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Full text of "Der Kölnische Krieg : Vorgeschichte, 1565-1581"

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_ DER 
KÖLNISCHE 


KRIEG 


MERGEROISITEls 














.. 


Der Kölnifche Krieg, 


——_ 





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Der 


Kölniſche Krieg. 


Don 


Max Lofen. 


Borgefdidte 


1565— 15831. 





Gotha. 
Friedrich Andreas Perthes 
1882. 


C. A. Cornelius 


danfbar gewidmet. 


Dorwort. 


Als ih vor etwa zehn Yahren nach längerer 
Unterbrechung die geſchichtlichen Studien wieder auf— 
nahm, wählte ich, auf den Rat meines früheren 
Lehrers, Profeſſor C. A. Cornelius, als Gegenftand 
ben Kölniſchen Krieg, d. i. den durch bayrifch- fpa- 
nische Waffen unterdrückten Verſuch des Kırfürften 
Gebhard Truchſeß, die „Freiſtellung“ der Neligion und 
in der Folge die proteftantifche Reform in feinem 
Erzftift durchzuführen, den evangeliſchen Neichsftänden 
die Mehrheit im Kurfürftenkolleg und damit die Ent- 
ſcheidung bei der römischen Königswahl in die Hand 
zu geben. Unftreitig war der gewählte Stoff ein be— 
deutender: in einem Zeitraum von mehr als jechzig 
Fahren, vom Augsburger Neligionsfrieden bis zum Aus- 
bruch des 30jährigen Krieges, ift der Kölnische Kricg 
das wichtigfte Ereignis der deutjchen Gefchichte; zudem 
hielt ih, mit Cornelius, auf Grund der gedruckten 
Litteratur, diefen Stoff für einen in fi wohl abge- 
Ichloffenen, für eine Monographie darum wohlgeeig— 


VIII Vorwort. 


neten; ich hoffte ihn binnen wenigen Jahren erforſchen 
und darſtellen zu können. Als ich dann aber zu den 
eigentlichen Quellen, den bisher in den Archiven ruhen— 
den Briefen und Akten der Beteiligten, vordrang, mußte 
ich bald die Meinung aufgeben, daß der Truchſeſſen— 
krieg ein ſtofflich wohl abgeſchloſſenes, zeitlich eng be— 
grenztes Ereignis ſei, erkannte in ihm vielmehr die 
Kataſtrophe einer ſeit mehr als fünfzehn Jahren, näm— 
lich ſeit den Jahren 1565—1567, großenteils plan— 
mäßig ſich vollziehenden Entwickelung, an welcher die 
meiſten deutſchen Reichsſtände und daneben von den 
großen auswärtigen Mächten namentlich der römiſche 
Stuhl, Spanien und die Niederlande teilgenommen 
haben. Das Geh. Haus- und Staatsarchiv, Das All- 
gemeine Reichsarchiv und das Kreisarhiv in München, 
die preußiſchen Staatsardhive zu Düffeldorf, often 
(jetzt Wiesbaden), Marburg, Münfter und Hannover, das 
Hanptitaatsarchiv zu Dresden, das Statthaltereiarchiv 
zu Innsbruck, das fürſtlich Wittgenfteinfche Archiv und 
die Bibliothek zu Berleburg, das Bezirksarchiv zu Straß— 
burg, jowie die beiden großen Münchener Bibliothefen 
habe ich vor und nach für meine Zwecke ausgebeutet, — 
überall durch die Vorftände und Beamten mit einer bie 
dienstlichen Verpflichtungen weit überfteigenden Zuvor— 
fommenbheit aufgenommen und gefördert, wofür ich den 
lebhafteften Dank empfinde und hier ausfpreche. Gerne 
hätte ich noch auf einige weitere Archive, namentlich auf die 
Wiener, meine Forfchungen ausgedehnt, aber die über- 
große Maſſe des bereits gefammelten Aftenmaterials 


Vorwort. IX 


nötigte mich, an irgendeinem Punkte abzubrechen, es 
anderen überlaffend, unvermeidliche Lücken auszufüllen. 

Da ich überwiegend aus ungedructen, nicht allge- 
mein zugänglichen Quellen jchöpfte, konnte ich mich 
vielfach nicht jo kurz faffen, wie ich gewünfcht hätte; 
um dem Leſer ein eigenes Urteil zu ermöglichen, mußte 
ich oft auf das Einzelne der verworrenen Verhandlungen 
und Praktiken eingehen und einen großen Teil meines 
Aktenmateriald in die Darftellung verweben. So er- 
forderte denn die Vorgejchichte des Kölniſchen Krieges 
einen eigenen ſtarken Band. 

Der Drud meines Buches war faft vollendet, als 
mir der neunte Band der „Publikationen der Föniglich 
Preußischen Staatsarchive“, X. Kellers „Gegenrefor— 
mation in Weftfalen und am Niederrhein, 1. Teil 
(1555 — 1585)“ zur Hand fam. Hier ift aus den Ar- 
chiven zu Düffeldorf, Münfter und Marburg, ſowie aus 
dem Münchener Neichsarchiv u. a. auch ein nicht unbe- 
trächtlicher Teil jener Akten abgedruckt, welche ich für mein 
Werk benutt habe. So mangelhaft Kellers Publikation 
auch fein mag, bedauere ich Doch aufrichtig, daß fie nicht 
einige Monate früher erfolgt ift; denn alsdann würde 
fie mir geftattet haben, manche Stelle meines Buches 
Stark zu kürzen. Anderſeits bringt fie mir auch jeßt noch 
den Gewinn, daß mm meine Darftellung mit einem 
Teil meiner Quellen Teichter verglichen werden kann. 

Den Kölnifchen Krieg jelbft, der auf engerem Raum 
und in viel Fürzerer Zeit fi) abjpielt, für welchen auch 
bereit3 weit mehr Quellenmaterial gedruckt ift und vor— 


X Vorwort. 


ausfichtlih in den nächſten Jahren noch gedruckt wer- 
den wird, gebenfe ich in einem zweiten Bande von viel 
geringerem Umfang darzuftellen. Da jedoch bis zur 
Bollendung desſelben ficherlich noch Fahre vergehen 
werden, fo war ich bemüht, meinen erjten Band fo 
weit als möglich zu einem einheitlichen Ganzen zu ge- 
ftalten. Wie ich den wirren Stoff zu ordnen gefucht 
habe, wird die Zufammenftellung der Überschriften der 
8 Bücher meined Werkes und ihrer 32 Kapitel er- 
fennen laffen; die Stelle eines genaneren Inhaltsver— 
zeichniffes möge das Negifter am Ende des Bandes 
vertreten. Die Überficht über die von mir benußten 
Archivalien macht e8 anderen Forſchern leicht, meine 
Arbeit zu prüfen, zu ergänzen, zu berichtigen. 
München, im Dezember 1881. 


Mar Pollen. 


Inhalt. 


Erites Buch. Salentin von Iſenburg, Kurfürjt von Köln. 


1. Refignation des Erzbiſchofs Friebrih von Wied. 
2. Die Wahl Salentins von Senbura .» » » 2 2 2 22. .17 
3. Kurfürft Salentins Anfänge . EEE BE 2 


3 weites Buch. Herzog Ernjt von Bayern. 


. Die bayriſche Politit unter Herzog Albreht V.. . . 2... 58 

— der geiſtlichen Laufbahn der Herzogs Ernſt von Bayern. — 
Erwerbung des iftes ——— 
Bayerns erſte Bemühungen um bas Ernife Kim — 8 

4. Innere Hemmniſſe der bayriſchen Kirchenpolitif . 4 8 
5. Die niederſächſiſchen Hocftifter. — Herzog Ernft — Admi⸗ 















niſtrator von Hi JJ 
Drittes Buch. Köln und das Reich zu Kurfürſt Salentins 
Zeit. 
1. Die Stabt Köln um das Jahr 1572 . . 2. 2 2 222 ..153 
2. Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. . . . . 183 
3. Kurfürft Salentin und das Haus Naflau . > 2 2 2.2....200 


Viertes Buch. Das Haus Jülich und das Stift Münfter. 


1. Die weftfälifchen Hodhftifter unter Bifhof Johann von Hoya. — 
Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter . . . 223 
2. Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. — 


Tod bes Herzogs Karl Friedri .. 250 


3. Stift Münfter nad dem Tode bes Herzogs Karl — 266 


Fünftes Buch. Bremen gegen Bahern. 
1. Kurfürſt Salentins köln-münfterfcher Plan. — Römiſche Königs- 


wahl und Freiſtellung.. 2289 


XII Inhalt. 


€ 
. Der Regensburger Wahltag. — Zwieipalt im Stift N 313 


2 
3. Herzog Emft in Rom . . . i . 334 
4. Papft Gregor XII. und bie wieberbeutfihen Socfifter eo... 859 
5. Die köln-münfterfche Frage und bie Freiftellung zur a bes 
Regensburger Reihstagg . . - 383 
6. Der Plan einer Kölner Roabjutorie bes Herzogs Sat. . + 412 
7, Die vereitelte Poftulation zu Münfter. . . . o. . 48 
Schites Buch. Die Kölner Wahl des Jahres 1577. 
1. Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln . » 2» 2 2.2. 467 
2. Das Ende des Salentinihen Plan . . » 2 2 2202. 492 
3. Kurfürft Salenting Rüdtritt. - >» > > 2 2 nenn. 519 
4. Die Kapitelöregierung . . 6 
5. Die Wahl bes Gebhard Teucfeh a een ee 
Siebentes Buch. Gebhard Truchſeß und Konrad von 
Weſterholt. 
1. Der Niederrhein und das Stift Münſter nach der * des 
Gebhard Truchſeß . . 587 
2. Der kölniſche Prozeß an ber zömifchen Burke Aa . 610 
3. Köln-Münſter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bape, — 
Gebhard Truchſeß vom Papſte beſtätigt - .. . 637 
4. Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter . . 676 
Achtes Buch. Hochftift Lüttich und das Haus Bayern. 
1. Stift Lüttich unter Bifchof Gerhard von Groesbel . . . . 711 


2. Herzog Ernft von Bayern wird Bifhof von Lüttih . . . . 733 


Aberſicht 
über die eingehend benuhten Archivalien. 


I. Sans A. = Geh. Hausarchiv in Münden. 
Zwei Fascitel Herzog Ernft betr. (ohne Signatur vgl. u. ©. 112, 
334. 389). 
II. $tA. = Heß. Staatsarchiv in Münden. Bayrifde (ſchwarze) 
Abteilung. 
9/1 bis 4 (Erzbistum Köln T. I—IV). 
38/2 bis 19 (meiftens Akten über bie köln-münfterfhe Wahl bes 
Herzogs Ernft). 
53/1 u. 14 (Korreſpondenz mit Kurfachfen). 
95/4 bis 8 (Bifhoftum Hildesheim T. TI—VI). 
96/1 (Köln 1577/78). 
98/1 (Münfter 1577—1739). 
139/1 u. 2 (Korrefpondenz mit Rom in der Kölner Sadıe). 
160/11; 161/3 u. 12; 162/11 u. 15 (Deputationd- und Reichstags 
banblungen). 
223/10 bis 13; 224/2 bi8 5 (aus ber Serie: Landsberger] Bunbes- 
ſachen die Nrn. 58/65). 
227/3 (Briefe des Dr. Andr. Fabricius 1576). 
229/10; 230/1 bis 3. 5. 7; 231/7 (aus ber Serie: Korrefponbenz 
ber auswärtigen Refibenten). 
284/12 u. 13 (aus der Serie: Frankreich bie Nrn. 5 u. 6). 
309/1 (Korrefp. des Erasmus Fend). 
311/1. 13. 14. 16 (Korrefp. des Dr. Fabricius und des Dr. Pfifter). 
359/5. 8 u. 9 (beſonders Korrefp. mit Fabricius). 
359/46 u. 48 (Neihstage von 1570 u. 1576 betr). 
378/2 u. 7 (Köln. Wahl 1578/79). 
399/49. 53. 55 bis 59. 77 (Köln. Sache betr.). 
401/2 u. 10 (aus ber Serie: Lanböberger Bunbesacta). 
415/1 u. 40—50 (Alten aus dem Jahre 1570). 
487/2 (Salzburger Kapitelplat betr.). 


XIV 


III, 


IV 


VL 


VII. 


Überſicht über die eingehend benutzten Archivalien. 


BA. = Allgemeines Reichsarchiv in Münden. 

Hodftift Augsburg T. IIT—V. 

Hochſtift Freifing T. IV—XII Nr. 75/83. 

Hodftift Halberftabt T. I. 

Bilhoftum Lüttih T. Iu. II. 

Bilhoftum Münſter T. II—X. 

Hodftift Regensburg T. I. Lit. R und Lit. E. E. 

Erzftift Salzburg T. XI u. XIII. 

Hochſtift Trier T. IV. 

Gülch und Eleve T. I u. II. 

Ofterreihifche Sachen T. VIII. 

Fürftenfaden T. XXV. XXX. XXXV. 

Fürftenfachen, Specialia C. Nr. 372. 404. 407. 412, 413. 

Zektierte Fürftenfahen (Korrefp. Wilhelms V. mit Albrecht V. 
1570/77). 

Unruhen im Erzftift Köln 1577/84 T. 1. 

Übelsfelekt. Trautmansporf Fasc. 1. 

KrA. = Kreisarchiv zu Münden. 

I, Geiftlihe Saden Nr. 2; Nr. 2 ad Fasc. 9/2; Nr. 4. 

Nr. 342 (Acta die Geſandtſchaft in Rom betr. 1578/1654). 

Bibl. Föringer. = Bibliotheca Foeringeriana. Auftion in 
Münden am 5. Juli 1880, 

Nr. 3238/39. (2 Bände Or.-Alten ber Freifinger Kanzlei des Her- 
3098 Ernft, zur Zeit in meinem Befib). 

DA. = Staatsarchiv zu Püffeldorf. 

Köln. Domftift. Domkap.-Protof. Nr. 151/159 (Ao. 1566/1583). 

Ebd., Nr. 323, 323%, 323 (Erzbifchof Salentin); 324® u. b (Geb- 
hard Truchſeß). 

Kurköln. Erzbiſchöfe. Saleutin von Iſenburg Nr. 1 u. 2. 

Ebd., Gebhard Truchſeß Nr. 18 u. 15; 5b (mafjaı. Korreip. 1576/90). 

Jülich-⸗Berg. Landesarchiv: Landesherrlihe Familienſachen Nr. 28%—i 
(vgl. u. ©. 266). 

Ebd., Politifche Begebenheiten Nr. 17. 18 u. 19. 

Geiftlihe Saden. Generalia 16i. 

UA. = Sfaatsardiv zu Marburg. 

Meiftens aus dem früheren Regierungsarchiv zu Kaflel: 

Rep. II. Cell. 5. Vol. XII. (Erzſtift Köln betr. 1577). 

Rep. II. Eell. 6. Vol. III. (Köln. Saden 1571/79) und Vol. X. 
Nr. 6 (Religionsjachen 1571/84). 

Rep. II. Cell. 19. Vol. V. (Hildesheim betr. 1573). 

Rep. II. Cell. 26. Nr. 1/2 (Osnabrüd betr. 1572/74). 

Rep. II. Eell. 27. Vol. II. Nr. 2/4 (Paderborn betr. 1566/77). 

Rep. IV. Eell. 9 (Herzöge von Jülich 1575/76). 

Rep. V. Cell. 75. Vol. II. Nr. 4/6 (Münfter betr. 1575/79). 


VIII. 


IX. 


XI. 


XIII. 


XIV. 


XV. 


Überſicht über die eingehend benutzten Archivalien. XV 


Fase. Köln 1574/1674, Nr. 1 u. 2 (alte Marburger Alten). 

Köln 1515/1580 (Marburger und Kaffeler Alten). 

Erzftift Bremen 1535/1643 Fasc. 1578/80 (Marburger Alten). 

DIA. = Staatsarhiv zu Idſtein, jetzt Wiesbaden, Abteilung 

Diffendurger Ardiv. 

C. 368 u. 372 (Köln. Sache 1573/76 und Freiſtellung 1575). 

G. 80 (Orafentage 1576/79). 

R. 60 (Srafenfaden und Kölnifhe Wahl 1576/77). 

R. 408 nebft 71. 469 u. 470 (Regensb. Reichstag von 1576 betr.). 

Dilleub. Korrefpondenzen 1567/79 (17 Fase. allerhand Schreiben 
nah Jahren georbnet). 

WrA. = Staatsarchiv zu Münfter. 

Miünfter. Landesarchiv 1. 104 (vgl. u. S. 267 u. 383). 

Domtapitel-Protofolle 1575/77. 

SA. = Staatsarchiv zu Hannover. 

Hildesheim de Ao 1573 (1 Fasc. Hildesheimer und 1 Fase. Braun- 
ſchweiger Alten). 

DrA. = Sanpffiaatsardiv in Presden. 

loc. 8525. fol. 213 ff. (vgl. u. ©. 563). 

loc. 8926 (1 Band und 2 Hefte, Köln. und Münſter. Refignation 
1572/79). 

3A. = SHtatthaltereiarhiv zu Zunsbruck. 

Abteilung: Ferdinandeum, fol. 110, Nr. 135. fol. 111, Nr. 140. 
(Kardinal Andreas von OÖfterreich betr.). 

Ferdinandeum, fol. 226 ad Nr. 327 (Korrefp. mit dem Bapfte). 

BR. = Fürftl. Wittgenfteinfhes Archiv zu DBerledurg. 

Lit. K (Kirhenfaden (Nr. 27 u. 29 Gebhard Truchſeß 1582 und 
Freiftellung 1575 ff.). 

BB. = Bibliothek zu Zerleburg. Tagebücher des Grafen Ludwig 
von Mittgenftein (ſ. u. S. 290). 

StrA. = Bezirks- (Departements:) Ardiv zu Straßburg. 

G. 202 u. 208 (Wahl und Belehnung des Biſchofs Johann von 
Manderfcheid 1569/73). 

G. 247 (Beziehungen zum Erzſtiſt Köln 1568/1667). 

G. 679 (f. u. ©. 36). 

MB. = Hof- und Staatsbibliotheß zu Münden, 

Manuscripta . domini de Redinghoven. Cgm (Codex Germanicus 
Monacensis) No. 2213. T. 9. 27. 59. 68. 


Erites Buch. 


Solentin von Ienburg, Kurfürſt von Köln. 


— — — 


Lofſen, Köln. Krieg 1. 1 


1. Kapitel. 
Refignation des Erzbiſchofs Friedrich von Wied. * 


In der Frühe des 25. Dftober 1567 erſchien, umgeben von 
feinen Räten und von faiferlihen Kommifjaren, der Erzbiſchof 
Friedrih IV., Graf von Wied, im Kölner Kapitelhaus und ließ 
dem verfammelten Domkapitel durch feinen Kanzler vortragen: 
längit habe er vorgehabt, wegen jeiner Kränklichkeit vom Stifte 
abzuftehen, der Kaiſer aber habe ihn ermahnt zu bleiben und erft 


*Quellen: I. Für Erzb. Friedrichs Refignation: E. Reimanns forgfältige 
Arbeiten über Friedrich von Wieb in Forfhungen z. D. G. XI u. XIII, 
fowie bie bort verzeichnete Yitteratur, beſonders Lagomarsini, 
Pogiani Epistolae, t. IV. — Außerbem Merssaeus Cratepolius, 
Electorum eccles. catalogus, Col. Agr. 1580, p. 143sq. Die erfte 
Ausgabe von 1578 ift weniger ausführlid. — Ennen, Gefhichte ber 
Stabt Köln, IV. 628, fowie meine Bemerkungen bazu im Theol. 
Litteraturblatt 1875, Sp. 535. Mein inbezug auf Caſſander 
bafelbft geäußerte® Bebenfen ift jebod nah Gabbema, Epist. 
clar. vir., p. 205 unbegründet. — Aus Arhiven: DA. Kölner 
Domtap. Protofolle, Nr. 151 u. 152. Bei meinem Auszug aus 
benfelben habe ich erft von Oftober 1567 ab Vollſtändigkeit erftrebt, für 
die Zeit vorher nur einzelne Notizen gemacht; eingehend benutt, wür— 
den bie Protofolle geftatten ben Streit zwilchen Friebrih und feinem 
Domkapitel weit genauer barzuftellen. — Briefmechfel bes Herzogs 
Albrecht von Bayern mit Karb. Otto Truchfeß fowie mit Dr. Hegen- 
miüller nebft zugehörigen Kopieen StA. 9/3. — Einzelnes auch StA. 
38/2 und RA. Hochſtift Augsburg, Bd. III. 

II. Für das Scheitern ber Caſſandriſchen Reformation am clevi- 
fhen Hof: Hamelmanns im Jahre 1568 gefchriebene Hist. eccl. 
renati Evangelii in aula Clivensi in Hamelmanni Opp. geneal.- 

1 * 


4 Erfted Buch. Erſtes Kapitel. 


auf fein Anhalten Kommiffare verordnet, durch deren Vermittelung 
nun feines Abjtandes halber ein Vertrag entworfen ſei. So res 
figniere er denn in allerbefter Form, pure libere et fimpliciter, 
zuhanden des Domkapitels und ermahne diejes zu guter neuer 
Wahl. — Das Kapitel erwiderte: fie hätten gewünſcht, Kur— 
fürft Friedrich könnte dem Erzjtift weiter vorftehen. Weil er aber 
wegen Kränklichkeit abgeftanden, jo nähmen fie im Namen Gottes 
den Verziht an und bäten ihre Kurfürftlihe Gnaden auch fünftig 
dem Stift mit feinem Rat beizuftehen. 

So höflich endigte ein Streit, den Erzbiichof und Kapitel 
lange Zeit hindurch mit großer gegenjeitiger Exbitterung geführt, 
an welchem Papſt und Kaiſer teilgenommen hatten, deſſen Aus— 
gang für das ganze Reich höchſt wichtig war. 

Allerdings war Friedrich von Wied ſchwerhörig und auch ſonſt 
leidend; nicht dies aber war der wirkliche Grund ſeines Rücktrittes 
vom Erzſtift, ſondern die Hartnädigfeit, womit er ſich geweigert 
hatte, das tridentiniiche Glaubensbefenntnis zu beihmwören. Anz 


histor. Lemgoviae 1711, p. 9BAsqq. — 3. D.v. Steineu, Refor- 
mationsbiftorie bes Herzogtums Eleve. Lippftabt 1727. Hier Beil. X. 
©. 263/388 der im Jahre 1566 vollendete Reformationsentwurf. — 
Groen van Prinsterer, Archives III. Nr. 256. 258. 260. — 
Lacomblet, Archiv f. d. Geſch. des Niederrheins, V. 1. Hft. 
1866. (gl. VI, 1868, ©. 168.) — Die ſchöne Monographie von 
Albrecht Wolters, Konrad v. Heresbach, 1867. — Aus ber Zeit- 
Ihrift des Berg. Geſch. Vs. folg. Auffäge: W. Harleß über Gerh. 
Beltius, IIL 369 ff. Bei Beltius’ Aufzeihnungen muß man aber im 
Auge behalten, daß fie aus der Erinnerung, 25 Jahre nah feinem 
Weggang vom Hofe des Herzogs Wilhelm, gefchrieben find. K. W. 
Bouterwel, Die Reformation im Wuppertal und Peter Los' Anteil 
an berjelden IV. ©. 2735. 8. Krafft, Beiträge zur Reformations- 
geſchichte des Niederrheins IX. 162 ff. (1873) Habe ich erft gelefen, als 
ih das folgende Kapitel längft gefchrieben Batte. Um fo erfreulicher 
war mir, baß fi meine Auffafjung ber Religionsverhältnifie am 
eleviſchen Hof vielfach mit der dieſes Forfchers begegnet. — Kritifche 
Überfichten über die Fitteratur ber nieberrheinifchen Neformationsge- 
Ihichte überhaupt von 8. Krafft, in der angef. Zeitſchrift VL. 193ff. 
jowie in ben Theolog. Arbeiten aus bem rhein. wifjenichaftl. Prediger- 
verein III u. IV. (1877 u. 1880). 


Nefignation des Erzbifchois Friebrih von Wied. 5 


fänglich, als Friedrich für feine im November 1562 erfolgte Wahl 
zum Erzbiſchof um die päpftliche Konfirmation nachſuchte, veran— 
laßte nur jein Verlangen, diejelbe foftenfrei zu erhalten, ernſtliche 
Anftände in Rom. Erſt al3 Pius V. den päpſtlichen Stuhl be= 
ftieg (Januar 1566), wurde jene Formel zum unüberwindlichen 
Stein des Anſtoßes. Von Pius IV. konnte man vielleicht er— 
warten, daß er nad) altem Braud der Kurie von feinem für 
alle gegebenen Geſetz einzelne ausgenommen hätte; Pius V. lieh 
niemanden in Zweifel darüber, daß er die Zrienter Defrete rüd- 
ſichtslos durchzuführen gedenfe. Gewohnt an möndishen Gehor— 
jam und im Bewußtſein feiner reinen Abſichten war Pius V. 
überhaupt unduldjam gegen Widerjprud ?), inbezug auf Erzbiichof 
Friedrich hatte er nod) ganz beſondere Gründe nicht nachzugeben. 
Unbefümmert um die noch gar nit erbetene päpftliche Beftätigung 
hatte Friedrich gleih nach feiner eigenen Wahl bei Wahl und 
Krönung des neuen römihen Königs Marimilian mitgewirkt; 
nachher bemühte er ſich, in Einverftändnis mit Kaiſer Ferdinand 
und König Marimilian, für Priefterehe und Laienkelch; dem in 
Rom wegen feiner kirchlichen Geſinnung ſchlecht angeichriebenen 
Herzog Wilhelm von Jülich war er in Freundfchaft verbunden 
und glei diefem ein Gönner des DVermittelungstheologen Georg 
Caſſander. Daher wurde der am faiferlihen Hof und ſonſt in 
Deutihland als unzmweifelhafter Katholif geltende Erzbiſchof von 
den Jeſuiten ihon im Jahre 1564 als „wenig katholiſch“ be= 
zeichnet. Pins V., der die religiöfen Konzeſſionen feines Vor— 
gängers möglichſt raid) wieder aus der Welt zu ſchaffen wünſchte, 


1) Kard. Granvella urteilt über Pius V.: „es assi escrupuloso y 
sospechoso, y como ha sido frayle, pretende muy expressamente ser 
obedecido“*. — Ferner: „le parecerä que, como esta tan desnudo de inter- 
esses y de pretender estados para sus parientes, pueda mas libremente 
y sin respecto tratar con todos“... Gachard, Corresp. de Philippe IL, 
I, 596 u. II. p. ıvı. Bol. Forfhungen XIII. 360. — liber Pius’ V. Eifer 
für die Trienter Dekrete und feine Abneigung gegen Yaienfelh und Priefter- 
ehe: Cyprianus, Tabellarium, p. 402 u. 404. 


6 Erfte8 Bud. Erſtes Kapitel. 


lag viel daran, gerade von diefem Mann ein Glaubensbefenntnis 
zu erhalten, weldes unter anderm bejagte, „daß unter jeder ein= 
zelnen der beiden Geftalten der ganze unzerteilte Chriſtus und ein 
wahres Sakrament genofjen werde‘; ferner „daß Die heilige, 
fatholiiche und apoftoliiche römiſche Kirche die Mutter und Lehr— 
meifterin aller Kirchen‘, „der römiſche Papſt der Stellvertreter 
Jeſu Chriſti“ ſei; ein Bekenntnis endlih, weldes die Anz 
nahme aller Zrienter Beſchlüſſe ſchon in ſich zu ſchließen jchien. 
Dazu kam, das nicht leicht ein anderer Biſchof des Reiches ge— 
zwungen werden fonnte, einen Eid zu leiften, der von einem 
Erzbiſchof und Kurfürften ungeftraft verweigert worden. Gab e3 
do, wie Kardinal Commendone im Juli 1567 nad) Rom jchrieb, 
in Deutihland jogar zahlreihe Katholifen, welche jegliche Auto— 
rität des römischen Stuhles in Reichsſachen bejeitigt wünſchten. 

Klar wie faum ein anderer erfannte Kardinal Commendone, 
wie wichtig der Kölner Kal war. Schon im Jahr 1566 als 
Zegat beim Augsburger Reihstag gab ſich Commendone alle 
Mühe, durch perjönlihe Einwirkung auf den Kaifer, auf Fried- 
richs Näte und auf Friedrich ſelbſt diejen zum Nachgeben zu bes 
wegen. Aber vergebens. — Belleren Erfolg hatte die Kurie 
im folgenden Zahr, weil fie neue Bundesgenoſſen fand, der Sur: 
fürft aber jeine bisherigen verlor. 

Zuftatten fam der Kurie zunächſt Friedrihs Zwiſt mit jeinem 
Domkapitel. Dieſer ftammte jhon aus früherer Zeit. Anlaß 
zum Streit boten vor allem die zahlreichen Artikel der Wahl- 
fapitulation, duch melde das Sapitel einen beträchtlichen 
Anteil an Regierung und Einkünften des Erzftifts ſich vorbe- 
halten hatte). Reibungen liegen fi faum vermeiden, jelbit bei 





1) Friedrichs Wahlartitel liegen mir nicht vor, wohl aber bie feines Nach— 
folger8 (DA. Köln. Domftift, Nr. 323), welche in ben Hauptpunften ohne 
Zweifel mit den von Friedrich beihworenen übereinftimmen. — Die Erblandes- 
vereinigung von 1463 ift oft gebrudt, u. a. bei Lacomblet, Urkunden- 
buch IV. Nr. 325, und bei Walter, Das alte Erzftift und bie Reichs— 
ſtadt Köln, ©. 387. Bei Walter, ©. 395 auch bie neue Fafjung von 
1550. 


Refignation bes Erzbifchois Friedrih von Wieb. 7 


der friedfertigiten Gejinnung auf beiden Seiten; fehlte es aber 
hieran, jo war es dem Sapitel leicht, jedem regierenden Herrn 
Verletzungen feiner Kapitulation nachzuweiſen. Dieje verpflichtete 
3. B. den Erzbiſchof, feine wichtigen Sachen ohne Wiſſen und 
Willen des Kapitels zu verhandeln und deshalb jederzeit zwei 
Verordnete desjelben in feinem Rate zu haben; das war nicht 
geichehen. — Ohne das Kapitel im geringften zu beichweren, follte 
der Erzbiſchof eine Menge von Gläubigern befriedigen, Schulden 
abtragen, verpfändete Güter einlöfen; das unterblieb, entweder 
weil es Friedrih an Mitteln überhaupt fehlte oder weil der 
farge Herr das Seine lieber jelbit in Händen behielt. — Folgen= 
reiher wurden die geiftlichen Differenzen. Gleich der erfte Wahl: 
artikel, ähnlich wie die alte Erblandesvereinigung verpflichtete 
den Neugemwählten, binnen Jahresfrift Priefter zu werden und die 
biihöflihe Weihe zu empfangen oder aber päpftlihe Dispens bei— 
zubringen. Die beiden legten Vorgänger Friedrihs waren nie 
Priefter geworden; auch er hatte, wie e3 jcheint, feine Luft dazu; 
Dispens von Rom, jowie die bereit3 in den Konfordaten der 
deutihen Nation geforderte päpftliche Beftätigung, war aber wenn 
überhaupt jiherlih nur mehr um den Preis des tridentiniichen 
Glaubensbefenntniffes zu erlangen. Im Domkapitel beftanden be= 
ionders die‘ Doktoren oder Priefterfanonifer darauf, daß Fried- 
rich als Erzbiſchof ih qualifiziere. inige weitere Forderungen 
hingen damit zufammen und waren ebenfalls in den Wahlartikeln 
begründet. So follte Friedrih einen Weihbiſchof einjegen und 
bejolden; ferner alle Häretifer und Schismatiker austreiben und 
zu diefem Zweck, auf feine Koften aber mit Hilfe der päpftlichen 
Autorität, einen eigenen Inquiſitor bejtellen. Inwieweit des 
Erzbiſchofs Säumen in diefen Punkten ‚nur durch den Mangel 
an geeigneten Perjonen oder durch die Koften oder endlich durch 
teligiöje Bedenken hervorgerufen war, fteht dahin ). — Das Aus: 


1) Mit dem Mangel an tauglichen Leuten entſchuldigt ſich Friedrich ſelbſt 
am 28. Auguſt 1566. DU. Domtap. Prot. — Über feine Kargheit wieder- 


8 Erſtes Buch. Erſtes Kapitel. 


bleiben der päpſtlichen Konfirmation bot dann dem Kapitel eine 
Handhabe zu neuen Beſchwerden. Auf dem Augsburger Reichs— 
tag war dem Kaiſer eine ſtattliche Türkenhilfe bewilligt worden; 
der Kölner Kurfürſt, gedrängt ſeinen Teil zu erlegen, forderte 
Kapitel und Klerus auf, beizuſteuern, insbeſondere die unter dem 
Titel eines Subſidium Caritativum übliche Abgabe an jeden neu— 
gewählten Herrn zu entrichten; man antwortete, er ſolle ſich 
zuerſt das erzbiſchöfliche Pallium zu Rom holen. — Dann 
wollte Friedrich das Geld zur Türkenhilfe durch eine Anleihe ſich 
verſchaffen; das Kapitel proteſtierte und verwies wieder auf die 
Wahlkapitulation, melde für jede Anleihe, Veräußerung oder 
Verpfündung die Zuftimmung des Kapitels forderte. 

Der Kurfürft Hagte nun beim Kaiſer, das Kapitel aber in 
Rom beim Papſt, weldher daraus Anlaß nahm, nur um jo ent= 
ichiedener auf der Profefjio fiver zu beftehen, widrigenfalls aber 
mit Abjegung zu drohen. Laut wurde verkündet, der Prozeß ſei 
bereit3 eingeleitet, im jtillen hoffte man, ſchon auf die Drohung 
bin werde der Erwählte feine Würde freiwillig niederlegen. 

Kaiſer Marimilian Hatte ji) bisher bemüht, durch den Hin— 
weis darauf, daß man in Deutjchland behutjam gehen müſſe, den 
Papſt von feinem Verlangen abzubringen. Er jelbit und andere 
Fürſprecher machten weiter geltend, daß das Zrienter Konzil in 
Deutihland noch nicht angenommen, daß zudem Friedrich lange 
vor jenem Dekret gewählt jei, auf Grund deilen Pius IV. das 
neue Glaubensbekenntnis vorgeichrieben hatte. Kurfürft Friedrich 
jelbft beharrte vor allem darauf, daß er feine Neuerung einführen 
wolle, die ihm ſelbſt zur Verkleinerung, feinen Mitkurfürften aber 
zum Präjudiz gereihe. — Diefer lekte Grund verlor fein Ges 
wicht, al3 es der Kurie gelang, den am 7. April 1567 neuges 
wählten Trierer Erzbiſchof Jakob von Eltz zu bewegen, den 


holte Bemerkungen in Weinsbergs Gedenkbuch (herausg. von Ennen), 
Zeitichrift für deutſche Kulturgefchichte, 1874. Bgl. Hamelmann, Opp. 
p. 1341. 


Refignation des Erzbifchofs Friedrih von Wied. 9 


Zrienter Eid zu ſchwören !). Auch zwei Suffraganbiihöfe Fried: 
richs, Johann von Hoya, Biihof von Osnabrück und Münfter 
und Gerhard Groesbeck von Lüttich, hatten bereits den Eid ge 
leiftet. Nun lieg Kaiſer Marimilian, der die Dinge nie gern 
auf die Spike getrieben ſah, den Kölner Erzbiſchof fallen und 
juchte nur nod dem Mann, der bei jeiner Königswahl mitge- 
bolfen und ihn jederzeit in Ehren gehalten hatte, einen möglichft 
günftigen Rüdzug zu verſchaffen 2). 

Kaiferlihe Kommiſſare kamen, fanden aber die Vermittelung 
zwiſchen Erzbiſchof und Kapitel nicht leicht; denn allzu jehr war 
man beiderjeit3 gegen einander verbittert. Mit Recht oder Un 


1) In einem für den PBapft beftimmten Gutachten vom 26. Juli 1567 
beutet Commenbone an, daß man fi vor und nah ber Trierer Neumahl 
viel Mühe darum geben mußte. Lagomarsini |. c. IV. 304. 

2) In ber Imftruftion für bie zweite faiferlihe Kommiffion (vom 
20. September 1567) heißt e8 u. a.: Kurfürft Friedrich wifje, wie hoch fich 
der Kaifer feine Konfirmation Habe angelegen fein laſſen. Ihm wäre nichts 
lieber, als daß ©. 8. der Prof. fidei entladen bliebe. Da aber ber Er- 
wählte von Trier „one ainiche wiberred, ſelbs guetwillig ja aigner bemegnus 
biefelb profeffion jungft in erfuehung feiner I. confirmation geſchickt und ge— 
laiftet“, fo werde Kurfürft Friedrich felbft ermejjen, „da wir uns in bier 
ſachen weiter bemilehen folten, was uns daraus fur glimpfen ervolgen mechte 
bei denen, die e8 one dz barfur halten wolten, das wir mer unfern aignen 
willen und affection hierin fehen lieſſen, als das andern erzbifchonen und 
biſchoven bife profeffion jo hoch zumider were”. Wollte er, der Kaifer, weiter 
in den PBapft bringen, fo könnte daraus erfolgen, „dz hierdurch ſowol wir 
als fein I. etwan in ungleichen beſchwerlichen verdacht ſchismatiſcher afjection 
(die doch Gotlob meit von uns) fingfen und fallen und dannocht weniger 
als nich ausrichten mechten.” Da nun Erzb. Trier bereit8 einen prä— 
judiciellen Eingang gemadt „und e8 nunmehr an dem und e8 zumal nit 
anberft fein könte, fonder alle andere erzbifchof und bifchof dijen weg auch 
geen miüeften, fo wüften wir fainen andern rate noch mitl, als dz ſ. I. gleich 
in dem namen Gotte8 den trierifchen fuesftapfen nachdretten tete und bie 
profeffionem fidei, welche wir zwar fonft in irem contertu nit fur jo hoch 
bedenklich hielten, zu erftatten bewilligt...“ — Die erfte etwa im Juli 
1567 ausgeftellte faiferl. Inftrultion für ben Freiherrn v. Winneburg und 
Joh. Achilles Ilſung liegt mir nicht vor; fie ſcheint aber ähnlichen Inhalts 
gewejen zu fein, wie bie zweite auf Winneburg, Neuenar und Dr. Hegen- 
miüller ausgeftellte vom 20. September. 


10 Erftes Bud. Erftes Kapitel. 


recht beichuldigten die Kapitularen ihren Erzbiſchof, er habe Hin 
und wieder nad einem Soadjutor ſich umgefehen. Ohne das 
Kapitel zu befragen, hatte der Erzbiihof einen Landtag ausge— 
ichrieben, jenes aber, wieder gejtügt auf einen der Wahlartifel, 
den Landftänden verboten, dajelbit zu erjcheinen. Am 2. Auguft 
1567 teilte einer der Kommiſſare, Philipp der Ältere Freiherr v. 
MWinneburg dem Domkapitel zuerjt des Kaiſers Wünſche mit; ein 
paar Tage danach fand ein Landtag ftatt, über deſſen Verlauf 
nur folgender Beriht an Kardinal Otto Truchſeß in Dillingen 
vorliegt: „Am 6. [Huguft] ift ein Landtag zu Bonn gehalten 
worden; da hat der faiferlihe Drator die Klagen beider Zeile, 
de3 Ermwählten und des Kapitels, angehört. Da foll viel Hitzig— 
feit vorgegangen fein und der Erwählte ſoweit bewegt, dab er 
aus Zorn cediert; das hat das Kapitel geichehen laſſen, aber der 
Herr Drator und die Landihaft haben den Erwählten erbeten, 
noch einen Monat zu verziehen, bis fie Ihrer Majeftät jchreiben. 
Das Kapitel aber hat es bei der Ceſſion bleiben laſſen.“ 

Nach Rom miüſſen ähnlihe Berichte von bereit erfolgter 
Ceſſion des Erzbiſchofs gelangt fein, weldhe den Papſt veranlaßten, 
dem Kapitel jegt jchon in einem Breve Glück zu wünſchen und 
als geeigneten Nachfolger den Kardinal von Augsburg zu em— 
pfehlen ?). 

Die Domkapitularen mußten den vom Kaifer geforderten Auf— 
ſchub hinnehmen, ihre feindfelige Geſinnung gegen Friedrich ließen 
fie aber inzwijchen nicht ſchwinden, gingen vielmehr jo weit — wozu 
ihnen allerdings der Buchſtabe der Erblandesvereinigung ein Recht 
gab — für ſich einen Landtag in das Predigerklofter nah Köln 
zu berufen. Diefer Landtag fand wirklich ftatt, doch wiſſen 
wir nicht genau wann, noch aud) was auf ihm verhandelt wurde. 
Es ſcheint, daß auf Grund eines Landtagsbeihlufies das Kapitel 


1) Dieſes Breve d. d. Prid. Id. Sept. (bei Lagomarsini L. c. 
IV, 315) wurbe mit eigenem Kurier nah Dillingen und von bier nad 
Köln gefandt, aber erft am 31. Oktober, nah Friedrichs Rüdtritt, im Dom— 
fapitel verlejen. 


Refignation bes Erzbifchois Friebrih von Wied. 11 


naher den Erzbiſchof vorforderte, damit er über feine Ver: 
waltung Rechnung lege. Hierdurch wurde Friedrich jo gereist, daß 
er mit einemmal zu verjtehen gab, lieber wolle er die Profeſſio 
fidei leiften und ihnen allen zum Trotz vegierender Herr bleiben ?). 

Schwerlid) war e3 ihm damit Ernſt; doc) erreichte er durch 
diefe Drohung jo viel, daß es nun den feit Anfang Dftober in 
Köln verweilenden neuen faiferlihen Kommifjaren, Winneburg, 
Graf Hermann von Neuenar und Dr. Johann Hegenmüller, ges 
lang, nad vierzehntägigen Mühen einen Vertrag zuftande zu 
bringen, auf Grund deijen Friedrihs Refignation jo friedlicd wie 
erzählt vor fich gehen konnte. Der Kurfürft verſprach, in eigener 
Perſon im Kapitel zu ericheinen und hier pure libere et fimpliciter 
zu rejignieren; dagegen verpflichtete jich das Kapitel, nod) vor der 
Neuwahl mit Zuthun der faiferlihen Kommiſſare über einen an— 
ftändigen Unterhalt mit Friedrich ſich zu vergleichen und dieſen 
Punkt aud in die fünftigen Wahlartifel zu bringen. Auf Ab: 


1) Über ben Landtag im Predigerkloſter finden fi) in den Domfap.-Protof. 
nur folgende Notizen: 8. Okt. beichlieft das Kapitel, da die vom Kaifer 
feftgefegte Bebenfzeit abgelaufen, ben Erzbifchof auf ben 11. oder 14. Dtt. 
vor das Kapitel zu befcheiden, um wegen bes Abftandes zu verhandeln. — 
9. Dkt. läßt der Erzbifchof fein Erfcheinen ablehnen, „van capitul hab con- 
tra ipfum einen lantach ufgefchrieben, item ire curf. g. hab a Eaefare com= 
mifjarios erhalten, wanner diefelben einen tach und plat irer curf. g. Alte 
ſetzen wirden, wol biefelbige gutwillig erfchienen”. — 13. Oft. beginnen bie 
neuen kaiſerl. Kommifjare mit dem Kapitel zu unterbandeln. — 14. Oft. 
läßt der Kurfürft dem Kapitel berichten, er könne nicht ins Kapitel fommen, 
„wolte lieber profefjionen fidei tuen und nit abften. Wolte aber capittel zu 
irer curf. g. fommen und mit berfelbigen vom abftant fich vergleichen, wolte 
nah getroffener vergleihung in loco capitulari refignieren”. — 15. Dtt. 
fommen daraufhin Deputierte des Kapitel8 mit den faiferl. Kommifjaren zum 
Kurfürften. „Revmus Hat proponieren lafien, wiewol ire curf. g. ad capitulum 
berueffen, haben dennoch bebenken gehabt in capitulum zu fommen, quia 
der gehaltener lantach in dem prebiger clofter fei irer curf. g. fmerzlid. Item 
von dem abftant: Hab commifjarios erhalten; hab on ir vorwiſſen nit tuen 
fonnen; hab mit feinem abftant gefucht bes ftift8 wolfart.“ — 16. Oft. wie- 
derbolt das Kapitel bie Forderung, Friedrich folle entweber fimpliciter cebieren, 
oder zuerft Rechnung ablegen. „So das nit gefchehen fol, wurbe bie not 
capitulum zwingen, dem lantage in dem prebigerclofter nachzufegen.“ 


12 Erfte8 Buch. Erſtes Kapitel. 


legung der Rechnung verzidteten die Kapitularen. Friedrich be: 
hielt einen Platz im Kapitel und Chor, jedod ohne die dazu ges 
hörigen Rechte, ferner die Domkuftorei und jeine bisherige Bez 
haujung am Dom. Nachher wurde ihm nod das Haus Buſch— 
hofen auf Lebenszeit eingeräumt. Über die Höhe des Unter: 
haltes und einige andere Bertragsartifel hatten die faiferlichen 
Kommiljare in der Zeit zwiſchen Abftand und Neuwahl noch viel 
zu verhandeln, bi3 man ji endlid über die Summe von jährlich 
3000 Zhalern einigte, welhe gemäß den Wahlartifein der neue 
Erzbiſchof zahlen jollte aber nie gezahlt hat ). — Schon Ende des 
nächſten Jahres (am 23. Dezember 1568) ift Friedrich in feiner 
Kölner Behaufung geftorben und bei den Dominifanern beftattet 
worden. Sein legtes Lebensjahr war, wie der Minorit — 
berichtet, frommen Studien gewidmet. 

So hatte alſo der römiſche Stuhl im Erzſtift Köln über 
Kaiſer und Kurfürſt einen vollſtändigen Sieg davongetragen, — 
einen Sieg, der doppelt wichtig wurde durch ſeinen Zuſammen— 
hang mit den gleichzeitigen Ereigniſſen in den Nachbarlanden. 


Der Bilderfturm, der im vorangegangenen Sommer (1566) 
im Namen des reformierten Belenntnijjes die belgiſchen Nieder— 
lande heimgejucht hatte, fühlte weithin die Neigung jelbit zu 
friedlihen Reformen ab; erbittert über die dort begangenen Greuel 
und bejorgt, daß anderwärts ſich Ähnliches wiederholen könne, 
ſchloſſen ſich auch am Niederrhein viele Leute wieder enger an 
das alte Kirhentum an. Als danach im Sommer 1567 Herzog 
Alba mit feinem jpanifcheitalieniihen Kriegsvolf nad) den Nieder- 
landen 309 und vor ihm her ſchon der Schreden die Schuldbe— 


1) Mir liegt nur der Bertragsentwurf vom 24. Oftober vor, nicht bie 
erft am 20./22. Dezember feftgeftellte definitive Fafjung. Inhaltlich ergiebt 
ſich diefelbe aber aus den Domtfapitelprotofollen. Daß Friebrich wegen feines 
baldigen — die ausbedungene Penſion nie erhielt, erwähnt Kratepoil 
a. a. O. S. 144. 


Refignation des Erzbiihois Friedrih von Wied. 13 


mußten zu Zaufenden in die Nachbarlande trieb, diente deren 
Kommen al3 neue Warnung bor religiöfen Neuerungen und nötigte 
zugleich die Dbrigfeiten, die Zügel des Kirchenregimentes ſchärfer 
al3 bisher anzuziehen. 

Am Hofe des Herzogs Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg wurde 
jeit dem Jahre 1564 über eine neue Reformationsordnung hin 
und ber beraten; unter des Herzogs Räten und Landftänden gab 
es calviniſch, lutheriſch, erasmiih und römiſch Gefinnte; jeder 
fonnte ziemlih offen jeine Anfihten vertreten; im allgemeinen 
herrſchte doch ein friedliches Nebeneinander, wie ınan es fonft in 
Deutihland nur nody am kaiſerlichen Hofe fand, bier wie dort 
zunächſt äußerlich bedingt durch die perjönlihe Milde und Men- 
ichenfreundlichfeit des regierenden Herrn, die bei Kater Maximilian 
zugleid einen ſtarken Zug von Sfepjis oder religiöfer Gleihgültig- 
feit, bei Herzog Wilhelm eher von geiftiger Schwähe an fi 
trug. Innerlich möglid war ein folder Friedftand nur dadurch, 
daß an Herzog Wilhelms Hof feine der ertremen Parteien über- 
wog, jondern immer nod jene jchon in den zwanziger und 
dreißiger Fahren vorherrichende erasmiihe Mittelpartei, welche in 
diefer Zeit (bis zu feinem am 3. Februar 1566 erfolgten Tode) 
in Georg Gafjander ihren bedeutendften geiftigen Vertreter hatte. 
Gerade die einflußreihiten Räte an Wilhelms Hof, die beiden 
Kanzler, Heinrich Bars genannt Oliſleger und Wilhelm von 
Disbed, gehörten ihr an. Konrad von Heresbad), des Herzogs 
ehemaliger Erzieher, und der frühere Biihof von Münfter, 
Herr Wilhelm Setteler, neigten zwar für ihre Perſonen mehr 
der Augsburger Konfeffion zu, aber Heresbah war durd alte 
Erinnerung mit Erasmus, Setteler dur Freundſchaft mit Caſſan— 
der verbunden. Daher bewegten fi) denn auch Die neueren 
Reformbeftrebungen des jülihichen Hofes ganz in der alten ver- 
mittelnden Rihtung. Die hierarchiſche Verfaſſung und die lateinijche 
Meſſe jollten beibehalten, daneben aber einzelne altlichlihe Ge— 
bräuche, namentlidy der Laienkelch wieder hergeftellt werden, Die 
Prieſterehe gejtattet fein. Vor allem follten die in Lehre und 


14 Erſtes Bud. Erſtes Kapitel. 


Leben, in Mefje und Saframentenverwaltung, in Bilderkult und 
Mönchsweſen eingeſchlichenen abergläubiichen Mißbräuche abgeftellt, 
in Predigt und Unterricht mehr Wert auf ein ſittenreines Leben 
als auf ſubtile Unterſchiede in der Lehre gelegt werden. Be— 
zeichnend iſt, daß zu gleicher Zeit, da man die alten Edikte gegen 
Wiedertäufer und Sakramentierer neu einſchärfte und auch auf 
die Calviniſten ausdehnte, ſtrenge Verordnungen gegen das Um— 
hertragen der Bilder in der Bittwoche und gegen öffentliche Pro— 
zeſſionen mit der konſekrierten Hoſtie erlaſſen wurden. 

Auf Grund caſſandriſcher Vorſchläge wurde endlich im Jahre 
1566 ein Reformationsentwurf fertig, durch den man die kirch— 
lichen Gegenſätze allmählich auszugleichen hoffte. Der eifrige 
Lutheraner Hamelmann erfuhr von ſeinen Freunden, derſelbe ſei 
erträglich abgefaßt, jedoch ſo, daß er weder recht nach dem 
Luthertum noch nach dem Papismus ſchmecke. Im Januar 
1567 wurde der Entwurf einem Ausſchuß von vornehmen Land— 
ſtänden und Räten von verſchiedener religiöſer Richtung vorgelegt. 
Herzog Wilhelm jelbft lag das Werk ſehr am Herzen. Man kam 
einander nahe genug, Dann aber unterblieb die Ausführung 
des Beſchloſſenen. Die Räte mwiderrieten ihrem Herzog, eine Re— 
formationsordnung jet Schon zu veröffentlichen, und ihrer Meinung 
ftimmten dann aud die Landftände bei. — In erfter Linie war 
man ohne Zweifel durd den Ausbruch der belgischen Unruhen ab= 
geſchreckt. Ein weiterer Grund lag in der traurigen Körper: und 
Geiftesperfaifung des Herzogs. 

Herzog Wilhelm war zuerft auf dem Augsburger Reichstag, 
im Frühjahr 1566, mehrmals von leichteren Schlaganfällen ge= 
troffen worden; neue Anfälle im Herbft desjelben Jahres lähmten 
au die Zunge, deren vollen Gebraud) der Herzog nie wieder 
erlangt hat. Seitdem fehrten faft regelmäßig Tage wieder, an 
denen er der Sprache beraubt, für Fremde unzugänglid, zu 
Staatsgeihäften unfähig war. Die Räte mußten bei dieſem Zu: 
ftand ihres Fürften, der ſich täglich noch verſchlimmern konnte, 
eine natürliche Scheu haben, wichtige Reformen ins Leben zu 


Refignation des Erzbiſchofs Friedrich von Wied. 15 


rühren. Die nächte Folge für die jülih=cleviihen Lande war 
nun, daß die bisher durch die Rückſicht nad) oben oder durd die 
Hoffnung auf eine allgemeine Reform zurüdgehaltenen proteftanti= 
ihen Kräfte auf ungeregeltere Weije ji geltend machten. ben 
damals brachte man e3 dahin, daß am herzoglichen Hofe die Feier 
der Mefje für einige Zeit ganz eingeftellt wurde. Dagegen faßten 
nun auch durch die römiſch Geſinnten ihre Kräfte zufammen, um 
bald als die Stärkeren in allen Hauptfragen die Enticheidung an 
fi) zu reißen. Am jhlimmiten fuhr jene mittlere Richtung, welcher 
Herzog Wilhelm perjönlid zugethan war; zum Zeil infolge feiner 
Erkrankung — neben anderen noch ftärkeren Beweggründen, die 
wir jpäter fennen lernen werden — verlor fie in ihm den Für- 
ften, welcher den Willen und vielleiht auch die Macht beſeſſen 
hätte, ihr deal einer im Geifte des chriftlihen Altertums von 
Auswüchſen und Entitellungen geveinigten Kirche zu verwirk— 
lichen. 

Das Scheitern der Reformpläne des Jülicher Hofes wirkte 
zurüd auf die Dinge im Erzitift Köln. War vordem SKurfürft 
Friedrich zumeift vom Füliher Hof in feinem Widerftand gegen 
die römiſchen Zumutungen beftärkt worden, jo mußten nun Herzog 
Wilhelms Erkrankung und der daraus erfolgende Wirrwarr an 
jeinem Hofe den Erzbiichof überzeugen helfen, daß fernerer Kampf 
gegen die Kurie und die römiſch gefinnte Mehrheit feines Dom- 
fapitel3 nußlos war ?). 


1) Schon 1566 auf dem Augsburger Reichstag äußert Commendone 
wiederholt die Anficht, daß Erzbifchof Friedrich hauptſächlich auf den Herzog 
von Eleve Rüdficht nehme: l’eletto dipende in tutto da questo duca. Von 
Friedrich felbft meint Commenbone: & assai buona persona et piü tosto igno- 
rante che altrimenti. — Mali spiriti wollen die Sache vor ben Reichstag 
bringen. Gli consiglieri, che per nome de l’elettore negotiano meco, mi 
hanno detto espressamente, che l’elettore ha in questo negotio altri con- 
siglieri che i suoi, et di altra qualitä che essi non sono. Das wird eben auf 
Herzog Wilhelm zu beziehen fein. Lagomarsini l. c. IV. 294 u. 298 
Im Jahre 1567 zählt Commendone unter ben Hauptichwierigfeiten ber 
Kölner Sache auch folgende auf: gli interessi del duca di Cleves: il 
quale con gli stati suoi eirconda quasi da ogni parte lo stato de la 


16 Erſtes Bud. Erftes Kapitel. 


chiesa di Colonia: et già molt’ anni tiene con questo eletto stretta in- 
telligenza per le cagioni, che sono ben note a sua Bue, ]. c., 
p. 303. Diefe dem Papfte mwohlbelaunten Gründe find wohl bie im Jahre 
vorher (l. c., p. 292) von Commenbone berührten: di non stabilire in 
Germania quelle cose eirca le quali hora cercano alcuni far concordie et 
misture di religione. — Im Sommer 1567, nad ber Nieberwerfung ber 
nieberlänbifchen Bilderfiürmer und Qumultuanten, erklärt Commenbone 
weitere Rüdfichten auf ben Herzog von Cleve für überflüffig. Er giebt ber 
Kurie den Rat, den fpanifchen König gerade dadurch zum Einfchreiten gegen 
Erzbifhof Friedrih zu bewegen, daß man ihm vorftelle, wie gefährlich das 
Einvernehmen von Köln und Cleve für die fpanifchen Nieberlanbe ſei. 





2. Kapitel. 
Die Wahl Salentins von Ienburg.* 


Wie hoch man aud) in Rom den im Erzftift Köln erlangten 
Erfolg anſchlagen mochte, war es doch nur ein halber, wenn e3 nicht 
gelang, an Erzbiſchof Friedrihs Stelle einen ergebneren oder doch 
gefügigeren Nachfolger zu bringen. Schon lange vor Friedrichs 
Rüdtritt beihäftigte man fi daher an der Kurie aud mit diejer 
Frage. Zunächſt war die Vorfrage zu beantworten, auf welde 
Weiſe überhaupt zu einem Nachfolger zu gelangen jei. Drei Wege 
hatte man vor Augen: Beitellung eines Adminiftrators, Wahl 


* Quellen: Die zum 1. Kapitel Quellen I. und Anm. 2 angeführten Bücher 
und Arhivalien. — Ferner Korrefpondenz der Wetterauer Grafen, die 
Freiftellung betr. 1565/66. Dil. X. C. 372. — Über die kirchlichen 
Berbältniffe in den Gebieten ber rheinifchen Grafen und Herren von 
MWinneburg, Manderfcheid, Sayn, Neuenar einiges bei Jacobſon, 
Gefhhichte der Quellen des evangel. Kirchenrechtes ber Prov. Rheinlaud 
und Weftfalen; 1844. Dafelbft weitere Fitteraturnachmweife. — Über 
bie Familie Manderfcheid beſonders: Bärſch, Eiflia illustrata I. 2. — 
Über die Schauenburger: Eyriacus Spangenberg, Ehronicon... 
der graffen zu Holftein Schaumburgk, Stabthagn 1614. — Über bie 
Sayner: Rhein. Antiguarins, 3. Abteil. 1, ©. 268 ff. — Über 
Iſenburg ſ. Duellen zum 3. Kapitel. — Über die Statuten bes 
Kölner Domkapiteld: bie gebiegene Arbeit von H. Hüffer, im befien 
Forfhungen a. d. Gebiet des franz. u. bes rhein. Kirchenrechtes, 1863. 
Einige Ergänzungen dazu gebenfe ich anderwärts zu veröffentlichen. 
Meine Hauptquelle find natürlih die Domtfapitelprotofolle. 

Loffen, Köln. Krieg I. 2 


18 Erſtes Buch. Zweites Kapitel. 


innerhalb oder Poſtulation außerhalb des Kapitels. In Rom hätte 
man gern den erjten oder den dritten Weg eingejchlagen gejehen. 
Für die Adminiftration meinte man einen Präcedenzfall zu haben: 
Kardinal Nikolaus Cufanus ſei einmal drei Jahre lang zum Ad— 
miniftrator von Köln beftellt geweſen ). Aber nit nur die 
päpftlihe Partei im Domkapitel, jondern auch Commendone er= 
flärte fi) gegen den Verſuch einer zeitweiligen Adminiftration ; 
vor allem vertrug jid) damit die Kurwürde nicht. Poſtulation 
zog dagegen auch Gommendone der Wahl vor, weil man unter den 
wahlberedhtigten Kölner Dombherren feinen ganz geeigneten wußte. 
Wahl (electio) und Poftulation unterſchieden ſich nad kirchlichem 
Sprachgebrauch fo, daß eritere nur auf einen Wahlberechtigten fallen 
fonnte; wer dies nidyt war, den fonnte man nur pojtulieren, 
d. h. man richtete an den Papſt das Erſuchen (postulatio), zu 
geftatten, daß ein Gewiſſer, der nad) den kanoniſchen Satzungen 
nicht wählbar war, dennod der betreffenden Kirhe zum Haupt 
gegeben werde ?).. Nady den Statuten des Kölner Domitiftes 
forderte eine ſolche Poſtulation eine Stimmenmehrheit von zwei 
Dritteln, mährend für die Wahl einfahe Majorität genügte. 
Legtere hatte aber für Roms Zwede die Schattenjeite, da von 
den bierundzwanzig Domfapitularen oder Wählern nur die jehzchn 
Edelherren, nicht aber die am entſchiedenſten römiſch geſinnten 
acht Doktoren oder Prieiterfanonifer wählbar maren. Unter 
jümtlihen Edelherren wußte Commendone ſich nur eines Grafen 
von Fienburg zu erinnern, deſſen Perſon ihm ziemlich gerühmt 


1) Lagomarsini ]. c. IV, 311. Ich finde jedoch nichts That» 
füchliches, was der Behauptung zugrunde läge. Es fcheint, daß an bie 
Zeit gedacht werben muß, da Papft Eugen IV. in feinem Streit mit ben 
Erzbifhöfen von Köln und Trier (1444/46) deren Abſetzung ausſprach. — 
Hatte vielleicht der Papft vor feiner Ausföhnung mit Erzbifchof Dietrich von 
Köln (Ianuar 1448) den Kardinal Nikolaus von Eues zum Abminiftrator 
von Köln ernannt? 

2) Ich folge ber Definition von Lagomarsini l. c. IV, 321. Andere 
Definitionen bei Hinſchius, Kirchenrecht II, 677 ff. 


Die Wahl Salentins von Ifenburg. 19 


worden war; weit lieber aber wäre ihm die Pojtulation des Kar— 
dinals von Augsburg, Dito Truchſeß, geweien. Keinen zuvers 
läffigeren Freund hätte jih die Kurie für Köln wünſchen können. 
Schon vor zwanzig Jahren dahte man in Rom daran, ihn an 
Erzbiihof Hermanns Stelle nah Köln zu bringen). Bei dem 
jegigen Zwift zwiſchen Kurie und Erzbiihof war er wieder der 
erfte, den man als Adminiftrator oder Poftulierten ins Auge 
faßte; im zweiter Linie erſt die übrigens ebenfall3 genehmen 
Biihöfe von Lüttih und Osnabrück. Dem Kapitel gegenüber hatte 
Dtto Truchſeß vor diefen beiden den Vorzug, dab er jelbft ein 
Glied des in Köln ausihlieglid wählbaren hohen Adels war. 
Denn der Biihof von Osnabrück und Münfter war zwar ein ges 
borener Graf von Hoya, aber vonjeiten feiner Mutter, der 
Schweſter de3 Schwedenkönigs Guſtav Waſa, nicht ebenbürtig; 
und der Lütticher Biſchof, Gerhard von Groesbeck, gehörte einer 
bloßen Ritterfamilie an. Man konnte vorausſetzen, daß das 
Kölner Kapitel, welches ſtreng darüber wachte, daß jeder Domherr 
acht Ahnen aus Fürſten-, Grafen- oder Freiherrenſtamm nachwies, 
nicht leicht einen weniger edlen Biſchof über ſich ſetzen werde. 
Seit mehr als zweihundert Jahren hatten nur Sprößlinge aus 
fürſtlichen und gräflichen Häuſern, faſt ebenſo lang freilich auch nur 
Domkapitularen den Kölner Stuhl beſtiegen. 

Als Kardinal Truchſeß in ſeiner damaligen Reſidenz Dillingen 
erfuhr — (erſt am 19. Juli 1567, wie er ſelbſt behauptet) —, 
daß man in Rom ihn zum künftigen Erzbiſchof von Köln auser— 
jehen, griff er eifrig zu und jandte alsbald eigene Gejandte nad) 


1) Druffel, Viglius' Tagebud, ©. 224. VBarrentrapp, Hermann 
von Wied, ©. 269. — Gommenbone® Nat (Lagomarsini Il. c. 
IV, 306), den Kardinal durch feinen Neffen, ben Kanonikus Gebhard Truch— 
feß, dem Kölner Domkapitel zur Poftulation vorzufchlagen, beweift, daß auch 
Commendone, wiewohl weit beffer als bie anderen Kurialiften über beutfche 
Dinge unterrichtet, bie Kölner Verhältniſſe nicht genau fannte. Denn 
Gebhard beſaß zwar ein Kanonifat am Dom, war aber noch nicht Mitglied 
bes Kapitels, alfo hier einflußlos. 

2* 


20 Erſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Köln, jowie nah Wien und nad) Münden, um dort das Terrain 
zu unterfuhen, bier aber einflugreihe Fürſprecher zu gewinnen. 
Am kaiſerlichen Hofe war man nicht ebenjo eifrig; es dauerte faſt 
einen Monat, bis de3 Kardinal Gejandter, Dr. Thomas Geld, 
bei Kaifer Marimilian perſönlich Audienz erlangen konnte. In— 
zwiſchen brachten die faiferlihen Räte, namentlid) der Vizekanzler 
Zafius, allerlei Schwierigfeiten vor: die anderen Kurfürften, be— 
ſonders die drei weltlihen, würden in ihrem Kolleg nicht gerne 
einen an den römischen Stuhl gebundenen Kardinal ſehen; es war 
noch nicht vergeſſen, daß Otto Truchſeß einftmals feierlich gegen 
den Religionsfrieden proteſtiert hatte. — Sogar Herzog Albrecht 
von Bayern äußerte Bedenken: jedenfalls möge ſich der Kardinal 
nicht anders als mit gutem Willen des Domlapitels und aller 
anderen Beteiligten auf die Sache einlaſſen. Darüber kam einer 
von Ottos Geſandten, Dr. Jakob Holzapfel, von Köln zurück, wo 
er unter der Hand erfahren hatte, daß eine Anzahl Kapitularen, 
namentlich die Prieſterkanoniker, nicht abgeneigt ſeien, ſeinen 
Herrn zu poſtulieren, lieber jedenfalls als die nach den Stifts— 
ſtatuten nicht qualifizierten Biſchöfe von Münſter und Lüttich oder 
auch den Salzburger Erzbiſchoff. Auch Kaifer Marimilian gab 
bejjeren Bejcheid, als anfangs zu erwarten war. Er veriprad, 
feinen Rat Dr. Johann Hegenmüller, einen Vetter Selds, nad) 
Köln zu ſenden; durd ihn und den Freiheren dv. Winneburg wolle 
er den Kurfürften Friedrich nochmals ernſtlich ermahnen, das tri= 
dentiniiche Slaubensbefenntnis abzulegen, — wenn aber vergeblid, 
dann wolle er vor allen anderen den Kardinal zur Poſtulation 
vorſchlagen, „weil das Domkapitel jest feinen zur Wahl taug= 
lihen in feinem Schoße habe‘. Das Hang ſehr energiſch, viel 
energiicher al3 die früher erwähnte kaiſerliche Inſtruktion für 
Winneburg, Neuenar und Hegenmüller, energiiher aber aud, als 
die Werbung, welche die Kommiffare am Tage nad Friedrichs 
Rücktritt (26. Dftober) im Domkapitel wirklich vorbrachten. Laut 
ihrer Inſtruktion follten die Kommiſſare nad erfolgter Refignation 
das Kapitel ermahnen, einen unzweifelhaft katholiſchen Erzbiſchof 


Die Wahl Salenting von Iſenburg. 21 


und wohlgeeigneten Kurfürſten aus ſeinem Schoße zu wählen; 
falls ſie in dieſem aber niemanden hätten, der ſich mit dieſer Bürde 
beladen wolle, alſo genötigt ſeien zu poſtulieren, ſo empfehle der 
Kaiſer ihnen den Kardinal Otto Truchſeß von Augsburg, über 
deſſen Vorzüge zum Schluß viel Rühmliches geſagt wurde. — In 
ihrer mündlichen Werbung ſcheinen die Kommiſſare noch nachdrück— 
licher die Wahl und nicht die Poſtulation angeraten zu haben. 

Zwei von den Kommiſſaren waren für ihre Perſonen ſicherlich 
wenig geneigt, den Truchſeß des Kaiſers Weiſung gemäß auch 
privatim zu empfehlen. Auf Hermann von Neuenar rechnete 
Otto ſelbſt von vornherein nicht. Wie ſollte der reformierte 
Graf einen römiſchen Kardinal als Lehnsherrn und Nachbarn ſich 
wünſchen! Aber auch von dem Haupte der Kommiſſion, dem kai— 
ſerlichen Hofratspräſidenten, Philipp dem Älteren, Freiherrn zu 
Winneburg und Beilſtein, durfte Otto Truchſeß höchſtens erwarten, 
daß er nicht geradezu ſeiner Inſtruktion zuwider handelte. Der 
alte Freiherr hatte ſelbſt zwei Söhne, Johann Daniel und Jo— 
hann, im Domkapitel; von dieſen bekannte ſich wenigſtens der 
letztere, ebenſo wie der älteſte, weltliche Bruder Philipp der Jüngere, 
ungeſcheut als Proteſtanten. Der Vater ſelbſt hatte noch im 
vorigen Fahre beim Augsburger Reichsſtag an Beratungen der 
evangeliichen Grafen über die Kreiftellung der Religion teilges 
nommen. — Das mochte dem Kardinal unbekannt fein; doch er= 
fuhr er bald menigitens jo viel, daß Winneburg ebeniomohl wie 
Graf Neuenar perfönlid auf Seite der Grafen im Kapitel ftand. 
Dieje aber wollten insgefamt von einer Poftulation nichts willen ; 
jie könnten und wollten, erklärten fie öffentlih, die Schande ſich 
nicht anthun laſſen, dag man jagen folle, nicht einer unter ihnen 
jei wahlfähig; lieber würden fie ihre Präbenden und das Erzitift 
verlafien, als poftulieren. Ihrer feien ſechzehn, der Prieſter— 
fanonifer aber, welde die Poftulation gern ſähen, zur Zeit nur 
ſieben. 

Unter dieſen Umſtänden trug ſogar Dr. Hegenmüller Bedenken, 
durch offene Parteinahme für den Kardinal ſich und den Kaiſer 


22 Erſtes Buch. Zmeites Kapitel. 


zu fompromittieren. Schon am 12. Dftober, kurz nad feiner 
Ankunft in Köln, ſchrieb er an Herzog Albreht von Bayern, er 
finde des Kardinals halben alle Dinge noch gar jehr im weiten 
Felde; der gute Fromme Herr gebe ſich [dur fein übereifriges 
Werben] ein wenig gar zu bloß. Hegenmüller nahm fogar Anz 
ftand, das Empfehlungsichreiben des bayrischen Herzogs für Otto 
dem Domkapitel zu präfentieren und that dies erſt Ende Novem- 
ber auf wiederholtes Mahnen der Bevollmädtigten des Kardinals. 
Dieje ſelbſt meinten, es wäre beſſer geweien, wenn fie beide, 
Dr. Holzapfel und der Propit Hoyer, nicht jo lange bier gelegen 
hätten. Inzwiſchen fam von Erzherzog Ferdinand von Zirol ein 
eigener Gejandter mit Fürihriften für Kardinal Otto nah Köln. 
Am 31. Dftober wurde das früher erwähnte Breve Pius’ V. 
(vom 12. September) im Domkapitel verlefen; ein neues nod) 
dringenderes päpftlihes Empfehlungsichreiben für den Kardinal 
(vom 27. September) überreihten die kaiſerlichen Kommiſſare zehn 
Zage vor der Neuwahl. Diejes lektere war, auf Commendones 
Nat, erft dem Kaifer vorgelegt worden, — zur Auswahl neben 
einem anderen, in weldhem außer Otto aud) die Biihöfe von 
Münfter und Lüttich empfohlen wurden ). Kaiſer Marimilian 
that zwar, als fei ihm ſelbſt Ottos Poſtulation durchaus er= 
wünſcht, doch dürfte man fi nicht wundern, wenn jich finden 
jollte, daß die Kommiſſare unter der Hand, nad) feinen geheimen 
Weiſungen oder wenigitens in feinem Sinne, mehr für die Wahl 
eines dem Saifer genehmen Domherrn gewirkt hätten. — Ein 
legter Schimmer von Hoffnung lag für Dtto zulegt nur noch in 
der Möglichkeit, daß fi) die Parteien im Kapitel über feinen der 
Wahlkandidaten einigen und darum am Ende ihn poftulieren 
würden. 

An Bewerbern um die Wahl fehlte es nit, darunter vier 
oder fünf wenigftens von folder Art, daß ihre Beftätigung durch) 





1) Daß nur das den Kardinal von Augsburg empfehlende Breve bem 
Kapitel vorgelegt wurbe, ergiebt das Protofoll vom 13. Dezember. 


Die Wahl Salentins von Iſenburg. 23 


Papft und Kaifer nit von vornherein undenkbar war. Hoffnung 
auf die Wahl machte ſich zunächſt das Haupt des Kapitels, der 
Domdehant Heinrih Graf von Sayn: gar ein feiner, junger 
Herr, hieß e3 von ihm, aber nicht wenig verdädtig der Religion 
halben und weil er einen Bruder habe, welcher Heftig in die 
Sekten vertieft und mit fchweren Schulden beladen ſei. Der 
Bruder, Graf Adolf, hatte in der That alsbald nad des Vaters 
Zod die Reformation in der Grafſchaft eingeführt, Heinrich hielt 
ſich jedoch, äußerlich wenigſtens, noch fatholiih. Vor etwa zwei 
Jahren hatten die evangeliſchen Reichsgrafen bei Kurfürſt Fried— 
rich und bei den Edelherren am Kölner Dom um Reformation 
des Erzſtiftes oder wenigſtens um Freiſtellung der Religion auf 
demſelben angehalten; damals antwortete ihnen der Dom— 
dechant, er ſei nicht geſonnen, zur Zeit die alte, wahre, katholiſche 
Religion, auf die er gelobt und geſchworen, zu verändern; würden 
aber von ordentlicher Obrigkeit andere Wege bedacht, ſo ſolle ihm 
auch nicht zuwider ſein, was ſeinen Mitherren gefällig. — Bei 
ſeiner Wahl zum Domdechant (17. Oktober 1565) hatte Heinrich 
geloben müſſen, binnen Jahresfriſt Prieſter zu werden; das that 
er dann aber nicht, ging auch ebenſo wie die anderen Kölner 
Edelherren in weltlichen Kleidern umher. In Kapitelsſachen ſpielte 
er ſich dagegen als ſtrengen Katholiken auf; eben in dieſer Zeit der 
Sedisvakanz ermahnte er einmal die anderen Kapitularen feierlich, 
bei ihren Abſtimmungen fi katholiſch zu halten, damit er nicht, 
mit Rat anderer Prälaten, ftrenge gegen fie einjchreiten müſſe. — 
Sonft fagte man Heinrih nad, er habe „einen feltjamen Kopf“, 
was im Hinblid auf fein jpäteres Leben wohl glaublich ift. 
Meitere Bewerber waren zwei Grafen von Schauenburg, die 
Brüder Hermann, poftulierter Biihof von Minden, und Anton, 
der erſt jüngft (am 1. Dftober) Domkäpitular geworden war. 
Man wollte wiſſen, den vierundzwanzigjährigen Mindener Biſchof 
babe Kurfürft Friedrich ſelbſt ſich als Nachfolger auserſehen; doch 
jagte man das auch von dem früheren Subdefan, Georg Graf 
von Wittgenstein, der unlängft (31. Januar 1567) Dompropft 


24 Erſtes Buch. Zweites Kapitel. 


geworden und al3 folder nit Kapitular, alfo aud nicht mehr 
wählbar war. Der Vater der beiden jungen Scauenburger, 
Graf Dtto, vor Zeiten jelbft einmal Biſchof (von Hildesheim), 
jegt aber Neiteroberft in ſpaniſchen Dienften, war jelbft zwar 
offen lutheriſch, feine geiftlihen Söhne hatte er jedoch katholiſch 
erziehen laſſen ). Für den geldarmen, finderreihen Grafen war 
die Ausfiht, feine Söhne mit geiftlihen Pfründen gut verjorgt 
und einjtmals vielleiht im Kurhut zu jehen, den zwei feiner 
Brüder, die Erzbiſchöfe Adolf und Anton, bereits getragen hatten, 
allzu verführeriih. Der Boftulierte von Minden war fogar er— 
bötig, das Trienter Glaubensbefenntnis zu beſchwören, um ji) 
dadurch die päpftlihe Konfirmation zu veridaffen. Im übrigen 
ſagte man ihm nach, er ſei ein feines Herrlein, habe aber große 
Luſt zu weltlichen Sachen. Gewiß war er einer von den Dom— 
herren, von denen Dr. Holzapfel meinte, ſie hätten „kein Pfaffen— 
fleiſch an ſich“. Auf Biſchof Hermann deutlich anſpielend, klagt 
der Kölner Minorit Kratepoil ſpäterhin, die Biſchöfe ſeiner Zeit 
ſeien nicht mehr Arbeiter im Weinberge des Herrn; ihr heiliges 
Amt in der Kirche zu verrichten, ſchämten ſie ſich, nicht aber un— 
nötigen Aufwand mit Dienerſchaft, Hunden und ſonſtigen Eitel— 
feiten zu treiben ?). 

Ein weiterer Wahlfandidat war der Kölner Domfcholafter 
Johann Graf von Mandericheid - Blankenheim, nahmals Biſchof 
von Straßburg ?). Über ihn erfuhr Kardinal Truchſeß durch 


1) So hatte Graf Hermann 3. B. (im Jahre 1560) in Ingolftabt ftubiert 
(Mederer, Annales I, 260), Graf Anton (im Jahre 1564) in Löwen 
(Steph. Ifaac, Wahre und einfältige Hiftoria 1586, BI. 21b). 

2) Merssaeus Cratepolius, p. 208 ber Ausgabe von 1578. 
In der Ausgabe von 1580, p. 435 ift die entjprechende Stelle ſtark abge- 
ſchwächt. 

3) Im Jahre 1577 erzählte Dr. Hegenmüller dem Herzog Ernſt von 
Bayern, vor zehn Jahren als er und Winneburg ebenfalls kaiſerliche Kom— 
miſſare geweſen, „dazumal hete der her von Winnenberg den biſchoven von 
Straßburg (als der ſein nahender bluetsfreunt) faſt gern befürdert ge— 
ſehen“. StA. 38/13 fol. 213. 


Die Wahl Salentins von Ifenburg. 25 


ſeinen Kölner Gewährsmann, der Scholafter ſei gewiß ein frommer 
Herr, aber nit ohne Verdacht der Religion halber; denn er 
habe u. a. oftmal3 geäußert, daß er ſich wider die Konfeſſioniſten 
nicht brauchen laſſen wolle. Auch jolle ev nicht das kanoniſche 
Alter haben — (das kanoniſche Recht verlangt mindeſtens dreikig 
Jahre für einen Biſchof) —; endlich werde er ſich gewiß durch 
jeine Verwandten regieren laſſen. Die verihiedenen ſämtlich in 
der Eifel anſäſſigen Zweige des gräflihen Hauſes Mandericheid 
nahmen in kirchlichen Dingen, jovtel wir jehen, eine Art Mittels 
ftellung ein; einerjeitS waren jie vielfach verwandt und ver— 
ihmägert mit den proteftantiihen Grafen am Rhein und in der 
Wetterau, anderſeits mußten fie wohl Rüdjiht nehmen auf ihre 
fathotiihen Nahbarn, den Herzog von Jülich und die jpaniichen 
Niederlande. Des Scholafters Mutter) und wohl aud jein 
Bruder, der regierende Graf Hermann, waren perjönlic dem 
lutheriſchen Belenntnis zugethan, die geiftlihen Glieder der Fa— 
milie dagegen bequemten ſich dem katholiſchen Kult an. Es ift 
bezeihnend für die Stellung der Familie, dab fie fih an der 
1565 und 1566 betriebenen Agitation des Grafenftandes für die 
Freiftellung der Religion auf den hohen Stiftern kaum beteiligte, 
während doch ſowohl der Scholajter wie Graf Kuno von Man: 
deriheid- Schleiden auf die vorhin erwähnte Werbung der evan- 
geliihen Grafen in Köln für ihre Perjonen fih ganz gutwillig 
geäußert hatten. — Von allen Kölner Domherren hatte damals 
nur einer entſchieden und grundfäglidy gegen die Freiftellung ver. 
Religion ſich ausgeſprochen: — Salentin Graf von Iſenburg— 
Grenzau. 

Als die abgeordneten Grafen im Januar 1566 zu ihm nad 
Bonn kamen, erklärte er rundweg: er wolle ihrem Vorhaben nicht 





1) Dagobert Fiſcher (Gef. der Stadt Zabern i. E., 1874, ©. 33). 
erzählt, auf das Archiv von Zabern fich berufend, im Jahre 1572 habe 
Biſchof Johann einen Intheriichen Prediger nah Zabern kommen lafjen, um 
feiner fterbenden Mutter Margareta geb. Gräfin von Wieb das Abendmahl 
zu reichen. 


26 Erfte8 Bud. Zweites Kapitel. 


allein feinen Beifall thun, fondern e3 vielmehr mit allem Exnft 
verhindern; denn er gedenfe bei der alten fatholiihen Religion, 
in welcher er erzogen, bis zum Ende feines Lebens zu bleiben ). — 
Das war jener Graf von Iſenburg, jetzt Subdekan (Afterdedhant), 
den man dem Kardinal Commendone gerühmt hatte. Auch Dtto 
Truchſeß erfuhr von feinen Kölner Freunden nur Gutes über ihn; 
er ſelbſt bezeichnet Salentin wiederholt al3 tapfer und tauglich 
zu einem Biſchof, wenngleich es aud ihm am richtigen Alter 
fehle. — Dies war jedoh ein Irrtum des Kardinal. Frag: 
lich aber war, ob Graf Salentin überhaupt eine Wahl annehmen 
würde, man muhte borausjegen, daß er als legter Sproß der 
Iſenburg-Grenzauſchen Linie nicht gemwillt fein werde, durch den 
Empfang der Priejterweihe und der biihöflichen Konfekration die 
Befugnis zu heiraten ſich abzujchneiden. Nach ftrengem kanoniſchen 
Recht wäre dies allerdings ſchon der Fall geweien durch die Sub— 
diafonatsweihe, welche Salentin wie alle anderen Kölner Edel— 
herren vor der Aufnahme ins Kapitel empfangen hatte. Aber 
nad allgemeinem Brauch in den deutihen Hodjftiftern konnten die 
adeligen Domberren, wenn fie auf Pfründe und Kapitelplatz ver 
zichteten, troß der Subdiafonatsweihe jederzeit heiraten. Solde 
Fälle kamen im Kölner Kapitel jahraus jahrein vor; es findet ſich 
nicht, daß man in der Regel eine püpftlihe Dispens für nötig 
gehalten hätte. Der Kardinal von Augsburg meinte, vielleicht 
würde Graf Salentin die Wahl annehmen, um nad) einiger Zeit 
‚mit guter Gelegenheit wieder auf das Stift zu verzichten. 

Das Kapitel ſchien es mit der Neuwahl nit eben eilig zu 
haben. Während der Sedisvalanz teilten ſich die Kapitularen in 
die Negierungsgeihäfte und in die Einkünfte. Das mochte man= 


1) Im Auguft 1567 wibmet Gerardus Belmannus Geldrienfis dem 
Grafen Salentin feine Ausgabe bes Hoffmeifterfhen Kommentars zur 
Apoſtelgeſchichte zunächft al8 einem: avitae et verae religionis studioso et 
propugnatori ... . qui tanto ejus amore flagras, ut nihil non laborum, 
nihil non molestiarum ejus conservandae et fovendae ergo suscipias et 


aggrediaris. 


Die Wahl Salenting von Iſenburg. 27 


chem der Herren behagen; einige meinten jogar, dem Kapitel könne 
auf einige Zeit, bis die Stiftsfhulden abgetragen, die Adminiftra= 
tion anvertraut werden. Davon wollten aber die faiferlihen 
Kommifjare nichts willen. Sie drohten mit der Ungnade des 
Raijers, der einen Kurfürften brauche; das Kapitel dürfe nicht 
denken, daß man feine Gefandten zu dem nah Fulda ausges 
ihriebenen Kurfürſtentag zulaffen werde. Infolge ihres wieder 
holten Drängens wurde endlih am 3. Dezember der Wahltag 
auf Dienstag den 23. fejtgejegt und auf den Tag vorher, nad) 
altem Herlommen, ein allgemeiner Landtag der Stiftsftände aus: 
geichrieben. In der Zwiſchenzeit beichäftigte fi das Domkapitel 
— außer mit der Abfindung Friedrihs von Wied — bejonders 
mit der Revifion der Wahlartifel. Es jcheint nicht, daß man viel 
zu Ändern fand; nur über den erjten Artikel gerieten Edelherren 
und Prieſterkanoniker an einander. Die legteren verlangten, die 
Klaujel, welde dem Erwählten freiftelle, beim apoftoliihen Stuhl 
Dispens von der Priefterweihe zu erwirfen, jolle wegfallen. Da— 
mit drangen fie nicht dur, brachten aber, mit Hilfe eines Teils 
der Edelherren, einige andere Verſchärfungen bezüglid der Prieſter— 
weihe und der Profeſſio fiver in den erjten Artikel, jo daß dieſer 
nunmehr, überjegt aus dem lateiniichen Drginal, folgendermaßen 
lautete: 

„Wir N. N. Erwählter, veriprechen binnen einem Jahre 
von heute ab uns zum Priefter ordinieren und zum Biſchof fon= 
jefrieren zu lafen, jowie uns gemäß den Erfordernifien einer fol 
hen Drdination und Konſekration zu verhalten und auf Erfordern 
des Papftes die Profeffio fivei nicht zu verweigern. Sollten wir 
aber durch vernünftigen Grund verhindert fein, im feſtgeſetzten 
Zermin die Priefterweihe zu empfangen und deshalb bei dem 
apoftoliichen Stuhl Dispens erlangen, jo joll das nit als ein 
Zumiderhandeln gegen unferen Eid erjcheinen. Falls wir jedod) 
unſere Perfon nit auf bejagte Weije qualifizieren noch aud) 
binnen einem Jahre Dispens erlangen, jo werden wir auf ein= 
fache Aufforderung des Kapitels libere pure et fimpliciter Das 


28 Erſtes Buch. Zweites Kapitel. 


Erzitift dem Kapitel reſignieren und unverfehrt (integre) refti- 
tuieren.“ Die weitere Beftimmung des 1. Artifel3 über den zu 
beftellenden Weihbiſchof, ſowie alle übrigen Artikel der Wahl- 
fapitulation, über melde der vorige Erzbiſchof geſtrauchelt war 
und an denen aud) der künftige ſich wieder ſtoßen jollte, jcheint 
man unverändert herübergenommen zu haben. Am Wahltag, 
unmittelbar vor der Wahl, wurde die Kapitulation von ſämtlichen 
Kapitularen, und nad) der Wahl nochmals von dem Ermählten 
eigenhändig unterzeichnet. Acht Edelherren liegen jedod in das 
MWahlprotofoll einen Proteſt aufnehmen, daß fie in die Zuläße 
zum erften Artikel, Priefterweihe und Profeſſio fidei betreffend, 
nicht einwilligten und das Weitere wegen Dualififation und Reli 
gion des Erzbiihofs dem fünftigen Herrin anheimftellten; alle 
anderen Artikel dagegegen genehmigten aud) fie durch ihre Unter- 
ihrift. Diefe acht Proteftierenden waren: zwei von den ſechs 
Prälaten, der Chorbiſchof Kuno von Manderiheid - Schleiden und 
der Junior-Diakon Hermann von Sayn (des Domdechanten 
Bruder); ferner Ludwig Graf von Iſenburg-Büdingen, Chriſtoph 
Ladislaus von Thengen Graf zu Nellenburg, der Poſtulierte von 
Minden, Hermann Adolf Graf zu Solms, Johann von Winnes 
burg und Beter Ernft von Kriechingen. 

Die Berufung der Landftände vor der Neuwahl gründete ſich 
bauptiählid auf die Erblandesvereinigung des Jahres 1463. In 
diefem Fahre, glei) nad) dem Tode des Erzbiſchofs Dietrih und 
im Andenken an die vielen Fehden und anderen Beſchwerden, 
welche er über das Erzitift gebracht, hatten Domkapitel und welt— 
liche Landftände ſich vereinigt, künftighin feinen Landesherrn anzu: 
nehmen, bevor er gelobt, eine Anzahl Punkte, weldhe feiner Will: 
für und Macht eine ftarfe Schranke zogen, unverbrüdlid zu bes 
obachten. Inbezug auf die Neuwahl beftimmte Art. 13 der 
Vereinigung, dag die Landftände jedem durch das Kapitel ein= 
trächtig oder durch dejjen meiften Zeil erwählten Herrn Gehorjam 
leiften würden. Im Jahre 1550 war die alte Erblandesver- 
einigung durch Vertrag des Erzbiſchofs Adolf mit dem Domkapitel 


Die Wahl Salentins von Iſenburg. 29 


und den rheinischen Ständen in einigen Punkten erläutert und in 
der Sprade dem Hochdeutſchen genähert worden. Mor jeder 
Neuwahl pflegten die weltlichen Landſtände das Kapitel an dieſes 
Grundgeſetz des Erztiftes zu erinnern. Auch jetzt geſchah dies 
durh Grafen und Nitterihaft, welche das Kapitel zugleich er= 
mahnten, darauf bedacht zu fein, daß der künftige Erzbischof beſſeres 
Recht pflege und ihre bejonderen Privilegieen wohl beobachte. Neben 
diefen allgemeinen Redensarten forderten fie diesmal das Kapitel 
noch insbejondere auf, nur aus feinem Schoße zu wählen und 
keineswegs zur Poſtulation zu greifen, ſowie einen ſolchen Landes- 
fürften zu füren, der nicht wieder abtrete, jondern bis ans Ende 
feiner Tage beim Erzjtift verharre. Die Ritterſchaft des ſeit mehr 
als 150 Jahren ven Grafen von Schauenburg verpfündeten 
Veites von Recklinghauſen brachte Klagen vor über Willlür und 
Rehtsverlegungen ihres Pfandherrn und feiner Beamten. Im 
übrigen verliefen Landtag und Wahl es friedlich und in ger 
wohnter Drdnung. 

Bon altersher beobachtete man im Kölner Domftift bei der 
Wahl des Biihof3 wie der anderen Prälaten ein Verfahren, 
welhes in diefer Form im kanoniſchen Recht nicht vorgejehen, 
jedoh aus zwei ſonſt gebräudhlihen Wahlarten, dem Sfrutinium 
und dem Compromiſſum, kombiniert war. Daher nannte man es 
die Via scrutinii et compromissi mixti sive determinati. Der 
Hergang bei der Biihofswahl war folgender: Nachdem die ges 
wöhnlichen Formalitäten — (Citation aller Wahlberechtigten, Proteft 
gegen Teilnahme von Erfommunizierten oder jonft fanoniih Uns 
fähigen, und Anrufung des heiligen Geiftes) — erfüllt waren, 
wurden drei Skrutatoren und Kompromifjarier gewählt, regelmäßig 
der Domdehant, der Senior-Diakon und der Senior der Prie— 
iterfanonifer. Dieje drei forderten in einem befonderen Gemad) 
erft einander, dann allen anderen Slapitularen der Reihe nad) und 
zwar jedem bejonders fein Votum ab, welches bon dem als 
Notar Fungierenden Sapitelsjefretär jofort aufgejchrieben wurde. 
Dann vergliden die Skrutatoren die abgegebenen Stimmen. War 


30 Erfte8 Buch. Zmeites Kapitel. 


nicht Einftimmigkeit, jondern nur Majorität erzielt, jo meldeten fie 
dies im Kapitelhaus und baten, ohne Namen zu nennen, um die 
Erlaubnis, dag ein Beitritt (accessio) der Minderzahl der Stim- 
men zur Mehrzahl erfolge. Dieje Erlaubnis erteilte das Kapitel 
und ermächtigte fie zugleid) denjenigen, weldem die major et sanior 
pars capituli zugejtimmt babe, durch einen aus ihnen als fünf: 
tigen Erzbischof zu erwählen und zu verfündigen. Unter weiteren 
Formalitäten wurde alsdann die Wahl der Skrutatoren durd) das 
Gejamtlapitel genehmigt und von dem Grwählten angenommen. 
Darauf Glüdwunid, Unterzeihnung der Wahlartifel, bifchöflicher 
Eid und Beihmwörung der Statuten, nun Vorftellung an die 
Vertreter der Landftände, Erneuerung der Verträge mit der Reichs— 
ftadt Köln, endlich Verkündigung und Inthroniſation im Chor der 
Domkirche. 

Man ſieht, in dieſen Vorſchriften iſt nichts darüber beſtimmt, 
ob abſolute oder bloß relative Stimmenmehrheit erforderlich iſt, 
bevor die Skrutatoren um die Acceſſio erſuchen und den Erz— 
biſchof wählen. Auch ſcheint die Klauſel, daß die major pars zu— 
gleich sanior ſein müſſe, der Willkür der Skrutatoren freien 
Spielraum zu bieten. Dennoch findet ſich in einer ganzen Reihe 
von Jahren in den Kapitelprotokollen niemals, daß eine ſolche 
durch Serutinium et compromissum mixtum erfolgte Wahl eines 
Prälaten beanſtandet worden wäre. Man wird alſo annehmen 
dürfen, daß nach dem Herkommen ſchon die relative Majorität für 
ausreichend erachtet wurde; die Klauſel von der sanior pars ca- 
pituli wurde in Köln wie anderwärts durch die Regel, Stimmen 
zu zählen und nicht zu wiegen, unſchädlich gemacht. Bald nach 
dem Wahlakt wurde ein offizielles lateiniſches Protokoll über deſſen 
Verlauf, das fjogenannte Wahldelret, abgefaßt, von jämtlichen 
Mählern unterfhrieben und alsdann, zum Behuf der päpftlichen 
Konfirmation, nad) Rom gefandt. Da auch diejes Protokoll Zahl 
und Namen derer, welche für und gegen den Ermwählten geftimmt 
hatten, nicht enthielt, jo blieb wenig Raum zur Anfechtung der 
Wahl. Nah außen galt jeder Erwählte, falls nit jemand förm— 


Die Wahl Salentins von Iſenburg. 31 


lich proteſtierte, als einmütig oder ſogar einſtimmig gewählt. Der 
Nimbus der Einmütigkeit erſcheint nur dann getrübt, wenn, wie 
nachmals bei der Wahl des Gebhard Truchſeß, ein Kapitular 
öffentlich proteſtierte und Vorgänge enthüllte, von denen nicht das 
Kapitel als ſolches, ſondern nur die drei Skrutatoren und der 
Notar nebſt Zeugen etwas zu wiſſen brauchten. Es iſt vielleicht 
bloßer Zufall, daß der Kapitelsſekretär die Wahlliſte des 23. De— 
zember 1567 aufbewahrt hat, wodurch wir heute wiſſen, wer für, 
wer gegen Salentin von Fienburg ftimmte Für ihn ftimmten 
fieben Edelherren: der Chorbiſchof Kuno und der Scholafter Jo— 
bann von Manderiheid, die Grafen Ludwig von Sienburg- 
Büdingen, Wilhelm von Reiffericheid, Hermann und Anton von 
Schauenburg, der Freiherr Johann Daniel von Winneburg; jodann 
ſämtliche Priefterfanonifer, deren damals zufällig nur fieben (itatt 
acht) waren; in allem aljo vierzehn Wähler. Dem Domdedanten 
Heinrih von Sayn fielen ebenfall3 jieben adelige Stimmen zu: 
die der Brüder Reinhard und Hermann Mdolf von Solms, die 
jeines eigenen Bruders Hermann, weiter von Chriftoph Ladis— 
laus von Thengen, Philipp von Manderſcheid-Keil, Johann von 
Winneburg und Peter Ernft von Kriehingen. Niemand durfte 
ſich jelbft wählen, einem Rivalen mochte man jeine Stimme ges 
wiß auch nicht” geben; der Dechant nannte deshalb den Poſtu— 
lierten von Minden, Graf Salentin aber den Domſcholaſter. 
Die Abjtimmung ergiebt, daß im allgemeinen die zweifelhaft Ka— 
tholiichen den Domdehanten bevorzugten, jedod befinden ſich auch 
unter Salentins Wählern drei, welche gegen den erften Artifel 
der Kapitulation proteftiert hatten: ein Beweis, dab die kirchliche 
Stellung nit allein den Ausihlag gab, jondern perjönliche oder 
Familien-Intereſſen mit hineinjpielten. 

An allerhand ,, Praftiten  — das ift an mehr oder minder uns 
erlaubten, fimoniftiihen Mitteln, Stimmen zu gewinnen — wird es 
bei diefer Wahl jo wenig wie bei den meijten anderen geiftlichen 
Wahlen gefehlt haben; wir wiſſen jedod nichts Näheres, als da 
nad) Fahren behauptet wird, dem BPriefterfanonifus Dr. Gotfrid 


u 


32 Erſtes Buch. Zweites Kapitel. 


Gropper, Dechant von St. Marien ad gradus, verdanfe Salentin 
bauptjächlich feine Wahl 9); jedenfalls erſcheint er gleich nachher 
als des neuen Kurfürften rechte Hand. Vermutlich wußte Gropper 
die anderen Doktoren zu überzeugen, daß, da die Poſtulation 
nicht Durchzujegen, es immerhin bejjer fein werde, einen entichiedenen 
Katholifen auch ohne Konfekration und für fürzere Zeit zu wählen, 
al3 einen verdädhtigen auf Lebensdauer. Daß Salentin fein Leben 
lang Biſchof bleiben wolle, glaubte gewiß ſchon zur Zeit feiner 
Mahl niemand. 

As dem Ermählten durch den Senior der BPriefterfanonifer 
Sebaſtian Novimola von Duisburg feine Wahl verfündigt wurde, 
that er, als nähme er fie nur ungern an; er wies hin auf feine 
Familienverhältniffe, auf die Schuldenlaft des Erztiftes, auf die 
unruhige Zeit und die religiöfen Streitigkeiten. Erſt wieder- 
holtem Erſuchen des Kapitel3 gab er nad, jedod nur unter 
der Bedingung, daß das Kapitel unter einander und mit ihm 
einig ſei und neben den Landſtänden ihm getreuli helfe, die 
auf dem Stift laftenden Bejchwerden abzuftellen. Er mollte ſich 
wohl für alle Fälle den Rüden deden und das Kapitel wenigſtens 
einigermaßen binden. Nachher, al3 er im Kapitelhaus den Land- 
ftänden vorgeftellt wurde, ließ er fih aud) von ihnen Rat und 
Hilfe verſprechen. Die von dem Rate der Stadt Köln ihn vor: 
gelegte Urkunde über Erneuerung der alten Verträge unterichrieb 
und befiegelte er nur unter dem Vorbehalt, daß er an etwaige 
Neuerungen in ihr nicht gebunden jein wolle. 

Drei Zage nad) der Wahl erihien Salentin nohmals, und, 
was ganz ungewöhnlich, ohne einen jeiner Räte vor verſammeltem 
Kapitel und erinnerte die Kapitularen an ihr Verſprechen, einig 


1) Am 21. Juli 1576 berichtet der bayriſche Gefanbte Dr. Fabricius aus 
Nom an feinen Herzog über eine Unterrebung, bie er daſelbſt mit Kurfürft 
Calentins Rat Dr. Gropper hatte und fügt bei: „„Certe non miror, electorem 
tam multa cedere huic Groppero, posteaquam certo jam pridem cogno- 
verim, illius propemodum unius consilio et auxiliis factum fuisse, ut tam 
egregie ante aliquot annos eluderetur p. m. Card. Augustanus tandemque 
suflragia in praesentem Salentinum reciderint.“ StA. 227/3 fol. 16. 


Die Wahl Salentins von Ifenburg. 33 


und ihm behilflich zu fein. In diefem Falle wolle er alles daran 
fegen, jelbft feine Privateinkünfte nicht ſchonen, um das Erzitift 
wieder in beijeren Stand zu ſetzen, die alte wahre Religion zu 
handhaben, was dem Stift entzogen wieder herbeizubringen und 
allen weiteren Abbruch zu verhüten. Nicht ein Herr, ſondern ein 
Diener des Stift3 wolle er fein )). 

Wir werden jehen, wie Kurfürft und Kapitel ihr gegenfeitiges 
Deriprechen verftanden und hielten. Einftweilen begrüßten wenig: 
ſtens die katholiſch Gefinnten Salentins Wahl mit aufrihtiger Freude. 
Selbft Kardinal Truchſeß erklärte fih gegen feinen Freund, den 
bayriſchen Herzog, völlig zufrieden mit ihr: „Gott hab Lob, Dank, 
Ehr und Preis, ſchrieb er, und ich bin es herzlich erfreut worden, 
bon wegen daß ein gute Wahl ift und daß ich dieſer jchweren 
Bürde dadurch erledigt bin‘ ?). 


1) Das urfprüngliche Protofoll biefer Ansprache Salenting wurbe fpäter 
offiziell redigiert und dabei einigermaßen abgeſchwächt. So fiel 3. ®. bie 
Erklärung weg, daß der Ermwählte feine eigenen Einkünfte einſchießen wolle. 
In ihrer neuen Faſſung wurde bie Anfpradhe am 21. Februar 1568 im 
Kapitel verlefen und genehmigt. 

2) Im Jahre 1568 widmet Melchior Hittorp fein großes Titurgifches 
Sammelwert De divinis catholicae ecelesiae officiis ac ministeriis bem 
Kurfürften Salentin, ut quemadmodum te non solum civitas Coloniensis, 
sed universa dioecesis antea communibus vocibus unanimique consensu, 
non secus atque olim Ambrosium cives Mediolanenses, sibi dari episco- 
pum hoc, tam difficillimo tempore expetiverant et Reverendorum atque 
Ollustrium Ecelesiae Colon. procerum suffragiis electum sibique exhibitum 
nunc faustis acclamationibus congaudent et congratulantur: ita eandem 
ego electionem atque ad episcopatum legitimam vocationem, quam nullo 
ambitu factam et tu tibi ipsi es conscius et tota Colonia non ignorat, 
nosque propterea divinitus factam non ambigimus et omnia nobis felicia 
ex ea auguramur et audemus polliceri, gratulatione etiam aliqua quamvis 

‚sera prosequerer. . . . Auch der fromme Andernacher Ratsherr Ludwig 
Hillesheim fpricht in einem gebrudten Glüdwunfh die Hoffnung aus, daß 
unter Kurfürft Salentin bie Not ber katholifchen Kirche und bes Vollkes ge- 
mildert werbe: quamobrem, confirmata omnium ope, gratulatione publica 
excepta est virtus tua. Oratio gratulatoria cum narratione Psalmi LXIIII 
ad Reymum, „, D. Salentinum. Autore Ludovico Hillessemio Andernaco, 
Coloniae 1568. 


Loſſen, Köln. Krieg 1. 3 


3. Kapitel. 


Kurfürſt Salentins Anfänge. * 


Als Salentin von Fienburg durd die Wahl des 23. Dezem- 
ber 1567 auf den erzbiihöflihen Stuhl von Köln erhoben wurde, 
ftand er in jeinem jechsunddreißigften Lebensjahre. Won der 
äußeren Erfheinung des Mannes fünnen wir uns nad) Münzen 
und nah Berihten von Zeitgenoffen ungefähr ein Bild maden: 


* Quellen: Über Salenting Familie, Iugendgefhichte und Charakter: 
Fiſcher, Geſchlechtsreihe der ... Häufer Ifenburg, Wied und Runkel. 
Mannheim 1778. — Häberlin, Neueſte teutſche Reichsgeſch. VI, 103 
u. 346. — Scotti, Provinzialgeſetze, Z. Sammlung. Kurfürſtentum 
Köln I, Nr. 24. — Rhein. Antiquarius III, 1. ©. 478f. — 
Ennen a. a. O. IV, 642. — Münzen bes Kurfürften Salentin find 
abgebildet bei Köhler, Hiftor. Münzbeluftigung, IV. Th., ©. 185 und 
im Anhang von 3. St. Red, Geſch. der gräfl. und fürftl. Häujer 
Iſenburg, Runtel, Wied. Weimar 1825. Ein Salentinfcher Dufaten und 
verichiedene Thaler auch im Münchener Münzfabinet. Die Abbildung des 
heute nicht mehr fihtbaren Grabmales Salentins in ber ehemaligen 
Abtei Rommersborf bei Fifher a. a. O. zeigt Salentin als Greiß 
mit wenig veränberten Gefichtszügen. — Meine Eharafkteriftit Salentins 
entnehme ich hauptfächlich einem ausführlichen für den Herzog von 
Bayern gefchriebenen Berichte des trierifchen Rates Philipp von Naffau, 
aus bem Jahre 1569. „Bedenken Cöln Halb.” StA. 38/3 fol. 9; 
vgl. dazu Prinsterer 1. c. IV, 35sqg. und VII, 297. 
Gachard, Corresp. de Philippe IL, II, 277 und III, 162. — Be 
weile für Salentind Freude am ftarten Trunk in feinem fpäter zu er— 
mwähnenden Briefwechfel mit Graf Johann von Naſſau und fonft. — 
Was Hans von Schweinihen Denkwürbigfeiten, herausgeg. von 


Kurfürft Salentins Anfänge. 35 


eine ftattlihe Figur, im Ebenma dazu der Kopf mit dem hoben, 
vorne Schon fait fahlen Schädel, mit der ftarfen Adlernaſe und 
einem über die Bruft niederwallenden Vollbart; der Leib allzeit 
in mweltlicher Kleidung, am liebften in der Reiterrüftung. Geiſt— 
liche Tracht hat Salentin vielleiht nur einmal in feinem Leben 
angelegt — glei nad der Wahl, da er gemäß dem Herkommen 
im erzbiihöflihen Gewand den Eid leiftete und alsdann, im Dome 
auf dem Hodaltare figend, dem Klerus und dem Volt als Erz- 
biihof verfündigt wurde. Vor feinem Menjchen machte Salentin 
ein Hehl daraus, daß er fonderlihe Luft zu Kriegsſachen habe, 
und gar nicht zum BPfaffenftand. Seine Kammerwände waren 
mit Harniſch und Büchſen behängt; fein Hofgefinde mollte er 
„auf reiteriſch geputzt“ haben; er jelbjt und die Hofleute, gelehrt 
und ungelehrt, ritten auf Reifen, auch wo gar feine Gefahr, jtet3 
im Harnifh. Bon ſtarkem Trinken war er ein großer Freund, 
wie das derzeit zu einem tapferen deutihen Manne gehörte. Mit 
dem Cölibat jcheint er es nicht firenger genommen zu haben als 
die meiften anderen Geiftlihen der hohen Stifter. Nachmals, als 


9. Defterley, S. 106 von Salentin erzählt, laſſe ich auf feinem 
Wert oder Unwert beruhen. Gerabezu Anftößiges finde ich fonft von 
Salentin nicht berichtet. Vielleicht war feine Marime bie jo mander 
anderen Leute: si non caste tamen caute. — Galenting Freude 
an ber fhönen Kunft bekunden u. a. feine zablreihen Bauten. Ein- 
mal (2. Auguft 1574) madt ihm Graf Johann von Nafiau ein Bild 
(mergenbilt) zum Gejchent: „als demjenigen jo mir bewuft, das er bie 
funft des malens ober contrafeteur (!) lieb, und fchone bilder und gemelft 
gern ſehet“. — Im ber Natur richtete Salentin fein Augenmerk nicht 
nur anf das, was bamals für fehenswert galt (vgl. Strunck 
(Schaten), Annal. Paderb. III, p. 440), fondern aud auf Schönhei- 
ten, bie erft unfere Zeit recht mwürbigen lernte, 3. B. ben Königsſee bei 
Berchtesgaden, ben Salentin im Jahre 1575 aufſuchte. — Salentins 
gelehrte Bildung im geiftlicher und meltlicher Litteratur und Geſchichte, 
fowie feine Sprachentenntnis (lateinisch, franzöfifch, griechiſch u. f. mw.) 
rühmt Belman in ber zu Kap. 1 Anm. 9 erwähnten Wibmung, bie 
man freilich nicht buchſtäblich zu nehmen. haben wird. — Über Sa- 
lentins erfte Regierungshandlungen, befonders die Domfapitelprotofolle 
im DA. Bol. Merssaeus Cratepolius 1. c. p. 150sgaq. 
und Gelenius, De Coloniae Agripp. magnitudine 1645, 
3*+ 


36 Erſtes Bud. Drittes Kapitel. 


er längſt vefigniert und fi) verheiratet hatte, erinnerte ihn ein 
alter perfönlicher Freund und politiicher Gegner, Graf Johann von 
Naffau, Icherzend daran, daß er „je und allmwegen ein jonder 
Patron und Liebhaber der Frauen und Jungfrauen, doch etwas 
mehr der jungen und jchönen al3 der alten, gewejen, und hinwider 
bon denfelben auch viel Ehr, Liebs und Dienft empfangen‘. Den 
Geſchmack für die ſchönen Künfte teilte Salentin mit vielen jeiner 
Zeitgenoffen, den Sinn für die Schöne Natur mit wenigen. Die 
gewöhnliche gelehrte Bildung von damals hatte er auf verſchiedenen 
Schulen und Univerfitäten ſich angeeignet, ohne darüber feinen 
praftiichen Verſtand, den derben Mutterwig und die angeborene 
Beredfankeit zu verlieren. Viel Schlauheit und viel Luft an 
Ränken und feinen Liften ftecte unter dem polternden Weſen des 
groben Reitersmannes; mandmal freilich trug fein Jähzorn über 
alle Eugen Anfchläge den Sieg davon. Man meinte, das ſei ein 
Erbfehler der Familie: der Großvater und ein älterer Bruder 
feien „um ein gering Urjad von der Golera erhigt in einem 
Moment geſund und tot geweſen“. 


p. 76. — Über ben Streit um Kaiſerswerth Lacomblet, Archiv, 
Bd. IV. — Über Salentins Beziehungen zu Wilhelm von Oranien im 
Jahre 1568: Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Fr. II, 241. 244, 
255. Einzelne Korrefpondenzen hierüber auh DA. Kriegg- und 
Alianzverhandlungen, Nr. 9. — Über Salentins Streit mit der Stabt 
Köln: Ennen a. a. ©. IV, 588/599. — Über die Verhandlungen 
mit Rom wegen ber Konfirmation außer den Domfapitelprotofollen 
befonder8 die Korrefponbenz des Herzogs Albreht von Bayern mit 
Otto Truchſeß, teils bei Wimmer, Bertraulicher Briefwechſel ıc. 
(aus Steichele, Beiträge zur Geſchichte des Bistums Augsburg 
1851), teils RA. Hocftift Augsburg, Bb. IV. Einiges auch bei 
Laderchius, Annal. Eccles. Contin. Baronii, T. XXIII, p. 73sqq. — 
Salentins Inſtruktion für Eafpar Gropper und Wild. Quad StrY., 
Serie G, Nr. 679; Schreiben Groppers an Salentin (vom 17. Juli 
1568) daſelbſt G, Nr. 247 — beide Eopieen erwünſcht als Ergänzung 
der im DA. größtenteils fehlenden Korrefpondenz Salentins. StrY., 
Serie G, Nr. 202 u. 208 auch Driginallorrefpondenz des Kardi- 
nals von Augsburg mit Bifchof Johann von Straßburg, befien Kon- 
firmation betreffend. — Johann leiftet erft unter Papft Gregor XIII. den 
Trienter Eid. 


Kurfürft Salentins Anfänge. 37 


Gewiß niht eigene Neigung, fondern das Familieninterefie 
führte den jungen Salentin in den geiftlihen Stand. Sein Vater, 
Sraf Heinrich der Ältere zu Iſenburg und Grenzau, hatte drei 
Söhne und nur eine Heine verſchuldete und zum Zeil verjegte 
Grafſchaft, beſtehend in drei auseinanderliegenden Gebieten auf 
dem rechten Rheinufer: am Saynbach das alte mit Wied ge- 
meinfame Stammhaus Iſenburg, unweit davon die Burg Grenzau 
mit einigen zugehörigen Dörfern; weiter oben am Wefterwald das 
Städtchen und Schloß Herſchbach nebit ein paar Heinen Ortſchaf— 
ten im Zlußgebiet der oberen Wied; am Rhein die Burg Aren- 
fel3 wieder mit ein paar Dörfern. Dazu noch einige Zehnten 
und dergleihen Berechtigungen, — alles teils Allode, teils Lehen 
von Zrier, Köln, Kurpfalz, Fulda. Seine Gemahlin Margaretha 
Gräfin von Wertheim brachte ihm den Anſpruch auf einen Anteil 
an ein paar weiteren fuldiihen Lehen im Maingebiet zu, Schloß 
Breuberg und Dorf NRemlingen. 

Indem Graf Heinrih von Iſenburg feine beiden älteren 
Söhne Johann und Salentin in den geiftlichen Stand gab, ver= 
jegte er fie am eheften in die Lage, mittelft geiftliher Pfründen 
ſich felbft zu unterhalten. Der jüngite Sohn Anton blieb welt- 
lich; da er aber ſchon in jungen Jahren umkam, jo verzichtete der 
ältefte, Zohann, auf feine Domherrenpfründen zu Zrier und zu Straß- 
burg und heiratete eine Gräfin von Manderiheid-Schleiden, ftarb 
jedod ebenfalls Finderlos im Jahre 1567. — So war Salentin 
furz dor jeiner Wahl zum Erzbiſchof vegierender Herr zu Iſen— 
burg und Grenzau geworden. Außerft dürftig find die Nachrichten 
über feine Jugendjahre. Fünfzehn Jahre alt (1547), wurde er 
zugleich mit jeinem Bruder Johann an der Kölner Univerfität 
immatrifuliert; 1561, alſo im Alter von neunundzwanzig Jahren, 
finden wir ihn noch bei den Studien: ex bewirbt fid) damals beim 
Kölner Domkapitel vergeblih um Unterftügung für eine Studien- 
reife, vermutlich auf irgend eine franzöfiihe Univerfität. In— 
zwiihen hatte er die gewöhnliche geiftlihe Stufenleiter der vor— 
nehmen rheiniſchen Herren erftiegen. 1548 erhielt er eine Doms 


38 Erfte8 Bud. Drittes Kapitel. 


pfründe zu Mainz, 1552 ein Kanonikat am Kölner Dom. 1558 
fam er ins Donfapitel. Ein Bruder feines Vaters, Gerlach, 
war Dedant bei St. Gereon, der nächſt vornehmen Kölner 
Kollegiatkicche, gemweien; vermutlich bat diejer feinem Neffen die 
Nachfolge in der einträglihen Würde verſchafft. Auch im Hoch— 
jtift Straßburg, welches nur Edelherren, großenteil3 diefelben wie 
das Kölner Domkapitel, zu Mitgliedern hatte, wurde Salentin 
Kapitular, Später Domjcholafter, dann Domkuſtor. In feinen 
jüngeren Jahren ſchien er durch Familienbeziehungen eher auf das 
Erzitift Trier hingewieſen: feines Vaters zweiter Bruder Johann 
befleidete zu Trier verihiedene hohe geiftlihe Würden und wurde 
ſchließlich ſogar Erzbiſchof (1547); bei ihm war Salentin vor= 
und nachher teilweie erzogen worden. Aber Kurfürſt Johanns 
Regierung war für das Erzftift Zrier feine glückliche; auch jtarb 
er Schon im Fahre 1556, ohne daß ihm der Neffe in einer feiner 
geiftlihen Würden und Pfründen gefolgt wäre. — Vielleiht hat 
die befondere Bitterfeit, welche Salentin nachmals, al3 Graf von 
Sienburg und als Kölner Kurfürft, in feinen Irrungen mit Kur— 
trier an den Tag legt, in diefen alten Gejdhichten einen Grund. — 
Beſſer ging es ihm in Kurmainz und Kurköln. Als Gejandten 
des Mainzer Kurfürften finden wir ihn 1565 bei Kaiſer Ferdi- 
nands Erequien in Prag und bald danad) unter den Bilitatoren 
des Kammergerihtes. Am Hofe des Kurfürften von Köln find 
wir ihm im Januar 1566 begegnet. Das Kölner Domlapitel 
ordnet ihn in demfelben Fahre, neben Graf Georg von Wittgen- 
ftein, zum Augsburger Reichstag ab und erwählt ihn, im Januar 
1567, als deſſen Nachfolger zum Afterdehant. Kurz vor Kurfürft 
Friedrichs Nefignation erſcheint Salentin als fein und des Doms 
fapitel3 Vertreter mit einigen anderen Herren auf einem weſtfäliſchen 
Landtage; nachher ift er unter den zur Einnahme des Stiftes 
während der Sedisvalanz deputierten Domtlapitularen. — Das 
ift jo ziemlich alles, was wir über Salentin bis zu dem Augen— 
blicke wiſſen, da er als ermwählter Erzbiſchof die Zügel des geift= 
lichen und weltlichen Regimentes jofort mit kräftiger Hand ergreift. 


Kurfürft Salentins Anfänge. 39 


Salentin hatte gelobt, nad Möglichkeit das, was dem Stifte 
entzogen, wieder herbeizubringen; es währte nicht lange, jo fing er 
an, fein Verſprechen einzulöien. Ein paar Monate ſchon nad) feiner 
Wahl brachte er mit Hilfe des Domkapitel3, nad) dem Tode des 
Pfandinhabers, das jeit langer Zeit verpfändete Haus Erprath an 
der Erft wieder an das Erzſtift. Damit begann die ftattlicdhye 
Reihe von Einlöfungen verpfändeter Stiftägüter, welche einer dank: 
bareren Nachwelt Anlaß gab, dieſen Kurfürſten den Fundatoren 
und Donatoren der Kölner Kirche beizuzählen. Die ſchwebende 
Schuld betrug über 42,000 Zhaler; weit mehr noch die fundierte. 
Um die drängenden Gläubiger und Bürgen zu beichwichtigen, ließ 
fich der Kurfürft vom Kapitel zunächſt ermächtigen, eine Anleihe 
von 5000 Xhalern aufzunehmen ). in alter Zankapfel zwi: 
ſchen den herzoglihen Häufern von Gleve und Fülih und dem 
Erzitift Köln waren Stadt und Schloß Kaifersmerth mit dem 
einträglichen Rheinzoll, welche Erzbiihof Dietrih, einen Bruder: 
zwift im clevifchen Hauje benugend, im Jahre 1424 von Graf 
Gerhard von der Mark für 100,000 Gulden erfauft hatte. Die 
Herzöge von Gleve und Jülich betrachteten diefen Verkauf niemals 


1) Die gebräudlichften Geldforten in ber uns beſchäftigenden Zeit find: 
a) Bon Silbermünzen der Reihsgulden zu 15 Baten = 60 Kreuzer 
(1 Kreuzer = 2 bis 4 Piennige = 9 Heller); der Reichsthaler, wechſelnd 
im Kurs, durchſchnittlich 68 Kreuzer geltend. Er war am Rhein aud 
als Rechnungsmünze in Gebrauh und danı in 26 ganze ober 52 halbe 
Albus geteilt (1 Thaler = 4 bis 5 Mark heutige Reichswährung an Silber: 
gehalt, aber drei- bis fünfmal foviel an Gelbwert). b) Bon Goldmünzen: 
der Goldgulden = 14 NReichsgulben (75 Kr.); ber Dufaten = 14 Thaler (etwa 
104 Kr.; die Goldfrone etwa = MW Kr.). Daneben waren aber eine Menge 
andere reihsftänbifhe und auslänbifche Münzen in Umlauf, teilweife unter 
gleihen Namen wie die genannten Reihsmiünzen, mit fehr wechfelndem Kurs, 
jo daß es oft ſchwierig ift, gemau zur fagen, melde Münze gemeint ift. — 
Im Domtapitelprototoll fehlt bei den obigen Zahlen die Bezeichnung der Münze 
ganz. Ich nehme daher an, daß bie in Köln gebräudlichfte, der Thaler, ge= 
meint if. — Wie übel Salentins Vorfahren im Erzftift gehauft Hatten, 
erfieht man 3. B. daraus, daß Salentin fogar eine goldene „Bettzierabe” 
von Juden zu Deus um 200 Thaler einlöfen mußte. 


40 Erſtes Bud. Drittes Kapitel. 


als rechtskräftig; jegt wollte Herzog Wilhelm IV. den wertvollen 
Beſitz wieder einlöjen, ftieß aber bei Kurfürft Salentin auf hart— 
nädigen Widerftand. Die gegenfeitige Verftimmung zwiſchen Her— 
309 und Kurfürft wurde weiter dadurch genährt, daß fi Salentin 
jeines Selundarklerus in deſſen Prozeß gegen den Herzog energiſch 
annahm. Die Kölner Kollegiatlichen — der Clerus secundarius 
im Unterjhied von dem Domkapitel al3 dem Clerus primarius — - 
hatten ihre beften Einkünfte im Jülicher Land; der Herzog wollte 
fie für diefelben zu feinen Landſteuern heranziehen, fie proteftierten 
und führten gegen ihn am Kammergeriht Prozeß, wobei ihnen 
nun Kurfürft Salentin mit Rat und That zur Hand ging. 

Im Sommer 1568 erhielt Salentin Gelegenheit, zu zeigen, 
daß er auch in den großen politiihen Händeln feinen eigenen 
Meg gehen wollte. Wilhelm von Dranien jammelte damals ein 
Heer zu feinem erften Einfall in die Niederlande. Auf Eurtrieri= 
ihem Gebiet, bei der Abtei Rommersdorf im Engerögau, war der 
Mufterplag; die anziehenden Reiter und Knete berührten vielfach) 
auch das benachbarte kölniſche; das ging nicht ab ohne Räubereien 
und anderen Unfug. Das Kölner Domkapitel ſcheint der Anficht 
gewejen zu jein, das Stift werde am beiten durch Anſchluß an 
den Herzog von Alba oder wenigſtens an Jülich verteidigt; der 
Kurfürſt aber 309 vor, fein Land ſelbſt vor ftreifenden Notten zu 
ihügen und nahm deshalb ein paar Hundert Mann Reiter und 
Hafenshügen in Sold. Albas Anfinnen zu Maßregeln gegen 
Dranien ablehnend, ließ er fid) von dieſem ſelbſt, durch Vermitte— 
lung des Pfälzer Kurfürften, verſprechen, daß er fünftighin die 
Unterthanen von Köln und Zrier möglichſt verichonen wolle. In 
der That hören wir ſeitdem nichts mehr vom Übelhaujen des 
oraniſchen Kriegsvolfes. 

Aber nit nur des Stiftes Rechte und Intereſſen gegen außen, 
fondern ebenſowohl feine eigenen al3 Landesherr jowie al3 Graf 
von Iſenburg wollte Salentin gewahrt wiſſen. Wir jahen bereits, 
daß der vorige Kurfürft von ihm feine Zahlung jeiner Penfion 
erlangen konnte. Mit der Reichsftadt Köln erneuerte ſich der alte 


Kurfürft Salentins Anfänge. 41 


Streit über die hohe Gerichtsbarkeit Ihon in den eriten Monaten 
feiner Regierung. Dem Kapitel gegenüber waren des Erzbiichofs 
Rechte durch die Wahlkapitulation ſtark genug beichnitten. Salentin 
beftand zunäcdhit darauf, daß wenigſtens da, wo dieje einmal dem 
Domkapitel Pflichten zufhob, dieſelben auch erfüllt würden. 
Artikel 3 der Kapitulation beftimmte, daß der Erzbiichof feine 
wichtigen Sachen ohne Wiſſen und Willen des Kapitels verhandeln 
dürfe und darum ftet3 zwei Deputierte desjelben in feinem Rate 
haben ſolle. Das Kapitel hatte ficherlih nicht die Abficht ges 
habt, ji jelbit, jondern dem regierenden Herrn einen Zwang 
aufzulegen. Es war eine von den Beihwerden des Kapitels gegen 
Friedrih von Wied, daß er dieſer Verpflihtung nicht nachge— 
fommen. Nun aber forderte der neue Kurfürſt ſelbſt eine be= 
ftändige Deputation an Hof, und das Kapitel zeigte ſich jaumfelig, 
jei es aus Bequemlichkeit, ſei es, weil die Herren fürdhteten, durch 
den Aufenthalt bei Hof ihre Kölner Präfenzgelder einzubüßen. 
Im eriten Wahlartikel hatte der Gemählte verſprochen, baldigft, 
mit Rat des Kapitels, einen Weihbiſchof zu beitellen. Salentin zeigte 
alsbald dem Kapitel jeine Abjiht an, den Theologieprofeffor und 
Paſtor von St. Alban zu Köln, Theobald Craſchel von Aachen, als 
jolhen anzunehmen; das Kapitel wollte lieber den mit feiner Geneh- 
migung bereit3 von Friedrid von Wied vorgeichlagenen Domprediger 
Johann Walſchartz von Zongern; Salentin blieb aber bei jeiner 
Ernennung und das Kapitel gab nad. — Im geiftlichen Regi— 
ment handelte der Kurfürſt anfänglih ganz nad des Kapitels 
Wunſch, indem er häretiſche Prädikanten und Wiedertäufer zur 
Strafe 309; al3 er aber für das Frühjahr 1569 eine allgemeine 
Viſitation durd) den defignierten Weihbiſchof und ein paar fur 
fürftlihe Räte anordnete, meinte das Kapitel, vor erlangter 
Konfirmation gehe das nicht an. Dod fand man nachher, 
gleihiam als Erefutor früherer Reformdelrete und auf Grund der 
Zrienter Beihlüffe, könne Salentin allerdings PBartikularvifitationen 
abhalten; damit beihwichtigte man auch den Domdechanten, der 
ſich über Eingriffe in feine Rechte als Archidiakon von Soeſt und 


42 Erſtes Bud. Drittes Kapitel. 


Neuß beichwerte. — Bedenklicher für die Folge wurde eine Diffe- 
venz über den fiebenten Artikel der Kapitulation, gemäß welchem 
alle furfürftlihen Beamten dem Kapitel gegenüber auf die Wahl: 
artikel verpflichtet werden ſollten. Salentin erklärte, etlihe alte 
Räte wollten lieber ihren Dienft verlaflen, al3 dem Sapitel ver: 
eidigt fein; man möge fie ſtatt defien in Gegenwart der Kapitel- 
herren ihm und dem Erzitift den Eid leiften lafien. Die 
Sache blieb einftweilen in der Schmwebe, ebenjo eine Differenz 
wegen Neuordnung der furfürftlihen Regiitratur zu Bonn. — Im 
nächſten Fahre, 1569, famen neue Streitpunkte hinzu. Bor 
langer langer Zeit (1325) hatte ein VBorfahre Salentins das Haus 
Lahr (an der oberen Wied) dem Erzftift verpfändet; jekt wollte 
Salentin als Graf von Iſenburg dasjelbe wieder einlöfen, das 
Domkapitel aber meinte, das Haus jei längit Eigentum des Stifts 
geworden. — Das Kapitel ſeinerſeits forderte ziemlich barſch, der 
Kurfürſt jolle Verzicht leiften auf die Afterdechanei und die Doms 
tuſtorei, welche er no in Händen hatte; erft als Salentin feine 
erzbiſchöfliche Würde niederzulegen drohte, 309g man mildere Saiten 
auf und beſchloß, in diefen und anderen Sachen glimpflih zu 
handeln. 

Durch das Ausbleiben der päpftlichen Konfirmation waren zus 
nächſt freilih in geiftlihen Dingen dem Erwählten die Hände ges 
bunden; daß aber Übelmollende auch in rein politiichen ſich dar— 
aus eine Waffe gegen den regierenden Herrn machen konnten, hatte 
erſt jüngit Kurfürft Friedrich erfahren. 

Das kanoniſche Recht und die SKonfordate der deutichen 
Nation beftimmten, daß jeder ermwählte Biſchof und Abt 
binnen drei Monaten nad) Annahme der Wahl perjönlid oder 
durd) Gejandte um deren Beltätigung in Nom erjuchen müſſe; 
Erzbiihöfe mußten außerdem nod um das Pallium bitten ). 


1) Die Dekretale Papft Nikolaus’ III. Cupientes c. 16 in VIto de 
elect. I, 6, welche in den Konkordaten der deuifchen Nation von 1418—48 
ausbrüdlich beftätigt wird, verlangt fogar, daß erwählte Biſchöfe binnen 


Kurfürft Salentins Anfänge. 43 


Das Erfuhen um die Konfirmation pflegte gemeiniam von 
dem Erwählten und von den Wählern geftellt zu werden; von 
legteren, indem fie das früher erwähnte Protokoll der Wahl 
(Wahldekret) nad) Rom jandten. Da diefes von ſämtlichen Ka— 
pitularen unterjchrieben fein jollte, fo gab es leicht Verzögerung. — 
So aud diesmal. Salentin richtete deshalb ſchon am 1. Fe— 
bruar 1568 ein fehr ergebenes Entichuldigungsichreiben an den 
Papft, welches er durd) feinen Profurator, den Propft zu Bonn 
Dr. Kaſpar Gropper, damals Auditor an der römischen Rota, 
überreihen ließ. Pius V. antwortete, er habe bereit3 mit großer 
Freude von diejer guten Wahl vernommen; Salentin möge nun 
aud, zum Beſten der Kölner Kirche, baldigft thun was erforderlich), 
um vom Papſte fonfirmiert und danach zum Biſchof konſekriert 
zu werden, — mit anderen Worten, fi vor allem zum Prieſter 
weihen zu laffen. Dazu aber war Salentin — wie das Dom— 
fapitel bereit3 vor der Wahl recht wohl wußte, jedodh nicht dem 
Papfte geradezu ind Angefiht jagen mochte — mit nidhten ge— 
fonnen. Vermutlid in der Vorausſetzung, das Pius V. ſich nicht 
jo leicht zu einer Konfirmation ohne Konſekration verftchen werde, 
entzog jid) der von Salentin bereit3 nad) Rom abgeoronete Pries 
fterfanonifus Dr. Gotfrid Gropper, dem undankbaren Auftrag und 
überlieg denſelben feinen in Rom lebenden Mitverordneten, 
jeinem Oheim Dr. Kaſpar Gropper und dem päpftlichen Kämmerer 
Wilhelm Duad von Landskron. Sie wurden nun von Salentin 
ermädtigt, in Rom über jeine Perſon, Alter, Sitten und Studien, 
worauf man, wie e3 heiße, Dort jegt viel halte, jede gewünschte 
Auskunft zu geben, aud in feinem Namen ein Befenntnis des 


einem Monat nah Annahme ber Wahl fich felbft auf den Weg nad Rom 
maden oder ihren Bevollmächtigten ſchicken follen, um bie päpftlihe Kon— 
firmation zu erbitten. In ber Praris bielt man fich jedoch an die Be— 
fiimmung be8 cap. 6. „Quam sit ecclesiis “: Ceterum quivis electus infra tres 
menses post consensum, electioni de se celebratae praestitum, confirma- 
tionem electionis ipsius petere non omittat. — Über das Pallium: 
Hinſchius a. a. O. II, 23. 


44 Erſtes Bud. Drittes Kapitel. 


fatholiihen Glaubens zu beihwören. Dagegen follten fie ihm, 
außer feiner Konfirmation und der jeines dejignierten Weih— 
biſchofs, allerhand päpftliche Privilegien und Indulte verichaffen, 
u. a. das Recht, die Pfarreien im Erzitifte (außerhalb der Stadt 
Köln) zu befegen, das Recht der erften Bitte an alle Pfründen- 
verleiher in demſelben, das Privileg eines geborenen Legaten des 
apoftoliihen Stuhles und anderes mehr ). Die Zare für 
Konfirmation und Pallium ganz oder auch nur zur Hälfte oder 
ein Drittel zu bezahlen, ſei ihm bei der mehr al3 100,000 Gold= 
fronen betragenden Sculdenlaft jeines Erzitiftes durchaus un— 
möglich. 

Als Salentins Agenten dieſe ihre Inſtruktion dem Kardinal— 
proteltor der deutſchen Nation, Otto Truchſeß, vorlegten, fand er 
in ihr allerhand Bedenkliches: es fehlte der genauere Nachweis 
(Formal-Prozeß) über die kanoniſchen Eigenſchaften des Erwählten, 
es fehlte das ſpezielle Glaubensbekenntnis, worauf man jetzt in 
Rom ſo ſtrenge hielt; obendrein ſollte die Expedition gratis er— 
folgen, das heißt den Kurialiſten eine Einnahme von etwa 
10,000 Goldgulden entgehen, die ſie als ihr wohlerworbenes Recht 
anſahen 2). 


1) Nach beſtehendem Rechte hatte der Erzbiſchof im ganzen Erzſtifte gar 
feine Pfründen zu vergeben; die meiſten wurden durch die verſchiedenen Kölner 
Kollegiattirchen vergeben (vgl. 3. Buch, 1. Kap.). — Über das Jus primaria- 
rum precum Hinfhius a. a. ©. Il, 639. Hinſchius erwähnt jedoch ben 
Kölner Erzbifhof nicht unter denjenigen beutjchen Reichsfürften, welche biefes 
Recht beanipruchten. Daß man auch in Köln basfelbe nicht auf päpftliches 
Subult, fondern auf das Herlommen gründete, geht aus Salentins In— 
firuftion für Gropper und Quad hervor: diefelben follen Konfirmation ver- 
langen, „bweil auch unfere forfarn am erzftift altem Töblichen prauch nach uf 
alle und jegliche collatores unb collatrices jure consuetudinario ire pri- 
marias preces uf tügliche perfonen zu verleihen und daher auch ex abun- 
danti a sede apostolica confirmationes illarum precum zu erlangen pflegen.“ — 
Über das Privileg legati nati apostolicae sedis Hinfhius a. a. ©. 
I, 518 u. 612 und von ber bort angeführten Litteratur befonbers 
Sartori IL, 1. ©. 271ff. 

2) Döllinger, Beitr. zur polit., kirchl. und Kultur-Gefchichte der ſechs 


Kurfürft Salentind Anfänge. 45 


Uber das erite Bedenken fam man am leichteften hinweg: als 
die Agenten, am 16. Juli 1568, ihre zweite Audienz beim 
Bapfte hatten, gab diefer zu, daß Salentins Prozeß zu Nom 
formiert werde. Dagegen wollte fih Pius V. mit dem allzu 
allgemeinen Glaubensbefenntnis der Inſtruktion nicht begnügen, 
fondern beftand darauf, daß Salentin den Eid gemäß dem Zrienter 
Dekret in Köln ablege und dann die Urkunde, durch feine Unterichrift, 
ſowie fein und des Kapitel3 Siegel bekräftigt, nad) Rom überjende. 
Bezüglih der Taxe verſprach der Papſt mündlich möglichſten Nach— 
laß. Zugleich aber forderte er neuerdings, der Erwählte ſolle ſich 
baldigſt zum Prieſter weihen laſſen, um alsdann, nach Empfang 
der Konfirmation und des Palliums, auch zum Biſchof konſekriert 
zu werden. Bis dahin müſſe auch die Beſtätigung des Weih— 
biſchofs unterbleiben. Denn, ſagte Pius, ſo lange wir noch keinen 
beſtätigten Erzbiſchof haben, können wir ihm auch keinen Suffragan 
oder vicarius in spiritualibus et pontificalibus geben. — Die 
übrigen Punkte der Inftruftion Salentins blieben einftweilen un= 
berührt. Dieſer miündlihen Antwort entiprehend lauteten aud) 
die beiden Breven, welhe der Papſt an Ermählten und Kapitel 
richtete. 

So ftand man denn wieder vor derjelben Streitfrage, melde 
unter dem vorigen Kurfürften das Kölner Erzitift verwirrt 
hatte. Ob aud der Ausgang wieder der gleiche fein werde — 
das hing zunächſt von der Perſon des Erwählten ab, der ein= 
zigen, welche in diefem Streite gewechjelt hatte. Das Domkapitel 
machte bereit? Miene zu einem ähnlichen Verhalten wie unter 
Friedrih von Wied. Als ihm die Sache zu Anfang des Jahres 
1569 vorgelegt wurde, ſchob e3 die Entſcheidung hinaus; naher 
verftand e3 fi) zwar dazu — auf Betreiben des Domſcholaſters 


legten Jahrhunderte, Bb. II, S. x u. 79. Sartoria.a. O. I, 2. ©. 307 
giebt al8 Durchſchnittsſtaxe für die Konfirmation des Kölner Erzbiſchofs fogar 
20,000 Seubi an; bie Abgaben fir das Pallium berechnet er $ 524 auf 
30,000 Gulben. 


46 Erfte8 Buch. Drittes Kapitel. 


Johann von Manderiheid, der jegt als erwählter Biſchof von 
Straßburg in ähnlicher Lage war wie Salentin — zugunften feines 
erwählten Herrn an den Kaiſer und an den Sardinal von Augs— 
burg zu jchreiben, ſetzte aber in die Briefe allerlei verfängliche 
Klaujeln: fie jeien erbötig, der päpftlichen Heiligkeit zu gehorchen, 
wollten aber auch den Kurfürften „der Gebür berichten‘, mit 
anderen Worten auch ihn zum Gehorjam ermahnen. Salentin 
nahm das übel auf, ließ ſich aber in jeinem Entſchluſſe nicht irre 
mahen. Schon am 1. Januar 1569 berichtet Dito Truchſeß 
aus Rom an den Herzog von Bayern: „Der Ermwählte von 
Köln hat gar trogig hierher geichrieben und ſchlägt gar ab, die 
Profeifio fidei zu thun, die Konfelration und die Zare weder 
biel noch wenig, darob ihr Heilt nit unbillig gar übel zufrieden; 
und, jopiel zu merken, wird ihr Heilt ihn gar nit fonfirmieren 
fonder auf Mittel und Weg traten, wie er möchte priviert 
und ein ander eingejeßt werden. Miünpdli äußerte ſich Sa— 
fentin noch trogiger: was die Profeffio fidei angehe, mwolle er 
feine Neuerung machen; er gedenfe nicht beharrlich beim Stift zu 
bleiben, jondern fein Geſchlecht, das auf ihm beftehe, zu erweitern; 
fein Schmier oder Salbe folle ihm auf den Kopf kommen; für 
die Konfirmation gedenfe er feinen Gulden nah Rom zu jchiden. 
Im Kapitel jei feiner, den Kaiſer oder Papft ihm vorziehen 
möchten; jo müſſe man ihn leiden, wenn er aud nicht leifte, was 
ihm der Papft auferlege — und dergleihen Reden. 

Pius V. mochte für feine Perſon geneigt genug fein, rüd- 
ſichtslos einzufchreiten; doch gab es auch Leute an der Kurie, 
welche die gefährlichen Folgen beifer bedadten. Wohl hatte man 
ichon eine ziemliche Anzahl von neugewählten deutihen Biſchöfen 
durch diefe und jene Motive dahin gebraht, das Trienter Glau— 
bensbefenntnis zu beſchwören: außer dem Zrierer Erzbiſchof die 
Biihöfe von Lüttich, Münfter, Regensburg. Auch der Poftulierte 
von Minden war bereit dazu. Aber das waren meiftens Leute, 
die entweder nicht die Macht hatten, Rom ſich zu mwiderjegen oder 
denen die päpftlihe Beftätigung jolhen Vorteil bradte, daß fie 


Kurfürft Salentins Anfänge. 47 


aud einige Unannehmlichkeiten mit in den Kauf nahmen. Jetzt— 
aber jekte no ein anderer Graf des Reiches, der am 26. Ja— 
nuar 1569 zum Bilhof von Straßburg gewählte Johann von 
Manderiheid, den römiſchen Anſprüchen, wenn aud nicht wie 
Kurfürft Salentin ein offenes Nein, jo doch ſehr durchſichtige 
Ausflüchte entgegen. Falls fie beide dem Gehoriam gegen Rom 
fih ganz entziehen wollten, konnte es ihnen an Bundesgenoffen 
nicht fehlen. Graf Johanns Familie und er jelbft ftanden ohne— 
bin im Verdacht häretiiher Neigungen; dennoh war er nur mit 
ſchwacher Majorität gegen einen offen proteftantiihen Mitbewerber, 
den Bruder des Pfälzer Kurfürften, Pfalzgraf Reichard von 
Simmern, gewählt worden. Allerdings ſuchte Johann in Rom 
um die Konfirmation nad, fein Kanzler Dr. Welfinger verficherte 
auch dort, jein Herr fer gut fatholiih ; aber jahrelang richtete der 
Kardinal von Augsburg vergeblih Droh⸗ wie Schmeichelbriefe an 
Johann, um ihn zu bewegen, eigene Gelandte nah Rom abzu= 
ordnen und den Trienter Eid zu leiften. Inzwiſchen blieb er 
zwar unbeftätigt, half fi) aber, wie andere Biichöfe, durch kaiſer— 
fiche Lehensindulte über die nächften Schwierigkeiten hinaus. — Aud) 
Kurfürft Salentin wandte fih zunähft an den Kaiſer, und für 
ihn Scheint Marimilian ein regeres Intereſſe bethätigt zu haben, 
al3 in der gleichen Lage für feinen Vorgänger, — vielleiht eben 
nur, weil Salentin jelbit ein anderer Mann war als jener. Der 
faiferlihe Drator an der Kurie, Graf Proiper von Arco, erhielt 
Befehl, den Papft von übereilten Schritten abzubringen ; aud König 
Philipps Vermittelung wurde in Anjprud genommen; Marimiltan 
ſchrieb jelbit an einzelne Kardinäle, zulegt an den Kardinalprotektor 
Otto Truchſeß, dem man bei Hof in diefer Sache nicht traute. 
Man warnte ihn deutlich genug vor jeder Zeilnahme an einem 
Vorhaben, welches ganz und gar ungereimt, den Statuten des 
Kölner Erzitiftes und anderem hoch zumider ſei. — Wirklih be 
mühte fih der Kardinal nunmehr (im November 1569) und ſchon 
jeit einiger Zeit im Sinne des Kaiſers für einen gütlihen Aus— 
gleih: etwa den, daß Salentin die Profeſſio fidei leifte, der Papft 


48 Erfte8 Bud. Drittes Kapitel. 


aber auch ohne Konfekration ihn beftätige; — anfänglidy aber war 
Dito Truchſeß dod nicht jo ganz unſchuldig geweien, wie er ſich 
jegt dem Kaifer und dem Kurfürften gegenüber den Anſchein gab. 
Denn von ihm felbft wurde zuerſt der Gedanke ausgeiprochen, 
Pius V. könne den jekigen Erwählten von Köln privieren und 
hierauf motu proprio an jeine Stelle den vierzehnjährigen Her: 
309 Ernſt von Bayern ernennen, den dann die Leute des 
ſpaniſchen Königs in den Beſitz des Erzftiftes zu ſetzen hätten. 
Otto Truchſeß Hatte feine Mitwirkung zu diefem Projekt dem 
bayriichen Herzog angeboten; dieſer aber miderriet jede Gewalt, 
wenngleich auch er feinen Sohn gern auf den Kölner Stuhl er- 
hoben gejehen hätte, jei es nun auf dem Wege, daß der Kardinal 
jelbft Erzbifhof wurde und jenen alsdann zum Koadjutor annahm, 
jet e3, indem alle Beteiligten, Kurfürft ‚und Kapitel, Papft und 
Kaifer, übereinfamen, feinem Sohne die Adminiftration zu über- 
tragen, oder endlich dadurch, daß Salentin jelbit nod einige Zeit 
weiter regierte und dann den inzwiihen zum Mann heranwachſen— 
den Knaben zu feinem Koadjutor und Nachfolger machte. 

Der Gedanke an die Nachfolge des jungen Herzogs von 
Bayern lag an ſich nahe genug. Neben dem Kaiſerhauſe war das 
bayriiche faſt das einzige entidhieden katholiſche Fürftenhaus im 
Deutichen Reihe; Herzog Ernſt, Albrechts jüngfter Sohn, gehörte 
bereit3 dem geiftlihen Stande an, mar ſeit ein paar Jahren 
Adminiftrator des Stiftes Freifing, auch ſchon Kanonikus im 
Kölner Domftift. Bereits während des Streites zwiſchen Friedrich 
von Wied und jeinem Domkapitel hatte man feiner mehrmals ges 
dacht. — So empfahl im Sommer 1567 Kardinal Commendone 
der Kurie, in der Kölner Sache namentlid) den bayriichen Herzog 
zurate zu ziehen, da diefer ohnehin wünſche, daß fein Sohn mit 
der Zeit dort Erzbiihof werde. Schon ein Jahr vorher hatte der 
furkölniihe Kanzler Dr. Burkhart dem bayrischen Herzog im Ver: 
trauen angedeutet, wie diejer feinem Sohne die Bonner Propftei 
und dadurd Gelegenheit verihaffen fünne, nah Köln und nad) 
Lüttich zu fommen. „Denn“, meinte Burkhart, „mich dünkt nunmehr, 


Kurfürft Salentins Anfänge. 49 


omnibus circumstantiis consideratis, die Fürften und Fürften- 
mäßigen von den hohen Häufern werden die Erz- und Stifter 
müſſen erhalten. Eo ventum est‘) Nunmehr, im Jahre 
1569, wurden diefe Wünſche zum beftimmten Plan. Was für 
und gegen ihn geſchieht, macht in den folgenden zehn Jahren den 
wichtigſten Zeil der Geſchichte des Erzftiftes Köln aus. — Es 
ift nötig, ehe wir auf diefe Dinge eingehen, die kirchliche und po= 
litiſche Stellung des Haufes Bayern, fowie die Perjonen der 
beiden Herzöge Albrecht und Ernft ins Auge zu fallen. 


1) Kanzler Burkhart an Herzog Albrecht. Bonn, 19. September 1566. 
StA. 38/2. fol. 68. Auf biefen Brief Hin Tieß Herzog Albrecht durch feinen 
römischen Agenten Eaftellino bei Dr. Kafpar Gropper heimlich anfragen, ob 
biefer vielleicht gefonnen fei, feine Bonner Propftei zugunften eines großen 
Herrn zu refignieren. Gropper Hatte aber Heine Luft. Caftellinius an 
Herzog Albredt. Rom, 29. Oft. 1566. RX. Freifing, Nr. 76. fol. 176. 


Loſſen, Köln. Krieg 1. 4 


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weites Bud. 
Herzog Ernft von Bayern. 


4% 


1. Kapitel. 
Die bayrifche Politik unter Herzog Albrecht V.* 


Geraume Zeit ſchon, ehe unfere Geſchichte beginnt, hatte das 
Haus Bayern in der allgemeinen Zagesfrage, der kirchlichen, auf 
Seite des Papftes Stellung genommen. Es war nicht immer 
jo geweſen. Bald nad Antritt feiner Regierung hatte vielmehr 
Herzog Albrecht perfönlih zum Paſſauer Vertrag mitgeholfen; 
naher auch zum Augsburger Religionsfrieden, durch melden die 
bon Rom für die ganze Welt geforderte Kircheneinheit für das 


*Quellen: Das Leben Herzog Albrechts V. und befonbers feine Kirchliche 
Politik ift zuletst zu Anfang ber vierziger Jahre, infolge einer von ber 
Univerfität München 1841—1842 geftellten Preisaufgabe, fpeziell be- 
arbeitet worben. Drei Bearbeiter, Ked, Jungermann und Wim- 
mer, wurben mit bem Preis gefrönt. Die nachher gebrudten Preis- 
fchriften ber beiden erften Haben feinen felbftänbigen Wert; bie britte, 
von welcher ein Bruchftüd veröffentliht wurde — Fr. Wimmer, 
Die religiöfen Zuftände in Bayern um bie Mitte bes fechzehnten Jahr- 
bunberts, München 1845 (auch im Oberbayer. Archiv VII, ©. 45/96) — 
zeichnet fih aus durch ausgebehnte Litteraturnachweife und bat auch 
ungebrudte Duellen benutzt. — Border fhon war das fleifige aber 
tendenziöfe Bub von ©. Sugenheim, Bayerns Kirhen- unb 
Bollszuftände im fechzehnten Jahrhundert, Gießen 1842 erfchienen, 
fowie das auf tüchtigen Studien und guter Einficht beruhende, aber 
ebenfalls nicht unparteiifche Buch von C. M. Freiherr v. Aretin, Ge- 
ſchichte Marimilians L, erfter (einziger) Band, Paſſau 1842, befien 
größere Hälfte mit Herzog Albrecht V. fich beſchäftigt. Aretin bat viele 
Münchener Archivalien benutzt. — Ich babe bie von biefen Vorgängern 
benugten gebrudten Ouellen ſämtlich durchzuſehen geftrebt, bin dagegen 


54 Zweited Bud. Erftes Kapitel. 


Deutihe Reich thatjächlih aufgehoben wurde. An der Kurie be— 
trachtete man dieſe Mithilfe des bayrischen Herzogs wie einen 
Abfall von den ruhmreichen Überlieferungen feines Haufes. Doc 
faßte man ſchon im nächſten Jahre wieder eine bejfere Meinung 
bon Herzog Albreht, da er den Jeſuiten an feiner Univerfität 
Sngolftadt ein mwohlausgeftattetes Kollegium errichtete *). Einige 
Sahre ipäter (1559) konnte die Geſellſchaft ein zweites Kolleg 
in Bayern gründen, in der Reſidenz Münden, ein drittes folgte 
dann in den fiebziger Jahren zu Landshut. 

Mittlerweile hatte die Hoffnung, durch die Prieſterehe die 
fittlihen Gebrechen des deutichen Klerus zu heilen und durch den 
Laienkelch den religiöjen Zwiefpalt zu heben, Wurzel in meiten 
Kreifen geichlagen, welche ſich vordem gegen die lutherifche Reform 
feindlid) verhielten. Selbft Kaifer Ferdinand, über deifen katho— 


in meinen arhivalifchen Forſchungen nicht bis auf bie in dieſem Kapitel 
behandelten Ereignifje zurüdgegangen. Daher berührt fich meine Dar- 
fiellung vielfach mit der von Aretin. — Über bie Kataftrophe von 
1563/64 haben 305. Ferd. Hufhberg, Geſchichte des Gefamt- 
hauſes Ortenburg, 2. Teil, Suljbah 1825; M. v. Freyberg, 
Geſchichte der bayrifchen Landftände, 2. Band, Sulzbach 1829, und 
3. Buehl in feinem fhönen Auffag: „Das Verfahren Albrechts V.... 
gegen ben Grafen Joachim von Ortenburg und einige andere Land— 
fafien” im Oberbayer. Archiv, 2. Band, S. 234 ff. (Münden 1840), 
viel interefiantes Material aus bayrifchen Archiven veröffentlicht, doch 
bleibt eine auf ausgebehnteren Forſchungen beruhende Unterfuchung 
Bebirfnis. 


1) Am 8. Suni 1556 ſchreibt Ignatius von Loyola an Herzog Albrechts 
Sekretär Schweider: „Inter alias causas, cur properavimus collegium 
Ingolstadium mittere ante fervorem aestatis illa etiam fuit, ut sinister 
quidam rumor, qui post Augustanam diaetam in Urbe eoepit increbescere, 
ac suspiciones non vulgarium hominum, contrario veritatis experimento, 
statim sopirentur: qui enim nostrae congregationis homines evocari, 
collegiumque eis ab Illmo principe Ingolstadii constitui audiunt, quan- 
tum a scopo aberraverint, cum nescio quag prius suspicarentur ac dic- 
titarent, facile intelligent.“ Ign. Agricola, Hist. provinciae S. J. 
Germaniae sup. I, 34 (Agricola ift Hauptquelle für Lipowsky, Gefchichte 
ber Yefuiten in Bayern, 1. Teil, 1816). 


Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 55 


liſchen Eifer nicht der leifefte Zweifel obwaltete ?), erachtete dieſe 
beiden Konzeſſionen als unvermeidlih, um weiteren Abfall von 
der alten Kirche zu verhüten. Ganz ähnlich wie in feinen Erb: . 
landen lagen die Dinge in Bayern. — Daß Herzog Albrecht 
für fichlihe Neuerungen oder Reformen jemals eine perjönliche 
Vorliebe gehabt hätte, wird ſich ſchwerlich erweiſen laſſen. Er 
war katholiſch, wenn man will jelbjt Fromm, in der Weiſe feiner 
Vorfahren, zu der Zeit da es noch feine Protejtanten gab. Täg- 
lich hörte er feine heilige Mefje ?), hielt die kirchlichen Abſtinenz— 
tage oder ließ fih do von ihrer Beobachtung dispenfieren; an 
Abläſſen, Prozeſſionen, Wallfahrten hat er wohl niemals Anſtoß 
genommen und auch felbit, in ſpäteren Jahren wenigftens, an der= 
gleihen ſich beteiligt. Jedoch jcheint es nicht, daß ihm von all 
diefen Dingen etwas Herzensjahe gewejen wäre. Seine wirk— 
lichen Leidenschaften, über denen er alle Staatsgefhäfte liegen 
ließ, waren die Jagd, die Mufif und etwa nod) die Schöne Kunft. 
Er hatte wohl Hofprediger, aber feinen ftändigen Beichtvater, wie 
er dod nad) der neuen bejonders durd die Jeſuiten gepflegten 
Richtung im Katholicismus für jeden Fürften unentbehrlich jchien. 
Perſönliche Gehäfjigfeit gegen Andersglaubende lag nicht in Albrechts 
Weſen. Zu jeines Vaters ‘und feines Oheims Zeit war in 
Bayern mit Feuer und Schwert gegen Wiedertäufer und andere 
Keger gewütet worden; unter Herzog Albrecht hat, ſoviel wir 
willen, niemand um des Glaubens willen den Zod erlitten. 

Bei folder Geſinnung des Herzogs wurde es Firchenfeindlichen 
Beitrebungen leiht, in Bayern einzudringen und aufzufommen. 


1) Kardinal Commendone urteilt (Februar 1563) über Kaifer Ferdinand: 
„Jo tengo per fermo, l’animo di sua Maestä essere cosi buono, che, se 
si potesse dividere la sua bontä fra li prineipi ecelesiastici et seculari di 
Germania, bastarebbe assai per restituire la religione catholica in quella 
provineia.“ Lagomarsinil.c. III, 242. ° 

2) Die Thatfache wird im den meiften gebrudten Leichenreden auf Herzog 
Albrecht rühmend erwähnt. Der Jeſuit Gregorius de Balentia verwahrt 
babei den Herzog gegen bie Unterftellung, daß biefer etwa ber ſchönen Mufit 
zuliebe dem Gottesbienft beigewohnt habe. 


56 Zweites Bud. Erſtes Kapitel. 


Schon im Jahre 1553, auf einem Landtage zu Landshut, traten 
die beiden weltlichen Stände mit dem Wunſche hervor, daß die 
. reine, das hieß die evangelifche Lehre gepredigt und das Sakra— 
ment des Altar3 unter beiden Geftalten gejpendet werden dürfe; 
fie beichwerten ſich weiterhin über gewiſſe Anjchläge, welche darauf 
abzielten, eine Inquifition in Bayern einzuführen. Diejem legten 
Verdacht miderfprad der Herzog voll Unmillen, übrigens aber 
verwies er wegen der Religionsſachen, welche das ganze Reich be= 
rührten, auf die Bejchlüffe einer künftigen Synode oder eines 
Reihstages. Einige Wochen jpäter, bei einer zu Mühldorf ab- 
gehaltenen Verfammlung mehrerer geiftlihen und weltlichen Stände 
der Salzburger Kirchenprovinz, ſprachen und ftimmten des Herzogs 
Näte für milde Behandlung der Abgewichenen und gegen jede 
Inquifition. — Es war die Zeit, da Herzog Albrecht mit anderen 
deutichen, teilweiſe proteftantiihen Fürften gegen Kaifer Karla 
Succejfionspläne und für Handhabung des Paſſauer Vertrages 
verbündet war ?). 

Beim nächſten Landtage, im März 1556 zu München, wieder- 
holten die weltlihen Stände nod) ungeftümer ihre religiöfen 
Forderungen. Da die Prälaten über diefe Dinge nicht mit ver- 
handeln wollten, jo gingen die beiden anderen Stände für ſich 
allein vor; neben der allgemeinen Bitte, dak das Wort Gottes 
nach bibliiher Lehre rein verkündet werde, hatte man einige bes 
iondere Wünſche: die Priefterehe jolle erlaubt, das Abftinenzgebot 
aufgehoben, der Laienkelch gejtattet werden. Ein paar Wochen 
lang fträubte fi der Herzog. Aber er brauchte Geld, um feine 
Schulden zu deden und feinen Oheim Herzog Ernſt, den früheren 
Biihof von Paflau und Salzburg, abzufinden, damit diefer nicht 
neuerdings Anſpruch auf die Mitregierung erhöbe, — und die 
weltlichen Stände ließen ſich nicht einmal auf die Erörterung 
feiner Propofition ein, ehe fie auf ihre Petition Beſcheid hätten. 


1) Stumpf, Diplomat. Gef. des Heibelb. Fürftenvereins 1553 —1556 
in ber Zeitfchr. für Bayern, 2. Jahrg., 3b. II, 1817, 


Die bayrifche Politit unter Herzog Albredt V. 57 


So verjtand fi denn der Herzog am Samstag vor Judica, 
21. März 1556, zu folgender Dellaration: die Kommunion unter 
beiden Geftalten wird fogleih und unerwartet des Reichstages 
jedermann geftattet, ebenjo der Genuß des Fleiſches an Fafttagen 
jenen, die fi dazu gezwungen fühlen. Der Herzog will an feine 
Regierungen hierüber Befehl erlaffen und ſich aud mit den 
Biſchöfen benehmen, jedoch feinen Pfarrer zwingen, aud) nicht den 
Öffentlichen Fleiſchverlauf zu verbotenen Zeiten geftatten. Wegen 
taugliher Seeljorger, die das Wort Gottes rein und lauter, nad) 
dem Verſtand der allgemeinen apoftoliichen Kirche, verkünden, wird 
mit der geiftlichen Dbrigfeit gehandelt werden). — Man ftritt 
noch etwas über die Auslegung einzelner Sätze diejer Deklaration ; 
einftweilen aber verftanden ſich nunmehr die Stände gutwillig zur 
Abfindung des Herzogs Ernſt und zu einigen weiteren Zahlungen 
an Herzog Albredt. 

Im Dezember des folgenden Jahres (1557) I der Her= 
309 feiner Schulden wegen die Landftände ſchon mieder ver— 
jammeln. Sofort begegneten jie ihm wieder mit Religionsbe— 
ſchwerden: die Deklaration hatte man, aber nur wenige Priefter 
famen ihr nad; deshalb möge ſich der Herzog mit den Biſchöfen 
dahin benehmen und feinen Beamten befehlen, dab feinem die 
beiden Geftalten verweigert oder daß mwenigitens Priefter, die zu 
ihrer Spendung willig, geihligt würden. Der: Herzog beriprad) 
mit den Biihöfen zu unterhandeln, aber zu einer Ausdehnung 
jeiner Deklaration lieg er fi) diesmal nicht drängen; dagegen 
beritand er fih dazu, die politiichen Freiheiten der Landſtände zu 
erweitern, welche dafür des Herzogs Schulden zum größten Zeil 
übernahmen. 


1) Das Ausfchreiben des Herzogs vom 31. Mär; 1556, mwoburd ben 
Regierungen die Deflaration vom 21. März eröffnet wird, ift anflatt einer 
Borrede zu [Rrenner?]) Der Landtag im Herzogtum Bayern vom Jahre 
15570. O. 1803 gebrudt. — Im Eingange ‚verwahrt fi Herzog Albrecht 
dagegen, daß feine Deklaration oder Berfiherung vor Strafe und Ungnabe 
etwa als Bewilligung oder Zulaffung gedeutet werde. Auch fonft erfcheint 
in dem Ausfchreiben bie Deklaration fo weit als möglih abgeſchwächt. 


58 Zweite Buch. Erftes Kapitel. 


Aber die Schuldenlaft wuchs danach wieder Jahr um Jahr. 
Albrehts natürliche Neigung zu Prunk und Pradt war noch 
genährt worden durch jeine Ehe mit der Erzherzogin Anna von 
Dfterreidh, der Tochter des Königs, dann Kaifers Ferdinand. Kein 
König hätte ji) des Aufwandes zu ſchämen brauchen, der am bayri= 
ſchen Hofe herrſchte; auch die fünftleriichen Lichhabereien des Herzogs 
fojteten viel Geld ). Dazu famen nod) bejondere Gelegenheiten zu 
größeren Ausgaben: ein Reichstag, Reifen nad) Wien und nad) Prag 
zu Familienfeſten, nad Frankfurt zur Königswahl, Beſchickung des 
Zrienter Konzils und anderes mehr, jo daß man ſchließlich die 
Zanditände wieder berufen mußte. Am 16. März 1563 wurde 
jener Landtag zu Ingolſtadt eröffnet, von dem man gewöhnlich, 
wie es jcheint mit Recht, den Umſchlag in Herzog Albrechts kirch— 
licher Politik datiert. Heftiger als früher aber nicht mehr fo ein- 
mütig forderten. die weltlichen Stände die Abftellung ihrer reli— 
giöſen Beihwerden. Während aber die große Mehrheit nur 
darauf beitand, daß die Deklaration von 1556 beſſer als bisher 
durchgeführt werde, fand eine Minderheit der Landſaſſen, dreiund— 
bierzig an der Zahl, mit der Deklaration ſei nichts ausgerichtet, 
man müſſe die Freiftellung der Augsburger Konfeſſion fordern. 
Es waren darunter angejehene und aud tüchtige Leute: vor allen 
Pancraz don Freyberg, Herzog Albrechts früherer Hofmarſchall, 
welcher unlängft der Religion wegen den Hof in halber Ungnade 
verlaffen hatte: „ein gejchieter, ernftlicher, fleigiger und arbeit 
jamer Mann‘, jagt Wiguleus Hund von ihm, „der außerhalb 
der Religion feinem Herren und dem Hof ſonſt wohl angeitanden ‘; 
ferner zwei Männer, die als Beſitzer reihsunmittelbarer Herr 


1) Die Kunftbeftrebungen am bayrifhen Hofe unter Albreht V. und 
Wilhelm V. bat zuletst, übrigens fehr flüchtig, I. Stodbauer (Wiener 
Quellenſchriften, 1874) behandelt. Außer ben von Stodbauer und vor 
ihm ſchon von Freiberg und von Ehrift benusgten 5 Bänden des Münchener 
NReihsarchives enthalten aud die politifhen Korreipondenzen des Herzogs 
Albrecht, namentlih mit Kardinälen und römifhen Agenten, zerftveute No» 
tizen über feine Kunftiammlungen. 


Die bayrifche Politif unter Herzog Albrecht V. 59 


ihaften fich mehr herausnehmen durften als andere: Graf Joachim 
von Drtenburg und Wolf Dietrih von Marlrain, Freiherr zu 
Waldeck, den derjelbe Dr. Hund einen „verſtändigen, ehrlichen und 
wohlhaujenden Herrn‘ nennt, „der einem großen Herren, da fie 
einer Religion, wohl einen ftattlihen Diener geben hätt.“ Doch 
fanden ſich unter den Wortführern aud Leute von anderen Schlag, 
wie der Schuldenmacher Oswald von Ed, des Kanzlers Leonhard 
ungleiher Sohn ). — Gegen diejenigen, welche ſich nur auf feine 
eigene Deklaration beriefen, zeigte ſich Herzog Albrecht ziemlich 
nachgiebig, wenigſtens bezüglich des Laienfelhes, um deſſen Zus 
laſſung er jelbit, gemeinfam mit Sailer Ferdinand, eben damals in 
Trient und in Rom fid bemühte. Er veriprad dafür zu jorgen, 
daß, falls bis nächſten Johannis von dort feine oder eine ab— 
ihlägige Antwort komme, dennod der Gebraud) des Keldyes, jedoch 
während der Meile, nad) abgelegter Beichte und ohne Ärgernis 
der Übrigen, zugefihert werde. Um fo ſchroffer trat er dann aber, 
nachdem er die Utraquiften al3 die Majorität zufrieden geftellt, 
gegen die Konfefjioniften auf). Aus Straubing und Stadt am 
Hof waren einzelne Bürger wegen ihres lutheriichen Bekenntniſſes 
ausgemwiejen worden; troß der Yürbitte der Stände bewilligte der 
Herzog nichts als eine Verlängerung des Termins zum Verkauf 
ihrer Güter. — Die Stände winihten, daß die Deklaration von 


1) Über Freyberg und Maxlrain: Wiguleus Hund, Bayrifh Stammen 
Buh ber ander Teil, Ingolftabt 1586, ©. 99 u. 157. Bei ber 
Stammtafel der Grafen von Drtenberg a. a. O., ©. 13ff. erwähnt Hunb 
mit feinem Worte ihrer Streitigkeiten mit Herzog Albrecht. über Oswald 
von Ed: Hundes Stammenbuh, 3. Teil, bei Freyberg, Sammlung 
biftorifcher Schriften und Urkunden III, 288. 

2) Bei Freyberg, Lanbftände II, 355 ift unter den „ungebührlichen 
aufrührerifchen Reden” auf dem Landtage von 1563 auch folgende von Achaz 
von Laiming verzeichnet: „Die Decimation feie ein recht Gift, das ber 
Papft zu Berblendung des Fürften ausgegofien.” — Ob etwa ein urfächlider 
Zuſammenhang befteht zwifchen dem am 16. Mai 1562 von Papſt Pius IV. 
dem bayriſchen Herzog bewilligten Kichenzehnten und Albrechts ſchroffem 
Auftreten gegen bie Konfeffioniften im Jahre 1563? 


60 Zweites Bud. Erſtes Kapitel. 


1556 weiter ausgelegt werde; der Herzog ließ antworten, wenn 
man Neuerungen fordere, werde er die Deklaration jelbjt wider: 
rufen. — Die Stände baten, der Herzog möge denjenigen Land— 
jaflen, welche der Augsburger Konfeffion anhingen, feine Ungnade 
bemweijen; Herzog Albrecht erwiderte, daß er gemäß dem Religions- 
frieden nicht ſchuldig und aud nicht gemwillt jei, andere Religionen 
in feinem Fürftentum zu dulden. — Für die vom Adel war des 
Herzogs perfönliche Ungnade wohl das Empfindlichfte. Die Anhänger 
der Augsburger Konfeifion wurden nicht einmal mehr zur herzog- 
lichen Zafel geladen; al3 dem Herzog zu Ohren fam, daß fie fi 
darüber beklagten, antwortete er, wie man jid) in der ganzen Stadt 
erzählte: „qui mecum non credit, mecum non edit“ ?). — Allerlei 
ungebührlihe oder aufrühreriihe Reden, die während des Land: 
tages gefallen fein follten, wurden dem Herzog hinterbracht; darauf: 
hin wurde Pancraz von Freyberg zur Rede geftellt, diesmal aber 
nichts weiter gegen ihn vorgenommen. 

Nicht lange danach vollendete des Herzogs Streit mit den 
Grafen von Drtenburg Bayerns Brud mit dem Proteftantismus. 
Schon ſeit dem Fahre 1549 ſchleppte fih am Kammergericht ein 
Prozeß Hin über die von Bayern beftrittene Reihsunmittelbarkeit 
der niederbayriihen Grafſchaft Ortenburg. Die perjönlichen Be— 
ziehungen der beiderjeitigen Herren ſcheinen lange Zeit nicht jehr 
darunter gelitten zu haben; wenigjtens nahm Herzog Albrecht nod) 
im Jahre 1558 feinen Anftand, den Grafen Joachim von Orten— 
burg an die Spige einer wegen des Laienfelhes an die Nachbar— 
biihöfe abgeordneten Gejandtichaft zu ftellen. Nachher aber be- 
fannte jih Graf Foahim offen zur Augsburger Konfeſſion; auf 
dem Ingolftädter Landtage machte er den Führer der Adeligen und 
Bürger, welche deren Freiftellung forderten. Kurz darauf holte er 
ſich evangeliiche Prediger herbei und verfündete, im Dftober 1563, 


1) Seb. Haydlauf, Oratio lugubris in Alberti analysin. Monachii 
1580. Hayblauf lebte um die Zeit jenes Landtages in Ingolftabt als Kaplan 
an St. Moriz. Mederer, Ann. Acad. Ingolstad. I, 309. 





Die bayrifhe Politit unter Herzog Albrecht V. 61 


die Einführung der Augsburger Konfeſſion in feiner Grafſchaft Orten— 
burg. Scharenweiſe liefen die Bauern aus den benachbarten bay— 
riſchen Drtichaften zu Predigt und Sakramenten herbei. Graf Joachim 
jelbft trat in lebhaften Briefwechſel mit dem Marlrainer und 
anderen evangeliihen Adeligen in Bayern, um auch fie zur Refor— 
mation ihrer Unterthanen und Hinterjaffen zu bewegen. Nach 
Münden vorgeladen erſchienen Graf Joachim und fein Vetter 
Ulrich, weigerten ſich aber, ihre ungemweihten Prädifanten zu ent= 
fernen und den katholischen Gottesdienft wieder aufzurichten. Des 
Herzogs Sache ſei e3, feine bayriihen Unterthanen vom Aus— 
laufen auf Drtenburger Gebiet abzuhalten. 

Nun Schritt Herzog Albrecht zur Gewalt. — Ein paar Wochen 
zuvor hatte Wilhelm von Grumbad mit feinen Adelsgejellen die 
Stadt Würzburg überrumpelt, das Domkapitel und den Biſchof, 
Herzog Albrechts Verbündete, zu einem beſchwerlichen Vertrag ges 
nötigt; in den Niederlanden war eben damal3 der Adel zum 
Sturze des Kardinal3 Granvella verſchworen; aud bei dem un— 
längft beendigten erften franzöfiihen Bürgerkrieg hatte nicht bloß 
die Religion dem hugenottiichen Adel die Waffen in die Hand ge- 
drüdt: — was lag näher ala die Beforgnis, daß all’ diefe Regungen 
des Adels in einem Zujammenhange ftünden und auf die Be— 
freiung desjelben von der Herrichaft der Fürften abzielten. In— 
jomweit daher Herzog Albreht auf Grund feiner fürftlihen Landes- 
hoheit gegen den LDrtenburger und andere bayriihe Adelige 
einjchritt, durfte er auf Sympathieen auch bei manden proteſtan— 
tiihen Fürften rechnen, welche fonft feine kirchlichen Reaktions- 
gelüfte gerne durchkreuzt hätten. 

Der Herzog begann damit, daß er um Neujahr 1564 vor 
die Schlöffer Alt- und Neu = Drtenburg einige Reiter jchidte, 
welche auf Grund des beanſpruchten Offnungsredtes Einlaß er- 
zwangen. Trotzdem fuhr der Prädilant fort zu predigen und wie 
zubor liefen ihm die bayriichen Unterthanen zu Zaufenden zu. 
Da griff man ihn mitjamt feinem Gehilfen und führte beide 
über die Landesgrenze, wo fie gegen Urfehde entlafien wurden. 


62 . Zweites Buch. Erſtes Kapitel. 


Graf Joachim Hagte über Verlegung des Land- und Religions- 
friedens bei den Reihsftänden und beim Kammergericht; Herzog 
Albrecht citierte ihn wieder nah Münden. Diesmal erihien er 
nicht, jondern ging zum Kaiſer. Nun legte der Herzog Beichlag 
auf Graf Joachims bayriihe Landgüter. Im Mai 1564 wurde 
neben anderen Schlöffern auch Mattighofen beieft, wo man die 
Briefe fand, welche die bayrischen Adeligen mit Graf Joachim 
gewechſelt hatten. Darin kamen ftarfe Dinge vor: Achaz von 
Laiming hatte den Herzog mit „König Pharao‘ verglichen, 
Marlrain von ihm und jeinem Regiment als von „des Zeufels 
Anhang‘ geiproden. In jolden Worten, melde Graf Joachim 
nachher als „Seufzer und vertrauliche Klagen über die Verfolger 
der Wahrheit‘ entihuldigte, fand der Herzog nicht nur feine 
fürftlihe Ehre und jeine Religion beleidigt, jondern auch die An- 
zeigen einer Verſchwörung und meuteriichen Verbindung, um ihn 
wider Willen zu zwingen, die Landesreligion zu ändern. Die 
Betroffenen wurden vor eine anjehnlihe Verfammlung von bor= 
nehmen Räten und Landſaſſen geladen (Juni 1564); zum größten 
Teil erichienen, wideripradhen fie zwar der vorgeblihen Ver— 
ihmwörung, wegen der Ehrenkränkungen aber leifteten fie Fußfall 
und Abbitte oder baten gar, je nad) der Schwere ihres Vergehens, 
um Gnade, die ihnen denn auch, unbeſchadet ihrer adeligen Ehren, 
gewährt wurde). Die Strafe beitand hauptſächlich im Aus— 


1) Neuerdings hat Florian Rieß (Der felige Petrus Canifius, Frei- 
burg i. B. 1865, ©. 329) die alte Erzählung feiner Orbensgenofien von 
der Adelsverſchwörung gegen Herzog Albreht zu retten gefucht, aber im 
apologetifchen Eifer überfehen, daß Brunner ſelbſt (Excubiae tute- 
lares, p. 539) die Gefhidhte von ben auf dem Ambos zerichlagenen 
Siegelringen nur vom Hörenfagen fennen will, d. 5. aus ber Boltsfage. 
Gewöhnlich wird Herzog Albrechts nachmaliger Beiname „ber Grof- 
miütige” auf jeine gegen bie befiegten Abdeligen gelibte Großmut bezogen. Er 
ift aber urſprünglich nur eine Überfegung bes lateinifchen Beinamens 
Magnanimus, ber bereit8 in ben 1580 von Wolfgang Eder in Ingolftabt 
gebrudten Leichenreden wieberholt vorfommt, im Sinne von „hochherzig” ober 
„tapfer“. So ſchon auf dem Titel ber erwähnten Orationes funebres in 


Die bayrifhe Politif unter Herzog Albrecht V. 63 


ſchluß der Schuldigen von fünftigen Landtagen. Sie genügte, 
um aud) für die Zukunft allen politiichen und firhlichen Reform: 
gelüften des bayriihen Adels ein Ende zu machen. — Beim 
nächiten Landtage (Dezember 1565) übernahmen die Landftände 
ganz gutwillig des Herzogs neue Schulden, ließen ſich eine Ver— 
doppelung des Aufihlages auf das Getränk und eine Landfteuer 
gefallen und brachten trogdem fein Wort von der Religion vor. — 
Auf ſpäteren Landtagen (1568 und 1570) famen zwar wieder 
Religionsbeihwerden zur Sprade, aber nur nod) in der Bitte 
beftehend, der Herzog möge nicht wegen der Religion, insbejondere 
nicht wegen des Abendmahles unter beiden Geftalten, Bürger und 
Bauern aus dem Lande treiben. 

Die Streitigkeiten mit den Grafen von Drtenburg, deren 
Reichsſtandſchaft, und demnach aud ihr Reformationsrecht in ihrer 
Grafihaft, vom Kaifer und von den meilten Reichsftänden aner= 
lanut, durch Urteil des Kammergerichtes bekräftigt war, dauerten 
mit wechſelndem Erfolg nod Jahrzehnte lang fort; doch blieben 
menigitens die bayrischen Unterthanen, da der lutheriſche Gottes— 
dienft in der Schloßfapelle des Drtenburgers ifoliert war, vor 
neuer Anſteckung bewahrt. 

Der Laienkelch wurde durch die kirchliche Reaktion in Bayern 
nicht fofort mitbetroffen, jo jehr man dies auch an der Kurie 
gewünscht hätte. Als man hier erfuhr, Herzog Albrecht habe 
jeinen Landſtänden verfprodhen, ihnen mit oder ohne Genehmigung 
von Papft und Konzil den Kelch zu verichaffen, geriet man zu 
Rom und zu Trient in den größten Schreden. Eiligſt wurde 
ein Nuntius abgefandt, um nod) in elfter Stunde den Fürften, 
welhen man bisher al3 das feftefte Bollwerk der katholiſchen 


exequiis Sermo Alberto V. . .. catholicae religionis in Germania pro- 
pugnatori magnanimo celebratis habitae. — Herzog Albrechts Wappen 
(die bayrifhen Weden und ber Witteldbacher Löwe) wirb auf dem Titelblatt 
ber Orationes von Engerb fo gedeutet: 
Religio cibus est animae panisque salutis 
Magnanimusque leo valet hunc defendere panem. 


64 Zweites Buch. Erſtes Kapitel. 


Kirche in Deutichland anfah, von folder Shwäde und Anmaßung 
abzumahnen 1). Kardinal Hofius beſchwor den Herzog, feinen er= 
erbten und bisher unverjehrt bewahrten Ruhm der Frömmigkeit 
und Standhaftigkeit im Glauben nicht aljo mit einem Schlage zu 
vernichten. Den Herzog verdroß es zwar, daß man ihm nicht 
viel mehr für fein Verhalten auf dem Ingolftadter Landtage Lob 
Ipendete, Do gab er dem Nuntius Drmanetti infoweit nad, daß 
er die Erfüllung feines den Landftänden gegebenen Verſprechens jo 
lange vertagte, bis Bapft Pius IV. jelbft, infolge der von Herzog 
Albrecht gemeinfam mit Kaifer Ferdinand und den vornehmften 
geiftlihen Fürften gemachten Vorftellungen, am 16. April 1564 
den Laienkelch bewilligte, übrigens nur unter jehr erſchwerenden 
Bedingungen. 

Inzwiſchen Hatte jih am bayriſchen Hofe die Geneigt- 
beit zu religiöfen Konzeffionen an die Unterthanen noch weiter 
vermindert. Nachdem e3 einmal, der Neligion wegen, zum 
offenen Bruche mit dem Grafen von Drtenburg gekommen war, 
wurden mande Rüdfichten überflüffig, welche man bisher auf die 
Utraquiften, feine Gejinnungsverwandten, genommen hatte. Sodann 
lieferte die mühelofe Demütigung der adeligen Freunde des Drten- 
burger3 den Beweis, daß die kirchliche Oppoſition in Bayern weit 
weniger Kraft beſaß, als man befürchtet haben mochte. Endlich 


1) Die bayrifchen Akten über die Sendung des Nuntius Ormanetti an 
Herzog Albrecht bei Aretin, Bayerns auswärtige VBerhältniffe, 1839, Ur- 
funben, ©. 5ff., aber mit vielen auch finnftörenden Fehlern. — Die Dri- 
ginale KrA. Geiftl. Saden, Nr. 9. Hier wie bei Aretin fehlt das Breve 
vom 2. Juni 1563, welches Höfler in ber römifchen Bibliotheca Angelica 
fopiert und zuerft felbft in einem Artikel in Besnarbs Nepertorium für 
tath. Leben, 1841, I, 311 benutt, ſodann Aretin zur Benugung für 
deſſen Gefchichte Marimilians I. (S. 101ff.) mitgeteilt Hat. Auch eine Ant- 
wort des bayrifchen Herzogs Tiegt nicht vor. Wahrſcheinlich ift daher das 
ohnehin auffallend fehroffe Breve ber Bibl. Angel. nur ein nicht abgefanbter 
Entwurf. — Der Brief des Hofius am Herzog Albret in Hosii Opera 
II. Col. 1584, p. 212. Datum besfelben und Antwort bes Herzogs Albrecht 
bei Aretin, Marimilian, S. 104 Anm. 


Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 65 


befam jet in Bayern ein Mann das Heft in die Hand, deſſen 
Perſon den engften Anſchluß an Rom gleihjam vepräfentierte. 
Das mar Herzog Albrehts oberfter Kanzler, Simon Thaddäus 
Et, der Stiefbruder des berühmten Xheologen Dr. Johann 
von Ed. 

Dr. Eck hatte den talentvollen Knaben, da er noch nit acht 
Jahre alt, zu fi nad) Ingolftadt genommen, VBaterftelle an ihm 
vertreten und Simons Studien geleitet, bis diejer, wohl im Jahre 
1536, die juriftiihe Doktorwürde erwarb. Nun brachte der 
einflußreihe Xheologe feinen Bruder in Amt bei verjdiedenen 
geiftlihen Fürften: zuerft als Dffizial des Paſſauer Biſchofs nad 
Wien, dann nad Salzburg, endlich in feine Nähe nad Eichitätt. 
Bon hier nahm er denjelben wieder in fein Haus und verheiratete 
ihn mit einer reihen Wittwe (1542). Da Dr. Johann Ed 
Ihon im Februar des folgenden Jahres ftarb, zeigte fich Her: 
309g Wilhelm IV. feinem berühmten Xheologen dankbar, indem 
er deifen Bruder zum Kanzler des Nentamtes Burghaufen er= 
nannte, weldes Amt Simon EE nun jahrelang bekleidete. — So 
verſchieden aud) die beiden Brüder im Außeren und im Charakter 
waren, der bäueriſch grobe, materiellem Genuß ergebene, Geſchenken 
ſehr zugängliche Theologe und der zartgebaute und ſchwächliche, 
dafür aber feingebildete und unbeftechliche Jurift, jo hatte doch der 
jüngere Bruder den tiefiten Grund feines Empfindens und Han— 
delns, feine religiöjen Überzeugungen von dem älteren übernommen. 
Bon ihm hatte er gelernt die päpftliche Autorität über jede andere 
zu ftellen, die Kirchengeſetze als göttliche Gebote zu betrachten, 
äußerlihen Kulthandlungen den höchſten Wert beisumeffen. Der 
grimmige Haß, mit melden Dr. Johann Eds kirchliche Gegner 
den Mann verfolgten, weldher ihm ein zweiter Vater gemejen, 
machte nahmals den Kanzler EL zu einem unverjöhnlichen Feinde 
des proteftantiihen Befenntniffes ?). 


1) Biographifches über den Kanzler Simon Ed in der Vorrede zu ben 
von ihm herausgegebenen: Tres orationes funebres in exequiis Joannis 
Lojjen, Köln. Krieg I. 5 


66 Zweite Bud. Erſtes Kapitel. 


Über Simon Eds Verhalten in kirchenpolitiſchen Dingen vor 
der Zeit, da er oberiter Kanzler wurde, wiſſen wir nur wenig. 
1553 befand er ſich unter den bayriſchen Näten auf jener Ver- 
fammlung zu Mühldorf; daß er aber dort nicht nad jeinem 
Sinne, jondern nur der Inftruftion des Herzogs gemäß ſprach oder 
ftimmte, ergiebt fi) daraus, daß er um dieſelbe Zeit einen Ent- 
wurf zu einem Religionsmandat einfandte, worin er ftrenge Auf— 
jiht über die Lehre und kräftiges Einſchreiten gegen verführerifche 
Geiftliche forderte. Für jegt drang Ed mit ſolchen Forderungen nicht 
durch, weil Herzog Albrecht, abgejehen von der Not des Augen— 
blickes, noch dem Einfluß anderer Räte zugänglih war, melde 
entweder jelbit zur Augsburger Konfeſſion hinneigten, wie der Hof- 
marihall Pancraz von Freyberg, oder dod Gegner des römischen 
Kirchenregimentes und Freunde firdhlicher Reformen waren, wie die 
Doltoren Georg Stockhammer, Auguftin Baumgartner und Wi- 
guleus Hund. Erſt infolge der Niederlage des Adels auf und 
nad) dem Ingolftädter Landtag erlangten an Herzog Albrechts Hofe 
die DBertreter der römischen Richtung und namentlih der Kanzler 


Eckii. Ingolst. 1543, fowie in ben von Wolfg. Zettel gefammelten 
Leichenreden auf den Kanzler felbft: Luctus Academiae Ingolstadiensis in 
obitum . . . Simonis Taddaei Eckii. Ingolst. 1574. Dazu Theod. 
Wiedemann, Dr. Joh. Ed, ©. 425fl. Nah Mederer]. c. I, 122 
u. 126 hieß ber Kanzler eigentlih Simon Judas Mair. Der Name Ed 
ſtammt befanntlid von dem fchwäbifchen Heimatsborfe der beiden Brüber. 
Wiedemanns Annahme, Simon Ed fei bereit8 1532, alſo faum 18 Jahre 
alt, Doktor beiber Rechte geworben, gründet fih nur barauf, daß bie Pro- 
motion unter dem Rektorate feine Bruders ſtattfand. Johann Ed war 
aber 1536 von neuem Rektor. Zu biefem Promotionsjahre ftimmt die An- 
gabe des Oſſanäus, daß Simon Ed nah Erlangung der Magifterwürbe 
(1530) 5 Jahre Jurisprudenz ftubiert babe. Rotmar (bei Mederer 
l. c. H, 15) fagt von Kanzler Ed: Vir pius, justus et incorruptus, 
gravis, cum res poscebat, et humanus simul: religionis amantissimus, 
adeo ut repurgandae a sordibus haereticorum Bavariae primus pene sere- 
nissimo nostro prineipi autor fuerit multumque in ea re desudaverit. 
Singularis fuit studiosorum Maecenas, et academiae patronus benignissi- 
mus. — In den Akten babe ich nichts gefunden, was den in ben Leichen- 
reden und von Rotmar dem Kanzler geipenbeten Lobe widerſpräche. 


Die bayrifche Politit unter Herzog Albrecht V. 67 


Dr. Eck das Übergewicht. — Es ift vielleicht nicht bloßer Zufall, 
daß es vorzugsweiſe Leute von bürgerlicher Abkunft find, außer Eck 
auch jein jpäterer Nachfolger Dr. Ehriftoph Elfenheimer, jodann die 
Geheimiefretäre Heinrih Schweider und Erasmus Fend, welche 
als Vertreter der kirchlichen Reaktion auftreten. Wie bei dem 
landſtändiſchen Adel in Bayern und Oſterreich das Streben nad 
Erweiterung feiner politiihen Rechte verbunden war mit dem 
Verlangen nah Freiftellung der Religion, jo erwieſen fid) ander: 
jeit3 bürgerlihe Rechtsgelehrte als die eifrigften Werkzeuge des 
beginnenden geiftlihen und meltlihen Abfolutismus der Landes- 
fürften. — Im Jahre 1557 wohnte Simon Ef noch al3 Kanzler 
bon Burghaufen dem Religionsgeiprädhe zu Worms bei, wo er 
Gelegenheit fand, die größte Schwäche der kirchlichen Gegner, ihre 
eigene Uneinigfeit, aus nächſter Nähe zu beobadhten. Gemaltig 
hob gerade diefer Tag das Selbftvertrauen der zuvor jo mutlofen 
römiſch- katholischen Partei. Nicht lange danach ift Eds Bes 
rufung nad) Münden als Geheimer Rat und oberfter Kanzler er— 
folgt. Yu einer Zeit, da man bereit3 anfing die meiften Staat3- 
geſchäfte ſchriftlich abzumachen, war der Kanzler in der Regel der 
leitende Staatsminifter. Er konzipierte oder korrigierte alle wich— 
tigen Schreiben, verfaßte die Inſtruktionen für die Geſandten, 
führte im Namen des Fürften das Wort bei Audienzen, Bes 
ratungen und Verfammlungen. Da die Privatangelegenheiten des 
regierenden Herrn von den ftaatlihen nod nicht ſtreng geichieden 
waren, jo finden wir die Kanzler häufig auch als Kabinettsjefretäre 
und ſonſt al3 Vertraute ihrer Fürften. Dr. Ed war jedenfalls 
beides, leitender Minifter und periönlicer Vertrauensmann feines 
Herzogs ?). 

Im April 1564, kurz che das päpftlihe Breve über den 
Laienkelch eintraf, ließ Herzog Albrecht jeine angefeheniten Räte 


1) Herzog Albrecht ließ fih von Ed, fowie von befien Nachfolger Elfen- 
beimer mitunter fogar zu eigenhänbigen Briefen an feine Söhne das 
Konzept machen. 


5* 


68 Zweite Buch. Erftes Kapitel. 


und Beamten zu München über die Religionsfrage beraten. Ed 
iprad gegen Laienkelch und Prieſterehe, Elſenheimer und der 
Kanzler des Landsberger Bundes, Dr. Onufrius Perbinger, ſtimm— 
ten ihm bei; gemäß ihren Vorjchlägen wurden alsbald dem Ge— 
brauche des Kelches enge und immer engere Schranken gezogen, 
und endlih im Jahre 1571 den Papft geradezu um Widerruf 
jeiner Konzeifion vom 16. April 1564 erſucht ?). 

Gleich im Beginn der Münchener Konferenzen hatte der Kanzler 
Eck eine Art Programm der fatholiichen Reftauration entwidelt. 
Es enthielt negative und pofitive Vorſchläge: häretiſche Konven— 
tifel jollten verboten, das Auslaufen beftraft, Rädelsführer außer 
Landes geihafft werden; zugleidy aber müſſe man die Kirchen mit 
beſſeren Prieſtern bejegen, die Schulen neu ordnen, an die ver— 
führten Drte tüchtige Prediger, namentlich Jeſuiten, ſchicken. Für 
diejes Programm ift Simon Ed ſelbſt noch etwa zehn Jahre 
thätig geweſen; al3 er jtarb, hatte er einen Nachfolger, der in 
feinem Geiſte fortarbeitete. So gelang es in Bayern nad und 
nad) die Keime des Proteftantismus auszurotten oder wenigitens 
zu verhüten, daß fie fernerhin offen an den Tag traten. Herzog 
Albrecht jelbft aber fand, kurz nachdem er fi in der kirchlichen 
Reformfrage für den Papft entichieden hatte, in feinen Familien— 
intereffen einen neuen gemwichtigen Beweggrund, mit dem vömijchen 
Stuhl auf gutem Fuße zu bleiben. Das war der Wunſch, feinen 
üngften Sohn, Herzog Ernft, mit Würden und Ein- 
fünften NR 


1) Herzog Albrecht an ben Kardinal von Augsburg. Münden, 28. Sept. 
1571. (Kopie von Eds Hand.) RU. Hocftift Augsburg IV, 515. 


2. Kapitel. 


Beginn der geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernft von 
Bayern. — Erwerbung des Hodkiftes Freifing. * 


Im Fahre 1506 vertrugen die beiden Brüder Albreht IV. 
und Wolfgang von Dber= und Niederbayern ihre Streitigkeiten 
über die Erbfolge dahin, daß fortan in ewigen Zeiten das Her— 
zogtum Bayern nicht mehr geteilt, jondern jedesmal der ältefte 
Sohn weltlihen Standes allein regierender Herr werden folle. 


* Quellen: Aftenftüde über bie bayrifche Primogenitur bei Aettenthover, 
Kurzgefaßte Gefhichte der Herzöge von Bayern. Regensburg 1767. 
©. 356ff. Dazu Sugenheim a. a. O., S. 1ff. u. 342ff. Hier 
aus ben Landtagsverhandlungen von 1514 u. a. folgende bezeichnenbe 
Äußerung der verwitweten Herzogin Kunigunde von Bayern: es er- 
fordere ihre „er und fueg, bieweil baid fürften eelih aus ir geborn, 
daß fi ungleichalt der erbſchaft ober der titl zwifchen inen nit geftatte; 
wiewol ir ber und gemabel I. g. herzog Albrecht ain vermainte orb- 
nung, bie in teutfchen landen unerbört, auch in biefem fürftentumb 
ain neus ift, aus etlichen anweifern fürgenommen unb aufgeridht, und 
die wider bie natur und billihait wol ze achten geweſt, fo hab ir ©. 
bob nie als die muetter barein willigen wellen. . .“ Noch im 
Jahre 1597 meint Herzog Wilhelm V. von Bayern, e8 ſei „das jus 
primogeniturae in unferm hauß noch nit fo wol funbirt, das nit 
etwan buch unrumige und ubel contentirte fepf mit ber zeit mie und 
arbeit entftehm mechte.“ Stieve, Akten bes Dreißigjährigen Krieges 
IV, 528. Die beutjchen Territorien, in melden gegen Enbe bes 
16. Jahrhunderts bie Primogenitur mehr oder minder vollftändig durch— 
geführt wurbe, verzeichnet Fider, Vom Neihsfürftenftande, I, 265. — 
Die beutfchen Hochſtifter, melde um das Jahr 1550 in den Hänben 


70 Zweites Bud. Zweites Kapitel. 


Nur allmählich befeftigte ſich die bayriſche Primogenitur. Albrechts 
älteſter Sohn Wilhelm mußte fih noch dazu verftehen, feinen 
Bruder Ludwig zum Mitregenten anzunehmen, und beide hatten 
ih zu wehren, dat nicht auch der dritte in den geiftlihen Stand 
gegebene Bruder Ernft troß der Abfindung mit Geld einen Ans 
teil an der Regierung in Anipruh nahm. Zum Vorteil für die 
Einheit des Fürftentums war von diefen drei Brüdern nur der 
ältefte verheiratet und blieb aud von feinen Söhnen nur einer, 
der nadhmalige Herzog Albreht V., am Leben. Im Jahre 1546, 
als ji) diefer mit König Ferdinand Tochter Anna vermählte, 
veriprad) Herzog Wilhelm IV. ihm allein, ohne Rüdjiht auf 
etwaige andere künftige Söhne, die Negierung zu binterlaffen. 
Dennoch gab es nachher, wie wir bereits jahen, zwiſchen Albrecht V. 
und jeinem Oheim Herzog Ernſt wiederum Anftände wegen der 
Landeshoheit. 

Inzwiſchen hatte aber die Anſicht, daß das Fürſtentum ſeiner 
Natur nach unteilbar ſei, eine Anſicht, von der man noch zu An— 


proteſtantiſcher Fürſten waren, ſind zuſammengeſtellt aus Potthaſt, 
Wegweiſer, Supplement. Berlin 1868. 

Über die deutſchen Domkapitel und ihre Statuten im allgemeinen 
Hinſchius, K. R. II, 49ff. und von der dort verzeichneten 
zahlreichen Litteratur namentlich: Dürr, De Capitulis clausis. 
Mogunt. 1763; aud bei Aug. Schmidt, Thesaurus juris eccles. 
III, 122sgg. Andere Abhandlungen von Dürr in T. V des Thesau- 
rus. Für Köln befonders bie oben ©. 17 genannte Abhandlung von 
Hüffer. Ültere Kölner Statuten bei Würdtwein, Subsidia 
diplom. III, 76. — Für Salzburg: 2. Hübner, Beichreibung ber 
Nefidenzftabt Salzburg II, 170ff. Salzburg 1793. Akten über bie 
Erwerbung des Salzburger Kanonilats für Herzog Ernft RX. 
Salzburg, T. XI. — Über das Kölner Kanonifat DU. Domtap. 
Protot. Nr. 151 u. StA. 38/2. — Über die Trierer Dompfründe 
einiges RU. Trier, T. IV. fol. 84/94. Gegen Enbe bes Jahres 
1573 war einmal die Nebe von einer etwaigen Reſidenz bed Herzogs 
Ernft im Erzftifte Trier, e8 fam aber nicht dazu. — Die Notiz über 
das Würzburger Kanonikat aus WKrA. Rezeßbuch ber aufgefchworenen 
Domherren, de Ao 1263/1620. — Die Akten über Herzog Albrechts 
Verhandlungen mit Bifhof Moriz und dem fFreifinger Dom- 
tapitel babe ich bisher nicht aufgefunden. AN. Fürftenfachen Spec. 
C. Nr. 404, ein nicht vor dem Jahre 1575 niedergefchriebenesd Bruch— 


Beginn ber geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernſt von Bayern. 71 


fang des Jahrhunderts meinen konnte, fie wideriprehe der Natur 
und Billigfeit, im Deutichen Reiche mehr und mehr Raum gewonnen. 
In einer ganzen Reihe von deutihen Fürftentümern it im letzten 
Drittel des 16. Jahrhunderts die Primogenitur eingeführt wor— 
den. Auch Herzog Albreht von Bayern wollte die mühſam er= 
fämpfte Einheit jeiner Lande nicht wieder zerreißen laſſen. War 
das Prinzip einmal anerkannt, jo blieb die Frage, wie nun die nad): 
geborenen Söhne ftandesgemäß zu veriorgen jeien. — Am beiten, 
indem man ihnen ein geiftliches Fürftentum verſchaffte. Prote— 
ſtantiſche Fürften konnten das bei den im Bereihe ihrer Macht 
gelegenen Stiftern ohne oder aud gegen den Willen des Papftes 
durchſetzen. So finden wir um die Mitte des Jahrhunderts 
brandenburgiiche Prinzen in Magdeburg, Halberftadt, Havelberg 
und Lebus; Braunichweiger in Bremen, Verden und Minden ; 
Mecklenburger in Schwerin und Rageburg; Pommern in Kammin; 
das ſächſiſche Kurhaus ſchickt ih an, Merieburg, Meißen 
und Naumburg jeinen Landen ganz einzuverleiben. Dagegen 


ftüd einer „Relation expeditionis pro Ernesto“ von Dr. Pfifters Hand, 
auf beren Nichtigkeit man fi aber nicht verlafien kann, da Pfifter 
zeitweilig geftörten Geiftes war. Die Verhandlungen mit Rom 
wegen Freifing anfcheinenb faft vollftändig RA. Freifing, Nr. 75 u. 
76. Einzelnes noch RU. Augsburg, T. III und gebrudt bei 
Laderchiusl. c. XXI, 150 u. 426. — Über Iobocus Caſtner: 
Äußerungen feines Freundes Rotmar bei Mederer 1. c. I, 229 
u. 277. Mir ift bisher nur ein Brief Caſtners vorgelommen (am 
Kanzler Ed vom 26. Mai 1569. RX. Salzburg, T. XI, fol. 112), 
worin Caſtner ſich als gewifienbafter Lehrer erweiſt. Als bloße Ver- 
leumdung betrachte ich einige fpäter zu erwähnenbe Anbentungen von 
Dr. Adrian Aerntsperg aus dem Jahre 1572. — Biographiſches über 
Moriz v. Sanbizell bei Hund, Metropolis Salisburg. ed. Gewold. 
Mon. 1620. I. 112 und bei Meihelbed, Kurtze Frepfingifche 
Chronica 1724, ©. 276. — Über Martin Eifengrein: Mederer, 
Annales I u. II passim (ſ. Inder in Bd. III), ferner bie von 
Rotmar herausgegebenen Orationes funebres quatuor in obitum... 
Martini Eisengreinii. Ingolst. 1578. — Über Andreas Fabriciug: 
Mederer l. c. II, 73sqqg. (au8 Engerds Annalen). Danach fei 
fein eigentliher Familienname Matius geweien, welchen Anbreas und 
fein Bruder Gottfried gegen den eines Oheims von mütterlicher Seite 
vertaufhten. Valerius Andreas, Bibl. Belg. 1643. 4°, p. 48 


72 Zweites Bud. Zweites Kapitel. 


ſahen fi die fatholifch gebliebenen Häuſer, wie das lothringiſche 
und das bayriſche, bei ihren übrigens gleihartigen Beftrebungen 
auf das Wohlwollen des römiſchen Papftes angeiwiejen. 

Als Herzog Albrecht V. im Jahre 1565 ſich entſchloß, einen feiner 
Söhne in den geiftlihen Stand zu geben, hatte er zunächſt ſicher— 
(ih feine weitere Abjiht als die, ihn gut zu verjorgen. Von 
jeinen fünf Söhnen lebten damal3 nod drei: Wilhelm (als ältefter 
der künftige Landesherr), Ferdinand und Ernſt. Ferdinand, der 
damals ſchon in feinem jechzehnten Jahre ftand und große Luft 
zum Waffenhandwerk zeigte, mochte dem Water al3 wenig geeignet 
zum geiftlihen Stande erſcheinen; dagegen joll Herzog Ernit, der, 
al3 das jüngfte von Albreht3 fieben Kindern, am 17. Dezember 
1554 zu München geboren war, jelbit Vorliebe für denfelben ver- 
raten haben; vielleiht war fie ihm von Jodocus Gaftner einge: 
flögt, jeinem erften Lehrer in den humaniftiichen Wiſſenſchaften, einem 
Mann von ernfter Richtung, der fpäter in den Jeſuitenorden 
eintrat. 


giebt an: A. F. Hodegiae (zu Hobeige), municipio Leod. natus, 
philosophiam et theologiam a Gothofredo fratre ... aliisque di- 
dieit, et Lovanii ad S. Gertrudem docuit. In einem Briefe an 
ben Kanzler Ed vom 8. Juli 1568 bemerkt A. 5. gelegentlich: 
ante octo annos, dum agerem praesidem quotelebeticarum quas 
vocant quaestionrum Lovanii.. Daß er auf Beranlaffung bes 
Papftes Pius V. zu Herzog Ernft gelommen fei, behauptet er jelbft 
wiederholt. Im einem Breve Pius’ V. an das fFreifinger Dom- 
fapitel vom 25. Januar 1567 RU. Freifing Nr. 75, fol. 216 
wird A. F. neben Ludwig Schrenk, Philipp Dobereiner, Tilman 
Bredebach und Georg Lauther für die im päpftlihen Monaten er- 
ledigten Kanonilate ernannt. Std. 311/13 eine Abrebe zwifchen 
Kanzler Ed und %. betreffend 58. Beftallung vom 28. Mai 1567, 
von Pfifters Hand. Der erfte Brief Fs., melden ich bisher in 
den Münchener Archiven gefunden, ift an Ed gerichtet aus fFrei- 
fing vom 6. Januar 1568. RA. Salzburg Xl, 86. Damit fchidt 
5. an ben Kanzler und befien Gattin einige Gejchenfe als Dant für 
deren Gaftfreundfchaft, bittet ferner ben Kanzler, gewiſſe Stellen feines 
Samfon durdzulefen, die Chöre aber Orlando (di Lafjo) zum Kom- 
ponieren zuzuftellen; empfiehlt zugleih einige feiner Berwanbten, 
darunter ben nachmals berühmten Theologie - Profefior Petrus 
Stevart. 


Beginn ber geiftlihen Laufbahn der Herzogs Ernft von Bayern. 78 


Der erſte Schritt in der geiftlihen Laufbahn für Herzog 
Ernſt wie für andere vornehme Herren war der, ein Kanonifat 
an irgendeiner SKollegiatkiche ſich zu verichaffen, am beften an 
einem Domftifte. Fähig, eine Präbende oder ein Kanonifat an 
einem der deutihen Hodhjftifter zu erwerben, war im 16. Jahr— 
hundert nur, wer entweder adelige Geburt nachweiſen fonnte oder 
einen der höheren akademiſchen Grade (Doktorat oder Licentiat) 
erlangt hatte. Die geforderte Adelsſtufe ſowie die Zahl der 
Ahnen mar in den einzelnen Stiftern verſchieden. Während 
Köln und Straßburg nur Fürften- und Grafenmäßige in ihre 
Domkapitel aufnahmen, forderten andere Stifter den Ritteradel; 
wieder andere liegen auch niederen Adel und ſtädtiſches Patriziat 
zu. Wer die erforderliche Ahnenreihe nachwies, konnte Kanonikus 
werden. Jedoch war in den meiften Stiftern die Zahl der Ka— 
nonifer eine geſchloſſene. Ein beftimmtes Alter war in der Regel 
nicht vorgefchrieben; am Kölner Dom galt 3. B. der Grundſatz, 
daß Adelige Schon durch die Taufe zu Evelpräbenden fähig würden ?). 
Einkünfte bezogen aber diefe jungen Kanoniker erſt, nachdem fie 
von ihrer Stelle im Chore perſönlich Befit, genommen und erjte 
Nefidenz gehalten hatten. Über die Zeitdauer und fonftigen Bes 
dingungen der Refidenz und des von ihr abhängigen Genuſſes der 
Pfründe hatte jedes Domkapitel feine befonderen Statuten; ein 
Grundgedanke herrſcht jedoch überall: den Kreis der zum Mitgenuß 
Berechtigten möglichſt einzuengen. 

Der Anfang wurde für Herzog Ernſt mit dem angejehenen 
und benachbarten Erzftift Salzburg gemacht. Unter dem Vorwande 


1) In ben bei Würdtwein 1. c. abgebrudten Constitutiones Eccl. 
Metrop. Colon. vom Sabre 1423, Cap. XXII, wird zwar neuerbings ber 
Mißbrauch verboten: infantibaus . . . adhuc in cunabilis existentibus 
canonicatus et praebendas conferri, aber man febrte fi nad wie vor 
nicht daran. 10. Dezember 1574 (DA. Domkap. Protof. Nr. 156) 
wird 3. B. bie Ernennung eines 14jährigen Knaben zu einer Ebdelpräbenbe 
genehmigt, nachdem verſchiedene Kapitularen Präcedenzfälle angeführt und 
der Senior ber Priefterfanonifer u. a. bemerkt hat: quod semper audierit 
nobiles ad praebendas qualificatos per baptismum, 


74 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


einer Einladung zur Jagd begab fi der Kanzler Ef im Juni 
1565 nad Salzburg zum Erzbiihof Hans Jakob Khuen 
und erfuhte ihn, dem zum geiftlihen Stande beftimmten 
jüngften Sohn feines Herzogs zu einem Platz im Domkapitel zu 
verhelfen. Gelegenheit fand ſich bald. Ein Salzburger Domberr, 
Wolfgang Adam von Haunfperg, hatte vor zu heiraten und des— 
halb fein Kanonikat zu vefignieren. Durd dritte Hand bot er 
e3 gegen Geldentihädigung dem bayrischen Herzog an. Diejer 
Handel wurde als fimoniftiich abgelehnt, dagegen ließ Albrecht den 
Haunsperger vertröften, wenn er ſich in jeine Dienfte begeben und 
in Religions- und anderen Sachen gebührlic halten wolle, werde 
man ihn mit Gnaden gebraudhen und befördern I). — Nun nahın 
die Sache ihren jtatutenmäßigen Verlauf: Haunfperger reſignierte 
jein Kanonifat zuhänden des Kapitels; ſofort hielten die Proku— 
ratoren des Herzogs Ernſt um die erledigte Pfründe an, bewiejen 
deſſen fürftlihe Abjtammung von Eltern und Großeltern und ges 
lobten Beobachtung der Statuten des Stiftes. Daraufhin ver- 
liehen Dechant und Kapitel, am 25. Auguft 1565, Haunfpergers 
Kanonikat und Präbende dem Herzog Ernſt von Bayern. Diejer 
hätte nun feine erjte Reſidenz gleih am nächſten Rupredtstage 
im Herbft ?) anfangen können und follen, verſchob dies aber wegen 
einer in Salzburg herrſchenden Krankheit und Hat fie dann erſt 
im September 1568 angetreten. 

