Luft
hätten, den Päpften wieder ein Fenſter zu öffnen, um wie ehedem
nad Herzensluft das ganze Reich zu verwirren. Großen Eindrud
machte auch die zu Worms in öffentlicher Rede ausgeiprochene Be-
bauptung des Gefandten des Erzherzogs Matthias und der nieder-
ländiihen Stände, Marnir von St. Aldegonde: Alba habe vor:
dem den Plan gehabt, mit Hilfe des Herzogs Erich von Braun—
ſchweig und feiner Genofjen der Städte Köln und Münfter ſich
zu bemächtigen und, jo im Beſitz der Aheinftromes, ganz Deutich-
land unter das ſpaniſche Joch zu zwingen. — In dem Hinweis
auf Herzog Erich und jeine Genofjen fand man am Münchener
Hofe eine Anfpielung auf das Haus Bayern 2).
1) Notarielle Urkunde über Gebharbs Eib auf bie Prof. fidei Trident.
bei Lünig, TRA. Spicil. Eccles, 1. Zeil, Fortſ., ©. 848 (und daraus
bei Hontheim, Hist. Trevir. III, 93).
2) Die 3. T. eigenhändige Korrefponbenz zwifchen Kurfürft Auguft und
624 Siebente® Buch. Zweites Kapitel.
Geftügt auf die Anfiht der Kurfürften und Fürften und auf
die Öffentliche Meinung überhaupt, konnte ſich Kaifer Rudolf leicht
jo entſchließen, wie e8 feiner eigenen Neigung entiprad. — Am
9. Mai übergab er Gebhards Gejandten, welche jeit Anfang April
an feinem Hofe verweilten, ein Lehensindult, welches viel weiter
ging al3 alle anderen in diejer Zeit ausgeftellten. Man war am
faiferlihen Hofe neuerdings inbezug auf Verleihung der Regalien
biel zäher geworden al3 zu Zeiten Kaifer Marimilians. Dies
wurde damals einem Verſprechen zugejchrieben, weldes König
Rudolf beim jüngften Regensburger Reichstag dem Kardinal Mo-
rone gegeben haben jollte: fünftighin feinem erwählten Biſchof die
Regalien zu verleihen, bevor derjelbe gemäk den Konfordaten der
deutihen Nation die päpftlihe Konfirmation erlangt habe ').
Herzog Albrecht über diefe Dinge im DrA. (loc. 8926, fol. 346 ff.) habe ich
feiner Zeit in Dresden nicht vollftändig erzerpiert, weil ich (bisher vergeblich)
erwartete, die entiprechendben Briefe auch in ben Münchener Archiven zu finden.
Meine Angaben über bie Äußerungen ber Gefandten in Worms find teil-
weile einem Auszuge Fends aus verfchiebenen den römifchen Prozeß betr.
Briefen und Akten entnommen, StA. 399/59. Dafelbft u. a. folgende Notiz:
Cancellarius Colon., vereri ne, si pergatur, pater et filius audiant parum
honorata etc. ferner: Statuum legati Wormatiae insinuarunt de practica
super occupandis pro Hispanis Colonia et Monasteri.. Verendum ne
tacite nos perstringant sub alieno nomine. — liter Marnir’ vielge-
priefene Wormfer Rede vgl. Groen van Prinsterer VI, 356 und
Gachard, Actes des Etats gen. I, 363. Die MB. befizt 2 Ausgaben ber
feltenen Schrift, die Plantinfche Originalausgabe und einen Neuftädter Nach—
drud. Die betr. Stelle ſteht Bog. F. 10 der Antw. Ausgabe.
1) Stieve, Briefe und Akten IV, 201, Anm. 2 verneint bie von
Ranke, Zur D. Geſch. (Werte VII, 129) ofjengelafiene Frage, ob Kaifer
Rudolf mit dem römischen Stuble ein Abkommen gegen Verleihung ber
Regalien an proteftantifche Biſchöfe getroffen Habe. — So wie ich die Sache
oben barftelle, wirb fie bayrifcherfeitS im Jahre 1578 berichtet uud feheinen
bie von Stieve erhobenen Bedenken fi zu löfen. 4. Mai 1578 ſchreibt
Herzog Albreht an den Nuntius Porzia nah Wien (RA. Münfter VI,
fol. 70): Haeret in aula Caesaris intrusi Coloniensis frater, ut vel
infeudationem quam vocant et regalia, vel certe indultum aliqnod emun-
gat. De priore forsan, cum id contra canones, contra German. nationis
cum 8. Sede concordata, et eam quae cum Smi Dmi N, legato Morono
nuper admodum repetita est conventionem, omnino sit futurum, minus
Der kölnifche Prozeß an ber römiſchen Kurie. 65
Sollte der Zweck eines ſolchen Verſprechens erreicht, nämlich ver—
hütet werden, daß die noch übrigen katholiſchen Stifter nicht dem
BProteftantismus anheimfielen, jo mußte man aud) mit fogen.
Lehensindulten, das ift mit der Erlaubnis, einftweilen, bis zur
Konfirmation, die weltliche Regierung zu führen, zurüdhaltender
jein al3 früher. Daß am Faiferlihen Hofe ein anderer Wind
wehte, hatten jüngft noch Biſchof Eberhard von Lübeck und Ber:
den und Erzbiſchof Heinrid von Bremen verjpürt. Dem erftern
wurde das für Verden erbetene Indult anfangs ganz bermeigert,
weil er ſich herausgenommen habe, die Augsburger Konfeffion dort
einzuführen, dann nur auf ein halbes Jahr bewilligt. Auch Hein=
rih3 Gejandter Hermann von der Bede war im Januar 1578,
al3 er um ein Indult für Paderborn nachſuchte, trok warmer
Fürſprache des ſächſiſchen Kurfürften, bei den kaiſerlichen Geheim-
räten auf ſtarken Widerſpruch geftoßen. Erſt nachdem von der
Bee dargethan, wie fehr fi fein Herr um die Konfirmation
für Bremen und Dsnabrüd bereit3 bemüht Habe und warum
diefer den Zrienter Eid nur mit einer Klauſel leiften könne, er—
hielt er das gewünſchte Indult für Paderborn, aber nur auf zwei
Jahre. — Dagegen wurden dem Ermwählten von Köln die Rega=
lien ohne jede Zeitbefchränfung auf fo lange verliehen, bis er die
päpftlihe Konftrination erlangt haben werde; nachher jolle dann
die formelle Belehnung jtattfinden. Zugleich erging an die köl—
nischen Landftände, Lehensleute und Unterthanen ein faiferlicher
Befehl, den neuen Kurfürften für ihren Herrn zu halten, zu er:
fennen und zu ehren.
videtur esse pericnli; alterum tamen, ne artibus quibus ii hodie jam
sunt dediti obtineatur, verendum est. Ähnlich auch in einem Briefe bes
Herzogs an Fabricius vom 27, März 1578 (StR. 38/16, fol. 224). Hierzu
paßt auch die von Stieve a. a. O., ©. 209, Anm. 2 mitgeteilte Auf-
zeihnung von Hannewald. — Meine Angaben über bie Indulte für
Berben und Paderborn find von ber Bedes Berichten an den Kurfürften von
Sadjfen vom 19. und 21. Februar 1578 (DrA. a. a. D.) entnommen. —
Für Bremen war bem Erzbifchof Heinrich das Lehensinbult bereit8 am
26. Februar 1577 auf unbeftimmte Zeit erneuert worden. Lünig, T. R. N.
IX, 452.
Loſſen, Köln. Krieg I. 40
626 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
Einige Wochen jpäter baten die fünf unbeteiligten Kurfürften
den bayriihen Herzog aufs dringendfte, er möge, um Weiterungen
zu verhüten, und namentlich wegen der niederländiichen Unruhen,
jeinen Proteſt nicht weiter verfolgen. — Ernftlihe Hoffnung, den
Truchſeſſen noch aus Köln zu verdrängen, machte man fi in
Münden jelbft nit mehr; aber der Herzog glaubte durch den
einmal erhobenen Proteft feines Hauſes Ehre verpfändet und ſah
feinen würdigen Ausweg, al3 wenn er in Rom irgendeine günftige
Entiheidung erlangte, die den Truchſeſſen veranlaffen würde, die
Hand zu einem Vergleich zu bieten. Inzwiſchen ſuchte man auf
alle Weiſe die Sache wenigſtens in der Schwebe zu halten. In
einem eigenhändigen Brief an den Kaiſer beichwerte ſich Albrecht
bitter über das dem Eingedrungenen erteilte Indult: diejes gehe jo
weit, daß Gebhard nun nad) päpftlicher Konfirmation und faifer:
licher Belehnung nicht viel zu fragen braude; er aber glaube, um
das heilige Neih und um das Haus OÖſterreich etwas anderes
verdient zu haben. Auch Herzog Ernjt mußte auf Befehl des
Vaters eine Erklärung des Kaiſers verlangen, daß dieſer nicht ges
willt geweſen fei, durch das Indult jeinen Rechten und der
Appellation Abbruch zu thun. Das Anfinnen der Kurfürften wies
Albrecht unmutig zurüd, unter Hinweis auf den großen Schimpf,
welchen Gebhard und deſſen Anhang feinem Haufe angethan !).
Bor allem aber lag ihm daran, recht bald ein günftiges Urteil der
Kurie zu erlangen. Wieder und wieder forderte fein Gejandter
in Rom Papſt und Kardinäle auf, um die Erefution ſich nicht
zu kümmern, fondern nur zu enticheiden, was Rechtens fei. Übri—
gens gab fid Dr. Fabricius alle Mühe, die Römer zu überreden,
daß fie durch ihre unzeitige Nahficht weit größere Gefahren ber:
aufbeſchwören, als durch Strenge im rechten Augenblid, wie man
jegt einen durch die bayriſche Appellation erlangt habe. Aber all
jeinen Vorftellungen begegneten die deputierten Kardinäle, nament-
1) Als Beweisftüd ſandte Herzog Albrecht das 0. ©. 576 Anm. erwähnte
Pasquill mit.
Der kölniſche Prozeß an der römischen Kurie. 627
ih der Vorſitzende Santa Croce immer wieder mit der Antwort:
Ihr behauptet viel, aber ihr beweiſt nichts, während euch ein no=
tarielles, mit 20 Unterſchriften und dem Kapitelsfiegel verjehenes
Wahldekret entgegeniteht. Mit welchem echte erhebt ihr aljo
Einjprucd gegen Gebhard Wahl?
Da bot die Ankunft einiger jungen Kölner, welche ins ger—
maniihe Kolleg eintraten, unter ihnen namentlih ein Sohn
des jülihihen Rates Walter Fabricius, dem bayriichen Gejandten
willkommene Gelegenheit, die von den Deputierten bisher vermißten
Berdachtgründe herbeizuſchaffen. Die jungen Leute ließen fich,
bewogen durch des Fabricius Sekretär, einen Sohn des Kölner
Buchhändler Eholinus, vor Notar und Zeugen verhören über
das, was fie zu Köln über Härefie oder Irregularität einzelner
Domlkapitularen, ferner über fimoniftiihe Vorgänge bei der letzten
Wahl glaubwürdig oder gerüchtmweife erfahren hatten. Nunmehr
meinte die bayriihe Partei Verdachtmomente zur Genüge zu
haben. Einen weitern Beweis, dab das Wahldekret nicht die
Mahrheit enthalte, entnahmen jie zwei nad) Rom überjandten
Brivatbriefen von Johann Daniel von Winneburg und Dr. Grop-
per an Dandorf, worin dargethan wurde, daß nicht Herzog Ernſt
allein, wie das Dekret behaupte, jondern ebenjo jie und andere
Domlapitularen die Accessio votorum nur salvo jure unius-
cujusque bewilligt hatten. Aber was die jungen Germanifer aus—
jagten, wußte man in Rom ohne Zweifel längſt jchon oder fonnte
es doc jeden Tag durch ihre Lehrer, die Jeſuiten, und durd)
andere ebenjo gut erfahren, und die Kleine juriftiihe Spitzfindigkeit
mit der bedingten Acceſſio wog offenbar nicht jchwer genug, um
mit ihr die Wahl eines deutſchen Kurfürften umzuftogen, der für
gut römiſch-katholiſch galt. Darum erklärte Kardinal Sforza die
Zeugenausjagen, als bloß auf Hörenjagen beruhend, für nicht
bemweisfräftig, teilte fie aber im Vertrauen feinem Hausgenofjen
Stravius, dem Prokurator Gebhards, mit, und durch ihn dem
Agenten Doullart, welcher Kopieen von ihnen und von den beiden
Briefen fofort an feinen Herrn jandte und diefen dringend er—
40*
628 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
mahnte, baldigft fein Glaubensbelenntnis einzufenden, ſowie 10,000
Kronen für die Zare bereit zu halten, dann werde die Konfirma-
tion feine weiteren Schwierigleiten machen.
As hierauf, am 2. Auguft, die Urkunde über Gebhards Pro:
feifio fivei in Rom eintraf, triumphierten defjen römische Freunde, —
und das war, da man den Papft auf feiner Seite wußte, fo
ziemlid) die ganze Kurie. Kurfürft Salentin, fagte man, habe fid
fieben Jahre Zeit genommen, um den Eid zu leiften, Gebhard den-
jelben gleich im erften Fahr abgelegt. Bald nachher trafen aud) noch
Empfehlungsbriefe ein von den beiden in Rom gut angefchriebenen
Kurfürften von Mainz und Trier, und endlih, im September,
ein zur Mitteilung an Papft und Kardinäle beftimmtes Schrei-
ben Gebhard an feinen Agenten, welches vor den jchlimmen
Folgen eines längeren Aufſchubs feiner Konfirmation ernftlid
marnte.
Die Zuverſicht, welche die Proteftanten im Erzitift Köln aus
der Wahl des Truchſeſſen geihöpft Hatten, war noch gewachſen
infolge der Fortihritte, welche die Reformation in den benachbarten
Niederlanden machte, namentlid im Herzogtum Geldern, feit dort
ein fo eifriger Proteftant, wie Graf Johann von Naffau, Statt-
halter war (jeit Mai 1578). Man wollte wilfen, Gebhard felbft
leifte den geldriihen Ständen heimlih Hilfe gegen die ſpaniſchen
Bejakungen zu Campen und Deventer. Noch höher ftieg die
Kühnheit der Kölner Reformierten, als im Monat Juni Pfalzgraf
Sohann Kafimir auf feinem Mari nad) den Niederlanden mit
einem jtarlen Heere an der Stadt vorüberzog. Das Einftrömen
niederländifcher Reformierten in Köln nahm wieder bedenklich zu;
nicht mehr heimlih und bei Naht, wie fonft, jondern am hellen
Zage fanden an drei mohlbefannten Drten häretiſche Predigten
ftatt. Domkapitel, Selundarllerus und Univerfität traten zu=
jammen, um der drohenden Gefahr zu begegnen; fie ſchickten eigene
Gejandte nad) Linn im Niederftift, mo Gebhard Hof hielt und
ftellten ihm vor, daß e3 die höchſte Zeit fei, gegen Predigten und
Prediger einzufchreiten, wenn man den Untergang der alten Kölner
Der kölnifche Prozeß an der römischen Kurie. 629
Nechtgläubigfeit und den gewaltjamen Sieg der Ketzer verhüten
wolle; der Kurfürft möge fi zu dieſem Zweck mit dem Sölner
Stadtrat in Einvernehmen ſetzen. Gebhard veriprad Hierauf,
Gut und Blut für die fatholiihe Religion einzufegen ; einftweilen
möge man von den Kölner Baftoren genaueren Bericht ein-
fordern. — Sofort aber ſchickte er diefe Kölner Briefe an feinen
Agenten nad) Rom, damit man dort erlenne, wie notwendig e3
jei, ihn durch baldige Konfirmation in den Stand zu ſetzen, mit
voller Autorität gegen die Häretifer einzufchreiten ; andernfall3 pro=
tejtiere er feierlich, da ihn am Untergang der Kölner Kirche feine
Schuld treffe. — Das war der Brief, melden Doullart Papft
und Kardinälen vorlegte. Der bayriihe Gejandte hatte gut vor—
ftellen, daß doch Kurfürft Salentin, aud bevor er vom BPapfte
beftätigt, die Ketzer niedergehalten babe und daß Gebhard offen=
bar abjihtlih, um die Kurie einzufhüchtern, ein Auge zubrüde;
gerade das war es ja, was man in Rom längft ‚fürdhtete: Geb—
hard werde, von Rom im Stiche gelafjen, den Häretifern fich
in die Arme werfen und diefen dadurd die vierte Kurftimme ver-
ihaffen.
Daß kein Rechtsgrund vorliege, Gebhard Beftätigung nod)
länger aufzuſchieben, hatten die deputierten Kardinäle bereit3 im
Monat August offen ausgeſprochen; jedoch hatte der bayrifche Ge—
fandte durchgeſetzt, daß zubor nod der römiſche Gerichtshof der
Rota um feine Anficht befragt werde. Die Rota follte entſchei—
den, ob im vorliegenden Falle NRemifforien und Kompuljorialien
zu bemwilligen oder nit. Fabricius und Aernsperg priejen dieſen
dur Überliftung des Papftes erlangten, vermeinten Erfolg in
überjhwenglihen Worten: niemals, behaupteten fie, jei die rö—
miſche Rota einen Finger breit vom ftrengen Recht abgewichen;
oft ſchon habe fie jogar gegen die Kardinäle ſelbſt entſchieden;
auch jet jei dies zu erwarten. — Am Münchener Hofe teilte
man diejen frommen Glauben nicht, fürchtete vielmehr, Papft und
Deputierte würden, da ja die Auditoren der Rota jelbit bloße
Kreaturen und Sklaven der Kardinäle feien, diejelben als will
630 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
fommene Werkzeuge benußen, um durch fie, ohne eigene Verantwor:
tung, für Gebhard zu entiheiden. Ein mirkjameres Mittel, dies
zu verhüten oder mindeftens den Prozeß binauszuziehen, jah Her-
zog Albrecht in der Sendung feines? Sohnes Ernſt nad Rom.
Das war ein Lieblingsgedanke des alten Herzogs felbit, von dem
ihn nur zeitweilig des Papftes Abraten, dann die Gegengründe
bon Eljenheimer und Pienzenau (jet Kammerpräfident, vormals
freiſingiſcher Hofmeifter) abgebradt hatten. Aber eines Tags,
Ende August 1578, erhielt Herzog Ernft unverfehens von jeinem
Bater Befehl, in Eile nah) Rom aufzubrehen und dort jeinen
ganzen perfönlihen Einfluß bei Bapft und Kardinälen aufzubieten,
um die bisher vergebens geforderten Kommpuljorialien zu erhalten.
Dieſer plögliche Entihluß hing zufammen mit den aus und über
Köln jüngft eingelaufenen Nachrichten.
Gebhards Stellung befeftigte fih von Tag zu Tag, ſeit er
das kaiſerliche Indult in Händen hatte. Kurz danad) erjchien
bei ihm ein Gejandter des ſpaniſchen Königs mit der bormals
aufgeihobenen Gratulation; auch der König von Frankreich ließ
durch einen eigenen Abgeordneten Glück wünſchen; der Kaifer be
zeugte fein Vertrauen auf Gebhard, indem er ihn neben den
anderen geiftlihen Kurfürften um WVermittelung in den nieder
ländiihen Wirren erfuhte. Auch in den inneren Angelegenheiten
des Stiftes konnte Gebhard jet entichiedener auftreten. Auf
Bitten feines Domfapitel3 und des Klerus nahm er am Kammer:
gericht den Prozeß gegen den Herzog von Jülich, über die Be
ftenerung der Güter des kölniſchen Klerus, nachdrücklich wieder
auf; wegen eines Herrn von Hillesheim, der ſich für die unter
Köln gehörige Herrlichkeit Kaldenborn in den Schutz des Herzog3
gegeben hatte, drohte jogar der Ausbruh von Xhätlichkeiten ?).
Dagegen gab das Domkapitel zu, daß die Zollbeamten, gegen die
Wahlartikel, welche die päpjtlihe Konfirmation vorausfegten, jetzt
1) Über biefen Streit einige Notizen in Lacomblet, Archiv 1868,
VI, 269 ff., weitere8 DA. Domkap.-Protof.
Der kölnifche Prozeß an der römischen Kurie. 631
ſchon dem Erwählten den Eid leifteten '). Die bisher ftandhaft
gebliebenen bayriſchen Votanten im Kapitel, Johann Daniel von
Winneburg, Gropper und Winkel, mußten Zurüdiegung und Spott
erdulden. Manches von diejen Dingen erfuhr man aud) am bay:
riihen Hofe; zulegt kam noch die Nachricht, daß in Gebhards Auf:
trag deſſen Bruder Chriftoph und der kölniſche Küchenmeifter Metter—
nich, ein alter Praktitus der Kurie, im Begriff jeien nah Rom
zu reifen, um bon neuem auf Gebhards Konfirmation zu dringen.
und die Erteilung von Kompulforialien an Herzog Ernſt zu hin—
tertreiben. Dieje letzte Nachricht bejonders bewog den deryog | bon
Bayern, feinen Sohn in Eile nad) Rom zu jenden.
Anfangs September machte fih Ernſt wirklich auf den Weg,
begleitet von den Räten Dandorf und Adam Better von der
Gilgen. Einige Wochen vorher war bereit3 Dr. Halver dorthin
abgereift, hauptſächlich um auszulunden, wie etwa zu einem Vers
gleich in der Kölner Sache zu gelangen ſei. Fabricius und Aerns—
perg waren über die Ankunft des jungen Herzogs und feiner Räte
durchaus nicht erfreut; denn jie waren zur Zeit noch ganz erfüllt
bon dem Gedanken, ein Urteil der Rota werde ihnen demnächſft
recht geben, während Ernſt und die Räte, namentlich Halver, diejes
blinde Vertrauen auf die Rota nicht teilten und vielmehr Neigung
berrieten vor rechtliher Entiheidung auf einen Vergleich fi ein=
zulaffen. Bald merkte Fabricius außerdem, das Herzog Ernit,
welcher al3 Saft bei dem Kardinal Ferdinand von Medici wohnte,
deſſen Einflüftern, das Kardinalat werde eine pafjende Entihädigung
für den Verzicht auf den Kölner Stuhl fein, ein allzu offenes Ohr
lieh. Als Herzog Ernft nad etwa drei Wochen Rom wieder ver—
ließ, erklärte Fabricius mit gewohnter Rüdjichtslojigkeit dem alten
Herzog, feines Sohnes Kommen habe mehr geihadet als ges
1) So fcheint das Domkap.-Protok. vom 1. September 1578 verftanben
werben zu müffen, wenngleich ich in Gebhards Wahlartifeln feine Stelle finde,
welche die Bereidigung der Zollbeamten ausdrücklich von der päpftlichen Kon-
ficmation abhängig machte; vgl. Protokoll vom 30. Dftober 1579.
632 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
nüßt. In der That war der eigentliche Zweck desjelben, die Er—
wirfung von Kompulforialien, nicht erreiht worden. Der Papft
jelbft war Erörterungen hierüber ſo viel als möglich aus dem Wege
gegangen, jelbft dadurch, daß er fi) aus der Stadt entfernte; die
Kardinäle aber hatten nur ihre früheren juriftiihen Bedenken
wiederholt und gerade die, welche dem Haufe Bayern am wohlſten
gewogen, einem baldigen DVergleih das Wort geredet. Hierüber
zu verhandeln war aber Ernjt von feinem Water nicht bevoll-
mädhtigt.
Nah Mitte November traf Herzog Ernft wieder in Münden
ein; fajt gleichzeitig der Sekretär des Großherzogs von Toscana,
Gavaliere Vinta, mit mündlichen Aufträgen feines Herrn ).
Der Großherzog ließ melden: nad Berichten aus Rom dürfe
Herzog Ernft auf eine gerichtlihe Entſcheidung zu feinen Gunſten
nicht rechnen; man möge alfo nad einem ehrenvollen Vergleich
trachten; ein folcher ei die Verleihung des Kardinalshutes. Der
Bapft und der König von Spanien würden gewiß, bereit fein, zu
den Mitteln beizutragen, welche erforderlich, um diefe Würde mit
dem gehörigen Glanz zu bekleiden; der Großherzog jelbft ſowie
jein Bruder, der Kardinal, erböten fih zu Wermittlern. Herzog
Albrecht antwortete am 21. November: da das Kardinalat mit der
Kölner Sache nichts zu thun habe, dasfelbe auch bereit3 vor langer
Zeit von Rom feinem Sohn aus freien Stüden angeboten morden
jei, könne es nicht jetzt als Vergleichsobjekt betrachtet werden.
Mole man in Rom ihn zufriedenftellen, jo möge man entweder
zugunften feines Sohnes entſcheiden oder den Truchſeſſen veran—
laſſen, diefen als Koadjuter anzunehmen, oder wenigftens das Urteil
auf ein bis zwei Jahre verjchieben, während welcher Zeit ſich mohl
Gelegenheit finden werde den Streit zu ſchlichten. Am nämlichen
Zage richtete der Herzog ein zum Zeil nah Andeutungen von
Fabricius durch Elfenheimer aufgeſetztes, durch Fend latinifiertes
1) Den Inhalt von Vintas mündlicher Werbung kenne ich nur aus
Fends Konzept zu der Antwort des Herzogs.
Der kölnifhe Prozeß an ber römifchen Kurie. 633
langes eigenhändiges Schreiben an den Papft, worin er fi in
bitteren Worten darüber bejchwerte, daß fein Sohn in Rom nichts
gehört habe, als „die alte Leier nebft einigen allgemeinen leeren
Troſtreden“ 9). Wiewohl der Truchſeß nur die Mehrheit der Stim-
men, fein Sohn aber, wenn man die unfähigen abrechne, die Ma—
jorität des Kapitels gehabt habe, wiewohl aud Santa Eroce jelbft
einmal erklärt babe, der Papſt ſei bei Gefahr feiner ewigen Se:
ligfeit verpflichtet, die Sache zu unterfudhen, könne fein Sohn
doch bei den deputierten Kardinälen fein Recht erlangen. „Eure
Heilt“, heit es weiter, „möge erwägen, von welcher Gefinnung
gegen die römiſche Kurie die katholiſchen Neihsfürften erfüllt wer-
den müfjen, wenn man fie, jelbjt in ſolchen Dingen, die fie auf
Rat und Antrieb von Rom unternommen haben, aljo im Stiche
läßt.” Dagegen wachſe den Häretifern der Übermut, ein fatho=
liches Stift nad dem andern zu zerftören und eine allgemeine
Freiftellung der Religion einzuführen. Gebhard habe bereits, wie
c3 heiße, den Urhebern feiner Wahl veriprechen müfjen, fi beim
nächſten Reichstag der Freiftellung nicht zu widerſetzen. Schon
träten die Folgen jeiner Wahl zu Köln an den Tag. Nicht aus
Eigennuß aljo, jondern teils um feines Hauſes Ehre zu erhalten,
teil3 aus Ergebenheit gegen die katholiſche Religion greife er die
Wahl des Truchſeſſen an. Den Schluß macht ein feierliher Pro—
teſt vor Gott und Gottes Stellvertreter (dem Papft), dab er,
der Herzog, an dem Untergang der Fatholiihen Religion in Deutich-
land feine Schuld haben wolle.
Diefer beifpiellos jcharfe Brief bezwedte ohne Zweifel blog,
Bapft und Kardinäle jo weit einzufhüchtern, daß fie jelbft bei Geb—
hard für einen Vergleich fid) bemühten. Da jene aber wußten,
daß in diefer Sache der Kaifer ſelbſt und alle deutſchen Fürften
auf ihrer Seite ftanden, wurden fie durch den groben Brief nur
1) veterem illam cantilenam ... . additis solummodo generalibus
quibusdam consolatiunculis.
634 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
gereizt aber nit eingeſchüchtert, zumal ja der Nädhitbeteiligte
ſelbſt, Herzog Ernſt, fi feine Hoffnung mehr auf Köln madte,
fondern einen gütlihen Vergleich wünſchte und den Gedanken
an eine Entihädigung durch den römischen Purpur nit von fich
wies,
Die erfte beftimmte Nachricht über die ungünftige Aufnahme
jeines Briefes vom 21. November erhielt Herzog Albrecht wieder
durch den Großherzog von Toscana, welcher zu Anfang des Jahres
1579 einen Kurier nah Münden ſchickte, mit einem Briefe, worin
u. a. ftand: des Herzogs Brief vom 21. November fei der päpftlichen
Heiligkeit jo rauh und jo wenig ehrfurchtsvoll gegen den apoftoli=
ſchen Stuhl erſchienen und jo ſehr fei dieſelbe durch deſſen Inhalt
erregt worden, daß ſie vorgehabt habe, durch die Rota, deren
ſämtliche Mitglieder Gegner der bayriſchen Anſprüche ſeien, ſofort
das Urteil ſprechen zu laſſen; das habe aber er, der Großherzog,
durch ſeine guten Freunde noch verhütet. Der Herzog möge alſo
ſeinen Stil ändern und das bei dieſem Greis (Papft Gregor) gar
nicht angebrachte Trogen und Pochen unterlaffen, und nicht feinem
Sejandten in Rom Glauben jchenten, der in jeiner hochmütigen
Unerfahrenheit ſich einbilde Sieger zu fein, während die Sache jo
ihlimm wie möglich ftehe. Vielmehr möge Albrecht dur einen
demütigen Brief den Papſt befänftigen und entweder diefem die
-Entiheidung anheimftellen oder ihn, den Großherzog, oder feinen
Bruder, den Kardinal, beauftragen, ſich mit dem Papfte, nament:
lich auch inbetreff des Kardinalats, zu verftändigen. — Der Her:
‚309, durch diefen Brief nod nicht eingefhüchtert, blieb in ver
Hauptiache bei feinen jüngft dem Sekretär Vinta übergebenen Bor:
ſchlägen; ein weiteres Vergleihsmittel wäre, wenn Gebhard jeinem
Sohne zum Stifte Münfter verhelfen könnte und nachher beide
Herren einander zu Koadjutoren annähmen.
Inzwiſchen beftätigten andere Nachrichten von Rom, daß Her:
303 Ernſts Sache verzweifelt ftand. — Im November 1578 waren
zwei Kölner Domlapitulare, Graf Philipp von der Mark und
Dr. Gropper, in Privatangelegenheiten des erjteren nad) Rom ge—
Der kölniſche Prozeß an ber römischen Kurie. 685
fommen, zogen fi aber bier jo auffällig von Fabricius zurüd,
daß leicht abzunehmen war, wie aud) fie jegt den kölniſchen Prozeß
verloren gaben. Ende Dezember jchlugen die deputierten Kardinäle
das Verlangen des bayriſchen Gejandten, einige Zeugen gerichtlich
zu befragen, rundweg ab. Die ganze Beichäftigung der Rota
mit der ihr vorgelegten Frage beitand darin, daß fie allerhand
ſpitzfindige Vorfragen aufwarf, um zunächſt feitzuftellen, ob Her—
zog Ernſt mwirkliher Appellant oder bloßer Dpponent fei.
Am 31. Januar 1579, alfo nad) zwei vollen Monaten, be=
antwortete endlich der Papft jelbft Herzog Albrehts Brief: er
wies in allen Punkten und in jehr ſcharfen Ausprüden deffen Be—
hauptungen zurüd. Er habe, verficherte Gregor, zu Ernſts Gunften
alles gethan, was nur immer dem Herzog oder deſſen Gejandten
in den Sinn gelommen ſei. Obwohl fid) aus den Alten durch—
aus fein Anlaß ergeben habe, Gebhards Wahl anzufechten, babe
man doc dem Herzog hierzu Zeit über Zeit gelaffen. „Und dies‘,
heißt es weiter, „scheint dir eine alte Leier und leere Xroft-
reden —, denn folder unjerer Hoheit, Stellung und Würde ganz
unangemefjenen Worte hat deine Durdlaudt in ihrem Schreiben
bom 21. November fich bedient.” Er, Papft Gregor, habe fi)
bon jeher zum Grundfag gemacht, in Rechtsfragen fein Anjehen
der Perſon gelten zu laffeu und müſſe fih nun faft vorwerfen,
daß er Schon mehr als Gott gefällig dem Herzog und deſſen Sohn
zu Willen gewejen ſei. Dafür, daß er feinen Unwürdigen be=
ftätigen werde, bürge die von alters herkömmliche und aud) von
ihm ftrenge gehandhabte Unterfuhung über Glauben und Sitten
eines jeden Ermwählten. Gegenüber Albrechts feierlihem Proteft
beteuert Gregor, daß er fürwahr nicht gejonnen jet, mit einer
Verlegung von Recht und Wahrheit feine legten Lebenstage zu
befleden und feine ewige GSeligfeit zu gefährden. Zum Schluß
ermahnt er den Herzog, wie immer aud die Kölner Wahlſache
ausgehe, feiner erprobten Klugheit und Frömmigkeit, auf welcher
der Kortbeftand der fatholiihen Religion in Deutihland zu fo
großem Zeile beruhe, auch fernerhin treu zu bleiben.
636 Siebentes Bud. Zweites Kapitel.
So hatte alſo der Papft faft in demjelben Augenblid, da er
in der münſterſchen Wahljahe durch Weſterholts Sufpenfion
einen wichtigen Schritt zugunften des Haufes Bayern that, in
der Kölner Sache gegen dasjelbe für den Truchſeſſen Partei ge—
nommen.
3. Kapitel.
Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albredit von
Bayern. — Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt.
"Da die jchroffe Art, wie das Haus Bayern dem römiſchen
Stuhle in der Kölner Wahlfache entgegentrat, nicht ſowohl dem
Gefühl erlittener Kränkung entiprang, al3 der Abfiht, den Römern
mehr Eifer zu Ausgleihsverfuhen beizubringen, lenkte man ein,
* Quellen: 1) Für ben Lölnifchen Prozeß an der Kırrie folgende meift ſchon
beim vorigen Kapitel verzeichnete Arhivalien: StR. 9/2 u. 4; 38/2,
3 u. 9; 95/4; 139/2; 311/1 u. 16; 359/9; 378/7; 399/58. RU.
Münfter T. VIII u. IX; Fürftenfachen Specialia Nr. 372. Kr.
Geiftl. Saden I. Nr. 2 und Nr. 342. Bibl. Föringer. Nr. 3238/39.
DA. Domkap.-Protof. Nr. 158. Gebrudt ift einzelnes bei Mofer,
Patriot. Arhiv XII, 184ff.;5 Lacomblet, Url. IV, Nr. 583;
Theiner III, 3sqq. 130. 680. — Über den Kölner Pacififations-
fongreß bes Jahres 1579 meine Stubie über Aggäus Albada im
Hiftor. Taſchenbuch, 5. Folge, 6. Jahrgang 1876, ſowie die da—
ſelbſt und im Theolog. Litteraturbl. 1875, Sp. 218ff. ange-
führte Litteratur; außerbem noch bie Mitteilungen von Ennen aus
Weinbergs Gedenkbuch in Zeitfhr. f. D. Kult.-G. 1872 m.
1874. N. 5. Bd. Iu. II und Ennen, Gef. der Stabt Köln
V, 22ff. — Über Kerpen vgl. außer ben älteren Gefchichtfchreibern,
Isselt (Hist. sui temporis, Col. 1602, p. 628), Bor (lib. 13) unb
Strada (de Bello Belg. Decas II, lib. 1): Languet, Ep. ad
Sydn., p. 369 unb Ep. seer. I. 2, No. 169sqq. Groen van Prin-
sterer VI, 500. Weinbergs Gedenkbuch a. a. DO. 1874. Kervyn
de Volkaersbeke & Diegerick, Docum. hist, ined. I, 89sq.
100sqg. Dazu Langers Brief an Winflmair AA. Münfter, T. VIII,
638 Siebented Bud. Drittes Kapitel.
ſowie man erkannte, dag man falſch gerechnet habe. Gleich nad)
Empfang des Breves vom 31. Januar 1579 antwortete Herzog
Albrecht fehr beicheiden: jenes Breve habe ihn wegen des darin
ausgedrüdten Wohlwollens weit eher mit Freude als mit Be—
trübnis erfüllt; denn fein eigenes Schreiben vom 21. November
1578 jei nur bon der Sorge eingegeben geweſen, womit ihn die
der katholiſchen Religion in Deutſchland drohenden Gefahren er-
füllten. Die jahlihen Differenzen waren in Albrechts Brief in
gefchraubter Weife umgangen. — Aber in Rom gab man fi) noch
nicht zufrieden. Der Kardinal von Medici jprengte jogar aus,
Herzog Albreht wolle fi, wenn man ihm in der Kölner Sache
nicht den Willen thue, dem Gehorfam gegen den römiſchen Stuhl
ganz entziehen. Zugleich ließ er durch einen deutſchen Adeligen
an feinem Hof, der früher in Herzog Ernſts Dienften geftanden
hatte, Paul Stor von Oſtrach, dem bayrischen Gejandten jagen:
da man feine und feines Bruders Ratihläge nicht habe befolgen
fol. 63ff. und StR. 9/2, fol. 94. Eine auch bei Bor befindliche
alte Abbildung von dem Haus Kerpen ift mit einigen zugehörigen
deutſchen Reimen fopiert im Organ für riftl. Kunft, 1868, Jahrg.
18, Nr. 5. — Über die burh den Tod des Grafen Hermann von
Neuenar veranlaßten Wirren im Nieberftift viele aber unvollftändbige
Notizen in den Domfap.-Protot. DA. Ferner DillA. Dil. Korr.
1578 u. 1579 und Weinsbergs Gedenkbuch a. a. DO. — Über bie
religiöfen Unruhen in Stadt und Erzftift Köln manderlei in bem
Domkap.-Protof. DA.; anderes bei Ennen Bd. V, leider ganz un—
georbnet und unzuverläjfig, und in Weinbergs Gedenkbuch. Über bie
Bemühungen der proteftantifchen Fürften für ihre Kölner Glaubens-
genofjen: MA. Köln 1515/80 (Marb. Akten) und Reg. U. Schubl.
Rep. V. Cell. 75. Bol. III. Nr. 6 (Kafleler Akten). DillA. Dil.
Korrefp. 1579. Über Gebharbs Beziehungen zu der Grafenforrefpon-
benz DIA. G. 80 und Dill. Korrefp. 1579. Ludwig v. Wittgenfteins
Tagebuh Nr. III Berleb. Bibl. Einige ungenaue Angaben bei
Keller, Gef. Nafjaus I, 4227.
2) Für die münfterfhen Dinge folgende Arhivalien: DU. 28f & h,
NA. Münfter T. VII. Sta. 9/2; 38/19; 98/1; 311/1 u. 16;
359/9. MA. Stift Münfter, Reg. U. Rep. V. Cell. 75. Bol. IL.
(Kafieler Alten) und Erzſtift Bremen 1535/1643 (Marburger
Alten). DillA. Dil. Korrefp. 1579. Gebrudt find einige Breven bei
Köln-Münfter His zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 639
wollen, könnten fie weiter nichts thun. — Übrigens wurde zwi—
ſchen den Medici und Herzog Ernſt der Briefwechjel wegen des
Kardinalats, duch Stors Vermittelung, fortgefeßt. — Um das
gefpannte Verhältnis zum römiſchen Hof ganz auszugleichen,
ihrieb Herzog Albreht Ende März neuerdings an den Papft ſo—
wie an einige vornehme Kardinäle, und verſuchte umſtändlich fein
Schreiben vom 21. November zu rechtfertigen: er fei gerne bereit,
jobald nur erft feines Sohnes Recht feftgeftellt, jeder billigen Ent=
ſcheidung des Papftes ſich zu unterwerfen; wie aber dieje aud)
ausfallen möge, werde ihn nichts in feinem Gehorfam gegen den
römischen Stuhl wankend machen. In ähnlihem Sinn jchrieb er
aud) an den Großherzog von Zoscana.
Inzwiſchen nahm die Rota in den Monaten März bis Mai
1579 ihre jpigfindige Erörterung von allerhand juriftiihen Vor—
fragen wieder auf; die erſte Vorfrage, ob Herzog Ernſts Appel-
lation aud allen prozeffualiichen Erfordernifien entipreche, gab-
Theiner III, 17sqq. Einzelne Aftenftüde über den Landtag von
1579 bei Niefert, Münfter. Urkundenfammlung VII, 235ff. (Nr. 37
u. 38). Über ben Landtag einige ausnahmsweiſe ziemlich richtige
Notizen auch bei Kock III, 158. Zwei Briefe an und von Graf
Iohann von Nafjau, Miünfter betr. bei Groen van Prinsterer
VI, 72 u. 101g.
3) Archivalifches über die Bemühungen des Haufes Bayern um das
Erzftift Salzburg: NA. Salzburg T. XI (vgl. o. ©. 70 Anm.) u.
T. XII. StA. 487/2. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Ein eigenhändiges
Schreiben bes Biſchofs von Paſſau vom 22. März 1579, RX. Paflau
II, 226, verweift auf ein Gutachten, welches der Biſchof mündlich dem
Dr. Nadler mitgeteilt hatte. — Über die Erwerbung von Stift Re-
gensburg für Herzog Philipp von Bayern: RU. Regensburg T. I.
fit. RB (vgl. 0. ©. 313) und fit. E. E. StA. 38/19 u. 359/9. Ge—
drucktes bei Theiner III, 1189q. 654. 658. Zeitfhr. f. Bayern
1816, IV, 39. (Mitteilungen von Herzog Wilhelm an feine Schwe-
fter, die Erzherzogin Maria, aus dem Jahre 1597). Hund-Gewold,
Metrop. Salisb. I, 221sq. (Hund behauptet fälſchlich, auch Herzog
Albrecht habe die Poftulation nur ungern angenommen. Aufzeichnungen
über Herzog Albrechts erfte Beiprehung mit Better liegen leider nicht
vor). — Über Herzog Albrechts letzte Lebenstage und Tod vgl. bie zu
Bud 2, Kap. 1 erwähnten Leichenreden auf benfelben.
640 Siebentes Bud. Drittes Kapitel,
wieder Anlaß zu einer ganzen Reihe von Unterfragen: ob z. B.
Ernſt bei feiner Appellation den Eid genau in der borgejchrie=
benen Form abgelegt, ob er in jedem einzelnen Fall den Vorwurf
der Härefie oder rregularität genügend fpezifiziert habe u. ſ. w.
u. |. w. — Schließlich fonnte felbft Fabricius fih und feinem
Herzog nicht länger verhehlen, daß all dies nur Kniffe waren, um
der bayriihen Partei den Rechtsweg abzufhneiden, daß fomit die
Auditoren der Rota wirklich nichts waren, als bequeme Werkzeuge
in der Hand der deputierten SKardinäle und des Papftes felbft.
Herzog Ernſt wurde von einem feiner römischen Belannten, jenem
Camillo Baldi, dem wir in Zivoli und Gadta vordem begegnet
find, Schon im April gewarnt, feine Sache ftehe an der Rota be—
denklih; er möge fich beeilen einen Vergleich zu jchliegen. Um
die Rota zu nötigen, einen Schritt vorwärts zu thun, verlangten
endlich Fabricius und Aernsperg, fie jolle die Frage anders ftellen:
nicht mehr, ob Kompulforialien und Remifforien zu bemilligen,
fondern, ob man bisher gerichtlich oder außergerihtlih verhandelt
babe. Je nachdem die Antwort fiel, meinte Fabricius entweder
durchzuſetzen, daß die Gegner in contumaciam verurteilt würden,
oder daß man aud von der bayriihen Partei nidht mehr buch—
ftäblihe Erfüllung jeder Rechtsform fordere. Aber diejes Ver—
langen wurde von den deputierten SKardinälen jo gedeutet, als
mweigerten ſich jet Herzog Ernits Profuratoren, in der Sache jelbft
die Rota zu informieren; da nun dieje von fid) aus feinen Grund
gefunden habe, Kompulforialien zu bemwilligen, beantragten fie im
Konfiftorium der Kardinäle vom 26. Juni, der Papſt möge im
nächsten Konfiftorium die Kölner Kiche für Gebhard Truchſeß pro=
ponieren laſſen. Das verfprad der Bapft ). — Gebhards Agen—
1) Auf Grund ber durch das Trienter Konzil (Sess. XXIV de Ref.
ce. 1) aufgeftellten Norm beobachtet die Kurie bei ber Konfirmation ber
Biſchöfe folgendes Verfahren: in einem erften Konfiftorium ber Karbinäle fchlägt
ein Karbinal (Cardinalis proponens) den erwählten oder ernannten Biſchof
zur Konfirmation vor (präfonifiert denſelben); die Entſcheidung wird bis zu
Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 641
ten jandten mit dieſer frohen Botſchaft alsbald einen eigenen
Kurier nah Köln, Fabricius aber proteftierte und berief ſich dar:
auf, daß die Rota in der Hauptfrage noch gar nichts entfchieden
babe; er forderte vor der deutihen SKongregation gehört zu wer—
den, widrigenfall3 er, angeblid gemäß den Befehlen feines Herzogs,
fofort von Rom abreifen wollte. Da man befürdtete, der ftarr=
föpfige Gejandte werde mit diefer Drohung Ernſt maden, jo be=
willigte man ihm für den 4. Juli eine eigene Sigung der deutjchen
Kongregation, in welcher es zwiihen Fabricius und den Kardi—
nälen Santa Croce und Sforza zu einem heftigen Disput kam,
der damit ſchloß, daß der Gejandte von neuem abzureijen drohte,
wenn ihm nicht fein Recht zuteil werde.
Während fih nun einige Kardinäle, namentlich Farneſe, be=
mühten, den Gefandten von einem übereilten Schritt abzuhalten,
traf am 9. Juli ein bayrifher Kurier in Rom ein’), mit der
Nachricht, mehrere deutihe Kurfürften und Fürften arbeiteten an
einem gütlihen Ausgleih zwiihen Gebhard Truchſeß und dem
Haufe Bayern; um diejen nicht zu ftören, möge der Papit das
Urteil auf zwei bis drei Monate vertagen. Gregor zauderte
anfangs; denn er argmwöhnte, Fabricius habe die Abjendung des
Kuriers felbft veranlaßt, nur um den Prozeß weiter zu ver-
fhleppen; doch vermittelte jchlieglih Kardinal Morone, daß der
Papft den Aufihub unter gewiſſen Bedingungen wirklich bemilligte
und fogar verſprach, einen Bergleih durch feinen zur Zeit in
Köln weilenden Nuntius Gaftagna, Erzbiihof von Roſſano, bei
einem folgenden Konfiftorium verfhoben: inzwifchen prüft ber proponierenbe
Kardinal nebft brei weiteren Karbinälen bie eingezogenen Informationen über
die gemäß dem fanonifchen Recht und ben Trienter Dekreten erforberlichen
Eigenfchaften des Betreffenden. Im folgenden Konfiftorium erfolgt ſodann
bie eigentliche Propositio, die Abftimmung ber Karbinäle und bie Provisio
durch den Papſt. Bol. van Espen, Jus eccles. univ. P. I. tit. XIV.
. IV. — Ob bei Gebhards Konfirmation genau in berfelden Weife verfahren
wurbe, weiß ich freilich nicht.
1) Der Kurier war in 5 Tagen von Münden nad Rom geritten, eine,
zumal bei ber Hige, erftaunlie und in Rom angeftaunte Leiftung.
2ojien, Köln. Krieg L 41
642 Siebentes Buch. Drittes Kapitel.
Gebhard Truchſeß zu befördern. Der Konfiftorialbeihlug vom
26. Juni wurde jedod nicht zurücdgenommen: der Kardinal von
Como blieb als Proponent beauftragt, den üblichen Prozeß super
vita et moribus eleeti einzuleiten; eben jenem Nuntius wurde
befohlen, die nötigen Informationen in Köln einzuziehen.
Die Nahriht von Ausgleihverfuhen zwischen Kurfürft Geb—
hard und dem Haufe Bayern war nicht ganz aus der Luft ges
griffen: Anlaß zu folden hatte der feit Anfang April d. J. zu
Köln tagende niederländiihe Pacififationsfongreß geboten, an wel:
chem neben Gebhard aud einige bejondere Freunde Bayerns, Kur—
fürft Jalob von Trier und Biſchof Julius von Würzburg, als
faiferlihe Kommiſſare teilnahmen; dieſe beiden Hatten fi dem
bayrischen Herzog als Vermittler angeboten.
As Kaifer Rudolf im Sommer 1578 den Ermwählten von
Köln erfuchte, neben anderen deutichen Fürften in den Niederlanden
Frieden zu ftiften, trug Gebhard anfangs Bedenken, die Kommiſſion
zu übernehmen: jein Domfapitel riet entichieden ab, wegen der Un—
foften und weil dabei fein Dank zu verdienen; auch Kurfürft Da-
niel von Mainz hatte bereits feine Zeilnahme verweigert. Aber
Gebhard war nit jo unabhängig wie diefer: von Rom nod) nicht
betätigt, lag ihm daran, fi) des Kaiſers Wohlwollen durd Ein—
gehen auf deſſen Wünjche zu bewahren; auch war nit zu ver—
fennen, wie jehr feine nody immer beftrittene Stellung befeftigt
wurde, wenn er in faiferlihem Auftrag, mit Gutheißen des
Rapftes, als Vermittler zmwiihen dem König von Spanien und
deſſen Unterthanen auftreten durfte. Ende Januar 1579 erflärte
fi) aud) jein Domkapitel für Annahme des Eaiferlihen Auftrags:
denn gerade in diefer Zeit drohten einige Ereigniſſe das Erzftift
Köln in die niederländischen Unruhen zu berwideln und machten
baldigen Frieden doppelt erwünſcht.
Zwei gute Meilen weftlid) vom Rhein, mitten zwiſchen dem
Herzogtum Fülih und dem Erzftift Köln, lag die Heine unter
Köin-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 648
brabantifcher Hoheit ftehende Herrichaft Kerpen, mit einem feften
Haus bei dem gleichnamigen Städtchen an der Erft. Diejes Haus
hatte ein Freibeuter im Dienft der Generalftaaten, der Haupt:
mann Engelbert Biel, etwa zu Anfang des Jahres 1578 über-
rumpelt und brandihagte feitdem von da aus das umliegende
Süliher und Kölner Land. „Und machen es“, fchreibt Graf
Hermann von Neuenar im Auguft 1578 an den LZandgrafen von
Heffen, „die Gefellen zu Kerpen dermaßen, daß Köln und Zülich,
die fonft in vielen Händeln einander feind find, über ihn [Biel]
wohl einig jollen werden.“ Von jülihiher Seite ließ man «8
daher, ungeachtet der Gegenvorftellungen der Generalftaaten, gut=
willig geichehen, dah zu Anfang des Jahres 1579 der fpanifche
Dberft Mondragon durch herzogliches Gebiet vor Kerpen 309.
Nah eintägiger Beichiegung wurde das Haus am 7. Januar
mit Sturm genommen, die ganze Belakung mitfamt dem Haupt=
mann gehängt. Nachher machten e3 aber die Spanier nicht befjer
als zuvor Biel3 Leute. „Seit das Raub- und Kekerneft zu
Kerpen gefegt“, berichtet Anfangs Februar der Kammerſekretär
Langer nad Münden, „hat das königliche Kriegsvolf uns auf
dem Hals gelegen, zu großem Außerftem VBerderben der Unter—
thanen, wollen nicht fortrüden ; dann folhe Unordnung und Un—
zudt unter denjelben iſt, daß nicht genug davon zu jchreiben.‘
Vorftellungen bei Alerander Farnefe, Prinz von Parma, dem
Nachfolger des am 1. Dftober 1578 im Lager bei Namur ges
ftorbenen Don Juan d’Auftria, fruchteten monatelang nichts; erſt
als ih Kurfürft Gebhard und Herzog Wilhelm anfchieten, ſich
jelbft mit den Waffen zu belfen, 309 das ſpaniſche Kriegsvolk
wieder ab von ihrem Gebiet, jedoh mußte fih Gebhard nod zu
Ende des Jahres bei Farnefe um Erſatz der feinen Unterthanen
weggenommenen Güter bemühen.