Sobald Herzog Ernft in Salzburg Kanonikus geworden, 
wandte ji Herzog Albreht an die drei geiftlihen Kurfürften und 
an den Biihof von Würzburg, ſowie an deren Domkapitel mit 
der Bitte, feinen nunmehr geiftlihen Sohn aud auf ihre Stifter 


1) Haunfperg ließ ſich das Pflegamt Wilthut und einen Ratsſitz zu 
Burghaufen zufihern. AS Rat zu Burgbaufen nennt ihn Hund, 
Stammenbud, 3. Th., a. a. O. ©. 365. 

2) Die Salzburger Kirche feierte das Feſt ihres Gründers und Patrond 
St. Rupredt an zwei Tagen, am Tobestage 27. März, umb am Tage ber 
Übertragung feiner Gebeine (Translatio) 24. September. An den Boraben- 
ben biefer beiden Fefte fanden regelmäßig Peremptorialfapitel ftatt. 


Beginn ber geiftlihen Laufbahn des Herzogs Exrnft von Bavern. 75 


zu befördern. — In Köln, Zrier und Würzburg geihah dies 
jehr raſch. Bereits am 5. Dezember 1565 ernannte der Kölner 
Domdehant Heinrih Graf zu Sayn den bayriihen Herzog für 
das duch die Nefignation eines Grafen von Beichlingen !) er: 
ledigte Kanonifat nebſt Präbende. Fünfzig Präbenden gab es im 
ganzen an der Kölner Domlirhe: zwei davon ftanden Papft und 
Kaifer zu, die anderen achtundvierzig waren zur Hälfte Kapitulars 
präbenden und zwar, wie bereit erwähnt, ſechzehn für Edelherren, 
acht für Doktoren und Licentiaten des kanoniſchen Rechtes oder 
der Theologie, die fogen. Priefterfanonifer, auch, nad) ihrer vor= 
maligen Siebenzahl, Siebenpriejter geheißen. Die übrigen vier— 
undzwanzig Kanonifate waren ausſchließlich wieder für Hocadelige 
bejtimmt, und — abgejehen davon, daß ſich aus ihnen die ſechzehn 
Edelherren des Stapitel3 ergänzten — im Grunde bloße Sine— 
furen. Die Einkünfte einer jolden einfachen Edelpfründe ſchätzte 
man in der eriten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht über 100 
rheiniſche Goldgulden, die eines SKapitelplages zur gleichen Zeit 
auf 300—400 Goldgulden, einige Jahrzehnte ſpäter auf etwa 
500. Um diefe Einkünfte zu genieken, mußte jeder Kanonikus 
jährlich 17 Wochen und 3 Zage in Köln vefidieren, konnte jedoch 
feine Stelle im Chor durch einen aus der niederen Geiftlichfeit 
genommenen Vikarius vertreten laſſen. Das Recht der Ernennung 
zu den einfachen Edelpfründen wechielte im Zurnus ab zwiſchen 
den ſechs Prälaten des Erzitiftes: Dechant, Afterdehant, Chor— 
biſchof, Scholaftifus, Senior- Diakon und Junior-Diakon. Die 
Einfünfte dieſer Prälaten waren beträchtlich höher als die der 
anderen Sapitularen. Am beiten ftand der Dompropft, wel 
her aber im 16. Jahrhundert nit mehr Mitglied des Kapitels 
war. Jeder Kanonikus hatte bei der Aufnahme 68 Gold— 
gulden ſogen. Statutengeld „zur Beſſerung der Kirchengüter“ zu 
entrihten, dann ein Faß (Zulaft) Wein, welcher unter Kapitulare, 
Kanonifer und Vikare verteilt wurde. Sein eigenes Anrecht 


1) Bartholomäus Friedrich, letzter Graf von Beidlingen, 7 1567. 


76 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


datierte aber nicht Shon von der Ernennung an, fondern erſt von 
der perfönlihen Befignahme. Nach diefer vergingen dann noch 
drei Jahre und ein Monat, die jogen. anni carentiae, bis der 
junge Sanonifus zur Reſidenz und den Einkünften zugelaffen 
wurde. In der Zmwilchenzeit mußte die Ahnenprobe abgelegt 
werden; dieſe beitand darin, daß je vier Fürſten, Grafen oder 
Freiherren in Form eines offenen Briefes an Dechant und Ka— 
pitel bezeugten, dag N. N., Beweiſer des Briefes, ſowohl von 
Vater: wie von Mutterfeite von bier freien edlen Stämmen ab= 
ftamme, daß diefe Ahnen allweg zu rechter Ehe geſeſſen, und daß 
auch die Stämme jeit Menfchengedenfen und länger für frei und 
edel gehalten worden ſeien. 

Dem bayriihen Herzog mochte es bedenklich ſcheinen, feinen 
jungen Sohn jetzt Schon nad) dem leichtlebigen Köln zu enden. 
Daher ſchrieb er jelbft im Sommer 1566 an Kurfürft Friedrich, jein 
Kanzler Eck aber an den kurkölniſchen Kanzler Dr. Burkhart, den 
Sohn eines vormaligen Ingolftädter Profeſſors ), damit durch ihre 
Vermittelung dem Herzog Ernft die perjönlihe Beſitznahme jeines 
Kanonikats erlaffen werde. Das widerſprach aber den Statuten 
wie dem Herfommen; erſt jüngft hatte man zwei jungen Herzögen 
bon Lauenburg die gleihe Bitte abgeſchlagen. Auch diesmal war 
ein Zeil der Kapitularen entjchieden dagegen, die einen, weil fie 
überhaupt feinen Präcedenzfall ſchaffen, die anderen, weil fie nicht 
wollten, daß ein Fürft vor den Grafen etwas voraus habe. Erſt 
nad dreimaliger Umfrage im Kapitel verſchaffte die Rückſicht auf 
die wertvolle Freundihaft des bayrischen Herzogs dem Antrage 
die Mehrheit. Doch wurde in die Urkunde ein Proteft gegen alle 


1) Mederer 1. c. I, 123. Prantl, Gecſchichte ber Univerfität 
Münden II, 487, verwechfelt den kölniſchen Kanzler mit feinem 1539 ge— 
ftorbenen Vater. Nicht biefem fonbern bem Kanzler wurbe Erftenbergers 
Autonomia untergefhoben. Der jüngere Franz Burfhart wurde bereits 
unter Erzbischof Adolf (1546—1556) kurkölniſcher Nat; als folder ift er 
1551 unter ben Kontrahenten bes Pafjauer Vertrages. Zuvor hatte er 
dem Speierer Bifchof Philipp von Flersheim als Rat gedient. 


Beginn der geiftlihen Laufbahn des Herzogs Ernft von Bayern. 77 


Konfequenzen aufgenommen; außerdem follten Hofmeifter und Prä— 
ceptor des jungen Herzog3 geloben, dab fie diefen zu Fatholifcher 
Lehre und Leben anleiten würden. Am Zage nad diefem Be- 
ihluß, 16. Dftober, nahm Herzog Ernft3 Profurator, der Chor— 
biſchof Graf Kuno von Manderiheid, unter den gewöhnlichen 
Formalitäten Befig von Sanonifat und Präbende: zum Zeichen 
der Inveſtitur ſetzte nämlid) der Dechant dem vor ihm knieenden 
Profurator fein Barett (biretum) auf und führte ihn alsdann 
ein Priefterfanonilus in den ihm zufommenden Chorſtuhl. 

Auch im Erzitift Trier handhabten die Domberren felbit in 
einem gewiſſen Zurnus die Ernennung zu den Kanonikaten. Im 
Sommer 1567 fam die Reihe an den Domkuftor Johann von 
Schönenburg, mit welchem Herzog Albreht auf dem jüngjten 
Regensburger Reichstag befannt geworden war. Dieſer machte 
durch den trieriihen Kanzler Dr. Johann Wimpheling das Aner- 
bieten, Herzog Ernft zu einer Dompräbende zu ernennen, und 
that dies dann beim nächften Generalkapitel, am Tage nad) Mariä 
Geburt (9. September 1567). Am darauffolgenden St. Xhomas- 
tag (21. Dezember) wurde Herzog Ernſt, nachdem er zuvor auch 
bier, den Statuten gemäß, durch zwei ſogen. Kundſchaftsbriefe 
(von Erzherzog Ferdinand und Kardinal Otto Truchſeß) feine 
ehelihe Abftammung von je vier Ahnen von Vater: und Mutter- 
jeite bewiejen hatte, unter die Trierer Kanonifer aufgenommen. — 
Db in Mainz auf Herzog Albrechts Erſuchen Hin irgend etwas 
geichehen ift, wiffen wir nit. — Im Würzburger Domftift war 
Herzog Ernſt bereit3 am 28. Februar 1566 Kanonikus geworden. 
Näheres ift darüber bis jet nicht befannt. 

Inzwiſchen hatte Herzog Albrecht bereits Sorge getragen, ein 
eigenes geiftliches Fürftentum, das Nahbarftift Freifing, für feinen 
Sohn zu befommen. 

Biſchof von Freifing war feit dem Jahre 1559 Moriz 
von Sandizell, der, anfangs nur gegen ftarfe Oppofition ges 
wählt, nachher als guter Haushalter ſich bewies, um feine 
geiftlihen Pflichten aber wohl nicht viel kümmerte; wenig- 


18 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


jtens ftand im allgemeinen der Freifinger Klerus, gleih dem 
Regensburger, in bejonder3 jchlehtem Rufe. — Stift Freifing 
mußte gerade dem bayrischen Haufe wohl zufagen. Der Biſchofs— 
fit, jelbit und ein Zeil der anderen Kirhengüter waren von bay— 
riſchem Gebiet umringt; anderjeit3 lag ein großer Zeil des Her— 
zogtums Bayern, insbejondere die beiden Hauptitädte München 
und Landshut, unter der geiftlihen Jurispiktion und, wie man 
fid) ausprüdte, im Krifam von Freifing; dagegen waren wieder 
die bayriihen Herzöge von altersher Schugvögte der Freifinger 
Kirche; bayriihe Herzöge (von der älteren, pfälziichen Linie) 
hatten in der ganzen erjten Hälfte diejes Fahrhunderts den biſchöf— 
lichen Stuhl innegehabt. Wurde Herzog Albreht3 Sohn jekt 
Biihof von Freifing, jo blieb er felbit unter des Vaters Augen, 
während jein Stift gleihjam unter deſſen Vormundſchaft kam. 
Mie man die Sade anfing, ift nicht genau befannt: e3 heißt, 
eines Tages, im Herbite 1565, fei eine ftattliche bayriſche Kom— 
miffion, beitehend aus dem Landhofmeifter Dito Heinricd Graf von 
Schwarzenberg, Kanzler Ef, Dr. Perbinger und dem Sekretär 
Erasmus Fend, unverjehens im Freifinger Domkapitel erſchienen 
und babe erklärt, der Biſchof wolle zugunften des Herzogs Exnft 
refignieren; das Kapitel möge feinen Konjens geben. — Ohne viel 
Umstände wurde diejer erteilt. Dagegen verpflichtete fi) Herzog 
Albrecht, während der Minderjährigkeit jeines Sohnes dem Kapitel 
die Regierung zu überlafien. Die päpftliche Konfirmation — Papft 
war damals noch Pius IV. — hoffte man ohne viel Mühe zu 
erlangen ). Der Freifinger Domherr Dr. Johann Pfifter, der 


1) 11. November 1565 fchreibt Kardinal Otto Truchſeß aus Dillingen 
an Herzog Albrecht: „Ich befint die Freifingifch fach der maſſen mol ange- 
georbnet, Got Lob, das ich fein zweiffel hab, E. L. werde bie confirmation 
in anfehung €. 2. hohen verbienft gegen bem ftuel zu Rom und catbolifcher 
religion omangefehen ber beereten concilii Tridentini erhalten.” Ähnlich 
wieder am 23. November. Herzog Albrehts (von Fend abgefafte) erfte 
Inftruftion für Pfifter und Eifengrein (vom 3. Dezember 1565) klingt fehr 
zuverfihtlih: „Und nachdem wür gar in fainen zweifl ftellen, bie Bäbft. 
Heil. werde ir diß wert mit unſerem fone (als durch welches wir ung 


Ermwerbung des Hochftiftes Freiſing. 19 


ihon für Biſchof Moriz die Konfirmation erwirkt hatte, jollte im 
Namen von Biihof, Kapitel und Herzog nad Rom gehen; als 
zweiter Gejandter der Lic. theol. Martin Eijengrein, damals 
Pfarrer von St. Moriz in Ingolftadt und zugleich Superintendent 
der Univerfität, einer jener Konvertiten, welche fi, jeitdem Her— 
zog Albreht für die ftreitende römiſche Kirche Partei genommen 
hatte, zahlreich unter feine Fahne drängten. 

Die beiden Gejandten waren bereit3 unterwegs, als die Bot- 
ſchaft, Pius IV. jei geftorben (am 9. Dezember 1565), fie nötigte 
heimzufehren, um ji mit anderen Vollmachten zu verjehen für 
den am 7. Januar 1566 neugewählten Papft Pius V., Michael 
Shislieri, der wegen feiner ftrengen Yrömmigfeit allgemein be= 
fannt war; jo kamen fie erft Ende ebruar 1566 nad) Rom. Auf 
der Reife war ihnen der Kardinal von Augsburg begegnet, der 
bon Rom fam und dort erfahren hatte, daß es nunmehr mit der 
Freifinger Konfirmation nicht jo leicht gehen werde, wie er felbit 
zu Lebzeiten Pius’ IV. gemeint hatte. Er riet daher, einftweilen 
nur dem neuen Papfte zu gratulieren und mit der Hauptſache zu 
warten, bis er jelbft mit Herzog Albrecht geredet habe. Diefen 
Rat des Kardinals, an welchen der Herzog felbit fie gewielen 
hatte, befolgten die Gejandten und brachten daher zunächſt nur in 
öffentlicher feierliher Audienz (am 23. März) Pius V. die Glüd- 
wünſche des Haujes Bayern dar. Das Wort führte der beredte 
Eifengrein ). Der Papſt antwortete, er danke Gott, daß er in 


lauter erfferen, was religion wür unb unfere füne feien unb ze bleiben ge= 
denken) zuem beften mwolgefallen lafien, jo haben wür umb ſovil mer hofnung, 
ir Hail. werbe uns ber annaten und tar halben befto wätterlicher bebenten. 
Derowegen auch unfere gejanten irer Hall. und etlichen vertrauten carbinäln 
in gehaim entbeden follen, das wür im tröftliher zuverficht aines milten ge- 
werlihen beſchaids nit allain bife befchtwerb der ammaten unb tar halben 
vom capitel und ftift auf uns genomen, ſonder auch dem refignierenben 
biſchove auf den fal irer Hail. guethaiffens ain anfechliche penfion, fo fich in 
tie 2000 Ff. erftredt, bie jare feins Iebens bewilligt haben, welches ban, 
gegen; abtvettung ainer ſolchen bignitet, mit Teichtlic möge getabelt wer— 
ben. 





1) Rotmar (bei Mederer l. c. I, 300) verfichert: non arbitrabantur 


80 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


dem allgemeinen Abfall einen Fürſten wie Herzog Albrecht aufbe— 
wahrt, welcher ſeine Kniee nicht vor Baal beuge. — Die Char— 
woche kam heran. Eiſengrein erfüllten die zahlreichen Außerungen 
der Buße und Frömmigkeit, welche er in dem als gottlos ver— 
ſchrieenen Rom erblickte, mit Bewunderung und Entzücken. Als 
Pius V., ein ehrwürdiger Greis mit ſchneeweißem Bart, inmitten 
feiner beften Kardinäle und der Kämmerer, vom Vatikan herab 
der auf dem Petersplage ji drängenden Vollsmenge unter dem 
Donner der Geihüge die alte Bannbulle In Coena Domini neu 
berfünden ließ, da ſchien es dem frommen Konvertiten, al3 jei der 
jüngfte Tag angebroden und al3 komme der Herr felbjt mit feinen 
Engeln, die ganze Welt zu rihten. Dann ftaunte er in der Nacht 
über die Reihen von Büßern, welde durch die Straßen zogen, 
über ihre Sünden mehllagend und fi geihelnd, bis ihnen das 
Blut vom. Rüden ranı. Er meinte, Calvin jelbft würde, aus 
der Unterwelt zurüdgelehrt, am Dfterfonntage vor dem heiligen 
und demütigen Papfte, der auf feinem Thronſeſſel jegenipendend 
einhergetragen wurde, auf die Kniee gefallen ſein und mit ven 
anderen dem Stellvertreter Chrifti fein Vivat Papa Pius V. zu= 
gerufen haben 9. 

Bald nah Dftern erhielten die Gejandten von Herzog Albrecht 
Befehl, gemäß dem von Rom aus gegebenen Rat, bon der ges 
wünſchten Milderung der Zare vorläufig nichts zu reden, fondern 
einfah um Konfirmation des in Freifing Gejchehenen zu erfuchen. 
Daraufhin Hatten Pfifter und Eifengrein, nebft dem ftändigen 
Agenten ihres Herzogs Dr. Johann Paul Gaftellino, eine Privat: 
audienz beim Papſte, welchen Eifengrein in langer Rede bat, die 


Romanae curiae proceres, tantam vim dicendi tamque gravem et jucundam 
eloquentiam in Germano inveniri posse oratore. — Die von Mederer 
l. c. erwähnten gebrudten Propemptica fenne ich nicht. 

1) Eifengreins eigenhänbiger Brief an Herzog Albrecht, worin er bie 
Feier der Charwoche in Rom befchreibt (RA. Freifing Nr. 76, fol. 58), 
ift ohne Nennung ber Namen, aber fonft wenig verändert, gebrudt in 


Epistolae aliquot gravium virorum . . . de gestis Pii V. P.M. Coloniae 
1567, p. 9. 


Erwerbung des Hochftiftes Freifing. 81 


Refignation des Freifinger Biſchofs anzunehmen und zu geftatten, 
daß Herzog Ernſt diefer bedrohten und gefährdeten Kirche als 
Aominiftrator, womöglich mit dem Biſchofstitel, vorgeſetzt merde. 
Pius hörte ſchweigend zu, dann frug er nad) dem Alter des Prin- 
zen. „Vierzehn Jahre‘ Y, antworteten fie, „aber an Frömmig— 
feit, Wiffen und Erfahrung manchem Zwanzigjährigen voraus.‘ Der 
Papit feufzte, dann jagte er, niemanden würde er lieber willfahren 
als dem Herzog, deſſen Eifer für die katholiſche Religion und deijen 
Zugenden er fenne, aber allzu jehr widerfprächen die Trienter Be— 
ftimmungen und auch die alten Canones. Um einer einzelnen 
Kirche, der Freifinger, zu helfen, fürchte er die gejamte Kirche und 
Gott jelbft zu beleidigen. Er ließ fogar den Argwohn durch— 
bliden, Herzog Ernſt könne am Ende die jegt auf ihn geſetzten 
Hoffnungen täuſchen. Und was würden die häretiichen Fürften in 
Deutichland dazu jagen? Schließlich verwies er die Gejandten 
an die Kardinäle, in deren Sonfiftorium die Sache vorkommen 
müſſe. Gerade ein Konfiftorium fürdhteten die Gefandten am 
meilten, denn Hier, unter dem Vorige des Papftes, wolle jeder 
Kardinal als eifriger Exekutor des Zrienter Konzils erfcheinen. 
Da alfo auf dem direlten Wege in Rom nicht3 zu erreidhen war, 
Ihlugen fie ihrem Herzog verſchiedene Umwege vor, auf denen 
vielleicht leichter zum Ziele zu fommen: — etma durd) eine Koad— 
jutorie oder dadurch, daß die biichöflichen Funktionen, bis zu Her: 
zog Ernſts Volljährigkeit, zwiihen ihm, einem Weihbischof und 
dem Domkapitel geteilt würden. Diefen zweiten Ausweg em= 
pfahl ungefähr zur jelben Zeit auch der zu Augsburg bermeilende 
Kardinal Commendone. Herzog Abreht war ganz einverftanden, 
auch der Papft und einige andere zurat gezogene SKardinäle 
Ihienen ihn im allgemeinen zu billigen; dennoch fam man in 
Rom nit vorwärts, mochte nun des Papftes Gewiſſenhaftigkeit die 
Urſache jein, oder der Wunſch, durch längeres Zögern den Wert 
der erbetenen Gunft zu fteigern. Der Hochſommer nahte heran, 


1) In der That war Herzog Ernft erft zwölf Jahre alt. 
Loſſen, Köln. Rrieg I. ’ 6 


82 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


während deſſen die meiſten Kardinäle der ungefunden Stadtluft zu 
entfliehen pflegten und nur die dringendſten Geſchäfte erledigt 
wurden. Eiſengrein, der ſeinen Hauptzweck erreicht, Rom geſehen 
und an der Kurie ſich bekannt gemacht hatte 9), kehrte reichbeſchenkt 
heim und überließ Pfiſter und Caſtellino die weitere Betreibung 
der Sache. 

In einer neuen Audienz, am 9. Juli, kam endlich der Papft 
ſelbſt mit einem Vorſchlage hervor, wie die Sade fih machen 
ließe. Das Freifinger Kapitel jolle für diesmal, unbeichadet feiner 
Rechte für die Zukunft, auf fein Wahlrecht verzichten und ihm, 
dem Papſte, anheimftellen ihre Kirche zu verſehen. Dann merde 
er in der beſprochenen Weije die biihöfiihen Funktionen zwiſchen 
Herzog Ernſt, Domkapitel und Weihbiihof teilen. Diejer Vor: 
ſchlag bezwedte wohl, zu verhüten, daß andere al3 der Papft jelbft 
über Defrete des Trienter Konzil3 ſich hinausſetzten. Pfiſter 
antwortete, falls das Kapitel der Succeſſion des Herzogs Ernſt 
gewiß ſei, werde es ohne Zweifel einwilligen. Das geſchah in 
der That. Ein Formular des gewünſchten Verzichtes wurde aus 
Rom dem Domkapitel zugeſendet und von dieſem alsbald unbe— 
denklich ausgefertigt ?). 


1) 15. Dezember 1565 ſchreibt Eifengrein aus Innsbruck an Fend: 
Oro te, clarissime Vendi, effice ne mors Pontificis, quae hic nobis signi- 
ficatur, fortasse occasionem praebeat me revocandi. Nam si Pfisterus 
progredietur, potero ego finem meum nihilominus consequi et vel mortui 
Pontificis pedes osculari, quem tamen vivum ego plane credidissem plus 
miraculi operaturum. . .. At vidisse, notitiam contraxisse, me commen- 
dasse hac vice sufficiet. 

2) Meihelbed a. a. ©. giebt an, Biſchof Moriz habe am 18. Ok— 
tober 1566 das Bistum feinem Kapitel übergeben ; ihm folgen die Biſchofs— 
verzeichniffe von Potthaſt, Sams u. |. w. — Nach dem Obigen ift bie Re— 
fignation des Biſchofs vielmehr in ben Herbſt 1565 zu fegen. Daß fie 
1566 pro forma wiederholt worben fei, finde ich nicht; wenn aber doch, 
dann nicht erft im Dftober, ba Pfifter jhon am 14. September 1566 aus 
Rom meldet, baß er das Instrumentum resignationis des Freifinger Dom— 
fapitel8 erhalten babe; anderfeits ift die Annahme ber Refignation und bie 
Provifion des Herzogs Ernft durch Pius V. erft im Dezember 1566 er- 
folgt. 


Erwerbung bes Hochſtiftes Freifing. 33 


Zrogdem fam man in Rom nod immer niht ans Ziel; man 
wartete dort,. wie Herzog Albrecht erfuhr, auf Commendones Rüd: 
funft aus Deutihland; vermutlih weil der mißtrauiſche Papft 
dur ihn erſt Gewißheit erhalten wollte, daß vom Haufe Bayern 
feine Säfularifierung der Freifinger Kirche zu beiorgen ſei. Viel— 
leiht aud wußte Pius V. bereits, daß joeben (im Dftober 1566) 
das Halberftädter Domkapitel den zweijährigen Entel des Herzogs 
Heinrich) des Jüngeren zum Biſchof poftuliert hatte; — was man 
dem Bayernherzog zugeltanden, ließ ji) dem ebenfall3 gut fatho= 
liſchen Braunſchweiger ſchwer verweigern. 

Commendone hatte ſchon im Frühjahr auf dem Reichstage dem 
bayrifhen Herzog. jeine Hilfe in der. Freifinger Sache zugejagt. 
Als er nun, im November 1566, nah Rom zurückkam, löfte er 
jein Verſprechen ein. Er jdilderte dem Papfte die großen Ver— 
dienfte. des Herzogs Albreht um die fatholiihe Kirhe und die 
vortrefflihen Anlagen des Prinzen Ernft. Andere einflußreiche 
Kardinäle, wie Morone, Farneſe und der von Araceli, Vizeproteftor 
der deutihen Nation, endlih Pius’ V. Sefretär Anton Florebello, 
Biihof von Lavallino, ſprachen ebenfall3 zugunften der Sache. 
Auh König Philipp IL. Soll für Herzog Ernſt intercediert 
haben). Pius V. gab nad. Im Konſiſtorium des 20. De- 
zember 1566 genehmigte er die Refignation des Biſchofs Moriz 
bon Freifing und den Verzicht des Domkapitel3 auf eigene Wahl; 
drei Zage nachher, am 23. Dezember, wurde in einem neuen ge— 
heimen Konfiftorium die Aodminiftration der Temporalien dem 


— — 


1) Im Januar 1580 teilt der päpftliche Nuntius Caſtagna dem bayriſchen 
Rat Dr. Halver mit, er felbft babe zu der Zeit, als Herzog Albrecht „wegen 
der bifficultet: propter minorennitatem ber Kun. Mt. zu Hifpanien promo- 
toriale am die Papſt. Hlt. gebraucht“, als damaliger Nuntius am fpanifchen 
Hofe dem König geraten, ſolche Fürfchriften zu geben. (RA. Miüufter, 
T. IX. fol. 28.) Direkte Nachrichten über die ſpaniſche Interceffion find mir 
bisher nicht vorgefommen. — Einige Briefe des Biſchofs Moriz, des Kar- 
dinals Truchſeß und des Herzogs Albrecht an Karbinal Granvella, bie Frei— 
finger Konfirmation betr. bei Poullet, Corresp. de Granvelle 1565—1586. 
Brux. 1877. p. 103sgg. 145. 222. 226. 

6* 


84 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


bayriihen Herzog Ernſt übertragen, dem Kapitel die geiftliche 
Jurisdiktion und dem Weihbiſchof die Pontifikalien (Firmen und 
Weihen). Die Expedition erfolgte durch Breven; infolge deſſen 
fiel die Zare, wegen welcher man fi auf bayriiher Seite ſchon 
viele Sorge gemacht hatte, ganz weg und blieben nur etliche 
hundert Kronen an Verehrungen für die Kurialiften zu entrichten !). 
Im Januar gelangten die vom 29. Dezember datierten Breven 
an die Herzöge Albreht und Ernſt, ſowie an das Freifinger 
Domkapitel nad) Münden. 

Herzog Albrehts Dankſchreiben an den Papſt fiel ziemlich lau 
aus. Die ewigen Verzögerungen hatten ihn jo verdroſſen, daß er 
noch im Dezember feinen Gejandten abberufen wollte, damit deſſen 
längeres Verweilen nicht ihın zu Spott und Schande gereihe. Auch 
war er verjtimmt, weil ſich Pius V. weder gegen feinen Theologen 
und Liebling Eijengrein, noch gegen ihn jelbft — inbezug auf er= 
betene Antiquitäten — bejonders freigebig bewieſen hatte 2). 


1) Die Tare der apoftolifchen Kammer für die Konfirmation eines Frei— 
finger Bifchofs betrug 4000 Dufaten (oder Goldgulden); biefe Summe be- 
deutete jedoch nur eine Norm, wonach bie wirklichen Koften berechnet wur— 
den. Nach einer Berehnung vom Jahre 1552 koftete, wenn von ber Tare 
von 4000 Dukaten nichts nachgelaffen wurde, die Erpebition in Wirklichkeit 
6674 Dutaten 5 Jul. = 7341 Goldkronen 9 Kreuzer; wurde die Tare 
auf ein Viertel, aljo 1000 Goldg. rebuziert, jo machten die Koften noch 
2394 Duft. 35 Jul. = 2634 Kronen 20 Kr., — alfo nicht ein Viertel, 
fondern über ein Drittel des vollen Betrages. 

2) In Fends Konzept zu dem Dankfchreiben bes Herzogs an den Papft 
forrigierte der Kanzler Ed folgende Stelle hinein: Et licet diuturna haec 
mora non tam gravis et molesta quam apud alios tam catholicos 
quam haereticos haud parum ignominiosa mihi fuerit, qui nimirum 
id a me secus quam decuerit factum esse interpretati sunt, cum tamen 
in hoc toto negotio non tam filii mei quam ecclesiae et religionis uti- 
litatem honorem et augmentum quaesiverim, tamen admittendum mi- 
nime putavi, ut non intelligeret S. V., quantum me paterna ista sua et 
clementissima dispositio exhilaraverit. An ber Kurie felbft betrachtete man 
Herzog Ernſts Beftätigung für Freifing als einen Beweis ganz bejonberer 
Gunft des Papftes gegen Herzog Albrecht. S. Relation bes Paolo Tiepolo 
bei Alb£ri, Relazioni X, 187. — Für Eifengrein hatte Herzog Albrecht 
vom Papfte irgendeine Propftei, Pfründe oder Penfion ohne neue Amts— 


Erwerbung des Hochftiftes Freifing. 85 


Warm dankte er dagegen dem Kardinal Commendone, welchem er 
das Hauptverdienft an der endlichen Erledigung der Sache zu= 
ſchrieb. 

Dr. Pfiſter hatte in Rom noch allerhand geiſtliche Geſchäfte 
für den Herzog, für das Freiſinger Kapitel und auch eigene 
zu beſorgen — im Januar 1567 ließ er ſich im römiſchen Je— 
ſuitenkolleg zum Prieſter weihen —, ſo daß er erſt Anfang März 
die Rückreiſe antreten konnte, ein volles Jahr nad ſeiner Ankunft 
in Rom. 

Dem neuen Adminiftrator von Freifing war das Glück gleich) 
anfangs günftig. Am 26. Februar 1567 rührte feinen Vorgänger 
der Schlag, da der mwohlbeleibte Mann allzu früh nad) dem Eſſen 
ins Bad ging; in einer BViertelftunde war er tot. Das geihah 
im biihöflihen Schloſſe zu Freifing. Infolge davon erjparte Her— 
30g Ernft nit nur die von Moriz von Sandizell ausbedungene 
Penfion von jährlih 2000 Gulden, fondern ihm fiel aud, gemäß 
dem Herfommen, deifen Fahınis zu, ein paar taufend Gulden in 
bar und ein ftattliher Hausrat, welche die Verwandten geerbt 
hätten, wenn Moriz bereits, wie dies für den folgenden Tag be= 
ftimmt, in einer Privatwohnung gewejen wäre. 


pflichten erbeten; Pius V. verlieh ihm zwar bie Propftei Bruchſal, mo aber 
die päpftliche Kollation beftritten wurde, — und forberte obenbrein, Eiſen— 
grein folle num, gemäß ben Trienter Defreten, auf feine frühere vom Herzoge 
felöft erhaltene Propftei Moosburg verzichten. — Auf Herzog Albrechts Bitte, 
der Papft möge den für ihn in Rom angefauften Statuen etwas von fich 
beifügen, antwortete Pius V. dem Agenten Caftellino: sibi relatum fuisse, 
nullas extare praeter paucas illas excellentiores, ex pulchro quem vocant 
aspectu non amovendas, quodque, cum ipsa gentilitates istas non amet 
sed rejiciat, gratissimum sibi fuisset, si in ipso sui pontificatus initio, 
antequam populo Romano statuas Vaticanas dono dedisset, Illmae Celnis 
desiderium intellexisset, quia tot dedisset, quot ipsa accipere voluisset. 
14. Februar 1566 fchreibt der Herzog an Kaftellino (Ept. Fend): dabis 
operam . . . ut locupletior ad nos perveniat veneranda ista suppellex, 
qua certe quam unice delectemur, si S. D. N. compertum haberet, beni- 
gnius forsan esset et promptior, talem aliquam erga nos liberalitatem 
exercendi, cujus spem aliquando nobis fecerat. Es dauerte aber noch lange, 
bis der Herzog von Pius V. wirklich etwas von Antiquitäten erhielt. 


86 Zweites Buch. Zweites Kapitel. 


Bald danach bezog der zwölfjährige Adminiſtrator feine Reſi— 
denz; feierlich begrüßte ihn das Kapitel, inſtallierte ihn in Dom— 
chor und Konklave und erkannte ihn, durch Überreichung der 
Schlüſſel zum Schloſſe, als Adminiſtrator der Temporalien an. 
Herzog Ernſt blieb jedoch auch in Freiſing unter der gewohnten 
Zucht ſeines Hofmeiſters Chriſtoph von Pienzenau und ſeines Prä— 
ceptors Jodocus Caſtner, welcher zugleich mit dem Herzog deſſen 
jungen Vetter Markgraf Hans Jakob von Baden unterrichtete. 

Nod in demjelben Jahre, 1567, fam an Herzog Ernſts Hof 
ein Mann, welcher fortan auf feine Erziehung und Jugendge— 
ihide größeren Einfluß als irgendein anderer geübt hat: An— 
dreas Fabricius, Doktor der heiligen Schrift, ein Lütticher von 
Geburt, der bis zum Jahre 1566 als Lehrer an der Univerfität 
Löwen angeftellt, dann aber nad) Rom gegangen war, wo er dem 
jüngſt gewählten Papfte Pius V. eine lateinische Tragödie, Reli- 
gio patiens, widmete. Dieje Tragödie enthält im Munde ver- 
ſchiedener allegoriicher Perfonen Klagen über das Berberben, 
welches Luthers Kekerei, die Weltluft der Priefter und Laien, 
endlich die Anmaßung der Fürften und Hofleute in geiftlichen 
Dingen, über die Chriftenheit und bejonders über Franfreih und 
Deutſchland gebraht haben und meiter bringen werden. Eine 
zweite ähnliche Tragödie, Evangelicus fluctuans, widmete Fabri- 
cius dem Kardinalnepoten Michael Bonello, Kardinal von Alefjandria, 
beide bei Maternus Cholinus in Köln gedrudt, die erfte ſchon 
1566, die zweite erft 1569, als Fabricius ſelbſt bereit3 in bayrijchen 
Dienften ftand. Dahin fol er durch des Papites Empfehlung 
gefommen fein. Wahricheinlih Hat ihn Dr. Pfifter aus Rom an 
den bayrischen Hof mitgebradt, wo ihn Kanzler Eck gaftlic auf: 
nahm und den Vertrag über feinen Eintritt in Herzog Ernſts 
Dienfte mit ihm abſchloß. Zu Midaelis 1567 (nachdem er 
zuvor noch feine Refivenz als Kanonikus der Domlirhe St. Lam— 
bert zu Lüttih abfjolviert hatte) ſcheint Fabricius fein Amt als 
geiftliher Gouverneur des Adminiftrators von Freiling angetreten zu 
haben. Zu Herzog Wilhelms Hodyzeit mit Renata von Lothringen 


Erwerbung bes Hochftiftes Freifing. 87 


(Sebruar 1568) führten die Münchener Jejuitenzöglinge eine neue 
lateiniihe Tragödie des Fabricius auf, „Samſon“, welche nachher 
auch wieder durch Cholinus gedrudt wurde. In ihr wird die 
Geſchichte des Samjon, bejonders feine Überliftung durd) die Delila, 
dargeftellt. Die Chöre enthüllen die Haupttendenz des Stüdes, 
nämlich eine Warnung vor der Ehe mit Andersgläubigen. In 
der Widmung an Herzog Wilhelm ſpricht ſich Fabricius hierüber 
noch deutliher aus. Zugleich preift er hier deſſen Vater, Herzog 
Albrecht V., als einen zweiten Samſon, welder mit Hilfe der 
berbeigezogenen Gelehrten viele taufend Unterthanen binnen wenigen 
Sahren zur fatholiihen Einheit zurüdgeführt und erft jüngft auf 
dem Reichstage (zu Augsburg 1566) die fegeriichen Füchſe gleich- 
jam mit den Schwänzen aneinandergebunden, d. 5. ihre Liftigen 
Anſchläge gegen die katholiſche Kirche vereitelt habe. Gott nod 
verhaßter als die fleiſchliche Unzucht ſei die geiftliche, die Buhlerei 
nämlich mit häretiſchen Lehren. 

So befundete Dr. Fabricius, gleich beim Antritt feines Amtes, 
aud) der Außenwelt, in welchem Geifte er feinen Zögling, den Ad— 
miniftrator von Freifing, zu erziehen gedenke. 


3. Kapitel. 


Bayerns erſte Bemühungen um das Erzfift Köln.” 


Gelegenheit, mit Kurfürft Salentin perjönliche Beziehungen an— 
zufnüpfen, bot ſich dem bayrischen Herzoge, al3 er im Jahre 1569 
den Plan einer Erweiterung des Landsberger Bundes verfolgte. 
Diefer Plan war nit neu. Schon im Jahre 1560 hatte Kaijer 
Ferdinand, der für feine vorderöfterreihiichen Lande Mitglied diejes 
Vereins war, Ahnliches erftrebt; Nahbarftände von beiden Kon— 
feffionen jollten aufgenommen, jodann am Rheine ein zweiter ähn- 
liher Bund gebildet werden, der auch die niederburgundiichen 
Erblande umfaſſen und ihnen als Rüdhalt gegen Frankreich dienen 


* Quellen: Die bürftige gebructe Litteratur über ben Landsberger Bund 
verzeichnet im allgemeinen: Stieve, Akten des 30jährigen Krieges 
IV, 4f. — Bon dem von Stieve erwähnten mafjenhaften Akten— 
material über benfelben im Münchener Staatsardiv benutte ih für 
das folgende Kapitel aus der Serie „Schwäbiſche Bunbesfachen“ beſonders 
bie Nummern 58 bis 65 = StN. 223/10 bis 13 u. 224/2 bis 5; aus ber 
Serie „Landsberger Bunbes-Acta” Nr. 401/2. — Weitere Korreipon- 
benzen zugleich über den Landsberger Berein unb bie Kölner Sade 
StA. 160/11. 161/3. 284/12 u. 13. — Wertvolle Ergänzungen bazu 
enthält der in: Coleccion de documentos ineditos para la Historia 
de Espana, Madrid 1861, T. 37 u. 38 abgebrudte, leider nur 
bi8 Ende 1569 reichende und zubem einige empfindliche Lüden auf- 
weifende Briefwechfel zwifchen Alba und König Philipp. — Gachard, 
Corresp. de Phil., T. II, p. 118sqgq. bringt nur fehr wenig bier- 
über. — Über den Berfuh Stift Lüttich in den Landsberger Bund zu 
bringen, ein paar Notizen bei F. Henaux, Hist. du Pays de Liege, 
T. II, p. 121. Liöge 1856. — Über den von Kurfürft Friedrich von ber 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzitift Köln. 89 


jollte. Aber eben diejes wollten die proteftantischen Fürften nit; 
die Erweiterung unterblieb. Der Gedanke erwadhte von neuem, 
al3 in den Jahren 1568—1569 der niederländiich = franzöfiiche 
Religionskrieg Hoffen und Fürchten der ganzen Ghriftenheit in 
Mitleidenihaft 309. Wohl hatte das Reich feinen Neligions- 
frieden, aber das gegenfeitige Mibtrauen war bei Proteftanten 
wie Katholiken ftark genug, daß fie meinen fonnten, wenn im 
Welten die ihrer Religion feindlihe Partei enticheidend fiege, 
werde aud an fie die Reihe kommen. Deshalb zeigen ji un— 
gefähr zur felben Zeit jene Reichsftände, welche entweder der Ge— 
fahr näher ſaßen oder durch ihren kirchlichen Standpunkt einer 
der kümpfenden Parteien im Weiten ji) verwandter fühlten, be= 
ftrebt, dur) einen Bund mit den Glaubensgenofjen in und 
außer dem Reiche gegen feindliche Angriffe fih zu ſichern. Auf 
protejtantiiher Seite juchte der reformierte Kurfürft Friedrich III. 
von der Pfalz ſchon feit einigen Jahren einen allgemeinen evan— 
geliichen Bund zu bilden; auf fatholiicher plante man am bayri- 
ihen Hofe, den Landsberger Schirmverein, welcher bisher nur 
einige oberdeutihe Stände umfahte, darunter auch eine halb und 
eine ganz proteftantiiche Stadt, Augsburg und Nürnberg, durd) 
die Aufnahme der meiften anderen fatholiichen und einiger wenigen 


Pfalz geplanten evangelifhen Bund und die Beziehungen ber prote- 
ftantifhen Stände zum Landsberger Verein in ben Jahren 1569/70 
Kluckhohn a. a. O., Bd. II paffim und meine Beſprechung des— 
ſelben im Bonner Theol. Litteraturbl. von 1873, Nr. 10 u. 11. 
Meine damalige Anſicht von dem „friedlichen Charakter” des Lands— 
berger Vereins Halte ich jedoch, nah Durchſicht der Alten, nur noch 
in jehr bedingter Weife aufrecht. — Ich beabfichtige anderwärts auf 
bie Erweiterung des Bundes in ben Jahren 1569 ff. genauer einzut- 
geben, greife bier nur heraus, was auf die bayrifche Bewerbung um 
Köln Bezug zu haben ſcheint. — Für diefe ift fpeziell wichtig Herzog 
Albrechts Briefwechſel mit Karbinal Dtto Truchfeß, zum Zeil gedrudt 
bei Wimmer a. a. O. GVertraul. Briefwechfel), zum Zeil noch unge- 
drudt: RU. Hodftift Augsburg, T. IV. Ferner StA. 38/2 bis 4. 
Einzelne Ergänzungen hierzu StA. 9/4. 359/46. 415/5 u. 40 bis 50. — 
Über Herzog Ernſts erfte Nefidenz in Köln DA. Domtap. Brot., 
Nr. 154. 


0 Zweites Buch. Drittes Kapitel. 


proteſtantiſchen Reichsſtände zu einem alle Katholiken ſchützenden 
Bunde zu erweitern. Von Burgund, das iſt von den ſpaniſchen 
Niederlanden, ſprach man nicht öffentlich, aber zu München und 
vielleicht auch in Junsbruck hegte man gleich anfangs den ſtillen 
Wunſch, den Generalgouverneur Herzog Alba ebenfalls in den 
Verein hereinzuziehen. Man nahm in München jene Idee des 
Kaiſers Ferdinand wieder auf von zwei gleichartigen, vorwiegend 
katholiſchen Bünden: ein oberdeutſcher, verſtärkt durch neue Mit— 
glieder von beiden Konfeſſionen unter Bayerns Führung, der andere 
vornehmlich die rheiniſchen geiſtlichen Stifter und daneben Burgund 
umfaſſend, unter einem eigenen Oberhauptmann, beide ſodann 
durch einen Korreſpondenzvertrag mit einander verbunden. 
Abgeſehen von kirchlichen und politiſchen Motiven geſtattete 
jede Erweiterung des Bundes die drückend empfundene Laſt der 
Beſoldung von Dffizieren und Kriegsleuten den bisherigen Mit— 
gliedern zum Zeil abzunehmen. Gerade jetzt war dieje Laft 
ſchwerer als gewöhnlid. Erzherzog Ferdinand hatte zum Schutze 
des Elſaſſes vor des Pfalzgrafen Wolfgang, dann vor Draniens 
und Herzog Aumales Kriegsvolt Knechte geworben, — auf Koſten 
des Landsberger Bundes, der dazu noch, gemäß Beſchluß eines 
Einigungstages zu Münden im März 1569, cin paar tauſend 
Reiter in Wartegeld nahm. Damals nun fing man an zuerft 
Öffentlich von der Erweiterung des Bundes zu ſprechen. Anlaß 
bot die Beichwerde der Nürnberger, dab jo wenige Stände der 
Augsburger Konfeſſion in vdemjelben feien. Sie gerieten, er: 
Härten fie auf dem nächften Einigungstage im Juni 1569, wegen 
ihrer Zeilnahme an einem „Papiſten- oder Pfaffenbund‘ in 
üble Nachrede bei ihren Glaubensgenofien. Nur widerwillig 
liegen fie fi Die Verlängerung des Vereins auf fieben weitere 
Fahre gefallen. Man beihloß alſo den Bund durch friedliebende 
Stände von beiden Religionen zu erweitern und zugleih, um das 
im Reihe verbreitete Mißtrauen zu heben, den Kaiſer um deſſen 
DBeftätigung anzugehen. Der Bundesoberhauptmann Herzog Albredht, 
jodann die Städte Augsburg und Nürnberg jollten die Verhand- 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 9 


tungen führen. Man ſprach beiläufig von Kurſachſen, von dem 
Markgrafen von Brandenburg (Ansbach), dem Herzoge von Würt- 
temberg , von etlichen geiftlihen Fürften am Rhein, von den 
Städten Ulm und Straßburg; von einer Aufnahme Burgunds 
. war auf dem Bundestag nit die Rede. Dem Kaifer lich nach— 
ber Herzog Albrecht zwar einige allgemeine Andeutungen über die 
beablichtigte Erweiterung des Bundes machen, aber auch ihm jagte 
man, auf den Rat des Dr. Eck und des Bundesfanzlers Verbinger, 
nichts von den ſpaniſchen Niederlanden. 

Vom Frühjahr bis in den Herbit 1569 waren bayriiche Ab— 
geordnete unterwegs zu den verichiedenen Ständen. Die proteftan- 
tiihen, Württemberg, Brandenburg, Kurſachſen, gaben abichlägige 
oder ausmweichende Antwort; dagegen fand Herzog Albrechts Ges 
fandter, der Würzburger Kanzler Balthaſar von Hellu, die geiſt— 
lichen Kurfürften willig, am meiften den Trierer. Aber auch Sa— 
lentin von Köln zeigte wider Erwarten große Luft zu dem Bunde 
mit Bayern — jedody unter einer Bedingung: am Rhein müfje 
ein eigener Dberft und zwar ein Kurfürſt aufgeftellt werden. Da— 
bei dachte er fiherlih nur an ſich jelbit und nicht an einen jeiner 
gemeihten Kollegen. Herzog Albreht hatte nicht viel einzumenden, 
wohl aber die Mitkurfürften, namentlih Jalob von Xrier. Sie 
ihügten die Koften vor; in Wahrheit wollten jie lieber unter dem 
bayriſchen Herzoge ftehen als unter ihrem Kollegen Salentin, 
mit welchem Kurtrier ohnehin bereits in Privathändel geraten 
war. 

Als im September in Boppard zum zweitenmal Abgeordnete 
der drei Kurfüriten wegen des Landsberger Vereins zujammen- 
tamen, beſchloſſen fie demjelben unter gewilfen Vorbehalten beizu- 
treten, ohne einen eigenen Dberft aufzuftellen. Auch Salentins 
Gejandter Anton von El, ein Neffe des Kurfürften Jalob von 
Trier und zugleich trieriiher Marihall, lie ſich diefen Beſchluß 
gefallen. Aber Salentin ſelbſt verweigerte nachher rundweg die 
Genehmigung: fein Gefandter habe feinen gemefjenen Befehlen 
zumider gehandelt; nur unter der von Anfang an geftellten Be- 


92 Zweites Bud. Drittes Kapitel. 


dingung fünne er dem Bunde beitreten. Am Fülicher Hofe waren 
die einflußreichiten Räte, namentlich der cleviiche Kanzler Diifleger 
überhaupt dem Landsberger Vereine abgeneigt ; öffentlich machte man 
den Beitritt abhängig von der Zuftimmung der Landftände, auf 
die fein Kundiger rechnen konnte. Die Biihöfe von Lüttid und 
Münfter richteten fi) nach dem Herzoge von Jülich; andere fatho= 
liſche Stände zögerten mit der Antwort. — Die Folge war, daß 
beim nächſten Einigungstage zu Münden, im Dezember 1569, 
nur zwei neue Mitglieder, die Kurfürjten von Mainz und Zrier, 
beitraten, und von ihnen der erſte nur nod mit halbem Herzen. 
Das kam zumeiſt daher, dag man inzwilchen erfahren hatte, wie 
jehr Kaiſer Marimilian der geplanten Erweiterung des Bundes 
wideritrebte. 

Dem Kaiſer waren die Abjihten Bayerns nicht lange ver— 
borgen geblieben. Es war überhaupt jchwer im Deutichen Reiche, 
deſſen Fürften faſt nichts ohne ihre Räte thaten, politische Projekte 
geheim zu halten; zudem war der Hauptunterhändler Hellu wenig 
verſchwiegen. Man darf annehmen, daß Kaifer Marimilian um 
alles, was damals im proteftantiihen und im fatholtihen Lager 
borging, nod viel beſſer Beicheid wußte, als er in den ung bor= 
liegenden Schreiben zu verraten für gut findet. Konnte er 
ruhig zufehen, wenn ſich hüben und drüben zwei große bewaffnete, 
aufs Ausland geftügte Bünde bildeten, zwiſchen denen für die 
faiterlihe Autorität faum nod) Raum blieb? Und lag nicht 
darin für den Neligionsfrieden, als deſſen Hüter er fi betrachtete, 
die allergröhte Gefahr? Er that alſo nur, was zugleid die 
Pflicht feines Amtes und der Vorteil feines Haufes geboten, wenn 
er auf alle Weife der Bildung von Separatbündniſſen entgegen- 
arbeitete. Marimilian ſelbſt hat einmal gejagt, er müſſe zwiſchen 
ven beiden Parteien im Reihe das Gleichgewicht jo halten, daß 
die Wage gleich .einitehe ). Nie löſte er diefe Aufgabe unter 


1) Häberlin a. a. ©. IX, 368 (aus Lebeumann, De Pace Relig. 
Acta publ,, ®b. II, Kap. 16 (Ed. noviss. 1288), zunächſt von den geift- 
lichen und weltlichen Kurfürften gefagt, aber auch allgemeiner zu verftehen. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 93 


ſchwierigeren Verhältniſſen als in jenen Jahren, da er im 
Reihe den Frieden erhielt, während das übrige Europa von blu: 
tigen Bürgerfriegen und Greuelthaten erjchüttert wurde. 

Ein erfter Erfolg des Kaiſers war ſchon, daß ihm im Früh: 
jahre 1569 auf dem Frankfurter Deputationstage die Reichsſtände 
das Amt zuerfannten, al3 Generaloberft die weftlihe Grenze gegen 
die Einfälle der feindlihen Kriegsvölfer zu ſchützen. Zu feinem 
Lieutenant ernannte Marimilian den berühmten Oberſt Lazarus 
von Schwendi, deſſen Perjon dann auch den Kurpfälzern das un: 
liebe Amt erträglich erjcheinen ließ. Darauf jcheiterte im Sep— 
tember auf einem Zage zu Erfurt die von den Pfälzern betriebene 
proteftantiich = engliihe Konföderation an dem Wideriprud der 
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg, melde des Kaiſers 
Abneigung gegen Separatbündniffe teilten ). Mehr Mühe Loftete 
e3, die Erweiterung des Landsberger Bundes zu hintertreiben, 
weil Marimilian dabei auf König Philipp, feinen Vetter, Schwa— 
ger und Fünftigen Eidam, Rüdfihten zu nehmen hatte. Um fo 
mehr muß man e3 als ein Meifterftüd der Staatskunft aner- 
fennen, daß es dem Kaifer ſchließlich fat gelang, das Odium der 
Ausihliegung Burgunds auf den bayrischen Herzog abzumwälzen. 

Mitte Dftober lief bei Herzog Albrecht zuerjt eine leiſe ta= 
deinde Anfrage des Kaiſers ein, ob wahr jei, was das Gerücht 
von geheimen Bemühungen um Grmeiterung des Landsberger 
Dereins jage? Da Abreht der Andeutung, als babe er etwas 
Ungebührlihes gethan, wideriprad, und nur ein paar unverdächtige 
Stände nannte, mit denen er unterhandle, wie Sachſen und 
Württemberg, jo gab ihm Marimilian deutlicher zu verftehen, 
dag er um Albrechts Verhandlungen mit den rheinischen Biſchöfen, 


1) Alba fchreibt dem Markgrafen Hans von Brandenburg, ber bamals 
fpanifches Dienftgeldb bezog, das Hauptverbienft an ber Bereitelung bes 
evangeliſch⸗ proteſtantiſchen Bündniſſes zu (Colecc. de docum. 1. c., T. 38, 
p. 210 u. 273); in den von Neudeder, Heppe und Kludhohn abgebrudten 
Alten über die Erfurter Berfammlung finde ich jeboch feinen Beweis für biefe 
Behauptung. 


94 Zweites Bud. Drittes Kapitel. 


mit Lothringen und Herzog Alba wohl wife, fo .wie daß manche 
Leute das gleichzeitige Werben bei den proteftantiichen Ständen 
für bloßes Blendwerk hielten. Auch jegt noch verhehlte Albrecht 
dem Kaiſer die geplante Aufnahme der ſpaniſchen Niederlande in 
feinen Bund. Da erhielt er, Anfang Dezember 1569, einen teils 
eigenhändigen teils dem Vizekanzler Zafius in die Feder diktierten 
Brief des Kaifers, worin mit ſtarken Worten gerügt wurde, daß 
Albrecht aus freien Stüden die Traktation mit Alba angefangen, 
ihm aber, dem katholischen Dberhaupte, fie verheimlicht habe. Zum 
Beweis konnte Marimilian bereit3 auf ein Schreiben Albas an 
den Spanischen Gefandten in Wien, den Herrin von Chantonay, 
binmweifen, in welchem ſtand, er, Alba, jei von dem bayriichen 
Herzoge um Beitritt zum Landsberger Bund angegangen worden, 
Chantonay folle den Kaiſer eriuhen, die Sache zu befördern. 
Wenn Abreht daraufhin behauptete, nicht von ihm, fondern von 
Alba jei diejes Erſuchen ausgegangen, jo war das formell richtig; 
formell hatte Alba, in einem Schreiben vom 23. uni 1569, 
die Initiative ergriffen und Herzog Albreht erſt auf diefes hin 
‚ven Würzburger Kanzler zu geheimem Anbringen bei Alba bes 
glaubigt; dagegen hatte Hellu, ein geborener Unterthan des jpa= 
niſchen Königs (aus dem Herzogtum Geldern), für ſich zwar, aber 
mit Wilfen und Willen des bayriihen Herzogs, ſchon zuvor mit 
dem Brüfjeler Hofe über die Sade verhandelt, und noch früher 
hatten einige vertraute Räte des Trierer Kurfürften, der Kanzler 
MWimpheling und der Ritter Philipp von Naffau, ohne Zweifel 
ebenfall3 mit Vorwiſſen Herzog Albrehts, den Plan eines katho— 
liſchen Bundes mit Albas Räten erörtert. 

Der Kaiſer widerſetzte ſich zwar nicht unbedingt jeder Er— 
mweiterung des Bundes, aber er forderte, daß von den Nieder: 
landen zur Zeit nit die Rede jei, ſowie daß andere katholiſche 
Stände nur gleichzeitig mit evangeliihen von ungefähr gleicher 
Macht aufgenommen würden, alſo mit den drei geiftlichen Kur— 
fürften zugleih die drei weltlihen. Nun war dem bayrijhen 
Herzoge allenfall3 fein Freund Kurfürft Auguft von Sadjen als 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 95 


Bundesgenofje recht, nicht aber der weit entiefiene Brandenburger 
und noch viel weniger jein Rivale, der Kurfürft Pfalzgraf, der 
eifrige Feind Spaniens und der römischen Kirche. Die prote- 
ftantiihen Fürſten ihrerjeits ließen ji zwar auf lange Verhand- 
(ungen ein, aber es war ihnen damit nit Ernſt. In den bei— 
den nächſten Jahren 1570 und 1571 jhrieb und ſchickte man 
piel Hin und her; Herzog Albrecht reifte jelbit einmal (im Februar 
1570) nad) Prag, um in einer perfünlihen Zuſammenkunft den 
Kaifer und den Kurfüriten Auguft feinen Vorſchlägen geneigter zu 
ftimmen. Aber vergeblih! — Das Ende von allem war, daß 
bis zum näditen Landsberger Einigungstage (im Februar 1572) 
nicht nur fein neuer Stand gewonnen war, jondern Kurmainz 
bereit3 Luft zeigte, bei erfter Gelegenheit wieder vom Vereine los: 
zufommen. Das früher viel Herzlihere Verhältnis der beiden 
Schwäger Marimilian und Albrecht erfaltete hauptſächlich infolge 
der Differenzen wegen de3 Landsberger Bundes; die Rück— 
wirfung fpürte dann Bayern mieder bei anderen Zielen feiner 
Bolitit, zu denen es der Hilfe des Kaiſers bedurft hätte. 

Die bayrifhe Bewerbung um das Erzftift Köln hängt mit 
dieien Verhandlungen über den Landsberger Bund in zweifacher 
Meile zuſammen: Außerlih dadurch, daß diejelben dem Herzoge 
mehrfach Gelegenheit boten, durch feine wegen de3 Bundes abge- 
ordneten Räte und perſönlich aud die Kölner Sadje zu betreiben; 
fodann innerlich, indem Alba, welcher die Aufnahme der Nie- 
derlande in den Berein lebhaft wünſchte, die Beförderung eines 
bayriihen Prinzen nad) Köln als eine Art Gegengabe von feiner 
Seite betrachtete. 

Mir erinnern ung, wie Hurfürft Salentin, weil er das Tri— 
enter Slaubensbefenntnis nicht beihmören und nicht Priefter wer— 
den wollte, mit dem Papfte in Zwiſt geraten war und wie 
Pius V. bereit? daran dachte den ftörrigen Mann abzujeßen. 
Wen ſich der Papſt als Nachfolger dachte, konnte ſelbſt 
Otto Truchſeß anfangs nit berausbringen, obgleih ihn als 
Kardinalproteftor der deutihen Nation die Sache zunächſt an= 


9 Zweite® Bud. Drittes Kapitel. 


ging). Vermutlih wieder die nämlihen Erjagmänner, wie 
ihon zur Zeit Friedrichs von Wied, alfo die Biſchöfe von Münfter 
oder Lüttih, oder den Kardinal von Augsburg ſelbſt. Otto 
Truchſeß verfihert naher mehr al3 einmal dem bayriſchen Her- 
309, Pius V. habe ihn auch diesmal wieder nad) Köln bringen 
wollen und bereits mit Alba darüber verhandelt, er aber babe 
das jederzeit abgemwiefen; er würde das Erzftift nit annehmen, 
wenn man e3 ihn aud auf den Händen nah Rom trüge. Da— 
gegen habe er ftet3 die Nachfolge des Herzogs Ernſt empfohlen. 
In den Briefen des Kardinal an Herzog Albrecht ift in der 
That, wie jhon erwähnt, fpäteftens feit Anfang des Jahres 1569, 
bon diefer Löſung des Kölner Konfliltes die Rede. Im März 
1569 ſchlug Dito dem Herzoge vor, diefer möge durch den fül- 
niihen Kanzler oder durch andere dahin Handeln, daß Herzog 
Ernft mit Zuftimmung des Kapitels als Salentins Koadjutor 
oder al3 Aominiftrator angenommen werde. Der Herzog wollte 
auch, bei Gelegenheit des Frankfurter Deputationstages, den 
Dr. Burkhart im Vertrauen deshalb aniprechen laffen; diejer kam 
aber nicht nad Frankfurt. Sm Juni wandte fi dann der 
Kardinal, aus eigenem Antriebe wie es ſcheint, an Pius V. jelbft, 
fand jedoch bei ihm fein geneigte Ohr. Herzog Ernſt ſei zu 
jung, habe bereit3 eine Kirche, werde vielleicht dem Kaiſer nicht 
genehm fein. Aus dieſem legten Bedenken möchte man jchließen, 
dat Kaifer Marimilian ſchon damals dur feinen Botſchafter in 
Rom gegen Herzog Ernſts Roadjutorie oder Adminiftration fich 


1) 27. Auguft 1569 fohreibt Otto Truchſeß an Herzog Albrecht u. a.: 
„Aller billihait nad folt man ſolche ding om ben Protector nit handlen. 
Aber diſe bapft. Hailt handlet dergleichen teutfche und andere ſachen fir fich 
fel68 und braucht nit vil ratten. . . . Es muß was vorhanden fein, fei was 
es wel, und ich halt barfir ir Hailt Hab fich ſchon refolviert. Wen ir Hailt 
was ſolchs verbanden, jo belt fie e8 vor mengen haimblich, und Bit etlich 
tag Got den almechtigen, das er ir Hailt infpiriere, und was aljo darnach 
ir Hailt einfeh, das tuet fi om meitter rat oder communication. Wie nun 
folde infpiration mit biefer Colniſcher firh geraten mag, fan ih nit 
wiſſen. . . .“ Wimmera a. O., S. 111. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 97 


ausgeiprodhen hatte. Zwei Monate jpäter war man am bayri= 
hen Hofe hierüber nicht mehr in Zweifel. Otto Truchſeß hatte 
zufällig erfahren, der Papft jet neuerdings heftig erboft über Sa— 
lentin und wolle mit feiner Abjegung nicht länger warten; darauf: 
hin eilte Dito zu dem kaiſerlichen Botihafter Graf Proiper von 
Arco, nahher aud zum Papfte ſelbſt, um mit beiden zugunften 
von Herzog Ernſt zu ſprechen. Pius V. wiederholte jedod) feine 
früheren Bedenken und aud Graf Arco wies hin auf deſſen 
Jugend: im Deutihen Reihe könne nad) dem Herlommen fein 
geiftliher Kurfürft duch einen Subſtituten vertreten werden. 
Diejer Einwand, meinte man in Münden, ſei nicht im Kopfe des 
Botſchafters entiprungen, der von der Kurfürftenordnung nicht viel 
verftehe, jondern vom Kaifer jelbft ihm eingegeben, um einer etwai= 
gen bayrischen Bewerbung um Köln vorzubeugen. 

Man war in Münden mit dem übereifrigen Vorgehen des 
Kardinal nicht ganz zufrieden. Vorerft wollte man Gewißheit 
haben, ob Kurfürft Salentin denn auch gejonnen jei gutwillig 
zurüdzutreten. Herzog Albrecht bat aljo den Kardinal, bei Pius V., 
der wohl viel ſchöne Worte, aber wenig Thaten für Bayern habe, 
die Sache ruhen zu lafjen und fih nur dafür zu bemühen, daß 
der Kurfürft, der ein eifrig guter Katholikus ſei und dem Erzſtift 
mit Nuten vorjtehe, wegen der Konfekration nicht fo fehr ges 
drängt werde). Wirklich ließ fid) der Papſt bewegen, nod) eine 
Zeit lang abzuwarten, ob Salentin nicht wenigftens zur Profeſſio 
fidet jich bequemen werde. 

Unterdes hatten am Rhein Bayerns Bemühungen um Köln 
etwas beijeren Erfolg al3 in Rom. Im Spätherbft 1569 fam 
Herzog Albrechts Rat Dr. Ludolf Halver nad) Köln und nad) 
Brüffel. Genauere Berichte über feine Neife liegen nicht vor, 


1) Herzog. Albrecht hatte vermutlich vor kurzem das früher (f. 0. ©. 34) 
angeführte Bedenken Philipps von Naſſau über Kurfürft Salentin erhalten. 
Ihm ift ohne Zweifel das Urteil entnommen, welches Albrechts Brief an 
den Kardinal über Salentin ausſpricht. 

eoffen, Köln. Krieg I. 7 


98 Zweite® Buch. Drittes Kapitel. 


do wien wir, dag er damal3 mit Alba und deſſen deutjchen 
Räten, namentlid mit dem Sekretär Urban Scharberger die 
Kölner Sache beiprohen hat, und daß daraufhin die Brüffeler 
Regierung ſich anheiihig machte, den Kölner Kurfürften zu Herzog 
Ernſts Gunften zu bearbeiten ). Auch Kurfürft Zalob von Trier 
verſprach zur jelben Zeit die bayriihe Bewerbung um Köln eifrig 
zu unterftügen. Sein Rat Philipp von Nafjau, der damals neben 
Hellu hauptjächlic die Erweiterung des Landsberger Bundes betrieb, 
meinte, wenn Bayern exit Köln Habe, würden Münfter, Paderborn 
und Osnabrück von ſelbſt nahfolgen. König Philipp hätte wohl 
lieber gejehen, daß man in erſter Linie dem bei ihm ſehr gut an= 
geichriebenen Lütticher Biſchof nad Köln verhülfe, aber Alba über: 


1) Dr. Halver reife etwa Ende Oftober von Straßburg nah dem 
Niederrhein, traf jebod den Kurfürften und wohl auch deſſen Kanzler hier nicht 
an. Bon Köln ging Halver über Wejel nah Antwerpen, von bort über 
Paris und Nancy wieder nah Straßburg. Kurze Briefe Halvers Tiegen 
vor aus Wefel vom 9. und aus Antwerpen vom 11. November, ein län- 
gerer aus Schlettftabt vom 28. November (StA. 160/11 fol. 495 ff.), 
aber in allen verfpricht er genauer bei feiner Rückkunft nah München zu 
berichten. Diefe erfolgte erft zu Anfang bes folgenden Jahres; inzwifchen 
hatte Alba bereits durch einen eigenen Kurier bein bayriſchen Herzoge mitgeteilt, 
daß er mit Salentin wegen ber Succelfion zu unterhandeln begonnen habe. 
Leider fehlt mir bisher gerade diefer wichtige Brief Albas, ſowie Albrechts 
Antwort vom 28. Dezember und parallel laufende Briefe von Scharberger 
und Ed. Einige Andeutungen über deren Inhalt geben Briefe Albas 
umb Scharberger8 vom 6. Januar 1570. StA. 223/13, fol. 26 u. 28. 
Alba ſchreibt u. a.: „Wir wollen auch biefer angefangenen handlung, laut 
unfers vorigen erbietteng mit allem getreuen vleiß wurglich nachfegen und 
biefeldig vermittelt götlicher gaben, wofer immer muglih, zu gludlicher 
entfchaft bringen, ban wir haben biefer tagen von baiderſeits werorbenten 
unterhandler zeittung befomen, das er fi in kurz allhie bei ung finden und 
ber handlung weitter abwarten wölle.“ Übrigens hatte Alba ſchon ebe 
Halver zu ihm nach Brüffel kam — fei e8 auf Anregung von Trier ober 
aus eigenem Antrieb — daran gedacht, Herzog Ernft an Salentins Stelle 
zu bringen, und biefen Plan fpätefiens am 11. Dftober 1569 feinem 
Könige unterbreitet. 18. November 1569 (Coleccion 1. c., T. 38, p. 228) 
erklärt fih Philipp damit einverftanden, in einem Schreiben, worin er zu— 
gleich feine Anſicht von der Notwendigkeit einer allgemeinen fatholifchen Liga 
entwidelt. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftiit Köln. 99 


zeugte ihn, daß das ausſichtslos, weil es Gerhard von Groesbeck 
an dem ſtatutenmäßigen Adel fehlte. Von Brüſſel aus würde 
man ſchon zum Dank dafür, daß ſich Herzog Albrecht ſo große 
Mühe gab, die Niederlande in den Landsberger Verein zu bringen 
und fi) darüber ſogar dem Mißfallen des Kaiſers ausſetzte, Bayerns 
Kölner Pläne unterftügt haben; zudem entiprachen dieje aber auch 
dem eigenen Intereſſe der Spaniicheniederländiichen Regierung. Denn 
für fie war das Erzitift Köln, fo lange man von Deutſchland 
her ftet3 neue Angriffe Dranien® und der Geufen zu erwarten 
hatte, ein entweder ſehr nügliher oder jehr unbequemer Nachbar, 
jeder Kölner Kurfürſt demnach ein wertvoller Bundesgenoiie. 
Wurde ein bayriiher Herzog Kurfürft, jo war König Philipp 
feiner Allianz in der zur Zeit mwidtigften Frage, der kirchlichen, 
von vornherein gewiß. Man ftellte fich alfo in Brüffel die doppelte 
Aufgabe, zunächſt Salentin jelbit zum Freunde zu geminnen, 
fodann durch ihn die bayriihe Nachfolge im Erzitift Köln zu 
fichern ?). 

Die gewöhnliche Art, wie der ſpaniſche und ebenjo der fran- 
zöſiſche König fi Freunde im Deutjchen Reiche machten, war die, 
daß fie einzelnen Fürften und Grafen, Kriegsoberjten und fürft- 
lichen Räten jährliche Penſionen zuſagten und fie dagegen zu ges 
willen Kriegsdieniten oder auch nur zu politifchen Berichten ver— 
pflihteten. Die Annahme einer jolhen ſpaniſchen oder franzöfi- 
ihen Penſion galt durchaus nicht für unehrenhaft und erfolgte 
ganz offen. Sogar proteftantiiche Fürften und Grafen, welche im 
übrigen die Spanier al3 Unterdrüder ihrer Religion hakten, 
nahmen von dem ſpaniſchen Könige unbedenklich Geld an, leifteten 


1) In dem vorhin erwähnten Briefe König Philipps an Alba heikt es 
u. a.: el arzobispado de Colonia ... estaria muy bien en el obispo 
de Freinsingue, hijo del duque de Baviera, y cuando esto se pudiese 
encaminar, holgaria yo mucho dello, pues esta claro que demas de la 
religion, vernia muy ä cuenta para la seguridad desos estados tenerle 
por vecino, y tanto mas si saliese el negocio hecho por vuestro medio 


ven mi nombre. ... 
7* 


100 Zweite Bud. Drittes Kapitel. 


ihm fogar gegen feine wegen der Religion aufgeftandenen Unters 
thanen Kriegsdienfte. So finden wir um dieje Zeit Herzöge von 
Holftein und von Lauenburg, einen Markgrafen von Brandenburg, 
Grafen von Schauenburg, von Schwarzburg, von Weiterburg, 
von Eberſtein unter den spanischen Penſionären und Kriegs— 
oberften ). Es konnte freilich auch fommen, daß fie eines Tages, 
wenn fie bei Spanien ihre Rechnung nit fanden, deſſen Dienft 
mit dem eines Rivalen oder Feindes, Frankreid) oder Dranien, 
vertauſchten. Wollten Kaifer und Reid, wie 3. B. auf dem 
Speierer Neihätage des Jahres 1570, diefem Dienftnehmen bei 
fremden Potentaten eine Schranke jegen, jo empfanden das die 
meiften katholiſchen wie evangeliihen Fürſten al3 eine unerhörte 
Beſchränkung ihrer deutſchen Libertät. 

Auch mit Kurfürft Salentin verhandelte Alba feit dem Früh: 
jahre 1569 wegen eines Penfionsverhältnifies. Die erjte An— 
regung ging aus bon Salentin ſelbſt, durch einen kölniſchen 
Adeligen, den Rittmeifter Hans Brempt 2). Bon Alba dagegen kam 
der Gedanke, mittel3 diefer Penſion zugleid) die geplante katholische 
Liga zu befördern und die kölniſche Succeſſion im ſpaniſch-katholiſchen 
Interejje zu regeln. Um die Jahreswende 1569 wurde ein Ver— 
trag abgeichlofjen, welcher dem Kurfürften Salentin, aber nicht als 
Kurfürft von Köln, jondern als Graf von Iſenburg, eine jährliche 
Penſion von 4000 Xhalern zuficherte. Salentin ſeinerſeits verpflichtete 


1) Über die fpanifchen Penfionäre in ben Jahren 1568/69 mancherlei 
Notizen in den angeführten Bänden 37 u. 38 ber Coleceion de docum. 
ined. Die Grafen von Eberftein werben zwar bort als katholiſch bezeichnet, 
erfcheinen aber bei den oben (S. 21 u. 25) erwähnten Berhandlungen der 
Grafen über bie Freiftellung 1565/6 neben ben Grafen von Wefterburg als 
Anhänger der Augsburger Konfeffion. 

2) In Albas Schreiben vom 11. März 1569 (Coleccion 1. c., T. 38, 
p- 9) erjcheint zwar ein Hans Berna ritmestre als Salentins Mittelgmann ; 
das ift aber gewiß nur eine ber in biefer Sammlung gewöhnlichen Verun— 
ftaltungen beutfher Eigennamen. Im dem Briefe des Königs vom 24. De- 
zember (l. c. p. 273sqgq.) ift richtig Hans Brempt al8 Unterhänbler Sa- 
lentins genannt. 


Bayerns erfte Bemühungen um bag Erzftift Köln. 101 


fih auf Erfordern jederzeit bis zu 3000 Reiter dem Könige zu 
ftellen. Von Salentins fünftigem Nüdtritt vom Erzitift ftand 
niht3 im Vertrage. Dagegen wird nachher von jpaniicher Seite 
behauptet, man babe Salentin deutlich zu verftehen gegeben, daß 
ihm eine jo hohe Penſion nur mit Rüdfiht auf jeine Mithilfe zur 
Nachfolge des bayriichen Herzogs bewilligt worden ſei; Salentin 
aber will derartige Zumutungen Aldas von Anfang an, als wider 
fein Gemifjen gehend, von der Hand gewiejen haben. — Wie viel 
Wahres an beiden Behauptungen, läßt ſich aus den vorliegenden 
dürftigen Berichten nicht ermitteln. Won beiden Seiten wird 
zugegeben, daß Salentin auf den bevorſtehenden Reichstag ver— 
wies, wo er mit Herzog Albrecht perſönlich über dieſe Dinge reden 
wolle). Gewiß ift ferner, daß Salentin damal3 auf den bay— 
riihen Herzog gar nicht gut zu ſprechen war. Albrecht hatte 
feine Forderung, dab ein eigener Bundesoberft am Rhein 
aufgeftellt werde, ausmweichend beantwortet und dann dod ohne 
weitere Rüdfiht auf Köln die beiden anderen geiftlihen Kurfürften 
im Dezember 1569 in den Landsberger Verein aufgenommen. 
Bielleiht wußte Salentin au, daß man dem ihm feindjelig ge- 
finnten Herzog Wilhelm von Jülich eben damals ein eigenes 
Dberftenamt in Ausfiht ftellte, während man es ihm vermweigerte- 
Möglid ferner, daß er von Rom oder von Wien aus erfahren 
hatte, daß bereits mit dem Papſte über Herzog Ernſt al3 jeinen 
Erſatzmann gefprohen worden war. Salentin äußerte den Ver: 
dacht, Bayern wolle fi) mit Gewalt an feine Stelle drängen. 
Dbendrein ärgerte ihn, daß gerade die ihm verhaßten Kurtrierer 
die Vermittler für Bayern spielen wollten. Herzog Albrecht 


1) Der Wortlaut des Penfionsvertrages felbft liegt leider nicht vor. — 
Die obigen Detail entnehme ich Briefen von Fabricius und von Schar— 
berger an Ed, von Ehantonay an Hans Jakob Fugger, von Alba an Herzog 
Albredt: StA. 38,3. 223/13 und 224/3; ferner einem Briefe bes Frances 
de Alava an König Philipp bei Gachard, 1. c. II, 219 und einem 
Briefe de8 Grafen Johann von Naffau an feinen Bruder, vom 1. No— 
vember 1573 DillA. C. 368. 


102 Zweites Buch. Drittes Kapitel. 


fand gut, duch Philipp von Naffau (im Februar 1570) dem 
Kanzler Burkhart zu verjihern, dag man feinem Herrn nicht nad 
dem Amte trachte. Daraufhin lie Salentin den bayriichen Her— 
zog neuerdings auffordern, mit ihm perjönlid auf dem Speierer 
Neihstage zu ſprechen, und empfahl weiter den jungen Herzog 
Ernſt zur erften Reſidenz nad Köln zu ſchicken, um fi dort be— 
fannt und angenehm zu machen. Das rieten auch Philipp von 
Naffau und der Kanzler Wimpheling. Herzog Albrecht wollte 
zwar nicht jelbft zum Reichstage gehen, wohl aber feinen Sohn 
dorthin und fpäter vielleiht auch nach Köln ſchicken. 

Beim Kaiſer gedachte Albreht, bei Gelegenheit feines Be— 
judhes in Prag im Februar 1570, auch der Kölner Succeſſion; 
Marimilian verſprach ihm, feinen jungen Vetter debito modo, 
zu deutſch möglichſt lau, zu unterftügen. Auch Albrechts meitere 
Bitte, der Kaifer möge dem Kurfürften zureden, dem Landsberger 
Vereine beizutreten, wurde in einer Weiſe erfüllt, dab Salentin 
leiht merken fonnte, jein Nichteintritt entipreche bejjer den Wün— 
ſchen des Kaiſers. 

Dagegen wurde Pius V. in der Kölner Sache gleichſam über 
Naht anderen Sinnes. Den Umſchlag bewirkte ein Schreiben 
Albas an Don Juan de Zufiiga, den fpanischen Gejandten in 
Rom, worin diefer aufgefordert wurde, dem Papſte die Gründe 
für die bayriſche Nachfolge in Köln vorzutragen. Es ſcheint, daß 
König Philipp ſelbſt dieſen Auftrag feines niederländiihen Statts 
halters beftätigte. Am 24. Mai entledigte ſich Zuñiga desjelben 
bei Pius V. Der Papft erwiderte mit warmem Dante für 
den Eifer und die Sorgfalt, melde Alba in diefem Handel be= 
wieſen habe. Er ihäge, fagte er, Albas Nat und Anleitung 
nicht gering, denn er jei namentlich in den deutſchen Saden, in 
denen er nicht bejonders erfahren jei, auch nicht wilfe, wen zu 
trauen, guten Rates wohl bedürftig. Deshalb befinde er aus den 
von Alba dargelegten Gründen für gut, daß des bayriſchen Her— 
3098 Sohn der Kölner Kirche vorgefeht werde, teile auch die An— 
fiht, dab dieſe feine Zuftimmung vorerjt geheim bleiben müſſe. 


Bayerns erſte Bemühungen um das Erzftift Köln. 103 


Wirklich erfuhr jogar der Kardinal von Augsburg erft im Juli 
davon und jedenfalls nur durch den ſpaniſchen Gejandten ?). 

Inzwiſchen war Herzog Albrecht durch Alba bereit3 von allem 
genau unterrichtet, hatte auch ſchon dem Papfte gedankt und feinen 
Sohn ihm empfohlen. Das Weitere jollte auf dem Reichstage 
durch den Herin von Chantonay mit Kurfürft Salentin und Her= 
zog Ernſt perſönlich beiprochen werden. 

Am 6. Juli traf Salentin in Speier ein; ſchon vorher hatte 
ſein Kanzler Burkhart dem Dr. Wiguleus Hund, der von den 
bayriſchen Reichstagsgeſandten allein in dieſe Sache eingeweiht 
war, im Vertrauen mitgeteilt, wie ärgerlich ſein Herr ſei, daß die 
Sache vorzeitig ruchbar geworden, ja daß man ſogar von ſeiner 
Abſetzung und von gewaltſamem Eindringen eines anderen ſpreche; 
auch daß Trier ſich eingemiſcht, werde mehr ſchaden als nützen; Her— 
zog Albrecht hätte in eigener Perſon kommen ſollen, u. dgl. m. 
Am 12. Juli, am Tage vor der Eröffnung des Reichstages, kam 
auch Herzog Ernſt mit ſeinen Hofmeiſtern Pienzenau und Fabri— 
cius nach Speier. Einige Tage danach (am 17.), als Herzog 
Ernſt dem Kurfürſten ſeine erſte Aufwartung gemacht hatte, ſprach 
ſich Salentin gegen Dr. Hund noch viel ſchärfer aus als zuvor ſein 
Kanzler. Er that als gehe ihn die ganze bayriſche Bewerbung nichts 
an; Alba habe dieſe Sache bei Gelegenheit eines anderen Handels 
angezettelt und ihn bei feinem Domkapitel in den Verdacht ge— 
bracht, als ſtehe er mit dem Kaiſer, mit Spanien und Bayern 
in heimlichen eigennützigen Praktiken. Daraus entſtünden allerlei 
Gegenpraftifen. Billigerweife hätte man die Dinge zuerft ver- 
traulih an ihn, den Prinzipal, bringen ſollen; er würde geraten 
haben, den jungen Herzog zur Refidenz nad Köln zu jhiden, um 
fi) Hier durch beſcheidenes Weſen bei Domkapitularen und Land: 
ftänden beliebt zu madhen. Er jeinerfeit3 würde dann als ein 
rechter alter Katholitus dem bayriſchen Herzog gern alle erlaubte 


1) Nachher bildete ſich ber Kardinal freilich ein, er felbit babe den Papit 
beftimmt, im bie bayrifhe Succeffion einzuwilligen. 


104 Zweites Bud. Drittes Kapitel. 


Hilfe bemiejen haben und die Sache hätte fih ganz von ſelbſt ges 
madt. Dazwiſchen redete Salentin manderlei über die jeltiamen 
Köpfe in jeinem Kapitel; denn mit diefem war er vor furzem 
in bitteren Zwiſt geraten, den man nur duch eine Art Waffen: 
ftillftand bis nad dem Reichstag verihoben hatte. — Daß es an 
Gegenpraftifen gegen die Nachfolge Bayerns in Köln Schon damals 
nicht fehlte, ift an ſich wahrſcheinlich, wenn wir auch einen po— 
jitiven Beweis erft aus dem Anfang November haben. Damals 
berieten zu Speier ein paar Wetterauer Grafen, ob vielleicht 
durh den Erzbiihof von Bremen, Herzog Heinrich von Lauen= 
burg, der zugleidh in Köln Domberr war, und durch deſſen Oheim, 
den ſächſiſchen Kurfürften, Bayern von der Kölner Kur ferngehalten 
werden fönne )). 

Dr. Hund war über Salentins rauhes, polterndes Auftreten 
jo beftürzt, daß er feinen Herzog bat, einen erfahrneren Mann 
herzuichidfen, denn er jei mit dergleihen Dingen nie umgegangen, 
auch zu ſehr mit den Neihsjahen beladen. Der Kaiſer erbot 
fi) in Speier zwar in verbindlichen Worten, feinen jungen Neffen 
beitens zu befördern, riet aber bejjere Gelegenheit abzuwarten und 
machte zugleich dem Herzog Albreht von neuen jharfe Vorwürfe 
über jeine fortdauernde Unterhandlung mit Alba. 

Hund war ganz ratlos; jende man, meinte er, den Herzog 
Ernſt jest nad) Köln, jo werde das Geſchrei nur noch größer, die 
Gegenpraftifen um jo mächtiger werden; zudem möge man be= 





1) Diarium Lud. Comitis Witgensteinii bei Sendenberg, Sammlung 
von ungebrudt- und raren Schriften. Il. Tl. (Frantfurt a. M. 1745), ©. 51. 
Zum 5. November: In prandio apud Constein (!) cum quo J. Adolphus 
(!) et ego consultavimus, qua ratione episcopus Freisingensis impediri 
queat ne ad electoratus dignitatem perveniat. — Constein consulit Bre- 
mensem monendum, ut causam hanc cum electore Saxone apud capi- 
tulum solieitet. — 13. Dezember fpriht Graf Ludwig von Wittgenftein auch 
mit Landgraf Wilhelm von Hefien hierüber (a. a. O. ©. 102). — Eonftein 
ift entweder Lefefehler für Honftein (= Hohenftein), oder = Königftein; 
ftatt J. Adolphus wird H. Adolphus — Hermann Adolf Graf zu Solms 
zu leſen fein. 


Bayerns erfie Bemühungen um das Ersftift Köln. 105 


denfen, wie verhaßt hierort3 der ſpaniſche Name und wie miß— 
günftig viele hohe Stände gegen jede Erhöhung des Haufes 
Bayern jeien, al3 ſchier des einzigen noch fatholiichen im Reiche. 
Er riet, da der Kaifer dem jungen Herzog für die Dauer feines 
Speierer Aufenthaltes die Präfidentihaft im Reichshofrat angeboten 
habe, dieſes Amt anzunehmen, weil fi damit Herzog Ernſts Hier: 
berfommen beſſer beſchönigen laffe. 

Indeſſen war glüdliherweile der Herr von Chantonay, Kar— 
dinal Granvellas Bruder, ein angejehener und fluger, in den 
deutijhen und niederländiihen Dingen gleih wohlbewanderter 
Mann, in Speier eingetroffen und unterzog ſich jofort der wei— 
teren Verhandlung mit Salentin. Auch gegen ihn zeigte ſich 
diejer anfangs verftimmt über die Art und Weiſe, wie man den 
fölniihen Handel angefangen. Er wiederholte mehr als einmal, 
daß er zwar nicht vorhabe geiftlich zu bleiben, aber über die Zeit 
feiner Refignation nod nichts beitimmen könne. Von Koadjutorie 
und Poftulation wollte er nicht3 wiſſen, jondern beftand darauf, 
Herzog Ernſt jolle in Köln vefivieren, um ins Domkapitel zu 
fommen und wählbar zu werden. ö 

Nach einiger Zeit fanden die bayriihen Gejandten, Salentin 
ſei jegt ein ganz anderer; er verweigere zwar nad) wie vor, mit. 
Berufung auf fein Gewiſſen, beftimmte Zufagen, zeige ſich aber 
ſonſt entgegenlommend und dienftwillig. Dieſe größere Freund 
lichkeit erllärt fih einfach jo, daß Salentin feinem Arger ges 
nügend Luft gemacht, die anderen aber jegt alles thaten oder zu 
thun veripradhen, was er nur wünſchen mochte. Alba lie ihn 
jogar erjuchen, nod) eine Zeit lang das Erzitift zu behalten. Nun 
war er fiher, dak man ihn auch von Rom aus nicht weiter be= 
läftigen werde. Der Kaiſer war für feine Perſon fehr einver: 
ftanden, wenn Salentin nody länger Kurfürft blieb. Chantonay 
meinte, wohl mit Recht, Marimilian habe bereits die fünftige rö— 
miſche Königswahl im Auge). Ferner entihlog man fi, Sa— 


1) Salentin felöft verfichert fpäterhin (Mai 1576) dem bayrifhen Her- 


106 Zweites Bud. Drittes Kapitel. 


lentins Aufforderung gemäß, den Adminiftrator von Freifing zur 
Reſidenz nad Köln zu ſchicken. Das billigte man in Brüffel, 
aud der Kaifer riet dringend, dem Kurfürften hierin den Willen 
zu thun. Herzog Albrecht ſagte jchlieglih Ja, nachdem auch 
Dr. Hund, Pienzenau und Fabricius ihre bisherigen Bedenken aufs 
gegeben hatten. 

Möglichſt bald follte nun die Refidenz angetreten werden; nur 
mußten Herzog Ernſt und feine Begleiter wegen der Vorbe— 
reitungen zur Kölner Reife nochmals nad) Bayern zurüd. Am 
6. September reiften fie ab; am 26. Dftober war Herzog 
Ernft mit einem Gefolge von etwa dreißig Perjonen, ‚darunter 
Fabricius und al3 neuer Hofmeilter Chriftoph von Raindorf, wieder 
in Speier, wo fie den Kaiſer und den Kölner Kurfürſten noch 
antrafen. Am 6. November festen fie zu Schiff die Reife fort; 
am 12. famen fie in Köln an und nahmen vorläufig Wohnung 
im Haufe des Dedhanten von St. Andreas und Briefterfanonifus 
am hohen Domftift, Dr. Johann v. Swolgen, fpäter dann in 
der anſtoßenden Propitei. 

Gleich anfangs erfuhr Herzog Ernſt, dab das Domkapitel 
nit gejonnen war, den Weg zum Kurfürftentum ihm zu ebnen. 
‚Die offenen Briefe, durch welche Herzog Ernſt feine Abftammung 
von acht Ahnen bewies t), waren bereit3 im vorigen Jahre dem 
Domkapitel vorgelegt worden; jegt erklärten die zwei vom Kapitel 
beftellten Graminatoren, der Domdehant und ein Graf von Solms, 
von den vier Stämmen von WMutterfeite: Dfterreih, Spanien, 





zoge, er wäre vor biefer Zeit und ſchon bald nad dem Speierer Reichstage 
abgeftanden, „bo fi nit von irer K. Mt von wegen ber vorfieenden wal 
eines xöm. fönigs und fonft anderer mer verhinderungen bavon abgehalten 
worden.“ 

1) Vgl. o. ©. 76 Kopie der Probatio nobilitatis für Herzog Ernſt im 
Münchener Hausarchiv, datiert 1569 Mittwoch nach Trinitatis (= 8. Jumi). 
Die Briefe waren befiegelt ex parte patris von Wolf Graf von Öttingen, 
Otto Heinrih Graf von Schwarzenberg, Eitel Friedrih Graf von Zollern 
und Wilhelm von Bern Herr zu ber Yaitern; ex parte matris von 
Karl d. Ä. Graf von Zollern, Friedrih Graf von Öttingen, Heinrih Graf 
zu Fürftenberg und Jakob Truchfeß Herr zu Walbburg. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln, 107 


Ungarn und Abret jet ihnen der legte nicht bekannt. Am 15. No- 
pember kam e3 darüber im Domkapitel, in Gegenwart des Her- 
3098 Ernſt, zu einem Wortwechſel zwiihen dem Dechanten und 
dem redefertigen Dr. Fabricius, der ſich ſogar zu Drohungen 
gegen das Kapitel hinreißen ließ. Zwei Tage danach erichienen 
Herzog Ernits Räte wieder im Sapitel und bewiejen aus vers 
ſchiedenen Geſchichtsbüchern, welche ihnen der Buchhändler Cho— 
linus, des Fabricius Freund, verihafft Hatte, dak das Haus 
Albret wirklich ein Fürſtengeſchlecht ſei. Das Kapitel gab fi) aber 
nur unter der Bedingung damit zufrieden, daß binnen ſechs 
Monaten niht aus Hiftorien, jondern durch eine ordentliche Urs 
funde über den Stamm Albret weiterer Bericht geliefert werde. 

Jetzt erſt durfte Herzog Ernſt perfönlih im Kapitel den Ka: 
nonifereid leiften und feine im ganzen ſechs Monate dauernde erfte 
Refidenz antreten. Sonntag den 19. November begann dieje Damit, 
day er, wiewohl nod ohne höhere Weihe, im Hochamt die Epijtel 
fang. Das mußte er ſechs Wochen und drei Tage hinter einander 
fortfegen, bis zum 3. Januar, an welchem Zage er im Kapitel 
von der erſten Reſidenz abfolvtert wurde. 

Barum Herzog Ernft den Kölner Domtkapitularen, bejonders 
den Edelherren, al3 Erzbiſchof nicht genehm war, hatte Dr. Smwolgen 
gleich in den erften Zagen ihm und den Seinen verraten. Zus 
nächft würden die Grafen im Kapitel einen Fürſten überhaupt 
nicht gerne über ſich jeken, zumal aber feinen aus dem mächtigen 
und eifrig Latholiihen Haufe Bayern; einem ſolchen könnte es ein- 
fallen, ihre Sitten mit Gewalt reformieren zu wollen. Sodann 
beftehe ein altes Vorurteil gegen das bayriidhe Haus von den 
Zeiten des Erzbiſchofs Ruprecht ber, jenes Pralzgrafen, der vor 
hundert Jahren die Burgunder zur Belagerung von Neuß 
berbeigerufen und das Stift faft zugrunde gerichtet habe. „Wir 
haben einmal gebaiert“, beige es gleichſam ſprichwörtlich, „ wir 
wollen nimmer baiern.“) — Vor diefem alten Vorurteil 


1) „baiern” ift im fkölnifchen Dialekt jo viel wie „läuten”. Den Sinn 


des Wortfpield verftehe ich aber nicht. r 


108 . Zweites Bud. Drittes Kapitel. 


hatte ſchon Kardinal Truchſeß vor Jahr und Zag den Herzog 
gewarnt). Swolgens weiteren Bedenken fonnte zum Zeil 
durch päpftliche Dispens abgeholfen werden: Herzog Ernſt könne 
nit Kapitular werden, weil er nod) feine höhere Weihe habe; e3 
fehle ihm das für einen Biſchof erforderlihe Alter; auch jei er 
bereit3 mit einer Kirche vermählt, dürfe alfo nicht gewählt jondern 
nur poftuliert werden; nun fordere aber eine Poſtulation zwei 
Drittel aller Stimmen, und wie wenig das Kapitel geneigt jet 
zu poftulieren, babe erft jüngft der Kardinal von Augsburg er- 
fahren. 

Auf Grund all diejer Bedenken beichloffen Herzog Ernſts 
Räte von Salentins Refignation einjtweilen weder mit den Edel— 
herren noch auch mit den Priefterfanonifern zu reden. Dr. Hal- 
ber, welder von Herzog Albredht bereit3 Befehl Hatte, bei den 
Kölner Edelherren Stimmen zu merben, wurde nun, um Ver— 
dacht und Gegenpraftifen zu verhüten, gar nicht nah Köln ge= 
ſchickt. 

Dagegen gewann ſich Herzog Ernſt durch ſeine ſtreng kirch— 
liche Haltung die Sympathieen der römiſch Geſinnten in Köln. 

Im Sommer 1570 hatte der Kölner Rat, auf Betreiben des 
Klerus und der Univerſität ſowie des Herzogs von Alba, allen 
Fremden, welche der Bilderſtürmerei oder der Häreſie verdächtig, 
befohlen die Stadt zu räumen. Herzog Ernſt veranlaßte ſeinen 
Vater, nach dem Vorgange des Papſtes, des Kaiſers und des 
Erzherzogs Ferdinand, wegen ſolchen Eifers ein lobendes Schrei— 
ben an den Rat zu richten. Anderſeits verwendete er ſich, auf 


1) „So bin ich in erfarung kommen (das ſchreib ih E. 2. in vertrauwen, 
dan hochſt von nötten das ſi es wiſſe), das ein böſe alte doch ongrontliche 
gemain opinion bein eolniſchen capitl gwiß fein fol, mit leichtlich ein erz= 
bifhof auß dem hauß Bair anzunemen, fonderlih von wegen ains erz=- 
biſchoffen, welcher mit gwalt fol geriert haben und ires fagens vil ſchaden 
ben ftift zugefiegt. Bit E. 8, verzeihe das ich bife ding melde; ben es ift 
hoch von nötten, das E. 8. wiſſe, domit man folder onerbeblich opinion 
wiſſe abzulainen.“ Kardinal Truchjeß an Herzog Albrecht, 6. Aug. 1569, DO. 
eigh. RA. Hochſt. Augsburg IV, 123. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Ersftiit Köln. 109 


Bitte von Klerus und Univerfität, bei Alba dafür, daß deſſen 
Verbot, welches den Niederländern den Beſuch aller fremden Uni- 
verfitäten, mit Ausnahme von Rom, verbot, für Köln aufgehoben 
werde. Herzog Ernſts Fürfchrift Scheint freilich nicht mehr ge 
fruchtet zu haben al3 die eigenen Bitten der Stadt ?). 

Auch in feinem Außeren ſuchte Herzog Ernft den durd das 
Trienter Konzil neu eingejhärften römischen Vorfchriften zu ent— 
ſprechen. Er trug die Zonfur, ging in Soutane und Zalar und 
im vieredigen geiftlihen Barett. Wie ſehr das gegen die Sitte 
der Kölner Dombherren abſtach, erfahren wir aus einem gelegent= 
lichen Berichte des Dr. Fabricius an den bayriichen Kanzler. Her— 
309g Ernft war eines Tages zugleich mit dem Domdechanten zugafte 
bei dem Biſchof von Straßburg, der als Domſcholaſter jährlich 
einige Zeit zu Köln vefidierte. Nah Tiſch fingen die beiden 
Domherren an, über Zonfur und Kleidung des jungen Herzogs 
fi luftig zu maden. Auch er jei, ſagte der Domdehant, nicht 
nur Kleriker, jondern habe ſogar die höheren Weihen (er war 
Diakon), trage aber dennoch feine Tonſur. Wozu der Talar und 
der lange Fefuitenrod! warum Herzog Ernft nicht wie die anderen 
Evelherren in meltliher Kleidung ausgehe! Nun, meinte der 
Straßburger Biihof, den Zalar fünne der Herzog wohl beibe- 
halten — er jelbit trug ihn auch —, aber ftatt der Soutane 
ſolle er einen kürzeren Rod und ſogen. Geufenftiefel (2) tragen ?). 


1) Placcart et ordonnance du Roy nostre Sire contenant deffence d’aller 
estudier ou demeurer es universitez ou escolles estrangieres excepte celle 
de Rome . .. Bruxelles ... . le IIIIe. jour de Mars 1569, 4 BI. 40, 
Imprime en la ville de Br. 1569 par Michiel de Hamont, Impri- 
meur jure. — Genaueres über bie kirchlichen BVerhältnifje der Stabt Köln 
ſ. u. 3. Bud, 1. Kap. 

2) Argentinensis .... ut magis pius videretur, subjecit vestem qui- 
dem talarem posse retineri, sed interiorem tamen esse abjiciendam et 
ejus loco caligas quas Gusiacas vocant brevioremque tunicam assumen- 
dam, nam et hoc modo ipse vestitus incedit. — Bezüglih ber geiftlichen 
Kleidung jhärft das Tridentinum (Sess. XIV, cap. VI de Reform.) bie 
Konftitution Klemens’ V. und bes Konzils von Vienne ein, welche vestem 
talarem et tonsuram clericalem von allen Klerifern fordert. 


110 Zweite® Buch. Drittes Kapitel. 


Dann bot ihm der Dehant fir ein andermal jeine eigene Be— 
hauſung gn, wenn er mit weniger Gefolge fommen molle; der 
Straßburger aber meinte, Ernſt werde es zu nichts bringen, jo 
lange er jenen Xheologen bei ſich habe, den Fabricius nämlid,, 
der jelbft bei diejem Gejpräd zugegen war. Die beiden Herren, 
fügt Fabricius bei, jeien mit dem jungen Herzog umgegangen, wie 
die Phariſäer mit Chriftus; nichts hätten fie geſucht, als wie fie 
dem unerfahrenen Fünglinge mit ihren liftigen Schmeichelworten 
eine Äußerung entlodten, die fih dann ausbeuten liege, um ihm 
die Gemüter zu entfremden. — Wenn zwei Domberren, melde 
als fatholiich galten, jo daten, was war dann bon den anderen 
zu erwarten! 

Noch eine weitere Rüdjiht ließ e3 Herzog Ernft3 Hofmeiftern 
Fabricius und Raindorf ratſam ericheinen, die Kölner Refidenz 
möglichſt bald zu beendigen. Ernſt war nod) jehr jung (16 Jahre 
alt), feine weihe Natur ſchien ihnen beionders empfänglich für 
das üppige Leben, welches ihn bier zu Köln umgab; mie groß 
war die Gefahr, das er der Verführung unterlag! Deshalb 
hauptſächlich vieten fie, Herzog Albrecht möge feinen Sohn balvigft 
abberufen. 

Die erfte Reſidenz war ohne weitere Zwiſchenfälle abgelaufen ’). 
In den Domtkapitel-Protofollen kommt Herzog Ernſts Name nur 
noch einmal, am 30. April vor, da feine Hofmeiſter ein kaiſerliches 
Schreiben überreihten, welches beftätigte, daß das Haus Albret 
ein Fürſtengeſchlecht ſei. 

An Salentins Hof ſcheint Herzog Ernſt nur zweimal zu kurzen 
Beſuchen geweſen zu ſein; einmal in Brühl, dann unmittelbar 
vor Antritt der Heimreiſe in Poppelsdorf. Wenn wahr iſt, was 
man ſich über die dort herrſchende Leichtfertigkeit erzählte ?), To 

1) Die Refidenz ging zu Mittfaften 1571, genau 6 Monate nad Beginn, 
u Ende. 

2) Bal. 0. S. 34. Fabricius fchreibt bereitS am 17. Auguft 1570 aus 
Speier an Kanzler Ed: Quin si idem elector post residentiam ultro etiam 


offerret suam aulam, nulla ratione judicarem acquiescendum, nisi adole- 
scentem continuo perditum velletis. 


Bayerns erfte Bemühungen um das Erzftift Köln. 111 


begreift man, daß Fabricius Bedenken trug, feinen Zögling dort lange 
verweilen zu laffen. Eine Reife desjelben durch die Niederlande war 
beabfichtigt, unterblieb aber, weil der Kaifer fie nicht wünſchte. 
Dagegen war Fabricius gleih im Anfang der Kölner Refidenz in 
Brüffel bei Alba, und diejer lie ſeinerſeits zweimal den jungen 
Herzog durch eigene Gejandte begrüßen. Herzog Wilhelm von 
Tülih, des Prinzen Oheim von mütterliher Seite, wurde kurz 
vor der Rückreiſe in Eleve beſucht, ſodann auf dem Heimmege die 
beiden Kurfürften von Zrier und von Mainz. 

Am 2. Mai 1571 war Herzog Ernſt von Köln abgereift, am 
22. traf er in Münden ein, mo er den Befehl feines Vaters 
vorfand, fi alsbald nad Freifing zu verfügen und dort abzu= 
warten, bis ihm der Vater Zeit und Ort beitimmen werde, um 
Beriht zu erjtatten. 


4. Kapitel. 
Innere Hemmniſſe der bayriſchen LKirchenpolitik. * 


Melde äußeren Schwierigkeiten der Charakter und die Ab— 
fihten des Kölner Kurfürften ſowie die Gefinnung der Dome 
herren der bayriichen Bewerbung um das Erzitift Köln in den 
Meg legten, Hatten Herzog Albrecht und feine Räte ſchon 
bor und während der Kölner» Refidenz des Herzogs Ernft em— 
pfunden. Bald nachdem vieler heimgefehrt, ſtießen fie auf ein 


* Quellen: Briefe und Aften tiber bie fittlihe Führung bes Herzogs Ernft 
in ben Jahren 1570—1573 in den Bänden AU. Hochſtift Freifing 
Nr. 77 u. 78, jedoch lückenhaft, fchlecht georbnet und großenteild un— 
batiert, fo daß die Zeitbeftimmung mitunter zweifelhaft bleibt. Aus 
früheren Jahren einzelnes in ben Bänden Nr. 75 u. 76 berfelben 
Serie. — Briefe aus der Zeit ber Salzburger Reſidenz (Herbft 1568 
bis Herbft 1569) RA. Hocftift Salzburg, T. I. Dafelbft fol. 53 der 
frühefte mir vorgefommene eigenhänbige Brief von Herzog Ernft (vom 
1. September 1565), welcher bereit8 bie hübſche ftehende Hanbjchrift 
fpäterer Jahre aufmweifl. — Während ber Salzburger Nefidenz nahm 
Herzog Ernft perfönlih teil am ber erften auf Grund ber Trienter 
Dekrete daſelbſt (im März 1569) abgehaltenen Provinzialfynobe (f. über 
bife Dalham, Concilia Salisburgensia, Aug. Vind. 1788, 
p. 348 qq. nebft den Ergänzungen bei Gärtner, Salzburg. gelehrte 
Unterbaltungen, 3. Heft, Salzb. 1812). — Korreipondenz bes Herzogs 
Albrecht mit Kardinal Truchfeß: RA. Hochſtift Augsburg, T. IV u. 
V. — Einzelne weitere Notizen über Herzog Ernſts Jugendgeſchichte: 
St. X. 9/4. 38/3 u. 4. 230/1 fol. 39. Ein Bortrag des Dr. El— 
jenheimer an Herzog Ernft vom 16. Januar 1574 im Münd. Haus— 
archiv enthält auch mande Angaben über befien Leben in ben früheren 


Innere Hemmnifje der bayrifchen Kirchenpolitif. 113 


ernftlihes inneres Hindernis ihrer Kirchenpolitik: Ernſt be: 
fundete mit einem Mal entichiedene Unluft am geiftlihen Stand 
und legte die Abfiht an den Zag, ſich von ihm als von einem 
drüdenden Joche zu befreien. Er jelbit giebt ipäter an, dieſe 
Unluft jei bereits im Herbite 1568, al3 er zur erften Reſidenz 
nah Salzburg ging, ganz plöglid über ihn gekommen; wir be- 
gegnen jedoch noch ein paar Jahre fpäter Äußerungen von ihm, 
welche beinahe Begeifterung für feinen geiftlihen Beruf ver— 
taten ). Die eigene Jugend und menſchliche Schwäche, jodann 


Jahren. Ein paar Briefe betr. die Sendung des Fabricius nad 
Rom im Jahre 1573 bei Theiner 1. c. I, 11489q. — Einiges 
Biographiſche für Herzog Erufts Jugend auch in den Vorreben zur fol- 
genden ihm gemwibmeten Büchern: 1) Catechismus catholicus ... in 
compendium redactus ... per D. Georg. Eder Frisingensem, S. C. 
M. Consil. Coloniae 1569. In ber Epistola nuncupatoria giebt 
Eder folgende Urfahen an, weshalb er den Katechismus bem jungen 
Herzog widme: (1) bie Verbienfte des Herzogs Albrecht um bie fatho- 
liſche Kirche: Movit me vel inprimis parentis tui Alberti, principis 
re vera magnanimi, summa illa in fide catholica constantia, qua 
is verae ac avitae majorum nostrorum religionis dignitatem in 
Germania nostra his diffieillimis temporibus alter veluti Hercules 
quidam pene solus sustinere videtur; (2) feine (Eders) Liebe zu feinem 
Baterland (Freiftug) und fein Wunſch, daß basfelbe dem alten Glau— 
ben treu bleibe: a qua sollicitudine jam dudum me liberavit fama 
illa percelebris et exoptata, qua toti pene innotuit orbi, J. C. T. 
Frisingensis ecclesiae administrationem, maximo catholicorum om- 
nium consensu et applausu, ultro delatam fuisse atque concre- 
ditam. .. . Deinde cum hoc tempore in maximo contemptu apud 
plerosque ecclesiasticae potestatis sit autoritas, quis non videt ob- 


1) In einem Briefe an Fabricius, aus dem Sept. 1570 (St. 38/4, 
fol. 78), worin Herzog Ernft biefen zu bewegen fucht, fein Erzieher zu blei- 
ben, fommt 3. B. folgende Stelle vor: „wan ir mid bermaßen unbermifet, 
das ich mit ber zeit auch andere kunt leren und in ain guets erempel vortra- 
gen, fo zweiflete ich gar nit, ih wur ain großen nut in der heiligen chriftlicyen 
firchen fohaffen und wurt euch bei Got nit allain meinethalben ein groß me- 
ritum machen, funder auch ir wurt der anderen jelen feligfait bei Got in 
feinem raich tailhaftig fein, die durch mich bei dem alten rechten waren und 
catbolifhen glauben erhalten und befert wurden.” — Die oben gebrudten 
Äußerungen von Eder und Canifius beweifen wenigſtens fo viel, baf bis 

Lofſſen, Köln. Krieg I. 8 


114 Zweites Buch. Viertes Kapitel. 


fremde Einflüffe und nit am wenigften eine verkehrte Erziehung 
laſſen jein anfänglides Schwanfen, dann feinen Widerwillen gegen 
denjelben jo natürlich erjcheinen, daß nur geiftige Beſchränktheit 
und Aberglaube wähnen konnten, e3 bedürfe, um ihn zu erklären, 
dämoniſcher Einflüffe. 

Als unreifer Knabe von zehn oder elf Jahren hatte Exnft, 
des Vaters Wünſchen folgend und vielleicht beraten von feinem 
frommen Lehrer Jodokus Gaftner, den geiftlihen Stand ermählt. 
Auch der düftere Ernſt des ascetiihen Fabricius mag auf den be- 
gabten, dabei weichherzigen Knaben eine Zeit lang tieferen Ein— 
drud gemacht haben. Aber mit den Jahren der Entwidelung 
wuchs aud die Sinnlichkeit. In Freifing wie in Salzburg hatte 
Ernft das ſchlechte Beiſpiel feiner leichtfertigen Standesgenoffen 
vor Augen. Es ſcheint, daß man einen und den anderen bon 
ihnen, namentlid einen jungen Fugger jhon damals aus feiner 


secro Dei voluntate sic effectum esse, ut inter sacrosanctos Ger- 
maniae antistites unus maxime is esset, qui reliquorum omnium 
dignitatem viribus suis et autoritate plurimum ornare posset atque 
tueri? Quo tandem accedit praestans illa et pene divina naturae 
tuae bonitas, qua J. C. T. ad religionem et pietatem nata esse 
videatur, quam etiam diligens parentum educatio ita confirmavit, 
ut spes bonis omnibus neque vana sit neque temeraria, te maxi- 
mum totius ecclesiae futurum esse lumen et columen. — Über be— 
ruft fich für diefes Urteil über die Herzöge Albrecht und Ernſt zum 
Teil auf das, was Dr. Andreas Fabricius, praeclarus et orator et 
theologus ac -piorum J. C. T. studiorum optimus moderator, 
Johann Pfifter und Dr. Martin Eifengrein ihm mitgeteilt haben. — 
Auch die zweite verbeflerte Auflage des Ederſchen Katehismus: Com- 
pendium Catechismi catholiei .... per D. Georg. Eder. Col. 1570 
ift wieder dem Abminiftrator von Freifing gemwibmet, cui et studium 
et laborem nostrum in hoc opere quantumvis exiguo et gratum 
fuisse et acceptum jamdudum pluribus fide dignis testimoniis per- 
cepi. — 2) De justificatione doctrina universa ... autore R. P. 
et praestanti theologo Andrea Vega Hispano ... Coloniae 1572. 
An der an Herzog Ernft gerichteten, aus Innsbrud 1. Auguft 1572 


zum Sabre 1572 von Herzog Ernfi8 Abneigung gegen ben geifilihen Stand 
noch nichts in die Öffentlichkeit gebrungen war. 


Innere Hemmniffe der bayrifhen Kirchenpolitit. 115 


Umgebung entfernen mußte. Größer noch wurde die Gefahr der 
Verführung, al3 politiihe Gründe den bayriichen Herzog bewogen, 
feinen Sohn zum Neihstag nad) Speier zu ſchicken. Hier trat 
der kaum fiebzehnjährige Jüngling zum erjtenmal als jelbftändiger 
Reichsfürſt auf; der Einfluß feiner Erzieher konnte ſich nicht mehr fo 
ausichliegend wie bisher geltend machen. Bitter klagt der Freifinger 
Hofmeister Pienzenau in einem vertraulichen Briefe aus Epeier, 
daß das üppige Leben auf dem Neihstage, das Bankettieren mit 
feinem übermäßigen Zutrinfen und die ungewohnte Freiheit dem 
jungen Heren allzufehr behage. In zwei Monaten werde er mehr 
vergeffen, als er in einem halben Jahre gelernt habe, und vielleicht 
nicht mehr zum Studieren zu bringen fein. AU jein Gemüt ftehe 
dahin, daß er gerne frei würde. — Der Gefahren des Kölner 
Aufenthaltes wurde bereit3 gedacht, aber aud, daß fi) Ernft dort 
nod in den Schranken jeines geiftlihen Standes hielt). Dafür 


batierten Vorrede teilt Peter Eanifius mit, daß er ben Kölner 
Buchhändler Gervinus Calenius veranlaßt babe, dieſes Wert bes 
P. Vega neu und befjer al8 zuvor herauszugeben. Er ermahnt weiter 
ben Abminiftrator von Freiſing, ber übereinftimmenden Lehre des 
P. Bega und feines eigenen Lehrer und Theologen Dr. Andreas Fab- 
rieius, quem tu libenter audis et merito diligis, zu folgen und bie 
auf ihn gefegten Hoffnungen aller Guten zu erfüllen. Nos autem 
divinae bonitati jure gratias agimus, cum laetis contemplamur 
oculis, hunc juventutis tuae florem non luxu et ocio marcescere, sed 
praeclaris bonarum artium et rerum sacrarum studiis magis ma- 
gisque splendescere, cumque consideramus generosum tuum animum 
ad veram pietatem divinasque ceremonias natura esse propensum. — 
Testantur sane Colonienses, norunt Salsburgenses, admirantur Fri- 
singenses, quam rarum et excellens orthodoxae religionis specimen, 
cum apud illos proximis annis degeres, palam praebueris, vera ut 
nobilitate et nobili pietate alios, genere quantumvis illustres, 
facile antecellas. — Ih brude diefe Lobfprüche wieder ab, nicht 
als ob ich ihnen großen inneren Wert beilegte, fonbern weil fie bie 
Bedeutung kennzeichnen, welche auch fernerftehende eifrige Katholiken 
dem geiftlichen Berufe des bayriſchen Prinzen beimafen. 


1) Am 16. Mai 1573 ſchreibt Fabricius aus Nom an Herzog Albrecht 
(StA. 95/5. fol. 194): quo (tempore) apud Colonienses viximus, nihil scio 
8 * 


116 Zweites Buch. Viertes Kapitel. 


dal er damals noch nicht entſchloſſen war, denjelben aufzugeben, 
aber auch nicht gerne ſchon gebunden fein wollte, haben wir einen 
ficheren Beweis: al3 er nad) jener Beratung mit dem Dechanten 
bon St. Andreas, Dr. Swolgen, erfuhr, daß er nur nad) Em— 
pfang einer höheren Weihe Domkapitular werden könne, erſchrak 
er anfangs; auf Fabricius’ Zureden aber und nachdem er aus 
defien Hand in der goldenen Sapelle der St. Urfulafiche die 
Kommunion empfangen hatte, erklärte er fich bereit, die Weihen zu 
nehmen und fid) ganz Gott und feiner Kirche zu widmen. Fabri— 
cius that daraufhin bereit3 Schritte, um von Rom die nötige 
Altersdispens zu erhalten. 

Gegen Ausgang des Jahres 1571 trat Herzog Ernſts ver— 
änderte Neigung vdeutliher hervor. Mancherlei fittlihe Ver— 
irrungen verurſachten oder begleiteten den Umſchlag. Man kann 
jeine Erzieher nit von aller Mitihuld freiiprehen. Dr. Fabri- 
cius hatte bei der Erziehung des Prinzen fiherlic ein hohes Ideal 
vor Augen; einen Kirhenfürften wollte er aus ihm machen, ähnlich 
dem Mailänder Erzbiihof Karl Borromeo: ernſt im Weſen, ftreng 
in den Sitten, dem Gebet und der Askeſe ergeben, jelbit recht— 
gläubig und auch gegen andere ein Eiferer für die Erhaltung und 
Ausbreitung der römiſch-katholiſchen Kirche. Was konnte ein 
deutiher Biihof von folder Art, jelbit Landesherr und obendrein 
auf die Macht des Haujes Bayern geftügt, für die Neftauration 
des Katholicismus werden! — Fabricius’ großer perſönlicher Ehr— 
geiz verwuchs ganz mit dem Gedanken, Erzieher und Ratgeber 
eines ſolchen Kirchenfürjten zu fein. Die Aufgabe war nit 
leiht. Wohl ging der Füngling willig auf feines Erziehers Ideen 
ein, aber er hielt jie nicht feſt. Leicht auffafjend liebte er zugleich 
die Abwechſelung; das Ginerlei der jcholaftiihen Studien er= 
müdete ihn; mehr freuten ihn körperliche Übungen, Karten= und 
Miürfelipiel. Seine leutjelige und freigebige Natur lodte Schmeich— 


publieitus adeo grave esse commissum, cujus nos magnopere pudere 
debeat. 


Innere Hemmnifje der bayrischen Kirchenpolitif. 117 


ler an. Wenn auch jein Jähzorn und Übermut mitunter ver 
legte, jo gewann ihm wieder jeine Vertraulichkeit die Ergebenheit 
der Dienerihaft und anderer Leute aus niederem Stande. Eine 
verftändige, maßhaltende Erziehung konnte dieje gewöhnlichen Eigen- 
ihaften talentvoller Knaben zum Guten lenken; dem verdrießlichen, 
leicht verlegten Fabricius fehlte jedes Verftändnis für die Neigungen 
und Schwächen feines Zöglings. Er meinte auf diejen jeinen 
eigenen Hang zu weitichweifigen religiöjen Betrachtungen, eine 
Freude an abftraften theologiihen Studien, feine Liebhaberei für 
eine mechanisch geregelte Lebensweiſe leicht übertragen zu können. 
Rede Äußerung fnabenhaften Übermutes, jeder kleine jugendliche 
Fehltritt wurde in feinen Augen zu einem jchweren Vergehen 
und 309 lange jalbungsvolle Strafpredigten nad) jih. Er bedadte 
nicht, wie leicht er dadurch feinen Zögling entweder zu offener 
Auflehnung gegen die überftvenge Zucht treiben, oder aus ihm, 
deſſen ſchlimmſter Fehler ohnehin der Hang zur Unmwahrheit war, 
einen Heuchler machen konnte. Die Gefahr wuchs, nachdem durch 
Fabricius ein zweiter ihm jelbft ganz ähnliher Mann in Ernſts 
Umgebung gebracht worden war. 

Gaftner hatte bald nad) der Salzburger Refidenz, noch im 
Jahre 1569 oder Anfang 1570, feine Stelle aufgegeben, — 
warum wiſſen wir nicht). Eine Zeit lang vertrat ihn ein junger 
Verwandter des Fabridus, Servatius Lovius, ein niederländischer 
Geiftliher, dem Fabricius eine Kaplansftelle am Freifinger Hofe 
verichafft hatte. Diefer ftarb kurz vor Antritt der Kölner Reife. 
In Köln nahm nun Fabricius als neuen Präjzeptor den 
Dr. Adrian Aerntsperg an, einen Juristen aus Holland, welder 
ioeben‘ jeine Studienreijen beendigt hatte und durch die nieder- 
ländiichen Unruhen von der Heimkehr in fein Vaterland abgehalten 


1) Was Aerntsperg im Jahre 1572 behauptet: priusguam D. Andreas ad 
gubernationem N. [sc. Ernesti] pervenit, aut proprio aut Castneri vitio 
fuit corruptus [sc. Ernestus]. Castnero pravitatem suam agnoscenti et 
ideo remoto suffectus est D. Servatius .. . (RU. Freifing, Nr. 77 fol. 
78), betrachte ich al8 bloße Berleumdung, vgl. 0. ©. 71. 


118 Zweited Bud. Viertes Kapitel. 


wurde '). Diejer Aerntsperg war ein fteifer, aufgeblajener, über 
die Maßen langweiliger Pedant, der auf den lebensfrohen Jüng— 
ling niemal3 den geringften Einfluß zu gewinnen vermodte. Aus— 
länder waren alfo die beiden Männer, welche über Exnft3 Thun 
und Laſſen hauptjählih zu beftimmen hatten. Denn der reis 
finger Hofmeifter Pienzenau und die anderen bayrischen Adeligen, 
weldye vorübergehend während der Reſidenz zu Salzburg und zu 
Köln Hofmeifterftelle verfahen, hatten mehr mit den äußeren An— 
gelegenheiten des Hofhaltes zu ſchaffen. — Nichts war natürlicher, 
als daß ſich allerhand Leute an Herzog Ernſt herandrängten, 
welche befjer auf feine Neigungen und Schwächen eingingen. 

Nicht lange nad der Rüdkunft von Köln werden Klagen laut, 
daß Ernſt nit mehr ftudieren wolle, daß er mit Eſſen und 
Zrinfen fi übernehme, daß er der Jagd, dem Schieken, dem 
Spiel zu jehr nahhänge, vor allem aber daß er ſich der Schwarzen 
Kunft, der Magie, ergeben habe. Es kann faum zweifelhaft fein, 
daß Ernſt, gleich den meiſten Zeitgenoffen, die Aldhimie und Magie 
nit als bloßen Zeitvertreib, jondern als eine ernſte Kunſt bes 
trachtete, bei der wohl aud) der Böſe feine Hand im Spiele haben 
fonnte. Seine Erzieher und feine Mutter waren überzeugt, daß 
e3 gerade dieſe Zeufelsfunft jei, welche Ernſt den geiftlihen Stand 
verleidete. Unbefangen werden wir den Grund einerjeit3 in 
jeiner Vorliebe für weltlihe Beichäftigungen, befonders für das 
Waffenhandwerk, anderſeits in dem Widerwillen gegen den der 
fatholiichen Geiftlichfeit auferlegten Cölibat zu ſuchen haben. 

Vor Weihnahten 1571 kam es zuerft zwiſchen Herzog Ernſt und 
dem Kanzler Ed, bald danach auch zwiſchen ihm und feiner Mutter 
zu erniten Crörterungen über jein in der jüngiten Zeit geführtes 
unregelmähiges Leben und zugleich über feine Bedenken gegen den 


1) Dies erzählt Aerntsperg jelbft in der vom 1. Mai 1571 aus Köln 
batierten Widmung der von ihm herausgegebenen Schrift: Alcuinus de 
Psalmorum usu .. . nunc recens per Hadrianum Aerntsbergium in lucem 
productus. Coloniae apud Maternum Cholinum Anno 1571. 


Innere Hemmniffe der bayriſchen Kirchenpolitif. 119 


geiftlihen Beruf. Ernſt veriprad ſich zu beſſern, äußerte aber 
zugleid; den Wunſch, man möge ihn auf einige Zeit nad Nom 
ſenden. Dort unter den Augen des frommen Papftes Pius V., 
meinte er jpäter, könne er viel Gutes lernen und werde gleichſam 
einen Spiegel des geiftlihen Standes vor Augen haben. Die 
Herzogin ihrerfeits jcheint damals ihrem Sohne versprochen zu 
haben, das man ihn nicht zwingen werde wider Willen geiftlich 
zu bleiben. Fabricius, der felbft nad) Rom verlangte, nährte 
Hoffnungen und Wünſche des reifeluftigen Fünglings und über: 
nahm e3 nachher aud, den Kanzler Ed und den Vater jelbft für die 
Reife zu gewinnen. Wirklih gab Herzog Albreht zu Anfang 
März 1572 feine Einwilligung; der nächſte Herbft wurde bereits 
als Zeitpunkt ins Auge gefaßt und mit dem damals in Rom 
lebenden Kardinal von Augsburg über den Plan und jeine Vor: 
bereitung forrejpondiert. Albrecht wünſchte feinen Sohn, um ihn 
leichter in Zucht und Gottesfurdht zu erhalten, entweder im päpft= 
lihen Balafte jelbjt oder bei dem Kardinal untergebradt. Der 
Tod Pius’ V. (am 1. Mai 1572) verurfachte nur vorübergehend 
Bedenken, da jhon nah zwölf Zagen in dem Sardinal Hugo 
Boncompagni ein neuer Papſt, Gregor XIII., gewählt wurde, 
deſſen Perſon ebenfalls genügende Bürgſchaft für forgfältige Über: 
wahung des Prinzen zu bieten ſchien. Kardinal Truchſeß ver- 
ſprach diefen in feinem Palaſte aufzunehmen und erwartete ihn für 
den nächſten Monat Dftober. Er hatte die Zuftimmung des 
Papftes eingeholt und wollte ſchon anfangen allerlei Hausrat anzu: 
Ihaffen, al3 er von Münden die Nachricht erhielt, die Reife jet 
für diefen Herbſt zweifelhaft, dann weiter, fie ſei vorläufig ganz 
eingeftellt. Unwohlſein des älteren Bruders Herzog Ferdinand, 
Kriegsgewerbe u. dgl. wurden vorgeſchützt; der wirkliche Grund 
aber war, daß Ernſt von neuem und diesmal ganz entihieden er- 
klärt hatte, ex wolle fein Geiftlicher bleiben. 

Als Administrator von Freiling hatte Ernft im Fahre 1572 
an der jährlichen PVifitation des Kammergerichtes teilzunehmen ; 
im Mai verweilte er zu diefem Zwed ein paar Wochen in 


120 Zweite Bud. Viertes Kapitel. 


Speier. Ein Bericht des Dr. Hund über fein Verhalten daſelbſt 
lautet günftig; dennoch meinte man jpäter am bayriichen Hofe, die 
Veränderung in Ernſts Weſen gerade diefem Aufenthalt, ins= 
bejondere einem Zufammentreffen mit dem Pfalzgrafen Johann Ka— 
ſimir und einem furpfälziichen Rate zufchreiben zu müfjen !). Fab— 
ricius war nit mit nad) Speier gegangen; von feiner Zucht 
zeitweilig befreit mag ſich das Selbftgefühl des jungen Fürften 
ftärfer entmwidelt haben. Als Ernft nad Freifing zurückkam, 
wollte er ſich das alte Joch nicht mehr gefallen laffen. Er ver— 
nachläſfigte wieder die Studien und brachte feine Zeit mit Jagen oder 
mit Schießen und Werfen zu. Als Fabricius ihm das wehrte, 
fam e3 zu heftigen Auftritten; der leidenihaftlihe Jüngling ſoll 
feinem Erzieher jogar mit Schlägen gedroht haben. Vielleicht 
aus Furcht vor Strafe oder vor der Anzeige an feine Eltern 
(— Fabricius meint, Ernſt habe bejonders gefürchtet, man werde 
feine Beihäftigung mit der Magie verraten —) machte fi) Her= 
zog Ernft eines Tages heimlich fort aus dem Schloffe zu Freifing, 
fchrte jedoch, wie es jcheint auf gute Worte des Hofmeifters Pien= 
zenau, bald zurüd. Man bejorgte aber, der Fluchtverſuch könne 
ſich wiederholen. — Aus diefer Zeit ftammen wohl aud bes 
ftimmte Angaben über Herzog Ernſts Umgang mit leichtfertigen 
Dirnen. 

ALS dieſe Ärgerlihen Vorgänge dem Vater zu Ohren famen, 
zugleich mit der Nachricht, Ernft habe erflärt, er wolle lieber ein 


1) In einem etwa aus dem Juni 1572 ftammenden „Bebenten (Ed8) 
wie h. Ernft wider in ein bisciplin und zucht zu bringen” (RA. Frei- 
fing Nr. 77 fol. 71] heißt e8 u. a.: „Fürs brit, nachdem ſ. f. ©. [b. i. 
Herzog Albrecht] gwiß willen hab, das im [b. i. Herzog Ernft] pialggraf 
Hans Cafimir zc., weil er jungftlich zue Speir gwefen, ein Brief von aigner 
bant gejchriben, den er niemant lefen noch fechen wellen lafjen, das er ben- 
jelben brief herfur geb, oder ba er in mit mer bet, das er bie warheit was 
darinnen geftanden fei [geftee]. — Furs viert, weil er mit bem Pfälziſchen, 
der in mit auf die pierfch gefuert, vil reden allein gehabt, was biefelben 
reben gewefen feien.” — Weiteres über diefen Verlehr mit den Kurpfälzern 
babe ich nicht gefunden. 


Innere Hemmnifje ber bayrifchen Kirchenpolitif. 121 


Keger werden als geiftlih bleiben, wurde die Reife nah Nom 
aufgegeben. Albreht war jo erboft über feinen Sohn, daß er ihn 
gar nicht vor fich ließ, fondern dur Kanzler Ed und Dr. Ber: 
binger in Freifing zur Rede ſtellte. Ernſt geftand jeine Vergehen 
ein und bat um Berzeihung, aber das Verſprechen geiftlih zu 
bleiben gab er nicht. Infolge deifen dauerte auch des Waters 
Ungnade fort. Ebenſo wenig erfolgte eine wirkliche Beſſerung im 
Leben des Prinzen. Nach wie vor vernachläſſigte er die Studien, 
ſaß ftatt deifen über Nitterromanen !) oder trieb Muſik, ging 
Tag für Tag auf die Jagd oder zum Büchſen- und Armbruft- 
ihiegen. Mit Fremden hielt er Zrinfgelage und erfreute ſich 
daran, die anderen mit Zutrinfen voll zu machen. Ihm jelbft 
ſagte man nad, er jei imftande, in einem Tage fieben bis acht 
Shen! (Maß) Wein zu trinken. Seinen Genoffen verehrte er 
goldene Ketten, Ringe, Schaupfennige mit feinem Bildniß, jpielte, 
machte Schulden und fuchte Geld zu borgen. Unter dem Bor: 
wand, daß er ja doch nicht geiftlich werde, wollte er das Brevier 
niht mehr beten; in der Kirche ſchwätzte er mit den Domberren 
oder ſchaute nad) jhönen Frauen. Man klagte, ſchon lange ſei er 
nicht mehr zu den Saframenten gegangen; das letzte Mal habe 
er jogar feinen Beichtvater zum beften gehalten, indem er bei 
zweien zugleich beichtete. Faft am ſchlimmſten fand Aerntsperg, daß 
Ernit lieber mit Goldſchmieden und anderen Handwerkern, welche 
ihm bei jeinem Schmelzen und Schmieden halfen, den ganzen Tag 
im Schmuße figen, al3 eine Stunde den Studien widmen 
wollte. 

Inzwiſchen war Herzog Albrecht allzu jehr mit der Jagd be: 


1) Aerntsperg behauptet in feinen Ausfagen über Ernſts Sündenleben 
(RA. Freifing, Nr. 77. fol. 78) u. a.: Ernft babe fich, feit er die verbotenen 
Künfte weniger treibe, andere nicht weniger ſchädliche Bücher verſchafft: ut 
sunt germaniei libri Amadis de Gaulla, amoris pleni, scimpf und ernst etc. 
aliique ejus farinae incogniti, cujusmodi ita addietus, ut non [solum] 
lectionibus praescriptis sed etiam lectioni horarum, fortassis etiam in 
templo sub sacro praeferat. [„Schimpf und Ernſt“ ift das befannte Volks— 
bud von oder nah Johannes Pauli]. 


122 Zweite® Bud. Viertes Kapitel, 


ihäftigt, al3 daß er fih um diefe Dinge viel gekümmert hätte. 
Erſt Ende Dftober wurde das Vorgefallene gründlich unterſucht. 
Der Hofmeifter Pienzenau, Fabricius und Yerntsperg wurden vom 
Kanzler Eck ausgefragt und braten jeder ein langes Sünden— 
regifter ihres Zöglings vor. Daraufhin wurde Ernſt am 24. No= 
vember nad Dachau beſchieden, in Gegenwart feiner Mutter und 
der Grogmutter Herzogin Jakobe von Baden, durh Eck einem 
ftrengen Verhöre unterworfen und endlih, durch die Androhung 
des väterlihen Zornes, fein wilder Troß gebeugt. Er bat Fab— 
ricius um Verzeihung und gelobte von neuem, ſich zu befjern; nur 
wegen des Verbleibens im geiftlihen Stande erbat er ſich Bes 
denfzeit, melde ihm der Vater aber nur bis Weihnachten ge— 
währte. 

Als letzter Verſuch, den Eigenſinn des Jünglings auch in 
dieſem Punkte zu brechen, wurde beſchloſſen, ihn bei einem Je— 
ſuiten geiſtliche Exerzitien machen zu laſſen. Der Rektor des 
Münchener Jeſuitenkollegs und Beichtvater der herzoglichen Fa— 
milie P. Dominikus Mengin, ein Lothringer von Geburt, kam 
nad Freiſing und widmete ſich ein paar Wochen lang ausſchließ— 
lich diefem Werke, welches er mie eine förmliche Zeufelsaustreibung 
behandelte. Nach einiger Zeit brachte er es dahin, daß ihm Ernſt 
einen ganzen Korb voll magiiher Schriften und Geräte zum Ver— 
brennen auslieferte. Ernſt jelbit erklärte, die teufliihe Kunft habe 
ihn zu feinem böfen Xreiben verführt). Er beichtete dem Pater, 
empfing die Kommunion und gleid) danad erklärte er ſich bereit, 
dem Willen des Vaters gemäß im geiftlichen Stande zu leben 
und zu fterben. Niemals habe er, berichtete P. Mengin, einen 
gehorjameren Schüler gehabt. Noch vor Weihnachten teilte Ernſt 


1) Am 22. Dezember 1572 (RX. Freifing, Nr. 77. fol. 144) fchreibt Herzog 
Ernft u. a. an feinen Vater: „E. f. ©. wellen alle meine mishandlungen 
nit mir und meinem böjen willen ober herzen zuelegen, fonder vil mer bem 
[hlüpferigen alter und meiner unmwifjenden und umverftendigen jugent, den 
falfhen zungen und dem greulihen und verfluechten teufelwert, die mich dan 
zu dem allen bracht haben, gnediglich alles übel zumeßen.“ 


Innere Hemmnifje der bayriſchen Kirchenpolitit. 123 


in einem demütigen Briefe aud dem Vater feinen Entihluß mit, 
bat dagegen, man möge ihn nunmehr nad) Rom, diefem Theatrum 
pietatis reifen laſſen. Fabricius unterftüßte wieder perſönlich dieſe 
Bitte und fie wurde gewährt. 

Aber bald kamen neue Klagen über feinen Wanfelmut. 
P. Mengin war nod in Freifing, al3 man eines Tages ent= 
dedte, daß ih Herzog Ernſt in der legten Zeit mehrmals des 
Naht aus dem Schloſſe geihlihen hatte und zu der Tochter 
eines Freilinger Bürgers, Namens Daimer, gegangen war. Ernſt 
geftand alsbald jein Vergehen und gelobte wieder Beſſerung, ver— 
fiherte übrigens, daß er feine unehrbaren Abjihten gehabt habe. 
Sogar Fabricius, der fonft ftet3 das Argfte vorausfegte, war 
diesmal überzeugt, daß die Sache nur eine ziemlich unfchuldige, durd) 
das Leſen der Ritterromane veranlaßte Liebelei geweſen ſei. Her— 
zog Albrecht nahm ſie jedoch ernſter und dachte ſchon wieder daran, 
die römiſche Reiſe ganz einzuſtellen. Das aber widerriet Fabri— 
cius und ſetzte durch, daß man zunächſt ihn, Fabricius allein als— 
bald nach Rom zu ſchicken beſchloß, um dort mit dem Kardinal 
von Augsburg das Nötige über Ernſts Kommen zu beraten. In— 
zwiſchen ſollte Ernſt ſeine Studien in Ingolſtadt fortſetzen. — 
Nachher blieb er jedoch in Freiſing. 

Nun verlautet längere Zeit nichts mehr über Ernſts ſittliches 
Verhalten ). Vermutlich wird er auch weiterhin zwiſchen dem 
Faffen und Brechen von guten Vorſätzen Hin und her geſchwankt 


1) Am 31. Iuli 1573 fchreibt Fabricius aus Subiaco an Ed (RU. 
Freifing, Nr. 78, fol. 57): Prudenter quidem agit pater Rector, ne sacra- 
mentum confessionis vel suspectum vel odiosum reddat, quod mollius eum 
tractat. Quid vero doctor Adrianus vel D. Egidius [ein anderer Ber- 
wanbter, ben Fabricius an den freifinger Hof gebracht hatte] de eodem 
sentiant, subjecta clausula satis ostendit: „Adfuit quidem (ita ad ver- 
bum habent literae) pater Rector, qui licet omnem adhibuerit diligen- 
tiam, parum cum illo profecit. Imo nudius tertius cum abiret, se in 
spiritum sanctum peccasse ajebat, quia illum apud parentes ita lauda- 
verat. Dicant alii quiequid velint, is est qui antea fuit et mansurus, 
nisi illum Deus oculis misericordiae respiciat.‘“ 


124 Zweited Bud. Viertes Kapitel. 


haben, doch ſo, das einerſeits die ſtrenge Überwachung, anderſeits 
die Hoffnung auf die römiſche Reiſe von gröberen Fehltritten ihn 
abhielten. 

Anfang Februar (1573) machte ſich Fabricius auf den Weg 
nah Rom. Sein Auftrag ging dahin, eine ganze Reihe von kirch— 
lichen Angelegenheiten für Herzog Albrecht zu betreiben, die meiften 
übrigens von folder Art, daß fie recht wohl des Herzogs ftändiger 
Agent in Rom, Dr. Gajtellino oder fein Freund der Kardinal 
von Augsburg hätten erledigen können. Offenbar jollten jene An— 
gelegenheiten nur einen pafjenden Vorwand für des Fabricius 
Romreife abgeben. Der eigentlihe Zweck vderjelben, die Vorbe— 
reitung der Neije feines Zöglings nad Italien, war in feinem 
Memorial gar nit erwähnt, wohl aber verſchiedene andere 
Punkte, weldhe den Herzog Ernſt betrafen: jo jollte er erwirken, 
daß die geiftliche Jurisdiltion im Stift Freifing den unmiürdigen 
Händen der Domkapitulare entzogen und dem Adminiftrator über- 
tragen werde, „deſſen Frömmigkeit, religiöier Eifer und unbeidol- 
tene Lebensführung bereits hinlänglich bekannt jeien.‘ Ferner 
jollte Fabricius den neuen Papſt geneigt ftimmen, die Kölner Anz 
gelegenheit zu befördern, dagegen einer etwaigen Abfiht, dem jungen 
Herzog den Kardinalshut zu geben — eine Abſicht, welhe Pius V. 
wiederholt ausgeiprohen — auf beſcheidene Weiſe entgegen- 
treten. 

Eben war Fabricius in Rom eingetroffen (März 1573), als 
man am bayriihen Hofe die Nachricht erhielt, der greife Biſchof 
Burfard von Hildesheim fei geitorben und, faum vierzehn Tage 
ipäter, Herzog Ernit zu feinem Nachfolger erwählt worden. Nun— 
mehr befam der Aufenthalt des Fabrictus in Rom den neuen 
Hauptzwed, feinem Zöglinge die päpftliche Konfirmation für Hil- 
desheim zu verihaffen. Den jungen Herzog aber fnüpfte die An— 
nahme der Hildesheimer Wahl von neuem und feiter al3 bisher 
an feinen geiftlihen Beruf. 


5. Kapitel. 


Die niederſächſiſchen Hochſtifter. — Herzog Ernft wird 
Adminiftrator von Hildesheim.* 


— —— 


Biſchof von Hildesheim war ſeit dem Jahre 1557 Burkard 
bon Dberg, aus einheimiſchem Rittergeſchlecht, ein Sechziger ſchon 
zur Zeit feiner Wahl, melde Herzog Heinrih der Jüngere von 
Braunſchweig, der feinen mächtigen Nachbar wünſchte, durchgefegt 
hatte. 


*Quellen: Im allgemeinen: Havemann, Geſch. der Lande Braunſchweig 
und Lüneburg, 2. Band, Göttingen 1855. In ſeinem Urteil über 
Herzog Julius ſcheint mir Havemann zu ſehr durch die lobenden Lei— 
chenreden beeinflußt. — Für Hildesheim: Wahsmuth, Geſch. von 
Hodftift und Stadt Hildesheim, Hildesheim 1863. Lüntzel (aus 
befien Nachlaß), Geſch. der Diözefe und Stadt Hildesheim, Hildesh. 
1858, I, 404f. Die meiften von Wachsſsmuth unb Lüngel citierten 
Werke, namentlich Lauenfteind Bücher habe ich, foweit dies für meinen 
Zwed nötig, burchgefehen. Kopie einer hanbfhriftlih aud von Have— 
mann benugten Chronik ber Biſchöfe von Hildesheim bis auf Herzog 
Ernſt MB. Cgm. 2213. Nr. 68. — Für Halberftabt fehlt es 
an einer tüchtigen neueren Bistumsgeſchichte. Frank, Geſch. bes 
Bistums nachmal. Fürftentums Halberftabt, Halberft. 1853, genügt 
nit. Die ältere Litteratur verzeichnet fehr vollftändig Lucanus, 
Hiftor. Bibliothek vom Fürftentum Halberftabt, 2 Teile, Halberft. 1778 
u. 1784. — Für Magdeburg: Dreyhaupt, Beichreibung bes Saal- 
freifes, 1. Zeil, Halle 1755 (reip. 1749), ©. 290ff. Abel, 
Stifts-, Stabt- und Landchronik des Fürftentums Halberftabt, Bern- 
burg 1754, ©. 493 ff. — Einzelne wertvolle Notizen in des Chy- 
traeus Saxonia und mebr noch bei Eyriacus Spangenberg, 


126 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


Hildesheim war bordem eines der anſehnlichſten niederſächſiſchen 
Hochſtifter geweien, aber in der unglüdlidhen Fehde, welche Biſchof 
Sohann IV., Herzog von Lauenburg, gegen die Herzöge von 
Braunſchweig geführt (1519—1523), büßte es etwa zwei Drittel 
jeines Gebietes ein. Nur no drei Amter und Schlöffer, Steuer: 
wald, Peina und Marienburg, ſowie die alte Stadt Hildesheim 
gehörten zu Burkards Zeiten dem Biſchofe und von diejen war 
obendrein Peina dem Herzoge von Holftein, Marienburg dem 
Domkapitel verpfändet ). Burkard flagte wohl, er könne faum 
joviel aus jeinem Stifte ziehen, um fi des Hunger3 zu er— 
wehren 2). Seine Vorgänger hatten an der Kurie Prozeß geführt, 
um die verlorenen Stiftägüter wieder zu befommen. Gin Stuhl- 
ſpruch unter Papft Paul III (im Fahre 1540) entichied für fie, 


a. a. D., insbefondere für Minden. Minden gehörte übrigens nach 
ber Reich8verfaflung zum weftfälifchen Kreis, desgleihen Stift Verden. — 
Einige Briefe betr. die Halberftäbter Poftulation des Herzogs Heinrich 
Julius bei Laderchius 1. c. XXII, p. 424sq. u. XXIII, p. 68. — 
Über Herzog Ernſts Poftulation zu Hildesheim einiges bei Fr. €. 
v. Mofer, Beiträge IV, 456. Aretin, Bayerns auswärtige Ver— 
hältniſſe, Urkunden, Nr. III. Der Abdruck der Akten bei Aretin 
wimmelt jedoch von finnftörenden Fehlern, bat auch inhaltlich Lüden, 
welhe zum Teil ergänzt werben buch Theiner, Ann. Eccles. 
I, 525sqg. Die Originale ber von Aretin gebrudten Aften (III, 
Nr. 1/4) im KrA. 1. Geiftl. Saden Nr. 9% ad Fate. 2. 

Die Arhivalien, auf welchen meine Erzählung hauptſächlich be— 
ruht, find fir Hildesheim: StA. 95/4. 5 u. 6. RU. Hochſt. Freifing 
Nr. 78 und Hodft. Augsburg, Bd. V. MU. Regier. = Ardhiv 
Rep. II, Cell. 19, Vol. V. HU. Zwei Fasc. Bist. Hildesheim betr. 
de Ao 1573 (der eine Hildesheimer, der andere Braunfchweiger Akten 
enthaltend). — Für Halberftabt: RU. Hodft. Halberſtadt Bd. I. — 
Für Magdeburg: RA. Hodft. Augsburg Bo. IV. StA. 38/4 fol. 
121 und 415/40 bis 50. 


1) Haus Marienburg a. d. Innerfte, fhon im 15. Jahrhundert im Be— 
fige des Domkapitels (Küntzel II, 529) war zu Burkards Zeit von jenem 
wieder an einen Herrn von Steinberg verpfänbet. 

2) Beiträge zur Hildesb. Geſch. I, 388 (aus einem Briefe des Biſchofs 
an Dr. Halver vom 10. Auguft 1572). 


Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 127 


aber niemand übernahm die Exekution. Dann war die Sade 
ans Kammergeriht gebracht worden (1548), aber Biihof Burkard 
mußte jie hier einjhlafen laffen, weil er anfangs jelbft der Hilfe 
des Herzogs Heinrich gegen jein Domkapitel und die Stadt be: 
durfte. 

Die heutige Stadt Hildesheim zerfiel damals nod in zwei 
an einander gebaute aber ganz unabhängige und nicht jehr ein- 
trächtige Städte. Nur die alte oder eigentlihe Stadt Hildesheim 
ftand unter der AJurisdiktion des Biſchofs, die Neuftadt unter 
dem Dompropft, — derzeit Graf Wilhelm von Schauenburg, 
Bruder der vormaligen Kölner Erzbiihöte Adolf und Anton. 
Über das gegenfeitige Verhältnis erhielt Herzog Albreht von 
Bayern folgende kurze, treffende Auskunft: „die alte Stadt 
refognosciert den Biſchof für ihren Herrn, dod da fie thun was 
fie wollen; die Neuftadt gehört der Dompropftei und thun auch 
was fie wollen.‘ 

Die Reformation war in beiden Städten bereit3 im Jahre 
1542, nit ohne Gewaltſamkeit vonjeiten der Gemeinde, zum 
Siege gelangt. Ein paar Fahre lang wurde gar fein katholiicher 
Gottesdienst geduldet. Später wurden durch bejondere Verträge 
zwiſchen den Biihöfen und der Stadt dem römiihen Klerus wies 
der eine Anzahl Kirchen, namentlih der Dom und die Godehardi= 
fire, eingeräumt, während die anderen Hauptlichen den Luthe— 
ranern verblieben. Seitdem lebte man im ganzen friedlich neben 
einander: die Dombherren in ihren Kurien auf der Domfreiheit, 
der Biſchof gewöhnlich auf feinem Schloſſe Steuerwald, unweit 
der Stadt. In diefer und vor ihren Mauern waren nod zwei 
Kollegiatlichen und ein halbes Dutzend Mönchs- und Nonnen= 
öfter in Händen der Katholifen; die Bürgerſchaft ſelbſt, ſowie 
die Stiftzjunfer mit ihren Unterthanen waren durchweg evange— 
liſch. — Ganz ähnlih ſah es um das Jahr 1566 in den 
übrigen niederfähfiichen Landihaften aus, melde das Stift um— 
gaben. 

Eine legte ſtarke Stüge hatten die Katholifen jener Gegenden 


128 Zweites Buch. Fünftes Kapitel. 


an Herzog Heinrich dem Jüngeren von Braunfhweig-Wolfenbüttel. 
Aber er ftand damals (im Fahre 1566) bereit3 in feinem 
77. Lebensjahr, und fein einziger überlebender Sohn, Herzog 
Julius, war ein entjchiedener Zutheraner, der um feines Bekennt— 
niſſes willen jahrelang des Vaters Zorn und Ungnade getragen 
hatte. Es wurde darum folgenreich für die kirchliche Entwidelung 
in ganz Niederſachſen, daß Herzog Heinrid, als feine zweite Ehe 
finderlos blieb, mit jeinem einzigen Sohne und Erben ſich aus- 
jöhnte (im Jahre 1564), obwohl diefer an feinem lutheriihen Be— 
kenntniſſe fefthielt. Man konnte nun nit mehr zweifeln, daß in 
Zukunft der Augsburger Konfejfion die Wleinherrihaft im Fürften- 
tum gehören werde. Schon jegt wandten fid) die meiften Räte 
und Adeligen der aufgehenden Sonne zu; nur ein paar alte 
Räte blieben mit Herzog Heinrid ihrem fatholiichen Glauben 
treu. 

Zunächſt aus diefen Verhältniffen erklärt es ſich, daß Biſchof 
Burkard und diejenigen Hildesheimer Domherren, melde gleich 
ihm noch katholiſch waren, anderwärts einen Erſatz für die wan— 
fende Stütze ſuchten. Manden von den adeligen Herren im Doms 
fapitel mochte außerdem die Macht des braunjchweigiichen Hauſes 
allzu bedrohlid für die eigene Autorität ericheinen. Gerade damals 
erhielt jene einen neuen Zuwachs durch die Erwerbung des Hoch— 
ftiftes Halberjtadt. 

Achtundachtzig Jahre lang war Halberftadt durch eine Art 
Perjonalunion mit dem Erzftift Magdeburg verbunden gemeien, 
die längfte Zeit unter Fürften aus dem Haufe Brandenburg. 
Seht, im September 1566, ging jedes ver beiden Domtapitel 
jeinen eigenen Weg: die Magdeburger Domherren poftulierten 
wieder einen Brandenburger, den zwanzigjährigen Enkel des 
Kurfürften Joachim, die Halberjtädter aber einen Braunfchweiger, 
Herzog Heinrichs Enkel, Heinrih Julius, ein Kind von zwei 
Jahren. 

In den für die Offentlichteit beſtimmten Aktenſtücken wird als 
Hauptmotiv für dieſe Poſtulation geltend gemacht, daß ſich das Stift 


‚Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 129 


dadurch von feiner Schuldenlaſt befreien könne. Denn Großvater 
und Vater des Poſtulierten verpflichteten ſich, bis derſelbe ſein acht— 
zehntes Jahr erreicht, die Adminiſtration dem Kapitel zu über— 
laſſen, ſo daß dieſes aus den Überſchüſſen die Schulden tilgen 
könne. Schwerer wogen aber ohne Zweifel, bei der Trennung 
von Magdeburg und vom Haufe Brandenburg, die firhlihen Be: 
weggründe. 

Markgraf Sigismund, der legte gemeinſame Erzbiihof und 
Biſchof, hatte begonnen, die wenigen übrig gebliebenen fatholiichen 
Stifter und Klöfter im Erzitift Magdeburg gewaltiam zu refor— 
mieren. Die Magdeburger Domberren mochten damit einver— 
ftanden fein, nicht aber die Halberjtädter, welche ſich in ihrer 
Mehrheit noch zur Fatholiihen Kirche hielten. Von jedem neuen 
Brandenburger hatte man fi des leihen zu verjehen. Da: 
gegen war bon den Braunſchweigern der vegierende Herzog 
Heinrich ſelbſt noch fatholiih, Herzog Julius zwar für feine Ber: 
fon der Augsburger Konfeſſion ergeben, aber erbötig, zugleich mit 
dem Vater zu geloben, daß ihr Enkel und Sohn den geiftlichen 
Stand mit Habit und anderem, gleich den vorigen Biſchöfen von 
alteräher, annehmen und führen, daß et in geiftlihen Sachen dem 
Bapft, in weltlihen dem Kaiſer ſchuldigen Gehorjam leiften und 
ohne deren Willen und Willen in den römischen Kirchenordnungen 
nichts ändern werde u. j. w. Obendrein wurde die Verbindlich— 
feit der Poftulation von der Einwilligung des Papftes abhängig 
gemacht, jo daß die katholiſchen Domherren zu Halberftadt, als fie 
im Dftober 1566 das Kind zu ihrem künftigen Biſchof wählten, 
recht wohl im guten Glauben fein konnten, für das Befte ihrer 
Kirche gejorgt zu haben). Unmöglich Freilich) konnte jemand ſich 
verheblen, daß ein foldhes Abkommen mit dem lutheriihen Vater 


1) Kopie der Kapitulation ber Herzöge Heinrich und Julius mit dem 
Domtapitel, bat. Wolfenbüttel 20. Okt. 1566 RU. Hodft. Halberftabt I. 
fol. 144. Der Inhalt der Kapitulation fcheint wenig befannt zu fein, ba 
die gewöhnlichen Angaben über fie fämtlich Irriges enthalten. 

Lofien, Köln, Krieg I. 9 


130 Zweite Bud. KFünftes Kapitel. 


eines unmündigen Kindes auch ernfte Gefahren für den Katholicis— 
mus im Stift und in ganz Niederfachien in fi ſchloß. 

Biihof Burkard von Hildesheim war der alten Kirche auf- 
richtig ergeben, ebenſo jein vertrauter Rat der Domherr und 
Licentiat der Rechte Hermann von Horneburg, ein jüngerer Mann, 
welchen wir als den eigentlichen Urheber der Anlehnung an das 
Haus Bayern betrachten dürfen. Im Laufe des Jahres 1566 mar 
Horneburg felbft am bayrifhen Hof und trug hier dem Herrn 
Hans Falob Fugger, damals Kammerpräfident bei Herzog Albrecht, 
jowie dem Kanzler Ed den Plan vor, Herzog Ernft zum Koad— 
jutor in Hildesheim zu machen. Fugger und Ed, beide erfüllt 
bon der Idee der Wiederheritellung der römiſchen Kirche in ganz 
Deutihland, gingen auf Horneburgs Plan ein, über deſſen Schatten- 
jeiten fie übrigens nicht im Yweifel waren. Im Dezember 1566, 
nad) Horneburgs Heimkehr, erfolgte der erſte förmliche Antrag 
vonfeiten des Biſchofs. Er habe, ſchrieb Biihof Burkard an 
Fugger und Ed, auf Grund ihrer Unterredung mit Horneburg 
die Sahe mit den älteften und vornehmften Sapitularen in ges 
heime Beratung gezogen und fer entihloflen, vor anderen Per— 
fonen furfürftlihen und fürftlihen Standes, welche bis zur Stunde 
vielmals darum angejucht, Herzog Albrechts Sohn zum Soadjutor 
anzunehmen. Zu Dftern jolle zum Vollzug der Sache jemand 
nah Bayern abgeordnet werden. — Vermutlich hatte die Er— 
ledigung von Magdeburg und Halberftadt die Bewerber um diefe 
Stifter, namentlih die Brandenburger und die Braunjchweiger, 
veranlaßt, auch bei dem alten Herrn von Hildesheim wieder ein= 
mal anzuflopfen, was dann den Plan einer bayriichen Koadjutorie 
um jo ſchneller zur Reife brachte. 

Zu Dftern 1567 fam Horneburg nah Münden. Die ein= 
zelnen Punkte, welche Biſchof und Kapitel bewilligt haben wollten, 
fanden Fugger und Eck nicht unbillig, aber fie beftanden darauf, 
jene jollten, ehe fie ihres Herzogs Sohn fürmlid um Annahme 
der Koadjutorie erfuchten, die Genehmigung des Papſtes erwirken. 
Da man jhon bei der Freiſinger Sache, welche doch den Zrienter 


Die niederſächſiſchen Hochftifter. 181 


Dekreten nicht jo ſtracks zumiderlief, wie die jegt verlangte Häu— 
fung bifhöfliher Würden, bei Pius V. auf großen Widerftand 
geftogen war, jo wollte man ihn vor allem überzeugen, daß die 
Hildesheimer Koadjutorie nit aus Eigennuß, ſondern nur zur 
Erhaltung des Stiftes und der fatholiihen Religion gewünſcht 
werde. 

Mit diefem Beſcheid ging Horneburg nad Hildesheim zurüd; 
im Herbft fam er wieder und brachte die Antwort, Biſchof Burkard 
und die älteften Kapitularen ſeien einverftanden, daß jemand nad) 
Rom geſchickt werde. Auf Albrehts Rat ging Horneburg ſelbſt dort= 
bin, während de3 Herzogs Agent Gaftellino, der aber außer Bayern 
auch andere Parteien vertrat, den Befehl erhielt, unter der Hand, 
wie für ji, defien Werbung zu unterftügen. Ende November 
brachte Horneburg, von aftellino eingeführt, fein Geſuch bei 
Pius V. vor, zunächſt ohne die Perjon des gewünschten Koad— 
jutors zu nennen; es jei, jagte er, bei jeiner Abreife noch feine 
Perſon auserjehen geweien. Dr. Ef hatte gemeint, wenn man 
bon einem Koadjutor aus mächtigem Haufe rede, werde der Papft 
von ſelbſt auf Herzog Ernſt verfallen. Pius V. ſchien aber viel- 
mehr an den Braunſchweiger Prinzen zu denken; denn er jprad) 
davon, daß er der Halberftädter PVoftulation feine Zuftimmung 
verjagt habe, troß Herzog Heinrichs Verſprechen, feinen Entel ka— 
tholiich zu erziehen; der alte Herr könne jeden Tag fterben und 
dann werde das Kind mahrjcheinlid in die Fußtapfen feines 
häretiihen Waters treten. 

Erft im Januar ging Horneburg wieder zum Papft, diesmal 
um Verdacht zu verhüten allein, und nannte den gewünſchten 
Koadjutor. Pius V. erwiderte, die Sache müſſe veiflid) erwogen 
werden. — Das Ende von folder Erwägung war ein entichie- 
denes Nein! Er fürchte fein Gewiſſen zu verlegen und Ärgernis 
zu geben; Exnft jei zu jung und bereit3 mit der Sorge für eine 
Kirche betraut; ihn blog zum Koadjutor in temporalibus zu machen, 
gehe nicht an, weil ſchon bei der Freiſinger Sade eine derartige 


Trennung am faiferlihen Hofe übel vermerkt worden fei; aud) 
9* 


132 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


jeien Hildesheim und Freifing zu weit bon einander entlegen. 
Übrigens wolle er den bayriſchen Herzog von der Bitte in Kennt— 
nis feßen und ihm die Hildesheimer Kirche beſtens empfehlen. — 
Das geihah denn aud durch ein Breve, welches Horneburg im 
uni 1568 mit nad) Deutichland herausbrachte. Herzog Albrecht 
antwortete, ihn perſönlich befümmere die abſchlägige Antwort nicht 
im mindeften; denn er habe nur den wiederholten Bitten des 
Biihof3 Raum gegeben, aber dann noch alles in das Belieben 
Seiner Heiligkeit geftellt. 

Horneburg war noch nicht wieder zuhauſe angelangt, al3 der 
am 11. Juni 1568 erfolgte Tod des alten Herzogs von Braun— 
ſchweig die gefährdete Lage der katholiſchen Überrefte Niederſachſens 
an den Tag brachte. Am Hofe zu Wolfenbüttel hörte alsbald 
die Meife auf; Heinrihs Beichtvater Lafthaufen verließ als der 
legte katholiſche Weltgeiftlihe das Land. Auch die wenigen melt- 
lichen Räte, welhe am fatholiihen Glauben fefthielten, mußten 
ihren Dienft aufgeben, unter ihnen der tüchtige Vizekanzler 
Dr. Ludolf Halver, der bald darauf einen neuen größeren Wir- 
fungskreis für die katholiſche Neftauration in bayrifhen Dien— 
ften fand). Auch in der auswärtigen Politik des Wolfen- 


1) In einer im Jahre 1564 gejchriebenen Schrift fpendet Hamelmann 
(Hamelm., Opp., p. 210) feinem ehemaligen Mitſchüler und Freund Halver 
großes Lob; vir excellenter praesertim in jure ac historiis doctus, et in 
aulis regum ac multorum principum propter magnas legationes, quas 
strenue subivit, est notus. Hamelmann nennt ihn bafeldft Monasteriensis; 
jedoch erhellt aus einem Briefe Halvers (RA. Hochſt. Miünfter VIII. fol. 52), 
daß er in Münfter weder geboren noch erzogen war, ſondern nur als Knabe 
nad ber Einnahme ber Stabt (alfo etwa Enbe ber dreißiger Jahre) einige 
Zeit daſelbſt gelebt Hat, danach zur Löwen und Heibelberg (al8 Stubent?). 
In einer fpäteren Schrift (Opp., p. 896sq.) gebenft Hamelmann ber Thä- 
tigkeit Halvers für die katholiſche Neftauration unter Herzog Heintih d. 3. 
Halver war au fpanifcher Benfionär (Weiss, Papiers de Granvelle VIII, 
183), die Zahlung aber, wie gewöhnlich bei den fpanifchen Penſionen, rüd- 
fündig. Späteftens im April 1569 ift Halver bereit8 bayrifcher Rat, feine 
Familie damals fhon in Münden (St. 161/3 passim). 13. Mai 1569 
gratuliert Biſchof Burkard von Hildesheim (Or. von Körnleins Hand StA. 


Die niederſächſiſchen Hochſtifter. 133 


bütteler Hofes befundete jih der Umſchwung: der neue Herzog 
wies Spanisches Wartegeld zurüd, nahm fogar den von jeis 
nem Vater getragenen Drden vom Goldenen Vlies nit an; — 
dem deutihen Zweige des Haufes Ofterreih blieb er übrigens 
treu ergeben. Katholiſch und befonders ſpaniſch gefinnt war 
allerdings noch fein Vetter, Herzog Erid II. von Braunfchweig- 
Galenberg; aber der war ein unftäter Abenteurer, fait immer in 
fremde oder eigene Kriegshändel außerhalb feines Landes ver- 
wickelt und deshalb fait ohne Einfluß auf die religiöje Entwidelung 
innerhalb desjelben. | 

Zu Hildesheim ſah man voll Sorge in die Zukunft. Biſchof 
Burkard empfahl ſich alsbald, mit Berufung auf das päpftliche 
Breve, dem Schutze des bayriſchen Herzogs. Gleichzeitig ver- 
ficherte fein Sekretär Peter Körnlein, der damals wohl ſchon bay— 
riihe Penſion bezog, er wolle feine Ader an jeinem Leibe haben, 
die nicht gut bayrijch fein und bleiben werde. Mehr durch die 
That bewies Horneburg jeine bayriihe und fatholiiche Gefinnung. 
Ihm ohne Zweifel ift es zuzujchreiben, dag Biihof und Doms 
fapitel jegt einen Schritt thaten, in deſſen Folge Stift Hildesheim 
der römischen Kirche erhalten und auf zwei Jahrhunderte hinaus 
faft ununterbrochen dem bayrischen Haufe verbunden blieb. 

Am 30. November 1568 einigten ſich, bei ihren fürftlichen, 
adeligen und fonftigen Würden, Ehren und Treuen, zwölf Hildes- 
heimer Domberren, darunter der Dehant Willen Freitag und der 
Scholaſter Dieterih Bleder, mit Biſchof Burkard, feinen anderen 
als den Sohn des Herzogs Albreht von Bayern zum Koadjutor 


95/6 fol. 37) Halver zu feinem Eintritt in bayrifche Dienfte, „bar bie alte 
catholifche kirchen Gotlob umnverbrudt geblieben“. Halver felbft jchreibt 
28. Nov. 1569 an Kanzler Ed (StA. 160/11 fol. 517): „Ich tue allezeit 
was mein löblicher furft Herzog Albrecht und E. ©. raten und haben wollen. 
In hoc principe mihi dux Henricus :c. revixit.“ — Was Halver und andere 
(in den bayrifchen Alten) von der Behandlung erzählen, welche Herzog Hein- 
richs alte Räte nach deſſen Tod erfuhren, mwiderfpricht einigermaßen ben ge— 
wöhnlihen Angaben von Herzog Julius’ Großmut und Milde. 


134 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


anzunehmen. Sollte Biihof Burkard fterben, che dieſes Koad- 
jutoriewerk beendigt, jo wollten die anderen Unterzeichner dieſer 
Union dennod) in gleicher Weiſe verbunden bleiben und einträchtig den 
Herzog Ernft zum Nachfolger wählen. — Es gab allerdings einige 
vierzig Kanonilate am Hildesheimer Dom, aber die meiften von 
ihnen waren entweder überhaupt nicht mehr oder doch nicht von 
Kapitularen bejegt, jo dab jene Zwölfzahl die Majorität des 
Kapitel ausmachte und, wenn fie, wie zu erwarten, ihr Ehrenwort 
hielt, der Erfolg geſichert war ”). 

Bon da ab erfahren wir fait ein Jahr lang nichts mehr über 
die Hildesheimer Dinge, abgejehen von einer gelegentlihen An— 
deutung, daß man zu Wolfenbüttel um die Verbindung mit 
Bayern etwas wußte und, wohl mit Unrecht, den Dr. Halver 
für den Vermittler hielt. Gegen Biſchof und Kapitel ließ ſich 
Herzog Julius feinen Unmut anmerken, ſondern ſuchte vielmehr 
— mie er denn Überhaupt im Gegenjage zu feinem Vater ein 
friedliebender Herr war — durch einen Vergleich den alten Streit 
mit Hildesheim aus der Welt zu jchaffen. 

Biſchof Burkard hatte vor einiger Zeit den Prozeß gegen 
Braunſchweig wieder aufgenommen und vom Kaifer die Ernennung 
der Kurfürften von Mainz und Sachſen und des Herzogs Albreht von 
Bayern zu Kommiſſaren erlangt. Um diejer Kommiſſion auszumei= 
hen ſchlug Herzog Julius dem Stift gütliche Unterhandlung durd) 
Räte beider Zeile vor. Ehe Biſchof und Kapitel jih darauf 
einliegen, fragten fie zubor den bayrischen Herzog um Nat. Bei 


1) Bei Lüntzel II, 496ff. find die Verbältniffe des Hildesheimer Dom- 
fapitel8 leider nur bis Anfang des 16. Jahrhunderts entwidelt. Das Ber- 
zeihnis der Domberren, welche im 16. Jahrhundert lebten, bei Lauen— 
ftein, Diplomat. Hiftorie des Bistums Hildesheim, S. 234—243 ift nicht 
vollftändig genug, um daraus eine Statiftif für einen gewiſſen Zeitpunkt zu 
machen. Bielleiht hängt bie Kleine Zahl der Domberren mit ber Ber- 
fleinerung bes Stift8 zufammen. Außerdem waren wohl auch in Hildes- 
beim wie anberwärts Reſidenz und Subbialonatsweihe VBorbebingungen für 
einen Kapitelplat. Der Dompropft gehörte im 16. Jahrhundert (gleihwie 
in Köln) nicht mehr zum Kapitel. 





Die niederſächſiſchen Hochftifter. 135 


diefem Anlaß, im November 1569, überbrachte Horneburg aud) 
eine Kopie der ein Fahr zuvor abgeſchloſſenen Union. Herzog 
Albrecht lehnte zwar eine beftimmte Zufage wegen Annahme ver 
Koadjutorie ab, hatte aber nichts dagegen, dab man über einige 
Zeit nohmal3 in Rom anfrage und aud dort von der Union 
Kenntnis gebe. Bezüglich der gütlihen Verhandlung mit Braun- 
ſchweig ließ er durhbliden, man möge nicht zu weit gehen und 
lieber den Nachkommen überlafien, eine beſſere Gelegenheit zu 
finden, um das Verlorene wieder zu erlangen. 

Indeſſen gingen die Verhandlungen mit Braunſchweig boran. 
Wiewohl Herzog Albreht auf Horneburgs dringenden Wunſch 
nohmal3 vor allzu großen Konzefjionen warnte, fam man im 
Laufe des Jahres 1570 doch einem Vergleih mit Braunſchweig 
immer näher. Die Herzöge Julius und Eridy wollten jeder dem 
Stift ein paar Ämter zurüdgeben und dafür alles übrige als 
Mannesicehen behalten. Der Hildesheimer Kanzler Sigfrid 
Nung, ein Braunfchweiger Unterthan, war für den Vergleich; 
von ihm beraten dann auch der alte, wie Horneburg behauptet, 
bereit3 verlindiſchte Biihof und ebenſo ein Zeil des Kapitels, 
darunter auch einzelne Unterzeichner der Union, die einen, wie 
der Scholafter Dieterich Bleder, wenn Horneburg zu glauben tft, aus 
Eigennug, die anderen aus rveligidien Motiven ). Denn der 


1) Auf Grund einer Unterrebung mit Hormeburg (am 12. Juli 1570) 
machte fich Fugger folgende Notizen (StA. 95/5 fol. 101; vgl. 95/6 fol, 
72): „Die 2 der feolafter ging gern hinderſich der union, ſuecht proprium 
commobum, der ander [b. i. Gebhart von Bothmer] in fein Hof vor 4 jarn 
fub utraque communiciert.” Noch deutlicher in Fuggers Bericht an Herzog 
Albrecht: „Dan die! 2 gfanten war ber aine ber fcolafter fo in ber ver- 
willigung underſchriben, aber zufagens und aigennut halber gern ben kopf 
auß ber balfter wolt fchlaiffen; der ander wer gut [gar?] Iutrifh und het 
nit underſchriben, weil er damaln ber jungern ainer gweſt. Diſe mwolten 
mit irem anhang gern den ftift in Herzog Julius oder deſſen von Lubed 
handen pringen, bamit fi wie andere eingezogene ftift mochten frei fein irs 
gfallens zue leben.” — Ein „Gruert [I. Gevert?] von Bothmer” ift übrigens 
unter ben Unterzeihnern ber Union. 


136 Zweites Buch. Fünftes Kapitel. 


Hintergedanfe bei den Verhandlungen mit Braunfchweig war, 
mern der Vergleich geglüct, jolle entweder Herzog Julius’ Sohn, 
der Poftulierte von Halberftadt, oder jein Freund, der lutheriiche 
Biihof Eberhard Holle von Lübeck und Verden, als Koadjutor 
angenommen werden. 

Im Suli 1570 gingen eigene Gelandte von Biſchof und 
Kapitel zu Herzog Albrecht, um aus ihm eine Billigung des 
Vergleiches berauszuloden und auf ſolche Weife, wie Horneburg 
behauptet, ihren Kopf wieder aus der Schleife zu ziehen, in die 
fie geraten. 

Aber Horneburg war den Geſandten heimlih borausgeeilt; 
al3 er in Münden den Herzog und feinen Kanzler nicht fand, 
ging er nad) Zauffichen zu Hans Jakob Fugger und beſchwor 
diefen, dahin zu wirken, daß Albreht auf feine Billigung des 
Vergleiches ſich einlaffe, jondern ausprüdiid auf die Union hin— 
weile. Im Befik von Hildesheim könne Ernſt aud andere 
Stifter, zunächſt Halberftadt und Minden, und dadurd) die nötige 
Autorität und Macht erlangen, um die fatholifche Kirche in jenen 
Landen wieder herzuftellen. Sollte aber feiner Zeit Stift Hildes- 
heim dem Herzoge nicht für jeinen Sohn zufagen, jo würde 
alsdann leicht ein anderer fatholiiher Mann an deſſen Stelle zu 
bringen fein. 

Horneburgs und Fuggers dringenden Bitten entipredjend fer— 
tigte der Herzog am 28. Juli die Gejandten (den Scholaſter 
Bleder, den Domherrn Gebhard von Bothmer und den Sefretär 
Körnlein) mit einen Beſcheid ab, der inbezug auf jenen Vergleich 
allerdings zweifelhaft, aber, wie Fugger meinte, immerhin jo ab= 
gefaßt war, dal das Kapitel wohl merken fonnte, wohin Albrechts 
Rat ging. Wichtiger aber war, dab im Eingang ausdrücklich 
Bezug genommen wurde auf die Union, für melde ji der Her— 
zog in Gnaden und Freundſchaft erfenntlid zeigen wolle. Denn 
hierin lag gewiſſermaßen ſchon die Annahme einer Koadjutorie oder 
fünftigen Wahl und demnach eine gegenfeitige Verpflichtung zwi— 
ihen dem Haufe Bayern und dem Stift Hildesheim. — Man 


Die niederfächfiichen Hochſtifter. & 137 


wird annehmen dürfen, daß die von Horneburg eröffnete Ausſicht 
auf die Erwerbung anderer Nachbarftifter, namentlich von Minden 
und Halberftadt und jomit auf eine mweitergreifende fatholiiche Re— 
ftauration in Niederfachjen, nicht ohne Einfluß auf des Herzogs 
Antwort gewejen war. 

Das Stift Minden war jeit dem Januar 1567 im Beſitze 
des uns von der Kölner Wahl ber befannten jungen Grafen 
Hermann von Schauenburg. Wiewohl Hermann für katholiſch galt, 
erklärte do) Pius V. bejtimmt, er werde denjelben, jo lange fein 
Bater Graf Dtto lebe, in feinem Bistum beftätigen. — Diefer 
Graf Dito war nämlich in feinen jungen Jahren ſelbſt einmal 
Biſchof geweſen (von Hildesheim), aber, weil er fi nicht kon— 
jefrieren noch fonfirmieren ließ, ohne viel Umftände bald abgejet 
worden. Wenn aud den Grafen jelbit, der mehr Luft zu 
Kriegshändeln hatte, das wenig kümmerte, jo war doh in Rom 
wohl von jener Fugendzeit her jein Name ſchwarz angeftrihen 
geblieben; jet mußte e3 der Sohn entgelten. — Bereits im 
Jahre 1569 gelangte an den Herzog von Bayern, wir willen 
nicht beſtimmt von welder Seite !), die Andeutung, daß man 
in Minden jeinen Sohn Ernſt gerne als Biſchof jehen würde. 
Daraufhin ertundigte fid) Albrecht in Rom bei dem Kardinal von 
Augsburg nad) der Lage der Dinge; diefer riet aber damals von 
einer Bewerbung ab. Bielleiht daß jest die von Horneburg 
genährte Hoffnung, Minden zugleih mit anderen Stiftern zu er: 
langeu, den Plan wieder aufnehmen lieh. 

Auf Halberjtadt konnte jih das Haus Bayern mit demſelben 
Grund oder Ungrund Hoffnung machen wie auf Minden. Denn 
aud) der dortige Poftulierte hatte feine Ausfiht, von Rom bes 
ftätigt zu werden. Wenn Pius V. ſchon dem dringenden Er— 
ſuchen des alten Herzogs Heinrich nicht ftattgab, wie ſehr er jonft 
dieſem letzten fatholiihen Fürften in Niederfachien gewogen, fo 
war jeit deifen Tod und da fein Sohn begonnen hatte feine Erb— 





1) Vielleicht von Anton von Langen, der zugleih zu Minden und zu 
Hildesheim Domherr war. 


138 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


lande zu reformieren, nod weit weniger auf Nachgiebigfeit des 
Papftes zu rechnen. Horneburg ſprach ſchon im November 1569 
in Münden davon, daß man, einmal im Befige von Hildesheim, 
leiht audy Halberftadt ſowie Magdeburg dazu befommen fönne. 
Bon Halberftadt, wo das Kapitel der Sache bereit3 müde fei und 
gerne einen hätte, der fonfirmiert würde, ſprach er auch jest (im 
Suli 1570) wieder; von Magdeburg aber riet er abzufehen, weil 
dort niemand mehr katholiſch, den Konfeffioniften aber nicht zu 
trauen jet. Sonft hätte das Erzitift Magdeburg nicht nur feiner 
Zage nad) beſſer als Minden zum Stift) Hildesheim gepaßt, Ton- 
dern e3 war auch daſelbſt jüngft eine Veränderung erfolgt, welche 
das Einjhreiten des Papftes, weit mehr als in jenen anderen 
Stiftern, herauszufordern ſchien. 

Zu Anfang des Jahres 1570 vermählte ji) nämlich der Ad- 
miniftrator von Magdeburg, Markgraf Joachim Friedrich mit der 
Tochter des Markgrafen Hans von Küftrin, allerdings mit Vorwifjen 
und Willen feines Domlapitel3, aus welchem alsbald einzelne fein 
Beiipiel befolgten, aber in offenem und bisher noch in feinem 
Hoditift gewagtem Widerſpruch gegen den geiftlihen Vorbehalt. 
Zudem hatte er bereits im Jahre 1567 die Jahrzehnte lang ver— 
ſchloſſene Domkirche dem evangelischen Gottesdienfte eingeräumt 
und fuhr fort, geftügt auf wiederholte Landtagsabſchiede, mit der 
von feinem Vorgänger begonnenen Reformation der Klöfter und 
Stiftsfirhen. Schon vor der Verheiratung des Adminiftrators 
hatte der Kardinal von Augsburg den bayriſchen Herzog ermahnt, 
für Herzog Ernſt fein Augenmerk auf Magdeburg zu richten; jet, 
da jener durch feine Ehe, nach dem gemeinen Recht und dem 
Neligionsfrieden, des Stiftes unfähig geworden, glaubte er e3 an 
der Zeit vorzugehen. Kapitel und Landſchaft, meinte er, jeien 
ohnehin nicht durchaus auf Seite des Adminiftrators; auch jühen 
der Kurfürft von Sachſen und andere diefen Nachbar nit gern, 
der Bapft werde ihn willig abjegen und einen anderen ernennen, 
wenn er nur eines Nücdhalts und Exekutors gewiß ſei. — Aber 
freilich, gerade an dieſer Hauptſache fehlte es. Kaiſer Marimilian, 


Die nieberfächfifchen Hochſtifter. 139 


bei welhem Pius V. anfragte, hütete fi) dem gut faiferlihen Ad— 
miniftrator, dem Erben der Kurwürde, und zugleid) feinem ganzen 
Haufe vor den Kopf zu ftoßen. Auch Herzog Albrecht mochte 
fi nicht wegen Magdeburg Unannehmlichkeiten ausſetzen. Otto 
Truchſeß dachte dann mohl eine Zeit lang daran, fi jelbit zum 
Nachfolger des Adminiftrator3 ernennen zu laſſen, aber der Kaifer 
widerriet jeden derartigen Verſuch ). — Fahre vergingen nod, 
ehe der Magdeburger Befikitand ernftlih angefochten wurde. 
Indeſſen war der geplante Ausgleich zwiſchen Stift Hildes- 
heim und Braunſchweig zu Anfang des Jahres 1571 geicheitert. 
Die Haupturfahe war ohne Zweifel Herzog Albrehts Haltung, 
wenn aud) das Kapitel „des Glimpfes wegen andere Gründe 
vorihob 2). Horneburg war voller Freude: jekt, meinte er, folle 
man die bayrische Koadjutorie von neuem in Rom betreiben. Daß 
e3 dazu nit fam, Bayern vielmehr in der nächſten Zeit in der 
Hildesheimer Sache ſich auffallend kalt verhält, erklärt ſich am ein= 
fachſten durch die gerade damals erfolgte Sinnesänderung des jungen 


1) 17. März 1570 (RA. Hochſt. Augsburg IV, 255 Kpt. Ed) ſchreibt 
Herzog Albrecht an ben Kardinal von Augsburg: „Mit Magdeburg wirbet 
im bie pabft. Ht wol wiſſen recht ze tuen, einmal occupiert benfelben ftift 
ber intrufus wiber alle recht und ben religionfriden, Do die papft. Ht und 
die 8. Mt wellen, wer villeiht rat zu finden; das wir uns aber darumben 
vaft bewerben follen, das felt uns bes unlufts halben, der uns bavon aufs 
erwachſen murbe, billich Hoch bedenklich; wir wiſſen auch nit ob es anzu— 
nemmen were, bo gleich ber jetig von ber papſt. Ht und K. Mt priviert 
würde Wans nit dahin fan gericht werben, das ers om unfer zutuen ab— 
brit und alsban bie poftulation unfers ſons vom capitl ervolget, fo ift es 
uns gar nit anzenemmen.” — Zu Anfang des Jahres 1573, ba ber Dom- 
propft Bödlin, ohne Genehmigung des römischen Stuhles einem proteftantifchen 
Fürften (welchem?) die Propftei refignierte, wollte fi ber Karbinal von 
Augsburg feldft zum Vompropſt ernennen laſſen, aber fein kurz darauf er- 
folgter Tod verhinderte die Ausführung. 

2) Chytraeus, Saxonia lib. XIX (zum Sabre 1556!) hat eine kurze 
Notiz Über den Abbruch der Verhandlungen, kennt aber ben wahren Grund 
nicht: in delectu praefecturarum, cum quas episcopus peteret principes 
retinere cuperent, et quas hi offerrent ille accipere recusaret, dissensio 
rursus exacerbata conventionem jam factam diremit. 


140 Zweited Bud. Fünftes Kapitel. 


Herzogs Ernſt. Diefer hatte übrigens für feine Perfon ſchon 
früher wenig Luft zu der Hildesheimer Koadjutorie geäußert; das 
war dem Biihof zu Ohren gelommen und hatte auch auf ihn 
abfühlend gewirkt und ihn geneigter geftimmt, auf Anerbietungen 
bon anderer Seite zu hören. Sole kamen an Biſchof Burkard 
nad wie vor nit nur von Braunjchweig, ſondern auch von Her= 
zog Wolf von Holftein; — bier mit großer Ausfiht auf Erfolg. 

Adolfs Bruder, Herzog Friedrich von Holjtein, war Burkards 
Vorgänger in Hildesheim geweſen und hatte al3 jolder Amt und 
Schloß Peina eingelöft, welhe zur Zeit noch in Herzog Adolfs 
Händen waren. Wenn jegt Biſchof Burkard Adolf3 unmündigen 
Sohn Herzog Friedrih als Koadjutor annahm, jo ließ ſich Peina 
vielleicht ohne große Koften wieder ans Stift bringen. Aber auch 
außerdem machte der Herzog die lodenditen Verſprechungen, kirch— 
licher und politiiher Art. Sein Sohn jolle nah Köln zum 
Studium gejhidt werden; er, der Vater wolle von Papft und 
Kaifer Empfehlungen beibringen; bis Friedrich mündig, follten 
Biihof und Kapitel allein die Regierung behalten und in der 
Religion nichts geändert werden; falls es nicht zum gütlichen 
Vergleich mit Braunſchweig komme, werde er auf feine Koften den 
Proze am Kammergericht weiter führen. Dem Biſchof jelbjt 
wurde eine fürftliche Verehrung verſprochen; für die Beobachtung 
des Vertrages wollte der Herzog Bürgen ftellen. — Was man 
nur verlangen mochte, war er bereit zu bewilligen ?). 

Selbit Herzog Albrecht von Bayern zeigte ſich dieſem Projekt 
nicht ganz abgeneigt. An Bedenken gegen die Koadjutorie jeines 


1) 31. Juli 1574 fchreibt Körnlein an den Freifinger Kanzler Dr. Römer 
(Or. HA. a. a. D.): „Hocermelter furft hochfeliger Biſchof Burkard], weil 
er wuſte, das er [Herzog Adolf] kein catholicus, ließ ime ezlihe articul an« 
ftellen, zu dem grunt, f. f. ©. daraus vermerken wurbe, man mwolte un— 
muglide ja wiber fein comfcientiam hendel anftellen, dardurch verurfacht 
werben ben handel pleiben zu laflen, aber man funte bie conbditiones fo 
wunderlih nit ftellen, 5. Adolf erbote fih einzugen und biefelbigen einzu— 
willigen.“ 


Herzog Ernft wird Adminiftrator von Hildesheim. 141 


eigenen Sohnes hatte es ohnehin nie gefehlt. „Ich glaube“, 
ſchrieb Kanzler Ed einmal an den Sekretär Körnlein, „eure Lands» 
leute würden [eben] jo lieb den Paſcha von Dfen zu einem Bischof 
haben al3 einen bayriihen Fürften.‘ Immerhin war der Herzog 
bon Holftein für den Fortbeitand der fatholiihen Kirche in Hil— 
desheim weniger bedrohlich als der benachbarte mächtige Braun- 
jhweiger. Herzog Adolf teilte außerdem die politiihe Partei: 
ftellung des bayriihen Herzogs; wiewohl QZutheraner, war er 
dennoch Dberft und Rat des ſpaniſchen Königs, für den er eben 
damal3 (1572) eine Schar Reiter nad) den Niederlanden führte. 
Zu Anfang des Jahres 1573 glaubte Herzog Adolf mit dem 
Biihof im reinen zu fein; nur die Zuftimmung des Kapitels 
fehlte noch. — Da ftarb der alte Herr in der Frühe des 23. Fe— 
bruar 1573. 

Kaum hatte der Biihof die Augen geſchloſſen, als die alten 
Liebhaber der Hildesheinier Kirche, vor allen die beiden Herzöge von 
Braunſchweig und von Holftein, ſich anfchicten, bei den „, Exrb- und 
Grundherren des Stift‘, den Domlapitularen, al3 Bewerber zu 
eriheinen ). Herzog Julius erſuchte alle feine Nachbarn, die 
Kurfürften von Sachſen und Brandenburg, den Adminiftrator von 
Magdeburg, den Landgrafen Wilhelm von Heffen, feinen Better 
Herzog Erich und feine Stiefmutter die Herzogin-Witwe Sophia, ja 
jogar den König von Dänemark, bei Domkapitel und. Stadt Hil— 
desheim ſich zu verwenden, damit entweder fein nunmehr neun= 
führiger Sohn, der Voftulierte von Halberftadt, oder aber jemand 
aus dem Kapitel jelbjt zum Biſchof gewählt werde. Er jelbft bes 
abjichtigte baldigft eine ftattliche Gefandtichaft nach Hildesheim zu 
jenden. 

Sie follte eine fertige Thatſache vorfinden. 


1) Weitere Bewerber waren B. Eberhard von Lübel unb Verden, aus 
dem urfprünglich Hilbesheimifchen Geflecht derer von Holle, fobann bie 
Herzöge von Lüneburg für einen aus ihrer Familie, — und vielleicht noch 
anbere. 


142 Zweited Bud. Fünftes Kapitel. 


Noch am Zodestage des Biihof3 hatte Hermann von Horne= 
burg einen eigenen Boten an den bayrischen Kanzler abgejendet. — 
Er war entſchloſſen, jegt mit der Union hervorzutreten und die 
anderen Domlapitularen an ihr Ehrenwort zu mahnen. Dagegen 
rechnete er darauf, daß man ihn auch vonfeiten Bayerns nicht im 
Stiche lafjen werde. Als er dann aber jah, wie eifrig die Gegen- 
bewerber waren, wartete er die Antwort von Münden gar nicht 
ab, jondern beeilte ſich ihren fürmlihen Anträgen zuvorzukommen. 
Am Abend des 7. März follten Herzog Julius’ Gejandte in 
Hildesheim eintreffen; am 6. beichloß das Kapitel ſchon am anderen 
Vormittag zur neuen Boftulation zu ſchreiten. So geihah es. 
Die Mehrheit des Kapitels hielt feft an der Union bon 1568: 
am 7. März 1573, vormittags 10 Uhr wurde Herzog Ernft 
bon Bayern, Aominiftrator bon Freifing, bon den anweſenden 
Kapitularen einftimmig poftuliert ) und eine Stunde fpäter von 
der Domkanzel als Biſchof ausgerufen. 

In weiten Kreifen erregte dieſe Wahl gerechtes Aufſehen. 
Man war feit langer Zeit gewohnt, nur nad) Familienintereffen, 
bald des Stiftsadels, bald der Nahbarfürften, über die deutſchen 
Bistümer entjhieden zu jehen. Dabei ſchien es ſelbſtverſtändlich, 
dab ganz Niederfachfen der Augsburger Konfeljion gehöre und den 
Reſten der römiſchen Kirche nur Zeit gelaffen werde, in Frieden 
auszufterben. Nun jollte mit einem Mal ein weit entjeffenes, 
ftreng fatholiiches, oberdeutſches Fürftenhaus inmitten der nieder- 
deutichen, längſt evangelifierten Landſchaften einen Biſchofsſitz ein— 
nehmen, der zwar zur Zeit wenig materielle Macht, aber wichtige 
Rechtsanſprüche verlieh, und vor allem eine bequeme Handhabe zu 
kirchlicher Propaganda. Die Erwerbung irgendeiner reihen ihrer 


1) Horneburg ſchreibt an Ed, Herzog Ernft fei „einhellig von allen capi- 
tularen, fo vihel berfelben in electione gewefen, nullo biscrepante, in episco— 
pum Hildeshemenſem poftulieret worden”. — Damit wohl vereinbar ift Körn- 
leins Bericht an Herzog Albrecht; Ernft fei „auf vorige gehabte underrebung 
und ervolgte union, unangefehen irer etliche boch wenig perfonen anderwerts 
gern gemwolt, . . . poftuliert worden“. StA. 95/5 fol. 110ff. 


Herzog Ernſt wird Abminiftrator von Hilbesheim. 143 


jelbft wegen begehrten Prründe würde ficherlih weniger Beſorgnis 
erwedt haben. Manche Leute hofften noch, die Poftulation fei 
vielleicht nichts als eine Außerung des Trotzes der Dompfaffen 
gegen die Herzöge von Braunſchweig und Holftein, und der Bayern= 
herzog, als ein friedliebender Fürft, werde fi hüten eine ſolche 
Wahl anzunehmen. Aud Herzog Julius felbft ſchmeichelte fich 
mit diefer Hoffnung und veranlaßte deshalb noc mehrere Wochen 
jpäter die vornehmſten Hanfeftädte, wie von fih aus, unter Her— 
vorhebung der firhlihen Gründe, die Wahl feines Sohnes bei der 
alten Stadt Hildesheim zu empfehlen. Es nahm ſich dann frei= 
lich jeltfam aus, als nod) im Mai 1573, nachdem Bayern die 
Poftulation längft angenommen, Fürſchriften von Hamburg, Lübeck, 
Lüneburg und Bremen in Hildesheim einliefen, die jo lauteten, 
als wiſſe man dort noch gar nichts von der längft vollzogenen 
Neuwahl. 

Horneburg und Körnlein hatten ſofort nach der Wahl einen 
eigenen Boten nach Bayern geſandt; vierzehn Tage ſpäter folgten 
Abgeordnete des Kapitels (wieder der Scholaſter Blecker, Gebhard 
von Bothmer und Körnlein) mit dem Poſtulationsdekret und einer 
ganz unbedenklichen Kapitulation )). 

Herzog Albrecht war für ſeine Perſon entſchloſſen, die Poſtu— 
lation anzunehmen, aber er wollte zuvor Gewißheit haben, daß 
auch der Papſt ſie gutheiße. Gleich nach dem Eintreffen des 
erſten Boten bat er daher den Kardinal von Augsburg, Seine 
Heiligkeit deshalb anzuſprechen. „Denn“, ſchrieb er, „Euer 
Liebden und Freundſchaft haben zu gedenken, daß weder wir nod) 
unfer Sohn defjen kein Nutz ſondern nur Beihwerung und Scha= 
den hätten und diefen Stift feiner andern Urjad annehmen wür— 
den, al3 daß wir verhüten, damit er nit in Iutherifher Fürften 


1) Entwurf einer Kapitulation in fieben Artifeln im HA. a. a. O. ſtimmt 
inhaltlich überein mit den Bedingungen, welche Bifhof und Kapitel bereits 
im Sabre 1567 dem bayrifchen Herzog vorlegten. — Die Kapitulation bes 
Biſchofs Burkard vom 1. Dezember 1562 bei Lünig, Reichsarchiv, 
Bd. XVII (Spicil. eccles. II.), ©. 1099 ff, geht viel mehr ing Einzelne. 


144 Aweited Bud. Fünftes Kapitel. 


Händ käme und [damit] derjelbe mit der Zeit auf einen tauglichen 
tatholiihen Biſchof möchte transferiert werden.‘ Bedenklicher war 
anfangs Herzog Ernſt, obwohl er fid) damals bereits entichlofjen 
hatte, im geiftlihen Stande zu verharren; doch fügte er fid) dem 
Wunſch und Willen feines Vaters. Die Hildesheimer Gejandten 
erhielten alfo zu Freifing wie zu München willfährigen Beſcheid. 
Herzog Albrecht übernahm es, niht nur in Rom die Konfirmation 
zu erwirken, ſondern auch den Kaifer und die Nachbarfürſten über 
die Annahme der Poftulation zu beruhigen. 

Bon allen proteftantiihen Fürften zeigte Kurfürft Auguft von 
Sachſen am wenigiten Mißtrauen wegen der Wahl des bayriichen 
Prinzen. Er lehnte jogar die Bitte des Braunſchweigers um 
Interceflion in faſt unhöfliher Form ab: er kenne niemanden im 
Kapitel, ſtecke ji nicht gern in fremde Händel u. dgl. Kopie 
dieſes Schreibens ſchickte er an Herzog Albrecht und wünſchte dies 
jem, noch ehe ihm jelbit eine fürmliche Anzeige zugegangen, Glück 
zur Wahl feines Sohnes. 

Kurfürft Johann Georg von Brandenburg hatte zwar für 
Herzog Heinrid Julius intercediert, al3 aber nachher ihm und 
anderen Nahbarfürften Herzog Albrecht beteuerte, die Poftulation 
jei ganz ohne fein Zuthun erfolgt; nur weil er in ihr eine bejon= 
fondere Eingebung Gottes erfennen müſſe, habe er jeinem Sohne 
geraten das weit entlegene und zerriffene Stift anzunehmen; diejer 
werde gute Nachbarſchaft halten u. ſ. w.: — da gratulierte auch 
Sohann Georg ſehr artig und verfidherte ſeinerſeits, er wolle ſich 
nicht durch ausgeiprengte Zeitungen zu Mißtrauen und Argwohn 
bewegen laſſen. — Ebenſo freundſchaftlich gratulierten die Herz 
zöge von Braunſchweig-Lüneburg und Grubenhagen, fie vielleicht 
aus alter Eiferfuht jedem Machtzuwachs des Wolfenbütteler 
Vetters abgeneigt. 

Landgraf Wilhelm von Heſſen, von zwei Seiten um jeine 
Fürſchrift angegangen, hatte nur ganz allgemein die Wahl eines 
friedliebenden Biſchofs in Hildesheim empfohlen. Daneben aber 
fonnte er, der überhaupt gerne den Eugen Ratgeber machte, nicht 


Herzog Ernft wird Abminiftrator von Hildesheim. 145 


umhin, eigenhändig ‚den Braunfchweiger Herzog zu warnen, nur 
ja vorſichtig und mit Rat feiner Theologen zu handeln: „Denn 
der Teufel ift liſtig und der Antichrift geſchwinde; damit nit 
etwa E. 2. Söhnlein ud E. 2. ſelbſt etwas von der Süßig— 
feit des Weins ſchlecken und dadurch caracterem bestiae, zu 
Gefahr ihrer Seelen, an ſich bringen. Zudem Sehen E. 2. 
Erempla genugfam, was Gedeihen dabei ift, wann man die Kin— 
der fo jung anf die papiftiichen Stift thut ſtecken.“ — Solche 
Meisheit hatte übrigens ihn jelbft nicht abgehalten, nod im Jahre 
1568 für feinen Bruder Georg um Stift Paderborn fi) zu bes 
mühen, und viele Jahre ſpäter meinte er jogar, um Biſchof von 
Danabrüd zu werden, könne Graf Bernhard von Walde mit 
gutem Gewiſſen auf den römiſch-katholiſchen Glauben ſchwören: 
„denn er berftchet damit Romanam fidem, qualis tractatur in 
epistola ad Romanos.“ ') — As’ er dann von Herzog Julius 
erfuhr, wer in Hildesheim gewählt fei, juchte er jenen zwar über 
die Wahl zu beruhigen, weil der alte Herzog von Bayern ein fo 
friedfamer Fürſt fei, daß er um diefes Stiftes willen das, was er 
mit der Feder nicht gewinnen könne, mit dem Spieß oder der 
Fahne nicht ſuchen werde; gleichwohl, meinte er, wenn man ein 
Generalwerk der Religion halber vornehmen wolle, fünne man 
hieraus ‚einen guten Anfang machen. In ähnlichem Sinn jchrieb 
er an die ‚Kurfürften von Sachen und der Pfalz und an den 
Herzog von Mürttemberg. — Auch zu Heidelberg und zu Stutt— 
gart war man wenig erfreut über dieſe Wahl. Herzog Ludwig 
bon Württemberg wollte noch am 23. März nicht glauben, daß 
fi) fein Vetter von Bayern ſo weit von feinem Vater in ‚einen 
ſolchen Zank und unfriedlihes Wejen begeben werde. — Übrigens 
antwortete auch Landgraf Wilhelm auf Herzog Albrechts Anzeige 
von der PBoftulation feines Sohnes ganz freundichaftlid). 


1) Über Paderborn: Rommel, Geſch. von Hefien V, 518. — Die 
Äußerung ‚des Landgrafen über die fides Romana ‚in einem Brief an Eck— 
brecht v. d. Malsburg vom 15. September 1585. MU. Rep. II. Cell. 26. 
fol. 168. 

Lofien, Köln. Krieg 1. 10 


146 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


In ihren Intereffen unmittelbar betroffen waren durch die Wahl 
nur die Herzöge von Braunſchweig und bon Holftein, jener als 
Befiger des fogen. großen Stiftes Hildesheim, dieſer al3 Inhaber 
von Peina. Aber jehr verichieden war die Art, wie beide ſich 
benahmen. Herzog Julius äußerte zwar, er molle fi megen 
diefer Wahl nicht unzeitige graue Haare wachſen laffen, aber alle 
jeine Schritte befundeten, wie fehr fie ihn erregte und wie 
gerne er fie noch nachträglich ungeſchehen gemacht hätte). Der 
franzöfiihe Dberft Kaſpar von Schönberg, der damals gerade in 
Wolfenbüttel war, hoffte jogar, freilid) vergebens, er könne den 
Herzog, infolge feiner Verftimmung über die Hildesheimer Poftu- 
ation, dem mit Bayern enge verbundenen Haufe Oſterreich ent- 
fremden. Als nachher auch bei den Herzögen Julius und Erich 
Schreiben von Herzog Albrecht einliefen, in melden dieſer fein 
eifriges Fefthalten am Religions und Landfrieden beteuerte und 
im Namen feines Sohnes den blutsverwandten Braunſchweigern 
gute Nachbarſchaft anbot, ließen dieje noch in ihrer ſonſt Höflichen 
Antwort den Verdruß über Herzog Ernſts Wahl deutlid) durch— 
bliden. 

Ganz anders Herzog Adolf von Holftein. Sofort nad) der 
Roftulation bat er den Kaifer zu vermitteln, daß nunmehr, auf 
Grund jeiner früheren Abrede mit Biſchof Burkard, Herzog Ernſt 
feinen Sohn als Koadjutor annehme. Dabei wiederholte er fein 
Veriprechen, diefen Sohn gemäß den Defreten des Trienter Kon— 
zils zum Biſchof zu qualifizieren. Der Hildesheimer Sekretär 


1) Im P. S. des Schreibens, worin Herzog Julius dem Landgrafen bie 
Wahl des bayrifchen Herzogs mitteilt, heißt es: „Es leſſet fih aus allerhant 
umbftenden und ben uns einbrachten zeitungen faft anfeben, alfe wolten 
blau und weiß, ſchwarz und gelbe ſich unter einander vermifchen und an 
einander wachfen, darzu ſchwarz und weiß, rot und gelb fo gar nicht zufehen 
mochte, dz wir dan unfers teils wol leiden und gefchehen Lafien konnen, zu— 
verfichtig, E. L. werde ſich barob fo weinig alfe wir entfegen.” — Ich weiß 
biefe jebenfall® den Wappenfarben entnommene Anfpielung nicht recht zu 
deuten; ift vielleicht gemeint, daß Brandenburg und Braunſchweig nicht zu— 
jehen könnten, wenn Bayern und Sachſen ſich allzu eng befreundeten ? 


Herzog Ernft wird Abminiftrator von Hildesheim. 147 


Körnlein wurde, al3 er im März nad Münden reifte, von feinen 
Räten zu Peina beauftragt, diejelben Eröffnungen aud in Mün— 
chen zu machen. Auch brieflid) wiederholte Herzog Adolf feinen 
Antrag. Dabei verfiherte er nachdrücklich, er habe durchaus feine 
Urſache zu Mißfallen und Verdacht, jehe vielmehr in Herzog 
Ernſts Wahl eine ganz bejondere, ihm jehr erwünſchte Schieung 
des Allmächtigen. 

In den folgenden Jahren ift dann zwiichen dem SHolfteiner 
Herzog und der Hildesheimer Negierung über die gewünſchte 
Koadjutorie mehrfach verhandelt worden. Von biſchöflicher Seite 
wies man das Projekt nicht ganz von der Hand, weil man mittels 
feiner am leichteften in den Beſitz bon Peina hätte kommen 
fünnen. 

Wenig entgegenlommend gegen ihren neuen Landesherrn be— 
nahm jich die alte Stadt Hildesheim; jie antwortete nicht einmal 
auf die Anzeige von feiner Poftulation. Dennoch meinte Horne= 
burg, die Bürger jeten mit ihr immerhin bejjer zufrieden, als wenn 
das Kapitel einen Nahbarfüriten gewählt hätte. 

Herzog Albrechts andere Aufgabe, die Erlangung der päpftlichen 
Konfirmation, wurde leichter gelöſt, al3 man in München jelbft 
erwartet haben mochte. Das kam daher, daß man es nicht mehr 
mit dem geftrengen Pius V. zu thun hatte, jondern mit feinem 
am 13. Mai 1572 ermwählten Nachfolger Hugo Boncompagni, 
Papft Gregor XI. 

Pius V. hatte fein Hehl daraus gemacht, daß er zu den 
Deutſchen insgemein fein vechtes Vertrauen habe, alfo auch feine 
rechte Liebe; Gregor XI. rühmte fich jelbft deutſcher Abſtammung; 
als Profeffor des kanoniſchen Rechts zu Bologna hatte er die 
deutiche Nation wohl beijer kennen gelernt als ſonſt die Kurialiften; 
fie der römischen Kirche wiederzugewinnen, betrachtete er gleid)- 
fam al3 feinen bejonderen Beruf. Teilweiſe in Erinnerung an 
fein großes Vorbild, Gregor L, den Bekehrer der germanifchen 
Angelfachien, hatte er feinen Papftnamen gewählt. Zudem lag 
feiner ruhe: und friedliebenden Natur die möndiihe Strenge feines 

10* 


148 Zweited Bud. Fünftes Kapitel. 


Vorgängers fern; fie hätte auch jchleht zu feinem nicht ganz 
tadelfreien Vorleben gepaßt. Vor allem aber folgte er jo voll- 
ftändig, wie faum je ein anderer Papft, den geiftigen Impulſen 
des Jeſuitenordens, ſowohl in feinem Privatleben, worin er ſich 
bon einem ſpaniſchen Jeſuiten, dem Pater Xoledo, leiten lieh, 
wie in der Verwaltung der allgemeinen römiſchen Kirche. Nun 
hatten aber die Jeſuiten längſt erkannt, ein wie wirkſames Mittel 
der katholiſchen Aeftauration die Verflechtung der politiichen und 
Familien-Intereſſen der weltlichen Machthaber mit den kirchlichen 
Zwecken der römischen Kurie war. Bei feinem anderen deutjchen 
Fürften lag dieſe Verflehtung bereits jo fertig vor, wie bei Her- 
309 Albrecht von Bayern. Nur ein Mann wie Pius V., dieſer 
„ſeltſame päpftiiche Kopf’, wie Hans Jakob Fugger ihn einmal 
nannte, hatte die Vorteile geringihägen können, welche ein bay- 
riſcher Bischof zu Hildesheim der römischen Kirche veriprad). 
Herzog Abreht wandte ſich wegen der Hildesheimer Konfir- 
mation zuerft an feinen alten Freund, den Kardinal don Augs— 
burg. Aber jein Brief fand diefen nicht mehr am Leben. Nach langem 
Kränkeln, dennod unerwartet, war Otto Truchſeß am 2. April 
1573 geftorben. Ein paar Wochen zuvor war Albrechts Gejandter 
Dr. Fabricius in Rom eingetroffen und hatte im Palaſt des Kar— 
dinals Wohnung gefunden. Er öffnete nun die an den Kardinal 
adrejlierten Briefe feines Herzogs und übernahm es, deifen neuen 
Auftrag auszuführen. An dem Kardinal von Ermeland, Stanis- 
laus Hofius, fand ‚er einen Erſatz für den hingeſchiedenen Gönner !). 


1) 11. April 1573 fehreibt Hofius an Herzog Albreht u. .a.: Magnam 
Revmi filii sui negocia commendata habere velim: cum imperare pro suo 
jure non orare possit et debeat. ... . Orbata est Illna Cels. V. homine 
sibi longe addictissimo et ad omnia illius mandata exhaurienda para- 
tissimo ... . Illmo Cardinali Augustano ... Verum de me eadem sibi 
omnia quae de illo recte polliceri potest. Potuit ille facultate fuisse 
paratior ad inserviendum Illmae Cels. V., sed voluntate certe promptior 
non fuit. RU. Freifing Mr. 78. fol. 32. 


Herzog Ernft. wirb Abminiftrator von Hildesheim. 149 


Gleich am Tag nach Empfang der Briefe (18. April) begab ſich 
Hofius mit Fabricius zum Papft und empfahl ihm aufs wärmite 
diefe Poftulation, welde Nuten nur der Hildesheimer Kirche 
bringe, dem Haufe Bayern aber nichts als Hab und vielleicht Ges 
fahren. Papft Gregor zeigte fich ſchon in dieſer Audienz jehr ges 
neigt; noch am jelben Abend ließ er dem Kardinal jagen, dieſer 
fönne dem bayrischen Herzog feine Einwilligung melden, 

Bis zur Ausfertigung der Konfirmation vergingen freilich noch 
beinahe ſechs Monate. Die üblichen Formalitäten, ſodann das 
Herannahen des Sommers mit feinem: allgemeinen Stilljtand der 
Geihäfte an der Kurie trugen zunächſt Schuld daran. Auch ſcheint 
es nicht, al3 hätte Fabricius, der jih als Gaft des ihm durch 
gleihartige Studien und Neigungen. enge verbundenen Kardinals 
Hofius in Subiaco ganz behaglich fühlte, beſonders geeilt. Seine 
fonftigen Geſchäfte waren meiſt ſchon glücklich erledigt. Es war 
ihnen zuftatten gefommen, dab Fabricius eben damals ſich und das 
Haus Bayern durch ein großes Bud) über die Augsburger Kon— 
feifion in neue Gunft bei der Kurie geſetzt hatte). Am 9. Ok— 
tober trat er endlid) die Heimreiſe an, verjehen mit einem Breve, 
welches den jungen Herzog zum Adminiſtrator von Hildesheim er— 
nannte. Die Expedition erfolgte gratis; deshalb hatte man wies 
der, wie bei der Freifinger Sache, die Form des Breves und nicht 
die der Bulle gewählt. 

Die anderen perjönlihen Angelegenheiten des Herzogs Ernſt, 





1) Harmonia Confessionis Augustanae, doctrinae evangelicae consensum 
declarans.... studio et opera Andreae Fabricii Leodii (Coloniae 1573, 2°), 
den Herzögen Albrecht und Ernft gewidmet, ein Buch, welches in der pole- 
mifchen Litteratur ber Zeit einen nicht ganz untergeorbneten Pla einnimmt. 
14. März 1573 fohreibt Fabricius ſelbſt an Eck (RA. Freifing Nr. 78 fol. 34): 
Bonus princeps [b. i. Hoſius] praeter omne meum meritum per totaın 
Urbem adeo celebravit meam Harmoniam, ut ipsemet plurimum admirer. — 
26. September fchreibt er an Herzog Albrecht (StA. 95/5 fol. 242), der Papft 
ſcheine feine Schriften über Berbienft zu ſchätzen und molle ihm als Lohn 
für feine Harmonia ein allzu ſchweres Kirchenamt (d. i. ein Bistum) auf- 
erlegen. 


150 Zweites Bud. Fünftes Kapitel. 


welche den urſprünglichen und eigentlihen Zweck der Sendung des 
Fabricius bildeten, waren in folgender Weiſe erledigt worden: Die 
Freifinger Adminiftration war zugeftanden,; um aber den bayriichen 
Herzog vor dem Vorwurf zu hüten, daß er jein dem Doms 
fapitel gegebenes Wort nicht gehalten, ſah es Fabricius gern, daß 
einer der beiden Nuntien, melde Gregor XII. damals nad 
Deutihland abordnete, Bartholomäus Graf von Porzia, den Auf— 
trag erhielt, im Namen des Papftes, motu proprio, dem Frei— 
finger Kapitel ein Amt zu entziehen, deſſen e3 ſich unwürdig ges 
macht habe. — Die Andeutung, daß Herzog Albrecht daran denke 
feinen Sohn nah Rom zu ididen, war bier mit der größten 
Freude begrüßt worden. Der Papft felbit und die Kardinäle 
drängten darauf, daß die Reife recht bald ausgeführt werde. 
Gregor bot eine Wohnung im Batifan an und fügte nod den 
Wunſch Hinzu, daß zugleih mit Herzog Ernſt auch fein ebenfalls 
zum geiftlihen Stand bejtimmter Vetter, des Herzogs von Gleve 
jüngerer Sohn, nad Rom kommen möge. Zu den Aufträgen, 
welche der Nuntius Porzia mit nad Deutichland nahm, gehörte 
aud die dringende Einladung zu diefer Reife. — Aud) die dritte 
Angelegenheit, die gewünſchte Beförderung der bayriſchen Succeſſion 
in Köln, brachte man in Rom damit in Verbindung. Man gab 
dem Dr. Fabricius zu verſtehen, daß man beſonders deshalb Her— 
zog Ernſts Kommen ſehr wünſche, um ihn genauer kennen zu 
lernen und danach zu beurteilen, ob er der Hilfe Roms in der 
Kölner Sache würdig ſei. 


Drittes Bud. 


Köln und das Reid) zu Kurfürſt Salentins Beit. 


—. 


1. Kapitel. 
Die Stadt Köln um das Jahr 1572. * 


In Brauns Städtebud,, einem der berühmteften Bücher aus 
Kurfürſt Salenting Zeit, wird das glüdlihe Köln doppelt glück— 
lic gepriejen, weil e3 unter der frommen und Eugen Oberleitung 
diejes heroiſchen Fürften frei fei von den taufend Übeln, welde 
anderen Städten das neidiſche Schidial bereite ?). 


* Quellen: Eine Überficht über die Lage und Verfaſſung des rheinifchen Erz« 
ftiftes giebt die Hiſtoriſch geograph. Befhreibung bes Erzftifts 
Köln, Frankfurt a. M. 1783, deren Angaben großenteild den Ma— 
terialien zur geift- und weltlichen Statiftif des nieberrheinifchen und 
weftfälifchen Kreifes, 3 Bbe., Erlangen 1781—1783 entnommen find. 
Auf Grund der „Beihreibung” Hat Büſching in ber 7. Ausgabe 
feiner Erdbeſchreibung, 6. Teil, 1790, feine früher fehr mangelhafte 
Beichreibung des Erzftiftes umgearbeitet. Weitere Litteratur verzeichnet 
Ferd. Walter, Das alte Erzftift und die Reihsftabt Köln, Bonn 
1866. — Das Äußere der Stabt im 16. Jahrhundert auf dem arofen 
alten Holzfchnitt des Anton von Worms, welchen D. Levy Elfan 
im Sabre 1850 neu herausgegeben bat. Denfelben erläutert Sotz- 
mann, Über des Anton von Worms Abbildung der Stadt Köln, Köln 
1819, und (mit Zufägen) Merlo, Nachrichten von dem Leben unb ben 
Merten kölniſcher Künftler, Köln 1850, ©. 521 ff. — Das Innere ber Stabt 
in der Anſicht aus ber Bogelperfpeftive im 1. Band von Brauns 


1) Alex. Graphei . .. Colloquium im Vorwort bes 1. Bandes ber 
läteinifhen Ausgabe der Civitates orbis terrarum. Neben Salentin preifen 
bes Grapheus lateiniſche Herameter befien erften Rat Dr. Gropper, ben Bürger- 
meifter Lyskirchen und bie beiden Subermann, Hermann und Heinrich. 


154 Drittes Buch. Erſtes Kapitel. 


In der That hob ſich die glückliche Lage des Erzitifts Köln 
heil ab von dem düjteren Hintergrunde der durch Aufruhr und 
Krieg vermwüfteten belgiihen Nachbarlande, und mittelbar kam 
aud der Reichsſtadt Köln zugute, daß Salentin mit kräftiger 
Hand Frieden und Drdnung in jeinem Lande aufrecht hielt. 

Das Erzitift Köln beftand aus zwei weit aus einander gelegenen 
Zeilen: dem rheiniſchen Erzftift, wozu man auch das Welt!) 
Redlinghaufen rechnete (welches aber ſchon jeit der Zeit des Erz: 
biſchofs Dieterich, d. h. über 120 Jahre, den Grafen von Schauen— 
burg verpfändet war), und dem Herzogtum Weftfalen nebſt der 
Grafihaft Arnsberg. Das rheinifche Stift, in Ober: und Nieder: 
ftift eingeteilt, zog ji in einer durchſchnittlichen Breite von drei 
Meilen etwa zwanzig deutiche Meilen lang am Rheine hin, hauptſäch— 


Städtebuch, 1572, von Hogenberg nah Mercators großer Zeichnung 
geftochen (vgl. Sogmann ©. 14ff. und Merlo ©. 189f.). — Viele, 
leider fchlecht georbnete und nicht immer zuverläffige Einzelheiten bei 
Ennen, Gefhichte der Stabt Köln, Bb. IV u. V, 1875 u. 1880. Eine 
zuſammenhängende Gefhichte ber Stabtbefeftigung bis ins 17. Jahr— 
Hundert jedoch ſchon in Bb. I, ©. Hölff. Abbildung eines ber alten 
Thore mit Mauer und Stabtgraben bei Boifferde, Dentmale ber 
Baukunſt am Niederrhein, 2. Ausg., Münden 1844. — Gute Über- 
ficht über Gefchichte und Verfaffung der Stadt von Hegel, Verfaſſungs— 
gefhichte von Köln im MU., Leipzig 1877 (aus ber Einleitung zu 
3b. XII u. XIV der Ehronifen der deutſchen Städte). — Über Kirchen 
und Klerus zu Köln: Aeg. Gelenius, De Coloniae Agripp. mag- 
nitudine, Col. 1645, wo bie zuerfi von Erh. Winheim, Sacrarium 
Agrippinae, Col. 1607, gefammelten Notizen bebeutenb erweitert find. 
K. Krafft, Mitteilungen aus ber nieberrheinifhen Reformations- 
gefchichte in der Zeitfchrift des berg. ©.-8.8 VI, 193ff. — Über bie 
Univerfität: Jac. Middendorp, Academiarum orbis Christ. libri 


1) Das Beft = das Amt. Bol. Evelt, Zur älteren Geſchichte bes 
Beftes R. in Monatsfchrift für rhein.weſtf. Gefchichtsforfhung 1876, ©. 21f. 
Die lateinifche Form Vesta (Recklinghusana) ließe eher die übrigens auch 
vortommende Form die Belt (= bie Feſte) erwarten. Das bamalige Beft 
entfpricht dem heutigen Kreis R. ohne bie ehemalige Herrlichkeit Lembeck. 
E8 gehörten dazu bie Städte Dorften und NRedlinghaufen, fowie Schloß 
Horneburg. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 155 


lich auf deifen linfen Ufer, vom Weißen Zurm bei Andernach 
an, welcher zugleidh die Sprachgrenze zwiſchen Ober- und Nieder: 
deutich bildet, bis gegen Niederweiel. Begrenzt, jowie vielfach 
durchdrungen und zerriffen war diejes Gebiet vom Erzſtift Trier, 
bon den Herzogtümern Jülich, Berg und Eleve, der Grafſchaft Mörs 
und dem damals ſpaniſchen Herzogtum Geldern. Wohl abgerundet 
rings um das Flußgebiet der oberen Ruhr war dagegen das Herz 
zogtum Weltfalen. An Flähenraum dem rheiniſchen Zeil mins 
deſtens gleich, fonnte fi) fein gebirgiger, mwaldreiher Boden an 
Fruchtbarkeit mit jenem bei weitem nicht meſſen. 

In der Mitte der rheiniſchen Stiftslande, ganz ohne eigenes 
Zandgebiet, lag die Reihsftadt Köln, unter den freien Städten 
des Deutihen Reiches die erfte, unter den 72 Hanfeftädten einer 
der vier Vororte. Schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts hatte 
eine Ummallung der Stadt den Umfang gegeben, in welden 
heute noch die Feſtungswerke fie einfhnüren. Aber im 16. Jahr: 
hundert war die gewaltige Ringmauer mit ihren 13 burgarti— 
gen Thoren und ihren 83 Zürmen feine beengende Feſſel, 
jondern ein ſchützender Schild, der Stolz der Kölner Bürgerichaft, 
an deifen Verſtärkung fie jeit Jahrhunderten unabläſſig arbeitete, 
Die damalige Einwohnerihaft, welde man auf etwa 60,000 


duo. Col. 1572, p. 273. Nicht wefentlich verfchieben aber etwas bürf- 
tiger inbezug auf perfönliche Notizen über Kölner Gelehrte ift die im 
übrigen erweiterte Ausgabe in brei Büchern von 1583. Bianco, 
Die alte Univerfität Köln, 1. Teil Köln 1856; 2. Teil, 2. Aufl., 1850. 
Im Nahtrag bes 1. Teild Auszüge aus alten Sefuiten- Annalen, 
welche mitunter vollftändiger find als das benfelben Annalen Ent- 
nommene bei Reiffenberg, Hist. Soc. Jesu ad Rhenum Infer. 
Col. Agr. 1764. lib. I-VII. Bol. Florian Rieß, Der fel. Petrus 
Eanifius, Freib. i. Br. 1875, ©. 29 ff. 227ff. u. 350, defien Haupt- 
quelle Hier Reiffenberg ift. — Über alles Biographiſche: Hartzheim, 
Biblioth. Colop., Col. 1747; die Anfänge bes Kölner Jeſuitenkollegs 
namentlich in ben Artifeln über Jac. Leichius, Johannes ab Reidt, 
Kukana domus unb Tricoronatum Gymnasium, p. 146. 195. 213. 
361. Über die Ermorbung ber brei Iefuiten im Jahre 1574 ein auß- 
führlier Beriht von Georg Braun in ber 2. latein. Auflage bes 
1. Bandes feines Städtebuches von 1575. Der auf Befehl des Rates 


156 Drittes Buch. Erſtes Kapitel. 


Seelen ſchätzen darf, fand auf einem Raum von mehr als 1500 
Morgen reihlih Play). Über ein Viertel der ganzen Stadt: 
flähe war mit Gärten, meiftens Weingärten, bebaut. Namentlich 
in den äußeren Stadtteilen hatten einzelne Stiftskirchen und Klöfter 
großen Grundbeſitz. Aber aud) im Innern der Stadt weit der 
alte Stadtplan große Weingärten auf, da wo jetzt die Häufer 
der reichten Leute mit Gärthen von ein paar Duadratihuhen 
fid) begnügen müſſen. 

Von außen betrachtet, beſonders von der Aheinjeite aus, ges 
mährte die Stadt im 16. Jahrhundert. unftreitig ein ftattlicheres 


abgefaßte offizielle Bericht ift bei Reiffenberg 1. c. Mantissa, 
p. 56sqg. wieder abgebrudt, aber ohne bie manches Charafteriftifche 
über Kefjel und Reidt enthaltende Leichenprebigt bes Dr. Nikolaus Elgard. 
GEinzelnes über das Wirken ber Kölner Iefuiten zu Anfang ber fech- 
ziger Jahre in einem Briefe Commenbone® bei Gratiani, De 
scriptis invita Minerva (ed. Lagomarsini), T. II, Flor. 1746, 
p. 33sqgq.; ferner in einem Briefe des Pollius an Gualther: Zeitjchr. 
bes berg. ©.- 8.8 IX, 162ff. (was hier über ben jüngeren Caniſius 
gefagt ift, paßt eher auf Neibt); passim in den Briefen von und an 
Georg Eafjander; fobann im der vom Heidelberger Hof ausgegangenen 
polemifchen Schriit: Ein kurtzer Wegmweifer, wie jet bie lauffenbe 
irtumb zu meiden... 0. O. 1564, Bl. 3. Im biefer auch inter- 
eſſante Notizen über „Schwenffelder und Frantiften.” 

Über die wegen ber nieberländifchen Reformation in Köln 1570—1572 
entftandenen Irrungen außer Reiffenberg, Bianco, Ennen, aud 
Zeitſchr. f. D. Kulturgefh. N. 5. 3 (1874), S. 496ff. (aus Weins- 


1) Ennen I, 683 giebt im Text für ben Anfang bes 16. Jahrhunderts 
die Zahl der Häufer auf 7279 an, während bie Summa ber Einzelziffern 
im der Note bajelbft 7639 ergiebt; das Haus, wie E. will, zu 8 Einwohnern 
gerechnet, ergiebt dies etwa 60,000 Seelen. Im ben oben angeführten Materialien 
II, 86 (vgl. I, 174) ift bie Zahl der weltlichen Wohnhäuſer fir das Jahr 
1781 auf 8000, die Zahl der Einwohner (ohne Geiftlichteit) auf etwa 40,000 
geſchätzt. Schlägt mar ben allgemeinen Rückgang ber Bevölkerung von 
Dentihland im 17. Iahrhundert (wozu fir Köln noch die Ausweifung ber 
Proteftanten fommt) auf ein Viertel bis ein Drittel an, fo erhält man 
für die Zeit vor dem Köfnifhen Krieg ebenfall® die Zahl von etwa 60,000 
Seelen. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 157 


Bid als heutzutage. Auf dem berühmten Holzihnitt des Anton 
von Worms, aus dem Fahre 1532, fieht man vom Rhein aus 
vierzig Kirchen und drei Kapellen, von denen jekt nur noch die 
Hälfte übrig ift. Im ganzen zählte man um das Jahr 1572 
neben der dem heiligen Petrus gewidmeten Domkirche, welche felbft 
in ihrer damaligen Geftalt al3 ein Wunderwerk der Baukunſt er- 
ſchien, zehn weitere Kollegiat= und neunzehn Pfarrkirchen; dazu 
zahlreihe Mönchs- und Nonnenklöfter, Kongregationen, Bruder- 
ihaften, Hojpitäler, deren jedes feine eigene Kirche hatte; endlich 
eine Menge von Kapellen in Privathäufern, jo daß man bes 
baupten wollte, e3 jeien in Köln jo viele Kirchen als Tage im 
Sahre 9. 


berg8 Gedenkbuch). Neudeder, Neue Beitr. zur Gef. der Ref. 
I, 137 (von Neubeder irrig ins Jahr 1557 geſetzt). Laderchius 
XXIV, 131sgqg. (2 Breven Pius’ V. an ben Kölner Rat vom 22. Febr. 
und 21. Aug. 1570; das erfte tabelt benfelben wegen ber angeblichen 
Aufnahme nieberl. Häretifer, das zweite fpricht des Papftes Freude 
aus, daß die Nachricht irrig war. Daſelbſt p. 133sq. auch zwei 
Breven an Rat und Univerfität vom 3. Juli 1570, biefelben auf- 
forbernd, ben Jeſuiten zu geftatten, ihrem Iuftitut gemäß zu unter- 
richten). Koch, Duellen zur Gefchichte des Kaiſers Marimilian IL, 
Bd. II, ©. 88. Kluckhohn II. Nr. 625. 632. 640. Tadama, 
Willem graaf van den Berg, p. 79sqg. Relation bes Propftes Joh. 
Fond über eine Aubdienz in Köln, namens des Herzogs von Alba im 
Sabre 1572 bei Aubertus Miraeus, Opp. ed. Foppens IV, 127. — 
Aus Arhiven: DA. Domkap. Prot. 1569, Dez. 9. 12. 17; 1570, 
März 1; 1571, Nov. 19; 1572, Juni 18. DillA. Dil. Korrefp. 
1570, fol. 185; 1571, fol. 4. MX. Köln 1515—1580. 


1) Tot quoque templa, dies quot in anno conspicis, extant ſchreibt 
Bernh. Moller, Rhenus et ejus descriptio, Col. 1570, p. 179. Ähnlich 
im Sabre 1607 Winheim, p. 4: ita florere coepit, ut tot fana Deo con- 
secrata modo constructa habeat (si oratoria publica et privata singula 
reliquiis sacris exomata connumerentur) quot dies conficit annus, vel, ut 
alii malunt, quot ossibus constant tres Magi. Und ſchon im Jahre 1516 
gedenkt Pfefferlorn (Zeitfehr. des berg. G.-8.8 VI, 252 Anm.) der gemeinen 
Sage, daß in Köln fo viele Gotteshäufer feien al8 Tage im Jahr. — Ein 
von K. Krafit a. a. DO. mitgeteilte® Verzeichnis von Peter Blomevenna aus 


158 Dritte® Bud. Erſtes Kapitel. 


Auch an ſchönen weltlichen Gebäuden, öffentlichen und privaten, 
fehlte es nicht: das anfehnlichfte von allen, das Rathaus mit 
jeinem zierlihen, mit vielen Standbildern geſchmückten Turm, er- 
hielt eben damals (1569—1572) feinen herrlichen Renaiſſance— 
borbau. Als geeignetes Lokal für Doktorihmäufe, Hochzeiten, 
Primiz-Eſſen hatte der Rat unlängft (1561) das ftattlihe Haus 
Quatermarkt in feinen Befig gebracht. In dem prächtigen oberen 
Stod des Kölner Zanzhaufes, des Gürzenich, wurden öffentliche 
Feftlichkeiten abgehalten. Die Rathausfapelle, dem Rathaus gegen- 
über, zierte das VBotivbild des Meifters Stephan, welches wir 
heute als Dombild bewundern. Schöne Privathäufer fanden ſich 
namentlih am Altenmarkt und am Heumarkt. Auf dem Holzmarft 
am Rhein lag der Palaft des Nitters und faiferlihen Nates 
Arnold von Siegen, der zmölfmal regierender Bürgermeifter ge— 
wejen war und nun, feit dem Jahre 1564, in mwohlverdienter Ruhe 
lebte. Ber ihm pflegten Kaiſer und Fürften abzufteigen, zuletzt 
nod, im Fahre 1570, Kaiſer Maximilians Tochter Anna, als fie 
ihrem Gemahl, König Philipp, zugeführt wurde. Am. Neumarkt, 
damals ein jchöner, mit Anlagen verjehener Platz, erhob ſich mit 
einem jtattlihen Zurm das Haus des Bürgermeifters Konftantin 
bon Lyskirchen, der im Jahre 1572 auch ſchon zum jiebenten Mal 
regierender Bürgermeifter wurde. Die Straßen der Stadt fchienen 
den damals Lebenden breit, das Pflafter vortrefflih. ine be— 
jondere Zierde der Stadt war der Stadtgraben mit feinen ſchatten— 
ipendenden Bäumen. „Cöllen ein Kroin, boven [über] allen Steden 
ſchoin“, lautete ein altes, wohlberechtigtes Kölner Spridwort. In 
feiner anderen deutihen Stadt herrihte jo veges Leben, jo viel 
Handel und Verkehr. Heiter und gefellig war der Sinn der Be— 
wohner, jo daß aud Fremde von aller Art gern in Köln ver 
weilten und ſich wohl hier fühlten. Schon im 16. Jahrhundert 
begegnen wir der Warnung eines Dichters vor den rheinischen 


ben breißiger Jahren des 16. Jahrhunderts rechnet wirflih über 240 
Kirchen und Kapellen zufammen. 


Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 159 


Sirenen, die mit ihren Zänzen und Gefängen den Jüngling ver— 
loden 9). 

Das geiftige Leben der Stadt war gleichſam eingeformt in die 
drei großen Korporationen: Rat, Klerus und Univerfität, welche 
man ſymboliſch den drei Kronen im Kölner Wappen verglid). 

Die politiihe Verfaſſung der Stadt war im weſentlichen nod) 
die gleiche, wie fie nad) dem Sturz der Geihlechterherrihaft im 
Jahre 1396 der Verbundbrief feftfegte und der ſogen. Transfix— 
brief von 1513 in einzelnen Punkten erläuterte. Danach wählten 
die 22 Zünfte, oder Amter und Gaffeln, wie fie in Köln hießen, 
jährlih in zwei Abteilungen (zu Johannis Baptiftä und zu 
Weihnachten) 36 Ratsherren, welche ſich dur Kooptation aus der 
ganzen Bürgerihaft auf einen Rat von 49 Mitgliedern ergänzten 2). 
Diejer Rat ernannte jodann die beiden Bürgermeifter und die ſon— 
ftigen ftädtiichen Beamten. In wichtigen Sachen mußte ein Aus- 
ſchuß der Zünfte (die Vierundvierzig), je zwei bon jeder Zunft, 
befragt werden. Trotz diefer demofratiihen Grundlage war die 
Handhabung der Verfaſſung eine faſt oligarchiſche, indem die 
beiden regierenden Bürgermeifter jchon ſeit der Mitte des 
15. Jahrhunderts regelmäßig jedes dritte Fahr wiedergewählt 
wurden und obendrein al3 Altbürgermeifter in der Zwiſchenzeit die 
wichtigsten anderen Amter befleideten. So kommt e3, daß bei- 
ipiel3weife in den 25 Jahren von 1555—1579 nur 15 ver— 
ſchiedene Perfonen das Bürgermeifteramt bekleidet haben 3). 


1) „At vos non cameram studiosi eredite nymphis, 
Credite nec valli; toxica vallis alit. 
Ne vetitam cernant, oculos averte, choream, 
Qui fugit ex oculis, pectora linquit amor.“ 
Moller p. 175 u. 179. 

2) Hegel a. a. O., 14. Band, S. cexıy meint irrig, im 17. Jahr- 
hundert babe das fogen. „Gebreh“ nur 7, nicht 13 Mitglieber gezählt; 
Hegel hat ohne Zweifel die betreffende Stelle bei Gelenius, p. 14 falſch 
gelejen. 

3) Verzeichnis aller regierenden Birgermeifter von 1396—1645 bei 
Gelenius, p. 636sggq. 


4160 Drittes Bud. Erftes Kapitel. 


Sehr zahlveih, wie ſchon die Menge der Kirchen vorausſetzen 
(äßt, war der Kölner Klerus. Gleih dem Domkapitel zeichnete 
fih noch die Kollegiatlirhe St. Gereon dadurh aus, daß jie 
außer einer Anzahl Priefter nur Kanoniker von hohem Adel auf- 
nahm. Ein ähnliches Privileg gewährten hochadeligen Damen das 
Stift St. Urſula; das Damenftift St. Marien im Sapitol 
forderte Nitteradel; das Stift St. Käcilien war Frauen von 
Adel oder Patriziergefhleht zugänglid. Bei jedem dieſer drei 
Damenftifter gab es aud einige Priefterfanonifer, an der Spiße 
ftand aber eine Abtiffin. Im den anderen männlichen Kollegiat- 
fichen St. Severin, Eunibert, Andreas, Apofteln, St. Marien 
ad gradus und St. Georg jcheint der Adel keine Vorrechte ges 
noffen zu Haben; wir ‚begegnen dort Kanonifern aus verichiedenen 
Ständen, ſelbſt Ausländern. Die Prälaten der fieben männlichen 
Kollegiatlivhen nebft den zwei DBenediktineräbten von Pantaleon 
und St. Martin bildeten — zum Unterfhied vom Domkapitel — 
den ſogen. Sekundarklerus 9. 

Alle dieſe Kollegiat- und Kloſterkirchen und neben ihnen viele 
andere geiftliche Korporationen in und außer der Stadt hatten 
im Erzitift Köln und im benachbarten Fülicher Lande reiche Be— 
figungen und Einkünfte. Im 17. Jahrhundert machten die Län— 
dereien des Klerus im rheinischen Erzftift über ein Viertel des 
ganzen :bebauten Bodens ‚aus, im 16. Jahrhundert wohl nicht 
weniger. Dagegen Hagten die Pfarrer der neunzehn Kölner 
Pfarreien über ſchmale Einfünfte, welchem Übelftande man ſpä— 
terhin dadurch abhalf, daß mit den meiften von ihnen je ein 
Kanonifat verbunden wurde. Über die Gefamtftärfe der Kölner 
Geiftlichkeit liegt aus dem 16. Jahrhundert feine Angabe vor. 
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird ſie (einſchließlich der 


1).Der Schofafter von St. Gereon, ein Priefterfanonitus, war Sprecher 
des Clerus secundarius und hieß als folder Os cleri. Ennen IV, 371 
faßt biefen Amtstitel irrtümlih als einen perſonlichen Ehrennamen des 
Dr. Johann Gropper. 


Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 161 


fogen. Duäfolen, das ift der Beghinen oder Schweftern aus 
dem dritten Orden) auf etwa 2500 Köpfe geſchätzt, welche Zahl 
für das ausgehende 16. Jahrhundert vielleicht etwas zu hoch ge- 
griffen fein dürfte. 

Zunächſt duch den Klerus ftand die Stadt in Beziehung mit 
dem Erzbiſchof, infofern als die geſamte Geiftlichkeit in Stadt und 
Land deſſen Jurisdiftion untergeben war. Geiftlihe Verbrecher wur— 
den dem Erzbiſchof ſelbſt ausgeliefert. Die niedere geiftliche Gerichts— 
barkeit übte dieſer für den rheiniſchen Teil des Erzftiftes durch feinen 
Dffizial in Köln aus: al3 folder fungierte ſchon feit dem Jahre 
1554 der Priefterfanonitus am Dom, Dr. Johann Kempis. Die 
Kriminaljuftiz des Erzbischofs erſtreckte fich aber auch über die Kölner 
Bürgerſchaft; fie wurde gehandhabt durch feinen aus den Bürgern 
ernannten und belehnten Greven und die von ihm „angewäldigten“ 
Schöffen). Diejes Verhältnis bot den meisten Anlaß zu den 
ftet3 mwiederfehrenden Reibereien zwiſchen Erzbiſchöfen und Stadt. 
In der Theorie mwenigitens erkannten jene überhaupt die Reichs— 
ſtandſchaft der Stadt nit unbedingt an; immer wieder erhoben 
fie den Anfprud, die Kölner al3 „ihre lieben und getreuen Bür- 
ger‘ anzureden. Dagegen fträubte ſich der Rat regelmäßig gegen 
den Eintritt des neuen Erzbiſchofs und die damit ver— 
bundene Huldigung. Schon unmittelbar nad) feiner Wahl hatte 
Kurfürft Salentin gegen Neuerungen in den ftädtifhen Privilegien 
proteftiert. Mehr zufälliger Art und ähnlich überall wiederfehtend, 
wo verſchiedene Reichsſtände einander berührten, waren die 
Differenzen über Zölle und fonftige Einfünfte, wobei es ſich in 


1) Der Kölner Rat felbft gab im Jahre 1571 pfäßzifchen Geſandten 
folgenden Bericht über die Kriminaljuftiz in Köln: „Do fi ein criminalfach 
in der flat Coln begebe und e8 ein geiftlich perfon were, fo Tieffert man bie- 
felb nach dem angrief ſtracks dem biſchof, ſolchen (wie in criminalibus ber 
brauch) zu begrabieren und hernach juftitiam zu tun; wie auch dem rectori, 
fo er der umiverfitet verwant; was burger inmwoner oder frembbe, bie 
Tieffert man greve und fcheffen, nachdem man fih ber fahen erfarn.” MA. 
a. a. O. 

Lofſen, Köln, Krieg I. 11 


162 Dritte® Buch. Erftes Kapitel, 


der Regel nur um Mein und Dein, niht um eiferfüdhtig gewahrte 
Hoheitsrechte handelte. 

Die dritte große Kölner Korporation, die Univerfität, hing 
zugleich mit dem Rat und mit dem Klerus zufammen: — mit dem 
Klerus, da fie niht nur durch päpftliche Bulle im Jahre 1388 
gegründet war, jondern aud fortwährend einen Klerifer, den Dom- 
propft, zum Kanzler und drei andere Geiftlihe zu Hütern ihrer 
Privilegien hatte; weiter injofern, al3 unter ihren vier Fakul— 
täten die theologiihe den erften Rang einnahm und aud die zur 
Artiſtenfalultät gehörigen Gymnaſien regelmäßig einen geiftlichen 
Negenten und eine ganz geiftlihe Drganifation hatten; — mit 
dem Rate aber, da diejer durch die vier Altbürgermeifter als 
jogen. Proviforen die DOberauffiht über die ganze Univerfität führte, 
die meiften Profefjoren anftellte und auch, ſoweit nicht kirchliche 
Pfründen ausreihten, das Geld für die Befoldungen bergab. 
Übrigens redete man ſchon ſeit bald 50 Jahren von einer dringend 
notwendigen Reform der Univerfität, melde nad der Meinung 
der Profefjoren hauptſächlich in Beihaffung höherer Einkünfte be= 
jtehen jollte. 

Faſſen wir nun das geiftige Leben ins Auge, welches auf 
jolhem Boden und in diefen Formen fi bewegt, jo Fällt zumeift 
der ſpezifiſch katholiſche Charakter desjelben auf. Feder Außen: 
ftehende muß den Eindrud befommen, al3 hätte e3 für Köln nie- 
mals eine deutihe Reformation gegeben; jo jehr trägt hier alles 
nod) daS Gepräge des jpäteren Mittelalters. An etwa taufend 
Altären wird täglich Meſſe gelejen; der Rat ſelbſt erſcheint vor 
jeder Sigung zu einer Mefje vor jenem Votibbilde in der Nats- 
fapelle. In einer Kapelle des Domdors fteht der Schrein mit 
den LZeibern der heiligen Dreilönige, zu denen nod wie boralters 
bon nah und fern das Volk wallfahrtet. Auch St. Gereon mit 
den Reliquien der kölniſchen Märtyrer und St. Urjula mit den 
Gebeinen der 11,000 Jungfrauen loden nod immer Scharen von 
Andächtigen herbei. Arm zweiten Freitag nad Oſtern und an an= 
deren Tagen ziehen feierlihe Prozeſſionen durch die Stadt, wohei 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 163 


mit dem Sanktifjimum aud die Reliquieen der kölniſchen Heiligen, 
darunter mande abenteuerlihe Erfindung frommer Phantafie, im 
Triumph umbergetragen werden. In ſchlimmen Zeiten erjucht der 
Nat jelbit in aller Form die Geiftlichkeit um Veranſtaltung bon be— 
ionderen Prozeifionen. — Man fragt fi erftaunt: Giebt es denn 
in diefer großen Handelsſtadt feine Lutheraner, denen ſolche Dinge 
ein Ärgernis, feine Galviniften, denen fie ein gottesläfterlicher 
Greuel find, feine Wiedertäufer und Seltierer, die von allem Außer: 
(ihen Kult nicht3 wiſſen wollen, feine Vermittelungsleute, melde 
die Reinheit der Lehre und die Einheit der Kirche durch Mip- 
bräude des Kultus gefährdet glauben, feine Indifferenten und 
Spötter, die dem Volke diejes Treiben verleiden? Gewiß, alle 
diefe oppofitionellen Elemente waren und jind, um das Jahr 1572, 
noch da und find zum Zeil recht zahlreid. 

Zutheraner und Wiedertäufer hatten von Anfang an aud in 
Köln Eingang gefunden; der Rat war aber alsbald mit blutiger 
Härte gegen beide eingeſchritten. Das Luthertum trat infolge defien 
frühe in den Hintergrund; jogar zur Zeit der Reformation Her: 
manns von Wied erhoben fid in der Stadt nur vereinzelte luthe— 
riihe Stimmen ). Weit Fräftiger und nachhaltiger regte fih in 
Köln der Reformationsgeift in feiner zwinglis calvinishen Form. 
Der kölniſche Handel hatte von jeher, dem Rheinftrom folgend, 
fein Hauptgebiet in den belgiihen Niederlanden und weiter in 
England gefunden. Hand in Hand mit dem Warenverfehr ging 
der geiftige. In Antwerpen und in London famen die jungen 
Kölner Kaufleute, melde fid) dort ihre Ausbildung holten, mit 
proteftantijchen, insbeſondere calviniſchen Ideen in Berührung; daß 
einer und der andere perjönlic von folchen ergriffen wurde, konnte 
nicht ausbleiben. Biel ftärker wurde danad) der Einfluß, melden 


1) Über Kölns firhlihe Haltung beim Ausbruch ber Reformation: 
Krafft in Zeitfhr. des Berg. G.-B. VI, 243; in ben zwanziger umb 
breißiger Jahren: Cornelius, Aufruhr in Miünfter I, 54. 70. 78; II, 102; 
zur Zeit Hermanns von Wieb: VBarrentrapp, Hermann von Wied, 
©. 159. 248. 





11* 


164 Dritte Bud. Erſtes Kapitel, 


die wegen der belgischen Unruhen nah Köln geflüchteten Nieder- 
länder auf die religiöfen Verhältniſſe ausübten. Die erften diefer 
Flüchtlinge waren größtenteils jolche, die entweder am Bilderfturm 
beteiligt oder mindeftens irgendwelcher Abweichung von der römiſch⸗ 
katholiſchen Kirche fich bewußt waren. Dieſe niederländischen Pro— 
teftanten waren zahlreiher als die bisher in Köln anfälfigen: 
ihon im Fahre 1568 jhäste man fie auf 115 bis 150 Fa— 
milien, im Jahre 1570 jogar auf mehr al3 1000 Köpfe !). Das 
Belenntnis, um dejjentwillen man fie verfolgte, war ihnen defto 
teurer geworden und verlangte nad äußerer Bethätigung. Ihre 
Anweſenheit machte auch den einheimischen Proteftanten mehr Mut, 
ihre Religion auszuüben. Nur ganz heimlich Hatten bisher evan- 
geliſche Prädikanten in der Stadt das Abendmahl gefpendet, Chen 
zufammengegeben, Kinder getauft; in aller Stille waren die Leichen 
derjenigen, welche den Empfang der fatholiichen Sterbeſakramente 
berweigert, im freien Felde vor der Stadt beerdigt worden. Sekt, 
d. h. etwa jeit dem Jahre 1566, geihah das alles viel öffent: 
licher und ohne Scheu 2). In mehreren Häufern wurden evan— 
geliihe Konventifel gehalten, das Abendmahl ausgeteilt. Mit 
ftattlihem Trauergepränge geleitete man evangeliſche Leichen zur 
Stadt hinaus. Als an zwei Sonntagen im März 1567 ein 


1) Ennen IV, 856. Oraniens Gemahlin behauptet im Ian. 1569 
(iſtor. Taſchenbuch 1836, ©. 132), e8 feien in Köln noch über 150 
niederl. Herren- unb Ebellentsweiber, mit benen fie ſich umterhalten könne. 
25. Februar 1570 fchreibt Kardinal Truchſeß an Herzog Albrecht (RA. 
Hodft. Augsburg IV. fol. 247): „Die B. Ht fchreibt jezt ain breve ab 
fenatum und halt bei inem an, das fie geufen rebellen und vertribne 
Niberlender auf ber fiat treiben umb fi barin nit lenger dulden, ſonderlich 
bes von Orainge gemabel, welche ir aigne fectifche prebiger in ber ftat hat 
und das colnifch volk Heftig verfiert; und follen fonft mer als ain tauſend 
vertribner geufen in ber ftat mit hauß eintommen fein.” Nach einem am 
19. Mat 1572 abgeſchloſſenen Berzeihnis ber Jeſuiten waren bamals 
noch über 88 Häuſer von Geufen bewohnt. Reiffenberg, p. 143 N r. 

2) Religionsbefchwerben ber Kölner Proteftanten kommen bereit auf 
dem NReichstage von 1566 zur Sprade. Häberlin, NIRG. VL 161. 
169. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 165 


veformierter Prediger vor den Thoren von Köln, zu Niel und zu 
Rodenkirchen, öffentlich predigte, lief eine Menge Leute aus der 
Stadt hinzu. So hatte in den Niederlanden die Evangelifierung 
der größeren Städte begonnen. Allerdings verbot der Rat alsbald 
bei ſtrenger Strafe und Verluſt des Bürgerrehts dieſes Auslaufen 
und den Beſuch aller Feld- und Winkfelpredigten, erneuerte und 
verichärfte auch jeine Älteren Morgenſprachen gegen jede religiöie 
Abſonderung; aber es verging noch einige Zeit und kamen erft 
noch ſtarke Antriebe von außen hinzu, ehe er ſich entichloß, die 
Beobachtung feiner Edikte mit Gewalt zu erzwingen. 

Weit weniger Umftände machte man in Köln von jeher mit 
den Wiedertäufern, obwohl fie viel zahlreicher waren al3 die Re— 
formierten. Um das Fahr 1568 wollte man willen, es jeien 
ihrer bei 6000 in der Stadt verborgen ). Im ganzen römischen 
Neid wurden die Wiedertäufer nit bloß als kirchliche Ketzer, 
ſondern al3 Feinde jeder gejellichaftlihen Drdnung betradhtet und 
behandelt. Wenn der Kölner Rat nad ſolchen griff, die jich zur 
Augsburger Konfeffion bekannten, jo vergriff er fih damit an fo 
und jo vielen Reichsſtänden, welche den Kölner Handel und die Kölner 
Bürger in ihren Gebieten das entgelten lafjen konnten. Bei Ver— 
folgung der Wiedertäufer gingen dagegen Papijten und Galvinijten, 
Zutheraner und jogar Erasmianer Hand in Hand. Dbendrein 
waren es meiſt geringe Leute, die ſich nicht jelbit ihrer Haut 
mehren fonnten. Nur insgeheim mwagten es deshalb die Wieder— 
täufer in Köln, zum Gebet fih zu verfammeln; felten exteilte 
man wirklich einmal die Wiedertaufe. Bon Zeit zu Zeit zog der 


1) Hamelmann in einer etwa 1568 geichriebenen Edhriftt (Hamelm. 
Opp., p. 1339): Anno 1565 habuerunt negotium cum anabaptistis, quorum 
aliqui erant captivi, quidam etiam necati sunt: atque istius sectae ho- 
minum audio prope sex millia latere Coloniae. Um biefe Zahl nicht maß- 
(08 "übertrieben zu finden, müßte man annehmen, daß bier unter den Wie- 
bertäufern nicht nur Anhänger von Menno Symons unb David Jöriß, 
fondern alle jene gemeint jeien, die ſich aus religiöfen Gründen von Kult und 
Sakramenten ber großen Religionsgefellichaften fernbielten. 


166 Drittes Bud. Erſtes Kapitel. 


Nat ein paar von ihnen ein und überlieferte die Überführten dem 
Greven, der mandmal wider Willen, gemäß Reichsgeſetz, fie 
föpfen, im Rhein ertränfen oder mindeitens außer Landes weijen 
mußte. In der Regel verweigerten jelbit die, welche zu Widerruf 
und Buße fich herbeiließen, ftandhaft das Nennen von Mitichul- 
digen, jo daß doch die Verfolgung in den fechziger und fiebziger 
Jahren, welche uns hier zunächſt beihäftigen, niemals einen all= 
gemeinen Charakter annahın. 

Den Wiedertäufern nahe ftanden jene ftillen Leute, melde 
mehr Wert auf ein rechtlihes Leben al3 auf äußere Kirchlichkeit 
legten, am liebjten mit ihrem häuslichen Gottesdienſt ſich bes 
gnügten, bier ihre Bibel lajen und mitunter an der Nachfolge 
Ehrifti des Thomas von Kempen ji ebenjowohl erbauten wie an 
einer lutheriſchen Poſtille. Unter den höheren Ständen am 
Niederrhein, namentlich unter der Nitterichaft, foll dieſe Klaſſe 
von Leuten jehr zahlreich geweſen fein. Kundige Zeitgenofjen be— 
baupten, daß unter ihnen die Bücher Schwenffelds und Sebaftian 
Franks großen Anklang fanden, nicht etwa wegen der bejonderen 
dogmatiſchen Irrtümer dieſer Autoren, fondern weil jie das Haupt= 
gewicht auf ein frommes Leben legten und lehrten, wie man ſich 
innerlih bon den herrihenden Religionsgefellihaften freimachen 
könne, ohne ſich doch äußerlich von ihnen zu trennen ?). 

Eine andere Art von Gegnern des in Köln herrichenden 


1) „Darumb ift die ler des Schwendfelts vielen ebelleuten fo angenem, 
das ſölche ler inen ein vermeinte freiheit gibt, mit ben papiften zu heuchlen, 
on befantnuß ftilfchweigend unter irem regiment zu wonen, ber päßftlichen 
güter zu geniefien, ire finder brüber und ſchweſter im ſtift und clöfter zu 
fteden ꝛe. wie viel Lutheriſchen. Item auch umb diefe urfach, daß fie durch 
biefe Schwendfeldiihe und Frandifche ler nicht verbotten werben, bie Bibel 
zu leſen, predig zu hören und abentmal zu entpfangen, ſondern mögen nad 
eignen finnen glauben was fie willen ober was fie gutdünkt.“ Weg- 
weifer Bl. 37 und ähnlih an anderen Stellen. — Ein Mufter biefer Art 
von Leuten in Köln aus etwas fpäterer Zeit ift Aggäus Albada. Vgl. meine 
Studie über denfelben im Hiſtor. Tafhenbuh 1876 und Christ. Sepp, 
Drie Evangeliedienaren uit den tijd der hervorming. Leiden 1879. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 167 


Kirhentums waren jene, welche zwiſchen der idealen katholischen 
und der realen römischen Kirche einen Unterſchied machten, die 
Reformbedürftigleit diefer zugaben und deshalb einen goldenen 
Mittelweg zwiihen Papittum und Reformation gehen wollten, 
Gefinnungsgenofjen des Erasmus aljo, wie der unlängft verſtor— 
bene Gaffander einer geweien und der alte Georg Wizel in Mainz 
nod) war. Georg Caſſander hatte jeine legten Lebensjahre großen: 
teil3 in Köln zugebracht; hier hatte er einen mehr durch perjün- 
lihe Bedeutung, al3 durch Zahl ausgezeichneten Kreis von gleich— 
gejinnten Freunden gehabt: Philologen, Ärzte, auch einzelne Theo: 
logen, überhaupt humaniſtiſch gebildete Leute, darunter aud) einzelne 
Kölner Batrizier, zu denen wir vor allen den hochangeſehenen 
Bürgermeifter Konftantin von Lyskirchen zühlen dürfen. Won 
anderen Batrizierfamilien ericheinen unter Caſſanders Freunden 
bejonder3 die Sudermann, mit welchen der aud) in Köln begüterte 
cleviiche Kanzler Oliſleger verihwägert war )). 


1) Litteratur über Cafjander und Cafjandrianer Habe ih im Theol. 
Litteraturbl. 1876, Sp. 603 ff. verzeichnet. — Dlifleger war, nah Fahne, 
Geſch. der Herren und Frei. v. Hövel, ©. 174f., mit Anna Subermann, 
Schweſter des langjährigen Syndikus der Hanfa, Heinrih S. verheiratet; 
eine ältere Schwefter des Tetsteren mit dem furf. Greven Kafpar Gailen- 
firchen, ebenfalls einem Cafjandrianer. — Über Konftantin von Lyskirchen: 
Cassander, Opp. p. 1147. Reiffenberg, p. 37. 53. 89. 101 und 
ähnlih Bianco I, 870. 875. 895. 905. 14. Dezember 1571 fchreiben bie 
Kurpfälzer Gefandten Meinhart v. Schönberg und Wenzel Zuleger an ihren 
Herrn: „Die uf unfer feitten, fo die verftendigften, darunder auch der bur— 
germeifter Lystirchen, wenden fur, das dennoft die burger zu Coln e. curf. 
und f. ©. landen brauchen mußen und bas fih8 nit ſchicken wölle diefelben 
zu erzumen und vor dem fopf zu ftoßen.” MU. a. a. ©. fol. 526. Da- 
gegen rühmt Gregor XIII. in einem Breve an 2. vom 27. April 1581 
(bei Reiffenberg, Mantissa, p. 67) fogar befien Eifer gegen die Keker. 
Die ſcheinbar widerſprechenden Nachrichten über 28. religiöies Verhalten er- 
flären fi durch die Annahme, daß er Erasmianer war. ALS gerechter und 
Huger Bürgermeifter, zugleih al8 Freund ber Mufen und Künfte wird L. im 
dem ©. 153 Anm. angeführten Kolloquium geprieſen. 2. war 1554 zum erften« 
mal regierender Bürgermeifter, 1581 zum zehnten- und legtenmal; am 
11. Dezember besfelben Jahres ftarb er. Gelenius, p. 639 (28. Fami- 
liengrab war in ber abgebrochenen Kreuzbrüderkirche, Gel. 502; ein jüngerer 


168 Dritte8 Bud. Erftes Kapitel. 


Diefen aus Grundſatz vermittelnden Leuten veiht fi endlich 
die weit zahlreichere Klaſſe der kirchlich Sleichgültigen an, Leute, 
denen zwar das verfolgungsfüchtige Papfttum zuwider, aber auch 
an Luthertum und Galvinismus nichts gelegen war, Leute, die 
dort, wo jie gerade verweilten, jo viel vom herrſchenden Kirchen— 
tum mitmachten al3 nötig, um ſich nicht Unannehmlichfeiten aus— 
zuſetzen. Solcher Lebemänner gab es ohne Zweifel in Städten 
wie Köln eine Menge, wenn fie auch naturgemäß in der Ge— 
ihichte feinen großen Eindrud hinterlaffen haben ?). 

Es fehlte alſo in Köln nit an Elementen, welde der römiſch— 
katholischen Kirche feindfelig waren. Wie erklärt es ſich nun, daß 
deren Herrschaft, ganz anders als in allen anderen deutichen 
Neihsftädten, in Köln Leinen Augenblid gefährdet wurde? Der 
einfachfte Grund wird wohl der gewichtigſte jein: anderwärts jiegte 
die Reformation, weil die dogmatiihe Trennung von der fatho= 
liſchen Lehre in dem nationalen Gegenſatz gegen Rom eine breite 
volfstümlihe Grundlage und in dem materiellen Intereſſe der 
Machthaber ein williges Werkzeug zur Aufrihtung eines neuen 
Kirchenweſens fand. In Köln dagegen überwog die Anhänglichkeit 
an Rom den nationalen Gegenfag und trieb fein materieller Vor— 
teil die ſtädtiſche Obrigkeit, an Stelle der alten Kirche eine neue 
zu ſetzen. 

Kölns größter Ruhm von altersher war feine Gründung als 
eine römische Kolonie im Lande der Übier; davon eben trug die 
Stadt ihren Namen Colonia und dazu nod) den chrenvollen Bei- 
namen einer römiſchen Kaiferin, der bier geborenen Agrippina. 


— 


Konſt. v. L., deſſen Grabſchrift Gelenius, p. 407 abbrudt, hatte fein Grab 
in ber Pfarrlirde St. Peter). — Daß die Zahl friebliebender, gelehrter und 
frommer Katholifen in Köln flein war, fagt Caſſander felbft Opp., 
p. 1156. 

1) Ein folder Lebemann war 3. B. Thomas Rehdiger: Gillet, Erato 
von Krafitheim II, 58 ff. und Zeitſchr. f. d. Kulturgefh. N. 5. IV, 61ff. 
Verdruß eifriger Proteftanten über biefe Leute: vgl. Groen van Prin- 
sterer IV, 183. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 169 


Ihre nächſte glorreihe Erinnerung war dann, daß fie den römiſchen 
Kaiſern Vitellius und Veipafian gegen ihre germanischen Stammes= 
genofjen treu geblieben war. Es entiprad ganz der Haffiich ges 
bildeten Denfweife des 16. Jahrhunderts, dag man über alle 
Wechſelfälle des barbariichen Mittelalters hinweg an dieſe römi— 
ſchen Erirfterungen anfnüpfte und jogar in der ftädtiihen Ver— 
faffung eine Nachbildung der altrömifhen Republik finden wollte. 
Enger no knüpfte Kölns kirchliche Geſchichte an Rom an. Die 
als Geſchichte betrachtete Legende wußte zu erzählen, daß ein 
Fünger des Apojtel3 Petrus ſelbſt, der heilige Maternus, in Köln 
bereit3 das Evangelium gepredigt und jeinen Biſchofsſitz aufges 
ihlagen habe. Eine fortwährende Beglaubigung dieſer Sage 
hatten die Kölner des 16. Jahrhunderts in ihrem großen Stadt- 
fiegel, welches den Apoftel Petrus darjtellte und die Umſchrift 
trug: Sancta Colonia Dei gratia Romanae Ecclesiae fidelis filia. 
Die weiteren Legenden von dem heiligen Märtyrer Gereon und 
jeinen Gefährten, von der thebaiihen Legion, von der heiligen 
Urſula und ihren 11,000 Jungfrauen, deren Gebeine zu Köln 
gezeigt wurden, famen jedenfalls dem katholiſchen Heiligen= und 
Neliquienkult zuftatten. Die ftolzefte Erinnerung aus dem Mittel- 
alter war dann die Übertragung der Gebeine der heiligen Drei— 
fönige von Mailand nad Köln; ihnen zu Ehren führte die Stadt 
die drei goldenen Kronen in ihrem Wappen. Unter den Biichöfen 
der Kölner Kiche zählte man ein ganzes Dutzend Heilige. Das 
„heilige Köln’, ein „zweites Rom‘ nannte man die Stadt und 
wiederholte, gerade in der Zeit der Reformation in polemiſchem 
Intereffe, immer wieder die erften Strophen des alten kölniſchen 
Kirchenliedes, das man an Patronatsfeſten zu Ehren der Kölner 
Heiligen zu fingen pflegte: 
„Gaude felix Agrippina sanctaque Colonia, 
Sanctitatis tuae bina gerens testimonia: 


Postquam fidem suscepisti, civitas praenobilis, 
Recidiva non fuisti, sed in fide stabilis.“ ?) 


1) Das ganze Melos Colon. Ecel., aus acht Strophen beſtehend, bei 





170 Dritte8 Buch. Erſtes Kapitel. 


Ohne Übertreibung fann man jagen, daß der gewöhnliche Köl— 
ner Bürger innerhalb feiner Stadtmauern ſich mehr als Bürger 
de3 päpftlihen Nom, als wie des Deutihen Reiches fühlte. 

Aus dem Reliquien und Heiligenfult erwuchſen der Stadt 
aud materielle Vorteile. Die Reformation hatte den Zulauf zu 
den Kölner Heiligtümern, namentlid) den Leibern der heiligen Drei- 
fönige, zwar bermindert, aber nicht abgeftellt. Wie fehr das ges 
meine Volk zu Köln an feinen Bildern und Reliquien hing, hatten 
Bucer und Melandthon zu den Zeiten Hermanns von Wied 
erfahren. Die großen Prozeifionen wurden in Köln zugleih als 
große Volksfeſte gefeiert; je nad) der Zeitrihtung hielt eines das 
andere aufrecht. Doch ift nicht gerade diefe Art von materiellem 
Vorteil gemeint, wenn wir behaupten, in Köln habe die Obrig— 
feit fein Intereſſe an Befeitigung der alten Kirche gehabt. Anders: 
wärts im Deutihen Reihe war überall die Ausbeutung firhlicher 
Ämter und Pfründen durd die römiſche Kurie die Haupturſache 
des grimmigen Haſſes gegen das Papſttum geweſen; in Köln 
dagegen hatten der Rat und die geiftlichen Stifter bei Zeiten 
verftanden, dur Privilegien oder Gewohnheit Roms Einmiſchung 
zu entfernen. Nur in vereinzelten Fällen vergab im 16. Fahr: 
hundert die Kurie irgendeine der zahllofen Kölner Pfründen; die , 
meiften der Rat oder die geiftlihen Stifter felbft. Die Kölner 
Geiftlichfeit, namentlich das Domkapitel, beſetzte fogar einen großen 
Zeil der Pfarreien und fonftigen Kirchenämter im übrigen Erz— 
ftift. Geiftlihe und meltlihe Obrigfeiten zogen alſo hier den 
Hauptnugen von der Erhaltung des alten Kirchenweſens. Man 
mochte das Bedürfnis fühlen, Mißbräuche zu reformieren, die 
Bräuche jelbft mochte man nicht antaften. 


Gelenius, p. 657. Ulenberg, Antwort auf Joannis Babii vermeinte 
warnung, Cöln 1592, überfegt bie beiden erften Strophen bes „alten 
Ehrenlieds” im Vorwort alfo: „Erfrene did, o Cöln, bu glüdhait und 
beifige ftat, die dir zweierlei zeugniß trageft deiner beiligfeit: nachdem bu 
ben Glauben haft angenommen, dur edle meitberümpte ftat, Biftu nicht 
widerumb abgefallen, fonder im glauben beitendig geblieben.“ 


Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 171 


Im allgemeinen fallen dem Kölner Klerus im 16. Jahrhundert 
die nämlihen Fehler zur Lajt, über die man anderwärts klagte: 
alſo Verweltlihung, Roheit, Trunk- und Habſucht, fittlihe Aus— 
ſchweifungen. Auch den Kölner Geiſtlichen ſagte man nach, daß 
weitaus die meiſten im Konkubinat lebten ). Das Domkapitel 
felbft ging mit dem ſchlechten Beiipiel voran. Den Domdehanten 
3. DB. beichuldigte Kurfürft Salentin im Jahre 1572, im Ange— 
ficht kaiſerlicher Kommiſſare, dag er mit feiner Konfubine auf 
Schloß Zons dffentlih Haus halte, jedermann zum Ärgernis, 
der dort auf= und abziehe. Ahntiches fagte alle Welt von 
dem Senior-Diafon Graf Reinhard von Solms. Selbſt ange— 
jehene Priefterfanonifer waren nicht frei von demjelben Vorwurf. 
Der Senior des Domkapitel, Sebaftian Novimola, Profeifor der 
Xheologie und mehrmals Rektor der Univerfität, Pfarrer der 
erften Kölner Pfarrei (St. Columba), ein berühmter Prediger 
und Eiferer für den fatholiihen Glauben, unterhielt ganz vffen 
und bis in fein hohes Alter jeine Konkubine in einem Nonnen= 
Elofter. AS ihm im Jahre 1577 ein päpftliher Nuntius deshalb 
Vorwürfe mahte und mit Beriht an den Papſt drohte, ant- 
wortete er cynifh genug: „Was wollt ihr jhreiben, als daß id) 
eine Hure habe.” 2) Die Geriht3= und Ratsprotofolle jener Zeit 
find voll von Fällen, in welchen gegen ehebreheriihe oder zucht— 


1) Draftifch fehildert die unter der Kölner Geiftlichkeit herrſchende Leicht» 
fertigfeit Hans von Shweinihen, Denkwürbigfeiten, herausg. von Oefter- 
ley, ©. 108 u. 126. Bon der Lichtfeite lernt man das freie Leben in einem 
ber Kölner Damenftifter (St. Urfula?) kennen bei Gratiani l. c. II, 26sg. 
Cratepolius, Catal. 1580, p. 138 rübmt von Dr. Job. Gropper: a 
foedo concubinatu, quo se plerique ex clero turpiter dehonestant, alie- 
nissimus. Caſſander (Opp. p. 990) behauptet: eo res jam rediit, ut vix 
centesimum invenias, qui ab omni commercio feminarum abstineat. Beide 
unverbäctige Zeugen lebten in Köln felbft. 

2) StA. 311/16. fol. 41. Nah Ennen in Monatsfchrift für rhein.- 
meftf. Gefchichtsforihung 1875, I, 411 gehörte auch der Priefterfanonifus 
am Dom und Dedbant von St. Georg Dr. Konrad Orth von Hagen zu 
den Konfubinariern. Anderwärts finde ich feinen Anhalt fir biefen Vor— 
wurf. 


172 Drittes Buch. Erſtes Kapitel. 


(oje Geiftlihe eingefchritten werden mußte). Dagegen zeichnete 
fih der Kölner Klerus vorteilhaft dadurch aus, daß er fid) des 
ſonſt jo ſehr vernachläffigten Predigtamtes mit Eifer annahm. 
Viele Kirchen rühmten fi) trefflicher Prediger aus der Welt— 
und Drdensgeiftlichkeit ?). — Unter der lehteren verdient ganz be— 
ſondere Beachtung die Geſellſchaft Jeſu, ſchon deshalb, weil wir 
ihren Einfluß auch in vielen politiſchen Händeln ſpüren, wenn auch 
nicht immer nachweiſen können. 

Köln war einer der Orte, an welchen die Jeſuiten zuerſt feſten 
Fuß zu faſſen ſuchten. Schon im Jahre 1542 hatte P. Faber 
dorthin zwei feiner ſpaniſchen Genoffen gejandt; bald danach ge= 
wann der Diden zu Köln fein erſtes deutſches Mitglied, Peter 
Banifius aus Nimmwegen, nachmals das gemwaltigite Werkzeug der 
katholiſchen Reftauration in Deutihland. Als die Schwierigkeiten, 
auf welche die Niederlafjung eines neuen Drdens in Köln ftieh, 
den Gedanken nahelegten, diefen Poften wieder aufzugeben, jchrieb 
P. Faber von Spanien aus, er wolle jeine Gefährten lieber tot 
zu Köln, als anderswo in Wohlbehagen wiflen. Dem Refor- 
mationsperiud; Hermanns von Wied gegenüber erwieſen fid) die 
Kölner Jeſuiten, namentlich der junge Ganifius, bereit al3 eine 
ftarke Stüße der alten Kirche. Caniſius hat zwar nad dem Fahre 
1547 nicht mehr dauernd in Köln verweilt, blieb aber nod) lange 
Beit mit dieſer feiner zweiten Vaterſtadt in lebhafter Verbindung. 
Bei jeinem erften Wiederbefudh, im Jahre 1558, und als päpft- 
licher Abgefandter im Jahre 1566 wurde er von ihr aufs ehren- 
bollite empfangen; im jelben Sabre 1566 hat er ihr die zweite 
Auflage feines großen Katehismus gewidmet (die erite, welche 


1) Ennen IV, 48ff. 746 ff. 

2) 12. Oft. 1567 jchreibt Dr. Hegenmüller aus Köln an Herzog Albrecht: 
„Aldie befind ich alle ding guet catholifch und ift diefe flat mit prebicanten 
und andern gaiftlichen perfonen wol verfechen.” Am 22. November derſelbe 
an Bizefanzler Zafius: „Der magiftratus ift noch fer guet catholiſch und 
baben in ber warheit ein treffenliche clerifei alhie.” StA. 9/3 fol. 90 
u. 154. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 175 


unter feinem Namen erihien), mit den größten Lobpreifungen 
wegen ihrer Standhaftigfeit im katholiichen Glauben. Er wendet 
u. a. auf die Kölner an, was der Apoftel Paulus von den rö- 
miſchen Chriften jchreibt: „Euer Glaube wird in der ganzen 
Welt verfündigt.‘ 

Wie der Anfang, jo ift auch die Fortentwidelung des Kölner 
Jeſuiten-Kollegs im nächſten Vierteljahrhundert mit den Namen 
einiger wenigen berborragenden Perſönlichkeiten verknüpft; zwei 
Namen bejonders: Leonard Kefjel und Johann von Neidt. Von 
P. Leonard, einem Löwener von Geburt, dem erften Rektor des 
Kölner Kolleg, jagt ein Jeſuiten-Annaliſt: „Er veritand ſich be— 
fonder3 auf die Reinigung der Gewiſſen. Durch vertrauliche Be— 
fprehungen und Ermahnungen wußte er die Herzen der Studenten 
und anderer, weldhe zu ihm famen, jo zu erſchüttern, daß fie aus 
Sehnfuht nad) einem volllommenen Leben ihr Vaterland, Eltern, 
Vermögen, ja ſich felbft verließen, um fi der Zucht der Gefell- 
Ihaft zu ergeben. Zunächſt freilich erweckte gerade diejer über- 
große Seeleneifer der Gejellihaft mächtige Feinde in der Stadt. 
Man klagte darüber, daß die Jeſuiten die Kinder vormehmer Leute 
aud) gegen der Eltern Willen zum Eintritt in ihren Orden ver: 
leiteten, darin fefthielten oder heimlid außer Landes ſchickten. Im 
Sabre 1552 entitand aus ſolchem Anla ein förmlicher Volks— 
auflauf gegen die Jeſuiten, infolge deſſen fie fich genötigt jahen, 
faft alle ihre Zöglinge zu entlaffen 1); e3 vergingen einige Jahre, 
bis ein zufälliges Ereignis, der Streit der Univerfität mit dem 
Regens der neuen Dreifronen-Burje, Jakob Leihius, den Jeſuiten 
willfommene Gelegenheit verichaffte, wieder feftere Pofition zu ges 
winnen. Leichius hatte fi, mwiewohl Priefter, verheiratet und 
auch ſonſt proteftantifcher Neigungen verdächtig gemadt. Die 

1) Reiffenberg, p. 35sqgq. und Bianco I, 870 refp. ihre Gewährs- 
männer, die älteren Jejuiten-Annaliften, fcheinen bie Urſache des Unmuts ber 
Kölner abfichtlih in Dunkel zu Hüllen. Ich erzähle die Sache, wie fie mir 
am wahrfceinlichiten vortommt. Lystirhen, den bie Sefuiten-Annalen be= 


reits 1552 als ihren Hauptgegner bezeichnen, wurde in Wahrheit zuerft im 
Sabre 1554 Bürgermeifter. 


174 Dritte® Bud. Erſtes Kapitel. 


übrige Artiftenfakultät forderte deshalb den Ausihluß jeiner 
Burje von der Univerfität und erreichte dies beim Nat. In die 
freigemordene Burje zogen am Vorabend Marii Lichtmeß 1557 
die Jeſuiten ein, nicht zwar im Namen ihres Drdens, jondern 
im Namen eines einzelnen Mitgliedes, des Pater Johann von 
Reidt. — Das war einer von jenen vornehmen Fünglingen, melde 
P. Leonard für die Gejellfhaft gewonnen und zur Ausbildung nad) 
Rom geichiet hatte; jet (im Jahre 1556) jandte ihn Ignatius mit 
einigen anderen aus Köln gekommenen Jeſuiten, namentlich den Nie— 
derländern Heinrih Dionyſius und Franz Cofter, dahin zurüd. — 
Reidt, dem Kölner Patrizier und Graduierten der Univerfität, 
räumten Rat und Univerjität das Dreifronen- Gymnafium ein, 
zunächit freilich nur mietweife, auf je zwei Jahre und auf Wohl: 
verhalten. Aber die Jeſuiten find nicht wieder aus der Burſe 
und dem Verband der Univerfität hinausgegangen, jo oft fie auch 
in Zwiſt mit den anderen Gymnaſien und mit dem Nate felbft 
gerieten: mit den anderen Gymnafien, weil fie ihnen und jogar 
den Trivialihulen die Schüler abjpenftig machten; mit dem Rat, 
weil jie allezeit beftrebt waren, ihr Gymnaſium nad den Regeln 
ihres Ordens und nit nad den Satzungen des Rates und den 
Statuten der Iniverjität einzurichten. Mit großer Ausdauer und 
Konjequenz haben die Jeſuiten auch in Köln das Ziel verfolgt, 
zuerft nur einen gewiſſen Zeil des öffentlihen Unterrichts in ihre 
Hand zu befommen, diejen aber ganz nad ihrer Drdensregel zu 
geftalten, nachher dann das gefamte Unterrihtsweien der Stadt 
ihrer DOberleitung zu unterwerfen. Daß die erften großen Schwie- 
rigfeiten glüdlid überwunden wurden, verdankt die Gejellichaft faft 
ausschlieglih dem Pater Reidt. 

Dhne Zweifel war diefer ein ungewöhnliher Menſch. Ein 
Zeitgenoffe, der Chronist Hermann von Weinsberg, jagt von ihm: 
„Reitzius, Sohn, Neffe und Schwager eines Bürgermeifters und 
vom beiten Geihleht in Köln, konnte leiht ein großer Prälat 
und Herr werden, aber er hielt jid) demütig und ſchlicht, predigte 
viel und unterrichtete die Schüler; er war beredt, gelehrt und gab 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 175 


gutes Exempel.“ Dennoch war es weniger nod) feine Perjönlid- 
feit als jein Geſchlecht, was ihm jo große Bedeutung verichaffte. 
Merkwürdig genug: die leichtlebige Kaufmannzftadt, in der ſich die 
Familien regelmäßig nur ein paar Generationen hindurd in Reich 
tum und Anjehen zu erhalten pflegten, blieb troß ſolchem unaufhör— 
lichen Wechſel dennoch eine echte Patrizierftadt; faum hatten Groß- 
bater und Vater eine gewiſſe gejellichaftliche Stellung errungen, fo 
fühlten Sohn und Enkel ſich Schon als ſtädtiſche Ariftofraten und er- 
hielten aud) von der übrigen Bevölkerung willig einen Anteil an 
den Öffentlichen Ehren und Stellen. — Die Jefuiten als folde er= 
idienen im 16. Jahrhundert der Kölner Bürgerichaft als Fremde, 
den Thomiſten und Albertiften der Univerjität als Neuerer und 
Eindringlinge, dem Rat als unbequeme Friedenzftörer ; dem Patrizier- 
john Johann von Neidt dagegen ftanden alle Zhüren offen. Er 
aber, dem feine Gejellichaft mehr war als Vater und Bruder, 309 
die anderen Jeſuiten nad fih. Hauptſächlich durch Reidts Ver— 
mittelung kamen die Jeſuiten nad) und nad) in zeitweiligen oder blei— 
benden Beſitz einer ganzen Anzahl von Kanzeln. Erzbiihof Johann 
Gebhard (von Manzfeld) überließ ihnen (1558) die Morgenpredigt 
im Dom; zum Zeil jchon früher erhielten fie die Kanzeln in den 
Stiftskirchen St. Urjula und St. Marien im Kapitol, im Kloſter 
St. Gertrud, in den Pfarrlichen Maria Lyslichen, St. Mau: 
ritius, St. Jakob. Mit beionderem Eifer nahmen fie fih des 
Beihtituhles an; unter ihrem Einfluß wurde auh in Köln 
das häufige Beichten und Kommunizieren Sitte. (Die Ma: 
rianiſche Sodalität, melde neben ihrem frommen Zweck gemein- 
famer Andacht alsbald auch al3 ein geeignetes Mittel zu kirchen— 
politischer Wirkſamkeit ſich erwies, hat der Pater Franz Coſter im 
Jahre 1576 zuerſt eingeführt.) 

Das Zejuitengymnafium fand jhnell großen Zulauf. Schon 
im Jahre 1558 zählte Regens Reidt gegen 500 Zöglinge, darunter 
etwa 60 interne !); von da ab bis zum Jahre 1582 ſchwankt 


1) Reiffenberg, p. 72. Nah Hartzheim, p. 196 und Bianco 





176 Dritte Bud. Erftes Kapitel. 


die Schülerzahl zwiſchen 500 und 1000. Anfangs fonnten die 
Jeſuiten nit jo vollftändig, wie jie gern gewollt hätten, ihre 
Ordensregeln inbezug auf die Schule durchführen; förmliche jchrift- 
liche Verſprechen banden ihnen, Rat und Univerfität gegenüber, 
die Hände. Dagegen tadelten Provinzial und General jharf jede 
Abmeihung von der allgemeinen Drdensregel, und Hinter dem 
Gehorſam gegen die geiftlihen Dberen mußte das der weltlichen 
Obrigkeit gegebene Wort gewöhnlich zurüctehen. Die materielle 
Lage des Jeſuitenkollegs war in den erften Sahrzehnten nicht 
glänzend; oft war man auf die Kaffe einzelner reichen Mitglieder, 
mandmal auch auf Almoſen Fremder angewieſen. Doch konnten 
die Jeſuiten nach und nad) ein paar Häujer und Grundftüde in 
und außer der Stadt erwerben, bis fie endlich (jedoch erſt im 
Jahre 1582) in den Beſitz eines ganzen Kloſters mit eigener 
Kirche gelangten. Die beiden Freunde Keſſel und Reidt erlebten 
das nicht mehr; fie fielen zuſammen mit einem dritten Jeſuiten 
im Fahre 1574 dem Meſſer eines wahnfinnigen Drdensbruders 
zum Opfer. Ihr Werk war aber damals bereit3 feitgewurzelt; es 
ift ſogar wahrſcheinlich, daß ihr tragiiches Ende manchen frühe: 
ren Gegner ihrem Inſtitut verjöhnte. 

Litterariih haben ſich die Kölner Jeſuiten in den erften Jahr— 
zehnten ihres Kölner Wirkens nur wenig hervorgethan; ſelbſt auf 
dem von den Jeſuiten fonft jo eifrig bebauten Gebiet der Pole: 
mie gegen den Proteftantismus find die Kölner nur ſpärlich ver— 
treten. Ohne Zweifel war ihre geiftige Kraft durch Schule, 
Predigt und Beidhtehören zunächſt vollauf in Anſpruch genommen. 

Etwas mehr jchriftitelleriiche Thätigkeit entmwidelten in dieſer 


I, 886 foll das Iefuitengymnafium 1558 fon 800 Schüler, barınter 60 
bis 80 Konviktoren gehabt haben. Das ift aber offenbar falſch, da dieſelben 
Autoren fonft nicht behaupten könnten, das Sefuitengymnafium babe 
1570—1572 faum einen Rüdgang ber Schülerzahl erlitten, während doch 
für 1570 nur 500, für 1573 nur 453 Schüler verzeichnet werben. Erſt 
1579—1580, unter viel günftigeren äußeren Berbältnifien, flieg die Schüler- 
zahl über 1000. Bianco I, 303. 


Die Stadt Köln um das Jahr 1572. 177 


Zeit die nicht jefuitiihen Mitglieder der theologiichen und der 
Artiften- Fakultät. In befonderem Anjehen bis in die Zeiten Sa— 
lentins jtand der langjährige Regens der Montanerburje, aud) 
Prieſterlanonikus am Dom, Dr. Gerhard Matthiſius von Geldern, 
ein ſcharfer Gegner der Jeſuiten, dem jie Schuld gaben, dab die 
Stipendien der eingegangenen Kukanerburſe nicht ihrer Nachfolgerin, 
der neuen Dreikronenburſe, fjondern den beiden anderen alten 
Gyinnafien, dem Montanum und dem Laurentianum, zugeteilt 
wurden. Auch in den Schriften feines Schülers, des M. Gerhard 
Habbius von Lüneren, ſpürt man die Feindieligfeit des Montaner- 
Gymnaſiums gegen die Jeſuiten ). Zur Univerfität gehörten aud) 
der nahmals unter Erzbiſchof Gebhard Truchſeß zu großem Ein- 
fluß gelangte Jakob Middendorp aus Dverijffel, der Verfaſſer des 
viel gelejenen, mehrfach aufgelegten Buches über die Alademieen 
der Chriftenheit, er aber ein Freund der Sejuiten, ferner der ges 
lehrte Konvertit aus dem Judentum, Johann Iſaak. Der Uni: 
verjität ferner ftanden der gelehrte, aber kritilloſe Legendenſammler 
und Chroniſt Laurenz Surius aus dem Kartäufer-Drden, ſowie 
die beiden Brüder Georg und Meldior Braun und der vortreff: 
fiche Liturgifer Melchior Hittorp. 





1) Matthifius’ Schriften verzeihnet Hartzheim, p. 99. Sein Lob bei 
Middendorp (Ausg. von 1572), p. 280. Er ift am 11. April 1572 (micht 
1574) geftorben. — Über Habbius Hartzheim, p. 96. In der Vorrede 
zu feinem ben brei Brüdern Gropper gewibmeten Theologiae .. .. com- 
pendium Col, Agr. 1573 nennt Habbius den Matthifiuß exquisitissimae 
eruditionis atque divinae propemodum castitatis et innocentiae doctorem 

. splendidum hujus academiae decus. Habbius Hagt bier bitter über 
jeine Berleumber und Neider. Daß dies auf bie Jeſuiten gebt, fchließe ich 
aus einer anderen Schrift bes Habbius: Orationes tres habitae .. . Co- 
loniae in schola artium (Col. Agr. 1573, p. 53; 2. Rede de Conscientia): 
nec multum alieni ab anxia seu timida censentur conseientia novi quidam 
domini, qui pro administratis in ecelesia saeramentis numulos verentur 
accipere secundum antiquam eeclesiae consuetudinem. Omnia autem hi 
gratis praesiare cupiunt, ut sie aliis exelusis soli recipiantur et ab ho- 
minibus videantur. — Im der 3. Rebe de Intentione mentis, welche im 
Dezember 1570 in Gegenwart des Herzogs Ernſt von Bayern gebalten 
wurde, eifert Habbius für Austreibung ber Häretifer aus ber Stabt. 

Lofjen, Köln. Krieg I 12 


178 Drittes Bud. Erſtes Kapitel. 


An tüchtigen Juriſten und Arzten fehlte e3 niemals in Köln. 
Ihre praftiihen Studien fanden in der großen Handelsftadt im 
allgemeinen einen günftigeren Boden als die theologischen und philo- 
ſophiſchen. Man klagte damals, daß auch diejenigen Juriften und 
Mediziner, welche eine Profeffur an der Univerfität befleideten, ſich 
ihr weniger widmeten, al3 der beſſer lohnenden praktiſchen Aus— 
übung ihres Berufes. 

Befjere Dienfte al3 dieſe Profefforen und Gelehrten leifteten 
der Wiſſenſchaft und vor allem der römiſchen Kirche die Kölner 
Buchdruder und Buchhändler. Für die Fatholiich = theologijche 
Litteratur war Köln zu Salentins Zeit unftreitig noch der erfte 
Pla in Deutihland. Nur allmählih fing Ingolftadt an, ihm 
diefen Rang ftreitig zu machen. Namentlid) zwei Buchdruder, 
Maternus Cholinus und der gelehrte Licentiat der Rechte Gerwin 
Galenius aus Lippftadt, welder durd Heirat die altberühmte 
‚ Duentelihe Buchdruderei übernommen hatte, wetteiferten im 
Druden theologiiher Schriften ). Außer diefen beiden zählte 
Köln noch etwa ein halbes Dutzend weitere Buchhändlerfirmen, 
zum Zeil fehr angejehene, welche neben anderen Büchern mitunter 
auch theologiihe Schriften drudten, jo die Familie Birkmann, 
Peter Horft u. a. 

Köln war aljo eine fatholiihe Stadt. Dennoch hatten die 
Proteftanten bier — ähnlich mie in evangelischen Reichsſtädten 
die Katholiken — ſeit dem Augsburger Religionsfrieden im ganzen 
unbehelligt gelebt, nur durften fie feine öffentliche Ausübung ihrer 





1) Biographifches über beide: Hamelmann, Opp., p. 252. 1340. 
Gelenius, p. 421sq. Merlo 129 N. Der Meffatalog der Frankfurter 
Herbftmefie von 1568 verzeichnet z. B. nicht weniger als neun ober zehn 
tbeologifche Novitäten aus dem Berlage des Maternus Cholinus. 15. Ian. 
1577 empfiehlt Dr. Fabricius dem Karbinal von Como, ein Breve an Cho— 
linus zu richten (was dann auch gefchieht), vir enim est sedi Aplicae ad- 
modum addietus et propter virtutes ac industriam magnis et optimis 
quibuscunque carus. Nec quisquam est Coloniae, per quem Rmw D. 
Nuntius melius de universo reip. Colon. statu informari poterit. StA. 
311/14. fol. 95. 


Die Stabt Köln um das Jahr 1572. 179 


Religion beanſpruchen. Erſt infolge der niederländischen Unruhen 
wurde das anders. Die reformierten Niederländer, welche damals 
nad Köln flüchteten, hatten fi daran gewöhnt, dort, wo man 
ihre Bitten um freie Religionsübung nit gutwillig gewährte, mit 
Aufruhr und Waffengewalt die Obrigkeit zu nötigen; viele hatten 
ihre Hände duch den Bilderfturm befledt. Sein Wunder, daß 
der Kölner Rat fie nur mit Mißtrauen bereinließ und fih durch 
ftrenge Edikte vor ihnen zu fihern ſuchte. Wer feine katholiſche 
Rechtgläubigfeit nicht nachweifen fonnte, wer der geordneten 
Saframentenverwaltung fid) entzog, wer häretiiche Konventifel in 
Häufern und auf Schiffen bejuchte, wer „Vivent les Gueux!“ rief, 
wer fih bei katholiſchen Prozeffionen unehrerbietig zeigte oder 
Saframente und Heilige läfterte, jollte ftreng beftraft oder der 
Stadt verwiejen werden. Die Ausführung hielt jedoch mit dem 
Befehl nicht gleichen Schritt, jo daß, wie erwähnt, die Zahl der 
fremden Reformierten zuſehends wuchs. So lange vorzugsweiſe 
vornehme und reiche Leute nach Köln flüchteten, die dort nur ihr 
Geld verzehrten, hatte die Kölner Bürgerſchaft im allgemeinen 
jedenfalls mehr materiellen Nutzen als Schaden von dieſem Frem— 
denzuzug. Die Mieten ſollen damals um mehr als das Doppelte 
geſtiegen ſein. Aber Albas Tyrannei trieb bald auch viele kleine 
Leute in die Fremde. Ihre Konkurrenz verminderte den Kölner 
Handwerkern den Verdienſt, ihre Zahl verteuerte die Lebensmittel; 
deshalb fanden Klerus und Univerfität beim gemeinen Wolfe 
kräftige Unterftügung, als fie im Jahre 1569 anfingen, auf Aus— 
treibung all dieſer fremden Keger hinzuarbeiten ). Die Univer- 
fität befam damals zu ihrer von alters vorherrſchenden Abneigung 
gegen jede religiöfe Neuerung noch ein bejonderes Intereſſe, gegen 


1) 25. Auguft 1570 fohreibt der Kölner Rat an Oranien u. a.: „das 
unfere burger auch, nit allein abgefonbert fonber ganze zumpften von wegen 
ber teurung, verhinberung burgerlicher narung gewerbs und hantwerken, fich 
irer [b. i. ber Fremden] beiwonung zum bogften und vilfältiglichen beklaget“. 
DillA. a. a. O. 

12* 


150 Dritte Bud. Erſtes Kapitel. 


die niederländischen Hüretifer energiich aufzutreten: — Auf Albas 
und Granvellas Rat hin Hatte König Philipp durch ein Plakat 
vom 4. März 1569 all feinen Unterthanen den Beſuch fremder 
Univerfitäten verboten. Für die Kölner Univerfität, welche von 
jeher zahlreihe Studenten aus den niederländischen Provinzen 
zählte, war das ein harter Schlag. Papft, Kaifer und katholiſche 
Fürſten jegte fie in Bewegung, um von Alba und König Philipp 
zu erlangen, daß Köln von dem allgemeinen Verbot ausgenommen 
werde. Als Gegendienft arbeitete fie hin auf die Ausmweifung der 
niederländiihen Proteftanten. Namentlich ſoll fid der Water 
Reidt in feiner einflugreihen Verwandtihaft dafür bemüht, auch 
zu den gemeinjamen Beratungen von Klerus und Univerfität über 
diefe Angelegenheit die Anregung gegeben haben. Andere Geiftlihe 
und Mitglieder der Univerfität wollten fid) dann von dem neuen 
Orden an Eifer gegen die Ketzer nicht überbieten lafjen. 

Es traf fih, daß in den Fahren 1570 und 1571 nicht der 
freifinnige Konſtantin von Lyskirchen, ſondern ein paar eifrig 
römiſch-⸗geſinnte Biürgermeifter im Amte waren. Die große Mehr- 
heit des Rates war den Keßern ohnehin abgemeigt; hatte man 
doch Ihon in den Jahren 1562 und 1564 beſchloſſen, alle Rats 
herren auf den alten fatholiihen Glauben zu vereidigen. Am 
21. Juli 1570 erging ein neues Dekret des Rates, welches 
allen niederländiihen Emigranten, die fi nicht der alten katho— 
liſchen Religion gemäß gehalten, ohne Rückſicht auf etwa erlangte 
Bürgerrecht gebot, bis zum 13. Auguft desjelben Jahres Die Stadt 
zu verlaſſen. Wergebens traten die gerade auf dem Gpeierer 
Reihstage verfammelten proteftantiihen Stände für ihre Glau— 
bensgenofjen ein. Es wurden ihrer wirklich angeblich mehrere 
Hundert ausgewiefen. Jedoch fanden ſich alsbald wieder neue 
zahlreiche Flüchtlinge in Köln ein; auch die heimlichen Konventifel 
begannen wieder. Bon neuem drängten deshalb Klerus und Uni— 
verfität den Rat, er folle die fremden Ketzer hinausſchaffen. Nun: 
mehr jchritt dieſer wirflih in einer Weiſe ein, welche damals in 
weiten Kreifen Auffehen erregte. Am Martinsabend 1571 ließ 


Die Stadt Köln um. das Jahr 1572. 181 


er in einem Haufe Unter Helmichläger durch jeine Gewaltrichter 
mit bewaffneter Hand ein geheimes Konventikel aufheben. Neun— 
zehn Perjonen, meiſt geborene Niederländer, aber in Köln einge: 
bürgert, mit ihnen der Prädifant, Herr Heinrih Bellenius, wur: 
den verhaftet, der Prädifant als geiftlihe Perfon den Erzbiſchof 
ausgeliefert, die anderen vom Rate felbft wegen Übertretung feiner 
Edikte und Morgenſprachen vor Gericht geftellt ). In aller Eile 
verwandten ſich die benachbarten evangelischen Fürften durch eigene 
Gejandte oder brieflih für ihre Glaubensgenoffen, aber ihr Hin- 
weis auf die angebliche Berlegung des Religionsfriedens wurde 
vom Rate ſcharf zurückgewieſen. Auch Kurfürft Salentin, bei dem 
fie wegen des Prädikanten Fürbitte einlegten, verbat fi jede 
Einmiſchung in feine Iandesherrlihe Dbrigfeit. Es verdroß ihn 
namentlih, daß fi die Gejandten herausgenommen hatten, dem 
Stadtrat wegen der Auslieferung des Bellenius Vorwürfe zu maden. 
Sedo übergab er diefen jpäter, nahdem man im gütlichen und 
peinlihen Verhör nicht viel herausgebracht, aus bejonderer Gunft 
feiner früheren Herrin, der Kurfürftin von der Pfalz. Die anderen 
Gefangenen wurden ſämtlich der Stadt verwieſen, jonft waren fie, 
nad) Berichten, die den beifiihen Landgrafen zugingen, „ganz 
fanftmütig ‘ behandelt worden, während die Kurpfälzer behaupteten, 
man habe mehrere hart gefoltert. Nachträglih richteten die drei 
weltlichen Kurfürften und einige andere evangeliche Fürften noch eine 
Beichwerde über das, was in Köln geſchehen war, und über aller- 
band andere Religionsbedrüdungen ihrer Glaubensgenoſſen an den 
Kaiſer; dagegen ließen der Trierer Kurfürſt und Herzog Alba die 
Stadt durch eigene Gejandte wiederholt ihres Beifalls verfichern. 

Schon im nächſten Jahre hören wir von neuen Klagen des 
Klerus und der Univerfität über den Übermut der Häretifer in 
der Stadt, und Ähnliches wiederholt ſich das ganze Jahrzehnt 


1) Ennen IV, 864 nennt ben Prädikanten „Heinrich von Velheim, auch 
Heinrich Roland genannt, aus dem Lüttichfchen, früher Kaplan beim Herrn von 
Breberode” ; in den cit. Alten beißt er regelmäßig: „Er (Herr) Heinrich Belle 
nius” ober „Bellen“, wohl nach feinem Heimatsort Wellen f. von Haflelt? 


182 Drittes Bud. Erſtes Kapitel. 


hindurch) bis zum Ausbrud des Kölnischen Krieges bald ftärker, 
bald ſchwächer, je nachdem die politischen Verhältniffe im Erzftift 
und in den Nahbarlanden den Mut der Neformierten in Köln 
hoben oder ſchwächten. Bon Zeit zu Zeit ftellte der Nat wieder 
einmal ein Beiſpiel auf an einem und dem anderen, der jeine Edikte 
zu offen übertreten oder auf eine neue Anregung bon auswärts 
hin. Im allgemeinen blieb alles beim alten. Die reformierte 
niederländiiche Gemeinde in Köln gab fih jogar gerade in jener 
Zeit der Verfolgung, im Jahre 1571, eine feite Organisation; — 
aber fie und die Proteftanten überhaupt blieben eine ſchwache 
Minderheit, welche nicht vermodte, das katholiſche Gepräge der 
Stadt zu verwiſchen. 


2. Kapitel. 
Kurfürſt Salentins Streit mit feinem Domkapitel. * 


Nicht erft in den nachfolgenden traurigen Zeiten des Kölniſchen 
Krieges, Tondern Schon während Salentins Regierung priefen Nahe— 
und Fernerftehende jeine trefflihe Verwaltung, die zur rechten 
Zeit zu jparen, am rechten Dit auszugeben veritand. Sein Eifer 
für das Beſte des Landes fiel um jo mehr auf, weil ihm, dem 
geiftlichen Fürften, die natürliche Sorge für die Nachkommen fein 


*QJuellen: Salentins Bauten und Einlöfungen find kurz zufammengeftellt 
bei Cratepolius, p. lölsg. ber Ausgabe von 1580. Daraus 
wohl bei Gelenius, p. 76sq. Weitere zeitgenöffiihe Zeugnifje für 
feine gute Regierung: Kleinforgen, Kirchengeſchichte von Weftfalen 
II, 424. 428. Kleinſorgen war bereit8 unter Salentin kurkölniſcher 
Rat. Isselt, Hist. sui temporis a. a. 1577 (p. 567sq. ber Ausg. 
von 1602). Späterhin wollte man wiſſen (Stieve, Akten des Dreißig- 
jährigen Krieges IV, 355, 1), das Stift habe Salentin täglich 400 
Goldgulden getragen. Über die fung von Erprath, Nebem, Brilon, 
besgleichen über Schulbentilgung manderlei in ben Domfap. - Brotof. 
DA. Über Haus Nette: Bärſch, Eiflia illustrata II. 1. 2. ©. 34. 
Das Bei Redlinghaufen und Kaiſerswerth behandle ich unten ein- 
gehend. 

Für Salentins Streit mit feinem Kapitel find die Domkap.-Protof. 
im DA. eine wertvolle, wenn auch einfeitige und Tüdenbafte Duelle. 
Namentlich fehlen mir bie mit dem Kaifer gewechfelten Schriften; mit- 
unter ift auch, 3. B. bei den Berbanblungen mit ben faiferlichen 
Kommifjaren im Juli 1571, auf ein mir nicht zu Geficht gelommenes 
befonderes Protofoll verwiefen. Gebrudt finde ih von bem in Betracht 


184 Drittes Buch. Zweites Kapitel. 


Bemweggrund fein konnte. Mehrfach begegnen wir jogar dem Arg— 
wohn, nur deshalb jorge Salentin jo gut für das Erzitift, um 
nachher für ſich deſto mehr Nuten herauszufchlagen ?). Während 
er durch jtattlihe Neubauten an den Schlöffern zu Bonn, Poppels- 
dorf, Brühl, Kaiferswerth, Arnsberg u. a. feiner Bauluft genug 
that, tilgte er gleichzeitig einen großen Zeil der ſchwebenden Stifts- 
ſchulden, ſammelte einen anjehnlihen Vorrat an Geld und Wertjachen 
und löfte mande von den Vorfahren verpfändete Güter und Ein- 
fünfte wieder ein: im rheiniſchen Stift außer dem bereit3 er— 
wähnten Erprath die Häuſer Nette bei Andernach und Wichterich 


fonimenden älteren Verträgen nur: 1) Vertrag zwiſchen Erzbifchof 
Dietrid und feinem Kapitel über den halben Zoll zu Bonn vom 
19. September 1454 im Archiv f. d. Gef. und Statiftil des Vater— 
fandes. Bonn 1785. I. Nr. 14. 2) Vereinbarung über Zons vom 
26. März 1463 bei Lacomblet, Urkundenbuch IV. Nr. 324. 
3) Verſchreibung bes Erzbifhofs Johann Gebhard betr. den Zoll zu 
Rheinberg vom 27. Zuli 1558 bei Lacomblet a. a. D., Nr. 561. 
Den Inhalt des wichtigen Bertrages von 1561 kann ih nur durch 
Kombination aus Art. 27 der Wahlkapitulation Salenting und Art. 28 
derjenigen feines Nachfolger8 angeben. — Über ven Landtag zu Bon 
Dftober 1572 einiges in einem Brief bes faiferlihen Kommifjars Ti— 
motheus Jung an H. Bayern StA. 229/10, fol. 367. Über den 
Landtag zu Köln Suni 1573: Giersberg, Das Erbmarſchallamt im 
ehemaligen Erzftift Köln. Niederrhein. Annalen, Heft 26 u. 27, 1874, 
S. 317 ff. — Über die proviforifche Einnahme von Zons durch Sa- 
fentin im November 1573 Notizen in Briefen Salentins an Graf 
Johann von Naſſau DillA. Fasc. C. 368 (f. Quellen zum folgenden 
Kapitel). 


1) In dem oben ©. 34 u. 97 angeführten Bebenfen bes trierifchen Rates 
Philipp von Naſſau aus dem Jahre 1569 kommt folgende Stelle vor: 
„Mus man geftan, das er in kurzer Zeit bem ftift zu mut fil gelt angelegt, 
ſchickt fi wol mit gelt ein vorrat ze machen. Da er fil gelt famelen wurt 
fo ift e8 fundig, das fein erbichaft gar befchwert und verſetzt, ift auch zu 
vermmten, wert im eher als einem frembben colligiren.” — 6. Suni 1575 
ſchreibt Requefens an König Philipp (Gachard 1. c. III, 319), man ver- 
fihere, der Kurfürft habe bereits fiir 300,000 Thaler Stiftsgüter eingelöft; 
wenn Salentin nicht vorhabe, das Erzftift erblich zur machen, würde er biefe 
Summe wohl eher zur Berbefferung feiner eigenen Erbgüter verwendet 


haben. 


Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domkapitel. 185 


im Amt Lehenih, Schloß und Stadt Ürdingen; in Weftfalen 
Prandihaften zu Brilon und zu Nehem; auch die weitaus wich— 
tigfte Löſung, die des Veſtes Redlinghaufen aus den Händen ver 
Grafen von Schauenburg, wurde von Salentin ſchon bald nad) 
Antritt der Regierung in Angriff genommen, jedod erit im Jahre 
1576 zu Ende geführt. 

Mit all diefen Löfungen, jowie mit dem umgelehrten Bes 
mühen, Stadt und Schloß Kaiſerswerth nicht jelbit an den Herzog 
bon Fülih durch Löjung zu verlieren, war das Domkapitel ganz 
einverftanden, half mitunter dazu durch Darleihen oder Bürgichaft. 
Aber bald kam Salentin mit feinem Beftreben, die landesherrlichen 
Einkünfte zu verbeffern, auch auf Dinge, wobei fein Kapitel und 
er nicht mehr gleiches Antereffe hatten. Der Eigenfinn und die 
Grobheit, womit er auch dem Kapitel gegenüber auf dem beitand, 
was er für jein Recht hielt, führte zu Zerwürfniſſen, wie jie er: 
bitterter feit hundert Fahren nicht dagewejen waren !). Schließ— 

Über Salentins nieverländifchen Feldzug im Jahre 1572: Groen 
van Prinsterer, Archives III, 443, 488sq.; IV, 8*, Gachard, 
Corr. de Philippe U., T. II, p. 271sqgq. 302. 354. Kluckhohn 
II, 491f. Isselt l. ce, a. a. 1572, p. 277 n. 288 ber Ausgabe 
von 1602. Patent des Kurfürften Salentin für feinen Rat und Amt» 
mann zu Od und Rheinbach Iohann von Brempt als obriften 
Lieutenant über 2400 Pferde, dat. Brül 17. Juli 1572 MA. Erzſt. 
Köln Ref. 1582/4. Korrefp. Albas und Scharberger8 mit Herzog 
Albrecht StA. 223/13, fol. 172 u. 224/5, fol. 211. 264ff. Timoth. 
Jung an Herzog Albredt, 15. Oktober 1572. StA. 229/10, fol. 360. 
Korreip. Herzog Albreht8 mit Kardinal Truchſeß RU Augsburg, 
Pb. V, ©. 120 und Wimmer a. a. O. ©. 114. — Korreſp. zwiſchen 
Sadien und Heſſen über die im Jahre 1572 beabfichtigte Werbung 
für Erzb. H. von Bremen, DrA. loc. 8926, fol. 1f. MA. Erzft. 
Köln 1574—1674, Fasc. 2 (Marb. Akten) und MA. R. 4. Schubt. 


Rep. II. Eell. 6. Bol. III. Köln. Sachen (Kafjeler Alten. MU. 
Biſch. Osmabrüd, fol. 44. 


. 1) Dies behauptet, ohne zu übertreiben, Erzb. Heinrich von Bremen in einem 
Brief an Kurfürft von Sachſen vom 5. Januar 1573: „Uber diefes ift gewiſſe 
war, das zwifchen bem erzbiihoffe zu Coln und dem tumbcapitel bofelbft 
gar groffe uneinigfeit und ſchwere mißverftentnus erwachfen ift, und wie uns 


156 Drittes Buch. Zweites Kapitel. 


ih mußte doch jein trogiger Eigenmwille an dem trägen aber 
zähen Widerftand einer vielföpfigen, durch allerhand geiftige Gegen- 
füge geipaltenen, aber durch gemeinfame materielle Intereſſen zus 
jammengehaltenen Korporation erlahmen. Die Folge war, daß 
mit Salentins Perſon zugleih wichtige allgemeine kirchliche und 
politiiche Intereſſen, zu deren Vertreter er ſich gemacht hatte, eine 
Niederlage erlitten. Hierdurch gewinnen diefe Irrungen eine über 
die Zerritorialgefhichte des Erzftift3 hinausreichende Wichtigkeit. 
Genaue Buchführung ift die Grundlage jeder mwirtichaftlichen 
Reform; darum nahm Salentin alsbald die Stiftsrechnungen zur 
Hand und jeßte, da er in ihnen Unordnung merkte, eine Rechen: 
fanımer ein, welche herausbradhte, daß wie anderwärts jo auch in 
der Abrehnung zwiſchen Erzbiihof und Kapitel nicht alles jo 
ihön ftimmte, wie e3 fjollte oder den Anfchein hatte. Seit den 
Zeiten des Erzbischofs Dietrid (von Mörs), d. i. feit der Mitte 
de3 15. Jahrhunderts, ftanden Erzbiihof und Kapitel mit einander 
in einer ziemlich verwidelten Rechnung. Während einer fünfzig— 
jährigen Regierung in fehdeluftiger Zeit hatte Dietrih an vielen 
Kriegshändeln teilgenommen, darum viele Schulden gemadt. Das 
Domkapitel trat für den regierenden Herrn als Bürge oder 
Hauptſchuldner ein und ließ fi dafür verichiedene Stiftseinfünfte 
verpfünden. So war ſchon zu Dietrichs Lebzeiten Kölner Bürgern, 


vertraulich zugefchrieben worben, fol der wieberwille bofelbft jo groß und be— 
ſchwerlich ſein, als innerhalb Hundert jaren von inen niemals ift gehoret 
worden.” Dr. a. a. O., fol. 72. — Die Irrung zwifhen Erzbifchof 
Hermann von Wied und feinem Kapitel, wiewohl fachlich wichtiger, nahm 
doch nie diefen Grab perſönlicher Gehäffigteit an; man wirb durch biefelbe 
an die Streitigkeiten zwiſchen Erzbifchof Ruprecht (1463—1480) unb feinem 
Kapitel erinnert. Bereit8 am 4. März 1571 ſchreibt Dr. Andreas Fab- 
rieius aus Köln an Kanzler Ed: Rmus nuper litem admodum gravem 
adversus capitulum instituit, in qua si triumphet, intelligo quod singulis 
canonicis centum aurei et ultra distrahentur. Unde hodie quidam vir 
prudens et gravis mihi amicus singularis narravit, capitulares ita Rm> 
affectos, quod optarent Pontificem uti suo jure et alterum in ejus locum 
substituere. StA. 38/4, fol. 110. 


Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 187 


den Ipäter jogen. alten Domrentnern, deren Hauptihuldner das 
Kapitel war, der halbe Zoll zu Bonn verihrieben worden, die 
Erhebung jedoch in Händen des Erzbiihofs geblieben. Während 
der Sedisvalanz nah Dietrih Tod (im Jahre 1463) hatte jo- 
dann das Domkapitel vereinbart, daß ihm für feine weiteren Vor— 
ſchüſſe Schloß, Stadt und Amt Zons (oberhalb Düffeldorf) mit 
dem von Neuß dahin verlegten Zoll eingeräumt werde. Aus 
ähnlihen Gründen mußten fpätere Erzbiihöfe aud einen Zeil 
der Rheinzölle zu Berd (Rheinberg) und Linz dem Kapitel ver= 
ichreiben. Salentins vorlegter Vorgänger, Johann Gebhard von 
Manzfeld, ein Verſchwender und jhlehter Wirtihafter, hatte ſich 
zuleßt, im Sabre 1561, wegen all diefer Schulden und Pfand: 
ſchaften auf einen Vertrag mit feinem Kapitel eingelaffen, deſſen 
wejentliche Beitimmungen aud in Art. 27 der Wahlkapitulation 
Salentins aufgenommen und jomit von diejem jelbjt zweimal, vor 
und nad der Wahl, beihworen worden waren. Der Inhalt 
diejes Vertrages ift etwa folgender: Zons bleibt in Händen des 
Kapitels; der Erzbiſchof veripriht jedoh, falls der dortige 
Zoll jährlid) nit 4985 Goldgulden aufbringt, das Mangelnde 
aus feinen eigenen Zöllen zu Linz, Bonn und Kaiferswerth zu 
deden; weitere Schulden, welche das Kapitel für Johann Geb: 
hard und jeine Vorgänger übernommen hat, werden mit jährlich 
8694 Goldgulden in gewilfen Raten aus den Zöllen Berd, Linz 
und Bonn und einer Abgabe vom Stift Münfter verzinft; aud) 
bier muß der Erzbiichor eintreten, fall die genannten Zollftätten 
nit jo viel tragen, um den Rentnern ihre fälligen Renten zu 
zahlen. — Salentins Reviſoren bradten nun heraus, daß die 
Abrechnung, auf Grund deren diefer Vertrag abgeſchloſſen, nicht 
in Drdnung ſei. Wiewohl Johann Gebhard erklärt habe, die 
Rechnung ſei von ihm geprüft und richtig befunden worden, jei 
dies in Wirklichkeit nicht der Fall gewefen. Auf diefe Darlegung 
bin forderte der Kurfürft im Januar 1570 das Kapitel auf, De— 
putierte zu ihm nad) Brühl oder Bonn abzuordnen, um gemein= 
ſam die alten Rechnungen und den Vertrag durchzugehen. Zugleich 


188 Dritte Bud. Zweites Kapitel. 


verlangte er Abrechnung über den halben Zoll zu Bonn, aus 
weldhem das Kapitel die Renten der alten Domrentner entrichtete. 
Verwalter diefer Domrente war ſeit längerer Zeit der Senior der 
Prieſterkanoniker Sebaftian Novimola (Nyermül) von Duisburg, 
welchem Salentin vielleiht von früher her grollte. Wenigſtens 
hatte ihm Novimola ſchon im Jahre 1568 bei der Löſung von 
Erprath Schwierigkeiten gemacht. 

Die Verhandlung zwiſchen Erzbiſchoff und Kapitel nahm 
glei) anfangs einen gereizten Zon an. Das Kapitel trat für 
Novimola ein, der nur mit ihm und nicht mit dem Kurfürften 
abrechnen wollte; es ſchickte zur verlangten Rebijion niemanden 
hinaus, jondern gab dem Kurfürſten anheim, im Kapitel jelbit 
etwaige Einreden gegen den Vertrag von 1561 borzubringen; es 
erinnerte ihn daran, daß er felbit in feiner Kapitulation den 
Vertrag beihworen habe u. f. wm. Dagegen verbot der Kurfürft 
jeinen Zöllnern, fernerhin Gefälle an das Kapitel abzuliefern; 
forderte Aufklärung über ſcharfe Worte, welche im Kapitel über 
ihn gefallen feten; redete öffentlich von jeltiamen Verträgen, mit 
welchen die Erzbiihöfe verftridt jeien; drohte, von dem Eid, den 
er habe ſchwören müſſen, der Hohen Obrigkeit Kenntnis zu 
geben. 

Der herannahende Reichstag verhütete zunächit weitere Wer: 
ihärfung des Streits. Auf einer Zufammenkunft Salentins mit 
einigen ihm geneigten Sapitularen in der Dechanei von St. Gereon 
(alio gleichſam auf neutralem Boden) fam man überein (am 
27. Juni 1570), die Sache bis nah dem Reichstag ruhen zu 
laſſen. Inbezug auf die hohen Koften der perſönlichen Teilnahme 
Salentins am Reichstag zeigte fih das Kapitel jogar ſehr freis 
gebig, — freilich nicht aus eigener Taſche. Man geftattete dem 
Kurfürften, das nötige Geld, gegen bloßen Schein, einem Vorrat zu 
entnehmen, welcher gemäß der Wahlkapitulation (Art. 40) zur 
Tilgung der ſchwebenden Forderungen Kölner Bürger, der fogen. 
Kreditoren und Fidejufforen, beftimmt war. 

Aber ihon beim nächſten Generalfapitel (im Januar 1571) 


Kurfürft Salentind Streit mit feinem Domtapitel. 189 


fam e3 zum offenen, fortan unheilbaren Bruch. Möglich, daß 
einzelne Kapitularen durch den Verdacht, Salentin begünftige 
Bayerns Bewerbung um die Koadjutorie und Succeifion, gereizt 
waren; entjcheidend für das Kapitel war jedenfalls die Schärfe, 
mit welcher der Kurfürft nunmehr feine Forderungen wegen Zons 
formulierte: entweder jolle man ihm alsbald über Zons ſowie 
über den halben Zoll zu Bonn Rechnung legen, oder aber Schloß 
und Zoll zu Zons ihm einräumen und mit Zumweifung der Ein- 
fünfte fid) begnügen. 

Dazu kamen Streitigkeiten um Nebendinge, die jedoch faft 
. mehr als die Hauptiadhe die Parteien gegen einander erbitterten. 
Salentin verlangte nämlid neuerdings, man folle Deputierte zu 
ihm heraus nad) Brühl jhiden, und ließ, da das wieder abgelehnt 
wurde, weil Kapitelsſachen vor diejes jelbit gehörten, dem Kapitel 
jagen, er müfle den Streit vor den Kaiſer bringen; außerdem 
forderte er einen Landtag. 

Die Verhandlung vor dem Kaiſer fcheute das Kapitel; deshalb 
ſchickte es jegt feinen Scholafter, den Straßburger Biihof, zum 
Kurfürften hinaus, um ſolche Weiterung zu verhüten. Aber 
Biſchof Johann fam nit nur ohne Erfolg, Tondern als er— 
bitterter Gegner Salentins zurüd. Wermutlih hatte diejer, im 
Zorne feiner Zunge niemals Meifter, den eitlen Herrn perſönlich 
beleidigt. Dem ganzen Kapitel lie der Kurfürft Tagen, etliche 
(ev meinte namentlid die Priefterfanoniker) hätten, ohne daß 
die Vornehmen im Kapitel darum gewußt, unredlid gehandelt. 
Nod einmal verſuchte das Kapitel ſich gütlih mit ihm zu ver- 
fändigen. Eine ftattlihe Deputation ging nad Brühl, auch 
fie ohne Erfolg. Ebenſo wenig fruchtete die Vermittelung des 
zufällig anweſenden alten Freiheren von Winneburg. Salen- 
tin beftand darauf, daß er den Streit vor den Kaiſer bringen 
müfle. 

Nun überwog aud) im Kapitel die jchroffere Meinung. Am 
14. Februar 1571 beihloffen einmütig alle Anweſenden, 13 Edel: 
herren und ſämtliche Priefterfanonifer, auger Dr. Godfrid Gropper, 


1% Drittes Buch. Zweites Kapitel. 


dem Rat und Vertrauten Salentins, „auf gebührlihe Gegenwehr 
gegen den Kurfürften ſich einzulaffen, und einer vom anderen nicht 
abzuſondern“. Dieſe Vereinbarung wurde ſchriftlich abgefaßt und, 
was ganz ungewöhnlich bei Kapitelsbeſchlüſſen, von ſämtlichen An— 
weſenden eigenhändig unterzeichnet. Zugleich richtete man eine 
Beſchwerde an den Kaiſer. Der Straßburger Biſchof übernahm 
es, beim Mainzer Kurfürſten und beim Kaiſer die Sache zu be— 
treiben. 

Im Sommer 1571 erſchienen daraufhin in Köln zwei kaiſerliche 
Kommifjare, ein Herr von Flerzheim und der Dr. Hegenmüller ; 
auch auf einem Landtag wurde über die Differenzen verhandelt. 
Näheres wiſſen wir nit; Erfolg hatten jedenfalls weder Kom— 
miffare noch Landtag. 

Darauf wurde, wie es im Reiche bei vderlei Händeln der 
Braud) war, über die Zonjer Sade in weitläufigen Schriften weiter 
verhandelt. Auf die an den Kaifer gerichtete Beſchwerde des 
Kapitel3 erließ der Kurfürft feine Replik, das Kapitel antwortete 
(Ende November 1571) mit einer Duplik. Dieje goß bon neuem 
DI ins Feuer. Denn Salentin behauptete, als fie ihm im Früh— 
jahr 1572 vor Augen kam, fie enthalte perſönliche Injurien, wegen 
deren ihm das Kapitel vor allem Abbitte leiften müſſe. Won 
acht Edelherren wollte er willen, fie hätten nichts damit zu thun, 
jondern die Siebenpriefter hätten von ſich aus die Injurien in die 
Duplik gejegt. Wir wiſſen die Worte, über melde Salentin fo 
erboft war, nicht genau, jondern nur im allgemeinen, daß ihm der 
Vorwurf gemacht war, er habe gegen jeinen Eid gehandelt. — 
Dielleiht war feine Empfindlichkeit auch dadurch gefteigert, daß 
ihm das Kapitel nad) langen Verhandlungen (im Mai 1572) die 
Löſung des Haufes Lar endgültig verweigerte. Anderjeit3 gab 
Salentin feinerfeit3 eben damals dem Kapitel neuen Grund zu 
Beihwerden durch feine Einmiſchung in die niederländiichen Kriegs: 
händel. 

Salentin war, wie wir wiſſen, ſeit Anfang des Jahres 1570 
Penſionär des ſpaniſchen Königs; bereits im Frühjahr 1671 war 


Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domtapitel. 191 


ihm die erite Jahrespenfion ausbezahlt worden, ein Beweis, daß 
die Spanier, jonft jehr unpünktlihe Zahler, auf diefe Verbindung 
Wert legten. Das folgende Jahr bot Anlaß, feine Kriegspdienfte in 
Anspruch zu nehmen. Die Einnahme von Briel durd) die Geufen, 
am 1. April 1572, hatte da3 Signal zum Aufitand der Nord- 
niederlande gegeben ; im folgenden Monat bemächtigte fi Graf Lud— 
wig von Naffau mit Hilfe franzöfiiher Galviniften der Stadt Mons 
im Hennegau; im Juli erichten Dranien mit deutſchem und nieder: 
ländifchem Kriegsvolf an der Maas; — fo von allen Seiten bedroht, 
beeilte fid) Alba, die deutſchen Penfionäre zum Anzug mit ihren 
beftallten Reitern und Knehten aufzumahnen. Gleich den Herzögen 
Adolf von Holftein, Franz von Lauenburg, Erih von Braun= 
ihmweig, Graf Otto von Schauenburg und anderen Herren folgte 
auch Salentin der Aufmahnung. Bereit3 im Juli waren von 
ihm 2000 Reiter unter feinem oberjten Nittmeifter Johann von 
Brempt im Antritt. Da Dranien Aufklärung forderte, ob er 
Erzitift und Domkapitel al3 feine Feinde zu betrachten habe, ließ 
Salentin dem Kapitel jagen: e3 habe mit dem Prinzen nichts zu 
ihaffen; er aber diene, nicht als Kurfürft von Köln fondern als 
Graf Iſenburg, auf Erjuhen des Kaifers, einem fremden Poten- 
taten, wie das einem jeden im Reiche freiftche. Außerdem habe 
er feinen Unterthanen nicht verboten, dem Prinzen zu dienen, fei 
alſo nicht deſſen Feind. 

Das Domkapitel entihuldigte ih bei Dranien, fo gut es 
eben ging, war aber keineswegs einverftanden mit diefer Einmiſchung 
jeines Hauptes in fremde Kriegshändel. Wie nahe lag die Ges 
fahr, daß dadurch aud das Erzitift aus feiner Neutralität geriffen 
und in die niederländiihen Unruhen vermwidelt wurde! Zudem 
verbot die Kurfürften-Einigung jedem ihrer Mitglieder, fremden 
Potentaten durch Penfion fi verwandt zu machen. Der Kaijer 
jeinerjeit3 verficherte, Salentin ſei gegen feinen Willen in ſpaniſche 
Kriegsdienfte getreten. — Übrigens verzögerte Salentin den An— 
ritt feiner Reiter, vielleicht um nit auf Kölner Gebiet mit dem 
Kriegsvolf des Prinzen zufammenzuftoßen. Nur ein paar Reiter 


192 Drittes Buch. Zweites Kapitel. 


und Wagen des Herrn von Brempt fielen Draniens Leuten in 
die Hände und mit ihnen Briefe Albas und Salentins, die dann 
der Pfälzer Kurfürft unter den proteftantiihen Ständen zirkulieven 
ließ, um aus ihrem Anhalt die Notwendigkeit eines evangelischen 
Defenſivbundes zu erweiſen. 

Anfangs September trafen Salentins Reiter im Lager vor 
Mons ein, mit ihnen der Kurfürſt ſelbſt, in einem Aufzug, welcher 
Albas Erſtaunen erregte. „Der Erzbiſchof“, ſchrieb Alba an 
König Philipp, „hat ſich bei mir eingefunden in voller Reiter— 
rüftung, Piſtolen an der Seite, fieht irgend einem feiner Neiter 
ganz glei; er jagt mir, er jei bereit, für Eure Majeftät zu fter- 
ben. Don Figur ift er ein gar flattlicher Herr und erbeut ſich 
body gegen Eure Majeſtät.“ ) Große Striegäthaten waren jedod) 
Salentin und feinen Neitern diesmal nicht beihieden, da Mons, 
nachdem Draniens Verſuch, die Stadt zu entiegen, kläglich mißglückt, 
bereit3 am 19. September fapitulierte. Salentins Reiter lagen 
nod einige Zeit zu Maeftriht in Bejakung und wurden dan, 
gegen Ende des Jahres, wie alle anderen deutichen Reiter verab- 
ſchiedet, jedoch in Wartegeld behalten. 

Salentins Anmwejenheit im Lager vor Mons benugten Alba 
und der deutiche Sekretär Scharberger, um mit ihm perjönlid) 
über die Succejfion in Köln zu ſprechen. Der Kurfürft verficherte, 
wie gewöhnlid, daß er in nicht gar langer Zeit reiignieren wolle, 
äußerte ſich auch ganz verbindlid über Herzog Ernſt von Bayern, 
auf beitimmte Zufagen ließ er ſich jedoch nit ein. Scharberger 
meinte, wenn man Salentin veripreche, ihn zu einem Dberften des 
Landsberger Bundes zu machen oder nad) der Refignation ihm eine 
Statthalterihaft in den Niederlanden zu geben, würde er jein Officium 








1) El se ha hallado comigo con su cosselete y pistoletes, como qual- 
quier de sus reystres, offreciendome de morir por V. Mad. Tiene muy buena 
persona de hombre y muestra grande afficion al servicio de V, Mad, 
Gachard 1. c. II, 277. Die Stelle ift aud) von Motley, The rise of 
the Dutch Republic, P. III, Ch. VII benutt. Motleys Angabe, Salentin 
babe dem Herzog geraten, eine Schlacht zu liefern, ftammt aus Bor, Nederl. 
Oorloghen VI, 13. 


Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 193 


um fo beſſer thun. Auf bayriiher Seite verhielt man fih auf— 
fallend fühl: man habe, hieß es, während Herzog Ernfts Kölner 
Nefidenz aus dem Benchmen der Domlapitularen und des Kur— 
fürften jelbft nur wenig Hoffnung auf Erfolg ſchöpfen können. — 
Auch Hier erinnern wir uns wieder, daß es Herzog Ernſt felbft 
war, auf den man damals in Münden am wenigften Hoffnung 
ſetzte. 

Wenn auch von dieſen Verhandlungen über die bayriſche 
Succeſſion nichts in die OÖffentlichkeit drang, genügte doch ſchon 
Salentins Kriegszug, um den Gerüchten von ſeiner baldigen Re— 
ſignation friſche Nahrung zu geben. In Rom wollte man damals 
wiſſen, Salentin werde ſich mit einer Tochter des bei Heyligerlee 
(im Fahre 1568) gefallenen Grafen von Arenberg verheiraten und 
deſſen Gouvernement Friesland erhalten. Kardinal Truchſeß riet 
ihon dem bayriſchen Herzog, nun ohne Säumen wieder um die 
Nahfolge in Köln anzuhalten. Entiprehende Wirkung übte das 
Gerücht im Lager der Gegner. Auf Antrieb des Bruders des 
Kölner Dompropftes, Ludwig Graf von Wittgenftein und des 
Statthalters zu Marburg, Burkart von Kram, wollten die heſſi— 
ſchen Landgrafen und Kurfürft Auguft von Sachſen den Erzbifchof 
Heinrich von Bremen, Augufts Schweiterfohn, der vor kurzem 
(am 23. Februar 1572) Domlapitular zu Köln geworden war, 
als Gegenkandidaten gegen den bayriichen Herzog unterftügen. Die 
anderen mutmaßlichen Bewerber, Anton von Schauenburg und 
Ehriftoph Ladislaus von Xhengen, hielt man nit für gefähr: 
ih. Ein ſächſiſcher und ein heſſiſcher Geſandter waren bereits 
unterwegs nah Köln, al3 ein Schreiben de3 Grafen von Witt: 
genftein die Gerüchte von Salentins Refignation für grundlos 
erklärte und der beabfidhtigten Werbung ein Ende madıte. 

Inzwiſchen war nämlich Salentin aus den Niederlanden zu— 
rückgelommen und auf einem im Dftober 1572 zu Bonn ab- 
gehaltenen Landtag in einer Weife aufgetreten, welde feinen 
Zweifel ließ, daß er nicht jo bald an Rücktritt denke. Über die 


Hauptvorlage des Landtags, die rüdjtändige Reichs- und Türken— 
Loffen, Köln. Krieg L 13 


194 Dritte8 Buch. Zweites Kapitel. 


fteuer, war man bereit im reinen, als der Kurfürſt jene Duplif 
de3 Kapitel mit den angeblichen Injurien, ſowie feine ebenfalls 
an den Kaiſer gerichtete Zriplif vor verjammelten Ständen und 
den anmejenden faiferlihen Kommiſſaren vorlefen ließ. Die 
Triplit Schloß ungefähr mit folgenden Worten, melde Kanzler 
Burkhart auf ausdrüdlihen Befehl feines Herrn auch noch mind- 
(id) wiederholen mußte: „Wer ihn, den Kurfürften zeihe, daß er 
wider feinen Eid gehandelt, der rede den Ungrund und nidht wie 
ein ehrliebender Mann. E3 jeien aud vordem etliche Kapitularen 
bei ihm geweſen und hätten fi entihuldigt, daß fie bon des 
Kapitels Erkufationg- oder Diffamationsihrift niht3 wüßten; dieſe 
und wer noch weiter fi entihuldigen werde, halte er, der Kur— 
fürft für entjehuldigt, die anderen aber für eben ſolche Leute, wo: 
für fie ihn ſelbſt ausgegoffen (verleumdet) hätten.‘ — Das Kapitel 
antwortete, von ihm jei nichts animo injuriandi geſchehen; es bat, 
der Kurfürft möge bis zu endlihem Austrag der Zonſer Sache 
nichts thätlich vornehmen. Auch die Faiferlihen Kommiſſare jpra= 
hen auf Erſuchen des Kapitel3 den Kurfürften deshalb an; ver 
aber lehnte jede Zujage ab: er könne nicht leiden, daß man eine 
ſolche furfürftlihe Reſidenz zu einem öffentlichen unzüchtigen Haus 
made. Er begehre niht3 al3 den bloßen Beſitz von Bons, die 
Nutznießung wolle er bis zum Austrag der Sade dem Kapitel 
lafjen. | 

Salentins grobes Auftreten machte diefen Austrag gewiß nicht 
leihter. Das Kapitel beharrte auf feinen durd den Vertrag von 
1561 erworbenen Redten. Es verwies die alten Domrentner, 
ſowie die Kreditoren und Fidejufforen, als fie wiederholt auf Grund 
der alten Verträge Zahlung forderten, an den Erzbiſchof, welchem 
man im vorigen Jahre die Überichüffe der alten Domrente ausge— 
händigt habe. Salentin ſeinerſeits jchidte die Abgeordneten des 
Kölner Rates, welche für ihre Mitbürger intercedierten, wieder an 
das Domkapitel zurüd. — Nachgiebiger zeigte fih das Kapitel in 
der Injurienſache, vielleicht beeinflußt dur die Haltung der welt: 
lihen Stiftsftände, melde, wie man erfuhr, in einem Schreiben 


Kurfürft Salentind Streit mit feinem Domtapitel. 1% 


an den Kaifer für Salentin Bartei genommen hatten. Am 
19. November 1572 ſchrieb das Kapitel an den Kurfürften, man 
babe nicht die Abficht gehabt, ihn zu injuriieren. — Was nun wies 
der dazwiſchen fiel, wiſſen wir nicht; jedenfalls war Salentins Zorn 
nicht beſchwichtigt. Anfang März 1573, als ihm der Kapitelbote 
einen die Streitfragen gar nicht betreffenden Brief des Kapitels 
in Kaiſerswerth überreichte, ſchickte er denſelben uneröffnet zurück. 
Er wolle, ſagte er in Gegenwart des Dr. Gotfrid Gropper und 
einiger anderen Räte, von feinen Ehrlojen Briefe empfangen, der 
Bote jolle fi) alsbald von dannen machen; hätte er, der Kurfürft, 
andere an gelegenem Drt, jo wolle er anders mit ihnen handeln. 
Um der immer wachlenden gegenfeitigen Verbitterung ein Ende 
zu machen, forderten im Mai 1573 einige hervorragende Mit- 
glieder der Ritterihaft, welche zugleich kurfürſtliche Räte waren, 
den Grafen Werner von Salm-Reifferiheid als Erbmarſchall auf, 
gemäß dem 15. Artikel der Erblandesvereinigung einen Landtag 
auszuſchreiben ). Das geihah. Der Landtag wurde im Juni 
zu Köln abgehalten; Deputierte des Kapitel3 waren zugegen, 
jedod nur ad audiendum. Durch fie ließen die weltlichen Land— 
ftände das Domkapitel auffordern, die Gebrechen wegen Zons und 
wegen der Injurien ihnen zur Dermittelung vorzulegen; aud) 
iollten, da etliche Kapitularen wegen der Injurien fich bereits per- 
ſönlich entichuldigt, die anderen das gleichfalls thun. — Das Kapitel 
nahm ſich Bedenkzeit bis zum 17. Auguft, auf welden Tag es 


1) Der betr. Artikel Tautet: „Item besgelichen off ſache were bat ebel- 
manne ritterfhaft aber ſtede fementlichen aber in fonderbeit van bem capittell 
umb redeliche urfache begerden oud in maiffen vurfchreven by eyn zo fomen, 
dat fall yn bat capittell nyet mweigeren; und off bat alfo geweigert wurde 
des doch nyet ſyn enjall, jo fall eyn erffmarſchalck bes fiycht van Eoelne 
die macht haven in gelicher maifjen 30 boyn, befielven ber marfchald nyet 
weigeren noch vertzoch machen fol.” Lacomblet IV, Nr. 325. — Giers- 
berg a. a. O., ©. 329 giebt einen Auszug aus dem Bebenfen ber brei 
abeligen Räte und Landſaſſen, Georg von ber Leien Lanbhofmeifter, Rutger 
von der Horft Marſchalk und Wilhelm von ber Horft Durmwerter [Thürwärter)], 
worin fie fiir nötig erklären, daß der Erbmarfchalt wegen der Zonfer Sade 
etliche Grafen, besgl. Ritterſchaft und Stäbte demnächſt nach Köln befchreibe. 

13* 


196 Dritte® Bud. Zweites Kapitel. 


alle feine Mitglieder wegen der Jrrungen mit dem Erzbiſchof be= 
rufen hatte. 

As am 21. Auguft die Beratungen im Kapitel begannen, 
ftanden id) unter den Anmejenden (neun Evdelherren und ſämt— 
liche Priefterfanonifer) zwei Parteien jchroff gegenüber, von denen 
die eine, geführt von dem Scholafter, Biihof Johann von Straß— 
burg, welchem ſich der Ehorbiihof Anton von Schauenburg, Graf 
Hermann Wolf von Solms, jowie die meiften Priefter, nament- 
ih der Senior Novimola, anjhloffen, von einer Entihuldigung 
der einzelnen Kapitularen nichts willen wollte; das Kapitel, jagte 
der Scholafter, beitehe aus Fürften und Grafen, wie zu anderen 
Zeiten jo jolle es auch jet feine Reputation wahren. 

Am eriten Zag bradte man es zu feinem gemeinjamen Be— 
ſchluß; aud am zweiten mußte dreimal umgefragt werden, bis es 
gelang, für eine Art Kompromiß, gegen das aber der Scholafter 
ausdrüdlich proteftierte, Majorität zu machen: es wurde nämlich 
jedem Einzelnen freigeftellt, fich jo zu entihuldigen, wie es das 
Kapitel bereit3 im allgemeinen gethan, daß man nämlich nit animo 
injuriandi gehandelt habe. Dagegen ſei am Inhalt der Duplik 
feftzuhalten und des Erzbiſchofs Einrede gegen den Vertrag von 
1561 abzuwarten. 

Deputierte des Kapitel3 zogen mit diefem Beſcheid zum Kur— 
fürjten hinaus, brachten aber die Antwort zurüd, Salentin jei 
mit diefer Entihuldigung nicht zufrieden; man möge nur die 
Prieſterkanoniker auf ihren Eid fragen, ob fie nit die Duplik 
bei jih zuhauje gehabt und bier die injuridien Worte — da 
der Kurfürft feinem Gelübde zumidergehandelt — hineingefegt 
hätten; auch beim Kaifer, an den die Duplik gerichtet, müſſe man 
fi) entichuldigen. In der Hauptſache erbot er fih, aus den alten 
Nehnungen von Erzbiſchof Antons Zeit an den SKapitelsgrafen 
nachzuweiſen, daß das Erzftift um etlihe taufend Gulden über: 
vorteilt fei und dak das Kapitel niht mit Zug und Recht den 
Zoll von Zons innehabe. 

Anfangs September beriet man nun bon neuem im Sapitel 


Kurfürft Salentins Streit mit feinem Domtapitel. 197 


und fam dem Kurfürften diesmal noch weiter entgegen. Nament— 
(ih gab fid) Dr. Gropper alle Mühe, feine Confratres mit feinem 
Herrn auszuſöhnen. Vermutlich fam ihm dabei die Abreife des 
Straßburger Biſchofs zuftatten. Im Auftrag des Kapitels ſetzte 
Gropper gemeinjam mit dem Kanzler und anderen furfürftlichen 
Räten eine Entihuldigung wegen der Injurien auf, welde nach— 
her vom Kapitel genehmigt und von Salentin acceptiert wurde. 
Nun hatte man fih noch darüber zu einigen, ob aud an den 
Kaiſer eine Entihuldigung zu richten jei. j 

In der Hauptſache dagegen, bei welcher Gotfrid Gropper auch 
die Hilfe feines Oheims, des damals als päpftlicher Nuntius in 
Köln verweilenden Dr. Kafpar Gropper, in Aniprud nahm, wurde 
fein Vergleich erzielt. Das Kapitel beftand darauf, daß dem 
Kurfürften die Laft des Beweiſes gegen feinen durch den Vertrag 
von 1561 anerkannten Befigitand obliege; der Erzbiſchof aber 
wollte, dag man ihm jofort Schloß, Stadt und Amt Zons ein- 
räume, während die Einkünfte bis zum Austrag dem Kapitel ver— 
bleiben jollten. 

Nod waren die Verhandlungen hierüber im Gang, als Sa— 
lentin durch einen Gewaltakt der rechtlichen Entiheidung vorgriff. 
In den erften Zagen des November (1573) erſchien er unver: 
ſehens mit feinem Gefolge zu Zons, wo bisher namens des Ka— 
pitel3 der Domdechant gebot, und ſchlug bier feinen Hofhalt auf, 
al3 wolle er von Schloß und Amt bleibenden Befik ergreifen. 
Man ziehe ihn, jagte er zu den Deputierten des Kapitels, ſchon 
allzu lange ohne Rejolution hin. — Im erften Augenblid der Be- 
ftürzung beihloß das Kapitel, wenn Salentin Zons nur als erz= 
biſchöfliches Offenhaus betrachte, ihm den Aufenthalt dafelbit nicht 
zu wehren, und proteftierte nur, daß es feinen Rechten dadurch 
nichts vergeben wolle. 

Jedoch zog der Kurfürft Sehr bald wieder ab von Zong, 
worauf aud) die Verhandlungen über die Entichuldigung wieder auf: 
genommen und, joviel wir jehen, faſt bis zur Verftändigung geführt 
wurden. Im Laufe des Dezember wurde aud über den Vertrag 


198 Dritte Buch. Zweites Kapitel. 


von 1561 zwiſchen dem Kapitel und furfürftlichen Räten eingehend 
verhandelt. Das Hauptargument der legteren war immer wieder, 
Salentin fei nicht verpflichtet, einen Vertrag zu halten, der durch 
Dolus zuftande gefommen und von ihm nur infolge groben Irr— 
tums beihworen worden ſei. Daß Dolus vorliege, behauptete 
bon den alten kurkölniſchen Räten namentlih Dr. Slafer, während 
von den Kapitularen namentlich der Senior Novimola e3 leugnete. 
Die Präfumption war jedenfalls für das Kapitel. 

Im Dezember ermannte fi endlih auch das Kapitel, geftützt 
auf ausführlihe Gutachten feiner Rechtsbeiſtände und nad) Zu— 
ziehung des Dompropftes, aus dem bloßen Wortftreit herauszu- 
treten: Stadt, Schloß und Zoll zu Zons follten in Verwahr ge— 
nommen werden. Da der Domdehant Bedenken trug, dieſem 
Auftrag ſich zu unterziehen, und andeutete, daß er jelbit eheſtens re— 
fignieven wolle, bat das Kapitel den jungen Herzog Friedrih von 
Lauenburg, Bruder des Bremer Erzbiihofs, der erſt vor kurzem 
(23. September d. J.) Domlapitular geworden, gemeinfam mit 
Hermann Adolf von Solms Zons zu verwahren; die Amtleute 
und Unterthanen dafelbft und in den anderen bisher vom Doms 
dechanten verwalteten Ämtern wurden neu beeidigt, auf Anfang 
März alle abwejenden Kapitularen bejchrieben und endlid der - 
Kaifer von neuem und dringend um Schuß gegen den Erzbiſchof 
angerufen "). 

Salentin jeinerjeits ſchien einem Einjchreiten des Kaiſers wie 
aud des Papftes mit voller Ruhe entgegenzufehen. Schon im 


1) In meinem Auszug aus ben Domtfap.-PBrotofollen finde ih zwar 
fein Schreiben berart an den Kaifer notiert, wohl aber unterm 9. März 
1573: „D. Subdecanus refert, das Rmus ſich erclert, das ab Eaejarem a 
Capitulo Binder irer curf. ©. Her [chreiben] aufgangen, und das irer curf. 
©. begeren fei, das ein jeber capitularher ſich erclere, ob er bei ſollichem 
ſchreiben gemwefen oder nit.” — Das kann ih im Zufammenhang mit wei- 
teren Notizen (vgl. Protof. zum 21. Februar 1574) nur fo verftehen, daß 
das Kapitel, unter Verzicht auf bie bisherige gütliche Verhandlung, ben Kaifer 
gebeten hatte, durch eine Kommiffion zwifchen ihm und dem Kurfürften zu 
entſcheiden. 


Kurfürft Salenting Streit mit feinem Domtapitel. 1% 


November hatte er in Zons den Deputierten des Kapitels u. a. 
erklärt: „Sie follten nur hinlaufen wohin fie wollten, zu Papſt 
oder Kaifer, überall jei ein Riegel vorgefhoben.‘ ) — War das 
leere Prahlerei, oder hatte er wirklid Grund, alfo auf die Hilfe 
der höchſten geiftlihen und wmeltlihen Dbrigfeit zu pochen? — 
War's doch noch nit lange ber, daß der Papft ihn felbft 
hatte abjegen wollen, und nod vor Jahresfriſt hatte der Kaifer 
vor Kapitel und Landftänden fein Verhalten offen mißbilligen 
lafien! — Wir verlaffen bier, auf feinem Höhepunkt, Salentins 
Streit mit feinem Kapitel für einige Zeit, um zu fehen, melde 
Stellung der Kurfürft damals zu Kaifer und Neid), zu Rom und 
Roms Feinden einnahın. 


1) „Muchte capitulum binlauffen wor fie wollen, zum pabft, zum feifer, 
fei ein fted darfür geftochen.“ Protof. zum 6. Nov. 1573 DU. 


3. Kapitel. 
Kurfürſt Solentin und das Haus Nafan.* 


As Pius V. zur Zeit des Speirer Reichstags durd) den 
Herzog von Alba fi bewegen ließ, von feindfeligen Schritten gegen 
den Ermwählten von Köln vorläufig abzuftehen, fehlte viel, daß man 
zu Rom mit Salentins Verhalten zufrieden gewefen wäre. Wir 
erjehen das aus Briefen des Kardinal von Augsburg, der unter 
Pius V. zwar jelbft nicht viel Einfluß hatte, aber immerhin ein 
getreues Echo der an der Kurie herrichenden Stimmung war. Es 
jei zu erbarmen, jchrieb er am 1. Dezember 1571 an den Herzog 
von Bayern, dab das gewaltige Stift Köln alſo in Ungehorfam 


* Quellen: I. Über Kurfürft Salenting Verhältnis zur Kurie einzelnes in 
ben bereit8 citierten Altenbänden: RA. Hochſt. Augsburg IV. u. 
V. StA. 224/2 bis 5. Ferner DA. Domtap.-Prot. Über die Nuntien 
Porzia und Gropper: Theiner, Ann. eccl. I passim; vgl. Maffei, 
Annali di Gregorio XIII. I, 77 u. 135sqg. Biographiſches über 
die Familie Gropper in der ©. 177 citierten Vorrede von Habbiug; 
vgl. Hartzheim l. c., p. 175 sgg. 

II. Über die Rivalität der Häufer Ofterreih und Frankreich bei ber 
Bewerbung um bie polnifche und um bie Kaifer-Krone 1572—1574, und 
befonders über ben Zufammenbang der nieberländifchen Kriegshändel 
mit berfelben orientiert am beſten Groen van Prinsterer, 
Archives IV; vgl. das VIII, 479sqqg. abgebrudte Memorial über 
die vom Haufe Dillenburg dem Haufe Breda (Dranien) und ben 
Niederlanden geleifteten Dienfte. Das fonft tüchtige Bud) des Marquis 
beNoailles: „Henri de Valois et la Pologne en 1572“ (3 vol., Paris 
1867) führt im dieſer Hinficht nicht mwefentlih über Groen van Prin- 
fterer hinaus. Einzelnes bei Kluckhohn, Bd. II, und bei Gachard, 


Kurfürft Salentin und bas Haus Nafjau. 201 


gegen den römiſchen Stuhl verharre; der jegige Elektus werde 
aber gewiß zu jeiner Zeit Gottes Strafe empfangen. Und nod 
im uni 1572, aljo zur jelben Zeit, da Salentin ſich anſchickte, 
dem Herzog von Alba feine Reiter zuzuführen, meinte der Kar— 
dinal, Salentin warte nur auf den Ausgang des oraniſchen Kriegs- 
zuges, um je nachdem jein Stift zu fäkularifieren. 

Auch am Brüffeler Hof, wo man fonft beifer Beicheid mußte 
al3 in Rom, gingen über Salentin ſehr wideriprechende Gerüchte. 
Einmal (im Winter 1570 auf 1571) hieß es, der Kurfürſt wolle 
eine Pfalzgräfin heiraten und trogdem Kurfürft bleiben; Ende des 
Jahres 1571 dagegen, Salentin, wiewohl mehr zum weltlichen Stand, 
beionder3 zur Neiterei, geneigt, denke doch daran, feinen jegigen 
Stand fortzufeßen, bevorab wenn der Papft das Pallium oder viel- 
leiht das Jurament befjer faufgeben (billiger verkaufen) wolle. 

AM diefen Gerüchten braucht nicht viel Thatſächliches zugrunde 
zu liegen: fie famen vielleicht gerade darum in Umlauf, weil Sa- 
lentin nichts that und die Leute reden ließ. Wichtig urteilt der 
Brüffeler Sekretär Scharberger im Januar 1572: jo lange man 
bon der Häupter wegen aljo zujehe, werde man fi auch auf der 
anderen Seite deſto weniger eilen. 

Darüber ftarb Papft Pius V. und erfolgte in Rom jener 


Corresp. de Phil., II, 397; vgl. III, 140. Was ich über 
Salenting Anteil an den nieberländifch = franzöfifhen Händeln der 
Jahre 1572—1574 Neues gebe, verdanfe ich faft ganz dem DIMN. 
Fasc. C. 368, welcher u. a. ben größten Zeil ber geheimen Korre— 
fpondenz Salenting mit Graf Johann von Naffan enthält. Einzelne 
Ergänzungen auch Dill. Korrefp. 1573—1575 und MU. Köln 1515 
bis 1580, fol. 431. Jene geheime Korrefpondenz ift großenteils nicht, 
mitunter auch (abfichtlih ?) falfch datiert; doch Hoffe ich meiftens das 
richtige Datum herftellen zu können. Diefelbe dauert fort bis in das 
Jahr 1576. — Über die religidg-politifhen Beſtrebungen der Wetter- 
auer Grafen im allgemeinen 3. Arnoldi, Aufllärungen in db. Geſch. 
bes d. Neichsgrafenftandes, Marburg 1802 (aus Dillend. Arhivalien). 
Für die Zeit feit dem Jahre 1566 Meifnerd Relation vom Augsb. 
Reihstag bei H. Chr. Sendenberg, Sammlung von ungebrudt- 
und raren Schriften I, 212. Weiteres Archivalifche (von Arnoldi 
nicht benutzt) Dill A. C. 372. Bol. Quellen zum 5. Bud, 1. Kap. 


202 Dritte Buch. Drittes Kapitel. 


Syſtemwechſel, deijen wejentlichiten Zug, das Beſtreben, die Fürften 
durch ihren perſönlichen Vorteil an die römische Kirche zu fnüpfen, 
wir bereit3 fennen gelernt haben. Im Juni 1573 ordnete Gre— 
gor XII. zwei außerordentlihe Nuntien nad Deutſchland ab, den 
einen, Graf Porzia, nad) Dberdeutichland, den anderen, Dr. Kaſpar 
Gropper, zu den katholiſch gebliebenen Ständen in Franken, am 
Rhein, in Niederdeutichland. Im allgemeinen hatten beide Befehl, 
die Publikation und Exekution der Trienter Konzilsbeihlüffe zu 
betreiben, daneben dann eine Menge von befonderen Aufträgen 
für einzelne Reichsftände und BPerfonen. Mit dem Erwählten 
von Köln jollte Gropper hauptſächlich die Konfirmationsangelegen- 
heit ordnen. 

Der Unterhändler, ein jüngerer Bruder des berühmten im 
Fahre 1559 zu Rom verftorbenen Theologen Dr. Johann Gropper 
und jein Nachfolger als Propft und Ardidiafon von Bonn, war 
gut gewählt, da er gewiſſermaßen mit einem Fuß im Erzſtift 
Köln, mit dem anderen, al3 Aupditor der Rota, in der Kurie 
ftand. Zudem machte ihn fein nachgiebiges Zemperament jowie 
feine Empfänglichfeit für Geſchenke zum Vermittler wohl geeignet. 
Bereit3 im Jahre 1568 hatte er fi als Salentins Sollicitator 
um deſſen Konfirmation bemüht. Jetzt kam ihm zugut, daß jein 
eigener Neffe, Dr. Gotfrid Gropper, Dedant von St. Marien 
ad gradus, Scholaftifus von St. Gereon und BPriefterfanonifus 
am hohen Dom zu Köln, Salentins vertrautefter Rat war ?). 
Wie Gotfrid Gropper bei dem Streit um den Zoll von Zons 
feinen Oheim, den Nuntius, zurate zog, fo wird er dieſem ſeiner— 
ſeits als Gehilfe bei den Verhandlungen über die Konfirmation 
gedient haben. 

Den eriten Anlaß, die Berhandlungen wieder aufzunehmen, 


1) Vgl. oben ©. 32 Anm. In dem oben ©. 153 Anm. angeführten 
Eolloquium rühmt Grapheus von Dr. Gotfrid Gropper: 
Groppere, salubri 
Consilio qui primus ades: te docta Minerva 
Erudiit, tibi sacrosancta volumina legum 
Nosse dedit, Sophiae jocundos ire per hortos. 


Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 203 


bot die zunächft vom Domkapitel, ſodann auch von Salentin jelbft 
an den neuen Papſt gerichtete Bitte um endlihe Konfirmation 
de3 jo lange ſchon defignierten Weihbiſchofs Dr. Theobald Craſchel. 
Gregor XIH. berief ji wieder auf den von Pius V. aufgeftellten 
Satz, daß man feinen Suffragan, d. i. Gehilfen des Erzbiſchofs 
machen könne, ehe man einen Erzbiihof habe, des letzteren Bes 
ftätigung alfo vorausgehen müſſe. Bereits im Dezember 1572 
ging in Brüffel das Gerücht, der Kurfürft habe nun aud um 
jeine eigene Konfirmation nad Rom geſchrieben. Scharberger wollte 
zwar nit daran glauben — hatte er doch jüngft mit eigenen 
Augen gejehen, wie wenig vom Geiftlihen Salentin an ſich hatte. 
Das bewies jedod) nichts; fraglich war vielmehr nur, ob man fi 
in Rom und Köln über die Bedingungen der Konfirmation einigen 
fonnte ). Pius V. hatte zwei Bedingungen als unerläßlich auf: 
gejtellt: Den Zrienter Eid und die Prieiterweihe. Die zweite 
ließ Gregor fallen; er veriprad auf einige Zeit zu Dispenfieren. 
Damit fiel Salentins Hauptanftand. Denn er wollte zwar fatho= 
lic bleiben, aber jedenfalls heiraten; wurde er Priefter, jo mußte 
er auf Erhaltung feines Stammes verzihten. Seine Bedenken 
gegen den Zrienter Eid, von Anfang an mehr gegen die formelle 
Neuerung al3 gegen den Inhalt gerichtet, find vielleicht durch den 
Kaifer gehoben worden. WMarimilian hatte ja ſchon dem Vor— 


1) 15. November 1572 bewilligt das Domkapitel bem befignierten Weih- 
bifhof ein Fürfchreiben an ven Papft, 29. November 1572 wird basjelbe 
ausgefertigt. DA. Domlap.-Prot. 7. Mai 1573 fchreibt Salentin deshalb 
an Gregor XIII. Theiner |. c., p. 112. Zum 26. Oftober 1573 notiert 
das Protokoll aus dem erften Vortrag des Nuntius Gropper im Kapitel: 
Capitulum seripsisse quidem Pontifici de suffraganeo, quae literae fue- 
runt quidem Pontifici gratae, sed doluisse, quod non potuerit gratificari ; 
nec enim posse suffraganeum dari, nisi sit cui suffragetur. Itaque Rmum 
eommonendum, ut is quemadmodum confirmationem petiit, ita eam pro- 
sequi velit. Egit nuncius cum D. Rmo et sperat ipsum et suffraganeum 
confirmandum; si non succedat, aget cum capitulo latius. Bgl. oben 
©. 45. Steph. Ifaac, Hiftoria BL. 245 behauptet, Erafchel fei wegen 
der Religion den Jeſuiten verbächtig gewefen und deshalb lange Zeit unbe- 
ftätigt geblieben. 


204 Drittes Buch. Drittes Kapitel. 


gänger Friedrih von Wied geraten, den Eid zu leiften, wie konnte 
er jegt abraten? Die Sache wurde übrigens ziemlich geheim be= 
handelt. Wir wiſſen nur ſoviel, daß die Urkunde über den Trienter 
Eid, von Salentin eigenhändig unterjchrieben, durch den Wiener 
Nuntius Johann Delfino nah Rom übermittelt wurde. Späte: 
ſtens im Dezember 1573 muß fie bier eingetroffen fein, denn 
bereit3 am 19. d. Mts. erfolgte Salentins Konfirmation ). Von 
diejem Tage ift wenigftens das Breve datiert, worin Gregor dem 
Erzbiſchof mitteilt, daß er mit Zuftimmung aller Kardinäle des 
Konfiftoriums ihn beftätigt habe, wegen der bisherigen Nutznießung 
der erzbiihöflichen Einkünfte dispenfiere und ihm gejtatte, während 
eines Jahres ungeweiht zu bleiben. Zugleich veriprad der Papft 
den gewünſchten MWeihbiihof zu geben und ermahnte da3 Dom— 
fapitel, feinen nunmehrigen Erzbiihof in Erfüllung der Pflichten 
feines Amtes zu unterftügen. Die Zare für Konfirmation und 
Pallium wurde dem Erzbiihof ganz erlaffen; nur für die Expe— 
dition der Bullen u. dal. verblieben einige Koften, welche aber 
jedenfall3 viel weniger betrugen al3 das Subsidium caritativum, 
d. i. die Beifteuer, melde nah altem Braud) und Recht jeder be— 
ftätigte Erzbiihof von feinem Klerus fordern durfte). Für den 


1) Das Breve vom 19. Dezember 1573 bei Theiner, p. 113. Am 
31. Dezember 1573 ſchickt der bayrifche Agent zu Wien, 2. Haberftod, an Her- 
zog Albrecht eine Kopie der von Kurfürft Salentin abgelegten Profeffio fidei 
und bemerkt dazu, eine gute Perfon (der Nuntius felbft?) Habe ihn dieſelbe 
im gebeimften Vertrauen während ber Nacht abfchreiben laſſen. StA. 9/3, 
fol. 174. Die Formel ift die gewöhnliche, nur ift (wenigftens in Haberſtocks 
Kopie) die Nennung ber Zrienter Synode vermieden. 9. Januar 1574 
ſchreibt Dr. Bieheufer aus Wien an Herzog Albredt: „Sovil den erz=- 
biſchoffen zue Cöln curf. betrift, feint ier 8. Mt das die profeffio fidei zue 
ber bäbftlihen Ht beniegen bejchehen und fein curf. G. drauf confirmiert 
worben, gift und gar wol zefriden.” StA. 230/83, fol. 220. 

2) Erft am 7. Juli 1574 läßt Salentin durch Gotfrid Gropper dem 
Domkapitel feine Konfirmation anzeigen und zugleih um das Subſidium 
caritativum anhalten. Vermutlich waren alfo damals erft die erforberlichen 
Bullen eingetroffen. Die Verhandlungen mit dem Klerus über das Sub- 
fidium caritativum wurden im Januar 1575 zur Aufriebenheit des Erz- 
biſchofs beenbigt. 


Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 205 


gutrechnenden Salentin wurde jomit die Konfirmation obendrein 
ein gutes Geſchäft. Der Hauptgrund der ungewöhnlichen Groß— 
mut der Kurie war ohne Zweifel der Wunſch und die Hoffnung, 
durch Salentins Hilfe einen dem römiſchen Stuhl genehmen Nach— 
folger auf den Kölner Biſchofsſitz zu bringen !). 

Im Vertrauen alfo auf die bevorftehende Konfirmation hatte 
Salentin im November 1573 über die von feinem Domkapitel auf 
den Bapft gefegte Hoffnung geipottet. Von Kaifer Marimilian aber 
durfte er vermutlich wegen feiner Haltung in der Frage der fünf: 
tigen römiſchen Königswahl Gegendienfte erwarten. 

Schon zur Zeit des Speirer Neihstages und ſpäter wieders 
holt hatten einfihtige Beobachter (zuevft Chantonay, dann Schar— 
berger) fid) Salentins Zaudern mit der Refignation durch Rüd- 
fihten auf die römische Königswahl erklärt. Wiewohl Kaifer 
Marimilian erft einige vierzig Jahre alt war, ließen ſchwere 
förperlihe Leiden feinen frühen Tod vorausjehen. Darum lag 
ihm daran, beizeiten jeinem jet etwa zwanzigjähtigen älteften 


1) 28. Auguft 1573 fchreibt Dr. Fabricius aus Subiaco an Herzog 
Albrecht, der Karbinal von Trient habe ihm auf feine Frage, warum Papft 
und Karbinäle Herzog Ernſts Sendung nad Rom wünfchten, geantwortet: 
Sedem Aplicam serio cogitare de majoribus ornamentis vestri filii, atque 
ut hoc tutiori conscientia aliquando fieri possit, ipsam velle ex ejus mo- 
ribus et studiis coram cognoscere, quanta spes in illo reponi debeat. 
Fabricius fährt fort: Scio ego quare potissimum Gropperus mittatur nun- 
cius in Germaniam. Multis sane egi cum S. Ste de eo negotio quod a 
nobis Spirae apud Caesarem et alios tractatum est, et quanta pericula, 
nisi tempestive occurratur, hinc expetenda sint, ita exposui, ut qua 
parte major erat securitas ea parte plurimum advigilari incipiatur. RU. 
Hreifing Nr. 78, fol. 68; vgl. oben ©. 150. Als der Nuntius Porzia -im 
Oltober 1573 nah Münden kam, ſprach er bem Herzog von dem großen Ver— 
langen ©. Ht: a gratificarla... o nella persona sua o ne’ figliuoli Illmi,.. 
di che sicome n'havea havuto qualche segno nella habilitä a conseguire il 
vescovato Hildesemense, cosi si promettesse di; vederle piu apparente, pre- 
sentandosi l’occasione nell’ arcivescovato di Colonia. Theiner I, 525. 
In der offiziellen Faſſung des Vortrags Porzias bei Aretin, Bayerns 
ausw. Verh., Urk. S. 17, ift dieſe Abficht inbezug auf Köln, jedenfall nur 
um fie befier geheim zu halten, nicht erwähnt. 


206 Drittes Bud. Drittes Kapitel. 


Sohn Rudolf die Nachfolge im Kaifertum zu fichern. Ander- 
ſeits juchten ſchon ſeit 1571 franzöfiiche Agenten bei einzelnen 
deutihen Fürften herauszufühlen, ob nicht ihrem Königshaufe, dem 
Erbfeind des Haufes OÖſterreich, diesmal die Kaiferwürde zufallen 
könne. Nur für kurze Zeit gerieten infolge der Bartholomäus= 
nacht diefe franzöfiihen Praltiken ins Stoden. Die fortdauernde 
Bewerbung des Herzogs Heinrid) von Anjou um die dur den 
Tod des lekten Fagellonenfönigs (Juli 1572) freigewordene pol- 
niihe Krone bot neuen Anlaß, aud von der römischen Königs- 
wahl wieder mit den deutihen Fürften zu ſprechen. Ohne Zweifel 
wußte Marimilian um dieſe franzöjiihen Umtriebe gegen fein 
Haus. Hatte man doc auch feinen guten Freund, den Kurfürften 
Auguft von Sachſen, bereit3 um jeine Stimme für Frankreich an= 
geiprodhen. Zu Anfang des Jahres 1573 kam Auguft perjönlic) 
zum Saifer nah Wien. Nachher finden wir ihn als entichiedenen 
Gegner der franzöfiihen und Freund der öfterreihiichen Bewerbung 
um die polnische Krone. Vermutlich fiherte ih Marimilian 
gleichzeitig Schon feine Stimme für die Wahl Rudolfs zum rö— 
miihen König. Nicht minder wahrſcheinlich, wenngleich noch nicht 
aftenmäßig nachgewieſen ift, daß auch mit anderen den Haufe 
Dfterreih von vornherein wohlgeneigten Kurfürften, zunächſt etwa 
mit dem Brandenburger, dann mit Salentin von Köln, jhon in 
den Jahren 1572 und 1573 derartige Abreden im Werk waren. 
Mir vermuten weiter, jedocd weniger zuverläffig, daß mit Salen— 
tins Beziehungen zum Kaiſer auch feine jekige Haltung in den 
niederländiihen Händeln zujammenhängt. 

Seit dem Beginn der niederländischen Unruhen und immer 
mehr, je mehr Albas Zyrannei die deutihen Stände, namentlich) 
die evangeliichen, beichädigte oder beunruhigte, hatte Kaiſer Maxi— 
milian zu vermitteln geſucht. Im Jahre 1572, als die Ein- 
miſchung der Franzofen die Gefahr erkennen ließ, daß die bur— 
gundiichen Exblande dem Haufe Dfterreih ganz entriffen werden 
könnten, und al3 zugleih Alba, die Ohnmacht feines Schredens= 
ſyſtems erfennend, jeine Entlafjung von König Philipp forderte, 


Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 207 


nahm Maximilian die Gelegenheit wahr, ji neuerdings als 
Vermittler anzubieten und darauf hinzuweiſen, daß der König 
durch Ernennung eines der Brüder oder Söhne des Kaifers zu 
feinem Statthalter die Gemüter in den Niederlanden verjühnen 
lkönne. Vielleiht auf Wunſch des Kaifers, vielleiht auch aus 
eigenem Antrieb — denn auch jeine Lande litten unter dem 
Kriege — ſandte Kurfürft Salentin im Juli 1573 feinen Oberft 
Hans Brempt zu Alba und erbot fi zwiſchen Dranien und dem 
König zu vermitteln. Seltſam genug, gerade Salentin, deſſen 
Reiter nod) vor wenigen Monaten gegen Dranien im Felde gelegen 
hatten, in diefer Rolle zu jehen! Da auf ein älteres freund- 
Ihaftliches Verhältnis zu Dranien nichts Hindeutet, jehen wir ung 
zur Erklärung auf das wenige bingewiejen, was wir über Sa— 
Ientins bisherige Beziehungen zu Draniens Brüdern, den Grafen 
von Naflau, wiſſen. 

In perfönlihem Verkehr mit diefen, von den allerwärts üb: 
lihen Grenzirrungen abgefehen, finden wir den Kurfürften zuerft 
in Dftober 1572. Damals hatten die Reiter des Herzogs Eric) 
von Braunſchweig auf ihrem Anritt nad) den Niederlanden bei 
der weſtfäliſchen Stadt Drolshagen, auf Kölner Gebiet, ſieben 
oder acht Stück Geſchütz weggenommen, melde Eigentum des 
Grafen Johann von Naſſau waren. Auf Sohanns Bitte jete 
Salentin duch, daß Herzog Erich dieſes Geihüg ihm in Vers 
wahr lief. Einige Monate jpäter erihien Graf Johann mit 
jeinem jüngeren Bruder Heinrich zu Arnsberg, wo fie vom Fur: 
fürften jehr gnädig aufgenommen und mit den kurkölniſchen Lehen 
des Hauſes Naffau belehnt wurden !). Ber diefem Anlaß ermwiejen 
die Grafen ihrerjeit3 einem Manne einen Dienft, der bei Salentin 
in großer Gunft ftand, dem kölniſchen Marihall Rutger von der. 
Horft. Diefer war mit feinen Brüdern Dietrih und Heinrid an 
einem großen Salzhandel beteiligt, welder von Friesland aus 


1) Die tölnifchen Lehen des Haufes Naffau find verzeichnet bei Yacoın- 
blet, Archiv IV, 405. 


208 Dritte Bud. Drittes Kapitel. 


nad dem Rhein und anderen Gegenden hin betrieben wurde. Die 
Grafen verwandten ſich num bei ihrem Bruder, dem Prinzen, jehr 
warm dafür, dak man von niederländiiher Seite dem Verſand 
jenes Salzes nichts in den Weg lege, um fo jenen wichtigen 
Mann aud fernerhin dem Haufe Naffau wohlgeneigt zu erhalten ?). 
Seitdem erjheint Rutger von der Horſt mehrfach als Vertrauens— 
mann zwiſchen Salentin und den Nafjauern. 

Mieder ein paar Monate jpäter (im Mai 1573) wurde Graf 
Johann eines Tages von Salentin, unter Berufung auf ihr 
jüngftes Zuſammenſein in Arnsberg, zu einer baldigen vertraus 
lihen Unterredung nad) Schloß Brühl dringend eingeladen. Jo— 
bann erſchien ſofort. Worüber beide verhandelten, können wir 
wieder nur erraten: vermutlich eben über jene vom Kaiſer oder 
bon Salentin gewünschte Ausföhnung Draniens mit dem ſpaniſchen 
König. Brempt wurde wohl gerade infolge der Brühler Unter- 
vedung zu Alba gefandt, welcher übrigens den ungebetenen Ver— 
mittler ziemlich ſchroff abwies. Während der Zufammenfunft in 
Brühl ſcheint Salentin u. a. aud) über feine Unluft am geiftlichen 
Stand, fowie über feinen Wunſch, durch eine reihe Heirat feine 
Familienverhältniffe aufzubeſſern, in feiner Weife derb und offen= 
berzig geiprochen zu haben. Das wurde wenigftens der Nuntt, 
an welchen die Naſſauer Grafen den Kurfürften zu faffen und mit 
den Intereſſen ihres Haujes zu verfledhten juchten. 

Wir werfen hier einen flüchtigen Blick auf die politische 
Stellung diefes Grafenhaufes. 

MWilheln von Dranien hatte fein eigenes Schidjal auf die 
Mürfel gejekt, welche über die Freiheit der Niederlande vom ſpa— 
nischen Joch entſchieden. Dadurch kam feine Perſon gleihjam ins 
Zentrum der europäischen Politik zu ftehen. Denn die Nieder- 


1) Der Salzhandel ber Gebrüder von ber Horft gab bem Grafen Johann 
fpäter noch mehrmals Anlaß zu Empfehlungsbriefen, 3. B. an Kafpar von 
Schönberg und an Graf Günther von Shwarzburg. Auch vom Kurfürften von der 
Pfalz und vom Herzog von Jülich verſchafften fi die Brüder Empfehlungen 
an Oranien und die Staaten. DillA. Dill. Korr. 1574, fol. 119 ff. 353. 


Kurfürft Salentin und das Haus Nafjaı. 209 


lande waren das Feld, auf welhen die Häufer Oſterreich und 
Frankreich, Rom und Genf um die Weltherrſchaft ſtritten. Auf 
fih allein angemwiejen hätten Dranien und feine Niederländer 
ſehr bald der militärifhen Überlegenheit der Spanier erliegen 
müſſen; num aber fanden fie, bald aus politiidden, bald aus reli- 
giöſen Motiven immer wieder einen Rückhalt an Frankreich, an 
England, an Deutihland. Den Mittelpunkt der deutſchen Un- 
terftügung bildete die naſſauiſche Feſte Dillenburg. Hier hatte 
fih Dranien zu feinem erjten Feldzug gegen Alba gerüftet; hier 
fand er eine Zufluchtsſtätte, als er, ein Flüchtling, im Jahre 
1569 die Waffen niederlegen mußte; von hier aus wurden mies 
der die Weiter und Knechte geworben, mit welden er im Jahre 
1572 die Waffen von neuem ergriff. Seine Brüder, die 
Grafen von Naffau-Dillenburg, gaben dazu ihr Geld, ihre Klei— 
nodien, ihren Kredit her. „Eher follte die Welt aus den 
Fugen gehen, al3 daß fie in Niedrigfeit ftille figen wollten “, 
urteilte damals ein feiner Kopf über die Naffauer Grafen !). Be: 
reit3 hatte einer von ihnen, Graf Adolf, im Dienfte der nieder- 
ländiſchen Unabhängigkeit jein Leben gelafien (1568). Ein anderer 
Bruder, Graf Ludwig, war bald da bald dort in Halb Europa, 
mo immer er dur feine religiöſe Begeifterung, verbunden mit 
jeinem ritterlihen vor feiner Gefahr erichredenden Auftreten den 
fämpfenden Niederländern Sympathieen und materielle Hilfe zu 
verichaffen wußte. Selbit den ug abwägenden ſächſiſchen Kur: 
fürften nahm er. für fi, ein. Bon Landgraf Wilhelm von Heffen 


1) Les dits princes d’Orange (gemeint find die Nafjauer Grafen, na- 
mentlich Ludwig) veulent plustost veoyr renverser le munde san dessus 
dessoubz, que demeurer paisibles en basse fortune, fchreibt Jean be Mor- 
villiers, Biſchof von Orleans, im einem Gutachten für die Königin Katharina 
von Medici vom 11. April 1573. Groen van Prinsterer IV, 63* — 
Eine: Anfiht. von Dilfenburg, im Jahre 1517 (sic! wohl 1617?) und ein 
Grundriß vom Jahre 1763 in einem Auffat von Aug. Spieß über bas 
Schloß Dillenburg im den Ann. bes 83.8 für nafl. Altertumskunde und 
Geſchichtsforſchung 1870, X, 228 ff. 


Loffen, Köln. Krieg I. 14 


210 Drittes Bud. Drittes Kapitel. 


fagte man, Graf Ludwig ſei ihm ein Halbgott. Die Spanier, 
Draniens Zodfeinde, behandelten feinen tapferen Bruder nad) der 
Kapitulation von Mons mit ausgefudter Hochachtung. Bedäch— 
tiger und borfichtiger, aber gerade deshalb wohl geeignet, mit den 
meift ängftlihen, ftet3 umftändlichen deutihen Reichsſtänden zu 
verhandeln, war der ältere Bruder Graf Johann, der Landesherr 
der Grafſchaft Naffau Dillenburg. 

Der Waffengang des Jahres 1572 hatte für Dranien und 
feine Niederländer wieder mit einer ſchweren Niederlage geendigt; 
mühſam nur und halb verzweifelnd mwehrten fi ein paar hollän- 
diſche und feeländiihe Städte gegen die ſiegreich bordringenden 
Spanier. Da erwedte Frankreichs Politik im Frühjahr 1573 
neue glänzende Hoffnungen. Man zeigte fih am franzöfiichen 
Hof entichloffen, die Bewerbung um die polnische Krone mit allem 
Eifer fortzufegen; galt es doch auch hier, dem Haufe Oſterreich 
den Rang abzulaufen. Darum waren alle Feinde diejes Haufes, 
des deutichen wie des ſpaniſchen Zweiges, millfommene Bundes- 
genofjen. Als jolhen bot fih im März 1573 Graf Ludwig bon 
Naffau den Franzofen an: er veriprad mit den Hugenotten, deren 
Widerſtand im Süden von Franfreih nod nicht gebrochen, zu 
vermitteln, die deutichen Proteftanten, durch die Pariſer Blut- 
hochzeit der Krone Frankreich entfremdet, mit ihr wieder auszu— 
ſöhnen, fie Frankreichs Bewerbung um die polnische und zugleich 
um die Kaiferfrone geneigt zu machen. Als Gegendienit forderte 
Ludwig energiihe Unterftügung feines Bruders und der Nieder: 
länder und drohte andernfalls mit neuer bemwaffneter Einmiſchung 
deutiher Söldlinge in den franzöfiichen Bürgerkrieg. Die Ver— 
bandlungen, welde für Frankreich durch den aus Deutichland 
ftammenden Dberften Kajpar von Schönberg geführt wurden, 
hatten zur Folge, daß Frankreich, ohne offen mit Spanien zu 
brechen, doch die Naffauer Grafen durch ein freies Geſchenk von 
100,000 Kronen inftand feßte, einen neuen Kriegszug auszurüjten, 
der den hartbedrängten Holländern und Seeländern Luft machen 
jollte. Am Heidelberger Hof ging man aus Eifer für die Refor- 


Kurfürft Salentin und das Haus Nafiau. 211 


mation und aus Haß gegen das Haus Äſterreich bereitwillig auf 
die franzöſiſch-naſſauiſchen Pläne ein. 

Das find in den Hauptzügen die Anfchläge, in welche die 
Naſſauer Grafen auch den Kölner Kurfürften mittels feiner 
Heiratzprojefte zu verwideln gedachten. Im Auguft 1573 fanden 
ſich Graf Johann und Schönberg in Heidelberg ein, wo Kurfürft 
Friedrich) IH. feine Mithilfe nicht bloß bei der Werbung Frank— 
reichs um die römische Königskrone, jondern aud bei der Ge— 
winnung des Kölner Kurfürften in Ausfiht ſtellte. Man wollte, 
heißt es in einer Pfälzer Inftruftion, den Kurfürften dem Herzog 
Alba abpraktizieren und ihm ein Weib und Penſion von der 
Krone Frantreih an den Hals werfen. Die BPenfion follte 
Schönberg perjönlih in Paris erwirken; das Weib follte wohl 
Kurfürft Friedrichs jüngſte Tochter Kunigunde fein, wobei man 
freilich vorausfeßte, daß Salentin erft zum Proteftantismus über- 
treten und außerdem Kurfürſt bleiben müſſe ?). 


1) De la Huguerye (Memoires, T. I [Paris 1877], p. 203sq.) er- 
zählt, zur Zeit ber Reife des Königs Heinrih nad Polen hätten bie Nafjauer 
und die Kurpfälzer bie rheinischen Bifchöfe (von Speier, Mainz, Trier, 
Lüttich) zum Heiraten bewegen wollen: pres de celuy de Cologne qui estoit 
lors Salatin comte d’Isembourg ... (on gaigna) son mareschal [ba8 paßt 
auf Rutger von ber Horft] avec de grands moyens; offrant led. Sr Elec- 
teur [d. i. Kurfürft won der Pfalz] aud. Evesque de Colongne sa fille en 
mariage et de luy conserver l’&vesch& et Electorat héréditaire en sa maison. 
De la Huguerye ift fonft freilich fein zuverläffiger Gewährsmann, jedoch 
werben biegmal feine Angaben von anderer Seite beftätigt. November 1573 
ſchreibt Landgraf Wilhelm an Pfalzgraf Joh. Kafimir: „Darneben können 
wir nicht umberlafien E. 8. f. und vertreulich zur erinnern, das E. L. je 
juvenili arbore verjöneten feinden und pfaffen nicht zu viel glauben geben, 
fondern fich in al den bewuften ſachen gnugzamb verfichern laſſen, bamit 
E. 2. oder derjelben fchwefter nicht uf ein eis gefüirt werben.“ Groen van 
Prinsterer 1. c., p. 127*. Unter dem verföhnten Pfaffen kann ih nur 
Erzbiſchof Salentin verftehen; die Schwefter bes Pfalzgrafen ift die bamals 
(1573) etwa fiebzehnjährige Kunigunde Jakobe, die fpätere zweite Gemahlin 
bes Grafen Johann von Naſſau. Dazu paßt folgende Stelle ber unten 
angeführten Inftruftion für Dr. Ehem aus dem Januar 1574: „So weren 
wir... ©. L. zu einem anſehnlichen Heirat und freunbichaft,. dardurch fie 
die fürnemfte cur- und fürftliche häuſer im 5. reich am fich brachten, woferne 

14* 


212 Dritted Bud. Drittes Kapitel. 


Noh tm jelben Monat kamen die beiden Grafen Johann 
und. Ludwig perjönli mit Salentin zuſammen; doch war man 
damals wohl noch nicht jo weit, um über anderes als die (von 
Alba bereit? zurückgewieſene) Vermittelung in den Niederlanden 
zu ſprechen. Ende September aber meldete Schönberg aus Paris, 
fein Herr, der König verlange gar ſehr zu erfahren, was Graf 
Zohann mit dem Kölner Biſchof verrichtet. „Könnt ihr ihn“, 
fügte er bei, „eueren Erzfeinden mit unſerm Gelde abftriden, jo 
joll euch unfer Beutel offenftehen.‘‘ 

Bald danad) ging Pralzgraf Johann Kafimir, Kurfürft Fried- 
richs zweiter Sohn, nad) vorheriger Beratung mit den Naffauer 
Grafen und mit Landgraf Wilhelm, zu feinem Schwiegervater 
Kurfürſt Auguft nad) Dresden, um aud ihn für das niederländifche 
franzöfifch=polnifhe Bündnis zu geminnen; Graf Johann aber 
brach in aller Stille am 22. Dftober nad) Arnsberg auf zum 
Kölner Kurfürften. Nur jehr allmählih, auf Ummegen, konnte ex 
feine eigentlihe Abfiht anbringen. Denn Salentin war auf 
Oraniens deutiche Freunde damals jehr ſchlecht zu iprechen, na= 
mentlih auf Johann Kafimir, der vor furzem die Kedheit gehabt 
hatte, an einer mit kaiſerlichem Geleit in die Niederlande gehenden 
Pulverjendung ji zu vergreifen. Deshalb begann der Graf mit 
den Angelegenheiten des deutichen Grafenftandes, bezüglih deren 
er bei Salentin, als Graf von Fienburg, von vornherein einer 
gewiſſen Geneigtheit jicher jein durfte. 

Die deutichen Reichsgrafen hatten an der jeit dem Augsburger 
Religionsfrieden fortichreitenden Entwidelung der deutichen Land— 
ſchaften zu territorialer Unabhängigleit nur in geringem Grad teilge- 
nommen. Am meiften ſtand ihnen ihre mangelhafte Vertretung 
auf den Reichsverfammlungen im Wege. Denn nur zwei Ver: 
tretern ſämtlicher Grafen, einem ſchwäbiſchen und einem Wetter: 
auer, geftanden die anderen Weichsftände eine Kuriatitinme 
auf den Reichstagen zu. Allerlei Nachteile in Zoll:, Steuer: 


derſelbige ©. 2. anmmtig, zu befürbern erpuettig.“ Groen van Prin- 
sterer 1. c. IV, 342. 


Kurfürft Salentin und bas Haus Naffau. 215 


und Juſtizſachen hingen mit dieſer ſchwachen Bertretung zus 
fammen. Um ihre Standesreihte beſſer zu mahren, hatten des 
halb ſchon vor emiger Zeit die ſchwäbiſchen Grafen einen neuen 
Verein gebildet; die Wetterauer folgten im November 1565 
ihrem Beiſpiel. Es waren zuerft die Grafen von Naſſau, 
Iſenburg- Büdingen, Wittgenftein, Solms, Stolberg: Königftein; 
ipäter traten noch andere Grafen, aus den Häufern Hanau, 
Wefterburg, Wied und Sayn, der Einigung bei. Salentins Graf: 
ſchaft Nieder-Fienburg-Grenzau, obwohl nicht eigentlid, zur Wetterau 
gehörig (ebenfo wenig wie Wied), hätte ihrer Lage nad recht 
wohl in dieje Einigung gepaßt; hatte doch auch Salentins Vater, 
nebft einigen anderen rheiniſchen, jogen. niederländischen Grafen 
bordem in einem gemeinjamen Verein mit den Wetterauer Grafen 
geftanden. Den Sohn hielt zunächſt wohl feine kirchliche Stellung 
vom Beitritt ab. Denn die anderen jogen. Wetterauer Grafen 
waren ſämtlich proteftantiih; von ihnen ging beim Reichstag von 
1566 Die Supplifation der Grafen aus, worin die Freiftellung 
der Religion und die Abihaffung der beichwerlichen Juramente 
auf den hohen Domitiftern gefordert wurde. Bald danach bes 
fundeten die MWetterauer Grafen lebhafte Sympathieen mit dem 
niederländiichen Aufftand, der ja jelbft in jeinen Anfängen den 
Charakter einer Auflehnung des Adels gegen das Fürftentum trug. 
Die Gemeinihaft der Standesintereffen, melde die Naſſauer Gra—⸗ 
fen bei Salentin vorausjegen durften, war alſo dur feine ab: 
weichende kirchliche und politiihe Stellung gemiffermaßen in der 
Schwebe gehalten. 

Graf Johann ſuchte zunähft dem Kurfürften Har zu machen, 
wie vorteilhaft e3 für den ganzen Grafenitand jei, menn fie zu 
Schutz und Zruß ſich feft an einander ſchlöſſen. Er teilte über die 
neue Einigung der Wetterauer Grafen einiges mit, und mie fie 
ſich bereits mit etlichen benachbarten Fürften, Adeligen und Städten, 
und auch mit auswärtigen Potentaten über eine vertrauliche Korre— 
Ipondenz verglichen hätten oder noch vergleichen wollten ). Dann 


1) De Ta Hugierve (Mem. I, 148 sqg.) Übertreibt in gewohnter Weife, 


214 Dritte8 Buch. Drittes Kapitel. 


fam er auf das Erzftift Köln zu reden, faft das einzige, zu wel— 
chem die Grafen noch freien Zutritt hätten, da ihnen Mainz und 
Zrier neuerdings faft ganz verichloffen jeien. Er bat den Kurs 
fürften um feinen Rat, wie jenes Erzitift dem Grafenftand er— 
halten bleiben fünne. Damit war er endlich bei der Freiftellung 
angelangt und auf dem Wege, dem Kurfürſten begreiflich zu machen, 
wie nützlich e3 für ihn jein würde, wenn er fich verheiraten und 
dabei doch Kurfürft bleiben könne. 

Wie nun das Geſpräch weiter ging und und wie Johann auf 
das Angebot einer franzöfiihen Penſion fam, willen wir im ein= 
zelnen nicht; aber über das Gejamtergebnis der faft jechstägigen 
Verhandlung liegt ein Bericht von Johann an einen feiner Brüder 
bor, der einen trefflihen Einblid in die höchfliegenden Pläne und 
Hoffnungen der Nafjauer Grafen geftattet ). Johann äußert fich 
in diefem Brief höchlich zufrieden über den bei Salentin erzielten 
Erfolg. In folgenden Punkten meint er auf feinen Beitritt zu 
der franzöjiich=proteftantiichen Koalition rechnen zu Dürfen: 

1) Salentin jcheint bereit, falls die Sade vorläufig geheim 
gehalten wird und die Penſion hoch genug ausfällt, fein ſpaniſches 
Dienftverhältnis mit einem franzöjiihen zu vertaujcen. 

2) Eine Zufage, die Religion im Erzftift freizuftellen, hat 
zwar Johann noch nicht zu fordern gewagt; aber für feine Per: 
jon zeigte fih Salentin gemillt, falls man ihm die nötige Unter— 
ftügung verſchaffe, troß Heirat Kurfürft zu bleiben. Auch ſchien 
er nicht abgeneigt, über die Zulafjung protejtantiiher Kapitularen 


wenn er behauptet, vor Oftern 1573 habe unter ber Oberleitung bes Kurfürften 
von der Pfalz eine Einigung von Grafen und Baronen beftanden, welche über 
10,000 Reiter und 20,000 Landsknechte verfügte. Die Wetterauer Grafen 
für ſich konnten ſchwerlich ein Zehntel diefer Leute auf bie Beine bringen. 

2) DillA. C. 368, fol. 25 ein Konzept bes Grafen Johann zu einer 
fehr ausführlichen Relation über den Anfang der Verhandlungen mit Sa- 
Yentin, welches jebodh nur bis zum Ende ber erften Unterrebung reicht. 
Der Bericht Über das Gefamtergebnis vom 1. November 1573 (eigh. Orig.?), 
wohl an Graf Ludwig gerichtet, a. a. O., fol. 32. Ein Brief von Graf 
Johann an Oranien vom 21. November bei Groen van Prinsterer 
1. c., Idre Serie Supplement, p. 140*sqg. ift leider nicht entziffert. 


Kurfürft Salentin und das Haus Naſſau. 215 


im Erzftift neben den katholiſchen weiter mit fi veden zu 
laſſen. 

3) Von einer baldigen römiſchen Königswahl (eines öſter— 
reichiſchen Erzherzogs natürlich) wollte Salentin nichts wiſſen. 
Das von Johann vorgeſchlagene Medium, d. h. wohl das durch 
Sachſen und Pfalz während der Erledigung des Kaiſertums aus— 
zuübende Reichsvikariat, ſchien ihm wohl zu gefallen. 

4) Rom hat zwar dem Kurfürſten große Anerbietungen ge— 
macht, aber noch hat dieſer auf nichts ſich eingelaſſen. Es iſt 
alſo hohe Zeit, bald etwas zu thun. 

Nicht alle Leute waren ſo vertrauensſelig wie Graf Johann. 
Oranien mahnte wiederholt, den Kurfürſten ſcharf im Auge zu be— 
halten. Auch Landgraf Wilhelm traute nicht recht. Dagegen 
meinten die Kurpfälzer ihrer Sache ſchon ganz ſicher zu fein. Pfalz: 
graf Johann Kafimiv und Dr. Chem überbracdhten die frohe Bot- 
ſchaft von Salentins bevorftehender Belehrung nad Kafjel und 
Dresden und verleiteten dadurch den Kurfürften nicht minder wie 
den Landgrafen, dem Erzbischof, falls er die Freiftellung gewähre, 
ihre Unterftügung zu veripreden. 

Graf Johann ſetzte einftweilen die angeiponnene Korrefpondenz 
mit Salentin brieflih fort, aber verſteckt unter falſchen Namen, er 
jelbft unter dem feines Hofmeifters Clement von Nimptid, der Kur— 
fürft gewöhnlich unter dem Namen des kölniſchen Stallmeifters Wolter 
von Gebertähaen ). Den Inhalt diejer Korreipondenz bildet vor 
allem die von Salentin dringend gewünjchte baldige Auszahlung 
der beriprochenen franzöfiihen Penfion. Denn Werke und nicht 


1) Element von Nimptfh (auch Nimes, Nimats u. f. w. gefchrieben) 
ift wirflih der Name bes nafjauifhen Hofmeifters (wohl aus ber fchlefifchen 
Adelsfamilie diefes Namens); ein kölniſcher Stallmeifter Gebertshaen ift mir 
jedoch fonft nicht begegnet. Es gab eine Adelsfamilie diefes Namens, nafjauifche 
Lehensleute aus dem gräflih Saynſchen Dorf Gebhartshain (bei Altenkirchen) 
ftammend. Arnoldi, Miscellaneen (Marburg 1798), ©. 265. Im 17. Jahr- 
hundert erjcheinen die Geberghaen übrigens auch unter ber Kölner Nitter- 
ſchaft vgl. Mart. Henr. a Strevesdorff, Archidioec. Colon. descriptio, 
Ed. III (1730), p. 56. 


216 Drittes Bud. Drittes Kapitel. 


bloß Worte wollte er jehen. Schönberg hatte allerdings berichtet, 
das König Karl IX. dem Kurfürften eine Penfion bewilligt Habe, 
das Geld jelbft kam aber nicht, troß allen Mahnungen des Gra— 
‚ren Johann. In einem jeiner Briefe an Salentin, vom 23. No= 
vember 1578, bittet der Graf dringend, der Kurfürſt möge ſich doch 
zu dem bewußten Jurament (dem Trienter Eid nämlich) nicht 
eher verjtehen, bis fie noch einmal mit einander geiprochen hätten. — 
Wir wiſſen bereits, daß dieſe Bitte vergeblih war. Nicht lange 
währte es, fo kamen nod) andere Anzeigen, dab Johann allzu fühne 
Hoffnungen auf Salentin geſetzt hatte. 

Im Dezember 1573 traf der neue Polenkönig Heinrich in der 
Pfalz ein. Des Kurfürften jüngfter Sohn Ghriftoph und Graf 
Ludwig don Naffau Hatten ihn ſchon jenjeits der Grenze in 
Empfang genommen und führten ihn nun durch die deutichen 
Lande. Auch Graf Fohann und Dr. Chem gaben ihm eine Zeit 
lang das Geleite. In Hanau verabihiedeten jie jih, um Kurfürft 
Salentin aufzufuhen. Sie hatten ihm die Nachricht zu bringen, 
dag ihm von Frankreih 16,000 Livres jährliche Penfion ausgeſetzt 
jeien und demnächſt bereit3 ein Fahresgehalt von 6000 Kronen 
im voraus bezahlt werden ſolle ). Weiter jollten fie veriprechen, 
daß die proteftantiihen Fürften, neben dem Pfälzer Kurfürften 
namentlih Landgraf Wilhelm und Kurfürft Auguft, ihn als ver— 
heirateten Biſchof aufrecht Halten und der franzöfiihe König fie 
dabei unterftügen würde. Dagegen war in Ehems Inſtruktion 
auch das, was man von Salentin forderte, deutlich genug ausge— 
ſprochen. Es jollte ihm zunächſt seine förmlide Strafpredigt ges 
halten werden, weil er fi) al3 ſpaniſcher Beftallter in die nieder: 
ländiſchen Kriegshändel eingelaffen. Seine Abfiht zu heiraten ſei 
löblich, nicht ebenjo die Abſicht zu refignieren; denn daraus würde 


1) Erfter Entwurf zu einer franzöfifhen Beſtallung Salentins dat. 
Chalons 20. November 1573 DIEN. a. a. O., fol. 52. Darin verfpridt 
Karl IX., dem Kurfürften fortan als Beweis feiner Freundſchaft jährlich 
16,000 Livres tourmois zahlen zu laflen. Auf die in Kraft getretene Be— 
ftalung vom 4. April 1574 fomme ich fpäter. 


Kurfürft Salentin und das Haus Nafjan. 217 


dem Grafenſtand großer Nachteil erwachien, demjelben namentlid) 
feine Stimme bei der fünftigen römiſchen Königswahl entgehen. 
Salentin möge ſich alfo zwar verehelihen, aber das Erzitift be— 
halten. Das rechte Mittel dazu ſei die Freiftellung der Religion 
und die Befeitigung der beſchwerlichen Juramente im Erzftift Köln. 
Salentin jolle jelbft zur wahren chriftlichen Religion der Augs- 
burger Konfeſſion treten und eine gottielige Reformation vor— 
nehmen, wie jie m Köln vordem von Erzbiſchof Hermann verjucht 
und in Magdeburg jüngſt mit Erfolg durchgeführt worden jei. 
Nur jo werde er bei den Ständen der Augsburger Konfeflion ſich 
einen Rüden fihern. Falls Salentin durch die in der Inſtruktion 
meitläufig ausgeführten Gründe zum Übertritt und zur Refor- 
mation jeines Erzitiftes jich bereit finden laffe, wolle man ihm 
zu einer „anjehnlihen Heirat und Freundſchaft“ verhelfen. 

Im Januar 1574 trafen Graf Johann und Dr. Chem bei 
Kurfürft Satentin in Kaiferswerth ein, mit ihnen gleichzeitig durch 
fonderbaren Zufall der Nuntius Gropper mit jenem Breve, wel- 
ches dem Erzbiihof jeine Konfirmation ankündigte. „E. f. ©. 
können gedenken‘, jchrieb Ehem an Landgraf Wilhelm, was es 
hir ein jeltiamer Effeft geweien, da Graf Johann und ich bei 
des Bapftes Nuntiv und feinen ımitgeordneten Jeſuiten an des 
Kurfürften Zafel mit einander gegeſſen und getrunfen haben, als 
einer den Kurfürften unjerem Herrn Gott, der ander aber dem 
Zeufel hat wollen zuführen.‘ — Derjenige, welcher am meiften 
Grund hatte, über dieſes Zufammentreffen zu lachen, war übrigens 
Sulentin. Nicht als hätte er die Kurpfälzer mit Abſicht hinter— 
gangen; fie betrogen fi nur jelbft, wenn fie feine derbe Dffen- 
berzigfeit nicht für bare Münze nahmen. 

Als Ehem ic, feiner Aufträge, etwa jo wie die Anftruftion 
lautete, mündlich entledigt Hatte, antwortete der Kurfürft im Bei— 
fein des Marihalls von der Horft ebenfalls mündlich auf alle 
einzelnen Punkte. Er fing damit an, wie er das au jonft 
liebte, vet derb auf den Pfaffenſtand zu ſchimpfen, dem er fi 
nicht aus Neigung ergeben habe, jondern von Herzen feind ſei. 


218 Dritted Bud. Drittes Kapitel. 


Als Kriegsmann geboren und zum Kriege von Natur geneigt, habe 
er gleich feinen Vorfahren Spanien im Krieg gedient, ſonſt aber, 
als ein ehrlicher alter Deutiher, mit ſpaniſchen Praktiken nichts 
zu Schaffen. Auch fer er nicht verheiratet mit dem ſpaniſchen König, 
deſſen Leute ihm vor den Kopf geitogen und nicht richtige Zahlung 
geleiftet. Franzöfiihe Kronen feien ihm nicht minder lieb als 
ſpaniſche Königsthaler. Dann zog er (08 über das Trienter Winfel- 
fonzil und die Jeſuiten, verfiherte aber daneben, daß e3 wider 
jein Gewiſſen gehe, von der Fatholiihen Religion, in der er ges 
tauft und erzogen, abzutreten. Deshalb müſſe er aud) die ange= 
fonnene Heirat, da fie auf dem Fundament der Religion berube, 
danfend ablehnen. Man habe feltfame Praftifen um fein Erz— 
ftift getrieben, aber er jet nit der Mann, es zu verkaufen. 
Wenn er abtrete, möge der Zeufel fein Kapitel holen. Wenn- 
gleich er jelbit bei feiner Religion zu bleiben gedenfe, wolle er 
doch die andere weder hafjen noch verfolgen. Schließlich gab er 
übrigens zu verftehen, wenn man Mittel wife, ihn beim Stift 
zu handhaben, zwar verheiratet, aber ohne daß er zur anderen 
Religion getreten, jo wolle er nicht refignieren. 

Hier lag der Kern der Sache! Salentin wollte das franzö— 
fiihe Geld ohne jede Verpflihtung; den Nafjauern aber und den 
Pfülzern kam e3 darauf an, daß er fich verpflichte, als Kurfürft 
bon Köln bei dem bevorftehenden Feldzug gegen Spanien ihnen 
den Rüden zu deden. Deshalb wurde die Aushändigung des 
Geldes verzögert; Graf Johann ſchrieb nad) der Kaiſerswerther 
Zuſammenkunft erft noch einmal an Salentin, um ſich zu ver— 
gewiſſern, daß diejer wirklich eine Zeit lang menigftens Erzbiſchof 
bleiben und ſich verpflichten wolle, feiner jegigen Geſellſchaft, d. h. 
den Spaniern, aufzulündigen. Er wollte gehört haben, Salentin 
gebe Wartegeld aus, daher das Mißtrauen. Dieſem legten 
Verdacht widerſprach Salentin entſchieden, auf weiteres aber ließ 
er fih nit ein: wenn es mit gutem Gewiſſen fein könne, wolle 
er wohl nod eine Zeit lang im geiftlihen Stand bleiben, wenn- 
gleih er mehr heraus denn hinein trachte. Aber man mürde ihn 


Kurfürft Salentin und das Haus Nafjaı. 219 


der Leichtfertigleit zeihen können, wenn er jeine bisherige Gejell- 
haft jekt in ihrer höchſten Not um Geld verlaffen wollte, 
während er fi doch mit der Zeit gütlih von ihnen frei oder 
wenigftens neutral machen könne, wie es ihm al3 einem Ver— 
dorbenen von Adel und Kriegsmann dienlich. 

Dr. Chem mar mit dem Ergebnis der SKaiferswerther Zu: 
fammenkunft im ganzen zufrieden; als ein Fanatiker des refor— 
mierten Belentnifjes meinte er ſogar, man babe Salentin bereits 
auf gutem Weg zum Evangelium. Landgraf Wilhelm urteilte 
anders. Er hatte inzwiſchen erfahren, daß ſich Salentin kurz 
por der Kaiſerswerther Zufammenkunft gegen den kurſächſiſchen 
Rat Hans von Lindenau jehr ſcharf über den Pfälzer Kurfürften 
ausgedrüdt habe, weil diefer nicht nur in Religionsfahen von 
den anderen Augsburger Konfellions = Verwandten fid) abjondere, 
fondern auch in allerlei Händel mit Frankreich und Spanien 
einlaffe, die ebenjo dem Neid) wie ihm felbft zu großem Schaden 
gereihen könnten. Zugleih hatte Salentin auch gegen Lindenau 
entſchieden erklärt, dab er zwar geneigt fei, jopiel an ihm, Frieden 
und Einigkeit im Neid) zu erhalten, für feine Perſon aber in der 
katholischen Religion leben und fterben wolle. Nun warf Landgraf 
Wilhelm dem Doktor Ehem vor, diefer habe ihn glauben machen 
wollen, die Vorſchläge feien von Salentin und nicht, wie ich jetzt 
berausftelle, von den Kurpfälzern ausgegangen. Die Kaiſerswerther 
Antwort ſei weder gejotten noch gebraten; ihn dünfe, die bewußte 
Perſon (Salentin) habe entweder einen Sparten verloren oder — 
eine Schlange jet im Graſe verſteckt. „Wir hätten ‘‘, fügte er bei, „auch 
wohl leiden mögen, dieweil Ihr feinen befjeren oder gemwifjeren Grund 
gehabt, Ihr hättet das Maul gegen ihn jo weit nicht aufgethan, auch 
ionderlid) des Kurfürften von Sachſen und unferer damit verihont; 
denn wir's dafür halten, was ihr ihm angebradit, werde nicht 
lange heimlich bleiben, fondern bald an gehörende Ort“ (er meinte 
wohl an den Kaifer) „gelangen, wo es nicht ſchon da ift, und 
werde e3 ihm fehr nütze machen; denn wir haben’3 je und aller= 
wege für ein lauter Erpisfation und Brillen gehalten.‘ 


220 Drittes Buch. Drittes Kapitel. 


Ehe noch Salentin zum erſtenmale ſeine franzöſiſche Penſion 
erhielt, erfolgten, kurz nad) einander, drei wichtige Ereigniffe, 
welche einerſeits ſeine perſönliche Stellung innerhalb der großen 
politiſchen Parteien, anderſeits die Verhältniſſe der geſamten 
niederrheiniſch-⸗weſtfäliſchen Landſchaften weſentlich veränderten. 

Das eine davon war die Vernichtung des Hilfsheeres, welches 
Ludwig von Naſſau zu Anfang des Jahres 1574 den Nieder- 
ländern hatte zuführen wollen: auf der Mobler Heide unweit 
Nimmegen am 14. April. Graf Ludwig felbft und fein Bruder 
Heinrich, ſowie Kurfürſt Friedrichs Sohn Chriftoph fanden dabei ihren 
Tod, — Einige Wochen ſpäter (am 30. Mai) ftarb König Karl IX. 
von Frankreih. Auf die erfte Nachricht von feinem Tod verlieh 
der Polenkönig Heinrich in fluchtähnlicher Eile fein nordiſches 
Reich, um nicht der franzöfiichen Krone verluftig zu gehen. Da— 
mit zerfiel die große franzöſiſch- polnishe Koalition gegen das 
Haus Oſterreich, deren höchſtes Ziel die Kaiſerkrone gemeien 
war. Die deutihen Mittelglieder der Koalition, die Kurpfälzer 
und das Haus Naffau, fahen ſich gezwungen, wieder in den 
inneren Feinden der franzöfiichen Krone, anftatt in diejer ſelbft 
ihre Bundesgenoffen zu ſuchen. Unter dieſen Umständen konnte 
Salentins Berbindung mit dem Franzöfiihen König ihnen jeldft 
gefährlih werden. — Wichtiger noch für das ganze weltliche 
Niederdeutihland wurde das dritte Ereignis, der am 5. April 
1574 eingetretene Tod des Biſchofs Johann von Hoya, der 
feit einer Reihe von Jahren drei Hodftifter, Dsnabrüd, Münfter 
und Paderborn, in feiner Hand vereinigt hatte. Dieſe Ver— 
bindung Löfte fi jetzt: die drei Stifter fielen verſchiedenen 
Herren zu, von denen jeder feine bejonderen perjönlichen oder 
Yamilien-Intereffen hatte, welchen er fein neues Land dienftbar zu 
machen fuchte. 


Diertes Bud. 
Das Haus Jülich und das Stift Münſter. 


—— —— 


1. Kapitel. 


Die weftfälifhen Hochſtifter unter Bifhof Iohann von 
Hoya. — Herzog Iohann Wilhelm wird Koadjutor zu 
Münſter.* 


Johann Graf von Hoya, nachmals Biſchof von Osnabrück, 
Münſter und Paderborn, war im Jahre 1529 zu Wiborg in 
Finnland geboren, wo fein mit König Guſtav Waſa verſchwägerter 
Vater eine Zeit lang als ſchwediſcher Statthalter lebte. Frühe 
verlor er die Eltern, erhielt jedoch eine jorgfältige, faſt gelehrte 
Bildung, namentlich in Franfreih und Italien. Sieben ver: 
ſchiedener Sprachen, rühmte man ihm ipäter nad, ſei er fundig 


* Quellen: Für bie Gefchichte bes Bifchofs Johann von Hoya im allgemeinen 
und fir Osnabrüd insbefondere: Stüve, Geſchichte bes Hochſtiftes 
Dsnabrüd, 2. Teil, 1872. — Für Münfter: Kock, Series Episco- 
porum Monaster. Pars III. Monast. 1802. 9. A. Erhard, Ge- 
ſchichte Münfters, Münfter 1837, enthält über Biſchof Bernharb von 
Raesfeld einiges Eigentümliche, nicht aber für Johann. Nöchells 
Ehronit in Gefhihtsquellen bes Bistums Miünfter, Bd. III, 
herausgegeben von Janſſen 1856, ift für Johanns Zeit fehr bürftig. — 
Für Paderborn: Strunck (Schaten contin.), Annal. Paderborn, 
P. III. 1741. Kerffenbroids Catalogus Episc. Paderborn., wel- 
den Strund und Kod oft anführen, lag mir nicht vor. — Eine furze 
Biograpbie Johanns im lateiniſchen Diftihen bei Chytraeus, 
Saxonia, lib. XXIII. — Über feine Beziehungen zu Rom: Lagomar- 
sini, Pogiani Ep. III, 60; IV, 168. 304. 314. 322. 405 und Anm. 
ju Gratiani, De scriptis invita Minerva II, 35. Laderchius, 
J. c. XXI, 420. — Über bie kirchlichen Berbältniffe in den weft- 


224 Viertes Bud. Erſtes Kapitel. 


geweien. Johanns Anteil an der ohnehm überjchuldeten Graf: 
ihaft Hoya (an der unteren Weſer) war gering; darum trat er 
nach beendigten Studien (im Fahre 1552) als adeliger Aſſeſſor 
beim Reichskammergericht ein und bewarb fi im folgenden Jahre 
mit Erfolg um das erledigte Stift Dsnabrüd. Das Amt eines 
Kammerriters, wozu ihn Kaifer Karl V. im Fahre 1555 er- 
nannte, legte er jedoch ſchon im nächſten Fahre wieder nieder, 
vermutlich weil er der Zeilnahme an franzöfiihen Ränfen verz - 
dächtig geworden war. Seitdem lebte er ein Jahrzehnt lang ohne 
beionderen Anteil an den Reihsgeihäften in feinem Heinen Stift 
Osnabrück. Dieſes ftedte ſchon von früher Ber in ſchweren Schul— 
den, welche Johann Bei feiner Wahl auf ſich nehmen mußte. Die 
ewigen Kriegshändel der fünfziger Jahre, dazu des Biſchofs Hang 
zu fürftlihem Prunk fteigerten die Schuldenlaft; Verhandlungen 
mit Domkapitel und Landftänden über ihre Zilgung füllen des 
Biſchofs Regierungsthätigfeit in diefen Jahren überwiegend aus, 
In kirchlichen Dingen hielt fi Johann perfönlih zur römi— 
hen Kirche, ftand mit den Kardinälen Dtto. Truchſeß und Come 
mendone, jpäter aud mit Pater Ganifius in freundſchaftlichem 
Verkehr, lich ſich aber doch nicht dazu bringen, das Trienter Konzil 
zu beihiden oder die Weihen zu nehmen. Dem Vordringen der 
evangeliihen Lehre in Stadt und Stift wurde wenig Widerftand 
faliſchen Stiftern Hamelmann 1. c., p. 1137. 1296. 1344 gg. 
Zacobfon aa O., ©. 4925. 515ff. A Tibus, Gefchichtliche 
Nachrichten über die. Weibbifchöfe von Miünfter,. Müufter 1862, wo 
u. a. das bei Niefert, Münſterſche Urtunbenflg. VII, 27ff. abge- 
drudte Bifitationsprotofoll ergänzt und bargethan wird, daß basfelbe 
ben Jahren 1571—1573 (nit 1592), angehört. — Münfterfche Ka- 
pitulation bes Bifchois Johaun (im Auszug) RA. Hochſt. Münſter 
II, 453. — Über die Paderborner Wahl von 1568 Rommel 
a. a. O. V, 518. Dazu MA. Paderborn, Cell. 27, Bol. III, ®r. 4. 
DU. Domkap.=Prot. vom 15. Februar 1568. — Einzelne Notizen 
über Johanns Perfon StA. 95/6. 223/11. 225/2. 224/5. Korreſp. 
desjelben mit Landgraf — Groen van Prinsterer |. c. 
IV, 294. 350. 5ä*. 


Über Herzog Wilhehn von Julich⸗ EleverBerg: Teschenmacher, 
Annales Cliviae ed. Dithmarus, Lipsiae 1721, Brosius, Juliae 


Die weftfälifchen Hocftifter unter Bifhof Iohann von Hoya. 225 


entgegengefegt. Die Folge war, daß altkirhlihe und reforma- 
toriihe Lehre und Zeremonieen teilweife neben einander beftanden, 
teilweife, namentlih auf dem Land, ein dem Interim Sailer 
Karls ähnlicher Mittelzuftand fi) herausbildete. Die Geiftlichteit 
war durchgehends katholiſch geweiht, lebte aber entweder in offenem 
Konkubinat oder in förmlicher Ehe; Laienfelh und deutſcher Kir— 
Hengejang waren allgemein in Gebraud. In der Hauptftadt hielt 
nur der Dom die alten Zeremonieen unverändert feft; an den 
übrigen Kirchen, bei deren Belegung der Stadtrat mitzufprecdhen 
hatte, amtierten halb oder ganz lutheriſche Pfarrer; ſelbſt die 
Domſchule Hatte bis in die fechziger Jahre evangeliihe Lehrer. 
Der Stiftäadel, meist auf diefer, jodann auf den ſächſiſchen Uni— 
verfitäten gebildet, Schloß jid) zum größten Zeil der Reformation 
offen an. Des Biſchofs eigene Mittelftellung wird u. a. dadurch 
bezeichnet, daß er noch in den fechziger Jahren feinen Dom- 
propft Zobft von Dinklage zu den Beratungen des cleviichen 
Hofes über eine von Rom unabhängige Kirhenreform abordnete. — 
Aber nicht lange danach brachte Johanns Wahl zum Biſchof von 
Münfter eine entichiedene Sinnesänderung zumege. 

Die kirchlichen Verhältnifie im Stift Münfter ähnelten auf dem 
Lande und in den feinen Städten denen im benadbarten Dsna= 
brückiſchen. Die Pfarrer, jowie ihre BVizefuraten und Kapläne, 

Montiumque Comitum Annal. III, Col. Agr. 1731. von Haef- 
ten, Einleitung zu Bd. V ber Urkunden und Aktenftüde zur Gefchichte 
bes Kurfürften Ssriebrih Wilhelm, 1869. Dazu bie oben ©. 3 u. 4 
verzeichneten Schriften. — Meine Hauptquelle für die Bewerbung um 
Münfter und Osnabrüd find zwei Altenbände im DA. Lanbesherrl. 
Familienfachen 28% u. 28b (vgl. u. Quellen zu Kap. 3), welche an einigen 
Stellen ergänzt werben durch die von Stüve a. a. DO. benutzten 
Dsnabrüder Arhivalien; ferner durch MA. Bild. von Osnabrüd 
1572—1698. Rep. II. Cell. 26 und Rep. II. Eell. 19. Bol. II. 
Über Herzog Heinrih von Lauenburg im allgemeinen v. Robbe, 
Geſchichte und Landesbeſchreibung des Herzogtums Lauenburg, 2. Teil, 
Altond 1836. F. W. Wiedemannn, Geſchichte des Herzogtums 


Bremen, Bd. II, Stabe 1866. Bel. Stüve a. a. O. Bei 
Laderchius l. c., XXIII, 65sq. ihn betreffende Briefe von Kaiſer 


und PBapft. 
Loſſen, Köln. Krieg I. 15 


226 Bierte® Buch. Erſtes Kapitel. 


welchen die Seeljorge zum großen Zeil überlajjen blieb, waren 
regelmäßig geweiht und durch die biihöfliche Obrigkeit eingejegt, 
gingen nachher aber mit evangeliichen Reformen oft noch über das 
Interim hinaus. Auch hier wurde das Abendmahl gewöhnlich) 
unter beiden Geftalten ausgeteilt, wobei mitunter die Gitte 
herrichte, nur das Brot während der Mefje, den Wein dagegen 
erit nachher bei der Laien-ommunion oder am Krankenbette zu 
fonjefrieren. Ohrenbeichte und letzte Dlung waren an vielen 
Drten ganz außer Gebraud. Die Geiftlichkeit lebte zum größten 
Zeil im Konkfubinat. Nur wo zufällig ein wirklich römisch-gefinnter 
Geiftliher die Seelſorge hatte, entſprach auch die kirchliche Praris 
mehr der römischen, während wieder einzelne Pfarrer auf dem 
Wege lutheriſcher und calviniiher Reform weiter gingen, als dies 
die Laien im allgemeinen forderten. Das war beionders an ſol— 
chen Drten der Fall, die zwar unter der kirchlichen Jurisdiktion 
des Biſchofs ftanden, aber Iutheriihe Landesherren hatten: jo in 
der Ichauenburgiichen Landihaft Gemen und in der bentheimjchen 
Herrihaft Steinfurt. Im münfterihen Niederſtift (d. i. den 
heute oldenburgiihen Amtern Kloppenburg und Vechta und dem 
bannoverihen Amt Meppen), wo die firdhlide Jurisdiktion den 
Dsnabrüder Archidiakonen zugehörte, glichen die kirchlichen Zuftände 
durhaus denen im Stifte Dsnabrüd, d. 5. lutheriiche Lehre und 
Kult überwogen. 

Dagegen herrichte in der Stadt Münſter jeit der Nieder: 
werfung der Wiedertäufer die römiſch-katholiſche Kirche unbeftritten. 
In den Pfarrkirchen wie in den zahlreihen Kollegiat- und Kloſter— 
firhen entiprad alles genau den römischen Vorſchriften. Die 
Erinnerung an die Greuel der Wiedertäufer verſchloß allen reli= 
giöjen Reform: Fdeen die Thore der Stadt ). Selbſt vom Laien- 


1) Hamelmaun fchreibt um das Jahr 1568 (1. c. p. 1297): Aceidit 
autem ex ista secta (Anabaptistarum) hoc, ut viri boni et proceres, qui 
veritati addieti erant, sint mutati et ad papisticam religionem inclina- 
rint, timentes, illud doctrinae genus, quod nos profitemur, non esse di- 
versam ab Anabaptistica. SHamelmanns weitere Behauptung p. 1303: 


Die weſtfäliſchen Hocftifter unter Biſchoff Johann von Hoya. 27 


feld) wollte man bier nichts wien. Daß unter den münfterichen 
Geiftlihen eifrige und gelehrte Verteidiger der römischen Kirche 
damals nicht fehlten — ſo der Domprediger und Dominikaner 
Nikolaus Steinlage, die Pfarrer von Lamberti und Servatii, 
Kaſpar Didius und Johann Kridt, legterer zugleich Weihbiſchof —, 
giebt jelbit der hämtihe, mit den münſterſchen Dingen übrigens 
wohlbefannte Hamelmann zu. Das fittlihe Leben der münfter- 
hen Geiſtlichkeit war jedoch nicht viel anders geworden, als zu 
den Zeiten vor der Wiedertäuferei. Auch in der Stadt lebten 
Kollegiat- und Prarrgeiftliche meiftens im Konkubinat. Von den 
vornehmen Herren des Domkapitel3 konnte man nod jagen, wie 
bor vierzig Jahren, „dab der größte Zeil nichts jei als Vertreter 
des Adels, herrſchgierige oder lebensluftige Junker, ariftofratiiche 
Häupter des Landes, die vom geiftlihen Stand nur das Kleid zu 
jeweiligem Gebrauch entlehnten ?). 

Da lief im Sommer 1566 ein Rundſchreiben Pius’ V. an die 
deutichen Biſchöfe in Münfter ein, welches aufs ſtrengſte befahl, alle 
Geiftlichen zur Abichaffung ihrer Konkubinen zu nötigen. Man wußte 
im voraus, daß im Munde diejes Papftes die gewaltigen Worte 
des Kurialftiles ernft gemeint waren; zudem berief jih Pius V. 
ausdrüdlic darauf, daß er der Mithilfe des Kaiſers ficher jei. 
Der Biihor von Münfter, Bernhard von Raesfeld, wiemohl jelbft 
in diejem Punkt nicht tadelfrei, wagte nicht jeinem Klerus das 
Breve vorzuenthalten, ſtieß aber, al3 er e3 auf einer Synode im 
Dftober 1566 publizieren wollte, auf jo heftigen Widerſpruch, daß 
er die mühjame Regierung, deren er ohnehin längft überbrüffig, 
jegt niederlegte (am 25. Dftober 1566) und fi gegen lÜber- 
laffung einer Domkurie ins Privatleben zurüdzog ?). Drei Zage 


per totam ditionem nihil aliud viget quam papatus, widerſpricht jedoch 
dem Bifttationsprototoll bei Niefert a. a. ©. 

1) Cornelius a. a. ©. I, 136. 

2) Das päpftlihe Rundſchreiben bei Laderchius XXI, 143. — 
Erhard a. a. O., ©. 388 ff., mweift allerbings nah, daß Biſchof Bernharb 
ſchon feit 1563 an Refignation dachte, folgert daraus aber zuviel (S. 391 A.), 

15* 


228 Biertes Bud. Erſtes Kapitel. 


danad, am 28. Dftober, wählte das Domkapitel den Dsnabrüder 
Biſchof Johann von Hoya zu feinem Nachfolger. Schon einige 
Rage vor Bernhards Rüdtritt hatte es mit Johann eine Kapi- 
tulation vereinbart, welche zeigt, daß die Dombherren, wie loder 
au ihre Sitten jein mochten, dod in der Lehre der römischen 
Kirche unbedingt ergeben waren: Bevor vom Papfte die Konfir— 
mation und vom Kaiſer die Regalien erlangt, dürfe der Ermählte 
der Regierung ſich nicht annehmen; er jolle nit bloß für feine 
Perſon katholiſch fein, jondern auch die alte katholiſche Religion, 
wie die römische Kirche diejelbe bisher bekannt, im ganzen Stift 
handhaben und feine fremde Lehre dulden, dem Papfte und dem 
Kaiſer folle er allen jhuldigen Gehorſam leiften und binnen 
einem Jahre nad erlangter Konfirmation fi konſekrieren laffen. 
Im übrigen enthielt die Kapitulation gleich allen anderen dieſer 
Zeit zahlreiche Artikel, welche des Biſchofs landesherrlihe Gewalt 
zugunften des Domlapitel3 und der anderen Landftände einſchränk— 
ten. Ihr eigentümlich ift die Bedingung, daß die päpftliche Be— 
ftätigung nur für den Biſchofstitel, nicht für eine bloße Adminiftra- 
tion erlangt werden dürfe. 