Etwa gleichzeitig mit der Einnahme von Kerpen dur die
Epanier lief, infolge de3 Todes des Grafen Hermann bon
teuenar, das kölniſche Niederftift Gefahr, in die niederländiichen
Kriegsmirren hineinzugeraten. — Graf Hermann, ein hodgekildeter
41*
644 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
geiftvoller Mann, aber längft in Zrunfjuht ganz verfommen ?),
war am 4. Dezember 1578 kinderlos gejtorben. Anſpruch auf
die ganze Erbihaft erhob Hermanns Vetter Graf Adolf von
Neuenar, als Gemahl von deſſen Schweiter Walpurgis 2); diejen
Anspruch beftritt aber für die Herrſchaft Bedbur die Familie
Reiffericheid, in deren Beſitz diefelbe bis zum Jahre 1425 ges
weien war. Die Herrihaft war kurkölniſches Lehen, jedody frag—
Ih ob Manns» oder MWeiberlehen. Graf Werner von Neiffer-
ſcheid martete eine gerichtliche Entiheidung nit ab, ſondern be=
mächtigte fi) ſchon wenige Tage nad) Hermanns Tod des Schloffes
und Städthens Bedbur, — man mollte wiſſen, mit ſpaniſcher
Hilfe. Graf Adolf feinerfeit3 wandte fi) insgeheim an Johann
von Naffau, den Statthalter von Geldern, damit dieſer ihm ftaa=
tiſches Kriegsvolk leihe, um Bedbur wieder zu erobern. Vermut—
ih nur deshalb kam es nicht fogleid dazu, weil Graf Fohann,
durch die Spanier im geldrifchen Dberquartier ſtark bedrängt, feine
Soldaten jelbft braudte. Danach beſchied Kurfürft Gebhard als
Lehensherr beide Parteien vor fid) und verhandelte man eine Zeit
lang hin und ber; nod) verwidelter wurden die Dinge, weil fich
Graf Werner, unter dem Vorgeben, die Vorburg (zu Bedbur?)
jei jülihiches Lehen, unter Herzog Wilhelms Schub, geftellt hatte,
fodann dadurch, daß das Kölner Domkapitel auf Herausgabe des
bormal3 an Hermann bon Neuenar verpfändeten Schloſſes und
1) Zur Zeit ber Wahl Salenting (im Jahre 1567, vgl. 0. ©. 21) er-
zählte Dr. Hegenmüller dem Gefanbten bes Karbinals von Augsburg, er
babe bis jetzt ben Grafen Hermann von Neuenar noch nicht fprechen können:
„er ift mit gewiß anzutreffen morgens, nachdem er fpat auffteet, nach mittag
aber fo fan man mit bemfelben nichts verrichten, dan er ſtets wol bezecht
if”. StA. 9/3, fol. 93. Ähnliche Bemerkungen in Weinbergs Gedenkbuch;
vgl. au Gachard, Corresp. de Philippe U. T. II zum 7. Oftober
1566.
2) Abolf8 Urgroßvater und Hermanns Großvater waren Brüber, |. Ge-
nealogie bei Teschenmacher, Ann, Cliviae, p. 407. Walpurgis von
Neuenar war in erfter Ehe mit dem Grafen von Hoorn, Egmonts Leibens-
gefährten, vermählt.
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 645
der Stadt Hülchrath Aniprud erhob, meil Hermann den Gegen-
wert von 8000 Goldgulden und die weiter darauf laftenden Pen—
fionen nicht entrichtet hatte. Das Domkapitel ließ ſich zulekt
gütlih abfinden, dagegen wurde der Streit um Bedbur mit Ge—
walt fortgeführt. Am 10. Juni 1579 überrumpelte Graf Adolf
— angeblih ohne ftaatiihe Hilfe — Schloß Bedbur und nahm
dabei den Grafen Werner jelbft gefangen. Nun entjpann fi ein
Prozeß am Kammergeriht, wobei Herzog Wilhelm für Reiffer-
ſcheid, Kurfürft Gebhard aber als Lehensherr für Adolf von Neuenar
Partei nahm. Graf Werner fam im Spätjaht 1579 — mir
wiſſen nicht wie — wieder frei !), Bedbur aber blieb einftweilen
in Neuenars Händen.
Enge verbunden mit diefen Dingen und mit den Wechielfällen
de3 niederländiichen Krieges ift Auf- und Niedergang der prote=
ftantifhen Bewegung in Stadt und Erzftift Köln. infolge der
Vorftellungen, welhe Domkapitel und Klerus im Sommer 1578
ihrem ermwählten Erzbiihof gemacht hatten, verhandelte Gebhard
Anfangs Dftober zuerft durch Kommiſſare, dann perſönlich mit
Abgeordneten des Rates über die Maßregeln, welche zu ergreifen,
damit ketzeriſche Predigten fernerhin nicht öffentlich gehalten,
Shmähihriften und Schandgemälde nicht verbreitet, die fatholi=
ihen Saframente nit ungeftraft veradhtet würden. Schon.
hatten auch Kaiſer Rudolf und der Kurfürft von Mainz den Stadt-
rat zur Standhaftigfeit im fatholiihen Glauben ermahnt. Am
10. Dezember 1578, alfo furz vor der regelmäßigen Neumahl
de3 halben Rates, erließen Bürgermeifter und Nat, im Einver-
nehmen mit Greve und Schöffen des Erzbiſchofs, wieder einmal
ein ftrenges an die früheren Morgenſprachen ſich anichliegendes
Religiongedift folgenden Inhalts: Wiedertäufer jollen mit dem
1) Aus den Domtap.-Protof. ergiebt fih, daß Graf Werner im Dftober
1579 als Gefangener Gebhards zu Kaiſerswerth ſaß. Alerander von
Parma bemüht fih um feine Freilafjung, welche biß zum 6. November noch
nicht erfolgt ift, weil der Graf fich weigert Urfehde zu ſchwören.
646 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
Tode beftraft werden, Zwingliihe und andere Saframentierer
binnen drei Tagen, bei Strafe an Leib und Leben, die Stadt
verlafjen; alle heimlichen Konventifel und neuen Verbündniſſe find
verboten; wer die gebenedeite Mutter Maria, Saframente und
Heilige läftert, wird als Gottesläfterer peinlich beſtraft; ftrenge
Büchercenfur foll fortan durch Verordnete der Univerfität und des
Rates geübt werden, damit nichts gedrudt oder feilgeboten werde,
was nicht der Lehre der hriftlichen Kirche gemäß jei oder was
als aufrühreriſch und ſchmählich (injuriös) befunden werde; Fremde
jollen al3 Bürger nur aufgenommen werden, nachdem fie ſich über
ihren Wegzug von anderen Drten gebührend ausgemwiejen. —
Trotz diefem jcharfen Edikt famen bei der neuen Ratswahl wies
der mehrere proteſtantiſch Gefinnte in den Rat und nad wie vor
fanden heimliche und öffentlihe Konventifel ftatt, wenn man auch
ab und zu ein paar geringe Leute deshalb verhaftete oder aus—
wies !). Anfangs Februar 1579 ließ Kaifer Rudolf neuerdings
— diesmal durch beiondere Gefandte, den alten Freiherın von
Winneburg und den trieriſchen Rat Philipp von Naffau — den Rat
ernſtlich ermahnen, er möge die fatholiihe Neligion in der Stadt
aufrecht halten. Nunmehr legte die katholiſche Mehrheit im Rat,
ohne Zweifel zugleih ermutigt durd die Einnahme von Sterpen
1) Eunen V, 348 ff. fett das Eindringen mehrerer Proteftauten in den
Rat und ihre Wiederentfernung aus demſelben unbeftimmt ins Jahr 1579;
nah Merlo, Die Familie Jabah (Annalen des hiſt. Vereins f. d. Nieder-
rhein 1861, ©. 1ff.) wurde dagegen ber Proteftant Arnt Jabed bereits im
Dezember 1577 in den Rat gewählt; — meine Annahme, daß biefer Jabach
und die anderen drei von Ennen ©. 349 genannten WProteftanten (Jalob
Omphal, Richard Bachoven von Echt und Hermann Schmittmann) zu Weih-
nachten 1578 in ben Nat gewählt worden, gründet fi beſonders auf fol-
gende Stelle aus einem römischen Brief vom 29. Mai 1579 (an den Her-
309 von Bayern, StA. 311/16, fol. 162): Huc appulit superioribus diebus
Lansingius, qui admodum ample et honorifice de Truchsesii pietate et
religionis zelo passim ubique loquitur, commemorans ejus auctoritate
libros haereticorum Coloniae esse prohibitos et tres praecipuos senatores
ob haeresim suspectos suo gradu esse dejectos.
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albredht von Bayern. 647
und durh das fiegreihe Vordringen der Spanier im benadbarten
Geldriſchen, etwas mehr Energie an den Zag: am 10. Februar wur-
den 15 Perfonen auf einmal, jo viel wir jehen Lutheraner, wegen
Zeilnahme an verbotenem Gottesdienft verbunden mit Spendung der
Saframente, in den Zurm geſchickt !), kamen jedoch nachher ſämt—
lich mit milden Gelditrafen davon; zum Zeil wohl, weil man andern:
fall3 Unruhen ‚in der Stadt befürdhtete 2), nod mehr aber in An—
betradht der alsbald einlaufenden Beſchwerde- und Fürbittichreiben
proteſtantiſcher Fürften. Sole erfolgten znerft von Surfürft
Ludwig von der Pfalz, Pfalzgraf Reihard und Landgraf Philipp,
fodann, auf Antrieb der Wittgenfteiner Grafen, von den Land—
grafen Wilhelm und Ludwig; auch Johann von Nafjau be—
ſchwerte ſich brieflih) bei dem Bürgermeifter Lysfichen, daß die
Kölner jegt den Mantel nad dem Winde drehten und fih zu
ſpaniſcher Inquifition und Verfolgung der armen Chriſten verhegen
ließen. Der Rat antwortete den Fürften, jene Leute feien nicht
wegen ihres Belenntniffes, jondern wegen verbotener Konventikel
und Gemeindebildung, obendrein jehr milde, beftraft worden;
übrigens jeien fie, als Dbrigfeit einer katholiſchen Stadt, gemäß
dem NReligionsfrieden ebenſo wenig verpflichtet, die Übung der
Augsburger Konfeſſion zu dulden, wie die Fürſten ſelbſt ihren der
alten Religion anhangenden Unterthanen gejtatteten, dieſe auszu—
üben. Auch Kurfürft Gebhard wies die Bitte der Landgrafen,
er möge ſich bei Bürgermeifter und Rat für ihre Glaubensgenofjen
verwenden, unter Hinweis auf den Religionsfrieden von ſich ab.
1) Daß e8 Lutheraner waren, fchließe ih aus dem von Ennen V, 336f.
(ogl. ©. 392 ff.) mitgeteilten Bekenntniß bes Lic. Bennonius und aus ber
Angabe des Kafpar Ulenberg (Antwort auf Joannis Babii warnung,
1592, &. 46f.): im Jahre 1579 feien zu Köln etliche Lutheraner verhaftet
mworben, beren Präbifant nicht gewollt habe, daß ſich ein calvinifcher Doctor
ihrer beim Rat annähme.
2) Der beifiihe Nat Georg von Scholley, welcher fih gerade in Köln
aufbielt, als jene 15 Lutheraner verhaftet wurden, berichtet an feinen Land—
grafen, er vernehme „wen ber rat bie vermogenben reichen wurbe angreiffen
und alfo befchweren, jo werbe es albir ein großen aufrur erregen“.
648 Siebente® Bud. Drittes Kapitel.
Auf Gebhards Betreiben hauptſächlich follen bald danach drei
häretiſche Ratsherren wieder aus dem Stadtrat ausgeſchloſſen
worden fein.
Dennoch beitand in diefer Zeit, zu Anfang des Jahres 1579,
der freundichaftlihe Verkehr zwiichen Gebhard und den evangelis
ſchen Grafen noch ungetrübt fort. Als die Wetterauer Grafen
auf einem Zag zu Bugbah, im Februar 1579, ernftlih daran
gingen, ihren alten Plan eines Vereins ſämtlicher deutichen Reichs—
grafen ins Werk zu jeken, rechneten jie, um die ſchwäbiſchen
Grafen berbeizubringen, namentlih auf Gebhards Hilfe. Etwa
im Monat März erichien der Sekretär der Wetterauer Grafen,
Mag. Johann von Rehe, in Gegenwart des Dompropftes Witt-
genftein und der Grafen Hermann Wolf von Solm3 und Her—
mann bon Mandericheid, bei Gebhard und bat ihn, nit nur für
jeine Perfon der Grafenkorreſpondenz beizutreten, fondern aud) bei
jeinem Domlapitel, ferner bei Biihof und Kapitel zu Straßburg
und endlich bei den ſchwäbiſchen Grafen das gleihe Erſuchen zu
unterftügen. Schon aus den Namen der bei diefer Werbung an:
weſenden Perſonen läßt jich entnehmen, daß der Kurfürſt den
Nebenzwed der gefuchten Korrefpondenz, die Betreibung der Frei:
ftellung, wohl kannte; noch deutlicher ergiebt fi Dies daraus,
daß Gebhard felbft im Vertrauen die Gefandterr warnte, fie ſoll—
ten beim Kölner Domkapitel capitulariter hiervon nichts vor:
bringen. — Den fränfiihen Grafen teilten die MWetterauer ihre
firhenpolitiihen Abfihten ſchon jegt mit, den durchweg katholiſchen
ſchwäbiſchen Grafen und Herren ſprach man nur von den poli—
tischen Vorteilen der Korreſpondenz. Wie weit man damal3 mit
den fränkiſchen Grafen fam, wiſſen wir nicht; ein gemeinfamer
Tag der ſchwäbiſchen und der Wetterauer fand im April 1579
zu Dinkelsbühl ftatt, wo man bereits einen Vertrag entwarf, der
nachher, im Monat Auguft, dem Kölner Kurfürften zur Begut—
achtung vorgelegt wurde.
Aber mittlerweile war diefer durch die niederländischen Ereig—
niffe mehr und mehr auf Seite der ſpaniſch-katholiſchen Partei
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 649
geführt worden. Die friegeriihen und diplomatischen Erfolge des
Prinzen von Parma liegen vorausjehen, daß der größte Teil der
Niederlande der Herrihaft des ſpaniſchen Königs bald wieder ge-
borchen werde; demnad war es ein Gebot der Klugheit für jeden
Kölner Kurfürften, fi mit dem mächtigen Nachbar auf guten Fuß
zu ftellen. Doch war Gebhards kirchliches Verhalten wohl nicht
allein von politischer Berechnung diftiert, fondern entiprad feiner
damaligen Geſinnung. — Im Sommer 1579 verjammelte der
niederländiihe Pacifikationskongreß die glänzendften Vertreter der
fatholiihen Mächte in den Mauern von Köln. Auch Gebhards
Hoflager befand ſich wochen oder gar monatelang in der Stadt.
Der freundſchaftliche Verkehr mit jo eifrig fatholifchen Fürften mie
Jakob von Zrier und Julius von Würzburg, mit dem Gejandten
bon Spanien, Karl D’Aragona Herzog von Zerranova, mit dem
päpftlihen Nuntius Gaftagna und vielen anderen vornehmen fa=
tholiſchen Herren, blieb auf einen von Haus aus fatholiihen, in
den Übungen des katholischen Kults aufgewachſenen jungen Mann
— Gebhard ftand jetzt in feinem 32. Jahre — ſicherlich nicht
ohne Einfluß. Bald nah Eröffnung des Kongreifes, am zweiten
Freitag nad Dftern (1. Mai) beteiligte er ſich jamt feinen Mit:
biihöfen von Trier und von Würzburg im geiftlihen Gewande
an der alljährlihen großen Kölner Gottestracht; ebenjo ein paar
Moden fpäter, am 31. Mai, an der noch viel feierlicheren Pro—
zeifion, welche die katholiſchen Abgeordneten zu Köln abpielten,
um vom Himmel guten Erfolg ihres Friedenswerfes zu erflehen.
An der Spitze des Zuges jhritten dabei der Nuntius Gaftagna
und, zu feiner Rechten und Linken, die Kurfürften Gebhard und
Jakob; ſodann die anderen katholiſchen Fürften und fürftlichen
Subdelegierten, Bürgermeifter und Rat der Stadt, Furfürftliche
und fürftlihe Räte und Hofgefinde in großer Zahl. Auf dem
Kongreß ſprach und ftimmte Gebhards Bevollmädtigter, der
Licentiat Gerhard Kleinforgen, durchweg im Sinne der ſpaniſch—
fatholiihen Partei. Gebhard ſelbſt ſoll öffentlich die veligiöjen
Aniprühe der Staaten als unvernünftig und unbillig erklärt
650 Siebentes Bud. Dritte Kapitel.
Haben ). Während er aljo feinen evangeliihen Freunden nicht
minder dur jeine Zeilnahme an dem verabicheuten papiftiihen
Gößendienft, wie duch fein Liebäugeln mit dem ſpaniſchen Tyrannen
mehr und mehr verdächtig wurde, ftieg er in des Papftes Gunſt
als eifriger Anhänger der katholischen Kirhe und Freund des fa=
tholiihen Königs. Bereits während des Kongreſſes begann der
Erzbiihof von Roffano den Informativprozeß super vita et mo-
ribus electi Coloniensis. Middendorp führte ihm, wie es heißt,
die Zeugen zu, welche er über Gebhard befragte: zunächſt die drei
Verjonen, welche als Notar und Zeugen das Wahldefret unter:
ihrieben hatten, der Kapitelsjefretär Lemgopius, der Weihbiſchof
Craſchel und der Dechant von ©. Severin, Konrad Wippermann;
ferner den Domkapitular Konrad Orth von Hagen, zwei Xrierer
Domherren, Wilhelm Duad von Landskron und Johann von der
Leyen, endlich zwei als Flüchtlinge in Köln lebende Niederländer,
Gunerus Petri, Biihof von Leeumarden und Jakob Gormang,
Scholafter zu Gent. Ihre Ausjagen über Gebhards Religion und
Sitten müſſen jehr günftig gelautet haben, da man nachher in
Gaftagnas Umgebung von Gebhard als von dem (Karl) Borromeo
Deutihlands ſprach 2).
Zur jelben Zeit, da fo der Streit um Köln einer endgültigen Ent—
ſcheidung gegen Herzog Ernft nahe war, hatten ſich auch im Stift
Münfter die Dinge ſehr ungünftig für das Haus Bayern geftaltet.
In der Dfterwoche 1579 war zu Münfter ein cleviſcher Notar
erjdienen, mit dem römischen Mandat, durch welches Wefterholt
1) ©. den Bericht des Heffifhen Agenten bes Traos an Landgraf Wil-
helm über einen Disput zwifchen Gebhard und dem Herzog von Arſchot bei
Groen van Prinsterer VII, 45.
2) Presso tutti que’ Signori [nel convento di Colonia] si guadagno
buonissimo nome, e particolarmente da alcuni della famiglia del Nunzio
Castagna veniva chiamato il Borromeo della Germania. Maffei,
Annali II, 245.
Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 651
von jeinen Ämtern und Würden fufpendiert und aus dem Kapitel
ausgeihloffen wurde. Senioren und Regierung erklärten fich bereit,
dem Mandat nachzukommen, Wejterholt aber begab ſich alsbald
zu Erzbiſchof Heinrich nah) Paderborn, von wo er am 29. April,
por Notar und Zeugen, wegen ſtarker Formfehler und noch ftär=
ferer materieller Nihtigkeitsgründe, an den beffer zu informierenden
Vapit und zugleih an Kaifer, Reichsſtände und Kammergericht
appellierte. Dieje Urkunde wurde in Eile nad) Rom abgeſchickt,
Weſterholt aber kehrte, jedenfalls erſt nachdem ihm Heinrich jeine
Hilfe zugejagt, nah Münſter zurüd und erſchien hier am Morgen
des 4. Mai, geleitet von bewaffneten Dienern, wieder im Dom—
dor, nahm teil an Prozeffion und Opfergang und that jo dar,
daß er geionnen fei, troß der Sufpenfion fih im Beſitz zu be=
haupten. Von den übrigen WVerordneten zur Regierung aufges
fordert, des Ratganges ji zu enthalten — auf Grund des zwei-
ten Regierungsartifels, welder ihn zum Gehorfam gegen Papſt
und Kaiſer verpflichtete!) — antwortete er durch Überfendung
jeiner Appellation und den Beſcheid, wer nicht mit ihm zu Nat
gehen wolle, der ſolle es bleiben lajjen. Am nämlihen Zage er:
Härten er und die Junioren auf die früher erwähnte Aufforderung
des Ständeausihuffes — vom 10. März —, fie hielten nunmehr
die Poſtulation eines dritten für ratſam, feien übrigens für ihre
Perſonen mit den Heinen Änderungen in der bremiichen Kapitula=
tion einverftanden; jeien die anderen Herren das nicht, jo könne
man ja mit dem Grzbiihof felbjt hierüber verhandeln.
Zagelang jpann ji zwilhen Welterholt und jeinen Mit-
verordneten in Schriften die Verhandlung darüber fort, ob man
beiderjeit3 an die Sufpenfion gebunden ſei. Weſterholt berief ſich
1) Art. 2 der im Mai 1574 auf dem Laerbrud (j. 0. ©. 255f.) verein-
barten Regierungsartitel für Statthalter und Verordnete fordert: „das jie
der pabft. Heilt und R. 8. Mt... als dem gebuerenden obrigfeiten ſchul-
digen gehorſamb leiften und fich fonft geiftlicher und wmeltlicher rechten, des
beil. reih8 ordnung und abfchieven gemeß verhalten”.
652 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
auf ein Stiftsprivileg, wonad feine Sache nicht in erfter Ins
ftanz nad Rom gezogen werden dürfe; verſäume die Regierung
ihre Pflicht, ihn bei diefem Privileg zu handhaben, jo müſſe er
ih) an die Landftände wenden. Dagegen beftritten die Verord—
neten, daß diejes Privileg auf feinen Fall anwendbar ſei ). Be
einer Zufammenfunft mit dem Stiftsfanzler Wilhelm Sted lief
Weſterholt nachher zwar durhbliden, wenn man die Prozeſſe gegen
ihn fallen lafje, werde man ihn wohl zu einer Verftändigung über
Herzog Ernſts Wahl bereit finden, denn Erzbiſchof Heinrich habe
fi) jüngft in Paderborn nicht jo, wie er gehofft hätte, erklärt, —
aber man traute feinen Reden nicht mehr.
Bald darauf begab ſich Wefterholt wieder aus der Stadt,
diesmal zu feinen im Stift anſäſſigen Verwandten, um mit ihnen
zu beraten, wie der Vollzug feiner Suſpenſion zu hintertreiben ſei.
Der Statthalter, wiewohl jelbit fein geborener Münfteraner, hatte
do unter der dortigen Ritterſchaft jehr angejehene Verwandte,
weldhe unter Umftänden den Raesfeldiihen wohl gewachſen waren:
der Herr zu Lembed, Bernhard von Weiterholt, war fein Vetter,
mit den Familien Torf und Der war er verjchwägert. Sie be
ihloffen, jest durhaus auf einem Landtag zu beftehen und dieſem
die Sufpenfion vorzulegen. Man konnte darauf rechnen, daß die
weltlichen Stände nicht gutmwillig gejchehen laffen würden, daß rö—
miihe Willkür auf Koften der Privilegien und Freiheiten des
Landes ausgedehnt werde. Behaupteten kundige Leute doch ſogar,
die Mehrheit der Ritterihaft ſei im ftillen und auf ihren Häufern
der Augsburger Konfeffion zugethan ?). Zudem ſtieß Weſterholt
1) Eine Anzahl ältere Stiftsprivilegien und Bifchofseide, als letztes das
Privileg des Biſchofs Wilhelm Ketteler vom 1555, bei Niefert VIL, 159.
Das erweiterte, hochdeutſch abgefaßte Privileg bes Biſchofſs Johann von
Hoya vom 6. April 1570 bei Lünig, T. R. A. Bd. 19. Spieil. eccles.
Contin. I, 594. Art. 8 besfelben ermächtigt alle Unterthanen, Klagen gegen
den regierenden Herrn im erfter Inftanz nah Willtür entweber beim Dom-
fapitel oder beim Kammergeriht anzubringen. Ein ausdrüdliches Verbot ber
Evokationen nah Rom enthalten diefe Privilegien allerdings nicht.
2) In Wefterholts Afleveration vom 16. Dezember 1577 (f. o. ©. 59)
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 658
eben damals, zu guter Stunde, auf ein altes, längjt vergeifenes
päpftliches Privileg, welches feine rechtliche Stellung gewaltig be-
feitigte. Dem Stiftsprivileg und dem Biſchofseid hatte die Re—
gierung die Anwendbarkeit auf feinen Fall abgeftritten; durch das
Trienter Konzil, mit deſſen Sess. XXIV. de Reform. c. 20
Wefterholt feine Evolation nah Rom al3 ungeſetzlich erweiſen
wollte, ließ fih der Papft die Hände nit binden; — aber ein
Privileg des Papſtes felbft, welches mit allen erdenklichen Klauſeln
gegen Übertretung Evofationen verbot, war eine trefflihe Waffe
gegen ein anderes päpftliches Mandat, weldes ihn, Wejterholt, zu—
nähft nur wegen feines Ungehorjams gegen eine Citation, als
contumax aljo, fujpendierte. Ein ſolches Privileg de non evo-
cando hatte Papſt Julius II. am 22. Scptember 1508 dem
münfterihen Domkapitel verliehen. Damit fernerhin nicht,
hieß es darin, Einwohner des Stiftes, unter dem Vorwand apo=
ftolifher Breven, ihrem ordentlihen Richter entzogen mürden,
folle von nun an in ewigen Zeiten fein Einwohner, der in Stadt
und Stift Recht ftehen wolle, anders al3 durch Appellation oder
im Falle verweigerten Rechtes außerhalb des Stiftes vor Gericht
gezogen werden. So hatte aljo Wefterholt, deſſen Sache bereits
zu Münfter und zu Speier anhängig war, einen Haren Redht3-
titel, um feine in erfter Inftanz zu Rom erfolgte Sujpenfion zu=
rüdzumeifen. Dafür aber, daß diejes Privileg de non evocando
fein toter Buchſtabe blieb, jorgten die alten Landvereinigungen
vom Fahre 1446 und vom VBincentiustag 1466, in melden die
drei Stiftsftände einander feierlich gelobt hatten, feine Ber:
fürzung ihrer Privilegien zuzugeben. Sollte aber, heißt e3 (dem
Sinne nad) in Art. 6 der Vereinigung von 1466, irgendjemand
wirb wiederholt angeführt, daß die vom Abel auf ihren Häufern, beögleichen
ein Zeil der Stäbte feit langer Zeit Neligionsfreiheit bejefien hätten. Am
9. Zuli 1579 ſchreibt Dr. Halver an Elfenheimer (RA. Münfter VIII, fol.
199), e8 ſei Gefahr vorhanden, „ba8 man etwan, dem colnifchen betrug
nad, durch die lantftende, fo laider merers teils luteriſch, dem capittel etwas
dem vorigen zumieber aufbringen mochte“. Vgl. aud o. ©. 225f.
654 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
gegen dieſe Privilegien verfürzt werden, und bei dem Domtapitel
oder dem Ausihuß der Stände feine Hilfe finden, fo follen Ka:
pitel und Stadt das ganze Land beichreiben, damit durch dieſes
der regierende Herr zur Aufrehthaltung der Privilegien angehalten
werde ?).
Als Wefterholt wieder in die Stadt fam, forderte er bon der
Regierung neuerdings, jegt aber auf Grund des Privilegs von
1508, fie jolle feine Suſpenſion einftellen und die Stände berufen;
und da man mit allerlei Einwänden gegen die Gültigkeit des Pri—
bilegs antwortete, erſchienen am 15. Juni, von Wefterholts Ber:
wandten eingeladen, 40 bi8 50 Herren von der Nitterfchaft in
der Stadt, um von Kapitel und Regierung die Berufung der all:
gemeinen Landftände zu erzwingen. Gleichzeitig ſchickte Erzbiſchof
Heinrich ſechs Räte aus jeinen verjchiedenen Stiftern, darunter
auch Schrader, nah Münfter und ließ vor Senioren und Ju—
nioren ?) fowie vor der Negierung erklären: da der Statthalter
jeinetwegen in folde Bedrängnis gelommen fei, könne er nicht
umbin, desfelben fih anzunehmen. Den Senioren, namentlich dem
Dedanten, wurde vorgeworfen, daß fie aus bloßem Neid und
Privataffeltion, den Stift3privilegien zumider, den Statthalter in
Schimpf und Schaden hätten führen wollen, den Erzbiſchof aber
im ganzen Reiche ‚ausgetragen‘ hätten. Zwar beriefen ſich die
Senioren wieder auf ihr dem bayriihen Herzog gegebenes Wort
und die Pfliht des Gehorfams gegen die höchſte geiftliche Obrig—
feit, beitritten ferner, daß das obendrein nicht authentiſche Privt:
leg auf den Statthalter paffe?); da aber nicht nur die Ju—
1) Die beiden Privilegien von 1446 unb 1466 bei Kimblinger,
Münfterfche Beiträge I, Urkunden Nr. 33 u. 41, ©. 122 u. 148.
2) Bei Senioren und Junioren abgefondert, weil bie erfteren eine Aubienz
vor verſammeltem Kapitel abgelehnt hatten.
3) Die Regierung bemerkte u. a.: „Und bieweil man zuvor basielbig
[Privilegium Julii secundi] niehe nennen und allegiren boren, viel weniger
besfelben einhalt gewift, dernachher Hat man geſchickt und gefpurt, im einem
alten rapfodio oder formular ein bloffe copei . . . befunden.“ Regierung
Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albredht von Bayern. 655
nioren, jondern au die Stadt Münfter den Landtag fofort be—
willigten und die Regierung eingefhüchtert war durch die Drohung
der Freunde und Verwandten MWefterholts, die Ritterfchaft werde
einer unvolllommenen, ihr eigenes Haupt von fi weiſenden Re—
gierung vielleicht nicht mehr gehorchen wollen, jo mußten aud) die
Senioren ſchließlich nachgeben und zufrieden fein, daß der Zu—
jammentritt des Landtags mwenigftens bis zum 20. Juli verſchoben
wurde; — denn bis dahin hofften fie vom Papſfte die wirkliche
Privation des bis jegt nur jujpendierten Statthalters zu erlangen,
ferner vom Saifer einen ernftlihen Befehl an die Landftände, daß
diefe den Vollzug der Sufpenfion nit hindern ſollten. Auch er—
warteten fie, dab Fülih und Bayern Gejandte zum Landtag
idhiden würden. Aber vom faiferlihen Hof, an welchen fofort ein
jülihicher Kurier ging, erlangte man nidts, als ganz allgemeine
brieflihe Ermahnungen an Kapitel und Landſtände: fie jollten
Einigkeit und Ruhe erhalten, Praftifen verhüten und fi den
Statuten und. dem Herlommen gemäß benehinen. Vom Herzog.
von Bayern konnten wegen Kürze der Zeit feine Gejandte kom—
men; ein energiihes Schreiben desjelben forderte aber die Land»
ftände auf, den „unruhigen und mißgünftigen Mann‘, der ver=
hindern wolle, daß man ihm und feinem Sohne Wort halte, zur
Gebühr zu mweifen. Die Senioren und namentlih den Dechant
Raesfeld ermahnte Herzog Albrecht, ftandhaft zu fein, und ver:
ſprach, fie niht im Stiche zu laſſen. Seinen Schwager Herzog
. Wilhelm bat er zu geitatten, daß der Poftulierte, nötigenfalls aud)
ohne vorherige Erlaubnis von Rom, für einige Zeit die Regierung
von Münfter übernehme. Übrigens drängte er die Kurie neuerdings
aufs entichiedenfte, diefe Erlaubnis endlid zu erteilen, al3 einziges
Mittel, den Übermut der Häretifer in Münfter zu breden und
jene Kirche vom Untergang zu retten. — Zwar hatte der Papft
bereit3 im Monat März, bald nad) dem Sufpenfionsmandat gegen
MWoefterholt, an den Domdehanten zwei Breven zur Auswahl ge:
und Senioren wandten weiter ein, Wefterholt fei kein bloßer Unterthan,
fondern Stellvertreter eines regierenden Herrn.
656 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
ihidt, von denen eine3 dem Domkapitel befahl, baldigft einen
neuen Scholafter und Statthalter zu wählen, da3 andere den
Dedanten jelbft als folhen ernannte; Goddert von Raesfeld hatte
aber vorgezogen, bon beiden fein Wort verlauten zu lafien, da
beide einer feindlihen SKapitelamajorität gegenüber doc nicht
ausgeführt werden konnten. Der Herzog von Jülich ſchickte
zum Landtag vier Gejandte: Heinrich von der Rede, den Herrn
von Rheidt, feinen Amtmann zu Hamm, Dietrih Knipping,
und al3 Redner den Dr. Walter Fabricius von Köln. Ihre In—
ftruftion entwarf von der Rede, verftändigte ſich auch im geheimen
mit Domdehant und Syndilus über ein übereinftimmendes Vor—
gehen auf dem Landtag.
Aber auch die Gegner gingen dem Landtag nicht müßig ent=
gegen. Wefterholts Verwandte forderten Anfangs Juli in einem
Rundſchreiben die münfteriche Ritterſchaft auf, in ihren verſchie—
denen Duartieren Vorberatungen zu halten, beionders über die
Frage, ob Weſterholts Sufpenfion mit den Stiftsprivilegien und
der Landvereinigung zu vereinbaren jet). Daß ſolche Vorbe—
iprehungen wirklich ftattgefunden, läßt fi) aus der nachmaligen
übereinftimmenden Haltung der Ritterihaft ſchließen. Wichtiger
nod war, mas geihah, um Hilfe von auswärts zu befommen.
Erzbiihof Heinrih war ſchon im eigenen Intereſſe erbötig, aud
zum Landtag wieder Geſandte zu ſchicken; acht oder neun Näte
famen für ihn, darunter jehr angefehene Leute, wie fein Pader—
borner Statthalter, der zugleih das weſtfäliſche Kreisoberftenamt
1) Schreiben von fünf Verwandten Wefterholts, feinen Brüdern Hermann
und Bernhard, feinem Better Bernhard, Herr zu Lembed, und feinen
Schwägern Rotger Tord und Lambert von Der vom 8. Juli 1579 bei
Niefert VII, 235 ff., Nr. 37; Niefert läßt dieſes Schreiben irrtümlich „an
die Berwaltungs-Kommiffion des Stiftes M.“ gerichtet fein, anftatt, wie aus
bem Inhalt hervorgeht, an bie Ritterfhaft. (Nr. 36 gehört ind Jahr 1580.)
Die münſterſche Nitterfchaft war (nah Büſching, Erbbejchreibung, 6. Teil,
7. Aufl. 1790, ©. 11ff.) in vier Quartiere eingeteilt: das Wollbedifche
oder Dreinſche, das Wernifche ober Steverfche, das Braemſche und bas
Embslanbijche.
Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 657
verwaltete, Johann Edelherr zu Büren. Heinrich war e3 auch ohne
Zweifel, der vermittelte, daß König Friedrich II. von Dänemark in
Briefen an Domkapitel, Regierung und Stände, vom 27. Juni,
jeine Zufriedenheit darüber ausſprach, daß die Mehrheit des Ka—
pitel3 feinen Blutsverwandten !) und Freund Erzbifchof Heinrich
zum Biſchof auserjehen habe, ſowie feine Unzufriedenheit, daß
dieſe Abjicht, infolge von Praktifen etliher Kapitularen, bisher ihr
Ziel nicht erreiht Habe, ja dab man fogar damit umgehe, den
Herrn Konrad von Wefterholt wegen feiner Zuneigung zu dem
Erzbiihof feines Standes zu entjegen. Er erinnerte daran, daß
viele münfteriche Unterthanen in feinen Landen Nahrung und
Hantierung fänden; wolle man, daß diefe und fie alle aud) ferner
feine Gnade genöffen, jo möge man dafür die Sache feines lieben
Vetters ſich angelegen fein laffen. — Die Freunde Bayerns in
Münfter Hegten die lebhafte Bejorgnis, daß ſich durch dieſe Briefe
nicht nur der gemeine Mann, jondern aud) die vornehmen Bürger,
al3 „die Kaufleute und Ochſentreiber“, noch mehr ala bisher
gegen Herzog Ernſts Wahl würden aufreizen lafjen.
Ferner miſchten ſich die benachbarten niederländischen Provinzen
ein, und auch hier fühlen wir die Hand des Bremer Erzbiſchofs
neben der des Grafen Johann von Naffau. — Bon Anfang an
hatte Graf Johann die -münfterihe Wahlfahe aufmerkfam verfolgt
und fi) bemüht, bier nicht minder wie im Erzftift Köln zum
beiten der Freiftellung und des Grafenftandes die bayriihe Nach—
folge zu hintertreiben. Jetzt war er als Statthalter von Geldern
obendrein eine Art Nachbar des Stiftes geworden. Als er ſich
im Winter 1578/79 damit beichäftigte, Die nordniederländiichen
Provinzen zu einer gegen die ſpaniſche Herrichaft gerichteten
näheren Union zufammenzubringen, verlor er darüber und über
den Sorgen des Tages jeinen alten Plan einer allgemeinen
1) König Friedrichs Mutter Dorothea und Erzbifchof Heinrichs Bater,
Herzog Franz von Lauenburg, waren Gefchwifter, beide Herren alfo rechte
Vettern.
Lofſen, Köln. Krieg I. 42
658 Siebented Buch. Drittes Kapitel.
deutihen Grafenkorreſpondenz niht aus den Augen: er verfolgte
die Idee, feine neue niederländiihe Union folle fih mit den
deutſchen Grafen verbünden, wobei er ſich als Mittelglieder des
Bundes den neuen Kurfürften von Köln, den Bremer Erzbiſchof,
den Straßburger Biſchof u. a. dachte. In den Utrechter Ber:
tragsartifeln wird der deutiche Charakter der Union und die Zus
gehörigfeit ihrer meisten Glieder zum Reihe ftark betont; nad)
dem Mufter der Freiftellung, welche die MWetterauer Grafen für
die deutſchen Hocdhftifter planten, find in der Union die Artikel
über den Religionsfrieden abgefaßt. Johanns alte Verbindung
mit Erzbiſchof Heinrich beftand fort; find wir auch nicht im—
ftande, die einzelnen Fäden bloßzulegen, No jehen wir dod jo
viel, daß auch jegt wieder die früheren Unterhändler, Rutger von
der Horft und Winand von Breyl, eine Vermittlerrolle fpielen.
Zu Anfang des Jahres 1579 war eine Zufammenfunft zwiſchen
Graf Johann und Erzbiihof Heinrich längere Zeit im Plane.
Siherlih war Johann über das, was in Münfter vorging, wohl
unterrichtet. Als nun der münfteriche Landtag herannahte, bes
ichloffen die zu Utrecht tagenden Deputierten der Union, ohne
Zweifel auf Graf Johanns Betreiben, die münfterfhen Stände
durch eine eigene Gejandtichaft zu ermahnen, daß fie zum Behuf
guter Nahbarihaft einen angejchenen Nachbarherrn poftulieren
möchten. Gemeint war zunächſt wohl Erzbiihof Heinrich, jeden
fall3 aber der Ausschluß des Haufes Bayern beabfihtigt. Bier
Abgeordnete, lauter Freunde oder Gefinnungsgenoffen des Grafen
Johann, wurden am 19. Juli nah Münfter abgejhidt; ihre Bes
glaubigung ftellte, mit dem Statthalter von Groningen, Friesland
und Overijſſel, Georg von Lalaing, Graf zu Nenneberg, und mit
dem Sekretär der Unierten, der Graf Johann jelbft aus ?).
1) Die vier Gefandbten waren: Adrian van Zuylen, Dedant zu ©. I0-
bann Binnen Utrecht, Seyno von Dorth, Lanbbroft der Grafichaft Berge,
Dr. Gerhard Voeth und Dr. Reiner van den Sande, gelbrifche Räte. In
ber mir zugänglichen Litteratur über die Utrechter Union finde ich die Ge—
ſandtſchaft nah Münfter nur bei Scheltema, Staatkundig Nederland,
Köln-Miünfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 659
AS vierter Bundesgenoſſe Wefterholts trat endlich Kurfürft
Gebhard auf, indem aud er vier Gejandte, Rutger von der
Horft, Dietrich Ketteler zu Hoveftatt, Adrian von Enfe und
Dr. Servatius Eid, nad Münfter ſchickte und, als Metropolit und
Nahbar, feine DVermittelung anbot, um Frieden und Eintracht
unter den Kapitularen zu befördern. Natürlich) war e3 auch ihm
zunächſt darum zu thun, feinen Kölner Gegner vom Stift —
fernzuhalten.
Am Morgen des 20. Juli eröffnete die münſterſche Regierung
den Landtag mit der Aufforderung an die Stände, die ſtreitigen
Parteien im Domlapitel womöglich zu vergleichen. Die Stimmung.
unter den weltlihen Ständen, namentlih unter der Ritterſchaft
mar bon vornherein günftig für Wefterholt, feindlih aber gegen
die Senioren und bejonders gegen das Haus Bayern. Wohl
nicht mit Unrecht hatten die Senioren und die jülichichen Geſandten
Erzbiſchof Heinrihs Rat Schrader in Verdacht, daß er auch jetzt
wieder die Abneigung und das Mißtrauen gegen das Haus Bayern
befonder3 jhüre. Der Herr von Rheidt fand auf dem Landtag
„die Gemüter durch böſe Leute dermaßen vergiftet, daß fich ihrer
viel vernehmen ließen: ehe fie Bayern zum Herrn nähmen, wollten
fie fi die Häufer über den Köpfen abbrennen oder die Köpfe jelbft
abſchlagen laſſen“. Die Senioren mußten zu ihrem Verdruß mit
anjehen, wie Weiterholt3 Freunde und Verwandte das große Wort
unter der Ritterſchaft führten und all’ ihre Ratichläge und Heim—
lichkeiten mit den Junioren austauſchten. Die ftattlihen Gejandt=
ſchaften von Erzbiihof Heinrih, von Kurfürft Gebhard, von den
Unierten, die Briefe des dänischen Königs, welche öffentlich verlejen
mwurden, hoben gewaltig den Mut der Wefterholtihen Partei.
Zudem fprengte man aus, im Stift Bremen feien bereit3 Reiter
und Knechte verfammelt, um die Senioren von ihrem Vorhaben
1806, II. 2, 425 (und baraus bei van der Aa, Biogr. Woordenbock s. v.
Voeth Gerhard) furz erwähnt; ferner bei Groen van Prinsterer
VII, 101.
42*
660 Siebentes Buch. Drittes Kapitel.
abzujhreden. Vor verjammelten Ständen erklärten ſich jet
Heinrichs Gefandte nicht minder ſcharf tadelnd gegen den Dedant
und Genofjen und ſchutzverheißend für Mefterholt, als jüngft vor
' Regierung und Kapitel. Die Ausrede der Senioren, daß fie atı
Weſterholts Sufpenfion unſchuldig jeien, aber nicht Löfen könnten,
was fie nicht gebunden, liegen fie nicht gelten und machten auch
den Ständen Vorwürfe, dab diefe es dabei bewenden lafjen woll—
ten; die Regierung wurde von Heinrichs Gefandten hart -angelaffen,
weil fie die Hand geboten habe, um die in Widerſpruch mit den
Stiftsprivilegien, dur bloße Denunciation der Senioren, er=
ſchlichene Sufpenfion des Statthalters zu vollziehen. Die jülid-
ihen Räte nahmen zwar mit großer Entſchiedenheit Partei für vie
Senioren, aber der Gegner waren zu viele; des Kaiſers matte
Briefe nugten faum etwas, den bayriihen Schreiben fehlte das
Gewicht perjönlier Vertretung. Zudem erichütterte Wefterholt
die Bedeutung deſſen, was man vonſeiten Jülichs und Bayerns
über die einmütige Kapitulation mit Herzog Ernft vorbrachte, dadurch,
daß er jet zuerft offen erzählte, wie er vormals durch den vorigen
Kurfürften von Köln erfahren babe, daß das Haus Bayern Köln
erlangen jollte, dafür aber auf das Stift Münfter verzichtet habe.
Endlich litt die Sache Bayerns auch in den Augen der römiſch
Geſinnten dadurch, daß Kurfürſt Gebhard Gefandte Briefe aus
Rom umbergaben, wonad inbezug auf die Kölner Wahl bereits
ein Urteil gegen Herzog Ernſt ergangen ſei. Die münfterjchen
Stände zeigten große Luft, die Vermittelung des neuen Kölner Kur—
fürften anzunehmen, und gaben nur. ungern den Gegenvorftellungen
der Senioren nah. Die Anficht, daß man den Herzog von Jülich
neuerdings erjuchen jolle, feinen Sohn refignieren zu lafjen und
einige geeignete Kandidaten zur Auswahl zu benennen, drang gleich
zu Anfang des Landtags dur !), nur beſchloß man damit zu
1) Bereit8 am 21. Zult erfuchen bie Grafen zur Lippe und von Walbed
brieflich die jülichſchen Geſandten in Miünfter, bei einer neuen Poſtulation
ihren Better und Bruder Graf Bernhard zu empfehlen. Die Gefanbten
Kölm-Miünfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 661
warten, bis Wejterholts Sujpenjion aufgehoben je. — Das End:
ergebnis. des Landtags war die dringende Bitte dev Landftände
an den Papſt: Seine Heilt möge, auf Grund der beigefügten
Motive Weiterholts, defjen Sache neuerdings unterfuden und ihn
daraufhin entweder ganz freiiprechen oder, falls er je aus Ver—
jehen gefehlt, dies gütig verzeihen und die Suſpenſion aufheben,
damit man endlich wieder zur erjehnten Eintracht im Stifte ges
lange. Der Kaiſer wurde um feine gewichtige Fürjchrift an den
Bapft gebeten. Sobald Antwort von Rom und Prag erfolgt,
jolle wieder ein Landtag ftattfinden, aber nicht eher neu poftuliert
werden, bis Mefterholt wirklich reftituiert jei. Dem heftigen Drängen
der Stände nachgebend, mußten auch die Verorbneten zur Res
gierung, im Widerſpruch mit ihrem bisherigen Verhalten, die Briefe
an Papft und Kaiſer gemeinsam mit den Ständen ausfertigen.
Sogar von den Senioren verlangte man das und ftand erft nad)
langem Hin= und Herreden davon ab; doch mußten fie veriprechen,
der Aufhebung der Sufpenfion wenigftens fein Hindernis bei Bapft
und Kaifer in den Weg zu legen.
Die Senioren, jo ftandhaft fie auch bis zum legten Augen-
blid aushielten, waren doch durch den Ausgang des Landtags
neuerdings tief entmutigt. Der Dechant wollte, wenn nicht binnen
drei Monaten Hilfe geihafft werde, fein Amt niederlegen, jein
Vetter, der Dompropft, nicht länger bei der Regierung bleiben;
auch der Syndilus ſprach von feinem baldigen Rücktritt. Über—
einftimmend mit Herzog Wilhelms Räten fanden es jekt die
Senioren unbedingt nötig, daß Herzog Johann Wilhelm, mit
oder auch ohne vorherige Erlaubnis von Rom, für einige
Jahre wenigſtens die Aominiftration übernehme. Von Rom
jollte von neuem baldige wirkliche Privation Wefterholt3 und
Dispens für die Adminiftration des minderjährigen Boftulierten
gefordert werden, vom Saifer aber ein ernftliher Befehl an Re—
entfchuldigen fih am 23ften damit, daß fie von ihrem Herzog feinen Befehl
deshalb hätten.
662 Siebente® Bud. Drittes Kapitel.
gierung und Stände, dem Vollzug der päpftlihen Mandate gegen
Wefterholt fein Hindernis in den Weg zu legen. Offentlich
durften die Senioren allerdings, wegen ihres den Landftänden ges
gebenen Verſprechens, dieſe Wünſche nicht kundgeben, aber ihre
Freunde am clevifchen Hof und in Köln forgten dafür, daß man
am geeigneten Drt über ihre Meinung nit im Zweifel blieb.
Übrigens erklärten ſich auch einige von den Verordneten zur Re—
gierung und fogar etliche vornehme Stadträte gegen Red und den
Herrn von Rheidt im Vertrauen bereits einverftanden damit, daß
Herzog Johann Wilhelm regierender Herr merde.
Als Herzog Albreht von Bayern Kunde erhielt vom üblen
Derlauf des Landtags, geriet er in hellen Zorn, namentlich gegen
die beiden Hauptanftifter alles Böen, MWefterholt und Schrader.
Schon mehr als einmal hatte Albreht den Wunſch geäußert, man
möge den Statthalter, den untreuen Mann, auf clevifhem Gebiet
aufgreifen; jetzt Schloß er einen eigenhändigen Brief an feinen
Schwager Herzog Wilhelm mit den Worten: „Sonſt hielt id)
dafür, wenn E. L. den Welterholt und den Lorenz Schrader bre=
miſchen Rat in der Still aufheben funnt und ein Baum mit
ihnen zieret, e3 wär wohl gethan und viel fünftiges Übel dadurd)
fürfommen. Dann, wie das Sprihmwort jagt, an eim Wolf bricht
man fein Wildbann.“) — Weil gewiß nichts anderes als die
Religion, die Abſicht nämlich, dem Gehorjam des päpftlichen Stuhles
ſich zu entziehen und die Freiftellung einzuführen, Ritterihaft und
Städte bewege, fi des Wefterholt jo hoch gegen ihn und feinen
Schwager anzunehmen, — bat Herzog Albreht den Dom:
dechanten aufs dringendfte, fein Dekanat nicht niederzulegen, ſon—
dern zum Troſt der fatholiihen Religion, um die e3 ſich hier
1) Aſche von Holle, ein nieberfächfifcher Aittmeifter in Beftallung bes
Landsberger Bundes, erbietet fi im Jahre 1579 in Briefen an Marlrain
und Effenheimer wiederholt, wenn er dem Herzog einen Dienft bamit leiſte
und Befehl erhalte, wolle er bafür forgen: „das bem umgetreuen man
Wefterboft . . . eim ftrit uber ben wegk gezogen und i. f. ©. feiner wol
mechtig werben folte”. StA. 95/4, fol. 140 u. 146.
Köin-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 668
mehr al3 um die Poftulation handle, bis zum erwünſchten Ende
auszubarren. Er verſprach zugleih von neuem dem Dechanten
und den anderen Senioren jeinen Schuß und feine Erkenntlichkeit.
An den faiferlihen Hof ſchickte Albrecht, damit man fid) dort nicht
wieder mit einem jo matten Schreiben wie jüngft begnüge, eigene
GSejandte, Dandorf und Dr. Nadler, und ließ durch fie Beſchwerde
führen über die Vorgänge auf dem Landtag, insbejondere über die
Einmiſchung der Fremden; der Kaiſer möge zu feiner Milverung
der Suſpenſion Weiterholt3 jeine Hand bieten, ſondern vielmehr
Regierung und Stände zum Gehorſam gegen ihre geiftliche Obrig—
feit ernftlih auffordern; denn offenbar habe man es in Münfter
mit einem neuen Verſuch zu thun, die Freiftellung einzuführen.
Seinem alten Vertrauten, dem jegigen Bizefanzler, Dr. Sigmund
Vieheufer, ließ er noch bejonders vorftellen: er und fein Schwager
feien jo tief in diefen Handel geraten, daß fie ohne ihre hödhfte
Verkleinerung, Schimpf und Spott nit mehr zurüd könnten und
feien darum endlich- entſchloſſen, das Außerfte dabei zu thun. Um
die Sadhe zum guten Ende, nämlih zu Herzog Ernſts Poſtu—
lation zu bringen, möge der Kaiſer anjehnlide Kommifjare, etwa die
Kurfürften von Mainz und Zrier nebjt einem oder dem andern
faiferlihen Rat nad) Münfter verordnen, damit durch jie ein Ver—
gleih zwiichen dem Bremer Erzbiihof und den Herzögen von
Bayern und Jülich zuftande gebradt werde. — Denn die Hoff:
nung, mit Erzbiſchof Heinrich ſich gütlid) zu verftändigen, gab man
weder am Münchener noch am clevischen Hofe ganz auf. Nament-
lid) der Herr von Rheidt wies immer wieder auf diefen Weg Hin.
Hatte doch Heinrich ſelbſt längft erklärt, er jei bereit, zugunften
eines dritten zurüdzutreten; auch auf dem legten Landtag mar
dies allgemein al3 feine wahre Meinung bezeichnet worden; e3
fragte ſich alfo, ob der Erzbiſchof nit etwa von feiner Bedingung,
dag auch Herzog Ernſt zurüdtreten müſſe, abzubringen fei; die
Junioren zu gewinnen hielt man in diefem Falle für nicht ſchwie—
tig. Bereits auf dem Landtag ſuchte der Herr bon Rheidt mit
einigen von Heinrichs Räten, namentlid) mit dem Statthalter und
664 Siebente® Bud. Dritte Kapitel.
dem Kanzler von Paderborn, Johann von Büren und Dr. Laurenz
Sibel, deshalb anzufnüpfen und jegte die Korreipondenz mit ihnen
nachher brieflih fort. Dieſe gaben wohl einige Hoffnung, meinten
aber, wenn man auf gütlihem Wege etwas erreichen wollte, hätte
man nit jo leidenihaftlih und unbeſcheiden, wie jüngft nod die
Senioren, gegen Erzbiihof Heinrich auftreten jollen ). — Die
cleviichen Rüte, namentlih von der Rede und Dr. Weze, urteilten
freilich) anders: fo lange, meinten jie, Wefterholt noch auf Mil-
derung. jeiner Sufpenfion hoffen dürfe, werde man weder bei ihm
und feinem Anhang, noch beim Bremer Erzbiihof mit Güte etwas
ausrichten. Reck wies darauf bin, daß er jelbjt während des
Landtags bei Weiterholts Vetter und Schwager, dem Herrn von
Lembeck und dem Herrn Rotger Zord, vergeblid wegen einer Ver—
ftändigung angeflopft habe. Recks Anficht eignete jih auch Her—
zog Wilhelm an, lehnte darum Herzog Albrehts Anerbieten, feinen
Rat Halver zu Verhandlungen mit Erzbiſchof Heinrich abzujenden,
al3 verfrüht ab und beftand darauf, daß vor allem zu Rom und
zu Prag mit Weiterholts Privation Ernft gemaht werden müſſe.
—0
In diefer Zeit der Entmutigung, am Abend jeines Lebens,
al3 Herzog Albrecht all fein Hoffen und Mühen, durch den Befit
meitentlegener Hochftifter feines Hauſes Macht zu erhöhen, jcheitern
ſah, fiel ihm faſt mühelos ein Nachbarftift, Regensburg, zu und
auf ein zweites, das Salzburger, eröffneten ſich gute Ausſichten.
Hans Jakob von Khuen=Belafy, der feit Ende des Jahres
1560 auf dem Salzburger Stuhle ſaß, war am 24. Februar
1579 vom Schlag gerührt worden. Zwar erholte er fi bald
wieder, jedoch ftanden weitere Anfälle und demnach das baldige
1) Seyno von Dorth will bereit8 am 28. Auguft 1579 wijjen, Cleve
und Bayern hätten Gefandte an ben Bremer Erzbifchof geſchickt, um fich mit
ihm zu vergleihen. Groen van Prinsterer VII, 72. Jedoch finde ich
biefe Angabe fonft nicht beftätigt.
Köin-Münfter big zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 665
Freimerden des Stiftes zu erwarten. Bereits im März 1579
wandte fih deshalb Herzog Albreht an den Paffauer Bischof,
Urban von Trenbach, einen geborenen Bayer, der auch zu Salz:
burg Domherr war, um duch ihn insgeheim zu erfahren, ob viel-
leicht Herzog Ernſt Ausfiht auf die Nachfolge habe. Albrecht
fürchtete beſonders Gegenpraftifen des Hauſes Oſterreich; ſprach
man doch ſchon ſeit Jahren davon, daß ſich Erzherzog Ferdinand
für ſeinen Sohn Andreas auf Salzburg Hoffnung made). Der
Biihof von Paſſau fcheint geraten zu haben, Herzog Ernſt jolle
ſich zunächſt einen Kapitelplag verichaffen. Im Laufe des Som
mer3 wurde weiter mit dem Salzburger Domherrn Joahim Berner
und duch ihn wit dem Domdehanten Wilhelm von Zrautinanns-
dorf verhandelt, welche dem Herzog ebenfalls empfahlen, feinen
Sohn vor allem ins Kapitel zu bringen. Kanonikus war Herzog,
Ernit, wie wir willen, jchon feit dem Jahre 1565, hatte auch—
im Jahre 1568 feine erfte Nefidenz gehalten; das nad) den Salz.
burger Statuten für. einen Domfapitular erforderlihe Alter von
vollen 24 Jahren bejaß er jet ebenfalls. So begab er fi) denn
auf Wunſch und Befehl feines Waters, begleitet von dem Propft
der Münchener Frauenkirche, Dr. Georg Lauther und feinem Frei—
finger Hofmeifter, Hans Sigmund von Seiboltstorf im. September
1579 zur Reſidenz nah Salzburg, wo er, am Vorabend des,
©. Rupertifeftes im Herbft (23. September), in gewohnter Form
in das Kapitel aufgenommen wurde. Damit war der Meg ges
bahnt; vorläufig wollte man, um Gerede zu verhüten, feine weis
teren Schritte thun; Ernſt fehrte alfo, nad einem Aufenthalt
von wenigen Wochen, nad) Freiling zurüd.
Inzwiſchen war Stift Regensburg dem: bayriihen Haufe bes
1) 1. Dezember 1576 ſchreibt Languer aus Linz an Dr. Erato (Gillet,
Crato von Crafjtheim II, 534): Pont. Rom. misit galerum cardinalitium
filio majori natu, Ferdinandi archiducis, Jam paratus. est valens aemu-
lus episcopo Frisingensi in petitione archiepiscopatus Salzburgensis,
quandocumque diem suum obierit is qui jam est archiepiscopus.
666 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
reit3 zugefallen. — Wir erinnern uns, wie Herzog Albrecht im
Herbft 1575 ſich erboten hatte, Erzherzog Ferdinands Sohn An-
dreas zur Grlangung von Regensburg behilflich zu fein. Zur Zeit
des Regensburger Wahltags that denn auch Albrecht, gemeinfam mit
dem Erzbiihof von Salzburg, wirklich einige Schritte, um Biſchof
und Kapitel zu bewegen, den Herrn Andreas von Dfterreih als
Koadjutor anzunehmen. Da ſich aber das Kapitel jchroff ab-
lehnend verhielt, lie der Erzherzog jelbit den Plan bald fallen,
ficherli zu Herzog Albrechts Vergnügen, der fo mit guter Manier
von feinem Verſprechen loskam. Daß Albrecht in den nächſten
Jahren ſich für ſein eigenes Haus um die Koadjutorie oder Suc—
ceſſion in Regensburg bemüht hätte, findet ſich nicht, obwohl es
ihm als Nachbarn an Gelegenheit zu Verhandlungen mit Biſchof
und Kapitel nicht fehlte). Erſt als Biſchof David Kölderer am
22. Juni 1579 geftorben war, ſcheint einer von Albrechts Räten,
Adam Vetter von der Gilgen, der zugleich Domherr zu Regens—
burg war, — bielleiht im Einverftändnis mit dem Dompropft
Viktor Auguft Fugger — den Vorſchlag gemacht zu haben, man
jolle juchen, das Stift an das Haus Bayern zu bringen. In
Vetter Geſpräch mit dem alten Herzog mar zuerft bon Herzog
Ernft die Rede, jodann von Herzog Wilhelms Söhnen, von wel-
hen der ältefte erſt ſechs, der jüngfte noch nicht zwei Jahre alt
war. Für Ernfts Poftulation gab Wetter wenig Hoffnung und
Herzog Albrecht jelbft mochte fürchten, durd eine Wahl desjelben
in Regensburg die Ausfichten auf Salzburg zu trüben. So ging
aljo Vetter mit dem Plan, einen von Herzog Wilhelms Söhnen
ins Stift zu bringen, nad Regensburg, um mit dem zur Zeit
14 Perſonen, meift bayriſche Adelige, zählenden Domkapitel ?) zu
1) Verhandlungen zwifchen Bayern und dem Stift fanden namentlich
ftatt, über die Translation der Kollegiatlicche von Pfaffenmünfter nah Strau-
bing welche bereit Biſchof David zu Herzog Albrechts Lebzeiten bewilligte;
bemnad ift Hund-Gewold, Metrop. Salisb. III, 102 zu berichigen.
2) Die Namen ber 14 Domberren bei Theiner III, 13; ftatt Valter
ift Vetter zu leſen.
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 667
beraten. Sein Vorſchlag gefiel. Das Stift hatte von alteräher
vielfahe Streitigfeiten mit der Stadt, melde durch den religiöien
Zwieſpalt jehr verihärft worden waren; denn die Bürger befannten
fi größtenteils zum fchroffften Luthertum, Biſchof und Kapitel
aber noch zu Rom. In dieſen Reibereien hatte das Stift feither
regelmäßig den kürzeren gezogen; unter einem Biſchof aus dem
mächtigen Haufe Bayern werde das, hoffte man, anders gehen.
Auch in den Irrungen mit dem benachbarten Pfalzgrafen von
Neuburg war der Shut, eines mächtigen Haufes erwünſcht. Her:
zog Ernft zu poftulieren Hatte man nit Luft: das Stift war
infolge der Verſchwendung feiner legten Biſchöfe ſtark in Schulden
geraten und Herzog Ernſt vorausfihtlih nit der Mann, ihm.
daraus zu helfen; wenn man dagegen eines von Herzog Wilhelms
Kindern poftulierte, konnten während deſſen Minderjährigfeit die
Finanzen des Stifts geordnet werden. So beihloß denn das
Kapitel am 14. Juli mit Majorität, diesmal niht aus dem
Shoe de3 Kapitel3 zu wählen, jondern zu poftulieren, und zwar
Herzog Wilhelms mittleren Sohn, den am 22. September 1576
geborenen, alſo noch nicht dreijährigen Herzog Philipp. Nachher
ftimmte das ganze Kapitel bei. Gemäß der Kapitulation jollte
bis zur Großjährigkeit des Poſtulierten ein von den Herzögen
Aldreht und Wilhelm im Einvernehmen mit dem Kapitel er:
nannter Statthalter das weltliche Regiment führen, dem Prinzen
aber ein jährlihes Deputat von 3000 Gulden gereidht werden.
Übrigens fiherten fi die Domherren dur allerlei Beftimmungen
davor, daß der KRoftulierte ihren Rechten und Bequemlichkeiten
nit allzu nahe trete.
Herzog Albrecht jah die Annahme diefer Wahl als ganz felbit-
verftändlih an, nicht jo Philipps Vater, Herzog Wilhelm, der ſich
ihretwegen die ftärkjten Gewiſſensſtrupel machte, einmal weil man
das Kind ohne Vorwiſſen und Gutheigen des Papftes poftuliert,
fodann weil man demfelben durch die Kapitulation die Hände ges
bunden habe, jo daß das in ſehr ſchlechtem Rufe ftehende Kapitel
und Stift nit im Geifte des Zridentinum xeformiert werden
668 Siebented Bud. Drittes Kapitel.
könne. Es gab erft lange Erörterungen zwifchen Wilhelm, den Räten
jeines Vaters und den Gefandten des Kapitel3, bis jener aus
Furcht vor jeines Vaters Ungnade, wie er jelbft verfichert, endlich
nahgab. Seine Gewiſſensbedenlen jchwanden aber erft, als er
dur einen im Vertrauen an den Papſt gefandten Hofdiener
deſſen Abjolution und Dispens erlangt hatte‘). Im folgenden
Fahre hat dann Gregor XII. in aller Form die Poftulation des
Kindes beftätigt, hauptſächlich in Anbetracht der großen Verdienſte
feines Vaters um die fatholiihe Kirche.
Sp war aljo das Haus Bayern am Ende der Regierung
Herzog Albrechts von feiner in die Ferne jhweifenden Politik, zeit=
weilig wenigitens, zu dem Beſtreben zurüdgefehrt, feine Macht in
der Nähe zu erweitern. Am Hofe des Herzogs war man fid.
diefer Umkehr wohl bewußt. In einem Gutachten für Herzog
Wilhelm motiviert Erasmus end, der alle Wechfelfälle der bay—
riihen Politik feit langen Jahren thätig mit durchlebt hatte, die
Annahme der Regensburger Wahl, — abgejehen von dem reli—
giöſen Grund, daß man nicht ohne Sünde die Gelegenheit ver—
jäumen dürfe, jo viel taufend Seelen wieder zurecht zu bringen —
namentlid mit dem üblen Erfolg der auswärtigen Bewerbungen ?).
1) In dem oben angeführten Aftenband, AA. Regensburg Lit. E. E.,
finden fi zwar nur bie Konzepte zu Kredenz und Inftruttion für Herzog
Wilhelms Gefandten an den Papft, den Mantuaner Hortenfio de Triachis,
und feine beflimmte Nachricht, daß biefer wirklich in Rom war; ich fchließe
bie8 aber einerfeit8 baraus, baß bald nachher, gemäß Wilhelms Bitte,
P. Ninguarda mit der Ordnung der Angelegenheit betraut wird, ſodann aus
Wilhelms Berfiherung (in dem oben angeführten Brief an feine Schwefter),
Papft Gregor und fein Vater hätten haben wollen, daß fein Sohn das Stift
annehme.
2) „Man fiht umd greift augenfcheinlih, das es mit weitgefuechten
practiden diſem hauß nit glüden wil, urfach die fände widerwertiger religion
fürchten das groß aufnemen, hießen rigl wa fi fönden, damit Bairm ben
fues nit weitter fee. Und welle Got, das nit etwa auch hindern unb
drücken, bie e8 nachender verwantnus halben fonft nit thuen follen [d. i.
das Haus Öfterreich], allein damit man nit auffome x. Dan bie feind
ber welt grif und hats diß hauß mer als ein hundert jar ber greiflich em—
Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 669
Und als um diefelbe Zeit die Ausfiht auf Erwerbung von Salz:
burg fi aufthat, ſchrieb Send an Herzog Ernft u. a.: „Ich hoffe
zu Gott, weil man ſich um die treulofen unehrbaren Leute unten
[d. i. zu Münfter] zantet und reißet, es ſoll das Glüd ein andern
Broden aufs Zeller bringen, daß man ihrer nimmer bedürfe !).
Unterdes hatten ſich inbezug auf die münfterihe Sache einige
Umftände günftiger für das Haus Bayern geftaltet. Am 18. Sep-
tember erteilte der Kaiſer Herzog Albrechts Gejandten den Be-
fcheid, er wolle Kommifjare nady Münfter verordnen, um beide
Parteien womöglid zu vergleichen, damit alsdann die Poftulation
eines wohl qualifizierten Biſchofs erfolgen könne. Zwar lautete
diefer Beiheid, und ähnlich aud die vom jelben Tag datierte
faiferlihe Kommiſſion ſehr allgemein, aber gewichtig fchien,
dag als Kommiffare gerade die von Herzog Albrecht felbit ge—
wünſchten Perjonen auserjehen waren: die Kurfürften von Mainz
und Zrier und der Hofmarichall Ditheinrih von Schwarzenberg.
Da nun obendrein einige faiferlihe Räte den Geſandten verſicher—
ten, der Kaiſer merde gewiß nichts thun, um MWefterholt3 Sufpen-
fion zu hintertreiben, jo war Herzog Albreht mit dem in Prag
— — — —
pfunden. So es dan in die weitte hinaus ſchwerlich zuegeen und ſich auch
mit groſſen coften eben nichte wil gewinnen und heben laſſen, mueß letſtlich
das geſicht eingezogen, der gedanken auf bie näche gericht und in glimpfliche
guette mitl, wie eben biß eines ift, brauf fürgebacht werden, wie diß hauf
macht unb vermügen beifamen bleiben.” MA. Regensburg T. I. Lit. R.
fol. 106.
1) Fend fährt in bemfelben Brief fort: O S. Ruperte [S. Rupert ift
der Patron der Salzburger Kirche] respice ad fideles tuos Bavaros, qui tua
jussa etiamnum tenent, redde tu quod alibi fraude ac perfidia est labe-
factatum, idque vel debes etiam fundatorum regni tui posteris, ex quorum
liberalitate tu prius es ditatus. Es feind warlich gewünſchte mitl vor ber
band. Et fata forsan ipsa ingentem patriae consolationem [b. i. Her-
309g Ernſt] ad remotas perfidas gentes distrahi non patientur. Bibl.
Föringer. Nr. 3239.
670 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
erlangten Bejcheid wohl zufrieden). Auch in Rom hatte man
ih endlich entſchloſſen, dem Drängen der Häufer Jülich und
Bayern in der münfterjhen Sade nadzugeben. — As Wefter-
holts Appellation dort einlief, etwa Anfangs Juni, gab ſich Herzog
Wilhelms Agent Hammerftein, von Dr. Fabricius unterftügt, jofort
alle Mühe, um zu verhüten, daß diejelbe an der Kurie zuges
laffen werde. Das gelang aud. Fabricius meinte, Papft und
Kardinäle zeigten, gleihfam um das Haus Bayern für ihre in der
kölniſchen Sache bewiejene Lauheit zu entihädigen, in der mün—
fterihen guten Eifer. Dafür gab dann Fabricins zu verftehen,
wenn jein Herzog feine Abfichten inbezug auf Münfter durch Roms
Hilfe erreiche, werde er inbezug auf Köln Gregors Wünſchen viel
eher entiprehen. Mitte Auguft erklärte der Papft, in Breven an
den Saifer, an den Herzog von Jülich und an das münſterſche
Kapitel, MWefterholts Appellation für frivol und verleumderiih und
forderte Vollzug der päpftlichen Urteile. Zugleich) verbot er von
neuem, Herzog Heinrich zu poftulieren, empfahl dagegen den Biſchof
von Freifing. AS dann von Münden die Nachricht kam,
Weiterholt werde von Tag zu Tag troßiger und hetze die Land—
ftände auf, fo daß der Domdehant nicht wage, die ihm von Rom
verliehene Regierung anzunehmen, als endlih auch noch Berichte
über den ſchlimmen Verlauf des Landtags, und befonders über We-
jterholt3 Verbindung mit dem lutheriihen Dänenfönig und mit den
niederländiichen Rebellen, anlangten, da widerftand die Kurie nicht länger
dem Drängen der Häufer Bayern und FZülih. Unterm 26. Auguft
1579 verhängte der Generalauditor der apoftoliihen Kammer über
Wefterholt die Privation von feinen Pfründen und Amtern und
zugleich die Exlommunikation. Im Anſchluß hieran beftellte ein
päpftliches Breve vom 20. September den Poſtulierten, Herzog
1) Die Berichte von Dandorf und Nabler aus Prag babe ich bisher
nicht aufgefunden; ich entnehme meine Angaben dem kurzen Bericht, welchen
Herzog Albrecht über den Erfolg der Geſandtſchaft am 15. Oktober an ben
Herzog von Jülich gelangen Tieh.
Gebhard Truchfe vom Papfte beftätigt. 671
Johann Wilhelm, unter Beiftand und Nat des Domdechanten
und der anderen bisherigen Verordneten !), für die nächiten drei
Jahre zum Verwalter der Zemporalien des Stiftes Münſter.
Drei Tage danad) nahm ein bayriicher Kurier Mandat und Breve
mit nah Münden, wo er am 9. Dftober eintraf. — Er fand
den bayriihen Herzog auf feinem legten Krankenlager; Albrecht
litt an einem alten, dur Häufige Diätfehler verichlimmerten
Magen= und Nierenleidven; ſchon lange galt er, wiewohl erft
52 Jahre alt, faft als ein alter Mann, deſſen Lebenskraft er-
ihöpft war. Am 24. Dftober 1579, Abends 7 Uhr, ftarb der
Herzog.
Die nächte Folge von Herzog Albrehts Tod war, daß nun
endlich der Kölner Wahlſtreit feinen Abſchluß fand. Albrecht hatte
e3 von Anfang an al3 Ehrenjache feines Haufes erklärt, daß der
Truchſeß nicht beftätigt werden dürfe, bevor der Papſt über feines
eigenen Sohnes Recht förmlich abgeurteilt habe. Won Albrechts
Nachfolger, Herzog Wilhelm V., der von Jugend auf fi) ängſt—
ih bemüht hatte, fein ganzes Verhalten in Einklang mit den
Vorſchriften des römischen Stuhles zu jeken, der eben noch in
der Regensburger Angelegenheit dem Papſte die deutlichiten Be—
weiſe jeiner Eindlihen Ergebenheit geliefert hatte, durfte Gregor
erwarten, daß er fih nicht in der Kölner Sache feinen jo oft
und jo offen ausgeſprochenen Wünfchen widerjegen werde 2). So
1) cum assistentia et consilio.... . decani ac aliorum ad id pridem
deputatorum. Unter biefen Deputierten find bie Verorbneten zur Regierung
gemeint; der Ausbrud ift abfichtlih fo unbeftimmt, weil ber Papft anfangs
Anftand nahm, daß darunter auch Laien waren, unb dies wenigftens nicht
ausbrüdlich zugeben wollte.
2) Sehr bezeihnend fiir Wilhelms Gefinnung gegen ben römifchen Stuhl
ift fein Schreiben an den Papft vom 24. November 1579 bei Theiner
11, 7. Darin 3. B. folgende Stelle: hoc de me certo persuasa [sit
S. V.], quod nihil sum aggressurus, nihil recepturus in me aut admissurus
etiam, quod vel probare non velit S. V. libentissime vel cum conscientia
672 Siebentes Bud. Drittes Kapitel.
erflärt e3 fi, da man in Rom faft mehr Freude über Wilhelms
Nachfolge als Betrübnis über Albrechts Tod an den Zag legte ?).
Die im Sommer 1579 durch Kurfürft Jakob von Trier und
den Würzburger Biſchof eingeleiteten Verſuche, einen Vergleich
zwiſchen Gebhard und dem Haufe Bayern zuftande zu bringen,
waren über die erften vielleicht nicht recht ernftgemeinten An-
fragen nicht binausgegangen. Gebhards Gegner aus dem Kapitel,
zulegt Dr. Gropper, hatten ihren Frieden mit dem Erwählten
längft gemadt. Graf Salentin von Iſenburg war im Mai dieſes
Jahres perjönlic in Bayern geweſen, um zu hören, ob Herzog
Albreht noch immer gejonnen fei, die Wahl des Truchſeſſen,
nötigenfall3 auch mit Gewalt, zu beftreiten. Da er ſich überzeugte,
dag man am bayriihen Hofe von folden Gedanken weit entfernt
war, fing auch er an, ſich feinem Nachfolger im Kurfürftentum zu
nähern; Heinrih von Bremen follte vermitteln. Noch ehe es
hierzu fam, ftarb Herzog Albreht. — Salentin frug nun bei
Herzog Wilhelm V. an, wie er fi gegen Gebhard verhalten
jolle. Darauf erklärte fid) der neue Herzog ausdrüdlich einver-
ftanden damit, daß Salentin feinen Vertrag mit jenem made.
‚Und können Euch‘, jchreibt er am 22. Januar 1580, „dab Ihr
hierin fürnehmlih Euer Gelegenheit bedenfet, gar nit berargen,
der Zuverſicht, Ihr werdet, da diefe Irrung gleid) zwiſchen Euch
und dem eingedrungenen Kurfürſten verglichen, nicht meniger in
mea possit pugnare. Bgl. auch Ninguarbas Bericht über feine Verhand—
lungen mit Herzog Wilhelm nach Albrechts Tod bei Theiner III, 653
u. 657.
1) Bgl. das Breve vom 21. November 1578 bei Theiner III, 8:
quidquid damni accepimus interitu clarissimi principis, speramus tua
praestanti virtute et pietate restitutum iri. Ahnlich in dem Konbolenz-
ſchreiben Morones an Herzog Wilhelm (RA. Fürftenfahen XXX, fol. 67):
Et me non parum etiam consolatur successio Celais V,, in qua paterno
par studium agnovi catholicae religionis defendendae ac omnium virtu-
tum aemulationem, quibus certam spem concepi paternam gloriam a
Celne V, superatum iri.
Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt. 673
guter Zuneigung gegen uns und unjer Haus beftändig ver:
harren.“
Schon vorher hatten die bayriſchen Herzöge Wilhelm und
Ernſt in Rom deutlich zu verſtehen gegeben, daß ſie den kölniſchen
Prozeß nicht länger fortgeſetzt ſehen wollten; denn bereits im No—
vember 1579 wurde der, welcher denſelben am eifrigſten betrieben,
Dr. Andreas Fabricius, feines Amtes al3 bayriicher Gefandter ent:
boben; um Koften zu eriparen, jollten fortan wieder nur Agenten die
Intereſſen des Haufes Bayern in Rom vertreten. Herzog Wilhelms
Agent blieb Dr. Joh. Paul Gaftellino, Herzog Ernft betraute den
Dr. Adrian Aerntsperg mit feinen römischen Geſchäften. Fabricius,
wegen ſeines Hochmuts, feiner Anmaßung und feiner frankhaften
Empfindlichkeit den meiften bayriichen Räten längft verhaft, kehrte
zu Anfang des Jahres 1580 nad) Bayern zurüd, wo er als
ehrenvollen Ruhepoſten, der ihn zugleid vom Hofe entfernte, die
Propſtei zu Altötting erhielt ?).
Inzwiſchen mar aud der Informativprogeh über Gebhards
Leben und Sitten abgeihloffen worden. Einen warmen Fürſprecher
hatte der Erwählte an dem ſpaniſchen Gejandten beim Pacififations-
fongreß, Herzog Karl von Zerranova. Als der Nuntius Ca—
ftagna Anfangs Januar 1580 von Augsburg aus feine Rückreiſe
nad) Rom antrat, gab ihm Terranova ein Schreiben an den Papit
1) Im Sommer 1578 fchreibt Send einmal an Herzog Ernft (DA. Erz-
Bifchöfe. Gebharb 1b, fol. 115), nachdem Fabricius fich fehr bitter über bie
Aufforderung, feine Rechnung zu fenden, beſchwert hatte: „Ein wunder ift’s,
wen ber beftien ſolch ungebür hingeet. Der from fürft diſſimuliert's bis
zu feiner zeit und möcht fi noch jchiden, das E. f. ©. wunderbarlich ge-
rochen werben. Hette vor ber zeit nit vermeint, das diß ein folder gümpl
were. Glaub, er halte fih für den höchſten und wißigiften, der im ganzen
Rom ift: er mag je feinen hern auch im billihen ſachen mit ime nit
reben laſſen . . .“ Im Januar 1580, kurz vor feiner Abreife aus Nom
denunziert Fabricius noch den Löwener Profefjor Bajus bei ber Inquifition,
Laderchius, Annal. Ecel. XXII, 365. Auffallend und faum als Lap-
sus calami ober memoriae zu erflären ift ber ſchon bei Mayer, Thes.
nov. I, 173sqg. bemerkte Umftand, daß Hund in feiner Metrop. Salisb.
II, 77.ben Dr. Fabricius unter den Pröpften von Altötting nicht nennt.
Lofſen, Köln. Krieg 1. 43
674 Siebente® Buch. Dritte Kapitel.
mit, worin es u. a. heißt: „Ich kann nicht umhin, Eurer Heilt
zu bezeugen, daß unter allen kaiſerlichen Kommiffaren [auf - dent
Kölner Kongreß] die beiden Kurfürften von Köln und Trier fid)
jo jehr ausgezeichnet und angeftrengt haben, und bei diefer ganzen
Verhandlung, namentlid) aber im Religionspunft, fo hilfreich ge=
weſen find, daß man nit nur Gott dafür danken muß, der in
jo Schlimmer Zeit feiner Kirche ſolche Beihüger gegeben hat — in
jenen Landſchaften, wo man ihrer jo jehr bedarf, jondern daß id)
e2 audy Eurer Heilt vorftellen wollte, damit dieſelbe al3 das all-
gemeine Haupt der Kirche jene Fürften ermuntern und zur Stand:
baftigfeit antreiben könne, indem fie ihnen jolhe Gnaden und
Gunst zuteilet, wie Eure Heilt denen zu thun pflegt, melde fich
bei Gott und Eurer Heilt fo große Verdienſte erwerben.‘
Einige Schwierigkeit machte es Gebhard noch, das für feine
Konfirmation nötige Geld zu beihaffen. Zwar verzichtete Gregor
auf feine eigene Taxe, aber die Beamten der Kurie, denen bet
Salentins Konfirmation nicht3 zuteil geworden, beftanden auf ihren
berfömmlichen Gebühren; aud hatte der Prozeh große Koften ver-
urſacht: mindeitens 10,000 Gulden mußten nah Rom geſchickt
werden. Das Geld wurde zunädit durd Anleihe beichafft; dann
bemilligte der Kölner Klerus nad) langem Feilihen über die Höhe
der Summe und die Zahltermine ein Subſidium caritativum bon
60 Dezimen, während 40 herkömmlich waren, Salentin aber,
freilich mit Rüdjiht auf die damals ſchuldige Zürkenfteuer, fogar
80 Dezimen erhalten hatte ?).
Gebhards Konfirmation erfolgte am 19. März 1580; in dem
betreffenden Breve an Gebhard gedenkt der Papſt insbejondere
des Eifers, weldyen diefer, nad) dem Zeugnis des Erzbiſchofs von
Roffano, auf dem Kölner Kongreß für die MWiederherftellung der
katholiihen Religion bewieſen habe, ferner feines Bemühens, da
aus der Stadt die fegeriihen Schulen entfernt, dak nur noch
fatholiihe Ratsherren erwählt, endlih daß gute Bücher gedrudt
1) Wie viel eine Dezime in Geld beträgt, habe ich nicht gefunden.
Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt. 675
würden. Der Erzbiihof möge fortfahren, wie er begonnen; in
allen Schwierigkeiten auf Gottes Beiftand vertrauen, zugleich aber
berfihert jein, daß ihm auch des Papftes Autorität und Hilfe
nicht fehlen werde ?).
Im folgenden Monat (April 1580) kam Dr. Halver auf
Grund eines Briefes des Biſchofs von Würzburg nochmals auf
den Vorſchlag zurüd, da man einen Vergleich mit Gebhard juchen
folle. Herzog Ernft aber jowohl wie fein Bruder Wilhelm wiejen
diefen Gedanken furzweg von der Hand: „Denn“, jchreibt Herzog
Ernſt an Dr. Halver, „wie ung und unſer löblich Haus der Truchſeß
meinet und rejpeftiert, das ift Eucd) unverborgen. Da er Gemüt
und Luft gehabt, fid) in einige Güte einzulaffen, uns und unjerem
Haufe ichtes zu Ehren zu thun, Hätte es ein fo geraume Zeit
ber... . wohl beichehen mögen. Weil e3 aber bis daher dahin
nit zu bringen gemweft, können wir uns viel weniger Hoffnung
machen noch bereden lafien, daß er obtenta jam confirmatione
apostolica das Geringfte thun, — und alfo uns, da wir es
fuchten, nur mehr Schimpf, Hohn und Spott folgen würde. Ge—
denken demnad und aus gehörten Urſachen die Sad gleid) alfo
beruhen zu laffen und befehlen die und uns dem lieben allmäch—
tigen Gott; der wirdet, getrofter Zuverfiht, uns zu feiner Zeit
auch ohne alles unjer Zuthun gewißlich vindicieren und etwa nad)
jeinem göttlihen Rat und Willen in anderweg ergößen.‘‘
1) Die Konfirmationsbulle war übrigens im Dezember 1580 dem Be-
ftätigten noch nicht zugeftellt (etwa weil das Gelb ausgeblieben?). Gebharbs
Agent (Doullart?) reifte am 8. Dezember 1580 ohne diejelbe von Rom ab.
43*
4. Kapitel.
Herzog Johann Wilhelm wird Adminiftrator von Münfter.*
Mitte November 1579 kamen Heinrih von der Rede und
Dr. Weze mit Dedant, Syndikus und Sekretär des münfterihen
Domkapitel in der Stille zu Dinslaken zuſammen und verab:
redeten, wie man fi) der angekündigten faiferlihen Kommiſſion
bedienen wolle, um Weſterholts Abjegung und nachher entweder
die Wahl des bayriihen Herzogs oder Johann Wilhelms Ad:
miniftration durchzuſetzen. Hieraus erjieht man, daß des Kaiſers
*Quellen: 1) Für bie münfterfhe Sache folgende Arhivalien: RA. Münfter
Tom. VIII. IX. X; Lüttich, Tom. I; StA. 98/1; 230/5. DU.
28° g hu. 28i Vol. I. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Über Erzherzog
Matthias’ Bewerbung um Münfter Bruchftüde aus deſſen Or.-Alten
in ber Wiener Hofbibliothek bei Chmel, Die Handſchriften ber k. f.
Hofbibliothek in Wien, 1840, I, 64ff. 118ff. 136ff. Bezold
a. a. O. I, Nr. 201. (Die Aushängebogen des Bezoldſchen Buches,
vol. 0. ©. 289, lagen mir erft für dieſes Kapitel wieder vor; daher
ift im ben vorhergehenden Kapiteln ein paarmal auf Archive ver-
wiefen, wo ich nunmehr jenes citieren könnte; auf Chmel murbe
ih durch Bezold aufmerkfam.) inige Briefe bei Theiner II,
20. 1268qq. 241sgg. Einzelne brauchbare Notizen auch bei Kock
III, 159sqq. und Münfter. Geſchichtsqu. III, Töff. — Ein fehr an-
ſchaulicher und ausführlicher Bericht des Grafen Johann von Nafjau
an Dranien über feine Reife nah Münfter Groen van Prin
sterer VII, 343/357.
2) Für die Salzburger Koabjutorie: RA. Salzburg Tom. XI u.
XII. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Einzelne® auh RA. Miünfter
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 677
Verſprechen, Kommifjare nad Münfter zu fchiden, am cleviſchen
Hofe und in Münfter ebenfowohl wie in Münden anfangs als
ein Erfolg der bayriihen Politik betrachtet wurde. Es ift in
der That kaum zweifelhaft, daß urjprünglid Kaifer Audolf nur
um Herzog Albreht3 Wunſch zu willfahren, demnach auch in deſſen
Sinn die Kommiffion angeordnet hatte. Aber nicht lange nachher
trat an das Kaiſerhaus die Verſuchung heran, dieſelbe nicht im
bayrischen jondern im eigenen Intereffe zu benugen. — Erzbiſchof
Heinrih von Bremen hatte, wie wir wiſſen, ſchon vor langer Zeit
erklärt, er wolle für feine Perfon auf Münfter verzichten, falls
bon bayriicher Seite dasjelbe gejchehe, und ein dritter, beiden
Zeilen genehmer Herr als Johann Wilhelms Nachfolger genommen
werde. Auch die münfterihen Landftände hatten ſchon mehrmals
und erft jüngft wieder auf dem Landtag den gleihen Wunſch jehr
lebhaft geäußert. Bald nad dem Landtag ließ nun Heinrich dem
Erzherzog Matthias in Antwerpen und vielleiht zur jelben Zeit
dem Kaiſer anbieten, er wolle feine Rechte auf das Stift Münfter
einem der Brüder des Kaifers abtreten ). Matthias war fofort
Tom. IX. Ein paar interefjante Konzepte bed Dombechanten Traut-
mangborf AA. Adelsfelect. Trautmansborf. Fasc. 1. In dem Brief
des Erzbifhof8 an den Papft bei Theiner III, 133 ift man—
ches zwijchen ben Zeilen zu leſen. Maffei, Ann. di Gregorio
II, 135 qq. fcheint die Dinge ziemlich richtig zu erzählen. Daß bie
Salzburger Gefchichtfchreiber für biefen Koabjutorieftreit jo dürftig
find, Hängt wohl mit ihren Nücdfichten auf das Haus Ofterreich zu—
fammen. Am meiften noch bei Zauner, Ehronif von Salzburg
VI, 485, aber ungenau. Hansiz, Germ. sacra II, 644 ſchreibt:
W. a. T., qui propter delicta, nescio quae, vocatus in jus ac...
ad carcerem perpetuum damnatus est.
3) Für die Hildesheimer Dinge vgl. Ouellen zu Buch 2, Kap. 5,
namentlih StA. 95/4; Alten inbetr. der Dompropftei auch StA. 9/2.
Bon ber gebrudten Litteratur befonders: Beiträge zur Hilbesheimer
Geſch. III, 301 ff.
1) Bei Hurter, Geſch. Ferbinands IL, V, 56 ift ein Schreiben bes
Kaiſers an Erzherzog Matthias vom 7. Oktober, und bei Chmel a. a. O.,
©. 120 ein Memorial des Erzherzogs für Heinrich von Liechtenftein, Ludwig
678 Siebentes Bud. Viertes Kapitel.
zum Zugreifen bereit. Bereits Anfangs Oktober ſchickte er einige
von feinen deutſchen Hofleuten und Räten zum Erzbiihof, um
Genaueres zu erfahren. Heinrich ſcheint ihn aufgefordert zu haben,
er möge ſich zunächit mit dem Kaiſer benehmen und fodann der
Zuftimmung des Herzogs von Jülich verfihern. Matthias meinte,
er könne feine niederländische Statthalterihaft neben dem Stift
Münfter beibehalten, und hatte feine Luft, ſich für den geiftlichen
Stand zu binden. Auch am Faiferlihen Hofe nahm man Hein:
richs Anerbieten gern an, und zwar zunädit für Erzherzog
Matthias, aber nur unter der Bedingung, dab diefer Die Nieder:
lande verlaffe, andernfall3 wollte man lieber den jüngern Bruder,
Erzherzog Marimilian, nad Münfter gebracht ſehen. Matthias
hatte durd) die unbefonnene Annahme der niederländiichen Statt
halterſchaft ſich ſelbſt in die Häglichite Lage, zugleid) aber den gan=
zen deutihen Zweig des Hauſes Dfterreih in eine ſchiefe
Stellung zu dem ſpaniſchen gebracht. König Philipp wollte von
ſeiner Statthalterſchaft nie etwas wiſſen; Oranien und die Ge—
neralftaaten duldeten ihn zur Zeit zwar noch, geſtatteten ihm aber
faum eine ehrenvolle Unthätigfett und wünſchten ſchon längſt, ihn
mit guter Manier (08 zu werden; kam Matthias nad) Münfter,
jo erlangten fie obendrein einen angenehmen oder mindeftens un:
gefährlihen Nachbar ). — Kaiſer Rudolf wäre wohl nit jo
raſch auf Heinrichs Anerbieten eingegangen, hätte nicht der eben
jegt eingetretene Tod feines Oheims, des alten Herzogs von
Rumpf und Balthafar von Dannewig vom 9. Oktober 1579 angeführt,
welche, wenn richtig batiert, den Beweis liefern, daß Erzbifchof Heinrich da-
mals bereit8 fowohl dem Erzherzog wie dem Kaifer feinen Verzicht auf
Münfter angeboten Hatte. Das Schreiben des Erzherzog Matthias an
Graf Johann von Nafjau bei Chmel, ©. 118 wirb in bem Dezember
1579 zu feten fein; ich lege basfelbe zugrundb, um bie Zeitſolge in der
öſterreichiſchen Bewerbung um Münſter zu beſtimmen.
1) Aus dem oben erwähnten Bericht bes Grafen Johann an Dranien
(Groen van Prinsterer VII, 354) geht zwar hervor, daß Johann ben
Erzherzog Matthias nicht gern im Stift Münfter gefehen Hätte; doch folgt
baraus nicht, daß dies auch bie Anfiht Oraniens und ber Generalftaaten
gewejen wäre.
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 679
Bayern, ihm Mut gemaht. Ein weiterer Grund, die Rüdjichten
auf die Häufer Bayern und Fülih außer Augen zu jegen, fam
noch hinzu: der Verdruß darüber, das ſich auf deren Betreiben
der Papit herausgenommen hatte, im Widerjpruc mit der Reichs—
verfaffung und mit den Konkordaten der deutichen Nation, über die
Meltlihfeit eines Reichsfürſtentums zu verfügen, indem er, ohne
den Kaiſer zu fragen, den Herzog — Wilhelm zum Admi=
niftrator von Münfter ernannte.
Schon um die Mitte November erhielt man am cleviichen
Hof, zuerft duch den Herrn von Rheidt, bald danach auch aus
Arnheim einige Andeutungen über den neuen Plan. Am 18. De—
zember erſchien zu Düffeldorf, mit einem vom 23. November da—
tierten Beglaubigungsichreiben des Kaijers, der alte Freiherr von
Winneburg und teilte, um ftrenges Geheimnis bittend, mündlich
mit, daß ſich Erzbiſchof Heinrich erboten habe, einen der Brüder
des Kaifers nad Münfter zu befördern; auch Herzog Wilhelm
möge dazu behilflich fein oder mwenigftens Domtlapitel und Land—
ftände gewähren laſſen; ev wies hin auf den Beihluß des letzten
münfterjhen Landtags, wonach weder Bayern nod) Bremen po=
ftuliert werden folle. Auf den Rat des Kanzlers Orsbeck ant-
wortete der Herzog ausweichend: er gedachte des jüngft erlaffenen
Adminiftrationsbreves und feiner daraufhin bereit3 an den Sailer
gerichteten Bitte um die Regalien, auch müſſe abgewartet werden,
was der bevorftehende neue münſterſche Landtag beichließe. —
Diejer Landtag, gemäß dem Abſchied des lekten ausgefchrieben,
fobald man die Nahriht erhielt, daß der Kaifer demnächſt feine
Kommifjare jenden wolle, fand ftatt vom 4. bis 6. Januar
und verlief ganz nah Wunſch der bremiihen, jest alſo auch
faiferlihen Partei. Die briefiihe Anzeige des Herzogs von Jülich,
daß Weſterholts Appellation in Rom verworfen und feine Er-
fommunifation bereit3 erfolgt fei, wurde faum beachtet; denn
Mefterholt3 Freunde wußten bereit3, wie übel man am kaiſerlichen
Hof mit Roms Vorgehen zufrieden war, und verließen ji dar-
anf, daß der Kaiſer den Vollzug des päpftlihen Urteils nicht zu=
680 Siebente® Bud. Viertes Kapitel.
geben werde. Der neue LZandtagsabichied befagte, die kaiſerliche
Kommiffion Tolle abgewartet werden; ſchon jet wählte man zehn
Deputierte aus Ritterſchaft und Städten, welche den Kommifjaren
bei den künftigen Vergleihsverhandlungen beiftehen jollten. Sollte
aber die faiferlihe Kommiſſion nicht ftattfinden — der Mainzer
Kurfürft Hatte bereit3 abgelehnt — oder nichts ausrichten, jo
wollte man den Herzog von Jülich neuerdings durch Gejandte er-
ſuchen, feinen Sohn vefignieren zu lafjen und einige geeignete Kan—
didaten zur Auswahl vorzufdhlagen. — Die Senioren behaupten
zwar jpäter, fie hätten diefem Abſchied nicht ausdrüdlid zuge—
ftimmt, in der That Hat ihn aber einer der Ihren, der jetzige Se—
nior Büren, namens des Kapitel3 befiegelt.
Die Hoffnung, ſchon durch die bloße Ankündigung, daß Wefter-
holt erfommuniziert, die Junioren nachgiebig zu ftimmen, mußte man
nun aufgeben. Herzog Wilhelms cleviſche und jülihihe Räte kamen
überein, da jofort das Privationsmandat und bald danad) aud) das
Aominiftrationsbreve in Münfter überreiht werden müſſe. Man
wurde in diefem Entihluß noch beherzter, da ein Gejandter des
Prinzen von Parma, Johann Baptifta de Zafjis, am 21. Ja—
nuar in Hambad) eröffnete, dem König und dem Statthalter jei
der Plan, den Erzherzog Matthias nad) Münfter zu bringen, hoch
zumider; Herzog Johann Wilhelm möge demnach entweder bis zu
jeiner Verheiratung das Stift behalten oder es menigjtens nur
mit Vorwiſſen des Königs aufgeben. Im Vertrauen auf Spa=
niens Hilfe ließ man eine furz danach einlaufende ſcharfe Rüge
de3 Kaiſers wegen des päpftlihen Eingriffs in die weltliche Re—
gierung von Münfter unbeadtet.
Am 8. Februar infinuierte ein cleviiher Notar dem münfter-
ihen Domtapitel das römishe Mandat, durch welches Wefterholt
erfommuniziert und feiner Amter und Pfründen entjeßt wurde.
Namens des Kapitels erklärten ſich Dechant und Senioren ſchuldig,
ihrer höchſten geiftlichen Obrigkeit zu gehorhen, und noch im jelben
Monat ernannte Herr Arnd von Büren, in deſſen Turnus Weiter:
holt3 Privation fiel, als Nachfolger für den erledigten Kapitelplag
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 681
einen Neffen de3 Dechanten, jenen Johann von Raesfeld, welcher
bor drei Jahren den Befehl zur Neftitution Johann Wilhelms
bon Rom geholt hatte. Damit ſetzte man fi hinaus über das
fanonijche Recht und über die Konkordate der deutichen Nation, welche
beftimmen, daß der Papſt, wenn er jemanden abſetzt, deſſen Pfrün—
den wieder zu verleihen habe.
Weiterholt3 Erlommunilation erwedte in dem Dechanten und
jeinen beiden ergebenen Gehilfen, Syndikus und Sekretär, die
Hoffnung, daß es jetzt vielleicht möglich fein werde, ihrer Partei
die Majorität des Kapitels zu fihern, und alsdann in Eile zur
Mahl des bayriihen Herzogs zu jchreiten. — Zwölf Freunden
Bayerns hatten im Jahre 1575 fiebzehn bremiſch gefinnte gegen=
über gejtanden. Seitdem hatten Tod, Verziht, neue Ernennung
das damalige Verhältnis der Parteien verihoben. Von den Se—
nioren hatte nur einer, Herr Heidenreich Drofte, refigniert, dagegen
war bon den Junioren ſchon vor langer Zeit der ehemalige
Sholafter Diepenbroid zurüdgetreten, nachher der Senior Nagell
geftorben; jüngft hatten weiter der Viztum Bernhard von Büren
und Herr Jörg Ketteler rejigniert; Rotger Setteler galt, warum
wien wir nicht gewiß, für unfähig im Kapitel zu fißen, Weiter:
holt war joeben priviert: — es ftanden aljo elf Stimmen gegen
elf. Von den neuernannten Domherren glaubte man ſechs bisher
neutrale: Wennemar von Ajchebroid '), Heinrih Drofte, Heinrich)
von Raesfeld, Kuno Freiherr von Winneburg und zwei junge
Herren von Velen auf die bayriiche Seite ziehen zu können; die
anderen neuen Kanoniker, Dietrih von Merfeld, Heinrih von
Büren, zwei Herren von Wefterholt waren zwar entjchieden bre=
miſch gejinnt, aber entweder noch gar nicht emanzipiert oder doch
nicht, durch die Subdiafonatsweihe, qualifiziert im Kapitel mitzu=
1) Wennemar von Afchebroid erfcheint bereit8 in dem o. ©. 330/1 Anm.
gegebenen Berzeihnis der bremifchen Votanten (von Martini 1575); vielleicht
war er einer von bem jungen Herren, melde damals mitftimmten, ohne
[durch die Subbialonatsweihe] qualifiziert zu fein.
682 Siebented Bud. Viertes Kapitel.
ftunmen. Verſchiedene Urjahen trieben den Dedanten zur Eile:
einmal die Bejorgnis, Weiterholt könne in Rom, vom Sailer
unterftügt, feine Reftitution durchſetzen, — man hatte erfahren,
daß Erzbischof Heinrichs Sekretär Hermann von der Bede jeit
Mitte Dezember deshalb in Prag weilte und dem Kaiſer zwei
ihöne Pferde als Geſchenk mitgebradht hatte; ferner daß der Kur—
fürft von Sachſen, zum Beſten von Ruhe und Frieden im Reid,
jein gewichtiges Wort für Weſterholt einlegtee Dazu kam die
Nachricht, die angekündigte Kommilfion fei in einer für die bay:
riſche Partei höchſt ungünftigen Weife abgeändert. — Dem Bei:
fpiel des Mainzer Kurfürften folgend, hatte auch der Trierer jeine
Teilnahme an der Kommiffion abgelehnt. Das gab dem Kaiſer
willlommenen Anlaß, nunmehr (am 18. Februar) andere Kommiffare
zu ernennen, auf die er fi, zugunften feines eigenen Hauſes,
beffer verlaſſen konnte: Kurfürft Gebhard von Köln und den alten
Hofratspräfidenten Winneburg. Kein Zweifel, daß ſich Gebhard der
Kommiffion von vornherein mit der Abſicht unterzog, feinen vor:
maligen Kölner Gegner nun aud in Miünfter zu befämpfen;
Winneburg aber erhielt geradezu Befehl in diefem Sinne: ſchon
am 12. Februar beauftragte ihn der Kaifer, fich wieder zum Her:
zog von Jülich zu verfügen und abermal3 mündlid für einen
jeiner Brüder zu werben. Gleichzeitig richtete Rudolf an Papit
und Kardinäle ſehr energiihe Fürfchreiben für Weſterholt, deſſen
Evofation nad Rom ebenfo den münfterichen Privilegien, wie
Herzog Johann Wilhelms Ernennung zum Adminiftrator den Kon—
fordaten der deutichen Nation widerſpreche; zudem gefährde Weiter:
holts Privation nicht bloß das Stift Münfter, jondern werde im
ganzen Reich Unruhe und Weiterung erweden. Der Papft möge
darum diejelbe widerrufen oder mindeftens den Vollzug auf drei
Jahre einftellen.
Ein dritter mehr verftedter Grund, der den Dechanten zu eilen
beiwog, war endlich die Zucht, Jülich und Bayern möchten ſich
unter der Hand mit dem Bremer Erzbiſchof über den Belig von
Münfter verftändigen, auf Koften des Stifts und nebenbei aud)
Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münſter. 688
der Senioren. — Im November 1579, bald nad Herzog Albrechts
od, hatte Graf Salentin von Iſenburg dem Freilinger Biſchof
jagen lafjen: wenn man veriprechen wolle, dem Bremer Erzbiſchof
jährlich 4000 Thaler vom Stift Münfter zu reihen, hoffe er,
der Graf, es dahin zu bringen, daß Herzog Ernft ohne weitere
Schwierigkeit das Stift befomme. Dieſen Wink hatte Ernft an
den Hof feines Oheims gelangen laffen, wo man im Januar 1580
auch den Gejandten Farnejes, Taffis, im Vertrauen davon veritän-
digte, um zu erfunden, ob vielleiht Spanien im Intereſſe guter
Nahbarihaft zu den erforderlichen 4000 Thalern etwas beitragen
wolle. Salentin jelbft erbot jih mit Herzog Wilhelm, bei Gelegen=
beit einer Kindtaufe in der Familie Reifferſcheid, weiter über die
Sade zu fprehen. Wlerander von Parma erklärte ſich wirklich,
alsbald nad) Taſſis' Rückkunft, einverftanden, dak man, wenn Johann
Wilhelm das Stift Münfter nicht jelbft in Händen halten wolle,
dem bayriihen Prinzen mittel einer an Bremen zu zahlenden
Penſion die Nachfolge verihaffe *); fall es etwa dem bayriichen
Herzog ſchwer falle, die erforderlihe Summe aufzubringen, jo wolle
er, Farnefe, bei feinem König ſich dafür verwenden, da Herzog
Ernft durch eine ſpaniſche Penfion entihädigt werde. Ende Fe:
bruar kam ſodann Heinrihs Rat Lorenz Schrader nad) Düfjeldorf
und ließ durch den Herrn von Rheidt allerhand Vorſchläge maden,
wie Mefterholt und die Junioren mit Bayern auszujöhnen jeien;
er warnte davor, daß fi widrigenfall3 fein Herr vielleicht mit dem
Kaifer verftändigen werde. Jedoch traute man an Wilhelms Hof
dem alten Ränkeſchmied nicht recht, fondern wünſchte vom Erzbiſchof
jelbft Zuverläffigeres zu erfahren; vor allem aber wollte man
1) Farneſe fcheint feltfamermweife Taffis’ Bericht jo aufgefaßt zu haben,
als gehöre auch der Bremer Erzbifchof zu den münfterfhen Domherren:
cum inter ceteros ejusdem ecclesiae canonicos gratia et auctoritate plu-
rimum valeat archiepiscopus Bremensis, quem intelligo ab adversariis
annua promissa pensione sollicitari, res sane melius successura videretur,
si idem Frisingensis episcopus eandem aut ampliorem pensionem dicto
Bremensi offerat. Alex. von Parma an Herzog Jülich. Maeftricht 15. Febr.
1580. Dr. DA. 288, fol. 71.
654 Siebented Bud. Viertes Kapitel.
wilfen, was die Senioren über den Plan dächten. — Aber bei
diefen, namentlih bei Goddert von Naesfeld, ftieß der ganze
Handel auf den entſchiedenſten Widerwillen: unmittelbar auf die
erfte Nachricht von demjelben wurde der verwegene Plan gefaßt,
durch eilige Majoritätsmahl des bayriihen Herzogs die Gegner
zu überrumpeln.
Nah kurzem Bedenken — ob des Dedanten Plan nicht etwa
zugunften der öfterreihiihen Kandidatur ausichlagen könne —
lieg man fid) denjelben auch am clevischen Hofe gefallen und erbot
fi, mitzuhelfen, um in der Stille die zur Neuwahl nötige Stim—
menmehrheit zu gewinnen. Der Kapitelsſekretär Schmale ging zu
dem Trierer Domdehanten und münfterjhen Domherrn von der Leyen
und ließ fih von ihm verſprechen, daß er aud diesmal wieder
dem Freilinger Biſchof feine Stimme geben wolle. Nachher fuchte
Schmale den Freiheren Kuno von Winneburg auf, des Präfidenten
jüngiten Sohn, der zwar nicht für katholiſch galt, aber feinen mün—
fterihen Kapitelplag durch Vermittelung des Syndifus Schade er=
langt hatte und aud dem Dechanten Raesfeld Dank fchuldete. Der
Freiherr gab jein Ehrenwort, daß er bei der Neuwahl erſcheinen
und für Herzog Ernſt ftimmen werde. Den alten Herin von
Velen, münfterfhen Marſchall, beſchied Herzog Wilhelm zu fi,
um ſich durch ihn Der beiden geiftlihen Söhne desjelben zu verfichern :
der eine, Alerander, befand jih in Frankreih in Sriegsdienften,
der andere aber, Johann, ließ ſich alsbald (am SKarfamstag,
2. April), um fapitelfähig zu werden, durd den Kölner Weih—
biſchof Craſchel zum Subdialon weihen. Damit nun nicht die
beiden noch ungemeihten bremiſch gefinnten Kanoniker, Dietrich
bon Merfeld und Bernhard von Wefterholt, des Herrn von Lem—
bed Sohn, dasſelbe thun könnten, ließ fi Herzog Wilhelms Rat
Dr. Walter Fabrictus von Craſchel verjpredhen, daß er fortan
feinen muünfterihen Kanonikus außerhalb der gejeglihen (Qua—
tember=) Zeit weihen werde. Wirklich verweigerte Craſchel nach—
her dem jungen Wefterholt die nachgeſuchte Weihe. Ferner ver—
Iprad) der Herzog von Jülich vor der Neuwahl feinen Sohn aber=
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 685
mal3 rejignieren zu laffen. Von dem Freifinger Biſchof bedurfte
man wieder einer Afjefuration und einer Vollmacht zum Abſchluß
der Kapitulation mit den etwa nötigen Anderungen. Zu dieſem
Zweck machte fi ein reitender jülichſcher Hofbote, mit kurzem
Bericht über den Anjchlag der Senioren, am 21. März auf den
Meg nad Münden und nahm zugleid Briefe an Papft und
Kardinäle mit, in welchen gebeten wurde, Rom möge zum Beſten
der geplanten Neuwahl die Verleihung der Pfründe Wefterholts
an Johann von Raesfeld entweder genehmigen oder jelbft diefem
die Pfründe neu verleihen. Späteftens bis zum Sonntag Mi-
fericordia (17. April) follten die bayriſchen Urkunden in Jülichs
Händen fein.