Biihof Johann Hatte ſchon einige Monate vor diefer Wahl 
dem Kardinallegaten Morone veriprodhen, ſich weihen zu lafien. 
Die Erwerbung eines jo anjehnliden Stiftes wie Münfter er— 
leihterte ohne Zweifel dem ehrgeizigen, ftet3 geldbedürftigen Herrn 
diefen Entſchluß. Das Weitere vermittelte der Huge Commen- 
done. Auf feinen Rat hin erteilte der ſonſt jo ftrenge Papft 
ohne weiteres Abjolution wegen des langen Aufihubs der Kon— 
jefration, geftattete, dah abweichend von der kanoniſchen Regel ein 


und wiberfpricht ſich nachher felbft (S. 394). Es ift fehr unmahrfcheinlich, 
daß dem Ehronoftihon bei Ehyträus (1. c. lib. XXI aus Kerfjenbroid ?): 
Et CVM sCorta VeLInt, LVgens eLeCte reCedes (1566), nichts Thatſäch- 
liches zugrunde Tiegen ſollte. Strund (l. c., p. 382) citiert als feine Quelle 
neben Chyträus noch „Masen. Ms. collect, hist, Pad.“ Man ift nicht be— 
xechtigt, die alte Erzählung, bevor fie fritifch geprüft, zu verwerfen. 


Die weftfälifchen Hocflifter unter Bifchof Johann von Hoya. 229 


einziger Biſchof unter Affiftenz einiger Äbte die Biſchofsweihe vor= 
nehme, und gab zu, daß der Erwählte als Biihof von Münfter 
zugleih Aominiftrator von Dsnabrüd blieb. ALS einer der erften 
deutihen Biſchöfe leiftete nun Johann den Zridentiner Eid in die 
Hände des Weihbiſchofs Kridt und wurde von ihm, am 4. und 
5. Dftober 1567, im Sreuzherrenklofter Bentlage bei Rheine erft 
zum Priefter, danad) zum Biſchof geweiht. Unter Affiftenz des 
münfterihen Domdehanten Johann von Schending und des 
Scholaſters Goddert von Raesfeld, eines Bruders des abgetretenen 
Biſchofs, feierte der Neugeweihte feine Primiz. — Wenige Mo— 
nate jpäter verichaffte ihm der Tod des alten Paderborner Biſchofs, 
Rembert von Kerfjenbroid, neuen Machtzuwachs. 

Die kirhlihen Verhältniſſe im Stift Paderborn entipradhen 
etwa den osnabrüdishen: die große Mehrzahl der Geiftlihen und 
Laien in einem Zuftand der Unsicherheit, des Schwanfens zwischen 
den gewohnten Formen der alten Kirche und den Forderungen der 
neuen evangeliihen Lehre; Hin und wieder ein Geiftlicher bereits 
vom Geifte der auf feſten Grundfägen erbauten tridentiniichen 
Reform ergriffen, andere dagegen gemwillt, folgerechter als die 
übrigen das lutheriihe Syftem von der Rechtfertigung durd den 
Glauben ohne des Geſetzes Werle aud auf Kult und Sakra— 
mentenfpendung anzuwenden. An den benadbarten lutherischen 
Grafen von Schauenburg, Walde, Lippe, zum Zeil des Stiftes 
Lehensleuten, und befonders an dem Landgrafen von Hefjen hatten 
dieje einen ſtarken Rüdhalt. Einer der erften Adeligen des Lan- 
des, der Edelherr Johann von Büren, hatte ji) bereits offen für 
das Luthertum erklärt. Ebenſo gefinnt war die Mafje der Pader— 
borner Bürgerſchaft. In den legten Regierungsjahren des für 
feine Perfon zwar eifrig katholiſchen, aber bereit3 altersſchwachen 
Biſchofs Rembert hatte fie in dem Pfarrer der Marktlirhe, Mar— 
tin Hoitband, einen vom Utraquiften allmählih zum Lutheraner 
gewordenen Führer gefunden, den der Biihof nur mit großer 
Mühe aus der Stadt entfernen konnte. Hoitband begab ſich in 
den Schuß des Landgrafen von Helfen, der fi, auf Anrufen von 


u . Viertes Bud. Erftes Kapitel. 


Hoitbands Pfarrfindern, für feine Wiedereiniegung bemühte. 
Darüber ftarb der Biſchof. 

Vielleiht waren es gerade dieſe Verhältniffe, melde das 
Domkapitel bewogen, Schon zehn Zage nad) Remberts Tode einen 
mächtigen fatholiihen Nachbarfürften, den Biihof von Münſter 
und Dsnabrüd, als neuen Herrn zu wählen (22. Februar 1568). 
Bon drei Gegenbewerbern willen wir: bon dem einen, Landgraf 
Wilhelm für feinen jüngften Bruder Georg, wollten die Dom: 
herren wegen der Religion nidht3 wiſſen; auch gegen den zweiten, 
Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunſchweig für feinen Entel, 
mochten veligiöje Bedenken ſprechen; der dritte, Kurfürft Salentin 
von Köln, war zwar fatholiih und mächtig genug, aud war 
Paderborn ſchon mehr al3 einmal mit Köln vereinigt geweien; 
man nahm aber vielleicht Anſtoß daran, daß Salentin noch nicht 
vom Bapit für Köln beftätigt war. 

Der neue Biihof Johann von Hoya entiprad den Er— 
wartungen der Katholifen. Hoitband hatte nad) Rembert3 Tod 
gewagt, nad Paderborn zurüdzufehren, wo ihm die Bürgerichaft 
jofort wieder zufiel. Aber bereits im Auguft 1568 mußte er vor 
Biihof Johann eriheinen und dann von neuem die Stadt räumen. 
Dieje Energie erwarb dem Grwählten die volle Gunst des Papites. 
Zwar kam es Pius V. anfangs hart an, gegen feine Grundiäße 
drei Bistümer in einer Hand vereinigt zu laſſen; ſchließlich half 
er ſich durd eine Fiktion, welche zugleich den Vorteil einer Stei— 
gerung der päpftlihen Machtfülle in ſich ſchloß. Der Papſt bes 
traute nämlich, vorgeblich nach eigenem Ermeſſen und auf Wider: 
ruf, den Biihof von Münfter mit der zeitweiligen Verwaltung 
de3 verwaiften Stiftes Paderborn. Johanns Agent in Rom, der 
osnabrüdiihe Sekretär Lorenz Schrader, rühmte ſich ſpäter, dieſen 
Ausweg gefunden zu haben, welcher dem Biihof den Vorteil bot, 
daß er nicht wieder wie für die münfterfche Konfirmation ein 
paar taujend Zhaler nad Rom zahlen mußte. 

Don da ab zeigt fih Johann von Hoya bemüht, in feinen 
drei Stiftern die Dekrete des Xrienter Konzils durchzuführen. 


Die weſtfäliſchen Hochftifter unter Bifhof Johann von Hoya. 2381 


Regelmäßige Diöcefaniynoden wurden vorgeichrieben, Vifitationen 
abgehalten und dabei die Geiftlihen über Lehre, Leben und 
Salramentenverwaltung ausgefragt, hartnädig bäretiiche des Lan- 
de3 verwieſen. Als Slaubensnorm ſollte fünftighin der auf Grund 
der Zrienter Dekrete abgefaßte römishe Katechismus gelten, von 
welhen Biſchof Johann eine eigene Ausgabe in Köln druden 
ließ ). Weitaus die meiften Geiftlihen, aud im Osnabrückiſchen, 
fügten fi geduldig des Biſchofs Machtgebot, leifteten den Eid 
auf das Zridentinum und gelobten bei der ihnen auferlegten rö— 
miſchen Gottesdienftordnung zu leben und zu ſterben. Nachmals 
brachen freilich viele den erzwungenen Eid nicht minder leichtfinnig, 
als jie ihn jegt ſchwuren. 

Dem kirchlichen Verhalten Johanns entipradh das politiſche. 
Er unterhielt mit dem Brüſſeler Hof freundſchaftliche Beziehungen, 
zeigte für ſeine Perſon große Luſt, dem Landsberger Verein bei— 
zutreten, und ließ ſelbſt die Geneigtheit durchblicken, den jungen 
Herzog Ernſt von Bayern zu ſeinem Koadjutor zu machen. Wie 
ſehr ſein Anſehen durch den Beſitz der drei Stifter gewachſen war, 
zeigt ſich z. B. darin, daß durch ihn Kaiſer Maximilian im Jahre 
1670 ſeine mit König Philipp verlobte Tochter Anna nach den 
Niederlanden geleiten ließ. Daneben gab er freilich den höf— 
lichen Verkehr mit den proteſtantiſchen Nachbaren, namentlich 
mit Landgraf Wilhelm von Heſſen und Herzog Julius von 
Braunſchweig, nicht auf. Einmal (im Jahre 1570) fand er ſich 


— — — — 


1) Catechismus ex decreto Concilii Tridentini ad Parochos ... 
mandato et autoritate Rei in Christo patris S. R. I. principis et domini, 
Dni Joannis ex comitibus de Hoya, episcopi Monasteriensis, necnon Osna- 
burgensis et Paderbomnensis ecclesiarum administratoris perpetui etc. 
editus. Coloniae apud Gervinum Calenium et haeredes Quentelios. 1572. 
40 in ſchönem Drud und Papier. Auf ber Nüdfeite bes Titel ein Bruft- 
bild des Biſchofs in Holzichnitt. Dabei auch ein Breve Pius’ V. vom 
3. November 1571, wodurd der Bifchof ermächtigt wird, den römischen Ka— 
tehismus zu bruden und zu überlegen. Ein Eremplar besfelben fchidte 
Johann mit feinen Briefen zur Empfehlung ber Koadjutorie des Herzogs 
Johann Wilhelm nah Rom. 


232 Viertes Buch. Erftes Kapitel. 


jogar bei der Zaufe einer Zochter des lutheriihen Herzogs in 
Wolfenbüttel ein‘). Das geihah zumeift wohl zur Erhaltung 
feines fürftlihen Anjehens, auf das er gewaltigen Wert legte. 
Man konnte ihn tief beleidigen, wenn man ihn nicht mit den be= 
anipruchten fürftlichen Ziteln ehrte. Er hielt ein zahlreihes Hof- 
gefinde; „‚vierundzwanzig vom Adel‘, berichtet man im Jahre 
1570, „warteten ihm allein auf den Dienft“. Dabei war er 
gaftfrei und ein Freund von ftarken Zrinkgelagen. — Aber Prunk— 
ſucht und Gaftereien waren gefährlihe Klippen für feine fatho- 
liſchen Reftaurationsbeitrebungen. Sie bradten ihn immer tiefer 
in Schulden; er brauchte die Hilfe feiner Landftände und mußte 
fie, wenigftens im Osnabrückiſchen, dadurch erfaufen, daß er’zu 
religiöfen Eigenheiten ein Auge zudrückte. So kam es, daß hier 
und vermutlih ebenjo im Stift Paderborn troß feinem heftigen 
Anlauf die kirchlichen Verhältnifie am Ende feiner Regierung nicht 
viel anders lagen als am Anfang. 

Der Wunſch, aus den Schulden herauszulommen, war e3 ver— 
mutlih aud, was ihn bereitwillig auf den Vorſchlag eingehen lieh, 
den Sohn des reihen Herzogs von Fülih-Eleve-Berg zum Koad— 
jutor zu machen. Doch ging diejer Plan nit von ihm fondern 
vom berzoglihen Hofe aus. 


Im Jahre 1496 hatte die Eheberedung zwischen dem Erben 
von Gleve-Marf, Herzog Johann III, und Maria, der Erbin von 
Fülih-Berg-Ravensberg, den Grund gelegt zu der Union diefer 
Landichaften, welhe dann im Fahre 1521, elf Jahre nad) der 
Bermählung Johanns mit Maria, wirklich erfolgte. Dem einzigen 
Sohn beider, Herzog Wilhelm IV., fielen im Jahre 1539 die 
weiten ſchönen Lande zujammen zu; die Landftände wünſch— 
ten aber, dag aud über Herzog Wilhelms Leben hinaus die 


1) Kock L. c., p. 135 ohne Angabe der Duelle. 


Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 233 


Vereinigung fortdauere. Dieſe war anfangs eine bloße Berjonal- 
union geweſen; nad) und nad) brachte jedoch die Gemeinſamkeit des 
Regenten auch zwiſchen den politiichen Intereſſen feiner Unters 
thanen und Länder eine gewiſſe Ausgleihung zumege, wie fie ähn— 
lich ein FZahrhundert früher bei der Vereinigung von Jülich mit 
Berg und von Cleve mit Mark vor fi gegangen war. Es 
blieben zwar zwei Kanzleien, zu Düffeldorf und zu Cleve, und ein 
doppelter Hofrat beftehen, doch gab e3 jchon eine Menge von ge= 
meinjamen Angelegenheiten, welche in gemeinfamer Beratung er= 
ledigt wurden. Dazu kam, daß fi des Herzogs Hoflager bald da 
bald dort in den verjchiedenen Landichaften befand; das erleichterte 
perfönlihe Beziehungen unter dem Landadel und machte aud ihm 
die Fortdauer der gemeinfamen Regierung erwünſcht. Endlich war 
ohne Zweifel auch hier der allgemeine Drang des Jahrhunderts 
zur Ausbildung der Primogenitur wirkſam. Vermutlich hatte man 
ſchon bei der Vermählung Wilhelms IV. mit König Ferdinands 
Tochter Maria im Jahre 1546 die Fortdauer der Union ins 
Auge gefaßt, wenngleih erſt Kaifer Ferdinand im Jahre 1559 
eine förmliche Urkunde darüber augftellte, die dann im Jahre 1566 
Kaiſer Maprimilian II. beftätigte, beide gleichzeitig mit der Er— 
neuerung des Privilegs von Kaifer Karl, welches auch die Tüchter 
zur Erbfolge zuließ ?). 

Wilhelm und Maria hatten fieben Kinder, darunter zwei 
Söhne; Karl Friedrich, geboren am 28. April 1555, und Johann 
Wilhelm, geboren am 29. Mai 1562. Wenn e3 unter allen 
Umftänden rätlich war, den nicht zur Regierung beftimmten 
jüngeren Sohn beizeiten zu verforgen, jo wurde dies doppelt nötig, 


. 1) Die Eheberebung von 1496 bei Lacomblet, Urkundenbuch IV. 
Nr. 474. Über ihre Bedeutung vgl. P. Haffel, Die Rehtsanfprüche 
u. f. w. in Zeitfehr. des berg. G.V. I. — Die Urkunden, durch welche bie 
Kaifer Ferbinand und Marimilian das Privilegium unionis beftätigen (bei 
Dittmar, Cod. diplomat. zu Teschenmacher Il. c., Nr. 118 u. 121) 
beziehen fih auf eine bafelbft und ebenfall8 bei Lacomblet fehlende Erb— 
teilung zwifchen Herzog Wilhelms Eltern. 


234 Vierte Buch. Erſtes Kapitel. 


jeit Herzog Wilhelm von Schlaganfällen heimgefuht und jein 
früher Tod zu befürchten war. Als befte Verforgung erſchien auch 
hier, ebenjo wie in ähnlicher Lage in Bayern und anderwärts, der 
Beſitz eines der benachbarten Hochſtiftet. Wie Freiling dem bay: 
rischen Haufe, jo ftanden die weſtfäliſchen Domftifter, namentlich) 
das größte und reichite von ihnen, das münfteriche, dem Haufe 
Sülih=Cleve bejonders wohl an. Es grenzte im Weſten und 
Süden an das Herzogtum Gleve, weiter im Süden an die Graf: 
ihaft Mark. Die zu Jülich gehörige Grafſchaft Ravensberg lag 
faft wie eine Enklave zwiſchen den drei Stiftern des Biſchofs 
Kohann. In den Domtapiteln zu Münfter und Dsnabrüd, welde 
faft nur Mitglieder der niederheiniich: weitfäliichen Ritterſchaft 
zuließen, waren die Domberren zum guten Zeil Herzog Wilhelms 
geborene Unterthanen oder Lehensleute. Auch des Biſchofs per 
ſönliche Lage erleichterte eine Verftändigung mit ihm. Johann 
war zwar nod ein Mann in den beften Jahren, aber von jehr 
ſchwankender Gejundheit. Er jelbft that durch feinen Hang zum 
Trunf das meifte, fie vorzeitig zu zerrütten. Ungefähr zu Anfang des 
Jahres 1570 bekam er zuerſt epileptijhe Anfälle, die ſich nachher 
wiederholten. Dennod lieg der Biſchof das übermäßige Trinken 
nicht. Zuletzt wurde er ſchwindſüchtig, jo dag jedermann feinen 
frühen Tod vorausſah ). Des Biſchofs Familie, die Örafen von 


— 


1) 27. Mai 1570 ſchreibt der Würzburger Kanzler Hellu an Dr. Ed, 
der Bifchof Habe vor zwei Monaten einmal und zuvor aud ſchon zweimal 
morbum caducum gehabt „unb tuot auß fonderm guoten herzen und willen, 
fo er zu erlichen leutten bat, wil exceß, das alfo vil leut mitleiden und forg 
ſeins gefunts haben“. StR. 224/5. fol. 163. — 21. September 1570 
ſchreibt Philipp von Naſſau an Ed, eine vertraute Perjon [der münfterfche 
Marihall] habe ihm gefagt: „das E [dev Biſchof] im drunk fil vet, das 
morgens alles vergefien“, unb weiter: „das E nit uber brei jar leben fonte“. 
Sta. 224/2. fol. 252. — Kock 1. c., p. 139 teilt aus Höveld mir nicht 
vorliegendem Speculum Westphaliae veteris folgende Stelle mit: dolendum 
est fuisse hominem usque adeo poculis deditum et rerum saecularium 
negotiis et illecebris captum, simulque superstitiosis et externa specie 
. splendidis pontificum ritibus magis quam evangelii doctrinae animo 
fideli addietum. 


Herzog Johann Wilhelm wird Koadjutor von Münſter. 235 


Hoya, waren dem Ausfterben nahe; vertrautere Beziehungen zu an— 
deren gräflichen oder fürftlichen Häuſern hatte er nicht ; die proteftan= 
tiihen Nachbarfürften waren ihm infolge feines jegigen, ſchroff 
römiſch-katholiſchen Verhaltens entfremdet: — fo fühlte er ſich ſelbſt 
gedrängt zum Anſchluß an Jülich und die ſpaniſchen Niederlande. 
Auf herzoglicher Seite find es gerade die entſchieden katholiſchen 
Räte, von weldhen der Plan der Koadjutorie ausgeht oder am 
eifrigiten betrieben wird. Der allerentichtedenite unter ihnen, 
Heinrih von der Rede, Droft in der Lymers, begegnet uns ala 
erſter Unterhändler. 

Im Mai 1571 erhielt Heinrich von der Recke von ſeinem Herzog 
Befehl, bei Biſchof Johann vertraulich anzufragen, ob dieſer nicht 
geneigt ſei, des Herzogs jüngeren Sohn als Koadjutor und Nach— 
folger zunächſt für Münſter anzunehmen; in dieſem Fall möge der 
Biſchof die Sahe wie von ſich aus bei feinem Domkapitel an— 
regen. Man fürdtete beſonders Anftände veligtöfer Natur. Wir 
fennen des Herzogs kirchliche Mittelftellung, wiſſen, welche Freiheit 
das evangeliihe Belenntnis an feinem Hof und in feinen Ländern 
genoß; gehörten ihm doch des Herzogs eigene Schweiter und jeine 
erwachienen Töchter offen an. Alle römiſch Gefinnten waren voll 
Miktrauen gegen Herzog Wilhelm. Deshalb follte Red ver: 
ſprechen, daß der Herzog feinen Sohn katholiſch erziehen laſſen, 
und, falls diejer ſpäter nicht geiftlih oder nicht katholiſch bleibe, 
dem Domkapitel die freie Wahl wieder anheimgeben wolle. 

Es ſcheint, dal der Bischof ohne weiteres feine Mithilfe in 
Aussicht jtellte; der Form nad ſollte jedod die Sache zuerft beim 
Kapitel anhängig gemacht werden. Darauf gewann Ned zuerit den 
eifrig katholischen jegigen Domdehant, Goddert von Raesfeld, für den 
Plan, und durch ihn auch die anderen angejehenjten Domherren. 
Bereits im November wurde zu Ahaus, wo der Biſchof refidierte, 
zwiichen feinen und des Herzogs Näten, jodann zu Münfter mit 
Vertretern des Kapitels eine Kapitulation vereinbart, welche Her— 
zog Wilhelm am 23. Dezember 1571 zu Jülich unterzeichnete. 
Sie gewährte dem erwählten Koadjutor vorläufig feinerlei Rechte, 


236 Viertes Buch. Erſtes Kapitel. 


fondern nur eine Art Anwartihaft auf das Stift, bedingte da= 
gegen, daß derjelbe fatholiich erzogen und zum geiftlihen Stande 
qualifiziert werde. Vor allem aber folle er fih die Einwilligung 
des Papſtes verihaffen. Das war feine leichte Aufgabe. — Was 
bedeutete die Koadjutorie eines neunjührigen Knaben? Entweder 
ftand, da Bischof Johann aller Wahrſcheinlichleit nach nur noch 
wenige Jahre zu leben hatte, ein langes Verwaiſtſein der münfter- 
ihen Kirche bevor, oder man befand fid) auf dem Wege zur Sä— 
fularifation des Stiftes. Auf tiefes Miptrauen vonfeiten Roms 
mußte Herzog Wilhelm gefaßt fein, wenn auch fein jo ftrenger 
Mann wie Pius V. Papſt war. 

Anfang Januar 1572 begab ſich der cleviihe Rat Dr. Andreas 
Mafius !), ein geborener Niederländer, der am Brüffeler Hof gut 
befannt und wohl angefchrieben war, zu Herzog Alba und bat ihn 
die münſterſche Koadjutorie bei Pius V. für feine Perfon zu em— 
prehlen. Alba hatte Urſache, mit dem politiihen Verhalten der 
cleviihen Regierung während der niederländifchen Unruhen zus 
frieden zu fein; aud hatte er fi) nody im vorigen Jahre durch 
einen eigenen Gejandten überzeugt, daß mwenigitens Herzog Wilhelm 
jelbft und fein älterer Sohn ſich katholiſch hielten, die Meſſe be— 
fudten u. ſ. w.?) Dennoch zauderte er jegt die Verantwortung 


1) Biographifches über Maſius giebt u. a. H. A. Grifum bei Borheck, 
Archiv für die Gefchichte der deutſchen Nieber-Rheinlande, Bd. I, Elberfeld 
1800, ©. 147ff.; vgl. Wolters, Heresbach, ©. 162. 184. 259 und van 
der Aa, Biogr. Woordenboek s. v. 

2) Bericht des Joh. Bapt. be Taſſis vom 23. Januar 1571, leider nur 
in ſchlechter Überfegung, bei Lacomblet, Archiv V, 210ff. — Über bie 
erfte Kommunion des Herzogs Karl Friebrih zu Oftern 1570 interefiante 
Briefe des Heren Wernder zu Gimnih DA. Zülih- Berg. Geiſtl. Saden. 
Generalia 16. Zu Anfang des Jahres 1570 giebt Gimnich ein Gutachten 
ab: „aus was urſachen e8 meines bebunfens ratfam, das ber jonger m. 9. 
b. das hochwirdich facrament bes altar8 unter einer catolichsjcher mes ent- 
fange” ; darauf antworten bie Düffeldorfer Räte: „nachdem nun ire f. ©. 
die fah dahin verftanden, ba8 man ber communion under beider geftalt 
fein beſchwerung trage, ſonder allein das biefelbe under einer catholifher 
meß chriſtlich außgeſpendet werbe, wie im feiferliben hof auch breuchlich fein 


Herzog Johann Wilhelm wird Koadbjutor von Münfter. 237 


für eine perjönliche Empfehlung auf fih zu nehmen; er wollte erſt 
an feinen König berichten und dann deſſen Empfehlung die eigene 
beifügen, ließ ſich jedoch ſchließlich durch den mit Mafius be— 
freundeten alten Präſidenten Viglius van Zwichem beſtimmen, dem 
Geſandten ein Schreiben an den Papſt in der gewünſchten Form 
mitzugeben. 

Nun erſt bat Herzog Wilhelm den ſpaniſchen König ſelbſt 
ſowie den Kaifer um ihre Fürichriften; ihnen, feinen Verwandten, 
enthüllte er das wahre Motiv der gewünſchten Koadjutorie, die 
Fortdauer der Union feiner Lande, während er den Lütticher 
Biſchof und den Trierer Kurfürften, beide als eifrige Katholiken in 
Rom wohl angejehen, unter Hinweis auf die firhliden Vorteile 
der Koadjutorie um ihre Empfehlung anging. 

Während die erbetenen Fürſchriften nad und nad einliefen, 
war Alba neuerdings bedenklich geworden. Er hatte erfahren, des 
Herzogs älterer Sohn, der damals am fatjerlihen Hofe ſich auf: 
hielt, habe dort am legten Weihnahtsfeft die Kommunion nicht 
anders al3 unter beiden Geftalten empfangen wollen. Das erſchien 
dem Spanier als ein jchlimmer Beweis häretiſcher Gefinnung; er 
fürdhtete, der jüngere Sohn möchte ebenjo erzogen werden, und 
König Philipp, wenn er es erführe, feine Empfehlung widerrufen 
und dadurd) daS Gerede nur Ärger werden. Darum beichied er 
den Dr. Mafius im März wieder nad) Brüffel und eröffnete ihm 
im Vertrauen mündlid) feine Bedenken. Mafius gab fich alle Mühe 
diejelben zu heben; er beteuerte, Herzog Karl Friedrich ſei feither 
fatholifch erzogen worden, wie denn fein jegiger Präceptor Stephan 
Winand Pighius von Kampen am Brüffeler Hofe mohlbefannt jei. 
Falls der Herzog wirklich unter beiden Gejtalten fommuniziere, 


mag, fo haben ir f. ©. bafjelbig nit allein alsbald gnediglich gewilligt, 
fonder auch dergeftalt mit zu communicieren ſich erbotten, unb vor obbe- 
fimbter catbolifcher meh, fovern communicanten barbei vorhanden, fein ab- 
ſcheuens zu haben fich deutlich gnug erclert.” So folle e8 aljo kommenden 
Oftern mit Herzog Karl Friedrich gehalten werden. — Ein Bericht Gimnichs 
an Hellu über die firhlihen Zuftänne am berzogliden Hof vom 15. Sep- 
tember 1570 StA. 224/2. fol, 240. 


238 Viertes Bud. Erſtes Kapitel. 


fo jet dies dod nicht der katholischen Religion zuwider, jondern 
bei vielen deutſchen Katholiken, ja beim Kaifer Marimilian felbft 
jo der Brauch, teilweije mit päpitliher Dispens. Der jüngere 
Bruder aber habe bis jegt überhaupt noch nit kommuniziert, 
auch jei in der münfterichen Kapitulation ausdrücklich bedingt, daß 
er fi der römiſch-katholiſchen Kirche gemäß halten müſſe. Alba 
gab ſich aber damit noch nicht zufrieden, jo dag Mafius ohne das 
königliche Fürſchreiben heimkehren mußte. Ende April kam er 
wieder und brachte eine Inſtruktion feines Herzogs mit, worin 
diefer neuerdings verlicherte, jein Sohn jolle nicht anders, als es 
in der fatholiihen und römischen Kirche hergebracht, erzogen wer= 
den; er werde denjelben eheftens in ein Kollegium ſchicken, wo 
man die fatholiiche Religion und die römischen Kirchengebräuche 
durhaus halte, fpäter dann auf eine unverdächtige katholiſche Uni— 
verſität. Auch diesmal vermittelte Viglius, das Alba endlich die 
Empfehlung jeines Königs dem herzoglichen Gefandten aus— 
händigte. 

Dem redlichen Maſius mag die zweideutige Rolle, welche er 
hier ſpielte, ſcwwer genug geworden ſein. Mit einer faſt krank— 
haften Wärme des Gefühls hatte Herzog Wilhelm, als ſein Ver— 
ſtand ſchon geſchwächt war, an dem altkirchlichen Symbol der beiden 
Geſtalten, zugleich dem Symbol kirchlicher Wiedervereinigung, feſt— 
gehalten. Maſius ſelbſt war ein Geſinnungsgenoſſe des Erasmus, 
ein vertrauter Freund des Caſſander geweſen, in deſſen Ver— 
mittelungsvorſchlägen der Laienkelch eine wichtige Stelle einnahm. 
Nun verſtanden ſich Herr und Diener aus politiſchen Motiven zu 
einem Verſprechen, welches wenigſtens Alba ſo deuten mußte, als 
hätte man für Herzog Johann Wilhelm bereits auf den Laien— 
feld verzichtet, — und unter denen, welche die neue Inſtruktion 
für Mafius mitberaten hatten, war auch der cleviiche Kanzler 
Diifleger, bisher an Herzog Wilhelms Hof der entihiedenfte Ver— 
treter caffandriiher Ideen ). 


1) Über Ofiffeger: Wolters a. a. O. und Neformationsgefdichte ber 


Herzog Johann Wilhelm wird Koadjutor von Miünfter. 239 


Geraume Zeit verging jedoch nod, che der Herzog von dem 
Empfehlungsihreiben in Rom wirklich Gebrauch machte. Viel: 
leicht zögerte man anfangs abfichtlih, um zuvor aud mit dem 
Dsnabrüder Domkapitel über eine Koadjutorie fich zu verftändigen. 
Schon im November 1571, glei nad) dem Abſchluß der mün— 
fterichen Kapitulation, hatte ſich zu diefem Zweck einer der ange— 
ſehenſten Räte des Herzogs, der Amtmann zum Sparenberg, Dtto 
bon dem Bylandt, Herr zu Aheidt, mit dem vornehmſten osna= 
brückiſchen Rat, Franz Lüning, Droft zu Fürftenau, nad) Dsna= 
brüc begeben, war aber von den anweſenden Dombherren mit aller- 
band VBorwänden Hingehalten worden. — Der wahre Grund diejes 
ablehnenden Verhaltens wurde erjt nad) ein paar Monaten, nach— 
dem Biihof Johann jelbit die Sache mehrmals wieder angeregt 
hatte, offenfundig. Ein Gegenbewerber war vorhanden, der ein 
Vorrecht zu haben behauptete und auch jeinerjeits auf gute Für- 
iprecher ich berief. Das war der junge Bremer Erzbiſchof, Herzog 
Heinrich von Lauenburg, dem wir als Domherrn zu Köln bereits 
begegnet find. 

Biihof Johann hatte zu einer Zeit, da er noch nicht an 
fatholiiche Reftauration dachte, mit Heinrichs Vater, Herzog Franz, 
und feinem älteren Bruder Magnus Freundichaft geichloffen 19), 
welche noch fortdauerte, al3 Johann bereit3 Biſchof von Münfter 
geworden war. Denn erjt nachher ſcheint er den Lauenburger 
Herzögen veriproden zu haben, ihrem Sohn und Bruder zur 
Nachfolge in Dsnabrüd und Münfter zu verhelfen. Heinrich war 
diefem Plane zulieb jelbit einmal mit feiner Mutter auf Schloß 
burg bei dem Biihof und nachher aud in Münfter bei dem 


Stadt Weſel. Doch madht ihn Wolters mit Unrecht zu einem Evange- 
liſchen. 

1) Wahrſcheinlich im Jahre 1559 bei einem gemeinſamen Aufenthalt in 
Schweden. Chytraeus lib. XX, vgl. Stüve II, 185. Auch in einer 
Inſtruktion des Erzbifhofs Heinrih für Landgraf Wilhelm, dat. Börbe 
18. November 1572 (MX. Biſch. Osnabrüd 1572/1698), wird der Urfprung 
ber Freundſchaft auf die ſchwediſche Reife zurückgeführt. 


240 Viertes Bud. Erſtes Kapitel. 


Domdehanten Raesfeld. An ſich war diefer Blan ſelbſt für einen 
gut fatholiihen Biſchof nit verwerflih. Denn wenngleih Hein— 
richs Vater und Ältere Brüder lutheriſch waren, ftudierte er ſelbſt 
mit feinem jüngeren Bruder Friedrih doch ſchon feit mehreren 
Jahren in Köln, hielt fi) katholiich und ftand im Rufe eines be= 
gabten, frommen und jittjamen -jungen Menſchen ’). Bedenklicher 
wurde der Plan, al3 Heinrih am 17. Februar 1567 zum Erz— 
biihof von Bremen gewählt wurde. Sein Vorgänger dajelbft, 
der alte Herzog Georg von Braunſchweig, hatte noch als katholiſch 
gegolten, aber Domkapitel, Stadt und Land waren, mit Ausnahme 
einiger Klöfter, längſt ſchon proteftantiih. Heinrih, welden das 
Kapitel hauptſächlich deshalb mählte, um in ruhigen Beſitz des 
vom Haufe Lauenburg beanspruchten Landes Wurften zu kommen, 
mußte fih in feiner Kapitulation verpflichten, die Augsburger 
Konfeilion im Erzitift aufrecht zu halten. Zwar bemühte er 
ſich, durch Kaiſer Marimilian al3 Belenner der katholiſchen Reli— 


1) Kaiſer Marimilian ſchreibt an den Papſt am 10. Januar 1568 (bei 
Laderchius l. c.): Quod ad personam ipsius Illustris Electi attinet, 
profitetur ille et tuetur religionem nostram catholicam et Stem V, se- 
demque Aplicam summa observantia prosequitur, eaque est, ut accepimus, 
indole prudentia eruditione pietate ac vitae morumque honestate et pro- 
bitate et iis demum excellentibus animi dotibus praeditus, ut maximam 
de se bonorum virorum expectationem concitaverit, atque ad hoc am- 
plissimum archiepiscopale munus [scil. Bremense] valde idoneus jam esse 
judicetur. Wenn man aud von biefem Lob ein gut Teil als offizielle 
Phrafe abftreichen darf, fo berichtet doch jelbft der Nuntius Gropper an ben 
Karb. von Como am 6. DOftober 1574 (bei Theiner 1. c. I, 219) quod 
antea hic Coloniae varia pietatis et catholicae religionis (quemadmodum 
testium dieta comprobant) inditia reliquerat; und ber ſächſiſche Rat Erich 
Bollmar von Berlepſch fchreibt an feinen Kurfürften (4. November 1572 
DrX. loc. 8926), daß Heinrich „acht ganze jar zu Eoln mit großem lob ein— 
gezogen und vleißig refibirt, auch daſelbſt und funft viler herlicher furftlicher 
gaben und tugenden halb von meniglih wol geachtet und im einem großen 
anfeben iſt“. — Nah Göcke (in Pids Monatsſchrift für die Gefhichte Weft- 
beutichlands, 1878, S. 591ff.) begann Heinrichs Aufenthalt zu Köln im 
Jahre 1564 und dauerte wohl bis zur Übernahme ber Regierung bes Erz- 
ftift8 Bremen, etwa im Jahre 1571, vgl. Wiedemann a. a. O., ©. 164. 


Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 241 


gion und Verehrer des apoftoliihen Stuhles empfohlen, alsbald 
um die päpftlihe Konfirmation, nahm dann aber, ohne fie abzu= 
warten und ungeweiht, den erzbiihöflichen Titel an. Dies und die 
„Verachtung des langen Rockes“ Führt Biſchof Johann nachher 
als jeine Gründe an, weshalb er den jungen Herzog Heinrich bei 
der Bewerbung um Dsnabrüd nit weiter unterftügen Lönne. 
Man wird aber dem Biſchof faum unrecht thun, wenn man an— 
nimmt, dab ihm neben und vor den religiöfen Motiven die 
Freundihaft des reihen Herzogs von Gleve wertvoller war als 
die der armen überjchuldeten Lauenburger. 

Johanns Rat und vormaliger Agent zu Rom, Lorenz Schra= 
der, und auf herzoglider Seite namentlih der Amtmann zum 
Sparenberg, behandelten die Koadjutorie ganz wie einen Kauf: 
handel, wobei dem Meiftbietenden die Ware zufällt. Nach Ab- 
ſchluß der Verhandlungen um Münfter erhielten der Biſchof ſelbſt, 
feine Räte und die befreundeten Domberren reihe Geſchenke; 
außerdem zahlte Herzog Wilhelm fpäterhin nod eine Schuld des 
Biihofs im Betrage von 2800 Goldgulden, von denen er nie 
etwas wiedergefehen hat. Doch zogen nidht nur die einzelnen 
Perſonen, ſondern aud) das Stift al3 ſolches Vorteil von der 
Koadjutorie. Don altersher beftanden zwiſchen Stift Müniter 
einerfeit3 und dem Herzogtum Cleve ſowie der Grafſchaft Mart 
anderjeit3 Grenz: und Hoheitsftreitigfeiten, die jegt zum Lohne für 
die Koadjutorie beigelegt werden jollten. Die cleviſchen Irrungen 
wurden auch wirklich am 5. Dftober 1572 durch einen Ber: 
trag zu Bocholt geichlichtet ), die ftreitigen Grenzen zwiichen 
dem Stift und der Grafihaft Mark jedoh erft nad) Johanns 
Tod beridtigt. Hätte man fi mit dem Dsnabrüder Kapitel ge— 
einigt, jo wäre aud hier ein Vergleich über die Irrungen zwiſchen 
diefem Stift und der Grafihaft Ravensberg der Lohn gemwejen. 

In Münfter war alles jo raſch und geheim abgemacht worden, 
daß den Lauenburgern nur noch das Nachſehen blieb; in Osna— 


1) Lacomblet, Urkundenbuch IV, Nr. 575. 
Lofien, Köln. Krieg L 16 


242 Biertes Bud. Erſtes Kapitel. 


brüd aber trat Herzog Heinrich offen als Gegenbewerber auf. Ex 
und jein Vater mahnten den Biihof an jein gegebenes Wort. 
Zwar verfiherte Johann, er habe nichts feft veriproden, fondern. 
nur einen von Heinrichs katholiſchem Verhalten abhängigen Wunſch 
geäußert, redete fi aud damit aus, daß er ohne fein Domkapitel 
nichts thun könne, aber die Lauenburger beriefen ſich auf fo be 
ſtimmte Zufagen, daß fogar Heinrichs Oheim, der Kurfürft von 
Sachſen, ſowie Landgraf Wilhelm von Heſſen darauf Bezug neh- 
men fonnten, als fie im Laufe des Jahres 1572 den Biſchof und 
den Herzog von Fülih erſuchten, Stift Dsnabrüd dem Bremer 
Erzbischof zu überlaffen. Biihof und Herzog ließen fi) dadurch 
nicht don ihrer Abfiht abbringen, verfuchten vielmehr noch im 
folgenden Jahre (1573) wiederholt, Johann fogar einmal in Per: 
jon, die Dsnabrüder Domberren für Johann Wilhelms Koad— 
jutorie zu gewinnen; dieje aber, da fie es weder mit der einen 
noch mit der anderen Partei verderben wollten, verſchanzten fich 
hinter der Antwort, eine Koadjutorie fei gegen Herlommen und 
Privilegien ihres Stiftes, auch fähen fie für jest deren Not— 
wendigfeit nicht ein; was bei einer Sedisvalanz geichehen werde, 
ftellten fie dem Allmädhtigen anheim. — Schlieglih erfuhr man, 
daß Domkapitel und Landftände zu Dsnabrüd ſich verglichen. 
hätten, feinen Koadjutor oder Biſchof ohne gegenfeitige Übereinkunft 
zu wählen. 

Inzwiſchen hatte fih die münſterſche Konfirmationsſache lang- 
ſam weitergeſchleppt. Abgejehen von der vermutlich mitwirken- 
den Rüdjiht auf Dsnabrüd erihwerten die Verhältniffe an Her— 
309g Wilhelms Hof überhaupt raſche Entſchlüſſe. Da der Herzog 
jelbft nicht ganz oder nicht immer zurechnungsfähig war, mußten 
wichtige Beihlüffe immer erft bon einer ganzen Anzahl von 
Räten erwogen werden, in gemeinfamen Angelegenheiten oben= 
drein von Räten beider Landihaften )yY. Dazu kam in dieſem 


1) In den von mir benusten Düffeldorfer Akten find jahrelang bei allen 
wichtigeren Beſchlüſſen und Vorträgen bie jülichfchen und clevifhen Räte na- 


Herzog Johann Wilhelm wird Koabjutor von Miünfter. 243 


Fall, daß mande Räte mit Rom nicht gerne zu ſchaffen hatten. 
Suchte doch jelbft der jonft zu den katholiſchen Räten gezählte 
Kanzler Dlifleger für feine Perſon von diefer Sache ſich frei zu 
machen. Dann drängte ſich der von Biſchof Johann empfohlene 
Lorenz Schrader ein und wünſchte die Leitung in feine Hand zu 
befommen, wurde aber abgewieſen, da Red, Mafius und der 
Domdehant Raesfeld ihn für „eigennügig und gefährlich‘ er= 
Härten. Erſt Ende September 1572, auf jenem Zag zu Bocholt, 
wo die Grenzgebrechen vertragen wurden, vereinbarten des Herzogs 
Räte mit Biihof und Kapitel, insbejondere dem Domdechant, wie 
die Konfirmation zu betreiben. Ein cleviicher Unterthan, der ſich 
wegen verjchiedener Privatfahen an der Kurie aufbielt, Wolfgang 
Hammerftein, ferner der uns befannte Johann Paul Gaftellino 
wurden al3 Agenten de3 Herzogs beftellt und jollten den mün— 
fterichen Agenten Cosmus de AngeliS und den gerade in Rom 
verweilenden Lüttiher Archidialon Laevinus Zorrentius zuziehen. 
Die Urkunden über die Koadjutorie nebft den Fürjchriften, Anfang 
Dftober abgefhidt, trafen durch zufällige Verjpätung erft Anfang 
Januar 1573 in Rom ein, al3 die münſterſche Sade in der ge= 
ſchwätzigen Stadt bereit3 Tagesgeſpräch war. 

Der Papft perjönlich hatte bereit3 im Sommer Kenntnis von 
ihr erhalten, durch kaiſerliche Geſandte, welhe ihm zur Thronbe— 
fteigung Glück wünſchten und bei diefem Anlaß aud eine Em- 
pfehlung für den erwählten Koadjutor von Münfter überreichten. 
Auch hier zeigte fi wieder der in Rom erfolgte Syſtemwechſel. 
Pius V. würde ohne Zweifel ſchroff auf das Zrienter Defret über 
Koadjutorieen (Sess. XXV. de Ref. cap. VII) verwieſen haben, 
Gregor XI. gab den Troſt, wegen der Zemporalien jollten feine 
großen Schwierigkeiten gemaht werden, wenn man auch inbezug 
auf die Spiritualien nicht wohl dispenfieren könne. — Allgemein 


mentlih aufgeführt, welche daran teilnahmen. Wusgefertigt und gegen- 
gezeichnet find bie meiften Schreiben von Paul Langer, dem katholiſch und 


fpanifch gefinnten Geh. Kammerfelretär bes Herzogs. 
16 * 


244 Viertes Bud. Erftes Kapitel. 


befannt an der Kurie wurde die Sache gegen Ende des Jahres 
durch Briefe Schrader, der entweder feine doch nicht ganz außer 
Spiel gelaffene Perſon wichtig zu machen juchte, oder auch einer 
von jenen falfchen Freunden war, die, wie Hammerftein meinte, 
der Koadjutorie Johann Wilhelms durd) öffentliches Gerede über 
fie Steine in den Weg legen wollten. 

Die einzige wirkliche Schwierigkeit der Konfirmation lag in 
dem Mißtrauen, welches die Kurie in die Rechtgläubigfeit des 
berzoglihen Haufes ſetzte. Eben jekt, zu ungelegener Zeit, kam 
zu den alten Verdachtsgründen die Nachricht, daß Herzog Wilhelm 
feine ältefte Tochter Maria Eleonore dem lutheriihen Herzog bon 
Preußen verlobt habe. Als Gegenmittel riet Hammerftein durch 
Alba und den Lütticher Biſchof des Herzogs Eifer für die Ver— 
treibung der Ketzer aus feinen Landen und für die Unterftükung 
des katholiſchen Königs gegen die niederländischen Rebellen in 
ähnlicher Weiſe bezeugen zu lafjen, wie dies früher durch die Für- 
ſchrift des Erzbiſchofs von Zrier gejchehen war). Das ericdien 
dern Herzog feiner nicht würdig, dod war ihm recht, daß Biſchof 
und Domkapitel zu Münfter von ſich aus in diefem Sinn an 
Papft und Kardinäle fchrieben. Sodann verftand er fi jegt zu 
einigen teilweife ſchon durch die Kapitulation geforderten Schritten, 
welche Johann Wilhelms katholiſche und geiftlihe Erziehung be— 
tunden follten. Nod im Frühjahr 1573 wurde der jegt elfjährige 
Snabe der Kollegiatliche St. Viktor in dem katholiihen Städtdyen 
Zanten zur ferneren Ausbildung übergeben ; gleichzeitig verichaffte 


1) Über die Herzogin Maria Elenore ſ. Borheda.a.D., ©. 244ff. — 
7. April 1573 fchreibt ber clevifche Nat Heinrich v. Weze aus Bevenar an 
Baul Langer (DU. a. a. D. 288, fol. 480): „Ich trag nit geringe furforg, 
eb ſollen die [von Hammerftein] begerte teftimonia ſchwerlich zu erhalten 
fein, fonderlih von dem Herzogen von Alba, maxime propter mutationem 
religionis in nostra aula et aliis locis. Und forcht ba8 biefe verenderung 
dem ganzen handel nit Heine verhinberung bringen wirt.“ Ob fi biefe 
Bemerkung auf die prenfifche Heirat beziehen Täßt, ſcheint freilich zweifelhaft; 
von einer anderen Religionsveränderung an Wilhelms Hof in biefer Zeit 
weiß ich aber nichts. 


Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Münſter. 245 


man ihm, mittel Emennung durch den Afterdehant Chriftoph 
Ladislaus von Thengen, al3 nächitberechtigten Prälaten, eine Dom: 
präbende zu Köln (22. Mai) y. Im Juni empfing der Knabe 
durch den münfterfhen Weihbischof Kridt die erfte Weihe und die 
Tonſur. Im Juli, als fein bisheriger Hofmeifter Wilhelm von 
Neuenhofe genannt Ley ftarb, wurde der am entjchiedenften rö— 
miſch gejinnte von Wilhelms Räten, Heinrih von der Rede, deſſen 
Nachfolger. 

Mittlerweile hatte der Papſt, auf ein Gutachten der deutſchen 
Kongregation Hin, die Koadjutorie zu beftätigen beichloffen, jedoch 
unter zwei Bedingungen: 1) Der ältere Bruder müſſe die 
Kapitulation beftätigen und für Johann Wilhelms katholiſche Er— 
ztehung fid) verbürgen. 2) Der poftulierte Koadjutor jelbit jolle 
zu feiner weiteren geiftlihen Ausbildung nad) Rom kommen. Der 
Nuntius in Wien, Johann Delfino, überbrachte diejen Beſcheid 
dem Kaifer und dem Herzog Karl Friedrih; dem alten Herzog 
follte er dur Dr. Kaſpar Gropper, welcher gerade damals als 
außerordentliher Nuntius nad) Niedverdeutichland ging, ebenfalls 
mündlich eröffnet werden; ein verbindliches aber nichtsſagendes 
Breve verwies einftweilen auf diefen künftigen Gefandten. 

Die erfte Bedingung fand feinen Anftand; bereit3 im Juli 
1573 gab Herzog Karl Friedrih die geforderte Erklärung ab. 
Dagegen hielten jelbft die katholiſchen Räte des Herzogs nicht für 
ratfam, den jungen Prinzen nad Rom zu ſchicken. Herzog Wil- 
beim behielt fi) zwar jeine Antwort vor, weil ja auch das päpft= 
liche Breve auf mündliche Eröffnung verwies, jedod ſprach der 
Kaiſer in feinem Namen gegen Delfino den Wunſch aus, da die 
Reife nah Rom, in Anbetraht der Jugend und ſchwachen Ge— 
jundheit Johann Wilhelms, aufgejhoben und diefer inzwiichen 
anderwärts katholiſch erzogen werde. Den gleihen Wunſch ent= 
hielt auch Karl Friedrichs Schreiben an den Papſt. 

Dr. Gropper traf im Herbft 1573 am Niederrhein em, zur 


1) Domtap.-Prot. vom 18., 20. und 22. Mai 1573 DA. 


246 Viertes Bud. Erſtes Kapitel. 


Zeit da der Herzog auf der Reife nad) Königsberg fi befand, 
um in Perſon feine ältefte Tochter ihrem Berlobten zuzuführen. 
Erft am 14. Januar 1574 fonnte der Nuntius vor dem Herzog 
in Gegenwart einer Anzahl katholiſcher Räte!) der päpftlidhen 
Aufträge ſich entledigen. Die beiden ſchon zuvor verhandelten 
Hauptpunfte machten am wenigſten Schwierigkeit. Herzog Wilhelm 
wiederholte das Verſprechen, daß fein älterer Sohn die Kapitu- 
lation in optima forma betätigen und für Johann Wilhelms 
Erziehung im fatholifhen Glauben nah Kräften bemüht jein 
werde. Die Sendung desjelben nad) Rom wurde für ſpätere Zeit 
in Ausſicht geftellt; für jekt möge man ſich damit begnügen, daß 
er einftweilen noch in Xanten, jpäter jodann an einer katholiſchen 
Univerfität für feinen geiftlihen Beruf erzogen werde. Dem 
Nuntius wurde anheimgegeben, des Prinzen Hofmeifter, Präceptor 
und Kaplan ihr katholiſches Glaubensbefenntnis abzufordern: . Nur 
Katholiken jollten in Johann Wilhelms Dienften gelafjen werden. 
Die Inftruftion des Nuntius enthielt aber nod einige jehr 
heille Nebenartifel, melde Gropper, des Herzogs geborener Unter— 
than und vormaliger Rat, im Einvernehmen mit einigen ver— 
trauten Räten, in möglichſt abgeſchwächter Form vorzubringen 
ſuchte. Er mußte den Herzog ermahnen, keine ketzeriſchen Hof— 
geiſtlichen und auch unter ſeinen weltlichen Räten und Beamten 
möglichſt wenige unkatholiſche zu dulden, mußte rügen, daß an den 
Schulen zu Düſſeldorf und Duisburg ketzeriſche Schulmeiſter ſich 
eingeſchlichen hätten und ſogar Schmähſchriften gegen den apoſto— 
liſchen Stuhl verbreiteten, mußte fordern, daß Viſitationen der 
Geiſtlichleit und der Schulen angeſtellt und die Schulrektoren an— 
gehalten würden, nad) den Univerfitäten Köln und Löwen fi zu 
richten ?), jollte endlih dem Herzog dringend raten, einige bon 


1) Kanzler Orsbeck, Hofmeifter Schwarzenberg, Marſchälle Reufchenberg 
und Wachtendonck, Heinrih von ber Rede, Amtmann von ber SHorft, 
Dr. ®ee, Lie. Lauermann und Sekretär Langer. 

2) Wie mangelhaft man übrigens in Nom über bie nieberrheinifcher 
Dinge unterrichtet war, fieht man daraus, daß Gropper auch bie Entfernung 


Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Münfter. 247 


jeinen Töchtern an einen fatholiihen Hof, zur Kaiferin, zur Herz 
zogin von Bayern oder zu des Kaiſers Schwefter nad) Hall in Tirol 
zu ſchicken. Auf all’ diefe Punkte ließ der Herzog erſt mündlich, 
dann ſchriftlich durchaus entgegenlommend antworten: Unter den 
Hofgeiftlichen habe wohl vordem ein und der andere anfangs fa= 
tholiſche nachher irrige Meinungen angenommen — man dachte 
wohl zunächſt an Gerhard Beltius!) —, ſei jedod), ſobald man 
dies bemerkt, entfernt worden; dagegen ſeien die jegigen Hoffapläne 
in Lehre und Wandel ſämtlich katholiſch. Etwaigen unbemwährten 
Schulmeiftern wolle man nadfragen und, falls ſich jolde fünden, 
fie abichaffen. — Ein derartiger Befehl, fpeziell gegen Galviniften 
gerichtet, erging in der That kurz nachher an die clevischen und 
märkiſchen Amtleute. — In weltlichen Angelegenheiten fünne man 
leider unfatholiihe Räte und Beamte zur Zeit nod nicht ent= 
behren. Der Rat wegen der Töchter des Herzogs folle mit dem 
Kaifer erwogen werden. Zum Schluß aber mußten die Räte eine 
dem Nuntius ſehr ungelegene Gegenforderung vortragen: Des 
Herzogs eigenes Bemühen, die wahre katholische Religion in feinen 
Landen zu erhalten, werde bejonders dadurch erſchwert, daß jo viele 
feiner Unterthanen die Kommunion unter beiden Geltalten ver= 
langten; werde fie ihnen verweigert, jo wendeten fie fi ganz von 
der fatholiihen Gemeinde ab und verdammten Sekten zu. Der 
Papft möge darum dem Herzog und all feinen Angehörigen und 
Unterthanen den Laienkelch gejtatten. — Gropper meinte, für feine 
Perſon, feine Kinder und das Hofgejinde in geringer Anzahl werde 
der Herzog unter gewiſſen Bedingungen eine ſolche Konzeſſion wohl 
erlangen können, aber die allgemeine Zulafjung des Laienkelches würde 
allerlei Sekten und ſchrecklichen Profanationen Thür und Thor öffnen ; 
er bat dringend, diefen Punkt in des Herzogs Ichriftliher Antwort 


des bereit8 im Jahre 1564 geftorbenen Düfjeldorfer Schulreftord Monheim 
zu forbern hatte. 

1) Beltius war vom September 1558 bis Januar 1566 Hofprebiger bei 
Herzog Wilhelm; danach bis zu feinem Tod im Jahre 1593 evangelifcher 
Prediger an St. Willibrord zur Wefel. Zeitſchr. des berg. G.«V. III, 369 ff. 


248 Biertes Buch. Erſtes Kapitel. 


fo zu faffen, daß in Rom nicht auf ihn jelbft, den Nuntius, Ver— 
dacht falle. Die Räte mwiderrieten aber, wegen der dem Nuntius 
befannten Verfaffung des Herzogs und da die Antwort bereits unter= 
zeichnet, nochmals auf diejen Punkt zurüdzulommen; feinen eige= 
nen Vortrag könne Gropper ja jo einrichten, daß jeder Verdacht 
ausgeichloffen ſei. — Die offenbar für Rom beſtimmte lateinifche 
Faffung des Vortrages ift denn aud in manden Punkten viel 
ſchärfer, als derjelbe mündlich gelautet hatte. 

Man ging im ganzen befriedigt auseinander. Gropper erhielt 
zum Lohn für die guten Dienfte, die er befonders in der Koad— 
jutoriefahe zu leiften veriprad, ein Geſchenk von 700 Goldgulden 
und außerdem die Erlaubnis, feinen Neffen Gotfrid die Propftei 
Soeft zu übertragen. Sein Beriht nah Rom über den Herzog 
muß ſehr günftig gelautet haben, denn ein paar Moden fpäter 
beglückwünſchte diefen ein päpftliches Breve wegen feiner Wachſam— 
feit für die Reinhaltung feines Landes von der Peft der Härefie. 
Die neuerdings erbetene Konfirmation der Koadjutorie erfolgte 
zwar nicht jo raid), wie Öropper in Ausficht geftellt hatte, jedoch 
wurde diefer von Rom aus ermächtigt, für den Fall des Todes 
de3 münfterihen Biſchofs die Sache wenigſtens in der Schwebe 
zu halten. 

Bon Tag zu Tag wurde Biihof Johann Hinfälliger: wer bei 
Verteilung der Erbſchaft nicht leer ausgehen wollte, traf jegt ſchon 
feine Vorkehrungen. Ausgangs März kamen Gejandte des mün— 
fterihen Domkapitels (der Domherr Konrad von Weiterholt und 
der Syndifus Lie. Schade) nad) Köln zu Dr. Gropper, von da 
nad) Gleve, wohin ihnen der Nuntius auf dem Fuße folgte. Hier 
verftändigten fi die drei Parteien über den Weg, welden mar 
nad Zohanns Tod einzufchlagen habe. — Acht Zage danach, in 
der Frühe des 5. April 1574, verichied der Biſchof auf Schloß 
Ahaus, nicht ganz 45 Fahre alt, nachdem er mehr als zwanzig 
Jahre über Stift Dsnabrüd, mehr als acht über Münfter und 
ſechs Jahre über Paderborn regiert hatte. Im Chore des Doms 
zu Münfter wurde er feierlich beftattet. Die Nachrufe der Zeit: 


Herzog Iohann Wilhelm wird Koabjutor von Miünfter. 249 


genoffen rühmen bejonders des Verſtorbenen Sprachenkenntnis, 
einzelne auch feinen religiöjen Eifer. Der Rektor Kerfienbroid jagt 
von ihm in jeinem Katalog der Paderborner Biichöfe: 
„Allzeit verteidiget er den Glauben der Väter unbeugjam, 
Welcher gefihert hier jtand unter jo kräftiger Hut“ ?). 

In der That ift des Biſchofs kirchliches Verhalten für die 
allgemeine Geſchichte der niederdeutihen Lande wichtig geworden. 
In einer Zeit des Schwankens, der allgemeinen Unentichiedenheit 
zwifchen den kirchlichen Gegenfäßen, hat Johann von Hoya durch 
feinen offenen Anſchluß an die Zrienter Kirchenreform viel dazu 
beigetragen, daß ſich inmitten Halb oder ganz proteftantiicher Land- 
ihaften ein fefter römiich-fatholiicher Kern bildete, von dem fortan 
und bis heute nur noch einzelne loje Teile fi) abgebrödelt haben. 


1) Religionis erat rigidus defensor avitae, 
Quae tanto hic semper vindice tuta stetit. 
Anh in der von dem münfterfhen Kanzler Wilhelm Sted verfaßten 
Grabſchrift (bei Kock 1. c. p. 141) Heißt Johann: religionis catholicae pro- 
pugnator acerrimus. 


2. Kapitel. 


Die Nenwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrück. — 
Tod des Herzogs Karl Friedrich. * 


Von den drei Hodjtiftern, melde Johann von Hoya beſeſſen 
batte, erhielt zuerft das Paderborner einen neuen Herın. — Bei 
den Verhandlungen über Annahme eines Koadjutors zu Lebzeiten 
Johanns wird diefes Stiftes felten gedadt. Einmal (im Jahre 
1572) läßt der münjterihe Domdehant Goddert von Raesfeld, 


*Quellen: 1) Für bie Neumahlen im den weftfälifchen Stiftern f. o. Ouellen zu 
Kap. 1; ferner ein paar Berichte des Nuntius Gropper an Karbinal 
&omo bei Theiner 1. c. I, 212sgqg. 

2) Für Herzog Karl Friedrichs Leben ift Hauptquelle die ausführliche 
und ſchöne Biographie von feinem. ehemaligen Präceptor: Steph. 
Vinandus Pighius Campensis, Hercules Prodieius seu Prinecipis 
juventutis vita et peregrinatio. Antverpiae 1587. Der Hercules 
Prodicius (Herfule8 am Scheideweg) unb princeps juventutis ift Karl 
Friedrich. — Über Karls römischen Aufenthalt und Tod Berichte von 
Herzog Ernft und den Seinen: RU. Freifing, Nr. 79 u. 80. RA. Jülich 
und Eleve, T. IL. Zwei Briefe von Herzog Ernft an Herzog Wil- 
beim IV. unb an ben Kaifer find auch gebrudt bei Lacomblet, 
Urfundenbud IV, Nr. 576 u. Zeitfchr. des berg. ©.-®., Bd. XIIL. Herzog 
Ernft fchrieb diefe beiden Briefe auf Wunfch bes Papftes „bamit nit 
ander leit fi) zu entſchuldigen und daneben ir Ht für bie Iuden ftellen 
molten, bie doch warlich fih im bifem cafır gar vätterlih und mol 
gegen bem prinzen verhalten”. (Herzog Ernft an feinen Bater. Dr. 
eigh. AA. Freifing, Nr. 80, fol. 114.) Briefe von Gimnih an Her- 
309g Wilhelm vom 14. Febr. u. 12. März in Rebingbovens Sammlung 
MB. Cgm. 2213, IX, fol. 92ff. 


Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 1 


der aud zu Paderborn Domherr war, dem Herzog von Jülich 
feine Hilfe anbieten, um Paderborn ſowie Minden zu erlangen; 
bald nachher behauptet der Herr von Rheidt, man habe, unge= 
achtet der Gegenpraftifen von Köln und Bayern !), Stift Paper: 
born in der Hand. Dennoch erfährt man nichts von ernftlichen 
Bemühungen des cleviihen Hofes um dasjelbe und ebenjo wenig 
bon ſolchen der Zauenburger. Es Elingt wie Spott, wenn Biſchof 
Johann einmal (April 1572) die Lauenburger Gejandten fragte, 
warum fie denn nichts von Paderborn meldeten, ob e3 etwa zu 
entlegen? — Die Bermutung liegt nahe, daß hier diejen beiden 
Rivalen ein dritter, Kurfürft Salentin von Köln bereit3 den Rang 
abgelaufen hatte. Machte er ſich doch ſchon im Jahre 1568 
Hoffnung auf das Stift. Zu Anfang des Jahres 1572 begegnet 
uns die beftimmte Angabe, daß er fi) um die Koadjutorie be= 
mübte 2). Aus der Schnelligkeit, womit nachmals die Entſcheidung 
zu feinen Gunften fiel, darf man zurüdihliegen, daß ſchon im 
boraus mit dem Paderborner Kapitel alles abgemaht war. Es 
jagen in diejem neben dem Stift3adel befonders Ritterbürtige aus 
dem benadbarten kölniſchen Herzogtum Weftfalen, Herren von 
Meichede, Hakfeld, Fürftenberg. Anderſeits gehörten ein Hakfeld 
und ein Fürftenberg zu Salentins vertrauteren Räten. Eben von 
dieſem letzteren, Kafpar von Fürftenberg, dem Bruder des Paper: 
borner Domherrn Dieterih, ftammt jene Angabe aus dem Jahr 
1572. Salentin hielt fi mit Vorliebe im Herzogtum Weſt— 
falen auf; am Rhein warf man ihm fogar Parteilichfeit für die 
Weſtfalen vor ?). 


1) Bon bayrifhen Praktifen um Paderborn in biefer Zeit ift mir fonft 
nichts befannt. 

2) Pieler, €. v. Fürftenberg (Paberb. 1873), ©. 13 aus 5.8 Tagebuch 
vom 31. Ian. 1572: „Mit m. g. 5. von ber gefuchten paberbornifchen 
coabjutori geret”. 

3) Dr. Timoth. Yung fhreibt am 12. Nov. 1572 an ben Herzog von 
Bayern: „haben ir cf. ©. ein grofien unmillen auf das cap. und ritterfchaft 
geworfen unb trauen auch inen das minft nit; fonber allein Weftphalen 


22 Bierted Bud. Zweites Kapitel. 


Während des Jahres 1573 lich Landgraf Wilhelm von Hefien 
einmal einigen vornehmen Paderborner Adeligen, dem Landdroft 
Friedrih von Weitfalen, Bruder des Dompropftes und des Se— 
niors, und dem Herrn Schönberg Spiegel zum Defenberg, feinen 
Zehensleuten, die Nachfolge des Bremer Erzbiſchofs empfehlen und 
befam gute Vertröſtung. AS dann Biſchof Johann im April 
1574 im Sterben lag, bat Erzbiihof Heinrich) den Landgrafen, 
ihn neuerdings jowohl in Paderborn wie in Dsnabrüd zu em- 
pfehlen. Der Landgraf that das auch in Denabrüd; in Bader: 
born aber empfahl er zugleih mit ihm und zwar viel wärmer 
jeinen Mündel, den jungen Grafen Philipp von Waldeck. Denn 
ihm lag zunächſt nur daran, daß nicht „der große Papift und 
ſeltſame Vogel“ — er meinte Salentin von Köln — fein Nach— 
bar werde; darum erinnerte er das Domkapitel an die Fabel vom 
Hirſch und vom Roß, das ſich dem ſchönen Sattel zuliebe in die 
Knechtichaft des Reiters gab. „Nehmt ihr‘, fchrieb er eigen- 
händig an jene beiden Lehensleute, „einen großen Hanjen, jo be= 
denkt, was euch daraus erfolgen kann. Das habt ihr euch diejes 
Drts [bei Waldel] nicht zu beforgen. Da ihr aber je einen 
Fürften wolltet haben, jo wäre mir der Erzbiſchof zu Bremen 
auch zu leiden. Das Hang doch faft wie eine Warnung aud) 
bor Heinrih und war mindeftens ein taktiicher Fehler, da jede 
Doppelempfehlung faum ſoviel wog wie eine halbe, Heinrih allein 
aber neben Salentin vielleiht auf Erfolg rechnen konnte. Das 
Domkapitel gab den Gejandten de3 Landgrafen eine höflihe Ant- 
wort (15. April), aber die Eingeweihten wußten bereit, daß 
Salentins Wahl gewiß jei. Die jülihihen Gejandten blieben 
darum, auf den Rat Goddert3 von Raesfeld, ganz weg; bre= 
miſche waren da, aber bon vornherein mutlos; wer von den Dom: 
herren den Kölner Kurfürjten nicht wählen mochte, wie Goddert 
von Raesfeld, ftellte jeine Stimme dem Sapitel anheim; — jo 


wirt von t. cf. ©. gepreift und gelobt umb baflelbig lant bebalt ir cf. ©. 
gewißlichen bei ber bignitet noch eim zeitlang.“ StA. 229/10, fol. 367. 


Die Neumahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 258 


wurde Hurfürft Salentin am 21. April einmütig zum Biſchof 
poftuliert. Bereit3 am 4. September vom Papft als Adminiftrator 
beftätigt, hielt ev am 9. Dezember feinen feierlihen Einritt in 
Paderborn, nicht im Biihofsgewand, fondern in Harniſch und 
Waffen, geleitet von tauiend Reitern, „als hätte ex, jagen die 
Zeitgenofien, zeigen wollen, daß er bereit jei, feine Kirche mit den 
Waffen zu verteidigen‘. 

Nur vierthalb Zahre Hat Salentin das Stift regiert, aber ein 
gutes Andenken Hinterlaffen. Auch hier wie im Grzftift Köln gab 
er ſich alsbald an die Einlöfung verpfändeter Tafelgüter: Schloß 
und Stadt Beverungen an der Weſer, Zehnten zu Nieheim, 
Mühlen zu Salzlotten werden al3 joldhe genannt. Außerdem 
ſoll er dem Nachfolger Silbergerät im Wert von mehreren tauſend 
Goldgulden hinterlaffen haben. in weiteres Verdienſt erwarb er 
ih als Wiederherfteller der verfallenen Domſchule; er gründete 
ein eigenes Collegium Salentinianum, ordnete Einkünfte und Ver— 
waltung der erneuerten Domſchule und jegte ihr als erſten Rektor 
den Mag. Hermann von Kerfjenbroid vor, als diefer im Jahre 
1575, wegen feiner Gedichte der münfterihen Wiedertäufer miß- 
liebig geworden, das Rektorat der münfterjhen Domſchule nieder- 
legte. Die Freunde kirchlicher Neuerungen mußten fi) unter Sa— 
lentind Regiment nicht minder wie unter dem feines Vorgängers 
ftille Halten 9. 

Auch im Stift Münfter wurden die Dinge raſch neugeordnet. 
Schwierigkeiten war duch die Beratung zu Cleve kurz vor Biſchof 
Johanns Tod vorgebeugt. Dort hatten die Gefandten des Ka— 
pitels veriproden, an Johann Wilhelms Succeſſion feftzuhalten 
und Dr. Gropper, zwar nit als päpftliher Nuntius aber für 


1) Kleinforgen, 8.-©. II, 424. für bie Behauptung bes Landgrafen 
Wilhelm (in einem Briefe an ben Kurfürften von Sachſen vom 9. April 1575 
MA. Köln 1575—1580, fol. 38T): „das der bifchof zu Coln, der doch alzeit 
vorgeben, das er ben pfafien und fonberlich ben jefuitern gar gramb fei, fich 
igo unberftehet biefelben im ftift Paderborn auch einzufuren“, finde ich fonft 
feine Beweife. 


254 Biertes Bud. Zweites Kapitel. 


jeine Perſon zugeftimmt; ein Breve an das Kapitel, weldes zu 
diejem Beſchluß nicht paßte, wurde von Gropper zurüdbehalten ?). 
Während Johann Wilhelms Minderjährigfeit jollte ein dem Dom- 
fapitel entnommener Adminiftrator das Stift regieren 2). Andere von 
Rom aus vorgeichlagene Wege, namentlich eine Adminiftration des 
feit Ablegung der Profeſſio fivei dort gut angejchriebenen Kölner 
Kurfürften, waren dem" Herzog nicht genehm. Die Bejorgnis, das 
Domkapitel werde ſich vielleiht an das zu Cleve gegebene Ver- 
ſprechen nit binden, wurde durch bündige Zufiherungen der an- 
gejehenften Leute im Stift, des Domdechanten, des Marihalls 
Herman von Velen, des, Kanzlers Sted, jchnell gehoben; auch das 
Domkapitel jelbft erlärte ich gegen Gejandte des Herzogs ganz 
befriedigend; ein Mitbewerber war überhaupt nicht da. Als die 
cleviihen Räte mit den Stiftsräten und dem Nuntius am 18. April 
in Münfter zufammentraten und die frühere Kapitulation Johann 
Wilhelms wieder vornahmen, fand man nur an der Form einiges 
zu ändern. Die Neuwahl ging darauf am 28. April in gewohn— 
ter Weife vor fih: in der Frühe überreihten cleviiche Räte die 
geänderte Kapitulation, unterzeichnet von Herzog Wilhelm und 
verbürgt durch eine ftattliche Anzahl feiner geiftlichen und welt— 
lihen Landſaſſen; dann feierte man im Dom die Mefje vom hei- 
ligen Geifte, und nachher traten die Domlapitularen im Kapitel 
haus zur Wahl zufammen. Nah einer Stunde erichienen fie 
wieder im Domchor, wo der Syndilus in ihrem Namen verkündete, 
daß der zu Lebzeiten des vorigen Biſchofs zum Koadjutor ver 
ordnete Herzog Johann Wilhelm als Biihof und vegierender 
Herr des Stift3 poftuliert und angenommen und al3 folder zu 
halten jet. 


1) Das Breve vom 5. Febr. 1574 (bei Theiner 1. c. I, 233) forbert 
das Kapitel auf, im Falle des Abfterbens Biſchof Iohanns einen geeigneten 
Mann zu wählen, behandelt alfo die münfterfche Kirche als erledigt. 

2) Man dachte an den früheren Bifhof Bernhard v. Raesfeld, ber 
übrigens felbft bald nach Johanns Tod ftarb (am 18. April), oder an befien 
Bruder, den Domdechant. 


” 


Die Neuwahlen zu Paberborn, Miünfter und Osnabrüd. 255 


Die Publikation zum regierenden Herrn bedeutete jedoch nicht 
irgendwelden Anſpruch auf die wirkliche Regierung. Bon ihr 
jolte Johann Wilhelm nad wie vor bis zu feiner Großjährigkeit 
und Dualififation zum geiftlichen Stand ausgeſchloſſen bleiben. Die 
Neuordnung der Regierung blieb einem Landtag überlafien, welcher 
auf den 25. Mai ausgeichrieben wurde — nah dem Laerbrud 
bei Münfter, wo die Landftände (Domtapitel, Ritterſchaft, Stadt 
und Landftädte) nad alter Sitte unter freiem Himmel ſich zu ver- 
fammeln und alles in einem Zage abzumadhen pflegten ). Dies— 
mal gab es Anftände, fo daß man die Verhandlungen in der 
Stadt fortjegen mußte: die Städte hatten allerlei Gebrechen mit 
der Ritterſchaft, forderten insbejondere auch einen Anteil an der 
Regierung und eine beftimmte Verwendung der Überſchüſſe der 
Verwaltung. Es ſcheint aber nicht, daß fie viel erzielten; von 
der Regierung blieben fie jedenfall3 ausgeſchloſſen. Dieje murde 
gebildet zunächit aus einem dem Domkapitel entnommenen Statt: 
halter Konrad von Wefterholt ?), einem jüngeren Mann, der einer 
der angefehenften Familien des Stifts angehörte, jedoch ſelbſt nicht 
aus dieſem, jondern aus der niederländiihen Landihaft Twenthe 
ftammte, aljo ein geborener Unterthan des ſpaniſchen Königs war; 
ihm wurden vier fogen. „Verordnete zur Regierung‘ beigegeben, 
zwei aus dem Domkapitel, Propft Goswin von Raesfeld und 
Scholafter Hermann von Diepenbroid, und zwei aus der Ritter 
haft, Marſchall Velen Droft in Emsland und Bevergern und 
Zutger von Raesfeld Droft zu Wolbeck und Saſſenberg. Dazu 
famen noch ein Sanzler Dr. Stel und ein Rechtsgelehrter 


1) Hobbeling, Beihreibung bes Stifts Münfter (herausg. von I. D, 
v. Steinen, Dortmund 1742), ©. 119ff.; vgl. Geſchichtsquellen des Bistums 
Münfter I, 195. 

2) In den münfterfchen Poftulationsakten findet ſich mehrfach Kopie einer 
Urkunde, wonach K. v. Wefterholt bereits am 29. April 1574 in Gegenwart 
des Nuntius Gropper als Statthalter den Eid auf die Prof. fidei Trident. 
leiſtete. Demnach ift er ſchon bald nach Johanns Tod zum Statthalter er- 
nannt und vom Landtag vielleicht nur beftätigt worben. 


256 Vierteb Buch. Zweites Kapitel. 


Dr. Hüſeken, die ſchon unter Biſchof Johann gedient hatten ?). 
Die Befugniffe der neuen Regierung waren im allgemeinen die 
eines regierenden Herrn; die Ernennungen zu geiftlihen Pfründen, 
Droftene und Rentmeifterämtern behielt fi) jedoch das Domlapitel 
vor. In wichtigen Fällen follte die Regierung die anderen Land: 
Ichaftsräte (Darunter aud ein paar Vertreter der Stadt), oder 
das Domkapitel und den Stadtrat von Münfter zuziehen, oder 
endlich, nad) Gutachten diefer beiden legteren, die Landftände jelbft 
bejchreiben. In welchen Fällen das eine oder das andere zu ges 
ſchehen babe, war nicht genauer bejtimmt; nur am Schluße hie 
3: wenn der Statthalter oder einer der DVerordneten durch Tod 
oder jonft abginge, folle das Domkapitel Erſatz verordnen. 

Auch Herzog Wilhelm hatte feine Räte zum Landtag abge 
ordnet; fie dankten für die Poſtulation ihres jungen Herrn, er— 
mahnten die Stände zum Gehorfam gegen die Stiftsregierung - 
und verſprachen für Notfälle den Schug ihres Herzogs. 

Bon Münfter aus ſchickten die Räte einen Vertrauten nad) 
Osnabrück zu einem legten Verſuch, ob nicht auch dieſes Stift 
für Johann Wilhelm zu erlangen ſei. — Gejandte, welche der 
Herzog bereits Mitte April dorthin abgeoronet hatte, waren 
bom Domkapitel ähnlich wie zu Biſchof Johanns Zeit mit einis 
gen frommen Redensarten abgefertigt worden; bremiſche Ge— 
jandte, melde tags zuvor (14. April) für ihren Herrn wars 
ben, werden wohl die gleiche Antwort befommen haben. — 
Außer Herzog Johann Wilhelm und Erzbiſchof Heinrich gab 
es noch mande andere Liebhaber der Dsnabrüder Kirche: io 
Graf Dtto von Schauenburg für einen feiner geiftlihen Söhne 
und Herzog Erich von Braunſchweig für einen Baftardjohn, für 
welchen er auch ſchon in Paderborn vergeblich angeklopft hatte. 
Kurfürft Salentin von Köln behauptet fpäterhin ?), er hätte, 


1) IJanffen (Gefhichtsqu. des Bistums Münſter III, 50, Anm. 1) läßt 
irrtümlich zwei Mitglieder des Stabtrats an ber Regierung teilhaben, wäh- 
rend doch Corfey (a. a. O. ©. 332) das Verhältnis ganz richtig angiebt. 

2) Dem kurfächfifchen Rat Dr. Paul gegenüber, im März 1577. Dr. loc. 


Die Neuwahlen zu Paderborn, Münfter und Osnabrüd. 257 


wenn er gewollt, damals Dsnabrüd haben fünnen, aber ftatt 
feiner den Bremer Erzbiihor empfohlen. Das lektere wenig- 
ſtens ift Thatjadhe; außerdem wurde Heinrid) wieder wie vormals 
von Kurfürſt Auguft und Landgraf Wilhelm empfohlen. Am 
beften aber empfahl ihn das Lob, welches er fich ſelbſt durch feine 
gute Verwaltung des Erzftift3 Bremen und durch fein perfönliches 
Auftreten bereit erworben hatte. As ihn im folgenden Fahre 
ein päpftliher Nuntius Alerander Trivio in feinem Erzitift auf- 
juchte, hörte er ihn allgemein al3 Hugen und gerechten Regenten 
rühmen. „Was aber feine Perfon angeht‘, jchreibt Zrivio an 
den Kardinal von Como, „ſo höre id) ihn nicht nur von feinen 
Bremer Unterthanen, fondern aud) auswärts ſehr loben; mir per= 
ſönlich ift fein Weſen jehr höflich und liebenswürdig erichienen 
und. er gilt, was in jenen Ländern viel heigen will, al3 nüchtern 
und als ein Freund der Wiffenihaften; — furzum, nichts vom 
Barbaren habe ich an ihm bemerkt‘ *). 

Das einzige Bedenken gegen Heinridy war die Religion. Die 
Mehrheit des Dsnabrüder Kapitels war noch katholiſch, der Erz: 
biihof aber, wiewohl er ſich mitunter als Katholiken ausgab, galt 
do in der Nähe allgemein als Anhänger der Augsburger Kon— 
feſſion. Man begegnete diefem Bedenken durch eine Kapitulation, 
welhe dem Stift feinen fatholiichen Charakter wahren jollte. 
Heinrich mußte veriprehen, das Domkapitel und alle, die deſſen 
Jurisdiktion untergeben, bei der fatholiihen Religion zu erhalten, 
ſich jelbft nad dem geiftlihen Recht zu qualifizieren, die Weihen 


8926, fol. 117. Ähnlich auch fhon Autger von der Horft in einem Briefe 
an Graf Johann von Naſſau vom 24. Juni 1574. Dill. Eorr. 1574, fol. 122. 

1) Commendato universalmente, quanto al governo politico appartiene, 
per giusto et prudente. .. Quanto alla persona sua, lo sento laudare 
assai, non solo nella diocesi Bremense dalli sudditi, ma fuori ancora da 
altri, et a me & parso di molto cortese et. amabil natura, et quello che 
in questi paesi & assai, ha nome di sobrio et d’inclinato alle lettere, et 
in somma non ho visto cosa in lui che habbia del barbaro. Theiner 
l. ce. II, 470sq. Schon biefe Stelle beweift, wie wenig treffend Heinrichs 
Charakter von Wiedemann a. a. O., S. 162 gezeichnet if. 

Loſſen, Köln. Krieg 1. 17 


28 Biertes Buch. Zweites Kapitel. 


zu nehmen und die päpftlihe Konfirmation zu erwirfen. Bis da= 
bin jolle dem Domkapitel die Regierung verbleiben; jei aber die 
Konfirmation überhaupt nit zu erlangen, jo jolle Heinrich auf 
das Stift wieder verzichten und dem Kapitel die freie Mahl ans 
heimgeben. Außerdem wurde aud hier wie anderwärt3 die alte 
Wahlkapitulation durd neue Beltimmungen verihärft, welche dem 
Kapitel mehr Rechte, dem Landesfürften mehr Laften zuteilten. — 
Des Erzbischofs Abgeordnete genehmigten alles. Daraufhin wurde 
Heinrih am 22. Juni zum Biſchof von Osnabrück poftuliert und 
proflamiert ?). 

Ohne Säumen that der Erwählte Schritte, um ji die päpft- 
liche Konfirmation für Dsnabrüd zu verihaffen. Anfangs Juli 
hatten ihm einige Dombherren die Poſtulationsurkunde nad) 
Bremervörde überbradht; bereit3 im Auguft finden wir Lorenz 
Schrader, den ehemaligen Dsnabrüder Sekretär des Biſchofs Johann, 
al3 feinen Abgeordneten bei Dr. Gropper in Köln. Schrader brachte 
gleich ein Fatholiihes Glaubensbefenntnis mit, an welchen der 
Nuntius nichts auszufegen fand, als die Klauſel am Schluß: 
„unbeihadet unferer früher eingegangenen Verpflichtungen und 
Verſprechungen“. Zu diejer Klaufel, fagte Schrader, hätten den 
Boftulierten feine von der fatholiihen Religion längjt abgewichenen 
Bremer Unterthanen genötigt, um ſich zu fichern, daß ſie nicht 
gegen den beſchworenen Religionsfrieden bejhwert würden. Gropper 
rügte zwar, daß der Erzbiſchof alfo zwei Herren dienen, zwei 
einander widerſprechende Eidihwüre leiften wolle, überlich übrigens 
die Entiheidung dem Kardinal von Como. Einftweilen blieb die 
Sade in der Schwebe und hätte jomit auch, gemäß der Kapitulation, 
die Stiftsregierung in der Hand des Domfapitels bleiben jollen. 


1) Stüve, ©. 234 giebt an, „ba fi) die Mehrheit des Domlapitels 
am 23. Mai für ihn entſchied“. Möglich, daß an dieſem Tage bereits be— 
fchlofjen wurde mit Heinrich zu fapitulieren; vollzogen wurde die Poftulation 
jebenfalls erft am 22. Juni, wie Heinrich felbft am 23. feinem Vater melbet 
(Monatsſchr. f. d. Gefch. Weftbeutichlands 1878, ©. 594) und am 5. Juli 
dem Landgrafen Wilhelm (MA. Bild. Osnabr., fol. 92). 


Die Neuwahlen zu Paderborn, Miünfter und Osnabrüd. 259 


Sie wurde diejem jedody bald läftig; denn die zahlreihen Gläu— 
biger des vorigen Biſchofs drängten auf Zahlung, mit der Stadt 
Dsnabrüd und einzelnen Privaten gab es verdrießlihe Händel; 
vermutlih hatte jih Heinrich inzwiihen aud ſchon ein Lehens— 
indult vom Kaiſer verihafft. Das Kapitel nahm aljo die Ver— 
bandlungen wieder auf und einigte fih im März 1575 mit feinem 
Erwählten dahin, daß diefer die Administration gegen einen Re— 
vers übernahm, worin er neuerdings verſprach, im Falle der Nicht: 
beftätigung zurüdzutreten.. Am 11. Mai 1575 hielt er — ohne 
großen Prunk, denn Stadt und Land waren von der Peſt heim: 
gejuht — feinen Einritt als Landesfürft. 

Gegen die Perfon des clevischen Herzogs hatte man in Rom 
zwar nicht jo ftarke Bedenken, wie gegen Heinrih von Lauenburg, 
dennoh kam aud die münfterihe Konfirmationsiahe faum von 
der Stelle. Obwohl Gropper die Urkunden über die neue Poſtu— 
lation, ohne Zweifel von warmen Empfehlungen begleitet, ſofort 
nad Rom jchidte, obwohl auch der Kaiſer des Herzogs neue Bitte 
um Konfirmation wiederholt und dringend unterjtüßte, antwortete 
Rom mit neuen Bedingungen. Augenſcheinlich war das alte 
Miktrauen gegen des Haus Jülich nicht geichwunden, eher viel: 
leicht gewachſen. An Grund dazu fehlte es nicht. Eben in die— 
jer Zeit verlobte der Herzog auch feine zweite Zochter Anna 
einem häretiſchen Fürften, Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neu— 
burg, dem Sohne jenes Wolfgang, der als Barteigänger der 
franzöfiichen Hugenotten gegen des Papſtes eigene Soldaten im 
Feld geftanden hatte. Wieder geleitete Herzog Wilhelm felbft die 
Braut ihrem Gemahle zu. Während er zu Neuburg vermeilte 
(September=Dftober 1574), empfing Dr. Gropper ein Schreiben 
des Kardinal von Como, worin es hieß, die münſterſche Kapi— 
tulation ſei zwar nicht übel, könne aber doch noch verbefjert wer: 
den. Bis jie zu diefem Zwecke gründlich geprüft, möge man einft= 
weilen zwei Punkte ändern: 1) anftatt eines Statthalters für die 
Temporalien und eines Weihbiſchofs für die Spiritualien werde 


beſſer nur ein Weihbiihof oder Kommiſſar aufgeftellt, ohne den 
17* 


260 Viertes Buch. Zweites Kapitel. 


auch in weltlichen Dingen nichts geſchehen dürfe; 2) weil man 
bei Johann Wilhelms großer Jugend nicht wiſſen könne, ob er 
nicht den geiſtlichen Stand wieder verlaſſen werde, möge der Kaiſer 
und einer von den Fürſten, welche früher für ihn intercediert, ſich 
verbürgen, daß er in dieſem Falle nicht irgend etwas von den 
Kirchengütern ſich aneigne, — Forderungen, welche die Beſorgnis 
vor Säculariſationsgelüſten an der Stirne tragen. 

Als Herzog Wilhelms Räte nach ſeiner Rückkunft von der 
Neuburger Reife (im November 1574) das Schreiben des Kar— 
dinal3 von Como vornahmen, fanden fie den eriten Punkt weniger 
für ihren Herzog bedenklih als für Domkapitel und Ritterſchaft, 
in deren Händen die Regierung jest lag; der Herzog jelbit könne, 
um fid) nicht des Vertragsbruches verdädtig zu machen, nichts 
thun; was aber Gropper in Münfter ausrichte, werde auch dem 
Herzog ohne Zweifel genehm ſein ). Die Zumutung dagegen, 
die bereit3 mit jo ſtarken Garantieen verjehene Kapitulation nod)= 
mal3 dur den Kaifer und fremde Fürften zu verbürgen, nahmen 
Herzog Wilhelm und jeine Räte jehr empfindlih auf. Dafür er- 
griff man eine andere Gelegenheit, um dem Papfte des Herzogs 
katholiſche Geſinnung zu beweiſen. 

Das römiſche Jubeljahr ſtand bevor; Papſt Gregor wünſchte 
ſehnlich, zur Erhöhung der Autorität des apoſtoliſchen Stuhles 


1) 16. Januar 1575 teilt Gropper dem Herzog mit, daß er nach Mün— 
ſter unterwegs ſei (DA. 280, fol. 287). Über feine Verrichtung daſelbſt 
fehlen mir Nachrichten, doch erfieht man aus Tibus a. a. O., ©. 108ff., 
daß er am 19. Januar mit dem Domkapitel über die künftige Stellung bes 
Weihbiſchofs (alfo eben über den einen von Comos Aufträgen) verhanbelte. 
Bermutlih forderte der Nuntius, das Domkapitel folle dem Weihbifchof 
größere Rechte einräumen, während biefes Kridts Perfon für ungeeignet fanb 
und ihn beshalb durch Dr. Nikolaus Elgard, einen erprobten Borkämpfer 
ber tatholifchen Reftauration, erſetzt wünſchte. Noch im Jahre 1576 fpricht 
das Kapitel den Wunſch aus, daß Elgarb Weihbifchof werde (MA. Domtlap.- 
Prot., fol. 71). — Über dem Streben, feinen Weihbifhof Kribt weiß zu 
waſchen, verfällt Tibus auf die feltfamften Phantafieen. Von einer „pro- 
teftantifchen Mehrheit des Kapitels” kann überhaupt und zumal in biefer Zeit 
nicht die Rebe fein. 


Romreife und Tod bes Herzogs Karl Friedrich. 261 


und zur Befeftigung der Einheit der ihm treugebliebenen Na— 
tionen, es recht würdig zu begehen ). Er lud alle katholischen 
Fürften auf das dringendfte ein, in Perjon zu kommen und aus 
der Hand des Stellvertreters Chrifti die geöffneten Gnadenſchätze 
des Himmels zu empfangen. Auch an den Herzog von Eleve er: 
ging ein ſolches Breve, welches Gropper eben jet überreichte, da 
man an deſſen Hofe die münſterſche Poftulation endlih einmal 
geordnet zu jehen verlangte. Sonft hatten diefe Erasmianer und 
Gaffandrianer am römischen Ablaßweſen wenig gutes gefunden; 
jest antwortete der Herzog auf die Einladung zur Zeilnahme an 
dem großen Ablaßfeft: ihn jelbit Hinderten zwar die belgiichen 
Unruhen und fein Alter perjönlich zu kommen; damit aber er und 
jeine Familie diefer großen Wohlthat der göttlihen Gnade und 
des NReihtums der Erbarmungen nicht verluftig gehe, werde fein 
eritgeborener Sohn zum Jubiläum fommen und nichts verjäumen, 
was die heilige Zeit verlange 2). 

Diejer Sohn, Herzog Karl Friedrih, war im Herbit 1571 
an den kaiſerlichen Hof geidhiet worden, um bier ein paar Jahre 
zu verweilen; danach jollte er zur Vollendung jeiner Erziehung 
eine große Reife durch Italien, Frankreich und die Niederlande 
maden, jpäter wohl Mitregent des geiftesihwachen Vater wer— 
den. Wernher Herr zu Gimmih, des alten Herzogs Jugend— 
genoſſe und Erzieher feines älteften Sohnes jeit deſſen Knaben— 
jahren, übernahm auch für die Reife das Hofmeifteramt; als 
Präceptor ging der ſchon genannte Winand Pighius mit, ein 
geiftvoller Gelehrter, zugleih ein Mann von Welt, bereit3 ein 
Fünfziger aber jugendlich begeiftert für die klaſſiſchen Studien, die 


1) Über das Jubiläum von 1575: Pighiusl. c., p. 397sqq. Maffei, 
Annali di Gregorio XIII. I, 142sqq. Theiner II, 1sgg. 

2) Herzog Wilhelms Schreiben an den Papſt (Hambach, 6. Dez. 1575, 
Kop. DA. 286, fol. 267) ift fo ungewöhnlich devot, daß man zweifeln möchte, 
ob es wirklih fo abgeſchickt. Doch ließe fih als äußerer Grund hierfür 
böchftens anführen, daß fih a. a. DO. fein Konzept desjelben mit den Namen 
ber anweſenden Räte findet. 


262 Viertes Bud. Zweites Kapitel. 


ihöne Kunft und die jhöne Natur. Der talentvolle und gut= 
artige Knabe und Füngling machte feinen Erziehern wenig Mühe. 
Fromm und mäßig gewöhnt von Kind an, nad) des Vaters gutem 
Beiipiel )), trieb er pflichteifrig fein Latein, Franzöſiſch und Ita— 
lieniſch mit Pighius, voll Leivenihaft aber und Ehrgeiz mit Gim— 
nic, den alten Waffengefährten Kaifer Karls, die Übungen in 
den Waffen und zu Pferde. Im Reiten, Jagen und Bergfteigen 
mutete er ſich leicht mehr zu, al3 jeinem zwar gejunden aber 
zarten und noch nicht völlig entwidelten Körper zuträglid war. 

Faſt drei Jahre blieb Karl am faiferlihen Hof; auch dann 
nod ließ ihn der Kaifer, jein Obheim, nur ungern ziehen. Aber 
der Vater wollte feinen Sohn nidt mehr allzulang vermiffen. 
Co wurde denn im September 1574 die große Reiſe angetreten, 
von Wien über Salzburg und Innsbruck nah Venedig, dann 
nah Mailand; Hierauf an die Heinen italienischen Fürftenhöfe, 
endlid) über Ancona und Loretto nad) Rom. Bereits in Venedig 
war dem Prinzen eine perfönlihe Einladung des Papſtes zum 
Zubiläum überreiht worden. Am 16. Dezember zog er al3 Gaft 
Gregors XII. im Batifan ein. Etwa zur jelben Zeit gelangte 
Herzog Wilhelms Befehl nah Rom, fein Sohn folle am Jubi— 
läum teilnehmen und daneben um die Konfirmation feines jüngeren 
Bruders id) bemühen. 

Herzog Karl Friedrich war ſchon nit mehr in den Eras— 
miihen Anſchauungen aufgewachſen, wie fein Water und deifen 
Räte. Sein Hofmeifter Gimnid hatte fich feit geraumer Zeit der 
römischen Partei an Herzog Wilhelms Hof angeſchloſſen ); Pig: 


1) Beweife für dieſes aute Beifpiel aus ben Jahren 1558, 1562 und 
1563 giebt u. a. Krafft, Beitr. zur Reformationsgefch. des Niederrheins 
in ber Zeitichr. des berg. G.-®. IX, 172f.; vgl. Pighius 1. c, p. 163 
u. 170. 

2) Gerhard Veltins erzählt im Jahre 1591, fo lange er Hofprediger ge— 
wejen (1558—1566), habe Herzog Wilhelm ftet8 unter beiden Geftalten fom- 
muniziert. „Und warn f. f. ©. comvenierte (!) giengen mit f. f. ©. der faliger 
graf Franz [d. i. von Walded] mit viel andern graven, der canzler felbft 
(d. i. Dliffeger]), 2 mail obrifter marfchalt Herbenberg [d. i. Wilhelm von 


Romreife und Tod des Herzogs Karl Friedrich. 263 


hius war zwar zunächſt Humanift und gewiß kein kirchlicher 
Eiferer, aber al3 Zögling der Löwener Hochſchule, der jeine Bildung 
in Stalien vollendet, jodann lange Fahre an Kardinal Granvellas 
Hof gedient hatte, waren ihm jedenfalls die römiſchen Anihauungen 
von der Kiche geläufig. Zuhauſe hatte Vincenz von Lerin als 
Handbuch Für Karls religiöſen Unterricht gedient; in Wien be— 
nugte Pighius daneben ſchon jo ſtreng römische Lehrbücher wie 
Evers Katehismus und die jogen. Confessio Petrocoviensis des 
Kardinals Hofius. 

Wenn Karl am Hofe feines Vaters, jodann am faijerlichen 
die Kommunion unter beiden Geſtalten empfing, jo geihah das 
gewiß nit auf Veranlafjung feiner beiden Erzieher, ſondern nad) 
dem Wunsch und Betipiel derer, welchen der lenktjame Knabe und 
Züngling zunächſt zu gehorchen hatte, erit des Vaters dann des 
Dheims und Kaiſers. Fest in Rom wünſchte Bapit Gregor aufs 
lebhaftejte, Herzog Karl Friedrich, der ihm mit jo kindlicher Ehr— 
furcht entgegenfam, unbedenklich den Pantoffel küßte und die 
Schleppe nachtrug, jolle ji gerade hier von dem als ſchismatiſch 
betrachteten Gebrauch des Laienkelches freimachen. Herzog Ernſt 
von Bayern, der ſeit dem Frühjahr in Rom lebte, wurde veran— 
laßt, ſeinen faſt gleichalterigen Vetter zu bewegen mit ihm gemein— 
ſam die Kommunion zu empfangen. Es koſtete kaum Mühe, dieſen 
zu überreden. Am Weihnachtsabend wohnten die beiden jungen 
Fürſten im St. Peter der feierlichen Eröffnung der heiligen Pforte 
bei, jener Zeremonie, mit welcher das Jubiläum eingeleitet wird; 
am Morgen des Chriſttages empfingen ſie in der päpſtlichen Ka— 


Bernſau Herr zu Hardenberg], Schwarzburg [d. i. Gothard Freih. v. Schwar- 
zenberg], fo lang er turwerter war, item Gymid [d. i. Wernher von 
Gimnich], 6i8 das er über tifch die orbnung Chrifti geleftert hatte, darauf 
ich verurfacht ware, vor des nachtmals zeit zu leren, daß nimant mit bem 
fürften communicieren ful binfort, fie woltens mir erft anzeigen. Da tet 
Gymich mie Lucifer und nam etliche junfhern mit fih und giengen ins 
clofter zu Düffeldorf. Das war ber irfte feisma zu hove.“ Zeitſchr. des 
Berg. G.«V. III, 369ff.; vgl. Wolters, Heresbach, ©. 189 und oben 
©. 236, Anm. 2. 


264 Vierte Buch. Zweites Kapitel. 


pelle aus des Papftes Hand die Kommunion unter der Geftalt 
des Brodes. 

Nun war alle Welt in Rom doppelt entzüdt über den be= 
iheidenen Füngling, deifen Herzensgüte ohnehin jchnell den etwas 
linliſchen Eindrud vergejjen ließ, den jeine Schüchternheit anfangs 
machen mochte. Papſt und Kardinäle wetteiferten mit Auszeichnungen, 
die jelbjt die Eiferfucht des franzöſiſchen, des portugiefiichen und des 
venetianiſchen Gejandten erregten. Die größte Ehre wurde ihm am 
Neujahrstage zuteil. Nach der Mefje überreichte Gregor dem vor 
jeinem Throne fnieenden Prinzen das geweihte Schwert, nebft 
Hut und Schwertgurt, welche der Papft alljährlid) vor der Ehrift- 
mette al3 ein Symbol feiner Dbergewalt über alle Getauften zn 
mweihen pflegt. „Nimm bin das heilige Schwert, und werde ein 
Verteidiger der katholifhen Kirche‘, ſprach der Papft, und der 
Jüngling antwortete, er bitte Gott, daß ihm vergönnt fein möge, 
menigftens einigermaßen den Erwartungen Seiner Heiligleit zu 
entiprechen. 

Am andern Tag nahm Karl Abihied, um nad Neapel zu 
gehen; auf dringenden Wunſch des Papftes follte er aber von 
dort wieder nad) Rom zurüdfommen, um dann auch einige ge= 
ihäftlihe Dinge, namentlich die münſterſche Konfirmation, zu er— 
ledigen. Den kirchlichen Feierlichkeiten Roms folgten jetzt die 
weltlichen Zuftbarkeiten Neapel. Kardinal Granvella, der Vize: 
fönig, bewirtete jeinen Gaft mit königlicher Pracht; Campaniens 
ihmwelgerifcher Adel zog den Füngling halb wider Willen von Felt 
zu Feſt. Müde und abgeipannt kam Karl am 24. Januar nad 
Rom zurück!). In der nädjftfolgenden Nacht erkrankte er mit 
ftarfem Fieber. Zwei Tage fpäter zeigten ſich die Blattern. — 
Gerade vor einem Jahre hatte er in Wien an den Kindsfleden 
frank gelegen. Der Krankheitsftoff, meinten nachher die Arzte, 








1) Maffei l. c,, p. 202 deutet an, baß ber junge Herzog durch gröbere 
Ausſchweifungen in Neapel feine Krankheit ſelbſt verfchuldet habe. Dr. Fab- 
ricius fpricht ſich darüber noch viel beftimmter aus. RA. Freifing Nr. 81, 
fol. 174. 


Romreiſe und Tod des Herzogs Karl Friedrich. 265 


jei damals nicht ganz aus dem Körper herausgetrieben worden; 
die ſtarken Strapazen der Reife hätten den Wiederausbruch ver— 
zögert, aber auch die innere Entzündung verihlimmert. Dazu 
fam, daß der Füngling zu Huften neigte; vielleicht war bereits, 
infolge übergroßer Anftrengungen, feine Zunge angegriffen. — Die 
Krankheit ipottete jegt aller Mühe der Arzte und aller Sorgfalt 
der Pflege. Der ganze päpftliche Hof folgte mit ängjtliher Teil— 
name ihren Fortihritten. In allen Kirchen und Klöſtern wurde 
für des Prinzen Genefung gebetet. Der Papſt jelbit erichien per- 
fönlih an jeinem Srankenbett. Einmal, am 5. Februar, ſchien 
eine Wendung zur Beſſerung einzutreten; es war aber nur ein 
legtes Auffladern der erlöihenden Lebenskraft. Zwei Zage jpäter 
mußte man alle Hoffnung aufgeben. Karl empfing die Sterbe- 
jaframente, nahm Abſchied von feinem treuen Hofmeifter und allen 
anderen Dienern und jandte Eltern und Geſchwiſtern den legten 
Gruß. Am Vormittag des 9. Februar, am fünfzehnten Tage der 
Krankheit, jtarb er. Die Leiche wurde mit feierliher Pracht, ges 
tragen von vierundzwanzig deutihen Adeligen, geleitet vom ganzen 
päpftlihen Hofe, aus dem Vatikan nad der deutichen Kirche 
Sta Maria dell’ Anima verbradt. Hier blieb jie auf Befehl des 
Papites in einem Bleifarg ftehen, bis der Vater entichieden habe, 
was mit ihr geihehen tolle. — Sie wurde nahher im Chor der— 
jelben Kirhe, dem Grabmal des deutihen Papftes Hadrian VI. 
gegenüber, beftattet und über dem Grabe ein prunfvolles Monu= 
ment errichtet. 


3. Kapitel. 
Stift Münfter nad) dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. * 


Als Herzog Wilhelm von dem Tode feines Sohnes, des 
Stolzes und der Freude jeines Alters, Kunde erhielt, da brad) 
er anfangs faſt zufammen vor Schmerz. Dann wechjelten bei 
den armen, der Sprade nur halb mächtigen Manne Ausbrüche 
blinder Wut mit dumpfer Trauer. Endlich gelang es, ihn jo weit 
zu beruhigen, daß er jelbft mit einer gewiſſen Freude vernahm, wie 
Rom feinen Sohn nod) nad) dem Tode geehrt habe und daß er 
des Papſtes fromm mohlmollenden Zroftbrief mit einem gotter- 
gebenen Dankſchreiben erwiderte. 

Zu dem Kummer um den Verluſt des ältejten Sohnes ges 


*QJuellen: Die bayrifhen Akten der Bewerbung um Münfter 1575—1585 
größtenteil8 hronologifch geordnet in 9 Bänden AA. Bilchoft. Miünfter 
II—X. (Ergänzungen dazu für die Jahre 1579—1585 StA. 98/1). 
Diefe Serie und die o. S. 225 Anm. angeführte DA. Landesherrl. Fami— 
lienſachen 283—1 ergänzen einander im allgemeinen berart, daß das eine 
Archiv die Konzepte jener Briefe enthält, deren Originale in dem an— 
deren find. Bon den zwifchen Münfter und Jülich gewechjelten Schrif- 
ten erhielt der bayrifche Hof regelmäßig Kopie. Die beiberfeitigen Akten 
beweifen, daß inbezug auf die münfterfche Poftulation (und ebenfo fpäter . 
auf die Bewerbung um Köln und um Lüttich) zmwifchen den Häufern 
Jülich und Bayern volles gegenfeitiges Vertrauen obwaltete. Ich babe 
die Münchener Archivalien zuerft benutt, nachher aber regelmäßig 
meine Ercerpte mit ben Düffeld. Alten verglichen. — Für biefes Ka- 
pitel fommen befonders in Betradt RA. Münfter T. II u. DA. 280. — 
Eine weitere Hauptquelle für die münfterfhe Poftulationsfache von 


Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrid. 267 


jellte ji alsbald die Sorge, was aus dem zweiten, nunmehr eins 
zigen, werden jolle. Johann Wilhelm, ein Knabe von dreizehn 
Fahren, nod) nicht geiftesihwad, aber-von jehr ſchwächlichem Körper, 
war jetzt der künftige Landesherr: daß er den geiltliden Stand 
verlaffen müſſe, ſchien ſelbſtverſtändlich; in welchem Geiſte er aber 
fortan erzogen und wem Stift Münſter zufallen werde, waren 
offene Fragen, von Wichtigkeit nicht nur für die eigenen, ſondern 
auch für die Nachbarlande und weiterhin für alle Reichsſtände. — 
Auch in Rom beſchäftigte man ſich mit ihnen ſofort nach Karl 
Friedrichs Tod. 

Wernher von Gimnich und Dr. Fabricius, welche die gleiche 
kirchliche Geſinnung zu vertrauten Freunden gemacht hatte, thaten 
zunächſt Schritte, damit Johann Wilhelm einen gut katholiſchen 
Hofmeiſter erhalte. Gimnich, überzeugt, daß ihm ſelbſt dieſer 
Todesfall allzu große Mißgunſt zuziehen werde, dachte an den 
Jülicher Marſchall Johann von Reuſchenberg, einen angeſehenen 
und eifrigen Katholiken, der ſich zudem vorausſichtlich ganz nach 
ſeinem Rate richten werde. Das teilte Fabricius alsbald dem 
Papſte mit, nachher auch dem ſpaniſchen Botſchafter. Man wollte 
beruhen, auf ven alten Herzog von Jülich durch feine beiden 
Schwäger, den Kaiſer und den Herzog von Bayern, gleich bei 
den Beileidsbezeugungen in diefer Richtung Einfluß zu üben. Ein 

Jakobi 1575 bis Februar 1577 ift ein Band Protokolle des Domkapitels 
1575— 1577 im Dirt. (119 beſchr. BL). Für die unmittelbar vor» 
bergebende und die folgende Zeit (bis 1588) finden fich daſelbſt feine 
Kap. Protokolle; fonftige Archivalien über die Poſtulationsverhandlung 
von 1571—1585 jedod in Menge, namentlich Abteil. Münfter. Yandes- 
ardiv 1. 102-1, zum großen Teil aus dem Nachlaß des Dechanten 
Raesfeld, aber noch ungeorbnet, weshalb ich fie nur flüchtig durchgeſehen 
babe. — Korrefp. des bayr. Gefandten in Rom mit Herzog Albrecht 
Münfter betr. RA. Freifing, Nr. 80 u. 81; einige Ergänzungen RU. 
Jülich und Cleve I. u. II. — Alten betr. die Bemühungen des Pfalz- 
grafen von Neuburg um Münfter MA. Schubl. Rep. V. Cell. 75, 
Bol. III, Nr. 4 (Reſign. des Stifts M. betr. 1575). — Alten ber 
Gefandtfchaft von Kurpfalz, Braunfchweig und Hefjen ar den Herzog 


von Jülich MU. Herz. Jülich betr. 1575—1576. — über die Abfichten 
der Reformierten auf M., vol. das folg. Kapitel. — Gropper an Karb. 


268 Diertes Bud. Drittes Kapitel. 


paar Tage fpäter ſprach Fabricius mit dem Botichafter auch über 
Stift Münfter. Da Gimnid) und andere meinten, das dortige 
Domkapitel und der alte Herzog jelbjt würden Herzog Ernſt viel- 
leicht nicht ungern an Stelle des jegigen Poftulierten nehmen, jo 
riet Fabricius, König Philipp möge, gleihjam im eigenen Intereſſe 
eines Nachbarn, den bayriihen Herzog als Nachfolger empfehlen ; 
grenzte doch das Stift fait jeiner ganzen weftlichen Länge nad an 
die ſpaniſchen Niederlande. — Wirklid) eigneten ſich ſowohl der 
Botjchafter wie jein Bruder, der Statthalter der Niederlande, 
Don Luis de Requejens (y Zuñiga) den Gedanken des bayriichen 
Gejandten volljtändig an”). 

Auch in Münden folgte man bereitwillig den von Rom er— 


Como 7. Mai 1575 Theiner II, 37. Erzherzog Ferdiuand an ben 
Papft 9. Juli 1575 1. c. U, 66. 

Über Schenfings Prozeß feine eigene Debuttion: Ad omnes S. R.I. 
et singularum provinciarum ordines ipsosque canonicos Monast. 
adversarios. Pro militari progenitorum suorum nobilitate . . . Jo- 
hannes Schencking u. j. doctor canonicus Augustanus 1576, 40. — 
Über den Standpunkt des Kapitels vgl. ein Schreiben besfelben an 
ben Papft (vom 20. Juni 1572) bei Theiner I, 21. Briefe und 
Alten über biefen Prozeß zerftreut in vielen Ardiven u. a. RA. Mün- 
fter II, fol. 10/63. Eine kurze Gefchichte desfelben bis zum Jahre 1596 
in Röchells Chronik: Gefchichtsgu. des Bist. Münfter III, 23ff. Der 
Prozeß ift im Jahre 1709 vom Kaifer zugunften der Erbmänner ent=- 
ſchieden worden: Strunck l. c., p. 344sq.; Kock I. c. III, 104. 
Was L. Keller in einem Aufjat über Kerfienbroid Zeitfehr. f. Preuß. 
Geſch. XV, 1878, ©. 59ff. über Beziehungen dieſes Prozeſſes zu ber 
tatholifhen Reftauration in M. zu wiſſen glaubt, ift bloße Phantafie. 





1) Am 13. Febr. 1575 berichtet Fabricius an Herzog Albrecht, baß er 
mit Don Juan de Zuñiga über Johann Wilhelms künftige Erziehung ge— 
ſprochen und Reuſchenberg als Hofmeifter empfohlen babe; zwifchen bem 
19. und 26. Februar fand banı bie Beiprehung über das Stift Münfter 
ftatt. — Am 12. März 1575 bittet Requefens den bayrifchen Herzog, feinem 
Schwager ‚Herzog Wilhelm den Marſchall Reufchenberg als künftigen Hof- 
meifter zu empfehlen und am 26. März ſchreibt Requefens wieder an Herzog 
Albrecht, defien Sohn werde feinem König als Nachbar in Münfter gewiß fehr 
angenehm fein. — Diefe beiden Briefe des Requeſens ftehen zu jenen römi— 
ſchen Geſprächen offenbar in Verhältnis von Wirkung zu Urfache. 


Stift Münfter nad dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 269 


haltenen Winfen. Hans Jakob von Dandorf erhielt Befehl, dem 
alten Herzog von Jülich, nad) ausgeſprochenem Beileid, den Rat 
zu geben, er möge feinem nunmehr einzigen Sohn redt eifrige, 
gut und durchaus rein fatholiihe Leute, Hofmeifter, Präceptor 
und Diener, zuordnen. Bei dem jülihichen Hofmeifter Gothard 
Freiherr von Schwarzenberg und dem Kammerfefretär Paul Langer 
jollte Dandorf im Vertrauen entweder Gimnich oder den Mar: 
ſchall Reujhenberg als Hofmeifter empfehlen; den Sekretär allein 
aber, gleihmwie für fi, über Mittel und Wege ausfragen, wie 
etwa Münfter für Herzog Ernſt zu erlangen jei. 

Lange Fahre hindurch waren die Beziehungen zwiſchen den 
Häufern Fülih und Bayern, trog der Schwägerſchaft, jehr loſe 
gewejen, — zumeift wohl wegen der verjchiedenen kirchlichen und 
politiihen Stellung beider. Nod vor wenigen Jahren hatte man 
am jülihihen Hofe die Einladung zum Eintritt in den Lands— 
berger Bund ehr kalt aufgenommen. Danach aber räumte Her- 
309 Wilhelms neue Freundichaft mit Rom das Haupthindernis 
der Annäherung an das Fatholiihe Bayern hinweg. Bei der 
Neuburger Hochzeit, im Dftober 1574, famen die beiden Schwä- 
ger einander auch perfünlih näher; vermutlih auf Rat des 
Bayernherzog mies damals Herzog Wilhelm eine Interceifion 
evangelifher Fürften für die in feinen Ländern abgeſetzten Prä- 
difanten zurüd ). Auch Schwarzenberg und Langer hatten wohl auf 


1) Ein eigenh. PS. des Herzogs Wilhelm zu einem Schreiben an Herzog 
Albrecht aus Neuburg a. D. vom 10. Oft. 1574 lautet: „Wir beforgen ber 
pfaltgraf werbe uns ber entfetster firchendiener halben ferner anſuchen, wyr 
werben aber bei voriger unfer antwort verharren.” RA. Gülh und Eleve 
I, 117. (Einige Tage vorher dankt Herzog Wilhelm feinem Schwager für bie 
zu Ingolftadt erfahrene herrliche Traktation.) Am 13. Februar 1575 fchreibt 
Dr. Fabricius an Herzog Albreht (RN. Freifing, Nr. 80, fol. 127), der 
Papft habe ihm gefagt: se cognovisse C. V. (quo tempore nuptiae Bipon- 
tini celebrarentur) partim autoritate partim dexteritate quadam effecisse, 
ut pollicitus fuerit [princeps Clivensis] se catholicae religionis serium et 
ardentiorem propugnatorem futurum neque in sua provincia aliam reli- 
gionem in posterum permissurum, quam quae catholicae et apostolicae 
per omnia conformis esset. 





270 Viertes Buch. Drittes Kapitel. 


jener Hochzeit mit Herzog Albreht und feinen Räten als eifrige 
Katholiten Freundihaft geſchloſſen. Einer von dieſen beiden 
Männern hat zuerft, ſchon vor Dandorfs Ankunft, jei es nun von 
ſich aus oder vielleiht auf Briefe von Gimnid hin, dem alten 
Herzog vorgeihlagen, jeinen Neffen Herzog Ernſt an Johann 
Wilhelms Stelle nad) Münfter zu bringen. 

Bei dem hohen Wert, welchen alle deutichen Fürften der 
Verwandtihaft beimaßen, lag dieſer Gedanke nahe; zudem 
waren gerade jegt Äußere und innere Verhältniſſe der römijch- 
fatholiihen Partei am Füliher Hofe bejonders günſtig. In den 
benahbarten Niederlanden machte unter dem Gouvernement des 
Requeiens die Unterwerfung der Rebellen gute Fortſchritte; an 
Wilhelms Hof jelbjt hatte die alte Erasmiſche Mittelpartei in dem 
cleviihen Kanzler Diifleger ihren einflugreihiten Vertreter jüngft 
verloren ) (Fr 15. Februar 1575); mehrere der jeßt bei Hofe 
angejehenen Leute — neben Schwarzenberg und Langer nod) die 
Marihälle Reufchenberg und Arnold von Wahtendond, dann 
Dietrich von der Hort, Amtmann zu Düſſeldorf — traten als eifrige 
Katholiken auf; zu ihnen hielten ſich jegt auch der jülichſche Kanz— 
(er Orsbeck und der cleviihe Rat Dr. Heintih von Wege, der 
bald nachher Oliſlegers Nachfolger wurde. Vor furzem hatte der 
Herzog ſeine beiden jüngeren Töchter ernſtlich aufgefordert, 


1) Wolters, Heresbach, S. 197 Anm. Fabricius berichtet an Herzog 
Albreht am 9. April (nah Mitteilungen, welche Gimnich vom Jülicher 
Hofe erhalten Hatte): De provinciae statu significatur, illum tran- 
quillum esse, vix diebus quinque a principis obitu e medio, haud dubie 
divina providentia, sublato cancellario Clivensi, qui, ut autoritate plu- 
rimum valebat, ita pravorum hominum ejus provinciae erat refugium et 
azulum, sic ut per ipsius e vita excessum catholicorum vires non parum 
sint augmentatae ac confirmatae, haereticorum vero e contra potestati 
hine multum decesserit. — Praeterea quia praefectus [scil. Gimnich] apud 
quosdam consiliarios, quos ille confidentiores habebat, nonnullam negotii 
Monaster. significationem dedisset, ita rescribunt, ut plane arbitrentur, 
rem exiguam difficultatem habituram ac seniorem principem pro sua in 
Sertem V, addietione in Illmum Ernestum potius quam alterum hac in 
parte inclinaturum., 


Stift Münfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 271 


fünftige Dftern die Kommunion während einer fatholiichen Meſſe 
zu empfangen. Da fie fid) weigerten, vief er die Hilfe des Kaiſers 
an’). — Dandorf fand alfo am Füliher Hof den Boden für 
die Wünſche jeines Herrn bereit3 geebnet; mit der Meldung, 
Herzog Wilhelm ſei im Begriff, einen vertrauten Rat, Heinrid) 
von der Rede nad) Münfter zu ſchicken, konnte er zurüdreiien 2). 

Mir find diefem Heinrid von der Rede bereit3 als Unter: 
händler in der münfterichen Koadjutorie= und Poſtulationsſache, 
dann al3 Hofmeifter des Herzogs Johann Wilhelm begegnet; von 
jegt ab fpielt ev in den münfterfchen Dingen fait die wichtigfte 
Rolle. Über fein früheres Leben liegen, nur ſpärliche Nachrich— 
ten vor. Er ftammte aus einem alten in der Grafihaft Mark 
und im Stift Münfter anfäfligen Rittergeſchlecht, hatte längere 
Zeit (etwa um das Fahr 1550) in Italien ftudiert und mar 
wohl dort Licentiat der Rechte geworden. In die Heimat zu— 
rüdgefehrt wurde er Amtmann in der Lymers (bei Emmerich) 
und cleviicher Rat und als folder der Kollege feines italieniichen 
Studienfreundes Andreas Mafius und des Dr. Heinrich von Wege, 
mit welhen er lange Zeit zu Zevenar gemeinfam haushielt. In 
den Religionsverhandlungen der jechziger Jahre an Herzog Wil: 
helms Hof ericheint Red als Hauptvertreter der römiſch-katholiſchen 
Richtung: „einen heftigen Anhänger des Papſttums“, „einen 
ganzen Papiften‘ nennt ihn Hamelmann; im Jahre 1570 wird 
Reck dem bayriihen Herzog als einer der zuverläfjigften Katho- 
lifen am cleviſchen Hofe gerühmt. Pighius ſpricht nachmals von 
Red und Mafius, die er von Zevenar ber fannte, als von 
Männern, die nit minder an Frömmigkeit und Gelehrjamleit, 
wie an Erfahrung, Sprachenkenntnis und richtigem Urteil unüber: 
trefflich gemweien fein. — In den Aften tritt uns Heinrih von 


1) Lacomblet, Urkunbenbuh IV, Nr. 577. 

2) Danborfs Relation über feine erfte Reife zu dem Herzog von Jülich 
fehlt in dem Akten. Ihr Inhalt ergiebt fih ungefähr aus einem Schreiben von 
Herzog Albrecht an Fabricius vom 26. März, AU. Freifing Nr. 80, fol. 208. 


272 Viertes Bud. Drittes Kapitel. 5 


der Rede als ein Mann von Harem Wollen und rüdjichtslojer 
Energie entgegen '). 

Nody im Laufe des März begab fid) Red nad) Münfter, an— 
geblih nur um dem Domkapitel den Tod des Herzogs Karl Friedrich 
anzuzeigen und zugleich die Frage vorzulegen, ob nit ratſam, daß 
Sohann Wilhelm noch eine Zeit lang im geiftlichen Stande bleibe 
und nicht fofort auf die Poftulation verzichte. — Die anweſenden 
Domherren wollten vorerft mit den anderen beraten. — Nachher 
eröffnete Red dem Domdehanten Raesfeld im Vertrauen den 
eigentlichen Zwed feines Kommens: Herzog Wilhelm werde feinen 
Sohn gerne al3bald zurüdtreten laffen, falls man feinen Neffen 
als Nachfolger annehme. Raesfeld äußerte allerlei Bedenken, 
meinte aber jchließlih, der Herzog von Bayern könne mit Hilfe 
jülihiher Räte deshalb beim Kapitel anhalten; jehr dienlich werde 
eine Empfehlung durch den Kölner Kurfürften fein. Einige Wo— 
hen ſpäter ſprach Raesfeld gegen Neck bereits die Hoffnung aus, 
falls Kurfürft Salentin für Herzog Ernft intercediere und letzterer 
auf eine billige Kapitulation ſich einlafje, werde feine Poſtulation 
wohl durchzujegen fein. — Aus diejen Andeutungen Raesfelds geht 
hervor, daß es im münfterichen Kapitel eine ftarfe Partei gab, 
welche den Herrn von Köln und Paderborn gerne aud als Biſchof 
bon Münfter gejehen hätte. 

Auch ſonſt fehlte es nicht an Bewerberin um das vorausficht- 
(ih bald freimerdende Stift. Philipp Ludwig Pfalzgraf von Neu— 
burg madte jih als Schwager des jekigen Poftulierten Hoffnung, 
einen feiner jüngeren Brüder dahin befördert zu jehen; jedoch bes 
deutete man an Herzog Wilhelms Hofe feinem Gejandten, daß 
das Domkapitel, welchem die Wahl zuftehe, feinen Biſchof haben 


1) Über Red: Hamelmann |. c. 1004. 1009. : Andr. Masius, 
De Paradiso Commentarius Antv. 1569 Praef. Pighius l. c. 569. 
StA. 224/2, fol. 252 u. 341. Ned nennt einmal ben bayrifchen Kanzler 
Eljenheimer und den Dr. Wig. Hund alte Belannte (von Stalien ber?) 
NA. Münfter II, 1. 


Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 273 


wolle, der dem Papfte nicht zugethan, es jei denn, daß die Stifts— 
faflen, wie im Stift Magdeburg geihehen, des Kapitels mächtig 
fein wollten. Kurpfalz und die Wetterauer Grafen wünſchten als 
Nachfolger Johann Wilhelms entweder einen proteftantiihen Gra— 
fen oder den Bremer Erzbifhof, der dann im Stifte entweder 
eine evangeliihe Reform oder mindeftens die Freiftellung der Reli— 
gion durchſetzen ſollte. 

Neben ihren Abſichten auf Münſter gedachten die proteſtan— 
tiſchen Stände auch für ihre Religionsgenoſſen in den jülich— 
cleviſchen Landen aus Karl Friedrichs Tode Nutzen zu ziehen. Es 
iſt leicht zu denken, daß dieſer Tod zu allerhand ſchlimmen Reden 
Anlaß gab. Sprach doch ſogar der als katholiſch geltende Herzog 
Erich von Braunſchweig ſofort den Verdacht aus, „dem guten 
jungen Fürſten ſei etwa ein wälſche Suppen präpariert worden“. 
Leichtgläubigkeit oder böſer Wille verbreiteten. das Gerücht, der 
Bapit felbit habe dem Prinzen bei der Kommunion Gift gereicht. 
Auf den Wunſch des Landgrafen Wilhelm von Heffen verbanden 
fi mit ihm der Pfälzer Kurfürft und Herzog Julius von Braun= 
ſchweig zu einer gemeinſamen Gefandtihaft an Herzog Wilhelm, 
welche, gelegentlich der Beileidsbezeugungen, ihm und feinen Räten 
wegen der Religion feiner Unterthanen, namentlid) aber zugunften 
jeiner beiden noch unverheirateten Töchter entichiedene Vorftellungen 
machen follte. Die Gejandten eridienen am 20. Mai auf Schloß 
Hambad vor Herzog Wilhelm und einigen meift katholischen Räten, 
anderen Morgens dann nohmals vor den Näten allein). Der 
Eurpfälziihe Rat Dr. Dietrih Weyer, ein Sohn von Herzog 
Wilhelms Leibarzt Johann Weyer (MWier), führte das Wort. 
Obwohl die Gefandten ſelbſt die Inſtruktion ihrer Herren in 


1) Der heſſiſche Gefanbte Georg von Scholey nennt als anweſende Räte 
den Kanzler Orsbed, ben Hofmeifter Schwarzenberg, bie Licentiaten Weſch— 
pfennig und Mulert, den Sekretär Langer. Auf dem Konzept ber Antwort 
des Herzogs ift ferner noch der Düffelborfer Amtmann Horft unter demjenigen 
genannt, welche dieſe Antwort borberieten. 

Loſſen, Köln. Krieg 1. 18 


274 Vierte Bud. Drittes Kapitel. 


einigen Punkten milderten — (in der Ermahnung an die Räte 
unterdrüdten fie 3. B. den Vergleich, daß der Herzog an feinem 
eigenen Fleifh und Blut Gottes Strafe für feinen Abfall von 
der Augsburger Konfeſſion erfahren habe, nicht anders als Pha— 
rao in Ägypten mit der Erftgeburt) —, troß folhen Milderungen 
blieb ihre Werbung unerhört rüdjihtslos, ja geradezu unver- 
ſchämt. 

Dieſer Todesfall, ſagten fie u. a., möge dem Herzog als 
Mahnung dienen, nicht länger aus weltliher Furcht der einmal 
erkannten und befannten Wahrheit der Augsburger Konfeſſion zu 
widerftreben, feine Töchter wie vordem und feinen nunmehr einzigen 
Sohn in der wahren hriftlichen Lehre und im rechten Gebrauch 
der Sakramente zu erziehen, nicht durch böſe friedhäſſige Leute 
fid) regieren zu laſſen. Aud feinen Unterthanen jolle der Herzog 
die Finfternis des Papfttums nit aufzwingen. Es feien Erempel 
genug vor Augen, daß weder Glüd nod Heil beim Papfte und 
jeinem friedhäffigen, unruhigen Anhang, wie denn ihre Fürften den 
unzeitigen Tod des jungen Prinzen eben für eine der Früchte des 
Papftes, feiner Kardinäle und Legaten hielten. Sie warnten den 
Herzog vor Unruhen feiner Unterthanen, falls er nicht die öffent- 
liche Übung der Augsburger Konfeifion geftatte. — Dieſen Vor— 
trag ftellten fie dem Herzog fogar jchriftlih zu. Noch ftärkere 
Dinge über die Greuel des Papfttums befamen die Räte münd- 
ih zu hören. 

Kanzler Orsbeck antwortete namens feines Herzogs, fpäter 
au für fih und die anderen Räte, jehr maßvoll aber entichieden 
abmeijend. Er beftritt u. a., daß Herzog Wilhelm jemals die 
Augsburger Konfeffion angenommen babe; denn wenngleich er dies 
jelbe in vielen Artikeln der alten katholiſchen Religion gemäß finde, 
heine fie ihm doch in anderen beventlih. Noch heute würde der 
Herzog, gemeinfam mit Kaifer und Reichsſtänden, die in der Kirche 
eingeriffenen Mißbräuche gerne befeitigen und dadurd die Einheit in 
der Religion befördern ; die Konfeffionsverwandten feien aber unter 
ſich jelbft nicht einig. Allerlei Selten oder die Willkür unmifjen- 


Stift Miünfter nach dem Tode bes Herzogs Karl Frievrid. 275 


der Prarrherren und anderer könne der Herzog nicht dulden, beftehe 
daher auf feinen bereit3 vor zwölf bis vierzehn Jahren ergangenen 
Mandaten; damit thue er nichts, als was ihm im Religionsfrieden 
zugelafjen. Daß er feine älteren Töchter an evangelifhe Fürften 
verheiratet, jei fein Beweis, daß er jelbit der Augsburger Kon— 
fejfion angehörte: alte Freundſchaft dürfe wegen verſchiedener reli= 
giöjen Meinungen nicht aufgehoben werden. Seines Sohnes Tod 
ſei eine göttlihe Heimfuhung; auch andere Fürften, wie Sachſen 
und Württemberg, hätten unlängjt in blühender Jugend Söhne 
verloren, die do nicht nad) Rom gezogen. Der Herzog erwarte, 
daß ihm die Fürften in Religionsſachen nicht Ziel und Maß ſetzen 
wollten und nicht Ungelegenheit vonfeiten feiner Unterthanen 
gönnten. Was in feinen Landen in Religionsfahen gejchehen, jei 
von ihm und feinen friedliebenden Räten wohl bedacht. Er jelbft 
wolle bei der Religion bleiben, darin er erzogen, und habe auch 
jeinem Sohne bereit3 Perjonen zugeordnet, welche der wahren 
chriſtlichen katholischen Religion anhängig. 

In der That machte, wie der Braunfchweiger Herzog bon 
vornherein befürchtet, allzu ſcharf diesmal ſchartig. — Die Ge— 
jandten jelbft fühlten, daß fie das Maß überjchritten hatten, und 
juchten fi mit dem Wortlaut ihrer Inſtruktion zu entſchuldigen. 
Dbendrein hatten fie ſich Blößen gegeben durch thatfächlich falſche 
Behauptungen, 3. B. die, daß man des Herzogs Unterthanen zum 
Empfang der Kommunion unter einer Geftalt zwinge. — Den 
Herzog aber fettete die hochfahrende, faft geringichäßige Art, wie 
ihn die proteftantishen Fürften behandelten, nur noch fejter an 
die römiſch-katholiſchen Intereſſen. 

Wenige Tage nach der Abreiſe dieſer Geſandten erſuchte Herzog 
Wilhelm ſeine Schwägerin Herzogin Anna von Bayern, feine 
beiden jüngeren Töchter, welche ſich nicht zum Beſuch der Meife 
verftehen wollten, für einige Zeit an ihren Hof zu nehmen. Jo— 
hann Wilhelms Hofmeifter wurde wirklid) der won Rom aus em— 
pfohlene Marſchall Reuſchenberg. Als Wernher von Gimnih von 


Rom zurücklam, fand er bei feinem Herrn und alten Freunde ftatt 
18* 


276 Viertes Buch. Drittes Kapitel. 


der befürchteten Ungnade herzliche Aufnahme; er wurde zum Land— 
droft des Fürftentums und zum Gouverneur der Feſtung Jülich 
befördert und noch dazu beauftragt, Johann Wilhelms Erziehung 
zu überwadhen. Gimnich trat jeinen neuen Dienft, wie er felbft 
an Fabricius nad) Rom jchrieb, mit dem Entihluß an, „daß er 
fi) von feinem Widerwärtigen, wie hoch fie auch pochen könnten, 
don Beförderung unferer wahren fatholiichen Religion werde ab— 
ſchrecken laſſen“. — Zu Lebzeiten Karl Friedrichs maren vom 
Jülicher Hofe aus die erften Schritte gethan worden, um dem 
jungen Boftulierten von Münfter auch Hochſtift Lüttich, jowie die 
Abteien Stablo und Prüm zu verihaffen; jetzt bemühte ſich der 
Herzog, nody ehe von Bayern eine derartige Zumutung an ihn 
gelangte, den Abt von Stablo und Prüm, Chriſtoph Graf von 
Mandericheid, zu bewegen, daß er jeine für Johann Wilhelm ges 
gebene Zufage nun auf Herzog Ernſt übertrage ). — Auch der 
Blan, Münjter in die Hände des bayriſchen Prinzen zu bringen, 
wurde entſchieden verfolgt. 

Das Domkapitel zu Münfter hatte mit der Antwort auf von 
der Redes Werbung gewartet, bis es fih in Rom erkundigt, wie 
man ſich jegt dort zu der früheren Poftulation ftellen wolle. Am 
30. Mai kamen Gefandte des Kapitel3, der Scholafter Hermann 
von Diepenbroid, Statthalter Wejterholt und Syndikus Schade, 
nad) Hambad) zum Herzog, und berichteten, Rom werde unter 
den jetzigen Verhältniſſen den Poſtulierten ſchwerlich konfir— 
mieren; deshalb ſei ratſam, daß Johann Wilhelm zurücktrete, 
damit das Stift endlich einen regierenden Herrn bekomme und 
nicht etwa bon Rom aus ein Eingriff in ihr Wahlreht er— 
folge. Die Räte des Herzogg — Ned war nicht zugegen — 
fuchten zuerjt die Bedenken gegen die Fortdauer der Poftulation 
zu widerlegen, erinnerten dann aber daran, daß Red privatim 
bereit3 den Adminiftrator von Freifing als Nachfolger in Münfter 
borgeihlagen habe. Davon wußten jedod die Gejandten nichts, 


1) Weiteres hierüber |. u. 8. Bud, 1. Kapitel. 





Stift Miünfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 277 


da Red bisher nur mit dem Domdechanten im Vertrauen ges 
Iprohen Hatte. Man trug nun aud den Gejandten „gejelliger: 
weile‘ vor, was alles den bayriihen Herzog empfehle, doch 
äußerten fie ähnliche Bedenken wie früher der Domdechant: Herzog 
Ernft jei weit entjefjen, feine anderen Bistümer ſehr entlegen; er 
werde ſchwerlich zu Münfter vejivieren wollen, jei von hohem 
Stamme und werde darum vielleiht Erzbiihof oder Kardinal 
werden wollen und dann ihrem Stifte große Ausgaben zumuten; 
Münfter könne in die Hildesheimer Irrungen (mit Braunfchmweig) 
verwidelt werden; zulegt, nicht als letztes des Kapitels Rechtsſache 
gegen Dr. Schenfing, der bei Herzog Ernſt Hofmeifter ſei und 
bon ihm jehr begünftigt werde. 

Dieſe Schenkingihe Sache war ein Rechtsſtreit, welcher das 
Kapitel Schon jeit Jahren angelegentlichit beichäftigte. Im Jahre 
1557 hatte Papſt Paul IV. dem Augsburger Kanonikus Dr. Jo: 
hann Schenking, einem geborenen Münfteraner aus dem alten 
Patriziat der Erbmänner '), eine in einem päpftlichen Monat er: 
ledigte münſterſche Dompräbende verliehen, auf jeine Verſicherung 
bin, daß er von Adel. As Schenking bald darauf von der 
Pfründe Beſitz ergreifen wollte, widerjeßte fi das Kapitel, meil 
er, wie die münfterihen Erbmänner überhaupt, nicht von ritter- 
mäßigem Adel je. Schenking kehrte nah Rom zurüd und 
führte gegen das Domkapitel an der Rota Prozeß, der im Jahre 
1558 in eriter Inſtanz für ihn entſchieden, danad) aber auf eine 
Verfügung Pius’ IV. Hin wieder aufgenommen wurde, bis Schen= 
fing bemiefen haben werde, daß er nicht bloß adelig, ſondern auch 
rittermäßig ſei (nobilis militaris). 1573 erlangte Schenking in 
zweiter Inſtanz ein günſtiges Urteil der Rota; nun aber ſetzte 
das Kapitel Himmel und Erde in Bewegung, um die Exelution 
zu hintertreiben und den Nitteradel im ausſchließlichen Beſitz der 
‚münfterihen Dompräbenden zu erhalten. Unter dem Vorgeben, 


1) Über die münfterfchen Erbmänner überhaupt vgl. Cornelius a. a. DO. 
L, 139. 


278 Viertes Bud. Drittes Kapitel. 


daß durch fiebenjährige Litispendenz Schenkings Pfründe erledigt 
jei, verichaffte ſich Rotger von Raesfeld in Rom eine neue Er— 
nennung für diefelbe; die Domherren wandten ſich an Kaiſer und 
Fürften, um durch ihre Interceffionen in Rom Sufpenjion des 
Urteils und neue Entſcheidung zugunften des Nitteradel3 zu er: 
langen. Aber au ihr Gegner erlangte fürjtlihe Fürſchriften, jo 
bon den bayriſchen Herzögen Albrecht und Ernſt, in deſſen Dienfte 
Schenting Ende 1573 getreten war, um während der Romreiſe 
das Hofmeifteramt zu befleiden. Man begreift, da die Dom- 
herren Anftand nahmen, den Patron ihres gehaßten und gefürch— 
teten Gegners zu ihrem eigenen Haupt zu wählen. Anderjeits 
hatte Fabricius in Rom fofort darauf hingewieſen, daß ſich Her- 
30g Ernſt durch DVermittelung in Schenkings Sahe vielleiht die 
Gemüter der Dombherren gewinnen könne. 

Als Heinrich von der Rede noch während der Verhandlungen 
mit den Abgeordneten des Kapitel3 nad) Hambah kam, war er 
wenig erfreut, daß man mit ihnen jest Schon über die bayriſche 
Succejjion geſprochen habe; wenigſtens follten fie, was ihnen ges 
jelligerweife mitgeteilt, für fich behalten. Das Kapitel als ſolches 
erhielt nur die Antwort, der Herzog erwarte die päpftliche Kon— 
firmation und halte bei diefen geſchwinden Läufen für ratſam, daß 
fein Sohn das Stift nod) eine Zeit lang behalte; da das Kapitel 
aber anderer Anfiht, wolle er demnächſt eigene Gejandte zu ihnen 
Ihiden. Ned erbot fid) wieder nad) Münfter zu gehen; gemäß 
jeinem Gutachten erhielt der Agent Hammerftein Befehl, in Rom 
mitzuteilen, daß der Herzog feinen Sohn jo lange im jeßigen 
Stande lafjen wolle, bis ein anderer tauglicher Fatholiicher Biſchof 
gewählt werden könne; Hammerftein folle deshalb von neuem auf 
Johann Wilhelms Konfirmation dringen. Herzog Albreht von 
Bayern wurde gebeten, zum Beſten feines eigenen Sohnes, diejes 
Geſuch in Rom zu unterftüßen. 

Am 17. Juni fam Red wieder nah Münfter und enthüllte, 
bevor er ſich feines amtlichen Auftrages entledigte, fünf vornehmen 
Domherren, Propft, Dehant, Scholafter, Domtellner (Meldior 


Stift Münfter nah dem Tode des Herzogs Karl Friedrich. 279 


von Büren) und Statthalter, vertraulih die wahren Abfichten 
jeines Hofes. Infolge davon fiel die Antwort des Kapitels derart 
aus, daß ein Eingeweihter aus ihr ſchon entnehmen konnte, unter 
welchen Bedingungen man jih zur Boftulation des bayrischen Her: 
3093 verjtehen werde. Die VBorbedingung, baldiger Rücktritt des 
jegigen Poſtulierten, wurde zwar feftgehalten, jedoch verficherten 
jene fünf, fie wollten für ihre Perſonen, wenngleid fie dem Ka— 
pitel nicht weiter vorgreifen könnten, eine bayriſche Werbung ges 
treulid) befördern. Der Domdehant, Recks Berater in allem, 
veriprad) zu diefem Behuf die Kapitularen auf den legten Juni 
nad) Horftmar zu berufen, — nicht nad) Münfter jelbit, weil bier 
die Peſt ausgebrohen war‘). Auch empfahl er nochmals, den 
Kölner Kurfürſten nit zu vergeſſen. 

Mittlerweile waren drei bayriihe Gejandte, der Freifinger 
Hofmeister Chriftoph von Pienzenau, Dr. Halver und Dandorf in 
Düſſeldorf eingetroffen, wo fie dem Herzog und einigen katholischen 
Näten ihre Inftruftion vorlegten (22. Juni). Der Herzog ver- 
iprad), ihnen feinen Rat Red zum Kapiteltag in Horftmar beizu- 
ordnen, wo der Markt den Kauf machen werde. Das Anerbieten 
des Statthalters Requeſens, Herzog Ernit durch einen eigenen Ge— 
fandten in Münfter zu empfehlen, jchien bedenklich, ein freundliches 
Schreiben an das Kapitel fünne jedoh nichts ſchaden. Den; Köl- 
ner Kurfürften möge man immerhin, weil das der Dechant für 
gut anjehe, um feine Interceffion erſuchen, dürfe fi) aber wenig 
Erfolg veriprehen, weil Salentin allem Anjchein nad) jelbft ein Auge 
auf Münfter geworfen habe. — Darin täufhte man fi) nicht. 
Als die Gejandten von Düſſeldorf nad Arnsberg zum Kurfürften 
famen, wurden fie mit den binfälligiten Ausreden abgeipeift, jo 
daß fie die Luft verloren, weiter in ihn zu dringen. Am 28. Juni 
kamen die drei Gefandten nad Horftmar, wo ſich kurz danad) 
auch eine Anzahl Domberren und von der Rede einfanden; am 30. 


1) Über die Pet in Münfter 1575/76 vgl. Kock II, 146sq.; 
Röchells Chronik in G.-QD. III, 50. 


250 Biertes Buch. Drittes Kapitel. 


traten fie in Beratungen mit einem Ausihuß des Kapitels, be— 
ftehend aus den genannten fünf Herren und als ſechſtem dem frü— 
beren Propft Bernhard von Morrien. Zuerft empfahl Red wieder 
die Perjon des Adminiftrators von Freifing, bejonders wegen des 
Nutzens, welcher aus feiner Wahl dem wahren fatholiihen Glau— 
ben erwachſen würde, etwaigen Bedenken fünne durch die Kapi- 
tulation vorgebeugt werden; zeige jih das Kapitel millfährig, fo 
werde Herzog Wilhelm feinen Sohn bewegen, von der angenom= 
menen und fchon etlihermaßen Eonfirmierten Poftulation abzuftehen, 
andernfalls aber jolle diefe wie jeine frühere Erklärung dem Po— 
ftulierten nicht präjudizieren. — Anderen Tags warben die bayrischen 
Sejandten fir Herzog Ernft bei dem Ausihuß, der fie auf das 
Blenarkapitel künftigen Jakobi verwies, aber bereit war, ohne Ver- 
bindlichfeit für beide Zeile, jest ſchon über eine etwaige Kapi— 
tulation zu beraten. Man einigte ſich im allgemeinen über eine 
Erneuerung der Kapitulation Fohanns von Hoya, nur erinnerten 
ein paar Zuſätze an die gegen den bayriichen Herzog erhobenen 
Bedenken: u. a. die Beitimmungen, der Poſtulierte jolle nit Kar— 
dinal werden, er jolle Schenfings Sache entweder in Güte vers 
aleihen oder aber zum Kapitel Halten. Die Gejandten nahmen 
nur an der einen Bedingung Anſtoß, dag nicht etwa andere 
Fürften fondern eine Anzahl adeliger Landſaſſen in und außer 
dem Stift die Kapitulation verbürgen jollten; aber die Dom: 
herren wollten von diefem alten Herfommen, namentlid) aus Rüd= _ 
ficht auf die Ritterichaft, nicht abweichen. Donnerstag nad) Jakobi 
(27. Zuli) jollten die Gefandten von Fülih und Bayern auf dem 
Generalfapitel zu Lüdinghaufen wieder erjcheinen, mit der Rati— 
fitation ihrer Herren, um fi endgültig über die Kapitulation 
zu vergleihen. Der Domdehant machte Hoffnung, dag dann 
die Neumahl bereit3 zu Martini ftattfinden, Herzog Ernſt alſo 
noch während feines römiſchen Aufenthaltes feine Konfirmation 
jelbft erwirken fünne. Von der geforderten Bürgichaft abgejehen, 
hielten Ned und die bayriihen Gejandten, auf Grund vertraus 
liher Zujagen der Domherren, die Sache bereit3 für gewiß. 


Stift Münfter nach dem Tode des Herzogs Karl Friebrid. 281 


Heinrich von der Rede, beridteten die bayriihen Geſandten nad) 
Münden, habe zum Überfluß proteftiert, daß feine Fürften und 
Herren, Falls Herzog Ernſt nicht poftuliert werde, mit nichten 
bon dem Stifte abtreten, jondern bei der vorigen Boltulation 
beharren wollten. 

Daß Herzog Wilhelm feinen anderen Nachfolger in Münſter 
wollte, al3 jeinen Neffen, hatte er auch jchon anderwärts zu er- 
fennen gegeben. Ungefähr gleichzeitig mit den bayrichen waren 
in Düffeldorf zwei andere Geſandte eingetroffen: der junge Graf 
Georg von Thurn für Erzherzog Ferdinand von Ofterreich, und der 
Kölner Stadt-Syndilus Dr. Konrad Betzdorp für den Kölner Chor- 
biſchof Herzog Friedrih von Sachſen-Lauenburg. Der Erzherzog 
ließ bitten, Stift Münfter feinem älteften Sohn Andreas zu ver 
gönnen, für den Herzog bradte Betzdorp Empfehlungen von 
deſſen Oheim Kurfürſt Auguft mit. Beide Gefandten wurden 
— Graf Thurn, wegen der nahen Verwandtichaft mit jeinem 
Herrn, nur höflicher — mit dem Beſcheid abgefertigt, Herzog Wil- 
helm könne, ohne Verlegung feiner fürftlihen Reputation, feinen 
anderen mehr empfehlen al3 feinen nächiten Blutsperwandten, Her— 
309 Ernſt von Bayern. 

Die Gegenbewerbung des Lauenburgers war wenig gefährlich, 
ander3 die des Erzherzog. — Graf Zhurn motivierte jeine 
Bitte, der Herzog möge ſich wenigſtens neutral halten, ausdrück— 
lid) damit, daß Ferdinands Sohn nicht bloß dem Kaiſer genehm, 
iondern aud) dem Papfte lieber fein werde als irgend ein an— 
derer. — Wiewohl man am Füliher Hofe diejer Bemerkung 
anfangs wenig Wert beilegte, mies ſie doch bereit3 deutlich Hin 
auf ein Haupthemmnis der bayriihen Bewerbung um das Stift 
Münfter. 

As Hammerftein, unterftügt von dem bayriihen Gejandten 
Fabricius, die neue Bitte um Johann Wilhelms Konfirmation 
in Rom vorbradhte, vorerft ohne den eigentlichen Zweck, Herzog 
Ernſts Nachfolge, zu erwähnen, hörte der Papft die beiden mit io 
berdriehliher Miene an, das Fabricius ſchon zufrieden war, als 


282 Viertes Bud. Drittes Kapitel. 


Gregor wenigftens nicht geradezu Nein jagte, fondern einigen 
Kardinälen die Sache überwies. Fabricius ſchrieb dieſe ihre ungnä= 
dige Aufnahme nur dem Argwohn vor jülihichen Säkularifations- 
gelüften zu; e3 ift jedod anzunehmen, daß Gregor ihre eigentliche 
Abſicht recht gut kannte, aber gerade fie nicht billigte. Hatte doc) der 
Nuntius Gropper bereit? Anfangs Mat nad) Rom berichtet, daß 
man den bayrischen Herzog nad Münfter bringen wolle, und für 
jeine Perſon dieien Plan ohne Zweifel empfohlen. Die Wünſche 
der Kurie aber gingen andersmohin. 

Mohl Ihägte man in Rom die Freundihaft des fatholiichen 
Bayernherzogs nicht gering; aber auch Erzherzog Ferdinand, der 
Herr von Zirol und Vorderöfterreih, war ein eifriger Katholik. — 
Mit den beiden dem wahren Gott allein treugebliebenen Stämmen 
Benjamin und Juda hat P. Ganifius einmal Zirol und Bayern 
verglihen. — Nun befaß Herzog Ernft bereit zwei Bistümer 
und jollte nad) dem gerade jekt zu Rom wieder aufgenommenen 
Plane auch nod Köln erhalten, wozu alſo noch mehr Bistümer 
in feiner Hand anhäufen! Anderfeits Hatte aud Erzherzog Fer: 
dinand einen der von Philippine Welfer ihm geborenen Söhne, 
den älteren, Andreas, zum geiftlihen Stande beftimmt, aber nod) 
war derfelbe mit feiner geiftlihen Würde oder Pfründe ausge- 
ftattet. Jetzt bot fih mit Münfter eine pafjende Gelegenheit. 
Es jcheint, daß der Erzherzog ſchon glei nad) Herzog Karl 
Friedrih3 Tod durch Frater Sporeno, einen Barfüßermönd, der 
ipäter Hofmeifter des jungen Andreas wurde, den Papft um 
feine Hilfe in der münſterſchen Sahe anging. Aus den An— 
deutungen, welche Graf Thurn zu Düffeldorf machte, läßt ſich 
ichließen, daß der Erzherzog ſchon damals der päpftlichen Unter: 
ftüßung ſich ficher glaubte. Anfangs Juli finden wir Sporeno 
wieder in Innsbruck, im Beſitze beftimmter Zufagen Gregors. 

Indeſſen gingen Bayern und Jülich dem münſterſchen Gene— 
ralfapitel vertrauenspoll entgegen. Dandorf war mit dem Kapi- 
tulationsentwurf zu Herzog Albreht zurüdgeeilt, der zwar an 
einigen Punkten Anſtoß nahm, u. a. aud an den Beitimmungen 


Stift Münfter nach dem Tode bes Herzogs Karl Friedrich. 283 


wegen des Kardinalat3 und des Dr. Schenking, aber auf eine Ver— 
ftändigung darüber rechnete. Das gewichtigſte Bedenken hatte 
bereits Herzog Wilhelm gehoben duch die Zujage, nötigenfalls 
durch feine Landſaſſen die Kapitulation zu verbürgen. 

Als Red und Dandorf in Lüdinghaufen eintrafen — die 
beiden anderen bayriihen Gejandten famen nit mehr mit —, 
fanden fie das Kapitel zahlreich verfammelt und bereit3 in Bes 
vatung über die fünftige Poftulation. Ein Ausſchuß, wieder die 
obengenannten jech3 Herren, war ernannt, um die Sache vor— 
zuberaten und dann in Plenum zu referieren. Das geihah am 
Vormittag des 27. Juli vor neunzehn Kapitularen dur den 
Syndifus Schade. Die Verordneten, jagte er, hätten alle Ber: 
fonen durchgegangen, melde vielleiht nah der Poſtulation 
tradhteten, und feine pafjender gefunden als Herzog Ernſt von 
Bayern; man möge aljo mit den bayriichen Gejandten handeln, 
um die Voftulation aus Johann Wilhelms Händen zu bringen 
und alsdann mit Bayern zu fapitulieren; zur Vorbereitung, ſagte 
der Dechant, habe man bereit3 etwas zu Papier gebradit. — 
Auf feinen Vorfhlag wurde die zu Horftmar vereinbarte Kapi— 
tulation vorgelefen und gut befunden; nur ein paar Artikel wünjchte 
das Kapitel ſchärfer oder deutlicher gefaßt. 

Am Nachmittag Hatte Heinrih von der Rede Audienz im 
Kapitel; er fand eine Verſammlung vor von ahtundzwanzig Dom— 
herren, darunter mehrere jüngere, die noch ungemweiht, daher 
nicht jtimmberechtigt waren. (E3 gab im ganzen zmweiundbierzig 
Dombherrenpfründen, die aber wohl nicht ſämtlich befegt waren.) 
Ned referierte kurz, wie fein Herzog nad Karl Friedrichs Tode 
feinen jüngeren Sohn noch eine Zeit lang beim Gtifte habe 
laſſen wollen, dann aber auf Wunſch des Kapitels fich bereit er— 
Härt habe, doch ohne Präjudiz für feinen Sohn, dieſen refig- 
tieren zu laffen, wenn man über eine qualifizierte Perſon einig 
fi; das Kapitel möge alſo feiner Fürbitte für den fatholifchen, 
ihm naheverwandten Herzog Ernſt ftattgeben. — Das Kapitel 
erwiderte, fie feien erbötig, eine tauglihe katholiſche Perſon, die 


284 Viertes Buch. Drittes Kapitel. 


dem Herzog gefallen werde, zu poftulieren, damit e3 aber 
zu freier Wahl kommen könne, müjje.zuvor der jetzige Poftulierte 
rejignieren. 

Nun gab es ein Wechjelreden Hin und her. Red behauptete, 
jeine Erklärung hindere die freie Wahl nit; die Majorität des 
Kapitels blieb dabei, dies ſei doch der Fall; fie könnten nicht 
eher auf eine Kapitulation mit Bayern fid) einlaffen, bis das 
frühere Poftulationsdefret wieder in ihren Händen ſei. Dazwiſchen 
fielen von beiden Seiten jpigige Worte: Red betonte, daß fein 
Herr bisher nur Unkoften und feinen einzigen Vorteil aus der 
Voftulation gezogen habe; das Kapitel wies darauf Hin, daß eine 
bloße Poftulation ohne Konfirmation keine Nechte verleihe. Das 
Ende war ein Kapitelsbeihluß, da man durch eigene Botſchaft 
den jungen Herrn um Herausgabe des Poſtulationsdekretes er- 
ſuchen wolle. 

Anderen Tags (28. Juli) erihien Dandorf, von Red be 
gleitet, vor dem Kapitel. Die jungen Herren von geftern Nach— 
mittag fehlten meiftens; nur noch fiebzehn Domberren waren 
zugegen. Dandorf bat im Namen feines Herzogs, mit ihm in 
Verhandlungen über eine unverbindliche Kapitulation einzutreten, 
überreichte ein Beglaubigungsihreiben des Statthalter Requeſens 
für Dr. Halver, um zu zeigen, daß Bayern mit Spanien in 
gutem Einvernehmen jtehe, und verſprach, daß fein Herzog in 
Schenkings Sache bei Papft und Kaifer vermitteln werde; — 
das Kapitel blieb jedoch bei feinem geftrigen Beſchluß, vor Re— 
fignation des jetzigen Boftulierten zu feiner neuen Kapitulation 
zu schreiten. Ähnliche Antwort empfingen Herzog Friedrich von 
Sadjen-Lauenburg, der durch eigenen Gejandten für fi, und das 
Denabrüder Domkapitel, welches brieflich für feinen Biſchof um 
die Poftulatton gebeten hatte. 

Ungeachtet des augenblidlihen Mikerfolges reiften Red und 
Dandorf guten Mut3 von Lüdinghaufen ab; hatte doch der 
Domdehant verfihert, der bisher am meiften gefürchtete Kölner 
Kurfürft jei zu Münfter und bei allen Nahbaren nicht mehr gut 


Stift Münfter nah dem Tobe des Herzogs Karl Friedrich. 285 


angefchrieben, bewerbe fi aud zur Zeit gar nit um die Po— 
ftulation; den Bremer Erzbiſchof aber werde man als lutheriſch 
feineswegs poftulieren. Mehr Ausficht, meinte Dandorf, würde 
deffen jüngerer Bruder Herzog Friedrich haben, der katholiſch ſei 
und zu Köln und Münfter als ein frommer junger Herr gerühmt 
werde; jedoch fiherten Herzog Wilhelms Hilfe, ſodann die Zus 
neigung des im Stift allmädhtigen Domdechanten ?), der vor— 
nehmſten SKapitulare und etliher angejehenen Landftände, falls 
Johann Wilhelm refigniere, dem Sohne feines Herzogs die neue 
Mahl. Nächten Martini, meinte Dandorf, könne dieſe bereits 
ftattfinden. 


1) Cujus uutu hoc tempore omnia aguntur et reguntur, fagt Danborf 
in feiner Relation vom 2. Sept. 1575. RA. Miünfter II, 436. 


Sünftes Bud), 
Bremen gegen Bayern. 


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1. Kapitel. 


Kurfürſt Salentins Köln- Münfter/fher Plan. — W- 
mifche Aönigswahl und Freiftellung.* 


Bon der Rede und Dandorf hatten das Stift Münfter unter 
dem Eindruck verlaffen, dag nur der übergroße Eifer einiger Doms 
berten für ihre Statuten und Freiheiten diesmal den Erfolg der 
bayriihen Werbung verhindert habe. Diet Meinung hätte durch 
das Ansuchen, welches die Gefandten des Domkapitels, Diepen- 
broid, Weſterholt und Schade, am 15. Auguft zu Düffeldorf vor: 


* Quellen: Für die münfterfhe Wahlfache ſ. Ouellen zu Buch 4, Kap. 3. — 
Fir Salentins Beziehungen zn Johann von Nafſau DIEA. C. 368 
u. 372. DillKorr. 1573. 1574. 1575. Dafelbft auch einiges über bie 
nieberlänbifche Pacififation, die römifche Königswahl und die Frei- 
ftellung; vgl. Onellen zu Bud 3, Kap. 3. Im ganzen richtig erzählt 
Salentins Friebensbemühungen: J. B. de Tassis Comment. 1. II 
bei Hoynck van Papendrecht, Anal. Belg. II. 2, 193. Dazu Ga- 
chard l. ce. III, 132. 140sq. 157. 162 q. 178. 241. 575 Klud- 
hohn a. a. ©. II, Nr. 737/8 u. 750. — Die kaiferlihen Akten ber 
Wahl Rudolfs faft vollftändig bei 3. M. Schneidt, Vollſtänd. Geſch. 
der röm. Königswahl Rudolfs II. Würzburg 1792, auf welche wichtige 
Sammlung id durch bie Aushängebogen der Einleitung zu Bezolds 
Publikation über Pfalzgraf Joh. Kaſimir aufmerkfam gemacht wurbe, als 
der Satz meines Buches bis hierher vorgefähritten war. Bol. Bezold 
a. a. O., ©. 186ff. Ergänzungen zu Schneibt bei Kluckhohn II, 
Nr. 783Ff., befonders Nr. 795; ferner StR. 161/12. — Über Frei- 
ftellung und Deklaration namentlih Erftenberger® Autonomia; vgl. 
über fie und verwandte Schriften: Stieve a. a. DO. IV, 156ff. Die 

Loſſen, Köln. Krieg I. 19 


N 


290 Fünftes Bud. Erftes Kapitel. 


brachten, bekräftigt werden können. — Zur Erhaltung ihres Wahl- 
rechts und gemäß der Kapitulation, fagten fie, möge man ihnen 
die frühere Poftulation ohne Bedingung zurüdgeben und freie 
Mahl verftatten, dann wollten jie jich über eine fatholiiche Per: 
jon vergleihen, die nicht nur ihrem Stifte nüßlich fein, jondern 
auh mit Herzog Wilhelm gute Nahbarihaft und Freundſchaft 
halten jolle. — Aber aus des Herzogs Antwort erfieht man, daß 
man am Jülicher Hofe bereit3 Witterung hatte von anderen Mo: 
tiven des Kapitels, al3 dem bloßen Eifer für Rechte und Frei: 
heiten. Der Herzog, hieß es, wolle das Kapitel ungern an feiner 
freien Wahl verhindern, nur hätte man mit ſolchem Anfuchen vor 
der Kapitulation mit den bayrischen Gefandten kommen ſollen; 
nun werde er aber gewarnt, daß von Perjonen hohen und nie 
deren Standes Praktiken getrieben würden, um im Sapitel eine 
dem Stift verderblihe Spaltung zu erweden; diefe zu verhüten, 
jollten fi die Kapitularen zuerft über eine wohl qualifizierte, 
fatholiihe und den Nachbarn genehme Perjon vergleichen, nachher 
wolle er feinen Sohn zum Rücktritt bewegen. — Im Privat: 
geſpräch an die Hambacher Unterredung erinnert, entihuldigten fid 
ältere Litteratur über dem geiftlichen Vorbehalt ift gut zufammengeftellt 
in der Differtation von Häberlin, De Reservato Ecelesiastico ex 
mente Pacis religiosae, Helmst. 1755. — Über die Fuldaer Wirren: 
9. Heppe, Die Reftauration des Katholicismus in Fulda, Marburg 
1850. Heppes „Abbrud der Deklaration” ift übrigens durch Nach— 
Täffigkeit vielfach verftümmelt. Einiges bisher Unbefannte iiber bie Ge— 
Ihichte der Deklaration, worauf ih anderwärts zurüdzufommen 
dene: StA. 230/7. MA. Herzöge von Jülich 1575/1576 und Köln 
1515—1580, fol. 359 ff. — Über Graf Ludwig von Wittgenftein: F. W. 
Windel, Aus dem Leben Ludwigs d. X. von Sayır, regierender Graf 
zu Wittgenftein, Berleburg 1855, und besf. Chronik der evang. Ge- 
meinde Berleburg, Lüdenfcheib 1872. G. Friedländer, Beitr. zur 
Reformationsgeſch, Berlin 1837, ©. 125—268. Hüffen, Geld. b. 
Herrihaft Homburg an der Mark, Bremen 1870. 7 Bände Tage 
bücher des Grafen Lubwig aus den Jahren 1559—1605 in ber fürfil. 
wittgenfteinfchen Bibliothek zu Berleburg (Lit. A, Nr. 173). Auszüge 
aus ben beiden erftien Bänden in beutfcher Uberfegung in Windels 
zuerft genannten, leider nicht fortgefetstem Schriftchen. Ich habe bie Dri- 
ginaltagebücher in Berleburg benutt. Zmei weitere Tagebücher des Gra- 


Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 291 


Diepenbroid und Wefterholt damit, daß das, was zu Liidinghaufen 
geichehen, ganz unerwartet gelommen jet und fie perjönlic gegen 
einen Beſchluß des Kapitels nichts machen fünnten. 

„Praltiken hoher und niederer Perſonen“ hatten in der That 
den Ausgang des Lüdinghaufer Kapitels verihuldet. — Wir er: 
innern uns, wie der Domdehant Raesfeld anfangs wiederholt 
und dringend empfohlen hatte, Bayern jolle ſich die Unterjtügung 
des Kölner Erzbiſchofs jihern, wie aber zulegt, beim Lüdinghaufer 
Generalfapitel, dieſer Gegenbewerber mit einemmal ganz unges 
fährlich geworden fein ſollte: — daß dem mirklid jo, wäre faum 
verſtändlich, erklärte es fi nicht einfach jo, daß Salentin aller 
dings für feine Perfon zurüdgetreten war, aber nur um einen 
anderen an feine Stelle zu jeßen: jeinen Freund Herzog Heinrich 
von Lauenburg, Erzbiſchof von Bremen. 

Salentins Freundihaft für Heinrih ftammte ſchon aus der 
Zeit, da dieſer noh in Studien zu Köln lebte‘). Als Dom: 


fen Ludwig vom Reichstag von 1570 und vom Wahltag von 1575 find 
gebrudt in: Sendenbergifhe Sammlung von ungebrudt- und raren 
Schriften II, 1/104 u. III, 1/119; das zweite auch wieder bei Schneibt 
a. a. O. S. 486 ff. Über die Einführung der Reformation in den Graf- 
haften Wittgenftein und Berleburg: Jacobfon a. a. O., ©. 572ff. 
und desf. Urkundenfammlung, Nr. 273. Einiges auch in der an Graf 
Lubwig gerichteten Vorrede des evangelifhen Pfarrers zu Raumland: 
Paulus Aſphe Lasphenfis, Außlegung bes heil. propheten Daniels, 
[Biorzheim] 1560. Die Spuren, aus welden ih die im Text bar- 
gelegte Vereinbarung zwiſchen Kurfürft Salentin, Erzbiſchof Heinrich, 
ben Wetterauer Grafen und einer Anzahl münfterfcher Herren folgere: 
Groen van Prinsterer V, 149. 152. 168. 179sqq. 231. 276. 
gl. Calendar of State Papers for. Ser. 1575/1577, No. 133. Dazu 
einzelne Briefe im DIUA. C. 368 u. 372 und MU. Reg. U. Bild. 
Dsnabrüd 1572/1698 (Rep. II. Cell. 26. fol. 96) und Rep. V. Cell. 
75. Bol. III. — Über die Wiederaufnahme der bayrifchen Bewerbung 
um Köln: RU. Freifing, Nr. 79. 80. 81. StA. 38/5. Breve vom 
5. Febr. 1575 an Erzbifhof Salentin bei Theiner II, 58; Schreiben 
Groppers an Kardinal Como vom 7. Mai 1575. 1. c. II, 37. 





1) Im September 1575 empfiehlt Johann von Naffau dem Kölner Kur— 
fürften Heinrih8 Perſon u. a. mit folgenden Gründen: „ban berfelbig (wie 
19* 


292 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel. 


fapitular beteiligte fi) Heinrid) nachher, im Gegenfag zu feinem 
Bruder, dem Chorbiſchof, niemals aktiv an den feindjeligen Schrit- 
ten des Kapitel3 gegen den Kurfürften. Dann wurden Galentin 
und Heinrich als neugemwählte Herren von Paderborn und Osna— 
brüd Nachbarn; Salentin felbit hatte den Bremer Erzbiſchof den 
Danabrüdern empfohlen. Man mag fi; denken, daß beide als 
tüchtige Negenten Gefallen an einander fanden. — Doch kamen 
bei Salentin ſolche allgemeine Erwägungen gewiß exft in zweiter 
Linie; der Hauptgrund, warum er gerade dem Bremer Erzbiſchof 
nad; Münſter verhelfen wollte, war der, daß dies zu feinen ſon— 
ftigen Plänen für feinen künftigen Rücktritt vom Erzſtift Köln 
vortrefflich paßte. Denn, trotz allem, was Galentin ſcheinbar 
oder wirklich in Widerſpruch damit that, verlor er dennoch diejen 
Rücktritt nie ganz außer Augen. Der Gedanke daran bewog ihn 
auch, die vordem mit dem Haufe Naſſau angelnüpfte Verbindung 
nicht wieder fallen zu laſſen; — jest begegneten fid) inbezug auf 
Ras Stift Münfter feine eigenen Wünſche mit denen der Nafjauer 
und anderen MWetterauer Grafen. 


Wir baben Salentins Berbindung mit Johann von Naſſau 
und den Surpfälzern bis zu dem Augenblid verfolgt, da die 
Schlacht auf der Moofer Heide und König Karls IX. Tod die 
große franzdjiichsproteftantifche Koalition gegen das Haus Djter- 
reich; ausetnanderfprengten. Anfangs juchte der franzöjiiche Hof 


von iren curf. ©. ich oftermals gehört) ein verftendiger feiner junger ber 
tere, bem ire curf. G. alzeit vertrauet und wol gewogen geweſen und ein- 
anber allerfeit8 von jugent auf fer lieb und wert gehabt Ketten. So hette 
beßelben bern vetter oder ber vatter bießen bern und ſ. ©. bruber irer curf. 
©. fur vielen jaren als einem vatter commenbirt und bevolen, auch fie vie 
berren zur volge und gehorfamb vermanet.“ Im feiner Antwort giebt ber 
Kurfürft das zu und fügt noch bei: „das bießer her gegen ire curf. ©. ſich 
alzeit jo wol erzeigt und verhalten hette”. Aus dem Beriht Graf Johanns 
an Landgraf Wilhelm Or. MA. Reg. A. Schubl. Rep. II. Cell. 6. Bol. IIL 
Köln. Sachen, fol. 66. Kop. auch DillA. C. 372, fol. 329. 


Römische Königswahl und Freiftellung. 298 


durch Kaſpar von Schönberg noch weiterhin Fühlung mit dem 
‚Heidelberger Hof zu behalten: das Driginal der franzöſiſchen Vers 
ihreibung für Kurfürſt Salentin, datiert vom 4. April aus Vin— 
cenne3, wurde dem Pfälzer Kurfürften zugeftellt und dann durd) 
Graf Johann Mitte Juni Salentin ausgehändigt. Deſſen Wunſch, 
daß fi) die Penſion über die Zeit feines Kurfürftenftandes hinaus 
erftreefen jolle, war nicht erfüllt; die Verſchreibung enthielt viel= 
mehr ausdrücklich die Klaufel: „ſo lange er Erzbiihof fein wird‘; 
dafür aber follte fie von 6000 auf 8000 Kronen erhöht und für 
das erfte Jahr ſofort entrichtet werden. Im Juli reifte ein 
Kämmerling Satentins über die Pfalz nad Met, um das Geld 
zu erheben, erhielt übrigens diesmal nur 6000 Kronen ). Da 
der Bote nicht wieder durch die Pfalz zurüdkehrte, jo machte ſich 
Kurfürft Friedrich bereits Sorge, der neue franzöſiſche König Hein- 
ih IH. juche für eigene Rechnung, etwa auch auf Koften der 
Hugenotten und ihrer deutihen Freunde, jeinen Handel mit dem 
Kölner Kurfürften abzuſchließen. — Es ift die Zeit, da Huges 
notten und Bolitifer gegen den franzöfiihen Hof verbündet find; 
bereit3 hat Pfalzgraf Johann Kafimir, des Kurfürften Sohn, ſich 
ihnen zu Kriegsdieniten verpflichtet ; der Pfälzer Hof hat darum 
in der That Urſache, die durch ihn ſelbſt eingeleitete Verbindung 
Salentind mit der franzöfiihen Krone von nun ab mit ‚Miß- 
trauen zu betrachten. — Graf Johann wurde aljo von Kurfürft 
Friedrich beauftragt, zu verhüten, da Salentin nidt etwa in 
franzöftiche Werbungen ſich einlaffe. Als er eben die erften Schritte 
in dieier Richtung that, nahm Salentin jelbft aus den nieder- 


1) Bol. 0. ©. 216. 3. Sept. 1574 antwortet Wolter von Geberts- 
baen [d. i. Kurfürft Salentin] dem Hofmeifter Element von Nimptih [b. i. 
Graf Iohann] auf deſſen Frage, 06 er ftatt der bewußten ſechs Stüd acht 
erhalten habe [d. i. 8000 Kronen ftatt 6000]: „Soviel daeß ich bie bemufte 
ſtueck haeb laeßen boelen, dae faen ich Euch nicht verhalten, daeß mir nicht 
mer geliebert als fer ftued; waen noch mer zu befoemen, wer fuer ein armes 
reuterlein fer guet, daen bie fer ftued mir albereit weit in fattel geholfen ze.“ 
Or. eighdg. DIA. C. 368, fol. 100. 


294 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel. 


ländifhen Händeln Anlaß, den jeit einigen Monaten nur ſchwach 
unterhaltenen vertraulichen Verkehr mit Johann wieder zu be 
leben. 

Im vorigen Jahre (1573) hatte Salentin, wie wir willen, 
dem Herzog von Alba angeboten, mit Dranien zu vermitteln, 
jener aber das Anerbieten abgelehnt. Als nun Alba bald danad), 
im November 1573, fein umfonft durch blutige Härte befledtes 
Statthalteramt niederlegte und Requeſens an feine Stelle trat, 
dem von Mailand her der Auf eines Hugen und geredhten Mannes 
bovausging, wurde zwar der Krieg gegen die abtrünnigen Holländer 
und Zeeländer und ihre deutichen Verbündeten energiſch Fortgejett, 
daneben aber zeigte ſich Geneigtheit, dur größere Milde die 
Herzen der Niederländer wieder zu gewinnen. Das ermutigte zu 
neuen Ausgleihsverfuhen. Die rheiniſch-weſtfäliſchen Kreisftände, 
fodann die vier rheiniſchen Kurfürften, als Nachbarn unter den 
Übeln des belgiſchen Krieges mit leidend, wünſchten, der Kaifer möge 
einjhreiten. Unterhändler boten fi von verſchiedenen Seiten an, 
unter ihnen auch wieder Kurfürft Salentin, Anfangs Auguft 1574, 
in Briefen an den Statthalter und an den Sekretär Scharberger. 
Requefens fandte daraufhin den Rat Johann Funk (Foncq) unter 
anderen Vorwänden — (Funk war zugleich Propſt von St. Se— 
verin. in Köln) — zu Salentin, welher ſich erbot, dur Johann 
von Nafjau zu erfunden, unter weldhen Bedingungen Dranien die 
Niederlande verlaffen wolle; Salentin ftellte in Ausfiht, daß man 
nicht auf Zulaffung der reformierten Religion beftehen werde. Auf 
jeinen Wunſch kam der Graf Anfangs September nah Arnsberg 
zu einer perjönlihen Unterredung, infolge deren Salentin ven 
Statthalter um einen Geleitsbrief für Johann erfuchte, damit 
ſich diefer zu perjönlien Verhandlungen mit Dranien nad) Holland 
begeben fünne. Johann meinte, man werde vielleiht vorſchlagen, 
einen bon des Kaifers jüngeren Söhnen zum. &ubernator ver 
Niederlande zu mahen. Bon Salentins Aufrihtigleit war er 
überzeugt: „befinde, jchrieb er an Dranien, „in Wahrheit, allen 
Umftänden nad, dab er (Salentin) außerhalb jeiner Religion 


Römische Königswahl und Freiftellung. 29% 


fonften die Sachen rechtſchaffen, treulid) und wohl meinet, und 
dürfen E. ©. ſich gewißlich daſelbſt eines aufrichtigen, redlichen 
Gemüts vertröften, wofern anders ein Tröpflein oder Fünklein 
Nedlichkeit in der Welt noch übrig ift. Hoffe, er joll bierinnen 
viel Guts thun, wofern man ihme nur etwas zu bandlen unter 
die Hand geben möchte.‘ — Requejens jeinerjeit3 argwöhnte ges 
fährlihe Hintergedanfen hinter Graf Johanns NReifeprojeft und 
verweigerte ihm deshalb, ungeachtet der Empfehlung des Kaiſers, 
den von Salentin verlangten Geleitsbrief. Die Folge war, daß 
der Kurfürſt, anjcheinend verftimmt, feine Hand von der Vermittes 
lung zurüdzog, während der SKaifer bis tief ins folgende Fahr 
hinein durd) Graf Günther von Schwarzburg mit mehr Umftänden 
aber nicht mehr Erfolg jeine Friedensbemühungen fortjegte. Vom 
Brüffeler Hof erntete Salentin für jeine Vermittelung nichts als 
das gründlichfte Mißtrauen in jeine kirchlichen und politiichen Ab— 
fihten 1); dagegen dauerten, genährt durch Keine gegenjeitige Ge— 
ſchenke, feine freundihaftlihen Beziehungen zu Graf Johann fort, 
jo daß eben damals der Kurpfälzer Hof ſich Johanns zu bedienen 
gedachte, um in der wichtigen Frage der römischen Königswahl 
den Kölner Kurfürften für feine Abfichten zu gewinnen. 

Bereits feit dem Fahre 1573 murde, wie erwähnt, dieſe 
Frage unter den deutihen Reihsftänden erörtert. Im Mai 1574 
waren die vertraulichen Vorberatungen zwiſchen dem Kaiſer und 
den Kurfürften von Mainz, Sachſen und Brandenburg fo weit ges 
diehen, daß die beiden legteren in einem Geſamtſchreiben an den 
Kaifer (aus Jüterbogk 4. Mai) in aller Form den Wunſch aus= 


1) Requejens ließ fih von Graf Günther von Schwarzburg u. a. ein- 
reden, Kurfürft Salentin fei für 10,000 Thaler franzöfifcher Benfionär ges 
worden, babe verfproden, dem franzöfifchen König feine Stimme bei ber 
römischen Königswahl zu geben, und fei deshalb felbft verkleidet in Met ge- 
weien. Einige Monate fpäter ließ er fih erzählen, Salentin wolle bei Graf 
Johann Pate werben trog calviniiher Taufe des Kindes, wolle befien 
Schwefter Heiraten und dennoch das Erzftiit behalten u. f. w. Gachard 
l. c. III, 258 u. 319. 


236 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel. 


ſprachen, daß, nad dem Beiſpiel der Vorfahren, beizeiten auf ein 
fünftiges gewiljes Haupt gedacht werde. Einige Wochen ſpäter 
(am 14. Juni) trafen ji die Kurfürften Auguft von Sachſen 
und Daniel von Mainz zu Mühlhauſen in Thüringen und verab« 
redeten bereits für den Herbit einen Kurfürftentag zur Beratung 
über Die Nachfolge im Neid. Auf feinem Rückweg vom Eichs— 
feld nad dem Rhein (im Waldeckſchen) beſprach ſich Kurfürft Da— 
niel auch mit Salentin *), der ebenfalls mit dem Ausfchreiben des 
Kollegialtags einverstanden war. Zulegt ftimmte auch noch Kur— 
fürſt Jakob von Zrier zu. Daß es fih nur um die Nachfolge 
des ülteften Sohnes de3 Kaiſers handelte, galt al3 jelbitveritänd- 
lich, wenn man aud in den amtlichen Altenſtücken nod feinen 
Namen nannte. Der Kaifer erbot ſich, Rudolfs Krönung zum 
König von Böhmen — König von Ungarn war derjelbe bereits 
jeit dem September 1572 — möglichſt zu beeilen und alsdann 
mit feinem Sohne einen für das nächſte Frühjahr nah Frankfurt 
auszuichreibenden Kurfürftentag zu beſuchen. Den Pfälzer Kur: 
fürften lieg man in all diefen Verhandlungen ganz aus dem 
Spiel, da man von ihm ernftlihe Schwierigkeiten erwarten mußte; 
war man doch jhon bei Marimilians Königswahl im Fahre 1562 
auf solche geſtoßen; auch waren die Praftifen, welche die Kur— 
pfälzer in den legten zwei Jahren wegen der fünftigen Königs-— 
wahl mit Frankreich getrieben hatten, dem Kaiſer nicht geheim ges 
blieben. Freilich blieb auch dem Pfalzgrafen nicht alles verborgen, 
was Martmilian mit feinen furfürftlihen Kollegen verhandelte. 
Erit im Dftober 1574, al3 der Kaijer feiner Sache ſonſt jicher 
war, zeigte er dem Kurfürften von der Pfalz und zugleid einigen 





1) Kluckhohn II, 766. Im der Relation bes mainzifchen Hofmeifters 
Hartmut von Eronberg (bei Schneibt a. a. O., ©. 68 ff.) wird ein Klo» 
fter „Graidelor“ al8 Drt der Zuſammenkunft zwifchen den Kurfürften von 
Mainz und Köln genannt; gemeint ift wohl das Benediktinerklofter „Brebe- 
lar” im weftfäliihen Amt Brilon, nahe der waldeckſchen Grenze. Bermut- 
ih reiften die beiden Herren eine Strede weit zufammen, fo daß beide An- 
gaben richtig fein können. 


Römifche Königewahl und Freiftellung. 7 


anderen Kurfürſten brieflih an, daß er demnächſt durch Kommiſſare 
um eine Kollegialverfammmlung wegen der künftigen Neihsregierung 
erjuchen werde; im November traten "die Kommiſſare ihre Rımds 
reife an: der alte Herr von Harrad) und Dr. Hegenmüller an den 
Rhein, der Herr von Rojenberg und Dr. Vieheuſer nad Sachſen 
und Brandenburg. Wergebens bemühte jih Kurfürit Friedrich, 
jeine Kollegen zu beftimmen, die perjönlihe Zuſammenkunft vor 
läufig nicht zuzufagen, jondern vorerjt die Räte zufammenzwichiden 
und inzwiihen dem Kaiſer anitatt der Wahl eines Nachfolgers 
die Beiordnung einer Art von Reichsregiment vorzuichlagen. 
Mainz, Sachſen, Brandenburg lehnten jede Verſammlung der 
Räte kurzerhand ab. Etwas mehr Entgegenfonmen zeigte Kur— 
fürft Salentin, welchen eben wegen diejer Angelegenheit Graf Fo: 
hann von Naffau in den eriten Zagen des Dezember 1574 zu 
Arnsberg aufjudhte: zwar wollte auch er von der Zuſammen— 
ſchickung der Räte nichts wiſſen, gab aber feinem Pfälzer Kollegen 
den ‚freundichaftlihen Hat, anftatt dur vergeblichen Widerftand 
gegen Rudolfs Succejjion den Unglimpf auf ſich zu laden, lieber 
auf eine gute MWahlkapitulation bedacht zu fein, durd) welche die 
Freiheit der deutichen Nation, die Hoheit der Kurfürften und die 
Stellung des pfälzischen Haujes gelihert werde. Für feine Per: 
fon wünſchte Salentin, gleich) anderen Fürten !), vor allen, daß 
Marimilian jeinen in Spanien erzogenen und nod) immer von Spa- 
niern und Jtalienern umgebenen Sohn König Rudolf fortan mit 
deutihen Räten umgebe und zu Reihsjachen feine Fremden zulaffe, 
Wirklich gab Kurfürft Friedrich daraufhin den beabjichtigten Wider: 


1) Herzog Albrecht von Bayern antwortet 3. B. auf ein durch Dr. Hegen- 
miüller überbrachtes eigenhändige8 Schreiben des Kaifers (am 29. Oft. 1574 
Kop. StA. 161/12, fol. 142): „Und deucht mich in meiner einfalt nit un— 
ratfam ſei, E. DM. hetten iren geliebten jon die f. W. zu Ungern dahin ver- 
monen laſſen, das fich. ir f. W. gegen ben teurfchen cur und furften, graven 
und. bern, fo je zumeilen an E. M. bove fommen, freuntlich umb gnebig 
erzeigt bet, damit bie gemüeter zum tail gewonnen wurden, wie dan bie guete 
tuntihaft E. M. ſelbs nit wenig furtreglich fein könt.“ 


298 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel. 


ſpruch auf, veriprah den faiferlihen Kommiſſaren, gleih allen 
anderen Kurfürften auf einem gemäß der goldenen Bulle nad) 
Frankfurt auszujchreibenden Kurfürftentag zu ericheinen, und ließ 
ji) naher auch gefallen, da die Zujammenfunft nad Regens— 
burg verlegt wurde. 

Dagegen juchte nun das Pfälzer Haus die Königswahl zu bes 
nugen, um die politiihe Stellung der Proteftanten im Reid) zu 
berbefjern. Die „Freiſtellung“ follte der Preis werden für die 
Fortdauer der Kaiferwürde im Haufe Diterreid. 

Die Forderung der „Freiſtellung“, d. 5. die Forderung, daß 
es auch den geiftlihen Reichsſtänden freiftehen jolle, ohne Verluſt 
ihrer Würden zur Augsburger Konfeffion überzutreten, hatte bei 
den Beratungen über den Neligionsfrieden die längiten und hef— 
tigften Kämpfe verurfadt. Durd König Ferdinands beftimmte 
Meigerung, in diefem Punkte weiter nachzugeben, war ſchließlich 
der „Vorbehalt der Geiftlichen‘ 1) in den Neligionsfrieden von 
1555 bineingefommen, jedody in einer Form, welche fortwährend 
an den Widerjprud der Proteftanten erinnerte: Nachdem fich, 
heißt es in dem betreffenden Artikel des Neligionsfriedens ($ 18), 
die Stände von beiden Religionen nicht vergleihen konnten, wie 
e3 mit den Stiftern und Pfründen derjenigen Geiftlihen zu hal- 
ten, welche von der alten Religion abtreten würden, babe König 
Ferdinand, kraft der ihm von Saifer Karl gegebenen Vollmacht, 
feſtgeſetzt, daß jeder folche Geiftlihe fein Bistum oder jeine Pfründe 
alsbald verlaffen, den Kapiteln aber oder fonft Berechtigten die 
Wahl einer der alten Religion verwandten Perſon zugelaffen jein 
folle. Dagegen erwirkte der Kurfürft von Sachſen, zum Lohn 
für feine bei diefem Artikel bewiejene Nachgiebigfeit, von König 
Ferdinand eine Deklaration de3 Inhalts, daß diejenigen Unter: 


1) „Der geiftlihde Vorbehalt“ (Reservatum ecclesiasticum) fagt man 
zwar (feit dem vorigen Jahrhundert?) gewöhnlich, ber urjprünglide Aus- 
brud aber lautet richtiger: „Der Geiftliben Vorbehalt“ (Reservatum eccle- 
siasticorum). 


Römische Königswahl und Freiftellung. 299 


thanen geiftliher Fürften, bei welden damals (d. i. im Sahre 
1555) die Augsburger Konfefjion bereit3 lange Zeit in Übung 
war, durch niemanden von ihr gedrungen werden dürften. — 
Aber während der Artikel über den Vorbehalt der Geiftlichen in 
den Weligionsfrieden aufgenommen und mit diefem durch den 
Mainzer Kurfürften als Reichskanzler dem SKammergeriht zur 
künftigen Rechtsnorm infinuiert wurde, gejhah das mit König 
Ferdinands Deklaration nicht; von ihr beſaß nur der Kurfürft 
bon Sadjen, gleich al3 wäre e3 eine Privaturfunde, eine authen= 
tiiche Ausfertigung. — So erklärt ſich die auffallende Thatiache, 
daß faum zwanzig Jahre nad dem Weligionsfrieden die meiften 
Reihsftände, evangeliiche wie fatholiihe, von diefer Deklaration 
nicht3 mehr wußten, bis fie aus Anlaß der Fuldaer Religions- 
wirren gleihjfam von neuem ans Licht gezogen wurde. 

Was im Fahre 1555 verjäumt oder unerreihbar geweſen 
war, juchten die proteftantiihen Stände auf den folgenden Reichs— 
tagen gutzumadjen: fie protejtierten gegen die VBerbindlichleit des 
geiftlihen Vorbehalt3 und forderten die Aufnahme der Freiftellung 
in den Neligionsfrieden; jo 1556 und 1557 zu Regensburg, 
1559 zu Augsburg. Aber als Kaiſer wie zuvor als König weis 
gerte ſich Ferdinand durhaus, zu dieſer Abänderung des Religions— 
friedens die Hand zu bieten. — Von feinem Sohne und Nach— 
folger Marimilian durften jih die Proteftanten größerer Neigung 
zu Zugeftändnifen verjehen. Deshalb wurde auf feinem erſten 
Reichstag, zu Augsburg im Jahre 1566, dringender als jeither 
die Freiftellung gefordert. Bielleiht hätte Marimilian für eine 
Perſon gern nachgegeben, aber die katholiſchen Reichsſtände, bereits 
ermutigt durch den beginnenden Zwiſt zwiſchen Lutheranern und 
Calviniſten, widerfegten fich jeder Anderung des Neligionsfriedeng, 
jo daß e3 ſchließlich wieder bei einer bloßen Beſtätigung desjelben 
blieb. 

Zu Augsburg trat zuerft die Forderung einer anderen Art der 
Freiftellung in die Offentlifeit. Bisher waren es die prote— 
ftantiihen Fürften geweſen, welche den Vorbehalt aufgehoben 


300 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel. 


wünſchten, um durch den Übertritt geiſtlicher Fürſten ihre Partei 
zu verſtärken; ſeit dem Jahre 1566 geſellten ſich zu ihnen die 
proteſtantiſchen Grafen und Freiherren, welche, teils duch den 
geiſtlichen Vorbehalt, teils durch die vor Beſitznahme einer Pfründe 
zu ſchwörenden religiöſen Eide ihren Söhnen die hohen Stifter 
verſchloſſen ſahen, und darum die Freiſtellung der Religion inner— 
halb derſelben forderten )Y. Die Agitation hierfür ging von den 
MWetterauer Grafen aus, namentlid) von zweien unter ihnen, Jo— 
hann von Nafjau und Ludwig von Wittgenftein. Zunächſt hatten 
fie e3 auf die beiden Hodhjftifter Köln und Straßburg abgeiehen, 
wo die Dombervenftellen zwar nur dem Grafen- und Freiherren- 
ftand zugänglich waren, aber, wenigitens in Köln, die eidliche 
Verpflichtung auf die römiſch-katholiſche Religion evangeliihe Herren, 
welche nicht das Opfer ihrer veligiöfen Überzeugung bringen oder es 
nicht mit dem Eid leicht nehmen wollten, vom Befige der Pfründen 
ausſchloß. Auf Betreiben der beiden Freunde und Nachbarn hatte 
bereit3 vor dem Reichstag von 1566 eine Anzahl von proteſtantiſchen 
Grafen den Erzbiihof Friedrih von Wied und die Kölner Doms 
herren vertraulich gebeten, die Statuten ihres Hochſtifts zu ändern 
und die Religion freizuftellen. Johann und Ludwig braten dann 
eine Menge Unterjchriften rheiniſcher, fränkiſcher, thüringiicher, 
Harzer und Wetterauer Grafen zu einer auf dem Reichstag dem 
Kaijer zu überreihenden Supplifation zufammen, worin unter be= 
jonderer Bezugnahme auf Köln und Straßburg gebeten murde, 
„die beihmwerlihen Pflihten, AJuramente und Statuten‘ der 
Hodjitifter jo zu mildern, daß auch Augsburger Konfeſſions-Ver— 


1) Boshaft aber nicht unrichtig heißt e8 in der Autonomia I, 676: 
„bat fih auch under diefem reichstag [von 1566] . . . noch ein neue ſondere 
partei, nemlich etlicher reichsgraven und bern erhaben, welche (wie vermut— 
lich) fih in einnemung ber ftift und clöfter etwas verfaumet gehabt, ober 
villeiht vor den gröfjern nit zufommen mögen, und berhalben nummer in. ber 
tuchen und fedel empfinden wöllen, wie wol iren voreltern bie ftift gebienet, 
und wie unmeißlich fie in dem gehandlet, dz fie diejelben bißhero vertruden 
und verichliden helfen.” 


Römifhe Königswahl und Freiftellung. 301 


wandte ihre Söhne mit gutem Gewiſſen dahin geben könnten. 
Aber auch die Grafen mie zubor ſchon die evangeliichen Fürften 
erhielten von Kaiſer Marimilian nur eine ausweidhende Ant- 
wort’). 

Diejer geringe Erfolg war hauptſächlich ſchuld, daß die evan- 
geliichen Stände auf den beiden nächſten Reihstagen, 1567 zu 
Negensburg und 1570 zu Speier, von ihren religiöjen Anſprüchen 
ſchwiegen. Bald danach aber machten verihiedene Gründe die 
Frage der Freiftellung wieder zu einer brennenden. Die Greuel 
der Bartholomäusnadht, die fortdauernden blutigen Religions: 
kriege in Frankreih und den Niederlanden bewirkten, daß ſich auch 
in Deutſchland die Gemüter wieder mehr und mehr für kirchliche 
Streitfragen erhigten ; dazu fam auf proteftantiiher Seite die ſteigende 
Bejorgnis vor dem Umjichgreifen der von einzelnen geiftlichen 
Fürſten begonnenen katholiſchen Reſtauration in Gegenden, melde 
man dem Evangelium längft gefichert glaubte. Das Beiipiel hatte 
Johann von Hoya in feinen meitfäliichen Stiftern gegeben; ihm 
folgte (jeit 1571) der junge Abt von Fulda, Balthafar von 
Dernbach, diefem (jeit 1574) im benadbarten Eichsfeld der alte 
Mainzer Kurfürft Daniel Brendel; von Kurfürft Salentin hieß 
es, übrigens irrig, er wolle im Stift Paderborn die Jeſuiten 
einführen. — Für Kurſachſen und Helen erwuchs aus dieſen 





1) Dr. Johann Meißner, der Gefandte der Wetterauer Grafen beim 
Reichstag von 1566 in feiner Relation (bei Sendenberg a. a. D. I, 259) 
und ebenfo die Autonomia, fol. 72b behaupten zwar, auf bie Suppli- 
fation der Grafen fei gar feine Antwort bes Kaifer8 erfolgt; auf dem Kon— 
zept der Supplifation in DiNA. C. 372, fol. 104 ſteht jebod Folgendes: 
„Rota: bie antwort fo von der 8. M. bieruf erbolget, ift bei ben reiche- 
actis in ber canzlei zu finden.” Sobann bemerkt Graf Johann in Briefen an 
den Kurfürften von Sachſen und ben Landgrafen von Hefien vom 8. Mai 1570 
(a. a. O., fol. 140), worin er bittet, auch auf dem Speirer Reichstag wieber 
um die Freiftellung anzuhalten, 8. M. babe auf die Suppflifation ber Gra- 
fen erklärt: „daß fie dahin bedacht fein wolten, wie nicht allein biefer fonber 
alle andere unverglichene religionspuncten zu verhoffentlicher gotfeliger chrift- 
licher vergleihung und reformation nad aller moglicheit gebracht werden 
möchten”. 


302 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel. 


Gegenreformationen die Gefahr, mitten zwiſchen ihren Gebieten 
ganz katholiſche Territorien entjtehen zu jehen, von melden aus 
auf ihre eigenen Unterthanen leicht eingwirkt werden fonnte. 
Jetzt erinnerte man fih wieder an König Ferdinands Dekla— 
ration, melde das Weformationsreht der geiftlihen Fürſten 
beſchränkte. Zwar war diefelbe nicht ganz vergeſſen worden: jo 
hatten in den Jahren 1570 und 1571, als der Biihof von 
Würzburg in dem mit Henneberg gemeinfamen Städtchen Münner- 
jtadt die bereits jeit 1547 in Übung ftehende Augsburger Kon: 
feſſion abſchaffen wollte, die proteftantiihen Stände, eben unter 
Hinweis. auf fie, beim Neihstag und beim Kaiſer für Henneberg 
intercediert. Dagegen beriefen fih Stadt und Ritterſchaft von 
Fulda gegenüber den fatholiihen Reformen ihres Abtes anfangs 
(1573) nicht jpeziell auf die Deklaration, jondern nur im allge 
meinen auf den Pafjauer Vertrag und den Religionsfrieden, ſowie auf 
Balthafars Wahlkapitulation. Seit Anfang des Jahres 1574 
wird aber aud) im der Fuldaer Sahe der Ferdinandeiihen De— 
klaration gedacht, und es läßt fi genau verfolgen, daß dies auf 
Anregung don Sachſen und Heilen geihieht. Der kurſächſiſche 
Rat Dr. Lindemann Hatte den Fuldaern das Driginal der 
Deklaration gezeigt; zur ſelben Zeit verbreiteten Sachſen und 
Heſſen einen mit der Jahreszahl 1555 verjehenen Abdruck der: 
ſelben. 

Indem Kurfürſt Auguſt, aus Anlaß der Fuldaer Sache, ſich 
entſchloß, im eigenen Intereſſe die früher verſäumte Aufnahme der 
Deklaration in den Religionsfrieden und ihre Inſinuierung an das 
Kammergericht beim Wahltag zu betreiben, wurde er geneigter, auch 
die verwandte, nur weitergehende Forderung der Freiſtellung zu unter= 
ftügen. Zreibende Kraft der neuen Bewegung für die Freiftellung 
war jedod nicht der fächjiiche, jondern der kurpfälziihe Hof. In 
Heidelberg herrſchten unter Kurfürft Friedrich III. überhaupt kirch— 
liche Anjhauungen vor; zudem ftand an ihm jeit Anfang des 
Jahres 1574 ein Mann im höchſten Anjehen, welcher die Er— 
langung der Freiftellung gleihjam als jeine Lebensaufgabe bes 


Römifhe Königswahl und Freiftellung. 303 


trachtete. Das war des Kurfürften neuer Großhofmeifter, Ludwig 
Graf von Wittgenftein. 

Von Haus aus dedten ſich inbezug auf die Freiftellung die 
Intereſſen des Grafenftandes und de3 niederen Adels nicht vollitän- 
dig mit denen der proteftantiihen Fürften,; Grafen und Ritterichaft 
begten gegen die Fürften, vielfach mit Recht, den Verdacht, daß es 
diejen mehr um die Säfularifierung als um die Evangelifierung 
der geiftlihen Stiftungen zu thun ſei und daß infolge der Freis 
ftellung der Adel nur um jo mehr unterdrüdt werden würde. 
Darum hatten ji die Grafen, als fie im Jahre 1566 in die 
Agitation für die Freiftellung eintraten, lange befonnen, ob fie die 
Interceſſion der evangeliihen Fürften anrufen follten. Die näm- 
(ihe Befürchtung hielt nachmals den niederen Adel ab, der Bes 
wegung ſich anzuſchließen; er hatte insbejondere Grund, aud) dent 
Pfälzer Kurfürften zu mißtrauen ). — Nicht jo die Wetterauer 
Grafen. Ihre Interefien hatte der Kurpfälzer Hof beim nieder- 
ländiſchen Aufftand, und namentlih bei dem lekten Feldzug des 
Grafen Ludwig von Nafjau (1574) ganz zu den feinen gemacht. 
Kurfürft Friedrichs einflugreichfte Räte, der Kanzler Ehen, die Dok— 
toren Weyer und Beutterih, der Licentiat Zuleger, Peter Dathenus 
u. a. ftanden jeit Fahren mit den Wetterauer Grafen, namentlich 
mit den Nafjauern, aber auch ſchon mit den Wittgenfteinern in 
vertrauten Beziehungen. Nun da Graf Ludwig als Großhof: 


1) 2. Februar 1566 fchreibt 3. B. Graf Lubwig von Wittgenftein 
an Johann von Nafjau, er könne fich nicht endlich entfchließen, 06 man 
die gerade in Marburg verfammelten Fürften um ihre Interceffion an- 
gehen folle; „folt vor allen dingen notig fein, daß man bes alten land— 
graven [Landgraf Philipp] gemuhet zuvor etwas erfennen mochte, und 
fonte bäfjelbig meines erachtens bei landgrave Wilhelm vertraulich durch 
E. ©. bruder gr. Ludwig wol fuglich gejcheen, fofern Bahus et Venus nicht 
daran hinderlich; dan ber alt, wie E. L. wiſſen, ift fehr argwoniſch und 
mocht Tieberlih etwas drauß imaginiren, baß im ben handel verdechtig 
mechte.” DIA. C. 372, fol. 36. — Über das Mißtrauen ber Ritterfchaft 
gegen Kurpfalz: Bezold a. a. O., ©. 7 u. 202 und bie bort citierten 
Duellen, beſonders Kluckhohn II, Nr. 732 u. 862. Auf Weiteres fomme 
ih unten. 


304 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel. 


meifter gleichjam Minifterpräfident des Kurfürften war, fiel vollends 
jeder Grund zu gegenfeitigem Mißtrauen weg. 

Ludwig von Sayn, Graf zu Wittgenftein, jest ein Mann 
von einigen vierzig Jahren (geboren am 7. Dezember 1532), hatte 
fich in feiner Jugend auf verichiedenen Univerfitäten und durch 
weite Reifen für den höheren Reichs- oder Kirchendienſt ausge: 
bildet. Dazmwiihen war er Kanonifus am Kölner Dom geworden, 
ein Jahr lang and, während feines Aufenthaltes in Italien, 
päpftliher Kämmerer. Von feinen Reifen dur Jtalien, Frank: 
reich, England, die Niederlande eben heimgekehrt, machte ihn ver 
od feines Älteften Bruders Wilhelm (1558) zum regierenden 
Herrn der Grafihaften MWittgenftein und Berleburg und einiger 
zugehörigen Herrſchaften. Ludwig und nicht der ältere Bruder 
Georg wurde regierender Herr, weil dieſer durd Dompfründen zu 
Köln und zu Straßburg bereit3 gut verforgt war. Der Vater, 
Graf Wilhelm d. A. lebte zwar noch, hatte aber wegen Alters: 
ſchwäche die Regierung ſchon früher niedergelegt, nahdem er furz 
zuvor (im Jahre 1555) dur eine Kirchenordnung nad) heſſiſchem 
Mufter in der Grafſchaft die längſt Schon vorherrſchende prote- 
ftantiihe Reform allgemein durchgeführt hatte. Auch jeine beiden 
Söhne Georg und Ludwig gehörten innerlih wohl ſchon damals 
dem proteftantiihen Belenntnis an, wenngleih Georg noch jahres 
lang ats Dompropft zu Köln ji jo vorſichtig benahm, daß Ferner: 
jtehende ihn für einen römiihen Katholifen halten fonnten !). 
Dagegen zeigte fi) Ludwig ſchon als junger Mann von nod) nicht 


1) Reiffenberg |. c., p. 74 nennt zum Jahre 1559 den Dompropft () 
MW. unter ben Wohlthätern bes Kölner Jejuitentollegs. (Ob Berwechfelung mit 
feinem Vorgänger Herzog Georg von Braunfchweig?) In Graf Ludwigs 
Tagebüchern finden ſich wiederholt Konzepte zu Briefen, worin er feinen Bru- 
ber Georg auffordert, auf größere Harmonie feines Leben® mit feinen refi- 
giöſen Überzeugungen bebacht zu fein. Ein Beweis feiner zweibentiger over 
norfichtigen Haltung noch aus bem Jahre 1578 bei Groen van Prin- 
sterer VI, 488. Dagegen bezeichnet Hamelmann (Opp., p. 1337 u. 1341) 
ſchon Ende der ſechziger Jahre dem Grafen Georg als aufrihtigen Anhänger 
des Evangeliums. 


Römische Königswahl und Freiftellung. 305 


dreißig Jahren bemüht, aud fein Äußeres Verhalten mit feinen 
religiöfen Anſchauungen in Einklang zu jegen. Das einſame Leben 
auf den mwaldigen Höhen feiner armen, dünnbevölferten Grafſchaft, 
wo faum ein anderer geiltiger Verkehr möglich war al3 mit ein 
paar evangeliihen Landgeiftlichen, bejtärkte ohne Zweifel die Ent- 
Schiedenheit, aber auch die Einfeitigfeit feiner religiöien Über: 
zeugungen. Ernſte Schiedjale, wie die faft wunderbare Errettung 
vom Zode des Ertrinfens in der Saar, fodann der frühe Tod 
feiner erften Gemahlin, mögen feinem Weſen den grübelnden, 
fhwermütigen Zug aufgeprägt haben, der uns in feinen ſorg— 
fältig geführten Zagebüchern und feiner ausgedehnten Korrefpondenz 
vielfach entgegentritt ?). Nach dem Tode der erften Gemahlin (im 
Mai 1565) begab jih Graf Ludwig wieder für längere Zeit auf 
Reifen; damals lernte er vermutlid die Schweizer Reformatoren 
perjönlich kennen, befonders die Züriher und Theodor Beza, mit 
denen er fortan einen lebhaften Briefwechſel unterhielt. Hierdurch), 
fodann durch Anlegung einer reihen Bibliothet blieb der hoch— 
gebildete Mann, trotz gemilfenhafter Verwaltung feines Grafen: 
amtes und feiner Güter, in Verbindung mit den großen 
Belthändeln. — Ein paar Mal, jo 1562 beim Frankfurter 
Wahltag al3 kölnischer Rat, dann auf dem Speirer Reichstag von 
1570 al3 Mitglied des kaiferlihen Hofrats, nahm er auch Anteil 
an der praftiihen Politit des Reiches. Biel bedeutender wurde 
jedod die Thätigkeit, melde er jeit dem Jahre 1565 für die 
Sache der Freiftellung entfaltete. — Die proteitantifhen Grafen 
jahen ihre materielle Eriftenz gefährdet, wenn die Auferlegung 
neuer oder aud) nur das Fortbeftehen der alten Statuten und 
Eide e3 ihnen unmöglich machte, ihre jüngeren Söhne mit geift- 
Iihen Pfründen auszuftatten; Graf Ludwigs eigener Bruder Georg 
mußte al3 Afterdechant, dann al3 Dompropit zu Köln beftändig 





1) Ein gewifjer ängftlicher Gefichtsausbrud fiel mir auch in einem Ori— 
ginalporträt Ludwigs im Berleburger Schloß auf, welches benfelben als 
Mann von einigen vierzig Jahren barftellt. 

Loffen, Köln. Krieg J. 20 


306. Fünfte; Bud. Erftetr Kapitel. 


zwiſchen ſeiner perjönlichen: Überzeugung und: ſeinen kirchlichen 
Pflichteu lavieren; Familien-wie Standesintereſſe fiel alſo bei dem 
Großhofmeiſter mit der perſönlichen Überzeugung zuſammen. Wie 
Graf Ludwig zuſammen mit Johann von Naſſau in den: Jahren 
1565—1566 zu Köln und zu Augsburg die Freiftellung haupts: 
jächlic betrieben: hatte, jo. jprach er: zuerft aufı dem Reichstag von: 
1570 den Gedanken aus, man jolle juchen, den Bremer Erzbiſchof 
nah Köln zu bringen, und: erneuerte: diefen: Vorſchlag zwei Jahre 
jpäter bei Heffen und Sachſen. — Fest konnte er: ala. pfälziicher: 
Großhormeifter, neben jeinem perfönlihen. Einfluß: und dem den 
anderen: Wetterauer Grafen, die Macht der Kurpfälzer zum. Beſten 
der Freiftellung verwenden. Als Graf Johann gegen Ende. de 
Jahres 1574 im Auftrag des Kurfürften: Friedrich; wegen der rö— 
miſchen Königswahl zu Kurfürft Salentin ging, empfahl: ihm Graf 
Ludwig dringend, bei diejer Gelegenheit das im Jahre 1566. be= 
gonnene Werk der Reformation der hohen Stifter wieder. in die 
Hand zu nehmen. Auch in anderen vertraulichen Briefen Ludwigs 
aus diefer Zeit wird mehrfach: die Abjicht: ausgeſprochen, die rö— 
miſche Königswahl zur Reformation der Hodjtifter oder wenigſtens 
zur Erlangung der Freiftellung zu. benugen. Zum gleichen: Zweck 
trat Ludwigs Bruder, der Dompropft, in Verbindung: mit dem 
bei Kaiſer Marimilian in: Hofer Gunſt ftehenden Oberſten Lazarus 
von: Schwendi, der ſich vor kurzem in feinem ,, Bedenken von Re— 
gierung des: römischen Reichs und: Freiftellung der. Religion“ als 
Freund der: religiöien: Zoleranz erflärt hatte‘). Als dann der 
Tod des Herzogs Karl Friedrid) von Cleve die Ausjiht auf bal— 
dige Erledigung des Stiftes Münſter eröffnete, juchten die. beiden 
Freunde Ludwig von Wittgenftein: und Johann von Nafjau Ges 
legenheit, auch. dort für die Sade der Freiftellung zu wirken. 
Hier jolle man, meinte Graf Johann, ftatt langer Diskurſe einen 


| 1) Schwendis Bebenten, vom 15. Mai 1574 batiert, ift u. a. gebrudt 
bei Melch. Goldast, Constitutiones Imper., t. IV, nenerbing®: wieber im 
einem übrigens wenig bebeutenden. Schriftchen von IJanto über Schwenbi: 


Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 307 


praßtiihen: Anfang mahen. — Damit. gelangen wir wieder an den 
Punkt, wo fi. die Wünſche der. Wetterauer Grafen mit denen 
des Kurfürften Salentin begegneten. 





Graf Ludwig von Wittgenftein verweilte in’ Berleburg,. als: 
die: Zeitung vom Zode: des cleviſchen Prinzen. einkief; kurz danach, 
am: Balmjonntag 27: März, kam er. mit Johann. von Nafjau in 
Dillenburg zujammen, um zu beraten, wie die Freiftellung. vor, 
- und auf dem Wahltag: zu betreiben. Hier werden: die. beider 
Freunde. auch den: Beihluß gefaßt haben, dem Bremer: Exzbiichof 
nach Münfter zu verhelfen; wegen beider Angelegenheiten. bat. Graf 
Johann. einige Tage jpäter: den vormaligen Biſchof von Münfter,, 
Herren Wilhelm: Ketteler, um: eine Zulammenkunft, die, wie. es 
iheint, zu Anfang Mai in Köln wirklich ftattgefunden hat. — 
Mittlerweile. war bereit3 durd. einen dem Prinzen von. Dranien: 
naheſtehenden niederrheiniichen Adeligen, Winand: von Breyl, ur— 
ſprünglich ohne Abfihten auf Stift. Münfter, eine Verbindung 
zwiſchen dem Bremer Etzbiſchof und dem Haufe. Najjau anger 
fmipft worden. Breyl war weiterhin'befreundet mit. dem kölniſchen 
Marihall Rutger von der Horft, dem Vertrauten des Kurfürften, 
ſowie mit einiger im Stift Münfter anjäffigen oder wohlbefannten. 
Leuten, namentlih mit dem. jülihichen. Kammermeifter Johann 
Setteler, dem Bruder des vormaligen Biſchofs. Breyl, von: der 
Horit. und die Brüder Setteler find vermutlih — denn nur, zu: 
Vermutungen: leiten: die vorliegenden Spuren — die Mittelglieder; 
für die Verftändigung zwiſchen Salentin und Heinrich einerſeits 
und einer Anzahl minftericher Domherren anderjeit3 über: Hein- 
richs künftige Wahl zum Biihof von Münfter. Im April. kam 
Johann von Naffau mit. dem. Freiheren Johann von. Winneburg,, 
dem Schwager: ver Wittgenfteiner Grafen, zu Salentin auf; deijen 
Schloß Herſchbach am Wefterwald, um: über die: Freiftellung, zus 
gleich aber. wohl auch über die: münſterſche Neumahl mit ihm zu. 
reden. Kurz danad) hieß es, Johann. wolle: jelbit: mit. Salentin 

20 * 


308 Fünftes Bud. Erſtes Kapitel. 


nad) dem Erzitift Bremen ziehen; daß es nit dazu fam, lag 
vielleiht nur daran, daß Johann durch ein Wechſelfieber den 
ganzen Sommer hindurch an jein Haus Dillenburg gefeijelt war. 
Dagegen verweilte Salentin während der Sommermonate 1575 
meiftens zu Arnsberg oder auf dem paderbornischen Neuhaus, von 
wo aus er den Nahbarfürften Beſuche machte; zu gleicher Zeit 
hielt ſich Erzbiſchof Heinrih im Stift Osnabrück auf, beide alfo 
nahe bei einander und nahe beim Stift Münfter — (Haus Fürftenau, 
wo Heinrih Hof hielt, liegt nur einige Meilen entfernt von dem 
Städtchen Rheine, wo Wilhelm Ketteler wohnte) —: aud ohne 
äußere Anhaltspunkte darf man fat mit Gewißheit annehmen, daß 
damals auf perfönlihen Zujammenfünften die Verabredungen 
wegen der fünftigen Biſchofswahl zu Münfter getroffen wurden. 
In einem Briefe aus Fürftenau (vom 10. Juli) bittet Erzbiſchof 
Heinrich den Landgrafen von Heſſen, für ihn in Münfter durch 
Gejandte zu intercedieren. „Denn wir haben“, jchreibt er, „weil 
wir dem Ort nunmehr mit unjer Hofhaltung jo nahent und benad)- 
barlich angefeflen, auch unſerer Perſon halben etzlicher anſehenlicher 
Herren des Kapitels Gemüter occupieren und gewinnen laſſen, von 
denen wir uns aller Zuneiglichkeit und Beförderung faſt ungezweifelt 
vertröften und feind au nod im Werk, ſolches von Tag zu Tag 
je mehr bei anderen zu thun.‘ — Der Landgraf hatte anfangs 
wenig Luft zu einer wie er meinte doch vergeblihen Interceſſion; 
er hatte von der Herrin von Steinfurt, Anna Gräfin von Ted: 
lenburg, erfahren, das Domkapitel wolle nur einen gemeihten 
Prieſter wählen, und glaubte, das Stift ſei dem Freifinger Biſchof 
bereits ficher; als ihm dann aber die Gräfin wieder fchrieb, 
etliche aus Kapitel, Regierung und Ritterſchaft Hätten nicht allzu 
großen Willen zu dem von Bayern, jondern mehr zu dem nahe— 
geſeſſenen, auch ihr als Nahbar erwünſchten Bremer Erzbiſchof; 
ein münſterſcher und zugleih jülichſcher Rat — Wilhelm Ketteler 
ohne Zweifel — habe im Vertrauen geraten, der Landgraf möge 
nod vor Jakobi durch anjehnlihe Geſandte beim Domkapitel für 
Erzbiihof Heinrich werben laſſen: — da fand es aud Landgraf 


Kurfürft Salentins Köln-Münſter'ſcher Plan. 309 


Wilhelm an der Zeit, den Münfterichen zu Gemüt zu führen, daß 
fie fi nicht wie die Fröſche des Äſop einen Storch, der fie nad: 
ber freife, zum Herrn erwählen follten ). Ein Gejandter des Land- 
grafen war bereits für das Lüdinghauſer Generalfapitel beftimmt, 
al3 am 20. Juli ein Schreiben vom Erzbiſchof Heinrich eintraf, 
worin diejer bat, die Schidung bis auf weiteres einzuftellen. 
Was bedeutet diefe plöglihe Ablehnung einer eben noch 
dringend erbetenen Interceſſion? — nichts anderes, jcheint eg, 
.al3 daß eben jegt, Mitte Juli aljo, Erzbiihof Heinrih und ° 
Kurfürft Salentin mit ihren münfterichen Freunden jenen Plan 
- fetgeftellt hatten, deiien gelungene Ausführung in dem angeblich 
unerwertteten Ausgang des Lüdinghaufer Kapitels vorliegt, ein 
Plan, der etwa jo lautet: man fchiebt vorläufig die Perfonen- 
frage, Bremen oder Bayern, beifeite; ftatt deſſen fteifen ſich Hein- 
richs Freunde im Kapitel auf die Forderung freier Wahl; hat 
erit der Herzog von Jülich die alte Poftulation herausgegeben, 
jo hat man freie Hand und mag wählen, wen man will. — 
Nur fo, jheint es, reimen fi die früher gefchilderten Vorgänge 
bor und auf dem Lüdinghauſer Generalfapitel mit dem, was wir 
jest don den Anſchlägen Salentins, Heinrichs und der Wetterauer 
Grafen willen. — Das aljo find die „Praktiken hoher und 


1) „Dieweil fih nun ber große vogel [der Herzog von Bayern] umb dießen 
ftieft fo hart annimpt und zu beforgen ftehet, da er hienein kommen folte, 
das nicht allein die benachbarten fondern auch das tumbcapittel ſelbſt vor 
ime bie fnie buden und er fie anders als bie vorgehenbe bifchoffe geton, zu 
hor treiben wurbe, fintemal er ein große autoritet beifal und rudhalt beim 
pabft faifer Spanien unt Gulih bat, wir mollen gefchweigen, das er mit 
dem jeſuiteriſchen gefchmeiß nicht allein den ftieft fonbern auch bie umb- 
liegende lande vermutlich hart graviren und bruden wurde, fo wil warlid 
unfers erachtens nicht allein des tumbcapittel8 ſondern auch ber benachbarten 
hochſte notturft erfordern, das fie ſolche und bergleichen gelegenbeiten umb— 
ftende und beforgliche confequenzen al wol in acht nemen bebenfen und zu— 
ſehen, das ſie nicht ein ftorf erwelen und zum nachbarn befommen, mie bie 
frojhe im Efopo, der fie darnach freße.“ Landgraf Wilhelm an Anna 
Gräfin zu Tedlenburg. 23. Yuli 1575. Kpt. u. Kop. MU. a. a. DO. Rep. 
V. Cell. 75. Bol. III. fol. 46 u. 65. 


810 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel. 


niederer Perſonen“, von denen man im -Auguft 1575 am Jülicher 
Hof, zu fpät freilich, eine gewiſſe Kenntnis erhalten hatte. 

Die Wetterauer Grafen mochten mit dem Dienft, welchen 
‚Kurfürit Salentin ihnen in der münfterichen Sache geleiftet, vorläufig 
zufrieden fein; als Gegendienſt gedachte Graf Johann wermutlich, 
Saulentin zu einer Penfion von Erzbiſchof Heinrich oder auch von 
der Königin von England zu verhelfen. Auch veriprad) er, ſich 
alle Mühe bei Kaſpar von Schönberg zu geben, damit die An— 
gelegenheit der jchon wieder fälligen franzöfiihen Penſion endlich 
‚einmal in Richtigkeit gebracht werde. Dagegen war für Salentin 
die Abfiht, den Bremer Erzbifhof nad) Münfter und wohl aud) 
nad Paderborn zu bringen, nur die eine Hälfte feines Planes ; 
die andere war der Wunſch, zu feinem Nachfolger in Köln eben 
den bayrischen Herzog zu machen, dem er in Münfter den Riegel 
vorſchob; Salentin mochte darauf rechnen, daß zwei jo mächtige 
Fürften, welche beide ihre Erhebung ihm verdankten, nachmals, 
wenn er felbft wieder bloßer Graf non Iſenburg war, fi ihm 
dankbar beweiſen, jenem Haufe ‚materielle Vorteile, ihm ſelbſt An— 
ſehen und Einfluß verschaffen würden. 

Die Gerühte über Salentins baldigen Rüdtritt waren, nad): 
dem fie eine Zeit lang zumeist wohl infolge der Annahme des 
Stifts Paderborn veritummt, gegen Ende des Jahres 1574 wie: 
der laut geworden, diesmal mit einigem Anſpruch auf Glaub: 
würdigfeit. Der Kurfürft jelbit Hatte gegen den Nuntius Gropper 
oder deſſen Gehilfen Elgard geäußert, er wolle demnächſt reſig— 
nieren und wünſche den bayriihen Herzog zu feinem Nachfolger. 
Seine Worte müſſen jehr bejtimmt gelautet ‚haben, denn Gropper 
und Elgard beeilten fi, darüber nad Rom zu berichten; aud an 
Herzog Albrecht von Bayern ſchrieb Gropper und empfahl, auf 
baldige Erwerbung eines Kapitelplages in Köln zu denken. So 
wenig wahrſcheinlich man auch Groppers Mitteilung am bayriichen 
Hofe fand, erging doch nad) Rom die Weifung, Herzog Etnft folle, 
um Kapitular in Köln werden zu fönnen, fowie feinem eigenen 
früheren VBeriprechen gemäß, die höheren: Weihen nehmen und als= 


Kurfürft Salentins Köln⸗Münſter'ſcher Plan. 34 


dann einen Profurator in Köln beitellen, um den erften exledigten 
Kapitelplag zu optieren. Als diejer Befehl in Rom eintraf, hatte 
ſich Herzog Ernft bereits — auf den Rat des Papftes, zunächſt um 
einen feiner würdigen Plag in der päpftlihen Kapelle zu erhal: 
ten — zum Gubdiafon weihen laffen (am 21. Dezember 1574 
durch den Kardinal Gabriel Paleotto, Biihof von Bologna). 
Urkunden hierüber fowie über die erforderliche Altersdispens wur— 
ven an den Priefterfanoniftus Dr. Hermann Winkel nad) Köln 
gefandt und jpäterhin von ihm dem Kapitel vorgelegt 9. 

Im Januar 1575 beiprad Dr. Fabricius mit dem Bapfte 
und dem Kardinal von Como eingehend die Kölner Angelegenheit 
und fand bei ihnen den beiten Willen. ‚Seine Heiligkeit iſt“, be— 
richtete der Geſandte nah Münden, „ſo gejinnt gegen Herzog 
Ernſt, daß fie denfjelben nit nur zum Biſchof der Kölner oder 
irgendeiner anderen Kirche wünſchte, jondern, wenn das möglid) 
wäre, zum Univerjalbiihof von ganz Deutſchland; möchte nur auch 
‚Herzog Ernſt fi jo halten, daß er die auf ihn geſetzte Hoffnung 
nit täuscht.‘ Fabricius riet dem Kardinal-Sekretär, niht an den 
Kaiſer fi zu menden, jondern vor allem Gewißheit zu erlangen, 
ob der Kurfürſt mwirklih auf Seiten Bayerns ſtehe; dann laffe ſich 
vielleiht an eine Koadjutorie denken. Ohne Zweifel infolge dieſer 
Beiprehung mit dem bayrischen Gejandten richtete Gregor XHL 
am 5. Februar 1575 ein Breve an Salentin, worin er deſſen 
durch den Nuntius Gropper gemeldeten Entſchluß, fein ſo trefflich 
verwaltetes Hirtenamt niederzulegen, bedauert und ihn auffordert, 
fi offen gegen den Nuntius auszufprehen, ob nit ratjam, daß 
ihm der Papft zuvor einen Koadjutor gebe; „denn wir würden 
dir‘, heit e3 weiter, ‚einen höchſt geeigneten und dir durchaus 
genehmen Mann geben, und zwar eben den, welder, wie unſer 
geliebter Sohn Nikolaus Elgard aus dem Geſpräch mit dir ent= 
nommen hat, dir jelbit gefällt‘. Auch der Kaiſer und König 
Philipp würden damit gewiß einverjtanden fein. Jedenfalls möge 





1) Am 6. Juli 1575. DA. Domtap.- Brot. Nr. 156. 


312 Fünftes Buch. Erſtes Kapitel. 


Salentin feinen Entſchluß fafjen, ohne ſich zuvor mit ihm, dem 
Papſte, zu verftindigen. 

Als der Nuntius dieſes Breve dem Kurfürften überreichte, 
äußerte fi) Salentin inbezug auf den Koadjutorievorichlag jehr 
zurüdhaltend. Gropper felbit meinte, bei dem gegenwärtigen Zwift 
des Domkapitels mit dem Kurfürften werde die laut den Statuten 
der Kölner Kirche und Salentins Eid erforderlihe Zuftimmung 
des Kapitels ſchwerlich zu erreihen fein. Dagegen riet nit nur 
Gropper, ſondern auch, ohne Zweifel im Auftrag feines Herrn, 
der Kanzler Dr. Burkhart, Herzog Albrecht möge baldigft einen 
Kapitelplatz für feinen Sohn zu erlangen juchen. Er rechne dar- 
auf, ſchrieb Burkhart, daß zwiſchen feinem Herrn und dem 
Herzog bei ihrer nächſten Zuſammenkunft (auf dem künftigen 
MWahltag) eine „vertraulihe und erſprießliche Konverſation“ ftatt- 
finden werde. — Auch Salentins Rat, Dr. Gotfrid Gropper, der 
im Frühjahr 1575 in Geſchäften desjelben nah Rom kam, em= 
pfahl bier dringend, Herzog Ernft möge baldigjt heimfehren, um 
in Köln Refidenz zu halten und ſich die Zuneigung des Kurfürften 
und des Kapitel zu erwerben. | 

Während jomohl Herzog Albreht wie Fabricius all dieſen An— 
deutungen nur geringen Wert beilegten, weil fie auf Grund ihrer 
früheren Erfahrungen an Salentins Ernſt und Aufrichtigkeit nicht 
recht glaubten, nahmen Bayerns Gegner, namentlid) die Wetter- 
auer Grafen, die Gerüchte von Salentins baldigem Rücktritt und 
Bayerns neuer Bewerbung um das Erzftift jehr ernft; fie waren 
entichlojien, die bayriiche Kandidatur jowohl in Köln wie in Mün— 
fter aus allen Kräften zu bekämpfen; — als nächſtes Kampffeld 
für dieſe beiden Zwecke und gleichzeitig für die Freiftellung erſahen 
fie jich den bevorftehenden Regensburger Wahltag. 


2. Kapitel. 


Der Regensburger Wahltag. — Zwieſpalt im Stift 
Münfter. * 


Nah formellem Recht war der Wahltag, welcher im Dftober 
1575 zu Regensburg eröffnet wurde, nur eine Sollegialver- 
fammlung der ſieben Kurfürften, welche allein die Bedingungen 


* Quellen: Über den Regensb. Wahltag: Schneidt, Sendenberg, 
Kludbohn a. a. O., ſ. o. S. 289. Ferner Lehmann, De pace 
religionis, Ausg. von 1707, Tom. I, lib. U, c. XIV/XVIII. Aus- 
zug aus Sendenberg und Lehmann bei Häberlin IX, 328/423. 
Berichte des Nuntius Delfino bei Theiner 1. c. II, 463sqg. Be- 
richt des Agenten ber Wetterauer Grafen, Lic. I. Antreht BA. Lit. 
K. 29, fol. 53. — Korrefp. der Wetterauer Grafen über bie Freiftellung, 
fölnifhe und münfterfhe Sache DillA. C. 368 u. 372; Dill. Korr. 
1573 u. 1575. BA. Lit. K. 27, Nr. 36. MA. Reg. A. Schubl. 
Rep. II, Eell. 6, Bol. II. Groen van Pr. V, 168sqq. 251. 
285 sqq. 307 qq. 

Über die münfterfche Wahlfadhe: RA. Münfter Tom. II u. DA. 28b 
ber 0. ©. 266 beſprochenen Serien; Ergänzungen in ben Streitſchriften 
der Senioren und Junioren aus ben Jahren 1577/1579 in ben fol- 
genden Bänden. Protokolle der VBerfammlung am Stulerbaum 1. Sept., 
des Martini- Kapitel8 unb ber Lübinghaufer Berfammlung vom 
21. Nov. MrA. Domtap.-Prot. — Über Erzherzog Ferdinands Be— 
werbung um Münfter einiges JA. Ferdin. fol. 111, Nr. 140 u. fol. 
126 ad Nr. 327. RU. Regensburg Tom. I. Lit. R. — Korrefp. bes 
Dr. Fabricius mit Herzog Albreht RU. Freifing Nr. 82, — Breve 
an Herzog Albrecht vom 19. September 1575 und Schreiben ber Se- 
nioren an ben Papſt vom 22. November 1575 bei Theiner 1. c. 
I, 31 u. 30, 


314 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


feftzufegen hatten, auf welche Hin fie einen neuen römiſchen König 
wählen wollten; thatfädhlih boten aber die Wahltage aud den 
niederen Reichsftänden Gelegenheit, ihre Wünjche geltend zu machen, 
indirekt jelbit auf die Wahlfapitulation Einfluß zu üben. Denn 
e3 war herkömmlich, daß der Kaifer zur Zeilnahme an Wahl und 
Krönung feines Nachfolgers, dem wichtigſten und feierlichften Akt 
feiner ganzen Regierung, auch andere Fürften einlud. Hier 
wo es glänzende Felte zu feiern gab, bei denen ein jeder feinen 
Neihtum und jeinen Geſchmack entfalten konnte, eridjienen dieje 
kieber in Perſon als auf den Reichsſstagen, wo langweilige ge— 
chäftlihe Dinge die befte Zeit wegnahmen. Vom Sailer einge- 
laden oder im Gefolge von Kurfürften und Fürften famen aud) 
Grafen, Freiherren und Adelige; mander mochte hoffen, im freien 
periöntihen Verkehr mühelos Abſichten zu erreihen, Gunft und 
Gnaden zu finden, um die er jonft in endloſen Schreibereien 
von Kanzlei’ zu Kanzlei oft vergebens unterhandeln oder bitten 
mußte. 

Auch in den Angelegenheiten, welche uns zulegt beidhäftigten, 
Freiftellung und Deklaration, kölniſche Refignation und münfteriche 
Neumahl, erwarteten die Beteiligten vom Wahltag Erfüllung oder 
doch Förderung ihrer Wünſche. 

Den Frühling und Sommer 1575 bindurd) hatten die evanz 
geliihen Grafen, namentlid) jene, deren Yamilien zu Köln und 
Straßburg Dompräbenden bejagen, die Wittgenftein, Winneburg, 
Solms, mit Vorarbeiten für die Freiftellung der Religion auf 
den hohen Stiftern fi beihäftigt. Zunächſt galt es, der Unter: 
ftügung oder der wohlwollenden Neutralität der evangeliſchen 
Fürften ſich zu verfihern. inen offenen Gönner hatten fie 
in Kurfürft Friedrid) von der Pfalz. Seine Räte, neben dem 
Großhofmeifter jelbft namentlih Weyer, Zuleger und Beutterich, 
berieten gemeinfam mit den Grafen, verfaßten Gutachten für fie. 
Die Kurfürften Auguft von Sadien und Johann Georg von 
Brandenburg, welhe man duch den Adminiftrator von Magde— 
burg, Johann Georgs Sohn, der ja jelbit in. Wideriprud mit 


Der Regensburger Wahltag. 315 


dem geiftlihen Vorbehalt fein Erzftift behauptete, für die Frei- 
ftellung zu gewinnen hoffte, zeigten beide wenig Neigung, auf dem 
Wahltag mit diefer Sache ſich zu befaffen; dagegen verſprach 
Landgraf Wilhelm von Heffen feine Hilfe, und nad ihm pflegten 
andere fleinere Fürften, wie die Pfalzgrafen von Neuburg und 
Ameibrüden, fi zu richten. Auf ein beionderes Intereſſe an der 
Frage rechneten die Grafen bei Pfalzgraf Neihard von Simmern. 
Reihard war felbft lange Jahre Domherr zu Köln und zu Straß: 
burg geweien; nod) im Jahre 1569 Hatte er um den GStraß- 
burger Biſchofsſtuhl fi) beworben, und erſt als er dabei unter= 
legen war, jeine Pfründen refigniert und ſich verheiratet. Leider! 
meinten jet die Grafen, da er hierdurch gleih vielen anderen 
ewangeliih gefinnten Dombherren, welche bei ihrer Verheiratung 
zefignierten — jo jüngft noch der Kölner Domdechant Graf Hein- 
th von Sayn und der Freiherr Peter Ernft von Kriedingen —, 
ein ſtarkes Präjudiz gegen die Freiftellung geichaffen habe. Jedoch 
hofften die Grafen, Reihard könne vielleicht jest den ihm von 
früher her verbundenen Kölner Afterdehant und Straßburger 
Dompropft Chriftoph Ladislaus von Thengen, welcher ſich vordem 
offen zur Augsburger Konfeſſion befannt und nun als lekter 
feines Stammes Anla zum Heiraten habe, bewegen, trog Heirat 
feine Pfründen zu behaupten und alfo mit der Freiftellung einen 
praktiſchen Anfang zu machen ). Der Pfalzgraf wollte mit 


1) Winneburg meinte, außer Pialzgraf Reichard, welchen Thengen ſeine 
Kölner Dompfründe verbanfe, könne auch der Markgraf von Baden mit 
demfelben reden, denn an befien Hof fei Thengen drei Jahre lang und, wie 
man berichte, der evangelifchen Religion zugethan geweſen. Noch im Jahre 
1566 bei der Werbung ber evangelifchen Grafen in Köln (f. o. S. 25) hatte 
fi auch Thengen zu Gunften ber Freiftellung erklärt; vgl. auch S. 28. 1569 
galt er aber bereits als römifch-katholifh. Wimmer, Vertraul. Briefw., 
&.107. Beweife für feine Konverfion hauptſächlich aus Häberlin bei Stieve 
©. 45 u. 143. Im einer Schrift des Grafen Georg von Wittgenftein aus 
ber Zeit des Straßburger Kapitelsftreites (BU. Lit. K. 27, Nr. 29) Heißt 
es von Thengen, daß er „fich offentlich zu der evangelifchen ler befent und 
aldie [in Straßburg] das h. nachtmal darauf empfangen“. 


816 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


Thengen, „dem Mameluden ‘‘, wie er jagte, „Der vormals Gottes 
Wort erfannt und befannt und doch abgefallen “, obwohl er fein 
Vetter ſei, nichts zu ſchaffen haben, ging ſonſt aber bereit- 
willig auf die Abfichten der Grafen ein. Auf feinen Rat wurde 
beichloffen, bereit3 auf dem Wahltag den drei weltlichen Kurfürften 
eine Supplifation um die Freiftellung zu überreihen, melde An— 
laß geben jollte, die Frage auh auf den dem Wahltag voraus— 
fichtlich bald folgenden Reichstag zu bringen. Der zweibrüdiihe 
Rat Licentiat Heinrih Schwebel, welcher mit Philipp dem Jün— 
geren von Winneburg bei Pfalzgraf Reihard geweſen war, jollte 
mit Benugung der bereit3 vorliegenden Gutachten die Supplifation 
abfaffen. In zweien diefer Gutachten wurde bejonders empfohlen, 
nah und nad einzelne evangeliiche Herren in die SKanonifate 
einiger oberdeutichen Stifter zu bringen: jo nad Straßburg, wo 
man an der evangeliihen Stadt einen Rüdhalt habe, dann nad 
Speier und Worms, wo man der Biichöfe halb ſicher zu fein 
meinte und einen großenteil3 evangeliſchen Adel Hinter ſich 
wuhte !); das Weitere würde fih dann jchon von jelbft machen. 
Ganz anders lautete das Gutachten eines fanatiſchen Reformierten, 


1) In einem biefer Gutachten (wahrſcheinlich des Lic. Schwebel) beißt 
e8 u. a.: „Inſonderheit hette man bei itt regterendem bifchof zu Speir ein 
gar gutte gelegenheit und wurden i. f. ©. wie verhoffentlich ſich nicht fer 
wieber bieße reformation fegen, war fie jehen, das fie vom curf. pfalzgraven 
[hut und ſchirm hetten. . . . Bor dem bifchof zue Wormbs bat man fich 
wie bewuft nicht hoch zu beforgen noch zu befaren; und zue biefer refor- 
mation ittgebachter beiber ftift wurbe bie ritterfhaft. am Rhein, fo merer- 
teils evangeliih, dem curf. die hilfliche hant gern bieten.” De la Hu» 
guerye (Mem. I, 203; vgl. Bezolba.a.D., ©. 129) erzählt zum Jahre 
1574, man babe u. a. auch ben Speirer Bifhof, Marquard von Hatftein, 
zum Seiraten bewegen wollen: et desja avoit gaigne l’&vesque de Speire, 
qui avoit sa femme toute trouvse. liber Beziehungen Ludwigs von Witt 
genftein zu bemfelben im folgenden Jahre f. u. Am 6. Nov. 1577 fchreibt 
Kanzler Elſenheimer an Herzog Albrecht von Bayern u. a.: „E. f. ©. fol 
ih im unbertenigfeit nit pergen, dz bifer bifchov etlichen ber religion Halb je 
lenger je mer ſuspeet.“ StA. 96/1, fol. 30. 


‚Der Regensburger Wahltag. 317 


des kurpfälziihen Rates Wenzel Zuleger )Y. Die Freiftellung, 
meinte er, ſei das befte Mittel, um die papiftiiche Abgötterei und 
das üppige Leben der Bauchgeiftlihen auf den Stiftern auszu: 
zotten, den Übermut und Eigenug des Haufes Ofterreih zu bre— 
hen, die Einigkeit im Reiche herzuſtellen; der jchnellfte Weg zur 
Sreiftellung aber fei ein Interregnum, wie in Polen, mit Kurpfalz 
und Sachſen als Reichsvikaren; da jedod) darüber nod) längere 
Zeit vergehen könne, jo jollten einftweilen die drei weltlichen Kur— 
fürften ihren geiftlihen Kollegen und anderen Biſchöfen, welde die 
Freiftellung bemwilligen wollten, Schug angeloben. — Aud) den 
anderen Ratgebern der evangeliihen Grafen war es durchgängig 
nicht um die bloße Freiftellung der Religion, jondern um völlige 
Reformation der Stifter zu thun; „aber“, meinte der Herr von 
MWinneburg, „da man Vögel fangen will, muß man nidt mit 
Prügeln darunter werfen‘. Man fand darum für nötig, die Sup— 
plifation möglihft glimpflih zu ftellen, um die Papiften glauben zu 
machen, daß es fih nicht um Vertilgung ihrer Religion handele, 
fondern nur, zum Beften des ganzen Adelftandes, um die Freis 
stellung der Augsburger Konfeffion. — In der That macht die 
von Schmebel aufgejegte und jodann von einigen Grafen noch 
weiter gemilderte Supplifation, welde beim Beginn des Wahl: 
tages (wieder, wie im Jahre 1566, im Namen der rheiniſchen, 
fränkischen, Thüringer, Harzer, Wetterauer und anderer der Augs— 
burger Konfeifion verwandten Grafen und Herren) den weltlichen 
Kurfürften, Später aud dem Kaifer überreicht wurde, vorzugsweiſe 
politiihe Gründe für die Freiftellung geltend: der Untergang des 
gräflihen Standes ſei zu bejorgen, wenn es den Augsburger 
Konfeſſions⸗ Verwandten durd) die beſchwerlichen Statuten und Jura— 
mente unmöglid gemacht werde, ihre vielen Kinder zum Zeil auf 
die hohen Stifter zu bringen, und demnad alle weltlid; werden 
müßten; die Gleihhftellung der Augsburger Konfeſſions-Verwandten 


1) Über Zuleger: Groen van Pr. IV, 297; Kludhohn ſ. Regiſier; 
Bezold, ©. 12. 24. 121. 138. 158 u. ſ. w. 


318 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


mit den: Römiſch-Katholiſchen entipreche dem: Geifte des Religions— 
friedens und. der Billigfeit,. aus der. Verweigerung entftehe. gegen= 
jeitiges Mißtrauen. Zum Beweis: dafür, dag man nicht durch die: 
Freiftellung die römiſche Religion: ganz: vertilgen: wolle, weift. die: 
Supplifation auf das Vorbild. des Kammergerichtes: hin; der Be— 
ſorgnis, daß man die geiftlichen Güter erblih machen wolle, könne 
durch Eide, Kautionen und Reichsſatzungen vorgebeugt werden. 
Man jolle. jedem Domherrn die Wahl lafjen, entweder die alten, 
durch, das Zrienter Konzil noch verichärften Eide oder einen neuen: 
Eid des bloßen politiihen Gehorſams zu ſchwören ?). 

Kurfürft Friedrih, der gegen jeine. anfänglide Zuſage nicht 
jelbft zur römischen Königswahl erjchien, jondern durch feinen 
älteften Sohn Ludwig ſich vertreten: ließ, hatte dieſen und die 
beigeordneten Räte angewiefen, u. a. zu fordern, daß der Frei— 
ftellung in der. Wahlkapitulation gedacht werde; aber Sadjen und: 
Brandenburg verzichteten: von vornherein auf eine: jo. weitgehende 
Neuerung und wollten: ſich zufrieden. geben,. wern nur. König Fer— 
dinands Deklaration von neuem beftätigt und‘ deshalb. in die, Ka— 
pitulation aufgenommen werde. Gegen. diejed Verlangen der: drei: 
weltlichen Kurfürften jträubten jich jedoch die drei geiftlihen aufs 
äußerſte. Sie machten geltend, daß die: geiftlichen Fürften durch 
die Deklaration in: ihrer: Landeshoheit. ftärfer bejchränft würden 
als die weltlichen und ihre. Unterthanen. dadurch einen Vorwand‘ 
zu. Ungehorjam und: Aufruhr erhielten; fie alle wollten: von diejer. 
dem Religionsfrieden grundjäglich widerſprechenden angeblichen: Des: 
faration desjelben erft jüngft durch das. Gerücht erfahren baben;, 
in ihren. Archiven finde fie fih nicht. Salentin. von. Köln. ver- 
ficherte, jem. Kanzler und jein. Landhofmeifter,. die: ſchon bei den: 
Verhandlungen über. den Religionsfrieden: geweſen, könnten. fi am. 
nicht3 erinnern; dasſelbe behauptete von fih Daniel von: Mainz, 


1) Die Supplilation ift zuerft gebrudt in: Supplicationes, Erflärungen 
und Proteftationes . . bie Freiftellung ber Geiftlichen bel. 1576, ©. 36; 
fobann: in Joh. Kafimirs Ausfchreibem von 1588, Beil. Nr. XXIIL und in 
der Autonomia I, fol. 74. Schwebels Konzept Di. C. 372..fol. 289. 


Der. Regensburger Wahltag. 319: 


der: bereits; im. Jahre 1555 Kurfürft geworden war. Die Echtheit 
der. Urkunde konnten jie freilich nicht mehr beftreiten, nachdem 
Kurfürft Auguft von Sahfen in einer Kollegialfigung das Original 
mit: dem: faiferlihen Siegel und den. Unterfchriften König. Ferdi: 
nands und feines: Kanzlers Dr. Jonas vorgewieſen; nun aber 
fteiften fie. ſich darauf,. daß; bei der legten Königswahl der Sade 
nicht gedacht worden. und ſie nicht berechtigt jeien, den anderen 
hier nicht. vertretenen geiftlihen: Ständen ein ſolches Präjudiz zu 
machen: Nach. dreitägigen vergeblihen Verſuchen, einen Majoritäts: 
beichluß zu erzielen (am 14., 15. und 18. Dftober), blieben beide 
Zeile hartnädig auf ihrer Meinung beftefen. — Da unternahm 
es der Kaiſer felbit, einen Ausweg zu. finden: auf fein perjönliches 
Zureden. bewilligte: zuerft Auguft von: Sachſen (am 22. Dftober), 
danach aud der Brandenburger Kurfürft und Pfalzgraf Ludwig, 
daß für diesmal von: förmliher Betätigung: der Deklaration ab— 
geſehen werde; dagegen verſprach Mapimilian, auf dem künftigen: 
Reichstag. die: Sache richtig zu: machen und’ zu verhüten, daß in— 
zwifchen: durch Nichtbeachtung der Deklaration Unruhen entftün- 
den. — Nun endlih, am 27. Dftober, erfolgte einftimmig König. 
Rudolfs Wahl: zum römischen König !), und alsdann, amt Feite 
Allerheiligen, mit: den hergebrachten Zeremonieen und. Seitlichkeiten, 
ſeine feierliche. Königskrönung. 





Daß Kurfürſt Salentin den Wahltag benutzen werde, um die 
nah dem allgemeinen Gerücht geplante bayriihe Succeſſion im 
Erzftift Köln ins Werk zu richten, mußte man borausjegen. Dem 
vorzubauen, brady darum Graf Johann von Naſſau Ende Sep: 
tember, al3, er erfuhr, Salentin jei unterwegs nad Regensburg, 


1) In dem. Bebenten ber. faiferligen Räte. bei Schneidt, ©. 545 wird 
zwar worgefchlagen, der König von Böhmen folle fih der Abftimmung ent- 
halten; der päpftliche Nuntius behauptet jedoch, König Rudolf habe dem Kur- 
fürften: von Sachſen fein: Votum gegeben: Theiner II, 466. 


320 Fünftes Buch. Zweites Kapitel. 


in Eile auf, ihm nad, und gab ihm dann mehrere Tage lang, 
bi? nad Kitzingen jenjeit3 Würzburg, das Geleit. Unterwegs 
ſprach er den Hurfürften, ſoweit ihm diefer über dem ftarken Trin— 
ken Zeit ließ, auch wegen der Gerüchte an, melde über deſſen 
baldigen Rücktritt und die Abficht, den bayriihen Herzog nad) 
Köln zu bringen, verbreitet fein. Salentin gab zu, daß ſchon 
beim Speirer Reichstag und feitdem wiederholt von Difterreich, 
Spanien, Bayern und anderen ihm Großes veriprodyen worden 
jet, wenn er dem Freifinger Biſchof nah Köln verhelfe; er aber 
habe ſich jederzeit geweigert. Nun jeien aber die Dinge fo weit 
gelommen, daß fernerer Widerftand vergeblih; allzu tief habe man 
die Macht der Siebenpriefter in feinem Domkapitel einmurzeln 
laffen, auch die Edelherren hätten fein treue® Bemühen um des 
Stiftes Gedeihen nicht unterftügt, jondern ihm auf alle Weife 
MWidermärtigfeiten und Hinderniffe in den Weg gelegt; er habe 
nun nit Luft, mit Schimpf und Spott zwiſchen zwei Stühlen 
niederzufigen, jondern müſſe auch auf jeinen Vorteil ſehen; das 
werde man ihm, denke er, nicht übel nehmen. — Dagegen ftellte 
ihm nun Graf Johann vor, wie viel erwünjchter für das Gtift, 
für Grafen und Adel, wie viel vorteilhafter für Salentin jelbft 
e3 jein würde, wenn ftatt des bayriihen Herzogs der dem Kur— 
fürften von Jugend an liebe und werte Heinrih von Lauenburg 
juccedierte: von Grafen und Adel, von Ritterfhaft und Land- 
ftänden, von Heinrich felbft und feiner ganzen Verwandtichaft, 
Sachſen, Brandenburg und Hefjen, endlih von der Krone Frank— 
reich jei ihm der Dank fiher, fall3 er durch die ihm ergebenen 
Edelherren dem Bremer Erzbiſchof nad Köln verhelfe. Wenig: 
ftens möge Salentin feinen Entſchluß hinausſchieben und auf dem 
Wahltage keine Zufage geben; er ſelbſt, Johann, wolle fi) wie: 
der für baldige Zahlung ver fälligen franzöfiihen Penſion be- 
mühen, — Kaſpar von Schönberg war nämlid) vor einigen Mo- 
naten (im Juli) zu Neuhaus bei Salentin geweſen und hatte 
verſprochen, die Penſion folle zur nächſten Frankfurter Herbit: 
mefje bezahlt werden, was dann freilid doch wieder nicht ge: 


Zwiefpalt im Stift Münfter. 321 


ihah ). — Salentin äußerte ſich daraufhin ſehr günftig über 
Herzog Heinrichs Perſon, verſprach auch die Sache weiter zu er— 
wägen; nur dürfe man nicht ihn allein „den Undank verdienen 
laſſen“. Sollte es aber je nicht gelingen, den Erzbiſchof nad 
Köln zu bringen, jo hoffe er demfelben do zum Stift Münfter und 
zu anderen guten ©elegenheiten zu verhelfen. 

In Regensburg ſprach naher (am 15. Dftober) aud Graf 
Ludwig von Wittgenftein, im Auftrag des Pfälzer Kurfürften, Sa: 
(entin im Bertrauen an über das Gerücht, da derſelbe reſignieren 
wolle. Sein Herr habe mit großem Bedauern davon gehört; Sa— 
lentin möge entweder, ungeachtet einer etwaigen Verheiratung, fein 
Erzitift behalten und dafelbft die Freiltellung einführen, oder, wenn 
er endlid) zu refignieren gemeint, dem Bremer Erzbiihof, der 
nicht nur tüchtig fer, ſondern ſich unzweifelhaft auch dankbar er= 
weifen werde, zur Nachfolge verhelfen. — Salentin antwortete 
mit höflihen Redensarten: er ſei dem Bremer Erzbiſchof wohl 
geneigt, müſſe aber die Neuwahl denen, welchen fie zukomme, frei 
anheimgeben u. dgl. 

Graf Johann, von feinem Ritt mit Salentin wieder nad) Dillen- 
burg heimgefehrt, beeilte fih, dem Pfälzer Kurfürften, dem Landgrafen 
Wilhelm, dem Prinzen von Dranien, den befreundeten Grafen auf 
dem Wahltag und anderen über jeine Beiprehung mit Salentin zu 
berichten, und forderte allerjeit3 auf, der Freiftellung und dem 


1) Schönberg wollte den Kurfürften glauben machen, fein König getraue 

fi wegen des bevorftehenden neuen Bürgerkrieges nicht, das Gelb heraus— 
zuſchicken; er felbft, Schönberg, fei aber erbötig, Die Schuld zu entrichten, nur müſſe 
Salentin zu ihm nad Paris oder in® Lager ſchicken. Graf Johann meinte 
zwar, Salentin folle, um bie Franzofen bei guter Laune zu halten, eine Weile 
zufeben; das war aber nicht nach Salentins Gefhmad; er fehrieb von Regens- 
burg aus einen groben Brief an Schönberg und erreichte wenigftens fo viel, 
daß biefer feinen König dringend bat, mit ber Zahlung nicht länger zu 
fäumen, da Salentins Dienfte im Fall eines neuen Krieges von hohem Wert 
feien. Diefer Brief Schönbergd bei Groen van Pr. VI, 253 ift irrig 
vom Herausgeber ins Jahr 1577 ftatt 1575 gefett und dadurch bemfelben 
unverftändlich geworben. — Was daraufhin erfolgte, weiß ich nicht. 

offen, Köln. Krieg I. 21 


322 Fünftes Buch. Zweites Kapitel. 


Evangelium zum Nußen, dem Bapfte.aber und feinem Anhang, dem 
ipanifchen und dem öjterreihtiihen Haufe zum Schaden, die bay— 
riihe Bewerbung um Köln wie immer möglich zu befämpfen, da= 
gegen den Bremer Erzbiihof zu fördern. Am meiften lag ihm 
daran, daß dem Kurfüriten von Sachſen Luft gemacht werde, des 
Bremer Erzbiſchofs jih anzunehmen; — freilid) war inbezug 
auf ihn Johanns Eifer für Heinrihs Perfon nit ohne Neben- 
rückſichten. Draniens neue Heirat mit der Prinzeſſin Charlotte 
von Bourbon (im Juni 1575), während feine Gemahlin Anna 
von Sachſen, die Nichte des Kurfürſten Auguft, noch lebte, hatte 
diefen mit dem grimmigiten Haß zunächſt gegen den Prinzen felbft, 
dann aud gegen alle wirklichen oder vermeinten Beförderer dieſer 
Heirat erfüllt). Graf Johann, der in der That den unzeitigen 
Entihluß feines Bruders und deſſen Begünftigung durch den Kur: 
pfälzer Hof ernſtlich mißbilligte, wünfchte lebhaft, auch den Kurfürsten 
Auguſt von diefer feiner Unschuld zu überzeugen. Aus Johanns 
Eifer für Erzbiſchof Heintih, den Schweiterfohn des Kurfürften, 
jollte diefer erjehen, daß er, Graf Johann, „derjenig nicht wäre, 
welcher, wie ihrer furf. ©. von unfern Mikgünftigen leider übel 
eingebildet worden, Luft und Liebe haben jolle, derjelben alle Wi- 
derwärtigfeit, Hohn und Spott zu beweiſen.“ Aus vdemifelben 
Grund ermahnte Johann damals aud) jeinen Bruder, den Prin— 
zen; „dem Biihof zu Bremen gütlich unter Augen zu gehn, wenn 
ihm auch von dorther nit allemal begegnet, wie man ſich wohl 
verjehen und an ihme felbft recht und billig wäre”. — Übrigens 
hegte Johann jelbft gegen den Erzbiſchof einiges Mißtrauen: 
einerjeitS fürdhtete er, wenn dieſer zu feinen beiden Stiftern Bre— 
men und Dsnabrüd auch noch Münfter, Köln und Paderborn 





1) Bol. ©. Richter, Die Punktirbücher bes Kurfürften Auguft von 
Sachſen in Forfhungen 3. d. G. XX, 30; biefelben benutsten bereit8 vorher 
Böttiger im Hiftor. Taſchenbuch 1836 und Kludhohn, Friedrich d. Fr., 
©. 476. ©. ferner Bezold a. a. O. ©. 138 f. u. 189., Über Graf Johanns 
Stellung zu Oraniens britter Ehe Groen van Pr. V, Nr. 558. 561. 
553; DillA. C. 372 und Dill. Korr. 1575. 


Zwielpalt im Stift Münfter. 323 


erhielte, könnte er Säfularifationsgelüfte befommen, Grafen und 
Adel unterdrüden wollen; anderjeits, Heinrich möchte, gleich fo 
manchen anderen deutſchen Fürſten, gegen die Reformierten oder 
Galviniften etwas verbittert ſein; in beiden Richtungen ftand 
ihm das Vorbild des Kurfürften Auguft bedrohlich vor Augen. 
Deshalb wünſchte er, der Herr von Breyl jolle, zugleich mit der 
Nachricht über Johanns Unterredung mit Salentin, dem Erzbiſchof zu 
verftehen geben, daß diejer in Köln bejonders auf Grafen, Herren 
und Adel von der reformierten Kirche zu rechnen habe; es würde 
alfo nit wenig zuträglid) fein, wenn man zuweilen eine ſchrift— 
liche Erklärung des Erzbiſchofs vorzeigen könnte, daß er Grafen 
und Adel bei ihren Freiheiten und Geredtigfeiten erhalten, den 

Stiftern nicht3 entziehen, wegen der Religion niemanden, heiße er 
lutheriſch oder calviniih, verfolgen werde. Hierin, meinte Jo— 
hann, müſſe man ji wohl vorjehen, damit man fid) nit etwa 
jelbft eine Rute über den Rüden binde. — Von Dranien wünſchte 
Johann, dieſer jolle ihm zur Betreibung jo vieler ihm auf dem 
Halje liegenden Angelegenheiten, namentlich der kölniſchen und der 
münfterichen, eine Geldhilfe von den niederländischen Ständen ver: 
ihaffen, denen jein Bemühen ja aud zugute komme. 

Daß für diefe namentlich die Frage, wer künftighin Herr von 
Münfter fein werde, von Wichtigkeit war, hatte Dranien aller: 
dings jelbft längft erkannt. Einen handgreiflihen Beweis dafür 
kieferte ihm das Intereſſe, welches ihre Feinde an diejer Frage 
nahmen. — Vor dem Lüdinghaufer Kapitel, Anfangs Juli, hatte 
Requeſens an jeinen Lieutenant zu Groningen ein dem Gtatt- 
halter Wefterholt zuzuftellendes warmes Empfehlungsichreiben für 
Herzog Ernft abgejendet; der Kurier war aber durch Draniens 
Leute niedergeworfen worden und ſo das Schreiben in des Prin— 
zen Hände gelangt, der alsbald feinen Bruder Johann aufforderte, 
durch den Herrn von Ketteler und andere die bayriiche Bewerbung 
um Münfter wenn möglid) zu vereiteln, und außerdem jelbft einen 
eigenen Gejandten, den Herrn Wilhelın von Mavelde im Monat 
Auguft nah Düfjeldorf zum Herzog ſchickte und diefem vorftellen 


21* 


324 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


ließ, er möge bis zu friedlicheren Zeiten oder wenigftens, bis fi) 
ein friedliebender und guter Nachbar als Nachfolger gefunden, das 
Stift in den Händen feines Sohnes laffen ). — Der Ge: 
fandte wurde in Düffeldorf kurz abgewieſen; man wird aber nicht 
zweifeln dürfen, daß Dranien fortan aud unter der Hand, etwa 
durd) befreundete Adelige, den bayriſch-jülichſchen Plänen im 
Stift Münfter entgegenarbeitete. 

Salentins Abfiht, den bayriihen Herzog durch perſönliche Be— 
iprehung auf dem Wahltag für feinen Köln münfterihen Plan zu 
gewinnen, wurde nicht ausgeführt. Salentin hatte darauf ges 
rechnet, Herzog Albrecht werde, auf die Andeutungen Hin, welche 
jein Kanzler Burkhart im Sommer brieflih gemacht hatte, die Ini— 
tiative ergreifen; das geſchah jedod) nicht, obwohl die beiden Herren 
zu Regensburg oft genug freundihaftlih zujammen waren ?), — 
ohne Zweifel deshalb nicht, weil Albrecht nicht an Salentins ernt- 
liche Abfiht zu vefignieren glaubte. Darum entſchloß fih Salentin 


1) Der Gefanbte behauptete, die fpanifche Faktion gehe damit um, wie 
Dranien durch aufgefangene Briefe erfahren babe, de8 Herzogs Sohn vom 
Stift Münfter zu verdrängen, angeblih um einen gut fatholifchen Bifchof 
dahin zu bringen, in Wirklichfeit um den münfterfchen und clevifchen Adel 
zu unterbrüden und in der Folge diefe Lande unb den Herzog felbft ihrer 
Botmäßigkeit zu unterwerfen. 

2) 21. Dezember 1575 fehreibt Kanzler Burkhart an Kanzler Elfenheimer: 
„Mich verdreußts in toto corde, das die rais gen Munden nit fortgangen, ba 
bet man vil guets fonnen verrichten; etiam et saepe sum miratus et adhuc 
miror, warumb m. g. f. u. ber [Herzog Albrecht] uf mein untertenig anzeig 
de hoc negotio cum Rmo D. meo nit converfiert. Forte sic visum superis 
et fata voluerunt“ (RA. Miünfter II, fol. 520). 3. November hatte Fabri— 
eins aus Nom an Herzog Albrecht berichtet, dem Herzog Ernſt liege jekt 
nicht niel an Miünfter, da ihm Hoffnungen auf die Kölner Koabjutorie ge— 
macht worben feien; barauf antwortet Herzog Albreht am 26. November: 
„quae is [Herzog Ernft] de Coloniensi coadjutoria sibi somniat, ea nos 
ex nullis prorsus conjecturis assequimur; sed nec ulla dedit rei indicia 
Archiepiscopus, cum tamen persaepe et familiariter nobiscum esset Ratis- 
ponae“ (RX. Freifing 82, fol. 115 u. 234). Herzog Albrecht Teugnet bie 
neue Korrefpondenz mit Kurfürft Salentin wegen Köln wohl nur beshalb 
bier ab, um nicht feinen Sohn in feiner Gleichgültigkeit gegen Münfler zu 
beftärfen. 


Zwieſpalt im Stift Münfter. 3% 


noch im legten Augenblid, al3 die Königskrönung ſchon vorüber 
und alle Welt reijefertig war, jelbft den Wunſch nad) einer per— 
fönlihen Beiprehung wegen Köln uud Münfter zu äußern. Her: 
zog Albrecht entihuldigte ſich jedoch damit, daß er bereit? unter: 
wegs jei, und ſchickte nur feinen Kanzler Dr. Eljenheimer. Wie 
jehr dies aud) Salentin verftimmen mochte, jo hielt ev doch mit 
jeinem Plane nicht länger zurück: da er entichloffen fei, ſagte er, 
nicht länger mehr im geiftlichen Stande und beim Erzftift Köln 
zu verharren, jo erbiete er fih zu aller Beförderung und Hilfe, 
um des Herzogs Sohn zum Erzitift zu bringen; dagegen folle ſich 
diefer um das Stift Münfter, worauf er do nicht die geringite 
Ausfiht habe, nicht länger bemühen, jondern dasjelbe dem Bremer 
Erzbiihof überlaffen, weldyer bereit3 die meisten Domherren auf 
feiner Seite habe. — Erſt am 17. November antwortete der 
Herzog brieflidy auf diefe Eröffnung. Unter höflihem Bedauern, 
daß Salentin nicht länger Erzbiichof bleiben wolle, nahm er in- 
bezug auf Köln defjen Erbieten zu hohem Dank an; inbezug auf 
Münſter habe er fich jedod) gegen das Domtapitel bereit3 jo weit 
eingelafjen, daß er ehrenhalber und aus Rüdjiht auf den Her— 
zog von Jülich nicht mehr zurüdtreten könne, ſondern das Ende 
abwarten müſſe. — Dieſe froftige Antwort entiprang ohne Zwei— 
fel der Meinung des Herzogs, daß nad allem, was er in den 
legten Monaten und noch auf dem Wahltag jelbft über die mün- 
fterichen Dinge erfahren, diejes Stift feinem Sohne fo gut wie 
gewiß, der Erfolg vielleiht auf dem ſoeben, zu Martini, ges 
haltenen Generalfapitel ſchon befiegelt ſei. 


As man am Jülicher Hofe im Laufe des Auguft von den 
Praktiken gegen die bayriſche Succeifion im Stift Münfter einige 
Kenntnis erhalten hatte, riet Heinrich von der Rede, der Dom: 
dechant jolle vor dem nächſten Generalfapitel nochmals einige ange 
jehene Domherren zufammen beicheiden, um meiteren Ränken vor— 


326 Fünftes Buch. Zweites Kapitel. 


zubauen. Dr. Schenfings Prozeß bot dann dem Dedanten einen 
guten Vorwand, ohne jedes Aufſehen eine ſolche Zuſammenkunft 
zu veranftalten. Schenfing hatte, wie wir willen, vor zmei 
Fahren ein neues günftiges Urteil der Rota erlangt, das Dom— 
fapitel hoffte aber durd) Vermittelung des Kaifers die Erefution 
zu hintertreiben und die Überweifung der Sache an einige deutiche 
geiftlihe Fürften oder Prälaten zu neuer Entſcheidung durchzu— 
jegen. Der Wahltag follte benugt werden, um diefen Wunſch 
Kaiſer und Fürften perfönlic) vorzutragen. Zur Beratung hierüber 
berief aljo der Dechant (kraft der ihm für die Zeit der Peſt erteilten 
Vollmacht) etwa zwölf Domberren auf den 1. September an den 
Stulerbaum (zwei Meilen nordweftlih von Münfter) und ftellte 
ihnen vor, wie gut es fein würde, wenn man beſonders aud) der 
Unterftügung des bayriſchen Herzogs fich verfiherte. Dabei werde 
aber ohne Zweifel die Rede auf die münfterihe Poftulation kom— 
men und müfje man dann dem Herzog berichten, was auf und 
und jeit dem Lüdinghauſer Kapitel vorgegangen. Um nun Herzog 
Albrecht in Schenfings Sache günftig zu jtimmen, fei vatjam, ihm 
bon neuem Hoffnung auf Münfter zu machen und ihm zu bes 
deuten, melde Bedenken Hauptjählid gegen die Wahl jeines 
Sohnes erhoben worden: nämlich ob dieſer auch gemillt fein 
werde, den größten Zeil des Jahres im Stift Münfter zu reſi— 
dieren, jodann ob Herzog Albreht und jein Sohn ſich anheiſchig 
maden fünnten, Dr. Schenfings Sade, worin beide bisher diejem 
ihrem Gegner Gunſt erwiejen, in Richtigkeit zu bringen. — Des 
Domdehanten Borihlag blieb nicht ohne Widerſpruch; am Stuler: 
baum zuerit jcheinen Bayerns Freunde gemerkt zu haben, daß der 
Statthalter Wefterholt und der Scholafter Diepenbroid es nicht 
mit ihnen hielten. Doch liegen fi beide ſchließlich den Beſchluß 
der Majorität gefallen, der Statthalter gab nachher ſogar jchrift- 
lich feine Zuftimmung zu der gemäß dem Beihlug vom 1. Sep- 
tember abgefaßten Inſtruktion für die Kapitelsgefandten. Jedoch 
ging infolge der hervorgetretenen Differenzen fein Domherr nad) 
Regensburg, jondern nur der Syndilus Schade mit dem Sekretär 


Zwielpalt im Stift Miünfter. 327 


Engelbert Schmale). — Dieje braten am 6. Dftober ihre 
Merbung bei Herzog Albredt vor, welcher folgenden fchriftlichen 
Beiheid gab: regelmäßig und die meifte Zeit folle fein Sohn, 
wenn gewählt, zu Münfter vefidieren, doh werde man denfelben 
hoffentlich nicht jo ftreng binden, wenn etwa in der Nähe vom 
Stift Münfter, dieſem ſelbſt zu gutem, noch ein Stift — der Her— 
zog dachte damals zunähft an Lüttich — zu erlangen ſei. Dem 
Dr. Schenking habe er zwar auf deſſen Vorgeben, daß er feinen 
Nitteradel bewiejen, die gewöhnliche ohnehin nicht leicht jemanden 
und zumal nicht dem Hofmeilter feines Sohnes zu berweigernde 
Fürſchrift bewilligt, beſondere Gunft ihm aber nicht erwiejen, außer— 
dem auch jchon, auf genaueren Beriht von Köln und Jülich Hin, 
der Sade ſich ganz entihlagen. Eine beftimmte Zufage zu geben, 
ftehe freilich nicht in feiner Macht, doch wollten er und fein Sohn 
am faijerlihen Hof und an der Kurie für Erhaltung der Pri— 
vilegien und Statuten des Domkapitels ſich bemühen und dieſem 
durch gütlihen Vergleich oder jonft aus dem läftigen Handel zu 
helfen juhen. Dagegen hoffe er, daß das Kapitel jegt mit der 
Poitulation fortſchreiten werde, damit fein Sohn nicht inzwiſchen 
andere Gelegenheiten verfäume. — Die Gefandten fchienen jehr 
zufrieden mit diefem Beicheid, zumal da der Herzog vermittelte, daß 
auch der Katfer wieder in Schenkings Sade zugunften des Ka— 
pitel3 in Rom intercedierte. 


1) In ihren fpäteren Streitſchriften behaupten die Senioren, ſämtliche 
Kapitularen und namentlih Wefterholt hätten fi die Inftruftion fir bie 
Gefandten zum Wahltag gefallen Laffen; dagegen will Wefterbolt allerlei 
eingewendet haben, aber überftimmt worden fein. — Wiewohl bie Senioren 
dies wiederholt beftreiten, muß bod etwas Wahres baran fein, ba von ber 
Rede jelöft am 7. Oktober 1575 an feinen Herzog fehreibt, der Dechaut habe 
ihm zu Borken u. a. erzählt: „obwol bozumal [am Stulerbaum] . . ber 
poftulation des abminiftrator8 zu Hildesheim und Freiſingen halber vil 
banbelung gepflogen, fo hetten fie ſich bo einer einmutiger meinung nit 
vergleichen konnen und wollen, daher dan verurſacht, daß feiner auß bem 
capitel funder ire ſyndieus und fecretarius uf Regenspurg abgefertigt.“ 
DA. 28b. fol. 525. Das Kapitelprotofoll verzeichnet nur den gemeinfamen 
Beſchluß. 


528 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


Schon früher hatte Herzog Albreht einen neuen Verſuch des 
Erzherzog Ferdinand, feinen Sohn Andreas in Münſter einzus 
drängen, entſchieden zurüdgewiefen. — Der Ausgang des Lüding— 
haufer Kapitels mochte des Erzherzogs Hoffnungen wieder belebt 
haben. Anfangs September ließ er durd) Frater Sporeno jeinen 
Schwager Albreht im Vertrauen bitten, feinem Sohne das Stift 
Münfter zu überlaffen. Der Herzog lehnte dieſes Anfinnen ab, 
erbot ji) dagegen, dem Erzherzog bei einer etwaigen Bewerbung 
um das Stift Regensburg behilflich zu fein. Diejes Anerbieten 
wies der Erzherzog nit von der Hand, ſetzte aber dennoch jeine 
Bemühungen um Münfter fort. Er vertraute vor allem auf 
Roms Hilfe. Der Kardinal von Como verichaffte ihm eben da— 
mals (am 19. September) ein päpftlihes Breve an Herzog Als 
bredt, „in allerbefter Form‘ (scritto in buonissima forma), 
wie Como jelbit fih ausdrüdte. Darin ftand: Gregor habe gehofft, 
Herzog Ernft werde zum Biſchof von Münfter poftuliert werden, 
erfahre nun aber, das werde aus vielen Gründen jchwerlich ge 
ihehen; wenn aud Herzog Albreht ſolchen Zweifel hege, werde 
derjelbe ihm Durch eifrige Beförderung von Erzherzog Ferdinands 
Sohn einen großen Gefallen thun. — Ehe diejes Breve in Her— 
309 Albrechts Hände fam, hatte diejer feinerjeit3, auf den Nat 
des münfterjhen Domdechanten, ſowohl an den Kardinalproteftor 
der deutichen Nation, Ludwig Madruzzi, wie an den Papſt felbit 
gejchrieben, um beide zu veranlaffen, feinen Sohn dem münfter 
ihen Domkapitel zu empfehlen. Der Papft und nachher auch der 
Kardinal nahmen aber dieje Bitte jehr zurüdhaltend auf; ver 
Kardinal von Como rügte jogar, wie Dr. Fabricius erfuhr, die 
Begehrlichkeit des bayriſchen Herzogs, der für feinen Sohn nad) 
mehreren neuen Bistümern zugleid ftrebe, während dieſer doch 
nit einmal feiner jekigen würdig ſei. Anderjeit3 nahm aber 
auch Herzog Albrecht das Eintreten des PVapftes für Andreas ſehr 
übel; der Papft könne ihm, antwortete er, nicht zumuten, Erz: 
herzog Ferdinands Sohn gegen feinen eigenen zu begünftigen; ©. Hei— 
ligfeit möge zuiehen, daß nicht am Ende weder der eine nod 


Zwiefpalt im Stift Münfter. 324 


der andere das Bistum erlange, fondern ein in der Religion 
wenig zuverläffiger dritter. — AS Herzog Albrecht diejes ſchrieb 
(am 18. November), wußte er noch nichts über den Ausgang des 
Martinifapitels; erſt am 8. Dezember traf, ſchon längft mit großer 
Spannung erwartet, Bericht über diefen in Münden ein. 

Der Domdehant hatte, weil das Sterben in Münfter noch 
nicht ganz aufhörte, das Martini-Generallapitel nad) dem Städt- 
hen Dülmen ausgeſchrieben; auf Raesfelds Nat erichienen dies— 
mal feine Gejandte des Herzogs von Fülih, aber gleihjam pri— 
patim fand fi) dennoch Heinrih von der Rede am Vorabend 
Martini in Dülmen ein, um nötigenfall3 ein und den andern 
Domherrn, namentlich Unterthanen feines Herzogs, wie die Brü— 
der von Nagell und von Elverfeld, Autger von Asbeck u. a. zu 
bearbeiten; einige weitere herzogliche Räte hielten jich bereit, auf 
Erfordern zum Abſchluß einer Kapitulation ebenfalls in Dülmen 
zu ericheinen. Red war guten Wutes; vor allem weil er das 
zur Zeit einflußreichite Gefchleht im Stift, die Herren von Raes— 
feld, auf feiner Seite wußte. Fünf Mitglieder desfelben jagen im 
Domkapitel, darunter drei Prälaten, Propit, Dehant und Dom— 
fuftor; ein Bruder der beiden legteren, Ludger von Raesfeld, war 
Droft zu Wolbed und Safjenberg und einer von den Verordneten 
zur Regierung; ein Schwager des Dompropftes, Adrian von Enfe, 
Droft zum Stromberg. Diejes Geſchlecht, fagten feine Feinde, 
regiere das Kapitel und das ganze Land). Den Vater der 
beiden jüngeren Domherren Raesfeld, Goswin, hatte Herzog Wil- 


1) 3. Oftober 1575 ſchreibt Henrich von der Wid, Dr. Schenfings Agent 
auf dem Regensburger Wahltag, an Herzog Albrecht, die münfterfhen Dom- 
berren ließen feinen zu, ber ihnen nicht gefällig, „und ftellen fih aljo, als 
warn fie aus dem patrimonio Christi et suae ecelesiae ein weltlich erbreich, 
darin etlich wenig gefchlechte regiren follen, anrichten willen, — wie ban vor 
augen, das acht oder 9 ains geſchlechts io tumbhern zu Munfter fein und 
{hier mit den iren das capittel und ganze lant regiren”. RA. Münfter 
I, 468 vgl. o. ©. 285. Ein lobendes Epigramm auf bie fünf Söhne Ar- 
nolds von Raesfeld, Bernhard, Goddert, Bitter, Ludger und Heinrich in 
Geſchichtsqu. des Bist. Münfter III, 27, vgl. ©. 330. 


330 Fünftes Buch. Zweites Kapitel. 


beim eben nod, mit Rückſicht auf die künftige Wahl, durch Auf— 
bebung einer Pfändung fi verpflichtet. 

Bei Eröffnung des Kapitels in der Stiftskirche St. Viktor 
waren 26 Domberren zugegen. Am eriten Zag, 11. November, 
wurden nur Landſachen verhandelt. Am andern Morgen kam 
die Poſtulationsſache vor: der Syndifus referierte über die letzte 
Verhandlung mit dem Herzog von Jülich, die Sendung nad) 
Regensburg, den Stand der Schenfingihen Sade; die einges 
laufenen Fürichreiben wurden verlefen: vom Kaifer für den Kölner 
Dondehant Anton von Schauenburg, von Herzog Wilhelm und 
von Requeſens für den Adminiftrator von Freifing, von Herzog 
Sulius von Braunſchweig für einen feiner Söhne oder für den 
Kölner Chorbiihof u. a. m.; hierauf kam es zu einem erjten ges 
meinjamen Beihluß: jeder etwaigen Poſtulation müfje eine Ka— 
pitulation vorhergehen. Daran ſchloß ſich die Frage und Ab— 
ftimmung, mit wen nun zu fapitulieren: die meilten Prälaten, 
Propſt, Dedant, Kuftor, Kellner, einige weitere Senioren und ein 
paar Junioren, in allem zehn oder elf, ftimmten für Herzog Ernſt 
von Bayern; alle anderen, dem Beifpiel de3 Scholafter3 Diepen- 
broid und des Statthalter Wefterholt folgend, nannten ohne 
weitere Motivierung den Bremer Erzbiihof, Herzog Heinrih von 
Lauenburg: es war die entſchiedene Majorität, 15 Berfonen, 
welche 17 Stimmen vertraten). Fuhr man fort, jo war Hein- 


1) Das zuverläffigfte Verzeichnis ber bayrifchen und bremifchen Botanten 
beim MartinisKapitel 1575 enthält ein Schreiben bes Erzbiſchofs von Bre— 
men an ben Kurfürften von Sachſen vom 11. März; 1577 (DrX. loc. 8926. 
fol. 111). Danach votierten für Bayern: 1) Goswin von Raesfeld, Dom- 
propft; 2) Gothart v. R., Dechant; 3) Bitter v. R., Kuftor; 4) Bitter 
v. R., Junior; 5) Adolf v. R.; 6) Melchior v. Büren, Kellner; 7) Balter 
(Balthafar) v. Büren; 8) Arnt v. Büren; 9) Bernhart Morrien; 10) Hei— 
denreih Drofte. — Für Bremen: 1) Berent Edelherr zu Büren, „vice- 
dominus et primum locum in capitulo obtinens post episcopum “; 
2) Iohann Nagel, Senior; 3) Hermann Diepenbroid, Domjcolafter ; 
4) Bernhart Schmifing, Burfarius; 5) Konrad v. Wefterholt, Domſcholaſter; 
6) Wilhelm Schenting, Kantor Osnabr.; 7) Herbort de Baer, Subjenior 


Zwiefpalt im Stift Münfter. 331 


richs Wahl entſchieden; voll Zorn verließ darum der Dechant 
jamt feinem Anhang den Saal!); es kam zu feinem Kapitel 
beihluß. Am Nahmittag machten Propft, Kuftor und vier andere 
Senioren nebit dem Syndilus noch einen Verſuch, die beiden 
Herren, melde man am Vormittag al3 die Führer der Gegen- 
partei erkannt hatte, Diepenbroid und Wefterholt, umzuftinmen, 
aber vergeblih. Umſonſt war aud alles Zureden vonfeiten Recks 
gewefen. — Der offene Zwieipalt war ausgebrohen. Am nächſten 
Zage berieten und beichlofien beide Parteien bereit3 in getrennten 
Lagern. Heinrih3 Anhänger jeßten eine jchriftlihe Erklärung auf, 
worin jie fi verpflichteten, feinem andern als dem von der 
Majorität bezeichneten ihre Stimmen zu geben; mit Petſchaft und 


Dsnabr.; 8) Chriſtoph v. Elverfeld; 9) Matthias Nagell; 10) Wennemar 
v. Aſchebroick; 11) Bernhart v. Heiden; 12) Ludede (Lukas) Nagell; 
13) Wilhelm v. Elverjeld; 14) Rotger Ketteler; 15) Jorge Nagell; 16) Ro— 
lef von Münfter; 17) H. [T. Rutger v.] Asbed. — Diefes BVerzeichnis laßt 
fi mit der Lifte der 26 Anmwefenden im Domkap.Protok. folgendermaßen 
vereinigen: 1) Das Verzeichnis nennt unter den bremifchen Votanten zwei 
im Protofoll fehlende Perfonen, den Senior Nagell und Rolef von Mün— 
fier. Bon dem altersfhwachen Senior N. wiffen wir, daß er nicht jelbft zu 
Dülmen erfhien, fondern feinem Better Lubede fein auf den Kandidaten 
der Majorität lautendes Botum ſchriftlich mitgab, fowie nachträglich die Er- 
Härung ber Majorität unterzeichnete. Bei Rolef von Münfter wirb alfo 
vermutlich das Gleihe der Fall fein. 2) Unter den bayrifhen Votanten 
fehlt in dem Bremer Berzeichnis Jodokus Drofte, den wir in dem Protokoll 
des 13. November bei ber Seniorenpartei finden. Dies erklärt fich durch 
folgende Notiz im Prototoll vom 5. April 1576: „er hab nicht anders ge- 
wußt, man wol mit Baiern votiren; biß man zu Dulmen fommen, hab bie 
vota anders gefunden, barumb er fein votum einbehalten”. Er hatte fich 
demnach am 12. November der Abftimmung enthalten. — Alle fonft vor- 
fommenden Berzeichniffe der bayrifhen und bremifchen Votanten find ent- 
weber ungenau oder batieren aus fpäterer Zeit. 

1) Wefterholt und Genofien fagen in ihrer Schrift vom 2. April 1577, 
ber Dechant und feine Mitftimmenden feiern, „um Majoritätsbefhluß zu 
verhindern, voll Zorn und Ungebuld aus dem Kapitel gelaufen“; bie Se— 
nioren behaupten dagegen (im Juni 1577), „nicht im Born, fondern mit 
guter Geduld, um Spaltung zu verhüten, feien fie Hinausgegangen“. Auch 
fonft muß manchmal zwifchen den verfchieden gefärbten Berichten ber bei— 
den Parteien ein Mittelton gewählt werben. 


332 Fünftes Bud. Zweites Kapitel. 


Unterschrift befräftigten fie diefe Erklärung. Nur der eine Führer 
jelbft, Konrad von Wefterholt, unterjchrieb nicht; aber in feine 
und des Scholafter3 Hände übergaben die anderen das wichtige 
Dokument; jene hinterlegten es dann bei zwei anderen Adeligen. 
Die Minorität machte ihrem Verdruß zunähft Luft durch einen 
Akt Heinliher Rache: fie beſchloß (am 13. November) namens 
des Kapitels, die bisherige ftattliche Bejoldung des Statthalters 
zu verringern und ihm fernerhin nicht mehr zu geben, als den 
beiden anderen Mitgliedern der Regierung aus dem Kapitel, — an= 
geblich weil ſich berausgeftellt, daß der Statthalter nicht mehr 
Unfoften und Arbeit habe als dieſe ). Sodann beichlofjen fie bis 
zu anderer Gelegenheit die Poftulation einzuftellen. Ned wurde 
gebeten, dies feinem Herzog mitzuteilen. — Acht Tage ipäter, am 
22. November, kamen fie in Lüdinghaufen wieder zujammen und 
faßten einen Beſchluß von größerer Tragweite: im Namen von 
Propft, Dechant und Senioren-Rapitularen — jo nannten fie fi) 
fortan —, aber unter dem Siegel des Gejamtlapitel3 richteten fie 
ein Schreiben an den Papft, worin fie über den zwiejpältigen 
Beihlug des Martinifapitels berichteten und anfragten, „ob ©. 
Heiligkeit, da beide Herren, Ernſt wie Heinrich, bereit3 Vorſteher 
anderer Kirchen feien, aljo nur mit päpftliher Genehmigung po— 
ftuliert werden fünnten, den bon ihnen oder den bon einigen 
Sunioren empfohlenen vorziehe“. — Durch diejes Schreiben nö- 
tigten die Senioren den Papit, ſich zu fragen, ob eine Empfehlung 
bon Erzherzog Ferdinands Sohn jekt noch etwas nutzen fönne, 
und ob e3 nicht Füger, Roms Einfluß für den bayriichen Herzog 
in die Wagſchale zu werfen, al3 dur Neutralität einem jo ges 
fährlihen Gegner mie dem Bremer Erzbiihof den Weg nad) 


1) Nah Eorfey (Münft. Geſchichtsqu. III, 332) Hatte W. 1060 Rthlr. 
jährliche Befoldung ohne die Naturalbezüge, die beiden anberen Berorbneten 
aus dem Kapitel nur je 300. — Die Senioren behaupten fpäter, W. habe 
jede Neuwahl zu Hintertreiben gefucht, um nicht fein einträgliches® Gtatt- 
balteramt zu verlieren; ber Beihluß vom 13. November könnte alfo allen- 
falls auch mehr als ein Akt kleinlicher Rache fein. 


Zwiefpalt im Stift Münfter. 333 


Münfter zu erleichtern. Papſt Gregor jelbft war übrigens, ſchon 
ehe er dieſes Schreiben erhielt, zu einem ähnlichen Entihluß ges 
langt, welchen Herzog Ernft von Bayern in ihm hervorgerufen 
oder mindeſtens befeftigt hatte. 

As Dr. Fabricius merkte, daß e3 ihm nicht gelingen 
wollte, das erbetene Schreiben an das münfterfche Kapitel von 
Gregor zu erhalten, bewog er feinen jungen Herzog, in Ber: 
fon den Papft deshalb anzufprehen. Auch Ernſt erhielt anfangs 
eine ablehnende Antwort: er habe, jagte Gregor, Erzherzog Fer- 
dinands Sohn empfohlen, bevor er gewußt, daß das Haus Bayern 
ſich um Münfter bewerbe ; es gezieme fi aljo nicht für ihn, fo gerne 
er fonft Herzog Ernft die Poftulation gönne, dem Erzherzog und 
feinem eigenen frühern Breve jet zuwider zu handeln. Bald 
danad kam aber der Papft Herzog Ernſts Wünschen weiter ent- 
gegen: am 17. Dezember richtete er ein Breve an das Kapitel, 
welches zwar aus Rüdjiht auf den Erzherzog den bayrischen Herzog 
nicht nannte, aber do zunächſt auf ihn paßte. Die Kapitularen, 
bieß es darin, möchten baldigft zur Wahl eines guten Biſchofs 
jchreiten, welcher drei Eigenſchaften befigen jolle: erftens müſſe er 
ein eifriger Katholif fein, jodann von guten Sitten, endlid) der 
Sohn eines mächtigen katholiichen Fürften, der ihre Kirche vor den 
benachbarten häretiihen Fürften zu ſchützen vermöge. Herzog 
Ernst jelbit nahm dieſes Breve nah München mit, gleihfam als 
ein Abſchiedsgeſchenk des Papftes. — Denn er ftand im Begriff, 
nachdem er mehr al3 anderthalb Jahre am päpftlihen Hofe ver: 
weilt, in die Heimat zurüdzufehren, um fi dort in Perfon um 
die rheiniſch-weſtfäliſchen Stifter zu bewerben. 


3. Kapitel. 
Herzog Ernf in Rom.* 


Al3 der päpftlihe Nuntius Bartholomäus Graf von Porzia 
im Dftober 1573 zu Münden Herzog Albreht3 Sohn nad Rom 
einlud, erhielt er die Antwort, deſſen Sendung jei beabfichtigt, 
man warte nur vor endgültigem Beihluß auf die Rückkunft des 
Dr. Fabrictus von Rom. — Bald danach fam Fabricius; an 
ihm, der felbft wieder nad) Rom verlangte, fand Ernſts Reifeluft 
einen geſchickten Anwalt. Denn er jchilderte das jekige Rom als 
einen Wohnſitz wahrer Frömmigkeit, wo unter den Augen von 
Papft und Kardinälen für des Herzogs geiftlihe Erziehung mohl 
geforgt werden könne; auch Porzia hatte verfihert, in Rom fünne 
gottlob zur Zeit ein jeder Erbauung finden. Herzog Albrecht 


* Quellen: Über die Verhandlung des Nuntius Porzia mit Herzog Albrecht: 
Aretin, Bayern ausw. Berhältn., Urk., ©. 17ff., ergänzt durch 
Porzias Beriht an Kardinal Como bei Theiner I, 525; vgl. oben 
©. 126. — Eljenheimerd Bortrag an Herzog Ernft vom 16. Januar 
1574 im Münd. Haus-9. f. 0. ©. 112. — Die während Ernft8 Rom— 
reife gemechfelte Korreſpondenz faft vollftändig RA. Freifing, Nr. 78 
bis 81. Einzelne Ergänzungen StA. 309/1. 311/14 u. 359/55; RN. 
Münfter II. und Lüttich I (vgl. Quellen zu Buch 4, Kap. 3). Dr. Fabri- 
cius fchrieb reſp. biktierte jede Woche zu ber am Samstag nad 
Augsburg abgehenden Poft mindeftens einen, oft mehrere lange Briefe. 
Kardinal Hoftus beflagt fih einmal in einem Brief an Herzog Albrecht 
(vom 30. Januar 1574, RA. Freifing, Nr. 78, fol. 88) über bes 
Fabricius Schreibfeligfeit: A Fabritio nostro me non vulgariter 
amari certe mihi persuadeo, nisi quod me tam crebris suis literis 


Herzog Ernſt in Rom. 535 


aber wollte, bevor er einwilligte, gewiß fein, daß fein Sohn aud) 
wirklich dem geiftlihen Stande treu bleiben werde. Ernſt mußte 
eine jhriftlihe Erklärung hierüber abgeben; da dieſe nicht ganz 
nah Wunſch ausfiel — Ernſt wollte fih zwar dem Willen und 
der Entiheidung des Vaters fügen, äußerte aber allerhand Bes 
denfen inbezug auf feinen Beruf zum geiftlihen Stand —, jo 
wurde er im Janmar 1574 nochmals nah München beichieden, 
um einen langen Vortrag von Dr. Eljenheimer, dem Vertreter 
des todfranfen Kanzler3 Ed, anzuhören. Neben religiöjen Grün 
den ftellte ihm Elſenheimer auch einige irdiſche Vorteile des Ver— 
bleiben3 im geiftlihen Stande vor, welche wohl den größeren 
Eindrud machten: in jeines Vaters Zeftament jei ihm für den 
Fall, daß er nicht geiftlid bleibe, ein gar Geringes zum Unter— 
halt verordnet, davon er kaum eines Grafen Stand, gejchweige 
den eines Fürften werde führen können; folge er Dagegen feines 
Vaters treuem Nat, jo jolle er nicht nur nad) Rom geicdidt, 
ſondern auch ſonſt nichts unterlaffen werden, was ihm zu zeitlicher 
und emwiger Wohlfahrt und Ehre gereihe. Daraufhin erklärte 
Ernſt wieder Shriftlih, „dag er gerne, willig und mit Zuft bis 
ans Ende feines Lebens beim geiftlihen Stand verharren, aud) 
alles thun und leiten wolle, jo einem frommen Geiftlichen ges 
bühre und wohl anftehe”. Mündlich veriprah er außerdem, in 
Rom die höheren Weihen zu empfangen. 


vehementer obruit, ut non aliae rei quam illarum lectioni vacare 
mihi liceat. Vellem ut in scribendo minus esset officiosus neve 
tam crebro mihi tanquam cum opportunitate suas epistolas legen- 
das obtruderet; praesens cum eo loqui malo, quam in literis illius 
lectitandis assidue versari. Mir ift das Excerpieren feiner Briefe bie 
mübfamfte und unerquicdlichfte aller Vorarbeiten zu biefem Buche ge- 
weſen. — Über Herzog Albrechts Abfichten auf das Erzftift Mainz 
einige Andeutungen: RU. Kurmainz. Litteralien Fasc. 6. — Brief- 
wechſel des Herzogs Albrecht mit dem Papft, feinen Sohn betreffend, 
teilweife bei Theiner I, 115. 244sqgq.; II, 82sqq. 162. Einige 
Notizen über Ernſts römifchen; Aufenthalt und beſonders über 
feine Flucht auch bei Maffei I, 138. 203sqg. Maffei reflektiert 
ziemlih genau die an ber Kurie über Ernfts Flucht berrichende 
Anficht. 


336 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


Wenige Tage danach, am 1. Februar 1574, ftarb, etwa 
60 Jahre alt, Dr. Simon Thaddäus Ed, der Begründer und 
langjährige Leiter der Fatholiihen Reftaurationspolitif in Bayern. 
Diese ſelbſt erfuhr durch feinen Tod feine wejentlihe Änderung, 
da Elienheimer, fein Nachfolger im Kanzleramt, die nächſten fünf- 
zehn Fahre in gleihem Geifte, wenn auch nicht immer mit gleicher 
Entidiedenheit, weiter wirkte. Glienheimer, von Geburt, foviel 
erihtlih, ein Salzburger, war ſchon jeit etwa 15 Jahren als 
Rat in bayriihen Dienften, nachdem er vorher einige Jahre 
Aſſeſſor am Kammergeridht gemweien. Er galt als guter Juriſt, 
wohlerfahren in den Reihsjahen, gewandt in der Rede und mit 
der Feder, namentlich in deutſcher Sprade; im Gebraud) der la= 
teiniſchen erjcheint er weniger geſchickt; etwas Italieniſch hatte er 
während feiner Studienzeit in Italien getrieben, Franzöſiſch wohl 
gar nicht: nah dem Tode des Reichsvizekanzlers Zafius hätte 
ihn der Herzog gern zu dieſem wichtigen Amt befördert gefehen, 
nahm aber felbit einigen Anftand an feinen mangelhaften Sprach— 
fenntnifien. Von Charakter eriheint Elienheimer, joweit ſich aus 
feiner amtlichen Thätigfeit urteilen läßt, als ein billigdenfender 
und mohlmwollender Mann ?). 

Am 23. März 1574 brach Herzog Ernft von Münden auf. 
Fabricius war borausgereift, um in Rom alles Nötige für ihn 
und das Gefolge vorzubereiten. Diejes beitand anfänglih aus 
einigen fünfzig Perſonen, ftieg dann, da ſich unterwegs und 
in Rom allerhand Leute dazu jchlugen, über achtzig, um nach— 
ber wieder auf etwa jiebzig Perjonen reduziert zu werden; 
mit weniger, hieß es, könne ein Fürft wie Herzog Emft in 
Rom nit ausfommen. Vom Papſte wurden ihm die jogen. 
Gemächer Innocenz' VII. im Batifan zur Verfügung geftellt, 


1) Die biographiſchen Notizen über Elfenheimer befonders aus StA. 
359/46 und 38/15, fol. 76. Ein abeliges Haus Elfenheim, im 16. Jahr- 
hundert im Befit der Herren von Nicz zu Sprinzenftein, lag in ber Salz- 
burger Borftabt Stein (Hübner, Beichreibung Salzburgs I, 485). Ber- 
mutlih ftammte ber Kanzler daher, aber wohl aus bürgerlicher Familie. 


Herzog Ernft in Rom. 537 


dazu nod von Kardinal Farnefe das anftoßende Archipresbyte— 
rat; — alles leere Räume und teilweife ſchlecht im Stand, welche 
Fabricius erft mit dem nötigen Hausrat ausftatten mußte !). 

Die Dberauffiht über den ganzen Hofhalt Hatte Dr. Fabri— 
cius, der zugleih mit Amt und Titel eines Drator3 oder Ge— 
jandten bekleidet wurde. Fabricius war nit wenig ſtolz auf 
diefes Amt, welches ihm das Recht verlieh, ohne Vermittelung 
eines Kardinal mit dem Papfte zu verhandeln. Seit Menfchen- 
gedenfen hatten die bayriihen Herzöge feinen ftändigen Drator in 
Rom gehabt, jondern nur. Agenten oder außerordentliche Gefandte: 
der Glanz des bayriſchen Hauſes, behauptete Fabricius, ſei dadurch 
gar fehr verdunfelt worden. Um diejes Haufes Würde zu wahren, 
und jeine eigene, begann er alsbald einen Rangjtreit mit dem 
ſavoyiſchen Gefandten und hatte Luft auch mit dem venetianifchen 
anzubinden, hätte nicht Herzog Albrecht ſelbſt dies unterſagt. 
Sechs Diener mußte er al3 Drator mindeitens haben, da jeder 
gemöhnlihe Prälat in Rom ſchon nit anders ausgehe als von 
vieren geleitet; andere Geſandten hätten zwei-, dreimal jo viele 
Diener als er, aber der Ruf feiner Gelehrſamkeit überhebe ihn 
der Notwendigkeit äußeren Prunfes. Von der unmittelbaren 
Sorge für Herzog Ernſts Perſon und Hofhalt hatte Fabricius 
ſich entbinden laffen; Hofmeifter war der uns befannte Dr. Jo— 
hann Schenking, vormals Generalvifar des Kardinal von Augs- 
burg; als Präzeptor und zugleih als Auditor ging Dr. Adrian 
Aerntsperg mit nah Rom; das Hofgefinde, darunter eine Anzahl 
junger Leute von gutem Adel, ein Zauffichen, ein Preifing, ein 
Pienzenau, ein Stor von Dftrad) und andere, ftand unter dem 


1) Bintertapeten (Teppiche) wurden fogar von München nachgefhidt. Die 
großen Koften feines römischen Aufenthaltes beftritt Ernſt teil8 aus den Ein- 
fünften feiner Bistümer, teils aus Zufchüffen des Vaters. Was Maffei (l. c. 
p. 138) fagt: Gregorio lo accolse nel Vaticano, e postolo nel magnifico 
appartamento, che chiamano d’Innocenzo, quivi colla famiglia, intorno 
a sessanta bocche, lo speso molti mesi, e lo trattö da figliuolo — ift 
alfo nur teilweife richtig. 

gofjen, Köln. Krieg I. 22 


338 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


Hofmarihall Hans Chriftoph von Jarsdorf. Neben einer aus- 
führlichen deutſchen Inſtruktion, welche jedem einzelnen den Kreis 
jeiner Pflichten beichrieb, hatte Ernft perſönlich eine lateiniſche In— 
ſtruktion erhalten, welche dem Papft zu beliebiger Anderung vorgelent 
werden follte. Denn Herzog Albrecht erklärte, daß er ©. Heiligs 
feit feinen Sohn gleihjfam als ein Pfand feiner Ergebenheit an= 
biete; von deren Befehlen jolle diefer jo vollitändig abhängen, als 
jei er nicht mehr fein fondern des Papſtes Sohn. Fabricius, 
der dieje Inſtruktion ſchon vor Herzog Ernfts Ankunft dem Papfte 
und einigen Kardinälen vorlegte, verficherte, wer fie gelejen, be= 
mundere Albrechts Klugheit und Frömmigkeit. „Jemand“, fügte er 
bei, „hat mir gejagt, dieſe Inſtruktion müſſe vom heiligen Geifte 
ſelbſt diktiert fein; nit nur anderen Fürften ſondern jelbit den 
Kardinälen zeihne der Herzog darin eine abjolute Regel vor, nad) 
welcher alle jene ich richten müßten, die für ein Vorfteheramt in 
der Chriftenheit vorbereitet werden.‘ — Fabricius ſelbſt war «3 
geweſen, der diejes angebliche Ideal geiftliher Fürften: Erziehung 
diktiert hatte; Erasmus Fend, des Herzogs Sekretär, hatte nur 
ein paar ftiliftiiche Werbefferungen darin angebradt. Der Geift, 
in welchem fie abgefaßt, war der des Argwohns gegen Herzog 
Ernſt: ſtrenge Überwahung bei Tag und Nacht follte Beobachtung 
der auferlegten Pflichten, beſonders der kirchlichen, erzwingen, 
äußerlich Sündhaftes verhüten; Morgen=, Abend= und Brevier- 
gebet, Bejud von Meſſe und Predigt, Empfang der Saframente 
- jollten durch den Hofmeifter oder einen andern in Rom nod) an- 
zunehmenden „theologiſch gebildeten und in den römiſchen Bräu— 
hen erfahrenen Gubernator‘ aufs genauefte geregelt und über- 
wacht werden; ohne ihre Erlaubnis dürfe fein Buch in Ernfts 
Hand kommen; mit niemanden folle er ein Wort reden, das nicht 
einer der Gubernatoren mit anhöre, jedes leiſe Wort gelte als 
verdächtig; feinen Brief dürfe er abjenden oder empfangen, ver 
nicht Durch ihre Hände gegangen, fein verichloffenes Gefach befigen; 
bei Tag und bei Nacht jollten die Gubernatoren und Dr. Adrian 
freien Zugang zu Ernft haben. — Und nad) all dem verficherte 


Herzog Ernſt in Rom. 339 


die Inftruftion, fie wolle dem Herzog feine Feſſeln anlegen, jon= 
dern ihn nur vor den Verlockungen und böſen Ratichlägen der 
großen Stadt bewahren und auf dem rechten Wege halten oder 
raſch darauf zurückführen! 

Anfang April war Fabricius bereits in Rom eingetroffen und 
wartete nun ungeduldig auf Herzog Ernſts Ankunft. Aber dieſer 
und ſein Gefolge beeilten ſich nicht. So blieben ſie einige Tage 
beim Herzog von Mantua, ſodann zwölf volle Tage in Florenz; 
als Vorwand diente der gerade im Augenblick ihrer Ankunft 
(21. April) erfolgte Tod des alten Herzogs Coſimo. Sicherlich 
behagte das freie Leben in dem heitern Florenz zur ſchönſten 
Zeit des Jahres dem leichtſinnigen Jüngling vortrefflich; Fabricius 
wollte von dort erfahren haben, Ernſt bringe ſeine Zeit faſt nur 
mit Karten- und Würfelſpiel zu. Schlimmer lautete, was er 
bald danach an Herzog Albrecht berichtete: Ernſt habe mit der 
Vrinzeſſin Leonore, der leichtfertigen Gemahlin des Prinzen Don 
Pietro, einen Liebeshandel angefangen. Dr. Schenking und Her: 
zog Ernſt ſelbſt wideriprachen mit aller Entichiedenheit, Fabricius 
aber gab feinen Argwohn, daß in Florenz etwas Unrechtes ges 
ihehen jet, nicht auf; die angebliche Fortdauer des geheimen Brief: 
wechſels mit Florenz bildet fortan ein ftehendes Kapitel in den 
römischen Briefen an Herzog Albrecht. — Daß Herzog Ernit in 
den leichtfertigen Zon, der am Florentiner Hofe Mode war, gern 
einftimmte, ift wahricheinlih genug; daß aber jein Verhältnis zu 
Leonore de Zoledo über die Grenzen bloßen Hofmachens hinaus— 
gegangen, ift durchaus unglaublid. Übrigens erwarb er ſich in 
Florenz aud das Wohlwollen jeiner ftrengen und frommen Tante 
Johanna von Dfterreich, der Gemahlin des Herzogs Franz. 

Die Weiterreife nad) Rom erfolgte am 3. Mai. Zu Viterbo 
wurde Herzog Exnft von dem päpftlichen Kämmerer Camillo Ca- 
pilupi empfangen. Auch Fabricius kam ihm hier entgegen und 
mit demjelben ein Kleines ſchwächliches Männchen von etwa 
45 Jahren, Hieronymus Graf von Porzia, ein Vetter des Nun— 
tius Bartholomäus, der unter Pius V. Geheimkämmerer gemejen 

22* 


340 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


war, jegt aber ohne Amt in Rom lebte. Mit ihnen 309 Herzog 
Ernft in aller Stille, — um Etifette-Streitigleiten zu vermeiden. 
am 10. Mai im Vatikan ein. 

Fabricius war von der Zeit Pius' V. her mit Porzia be— 
freundet; dieſen, der gleich ihm ſelbſt Prieſter war und der unter 
Pius V. in Rom vorherrſchenden asketiſch-efrommen Richtung an— 
gehörte, hatte Fabricius ohne Zweifel ſchon in der Inſtruktion 
für Ernſt im Auge als jenen „theologiſch gebildeten und in den 
römiſchen Sitten bewanderten Mann“, der als zweiter Guber— 
nator angenommen werden ſollte. Fabricius verſchaffte demſelben 
von den Kardinälen Chriſtoph und Ludwig Madruzzi warme Em— 
pfehlungen an Herzog Albreht und bahnte ihm zugleih den Weg 
zu der ihm zugedachten Stellung, indem er in Briefen an den Herzog 
die bisherigen oberjten Auffeher über feinen Sohn, Schenking und 
Jarsdorf, ſchlecht machte. Den Dr. Schenking hieß er träge, 
ihläfrig und roh, Jarsdorf zu ſchwach und nachſichtig gegen das 
Gefinde, beide Säufer und Schlemmer; den Grafen dagegen 
ihilderte er al3 einen Ausbund aller Tugenden. Schenkings Ent- 
fernung von Herzog Ernſt erflärte er außerdem für vätlid, weil 
jener durd) feinen Prozeß gegen das münſterſche Domlapitel fich 
jelbit und in der Folge auch feinen Herrn bei allen deutſchen 
Fürften und Adeligen verhaßt made. Er mußte es dahin zu 
bringen, daß auch Herzog Ernft über Schenfings Ungeſchicklichkeit 
fih beſchwerte. Da Herzog Albrecht nicht jchnell genug feine 
Vorſchläge genehmigte, wurde Fabricius ungeduldig und ſetzte 
durch, daß der Papft, kraft der ihm in der Inftruftion gegebenen 
Ermächtigung, den Grafen Porzia Ernft3 ganzem Hofhalt und 
Hausweſen al3 Gubernator, dem Prinzen jelbit al3 Direktor vor: 
jegte. Zwar nahm Herzog Albrecht diefe Eigenmädhtigfeit anfangs 
übel, ließ fih dann aber durch Briefe von Fabricius und von 
Porzia felbft, fowie dur) die Empfehlungen der Kardinäle ums 
ftimmen, jo daß er feines Drator3 Anordnungen nachträglich 
jogar lobte und dem Grafen die weiteften Vollmachten erteilte. 

Mit Ernft3 Haltung in Rom war Fabricius im Anfang ganz 


Herzog Ernft in Rom. 341 


zufrieden: in den Audienzen beim Papſte, bei den Antrittsbe— 
juchen bei den Kardinälen und deren Gegenbefuchen benahm er 
fid) beicheiden und gewandt, wie einer, der in den römischen 
Sitten und Zeremonieen ſchon jahrelang geübt. Auch die Briefe 
bon Papft und Kardinälen an Herzog Albrecht find über feinen 
Sohn des Lobes voll. 

Nach Mitte Juni fiedelte Ernſt mit feinem Hofhalt nad) dem 
fühlen und lieblihen Zivoli über, wo ihm die Villa Ejte, wegen 
ihrer Gärten, Statuen und Wafjerfünfte damals als eines der 
Weltwunder gepriefen, für die heißen Monate zur Verfügung ges 
ftellt war. In Tivoli beginnt die Reihe der bitteren Anklagen 
von Fabricius und Porzia gegen Herzog Ernft, die fortan wäh— 
rend des ganzen römischen Aufenthaltes Fein Ende nehmen. Ernft 
hatte ji mit einer Dirne vergangen, welde ihm durd) den in 
Rom angenommenen italienischen Truchſeß (scalco) Camillo Baldi, 
angeblih mit Willen und Willen des deutichen Arztes Dr. Jo— 
bann Albertus Wimpinäus ?) zugeführt worden war. Ernſt ges 
ftand nachher fein Vergehen offen ein, warf aber feinen Guber— 
natoren Fabricius und Porzia, feinen „Pedanten“, wie er fie 
hieß, mit Recht vor, daß fie es ihm nicht in der Stille väterlich 
verwieſen, fondern felbjt allenthalben ausgebreitet hätten; „fein ‘, 
ihrieb er, „in der ftat wie die unfinnigen umbgeloffen und ges 
ſchtien: Dii boni, princeps noster fornicatus est, die ſach menig= 
(ich geklagt und ſchir mit trommetten ausruffen lagen, den ſchönen 
band! an vil cardinäl und die papft. Heilt jelbft gebradt, als 
wan dem papftumb daran gelegen wär. Haben gemwölt, der pabft 
fol dieſelb perſon gefangen legen und mit ruetten ausftreidhen 


1) Über Joh. Albertus Wimpinäus (oder Wimpinenfis), ber als An- 
bänger des Theophraftus Paracelfus fowie als theologiſcher Schriftfteller nicht 
ganz ohne Namen ift, fe Grienwald, Album Bavariae iatricae, Mon. 
1733, p. 143 und beſonders jeine eigenen Heinen Schriften. — Ein Brief 
von ihm an Herrn H. I. Fugger (vom 15. Mai 1574) über Ernfts Reife 
von Florenz bis Rom, Empfang und Befinden bafeldft: RA. Freifing, 
Nr. 78, fol. 249. 


342 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


aßen, und in ſomma ain ſolches weſen darauf gemacht, das inen 
die papft. Heilt felbit Hat müeßen filentium imponirn“. — Dr. Als 
bertus wurde auf ihr Betreiben von Herzog Albreht abberufen ; 
Camillo Baldi eines ſchmutzigen Lafters (fälſchlich?) beihuldigt 
und daraufhin vom Hofe entfernt. Schenking, Jarsdorf und die 
anderen deutichen Adeligen und Hofdiener waren zwar zum größ- 
ten Zeil wenig zufrieden mit dem ftrengen Regiment des Drators 
und des Grafen, welche ihrerjeitS wieder an ihnen allen, den 
jungen Hans Taufkirchen ausgenommen, wenig zu loben fanden ; 
aber fie fügten fi dem durch die Inſtruktion und wiederholte 
Briefe des Herzogs mit faſt unumfchränkten Befehl über fie aus: 
geitatteten veizbaren Gefandten. Übrigens minderten fi deffert 
Klagen über Schenking und Farsdorf mehr und mehr, als ver 
Zwed, Porzias Einihiebung in den Hofhalt, erreiht war. 

Anfangs September, al3 die Hige nachließ, kehrte Fabricius 
mit einem Zeil des Hofgefindes nad) Rom zurüd; Herzog Ernft 
machte mit Porzia, Schenfing und etwa zwanzig weiteren Per: 
jonen eine Rundreiſe auf die Villen der Kardinäle Farnefe, Chriſtoph 
Madruzzi, Gambara, Commendone, ſodann nah Aſſiſi und nad) 
Zoreto, damals neben Rom und Santiago de Gompoftella der 
berühmtefte Wallfahrtsort des Abendlandes, wo der Herzog mit 
jeinem ganzen Gefolge aus Porzias Hand die Kommunion em— 
pfing. In der zweiten Dftoberwohe trafen fie wieder in 
Rom ein. 

Inzwiſchen hatte Fabricius über das was, in Zivoli geichehen, 
mit dem Papſt und einigen Kardinälen geiprochen, fie aber, wohl 
gegen feine Erwartung, ihm größere Nahficht anempfohlen. Aud) 
Herzog Albrecht hörte damals zuerft ein offenes Wort gegen die 
verfehrte Art, wie Fabricius und Porzia feinen Sohn behandelten. 
Es fam von Kardinal Farneje, den Ernft joeben in feinem Palaſt 
zu Gaprarola beſucht hatte. Farneſe lobte des Prinzen Anlage 
zu hohen Xhaten und zugleich fein anmutiges Benehmen; dabei 
fönne er aber die Bemerkung nicht unterlafjen, da ihm für des 
Sünglings Natur eine freundliche Behandlung angemeſſener er— 


Herzog Ernft in Rom. 343 


ſcheine al3 eine ftvenge und herriſche. „Denn von Natur“, meinte 
er, „üben edle und hervorragende Geilter die Tugend lieber aus 
freien Stüden als gezwungen und werden unmillig und erbittert, 
wenn man fie nötigen will.“ Auch Ernſt ſelbſt bat bald darauf 
feinen Vater in einem gegen die Beihuldigung eines unſittlichen 
Verhältnifies zur Donna Eleonora geridteten Briefe: „E. ©. 
wellen nit allemal glauben geben; dan wan man aim nit wol wil, 
jo madt ain ſach, die ainer arbais (Ameiſe) groß ift, ainem 
ungeriichen oren gleich.“ 

Solde Warnungen und Bitten blieben in Münden nicht ganz 
unbeadhtet. Eben auf Farneſes Brief hin warnten Elſenheimer und 
Fend im Vertrauen den Drator, einerjeits nicht durch beftändige 
Klagen über Herzog Ernſt und Befürchtungen vor noch ärgeren 
Vergehen des Vaters Wohlwollen gegen den Sohn zu ertöten, 
anderſeits nicht ſich felbft mehr gehaßt und gefürdtet, als geliebt 
und verehrt zu machen. Fabricius nahm aber jolhe freundſchaft— 
liche Warnungen höchſt empfindlih und bitter auf und ließ fich 
von feiner Anficht, Ernſts Natur müfje durch Furcht im Zaume 
gehalten werden, nicht abbringen. Des Baters Ohr ftand feinen 
wie Porzias Klagen und Ratſchlägen nur allzu offen, und aud) 
Fend war ſchließlich ſchwach oder Hofmann genug, feine gewandte 
Feder immer wieder zu den Ichärfiten Mahn und Strafbriefen gegen 
Ernft berzugeben: jo wenn er einmal (am 5. Januar 1575) 
feinen Herzog an Porzia ſchreiben ließ, je ftrenger dieſer feine 
Autorität gegen feinen Sohn wahre, deito dankbarer werde er, 
Albrecht, ihm fein. Nicht lange danad) (5. Februar) verftieg ſich 
der Herzog in einem auch wieder von Fend abgefagten Brief an 
Porzia jogar zu dem Satze: „Uns wirft Du um jo lieber und 
teurer jein, je weniger wir merfen, dag Du unjerem Sohn und 
feinem Gefinde lieb und teuer biſt.“ Das follte vielleiht nur 
eine rhetoriſche Phraſe fein, um Albrechts Vertrauen in des Gra— 
fen redlihen Eifer zu bezeichnen; diefer aber nahm den Herzog 
beim Wort und fühlte fih nun um fo mehr beredhtigt, den 
Prinzen wie einen ungeratenen Jungen zu behandeln. 


544 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


Trotz al feinen Klagen über Ernſts ungeiftlihe Fehler und 
Neigungen blieb aber Fabricius raſtlos bedacht, die geiftliche 
Würde und Maht jeines Zöglings zu fleigern. Nirgends 
bot fi) dazu mehr Gelegenheit als bier, im Mittelpunkt der ka— 
tholiihen Welt, von wo die einen ihre geiftlihen Würden und 
Pfründen, die anderen menigftens die Beftätigung in denjelben 
holen mußten. — Als Ende Dftober 1574 das Gerücht nad 
Rom kam, der Mainzer Erzbiſchof fei geftorben, brachte Fabricius 
beim Bapfte jofort die Rede darauf, ob man nicht dem Herzog 
Ernft nad) Mainz verhelfen jolle. Gregor und fein Kardinal: 
Sekretär zeigten fi ganz geneigt, wollten jchon ein Breve des— 
halb an das dortige Domkapitel richten; das Gerücht erwies ſich 
jedod) als falſch. Herzog Albrecht lobte den Eifer feines Dra- 
tors — es Schade für die Zukunft nichts, daß man jegt ſchon 
des guten Willens ©. Heilt fiher ſei —, forderte aber ftrengfte 
Geheimhaltung. Wahrſcheinlich Hatte er ſich ſelbſt ſchon zuvor 
(durch Elſenheimer) bei einem Mainzer Domherrn über die Lage 
des Erzſtiftes erkundigt, was vielleicht nicht geheim genug ge— 
blieben war und böſes Blut gemacht hatte. — Wie ſich Fabri— 
cius bei Papſt Gregor und dem Kardinal von Como bemühte, 
ſeinem Zögling den Weg nach Köln zu bahnen, iſt früher erwähnt 
worden; ebenſo daß er der erſte war, welcher nach Herzog Karl 
Friedrichs Tod den Rat gab, auf die Erwerbung von Münfter 
zu denken. — Um dieſelbe Zeit richtete er auch auf Lüttich ſein 
Augenmerk, ehe er noch wußte, daß der Herzog von Jülich ſeine 
Dienſte zu deſſen Erlangung angeboten hatte. Fabricius war 
ſelbſt, ſeit dem Jahre 1571, Kanonikus an der Lütticher Dom— 
kirche )Y; als nun im Februar 1575 zwei ſeiner Kollegen, der 


1) S. Bormans, Répert. chronol. . .. du chap. cath. de St. Lam- 
bert à Liege bei Ram, Anal. pour servir à l’hist. ecel. de la Belgique 
VII, 1870; vgl. 0. ©. 86. Bei Bormans zum 16. u. 26. Februar 1575 
auch einige Notizen über bie oben erwähnte Geſandtſchaft Lütticher Dom- 
berren nad Rom. 


Herzog Ernft in Rom, 345 


Dechant Winand von Wyngaerde und Herr Karl von Oyenbrugge 
zu Duras in Gejhäften ihres Kapitel nah Rom famen, madte 
fie Fabrictus mit dem jungen Herzog befannt und fand fie wohl- 
geneigt, demjelben feiner Zeit zum Stift Lüttich zu verhelfen. — 
Einige Monate jpäter, als das Bistum Augsburg durd) den Tod 
Johann Egolfs von Knöringen (F 4. Juni 1575) frei wurde, 
hätte Fabricius gerne gejehen, da man aud um diejes Stift fich 
bewürbe; Herzog Albreht wollte aber davon nichts wiſſen. — 
Dagegen trug man fi jowohl am Münchener Hof wie in Rom 
geraume Zeit mit Projekten, wie Stift Halberitadt aus den 
Händen von Braunſchweig in die des Haufes Bayern gebracht 
werden fünne. 

Ernſts perfönliches Verhalten während des Winters 1574—1575 
hatten Fabricius und Porzia bald zu loben, bald zu tadeln. Lo— 
benswert fanden jie bejonders, daß der Herzog, wie erwähnt, 
gleihjam aus freien Stüden, am St. Thomastag 1574 zum Sub— 
diafon ſich mweihen ließ. An den kirchlichen Feierlichkeiten bei Er— 
„ Öffnung des Jubiläums nahm Ernſt eifrigen Anteil; ihm jchenfte 
der Papſt den filber=vergoldeten Hammer, mit welchem er am 
Weihnachtsabend die heilige Pforte in der Bafilifa von St. Peter 
aufgeihlagen ). Im Gegenjag zu der etwas Iinkiihen Haltung 
des jungen Herzogs von Cleve rühmte Fabricius in feinen Briefen 
an Herzog Albrecht die Gejchidlichkeit, mit welcher Ernſt in die 
römischen Sitten fid) eingelebt habe; das Verdienft daran fchreibt 
er freilich zum guten Zeil ſich felbft und dem Grafen Porzia zu: 
jemand babe öffentlich gejagt, man jehe leicht, daß Ernſt ganz 
andere Lehrmeifter habe als der cleviihe Prinz. Bald darauf 
bot ihm dagegen Karl Friedrihs Tod Anlaß zu einer für Ernſt 
jehr ungünftigen Parallele zwifchen beiden: Karl Friedrichs Be— 


1) Nach der gewöhnlichen Annahme befindet ſich dieſer Hammer jett im 
Münchener Nationalmufenm; doch fcheint dem zu widerſprechen, baß ber 
dort aufbewahrte, laut der Infhrift, vom Jubiläum des Jahres 1550 ber 
ſtammt. Herzog Ernft ſchätzt den Wert des feinen auf etwa 400, Dr. Schen- 
fing nur auf ungefähr 200 Kronen. 


346 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


iheidenheit, Folgjamkeit und Dankbarkeit gegen feinen Hofmeifter 
werden in leuchtenden Gegeniag geftellt zu der Berichlagenheit, 
dem Zroß und der Undankbarfeit des eigenen Zöglings. — Mehr 
und mehr fteigern ſich ſeitdem Die Klagen über dieſen; zugleich 
giebt fi aber au der Hauptgrund des Verdruffes über Ernft 
immer deutliher zu erkennen: Es war diefem gelungen, „durch 
feine ſcheinbare Aufrichtigkeit und Frömmigkeit‘, wie Fabricius 
jagte, „durch feine Berftellung und Heuchelei“, wie der Graf fi 
ausdrüct, aller Herzen an der Kurie, body und, nieder, vor allem 
Papſt und Kardinäle für fi) einzunehmen. Alle wünſchten, daß 
der zwanzigjähtige Füngling nit mehr wie ein Knabe behandelt 
werde, jondern eine feinen edlen Anlagen und feinem hohen Stande 
entiprechende Freiheit genieße. Auch Dr. Schenking neigte ſich 
diejer Meinung zu. „E. f. ©. wolle bedenken‘, jchrieb er einmal 
an Herzog Albrecht, „wie beſchwerlich e3 ei, einem jungen Fürften, 
der jo eines hohen Verſtands als E. f. ©. Herr Sohn und jetzt— 
mehr im 21. Fahr ift, dermaßen, infonderheit hie zu Rom, zu 
dienen, day man ihn auch regiere.“ Fabricius und Porzia fträubs 
ten ji) aber mit aller Gewalt gegen jede Nachgiebigkeit. „Dieſer 
Kopf‘, bemerkt Fabricius einmal, „it fo geartet, dab er fich, 
wenn man ihm aud nur ein wenig die Zügel nachläßt, ſofort 
jählings in den Abgrund ſtürzt.“ — Den Vater hatten fie, wie 
immer, auf ihrer Seite. 

Da erkrankte Fabricius im April 1575 an nerböjem Kopf: 
weh und mußte zu feiner Erholung auf kurze Zeit nad) Zivoli 
gehen. In jeiner Abmwejenheit traf der Papſt in Ernſts Hofhalt 
einige Anderungen in feinem Sinn. Er beauftragte feinen eigenen 
Beihtvater und Prediger, den gelehrten ſpaniſchen Jeſuiten 
P. Toledo, dem Prinzen theologifhen Unterricht zu erteilen. Mit 
oder ohne ausdrüdlichen Befehl des Papſtes fiel dadurd) dem 
Vater, einem der angejehenften Männer an der Kurie, eine Art 
Dberleitung über Ernft zu, die er benugte, um demfelben nad) 
und nad freiere Bewegung zu verichaffen. Porzia und aud) 
Fabricius felbft, al3 er von Tivoli zurüdfam, hatten ſich anfangs 


Herzog Ernſt in Nom. 847 


durhaus nicht über P. Toledo zu beſchweren: Ernſt ſchien ihnen 
lenfjamer und nachgiebiger zu werden; Fabricius war glüdlid, als 
ihn jein alter Zögling am BPfingftfeft, vor Empfang der Kom— 
munion, um VBerzeihung und um ein gutes Wort bei feinem Vater 
bat. Fett fanden Fabricius und Porzia fogar, daß der Umgang 
mit dem SKardinal Ferdinand von Medici, vor dem fie früher 
ernftlich gewarnt, gut auf Herzog Ernſt wirkte. Im Laufe des 
Juni beginnen aber ihre Klagen von neuem. Anlaß bot zunächit 
die Wahl der Sommerwohnung. Aufs Land wollten fie, in Er: 
innerung an das, was im vorigen Jahr zu Zivoli borgefommen, 
den Herzog nicht mehr laſſen. Porzia behauptete ſogar, anders 
als alle Welt, die römische Sommerluft ei, wenn man vernünftig 
lebe, jehr gefund. Daß aber aud der Vatikan gejund, machte er 
gewiß niemanden glauben. — Ernſt hatte mit Genehmigung des 
Vapftes bereit Anfangs Mai eine Sommerwohnung in gefunder 
Lage ausgefuht: nahe beim Palaſt San Marco (jegt Palazzo 
di Venezia), wo Gregor während der Sommermonate refidierte; 
Porzia wußte aber diefe Wahl wieder rüdgängig zu machen: das 
Haus hatte gefährliche Hinterthüren. Ernſt warf feinen uber: 
natoren nachmals vor, fie hätten die Verleumdung ausgeiprengt, er 
babe Diejes Haus ausgeſucht, um den vornehmen römischen Frauen 
der Nachbarſchaft nachzuſtellen. — Dafür wählte nun Borzia 
jelbft einen ebenfalls unweit San Marco gelegenen, dem Kardinal 
von Medici gehörigen Palaft aus, welchen Ernſt mit dem ganzen 
Hofhalt im Monat Juni bezog '). Aber auch diejer von Porzia 
ausgeſuchte Palaſt war nicht wie ein Zuchthaus verwahrt; ſehr 
bald bemerkte Fabricius, daß Ernſt Gelegenheit ſuche, bei Nacht 
auszugehen; er deutet an, daß er bisher auf Wunſch anderer Leute 
(d. i. des Papſtes ſelbſt) günftiger über Ernſt berichtet habe, als 


1) Dr. Schenting bezeichnet im einem Brief an Herzog Albrecht bie Lage 
bes Palaftes genauer: „nit weit von Sanct Marr al Arco di Konnigliano 
ein pallas vom carbinal de Mebicis uberflommen, in welchem zeit feines 
lebens der carbinal Boba gehauſet“. AA. Freifing Nr. 81, fol. 13. 


348 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


diefer verdiene. Doch verſicherte er damals noch, P. Toledo ſei 
der einzige, weldyer des Jünglings eingewurzelten Trotz und feine 
Schlaubeit zu bemältigen vermöge. — Im Juli beginnen Fabri- 
cius und Porzia aud über Zoledo zu Hagen: durch deſſen Ver— 
mittelung hatte Ernft vom Papfte die Erlaubnis erwirkt, in feiner 
Kammer allein zu jchlafen und diefelbe abzuſchließen; zu Porzias 
großem Ärger wollte er auch, nad ſpaniſcher Etikette, allein 
ipeifen; er verbat fi) des Grafen bejtändige Gegenwart bei den 
Beſuchen der Kardinäle und Prälaten; die Studien ließ er, außer 
ein paar theologiſchen Lektionen bei P. Toledo, wieder ganz liegen. 
Den guten Pater, meinte nun Fabricius, führe Ernſt Hinters 
Licht wie ehemals den Münchener Jefuitenreftor. — Zu offenem 
Zwiſt zwiſchen P. Zoledo und den beiden kam es, al3 Ernſt, die 
gewährte Freiheit mißbrauchend, durch cine Nebenthür und 
streppe fi ein= oder mehrmals des Nachts aus dem Haufe ge= 
Ihlihen hatte. Jetzt warfen fie dem Pater vor, feine Nachſicht 
jei Schuld daran. Toledo verfiegelte nun ſelbſt die gefährliche 
Thür und Zreppe; aber das Recht, in feiner Kammer allein zu 
fein, entzog er dem Herzog nicht. — Porzia argmöhnte alsbald, 
daß Ernft, da ihm die Thüren verichloffen, einen andern Weg 
aus dem Haufe ſuche. Ohnehin hatte er bei demjelben allerlei 
verdächtiges deutiches Eifengerät bemerkt. Nicht unwahrſcheinlich 
it, daß Porzia, wie Herzog Ernft ihm ſpäter vorwirft, geheime 
Spione aufgeitellt hatte, um ihn zu überwachen, — vielleiht mit 
dem Hintergedanfen, wenn er denjelben eines gröberen Ver— 
gehens überführe, den verhaßten Aufſeher Toledo wieder zu ver— 
drängen. 

Wirklich war Ernft Schon einige Male des Nachts mittels 
einer Stridleiter aus dem Fenfter geftiegen und zu einer römiſchen 
Kurtifane gegangen. An Gehilfen der Leichtfertigfeit fehlte es 
nicht in einem Lande, wo, wie Fabrictus fpäter ſelbſt zugeftand, 
„jenes Lafter, welches doc die Brutftätte aller anderen ift, faft 
für nichts geadhtet wird". — In der Naht des 31. Juli nahm 
Ernft wieder einmal denjelben Weg, diesmal aber nicht ungeitraft. 


Herzog Ernft in Rom. 349 


Zufällig Vorübergehende (oder auflauernde Nachbarn?) fahen die 
Stridleiter vom Fenfter herunterhängen, jchlugen Lärm und ſchnit— 
ten fie unten ab. Darüber wurden die Leute im Haufe wad, 
erbrahen des Herzogs Kammer und ftillten den Lärm Dann 
ließ Porzia einige Diener auf der Straße warten, um dem Her— 
zog zu jagen, die Leiter ſei abgejchnitten, er möge dur die Thür 
wieder hereinfommen. — Als Ernft gegen Morgen zurüdtam und 
man ihm jagte, Fabricius und Porzia mwühten, was geichehen, 
entfernte er fi wieder, angeblich zu Toledo. Aber nicht zu ihm 
ging er, fondern machte ji, aus Zom oder Scham, kaum mit 
dem Nötigften verjehen und mit einem einzigen Begleiter, fort 
aus Rom auf Neapel zu. Was er wollte, wußte er wohl felbit 
nicht recht; vielleicht hoffte er bei Don Juan d'Auſtria, der da= 
mal3 in Neapel war, einen großmütigen Beichüger zu finden. — 
Am andern Morgen erfuhren P. Zoledo, der Papſt und die ganze 
Stadt, was geichehen. 

Die nächſte Sorge war, Herzog Ernft aufzujuchen und wo 
möglih nad) Rom zurüdzuführen. Inzwiſchen verbot der Bapft, 
bei Strafe der Erfommunifation, den Leuten des Herzogs, irgend- 
etwas an Herzog Albreht zu beridten. Fabricius und Porzia 
hatten aber bereit3 durch eine zufällige Post alles nad Münden 
gejchrieben und faft die ganze Schuld an dem Gejchehenen Toledo 
zur Laſt gelegt: — jetzt hießen fie ihn den ſchlimmſten aller Vers 
führer, einen verfappten Juden, der fie ärger verraten habe, als 
die erjten Juden unjern Herrn. — Schon am dritten Tag ge- 
lang e3 dem päpftlichen Kämmerer Gamillo Gapilupi, den Prinzen 
in oder bei Seifa einzuholen und zu einem bedingten Verſprechen 
der Rückkehr zu bewegen. Gapilupi Fihrte ihn zunächſt zum Kar— 
dinal von Granvella nad Gaöta, wo diejer, nachdem er fein Amt 
als Vizekönig von Neapel niedergelegt, den Sommer zubradte. 
Bei ihm fand Ernſt herzliche und zugleich fürftlihe Aufnahme. 

Jetzt erſt ſchickte der Papſt einen eigenen Kurier nad) Augs: 
burg ab an den Nuntius Porzia, um durch diefen den Vater von 
dem Vorgefallenen zu unterrichten und zugleid) Verzeihung für 


350 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


den zu veuiger Rückkehr nad) Rom bereiten Sohn zu erbitten, 
Aber nit diefem maß er die meifte Schuld bei, fondern feinen 
überftvengen Zuchtmeiftern Fabricius und Porzia; beiden folle die 
Aufſicht über Ernſt entzogen werden. Auch die Kardinäle Ludwig 
Madruzzi und Gommendone legten Würbitte für den Jüng— 
ling ein. Jedermann, jchrieb Madruzzi, entichuldige das Be: 
gangene al3 einen Fehler der Jugend, unter dem Ernſts Ruf in 
der Stadt nicht gelitten habe. Das Schlimmfte dabei (die Flut) 
ichreibe man mehr anderen zu al3 ihm, „der unter den einen. 
niemanden hatte, dem er traute, und darum, als er fich entdeckt 
fah, lieber dem Außerſten und Schlimmften ſich ausjegen, als dar: 
auf bauen wollte, daß die Seinen jein Vergehen zudeden, ver: 
fleinern, entichuldigen würden.‘ 

Noch entichiedener nahm ſich Granvella des Flüchtlings ar. 
Fabricius Hatte diefen mit Schmeihelworten und durd) das Ber: 
iprechen, beim Water zu vermitteln, zur Rückkehr bewegen wollen; 
auf des Kardinal Autorität geftügt, lehnte Herzog Ernſt diejes 
Anerbieten ftolz ab. Granvella jelbjt warf ſich zum Verteidiger 
de3 Prinzen auf: Qui nimis emungit, elicit sanguinem, jchrieb 
er an Herzog Albrecht; Fabricius jelbft habe durch feine Sudt, 
den 2ıljährigen Fürften unter feiner Herrichaft zu Halten, wie 
ehemals als Pädagog den Knaben, Herzog Ernſt zur Verzweif— 
lung getrieben. Der Drator möge nur, wie er drohe, zu Herzog 
Albrecht reifen, aber dann auch nicht wiederfommen; denn für 
dieje Aufgabe, die Sorge für Herzog Ernſt, paſſe er nidt. Er 
ihlug vor, man ſolle des Prinzen Sehnſucht, Neapel zu jehen, 
al8 Grund der Entfernung von Rom ausgeben. Bei ihm, in 
Gaöta, jowie bei Don Juan und beim Bizefönig von Neapel 
möge man den Herzog laffen, bis dieſer nad) der Sommerhige, ohne 
Gefahr für jeine Gejundheit und mit allen Ehren nad) Rom 
zurücklehren könne. — Daß die römiſche Sommerluft, felbft bei 
San Marco, nit jo gefund war, wie Porzia vorgegeben, erfuhr 
Herzog Ernſts Gefolge. Ende Juli, wenige Zage vor Ernſts 
Flucht, war der Marihall Farsdorf am Fieber gejtorben, im DI: 


Herzog Ernſt in Nom. 351 


tober jtarb der junge Zauffichen und außerdem mande Leute 
aus dem niedern Hofgejinde. 

Auf Befehl des Papftes mußte ſich Fabricius wirklid Gran— 
vellas Rat und Ernſts Wünjchen anbequemen: ein Zeil der Hof: 
leute und zwar diejenigen, welche der Herzog felbit verlangte, ein 
junger Preifing und der aus Herzog Karl Friedrihs Gefolge 
übernommene Freiherr Adolf von Schwarzenberg, wurden nad) 
Gaöta beovdert; — nachträglich ſchickte ihm Fabricius auch noch 
den nicht gewünſchten Dr. Adrianus zu, der aber in Gadta als 
Spion, was er in der That war, ſchlecht behandelt wurde. Adri— 
anus rächte fih, indem er über den Herzog und jeine Geſell— 
ihafter in Gaëta: den Kardinal jelbit, den Kämmerer Gapilupi, 
den ehemaligen Scalco Baldi, der angeblih ſchon bei der Flucht 
aus Rom den Herzog begleitet hatte, und endlid) über die deut— 
ihen Hofleute insgeheim »die übelften Berichte nad) Rom jandte. 
Dafür liegen dann Ernits Freunde einen wie es heißt von Gapilupi 
verfaßten angebliden Brief des Herzogs an Kardinal Madruzzi 
in Rom zirkulieren, worin des Drator3 und des Grafen Hoch— 
mut und Zyrannei allgemeiner Verachtung preisgegeben wurden. 

Anfangs Dftober, nachdem der erſte Regen die Luft gereinigt, 
trat Ernſt die Rüdreife an. Don Juan ließ ihn durch vier Ga— 
leeren ehrenvoll von Gaẽta nad Civitä-Vechta bringen; von da 
geleitete ihn eine Schar vornehmer Spanier feterlih nah Rom, 
wo er mit Schenfing und den anderen deutichen Hofleuten wieder 
jeine alte Wohnung im Vatikan bezog, während Fabricius, da 
Herzog Ernſt ihn durchaus nicht wieder zu ſich nehmen mollte, 
in dem Sommerpalaft bei San Marco blieb. Porzia war ſchon 
zubor vom PBapfte für einige Zeit vom Hofe verwiefen worden; 
ihn, den Kurialiſten, traf am meiften der allgemeine Haß. „Der 
Graf iſt“, Schreibt Fabricrus, „nicht nur den unjauberen Hof: 
leuten, fondern der ganzen Stadt, allen Frauen und Dirnen jo 
verhaßt geworden, da fie ihn in Stüde reifen würden, wenn jie 
ihn in ihre Hände bekämen.“ Für Porzia nahm faſt nur der alte 
Kardinal von Zrient Partei; bei dieſem hielt er fih auf, bis ihn 


352 Fünftes Buch. Drittes Kapitel. 


im Spätherbft Fabricius wieder zu fi nehmen durfte — Mit 
P. Zoledo fam Ernft auch nad) der Rüdkunft von Gadta wieder 
viel zufammen, ferner mit dem jungen Sigmund Friedrid Fugger, 
einem Sohn des unlängit verftorbenen bayriihen Kammerpräjiden- 
ten, der infolge deifen von Fabrictus und Porzia ebenfalls unter 
Ernfts DVerführer gerechnet und der Ungnade de3 Herzogs Albrecht 
empfohlen wurde. 

Während mit wenigen Ausnahmen ganz Rom für den Prin- 
zen und gegen jeine Zuchtmeifter Partei nahm, bewahrte Herzog 
Albrecht diefen fein volles Bertrauen und nahm teil an ihrem 
Ha gegen alle Gegner. Namentlih gegen P. Zoledo, das an— 
geblihe Haupt der Verführer feines Sohnes, fehrte ſich fein Zorn. 
Auf Anftiften des Drator3 forderte er den Jeſuitengeneral auf, 
diejes unmürdige Drdensglied zu betrafen ). Auch von Kardinal 
Hofius verlangte er, wieder auf Fabricius’ Antrieb, diejer folle, 
als Großpönitentiar, den Pater zur Rechenſchaft ziehen. Hofius 
antwortete ausweichend; der Jeſuitengeneral (Everhard Mer- 
curianus) redete jih damit aus, daß Zoledo auf beiondern Bes 
fehl des Papſtes feiner Autorität entzogen fei, und verjuchte zu— 
gleih eine übrigens ſehr matte Entichuldigung des Paters. 
Dagegen fand diefer in den Kardinälen Madruzzi und Com— 
mendone warme Verteidiger gegen feine Ankläger. Als Herzog 
Albrecht zulegt aud beim Papfte jelbit in bitteren Worten über 
P. Zoledo Klage führte, wies Gregor alle Anjhuldigungen gegen 
diejen jeinen eigenen Ratgeber, einen nit nur gelehrten ſondern 


1) Fabricius empfiehlt dem Herzog u. a., durch ben Münchener Sefuiten- 
reftor ben General zu bedeuten, daß die ganze Gefellfchaft unter feinem Miß— 
fallen leiden könne, wenn P. Toledo nicht beftraft werbe; tanto autem se- 
curius hoc institui posse existimo, quanto majorem hucusque pater 
generalis et praecipui ejus instituti ansam, ad totius societatis utilita- 
tem, quaesierunt in ipsum animadvertendi, propter multa quae hic 
recenseri nequeunt, sic ut hi sibi haud dubie sint gratulaturi, occa- 
sionem ejus tuto faciendi tam commodam per Sertem V. oblatam esse. 
RA. Freifing Nr. 81, fol. 150. — Ob hier etwas Thatfächliches oder bloße 
Verleumdbung vorliegt, laſſe ich babingeftellt. 


Herzog Ernft in Rom. 353 


wahrhaft heiligmäßigen Mann mit der größten Entſchiedenheit 
zurüd, al3 „leichtfertige Lügen, denen er fein eigenes Zeugnis 
entgegenftelle‘. P. Zoledo jelbft beſchwerte fid) in einem -im Ge— 
fühle gefränfter Unſchuld ftolzen, dabei doch nicht unbeſcheidenen 
Brief an den Herzog, daß diejer ihn ungehört verdamme Das 
beite Zeugnis ftellte nachmals Ernſt jelbft dem Pater aus. „Der 
bat mid‘, ſchrieb er, ‚mit feinen treuen vermanungen und gots— 
förchtigen janftmüettigen underweifungen und leren dahin gebracht, 
daß ich die affectus quettes teil reprimirt, ime gefolgt und mein 
gemüet zum tail in rue hab anheben mellen.‘‘ 

Schon vor Ernfts Flucht aus Rom Hatte Herzog Albrecht 
auf die neuen ſchweren Anklagen der Gubernatoren hin beichlofien, 
jeinen Sohn im nächſten Herbft heimkommen zu lafjen: deſſen 
perfönlihe Bewerbung um Köln und Münfter jollte einen ſchick— 
lichen Vorwand abgeben. Nun, nad der Kataftrophe, erichien baldige 
Abberufung doppelt nötig; nur fürdhtete man einigermaßen dadurch 
den Papft zu beleidigen jowie der Bewerbung um Münfter zu 
ihaden. Albrecht beſchloß aljo eigene Gefandte nah Rom zu 
Ihiden, den Hofmeifter feiner Gemahlin Erhard von Muggenthal 
und den Kanonikus an der Münchener Frauenkirche Dr. Georg 
Lauther, welche vom Papfte die Beitrafung der Verführer feines 
Sohnes und deſſen jofortige Zurüdiendung fordern jollten. Ihre 
Inſtruktion und ähnlich ein von Fend verfaßter eigenhändiger 
Brief Albrechts an den Papft lauteten beinahe, als handelte es fich 
um die Auslieferung eines Verbrechers. Am meiften erbittert 
mar der Herzog darüber, dag er von jeinem Sohn bis gegen Ende 
Ditober noch feine Zeile der Entihuldigung erhalten hatte !); 


1) Am 15. Dftober, elf Tage nad der Rückkehr von Gaeta, hatte Ernft 
znerft wieder, feit bem 30. Juli, an feinen Vater gefchrieben und um Ber- 
zeihung file feine „Mißhandlung“ gebeten, übrigens nicht eben bemütig und 
mit ſcharfen Worten gegen F. und P. Diefer Brief fonute aber bei Mug- 
gentbals und Lauthers Abſendung noch nicht in Albrechts Händen fein und 
war, mie e8 fcheint, überhaupt verloren gegangen. — Am 24. November 
ſchict Exnft feinem Vater eine Kopie besfelben. 

Toffen, Köln. Krieg I. 23 


8354 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


er bat den Papft, Seinen entarteten Sohn, aus deſſen Still 
ſchweigen, neben dem was er font erfahre, hervorgehe, daß diejer 
fich feiner Botmäßigfeit ganz entziehen wolle, entweder in Rom zu 
verhaften oder auf feine, Herzog Albrechts Koften bis zur deutichen 
Grenze zurüdzufchiden, damit er weiter über ihn beichliegen könne. 
„Sollte aber‘, hieß es zum Schluß, „E. Heiligkeit mir hierin 
nicht mwillfahren wollen, jo müßte ih auf andere Wege bedacht 
fein, meinem Sohne nit nur meine Gnade und mein Wohl: 
wollen, jondern auch das väterlihe Erbe entziehen und ihn nicht 
länger al3 Sohn anerkennen; müßte ferner auf Art und Weile 
denfen, wie er ſich feiner beiden Bistümer und ihrer Einkünfte 
nicht allzufehr erfreuen könnte; würde endlid vor Gott und Men- 
ſchen über E. Heiligkeit Klage führen.‘ 

Am 23. Dftober von Regensburg aufgebrochen (mo der Her- 
309 wegen de3 Wahltags vermeilte), trafen die Gefandten wegen 
der Hinderniffe, welche ihnen der Ausbrud der Peſt in den Weg 
legte, trog aller Eile erft am 10. November in Rom ein. Hier 
fanden fie in Ernft durchaus nicht jenen rebelliihen und troßigen 
Sohn, welchen fie nad Fabricius’ und Porzias Berichten ver: 
muten mußten. Ernſt erklärte fi) vielmehr bereit, wenn fein 
Vater darauf beftehe, jofort nah Münden abzureifen, und jollte 
er au zu Fuß gehen oder gar friehen. Nur bat er, wegen der 
ihlehten Jahreszeit und um ihm Beihimpfung zu eriparen, 
wenigitens nod einige Wochen zuzugeben, oder doch zu geftatten, 
daß er zuvor noch einmal durd eigenen Kurier an feinen Water 
ſchreibe und defjen Enticheidung abwarte. Das bewilligten Mug- 
genthal und Lauther. Ohnehin mußte, was fie von allen Seiten 
hörten, fie milder gegen Ernft, wohl auch mißtrauifcher gegen 
Fabricius und Porzia flimmen. Sie fanden, daß der Papft und 
faft alle Kardinäle für den Herzog Partei nahmen; mündlich vor 
ihnen und brieflich gegen Herzog Albredht gab Gregor dem Prin— 
zen das Zeugnis, daß dieſer feit der Rückkunft von Gasta fi 
tadellos gehalten, bat zugleich dringend, den Prinzen wenigftens 
bis zum Anfang des nächſten Jahres in Rom zu laffen, da er 


Herzog Ernft in Rom. 355 


dann ſelbſt nad Bologna zu reifen gedenfe und Ernſt dorthin 
mitnehmen könne. Denjelben Rat gaben Farneſe und andere 
Kardinäle. Sogar Fabricius meinte jest, man könne mit der 
Rückreiſe bis zur Schliegung der heiligen Pforte, aljo bis nad) 
Weihnachten warten. Ernſt jelbft aber jegte fi Hin und fchrieb 
an feinen Vater einen Brief von 80 Seiten, worin er unum- 
wunden eingeftand, was er zu Tivoli und zu Rom begangen, und 
für dieſe Vergehen jugendliher Leidenſchaft und menschlicher 
Shwähe um Verzeihung bat; daneben aber entrollte er ein 
langes Sündenregifter jeiner beiden von Ehrgeiz und Hochmut 
getriebenen Zuchtmeifter, welches zwar nicht frei ift von Über: 
treibungen und gehäffigen Unterftellungen, aber doch in den mei- 
ften Punkten die Wahrheit jagt. Als Hauptihuldigen ftellt Ernſt 
den Dr. Fabricius hin: diejer habe, um Drator und womöglich Kar— 
dinal zu werden, jeine Sehnjuht nad) Rom genährt; hier fodann 
hätten Fabricius ſowie jein Handlanger Borzia nur ihre eigene Ehre 
gejucht, ihn aber nicht wie einen erwachſenen Fürften und ihren 
Herrn, jondern wie einen ungeratenen Knaben und ihren Sklaven 
behandelt und vor aller Welt als unzüchtigen Menſchen verfchrieen. 
Der Graf fei in feiner Jugend jelbft ein lafterhafter Menſch ge= 
weſen, habe dann aber unter Pius V. den Frommen geheuchelt, 
um e3 zu etwas zu bringen; jedermann an der Kurie halte ihn 
für einen „Fatzmann“ (Geden). Beide beihuldigt er, fie hätten 
ihm feine Diener aufgehegt, Prälaten, Kardinäle, Nepoten gering- 
ihägig behandelt oder verleumdet, den frommen und ehrlichen 
P. Zoledo al3 Juden und Taugenichts ausgeſchrieen; dies aus 
Rache, weil ihnen Zoledo nicht die gewünſchten Pfründen und 
Würden verichaffte. Er bat feinen Vater, ihn ferner nicht mit 
ſolchen Perſonen zu beichweren, „die aljo des Morgens unjern 
Herrgott ein Biertelftund in Händen und den Teufel Tag und Nacht 
im Herzen tragen.” Zum Schluß erbot er fid) wieder, auf neuen 
Befehl ſofort zurüdzulommen, bat aber, feines Rufes wegen und 
damit er fih von Papft und Kardinälen gebührend verabichieden 


könne, um Frift bis nah Weihnachten. 
23* 


356 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


So ſchwere Anlagen, durch die Briefe von PBapft und Kar— 
dinälen mehr oder minder bekräftigt, machten doch einen gewiſſen 
Eindruck auf Herzog Albrecht. Ex mutete feinem Sohne nicht zu, 
unter Fabrieius’ und Porzias Zucht zurüdzufehren, und geftattete 
fein. Verbleiben bis nad Weihnachten. Alsdann ſolle er mit 
Muggenthal und Lauther auf der Poft zurüdveiten, Schenking und 
Porzia aber mit dem übrigen Gefinde nachfolgen; Fabricius er 
hielt Befehl, hauptſächlich wegen der münfterjhen Sache, übrigens 
jeinem eigenen Wunſch entiprehend, nod länger als Drator in 
Rom zu bleiben. Dem Papfte antwortete der Herzog auf deſſen 
letztes Schreiben, er jei bereit, gemäß den Wünſchen Sr. Heiligkeit 
feinen Sohn aufzunehmen, wie der Vater im Evangelium den 
verlorenen Sohn: „nicht joll ihm das Gewand nod das Gaft- 
mahl fehlen, wenn ih nur wie dort der Vater mir mahrhaft 
Glück wünſchen kann, dad mein Sohn, der verloren war, wieder- 
gefunden.” Dem: Lobe des Papftes über P. Toledo ftimmte er 
zwar nicht bei, und weniger nod dem Tadel gegen Fabricius und 
Porzia, doch gab er jhon zu, Zoledo möge e3 wohl gut gemeint 
haben, habe aber. feines Sohnes Charakter nicht jo richtig beur— 
teilt, wie deſſen langjähriger Erzieher. — Fabricius hat auf) 
nachmals Albrechts Gunft nie verloren ; über den Grafen Porzia 
dagegen gewann man im perjönlichen Verkehr jehr raſch ein an: 
deres Urteil als aus feinen und des Dvators römischen Briefen. 
Im Jahre 1576 verwendete man ihn in Münden und Freifing 
noch zu kirchlichen Bilitationen; bald danach wünſchte man jehr 
„ſeine Bettelei und jein unnüges Maul‘ los zu werden, und 
war froh, ala man ſich ihn zu Anfang des folgenden Jahres mit 
einer nicht ernft gemeinten Empfehlung zum Karvinalat vom Halie 
geihafft hatte, 

Nah Weihnachten verabichiedete fi Herzog Ernſt von Papſt 
und Kardinälen; auch feinem alten Erzieher ſagte er freundlich 
Lebewohl. „E. f. G.“, ſchrieb Fabricus am Herzog Albrecht, 
„werden dort erfahren, ob Ernſts Geſinnung dabei ſo aufrichtig 
war wie die meine; denn er iſt gewohnt, ſeine Fehler durch die 


Herzog Ernſt in Rom. 857 


Beihuldigung jeiner Vorgeſetzten auszuwiſchen.“ Gleichſam zum 
Beweis feiner eigenen Aufritigfeit ſandte Kabricius feinem Zög— 
ling nod allerlei Mitteilungen nah über verbädhtigen Umgang 
desſelben, Schulden u. dgl., wovon er und Porzia erſt nach und 
nad Kenntnis erlangt, ımd gab Anmeihungen, wie man zuhaufe 
gegen ihn inquirieren könne. Dagegen nahm Ernſt von Papſt 
Gregor jelbft und von einigen Kardinälen, namentlid Ludwig 
Madruzzi und Granvella, die wärmften Empfehlungen mit nad) 
Deutſchland. „In aller Herzen‘, ichreibt 3. B. Madruzzi, „bei 
hoch und nieder, die er fi durch feine bejondere Freundlichkeit 
und Leutjeligfeit gewonnen hat, läßt Herzog Ernit die Sehnſucht 
nad) ſich zurüd. Euer Gnaden mögen mir glauben, daß alles 
Unliebe, was begegnet, entweder mit nichten dem Prinzen zur 
Laſt gelegt, oder jedenfall3 von Urteilsfähigen, wenn denn doc 
etwas ſich nicht von ihm wegnehmen läßt, dem Alter und der 
Gelegenheit zugejchrieben wird.“ Schon vorher hatte auch Kar— 
dinal Farneje wieder einmal feine Meinung dahin abgegeben, daß 
ein Jüngling von jo hohem und ftolzem Sinne leiter durch 
Sanftmut und Nahfiht, al3 durch Gewalt und Herrichaft auf dem 
Wege der Pflicht ſich halten laffe. 

Am 29. Dezember trat Herzog Ernft mit Muggenthal, Lauther 
und wenigem Gefolge die Heimreife an — durd die Romagna, 
da Florenz auf ausdrücklichen Befehl des Herzogs Albreht ver= 
mieden werden mußte. Porzia und Schenking folgten in den 
erften Tagen des Januar auf der Florentiner Straße. Als ſich der 
Graf vom Papfte verabichiedete, machte Gregor ihn verantwort- 
(ih, Falls Herzog Albrecht allzu ftrenge gegen jeinen Sohn ver— 
fahre. In Florenz ermahnte ihn die fromme Gemahlin des Herz 
3098 Franz, ihren Neffen nicht bei den Eltern zu verklagen; „hat 
er doch“, jagte fie, „nichts gethan, was ihr Geiftlichen zu Rom 
nicht Schlimmer thut 

Am 15. Januar jpäteftens war Herzog Ernſt wieder in Mün— 
hen; bald danach wurde er auf Grund der Andeutungen des 
Dr. Fabricius über vermutete weitere Vergehen zur Rede geftellt; 


358 Fünftes Bud. Drittes Kapitel. 


man fam aber, fcheint es, bald zur Einfiht, daß er über das, 
was er ſchon freiwillig befannt, nichts weiter einzugeftehen babe. 
Am 3. Februar jhrieb Herzog Abreht an den Papft, jomwie an 
die Kardinäle Granvella und Madruzzi, er babe feinen Sohn 
gütig aufgenommen; gleichzeitig dankte Exnft jelbft dem Bapfte 
für das erfahrene Wohlmollen und bat, ihm dasfelbe aud in Zu: 
funft, insbefondere bei der münſterſchen Wahlfache, zu beweiſen. 


4. Kapitel. 
Papft Gregor XIII. und die niederdeutfhen Hodfifter. 


Für Papſt Gregors Verlangen, die deutiche Nation in den Ge: 
horſam der römischen Kirche zurüdzuführen, fand ſich in den Gebie- 
ten der weltlihen proteftantiihen Fürften fein zuverläffiger Anhalts- 
punkt. Denn ihnen bewilligte der Religionsfriede eine jo weit— 
gehende Unabhängigkeit auf kirchlichem Gebiet, daß nur die ſchwache 
Hoffnung blieb, durch Belehrung eines der Fürften auch in feinen 
Landen den Katholicismus wieder herzuftellen. Gregor ſehnlich— 
fter Wunſch wäre das freilich geweſen; ſchon im Jahre 1573 
befahl er feinen beiden nad) Deutihland abgeordneten Nuntien, 
Gropper und Porzia, u. a. auch auf die Belehrung lutheriſcher 
*Quellen: 1) Gute Überficht über die troß dem geiftlichen Vorbehalt fätu- 

larifierten nieberbeutfchen Hochſtifter bei Häberlin, De Reserv. 
Eccles. vgl. 0. ©. 289. Über die Beziehungen Gregors XII. zu den 
nieberbeutfhen Domftiftern im allgemeinen Theiner I, 212sgg. 
525sqq.; II, 30. 50. 159 qq. 175sqq. 464sqg.; Ergänzungen bazu 
bei Aretin, Bayerns ausw. Verh. Urk. Nr. III und in ber weitern 
zu Bud 2, Kap. 5 verzeichn. Litteratur. — Für Halberftabt die zum 
Teil ſchon dort angeführten Arhivalien: RA. Halberftabt Bd. I. StR. 
95/5 bis 8. KrA. I. Geiftl. Saden 94 ad Fasc. 2. Einzelnes auch 
RA. Münfter T. II. und Freifing Nr. 80 u. 82. 

2) Für die münfterfche Poſtulationsſache ſ. o. Duellen zu Bud 4, 
Kap. 8 und Bud 5, Kap. 2. Ferner JA. Ferdin. fol. 110, Nr. 135. 
Kurfürft Salentind Schreiben an Herzog Albreht vom 22. Dezember 
1575 Sta. 38/5, fol. 31. Inſtruktion für Danborf vom 12. Fe- 
bruar 1576 und Relation D.8 vom 13. April StA. 38/7. 


360 Fünftes Buch. Viertes Kapitel. 


Fürften bedacht zu ſein ). Im folgenden Jahre, al3 man in Rom 
erfuhr, wie Kurfürſt Auguft von Sachſen die Galviniften haſſe und 
verfolge, hoffte man dieje jeine Stimmung benußen zu können, um 
ihn der römischen Kirche zu nähern. Gregor wünjchte, der Her— 
30g von Bayern möge zu dieſem Zweck einen eigenen Gejandten 
nah Dresden jchiden, das fand man aber am bayrischen Hofe 
nicht für rätlich; im vertraulihen Gejpräh mit jeinem Freunde 
dem Kurfürften wollte jid) Herzog Albreht zwar alle Mühe geben, 
teilte aber jelbft Gregors Hoffnungen nit. 

Viel günftiger für den Papſt lagen die Dinge in den geiſt— 
lihen Fürftentümern von Niederdeutihland. Der Religionsfriede 
hatte die Konkordate der deutihen Nation, gleihjam das Grund: 
gefeg für die Reichsſtifter, nicht aufgehoben; nad wie vor galt 
alſo die Beftimmung, daß jeder neue Biihof und jomit Landes: 
fürft fanoniid) gewählt und auf Grund einer Wahlprüfung vom 
Bapfte beftätigt werden müſſe. Außerdem war, gemäß denjelben 
Konkordaten, in manchen Domftiftern die Ernennung zu einem 
Zeile der Kanonikate dem Papſte rejerviert. Dieje Rechtsnormen 
begründeten eine gewiſſe Gemeinſamkeit der politiihen Intereſſen 
der Domkapitel und des Papſtes: beiden lag daran, daß nicht 
ein erwählter Biihof das Domftift in ein erbliches weltliches 
Fürftentum verwandelte. Aber ganz abgejehen von diejer Bes 
jorgnis war die Achtung vor Geſetz und Vertrag eine von den 
Fremden oft angeftaunte Eigentümlichfeit der deutihen Nation: 
man fand ſich Lieber durd allerhand Fiktionen und Sophismen 
mit dem Buchſtaben der Geſetze ab, al3 daß man diefe, nachdem 


1) Ma quello in che premerebbe grandemente la Sta S., sarebbe di 
guadagnar qualche principe heretico — fagt Nuntius Porzia im Oktober 
1573 dem bayriichen Herzog (Theiner I, 525, vgl. Aretin a. a. O. 
S. 21); daß Nuntius Gropper einen ähnlichen Auftrag Hatte, ſchließe ich 
teil8 aus der Analogie, teils aus feiner Bereitwilligkeit, mit Herzog Julius 
von Braunschweig in Verbindung zu treten. — Für die Hoffnungen auf 
Kurfürſt Augufts Belehrung im Jahre 1574 f. auch Bezold ©. 137, 
Anm. 1. 


Gregor XIIL. und die nieberbentfchen Hochſtifter. 861 


ihre religiöje Grundlage längft geihwunden, aufgehoben hätte. 
Ermählte Biihöfe, die ſich perfönlih zur Augsburger Konfeifion 
befannten, trugen fein Bedenken gegenüber vorwiegend proteftan= 
tiichen Kapiteln und vor einem vielleicht ganz proteftantiichen Land 
eidlich zu geloben, daß jie ſich die päpftliche Beftätigung verichaffen 
und jich nach geiſtlichem Hecht für ihr biſchöfliches Amt qualifizieren 
würden. Gerade diefes Feithalten am Buchſtaben alter Geſetze 
und Statuten gewährte dem römischen Stuhl und feinen deutichen 
Anhängern die beite Handhabe für ihre Verfuche, wenigftens ein 
und das andere niederdeutihe Domftift wiederzugemwinnen. 

Außer Betracht blieben vorerit jene Stifter, welche entweder 
feine oder nur eine beftrittene Reichsſtandſchaft beſaßen. Hier 
waren die Domkapitel weder unabhängig noch mächtig genug, 
einem reformierenden Schug= oder Landesherrn Widerftand zu 
leiften. So in den drei kurmärkiſchen Bistimern Brandenburg, 
Lebus und Havelberg, welche teils der Kurfürſt Johann Georg 
jelbft, teil jein Sohn Markgraf Joachim Friedrid unter dem 
Titel von Biſchöfen beinahe vollftändig jäkularifiert, jo in Kammin, 
wo die Herzöge von Pommern, in Schwerin und Ratzeburg, wo 
die von Medienburg al3 Biſchöfe oder Adminiftratoren die lekten 
Refte des Katholiismus vertilgt hatten. Won den oberſächſiſchen 
Domftiftern hatte Meißen noch einen eigenen vormals fatholiichen 
Biihof, Johann von Haugwik, der aber jegt verheiratet war, und, 
lange vor jeinem förmlichen (erjt im Jahre 1581 erfolgten) Rück— 
tritt, dem Kurfürſten die Vertretung feines Stiftes dem Reiche 
gegenüber freiwillig überlaſſen hatte; in Merjeburg und Naums 
burg war früher ein Sohn des Kurfürften Auguft al3 Biſchof 
poftuliert, nad) deſſen Zod aber diejem jelbft die Adminiftration 
übertragen worden. — Alle dieje Stifter find denn aud bis zur 
Auflöfung des Reiches nicht mehr aus den Händen weltliher Für- 
iten herausgefommen. 

Einem ähnlichen Schieial ging unter der Herrichaft der Branden— 
burger das Erzſtift Magdeburg entgegen, wiewohl bier das Doms 
fapitel zur Zeit noch im Vollbeſitz jeiner Rechte war. Aber es gab in 


362 Fünftes Buch. Viertes Kapitel. 


ihm und ebenfo im ganzen Land, wie bereits erwähnt, kaum 
mehr einen einzigen Katholifen. Des Prinzips wegen betrachtete 
zwar der Kaifer den Adminiftrator von Magdeburg, feit ſich diefer 
verheiratet, nit mehr als berechtigten Vertreter des Erzitiftes, 
fondern richtete amtliche Schreiben an das Domkapitel, aber an 
ernftere Maßregeln gegen den Adminiftrator dachte er nicht; aud 
in Rom fand man e3 nicht für zeitgemäß, diefe Dinge zu bes 
rühren. Höchſtens jprad) man davon, durch Ernennung in den 
jogen. apoftoliihen Monaten wieder einzelne fatholiihe Dom: 
herren nah Magdeburg und in andere proteftantiih gewordene 
Domftifter zu bringen ). 

Für Bremen hatte zu den Zeiten Pius’ V. der junge Poſtu— 
lierte, Herzog Heinrich) von Lauenburg, vergebens um die päpftliche 
Konfirmation nachgeſucht; unter Gregor XIII. fcheint er ſich wohl 
noch für Osnabrück aber nicht mehr für Bremen um diejelbe be= 
müht zu haben: vielleicht weil hier das mit einer einzigen Aus— 
nahme ganz protejtantiiche Kapitel und die Landftände vom PBapfte 
nichts willen wollten, wodurd; dann aud jeder Gedanke an die 
Reftauration des Katholicismus Hinfiel. 

Lübeck hatte jeit dem Fahre 1561 in Eberhard von Holle 
einen, wie e3 ſcheint, damal3 vom Papft beftätigten, aber nachher 
offen lutheriſchen Biihof; 1566 wurde derjelbe auch Biſchof von 
Verden, wo es noch einige Fatholiihe Domherren gab. Um der 
Wahlkapitulation zu genügen, machte Eberhard im Jahre 1574 
einen ſchwachen Verſuch, durd) den Nuntius Gropper für Ver— 
den -fonfirmiert zu werden, wurde aber zurücgewiefen. Bei den 
Reihsverfammlungen wurde der unverheiratete Biſchof ohne An- 
ftand als Vertreter feiner Domftifter zugelafen ). So fand er 


1) Ein folder Borfhlag wird z. B. in einem mie e8 ſcheint von Herm. 
von Horneburg an den Nuntius Porzia gerichteten Schreiben aus dem Jahre 
1574 oder 1575 erörtert (RA. Halberftabt, T. I, fol. 11), Es werben bie 
Didcefen Minden, Berben, Lübel, Halberftadt und Magdeburg ind Auge 
gefaßt; als päpftliher Manbatar ift Herzog Ernſt gebadt. 

2) Oder nur für Lübeck? Später (im Jahre 1578) ſtößt Biſchof Eber- 


Gregor XIII. und die niederdeutſchen Hodftifter. 363 


fih im Jahre 1575 auf dem Wahltag zu Regensburg in Perſon 
ein, und zwar, zu großem Ärgernis des Nuntius Delfino, „in 
Soldatentraht‘. Als Delfino den geiftlihen Kurfürften und dem 
Kaifer hierüber Vorftellungen machte und den Wunſch äußerte, 
Eberhard feines Bistums Lübeck entjegt zu fehen, erhielt er die 
Antwort, in diefen Landen laſſe ſich nicht alles machen mas recht 
wäre; zu manden Dingen müffe man, um nit Schlimmeres her= 
borzurufen, die Augen zudrüden. 

Mehr Gunft in Rom fand Biihof Hermann von Minden; 
ihm bemilligte Gregor bald nad feiner Xhronbefteigung, auf die 
Empfehlung des Kurfürften Salentin, vielleicht auch des damals 
noch lebenden Biſchofs Johann von Hoya, die von Pius V. jo ſchroff 
verweigerte Konfirmation ). Bald bereute man freilich Diele 
Nacgiebigkeit, da Gropper berichtete, der Konfirmierte entipredhe 
durhaus nicht den auf ihn gejegten Erwartungen. Vielleicht war 
e3 bier zumeift des Biſchofs ärgerliches Leben, was Anftoß er: 


barb bei feinem Bemühen für Stift Verden ein faiferliches Lehensinbult zu 
erhalten, auf große Anftände. — Für Lübed fordert noch die Kapitulation bes 
Herzogs Iohann Adolf von Holftein vom Jahre 1586 (Noodt, Beitr. zur 
.... Hiftorie d. Herzogt. Schleswig und Holftein. Hamburg 1744. I, 377), 
daß der Ermwäßlte: „bei päbft. Ht approbationem electionis seu confirma- 
tionem, wie auch gebürlihe und notbürftige dispensationem super aetate... 
auszubringen” fich befleißigen folle (Art. 2). Im derfelben für dieſe Zmitter- 
verhäftnifie jehr befehrenden Kapitulation werben ben Kapitularen „bie beiden 
Religionen” gemäß Reichsabſchieden und Religionsfrieden zugelafien (Art. 1), 
gleich nachher aber (Art. 3) die Konkordate der beutfchen Nation ausdrüd- 
lich anerkannt. 

1) Bei Theiner I, 235 ſchreibt Gregor XII. an Kurfürft Salentin 
(4. Dezember 1574), er möge ben feines Amtes vergefienden Biſchof von 
Minden ermaßnen: hoc autem eo accuratius facies, quia in obtinenda 
ejus confirmatione pro eo sponsor fuisti. Dagegen behauptet Spangen- 
berg a. a. O. ©. 283 „Graf Herman . . bat burh Hilf biſchof Johans 
zu Münfter bie confirmation zu Rom erhalten. Bgl. o. ©. 137. — Bei 
Gams, Ser. Episcop., p. 294 fehlt Bifchof Hermann trog ber päpftlichen 
Konfirmation, ebenfo fein ohne Zweifel ebenfalls beftätigter Vorgänger Herzog 
Georg von Braunfhweig. Ähnliche Willfür findet fih aud fonft bei Gams 
und vermindert entjchieben die Brauchbarkeit feines Wertes. 


364 Fünftes Bud. Viertes Kapitel. 


regte. Im März 1575 ſchickte Gregor einen eigenen Nuntius, 
den Bonner Kanonikus Alerander Trivio, nad) Minden, um den 
Biſchof an jeine Amtspflihten zu mahnen. Zrivio fand in 
einigen Klöftern und Kollegiatfichen der Stadt noch fatholiichen 
Gottesdienft, die ftädtiiche Bevölkerung aber dem fatholiihen Kult 
und Klerus äußerft feindfelig: — vor einigen Jahren war das 
Domkapitel einmal ganz aus der Stadt vertrieben und erſt auf 
Vermittelung des Kaiſers und des ſächſiſchen Kreiſes, wie es 
heit, wieder hereingelaffen worden. Was Zrivio bei Biſchof 
Hermann jelbft ausrichtete, wiſſen wir nicht; ernſtlich eingejchritten 
ift man von Rom aus nicht gegen ihn; jein Rücktritt ift nachmals 
(im Zahre 1581) auf Betreiben von Domkapitel und Landſchaft 
erfolgt. 

As der Mindener Biſchof, der in der Nähe gewiß nicht für 
päpftlich galt, jeine Konfirmation erlangt hatte, machte fid) Herzog 
Julius von Braunſchweig Hoffnung, Papft Gregor werde auch 
jeinem nunmehr zehnjährigen Sohn, dem Poftulierten von Halber- 
ftadt, die Beftätigung nit verfagen. — Diefe war, wie wir 
wien, bei der Wahlkapitulation des Jahres 1566 ausdrücklich 
vorbehalten worden. Herzog Julius, den alle Welt als eifrigen 
Lutheraner kannte, hatte deshalb nad jeines Vaters Tod für gut 
befunden, fih von neuem der Gefinnung der Halberftädter Dom- 
herren zu berfihern. Sie verſprachen damals (im Januar 1569) 
„bis zum äußerſten“ (usque ad extrema) an ihrer Poftulation 
feftzuhalten, änderten übrigens an der Kapitulation jelbft nichts. — 
Im Frühjahr 1574 erkundigte fid) nun Herzog Julius bei dem 
Nuntius in Köln, was fein Sohn zu thun habe, um fonfirmiert 
zu werden; etwa zur felben Zeit veranlafte er das Halberftädter 
Kapitel nnd den Kaifer, deijen Konfirmation in Rom zu er— 
bitten und zu befürworten. Gregor antwortete ohne Säumen 
abihlägig (30. Juli 1574) und befahl dem Kapitel, unter war— 
nendem Hinweis auf jein Devolutionsrecht, alsbald einen wirklichen 
tühtigen Biſchof zu mählen. Ein ähnliches Breve erging nicht 
lange danach aud an das Domkapitel zu Verden; beide mit jehr 


Gregor XIII. und die niederdeutfchen Hochſtifter. 365 


berichiedenem Erfolg. In Verden, wo e3 höchſtens nod ein paar 
dem Namen nah katholiſche Domberren gab, das ganze Land 
lutheriſch, der Landesherr jelbft ein tüchtiger und, ſoviel man ſieht, 
beliebter Fürft war, blieb das Breve ein bloßes Stüd Papier. 
Im. Halberftävter Domkapitel dagegen gab es überhaupt feine 
Proteſtanten, fondern nur entweder römiſch oder erasmiſch gefinnte 
Katholiten, die fi äußerlich nur dadurch unterſchieden, ob jie 
unter einer oder unter beiden Geftalten fommunizierten. Im 
Dome St. Stephan und in der Liebfrauenkiche wurde der fatho- 
liche Gottesdienft ganz in alter Weife und Würde gefeiert. Es 
gab ſelbſt noch einzelne angejehene fatholifhe Laien. Die Maſſe 
der Bürgerihaft hatte zwar die Reformation angenommen, aber 
mit großer Schonung für das Alte. Das Domkapitel, welchem 
die Regierung gemäß der Kapitulation zuftand, fand willigen Ge— 
horſam, vielleicht nicht am wenigſten deshalb, weil hier die Sitten 
des Domtlerus beſſer waren als in den meiften anderen Dom— 
ftiftern . Dennoch würde aud bier das Heine Häuflein von 
Katholiten der Anziehung der großen proteftantiihen Maſſe viel 


— 


1) Dr. Elgard, welcher im April 1575 in Halberſtadt war, berichtet über 
die dort empfangenen Einbrüde an den Kardinal von Como: Capitulares 
Halberstatenses ut minimum media ex parte sunt catholiei et satis 
quantum scio vita honesti. Qui non censentur catholici, hoc tantum 
(quantum cognoscere potui) differunt, quod communicant sub utraque 
specie, alioqui omnia officia in ecclesia et choro praestant, decano obe- 
diunt, conservationem ecelesiae promovent, nec aeque quiequam mutatum 
bi vellent quam solam communionem. Cultus Dei satis modeste et in- 
tegre servatur. In templo B. Mariae die feriali honestas matronas sub 
sacrificio missae vidi; in cathedrali ecclesia dominico die qualemeumgque 
congregationem plebis catholicae conspexi, audientes primum sacrum et 
expectantes concionem catholicam,. Tota civitas Halberstatensis ad ca- 
pitulum seu episcopatum spectat. Senatus et cives satis obedientes sunt 
capitulo, magis quam ante haec tempora. Cum tota undique Germania 
funestis istis tumultibus fureret, hi cives quoque religionem matarunt 
in ecclesiis parochialibus, sed nihil devastarunt; ipse enim altaria et 
reliqua vidi integra. Intelligunt nunc, utcumque sub ecclesiastico et 
catholico magistratu commodius posse vivere subditos, etiam non eatho- 
licos. Theiner II, 44sgg. 


366 Fünftes Bud. Viertes Kapitel. 


ihneller gefolgt fein, hätte ihnen nit das angrenzende Stift 
Hildesheim, feit dort das Haus Bayern Fuß gefaßt, einen Rück— 
halt geboten. Aus religiöjen Gründen ſuchten die einen, wegen 
perjönlicher Jnterefjen die anderen diefen NRüdhalt auf. Zudem 
hatte Herzog Julius durd) fein ftrenges und eigennüßiges Regi— 
ment fi viele Feinde, fomohl in feinen Erblanden wie in der 
Nahbarihaft gemadt. ‚Niemand‘, ſchreibt der Hildesheimer 
Sefretär Körnlein im Dezember 1574, „würde weinen, wenn 
i. f. ©. etwas Widerwärtiges widerführe oder fie um das Gtift 
Halberftadt kämen.‘ 

Bon Hildesheimer Seite griff jegt der Domberr Hermann von 
Horneburg feinen alten Plan wieder auf, Halberftadt in die Hände 
de3 bayriihen Haufes zu bringen. Als Mittelsleute dienten ihm 
der Hildesheimer Domherr Anton von Langen, welder auch im 
Halberftädter Kapitel al3 Domſcholaſter ſaß, und der Kanzler 
Sigfrid Nung, welcher zugleih Syndifus für Halberftadt war. 
Sonit rechnete man namentlid) nod auf den dortigen Domdehant 
Friedrich von Brietzle ). Im September 1574 begab fi) Horne= 
burg jelbft nah München und Augsburg, um jowohl Herzog Al— 
bredt wie den Nuntius Porzia für feinen Plan zu gewinnen. 
Der Nuntius ging bereitwilligft auf denjelben ein und empfahl 
ihn ſofort der Kurie; aud am bayriihen Hofe mies man die 
Sade nit von der Hand, nur wünſchte man Herzog Ernft nit 
dur päpftlihe Provifion, in Kraft des Devolutionsrehtes, ſon— 
dern durd neue Wahl des Kapitel nad) Halberftadt gebracht zu 
jehen; in diefem Fall verſprach Herzog Albreht das Stift gegen 
Gewalt von Braunſchweiger Seite zu hüten. Einen Brief dieſes 
Inhalts, zur Mitteilung an den Halberftädter Dechant beftimmt, 
nahm Horneburg mit nachhauſe. — Im Dezember konnte Borzia 
bereit3 in München melden, daß man in Rom feinen Vorſchlag 
genehmigt habe und nur von Herzog Albrecht zu erfahren wünſche, 


1) Fr. von Brietzle war (nah Abel, Ehronit des Fürftentums Halber- 
ftabt, S. 566) Dombehant von 1560 bis 1576. 


Gregor XIII. und bie niederdeutſchen Hodhftifter. 367 


wie diejer, falls der Papft auf neuer Poftulation bejtehe, die 
Halberftädter Kirche zu verteidigen gedenfe. Daraufhin jagte der 
Herzog wieder in allgemeinen Ausdrüden feinen Schug zu, fors 
derte aber zunächſt noch weitere Maßregeln des Papſtes, um das 
Kapitel wirklid) zu einer Neuwahl zu drängen. 

Das Kapitel hatte das päpftlihe Breve vom 30. Juli jofort 
durch eigene Gejandte in Wolfenbüttel vorlegen und fragen laffen, 
was fie nun thun follten. Herzog Julius erinnerte fie an ihr 
früheres Verſprechen, „bis zum äußerften‘ an ‚der Poftulation 
feines Sohnes fejtzuhalten. Zum Beweis, daß diefer zu einem 
tüchtigen Biſchof erzogen werde, ließ er ihn, in Gegenwart der 
Gefandten, aus der lateiniihen Grammatik und aus Luthers Ka— 
tehismus  eraminieren, und naher den Geſandten durch feine 
Räte auseinanderjegen, ihr Poftulierter habe für fein Alter genug 
gelernt; das Kapitel möge nur dem Bapfte nochmals ausführlich 
die Gründe vortragen, welche fie zu diefer Poftulation bewogen. 
Gleichzeitig beihmwerte fi Herzog Julius bei dem Nuntius Grop= 
per über das Breve vom 30. Juli und ftellte in Ausfiht, daß 
er jeinen Sohn ſpäterhin auf eine fatholiihe Univerfität jenden 
werde. Das Kapitel richtete nun mwirklih, am 26. Dftober 1574, 
ein langes Schreiben an den Papft, worin fie ihre Poſtulation 
damit rechtfertigten, daß fie nur durch Anpaſſen an die Verhält- 
niffe ven fatholiihen Kult und die Autorität des römiſchen 
Stuhles in ihrer Kirche hätten erhalten können; der Papft möge 
daher ihre Poftulation wenigftens jo lange dulden, bis der Poſtu— 
lierte herangewachſen. 

Erft Anfangs Mai des folgenden Jahres (1575) erfolgte eine 
Antwort von Rom, welche in den jchärfiten Ausdrüden und unter 
Strafandrohung den Befehl wiederholte, einen geeigneten Biſchof 
zu wählen oder zu poftulieren, und zwar binnen acht Zagen nad) 
Empfang des Breves. Nah langem Befinnen hatte man damit 
den Rat des Nuntius Porzia und mittelbar aud des bayrijchen 
Herzogs befolgt, welche ihrerjeit3 wieder von Hildesheim aus be= 
raten waren; Horneburg und Störnlein waren nämlich der Anficht, 


368 Fünftes Buch. Viertes Kapitel. 


die Halberftädter Dombderren jelbit wünſchten, daß von Rom aus 
veht in fie gedrungen würde, damit fie fih um fo eher gegen 
Herzog Julius entihuldigen könnten; einer neuen Provifion durch 
den Bapft, meinte Körnlein, würden fie fi) willig fügen, nament= 
lid) wenn man ihnen für die Zukunft ihr Wahlrecht laſſe, während 
man fie zu neuer Poftulation nicht jo leicht bringen werde. Ende 
Mat befand ſich das neue Breve bereits in Porzias Händen, 
wurde aber erjt im September weiterbefördert, nachdem Herzog 
Albrecht fih zuvor in Hildesheim und Halberftadt erfundigt, ob 
man dort feine Überreihung für ratfam halte. Dies war be 
jaht, dem Herzog aber zugleich bedeutet worden, er möge vor 
allem beim Kaiſer unterbauen, denn deflen Rat würden die Dom: 
herren jedenfalls einholen und befolgen. Das war freilich nicht 
nad Herzog Albreht3 Sinn; — mie war zu denken, daß Kaiſer 
Maximilian gutwillig die Hand dazu bieten würde, einen ihm jo 
ergebenen Fürften wie Herzog Julius ſchwer zu beleidigen und zu 
ihädigen, oder aud daß es ihm vecht fein werde, wenn jich der 
Papſt herausnahm, über ein Reihsfürftentum zu verfügen! Doch 
ſchrieb Herzog Albrecht menigitens an den faiterlihen Geheimrat 
Dr. Vieheuſer, feinen gebovenen Unterthan und ehemaligen Kat, 
um durd) ihn den Kaifer zu veranlafien, daß diefer die Doms 
fapitularen entweder zum Gehorfam gegen ihre geiftliche Obrigkeit 
ermahne, oder ihnen wenigſtens eine Neuwahl nit widerrate. 
„Denn“, fügt der Herzog bei, „da der jekige Poftulierte zu 
feinen Jahren und Poſſeſfion diejes Stiftes kommen fol, ift zu 
bejorgen, das Stift werde wie andere mehr gar gefreſſen und 
ver Katholicismus daſelbſt allerding ausgetilgt.‘‘ Dr. Vieheuſer 
veriprad) fein Beftes zu thun, gab aber wenig Hoffnung; er fürchte, 
Herzog Julius werde, wenn er das Geringite merke, Feind und 
Freund anrufen, und daraus. gefährliche Weiterung entjtehen, an 
der dann der bayriihe Herzog die Schuld tragen müſſe. Das 
Kapitel Hätte billig die Sache vorbedacht haben jollen. 

In der That war der Sohn Heinrich des Jüngeren nicht der 
Mann, der jich jo leicht einshüchtern lief. Als ihm das Domkapitel 


Gregor XIII. und die niederdeutſchen Hodhftifter. 869 


Kopie des neuen Breves mitteilte und dabei äußerte, nun bleibe 
ihnen nichts übrig als zu geboren, der Herzog möge freiwillig 
zurüdtreten, — da ließ diefer ihnen durch eigene Geſandte erflären, 
das Breve ſei erichlichen (sub- et obreptitie ausgebradt); denn 
3 ſei nicht wahr, daß fein Sohn von häretiihen Eltern und 
Lehrern erzogen werde, auch jei derjelbe nicht mehr minderjährig 
fondern bereit3 13 Jahre alt, vom Kaifer zum Rektor der Univer: 
fität Helmftädt ernannt, als Boftulierter bezeichnet u. f. w. Er 
mahnte die Kapitularen wieder an ihre frühere Zufage, von der fie 
fich durch leere Drohungen nicht abſchrecken lafjen follten. Auch 
andere Erzbiihöfe und Biichöfe, wie die von Magdeburg, Bremen, 
Osnabrück, Verden, jeien trotz bermeigerter Konfirmation im 
ruhigen Befig ihrer Stifter geblieben; „es wäre denn, daß viel— 
leiht der Stern den roten und gelben Löwen nicht jo wohl als 
den blauen und weißen jcheinen möchte.‘ — Die Domberren 
thaten zwar, al3 verftünden fie Diefe Anipielung nit, mußten 
aber recht gut, wer die beiden Löwen waren; hatte doch Herzog 
Julius ſchon vor einigen Monaten vor den Praftiten, welche gegen 
fein Haus angefponnen würden, fie warnen laſſen. — Zum Schluß 
forderte der Herzog das Kapitel auf, nochmals nad Rom zu ſchrei— 
ben und a Pontifice male informato ad melius informandum zu 
appellieren. Das Kapitel erflärte das zwar für eine überflüffige 
Formalität, erfüllte fie aber doch und zwar in einer Weile, welche 
den Streit faft ins Lächerliche zog. So ericheint unter den 
Gründen, weshalb Alter und Erziehung des BPoftulierten feiner 
Konfirmation niht im Wege ftehen dürften, aud der Sprud): 
„Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge haft du dir dein 
Lob bereitet, o Herr”, — und fogar folgende Verdrehung eines 
Bibelmortes: „Gott, mwelder dem BPoftulierten Heinrih Julius 
das Wollen gab Bischof zu fein, wird auch das Können geben.‘ 
Meniger frivol aber faum aufrihtiger Hang das Verſprechen, der 
junge Herzog folle nad) beendigtem Rektorat auf die Univerfität 
Köln geſchickt werden. In Wahrheit von Gewicht war nur ein 


an letzter Stelle genanntes Motiv: wenn der — nicht nach⸗ 
Lo ſſen, Köln. Krieg J. 


370 Fünftes Bud. Viertes Kapitel. 


gebe, drohe dem Stift die äußerſte Gefahr, denn Herzog Julius 
werde nicht gutwillig auf die Poftulation verzichten. 

Zwar blieb Horneburg aud) jegt noch bei feiner Behauptung, 
e3 ſei der Mehrheit des Kapitels nicht wirklich darum zu thun ihren 
Poftulierten beizubehalten, der Papft möge ihnen nur den Scheffet 
vollmeifen, das Außerfte, d. h. die Erfommunifation, androhen, 
dann werde man jchlieglich zum gewünſchten Ziel gelangen; aber 
in Rom, wo Ende Dezember 1575 ein eigener Gejandter des 
Kapitels mit deſſen Appellation eintraf, jah man jegt ein, daß 
man einen jonft gerne vermiedenen Fehler begangen hatte, indem 
der Papft unter Strafandrohung etwas befahl, das zu erzwingen er 
nicht die Mittel befah. — Am 10. März 1576 wurde der Ge- 
jandte des Kapitel3 mit einem neuen Breve entlaffen, welches den 
Rückzug kaum verhüllte. Der Papit vernehme gerne, hieß es 
darin, das Anerbieten des Kapitel® und des Waters des Poſtu— 
lierten jelbit, diefen nah Rom oder auf eine andere fatholifche 
Univerfität zu jenden. Heinrich Julius möge alfo nah Rom 
fommen; inzwiſchen wolle er, der Papſt, jemanden aus dem Ka— 
pitel mit der Verwaltung des Bistums betrauen; thue aber das 
Kapitel feine Pflicht nicht, jo werde er jelbit die jeine gewiß, nicht 
verſäumen !). Ä 

Auch Herzog Albrecht hatte, jchon ehe er von dieſem Breve 
wußte, den Rüdzug angetreten. Man habe, jchrieb er am 
16. März 1576 an den Nuntius Porzia, ihn fälſchlich berichtet, 
das Kapitel ſelbſt wünjche feine frühere Poſtulation vernichtet zu 
jehen; da dem nicht fo jei, wolle er nichts mehr mit der Sade zu 
thun haben 2). Ähnliche Weifung war ſchon zuvor dem Drator 
in Rom zugegangen. Dod gab man in Münden noch nit alle 


1) Theiner II, 176. Das daſelbſt p. 175 abgebrudte viel ſchärfere 
Breve vom 11. Februar ift wohl einem nicht gut befundenen und barum 
nicht benutzten Konzept entnommen. 

2) Herzog Albrechts Schreiben an Porzia bei Theiner II, 32 irrtiim- 
ih ins Jahr 1575 (ftatt 1576) geſetzt; Konzept von Fend RA. Halberftabt 
I, 167. 


. Gregor XIII. und bie nieberbeutfchen Hodhftifter. 871 


Hoffnung auf; als der Kanzler Nun bald darauf nad Münden 
fam und beftätigte, daß feinesfalls auf eine neue Poſtulation des 
Kapitels zu rechnen fei, weil die Domberren als Deutihe von 
Adel duch ihr Wort ſich gebunden fühlten, kam Herzog Albrecht 
auf den Weg zurüd, den er früher nicht betreten ſehen wollte: 
Provifion jeines Sohnes durch den Papft. Aber aud) dieſes 
Projekt vereitelte zuletzt Kaiſer Maximilian. Im Mai 1576 
erihienen zu Halberftadt Braunſchweiger Näte mit einem kaiſer— 
lichen Indult, welches den jungen Poftulierten auf zwei Jahre 
mit der weltliden Dbrigfeit im Stift belehnte. Man wollte 
wifjen, das jei der Dank dafür, da Herzog Julius dem ſtets 
geldbedürftigen Kaifer ein Darlehen bon 50,000 XThalern ver- 
jproden habe. Das Indult wurde freilich, weil es der Kapitu- 
lation offen widerſprach, einftweilen nicht buchftäblih ausgeführt, 
jondern zwiſchen Herzog und Kapitel ein neuer Vertrag (Ende 
Mai) abgeihlofen, wonach diejes auch fernerhin die Adminiſtra— 
tion behielt; die Stiftsunterthanen mußten jedoch ſchon im vor— 
aus dem Poftulierten huldigen. — Nun erft gab Herzog Albrecht 
die Hoffnung auf, Halberftadt für jein Haus zu erwerben und der 
fatholiihen Kirche zu erhalten ?). 





In denjelden Tagen, da man in Rom dur die Ankunft des 
Halberftädter Geſandten die verzweifelte Lage der dortigen Kirche 
erfuhr, erſah man aus der Anfrage der münfterfhen Senioren 
bom 22. November 1575, daß aud Stift Münfter, bisher als 


1) 29. Juni 1576 ſchreibt Herzog Albrecht aus Grefenthal an Köcnlein 
(Kpt. Eljenheimer RU. Halberftabt I, 191): „Wie uns gebinfen wil ... 
wirbet e8 umb benjelben ftift nunmer nachent getan und berfelb wie andere 
mer mit ber zeit gar prophanirt werben, baran dz capitel felb gutes tails 
ſchuldig; und pflegt alſo allen denen fo irer orbentlichen geiftlichen oberfeit 
die ſchuldig gehorſam nit laiften zu gen... . Aber wie dem, fo haben bie 
catholifchen big und anders mer, fo ber almechtig verhengt, jetiger zeit bil 
- leichter zu Hagen dan zur wenden, dahin wir e8 unſers tails, bis der al- 
mechtig einmal böfferung ſchicket, auch ſtellen.“ 

24 * 


83172 Fünfte Bud. Viertes Kapitel. ® 


eine feite Burg der römischen Kirche in Deutihland angejehen, in 
Gefahr ftand, einem gefürdteten Gegner in die Hände zu fallen. 
Darüber, daß der Bremer Erzbiſchof nit zuzulafen, war man 
am päpftlihen Stuhl nit im Zweifel; aber die Frage, ob Herzog 
Ernſt von Bayern genehm, mochte man nicht ebenio direkt mit Ja 
beantworten. „Unſere Meinung ift‘, beißt e3 in der vom 
28. Sanuar 1576 datierten Antwort des Papftes an die Se— 
nioren, „daß wir einer Poftulation des vormals für die Kirchen 
bon Bremen und Dsnabrüd poftulierten Heinrich Teineswegs zu— 
ftimmen wollen. Vieles bewegt uns dazu, darunter nicht am 
wenigiten, dab derjelbe von dem apoftoliihen Stuhl niemals irgend- 
eine Beltätigung für feine Poftulation erbeten hat. Was für 
einen Hirten wir aber von euch erwählt wünſchen, haben wir eud 
jüngft gefchrieben [nämlid) in dem bon Herzog Ernſt mitgenom- 
menen Brebe vom 17. Dezember] und deuten es auch jegt kurz 
an: wählet den Sohn irgendeines fatholiihen und dieſem heiligen 
apoftoliihen Stuhl ergebenen Fürften“ u. ſ. w. — Dieſe ge 
ſchraubte Antwort erflärt ſich durch die Rüdfiht, welhe man in 
Rom nod immer auf den öÖfterreihiichen Erzherzog nahm. 

Die Schwierigfeiten, melden die bayriihe Bewerbung um 
Münfter fortwährend begegnete, hielten in Erzherzog Ferdinand 
die Hoffnung wach, dab das Stift ſchließlich doch noch für feinen 
Sohn Andreas zu gewinnen fei; vermutlih auf Anregung des 
wieder in Rom vermweilenden Frater Sporeno ſchickte Ferdinand 
zu dieſem Zweck zu Ende des Jahres 1575 feinen Rat Dr. Joh. 
Chryſoſtomus Hochſtetter zum Nuntius Gropper und zu Herzog 
Wilhelm von Fülih. Was Gropper antwortete, wiſſen wir nidt; 
am Hofe des Herzogs aber gab man fi alle Mühe, dem Ey: 
herzog jede Hoffnung zu nehmen: trotz der erfolgten Spaltung, 
hieß es in dem zu Hambadh am 12. Januar dem Gefandten cr- 
teilten Beicheid, jeien die Dinge nody im vorigen Stand; auf 
jeden Fall aber jei der Herzog entihloffen, feinen Sohn nicht 
eher von der Poftulation abtreten zu lafjen, bis man feinem Be: 
gehren willfahrt. 


Gregor XIII. und bie niederdeutſchen Hodftifter. 873 


Kaum minder deutlich, wenn auch in der Form weniger Ihroff, 
lauteten die Erklärungen, welche der Herzog (auf Grund einer 
neuen Verabredung Heinrih3 von der Rede mit dem Dom— 
dechanten) zur jelben Zeit nah Münſter und nad) Rom gelangen 
ließ. Das Domkapitel wurde ernftlih vor den Gefahren gewarnt, 
welche aus der Abfonderung der Junioren von den Prälaten ent 
ftehen könnten; ſei fein Vergleich möglih, jo jolle fein Sohn 
jo lange Poſtulierter bleiben, als dies der päpftlichen Hei— 
figfeit gefällig; das Kapitel möge fih aljo mit ihm um Jo— 
hann Wilhelms Konfirmation bemühen. Zugleih erging an jeden 
der Dombherren, melde fi zu Dülmen für Bayern erklärt hatten, 
ein Danf= und Aufmunterungsichreiben, während die bremiiden 
Botanten, namentlich berzoglihe ‚Unterthanen, wie der Senior 
Johann von Nagell und feine jungen Vettern Jörg, Lulas und 
Matthias, Autger von Asbed, die Gebrüder Elverfeld, der Vize 
dominus Bernhard von Büren und Bernhard von Heiden, dur 
vornehme jülichcleviihe Hofleute und Adelige zur Rede geitellt 
und für die Zukunft zu befjerer Haltung aufgefordert wurden. — 
Dieje durch mehrere Monate ſich hinziehenden Beiprehungen hatte 
aber faum einen anderen Erfolg, als daß man am Jülicher Hofe 
genauer erfuhr, wie die Dinge beim Martini-Sapitel verlaufen und 
daß an der Spaltung der Statthalter Wefterholt die meifte Schuld 
trug. Der andere bisherige Führer der Majorität, Hermann 
bon Diepenbroid hatte im Dezember feinen Kapitelplatz vefigniert, 
der dann wieder einem bremiſch Gefinnten, Bernhard von Weiters 
holt, zufiel. 

Dem Papfte ftellte Herzog Wilhelm (aus Hambach, 12. Ja: 
nuar) den bisherigen Verlauf der Poſtulationsſache jo dar, als 
babe er von Anfang an hauptſächlich im Intereſſe der katholi— 
ihen Kirche den Adminiftrator von Freifing als Nachfolger 
jeines Sohnes auserjehen, weldhe Wahl Prälaten und Senioren 
— seniores und zugleich saniores — gebilligt, während die 
Junioren von Herzog Ernft wegen feines allzu großen Eifers für 
die fatholiihe Religion nichts wiſſen, fondern einen ihren Sitten 


374 Fünftes Bud. Viertes Kapitel. 


beifer entiprechenden Negenten haben wollten, unter dem fie ein 
freiere3 Leben führen Fönnten. Der Papſt möge alfo dieſen Junio— 
ren befehlen, ihren Prälaten und Senioren beizupflichten, widrigen= 
fall3 er Johann Wilhelms Poftulation von neuem beftätigen und 
feine Refignation nicht zulafien werde. — Auf Wunſch des Herzogs 
bon Jülich befahl auch Herzog Albrecht feinem Drator in Rom, 
diejes Geſuch aus allen Kräften zu unterftügen. Wirkſamer nod 
war die Hilfe, welche von jpaniiher Seite fam. Requeſens, die 
gefürftete Gräfin von Arenberg !), und jogar König Philipp jelbft 
hatten vor dem Martini-Slapitel auf Betreiben des Herzogs bon 
Jülich den münfterfhen Statthalter aufgefordert, für den dem 
fatholiihen König genehmen Herzog von Bayern fi zu bemühen; 
nachdem der Zwiejpalt in Münfter ausgebrochen, jchrieb Requeſens 
wieder nad) Rom und riet, ganz übereinftimmend mit den Wün— 
ihen der bayriihen Partei, der Papſt möge feinen Nuntius 
Gropper nah Münfter ſchicken und einftweilen die Nefignation des 
Poſtulierten nit zulaſſen. 

Am 3. Februar überreichten Hammerſtein und Fabricius dem 
Papſte das Schreiben des Herzogs von Jülich; am nächſten Tage 
ihon (4. Februar) wurde an das münfterjhe Domkapitel (nicht 
wieder an die Senioren allein) ein neues Breve ausgefertigt, 
welches die Junioren aufforderte, ihren Senioren nadhzugeben, da 
diefe, gemäß den früheren Breven vom 17. Dezember und 28. Ja: 
nuar, den Sohn eines mächtigen fatholiihen Fürften, jene aber, 
ohne Zweifel aus jugendlicher Unerfahrenheit, einen ungeeigneten 
poftulieren wollten. Der Papft wiederholte, daß er feinen fon= 
firmieren werde, deſſen Water nicht katholiſch, auch werde Johann 
Wilhelm, wider feinen, des Papſtes Willen auf die Poſtulation 
nicht verzichten. — Diesmal war alfo weder der Bremer Erz: 
biihof no Herzog Ernft mit Namen genannt, wenn auch auf 
beide deutlich genug hingewieſen; von Wichtigkeit aber war, daß 





1) Wefterbolt hatte, wie e8 beißt, vormals in einem Dienftverbältnis zu 
ihr geftanben. 


Gregor XIII. und bie niederdeutichen Hochſtifter. 375 


in dieſem Breve zuerft Johann Wilhelms Poftulation wenigſtens 
indirekt beftätigt wurde, allem Anjchein nad; infolge der Ratichläge 
des in Rom hochangeſehenen Statthalters Requeſens und feines 
Bruders, des ſpaniſchen Botſchafters. 

Das Breve vom 4. Februar wurde direft nad Köln an den 
Nuntius Gropper gejandt, mit dem Befehl, es perjönlid in Mün— 
fter zu überreihen. So kam es eher in Groppers Hände ala 
das über Münfter gejandte Breve an die Senioren, und aud) 
eher al3 das von Herzog Ernſt mitgenommene vom 17. Dezem: 
ber. Am 18. März erihien Gropper nebſt feinem Gehilfen 
Dr. Nikolaus Elgard in Münfter, wo fie fi drei Zage lang 
alle Mühe gaben, den Dombherren die Zuſage abzuringen, daß fie 
auf die Wahl des Bremer Erzbiihofs, als eines nicht von fatho= 
liſchen Eltern geborenen Fürften, verzichten wollten. Die faft 
vollzählig anweſende Seniorenpartei jtimmte dem Nuntius bei, 
daß Heinrid) von Lauenburg durch das Breve deutlich) genug aus: 
geichloffen und fie als geiftlihe Perjonen verpflichtet jeien, ihrer 
geiftlichen Dbrigfeit zu gehorchen; dagegen verſicherten die Führer 
der Junioren, der Burjener Bernhard Schmijing und der Statt: 
halter Welterholt, zwar au, fie wollten dem Papſte gehorjam 
bleiben und einen katholiſchen Fürften poftulieren, meinten aber, 
e3 könne recht wohl jemand jelbit katholiſch jein, wenn auch feine 
Eltern das nicht jeien; Erzbiſchof Heinrich ſei aber, wie fie nicht 
anders wühten, Fatholiih, fer al3 folder in anderen Stiftern (zu 
Osnabrück) poftuliert worden, habe Profeſſio fivei geleiftet, fatho- 
liſche Sakramente empfangen u. j. w. Gropper gab zu, daß 
Heinrid in der That zweimal durch Lorenz Schrader um feine 
Konfirmation nahgefuht und Profefjio fidei angeboten habe, jedod) 
mit einer SKlaufel, welche nicht angenommen werden fonnte; 
daraufhin ſei Schrader wiedergekommen und babe gefagt, „Sein 
Herr wolle e3 bleiben lafjen‘. 

Ein viel gemwichtigeres Motiv für Rom, den Bremer Erz: 
biſchof nicht zu beftätigen, war erjt neuerdings hinzugekommen: 
am 25. Dftober vorigen Jahres Hatte fid) Heinrih zu Hagen im 


376 Fünfte Buch. Viertes Kapitel. 


Lande Bremen durch einen evangeliihen Prediger in aller Form 
ehelich trauen laffen. — Als Student zu Köln wohnte Heinrid) 
mit jeinem jünger Bruder im Haufe des Profeffors und Stadt- 
iyndifus Dr. Konrad Begdorp. Hier fing er mit deifen Mündel 
Anna von Broich, der Tochter eines bormaligen Kölner Bürger: 
meifters, ein Liebesverhältnis an und lebte mit ihr nachher auf 
jeinen Schlöſſern im Bremiihen. In der Urkunde über die 
Trauung, welde der Schloßprediger Gade nebfl vier Zeugen aus— 
itellte, heißt e3, der Erzbiihor habe ihm als jeinem Baftor und 
Beihtvater zu erkennen gegeben, daß er die Gabe der Keujchheit 
nicht befige, daher, um dem Zorn und der Strafe Gottes nicht 
anheimzufallen, in die Ehe treten wolle. Er, der Prediger 
babe diefen Entihluß gebilligt und die Trauung nad) den Ord— 
nungen der Kirche mit Jawort, Handſchlag und Trauringen voll 
zogen. Natürlih wurde diefe Zrauung geheimgehalten, jo daß 
Gropper gleich manchen anderen Leuten nur gerüchtmweife darum 
mußte und amtlich gegen den Bremer Erzbiihof feinen Gebrauch 
davon machen konnte). Daß der Grund, auf welden hin er 
fih in Münfter gegen Herzog Heinrich erklärte, deſſen Abftammung 
bon unlatholiihen Eltern, nicht ftihhaltig ſei, ſah Gropper felbft 
wohl ein; auf ihn Hin hätte 3. B. auch dem Mindener oder dem 
Straßburger Biihof die Konfirmation verweigert werden müſſen. 
1) Wiedemann a. a. O, ©. 177; vgl. Kobbe I, 318f. Ennen 
V, 70, Anm. 1. Nah Gelenius 1. c., p. 639 war Annas Bater Heinrich 
von Broih viermal Bürgermeifter, in ben Jahren 1542/1551. — Schon 
am 21. Dezember 1575 fchreibt der kölniſche Kanzler Burkhart an Elfen- 
heimer (RA. Münfter II, 518): „Es bat fi, ut dieitur, mit ainer furft« 
fihen perfon ecclesiasticae administrationis, feit wir in Regensburg ge 
weſen, ain jelzame mutation begeben, mihi quasi incredibilis. Si praesens 
plura.“ Nach dem Zufammenhang gebt das eben auf Erzbiſchof Heinrich. 
Genaueres berichtet Dandorf aus Düſſeldorf 10. März 1576 an feinen 
Herzog (RA. Münfter III, 87): „Dan fovil den erzbifhove zu Bremen be- 
trift, der ift nicht allain er profefjo Iutherifch, fonder es geet bie jag bißer 
orten, fonderlih am bieigen hof für gewiß, wie fich der zu ainer burger- 
meifter8 tochter von Köln verheurat, bie er albereit bei ime auf ainem bes 
erzftift8 hauſe figent, mit ir auch, wie ich glaubwurbig bericht, gleihwol in 
der ftil ſchon intronifirt und ehelich eingelait worben.“ 


Gregor XIII. und die nieberdeutfchen Hochſtifter. 877 


Die Juniorenpartei machte gegen Gropper geltend, daß das 
Breve vom 4. Februar den Erzbiſchof nicht nenne, ihnen aber 
eine Deklarierung des Breves nicht zufomme. Man folle aljo von 
Rom fpezielle Erklärung fordern, welchen von beiden Bewerbern, 
den Bremer Erzbifhof oder den Freifinger Biſchof, der Papft bes 
ftätigen wolle. Die Senioren ftimmten zu, ohne mit einem Wort 
zu verraten, daß fie jelbit jchon im November vorigen Jahres 
diefe Frage an den Bapft gerichtet hatten. Ferner willigten fie 
ein, dab Herzog Wilhelm neuerdings aufgefordert und auch der 
Papft gebeten werde, den Poftulierten refignieren zu laffen, damit 
man zu neuer Poftulation ſchreiten könne. Das Schreiben des 
Kapitel3 an den Papft (dat. 20. März) zeigt die Spuren des 
dorausgegangenen Disputs: Sie feien zwar alle bereit, heißt es 
darin, einen fatholiihen Fürften zu poftulieren, doch ſcheine es 
einigen bon ihnen zu genügen, wenn der Betreffende für jeine Per- 
fon fatholif, wie dies bei dem Poftulierten von Bremen und 
Denabrüd der Fall fei; dagegen wollten die meiften Senioren 
lieber den Sohn des bayriihen Herzogs poftulieren. Um alfo 
den Übeln einer zmwiejpältigen Wahl vorzubeugen, möge der Papft, 
unbejchadet ihrer Privilegien und Gewohnheiten, erklären, weſſen 
Poſtulation er, falls einer von diejen beiden Herren poftuliert 
werde, lieber beftätigen wolle. Hierzu jei aber vor allem nötig, 
daß dem jungen Herzog von Jülich geftattet werde, auf feine Po— 
ftulation zu verzichten. 

Biel rückhaltloſer als über den Papft äußerten die Junioren, 
Dr. Gropper gegenüber, ihren Verdruß über Herzog Wilhelm und 
die Senioren. Es ehe aus, jagte Wefterholt u. a., als wolle 
man die Poſtulation erblih machen und das Kapitel zu einer 
Voftulation zwingen. Den Bwieipalt hätten die Senioren ver— 
ſchuldet, indem fie ſich verabredet, felbft wider den Willen der 
anderen, den Freifinger Biſchof, der fein Nahbar, zum Biichof 
zu machen; die von Raesfeld wollten das Regiment allein 
haben. 

Nah Köln zurüdgefehrtt, traf Gropper bier den joeben 


878 Fünftes Bud. Viertes Kapitel, 


vom Paderborner Neuhaus wieder angelangten bayriſchen Rat 
Hans Jakob von Dandorf, welcher ihm die beiden älteren Breven 
vom 17. Dezember und vom 28. Januar überreihte. Dandorf- 
war Ende Februar an den Niederrhein gejchieft worden, meil 
Kurfürft Salentin, anftatt weiterer Antwort auf Herzog Albrechts 
Schreiben vom vorigen November, verlangt hatte, der Herzog jolle 
wegen der Stifter Köln und Müniter eine vertraute Perſon zu 
mündliher Beiprehung jenden. Da man in München noch immer 
annahm, es jei Salentin nicht recht Exnft mit dem Rücktritt von 
Köln, fondern mehr um Münfter zu thun, jo war Dandorf bes 
auftragt, hauptjächlic auf Feſtſetzung einer gewiſſen Zeit für die 
Nefignation zu drängen, wegen Münfter aber auf nichts Verbind— 
liches ſich einzulaffen. In Düffeldorf billigten die anmejenden 
Räte (Drsbed, Schwarzenberg, Gimnich, Langer), dann aud der 
Herzog ſelbſt dieſe Inſtruktion und meinten, bei ernftlichem Be: 
treiben werde man, wenn aud mit einigem Verzug, nicht nur in 
Münfter zum Ziele kommen, jondern fid) dadurch fogar den Weg 
nad Köln erleichtern. Doch trat damals aud ein Ratſchlag 
anderer Art an Dandorf heran; er kam von dem Herrn von 
Rheidt, Dit von dem Bylandt, dem wir bei den Verhandlungen 
über Johann Wilhelms Koadjutorie wiederholt begegnet find. In 
einem Briefe an den Kammerſekretär Langer bot ſich dieſer eben 
jegt als Vermittler an, um dem Freifinger Biſchof das Erzſtift 
Köln zu verichaffen. Er behauptete einen eigenhändigen Brief 
Salentins gelefen zu haben, worin dieſer erkläre, daß er ohne 
Wiſſen und Willen des Bremer Erzbiihofs die Kurwürde nie: 
manden refignieren werde. Beide Herren, meinte Rheidt, feien 
einander jo verftrict [verbunden], daß einer ohne den andern 
nicht3 thun könne oder wolle. Rheidt machte ſich nun anheiſchig, 
durd) ein paar Vertraute des Bremer Erzbiſchofs, von denen er 
diefe Dinge erfahren, e3 dahin zu bringen, dag Heinrich und feine 
Anhänger im Kölner Kapitel dem bayriichen Herzog ihre Stimmen 
gäben, wogegen diefer nur dem Bruder des Erzbischofs das Stift 
Hildesheim, „oder dergleihen Heinen Stüde eines‘ zu überlafjen 


Gregor XII. und die niederdeutſchen Hochftifter. 379 


braude. Nah Ditern, wenn Salentin zu Neuhaus fei, Heinrich 
aber auf der Iburg, Fönnten diefe Dinge auf dem in der Mitte 
gelegenen Sparenberg (bei Bielefeld, wo Rheidt Amtmann war) 
jehr bequem abgemadht werden. — Ohne Zweifel hatte der Herr 
von Rheidt diefe Dinge von beteiligter Seite felbit erfahren, und 
zwar in der Abjicht, ihn als Mittelsmann zu benugen; man wird 
zunächſt an Lorenz Schrader zu denken haben, Herzog Heinrichs 
Faktotum in der münfterihen Wahljache, mit welchem Aheidt von 
früherher befannt war. „Das Heine Stüd‘ aber, auf welches 
Bayern verzichten follte, war natürlich nicht etwa Hildesheim, 
fondern eben Stift Münfter. 

Als Dandorf aht Tage jpäter (am 18. März) zu Kurfürft 
Salentin nah Neuhaus kam, entwidelte ihm diefer ganz rüdhalts- 
103 feinen köln-münſterſchen Plan: er habe vor, bereit3 am 1. Sep- 
tember diejes Jahres zu refignieren, um fi zu verheiraten, und 
jei feſt entihlofjen, dem Freiſinger Aominiftrator nah Köln zu 
verhelfen; er ſprach jodann eingehend über Mittel und Wege, wie 
man das Kölner Kapitel und die einzelnen Kapitularen gewinnen 
önne; einen SKapitelplag 3. B. könne fi) Herzog Ernſt durch 
Refignation des geiftesihwahen Grafen Wilhelm von Reiffericheid 
verichaffen. Zwar hätten ihm die proteftantiihen Stände mehr 
al3 100,000 Kronen geboten, wenn er dem Bremer Erzbiichof 
nad Köln verhelfe, aber das verbiete ihm fein Gewiſſen, da der- 
jelbe in der Religion nicht sincerus fei. Stift Münfter dagegen, 
mo Herzog Heinrid) bereitS 22 (?) Stimmen babe, folle man 
demfelben überlajjen; Herzog Ernſt pafje auch nicht dahin, „denn 
e3 feien ſeltſame, grobe, wandelbare Leute, ſowohl unter den Dom: 
herren al3 unter Amtleuten und Ritterihaft, die um einen jungen 
Herrn, der ihrer Gebräuche nit erfahren, nicht viel gäben und 
jelbft Herren fein wollten‘. Durch Verzicht auf Münfter werde 
Ernft jih Stimme und Einfluß des Bremer Erzbiſchofs bei der 
Kölner Wahl fihern. Anfangs April wolle er, der Kurfürft, eine 
Reife nad) Italien und Spanien machen, zubor aber periönlich 
mit dem Herzog von Jülich über diefe Dinge reden und aud) 


3830 Fünftes Bud. Bierted Kapitel. 


nah Münden kommen. — Dandorf verfprad über alles zu be= 
richten und ging dann zunächſt wieder nad Düfjeldorf, wo man 
beichlog, zwar, gemäß Salentins Rat, mit den Kölner Domlapi— 
tularen in Verhandlungen zu treten, aber, trotz demielben, die Be— 
werbung um Münfter ernſtlich fortzufegen. Herzog Albrecht könne 
fi) bei Salentin durch Verweiſung auf den Herzog von Jülich, 
das münfterfhe Kapitel und den Papft entidhuldigen, den Bre— 
mer Erzbiihof aber zwiſchen Furcht und Hoffnung in der Schwebe 
balten. 

Eben war Dandorf von Düffeldorf abgereift, al3 der Nuntius 
Gropper dort eintraf, um über feine Verhandlung in Münfter zu 
berichten. Er war perjönlich der Meinung, dag man die beiden 
ihon jo alten Breven zurüdhalten und neue Antwort von Rom 
abwarten folle. In Düfjeldorf aber fand man für ratſam, wenig- 
ftens das Breve an die Senioren (vom 28. Januar), welches den 
Bremer Erzbiihof mit Namen von der Konfirmation ausſchloß, 
noch nadhträglich abzugeben. Gropper machte ſich alfo Anfangs April 
mit Elgard zum zweitenmale auf nah Münfter, wohin er zugleich 
eine Antwort des Herzogs auf das letzte Schreiben des Kapitels mit- 
nahm: — der Herzog wiederholte feine frühere Forderung, das Ka— 
pitel ſolle jich vorerft über eine wohlgeeignete Perſon vergleichen, 
dann wolle er jie ungern an neuer Wahl hindern . Gropper 
fand jedoch bei feiner Ankunft in Münſter (4. April) die allge 
meine Stimmung noch ungünftiger für Bayern als das erfte 
Mal. — Das war zunächft bewirkt worden durd) eine aus fieben an= 
gejehenen bremiſchen und osnabrüdiichen Domherren und Räten be= 
ftehende Geſandtſchaft, welche vor einigen Tagen (amı 29. März) 
in Münfter in aller Form erklärt hatte, ihr Herr wolle fih auf 
die ihm beim Martini-Sapitel des letzten Jahres angebotene Kapi— 
tulation und Poftulation als auf eine göttliche Fügung einlafjen, 


1) Schärfer hatte Herzog Wilhelm bereit8 einige Wochen vorher gegen 
Abgeorbnete der münſterſchen Regierung ausgefproden, baß er unb ber 
bayrifche Herzog ihrer Reputation wegen von der Poftulation nicht abſtehen 
tünnten. 


Gregor XIIL. und bie nieberbeutihen Hochſtifter. 381 


und jei bereit zu geloben, daß er das Stift Münfter bei der 
orthodoren latholiſchen Religion handhaben, nichts was er vorfinde 
ändern, den größern Zeil des Jahres im Stift oder in der Nähe 
tefidieren werde u. f. m. Zwar hatte das Sapitel nad) langer 
Diskuffion beſchloſſen, zur Zeit auf diefen Antrag nicht einzugehen, 
weil man zubor die alte Poftulation wieder in Händen, aud) Ant- 
wort vom Papfte haben müſſe; aber auf die einzelnen Domherren 
hatte die Gefandtihaft ohne Zweifel großen Eindrud gemadt. 
Die Gejandten aus beiden Stiftern rühmten Heinrihs Perſon 
und Verwaltung ganz ungemein: „in vielen Fahren‘, fagten fie, 
„ſeien fie unter feinem Herrn jo ſtattlich geſeſſen, wie unter 
dieſem“. Solches Lob wog beionders jhwer aus dem Munde 
bon Leuten, die wie der Dsnabrüder Senior und Thejaurar Kon— 
rad von Setteler oder der Droft zu Iburg Gerd von Ledebur 
jelbft der münſterſchen Ritterfhaft angehörten. Im Domtapitel 
fielen damals bereit3 Worte, welche zeigten, daß man anfing, ſich 
von Rom zu emanzipieren. Das päpftlihe Breve, fügte u. a. 
Weſterholt, jei den Konlordaten der deutſchen Nation zumider; 
denn man wolle dem Kapitel vorichreiben, was für eine Perſon 
e3 poftulieren jolle; die Erklärung des Herzogs von Jülich 
und das Breve jeien „lauter praftiziertes Werk‘, u. dgl. ſpitze 
Reden. Die bremiihen Gefandten felbft ermahnten das Kapitel, 
ihre alte Freiheit fi) nit vom Papſte nehmen zu lafien. — 
Auch bei der Neuwahl eines Scholafters an Diepenbroid3 Stelle 
(am 30. März) zeigte ſich die Gefinnung der Mehrheit; denn die 
Wahl zu diefer Würde, der nächſten nad dem Dekanat, fiel auf 
den Führer der bremiihen Partei, Konrad von Wefterholt. 

Al3 nun Dr. Gropper am 5. April wieder im Kapitel er: 
Ihien und auf Grund des Breves vom 28. Januar dasjelbe auf- 
forderte, nunmehr den Bremer Erzbiſchof fallen zu laſſen Y, fahen 


1) Bon dem Breve vom 17. Dezember ift zwar nachher faum mehr bie 
Rebe, es muß aber damals mit überreicht worden fein, da Kopie bavon als 
Beilage in einer Schrift der Senioren vom Jahre 1577 erfcheint. 


382 Fünftes Buch. Viertes Kapitel. 


fi) die Senioren genötigt einzugeftehen, welde Anfrage fie vor— 
dem, ohne Willen ihrer Mitlapitularen, an den Papft gerichtet 
hatten; der Dechant verwahrte fich übrigens gegen den Vorwurf, 
al3 hätten fie mit diefem Schreiben Praltifen getrieben, und 
verficherte, fie feien bereit nachzugeben, falls der Papft den 
Bremer Erzbiihof beftätigen wolle. Weſterholt wiederholte da= 
gegen namens der Junioren, daß aud fie dem Willen des 
Bapftes gemäß, aber unbejhadet ihrer Statuten und Privilegien, 
einen fatholiichen Biſchof wählen wollten; zunächſt müſſe jedoch 
Herzog Johann Wilhelm zurüdtreten, damit es nicht eine er— 
zwungene Poftulation ſei. — Trotz allen Gegenvorftellungen des 
Nuntius jegten die Junioren einen Kapitelsbeihluß durch, daß man 
fi) jet auf weiter nichts einlaflen, fondern erſt alle Abweſenden 
zum Behuf einer Vergleihung auf den Mittwoch nah Dftern 
(25. April) beichreiben wolle. 

So verließ denn Gropper die Stadt zum zweitenmale unver 
richteter Dinge; mit fih nahm er die im gejelligen Verkehr ge- 
ſchöpfte Überzeugung, daß das ganze Werk auf dem Kölner Kurs 
fürften beruhe: man warte ab, ob es ihm nicht gelingen werde, 
die Herzöge von Jülich und Bayern, vielleiht aud den Papft 
jelbft, für den Bremer Erzbiſchof zu gewinnen. 