Aber den, welchen die Sache zunächſt anging, Herzog Ernſt,
fand der Bote weder zu Münden nod zu Freifing; jeit Wochen
ſchon weilte er in Italien, angeblid) wegen einer nad) Loreto ver-
lobten Kirchenfahrt; in der That ſaß er die ganze Zeit über in
Venedig, machte hier allerhand Luftbarkeiten mit und wollte nod)
bis Ehrifti Himmelfahrt bleiben, um fi) das große Feft des Tages,
die Vermählung des Dogen mit dem Meere, einmal anzujehen.
In der Zmwifchenzeit jollte auf der Poſt ein Abfteher nad) Loreto
gemacht werden.
Indeſſen nahm fi Herzog Wilhelm der Sache feines Bruders
wie feiner eigenen an. Er forderte den Kaifer auf, fi nicht
durch Wefterholt zu etwas verleiten zu laſſen, was der katho—
lichen Religion zumider oder den beiden Häufern Fülih und
Bayern verkleinerlih ſei. Auch den Kurfürften von Sachſen bat
er, der Juſtiz — d. i. dem römischen Proze gegen Weiterholt —
ihren ftraden Lauf zu laffen. Das Schreiben an den Kaiſer be=
gleitete ein Brief an den Vizekanzler Vieheufer, worin Wilhelm
feinem Unmut über die zugunften des Erzherzog Matthias getrie—
benen Praftifen noch ſchärferen Ausdruck gab. Er erwarte, jchreibt
er, dag Rudolf als ein katholiſcher gerechter Kaifer ihm willfahren
werde; „dann jollte dem zumider ichte beſchwerlichs erfolgen,
müßten wir e3 dahin verftehen, daß es uns zu Ungnaden oder
656 Siebente® Bud. Viertes Kapitel.
ionft jonderer Privaturfadh willen beſchehe; wie uns dann ein
Zeit her des Stifts Münfter halb allerlei zu Ohren kommen, dem
wir doc bisher, dieweil es der nahenden Blutsfreundfhaft, auch
dem hohen und vielfältigen Erbieten zuwider, feinen Glauben geben
können.‘ — Für den Herzog von Jülich ftellte Wilhelm einft-
mweilen in feinem eigenen Namen aber mit feines Bruders Siegel
eine Vollmacht aus zum Abſchluß einer neuen Kapitulation. Zu
gleicher Zeit bat er den Grafen Salentin von Iſenburg, diefer möge
fi) bei dem Bremer Erzbiſchof erfundigen, ohne jedoch feiner zu er=
wähnen, wie der Erzbiſchof inbezug auf Verzicht gegen Benfion gefinnt
fei. Bei all dem hegten aber Herzog Wilhelm und feine Räte
den lebhafteften Wunſch, Ernſt möchte fchleunigft heimlehren. Schien
dies Shon nötig wegen der Ausfiht, nun endlih in den Beſitz
von Münfter zu kommen, um jo mehr nod wegen der bedenk—
lihen Nachrichten, die in demſelben Augenblid aus Salzburg ein=
gelaufen waren.
Als Herzog Ernft im September 1579 einen Kapitelplag in
Salzburg erlangt hatte, vermied man bon bayriider Seite vor=
fihtig, feine Abſichten auf die Nachfolge dafelbit offener an den
Zag zu legen, zumeift wohl darum, weil Erzbiihof Hans Jakob
bereit3 im Sommer diejes Jahres den Vorſchlag einer Koad—
jutorie unmillig von fi gewiejen hatte. Bayern beihränfte ſich
darauf, den Domherrn Joachim Berner als ftillen Beobachter
aufzuftellen. Mittlerweile jpann aber der Kaifer mit dem Dom:
dehanten Wilhelm von Zrautmansdorf, der fi) bisher als Freund
de3 bayrischen Haufes ausgegeben hatte, geheime Praktiken an, um
einem jeiner Brüder, Matthias oder Marimilian, die Koadjutorie
zu verichaffen ). Monate hindurd), vom Sommer 1579 an, wurde
mit Zrautmansdorf durd einige in faiferlihem Dienfte ftehende
1) Maffei bringt die Praftifen des Dombechanten in Zufammenhang mit
defien Sorge für feine Kinder, deren er allerdings von zwei Konfubinen
eine ziemliche Anzahl hatte.
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 637
Freunde und Verwandte desjelben in der Stille verhandelt, bis end-
li, im Januar 1580, der faiferliche Geheimrat Rudolf Khuen,
ein Bruder des Erzbiihofs, bei diefem jelbit eridien und offen
das Anfinnen ftellte, Hans Jakob möge einen der jungen Erzherzöge
al3 Koadjutor annehmen. Obwohl der Erzbiichof, ſoviel wir ſehen,
rundwegs mit Nein antwortete, fuhr doch der Dedant fort, ing-
geheim auf die öſterreichiſche Succeſſion Hinzuarbeiten. Mitte
März kam es im Domkapitel wegen der von verichiedenen Seiten
getriebenen Praktiken zu gegenfeitigen Vorwürfen und vierzehn
Zage darauf ließ das Kapitel, mit Zuftimmung des Erzbiſchofs,
jeinen hochbejahrten Dehant plöglich verhaften und als Gefangenen
auf das Hauptihlog bringen. Neben dem Vorwurf, daß er dem
Erzbiſchof und dem Kapitel wider ihren Willen einen Nachfolger
babe aufdringen wollen, hatte man mancherlei Beſchwerden über
jein eigenmädhtiges Schalten im Erzftift und insbeſondere über
Unterfhlagung eines die Stiftsregierung betreffenden päpftlichen
Breves. Vermutlich hatten fi) die bayrisch gefinnten Domherren,
drei oder vier an der Zahl, mit anderen, die vielleicht für fich
jelb}t auf die Nachfolge vechneten, namentlih mit dem Dompropft
Georg von Küenburg und dem Herin Sigmund Friedrich Fugger,
zu diefem gewaltfamen Vorgehen verbündet. In den Briefichaften
des Dechanten fand man Belege für die mit dem Haufe Ofterreic
getriebenen Praftifen in Menge. Bereit3 am 4. April wurde Wil-
helm von Zrautmansdorf jeines Amtes entjegt und an jeiner
Stelle Sigmund Friedrid Fugger zum Dechanten erwählt.
Herzog Ernſt erhielt diefe Nahriten über Münden in Bes
nedig. Er ſchwankte anfangs, was zu thun fei. Als ihn da-
nad) aber wiederholte Briefe des Kapitels einluden, an den Be—
ratungen über die jet vom ganzen Kapitel geforderte Koadjutorie
teilzunehmen, jegte er ſich Ichleunigft auf die Poſt und reifte gerade-
wegs nad Salzburg, wo er, begleitet von Paul Stor von Oſtrach,
jeinem nunmehrigen Kämmerer, bereits am 29. April eintraf.
688 Siebentes Buch. Viertes Kapitel.
Mittlerweile waren in Münfter die Dinge durchaus nicht nad)
Wunſch und Erwarten der bayriihen Partei verlaufen. — Am
9. April, al3 der Dechant der Majorität im Kapitel fiher zu fein
glaubte, hatte er mit den befreundeten Senioren den Beſchluß
gefaßt, zur neuen Poftulation zu jchreiten, jobald dies nad) den
Statuten thunli war. „Zur Verhandlung wegen der Poſtu—
lation und zur Wahl eines neuen Scholafters‘, wurde aljo auf
den Dienstag nach Fubilate, 26. April, ein peremptoriiches Kapitel
ausgeichrieben ; die Abficht war, bereits an diefem Tage die Neu:
wahl jelbft vorzunehmen. Aber das Ausichreiben des Kapitels
enthüllte, da es allen in der Kirchenprovinz fih aufhaltenden Ka—
nonifern zugeftellt werden mußte, das bisher bewahrte Geheimnis
auch den Gegnern und trieb fie an, alle Segel beizufeßen, um
nicht von der bayriichen Partei überholt zu werden.
Kurfürft Gebhard und der alte Freiherr von Winneburg, welde
im Laufe des März in Befit der faiferlihen Kommiſſion gelangt
waren, würden fid) wohl nicht jo jehr beeilt haben, dieſelbe aus-
- zuführen, hätte nicht Gebhard durch den an feinem Hofe dienenden
jungen Domherrn von Wefterholt erfahren, daß der Wahltag be
borftehe, alſo Gefahr im Berzug ſei. Am 14. April kündigten
die beiden Kommifjare dem münfterjhen Kapitel ihre Kommiſſion
an; vier Zage jpäter folgte die Anzeige, daß fie, wegen des auf
den 26. April ausgeichriebenen Poftulationstages, bereit3 am
2öfen in Münfter ericheinen würden; fie forderten alfo das fa:
pitel auf, bei Vermeidung faiferliher IUngnade die Kommifjion zu
erwarten und inzwiſchen mit der Poftulation nicht fortzufahren.
Auch Erzbiihof Heinrich vernahm durd) feine münfterichen
Freunde, was die Senioren im Schilde führten; daraufhin zog
er in Eile aus feinem Stift Bremen nad dem osnabrüdiihen
Haus Iburg, fünf Meilen von Münfter, wohin er feine Bremer,
Osnabrücker und Paderborner Räte und Hofleute in großer Zahl
beihied und wo fih auch Weſterholt und andere Junioren
einfanden. Ein Gefandter Heinrichs eilte nach Arnheim zu Graf
Johann von Naſſau und bat diefen um Hilfe, damit die
Herzog Johann Wilhelm wird Abminifirator von Münſter. 689
beabjihtigte Poftulation umgeftoßen oder wenigftens aufgehalten
werde. Am 22. April kündigte Heinrichs Rittmeifter Johann von
Plettenberg dem Kapitel, der Regierung und dem Stadtrat an,
jein Herr wolle, wegen wichtiger Dinge und auf ein Gutachten
des Kaiſers Hin, am Sonntag Abend, 24. April, in die Stadt
fommen und ihnen andern Morgens Vortrag halten. Zum Ber-
druß Godderts von Raesfeld bemwilligte der Stadtrat den Eimritt.
Als Heinrich zur beftimmten Zeit, mit ftattlihem Gefolge, 142
Pferde ftarl, in Münfter einzog, wurde er mit allen Ehren em—
pfangen. — Kurz nad ihm trafen die Räte des Herzogs von
Jülich ein, Heinrid) von der Rede, Dietrih von der Horft und
Dr. Walter Fabricius, fpäter no Johann von Aldenbodum. Sie
hatten Befehl, nur wenn die Poftulation des bayrischen Herzogs
gewiß, Johann Wilhelms Verzicht zu übergeben, jonft aber zu er—
klären, diefer fei erbötig, auf Grund des päpftlichen Breves Die
Adminiftration zu übernehmen.
Am folgenden Morgen hatte Erzbiihof Heinrich, der zuerft ger
fommen, auch zuerit Audienz bei Regierung und Stadtrat; auch
von der Nitterfchaft waren einige Herren mit anmejend, darunter
der Herr von Steinfurt, Graf Arnd von Bentheim-Tecklenburg;
dagegen mar bon der jekigen Kapitelömehrheit niemand erjchienen,
angeblich weil fie zu ſehr mit anderen Dingen bejhäftigt jeien.
Der bremiihe Kanzler Gedeon Egeling hielt den Vortrag: Wie:
wohl jein Herr, jagte er, die ftarfe Majorität des Kapitels für
fich gehabt, Habe er doch um des lieben Friedens willen einge
willigt, daß man, anftatt feiner und des bayrischen Herzogs, einen
dritten wähle. Da man fid hierüber nicht einigen fonnte, habe
der Kaiſer Kommifjare verordnet und der münfteriche Landtag ſchon
zweimal beſchloſſen, deren Verrichtung abzuwarten. Zrogdem aber
wollten num der Dedhant und Genoſſen ohne weiteres zu neuer
BPoftulation ſchreiten. Daraus müfle Unruhe und Weiterung er—
folgen, welchem jein Herr als Nahbarfürft und dazu im Auftrag
des Kaiſers — ein faiferlihes Schreiben an Heinrih wurde ver—
Lofien, Köln. Krieg 1. 44
6% Siebente® Bud. Viertes Kapitel.
leſen ) — nit ruhig zufehen dürfe. Da nun das Kapitel ihn
nicht anhören wolle, jo fordere er Regierung und Stände auf,
dafür zu forgen, daß die Poftulation eingeftellt werde.
Zur jelben Stunde ſaßen die Senioren mit den jülichſchen
Räten in der Dompropftei zufammen und machten mit einander
aus, daß man trog Bremen und troß den faiferlihen Kommiſſaren
von der Neuwahl nicht abftehen wolle. Die herzoglihen Räte über:
nahmen es, dem Stadtrat die Gründe hierfür klar zu machen, ver-
fuchten es aud) noch am Nachmittag und forderten zugleich, der
Nat jolle das Kapitel bei Ausübung feines Wahlrechtes ſchützen.
Bürgermeifter und Rat antworteten jedoch zweideutig: Gewalt
wollten fie fo viel al3 möglid) verhüten, man möge aber die kaiſer—
liche Kommiffion abwarten. — Indeſſen waren aud die Subdele—
gierten des Kölner Kurfürften, der Marſchall Rutger von der
Horft, Dr. Schenk, die Licentiaten Auerdund und Middendorp, in
der Stadt eingetroffen; vor ihnen ſchon der zweite Kommiſſar,
der alte Freiherr von Winneburg. Da diefen Red im Vertrauen
warnte, er möge nicht durch die Kommiffion Migverftand zwiſchen
den Häufern Ofterreih und Bayern verurſachen, ſchien er etwas
betroffen, entihuldigte fih aber damit, daß er fi dem vom
Kölner Kurfürften bereit3 angenommenen faiferlihen Auftrag nicht
babe entziehen fönnen.
Am nächſten Morgen, 26. April, ließen die Kommifjare vor
verjammeltem Sapitel ein ausführliches Schreiben des Kaiſers ver—
lefen, worin die Rechtmäßigkeit des päpftlichen Aominiftrationg-
breves aufs jchärffte angefochten wurde; fie warnten vor des
Kaifer3 Ungnade, vor der Einmiſchung anderer Kurfürften und
Fürften, fall3 man zur Neuwahl jchreite, ehe die Domberren unter
einander verglichen; jie erboten jih, die auf dem legten Landtag
gewählten Deputierten zu ihren Vergleichsverſuchen beizuziehen.
Das Kapitel erbat Bedenkzeit.
1) Bon biefem kaiſerlichen Schreiben findet fih in den von mir benutzten
jülichſchen und Bayrifchen Alten keine Kopie.
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 691
Denn inzwiſchen hatten die Senioren erfahren, geftern Abend
jpät fei, unter falſchem Namen und unerkannt, Graf Johann bon
Nafjau in die Stadt gelommen und Habe gleich Heute früh zuerft
den Stadtrat, nachher auch die Herren von der Regierung zu ſich
berufen und beiden jehr jeltfame Dinge vorgetragen: — Das
ſtaatiſche Kriegsvoll bei Deventer Habe gehört, man wolle den Frei—
finger Biſchof poftulieren; das könne es nicht leiden, zumal man
erft jüngft aus aufgefangenen Briefen erſehen habe, derjelbe wolle
Stift Münfter zu einem Sit des Krieges machen. Auch manden
ſpaniſch gefinnten Räten des Herzogs von Jülich trauten fie nicht.
Er jeldft, Johann, jei von den unierten Provinzen beauftragt, ſich
zu erkundigen, ob vielleicht die münſterſche Regierung oder auch
Erzbiihof Heinrich die Hilfe des ſtaatiſchen Kriegsvolls wünſchten;
inzwijchen habe er dieſes noch zurüdgehalten, doch feien bereits
ein paar Fähnlein zu Rheine angelangt ). — In Wahrheit hatte
Graf Johann jelbft auf dem Weg von Arnheim nah Münfter
die ftaatiihen Hauptleute veranlaßt, ins Stift zu rüden.
Aufgefangene Briefe, echte und mehr noch faljche, fpielen in
den niederländiihen Händeln jener Zeit eine große Rolle. Auch
diesmal verfehlte die fede Lüge ihren Zweck nit. Die ganze
Stadt, bejonders das gemeine Volk, geriet bei dem Gedanken, die
niederländischen Kriegsbanden im Stift zu mifjen, in gewaltige Auf:
1) Id gebe den Inhalt des mündlichen Vortrags bes Grafen nach bem
darüber geführten Protofoll; Johanns Beriht an Dranien fiimmt in ber
Hauptfahe damit überein, fügt aber noch mancherlei Gründe bei, welche er
zum Beften der Wahl des Bremer Bifhofs und gegen die bes Freifingers
dem Rat vorgehalten habe. ferner erzählt Johann, daß er bereit8 unter-
wegs einen „Diskurs“ (gegen Bayern) zu Papier gebradht unb burch ben
Hofmeifter des Grafen von Bentheim unter der Gemeinde zu Miünfter babe
verteilen laſſen. Nach Iohanns Darftellung Hatte Erzbiſchof Heinrich das
Spiel bereit8 verloren gegeben, al8 Iohann fam und, faft gegen Heinrichs
Willen, den Umſchwung hervorrief. Übrigens unterfhägt Johann offenbar
den Einfluß ber kaiferlihen Kommiffton, hebt auch nicht genug hervor, daß
Heinrich mit ber von Johann befämpften Nachfolge eines Erzherzogs ein-
verftanden war.
44*
692 Siebentes Bud. Biertes Kapitel.
tegung; man bewaffnete jih, ſchloß die Thore, verftärkte die
Wachen und führte das große Geſchütz auf den Markt. — Bon
diefem Augenblid an waren die Vertreter der Gemeinde, Alder-
und Meifterleute, entſchloſſen, jegt feine Neuwahl und insbeiondere
nicht die eines der beiden Rivalen Bremen und Bayern zu dulden.
Des Rates Meinung war das ohnehin jhon lange. Auch von
Herzog Julius von Braunſchweig kamen Briefe an Regierung und
Nat, in welchen davor gewarnt wurde, bei diefem Zwieſpalt der
Gemüter eine Neuwahl zu gejtatten ?).
Am Morgen des 27ften erjchienen Abgeordnete von Rat und
Gemeinde zuerft vor dem Kapitel, nachher vor der Regierung
und verlangten auf Grund der von verſchiedenen Seiten erfolgten
Warnungen, jowie der Abſchiede der beiden lekten Landtage, man
Folle nicht den Freifinger Biſchof poftulieren, fondern entweder auf
Wahl einer dritten Perſon denken, oder wenn dies zur Zeit nicht
möglich, einftweilen an dem jekigen Poftulierten fefthalten. Die
Senioren proteftierten, weil dieſe Forderung in die Rechte des Ka—
pitels eingreife, Junioren und Regierung nahmen die Sade in
Bedenken. Am nämlihen Vormittag wurde zwischen Kommiſſaren
und Kapitel die Frage, ob zuerft Kommiffion oder Neumahl, er:
folglo3 weiter erörtert. Am Nachmittag aber, als die Senioren
und die jülihihen Gejandten wieder in der Propftei zujammen
famen, ftimmten beide überein, daß man unter den jegigen Umftänden
mit der Poftulation nicht fortfahren könne, fondern darauf denfen
müfje, wie Herzog Johann Wilhelm an die Adminiftration zu
bringen. — Schon am Abend zuvor hatten die Gefandten, da fie
jahen, wie jehr die Bürgerſchaft ſeit Graf Johanns Ankunft er:
regt war, ihren zu Cleve weilenden Herzog gebeten, fein Hoflager
an die Stiftögrenze, nad Schermbed zu verlegen, um den feind:
lichen Einſchüchterungen ein Gegengewicht zu bieten und nötigen
1) Bereits im Oftober 1579 finden wir ben Braunfchweiger Herzog in
Briefwechfel mit Graf Johann wegen ber münfterfhen Wahl. Groen van
Prinsterer VII, 101.
Herzog Iohann Wilhelm wird Adminiſtrator von Münſter. 698
falls mitjamt dem Poftulierten in die Stadt ſelbſt zu kommen.
Damit erflärten fi) nun auch Senioren und Negierung einver-
ftanden. — Der alte Herzog, deſſen einflugreichite Räte ohnehin
mit Graf Johann, ihrem geldriihen Nachbar, auf geipanntem
Fuße ftanden, jagte jofort zu; ſchon am 29ſten brad) er von Gleve
auf, in Monreberg (bei Calcar) ſtieß Johann Wilhelm zu feinem
Vater; am Abend des 1. Mai zogen die beiden Fürften in Schloß
Schermbeck ein, wohin aud eine Anzahl Landſaſſen aus Berg,
Mark und Ravensberg beichrieben wurde.
Unterdes hatten Erzbiſchof Heinrih und Graf Johann die
Stadt bereits verlaffen, der erfte am 27. April, Graf Johann,
zufammen mit dem Grafen von Bentheim, am 28ften, Aber die
Dinge ftanden darum nicht befjer für die hayrtihe Partei. Ein
Trupp ftaatiicher Reiter von Graf Hollachs (Hohenlohes) Volk lag
wirklich ſchon im Stift und zeigte, troß der Aufforderung dur
die Regierung, feine Luft, wieder abzuziehen. Ginige ſtaatiſche
Hauptleute erſchienen jogar, angeblich veranlaßt durch die Junioren,
in der Stadt, um zu fehen, wie fie fagten, mo dies Werk hinaus
wolle. Auch fanden fi am 28ften viele Herren von der Nitters
ihaft, Verwandte und Freunde Wefterholts, in Münfter ein und
verlangten, der Stadtrat folle mit ihnen bei der Regierung darauf
dringen, daß das Kapitel am legten Landtagsabihied fefthalte.
Das geihah am folgenden Tag durch Rat, Alder- und Meifter:
leute, am 30ften dann auch, durd den Nat, bei den Senioren
jelbft —, mit ſehr entichiedenen Worten. Nicht umfonft hatte
Graf Johann die Bürger an einen alten Sprud erinnert, den
ihre Vorfahren bei Neuwahlen zu den Domberren zu ſprechen
pflegten: „Habt ihr die Thür, jo haben wir den Schlüſſel zur
Thür!‘ Die Gemeinde ließ melden: wenn man balsftarrigerweile
mit der BPoftulation fortfahre und einen bon den genannten
Herren, Bremen oder Bayern, poftuliere, wollten fie die Kapitu—
laren jo lange hier fefthalten und verwahren, bis man jehe, was
daraus erfolgen werde; die Herren Kapitularen follten bei ihnen
in der Stadt bleiben, Lieb und Leid mit einander zu tragen.
694 Siebente® Bud. Viertes Kapitel.
Bereit? am Tag zubor waren, von den Verordneten zur Re—
gierung berufen, die anderen Hof= und Landräte in der Stadt
erſchienen und unterzogen ſich fortan, zujanmen mit jenen, der
Aufgabe zwifhen Rat und Gemeinde einerſeits, Senioren und
ülihichen Gejandten anderjeit3 zu vermitteln ). Die Bürger:
ſchaft forderte dreierlei: 1) man folle gemäß dem legten Land—
tagsabihied abwarten, was die faiferlihe Kommiffion ausrichten
werde; 2) weder Bremen nod) Bayern, fondern einen dritten
poftulieren; 3) fall3 dies nicht möglich, dann nod eine Zeit lang
bei dem jegigen Poftulierten bleiben. Dagegen wandten die Se:
nioren ein, daß die Kommifjare nun ſchon acht Tage in der Stadt
feien und noch nit ein Vergleihsmittel vorgeſchlagen hätten;
auch ſei die eigentlihe, auf dem lekten Landtag gemeinte Kom—
miffion dadurd) erlofhen, dab Mainz und Trier abgelehnt; die
neue jei ein parteitfches erpraftiziertes Werk, die Intereſſenten
Jülich und Bayern feinen nit mit citiert, der Kölner Kurfürft
könne diefen beiden Häufern als Kommiſſar nicht genehm fein
u. |. w. Die zweite Forderung habe der Herzog von Jülich
längft abgelehnt, weil ihm Ehre und Reputation verböten, einen
andern als den Freifinger Bifhof zu empfehlen. Mit Punkt 3
feien fie einverftanden, fall3 er jo ausgelegt werde, daß man den
jegigen Boftulierten al3 ein Haupt zur Regierung kommen lafje.
Aber jo meinten es Rat und Bürgerfhaft nicht, fondern wollten
nur, wie fie fi) ausdrüdten, den Poftulierten jo lange an der
Hand behalten, bis man zum dritten fomme, damit man alio
beim Krummftab bleibe. Dffenbar hatte in der Stadt das Miß—
trauen Wurzel geihlagen, daß e3 das Haus Jülich auf dauernde
Herrſchaft über das Stift abgejehen habe.
1) Das jülichfche Protokoll nennt als Vermittler: „Eort Ketler, marfchalt
Belin, droft zu Wolbed Rasfelt, canzler Sted, Heibenrih Drofte, Red ber
tho Heefien und Strid mit noch einem licentiaten u. fecretarien.” Bon
biefen Herren waren Belen, Raesfeld und Sted zugleich Berorbnete zur Re-
gierung, f. 0. ©. 255.
Herzog Iohann Wilhelm wird Adminiftrator von Münſter. 69%
Fünf volle Tage, vom 29. April bis zum 3. Mai, zogen
fi diefe Verhandlungen ohne Rejultat Hin, was den jülichſchen
Geſandten inſoweit nit unlieb war, als ihr Herzog mittlerweile
in die Nähe fommen und feinen Einritt in die Stadt vorbereiten
fonnte. Die kaiſerlichen Kommifjare blieben die ganze Zeit über
in der Stadt; am Morgen des 3. Mai erklärten fie endlich: da
ihre Mühe vergeblich geweſen, müßten fie wieder an den Kaifer
berichten; man jolle darum, bei Vermeidung des faiferlihen Zornes,
die Poftulation auf drei Monate vertagen. Zwar entzogen ſich
die Senioren einer ſolchen Zufage, die Kommiſſare verließen fich
aber darauf, daß Stadtrat und NRitterihaft die Wahl des Frei-
finger Biſchofs jobald nicht zugeben würden. Am Nachmittag des
3. Mai ſprach der Rat noch einmal den beftimmten Wunſch aus,
daß ein dritter gewählt werde, und behielt fi vor, aud an Her—
zog Wilhelm, der feine Ankunft bereits angekündigt hatte, dieſe
Forderung zu richten ). — Auf feinem Rückweg von Miünfter,
zu Dülmen, begegnete der Freiherr von Winneburg dem heran-
ziehenden Herzog, und erſuchte ihn, gemäß dem Befehl des Kaiferz,
abermals, einem von defien Brüdern nad; Münfter zu verhelfen,
wurde aber kurz abgewiejen.
Am Abend des 7. Mai zogen die beiden Herzöge, Vater und
Sohn, mit etwa 300 Pferden durch das Agidithor in Münfter
ein. Die Stadt ließ es an äußeren Ehren nicht fehlen: über
2000 Bürger gingen in Nüftung mit fliegenden Fähnlein vor
ihnen ber. Dagegen lud der alte Herzog das ganze Domkapitel
famt den anmwejenden weltlichen Ständen zugafte und verehrte den
Bürgern, welche ihn beim Einzug geleitet, 100 Reichsthaler.
1) Wie fehr Rat und Gemeinde ber jülich-bayrifhen Partei abgeneigt
waren, merkt man felbft aus der Art, wie ber Rat Herzog Wilhelms An-
fündigung, daß er am Abend bes Tten in bie Stabt fommen wolle, beant=
mortete: während bie Regierung ihn „Herzlich gern und mit erfreutem Ge-
müt“ aufzunehmen verſprach, antworteten Bürgermeifter und Nat, fie feien
- „feiner Ankunft gewärtig, jedoch im träglicher Anzahl”; auch verfähen fie fich,
bes Herzogs Gefolge werbe ſich „frieblih und aller Gebühr nad bei ihnen
verhalten”.
69% Siebentes Bud. Biertes Kapitel.
Am nächften Morgen begann das Gejhäftliche damit, daß der
Herzog im Kapitel feinen Neffen, Herzog Ernſt, neuerdings em—
pfehlen ließ. Hierauf veriprahen die Senioren, ihrer alten Zufage
treu zu bleiben, die Junioren forderten wieder freie Wahl. Am
9. Mai erichienen Abgeordnete von Regierung, Ritterihaft und
Städten vor dem Herzog, erinnerten an al’ die vergeblihen Ver—
juche, beide Zeile zu vergleihen, an Erzbiſchof Heinrichs jüngfte
Erklärung, daß er fich feines durch Majorität erlangten Rechtes
nicht begeben wolle, an die vielen Warnungen vor der Wahl eines
der beiden Rivalen, — und ftellten demnach dem Herzog anheim,
entweder eine dritte Perſon zu empfehlen oder mehrere, zur Aus-
wahl vorzufchlagen. Dabei erinnerten fie ihn wieder an das
Veriprechen, welches er ihnen vor anderthalb Jahren (am 30. Di:
tober 1578) zu Hambach gegeben hatte. Der Herzog ließ ant—
morten, feine fürftlihe Ehre verbiete ihm, von dem was früher
verabredet abzuftehen; empfehle er jegt einen andern als ven
Freifinger Biſchof, jo würde es ausfehen, als ſei dieſer wirklich
eine ſolche Perſon, wofür man ihn ausgegeben; auch würden ſich
Senioren und Junioren doch nit vergleichen können; die erpraf-
tizierten Warnungen jeien nit gar gefährlih, man möge nur
kühn mit der Wahl fortfahren. Am Nachmittag und am folgen-
den Tag geichah vonjeiten des Herzogs öffentlich nichts; dafür
bemühten fi feine Räte privatim, einzelne Ritter und Bürger
für Johann Wilhelms Aominiftration einzunehmen; Landftände
und Regierung verhandelten hierüber auch unter einander. Am
Abend des 10ten fam es zu einem Kompromiß: die jegige Ka—
pitelämajorität verzichtete für jest auf die Neuwahl; dagegen gaben
Junioren und Landftände zu, daß auf Grund der alten Poftulation
Herzog Johann Wilhelm, unter Beirat der bisherigen Verordneten,
al3 ein Haupt zur Regierung fomme. Von dem päpftlihen Ad—
miniftrationsbreve wurde ganz abgejehen !.., Am andern Morgen
1) An den Kaifer fchreibt nachher ber Herzog von Zülih, er babe fich
des Breves nicht bebienen wollen, weil er bes Kaiferd Bedenken vernommen
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Miünfter. 697
erhielt das Bereinbarte feine offizielle Form. Abgeordnete der
drei Stände erſchienen vor dem Herzog und erklärten, fie wollten
e3 diesmal bei feiner Erklärung bewenden laffen. Da nun das
Kapitel auf Wunſch von Regierung und weltlichen Ständen die
Neuwahl eingeftellt habe, die Regierung aber nad einem Haupte
verlange, jo müßten fie fein dienlicheres als den jekigen Poſtu—
hierten; der Herzog möge aljo jeinem Sohne geftatten, mit der
Stiftregierung fi zu beladen. Herzog Wilhelm ſprach jein Be:
dauern aus, daß man nicht zur Neumahl gelangt ſei, und gewährte
jodann die Bitte. Hierauf händigte man ihm den Entwurf einer
vom 10. Mai datierten Aſſekuration ein, durch welche ſich die
beiden Herzöge verbürgten, dag Johann Wilhelm, fobald er zur
Ehe ſchreite, pure et libere refignieren werde. Sonft wurde die
alte Kapitulation und Afjefuration im weſentlichen erneuert. Des
putierte von beiden Seiten vereinbarten alsdann noch Regierungs:
artikel, während das Kapitel unter dem 11. Mai zum Behuf der
päpftlihen Konfirmation ein lateinifches Adminiftrationsdelret aus—
fertigte, worin e8 hieß, jie hätten, vorbehaltlich der päpftlichen
Genehmigung und der Rechte des Kaifers, ihren bisherigen Poſtu—
lierten al3 Aominiftrator und Gubernator der Weltlichfeit der
münſterſchen Kirche, unter Beirat der bisherigen Verordneten, aufs
genommen und zugelafjen.
Wie es bei Kompromiffen zu gehen pflegt, war feine Partei
ganz zufrieden. Der Domdehant und die Seinen Hlagten, daß
fie duch die unzeitige Kommiſſion um allen Vorteil gebracht feien
und jobald nicht mehr Majorität für eine Neuwahl zu haben fein
werde. In der That war anzunehmen, daß die Gegner durch
Dualififation etliher Junioren einer abermaligen Überrafhung vor:
babe, „als jolt e8 €. 8. Mt und dem heiligen reich etwan zum nachteil ge»
reihen“; dagegen verfichert er dem Bapfte, er habe feinem Sohn die Annahıne
ber Abminiftration geftattet, eo libentius, quod S. V. per breve suum
superioribus mensibus transmissum fillio meo administrationem hanc
commisit. Daß das Breve nicht infinuiert worden, teilte ber Herzog libri«
gens auch dem Papfte mit.
698 Siebentes Buch. Biertes Kapitel.
bauen würden. Gelbft dem alten Herzog war der Ausgang nicht
ganz recht. Die Urſache — cine Art von Eiferfucht gegen feinen
Sohn — verrät Paul Langer in einem Brief an den bayriſchen
Sekretär Winklmair: „Weil nun das Merk’, jchreibt er, „Gott⸗
(ob zu dem Ende kommen, muß dafjelbig unjerm alten Herrn
fonderlih hoc; commendiert werden, denn meins Bedenken hat
er jeither etwas Widerwillen über dero Sohn .. . ., daß er fo
jung [Johann Wilhelm wurde eben 18 Fahre alt] zu folder Dig-
nität und Gubernation erhoben. Daraufhin richteten die bay-
riihen Herzöge warme Dank- und Glückwunſchſchreiben an ihren
Dbheim, von deſſen Unzufriedenheit nachher nichts weiter ver-
lautet.
Noch weniger zufrieden war die Gegenpartei. Der Kaiſer
rügte ſcharf, daß feine Kommifjare jo wenig beim Kapitel ausge-
richtet, und wollte demnächſt wieder eine Kommilfion abordnen.
Erzbischof Heinrih, Kurfürft Gebhard, die Generalftaaten und die
fonftigen Gegner Bayerns betrachteten ohne Zweifel die jülihiche
Adminiftration nur als das Heinere von zwei Übeln. — Wefter-
holt jelbft hatte fi während der Anweſenheit der Herzöge ftill in
feinem Hof gehalten; kaum waren fie weg, jo machte er ſich heim-
lid fort aus der Stadt (am 14. Mai); wohin, — fonnten die
Senioren anfangs nicht erfahren: fie meinten entweder mit dem
Bremer Erzbiihof nah Dänemark, oder an den Hof des Kaiſers,
oder endlich nad) Rom. Dies legtere war wirklid der Fall. Be—
reit3? Ende Juni traf Wefterholt in Rom ein, wo er, vom faijer-
lichen Hof aufs wärmſte empfohlen, von dem Kardinalproteftor der
deutihen Nation, Madruszi, ehrenvol empfangen wurde. — Bon
nun an glaubte die bayriihe Partei die Gefahr, daß Wefterholt
vom Papſte reftituiert und dadurd alles wieder in Verwirrung
gebracht werde, ganz nahe gerüdt. War doc) der Statthalter haupt-
ſächlich wegen feines ungehorfamen Nichterſcheinens in Rom erft ſu—
ipendiert, dann erlommuniziert worden! Vor drei Jahren jhon hatte
der Kardinal von Como angedeutet, daß man Wefterholt und feinen
Genoſſen, wenn fie jo ug wären, in Rom zu erjcheinen, wenig
Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 699
werde anhaben können. Nun mar der gefürditete Führer der
bremiſchen Partei wirkli da, zur großen Freude aller Surialiften ;
denn je weniger Rom zur Zeit gewöhnt war, von den ſchisma—
tiichen Deutjchen feine Befehle beachtet zu jehen, deſto mehr freute
man ſich über diefen unerwarteten Gehorfam. Zudem mar der
Eindrud, welchen Wefterholt perfönli) in Rom machte, fein un—
günftiger. „Viele wundern ſich“, heißt e3 in einem nad Köln
gelangten Brief, „wie diefer Mann jolde Zragödien hervor—
rufen fonnte, defjen heiteres Gefiht, wohlgefämmtes Haar, vor:
nehme Kleidung und würdiges Auftreten viele bewundern, die bon
feinem Scharffinn nicht viel merken.‘ *)
Weſterholt machte auch in Rom feine alten Argumente geltend:
nur um ihre freie Wahl zu behaupten, hätten er und feine Ge-
noffen fi der bayriſchen Nachfolge widerſetzt; den Bremer Erz—
bifhof hätten fie gewählt, weil fie ihn für katholiſch hielten: Hein—
rich habe verſprochen, die katholische Religion im Stift Münfter zu
handhaben und die päpftlihe Konfirmation zu erwirken. Es fam
Meiterholt zugute, daß fich Heinrih eben damals in Rom jelbft
um feine Konfirmation bemühte. Schon während des Kölner Paci-
fifationsfongreffes hatte er fi mit dem Nuntius Gaftagna des:
balb ins Benehmen gejegt; Lorenz Schrader war ſelbſt einmal bei
Caſtagna in Köln; es jcheint, daß an ihm Erzbiſchof Heinrich nicht
minder wie Hurfürft Gebhard einen warmen Fürſprecher hatte;
Empfehlungen vonfeiten des Kölner Kurfürften und namentlich des
Kaiſers werden nicht gefehlt haben. Anfangs September 1580
berichtet der jülihihe Agent Hammerftein aus Rom an feinen
Herzog: der Bremer Erzbiſchof gelte bei den meiften durchaus nicht
als Häretifer; wenn man an ihm etwas Fehlerhaftes finde, fer es
1) Multi hie mirantur hominem illum potuisse tot tragoedias excitare,
cujus nitidam faciem, pexum capillum ornatumque elegantem et gravem
incessum mirantur multi, ingenii acumen non agnoscunt. Aus einem
römiſchen Briefe vom 2. Juli 1580 an Dr. Winkel. Kop. St. 98/1,
fol. 92.
700 Siebentes Bud. Viertes Kapitel.
vielmehr ein gewiſſes fleischliches und leichtfertiges MWejen. Es
ihien, al3 jollte jegt auch das alte Haupthindernis feiner Konfirz
mation, jeine Weigerung, den Zrienter Eid unbedingt zu leiften,
gehoben werden. Heinrich, hie es, wolle die frühere Klauſel fallen
lafjen, wenn man ihm geftatte, den Eid heimlich zu leiften. Wan
wollte in Rom fogar wiffen, er babe bereit3 Jeſuiten in Pader—
born aufgenommen. Anfangs Dftober joll man in einer Sitzung
der germanischen Kongregation dem Beihluß, ihn zu fonfirmieren,
Ihon ganz nahe geftanden haben. — Weſterholt unterhielt in
Rom ſowohl mit Heinrichs Agenten, wie mit dem des Kölner
Kurfürften vertrauten Verkehr. Auch an der münfterfchen Bürger—
haft fand er Bundesgenoffen. Wir werden hier wieder einmal
an Dr. Schenkings Prozeß erinnert, der in den früheren Jahren
jo mandes Mal mit den Poftulationswirren verwidelt war. Wefter:
bolt, wiewohl jelbft ein Mitglied der Ritterihaft, jcheint nämlich
den münfterihen Erbmännern Ausfiht auf befriedigenden Aus—
trag ihres Prozeſſes gemacht zu haben, wogegen fie ihn an der
Kurie unterftügten, desgleihen die Stadt Münfter, welche das durch
Weſterholt wieder entdeckte Privileg de non evocando von Rom
erneuert haben wollte. Anderſeits wird Weiterholt nicht verjäumt
haben, das alte Mißtrauen der Kurie gegen die Redtgläubigfeit
des Herzogs von Fülih zu nähren. Hatte diefer doch jüngft
— im Dftober 1579 — aud feine dritte Tochter Magdalena
an einen lutheriihen Fürften, den Pfalzgrafen Johann von Zwei—
brüden, verheiratet. Dazu kam nun die Bejorgnis, die Übernahme
der Regierung von Münfter durch Johann Wilhelm möchte der
Anfang fein zu völliger Befignahme diejes Stiftes. In Hammer:
fteind römischen Briefen aus diejer Zeit finden ſich wiederholt Ans
deutungen wie folgende: „Entweder giebt e3 hier Leute, die, ih
weiß nicht melde Verleumdung gegen E. f. Gnaden ausiprengen,
oder der römische Stuhl jelbit fürchtet, wir möchten unter dem
Vorwand der Adminiftration das Stift ganz behalten.” — Das
legte und vielleicht ftärkjte Motiv für Rom, Wefterholt zu jchonen,
war aber der Verdruß darüber, daß ſich die münſterſchen Senioren
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 701
herausgenommen hatten, in die Vorrechte des rönftidhen Stuhles
einzugreifen, indem fie eigenmächtig über Weſterholts erledigte
Pfründen verfügten.
AN dieſen feindfeligen Einflüfterungen gegenüber war es die
Aufgabe der bayriihen Partei, die Kurie zu überzeugen, daß
Weſterholts Reftitution nicht nur mit der Ehre der beiden Häufer
Jülich und Bayern unvereinbar ſei, fondern auch das Anſehen
des römiſchen Stuhles ſelbſt aufs höchſte gefährden und die faum
beruhigten Stiftslande von neuem in Unruhe und Empörung
ftürzen werde. — Über Wefterholts Abreife Hatten die Senioren
anfangs frohlodt: „Ich werde den Hirten ſchlagen und die Schafe
der Herde werden zeritreut werden!‘ — ſchreibt Goddert von
Raesfeld an Dr. Winkel. Aber Wefterholts Ankunft in Rom
und die Gunft, welche er hier fand, erichütterten alsbald die Hoff-
nung, daß nun alle Schwierigkeiten überwunden feien. Im Auguft
1580 reifte der junge Raesfeld, welcher Weſterholts Kapitelplatz
erhalten hatte, in Eile jelbft nah Rom, um feine Rechte zu ver:
teidigen, wurde aber von Hammerftein in aller Stille wieder
weggeihicdt, damit Wefterholt nicht Gelegenheit befomme, feinen
Gegner periönlid ad evacuandam possessionem aufzufordern.
Schon im September hie es in Rom, der Papft werde Weiter:
holts Pfründen demnähft in Sequefter nehmen. Seine Er:
fommunifation war jofort nad) feiner Ankunft, damit er überhaupt
Prozeß führen könne, fufpendiert worden. Übrigens gab fi Ham—
merjtein jchon damit zufrieden, daß der Papſt wiederholt verſprach,
Weſterholts Sade folle nur nad) dem ftrengen Recht — mit
Ausschluß päpftlicher Gnade — behandelt werden. Damit, meinte
Hammerftein, gerate Wefterholt in ein Labyrinth, aus dem er fich
faum mit Hilfe eines Dädalus werde herauswinden fünnen; denn
die Kriminaliften der Kurie feien in ſolchen Dingen wundergeſchickt
und liftig; um fie fertig und luftig zu machen, bedürfe es freilich
der Geſchenke. Hammerftein empfahl, möglichit viel Material zu jen-
den, wodurch dargethan werde, daß ſich Weſterholt gegen die Auto:
rität des römischen Stuhles und für die Freiftellung, gegen die
102 Siebente® Bud. Biertes Kapitel.
Inquifition uhd gegen Spanien ausgeſprochen habe, insbefondere
alfo Kopie und Überjegung feiner Afjeverationsihrift vom Des
zember 1577. Dabei aber empfahl Hammerftein immer wieder,
fih nit auf die Remedia Curiae zu verlafjen, fondern dort im
Beſitz zu befeftigen, damit das zur Zeit gar furdtfame Rom fich
iheuen müfje, durch Reftitution Wejterholt3 den Frieden wieder
zu gefährden.
Auch die Senioren pflihteten diefer Anfiht bei. Bereits
Anfangs Auguft kamen Gefandte von Kapitel und Regierung nad)
Cleve und baten dringend, der Herzog möge baldigjt jeinen Sohn
die Regierung wirklich antreten laffen. Unter dem Eindrud der
bedenflihen Nadrichten von Rom milligte Herzog Wilhelm ein.
Mitte September brach er mit feinem Sohne von Düfjeldorf auf
nach dem Stift Münfter,; am 20ſten zogen jie, feierlich empfangen,
auf dem Haus Horftmar ein, welches fortan Si der neuen Re—
gierung wurde. Da die bisherigen Verordneten ihr Amt behielten,
änderte ji in der Stiftäverwaltung zunächſt nit viel, nur daß
alle Schreiben und Befehle fortan im Namen des Adminiftrators
ausgingen. Am 24. Dftober wurde auf dem Laerbruch ein Land—
tag gehalten, der ganz nah Wunfd der Senioren und des Haufes
Jülich verlief: die Stände dankten dem jungen Herzog für die
Annahme der Regierung und gelobten, Eintradht, Ruhe und Ge-
horſam im Lande zu erhalten.
Nun ließ aud) der Kaifer geichehen, was er nicht ändern
fonnte. Als Ende Dftober Gejandte des Adminiftrators und des
Kapitel3 zu Prag erihienen — zunädft um Beichwerde zu
führen, dab noch immer ftaatifches und jet auch königliches Kriegs-
voll im Stift lagere —, erklärte ihnen der Kaiſer, er laſſe fi)
Johann Wilhelms Adminiftration gefallen und wolle feine weiteren
Kommijjare verordnen. Aus den mündlichen Außerungen des
Dizefanzler3 entnahmen fie ferner, daß „Diejenigen, jo Ihre
Mt und derjelben nächfte Verwandte mit in das münſterſche Wert
gezogen, nachdem die Sachen anders al3 fie vermeint abgelaufen,
nicht viel Gnaden jondern mehr Schimpf verdient hätten“. Dr. Vie—
Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 708
heuſer jelbjt verwahrte fi gegen den Verdacht, als Habe er in
Münfter irgendetwas dem bayriihen Haufe zumider thun wollen.
Der Kaifer und er ſelbſt, als Vizekanzler des Reiches, hätten nur
nicht dulden dürfen, daß ſich der römiihe Stuhl herausnehmen
wollte, über die Weltlichfeit eines Neichsftiftes zu verfügen.
Weſterholt aber habe für Rom nur ganz allgemeine Empfehlungen
pro administranda justitia erhalten, wie fie der Kaifer niemanden
bermeigere.
So war denn, nad) fünf Fahren, der münfterjhe PVoftulations-
ftreit zu einem vorläufigen Abſchluß gelangt, einem Abſchluß,
durch welden die Ausfichten de3 Haufes Bayern auf Erlangung
dieſes Stift3 in weite Ferne gerüdt jchienen.
Inzwiſchen war Herzog Ernſts Hoffnung, das Erzitift Salz—
burg zu erlangen, für immer zunichte geworden.
Auf dem peremptorifchen Kapitel des 10. Mai, zu weldem
Herzog Ernft aus Venedig herbeigeeilt war, forderten die Dom:
herren ihren Erzbiſchof geradezu auf, fi einen Koadjutor aus
ihrer Mitte gefallen zu laffen. Der Erzbifchof zögerte noch immer;
zunädhft wohl um Zeit zu gewinnen, verlangte er, der Papft
müffe zuvor einmwilligen. Sein Berater, der Nuntius Ninguarda,
Biſchof von Scala, bejtärkte ihn darin, wohl in der Abfiht, ſol—
hermaßen die Vorrechte des römiſchen Stuhles wieder um ein
Stück zu erweitern. Die päpftlihe Erlaubnis wurde ſofort er=
teilt, jo daß nun die Bewerber um die Koadjutorie ihr Spiel
offener treiben konnten. Doc wiſſen mir Näheres — und aud)
dies jehr lückenhaft — faft nur über das, was bon bayriſcher
Seite geihah. Herzog Wilhelm jchrieb auf Bitten feines Bruders
an den Papft und empfahl denjelben deutlich genug, wenn aud) ohne
Namen zu nennen, als den geeignetiten Koadjutor. Gregor XI.
vermied e3 aber, offen Partei zu nehmen, ohne Zweifel weil er
704 Siebentes Bud. Viertes Kapitel.
weder das Haus Oſterreich noch das bayriſche beleidigen wollte !).
Als das Domkapitel am 6. Juli zur Koadjutorwahl zufammen-
fam, waren Bayerns Hoffnungen jedenfalls ſchon ſtark geſunken,
da Herzog Ernſt nit wieder jelbft in Salzburg erſchien, jondern
fi damit begnügte, daß fein Bruder ein paar Räte dorthin ab:
ordnete, weldye dem Kapitel eine gute Koadjutorwahl empfahlen.
Die Wahl ſelbſt verzögerte fi bis zum 18. Juli und fiel dann
weder auf Herzog Ernſt noch auf einen Erzherzog, fondern auf
den Dompropft Georg von Küenburg, einen Neffen des vorigen
Erzbiihofs. — So legten Ihon damals die Salzburger Dome:
herren jene Meinung an den Zag, welde fie jpäterhin (im Fahre
1606) zum förmlichen Kapitelsftatut erheben wollten: daß fortan
fein Herr aus den Häufern Oſterreich oder Bayern „‚den an:
deren zu wiſſentlichem oder kundlichem Präjudiz“, zum Erzſtift
erwählt werden folle.
Nah all diefen Mikerfolgen begann Herzog Ernſt daran zu
verzweifeln, daß er im deutſchen Reiche fobald eine würdige geiſt—
liche Stellung erlangen werde, Im Einverftändnis mit feinem
Bruder Wilhelm nahın er darım den alten Plan ernftlich wieder
auf, daß er fi zu längerem Aufenthalt nad) Rom begeben wolle,
um dort zum Kardinal ernannt zu werden; die für dieſe Würde
erforderlihen Einkünfte hoffte er mit Hilfe des Papftes vom ſpa—
nischen König zu erhalten. Zuvor follte nur noch Stift Hildes-
beim bejucht werden, deflen Biſchof er nun jchon im achten Fahre
1) Maffei behauptet zwar, Gregor XIII. habe des Kaifers Bemühen für
Erzherzog Marimilian unterftügt (Il Papa fratanto sollecitatovi dall’ Im-
peratore e con brevi e per mezzo del Nunzio Feliciano cercö di ajutarlo,
ma sempre salve le ragioni e la indennitä del Capitulo), doch finbe ich
in den bayrifchen Akten feine Beweife für eine fo weitgehende Parteinahme.
Der Nuntins Ninguarba Tpricht fih nachher über Küenburgs Wahl hoch—
erfreut aus, hat aljo wohl auch das Seine gethan, um fie durchzuſetzen.
Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 705
war, ohne daß fein Fuß es je betreten hatte. Zwar waren die
Emfünfte, welche Ernft von Hildesheim bezog, ſehr gering
— höchftens ein paar taufend Gulden jährlih —, doch hatte ſich
im Laufe der legten Fahre einiges ereignet, was, abgejehen davon,
dag die Stiftsunterthanen doch aud einmal ihren Herrn jehen
wollten, des Biſchofs perſönliche Anweſenheit wünſchenswert machte.