5. Kapitel. 


Die köln-münfterfhe Frage und die Freiftellung zur Beit 
des Regensburger Reichstags.“ 


Anfangs April begab ih Kurfürft Salentin aus Weftfalen 
wieder an den Rhein, nad) Schloß Kaiferswerth, von wo aus er 
eines Morgens (am 6. April) ganz in der Frühe nach dem nahen 
Düfjeldorf kam und fi felbjt beim Herzog zugafte (ud. — Ein 
ſolcher „Überfall“ unter befreundeten Fürſten galt als beſonderer 
Beweis eines herzlichen Verhältniſſes. Bisher war freilich nicht 
viel Herzlichleit zwiſchen Salentin und Herzog Wilhelm zu ſpüren 
gewejen. Der Redtsftreit der beiden Herren über die Einkünfte 


* Quellen: Bayrifch= jülichſche Korreſpondenz die Bewerbung um Münfter 
und Köln betr. AU. Münfter III u. IV. DU. 28°; vgl. 0. ©. 266. 
Einzelneg auch AA. Lüttih T. I. StA. 38/3 u. 8; 227/383. DA. 
Bolit. Begebenheiten 17 und DA. Köln. Domftift 323%. — MX. 
Domkap.-Protok. Zwei wichtige Brieflopieen aus ben Papieren bes 
Domdechanten Raesield (Kurfürft Salentin am den Erzbifhof von 
Bremen 16. April 1576 und Dr. Egeling an ben Erzbifchof von 
Bremen 16. Aug. 1576) MrA. Land. U. 1. 10h (vgl. 0. ©. 267). — 
Berichte an den Papft und päpftliche Breven bei Theiner II, 152qg. 
u. 522sqq., barunter auch einzelne Briefe des Nuntius Delfino und 
des Kardinals Morone über ben Regensburger Reichstag. Die 
ältere Litteratur über biefen hat Häberlin a. a. O. Bd. X verzeichnet 
und ercerpiert. Ergänzungen zu Häberlin aus Braunfchweiger Archi— 
valien in: [Schmibt-Phifelied] Hiftorifhe Miscellaneen, 2. ZL, 
Halle 1784. Ferner bei Groen van Prinsterer V, Nr. 590/1. 
605. 622. Aretin, Marim. L, ©. 213ff. Kluckhhohn II, Nr. 862, 


384 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel. 


des Kölner Klerus im Füliher Land, dann der über die Pfand: 
ihaft Kaiſerswerth hatten auch auf ihren perfönlicen Verkehr 
ftörend eingewirkt. Es lag in Salentins Temperament, alle feine 
Rechts- und Befigftreitigleiten perjönlid zu nehmen; anderſeits 
betrachtete der Herzog die Wiedereinlöfung von Kaiferswerth 
gleichſam als Ehrenſache feines Haujes: auf feinen Wunſch hatten 
fih der Kaifer und Herzog Albredt von Bayern aufs wärmſte 
bei Salentin dafür verwendet, daß dieſer nicht jo eigenfinnig auf 
dem Prozeßweg beftehe, jondern Austrag zulafien möge, — aber 
vergeblih ). Herzog Wilhelm, ohnehin ein armer kranker 
Mann, war daher anfangs nicht wenig erſchrocken über den uner: 
warteten Beſuch, und hatte Mühe, ſich jo weit zu fafjen, daß er in 
Perſon, nod im Nachtkleid, feinen hohen Gaſt empfangen konnte. 
Nachher hörten die beiden Herren zuſammen Predigt und Hod: 
amt; dann trug Salentin, in Gegenwart von Drsbed, Gimnich, 
Schwarzenberg und Langer, dem Herzog feinen föln = müniter: 
hen Plan vor, etwa jo wie bor einigen Wochen zu Neuhaus 
dem bayriihen Rat Dandorf. Der Herzog redete fih damit aus, 


866. 869. 878ff. (bis zum Schluß). Bon ungebrudten Quellen be 
nutzte ich bie bayrifche Reichstags - Korrefpondenz StA. 161/12 und 
162/11. Daſelbſt 162/15 Brucftüd des Tagebuches eines Kurpfälzer 
Rates (Wolf Haller?). Einige eigenhändige Briefe von Kaifer Marir 
milian und Herzog Albrecht, den Neihstag und die Deklaration be 
treffend, RU. Ofterr. Saden, T. VII. Bgl. Bezold a. a. O, 
S. 198fj. Relation der Gefandten ber Wetterauer Grafen, Rai— 
munbus Pius Fichard unb Mag. Joh. von Rehe DillA. R. 408. — 
Über die Betreibung ber Freiftelung und Dellaration vor und auf 
dem Reichstag einzelne Nachrichten auch im Tagebuch Nr. III des Gra- 
fen Ludwig von Wittgenftein (1574/79) in ber Berleburger Biblio- 
tel, vgl. 0. ©. 2905. Ein Tagebuch besfelben liber bie Zeit feines 
Regensburger Aufenthaltes Liegt leider nicht vor. Sonſtige Brud- 
ftüde aus ber Korrefpondenz ber Wetterauer Grafen BA, Lit. K. 7 
u. 29. Di. R. 469; G. 80; Dill. Korrefp. 1574—1576. MU. 
Reg. U. Schubl. Rep. II. Eell. 6. Bol. III. 


1) Bgl. 0.6.39 u. 185. Bayrifche Korreſpondenz betreffend die Einlöfung 
‚von Kaiferswerth RA. Gülch und Cleve T. I. 


Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. des Reichſstags von 1576. 885 


daß er bereit3 befchlofien habe, wegen des Zwieſpalts der Dom- 
herren feinen Sohn nod einige Zeit beim Stift Münfter zu 
lafien, aud) dem Papſte und dem bayrischen Herzog nicht vor— 
greifen dürfe u. dgl. Dennoch ſchied Salentin mit dem Eindrud, 
dag Herzog Wilhelm perjönlid dem Bremer Erzbiihof nicht ab: 
geneigt jet und nur verlange, dab zubor das Haus Bayern für 
feinen Plan gewonnen werde. Salentin ſchrieb aljo an den 
Bremer Erzbifhof, diefer möge, um die beiden Bedenken wegen 
feiner Religion und feiner angeblien Heirat zu heben, baldigit 
eine bündige Erklärung abgeben, „damit man den Leuten die 
Mäuler zuftopfen und die Sahe zum gewünjchten Ende bringen 
fönne “. 

Herzog Heinrih war ohnehin niht der Mann, der «3, 
feinen Zwed zu erreihen, an böflihen Redensarten fehlen lieh. 
So hatte er jüngft, ehe er feine Gefandten nah Münfter ab: 
ordnete, den Herzog bon Jülich brieflih in der beicheidenften 
Weiſe gebeten, diefer möge die ihm nad göttliher Fügung ange— 
tragene Wahl, wenn nit unterjtügen, jo doch nicht verhin- 
dern; dafür wolle er demjelben ein guter Freund und Nachbar 
werden. 

Als er dann erfuhr, daß Gropper auf Grund des Breves vom 
4. Februar feine Poftulation bekämpft habe, fchrieb er an den 
Papft jelbft (aus Börde, 1. April) und bat, durd ein anderes Breve 
an das Kapitel foldher Deutung zu widerfpreden; S. Heiligkeit 
fönne aus diefem wie aus feinen früheren Briefen, und aus der 
Bereitwilligkeit, mit der er fi einer Prüfung feiner Perſon 
unterzogen babe, feine volllommene Ergebenheit zur Genüge er— 
ſehen; außerdem habe er vor, demnächſt durch eigene Gejandte die 
Gründe vorzutragen, weshalb die eine feiner Profeffio fidei bei— 
gefügte Klauſel feiner Beftätigung nit im Wege ftehen dürfe. 
Nunmehr, auf Kurfürft Salentins Brief Hin, beauftragte Heinrich 
feine nad) Regensburg zum Reichstag gehenden Gejandten, auch 
den bayriichen Herzog um Überlaffung von Stift Münfter zu 


bitten, wo er jiebzehn, Herzog Ernſt aber nur zehn Stimmen 
Lofſen, Köln. Krieg I. 25 


386 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


für fi babe; dagegen molle er diejen „in gleihmäßigen Sachen“ 
(d. 5. bei der Kölner Wahl) nad Kräften befördern. 

Während Kurfürft Salentin unterwegs nah Münden war, 
murde auf dem münfterichen Generalfapitel am Mittwoch nad 
Dftern (25. April) nochmals ein vergeblicher Verſuch gemacht, die 
beiden feindlichen Parteien unter einen Hut zu bringen. Nuntius 
Gropper war dazu wieder jamt feinem Gehilfen Elgard erichienen; 
ferner namens des Herzogs von Jülich Heinrid) von der Rede nebit 
dem Düffeldorfer Amtmann Dietrich bon der Horft und dem Licen- 
tiaten Loumerman. Sie hatten den Auftrag, die Domherren 
nochmals aufzufordern, ſich mit dem Herzog über die neue Poſtu— 
lation zu vergleihen; — menn nicht, jo jei der Herzog ent- 
ichloffen, feinen nunmehr fonfirmierten Sohn jo lange beim geift- 
lihen Stande und beim Stift Münfter zu laffen, als dies dem 
Papfte gefällig. Hier mar alſo das Breve vom 4. Februar 
jo gedeutet, al3 jei dadurch Johann Wilhelm bereits fonftrmiert. 
Antwort von Rom auf die Anfrage des Kapitel3 wegen der bei- 
den Gegenbewerber war noch nicht eingetroffen; Gropper hatte 
jedoch wieder ein neues Breve an das Kapitel (vom 17. März) 
erhalten, welches auf das Drängen von Dr. Fabricius ausgeftellt 
worden war, der fi über die von Rom anderen Leuten (näm— 
(id) dem Erzherzog Ferdinand) bemiejene, jeinem Herrn aber vor— 
enthaltene Gunft bitter bejchwert hatte. Mit der Form dieſes 
Breves war nachher freilich der bayriſche Gejandte nicht ganz zus 
frieden: denn es pries in jo ſtarken Worten Herzog Albrechts 
Eifer für die katholiſche Neligion und feinen Haß gegen die Peſt 
der Hürefie, dab jeder Kundige befürchten mußte, e3 werde in 
Münfter eine der beabfichtigten entgegengefegte Wirkung haben. 
Darum fanden Gropper und Herzog Wilhelms Gefandte rat- 
jam, lieber gar feinen Gebrauch von dieſem Breve zu machen, 
fondern wieder nur auf Grund der früheren Breven die Poſtu— 
lation des bayrischen Herzogs zu empfehlen). Drei Tage lang, 

1) Das Original de8 bei Theiner II, 163 abgebrudten Breves vom 
17. März mit umerbrocdhenem Siegel DA. 28°, fol. 168. 


Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 887 


vom 26. bis zum 28. April, gaben ſich Gropper und Elgard, 
fowie die jülihichen Gefandten, namentlic) Red, alle Mühe, die bre- 
mischen Botanten auf ihre Seite zu ziehen. Aber nur Zoft Drofte, 
der die legten Male ſchwankend geftimmt Hatte, verſprach jekt den 
Senioren, in Zukunft feft zu ihnen zu halten, während Wefterholt 
allen aus dem kanoniſchen Recht hergeholten Argumenten für Her: 
zog Ernſts Poſtulation als ſchlagfertiger Dpponent zu begegnen 
wußte. Schließlich mußte Gropper zum drittenmale die Hoffnung 
aufgeben, irgendetwas zu erzielen; er blieb überzeugt, die Junioren 
ſeien ſo hartnäckig nur im Vertrauen darauf, daß der Kölner 
Kurfürſt auf ſeiner Reiſe nach Bayern und nach Rom alle Hin— 
derniſſe der bremiſchen Succeſſion wegräumen werde. Außerdem 
waren die Junioren ohne Zweifel auch diesmal durch bremiſche 
Geſandte (unter ihnen wieder Lorenz Schrader) ermutigt, welche, 
angeblich um für ihren Herrn Kopie des Breves vom 28. Januar 
zu fordern, bereits jeit dem 24. April in Miünfter ji aufs 
hielten. 

Beror Dr. Gropper Münfter verließ, verabredete ev mit den 
jülichſchen Gejandten — jedenfalls mit Wiſſen und Willen des 
Domdehanten —, da man in Rom das Erſuchen jtellen wolle, 
den jesigen Poftulierten zu fonfirmieren und mit der Adminiftra= 
tion des Stifts, unter Beiziehung von Dedant und Senioren, 
zu betrauen. Auch wurde bereit3 die Frage aufgeworfen, ob nicht 
der Papft die Rädelsführer — außer Weterholt noch Wilhelm 
von Schenfing und den Senior Nagel — wegen ihres Unge— 
horſams nad Rom vorladen jolle. 

Acht Tage ſpäter, am 5. Mai, traf Kurfürft Salentin in 
Münden ein; in feinem Gefolge befanden jih, neben Graf Karl 
von Arenberg, auch drei Kölner Domlapitularen: Chriftoph La— 
dislaus von Thengen, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Got: 
frid Gropper. Herzog Albrecht war durch Dandorf und den Her: 
zog von Jülich von dem eigentlihen Zweck dieſes Beſuches Längft 
unterrichtet, hatte auch ſchon im voraus fat feierlih erklärt, daß 
er zwar Salentins Anerbieten inbezug auf Köln annehmen, Stift 

25* 


3838 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel. 


Münfter aber, weil Ehre und Gewiſſen ihm ſolchen Handel ver: 
böten, dem Bremer Erzbiſchof nicht überlaffen wolle. Eine minder 
ideale Erwägung lief freilich mit unter: er fürchtete, wenn er auf 
Münfter verzichte, che ihm Köln gewiß, könne fein Sohn zwiſchen 
zwei Stühle zu figen kommen und aljo den Spott ſamt dem 
Schaden haben. In den Unterredungen, welche Salentin anfangs 
mit dem Herzog jelbft, in Gegenwart von Elfenheimer und Dans 
dorf, fodann, nad Herzog Albrechts Abreife in das Bad Üüber— 
fingen, der Kurfürft und Dr. Gropper mit den beiden Räten allein 
führten, wurden von bayrifher Seite wohl ein Dußend Gründe 
geltend gemacht, weshalb man nicht auf Münfter verzichten könne: 
religiöfe Bedenken, die eigene Ehre, Rüdfihten auf Spanien, auf 
den Herzog von Fülih, auf Erzherzog Ferdinand, auf die bayri= 
ihen Votanten im Kapitel, auf den Papſt. — Aber auch Sa— 
lentin war um Gegengründe nicht verlegen: Erzbiſchof Heinrid) 
jei gewiß fatholiih und er erwarte täglid von ihm einen Brief, 
welcher das befräftigen werde; Herzog Ernſt habe nit die ge= 
ringfte Ausfiht auf Münfter, paſſe aud nicht zu den feltiamen 
Reuten dort; er wies hin auf die zu erwartenden Gegenvdienfte 
der bremiihen Partei im Kölner Kapitel, vor allem aber auf 
feine eigene Pflicht der Dankbarkeit gegen Heinrich, der in feinen 
Kölner Irrungen treulid zu ihm gehalten. — Zuletzt gab Herzog 
Albreht wenigſtens jo weit nad), daß er ſich für feine Perſon des 
münfterichen Handels fernerhin nicht mehr annehmen jondern ab= 
warten wollte, wozu Papft und Domkapitel ſich entichlöffen. 
Ahnlihen Beſcheid erteilte er einige Wochen ſpäter Heinrichs Ge: 
ſandten Dr. Gedeon Egeling und Hermann von der Bede, melde 
ihn auf ihrem Wege zum Reichstag im Bad Überfingen (bei Geis— 
fingen) aufſuchten. — Salentin feinerjeit3 erbot fi) gegen Herzog 
Albrecht zur Fräftigen Mithilfe bei einer Bewerbung um Köln: 
er wolle entweder mit Suipenfion und Erlommunilation gegen 
die dem Haufe Bayern feindjeligen, häretiihen Domherren vor= 
gehen und dadurd die Majorität der übrigbleibenden Wähler dem 
bayriichen Herzog fihern, oder diefen mit Zuftimmung des Ka— 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1567. 889 


pitel3 zu jeinem Koadjutor machen. Den eriten Weg widerriet 
man in Münden, namentlid) mit Rüdjiht auf den bevorftehenden 
Reichstag, wo man ohnehin die Freiftellung der Religion auf den 
hohen Stiftern wieder eifrig genug betreiben werde; mit einer 
Koadjutorie war man dagegen jehr einverftanden, oder auch damit, 
daß Salentin einfach vefigniere, aber bei der Neumahl den Herzog 
Ernft unterftüge. Für legteren Fall gaben die drei in Münden 
mit anmejenden Domtkapitularen bereits gute Zufagen. Als Gegen- 
dienft für Salentins Verjprehungen inbezug auf die Kölner Suc— 
cejjion wollte Herzog Albreht bei König Philipp ſich dafür ver: 
wenden, dab Salentin feine ſeit Jahren rücjtändige Penfion bezahlt 
und die während des NReiterdienftes vor Mons gemachten Aus— 
lagen vergütet würden ?). 

Bon Münden aus wollte Salentin nad Rom, um jich dort 
in Berjon des Papftes Zuftimmung zu feinem köln-münſterſchen 
Plan zu holen. Dieſe römiſche Reife mißfiel aber dem Herzog 
durhaus; bejondern Anftog nahm man in Münden daran, daß 
der Kurfürft, jo wie er war, in weltlicher und militärischer Tracht, 
in Rom erjheinen, auch dem Papſte die Füße nicht Füllen 
wollte; man widerriet ihm alſo die Reife, befonders wegen der in 
Stalien ausgebrochenen Peſt, fodann weil die Frage der Frei— 
ftellung feine perjönlide Anmwejenheit beim Reichstag jehr wünjdens- 
wert made. Nach Albrechts Abreiſe ins Bad blieb Salentin noch 
ein paar Tage mit defien Söhnen zufammen, ergögte ſich in Mün— 
hen und Starnberg mit Jagen, Fiſchen und Trinken, und ritt 


1) Die bayrifchen Akten über dieſe Befprechungen mit Salentin babe ich 
bisher, abgefehen von ein paar Briefen Elſenheimers StA. 230/5, in ben 
Münchener Archiven nicht gefunden, entnehme daher meine Erzählung haupt» 
fählih dem an Herzog Jülich darüber erftatteten Bericht DA. 28°, fol. 242, 
welcher ohne Zweifel alles Wefentliche getreu enthalten wird; vgl. 0. S. 266. — 
Herzog Albrechts Brief an ben Erzherzog Ferbinandb, worin er über Sa- 
lentins beabfichtigte Romreife berichtet StA. 161/12, fol. 377. Über Sa- 
lenting Aufenthalt am Starnberger See ein eigenhänbiger Bericht von Herzog 
Ernft an feinen Vater im Münchener Hausardiv. 


30 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


dann weiter nad Innsbruck, wo ihm, auf Albrehts Veranlaffung, 
aud) Erzherzog Ferdinand die Reiſe nad) Italien auszureden 
ſuchte. Wirklich ließ ſich Salentin überreden, wenigftens die Rom: 
reife aufzugeben und nur bis Venedig zu gehen —, von dort 
dann zurüd zum Reichstag. Auf dem Weg nad) Venedig jchidte 
er feinen Rat Dr. Gotfrid Gropper ftatt jeiner weiter nad) 
Rom. — In Innsbrud hatte ihm Erzherzog Ferdinand den Wunſch 
borgetragen, feinen Sohn Andreas nad Münfter zu bringen, mar 
aber damit entichieden abgewieſen worden ?). 

Die Nachricht, daß Kurfürft Salentin in Perfon nah Rom 
fommen wolle, hatte dort und allerwärts die mideriprechenpditen 
Gerüchte hervorgerufen; die einen brachten die Reiſe mit den 
niederländischen Dingen in Zujammenhang; andere, wie Dr. Fabri— 
cms, Schon richtiger, mit Salentins Heiratsplänen: man bes 
hauptete, Salentin wolle eine Tochter der gefürfteten Gräfin von 
Arenberg heiraten und deren Sohn, feinem fünftigen Schwager 
Karl, nad Köln verhelfen; wieder andere, wie Graf Johann von 
Naſſau, hielten das Projekt einer Reiſe nad Italien und Spanien 


1) In einem Gutachten ber Räte bes Erzherzogs vom 20. Anguft 1576 
(Kpt. IQ. Ferdin. fol. 110, Nr. 135) fommt folgende Stelle vor: „bieweil 
e. D. von dem curf. von Cöln alberait diſe erclerung empfangen haben, das 
biefelbe den von Bremen zu dem bistumb Munfter zu befurbern furhabens 
und bavon nit weichen wil, fo ift diß orts fchlechte und vaft fein hofnung 
zu machen”. — Dagegen heißt e8 in einem fpätern Bericht bes kurſächſiſchen 
Nates Dr. Andr. Paul über ein Geſpräch mit Kurfürft Salentin (vom 
26. März 1577. Dr. loc. 8926): „haben ſ. ch. ©. mir angezeigt, bad 
verfchienen jar, auf f. cf. G. wiberreife aus Italia, erzh. Ferbinant f. ci. ©. 
zu Insprud vermelbet, daß ber pabft f. f. D. für bero fün einen hofnung 
zum ftift Cöln gemacht, aber f. cf. ©. hetten alsbald gefagt, daß es un- 
muglich were und f. f. D. durften folches im irem fin mit nemen, nund wer 
f. f. D. die gelegenbeit befier befent, ban f. cf. ©. fagen konten“. — Ih 
nehme an, daß entweber Dr. Paull ben Kurfürften nicht richtig verſtanden 
hatte und deshalb Kölu und Münfter verwechfelt, ober baf ber Erzherzog 
wirklich gleichzeitig wegen Köln und wegen Münfter anfragte. Ob das Ge 
fpräh auf der Hin- und Rückreiſe Salentins ftattfand, ift unweſentlich; mir 
ift Übrigens von einem zweimaligen Aufenthalt Salentins in Innsbrud nichts 
befannt. 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 391 


gar nicht für ernft gemeint. Das war jedoh zu viel Mißtrauen: 
es ift wohl glaublich, daß Salentin neben der Luft am Reifen 
wirklich die Abfiht hatte, beim Papite feinen köln- münfterfchen 
Plan, bei König Philipp aber feine Geldgeihäfte perſönlich ins 
Reine zu bringen; daß er dann nicht weiter fam als bis Venedig, 
wo man ihm große Ehren erwies, war veranlaft einesteils durch 
das gefährliche Auftreten der Peſt, andernteil3 durch Kaiſer Maris 
milians Wunſch, den Kurfürften in Perſon beim Reichstag zu 
ſehen. 
Eine allgemeine Reichsverſammlung war bereits auf dem 
Wahltag des vorigen Jahres beſchloſſen und bald nachher auf 
den Februar 1576 nach Regensburg ausgeſchrieben worden. 
Allerlei andere Angelegenheiten, beſonders die neue Bewerbung 
um die polniſche Krone, nötigten dann den Kaiſer, den Reichstag 
bis zum 1. Mai zu vertagen; ſchließlich wurde es Mitte Juni, 
bis Maximilian ſelbſt in Regensburg eintraf. Der Kaiſer er— 
wartete dom Reichstag vor allem eine ausgiebige Türkenhilfe, 
zum beifern Schuße der Grenzen des Reiches gegen den Exbfeind 
der Chriſtenheit. Hauptſächlich darum wünſchte er die perjönliche 
Anmejenheit möglichſt vieler Fürften; auf das Erſcheinen eines fo 
gut deutich gefinnten, ihm perjönlich ergebenen, dabei Eriegsluftigen 
Herrn wie Kurfürſt Salentin modte er beiondern Wert legen. 
Dagegen ſahen die meiften anderen Leute, hoch und nieder, viel 
weniger wegen der Zürkennot dem Reichstag mit Spannung ent: 
gegen, al3 weil fie von ihm folgenreihe Beſchlüſſe in den kirchen— 
politiihen Streitfragen erwarteten. Auf dem jüngiten Wahltag 
war die Frage der Freiftellung wieder einmal angeregt, außerdem 
fehr entichieden die Beitätigung der Ferdinandeischen Deklaration 
gefordert worden. Nur durch das Beriprechen, dieſen legten 
Punkt auf dem nächſten Reichstag richtig zu machen, hatte damals 
Marimilian die mweltlihen Kurfürften beſchwichtigt. Der Grund, 
weshalb fie die Deklaration in den Neligionzfrieden aufgenommen 
haben wollten, ihre Beſorgnis vor der fatholiihen Reftauration 
in ihrer Nähe, war feither nur ftärker geworden. Denn, unbe 


392 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel. 


fümmert um des Kaiſers Zufage auf dem Wahltag, ſetzten der 
Abt von Fulda und der Mainzer Kurfürft in der Buchau und 
auf dem Eichsfeld die Gegenreformation fort. Der Plan, beim 
Reichstag die Freiftellung zu betreiben, wurde zunächſt wieder 
durch die Wetterauer Grafen verfolgt. Bald nad dem Wahltag 
hatte ſich der pfälziſche Großhofmeiſter, Ludwig von Wittgenftein, 
in feine Heimat nad) dem Weſterwald begeben, wo er ſich den 
Winter über mit anderen Wetterauer Grafen mit Vorberatungen 
wegen der Freiftellung beſchäftigte. Es ſchien vor allem nötig, 
ih die Mitwirfung des niedern Adels zu verichaffen. Die 
Grundlage war gegeben, injofern auch unter der Reichsritterichaft 
und dem landjäfjigen Adel, beionders in Franken, Thüringen und 
Sachſen, nit minder wie unter den Grafen die große Mehrheit 
fich) zur Augsburger Konfeifion bekannte, demnach wünſchen mußte, 
daß ihren Söhnen beim Eintritt in geiftlihe Stifter nicht das 
Joch des Papfttums auferlegt werde. Hinderlih aber war das 
Mißtrauen der Nitterichaft, dab es jekt den Grafen mie früher 
den Fürften mehr um die Einziehung der geiftlichen Güter 
al3 um die Freiftellung der Religion zu thun fe. Traten doch 
die Grafen dem Nitteradel gegenüber ebenjowohl als der höhere 
Stand auf, wie jenen gegenüber die Fürften. Der Adel wehrte 
ji) mit den gleihen Waffen, die man gegen ihn angewandt hatte. 
Wie fi) die Fürften- und Grafenmäßigen in Köln und Straßburg 
die Alleinberedtigung zum Eintritt in die Domkapitel verſchafft 
hatten, jo ließen umgekehrt ſolche Stifter, in welchen die Ritter 
ſchaft das Übergewicht hatte, jo Mainz und Trier, in diejer Zeit 
nur noch ritterbürtige Domherren zu. Das Streben, die Bes 
tehtigung immer mehr einzuengen, war damit freilich nicht zu 
Ende: vor kurzem hatte 3. B. das Mainzer Kapitel mit Majo— 
rität ein Statut aufgenommen, da nur noch Nitterbürtige aus 
den oberdeutihen Ritterkreifen Domherren werden follten, wodurch 
fie fi) nun wieder den niederdeutichen Adel, gemeinjam mit Gra— 
fen und Fürften, zu Gegnern madten. So fielen aljo die mates 
riellen Intereifen bald für diefe bald für jene Seite ind Gewidt; 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 398 


fraglid) blieb, ob das religiöſe Gemeingefühl ftark genug war, nad) 
der oder jener Seite den Ausſchlag zu geben )). j 

Bereits auf dem Wahltag hatten die Grafen den im Gefolge 
der weltlichen Kurfürften erſchienenen evangeliichen Adeligen ihre 
Supplifation um die Freiftellung mitgeteilt und fie zu gleichem 
Anſuchen aufgefordert; doch war es wegen des raſchen Schluſſes 
des Wahltages nicht dazu gekommen. Jetzt nahm mit den Wetter— 
auer Grafen ein alter Freund derſelben aus dem heſſiſchen Adel, 
Burkart von Kram, Statthalter zu Marburg, die Sache in die 
Hand. Mit befreundeten proteſtantiſchen Grafen und Adeligen in 
Sachſen, Thüringen, Franken und Schwaben wurde eifrig korre— 
ſpondiert, die Supplikation vom Wahltag nebſt verſchiedenen Gut— 
achten über die Freiſtellung umhergeſandt, für den bevorſtehenden 
Reichstag eine allgemeine Bewegung zugunſten der Freiſtellung 
angeregt. Bon den Fürften erboten fih namentlich Kurpfalz und 
Heſſen zur Unterftügung, während Kurſachſen und Brandenburg 
ih) Ihon im voraus wenig geneigt zeigten. Daneben vernehmen 
wir die Klage (wie jie freilich zu allen Zeiten berechtigt fein 


1) Über diefes Streben des Mainzer Domtapitel8 und feine Betämpfung 
in ben Jahren 1573/1576 zerfireute Notizen in den von mir benutten 
Münchener, Düffeldorfer und Dillenburger Archivalien. Bei einem ähnlichen 
Streit im 18. Jahrhundert ift von jemem älteren gelegentlih die Rebe: 
3. Mofer, Bermifchte Nachrichten von reichsritterich. Sachen 1772, ©. 91; 
vgl. Stüve a. a. ©. UI, 261. 598. Sonftige Nachrichten hierüber find 
mir nicht vorgefommen. — Eine gründliche Unterfuhung über das damalige 
Berhalten der Reichsritterſchaft zur Freiftellung wäre ſehr erwünſcht (vgl. 
bie Bemerkungen von Ranke, Zur beutihen Gedichte (Werte VII), ©. 91 
und Bezold a. a. O. ©. 202). Schon im Jahre 1570 macht übrigens 
Kard. Granvella den ſpaniſchen König darauf aufmerkſam, daß ein großer 
Zeil des Adels gegen die Freiftellung fei und daß hierdurch die Bistilmer 
und Stifter vor der Begehrlichleit der Fürften gejchligt würden. Gachard 
l. c. UI, 127. Einige eigentümlihe Nachrichten über die Oppofition der 
Neichsritterfchaft gegen bie Freiftellung vor und auf dem Reichstag von 
1576 in (Erftenbergerd) Autonomia I, fol. 113—118 (Auszug bei 
Häberlin X, 360 ff.); anderes zerftreut in den oben angeführten Archivalien. 
Roth von Schredenfteim bringt hierüber nichts. 


2394 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


wird), daß jelbft von den Nädhftbeteiligten viele die Sache des 
Gemeinwohl3 ſich jo wenig zu Herzen nahmen ). Bedenklicher 
war, daß jelbit in den Kreiſen derjenigen, melde die Freiftellung 
wünjchten, damals noch die Meinung vorherridte, fie ſei dem 
Neligionsfrieden offenbar zuwider und ohne jede Ausfiht auf 
Erfolg ?). 

Im Monat März, als Graf Ludwig von Wittgenftein wieder 
am Heidelberger Hofe war, lud Kurfürft Friedrih eine Anzahl 
angejehener Adeligen der Nahbarihaft dorthin ein, um über die 
Freiftellung zu beraten. Die Eingeladenen fand man für ihre 
Perfonen derfelben geneigt, erfuhr aber bald, daß bei der über: 


1) In einem Brief an ben Grafen Johann von Naſſau vom 12. Februar 
1576 (DIN. Dill. Korr. 1576, fol. 29) befchwert fi) Dr. Schwarz bitter über 
die damals auf einer Hochzeit zu Hanau anmefenden Grafen und gräflichen 
Diener: „Soviel die fachen den gravenftant und gemeine wolfart belangent 
antrift, hat man vor freffen und fauffen alhie nichts fruchtbarlihs konnen 
bebenfen noch ausrichten. ... Es ift in warheit zu erbarmen, das bie vor- 
fiehende hodhwichtige fachen jo gar wenig bedacht werben. Aber wir leben 
dermaſſen, daß Got urſach bet uns mit blintheit zu ftraffen.“ 

2) So ſchreibt z. B. ber beifiihe Kanzler Reinhard Sceffer am 1. Ja— 
nuar 1576 an Burkart von Kram (Kop. BU. K. 27, Nr. 33), er würde 
fih gerne alle Mühe für bie Freiftellung geben, „jofern allein etwaz hofnung 
zu fruchtbarlicher verrichtung fein konte. Dz ich aber die rechte warheit fag, 
fo ift ein ſolch ſpinos intricat und verworren meitleuftig werk, dz ih noch 
zur zeit rebus sic stantibus und aldieweil fein ander mittel barzwifchen 
fompt, bie geringfte hofnung barzır nicht haben far. Dan es fonnens bie 
geiftlichen irer eib und pflicht halber, darmit fie dem bapft verfiridt fein, 
nicht willigen. Sie werben auch ome dz umb erhaltung willen irer bapfti- 
ſchen religion keins wegs tuen; dan fo bald bie freiftellung erlangt, ligt dz 
babftumb im bred. Es wurt fie auch bie beforgte einzihung, reiffung (!) 
und verberbung ber ftifte merklich beterrien, und biefe vorforgen wirb man 
inen auch [? durch] feine caution ober reichsconftitution benemen konnen. Je 
mer auch den furften graven und abel ber A. E. zum ftiften bie tur geofnet, 
je mer wirt fie ben bebftifchen furften graven und adel verfperret. Den 
vorteil werben fie mit willen nimmer begeben. Darumb ift furwar nod 
zur zeit alle mube unb arbeit verloren, und wen gleich ber Cicero vorn 
toten wider ufftunde und beshalben ein fupplication ftelte, fo wirt es 
doch biefelbige, wie gefagt, noch zur zeit nicht8 ausmachen. Es gehört ein 
ander präparatorium bazu, bavon aber nicht zu reden ift.“ 


Köln-Münfter u. db. Freiftellung z. 3. bes Reichstags von 1576. 395 


wiegenden Mehrheit der rheiniihen Ritterſchaft nicht das Gleiche 
der Fall war. Auf zwei allgemeinen Rittertagen der rheinischen 
Nitterichaft, welche infolge der Heidelberger Beratung Anfangs 
Juni zu Worms und zu Frankfurt ftattfanden, wurde vielmehr 
einmütig beichloffen, feineswegs in die Freiftellung einzumilligen 
und diefen Beſchluß auch der fränkischen und ſchwäbiſchen Ritter— 
Ihaft mitzuteilen. Die Einmütigfeit diejes Beſchluſſes ift um fo 
merfwürdiger, da es zum großen Zeil evangeliidhe Adelige waren, 
wie die Burgmannen der Burg Friedberg in der Wetterau, welche 
ihn faßten. Graf Johann von Naffau meinte, der Mainzer 
Hof habe ihnen durch allerhand Praktiken dieſen Pfeil befiedert, 
der wirkliche Beweggrund ift jedod in dem Abſchied der Ritter 
tage deutlich ausgeſprochen; nad ihm follte nämlid auf dem 
Reihstag nicht bloß der Freiftellung widerſprochen, ſondern aud) 
um Reftitution der Stifter und geiftlihen Güter, die feit dem 
Paffauer Vertrag und Neligionsfrieden eingezogen, erſucht und 
gebeten werden: aljo Mißtrauen gegen Fürften und Grafen, daß 
diefen Die Freiftellung nur ein Mittel zu weiterer Einziehung 
geiſtlicher Güter auf Koften des Adels fein folle, ein Mißtrauen, 
welches vielleicht genährt wurde durd den Eifer, welchen die oben= 
drein als Galviniften verdächtigen Kurpfälzer für die Freiftellung 
an den Tag legten ?). Dazu 'kam dann nod die Überzeugung, 
daß die Freiftellung den Religionsfrieden, dieſes Fundament des 
politiichen Friedens im Reiche, erichüttern werde. 

Dagegen fand der Großhofmeiſter damals einen Freund der 


1) Es ift übrigens zu beachten, daß in ben Jahren 1532/1577 hinter 
einander zwei Ritter Brendel von Homburg, alfo Verwandte des Kurfürften 
Daniel von Mainz, Burggrafen zu Friedberg waren, der erfte, Johann, 
zugleich Ritterhauptmann bes rheinlänbifchen Adels, der andere, Joh. Oyger, 
zuvor mainziſcher Bizebom im Rheingau. Während bie Burg fon im 
Jahre 1567 eine Einigung mit den Wetterauer Grafen ablehnt, tritt fie mit 
der rheinifchen Ritterfchaft in nähere Verbindung. Vgl. Dieffenbad, 
Geſchichte der Stadt und Burg Friedberg i. d. W., Darmftabt 1857, 
&. 187 ff. 


396 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


Freiftellung in einem Manne, der fi auf der andern Seite als 
eifrigen Katholifen und Freund der Jeſuiten ausgab, nämlich in 
Marquard von Hatjtein dem Biihof von Speier und Kammer: 
rihter. Im Mai verhandelte Graf Ludwig perfönlih mit ihm; 
Anfangs Juni bittet ev den Biſchof brieflih um ein Gutachten, 
wie die Freiftellung auf den GStiftern jo anzuftellen, daß der 
bei vielen eingewurzelte ſchädliche Verdacht aufgehoben werde, als 
ſuchten etliche bierdurd) der Stifter Untergang oder jonft beſon— 
deren Vorteil. 

Unter diefen Vorbereitungen für die Freiftellung erfuhr man, 
Kurfürft Salentin jei nah Münden geveift; Graf Johann von 
Naſſau hatte ihn felbft unterwegs beim Kurfürften von Mainz be= 
grüßt, und fi) vermutlich bei diefer Gelegenheit überzeugt, daß 
Salentin mit der Abjiht nah Münden gehe, feinen Handel 
wegen der Kölner Kur mit dem Haufe Bayern abzuſchließen; kaum 
fonnte es etwas Bedenklicheres für die Sache der Freiftellung 
geben. Burkart von Kram forderte aljo den Kölner Dompropit Georg 
von Wittgenftein auf, aus allen Kräften diefem Plane entgegen- 
zuarbeiten und dafür dem Bremer Erzbiihof nad) Köln zu ver: 
helfen; er frug an, ob etwa einige evangeliiche Kurfürften und 
Fürsten fi deswegen direft an das Kölner Kapitel wenden jollten. 
Der Dompropft und Graf Hermann Adolf von Solms (melde 
damals in Straßburg ihre Domherren-Reſidenz hielten) wider: 
rieten dies; wohl aber könnten Sachſen und Hefjen mit Erzbiſchof 
Heinrich handeln, damit diefer ein Herz falle, der Sache ſich ernſt— 
lid) anzunehmen. „Ich wollt‘, fügt Graf Hermann Adolf bei, 
„man hätt lang zu den Saden gethan und ebenjo wenig als 
andere gefeiert. Der Biihof von Freifingen ftehet nun etlic Jahr 
danach und follicitiert der Herzog von Güld für i. f. G., wie 
dann i. f. G. [der Herzog von Jülich] mir auch derhalben al3 mein 
Votum dahin zu geben zumuten laffen; hab aber vdergeftalt Ant— 
wort geben, daß ich mic) verjehe, ich werde nit mehr von da 
angefochten werden. Der Biihof von Freifingen, wie ſich's an- 
jehen läßt, dürft wohl die Braut beimführen, welches ic nit der— 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 897 


halben vermelde, das Merk liegen zu laſſen, jonder auf daß man 
jehe, e3 ſei faft am Nagel gebrennt und aufzuwachen Zeit jet.‘ 
In der That hatte Herzog Wilhelm von Jülich Anfangs 
Mai begonnen, ſich für die Kölner Succeffion feines Neffen, ges 
mäß den Ratichlägen des Kurfürften Salentin, zu bemühen. Dieſe 
Ratſchläge waren geweſen: 1) Herzog Ernſt ſolle fuchen einen 
Kapitelplat zu befommen; 2) man folle jih der Stimmen der 
Siebenpriefter und derjenigen von fünf oder ſechs Edelherren ver— 
fihern, dann habe man Majorität. Demnach wurde der Erb- 
landmarſchall des Erzftiftes Köln, Graf Werner von Reiffericheid, 
der zugleich jülihiher Rat war, nad) Düſſeldorf bejchieden und 
bier aufgefordert, zu Herzog Ernſts Gunſten jeinen ſchwachſinnigen 
Bruder Wilhelm zum Verzicht auf feinen Sapitelplag zu bes 
wegen, feinen andern Bruder Johann aber um feine Stimme 
für die künftige Neuwahl anzufprehen. Graf Werner erbot jid, 
alles Mögliche zu thun, erzielte aber nichts; feinen Mikerfolg 
jchreibt er jelbit dem Umftand zu, dab die bayriihe Bewerbung 
„allzu zeitlih auf der Straße‘, d. h. offenkundig geweſen ei. 
Nachher bewilligten die Brüder zwar Graf Wilhelms Refignation, 
aber unter Bedingungen, welche daraus einen offen ſimoniſtiſchen 
Handel gemadt hätten, weshalb man von bayriiher Seite auf 
diejes Projekt verzichtete. — Unter den Stimmen der Edelherren 
legte man am meiften Wert auf die des Straßburger Biihofs, 
Johann von Mandericheid- Blankenheim. Herzog Wilhelm, der 
mit der ganzen Familie von Manderiheid auf freundſchaftlichem 
Fuße Stand, ließ gegen Ende Mat den älteren Bruder des Biſchofs, 
Graf Hermann, nad) Cleve fommen, und erſuchte ihn zunächſt mit 
jeinem Bruder, jodann mit zwei weiteren Domberren, nämlid) 
feinem Vetter Philipp von Manderſcheid-Keil und Graf Philipp von 
der Mark, zu handeln, damit fie dem bayriichen Herzog ihre Stim— 
men zufagten. Außerdem ſchickte Herzog Albrecht von Bayern, auf 
den Rat von Jülich Hin, Anfangs Juni einen eigenen Gejandten, 
feinen Sanzler Elfenheimer, nad) Zabern zu dem ehrgierigen Biſchof 
und lich ihn bitten, bei Salentins bevorftehender Refignation feinem 


898 Fünfte® Bud. Fünftes Kapitel. 


Sohne Herzog Ernſt jomeit behilflich zu fein, als es ihm Ge 
wiſſens halber verantwortlih. Der Biſchof ſprach ſich gegen Elien- 
heimer zwar jehr wohlwollend über Ernſt aus, deſſen gute Eigen: 
ihaften er während deifen Kölner Reſidenz kennen gelernt habe, 
meinte aber, es jei dem Kurfürjten mit feinem ſchon jo lange Zeit 
geführten Gerede von baldiger Refignation und Heirat nicht ernft. 
Man möge fih vor allem um einen Kapitelplag bewerben. Übri- 
gens ſchloß Elienheimer aus Biſchof Fohanns ganzem Benehmen, 
daß diejer ſich jelbit Hoffnungen auf das Erzftift made. Deut 
liher konnte man des Biſchofs wahre Gefinnung aus der Ant- 
wort entnehmen, melde er bald darauf feinem Bruder, Graf 
Hermann, zufchrieb: Diejer werde fi al3 ehemaliger Domberr 
jelbjt erinnern, was Eid und Pflicht eines Kapitularen verlangten; 
er könne ſich jo eilig und unbedacht nicht refolvieren u. dgl. — 
Mas mit Graf Philipp von Manderſcheid-Keil damals verhandelt 
wurde, wiſſen wir nicht; der Stimme Philipps von der Marl 
ſuchte man ſich nachher auch durd die Gräfin von Arenberg, jeine 
Verwandte, und dur Kurfürft Salentin jelbft zu verjihern. Der 
Afterdehant Thengen, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Grop— 
per hatten ſich bereit3 in Münden für Herzog Ernft erklärt und in 
diefem Sinn an einige andere Domkapitularen gefchrieben. Johann 
Daniel3 Bruder Johann war zwar offen lutheriſch, doch dachte 
man ihn dur feinen Vater, den Reichshofratspräjivdenten, für 
Bayern zu gewinnen. Die beiden Brüder Solms, Reinhard und 
Hermann Adolf, von melden der legtere ſich ungeſcheut als Ne 
formierten bekannte, ließ Herzog Wilhelm durch ihren als katholiſch 
geltenden Bruder Eberhard, Landoroft von Weitfalen, um ihre 
Stimmen erjuhen. — Wir wilfen bereits, da Graf Hermann 
Adolf nichts Eiligeres zu thun hatte, als diejes Anſuchen offen 
fundig zu machen, um dadurd der Sache jelbft zu ſchaden. Denn 
die Priefterfanonifer, welche man fonft der bayrischen Succeſſion 
bon vornherein geneigt und nur zum Teil mit der Schwäche be 
haftet glaubte, daß fie „Verehrungen“ liebten — „die Pfaffen 
haben gern Geld‘, meinte Hermann Adolf von Solms —, wur: 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 399 


den durch ſolche Offentlichkeit ſcheu gemacht. Als Herzog Wilhelms 
in Köln anjäifige Räte, Dr. Johann Hardenrat und Dr. Walter 
Fabricius, die beiden Dehanten von St. Andreas und St. Georg, 
Smwolgen und Drt, dann aud) die anderen Priefterkanonifer um 
ihre Stimmen für Herzog Ernſt anſprachen, fanden jie zwar alle 
wohl geneigt, auf bejtimmte Zujagen wollte fi aber feiner ein- 
laffen. Swolgen und Drt, und ebenjo auf eine direfte Anfrage 
bon Herzog Albrecht Dr. Hermann Winkel, rieten aud wieder, 
Herzog Ernſt jolle vor allem Sapitular werden. Winkel erinnerte 
an das von jedem Kölner Kanonikus und Sapitular beichworene 
Statut, niemals einen andern al3 einen Kapitular zum Prälaten 
zu wählen; außerdem würde zur Poftulation eines nit Wähl— 
baren Zwei-Drittel-Majorität erforderlich fein. 

Indeſſen hatte der Kaifer, am 25. Juni, den Reichstag in 
Perſon eröffnet. Nach Verlefung der Propofition durd den Reichs— 
hofratsjefretär Erftenberger ſchilderte Maximilian felbft in beredten 
und bemweglihen Worten die Gefahr, welche dem Reihe von dem 
Türken drohe. Mißmutig bemerkten die Proteftanten, daß der 
Religionsjache wieder, wie ſchon im Ausſchreiben, mit feinem Worte 
gedacht war. Die Schuld mahen fie, niht ohne Grund, dem 
in Regensburg anweſenden päpftlihen Xegaten, Kardinal Jo— 
bann Morone, bei, welchen Gregor XII. Hauptjählid um die 
geplante Freiftellung zu Hintertreiben nad Regensburg gejandt 
hatte. Morone, der bereit? aht Tage vor dem Kaiſer (am Pfingit: 
abend den 9. Juni) in Regensburg eingetroffen war, machte es 
fih alsbald zur Aufgabe, die anweſenden Biihöfe und Gefandten 
der katholischen Stände im gefelligen Verkehr zu ermutigen, die 
abweſenden fatholiihen Fürften aber dringend zu bitten, in Per: 
ion zum Neichstag zu fommen. Den höchſten Wert legte er auf 
das Erſcheinen des Herzogs von Bayern. Herzog Albreht war 
nah Mitte Juni von Bad Überkingen aus mit Gemahlin, zweien 
feiner Kinder und ftattlihem Gefolge nah Sachſen aufgebrochen, 
zu einem Freundſchaftsbeſuch bei Kurfürft Auguft, mit der ftarfen 
Nebenabficht, diefen durch perjönliches Zureden von der Betreibung 


400 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


der Freiftellung und Deklaration auf dem Reichstag abzubringen. 
Er veriprad) auf dem Rückweg nad). Regensburg zu fommen und 
ſchickte einſtweilen, Anfangs Juli, feinen älteften Sohn, Herzog 
Wilhelm, dorthin. 

Bon den proteftantiihen Ständen hatten Kurpfalz und Hefjen 
ihre Gejandten beauftragt, vor Beltätigung der Deklaration auf 
feine anderen Verhandlungen ſich. einzulaffen; fie wollten ſofort 
Separatberatungen unter den Augsburger Konfeflions=: Verwandten 
beginnen ; die ſächſiſchen Gefandten beftanden jedod) darauf, dak man 
zuerft die kaiſerliche Propofition abwarten müſſe. Als diefe nun, 
in Widerſpruch mit der auf dem Wahltag gegebenen Zufage, nichts 
bon der Deklaration enthielt, verftanden fih aud die ſächſiſchen 
Geſandten zu Sonderverhandlungen unter dem Vorſitz der Kur: 
pfäßzer. Eine von dem pfälziihen Vizekanzler Dr. Paſtor ent= 
worfene Supplifation wurde von ſämtlichen evangeliſchen Ge— 
jandten genehmigt — nur die Pfalz-Neuburger hielten ſich wegen 
Privatintereffen fern — und am 29. Juni dem Kaiſer überreidt. 
Sie forderte, daß vor allem die Religionsbeſchwerden, insbejondere 
die Deklaration, vorgenommen würden. Zugleich wurde das frü- 
here Anjuchen der evangeliihen Grafen um Aufhebung des geiit- 
lihen Vorbehalts dem Kaifer empfohlen, obwohl die kurſächſiſchen 
und brandenburgiichen Gefandten zuvor privatim erflärt hatten, 
die Sreiftellung widerſpreche dem Religionsfrieden. Auch einige 
andere proteftantiihe Beſchwerdeſchriften, u. a. eine der Grafen 
bon Drtenburg gegen Bayern, wurden mit überreiht. Die evan- 
geliihen Grafen felbft übergaben einige Tage jpäter (am 2. Juli) 
dem Kaiſer eine neue ausführlihe Gupplifation um die Preis 
ftellung. — Die Gefandten der Tatholiihen Stände hatten ſchon 
zuvor insgeheim verabredet, auf feine Neligionsverhandlungen 
ji) einzulaffen; das ließen fie num dur die Gejandten der geiſt— 
lihen Kurfürften dem Kaiſer melden, mit der Drohung, daß fie 
Befehl hätten, andernfalls eher davon zu ziehen. — Die Stim— 
mung der Proteftanten war im allgemeinen wenig hoffnungsvoll ; 
fie fürdteten befonders, Kaifer Marimilian werde fid) durh Mo— 


Köln-Münfter u. db. Freiftellung 3. 3. des Reichstags von 1576. 401 


tones Anmejenheit zum Lavieren bewegen laſſen. Doch brachten 
fie es nod) einmal zu einem einmütigen Beihlug — nur Neu: 
burg bielt fi wieder fein —: am 10. Juli mahnten fie den 
Kaiſer an ihre Supplifation vom 29. Juni und drohten ihrerfeitg, 
daß fie vor Erledigung ihrer Religionsbefhwerden, insbefondere 
bevor die Deklaration beftätigt, auf feine Erledigung der propo- 
nierten Hauptpunfte fid) einlafen würden. 

Ein paar Tage zuvor (am 7. Juli) war Kurfürſt Salentin 
in Regensburg eingetroffen und hatte fofort die Führung der 
fatholiihen Partei übernommen. Seine Ankunft ermutigte die 
Furchtſamen, ſchreckte die Lauen, welche zu Sonzeffionen bereit 
gewejen wären. Bon Salentin geführt erſchienen am Morgen 
des 14. Juli jämtlihe damals anweſende katholiſche Fürften, 
Herzog Wilhelm von Bayern, die Biihöfe von Eichſtätt, Augs— 
burg und Regensburg in Perſon, ferner die Gefandten aller 
anderen fatholiihen Stände vor Kaiſer Marimilian und erflärten, 
dag fie ſich über Freiftellung und Deklaration auf feinen Disput 
mit dem andern Zeil einlafjen könnten, jondern es bei dem Bud)- 
ftaben des Neligionsfriedens zu laffen und mit der Beratung der 
BVropofition fortzufahren bäten. — Am Nachmittag ließ darauf: 
bin der Kaifer duch den Vizekanzler Dr. Weber den evangelifchen 
Ständen die Vorantwort zuſtellen: ihr Anſuchen wegen Dekla— 
ration und Freiftellung müſſe in weitere Erwägung mit den fa= 
tholifchen Ständen gezogen, ihre bejonderen Beſchwerden aber 
jollten durch die Reichshofkanzlei erledigt werden; er erwarte alfo, 
daß fie inzwilchen mit der Beratung des hochwichtigen erften 
Artifel3 der Propofition (die Zürkenhilfe betreffend) fortfahren 
würden. Hierauf fam es im Schoße der Konfefjioniften jelbft 
zum Zwiejpalt: die Kurpfälzer und ein Zeil der fürftlichen Ge— 
fandten wollten darauf beftehen, daß ſich der Kaiſer vor weiterer 
Beratung endgültig im Neligionspunft erflären müfle, die Mehr: 
beit der fürftlihen Gefandten ſchloß fi jedody) der Meinung von 
Kurſachſen und Brandenburg an, daß man mit der Beratung fort= 


fahren folle, unter der Bedingung, daß alles, was gewährt werde, 
Loffen, Köln. Krieg 1. 26 


492 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


unverbindlich fei, falls der Kaiſer den Religionsbeſchwerden nicht 
abhelfe. Dieje teilweife Nachgiebigleit war zunächſt eine Folge 
bon bejonderen perjönlihen Beiprehungen Marimilians mit den 
Gejandten der drei weltlichen Kurfürften, wobei nur die Sur: 
pfälzer — an ihrer Spike der Großhofmeifter Ludwig von Witt: 
genftein — hartnädig geblieben waren. Im Laufe der nächften 
Wochen, während über die Kontribution und die anderen Artikel 
der BPropofition (Reichsmatrikel, Seſſion, Landfrieden, Juſtiz 
u. |. mw.) beraten wurde, ftellte fi) allmählih die allgemeine 
Meinung feft, daß man die Freiftellung für diesmal auf fich be 
ruhen laſſen müfje, dagegen für die Deklaration eine neue kaiſer— 
liche Beftätigung herausbringen könne. Auch unter den fatholifchen 
Ständen fowie unter den Ffaiferlihen Räten waren manche der 
Anficht, daß fi) hiergegen, da man es mit einem echten kaiſer— 
lichen Brief zu thun habe, nichts thun laſſe. Selbſt Morone 
ihien fih mit dem Gedanken zu tröften, daß dieſe unvermeidliche 
Konzeffion nicht ſehr wichtig, da fie nur auf jene wenigen Unter 
thanen geiftliher Fürften ſich beziehe, welche ſich bereit3 zur Zeit 
des Paſſauer Vertrags im Befig der Augsburger Konfeifion bes 
fanden. 

Kurz zubor war die Frage, welche den Streit über die Dekla— 
ration veranlaft hatte, die Fuldaer, in ein neues Stadium ges 
treten, worin fi) feiner von den nicht unmittelbar beteiligten 
Reihsftänden zurechtfand und worüber deshalb auch die Anfichten, 
ganz abweichend von der fonftigen Barteiftellung, auseinander: 
gingen Y). Abt Balthafar war nämlich eines Tages (am 22. Juni), 
als er fih in dem Städtchen Hammelburg befand, um bier die 
Gegenreformation durdhzuführen, von feinem GStiftsadel, im Ein: 


1) Für bie Gefchihte der Fuldaer Wirren muß zur Zeit noch bie oben 
©. 290 genannte, ganz ungenügende Schrift von Heppe als Quelle biemen. 
Einzelne Ergänzungen bei Kluckhohn, Bd. II (f. Regiſter) und in den von 
mir benutten Archivalien. Mehr jcheinen folgende von mir nicht eingehend 
benutste Altenbände zu enthalten: StA. 162/10 und RA. Hodftift Würzburg, 
T. I. 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 408 


verſtändnis mit feinem Kapitel, überfallen und genötigt worden, 
angeblid freiwillig zugunften des Biihofs von Würzburg abzu= 
danken. Die einen betrachteten das als einen Erfolg der Frei— 
teller, die anderen al$ das Gegenteil, da der junge Biſchof von 
Würzburg, Julius Echter, jelbjt als Vorkämpfer der katholischen 
Reftauration befannt war. So erklärt es fi, daß nicht bloß 
evangeliihe Nachbarn, wie der ſächſiſche Kurfürft, mit diefer An- 
derung zufrieden waren, jondern, eine Zeit lang wenigitens, ſogar 
der eifrigfte aller Fatholiichen Fürften, Herzog Albrecht von Bayern, 
während der Papft und fein Legat, der Kaifer und die geiftlichen 
Kurfürften die Einmiihung des Würzburger Biſchofs als frevel- 
hafte Gemaltthat verurteilten und fofortige Reftitution des Abtes 
verlangten. Schließlich kam es zu einem Kompromiß, nämlid) 
Sequefter des Stifts durd) den Kaifer und Verwaltung desjelben 
durch den Deutichordensmeifter, welche erſt zu Anfang des folgen: 
den Jahrhunderts ihr Ende erreichten. 

Daran, daß die Deklaration auf dem Reichstag ſchließlich Doc) 
nicht beitätigt und nidt in den Neligionsfrieden aufgenommen, 
niht dem Kammergericht infinuiert wurde, Fam Verdienſt oder 
Schuld zumeift dem bayriichen Herzog zu: ihm gelang es bei 
feinem Aufenthalt in Dresden den Kurfürften Auguft, durch die 
Borftellung, daß die fatholiihen Stände lieber den Reichstag ver: 
lafjen al3 in eine Neuerung einmwilligen würden, zu der Zulage 
zu bewegen, daß er für diesmal auf Beftätigung der Deklaration 
nicht beftehen, fjondern fih mit dem Wortlaut des Religions: 
friedens begnügen wolle. — Bei feinen Religionsgenoffen ent: 
ihuldigte fi der Kurfürft nachher damit, daß er nicht um der 
Unterthanen fremder Fürften willen den ganzen Religionsfrieden 
in Frage ftellen, das heilige römiſche Reich zerrütten und dem 
Zürfen ſchutzlos preisgeben wollte). — Bon Dresden aus for- 


1) Rechtfertigungsfchreiben des Kurfürften an Herzog Julius von Braun- 
ſchweig und Landgraf Wilhelm von Hefien, datiert Glüdsburg, 1. Oft. 1576 
in Hifl. Miscelt. II, S. 102ff.; vgl. Bezold, S. 201, Anm. 2. 

26 * 


404 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel. 


derten Kurfürft Auguft und Herzog Albrecht den Kaifer auf, es 
beim Buchftaben des Neligionsfriedens zu laſſen. — Marimilian 
jelbft ſchien damals jehr geneigt, den Augsburger Konfeſſions— 
Verwandten nachzugeben; fein alter Freund Lazarus von Schwendi, 
der mit Graf Ludwig von Wittgenftein vertraute Beziehungen 
unterhielt, war bei ihm in Regensburg und redete ihm zu, daß 
etwas geſchehen müfje, wenn man Unruhen im Reich verhüten 
wolle. Ein vornehmer faiferliher Hofrat ſagte eines Tages jelbft 
zu dem wolfenbüttelihen Kanzler Mugeltin, der Kaiſer wundere 
fich, weshalb man ihm von evangeliiher Seite nicht mehr zufege. 
Daraufhin bejchloffen die proteftantiihen Stände von neuem, jedod) 
nur mündlich, an die veriprocdhene Entjheidung zu mahnen 9. — 
Gerade in diefem Augenblid, am 16. Auguft, kam Herzog Albredt 
auf der Nücreife von Dresden nad) Regensburg. Nur drei Zage 
blieb er da, aber dieje drei Zage wurden für die Frage der De: 
klaration entjheidend. In dem Logis des Salzburger Erzbiſchofs, 
welcher wegen einer Verlekung am Fuß das Zimmer hütete, er: 
ſchienen Kurfürft Salentin, Erzherzog Ferdinand, Herzog Albrecht 
und alle anderen anwejenden fatholiichen Fürften und Gefandte 
abermals in Perſon vor Kaifer Marimilian und forderten ihn 
neuerdings dringend und drohend auf, feine Anderung des Reli: 
gionsfriedens zu bemilligen. Es kam ihnen zugute, daß ſich bis— 
her die katholiſchen Stände, inbezug auf die von Marimilian jehn: 
lichft verlangte Türkenhilfe, neben Kurſachſen am freigebigften gezeigt 
hatten. — Am 25. Auguft ging den Augsburger Konfeſſions- 


1) Häberlin X, 292 ff. giebt Auszug aus einer angeblich am 25. Aug. 
überreihten „Erinnerungsfchrift”, bemerkt aber dabei, daß biefelbe bei Burg- 
farb [d. i. in der Autonomia] und Lehmann fehle. Häberlins Bedenken wird 
gehoben durch folgende Stelle in Ficharbs Relation (DINA.) zum 24. Auguf: 
„Den 24fen Haben die €. 8. [Konfeffionsverwandten] bei der K. Mt nur 
muntlih um refolution uf ire fupplicationes der religionsfachen halben ange 
halten und die anmanungsfchrift durch der curf. Sarifchen verurfachen und 
perfuafion, al8 ob die 8. Mt mit der refolution gefaft, warn man nur 
darumb anbielte (welches doch nicht geweſen) zue ubergeben underloßen.“ 


Köin-Münfter u. d. Freiftellung z. 3. bes Reichstags von 1576. 406 


Verwandten, am 27. den Katholiſchen eine Refolution des Kaifers 
in der Religionsjadhe zu, dahın lautend, daß er erbötig fei, den 
Religionsfrieden von neuem zu beftätigen, aber wider den Willen 
der einen oder der andern Partei keine Anderung in ihm machen 
könne; feines Vaters Deklaration lafje er auf ich beruhen. Da— 
neben verſprach er, fich alle Mühe zu geben, um die beiderfeitigen 
Religionsbeihwerden abzuftellen, und ermahnte beide Parteien, auch 
ihrerjeit3 ſich friedfertig und dem Religionsfrieden gemäß zu ver— 
halten. Gleichzeitig (am 25. Auguft) wurde die neue Suppli- 
fation der Grafen um die Freiftellung rund abgefchlagen. 

Kurfürft Salentin hatte, als diefe Reſolution erfolgte, den 
Reichstag bereits verlaffen. Er war, wie es jcheint, nur jo lange 
in Regensburg geblieben, um noch perfönlic mit feinem von Rom 
zurüderwarteten Rat Dr. Gropper, ſowie mit dem von Dresden 
fommenden Herzog Albrecht über feinen köln-münſterſchen Plan 
iprechen zu können. 

Als Gotfrid Gropper etwa Anfang Juni in Rom eintraf, 
fand er die Kurie in einiger Aufregung wegen der münfterichen 
Angelegenheit. Zuerſt war vom dortigen Domkapitel die Anfrage 
eingelaufen, ob Rom den Adminiftrator von Freifing oder den 
Boftulierten von Bremen vorziehe; dann kam von lekterem jelbit 
das Anfinnen, feine Wahl nit zu hindern; nachher hatte der 
bayrifhe Geſandte mitgeteilt, Kurfürft Salentin jelbft bemühe ſich 
für den Bremer Erzbifchof. Gregor hatte das von einem jo from 
men Katholifen wie Salentin anfangs gar nicht glauben wollen, 
bi3 es die Berichte feiner eigenen Nuntien beftätigten. Dazu kam 
endlid) der von dem Nuntius Gropper und von Bayern em— 
pfohlene Wunſch des Herzogs von Jülich, daß fein Sohn als 
Boftulierter förmlich beftätigt und zum Adminiftrator von Münfter 
ernannt werde. — Über die dem Domkapitel und dem Bremer 
Poftulierten zu erteilende Antwort war man raſch entſchloſſen: 
ein Breve vom 2. Juni bedeutete dem Kapitel, daß Herzog Hein- 
vi nicht beftätigt werden könne, weil er bisher feine Schuldigkeit 
nicht gethan, um für feine beiden anderen Kirchen fonfirmiert zu 


406 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


werden; der zweite Vorgejchlagene, Herzog Exnft, jei dagegen dem 
Papſte jehr genehm und ihrer Kirhe durchaus zu empfehlen. 
Unter demfelben Datum wurde der Poftulierte von Bremen er— 
mahnt, durd die That jene Dbjervanz und Devotion gegen den 
heiligen Stuhl zu beweifen, melde feine Worte zeigten; dann 
werde ihm der Papſt jehr gerne Gnaden erweijen. — Nicht eben 
jo jhnell konnte man ſich entichlieen, die verlangte Adminiftration 
Johann Wilhelms zuzugeben. An ſich war es eine res mali 
exempli, einen minderjährigen Fürftenjohn, von dem man beftimmt 
wußte, dab er nicht geiftlid bleiben fönne, als Haupt einer 
Kirche zu betätigen; jodann aber — und diefes Bedenken wog 
jedenfalls ſchwerer — traute man in Rom der fatholiichen Ge— 
finnung des Jülicher Hofes noch immer nit recht. Erſt vor 
kurzem hatte man neuen Anla zum Mißtrauen erhalten. 

Zwar hatte Herzog Wilhelm im Anfang diefes Jahres 
jeine Schweiter Amalie und feine beiden jüngeren Töchter Mag- 
dalena und Sibylla durch einen kaiſerlichen Geſandten, den alten 
Heren von Winneburg, förmlich auffordern laffen, mit ihm die 
Meſſe zu befuchen, und fie widrigenfall3 mit feiner Ungnade bedroht ; 
aber nit nur waren dieſe Bekehrungsverſuche und Drohungen 
vergeblid) geblieben, jondern des Herzogs Aufforderung ſelbſt ent= 
hielt die in Roms Augen höchſt anftögige Zufage, daß feine Töch— 
ter glei) ihm bei der Kommunion die beiden Geftalten gebrauchen 
jollten ). Bedenkliher noch war die Nachricht, daß aud) der 


1) Lacomblet, Archiv V, 82ff.; vgl. Lacomblet, Urkundenbuch IV, 
Nr. 577. Ein Bericht des Grafen Hermann von Neuenar an ben Kurfürften von 
der Pialz aus Bebbur 15. Januar 1576 (Kop. MA. Herz. Jülich 1575/1576) 
über die Verhandlung bes Herzogs Wilhelm mit feinen Töchtern wird in 
der Hauptfache beftätigt dur ein Schreiben des Kammerſekretärs Langer 
an den bayrijchen Sekretär Winklmair (datiert Hambadh 13. Januar 1576 
NA. Münfter II, fol. 18). — Graf Neuenar ſchreibt u. a.: „Und nachdem 
derjelben fi. f. G.] ſchweſter ichtwas dargegen reden wöllen, feind ire f. ©. 
dermafjen entrüft, das diefelbe die fchwefter zu Hambach auf dem ſchloß uber 
die gallereien gejägt mit einem bloſſen rappier, alfo dba nicht ein guetter 
man inen beiden ein tur zugefchlagen, beiten ire f. ©. bie ſchweſter erftochen; 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichstags von 1576. 407 


jegt vierzehnjährige Jungherzog Fohann Wilhelm feine für Dftern 
diefes Jahres anberaumte erjte Kommunion unter beiden Geftalten 
feiern werde. Durch ein eigenes Breve (vom 10. März) bat 
daher der Papft den bayriihen Herzog angelegentlihft, — als 
Gegendienſt für fein Entgegenkommen in der münfterfchen Sadıe, 
eine utraquiftiihe Kommunion feines Neffen zu BHintertreiben. 
Herzog Albrecht jchrieb denn auch in diefem Sinne an den jülich— 
ihen Hofmeifter Schwarzenberg und feine Gemahlin Herzogin 
Anna an ihren Schwager felbit, wodurch fie wenigftens fo viel er— 
reichten, daß Wilhelm ſich entihloß, die Erftlommunion feines Soh— 
nes noch aufzujdieben. Als dann Pfingften herannahte, wurde 
die Bejorgnis don neuem rege, daß der junge Herzog mit dem 
Kelch Fommunizieren werde. Deshalb mußte Groppers Stollege 
Dr. Elgard eigens an den Füliher Hof gehen, um im Namen 
des Papſtes Gegenvorftellungen zu machen. Der alte Herzog 
nahm diejes Drängen übel auf, gab aber doch wieder fo weit nad, 
dag die Kommunion feines Sohnes abermals aufgejhoben wurde. — 
Diefe Dinge trugen offenbar die meifte Schuld, daß man fid) in 
Rom, troß den Empfehlungen vonfeiten des Nuntius und des 
bayrifhen Hofes, fo ſchwer entſchließen mochte, Johann Wilhelms 
PVoftulation förmlich zu beftätigen. Einftweilen wurden dem alten 
Herzog, Übrigens in freundſchaftlichſter Form, einige kirchliche Be— 
denfen mitgeteilt, über die man vorerft den Nuntius Gropper per- 
fönlih in Rom hören wolle. 

Wie viel oder wie wenig Salentins Gefandter, Gotfrid Gropper, 
von den Wünjchen feines Herrn inbezug auf Stift Münfter der 
Kurie eröffnete, wiſſen wir nicht. Wahrſcheinlich wird ſich der 
fuge, an der Kurie mohlbewanderte Mann, als er merkte, daß 
eine ausdrückliche Genehmigung der Wahl des Bremer Erzbiichofs 
nicht zu erwarten fei, wohl gehütet haben, jelbft ein Nein her— 
auszufordern. Dem bayriſchen Gejandten, der ihn wegen Münfter 


auß welchem handel jetsiges eltiftes freulin Magdalena bermafien erfchroden, 
daß fie ein halbe rachung daruber kriegen und gar betligend ift.“ 


408 Fünftes Bud. Fünftes Kapitel. 


auszufragen fuchte, antwortete er, fein Herr ſei anfangs allerdings 
aus alter Freundihaft für den Bremer geweſen; feit er aber ge- 
merkt, daß diefer Pläne verfolge, welche für einen guten Fürften 
nicht ziemlich, jei er ganz geneigt, den bayrijchen Herzog aud in 
Meünfter zu befördern. — Daß Salentin diefem nad Köln ver- 
helfen wolle, verkündete Gropper in Rom offen als Hauptzwed 
jeines Kommens. Hierbei fand er vonfeiten der Kurie die zuvor: 
fommendfte Hilfe. In Form von Breven bewilligte man ihm 
alles, was und wie er es verlangte. Won zwei Breven, beide 
bom 30. Juni datiert, ermächtigte das eine den Kölner Erzbiſchof, 
ohne Nennung eines Namens, einen würdigen katholischen Road: 
jutor anzunehmen und dabei auch die Zuftimmung feines Kapitels 
einzuholen; das andere ermächtigte und ermahnte ihn, vor Nieder: 
legung feiner Würde den Wominiftrator von Hildesheim und Frei- 
fing al3 Koadjutor anzunehmen und zwar jelbjt gegen den Willen 
und troß dem Widerſpruch feines Domkapitels ). in drittes 
Breve endlih, vom 1. Juli datiert, beauftragte den Erzbiſchof, 
kraft päpftlicher Autorität gegen alle der Härefie verdächtigen Dom- 
fapitularen zu inquivieren, Prozeß zu führen, mit Strafen jelbft 
bis zur Privation einzujchreiten u. |. w. 

Die beiden erjten Breven wurden in der zweiten Juli— 
Mode dem SKardinallegaten nad Regensburg zugeihidt, mit 
dem dritten Gropper jelbft etwa acht Zage jpäter von Rom ab- 
gefertigt. Das nahm Salentin als einen Vorwand, um fi in 
Regensburg gegen Rom und namentlich gegen den Legaten aufs 
heftigfte erzürnt zu zeigen, al3 habe diefer den Aufenthalt feines 
Geſandten veriduldet. Salentin trieb feinen wirklichen oder 


1) inque eo etiam possis capituli tui consensum requirere, beißt e8 in 
bem erften Breve; idque facies etiam adversante et reluctante capitulo, 
in quo absolvimus te ab omni vinculo juramenti, si quo forte teneris 
astrietius — in dem zweiten Breve. Das mildere gebrudt bei Theiner 
II, 158, das fchärfere bei Lacomblet, Urkundenbudh IV, Nr. 578. Kopie 
von beiden, ſowie von dem Breve vom 1. Juli fhidte Salentin am 30. Auguft 
aus Dresden an Herzog Albrecht. 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung z. 3. des Reichstags von 1576. 409 


ſcheinbaren Groll gegen Morone jo weit, daß er benfelben in 
Regensburg weder beſuchte, noch auch Bejuhe von ihm und den 
mitanmwefenden päpftlihen Nuntien annahm). Morone jelbit 
beklagte fi gegen Gotfrid Gropper naher bitter über dieje Un— 
höflichleit: während jelbft der Kaifer und König Rudolf, Erzherzog 
Ferdinand und Herzog Albrecht, ja jogar Abgeordnete vieler pro- 
teftantiihen Fürften ihn in Perjon beſucht hätten ?), habe er bei 
Salentin nicht einmal eine Audienz erhalten können. — Wenn 
e3 dem Kurfürften mit dem zur Schau getragenen Groll Ernſt 
war, jo galt er gewiß weder der furzen Verzögerung — denn im 
Vergleich zu dem fonftigen ſchleppenden Geſchäftsgang an der Kurie 
war Groppers Erpedition vielmehr ſehr raſch erfolgt —, nod) 
aud der angeblich zweideutigen Haltung Morones in der Kölner 
Succeſſionsſache ®), Sondern wohl der Nachricht, daß Rom 


1) Daraus ſieht man, daß der ſchlaue Karbinal („ven gefchicteften kirch- 
lihen Diplomaten, der je gelebt bat”, nennt ihn Ranke a. a.D., ©. 108) 
auf Salentins fatholifche Haltung in den Reichsſachen perfönlich feinen Einfluß 
geübt Haben kanu. Über Morones Thätigkeit in Regensburg vgl. neben Theiner 
l. c. no Maffei, Annali di Gregorio I, 226sqq. — Die Alten ber 
Verhandlung zwifchen Morone und Herzog Albreht Kra. Rep. IV. lit. r. 
Fasc. 2/3 (3. Teil gebrudt bei Aretin, Bayerns ausw. Verb. Urk., ©. 32 ff.) 
betreffen faft nur fpeziell Bayrifhe Dinge. Weitere Or.-Briefe Morones an 
Herzog Albredt vom 30. Mai, 12. Juni, 12. Auguft RA. Miünfter III, 
237. IV, 26; Lüttih I, 66; — an ben Herzog von Jülich DA. 28°, fol. 
323; Bericht Herzog Wilhelms von Bayern an feinen Bater über ein Ge— 
ſpräch mit Morone, datiert Regensb. 30. Juli, RA. Tectierte Fürftenfachen. 

2) Ein Beſuch des Wolfenbütteler Kanzler Mutzeltin bei Morone (aus 
Anlaß der Halberftäbter Sache) ift erwähnt Hiftor. Miscell. II, 151. 

3) 22. Auguft 1576 berichtet Danborf an Herzog Albrecht über eine 
nad defien Abreife von Regensburg bei Salentin gehabte Audienz u. a.: 
„Alſo haben fein curf. G. zum eingang der tractation ſich ganz Hitig wider 
den carbinalem Moronum in colera commovirt, als ob ire f. ©. haimlicher 
waiß, auch one bevelch und hinterrucks ber bäbſt. Ht und fiir fich felbs, vil- 
leicht feins privats interefie halben, mit der K. Mt und erzh. Ferbinanden 
von wegen vortjegung ber baiber fünen ainen zu bem erzftift Eöln geprac- 
ticirt, dadurch fein bes curf. und e. f. ©. heilfams und chriftlihs fürhaben 
mit bero geliebtem fon ganz und gar zu wibertreiben“ u. f. w. Der Kar- 
dinal wies; nachher Gropper gegenüber biefen Vorwurf etiam profusis la- 
chrimis als unbegründet zurüd. 


410 Fünftes Buch. Fünftes Kapitel. 


feinen Wünſchen inbezug auf Stift Münfter nicht nachgeben 
werde. 

In Regensburg hatte Salentin aud mit dem jungen Herzog 
Wilhelm von Bayern über feinen köln-münſterſchen Plan ein- 
gehend geiprochen und dabei, um den bayrischen Herzog milliger 
zu jtimmen, au auf fein Stift Paderborn Ausfihten gemadt. 
Herzog Wilhelm hatte dies alsbald feinem Vater nad) Sachſen 
berichtet, der zwar im allgemeinen auf feinem frühern Stand- 
punkt blieb, daß er Ehren und Gewiſſens halber auf Münfter nicht 
verzichten könne, aber doch dem Kurfürften einen Schritt meiter 
als zuvor in München entgegenlam: wenn fein Sohn, ließ er 
dieſem jagen, erſt Köln und alfo drei Stifter habe, werde man 
wegen Münfter viel weniger Schwierigkeiten machen. Ahnlich 
muß ſich Herzog Albrecht nachher zu Regensburg gegen Salentin 
jelbft ausgeiprodhen haben. Diefer deutete wenigitens Albrechts 
Außerungen als Zuftimmung zu feinem Plane. Am 16. Auguft 
berichtet der bremiſche Reichstagsgefandte Dr. Egeling in Eile an 
feinen Erzbischof, er habe ſoeben von Kurfürft Salentin erfahren, 
daß Herzog Albrecht, wenn zuvor der Handel mit Köln für feinen 
Sohn rihtig, auf Münfter verzichten und dort ſogar ſelbſt für 
Herzog Heinrich fi verwenden wolle. Salentin jei im Begriff, 
nah Sachſen abzureifen, und molle dort auh mit Kurfürft 
Auguft die Sache richtig machen, nachher aber den Erzbiihof zu 
einer Unterredung zwifchen Dsnabrüd und Paderborn — nad) dem 
Sparenberg alſo? — beicheiden. Über feine Abfihten inbezug auf 
Köln ſprach ſich Salentin nad) Empfang der römischen Breven in 
einem bon Gropper verfaßten und dem bayriihen Kat Dandorf 
zugeftellten Memorial deutlich aus. Gemäß diefem Memorial wollte 
Salentin zunächſt in freundfchaftliher Weife den Priefterfanonifern 
und Epdelherren die Koadjutorie des bayriichen Herzogs vorſchlagen 
und, wenn fie gutwillig darauf eingingen, ihnen alles vergeben, 
was fie B3fes gethan, aud all’ feine Anſprüche und Prozefie 
gegen das Kapitel fallen lafjen; follten aber die Kapitularen wider: 
jeglic fein, jo werde er mit den zwei anderen ſchärferen Breven 


Köln-Münfter u. d. Freiftellung 3. 3. bes Reichſtags von 1576. 411 


bervorrüden; Dr. Gropper werde ſich alsbald nah Köln be= 
geben, um die Gemüter feiner Gonfratres auf dieſe Abfichten ihres 
Erzbiſchofs vorzubereiten. — Salentin jelbft wies bereit3 am 
28. Auguft in einem Schreiben aus Dresden Dechant und Kapitel 
zu Köln auf die Eröffnungen hin, welche Gropper ihnen gemacht 
haben werde, und ftellte „gnädiglich gefinnend und befehlend ‘ 
das Erſuchen, daß alle abwejenden Domberren binnen acht Wochen 
nad Empfang diejes Schreibens im Erzſtift erſcheinen follten, um 
weiteren Beriht von ihm felbjt zu vernehmen. 





6. Kapitel. 


Der Plan einer Kölner Koadiutorie des Herzogs Ernft.* 


— 


Die Annahme eines Koadjutors mit dem Rechte der Nach— 
folge war im Erzitift Köln zwar ungebräuchlich, aber nicht uner— 
hört: jo hatte vor etwa vierzig Jahren Erzbiihof Hermann von 
Wied den Grafen Adolf von Schauenburg, feinen jpäteren Nach— 
folger, auf Wunſch des Kaifers zu feinem Koadjutor gemadt; 
aud der jegige Dompropft Georg von Wittgenftein war bereits 


*Quellen: Über die Einlöfung des Veſtes von Redlinghaufen, den Streit 
um Zons und andere Streitigfeiten Salentins mit feinem Domlapitel 
zerftreute Notizen in den Domtlap.-Protot. DA. ; einiges auh DNA. 
C. 368; vgl. oben ©. 154 und ©. 183ff. Ferner Spangen- 
berg, Schauenburg. Ehronicon, Stabthagn 1614, ©. 269. Zwei 
Fascifel DA. Köln. Domftift, Nr. 323» u. 323d. — Bayriſche Alten 
über den Koadjutorieplan StA. 38, Nr. 3. 7. 11 u. 12. RA. Mün— 
fter, T. IV. — Quellen zur Geſchichte des Reichſstages f. o. zu Kap. 
5, ©. 383; über Kurfachfens Haltung in ber Religionsfrage aufßer- 
dem StA. 53/3 und RA. Fürftenfaden, T. XXV. — Über bie Be- 
mühungen ber Wetterauer Grafen gegen bie bayrifhe Koadjutorie in 
Köln: DIEA. R. 60. DA. Erzbifhöfe. Gebharb Truchfeß, Nr. 5b. MA. 
Köln 1515—1580 (Marburger Arhivalien) und Reg. 4. Rep. LI. 
Cell. 5. Bol. XI. (Kaffeler Ardhivalien). Dr. Schwarz’ Relation über 
die Werbung in Köln, datiert 21. Januar 1577, gebrudt (mit man— 
chen Lefeiehlern) bei 3. Arnoldi, Auftlärungen in d. Geſch. bes d. 
Reichsgrafenftandes, Marburg 1802. — Einige Briefe betreffend bie 
Kölner Koadjutorie: Theiner II, 1688q. u. 276. Über die Auf- 
regung, welche Salentind Bortrag vom 23. September in Köln her— 
vorrief, berichtet Eolshill an Lord Burghley 4. Oktober 1577. Ca- 
lendar of St. for. Ser. 1575/1577, p. 392. 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 415 


Koadjutor feines Vorgängers geweſen. Allerdings aber wurde für 
jede Koadjutorie die Zuftimmung des Kapitels ftrengftens gefordert ; 
Kurfürft Salentin ſelbſt Hatte im 5. Artikel feiner Wahlkapitu: 
lation umftändlid) gelobt, ohne dieſe weder einen Nachfolger, noch 
Koadjutor, nod jonftige ähnliche Perfon anzunehmen. Ferner ent- 
hielten alle Eidesformeln für Kanoniker, Rapitularen und Prälaten 
die Verpflihtung, nur Mitglieder des Kapitels zu Prälaten zu 
wählen. 

Daß Herzog Ernjt Domkapitular werden jolle, hatte Salentin 
jelbft wiederholt gefordert; die Zuftimmung des Kapitels zur Koad— 
jutorie desjelben gedachte er durch Nachgiebigkeit in feinen Strei— 
tigfeiten mit dem Kapitel, namentlih in der Zonfer Sade, zu 
erfaufen. Wir haben dieſen Streit bis zu dem Augenblid ver= 
folgt, da Salentin durch fein Eintreten für König Rudolfs Wahl 
zum römiſchen König ſich Anſpruch auf den Dank des Kaiſers er: 
warb. Er erwartete diefen Dank in zwei Angelegenheiten, melde 
ihm faft ebenmäßig angelegen waren: bei der Einlöfung des den 
Grafen von Schauenburg verpfändeten Veſtes von Redlinghaufen, 
und in der Zonſer Streitſache. 

Jene Pfandihaft Hatte Salentin bald nad Antritt der Re— 
gierung gelündigt. Sein Kapitel war damit ganz einverftanden; die 
veftiichen Unterthanen, von ihren Pfandherren mannigfach be— 
ihwert, verlangten nad) der Ablöfung und veripraden ein gut 
Zeil des nötigen Geldes jelbit aufzubringen; die Pfandherren 
dagegen fträubten fi) mit aller Gewalt, ohne Zweifel, weil der 
wirkliche Wert des Pfandes die Einlöfungsfumme damals weit 
überſtieg. Sie erwirkten anfangs eine kaiſerliche Kommilfion, 
braten dann die Sache auf den Rechtsweg und hätten vielleicht 
durch Verſchleppung Salentins Abficht vereitelt, wenn diefer nicht 
feine Zuftimmung zu Rudolf3 Wahl, mie behauptet wird, aus 
alter Feindihaft gegen den jegigen Pfandinhaber Graf Dtto ?), 


1) Spangenberg a. a. D., welcher außerdem behauptet, Salentin babe 
„das Bet R. ad vitam zum Reſervat behalten” wollen. Sonft finde ich 
feinen Anhalt für dieſen Verdacht. 


414 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


ausdrücklich an des Kaiſers Einwilligung zur Löſung des Beftes 
geknüpft hätte. Genaueres über die Verhandlungen hierüber ift 
nicht befannt; das Ende war, dab das Veſt, nachdem es über 
120 Fahre der Kölner Kirche entfremdet, im Mai 1576 gegen 
Entridtung von 17,550 Goldgulden ihr wieder anheimfiel. Graf 
Johann von Naffau, als naher Verwandter der Schauenburger 
Grafen, hatte vergebens jeinen Freund, den Kurfürften, um Ge: 
duld gebeten; vergebens aud hatten die beiden Söhne des Grafen 
Dtto, welche felbit Domhberren zu Köln waren, Hermann, Biſchof 
von Minden, und Anton, der im Frühjahr 1574 an Stelle Hein: 
rih3 von Sayn Domdehant geworden, das Kapitel auf ihre Seite 
zu ziehen geſucht; zumeift wohl infolge hiervon gehörten fortan 
die beiden Brüder, namentlid) Hermann, zu Salentins entſchiedenen 
Gegnern. 

Megen Zons (und zugleid wegen des Veftes) war der Kanzler 
Dr. Burfhart im Auguft 1574 am faiferlihen Hof; ein paar 
Monate nachher erfolgte in der Zonjer Sadhe ein Urteil des 
Kaiſers, welches bereits eine halbe Entiheidung zugunften des 
Kurfürften enthielt: der Kaifer ernannte den Biſchof Gerhard von 
güttih und den Grafen Hermann von Neuenar zu feinen Kom: 
mifjaren und beauftragte zugleid) den lektern, die Einfünfte von 
Zons im Namen des Kaiſers zu fequeitrieren. Damit er: 
kannte Marimilian die vom Kapitel bisher hartnäckig beftrittene 
Litispendenz an. Das Kapitel appellierte an das Kammergeridt, 
proteftierte gegen Kommilfion und Seqeftration und traf Ans 
ftalten, der letztem mit Gewalt zu begegnen. — Dazwiſchen 
jpielten andere minder wichtige Neibereien: So verlangte das 
Kapitel, die furfürftlihen Beamten, namentlih der VDberfiegler 
(LZutger von Heresbach), jollten ihm gemäß Art. 6 und 7 der 
Wahlfapitulation den Eid leiften; der Dberfiegler weigerte ſich 
aber unter Berufung auf das Verbot des Erzbiſchofs. — Saler- 
tin jeinerfeitS forderte Wahl eines neuen Scholaſters, weil der 
jegige (der Straßburger Bischof, einer feiner Hauptgegner) feine 
Refidenz in Köln halte. — Für die Zukunft war nicht unwichtig, 


Der Plan einer Kölner Koadjutorie bes Herzogs Ernft. 415 


daß der Kurfürſt um diefelbe Zeit mit Grafen und Ritterichaft 
de3 Erzftift3 fi) überwarf, weil er ſich herausnahm, wegen rüd- 
ftändiger Zürkenfteuer deren Hofleute zu befteuern. Dagegen 
traf Salentin im Sommer 1575 ein vorteilhaftes Ablommen mit 
den Kölner Stiftsgläubigern (den fogen. Sreditoren und Fide- 
jufforen), welchem aud das Domkapitel beitrat. — Alle anderen 
Streitigkeiten zwiſchen Kurfürft und Kapitel verichärften ſich aber 
eben damals. 

Das Domkapitel hatte wegen der Zonjer Sache alle Kapi- 
tularen auf den 2. Auguft (1575) zufammenbejchrieben und er- 
juhte nun den Kurfürften, in der Nähe zu verweilen. Der aber 
antwortete: dem Sapitel zuliebe werde er feinen Schritt voran 
tbun; man könne mit feinen Räten verhandeln. Bald darauf 
fım er zwar perfönlid) nad) Köln, wollte aber nur den Edelherren 
und nicht den Priefterfanonifern Audienz geben. — Zum 2. Auguft 
erihienen zwölf Endelherren, darunter aud der Bremer Erzbiſchof 
und der Straßburger Biſchof, in Köln, wo man nun faft 14 Tage 
lang im Schoß des Kapitel3 und mit Salentins Räten wegen Bons 
verhandelte. Zulegt wurde mit ftarker Majorität beichloffen, von 
dem Vertrag des Jahres 1561 nicht abzugehn, feinen Sequefter 
zuzulafien, jondern eine lage des Kurfürften am Kammergericht 
zu erwarten. Erzbiſchof Heinric hatte fi) vergeblid bemüht, das 
Kapitel nachgiebiger zu ſtimmen. — Während der Beratungen 
wurden aud Salentins Waphlartifel, jowie die alte Erblandesver- 
einigung berlefen, woraus ſich ergab, daß der Kurfürft noch in 
vielen anderen Punkten gegen Eid und Verträge handle; man 
faßte deshalb, für den Fall daß er Hartnädig bliebe, die Berufung 
eines Landtags ins Auge. Außer dem Afterdehant Thengen und 
dem Dr. Gotfrid Gropper, unterzeichneten wieder (am 13. Auguft 
1575), ähnlich wie im Februar 1571, alle Anwejenden 
einen Abſchied, worin fie fi) verpflichteten, an dieſen Bejchlüffen 
feftzuhalten. — Bald nachher. verzichtete der Graf vor Neuenar 
freiwillig auf Kommiſſion und Sequeftration; den Lürtiher Biſchof 
ließ fih das Kapitel als bloßen faiferlihen Kommiſſar in der 


416 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel. 


BZonjer Sache gefallen, verhandelte auch ſpäterhin, wiewohl unter 
Proteft, vor feinen Subvelegierten. 

Um die Zeit des Regensburger Wahltags ruhte der Streit 
faft vollftändig. Salentin fing ihn zuerft wieder an, indem er, 
Anfangs Januar 1576, duch feine Räte allerhand Beichwerden 
und Forderungen an das Kapitel gelangen ließ: dieſes halte nicht, 
was e3 bei dem Vertrag mit den Kreditoren und Fidejufforen ge= 
lobt; der Paftor von St. Columba (Sebaftian Novimola, Sa: 
lentins alter Gegner) habe ſich aus der alten Domrente jährlich 
50 Goldgulden zuviel angeeignet, deshalb oder wegen angeblicher 
Injurien gegen den Kaifer jolle man denfelben ihm ausliefern ; die 
Prälaten des Kapitels jollten ihn, den Kurfürften, gemäß Art. 7 der 
Wahlkapitulation, um ihre Konfirmation erfuhen — damit war e3 
auf feine beiden ſchlimmſten Gegner unter den Edelherren abgejehen, 
den Straßburger Biſchof als Scholafter und den im September 
1574 neugewählten Chorbifchof, Herzog Friedrih von Sachſen— 
Lauenburg. Daneben forderte Salentin von neuem, der Straß- 
burger Bischof folle das Scholafteramt niederlegen. Das Kapitel 
antwortete in der Form höflih, in der Sache hinhaltend. Auch 
ſonſt fpricht fi in den Kapitelprotofollen aus diefer Zeit eine 
weit verjöhnlichere Stimmung aus, al3 in denen des vergangenen 
Monats Auguſt. Das erflärt ſich dadurd, daß bon den Edel: 
herren damals meift nur der ziemlich harakterloje Domdechant, 
der außerdem zur Zeit noch auf Salentins Nachgiebigfeit in der 
veftiihen Sade hoffte, und neben ihm zwei entſchiedene Freunde 
Salentins, Thengen und Joh. Daniel von Winneburg, anweſend 
waren. Diefe beiden ftellten im März 1576 fogar den Antrag, 
man möge den Kurfürften bitten, alle Ungnade wegen Zons fallen 
zu laffen, und fi zu gütlichen Unterhandlungen erbieten; und das 
Kapitel wies diefen Vorſchlag nicht grundfäglid ab, ſondern ver- 
ſchob nur die Antwort bis zur Ankunft anderer Herren. — Als 
Salentin in derjelben Zeit (April 1576) an den Rhein kam, um 
mit dem Herzog von Jülich feinen köln-münſterſchen Plan zu be= 
ipredhen, machte er in Kaiſerswerth auch einigen Deputierten des 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernft. 417 


Kapitel3 die erften Andeutungen über denjelben. Im Mai em— 
pfahlen dann feine Begleiter und Freunde aus dem Sapitel, 
Thengen, Winneburg und Gropper, von Münden aus brieflich 
ihren Mitkapitularen Herzog Ernfts Koadjutorie. — Es ift aljo 
nicht ganz unverftändlih, wie Salentin zur Zeit des Reichstags 
ſich Hoffnung machen konnte, die Mehrheit des Kapitels werde ſich 
die Koadjutorie gutwillig gefallen lafjen. 

Am 12. September teilte Dr. Gropper in Salentins Auftrag 
dem Domlapitel mit, der Kurfürft beabjichtige zu vefignieren, wolle 
aber zubor wegen Zons und anderer Gebrehen ſich mit dem Ka— 
pitel vergleihen, — alle wußten, daß es fi) dabei um die Koad— 
jutorie handeln jolle, feiner aber ſprach e3 offen aus.. Am folgen- 
den Tag traf jenes Schreiben Salentins aus Dresden ein, worin 
auf Eröffnungen Groppers verwiejen wurde. Diefer, zu näherer 
Auskunft aufgefordert, ging wieder nit über allgemeine Redens— 
arten hinaus. Man beſchloß alfo alle abmwejenden Domherren 
auf den 7. November zu berufen, um des Kurfürften Wünſche 
zu vernehmen. Salentin, der inzwiſchen wieder an den Ahein 
gekommen war, hatte aber nicht Luft, jo lange zu warten, jondern 
ud ſchon am 20. September von feiner Burg Arenfel3 aus alle 
anweſenden Domlapitularen auf künftigen Sonntag den 23. mor= 
gens 6 Uhr in den kurfürftlihen Hof zu Köln, wo er über wich— 
tige Dinge mit ihnen perjönlih zu reden habe. Als nun am 
Sonntagmorgen der Domdehant und alle adht BPriefterfanonifer 
im Kölniſchen Hofe erichienen, fanden fie beim Kurfürften den 
Grafen Hermann von Neuenar, viele Räte und zahlveihes Hof- 
gefinde, in deren Gegenwart, bei geöffneten Thüren, Salentin mit 
_ einer groben Strafrede an die Kapitularen begann, — wegen der 
Undankbarkeit und des Ungehorſams, womit fie jeinen väter— 
lichen Ablihten begegnet. Dennod wolle er ihnen, wenn fie jich 
in gewiſſer Frift mit ihm verglichen, das Erzitift unentgeltlich) 
wieder zuftellen; wenn aber nicht, jo werde er auf andere Wege 
gedenken, welche dem Kapitel leid fein, Leib und Gut, Geld und 


Blut foften würden. Er drohte, dab er heiraten und dennoch 
Lofjen, Köln. Krieg 1. 27 


418 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


das Erzſtift behalten und erblid) machen wolle. Weiter verficherte 
er, das Papft und Kaifer ihn ermächtigt, aud) wider den Willen 
des Kapitel einen Koadjutor anzunehmen, und ließ zum Beweis 
das jchärfere der beiden Breven vom 30. Juni verlefen, jedod 
ohne den Namen des Herzogs Ernſt. Zum Schluß forderte er 
jeine Räte und die jonjtige Umgebung auf, dieſe feine Warnung 
und Erinnerung aud) anderen zu melden und nicht zu ver 
ſchweigen. 

Andern Tages erging vonſeiten des Kapitels ſofort Bericht 
über dieſen ſeltſamen Vortrag an alle abweſenden Domherren. 
Einige antworteten ſchriftlich: der Straßburger Biſchof lehnte es 
ab, zu dem allgemeinen Kapitel des 7. November, vorausſicht— 
(ih) doc) vergebens, zu ericheinen, riet vielmehr in einem aud) 
für das Kapitel bejtimmten Begleitidhreiben an Hermann Adolf 
von Solms über die unerhörten Drohungen und Handlungen des 
Kurfürften an Papft und Kaiſer zu berichten, einmütig zuſammen— 
zuftehen und die Landſtände zu bejchreiben; bei einem Landtag wolle 
er eriheinen. — Dagegen empfahl der Afterdehant Thengen, des 
Kurfürften Gemüt durd) Sriedensliebe wieder zu gewinnen. — Der 
Bremer Erzbiihof jchidte einen eigenen Gejandten, den Lorenz 
Schrader, zum 7. November nah Köln, um das Kapitel zu er 
mahnen, „dem Herrn Kurfürften als dem von Gott vorgeſetzten 
ordentlihen Haupt mit Glimpf und guter Beicheidenheit unter 
Augen zu gehen und in allem zu willfahren, was immer, um 
Einigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit des Erzitiftes zu erhalten, 
nachgegeben werden könne.“ — Das entiprad) aber durchaus nicht 
der jegigen Stimmung der Mehrheit; das Kapitel, zum 7. No: 
vember ziemlid) zahlreih verfammelt, forderte vielmehr den in 
Brühl weilenden Kurfürften furzweg auf, er folle angeben, über 
was und mie er fi vergleihen wolle; des Vortrags vom 
23. September gedadhte man dabei mit feinem Wort. Das 
nannte Salentin in feiner Antwort ein „ſchimpfliches Anmuten ‘“. 
„Iſt nun euer Will“, fügte er bei, „Die Saden, wie euch längſt 
wohl angejtanden zu bedenken und ferner der Gebühr mit uns zu 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 419 


traftieren, wohl gut; im Fall anders, mögen wir's mit Gott und 
vor menniglid bezeugen, daß wir zu feinem Verlauf [feiner Wei- 
terung] Urſach gegeben. Dies haben wir euch nit ſollen verhalten 
und jeind euch nod zur Zeit gewogen.‘ 

Nun legten fi die furfürftlihen Räte ins Mittel und brach— 
ten es durch mehrtägiges Unterhandeln dahin, daß Salentin ein- 
willigte, dem Kapitel neuerdingg — angeblid) weil am 23. Sep- 
tember nur ein Edelherr zugegen gewejen — über die beabjichtigte 
Koadjutorie Vortrag halten zu laſſen. Das geihah am 23. No- 
vember durch Landhofmeifter, Kanzler und zehn andere adelige und 
rechtsgelehrte Räte. Der Kurfürft wolle, trugen fie vor, weil 
das Kapitel feinen Verſprechungen nicht nachgefommen jei und wegen 
der beſchwerlichen Zeiten das Erzftift verlaffen und feinen eigenen 
Sachen vorftehen. Nun hätten ihm Papft und Kaiſer befohlen, den 
Freifinger Adminiftrator, Herzog Ernft von Bayern, zum Koad— 
jutor und Nachfolger anzunehmen; das Kapitel folle ſich aljo 
hierüber. mit ihm vergleichen, damit es, ſoweit al3 möglich unbe— 
ſchadet der Privilegien und Statuten ihrer Kirche, ins Werk geſetzt 
werde; wenn nicht, möge jeder erwarten, was ihm widerfahren 
werde; er, der Kurfürft wolle daran feine Schuld haben. — Das 
Kapitel verſchob bejtimmte Antwort, bis e3 alle abweienden Dom— 
herren um ihre Meinung befragt habe. — Am nächſten Tag kam 
Salentin jelbft in die Stadt herein, um, wie er jagen ließ, fi 
perjönlih bon den Herren Antwort zu holen und mit ihnen fröh— 
lich zu fein. Am Abend Hatte er eine Anzahl Kapitularen als 
Säfte bei ſich im Kölniſchen Hof und redete vor ihnen derb und 
deutlich über die beabjichtigte Koadjutorie. Er jelbit, behauptete 
er, habe dazu nichts gethan; aber Papſt und Kaifer wollten bei 
diefem Zwiejpalt der Neligion dem Kapitel die freie Wahl nicht 
anvertrauen; er werde alſo nicht abtreten, bis er jeines Nachfolgers 
gewiß; Vögelchen friß oder ftirb, werde es heißen ). Die Herren 


1) Im Domlap. = Protokoll ift diefe Drohung nachträglich ausgeftrichen, 
aber wohl nur, weil man an bem berben Ausbrud Anſtoß nahm. 
27° 


420 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


möchten fi) alfo, wenn nicht im Kapitel, doch für ihre Perſon 
erflären. Könnten fie übrigens bei Papit und Kaiſer etwas an— 
dere3 erlangen, jo ſei's ihm aud, vet. — Dieje und ähnliche 
Reden wurden in der nächſten Kapitelsfigung gemeldet, brachten 
aber in dem bereitS vorher gefaßten Beſchluß, alle Kapitularen 
wegen der Koadjutorie auf den 15. Januar zujammenzurufen, 
feine Änderung zumege. 

Durch all’ dieje Vorgänge geriet zunächſt das Kapitel jelbft in 
gewaltige Aufregung und Verwirrung. In und außer demjelben 
fam es zwiichen den Epdelherren, melde mehr oder minder zum 
Kurfürften hielten, wie Joh. Daniel von Winneburg, Johann von 
Reifferiheid und Philipp von der Marl, und den anderen, na- 
mentlid) dem jüngeren Winneburg, zu jo heftigem Bank, daß jene 
eine Zeit lang gar nicht mehr im Kapitel erjcheinen mochten. Alle 
Priefterfanoniker, aud) die am beiten bayriich gejinnten, wollten 
von einer Koadjutorie nichts wilfen. Schon Anfangs September 
hatte Dr. Winkel den jülihihen Sekretär Langer vor diefem Pro— 
jekt ernftlih gewarnt: es laffe ſich anſehen, meinte er, al3 wolle 
der Hurfünft den Herzog von Bayern damit aufs Eis führen und 
etwa ſich jelbjt ein Intereſſe am Erzftift anmahen. Langer hatte 
das ſofort nad) München weiter berichtet; jetzt ließ Dr. Winkel 
no viel dringendere Warnungen direkt und indirekt dorthin ges 
langen: Das Breve, welches den Kurfürften ermäcdhtige, gegen den 
Willen feines Kapitel Herzog Ernft zum Koadjutor anzunehmen, 
wideripredye dem gemeinen Recht, den Beſchlüſſen der Konzilien, 
den Statuten der Kölner Kirche, der Erblandesvereinigung; es 
jehe bereits aus, al3 wollten die Landſtände ji auflehnen. Die 
Gegenpartet werde bei ihren Verwandten und bei den Reidjs- 
fürften Hilfe finden, „in Betrachtung, daß auch die Stände des 
heiligen Reichs nit gern dahin verjtehen jollten, dag man von 
Rom und päpftlicher Heilt des heiligen römischen Reichs Kurfürften 
holen ſollte“. Biel ratſamer jei der föniglihe Weg der freien 
Wahl; Herzog Ernft folle nur ſuchen Kapitular zu werden und 
dann ſofort jeloft herunter an den Ahein fommen, dann würden 


Der Plan einer Kölner Koadjutorie bes Herzogs Ernſt. 421 


fi) mit Gottes Hilfe alle Hinderniffe leicht bejeitigen laffen, denn 
eines Menſchen Antlitz ſei gleich) dem eines Löwen (facies hominis 
est facies leonis). 

Auch am Münchener Hofe hatte man e3 von vornherein für 
nügliher gehalten, wenn der Kurfürft es zunächſt wenigſtens mit 
Güte verſuchte; Salentin aber ſchien es auf Gewalt faft abgejehen 
zu haben. Zur jelben Zeit, da die Freunde Bayerns in Köln und 
der Herzog von Jülich den Weg der freien Wahl anrieten, ichicte 
Salentin allerlei zur Übermittelung nah Rom beftimmte Schriften 
nad München, in welden gebeten wurde, feine Vollmadyten für 
Annahme eines Koadjutors weiter auszudehnen. Gr wolle, 
jhrieb er am 29. November eigenhändig aus Kaiferswerth an 
Herzog Albrecht, ungefähr Mitte Januar abtreten, den Admini- 
ſtrator don Zreifing als feinen Koadjutor und Succefjor dem Kapitel 
und der Landichaft präfentieren und, wo vonnöten, nad all jeinem 
Bermögen „ manutenieren ‘’ [aufrecht halten]. — Diejer Brief enthält 
nebenbei auch die erfte deutliche Anfpielung darauf, daß Salentin 
feine künftige Braut bereits gewählt hatte: nämlid eine Tochter 
der dom Kaiſer jüngft in den Reidhsfürftenftand erhobenen Gräfin: 
Witwe von Arenberg, welde das Gerücht übrigens ſchon jeit 
Fahren als Salentins künftige Gemahlin bezeichnete ?). 

Am meiften bedroht durch Salentins Koadjutorieplan fühlten 


1) „Mittlerweil wil ich noch den leuten bragten, welche mir €. L. zue 
einem voirdanz zu Munchen haben prefentiren wullen und noch befchener 
refignation mit Gottes wil kuenner als zu Munchen ben daenz aen bie 
baent nemen; dan daezumael waer bie zeit noch nicht voirhanden und ich 
ſchemet mic auch, wie der buler braud iſt.“ (Kurfirft Salentin an Herzog 
Aldredt DO. eigh. StA. 38/3, fol. 154.) Daß bier von der Tochter ber 
Gräfin von Arenberg die Rede ift, erfieht man u. a. aus einer Nachricht von 
Dr. Schwarz an Graf Johann vom 30. Juni 1576 (DNA. Dill. Korrefp. 
1576, fol. 140): e8 fei ihm für gewiß angezeigt, „daß ber curf. zu Collen 
bei dem herzogen zu Baiern gewefen und doſelbſt ſich in ein heurat mit ber 
jungen von Arnbergk folle begeben wollen.” Graf Johann meldet nachher 
das Gerücht jeinem Bruder Dranien, Groen van Prinsterer V, 392 
u. 434. — über ältere Gerüchte vgl. o. &. 193 u. 390. 


422 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


fi) Die proteftantiihen Grafen in und außer dem Kapitel; für fie 
war die geplante Verkürzung des Wahlrechts das Kleinere Übel 
neben der Gefahr, welche aus der Perſon des beabjihtigten Koad- 
jutors erwuchs. Nod manchen anderen Leuten mochte es unbe— 
quem fein, wenn das mächtige Fatholiiche Fürftenhaus Bayern im 
Erzitift feiten Fuß faßte, die evangeliſchen Grafen aber jahen 
dadurd) ihre Eriftenz bedroht; naturgemäß bilden deshalb fie den 
Kern der Dppofition gegen Herzog Ernfts Nachfolge. — Die allge= 
meinen politiichen Verhältniffe, unter welchen fie jegt ihren Kampf 
begannen, lagen jedoh für die proteftantiihen Reichsſtände über: 
haupt und für die Grafen insbejondere höchſt ungünftig. 

Im Laufe des September hatten fi die Proteftanten noch 
einmal Hoffnung gemacht, eine oder die andere religiöje Konzeflion 
auf dem Reichstag zu erlangen. Die kaiſerliche Reſolution vom 
25. Auguft war am 9. September mit einer Replik beantwortet 
worden, in welcher man neuerdings Beftätigung der Deklaration 
forderte und daneben im allgemeinen gegen die Ausweifung evan— 
geliiher Unterthanen durch Fatholiihe Fürften proteftierte; jedod) 
hatten fih die kurſächſiſchen Geſandten auf ausprüdlichen Befehl 
ihres Herrn an diejer Replik nicht mehr beteiligt. Da verlautete 
neuerdings, der Kaiſer felbft wünfche, daß die katholiſchen Stände, 
um den Reichstag zu glücklichem Ende zu bringen, auch einmal 
etwas nachgäben. Wirklih frug der Geheimrat Dr. Vieheuſer 
bei den Gejandten der namhafteften katholiſchen Stände vertrau: 
lich an, ob fie nicht ermächtigt feien, im Neligionspunft ſich weiter 
einzulafien oder wenigſtens deſſen Verſchiebung auf den nächſten 
Reichstag zu bewilligen. Kurfürft Auguft von Sachſen fürdtete 
bereits, der Kaiſer werde nun, nachdem er doch zuvor ihn felbft 
gebeten, fih mit dem Buchſtaben des Religionsfriedens zu be= 
gnügen, aus freien Stüden inbezug auf die Dellaration mehr be— 
willigen, und dadurch ihn, den Kurfürften, bei feinen Glaubens— 
genoffen in ein falſches Licht ſetzen. Darum mar es ihm jetzt 
ganz recht, daß die katholiſchen Stände feitblieben und nicht ein= 
mal die Nemiffion der religiöjen Streitfragen auf einen fünftigen 


Der Plan einer Kölner Koadbjutorie der Herzogs Ernſt. 423 


Reichstag zugeftanden. Da der Kaiſer jo feinen legten Verſuch, 
einen Mittelweg zu finden, mißlingen jah, wiederholte ev am 
24. September feinen den Konfeflionsverwandten früher gegebenen 
Beſcheid, daß es nit in feiner Macht ftehe, gegen den Willen 
der fatholiihen Stände etwas am Religionsfrieden zu ändern. 
Die Proteftanten, wieder ohne Sachſen, replizierten zwar nod) 
einmal (am 5. Dftober), aber ſchon ohne eigenes Vertrauen auf 
Erfolg, nur damit man die Betätigung der Deklaration nicht für 
aufgegeben (pro causa decisa et derelicta) halte. 

Noch weniger Glück hatten die evangeliichen Grafen mit ihren 
Bemühungen um die Freiftellung. Schon ehe der SKaifer ihr 
erſtes Geſuch zurückgewieſen hatte, wurde in Regensburg ein ges 
dructes „Summariſches Verzeichnis etliher Einreden und Er— 
innerung wider die Freiftellung‘‘ verbreitet, nad) den einen das 
Merk eines Papiften, nad) den anderen das eines verkappten Preis 
jtellers, in Wirklichleit wohl cher das eines „Hofchriſten“, d. h. 
eines jener an Marimilians Hof einflußreihen Politiker, welche 
mehr dem politischen Frieden zuliebe al3 aus religiöfen Gründen 
die kirchenpolitiſchen Inftitutionen des Reiches möglichſt geichont 
jehen wollten. Die Schrift zergliederte in ſpöttiſchem Tone die 
Argumente der Freifteller und zeigte, daß es ihnen viel weniger 
um die Religion al3 um die Güter zu thun jet, daß aber, zur 
Zeit wenigftens, aus der Freiftellung nur größere Zerrüttung im 
Reich folgen werde. Diefe Schrift gab den proteftantiichen Grafen 
Anlaß zu einer langen Erwiderung, welche fie zuerjt in der Ber: 
ſammlung der Konfeffionsverwandten vorlegten, und ſodann, nad): 
dem man bier „die groben Spän abgehobelt‘‘, nebit einer Für: 
ichrift der evangeliihen Gejandten — außer Sachſen — am 
5. Dftober den Geheimräten des Kaifers überreihten ). An: 


1) Lehenmann, De Pace relig. L. II. c. 41 und nad) ihm Häber- 
lin a. a. O. X, 358f. geben zwar an, daß ſich außer den kurfächſiſchen 
auch die kurbrandenburgifchen Gefandten von ber Fürbitte ausgeſchloſſen 
hätten; doch waren fie, nad) der o. ©. 384 angeführten Relation der Wetter- 


424 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel. 


geblid) ſprachen die Grafen in ihr aud) im Sinne des niedern 
Adels, aber ſchon wenige Tage fpäter wurde aller Welt offen: 
fundig, daß von diefem ein großer Zeil jeine Intereſſen durchaus 
nicht als glei mit denen des Grafenftandes anfah. Die Wirkung 
der vor einigen Monaten gehaltenen Nittertage, jowie der jeither 
in der Stille unter der Nitterfhaft fortgefegten Agitatton gegen 
Grafen und Fürften trat jekt an den Tag: am 9. Dftober über: 
reichten die Abgeordneten der drei Reichsritterkreife (am Rhein, in 
Franken und in Schwaben) den Geheimräten des Kaiſers eine 
Eingabe, in welcher fie ſich ſcharf gegen die Freiftellung erklärten, 
infolge deren bereit3 an vielen Drten viele anſehnliche Stifter zu: 
grunde gerichtet feien; der Kaifer möge darum dieſe gejuchte Frei: 
jtellung, welche zu jonderlihem Nachteil der Stifter und des Adels 
gelange, gänzlich bejeitigen und alles beim alten Herkommen und 
dem aufgerichteten Neligionsfrieden bleiben laffen. Dem todfranfen 
Kaiſer, der feinen Hauptzwed, eine ftattliche Türkenhilfe, bereits vom 
Reichstag erlangt hatte und fid) nad) einem baldigen friedlichen Schluß 
desjelben jehnte, kam diefe Erklärung jetzt ſehr gelegen; in jeinem 
Namen gaben die Geheimräte der Ritterihaft beruhigende Zu: 
fiherungen. Am nächſten Tage (10. Dftober) ermahnten fie aud) 
die Grafen fowie die Gefandten der Konfeffionsverwandten, fi mit 
des Kaiſers früheren Rejolutionen zu begnügen und am Religions- 
frieden feftzuhalten. — Zwei Zage darauf, am Vormittag des 
12. Dftober, zur jelben Stunde, al3 in Gegenwart des Königs 
Rudolf der Reihstagsabichied verlefen wurde, ftarb Kaiſer Maxi— 
milian, im fünfzigften Sabre feines Alters, im zwölften feiner 
fnijerlihen Regierung. Alle Parteien hatten in diefer Zeit an 
Marimilians Doppelzüngigkeit, an dem Widerſpruch zwiſchen feinen 
Morten und Handlungen mit Recht oftmals Anftoß genommen ; 
jein Huges Maßhalten und vielleicht mehr noch der Zauber feiner 
liebenswürdigen Perſönlichkeit entwaffneten doch immer wieder jede 


auer Gefandten jedenfalls bei Überreihung der Schriften am 5. Oktober zu— 
gegen; vgl. Bezold a. a. O. ©. 204 Aum. 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie bes Herzogs Ernſt. 425 


ernftlihe Dppofition, verhinderten bleibende Zerwürfniffe; noch 
unter feinem Saifer hatte man im ganzen jo friedlich neben ein- 
ander gelebt. Bi an jein Lebensende war Marimilian nicht 
müde geworden, allerwärt3 zu vermitteln und zu befchwichtigen; 
im Herzen ein Anhänger der Augsburger Konfeffion, nad außen 
fatholiich und dem Papſte gehorfam, waren in feiner Perſon 
die großen kirchlichen Gegenfäge gleihlam ausgeglihen. Wie 
darum alle friedliebenden Deutihen in den legten Wochen die 
vielfach wechſelnden Nachrichten über des Kaifers zwiichen Leben 
und Sterben ſchwankende Gejundheit mit banger Sorge ver: 
folgt hatten, jo war jetzt aufrihtige Zrauer das allgemeine 
Gefühl in der Nation. Bei den Proteftanten kam dazu die 
Beforgnis, daß der junge und umnerfahrene König Rudolf, in 
ſpaniſchen Sitten aufgewachſen, ſeine Macht und feinen Einfluß 
im Dienfte ſpaniſch-päpſtlicher Anſchauungen geltend machen werde. 
Ohnehin war infolge der langen Religionsdebatten auf dem Reichs— 
tag die gegenfeitige Erbitterung zwiichen den Ständen beider Re— 
ligionen bedenklich gewachſen ?). 

Vierzehn Zage jpäter wurde die reformierte Partei unter den 
Proteftanten durch den Zod ihres bisherigen Hauptes, des Kur— 
fürften Friedrih von der Pfalz, noch ſchwerer betroffen, — am 
ichwerften wohl die Wetterauer Grafen. Sie hatten bisher in 
allen kirchlichen und politischen Fragen zu den Kurpfälzern ges 
halten: mit diefen der lutherischen Konkordienformel ſich widerſetzt, 
in den niederländischen Kriegshändeln, in der polnischen Frage, 
bezüglich der römischen Königswahl deren antiöfterreihiihen Stand- 
punkt geteilt, wogegen die Pfälzer ihrerſeits mit allem Eifer der 
für den Grafenftand bejonders wichtigen Freiſtellung ſich an— 


1) In einem Schreiben an Herzog Julius (vom 1. Dftober) Elagt ber 
Braunfchweiger Kanzler Mutzeltin, e8 fei zur beforgen, „baß man ben fran— 
zefifchen krieg im teutſchem lande haben wirbet; ban es wirbet unter ber 
ftende beider religion aefanten eine unglaubliche verbitterung gefpurt und 
vermerfet”. Hiftor. Miscell., S. 101. Andere Beweife in den von 
mir benutten Reichstagskorreſpondenzen. 


426 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


nahmen. Nun folgte in der Kurwürde dem fanatiichen Gal- 
viniften Friedrich fein kaum minder eifrig lutheriſcher Sohn Lud— 
wig; man mußte darauf gefaßt fein, daß er das reformierte 
Kirchenweſen in der Pfalz baldigft über den Haufen werfen werde. 
In den Reichsſachen hatte ih Pfalzgraf Ludwig bereits auf 
den Regensburger Wahltag viel Faiferlicher gezeigt als die Räte 
jeines Vaters, au nie verhehlt, daß er mit deſſen Einmiſchung 
in die franzöfiihen und niederländiichen Händel nicht einverftanden 
je. Es war zu vermuten, daß er es aud) inbezug auf die 
Breiftellung mehr mit feinen Mitkurfürften als mit den Wetterauer 
Grafen halten werde. — Die Gefandten der proteftantiihen Stände 
hatten vor ihrem Abzug von Regensburg unter Führung der Kur: 
pfälzer vereinbart, ihren Herrichaften die Enticheidung zu über: 
laſſen, ob diefe Die don den Gejandten nur bedingt bewilligte 
Türkenhilfe wirklich entrihten wollten. Die Wetterauer Grafen 
hätten daraufhin die Kontribution gern verweigert, da aber der 
neue Pfülzer Kurfürſt nad) dem Vorgang des Brandenburgers fid) 
jegt der Meinung Kurſachſens anſchloß, mußten fi) Die kleineren 
Stände wohl oder übel fügen. 

Auh in der Kölner Angelegenheit ſetzten die Wetterauer 
Grafen von vornherein wenig Vertrauen auf Kurfürſt Ludwig. 
Nicht ihn betrachteten fie als den geiftigen Erben Friedrichs ILL, 
jondern den Landgrafen Wilhelm von Heſſen ). An dieſen wandte 
fi) daher Fohann von Naffau zuerft mit der Bitte, daß das 
Kölner Domkapitel durch eine Geſandtſchaft der evangeliichen Fürften 
zum MWiderftand gegen Salentins Koadjutorieplan ermutigt werde; 





1) 30. November 1576 fchreibt Graf Johann an Landgraf Wilhelm u. a.: 
„ſo bin ich der dienftlichen zuverfiht und hofnung, €. ©. werde als ein 
liebhaber gotlih8 wort und unfers algemeinen vatterlants, furnemlich aber 
in betradhtung, das E. G. nunmer nah abgang weilant bes durchl. 
. .. bern Friderichs pfalzgr. und curf. . . . diß negotium faft merertails 
allein obligt, dife fache auch one meine erinnerung nicht allein fur ſich jelbften 
zu gemut furem, fondern auch biefelbe bei ben andern evangelifchen cur, 
furften und ftenden ber gebur zu follicitieren und zu bejurbern wiſſen.“ 
MA. Erzit. Köln 1577, fol. 85. 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 427 


denn allen evangeliichen Ständen liege daran, daß das Erzitift 
nicht dem Freifinger Bischof zufalle, der nicht nur ganz und gar 
bon den Jeſuiten eingenommen fei, ſondern auch mit Hilfe feiner 
Verwandten und des ganzen papiftiihen Haufens die jeſuitiſche 
und Spanische Regierung, Inquifition und Knechtſchaft leicht werde 
einführen können. — Jedoch verließen fi die Grafen mit Grund 
weit weniger auf die Hilfe der Fürften als auf ihre eigene Kraft 
und die ihrer Freunde im Erzftift. Auf den 9. Dezember war 
ein Wetterauer Grafentag nad der gewöhnlichen Malftatt Butzbach 
ausgeſchrieben, um wegen der Türkenhilfe fowie über die erſtrebte 
engere Verbindung ſämtlicher Reichsgrafen zu beraten; die Kölner 
Wahlſache erwies ſich aber Sofort als weitaus der widhtigite 
Gegenftand. Ihretwegen blieben die perſönlich erjchienenen Grafen 
Albrecht von Nafjau- Saarbrüden, Johann von Nafjau = Dillen- 
burg, Ludwig von Wittgenftein und deſſen beide Schwäger Jo— 
hann Georg und Dito von Solms-Laubach noch tagelang bei: 
ſammen, als der eigentlihe Grafentag längft zu Ende war. Man 
erwog, wie durch Salentins Angriff auf die freie Wahl der 
Grafenftand in Gefahr gerate, nachdem ihm die beiden Kurfürſten— 
tümer Mainz und Trier bereit verſchloſſen, auch vom Kölner 
verdrängt zu werden. Darum folle man durd) eine Geſandtſchaft 
das Kapitel auffordern, an feiner freien Wahl feftzubalten und 
hierfür den Beiftand der Grafen anbieten; aud eine Beihidung 
des Kurfürſten jelbft wurde in Ausficht genommen; ferner wollte 
man etliche Kurfürften und Fürften und alle anderen Reichsgrafen 
um ihre Hilfe anrufen; den einzelnen Kölner Domherren jowie den 
Landftänden müſſe man die Gründe vortragen, welche für die Er— 
haltung der freien Wahl, ganz beſonders aber gegen die Nachfolge 
des Haufes Bayern ſprächen. Die Betreibung der Sadje wurde 
einem Ausſchuß von ſechs Grafen übertragen, fiel dann aber 
hauptjächlich den beiden Freunden Johann von Naffau und Lud— 
wig bon Wittgenftein anheim. — Graf Ludwig bielt fi den Win- 
ter über wieder in Berleburg auf und fiedelte im nächſten Früh— 
jahr, als in der Pfalz die lutheriſche Reaktion begann, nad) 


428 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


Niederlegung jeiner Großhofmeifterftelle, ganz nad) dem Wefterwald 
über, wo er und Graf Johann den aus Kurjachlen und aus der 
Pfalz vertriebenen reformierten Geiftlihen ein Aſyl bereiteten. 

An den für die Kölner Sache zunächſt ins Vertrauen ges 
zogenen Fürftenhöfen, Heffen und Pfalz, fanden die Grafen anfangs 
nicht das gehoffte Entgegenfommen. Die alten zur Zeit nod im 
Amt ftchenden Pfälzer Räte, namentlich der Kanzler Ehen, waren 
zwar fir ihre Perſon willig genug, fürdhteten aber, wenn fie die 
Sache an Kurfürſt Ludwig brächten, werde diejer nur mißtrauiſch 
werden. Sie erbaten daher die Vermittelung des Pralzgrafen 
Johann Kafimir, der fih damals zu Straßburg aufhielt. Sehr 
furzfichtig urteilte aud) diesmal wieder der ſonſt fo Huge Landgraf 
Wilhelm über die durch Burkart von Kram an ihn gelangten Wünſche 
der Grafen. Bei Lichte bejehen, meinte er, ſei die Sache nur eine 
Hurerei mit Frau Simonia, womit er nicht umzugehen wiſſe und 
wobei er für ſich und feine Religionsgenoffen weder großen Vor: 
teil nod) Gelegenheit zur Beförderung der wahren hriftlichen Re— 
ligion jehen föünne, zumal man auf dem Reichstag nichts für die 
Sreiftellung erlangt habe. Er begreife daher jehr wohl, daß der 
Bremer Erzbiichof Bedenken trage, ſich um das Erzitift Köln zu 
bemühen; ihm gelte auch faft glei), ob der Freifinger Biſchof oder 
ein anderer poftuliert werde, da doch feiner Biſchof werden fünne, 
der nicht auf die papiftiiche Religion ſchwöre, die evangeliidhe da— 
gegen verſchwöre. Seine bloße Wahlfreiheit werde das Kapitel 
viel leichter mit Hilfe des Papftes und anderer Domkapitel als 
mit Hilfe der Sonfeifionsverwandten behaupten können. — In 
diefem Sinne mußte Kram im Namen der Landgrafen an Johann 
von Naffau und Ludwig von Wittgenftein jchreiben. 

Inzwiſchen nahte der Termin, welchen das Kölner Kapitel 
zur Beratung über den Koadjutorieplan angelegt hatte. inige 
Zage zuvor, am 9. Januar, kamen Graf Dtto von Solms, 
der naſſauiſche Rat Dr. Schwarz (Graf Fohann ſelbſt mar 
durch den Ausbruch der Veit in Siegen feitgehalten) und ein 
in Köln gut bekannter Licentiat der Rechte Theophylus Dafypo- 


Der Plan einer Kölner Koadjutorie des Herzogs Ernft. 429 


dius ) bei Graf Ludwig in Berleburg zufammen, um über die 
Ausführung der Butzbacher Beichlüffe zu beraten. Als gräfliche 
Gejandte an das Kapitel waren Dtto von Solms und Hermann 
von Sayn nebit dem Dr. Schwarz auserjehen, nachdem Graf 
Hermanns Bruder Heinrih, der vormalige Kölner Domdedant, 
jeine Teilnahme verweigert hatte. Dagegen hatte von den fölni- 
ihen Grafen Hermann von Manderiheid-Blanfenheim, der Bruder 
des Straßburger Biſchofs, feine Unterftügung bereits zugefagt. 
Daiypodius gab Auskunft, auf wen unter der kölniſchen Ritter: 
ihaft als Gegner der bayriichen Succeſſion zu rechnen ſei — 
meift Leute die offen oder heimlich zur Augsburger Konfeifion 
hielten, darunter die beiden (aud im Kölnifchen begüterten ?) 
Ketteler, der Marſchall Rutger von der Horft, Winand von Breyl 
zu Viſchenich, ein Blanfart, ein Bongart, ein Quad u. a. m. 
Dafypodius deutete übrigens an, daß ſich die Kölner Ritterſchaft 
durch das hochmütige Auftreten der Kapitelsgrafen feither manch— 
mal verlegt gefühlt habe 2). Auch einzelne Kölner Bürger, na— 


1) Aus Ludwig von Wittgenfteind Tagebuch (Bd. III, fol. 41 Berleb. 
Bibl.) ergiebt fih, daß diefer Dafypobius im Januar 1575 mit Graf Otto 
von Solms (al8 deſſen Hofmeifter ?) zu Venedig fih aufhielt. Sonft habe 
ich über feine Perfon keine Nachrichten gefunden. 

2) „Aegre ferunt nobiles, quod tam parvi estimentur a comitibus, ut 
vix alloquantur, nunquam etiam ad convivia vocentur, et nonnulli de 
ipsis loquantur, ac si ipsorum essent mancipia. Existimatur quondam 
ex comitibus junioribus fortassis aliquid verborum elapsum. ... No- 
biles: Wigant von Bryel zu Vilhinih (am Nande: promissio gratiarum 
comitum), cujus consilium petendum. — Nota: Doctor Swarz allo- 
quatur den abgeftandenen hern von Münfter nomine Ketler. — Rödcher 
von der Horft cölnischer marſchalk. — Blankhart, jo die namen der ritter- 
Schaft collegiert. — Der hör von Köppel Bumgart. — Her von ber Heyben, 
fo auch vertritt geweſen; Johan von Lützenrod, Dietrich von DI (1), Lütcher 
Quad ber zu Miülen, Wilhelm von Goloftein, Albrecht von Lövenicht, bau— 
meifter zu Allendorf, hos alloquutos esse nemini revelandum preterquam 
Hermanno a Solms, Bredenauio. Nota: doctor Swarz fol mit dem bur- 
germeifter Leußkircher handlen, Johan Ketler cum illo aget doctor Swarz.. 
Plebei: Doctor Johan Stephan vertrenlich anzufprechen und rats zu frogen, 
wie den fachen zu tun, ego aut Swarzius.....“ Aus ben Aufzeichnungen 


450 Fünftes Buch, Sechſtes Kapitel. 


mentlih den Bürgermeifter Konftantin von Lyskirchen, fodann 
einen gewiffen Dr. Johann Stephan riet er anzufpreden. Die 
Prieſterkanoniker könnten duch ein und den andern Adeligen gegen 
Bayern bearbeitet werden. — Bon den Motiven, welde Daſy— 
podius aufzeichnete, um damit Die verjchiedenen Stände des Erz: 
ftift3 gegen die bayriſche Succefjion einzunehmen, waren mande in 
der That wohlerwogen und wirkſam genug. Sp wenn er riet, 
die Grafen davor zu warnen, dab das Haus Bayern, einmal im 
Belige der Kölner Kur, fich nicht mehr jo leicht daraus vertreiben 
laffen werde, fo wenig wie das Haus Dfterreich aus dem Kaiſertum; 
dadurch werde aber der Grafenjtand jeine Stimme im Kurfürftens 
at ganz verlieren und um jo leichter unterdrüdt werden. Die 
Privilegien der geiftlichen wie der weltlihen Stände und des 
Domlapitels jelbft ſeien durch die übergroße Macht des bayrijchen 
Haufes gefährdet. Bayerns Freundihaft mit dem Haufe Burgund 
fönne leiht den niederländiichen Krieg ins Erzjtift ziehen. Die 
Siebenpriefter jolle man bejonders davor warnen, daß fih Sa— 
lentin, wenn ihm die Einjegung feines Nachfolgers gelinge, an 
ihnen räden werde, weil fie al3 Doctore3 juris an den Zer— 
würfniffen mit ihm hauptſächlich jchuld jeien. Der Ritterſchaft 
fönne man zu bedenken geben, wie jehr in Bayern ihre Standes: 
genofjen, namentlih in Religionsſachen, bedrüdt würden. „Zu 
beforgen, dab hiemit aud möchte ein hiſpaniſch Regiment einge: 
führt werden, von hiſpaniſchen und italienischen Räten, dazu aud) 
bayrifcher Pracht, und wohl zu bedenken, daß fie jchon einmal ge— 
beiert haben, und ift die Ned, es hab das Kapitel und die Ritter- 
haft unter ſich beſchloſſen fein baieriſchen Biſchof mehr zu er: 
wählen. — Aljo ähnlide Gründe und Vorurteile, wie wir fie 
ihon im Fahre 1570 gegen die bayriihe Succeſſion geltend machen 
hörten. 

Am 13. Januar fanden fih Graf Otto von Solms, 


des Dafypodius DillA. R. 60. fol. 266. Erwünſcht wären weitere Auf- 
Härungen über eine und die andere von biefen Perfonen. 


Der Plan einer Kölner Koadbjutorie des Herzogs Ernit. 431 


Dr. Schwarz und Dafypodius in Köln ein und nahmen Wohnung 
bei dem Dompropft und bei Hermann Adolf von Solms, mit 
welchen, jomwie mit Hermann von Sayn und Hermann von Man- 
dericheid die weiteren Schritte beraten wurden. Auch des Grafen 
Hermann von Neuenar junger Vetter Adolf kam auf einen Tag 
zu ihnen nad Köln. Man beihloß, die Werbung in der glimpf— 
lichften Form dem Kapitel vorzutragen. Nur im allgemeinen, 
ohne Herzog Ernft zu nennen, wollte man davon jpreden, dal 
der Kurfürft dem Vernehmen nach durch ungewöhnliche und be= 
denkliche Mittel feinen Nachfolger beftellen wolle. Davor wollten 
die Wetterauer und andere benadhbarte Grafen als Mitinterefjierte 
das Kapitel warnen und fid erbieten, dasjelbe bei jeinen Rechten 
und Gerectigfeiten gegen ungebührlihen Zwang jchügen zu 
helfen. 

Der Kurfürft hatte jeit der legten Begegnung mit den Doms 
fapitularen am 24. November nicht das mindefte gethan, um ihren 
guten Willen für feinen Koadjutorieplan zu gewinnen. Im 
Gegenteil ließ er wenige Zage danad) dem Chorbiihof und Amt— 
mann zu Zons, Herzog Friedrid von Sadjen, fünfzig Schweine vom 
Müllenbuſch weg nad) Kaijerswerth und Linn treiben. Nach diejer 
That zog er wieder in jein Herzogtum Weitfalen, dann ins Stift 
Paderborn und mahnte von hier aus das Kapitel an jeine frü— 
here Forderung, daß die Prälaten ihre Wahldekrete ihm vorlegen 
und Konfirmation erbitten jollten. Am 7. Januar, acht Tage vor 
dem Termin für die allgemeine Zuſammenkunft, forderte ex ſodann 
Dechant und Kapitel auf, gemäß feinem perjönlichen Vortrag vom 
24. November, zu Gottes Ehre und zur Beförderung der fatho= 
lifchen Religion, jih mit ihm zu vergleihen. Im einer eigen- 
händigen Nahihrift zu dieſem Brief bemalt er u. a.: „Euch 
ift unverborgen, welder Gejtalt und durch welche, über alle Pflicht 
und Gebühr, wir vielfältig, ja immerdar verhindert. Dieweil 
dann joldes Schimpfs, Trutzens, Übermuts, Ungehorfams lang 
Zeit [fein] Aufhörens gemwejen, jo thun wir euch väterlich erjuchen 
und ermahnen, ihr wollet euch allen vorigen Verlauf zu Herzen 


432 Fünftes Bud. Sechſtes Kapitel. 


gehen lafjen und gedenfen, da ihr Gott im Himmel nicht er— 
zürnet und zu feinem Verlauf weitere Urſach gebet“ u. ſ. m. 
Bald darauf, als ihn das Kapitel erjuchte, ev möge für die be= 
vorftehende Verſammlung die von ihm und feinen Räten ange- 
zogenen Befehle von Papſt und Kaifer in glaubhafter Form mit- 
teilen, erflärte er das für ein „aufzügliches und unnötiges An— 
muten“. — So war denn beim BZufammentritt des Kapitels die 
allgemeine Stimmung der Kapitularen wenn möglich noch gereizter 
al3 zuvor. 

Es erjhienen zu der Verſammlung vom 14. Januar ab nad) 
und nad) jämtlihe Edelherren und Briefterfanonifer, vier aus— 
genommen: der Shwahlinnige Wilhelm von Reifferiheid, der auch 
ſonſt faft nie in Perſon erihien, Hans Philipp von Mander: 
iheid-Geroljtein, der noch auf der Univerfität Döle ftudierte, der 
Bremer Erzbifhof und der Mindener Biſchof. Erzbiihof Heinrich 
ließ diesmal gar nichts von ſich hören, der Mindener Biſchof 
entihuldigte jein Ausbleiben mit dem unlängft (am 22. Dezember) 
erfolgten Tode feines Vaters, erflärte aber brieflih, daß er für 
jeine Perfon von der freien Wahl ſich keineswegs dringen noch 
auch den Freiheiten und Gewohnheiten der Kölner Kirche etwas 
entziehen lafjen wolle; man möge bei Papft und Kaiſer gegen 
die dom Kurfürften erſchlichenen unerhörten Indulte Beichwerde 
führen. — Wegen der Wichtigkeit der Sache nahm auf befondere 
Einladung aud der Dompropit an den Beratungen teil. 

Diefe begannen am 17. Januar damit, dag man jenen gegen 
Salentin gerichteten Abjchied vom 13. Auguft 1575 wieder vor- 
nahın und von Kapitels wegen die beiden Kapitularen, welche ſich 
damals der Unterzeichnung entzogen hatten, Thengen und Gropper, 
in ſchroffer Form aufforderte, nachträglich zu unterjchreiben. Der 
Afterdehant fügte fich alsbald; aud Herr Gebhard Truchſeß, der 
vormals nicht ‚zugegen gewejen war, unterſchrieb jegt freiwillig. 
Gropper zog ih anfangs; da rüdte man gegen ihn mit dem 
Vorwurf hervor, daß er jelbft jenes gegen die Wahlfreiheit des 
Kapitels gerichtete Breve in Rom ausgebraht oder wenigitens 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernft. 433 


darum gewußt habe, ohne dem Kapitel Mitteilung zu machen. — 
Inzwiſchen waren die gräflichen Gefandten Dtto von Solms und 
Hermann von Sayn nebit dem Dr. Schwarz (am 18. Januar) 
vor dem Kapitel erjchienen und hatten durch den legtern das 
Erſuchen und Erbieten der Grafen mündlid vortragen laſſen. 
Diefe Werbung und die gleichzeitigen vertraulichen Verhandlungen 
mit einzelnen Kapitularen beftärkten ohne Zweifel das Kapitel 
in Seinem Widerftand gegen Salentins Plan. Den Grafen 
wurde am folgenden Tag geantwortet, das Kapitel fei ent= 
ſchloſſen, an feiner ordentliden freien Wahl feitzuhalten, und 
nehme für den Fall, daß der Kurfürft wider Erwarten etwas 
gegen Statuten und Herlommen vornehmen werde, das Erbieten 
der Grafen zu Dank an. — Einem Eingeftändnis Groppers in 
diefem Augenblid wäre ohne Zweifel jeine Ausftogung aus dem 
Kapitel auf dem Fuße gefolgt; jo legte er fih denn aufs Leugnen, 
Daß Papſt und Kardinäle mit ihm über die Sache geiprocdhen, ges 
ftand er zwar zu, doch habe er nicht gewußt, was man im 
Sinne gehabt; er berief fih auf den Sa: facti alieni proba- 
bilis est ignorantia; nicht wegen der Koadjutorie, jondern wegen 
der Dispens zum Heiraten u. dgl. habe ihn der Kurfürſt nad) 
Rom geihidt. Erſt nachdem Gropper dieje Entihuldigungen an 
Eidesſtatt wiederholt hatte, jtand man für jegt von weiterer Ver— 
folgung ab; der Straßburger Biſchof behielt ſich jedoch Privat: 
fage vor. Die Vereinigung vom Auguft 1575 unterjchrieb 
Gropper nunmehr. Darauf ging man an die Beratung der Er- 
klärungen des Kurfürften vom 23. September und 23. November 
vorigen Jahres. Man beihloß wegen Salentins Behauptung, daß 
Papſt und Kaifer dem Kapitel die freie Wahl nicht anvertrauten, 
bei beiden höchſten Dbrigfeiten Beihwerde zu führen; vom Kurs 
fürften jelbjt aber forderte man zunächſt wieder, er jolle das apo— 
ſtoliſche Breve und den angeblihen Befehl des Kaifers in glaub— 
after Form vorlegen, eher könne man ſich auf feinen Vortrag 
nicht entichließen. Sodann nahm man die Statuten und Eides= 


formeln der Kölner Domkiche, Salentins Wahlartifel und die 
Loffen, Köln. Krieg I. 28 


434 Fünftes Bud. Sechftes Kapitel. 


Erblandesvereinigung wieder vor, und fand in ihnen allen, ſowie 
im fanonishen Redt, im Bafeler Konzil und in den Sonfordaten 
der deutihen Nation, endlih in den Zrienter Konzilsdekreten 
(Sess. XXV. de Ref. cap. 7) eine Menge VBorjchriften gegen eine 
erzwungene Soadjutorie. Demgemäß wurde am 24. Januar ein= 
mütig beichlofien — Thengen und Gropper fehlten, fügten ſich 
aber nachher —, fid) auf die Koadjutorie nit einzulaffen, jondern 
in Schreiben an Papft und Saifer und an den Kurfürften da— 
gegen zu erklären. Auch die Kurfürften von Mainz und Zrier, 
welche jn kaiſerlichem Auftrag durch eigene Geſandte ihre Ver— 
mittelung anboten, ſowie deren Domkapitel wollte man um Bei— 
ſtand angehen. Ein Ausſchuß, beſtehend aus Dompropſt, Dechant, 
Scholaſter, Hermann Adolf von Solms, Gebhard Truchſeß, 
Dr. Orth und Dr. Swolgen, wurde mit der Reviſion der Brief— 
konzepte betraut. Über den Wortlaut der verſchiedenen Briefe 
— an den Papſt ſowie die Kardinäle Morone und Madruzzi, an 
den Kaiſer und ſeine Geheimen Räte Trautſon, Dietrichſtein und 
Dr. Vieheuſer, ſowie den Sekretär Erſtenberger ), an die Kur— 
fürſten und die Domkapitel von Mainz und Trier, endlich an 
Salentin ſelbſt — wurde noch bis zum 4. Februar beraten, das 
Datum dann verſchieden, vom 26. Januar bis 1. Februar, ge— 
ſtellt. Der erſte Entwurf zu dem Schreiben an den Papft, von 
den Kapitelsſekretär Jodokus Gerking von Lemgo (Lemgovius), 
war abgelehnt worden, weil er der päpſtlichen Jurisdiktion zu 
viel einzuräumen ſchien. Das Schreiben an Salentin, datiert 
vom 1. Februar, welches der Straßburger Bischof verfaßt, Thengen 
aber und Philipp von der Mark vergeblih zu mildern gefucht 
hatten, referiert ausführlih, was Salentin bisher mit jeinem 
Kapitel in der Koadjutorieſache verhandelt, mit allerlei ſcharfen 
Zwiſchenbemerkungen: der Kurfürft habe ſich ohne Zweifel durd) 
böje Leute wider fein Kapitel verhegen laſſen, fie verbäten ſich in 





1) Dem letztern (Exftenberger) wurden zugleich 50 Kronen verehrt, mit 
bem Berfprechen mweiterer Gunft und Dankbarkeit für die Zukunft. 


Der Plan einer Kölner Koabjutorie des Herzogs Ernſt. 435 


Zukunft, dag man fie des Ungehorfams, der Ungebühr u. f. m. 
ungütlich bezichtige; wenn Salentin daran denke, als Erzbiichof 
zu heiraten und das Erzitift an feine Erben zu bringen, würde 
das ihm als einem fatholifchen geiftlihen Kurfürften unverant- 
wortlich und allen Reichsſtänden beichwerlich fein u. f. m. Aus: 
führlich werden jowohl in diefem wie in allen anderen Schreiben 
des Kapitels die gewichtigen Gründe dargelegt, welche gegen eine 
Koadjutorie wider Willen des Kapitels ſprächen; in dem Schreiben 
an den Kaijer wird noch bejonders hervorgehoben, daß bereits 
nicht geringe Glieder des Reiches erklärt hätten, fie miürden im 
Intereſſe des Fürften- und Grafenftandes folder Neuerung ungern 
zuſehen. 

Vom 4. bis 11. Februar fanden im Kapitel feine Beratungen 
ftatt, aber vermutlich draußen um jo mehr. Salentins gräfliche 
Gegner werden diefe Zeit benugt haben, um gemäß der Berle- 
burger Abrede bei den kölniſchen Landſtänden zu fondieren, ob e3 
ratfam, die Hilfe eines Landtags gegen Salentin anzurufen. 
Die Ausfihten müſſen günftig gewejen fein, da nad dem Kapitel- 
protofoll des 11. Februar viele Herren dafür waren, daß ver= 
möge der Erblandvereinigung, wenn der Erzbiſchof ſich nicht ges 
bührlih halten würde, die Stände bejchrieben merden jollten. 
Daraufhin murde die Erblandesvereinigung abermals im Kapitel 
verleſen, desgleihen Salentins Wahlartifel Punkt für Punkt durch— 
gegangen, wobei man unter ihren 42 Artileln etwa 18 fand, gegen 
welche Salentin ſich verfehlt Hatte. Auf drei Hauptpunften wollte " 
man aber in erfter Linie beftehen: Salentin müſſe 1) die Koad— 
jutorie aufgeben und dem Kapitel feine freie Wahl lafjen; 2) er 
folle gemäß dem Vertrag von 1561 die Mindereinnahme der 
Zölle zu Zons und zu Berd (bis Auguft 1575 bereit3 über 
10,000 und über 7000 Goldgulden), jowie die feit dem Jahre 
1575 rücjtändigen Zahlungen vom Zoll zu Linz dem Sapitel 
vergüten; 3) er folle ihnen zwei mit dem Veſt Redlinghaufen 
eingelöfte Höfe, Der und Kor, welche vor Beiten dem Domlapitel 
verpfändet waren, gemäß Art. 31 jeiner Kapitulation, wieder zu— 

28 * 


436 Fünftes Buch. Sechſtes Kapitel. 


ftellen. Wenn fih der Kurfürft weigere, dieſe drei Hauptfor: 
derungen zu erfüllen, zunächſt aber wenn er nicht alsbald auf die 
Koadjutorie verzidhte, jo follten auf Grund der Erblandesver- 
einigung die Landſtände beichrieben und ihnen nicht nur dieſe drei 
Beihwerden, jondern aud alle anderen Verlegungen der Wahl: 
artifel vorgelegt werden; zeige ſich Salentin dagegen in den drei 
Hauptpunkten willfährig, jo wolle man Friedens halber einftweilen 
von den anderen Mängeln abjehen. Die anmwefenden Kapitularen 
gelobten, alle Ungelegenheit außer Gottes Gewalt hintangejeßt, 
auf einem Landtag zu ericheinen und an dem jegt Vereinbarten 
feftzuhalten. Wieder wurde, am 15. Februar, ein fürmlicher Ab: 
Ihied hierüber verfaßt und von allen nod anmejenden acht Edel: 
herren und jieben Priefterfanonifern unterfchrieben. Vier Freunde 
Salentins, Joh. Daniel von Winneburg, Johann von Reiffer: 
iheid, Philipp von der Marl und Dr. Gropper entzogen jid) 
der Unterichrift; Thengens Name dagegen fteht unter dem Ab— 
ſchied. 

Während dieſer letzten Beratungen des Kapitels liefen wieder 
zwei Briefe des Kurfürſten ein, — vom 8. Februar aus Neuhaus: 
in dem erſten forderte er jene Prälaten, welche ſich noch nicht ge— 
horſam erzeigt (Scholaſter und Chorbiſchof nämlich), neuerdings 
auf, um ihre Konfirmation zu bitten; in dem zweiten verbat er ſich 
zunächſt des Kapitels Verwendung für jene fünfzig Schweine des 
Chorbiſchofs, den er dabei einen „vermeinten Chorbiſchof“ be— 
titelte; in der Nachſchrift aber verlangte er, anftatt einer Antwort 
auf das „lang und weit erholte‘ Schreiben des Kapitel vom 
1. Februar, die Herren follten noch etwa drei Wochen beiſammen 
bleiben, dann wolle er „dem Vaterland und ihnen jämtlid zu 
gutem‘ in Perſon eriheinen und die Sache capitulariter ver— 
rihten. Das Kapitel Shrieb ihm zurüd: jie warteten nun ſchon 
über vier Wochen auf die Erklärung; der Dechant fei bereits 
abgereift, andere Prälaten und Kapitulare fönnten aud nicht 
länger bleiben; Salentin möge alfo entweder dur feine Räte 
den gerade Anmwefenden feine Meinung anzeigen oder Die 


Der Plan einer Kölner Koadjutorie des Herzogs Ernft. 437 


Sachen einftellen bis zu der nad Ditern wieder ftattfindenden 
allgemeinen Kapitelsverfammlung. — Am 16. oder 17. Februar 
reifte der Straßburger Bischof von Köln ab, am 18. fanden fid) 
nur noch vier Edelherren und fünf Prieiter im Kapitel ein. „Und 
jo geht man auseinander’, jchreibt der jülihihe Rat Walter 
Fabricius an Dandorf, „ohne daß in der Hauptſache etwas ge= 
ihehen, mit WBerbitterung der Gemüter und, was jchlimmer: ift, 
nicht ohne Injurien und Schmähungen einiger.‘ 


7. Kapitel. 
Die vereitelte Poftulation zu Münfter. ” 


Nachdem Kutfürft Salentin im Mai 1576 die Einwilligung 
des Herzogs von Bayern in feinen köln-münſterſchen Plan er: 
langt zu haben meinte, wird er nicht verjäumt haben, alsbald 
wieder an den Bremer Erzbiihof und an Weſterholt zu berichten, 
um aud ihr Vertrauen auf guten Erfolg in Münfter neu zu bes 
leben. — Beim nädften münfterihen Generalfapitel (Jakobi 
1576) ſchlug Wejterholt vor, man folle dem Herzog von Jülich 
anheimgeben, neben dem Kreifinger Biihof noch ein oder zwei 
Perfonen zu benennen, unter welchen dann das Kapitel einen 
neuen Biſchof zu wählen hätte. Protofolle oder fonftige genauere 
Berichte über diefes Kapitel liegen nicht vor, doh wird man an— 


*Quellen: Hauptquelle find die 0. ©. 266f. angeführten Domkap.-Protok. 
im MraA.; für das Sakobifapitel 1576 wurde wahrſcheinlich fein 
Protokoll geführt, weil der Sekretär Schmale damals in Regensburg 
war. Ferner von ben beiden bafelbft verzeichneten Serien AU. Münfter 
dieBände IV. V. VI u. VIll und DA. 28 die Nrn. c. d. e. Einzelne Briefe 
und Akten, welche zugleich die kölnifche Wahlfache betrefien, auch StA. 9/2 
u. 4 und 38/7 u. 12. DA. Bolit. Begebenheiten Nr. 17. Beſonders 
wichtig ift fodanı der ſchon mehrmals angeführte Band DrA. loc. 8926 
(Köln. Refignation 1572/79). — Über die öſterreichiſchen Bemühungen, 
Minfter für Erzherzog Ferdinands Sohn zu erlangen, auch IX. 
Ferdin. fol. 110, Nr. 135 und RU. Regensburg T. 1. lit. R. — 
Von gedrudter Litteratur kommt für diefes Kapitel beinahe nur die o. 
©. 268 angeführte Debuftion Dr. Schentings in Betracht. 


Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 439 


nehmen dürfen, daß Wefterholt mit feinem Vorichlag bezwedte, den 
Senioren und dem Herzog von Jülich einen ehrenhaften Rücktritt 
von der bayriihen Kandidatur zu erleichtern. Soll dod) der 
Führer der bayriihen Partei jelbft, Domdehant Raesfeld, fchon 
früher (im März 1576?) gegen bremiihe Geſandte geäußert 
haben, Erzbiſchof Heinrich jolle, falls er mit Bayern und Jülich 
fi) verftändige, bei ihm wenig Widerſpruch zu erwarten haben. — 
Die Senioren liegen ſich Weſterholts Vorſchlag gefallen; eigene 
Gelandte sollten denjelben dem Füliher Hof überbringen. Die 
Inſtruktion des Kapitels für dieſe Geſandten entſprach nachher 
aber den Abfihten des Statthalters ehr wenig. Sie begann mit 
der Bitte um neue Fürjchriften in Dr. Scenfings Sade. Dann 
hieß es, ein Zeil des Kapitels und der Stiftsftände ſei haupt: 
jählid) aus zwei Gründen bisher gegen die Perſon des Herzogs 
Ernft geweien: einmal wegen der Gunft, welche Dr. Schenking, 
deſſen früherer Hofmeifter, beim Hauſe Bayern gefunden habe, 
jodann weil man von dem in Italien weilenden Freifinger Ad— 
miniftrator eine Inquifition gegen die Gewiffen der Unterthanen 
und infolge deſſen Zerrüttung oder Rebellion im Stift Münfter 
befürchte. Falls Herzog Wilhelm in diefen beiden Punkten dem 
Kapitel genügende Sicherheit verichaffen fünne, würde man nicht 
abgeneigt fein, jeinen Neffen zu poftulieren,; andernfalls aber gebe 
man ihm anheim, neben Herzog Ernſt nod ein oder zwei Ber: 
onen zur Auswahl zu benennen. — Weſterholts Vorſchlag ift 
alfo hier ganz als Nebenfache behandelt, die Werbung cher zum 
Vorteil al3 zum Schaden der bayriihen Succeſſion geitellt. Wir 
werden in diejer Fafſung der Inſtruktion einen geſchickten Schach— 
zug der bayriihen Partei im Kapitel, insbejondere des Dechanten 
und des Syndikus zu erkennen haben, welde die Wirkung un- 
günftiger Nahrihten, die gerade damals über die bayriichen 
Herzöge im Münfterichen verbreitet wurden, durd deren Wer: 
fnüpfung mit der Schenkingihen Sache abzuſchwächen wußten. 
Im Mat 1576 war Erzbiſchof Heinrichs osnabrückiſcher Rat 
Lorenz Schrader auf dem Weg zum Reichstag aud nad Münden 


410 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


und Freifing gefommen, wo ihm mancherlei über Herzog Ernſts 
Perfon und Sitten zu Ohren fam. Er fah den römischen Kult 
mit Prozeflionen, Meffen und Abläjfen in vollfter Blüte, daneben 
manche Anjäge zu kirchlicher Viſitation und Reform im Geifte des 
Zrienter Konzils. Aus all dem, was er geliehen und erfahren, 
machte er einen im allgemeinen auf Thatſachen beruhenden aber 
tendenziös gefärbten langen Beriht, der dann in Form eines 
Briefe an einen geiftlihen Herrn auf dem Reichstag und gewiß 
mehr nod im Münfterlande verbreitet wurde. Won Herzog Ernft 
hieß es darin, er ſei totus Italianizatus, totus Romanizatus et 
catholieissimus. In jeiner Diöceſe Freifing und ähnlid in ganz 
Bayern werde feiner geduldet, welcher von der im Zrienter Konzil 
begriffenen Religion der römiſchen Kirche abweihe. Sogar die 
Freifinger Domberren müßten wie Mönde im langen Sejuiten- 
talar umbergehen und durchaus nad) den kanoniſchen und triden= 
tiniſchen Worichriften leben; feinem ſei geftattet, eine Haushälterin 
oder Konkubine zu halten. Lauter Fremde, Staliener oder Nie- 
derländer, feien als Vifitatoren — quos nos vocamus Inquisito- 
res — aufgeftellt, an ihrer Spike ein ziemlich) ungelehrter, des 
Deutſchen ganz unfundiger, aber jehr katholiſcher italienischer Graf 
Porzia, den man in Bayern den „Bettelgrafen‘ nenne. Auch 
von Herzog Ernſts verſchwenderiſchem Leben in Stalien und der 
über ihn verhängten Ungnade feines Waters war einiges halb wahr, 
halb falfch erzählt. Weiter hieß es: wer aus dem Klerus der großen 
Münchener Ablaßprozeifion zu Pfingiten d. J. nicht beigewohnt, 
jei mit Verluft feiner Pfründe bedroht worden; fünfundzwanzig 
Mefjen jeien damals in der Frauenfiche gleichzeitig an verſchie— 
denen Altären gefeiert worden. Auch die Laien müßten in Bayern 
der römischen Kirche gemäß leben oder, ohne Rüdjiht auf Rang 
und Stand, binnen SJahresfrift das Land räumen; insbejondere 
wurde über Herzog Albrechts Feindfeligkeit gegen die Grafen von 
Drtenburg in der gehäfligiten Weife berichte. — Im Münſter— 
lande, wo man fi) zwar im ganzen fatholiich hielt, aber ohne 
Zwang gegen die Laien, namentlid) den Adel, und mit großer 


Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 441 


Nahfiht für die freien Sitten des höheren Klerus, mußten ſolche 
Nachrichten böjes Blut mahen. Aud) im Domkapitel wird man die 
Sache beiproden haben ; die Erwähnung der Belorgnis vor einer 
Inquifition in der Inſtruktion des Kapitel3 ift offenbar ein Echo 
des Schraderihen Briefes. 

Dagegen fam die jüngite Entwidelung der Schenkingſchen 
Streitiahe wieder der bayriihen Partei in Münfter zuftatten. 
Domkapitel und Ritterſchaft hatten, um mit Hilfe von Saifer 
und Reihsitänden die Erefution des zu Schenkings Gunften an 
der römischen Rota gefällten Urteil zu bintertreiben, einen ges 
meinichaftlihen Geiandten, den Kapitelsſekretär Schmale zum 
Reichstag abgeordnet. Aber aud Dr. Schenfing war in Perfon 
in Regensburg und fand Freunde. Bereits am 27. Juli wies 
der Kaiſer durd) ein Dekret des Geheimen Nates die Sache von 
ih) ab und zurüd an den römiſchen Stuhl, vor den ſie gehöre. 
Kapitel und Nitterichaft appellierten gegen diejes Dekret an ſämt— 
liche Reichsſtände und bemühten ſich zugleich in Rom jelbit Revifion 
des Urteils — jujpendiert war es bereit3 — zu erlangen; auf 
Empfehlungen von bayrifher Seite legte man mit Recht bejonderen 
Wert. 

Um 13. September braten die Geſandten des Kapitels, der 
Scholafter Wefterholt, der Domkuftor Bitter von Raesfeld und 
der Syndifus Schade, ihre Werbung auf Schloß Hambad) vor. Ihr 
Wunſch, Herzog Wilhelm möge ein paar weitere Kandidaten be= 
nennen, wurde rund abgeichlagen ; dagegen gab der Herzog inbezug auf 
Schenkings Prozeß nicht nur für ſich jelbit die beften Veriprechungen, 
ſondern juhte aud) den Gejandten das Mißtrauen gegen Herzog 
Ernft auszureden. Da die Gefandten aber erklärten, das Kapitel 
werde ſich auf eine Kapitulation mit Bayern nit einlaffen, bevor 
man wegen der beiden Bedenken verfichert jei, übernahm es der 
Herzog, darüber nad) Münfter zu berichten. — Am Füliher Hof 
jah man in der neuen Werbung ein Zeichen, da die Verbitterung 
der Gemüter in Münfter gemildert, alſo auf baldige Poftulation 
des Freilinger Aominiftrators wieder Ausſicht ſei. In diejer 


442 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel. 


Hoffnung wurde man bejonders durch Privatgeipräche beitärkt, 
welche zuerft, bei einem Ausflug nad) der im Bau ftehenden nahen 
Feftung Fülih, der Landdroft Wernher von Gimnid, andern 
Zags auch der Hofmeifter Schwarzenberg und Paul Langer mit 
Weſterholt gepflogen hatten. Diejer ſchien eifrig bemüht, die 
Näte zu Überzeugen, daß nicht durd) feine Schuld die Boftulation 
bisher unterblieben jet: da er gejehen, daß die jüngeren Herren 
durch die Beſorgnis dor der römiſchen Inquifition, dann durch 
das herriihe Auftreten ihres Dedanten und des Droften Hein: 
rich von der Nede verbittert worden, habe er, nur um Wei— 
terung zu verhüten, ſich eingemiſcht und es glüdlidh dahin ges 
bracht, daß jene in Zukunft jo ftinmen würden, wie er; man 
möge Vertrauen auf ihn ſetzen, er werde halten, was ev früher 
zugejagt, und jchlieglic alles nad) dem Wunſch des Herzogs ab» 
laufen. — Weſterholt behauptete nahmals, er jet zu Hambach 
jtet3 in allgemeinen Ausdrüden geblieben und habe dabei die Be: 
mühungen des Kurfürften Salentin im Auge gehabt, welcher beide 
Parteien dadurch zufriedenftellen wollte, daß der bayriſche Herzog 
nah Köln, Erzbiſchof Heinrich aber nah Münfter gebracht werde. 
Die Räte aber fahten feine Worte jo auf, als werde Weiterholt 
fortan die bayriihe Bewerbung um Münfter unterjtügen; hatte 
diefer doch fogar geäußert, er felbit habe dem Bremer Erzbiichor 
abgeraten, fih um Münfter zu bewerben, weil doch der päpftliche 
Konjens nimmermehr zu erlangen fein werde !). 


1) Wenige Tage nah den Hambader Unterrebungen (am 21. September, 
NA. Münfter IV, 135) berichtet Langer an den bayrifhen Sekretär Winfl- 
mair u. a. folgende Äußerung Wefterholts: „wie er au mit dem bern erz- 
biichoffen zu Bremen felbft in underredung gewefen, fein furnemen nit ap- 
probirt, jonder ganz zuwider gemacht, unb aud bei pabft. Ht, die one 
zweiffel feine profeffion fidei abfordern lafjen wurde, nimmer ber confenf zu 
erhalten.” In den fpäteren Streitichriiten der Senioren und Junioren jucht man 
auf der einen Seite das Gewicht der Äußerungen des Statthalter® zu übertreiben, 
auf ber andern ungebührlich abzuſchwächen, jo daß hier wie auch ſonſt das 
richtige Mittel gefucht werden muß. Wie die Senioren behaupten, erklärte Wefter- 
holt auf feinen beiden letsten Reifen an den Jülicher Hof: Bremen babe fid 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 443 


Im Vertrauen auf erwünschten Ausfall einer Neuwahl ftellte 
nunmehr der Füliher Hof feine in der jüngiten Zeit zu Rom 
beim Bapfte und zu Regensburg bei Kardinal Morone eifrig be— 
triebene Benrühung um Johann Wilhelms Konfirmation vorläufig 
ein; ein Schreiben des Kaiſers, welches den Sohn des Erzherzogs 
Ferdinand zur Nachfolge in Münfter empfahl, weil Herzog Ernſt 
durch Überlaffung von Köln und Osnabrück — follte heißen 
Paderborn — ohnehin genugſam verjehen fein werde, wurde Ende 
September von Herzog Wilhelm durh Hinweis auf die jüngften 
Beriprehungen der münfterfchen Gefandten erwidert und abge— 
wieſen ?). 

Gegen Ende Dftober lief von Münden Antwort ein auf die 
beiden Bedenken des münfterichen Kapitels; inbezug auf Schen— 
fings Sache ganz nah Wunſch: wie Herzog Albrecht bereits in 
Regensburg den Kardinal Morone um Suſpenſion des Urteils 


der Poftularion entfchlagen und er (Wefterbolt) i. f. ©. endlich abgefagt, 
„auß urfachen, das biefelben der catholifchen religion nit fein noch fih zum 
biſchoflichen ftande qualificieren fkonten” (Senioren an Bremen. 18. März 
1577. RU. Münfter V, 107 und DA. 284, 167 u. 202). Dagegen will 
Weſterholt felöft nur gefagt haben: „daß E. f. ©. [Erzbifchof von Bremen], 
al8 ir die capitılationsarticul zu verlefen zugeftelt, angezeigt, daß fie etwas 
ſcharf geftelt; wolten fie bei fih behalten und in reifen vat und bebenfen 
nemen und bernegft fih der gepur darauf ercleren. Doc geftche ich wol 
biebei gefacdht zu haben, daß etwa bie Bremifchen E. f. ©. darvon abraten 
mochten, junft €. f. &. perfoen halber wurde ef mol feinen mangel haben.” 
(Junioren an Bremen. 2. April 1577. RA. Miünfter VI, 12 und DA. 
284, fol. 238 u. 271). 

1) 9. Juni 1576 berichtete Frater Sporeno aus Rom an Erzherzog 
Ferdinand, da die münfterfchen Junioren den Bremer Erzbiihof nicht wählen 
dürften, den Freifinger Bifchof aber durchaus nicht wollten, ſondern lieber 
einen Dritten, fo fei e8 an ber Zeit, die Praktiken für den Herrn Andreas 
wieder aufzunehmen. Daraufhin ſprach der Erzherzog in Regensburg 
feinen Bruder ben Kaiſer um feine Bermittelung hierbei an und wiederholte, 
troß dem Abraten feiner eigenen Räte, im Monat Auguft brieflih die Bitte 
um Fürſchriften des Kaifers an Kurfürft Salentin und an ben Herzog von 
Jülich. Am 13. September 1576 fchrieb der Kaifer deshalb an den letztern, 
vermutlich alfo aub an den Kurfürften,; Herzog Wilhelm antwortete aus 
Bensberg 30. September 1576 (Akten hierüber Ja. AA. u. DU. a. a. O.). 


444 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel. 


der Rota und Überweifung der Sade an einige deutiche geiftliche 
Fürften angeſprochen hatte, jo jchrieb er jest in gleihem Sinn an 
den Bapft jelbit; außerdem bezeichnete er es als „ungereimt und 
ungebührlich“, wenn jein Sohn den auf Wunſch des Kapitel3 ent= 
laifenen Schenling wieder in jeine Dienfte nehmen würde. — 
Nicht ebenjo befriedigte Albrechts Antwort wegen der befürchteten 
Inquiſition: allerdings erklärte der Herzog, fein Sohn werde 
„mit Beicheidenheit, nad) Gelegenheit von Zeit, Dit und Ber: 
jonen‘ verfahren und lieber hriftlihe Unterwerfung und andere 
janfte und milde Mittel als Gewalt anwenden, um die fatholiiche 
Religion zu erhalten und auszubreiten; auch werde derjelbe nicht 
anders als mit Rat des Domlapitel3 Handeln und Weiterung 
und Unruhe jo viel al3 möglich vermeiden; — „daß aber unier 
Sohn‘, hie es weiter, „da derjelb zu dem Stift Münfter po— 
ftuliert würde, den Unterthanen die Religion weiter dann der 
Religionsfrieden ausweiſet, allerding und erprejje freiftellen und 
ſich feines biſchöflichen Amts in Religionsfahen gar nit gebrauchen 
jolle, dardurd) die Unterthanen noch mehr und dermaßen geftärkt, 
dag aud die janften und milden Weg weiter nichts würfen oder 
fruhten könnten, das würde ja unferm Sohn hochbeſchwerlich, 
gegen Gott und die geiftliche hohe Obrigkeit unverantmwortlid, auch 
Profeſſioni fidei, jo ein jeglicher Biſchof vermög des trientiichen 
Concilii thun fol und muß, zugegen fein; derwegen wir dann 
gänzlid darfür Halten, daß foldes eines würdigen Domlapitels 
Will oder Meinung nit ſei.“ Zudem würde das Kapitel durch 
eine „unnötige und ungewöhnliche Afjefuration‘ nur jich jelbft 
Ihaden und die Unterthanen in ihrem Irrtum ftärfen und hals— 
ftarrig machen. 

Am jülihihen Hof nahm man Anftand, die bayriihe Reſo— 
lution in diefer Form in Münfter vorzulegen. Auf Grund 
einer Beiprehung Reds mit dem Domdehanten (zu Bor: 
fen am 7. November) beihlog man eine von den anftößigen 
Stellen gereinigte Kopie der Refolution zum Martinisfapitel nad) 
Münfter zu ſchicken und daraufhin Junioren und Senioren auf: 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 445 


zufordern, fi nunmehr über die Wahl des Freifinger Admi— 
niftrator3 zu vergleihen. Daß Red ſelbſt wieder mit nad) Mün— 
fter fomme, fand der Dechant nicht ratfam; denn Kurfürft Sa: 
lentin babe vor wenigen Wochen bei verjchiedenen Domberren 
heftig für Erzbiſchof Heinrid) geworben und dabei verlauten lafjen, 
Bayern und Jülich hätten in deſſen Wahl eingewilligt; dadurch 
fei den Anhängern Bremens der Mut gewachſen, jo daß Recks 
Anweſenheit nur Anlaß zu neuem Bank geben werde. 

Leider willen wir über das, was Salentin feit feiner Abreije 
vom Reichstag zugunften des Bremer Erzbiſchofs gethan, mur 
äußerft wenig Zuverläffiges. In Dresden, wohin er ſich zunädhit 
begeben ?), empfahl ihm Kurfürft Auguft feinen Neffen Herzog 
Heinrih als Nachfolger für Köln, meinte aud), jedod irrtümlich, 
Salentins Zujage erhalten zu haben. Salentin behauptet nachher 
— mas an fid wahriheinlihd —, nur für Münfter habe er dem 
ſächſiſchen Kurfürjten Zufagen gegeben, und Erzbiſchof Heinrich ſelbſt 
lehnt in einem Brief aus Vörde (vom 10. September) jede Be: 
werbung um Köln ab, weil er den durd die Kölner Statuten 
geforderten Eid ohne Verlegung feines hriftlihen Gewiſſens nicht 
leiften könne, auch ſchon ein Erzitift befige. — Mehr als durd) 
ſolche religiöfe und rechtliche Bedenken wurde er jedenfalls durch jein 
Abkommen mit Salentin hiezu bejtimmt. — Vermutli im Laufe 
des Dftober hat dann irgendwo in Weſtfalen eine Zuſammenkunft der 
beiden Freunde ftattgefunden und etwa um die nämliche Zeit auch 
jene Privatverhandlungen Salentins mit verſchiedenen münfterjchen 
Domherren (zunähft wohl mit Wefterholt), von weldyen Red etwas 
durch den Decdanten erfuhr. Weſterholt ſeinerſeits foll bereits 
um die Zeit jeiner Sendung nad) Hambach — aljo um die 
Mitte September — perfönlid bei Kurfürft Salentin in Arenberg 
geweſen fein, vielleiht um ihn wegen feiner Zeilnahme an diefer 


1) Eine Notiz über Salentins damaligen Aufenthalt in Dresden (und 
Wolfenbüttel) auch in (Schmidt-Phifelded) Hiftor. Miscellaneen ©. 96; 
vgl. 0. ©. 410f. 


446 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


Geſandtſchaft zu beruhigen ). — Der Domdechant ſah aljo dem 
Martini-Rapitel viel weniger zuderjihtlih entgegen als der Jü— 
liher Hof. Daß der Berlauf des Kapitels diefem und nicht 
dem Dedanten recht gab, war zumeift wieder eine Folge der 
Schenkingſchen Sad. 

Während des Monats Auguft hatte Dr. Schenting in Regens— 
burg ein ftattlihes Buch ericheinen laffen und ſelbſt unter den 
Reichsſtänden verteilt, worin er seinen und der anderen Erb- 
männer Anſpruch auf den Nitteradel, demnach aud) auf den Be— 
fi, münfteriher Dompfründen verteidigte. Dieje Deduftion gab 
mohl mit einen Grund ab, daß die Reichsſtände (am 3. Sep: 
tember) mit Majorität dem fatferlihen Dekret vom 27. Auli 
beitraten; jo ſah fih alio das Domkapitel darauf angewieſen, 
fortan nur noch von Rom felbft Hilfe in feiner Sade zu erwar= 
ten; Gönner wie Bayern, melde dort Gewicht hatten, wurden 
nun doppelt wertvoll. — Die jhlimmen Nachrichten, melde der 
Sekretär Schmale vom Reichstag mitbradhte, wurden zuerft einem 
Ausſchuß der münfterihen Ritterichaft vorgelegt, ſodann bei Be— 
ginn des Oeneralfapitel3 (am 13. November) den zahlreich er= 


1) 28. Dezember 1576 erſucht Kurfürft Salentin in einem furzen 
Schreiben aus Marienfeld den Statthalter, feinem „hiebevor zu Arnburg 
getanen erbieten nah”, „Sachen Halb fo wir mit Euch zu reden haben”, 
baldigft zu ihm nach Neuhaus zu fommen. Im einem viel fpäteren Schrei- 
ben ber Senioren an ben Herzog von Yülih (vom 26. Dezember 1578, 
RU. Münfter VIII, 354) wird angenommen, baß bie bier erwähnte Zu- 
jammentunft zu Aruburg (d. i. Arenberg) zur Zeit der Geſandtſchaft nad 
Hambach, alfo im September 1576, ftattgefunden babe. Wefterbolt konnte 
in der That von Hambad aus mit einem geringen Umweg über Schloß 
Urenberg (am der. oberen Ahr) nach bem Rhein zurüdreifen. Aus Brie- 
fen ber Gräfin-Witwe von Arenberg an ben Herzog von Zülih (DA. Polit. 
Begebenheiten Nr. 18) ergiebt fih, daß biefelbe im Sommer und Herbft 
1576 auf Arenberg verweilte; ihr künftiger Schwiegerfohn Kurfürft Salentin 
wird fie vermutlich bier befucht haben. Im einem Brief an bem Herzog von 
Jülich (vom 28. Auguft 1576) fehreibt die Gräfin, fie babe biefem GSadr.n 
mitzuteilen, die der Weber nicht anzuvertrauen: d. 6. er folche, vr die 
Heirat ihrer Tochter mit Salentin betrafen. 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 447 


Ihienenen Domherren. Gleich darauf wurde die bayriihe Reſo— 
Iution in ihrer am Jülicher Hofe zurechtgeftugten Form nebft 
Herzog Wilhelms Begleitihreiben verlefen. — Nun, da alle Be: 
denken bejeitigt, proponierte der Dedant, folle man zur Kapitu— 
lation mit Bayern jhreiten. Die Senioren ftimmten jofort zu; 
aber auch Wefterholt und Genoffen wagten jet feinen Wider— 
ſpruch, jei es bloß aus Rückſicht auf Schenfings Prozeß, oder 
aud weil Kurfürft Salentin und Erzbiihof Heinrich nicht geleiftet, 
was man von ihnen verlangt hatte. Man beihloß einmütig, die 
Wahlſache durch einen Ausſchuß von neun Perfonen vorzuberaten, 
welhe am andern Morgen in der Dompropftei zufammentraten: 
ſechs Herren von der bayriſchen Partei, drei (Wejterholt, der 
Vizedominus Bernhard von Büren und Herr Wilhelm Schenting) 
von der bisher bremiſchen. Wiewohl vonfeiten diefer drei Herren 
allerlei Äußerungen fielen, welche durchblicken ließen, daß fie nicht 
bon Herzen dabei waren Y), ftimmten fie doch zu, daß die vor= 
mals (Juni Juli 1575) vereinbarte Kapitulation wieder vorge— 
nommen werde. Man fand nur einzelnes in ihr zu verbeflern. 
Zu dem Artikel, gemäß welchem der Poſtulierte niht nur für 
jeine Perfon fatholiich fein, jondern aud im ganzen Stift die 
fatholifche Religion handhaben jolle, wurde jegt beigefügt: daß 
derjelbe nicht anders als mit guter Beſcheidenheit und Glimpf 
bandlen, aud alles, daraus Weiterung, Unruhe u. dgl. Ungemach 
entitehen möchte, vermeiden folle, alles nad) Rat und mit Be— 
willigung feines Domkapitel. Mit Rüdjiht auf Schentings 
Sache beftimmte man, der Poftulierte ſolle die päpftlihen und 


1) Während 3. B. die Senioren ſchon von einer Poftulation des bayri— 
ſchen Herzog8 rebeten, fprachen die anderen immer nur von ber Kapitulation ; 
al8 der Dechant darauf bemerkte, wenn man erft fapituliert, müſſe man 
nachher auch beftändig fein, erwiderte Wefterholt, man fei nicht gemeint 
„Sole Herren zu verieren”; doch müfje nach erfolgter Kapitulation und 
Affeturation ber Herzog von Jülich das alte Poftulationsdefret herausgeben, 
damit man freie Wahl Habe. — Wefterholt behauptet nachmals, unter ben 
Herren, die man nicht verieren bürfe, habe er namentlich ben Kölner Kur— 
fürften verftanden. 


448 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel. 


faiferlihen Privilegien aufrecht halten, namentlich diejenigen, wo— 
nah nur rittermäßige Adelige, nah erfolgter Ahnenprobe zu Ka— 
nonifern aufgenommen werden dürften, außerdem jolle derjelbe 
alles aufbieten, damit das Kapitel von der durch Dr. Schenfing 
ihm zugefügten Beſchwerde befreit werde. Weiterhin folle Herzog 
Albrecht für fi und feine Nachfolger veripredhen, dem Boftulierten, 
da die Einkünfte von Münfter für einen fürftlihen Hofhalt nicht 
ausreihten, eine jährlihe Rente aus Bayern zu verabreichen. 
Auch wurde ausdrüdlih gefordert, daß der Poſtulierte wegen 
anderer Stifter, die er befige, — man dachte wieder an Hildes: 
heim und deifen Streit mit Braunſchweig — das Stift Münfter 
nit in Gefahr und Nachteil bringen dürfe. 

Nachher ftimmte auch das Plenum dem Kapitulationsentwurf 
bei, Wefterholt und andere Junioren übrigens wieder mit dem 
Vorbehalt, dab es fein Postulatio coacta fein dürfe. Der bay: 
riſche Herzog jollte durd) den Herzog von Jülich erſucht werden, 
zu endliher DVergleihung über die Kapitulation Gejandte zu 
Ihiden, Herzog Wilhelm ſelbſt aber vor allem das alte Poſtu— 
lationsdefret zurüdgeben. Zum Beſchluß erklärten alle anmwejenden 
Herren — 23 an der Zahl — „mit handgebender Treue“ in 
die Hände des Kapitelsſekretärs, daß nunmehr aller Mikverftand 
unter ihnen aufgehoben jein und bei dieſem einhelligen Beſchluß 
verharrt werden ſolle. Die Inftruftion für die Gefandten an den 
Herzog von Jülich wurde am folgenden Zag genehmigt; gleich 
zeitig bat Wefterholt, ihm feine vor zwei Fahren verringerte Be: 
joldung wieder voll auszuzahlen, wurde aber, angeblid weil nur 
noch wenige Herren (14) zugegen, auf ein ander Mal ver: 
wieſen. 

Am 30. November erſchienen die Geſandten des Kapitels 
(Scholaſter, Domkuſtor und Sekretär) auf Schloß Bensberg; am 
folgenden Tage bereits ging ein reitender Bote nach München 
ab. Für ſeine Perſon erteilte Herzog Wilhelm neue Fürſchriften 
in der Schenkingihen Sache, erflärte außerdem, „wenn die Sache 
zu gutem Ende geraten und richtig‘, wolle er vollziehen was die 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 449 


Kapitulation jeinem Sohne auferlege (d. 5. refignieren). — Wefter- 
bolt ſoll aud diesmal wieder einem und dem andern herzoglidhen 
Rat die bündigften Verſprechungen gegeben haben ). Daß man dieje 
für aufrichtig hielt, fieht man aus einem bon Bensberg aus an 
Dandorf gerichteten Brief des Kapitelsjefretärs Schmale: „Dem 
allmächtigen Gott fei Lob und Dank“, fchreibt Schmale, „daß 
e3 zu diefem Stande geraten; denn nunmehr der Herr Statt— 
halter und die Junioren-Kanonichen ſich der andern bewußten 
Meinung endlic begeben; ift nun nichts übrig, allein daß man 
ih) der Kapitulation endlich vergleiche und zum eheften zu der 
Poſtulation gefchritten werde. Schmale meint, die Bemühungen 
der Herzöge Albreht und Ernſt in Schenfings Sade, deren er in 
feiner Relation beftens gedacht habe, hätten dabei nicht wenig ge= 
bolfen. | 

Die guten Nachrichten über die münfterihe Sache trafen un- 
gefähr gleichzeitig mit den bedenklihen über die kölniſche — vor 
Weihnachten — am bayriihen Hofe ein. In beiden folgte man 
den Ratſchlägen des jülihichen Hofes. Nah Rom wurde, da die 
Poſtverbindungen wegen der in Stalien herrihenden Peſt zu un: 
fiher waren, ein eigener Kurier an Dr. Fabricius gefandt, damit 
diejer dem römischen Stuhle Salentins Plan einer erzwungenen 
Koadjutorie widerrate; zu Salentin jelbit ging Dandorf mit dem 
gleihen Auftrag; wegen Münfter jollte jid) Dandorf mit Salentin 
in feinen Disput einlaffen, aber nachher mit zwei weiteren Ge— 
fandten, Wolf Wilhelm von Marlrain und Dr. Halver zum Ab- 
ihluß der Kapitulation in Münfter einfinden. Den Sapitula= 
tionsentwurf fand man in München im allgemeinen unbedenklich; 
doh wünſchte man einzelne Bejtimmungen gemildert oder erläutert: 





1) In einer feiner fpäteren Streitfchriften (vom 12. Juni 1577. RU. 
Münfter VI, 44 und DA. 284, fol. 630) verlegt Wefterbolt felbft fein „Fa- 
miliargeſpräch“ mit Schwarzenberg nach Bensberg, alfo in ben November 
1576, während in dem o. &. 442 Anm. erwähnten Bericht Langers bereits 
über ein im September ftattgehabtes „gefelliges Kolloquium” zwifchen 
Schwarzenberg und Wefterholt berichtet wird. 

Lojien, Köln. Krieg I. 29 


450 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


fo die wegen Erlangung der Konfirmation und der Negalien auf 
Koften des Poftulierten und die wegen fortwährender Nefidenz 
im Stifte jelbft. Bon den neuen Zufägen fand Herzog Albrecht 
den, dab der Poftulierte jein bifchöflihes Amt nur „nach Rat 
und Bewilligung‘ des Kapitels ausüben jolle, ſchwer und ver— 
Heinerlih; man möge den Artifel etwa jo fallen wie in feiner 
legten Rejolution: „daß fein Sohn mit guter Beſcheidenheit und 
Glimpf handeln, au ohne Rat und Bewilligung des Kapitels 
nichts vornehmen folle, daraus Weiterung, Unruhe und dergleichen 
Unrat entftehen möchte‘; auch die Forderung einer jährlichen Rente 
aus bayriihen Einkünften mißfiel dem Herzog; zulekt war wieder 
der Wunſch ausgefprohen, daß das Kapitel auf die Bürgſchaft 
jülich-cleviſcher Unterthanen verzichte. 

Nicht blog am cleviihen und am bayriſchen Hof, ſondern auch 
in den Kreifen der Gegner betradhtete man Herzog Ernſts Poſtu— 
lation jhon als gewiß). Selbft Kurfürft Salentin und Erz: 
biſchof Heinrich gaben in diefer Zeit das Spiel verloren. Am 
4. Januar 1577 ſchreibt Salentin in einem eigenhändigen Brief 
aus Neuhaus an Kurfürft Auguft von Sadjen, er habe fi bis- 
ber aufs höchſte befliffen, feinem Freund und Bruder von Bremen 
zum Stift Münfter zu verhelfen; nun treibe aber der Herzog von 
Jülich den Handel jo geſchwind dagegen, daß er nicht zu feinem 
Ziele fommen könne; deshalb falle ihm auch bedenklich, fein Erzſtift 
und Kurfürſtentum aljo, wie er zuvor wohl gemeint, zu rejignieren, 


1) 28. Dezember 1576 ſchreibt Ludwig von Wittgenftein an Burkhart 
von Kram (MA. Köln 1515/80, fol. 195), das miünfterfche Kapitel Habe, 
wie man von Köln fchreibe, den Freifinger Biſchof poftuliert; ba nunmehr 
die Hoffnung des Bremer Erzbifhofs auf Miünfter gefallen fei, werde biejer 
vielleicht eher geneigt fein, bes Domftifts Köln ſich ernftlich anzunehmen. — 
Auch Graf Johann berichtet Anfang Ianuar in Briefen an Herzog Julius 
von Braunfchweig und an Oranien (DillA. R. 60, fol. 97 und Groen 
van Prinsterer V, 600), „das ber von Freifingen, über vieler leute 
vermuten und zuverficht, das flift Münfter enblih an ſich bracht und barzu 
poftulirt worden.” — Am wenigften zuverfichtlih äußert fih der Domdechaut 
jelöft in einem Brief an den Herzog von Jülich DA. 284, fol. 12. 


Die vereitelte Poftulation zu Münſter. 451 


„denn umb eines hriftlihen Heirats willen jo leichtlich abzuftehn, 
ift etwas bedenklich, injonderheit warn man alfo gefährlich handlen 
will, wie igo beichieht‘ u. ſ. w. Schärfer noch in einem eben- 
falls eigenhändigen Brief vom gleihen Zag an Erzbiſchof Hein- 
rich jelbft: „E. 2. mag ich nicht bergen, wie daß ich den ſchönen 
Mann, den Statthalter von Münfter, bei mir gehabt, und hätte 
gemeinet, er würde noch etwas Troſt in bewußter Sachen mir 
angezeigt haben. So feind feine hifpanische Boffen gar aus und 
gibt die Sahe nur ganz und gar verloren. Hätt er ins Teufels 
Namen ſolchs zeitliher bevadt, hätt er E. 2. und mid auf fein 
Narrenfeil dürfen führen. E. 2. werden weiters von E. L. Rat 
und Diener 8. Schradern können bericht werden. Inmittelſt 
müfjen E. L. und ich den Sachen zujehen, wo fie hinaus wollen. 
Credo quod mirabilem certe aut calamitosum sortientur exi- 
tum; die Zeit wirds geben. Ich hätte E. 2. gern mehr ge= 
ihrieben, habs aber fürwahr gar und ganz an der Zeit nicht ge= 
halten... E. L. allzeit getreuer Bruder ex animo GSalentin 
Kurfürſt.“ 

Die hier erwähnte Beſprechung Salentins mit Weſterholt 
hatte am 2. oder 3. Januar, vermutlich in Gegenwart Schraders, 
ſtattgefunden. Vorhergegangen war ihr, während der Weihnadhts- 
tage, eine Zufammenkunft des Kurfürjten mit Erzbischof Heinrid) 
in Kloſter Marienfelde (bei Warendorf nahe dem osnabrückiſchen 
Miedenbrüd), wo beide Herren hauptſächlich über den unverhofften 
Abfall des Statthalter3 geredet haben werden. Damals wohl 
verſprach Salentin, weil er feine Zufage wegen Münfter nicht 
halten konnte, feinem Freunde nad) Paderborn zu verhelfen. Daß 
er es naher in Neuhaus an Vorwürfen und Drohungen gegen 
den unbeftändigen Statthalter nicht fehlen ließ, müßte man vor— 
ausjegen, wühten wir es auch nit aus feinem eigenen Munde. 
Weiterholt wird ſich wohl damit entihuldigt haben, daß der Erz: 
biihof die ihm vorgelegte Kapitulation nicht angenommen habe, 
und deshalb jowie wegen Schenfings Sahe feine bisherigen An— 


bänger zur Kapitulation mit Bayern fi verftehen mußten. — 
29* 


452 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


Die maßloſe Grobheit, welche Salentin um diejelbe Zeit in jeinen 
Briefen an das Kölner Domkapitel zur Schau trägt, hängt wohl 
mit feinem Ärger über die münfterichen Dinge zufammen: weil er 
wegen diejer feinen Rücktritt vom Erzftift aufihob, brauchte er 
feinen Kölner Gegnern gegenüber feinen Grimm nicht länger zu 
zügeln. — Ws Dandorf um die Mitte Januar nach Neuhaus 
fım, um dem Kurfürften die geplante Koadjutorie zu widerraten, 
äußerte ſich Salentin aufs beftigfte erzümt über den Gang der 
münſterſchen Sade. Die Schuld maß er bejonder3 dem Herzog 
von Jülich und deſſen Rat Heinrih von der Rede bei; daneben 
zog er 108 gegen die von Raesfeld, den Statthalter Wefterholt und 
den Nuntius Gropper: „als die hierunter nit allerding ehrbar 
und redlich, ſonder wider ihr Zufag gehandlet.“ Die köl: 
niſche Sache werde das entgelten müſſen. Dandorf gab fih alle 
Mühe den Kurfürften zu beichwichtigen und namentlih feinen 
eigenen Herzog von aller Schuld rein zu waſchen: da das Dome 
fapitel aus freien Stüden fi erboten habe, Herzog Ernſt zu po= 
ftulieren und da die Kölner Wahl noch ungewiß jei, habe Herzog 
Albreht das Gewiſſe dem Ungewiſſen vorziehen müfjen, perſönlich 
aber weder dem Kurfürften nod dem Erzbiſchof ein Hindernis in 
ven Weg gelegt. Salentin ſchien ſich zulegt zufrieden zu geben, 
meinte aber, diefe dem Bremer Erzbiſchof zugefügte Unbill möchte 
zu feiner Zeit am Stift, namentlid an den Raesfeldiihen und 
an Wefterholt, gerochen werden ?). 

Auf Herzog Albrechts Wunſch hatte der Domdehant den 
2. Februar al3 Termin zum Abſchluß der Kapitulation anberaumt ; 
doch vergingen ein paar Zage und bedurfte es noch befonderer Cita— 
tionen, ehe die Domherren ziemlich vollzählig — einige zwanzig — 
beifammen waren. Bayerns bisherige Gegner mochten wenig Luft 


1) Zwei Briefe Dandorfs an Herzog Albredht vom 15. u. 26. Januar 
babe ih in den Münchener Archiven bisher nicht gefunden, entnehme daher 
meine Angaben über Dandorfs Gefpräh mit Salentin einem Brief besfelben 
an Paul Langer: DA. Polit. Begebenheiten Nr. 17, fol. 90. 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 453 


haben, ihre eigene Niederlage zu befiegeln ). Am 5. Februar 
erichienen Heinrich von der Rede und die drei bayriſchen Gejandten 
vor dem Kapitel und erklärten ſich bereit, über Kapitulation und 
Afefuration zu verhandeln. Darauf wurde ein Ausſchuß von 
fünf Prälaten, Propſt, Dechant, Scholafter, Domkuftor und Vize— 
dominus — alfo aud zwei bisher bremiſch gefinnte — beftellt, 
welcher die meiften von Herzog Albrecht gewünſchten Anderungen 
in der Kapitulation vajch bewilligte. Nur bezüglich der Refidenz- 
pfliht wurde daran feftgehalten, daß der Poftulierte jährlih min— 
deitens vier Monate im Stift und aud die übrige Zeit in der 
Nähe rejidieren müſſe; auch von der verlangten Bürgihaft jülich- 
cleviiher Landſaſſen ging man nit ab. Andern Tags wurde 
das mit dem Ausſchuß Vereinbarte vom Kapitel einmütig ges 
nehmigt. Nur erklärten dabei Weiterholt und etlihe Junioren, 
dab „alles, was auf die Kapitulation gehandelt werde, unverbind- 
ih und die freie Wahl vorbehalten jein ſolle“. Den Gejandten 
wurde angezeigt, man ſei einig, mit dem Aodminiftrator von Frei— 
fing zu fapitulieren, von der Rede ſolle alſo nunmehr das Poſtu— 
lationsdefret herausgeben; diejer erklärte fi) willig, jobald man 
wirklih zur Boftulation ſchreite. Am folgenden Tag (7. Februar) 
einigte man fich wegen der verlangten Bürgihaft: das Domkapitel 
verzichtete auf die zeitraubende Forderung, daß dieje bereits vor der 
Neumahl im Driginal vorliegen müſſe, und begnügte ſich einjtweilen 
mit einer von den vier Geſandten ausgeftellten Interims-Afjeluration, 
für welde fünf vornehme münfteriche Adelige Rückbürgſchaft über: 
nahmen. ine Abkürzung des üblichen vierzehntägigen Termins 
zur Berufung aller Abwejenden wurde jedoch nicht zugeſtanden; 
der erite Sonntag in der Faften, 23. Februar, wurde für die 
Poſtulation feſtgeſetzt. Zwei Zage ipäter lehnten die noch an— 
weienden acht Domberren das diesmal von den Merordneten 


1) Als befonders citiert nennt das Protofoll die Herren Wilh. Schenting, 
Wild. Elverfeld, Lukas, Matthiad und Jörg Nagell und Jörg Ketteler, — 
lauter entjchievene Gegner Bayerns. 


454 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


zur Regierung geftellte Erſuchen, dem Statthalter feinen früheren 
Gehalt wiederzugeben, neuerdings ab. 

Ned und die bayriihen Gejandten verliegen Münfter in vollem 
Vertrauen auf den 23. Februar: „auf welden Tag‘, ſchreiben 
die legteren an Herzog Albrecht, „wir zu Gott hoffen und ven 
beſchehenen Abreden nad für gewiß halten, daß E. f. ©. geliebter 
Sohn zum Bischof von Münfter poftuliert werden joll‘. Dr. Hal— 
ver hatte ſolche Zuverſicht namentlich aus periönlichen Beiprehungen 
mit dem Statthalter gewonnen; dem Bedenken Wefterholt3, daß 
Herzog Albrecht veriprohen habe, Müniter dem Bremer Erzbiſchof 
zu überlaffen, mwideriprad) Dandorf mit Berufung auf feine eigene 
Zeilnahme an den Münchener Unterredungen zwiſchen Salentin 
und jeinem Herzog. 

Während der legten Verhandlungen Hatte jid) auch Lorenz 
Schrader in Münfter eingefunden, mit einem Brief von Kurfürft 
Salentin an Dandorf, der dem Kurfürften beicheinigen sollte, 
welche Vertröftung ihm Herzog Albrecht wegen Münfter vormals 
gegeben habe, damit Salentin felbft bei Erzbiihof Heinrich 
defto beſſer entſchuldigt ſei. Dandorf verfiherte, daß ſich fein 
Herzog ſeither, feinem Erbieten gemäß, nicht mehr ſelbſt um 
Münfter beworben Habe. Schrader ſchien zufriedengeftellt, 
wünſchte im Namen des Erzbiihofs Glück und veriprad, daß 
diefer bei der Bewerbung um Köln dem Herzog Ernſt jo viel 
als möglich behilflich fein, ja vielleicht jelbit, gemäß Salentins 
Wunſch, feinen Kapitelplatz demjelben abtreten werde. Dagegen 
werde Herzog Ernft, einmal im Belige von Köln, Hoffentlich 
Stift Münfter zur Belohnung feinem Herrn abtreten. Dandorf 
antwortete mit einigen allgemeinen Redensarten über ſchuldigen 
Dank feiner Herzöge u. dgl. 

Zwei Zage vor dem Poftulationstermin, am 21. Februar, 
erihienen zu Münſter die drei bayriſchen Gefandten und für den 
Herzog von Jülich neben Ned noch Dietrih von der Horft und 
der cleviihe Marihal Wahtendond. Die leteren brachten 
Vollmachten mit zur Rückgabe des Poftulationsdelret3 und zur 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 455 


Dornahme der Refignation, welche vom Sapitel angenommen 
wurden. Als nun Red und Horft (der cleviihe Marihall war 
nod nicht angefommen) perjönlih im Sapitel erſchienen und Gr: 
Härung forderten, ob man aud nad) erfolgter Refignation al3bald 
zur PBoftulation des Adminiftrators von Freifing fchreiten werde, 
gaben die Senioren eine beruhigende, wenngleih etwas verklau- 
fulierte Antwort; der Scholafter aber wollte jih, um die freie 
Wahl zu erhalten, vor wirklicher Rejignation nicht weiter verpflichten 
oder erllären. Ähnlich einige Junioren; andere äußerten ihren 
Unmillen rüdhaltlojer. Er wolle jein Votum frei haben, erklärte 
3. B. der Vizedominus; fomme e3 zur Poftulation, jo werde ohne 
Zweifel jeder von Adel feinen Eid bedenken. Georg Ketteler fügte 
bei, nun ftelle fi) heraus, was Jülich vordem mit der Koadjutorie 
geſucht. Der Beihluß wurde ausgejegt. Den folgenden Zag, 
an welchem fein Kapitel itattfand, benugten die Gefandten, um 
mit einzelnen Junioren und namentlih mit Wefterholt privatim 
zu ſprechen. Des Statthalters Außerungen beihwichtigten die 
aufgetauchten Beforgniffe: jie jollten Vertrauen haben, fagte er 
u. a. zu Dr. Halver, denn man wiſſe von feiner Kapitulation als 
mit Bayern; man werde ehrbar und aufrichtig handeln u. ſ. w. 
Auch einige Herren von der Ritterfhaft meinten, man dürfe ſich 
auf Wefterholt verlafjen. 

Am Morgen des 23. Februar einigte ſich das Kapitel über 
eine Refolution, welhe die Spuren der borausgegangenen Dis: 
kuſſion an jih trägt: nachdem man, hieß es, vordem im Sapitel 
beichloifen Habe, feinen zu poftulieren, ehe man mit ihm fapituliert 
und Aifefuration befommen, und nachdem man darauf mit dem 
Adminiftrator von Freifing fapituliert, ſolle, jobald das Poſtu— 
lationsdekret herausgegeben und die Refignation wirklich erfolgt jei, 
zur neuen Poſtulation gefhritten werden. Als die Refolution 
den jülihihen Geſandten ſchriftlich zugeftellt worden war, erklärten 
diefe im Kapitel, fie fänden diefelbe den Befehlen ihrer Herren ges 
mäß und wollten in das ganze Kapitel fein Mißtrauen jegen. 
Sie übergaben aljo das Driginal ihres Poſtulationsdekrets und 


456 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


liegen durch zwei zu Prokuratoren beftellte münfteriche Geiftliche 
(den Siegler und Dedant am alten Dom, Jakob Vo, und den 
Dechanten zu Überwaſſer, Michael Ruperti) Kirche und Stift zu 
Händen des Kapitels rejignieren. Das Kapitel nahm die Refig- 
nation an und beihloß jodann, dem Herfommen gemäß !), per 
viam serutinii zur neuen Poftulation zu jchreiten. — Es ift dies 
der im kanoniſchen Recht vorgeiehene, bei den deutichen Kapitels— 
wahlen damals üblihe Wahlmodus und zwar in der früher be— 
iprochenen Form eine3 serutinium et compromissum mixtum 
sive determinatum, jedod) ohne die in Köln gebräuchliche accessio 
votorum. — Zu Skrutatoren wurden der Propft Goswin von 
Raesfeld, der Scholafter Wefterholt und Herr Bernhard Morrien 
gewählt. Darauf z0g man in den Dom zur feierlihen Meſſe 
vom heiligen Geifte. Bei der Rüdkunft ins Kapitelhaus ermahnte 
der Dechant die Kapitularen nochmals, aller früheren Beſchlüſſe 
jeßt eingedenf zu fein. Darauf ftiegen die Skrutatoren mit dem 
Sefretär, einem weitern Notar und zwei Zeugen in den oberen 
Saal des Kapitelhaujes, um das Wahlgeſchäft an ſich jelbit anzu= 
fangen. Der Propit als erfter nannte den Adminiftrator von 
Freiling, nad) ihm Weiterholt den Bremer Erzbiihof. Da das 
Herr Morrien und der Propft vernahmen, fuhren fie los gegen 
den ungetreuen Mann und meigerten ji jein Votum aufzu= 
nehmen: „dann fie bald Rechnung machen können, daß noch andere 





1) Das Protokoll fagt ausbrüdlih: Domini concluserunt, quod velint 
ad novam postulationem procedere per viam scrutinii, tanquam magis 
usitatam ac approbatam. Die bayrifchen Gefandten machen ſich alfo nach— 
träglich fchlauer als fie gewefen waren, indem fie in ihrer Relation vom 
25. Februar 1577 (RA. Münfter V, 45) behaupten, bie Senioren hätten 
mit ihrem und der jülichfhen Geſandten Vorwiſſen „zu merer ficherheit ben 
weg bes ferutinii gebraudt und neben andern ferutatoren ben juspectum 
ftathalter auch beputiert, damit fie in anfang feines voti gewiß fein medh- 
ten... . und mwofern er feine vorige befe büd mwiberumb brauchen wurde, nit 
procebieren fonder da8 werk. . . gar abſchaffen und einftellen mochten.” — 
Wohl aber mag wahr fein, daß die Senioren vor der Wahl verabrebeten, 
nur dann mit dem Serutinium fortzufahren, wenn Wefterholt dem Frei— 
finger Abminiftrator feine Stimme gäbe. 


Die vereitelte Poftulation zu Münſter. 457 


15 darauf folgen und hochgedachter Erzbiichof zu Bremen alſo die 
meiften Stimmen haben und damit durchgehen würde.“ Sie ftellten 
den Scolafter zur Rede, wie er, feiner Zufage und dem Slapitels- 
beihlug zumider, jemanden poftulieren könne, mit dem nicht vor= 
ber fapituliert. Wefterholt erwiderte, ev und andere hätten dem 
von Bremen ebenjowohl wie dem von Kreiling eine Kapitulation 
zugeftellt und jest richtige Erklärung darauf erhalten. Zum Bes 
mei zog er ein mit des Biſchofs Hand und Siegel verjehenes 
Schreiben hervor und mollte e3 den anderen Skrutatoren vorlejen. 
Sie aber mochten davon nichts hören, jondern liefen wieder hinab 
in den untern Saal und referierten dem Kapitel. Darauf ver— 
tagte der Dechant weitere Handlung bis zum folgenden Tag ?). 

Diejes faſt alle Welt überrafchende Ereignis war aber alio 
gekommen. 

Als Schrader vor vierzehn Tagen nach Münſter kam, war 
ſeine Beſprechung mit Dandorf gewiß nur der kleinſte Teil 
der Aufträge Salentins. Seine Hauptaufgabe wird ein letzter 
Verſuch geweſen ſein, die Junioren bei Bremen feſtzuhalten; ſie 
wurde ihm durch die kalte Art, wie Dandorf ſelbſt für die Zukunft 
Zuſagen ablehnte, vielleicht erleichtet. Manche Junioren waren 
wohl ohnehin geſonnen, unter allen Umſtänden dem Bremer ihre 
Stimmen zu geben. Von Weſterholt dürfte anzunehmen ſein, 
daß er wirklich eine Zeit lang die bremiſche Kandidatur fallen ge— 


1) Ich erzähle den Hergang bei der Wahl hauptſächlich nach dem Be— 
richt, welchen der kurſächſiſche Rat Dr. Andreas Paull am 3. März 1577 
feinem Herrn erftattete (DO. DrA. a. a. O. fol. 89). Dr. Paull hatte feine 
Informationen teil® in Osnabrüd von Schrader, teild in Münfter von 
Wefterbolt felöft geholt. Sein auch im übrigen durchaus mahrbeitsgetreuer 
Beriht wird durch die nur minder ausführliche Relation der bayrifchen 
Gejandten (vgl. die vorige Anm.) und das Prototoll des Kapitels befräf- 
tigt. Die Erzäblung bei Strunck, Ann. Paderb. lib. XXI zum Jahre 
1578 — angeblih aus einer handſchriftlichen münfterfhen Ehronit —, wie der 
Synditus durh Scharren mit dem Fuße dem Decdanten ein werabrebetes 
Zeichen gegeben babe, um den Wahlaktt zu fufpendieren, ift offenbar nur 
eine voltstümliche Umgeftaltung des wirklichen Hergangs. 


458 Fünftes Buch. Siebentes Kapitel. 


lafjen hatte, vielleicht weil der Erzbiſchof die verlangten Garantieen 
für jein fatholiiches Verhalten nicht geben konnte oder wollte ); 
das Ende aber war, daß der Statthalter in demjelben Augenblid, da 
er der Kapitulation mit Bayern zuftimmte, dem Lorenz Schrader 
verſprach, falls Erzbiſchof Heinrich jetzt noch die Kapitulation an— 
nehme, werde er mit ſeinem Anhang für ihn ſtimmen. Mit dieſer 
Zuſage und einer Kopie der Kapitulation eilte Schrader nach 
Hagen im Lande Bremen, wo er gegen den 13. Februar eintraf ?). 
Heinrich, der bereit3 alle Hoffnung aufgegeben hatte, vernahm feine 
Eröffnungen voll Mißtrauen und mochte nicht ohne weiteres Ja 
jagen, jondern gab folgende geichraubte Erklärung ab: allerdings 
würde man, wenn man bordem über Sapitulation und Affefuration 
mit ihm verhandelt, an dem mas chrijtlih, ehrbar und billig, 
jowohl in Religions: als in politiihen Sachen feinen Mangel auf 
jeiner Seite gejpürt haben; da er aber unlängft erfahren, daß 
aud der Statthalter und feine Mitftinnmenden mit dem Admini- 
ftrator von Freiſing ſich verglichen hätten, ſehe er nicht ein, zu 
welchem Effelt und Ende er fich jetzt noch obligieren folle; es 
würde ihm aud übel anftehen, in beichloffener Sache den Biſchof 
von Hildesheim an Vermehrung feiner Ehre, feines Standes und 
Glückes zu hindern. Sollte jedod) der Statthalter diefe Sache durch 
fügliche Mittel noch dahin richten können, daß er, Erzbiſchof Heinrich, 
bei fünftigem Wahltag zum Biihof von Münfter möchte poftuliert 


1) Die Senioren felbft, in einer ihrer fpäteren Streitfchriften (vom Juni 
1579. AA. Münfter V. 309 und DA. 284, fol. 588 u. 628), nehmen ar, 
der Statthalter habe eine Zeit lang ernftlich beabfichtigt, den bayrifchen 
Herzog zu poftulieren, „wie er ban ben bremifchen fecretarien Hermanußen 
zur Bede mit boefem befcheide abgewifen [im Spätjahr 1576 ?], daß derſelber 
folgent8 an den tumbfcolafter gejchrieben: Reverendissimum suum potius 


coeli ruinam expectasse quam tale nuncium per ipsum allatum .... im 
fal ber not mit gemelts fecretarien eigner original miffiven ... zu be— 
weifen.“ 


2) Am 5. Februar fand das Gefpräh zwifchen Schrader und Danborf 
in Münfter ftatt; am 13. ift bereit bie Refolution bes Erzbifchof8 in Hagen 
ausgefertigt; Schrader legte alfo einen Weg von minbdeftens zweimal 25 
beutfchen Meilen in weniger ald 8 Tagen zurüd. 


Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 459 


werden, jo wolle er ſich al3dann, feinem vorigen Erbieten gemäß, 
„unverweislih und aufrichtig al3 ein teutſcher wahrwortiger Fürft 
erzeigen und dermaßen im Merk verhalten, daß jowohl das Dom= 
fapitel al3 andere Hinterfafien des Stifts Münfter damit zu 
aller billigen Genüge zufrieden fein und feiner Regierung durd) 
Gottes Gnade und Segen fi) zu erfreuen haben ſollten.“ — 
Das aljo war jene von Weiterholt beim Skrutinium borgezeigte 
Erklärung und angeblihe Verfiherung der Kapitulation. Schrader 
hatte fie gerade nod) rechtzeitig überbracht; mit ihm verbanden ſich 
jest die Junioren aufs neue, an der Perſon des Erzbiſchofs feſt— 
zubalten. 

Am andern Morgen (24. Februar) liegen die bayriſchen und 
jülichſchen Gejandten dem Kapitel durch Dr. Halver ihr Befremden 
ausiprehen, daß es geftern nicht zur Voftulation gekommen jei. 
Während fie draußen auf Antwort warteten, fam es im Kapitel 
zu beftigem Wortwechjel, jo daß der Dedant die Drdnung faum 
aufreht halten konnte. Die Senioren verlangten, was man ein= 
mal beidhloffen, jolle man auch ehrlih Halten; der Domluſtor 
warf Wefterholt, al3 feinem früheren Mitgefandten, geradezu Wort- 
brud vor. Dagegen beriefen fi Wejterholt und Genoſſen auf 
ihr freies Wahlrecht. Jetzt habe man, jagte der Bizedominus, 
was man feit vielen Jahren geſucht; er aber wolle fein Votum 
frei haben und weder Jülich noch Bayern dafür anfehen; man 
müjje verhüten, daß nicht der Papft einen Keil einjeße. Aus 
diefer Außerung wohl nahm der Dechant Anlaß, Erklärung zu 
verlangen, ob alle Herren im Gehorjam des Papftes leben wollten. 
Die Senioren antworteten einfah: Fa; — Weiterhult und die 
Seinen: Ja, jo weit es nit gegen Statuten und Privilegien. 
Darauf ftellte der Dechant die dritte Frage: ob man den drei 
in der Boftulationsfahe erlaffenen päpftlihen Breven gehorden 
wolle. Der Scholafter und feine Anhänger antworteten: in lieito 
wollten fie gehorchen, nicht aber gegen die Konfordate der deutihen 
Nation; man wiſſe, der Papft könne und wolle in der Poſtu— 
lationsfahe nicht befehlen, jondern nur empfehlen. Nun ver- 


460 Fünftes Bud. Siebentes Kapitel. 


langte der Dechant jene andere Kapitulation zu fehen, von der 
man geftern geredet. Wefterholt antwortete, etlihe Herren hätten 
die Dülmener Kapitulation dem Erzbiihof von Bremen vorgelegt; 
darauf habe diefer ſich eingelaffen und geftern feine Kapitulation 
geſchickt. — Wie viel und wie wenig Wahres an diejer Behauptung, 
willen wir. — In fünfter Umfrage erklärten endlich die Senioren, 
fie wollten für fi) den Gejandten antworten, und überliegen den 
anderen das auch ihrerfeitS zu thun. Darauf wurden die Ges 
fandten wieder beſchieden, um gegen die Gewohnheit nicht aus dem 
Munde des Syndifus, jondern aus dem des Dechanten jelbit zu ver— 
nehmen, das Mißverſtand vorgefallen jei, die Senioren aber halten 
wollten, was zugefagt. — Lic. Schade war nämlich voll Ärger aus 
dem Kapitel gelaufen, weil er nicht länger Syndilus fein wolle, 
wenn man nicht halte was veriprohen. — Darauf lobte Dr. Hal- 
ver im Namen der Gelandten die Senioren und jprad) die Hoff: 
nung aus, aud die anderen würden „des alten deutichen aufs 
rechten Vorhabens und Gemüts jein‘ und ihr Wort halten. Er 
erinnerte namentlich Wefterholt an feine wiederholten Zufagen und 
warnte davor, dag man e3 mit großen vornehmen Herren zu thun 
habe, die mit dem Schimpf nicht fürlieb nehmen würden ?). 
Darauf berieten die Kapitularen wieder untereinander. Der 
Dechant ermahnte nochmals, den päpftlihen Breven zu gehordhen, 
Schenkings Sache nicht in Not, das Kapitel jelbft nit in Gefahr 
zu bringen. Wejterholt aber berief ji) darauf, daß er fich bei 
jeinen Werbungen am Jülicher Hof ftet3 ausbedungen babe, daß 
die Vota frei fein müßten. Er jelbft habe mit dem Herrn Wil- 
heim Schenking die Kapitulation vormals dem Bremer Erzbiihof 
präjentiert; darauf jei nun vor wenigen Tagen deſſen Erklärung ge— 


1) „zu erachten, das biefelbe ben ſchimpf wor lieb nicht mwollen auf» 
nehemen“, beißt e8 in dem hochdeutſch aber mit einzelnen nieberbeutfchen 
Wendungen abgefaßten Protofoll fol. 1076, — alſo ein weiterer Beweis, ba 
das „fürlieb nehmen” nicht erft im 17. Jahrhundert auftaucht; vgl. 
Grimm, Deutjches Wörterbuch VI, 912 gegen IV, 1. 768; „lieb“ wird 
an unferer Stelle übrigens als Hauptwort aufzufafien fein. 


Die vereitelte Poftulation zu Münfter. 461 


fommen und hier in der Stadt ). — Auf Wunſch einiger Herren 
aus beiden Parteien, der beiden Drofte und des Herin Wilhelm 
Schenking, vertagte der Dechant die Beratung, um weiteren Ver— 
glei zu juchen, gedachte aber noch des Gerüchts, daß die Ju— 
nioren Hand und Siegel von fi) gegeben; dieſe ihre Verſchreibung 
fole man vorbringen, um zu jehen, ob fie nicht früheren Eiden 
und Pflichten zumider fei. 

Als man nun die Geſandten zum drittenmale berief, erklärte 
Weſterholt aud vor ihnen mit gar wenigen falten Worten, daß 
er ſich jederzeit jein freies Votum vorbehalten habe; man jolle nur 
mit der Poftulation fortfahren; wer es dann befomme, der habe 
e3 zu genießen. Hierauf erklärten die jülichſchen Gejandten, wenn 
man gefährlich oder betrüglid mit ihnen handle, müßten fie ihr 
Poſtulationsdekret zurüdfordern und die Refignation widerrufen. 
Daß die Junioren mit Hand und Petſchaft fi verbunden, einen 
andern zu wählen, aber trogdem mit Bayern fapituliert, würden 
ihre Fürften zu ahnden miljen. 

Am Nachmittag hielten beide Parteien mit ihren Freunden 
abgeionderte Beratung; ein legter Verſuch, den Statthalter durch 
einige feiner Verwandten und andere von der Ritterichaft auf die 
bayriihe Seite zu ziehen, blieb vergeblih. Am folgenden Morgen 
(25. Februar) fanden fih anfangs nur die zehn Herren von der 
Seniorenpartei im biihöflihen Hofe zufammen ; hierhin und nicht 
ins Kapitelhaus hatte der Dechant das Kapitel beichrieben, weil 
man nad Weiterholts geftrigen Reden beiorgte, die Junioren ges 
dächten den nur im Kapitelhaus ftatthaften Wahlakt fortzufegen. 


1) „Er Hab in beifein Her Wilhelm Schenkingks Bremmen die capitulation 
präfentirt, hab fie nicht wollen annehemen, aber darnach nur vor weinigen 
tagen fei die erclerung eintommen, und fei albie in der ftat.” (Nachher nennt 
Mefterholt anftatt des Wilhelm Schenfing ben früheren Scholafter Diepen- 
Broid; — alfo auch Bier ein Widerſpruch ober bloßer Schreibfehler im 
Prototol?) — Bielleiht Hatte Kod (1. c. III, 153) ober fein Gewährsmann 
Das Protokoll vor fih und bezog die legten Worte fälſchlich auf ben Erz- 
Bischof ftatt auf die Kapitulation, da er zum 24. Februar bemerkt: sunt 
qui Henricum ipsum non longe abfuisse affirmant. 


462 Fünfte Bud. Siebentes Kapitel. 


Alsbald erihienen denn auch Scolafter und Vizedominus und 
verlangten namens der anderen Herren NRüdkehr ins Kapitelhaug, 
liegen fich jedody nad einigem Wortwechjel bejtimmen, mit ihren 
Anhängern, 14 an der Zahl, in den Biihofshof zu kommen. 
(Aud der Syndifus war wieder mit anweſend und entichuldigte 
jein geftriges Weggehen.) Nach einigem weiteren Streit darüber, 
ob man im Biſchofshof — in loco profano, wie die Runioren be= 
baupteten — von der Poftulation reden dürfe, teilten die Ju— 
nioren mit, ein bremifcher Gejandter fei mit der Kapitulation und 
berfiegelter Inſtruktion da und bereit, im Kapitelhaus diejelben 
vorzulegen. Der Dedant verlangte Aufklärung über dieſe angeb- 
liche, doch jelbft niht im Kapitelhaus abgeſchloſſene Kapitulation. 
Nun verwidelte ſich Wefterholt in Widerſprüche: zuerft behauptete 
er, e3 feien die zu Dülmen verabredeten Artikel, welche er und 
der frühere Scholafter Diepenbroid (!) dem Erzbiihof zugeftellt; 
dann gab er zu, daß diefelben nachträglich abgeändert morden 
jeien. Übrigens geftand er jest ein (mie ſchon tags zuvor der 
Burſener Schmiling), man babe ſich mit Bayern einlafjen müſſen, 
weil man auf feine andere Weife die alte Poftulation aus Jülichs 
Händen herausbringen konnte. Am Schluß de3 Disputs über- 
reihte er eine am geftrigen Nachmittag aufgefegte Erklärung der 
Junioren, aus drei Hauptpunkten beftehend: 1) fie könnten ſich 
Ehren und Gewiſſens halber von Bremen nicht abwenden; 2) man 
iolle mit dem Poftulationsaft fortfahren; nachher könnten unpar= 
teiiſche Obere ) entſcheiden oder die beiden Poſtulandi unter ein: 
ander ſich vergleichen, „wie vermerkt wird, dab albereits ein 
guter Anfang gemacht und Mittel vorftehet‘; 3) fie führten Be— 
ſchwerde über allerhand ſcharfe und unglimpflihe Worte der bay: 
riihen und jülihihen Gejandten. Hierauf entfernten fie fi) 
wieder und überliehen e3 den Senioren, diejen zu berichten. 





—— 


1) Da der Dedant Erklärung forderte, wer mit den Worten „un. 
parteiifche Obere” gemeint fei, antworteten bie Junioren „geiftlihe und welt- 
liche Obrigleit“. 


Die vereitelte Poftulation zu Miünfter. 463 


Im Namen der Gefandten antwortete Dr. Halver auf die 
drei Punkte: den erften erwiderte er mit ſcharfen Vorwürfen, daß 
die Junioren mit zwei verichiedenen Herren fapituliert; damit jei 
der Grund der Nefignation hingefallen; man ſolle aljo das Poſtu— 
lationsdefret wieder herausgeben, zumal die Refignation, weil ohne 
päpftlihen Konſens erfolgt, ohnehin ungültig fei; die Poftulation 
bei joldem Zwieſpalt fortzufegen, ſei durchaus unratfam; über die 
angeblihen Injurien würden Kaifer, Kurfürften und Fürften ent- 
jheiden. Darauf verſprachen die Senioren wiederum, an dem was 
verabredet feitzuhalten. Daß das Poſtulationsdekret zurüdgegeben 
werde, fanden fie zwar für billig, wagten es aber nicht für fi 
allein, „dieweil fie mit jeltjamen Leuten zu thun, die ihnen gerne 
die Landftände follten über den Hals ziehen. Sie wollten alſo 
Deputierten der Stiftsftände das Verlangen vorlegen. Inzwiſchen 
würden fie aud) an den Papft berichten. Für den Notfall möchten 
Jülich und Bayern ihnen bewaffnete Hilfe verſprechen und nicht 
fie, namentlich nicht inbezug auf Dr. Schenkings Sade, der Ju— 
nioren unbilliges Vorhaben entgelten laffen. 

Am Nahmittag kamen Senioren und Junioren nohmals im 
biihöflihen Hof zufammen, aber ohne weiteren Erfolg, als daß 
die beiderjeitigen Vorwürfe und Anſprüche ſchärfer als je zuvor aus= 
geiprochen wurden. Die Junioren behaupteten: von dem Bremer 
Erzbiſchof bei ihren adeligen Ehren ermahnt, hätten fie demſelben 
die Kapitulation zuftellen müſſen; Johann Wilhelms Rejignation 
jet, da er nicht geiftlich erzogen werde, nicht mehr als Pflicht und 
Schuldigkeit; in Schenfings Sahe habe Bremen mehr zu leiften 
veriproden als Bayern; zur Kapitulation mit leßterem jeien fie 
gezwungen worden, durch Jülichs Weigerung anders zu rejignieren, 
Jülich habe alſo den Betrug verſchuldet; man möge nur die beiden 
Herren ein Jus quaesitum erlangen lafjen, dann könnten diejelben 
mit einander disputieren; gegen Rückgabe des alten Poſtulations- 
def ret3 proteftierten fie. — Die Senioren dagegen erllärten: wie 
reime es fich, daß die Junioren ftet3 vom freien Votum jprächen, 
und doch dur adelige Ehren an Bremen gebunden fein wollten; 


464 Fünftes Bub. Siebentes Kapitel. 


Weſterholt habe jelbft an allen Schritten des Kapitels in der 
Poſtulationsſache teilgenommen; in Schenkings Sache ſei nichts 
mehr auf dem Rechtsweg, ſondern nur noch durch Gnade zu er— 
langen, durch Vermittelung von Bayern und Jülich habe man 
eben jetzt Beſſerung erzielt — in der That hatte der Papft kürz— 
lich den Proze zur Revifion an die deutiche Kongregation ver: 
wiejen; der Poftulierte ſei noch geiftlih), halte ſich nicht anders 
als die Herren vom Kapitel jelbit; man möge große Herren nicht 
an einander been: quidquid delirant reges, plectuntur Achivi, 
werde e3 jonft heißen; fie müßten den Streit an den Drt bringen 
(nad) Rom), von wo die Konfirmation der PVoftulation abhänge. — 
Zum Schluß erklärte der Dechant den Boftulationsalt bis auf 
weiteres für jufpendiert. 

Am nähften Tag (26. Februar) fand fein gemeinfames Kapitel 
mehr ftatt. Die Senioren verfammelten ji im biihöflichen Hof 
und formulierten das Dekret des Dechanten über die Suſpenſion 
der Poftulation. Sie beſchloſſen ſodann ausführlih nah Rom 
zu berichten und von dort Entiheidung zu fordern. Diejen no: 
tariell gefaßten Beichlüffen ftimmten zehn Herren bei, für ſich und 
als Bevollmächtigte zweier abweienden: des Trierer Domdechanten 
Bartholomäus von der Leyen und des jüngeren Bitter von Raes— 
feld. Dagegen erließ die Majorität, ſiebzehn am der Zahl, 
einen notariellen Proteft gegen die Suſpenſion des Wahlaktes und 
jedes hieraus etwa erwachſende Präjudiz. Noh am jelben 
Tag wurde den Gejandten des Herzogs von Jülich — nachdem 
man zubor die Zuftimmung einiger Vertreter der Ritterfhaft, ſowie 
der Stadt Münfter eingeholt — das Driginal ihres Poftulations- 
defret3 von den Senioren wieder zugeftellt; doch mußten fie ſich 
berbürgen, daß fie das Dekret bei einer demnächſt abzuhaltenden 
Beratung mit einem Ausfhuß der Stände den Senioren wieder 
einhändigen würden. Gleich darauf traten die Gejandten von 
Bayern und Jülich die Rücreife nad) Düffeldorf an. 


Sechſtes Bud. 


Die Kölner Wahl des Iahres 1577. 


— — —— 


Loſſen, Köln. Krieg 1. 30 


1. Kapitel. 
Herzog Ernſt wird Domkapitular zu Köln.* 


Feſt entihloffen ihr Wahlrecht zu behaupten waren die Kölner 
Domkapitularen im Februar 1577 auseinandergegangen. In dies 
jem Entſchluß ftimmten mit den ganz oder halb proteftantiichen 
Edelherren die eifrig fatholiih und bayriſch gefinnten Priefter- 
fanonifer überein. Auch nad ihrer Meinung jollte ihr Erzſtift nur 
mittel3 freier Wahl durd) die Mehrheit des Kapitels dem bayrijchen 
Herzog zufallen. Um wählbar zu fein, mußte Herzog Ernft zubor 
jelbft Domherr werden; da aber die Zahl der Kapitularen eine 
geſchloſſene und zur Zeit fein Pla frei war, fonnte er das nur, 
wenn eines der jegigen Mitglieder verzichtete. Solchen Verzicht 
bon dem geiftesihwachen Grafen Wilhelm von Reiffericheid zu er- 
langen, hatte jih, wie wir jahen, der Herzog bon Jülich ſchon 
im vorigen Jahre vergeblih bemüht, darauf faßte man die Re— 


* Quellen: 1) Aus tem DU: Domkap.-Prot. Nr. 157. — Kurköln- 
Erzbifchöfe. Gebh. Truchfeß, Nr. 1. — Köln-Domftift 323% (aus 
dieſem Bande find ein paar Briefe teils volftändig gebrudt, teils im 
Auszug bei Lacomblet, Urk. IV, Nr. 579). — Polit. Begebenheiten, 
Nr. 17. Einzelne auch: Landesherrl. Familienſachen 28° u. 4 (vgl. 
0. ©. 266). 

2) Aus den Münchener Archiven: StA. 38, Nr. 3. 7. 8. 10—15 
(namentlih 38/12). Die zwei Koabjutoriebreven vom 13. Januar 
1577: StA. 139/15; Korrefp. Herzog Albrechts mit Don Juan 
d’Auftria: StA. 9/3; Korrefp. mit Kurſachſen: StA. 53/1 u. 14. 
401/10; einzelne Ergänzungen: StA. 311/14. 359/8. 399/49. 58 
u. 77. — RU. Münfter, T. V; Lüttih, T. I; Freifing Nr. 83; 

30* 


468 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel. 


fignation des in Studien zu Döle verweilenden jungen Grafen 
Hans Philipp von Manderjheid-Gerolftein ins Auge. 

Die ganze Familie Manderſcheid war dem Herzog von Jülich 
vielfach zu Dank verpflichtet, Hans Philipps Vater, Hans Gerhard, 
zudem in beſchränkten Verhältniſſen und mit einer großen Kinder: 
ihar beladen. Man durfte hoffen, durch materielle Vorteile jeinen 
Sohn zum Verziht auf feinen Kölner Kapitelplag zu bemegen. 
Schon Ende November 1576, unmittelbar nachdem der Kurfürft 
durch die ſchroffe Forderung der Koadjutorie fein Domkapitel fo 
gewaltig erregt hatte, jchicte deshalb Herzog Wilhelm einen eigenen 
Gefandten, den Licentiaten Rudolf von der Broel, nad) Gerol- 
ftein- zum alten Grafen, welder denn auch jofort, gegen das Ver— 
ſprechen der Schadloshaltung,. feinen Sohn aufforderte, die ges 
wünſchte Ceſſion zu bewilligen. Hans Philipp machte anfangs 
Schwierigkeiten, wollte nur mit Wiſſen und Willen des Kapitels 
tefignieren, um ſicher zu jein, daß er nad) folder Cessio imagi- 
naria wieder ins Kapitel aufgenommen werde, und verlangte Ge— 
wißheit über die in Ausfiht geftellte Schadloshaltung. — Kur: 
fürft Sulentin meinte, dieſe Antwort habe das junge Herrchen 
und jeine Umgebung nicht ſelbſt gedichtet, ſondern jie jet ihnen 
bon anderen borgemalt worden; in der That Äußerte fi) damals 


Tectierte Fürftenfachen Nr. 412 (kurpfälzifhe Alten), — Ein Brief von 
Herzog Albrecht an Dr. Fabricius auch KrA. I. Geiftl. Saden, Nr. 2, 
3) Kurfächfifche Arhivalien: DrA. loc. 8926. Kölner Refignation 
1572/1579. Ergänzungen dazu: a. a. DO. Schriften bel. Kurfürſt 
Auguſtens vorgehabte Beförderung u |. w. 1577. — Ein paar Notizen 
über Dr. Pauli Sendung an Kurfürft Salentin bei: [Imman. Weber] 
Decades tres Ep. Langueti, No. 31 und Gillet, Crato II, 173 
Anm. 5. (Biographifces über Dr. Paull bei Melch, Adam, Vitae 
German. Jurecons. et Politie., Heidelb. 1620, p. 303sqg. aus 
305. Stradius, Klag und Leichpredigten, Kaffel 1610, ©. 129 ff.) 

. 4) Über die Bemühungen der Wetterauer Grafen gegen bie bayrifche 
Koabjutgrie in Köln: Ludwig von Wittgenfteins Tagebuh Nr. IU 
(vgl. 0. Quellen zu Bud 5, Kap. 1), DillA. B. 60. MU, Erzftift 

- Köln 1577 (Kafieler Akten) und Köln 1515/1580 (Marburger Alten). 
Groen van Prinsterer V, 599. (Einige unwichtige Breven, 
Porziad Sendung nad, Köln betr. bei Theiner II, 273sq.) 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 469 


der Biihof von Straßburg, von jülihichen Räten behufs ver 
Geffion feines Vetters angeſprochen, nit wenig verdächtig. Grit 
als Herzog Wilhelm nochmals in Gerolftein und in Döle ziemlich 
ungnädig um die Ceſſion erfucht hatte, ftellte Hans Philipp (am 
30. Zanuar) Vollmacht aus, feinen Rapitelplag, angeblid weil er 
wegen feiner Studien der bevorftehenden Refignation des Kur— 
fürften nicht beimohnen fünne, jemanden zu refignieren, der dies 
fönne. Privatim ſprach er dabei die Erwartung aus, Herzog 
Wilhelm werde ihn insgeheim fo lange ſchadlos halten, bis der 
Freifinger Adminiftrator in die Lage komme, dies zu thun, oder 
bis er jelbjt wieder zum Kapitel zugelafjen jein werde !). Ende 
Februar war die Geffionsurfunde in Herzog Wilhelms Händen. 
Nun fehlte no, daß Herzog Ernſt auch der Nächitberechtigte 
zur Beanjpruhung (Option) des freigewordenen Kapitelplages 
wurde. Diejes Recht Hing ab von der Anciennetät im Beſitze 
einer Dompräbende: jo nämlid, daß jedesmal der im ange 
ältefte Kanonikus, welcher feine erfte Refidenz gehalten und die 
Subdiafonatsweihe empfangen hatte, das Vorrecht zu ſolcher 
Dption befaß. Der Ernennung nad) hatte Herzog Ernft nicht 
weniger al3 fünf Vormänner: die Grafen Wilhelm von Schauen- 
burg, Chriftoph don Stolberg, Friedrich) der Jüngere von Öttingen, 
Ernft von Mansfeld und Simon zur Lippe. Die beiden lehteren 
blieben außer Betracht, weil fie ihre erſte Refidenz noch nicht ges 
halten hatten; die anderen aber mußten freiwillig auf ihr Vor— 
recht verzichten. Am leichteften fam man zum Biel bei dem unter 
bayriihem Einfluß ftehenden Grafen von Ottingen. Schon am 
18. Januar gab er auf Herzog Albrechts Erſuchen die verlangte 
Erklärung ab, daß er binnen einem Jahre nicht beim Domſtift 
Köln reſidieren und Präbende verdienen oder einen freiwerdenden 


1) Hans Philipp von Manderſcheid erhielt nachher vom bayriſchen Her— 
zog ein Geſchent von 200 Dukaten in Gold, außerdem zur Entſchädigung 
für die verlorenen Einkünfte eine jährliche Penfion. Auch der Bater empfing 
ein reiches Dankgeſchenk. 


470 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel, 


Kapitelplag begehrten wolle. Dagegen beantwortete Wilhelm von 
Schauenburg, der Oheim des Mindener Biihofs und des Kölner 
Domdehanten, das erſte briefliche Erſuchen des Herzogs von 
Jülich gar nicht einmal. Hierauf ſchickte der Herzog feinen Amt: 
mann zu Ravensberg, Kajpar Ledebur, nah Hildesheim, wo Graf 
Wilhelm als Dompropft wohnte; diejer erlangte den gewünjchten 
Verzicht gegen das Verfprechen, daß fein Herzog dem Dompropft 
für allerlei Privathändel und Prozeſſe einen Schußbrief aus— 
ftellen, jowie ihm Empfehlungen an das SKammergeriht und an 
Herzog Ernft von Bayern, al3 Aominiftrator von Hildesheim, er— 
teilen wolle ?). 

Die meiften Schwierigfeiten fand man bei dem Bemühen, den 
dritten Vormann, Graf Chriftoph von Stolberg, Dompropft zu 
Halberftadt, zum Verzicht zu bewegen. Als Erbe feines unlängit 
verftorbenen Bruders Ludwig war Ehrijtoph Herr der Grafichaft 
Königitein am Taunus und infolge deſſen Mitglied des Wetterauer 
Grafenvereind geworden, hatte fih auch ſchon an deſſen Agitation 
gegen Salentins Koadjutorieplan beteiligt. Er befannte ſich zur 
Augsburger Konfeſſion, war zudem durch feine Schwefter Juliane 
der Oheim der Grafen von Nafjau= Dillenburg und, da er zur 
Zeit auf Schloß Königftein wohnte, dem perjönlihen Einfluß der 
MWetterauer Grafen viel zugänglider, al3 der Schauenburger. So 
geboten ihm alfo die ftärkjten Beweggründe, einen Schritt zu unter: 
lafjen, welcher dem Haufe Bayern den Zugang zum Erzftift Köln 
erleichterte. Längere Zeit blieben denn auch alle Bemühungen der 
bayrischen Partei vergeblih. Zwei Briefe des Herzogs von Jü— 
lid) beantwortete er ausweichend, mit Berufung auf feine Pflichten 
und Redte als Kölner Kanonikus; auch gegen einige Räte des 
Herzogs, welche ihn perfönlid in Königftein anſprachen, blieb er 
bei feinen früheren Ausreden und verlangte, da man dieje nicht 


1) Lebebur ſprach danach auch den Grafen Simon zur Lippe um eine 
Erffärung de non residentia an, wurde aber abgewiefen; bierauf belehrte 
Dr. Wintel die Jülicher, daß man feiner Erklärung gar nicht bebürfe. 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 471 


gelten ließ, vom Kölner Domkapitel ſchriftlichen Beſcheid, wie er 
fi) zu verhalten habe. Nachher ging abermals ein eigener Ge— 
jandter des Herzogs, mit einer Empfehlung von Kurmainz, nad 
Königftein, fand aber den Grafen nicht zuhaufe. 

Der ganze Plan, den bayriihen Herzog durd freie Wahl 
nah Köln zu bringen, lief Gefahr, an "diefem Hemmnis zu 
icheitern. Herzog Albrecht bedachte deshalb, ob man nicht doch 
wieder auf den Weg der Koadjutorie zurüdtommen folle.. Man: 
herlei ſchien ohnehin Hierfür zu ſprechen. Zunächſt war man 
gerade für diefen Weg mit den weiteſten Vollmadten von Rom 
verſehen. Wir erinnern uns, wie Kurfürſt Salentin Ende No= 
vember 1576 von Rom forderte, diejes jolle ihm feine Befugniffe 
zur Einjegung eines Koadjutors noch weiter ausdehnen. Herzog 
Albrecht Hatte damals Salentind Schreiben durch einen eigenen 
Kurier nah Rom befördert, zugleih aber, auf Grund der vom 
jülihichen Hof und aus Köln eingelaufenen Warnungen, durd 
feinen Gejandten Dr. Fabricius den Papſt bitten laffen, dem 
Kurfürften Gewalt zu widerraten und gütlihe Verhandlung mit 
jeinem Kapitel zu empfehlen. Im Zweifel, was auf jo wider- 
Iprechende Ratichläge zu thun, verfuhr man in Rom ganz nad) 
de3 Fabricius Andeutungen. Am 13. Januar, ſchon wenige Tage 
nach der Ankunft des bayriichen Kuriers, wurden, im Anſchluß an 
die früheren Soadjutorie=Breven an Salentin (vom 30. Juni 
1576), zwei verſchiedene Breven für Herzog Ernſt ausgefertigt, 
in welchen beiden er zum Koadjutor und fünftigen Erzbifhof von 
Köln beftellt wurde, — in dem einen vorbehaltlich der Zuftimmung 
de3 Erzbiſchofs jowie der major et sanior pars capituli, in dem 
andern mit der Erlaubnis, aud feine Zuftimmung vonjeiten des 
Kapitel zu verlangen. Die Breven wurden dem bayriichen Her: 
zog zugejendet, zugleich aber dem Nuntius Porzia befohlen, ji 
in Perfon mit der Kölner Succeffionsjadhe zu befaffen. (Porzia 
war nämlich ohnehin beauftragt, zunächſt wegen der von Jülich 
verlangten Beftätigung der münſterſchen Poftulation, fih nad 
dem Niederrhein zu verfügen). Der Nuntius in Prag, Delfino, 


412 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel. 


erhielt Befehl, beim Kaiſer die Succeffion des bayrischen Prinzen 
in Köln zu befürworten !). 

Auch König Philipp von Spanien hatte ſich vor furzem mit 
Salentins Abfiht, Herzog Ernſt zu feinem Nachfolger zu madyen, 
einverftanden erklärt. Dieſer Entſchluß Hatte freilih, nad) jpa= 
niſcher Unfitte, lange genug auf fih warten lafjen; denn bereits 
im Mai 1576, nad jeiner Beiprehung mit Salentin, hatte Her: 
309 Albrecht von Überlingen aus, unter Hinweis auf die vor» 
maligen Verhandlungen mit Alba und Chantonay, den König ges 
beten, des Kurfürften Succeſſionsplan zu befördern, — namentlich 
dadurd, daß der König diefem jeine rüdjtändige Penfion und jeine 
Auslagen vom Feldzug vor Mons her vergüte. Erft am 2. Des 
zember erteilte Philipp brieflih Antwort, in welcher dieje letzte 
Bitte ganz mit Stillihweigen übergangen wurde; es hieß darin 
nur, der König habe ſich entichloffen, naddem er nunmehr von 
Salentin jelbft über deſſen Meinung ausführlid unterrichtet, Her: 
zog Albrechts Sohn zur Erlangung von Köln behilflich zu fein, 
und habe feinem niederländiihen Statthalter und Bruder, Don 
Juan D’Auftria, Hierüber Befehl erteilt. — Am Schluß des 


1) Der bisherige Nuntius in Köln, Dr. Kafpar Gropper, war, wie «8 
fceint, in halber Ungnabe bei ber Kurie; 6. April 1578 ſchreibt Herzog 
Albrecht an Dr. Fabricius, er wünſche u. a. ben ältern Gropper nad Nom 
berufen zu ſehen, sed ita tamen, ne illi ex veteri quadam Urbis suspicione 
vel minimum discriminis metui queat. Fabrieius bemerkt bagegen fchon 
am 12. April 1578: ut autem Gropperus senior ad Urbem evocetur, 
ipse haud dubie petierit, quo sic majori cum honore huc revertatur; 
nam non ignorat, quo res illius hoc loco versentur; sed non puto tam 
magnam per eum ad meliores eventus accessionem expectandam, postea- 
quam suae existimationi apud Sedem non parum detractum sit, ut non 
ea qua antea hic polleat auctoritate (StA. 38/16, fol. 293 u. 270). 
Über die Urfache biefer Ungunft habe ich bisher nichts gefunden. — Porzia 
erbielt von Rom ein beglaubigendes Breve an Gropper; weitere an das 
Domtapitel, an ben Kölner Rat und an ben Buchdruder und Ratsherrn 
Maternus Cholinus, das Tetstere auf Anraten des bayrifchen Gefandten, bei 
welchem ein Sohn von Cholinus Sefretärftelle bekleidete, vol. 0. ©. 178 
Anm. 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 473 


Schreibens folgten dann noch ein paar Süße, welde dem bay- 
riſchen Herzog die Befriedigung über dasjelbe gründlid) verleideten. 
Es wurde nämlich die bereits im Dftober 1575 von Herzog Albrecht 
geftellte und jeitdem nod zweimal dringend wiederholte Bitte um 
Fürihriften an Biſchoff und Domkapitel zu Lüttich für diesmal 
abgelehnt: diefe jeien wohl jegt, da Ernft nah Köln kommen 
ſolle, unnötig; falls Herzog Albrecht übrigens anderer Meinung 
jei, werde man bei Don Juan fi aller Zuneigung und Hilfe zu 
verſehen haben. 

Am Münchener Hof betrachtete man diefen Brief des ſpani— 
ihen Königs nit nur als eine höfliche Abweifung inbezug auf 
Lüttich, ſondern hielt fogar das Anerbieten in der Kölner Sache 
nit für recht ernft gemeint. Dagegen fand man in Don Juan 
d’Auftria, welcher im November 1576, nad) dem achtmonatlichen 
berworrenen Interregnum des niederländiichen Staatsrates, an die 
Stelle des im März geftorbenen Requeſens getreten war, einen 
aufrihtigen Freund des bayriihen Haufes. Saum hatte dieſer 
die Ermächtigung feines königlichen Bruders in Händen, als 
er durch eigene Gejandte Salentin vorftellen lie, wie nützlich 
für das Gemeinwohl jomwie für die ſpaniſchen Niederlande die 
Nachfolge des bayrischen Herzogs im Erzitift Köln fein werde. 
Auh dem Herzog Albrecht bot Don Juan feine weiteren 
Dienfte in dieſer Sache an. Da feine Hilfe aber zur Zeit in 
Köln mehr ſchaden als nützen zu können ſchien, antwortete Her- 
zog Albrecht zunähft nur mit einem böflihen Dankichreiben, 
beklagte jih dagegen durch feinen Kanzler Eljenheimer, welcher 
Mitte Januar wegen anderer Geihäfte nah Prag an den kai— 
ferlihen Hof ging), bei dem ſpaniſchen Botſchafter, Marques 
de Almazan, ziemlich empfindlih darüber, daß man feinen 
Kurier jo lange, in Spanien zurüdgehalten und ſchließlich ohne 


1) Wegen ber Neubelehnung durch Kaifer Ruboli und megen des Pro- 
zeffe8 mit Graf Ortenburg. 


474 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel. 


die erbetenen Fürſchriften in der Lüttiher Sache weggeſchickt 
babe !). 

Während feines Aufenthaltes in Prag verihaffte ſich der bay- 
riihe Kanzler von Kaifer Rudolf Empfehlungen für Herzog Exnft 
an das Kölner Domkapitel, ſowie an die drei geiftlihen Kurfürften. 
Er hatte aber Prag noch nicht lange verlafien, als hier die Bes 
ihmerdeichrift des Domlapitel3 gegen Salentins Koadjutorieplan 
(vom 28. Januar) einlief. Indem man aus ihr am Hof des 
Kaiſers erjah, daß die bayriihe Nachfolge in Köln nody lange nicht 
jo gewiß war, wie man gemeint haben mochte, wurde die Hoff: 
nung lebendig, daß vielleiht anftatt des durch Salentins Koad— 
jutorieprojeft dem Kapitel verdächtig gewordenen bayriſchen Herzogs 
einer von des Kaiſers Brüdern nad Köln gebracht werden könne. 
Geheime Fühlung in dieſer Richtung Hatte man bereits früher 
vonfeiten Ofterreihs gefuht. Aus Salentins Munde willen wir, 
daß ſchon Kaifer Marimilian beim Regensburger Reichstag ihn 
gefragt hatte, ob nit etwa einer feiner Söhne nad Köln ge: 
bracht werden könne. Salentin will jedoch dieſes Anfinnen ent- 
ſchieden zurüdgewiejen haben und behauptet ſpäter ſogar wiederholt, 
der Kaifer babe Herzog Ernſts Koadjutorie gebilligt oder jelbft 
befohlen. Daß Marimilian, der e3 in Worten gern allen Leuten 
recht machte, mündliche Außerungen derart gethan, wird nicht zu 
bezweifeln fein; etwas Schriftliches hatte jedoch Salentin von ihm 
jedenfall3 nicht in der Hand, ſonſt wäre es nadhträglih zum Vor: 


1) Almazan fuchte den langen Aufenthalt des Kuriers mit ben „viel= 
fältigen und großen Geſchäften“ feines Königs zu entfhulbigen; bie Ber- 
weigerung ber Fürfchriften fiir Lüttich damit, daß man „in Hispaniis mit 
ben bistumen etwa® mer ferupulos ban bieraufien: in Teutſchlant were 
nicht felgam, das etwo ainer zwai ober brei ftift beifamen bielte, dz aber in 
Hispaniis für ergerlih und fchablih gehalten mwurbe”. Elſenheimer ant- 
wortete barauf, in Deutſchland müfje, weil fo viele Bistiimer bereitd pro- 
faniert, eingezogen oder abgefallen, zur Erhaltung ber übrigen mande® to- 
leriert werben, was ben Kanones nicht allerbing gleichförmig; alles was 
dem bayrifchen Haufe zugehe, gereihe bem fpanifhen Könige zum beften 
u. ſ. w. 


Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln. 475 


ſchein gelommen. Durd mündliche Zufagen feines Vaters fonnte 
fi) aber Kaifer Rudolf, auch wenn er davon wußte, nicht ges 
bunden fühlen. Im Januar 1577 taucht da und dort die 
Nahriht auf, daß man zugunften eines der jungen Erzherzöge 
wegen Köln angeklopft habe. So erfuhr Herzog Albrecht, freilich 
ohne jelbit daran zu glauben, die Kaiferin-Mutter habe ſich des— 
halb an den Papft gewendet. Ähnliches hörte Dandorf in Köln, 
fonnte aber auch dem Gerede nit auf den Grund kommen. 
Sehr beitimmt dagegen behauptet bereit3 Anfangs Januar der 
Bruder des Straßburger Biſchofs, Hermann von Manderscheid, 
zwei kaiſerliche Gefandte, der alte Freiherr von Winneburg und 
ein Doktor (Andreas Gail) hätten zu Zülpich mit einander beraten, 
wie einer von des Kaifers Brüdern nah Köln zu bringen, und 
Kurfürſt Salentin jelbft erzählt ſpäter, Kaifer Rudolf habe zur 
jelben Zeit, da feine Gefandten ihn, den Kurfürften baten, die mit 
jeinem Water gepflogene Vertraulichkeit fortzufegen, durch den 
Herin don Dannemwig in Köln heimlich für Erzherzog Matthias 
praktiziert. (Diejer Dannewig hielt jih damals längere Zeit 
Hindurh in Köln auf, vermutlic wegen jener Verhandlungen mit 
den belgiſchen Adeligen, auf Grund deren Matthias nadhmals in 
die Niederlande berufen wurde.) — Seht aber, da die Beſchwerde— 
Ihrift des Domlapitel3 Herzog Ernſts Nachfolge jehr zweifelhaft 
erscheinen lich, trat Kaifer Rudolf offen al3 Bewerber für einen 
feiner Brüder auf. Während er die Kurfürften von Mainz und 
Zrier und Herzog Albrecht jelbft um Gutachten erſuchte, wie Un— 
rat und Weiterung in Köln zu verhüten, frug er bei Kurfürft 
Salentin bereit3 an, ob nicht etwa die Beförderung eines feiner 
Brüder nah Köln ein gutes Mittel dazu ſei. — Salentin ent= 
Schloß fi, dem Kaiſer in Perſon die Antwort zu überbringen. 
| Wir haben den Kurfürften auf dem Paderborner Neuhaus 
verlaffen, von wo er im Januar und Februar 1577 feine groben 
Briefe an das Domkapitel ſchrieb, dazwiſchen auch mit dem bay- 
riihen Rat Dandorf über feinen Koadjutorieplan verhandelte. Als 
Dandorf ihm den rauhen Weg widerriet, antwortete er, der Papft 


476 Schftes Bud. Erſtes Kapitel. 


jelbit habe die Koadjutorie vorgeihlagen und der verftorbene Kaifer 
fie gebilligt; durch etliche unruhige friedhäffige Leute im Kapitel, 
die ärgſten Verfolger der fatholiihen Religion, dürfe man ſich 
nicht abichreden lafien. Wenn aber der Herzog von Bayern oder 
das Kapitel beſſere Mittel wüßten, ſei's ihm auch recht. Zugleich 
erbot er fi, Falls etwa Hans Philipp von Mandericheid nicht 
zum Verzicht auf feinen Kapitelplatz zu bewegen, den Bremer Erz— 
biihof darum anzugehen. — Dandorf hoffte ſchon, Salentin habe 
damit den Weg der Koabdjutorie verlaffen; das erwies fi) aber 
bald al3 Irrtum. 

Als Salentin gegen den 20. Februar aus Weſtfalen wieder 
an den Rhein fam, fing aud) der Zank mit dem Domkapitel jofort 
wieder an, zunächſt wegen der Kreditoren und Fidejuſſoren, die 
wieder einmal vom Kapitel Zahlung forderten, von dieſem aber, 
gemäß dem Vertrag von 1561, an den Hurfürften verwieſen wur— 
den. Auch die Höfe Der und Chor und die 50 Schweine des 
Chorbiſchofs famen wieder zur Sprache: der Chorbiſchof drohte, 
wenn ihm das Kapitel nicht zu feinen Schweinen verhelfe und vie 
ehrenrührigen Worte des Kurfürften (,, vermeinter Chorbiſchof“) 
nicht abgeftellt würden, werde er fich jelbft durch fremde Reiter 
und Knechte Hilfe ſchaffen. Doch beſchwichtigten nachher die kur— 
fürſtlichen Räte für den Augenblick all' dieſe Zwiſtigkeiten, ebenſo 
einen anfangs ſehr drohend ausſehenden neuen Streit, in welchen 
Salentin mit der Stadt Köln geraten war. — An den von alters 
üblichen Reibereien zwiſchen Erzbiihof und Stadt, namentlich 
wegen der hohen Gerichtsbarkeit, hatte es während Salentins 
ganzer Regierungszeit nicht gefehlt; der neue Streit fing damit 
an, daß der Kurfürſt zu Anfang des Jahres 1677 die herkömm— 
liche Abgabe, welche ſeine Meſſer, die ſogen. „Salzmudder“ von 
den in Köln ausgeladenen Meßgütern (Salz, Getreide, Hülfen- 
früchte, Kohlen u. ſ. mw.) erhoben, willfürlih erhöhte. Darauf 
hie der Rat die Salgmudder in den Turm gehn. Als Salentin 
jegt an den Rhein kam, rächte er fih durch Wegnahme des Stem— 
pel3, mit welhem die Freizeihen der Schiffsleute gezeichnet wur— 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 477 


den: dadurd) wurde der ganze Aheinhandel mit Stodung bedroht; 
ſchon wollten ſich die anderen rheinischen Fürften ins Mittel legen, 
als auch bier Salentins Räte und das Domkapitel durch beider- 
feitiges Nachgeben einen vorläufigen Vergleich zuftande brachten )). 

Während feines Aufenthaltes am Rhein (vor dem 1. März) 
erhielt Salentin das vorhin erwähnte Schreiben des Kaijers, wel— 
des ihn bewog, in Eile nah Prag aufzubrehen. As Vorwand 
nahm er die Teilnahme an den feierlihen Erequien, welche dort 
am 22. und 23. März für den verftorbenen Kaiſer ftattfinden 
follten. Vor der Abreife hatte Salentin eine Anzahl Domkapi— 
tularen bei fi zu Gafte, vor denen er wieder einmal in gewohnter 
Meile dem Kapitel feine Undankbarkeit vorwarf und drohte, er 
werde mit Hilfe von Papſt und Kaiſer einen mächtigeren Nach— 
folger einjegen. Unterwegs forderte er dann das Kapitel ſelbſt 
brieflih auf, neuerdings eine allgemeine Verſammlung auszus 
fchreiben, zu welder er, dem Erzftift zum Wohl und dem Kapitel, 
wenngleich unverdienterweife, zum beiten, in Perſon ericheinen 
wolle. 

Am 19. März traf Salentin in Prag ein; tags danad) der 
ſächſiſche Rat Dr. Andreas Paull, weldyen Kurfürſt Auguft, gemäß 
Salentins Wunſch (in deifen Schreiben vom 4. Januar) bereits 
Ende Januar zu ihm abgeoronet hatte. Dr. Paull war zuerft 
nad) dem Lande Bremen gegangen, um ſich von Erzbiſchof Hein- 
ri) über jeine Beziehungen zu Salentin informieren zu lafien, 
Dann auf Heinrichs Rat nah Dsnabrüd zu Lorenz Schrader und 
naher nad) Münfter, wo er Ende Februar eintraf, als eben die 


— — — — 


1) Die lückenhaften Notizen in ben Domkap.- Protof. über den Streit 
wezen ber „Salzmubber” werben verſtändlich durch Angaben über einen ein 
Zahrhundert jüngern ähnlichen Streit in „Bollftänd. Sammlung (be8 
Kurfürften Marimilion Friedrich) die Verfaffung bes Hohen Erzſtifts Cölln 
betr.”, Bb. I, Eöln 1772, Nr, 34 u. 35. — Über die Sperrung. bes Rheins 
Durch Salentin einiges: AA. Fürftenfachen, Nr. 412 und MA. Köln 
1574/1674, Fase. 1. Ennen IV, 592. 596ff. behandelt die Streitigfeiten 
zwiſchen Salentin unb ber Stabt fehr oberflählih umb ungenau. 


478 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel. 


Entjheidung im Kapitel gefallen war. Da Salentin damals 
Weſtfalen ſchon verlaffen hatte, 309 der Gefandte ihm nad) an den 
Rhein, dann über Frankfurt bis nah Prag, mo er endlid) Ge— 
legenheit hatte, am 21. und 25. März mit Salentin allein zu 
iprehen. Ausführlich und anſcheinend ganz offenherzig erzählte ihm 
diefer, was er alles gethan, um Erzbiſchof Heinrich nad; Dsnabrüd, 
Münfter und Paderborn, ſowie den bayriihen Herzog nah Köln 
zu bringen, das letere aber nicht aus eigenem Willen, ſondern 
auf vielfaches Drängen des Papftes, des ſpaniſchen Königs und 
de3 bayriihen Hauſes ſelbſt, und fchließlih in der Hoffnung, 
Herzog Ernft jolle ihm die von feinem Kapitel erfahrenen Un— 
bilden rächen helfen. Da nun das Sapitel feinem Koadjutorie- 
plan fi widerſetze, wünjche er von Kurfürft Auguft im Vertrauen 
zu erfahren, weſſen er ſich bei ihm zu verſehen habe, falls er ein 
Meib nehmen und dennoch jein Erzftift behalten wolle; wiewohl 
er bei der alten Religion bleiben wolle, finde er das nirgends 
verboten, wiſſe auch nicht, ob er den leichtfertigen Buben (jeinen 
Domtkapitularen) zu Gefallen jo leicht vefignieren ſolle. Freilich 
werde das MWeiterungen machen; drum wäre ihm lieber, wenn es 
auf andere Weife ginge; an Landgraf Wilhelm, den Schreier, 
der die ganze Welt voll ſchreie und danach nichts thue, wolle 
er fich nicht hängen u. f. wm. — Bon Dr. Paul erfuhr nun Sa- 
Ientin zu feinem großen Vergnügen Genaueres über den Verlauf 
des münfterihen Wahlkapitels. Darauf zog er los gegen den 
Herzog don Fülih, der fein Wort ſchlecht gehalten habe, während 
er über Herzog Albreht von Bayern fi viel ſchonender aus- 
drückte; Kurfürft Auguft, meinte er, könne viel dazu thun, daß 
Albrecht einem Neffen, dem Erzbiihof, Münfter überlaffe. Er felbft 
wolle hierüber jegt mit dem Kaijer und mit dem zu den Erequien 
bergefommenen Herzog Wilhelm von Bayern reden, nachher auch 
mit Jülich, ſowie mit dem Papft und deſſen Kölner Nuntius ver— 
handeln. Der Freifinger Biſchof fei fein Pfaff für die Kirche; mit 
dem langen Haar und dem Jeſuitern ſei's in Münfter nit ge= 
than; man müffe mit den Leuten unten und oben liegen können. 


Herzog Ernft wird Domtlapitular zu Köln. 479 


Erzbiſchof Heinrich paſſe befjer dahin: er möge wohl nit jo gar 
ifrupulos katholiſch fein, habe aber in feinen jekigen Stiftern in 
der Religion nichts geändert und was wollten die münfterjchen 
Pfaffen mehr; ins Herz fönne er feinem ſehen und man müſſe 
einem jeglihen jein Gewiſſen frei laſſen ?). 

Zwiſchen den beiden Unterredungen mit Dr. Paull ſprach der 
Kurfürft auch mit Kaifer Rudolf und ſuchte ihm den Gedanlen, 
einen feiner Brüder nad Köln zu bringen, auszureden und ihn 
für feine eigene fölnsmünfterihe Kombination zu gewinnen !). 
Weiterhin nahm er den jungen Herzog von Bayern vor und beſchul— 
digte deſſen Vater, viel rüchaltlojer al3 zuvor dem Dr. Paull gegen- 
über, daß diefer fein zu Münden gegebenes Wort nicht gehalten 
habe; die münſterſche Sache werde die ‚gute Vertraulichkeit zwiſchen 
Kurfürft Auguft und Herzog Albrecht zerftören; ſich ſelbſt jchrieb 
er das Verdienft am Ausgang de3 münfterjhen Wahltages zu. 
Einige Tage jpäter, noh von Prag aus, ſchrieb Salentin an 
Herzog Albrecht jelbft und drüdte, unter Bezugnahme auf jein 
Geſpräch mit Herzog Wilhelm und auf mündliche Eröffnungen, 
welche er jüngft durch Karl von Arenberg gemaht habe, den 
Wunſch aus: Albreht und der Herzog don Jülich ſowie das 
Domkapitel möchten ſich gefallen lafien, dab ihm die ganze Sache 
anheimgeftellt werde, alsdann hoffe er jo zu Handeln, daß 
man ihm nachher allerfeit3 zu danken haben werde. Gott fei 
jein Zeuge, daß er's zu beiden Zeilen treulicd meine. Her— 


1) Der Kürze wegen ziehe ich bie in ben beiden Aubdienzen des Dr. Paul 
von Salentin gemachten Äußerungen zufammen, und benute babei auch 
Paulls erfte Notizen, welche mitunter viel berber, demnach getreuer find als 
fein nachheriger Beriht an Kurfürft Auguft. 

2) Ein geheimer faiferliher Rat (Vieheuſer) teilte nachmals dem bayri- 
ſchen Kanzler hierüber mit: „al8 der abgeftanten ber uf ber befingfnus zu 
Prag geweſen und die K. Mt ine angefprochen, ob e8 nit ein mainung, bo 
fur €, f. ©. fon alhie [in Köln] nichts fruchtsbers zu erlangen, dz alsdan 
i. Mt bruder ainer befürbert wurde, das er folches i. Mt bazumal runt 
und etwas unbefhaidenlich mit rauchen worten abgeſchlagen.“ Elſenheimer an 
Herzog Albrecht 30. Oktober 1577. SA. 38/15, fol. 134. 


480 Sechſtes Bud. Erftes Kapitel. 


zog Ernſt jolle jih gefaßt machen, mitfamt feinem Bruder Wil- 
heim eheitens zu ihm nad Köln zu kommen. — Ferner empfahl 
Salentin brieflid) dem ſächſiſchen Kurfürften, baldigft durch einen 
eigenen Geſandten Herzog Albreht zu erjuchen, diefer möge zu 
Erzbiſchof Heinrih3 Gunften von Münfter ablaffen oder wenig: 
ftens den Erfolg der Kölner Succeifion abwarten. Eine ähnliche 
Bitte hatte Herzog Heinrich jelbft bereit3 am 11. März aus 
Iburg an feinen Oheim gerichtet und ſich zugleidy erboten „in 
der anderen Sache, dazu Bayern gleichfalls afpiriere ſd. i. der 
fölnishen] dem Herzog nicht zumider, jondern, jo viel jih Ehren 
und Gewiſſens halber thun laſſen, aud des Domkapitel zu 
Köln Freiheit und Hoheit erleiden wolle, etwas mit beförderlid 
zu ſein.“ 

Bon bayrisher Seite war Kurfürft Auguft Schon früher in die 
fölniihe Wahljache hereingezogen worden; am 17. Februar hatte 
ihm Herzog Albrecht einiges mitgeteilt über den Widerftand, wel— 
hen jein Sohn, niht ohne Salentins Schuld, beim Domkapitel 
finde, und demnach gebeten, Kurfürft Auguft möge zugleid mit 
dem Brandenburger Kurfürften diefem erklären, fie fünnten jeinen 
Sohn, ihren Blutsfreund, als Mitkurfürften wohl: leiden; er 
halte dafür, fügt Albrecht bei, das jolle bei den nicht gar 
durchaus katholiſchen Kapitularen, deren, wie er berichtet, nicht 
wenige feien, wohl etwas wirken; aud) halte er dafür, Kurfürft 
August Tolle um jo weniger Bedenken haben, weil fie jonjt wohl 
einen nehmen möchten, der ihm vielleicht nicht jo angenehm ſei 
als jein, Herzog Albrechts Sohn. 

Johann Georg von Brandenburg war gerade außer Landes, 
Kurfürft Auguft aber empfahl wirklich jofort (am 1. März) Her- 
309g Ernft dem Kölner Kapitel in der gewünfchten Weile. — 
Nun aber ſchickte er, auf feines Neffen Bitte, aud) an Herzog 
Albrecht einen eigenen Geſandten, um diejen zu erſuchen, den von 
der Mehrheit der münfterichen Domherren erwählten Bremer Erz- 
biſchof, feinem früheren Erbieten gemäß, an Erlangung dieies 
Stiftes nicht länger zu hindern. 


Herzog Ernft wird Domlapitular zu Köln. 481 


Kurfürft Salentin jelbft richtete von Prag aus zwei Briefe 
nah Münfter: den einen an Dechant und Kapitel, welde er als 
ihr Metropolit ermahnte, fid) zu einigen und den der Mehrheit 
gefälligen Erzbiſchof Heinrid) als Biſchof anzunehmen; den andern 
an Wefterholt und Genoffen, welche er lobte, daß fie beim 
legten Kapitel ih jo wacker auf Heinrichs Seite gehalten; 
auch fürder jollten fie fich zu feiner andern Meinung bewegen 
lafjen. Ä 
Ganz anders Hangen zwei Briefe, die Salentin am nämlichen 
Tag (24. März) an fein eigenes Domkapitel nad) Köln fchrieb. 
In dem einen befahl ers, nodhmals und zum Überfluß, fie follten 
ihre Prälaten binnen drei Wochen an jein Hoflager abfertigen, 
um ihre Konfirmation zu begehren, fall3 diejelben aber jäumig, 
fie nit mehr für Prälaten halten; in dem andern mahnte er 
fie „an ihrer etliher wild ungebührlid Leben und ungeiftlichen 
Mandel, aud, welches das allerbeſchwerlichſt, widerwärtige Reli— 
gion“; fie jollten die Urheber ſolcher Argerniſſe und Schismata, 
anftatt fie wie bisher in ihrem Ungehorfam zu beftärken, vielmehr 
anhalten, ihrem Beruf und unjerer alten alleinjeligmachenden Res - 
ligion, fo wie den Statuten der Kölner Kirche gemäß zu leben, 
widrigenfalls aber im Laufe der nächſten vier Wochen jie ihrer 
Pfründen und Einkünfte entiegen, und nicht länger in Chor und 
Kapitel dulden. Er forderte richtige Erklärung durch den Über- 
bringer dieſes, jonft wolle er fie ſelbſt als Detentores (Hebler) an= 
ſehen und ſolches an ihnen und ihren Gütern ahnden. 

Nach ſolchen fühnen Worten verließ der Kurfürft den Hof 
des Kaiſers und ritt in Eile nad feinem Exzitift zurüd, da das 
Kapitel, feinem Begehren gemäß, auf den 22. April eine allge: 
meine Kapitelverfammlung ausgejchrieben hatte. 

Inzwiſchen war aud der päpftlihe Nuntius Porzia am Nies 
derrhein eingetroffen. Auf bayriicher Seite hatte man feine Ab- 
fendung nah Köln anfangs mit einigem Mißtrauen betrachtet, 
weil man nicht herausbringen fonnte, welche bejondere Aufträge 


er in der Kölner Sade habe; man argmöhnte a Rom 
offen, Köln, Krieg I. 


482 Sechſtes Bud. Erſtes Kapitel. 


ziehe aud) für Köln, wie vordem für Münfter, einen Biihof aus 
dem Haufe Dfterreich vor. Doch ſchwand das Mißtrauen, da Porzia 
ſchon von der Reiſe, von Aſchaffenburg aus an Herzog Albrecht 
ſchrieb, er werde ſich zwar in Köln nach den Befehlen Sr. Heilig— 
keit richten, aber dabei es für ſein größtes Glück anſehen, wenn 
er zugleich des Herzogs Wünſche erfüllen dürfe, und da er nach— 
her in Koblenz den trieriſchen Kanzler Wimpheling verſicherte, er 
ſei weder von Papſt noch Kaiſer beauftragt, für jemand anders 
als für Herzog Ernſt zu wirken. In Bonn empfing Porzia durch 
den bayriſchen Rat Dandorf die beiden an Herzog Ernſt gerich— 
teten Breven vom 13. Januar; er ſelbſt war wohl ſchon von 
Rom aus ermächtigt, den Prozeß gegen häretiſche Kölner Dom: 
herren einzuleiten. Aber Wimpheling und nachher Dr. Wintel 
und Dandorf überzeugten ihn, daß mit Gewalt jegt in Köln nichts 
zu machen jei. Auf den wiederholten dringenden Rat Dandorfs, 
der nun ſchon jeit mehreren Monaten die Dinge aus der Nähe bes 
trachtete, schrieb Herzog Albreht auch nad) Rom Briefe über Briefe, 
um don der erzwungenen Koadjutorie abzuraten und für den Fall 
der freien Wahl die nötigen Dispenje für Herzog Ernſt zu er: 
bitten. Auch beim Kaiſer verwahrte ſich Albrecht gegen die Unter: 
ftellung, als fei er mit Salentins rauhem Auftreten einverftanden 
oder gemillt, jeinen Sohn wider des Kapitels Willen nah Köln 
zu bringen; er behauptete jogar, das Koadjutoriebreve — nur von 
dem einen, in welchem von der inmilligung des Kapitels die 
Rede ift, ſprach er — fei ganz ohne fein Zuthun erlaffen, aud 
habe er es dem Kapitel nicht infinuieren wollen; der Kaiſer ſelbſt 
möge den KHurfürften zur Milde ermahnen, jeinen Sohn Ernit 
aber dem Sapitel dur eigene Geſandte empfehlen. 

Auf diefen Brief Hin erklärte fi Kaiſer Rudolf, am 1. April, 
bereit, zur Zeit der. Nefignation und Neuwahl zu Herzog Exnfts 
Sunften eigene Kommiſſare nah Köln zu jenden, fügte jedod) 
einen Zuſatz bei, welcher den Wert diejes Verſprechens ſehr ver: 
minderte. Die Beichwerdeihrift des Kapitel3 (vom 28. Januar), 
meinte der Kaiſer, jehe aus, als gedente dasjelbe Ernſts Nachfolge 


Herzog Ernft wird Domtkapitular zu Köln. 483 


zu hindern und ihm vielleicht einen vorzuziehen, der nicht oder doch 
nicht eifrig fatholiih; zwar wolle er, der Kaiſer, das gerne durch 
Beförderung des Herzogs Ernft verhindern helfen; erweiſe fich dieſe 
jedoch als unmöglid, jo wäre vielleiht das beſte Mittel, wenn, 
anftatt jenes einem von jeinen (des Kaifers) Brüdern „deren 
eine gute Anzahl und noch unverjehen‘, nah Köln verholfen 
werde; einen jo nahen Blutsverwandten werde Albrecht ohne 
Zweifel dort lieber jehen als einen Fremden. — Diejes Schreiben 
traf am 6. April in München ein; ein paar Tage vorher mar 
Herzog Albreht3 Sohn Wilhelm aus Prag zurüdgelommen, deſſen 
mündlihe Mitteilung, dab Salentin auf Ernſts Kölner Koadjutorie 
beitehe, aber Verziht auf Münfter fordere, bald danach durd) Sas 
lentins Brief aus Prag bekräftigt wurde. 

Gott behüte mid) vor meinen guten Freunden! mochte Herzog 
Abreht denken, al3 er die Briefe Salentins und des Kaiſers 
erhielt. Sofort wies er in ſcharfem Ton Salentins Andeutung 
zurüd, als jet er feiner Zujfage wegen Münfter nicht aufrichtig und 
fürſtlich nachgekommen; die angebotene Beförderung feines Sohnes 
nad) Köln nahın er zwar danfend an, aber mit der jpigigen 
Bemerkung: da fi das Domkapitel von jeiner freien Wahl nicht 
abbringen laffen wolle und dabei Grafen und Ritterſchaft des Stifts 
auf jeiner Seite habe, möge ſich der Kurfürft jelbit etlichermaßen 
überwinden, und mit jeinem Kapitel auf gütlihen Weg ver- 
gleihen. Sobald der Kapitelplag erlangt, wolle er dann jeine 
beiden Söhne Wilhelm und Ernjt oder wenigjtens den leßtern nad) 
Köln ſchicken. — Die viel jchwierigere Aufgabe, die drohende 
Gegenbewerbung eines öfterreichiichen Erzherzogs zu bejeitigen, ohne 
fih do den Kaijer zum Gegner zu machen, wurde durch einen 
von Gljenheimer jehr geihidt abgefahten, langen eigenhändigen 
Brief des Herzogs Albrecht gelöft. Albrecht erinnert in dem— 
felben den Kaiſer zunächſt daran, mie er ſich deſſen hochjeligem 
Vater bereit3 beim Speirer Reichstag im Vertrauen entdedt aber 
zurüdzuftehen erboten habe, falls Marimilian einen feiner eigenen 
Söhne nad) Köln zu bringen gedenke; ähnlich jüngft wieder in 

31* 


484 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Regensburg. Kaiſer Marimilian babe das aber nicht gewollt, 
fondern jeinem Sohn Ernſt alle möglide Hilfe veriproden. 
MWiewohl nun er, Herzog Albrecht in dem von Kaifer Rudolf ge— 
jegten Fall das Erzjtift niemanden lieber gönne, als einem von 
deſſen Brüdern, jei doch zu befürchten, daß der Kaiſer durch eine 
Eventualbewerbung für einen von diejen wenig ausridten, dagegen 
feinen Sohn Ernſt um das Erzitift bringen werde: „dadurch 
num leichtlich ein Dritter, jo der fatholiihen Religion nit zugethan 
oder doch darin nit ſehr eiferig, in das Spiel kommen und die 
Braut heimführen möchte, welches jonder Zweifel E. K. Mt Will 
oder Meinung nit iſt“. Das Kapitel beftehe auf freier Wahl, 
dürfe aber nur einen Kapitular wählen, was von des Saifers 
Brüdern feiner in jo kurzer Zeit werden könne. Ob des Kaiſers 
Empfehlung für Herzog Ernſt Erfolg habe, werde ſich erſt am 
Ende der Wahl zeigen, dagegen die Epentualempfehlung eines 
feiner eigenen Brüder von vielen als die ernfter gemeinte aufgefaßt 
werden; da nun feiner bon diefen wählbar, werde man, damit 
fich feiner von beiden Zeilen beklagen könne, lieber einen dritten 
nehmen; jedenfalls würden die fatholiichen Stimmen gefpalten, 
die zahlreihen unfatholiihen aber in den Stand gejet, die beiden 
Häufer Ofterreih und Bayern, beide gleichmäßig wegen ihres 
katholischen Eifers ihnen verhaßt, auszuſchließen, beiden zu Spott 
und Verkleinerung, „deſſen ihrer viel im heiligen Reich in die Fauft 
lachen und beiden Häufern wohl gönnen werden, zu gejchweigen, 
daß aud die katholiſche Neligion und diejes Eraftifts Wohlfahrt 
dadurh in große Gefahr gejegt wird.“ In einem Begleit- 
ſchreiben an Dr. Vieheuſer lie der Herzog feiner Empfindlichkeit 
freieren Lauf, dag man am faiferlihen Hofe jekt erft, da man 
doch ſchon jo lange von jeinem Bemühen um Köln wiſſe, an eigene 
Bewerbung denke. Vieheuſer, mit dem Zufag in dem kaiſerlichen 
Schreiben ohnehin nicht einverftanden, legte den anderen Geheim— 
täten, Zrautfon, Harrah und Dr. Weber — der lektere, ohne— 
bin fein Freund des bayriihen Haufes, war wohl der Urheber des 
Zufages — Herzog Albrechts Privatichreiben vor, worauf die Ge— 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 485 


heimräte in Gegenwart des Kaiſers die Sache von neuem be— 
vieten und auf die Eventualbewerbung um Köln zu verzichten be= 
ſchloſſen. Am 22. April jchrieb demnach Rudolf an den Herzog, 
feine Anregung jei ohnehin nur für den Fall gänzlichen Ber: 
ihlagen3 der bayriihen Bewerbung, jo zu jagen in casum de- 
speratae causae gemeint gewejen, mehr um eine andere jektiereriiche 
Wahl zu verhindern, al3 weil er befondere Hoffnung für einen feiner 
Brüder hege. Er werde alfo au in Zukunft feinen andern als 
Herzog Abreht3 Sohn befördern. 

Inzwiſchen hatten in Köln ſelbſt Dandorfs unermüdlicher Eifer 
und die thätige Hilfe des trieriihen Kanzlers dem Haufe Bayern 
einen wichtigen Erfolg verichafft. 

Als der jülihiche Gefandte gegen Ende März abermals un— 
verrihteter Sade von Königitein zurüdgelommen war, begab fid) 
Dandorf jelbft auf feinem Rückweg nad) Münden, von Dr. Wim: 
pheling begleitet, zu Graf Chriftoph von Stolberg, welden fie 
duch das Verſprechen, daß der Herzog von Bayern beim Kaiſer 
für Nahla der mit der Grafichaft Königftein übernommenen 
rückſtändigen Reichsſteuern ſich verwenden werde, dahin zu bringen 
mußten, daß er, in gleicher Weiſe wie zuvor Friedrih bon 
Ottingen und Wilhelm von Schauenburg, auf fein Vorrecht bei 
der Dption des Kölner Kapitelplages verzichtete). Alſo auch 
hier wogen, wie zubor bei dem Schauenburger, die Brivatinterefien 
ſchwerer al3 die allgemeinen der Augsburger Konfeffion und des 
Grafenſtandes. 

Bayerns Freunde im Kölner Kapitel verloren nun keinen 
Augenblick: es waren zur Zeit nur drei Edelherren in Köln an— 
weſend, darunter zwei bayriſch geſinnte, Thengen, dem als After— 


1) Graf Chriſtophs Verzichterklärung iſt vom 3. April 1577 (aus Frank— 
furt) datiert. Ehe Herzog Albrecht wußte, daß biefelbe erfolgt, verſchaffte 
er fih noch ein vom 11. April datiertes Fürfchreiben bes Kaifer8 an den— 
felben. — Am 20. April intercebiert Herzog Albrecht beim Kaifer für Erlaß 
ber rüdftänbigen Neichshilfen des Grafen Chriftoph. 


486 Sechſtes Buch. Erſtes Kapitel. 


dechant in Abwejenheit des Dechanten der Borfig im Kapitel zu: 
ftand, und oh. Daniel von Winneburg, ſodann Reinhard von 
Solms, der ſich bisher anicheinend neutral verhalten hatte; vie 
Siebenpriefter waren bereit3 früher durch Dr. Wimpheling, neuer: 
dings durch den Nuntius Porzia zugunften der bayriſchen Suc— 
cefjion bearbeitet worden, fo daß man der Majorität fiher mar, 
als am 10. April die Bevollmächtigten des Grafen von Mander: 
ſcheid- Gerolftein deſſen Kapitelplag refignierten und gleich darauf 
Herzog Ernſts Profuratoren um denfelben anhielten. Dabei legte 
deren MWortführer, der Kanonikus an St. Gereon, Lie. jur. 
Jakob Middendorp, Urkunde über Ernfts Subviafonatsmweihe, ſowie 
die drei Verzichterflärungen von Schauenburg, Stolberg und 
Dttingen bor und that dar, dab Herzog Ernft nunmehr senior 
in ordine fei. Bon den acht Priefterfanonikern fehlte der Senior 
Novimola, vermutlich abſichtlich, nachdem er, nebft einem andern 
Prieſter (Paul Kuhoven?), zuvor vergeblich begehrt hatte, man 
jolle den Beſchluß über den SKapitelplag bi3 zur Ankunft mehrerer 
Herren ausſetzen; Graf Reinhard von Solms machte feine Ein- 
wendung; jo beihloß denn das Kapitel einmütig, unter den üb- 
lichen VBerwahrungen den bayriihen Herzog zu dem erledigten 
Rapitelplag zuzulaffen 2): als Stellvertreter desjelben leiſtete 
Middendorp den Kapiteleid. 

Man hatte den rechten Moment erfaßt, den Gegnern einen 
großen Vorſprung abgewonnen; vierzehn Zage fpäter, als die 
anderen Edelherren zu dem peremptorischen Kapitel erſchienen, 
hätte man den Kapitelplatz nicht mehr jo leicht, vielleicht gar nicht 
mehr erlangt. Bereits hatten gute Freunde dem jungen Man: 


— 





1) Dieſe Verwahrungen lauten im Kap.=Protof.: „Capitulum admittit 
D. Ernestum . . . ad locum capitularem, salvo tamen jure uniuscu- 
jusque et quatenus nemo senior intra sex menses qualificatus venerit, 
item quod cavebitur de relevando capitulum indemne, item quod D. 
Ernestus personaliter juramentum capitulare praestabit et de indemnitate 
cavebit. Ähnliche Verwahrungen tehren bei der Verleihung von Kapitel- 
plägen regelmäßig wieber. 


Herzog Ernſt wird Domtapitular zu Köln. 487 


derſcheid jeine Reſignation verleidet; er ſchien Luft zu haben, fie 
zu widerrufen. Die evangeliihen Grafen und die jonftigen Gegner 
Bayerns in und außer dem Kapitel hatten es in den legten Mo— 
naten offenbar an der nötigen Vorfiht und Nührigfeit fehlen 
lajien. Das fam zunädft wohl daher, daß die beiden Männer, 
welche jonft immer auf der Vorhut ftanden, Johann von Naſſau 
und Ludwig von Wittgenftein, zur Zeit durch andere Ange: 
fegenheiten abgezogen waren: Graf Johann dadurd daß die Pet 
in feinem Haus Dillenburg ausbrad und ihn zwang, jelbft längere 
Zeit gleihlam interniert in Siegen zu leben, Graf Ludwig durd 
die Sorge wegen der in der Pfalz bereits begonnenen und noch 
fchlimmer drohenden lutheriichen Gegenreformation. 

Anfang Februar, nad) der Werbung der Grafen in Köln, war 
Dr. Jakob Schwarz nad) Heidelberg gegangen, um dem Großhof: 
meifter über dieſe zu beridten. Unterwegs in Aichaffenburg, wo 
er mit dem Nuntius Porzia an einen Zi zu figen fam, ſprach 
er den Mainzer Kurfüriten wegen der Kölner Sache im Vertrauen 
an und fand ihn mit Salentins rauhem Vorgehen durchaus nicht 
einverftanden. In Heidelberg traf er jegt den Pfalzgrafen Johann 
Kaſimir, der ih) dur Ludwig von Wittgenftein und die anderen 
alten Räte beftimmen ließ, im Intereſſe der Kölner Domberren 
und der MWetterauer Grafen den Bremer Erzbiſchof ſowie deijen 
Bruder Herzog Friedrih als Kölner Domherren ernftlih zu er- 
mahnen, die Freiheit ihrer Wahl zu behaupten und die Neuwahl 
auf jemanden zu richten, welcher die Freiheit der deutihen Nation 
in Acht Habe, der niederländischen Unruhen ſich nicht teilhaftig 
made und die vertrauliche Korrejpondenz mit den anderen Kur— 
fürften erhalte; er erbot fih, fie und ihre Mitlapitularen bei 
ihrer freien Wahl zu handhaben. Biel jchärfer äußerte ſich Jo— 
hann Kafimir in gleichzeitigen Briefen an feinen Bruder, den Kurs 
fürften und an Landgraf Wilhelm gegen den „leidigen Papſt zu 
Rom‘, der durch jeine Praktiten gegen die freie Wahl zu Köln 
den Landsberger Bund ſtärken und jein blutdürftiges Vorhaben 
mit Erequierung des Trienter Konzils ins Werk richten wolle; 


488 Schftes Bud. Erftes Kapitel. 


er empfahl, gemeinfam mit anderen benahbarten Fürften, das 
Domkapitel zur Erhaltung feiner freien Wahl aufzufordern. 

Der Kölner Chorbiſchof erklärte fih daraufhin für feine Perſon 
entihlofjen, Herflommen und Statuten zu verteidigen und gegen 
etwaige thätige und ungütliche Angriffe den Rat und die Hilfe des 
Pralzgrafen in Anſpruch zu nehmen; von Erzbiihof Heinrich liegt 
feine Antwort vor; Landgraf Wilhelm beantwortete das Erjuchen 
der Wetterauer Grafen auch diesmal wieder, ähnlich wie früher, 
faft teilmahmlos; dagegen zeigte ſich Kurfürft Ludwig über Er— 
warten eifrig. Auf das Schreiben feines Bruders Hin ermahnte 
er jofort — nit jo plump in der Form, aber in ganz ähn— 
lihem Sinn, wie zubor diefer ihn — feine beiden Mitkurfürften 
von Sachſen und Brandenburg, „die Beftellung des höchſten und 
bertrauteften Rates des heiligen Reiches nicht in des biſchöflichen 
Hofs zu Rom Hände und Macht geraten zu laffen‘. — Beide 
Kurfürften erklärten ſich hierzu bereit, was übrigens den von 
Sadien, wie wir jahen, nicht abhielt, jelbit in Köln für den Sohn 
des bayrifhen Herzogs ſich zu verwenden. 

Moeiter aber geſchah vonjeiten der Grafen und proteftantischen 
Fürften Wochen hindurch faum etwas, um die bayriihe Nach— 
folge in Köln zu Hintertreiben. Die früher beichlofjene Gejandt= 
ihaft der Wetterauer Grafen an Kurfürft Salentin fam nicht 
zuftande: Graf Johann fand es jetzt bedenklich „der Katze allein 
die Schelle anzuhängen und fih mit des Kurfürften und anderer 
großen Herren Unmillen ferner zu beladen.” Er ſei dem be= 
forgten Badenftreih am nächſten geſeſſen; wenn die (bayriichen) 
Praftiten Erfolg hätten, werde man ihm auf gut ſpaniſch für 
feine in diefer Sahe angewandte Mühe danken; er befürchtete 
jogar, Kurfürft Salentin könnte ſich bewegen lafjen, bei einem Be— 
juche ihn „bei der Fauft zu nehmen, um ſich feiner Perfon zur 
Ledigmadung feiner eigenen (im September 1576 zu Brüſſel mit 
Oraniens Zuthun) verftridten niederländischen Freunde zu be= 
dienen.‘ | 

Im allgemeinen meinte man wohl mit weiteren Schritten 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 489 


Zeit zu haben bis zum peremptoriihen Kapitel des 22. April und 
erfuhr zu jpät, daß man von der bayriihen Partei überrumpelt 
worden. Nun war der Ärger gewaltig groß. Dazu fam noch 
der Zorn über die höhniihen Prager Briefe Salentins, welde 
am jelben Zage, da Herzog Ernſt Kapitular wurde, im Kapitel 
einliefen. In einem dritten Brief vom 22. April aus Schloß 
Arenfel3 wiederholte Salentin abermals, daß er wegen der Suc— 
ceſſion auf jeiner früheren Meinung bleibe und dariiber des Ka— 
pitel3 Rejolution erwarte. 

Über Salentinsg Drohung mit der Inquifition äußerten ſich 
übrigens die bayriichgelinnten Kapitularen faum minder erbittert, 
al3 jeine proteftantiihen Gegner. In Briefen an Herzog Albrecht 
machten jih Dr. Winkel und ſogar der Nuntius Porzia zu Dr: 
ganen diejer Erbitterung. Seitdem diejes Gerücht verbreitet, 
ihreibt Porzia u. a., bemerfe er, daß jelbit die Zuneigung der 
bisherigen Freunde des Herzogs Ernſt zu ſchwinden anfange; 
immer offener erkläre man e3 für eine Schande, daß einer, den 
der Kapitularen Gunſt zu jeiner Würde erhoben, fie nur zum beften 
halte; es fei unerträglid, daß Salentin, nachdem er jelbft jo viele 
Jahre jein Hirtenamt verjäumt, nun kurz vor der Abdanfung 
feinem Kapitel darthun wolle, daß es nichts als Schimpf und 
Spott verdiene. Übereinftimmend erklärten Porzia, Winkel und der 
jülihihe Rat Dr. Walter Fabricius für dringend nötig, daß Herzog 
Ernst jchleunigit jelbit komme, um durd) perfönliche Liebenswürdig— 
feit die Gemüter der Kapitularen wiederzugewinnen. „Herzog 
Ernit3 Gegenwart‘, hatte auch Dandorf ſchon früher geichrieben, 
„kann in einem Moment mehr Nuten jchaffen, als zehn anderer 
noch jo fleigiger Sollicitatoren Mühe und Arbeit.‘ 

Am 25. April begannen die Beratungen des peremptoriichen 
Kapitels mit Verlefung und Beantwortung der drei lekten Schrei- 
ben de3 Kurfürften. Das eine wegen der Succejlion ermwiderte 
man mit der Forderung, er möge ſich zunächit auf das Schreiben des 
Kapitels vom 1. Februar refolvieren; daran wurden Mahnungen ge= 
nüpft wegen der rückſtändigen Renten, wegen der Höfe Der und Chor 


40 Sechſtes Bud. Erftes Kapitel, 


und wegen der 50 Schweine des Chorbiſchofs. In einem zweiten 
Schreiben verwies das Kapitel den Kurfürften mit feinem An— 
finnen wegen der Prälaten an diefe felbft; in dem dritten endlich 
fragte man ihn, warum er, wenn wirklich etlihe von ihnen der 
alten fatholiihen wahren Religion nicht gemäß lebten, diejelben 
nicht längft an das was ſich gebühre ermahnt, fie in Chor und 
Kapitel geduldet, feinen nambaft gemacht, verklagt, in Form Rech— 
tens verdammt und deklariert habe, ob es etwa ziemlich oder rat— 
am, jet, da man andere wichtige Dinge zu verhandeln babe, 
folhen Exekutivprozeß vorzunehmen! 

Zwiſchendrein (am 26. April) kam es unter den Kapitularen 
jelbft über Herzog Ernſts Kapitelplag zu heftigem Zanf. Reinhard 
von Solms und Joh. Daniel von Winneburg fehlten an diejem 
Zage; der Afterdehant aber war zugegen und außerdem von den 
Edelherren der Ehorbiichof, Graf Hermann Adolf von Solms, Jo— 
hann von Winneburg und der Erbtruchſeß; dieje vier forderten, daß 
das Protokoll vom 10. April nohmals verlefen werde; man habe, 
behaupteten jie, bei der Aufnahme des bayriſchen Herzogs die 
Statuten Hinterliftig umgangen, der Beihlug müſſe rüdgängig ge— 
macht werden; am ärgjten tobte der Ehorbiihof. Xhengen und 
die Priefterfanonifer blieben aber bei ihrem früheren Kapitelbeſchluß 
ftehen. Die gegenjeitige Erbitterung war jo groß, daß nadıher 
tagelang gar fein Kapitel gehalten werden fonnte. 

Mittlerweile befand ſich Herzog Ernſt bereit3 auf dem Wege 
nah Köln. Mit ftattlihem Gefolge, darunter Wolf Wilhelm 
Freiherr von Marlrain, Dandorf und der freilingiiche Kanzler 
Römer, war er am 28. April von München aufgebrohen. Den 
Herzog Wilhelm mitzufhiden, hatte man nicht für ratſam befun= 
den. In Stuttgart holte fie ein von Herzog Albreht auf die 
legten Kölner Briefe hin nachgefandter Kurier ein, welcher mahnte, 
die Reife möglichſt zu beichleunigen. Das geihah. — Am 4. Mai 
von Stuttgart aufgebrodhen, traf Herzog Ernſt mit den einen 
bereit3 am ı11ten in Köln ein. 

An diefem und dem vorhergegangenen Zage war im Dom: 


Herzog Ernft wird Domtapitular zu Köln. 491 


fapitel neuerdings über Herzog Ernſts Kapitelplag geftritten wor: 
den.” Thengen forderte das Kapitel auf, ſich feiner gegen des 
Chorbiſchoffs Drohungen anzunehmen. Daraufhin erklärten die 
Kapitularen, welche am 10. April zugegen geweſen, abermals, fie 
ließen es, salvo jure uniuscujusque, bei dem damaligen Beichluß 
bewenden ?). — Zwei Tage darauf, am 13. Mai, als nur nod) 
wenige Edelherren anmwejend waren, und namentlic der Chorbiſchof 
niht mehr, ftimmte auch Gebhard Truchſeß der Verleihung des 
Kapitelplages an Herzog Exnft bei. Nur Johann von Winneburg 
und der Senior Novimola beharrten auf ihrem Widerſpruch, während 
das Kapitel als folches, unter Thengens Vorfig, nun zum zmeiten- 
mal jeinen Beihluß vom 10. April förmlich betätigte. — Gleich 
danach erſchien Herzog Ernſt jelbit im Kapitel, leiftete in die Hände 
de3 Afterdechanten die üblihe Bürgihaft wegen Schadloshaltung 
des Kapitels, ſchwor den Eid der Domlapitularen und nahm dann 
perſönlich Beſitz von feinem Kapitelplag. 


1) Graf Reinhard von Solms erflärt am 11. Mai betr. feiner Zu- 
fimmung zu dem Beſchluß des 10. April: „fei dabei geweſen und bewilligt, 
auf urfachen, das fonderlich der rechten verftenbige capitulare® gejacht, das 
follih8 den flatuten nit zumibber fein fol”. 


2. Kapitel. 
Das Ende des Salentinfhen Planes.* 


Nah der Rüdkunft feiner und der bayriihen Geſandten von 
dem mißglückten münfterihen Wahltag lieg Herzog Wilhelm dies 
jelben gemeinfam mit vier weiteren Räten beraten, was nun zu 
thun. Vor allem beihlog man die Refignation zu widerrufen. 
Das geihah am 6. März durh einen notariellen Akt, worin 
Herzog Johann Wilhelm erklärte: weil man verjudt habe, die 


* Quellen: 1) Für bie münfterfche Poftulationsfahe: RA. Münfter V m. 
VI; DA. 284, vgl. 0. ©. 266. Einzelne Ergänzungen in ben zu 
Kap. 1 angeführten, bauptfächlich die Kölner Sache betr. Archivalien : 
St“. 38/12 u. 14; 311/14; 399/49. DA. Polit. Begebenheiten, 
Nr. 17. Freifinger Alten: Bibl. Föringer. Nr. 3288/9. Kurfächfifche 
Alten: DrA. loc. 8926. Gebrudt find ein paar Briefe bei Theiner 
IT, 287sqq.; bas Breve vom 16. April 1577 an Herzog Johann 
Wilhelm, wodurch feine etwaige Refignation annulliert wird, bei 
Niefert, Münfterfhe Urkundenſamml. VII, 225. 

2) Für die Kölner Wahlſache im allgemeinen bie zum vorigen Ka— 
pitel verzeichneten Archivalien. Ferner StA. 227/2. DillA. Dill. Korr. 
Ao 1577. MA. Köln 1574/1674, Nr. 1 (betr. bes neuen Streites 
zwiſchen Salentin und ber Stabt Köln). Porzias erfter Vortrag an 
das Kapitel bei Theiner II, 277. Ein Brief Johanns von Naffau 
an Landgraf Wilhelm bei Groen van Prinsterer VI, 96sqg. 
Über die Kölner Verhandlung mit Sidney einige Notizen in Lan- 
gueti Ep, secr., I. 2, 291sq. u. 320 unb Ep. ad Sydnaeum. Lugd. 
Batav. 1646, p. 266 u. 275. Die mir zugänglichen neueren Bio— 
graphieen Sir Phil. Sidneys (von Steuart A. Peard und von For 
Bourne) haben über Sidneys Kölner Aufenthalt nichts Neues. 


Das Ende des Salentinfhen Planes. 493 


neue Boftulation auf einen im kanoniſchen Recht verbotenen Weg 
zu lenken, und nachträglich dahin belehrt, daß er ohne päpftliche 
Erlaubnis gar nicht refignieren durfte, mwiderrufe er nunmehr, mit 
Zuftimmung feines Vaters, die früher erteilte Vollmacht und 
alles, was darauf erfolgt, und appelliere darüber an den apofto= 
liſchen Stuhl. Domkapitel, Regierung, Ritterihaft und Städte 
des Stiftes Münfter wurden von diefem Widerruf in Kenntnis 
gejegt und zugleich aufgefordert, den Scholafter Wefterholt, wegen 
des den Häujern Bayern und Jülich zugefügten Schimpfes, nicht 
mehr als Statthalter anzuerkennen. Nah Prag ging ein eigener 
Kurier mit der von Bayern unterftügten Bitte, der Kaiſer möge 
Weſterholt und Genoſſen ermahnen, ſich mit ihren Senioren zu 
vereinigen, den Landftänden aber befehlen, feinen, der nicht or— 
dentlih erwählt und nicht vom Papſte Eonfirmiert und vom 
Kaiſer belehnt jei, als Heren anzunehmen. Zum Bapite begab 
ih, zugleih im Auftrag der münfterfhen Senioren und des Her: 
3098 von Fülih, ſowie mit Empfehlungen vom bayrilchen Hofe, 
Herr Johann von Raesfeld, ein Neffe des Domdechanten und 
ehemaliger Zögling des germaniſchen Kollegs in Rom, um zu er= 
langen, daß niht nur Johann Wilhelms Refignation für ungültig 
erklärt, jondern auch die Räpdelsführer der Konfpiranten — außer 
Wefterholt noch der Burjener Schmifing und Bernhard von 
Büren — an die Hurie citiert und dort beftraft würden. 
ALS die jülihichen Gejandten ?) mit ihrer Revokationsurkunde 
am 14. März vor dem Ausſchuß der Landftände in Münſter er= 
ichienen, erklärten ſich Regierung und Vertreter der Ritterſchaft 
gemwillt, alles im alten Stand zu laffen, wie es der Landtag auf 
dem Laerbrud im Jahre 1574 angeordnet. Das jüngft nur mit Vor— 
behalt zurüdgegebene Boftulationsdefret ließ man in den Händen der 
Geſandten; aud Johann Wilhelms Vollmacht zur Refignation 
wurde dieſen wieder zugeitellt. Etwas zweifelhaft antworteten die 


1) Außer ben brei jüngft gebrauchten: Wachtendond, Red und Horft 
noch ber Herr von Rheidt und Dr. Konrad Fürftenberg. 


494 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Bertreter der Städte. Auf die Forderung, Weiterholt nicht mehr 
als Statthalter zu betrachten, ließen ſich jedoch weder Regierung 
noch Ausſchuß ein; Wefterholt felbft wies darauf hin, die Jülich— 
ihen hätten ihn nicht angeftellt, alfo aud nicht abzujegen, er be= 
rief ih anfangs auf eine allgemeine Ständeverjammlung, ließ ſich 
dann aber, nad der Abreife der Gejandten, willig finden, zubor 
noch einmal auf einem im nächſten Monat — Montag nad Qua— 
fimodo geniti — abzuhaltenden zahlreiheren Ausihußtag zu er— 
ſcheinen, wo verfucht werden follte, die Domberren beider Parteien 
mit einander zu vergleichen. 

Zur Beit jahen freilich die Dinge nicht nah Vergleich aus: 
e3 entipann ſich vielmehr jegt, nad deutihem Brauch, ein weit— 
läufiger Schriftenwechiel, zu welchem ein Schreiben de3 Bremer 
Erzbiſchofs an Goddert von Raesfeld, aus Iburg vom 14. März, 
den erſten Anftoß gab. Heinrid forderte nämlih, auf Grund 
früherer Zufagen, den Dechanten auf, ihm nicht länger den Zus 
gang zum Stift Münſter zu veriperren, jondern abzuwarten, was 
Kurfürft Salentin bei Bayern und Jülich ausrichten werde. Der 
Dedant und Genojjen antworteten am 18. März mit einer 
ausführlihen Darlegung des ganzen Wahlhandels, ihres Rechts 
und des Unrechts der Gegner. Darauf erwiderten die Junioren, 
nad einer perjönlichen Beiprehung ihrer Führer mit dem Erz— 
biihof, nit minder umftändlih, am 2. April, durch Herbor= 
hebung alles deffen, was zu ihren Gunften ſprach. Solcher 
Wechſelſchriften folgten nachher nod mehrere: wertvoll für den 
Geihichtichreiber duch nachträgliche Enthüllungen deſſen, mas 
früher gefchehen, goffen fie zur Zeit nur DI ins Feuer, da die 
eingeftreuten gegenfeitigen Injurien den Zwiſt verbitterten und 
Veriöhnung erichwerten. 

Auch der Herzog von Jülich forderte auf den Rat ded Dom— 
dehanten den Erzbiihof brieflih auf, ſich Wefterholts Prattiten 
gegen die fürftlihen Häufer Bayern und Jülich nicht gefallen zu 
lafjen, wurde aber von Heinrich ſcharf zurüdgemiefen. 

Ernftlich beiorgt wurde die bayriſche Partei infolge des Gerüchte, 


Das Ende des Salentinihen Planes. 495 


Weſterholt und Genoſſen wollten nad Ablauf der im kanoniſchen 
Recht für alle Neumahlen vorgeichriebenen dreimonatlihen Frift 
bon dem Dechanten Fortiegung des Poftulationsaktes verlangen, 
widrigenfalls jie jelbft, unter Führung der Prälaten von ihrer 
Partei, zur Wahl eines neuen Biſchofs durch Majorität jchreiten 
würden ?). Dieje Beforgnis wuchs, da Welterholt Ende März 
feine frühere Zufage, vor einem Ausſchuß der Stände zu ericheinen, 
zurüdnahm, weil die mititimmenden Herren ſich nur vor einem 
gemeinen Landtag verantworten wollten. Erſt nad mehrtägigen 
Verhandlungen veriprad er wenigitens für jeine Perſon vor dem 
Ausihuß zu ericheinen. Diejer Trotz war wohl zunächſt die 
Wirkung der eben damal3 aus Prag an das Kapitel insgemein 
und an Weſterholt im beiondern gelangten Grmahnung des 
Kölner Kurfürften, an Erzbischof Heinrichs Wahl feitzuhalten. Auch 
Lorenz Schrader fam am 1. April wieder einmal nad) Münfter, 
angeblich nur um neuerdings Kopie der gegen feinen Herrn ges 
richteten päpftlihen Breven zu verlangen, in Wirklichkeit wohl, 
um die bremiihe Partei in ihrem Widerftand gegen Bayern zu 
beitärfen: am Tage nachher, 2. April, überreidhte ein Notar dem 
Domdehant die durd das Gerücht bereit3 angekündigte scedula. 
requisitionis, das ift eine von Senior und Scholafter im Namen 
von 17 Domherren, al3 der major et sanior pars capituli, aus- 
geftellte Aufforderung, vor Ablauf der dreimonatlihen Frift, vom 
23. Februar an, die wider ihren Willen jujpendierte Poftulation 
fortzufegen. Der Dechant behalf ſich einftweilen mit einem Proteft 
wegen ungenügender Legitimation des Notars. 

Am 15. April begannen die Verhandlungen der Regierung 
und des Ständeausichuffes mit den Domherren beider Parteien 
und zogen fi zwölf ganze Tage hin. Wefterholt trat anfangs 
wieder, zuerft nur für fi, dann aud für jeine gerade anweſenden 





1) In Münden fohentte man fogar dem ganz grumblofen Gerücht Blau» 
ben, Erzbiſchof Heinrich habe bereit ben Kaifer um ein Lehensinbult für 
Münfter gebeten. 


4% Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Parteigenoſſen, ziemlih trogig auf: — während die Senioren 
ſich zu gerichtlichem Austrag der Injurienklage erboten, wollten 
Weſterholt und feine Mitftimmenden gegen die Injurien des Her- 
3093 von Jülich (in deſſen Schreiben an die Landftände) und der 
Senioren (in ihrer Schrift vom 18. März) ihre Ehre vor einem 
Landtag verteidigen, — allmählih wurde Weiterholt jedoch nach— 
giebiger, zunächft wohl weil Regierung und Ausihuß mehr auf 
Seite der Senioren neigten Y), ſodann aber aud) infolge einiger 
bor kurzem eingelaufenen Schreiben des Kaiſers an Kapitel und 
Landitände, worin es hieß, der Kaifer habe vernommen, daß man 
dem Sohne des Herzogs von Jülich nicht gehalten, was ver— 
glihen; er müſſe, wenngleich er der geiftlichen Obrigkeit hierin 
nicht vorgreifen wolle, dod um Zerrüttung des gemeinen Weſens 
zu verhüten, fraft feines Amtes, zur Beobachtung der heiligen 
Kanones und der Statuten ihrer Kirche ermahnen, ſowie zur 
Mahl einer Perſon, die vom Papfte fonfirmiert und von ihm be= 
lehnt werden fünne u. ſ. mw. 

Mährend der Verhandlungen vor dem Ausihuß murde in 
Münfter eine auf den Rat Recks und des Domdechanten aufge 
nommene neue Appellations= und Gitationsurtunde des Poſtu— 
lierten infinuiert: ein langes, ſchwulſtiges, lateiniſches Altenftüd, 
das gemeiniame Werk einiger rechtsgelehrten Räte des Herzogs 
und mehrerer Kölner Geiftlihen. Darin war in den beleidigend- 
ften Ausdrüden von der Verſchwörung Wefterholt3 und feiner 
Genoſſen geſprochen; auch Erzbiſchof Heinrich ging nicht leer aus: 
ein gewiſſer Konrad von Wefterholt, hieß es u. a., babe, ohne 
Zweifel von feinem boshaften Geifte getrieben, eid= und ehrver— 
gefjen, mit feinen Künften, Ränfen und Liſten gegen göttlihe und 
menihlihe Rechte die Junioren im Kapitel an fi gehängt, um 


1) Diefelben wollten, um größere Berbitterung zu verhliten, ben Streit 
nicht vor einen Landtag gebracht fehen, betonten die Verpflihtung, keinen zu 
poftulieren, mit bem nicht fapituliert worben fei, baten bie päpſtliche Ent- 
ſcheidung abzumarten und nicht durch eine Doppelwahl über bie unfchulbigen 
Unterthanen Berberben zu bringen u. f. w. 


Das Ende des Salentinfchen Planes. 497 


einen Biſchof einzufegen, von dem er wußte, daß derjelbe dem Papite 
verhaßt ſei und von ihm nicht beftätigt werden könne; Aufruhr, 
Schisma und allgemeine Verwirrung habe diejer verichmigte bös— 
artige Kopf erregen wollen; der Senior Nagell wurde „ein abge- 
lebter, ſchwacher, vielleicht irrfinniger Greis‘ genannt. Auch in 
diefem Altenftüd ftand wieder, daß die Herzöge von Jülich den 
Scholafter nit mehr al3 Statthalter anerkenneten. — Aber jo 
weit wagten jelbft die Senioren nit ihnen zu folgen. Cie 
meinten zwar einmal bei den Verhandlungen vor dem Ausſchuß, 
der Statthalter ſolle fi jeines Amtes jo lange enthalten, bis er 
fih von den Anſchuldigungen des Poftulierten gereinigt babe, 
liegen aber nachher geſchehen, daß der Dompropft Goswin von 
Raesfeld wieder mit dem Statthalter zurate ging, was eine Zeit 
lang unterblieben war. Dagegen veripraden nun Wefterholt und 
die anmeienden Junioren, bis zu päpftlihem Erkenntnis die neue 
Roftulation einzuftellen, vorausgeſetzt, daß nicht — durch Devo: 
Iution an den Papft — ihrer freien Wahl etwas vergeben werde. 
Doch dauerte e3 noch einige Zeit, bis die Senioren wirklich die 
Beruhigung gewannen, daß Weiterholt fie nit mit einer Neu— 
wahl überrumpeln werde ?). 

Inzwiſchen war Johann von Raesfeld in Nom eingetroffen, 
wo fi) der bayriihe Gefandte mit gewohntem Eifer feiner an— 
nahm. Fabricius beftimmte den Papſt und die mit der münfterichen 
Sade betrauten Kardinäle, Morone, Como, Madruzzi, die beiden 
Forderungen: Reftitution des Poftulierten und Citation der Rä- 
delsführer, jchleunigft zu bemwilligen. Papſt Gregor bedauerte zwar, 
daß man die beiden Fürften jo arg hintergangen, meinte aber, fie 
hätten auch nicht jo leicht trauen jollen; dagegen ließ der Staats: 
jefretär Kardinal von Como faſt eine gewiſſe Schadenfreude durch— 


1) Die Senioren nahmen deshalb das Anerbieten bes bayrifchen Herzogs 
an, im Notfall ihnen ein paar nahewohnende, in ber Beftallung bes Lands- 
berger Bundes ſtehende Rittmeifter (mamentlich Afche von Holle) zuhilfe zu 
ſenden. 

Loſſen, Köln. Krieg 1. 32 


498 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


bliden: moraliih möchten die Junioren freilich jehr ftrafbar fein, 
wie ihnen aber juriftiih beizufommen, jehe er nit; was wolle 
man machen, wenn fie, nad) Rom citiert, wirklich erichienen und 
erklärten, fie hätten, um ihre freie Wahl, Rechte und Privilegien 
ihrer Kirche zu verteidigen, Lift durch Lift wettſchlagen, Betrug, 
mit Betrug vergelten müſſen? Auch müſſe man fi hüten, durch 
übergroße Strenge gegen die Münfteraner die Kölner ſtutzig zu 
machen, namentlid) aber dem Kurfürften vor den Kopf zu ftoßen. — 
Schließlich wählte man in Rom wieder einen Mittelweg: der 
Nuntius Porzia erhielt Befehl, fi nad Münfter zu begeben, um 
die Junioren durch Güte zum Vergleich mit den Senioren zu. 
bewegen; für den Fall aber, daß ihm dies nicht gelänge, wurden 
zwei Breven an den Poftulierten und an das Kapitel beigelegt 
(vom 16. April), welche Johann Wilhelms Rejignation, al3 wider 
des Papſtes Willen erfolgt, annullierten; ein drittes, jehr jcharfes- 
Breve verbot neuerdings dem Kapitel, den Boftulierten von 
Bremen zu wählen ?). 

Mit dieſen drei Breven eilte Johann von Raesfeld nad 
Deutichland zurüd, am 1. Mai war er bereit3 in Münden; in 
Stuttgart überholte er mit Eilpoft den Herzog Ernſt, welcher ihm 
einen Brief an Porzia mitgab, die Bitte enthaltend, diefer möge 
mit der Ausführung feiner münfterihen Aufträge bis zu Ernits 
Ankunft warten. — Zu Köln fand Raesfeld den Nuntius ohnehin 
mit der Kölner Wahlſache vollauf beihäftigt. 


1) Den Wortlaut der drei Breven konnten übrigens weder Dr. Fabri— 
cius noch ber jülihfche Agent Hammerftein erfahren; Karbinal Morone ſprach 
fih ohnehin empfindlich darüber aus, daß ber bayriſche DOrator immer ben 
Papft belehren mwolle, was biefer zum Wohle einer Kirche zu thun und zu 
lafien babe. 


Das Ende des Salentinfchen Planes. 499 


Bald nad feiner Ankunft am Rhein hatte Kurfürft Salentin 
jein Hoflager in Schloß Kaiſerswerth aufgefhlagen, weldes nun für 
mehrere Wochen der Mittelpunkt aller Bemühungen für und wider 
die bayriſche Succeffion wurde. — Porzia hätte fi) gerne jofort 
in Perſon zum Kurfürften begeben, um ihm die beabſichtigte In— 
quiſition und gewaltſame Einſetzung eines Koadjutors zu mider- 
raten, Salentin lehnte jedoch für jegt den Beſuch des Nuntiug 
ab, und ließ demſelben nur durch einige Räte ſagen, ihm ſei es 
bloß darum zu thun, Herzog Ernſts Nachfolge zu ſichern; werde 
der Weg der Koadjutorie nicht beliebt, ſo ſei ihm auch die freie 
Wahl recht, nur ſolle ſich der Nuntius für dieſen Fall von den 
Prieſterkanonikern feſt verſprechen laſſen, keinem andern als dem 
bayriſchen Herzog ihre Stimmen zu geben . Noch nachgiebiger 
erklärte ſich Salentin brieflich gegen den Herzog von Jülich auf 
deſſen Bitte, er möge zum Beſten ſeines Neffen auf die beiden 
Forderungen der Inquiſition und der Konfirmation der Kölner 
Prälaten verzihten. Als daraufhin Ende April Herzog Wil- 
heims Räte, Dr. Konrad Fürftenberg und Dr. Walter Fabricius, 
nad; Kaiſerswerth famen und zuerft mit Salentins Räten, nachher 
mit dieſem jelbft erwogen, wie Herzog Exnft auf dem Wege freier 
Wahl nad Köln zu bringen ſei, empfahl Salentin auch ihnen aufs 
dringendfte, dafür zu jorgen, daß eine ausreichende Zahl von Edel⸗ 
herren und Siebenprieſtern entweder dem Nuntius oder ihm, dem 
Kurfürſten, oder auch dem Herzog don Jülich gelobe, für Ernſt zu 
ſtimmen. Salentins Räte machten nochmals darauf aufmerkſam, 
wie wichtig es ſei, den Herrn Gebhard Truchſeß zu gewinnen, 
als den, der neben Herzog Ernft am meiſten Ausfiht habe, ſelbft 
gewählt zu werden. — Auf Salentins Rat lief; Herzog Wilhelm 
aud den niederländiichen Statthalter Don Juan um jeine Inter— 
zeſſion beim Domkapitel erfuhen, worauf diefer Ende Mai zwei 


1) Damals erft wurden dem Kurfürften die beiden Koabjutoriebreven vom 
13. Januar (f. o. ©. 471 u. 482) zugeftellt; man war lange unſchlüſſig 
geweſen, ob fie nicht überhaupt zurüdzuhalten, fürchtete dann aber Salentin 
baburch zu beleidigen. 

32 * 


500 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Gejandte nah Köln ſchickte !), Die jedodh, da fie das Kapitel nicht 
beifammen fanden, in aller Stille wieder heimlehrten. Auch der 
Lütticher Biihof wurde wieder um feine Hilfe zur Gewinnung 
der Stimmen von Mandericheid- Keil und von der Mark anges 
gangen, antwortete höflich, that aber kaum etwas. 

Kurfürft Salentin ſchien mit einemmale gemillt, jogar felbft 
duch Freundlichkeit fein Domkapitel für die bayriihe Suc- 
ceſſion einzunehmen. Nachdem er foeben noch den Boten des Ka— 
pitel3, welder ihm deſſen Briefe vom 27. April überbracdhte, fünf 
Zage lang auf einen blogen Empfangsichein hatte warten lafien, 
gab er nun zu, daß feine in Saiferswerth anweſenden Räte am 
6. Mai das Kapitel jehr höflich eriuchten, bei Salentins bevor: 
ftehendem Rüdtritt einen Herrn zu wählen, welcher dem Papſt 
und dem Saifer, dem jpanischen König und anderen katholiſchen 
Fürften angenehm fein und vom jegigen Kurfürften allen Rat und 
Beriht erhalten werde. Fünf Zage fpäter erſchienen diejelben 
Räte, dreizehn an der Zahl, darunter der weitfäliiche Landdroft 
Eberhard Graf zu Solms, der Landhofmeifter Jörg von der 
Leyen, der Marihalt Rutger von der Horft und der Kanzler 
Burkhart, in Perfon im Kapitel, um Salentins Antwort auf die 
jüngften Briefe des Kapitel zu überbringen. Der Kurfürft, jagten 
fie, lafje noch einmal an das erinnern, was er zum Beſten der fa- 
tholiihen Religion, des Reiches und des Erzſtiftes inbetreff der 
Succeſſion anempfohlen habe; molle man aber feinem Rat und 
dem Gutachten der höchſten Häupter der Chriftenheit nicht folgen, 
jo müfje er e8 Gott und der Zeit befehlen. Auch bezüglid der 
übrigen Streitpunfte (Reftanten aus den Zöllen, Höfe Der und 
Chor, Schweine des Chorbiſchofs) lauteten Inſtruktion und 
Merbung viel maßvoller als jonft: das Kapitel möge fi) an einen 
beliebigen Drt in der Nähe, 3. B. nad Brühl, zu ihm verfügen; 
dort wolle er fih in freundlicher Konverjation über alles mit 


1) Karl Rym, Herr zu Eedenbefe, vormals kaiferlicher Gefanbter beim Tür— 
ten, und Dr. Johann Mambefius, Profefior des geiftlichen Rechts zu Löwen. 


Das Ende des Salentinfhen Planes. 508 


ihnen verjtändigen. — Das lehnte jedoh das Kapitel als unge— 
bräuchlich ab: der Kurfürft möge jelbft in die Stadt kommen; 
auch Hinfichtlih der anderen Punkte wiederholte man die früheren 
Forderungen, übrigens in höfliher Form ?). 

Inzwiihen war der Nuntius Porzia — am 8. Mai — zum 
eritenmale vor verfammeltem Kapitel erichienen und hatte in län— 
gerer wohlgeſetzter Rede die Gründe entwidelt, welche die Kapitu— 
laren beitimmen müßten, feinen andern als den von Papſt und 
Kaiſer empfohlenen bayrifhen Herzog zu wählen 2). Das Kapitel, 
in welchem can diefem Tage außer den Prieftern nur vier aus— 
geiprochen fatholiihe Edelherren, Zhengen, Joh. Daniel von 
MWinneburg, Gebhard Truchſeß und von der Mark, zugegen waren, 
dankte dem Papft und jeinem Nuntius für ihr väterlihes Wohl— 
wollen und veriprah, nad) Beratung mit den anderen Herren 
Porzias Vortrag zu beantworten. 

Aht Tage nachher — am 15. Mai — machten der Nuntius 
und zugleih Herzog Ernft mit feinen Näten dem nunmehr in 
Brühl rejidierenden Kurfürften ihre Aufwartung; beide baten ihn, 
die beabfichtigte Inquifition und Koadjutorie fallen zu laſſen. Auch 
bon Herzog Abreht war wieder ein Schreiben ähnlihen Inhalts 
eingelaufen: Salentin möge, um zu berhüten, daß ji die Augs— 
burger Konfeſſions-Verwandten der Sache annähmen und heftiger 
al3 zuvor die Freiftellung forderten, duch Güte die Gemüter der 
Kapitularen zu gewinnen ſuchen und „hernach gleich den lieben 


1) Der Aiterdehant, Joh. Daniel von Winneburg und Dr. Gropper 
flimmten bafür, „das Rmo dero vatterlicher regierung halber zu danken“, — 
wos das Kapitel aber nicht that. 

2) Er begreife nicht, fagte er u. a., wie fich jemand durch das Belannt- 
werben bes Wunfches St. Heiligfeit verletzt fühlen könne; nie habe bie Kölner 
Kirche fich geweigert, au8 ber Hanb bes allgemeinen Oberbirten ber ganzen 
Kirche ihre Vorfteher zu empfangen; denn recht wohl wußte fie, daß die Güte 
bes römiſchen Stuhles ihr das Wahlrecht doch nur unter dem Vorbehalt 
verliehen babe, fich ſelbſt, wenn nötig, besfelben wieber zu bebienen; eine 
ſolche Notwendigkeit liege jet vor u. f. w., — alfo eine offene Darlegung 
bes päpftlichen Univerfalepiftopats! 


502 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Gott und die freie Wahl malten laſſen“. — Salentin madte 
faum noch Einwendungen; nur warnte er abermals, nicht mit 
Ihönen Worten ſich zu begnügen, jondern fi, damit es nicht gehe 
wie jüngft zu Münfter, stipulata manu des Prinzen Wahl ver: 
ſprechen zu laſſen. — As Porzia und Herzog Ernſt eben wieder 
aufbrehen wollten, traf in Brühl auf dem Wege nad England 
ein kaiſerlicher Geſandter ein, der Freiherr Hans bon Breuner, 
welcher den Kurfürften mündlich, im Namen des Kaiſers aber auf 
Grund eines bloßen Beglaubigungsicreibens, aufforderte, baldigit 
zu refignieren und dem Kapitel feine freie Wahl zu laffen. Sa— 
lentin geriet in heftigen Zorn über diefe, wie er fagte, den Ab- 
ſichten des hochſeligen und den früheren Erklärungen des jegigen 
Kaiſers mwideripredhende Werbung. Der Kaiſer jolle ihm, ant- 
wortete er in der Eile und Hige, ſolchen Befehl jchriftlich erteilen, 
dann ei er jeden Augenblic bereit abzutreten, wolle aber feine Schuld 
haben, wenn e3 naher mit der Neuwahl ſchlimm gehe! Herzog 
Ernft und der Nuntius beihwichtigten ihn jo gut e3 gehen wollte; 
man beihloß ji) von neuem an den Sailer zu wenden, damit er 
die beiden anderen geiftlichen Kurfürften und einige faiferliche Räte 
beauftrage, Herzog Ernft zum Beſten zwiſchen Kurfürft und Kapitel 
zu vermitteln; eine ſolche kaiſerliche Kommiſſion wünſchte man na= 
mentlich wegen des Herrn Gebhard Truchſeß; könnte man ihn be 
wegen, nicht länger ſelbſt nad) der Kur zu traten, jo Hoffte man 
alle Gefahren einer freien Wahl befeitigt. 

Schon feit einiger Zeit erfannte man auf bayriiher Seite im 
Truchſeſſen den gefährlichiten Rivalen. — Gebhard Truchſeß, Frei: 
berr von Waldburg, ein Neffe des Kardinal von Augsburg, hatte 
fi früher um die Lölniihen Dinge wenig gefümmert, aud von 
den Streitigkeiten zwiſchen Kurfürft und Kapitel lange fern gehalten. 
Erft im Januar 1577 nahm er für einige Zeit Reſidenz in Köln 
und bielt ſich ſeitdem zur Majorität des Kapitels, übrigens ohne 
beſondere perſönliche Feindfeligkeit gegen Salentin an den Tag zu 
legen. Jedoch unterjchrieb er nachträglich, zugleih mit dem After: 
dehant, die Union des Kapitel vom 13. Auguft 1575, und jo 


Das Ende bes Salentinihen Planes. 508 


dann den Abihied vom 15. Februar 1577, übernahm aud, neben 
dem Straßburger Biſchof, eine Kommiſſion des Kapitels zur Ver— 
teidigung der Wahlfreiheit beim Kaiſer und bei den anderen geift= 
lichen Kurfürften. Als Gebhard Ende April wieder nad Köln 
fam, äußerte er fid), wie wir fahen, über die Verleihung des 
Rapitelplages an Herzog Ernft anfangs zweifelhaft, ftimmte 
{chlieglih aber zu. Damals waren bereits aller Augen auf ihn 
gerihtet. Schon am 13. März fchreibt Dandorf aus Köln an 
Herzog Albrecht: der Truchſeß finde bei Edelherren und Kanonikern, 
auch ſonſt menniglih nicht ſchlechte Gunſt und Favor; bei einer 
Wahl werde man ihn vermutlid dem Straßburger Biſchof vor: 
ziehen; da er übrigens dem Haufe Bayern jehr zugethan fei, möge 
der Herzog Ihriftlih) oder mündlid mit ihm handeln. — Das war 
zum Zeil bereit geſchehen: auf Wunſch des Herzogs hatte Herr 
Karl Truchſeß, Kammergerichtspräfident zu Speier, an feinen Bru— 
der Gebhard geichrieben, dieſer möge, der katholischen Religion zum 
Beiten und zum Dank für die von Herzog Albrecht ihrem Oheim 
und Vater und allen Truchſeſſen erwiejene Gnade, die Nachfolge 
des Herzogs Ernſt befördern. Sodann erhielt Dandorf jelbit, 
gerade al3 er jein Schreiben vom 13. März abſchicken wollte, den 
Auftrag, mit Gebhard perjönlid zu reden. Der Truchſeß ſprach 
fih hierauf gegen Dandorf jehr mwohlmollend über Herzog Exrnft 
aus; leid thue ihm nur, daß der Kurfürft dur feine Schärfe 
und Unbeicheidenheit auch gegen jenen viele Gemüter erbittert 
babe; wenn man Vögel fangen wolle, dürfe man nicht mit Prü— 
geln danach werfen. Bindende Zujagen vermicd jedod Gebhard 
forgfältig, jowohl gegen Dandorf, wie zubor gegen den trieriichen 
Kanzler. Auch nahher wurde Herzog Albreht von Köln aus 
wiederholt aufmerkſam gemadt, wie wichtig e3 jei, gerade den 
Zruchjefien zu gewinnen. — Der Grund liegt auf der Hand: 
Gebhard hielt fih, ſchon auf Grund feiner Familientraditionen, 
zur fatholiichen Partei; das machte ihn, abgejehen von feinen 
perjönlihen Eigenichaften, den Priefterfanonikern genehm, während 
er zugleid) den proteftantiich gefinnten Grafen im Kapitel wegen 


504 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


der geringen Macht jeines Hauſes mindeftens als ungefährlid er> 
icheinen mußte. 

Seitdem Herzog Ernſt den Kapitelplag erlangt, war die zeit 
meilige Läſſigleit der protejtantiihen Grafen verihwunden. Zudem 
hatten jeßt ihre beiden Führer, Ludwig von Wittgenftein und 
Johann von Naffau, die Hände wieder frei: denn Ludwig lebte 
jeit kurzem ganz in Berleburg, und Johann mar endlich von der 
Peſtgefahr befreit, beide voll Eifer, das Verſäumte gutzumachen. 
Ende April ging Graf Johanns Rat Dr. Jakob Schwarz nad 
Köln, wo er nun wochenlang in vertrauten Verkehr mit dem 
Dompropft und mit Graf Hermann Adolf von Solms ver: 
weilte. Dringend riet er jeinem Herrn, ſämtliche Grafen, jodann 
Pfalz und Hejjen von den bayriih=papiftiihen Praftifen zu ver: 
ftändigen, damit jene den Gutherzigen im Kapitel für den Not 
fall ihren Schu, zuiagten; außerdem erinnerte er an den früheren 
Beſchluß der Wetterauer Grafen, durch eigene Gejandte Salentin 
die geplante Gewalt zu widerraten. Da nun Graf Johann zur 
jelben Zeit von dem Herrn Winand von Breyl erfuhr, der Kur: 
fürft habe gegen ihn in Saiferswerth jein Befremden geäußert, 
warum er jeit jo langer Zeit gar nichts von Graf Johann höre, 
jo brach diejer in Eile von Siegen auf über Köln nad) Kailerd: 
werth zu Salentin, bei dem er mehrere Tage blieb. Was zwi— 
ſchen beiden verhandelt wurde, wiſſen wir nicht, dürfen aber un 
bedenklich annehmen, das jih Johann alle Mühe gegeben haben 
wird, noch in legter Stunde den Surfürften von der ſpaniſch— 
bayriihen Partei abzuziehen. Salentin war eben damals im Bes 
griff, den Herrn von Breyl nad) Frankreich) zu ſchicken, jedenfall 
wegen feiner rückſtändigen Penſion; — wahrſcheinlich machte os 
hann ihm Ausfiht auf Erſatz durd eine Benfion von der Königin 
von England. 

Bon Kaijerswertd nah Köln zurückgekehrt, traf Johann 
mit Sir Philipp Sidney zuſammen, der als Gejandter der 
Königin Eliſabeth nad) Prag und nad Heidelberg ging, um 
an beiden Orten wegen des jüngften Regierungswechſels zu fon= 


Das Ende des Salentinfhen Planes. 505 


dolieren und zu gratulieren, daneben aber den früheren Plan 
einer Allianz zwiihen Eliſabeth und den deutihen Proteſtanten 
wieder betrieb. Bei Sidney befand ſich deſſen Freund Hubert 
Languet, der Korrefpondent des ſächſiſchen Kurfürften, ein alter 
Lobredner eines allgemeinen antipapiftiichen Bundes. Mit beiden 
verhandelte Graf Johann, der jelbit weder Latein nod Frans 
zöfiich fertig genug ſprach, zuerft durd Dr. Schwarz und den 
Licentiaten Dafypodius, verzeichnete dann aber ſelbſt in einem 
Memorial für Sidney die Hauptpunfte, welche dieſer jeiner Kö— 
nigin vortragen jollte: Seit einigen Jahren verfolge der Papſt, 
um die deutjche Freiheit zu unterdrüden und die wahre Religion 
auszurotten, insbefondere den Plan, die anſehnlichſten Domitifter 
in die Hände folder vornehmen Familien zu bringen, welde ſich 
zum Gehorjam gegen die römiſche Kirche verpflichteten. Seinen 
habe der Papft Hierfür geeigneter befunden, als den Sohn des 
Herzogs Albreht von Bayern, teil3 wegen jeines Eifers für die 
römiſche Kirche, teil3 wegen der Macht und der hohen Berbindungen 
diejes Haufes. „Denn um die Wahrheit zu jagen‘, heit es 
weiter, „haben bejagter Herzog von Bayern und feine Vorfahren 
inbezug auf die Unterdrüdung der Anhänger der wahren Religion 
alle anderen Berfolger derjelben in Deutichland jederzeit über- 
troffen, und heute ift der Herzog von Bayern überzeugt, daß dies 
der größte und ſchönſte Ruhm fei, den er jeinen Nachkommen 
hinterlaſſen könne.“ Das Memorial erinnert daran, dab Herzog 
Ernſt bereit3 zum Biſchof von Freifing und Hildesheim gemacht 
jei, und daß man feit Fahren mit allen möglihen Praktiken ihn 
nah Köln und Münfter zu bringen ſuche; auch wird der, wie 
wir willen, nit grundlojen Gerüchte gedacht, da Bayerns Blide 
bereit3 auf die Stifter Lüttich, Magdeburg, Trier gerichtet jeien. 
Anderjeit3 feien auch aus dem Haufe Ofterreich bereit3 zwei Prin- 
zen — des Kaiſers Bruder Albreht und Erzherzog Ferdinands 
Sohn Andreas — zu Kardinälen gemacht und auch für fie ohne 
Zweifel die Erwerbung deuticher Bistümer beabſichtigt. Solchem 
Streben entgegen müßten die Bekenner der wahren Religion jene 


506 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


Leute, welde nur aus Eigennug dasjelbe beförderten, durch ſichere 
Hoffnung auf Lohn umzuſtimmen fuhen; zu diefen Leuten gehöre 
aber jegt vor allen Kurfürft Salentin, den man mit einer jähr⸗ 
lichen Penſion von einigen tauſend Kronen wohl auf die gute 
Seite ziehen könne. Königin Eliſabeth möge alſo auch ihrerſeits 
dazu einiges beitragen. — Wir ſehen, Graf Johann macht hier 
ſeinem Zweck zuliebe den Kurfürſten käuflicher, als dieſer in Wirk— 
lichleit war; denn auch von Salentin hätte man ſagen können, 
was man von Mirabeau geſagt hat: er verkaufte ſich nicht, aber 
— er ließ ſich bezahlen. — In Zuſammenhang mit dieſen 
Verhandlungen des Grafen Johann mit Salentin einerſeits, mit 
Sidney und Languet anderſeits, ſteht ohne Zweifel die eilige 
Abſendung des Herrn von Breyl an Erzbiſchof Heinrich von 
Bremen; Graf Johann übernahm es, Breyl bei Salentin 
wegen dieſer kurzen Verzögerung ſeiner Reiſe nach Br 
zu entichuldigen. 

In Köln erneuerte Graf Johann aud die im Januar ange 
tnüpfte Verbindung der Wetterauer Grafen mit einzelnen Priefter- 
kanonifern und Mitgliedern der weltlichen Landftände, Grafen und 
Nittern, jowie mit Kölner Bürgern). Jetzt ſchon rechnete man 
darauf, daß der Landtag, welder nad dem Herkommen zwi— 
ſchen Tod oder Refignation des einen und Neuwahl des andern Kurz 
fürften ftattfand, dazu dienen werde, die Domlapitularen von Her= 
zog Ernſts Wahl abzuſchrecken. Dr. Schwarz und Lie. Dafypodius 
fammelten beveit3 Stoff zu einem Diskurs oder einer Flugichrift, 
durch melde die Öffentlihe Meinung gegen das Haus Bayern be— 
arbeitet werden follte.e Bei der Kölner Bürgerfchaft kam es 
Bayerns Gegnern zuftatten, daß der Zwiſt zwiſchen Salentin und 
der Stadt von neuem heftig entbrannt war. 


1) Den Domherrn Johann von Neifferfcheid, welcher gleich feinem Bruder, 
dem Erbmarſchall zu Salentin bielt, hatte Graf Johann ſchon von Kaiferd- 
werth aus um eine geheime Zufammenfunft im Haufe eine® Herrn von 
Allendorf (vgl. 0. S. 429, Anm. 2) zum Himmelgeift gebeten. 


Das Ende bes Salentinihen Planes. 507 


Die beiderfeitigen thätlihen Eingriffe waren, wie erwähnt, im 
Februar d. J. durd Vergleich beigelegt worden; bezüglich ber 
Rechtsfrage hatte der Stadtrat das Kammergeriht angerufen und 
bereit3 ein mandatum sine clausula gegen den Kurfürften erlangt. 
Darauf bradte diefer Ende Mai eine ‚alte Rolle‘ hervor, ges 
mäß welcher die Güter Kölner Bürger einen bisher auf den kurs 
fürftlihen Zöllen genoffenen Zollnachlaß verlieren jollten. Sofort 
rief nun der Kölner Rat die anderen rheinischen Fürften wieder 
auf, gegen ſolche, Sperrung des Rheins per indirectum“ mit ihm 
gemeinfame Sade zu mahen, und gedachte dabei auch gemilfer 
Schimpf- und Drohreden, welche Salentin jüngft zu Kaiſerswerth 
gegen Rat und Bürgerihaft an offener Zafel ausgeftoßen habe. 
Salentin jollte gejagt haben: „er wolle denen von Köln einen 
mächtigeren Nachfolger jegen, der fie beſſer meiftern und putzen 
werde; wolle aud) Pfaffen und Bürger aneinanderhegen, bis daß 
die Bürger die Pfaffen totihlügen; dann wolle er jelbit kommen 
und unter die Bürger, Weiber und Sinder dreinhauen, daß er 
bi3 an die Knöchel im Blut gehen könne”. — Daß Salentin 
wirklich jo tolles Zeug zu Kaiferswerth geredet, wird bon ver— 
ſchiedenen Seiten bejtätigt, mir wiſſen, daß er auch fonft im Zorn, 
zumal beim Trunk, feiner Zunge niht Meifter war. Wie jehr 
er der Stadt grollte, erfieht man übrigens aud daraus, daß er 
eines Zages im Juni eine große Anzahl feiner Räte an das 
Domkapitel jhidte und Zuordnung von Deputierten verlangte, 
weil er von der Stadt „Abtracht“ (Genugthuung) fordern wolle 
für all’ die Eingriffe, welche fie ſich in jeine geiftliche und weltliche 
Hoheit und Jurisdiktion herausgenommen. 

Endlich Fakten Graf Johann und feine Kölner Freunde wieder 
eine Unterftüßung des Kapitel3 dur die evangeliihen Fürften ins 
Auge. Der Kölner Dompropft ftand in freundſchaftlicher Korre— 
fpondenz mit einem von den alten, dem reformierten Belenntnis 
zugethanen pfälziichen Räten, der ſich aber mit dem neuen lutheri- 
ſchen Regiment zurechtgefunden hatte, Dr. Joſt Reuber, und ließ durch 
ihn allerlei in der Hauptiahe richtige, wenn aud) übertriebene 


* 
ee RE 


503 Sechſtes Buch. Zweites Kapitel. 


Nachrichten über die Praktiken Salentins, Porzias und des Her— 
zogs Ernſt an jeinen mit dem heſſiſchen Landgrafen damals im 
Bad Ems verweilenden Kurfürſten Ludwig gelangen. Auf dem 
Rückweg von Köln begab fi jodann Graf Johann jelbjt nad) 
Ems und wußte den Kurfürften Ludwig zu überzeugen, daß zus 
gunften des Kapitels etwas Ernftlihes geihehen müſſe. Ludwig 
jandte die aus Köln erhaltenen Berichte an Heſſen und an jeine 
beiden weltlichen Mitkurfürften und ſchlug eine gemeinichaftliche 
Gelandtihaft an Salentin oder an das Domkapitel vor. Aber 
jein Vorihlag fand wenig Beifall, denn Landgraf Wilhelm 
meinte wieder, dies „Pfaffenwerk“ ſei den evangelifchen Fürften 
gleichgültig, „fintemal uns und unjeren Söhnen in einem Weg 
wie im andern der Zugang zum Stift rebus sic stantibus ab- 
geſtrickt iſt“; Kurfürſt Auguft aber und feine Räte hatten nicht 
Luft, den Disput über die Freiftellung ſchon wieder auf die Bahn 
zu bringen; auch ſchien es dem Kurfürften unziemlih, die Kölner 
Kapitularen gegen ihren Kurfürften zu beftärfen; würde er e3 doch 
aud nicht dulden, daß fi eine fremde Herrihaft feiner Unter: 
thanen gegen ihn annähme. Jedenfalls müſſe man abwarten, bis 
man bon beteiligter Seite, etwa von der Stadt Köln oder aud) 
von den Wetterauer Grafen, fürmlid) um WVermittelung gebeten 
werde. Die von Köln aus verbreiteten Gerüchte von einer neuen 
gefährlichen Papiftenliga fand man am ſächſiſchen Hofe wenig 
glaubwürdig; man möge nur im Weihe unter einander feit zu— 
jammenhalten, beim Religionsfrieden bleiben, auf fremde Bündniſſe 
fih nicht einlaffen, — eine Bemerkung, welde zunächſt wohl 
auf die neuerdings bon England gelommene Anregung zu einem 
allgemeinen evangeliihen Bunde ging. Nachher wurde auf einer 
Verſammlung von Räten der Erbeinigungsverwandten Sadjen, 
Brandenburg und Hefien — im Monat Juni zu Naumburg — 
u. a. auch die Kölner Wahlſache beiprodhen, aber beichloffen, ſich 
ihrer vorläufig nit anzunehmen, fondern beim nächſten Deputas 
tionstag im Auguft zu Frankfurt mit anderen Sonfejfionsvers 
wandten weiter davon zu ſprechen. — So blieb die Zhätigfeit 


Das Ende des Salentinfhen Planes. 509 


der evangeliihen Fürften zur Zeit auf den üblichen umftändlichen 
Schriftenaustaufh von Hof zu Hof beichränft 19). 

Die Wetlerauer Grafen ließen für fih jedoch an Eifer nicht 
nad. Ende Mai, bei Graf Johanns Rüdkunft von Köln, fanden 
fih Ludwig von Wittgenftein und zwei Grafen bon Solms (Kon— 
rad von Solms=Braunfel und Otto von Solms-Laubach) bei 
ihm zu Dillenburg ein und verabredeten, da man ſchon vor dem 
künftigen Kölner Landtag die kurkölniſchen Grafen Reiffericheid, 
- Neuenar und Manderiheid für die Behauptung der freien Wahl 
zu Köln und der Rechte des Grafenftandes bearbeiten, zum Land: 
tag jelbft aber wieder eine Geſandtſchaft der Wetterauer Grafen 
abordnen wolle. Weitere Beiprehungen fanden nachher zu Eber3- 
bad) und wieder zu Dillenburg ftatt, wo man fih u. a. darüber 
einigte, daß die Wetterauer Grafen in aller Form den Pfälzer 
Kurfürften und feinen Bruder Johann Kafimir, fowie die heifiichen 
Landgrafen um ihre Hilfe zur Erhaltung der freien Wahl in Köln 
erſuchen jollten. 

Der bayriihen Partei fam von diefen Gegenpraftifen genug zu 
Ohren, um fie zu warnen, auf ihrer Hut zu fein und fi) bei= 
zeiten möglihft viele Stimmen zu ſichern. As kurz nad dem 
Beſuche des Nuntius und des Herzogs Exnft, infolge der früheren 
Aufforderung des Kurfürften an das Gejamtkapitel, die Domberren 
Thengen, Reinhard von Solms, Joh. Daniel von Winneburg und 
Gebhard Truchſeß in Brühl erichienen, forderte Salentin von 
ihnen, fie follten ſich verpflihten, nad) feinem Rücktritt feinem 
andern als dem bayrischen Herzog ihre Stimmen zu geben. Zwar 
ließ ji feiner von ihnen Öffentlich auf diefe Zumutung ein, doch 
erllärten ſich wenigſtens Thengen und Winneburg gut bayrifch, 
au auf Graf Reinhard Stimme rechnete man; war er es doch 


1) Graf Iohanns Abficht, gelegentlich einer in Dillenburg zu haltenden 
Kindtaufe eine größere Anzahl Fürften und Herren zufammenzubringen, 
wurde baburch vereitelt, daß feine Gemahlin nur einen toten Knaben zur 
Belt brachte und felbft längere Zeit in äußerfter Lebensgefahr ſchwebte. 
Dil. Korr. 1577, fol. 259 u. 263; vgl. Groen van Prinsterer VI, 96. 


510 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


namentlih, der den bayriſchen Näten vielerlei — freilich nicht 
lauter Zuverläffigeg — über die Praktiken der Gegner hinterbrachte, 
vor allem über ihre Abfiht, Die Neuwahl auf den Truchſeſſen zu 
lenken. Hauptjählih mit Rüdjicht auf dieſen letztern lieh Herzog 
Aldreht Ende Mai dur feinen Hofdiener Emmanuel Weljer den 
Kaifer bitten, baldigft Kommiffare nad Köln zu fenden, und wo— 
möglid unter ihnen Albrechts früheren Landhofmeifter, den jegigen 
faiferlihen Hofmarihall, Ditheinih Graf von Schmwarzenberg, 
einen nahen Verwandten des Truchſeſſen. An die Grafen von 
Reifferſcheid und von der Mark jchrieb Dr. Gotfrid Gropper, um von 
ihnen bindende Zuſagen wegen Herzog Ernſts Wahl zu erhalten. 
Auch auf die Stimme des Domdehanten Anton von Schauenburg 
rechnete man, wurde aber irre an ihm, da er bei feiner Rückkunft 
nad Köln, Ende Mai, zweimal eine Einladung des Herzogs Ernft 
ausihlug; man fürdhtete, fein Bruder, der Biſchof von Minden, 
habe ihn umgeftimmt, doch machten Thengen und Gotfrid Grop— 
per, Bayerns eifrigite Parteigänger, noch Hoffnung, ihn wiederzu- 
gewinnen. Xhengen erbot jih, in Perfon zu Herzog Julius von 
Braunihweig zu reifen, um durd ihn ſowohl den Mindener 
Biihof, wie den Erzbiſchof von Bremen für Herzog Ernſts Wahl 
einzunehmen. Denn troß allem, was mit Münfter vorgegangen, 
zählte die bayriihe Partei noch immer auf Erzbiihof Heinrichs 
Stimme bei der Kölner Wahl. Dieje Hoffnung beftimmte jegt auch 
ihr Verhalten in der münfterihen Poftulationsjache. 


Unter den Breven, melde Johann von Raesfeld aus Rom 
mitgebracht hatte, war, wie erwähnt, aud) eines, welches neuer= 
dings die Wahl des Poftulierten von Bremen verbot; zufolge 
einer Beratung mit Herzog Ernjt und dejjen Räten beſchloß jedoch 
der Nuntius Porzia, dieſes Breve vorläufig zurüdzubalten, um 
nicht den Bremer Erzbiihof nod mehr zu reizen und dadurd) 
Herzog Ernfts Kölner Wahl zu gefährden. Die beiden Reftitu- 
tionsbreven hätten Ernft und feine Räte dagegen gerne baldigit 


Das Ende bes Salentinfchen Planes. 511 


überreicht geſehen, während der Nuntius, gemäß den päpftlichen 
Befehlen, zuerſt perſönlich mit den Junioren verhandeln und nur, 
wenn ſie hartnäckig, die Breven inſinuieren wollte. In dieſer 
Abſicht machte ſich Porzia am 20. Mai auf den Weg nach Mün— 
ſter, über Dinslacken, wo Herzog Wilhelm damals Hof hielt. 
Hier ließ er ſich beſtimmen, vor ſeiner Weiterreiſe, zu Schermbeck 
an der münſterſchen Grenze, mit dem. Domdechanten Raesfeld und 
dem cleviihen Hofmeifter Red eine geheime Beſprechung zu halten, 
infolge deren er die Reife nad) Münfter ganz aufgab; denn Raes— 
feld und Ned überzeugten ihn, daß eine foldhe vielleicht nit un— 
gefährlich, jedenfalls vergeblid fein werde; Raesfeld brachte die 
Nachricht mit, Erzbifhof Heinrich fomme chen jet in Klofter Lies— 
born (bei Lippſtadt) mit Kurfürft Salentin und Wefterholt zu— 
jammen, gewiß nit um nachzugeben; es drohe Gefahr, daß 
Mefterholt und Genofjen bei Ablauf des Wahltermins den Erz= 
biſchof mit Gewalt ins Stift einjeßen würden; ſchon jet vermöge 
der Dechant faum mehr feine Mitftimmenden auf bayriſcher Seite 
zu halten. Auf diefe Mitteilungen bin übergab nun Porzia die 
beiden Reftitutionsbreven dem Herzog von Jülich. Diejer lieh das 
Driginal des einen und Kopieen de3 andern fofort, am 3. Juni, 
durd Notar und Zeugen allen Beteiligten in Münfter zuftellen; darauf 
verſprachen Senioren und Regierung zu gehorchen, der alte Senior 
Nagell und die Junioren jowie die Vertreter der Stadt behielten 
ih Antwort vor, — Weſterholt jelbft war abmwejend, wie es 
hieß in Arnsberg bei Kurfürft Salentin. Die Zufammenkunft in 
Liesborn hatte wirklich ftattgefunden, nur war ftatt des Erzbiſchofs 
fein Rat Schrader erjchienen, welcher fih alsdann mit Ems 
pfehlungen Salentins nad Köln zu Porzia begab und dieſem aus- 
führlich über den ganzen Poftulationshandel, die Friedliebe jeines 
Herrn, jowie deſſen Ergebenheit gegen den apoftoliihen Stuhl be- 
rihtete. Der Nuntius that ſich aber nachher nicht wenig darauf 
zugut, daß er diefen Schlaufopf, der ihn nur ausholen wollte, 
jo falt habe abfahren lafjen. Er jei, behauptete Porzia, nur 
wegen der Kölner Sache da, wegen Münfter habe er gar feine 


512 Sehftes Buch. Zweites Kapitel. 


Aufträge; nicht einmal die von Schrader mitgebrahten Schriften 
nahm er an, angeblich weil er fein Deutſch verftehe. Übrigens 
ließ aud Schrader über den eigentlihen Zweck feines Stommens 
nicht3 verlauten; er habe nur, fagte er, den Nuntius informieren 
wollen. — Man wird annehmen dürfen, dab Schrader haupt: 
ſächlich darum kam, um ſich perfönlid) über den Stand der Kölner 
Wahljahe zu erkundigen; gewiß wird er nicht verfäumt haben, 
im Auftrag feines Herrn mit den Gegnern Bayerns in Köln Ver: 
bindungen anzufnüpfen. Denn ihren Zweck, durch ſanftes Auf— 
treten in der münſterſchen Sadhe Herzog Ernſt die Stimme des 
Bremer Erzbiſchofs zu fihern, erreichte die bayriiche Partei nicht, 
jondern im Gegenteil ſchloß ſich Heinrid eben damals entſchieden 
den Feinden Bayerns an. Zwei Dinge werden hierfür den 
Ausichlag gegeben haben: einerjeitS die ungeſchickte Art, wie jeine 
Perfon in der Appellationsurkunde des Herzogs von Jülich vom 
16. April behandelt worden, anderjeit3 die Nachricht, daß der 
auf feine Veranlafjung von Kurfürft Auguft nah Münden ab— 
geordnete ſächſiſche Rat Alerander Pflug ohne jeden Erfolg zurück— 
gefommen war. 

Als Alerander Pflug am 15. April dem bayriihen Herzog 
feinen Auftrag vorgetragen hatte, erzählte ihm dieſer zuerft in 
Perſon, wie „„unadelig und unehrenhaft‘ man mit ihm und feinem 
Sohne, jowie mit dem Herzog von Jülich in Münfter umge— 
gangen; dem Erzbiſchof von Bremen meſſe er feine Schuld bei, 
wohl aber dem Kurfürften Salentin, der fid) in Prag gegen feinen 
Sohn Wilhelm jelbft des Geſchehenen gerühmt habe; aufs ent= 
ſchiedenſte widerſprach Albrecht der Behauptung, daß er jelbft nicht 
Wort gehalten habe. Nachher ließ er dem Gefandten durch Kanzler 
Eljenheimer und Dr. Halver einen ausführlichen Bericht über den 
Verlauf der münfterfchen Sade zuftellen, welcher mit der Bitte 
ſchloß, Kurfürft Auguft möge ihm feine Weigerung, Münfter dem 
Erzbiſchof zu überlafien, nicht übelnehmen, da ihm dies Ehren 
und Gewiſſens halber unmöglich ſei, jondern möge vielmehr den 
Erzbiſchof ermahnen, dem Handel feinen ordentlihen Austrag zu 


Das Ende des Salentinfchen Planes. 513 


laffen. In einem eigenhändigen Brief an Kurfürft Auguft ſprach 
er außerdem die Erwartung aus, ihre gute Brüderlichleit und 
Vertraulichkeit werde nicht durch dieſe Sache, wie eine jet in 
hohem Stande befindlihe Perſon [Kurfürft Salentin] geäußert, 
Störung oder Trennung erleiden. Dies fagte Auguft in feiner 
ebenfalls eigenhändigen Antwort zu; „und ift mir endlich“, fügt 
er bei, „ſo viel daran nicht gelegen, wer Biſchof oder Bader, 
dem Sprihwort nah, zu Münfter fei; dab ic aber meiner 
Schweſter Sohn, den Erzbiihof zu Bremen, hierzu von dir gerne 
befördert gejehen, wirft du mir meines Verhoffens nicht verargen, 
weil du deines Sohnes halben mit dem Stift Köln gleihmäßige 
Förderung bei mir geſucht Haft, welches ich dann auch treulic 
und willig gethan. Stehet derhalben nunmehr an beiden Drten 
bei den Herren Kapitularen, wen fie poftulieren werden.‘ — Als 
Albreht bald nachher (im Monat Juni) durch jeinen, hauptſäch— 
lich wegen der neuerdings erjtrebten Erweiterung des Landsberger 
Bundes abgeihidten Rat Halver nochmals bitten ließ, Kurfürft 
Auguft möge den Bremer Erzbiihof bewegen, zu feiner Weiterung 
Urſache zu geben, fondern es bei.der Appellation nad) Rom be— 
ruhen zu lafjen, verjprad der Kurfürft zwar für gütliche Beilegung 
des PVoftulationsftreites fi zu bemühen, that aber nichts weiter, 
als daß er feinem Neffen von Pflugs Relation und Herzog Als 
brechts Beſcheid Kenntnis gab. Dagegen ſandte Erzbiihof Hein— 
rih feinem Oheim die Rechtfertigungsichrift Wefterholts und 
außerdem Kopieen von Berichten, welhe er von einem ebange= 
lichen Domherrn zu Köln (Hermann Adolf von Solms) über die 
dortigen Vorgänge, insbejondere über die geplante Ausſchließung 
aller evangelischen Kapitularen, erhalten habe. Daß ſolche Abſicht 
bintertrieben werde, müſſe namentlid den Herzögen Julius von 
Braunschweig und Adolf von Holftein, deren Söhne bereit3 Ka— 
nonifer zu Köln, angelegen fein. In einem eigenhändigen Poft= 
ſcript, vom 21. Juni, fordert Heinrich feinen Dheim auf, „als 
das vornehmfte Haupt aller derer, jo fi) [zu] der reinen gefunden 


Lehre der Augsburger Konfeſſion bekennen, auch diejelbige je und 
Loſſen, Köln. Krieg I. 33 


514 Sechſtes Buch. Zweites Kapitel. 


allzeit vor allen anderen Kur- und Fürſten vornehmlid befördert 
haben‘, diefen beſchwerlichen Saden zu begegnen und borzubauen. 
Zugleich ſagte er jih nunmehr für jeine Perſon von Kurfürft Sa— 
lentins jo lange verfolgtem köln-münſterſchen Plane förmlid) Los. 
„as auch‘, jchreibt er, „in der bayriihen Rejolution angezogen, 
daß ©. 2. mir mit Münfter Gewiſſens halber nicht können wei— 
hen, jo muß ich's dabei wenden laffen und den Event göttlicher 
Schickung heimftellen, und fann viel weniger meines chriſtlichen 
Gewiſſens halber S. des Bayern 2. Sohn, dem Aodminiftratoren 
zu Freifingen, in der kölniſchen Sade einige Beförderung er— 
zeigen, weil ih nun jceinbarlih jehe, mas für ein Unheil 
daraus erwachſen wird, jofern er dazu fommt, in dem auch 
E 8. mid) unfreundlih nicht werden verdenfen.” Er bat, 
Kurfürft Auguft möge den Kölner Kurfürften von der beab- 
fihtigten Erfommunifation feiner Kapitularen abmahnen und fügte 
als Beweis, wie jhlimm es der Papft meine, Kopie eines Breves 
(vom 4. Februar 1576) an das münfteriche Kapitel bei, woraus 
zu erjehen, daß derjelbe feinen, der nicht von papiftiidhen Eltern 
geboren, fonfirmieren wolle. — Dem Herzog von Fülih hatte 
Heinrich bereit3 am 30. Mai erklärt, indem er demjelben die an ihn 
gerichteten Streitihriften der Senioren und Junioren zujandte, er 
befinde „gleichwohl die Saden auf des Statthalter Seite jo gar 
unrihtig nicht, wie man fie ſonſt machen wollen‘; zugleich be= 
ſchwerte er fich bitter, daß des Herzogs Sohn in feiner Appella= 
tion ihn dermaßen „durch öffentlihen Anſchlag ausgetragen ‘; 
eher Hätte er eine Freundliche Warnung erwartet, wenn dem Herzog 
bewußt, wie ungütlih man zu Rom gegen ihn gefinnt jet. 

In denjelben Tagen, da fich Erzbischof Heinrih, auf Grund 
jeines religiöjen Belenntnifjes, als offenen Gegner der bayriichen 
Nachfolge in Köln erklärte, that Herzog Ernft dajelbit einen Schritt, 
der ihn vor aller Welt als Vertreter der katholiichen Reftauration 
befundete: er hieß Sich freimillig, ehe no irgendein Eid oder 
Statut ihn dazu verpflichtete, zum Prieſter weihen. 

Am 29. Mai, nadhdem durd die Brühler Beiprehung mit 


Das Ende des Salentinfchen Planes. 515 


Kurfürft Salentin feitgeftellt war, dat man die bayriihe Nach— 
folge nur nod mittels freier Wahl ſuchen wolle, Hatte Her: 
309 Ernſt die beiden angejehenften Prieſterkanoniker, Smolgen 
und Drth, bei fih zum Morgenmahl, um von ihnen zu er— 
fahren, wie er die Gemüter der Kapitularen, insbejondere der 
Priefter, gewinnen Fönne Sie meinten, zunädft follten Herzog 
Ernſt und jein Vater fih bemühen, daß die Mißverſtändniſſe 
zwiſchen Kurfürft und Kapitel vor Salentins Refignation gehoben 
würden, jo wie daß diejer dem Kapitel die rüditändigen Renten 
vergüte. Ernft wies darauf hin, daß Salentin ihm zuliebe bereits 
in die faiferlihe Kommiffion gemwilligt und auf die Koadjutorie 
verzichtet habe; auch fernerhin wolle er jo viel als möglid) ver: 
mitteln, nur jei der Punkt wegen der Rückſtände ſchwierig, weil 
eben die Aheinzölle infolge der niederländifchen Unruhen meniger 
eintrügen. Diejen beiden Wünſchen fügte Swolgen dann noch 
einen dritten hinzu: ſeit langen Fahren, jagte er, hätten fie nur 
Kurfürften und nie einen fonjekrierten Erzbiſchof gehabt; nun wolle 
das Kapitel gern einmal einen wirklichen Bischof haben; fie hätten 
deshalb geihmworen, feinen zu wählen, der ſich nicht zum Prieſter 
weihen laffe; wenn der Herzog dies zu thun veripredhe, würden 
ihm von den acht Priefterfanonifern mindeftens jieben ihre Stim— 
men geben. Ohne abzumarten, was jeine mitanmwejenden Räte 
dazu jagten, antwortete Ernſt ſofort: er jei bereit, nit nur, 
falls ex gewählt, Priefter und Biſchof zu werden, fondern würde 
fi) ſelbſt als einfacher Kanonikus weihen laffen, wie viel mehr 
jegt, da er bereits zwei Bistümer befige; jofort wolle er die 
nötigen Dispenje von Rom verlangen. Die Räte meinten zwar, 
eine Drdination vor der Wahl werde, wenn hernach der ges 
hoffte Erfolg nicht erreicht, verkleinerlih für Herzog Ernſt fein; 
dieſer ließ ſich jedoch nicht irremachen. — Vielleiht war gerade 
infolge der heftigen Dppofition, welche er bei den proteftantiidhen 
Elementen des Kapitels fand, der fatholiihe Eifer jeiner Knaben 
jahre wieder erwacht. 


Die Inftruftion, melde Herzog Albreht jeinem Sohn und 
33% 


516 Sechſtes Bud. Zweites Kapitel. 


deilen Räten mit nad Köln gab, war noch erfüllt von demielben 
Geifte des Mißtrauens in Herzog Ernft, welchen vormals die In— 
ftruftion zur Reife nah) Rom atmete; Ernſts Fehler und Schwä- 
hen: feine Nadhläffigleit im Gebet, feine Unbeftändigfeit im Reden, 
feine Freude an Zrinfereien und am Weidwerk, jein Hang zu 
Verihwendung und Spiel, zu Schuldenmaden und meltlicher 
Leichtfertigkeit, waren in ihr ſcharf hervorgehoben; den zugeordneten 
Räten, namentlih dem Freiherrn von Marlrain als Marſchall 
und Dandorf al3 Hofmeifter, war die ftrengfte Aufjiht über Her— 
zog Ernſt anbefohlen. — Dieje fanden jedod feinen Anlaß zur 
Strenge. Denn Ernft hielt ſich von felbft jo, daß fie nur Rühm— 
liches zu berichten wußten; freili waren au fie jelbft nicht fo 
engherzige und argwöhniſche Zuchtmeifter, wie vordem Fabricius 
und Porzia. Bejonders fanden fie Ernfts Frömmigkeit zu loben: 
er beſuchte fleißig die Kirchen, nahm teil an Prozeſſionen, aſſi— 
ftierte fogar am Fronleihnamsfeft, zur Freude der ganzen Kölner 
Klerifei, beim Hochamt im Dom und jang dabei das Evange— 
lium ). Außerdem benahın er fih freundlich gegen die Edel— 
herren jeiner Partei, würdig gegen die Gegner und Zweifelhaften, 
höflich gegen jedermann, verjäumte aud nicht vor angejehenen Bür- 
gern, namentlid) dem Bürgermeifter Lyslirchen, id) von dem Ver— 
dacht zu reinigen, als fei er mit Salentins Drohungen gegen die 
Stadt einveritanden. 

Ernſts Abfiht, jekt ſchon die Priefterweihe zu empfangen, 
ſchien aud feinem Vater, aus gleihem Grund wie den Räten, 
bedenklih; dagegen drängten der Nuntius und einige Priefter- 
fanonifer auf baldigen Empfang; ihren Gründen und Herzog 
Ernfts entſchiedenem Willen gaben die Räte nad. Bereit3 war 
die Weihe auf den Fohannisabend, die Feier der Primiz auf das 
Feft Peter und Paul feftgefegt, als des Herzogs förperliches Be- 


1) Wiewohl er erft Subbiafon war. Eine Angabe über Herzog Ernits 
Weihe zum Diakon babe ich nicht gefunden; wielleicht unmittelbar vor ber 
Prieftermeibe ? 


Das Ende bed Salentinfhen Planes. 517 


finden einen Aufihub ratſam ericheinen lied. Schon jeit Ende 
Mar fühlte ſich Ernſt infolge eines Aderlaſſes unwohl, bald danach 
zeigte fi) an feinem ganzen Leib, bejonder aber an den Händen, 
ein ichmerzhafter läftiger Ausihlag, der troß allen Salben und 
anderen Mitteln nicht weichen wollte und ihn tagelang ans Zim— 
mer feflelte. Dr. Reiner Solenander, des Herzogs von Jülich 
Leibmedicus, fam und riet, no vor den Hundstagen, wenigftens 
ein paar Wochen lang, Bad Burtſcheid bei Aachen zu gebrauchen. 
Die Räte wünſchten alfo, daß die Priefterweihe bis zu Ernſts 
Rückkunft aus dem Bade verſchoben werde. Aber die Priefter- 
fanonifer und befonder3 Porzia nahmen das jehr übel auf: wenn 
Herzog Ernſt nicht noch vor feiner Abreife ſich weihen lafje, er— 
flärte der Nuntius, jehe er fein Mittel, die gemogenen Kapitu— 
laren, namentlid die Priefter, länger an ihrem Pla zu halten; 
jie würden glauben, man meine e3 nicht ernft, fondern gebe nur 
ihöne Worte, wie die früheren Kurfürften. Ein Anftoß von außen 
fam hinzu: Seit feiner Rüdkunft nah Köln trat au der Dom— 
dehant Anton von Schauenburg al3 Bewerber um die Kur auf; 
die bayrischen Räte meinten, auf Anftiften de3 Dompropftes und 
des Grafen Hermann Adolf von Solms, welche wüßten, daß der 
gute junge Herr ziemlich beichränft fei, und ſolchermaßen feine 
Stimme dem bayriichen Herzog entziehen wollten. Graf Anton 
(ud bereit3 die Priefterfanonifer zu Tiſch ein, bat fie um ihre 
Gunſt und verſprach ich eheftens zum Priefter weihen zu lafien. — 
Kanoniſche Hinderniffe ftanden Herzog Ernſts Weihe nicht mehr im 
Mege, jeitdem die von Rom wiederholt, zulegt durch einen eigenen 
Kurier feines Vaters, für den Fall der freien Wahl geforderten 
Dispenie — zur Weihe außerhalb der gewöhnlichen (Duatember=) 
Zeiten und vor Erreihung des kanoniſchen Alters, ferner zur 
Beibehaltung mehrerer Bistümer — endlid eingetroffen maren. 
So ließ fid) denn Herzog Ernft am frühen Morgen des 19. Juni 
in der GStiftsfirhe St. Gereon, in Gegenwart feiner Räte, zweier 
Priefterfanonifer, des jülihihen Rates Dr. Walter Fabricius und 
einiger anderen Perſonen durd den Kölner Weihbiihof. zum Prie= 


518 Schfted Bud. Zweites Kapitel. 


fter weihen ). — As er naher im Domkapitel erihien, gratus 
lierten ihm jämtliche Prieſterkanoniker „mit jonderem Eifer und 
Freuden‘, der Truchſeß aber „mit wenig Worten und ftillen Ge— 
bärden‘. Am nächſten Zage ſchon trat Herzog Exnft feine Bade: 
reife an, Dr. Gotfrid Gropper erbot ſich inzwiſchen in Köln zu 
bleiben, wohl aufzumerfen und des Herzogs Stelle zu vertreten. 





1) Der Kölner Weihbifhof Dr. Erafchel wird zwar in ben bayrifcen 
Berichten nicht ausdrücklich als Konfelrator genannt, aber aud fein 
anderer; alſo war er es ohne Zweifel. 


3. Kapitel. 
Kurfürſt Salentins‘ Rücktritt. * 


m 


Bei Salentins Wahl im Jahre 1567 hatte ſich gezeigt, daß 
von den beiden höchſten Dbrigfeiten der Kaiſer den größeren Ein- 
fluß auf das Kölner Domkapitel beſaß. Jedoch war aud des 
Papites Macht nicht gering, da ſich nicht leicht einer von den 
Briefterfanonifern jeinem ausgeſprochenen Willen zu widerſetzen 
wagte. Wenn alfo Gregor XII. auf Herzog Ernſts Wahl be= 
ftand, jo waren Ddiefem von den vierundzwanzig MWählerftimmen 
acht beinahe gewiß. Voll Eifer hatte vor nun fieben Jahren 
unter ſpaniſchem Einfluß Papft Pius V. den Gedanken der bay— 
riſchen Succeifion in Köln ergriffen; al3 dann im Jahre 1574 
Kurfürft Salentin den Plan wieder aufnahm, fand derjelbe fo 


*Quellen: Die meiften ber o. Kap. 1 u. 2 angeführten Arcivalien, be- 
fonder8 DA. Domlap.-Protot. Nr 157; Erzbifchöfe. Gebhard Truchfeh 
1a u. db; Köln Domftift 323 ® u. b; Jül.Berg. Polit. Begebenheiten 
Nr. 17. — StA. 38/3 u. 10 bis 14 (namentlih Nr. 13); 399/49 
u. 59; einzelnes 161/3; 230/2; 401/10. — RU. Münfter T. VI. — 
Kr. J. Geiftl. Sachen Fasc. 2 (Briefmwechfel zwiſchen Herzog Albrecht 
und Dr. Fabricius). — Freifinger Akten: Bibl. Föringer. Nr. 3238/9. — 
Dri. loc. 8926. — MA. Erzftift Köln 1577. — DillA. R. 60 und 
Dill. Korr. 1577. — Gebrudt nur wenige® bei Theiner II, 274. 
279sq. Groen van Prinsterer VI, 151. Lacomblet, Ur- 
tundenbud IV, Nr. 580. Aus Herm. von Weinsbergs Gebenf- 
buch (von Ennen) Zeitfhr. f. D. Kult. Geld. 1874, ©. 732. 
Ennen IV, 644. Über Salentins NRefignation in Paderborn 
Strunck (Schaten), Ann. Paderb. ad a. 1577. 


520 Sechſtes Bud. Dritted Kapitel. 


ſehr Papft Gregors Billigung, daß er, aus eigenem Antrieb und 
Salentins Wünjhen zuvorkommend, dieſen ermächtigte, jelbit 
wider den Willen feines Kapitel3 den jungen Bayernherzog zum 
Koadjutor anzunehmen. Mit diefer Erlaubnis in der Hand ge= 
dachte Salentin fein Domtapitel gefügig zu maden. Und nod im 
Januar diefes Jahres hatte Gregor in aller Form den Admi— 
niftrator von Freifing zu Salentins Koadjutor und Nachfolger 
beftellt. — Da trafen, am 30. April 1577, jene Schreiben des 
Domkapitels vom 26. Januar in Rom ein, in melden bittere 
Beichwerde geführt wurde über Salentins Behauptung, daß ihm 
von Papſt und Kaiſer befohlen jei, den bayriihen Herzog auch 
wider des Kapitels Willen zum Koadjutor anzunehmen. Monate- 
lang war das Briefpafet infolge der durch die Peſt verurſachten 
Verkehrsſtockung in Trient liegen geblieben, bis es endlih ein vom 
faijerlihen Hof zurüdkehrender Kurier mit nah Rom nahm. 
Sofort begab fih nun der Agent des Sapitel3, Dr. Leonard 
Voſſius aus Hafjelt, päpftliher Kämmerer, zum Kardinal von 
Como, überreichte die Schreiben und bat zugleih um Kopie jenes- 
Breves, auf Grund deſſen der Kurfürſt die Koadjutorie haupt— 
ählih forderte. Zwar konnte er diefe Kopie nicht gleich be= 
fommen, jedod äußerte fi der Kardinal in einer Weiſe, daß 
Voſſius fih befugt glaubte, ſchon mit der nächſten Poſt feine 
Herren vom Kapitel zu verfichern, es ſei gewiß nit der Wille 
diejes Vapftes, den man megen feiner Milde und feines Eifers 
für die Erhaltung aller alten Privilegien den „ Friedfertigen ‘ 
nenne, dab ihnen ihr Erzbiſchof mit folder Schärfe einen Koad— 
jutor und Nachfolger aufdringe. Verdächtig müſſe ihnen ſchon er= 
iheinen, daß Salentin weder Kopie des Breves mitgeteilt noch 
Einfiht geitattet habe. — Diejes Schreiben traf nod vor Herzog 
Ernft3 Abreife ins Bad Burticheid, Anfangs Juni, in Köln ein 
und machte unter den Kapitularen großen Eindrud. Vor Herzog 
Eruft jowie vor dem Nuntius Porzia wurde der Wortlaut jorg- 
fältig geheimgehalten, was zur Folge hatte, daß beiden ſtark 
Übertriebenes über deſſen Inhalt hinterbracht wurde: Voſſius habe 


Kurfürft Salentins Rüdtritt. 521 


geichrieben, der Papſt jet durchaus gemillt, das Kapitel bei feiner 
freien Wahl zu handhaben, nur auf ſtarkes Anhalten etlicher 
hoben Potentaten und wider feinen eigenen Willen habe er die 
früheren Breven zu Herzog Ernſts Gunften erlaffen. Porzia war 
heftig erzürnt über diefes Schreiben, welches feiner Inftruftion und 
allem, was er bisher gehandelt, widerſpreche und ſowohl feine wie 
des apoftoliihen Stuhles Autorität aufs äußerfte gefährde. Er 
forderte jofort von Rom, daß der verwegene Autor berichtigt und 
beftraft werde. — Vierzehn Tage danad), als Herzog Ernſt bereits 
in Burtideid war, fam jedod ein zweiter Brief von Voſſius, 
ähnlichen Inhalt wie der erjte, aber nody mit dem Zufag, er jei an— 
gemwiejen, dem Kapitel zu verfihern, der Papft wolle ihnen nicht wider 
ihren Willen den Biihof von Freifing zum Erzbiſchof aufbringen, 
jondern verlange nur, daß fie einen flugen und würdigen fatho= 
lichen Mann wählten; eben al3 einen ſolchen habe er ihnen den 
bayriihen Herzog empfohlen; Salentin werde fein Breve vorlegen 
können, welches ihn ermäcdhtige, wider ihren Willen einen Koad— 
jutor anzunehmen; der Papft halte darum auch nicht für nötig, 
jelbft auf das Schreiben des Kapitel3 zu antworten oder ihnen 
die verlangte Kopie zuzuftellen; da fie ſich feit jo langer Zeit nicht 
weiter bejchwert, jei vermutlich ohnehin jegt alles in Frieden. — 
Der wirklihe Grund, weshalb Voifius feine Kopie des Koadjutorie= 
breves befommen und mitſchicken fonnte, war aber der, daß der 
bayriihe Gejandte dies zu hintertreiben gewußt hatte. Dr. Fabri— 
cius bradte es weiter dahin, daß von den beiden Kardinälen, an 
welche die Begleitichreiben des Kapitels gerichtet waren, der eine, 
Madruzzi, nur in den allgemeinften Ausdrüden des Wohlwollens 
antwortete, der andere, Morone, jogar mit einer mwarnten Em— 
pfehlung des Herzogs Ernft: wenn dem Kapitel der Modus der 
Koadjutorie nit genehm ſei, könnten fie diefen ja durch freie 
Mahl zu ihrem Biſchof machen; dadurd würden die Zwiftigfeiten 
mit ihrem jekigen Erzbiſchof am einfachſten gehoben. 

In Köln verfehlten jedoh des Voſſius fede Lügen ihre 
Wirkung nicht. Schon unter dem Eindrud feines erſten Briefes 


522 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


iheint die Antwort abgefaßt, melde das Kapitel am 15. Juni 
durd feine Deputierten, Herr Gebhard Truchſeß, Dr. Smolgen 
und Dr. Kempis, dem Nuntius auf feinen Vortrag vom 8. Mai 
zuftellen ließ. Sie jeien, heißt e3 darin, zu allem ſchuldigen Ge— 
horſam gegen Papft und Staifer bereit; was fie an beide geſchrie— 
ben, bedeute weder irgendwelchen Ungehorſam gegen diefe, nod 
jet es gemeint zur Verachtung des Herzogs Ernſt, den fie jelbit 
größerer Ehren für würdig eradhteten, ſondern nur zu pflicht: 
ihuldiger Verteidigung der Freiheit ihrer Kirche. Wenn ihnen der 
apoftoliihe Stuhl ihre freie Wahl laſſe, wollten fie bei der künf— 
tigen Sedispalanz der väterlichen Ermahnung St. Heiligkeit ein— 
gedenf fein, fomweit dies mit den kanoniſchen Satzungen, Kon— 
zilien, Sonkordaten der deutichen Nation, Statuten, Gewohnheiten 
und Privilegien ihrer Kirche vereinbar. — Porzias mündliche Ant- 
wort, worin er das Kapitel neuerdings aufforderte, nad) dem 
Willen von Papft und Kaifer den bayriſchen Herzog zum Biſchof 
anzunehmen, wurde nachher von Gebhard Truchſeß als Agitationg: 
mittel gegen dieſen jelbit benußt. 

Mehr nod) befeftigte Voſſius' zweiter Brief die Kapitularen 
in ihrem Entihluß, ſich feinen Schritt vom Wege der freien 
Mahl abdrängen zu lafjen. Dr.-Gotfrid Gropper meldete dem 
Herzog, die Gegner im Kapitel wollten fi) nunmehr in Rom be: 
ftätigen laffen, daß der Stoadjutorieplan nit vom Papfte ausge: 
gangen jei, und alsdann ihren Kurfürften bei anderen Kurfürften 
und Fürften wegen Eidbruches verklagen, ihn aber (Gropper) als 
Salentins Vermittler ohne weiteres aus dem Kapitel ſtoßen. — 
Auch jonft hatte Gropper wenig Erfreulihes nad Burtiheid zu 
berihten: Graf Ludwig von Wittgenftein verweile nebit einem 
Grafen von Falkenftein zu Köln im Haufe feines Bruders, des 
Dompropftes, wo fie viel mit dem Domdechanten praftizierten, um 
diejen von Herzog Ernſt abzuziehen; andere Grafen, darunter aud 
Hermann von Neuenar, würden zu Köln erwartet: Ein Her, 


1) Einem Grafen von Falfenftein begegnen wir fonft nie in dieſen Hän- 


Kurfürft Salentins Nüdtritt. 523 


auf den man fi bisher feſt verlaffen habe, Elage, daß ihm der 
Kurfürjt nicht Halte was verſprochen, und daher, „duro necessi- 
tatis telo verwundet ‘, am Ende genötigt fein werde, wider Abjicht 
und Neigung zu handeln; der Afterdehant Thengen ſei verleft, 
weil Salentin ihn jüngft in Weſtfalen jchledht empfangen habe; der 
Kurfürſt ſelbſt aber fühle fi dadurd) beleidigt, dal Geſandte von 
Don Juan Y’Auftria jüngft zu Köln geweſen feien, ohne ihn anzu: 
iprehen; das faſſe er ſo auf, als wolle man ihn von bayriicher 
Seite jegt ganz umgehen. 

Der „vom Pfeile der Not verwundete‘ Herr war Johann 
Daniel von Winneburg, welder in ſchweren Schulden ftedte und 
mit Pfändung bedroht war. — An Praktiken der Wetterauer 
Grafen fehlte es in der That nicht: auf ihre Bitten bemühte ſich 
Pfalzgraf Johann Kaſimir bereits jeit Anfang Juni, feinen Bru— 
der den Kurfürften zu der geplanten Sendung an Kurfürft und 
Kapitel von Köln zu bewegen. Zum jelben Zwed fanden ſich 
einige Wochen jpäter Johann von Naffau und Konrad von Solms 
in Perſon bei Kurfürft Ludwig und dem mit ihm befreundeten 
Grafen von Henneberg im Bad Ems ein. Im Laufe des Juli 
kam Graf Johann mit mehreren Grafen von Solms und den 
Gejandten anderer Wetterauer Grafen wiederholt in Braunfels 
zufammen, wo fie beſchloſſen, Hhauptjählih wohl um Kurfürft 
Ludwigs Zaudern zu überwinden, die anderen Pfalzgrafen, na— 
mentlid Johann Kaſimir und Reichard, ſowie die heſſiſchen Land— 
grafen in aller Form um ihre Teilnahme an der gewünſchten 
Geſandtſchaft nach Köln zu erſuchen. Von Braunfels aus ging 


dein; Gropper irrt ſich alſo wohl im Namen; vielleicht iſt einer von Witt- 
genſteins Schwägern, von Solms gemeint. Am 15. Juni jhreibt Graf Ludwig 
an feinen Bruder (Tagebuh Nr. III. Berleb. Bibl): „Ich wil initio Julii 
nah Eoln, bit Solms [d. t. Graf Hermann Adolf?) und Drures ufzu=- 
halten.” — Bon Ende Juni bis zum September fehlen in Graf Ludwigs 
Tagebuch alle Einträge; war er vielleicht die ganze Zeit über in Köln? — 
Zum 12. Juli wird in den Domfap.-Protof, (DA.) erwähnt, daß damals 
Graf Hermann von Nenenar zu Köln fih aufbielt. 


524 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


Graf Zohann nah Marburg, wo es ihm endlich gelang, Land— 
graf Wilhelms bisherige Gleihgültigfeit in der Wahlſache zu bre- 
hen. Kurfürft Ludwig dagegen brachte es zu feinem Entſchluß; 
von Natur ängftlih, trug er Bedenken, gleih im Anfang jeiner 
Regierung ohne feine Mitkurfürften irgendetwas Ungemöhnliches 
zu thun. Nachher bot ihm freilich die jetzt beobachtete Neutra- 
lität willlommenen Anlaß, ji der auf Grund ihrer Verwandt- 
ſchaft geftellten Bitte des bayriichen Herzogs um feine Fürſchrift 
für Herzog Ernſt zu entziehen. 

Der Hauptgrund der von Gropper gemeldeten tiefen Ver— 
ftimmung Salentins war die Einfiht, da er nunmehr von Papft 
und Kaiſer vollftändig im Stiche gelaffen ſei, folglih nicht mehr 
hoffen dürfe, die verhaßten Domkapitularen zum Gehorfam zu zwin- 
gen. — Der ſchriftliche Befehl des Kaiſers, welchen Salentin jüngſt 
von deſſen Gejandten Hans Breuner gefordert, hatte nicht lange 
auf ſich warten laffen. Ende Juni, als Salentin wieder einmal aus 
Weitfalen an den Rhein gekommen war, erfuhr er, eigene failer- 
lihe Kommiffare jeien abgeordnet, um zwiſchen ihm und feinem 
Kapitel zu vermitteln, zugleih aber um ihn zu ermahnen, frei zu 
tefignieren und des Kapitels ordentlihe Wahl nicht zu hindern ?). 
Was Voſſius aus Rom geichrieben, wußte Salentin ohne Zweifel 
durch feinen Vertrauten, Dr. Gropper. — Daraufhin ließ er Anfangs 
Juli den Freifinger Kanzler, Dr. Römer, nad) Kaiferswerth fommen 
und führte vor ihm, in Gegenwart feines Kanzlers Burkhart, 
bittere Klage über das Benehmen der beiden höchſten Häupter: 
beide feien ihren eigenen früheren Befehlen und Zuſagen untreu 
geworden; freilich habe Kaiſer Rudolf ſchon vorher, während er ji 
Öffentlich für Ernſt erklärt, heimlich für einen feiner Brüder prak— 
tizieren laffen und ähnlid der Papft für Erzherzog Ferdinands 
Sohn. Wenn Papft und Kaiſer es ernft gemeint, hätten fie er— 


- 1) Die Inftruttion ber kaiferlihen Kommifjare kenne ich nur aus bem 
lateinifhen Auszug bei Theiner 1. c., welcher ziemlih genau zu fein 


ſcheint. 


Kurfürft Salentins Rüdtritt. 525 


klären jollen, das Kapitel werde, wenn es nicht den Nüglichften 
und Würdigiten wähle, Konfirmation und Regalien nicht erlangen; 
ftatt deffen fordere die neue kaiſerliche Kommilfion nicht? anderes 
al3 feine Refignation und freie Wahl für das Kapitel, welches 
dadurd nur in feiner Anmaßung beftärkt werde. Er ſei bereit, 
eheſtens zu vefignieren,; jollten dann aber er und das Haus 
Bayern einen Schimpf erleiden, jo würden Papft und Kaiſer aud) 
nicht leer ausgehen. Auch über feine geiftlihen Mitkurfürften bes 
ſchwerte er fi, weil fie fonnivierten und dijfimulierten. Zwiſchen— 
drein ereiferte er fi nad) feiner Gewohnheit über fein Domfapitel 
und die Pfaffen überhaupt: kaum eine alte Gans würde er 
den leichtfertigen, gemifjenlofen, mehrernteil3 ketzeriſchen Kapitu— 
laren anvertrauen, geſchweige denn dieſes hochlöbliche vornehmfte 
Erzitift. Er habe aber dem Mainzer Erzbiihof ins Geficht ges 
jagt, wenn durch ſolche Nadhläffigleit ihm und dem Haufe Bayern 
Schimpf und Spott erfolge, wolle er den Schimpf rächen, alle 
böſen Buben, fie feien Galviniften oder welcher Religion fie woll— 
ten, al3 den Caſimirum und dergleichen, jo ihm hierzu rechte Geſellen 
jein würden, an fi hängen, das ganze Stift mit Brand und 
Mord verheeren und verderben, aud alle Pfaffen und ihn, den 
Mainzer ſowohl als andere vertreiben, auf daß fie ſähen und ihren 
Lohn empfingen, weil fie jeßt zur Zeit, da fie den fatholiichen 
Glauben erhalten und Ihügen könnten, jchliefen und ftille ſäßen. — 
Nachdem er alio feinem Zorne Luft gemacht, gab er den Wat, 
man jolle dafür forgen, daß die faiferlihen Kommifjare zur Zeit 
feiner Refignation, d. h. etwa Ende Auguft, alle Kapitularen 
zufammenbejchrieben; dann könnten fie denjelben verſprechen, falls 
man dem Kaifer — duch Wahl des bayrischen Herzogs — folge, 
würden fie vermitteln, daß nachher die Irrungen zwiſchen Kurfürft 
und Kapitel fallen gelaffen würden. In die Wahlfapitulation 
dürfe man davon nichts, vor allem nicht die Zonjer Sache kom— 
men laſſen. Er für jeine Perſon habe feine Luft mehr, megen 
der politiihen Händel mit den hocdhmütigen und ungehorfamen 
Kapitularen fi einzulaffen. 


526 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


Daß es Salentin mit dem, was er dem Freifinger Kanzler 
jagte, ernft war, zeigte ſich bald danach, als, am 18. Juli, die 
faiferlihen Kommiſſare, Wolfgang Kämmerer von Worms genannt 
von Dalberg, Dompropit zu Mainz, Andreas von Oberitein, 
Domdehant zu Speier, und Dr. Hegenmüller bei ihm in Bonn 
anlangten ). Auch vor ihnen beichwerte er fid) bitter, daß man 
ihn jest zumute, Leuten, wie diefe, die Wahl frei anheimzugeben, 
nachdem er fi früher, auf Befehl des Papſtes und mit Willen 
und Willen des verftorbenen Kaiſers, jo lange bemüht, den Frei: 
finger Bischof zu feinem Nachfolger zu maden. Er ſei bereit, 
dem neuen Befehle gemäß, ohne einen Pfenning zurüdzubehalten, 
frei zu vefignieren,; die Verantwortung für die Folgen lehne er 
aber von fi ab. Wenn die Kommiffare nad) Köln Hinabzögen, 
würden fie jehen, wie die Leute beichaffen und was fie mit ihrer 
bloßen Empfehlung für Herzog Ernſt bei denſelben ausrichteten. 
Eine Unterhandlung zwiſchen ihm und jeinem Sapitel jei über: 
flüffig, denn die Zonſer Sade ſei vehthängig, und von /anderen 
Irrungen wiſſe er nichts. — Damit ließ er die Kanoniker ſitzen 
und ritt in jeinem Groll von dannen, nad feinem Schloß 
Arenfel3. 

Die Kommiffare aber zogen andern Zags nad) Köln, wo fie 
von den Epdelherren nur Dechant und Afterdehant, den älteren 
Solms und’ den älteren Winneburg, ſowie den Truchſeſſen fanden. 
Eine Vollmacht, das ganze Kapitel zu citieren, hatten fie nicht; 
jo beſchränkten fie fich darauf, die anmejenden Kapitularen einzeln 
anzuiprechen und jedem gemäß ihrer Inſtruktion zu verlihern, daß 
der Raifer das Kapitel bei feiner freien Wahl handhaben werde. 
Daneben empfahlen fie die Wahl des bayriichen Herzogs. Geb: 


1) Herzog Albrechts Anfinnen an den Kaifer, daß Salentins geiftliche 
Mitturjürften und Graf Otto Heinrih von Schwarzenberg zu Kommijjaren 
ernannt werben follten (vgl. o. ©. 510), war, als zu fpät erfolgt, abgelehnt 
worden. Übrigens verficherte wenigſtens Dr. Hegenmüller fhon im voraus, 
er werde e8 an Gifer zu Herzog Ernft8 Gunften richt fehlen Taffen. 


Kurfürft Salentins Nüdtritt. 527 


hard Truchſeß und der Dedant antworteten ausweichend, die 
anderen meiſtens günftig für Herzog Ernft; einmütig aber erklärten 
alle, diefem habe niemand mehr geihadet al3 der Kurfürſt jelbft 
mit feinem rauhen Wuftreten und der Nuntius mit feinem 
Eifern gegen die freie Wahl. Porzia jelbft, mit welchem der 
ihm von früher her befannte Speirer Domdechant zunächſt allein 
ſprach, dachte nicht jo: Allerdings Hatte er ich ſelbſt gegen 
Salentins Koadjutorieplan erklärt, aber durchaus nicht in der 
Meinung, dag man darum dem Kapitel die Wahl ganz frei laffen 
jolle. Die Kommiſſare hätten entweder das Zugeftändnis freier 
Wahl an die ausdrüdlihe Bedingung fnüpfen follen, daß fein 
anderer als der von Papft und Kaifer Empfohlene gewählt werde, 
oder hätten wenigftens zuerft den Herzog Ernſt empfehlen und 
erſt nachdem jie feinetwegen Gewißheit erlangt, die freie Wahl ge— 
ftatten follen. Die Art, wie fie jegt verführen, fei für den apo— 
ſtoliſchen Stuhl und für ihn ſelbſt höchſt verlleinerlich; zudem 
würden Bayerns Gegner im Kapitel dadurch nur um To beherzter, 
Ernfts Ausfihten aber verichlehtert. Zum Beweis hierfür berief 
fi) Porzia in einem Briefe an Herzog Albredt auf das Benehmen 
des Truchieffen: wenn diefer nicht ficher darauf rechnete, im Falle 
freier Wahl jelbft gewählt zu werden, würde er gewiß nicht 
wagen, durch offene Dppofition gegen Herzog Ernft der Ungnade 
de3 Herzogs von Bayern und des Erzherzogs Ferdinand fi aus— 
zuſetzen. 

Inzwiſchen waren, am 23. Juli, Herzog Ernſt mit dem Herrn 
von Marlvain und Dr. Römer aus Burticheid, Dandorf aus 
Bid Spaa zurüdgelommen und verhandelten nun aud mit den 
faiferlihen Kommifjaren. Herzog Ernſt meinte anfangs, Ähnlich wie 
der Nuntius, weil die Kommiffare vor verjanmelten Kapitel noch 
nichts vorgebracht, könnten jie aud) jegt noch die Wahlfreiheit dahin 
einichränfen, daß es Papſt und Kaiſer unbenommen bleibe, jederzeit 
vor, in und nad der Wahl von ihrer Autorität Gebrauch zu 
machen. Aber die Kommiljare ftellten ihm vor, daß fie gerade 
duch ihre Verfiherung, Herzog Ernſt ſei ſchuldlos an dem ver— 


53 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


ſuchten Zwang, ihm die Gemüter mancher Kapitularen wieder ge= 
wonnen hätten; denn dieje jeien alle feft entichloffen, lieber das ganze 
Stift zugrunde gehen, al3 ihre freie Wahl ſich nehmen zu lafjen; 
fie, die Kommifjare, wollten ſich alle Mühe geben, Kurfürft und 
Kapitel auszuföhnen und deswegen nad Bingen reifen, wo dem— 
nächſt (Hauptjächlidy wegen der Aufnahme des neuen Pfälzer Kur- 
fürften in das Kurfürftenfolleg) ein Kollegialtag der vier- rheinischen 
Kurfürften ftattfinden jollte, wollten endlih Herzog Ernſt zuliebe 
noch vor der Refignation wieder nad Köln kommen. — Schließ— 
lich erklärten fi Herzog Ernft und feine Räte mit der Anficht 
der Kommifjare völlig einverftanden ; auch der Nuntius, behaupteten 
diefe, habe ſich zulegt mit ihnen verglichen. Porzia jelbft wider: 
ſprach dem freilich: er habe nur gejagt, wenn die Kommiſſare jo 
beftimmte Befehle von 8. Mt hätten, gebühre ihm nicht dicjelben 
zu tadeln. — Auf Herzog Ernfts Wunſch ſprachen die Kommiſſare 
aud mit einigen vornehmen Bürgern, zunächſt mit dem einen 
Stadtiyndifus Dr. Betdorp, welcher fih aus Anlaß der Kaiſers— 
werther Drohreden Salentins jehr ſcharf gegen Ernſt und für die 
Mahl eines der Stadt genehmen Biſchofs ausgeiprochen hatte; — 
ferner mit den beiden Bürgermeiftern Lyskirchen und Pilgrum !). 
Lyskirchen gab zu, es jei allerlei geredet worden, jedod nicht im 
Stadtrat ſelbſt; diefer ‚werde fi gewiß nicht in die Wahl ein- 
mischen, oder dem Kapitel Ma und Drdnung geben wollen; wohl 
aber würden jie auf dem beftehen, was altes Herkommen. 

Gleich danah, am 26. Juli, brachen die failerlihen Kom: 
miffare nah Bingen auf, um dort nod vor Salentins Ankunft 
die Kurfürften von Mainz und Zrier um ihre Vermittelung zu 
erjuchen. Während des Kollegialtags gab ſich befonders der alte 
Huge Mainzer Kurfürft alle Mühe, Salentin einem Ausgleid) mit 
jeinem Kapitel geneigt zu ftimmen. Jedoch brachten er und die 


1) Nah Gelenius |. c., p. 639 waren Meldior von Mülheim und 
Gerharb von Pilgrum die regierenden Bürgermeiſter des Jahres 1577, 
Mülheim wirb jedoch im unferen Alten nie genannt. 


Kurfürft Salentins Nüdtritt. 529 


beiden anderen Kurfürſten trog mehrtägigem Zureden bei Salentin 
nicht viel mehr zumege, als diefer ohnehin ſchon auf die Auf- 
forderung des Kaiſers hin zugefagt hatte: nämlich daß er binnen 
einem Monat frei refignieren und die Kapitularen an ihrer ordent: 
lichen neuen Wahl nicht hindern wolle; diejen feinen Entſchluß 
önnten Mainz und Trier feinem Kapitel in aller Form mitteilen 
und dasjelbe auffordern, zum Behuf jeiner Refignation alle Ka— 
pitularen auf den 4. September zu berufen. Außerdem gab er 
noch zu, daß fein Streit mit der Stadt wegen der Zollerhöhung 
niedergefchlagen und alles beim Herlommen gelafien werde. Von 
einem gütlihen Vergleich mit feinem Kapitel wollte er dagegen 
nah wie vor nidht3 hören ?). 

Im Auftrag der Wetterauer Grafen fand fih Dr. Schwarz 
zu Bingen ein, um nochmals bei Kurfürft Ludwig die gewünſchte 
Sendung an Kurfürft und Kapitel zu betreiben, konnte jedoch 
feine perſönliche Audienz erhalten; es ſeien, Hagte er, in Ludwigs 
Umgebung Leute, melde dem Grafenitand entgegenarbeiteten, 
wenngleich es auch nit an guten Freunden fehle. Noch immer 
aber meinte Dr. Schwarz, Salentin ſuche jegt nur durd gute 
Morte die Gegner fiher zu madhen, um inzwilchen feinen Willen 
deſto bejjer zu erreihen. Da nun Kurfürft Ludwig allein, ohne 
andere evangelische Fürften nichts thun wolle, und bisher nur die 
Pfalzgrafen Reihard und Johann Kafimir ſich bereit erklärt, ſollten 
die Grafen nochmals den Landgrafen Wilhelm und andere Herren 
erſuchen, an der geplanten Gejandtihaft teilzunehmen. Man 


1) Am 30. Mai hatte Salentin das Kapitel aufgefordert, zum 17. Juli 
in Kaiferswertb fih einzufinden, um feiner Rechnungsablage beizumohnen; 
„und wiewol wir baßelbig von recht oder gewonheit wegen zu tun nit 
ſchuldig, fo wollen wir e8 gleihwol darumb nit umbgehen, damit ir funftigf- 
lich nit zu fagen, wir hetten dieſem erzftift mit wie fich geburt furgeftanden“, 
Am 14. Juni antwortete das Kapitel, der Kurfürft möge zu Köln, in Perfon 
ober durch feine Räte, Rechnung legen. DA. Köln Domftift 3238, 
fol. 275ff. Diefer Briefwechlel hatte jedenfall bie gegenfeitige Verbitterung 
noch verſchärft. 

Loſſen, Köln. Kricg 1. 34 


530 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


erreichte denn auch wenigitens jo viel, daß Landgraf. Wilhelm um 
die Zeit der angekündigten Refignation Salentins einen Rat feines 
Bruders Philipp von Heifen-Aheinfels nah Köln zum Dompropft 
ſchickte und als Nachbar die Neuwahl eines Herrn empfehlen lieh, 
welcher zwiichen den beiden im Reiche zugelafjenen Religionen die 
goldene Mittelftraße (auream mediocritatem) zu halten wife. — 
Dagegen bradte damals Kurfürft Auguft von Sadjien, auf 
dringendes Erſuchen jeines Freundes, des bayriidhen Herzogs, feine 
frühere Fürihrift für deſſen Sohn dem Kölner Kapitel wieder in 
Erinnerung )). 

Die bayriihe Partei, welhe wußte, daß Salentins Binger 
Erklärung aufrihtig gemeint, demnad die freie Wahl nicht länger 
zweifelhaft war, gab fi nun daran, unter Anleitung des Dr. Grop= 
per, mit dem kurkölniſchen Kalender in der Hand, jede einzelne 
Mühlerftimme zu prüfen, ob fie borausfihtlih für oder gegen 
Herzog Ernſt in die Wagichale fallen werde, die ſicher geglaubten 
zu beftärfen, Zweifelhafte zu gewinnen. Von den 24 Wählern ?) 





1) Auf Rat des Kurfürften Auguft erfuchte Herzog Albreht auch den 
Brandenburger Kurfürften um ein Fürfchreiben für feinen Sohn (26. Juli) 
und erhielt fpäter ein ſolches (datiert 23. Dftober) gegen fein eigenes Er- 
warten, benutte e8 jeboch nicht. 

2) Die 24 Kapitularen waren damals, nah dem Rang und der An— 
cienmetät: 1) Anton Graf zu Holftein-Schauenburg, Domdechant; 2) Ehri- 
ſtoph Ladislaus von Thengen, Graf zu Nellenburg, Afterbehant; 3) Fried- 
rich, Herzog zu Sadjen- Lauenburg, Chorbiihoi; 4) Johann, Graf zu 
Mandericheid-Blanfenheim, Biſchof von Straßburg, Scholafter; 5) Reinhard, 
Graf zu Solms, Domfuftor und Senior - Diakon; 6) Philipp, Graf zu 
Danderjceid- Keil, Junior-Diaton; 7) Wilhelm, Graf zu Salm-Keiffericheid ; 
8) Hermann Adolf, Graf zu Solms; 9) Hermann, Graf zu Holftein- 
Schauenburg, Bilhof von Minden; 10) Johann Daniel, Freiherr von 
Winneburg; 11) Johann, Freiherr von Winneburg; 12) Gebhard Truchſeß, 
Freiherr von Waldburg; 13) Johann, Graf zu Salm-Reifferfcheid; 14) Hein- 
ri, Herzog zu Sadien- Lauenburg, Poftulierter von Bremen und Osna— 
brück; 15) Philipp, Graf von der Dart; 16) Exrnft, Herzog von Bayern, 
Apminiftrator von Hildesheim und Freifing; 17) Profeſſor Sebaftian No— 
vimola (Nyermol) von Duisburg, Senior, Paftor von St. Kolumba; 
18) Dr. Konrab Orth von Hagen, Subjenior, Dedant von St. Georg; 


Kurfürft Salentins Ridtritt. 531 


glaubte Herzog Exnft 13 bereit3 ſicher für fi zu haben oder doch 
zu befommen; nämlich 8 Edelherren: Dechant und Afterdechant, 
den älteren Solms und den älteren Winneburg, beide Reiffer— 
icheid, den Bremer Erzbiihof und Philipp von der Mark, und 
5 Doltoren: Orth, Smwolgen, Gropper, Winkel und Walſcharz. 
Einige unter diejen hatten früher als Freunde des Straßburger 
Biſchofs gegolten; da diefer aber feine Ausfichten habe, würden 
fie, meinte man, lieber dem bayriihen Herzog als einem andern 
zufallen. — Johann von Manderſcheid fonnte nämlich, da er bereits 
ein Bistum beſaß, nad) kanoniſchem Recht nicht gewählt, ſondern 
nur, mit Zweidrittelmajorität, poftuliert werden. Um hierin jicher 
zu gehen, bat Herzog Ernſt ſowohl den Nuntius wie feinen Vater, 
dafür zu forgen, daß nit etwa auch Biihof Johann dur eine 
Dispens von Rom wählbar werde, wie er jelbit es geworden mar. 

Den Domdehanten, der fih, wie wir jahen, eine Zeit lang 
jelbit Hoffnung auf die Wahl gemacht, meinten Xhengen und 
Gropper davon abgebracht zu haben; Zhengen ließ fih von ihm 
in die Hand veripredhen, daß er ebenjo wie Thengen ftimmen 
werde. — Der ältere Solms hatte fi wiederholt offen für Bayern 
erflärt; doch mwollte man ihn und Graf Hermann Adolf durch 
ihren älteren Bruder, den weſtfäliſchen Landdroſten, noch weiter 
bearbeiten. — Die beiden Reifferihei und Philipp von ver 
Markt hatten ſchon vordem dem Kurfüriten ihr Wort gegeben, 
feinen andern als Ernſt zu wählen. Dieſes Verſprechen erneuerte 
Johann von Reifferiheid, als er Anfangs Auguft nah Köln fam, 
auch gegen Herzog Ernſt ſelbſt. — Den älteren Winneburg ver: 
pflichtete fi) der Herzog, indem er ihn durch ein geheimes Ge— 
ihent von 150 Thalern von der drohenden Pfändung durd) feine 
Gläubiger befreite. — Des Bremer Erzbiſchofs wähnte man durd) 


19) Dr. Johann von Swolgen, Dechant von St. Andreas; 20) Dr. Gotfrid 
Gropper; 21) Dr. Johann Kempis, Offizial; 22) Dr. Hermann Wintel; 
23) Profeſſor Johann Walfharz von Tongern; 24) Lic. Paul von Kuchoven, 


Regent bes Laurentianum. 
34* 


532 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


das Hinhalten in der münfterihen Sache noch immer ficher zu fein, 
wurde jedoch mährend des Monats Auguft durch Kurfürft Salentin 
enttäuscht. Allerdings, ſchrieb Salentin, ſei Erzbiichof Heinrich vor: 
dem, auf fein Begehren, gegen Herzog Ernſt wohl affektioniert geweien, 
babe nun aber infolge der römischen Praktiken fein Gemüt geändert, 
fo daß e3 vergeblid) jet, weiter in ihn zu dringen, falls man nicht 
die münſterſche Sache auf beſſern Weg richten könne. Der Erzbiidof 
jelbft wiederholte um dieſelbe Zeit in einem Brief an Kurfürft 
Auguft feine frühere Erklärung, daß er dem Freilinger Biſchof 
feine Stimme nicht geben könne. — Zu den Zweifelhaften zählte 
man auf bayriſcher Seite namentlich den geiftig beichränften Grafen 
Philipp von Manderſcheid-Keil. Man hoffte ſich feiner durch den 
Herzog von Jülich, den Zrierer Dompropft Johann von Schönen: 
burg, die gefürftete Gräfin von Arenberg und andere bei ihm ein 
flußreiche Leute zu verfihern. Außerdem reifte, auf Herzog Ernſts 
Wunſch, Philipps Better, Hans Gerhard von Manderſcheid— 
Gerolftein, eigens zu ihm und brachte eine ziemlid) befriedigende 
Antwort zurüd. Übrigens, meinte Hans Gerhard, werde ſein 
Vetter, bei feiner ihm befannten „Komplexion“, ſchließlich ver 
Mehrheit beifallen. — Auch auf die Stimme des Chorbiſchofs 
machte Johann von Reifferſcheid Hoffnung, die aber jonjt nicht 
geteilt wurde. — Den Straßburger Biſchof erinnerte Herzog 
Abreht im Juli nod einmal an deſſen frühere Zufagen und bat 
ihn, feinen ſchuldloſen Sohn nicht entgelten zu laffen, was zwiſchen 
Salentin und dem Biſchof Widriges vorgefallen, wurde aber 
mit den üblichen frommen Redensarten abgeſpeiſt. — Gebhard 
Truchſeß jollte zwar, wie jein Bruder Karl verfiherte, gegen die 
bayriihen Herzöge jegt noch ebenjo gejinnt jein wie früher; ernit- 
li aber konnte man auf ihn, den gefährlichiten Rivalen, nicht 
rechnen. Man erfuhr vielmehr, daß er während des Herzogs Ab: 
weſenheit von Köln ji jehr bemüht habe, den Dr. Swolgen beim 
Trunk von der bayriichen Seite weg auf feine eigene zu ziehen; 
ähnliche Verfuche machten Gebhard und feine Brüder nachher aud 
bei dem Afterdechant Thengen. — Bon den Siebenprieftern er: 


Kurfürft Salentinsg Rüdtritt. 533 


klärten ſich Kempis und Kuchoven zwar nicht geradezu gegen Her— 
zog Ernſt, doch wußte man, daß beide beſondere Freunde des 
Truchſeſſen waren; ſelbſt an der Zuverläjligfeit des Dr. Winkel, 
in deſſen Haus der Truchſeß wohnte, zweifelte der Nuntius eine 
Zeit lang. — Kaum irgendwelhe Hoffnung machte man fi auf 
die Stimme des Seniors Novimola (Duisburg): „Mit dem‘, 
ſchreibt Ernft an jeinen Vater, „it Mühe und Arbeit verloren, 
qualibus enim moribus, tali etiam ingenio et natura praeditus 
est.‘ — Im ganzen, rechnete man, würden, da die Kandidaten 
fi nicht Selbft wählen durften, gegen die 13 Stimmen de3 Her: 
3098 Ernft nur 9 für den Truchſeß oder den Straßburger Biſchof 
in die Wagichale fallen. 

Mittelbar, meinte Dr. Gropper, könne Bayerns Sade be= 
fördert werden, wenn die kölniſche Nitterichaft das Domkapitel 
ermahnte, ihre Neuwahl zu beichleunigen; Herzog Ernſt ſprach 
alſo hierum den einflugreihen Hofmarihall Autger von der Horft 
in Köln an. — Um die Vorurteile der Kölner Bürgerichaft gegen 
das Haus Bayern zu befümpfen, lud der Herzog die Bürgermeifter 
und andere angejehene Ratsherren zu Tiſch und lehnte bei diefem 
Anlaß jede Mitihuld an Salentins Drohreden von fih ab. Dem 
Nuntius gegenüber ſprach fi) denn aud nachher der eine Syn— 
dilus, Dr. Steinwich, jehr verjchieden von jeinem Kollegen Dr. Betz- 
dorp, ganz beruhigend aus über die Gefinnung des Rates gegen 
Herzog Ernit. 

Viel erwartete man bayrijcherjeit3 von einer Vermittelung der 
Kurfürften von Mainz und Zrier. Teilweiſe ihretwegen ging der 
bayriihe Kanzler Eljenheimer Anfangs Auguft jelbft nah Wien 
an den kaiſerlichen Hof und bradte es, mit Hilfe des unlängjt 
zum Vizekanzler beförderten Dr. Vieheufer wirklich dahin, daß der 
Kaiſer den beiden Kurfürften eine neue Kommiljion zu Herzog 
Ernſts Gunften übertrug }). 





1) Aus Wien ſchreibt Elfenheimer an feinen Herzog u. a. (StA. 38/3, 
fol. 130): „Sonft ift Dr. Viehauſern von Eoln hieher geſchriben worben, dz 


534 Sechſtes Buch. Drittes Kapitel. 


Über die Praktiken der Gegner des Hauſes Bayern 
wiſſen wir aus diejer Zeit nur wenig; frühere Gerüchte über 
ein beabjihtigtes thätlihes Einmiſchen proteftantiicher Fürſten 
waren von dem Augenblick an veritummt, da feititand, daß des 
Kapitels freie Wahl nicht gehindert fein werde. Sodann trug 
das Einreigen der Peſt in Köln dazu bei, daß man wenig zu 
einander fam und darum auch wenig von einander erfuhr. Am 
9. Auguft citierte das Domkapitel, gemäß der Aufforderung von 
Mainz und Zrier, wegen Salentins angekündigter Refignation alle 
Abweienden auf den 4. September und bewilligte zugleid bis 
dahin wegen der Veitgefahr einen allgemeinen Urlaub, von welchem 
die Edelherren alsbald Gebraud machten. Auch Herzog Ernſt mit 
den Seinen und der Nuntius Porzia begaben ſich fort aus der 
ungeſund gewordenen Stadt, Porzia nad) der Giftercienjer= Abtei 
Altenberg im Bergiihen, Ernft nah Schloß Bensberg, unmeit 
davon, zu jeinem Oheim Herzog Wilhelm, der ihn freundlich 
willtommen bie und zu den Jagden in der Umgegend mitnahm, 
ohne übrigens das Gejchäftliche darüber ganz außeracht zu laſſen. 
So wurde der ebenfalls am Jülicher Hof verweilende Graf Rein— 
hard von Solms ſowohl von Herzog Wilhelm, wie von Emft 
jelbft neuerdings um fein Votum angeiprodhen und gab die beiten 
Zuſagen, fogar auf Ehrenwort. Ferner wurde in Bensberg der 
kölniſche Erblandmarſchall gebeten, für Abkürzung des Wahlter- 
mins ji) zu bemühen. Auch an Graf Hermann von Neuenar, 
als Erbhofmeifter des Erzitifts, ließ Herzog Wilhelm, ungeachtet 


e. f. ©. fon 14 vota haben fol, gleichwol fei fih mit gar allerding barauf 
zu verlaflen, dan f. 5. G. nit wenig hinderlich fein moct: erſtlich das f. f. ©. 
ein geborner furft und fi) die graven one das fer beklagen wie fi burdh bie 
furften undergedrukt werden; am anbern bes konigs aus Hispanta und 
berzogen von Gulich befurberung, dan man ſich beforgt, ire f. G. mochten 
buch gedachts fonigs und herzogen favor gar zu gewaltig im ftift werben 
und villeicht wil ding mit gebulden, fo fonft ein gemainer erzbifhon vom 
gravenftant tun müß; und ban zum britten, dz e. f. ©. in ber religion fer 
affectiontrt unt aller feger primarius abverfarius feien.“ 


Kurfürft Salenting Rücktritt. 535 


der Gegenbedenfen der bayriihen Räte, durch den Kicentiaten 
Louwerman das gleiche Anfinnen richten, — denn feine Näte, 
Schwarzenberg, Drsbed, Langer, meinten, wenn Herzog Wilhelm 
den Grafen al3 jeinem Lehensmann fein Gemüt eröffne, werde 
diejer wenigitens, aus Furcht vor des Herzogs Ungnade, jeine 
Praktiten gegen Bayern nicht mehr fo ungeicheut treiben. 
Graf Hermann entichuldigte ſich mit allgemeinen Redensarten. — 
Einen andern Lehensmann, den Grafen Jobſt von Schauenburg, 
ließ Herzog Wilhelm damals um das Votum des Domdedanten, 
feines Vetters, anſprechen; endlich ließ er auch den Paſtor von 
St. Columba, Novimola, duch deſſen Duisburger Verwandte als 
feinen Unterthan bei Vermeidung feiner Ungnade auffordern, für 
Herzog Ernſt zu ſtimmen; Novimola redete ſich jedoch aus mit 
jeinem Eid und den Statuten des Stifts, weldhe ihm bei Strafe 
des Ausihlufies aus dem Kapitel verböten, irgendjemandem vor 
der Wahl jein Votum zuzujagen. 

Mittlerweile war der Kurier, welchen Herzog Albreht mit 
jeinen und Porzias Beichwerden über die falichen Nachrichten des 
Gerhard Voſſius abgeihicdt Hatte, in Rom eingetroffen — am 
14. Juli. Gleih andern Tags verichaffte fi) Dr. Fabricius, da= 
mit ihm der Kardinal von Como nicht zuvorkomme, eine Audienz 
beim Bapite, den er zunächit durch feinen Bericht über Herzog 
Ernſts Priefterweihe gut zu ftimmen wußte, und alsdann über 
den angeblihen Inhalt der Briefe des Voſſius aniprad. Er ließ 
einfliehen, vielleicht habe diejer etwaige Außerungen des Papftes 
mißdeutet (etwa die, als jei es dem Papſte nit ſowohl darum 
zu thun, das Kapitel an feiner freien Wahl zu hindern, als Her- 
zog Ernjt zu empfehlen u. dgl.). Gregor wies jedoch ſolche 
Unterftellung entſchieden von ſich: ſeit Monaten babe er den 
Voſſius nit gejehen und jogar geglaubt, derjelbe ſei gar nicht 
mehr in Rom. Wegen des Weiteren wolle er zunächſt feinen 
Kardinaliefretär fragen, an welchen Porzias Briefe gerichtet waren. 
ALS Fabricius hierauf jelbit zum Kardinal von Como kam, that 
diefer zwar auch jehr unmwillig über die Verwegenheit des Voſſius, 


536 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


der bereit3 auf feinen Befehl in Haft geſchickt fei, madte aber 
nebenbei, unter dem Scheine des Wohlwollens, einen Vorſchlag, 
welcher den Gejandten aufs äußerfte erregte. Es wäre, meinte 
er, doch jehr bedenklich für Roms Autorität, wenn etwa Salentin, 
des Verſchleppens müde, plößlich fein Amt niederlegte, dem Kapitel 
freie Wahl ließe und dann jemand gewählt würde, der zwar viel= 
leiht dem päpftlichen Stuhle nit ganz entipräche, dem man aber 
doh die Konfirmation nicht verweigern könnte. Wie wäre es 
alfo, wenn der Nuntius mit einem nur ganz allgemein eine gute 
Mahl empfehlenden Breve an das Kapitel verjehen würde, welches 
einftweilen geheim zu halten und erft dann hervorzuholen wäre, 
wenn die freie Wahl gar nicht mehr zu umgehen? Fabricius, 
ohnehin voll Mißtrauen gegen den Kardinal, witterte hinter dem 
Vorſchlag ſofort den Gedanken, daß es dieſem vielleiht ganz recht 
wäre, wenn anftatt des bayriihen Herzogs der Truchſeß gewählt 
würde. War doc ein jüngerer Bruder desjelben, Chriſtoph, der 
in Erzherzog Ferdinands Dienften ftand, unlängft zu Nom ges 
weſen, angeblih in Gejchäften feines Herrn ’); wie, wenn das 
nur ein Vorwand war, um feinem Bruder den Weg zu bahnen? — 
Darum ſprach fi Fabricius jofort entihieden gegen den Vorſchlag 
des Kardinals aus; mindeftens müſſe, wenn der Papft ein ſolches 
Dreve durchaus wolle, feinem Herzog die Entſcheidung bleiben, ob 
e3 zu benußen. Er machte geltend, dag der Adminiftrator von 
Freifing durdy die früheren Koadjutoriebreven bereit3 ein wohl— 
erworbenes Recht bejike; geftatte man jekt freie Wahl, jo werde 
das die Domlkapitularen nur ermutigen, einen Mann nah ihrem 
und niht nah Roms Herzen zu wählen. Nachher begab ſich 
Fabricius auch zu den beiden neben dem Staatsjefretär einfluß- 
reichſten und ſchon früher mit der köln-münſterſchen Sache betrau— 


1) In einem Schreiben aus Rom an Erzherzog Ferdinand vom 1. Juni 
1577 (3%. Ferdin. fol. 110, Nr. 135) drückt ber Kardinal von ©. Siſto, 
einer der Nepoten Gregors XIII. feine Genugthuung darüber aus, daß er 
ben Herrn Chriſtoph Truchfeß bier geſehen babe, havendolo molto prima 
conosciuto mentr'era suo compagno di studio in Bologna. 


Kurfürft Salentins Rücktritt. 537 


ten Kardinälen Morone und Madruzzi, um fie gegen Comos Vor: 
ihlag einzunehmen. Mit dem vorgeichlagenen Breve habe es 
feine Eile, meinte Morone, ließ aber durchbliden, dab die Wahl 
eines? Mannes mie Gebhard Truchſeß für den römiihen Stuhl 
fein ganz unerwünjchter Ausgang fein würde. Madruzzi deutete 
an, daß das, was Voſſius nad Köln geſchrieben, nicht aus deſſen 
eigenen, jondern aus einem anderen Kopfe entiprungen jet — er 
meinte den Kardinal von Como, der ſich überhaupt über die Be— 
Ihlüffe der Kongregationen gern hinwegſetze. Nun ging Fabri- 
cius wieder zum Papft und machte aud ihm Vorftellungen gegen 
das beabjichtigte Breve, welche zur Folge hatten, daß Gregor die 
Sache von neuem mit den drei Sardinälen beriet und anſcheinend 
den Wünſchen des Gejandten nahgab: ftatt des vorgeichlagenen 
Breves erging ein anderes an das Kölner Kapitel (vom 23. Juli), 
welches des Voſſius leichtfertiges Schreiben ſcharf rügte, feiner 
Beitrafung gedachte und die Kapitularen aufforderte, dem Nuntius 
vollen Glauben zu jchenfen und vor allem recht bald einen tüch— 
tigen neuen Hirten anzunehmen. Gin gleichzeitiges Breve an Herzog 
Albrecht verwies auf das, was der Papft jegt an das Kapitel jchrieb, 
brachte aber gleichſam nebenbei, in abgeſchwächter Form, den Vor— 
ihlag des Kardinaljefretärs doch zur Geltung: da Herzog Albrecht 
jüngft jelbjt erklärt habe, er wolle feinen Sohn nidht wider den 
Willen des Kapitels nah Köln bringen und da deilen Widerjtand 
Ihlimme Folgen haben. könnte, jo jei zu überlegen, ob nicht die dem 
Nuntius früher gegebenen ftrengen Befehle etwas zu mildern und 
die freiwillige Zuftimmung des Kapitel3 zu juchen ſei; wenn aber 
auch dieſe nicht erreihbar, ob dann nicht etwa Herzog Ernſt mit 
Hilfe feiner Freunde in Köln die dortige Kirche einem andern 
tüchtigen SKatholifen, den er fi dadurch verbinde, verichaffen 
fönne; jedoch wolle er, der Papſt, feine früheren Befehle nur 
dann und infomweit abändern, als Albrecht jelbit dies für nötig 
erkenne. 

Gar ſehr verdroſſen dieje römiſchen Nachrichten und Breven 
den bayriihen Herzog. Zwar teilten er und feine Räte jchon 


538 Sechſtes Bud. Drittes Kapitel. 


lange nit mehr die Meinung feines Gefandten in Rom, daß 
jeßt no an eine Koadjutorie zu denken jei, aber noch meniger 
war Albrecht geionnen, seinen Sohn freiwillig zugunften eines 
andern zurüdtreten zu laffen. In feinem, von Fend verfaßten 
Begleitihreiben zu den an den Niederrhein weiterbeförderten rö— 
miichen Briefen bemerkt der Herzog: wenn der Kardinal von Como 
feine Abſicht erreicht hätte, oder das Domkapitel aud) nur das 
Geringite davon erfahre, werde ihm Rom, von wo er nur För— 
derung und Gutes erhofft, jiherlih den größten Schaden zugefügt 
haben. „Es muß vielleiht‘‘, fügt er bei, „alle Büberei an ung 
meiftern und fünfteln. Möchten ichier wünſchen, weil die römi- 
Ihen Köpf aljo Hin und wider fchlagen, wir hätten mit den un- 
gelenfen Zeutihen allein. zu ſchaffen; könnte man doch, was 
fi) je nit wollt heben lafjen, mit weniger Sorg und Verkleinerung 
fein in der Stille liegen laffen. Sollen dennoch diejen Gefellen 
nod gute Wort und etwa viel Geld dazu geben. — Dennoch 
that er das Seine, um mit Rom in gutem Einvernehmen zu 
bleiben. Ende Auguft ging wieder ein Kurier dorthin mit warmen 
Dankſchreiben an den Papft und die drei Kardinäle; zugleich er: 
hielt Dr. Fabricius Befehl, den Papſt um eine neue ganz allge- 
mein gehaltene Empfehlung feines Sohnes an das Domkapitel 
anzuiprehen, in der aber fein Wort gegen die Freiheit der Wahl 
ftehen dürfe. Vor allem aber follte fein Gejandter verhüten 
— und darum hauptſächlich wurde ſchon wieder ein eigener Kurier 
geihidt —, daß nicht etwa durch Dispens von Rom der Straß: 
burger Biſchof wählbar werde. Denn dieſer follte, wie Herzog 
Ernſt erfahren hatte, durch feinen feit einiger Zeit in Rom ver— 
mweilenden Bruder Graf Arnold von Manderſcheid die beiden Briefe 
des Voſſius veranlagt haben. 