Im Jahre 1578 hatte ſich die alte Stadt Hildesheim einen gro—
ben Eingriff in die biſchöfliche Landeshoheit erlaubt — eine Art
Juſtizmord an dem Befehlshaber des dem Domtlapitel gehörigen Haufes
Marienburg, einem Schwager des Kanzlers Nuntz; ſie fürchtete die
Folgen und wünſchte mit ihrem Biſchof ſich auszuſöhnen. Wich—
tiger war ein ſeit längerer Zeit ſchwebender Streit über die reiche
Dompropſtei. Der Dompropſt, Graf Wilhelm von Schauenburg,
war im März 1580 geſtorben, nachdem er vor längerer Zeit zu—
gunften jeines Neffen, des Kölner Domdehanten Graf Anton, re
figniert hatte; dieſen Verzicht wollten aber weder Herzog Ernft noch
der Papſt gelten laſſen; Ernft hatte dem Hildesheimer Scholafter
und Mindener Dompropft Zangen (Burkard oder Anton?) Hoffnung
auf die Hildesheimer Propftei gemacht, der Papft aber diefelbe dem
pon Herzog Wilhelm empfohlenen Dr. Andreas Fabricius verliehen;
jedoch bedurfte es mehr als eines bloßen Schriftenwechſels, wenn
Herzog Ernſt den bereit? im Belig befindlichen Grafen Anton
von Schauenburg, jeinen Gegner ſchon von Köln her, wieder dar—
aus vertreiben wollte. Endlich erſchien es wünſchenswert, ſowohl
für das Stift, wie für die Dinge im Reich, wenn Herzog Ernſt
durch perfönlichen Verkehr ein leidliches Verhältnis zu dem nächften
Nahbar und alten Rivalen, Herzog Julius von Braunichweig,
derftellen konnte. — So brad denn Ernſt gegen Ende Dftober
1580 nad Hildesheim auf, begleitet von feinen. beiden nächſten
Vertrauten, Baul Stor und deſſen Vetter Hieronymus, Domberr
zu Gichftätt und Augsburg, der als zukünftiger Statthalter bon
Freiſing auserjehen mar. |
Kaum befand fi Herzog Ernft ein paar. Wochen auf feinem
bildesheimischen Haus Steuerwald, als eine Botihaft feines Bruders
2ofien, Köln. Krieg I. 45
706 Siebentes Bud. Viertes Kapitel.
noch einmal die Hoffnung in ihm wachrief, auf einem Ummeg in
den Befik, von Münfter zu kommen. — Im Sommer dieſes Jahres
hatte der Herzog von Fülid den Grafen Salentin von Sienburg
wieder einmal an deſſen Verſprechen erinnert, daß er einen Aus—
glei) mit dem Bremer Erzbiichof zuftande bringen wolle. Monate
waren jeitdem vergangen, al3 Salentin eines Zages, Anfangs No=
vember, im Kloſter Dalheim (im Amt Wafjenberg) bei Herzog Wil-
helm erjhien und diefem in Gegenwart de3 Landdroften Gimnid)
berichtete: der Erzbiihof Habe fich endlich zu einem Vergleich be-
reit erklärt, wonad entweder Herzog Ernſt ihm oder er jenem
in Münfter weichen folle, unter der Bedingung, daß der Zurüd-
tretende dem andern jährlich 10,000 Thaler Penfion zahle und
denjelben zum Koadjutor mache. Salentin riet dringend, die gute
Gelegenheit nicht aus der Hand zu laffen; jonft ſeien Weiterungen
zu beforgen oder Heinridy werde fid) mit dem Kaiſer verftändigen.
In gleihem Sinn ſchrieb Salentin von Dalheim aus aud an
den bayrifchen Herzog: Fronte capillata, post est occasio calva,
meinte er, und man müſſe aus der Not eine Tugend machen,
quia melior est inigua pax quam justum bellum. Aud der
alte Herzog von Jülich mochte das Anerbieten nicht völlig zurüd-
weiſen; vielleicht war vom fpaniichen König ein Zufhuß zu der
Penfion für Heinrich zu erlangen. Herzog Wilhelm fchrieb aljo
zunächft an den Herzog von Bayern, der zwar feinem in Steuerwald
weilenden Bruder die Entſcheidung überließ, aber feine großen
Bedenken nicht verhehlte, namentlih ob der Papft einmilligen
werde und ob das Stift eine fo hohe Penfion erichwingen könne.
Jedenfalls müſſe man zunächſt hören, was die Senioren dazu
fagten. Herzog Ernft war nicht jo ängitlih: ev hätte, um mit
Ehren aus dem Handel zu kommen, jogar lieber eine Benfion von
Bremen genommen al3 fie gegeben; doch wollte er zunächſt die
beſtimmte Anficht jeines jülichſchen Oheims wiſſen. In den lekten
Dezembertagen fand fi deshalb Hieronymus Stor in Hambach ein,
fonnte jedoch nicht jofort einen feften Beſcheid befommen, weil
man bier jelbft noch auf Antwort von den Senioren wartete.
Herzog Johaun Wilhelm wird Apminifirator von Münſter. 707
Stor wollte gerade wieder abreifen, als diefe Antwort eintraf:
ein deutliches Nein, ohne viel Phrafen und Umſchweife. Erzbiſchof
Heinrich habe, erklärten die Senioren, ganz abgeſehen davon, daß
ihr Stift eine ſolche Summe nicht aufbringen könne, und von den
lirchlichen Bedenken, nicht das mindefte Anrecht auf Münfter; warum
alfo ein foldhes ihm ablaufen! Könne oder wolle Herzog Johann
Wilhelm nit Adminiftrator bleiben, fo wäre es weit befier, dem
Kapitel freie Wahl zu laffen, dann fei man aus allem Streit, da
ja Heinrich jelbft, feine Anhänger und die Stiftsftände ſchon längft
nichts weiter forderten. Diefe Sprache war fo deutlich, daß
man den Gedanken, dem Bremer Erzbiſchof aus den Stiftsgefällen
eine Penfion zu reihen, fofort fallen lief. Stor machte nun
im Vertrauen einige Andeutungen über feines Herrn Abfiht, nad
Rom zu gehen und die Bewerbung um Münfter ganz aufzugeben,
falls nicht etwa Erzbiſchof Heinrich gegen eine mäßige Benfion
von höchſtens 5000 Xhalern, die aber nicht auf Münfter zu ver—
fihern jei, Verzicht und zugleich Bürgſchaft leiſten wolle, daß nach⸗
ber jeine Anhänger wirklich den Herzog Ernſt wählten. Am Jü—
licher Hof fand man diefe Vorfchläge billig und wollte darüber
wieder mit Graf Salentin ſprechen. Wenn aber nichts zu er=
langen jei, und wenn aud die kürzlich wieder einmal von Lüttich
aus angeregte Hoffnung, dort vielleicht jegt zu einer Koadjutorie
zu gelangen, als eitel fid erweiſe, fo werde es auch dem Herzog
von Jülich nicht zumider fein, daß Herzog Ernft nad) Italien gehe
und dort das Glück erwarte.
Stor hatte Hambach kaum verlaffen, als Hier ein vom
28. Dezember datiertes Schreiben des Lütticher Domfapitel3 mel-
dete, ihr Kardinal-Biſchof fei ſchwer erfrankt, es fcheine ihnen nicht
nur nüglid, jondern notwendig, daß fi der SFreifinger Biſchof
eiligft in ihre Nähe verfüge; Herzog Wilhelm möge alſo ſeinen
Neffen veranlaſſen, ſofort zu ihm zu kommen. Zwei Tage danach
meldete ein weiterer Brief von Lüttich, daß Biſchof Gerhard bereits
geftorben und dem bewußten Herrn (Herzog Ernſt) ein Kanonifat
verliehen, ſowie die Neuwahl auf den 23. Januar angeſetzt ei;
45*
708 . Siebentes Bud. Biertes Kapitel.
e3 jei aljo durchaus nötig, daß ſich der bewußte Herr unverzüglich
zu Lüttich einfinde.
Ale zulegt gefaßten Entſchlüſſe wurden hinfällig durch dieſe
Rachrichten, welche bereits. deutlich durchblicken ließen, daß Herzog;
Ernft die beiten Ausfichten habe, zum Biſchof von Lüttich) gemählt
zu werden.
Achtes Bud.
Hochſtift Lüttich) und das Haus Bayern.
1. Kapitel.
Stift Lüttih unter Biſchof Gerhard von Groesbeek.*
Das Hochſtift Lüttich erſtreckte fi in einer Länge von einigen
20 und einer Durchfchnittlihen Breite von etwa 5 geographiichen
Meilen am mittleren Laufe der Maas; mit dem übrigen deutichen
* Quellen: Überblid über die Gefchichte des Stiftes Lüttich bei de Gerlache,
Hist. de Liege, 2me Ed. Oeuvres T. IV. Brux. 1859 unb bei
Ferd. Henaux, Hist. du Pays de Liege. Nouv. Ed. Liege 1856;
an beiden Autoren fieht man, daß heute noch bie alten Parteigegen-
füge im Stift Lüttich fortleben. Das 16. Jahrhundert ift Übrigens
von beiden fehr dürftig behandelt, welcher Mangel erſetzt wirb durch
die älteren, lateiniſchen Geſchichtſchreiber: Jo. Chapeauville, Gesta
Pontif. Leod. T. III. Leodii 1616; Barth. Fisen $. J., Sancta
Legia Rom. Ecel. Filia sive Hist. Leodiensis T. II. Ed. II. Leod. 1696
(in der erften Auflage von 1642 fehlt der 2. Band); Foullon
S. J., Hist. Leodiensis T. II. Leod. 1736. Chapeauville, Liitticher
Generalvikar (F 1617), fohreibt über die Bijchdfe Gerharb von Groes-
beef und Herzog Ernft als Zeitgenofje und nad Alten; Fifen (f 1649)
ergänzt ihm vielfach, namentlih aus dem Stabtardiv; ber feine und
kritifche Foullon (F 1668) berichtigt mandes Einzelne. Das von
Neueren vielfach benutte Werft des Karmeliten P. Bouille, Hist. de
la Ville et du Pays de Liege, 3 Voll., L. 1725—1732, ift für bie
von mir behandelte Zeit faft nur eine franzöfifche Bearbeitung des
von Chapeaupille, Fifen und Foullon gefammelten und verarbeiteten
Stoffes. — Eine hübſche von Bifhof Gerhard felbft beforgte Anficht
der Stabt Lüttich im 16. Jahrhundert im 1. Banb von Brauns
Städtebuch (vgl. 0. ©. 153/154). Abbildungen der Hauptftabt und
712 Achtes Bud. Erftes Kapitel.
Neih Hing es nur durch einen faum 2 Meilen breiten Landſtrich
im Nordoften, gegen das Herzogtum Jülich, zufammen; aud an
Frankreich grenzte es nur auf wenige Meilen im Südweſten; im
übrigen war es durdaus von belgischen Provinzen umgeben
und durhdrungen, im Norden und Welten von Brabant, Namur,
Hennegau, im Siüdoften und Nordoften von Luxemburg, Lim—
burg, Geldern. Demgemäß redete man im größten Zeile des
Stiftes einen franzöfiichen Dialekt, das Wallonifhe, nur im Nor—
den niederdeutſch (vlämiſch oder brabantiih). Franzöſiſch war,
neben dem Lateinischen, die amtlihe Sprade im Stift. — Zu—
nächſt infolge diejer geographiichen Lage ift auch die Geſchichte des
Stiftes mit der Geſchichte der niederländtiheburgundiihen Erblande
auf3 engite verbunden.
Im 15. Jahrhundert hatten die Herzöge von Burgund
danad) gejtrebt, Lüttich mit Lift und Gemalt ihrer Herrſchaft zu
unterwerfen und dem Biſchof nur feine geiftlihe Jurisdiktion zu
anderer Stiftsftäbte fowie vieler einzelnen Kirchen und Profanbauten,
nah ihrem Durchgang durch ben Barodftil, in dem fünfbänbigen
Kupferwert: Les Delices du Pays de Liege, L. 1738 (in T. V,
p. 126 aud ein Porträt von Gerharb non Groesbeel). Ju T. I
interefjante Bemerkungen über ben Charakter bes Liitticher Boltes,
mogegen ber hiftorifche Teil bes Werkes ſehr mangelhaft if. Geiftvolle
Äußerungen über Bifchof Gerhard, Stabt und Volk zu feiner Zeit in
ben Mem. deMarg. de Valois, Coll. Petitot I. 37, p. 120sqq. —
Überficht über die Verfaffung des Landes, auf Grund ber im Jahre
1684 erfolgten Reform bei Henaux, Constitution du Pays de
Liege... en 1789. Nouv. Ed. Liege 1858; einige genauer, na—
mentlich über ben geiftlihen Stanb kei de Crassier, Recherches
et dissertations sur l’hist. de la principaut& de Liege. L. 1845. —
Auszüge aus den Lüttiher Domtapitelprotofollen von S. Bormans
ziemlih nadläffig angefertigt bei Ram, Analectes pour servir &
U'hist, eccles. de la Belgique, T. VI—IX (bie Jahre 1566—1597 in
T. VII, 1870). — Über die religiöfen Unruhen im Stift Lüttich
1566/67: Corresp. de Görard de Groisbeck avec Marg. de Parme
bei Gachard, Anal. Belgiques, Vol. I. 1830, Über bes Bifhofs
Beziehungen zu Don Juan und den Generalftaaten 1576/80: Ga-
chard, Actes des Etats génér. des Pays-Bas 1576 — 1585; bis jetzt
2 Bände. (Die von Gadharb unter feinen Quellen citierten Publi—
fationen von Diegerick und Henaur, Nr. 86 u. 38 1. c. I, xxxvu sq.
Stift Füttih unter Biſchof Gerharb von Groesbeek. 713
laffen. Ohne den frühen Tod Karls des Kühnen wäre ihnen das
wohl auch gelungen. Die Stadt jelbft wurde in den burgundiichen
Kriegen nahezu vernichtet und erhob ſich erſt unter der langen
mohlthätigen Regierung Erards von der Marl (1506—1538) zu
neuer Blüte. Die Erben der burgundiihen Herzöge, SKaifer
Karl V. und König Philipp IL, bedrohten zwar nicht mehr ges
radezu die NReichsunmittelbarkeit des Stiftes, wußten es aber
dahin zu bringen, daß diejes ihnen in den langen Kriegen gegen
Frankreich gleihjam Heeresfolge leiftete. Vier Biihöfe nad ein-
‚ander mußten jchon bei Lebzeiten einen dem Kaiſer und ſodann
dem König Philipp genehmen Nachfolger al3 Koadjutor annehmen.
Auf Lüttiher Gebiet legten Karl und Philipp drei Grenzfeftungen
gegen Frankreih an: Marienburg, Charlemont und Philippeville ;
wofür Entjhädigung wiederholt veriprochen aber nicht geleiftet
wurde. As Philipp II. mit Zuftimmung des Papftes im Jahre
1559 die neuen niederländiichen Bistümer errichtete, verlor der
lagen mir nit vor.) Der Berfuh einer Lütticher Reformations—
gej&hichte von Rahlenbeck, L’Eglise de Liege et la R£volution, :
Brux. 1862 ift ganz mißlungen. — Über bie Vereinigung ber Abtei
Stablo mit Lüttih: de Noue, Etudes histor. sur l’ancien pays
de Stavelot et Malmedy, Liege 1848 und von der bort angeführten
Litteratur namentlih Ign. Roderique, Disceptationes de Abbati-
bus Malmundar. et Stabul. p. 174sgq. (Über die Intorporation
von Prüm in das Erzftift Trier: Häberlin IX, 505ff. und Marr,
Geſch. des Erzſtifts Trier I, 262 ff.)
Meine Angaben über die bayrifhe Bewerbung um Stift Lüttich
zumeift aus RX. Lüttich T. I u. II. Ergänzungen in den Serien
NA. Münfter T. IIff. und DA. Landesherrl. Familienfahen 28v ff.
Einzelne RA. Freifing Nr. 80 u. 82; Gülch und Efeve T. II; Für
ftenfachen Spec. C. Nr. 413. St. 38/3 und 10 bis 18; 96/1;
311/16; 399/77. DA. Polit. Begebenheiten Nr. 17. Bibl. Föringer.
Nr. 3238/39. (Gelegentlich ift die bayrifhe Bewerbung um Lüttich
oben erwähnt S. 276. 344f. 473. 621.) Über die Gegenpraftif zu—
guuften des Kardinals Andreas von Öfterreich (von der man übrigens
am bayrifchen Hofe erft mehrere Jahre fpäter etwas erfuhr): IA.
Ferdin. fol. 111, Nr. 140. Über die Gegenpraftifen des Haufes Nafjau
einige kurze Notizen bei Groen van Prinsterer VI, 305 unb
VII, 102. ®gl. auch Langueti Ep. secr. I, 1. 114 und I, 2.
2365q. 742. 8425qg.
714 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
Biihof von Lüttich, zugleih mit denen von Köln, Münfter,
Osnabrück, ohne jede Vergütung, einen großen Zeil von feiner
bisherigen geiftlihen Jurisdiktion —, fomeit ſich dieſe näm—
(ih über königliches Gebiet erſtreckte. Nicht nur die unter
öſterreichiſch-ſpaniſchem Einfluß gewählten Biihöfe, fondern auch
das zeitweilig überwiegend aus Brabantern und anderen Unter=
thanen des Königs beftehende Domkapitel bejchuldigte man im
Volke übergroßer Gefügigfeit gegen den mächtigen Nachbar; von
Biihof Robert von Bergen (1557 —1564) und von dem wegen der
neuen Bistümer nad) Rom gejandten Agenten des Biſchofs und
Kapitels, Laevinus Zorrentius, hieß e3 geradezu, fie feien mit
ſpaniſchem Gelde erfauft. Auch Robert3 Nachfolger, Gerhard von
Sroesbeef, aus geldriſchem Nitteradel, galt von Anfang an als
eifriger Freund des ſpaniſchen Königs 9.
Die religiöfen Verhältniffe im Stift Lüttich entwickelten ſich
Jahrzehnte hindurch in Abhängigkeit von den niederländischen
Dingen. Kaifer Karls Edikte gegen die Keger wurden bon den
Biſchöfen Erard von der Mark, Cornelius von Bergen und Georg
von Dfterreich befolgt oder nachgeahmt, nicht bloß Wiedertäufer
fondern auch Zutheraner grauſam Hingerihtet. Nur die Eiferfudt,
womit die Lüttiher Bürgerichaft auch dem biſchöflichen Inquifitor
gegenüber über ihre alten Freiheiten machte, rettete einzelnen Leben
und Vermögen. Allgemein gemildert wurde das Verfahren gegen
Häretiker erft nah dein Augsburger Religionsfrieden. Denn da
Lüttih zum Reiche gehörte, traten aud hier die Grundſätze diejes
Friedens in Kraft: Belenner der Augsburger Konfejfion durften
1) Schon 1564 fchreibt Karbinal Granvella an König Philipp: Si otros
no le daüan, terna en &l V. Md un buen servidor. Gachard, Corresp.
de Phil. II. I, 325 vgl. I, 338; II, 288; III, 28. Bei Languet beißt
ber Bifchof im Jahre 1569: vir pessimus et verae religioni infensissimus.
In den Jahren 1573—1574 hofften die Nafjauer allerdings eine Zeit lang,
Gerhard von Spanien abziehen zu können (Groen. v. Pr. IV, 248; V, 102;
vgl. de la Huguerye, Mem. I, 203sq. 209); doch finde ich nicht, daß
biefer Hoffnung mehr zugrunde gelegen hätte, als Gerhards Wunſch, fein
Land neutral zu halten.
Stift Lüttih unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 715
fortan nicht mehr mit dem Tode beftraft noch aud) ihrer Güter
beraubt, fondern nur no, unbeſchadet ihrer Ehre und ihres Ver—
mögen, außer Landes verwieſen werden. Teils infolge hiervon,
teil3 im Anſchluß an die erften politiihen Erfolge der franzöfiichen
Hugenotten, regt fih um das Fahr 1561 unter der Lütticher
Bürgerihaft das Verlangen nad firhlihen Neuerungen. In
Stadtrat und Zünften, namentlid in der Krämerzunft, fordert
man, daß die im römiſchen Reiche zugelaffene Augsburger Kon—
feffion aud in Lüttich geduldet werde. Die Erfüllung dieſes Ver-
langen bintertrieben damals, wie erzählt wird, zwei bornehme
Bürger, indem fie bei der vornehmiten Zunft, den Schmieden, den
Beihluß durdfegten, daß alle, melde joldhe Freiheit forderten,
ihre Namen aufſchreiben jollten; das mochte niemand thun.
Als Gerhard von Groesbeek eben Biihof geworden war
(1564), begannen in den benahbarten Niederlanden die Unruhen
gegen das ſpaniſche Regiment. Gerhard war für feine Perſon
unzweifelhaft katholiih: er Hat al3 einer der erften deutjchen
Biihöfe das Zrienter Glaubensbefenntnis beſchworen 9; er zuerft
berief die Fejuiten zu dauerndem Aufenthalt in das Stift; auf
feinen Vorſchlag wurde auf einem Landtag im Juni 1565 be=
ſchloſſen, an der alten Religion feftzuhalten, und feinen beredten
Worten joll e3 zu verdanken gewejen fein, daß derjelbe Beſchluß
auf dem nächſten Landtag, im Januar 1566, von allen Ständen
einmütig und begeiftert erneuert wurde. — Bald danach, im
Suli 1566, fand zu ©. Trond, auf Lütticher Gebiet, jene große
Geujenverfammlung ftatt, welche gleihjam das Signal zu dem
wilden Bilderfturm in den ſpaniſchen Niederlanden gab. Die Be-
wegung pflanzte ſich aud auf Lütticher Gebiet fort, unter Die
deutihe Bevölkerung der Grafihaft Looz: fremde Prädikanten
predigten die Kicchenreform in Hafelt, Maeftriht, Maegeid,
Stodhem; daraufhin wurden die Bilder aus den Kirchen geworfen
und verbrannt. Aber die Mehrheit im Lande und namentlid die
1) ebenfalls ſchon vor dem 17. Mai 1566, f. Reimann im ben
Forſchungen XII, 362; vgl. o. ©. 9.
716 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
Stadt Lüttich, obwohl fie gerade eben über die Aufbewahrung der
Schlüſſel in einen hartnädigen Streit mit Gerhard geraten war,
ftand in der religiöfen Frage feit zu ihrem Biſchof. Zu Anfang
des Jahres 1567 erklärten die Lütticher Schöffen, der höchſte Ge—
richtshof des Landes, erit die Haffelter, dann die Maeseicker für
Rebellen; mit Gutheißen der Landftände wurden beide Städte
von Biihof Gerhard mit bemaffneter Hand unterworfen; Maeftricht,
welches Gemeineigentum von Brabant und Lüttich mar, wurde
zur jelben Zeit durch das Kriegsvolf der Statthalterin Margareta
bejegt. — Seitdem blieb Stift Lüttih, trog allem Bemühen fic)
neutral zu halten, auf Jahrzehnte Hinaus der Zummelplag für
Soldaten und Freibeuter der verichiedenen in den Niederlanden
ſich befämpfenden Parteien. Im folgenden Fahre, 1568, wurde
die Hauptſtadt jelbft einige Zage lang von Dranien mit einer
Belagerung bedroht, aber durch die Eintraht zwiſchen Biſchof,
Klerus und Bürgerfchaft, jowie durch Albas Herannahen von der
Gefahr befreit — gerade 100 Jahre nad ihrer Zerflörung durch
Karl den Kühnen. Daß in den nörblid gelegenen deutjchen
Städten, und namentlid in der al3 erledigtes Lehen dem Stift
heimgefallenen Grafihaft Hooın, Keime des Proteſtantismus zurüd-
blieben oder durch niederländiihe Flüchtlinge neu dorthin getragen
wurden, fonnte Biihof Gerhard zwar nicht verhüten,; aber in
den Hauptteilen de3 Landes und vor allem in der Hauptitadt
hielt er die Einheit des römiſch-katholiſchen Belenntnifjes aufrecht.
In Draniens zweitem und drittem Feldzug gegen die Spanier,
1572 und 1574, wurde die Neutralität des Stiftes etwas beſſer
geachtet. Wir finden damals den Biſchof bemüht, ſich enger als
vormals an den Kaifer und an die anderen Reichsfürften anzu=
ſchließen ?), vermutlich zumeift, um bei ihnen vor den Gefahren
des belgischen Krieges Schu zu finden, jodann aber auh um
einen Rüdhalt zu gewinnen für feinen Streit mit der Lütticher
Bürgerſchaft.
1) Ein ähnliches Bemühen vonſeiten des Biſchofs zeigt übrigens ſchon
das Mandat vom 15. April 1567 bei Bouille I, 437.
Stift Lüttich unter Bifhof Gerhard von Groesbeel. 717
Das Land der Wallonen und vor allem die Stadt Lüttich
mit ihrer Umgebung mar ſchon damals eine der reichiten und-
dichteft bewölferten Gegenden Europas). Der fruditbare Boden
ipendete Getreide und Wein in Überfluß; der Reichtum der Erde
an Steinkohlen, Eifen, Blei, Marmor, Mineralwaflern rief zahl:
reihe Snduftrieen ins Leben, deren Erzeugniffe auf dem herrlichen
Maasitrom auf: und abwärts, nad Frankreih und Belgien und
darüber hinaus verihifft wurden. Während der Wohlftand in
den oberen Klafjen der Bürgerichaft ein ftarfes Gefühl der Unab-
bängigfeit erzeugte, wurde die Roheit in den unteren durd die
überwiegende Beihäftigung mit Bergbau und Metallarbeiten ge:
nährt. Von Kind auf gewöhnt an den Gebrauch von Pulver
und jharfen Werkzeugen, benugte man jie leiht auch, um alte
Rechte und Freiheiten zu verteidigen oder neue zu erwerben.
Freiheitsliebend ſchon von der Römerzeit her, leicht beweglich zu
Freude und Genuß, aber aud jäh und mahlos im Zorn, kam
das Volk der Wallonen in den Ruf ganz befonderer Wildheit und
Unbändigkeit 2). Die Gefhichte von Lüttich ift in der That eine
Kette von meist blutigen Kämpfen, zuerft des Adel3 unter einander,
dann des Adels mit der Bürgerichaft und beider mit den Biſchöfen.
Gerade jet, da es draußen Unruhen gab, ſuchte die ftädtifche
1) Mit dem Mafftab heutiger Großftäbte darf man freilich nicht mefjen.
Henaur (Hist. U, 7. n. 1) fhäßt für die Mitte bes 15. Jahrhunderts die
Einwohnerzahl der Stabt Lüttich, innerhalb der Mauern, auf höchſtens
60,000 Seelen. Diefe Ziffer bürfte auch für das 16. Jahrhundert ausreichen.
Lüttich war alfo etwa fo groß wie Köln, f.o. S.155f. Margarete von Balois
(1 e. p. 120) meint, Lüttich fei größer als Lyon. Die Bevölkerung des
ganzen Stiftes giebt Henaur einmal (Hist. I, 30) auf circa 560,000 Seelen
an, ein anbermal aber (Constit. du P. de L., p. 24) nur auf 460,000.
2) Zanguet (Ep. sec. I. 2, 742) fchreibt einmal: Haec mihi videntur
intempestive moveri in urbe populosa et apud homines ferocissimos,
quos potius furere quam irasci dicere possimus, quando sunt commoti,
Ähnliche Urteile aus dem 18. Jahrhundert bei Henaux, Hist. I, 31 n.
und 8. M. Fabritius, Geſchichte des Hodftifts Lüttich, (Leipzig 1792),
&. 215 Anm.
718 Achte Bud. Erſtes Kapitel.
Bürgerihaft wieder einmal ihre Rechte gegenüber dem Biſchof zu
erweitern. Zu dem Älteren Streit wegen der Stadtſchlüſſel kam
jeit dem Jahre 1571 ein neuer über die Wahl der Bürgermeifter.
Seit alter Zeit lag die Regierung der Stadt faft ausſchließlich in
den Händen der beiden Bürgermeifter, die, gemäß der Verfafiung
bon 1424, jährlih dur indirefte Wahl neu gemählt wurden,
aber jedes fünfte Fahr wieder wählbar waren. Als Urwähler
dienten dabei die 22 ſogen. Kommifjare, eine Art zünftiger Auf-
ſichtsbehörde, aus Notabeln beftehend, von welchen der Biſchof 6,
die Kichipiele die anderen 16 auf Lebenszeit ernannten. Diefe
22 Kommifjare wählten jährlih am Vorabend Jacobi 32 Wahl-
männer, je einen aus jeder Zunft, melde am folgenden Morgen
zwei angejehene Männer aus der Bürgerſchaft, jedod nicht aus
ihrer Mitte, zu Bürgermeiftern wählten. Auch der übrigens wenig
einflugreihe Stadtrat und die jonftigen ftädtiihen Beamten wurden
jährlich neu gewählt. — Bisher hatten die Zweiunddreißig häufig
einen der Bürgermeifter unter den vom Biſchof ernannten, meift
vornehmen Familien angehörigen Gerichtsſchöffen ausgeſucht. Nun
aber (im Jahre 1571) verfündeten eines Tages Bürgermeifter
und Rat, auf Verlangen der Zünfte und troß dem Widerſpruch
von Biſchof und Domkapitel, fortan dürfe fein Schöffe irgendein
ftädtiiches Amt bekleiden. Der Biihof nahm dieſen Schimpf einft=
weilen unter Proteft Hin, brachte ihn dann aber, gleidy dem frü=
heren Zwift wegen der Stadtihlüffel, vor Kaifer und Kammer—
gericht. Dieſe ſowie weitere Streitigkeiten über die Jurisdiktion
erregten, zumal in diejer Zeit allgemeinen Wachstums der landes-
fürftlihen Macht, in dem Biſchof den Wunſch nad einem ftarfen
Rückhalt. Diejen fand er am pafjendften in dem nächiten deutſchen
Nahbarfüriten, Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg, melder
ihon als einer der Oberften des niederländiih=weftfäliichen Kreiſes,
zu welchem Stift Lüttich gehörte, jedem Mitglied bewaffneten
Schu gegen feindlihe Gewalt zu verihaffen verpflichtet war.
Herzog Wilhelm feinerjeit3 befam einen bejondern Grund,
dem Lüttiher Bischof fi) zu nähern, al3 er Anfangs der fiebziger
Stift Lüttich unter Bifchof Gerharb von Groesbeet. 719
Fahre jeinen zweiten Sohn in den geiftlichen Stand zu geben
beihlog. — Er ließ nun mit dem Biſchof von Lüttich ebenjo wie
mit dem von Münfter über eine Koadjutorie für Herzog Johann
Wilhelm unterhandeln, und zwar durch Dit von Bylandt, der
als Herr von Rheidt faft ein Nachbar des Stiftes und außerdem
mit einigen angejehenen Domberren verwandt war. Man war
noch nicht über die erſten Worbeiprehungen hinaus, als Herzog
Wilhelms älterer Sohn in Rom ftarb und infolge deſſen der
Plan, den jüngeren im geiftlihen Stande zu laſſen, aufgegeben
werden mußte Nunmehr entihloß fih der Herzog, feinem
Neffen, Herzog Ernft von Bayern an feines Sohnes Statt
nit nur Münfter, fondern auch Lüttich jamt den beiden reichs-
fürftlihen Benediktinerabteien Stablo und Prüm zu verihaffen.
Für Biihof Gerhard war es jedoch von vornherein nicht einerlei,
ob er einen Koadjutor aus dem Nahbarhaufe Fülih oder aus
dem fernen bayriihen hatte. Zudem freuzten ſich jetzt inbezug
auf die eine der beiden Abteien, auf Stablo, feine eigenen Wünſche
mit denen der Häufer Jülich und Bayern.
Abt von Stablo nebft Malmedy und zugleih von Prüm war
jeit dem Jahre 1546 Graf Ehriftoph von Manderſcheid-Keil, ein
Säufer und Verſchwender, wenn man feinen Gegnern glauben
darf, unter welchem ſowohl die Kloſterzucht verfiel, wie der
materielle Wohlftand der Abteien, und ihre Säfularifierung
durch die Halb Iutherifchen Grafen von Manderſcheid angebahnt
wurde. Dies benußte Kurfürft Jakob von Trier, um jhon zu
Lebzeiten des Abtes Chriftoph von Papſt Gregor XII. eine Bulle
zu erwirfen (datiert vom 24. Yuguft 1574), melde die Einver-
leibung der Abtei Prüm in das Erzftift Trier, nad) dem Tode
des jekigen Abtes, ausſprach. Kaifer Marimilian beftätigte dieje
Inkorporation auf dem Regensburger Wahltag, angeblih gemäß
früheren Zufagen feines Vaters, Kaifer Ferdinand, zugleih mohl
zum Lohn dafür, daß der Kurfürft feinen Sohn Rudolf zum rö—
mischen König mählen Half. — Wie Prüm dem Erzftift Zrier
wohl anftand, jo Stablo mit Malmedy dem benachbarten Lüttich.
720 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
Ähnlich) dem Trierer Erzbiſchof ſcheint auch Biſchof Gerhard ſchon
vor Abt Chriſtophs Tod Schritte gethan zu haben, um die In—
forporation von Stablo und Malmedy in Lüttich zu erlangen ?).
Hauptſächlich mit der Abjiht, die Inkorporationen zu Hintertreiben,
ließ ſich Ehriftoph von Manderfcheid mit dem Herzog bon Jülich
in Verhandlungen ein über eine Koadjutorie Johann Wilhelms
ſowohl für Prüm wie für Stable. Nah Karl Friedrichs Tod
erfuchte der alte Herzog den Abt durch einen eigenen Gejandten,
nunmehr feinen Neffen Herzog Ernft an die Stelle feines Sohnes
treten zu laffen. Anderſeits bemühte fi Ehriftophs Vetter, Graf
Arnold von Mandericheid: Blankenheim, der Bruder des GStraß-
burger Biſchofs, perfönlicd in Rom, beide Abteien, oder wenigſtens
Stablo, für fih zu befommen.
Als der Herr von Rheidt im Sommer 1575 nad Lüttich)
fam, um über die Koadjutorie weiter zu verhandeln, ſchlugen ihm
Biſchof Gerhard und feine beiden einflugreichiten Räte, Laevinus
Torrentius und Chriftoph von Woeftenraedt eine Art Kompromiß
bor: die Herzöge von Jülich und Bayern follten dem Biſchof die
Abtei Stablo überlaffen, dagegen wolle dann diejer den Herzog
Ernſt zugleih für Stablo und für Lüttid) zum Koadjutor machen.
Für Lüttich bedürfe man zu diefem Zweck Fürſchriften an Biſchof
und Kapitel vom Kaifer und beſonders vom jpaniichen König,
legtere aber direft und nicht etwa dur den Statthalter Re—
quejens oder die Brüffeler Regierung. Daraus ift zu Ichließen,
daß vonfeiten der ſpaniſchen Regierung in den Niederlanden be=
reits ein anderer Koadjutor für Lüttich) ind Auge gefaßt war,
wohl der Lüttiher Dompropft Johann von Barlaymont, einer
der Söhne des bei König Philipp in höchſter Gunſt ftehenden
Staatsrates Graf Karl von Barlayment. Von den Barlaymonts
1) 22. Ottober 1575 fchreibt Dr. Fabricius am Herzog Albrecht (RA.
Freifing Nr. 82, fol. 68): quantum subodorari videor, optarent [scil. Leo-
dienses] aliquam posse iniri rationem, qua ipsa abbatia episcopatui in-
corporetur.
Stift Lüttich unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 721
wollte man jedoh in Lüttich nichts wiſſen: zumeift wohl, meil
man fürdhtete, fie würden allzu ſchlechte Hüter der Unabhängigkeit
des Stiftes gegen Spanien fein. Herzog Albreht von Bayern
wünſchte, von faiferlihen Fürjchreiben möge man abjehen; denn
Kaifer Marimilian werde gewiß lieber den Sohn des Erzherzogs
Ferdinand, Andreas, dem man bereit3 in Miünfter al3 Rivalen
begegnet war, auch für Lüttich empfehlen; dagegen bemühte er
fi) um die Spanischen Fürfchriften fofort und wiederholt aufs
eifrigfte; e3 verging aber mehr als ein Jahr, bis überhaupt eine
Antwort des Königs erfolgte, und diefe dann jo fühl, daß man
fie am Münchener Hofe faſt als eine abichlägige anjah. Erſt
auf nodymalige dringende Bitte des Herzogs ftellte König Phi—
lipp im Juni 1577 zweierlei Fürfchriften an den Biſchof ſowie an
das Kapitel aus, die einen ziemlih warn für den Fall, daß das
Kapitel für fi) die Koadjutorie bereit3 bewilligt Habe, die anderen
in jener höflich-kalten Form, wie fie niemanden leicht verweigert
wurden, darım aber aud) niemanden verpflichteten.
Inzwiſchen war Abt Ehriftoph von Mandericheid bereits ge=
ftorben, am 28. Auguft 1576, und über das fernere Schidial
feiner Abteien entichieden worden: Zu Prüm erichien Erzbiſchof Ja—
fob von Trier fofort nad Chriſtophs Tod, worauf der Konvent
mehr gezwungen als freiwillig die Inkorporation der Abtei be=
willigte (am 2. September) und die Unterthanen dem Kurfürften
den Eid leifteten. In Stablo und Malmedy wählten die Mönche
ihon vor dem 1. September den Lüttiher Biſchof zum Admi—
niftrator der vereinigten Abteien, liegen ſich aber von den Lütticher
Landftänden verbürgen, daß ihnen für die Zukunft ihr freies
Wahlreht gewahrt bleibe). Damit fiel für Biſchof Gerhard
der Grund weg, welcher ihn zunächſt bewogen hatte, auf eine
bayrifhe Koadjutorie ſich einzulafjen.
1) Bei ber päpftlichen Verleihung ber Abtei Stablo an den Lütticher
Biſchof Tieß fi Dr. Andreas Fabricius eine Penſion von 600 Dulaten aus
beren Einkünften refervieren. RA. Münfter V, 155.
Lojjen, Köln. Krieg I. - 46
722 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
Auch auf bayrifcher Seite hatte man es, jo lange die Bes
werbung um Münfter, nachher die um Köln, noch im Gange war,
mit Lüttich nicht eben eilig; man mochte, wie man fi ausdrüdte,
nicht zwei Hafen auf einmal jagen; Münfter und Köln fchienen
aber wertvoller und lagen näher. Jedoch ſchickte man menigftens,
al3 die ſpaniſchen Fürjchriften zu München eingetroffen waren, im
Auguft 1577, einen jungen Hofdiener, Hans David Funk, zus
nächft an den Süliher Hof, wo damals Herzog Exrnft fi) aufhielt,
und von da nah Namur zu Don Juan d’Auftria, welcher zu
jener Zeit nod) bemüht war, auf friedlihem Wege mit den Gene
ralftaaten ſich zu verftändigen. Don Juan verjprad nicht nur,
den Befehl feines Königs jofort auszuführen, fondern erbot ſich
auch, für feine eigene Perſon den bayriihen Herzog in Lüttich
beftens zu empfehlen. Hatte er doch ſchon in der Kölner Wahl:
ſache bewieſen, daß er die Vorteile einer bayriſchen Nahbarichaft
beſſer zu jhäßen mußte, als fein Lönigliher Bruder. Sein Rat
Johann Funk (Foncq), der ſeit kurzem felbft Lüttiher Domherr
war, erhielt den Auftrag, mit Hilfe des Lütticher Sieglers Lävinus
Zorrentius den Biſchof zu beftimmen, daß er fi ſowohl gegen
Don Juan wie gegen den König für die bayriiche Koadjutorie er-
Hären möge. — Das fand man jedoch in Lüttich zur Zeit bedenk—
li, denn die belgischen Ereigniffe des legten Jahres hatten Biſchof
und Kapitel in die Notwendigkeit verjegt, ſowohl gegen den
König wie gegen Don Juan perjönlich jehr zurüdhaltend zu fein.
Nah; dem Tode des Statthalter Requefens (F 5. März
1576), als faft ganz Belgien, ohne Unterjchied der Religion und
bisherigen Parteinahme, gegen die meuternde ſpaniſche Soldatesfa
ih erhob und das Spanische Willlürregiment nicht länger dul—
den wollte, hatten die Generalftanten aud nad Lüttich Gefandte
geichiet (im November 1576) und das ftammverwandte Land auf-
gefordert, fi) mit ihnen gegen die Spanier zu verbünden !). Im
1) Das kurze Negeft bei Gachard, Actes des Et.’gen. I. No. 125
(p. 41) wirb verftändlih durch das, was Fisen II, 378sq. über bie
Stift Lüttich unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 723
Stift Lüttich teilte man allgemein den Haß der belgiſchen Na—
tion gegen die Spanier, war zudem direlt durch dieſe anges
griffen, da fich die meuternden Soldaten auch der zur Hälfte dem
Stift gehörigen Stadt Maeftriht bemächtigt hatten und weithin
das Lüttiher Gebiet verwüfteten. Nur mit Mühe brachte es der
beredte Biſchof !) dahin, daß die Lüttiher Stände, auf Grund
ihrer Pflichten gegen Kaifer und Reich, die Aufforderung der
Generalitaaten zurüdwiefen. Nachher war es zumeift Biſchof
Gerhard, der als einer der faiferlihen Kommiſſare den Vertrag
zwifchen dem neuen Statthalter und den belgiſchen Ständen ver-
mittelte; an Don Juans Seite ritt der Biſchof am 1. Mai
1577 in Brüſſel ein.” Sehr bald mußte aber Don Juan, dur
Draniens Lift und Ränfe zum Bruch mit den Ständen getrieben,
nad Namur zurüdweihen und den Krieg wieder aufnehmen. Nun
durfte es Biſchof Gerhard aus Rückſicht auf die öffentlihe Meinung
feines Landes nicht wagen, ſich offen für den fpaniichen Statt-
halter zu erklären. Als die belgiſchen Stände im November 1577
die Lütticher neuerdings aufforderten, mit ihnen gemeinfame Sade
gegen die Spanier zu machen, bedurfte es wieder des eiftigen Zu—
redens des Biſchofs, um feine durch neue Gemwaltthaten der Spa=
nier — bon den drei Feftungen auf ihrem eigenen Gebiete aus —
erbitterten Xüttiher bei ihrem früheren Beſcheid feitzubalten.
Gleichzeitig verlautete, Erzherzog Matthias, welcher jüngſt
al3 angebliher Statthalter König Philipps in den Niederlanden
erſchienen war, folle Koadjutor des Lüttiher Biſchofs werden.
Werbung des Herrn von Froibmont und bes Rates Dubart zu Lüttich
mitteilt.
1) Gerbarbs Berebfamteit wird von den Zeitgenofien Häufig gepriefen.
Der Lütticher Dichter Jean Poly (Politus, Inauguratio principis Ernesti,
Col. Agr. 1583, unb Panegyrici ad Christ. orbis prineipes, Col. 1588),
fagt von ihm: — cui labra dedit facundus Apollo Tingere Pieria limpha,
ac. praedivite lingua Magna loqui. — Margareta von Valois (Mm.
p. 120) ſchreibt: C’estoit un seigneur accompagnö de beaucoup de vertu,
de prudence et de bont&, et qui parloit bien frangois, agreable de sa
personne, honorable, magnifique, et de compagnie fort agreable. -
46*
724 Achtes Bud. Erſtes Kapitel.
Gegen Ende desjelben Monats, November 1577, kam der Herr
bon Rheidt wieder einmal nah Lüttih und ſprach über dieſe
Dinge mit feinen dortigen Freunden und mit dem Biſchof jelbft.
Er fand fie für ihre Perjonen noch mwohlgeneigt für die Nachfolge
des bayrifhen Herzogs, aber eine Empfehlung durch König Philipp
oder deſſen Statthalter konnte unter den jegigen Umftänden nichts
mehr nützen; wurde dod Don Juan jelbjt vierzehn Zage jpäter
bon den Generalftaaten al3 Feind des Vaterlandes proflamiert.
Die Freunde des Herrn von Rheidt, der Droft der Markgraf-
ſchaft Frandimont, Heinrih bon Eynatten, der Domdehant
Winand don Wyngaerde, der Siegler Zorrentius, der Kanzler
Moeftenraedt, die Domherren Philipp vor Corswarem, Johann
von Berlo u. a. empfahlen daher Herzog Ernfts Nachfolge lieber
auf dem Wege vorzubereiten, daß fi diefer einen Plak im
Domkapitel verihaffe, aljo wählbar werde.
Die kirhenpolitiihen Verhältniſſe im Stift Lüttih ähnelten
den früher gejchilderten des Erzftifts Köln. Auch Lüttich) beſaß
einen ſehr zahlreichen grundbefigenden Klerus !), aber aud bier
wie in Köln und anderwärts im Reiche bildete nicht der Klerus
im allgemeinen einen eigenen Landſtand, jondern nur der fogen.
Klerus primarius, das Kapitel der Domkirche ©. Lambert 2).
1) Henaux, Hist, II, 161 n. 4 giebt an, baß man im Sabre 1606
die Güter des Klerus im Stifte auf zwei Drittel bes gefamten Grunbeigen-
tums geſchätzt, ber politiihe Einfluß jedoch biefem Befig nicht entſprochen
babe. Im der Stabt befanden fih 3 Kollegiatfirchen, 4 Abteien, 32 Pfarr-
tirchen, 4 große Bettelfiöfter und eine Menge Kleinere geiftliche Korporationen,
fo daß man behauptete, außer Nom gebe e8 im ber ganzen Welt in feiner
Stabt fo viele Gotteshäufer und Kirchen wie in Lüttich; vgl. Gratiani;
De Scriptis invita Minerva II, 64. Der Ausbrud Sancta Legia Romanae
Ecelesiae filia, welchen Fifen als Titel feiner Hist. Leod. braudt, ift wohl
eine Nachahmung des älteren Titels der Stabt Köln, vgl. 0. ©. 169.
Lüttich konnte eine Tochter der römischen Kirche heißen gemäß ber Legenbe,
daß St. Hubert, ihr erfier Bifchof, in Rom felbft zum Bifchof gemacht wor-
den fei. gl. Politus, Inauguratio, p. 74.
2) Die alte Domklirche ift zur Zeit ber franzöfifchen Revolution zerftört
mworben.
Stift Lüttih unter Bifhof Gerhard von Groesbeek. 725
Der Sekundarklerus beanſpruchte aber eigene Jurisdiktion ſowie
Steuerfreiheit, und wollte nur freiwillig, bei außerordentlichen
Anläſſen, zu den Laſten des Landes beitragen. Übrigens waren
auch in Lüttich wie anderwärts die angeſeheneren Domherren in
der Regel zugleich Pröpſte oder ſonſtige Prälaten der niederen
Kollegiatlirchen oder ſogen. weltliche Äbte reicher Abteien. Um ein
Kanonilat bei ©. Lambert zu bekommen, mußte man entweder
ritterlihe Abkunft von acht Ahnen nachweiſen oder fünf Jahre:
auf einer katholiſchen Univerfität ftudiert und einen Univerfität3-
grad (Licentiat oder Doktorat) erlangt haben. Im ganzen gab
e3 am Dom 60 Kanonifate, die zu einem Kapitelplatz beredhtigten.
Bor der Aufnahme in das Kapitel mußten verjchiedene Forma—
litäten erfüllt fein, namentlih Subdialonatsweihe, Entrihtung des
Statutengeldes, perjönlihe Reſidenz. Abweichend von Köln mar
dagegen in Lüttich, innerhalb der 60 Kanonikate, die Zahl der
Kapitelpläge keine geſchloſſene; zwiſchen 40 und 50 Domlapitularen
gab es in der Regel. Einzelnen Kanonilaten waren noch be=
fondere Laſten auferlegt, 3. B. ftändige Reſidenz oder Presbyte-
rat. — Eine derartige Priefterpräbende an S. Lambert bejaß der
bayriihe Gefandte in Rom, Dr. Andreas Fabricius. Der Ge:
danfe, daß er diejelbe zugunften feines früheren Zöglings refig-
nieren könne, lag nahe, war auch ſchon vor zwei Fahren ausge—
ſprochen worden. Nahdem nun die Kölner Wahl unglüdlid für
das Haus Bayern ausgegangen war, beſchloß man am bayrijchen
und gleichzeitig am jülihichen Hofe, ernftlicher al3 bisher um das
Lüttiher Stift zu werben. Bereit? im Januar 1578 wurde
Dr. Fabricius von Münden aus aufgefordert, jein Lütticher Ka—
nonifat zu Herzog Ernſts Gunften zu refignieren. Im Februar
nahm Dandorf bei feiner Reife an den Niederrhein zwei, von bier
bayrischen Adeligen befiegelte Urkunden mit, welche bejagten, daß
Herzog Ernft von je vier Ahnen von Fürftenftamm ehelih ab»
ftamme, — ferner eine Vollmacht desjelben für drei Lütticher
Dombderren, Winand von Wyngaerde, Karl D’Dyenbrugge zu
Duras und Jakob Carondelet, zur Annahme eines Kanonifats bon
726 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
S. Lambert. Dandorf erfuhr jedoch dur den Herrn von Rheidt,
dag deſſen LKütticher Freunde wegen der mit Fabricius’ Kanonilat
verfnüpften Refidenzpflicht Anftand nähmen, und deshalb vorſchlügen,
Fabricius ſolle dasſelbe zunähft gegen ein anderes freies Kano—
nifat vertaufchen, wozu fi der Domberr Johann Bruning, bor=
behaltlih einer zu vereinbarenden Penfion, ſchon bereit erklärt
babe. Dr. Fabricius erhielt nun Befehl, Permutation und Re—
fignation feines Kanonilats gleichzeitig zu vollziehen. Er zeigte
anfangs wenig Luft: fo lange man nod hoffen dürfe, Köln
durd den römiſchen Prozeß zu erlangen, fei es unflug, zugleich
Lüttich zu erftreben; er äußerte den Verdacht, Lävinus Tor—
rentius wolle vielleiht, da des Bruninx Kanonilat ftreitig ſei,
mehr für diefen feinen Freund als für Herzog Ernſt ſorgen. Doc
gab er ſchließlich dem beftimmten Wunſch feines Herzogs nad: im
Mai 1578 fandte er Tauſch- und DVerzichturfunde nad Münden,
bon wo diejelben nebjt einer neuen Vollmacht von Herzog Ernſt
im Juli nad Cleve gelangten.
Mittlerweile waren die Lütticher Freunde durch das lange
Verihleppen der Sache ungeduldig geworden. Die Gegner Spa—
niend und des bayrischen Haujes Hatten von der neuen Praftif
etwas erfahren: Schon Anfangs März findet ſich in einem Briefe
des Grafen Johann von Nafjau an feinen Bruder Dranien die
Nachricht, daß für den Freifinger Biſchof u. a. auch wegen Lüttich
verhandelt werde; Dranien möge bei Zeiten ftenern und wehren !).
Einige Zeit nachher verlautete, viele große Herren und namentlid
der jeit furzem mit einem ftarfen Heere in den Niederlanden wei—
Iende Pfalzgraf Johann Kaſimir fuchten zu Hintertreiben, daß
Herzog Ernſt zu einer Lütticher Dompräbende gelange. In einem
— — — —
1) In demſelben Brief (bei Groen van Prinsterer VI, 304) giebt
Graf Johann an, der Trierer Kurfürft und fein Kapitel hätten jüngft ſchon
bewilligt gehabt, dem Freiſinger Bifchof als Koabjutor anzunehmen, ber Dom-
dechant von ber Leyen habe das aber diesmal noch verhindert. Archivaliſche
Deweife für diefe Behauptung find mir bisher nicht vorgelommen.
Stift Lüttich unter Biſchof Gerharb von Groesbeef. 7127
Brief an Dit von Bylandt deutet der bifhöflihe Sekretär Do:
minifus Lampfon an, daß der münſterſche Statthalter, Herr
Konrad von Wefterholt, welder aud, wie Dr. Fabricius, eine
Priefterpfründe zu Lüttich befige, mit dem Herrn Bruninx gerne
taufhen wolle und erbötig jei, eine jährlihe Penfion von min—
deitens 75 Dufaten darauf zu zahlen; man möge ſich alfo wegen
der vorgejhlagenen Permutation endlich entſchließen. Hält man
diefe Nahriht mit den anderen Gerüchten zujammen, jo wird
faum zu bezweifeln jein, daß es MWefterholt weniger um die Doms
pfründe an ſich zu thun war, als vielmehr darum, aud) in Lüttich
das Emporkommen des Haujes Bayern zu erſchweren. Hinter
Wefterholt ftanden entweder Johann von Naffau und die Gene—
talftaaten, oder wahrſcheinlicher Kurfürft Gebhard von Köln, den
wir um diejelbe Zeit in Briefwechſel mit dem Erzherzog Ferdinand
finden, hauptſächlich wegen der Frage, auf welche Weiſe eines der
beiden Stifter Münfter oder Lüttih dem Sohne des Erzherzogs,
Kardinal Andreas von Dfterreidh zugewendet werden könne. Geb:
hards Bruder Ehriftoph, zur Zeit Erzherzog Ferdinands Käm—
merer, fam im Laufe des Sommers 1578 an den Niederrhein
und ſprach Hierüber im Vertrauen mit dem Lölnifchen Kanzler
Burkhart, einem alten Penfionär des öfterreihiihen Haufes, mel
her von Münfter abriet, dagegen inbezug auf Lüttich feine guten
Dienfte anbot. Ende Auguft jhreibt Dr. Burkhart an den Erz—
berzog: das beſte Mittel, feinem Sohne zur KRoadjutorie in
Lüttih zu verhelfen, würde fein, wenn derjelbe von Spanien
die längft verſprochene Entihädigung für den Bau der drei
Feftungen und für die geichmälerte geiftliche Jurisdiktion erlangen
fönnte; denn nur durch das Verſprechen freiwilligen Erſatzes
babe fih Biſchof Gerhard abhalten laffen, auf dem legten Reichs—
tage förmliche Klage zu erheben; übrigens paßten gemäßigte Na=
turen, wie die vom Haufe Ofterreich, gut nad) Lüttich, wie Biſchof
Georg von Ofterreich bewieſen habe. Nachher verſprach Dr. Burk—
hart meiter, fi dafür zu bemühen, daß Kardinal Andreas ein
Kanonikat zu Lüttich) erlange, wobei er auf die Hilfe des Biſchofs
128 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
jelbft, jodann des Dompropftes Johann von Barlaymont und
de3 Archidialons von Campinne, Graf Hermann von Nenneberg
rechnete.
Inzwifchen war endlih, dankt dem Bemühen des Herrn von
Rheidt, am 29. Dftober 1578 der Umtaufd der Kanonikate des
Herrn Bruninx und de3 Dr. Fabricius vor fi gegangen. Rheidt
und einige jeiner Lüttiher Freunde verbürgten fih dafür, daß
Fabricius die fchlieglih ausbedungene jährliche Penfion von 150
brabantiſchen Gulden wirklich leiften und dazu aud die päpftliche
Genehmigung ausbringen werde. Auf Grund der bereitliegenden
Vollmachten hätte nun Bruning’ Kanonikat jofort auf den Herzog
von Bayern übertragen werden können; das geihah aber nicht,
ohne Zweifel wieder aus Rüdjiht auf die Lage der Dinge im be=
nachbarten Belgien.
Seit dem Sommer 1578 durdftreiften und plünderten die
Heere des Pfalzgrafen Johann Kaſimir und des Herzogs von
Anjou (Ulenson) von den Niederlanden aus, um die Wette mit
dem föniglihen Kriegsvolt, Lütticher Gebiet. Hätten jest Biſchof
und Dombherren durch die Aufnahme des bayrifhen Herzogs in
das Kapitel die Abficht, ihm Fünftig zum Herrn zu machen, offen
fundgegeben, jo wäre da3 für die mehr Raub als Krieg treiben=
den Soldaten vielleiht ein willlommener Vorwand geweſen, Die
Neutralität des Stiftes noch weniger al3 jeither zu achten. Er—
ichien ihnen doch Biihof Gerhard, feit er Kardinal der römischen
Kiche geworden war, 21. Februar 1578, mehr nod) wie früher
verdächtig al3 ſpaniſch gefinnter Y.
1) Gebharbs Ernennung zum Karbinal wurde von fpanifcher Seite ſchon
feit dem Jahre 1565 betrieben (Gachard, Corr. de Phil. II. I, 338;
II, 288. 296), und verzögerte fih wohl nur, weil ber Bifchof felbft dem mit
diefer Würde verbundenen Aufwand fürdtete (Gachard 1. c. IV, 2248q.).
Bielleiht brachten ihn nachher, neben dem Beſitz von Stablo, ſpaniſche Pen⸗
fionen in günftigere Lage. Übrigens ſah man anfangs auch am Jülicher
Hofe Gebhards Ernennung zum Kardinal nicht gerne, zumäcft wohl, meil
man dadurch das Wahlrecht des Kapitel und bamit die Nachfolge bes Her-
Stift Lüttich umter Biſchof Gerhard von Groesbeet. 129
Das folgende Jahr, 1579, brachte der Politik und den
Waffen des neuen Spanischen Statthalters, Alerander Farneſe, glän—
zende Erfolge. Ruhmlos löfte der unftäte Pfalzgraf fein Heer
auf, aud der Herzog von Anjou verlieh das Land wieder; die
ſogen. Malcontenten in den walloniſchen Südprovinzen machten ihren
Frieden mit dem König; der Kölner Pacififationsfongreß ging res
jultatlos aber mittelbar zum großen Vorteil der ſpaniſch-katholiſchen
Partei auseinander. Am Tage Peter und Paul wurde die Stadt
Maeftriht, zu deren Belagerung Biſchof Gerhard als Mitherr
Lebensmittel und Geſchütze geliefert und Zaufende von geichicten
Minierern und Schanzgräbern gejandt hatte, von den Spaniern
mit ftürmender Hand erobert, die tapfere Bejakung, dazu Weiber
und Kinder, mit unmenjhliher Graufamfeit erichlagen und er=
mordet, die Stadt der Plünderung preisgegeben. Aus dem An—
fauf der Beute bereiherte ſich die Nahbarftadt Lüttich.
Infolge dieſer Ereigniffe geftalteten ſich die Ausfichten auf die
Nachfolge des Haufes Bayern in Lüttich weſentlich günftiger,
wenn auch der Ausbruch der Veit im Stifte die Wiederaufnahme
der Verhandlungen noch einige Zeit verzögerte. Schon im Früh:
jahr 1579, al3 der kurkölniſche, Früher lüttihihe Rat Dr. Ser—
vatius Eid in Gebhard: Auftrag nad Lüttich fam, um ſich in
der Stille über den Stand der bayriihen Bewerbung und die
etwaigen Ausfihten für Kardinal Andreas zu erfundigen, lauteten
die dort erhaltenen Nachrichten ziemlih günftig für das Haus
Bayern, aber wenig für das Haus Dfterreih: Zwar habe
der Ausgang der münfterichen jomwie der kölniſchen Wahl aud in
Lüttich der bayrifhen Partei jehr geichadet, doch werde die Praftif
für Bayern durch den Herzog von Jülich nod fortwährend mit
allem Eifer getrieben. Der Erzherzog müſſe fi) alfo entichließen,
ob er unter diefen Umftänden im Kapitel ſelbſt für den Fall der
künftigen Neuwahl eine Gegenpartei gegen die jülich-bayriſche bil-
30938 Ernft gefährbet glaubte. Papft Gregor beflätigte inbes fomohl bem
Stift Lüttich mie der Abtei Stablo ausdrücklich ihr freiss Wahlrecht.
730 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
den wolle — bei 60 Domherren mit verſchiedenen Köpfen und
Sinnen kein ausſichtsloſes Bemühen. Dazu ſei aber nötig, daß
ſich Kardinal Andreas, neben einer Empfehlung von Spanien,
eine Dompräbende zu Lüttich verſchaffe. — Indem Kanzler Burk—
hart dieſen Bericht dem Erzherzog übermittelte, deutete er zugleich
möglichſt ſchonend an, daß Kardinal Andreas, da er nicht den
Nachweis ritterlicher Abſtammung liefern könne, am beſten durch
Univerſitätsſtudium und den Doltoren= oder Licentiatengrad ſich
qualifizieren würde. Der Erzherzog nahm aber diefe Andeutung
jehr übel auf: Andreas jei fein eheleibliher Sohn, ein weiterer
Nahmweis überflüffig, zumal derjelbe bereits Kardinal der römischen
Kirche ſei. Ebenſo wenig wollte er von der Annahme des Dok—
torat3 oder Licentiats etwas willen. — Nachher verſuchte noch
einmal der fpanische Dberft Pollweiler, mit Biſchof Gerhard felbft
wegen einer Koadjutorie des Kardinals Andreas anzufnüpfen; man
fam aber nicht über die erjten gegenjeitigen Freundichaftsver-
fiherungen hinaus. So ſchlief dieſe Gegenpraftif allmählich ein. —
Dagegen erfahren wir zu Ausgang des Jahres 1579 aus Briefen
des Herin von Rheidt, daß ſich ein anderer hoher Potentat um
die Lütticher Koadjutorie bemühe und dabei auf die Unterftügung
de3 faijerlichen Hofes rechne. Gemeint ift ohne Zweifel Erzherzog
Matthias, welhem man um diejelbe Zeit auch das Stift Münfter
zu verichaffen ſuchte. Näheres über diefe Praltik wiſſen wir nidt;
erfolglos mußte fie ſchon darum- bleiben, weil König Philipp und
Alerander Farneſe diefen Erzherzog in Lüttich ſicherlich noch weniger
als in Münfter zum Nachbar haben wollten.
Bonfeiten Bayerns geihah wohl ein Jahr lang nicht das Ge—
ringfte, um die in Lüttich bereit3 erlangte Stellung zu verftärfen
oder aud) nur zu behaupten. Man ſchien diejes Stift ganz ver-
gefien zu haben. Die Urjahe war, daß man damals am bayri=
ihen Hofe der foftipieligen erfolglojen Bewerbung um weit ent=
legene Stifter müde war und die Gedanken auf Näherliegendes, na=
mentlid) auf Salzburg, gerichtet hatte. Aber gerade das Salzburger
Projeft bot den äußern Anlaß, daß die Frage der Kütticher
Stift Lüttich unter Biſchof Gerharb von Groesbeek. 781
Koadjutorie wieder angeregt wurde. Auch in Lüttich Hatte man
erfahren, daß fi Herzog Ernft um Salzburg bemühe, hielt es
aber für unmöglich, diejes Erzitift und das weit entlegene Lüttich
in einer Hand zu vereinigen. Die Lütticher Freunde Bayerns
wollten aljo wiflen, woran fie waren, und wandten fi deshalb
an den Herrn von Rheidt. Rheidt berichtete am 23. Auguft
1580 an jeinen Herzog, diejer an die bayriſchen Herzöge, indem
er fi zugleich erbot, falls Herzog Ernft das wünſche, die Ver—
handlungen in Lüttich wieder aufzunehmen. — Inzwiſchen war
Bayerns Bemühen um Salzburg bereits gejcheitert; Herzog Ernſt
batte aljo feinen Grund mehr, Lüttich auszufchlagen. Daß man
dort ebenjo wie in Münfter und in Salzburg das Haus Diter-
reich als Nebenbubler traf, reizte ihn mehr als es ihn abichredte.
Er bat aljo feinen Oheim, die Sade in die Hand zu nehmen
und zunächſt dafür zu forgen, daß ihm das Lütticher Kanonikat
endlich zuteil werde. Noch war dies nicht geichehen, als Gerhard
bon Groesbeel am 27. Dezember 1580 auf den Zod erkrankte.
Vor langen Fahren (1567) hatte er ſich durch einen unglüdlichen
Schuß am Fuße verlegt — er hinkte jeitdem. Die alte Wunde
war vor einigen Wochen, infolge eines heftigen Stoßes, wieder
aufgebrochen, und feitdem kränkelte der fonft noch rüftige Mann.
Das Unwohljein ſcheint ganz plößlid einen gefährlihen Cha=
alter angenommen zu haben. Am Nachmittag des 27. Dezem-
ber jpendete der Dompropft, frühere Domdehant, Winand von
Wyngaerde 2), feinem Biſchof die legte Dlung. Das Kapitel blieb
in Permanenz verfammelt, nur fünf oder ſechs Domherren fehlten.
Die Frage, wer des Sterbenden Nachfolger werden folle, lag auf
aller Lippen; ſchon ſprach ſich die allgemeine Stimme nit nur
im Sapitel fondern aud in der Stadt für Herzog Ernſt von
1) Winand von Wyngaerbe war am 6. September 1580, nad dem Tode
bes Herrn Johann von Barlaymont, zum Dompropft gewählt morben,
worauf er das Dekanat refignierte, zu welchem bann, am 29. Oktober, Arnold
Hoen von Hoensbroeck neu gewählt wurbe, Bormans bei Ram |. c.
132 Achtes Buch. Erſtes Kapitel.
Bayern aus 9: inmitten der feindlichen Kriegspölfer, von denen
feines die Neutralität des Landes achtete, verlangte man nad
einem Fürften aus mächtigem Haufe. Im Kapitel waren der
Dompropft und Herr Karl D’Dyenbrugge zu Duras, mit melden
Herzog Ernft vor bald ſechs Jahren in Rom Freundſchaft ge—
ſchloſſen hatte, die eifrigften. Eiligſt beforgten fie, noch am
28. Dezember, die bisher verichobenen Formalitäten, um des Her-
3098 Aufnahme in das Kapitel zu fihern. Ein Kapitelbote über-
brachte dieſe Nachrichten dem Herzog von Jülich nah Schloß
Hambach, zugleih mit dem dringenden Nat, der Herzog möge
feinen Neffen fofort herbeilommen lafien. In der Frühe des
nächſten Morgens, am 29. Dezember um 3 Uhr, ftarb der Kar—
dinalbiihof, 63 Jahre alt. Noh am jelben Tage beftimmte das
Domtlapitel den 23. Januar als Tag der Neumahl.
1) Schon bald nah Biſchof Gerhards Tod verbreitete fich bei Freund
unb Feind das Gerücht, diefer habe noch auf dem Sterbebett Herzog Emft
als feinen Nachfolger empfohlen. Wir begegnen bemfelben in einem Briefe
Languet8 vom 1. Februar 1581, Ep. secr. I. 2. 845, und ganz ähnlich in
einem Briefe bes Dr. Winkel an Herzog Wilhelm von Bayern vom 12. Januar
RA. Münfter IX, 25. Man wird dieſes weder den Umſtänden entfprechenbe,
noch durch bie vorliegenden genauen Berichte Über Gerhards letztes Kran-
fenlager betätigte Gerücht als eine volfstümliche Umgeftaltung ber feit
Jahren zwiſchen Biſchof Gerhard und dem Haufe Bayern über die Nachfolge
gepflogenen Berbandlungen aufzufafien haben.
2. Kapitel.
Herzog Ernſt von Bayern wird Bifhof von Lüttich. *
Die Revolution, durch welche ſich die nördlihen Provinzen
der Niederlande von der ſpaniſchen Herrihaft und zugleid vom
Haufe Oſterreich losriſſen, erreichte ihren Höhepunkt gerade in dem
Augenblid, al3 Biſchof Gerhard von Lüttich ftarb. Am 13. De—
zember 1580 hatte Wilhelm von Dranien feine Achtung als Hoch—
verräter durch ein Manifeft beantwortet, worin er feinen König
als Tyrannen, Ehebreher und Mörder brandmarkte; am 30. De—
* Quellen: Bon ben im vorigen Kapitel genannten Liütticher Gefchicht-
fohreibern befonbers Fiſen, ſodann Bormans’ Auszug aus ben Ka—
pitelprotofollen. Einiges Cigentümliche in Langueti Ep. secr. I. 2,
841sqg. und bei Strada, De Bello Belgico Dec. IL lib. IV. Bon
ben oben angeführten Archivalien befonders AA. Lüttich Tom. II und
Münfter IX und X; Fürftenfachen Spec. C. Nr. 413. Bibl. Föringer.
3239. Die jülihfhen Akten inbetreff ber Lütticher Wahl haben fich
bisher in Düfjelborf nicht vorgefunden. Die Akten über ben Einritt
DA. Politifhe Begebenheiten Nr. 19 benutzte ich nicht eingehend, weil
bierfür bie gebrudte Litteratur ausreiht, nämlid Jo. Politus
Leodius, Rmi ac Sermi Principis Ernesti . . . Inauguratio,
Col. Agr. 1583 — bier auch manches über bie Wahl — unb Rob.
Turner, Triumphus Bavaricus, Ingolst. 1583 fowie in ber Samm-
lung der Schriften Turners von 1599. Turner foheint Polys Be-
ſchreibung bereit8 vor fih gehabt zu Haben. Beide flimmen unter
einanber und mit ben arcdivalifchen Angaben in ben Einzelnheiten
meiſtens überein.
734 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
zember, einen Zag nad) Gerhards Tod, genehmigten die zu Delft
berfammelten Stände von Brabant, Flandern, Holland und Zee
land, Mecheln, Friesland und Ommelande den Vertrag, wodurch
fie den Bruder des franzöſiſchen Königs, Herzog Franz von Anjou
und Alenson als ihren neuen Herzog und Herrn annahmen.
Fortan war fein Ausgleih mehr möglid, jondern nur noch Kampf
auf Leben und Zod. Die Sriegspölfer beider Parteien lagen
hart an der Grenze des Stiftes Lüttich zu Dieft und zu Leeum
einander gegenüber; ohne Scheu plünderten beide auf Lütticher
Gebiet und reizten die Stiftsunterthanen zu Unruhe und Auf:
ruht. Darum vor allem war das Domlapitel jo jehr darauf
bedacht, die Zwiſchenregierung abzufürzen; darum verlangte man
nad) einem bon Haus aus mächtigen Fürften.
Auch jonft würde man bei einer Neuwahl die Wünſche des
Herzogs von Jülich, des nächſten deutihen Nachbarfürften, be=
rücjichtigt haben; diesmal fielen jie zujammen mit den Intereſſen
des Stiftes felbft. Darum gingen bei dem Bemühen, den bay—
rifhen Herzog an die Stelle des verftorbenen Biihofs zu brin=
gen, Herzog Wilhelm und das Domlapitel Hand in Hand. Ein
Eilbote des Herzogs trug die Nachricht von Gerhards Tod nad
dem bildesheimishen Haus Steuerwald zu Herzog Ernft: diejer
möge fi, da er anders zu diefer Würde gerne erhöht fein wolle,
eiligft nad Lüttich begeben, um das Eiſen zu jhmieden fo lange
e3 hei ſei. Ernſt ließ, wie der Oheim riet, alles andere liegen
und ftehen; jhon am 12. Januar traf er mit einigen Begleitern,
darunter Paul Stor, auf Schloß Hambach ein, hatte alfo eine
Strede von mehr als 40 deutihen Meilen in höchſtens 6 Zagen
zurüdgelegt ). Inzwiſchen hatte ihm der Oheim die Bahn zum Stift
bereit3 geebnet. Am 5. Januar ſchrieb Herzog Wilhelm an Alerander
Farneje und bat diejen, an die früheren Fürſchriften des Königs
1) Der jülichſche Bote brach früheſtens am 2. Januar von Hambach
auf; angenommen, er fei in vier Tagen bis nach Hildesheim geritten, fo
fann Ernſts Aufbruch von bort faum vor dem 7. Januar erfolgt fein.
Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 785
und feines Vorgängers Don Juan erinnernd, er möge dem bayriſchen
Herzog zugleich in Lüttich und in Stablo behilflich fein. Ferner
erjuchte er, auf den Nat der Lütticher Freunde, die Mönche von
Stablo und Malmedy, ihre Neumahl nicht zu beeilen und fi an
die früheren Verhandlungen über eine Koadjutorie des Freifinger
Biſchofs zu erinnern. Am 10. Januar erſchienen Gejandte des
Herzog3 vor dem Lüttiher Domkapitel, fondolierten wegen Biſchof
Gerhard: Zod und empfahlen hierauf in aller Form den bayri=
hen Herzog als Nachfolger. Ernfts Ankunft in Hambad wurde
dem Domkapitel jofort gemeldet; darauf antworteten die drei
Herren Wyngaerde, Zorrentius und Woeftenraedt: es würde jehr
erſprießlich fein, wenn jener jhon etwa 8 Tage vor der vom
23. auf den 30. Januar verjhobenen Neuwahl feine Reſidenz als
Kanonikus an S. Lambert beginnen fünnte. Der Dompropft
Wyngaerde bot zugleich jein Haus als Wohnung für Herzog Ernft
an. Woeftenraedt fügte bei, alle anmejenden Domherren jühen
deſſen baldiger Ankunft mit Verlangen entgegen, wenn auch nie
mand vom Kapitel demjelben entgegenfommen dürfe. — Dieje
Zurüdhaltung, ſowie der Umftand, daß nicht das Kapitel als ſol—
ches, jondern nur einzelne, freilih die einflugreichiten Domherren,
den bayrischen Herzog nad) Lüttich einluden, erflärt fi dadurch,
daß bereit3 verſchiedene Gegenbewerber aufgetreten waren, derent=
wegen das Sapitel bis zur wirklichen Wahl den Schein feiner
Unabhängigfeit wahren wollte.
Alerander Farneje hatte gleich auf die Nachricht von Gerhards
Tod, bevor er das Schreiben des Füliher Herzogs erhielt, den
Geheimrat Fohann van der Burg nah Lüttich abgeordnet, um
dajelbft im Namen des Königs drei verihiedene Kandidaten zu
benennen: Ludwig von Barlaymont (Erzbiihof von Gambrai),
den Kardinal Granvella und Herzog Ernſt. Der Lütticher Dom-
propft Johann von Barlaymont, den man von ſpaniſcher Seite
vordem als künftigen Biihof auserjehen hatte, war vor einigen
Monaten geftorben; wohl aus Rüdjiht auf die großen Verdienſte
jeiner Familie um Spanien, jegte man nun ehrenhalber jeinen
736 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
Bruder, den Erzbiſchof, auf die Lifte, Kardinal Granvella, ftet3
gierig nad) neuen geiftlihen Würden und Pfründen, wird mohl
ſelbſt bei König Philipp, an deſſen Hof er zur Zeit lebte, feine
Empfehlung erwirkt haben. Farneſe perjönlih aber war für Her—
309 Ernſt. Schon am 17. Januar beteuert er in einem Briefe
an den Herzog von Jülich, Ernft werde ihm wie feinem König
der liebfte Nachbar fein. Da man nun in Lüttich bon dem Kar—
dinal Sranvella gewiß ebenjo wenig wiſſen wollte, wie von einem
Barlaymont, fo fiel Spaniens Einfluß zugunften des bayriichen
Herzogs in die Wagichale. Als van der Burg am 18. Januar
im Domkapitel erſchien, nannte er Öffentlih feine beſtimmte Per—
ion, ſondern empfahl nur allgemein einen ſolchen Herrn zu wäh-
len, der den Ffatholiihen Glauben zu verteidigen imjtande ſei;
privatim wird er ſich wohl für Herzog Ernft ausgeſprochen
haben ?).
Der -gefährliite Rivale für Herzog Ernft war Erzherzog
Matthias. — In dem Augenblid, da man zu Delft im Bes
griffe ftand, den Erzherzog zugunften eines franzöſiſchen Prinzen
beifeite zu ſchieben, gebot die Klugheit, den Kaifer und die Anz
bänger des Haufes Dfterreih in und außer dem Lande fomeit
als möglich zu beſchwichtigen. Das geihah am beften, wenn man
dem Erzherzog durch jeine Wahl zum Biſchof von Lüttih einen
ehrenvollen Rüdzug verſchaffte. Da man aber nit erwarten
durfte, daß die ſpaniſch-geſinnte Majorität des Kapitel3 von ſich
1) Dr. Andreas Fabricius erfuhr zwar vom feinen Lütticher Freunden,
Farnefe habe den Erzbiſchof von Cambrai beſonders empfohlen, das läßt fich
aber mit deſſen Schreiben an den Herzog von Jülich nicht vereinigen. Rich-
tig ſcheint Straba das Verhältnis anzugeben: 4 Parmensi principe, illuc
misso Vandemburgio consiliario, tribusque Catholici regis nomine pro-
positis, Ernesto Bavariae ducis filio, Frisingensi tune episcopo, et An-
tonio Granvellano cardinali, et Barlamontio archiepiscopo Cameracensi,
Bavarus praelatus est. Dagegen giebt Fabricius treffend ben Hauptgrund
an, weshalb man in Lüttich feinen Barlaymont zum Bifchof wollte: quod
principem habere nollent, qui plebem et patriam privata egestate ex-
corticaret, sed qui aliunde ad patriae dignitatem aliquid afferre possit.
Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Füttich. 137
aus den Erzherzog wählen würde, jo galt es, von außen einen
Drud auf dasjelbe auszuüben. Darum erinnerten die belgiſchen
Stände das Lütticher Volk, deſſen bewaffneter Wille jo oft ſchon
über die Geſchicke des Stiftes entſchieden hatte, in einem offenen
Schreiben vom 22. Januar an die alten Bande des Blutes und
der Verträge, ſowie an den gemeinfamen Haß gegen die ſpaniſchen
Tyrannen; ein von Parma empfohlener, der ſpaniſchen Faftion
angehöriger Biſchof werde Stift Lüttich ſelbſt zu einem Sitze des
Kriegs machen. Erzherzog Matthias ſei dagegen der rehte Mann:
fatholiüh, Sohn und Bruder eines Kaifers, Schwager des ſpa—
niſchen und zugleich eines franzöſiſchen Königs, mit allen großen
Mächten alfo durch Verwandtſchaft und Freundichaft verbunden,
werde er des Stiftes Neutralität aufrechthalten und aud in den
Niederlanden den Frieden vermitteln können. Sie rühmten die
während der legten vier Jahre erprobte perjönlide Milde und
Friedliebe des Erzherzogs; vom Kaifer und zugleih von ihnen,
ven Generalftaaten, mit Geldmitteln unterftügt, werde dieſer die
glücklichen Zeiten des Biſchofs Erard von der Mark wieder über
das Stift bringen. Dieſes offene Schreiben wurde den Bürger:
meiftern zugefchiet, damit fie e8 in den Zünften vorlefen lichen;
ein anderes Ähnliches erging an den Klerus von Lüttid. Es
folgten weitere Briefe der Generalftaaten und des niederländischen
Staatsrates, worin dieſe anfündigten, daß eheſtens eigene Gefandte
fommen würden, um die Wahl eines geeigneten Fürften zu em—
pfehlen; man möge alfo nötigenfalls die Wahl einige Zage ver:
ſchieben ). — Uber das Lüttiher Volk hatte bereits, che es den
1) Fisen Il, 387 (385) giebt aus dem Stadtarchiv eine angeblich wört-
liche Überfegung des franzöſiſchen Schreibens der Generalftanten an das Bolt
von Lüttich. Verwirrend ift nur, baß er basjelbe aus Antwerpen kommen
läßt und nachher p. 388 (386) von einem zweiten Schreiben ber zu Delft
verfammelten Stände ſpricht. Meine Annahme, daß das Schreiben der
lesteren nur Über Antwerpen nach Lüttich gelangt ift, löſt den Widerſpruch.
Ih finde fie beftätigt durch Bormans’ Auszug aus dem Kapitelprototoll
de8 23. Januar: Les bourgmestres avertissent le chapitre que le messager
Loſſen, Köln. Krieg I. 47
138 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
bayriſchen Prinzen perjönlid kannte, eine Vorliebe für ihn gefaßt
und die Zeit bis zur Wahl war allzu kurz, diefe wieder zu er=
füttern. Die Bürgermeifter legten das aus Antwerpen erhaltene
offene Schreiben dem Domkapitel vor, bezeichneten es al3 eine
aufrührerische Proflamation und forderten, daß fortan alle an—
fummenden Briefe geöffnet würden. Das war am 23. Sanuar.
Am folgenden Abend kam Herzog Ernft mit ftattlihem Gefolge
nah Lüttih. In dichten Scharen drängte fi) das Volk her—
bei, ihn zu ſehen, als er, geleitet von einigen befreundeten Dom—
herren und von den Bürgermeiftern, zum Haufe des Dompropftes
ritt. Sein herablafjendes freundliches Weſen gewann ihm fchnell
alle Herzen; von Zag zu Zag, je mehr man ihn fennen lernte,
wuchs die Vorliebe des Volkes. Entiprachen doch ſowohl feine
Neigungen wie jeine Schwächen denen des Lütticher Volkes.
Gleich dem Klerus und Adel von Lüttich liebte Ernſt die klaſſi—
ihen Studien, die Frauen, den Wein; mit dem gemeinen
Volk teilte er die Freude am Handwerk der Waffen, das Ge-
ſchick für mechaniſche Fertigkeiten; mit dem ganzen Volk der
Wallonen das freie, zu Freude und Zorn gleich ſchnell be—
wegte Wejen, den Hang zu Prunk und Prahlerei. Selbft was
man von jeinen jittlihen Vergehen aus Rom, Freifing und fonft
erfahren haben mochte, ſchadete ihm nicht viel bei einem Volke,
das, wie ein treffliher Kenner desjelben jagt, „an einer düftern
Heiligkeit niemals Gefallen fand‘).
de la Cit€ ä Anvers était revenu avec une lettre adressee aux repré—
sentants du conseil de la cite, laquelle contenait une proclamation se-
ditieuse imprimee, pour le peuple liégeois; ils proposent d’arröter toutes
les lettres et de les ouvrir. Dieſe Proclamation sed. wirb eben das
Schreiben der Generalftaaten an das Volk von Lüttich fein.
1) apud nationem cui taetrica sanctimonia nunquam in pretio fuit,
fagt ber Iefuit Foullon (1. c. II, 206) bei Angabe ber Gründe, weshalb
Biihof Erarb von der Mark bei den Lüttichern fo beliebt gewefen fei. In
Les Delices du Pais de Liöge I, 60 (1738) beißt e8, wohl mit Bezug auf
das ftrenge Urteil der Jeſuiten Foullon und Fifen über bie Leichtfertigfeit
des Biſchofs Ernft: d’autres Jui ont imput& quelques defauts, mais si
Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 789
Am Tage nad) feiner Ankunft in Lüttich, 25. Januar, nahm
Herzog Ernft im Domkapitel Befig von feinem Kapitelplag und
begann die erfte Reſidenz. Von diefem Augenblid an war er
wählbar. Unmittelbar vorher hatte ein Gefandter des Herzogs
bon Anjou, namens diefes Fünftigen Schugheren der Niederlande,
dem Kapitel empfohlen, e3 möge einen Biſchof wählen, welcher
im belgijchen Krieg die Neutralität beffer zu wahren wiſſe, als der
jüngft verftorbene. Die Behauptung jpäterer Gejchichtichreiber, der
Gejandte Habe zuerft jeinen eigenen Herrn als Biſchof vorge-
ſchlagen, fid) dann aber, als er gemerkt, daß die Wahl des bayri—
ſchen Herzogs bereits gefichert, für diejen erklärt, wird zwar nicht
durch gleichzeitige Berichte beglaubigt ?), aber jo viel ift unzweifel—
haft, daß den Franzofen ein bayriſcher Herzog immerhin als Nach—
bar lieber war, al3 ein Parteigänger Spaniens, wie der Herr von
Barlaymont oder als ein öſterreichiſcher Erzherzog, So hoben
fi aljo die Fürfchriften der niederländiihen Gegner Spaniens
gleichſam gegenjeitig auf, offenbar zu Herzog Ernſts Gunſten. —
Das Domkapitel dankte dem franzöfiihen Gefandten für das
Mohlwollen jeines Herrn, mies aber den gegen Biihof Gerhard
erhobenen Vorwurf jchlechtgewahrter Neutralität entſchieden zu—
rüd. Auch bei der neuen Wahl würden fie ihre und des Stiftes
Freiheit und Unabhängigfeit beftens wahren.
Am 30. Januar, al3 man zur Neuwahl fchritt, wurden nad)
altem Herkommen die Stadtthore geſchloſſen, die hier Schüßenge-
jellichaften und die bewaffnete Bürgerwehr bejegten die Thore
legers qu’ils auroient bien pu les couyrir de la charit& et les ensevelir
dans le silence. Noch im Sabre 1858 bemerkt Henaur (Constit. du Pays
de Liöge, Nouv. Ed. p. 31 n. 2): l’attachement aux femmes fut toujours
la passion dominante du clerg& de Liege.
1) Die beftimmte Angabe, daß der Herzog von Anjou feine eigene Wahl
empfohlen babe, zuerft bei Fifen und Foullon, welche wohl aus Ehapeau-
villes Worten (l. c. p. 511) mehr berauslafen, als biefe genau genommen be—
fagen. Die von mir benusten Alten, Bormans’ Auszug aus ben Kapitel-
protofollen und Poly enthalten nichts von einer. eigenen Bewerbung Alengons.
47*
740 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
und Pläge der Stadt, bewahten vor allem die Kathedrale
&. Lambert, in welcher fih die Domberren zur Wahl ver-
fammelt hatten. Gerade in dieſem Augenblid follen die Geſandten
der Generalftaaten, ein Herr von Merode und der Doltor Ei:
bertug Leoninus, in der Vorſtabt ©. Walpurg angelangt fein;
als fie erfuhren, nad fie zu Spät gefommen, kehrten jie um, ohne
fi ihres Auftrags zu entledigen. Die Beratung im Kapitel
dauerte dem ungeduldig bor den Domthüren ſich drängenden Volf
zu lange; ſchon murden Drohungen laut für den Fall, daß ein
anderer als der bayriſche Herzog gewählt werde. Endlich gab die
Glode das Zeichen, daß die Wahl beendigt ſei; die Domthüren
öffneten fih und von erhöhter Stelle wurde, nad) altem Brauch in
drei Spraden: lateiniſch, franzöjiih und niederdeutih, dem Wolfe
verfündigt, der Biſchof von Freifing und Hildesheim, Herzog Ernft
von Bayern jei zum Biſchof von Lüttih gewählt. Die Wahl
war einmütig erfolgt, nachdem Herzog Ernſt das Bedenken eini-
ger Domberren bezüglidy feiner anderen Hochſtifter dadurch ge:
hoben hatte, daß er päpftlihe Breven vorwies, welde ihn er:
mädhtigten, gleichzeitig verichiedene Bistümer zu befigen. Herzog
Ernft nahm die Wahl an und beihwor alsdann noch im Kapitel
eine Wahlkapitulation, die nämlihe wie feine Vorgänger !) und
im allgemeinen den in anderen Stiftern üblichen SKapitulationen
gleichend, nur daß hier die Pflicht, beftändig im Stift zu refidieren
und dasjelbe nur mit Erlaubnis des Kapitel zu verlaffen, be:
fonders ftreng eingeihärft war. Des Herzogs Freunde im Ka—
pitel hatten jhon im voraus ihren Kollegen verſprechen müſſen,
daß ſich auch Ernft, troß, feinen anderen Bistümern, diejer Pflicht
1) Die von Fisen II, 886sq. mitgeteilte Wahlfapitilation des Bifchofs
Ernft wird gewöhnlich (fo von Billenfagne und Henaut) als die älteſte be-
tanute angefehen, ſtimmt jedoch durchweg überein mit der Kapitulation des
Biſchoſs Gerhard, von welcher ein Auszug RA. Lüttih I, 23. Ich bin fo-
gar gemeigt anzunehmen, daß Fiſen vielmehr bie letztere Topiert bat, weil
fein Art. XVI, Ante annum sacerdos consecrator, auf ben bereits im
Sabre 1577 gemeihten Herzog Ernft nicht paßt.
Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 741
unterwerfen werde ?). Nur verlangte jest Herzog Ernft, da man
ihm bis zum Ginritt in Lüttich einige Monate Zeit laſſe, um ine
zwiichen in Hildesheim jeine bei der eiligen Abreiſe unerledigt ges
bliebenen Geihäfte zu ordnen. Denn in Lüttih hielt man
ftrenge an der übrigens auch anderwärts zu Recht beftehenvden
Sitte feft, daß der neue Herr erſt nach dem feierlichen Einritt in
jeine Hauptjtadt die wirklihe Regierung antreten dürfe. Bis
dahin ftand diejelbe dem Domkapitel und den von diejem Depu—
tierten zu ?).
Zautjubelnd begrüßte das Volt die Proflamation der neuen
Wahl. Am Zriumph, unter Slodengeläute und ihre Gewehre
losfeuernd, geleiteten Schüben und Bürgerwehr den Erwählten
zum Haufe des Dompropftes, wo Herzog Ernſt feine Wähler be=
mirtete. Ein Augenzeuge behauptet, der Himmel jei vom Rauch
der Freudenfeuer und des Pulvers faft wie bei Nacht verdunfelt
worden. Einige Zage ſpäter, am Felt Mariä Reinigung, erſchien
Herzog Ernſt, zur Freude des Volkes, mit der Kerze in der Hand
bei der Lichtmeßprozeſſion.
1) Fabricius in dem o. ©. 736 Anm. erwähnten Brief an ben bayri—
ſchen Herzog (vom 2. Februar 1581, RA. Lüttich II, 41) fchreibt einem
feiner Lüttiher Verwandten, Egidius Rengaut, hauptſächlich das Verdienſt
daran zu, daß bie Domherren ihre Bedenken wegen ber Pluralität ber Stifter
und wegen Herzog Ernſts geringer Kenntnis ber franzöfifchen Sprade fallen
gelafjen hätten. Im ben Akten finde ich Hiervon nichts; wenn ſich ein Eiu-
zelner beſondere WBerbienfte um bie Wahl beimefien konnte, fo war e8
wohl ber Domherr D’Oyenbrugge zu Duras, de8 Herzogs freund von
Rom ber.
2) Bon dem ehemaligen Brauch, daß bie Lanbftändbe einem Abeligen bes
Stiftes, dem fogen. Mambour d. i. VBormund, bie Zwifchenregierung über-
trugen, findet fih nah Biſchof Gerhards Tod nicht die leifefte Spur.
Henaur irrt aljo, wie gewöhnlich zugunften ber Volksrechte, wenn er be-
bauptet (Constit. du Pays de Liöge, p. 60), das Domlapitel babe im
Jahre 1688, au möpris du droit et de l’usage, anftatt ber Stände bas
Recht beanfprucht, einen Mambour zu wählen. Die Sebisvafanz von 1581
ift entjcheidendb für das Recht des Kapitels, da lange Zeit vor unb nachher
jedesmal ſchon vor dem Tode des Biſchofs ein Nachfolger (Koadjutor) ba
war, aljo feine eigentlihe Sebisvalanz eintrat.
742 Achtes Buch. Zweites Kapitel.
In denfelben Zagen wurde aud) über den Beſitz von Stablo
und Malmedy entihieden. Hier hatte Herzog Ernft nur einen
ernftlihen Gegenbewerber, den 16jährigen Grafen Hans Gerhard
von Manderfheid- Keil, deſſen Wahl zunächſt durd feine Ver—
wandten, die Nachbarn und langjährigen Inhaber der ver:
einigten Abteien, betrieben wurde. Gewichtig war namentlich
Graf Joachim von Manderfcheid - Schleiden, der ſpaniſche Gou—
verneur von Luxemburg, da wohl ihm zuliebe aud) der Herzog
von Lothringen und Graf Peter Ernft von Mansfeld, nad) Far:
neje der höchſtgeſtellte Mann in den Spanischen Niederlanden, für
jeinen jungen Better ſich verwendeten ). Auch der Kaiſer ließ
denfelben durch den alten Freiherrn von Winneburg und durd)
einen Grafen von Wefterburg empfehlen. Für Herzog Ernſt aber
traten der Herzog von Jülich und das Lüttiher Domtapitel ein,
indem fie den Lütticher Licentiaten Gotfrid Zaris, der vermutlich
unter Gerhard Groesbeek ein Amt in Stablo bekleidet hatte ?),
zu den Mönchen jchidten. Die Lütticher ſuchten außerdem den
jungen Manderſcheid zu bewegen, freiwillig zurüdzuftehen, indem
fie ihm das erfte freimerdende Kanonilat an ©. Lambert in Aus-
fiht ftellten. — Die Mönde beſchloſſen den Ausgang der Lütticher
Wahl abzuwarten. — Sobald dieſe auf Herzog Ernſt gefallen war,
gingen Zorrentius und Woeftenraedt nad Stablo und Malmedy
und beſchwichtigten die lekten Bedenken der beiden Konvente.
Am 3. Februar wurde Herzog Ernſt in beiden Abteien einmütig
(per viam inspirationis) zum Adminiſtrator poftuliert. Die
1) Über die Familie Manderſcheid im allgemeinen vgl. o. ©. 17 u. 25.
Graf Joachim erfcheint bei Gachard, Actes des Et. gen. I, 431sqgq. im
Jahre 1576 al8 Gouverneur von Luxemburg, während gewöhnlich Graf Peter
Ernft von Mansfeld als folder genannt wird. Wie beides zu vereinigen,
babe ich bisher noch micht gefunden. — Unter ben Herren, bie für ben
jungen Manberfcheid-Keil ſich verwenden, ift ferner ber Freiherr Johann von
Wilz.
2) Unter Herzog Ernſt erſcheint Taxis bald nachher als Referendarius,
ſpäter als Kanzler von Stablo.
Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 143
Aufgabe, einerfeit3 die päpftlihe Konfirmation ſich zu verſchaffen,
anderjeit3 den Verdruß der Familie Manderiheid zu beihmwichtigen,
blieb dem Boftulierten überlaffen. Das legtere geſchah mittels
ernftliher Schreiben desjelben an die Grafen von Manderſcheid
und an deren Gönner, fodann dadurh, daß dem jungen Hans
Gerhard das durch Herzog Ernfts Wahl zum Biſchof freigewor—
dene Kanonikat an ©. Lambert wirflid) verliehen wurde.
Am Tage der Stabloer Wahl trat Herzog Ernſt die Rückreiſe
nad) Hildesheim an. In Düffeldorf traf er den Grafen Salentin
von Iſenburg, der ihm mit feinem Schwager Karl von Arenberg
und dem jülihihen Marihall ein Stüd Weges das Geleite gab
und dabei das Programm für den fünftigen Einritt in Lüttich
entwarf. Die Koſten desjelben einſchließlich der eriten Einrihtung
in Lüttich berechnete Salentin auf 90= bis 100,000 Gulden, während
das Gejchent, welches die Lüttiher Landftände nad) dem Einritt
ihrem neuen Herrn zu verehrten pflegten, nur etwa 34,000
rheiniſche Thaler (52,000 brabantiiche Gulden) betrug. Von dem,
was die Stifter Freifing und Hildesheim einbradhten, und dem
Sahrgeld von 12,000 Gulden, welches Herzog Wilhelm gemäß
dem väterlihen Zeftament einftweilen noch auszuzahlen Hatte,
fonnte Herzog Ernſt kaum jeinen bisherigen Hofhalt beftreiten;
ihon für die Reife nad) Hildesheim hatte er Geld borgen müſſen.
Die Beihaffung der zum Einritt nötigen Geldmittel wurde aljo
borerft die wicdhtigfte Angelegenheit. Herzog Wilhelm von Bayern
ſteckte jelbft tief in Schulden, die er teils von dem pradhtliebenden
Vater ererbt, teil3 felbft gemacht hatte, verſprach jedoch, Bürge für
feinen Bruder zu werden, falls ihn diefer durch die Überſchüſſe
der jährlihen Einnahmen von Freifing fiher tell. Paul Stor
ging nun zunächft zu dem reihen Großherzog von Toscana, aber
„der grobe Zölpel”, wie Herzog Wilhelm ihn nannte, hatte
taufend Entjhuldigungen, daß er all jein Geld für andere Zwede
bedürfe. Auch von der Stadt Nürnberg war nicht? zu haben.
Nach Rom ging Hieronymus Stor, teils wegen der Konfirmation,
teil um durch P. Toledos Vermittelung vom Papfte ein Dar—
TH Achtes Bud. Zweites Kapitel.
lehen zu erbitten. Der Pater riet jedoch entichieden ab, die
jiherlih erfolglofe Bitte überhaupt zu ftellen. In diejer Ver—
legenheit empfahl Herzog Wilhelm feinem Bruder, den Eoftipieligen
Einritt lieber ganz zu unterlaffen oder wenigſtens zu verjchieben ;
diefer wies aber darauf hin, daß al’ feine Vorgänger, die doch
nicht einmal geborene Fürſten, feierlic eingeritten jeien und, was
wichtiger, daß nad) dem Herfommen fein Biſchof vorher zur Re—
gierung zugelaffen werde.
Ernit hatte in der That, von aller Prunkſucht abgejehen,
guten Grund, nad) jo vielen empfindlihen und faſt Ichimpflichen
Niederlagen diejen erften Erfolg glänzend zu feiern. Das Stift
galt als eines der vornehmſten und beiten im ganzen Reid; Für—
jten und Grafen ſaßen neben den Nitteradel gern in feinem
Domkapitel; 25 Städte und mehr al3 1400 Dörfer zählte man
um Lande. Bor allem aber bedeutete die Lüttiher Wahl einen
Sieg über diejelben Gegner, welde jein und jeines Haufes Auf—
fommen bisher im Stift Münfter bintertrieben, im Erzſtift Köln
ganz vereitelt hatten. Die Kölner Freunde des Haufes Bayern
verbreiteten alsbald in weiten Kreiſen ein lateiniſches Gedicht des
Füliher Präceptors Hubert von Schüren, welches den Gegenſatz
gegen die Kölner Wahl icharf hervorhebt:
Sieh, den mit Trug und Verrat man erft unterdrüdte, den hebt nun,
Ruhmvoll bietend Erfag, blühende Tugend empor !).
„Der Stein, welchen die Bauleute zu Köln verworfen haben,
ift in Lüttich zum Edjtein geworden‘, ſchreibt Graf Dttheinrid)
von Schwarzenberg aus Prag an Herzog Wilhelm von Bayern.
Einfihtige Leute, wie diefer Graf, welcher das LXüttiher Land
1) En quem perfidia prius oppressere, vieissim
Extulit hune virtus, non sine laude virens.
Ein Exemplar bed aus 45 Dijtihen beftehenden Getichtes jchidt Dr. Winfel
am 16. Februar an den Herzog von Bayern und bemerkt babei, es ſeien
davon neuerdings 200 Exemplare gebrudt worden, und follten in Rom,
Praa, Trier, Mainz, Miünfter und Köln verbreitet werben.
Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 745
bon jeinen niederländischen Friedensverhandlungen her kannte, ver—
hehlten freilich auch nicht die Schattenfeiten der Wahl, den En-
zian unter dem Zuder, wie Schmarzenberg ſich ausdrüdte: die
grauenhafte Verwüſtung des Stiftes dur die Kriegsvölker der
belgischen Parteien, die Übergriffe der mächtigen Nachbarn, Spa—
nier und Franzojen, die ſchmalen Einkünfte des regierenden
Herrn ). — U dies stellte Herzog Wilhelm jeinem Bruder jehr
vernünftig vor und erbot ſich zugleih, damit man ihm feinen Rat
nicht al3 Geiz auslege, fall Ernſt auf den Einritt verzichte, die
gleihe Summe herzufchenfen, welche er ſonſt auf vdenjelben ver-
menden würde. Da jedoch Herzog Exnft auf feinem Entſchluß be—
1) „Dan erftlich ift ber ftift burch die nunmer 15 jerigen frieg und fo-
wol durch einen als ben andern beil ganz und gar ausgefogen erarmet ver-
bert und verberbt, das e8 nit einem criften fonder einem turfen, fo es fiht
von herzen erparmen folle, und bat ſich nit allain aus bemfelben das gelt
fonder bie Leit fo ſolches im dem ftift bringen unb durch ir hantierung erhalten
jollen, fo gar die welche das felt bauen, verloren; fo ligen bie berfer unb
bie felder db und alles befert. So haben etliche hohe potentaten zum beil
durch neue accort, zum beil jure belli zimlih band darein gefchlagen und
was einmal in folhe ftarte Haen [= Stlauen] fomt, das beleibt gemainf-
ih x. Zudem fo hab id a defuncto ſelbſt gehert, das er nit 16m A
[= Kronen?) von dem ftift einfomens. Der flift hat wol vil berliche fchene
ftet und ein gewaltige landſchaft, ein regirender ber aber bat wenig Hilf,
wie der vorig her felbft faget, von den undertanen. Dan fie geben jerlich
10,000 fl., die werben durch fonberliche geornete commiffarii zu den granizen-
beijern [= Grenzbäufern] gegen Frankreich und ben reichdanlagen ver-
wendet; iber das find fie nie ſchuldig.“ (Ottheinrih von Schwarzenberg an
Herzog Wilhelm, Prag, 7. März 1581 RA. Lüttich IL, 97.) Beredt ſchildert
Turner (l. c. Ed. 1599, p. 112sqgq.) die Verwüſtung, welche königliche und
ftaatiiche8 Kriegsrolt und danach Räuberbanden am Niederrhein angerichtet:
quiequid est itineris a Colonia Leodium, id totum est obsessum a latrone,
sive externo, qui irrumpit, sive domestico qui latet... Cujus rei ar-
gumentum sit, quod itinere sex milliariorum, agri gleba bene opima,
hortis commode inclusis, nullum viderim aut equum aut bovem aut
jumentum cujuscunqgue generis extra quosdam equites, quos timemus,
insessis viis, insidiari nobis. lbereinftimmende Nachrichten, mehrfach in
Briefen Languets, Albadas und fonft. Bol. auh Bezold a. a. DO. ©. 407.
Und dod war bas Zülicher und das Kölner Land noch lange nicht fo heim—
gefucht wie das Stiit Lüttich.
746 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
ftand, gab fih aud Herzog Wilhelm zufrieden, zumal es den
Brüdern endlid) gelang, die nötige Summe aufzubringen. 15,000
Gulden liehen Stadtpfleger und Geheime des Rates zu Augs—
burg, mit denen der alte Herzog jederzeit gute Nachbarſchaft ges
halten hatte; den ganzen Reſt von mehr al3 80,000 Gulden
braten die Fugger auf, zu dem billigen Zinsfuß von 5 Prozent.
So erwies es fid) auch Hier, wie in manden größeren Dingen,
vorteilhaft für die Sache der fatholifhen Reftauration, daß das
erite Kaufmannshaus der Welt auffeiten der fatholiihen Mächte
ftand.
Viel weniger Mühe als das Herbeilchaffen des Geldes machte
die ebenfall3 vor dem Einritt erforderlihe Erlangung der päpft=
lihen Konfirmation und eines faiferlihen Lehensindultes. Als
Hieronymus Stor um den 20. April nad Rom kam, fand er die
Konfirmationsfahe zu feinem Erftaunen bereit3 erledigt. — Das
Lüttiher Domkapitel hatte aus eigenem Antrieb die Sache jeines
Ermwählten in die Hand genommen. Ein päpftliher Kämmerer,
Wilhelm von Bergen, Herr zu Grimberg, welcher ſelbſt Kanonikus
an ©. Lambert war, wurde vom Kapitel beauftragt, die Konfir-
mation für Lüttich und zugleih für Stablo zu betreiben. Man
fam ihm in Rom auf halbem Wege entgegen. Die Xütticher
Domherren waren im allgemeinen wegen ihres kirchlichen Eifers
an der Kurie gut angejchrieben, mande von ihnen, vor allen
Zorrentius, auch perjönlid mit Kardinälen und Kurialiften wohl-
befannt !). Dazu kamen die Sympathieen, deren ſich Herzog Ernſt
jelbit in Rom erfreute. In der Kölner Sache hatte man ihm
unrecht geben müfjen, in Münfter nicht helfen können, in Salz—
burg vielleiht nicht gewollt; — man war froh, endlih einmal
zeigen zu können, daß die Schuld nicht an mangelndem perjön=
lihen Wohlwollen gelegen hatte. Won den Kardinälen zeigten
1) Eine Anzahl römische Freunde des Torrentius lernt man aus ben
zwei Büchern Odarum ad amicos fennen, welche ben fpäteren Ausgaben
feiner Poemata sacra angehängt find.
Herzog Ernft von Bayern wird Bicchof von Lüttich. 747
fih der Protektor der deutihen Nation Ludwig Madruzzi und
Ferdinand von Medici bejonders eifrig. Medici verficherte nach—
ber dem Herzog von Bayern, jo ſehr liebe er deſſen Bruder,
welcher durd feine vortrefflihen Eigenschaften, feinen freundlichen
und liebenswürdigen Charakter aller Herzen fi) erobere, daß er,
fofort auf das erſte Gerüht von der Wahl Hin, diefer Sache wie
feiner eigenen fi angenommen habe. Auch Madruzzi beteuert,
er habe nit warten wollen, bi3 man ihn um feine Unterftügung
gebeten; denn er juche Gelegenheiten, dem Haufe Bayern zu dienen,
viel mehr auf, al3 daß er fie erwarte. Madruzzi that aber noch
mehr: Der Papft hatte bewilligt, daß die Konfirmation um:
jonft erfolge, wodurch Herzog Ernit eine Taxe von 11,260 Du—
faten eriparte; nad dem Herkommen wurde jedoh die jogen.
Propina des proponierenden Kardinals, in diefem Falle 1080
Dukaten, nicht nachgelaſſen; Madruzzi verzichtete auch auf fie, denn
er habe in diejer Sache nicht als Protektor, jondern al3 ein per=
fönliher Freund gehandelt. Bereits am 3. April wurde Herzog
Ernit in einem Konfiftorium der Kardinäle als Biihof von
Lüttich präfonifiert; mit der Expedition wartete man nur auf die
Ankunft Stors, welcher die neuerdings abverlangte Profeſſio fidei
des Ermwählten mitbringen ſollte. Da Stor diejelbe nicht bei ſich
batte, begnügte man ſich mit feinem Verſprechen, daß der Biſchof
den Eid nachträglich leiften werde Y. Nur mit einer in die Kon—
firmationsbulle aufgenommenen Bedingung war man am bayriichen
Hofe durchaus nit einverftanden: Herzog Ernft jollte nämlich
binnen zwei Jahren eines feiner drei Bistümer wieder rejignieren.
Auch am kaiferlihen Hofe kam man raid zum Ziel. Wie:
mohl dem Kaifer ohne Zweifel die Wahl feines eigenen Bruders
viel lieber gemwejen wäre, mußte ihm doch recht jein, daß menig-
ſtens fein Parteigänger von Frankreich Biſchof geworden war.
Rudolf beantwortete daher die Anzeige von der Wahl alsbald
4) Nah Bormans’ Auszug aus den Domtfapitelprotofollen leiftete Ernſt
den vom Papfte geforderten [Trienter] Eid erft am 3. Mai 1582.
748 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
mit einem verbindlichen Glückwunſch und erteilte bereit3 am 19. April
ein Lehensindult.
Das Lüttiher Domkapitel und die von ihm beftellten Depu—
tierten hätten nun, namentlid wegen der Gefahren von außen,
den Zermin für den Einritt gern abgekürzt gejehen, aber Herzog
Ernſt fonnte ſich einerfeitS nicht fo schnell von feinen Hildes—
heimer Geichäften freimachen, und brauchte anderſeits Zeit zu den
Vorbereitungen für den geplanten glänzenden Eintritt. So blieb
diefer auf den 18. Juni 1581 feitgeiekt.
Zwei Zage vorher veriammelten fi die Teilnehmer in und
bei Weſet, der Grenzitadt gegen das Herzogtum Fülih. Der
alte Herzog von Fülih kam in Perfon mit zahlreihem Hofgefinde,
Nüten und Beamten, zufammen 354 Pferde und 64 Mann zu
Fuß). Aus Belgien kam, als König Philipps Gefandter, Karl
von Groy, Herzog von Arihot, ſowie fein Sohn, der Prinz
Philipp von Chimay, zufammen mit etwa 250 Pferden. Weiter
der gefürftete Graf Karl von Arenberg mit 166 Pferden. Auch
auf Salentin von Fienburg hatte man anfangs gerechnet, dann
hieß es aber, Salentin habe ſich jüngft nad Spanien eingeichifft,
um dort ein Gouvernement zu übernehmen; nachher fam er doc
nod nad) Lüttid, aber erft am Zage nad) dem Einritt und ohne
größeres Gefolge. Aus Bayern erihien namens der beiden Brü—
der des Bischofs Herzog Ferdinand und mit ihm der am Mün—
dener Hof erzogene junge Landgraf Georg von Xeuchtenberg. Als
beiondere Vertreter des regierenden Herzogs befanden fi) in Fer—
1) Die von Poly angegebenen Ziffern faft ebenfo bei Zurner. Ein jü-
lichfcher Futter» oder Furierzettel MB. Cgm. 2213, Tom. 31 (Rebinghoven)
verzeichnet Herzog Wilhelms Gefolge auf 373 Pferde und 64 Mann zu
Fuß; da ſich Hierunter aber auch Graf Salentin von Iſenburg mit 20 Pier-
den befindet, fo flimmt die Zahl bis auf einen mit ber von Poly und
Turner gegebenen. Daß die Futterzettel ber Herzöge Ernft und Ferdinand
NA. Lüttich Tom. II. kleinere Zahlen geben, erklärt ſich wohl fo, daß ſich ihr
Gefolge erft nah und nach auf die von Poly angegebenen erhöhte. — Im
bemjelben Aftenband ein paar ganz hübſche kolorierte Mufter, wie ſich bie
bayriſchen Adeligen und ihre Knechte Heiden mußten.
Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 149
dinands Gefolge die Freiherren Wolf Wilhelm von Marlrain und
Konrad von Bemelberg, Hans Jakob von Dandorf und der eng:
liſche Priefter Robert Zurner, welder jüngft aus dem Collegium
Germanicum als Profeffor der Eloquenz nad) Ingolftadt berufen
worden und jet beauftragt war, die offiziellen Dank: und Glüd:
munichreden an das Domkapitel und den Biſchof zu halten,
Herzog Wilhelm hätte diejes Amt gern dem Dr. Andreas Fabri:
cius, jest Propſt zu Altötting, übertragen; verdankte es doch Her:
30g Ernſt niht zum wenigften gerade ihm, daß er Biihof von
Lüttich) geworden war. Aber einerjeit3S mochte Herzog Ernſt feinen
bormaligen Erzieher nicht um fich fehen, anderſeits fühlte fich
Fabricius felbft nit ftark genug für die weite Reife. — Das
zahlreichſte Gefolge, 852 Reiter und 37 Mann zu Fuß, kam mit
dem Biihof ſelbſt aus Hildesheim; eine Anzahl Braunſchweiger
Adelige hatten ſich freiwillig ihm angeſchloſſen, ſodann brachte er
zu feinem perfönlihen Schu zwei niederſächſiſche Aittmeifter mit,
Aſche von Holle und Klaus von Zerfien, mit 600 geworbenen
Neiligen. Da das ganze Land am Niederrhein, von Köln ab:
wärts bis zur belgischen Grenze, nun jchon feit Jahren durch
königliches und ſtaatiſches Kriegsvolf und in der Folge auch dur
Räuberbanden unfiher gemadt wurde, mochte ſolche Worficht nicht
überflüffig fein. Herzog Ernſt ritt ſelbſt mehr wie ein Reiteroberit,
denn wie ein Bifhof einher. Übrigens hatte ſchon der Herzog
von Fülih dafür geforgt, daß feine beiden Neffen den Weg durch)
fein Land, von Düffeldorf und Köln über Aachen nah Lüttich
und Weſet, gefahrlos fanden. — Manche Namen in dem Ber:
zeidmis von Herzog Ernſts Gefolge erinnern uns noch einmal an
die Dinge, welche wir jeit ſechzehn Jahren mit ihm erlebt haben:
da finden wir die beiden Kanzler von Kreiling und Hildesheim,
Dr. Römer und Dr. Nunk, den Hildesheimer Domherrn Hermann
bon Homeburg und den Salzburger Joachim Berner; Adolf
Freiherr von Schwarzenberg und Paul Stor von Oſtrach, mit
welchen Ernſt in Rom Freundſchaft gefchloffen hatte; Hans
Philipp Graf von Manderiheid-Gerolftein, durch deſſen Verzicht
750 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
er Domfapitular zu Köln geworden war, und Chriftoph Ladislaus
bon Thengen, einer feiner ergebenften Anhänger bei der Kölner
Wahl.
Voller Jubel wurde der Biſchof bei feinem Eintritt in Wejet
empfangen. Bei einem glänzenden Feſtmahl, weldes ihm die
Stadt gab, verehrte fie ihm einen jchönen vergoldeten Becher, den
er, als das erfte Geſchenk aus feinem neuen Lande, mit Freuden
annahm und mwohlgefüllt feinem Bruder Ferdinand zutranf; dann
ging der Becher weiter in der ganzen Zafelrunde herum. Seitdem
bat fih Biſchof Ernft no oft, zur Freude feiner Lütticher, als
einen tüchtigen Trinker bewährt.
In und um Wejet verfammelte ſich au in großer Zahl der
Adel des Landes. As ſich der ganze Zug am Sonntagmorgen,
den 18. Juni, in der Ebene von Herftal zum Einritt ordnete,
zählte man etwa 3000 Weiter: die Lütticher in den bayrifchen
Farben, blau und weiß, die bayrifchen Adeligen durchaus gleich—
mäßig in ſchwarzem Sammet, mit Silber verbrämt, ihre reifigen
Knechte und Jungen in jhwarzer Wolle, blauweiße Federn auf
den Sturmhauben; in buntem Gegenjak zu ihnen die belgischen
Herren, jeder nad) jeinem eigenen Geihmad, teils nad franzöfiicher,
teils nad ſpaniſcher Mode, Arenbergs Leute dagegen durchweg in
ſpaniſcher Tracht, „weil aud der meiften Herz aufridhtig jpa=
niſch“, — meint Zurner. An Rang: und GEtifetteftreitigfeiten
fehlte es natürlid nicht, namentlid) die beiden Groy waren mit
dem ihnen angewieſenen Platz anfangs nicht zufrieden; der Biſchof
ſelbſt mußte entjcheiden.
An der Grenze des Stadtgebietes, bei der Brücke Alcreyre,
erwarteten die beiden Bürgermeifter ftehenden Fußes ihren neuen
Herrn. Nachdem er in ihre Hände geihworen, den Frieden von
Fexhe vom Jahre 1316, die DVerfaffung der Stadt und die
Privilegien und Freiheiten ihrer Bürger zu beobachten, ftiegen die
Bürgermeifter wieder zu Pferde und nahmen den Biſchof in ihre
Mitte. Es war etwa vier Uhr nachmittags, ein jchöner heller
Sunitag, als der Einritt auf dem linken Maasufer dur die
Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 751
Vorſtadt S. Leonhard begann. Voraus eine Schar Lanzenreiter,
die „Küriſſer“ von Maeftriht und Haffelt, jodann die Lütticher
Amtleute und Adeligen, nad ihnen das Gefolge der Fürften von
Chimay, Arenberg, Jülich, Herzog Ferdinand, Arſchot und Herzog
Ernft; nun des Biſchofs Edelknaben und 24 Zrabunten in blauem
Sammet, darüber weißſeidene Schligröde. Hierauf, ein jeder von
Zrompetern begleitet, die hohen Herren jelbit, ihrem Rang nad:
Arenberg, Chimay, Leuchtenberg hinter einander; fodann inmitten
der Herzöge Ferdinand von Bayern und Wilhelm von Jülich der
Herzog don Arſchot, als Gejandter des katholiſchen Königs auf
dem Ehrenplag; nun Adolf Freiherr von Schwarzenberg mit der
Fahne feines biihöflihen Herrn, der Stadtrihter Heinrih von
Barlaymont mit den Symbolen des Gerichtsbannes, der roten
Rute und den filbernen Sceptern, endlid der Herr von Duras
mit dem Zeichen der Herrichaft über Leben und Tod, dem filbernen
Schwert, unmittelbar vor dem Biſchof; Herzog Ernſt jelbit in
prächtiger weltliher Kleidung zwiſchen den beiden Bürgermeiltern,
hinter ihm feine geheimen Räte, darunter Zorrentius, Woeften-
raedt und Gotfrid Zaris, ſowie die Sefretäre, die 22 Kommiſſare
der Stadt und die 32 Wahlmänner des lekten Jahres, darauf
die Dienerichaft der Fürften und zum Schluß die 600 geworbenen
deutichen Reiter.
In der Vorftadt drängte fich ein Menge von Leuten, die wegen
Vergehen aus der Stadt verbannt waren, an den neuen Herrn
heran, um nad dem Herkommen von ihm Begnadigung zu er-
flehen; der Biſchof befahl ihnen aber, ihre Bitten jchriftlich einzu=
reihen, denn er wollte verhüten, wie Johann Poly, einer der
Beichreiber des Einritts fagt, daß nicht unter den Übelthätern
auch folde, die von der Ketzerei angeſteckt, wieder in die Stadt
fümen. Beim Klofter S. Leonhard empfing der Biihof von den
Bürgermeiftern die Stadtichlüffel, gab fie ihnen aber jofort mit
freundlihen Worten zurüd. Als der Biihof dem Stadtthor
S. Leonhard ganz nahe war, wurde es vor feinen Augen ges
ichloffen und erft auf dreimaliges Anrufen der Bürgermeifter wies
752 Achtes Buch. Zweites Kapitel.
der geöffnet, zum Zeichen der Sorgfalt, womit die Stadt über
ihre Sicherheit wache. Innerhalb des Thores traten die Kaiſer
und Könige der alten Armbruftihügen mit ihrer Fahne an den
Biihof heran, ließen ſich ihre Privilegien beſchwören, gelobten da-
gegen, mit Leib und Leben ihn zu befhügen. In den Straßen,
durch welche der Zug ging, bildeten die bewaffnete Mannſchaft der
32 Zünfte und die 4 Schützengeſellſchaften mit ihren Fahnen und
Emblemen Spalier bis zum Dom; die Ehrenwahe auf dem
Markt hatten die tapferen Frandimontaner, 700 Mann zu Fuß
in 6 Fähnlein. Zroß dem Spalter drängte ſich das Volk fo
ftürmifh an den Zug heran, dab faum für die Prerde Raum
blieb. Das Schießen in den Straßen und auf den Thoren wurde
jo arg, daß man es zulegt verbieten mußte, um das Scheuwerden
der Pferde und Unglüd zu verhüten. Bei der Stiftskirche S. Georg
war ein 50 Fuß hoher Triumphbogen errichtet mit allegoriihen
und geihichtlichen Figuren und Emblemen, Wappen und lateinischen
Verſen ). AS Herzog Ernſt zu diefem Bogen fam, ſchwebte
von feiner Höhe mittel3 eines fünftlihen Mehanismus, unter Mu:
fit, eine ſchöne, reich geihmüdte Jungfrau herab, durch ihr Wap—
pen, den Pinienapfel, als Allegorie der Stadt Lüttich) bezeichnet,
welche dem einreitenden Fürften einen jhönen Strauß überreichte,
ihn als ihren Gemahl begrüßte und über ihn des Himmels Segen
erflehte. Auf dem Markte waren vier Bühnen und dazwiſchen
drei hohe Pyramiden errichtet: auf den drei erften Bühnen ftellten
pornehme Knaben und Fünglinge die drei Stände von Lüttich,
Klerus, Adel und Voll iymboliid dar, auf der vierten erinnerte
eine Gerichtsicene an Herzog Ernſts Devife: Audiatur et altera
pars; weitere allegoriihe Figuren ftanden auf den drei Pyra—
miden ; aus der de3 Bachus floh Wein.
Herzog Ernſt hörte und ſah alles an mit freudeltrahlendem
1) Zurner ift von diefen Verſen übrigens nicht erbaut; er meint: verba
bona esse perdita tam male, ut putem potius authores dignos cruce,
quam versus areu triumphali.
Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 153
Gefiht und wurde nicht müde, mit Hand und Hut die ſich drän—
gende jubelnde Menge zu grüßen. Auf den Stufen der Kathedrale
ſaßen die Domherren nebjt dem übrigen Klerus in feidenen Ge—
wändern, die ihnen der neue Biſchof nad altem Brauch vor dem
Einritt verehrt hatte. Hier ftieg Herzog Ernft vom Pferde und
wurde nun in das nahe Schöffenhaus geleitet, wo er die weltliche
Kleidung gegen reiche, goldgefticte biſchöfliche Gewänder vertauſchte.
So ſchritt er zwiſchen Dompropft und Decant in den Dom zum
feierlihen Te Deum. Im Dome jhwur er nod einmal den
ihon bei der Wahl abgelegten Eid auf die Wahlkapitulation.
Den Schluß des Tages machte ein glänzendes Feſtmahl in dem
von Biſchof Erard von der Mark erbauten, wahrhaft königlichen Balaft.
Am andern Morgen folgte eine feierliche Prozeſſion mit dem Sanctij=
fimum, an welder alle ſtädtiſchen und ftiftiichen Korporationen und
außerdem mit Herzog Ernſt die fremden Fürften und Grafen, dar-
unter felbft ſolche teilnahmen, die jonft für evangeliicd galten, wie
die Grafen von Eberftein und Limburg Stirumb. Wie fonft bei
fürftlihen Hochzeiten dauerten auch bei diejer geiftlihen Vermählung
des Biſchofs mit feiner Hauptitadt die Feſtlichkeiten tagelang fort.
Stadt, Domkapitel, Adel und Zünfte wetteiferten, ihren neuen
Herrn dur Geſchenke, Feſtmahle und Spiele, darınter aud Wett:
fümpfe auf der Maas, zu ehren und zu erfreuen. Zu den Feit-
mablen, jelbjt zu denen der geiftlichen Herren, erichtenen nad) Kütticher
Sitte auch vornehme Damen. In ähnliher Weife, wenn auch
minder prächtig, hielt der Biſchof teil bald darauf, teils erſt im
folgenden Frühjahr feinen Einritt in Stablo und in jämtlichen
Städten des Fürftentums Lüttich — mit Ausnahme des unglüd-
lihen Maeftricht. Überall empfing man ihn mit lärmenden Felt:
lichfeiten und Fam bejonders durch Eunftreihe Waffenſpiele jeinen
friegeriihen Neigungen entgegen.
Während man jo in Xüttich Feſte feierte, ftieg im benach—
barten Belgien, infolge der förmlichen Abjegung des Königs Phi-
(ipp, am 26. Juli 1581, der gegenfeitige Haß der Parteien aufs
äußerfte. Spanier und Franzojen, Engländer und Deutjche
Lofſen, Köln. Krieg I. 48
754 Achtes Bud. Zweites Kapitel.
bauften, im Solde der Parteien, einer Ärger als der andere in den
armen Provinzen. Stift Lüttid) in ihrer Mitte war ohne Unter:
laß aufs äußerfte bedroht. Seine Neutralität zu wahren, bedurfte
e3 eines fräftigen Regiments. Bereits hatte in der unter der
geiftlihen Jurisdiktion des Biſchofs von Lüttich ftehenden benach—
barten Reihsftadt Aachen der Hader zwiichen Reformierten und
Katholiken zum offenen Zerwürfnis, zu zwielpältiger Ratswahl und
endlich zur Auswanderung der fatholiichen Ratsherren und Geiſt—
lichen geführt. Sein eigenes Intereſſe und des Kaiſers Auftrag
nötigten den Bischof von Lüttich, in dieſe Händel ſich einzumiichen.
Zur jelben Zeit bereiteten fih im Erzitift Köln in aller Stille
Greigniffe vor, welche bald auch im Deutſchen Reiche den offenen
Religionskrieg zwiſchen Römiſchkatholiſchen und Reformierten ent-
zünden, den Lüttiher Biſchof aber al3 das Haupt der einen
Partei ins Feld rufen follten.
Regiſter.
Aachen, Reihsftabt 754,
Adel, nieberer, ſ. Ritterfchaft.
Adolf, Herzog von Holftein 100,
140. 146f. 191. 513,
— d. Schauenburg, Kf. v. Köln
24. 28f. 127. 412,
Aerntsperg, Dr. Abr., bayr. Rat 71.
117f. 121. 123, 337f. 351. 569,
577f. 581, 587. 610. 612, 615
bi® 617, 619. 629. 631. 640. 673,
Ahaus im Stift Münfter 235. 248,
Ahnenprobe 19. 73—TT. 106,
392, 448. 725. 730.
Alava, Frances de 101.
Alba, „genog von 12. 40. 88. 93
bis 105. 1085. 111. 179—181,
191f. 206—208. 236—238. 294.
623. 716.
Albada, Aggäus 166. 637. 745,
Albani, Kardinal 616.
nn 30h. Wimpinäus, Dr.
f
med.
er IV., Herzog von Bayern
— V. beögl. 3. 20. 22. 36. 48.
53—68. 69—87. 88—111. 112
bis 115. 119— 124, 130 — 150.
268 —270. 278. 282. 297. 309
bis 312, 324— 329, 2334f. 337
bis 358. 360. 366— 368. 370f.
374. 378, 384. 387—389. 397.
399f. 4035. re 421. 440.
443. 467—475,.
558. 568, 578. 596, 603, 606 ——
626. 629 - 635. 638f. 641
662—672 (f. Tod 671). 721. 748.
—, Erzherzog, Kardinal 505.
A.
Albret, Haus 107. 110.
Aldenbofum, Johann v., jül. Rat
689—69.
Allendorf, Herr von, köln. Ritter
429, 506,
Almazan, Marques de, fpan. Gef.
in Wien 4737.
— Abtei im Bergiſchen
539. 560.
—— Propftei 673, 749.
Amalie, as Jülich 235.406.
Andreas von fterreih, Kardinal
. 828, 333. 372. 390. 443.
505. 524. 613. 666. 713. 721.
127. 729f.
Angelis, ._ be, röm. Agent 243.
Anima, S. Maria bel’, Kirche in
Rom 265.
Anjou en) Herzog Franz v.
128. 734.
Annav. Sie $ ——— v. Neu⸗
burg 235. 247. 259. 272.
— 'v. Öfterreih, Gemahlin Alb-
rechts V. v. Bayern 58. 70. 118f.
122. 275.
399. 407,
— besgl., Gemahlin Philipps II.
158. 231.
—— d. Sadfen, Gemahlin Ora—
niens 164. 322,
Anton v. Schauenburg, Kf. v. Köln
24. 127.
Antrecht, Joh. Lic., Gef.d. Wetter-
auer Grafen 313.
Araceli, Kardinal v. 83.
Arco, Graf Profper v., kaiferlicher
Gefandter in Rom 47. 96f.
Arenberg, Antonia Wilh., Gräfin
(Gemahlin Salentins v. YHenburg)
193. 390. 421, 548. 578—580.
758 Arenberg
at Joh. v. Ligne, Graf v.,
— Er Graf Karl v. 337, 390,
— 591. 743, 750f.
gef. Gräfin- Witwe
308. 421. 446, 532,
248f. 552. 578f.
—, Schloß 4äf.
len Schloß 37. 417. 489,
Arnheim in Geldern 688. 691.
Arnsberg, Schloß u. Stabt 184,
207, — 279. 294. 297. 308.
539, 603.
Arſchot, Philipp v. Eroy, Herzog v.
650. 748, 750
Asbed, Aut
berr 329,
Aſchaffenburg, kturmainz. Refibenz
482. 487,
Afchebroid, Wennemar v., münft.
“ Domberr 331. 681.
er v., münfter, Dome
373. 598.
Beutterich
ee münſter
294f. 597. 652 in
affifi, Baitfahrtsort 3 342,
Attendorn iu Weftfalen 546.
Auerbund,Lic., köln. Rat690—695,
Augsburg, Bilhöfe, ſ. Johann
olf, Marquard, Otto; Hochſtift
345, 611f.; Reichsſtadt, '8gf. 349,
611. 673. 746; vgl. Reichstage.
Augsburger er Imkikon: ſ. Konf.
und Freiftellung.
— ——— v. Sachſen 93 bis
134. 144 193. 206. 209. 212,
242, 257. 281. 295 —302. 314.
aldf. 322f. 3605. en
404. 412, 422f. 426, 445. 450,
477—480. 488, 508. 512—514.
530. 532, 588. 605. 623—626.
685.
Autonomia (Erftenbergers) 289.
300 f. 393. 404,
B.
Bachoven, v. a Richard, köln. | Bennonius, Lie. luth. Pred. 647,
Broteftant 646.
Baden, Markgraf N.
Hans Jakob und Yalobe.
en ‚ Herbort de, münft. Domberr
Bajus, ee Profefior Ba.
Baldi, Camillo 341f. 451. 640,
Balthafar v. — Abt v.
Fulda 301f. 392. 402f.
Heinrih v., lütt
lütt. Dompropft
735.
— vudwig v., Erzb. v. Cambrai,
735 f.
Bayern, Herzöge, |. Albrecht, Ernft,
inand, Ri ilipp, wer m; —
aus 53. 107f. 142. 269f. 337.
422, 430. 505f. b65. N "Sof.
704; — Landftände 56—64.
Dede, Herm. v. d., brem. Sefretär
388. 458. Bößf. 571. 625. 682.
— Schloß u. Herrſchaft 406.
ee Graf, Barth. Frieb-
er Konr. Freiherr v. 749,
Barlaymont,
| Bensberg, Schloß 443. d48f. 534,
v., 315; ſ. | 601.
Bentheim- ——— Anna,
Gräfin v. —
bis 698.
Bentlage bei Rheine, Klofter 229.
* (Rheinberg), Zoll zu 187. 435.
Berleburg, Stabt, Schloß und
—— 304f. 307. 427. 429.
Berieng, Erih Volkmar v., fur-
fähf. Rat 193. 240. 563. 579,
Berlo, 30h, v., lütt. Domherr 724.
Bern, Wilh. * Hr. zu der Laitern,
Freihert 106.
er — ſalzb. Domherr
Bernhard v. ‚3, Hast en von
Münfter 223. f. 254.
Berswordt, Johann, —
Bürgermeifter 601.
Kölner Syn⸗
533,
Dr. Konr.,
376. 528,
Beutterich, Dr. Beter, kurpfälz.
Rat 303. 314.
Biel
Biel, Engelbert, ftaat. Hauptmann | Breven, päpftl., Pius’
643. | 4
rg rhein. Kurfürftentag zu
— Herr v., köln. Ritter
Blecker, — 5 Dom⸗
fholafter 133.
Bocholt, Bertrag ı N ar
Bodelfhwing, Franz v., münfter.
Nitter 601.
Böcklin, magbeb. Dompropft 139,
Bologna, Univerfität 147. 612,
Boncompagno, Kard.v. ©. Sifto,
536, 614f.; f. Gregor XI.
Bonello, Mid),, Karb. v. Alefjan-
dria 86,
Bongart, Herr, köln. Ritter 429,
Bonn, Probfti (v. S. Eaffius),
487; Schloß und Stabt 10, 25f.
42. 184, 187. 193. 482, 526, 553.
578f.; Zoll zu 187—189. 564.
Bopparb a. Rhein 91.
Borromeo, Karl, Erzbifhof 116.
650,
Bothmer, Gebh. v., hildesh. Dom—
herr 136f. 143.
Brandenburg, ſ. Hans, Joachim,
Joachim Friedrich, Johann *
Sigismund; Kur und Haus ZI.
3. 128f. 361f. 393. 400f. 423,
426. 508.
Braun,
Georg (Stäbtebudh) 153
bis 272. 11.
— Melchior, köln. Gelehrter 177. |
Braunfels, Schloß 523 (vergl.
Solms).
Braunfhmeig- Calenberg, |. Doro-
thea, Erich; Lüneburg, Haus 141,
144; » Wolfenbüttel, |. Georg,
Heinrich, Heinrich Zuliug, Julius,
Sophia.
Bredelar, weitfäl. Klofter 296.
Bremen, "Erzbilhöfe, f. Georg u.
gt ——— 240f. 257. 362
erg > v., in. Rittmeifter
100. 185. 191f. 2077.
Brendel v. Homburg, Nitter (vgl.
Daniel) 395.
Breuner, Hans, Freib. v., kaiferl.
Rat 502. 524,
Bylanbt
84. 132; Gregors
592. 597.
674f. 687. 696f.
Breyl, Winand v., köln. Ritter 307.
323. 429, 504. 506. 658.
Brietzke, — v., halberſt. Dom⸗
dechant 366
Broel, Rud. v. d., Lie. und jülich—
ſcher Rat 468,
Broich, Anna v., Geliebte, dann
Ehefrau Heinrichs v. Bremen 376,
Brühl, Be Köln 110, 184, 187.
189. 208. 418f. 501. 539. 542,
5505. 581. 602.
Bruninr, ob. v., Lütticher Dom-
berr 726— 728.
Büren, v., weifät. Nitterfamilie ;
Arnd, Domberr 330. 680; Bal⸗
tbafar Domb. 330; Bernh., Edel»
berr zu, Domberr 373. 447.
453. 462, 493. 681;
Heinrich v. 681; Johann, Edelberr
zu Paderb. Statthalter) 229, böbf.
; Meldior v., Domberr 278,
330,
Bunb, — 88f. 925. 508.
508."
Burg, Joh. van der, ſpan. Rat 735 .
Burghaufen in Bayern 65. 74.
Burkard v. Oberg, Bilhof von
Hildesheim 124. 125—141. 143,
Burkhart, Dr. Hr köln. Kanzler
3. 481. 76. 96. 102f. 194. 197.
312. 318, 324. 376, 414. 419,
500, 524, 56h, GIB, G2af. 127.
1730.
——— bei Aachen, Bab 517,
520—522. 527.
Bufhhofen, im Erzft. Köln 12.
Butzbach in der t Wetieran. Grafen⸗
‚tage 427, 648,
—— —* Herr zu Rheidt,
251. 3781. 493. 602,
607, 666. ——— 679.
Fer 2181. 724. 726—728. 730f.
760 Galeniuß.
ef.
Calenius, Lic. Gerwin, köln Buch⸗
händler 115. 178. 231,
Calvin und Ealpiniften 14. 80,
163, 226. 247, 299, 305. 323, |
360, 395. 425f. 428. 647, |
Canifius, Bater Pe., S: L 62.
113—115. 172f. 224. 282, 597,
Capilupi, Camillo, päpftl. Käm-
merer 349, 351
Caprarola bei Rom 342,
Carondelet, Jakob, Yütticher Dom-
berr 725.
Caſſander, Georg 3—5. 13—15.
156. 167f. 171. 238,
Caſtagna, Erzbiſchof von rn
päpftl. Nuntius 83, 641. 649f.
673. 699.
&aftellino, Dr. Joh. Paul, röm.
Agent 49. 80—82. 85. 124. 131.
243, 673,
Caftner, Jodokus, Lehrer des 9.
Eraft v. 8. TIf. 86. 114 117.
Chantonay, Thomas Werrenot,
Herr v. 94, 101, 103. 105. 205.
Chapeaupille, Filen u. Foullon,
Lütt. Gefchichtfchr. ZI1f. 737. 740,
Charlemont, Marienburg unb
Philippevile, nieberländ. Feftungen
113. 723, 727.
Charlotte v. Bourbon, Oraniens
dritte Gemahlin 322,
Chimay, Karl v. Eroy, Prinz v.
148. 750f.
Cholinus, Maternus, Kölner Buch—
händler 6f. 107. 178. 472.
Daniel
a. st).
Chriſtoph, Pialzgraf 216. 220,
Ehyträus, Geihichtichreiber 125.
139. 223. 228, 239,
Elend, Dr. Rud. 568.
Sleve-Mart, Landichaften 39. 155.
f. 241 591.
233
Eleve, Stabt 111. 233. 248. 397.
597. 692. 702.
Cols hill, englijcher Agent in Köln
412,
Commendone, Joh. Franz, Karb.
f. 48. 65.
614
Como, Ptolemäus Galli, Kard. v.
258—260. 311, 328. 344. 497f.
520. 537. 642, 698.
Eormans, Jakob, Scolafter zu
Gent 650,
Eornaro, Lubwig, Kardinal 614.
Sornelius v. Bergen, Biſchof von
Lüttih 714
Eorswarem, Bhil. v., Lütticher
Domberr 724.
Cofimo, — von Florenz 339.
Cofter, Franz 174f.
Craſchel, Theobald, köln. Weih—
bifhof 41. 45. 203. 517f. 579.
618, 650.
.. olius, Merfjäus, ſ. Krate-
poil.
Eronberg, Hartmut v.,
Hofmeifter 296.
Cunerus, Petri (Tuner Peeters),
Biſchof von Leeumwarden 650.
Cuſanus (Nik. v. Cues), Kardin. 18.
mainz.
D.
—
Dachau bei München 122,
Dänemark, Königreich 657. 698,
(vgl. Friebrid).
Daimer, freifing. Bürger 123,
Dalberg, Wolig. Kim. von Worms.
gen. 526—528. 538—542, 5687.
Dalbheim, Klofterim Jülichſchen 706.
Dandori, Dans Jak. v., bayr. Rat
269971. 279—285. 289, 376,
378—380. 387. 409f. 437, 449, |
462—464. 4T5f. 482. 485, 4895. |
|
|
|
503. 515-517. 527f. 544. 547.
659, 569. 577f. 581. 587, 602,
— 631. 663. 6695. 725.
Daniel, Brendel, er v. er.
174. 92. 9. 111.
bis 299. 301. 318]. Target
Dannewit
Dannemwit,Balth.v., Rat des Erzb.
Matth. 475. 6771.
Daſypodius, Lic. Theophilus 428 |
bis 431. 505.
Dathenuß, Beter, kurpf. Rat 303, |
David Kölverer, Biſchof v. Regens-
burg 46. 401. 666,
Deklaration, Ferdinandeiſche 2897.
298—302. 3i8f. 3915. 401—405.
422.
Deliino, = päpftl. Nunt. 204,
245. 313. 319, 363. 383. 409.
411f.
Delft, niederl. Stände zu 734, 73.
Deputationstage, Frankf. v.
1569 93. 96; v. 1577 508. 556;
Wormſer v. ‚. 1578 622—624.
Deventer in Overijſſel 628. 691,
Diepenbroid, Herm. v., Dom—
fholafter zu Münſter 255. 276,
278, 289—291.
> 330—332.
373. 381. 461f. 681.
Dieft und Leeuw in Brabant 734,
Dietrid v. Mörs, Kurf. v. Köln
Fa 154. 186f.
v. Bettenborf, Biſchof v. Worms
Diethart, Lie. Meinhart, Stabt-
ſyndikus zu Münſter 601.
Dietrichſtein, kaiſerl. Geheimrat
434,
Dillenburg, nafj. Fefte 209. 307 f.
321. 487, 509.
Elverfeld 761
| Dintelsbühl, Grafentag zu 648,
Dinsladen im Herzogtum Kleve
511, 676,
| Dionyfius, Hein, & L 174,
Dobbe, H., Domb. zu Münfter 599.
Döle, Univerfität 432. 4687.
ı Domkapitel, deutſche (vgl. Frei-
fing, Halberftabt, Hildesheim, Köln,
Lüttich, Münfter, Regeusburg, Salz-
burg) 26. 70. 73, 359—365,
| Dorothea v. Lothringen, Gemahlin
Erih8 v. Braunſchweig 8f.
Dorth, Seyno v., Lanbbroft v. Berge
658, 664,
Doullart, Lie. Joh., rim. Agent
583, 616f. 627—629, 640f. 675.
700,
Dresden, Stabt u. Hof 215. 360,
403f. 408, 411. 445. 571.
Drolshagen in Weftialen 207,
Droſte, münft. Ritterfam., Heiden—
reich 694; Heidenreich, Domb. 330.
461, 681; Heinrih, Domh. 681;
Jodotus Domh. 331. 387. 387. GL"
Dülmen im Stift Münfter 329 big
332. 695.
Duisburg, Stabt 246, 535,
Düffeldorf, Stabt 233, 246f.
263. 279. 281. 289f. 323f. 376,
378, 380. 3837. 397, 464, 591f.
609, 679, 683. 702, 743,
Duras, Herr v. TEL (vgl. Oyen-
brugge).
—
E.
Eberhard v. Holle, Biſchof v. Lübeck
und Verden 136. 141. 362f. 625,
Eberftein, Graf N. 100, 752.
Ed, Oswald v., bayr. Adeliger 59.
‚ Dr. Joh., Theologe 65f.
—, , Dr. Simon Thaddäus, bayr.
Kanzler 65—68. 72. 74. 76. ur
84. 86. 91. 118—122, 130f. 141.
B35f.
Eder, Dr. Georg 11Af. 262.
—— Wolfg. Buchdr. in Ingolft. 62 f.
Egeling, Dr. Gedeon, brem. Kanz-
ler 383. 388. 410. 689.
Ehem, Dr. Ehriftopb, kurpf. Kanzler
211f. 215—219. 303, 428.
Eichsfeld, das 296. 301. 392.
Eid, Dr. Servatius, kurköln. Rat
620, 624, 659. 729f.
Ein ritt, bilhöfl. 161, 253. 259.
741. 743746. 748— 753.
Eijengrein, Dr. Dtartin,
Theologe TI. 78—82, 114.
Elgard, Dr. Nikolaus, kath. Geift-
liyer 156. 260. 310f. 365. 375,
380, 386f. 407
Elifabeth, Königin von England
Eljenheimer, Dr. Chriftopb, bayr.
Kanzler 67r. 112. 272, 316. 324.
334 336. 343 1. 388 f. 397. 4731.
479, 4835. 512, 533. 546. 549
bis 552. 557. 561. 569. 576, 588,
619. 622, 630. 632. 662,
Eltz, Anton v., nn Marſchall 91f.
(wgl. Jalob v. E.).
Elverfeld, Chriſtoph u. Wilhelm v.,
bayr.
762
Domherren zu Münfter 329. 331.
373. 598,
Ems, Bab 508. 523, 5ö4.
Engerd, Joh., Prof. zu Ingolftabt
63. TL.
England, 502 (vgl. Elifabeth).
Enje, Adrian v., münfter. Ritter
329,
Erard v. d. Mark, Bifchof v. Lüttich
z13f. 737f. 753,
Ems
Erasmus und Erasmianer 13
bis 16. en 225. 238. 261,
270. 365.
Erbmänner, münfterfches Batriciat
268. 277f. 446. 700,
Erfurt, Tag zu 9.
Eric II., Herzog von Braunfchweig-
Calenberg 133. 135. 141. 146,
207. 256. 273. 568f. 623,
Ernft, Herzog v. Bayern, Bifchof
von Paſſau und Salzburg 56. 70.
——, Herzog dv. Bayern 24, 48f.
70f.; Geburt und Eintritt in den
geiftl. Stand 72— 77; Abminiftr.
v. Freifing 77—86. 96f. 102 bie
111; ungeiftl. Neigungen 112 bis
124: Adminiftrator v. Hildesheim
130-150. 177. 192f. 205. 231.
250. 263. 268 f. 272; Bewerbung
F.
Faber, Pater S. J 172,
Fabricius, Dr. Andreas 32, 71f.;
Erzieher des Herzogs Eruft 86f.
101. 103,
106—111. 113—124;
. 186, 205.
in Rom 148 —150, 178,
264. 267—270. 278, 281f. 311f.
324. 328. 333; Geſandter in Rom
334—358. 374, 386, 390. 407f.
449f. A71f. 4975. 521. 535 —538.
569. 596 f. 603. 609; Proz. i. Rom
610. 613—617. 626 — 642, 670;
Propft 3. Altötting 673. 705, 720f.;
Lütticher Domtlapitular 725 - 728.
736, 741.
149,
Fabricius, Dr. Walter, janajiher
Rat 399, 437. 489, 499, 517
539. 569f. 581. 593. 627. er
684. 689 — 695 ; deſſ. S.569 f. 627,
Saltenftein, Graf N. (?), 522.
Sarnefe, Uler., Kardinal 83, 337
342 f. 355. 357, 641.
Slorebello
um Münfter 276—285 ; Subbialon
310f. 323f. 333; Romreife 334
Eye nn Bemühung um SHalber-
m t dgl. um Münſter
—382. 389; Bemühungen um
Köln 396200. 408. 408— 437;
Niederlage in Miünfter 438-464:
Domfapitular in Köln 467—491;
im Erzfift Köln 498—518; Prie-
fterweihe 516 — 518; Bewerbung
um Köln und Niederlage 519 bis
583, 588f. 611; Prozeß in Rom
Satyb. G6B.GOBT. BB. 673: neue
in Salz 675; neue
Bemühung um Münfter 683-686;
Bemühung um Salzburg 688f.;
Bemühungen um Münfter 688 bis
697 ; Niederlage in Salzburg 703f.;
in Hildesheim 704—707; Bewer-
bung um Süttih 719, 73: 119, 732; Wahl
und Einritt im Lüttich 733— 754.
Erprath im Erzft. Köln 39, 188,
Erftenberger, Andreas, Reichshof—
rats⸗Sekretär ag Autonomia)
Effen, clev.-märt. Landt. 3. 587, 591,
Eynatten, Heinr. v., Droft von
Srandimont 724.
Farneſe, Aler., Prinz von Parma
643, 645. 649, 680. 683. 729f.
Fend, Erasmus, bayr. Rat 67, 78.
82. 84f. 338, 343, 353, 538. 624,
6325. 668f. 673,
Ferbinand, Herzog von Bayern
72, 399, 748—753,
—— (d. Tirol), Erzb. 22. 77.90. 108,
281f. 313. 328, 372, 390. 404,
409, 438. 443. 536. 613. 666f.
nn
— In. en Kaifer 5. 328,
54f. 538f. 64. 70. 88, 238. 298f.
319, 118 (opt. Deklaration).
Fihard, Raimund Pius, Reichs—
tagsge efanbter 384. 404,
ie nn Herr v., * aifert. Kom⸗
J——— Ant., päpſtl. Sekretär
Florenz
lorenz, Stabt und Hof 339, 357,
randhimont, Markgrafſchaſt im
Stift Tüttih 724. 752.
Fränkiſche Grafen 648.
Frankfurt, Meſſe 320; Rittertage
zu 397; vgl. Deputations- und
Wabltage.
Frantreid, Politit 200f. 206. 209
bis 212, 214—220. 713, 734. 736,
739 (vgl. Heinrich III., Karl IX.).
Gran, Herzog von Sacfen-Lanen-
burg 100. 191. 239—242, 657.
— — Herzog, dann Re von
Toscana 357, 610, 615. 632,
634, 639, 743,
Freifing, Bilhöfe, ſ. Ernft und
Moriz; Domtapitel 70f. 78f. 81f.
86. 114, 124, 440; Hochſtift 77
bis 86. 113, 124. 150. 702. 743;
a:
Stabt Söf. Ul 114. 117—123,
665.
N
onfelfion 5
273. 289.
re "ans. 313—319. 321,
384, 389, 391—396. 899— 405.
409, 422—426. 501. 508. 591,
694. 608, 622, 633. 648. 652f.
658. 6625. TOL,
Freitag, Willen, Hildesheim. Dom-
dechant 133.
an von, bayr. Ade-
liger 60. 66.
en Burg und Stabt i. db.
Wetterau 305. 556. 587. 590f.
Friedrich II. König v. Dänemark
141. 657. 659,
——, Herzog v. Holftein 140. 146f.
——, Herzog v. Sachſen-Lauenburg
763
(Kölner — 76. 198, 240,
281, 284f. 330, 378, 416. 431,
436. 476. 487f. 490f. 500. 530,
> 547, 550f. 560, 571—574.
8.
Gebhard
167, 192, 220. 273.
298, 296—298, 302 Te
bis 318, 321. 394.
425f.
— v. Wied, Kurf. v. Köln 3 bis
12. 15f. 28. 38, 74.
300, 544.
——, d. Wirsberg, Bifhof v. Würz-
burg 74,
Froibmont, Herr v., nieberl. Abe-
liger 723,
Sürfen, beutfche 70—72. 92. 270.
2997. 359—361.
Fürftenau, im Stift Osnabrüd
239, 308,
Fürftenberg, Graf Heintih v.
106,
—— , Dietrih u. Kafpar v., weftfäl.
Nitter 251.
——— Dr — jülichſcher Rat
403f. 499. 569,
Sugger, familie 746,
‚ Hans Yatob 101. 130, 13Hf.
341.
352,
‚ Sigmund Friedr. 352, 687,
— viltor Auguft 666.
——_N 114f.
Fulda, Wirren im Stift 290,
301f. 4027. (vgl. Balthafar).
Funk, Hans David, bayr. Hofdiener
Funk (Fonca), Joh., Ipan. Rat 157.
294. 568. 581. 722,
6.
Gabe, evang. Prebiger 376,
Gatta, Stabt 349— 353,
Gail, men, taiferl. Hofrat
475.
Gailenkirchen, Kafp., Greve zu
Köln 167
Sambara, Kardinal 342,
"Sebertshaen, Wolter v. —
—* Kurf. Salentin 201. 215,
Gebhard Truchſeß v. Walbburg,
Domherr, dann Kf. von Köln 19.
432, 434. 490f. 499. 501-503,
609f. 518. 522, 526f. 530, 532f.
536f. 549f. 558, bäbf. 559—561;
feine Wahl b63—583. 587—591.
593. 602f. 607; Prozeß in Rom
610 — 636; Diatonatsweihe 618 ;
Trienter Eid und Aufnahme ing
Kurfürftentolleg 622f. 638. 640
164 Geldern
bis 650. 659 f.; Konfirmation 671
bis 675.682, 688 — 695. 698 f. 727.
Geldern, Herzgt. 155. 628. 644. 657,
Geldwert 39, 547. 743.
Gemen, münft. — 226.
Generalftaaten, ſ. nieberländifche
Stände.
Georg, Herzog von Braunſchweig,
Erzb. von Bremen und Biſchof
von Minden 240, 363.
„Landgraf v. Hefleu 145. 230,
— — von Ofterreih, Biſchof von
Lüttihd 714, 727,
Gerhard v. — Biſchof von
19. 22, 46. 98i. 237,
eüttich 9
473. 500. 707, ZI1 bis
132, 134. 7397.
Gerting, Jodokus (Lemgovius) köln.
Domtapitelöfefretär 434. 550, 558,
560. 650,
Germanicum, Kollegium in Rom
612. 627.
493.
Gerolftein, Schloß 468 f.
Geufen, 12. 16. 99, 1085. 164.
179. 244. 715. |
Gilgen, v. d.; f. Better.
Gimnid (Gymnich), Wernher v.,
jülich. Rat ıc. 236f. 250. 261 bie
265. 267 --270. 275f. 378. 384
442. 569. 706.
Glajer, Dr., töln. Rat 198.
Goldftein, W. v., köln. Ritter 429.
Grafen, Reichg- (ogl. fränt., ſchwäb.
und Wetterauer) 19 — 104,
2005. 203, .
321—323. 384. 392—395. 400,
405. 412. 421—431. 470. 487,
504, 523. 529, 534. 551—557.
268. 587. 589—591. 620f. 638.
648, 657f.
D.
Habbius, Gerhard, Kölner Prof.
177, 200.
Haberftod, L., bayr. Agent 204,
610.
Hagen im Erzſtift Bremen 375f.
458.
Halberftabt, Domkapitel 83. 128.
364 — 371; Hodfift ZL 125f.
128—130. 345. 359. 362. 364
bis 371. 409; Stadt 65.
Samelmann
Granvella, Karbinal, Anton von
61, 83. 263f. 349—351. 3577.
393. 613. 714. 735f.
Gratiani, Ant. Maria 156. 171,
223. 724.
Gregor XIH., Papft, Boncom-
pagno (vgl. Breven) 119, 147 bis
150. 202— 205. 243 — 248, 260
bis 265. 267. 281f. 311. 328,
332f. 336—358. 359—382, 399,
405—408. 434. 471f. 497f. 519
bis 522, 535 — 538. 545, 582f.
609, 610—617. 627f. 631—636.
638—642. 655. 668. 670-675.
2 703—705. 719. 7285. 7437.
— zau, Iſenburger Schloß 37.
Grevenbroich, jül.-berg. Landtag
587. 591,
zu
Grimberg, Wilh. v. Bergen, Herr
zu, päpftl. Kämmerer 746,
Gropper, Familie, 177. 200.
—— , Dr. Gotfrid, turf. Rat und
Domtfapitular zu Köln 31f. 42.
153. 189. 195.197. 202. 204, 248,
— Di; Johann 160. 171. 202,
. 49. 197. 200. 202f. 205.
217, 240. 245—248, 250. 253
bie 255. 258— 260. 282, 291.
310f. 359. 362—364. 367. 372,
375—378. ae 386 f. 407,
452. 472, 578,
Wilhelm v.,
Ritter
Halver, Dr. Lubolf,
dann bayr. Rat 83, 97. 108, 132.
279f. 284. 289, 449. 453—464,
512f. 608, 631. 663. 664, 675.
125. 749,
Sambad, ri bei Jülich 273
bis 278. 3727. 406, 441 —443,446,
677. 592 ir 620f. 680, 706f.
132. 734f.
Hamelmann, Lic. Herm., Schrift-
Sammelburg
fteller 3. 14. 132, 165. 178. 224,
226f. 271.
Hammelburg, im Stift Fulda
402,
Hammerftein, Wolfg., jül. Agent
in Rom 243f. 278. 281. 374. 498,
670, 699— 702.
Hanau, Graf Phil. Ludw. v., und
Graffhaft 213. 394. 555f.
Hans, Martgr. von Brandenburg»
Küftrin 93. 100. 138.
— Jakob, Marlar. v. Baben 86.
— 8 Pete Erzb.
» „ Sabsurg 74, 404. 6 666.
686 F. ZOBf.
Sanfaftäbte 143. 155.
Hardenberg, Wild. v. Bernfau,
Herr zu 2625.
ey Dr. Johann, jül.
Rat 399, 595.
Harrad, Leon. v., faiferl. Geheim-
rat 297, 484. 686f.
er im Stift Lüttich 181. 520.
zıäf. 751,
Hatzfeld N. v., köln. Rat 251.
Haunsperg, Woifg. — von,
Salzburg. Domherr 74
men Seb., Freif. Weihbiichof
Hegenmüller, Dr. Joh., taiferl.
Rat 3. 9-12. W-22. 27. 172.
190. 297, 526—528, 538 -542.
68f. 610—614. 622, 644,
Heidelberg, Stadt und Hof 132,
210f. 293. 3025. 394 f. 487,
Heiden, Bernd. v., münfter. Dom—
berr 331, 373.
N. v. d., köln. Ritter 429.
Heinrich d. “ Herzog dv. Braum-
ſchweig 83. 125—133. 230, 368,
— IIL, König v. Frantr. (Polen)
206, 210f. 216. 220. 293, 630.
— — Julius, Herzog v. Braun
ſchweig, Boftul. von Halberftabt
83. 118 — 130. 136, 141 — 146.
364. 367—371.
——, Herzog dv. Sadfen-Lauenburg
104, 185. 19: 225; Erzb. von
Bremen, bewirbt fih um Münfter
und Dsnabrüd 239—242; Bifchof
von Osnabrüd 256—259. 284 f.;
Freundfhaft mit Kurf. Salentin
291f.; Bewerbung um Münfter
306—310. 320—325. 330f. 362,
372—376; Heirat 376, 377—382.
Hollach 765
385—388. 396. 4055. 415. 418.
432, 442f. 445, 450 f. 456—464.
477—481. 487f. 494f. 506. 510
bis 514. 530—532. 541; Bifchof
v. Paderborn 548, 555. 559, B7I f.
600. 603—605. 607. 625. 6ölf.
654—661, 663f. 672, 677—684,
688—694. 699f. 7O6f.
Hellu, a v., würzb. Kanzler
91—94. 98. 234.
Helmnäbt. — 369
Henneberg, Graf N. v. 523;
Grafſchaft 302,
Heresbach, Konrad v. 4 13,
—— Lutger »., töln. Oberfiegler
414.
Hermann v. Wied, Kurf. v. Köln
19. 163. 172. 186, 412,
—— d. Schauenburg, Biſchof von
Minden 235. 28. 31. 46. 137
363f. 414. 432. 510. 530. 54,
bhb, 569, — 571-678.
Herſchbach, ifenburg. Schloß am
Wefterwald 37. 307,
Herftal, im Stift Lüttih 750,
Herzig, köln. Setretär 580.
Helfen, Landgrafen v. 193. 229f.
301f. 306. 393f. 400. 508. 523.
603, 605; vgl. Georg, Philipp u.
Wilhelm.
Heuſenſtamm, Herr v., kaiſerl.
Rat 617f.
Hildesheim, Biſchöfe, f. Burkard,
Ernft, Friedr., Schauenburg; Dom-
fapitel 126—128, 130f. 133 bis
136. 139—146; Dompropftei 127,
470, 677. 705; Hochſtift 125 bis
149. 366. 378f. 448. 677. 704 f.
Ir 749; Stabt 127. 141. 470,
ee Ludwig, von Anber-
nad 33.
—, N, Herr v. 620.
Hittorp, Meldior, köln. Gelehr-
ter
Hodftetter, Dr. Joh. Ehryf., öfterr.
Nat 372,
Hoen v. Hoensbroed, Lütticher
Dombedhant 731. 753.
Hofdriften 13. 423.
Hogenberg (Stäbtebud), 1537.
Hoitband, Martin, paberb. Pfarrer
229.
Hollad (Hohenlohe), Graf, ftaat.
Oberſt 693.
766
Holle, Aſche von, Nittmeifter 497,
— ſ. Adolf, Friedrich, Joh.
Holzapfel, Dr. — biſch. augsb.
Nat. 20. 22, 24
— Graf und Grafſchaft 644
Horneburg, Lic. Herm. v., Hildes-
heimer Domherr 130—144. 362,
366—368. 370. 749,
Holle
Horft, Dietr. v. a Amtm. u. Rat zu
Düſſeldorf 207, 246,
386. 454—464. 493f. 599, 606.
689 — 69.
— Heinrich 207, |
——, Nutger, köln. Hofmarfhall |
195. 207 257. 807, |
Iburg, im — Osnabrück 239,
379. 381. 480. 688,
Ignatius v. Toyola 54. 174.
Ilſung, Joh. Achill, kaiferl. Rat Af.
Ingolſtadt, Stadt u. Univerfität
24. 58—60. 62. 6öf. 71. 79. 178,
269. 282, 749.
Innsbruck, Stadt und Hof M.
262. 389.
Inquifition (religidje) Z 56. 408.
Johann
Fur, een (d. 599.
— Haus im Stift Münſter
Hoſius, Stanisl., Karb. 64. 148f.
263. 334f. 352.
Hoya, Grafen v. 19. 223f. 234f.;
vgl. Johann
Hoyer, Bropft (zu Lübeck) 22.
Hülchrath, a... und Herrſchaft
. Erzft. Köln) 645,
Hüfefen, Dr., münfter. Syndikus
256.
Hund, Dr. Wigul., bayr. Rat 58f.
66. 103 — 106. 120, 272, 639,
666. 673,
d-
427, 440—444. 489, 499—501.
591. 594f. 647. 673. 7O1f. 714,
Sfaac, Joh., Kölner Gelehrter 177.
— Stephan 24 203.
Ifenburg- Büdingen, Graf Lub-
wig v., Kölner Domberr, unb
Grafſchaſt 28. 31. 213. 555;
Grenzau, Grafen und Grafihait
34. 42.190,
37f. 213; f. Salentin.
Iſſelt, Mid. v., Geſchichtſchreiber
183. 637.
od).
Jabach, köln. Proteftant 646,
Jakob v. Elf, Kurfürft von Trier
8f. 74. 91f. 98. 111. 181. 237.
296, 434. 475. D28 f. — 34.
Jakobe v. Baden, Witwe Herzog
Wilhelms IV. v. Bayern 122,
Zarsdorf, Hans Chriftoph v., bayr.
Rat 338. 340. 342. 350.
Sejuiten, 5. 54f. 68. 87 148.
15 — 157. 164. 172 — 177. 203.
252.
on II. Kurf. v. Brandenburg
Joachim Friedrich, Markgraf v.
Brandenburg, Abminiftrator von
Magdeburg 128. 138. Z14f. 362,
Johann v. Hoya, Biſchof v. Osna-
brüd, Miünfter, Baberborn 9.19.22.
46, 220. 223—249, 251. 363, 652.
v. Manderſcheid, Kölner Dom-
. ftofafer, Biſchof von Straßburg
24f. 31.36. 45—47. 109 109. 1897.
196f. 397f. 414—416, 418, 432
bis 437. 469, 503. 530—532. *
D41, 550. 553, 63566 - 662. 563,
a7af. 578, 583, 668.
Johann
Johann v. Iſenburg, Kurfürft von |
ut 28, |
‚ nalhgral von Zweibrüden |
3ld, 7
— von derreich, (Groß)⸗
Herzogin von Toscana 330. 357,
Johann Adolf, Herz. v. —
Biſch. v. Lübech 140. 146f. 363.
Johann Egolf von Kuöringen,
Biſchof v. Augsburg 345.
— Gebhard v. Mansfeld, Kurf.
v. Köln 175. 184. 187, 544. 564.
Georg, (Markgr.) Kurf. von
— 129, 144, 295— 298.
|
|
aldf. 480. 488. 530.
— Bilhelm, Herzog v. Jülich
150; Koabjutor v. Münſter 233
dis 248; Poftulierter v. Münſter
253—256. 266—273. 276. 406f.
492. 496. 514.592 .; Erſte Kom-
munion 606, 661f. '870f. 680;
Adminiftrator von Miünfter 692
bis 698; Einritt 7025. 719,
Jonas, D Dr., öfterr. Kanzler 319.
el Stabt, a u.
Zoll 39f. 184f. 195. 217f.
3831. ie 421. 431, 499. 504.
507. 524, 547. 575. 645. |
Kaldenborn, köln. Herridaft 630.
Kammergeriht — ), in
Speier 40. 60, 62f. 119, 127,
224, 299. 336. 415. 507, 566.
597f. 630. 645. 652, 718
- in Overijfiel 237. 250,
a Recht 18. 25f. 29,
FT 360 f. 387, 456. 561,
Kanzleramt 67,
Kardinäle, röm. 47. Sof 5 83. 124,
264. 337. 340-322, Ab4. 357,
433, 535—538. 610, 612—617,
626. 629. 631—635. 639. 746 f.;
vgl. Kongregation, german.
a Kaifer Dh. 224f. 233,
— der Kühne, Herzog dv. Burgund
113. 716,
— IX, König v. Branfreid 212. |
216, 220 (vgl. Frankreich).
— Friedrich, Herzog v. Jülich- |
767
Juan, Don, b’Auftria 349. 351.
ar2f. 499f. 523. b44f. 568 f. 5891.
643, 712. 722—724.
TR röm., von 1575 260
i8 263.
se ns
Ketteler
Herzogtümer Pe
2327. 276. 383f. 591,
gütie, — 276. 442,
‚ I Amalie, Anna, Iobann
Wilhelm, Karl Friedrih, Magta-
lena, Maria, Maria Gleonore,
Sibylla, Wilhelm.
| Julius, Herzog von Braunſchweig
128f. 131 146. 251. 273—275.
330. 360, 364 — 371. 403. 450,
510, 513. 554, 603. 692, 705.
"mat. ie ‚ Bapft (Privileg f. Miünfter)
Echter, u v. Würzburg
642, 649, 672, 675,
Jung, Dr., Zimoth., kaiſerl. Rat
184. 194, 201.
Kleve 233. 236—238, 245. 250.
261 — 265. ET 306 f. 345 f. 719f.
ee — 35 re
Ba" —8 529, TE 106 ost,
Katehismus, db. römifche 231.
eo Markus, Bremer Rat 588,
— im Erzſt. Köln 580.
Kempis, Dr. Joh., Kölner Dom-
fapitufar 161, 522. 531. 533. 546,
549 573.
f. 570,
Kerpen bei Köln 637f. 6427.
u. ‚ Herm., Reltor 223.
Kefiel, P.,Leon, S.J. 155f. 173f. 176.
Ketteler, Tietrich v., köln. Rat
„Georg, münfter. Domherr 331.
455. 681.
—, Johann, jülihfcher Kammer-
meifter
—, Konrad, osnabrüd. Domherr
— Kort, münfter. Nitter 694.
dRuiger münſter. Domherr
681.
768 Ketteler
Ketteler, Wild (Bifchof v. Münfter),
13. 307f. 323, 429, 652.
Khuen, Rud. v., kaiferl. Geheimrat
687; f. Hans Zatob.
Steinjorgen, Lic. Gerh., köln. Rat
253. 649.
een Dietr.,
Hamm 656.
Koadjutorieen, bilchöfliche 48. 81.
= 130—140. 235—245, 250f.
allf. 388f. 408. 412f.
428—436. 4675. 471—480. 4827.
499—503. 522, 632. 686f. 703f.
2719 —721.
Koblenz, Stabt 482, 618, 622,
Köln, — 3f. 6—12. 17—33.
38. 41—46. 70, 3. 5 —7
103f. 106—110. 170f. 183—199.
”-_.090
Amtmann zu
9
648; Erblandesvereinigung 6f. 10,
28. 195. 415. 420, 433—436.
SIE En (te 41 5 ver
621; Erzbiſchöfe 41 f. 161.476; vgl.
bolf, Anton, Dietrich, Friedrich,
Gebhard, Hermann, Johann Geb-
bard, Rupredt, Salentin; und
33, 153—155. 183—185, 542.
b4df. 642, 645. 745: Greve und
Schöffen 161. 166, 645; Kapiteld-
grafen u. Priefterfanonifer, f. Dom-
— Kirchen und Kirchl. 10 bis
12. 32. 38, 116, 1575. 160—162.
167—171. 175—177. 188. 516f.
241. 574. 580. 620; Klerus
— 40. Is, 15 154 —
162. 516. 618,
inte def Biſchofsbo
567; Landſtände 10f.
iss 1
bis 541. 551 —553. 559 — 562.
567, 576, 618. 625; —
rer in 12f. 108. 156f.
164f. 179—182, 628; zer
ten 163—167. 4991. £ D87f. 628.
638, 645 — — Räte, kf. ——
9
. 6283; rede
476f.; Stadt 40f. 108f. 153 bie
182, 429f. 476f. bO6f. 529, 533.
541. 576, 620f. 623. 627—629.
Kreis
645 — 650; Stabtrat 32, 108,
159, 161—165. 169. 174f. 179
bis 182. 194. 476f. 507. 528,
541. 570, 576. 629. 45 — — 649;
Univerfität 108 f. 154 f. 162.173 big
182. 369. 570f. 628. 646; Bahl-
fapitulationen, erzbifchäfl. 6—8,
275. 41f. 184 187f. 413 — 416.
433 —436, 539, 550. 562—567.
576, 630f; Zünfte (Gaffeln) 159.
179. 588,
Königftein, Schloß und Grafihaft
470f. 485.
Königswahl, vömifhe 105 f.
2055. 210f. 215. 217. 289, 295
bis 298, 306, 413. 544. 616,
Körnlein, Peter, Hildesh. Sekretär
133, 136, 140—144. 146f. 366,
Kommiffionen, kaiſerl. 3f. 9 bis
12. 20—22, 27. 134. 190. 194.
198, 297f. 413—416. 482. 524
bis 528. 533. 539 — 542. D44f.
565 f. A8 f. 642, — 676f. 682,
688—695. 702. 723.
Kommunion, f. Laienkelch.
Konfeffion, Augsb., vgl. Freie
ftellung u. Luther. 58—63. 66,
90. 100, 128f. 138. 142, 149,
165. 217 —219. 257. 274f. 298
bi8 302, 304. 315. 317f. 361,
392—395. 402, 425, 429, 5D13f.
5I1f. 625. 647. 652. TiAf.
Konfirmationen, päpftl., ber
Bilhofswahlen 5. 7—9 4. 2.
—47. 143 f. 147 — 149.
202 — 205. 217. 228—230, 236,
241—248. 258—260. 360 300.
373—376. 385. 464. 564, 581 bie
583. 608. 616f. 624. 628f.
631, 635. 640 — 642. 673 bie
675. 697. 699f. 743, 746f.
Kongregation, germ., der Karb.
245. 464. 609. 641. 700.
Konkordate, der deutfchen .
7 42. 360—363. 331 459. 594.
624. 679. 681f.
Konkordienformel, Iuther. 425,
556.
Konvertiten, röm. 79. 315. 568.
Kram, Burfarb v., Statthalter v.
Marburg 193. 393 f. 396, 428,
450,
Kratepoil, Kölner Minorit 3. 12,
24, 35. 171. 183,
Kreis, nieberl.-weftf. 294. 621. 718.
Kribt
2003 769
Kribt, — Münſter Kunigunde von Öfterreih, Ge—
227. 229, 245, 260,
— — wi or v.,
Domh. zu Köln 28. 31,
Kuchoven, * Paul, —
zu Köln 80 531533. 546.
b49, 570f. 573. 576f.
—— Georg v., Dompropſt,
Sr Koabjutor zu Salzburg 687,
L.
Laerbruch, —— Landtage auf
dem 255. 493. 651. 702,
töln. Haus a. d. Wieb 42.
La zn de, hugen. bel.
211. 213f. 316. 714,
Taienfelb 5. 13. 54—6A 68.
135. 225f. 229, 236—238. 2477.
262f. 275. 365. 406f. 691f. 596f.
606,
Laiming, Adaz v., bayr. Adeliger
59. 62.
Lampſon, Dominif., Lütticher Se—
fretär 727. 751.
2anbsberger Bund 88—95. 98
bis 104. 192, 231. 269. 487.
497, 513. 662,
Langen, Anton (ober Burkhart?),
— Domherr ꝛc. 137. 366.
Langer, Paul, jül. Kammerfefr.
243. 246. 260f. 273. 378. 384.
Hubert 468. 492, 505.
113. 717.732, 733, 745,
Lanfing (anzig), Gisbert, Köln.
Zurift DIL 646,
Laſſo, —53 di 72
Sauenburg, Herzöge von Sachſen⸗
239 — 241. 251, 657; f. Franz,
Friedrich, Heintih. —
Lautber, Dr. Georg, Kanonifus
(Propft) zu Münden 72. 353 bis
357. 666
Ledebur, Gerd. v., Droft zu Iburg
381
Languet,
637.665. 713
mablin Albrehts IV. v. Bayern 69.
en Jakobe, Pfalzgräfin
on en, geiftliche und ri
g1f. 97.191. 295—298.
er Äoo=and, 41a 15 08
544. 617. 620. 6225. 626.
495. 620. 622, 624—626. 630.
747f.; vgl. Regalien.
Leihius, Jakob, Prof. in Köln
155. 173
Lembed, miünfter. Herrſchaft 154.
652. 664.
Lemgovius, f. Gerfing.
Leoninuß, Dr., Ebert, nieberländ.
Rat 740,"
Leonore de Toledo, Gemahlin
bes Don Pietro von Florenz 339.
343.
Leyen, Bartbol. v. d., münfterfcher
Domherr und trier. Domdechant
464, 684. 726,
——, Georg, köln. Lanbbofmeifter
195. 318, 500, 552, 567,
— Johann, trier. Domherr 650.
Leuchtenberg, Georg, Landgr. v.
748, 751.
Liechtenſtein, Heinrich v., öſterr.
Rat 677f.
Liesborn, weſtf. Kloſter DIL.
Limburg-Stirumb, Graf N. v.
753,
Lindanus, * Biſchof v. Roer⸗
mond 549. 570. 576,
Lindemann, Dr., kurſächſ. Rat.
302,
Lindenau, Hans v., furfähl. Rat
219,
Linn, im Erzft. Köln 431. 628 f.
Linz, kurköln. Zoll zu 187. 435,
Lippe, Gr. Simon zur 469. 660.
— Auna, ſ. Walded.
— Albr. v., köln. Ritter
— Kaſpar, Amtm. zu Ravensberg | einen Löwen, Univerfität 24. 72. 86. 132,
470, 246, 263, 500,
Lehensindulte,
Loſſen, Köln. Krieg J.
faiferl. 47. Wo. 2ooz, Lüttiher Grafſchaft 715
49
770
Foreto, Wallfahrtsort 262, 342.
685.
Loreto
Louverman, Lic. (Lauerman), jü-
lihiher Rat 246, 386. 535.
Lovius, Servatius, nieberl. Geift-
liher 117.
Ludwig, Landgr. v. Heflen (Darın-
abt) 647.
Eu Pfalzgraf, dann Kurfürſt
318f. 426. 487f. 508f. B23f.
528f. 364f. 647.
„Herzog v. Württemberg 145,
Lübed, Hochſt. 362 f.; vgl. Eberhard.
Südinghaufen, im Stift Münfter
280. 283f. 309. 332. 598,
Lüning, Franz, Droft zu Fürftenau
239,
Lüttich, —— ſ. Cornelius, Erard,
Ernſt, Georg, Gerhard, Robert;
Bürgermeiſter (u. Rat) 718. zart
750f.;5 Bürgerſchaft (Bolt) 712,
Maria
714—718. 722. 737— 741.750 bis
153; Domtlapitel von S. Lambert
86. 344f. 707, 712, 714,
720f.
124 — 732, 733 — 753; Hochſtift
88, 276. 327. 344f. 4 4735. 505.
621. 707. 711—732. 733— 754;
Klerus 712. 724f. 737. 753:
Sandflände Ziöf. 721723. TAL
143 ; Broteflanten 713— 716; Stabt
111—713. 717f. 724. 739-741.
150. 753,
Lützenrod, Joh. v., köln. Ritter 429,
Yuiber und Lutheraner 14. 25.
59. 63. 127f. 163. 166. 225f. 229,
299. 362, 367, 398. 647. 652.
667. 714,
turemburg, Feſtung 742,
Lymers, bie, clev. Amt 235. 271.
Lustir ben, Konflantin v., Köln.
Bürgermeifter 158. 158, 1671. 173
180, 429f. 516. 528. 647.
M.
Maas, Fluß UL 717. 7583.
Mabruszi, ar: Karb. von
Trient 205. 340, 342. 351.
—— , Ludwig, Karb. 328, 340. 350
bis 352. 357f. 434. 497. BL |
537f. 616. 747.
Maeseid, im Stift Lüttich 715f.
Maeftrict, Stabt 192. 715f. 723,
129, 751. 753.
Maffei, Marc’ Anton, Karb. 617.
626 |. 629. 638,
Magdalenav. Jülich, Damen
von Zweibrüden 2a. 247, 270.
273—275. 406f. 700,
Magdeburg, Abminiftr., |. Joa—
Kim riebrich u. Sigismund; Erz-
kife 71. 125. 128—-130. 138f.
273. 314f. 361f. 505.
Magie (Aldhimie) 118. 120. 122.
Mainz, Kur, Er Be und Dome
tapitel 38, 7A. 214. 299, 335.
344. 3925. 427. 434; vgl. Daniel.
re belgifche u
Malsburg, Edbrecht v. d., heſſ.
Adeliger 145. 600.
Manderfheid, Grafen v. 17. 24f.
37. 397. 468. 509. 539, 5527.
z19f. 742f.
Manderfheid - Blantenheim,
Graf Arnold v. 538. 720,
— Hermann 25. 3975. 429.
431. 475, 563f. 559—562. 648.
j. Johann.
— »Gerolftein, Hans Gerbarb
468. 532,
— Hans Ppitop, Domb. zu Köln
432. 468f. 486f. 749f.
⸗Keil, ——— er .
a und Prim 276. 719 6
— Hans Gerhard, 742f.
—— Philipp, Kölner Domberr 31.
397. 500. 530. 532. 541. 549.
Schleiden, Graf Dietrid
b53. 559—562.
— — S$oadhim 742.
— fund, Kölner Domberr 25.
28. 31.
Mansfeld, Graf Ernft 469.
Mantua, Peter Ernft 742.
Stabt 339,
Margaretha v. Parma 712.716.
v. Balois 712. 717. 723,
Maria v. Ofterreich, Kaiferin 247.
475, 589,
Maria
Maria von Ofterreih, Herzogin v.
Jülich 233.
— Eleonorev. — Fa
v. Preußen 235. 244—
Marienburg, im Stift Sildesgeim
126. 705.
Marienfelbe, weftfäl. Klofter 446,
Mart, v. d.; f. Erarb.
— Graf BEI, föüln. Domberr
897 436. 500f. 510,
Marntz, v., ©. Abelgonde 623 f.
Marquard v. Berg, Bilhof von
Augsburg 40L,
ei; Hatflein, Biſchof v. Speier
316. 396.
——— v. Schaumburg, Biſchof v.
Eichftätt 401.
Mafius, Dr. Andreas, clev. Rat
236—238. 243, 271,
Matthias, Sryperzog 294. 474f.
419, 483— 524, 587—590.
623, — 682, 685—687.
691. 723. 730. 736f.; TAT,
Matthifius, Dr. Gerh. (Gelbrien-
fis), Köln. Domtapit. 177.
Mattigbofen, Schloßi. Bayern 62.
Mavelde, Wilh. v., niederl. Adeliger
323
f.
Marimilian, Erzherzog 294. 474,
479, 483—485. 524. 677—680.
682, 686f. 691. 703f.
2 II. Kaifer 3—5. 8f. 13. 20
Dis 23. 46f. 91—97. 99. 102 big
106. 108, 110f. 138f. 158. 191.
194. 199, 203—207. 231. 233.
237f. 240. 245. 259. 262f. 294
bis 301. 306. 319, 327, 368, 371.
384. 3915. 399—405. 409. 422
bis 425. 434. 441. 441. 443, 474 |.
477. 119. 721,
Marlrain, Wolf Dietrich v., Frei.
zu Walbed 59. 61f.
—, Rolf Wilhelm 449. 453 bis
464. 490, 515518. 527 $. 46 f.
549, 569. 577. 662, 749,
Medlenburg, Herzöge v. ZL. 361,
Medici, Ferd. Kard. v. 347. 613.
631. 634, 638. 747,
Meißner, Dr. Johann, Gef. ber
Wetterauer Graien 301.
Mengin, Dominikus, Pater S. L
122. 348, 352.
Münfter 771
Mercator, Gerh. Geograph 154,
Mercurianus, Eherh., Jeſuiten⸗
general 352.
Merjeld, Dietrid von, miünfter.
Dombderr 681, 684. |
M m be, N., v., nieberl. Adeliger
Merjeburg, Meißen und Naum-
burg, Domftifter 71. 361.
Metternid, N. v., köln. Küchen-
meifter 631.
Middelburg (Job. v. Stryen),
570,
Biſchof von
Jalob, Prof.
177,
Middendorp, lic.
und köln. Rat 154f. 486.
618, 622, 650, 690—69.
Minden, Bilhöfe, f. Georg und
Hermann; Hochftift TIL. 126, 137.
251. 362,
Mörs, Stadt und Grafichaft 155.
h58.
Moller, Bernd., Dichter 157, 159,
Mondragon, ſpan. Oberft 643.
Monheim, Rektor 246f.
Monreberg, bei Calcar 693,
Moriz v. Sandizell, Biſchof von
Freifing 7L. 77—85,
Morone, Joh., Kardinal 83, 383,
399403. A408. 434. 4435. 497f.
a 537f. 591f. 614. 624. 641,
Morrien, Berndh., münfter. Dom-
berr 280. 330,
Mülheim, Meld. v., toln. Bürger⸗
meiſter 528,
Münnerſtadt in Franken 302,
Münden, Stadt u. Hof zu 20, 54,
56, 61—63. 68. 72. 90—92. 97.
111. 118f. 130. 136. 142f. 333,
834—336. 343. 345. 357. 370f.
378, 386—389. 396. 421, 440,
443, 449f. 473. 4853. 498, 512,
685—687, 748.
Miünfter, Bilhöfe, f. Bernhard,
Johann, Joh. Wilhelm, Ketteler;
Bürgerfchaft 226. 277f. 657. 689,
697; Domtfapitel 227. 234. 248,
253—256. 260. 266268. 272.
276— 285. 289—291. 307—309.
313. 325—333. 371—382, 386f.
405. 438—464. 481. 492—498.
510f. 592—609, 650—664. 676
bis 686. 688— 702. 706f; Hoch—
ftift 224—229, 234. 249, 253 bis
49*
772
256. 266—285. 307—309. 321 bis
333 371—382.384—391,405. 410,
438-464. 492498. 588, 592
biß 609. GA8f. 650664. 669 bi8
BTL. 676-686 GBR 708,
706 f.;
Lanbftände — — —
493—497, 593 - 609. 639. 651
bis 664. 679. 702.707; Regierung
255f. 308. 832, 380, 493—496.
511. 595f. 601—604. 607—609.
651f.654—657.659—661.671.689
bis 697. 702; Ritterfh. 255. 277.
308, 324. 332. 379, 381, 440f. 446
bie 449, 453, 464, 493, 594f.
600 f. 652—656. 659. 662. 689,
693. 696. 700; Senioren unb
Münfter
Nabler, Dr., bayr. Rat. 639. 663.
669 |
Nagell, Brüder v., Georg, Lukas
Matthias, münft. Domberren 329
bis 331. 373, 453.
—, Johann, münfter. Domberr
330. 373. 387. 497. 511. 593f.
599,
Namur, im Hennegau 643. 722.
Naffau - Dillenburg, Grafen
v. 200. 207—212. 470. 713f.
-, Graf Adolf 209.
— _ Seid. 207. 220.
— — Johann 34—36. 101.
201. 207-220. 291—295. 300f.
306. 319-323. 3%. 394—396.
688, 691—693. 726f.
‚ Zubwig 209. 212. 216.
220. 303,
— ——, Bilhelm, f. Oranien.
-Saarbrüden, Gr. Albrecht
427.
_—, Philipp v., — Ritter und
trier. — 34. 94. 97f. 102. 184.
DBA,
Nette im Ersftift Köln 184.
Neuenar Grafen v. 17, 509, 552.
Bi — Adolf v. 431. 553. 559.
——_, Hermann 9. 11 Of. 406f.
414. 417. 431. 522f. 5341. 553.
— _. _.
|
Nunk
Junioren ſ. Domkapitel (von 327.
ab); Stabt und Städte 225— 297.
2b f. 464. 493f. 599—601. 623.
655. 689—697. 700; Stiftsräte
254, 256. 69%; Wabllapitı-
Yation 228, 235f. 244. 254,
280. 282—284. 330. 441, 447.
4525. 455. 457—463. 593. 604.
607—609. 651. 660. 685. 697.
Münft — Rolf v., münſter. Dom-
Müggenthat, Erhard v., bayr.
Mulert, Lic., jtitichfcher Rat 273.
M ußelti n, braunfate. Kanzler 404,
409, 425,
en 567, 578, 588. 643 bis
Neuenar, Walp. (Gräfin v. Hoorm)
644,
Neuenhofe, — v.,
jülichſcher Kat. 245.
Neubans, das Paberbormer 308,
320. 378f. 436. 450—452. 475,
548. 572, 600,
Niederlande, fpan. 12, 16. 88
bis 95. 99. 154, 164f. 185. 190
bi8 193, 200f. 206— 210. 231,
236. 270. 294. 472f. 630, 6377.
642—650. 678, 712— 716. 720
bis 724. 728f. 7331.
Niederländifhe Stände (Gene
ralftaaten) 323. 475. 488, 587 bis
590. 598f. 603. 614. 623f. 643.
649, 678. 691. 693. 698. 702.
7112. 722-724. 736—740 (vgl.
Niederlande, fpan., und Union).
Nimptſch, Element v., Pſeudonym
für Graf Joh. v. Naffau 201.
215. 293.
Ninguardba, Pater — päpſtl.
Nuntius 668. 672. TOBf.
Novimola, Sebaft (Duisbergenfis),
Köln. Domtapit. 32. 171. 188,
196. 198, 416, 486. '491. 530.
533. 535. 546. 549f. 557. 570,
673. 615,
Nürnberg, Reichsſtadt 89. 743.
Nun, Sigfrid, hildesh. Kanzler
135, 366. 371. 705. 749,
gen. Ley,
Dberftein
Pfalz 773
O.
Bun Andr. v., fpeir. Dom-
526-528. 538—542, b68f.
bed).
510) Dietr. v., köln. Ritter 429.
Der unb Chor, Höfe im Fe
Recklinghauſen 435, 476,
500. 546. 551.
Der, Lambert v., miünfter. Ritter
652. 656,
—— Haus 92 206f. 210f.
292, 298. 484. 505. 589. 613.
617f. 665. 668.677f. 690.
703f. 727, 731. 736,
— f. Albrecht, Anna, Andreas,
Ferdinand, Georg, Johanna, Juan,
Karl V., Kunigunde, Maria, Ma—
tbilde, Marimilian, Philipp II,
„ Rubolf.
Öttingen, Graf Friedrich d. Jüng.
469, 485f.
— — Bolf und Friebrich 106.
Oldins, Kafp., münſt. Geiftl. 227.
Dlifleger, Hein. Bars, gen., clev.
Kanzler 13. 92, 167, 238, 248.
262. 270,
we; al, Jakob, köln. Proteftant
Dotmarfum in Operijfjel 177.
618,
Dranien, ®ilh. v. 36. 40, 90. 99.
P.
in Köln
164. 191f. 207—212. 294f. 307,
321—324. 450. 488. 589f. 678,
DOrmanetti, päpfil. Nuntius 63f.
Orsbed, Wild. v., jül. Kanzler
13. 246. 270, 208 — 275. 378,
384, 535. 539, 679
Drfini, Flavius, Kardinal 616f.
626f. 629, 633,
Ortenburg, Grafen v. 54. 59 bis
64. 400. 440. 473.
| Orth, Dr. Konrad v. Hagen, köln.
Domtapit. 171. 399. 434. 515.
530f. 549-551. 570. 619, 650,
Dsnabrüd, Bilchöfe, — u.
Johann; Domtapitel 224f. 234,
239- 242. 256— 259. 284; Hoch⸗
ftift 98. 223 — 225, 230—232,
248f. 256—259,
f. 688,
Dtto Truchſeß, eu, v.
—— 3. 10. 19—2 B2f.
Dubart, nieberl. Rat 128,
d’ Oyenbrugge, zu Duras, Karl,
lütt. Domberr 345. 725. 732, 741.
vgl. Duras.
A nieber(. | Beina, — im Stift Hildesheim
642. 649f. 126, 140, 147.
729,
Paderborn, Bilhdfe, f. Hein-
ih, Johann, Rembert, ——
Domkapitel 251.
Hodftift 145. 224. 200 oe a
rn 310, 410. 431. 451. 539,
664. 688; Stadt 2297. KL
Bike — xXũi guuus IL.
—— oben. Karbinal 311.
PBarma, f. Farnefe.
rn ‚Dr., pfälz. Bizefanzler 400.
Paull, Dr. Andr., kurſächſ. Rat
390. 457. 468, 477—479,
Paumgartner, Dr. Auguftin, hayr.
Rat 66.
nn franz. 995. 214 bis
216. 218. 293. 310,
320f. 504;
öfterreihifche 727; — Fi
132f. 141, 190—
128,
Perbinger, Dr. Onuphrius, bayr.
Rat 78. 91. 121
N — 612.
354. 389. 391.
650. 729,
Bieffenmünker ‚ Kollegiatfirche
b. Straubing 666.
Pfalz, Kur- 210—220. 273. 292f.
296—298. 302—306. 393—396.
400—405. 422 —426. 623; vgl.
Friedrich III, Kafimir, Ludwig.
774 Pfalz- Neuburg
Pfalz-Neuburg, |. Anna und
Philipp Ludwig.
-Simmern, f. Reicharb.
-Zweibrüden, * Johann u.
Wolfgang; ſ. Ruprech
Pfiſter, Dr. Joh., reif. — 70.
78—85. 114,
Pflug, Aler.,kurfähf. Rat430. 5127.
Philipp, Herzog v. a Bild.
von — a 666— 668,
ER A, Landgraf v. Hefien
a0
98—102. 158. 180,
374. 389, 391, 472—474. 544.
568. 580.587, 591. 630, 678. 706,
zı3f. 720—724. 728, 733, 734
bis 737. 751, 753,
Philipp Ludwig, Pialzgraf von
Neuburg 259, 269, 272. 667.
Pienzenau, Chriftoph v., en
Hofmeifter ıc. 86. 103, 106.
118. 120. 279f. 630.
Pigpin 8, Sleph. Winand, b, Human
237. 250. 260—265.
Pilgrum, Gh. köln. Fe 528.
Pius en Bapft (Medici) 5. 8. 59.
— ja Dorf —— 8 2
43—48,
102f. * — 124, asıf a7
139, 147f. 157. 164. 200. 227f.
230f. 340, 355 (vgl. Breven).
Plettenberg, Dietrih v., münſt.
Ritter 601,
| von Heflen - Rheinfels
—— I, König v. Spanien 47. 83, |
231. 237,
Raesfeld
Plettenburg, Joh., brem. Rittm.
Pollius, Joh. proteft. — 156.
Bollweiler, ſpan. Oberſt 730.
Bo (Reli), 2 “A lütt. Dichter
— =. v. u 361.
Boppelsporf, Schloß bei Köln
Porzia, Graf, — ee
Nuntius 150, 171.
—, —
ne
=
E
621.
Borzia, Gr. Hieron.. 338— 357.440,
Poſtulationen, m. wr
108. 284. 377. 399,
bis 4b6. 531. PFTTE 667; F
Wahlen.
Prag, kaiſ. Hofzu 58. 95. 471. 473
bis 481. 483, 504, 655. 661.
669. 677f. 682, 744,
Preces primariae 44,
a ing N. v. bayr. Abeliger 337.
Prefiburg, faiferl. Hof zu 622,
Briefterebe, 5. 13. 54—60. 173,
225—229.
Briefterweibe, 2628. —
203f. 229, 557 f. 564,
618.
Primogenitur, fürfllihe 69—72.
233f. 335.
Prüm, Abtei 276, 713. 719-721.
O.
Quad, Wilh., v. Landskron, päpftl.
Kämmerer 36. 43f. 650.
| Quad, Lutger, Herr zu Mülheim,
föln. Ritter 429.
N.
Raesfeld, miünf. Nitterfamilie
329f. 377.452, 2. 652; ſ. Bernharb.
— Bitter, münft. © Domkuſtor 329
bis 331. 441, 448, 453. 459,
—— , Bitter jr., münft. Domberr
330, 464.
— Goddert, münſt. Domdechant
229. 235. 239 f. 243. 250—252.
254. 267. 272. 278—280. 283 bis
701.
Raesfeld, Goswin, münft. Dompr.
255. 278—280. 329832. 458.
4h6f. 497. 661.
Heinrich, münfter. Ritter 329.
Raesfeld
Raesfeld, Heinrich, münſt. Dom— |
681,
berr
——, Lutger, Droft zu Wolbed ıc. |
255. 329. 607, 694.
—, Johann, münft. Kanonikus
493. 4977. 510. 681. 685. 7OL
—— Rotger, münft. Domberr 278,
Reindort rf, Ehriftoph v., bayr. Rat
Rede, — v. d., clev. Rat
235, 243. 245, 271 f. 276—281.
283—285, 289, 325. 327. 329,
373. 386f. 442. 444f. 453—455.
459—464. 493. 496. L 592
bis 596. 601f. 656. 662, 664.
676, —
—, N., Herr tho Heeſſen, münſt.
Ritter 694,
Reckinghauſen, ſ. Veſt.
Regalien, kaiſerl. 228, 608. 617,
622. 625; vgl. Lehensindulte.
Regensbu urg, Biſchöfe, ſ. David
und Philipp; Domlapitel 666 bie
668; Hochſtift 328. 639. 664 bis
669; Stadt 667; vgl. Reichstage
uu Wahltag. —
Rebdiger, Thomas, in Köln 168.
Rebe, Mag. Joh. v., Sekretär ber
Wetter. Grafen 384. 556. 648.
Reichard, Plalzgraf von Simmern
47. 315f. 523. 529. 647.
Neihshofrat 105. 305. 399. 401.
Reichsſtände, kathol. 67. 399 big
404, 42 — 425; proteft. nn
2167 231, 235. 273. 302f. 393
— 239. 399 —404, 422- 426.
Reichstage, Augsb., von1555: 54
v. 1556, 1557, 1559: 209; —*
v. 1566: 6.8, 14f. 21. 88. 87.
213. 299-301. 303; —*
von 1567: 77. 801; © Speirer von
1570: 100, 103—106. 115. 180.
188. 205. 291, 301f. 305f.;
Negensb. von 1576: 383f. 391,
399 —405. 408—410. 422 —426.
446, 589. 624.
Neidt, * v.,& L 155f. 173
bis 176. 180.
la Grafen von 509.
639. 552. 644f. 683.
——, Öraf — föln. Domherr
420. 436. 506. 510. 530—532,
240. 6. b53. 572, 582. 618.
175
Reifferfheid, Werner, köln. Erb»
lanbmaridh. 195. 397, 506. 534.
553, 644.
— ‚ Bien, töln. Domherr 31.
379. 397. 432, 467, 5301. 558.
Rota
572.
Religionsfriede, Augsb., von
1555: 53f. 60. 181. 298f. 302,
359, 395. 403. 422—424. 608.
647, 714f.; nieberländ. von 1579:
658,
Religionskrieg, nieberl.- franzöf.
89, 209f. 220. 2935. 301. 308,
426. T1öf. 722f. 728f. 734,
Rembert von Kerfiebroid, Bilchof
von Paderborn 229f.
ı Renata von Lothringen, Herzogin
von Bayern 86f. 568.
| Rengaut, Egid., aus Lüttich 123.
741.
Nenneberg, Georg von Lalaing,
Örafb., Statth. von Groningen:e.
— Graf Hermann, lütt. Domh.
Requefens, Don Luis, de Zufiga
y R. 184 268. 270. 279. 284.
er 323. 330. 374f. 473, 720
Reuber, Dr. oft, kurpfälz. Rat
507f.
a Joh. v., 35
— 270, 275,
143 es
ı Rheidt, f. Bylanbt.
Rheine, im Stift Miünfter 308,
691,
Rheingraf N. 579,
a deutfhe 61f. 234,
303. Alß. 892—395. 424.
Robert v. Bergen, vijchof v. Lüttich
114.
Römer, Dr., Freif. Kanzler 140,
4%. 524. 527, 577f. BBL 619,
622.
Rom, Stadt und Kurie 80, 123.
334 —358, 405. 407—409. 493.
609, 610—617, 626—636. 637
bis 642, 653. 670. 673—675.
698— 702. 746f.
Rommersdorf, Abtei 34. 40.
Rojenberg, With. v., faiferl. Ge—⸗
beimrat 297,
Rota, römiſche 277. 326. 441. 629
bis 631. 634. 639— 641.
776 Rotmar
Prof. in Ingolftabt
Rudolf II, römischer König, dann
Kaifer 205 |. 289, 296f. 319,409,
424f. 473— 475. 477, 479, 482
bis 485. 496. 502. 524 —529,
589, 617f. 622, 624—626. 630.
64äf. 6bb. 669, 677—688. 685
bis 698, 702f. 719. 736 f. 142, 7477.
Rotmar, Bal.,
66, 7L 79f.
Schönberg
— pf, Ludwig, öſterreichiſcher Rat
Ruperti, Mich., münft. Geiftlicher
456,
Ruprecht, Pfalzgraf, Kurf. v. Köln
107f. 186,
Rym, Karl, ſpaniſcher Rat 500.
©.
Sadjen, Kur 71; f. Auguft.
Salentin, v. Fſenburg, Kurfürſt
von Köln 18; Belenntnis 25f.;
Köln. Mahl 3 31—33; Biographie
34—48. 88. 91. 95—106 (ſpan.
Penſionär 100f.). 110f. 1537. 161.
181; Streit mit feinem Domtfapitel
183—199; tonfirmiert 200— 205;
Beiiefungen — Hauſe Naffau
207--220, 230; Biſchof v. Pader⸗
born ei 2h6f. 272, 279,
284. 291—297 (franz. Penfionär
2981: föln = münfterfher Plan
306—312f. 318—325. 363, 378
bis 382, 383—391. 396; auf dem
Regensburger Reichstag 401— 405.
407 — 411; Koadjutorieplan 412
bis 422. 426-437. 442, 45f.
450—452. 457. 468f. 471f. 474
bis 483 (in Prag 477—481). 488
b. 490. 492. 495. 499—509. 511.
519—521. 524—530; Rücktritt
538-542. 548. 552. 556; Heirat
Dis DAB. BT. DIS Dab. 61ß.
6281. 660. 672, 683. 686, 1061,
743. 748,
— Erzbiſchöfe, ſ. Ernſt u.
Hans Jalob; Erzſtift u. Domtapit.
70. Z3f. 112 — 114. 639, 664f.
> 686. 703f. 730; Stadt
Reiner van bem, geldr. Rat
Santa Eroce, Profper, Kardinal
617, 627. 633. 641.
Savoyen, Herzöge v. 337.
Sayn, Grafen v. 17.23,
‚ Abolf 23.
— Heinrich, köln. Domdechaut
23. 31. 41. 75. 106f. 109f. 171.
197f. 315. 414. 429,
— Hermann 28. 31. 429. 431.
Schade, ic, münft. Synditus 248,
276—278. 283. 289f. 326
Scharberger, Urban, Brüfjel. Setr.
98. 101. 192, 201. 203, 205. 294,
Shauenburg, _. v. 17, 23f.
154. 185. 226
229, 413. 565;
Bi an und Anton.
‚ Anton, köln. Domdechant 23f.
198. 416. 434.
b. 574. 579. 615. 705; ſ. Hermann.
ae Jobſt 535,
iin: NE 137. 256, 413f. 432.
; Bien, | bildesh. Dompropft
127. 469 705,
ne —58 heſſ. Kanzler
Sa, Dr., köln. Rat 690—695.
Schenting, oh. v., münft. Dome
berr 229,
_—— Wilh. v., wer ze“
387. 447. 453, 460
—, Dr. Johann F —
Prozeß 268. 277f. 280. 283. 326.
330. 337. 339f. 342. 346. 851.
357, 438f. 441. 443f. 446f. 449.
460, 463f. 700.
Schermbed, im Herzogt. Eleve 511.
595. 692f
Schmale, Tic., Engelb., münft. Ka—
pitelfefretär 326f. 438. 441, 446.
448f,. 456, 597f. 676, 681, 684.
Shmifing, Bernhard v., münſt.
Domberr 330. 375. 462, 498.
Shmittmann, föln.
Proteftant 646.
Schönberg, Kafp. v., franzöſ. Oberft
146. 210— 212, 216. 293. 310.
Hermann,
3207.
——, Meinhart, pfälz. Rat 167.
Schönenburg
Shönenburg, — v., —
Domherr 77. 632. 549, 569,
Scholley, Georg v., befi. Rat 273
His 275. 605. 647.
o8nabr. Rat
375. 378f.
387. 418. 489—441. 451. 454,
457—459. 477, 495. 5ilf. 67.
654. 659. 662, 683. 699,
Schüren, Hub. v., Dichter 744.
nn Grafen 2125. 591.
Schwarz, Dr. Jak., nafj. Rat 394,
412, 421. 428—431, 433, 487,
504—506. 529, 554—557. 573,
Schwarzburg, Graf Günther v.
100. 208. 295. 589, 598,
Schwarzenberg, Abolf, Freih. 351.
1749. 751,
— Gotthard, Freib., jül. Hofmfir.
246. 263, 269. 273. 378. 284,
407. 442. 449, 535.
Schrader, Lorenz,
— — Graf v. 78. 106.
510. 526. 669, 744f.
Schwebel, Lie. Heinr., zweibrüd. Rat
316 —318,
— Heinr., bayr. Sekretär
en Sans v., Nitter
B4f. 171,
— taiſ. Oberſt
93. 306. 404,
be Fsrantiften), 156.
Sedisvalanz, bifchäfl. 12, 17—29.
141 —143, 227, 230, 242. 251
bis 254. 256 — 258. 543 — 562.
b63—573, 732, 734—741.
eu Sign. v., Freif. Hof-
meifter 665.
Seld, Dr. Thomas, biſch. Augsb.
Rat 20.
Sforza, Mer., Karbinal 616f. 626f.
629, 633, 641,
Sibel, Dr. Laur.,
664,
Sibylla, DEE v. Jülich 270,
273—275. 406.
Sidney, Sir Phil.
en Arnold v.,
— v.,
paderb. Kanzler
492. 604 -606.
töln. Bürger⸗
ſter 158,
— in Naffau 428. 487. 504.
Sigismund, Markgr. v.Brandenb,.,
Admin. v. Magdeburg 129.
Solenanber, Dr. Reiner, Arzt 517.
77
S — Graf — weſtf. Land⸗
ro
— Dem. —E töln. Domherr
28. 31. 104. 196. 198. 396—398.
418. 431. 484. 490, 513. 517.
530f. 540f. 646f. 550f. Aädf.
664. 571. 57Af, 578. 587f,
Stolberg
»Braunfel®, Graf Konr. 509.
3. 555. 557. 573.
— Laubach, Grafen Georg u. Otto
427—431, 433. 509. 523, 655.
Sopbia, v. Polen, Herz.-Ww. von
Braunſchweig 141,
Spaa, Bad im Stift Füttid 527,
|
| Spangenberg, _. em
17. 125. 363, 412f. |
ſchreiber
Spanien u. Spanier 133. 208.
bis 210, 297, 427, 430, 594. 643 f.
648 — 650. 702, Ti3f. 723. 737.
750; vgl. Niederlande, Penfionäre,
ilipp II.
Sparenberg ber, bei Bielefeld 239.
879. 410,
Speyer, Stabt 115. 119f.; vgl.
Kammergericht und Reichstag.
Spiegel, — zum Deſenberg,
Paderb. Ubdeliger 252.
Sporeno, Frater, Hofmeifter des
— v. ‚Öfterreich 282. 328, 372,
Stablou. rin
2113. 719—721. 735. 7427.
Sted, — münſt. Kanzler 249,
254f. 652.
Steinberg, bilbesh. Abeliger 126.
Steinfurt, münft. Herrfchaft 226,
308. 601. 689.
Steinlage, Nik. ‚münft. Geiftl. 227,
Steinwid, Dr., köln. Stadtſyndik.
b7L.
533
© = ban, Dr. Joh., köln. Bürger (?)
Steu er wald, im Stift Hildesheim
126f. 705f. 734.
Stevart, Peter, Theologe 72.
Stodhammer, Dr. Georg, bayr.
Rat 66,
Stockhem, im Stift Lüttich =
Stolberg, Gr. Chriſtoph v.
bis 471, 4851.
178
Stor v. — — 705
bis 707, 743. 746f.
—, Paul au 638f. 687. 705.
734, 743. 749.
Straßburg, Biſchof, |. Johann;
Hodftift 36. 38. 47. 300. 316f.
392, 396. 559, 648.
Stravius, Franz, röm. Agent 616.
627. 640f
Strid, Dietr. v., münft-Ritter 694.
© —J rbaum ber, im Stift Münſter
Stor
Taffis, Joh. Bapt. de, ſpan. Rat
236, 289, 680. 688;
un kirchen, oe v.,bayr. Abeliger
Taren, — —A 19f. 84.
149, 204. 230,
628, 674, 747,
Taris, Gotfr., Lie., lütt. Rat 742, 751.
Tedlenburg, f. Bentheim.
Terranova, Karl d'Aragona, Herz.
v. 649, 67a.
Thengen, Ehriftoph Ladisl. v., Gr.
v. Nellenburg, köln. Domberr 28.
31. 193, 198, 245. 31df. 387
389, 415—418. 432—437. 485f.
509. 523. 526. 530
551. 577. 679.
750.
zpurn, Graf Georg v., öfterr. Ge—
anbter 281.
Tivoli, bei Rom 341f. 346f.
Toledo, Pater & L 148. 346
bis 349, 352. 355f. 614f. 743f.
Tord, Rotger v., miünft. Ritter
652, 656. 664.
Torrentins, Laevinus, lütt. Dom-
herr 243. 714. 720, 722, 724.
126. 735, 742, 746, 751.
Traos, Ant. des, heſſ. Agent 650.
Trautmansborf, "Si v., ſalzb.
Dombehant 665. 677,
ZTrautfon, Freib. v.,
—* Ge⸗
heimrat 434. 484.
N.
Urban
Stuttgart, Stabt, 145.490. 498,
Subfidium caritativum 8. 204,
674, 743.
Subermann, Hermann u. Heinrich,
Köln. Bürger 153. 167,
Surius, Laur., Kartäufer, Schrift-
fteller 177,
Swolgen, Dr. Johann v., köln.
Domtapitular 106—108, 116, 399,
434, 515. 522,
Triahis, Hort. de, bayr. Hofdiener
668,
Trienter Glaubensbelenntnis 4
bis 11. 24. 27f. 36. 43—47. 95.
625,
628. 700, — 747; Konzil 5f.
2. 18, S1f. 109, "148, 202. 218.
f.
Trier, Domtapitel 70, 77 214.
392. 427. 434. 726; Erzbifchöfe,
!. we Johann; Erzftift 38.
Trinken, beutjches 35. 121, >
234. 340. 394, 507. 532. 573.
598, 621. Fr 750.
o, Aler., päpftl. Nuntius 257,
Trond, ©., im Stift Lüttich 715.
Erucfe von Waldburg, Frei⸗
herren 502f. 613,
— ee 631. 727.
J. Gebhard u. Otto.
Türfenfteuer 8. 193f. 391. 399,
401. 404, 415—424. 426f. 618.
674,
Turner, Rob., Prof. SL 732.
745. 748f, 752,
Übertingen, Bab bei Geislingen | Union, Utrechter 657—659. 691.
388. 399. 472.
Ürdingen im Erzſt. Köln 185.
Ulenberg, Kafp., kath. Geiftl. 647.
Urban v. Trenbach, Biſchof von
665.
Paſſau 689.
Balentin
Weſtfalen 779
V.
Valentia, Greg. be, Prof. S. J. 55.
Belen, Aler. u. Johann v., münft.
a 681. 684.
,‚ Hermann, = Marſchall
254f. 601. 684. 694,
Bellenius, Heinr., evang. Präb.181,
Belmannus, Gerard. Geldr. Schrift⸗
ſteller 26.
Veltius, Gerh., evang. Prediger
——
Vendius, ſ. Fend.
Benedig, Stabt u. Republik 262.
337. 390f. 685. 703,
Verden, Biſchoſe f. Eberhard; Hoch⸗
Be und Domtap. 71. 362 2-—- 365.
— Adam v. d. Gilgen, bayr.
Rat ıc. 631. 639. 666f.
Beft, das, v. Redlinghaufen 29. 154.
185.412—414. 416.435. 545f.580.
Bieheufer, Dr. Sigm., kaiſ. Rat,
bann Bizefanzler 204. 297, 368.
422, 434, 479. 484f. 533f. 663.
685 f. 702f.
Biermund, Arnold v., heſſ. Hofe
richter 600f. 606f.
Viglius van Zwichem, brüſſſ.
—— 237f.
Bi a —— florent. Sekretär
Börde, im Erzſtift Bremen 258,
385. 44h. 572.
Boeth, Dr. Gerh., geldr. Rat 658.
Borbehalt, der geiftl. (vgl. Frei-
ftelung) 138f. 289f. 298 — 306.
314—318. 359—363. 400-405.
423—425.
Voß, Jakob, münft. Geiftlicher 456,
Boffius, Dr. Leonard, röm. Agent
520-522. 535—538. 545. 583,
W.
Wachtendonck, Arnold v., clev.
Marſchall 246. 270. 454—464.
493f. 595.
Wahlen, kirchl. (vgl. Poftulationen)
18. 25. 29—33. 35. 43. 73—78,.
81. 128f. 138—145. 228—230.
235f. 251—259. 333. 360—864.
867—371. 374—377. 453—457.
543 — 545, 561. 570 — 576.
613—617. 621. 623—625. 666.
703f. 721, 739—742,
— Frankfurter, von 1662
58. 305. 544; Regensburger, ee
Walbed, we Anna, geb. Gräfin
3- eippe 600
Boitipp 252. 601. 660.
Wallonen, Bolt der 712, 717. 738,
Walfbarz ‚ 3ob. (v. Tongern),
töln. Domtlapitular 41. 531. 546.
Wameſius, Dr. Joh., Profefior in
Lö 500.
wen
Weber, Dr., Reichsvizekanzler 201.
484,
Weineserg, Se Herm., köln. Ehronift
> 6. 174, 519, 611. 6377.
Weißenturm bei Anbernad 155.
W ar: r, Emmanuel, bayr. Hofdiener
—— , Philippine, Gemahlin d. Erz-
herzogs Ferdinand 282,
— —— Dr., Straßburger
Kanzler 47.
Weihpfennig, Lie, jül. Rat 273,
Wefet, im Stift Lüttich 748—750.
Wefterburg, Grafen v. 100. 742,
Weſterholt, Ritterfamilie 652 bis
654, 656. 659, 681. 698.
——, Bernhard, münfter. Domberr
681. 684. 688,
— Konrad, münft. Domfcolafter
und Statthalter 248, 2ö5f. 276
bie 280. 289f. 323, 326f. 330
bis 332. — mn
433 — 464. 493 — 497. BIL
bis 609, 650— 664. 679— 685. 68.
698— 703. 727,
W f 108 ‚ paberb. NRitterfamilie
780 Weftfalen
mehleien Se ar Huet —*
Wetterauer Grafen, ſ. Grafen.
Weyer, Dr. Dietrich, kurpfälz. Rat
273-275, 303, 314,
——, Joh. (Wier), Arzt 273,
Weze, Dr. Heinr. v., clev. Kanzler
244, 246. 270f. 601. 664. 676.
Wichterich im Erzſt. Köln 184,
Wick, H. v. d., münft. Erbm. 829,
Wiedertäufer 14, 55, 163, 165f.
645, 714.
253.
Wien, taif. Hof zu20. 58. 237. 261
big 263. 533. 589, 622, 624f.
Wilhelm IV. u. Ludwig, Herzöge v.
65. 70,
Bayern 55.
V., Herzog v. Bayern 69, 72,
u} 4007. 409f. 478f. 483. 490,
- 615. 639, 666—668. 671—673.
re 698, 703— 706. 743 big
252. 257.
273—275. 308 f. * 321. 426,
af. 13—16,
265. 285. 289f.
372—382. 383—385. 396f. a06f.
441—444. 448464. 468—471.
2. ‚Kreib. Joh. v.
Wimpheling, Dr. Sat,
Kanzler 77. 94. 102, 482.
503.
649, 620,
intel, Dr. — köln. Dom-
fap. 311, 399, 420f. 482. 489,
531. 546. 549f. 674. 677. 602,
—
485 |.
Zanten
Bintelmair, Hans, bayr. Sefr.
406, 606. 698,
zn... Freih. v. 17.
‚ Bin. ——— 21. 28,
BL 308. 420. 490f. 530. 540.
546. 564. 574. 615,
Joh. Daniel, köln. Dom-
herr 21. 31.887. 398. Alßf.
436. 501.
—
—— , Kuno, miünf. Domb. 681
684.
— , Philipp der Ältere, er
— nt 9—11.
406f. 475, 538f.
* 646. 679. 682.
— Phil. d. 3, Herr zu W. und
Beilftein 21. 307. 315—317.
Witt ar Grafen und Graf-
ichaft 290f. 3047.
—, Graf Sarg, köln. en
23f. 38,
803—306. 314—8318. 321. 84
892—396. 402. 404. 427430,
450. 468. 487. 504. 509. B22.
böaf. 6566f. 573. 688. 647
MWoeftenraebt, Ben 2 lütt.
Domherr 720, 724, 182.
11
Bolbed, miünf. Amt 329, 607.
Wolfgang, Pialgraf 90, 259.
Worms, Anton v., Holzichneiber
153, 157; Bifchof f. ‚Dietrid;
Stabt 67, "395, 622 —624.
Würzburg, Biſchöfe, ſ. Friedrich
und er Domtap. u. Hodftift
61. 70, 74. 77. 91. 302,
Wyngaerde, Winand v., lütt.
Domes, (Bropp), 345. 724f. Tdl}
785. 738. 741. 753.
X.
Kanten, Stabt u. Stift 244. 246.
Babern
Zabern im Elfak 25. 397f.
Zafius, Dr. Reih8-Bizefanzler 20.
94. 172. 336.
Zerffen, Klaus v., Rittmeifter 749.
3 er el, Wolig., Prof. zu Ingolft.
— im Herzogt. Eleve 244.
Zollern, Eitel Friebr. und Karl,
Grafen v.
Zons, Stabt unb Zoll 184. 187
Zwinglianer 781
8.
bis 190, 194—199, 412—416.
DöL,
435 f. 525. —
Zülpich im Erzſt. Köln 475.
Zuleger, Lic. Wenzel, kurpf. Rat
167. 203. 314, 316f
Zufiga, Yuan be, fpan. Gef. in
Rom 102. 267f. 375. 614.
Zuylen, Ar. von, Dechant zu
Utrecht 658.
Zwinglianer 163.305. 646; vgl.
Calviniften.
Drud von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.
Berichtigungen.
Eeite 93, Anm. lied engliſch-proteſtantiſch, ftatt ———
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225, Quellen, lie Rep. 11. Eell. 19, Bol. V, ftatt B
228, Zeile 7 v. u. lied Com mendoue, ftatt Morone.
307, „. 5». u. lied Bhilipp db. I. v. Winneburg, ftatt Johann.
375, » 8». o. und Seite 441, Zeile 4 v. u. lies Münden, ftatt Münfter.
380, Anm., nad „von ber Poftulat ou ’' ergänze: bes Herzogs Ernit.
500, ,, lies Wamefins, ftatt Dlambefius.
516, 3„Aus RM. Detretenitg ulbr. V, Nr. 184 ergiebt fih, daß H. Ernſt auı
28. Februar 1577 zu Freiſing zum Diakon geweiht wurde.
526, Zeile 18 v. o. lie Kommiifare, ftatt Kanoniler.
635, 3 u. und Seite 583, Zeile 10 v. o. lied Leonard Bolfius, ftatt Ger»
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622, „ 15». u. lied ber KRurfürften, flatt des 8.
748, . 14 bid 16 lies Philipp v. Eroy und Karl v. Ehimap.
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