Zu dem für Salentins Refignation anberaumten Termin 
des 4. September fehrte Herzog Ernſt aus dem Bergiſchen 
nah Köln zurüd. Vor ihm fon waren die drei kaiſerlichen 
Kommiffare, Dalberg, Dberftein und Hegenmüller, wiederge— 
fommen und als Zugeordneter der alte Freiherr von Winne- 


Kurfürſt Salentins Rüdtritt. 539 


burg. Auch erihienen, auf Grund der von Bayern erwirkten 
neuen faiferlihen Kommiſſion einige Subdelegierte von Mainz und 
Zrier. Der Herzog von Jülich ſchickte als feine Abgeordneten den 
Kanzler Orsbeck und den Dr. Walter Fabricius. Am 9. Septem— 
ber fam Porzia aus dem Klofter Altenberg wieder in die Stadt. 
Auch die meiften Edelherren fanden ſich nad) und nad ein. Da 
kam es zwiichen Kurfürft und Kapitel noch einmal zu einem Streit, 
durch welchen Salentins Rüdtritt leicht wieder hätte vereitelt wer— 
den fünnen. — Am 20. Auguft hatte dieſer nämlid) aus Arns- 
berg feinem Kapitel gejchrieben, er ſei in der Zhat der Regierung 
längft müde und entſchloſſen, da ihnen jein auf Befehl der höchſten 
Dbrigfeiten gemachter Vorſchlag nicht gefällig, das Erzitift zu ihren 
freien Händen zu refignieren. Sie follten alio am 4. September 
eriheinen und beijammen bleiben, bis das Werk pollendet. Er 
jelbjt habe bereits die weſtfäliſchen Stände auf den 9. September 
nad) Arnsberg, die rheinischen auf den 12. nad) Brühl beichrieben, 
um fie ihrer Eide und Pflichten zu entlaffen. Weil dies der 
einzige Zmwed der Landtage und die Zeit jo kurz fei, veriehe er 
fih, dah dies Ausſchreiben dem Kapitel nicht zumider fein und fie 
ihre Deputierten ebenfalls nad) Arnsberg und Brühl enden wür— 
den. AS dieſes Schreiben am 6. September im Kapitel vor= 
fam, erklärte diefes durch Majoritätsbeihluß, das Ausichreiben der 
Zandtage ohne Vorwiſſen des Kapitel3 jei der Erblandesvereinigung 
ſowie den Wahlartileln zumider ?); darum werde man feine De— 
putierte abordnen. Von diefem Beihluß wurden auch die Grafen 
von Mandericheid und Heifferiheid als Vertreter der weltlichen 
Landitände in Kenntnis geſetzt. — Inzwiſchen war Salentin von 
‚ Arnsberg nad) Paderborn gezogen und hatte hier am 5. Sep— 
tember vor verjammeltem Domkapitel feine Würde als Admini— 

1) Weber in der Erblanbesvereinigung von 1463 noch in ihrer Tekten 
Saflung von 1550 (vgl. o. ©. 6 Anm.) findet ſich eine ausbrüdliche Be— 
flimmung bierüber; wohl aber heißt e8 in Art. 3 der Wahlfapitulation Sa- 
lentins: nec ullum conventum statuum seu dietam (ut vocant) patriae 


indicere debemus, nisi prius desuper cum capitulo nostro causasque con- 
ventus indicendi communicaverimus, et illo sciente et consentiente. 


540 Schftes Bud. Drittes Kapitel. 


ftrator dieſes Stiftes niedergelegt; am 8. war er wieder in Arns— 
berg, wo er am folgenden Zage jeine lieben und getreuen welt: 
fäliſchen Landftände ihrer Eide und Pflichten entband. Vom 
Domkapitel war wirklich niemand erſchienen. — Voll Unmut 
brad nun der Kurfürft nach dem Rhein auf, nachdem er zuvor 
nohmal3 jeinem Domkapitel ſowie den faijerlihen Kommiſſaren 
gemeldet hatte, am 12. werde er zu Brühl fein. Die failer: 
lihen Kommifjare waren mit dem Trotz des Kapitels durdaus 
nicht einverftanden und ebenjo wenig ein Zeil der Sapitularen. 
Am 11. September machten deshalb Herzog Ernſt und einige bei 
ihm zum Morgenmahl verjammelte Domberren mit einander aus, 
dab man verjuchen wolle, den Beihluß des 6. September wieder 
umzuftoßen. Demnad brachte in der Frühe des 12. September 
Joh. Daniel ‚von Winneburg im Kapitel den Antrag ein, man 
möge gemäß dem Begehren der faijerlihen Kommifjare zum heu: 
tigen Landtag Deputierte nad) Brühl abordnen. Obſchon der 
jüngere Winneburg und die beiden Solms proteftierten, be: 
ſchloß jet die Majorität: weil dem Vernehmen nad) auf dem 
Landtag nichts al3 Salentins Rejignation proponiert werde umd 
weil fich Diejer in feinem Schreiben vom 20. Auguſt mit der 
Kürze der Zeit entjchuldigt habe, wolle man unter Vorbehalt einige 
Herren zum Landtag deputieren. Gleich nachher zogen oh. 
Daniel von Winneburg, Herzog Ernft und Dr. Swolgen al 
Deputierte hinaus nad) Brühl, wo fi) Thengen, Johann von 
Neiffericheid und Dr. Gropper bereit3 befanden. Es fei gut, daß 
fie gefommen, ſagte Salentin zum Herzog; ſonſt jei er entjchlofien 
geweſen unverrichteter Dinge davonzureiten, die Kur zu behalten 
und ein Weib dazu zu nehmen, und dann zu ſehen, wer fie ihm 
nehmen wolle. Herzog Ernſt gab gute Worte, bat auch, der Kur: 
fürft möge fid) im Kapitel mäßigen, damit nit er es entgelten 
müfle. — Darauf ging der Landtag in aller Ruhe und Drdnung 
vor fi; der Kurfürft fündigte den Ständen an, daß er morgen 
im Rapitel zu Köln refignieren wolle; jobald dies gejchehen, ſeien 
die Stände ihrer Eide gegen ihn entbunden. 


Kurfürft Salentins Rüdtritt. 541 


Am Morgen des 13. September herrſchte in der Stadt Köln 
große Aufregung; man hatte erfahren, daß Salentin viele Reiter 
und einiges Fußvolk um fih ſammele; das Gerücht ſprach von 
einem geplanten Überfall. Für alle Fälle ließ der Rat die Bürger 
unter die Waffen treten, die Thore fliegen, die Seitenftraßen 
mit Ketten fperren. Als Salentin mit feinem Gefolge am Thore 
erihien, dauerte e3 einige Zeit, bis man fie herein ließ. Um 
9 Uhr morgens erfolgte der Einzug. Dreißig Trabanten in rotem 
und weißem Sammet und etwa 300 Berittene, hauptjählih vom 
Stiftsadel, begleiteten den Kurfürſten; dieſer jelbit war ſchwarz ges 
Hleidet, aber weltlih, im kurzen Mantel. Sie ritten über die 
Heeritrahe bis vor den Biihofshof in der Trankgaſſe. Von da 
ging der Kurfürft zu Fuß in den Dom und wohnte mit feinem 
Kapitel der Meſſe vom heiligen Geifte bei; es ſchlug gerade 12 Uhr, 
da man das Ite missa est fang. Nun begab ji) Salentin, ges 
feitet vor zwei faiferlihen Kommiſſaren, Dalberg und Oberitein, 
mit allen anwejenden Domlkapitularen, zwanzig an der Zahl’), 
aus dem Domchor in die anftogende Kapitelftube, in die man aud) 
die anderen Gefandten und von den furfürftlihen Räten, von 
Ritterſchaft und Dienern hineinließ, wer wollte. Die Kapitularen 
faßen alle da in ihrem geiftlihen Habit, Chorrock und Beffen; 
nur Hermann Adolf von Solms ohne jedes Abzeichen feines 
geiftlihen Standes. Mit geſuchter Mäßigung trug Salentin in 
Perſon feinem Kapitel vor, wie er auf deſſen wiederholte Bitten, 
gegen jeinen Willen, die erzbiihöflihe und furfürftlihe Würde an— 
genommen und nach beiten Kräften verwaltet habe; da es ihm 
aber unmöglich jet, auf die Dauer Kurfürft zu bleiben, habe er 
von Papſt und Kaifer, mit Vorwiſſen feiner Mitkurfürften, vie 
Bewilligung zum NRüdtritt erhalten. So danke er denn vor den 
fatjerlihen, kurfürſtlichen und fürftlihen Gejandten dem Kapitel 
für die angebotene Würde und ftelle fie an dem Drt, da er fie 


1) Es fehlten die drei Bifhöfe von Straßburg, Minden und Bremen 
und Graf Philipp von Manderfceib. 


>42 Schfte8 Bud. Drittes Kapitel. 


empfangen, ihnen wieder frei zu Händen und ermahne fie zu bal— 
diger einhelliger und guter Wahl. — Nah ihm ergriff Dr. Hegen- 
müller das Wort, um im Namen des Kaifers dem Kurfürften das 
Zeugnis zu geben, daß er fein Erzitift zehn Fahre lang zur Zus 
friedenheit von Kaiſer, Reichsftänden und Unterthanen vegiert 
habe. — Das Kapitel hielt erſt eine lange Beratung im Vor: 
zimmer, dankte dann jeinem bisherigen Herrn mit fühlen Worten, 
daß er die Negierung angenommen und dem Erzſtift zu gutem 
vieles verrichtet habe; fie hätten wohl leiden können, daß Ihre kurf. 
Gnaden im geiftlihen Stande verblieben; da es aber nicht deren 
Gelegenheit, jo nähmen fie die Nefignation an und wollten bedacht 
jein, einen neuen Herrn zu wählen, mit welchem Gott, dem Reiche 
und dem Erzitift gedient jein werde. — Galentin erwiderte noch 
einmal ein paar Worte: er wolle dem Stift wohl wünſchen, daß 
fie ihrem Exbieten nachkämen, ermahme fie aber, einem fünftigen 
Herin befjer zu gehordhen als ihm; ſonſt könne es schlimme Folgen 
haben. 

Hierauf ging er von dannen wieder in den Biihofshof, wo 
er jih jegt in Rot und Weib Eleidete und ein Abſchiedsmahl 
feierte, zu weldem die faiferlihen Kommiſſare und die anderen 
Gejandten, aber fein Domherr, auch ſonſt feine Geiſtlichen geladen 
waren. Nod am jpäten Abend ritt er mit feinem Gefolge wieder 
zur Stadt hinaus bis nad Brühl, am folgenden Tage jodann 
in feine Grafihaft Iſenburg nad) Schloß Arenfels. 





4. Kapitel. 


Die Kapitelsregierung.* 


Gleich manchen anderen deutihen Domkapiteln liebte es auch 
das Kölner, eine Neuwahl möglichſt lange hinauszuſchieben. Denn 
während der Sedisvakanz teilten ſich ſämtliche Kapitularen in die 
Ehren und Vorteile, welche ſonſt nur einem von ihnen zufielen. 
Mitunter gereichte es ſelbſt dem Stift zum beſten, wenn die 
Koſten des fürſtlichen Hofhaltes für einige Zeit wegfielen oder 
ſtark vermindert wurden. Das gewöhnlichſte Motiv für die Ver— 
längerung der Herrſchaft des Kapitels war jedoch der Wunſch, ver— 
ſchiedenen Bewerbern Gelegenheit zu bieten, ihre Anſprüche geltend 
zu machen, und mit Muße abzuwägen, weſſen Wahl dem ganzen 
Kapitel oder ſeinen einzelnen Mitgliedern den größten Nutzen 
verſprach. Solcher Muße ſtand zunächſt das kanoniſche Recht ent— 
gegen, welches bei Verluſt des Wahlrechts die Neuwahl binnen 
drei Monaten fordert, ferner das Intereſſe von Kaiſer und Reich, 
*Quellen: Folgende meift fhon o. Kap. 1 bis 3 verzeichnete Archivalien: 

DA. Domtap.-Protot. Nr. 157; Erzbifchäfe. Gebhard Truchſeß 10; Köln 
Domſtift 323 u. 324ab, — StA. 9/3. 38/3 und 10 bis 15. 161/3. 
359/8. 399/59. — RA. Münfter T. VI; Fürftenfadhen Spec. C. 
Nr. 407. — Dr. loc. 8926. — MA. Köln 1577 (Kaffeler Akten) 
und Köln 1515/80 (Marburger Akten). — Dil. R. 60 u. G. 80. — 
Gedrudt nur ein paar Motizen in Languet, Ep. secr. I. 2, 


p. 313. u. 321. Groen van Prinsterer VI, 211. Strunck 
(Schaten), Ann. Paderb. lib. XXII, 443 gg. 


544 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


oft aud der Stiftsunterthanen, welhen in der Regel mit einer 
vieltöpfigen Interimsregierung nicht gedient war. Namentlih war 
im 16. Jahrhundert der Anteil der Kurfürften an der Reichs— 
regierung noch ein jo perjönlider, da nicht einmal ein weltlicher 
minderjähriger Kurfürft in das Kurfürftenkolleg aufgenommen 
wurde, geſchweige dag man die Stellvertreter eines geiftlihen an 
den Prärogativen des Kurfürſtenſtandes hätte teilnehmen lafjen. 
Als im Fahre 1562 Kurfürft Johann Gebhard während der 
Verhandlungen über Marimilians römiſche Königswahl ftarb, 
mußte dieſe jo lange vertagt werden, bis das Kölner Kapitel einen 
neuen Herrn gewählt hatte). — Diesmal wünſchte insbejondere 
nod das Haus Bayern die Neuwahl bejchleunigt zu jehen, denn 
jede Verſchleppung erweiterte den Spielraum für neue Gegen= 
praftifen; aud wurden die Koften des nun ſchon vier Monate 
währenden Aufenthaltes des Herzogs Ernſt am Niederrhein, mit 
mehreren Räten und zahlreihem Hofgefinde, zu einer drüdenden 
Laft ). Abkürzung des Wahltermins war deshalb das nächſte 
Ziel der bayriihen Politik. 

Am Morgen nad) Salentins Refignation (14. September) 
hatten nad einander der Nuntius Porzia, die faiferlihen Kom— 
miffare und die Geſandten Don Juans und des Ipanifchen Königs 
Audienz im Kapitel, zwei Tage ſpäter jodann die Subdelegierten 
von Mainz und Zrier, weldye alle zu baldiger Neuwahl ermahn- 
ten und zugleih al3 geeignetiten Kandidaten den jungen Herzog 
von Bayern empfahlen. Der Nede des Nuntius merkte man an, 


1) Häberlin IV, 467 und V, 14ff. Windel, Aus bem Leben Lud— 
wigs des Älteren von Sayn, ©. 61 u. 66; vgl. 0. ©. 27 u. 97. 

2) Dandorfs „Empfang und Ausgabe» Regifter” (RA. Fürftenfachen 
Spec, ©. Nr. 407) notiert an Ausgaben für die Hin- und Nüdreife, fowie 
für ben fiebenmonatlihen Aufenthalt am Nieberrhein 24,260 Gulben 
34 Kreuzer. Diefe Summe begreift aber nur diejenigen Ausgaben, welcde 
durch Dandorfs Hand gingen; Koften, welche von Herzog Albrecht beftritten 
wurden, 3. B. für Geſandtſchaften, Kurierfendungen u. f. w. fommen in 
Dandorfs Negifter nicht vor. Über den Gelbwert vgl. o. ©. 39 Anm. 


Die Kapiteldregierung. 545 


wie jehr das Zugeftändnis freier Wahl feinen eigenen Wünfchen 
wideriprah. Der Papft, welcher vordem den Freilinger Biſchof 
felbft vorgeihlagen habe, verwehre nun dem Kapitel nicht, Dielen 
auch von fih aus mit der biſchöflichen Würde zu ſchmücken, 
und zum Beweis, das fi des Papftes Wünſche inbezug auf 
Herzog Ernft nicht geändert, überreichte er zugleich jenes Breve 
vom 23. Juli, worin u. a. der Beitrafung des Voſſius gedacht 
wird. — Vergeblid hatten die bayriihen Räte Bedenken geäußert 
ſowohl gegen die Überreihung dieſes Breves als gegen die Art, 
wie der Nuntius dem Kapitel die freie Wahl zugeftehen wollte; 
Porzia war es offenbar, jo überichwenglih er auch jeine Ergeben- 
beit gegen das Haus Bayern beteuerte )), zunächſt darum zu thun, 
feine eigene Autorität und die des römiſchen Stuhles nit durd 
ein Abgehen von dem bisherigen Standpunkt zu ſchädigen. — 
Dagegen hoben die kaiſerlichen Kommiſſare ftark hervor, daß der 
Kaiſer zwar den aud anderen hohen Häuſern genchmen bayriihen 
Herzog aufs wärmfte empfehle, jedod des Kapitel3 freie Wahl 
nit hindern wolle. — Die jpaniich= niederländischen Gejandten 
empfahlen Herzog Ernſt al3 erwünſchten Nachbar, die Mainzer 
und Trierer als einen gut katholiichen und mächtigen Fürften. — 
Das Kapitel antwortete all diefen Geſandten höflich aber ohne 
Verbindlichkeit: der Wahltag jolle feitgejegt werden, fobald das 
Kapitel die Amter, Schlöffer und Städte eingenommen und aller- 
band Nötiges angeordnet habe. 

Nach dem Herkommen ſchickten nämlih Dechant und Kapitel, 
als Erbherren des Stifts, nad) eingetretener Sedisvakanz Depu— 
tierte in die verichtedenen Landesteile, um die Stiftshäufer einzus 
nehmen, das Mobiliar zu inventarifieren und die Beamten dem 
Kapitel zu vereiden. Die beiden in das Niederftift und das 


1) Am 4. November 1577 fchreibt Porzia 3. B. an Elfenheimer (St. 
9/3, fol. 225): Sermae Bavaricae genti ita me addietum fateor, ut quic- 
quid facio .. . desiderium tamen meum nequaquam exaequet, et prop- 
terea gratias mihi agi non libenter patior; vgl. aud o. ©. 482. 

Loſſen, Köln. Krieg I. 35 


546 Schftes Buch. Viertes Kapitel. 


Veit Redlinghaujen gehenden Deputierten, Reinhard von Solms 
und Dr. Swolgen, erhielten zugleich den Befehl, von den beiden 
Höfen Der und Chor Beſitz zu ergreifen und jo dem Streit um 
fie faktiich ein Ende zu machen ). Die Reichsgeichäfte, jo weit 
dazu nicht periönlihe Teilnahme eines regierenden Herrn erforder- 
ih, bejorgten auch fernerhin die bisherigen furfürftlichen Räte, 
jegt aber im Namen des Kapitels; das Hofgefinde wurde einft= 
weilen beurlaubt. 

Einige Tage nad) Salentins Rücktritt fand ſich der bayriiche 
Kanzler Dr. Eljenheimer bei Herzog Ernit ein, um fortan monate 
lang in Köln zu bleiben, — ein Beiden, wie jehr nunmehr 
Bayerns ganze Bolitif in der Bewerbung um das Erzitift kon— 
zentriert war. Nah Rückkunft eines Teiles der Deputierten 
erihien Eljenheimer, am 28. September, mit dem Freiheren von 
Marlrain zunächſt vor verjammeltem Kapitel und bat in aller 
Form, den Sohn jeines Herzogs zum Erzbischof zu wählen; dabei 
gedachte er der Fürichriften von Papſt und Kaiſer und anderen 
Herren, des Herzogs vornehmer Verwandtihaft und des dem 
Erzitift ficherlich vorteilhaften Beſitzes zweier weiteren Bistümer. 
Das Kapitel lobte Ernſts bisherige Haltung und veripradh bei 
der fünftigen Wahl der Fürſchriften eingedenf zu fein. In dert 
nächſten acht Tagen madhten dann Marlrain und Eljenheimer den 
einzelnen in Köln anmejenden dreizehn bis vierzehn Kapitularen 
ihre Aufwartung, jedod ohne bejondere neue Erfolge: diejenigen, 
welche man ohnehin ſchon als bayriihgefinnt fannte, gaben auch 
jegt wieder mehr oder minder beſtimmte Zuſagen für die Neu— 
wahl; die anderen, wie der Domdehant, Gebhard Truchſeß, 
Hermann Molf von Solms, die Doktoren Novimola und Kuchoven 
antworteten ausweichend; nur Walſcharz (Zongern), den man eine 
Zeit lang für truchieifiih gehalten, erklärte nun, er wiſſe feinen, 


1) In das Oberftift gingen der Dombehant und ber Offizial Kempis, 
nah Weftfalen Joh. von Winneburg und Dr. Winfel, ein geborener Atten- 
borner. 


Die Kapitelsregierung. 547 


der unter den jeßigen Umftänden dem Erzſtift nützlicher ſei als 
Herzog Ernſt. — Die bayriihen Räte jelbft verließen ſich übri- 
gens mehr auf Nebenwege, auf Praftifen alfo, um zu ihrem Ziel 
zu gelangen. 

Bon den zu Anfang Auguft für ficher gehaltenen Stimmen 
mußten nachher zwei, die des Bremer Erzbiihofs und die des 
Domdehanten, zu den zweifelhaften gezählt werden; aber auch der 
ältere Solms hatte kurz vor Salentins Refignation der bayriſchen 
Partei großen Anſtoß gegeben, indem er im Kapitel daran er- 
innerte, wie jehr Salentin, der dod nur ein Graf, fie geplagt 
babe; man mühe ſich alfo wohl vorjehen, was ihnen von einem 
mächtigeren Nachfolger begegnen könne. Als ihm Herzog Ernſt 
wegen jolher für jeine Perſon nadteiligen Reden im Vertrauen 
Vorwürfe machte, entihuldigte er fi damit, daß er vornehmlich 
bezwedt habe, nicht bei den anderen Herren verdädtig und als— 
dann etwa bon dem ihm al3 Senior: Diakon zulommenden Amt 
eines Skrutators ausgefchloffen zu werden. Wenn er nicht be= 
ftändig jei, möge ihn unfer Herrgott nicht lebendig von Herzog 
Ernſt aus dem Zimmer laffen. Nachher erfuhr man aber wieder, 
daß Graf Reinhard in dem ihm zur Bewahrung anvertrauten 
Kaiſerswerth mit Bayerns Hauptgegnern, feinem Bruder Hermann 
Adolf, dem Truchſeſſen und dem Chorbiſchof, verdächtigen Verkehr 
unterhalte. Um ſich jeiner zu verfihern, ließ nun Herzog Ernft 
der Haushälterin des Grafen, deren großer Einfluß auf denjelben 
ftadtfundig war, ein paar goldene Armbänder verehren !). 

Dagegen wurde die zubor durch Kurfürſt Salentin erſchüt— 


1) In Danborfs Ausgaberegifter erfcheint unter bem 3. November ein 
Boften von 27 Kronen = 46 Gulden 33 Kreuzer „für ain bar armpenbl, 
die man auf bevelh m. g. f. u. bern .... bes graven Reinharden von 
Solmbs dienerin oder haußhalterin verert.” Zum 4. Dezember dann noch 
ein Poſten von 24 Gulden Zehrung und Berehrung an eine Kölner Bür- 
gersfrau „bie in m. g. f. u. bern geſcheften in ainer ſachen nad Kaifers- 
wört verraiſt.“ Dieſe Geſchäfte beftanben vermutlich in ber Überreichung ber 


Armbänder. 
35* 


548 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


terte Hoffnung auf die Stimme des Bremer Erzbiſchofs nun 
wieder gerade durch Salentin neu belebt. Das hing zujammen 
mit dem Ausfall der Neuwahl im Stift Paderborn. — Kurz vor 
feinem Rücktritt hatte Salentin den Bremer Erzbiſchof zu ſich 
nach Neuhaus eingeladen und hier das Verſprechen erneuert, ihm 
wo möglich zu dieſem Stift zu verhelfen; dagegen möge Heinrich 
ſeinerſeits in Köln dem bayriſchen Herzog ſeine Stimme geben. 
Salentin hielt ſein Wort: er riet den Paderborner Domherren 
diesmal nicht zu wählen, ſondern einen mächtigen und benachbarten 
Herrn (eben den Biſchof von Bremen und Dsnabrüd) zu poſtu— 
lieren. Darauf wurde Heinrih, ohne bejonderes Bemühen von 
feiner Seite, am 14. Dftober einftimmig zum Biſchof von Pader- 
born poftuliert. Nur Goddert von Raesfeld enthielt ſich der Ab- 
ftimmung ). Bayern und Jülich waren mit diefem Ausfall der 
Wahl wohl zufrieden, denn fie hofften, Heinrich werde ſich nun 
feichter zum Verzicht auf Münfter bereit finden laſſen. Es ver- 
fautete, er wolle, angeblich zur Neuwahl, in Wirklihfeit aber mehr 
um bei dem Nuntius Porzia feine dreifahe Konfirmation zu bes 
treiben, perfönlic nad Köln kommen; das hätte Gelegenheit ges 
boten, ſich mit ihm zu verftändigen, und etwa durch die Ausficht 
auf Unterftügung in Rom fid ihn zu verpflichten. Wiederholt 
schrieb Graf Salentin auf Herzog Ernſts Wunſch an den Erz: 
biſchof und bat ihn, zunächft beim Wahltag, dann auch bei jeiner 
Hochzeit nicht zu Fehlen. — Asbald nad) feiner Refignation hatte 
nämlich Salentin feine in der Stille längft beftehende Verlobung 
mit Antonia Wilhelma, der jüngeren Tochter der verwitweten Grä— 
fin von Arenberg, veröffentlicht; die Hochzeit follte am 10. Dezember 
zu Bonn gefeiert werden. 

Bon den weiteren Stimmen der Edelherren war nur nod die 


1) &o erzählt Exzbifchof Heinrich felbft in einem Brief an Kurfürft Auguft 
som 17. Oftober (DrA. loc. 8926, fol. 315) die Geſchichte feiner Paber- 
borner Wahl. In dem Berzeihnis der Paberborner Domherren bei Schaten 
(1. e. ad a. 1577) wird ein Dietrich von Raesfeld genannt, während ber 
doch zum Jahre 1568 aufgeführte Gobbert fehlt; vgl. o. ©. 251f. 


Die Kapitelsregierung. 549 


des Grafen Philipp von Manderſcheid-Keil zweifelhaft. Gemäß 
dem früheren Beihluß liegen ihn jest ſowohl Herzog Wilhelm 
wie die gefürftete Gräfin von Arenberg durd eigene Gejandte um 
jein Votum für Herzog Ernſt erjuhen. Beiden antwortete er 
böflih, wollte aber Ehren und Gewiſſens halber feine bindende 
Zuſage geben. Als er Mitte Dftober jelbft nah Köln fam und 
Marlrain und GEljenheimer ihm ihren Beſuch maden wollten, 
entichuldigte er ſich mit jeiner Leibesſchwäche; auch der zufällig in 
Köln anweſende faijerlihe Hofrat Dr. Andreas Sail verſuchte 
vergebens im Intereſſe des Herzogs Ernft zum Grafen zu fommen. 
Dieſe angeblihe Leibesſchwäche hielt ihn jedoch nit ab, Beſuche 
bon der Gegenpartei anzunehmen. Eine legte ſchwache Hoffnung 
jegte man noch auf den Zrierer Dompropft, welcher dur den 
Kanzler Wimpheling veriprehen ließ, er wolle jid beim Wahltag 
als Gejandter für Kurtrier einfinden und alsdann den Grafen 
auf den rechten Weg weilen. 

Nicht viel mehr erzielte man bei den drei Priefterfanonifern, 
welche ſich bisher noh nit für Herzog Ernſt erklärt hatten: 
Novimola, Kempis und Kuchoven. Nad Dr. Groppers Rat hätten 
fämtlihe acht Priefter eine Union — eine honesta conspiratio, 
wie Gropper ſich ausdrüdte — für die Wahl ein und derjelben 
Perſon, natürlich des bayriichen Herzogs, abſchließen jollen ; der 
Subjenior Orth, welcher, als der angejehenfte unter den Doktoren, 
zum Führer auserjehen war, machte hierzu einen erſten Verſuch, 
aber ohne viel Erfolg. Hoffnungen, welde der Nuntius, 
Dr. Swolgen und der damals als Flüchtling zu Köln lebende 
Biſchof von Roermond, Wilhelm Lindanus und andere aus ent= 
gegenfommenden Reden eines der drei Verdächtigen ſchöpften, 
murden durch mideriprechende Nachrichten bald wieder zerſtört. 
Unter anderm fand es der Kanzler Eljenheimer ſehr auffallend, 
daß die Antworten diefer drei Doktoren und die des Herrn Truch— 
jeß bei feinem Beſuch „durchaus über einen Leiſt gerichtet‘ 
waren. Auch Dr. Winkel, wohl der aufrichtigſte Freund, welchen 
das Haus Bayern in Köln bejaß, warnte, feinem von den dreien 


550 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


zu trauen. Übrigens meinte Eljenheimer (in einem Briefe an 
Herzog Albreht vom 16. Dftober), auch ohne diejelben habe Her— 
309 Ernjt dreizehn Stimmen, „es ſei denn gar weder Treuen 
noch Glauben mehr in der Welt”. 

Inzwiſchen ging auch innerhalb des Kapitel3 nicht alles nad 
Wunſch der bayriihen Partei. Der Wahltermin wurde durch 
Beſchluß vom 30. September bis zum 2. Dezember hinausgerüdt, 
dod) jollten jid) die Herren jchon acht Zage vorher, an ©. Katha— 
rinen, zu den nötigen Worberatungen einfinden. Bald darauf 
wurde zwar wegen Fortdauer der Peſt in Köln der allgemeine 
Urlaub bis zum 4. November verlängert, aber desungeachtet 
beichloifen die wenigen in Köln verbliebenen Herren, meilt Gegner 
Bayerns, ſchon vom 15. Dftober ab in Brühl zufammenzufommen, 
um bier die künftige Wahl vorzubereiten. — Auch Herzog Ernft 
begab jih am 2. Dftober mit den Seinen nah Brühl und be- 
teiligte ih nachher an den dortigen Beratungen des Kapitels. 
Dieje beftanden hauptjählid darin, dak man Salentins Wahl: 
artifel Bunkt für Punkt durchging und bei jedem anmerkte, wie 
jener ſich dagegen verfehlt und wie für die Zukunft durch ſchär— 
fere Beftimmungen AÄhnlihem vorzubeugen. Die Wortführer dabei 
waren Hermann Adolf von Solms, der Truchſeß und der Kapitels— 
jefretär Lemgovius, ein alter Gegner Salentins und Freund des 
Straßburger Biſchofs. Bezeihnend für die Stimmung der Mehr: 
heit war gleid einer der erſten Beihlüffe in Brühl: dem Chor: 
biſchof folle der Wert der ihm von Salentin vordem weggenom— 
menen 50 Schweine wieder erjegt werden. Als alle 42 Artikel 
der Kapitulation durchgeſprochen waren, wurde am 19. Dftober 
eine Deputation zu ihrer weiteren Prüfung und Verbeſſerung 
ernannt, beftehend aus dem Domdehanten, Hermann Adolf von 
Solms, Gebhard Truchſeß, Orth, Smolgen und Kempis, denen 
ipäter in Köln nod der Straßburger Biſchof und der Senior 
Novimola zugeordnet wurden, — in allem alſo ſechs Gegner und 
nur zwei Freunde der bayrischen Succeffion. Drei Tage danad) 
bradte Graf Hermann Adolf von Solms namens des Chor— 


Die Kapiteldregierung. 551 


biſchofs im Kapitel folgenden Antrag ein: da der vorige Kurfürſt 
wegen des Zolls von Zons das Kapitel vielfältig verleumdet 
und demſelben außerdem die Höfe Oer und Chor vorenthalten 
habe, ſo ſei nötig, vor der Neuwahl die Landſtände zu beſchrei— 
ben, damit ſich das Kapitel vor ihnen rechtfertigen könne. — 
Die anweſenden Edelherren, darunter auch zwei bayriſchgeſinnte, 
der Afterdechant und Johann von Reifferſcheid, ſtimmten anfangs 
unbedenklich zu; als aber die Reihe an Herzog Ernſt kam, erklärte 
ſich dieſer mit allerlei Gründen ſehr entſchieden gegen einen Land— 
tag vor der Neuwahl. Von den vier anweſenden Doltoren fielen 
ihm drei bei und in der zweiten Umfrage auch Thengen und 
Reifferſcheid, ſo daß die Majorität, oder wenigſtens, wenn der 
Domdechant von ſeinem Recht auf doppelte Stimme Gebrauch 
machte, Stimmengleichheit auf ſeiner Seite war. Der Dechant 
redete dem Herzog vergeblich zu, mit den anderen Majorität zu 
machen; man ging ohne endgültigen Beſchluß auseinander: die 
Landſtände ſollten zwar auf den 1. Dezember einberufen, aber 
erſt an S. Katharinen, beim Zuſammentritt des ganzen Kapitels, 
entſchieden werden, ob ihnen vor oder erſt nach der Neuwahl 
Vortrag zu halten ſei. — Den Grund, weshalb man den Land— 
tag vor der Wahl wollte und nicht wollte, ſprach man auf beiden 
Seiten nicht offen aus: die einen gedachten denſelben zu be— 
nutzen, um Herzog Ernſts Wahl zu hintertreiben, die anderen 
wollten eben dies verhüten. — Wie der Plan, die Verſammlung 
der Landſtände gegen Bayern zu benutzen, von den Wetterauer 
Grafen ausgegangen und fortwährend im Auge behalten worden 
war, jo handelten auch jetzt der Chorbiſchff und Hermann Adolf 
bon Solms ohne Zweifel im Einverſtändnis mit ihren Wetter: 
auer Freunden. Herzog Ernſt aber durchſchaute wenigſtens teilweiſe 
ihre Hintergedanten, — daher feine Entichiedenheit. Die Frage, ob 
Landtag vor oder nad) der Wahl, wurde nun für die nächſten 
Wochen der Hauptitreitpunft für beide Parteien ?). 


1) In dem bayrifchen Protokoll über die Vorgänge vom 22.—29. Ot— 


52 Sechſtes Buch. Biertes Kapitel. 


Fir alle Fälle gedahten Herzog Ernft und jeine Räte durch den 
Herzog von Jülich und andere Mittelsmänner einigen vornehmen 
Landftänden, namentlih dem Landhofmeiſter und dem Hofmarſchall, 
die Bedenken gegen Herzog Ernits Perſon auszureden ; zunächſt aber 
hofften fie noch, bei der Zufammenfunft an ©. Katharinen die Mehr: 
heit des Kapitels bei dem Beſchluß feitzuhalten, dag erſt nad) der 
Neuwahl mit den Landftänden gehandelt werden ſolle. An der 
Spitze der Landftände ftanden die im Stift begüterten, übrigens 
zur Zeit wenig zahlreihen Grafenfamilien ); von diefen konnten 
Bayerns Gegner mehrere Grafen von Manderſcheid, jodann die 


tober (Rpt. von Elfenheimer StA. 38/15, fol. 41. Or. 38/13, fol. 339) 
heißt e8: „die urfach aber darumb dife leut fo Hoch uf bie landſchaft bringen 
ift, damit bafelb den Tanbftenden, als bisher und noch ab partem vilfeltig 
befchehen, eingebildet werben müg, wie ber abgeftanden ber nit allain das 
tumbcapitel fonder auch bie graven ritterfchaft und ftet wider bie lantsver— 
ainigung und fonft ire habende privilegia merflih und in mer weg befchwert. 
Dieweil dan fein G., fo nur ein graf gewefen, ſolche ungebür gegen inen 
furgenommen, hetten bie ftenbe fich deſſen, bo unfer g. f. u. ber als ein 
mechtiger furft, jo groſſen anhang und ruden, noch mer zu beforgen. Zudem 
bette der abgeftanden ire f. ©. bem tumbcapitel wiber iren willen ufdringen 
wellen, allain barumb damit er nicht weniger auch nach feinem abftant ben 
ftift feine gefallens regiren und, wie man pflegt zu jagen, bei j. f. G. das 
fac totum fein müg. Dem allen nad were ber landſtende hohe notburft, 
das tumbcapitel difer ding zu erinnern und zu ermanen, das fie in ber wal 
daruf gebenfen und ainen graven oder bern aus irem mitel wölen follen, 
damit fowol ein er. tumbcapitel als fie bie landſtende bergeleichen betrangung 
in funftig geuberigt fein umb uberbaben beleiben mügen, mit augehenfter 
betroungen, alles dahin gerichtet, ire f. ©. zu hindern und unber ben capis 
tularn trennung und fpaltung zu erweden.” 

1) Die Grafen bildeten nicht als folche, ſondern als Befiger einer An- 
zahl von kurkölniſchen Lehen, mit bemen teilweife auch die Erbämter ver- 
bunden waren, einen eigenen Landſtand. Da biefe Lehengüter im Lauf ber 
Zeit wiederholt in andere Hände übergingen, fo find bie bei Strevesporff 
und in der Befhreibung bes Erzftifts Köln (vgl. 0. ©. 215 Anm. und 
©. 154) für das 17. und 18. Jahrhundert als Inhaber ber Lehen genannten 
Grafenfamilien zum Teil andere al8 in der uns bejchäftigenden Zeit; für 
biefe finde ich außer den Grafen von Salm-Heifferfcheid, Neuenar und Man— 
derſcheid nur noch die Gräfin von Arenberg gelegentlih als kölniſche Land- 
ſtände bezeichnet. 


Die Kapiteldregierung. 558 


beiden Grafen Hermann und Wolf von Neuenar als die Ihren 
anjehen, während jih der Erbmarihall Werner von Reiffericheid 
gleich jeinen beiden geiftlichen Brüdern bereits offen als Freund 
des bayriihen Hauſes erklärt hatte, Jedoch mußte es Hermann 
von Manderiheid, der Bruder des Straßburger Biſchofs, dahin 
zu bringen, daß fi) der Erbmarſchall mit einer Anfangs November 
zu Bonn abzuhaltenden Verſammlung der Kölner Stiftsgrafen 
einverjtanden erkllärte; Graf Hermanns Abliht dabei war, ſich bis 
zu dieſem kölniſchen Grafentag ein Schreiben der befreundeten 
Wetterauer Grafen zu verichaffen, welches die früheren Warnungen 
gegen die Wahl des bayriichen Herzogs wiederholen und dadurd) 
zunächit ſämtliche Stiftsgrafen, jodann aud die anderen weltlichen 
Stände und das Domkapitel gegen das Haus Bayern einnehmen 
jollte. Gegen Ende Dftober kam auch der Biihof von Straß: 
burg an den Niederrhein und hielt fi ſeitdem abwechſelnd zu 
Blankenheim bei jeinem Bruder und zu Mörs bei Hermann von 
Neuenar auf. Auch den Truchſeſſen finden wir einmal in Mörs. 
Die geplante Grafenverfammlung in Bonn fand zwar nicht jtatt, 
weil der ſchwer gichtleidende Graf Hermann von Neuenar nicht 
dahin reifen konnte; dafür fam dann aber Hermann von Mander- 
ſcheid mit jeinem Vetter Dietrich !) nah Mörs. — Inzwiſchen 
war das gewünſchte Schreiben der Wetterauer Grafen eingelaufen: 
eine angeblih von Ludwig von Wittgenftein als ausjchreibendem 
und Johann von Naſſau als zugeordnetem Grafen bereit3 am 
1. September, aljo vor Salentins Rüdtritt, an vie beiden 
kölniſchen Stiftsgrafen Hermann von Neuenar und Hermann von 
Manderiheid gerichtete Ermahnung, die freie Wahl in Köln aufs 
recht zu halten und für die Wahl einer Perfon fih zu bemühen, 
von melder die Handhabung der Vorrechte des Grafenftandes 


1) Wohl Dietrich (VI.) von Manderſcheid-Schleiden und nicht der bald 
danach, am 11. Dezember 1577, geftorbene alte Graf Dietrih von Manber- 
fcheid- Keil, Graf Philipps ältefter Bruder; f. Bärſch, Eiflia illustrata I. 2. 
524 ff. u. 560 ff. 


554 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


zu erwarten ſei; dagegen jollten fie den „neugeſuchten, argliftigen 
und teufliichen Griffen des Nuntius, welder alle, die der päpft= 
lichen Religion nicht zugethan, vom Stift ausichliegen wolle‘, bei= 
zeiten begegnen. Herzog Ernſts Name war in diefem amtlichen 
Schreiben nit genannt, aber in einem Begleitihreiben an Herz 
mann von Mandericheid legte Dr. Schwarz ausführlid die Gründe 
dar, welche das Kapitel beftimmen mühten, überhaupt feinen Für— 
ften, namentlich aber feinen aus dem Haufe Bayern zu wählen: 
Gründe teil3 politiidher, teil3 religiöfer Natur, wie fie die Wetter- 
auer Grafen all dieſe Fahre ber jo oft wiederholt hatten. Zum 
Schluß meldete Dr. Schwarz, die Wetterauer Grafen dürften 
hoffen, daß Pfalz, Helfen und etlihe andere Fürften zum Wahl- 
tag Geſandte jchiden würden; ſie jelbft wollten demnächſt zu= 
jammenfommen, um auch ihrerjeitS wegen des Beſuchs des Wahl- 
tags Beihluß zu fallen ?). 

Die Hoffnung auf die evangeliichen Fürften erwies fich freilich 
bald danad) wieder als hinfällig. — Veranlaft durch den Doms 
propft hatte Hermann Mdolf von Solms gleih nah Salentins 
Rücktritt dem Landgrafen Wilhelm im Bad Ems über die Kölner 
Dinge Bericht erftattet und ihn dringend gebeten, vor der Neu— 
wahl eine Gejandtihaft der evangeliihen Nahbarfürften an das 
Kapitel zuftande zu bringen. Landgraf Wilhelm war jegt für 
feine Perſon ganz eifrig, ſchrieb Brief auf Brief an Kurfürft 
Ludwig, damit diefer eine Anzahl füddeutiher Fürften zur Zeil- 
nahme bewege und der Leitung des Ganzen fi unterziehe, bat 
aud) den Herzog Julius von Braunſchweig, er möge jid) an der Ge— 
jandtichaft beteiligen. Aber von Herzog Julius blieb jede Antwort 


1) Graf Joh. von Nafjau verweilte bereits feit Anfang September in 
den Niederlanden (vgl. Groen van Prinsterer VI, 131. 144. 180 gq.); 
Graf Ludwig von Wittgenftein und Dr. Schwarz fanden jedoch für gut, das 
Schreiben an die kölniſchen Grafen fo zu ftellen, als gebe e8 von Graf Jo— 
hann mit aus und fei bereitS vor Salentins NRüdtritt gefchrieben; deshalb 
wurde e8 auf den 1. September zurüddatiert; Hermann von Manderſcheid 
‘erhielt Kenntnis von biefem Sachverhalt. 


Die Kapiteldregierung. 555 


aus und Kurfürft Ludwig fühlte ſich, wider feinen eigenen Wunſch, 
durch jeine früher einerjeits den Grafen, anderjeit3 dem bayriſchen 
Herzog erklärte Neutralität gebunden, ftellte jedod, um wenigſtens 
jeinen guten Willen zu zeigen, feinem Mainzer Kollegen brieflich 
vor, dab Weiterungen aus der Kölner Wahl am beiten zu verhüten 
jeien, wenn man derſelben ihren ordentlichen freien Lauf laſſe. — 
Da nun der Pfälzer Kurfürft zu der Sendung nad) Köln nicht 
zu bewegen war, zog ſich ſchließlich auch Landgraf Wilhelm wieder 
zurüd. Als Dr. Schwarz am 4. November die heifiichen Land— 
grafen nochmals an die Gejandtichaft erinnerte und zugleih als 
geeignetiten STandidaten den Herrn Gebhard Truchſeß rühmte, 
der nur ein „„gedrungener Papiſt“ fer, ſonſt aber „gar ein ge— 
ſchickter, aufrichtiger und gütiger Herr, der wohl ftudiert, aud in 
fremden Sprachen ſich geübt und fonft dermaßen in all feinem 
Leben und Wandel gehalten habe, daß man ihn eines ſolchen 
hohen Standes wohl würdig möcht achten‘, — da ließ Landgraf 
Wilhelm antworten, er mühe, da weder der Pfälzer Kurfürjt noch 
andere Fürften zu der Schidung Luft hätten, es aud) gehen lafjen. 
Über den Truchſeſſen aber habe er, der Landgraf „einen andern 
Beriht und fonderlid, dal er nicht ein gedrungener, ſondern ein 
williger und faft größerer Papiſt jei, als der von Freiſing ſelbſt, 
auch diejes halben zu hriftlicher Belehrung mehr Hoffnung fein 
jolle als von jenem.‘ 

So maren alſo die evangeliichen Grafen wieder auf fi ans 
gewieſen. Hermann Adolf von Solms, der rührigite von allen, 
machte ſich Anfangs November auf den Weg nad Niederſachſen 
zu Erzbiihof Heinrih von Bremen und Biſchof Hermann von 
Minden, um fid ihrer Stimmen zunächſt wohl wegen des Land- 
tags, vermutlich aber auch ſchon für die Wahl, des Truchſeſſen zu 
berfihern. — Am 11. und 12. November wurde ein Wetter— 
auer Grafentag zu Butzbach gehalten, wo einige nahegejejjene 
Grafen, von Solms, von Sienburg- Büdingen, von Hanau, 
in Perſon erihienen, die anderen durch Geſandte vertreten 
waren. Die Beratungen drehten ſich zumeift wieder um die 


556 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


Kölner Wahl). Dr. Schwarz al3 Stellvertreter des ausſchrei— 
benden Grafen Ludwig von Wittgenftein berichtete über die Schritte, 
welche namens der Grafen jeit dem legten Grafentag (jeit Des 
zember 1576) für die Erhaltung der freien Wahl in Köln gejchehen 
jeien und wie man noch bis in die jüngften Tage verſucht habe, 
diejelbe zu verhindern. Dabei gedachte er einer Warnung, welche 
jüngft Salentin von Fienburg, angeblih im Bertrauen al3 guter 
Freund, an Graf Johann von Naffau hatte gelangen laſſen: — 
diejer und die anderen Wetterauer Grafen möchten ſich nicht durch 
vergeblihes Bemühen gegen die mit oder ohne Gewalt fichere 
Nachfolge des bayriihen Herzogs felbit in Gefahr bringen. — 
Dr. Schwarz benußte diefe Warnung, welche er als ein Zeichen 
der eigenen Bejorgnis der Gegner deutete, um die Grafen zum 
Miderftand gegen das Haus Bayern nur um jo mutiger zu ma— 
hen, Er ſchlug vor, denjenigen Grafen oder Herren, deſſen Wahl 
die Wetterauer Grafen befördern jollten, zuvor verſprechen zu 
lajien, daß er feinen im Stift wegen der Religion anfechten oder 
mit den geichärften undhriftlihen Juramenten beichweren werde; 
weiter ſolle derjelbe veriprechen, die Intereſſen des Grafenftandes 
im Kurfürjtenrat zu vertreten. Ohne Zweifel wurde in Butzbach 
auch Schon die Perjonenfrage erledigt: von den beiden allein in 
Betraht kommenden Bewerbern, Biihof Johann von Straßburg 
und Gebhard Truchſeß, war der legtere ven Metterauer Grafen 
ohne Zweifel der genehmere 2). Man beichloß weiter bei den be= 


1) Der Abſchied des Grafentages (DillA. G. 90. fol. 40) verzeichnet Be- 
ſchlüſſe über folgende Punkte: 1) Abweifung der gräflihen Gefandten vom 
Frankfurter Deputationstag; 2) Korrefpondenz mit den fränkiſchen Grafen; 
3) Irrung mit der Burg Friedberg wegen ber ZTürfenfteuer; 4) Kölner 
Sade (j. 0.); 5) das Konkordienbuch (basjelbe fol zur Zeit nicht unter- 
fohrieben werben); 6) Bejolbung des gemeinfamen Syndikus Dr. Schwarz 
und bes (Sefretärs) Mag. Johann von Rebe. 

2) Der bremifche Sekretär Hermann von ber Bede erzählte fpäter ben 
Räten des fächfiihen Kurfürften u. a.: „Der bifchof zu Strasburg bet fidh 
auch umb das erzitiit Coln fleißig angenommen, er bette aber ber capitır- 
laren gunft nicht, were zuvorn der U. E. zugetan gewejen und bernach wegen 


Die Kapiteldregierung. 557 


freundeten Dombherren vertraulid anzufragen, ob etwa, da bon 
den Fürften nicht? mehr zu erwarten, wenigftens die Grafen zum 
Wahltag Geſandte ſchicken follten. Für diefen Fall lag bereits 
eine Inſtruktion vor; doch ftand man nachher auf den Rat der 
Kölner Freunde von einer offiziellen Schidung ab und hielt für 
beffer, daß fih Ludwig von Wittgenftein und Konrad von Solms 
mit dem Dr. Schwarz zur Zeit der Neuwahl in aller Stille nad) 
Köln begäben, um den befreumdeten Domberren mit Rat und 
That zur Hand zu fein. 

Da mit dem Eintreten der kalten Jahreszeit die Peſt nachließ, 
und um die Gegenpraltiken beſſer zu überwachen, begaben ſich 
Herzog Ernft und die Seinen am 31. Dftober von Brühl wies 
der in die Stadt. In der Frühe des andern Morgens, Aller 
heiligen, feierte Herzog Ernſt im Dom feine erfte heilige Meſſe, 
mürdig und fromm, nad dem Zeugnis des Kanzlers Elſen— 
beimer. — Der Nuntius hatte dringend empfohlen, damit nicht 
länger zu erwarten, weil etliche fonft Anſtoß nehmen würden; 
er meinte wohl namentlih den Paftor von ©. Golumba, der vor: 
dem fein Votum von Herzog Ernſts Priefterweihe abhängig zu 
machen jhien und deshalb nun gebeten wurde, bei der Primiz die 
Diakonftelle zu übernehmen ). — Der bejondern Bedeutung 
diejes Altes waren Herzog Ernſt und feine Anhänger ſich wohl 
bewußt. So ſchreibt 3. B. Porzia nad) Münden: „S. f. ©. 


u — 


der hofnung zum erzftift Coln wider abgefallen 20.” (Bericht ber fächfifchen 
Geheimräte vom 23. Dezember 1577. DrY. loc. 8926, fol. 320.) Was 
von der Bede fonft über die Kölner Wahl erzählte, ift zwar gutenteils un— 
richtig, die Thatfache aber, daß Biſchof Johann bei den anderen Kapitularen 
wenig beliebt war, wird auch von den bayriichen Näten öfters erwähnt. — 
Maffei 1. c. p. 271 bemerkt über bes Biſchofs Kandidatur, jedenfalls nad 
Berichten des Nuntius: Noceva ad Argentina presso a’ buoni la sua molta 
familiarita con le suddette persone [seil. eoi canoniei illustri in opinione 
di eretici], ma presso a tutti un suo natural fasto e superbia somma- 
mente dannosa e contraria a’ candidati. — Über bes Biſchofs religidfe 
Haltung vol. 0. ©. 24f. 47..109f. 

1) Ob Novimola ber Bitte nadfam, weiß ih nicht; ein ausführlicher 
Bericht Elfenheimers über die Primiz ſcheint zu fehlen. 





558 Sechſtes Bud. Viertes Kapitel. 


haben das unbefledte Opfer Gottes dargebradt, zu dieſen Zeiten 
und hierzulande fürwahr ein hervorragendes Beiſpiel von Andadıt, 
da jelbit Leute vom niederften Stande, nit etwa aus Ehrfurcht 
und Demut, jondern aus Gleihgültigleit und Stolz diejes hohen 
Dpfers fi enthalten. Ih möchte hieraus dem erhabenen bay- 
riichen Haufe alles Glück und täglih wachſende Wohlfahrt vor— 
ausfagen, wie denn jeitdem nicht nur meine Hoffnung, fondern 
aud mein Verlangen nad) dem erwünjchten Erfolg, jo weit dies 
noch möglich, geftiegen if.” — Für die Gegner aber war der 
Umftand, daß Herzog Ernſt nun jelbit ein „Meßprieſter“ war, 
fiherlicd ein neuer Beweis, da er „jeſuiteriſch“ gefinnt fei und 
fi) von den Jeſuiten leiten lafjen werde. Fiel doch ſchon genug 
auf, daß die beiden nit aus jo vornehmen Stamme entiprofienen 
Kurfürften von Mainz und Zrier unter dem Einfluß der Jeſuiten 
anfingen, den geiftlichen Pflichten ihres biſchöflichen Amtes ſich 
jelbft mit Eifer zu unterziehen ?). 

Auch) die anderen Domberren fanden fih, da die Peſt-Licenz 
zu Ende war, wieder in Köln ein. Am Abend des 9. No= 
vember kam der Straßburger Biſchof in die Stadt, nachdem ihn 
das Kapitel, auf Betreiben des Sekretärs Lemgovius, wieder= 
holt eigens eingeladen hatte, als ältefter Prälat an den Be— 
ratungen über die neue Kapitulation teilzunehmen. In feiner 


1) Am 6. November berichten die bayriihen Räte bei Herzog Ernft an 
befien Vater (StA. 38/13, fol. 347), fie hörten die Gegner an H. E. nichts 
tadeln, „allain dz i. f. ©. zuvil jefuiterifch fein und fich diefelben regiren laſſen, 
welches ben unbertanen umleiblich fein wurt. Am andern were zu beforgen, 
das haus Bairn möchte dem ftift nit gern mer aus den handen lafien, 
fonder ewig bei fi behalten wollen.” Den erften Zabel nimmt Herzog 
Aldreht in feiner Antwort (vom 25. November, Kpt. Send StA. 38/10, 
fol. 82) eher als Lob: „dabei möchten wir aber wol leiden, das er, unfer 
fon jeſuiteriſch genung, das ift gotsförchtig erbar und gelert, from und eiferig 
were, welches ome frucht nit abgen könte, ba e8 gleich nit alle weltlinter gern 
fähen.“ — Üüber ven geiftlichen Amtseifer der Kurfürften Joh. Daniel von 
Mainz und Ialob von Trier: Serarius, Mogunt. Rerum lib. V, 921 qq. 
Brower, Antiq. et Ann. Trevir. 1I, 405. 409. Kluckhohn LI, 971. 


Die Kapitelöregierung. 559 


Wohnung verfammelten jih nachher die Deputierten des Kapitels. 
Bald wurde offenkundig, dal Bayerns Gegner in und außer dem 
Kapitel die legten Wochen gut benugt hatten. Am 14. November 
forderten die vier Grafen Hermann und Dietrich von Mander- 
iheid, Hermann und Adolf von Neuenar das Kapitel jchriftlich 
auf, während der Sedisvafanz einen Landtag zu berufen, um die 
bon dem vorigen Kurfürften den Ständen gegen die Erblandver- 
einigung zugefügten Beihwerden abzuftellen. Am folgenden Tag 
follte im Kapitel über diejes Geſuch Beihluß gefaßt werden; da 
aber der Straßburger Biſchof, weldyem als Scholafter die Umfrage 
zuftand, befürchtete, die Majorität der 16 anmejenden Kapitularen 
werde mit Herzog Ernſt den Landtag erſt nah der Neuwahl 
wollen, jo lie er es nicht zur Abjtimmung kommen, fondern ver— 
ſchob diefe bis zur Ankunft mehrerer Herren. Denjelben Streid) 
wiederholte er, zum Verdruß der Bayriichgefinnten, im Kapitel 
des 18. November. Inzwiſchen kam Hermann Adolf von Solms 
von jeiner Reife nad) Niederfachien zurüd und rühmte ſich öffent- 
li, daß er den Bremer Erzbiſchof auf feine Seite gebracht habe ?). 
Weiter erfuhren die bayriihen Räte von einem der zur Worbe- 
ratung der Kapitulation deputierten Doktoren (Smwolgen), daß 
ihm der Straßburger Biſchof mit heftigen Drohmworten zugeſetzt 
habe, den Landtag vor der Wahl zu bemilligen. Endlich fam 
ihnen zu Ohren, die beiden bisherigen Rivalen ihres Herzogs, 
der Straßburger Biſchof und der Truchſeß, hätten mit einander 
einen Vertrag geſchloſſen, unterſchrieben und befiegelt, wonad der 
Truchſeß ſamt feinem Anhang dem Biſchof bei der Kölner Wahl 
zufallen, dagegen aber Johann ihm zum Stift Straßburg ver- 
helfen jolle; der Straßburger Biihof aber wolle fi) gegen das 





1) Aus Danborfs Ausgaberegifter geht bervor, daß auch Joh. Daniel 
von Winneburg um ben 14. November — wahrſcheinlich alfo nad ber Rüd- 
funft des Hermann Adolf von Solms — ins Stift Paberborn zu Erzbifchof 
Heinrich ritt, wohl um der bayrischen Partei Gewißheit über fein Botum zu 
verſchaffen. Gegen ben 23. November fcheint Winneburg zurüdgelehrt zu 
fein. Zur Zehrung erhielt er 50 Thaler (= 58 Gulden). 


560 Schftes Bud. Viertes Kapitel. 


fanonishe Recht in Köln nicht poftulieren, ſondern mit eins 
facher Majorität wählen lafjen, im Vertrauen darauf, dab die 
Landftände, denen der Unterſchied zwiihen Wahl und Poſtu— 
lation nicht geläufig, auf Grund des Artilels 13 der Land- 
bereinigung eine jolhe Wahl verteidigen würden !). — Ohne 
Zweifel haben fi) die beiden Gegenbewerber des bayriſchen Her— 
3093 damals mit einander verftändigt, wenngleich wir nicht jagen 
können, ob wirklich in der angegebenen Weile. — Die bayriichen 
Räte fürdhteten, wenn fie im Vertrauen auf die Majorität, 
welche Herzog Ernſt zur Zeit im Kapitel zu haben meinte, ohne 
Rückſicht auf die Landftände zur Neuwahl fchritten, würde die 
Gegenpartei ihren Ermwählten nicht anerkennen, jondern, auf die 
Zandftände geftügt, einen andern Herrn aufwerfen. Cie baten 
darum den noch im Klofter Altenberg weilenden Nuntius ſowie 
die faiferlihen Kommifjare ihre Rückkunft möglihft zu beeilen, 
ſchickten aud) eine eigene Stafette zu Herzog Albreht, damit er 
für alle Fälle Maßregeln zu ihrem Schuge treffe. Auch den Her— 
zog von Zülid baten jie um Nat und Hilfe. 

Am 20. November forderten die drei Prälaten, Dedant, 
Chorbiſchof und Scholafter, durch den Sekretär Lemgovius in aller 
Form das Kapitel auf, dem Begehren der weltlichen Grafen und 
der Landvereinigung gemäß, vor der Neuwahl einen Landtag zu 
halten; fie verjprachen zugleich zu verhüten, daß nicht, wie etliche 
Herren befürdhteten, auf demfelben etwas geihehe, wa3 der Re— 
ligion oder der Jurisdiktion des Kapitels nachteilig jei, und pro= 





1) Der betr. Artifel (13) der Erblanbvereinigung lautet in ber Faflung 
von 1550: „13. Item wan bat capittel eindrechtlich oder bat: meiſte deyl 
von deme capittel einen herren gefoeren und erwehlt hat, of ban jemanbt 
were, ber auch were binnen oder buifjen dem capittel, in ſolche Kur bröge 
zweytracht und umeinbrechtigfeit in bem ftifft machen wolde, fo follen alsdan 
edelmanne, ritterfchaft, flede und gemeine landſchafft dem alſo ermwehlten 
beren geborfamteit boin, mallih na fyme gebur, ben erwehlten herren uf fine 
köſt, bey dem ftifft Helffen behalten, und ber fachen fall der berr ihn ein 
beufft-berr fein.” PVollftändige Sammlung (ded Kurfürften Marimilian 
Friedrich) 1772 I, 6. 


Die Kapiteldregierung. 561 


teftierten gegen die Folgen, wenn man dem. Begehren der Grafen 
nicht millfahre. Der Beſchluß wurde Bis zum folgenden Tage 
ausgejegt, erfolgte aber auch da wieder nicht, weil die drei Präs 
laten: durch die Drohung, ſich abzufondern, wiederum eine. ihnen 
ungünftige Abftimmung verhinderten. — Aber die Widerftands- 
fraft der bayriſch gefinnten: Kapitularen war. bereits gebrochen ; 
als fie nad) diefer legten Kapitelsjigung unter einander berieten, 
was nun zu thun, entichloffen fie jih, um Weiterungen zu ver— 
hüten, nachzugeben und den Landtag vor der Wahl zu bemilligen, 
unter folgenden durch den bayriihen Kanzler formulierten Be: 
dingungen: Auf dem Landtag dürfe 1) nichts vorgebracht werden, 
was der katholiſchen Religion zuwider, oder 2) der geiftlichen und 
weltlihen Jurisdiktion des Exrzitiftes nachteilig ſei; 3) die Lands 
haft dürfe jih in die freie Wahl des Kapitels nicht einmifchen ; 
4) Poſtulation und Wahl jollten nicht verwechſelt werden und 
erftere nur gemäß dem geiftlihen Recht erfolgen. Die Gegenpartei 
fträubte fih anfangs gegen dieſe Bedingungen, vermutlich weil ſich 
der Straßburger Biihof nicht To glei in feinen Ausschluß von 
der Wahl ergeben mochte, welder in der vierten Bedingung mittel: 
bar enthalten war; er wird fid) aber ſchließlich überzeugt haben, daß 
er nicht einmal Ausfiht auf einfahe Majorität habe und darum 
immerhin die Wahl des Truchſeſſen der des bayrischen Herzogs vor: 
zuziehen jei. — Andern Tags (am 22. November), als man im 
Kapitel wieder zuſammenkam, brachte es Johanns geipreiztes 
Weſen noch zu einem kleinen Poſſenſpiel: er beſchwerte ſich näm— 
lich bitter, daß man ihn verdächtige, als habe er als Scholaſter 
nicht jederzeit den Statuten gemäß votieren und konkludieren 
laſſen; er ſei bereit, ſich wegen dieſes Vorwurfs zu verantworten, 
könne ſonſt den Kapitelsberatungen fernerhin nicht beivohnen. Das 
Kapitel beteuerte darauf, nicht„verweislich ſondern nur berichtweiſe“ 
ſei das Statutum de majoritate votorum von etlichen Herren an— 
gezogen worden; Seine fürſtliche Gnaden möchten das nicht in 
Ungutem verdenken, ſondern den Kapitelsſachen wie bisher bei— 


wohnen. — Gleich darauf erſchienen die Grafen Hermann und 
Lofſen, Köln. Krieg I. 36 


562 Sechſtes Buch. Viertes Kapitel. 


Dietrih von Manderſcheid im Kapitel und wiederholten, namens 
ſämtlicher Stiftsgrafen, ihr jüngftes ſchriftliches Erſuchen. — Nun- 
mehr faßte das Kapitel einmütig den zuvor ſchon zwiſchen beiden 
Parteien vereinbarten Beſchluß, den Landtag vor der Wahl unter 
den angegebenen vier Bedingungen zu bewilligen; der Landtag jolle 
am 2. Dezember zu Köln im Kölnishen Hof gehalten, und zwei 
Zage danad) zur Neumahl gefchritten werden. 


5. Kapitel. 
Die Wahl des Gebhard Eruchfeß.* 


Die Deputation, welche mit der Vorberatung der neuen 
Wahlartifel betraut war, fam damit nad vierzehn Tagen, am 
29. November, zu Ende. Ihr Werk wurde naher vom Geſamt— 
fapitel mit einigen Zufägen genehmigt und von jämtlichen an— 
weſenden Kapitularen unterichrieben. In der Form richteten ſich 
die Artikel im allgemeinen wieder nad) den alten, aber eine Menge 
neuer Beichränfungen der ohnehin ſchon fo eingeengten erzbiichöf- 
lichen Rechte diente al3 Unterpfand de3 Sieges, weldyen das Dom— 


* Quellen: Folgende meift ſchon früher angeführte Archivalien: DA. Domkap.⸗ 
Protof. Nr. 157; Köln Domfift 323. 323. 324 u. 324ab, — StN. 
38/3. 10. 13. 15—18; 230/3; 311/16; 399/55. 56 u. 59. — RA. 
Fürftenfachen Spec. C. Nr. 407; Unruhen im Erzftift Köln 1577/84, 
T. I (Hier fol. 1/29 DOr.-Briefe des Straßburger Bifhofs an Gebharb 
Truchſeß vom Dezember 1577 His Februar 1578). — Dr. loc. 8926; 
loc. 8525 (Bericht von Erich Volkmar v. Berlepfh an Kurfürft Auguft 
über Salentins Hochzeit). — MB. Cgm. 2213. Bd. 59, fol. 80 ein 
„Verzeichnus was auf des gr. zu Iſenburg bochzeitlichen erentag an 
cleinoten und filbergefchir gefchenft und verert worden.” — Gebrudt 
find einige päpftlihe umb andere Briefe bei Theiner II, 280 u. 
370sqq. Lacomblet, Urk. IV, Nr. 581. Mande haldrichtige Ein- 
zelnheiten über die Kölner Wahl bes Jahres 1577 bei Maffei, 
Ann. di Gregorio I, 270sqq. und bei Ennen V, 3ff.; bafelbft 
IV, 645 über Salentins Hochzeit. — Im allgemeinen vgl. Buch 1, 
Kap. 2. 

36 * 


564 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel. 


fapitel über Kurfürft Salentin davongetragen hatte. Die Ge— 
ihichte ihres Streites ift in ihnen gleichſam abgeprägt. 

Art. 1 fchreibt nunmehr die Erlangung der päpftlihen Kon— 
firmation ausdrüdlid vor, dagegen fehlt die ſchon vor zehn Fahren 
von den Prieſterkanonikern angefochtene Klaufel, das Dispens von 
der Priefterweihe zuläifig. Bezeichnend für den Fortſchritt, welchen 
der Geiſt der fatholiihen Reftauration inzwiihen im Erzſtift ges 
macht hatte, erneuerten jekt nur noch zwei Edelherren, Hermann 
Adolf von Solms und Johann von Winneburg, den damaligen 
Proteſt gegen diefen Artitel ). — Alle furfürftlichen Räte, Sefre- 
täre, Regiftratoren: ſollen fortan. auch dem Kapitel eidlich verbunden 
fein. — Die Erblandvereinigung von 1463 und 1550 wird ſchon 
in den Wahlartifeln ausdrüdlich beftätigt. — Kein Kanonifus oder 
Prälat fol vom Erzbiſchof anders als vor dem Kapitel jelbft 
gerichtlich angeiprochen werden; wenn Klerus und Unterthanen fich 
zu Recht erbieten, darf ihnen der Kurfürft ihre Güter nicht. mit 
Arreft belegen. — Johann Gebhards. Vertrag vom Fahre 1561 
wird neuerdings beftätigt; demnah muß Salentins Nachfolger fi 
verpflichten, den Abgang an den dem Kapitel verpfändeten Zöllen 
zu Bons, Berd, Bonn zu erjegen. Vor zwei Jahren hatten die 
Rückſtände aus Zons und Berd ungefähr 17,000 Goldgulden 
betragen; jest ihäßte man fie ſchon auf 23,000 und die Fort— 
dauer des niederländiichen Srieges ließ weiteren Rückgang ver 
Bollerträgniffe erwarten. Dieſer Artikel enthielt obendrein, gleich 
mehreren anderen, den Zujag, daß alles, was der jüngite Vor— 
gänger ihm zumider gehandelt, widerrufen und nichtig fein jolle. 
Der neue vegierende Herr verzichtete jomit von vornherein auf 
alle Vorteile, welche Salentin in der Zonſer Streitſache durch Die 
faijerlihe Kommiſſion und den Proze am Kammergericht bereits 
erlangt hatte. — Die Höfe Der und Chor im Veſt Nedling- 


1) gl. o. ©. 28. Im Wrotofoll des 5. Dezember 1577 beißt es 
Herm. Ad. Solms et Joh. a Winnenb, quoad articulos repetunt suamı 
protestationem quam tempore electionis D. Salentini, ut mihi dicebant, 
interposuerunt. 


Die Wahl des Gebharb Truchſeß. 565 


hauſen verbleiben dem Kapitel. — Der Ertrag aus den von 
Salentin gelöften Gütern fol zu weiteren Löfungen verwendet 
und deren Einkünfte von Erzbiihof und Kapitel gemeinjam ver: 
maltet werden. — Kaum einmal finden wir in einem Artikel 
etwas gemildert ). Am Schluß find mehrere ganz neue Artikel 
angehängt, von denen der erfte mehr als eine Vorſorge gegen 
den mutmaßlichen künftigen Herrn ericheint, während die anderen 
wieder an einige Momente aus dem Streit mit Salentin er— 
innern. In Art. 43 veripricht nämlich der Neugewählte, daß er 
etwa früher fontrahierte eigene Schulden nicht dem Erzftift zur 
Zait legen wolle. Nun galt von den Bewerbern um die Kur der 
Truchſeß als „zehrlich“, d. h. als Verſchwender; die Familie des 
Domdehanten, von Schauenburg, war tief verichuldet, die Prunk— 
juht des bayriihen Haujes ſprichwörtlich: der Artikel läßt fich 
alſo als eine Vorkehr gegen dieſe drei Bewerber zugleih aufs 
faſſen. — Art. 44 verbietet dem Ermählten feine Dompräbende 
während feiner Regierung zu rejignieren: vermutlich in der Abficht 
neue Koadjutoriepläne zu erſchweren. — Urt. 45 unterfagt alle 
nicht ausdrüdlih von Kapitel und Landftänden genehmigten Bünd— 
niffe und Dienftverhältniffe mit fremden Herren. — Art. 46 
ordnet an, daß der regierende Herr, jo oft er das rheiniſche Erz— 
ftift verlaffe, eine aus Kapitel und Räten genommene Statthalter- 
Ihaft anordnen müſſe. — Der legte Artitel (47) bejagt wörtlid: 
„Weil unſer legter Vorgänger, auf Anftiften, wie zu glauben, 
und mit Rat übelmollender und unruhiger Leute, mit unjerm ehr- 
würdigen Kapitel jchwere Jrrungen gehabt hat, fo veriprechen wir 
von den alten oder neuen Räten feinen anzunehmen, außer mit 


1) Der alte Art. 3 enthält die Beftimmung: quod nullo tempore contra 
capitulum vel alium statum patriae ac dioecesis a Sede Aplica vel Caes. 
Mte judices seu commissarios in judicio vel extra judicium sine consensu 
ejusdem capituli petemus vel obtinebimus. Diefer Sat wurde in bem 
neuen Urt. 4 weggelaſſen, ne capitulum videatur Rmum nimium con- 
stringere, wie e8 im Protofoll der Deputierten vom 28. November heißt. 
Da man folhe Rüdfiht fonft nirgend nahm, möchte man bier einen Hinter» 
gedanfen vermuten. 


566 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


Rat und Gutheißen unjeres Kapitel und nicht anders al3 gemäß 
der Beftimmung der Landvereinigung unjeres Erzftifts.‘ — Diefer 
Artikel hat feine eigene Geſchichte. 

Am 13. November hatte ſich Salentin in einem Schreiben 
an jämtliche kurkölniihe Räte (aus Schloß Grenzau) bitter be= 
ſchwert, daß er für all’ feine dem Erzitift geleifteten Dienfte nichts 
ernte als ehrenrührige und unrehtlihe Nahreden; man habe ihn 
jogar wegen einiger noch nicht fälligen Bejoldungen beim Kammer— 
gericht verklagt, auch ſonſt vielfach moleftiert und angelaufen ; 
landfundig fei, mie man ihm nad feinem Abjtand mit Hohn, 
Spott und Bedrohung begegnet: „nit anders, dann al3 mann 
ih des ErzftiftS gar ein Fremder, ja desſelben der geringiter 
Diener oder Hundsbub geweſen, der fein Lebenlang demjelben 
niemal3 weder Gut3 gegonnt noch erzeigt hätt.“ Das könne er 
nicht länger dulden, darum möchten die Räte mit ihm darauf be= 
dacht fein, die chrenfräntenden Nachreden abzufhaffen und ihm 
jagen, weſſen er fih von ihnen zu verjehen habe. Kopie diejes 
Schreibens fam den Donnlapitularen zu, auf die es ja ohne Zwei— 
fel gemünzt war. Wir wiſſen nicht, was die Räte ihrem alten 
Herrn geantwortet haben; daß fie ihm nicht Steine nachwerfen 
würden, wie das Domlapitel, war jedenfall vorauszuſetzen; doc 
mußte diefem daran liegen, dag fie wenigſtens nicht, zumal nicht 
auf dem bevorftehenden Landtag, geradezu gegen das Kapitel Partei 
nahmen. Deshalb wurden jämtlihe Räte, adelige und gelehrte, 
auf den 1. Dezember vor das Kapitel beichieden und hier auf: 
gefordert, anzuzeigen, ob einer von ihnen wiſſe, daß das Kapitel 
den Zoll von Zons nicht mit Fug innehabe. Die Räte, zahlreich 
erihienen, antworteten durd Kanzler Burlhart, fie hätten ftets 
bedauert, daß der Handel zwiſchen Kurfürft und Kapitel zu Ver: 
bitterung geraten; in der Sache aber hielten fie jih daran, daß 
fie als bloße Mandatare des Kurfürften gehandelt und daß es im 
Reihe ungebräuchlich fer, in ſolcher Weile die Räte zur Rechen: 
ſchaft zu ziehen; auch ſei die Sache rechthängig, einige von ihnen 
al3 Zeugen zum Stillſchweigen verpflichtet u. f. w. Nachher 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 567 


erklärten jedoch einige adelige Räte, darunter der Landhofmeijter 
Georg von der Leyen und der Marſchall Rutger von der Horft, 
für ihre Perjonen noch weiter: fie feien nicht gemeint geweſen, 
das Kapitel zu verunglimpfen, hätten dieſes aud nicht in Ver— 
dacht, dag anders als recht, billig und adelig gehandelt worden 
ſei. Da der Landtag bevorftand, begnügte fid) das Kapitel einft= 
weilen hiermit, fügte dann aber, ohne Zweifel um ſich für die 
Zukunft zu fihern, noch in legter Stunde jenen Art. 47 der 
Wahlkapitulation hinzu. — Übrigens findet ſich nicht, daß das 
Kapitel nachher gegen die weitere Verwendung eines der alten 
Räte Salentins Einſpruch erhoben hätte. 

Über den Verlauf des am 2. Dezember im Kölnifchen Hofe 
eröffneten Landtags fehlen direlte Nachrichten. Aus den Vorver- 
handlungen ift zu fchließen, dab das Sapitel den anderen Land— 
ftänden die Zonſer Streitfrage vorgelegt und für fein Verhalten 
in derjelben die Billigung des Landtags verlangt, wohl aud 
erhalten haben wird. Vagegen werden die Landftände ihrerjeits 
gefordert haben, daß fünftighin jeder neugewählte Herr die Erb— 
landvereinigung in aller Form beftätige und erneuere. Verbunden 
damit war vermutlih eine Ermahnung von Grafen und Nitter= 
{haft an das Kapitel, einen folden Heren zu wählen, von weldem 
nit wieder Übergriffe in die Rechte der Landftände zu befürchten 
fein. — Von Freunden Bayerns wird nachher behauptet, der 
gichtleidende Graf Hermann von Neuenar habe fid) jogar ein oder 
mehrere Male in das Kapitel tragen laſſen, um vor der Wahl des 
bayrijchen Herzogs zu warnen. Die Domtapitel-Protofolle ent= 
halten hiervon nichts; dennoch ift die Thatſache jehr wahrſchein— 
li, wenn auch nit anzunehmen ift, daß Herzog Ernft3 Name 
ausdrüdlih genannt wurde. Wenn Graf Hermanı vor der Wahl 
eines allzu mächtigen Herrn warnte, wußte ohnehin jeder, wem das 
galt. Der Landtag jheint fih bis zum 4. Dezember hingezogen 
zu haben, da man feinetwegen die Wahl um einen Tag, bis zum 
Sten verſchob. 

Die Vorbereitungen zur Wahl dauerten auch während des 


368 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


Landtags fort. Um S. Katharinen waren Nuntius Porzia und 
die Drei faiferlihen Kommiſſare nah Köln zurüdgelommen umd 
hatten am 27. nad) einander Audienz beim Kapitel, welchem jie 
nohmals, ungefähr mit den früheren Gründen, die Wahl des 
bayriihen Herzogs empfahlen. Porzia überreichte zugleid) ein 
neues, auf jeinen Wunſch erlaffenes Breve (vom 24. September), 
welches darauf Hinmwies, day das Kapitel jelbft den von Papſt 
und Kaiſer und anderen Fürften empfohlenen Herzog Ernit als 
einen der höchſten Ehren jehr mürdigen Mann bezeichnet habe. 
Am folgenden Tag erichten im Sapitel, als Abgeoröneter von 
König Philipp und Don Juan, der königlihe Rat und Propft 
von S. Severin in Köln, Johann Fund, und erflärte von neuent 
ven bayriihen Prinzen al3 einen dem fatholiihen König genehmen 
Nachbar. Nah ihm ftellten vier Geſandte des Herzogs Erih von 
Braunihweig dem Kapitel vor, daß durd Herzog Ernits Wahl 
der fatholiichen Religion, den Neid) und dem Erzitift am beiten 
gedient jein werde. — Herzog Erich, jeit langen Jahren ein 
Parteigänger Spaniens, war neuerdings durd) feine Che mit Do= 
rothea von Lothringen, der Schwägerin des jungen Bayernherzogs 
Wilhelm, in nähere Beziehungen zum Haufe Bayern gekommen. 
Den Wortführer jeiner Gejandten, Dr. Rudolf Elend, einen Kon— 
vertiten, hatte ihm Herzog Albrecht ſelbſt unlängjt als Hofprediger 
zugefandt. Herzog Eric unterjtügte jeine Intercejlion für Herzog 
Ernſt durch das Exbieten, im Falle von deſſen Wahl dem Erzitift 
mit Land und Leuten beizuftehen. Im Munde eines Mannes wie 
Herzog Erih, der einftmals aus bloßer NRaufluft halb Nieder: 
deutihland mit einem Söldnerheer verwültend durchzogen hatte, 
fein leeres Wort. — Unter den Motiven, welde die Wetterauer 
Grafen gegen die Wahl des bayriichen Herzogs geltend machten, 
nahm deſſen Verbindung mit dem gefürchteten Braunfchweiger 
regelmäßig eine Stelle ein; amderjeit3 hatte das Erzſtift Köln 
diejen jicherlicdh lieber zum Freunde als zum Feinde !). 





1) Über Herzog Erich den Jüngern im allgemeinen Havemann II, 


Die Wahl des Gebharb Truchſeß. 569 


Am 29. November wiederholten die Gejandten von Kurmainz 
und Kurtrier (unter legteren auch der wegen jeines Einfluffes auf 
Graf Philipp von Manderſcheid-Keil von bayriſcher Seite bejon- 
ders gern gejehene Dompropft Schönenburg) ihre frühere Inter— 
ceifion für den dem Papfte und dem Kaiſer genehmen, bereits 
zum Prieſter geweihten Freifinger Biſchof, der mit Hilfe jeiner 
mächtigen Verwandtſchaft alle Gefahren von ihrem Erzſtift leicht 
fernhalten fünne. Am 2. Dezember folgte nod) eine warme Em— 
pfehlung des Herzogs Ernſt durch jülihiche Gefandte (Landhof— 
meifter Gimnich, Dr. Konrad Fürftenberg und Dr. Walter Fabri- 
cius), und endlid die abermalige Bitte der bayrischen Räte 
Maxlrain und Eljenheimer, ihren von jo vielen Seiten empfoh- 
ienen, vom Kapitel jelbit belobten jungen Herrn zu wählen. — 
Am 4. Dezember ließ das Kapitel all diefen Gejandten durch 
einige Deputierte in allgemeinen Ausdrüden antworten: fie ins— 
gemein und alle einzelnen Mitglieder wollten bei ihrer bevor- 
ftehenden freien Wahl jo wählen, daß es zu Gottes Ehre, zum 
gemeinen Beſten und zum Wohlgefallen von Papſt und Kaifer 
gereichen werde. 

Biel wichtiger für den Ausgang der Wahl war das, was 
außerhalb des Kapitel im geheimen mit den einzelnen Wählern 
verhandelt wurde. Leider wiſſen mir Genaueres nur über das, 
was auf bayriiher Seite geihah; die Praftifen der Gegenbewerber 
fennen wir faft nur aus den in die Offentlichkeit gelangten nicht 
durchaus zuverläffigen Gerüchten 9. 


296 ff. Über feine Beziehungen zum Haufe Bayern feit der Heirat mit 
Dorothea von Lothringen (Dezember 1575) mancherlei zerftreut im ben 
Münchener Archiven. Biographie Clencks von Engerd bei Mederer 
II, 45sgg.; vgl. Prantl, Geſch. ber Univ. München IL, 492. 

1) Mehr oder minder verbürgte Nachrichten über die antibayrifchen Prak— 
tifen fammelte in Köln nad der Wahl zuerft Dr. Aernsperg, fpäter Dan- 
dorf. Weiteres erfahren wir durch aufergerichtlihe Zeugenausfagen, welche 
der bayriſche Gefandte Fabricius zum Zwed bes Prozefies gegen Gebharbs 
Wahl in den Jahren 1578/79 in Rom erheben lief. Gewichtig find hier— 
unter namentlich Ausfagen eines Sohnes bes jülichſchen Rates Walter 


570 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


Bon den 13 Stimmen, auf welde die bayriſche Partei anfangs 
zählte, waren ihr zulegt nur 10 ficher geblieben ; jie bedurfte aber, 
da die beiden Gegenkandidaten außer Betracht blieben, mindeftens 
12, um die abfolute Majorität (unter 22 Stimmen) zu haben. 
Der Nuntius hoffte noch immer den Senior Novimola auf die 
bayrische Seite zu bringen; er wußte, daß der alte Mann in jfan= 
dalöſem Konkubinat, lebte und dachte wohl durch die Drohung mit 
der Sufpenfion und Erlommunifation ihn an der Hand zu hal— 
ten). Die anderen Freunde Bayerns teilten übrigens dieſe 
Meinung nit. Dagegen veriprad) Graf Reinhard von Solms 
wiederholt fowohl einzelnen fremden Gejandten, wie dem Herzog 
Ernſt jelbft, er werde feine Zufage halten; al3 zwölften aber 
glaubte die bayrifhe Partei den Lie. Paul von Kuchoven, der 
früher für truchſeſſiſch galt, auf ihre Seite gebracht zu haben. 
Denn Kuchoven veriprad den beiden zur Zeit als Flüchtlinge in 
Köln lebenden Biihöfen von Roermond und Middelburg, feinen 
Landsleuten, ferner dem Nuntius und dem Dedanten Orth für 
Herzog Ernft zu ftimmen, falls dadurch deſſen Wahl gefihert jei. 
Am Zage vor der Wahl wurde man aber feinetwegen wieder 
zweifelhaft, da man hörte, Kuchoven, der feine Dompräbende durch 
die Gunft des Stadtrates erlangt hatte und als Regent des 
Laurentianum von diefem abhängig war, jei duch den Dffizial 
Kempis, jowie duch einen angejehenen Ratsherrn, angeblih den 





Fabricius, welcher bald nad der Wahl zum Eintritt in das germanijche 
Kolleg nach Rom ging, ferner die eines früheren Dienerd bes Nuntius Porzia; 
vgl. u. Buch 7, Kap. 2. 

1) 28. November 1577 ſchreibt Borzia an Herzog Albrecht (StA. 399/59, 
fol. 4): Ego vero . .. canonicos sacerdotes duos, qui animo a nobis 
alienori esse videntur [d. i. Novimola und Kempis], perstringam etiam 
acrius et .... monebo serio, cum praecipue in horum altero contra 
omnium spem mihi uni sit adhuc aliqua spes, cui ex iis, quae a me 
audivit et quae per alium insinuari curavi, scio magnum esse injectum 
scrupulum. Damit bringe ih das o. ©. 171 erwähnte Geſpräch Porzias 
mit Novimola in Verbindung, worüber ein früherer Diener des Nuntius im 
Sanuar 1579 in Rom Ausfagen machte. 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 5711 


Syndikus Dr. Steinwih, mit Verluft feiner Regentenftelle bedroht 
worden, falls er den bayriichen Herzog wähle !). Kuchoven felbft 
behauptete, Graf Meinhard werde nicht Wort halten und demnad) 
Herzog Ernſt dur fein, Kuchobens Votum erft 11 Stimmen be= 
fommen, aljo Stimmengleihheit und ein verderblihes Schisma 
entjtehen. Daraufhin brachte man ihn und den Grafen am Vor— 
abend der Wahl in Herzog Ernſts Behaufung zufanmen, wo fie 
einander zujagten, für diejen zu ſtimmen. Nun erſt fah man auf 
bayrijcher Seite dem Morgen des 5. Dezember mit einigem Ver— 
frauen entgegen. 

Inzwiſchen hatten aber aud die Gegner für die bevorftehende 
Wahlihlaht ihre Reihe gemuftert und geſtärkt. Wir erinnern 
uns, wie Hermann Adolf von Solms bei feiner Rückkunft aus 
Niederfachien fi rühmte, den Bremer Erzbiihof auf feine Seite 
gebracht zu haben; diefer jcheint ihm jogar einiges Geld für die 
Koften der Wahlagitation mitgegeben zu haben. Wenigitens ver: 
fiherte nachher der bremiihe Sekretär Hermann von der Bede 
am Dresdener Hofe, jein Herr habe ji die Kölner Wahl 4000 
bis 5000 Thaler koſten laſſen. Heinrich erichten nicht in Perſon 
zu Köln, jondern ſchickte feinen Rat Schrader mit einer auf feinen 
Bruder, den Chorbiſchof lautenden Vollmacht. Zeilnahme an der 
Wahl durch Prokuratorium war nad kanoniſchem Recht geftattet, 
nur mußte der Mandant die zu mählende Perſon beftimmt be= 
zeichnen ). Auf bayrifher Seite wollte man nachher wiſſen, 


1) Über Kuchoven (Paulus Kuckhovius) aus NRoermond: Bianco 
I, 280ff. Kuchoven hatte feinen Kapitelplat zufolge Präfentation ber Pro- 
viforen der Univerfität, troß dem anfänglichen Widerftreben des Kapitels, im 
Dezember 1572 erhalten. DA. Domtkap.-Prot. Nr. 155. 

2) c. 42 X de elect. I, 6. absens .... si voluerit, uni committat de 
ipso collegio vicem suam — und c. 46 in VIto de elect. I, 6. cum pro- 
curator unum suo, et alium domini sui nomine in scrutinio nominandum 
duxerit, nihil agit, nisi de certa eligenda persöna sibi dominus dederit 
speciale mandatum. Bon bayrifher Seite wirb offenbar naher, um das 
Botum des Mindener Bifhofs anzufechten, diefem $ ein Sinn untergefchoben , 
ben er nad dem Wortlaut nicht hat. 


572 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel. 


Heinrich habe drei verichiedene Voten eingeihidt: vermutlich, wenn 
es fid überhaupt jo verhält, eines auf den Domdedanten, das 
andere auf den Scholafter, das dritte auf Herrn Truchſeß lauten; 
feines jiherlidh auf Herzog Ernſt. — In einem Briefe an Sa— 
lentin von Iſenburg (aus Schloß Börde vom 25. November), 
worin er deifen Bitte ablehnt, zu feiner Hochzeit, ſowie zur Kölner 
Mahl zu ericheinen, bemerkt Erzbiihof Heinrih: er jet der zu 
Neuhaus geichehenen Fürbitte feines Freundes mohl eingedent, 
lafje aber auf fi) beruhen, ob auch andere Leute [d. i. das Haus 
Bayern] ihr Exrbieten jo gut meinten, wie fie wohl vorgäben. 
„Die alten Sachſen“, fügt er hinzu, „haben gemeinlich den Stein 
geicheuet, daran fie fi einmal geſtoßen.“ Doch wolle er in diejer 
Sade ſich alles aus dem Sinn und Herzen jäten, was ihm mider 
Zuverficht begegnet, und ſofern er mit votiere, allein Gottes Ehre 
und des Stiftes Wohlftand inaht haben. — Diele dunfeln 
Worte find wohl jo zu deuten, daß Heinrich feinem Bruder Auf- 
trag gab, falls Herzog Ernſts Wahl ficher jei, überhaupt nicht 
mitzumählen, andernfalls aber den, welcher die Majorität für ſich 
habe. Darum aljo drei verſchiedene Voten. 

Biihof Hermann von Minden, welcher ebenfalls nicht ſelbft 
erihien, beitellte jeinen Bruder, den Domdechanten, al3 Profurator. 
Bon bayriiher Seite wird nachher behauptet, des Biihofs Votum 
habe unbeftimmt, nämlich auf den gelautet, welchem majora et 
saniora vota zufielen, ſei aljo eigentlich ungültig geweien. Auf: 
fallend ift immerhin, daß des Biſchofs Votum fi nicht mehr bei 
den Aften findet, während doch die Voten der anderen drei bei 
der Wahl fehlenden Herren, des Bremer Erzbiihof3 und der 
beiden Grafen von Weiffericheid, im Driginal vorliegen. Die bei- 
den legteren wurden nämlich faſt in lehter Stunde durch den 
Zod ihrer Mutter bewogen weg zu bleiben; mit Abgabe ihrer 
Stimmen (für Herzog Ernſt) bevollmädhtigten fie den Herrn Joh. 
Daniel von Winneburg und den Grafen Philipp von der Mar. 

Angeblich kurz vor der Wahl — oder wahrſcheinlicher, wie 
erwähnt, ihon um den 21. November, al3 man im Kapitel wegen 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 573 


des Landtags Beſchluß faßte — verftändigten fi die beiden 
zulegt nody in Frage kommenden Rivalen von Herzog Ernſt, der 
Straßburger Biſchof und Gebhard Truchſeß mit ihrem beiderfeitigen 
Anhang, über gemeinfame Wahl des legtern. Seitdem hatte der Truch— 
jeß 10 Stimmen feft, nämlid 8 Edelherren: Dedant, Chorbiſchof, 
Scholaſter, Junior-Diakon (Philipp von Manderſcheid), Hermann 
Adolf von Solms, den Mindener Biſchof und den Bremer Erz- 
biihof; jodann 2 Priefter, den Senior Novimola und den Dffizial 
Kempis. Novimola joll, damit man feiner fiher war, am Tage 
bor der Wahl von dem Truchſeſſen 1000 Xhaler und außerdem 
zwei Faß Wein von dem Straßburger Biſchof erhalten haben. — 
Daß der Regent Kuchoven der Majorität beifallen werde, wußten 
Gebhard Freunde jedenfalls gerade jo gut wie Herzog Ernft und 
die Seinen. Die eigentlihe Entſcheidung lag alfo in der Hand 
eines einzigen Mannes, des mwanfelmütigen Grafen Reinhard von 
Solms. Um ihn feit zu machen, wurde auf der truchjefliichen 
Seite ebenjo wie auf der bayriihen fein Mittel zu schlecht be= 
funden. Auch er ſoll vom Truchſeſſen Wein zum Geichenf bes 
fommen haben, jeine Haushälterin aber ein koſtbares Gewand, 
Am Abend vor der Wahl, wird erzählt, habe ihn fein Bruder 
Hermann Adolf von der Straße in das Haus des Dompropftes 
geholt; hier wird er auch deſſen Bruder Ludwig von Wittgenftein, 
den Grafen Konrad von Solms und den Dr. Jakob Schwarz ges 
troffen haben, welche fich beveit3 jeit einigen Zagen in der Stille zu 
Köln aufhielten. Beim Wein wurde nun der ſchwache Mann bes 
arbeitet, jeine Stimme dem Truchieffen zu verſprechen. Das Zehen 
fol nadher im Hauſe des Domdechanten bis 2 oder 3 Uhr in 
der Nacht fortgedauert haben, jo daß manche der Herren in der 
Frühe des andern Morgens noch halb im Rauſch zur Wahl er: 
ſchienen ſeien. 

Äußerlich hielt man ſich auch diesmal wieder genau an die 
hergebrachten Formen. Bereits am 28. November waren durch 
Anſchlag am Dom alle Abweſenden citiert worden; am 2. De— 
zember wurde, wer nicht erſchienen und nicht vertreten ſei, für 


574 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel. 


fontumaz erklärt und von allen Anweſenden (au von Herzog 
Ernft) ein Profurator bevollmädtigt, im Namen jämtliher Kapi— 
tularen zum Abt von ©. Martin fi zu verfügen, damit dieſer 
alle, welche etwa unbewußt geiftlihen Zenſuren verfallen, zum 
Behuf der Wahl, ad abundantem cautelam, abjolviere ). Das 
geihah am Aten, In der Frühe des 5. Dezember verjammelten 
fih die Wähler im Dom zur Meſſe vom heiligen Geifte, wobei 
Hermann Wolf von Solms und Johann von Winneburg, wie ge= 
wöhnlich bei fahramentalen Handlungen des fatholiichen Kultes, ge— 
fehlt haben follen. Nachher begann im anftogenden Kapitelfaat 
die Wahl per scrutinium et compromissum mixtum sive de- 
terminatum, genau fo wie bei Salentins Wahl im Fahre 1567. 
Die Profuratorien der vier abweſenden Herren wurden ange= 
nommen. Als die Skrutatoren — mie gewöhnlid der Dedant, 
der Senior-Diafon und der Senior der Priefterfanonifer — die 
Stimmen gejammelt hatten, kamen fie ins Kapitel zurück und 
meldeten, diejelben jeien auf mehrere gefallen, einer habe jedoch 
Majorität (plura vota), ob Acceſſio beliebt werde? Das Kapitel 
antwortete: ja; Herzog Ernit aber und nad ihm nod vier andere 
Herren — oh. Daniel von Winneburg, Orth, Smolgen und 
Winfel — erklärten, nur jure uniuscujusque salvo fönnten fie 
die Acceſſio bemilligen. Nach kurzer Entfernung erſchienen die 
Sfrutatoren wieder und ließen dur den Senior Novimola den 
Herrn Gebhard Truchſeß, Freiherrn von Waldburg zum Erzbiſchof 
erwählen und verfündigen. Während der Erwählte ſich wie üblich 
mit einigen Freunden — Dechant, Chorbiſchof, Scholafter Novi— 
mola, Orth und Smolgen — binausbegab, um ſich über die An— 
nahme der Wahl zu beraten, erklärte Herzog Ernſt im Sapitel, 
unter den Wählern jeien einige zur Wahl unfähige geweien, darum 


1) Außerdem abfolvierte auch ber Nuntius Porzia bie vermeintlichen 
Anhänger des bayrifchen Herzogs, darunter au den Grafen Reinhard von 
Solms, von allen geiftlihen Zenfuren. Nachher fuchte man freilich biefe 
unbequeme Thatfache zu vertufchen. 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 575 


fönne er der Wahl nicht beiftimmen, jondern behalte ſich fein 
Recht vor und werde an Papſt und Kaifer, Kurfürften und Für: 
ften berichten. Hierauf verließ er den Sapiteljaal, gefolgt von 
dem älteren Winneburg und Philipp von der Marl. Auch Rein- 
hard von Solms lief aus den Kapitel — wie Judas, da er den 
Derrat begangen, jagten nachher die Bayern !). Der Truchſeß 
aber kam zurüd und ließ durch Swolgen erklären, er hätte lieber 
gejehen, wenn man jtatt feiner geringen Perſon eine andere er- 
wählt, — wegen der böjen Zeiten und der Schulden, in denen 
das Erzitift ſtecke, ſodann weil er vernehme, Herzog Ernft von 
Bayern jei mit der Wahl unzufrieden. Das Kapitel ftellte ihm 


1) Weshalb Graf Reinhard aus dem Kapitel ging, ift nicht leicht zu ent— 
fheiden. Bei ber Beratung am 24. Dezember beſchloß das Kapitel fein 
Meggeben folgendermaßen im Wahldefret zu motivieren: item addi debet, 
quod D. Reinardus Solms ex commissione capituli exierit. Abiit enim 
ad custodiam Caesaris Werdenae juxta commissionem suam. Demgemäß 
ſteht wirklich im Dekret: interim etiam Dno Reinhardo comite a Solms, 
ob certa et necessaria quaedam negocia, ex commissione nostra expedienda, 
e loco capitulari exeunte. Gegenüber biefer Handgreiflichen Notlüge bin ich 
geneigt anzunehmen, daß Graf Reinhard wirklich halb aus Beihämung über 
feinen Wortbruch, Halb aus Furcht vor befien Folgen wie ein ſchuldbe— 
wußter Knabe davonlief, da er ſah, daß Herzog Ernft die Wahl Gebharbs 
nicht gebuldig hinnahm. Ernſt felbft behauptet in einem zum Zwecke der 
Beitreitung der Wahl Ende April 1578 verfaßten „Diskurs“, Graf Rein- 
hard fei nicht ob certa et necessaria negotia und nod weniger ex com- 
missione capitulari aus bem Kapitel gegangen, „fonber verfert unb er- 
blattert (!), mit zerrauftem bar, alsbalt postquam emisit votum et per- 
fidiam commisit, als ainer der ain grofjes übel getan und, wie Judas Is— 
cariote®, post proditionem Christi, poenitentia licet sera ductus, ben 
negften dem Rhein zuegeloffen, ubergefarn, ſich dahaimb in dem har gerauft 
und fein factum geclaget, ven megften auch pro sui quasi tuitione und 
ſicherhait fi gen Kaiferswert gemacht.” StA. 38/18, fol. 58. Ähnlich bei 
Maffei I, 275, jebenfall® nad Berichten des Nuntius Porzia: Rainero 
per giustizia divina agitato da furie, ed a voci aperte accusando il suo 
fallo, incontinente per disperazione usci di Colonia, e poco dopo infeli- 
temente di vita. — Bon Reue ift übrigens nachher (1578) in Reinhards 
Benehmen nichts zu fpüren; er hielt zu Gebhard Truchſeß, farb auch erfi 
im Jahre 1580. 


576 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


vor, die Wahl ſei göttlihe Berufung, Gott werde jeine Gnade 
verleihen; fie jelbit wollten mit dem bayriihen Herzog alles zum 
Frieden befördern Helfen. Nun nahın Gebhard die Wahl an, 
leiftete den biſchöflichen Eid und beihwor die Wabhlartifel. Die 
Kapitularen wünschten ihrem Ermählten Glück und ftellten ihn 
alsdann den Vertretern der Lanpdftände vor, denen er veriprad), 
baldigft die Landvereinigung zu erneuern. Hierauf geleitete man 
ihn unter Slodengeläute zum Domdor, feste ihn in den erz= 
bifhöflihen Gewändern auf den Hodaltar und ftimmte das Te 
Deum an, der Senior Novimola aber verfündigte die Wahl dem 
Volke. 

Die ganze Stadt war in Erregung; der lärmende Jubel der 
ſiegreichen Partei übertönte die Klagen der unterlegenen ). — 
Tief beitürzt ſchickten die bayriihen Räte noch am Nachmittag eine 
eigene Stafette mit der ſchlimmen Botihaft an den alten Herzog: 
„Graf Reinhard von Solms und der Regent Burſae“, ſchreibt 
Elſenheimer, „ſind aller Vermutung nad zu Buben worden!‘ 
Die Vermutung war in der Hauptfadhe richtig. — Auf dem Wege 
zum Sapitel hatte Herzog Exnft den Grafen Reinhard noch einmal 
an jeine Zuſage gemahnt und nod) einmal diejer veriproden Wort 
zu halten; dann aber mählte er den Truchſeß. Seinem Bei- 


1) Der Sekretär bes Biſchofs von Roermond macht 3. B. nachher in 
Rom (Januar 1579, StA. 311/16) folgende Ausjage: quod dieta electione 
celebrata improbi et suspecti per plateas exclamabant, Jesuitas non esse 
a Deo exauditos ... . (est publicum et notorium). Nachmals (1583) for- 
bert Herzog Ernft den Kölner Rat auf, dafür zu forgen, baf nicht mieber 
wie vordem (1577) die Bürger im Dome während ber Wahl fi unge- 
bührlich benähmen, namentlich mit Abſchießen ihrer Büchſen u. ſ. w. Nach 
Ennen V, 19 Anm. 2 fett der Kölner Rat bereits am 9. Dezember 1577 
einen Preis auf die Entdedung des Verfaſſers eines Libells gegen Herzog 
Ernft, und der Straßburger Bifchof teilt am 11. Dezember bem Neugemähl- 
ten mit, daß „oil pasquifn auf dem gafen gemacht werben”. Kopie eines 
ziemlich ftumpfen und plumpen Tateinifhen „Famoslibells“ (in 7 Diftichen), 
welches bald nad der Wahl am Dom angefchlagen worden fei, ſchickt Herzog 
Albrecht fpäter dem ſächſiſchen Kurfürften. Herzog Eruft wirb barin mit 
einem ben Päpften und Mönchen al8 Lafttier dienenden Efel verglichen. 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 577 


fpiel folgte, um Majorität zu machen, der Regent Kuhoven. So 
befam der Truchſeß 12 Stimmen, Herzog Emft nur 10; von 
den Rivalen hatte der Sieger fein Votum dem Straßburger 
Biihof, Herzog Ernſt das feine dem Afterdehant gegeben. — 
Als das Kapitel am 7. Dezember wieder zufammenfam, legte der 
Sekretär bereit3 den Entwurf eines Wahldefrets vor, welcher ges 
nehmigt wurde. Von Herzog Ernſts Wählern waren Xhengen, 
Swolgen, Gropper und Winkel zugegen, ohne Widerfprud zu er— 
heben. Man beihloß au, die beiden Herren, welche fid mit dem 
Herzog entfernt hatten, Winneburg und von der Mark, zur Unter: 
zeihnung des Dekrets aufzufordern. Dem bayriſchen Herzog, wel— 
her duch Dr. Aernsperg Kopie des Protokolls und des Wahl- 
defret3 verlangte, wurde dies al3 ungebräuchlich abgeſchlagen. 

In der erjten Beftürzung hatten die bayrifchen Räte das Spiel 
faft verloren gegeben; al3 fie aber nachher mit ihren Freunden 
berieten, namentlid) mit dem Nuntius, welcher feine eigene und des 
römishen Stuhles Autorität durch den Ausgang der Wahl ſchwer 
verlegt fühlte, kamen fie zu dem Entihluß, daß der Freilinger 
Biihof feinen im Kapitel bereits angekündigten Proteft wirklich 
verfolgen folle. Dr. Aernsperg wurde in Köln zurücgelafien, um 
die Appellation abzufaffen und fie dem Eingedrungenen ſowie dem 
Kapitel zu infinuieren, während Herzog Ernſt ſelbſt mit Marlrain, 
Eljenheimer und wenigen anderen Begleitern jhon am 8. De— 
zember von Köln abreifte, zuerft nah Hambah, um fi) vom 
Herzog von Fülih zu verabſchieden, dann dur die Eifel und 
über den Hundsrüd und Kreuznad nad) Rheinhaufen, von da auf 
der Poſt nachhaufe, wo fie bereits vor Weihnachten eintrafen. 
Dandorf und der Freifinger Kanzler folgten acht Tage jpäter mit 
dem übrigen Hofgejinde. Che dieje beiden Köln verließen, rich— 
teten fie nod) einen, offenbar von Dr. Adrianus Aernsperg aufs 
gejegten, ausführlichen Brief an Herzog Albrecht, worin fie dieſen 
in ihrem und zugleih in des Nuntius Namen beſchworen, das 
Recht zu verfolgen, welches fein Sohn erlangt habe. „Ale“, 
Schreiben fie, „welche bier der fatholiichen Religion —— ſind, 

Loſſen, Köln. Krieg I. 


578 Sechſtes Buch. Fünftes Kapitel. 


in Klerus, Nitterichaft und Rat, jowie beide Nuntien [Porzia 
und der alte Gropper] flehen, bitten und ermahnen, unſer g. Fürft 
und Herr folle fein Jus in Romana Curia projequieren, find alle 
der einhelligen Meinung, ſolches könne minimis labore sumptü 
et tempore geſchehen.“ Der Nuntius meine, wenn man dieſe 
Schmach dulde, werde Herzog Ernft auf allen Stiftern im ganzen 
Reich verachtet werden und in ewiger Zeit zu feinem mehr fommen. 
Dagegen verteidige Herzog Albrecht, indem er fein Haus und feines 
Sohnes Sadje verteidige, zugleich die gemeine Sache, die Sache 
Gottes und der Religion. Um den Prozeß zu betreiben, könne 
Dr. Adrianus nad Rom geſchickt werden, Herzog Ernft jelbit ihm 
fpäter nachfolgen. 

Sicherlich murzelte der Eifer, melden Aernsperg entfaltete, 
richt zum fleinjten Zeil in dem Wunſche des eiteln Mannes, in 
der anjehnlichen Würde eines Sachwalters de3 bayriſchen Haufes 
wieder nad) Rom zu kommen; Herzog Albreht aber, an die Rolle 
eines Vorlämpfers der fatholiichen Religion längft gewöhnt, ließ 
ſich allzu leicht einreden, dah das, was im Intereſſe jeines Haujes 
zu liegen ſchien, zugleich die Sache Gottes und der fatholiichen 
Kirche jei. — Auf die erfte Nachricht von der Niederlage feines 
Sohnes ſchien er gemillt, fie al3 göttlihe Schidung ergeben Hinz 
zunehmen. Sobald er aber jenes Schreiben von Dandorf und 
Römer in Händen hatte, ftand fein Entſchluß feft, Gebhard Truch— 
ſeß al3 Eindringling zu behandeln und jetzt noch das Erzitift für 
feinen Sohn zu beanspruchen. Schon vor deſſen Rüdkunft (am 
22. Dezember) jchrieb er in diefem Sinn an den Kaifer. 

Indes triumpbierten die Sieger, namentlih Salentins alte 
Feinde, der Straßburger Bischof, der Ehorbifhof und Hermann Adolf 
von Solms, welchen Gebhard zumeift feine Wahl verdanfte und 
weiche jegt mit Graf Hermarn von Neuenar in feinem Rate das 
große Wort führten. Ihren Übermut legten fie bejonders bei Graf 
Salentins Hochzeit an den Tag. Diefe war, mie erwähnt, auf 
den 10. Dezember nad) Bonn angejegt worden. Salentin und 
jeine künftige Schwiegermutter, die gefürftete Gräfin von Aren— 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 579 


berg. hatten dazu viele und vornehme Säfte geladen, gedachten 
daher anjtatt der vom Domkapitel eingeräumten Kanzlei das Bon: 
ner Zollhaus zu benugen. Aber zwei Tage vorher kam Beſcheid 
bon Köln, Kurfürft und Kapitel hätten ihr Zollhaus jelbft nötig; 
au dürften nicht viel über 300 Pferde in die Stadt gelafjen 
werden. Diejem Befehl Nachdruck zu geben, erjchienen am 
9. Dezember der Domdehant und ein anderer Domherr in 
Bonn !) und befegten das Zollhaus mit einigen Hakenſchützen; 
zugleich wurde den Bürgern befohlen in Waffen zu ftehen. Kurz 
darauf fam Salentin mit etlihen Begleitern nad Bonn, um die 
Vorbereitungen zum Empfang feiner Braut zu treffen. . Als er 
jah, dag nicht zu ändern war, was halb aus Furcht vor ihm, 
balb ihm zum Trotz gejchehen, ritt er in Eile weg, um der 
Arenbergihen Familie Nahriht zu geben; erft am Mittag des 
Hochzeitstages kehrte er zurüd. Dadurch geriet aber die ganze 
Feier in Unordnung. Erſt um 4 Uhr nachmittags konnte die 
feierliche Einholung der Braut, erft abends 10 Uhr die Trauung 
durch den kölniſchen Weihbiſchof erfolgen, gegen Mitternaht ging 
man zu Zieh, um Halb drei Uhr morgens zum Tanz. Infolge 
dejien wurde es am 11. Dezember wieder 2 Uhr nachmittags, 
ehe die Morgengabe geihehen und die Hochzeitsgeſchenke überreicht 
waren, jo daß man, wie der kurſächfiſche Gefandte Eric Volkmar 
von Berlepſch bejonder3 hervorhebt, „jedes Tags mehr nicht als 
einmal geſpeiſt“. An den üblichen Sejjionsftreitigleiten fehlte es 
auch Hier nicht, jonft aber verlief alles ruhig und frievlih. Ber: 
jönlic zugegen waren nur wenige hohe Herren: von Fürften nie 
mand als der ältefte Bruder der Braut, der gefürftete Graf Kart 
bon Arenberg, vom Grafenftand der Afterdehant Thengen, Joh. 
Daniel von Winneburg und jein Vater der Präfident, Philipp 
bon der Mark, ein junger Rheingraf und nod ein und der 


1) Der ſächſiſche Geſandte Berlepfch nennt benjelben Hermann von Man— 
derſcheid; da e8 aber feinen Domberrn biefe® Namens gab, ift wohl eher 
Hermann Adolf von Solms gemeint. 

87* 


580 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


andere Graf, entweder für ſich oder als fürftlihe Geſandte. 
Zahlreich erichienen die kurkölniſchen Räte, Hofjunfer und Lande 
jaffen. Der ſpaniſche König ließ der Braut 6000 Kronen ver: 
ehren, wohl nod als Dank für die Dienfte ihres bei Heyligerlee 
gefallenen tapferen Vaters ) und nicht etwa um Salentins Pen- 
fionsforderungen gut zu machen. Außer vielen Fürften und 
Herren brachten auch die Landftände des Stifts Paderborn, dann 
Ritterichaft und Städte des Herzogtums Weftfalen, das Kapitel 
von St. Gereon in Köln und die dankbaren Landftände des Veſts 
von Redlinghaufen ſchöne Geſchenke dar. Namens des neuen 
Kurfürften, des Kölner Domkapitels und der rheinischen Landftände 
erihien weder jemand nod) wurde etwas verehrt. 

Ein paar Wochen fpäter begegnet ung Graf Salentins Name 
nod einmal in den Domkapitel-Protofollen, um dann für Jahre 
aus ihnen zu verichwinden. Am 2. Januar 1578 erichienen 
zwei jeiner Diener vor dem Kapitel und führten in jeinem Auf- 
trag Beichwerde, dak man ihm und den Seinen, namentlich dem 
früheren Sekretär Herzig nachſage, fie hätten am 23. September 
1576 ein päpftlihes Breve anders verlefen, al3 e3 gelautet; da= 
ber lieg Salentin nun das Driginal vorzeigen und authentifche 
Kopie überreihen: — e3 war jene Breve vom 30. Juni 1576, 
welches ihn ermächtigte, aud gegen den Willen und trog dem 
Widerſpruch des Kapitel3 den Freifinger Biſchof als Koadjutor 
anzunehmen. Das Kapitel antwortete: wenn Verdacht entftanden, 
jo trage daran die lange Hinterhaltung des Breves die Schuld; 
da Salentin übrigens angeblidy nod ein Breve habe, worin von 
einer Koadjutorie mit Zuftimmung des Kapitel3 die Rede fei, jo 
möge er aud davon Kopie geben. 

Der neue Herr trat alsbald nad) feiner Wahl, geleitet dur 


1) Nah Gachard,Corresp. de Phil. II. II, 140 verſprach König Philipp 
im Jahre 1570 den beiden Töchtern des Grafen von Arenberg 20,000 Gul- 
ben (florins) Mitgift; nah Gachard erhielt bie ältere Tochter Margareta 
bei ihrer Vermählung mit bem Grafen von Lalaing in der That 10,000 
Gulden, 6000 Kronen waren wohl ebenfo viel (vgl. 0. ©. 39 Anım.). 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 581 


einige Domtapitularen, eine Rundreiſe durch das rheiniſche Stift 
an, um fi in allen Städten und Amtsfigen von Beamten und 
Unterthanen huldigen zu lafjen. Überall geſchah dies unbedenklich); 
bereit3 trafen aud die erften Glückwunſchſchreiben der Nachbar: 
fürften ein. — Inzwiſchen war Dr. Adrianus ein paar Tage 
vor Weihnachten mit feiner Appellationsurfunde endlid) fertig ges 
worden, nachdem er fein Werk der Prüfung einer ganzen Reihe 
bon gelehrten Freunden unterbreitet hatte). Am 23. Dezember 
machte er zu Brühl einen erften vergebliden Anlauf, feine Ur— 
funde vor Notar und Zeugen dem Neugewählten perjönlich zu 
infinuieren; das glüdte ihm erſt, nad wiederholten vergeblichen 
Verſuchen, am Neujahrstag bei Gebhards feierlichen Kirchgang 
zu Kempen, — durch Vermittelung eines Düfjeldorfer Notars. 
Im Domkapitel dagegen konnte er bereits am 26. Dezember feine 
Appellation infinuieren, nahden man ihm aud) hier zuerft die 
nachgeſuchte Audienz verweigert hatte, — unter irgendeinem Vor— 
wand, in Wirklichkeit, weil man zuvor das Wahldekret fertig 
haben wollte. 

Seit man im Kapitel wußte, daß Herzog Ernit die Wahl 
anfechten werde, jchien e3 notwendig, das zum Zweck der Konz 
firmation nad) Rom zu fendende Dekret jo vorjihtig abzufafjen, 
dag es nit etwa jelbjt eine Handhabe hierfür darböte. Beſorg— 
nis erregte Ihon, daß im Kapitel des 20. Dezember, dem eriten, 
welches jeit dem Tten ftattfand, drei Freunde Bayerns, Zhengen, 
MWinneburg und von der Mark, ohne Entihuldigung fehlten. Bei 
ihrer Eidespfliht aufgefordert, zu einem eigens wegen des Wahl: 
defret3 auf den 24. Dezember anberaumten Kapitel zu ericheinen, 
entichuldigte fi) Thengen mit Srankheit, Mark hielt fi ohne 
weiteres fern, Winneburg dagegen erſchien. In dieſem Kapitel 


1) Zuerſt Dandorf und dem Kanzler Römer, fodann dem Rat bes ſpa— 
nifhen Königs Joh. Fund, hierauf den beiden Gropper und einem Proku— 
rator am Kölner Gerichtshof (Lanzig?), endlich dem jülichſchen Rat 
Dr. Fabricius, 


682 Sechſtes Bud. Fünftes Kapitel. 


einigte man fi in langer Beratung, wie das Wahldefret abzu= 
faffen. Joh. Daniel von Winneburg und die dvei Priejter, melde 
mit Herzog Ernſt der Acceifio nur bedingt — jure uniuscujusque 
salvo — zugeftimmt hatten, gaben nun zu, daß davon im Wahl- 
defret nichts erwähnt, jondern der Vorbehalt nur dem Freifinger 
Biſchof zugeichrieben wurde. Ferner ließ fi Winneburg (und 
Ipäter aud) von der Mark) gefallen, daß in das Dekret gejegt 
wurde, fie beide hätten nur auf Bitten des Herzogs mit diejem 
das Kapitel verlafien. Bon Reinhard von Solms aber jagte 
man, er jei in Geſchäften des Kapitels weggegangen. Im übrigen 
machte man das Wahldekret den früheren möglichſt ähnlih, ins— 
bejondere umging man wieder die Frage, ob bereit3 vor der Ac— 
cejfio einer der Kandidaten abjolute Majorität gehabt habe. — 
Ein Zeil der bisher bayriſch gefinnten SKapitularen unterichrieb 
das jo zurechtgeſtutzte Dekret ohne Anftand, jo Johann. von 
Reifferſcheid und die meiften Priefterfanonifer,; Thengen zauderte 
nod eine Zeit lang; andere Herren, wie Joh. Daniel von Winne= 
burg und Swolgen, wollten anfangs eine Rehtsverwahrung im 
Dekret angebracht jehen, begnügten fid) dann aber auf Verlangen 
des Kapitel damit, für fich felbft vor Notar und Zeugen zu er= 
Hären, daß fie jedem jein Recht liegen. Zuletzt von allen — erft 
nad Mitte Januar — milligte Dr. Gropper, ernftliher Be— 
drohung mweichend, in Das Dekret. 

Diefes war inzwiſchen bereits nah Rom abgegangen, mit 
Briefen des Kapitel3 (vom 27. Dezember) an Papit und Kar— 
dinäle, worin die Verdienfte der Vorfahren Gebhards um die 
katholische Kirche hervorgehoben wurden, insbejondere die des 
Kardinal Otto von Augsburg, mit welchem jener nit nur 
dur die engften Bande des Blutes verbunden, jondern in deſſen 
Schule er auch gleihjam erzogen worden ſei. — Auch Gebhard 
jelbft bat in devoten Ausdrüden den Papft um feine Konfir- 
mation, fowie um einen Nachlaß an den Zaren. Auch er ges 
dent dabei der Verdienfte feines verftorbenen Dheims um den rö— 
mishen Stuhl und fügt bei: „Auch id) werde, ſoweit als mög- 


Die Wahl des Gebhard Truchſeß. 583 


th, getreulid alles thun, was zur Erhaltung der wahren fatho- 
liſchen Religion und zur Wiederheritellung der Kirche Gottes ge= 
reihen fann, und werde mid) bemühen, daß Eure Heiligkeit von 
allem, was einem wahren und für die Würde des heiligen apo= 
ftoliihen Stuhles eifrigft bemühten Erzbiſchof geziemt, nichts an 
mir vermiffen fol.“ in eigener Gejandter, der Licentiat Jo— 
hann Doullart, bisher Dffizial des Biſchofs von Straßburg, ging 
bereit3 Anfangs Januar, um die Konfirmation zu betreiben, nad 
Nom; außerdem beftellten Erzbiihof und Kapitel noch einige in 
Nom wohnhafte Prokuratoren, darunter auch den Dr. Gerhard 
Voſſius. Eile ſchien nötig, da borauszufehen war, daß der Her: 
308 bon Bayern mit Gegenbemühungen in Rom nicht jäumen 
werde. — Ehe der Straßburger Biihof Köln verlieh, ließ er 
ſich vom Kapitel den Auftrag geben, bei Papſt und Kaifer, Kur: 
fürften und Fürften Gebhards Wahl zu verteidigen. Cine goldene 
Kette und ein vergoldetes Trinfgeihirr, welches der neue Kurfürft 
feinem bisherigen Gönner verehren wollte, hatte Biſchof Johann 
vornehm dankend abgelehnt. 





——— — 


Siebentes Bud. 
Gebhard Truchſeß und Konrad von Wefterholt. 


—— —ñ — 


1. Kapitel. 


Der Niederrhein und das Stift Münfter nad der Wahl 
des Gebhard Truchſeß.“* 


Daß alle evangeliih und antirömiſch Gefinnten im Erzftift 
Köln aus Gebhard Wahl neuen Mut jhöpfen würden, war von 
bornherein zu erwarten. War er doh hauptiächlid infolge des 
eifrigen Bemühens der reformierten Domberren gewählt, mit Hilfe 
der Wetterauer Grafen und des von Rom ebenſo gehaßten wie 
gefürchteten Hermann von Neuenar, in Wideriprud gegen die 
Wünſche des Papftes und die wiederholten Ermahnungen jeines 
Nuntius. Zudem fah man auch noh nah der Wahl einige res 
formierte Grafen, den Dompropft Wittgenftein, Hermann Adolf 


* Quellen: Über die proteftantifchen Negungen in Stabt und Ersftift Köln 
nad Gebharbs Wahl Maffeil, 331 sq.; ferner in ben o. S.569 Anm. 1 
angeführten Berichten Aernspergs und Danborfs und den römifchen 
Zeugenausfagen StA. 38/16 und 311/16; aus etwas fpäterer Zeit 
mancherlei DA. Domtap.- Protot. Nr. 158. — Über Gebharbs Ber 
ziehungen zu Erzherzog Mattbiad und ben nieberlänbifchen General» 
ftaaten Groen van Prinsterer VI, 181. 287. 292. 303sqg. 
Über des Erzherzog Neife in die Niederlande überhaupt vgl. Ga- 
chard, Corresp. de Guill. le Taeit. IV, xrın sqq. Einzelne Notizen 
auch in ben von mir benutten Archivalien. — Abſchied des MWetter- 
auer Grafentags zu Friedberg zum Teil bei 3. Arnoldi a. a. O., 
©. 246; vollftändiger Dill A. G. 80. fol. 44. — Korrefpondenzen über 
die beabfichtigte, dann unterlaffene Gratulation des fpanifchen Königs 
in ben für die münfterfche Sache unten verzeichneten Archivalien. — 
Über den Landtag zu Eſſen Zeitfchr. des Berg. ©.-8.8 I, 201ff.; 
über ben zu Grevenbroib Lacomblet, Archiv V, 217ff. und voll» 


588 Siebentes Buch. Erftes Kapitel. 


von Solms und Hermann von Neuenar im täglichen Verkehr mit 
Gebhard. Wohl glaublid) erſcheint daher die Angabe, daß in den 
Kölner Gaffeln das Verlangen nad) freier Religionsübung alsbald 
wieder laut wurde, daß die Proteftanten ungeſcheuter al3 in den 
legten Fahren zum Gottesdienft zufammenkamen, daß man fid da 
und dort im erften Übermut an einem SHeiligenbilde vergriff. 
Wenn auch gewi manches, was der Nuntius Porzia, auf bloße 
Gerüchte Hin, über fegeriihe Äußerungen Gebhards nad) Rom be— 
richtete, übertrieben ift ), fo ftand doc) immerhin, wenn man den 
Dingen freien Lauf ließ, ein religiöfer Umſchwung in Stadt und 
Erzitift zu erwarten, der für die römiihe Kirche um jo bedenf- 
licher war, al3 er zufammenfiel einerjeit3 mit den Anfängen eines 
Bündniſſes des neugewählten Kurfürften und der rebelliihen Nie= 
derländer, anderjeit3 mit neuen lebhaften Regungen kirchlicher 
Dppofition in den Landen des Herzogs von Fülid-Eleve-Berg. 
Gegen Ende Dftober 1577, als Herzog Ernſt und die Seinen 
gerade eifrigft beichäftigt waren, für die bevorjtehende Wahl Stim— 
men zu werben, erfuhren fie eines Tages, Erzherzog Matthias, 
fländiger MB. Cgm. 2213, Bd. 27 (Rebinghoven). Dazu Maffei 
I. 328 und Theiner II, 295 u. 368. Korreſpondenz Porzias mit 
Herzog Albreht und Elſenheimers mit Langer wieder in den Archi— 
valien über die münfterfche Sache. 
Über"die Verhandlungen betr. des Stiftes Miünfter vom Sommer 
1577 bis zum März 1579 folgende meift ſchon früher verzeichnete 
Arhivalien (vgl. ©. 266f.): DA. 28I—i, AU. Münfter, T. VI bis 
VIII; Gülch und Cleve, T. II. StA. 38/13. 14. 16 u. 17; 96/1; 
311/1 u. 16; 378/25 399/49 u. 59. DrX. loc. 89236. MA. Stift 
Münfter. Reg. U. Rep. V. Cell. 75. Bol. III (Kaffeler Akten) und 
Erzitift Bremen 1535/1643 (Marburger Alten). Einiges gebrudt bei 
Theiner II, 293 qq. u. 3688q. Werbung bes bremifchen Rates 
Markus Keller bei Kurfürft Auguft, aber irrtümlih ins Jahr 1573 
ftatt 1578 geſetzt, in (Pids) Monatsfhrift f. d. Geſch. Weſtdeutſch— 
lands 1878, ©. 595 ff. 


1) Nicht nur übertrieben fondern geradezu falfch ift 3. B. das Meifte, 
was Maffei (l. c. p. 331), ohne Zweifel nah Berichten Porzias_ über 
Gebhard erzählt, und nah Maffei Ranke, Päpfte (5. Aufl.) II, 74. 


Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 584 


des Kaiſers Bruder, fei in aller Eile und Stille durch Köln ge: 
veift, um fi) als fünftiger Generalgouverneur nad den Nieder: 
landen zu begeben. Zwar verfiherte der Kaiſer allerwärt3, fein 
Bruder habe ohne fein Wiſſen und wider feinen Willen Wien 
verlaffen, bat ſogar den und jenen Fürſten, darunter auch Herzog 
Ernft, denjelben zurüdzuhalten; allgemein aber glaubte man, das 
geſchehe alles nur zum Schein, um den jpaniichen König und die 
eigene Mutter zu beſchwichtigen. Wußte man do, daß ſchon zu 
Kaiſer Marimilians Zeit am faiferlihen Hofe der Gedanke ernit- 
lic erörtert worden war, einen Erzherzog zum Statthalter der 
Niederlande zu machen, um dadurch dieſe dem Haufe Dfterreic 
zu erhalten. Bereit3 auf dem Reichstag von 1576 hatten die 
belgijhen Stände begonnen mit Matthias zu unterhandeln und in 
jüngfter Zeit zu Wien ziemlid öffentlid) damit fortgefahren, Aber 
jelbft wenn Kaifer Rudolf den Entihluß feines Bruders ernſtlich 
mißbilligte, forderte doch die Ehre des Haufes Diterreih, nad: 
dem diefer einmal in den Niederlanden als Statthalter aufgetreten 
war, ihn nit mit Schimpf und Spott wieder abziehen zu 
laffien. — Die Berufung des Erzherzogs war das Werk einiger 
vornehmen belgifhen Herren geweſen, melde ji in dem Bruder 
des Kaiſers ein Gegengewicht zugleich gegen den ſpaniſchen Gou— 
berneur Don Juan d’Auftria und gegen Wilhelm von Dranien 
zu verichaffen gedachten. Dranien mußte aber nachher, geſtützt 
auf die ftädtiihen Gemeinden, den rat= und Hilflojen Füngling 
zu einem Werkzeug in jeiner eigenen Hand zu machen: die Gene- 
ralftaaten nahmen Matthias als Gouverneur an, zugleid aber den 
Prinzen als deſſen Statthalter, angeblih unter, in der That wie 
einen VBormund über ihm. Als Vermittler bei der Verftändigung 
mit Matthias benußte Dranien, neben feinem von Matthias jelbft 
berbeigerufenen Schwager Graf Günther von Schwarzburg, be— 
fonders feinen jeit Anfang September in den Niederlanden ver- 
weilenden Bruder Graf Johann. — So fehen wir aljo den einen 
Führer der Wetterauer Grafen im felben Augenblid, da dieje bei 
der Kölner Wahl den Sieg über das Haus Bayern dabontragen, 


590 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


im Bunde mit dem Bruder des Kaiſers und mittelbar mit dem 
ganzen deutichen Zweig des Haujes Oſterreich, in offener Feind: 
ichaft aber gegen König Philipp und deſſen Statthalter, den mar: 
men Freund der bayriihen Nachfolge in Köln. — Zwei Tage nad) 
Herzog Ernſts Niederlage bei der Kölner Wahl wird Don Juan von 
den Generalftaaten in aller Form abgeſetzt und als Feind des Vater: 
kandes erklärt. Als Dranien im Dezember 1577 fich bemüht, 
jeinem Bruder die Statthalterihaft für Holland und Zeeland zu 
verihaffen, macht er ganz bejonders deſſen Verdienſte um die 
MWahl des neuen Kölner Biſchofs geltend ?). 

Solchermaßen innerlid) vorbereitet fanden die freundfchaftlihen 
Beziehungen de3 neuen Kölner Kurfürften zu den belgischen Stän: 
den bald aud äußeren Ausdrud. Bei jeiner Abreife von Brüffel, 
am 24. Januar 1578, nahm Graf Johann ein Schreiben des 
Erzherzogs an Kurfürft Gebhard mit, worin diefem im Namen 
der Niederlande „alle Freundichaft, gute Korrefpondenz und ver: 
traulihe Nachbarſchaft“ angeboten wurde. Mit diejem Schreiben 
erihien Graf Johann am 12. Februar bei Gebhard auf Schloß 
Poppelsdorf, wo er zwei Tage blieb. Näheres über das Zu: 
ſammenſein der beiden Herren wiſſen wir nicht; vermutlich wird 
Graf Johann fi) bemüht haben, die vor der Wahl angehnüpfte 
Verbindung zu einem dauernden Bündnis zwiſchen den Wetter: 
auer Grafen, dem Kölner Kurfürften und den niederländijchen 
Ständen zu erweitern. Gebhard jelbft Hatte fich bereits vorher 
bei den Wetterauer Grafen für die Beförderung feiner Wahl be: 
dankt und als „Advokaten und PBroteltor des Grafenftandes‘ 
angeboten, wogegen dieſe — auf einem Tag zu Friedberg am 


1) Oranien ftellte ben Deputierten von Höllanb vor: dat graaf Jan 
wel goed verstand had en proper was om eenige goede dingen te wege 
te brengen, gelyk hy ook gedaan hadt by de verkiezing van den nieuwen 
bisschop van Keulen, die onze zaak zeer toegedaen was. Groen van 
Prinsterer VI, 184 (au$ van der Spiegel, Bundel van onuitgeg. 
stukken II, p. xvın). ®ei Groen van Prinsterer 1. c. auch ein treffendes Urteil 
Languets Über den Zufammenhang zwifhen Don Iuan und Herzog Ernſt. 


Niederrhein und Münfter nach dev Wahl des Gebhard Truchſeß. 598 


28. Januar — einige Herren zum Surfürften abordneten, um 
Glück zu wünſchen und ihm ihre Grafenkorreſpondenz, namentlich 
die Vermittelung eines Einvernehmens mit den ſchwäbiſchen Gras 
fen zu empfehlen. 

Zwar gab auch König Philipp auf die Nachricht, Gebhard 
Truchſeß, ein Lehensinann des Haufes Oſterreich und der Neffe 
des in der ganzen Welt wegen feines katholiichen Eifers vordem 
berühmten Kardinals von Augsburg, ſei zum Erzbiſchof erwählt, 
jofort Auftrag, dem Ermwählten zu gratulieren; das unterblieb 
jedoch vorderhand, weil Graf Karl von Arenberg, Salentins 
Schwager, nod rechtzeitig über die Kölner Parteiverhältniffe auf: 
Härte. 

In Herzog Wilhelms Landen regte fi die kirchliche Oppo— 
fition beſonders auf zwei Landtagen, welde im Herbſt 1577 
wegen der auf dem Regensburger Reichstag bewilligten Türken— 
hilfe abgehalten wurden — einem cleviſch-märkiſchen zu Eſſen (im 
September) und einem jülich-bergiſchen zu Grevenbroich (im No- 
bember). Auf beiden begleiteten Ritterihaft und Städte die Ber 
willigung der Steuer mit der Forderung größerer Neligionsfreiheit, 
auf beiden verbat man ſich die unter dem Namen einer Vifitation 
angeblih drohende Inquiſition der Gemiffen. Die Stände von 
Cleve- Mark, unter denen das evangeliiche Bekenntnis ohnehin 
überwog, erklärten offen, daß fie bei der Augsburger Konfeſſion 
Leib und Leben aufjegen wollten; aud die bergiichen ftellten 
Forderungen, welche, wenn nicht dem Namen, doc) der Sache nad 
die Freiftellung der Augsburger Konfeffion beveuteten, und — was 
wichtiger — die bisher faſt ganz latholiſch gebliebenen Stände 
von Jülich befürworteten diejes Verlangen. Dazu famen Be— 
ſchwerden von Rat und Bürgerſchaft der Stabt Düffeldorf, weil 
einige von ihren Geiftlihen gegen des Herzogs eigene Edilte 
den Gebraud der beiden Geftalten beim Abendmahl vermehrten. 
Hier nun begegneten fi) die Wünſche der Unterthanen mit Herzog 
Wilhelms eigener Neigung. Wie früher an den Nuntius Gropper, 
jo hatte er nachher an den Kardinal Morone — auf dem Regense 


592 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


burger Neihstag — das Erjuhen gerichtet, feinen Unterthanen 
eine allgemeine Dispens von Rom für den Laienkelh zu erwirken. 
Da auf Morones gute Worte nichts erfolgt war, ließ der Herzog 
während des Jahres 1577 die Kurie wiederholt an die Zufagen 
diejes Kardinals erinnern. Während er den bergiichen Ständen 
zu Grevenbroid in feiner Eigenſchaft als katholiſcher Landesherr 
die Freiftellung der Augsburger Konfejfion rundweg verweigerte, 
verſprach er den Düffeldorfern Abhilfe für ihre Beſchwerden; auch 
gab er nad) wie vor nit zu, daß fein jest bald 16jähriger Sohn 
unter einerlei Geftalt die Kommunion empfing. Als der Nuntius 
Porzia im Januar 1578 zu ihm nad) Hambad) kam, mit einem 
Breve, welches von allen religiöfen Konzeſſionen abriet, verſprach Her— 
zog Wilhelm zwar fofort, er werde die Freiftellung nicht bemilligen, 
forderte aber zugleid) von neuem Dispen3 wegen des Laienkelches. 
Infolge diefer Hartnädigfeit jah man den alten Herzog in Rom 
nad wie vor al3 einen halben Ketzer an und mochte ſich nicht 
entihliegen, feinen Anjprühen in der münfterihen Poftulations- 
ſache nachzugeben. 

Jülich und Bayern hatten, wie wir ſahen, zu Anfang des 
vorigen Sommers die münſterſche Frage abſichtlich ruhen laſſen, 
um den Ausgang der Kölner Wahl und die daraus für Münſter 
gehofften günſtigen Folgen abzuwarten. Da man ſich auch auf 
der Gegenſeite von entſprechenden Erwägungen leiten ließ, geſchah 
den ganzen Sommer und Herbſt 1577 in der münſterſchen Ange— 
legenheit faft nichts, al3 da man den angefangenen Schriften- 
wechjel mit längeren Pauſen fortipann. Im Juni, kurz nachdem 
die Reftitutionsbreven in Miünfter überreiht waren, forderte 
Moefterholt die Mitverordneten zur Regierung in einem längeren 
Schreiben auf, die Zumutung des Herzogs von Jülich, ihn abzu= 
ſetzen, von der Hand zu weilen; zugleich behielt er ſich wegen der 
in den Schriften desfelben und der Senioren enthaltenen Injurien 
den Rechtsweg vor. Als letztes Mittel, Wefterholt aus feinem 
Amte und feine Anhänger zur Nachgiebigkeit zu bringen, hatte 
Heinrih von der Rede in geheimem Cinverftändnis mit dem 


Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 598 


Domdehanten ſchon im vergangenen März geraten, man folle den 
jungen Poftulierten als Aominiftrator ins Stift bringen. Nun 
bejagte aber Art. 6 der Wahlfapitulation, daß die Regierung, fo 
lange bis fid Johann Wilhelm zum geiftlihen Stande qualifiziere, 
dem Domkapitel zuftehe. Red meinte, dur päpftlihe Dispens 
fönne bier Rat geichafft werden; im Juli 1577 begab fi der 
jülihihe Rat Dr. Walter Fabrictus zu einer vorläufigen Anfrage 
darüber zum Nuntius Porzia, der fi aber zur Zeit auf die 
Sache nicht einlafen mochte, jondern auch feinerfeit3 den Aus— 
gang der Kölner Wahl abzuwarten empfahl. Cinftweilen begnügte 
man fi) auf jülihicher Seite damit, in wiederholten Schreiben 
an Kapitel und Regierung (im Juli und im September 1577) 
den Anjhuldigungen Wefterholt3 und Genofjen zu widerſprechen 
und auf der Abjegung des Statthalter zu beftehen. Auf das 
legte dieſer Schreiben ermwiderte Wefterholt am 20. November 1577 
in einer Weife, die vermuten läßt, daß er damals des Ausgangs 
der Kölner Wahl bereits fiher war: Herzog Johann Wilhelm 
babe ihn in verleglihen graufamen Schmähſchriften dergeſtalt in— 
jurliert, daß er lieber 40,000 Thaler verlieren al3 ſolches dulden 
wolle; auf Grund der GStiftsprivilegien fordere er demnad) das 
Domkapitel auf, den Herzog al3 poftulierten Landesheren zur 
Rechtfertigung vorzuladen ). — Ehe man fih noh am Jülicher 
Hofe entichloffen hatte, was hierauf zu thun, erfolgte zu Köln die 
Wahl des Truchſeſſen, welche von Wefterholt und Genofjen mit 
Recht als ein Triumph ihrer eigenen Partei angejehen wurde. — 
Kurz nah der Kölner Wahl (am 17. Dezember) fand zu Münfter 
ein Landtag ftatt, auf weldem Wefterholt im Namen ſämtlicher 
16 bremiſchen Votanten 2) — der Senior Nagell, der fiebzehnte, 


1) Art. 8 der burh Domkapitel und Landftände am 6. April 1570 an— 
genommenen Deklaration bed Stiftsprivilegs (bei Lünig, TRA. Spicil. 
Eccl. Contin. I, 594) beftimmt, daß Klagen ber Unterthanen gegen ben 
Landesherrn nah Willtür entweber beim Domkapitel ober beim Kammer- 
gericht in erfter Inftanz angebracht werben mögen. 

2) Die Senioren behaupten fpäterhin (Januar 1580), bie Herren Wil- 

Loſſen, Köln. Krieg I. 38 


594 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


war jüngft geftorben — eine vom 16. Dezember datierte fogen. 
Affeverationsichrift überreichte, der man faft in jedem Gate die 
veränderte politische Lage anmerkt. Diefer angebliche „Gegenbe— 
riht auf zwei erdichtete und unerfindlihe Schmähjchreiben der 
Cleviihen und Goddert3 von Raesfeld ſamt feinen Adhärenten‘ 
bringt ſachlich wenig Neues bei, unterjcheidet fi dagegen im Tone 
weſentlich von allen früheren Schriften der Junioren. 

Sorgfältig hatten Weſterholt und Genoſſen bisher vermieden, 
die Autorität des römischen Stuhles grundfäglic zu beftreiten, 
ſtets hatten jie vorgegeben, daß fie den Bremer Erzbischof gewählt, 
weil fie ihn für katholiſch hielten; diesmals aber heißt es, die 
Cleviſchen und die Senioren, namentlid Heinrih von der Rede 
und der Domdechant, hätten dem Stift einen mächtigen Herrn 
aufdringen wollen, der mit Spanischer Hilfe die römische Inqui— 
fitton und die Jefuiten befördern, dem Adel und etlichen. Städten 
die hergebrachte Freiheit der Gewiſſen nehmen und alle hinaus— 
ihaffen jolle, welche der „‚päpftlichen römiſchen Religion“ nicht 
anhängig. Sie ſprachen von „ erpraftizierten Breven“, welche den 
Konkordaten der deutihen Nation zumider feien, von „römiſchen 
Praltiken“, durch welche man ihnen den Adminiftrator von Freifing 
babe aufnötigen wollen, von der „römiſchen und jpaniichen In— 
quifition, welche man in diefem Stifte gern angeſtiftet“ u. ſ. w. 
Den Cleviſchen ſei es mit ihrer Erklärung, dab Senioren und 
Junioren ſich nur über eine qualifizierte Perfon zu vergleichen 
brauchten, niemals ernit geweſen; fie jeien nur mit ihrer „Im— 
prejfion‘ etwas behutjamer umgegangen, „dieweil fie vermerkt, 
daß vielleicht dem Zeufel fein Handwerk verboten werden möcht“; 
die Appellation ſelbſt wird „nichtswürdig“ genannt. Dem De— 
hanten wirft die Affeveration vor, „daß er nun viele Jahre mit. 
feinem Anhang eine gar parteitiche Herichapei in diefem Stift 


helm Scenting und Herbort de Baer hätten „mit iren hand und pit- 
ſchaften fchriftlih erclert, ‚zu folicher injurien niemant gevolmechtigt zu 
haben.” 


Niederrhein und Miünfter nach der Wahl bes Gebhard Truchſeß. 595 


geübt“, den Cleviſchen, daß fie ihrer Kapitulation und den Pri— 
bilegien de3 Stift3 zumider gehandelt hätten. Zum Schluß wer- 
den die münfterihen Stände gewarnt vor den Unruhen, die zu 
befürchten, wenn man dem von der Rede und dem Dechanten ges 
ftatte, nit nur gegen des Stift3 Privilegien und Rechte zu han- 
dein, jondern aud) al3 „Fürſtänder der Inquiſition“ Religion 
und Gemiljen aller Ehrliebenden vom Adel und anderer ehrlichen 
Leute zu inquirieren und zu beängftigen. 

Die Senioren wollten anfangs diefen jcharfen Angriff ſofort 
beantworten, ließen ſich dann aber dur die Herren bon der 
Nitterichaft überreden. zu warten, bis Regierung und Deputierte 
aus den Ständen die beiden Parteien verhört und einen Ver— 
gleich verjucht haben würden. 

Einige Tage vor diefem auf den 27. Januar 1578 angefeßten 
Berhörtag kamen Dompropft und Dechant mit cleviichen Abge— 
ordneten (Marihall Wachtendond, von der Rede und Dr. Har- 
denrath) in der Stille zu Scherenbed zufammen und einigten fich 
über die weiteren Schritte gegen Wefterholt und Genoſſen. Dem— 
nach jchrieb Herzog Wilhelm zum Verhörtag an Kapitel, Regie 
rung und Deputierte und verlangte unter Hinweis auf Weiter: 
holts legte Schmähſchrift abermals enftlih, daß diefer aus dem 
Statthalteramt entfernt werde. Der Vorladung des PBoftulierten 
durch Weſterholt beſchloß man damit zu begegnen, da man diejen 
jelbft zu Rom, in fonte justitiae, wegen feiner Schmähſchrift 
verflagte; außerdem jollte Gelegenheit gejucht werden, ihn auf her— 
zoglichem Gebiet aufzugreifen. Die ſcharfen Ausfälle der Affe 
beration gegen Rom und Spanien follten benußt werden, um von 
der Kurie endlid) die jo lange ſchon vergeblid geforderte Citation 
und Privation der Rädelsführer zu erlangen und wenn möglich 
auch Dispens zur Übernahme der Adminiftration durch Herzog 
Zohann Wilhelm. Denn die Adminiftration war und blieb der 
ſicherſte Weg Wefterholt zu befeitigen und dann allmählich die 
Gemüter der Junioren für Bayern zu gewinnen. Gegenüber dem 


Buchſtaben der Kapitulation machte Ned wieder jein Argument 
38 * 


896 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


geltend, dag Johann Wilhelm durch päpftlihe Dispens ebenjo gut 
wie durch wirkliche Weihe zum geiftlihen Stande qualifiziert wer— 
den könne; ohnehin habe man der päpftlihen SHeiligfeit feine 
Schranken fegen können. — Schon vor der Zujammenkunft in 
Scherenbeck hatte Red, der wohl mußte, da man in Rom an 
der Minderjährigfeit des Poftulierten weit weniger Anftog nahm 
als an dem kirchlichen Verhalten feines Baters, dem Stammer- 
jefretär Langer empfohlen, bei jeder Gelegenheit anzudeuten: wenn 
man nur den jungen Herrn ein= oder zweimal unter einerlei Ge— 
ftalt fommunizieren lafje, werde wohl naher von Rom nicht nur 
Dispens für die beiden Geftalten, jondern aud für die mün— 
fterihe Aominiftration zu erhalten fein. — Um dem Mißtrauen 
vorzubeugen, daß es das Haus Fülid) auf Einziehung oder dauern- 
den Beſitz des Stiftes abgejehen habe, wurde der Herzog von 
Bayern gebeten, anftatt feines Schwagerd um die Zulaffung der 
Adminiftration Johann Wilhelms in Rom anzuhalten. Herzog 
Albrecht, überzeugt, dag fein Schwager wirklich nur dem Herzog 
Ernft zugutem die Wominiftration für feinen Sohn forderte, ging 
bereitwilligft auf diefen Wunſch ein und drängte in wiederholten 
Briefen an feinen Gefandten und an den Papft jelbit darauf, 
das Wefterholt und fein Anhang ihrer Pfründen und Amter ent: 
fett, die mweltlihe Regierung aber dem jungen Boftulierten über- 
tragen werde. Er gewann für diefen Vorſchlag auch den Nuntius 
Porzia, al3 diefer im Februar 1578 auf feinem Wege an den 
fatferlihen Hof Münden berührte. 

Mittlerweile war der münfterjhe Verhörtag ohne jeden Er- 
folg für einen Ausgleih der Parteien abgelaufen, Wefterholt aber 
durch die Schreiben des Herzogs von Jülich in feinem Amt ala 
Statthalter eher befeftigt als erihüttert worden. Denn, wie ſchon 
im borigen Jahre, berief er fi darauf, dag ihn das ganze Ka— 
pitel im Einvernehmen mit den Landftänden angeftellt, alſo aud 
wieder abzufegen Babe. Daraufhin mußten der Ausihuß der 
Stände und die Verordneten zur Regierung, wiewohl die letzteren 
jonft zum Herzog hielten, die Zumutung Wefterholt abzufeßen, 


Niederrhein und Münfter nad der Wahl des Gebhard Truchſeß. 597 


von fi ab: und auf einen gemeinen Landtag verweilen. Da nun 
der nächſte Landtag Schon glei nad Dftern ftattfinden follte, 
jo wünjchten die Senioren dringend, daß inzwilhen von Rom 
aus gegen Weſterholt eingejchritten werde. 

Wirklich gelang es dem raftlojen Eifer des bayrischen Ge— 
jandten, wenigſtens einen Anfang des Einfchreitens zu erzielen. 
Geſchickt gemahte Auszüge aus Weſterholts Affeveration dienten 
dieſem Zwed. Unter dem 5. April wurden zwei Breven an Weiter: 
holt ausgefertigt, von welchen eines, je nad) dem Gutdünken des 
Herzogs von Fülid und der Senioren, gebraudt werden jollte; 
durch beide wurde er vor die Kurie geladen, im einen, mildern, ohne 
nähere Angabe von Gründen, im andern unter ſcharf tadelndem Hin- 
weis auf feine Schmähungen gegen den römischen Stuhl und mit 
der Drohung, daß er im Falle des Nichterfcheinens ipso facto 
jujpendiert und aus dem Kapitel ausgejchloffen fein folle. Won einer 
Übernahme der Regierung dur) den Poftulierten wollte man aber 
in Rom zur Zeit noch nichts wiſſen, auch wurde die Citation der 
anderen Rädelsführer verichoben, bi man gejehen, was Weiter- 
holt thun werde). Bayriſche Kuriere brachten die beiden Breven 
noch rechtzeitig vor dem zum 28. April einberufenen münfter 
ihen Landtag nad) Eleve, wo Herzog Wilhelms Räte, im Ein- 
vernehmen mit den Senioren, um den täglich wachſenden Übermut der 
Junioren zu breden, für nötig fanden, das jchärfere Breve zu 
überreihen. — MWefterholt Hatte fi erfühnt, nachdem er den 
Domdehanten und Genofjen bereit3 vor den münfterjchen Dffizial 
geladen, den Herzog von Fülih jamt feinem Sohn, ferner den 
Hofmeifter von der Rede, endlich den Syndikus und den Sekretär 
des Kapitel3 wegen Injurien am SKammergeriht zu verklagen. 
Anfangs April wurde den Verklagten die Vorladung des Kam— 


1) Eine Zeit lang war in Rom bavon bie Rebe, den Pater Eanifius 
zum Herzog von Jülich zu fenden, zumächft wegen bes verlangten Laienkelches, 
bann aber auch wegen ber Dispens zur Übernahme der münfterfhen Ab- 
miniftration. Vielleicht gedachte man damals ſchon biefe Dispens gegen ben 
Verzicht des Herzogs auf dem Laienkelch zu bewilligen. 


598 Siebented Bud. Erſtes Kapitel. 


mergerichts zugeftellt und der alte Herzog, jo heftig er auch über 
dieje „Unverſchämtheit“ Weſterholts erzürnt war, konnte doch nicht 
umbin, wenigitens zur Anhörung der Klage Profuratoren in Speier 
zu bevollmächtigen. 

Der münfterihe Landtag ging vorüber, ohne daß Wefterholt 
und Genoſſen von der Poftulationsfahe und von ihrem Streit 
mit dem Herzog von Jülich etwas vorbradten; deshalb hielten 
e3 auch die Senioren für rätlicher, erft nad) demjelben das Breve 
dem Statthalter zuzuftellen. Am 9. Mai überreichte diejem ein 
cleviiher Notar die Citation. Wefterholt nahm fie ruhig bin 
und that, als wolle er ihr gehorchen; er frug bereits beim Ka— 
pitel an, ob dieſes ihm, da er aus eigenen Mitteln die Romreife 
nit beſtreiten könne, inzwiſchen feine Einkünfte weiter folgen 
lajien wolle. Aber entweder befann er ſich bald anders oder 
zechnete von vornherein auf eine abſchlägige Antwort des Kapitels, 
um einen Vorwand mehr zu befommen, in Rom nit zu er— 
jcheinen. 

Ein Anlaß von außen fam Hinzu, um den Statthalter in 
jeinem Trotz zu bejtärfen: Mitte Mai lagerte fih ein Zrupp 
niederdeuticher Neiter und Knechte, melde Graf Günther von 
Schwarzburg für die belgiihen Stände geworben, in das Stift 
Münfter ein und verübte hier vierzehn Zage lang großen Un— 
fug. Man fprengte aus, fie jeien da, um Rache zu üben an 
denen, welde Herzog Johann Wilhelms Reftitution und Weiter 
holt3 Citation zumege gebradt. Als der Domdechant das Kapitel 
anrief, ihm das Haus Lüdinghauſen, wo er wohnte, bewahren zu 
helfen, entjtand darüber unter den Domberren heftiger Zank; im 
Zorn oder Trunk warf Wefterholt dem SKapitelboten ein Glas 
Mein an den Kopf; er felbft und zwei feiner jungen Freunde, 
Asbeck und ein Elverfeld, machten Miene, den Sekretär Schmale 
mit Schlägen zu traftieren. — In Stadt und Land regte fi 
allgemein Unzufriedenheit über den jungen Poftulierten, der nicht 
einmal imftande jei, das Stift vor fremder Gewalt zu jchügen; 
e3 ſei nötig, daß das Stift endlih einen ordentlihen Herrn er— 


Niederrhein und Minfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 599 


halte. — Dieje Unruhen benugte Wefterholt, um fi in einem 
Schreiben an den Papft (vom 31. Mai) zu entihuldigen, daß er 
der Citation zur Zeit nit nahfommen könne; übrigens wolle er 
Kapitel und Landftände deshalb befragen; inzwischen möge man 
die gegen ihn erhobenen Beichuldigungen ihm mitteilen. Schmäh— 
Ihriften habe er nicht herausgegeben, fondern nur die Freiheit des 
Kapitels gegen Eingriffe eines weltlihen Fürften und ſich felbft 
gegen Verleumdungen verteidigt. Auch feine Prozeſſe gegen den 
Herzog von Jülich und deſſen Räte, ſowie gegen Goddert von 
Raesfeld nötigten ihn zuhauſe zu bleiben. 

Staatiihe Reiter lagen nod im Stift, als eines Tages (am 
26. Juli) Deputierte der Stadt Münfter und der anderen Stift3- 
ftädte vor den Domherren erichienen und, auf den durch das 
Kriegsvolf erlittenen Schaden hinweiſend, beide Parteien auffor= 
derten über einhellige Wahl eines neuen Herrn ſich zu vergleichen. 
Die Senioren jhoben wieder alle Schuld an dem Zwieſpalt den 
Gegnern zu, erflärten übrigens, wenn man zuvor die Poftulation 
aus Jülichs Händen herausbringen fünne, werde ein Vergleich mit 
den Junioren feine Schwierigkeit machen. Die Antwort der Junioren 
fennen wir nit; wie fiegesbewußt fie waren, zeigt ſich jedoch 
darin, daß fie einige Tage nachher ohne die Senioren Kapitel 
hielten und in das durd den Zod des Senior? Nagell freiges 
wordene Kanonikat einen ihrer Anhänger, Hermann Dobbe, ein= 
jegten, obwohl ihnen bereit3 mitgeteilt war, daß der Papft dieſes 
in einem päpftlihen Monat erledigte Kanonifat dem bon Herzog 
Wilhelm empfohlenen jungen Autger von der Horft, einem Sohne 
des Düffeldorfer Amtmanns, verliehen habe ?). 


1) Als Herzog Wilhelm fpäterhin den Junioren eine Urkunde über bie 
Berleihung dieſes Kanonikats zuftellen Tieß, ſoll Wefterholt dieſelbe zum 
Spott an einem hohen Baum aufgehangen haben. DA. 28f fol. 276. In 
Röchells Chronik (Münſter. Gefchichtsgu. III, 75) und daraus bei Kock, 
Ser. Episc. Monast. III, 154 wird irrtümlich angegeben, Wefterholt Habe 
ſich ſolche Verhöhnung fogar mit ber Citation nah Rom erlaubt. — Unter 
den Kapitularen finden wir übrigens in ber mächften Zeit weder Dobbe noch 
von ber Horft. 


600 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


Auch unter der münfterjhen Ritterihaft gewann die Anficht 
mehr und mehr Raum, daß am beften die beiden bisherigen 
Gegenbewerber verzichteten und dann ein dritter al3 neuer Herr 
poftuliert werde. Schon wurden beftimmte neue Bewerber ge= 
nannt. Während des Monats Juli ſprach der heſſiſche Hofrichter 
Arnold von Viermund einige Herren don der münſterſchen Ritter- 
ihaft darum an, ob etwa dem jungen Grafen Bernhard von 
Waldeck, der als Kanonifus zu Köln und zu Straßburg bereit3 dem 
geiftlihen Stande angehörte, zu ihrem Stift verholfen werden könne. 
Schon vor zwei Jahren war davon die Rede geweſen 9; jeßt 
meinten Viermund und ein anderer beifiicher Lehensmann, Ed- 
bredt von der Malsburg, der ebenfall3 Freunde unter der mün— 
ſterſchen Nitterihaft hatte, wenn der Bremer Erzbiihof dem 
Grafen Bernhard feine Rechte cediere, habe diefer gute Ausficht, 
das Stift zu erlangen. Landgraf Wilhelm bot, als Obervor— 
mund des jungen Waldeder Grafen, jeine Hand, um den Erz= 
biichof zum Verzicht zu bewegen. Viermund ging Anfangs Sep— 
tember deshalb nad Schloß Neuhaus zu Heinrih, der zwar 
beftimmte Zufagen ablehnte — er müſſe erſt hören, was feine 
„Gutgünſtigen“ im Kapitel dazu fagten —, übrigens aber fid) 
jo äußerte, daß der Hofrihter mit den beiten Hoffnungen von ihm 
ihied. Von Neuhaus ging Viermund wieder nah Münfter, wo 
gerade (am 9. September) ein Landtag ftattfand. Auch hier lagen 
die Dinge günftig für Graf Bernhard. Denn auf diefem Land» 
tag trat die Ritterfchaft der Anfiht der Städte förmlich bei, daß 
man nad der Poftulation eines Dritten ftreben jolle.e Man bes 


1) Nah dem Martinitapitel 1576 bittet bie verwitiwete Gräfin Anna 
von Walded geborene zur Lippe ben Herzog von Jülich al8 Verwandten ihres 
im Jahre 1567 verftorbenen Gemahls Graf Johann — diefelben waren Nach— 
geſchwiſterlinder —, er möge, falls Herzog Ernſt nicht poftuliert werben follte, 
ihrem jüngften Sohn Graf Bernhard zum Stift Münfter verhelfen. — 
Herzog Wilhelm verfpricht Hierauf in künftigen Fällen ihrer Kinder zu ge- 
benfen. DA. 28°, fol, 343. — Üüber die Beziehungen des Landgrafen Mil- 
beim zu den Grafen von Walded vgl. o. ©. 252. 


Niederrhein und Münſter nach der Wahl bes Gebharb Truchſeß. 601 


ſchloß, Regierung, Ritterſchaft und Städte follten zu diefem Zweck 
eine eigene Gejandtihaft an den Herzog von Jülich abordnen. 
Im Vertrauen erfuhr Viermund, man werde fih wohl gefallen 
laffen, daß der Herzog dem Kapitel einige geeignete Perjonen zur 
Auswahl benenne. Sofort ſchrieben aljo die verwitwete Gräfin 
Anna und Graf Philipp von Waldeck an Herzog Wilhelm (am 
10. September) und baten ihn fi für ihren Sohn und Bruder 
zu erflären. Der Herzog antwortete mit einigen höflihen unver- 
bindlichen Redensarten. Er war zur Zeit durdaus nicht gefonnen, 
den Wünſchen der münfterfhen Landftände entgegenzufommen. 
Noch am 8. Dftober (übrigens che ihm der letzte Landtagsbeſchluß 
befannt war) forderte er von Bensberg aus die münfterjchen 
Städte auf, fie follten die Junioren ermahnen, mit ihren Se— 
nioren ſich zu vergleihen und die frühere Kapitulation (mit 
Bayern) zu erfüllen, damit werde der Sache am bejten geholfen; 
inzwiſchen verſpreche er das Stift nidht minder wie jein eigenes 
Land vor unrehtmäßiger Gewalt zu ſchützen. Am gleichen Tag 
ging ein nad Recks und Dr. Wezes Gutachten abgefaßtes Schrei= 
ben nah Rom ab, worin der Papft nohmals entſchieden aufge 
fordert wurde, den täglich Feder werdenden Wefterholt und Ge— 
noffen nicht nur zu fufpendieren, jondern glei zu privieren,; der 
Herzog bot feine Hilfe an, um päpftlihe Befehle durchzuführen. 
Drei Wochen danad) erſchienen zu Hambach fünf Abgeordnete 
von Negierung, Ritterihaft und Städten des Stifts Münfter ?) 
und baten um eine Erklärung des Herzogs inbetreff des lekten 
Zandtagsbeichlufjes. — Am 30. Dftober (1578) wurde ihnen ein 
Beicheid erteilt, welcher nit nur von dem legten Bensberger 
Schreiben, jondern von dem bisherigen Standpunkt überhaupt 


1) Für die Regierung: Hermann von Velen, Droft zum Bevergern und 
in Emsland, für die Ritterfchaft: Dietrich von Plettenberg (anftatt des an- 
fänglich gewäßlten Grafen Arnd zu Bentheim, Herr von Steinfurt) und 
Franz von Bodelſchwing, für die Städte: Bürgermeifter Joh. Berswordt und 
Syndikus Lie. Meinhart Diethart. 


602 - Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


weſentlich abweicht: das Domkapitel ſolle ſich nur über eine fa= 
tholiſche qualifizierte Perſon vergleichen, die vom Papſte beftätigt 
werden fünne; dann fei der Herzog nochmals gern bereit, jeinen 
Sohn zurüdtreten zu laffen. 

Man könnte geneigt fein, in diefem Beſcheid den Einfluß 
Bayern =feindliher Räte zu ſuchen; da er aber nit minder als 
alle früheren aus der Feder des gut bayriſch gefinnten Kammer— 
ſekretärs Langer ftammt, jo liegt wohl nichts als eine ftiliftiiche 
Ungejchidlichleit desjelben vor. Heinrich von der Nede er= 
kannte jofort den begangenen Fehler und empfahl dringend, ihn 
jo weit als möglich gut zu machen. Die Erklärung fei, fchreibt 
er an Langer, „kalt und jchleht genug‘, und werde weder dem 
Herzog don Bayern noch den Senioren gefallen. Auch feine 
eigene Ehre fühlte er durd fie gefränft: denn nun ſehe es aus, 
als ſeien alle die früheren jcharfen Schreiben nur durd die her: 
zoglihen Räte erpraftiziert; Regierung und Landftände würden 
nun erjt recht die Senioren drängen, nachzugeben. — Auch der 
Domdehant war mit der Hambacher Rejolution jehr unzufrieden. 
Schon vor längerer Zeit hatte er in einem Briefe an feinen 
Freund Dr. Winkel in Köln geklagt, daß die Senioren von Füs 
ih und Bayern im Stiche gelaffen würden. Seht ließ er den 
Herzog durd) Otto von dem Bylandt wiſſen, Wefterholt habe vor, 
“ dem dermaligen Inhaber des Erzitifts Köln auch nad Münſter 
zu verhelfen, und ſei deshalb unlängit ſelbſt in Brühl geweien. 

Ohne Zweifel lag diefer Nachricht etwas Thatſächliches zugrunde, 
und jedenfall war der Plan gut ausgejonnen ). Der Truchſeß 
galt allgemein als katholiſch, feine Beftätigung durch den Papft 
wurde zuberjihtlih und bald erwartet; wenn alſo die münfterichen 
Stände den Herzog beim Wort hielten, durften fie verlangen, daß 


1) Gerüchtweife erfuhren Bayern und Jülich ſchon im Frühjahr 1578, 
daß Wefterholt mit Gebhard Truchſeß anzutnüpfen ſuche. Danborf an 
Herzog Albrecht 1. März 1578. StA. 38/16, fol. 164 und Goddert von 
Raesfeld an Langer 23. März 1578. RA. Münfter VII, 61. 


Niederrhein und Münfter nach der Wahl des Gebharb Truchſeß. 608 


er feinen Sohn refignieren laſſe, jobald fih das Domkapitel über 
Gebhards Poftulation geeinigt. Bylandt teilte nachher noch weiter 
mit, Kurfürft Gebhard und Erzbiſchof Heinrich gedächten ipäterhin 
die Stifter Münfter und Paderborn gegen einander zu vertaufchen, 
damit wieder wie vordem Münfter mit Dsnabrüd, Paderborn 
mit Köln zuſammenkomme; denn allem Anſchein nad) wollten die 
münfterihen Stände über kurz oder lang Bremen und anders feinen 
zum Herrn haben. — Gebhard und Heinrich ſollen bereits im Juli 
1578 einmal mehrere Zage lang zu Arnsberg beifammen geweſen 
fein; al3 dann der Kurfürft im November in das Herzogtum 
Weſtfalen fam, um jid) huldigen zu laifen, beſuchte ihn der Erz— 
biſchof neuerdings in Arnsberg. Auch mit dem Herzog Julius 
von Braunſchweig und mit den beijiihen Landgrafen unterhielt 
Gebhard gute Nachbarſchaft; ebenfo wußte man am Jülicher Hofe 
um jeine freundihaftlihen Beziehungen zu den niederländiichen 
Ständen. Es bereitete ſich alio hier eine Koalition vor, melde 
die Häufer Fülih und Bayern auf die Dauer von dem Belig 
der weſtfäliſchen Hochſtifter auszufchließen drohte, von Zag zu 
Tag erichien e3 notwendiger, Wefterholt aus feinem Statthalter: 
amt zu entfernen und die Negierung von Münfter in die Hände 
des jungen Poftulierten zu bringen. Wieder und wieder drängte 
deshalb Herzog Wilhelm feinen Schwager Albrecht, dieſer aber 
feinen Gefandten in Rom, daß man dort endlid die Wünſche der 
beiden befreundeten Häufer erfüllen möge. 

Indeſſen trug Herzog Wilhelms Hambacher Erklärung die von 
Red erwarteten Früchte. Im Dezember 1578 beſchieden Regierung 
und Ausſchuß der münfterihen Stände die beiden Parteien des 
Kapitels vor fi, eröffneten ihnen die Rejolution vom 30. Di: 
tober und forderten beide auf, nunmehr über eine qualifizierte 
Perſon ſich zu vergleihen. Beide Zeile juchten zunächft wieder 
ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen und überließen es Regierung 
und Ständen, einen Ausgleih zu finden. Hierauf traten dieſe 
wirklich mit beftimmten Vorichlägen hervor: Das Kapitel jolle ent= 
weder: 1) die beiden bisherigen Gegenbewerber auffordern, die 


604 Siebentes Buch. Erſtes Kapitel. 


bordem von Herzog Ernſt bereit3 bewilligte Kapitulation nochmals 
zu befiegeln und zu bverbürgen, und dann einen bon beiden po= 
ftulieren; erfolge dabei abermals zwieipältige Wahl, jo follten 
Papft und Kaijer entjcheiden. Oder: 2) Bremen und Bayern 
jollten zurüctreten, der Herzog von Jülich aber gebeten werden, 
jeinen Sohn refignieren zu laffen und drei oder vier andere taug— 
liche Perjonen zur Auswahl zu benennen. Oder endlih: 3) Re— 
gierung, Stiftsräte und Ständeausſchuß follten jieben bis acht 
Domberren bezeichnen, welche mittel3 Kompromiß die Poftulation 
zu erledigen hätten. — Den dritten Vorſchlag wieſen die Se— 
nioren von vornherein zurüd, weil er den Freiheiten des Kapitels 
widerſpreche; gegen 1) und 2) äußerten fie zwar auch Bedenken, 
ließen ſich jedoch ſchließlich, vorausgejegt, da Herzog Wilhelm 
einwillige, einen wie den andern gefallen. Wefterholt aber, ob— 
wohl die Vorſchläge, wie die Senioren verjihern, größtenteils 
von ihm ſelbſt herrührten, forderte wegen der Abmejenheit jeiner 
Mitftimmenden zwei Monate Bedenlzeit. — Vermutlih war er 
mit feinen Vorkehrungen für die durh die Hambacher Rejolution 
geichaffene neue Lage noch nicht fertig; daher das Verlangen län= 
gerer Frift. Erzbiſchof Heinrich hatte ſich bisher, wenngleich feine 
Anhänger das Gegenteil behaupteten, auf feine beftimmte Kapi— 
tulation eingelafjen, weil er einzelne Punkte in der von den Ju— 
nioren ihm vorgelegten bayriichen Kapitulation entweder mit feinem 
Gewiſſen oder mit feinen früher im Erzftift Bremen eingegangenen 
Berpflihtungen nicht zu vereinbaren wußte. Da nun aber Ne 
gierung und Ständeausihug zu Münfter darauf beftanden, daß 
aud Heinrich die bayriſche Kapitulation annehmen folle, um ferner 
nod als Kandidat zu gelten, mußten feine Anhänger neuerdings 
juchen, fein Widerftreben zu überwinden. Anfangs Januar 1579 
begab fi) einer von diefen — wahrſcheinlich Wefterholt felbft — 
zum Erzbiſchof und ſcheint die Zuſage erhalten zu haben, 
dag er die Kapitulation im weſentlichen unverändert annehmen 
werde. Es bleibt dahingeftellt, ob Heinrich wirklich noch ernftlich 
borhatte, fich jelbft in Münfter poftulieren zu lafien, oder ob er 


Niederrhein und Münfter nad) der Wahl des Gebharb Truchſeß. 605 


zunächſt nur durch Eingehen auf die Vorſchläge der Stände feiren 
bayriichen Rivalen ausſchließen wollte, vielleiht mit dem von dem 
Herrn von Rheydt angedeuteten Hintergedanten, nachträglich durch 
Tauſch in den Belig von Münfter zu fommen. Nah außen hin 
that er jetzt, als ſei er jelbft mit der Wahl des Grafen Bernhard 
von Waldeck ganz einverftanden. Schon im November 1578 
batte er durch einen feiner Räte, Markus Keller, in Dresden ver— 
traulich anfragen laffen, ob jein Dheim der Kurfürft einverftanden 
fei, wenn er gemäß dem Wunſche der Landgrafen feine Rechte auf 
Münfter dem Grafen Bernhard übertrage; denn er ſelbſt könne 
fi) wegen der heftigen Oppofition de3 Herzogs von Jülich und 
weil die Senioren durhaus einen papiftiihen Herrn haben wollten, 
laum mehr Hoffnung auf das Stift machen. Die jähliihen Ge— 
beimräte empfahlen ihrem Herrn, diefer möge folhen Verzicht 
billigen, aber nur mündlid — wohl aus Rüdjiht auf die bay- 
riihe Freundſchaft —, denn „der Religion und anderer Bedenken 
halb ſei nicht gut no ratjam, daß der Adminiftrator von Freifing 
dort zu weit einfige und gewaltig werde‘. Dem heſſiſchen Hof- 
richter Viermund verfiherte Heinrich zur felben Zeit, da er fi 
bereit erklärte die bayriihe Kapitulation anzunehmen (Januar 
1579), er thue dies nur auf den Wunſch feiner „, Gutgünftigen “ 
in Münfter, um ſeinerſeits den Vergleichsvorſchlägen zu entipredhen, 
beabfichtige aber durchaus nit, den Grafen Bernhard hierdurch 
auszuſchließen; vielmehr ſei e8 gerade jet, da Herzog Wilhelm 
die Poſtulation eines dritten zugeftanden habe, an der Zeit, daß 
fid) die Landgrafen für Bernhard verwendeten. Daraufhin ließen 
dieje, im Februar 1579, durd) Georg von Scholley bei Herzog 
Wilhelm perfönli für Bernhard von Waldeck Fürbitte einlegen und 
waren jehr enttäufcht, al3 eine ſcharf abichlägige Antwort erfolgte. 
In feinem Ärger hierüber meinte Landgraf Wilhelm, der Hofrichter 
„ſperre etwa um feiner Privatlonfideration willen dem von Walded 
das Maul auf‘). — Wir wiffen aber, daß die Dinge anders lagen. 


1) Die Herren von Viermund (VBierminden) waren nah Rommel, 


606 Siebentes Bud. Erſtes Kapitel. 


Am jülichſchen Hofe fühlte man fi genötigt, den durch die 
Refolution vom 30. Dftober 1578 begangenen Fehler durch ver— 
doppelten Eifer nach der Gegenjeite gut zu machen. Weit ent= 
fernt von dem Gedanken, den Boftulierten abtreten zu lafjen, war 
man vielmehr bedacht, ihn möglihft bald an die Regierung des 
Stifts zu bringen. Hierzu bedurfte man aber vor allem der 
Gunſt des römishen Stuhles. Durch ſolche Vorſtellungen vers 
mutlih braten Johann Wilhelms jegiger Hofmeifter, Dietrich) 
von der Horft, Amtmann zu Düffeldorf, und Paul Langer den 
alten Herzog zu einem Zugeſtändnis, gegen welches er ſich jahre 
lang mit aller Energie gefträubt Hatte, deren fein kranker Geift 
und ſchwacher Körper noch fähig waren: er gab zu, daß fein Sohn 
am Weihnachtsfeſt 1578 feine erfte Kommunion unter einerlei Ge— 
ftalt feierte. Johann Wilhelm war damit ganz einverftanden !). — 
Damit war nah einem jahrzehntelang geführten Kampf die 
Niederlage der Erasmiihen Richtung am clevischen Hofe befiegelt; 
die römiſch Gefinnten triumphierten. Ihre Freude teilte Herzog 
Albreht von Bayern, der ſelbſt erft vor wenigen Monaten die 
fatholiihen Räte feines Schwager brieflidh erſucht hatte, für bal- 
dige Kommunion des jungen Herzogs nad altlirhlihem, nämlich 
nad) römischen Gebrauch fid zu bemühen, und nun fofort die 
frohe Botihaft dem Papſte melden lich, mit dem Auftrag fie zu 
benugen, um endlich einmal Weſterholts Abjegung und Dispens 
für Johann Wilhelms Adminiftration zu erlangen. 

In der That ſchien es hoch an der Zeit, daf von Rom aus 
zugunften des Herzogs von Jülich und der Senioren etwas 
Ernitlihes geihah. Nach den Vergleihsverhandlungen im De— 


Geſch. von Hefien V, 389 befonders in Weftfalen und Walde begütert und 
obenbrein mit den Grafen von Waldeck verſchwägert. 

1) „Dazu auch ber junger ber gar begirig gewefen, wie ich das mit 
warbeit bezeugen muß; — aber für mein perfon, ber das meifte anbringen 
berbalben bei dem alten bern, ehe der conjen® baruber hat mogen erhalten 
werben, grofie ſtürm hab erbulben müſſen“, berichtet Langer an DDR 
am 5. Februar 1579. RA. Münfter VIIL, fol. 61. 


Niederrhein und Miünfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 607 


zember 1578 hatte jogar der Domdehant den Mut zu fernerem 
Widerftand faſt verloren. Als Dit von Bylandt in den letzten 
Zagen des Jahres zufällig dur das Amt Wolbeck fam, wo des 
Dehanten Bruder Lutger Droft war, fand fi Goddert von 
Raesfeld bei ihm ein und klagte bitter, daß die Senioren nit 
länger aushalten könnten, ſondern geihehen laſſen müßten, was 
fie nicht wehren könnten; auch warnte er von neuem vor geheimen 
Abmachungen, melde zwiſchen Kurfürft Gebhard und Erzbischof 
Heintih im Werke jeien. Um diejelbe Zeit gaben die Senioren 
in einem amtlichen Bericht an Herzog Wilhelm über die Dezember— 
verhandlungen ihrem Verdruß Ausdrud, dab infolge jeines Ham— 
bacher Beicheids viele Leute ihnen allein die Schuld beimäßen, 
wenn man zu feiner einhelligen Poftulation gelange. Hierauf er— 
mahnte zuerft Herzog Wilhelm, jodann auch Herzog Albrecht die 
Senioren, wenigftens nod) jo lange ausharren, bis die täglich er— 
wartete Entjheidung von Rom gekommen jei. 

Mittlerweile änderte ih, infolge der allzu großen Giegesge- 
wißheit, womit Wefterholt auftrat, die Lage in Münfter einiger: 
maßen zugunften der Senioren. — Am 3. Februar 1579 über- 
reichten Wefterholt und Genofjen der Regierung und dem Stände: 
ausſchuß ihre Antwort auf die Dezembervorihläge: Es jei ratjam, 
daß man jekt, um aus dem Zwieipalt zu fommen, auf eine dritte 
Perſon denfe; die beiden früheren Bewerber hätten durd das 
Reftitutionsbreve alle durh die Kapitulation mit ihnen etwa er= 
worbenen Rechte verloren; Herzog Johann Wilhelm aber ſei ges 
mäß feiner Kapitulation verpflichtet, pure, libere et jimpliciter zu 
refignieren. Wolle man aber die beiden Herren, Bremen und 
Bayern, nohmals in die Poftulation ftellen, jo möge man auch 
den Bremer Erzbiſchof namens des ganzen Kapitel die Kapitu— 
lation vorlegen und Aſſekuration verlangen. Zugleich übergab 
MWefterholt einen Kapitulationsentwurf, welchen Erzbiihof Heinrich) 
angeblich vorlängft, in Wahrheit wohl erft vor ein paar Wochen 
angenommen hatte. Formell ſchloß ſich derjelbe ganz an die bay— 
riſche Kapitulation an, aber mit einigen, wie Wejterholt ver- 


608 Siebente® Bud. Erſtes Kapitel. 


fiherte, unweſentlichen, in Wirklichkeit jehr wichtigen Wortän- 
derungen. — In der bayriſchen Kapitulation heißt es in Art. 1 
und 2, der Voftulierte müfje päpftlihe Konfirmation und faifer= 
liche Regalien "erlangen und dürfe zuvor feiner Regierung fid) 
unterfangen; im bremijchen Entwurf ift gejegt: wenn Konfirmation 
oder Regalien nicht zu erlangen, folle der Poftulierte zurüd- 
treten. — Art. 3 der bayrifhen Kapitulation fordert, daß 
fi) der Voftulierte felbjt der alten katholiſchen Religion, wie fie 
bisher von der römischen Kirche bekannt worden, gemäß verhalten 
folle; im bremifchen Entwurf fteht von der Perſon des Poſtu— 
fierten nicht, fondern nur, daß diefer Stift und Unterthanen bei 
der alten katholiſchen orthodoren Religion ſchützen werde, obendrein 
mit dem Zufat, daß derjelbe fi) dem Religionsfrieden gemäß ver— 
halten ſolle. — In Urt. 6 der bayriſchen Kapitulation wird die 
bishöfliche Konfekration verlangt, der bremiſche Entwurf ſpricht nur 
von einer Dualififation zum biſchöflichen Amt, wie gebräuchlich. 
Die Senioren verfehlten nicht, fofort die Tragweite diejer 
Mortunterichiede hervorzuheben und darzuthun, daß aud im üb— 
tigen Weſterholts jegige Erklärung den dur fie bereit3 ange— 
nommenen Vergleichsvorſchlägen durhaus nicht entſpreche y. Das 
machte Eindrud auf Regierung und Stände. Sie waren, jeden- 
falls in ihrer Mehrheit, zur Zeit nit gewillt, die in dem bre= 
milden Entwurf mittelbar enthaltene allgemeine Freiftellung der 
Religion zuzugeben, und ebenjo wenig wollten fie, wie Wefterholt 
das forderte, alle Rüdfiht auf den Jülicher Herzog beifeite ſetzen. 
Darum antworteten fie, am 10. März, e3 fei nötig, ehe man an 
die Wahl einer dritten Perfon denke, die frühere Poftulation aus 
Jülichs Händen zu bringen; wolle man dann mit beiden Herren, 
Bremen und Bayern, zugleich fapitulieren, jo fei feitzuhalten an 


1) Dr. Halver erfuhr zu Köln von einem vornehmen miünfterfhen Abe- 
tigen: „das man Gotlob uf dem münfterifhen landtag bem MWefterbolz bie 
bant im lugen und betrugfad erwifcht und ime hoch verweifen lafien, bas 
feine andere capitulation der erften gar ungleich und zumider.” Halver an 
Herzog Albrecht. Köln, 14. April 1579, RA. Münfter T. VIII, fol. 113. 


Niederrhein und Miünfter nach der Wahl des Gebhard Truchſeß. 609 


der vordem vom ganzen Kapitel vereinbarten Kapitulation, bon 
welcher der bremiſche Entwurf in etlihen Hauptftüden abweiche. 
Gemeine Stände jeien, ihrer Meinung nad), gefonnen, unter dem 
Krummſtab zu bleiben und feinen al3 Herrn anzunehmen, der 
nicht, wie dies auch der Kaifer befohlen habe, zuvor die päpftliche 
Konfirmation und die Regalien erlangt babe, und naher ala 
geiftlicher Fürft und Biſchof fi Halten wolle. Vor allen weiteren 
Schritten jollten fi) alfo der Statthalter und die ihm Zuſtimmen— 
den inbetreff diefer Punkte erklären. 

Noch ehe fie dies gethan, fam von Rom die jo lange erwar- 
tete Hilfe für die Senioren. Am Dezember 1578 hatten ſich 
Gregor XIH. und die Kardinäle der deutihen Kongregation end- 
lich entichloffen, dem unabläffigen Drängen der Herzöge von Bayern 
und Jülich wenigſtens inſoweit nachzugeben, daß der General: 
auditor der apoftoliihen Kammer Befehl erhielt, Weſterholt wegen 
des dur fein Nichtericheinen befundeten Ungehorfams von feinen 
Ämtern und Pfründen zu fujpendieren und aus dem Kapitel aus: 
zufchliegen; zu einem Beihluß, wie es mit der ferneren Ber: 
waltung des Stiftes zu halten ei, brachte man es noch nicht. — 
Zeils aus formellen Rückſichten, teil3 infolge von Gegenvorftellungen 
einiger Freunde Weſterholts, welde auf fein baldiges Erjcheinen 
Ausfiht eröffneten, wurde jedod) das Sujpenfionsmandat erit am 
19. Januar 1579 ausgefertigt und erft im Laufe des Februar 
dem bayriſchen Gejandten zugeitellt; am 30. März gelangte e3 
über München nad) Düffeldorf in die Hände des Herzogs von 
Jülich. 


Loſſen, Köln. Krieg J. 39 


2. Kapitel. 
Der kölnifhe Prozeß an der römiſchen Kurie.“ 


— — 


Das erſte Gefühl, welches die Nachricht von Gebhards Wahl 
bei Papſt und Kardinälen erregte, war das einer allgemeinen Be— 
friedigung, weil das befürchtete Schlimmere nicht eingetroffen. Vom 
bayriſchen Hofe und vom eigenen Nuntius hatte man ſo viel von 
der ketzeriſchen Geſinnung vieler, wenn nicht der meiſten Kölner 
Domherren gehört, daß man ſich über die Wahl eines ganz oder 
halb häretiſchen Biſchofs kaum hätte wundern dürfen. Freilich war 
der von Rom empfohlene Kandidat unterlegen; — aber es war 
eben Wahl geweſen und der Schaden traf doch zunächſt nur den 
Unterlegenen jelbft und fein Haus, nicht aber den römischen Stuhl, 
borausgejekt, daß der ftatt feiner Erwählte eine diefem genehme 


* Quellen: Briefe und Akten über ben römifchen Prozeß in übergroßer Fülle: 
StA. 38/3. 13. 15 bis 19 (beſonders 16); Kopien aud) Bibl. Föringer. 
Nr. 3239. Auch bier gilt von Fabricius’ wöchentlichen Berichten meine 
0. ©. 335 gemachte Bemerkung; Aernspergs Briefe find aber nicht bloß 
mweitfchweifig, fondern noch dazu verworren gefchrieben. Einzelne Er- 
gänzungen: StA. 9/3 u. 4 (u. a. Korrefpondenz mit dem Großherzog 
von Toscana); 96/1; 139/1; 230/2 u. 231/7 (Berichte des Dr. Hegen- 
müller und des bayrifchen Agenten Haberftod vom faiferlihen Hof); 
311/1 u. 16; 359/8; 378/2 u. 7; 899/53. 58 u. 59. RU. Unruhen 
im Erzftift Köln T. I (vgl. 0. ©. 563); Münfter T. VII; Lüttich 
T. I; Gülch und Cleve T. II; Fürftenfachen Spec. C. Nr. 413. DA. 
Landesherri. Familienfahen 28e u. f; Erzbiſchöfe. Gebhard Truchſeß 
12 u. 1b; Köln Domftift 324; Domlap.-Protof. Nr. 158. Dril. 


Der kölniſche Prozeß an ber römischen Kurie. 611 


Perjon war. — Und warum jollte Herr Gebhard Truchſeß das 
nit jein? Genau betrachtet, fand ſich fogar mandes, was 
jeine Wahl dem Bapite vielleicht erwünſchter machte, als die des 
bayriihen Prinzen. Zwei Bistümer befaß diefer bereits; um ein 
drittes, das münfterfche, bemühte er jih, von Rom unterftügt, ſeit 
langer Zeit und immer noch mit Ausſicht auf Erfolg. Zudem 
fonnte täglid, durch Tod oder fonft, eines der im Bereich ver 
bayriihen Hausmacht gelegenen Stifter, wie Salzburg, Regens— 
burg, Palau frei werden, wo man dann den bayriſchen Herzog 
fiherlih als Bewerber zu erwarten hatte. Solde Häufung 
biihöflicher Amter in einer Hand, dem kanoniſchen Recht und 
den tridentinischen Satzungen ohnehin widerſprechend, erihien um 
jo bedenkliher, da man an der Kurie Herzog Ernfts fittliche 
Schwächen gut genug fannte, was man aud offiziell über feine 
Tugenden jagen mochte. Gebhard Truchſeß war freilich auch fein 
Heiliger: vor Jahren, da er nad) feiner Studienzeit als Domherr 
zu Augsburg fi) aufhielt, hatte fein Oheim, der Kardinal, bitter 
zu tagen, daß Gebhard jo „unpfäffiih‘ fich halte, voll und toll 
durch die Stadt ſchwärme, eher wie ein Waibel denn wie ein 
Domberr gekleidet jei. Aber ſolche Fehler der Jugend, wenn man 
überhaupt darum wußte, beurteilte man in Rom nicht gar ftrenge, 
aud gab Gebhard nachher feinen weiteren Anlaß zu Klagen. An 
feiner fatholiihen Gefinnung zmeifelte bis zu feiner Wahl nie 


loc. 8926. DillA. Dill. Korrefp. 1578. SW. Ferdin. fol. 110. 
Nr. 135. Aus dem Briefwechſel zwifchen den Herzögen von Bayern 
und dem Bapfte ift einige® gebrudt bei Theiner II, 370sqqg. und 
UI, 2 (namentlich bie beiben wichtigen Briefe vom 21. November 1578 
und 31. Januar 1579). Ein paar Notizen bei Maffei I, 275sq. 
und 330sqq9. Languet, Ep. seor. I, 2. p. 746. Groen van Pr. 
VI, 488sqg. (Der Schreiber dieſes Briefs ift der Kölner Dompropft, 
vgl. o. ©. 304 Anm.) Zeitfehr. f. deutſche Kulturgefh. N. F. I, 619 
(aus Weinsberg Tagebud von Einen). Ein Abriß der Iugendgefchichte 
bes Gebharb Truchſeß in meinem Artilel über venjelben in ber Allgem, 
D. Biogr., Bd. VIIL Die dort und hier gemachten Angaben über 
Gebhards Iugendjehler find der Korrefpondenz des Karbinal® von 
Augsburg mit Herzog Albrecht (AA. Augsburg T. IV) entnommen. 
39* 


612 Siebente® Bud. Zweites Kapitel. 


mand; fuchte man doch den Truchſeſſen von bayriſcher Seite gerade auf 
fie Hin für Ernft3 Wahl einzunehmen. Daß aud) in Rom Gebhard 
nicht als Häretiler verdächtig war, geht ſchon daraus hervor, daß 
ihn der Papft vor nicht langer Zeit (im Jahre 1576) zum Augs- 
burger Dompropft ernannt hatte. Und im Sommer 1577 fand 
man dort wie erwähnt, den Gedanken, daß etwa Gebhard Truchſeß 
anftatt de3 bayriichen Herzogs Erzbiſchof von Köln werden könne, 
gar nicht jo ſchrecklich, äußerte fi vielleiht aud in dieſem 
Sinne gegen Gebhards Bruder Chriftoph. Als Gregor XII. um 
diefelbe Zeit bei Herzog Albrecht anfragte, ob diefer nicht unter 
Umftänden feinen Sohn zugunften eines dem Haufe Bayern er= 
gebenen Mannes zurüctreten laffen wolle, dachte er zunächit wohl 
an den Truchſeſſen. Bor allem kam dieſem die Erinnerung an 
feinen Oheim und Erzieher, den Kardinal Otto von Augsburg, 
zuftatten: es lag fo nahe zu hoffen, daß Gebhard in die Fuß: 
tapfen des Mannes treten werde, der jelbit in einer Zeit, als alle 
anderen katholiſchen Fürften des Reiches wankten, zu Nom ge- 
ftanden und mit Rom gegen die Duldung der Häretifer proteftiert 
hatte. Gebhard ſelbſt hatte zwar nit in der Stadt Rom, wie 
manche Leute an der Kurie meinten, aber doh an einer päpftlichen 
Univerfität, zu Perugia, vielleicht aud zu Bologna eine Zeit lang 
ftudiert ). Zudem durfte man vorausſetzen, Gebhards Wahl werde 


1) 2. Februar 1578 berichtet Fabrieius an Herzog Albrecht (StA. 
838/16, fol. 46): Ipsemet pontifex.... cardinalibus dicebat, plurimum esse 
laetandum, quod suffragia in catholicum recidissent, eumque hujus urbis 
et collegii Germaniei alumnum. Ita enim ejus Sti, falso tamen, persua- 
sum fuerat; nam in Urbe ad quindecim dies integros eum nunquam 
haesisse a fide dignis accepi. — 12. Auguft 1567 bezeichnet Gebharbs 
Prokurator im Kölner Domkapitel Rom oder Bologna als locus studii des- 
felben. DA. Domfap.-Protof. Nr. 152. — Als Studierenden zu Perugia 
finden wir ihn bei Stölzel, Gel. Nichtertum II, 10 (immatr. pridie Cal. 
Mart. Ao. 1568). Am 8. März; 1579 berichtet Aernsperg an Herzog Al- 
breit, man fammele bier (in Rom) Zeugniffe über Gebharbs Leben während 
feiner Peruginer Studienzeit. — Die irrige Meinung, Gebhard fei zu Rom 
jelbft, gleihfam unter den Augen des Papftes, erzogen worben, ift jeboch in 
alle Gefhichtsbücher übergegangen. 


Der kölnifche Prozeß an der römifchen Kurie. 615 


dem Haufe Dfterreich lieb fein, namentlih dem Erzherzog Fer— 
dinand, dem man in Rom bejonder3 wohl wollte. Die Truch— 
jeifen von Waldburg waren vorderöfterreihiiche Lehensleute und 
dem Haufe Oſterreich von altersher verbunden. Yon Gebhards 
Brüdern war der nädhjftjüngere Karl Präfident am Kammergericht, 
der folgende, in Rom mohlbefannte Ehriftoph bei Erzherzog Fer— 
dinand in Hofdienften ). Auf die Nachricht von Gebhards Wahl 
äußerte der jeit einigen Monaten als Kardinal in Rom lebende 
Sohn Ferdinands, Andreas von Ofterreih, unverhohlen feine Freude, 
und ebenjo, al3 alter Diener des SKaiferhaufes, der Kardinal von 
Granvella. 

Faſt zwei Monate waren ſeit Gebhards Wahl verſtrichen und 
man mochte in Rom hoffen, alles gehe in Ruhe und Frieden ab, — 
als eines Tages der bayriſche Geſandte Dr. Fabricius beim Papfte 
und ſodann bei den einzelnen Kardinälen erſchien, mit Briefen 
ſeines Herzogs, worin Proteſt und Appellation gegen die Wahl 
angekündigt wurde. Die Appellationsurkunde ſelbſt war zwar noch 
nicht in Fabricius' Händen, ſondern nur Kopie jenes Kölner Brie— 
fes, welcher den Herzog zu appellieren bewogen hatte; doch be— 
mühte ſich der eifrige Mann jetzt ſchon Papſt und Kardinälen 
far zu machen, daß nicht minder das Intereſſe des römiſchen 
Stuhles und das Wohl der katholiſchen Kirche, als die Ehre des 
Hauſes Bayern die Vernichtung der Wahl Gebhards und die Er— 
hebung des Herzogs Ernſt forderten. — Überall fand er bedent- 
liche Mienen. Man ließ die Rechtsfrage, da die Appellation jelbft 
nod nicht vorlag, einftweilen offen, wies aber jetzt ſchon hin auf 
die Schwierigkeiten der Erelution eines etwa für Herzog Ernft 
gefällten Urteils. in allgemeines Gefühl von Schwäche be— 
berrihte damals die Kurie und jagte ihr, daß fie e8 auf einen 


1) Bgl. 0. ©. 536. Schon im Jahre 1575 war Chriſtoph Truchſeß 
einmal im Auftrag des Erzberzogs Ferdinaub in Rom, wo er u. a. mit 
Kardinal Ferdinand von Medici mündlich verhandelt. JA. Ferdin. fol. 
226 ad Nr. 327. 


614 Siebented Bud. Zweites Kapitel. 


offenen Kampf mit den Häretifern im Deutichen Reihe nicht an- 
fommen lafjen dürfe 1); ein Urteil ohne Erekution entiprad aber 
nit der Würde des apoftoliihen Stuhles. Auf was für Bun- 
desgenofjen rechnet ihr? — was jagen der Kaifer und die an— 
deren deutichen Kurfürjten und Fürften zu diefer Appellation? — 
das waren die eriten Fragen, melde dem bayriſchen Gejandten 
bon allen Seiten begegneten. Der Berfud einer Grefution, be= 
merkte u. a. der mit den vdeutichen Dingen mwohlvertraute Kar— 
dinal Commendone, werde unfehlbar die niederländischen Unruhen 
ins Reich ziehen; denn Gebhard, von Rom im Stiche gelaffen, 
werde an Dranien, den Naſſauer Grafen, den heffiihen Landgrafen 
willige Bundesgenoffen finden. Aud der ſpaniſche Gefandte äußerte 
die Bejorgnis, Gebhard möchte fih mit den niederländiihen Re— 
bellen verbünden. Sogar auf die katholischen Fürſten, meinten 
mande Kardinäle, könne Herzog Ernft nicht ſicher zählen. Sie 
wieſen namentlih auf Erzherzog Ferdinand hin. Der Pater To— 
fedo, vordem von Fabricius jo maßlos geihmäht, jet wegen feines 
großen Einfluffes auf Papſt und Kardinäle eifrigft als Freund 
aufgefudht, bedauerte befonders, daß ſich Ernft nicht mindeftens 
irgendwelchen Beſitz verichafft habe. In den 27 Jahren, feit er 
Mitglied des Kardinalstollegs fei, ſagte der Venetianer Gornaro, 
erinnere er ſich nicht, daß jemals eine deutſche Biihofswahl in 
Rom umgeftoßen worden ſei. Am rüchaltlofeften drückte ſich 
einer der päpftlichen Nepoten, Philipp Boncompagno, Kardinal 
bon San Sifto, aus: die Sade fei fertig; fo wenig wie eine 
einmal geſchlofſene Ehe könne Gebhards Bund mit der Kölner 


1) Kardinal Morone bemerkt einmal gegen Fabricius: Nihil magis hodie 
providendun: esse, quam ut causae novorum tumultuum praescindantur, 
und Dr. Hegenmüller fchreibt an Herzog Albrecht (5. Februar 1578. StN. 
230,2, fol. 69): „beforgt jederman ... . das man, wan Kon zu Rom . 

vil erhalten, beſchwerlich zu ainer erecution fommen werde, im betrachtung, 
wie gar wenig laider bifer zeit im Teutſchlant umb bie pabftlihe fulminierte 
proceß, ercommunicationes und fuspenfione® gegeben wirt”. 


Der kölnifche Prozeß an ber römischen Kurie. 615 


Kirche wieder gelöft werden; Herzog Ernſt Habe bereit3 zwei Big- 
tümer und jolle anderen aud etwas laſſen; wenn er nah Rom 
fomme, könne er hier eine Würde erhalten, die höher jei als die 
erzbiihöflihe (das Kardinalat). Fabricius ließ ſich zwar durch 
P. Zoledo damit tröften, daß die Worte des unbejonnenen jungen 
Mannes bei den anderen Kardinälen nicht ſchwer wögen, diesmal 
hatten jie aber doc einiges Gewicht, als ein Anzeihen, wie der 
Bapft jelbit über die Sache dachte. Ohne Zweifel von Gregor 
veranlaßt, ſchrieb der Großherzog von Toscana bereits Anfangs 
Februar an den ihm befreundeten jungen Herzog Wilhelm von 
Bayern: nach Berichten aus Rom ſähen Papft und Kardinäle 
gar nicht gerne, daß Die Wahl des Truchſeſſen angefochten werde. 
Auch aus der Art, wie Gregor der Frage auswich, ob Herzog 
Ernſt jelbft nad) Rom kommen jolle, konnte Fabricius entnehmen, 
wie unlieb jenem der angekündigte Prozeß war. 

Um den 12. Februar 1578 fam Dr. Aernsperg mit feiner 
Appellation nad) Rom, fo daß nun Papſt und Kardinäle über 
die Rechtsgründe urteilen konnten, mit welchen man. Gebhards 
Wahl umftogen wollte. Der erfte Eindrud war fein günftiger. 
Die Appellation behauptete, Gebhard Wahl ſei ungültig, meil 
unter feinen Wählern einige notoriſche Häretifer, namentlich Her— 
mann Adolf von Solms und Johann von Winneburg, und no= 
torishe Konkubinarier oder ſonſt irregulär Gewordene, insbejondere 
Reinhard von Solms, der Senior Novimola und der Domdedhant, 
fi) befunden hätten, ferner weil einige Vota incerta abgegeben 
worden, endlich weil Herzog Ernſt und jeine Anhänger die Accessio 
votorum nur bedingt zugegeben hätten; ziehe man dieſe ungültigen 
Stimmen ab, jo werde fi herausftellen, daß nicht Gebhard ſon— 
dern Ernft von der major et sanior pars capituli gewählt fei. 
Um diejen Beweis führen zu können, forderte Herzog Ernſt als 
rechtmäßiger Appellant (Competitor) vom römischen Stuhle fogen. 
litterae compulsoriales et remissoriae, durd) melde das Dom: 
bapitel gezwungen werde, das bisher verweigerte Wahldefret und 
das Wahlprotofoll nebit dem Skrutinium ihm herauszugeben; 


616 -  Siebente® Bud. Zweites Kapitel. 


zu dieſem Zweck war Gebhard als Eindringling jamt feinen 
Wählern binnen 60 Zagen vor die Kurie geladen. 

Sofort mahten Papft und Kardinäle die Vertreter Bayerns 
auf die Hauptſchwäche ihrer Appellation aufmerkſam: dieſe ſpreche 
bon notoriihen Kekern und Jrregulären, während doch feiner als 
folder zuvor förmlich erflärt worden jei, vielmehr Herzog Ernſt 
jelbft alle zur Wahl zugelaffen habe. Alerander Sforza, durch 
jeine hohe Geburt, fein ſcharfes Urteil und feine Geſchäftskenntnis 
einer der angejehenjten Kardinäle, bemerkte dazu noch: wolle man 
ih an Härefie und Frregularität ftogen, jo könne man alle 
deutihen Biihofswahlen, ja jelbft die römiſche Königswahl an= 
fechten. Ähnlich hatte ſich bereit3 früher der Kardinal Albani, 
ebenfall3 ein angefehener Jurift, geäußert. 

Während Fabricius und Aernsperg mit ihrem Rundgang zu 
den Kardinälen beihäftigt waren, traf Gebhards Geſandter Jo— 
hann Doullart mit dem Wahldekret in Rom ein und nahm 
Wohnung bei einem der von Erzbiihof und Kapitel beftellten 
Agenten, Franz Stravius, der zum Hofgefinde des Kardinals 
Sforza gehörte. Ludwig Madruzzi führte als Kardinalproteftor 
der deutſchen Nation den Gejandten jofort beim Papfte ein, welder 
das Wahldefret mit wohlwollenden Worten entgegennahm. Diefes, 
bereits mit 20 Unterſchriften verjehen, erjchütterte vollends den 
Glauben an die Stihhaltigfeit der bayriihen Rechtsanſprüche. Der 
Kardinal Drfini 3. B. meinte, er verftehe nit, wie man die 
Wahl auf Grund der Wahlunfähigleit einzelner Perfonen an- 
greifen wolle, da dod laut dem Dekret das ganze Kapitel ein= 
mütig beſchloſſen habe, feine Stimmen zu publizieren, Herzog Ernft 
aljo gar nicht einmal wiſſen könne, daß er zehn Stimmen gehabt 
habe; behaupte ev dies dennod), jo folge daraus, daß auf feiner 
Seite jelbit eine ſolche Verſchwörung beitanden habe, wie fie die 
Appellation den Gegnern vorwerfe. Fabricius ſelbſt fand bedent- 
lich, dar auch Ernſts Anhänger das Wahldelret ohne jeden Vor— 
behalt unterzeichnet hatten. Dennoch gab er in jeinem ftarfen 
Selbitgefühl die Sache nicht verloren ; aus den Worten des Dekrets 


Der kölnifche Prozeß an der römifchen Kurie. 617 


jelbft la3 er heraus, daß Gebhard nicht durch Mehrheit des Ka— 
pitel3, fondern nur durdy Mehrheit der Stimmen (d. i. durd) res 
lative und nicht durch abjolute Majorität), alſo unkanoniſch gewählt 
jei, und hoffte durch diefen Nachweis, mit Hilfe einiger geſchickten 
Advolaten, den Papft zu bejtimmen, die Herausgabe des Skruti— 
niums und des eigentlihen Wahlprotofol3 zu befehlen, wodurch 
dann das wahre Stimmenverhältnis aufgededt werden könne. 

Das Wahldefret wurde vom Papſte zuerft in einem Kon— 
fiftorium der Kardinäle vorgelegt, alsdann zugleich mit der bayri— 
ſchen Appellation einer Deputation von vier Kardinälen, angejehenen 
Kanoniften, zur Prüfuug überwiefen: Proſper Santa Groce, 
Aerander Sforza, Flavius Drfini und Marc’ Anton Maffei. 
Auch die trudjeiliihe Partei nahm Advolaten an, wollte jedod) 
die deputierten Kardinäle nur zum Behuf der Konfirmation infor= 
mieren, und nicht etwa, um ſich mit dem bayrifchen Gegner, welcher 
gar nidht Appellant fondern bloßer Opponent fei, in einen Rechts— 
ftreit einzulaffen. Die Deputation jelbjt erflärte von vornherein, 
daß die Kurie nur in dem Falle die verlangten Kompuljorialien 
und Remifjorien erteilen könne, wenn Herzog Ernſts Vertreter 
zuvor genügende Verdachtgründe gegen die Nichtigfeit des Wahl— 
defret3 vorgebracht hätten. 

Mührend man fi jo in Rom den Anfchein gab, als behandle 
man die Wahl wie eine reine Rechtsfrage, hatte man in der 
That den Bli vielmehr nad) Deutichland gerichtet, um zu jehen, 
wie Kaiſer und Fürften diejelbe aufnahmen, und demgemäß jich zu 
entſchließen. 

Im Reiche geſtalteten ſich die Dinge von Anfang an zu— 
gunſten Gebhards. Gleich auf die Anzeige von ſeiner Wahl gra— 
tulierten ihm die anderen rheiniſchen Kurfürſten; der Kaiſer kam 
ſeiner Bitte um die Regalien auf halbem Wege entgegen. Schon 
im Januar 1578 erſchien ein kaiſerlicher Geſandter, der Herr von 
Heuſenſtamm bei Gebhard und begleitete die in einem eigenhändigen 
Briefe Kaiſer Rudolfs ausgeſprochenen Glückwünſche mit der münd— 
lichen Verficherung, daß der Kaiſer über die Wahl eines fo er— 


618 Siebented Bud. Zweites Kapitel. 


gebenen Diener3 und Freundes des Haufes Oſterreich hocherfreut 
jei. Gebhard ſelbſt gab ſich alle Mühe, ſowohl den Kaiſer wie 
feine geiftlichen Kollegen fi wohlgeneigt zu erhalten. — Heuſen— 
ftamm hatte nebenbei, oder auch hauptſächlich, den Auftrag, wegen 
der rüdjtändigen Zürfenfteuer zu mahnen. Gebhard unterhandelte 
nun ſofort mit einem Ausſchuß der rheiniſchen Landftände, ſowie 
mit Domkapitel und Klerus, und erlangte von beiden, ohne große 
Schwierigkeit, anftändige Steuerquoten. Nur mußte er dafür dem 
Klerus veriprehen, daß er gegen häretiſche Privatichulen und 
nächtliche Zufammenfünfte einschreiten wolle. Zum Mainzer Sur: 
fürften ging der Kanzler Burkhart, um ihn mit Hufe des Wahl- 
defret3 von der Nichtigkeit der bayrischen Appellation zu überzeugen. 
Bei Kurfürft Jakob von Trier erihien Gebhard ſelbſt Mitte Fe 
bruar zu Koblenz, begleitet von dem Domherrn Johann von 
Neiffericheid und dem Licentiaten Jakob Middendorp, einem Nie: 
derländer von Geburt (aus Dotmarjum in Dverijffel), bisher Pro— 
feffor des kanoniſchen Rechts an der Kölner Univerfität, jegt aber 
furfürftliher Rat und Gebhards Berater namentlih in Recht3- 
fragen. Da der Beſuch in Koblenz gerade in die Uuatemberzeit 
fiel, in welcher nad) kirchlichem Braud die Weihen erteilt werden, 
fo legte Gebhard feine kirchliche Geſinnung dadurh an den Zag, 
daß er fih von Erzbiihof Jakob zum Diakon weihen ließ '). 
Jakob ſeinerſeits verfiherte, dak er zumeiſt aus Rückſicht auf 
Papſt und Kaifer fo eifrig für den bayrischen Herzog intercediert 
habe, nun aber über Gebhards Wahl von Herzen fih freue und 
das mit deſſen Oheim, dem Kardinal, unterhaltene vertrauliche Vers 


1) Ennen, Gef. der Stabt Köln V, 13 teilt eine Urkunde des Weih- 
biſchofs Craſchel vom 19. September 1583 (a. St.) mit, worin biefer be— 
zeugt, daß er Mittwoch den 19. März 1578 zu Brühl dem Herrn Gebharb, 
erwählter Erzbiſchof von Köln die Priefterweihe erteilt Habe. Gegenüber ber 
anderwärts fehr beflimmt auftretenden Behauptung (vgl. 3. B. Isselt, 
De Bello Colon. 1584, p. 11), Gebhard habe fi erft zum Priefter weihen 
laſſen, als man anfing gegen ihn Verdacht zu hegen, wage ich ohne weitere 
Beweife zur Zeit nicht vom der Angabe bei Ennen Gebrauch zu machen. 


Der kölnifche Prozeß an der römiſchen Kurie. 619 


ſtändnis zu erneuern wünſche. — Auch mit Jülich ſuchte Gebhard 
gute Nachbarſchaft anzubahnen. Gleich zu Neujahr 1578 ſchickte 
er Gejandte mit feinen Geſchenken an Herzog Wilhelm, der die 
Artigleit wohl aufnahm, wenn er auch aus Rüdjiht auf Bayern 
den Erwählten zur Zeit noch nicht anerkennen mochte. Auf die 
Dauer war es wegen der beiderjeitigen Rechtsanſprüche freilich 
nicht leicht gute Nahbarihaft zu erhalten; aber Herzog Wilhelm 
und ein Zeil feiner Räte verhehlten menigitens nit, daß 
ihnen der böflihe Gebhard als Nachbar lieber war als fein 
rauher Vorgänger. 

Am meiften fam darauf an, mie fi) das Domkapitel zu feinem 
neuen Herrn ſtellte. Wir hörten ſchon, wie von den bayriichen 
Votanten einer nah dem andern das Wahldekret unterzeichnete, 
bis zulegt mit Herzog Ernſt nur noch der Graf von der Mark 
zurücdblieb. Aber viele zuvor bayriſch gefinnte gingen meiter, als 
fie die Pflicht, Kapitelsbeihlüffen zu gehochen, zu gehen nötigte. 
Johann von Reifferſcheid hatte fich gleih nad der Wahl an Geb: 
hard angeſchloſſen; nachher fand fi aud Ehriftoph Ladislaus von 
Zhengen bei Hofe ein; die beiden Decdanten von St. Georg und 
St. Andreas, Orth und Swolgen, trugen fein Bedenten, dem 
in großer Geldnot ftedenden Neugewählten mit Darleihen zu 
helfen. Auch die entidiedenften Parteigänger Bayerns verloren den 
Mut, da nad) Dr. Aernspergs Abreife von Köm Woche auf Woche 
verftrih, ohne dap man über die Durchführung der angekündigten 
Appellation das Geringfte erfuhr. — Die meifte Schuld an diefer 
Verſchleppung trug der langſame und pedantiiche Aernsperg, der 
mit feiner Appellation erft am 18. Januar wieder nah München 
gefommen war. Denn nun erft konnten, während Aernsperg jelbft, 
diesmal mit mehr Eile, nah Rom ging, die beiden Kanzler 
Elfenheimer und Römer an den faiferlihen Hof, Dandorf aber 
an den Niederrhein abgejendet werden. Dandorf nahm Briefe 
mit von Herzog Ernft an ſämtliche bayriihe Votanten, die Bitte 
enthaltend, fie möchten an jeiner Perſon fethalten und ihm bei 
der Führung feines Prozeſſes behilflich fein. Unterwegs bejuchte 


620 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


er die beiden Kurfürften von Mainz und Zrier und bat jie, nicht3 
zum Präjudiz für Herzog Ernft zu thun, insbejondere den Ein- 
gedrungenen vor der Entiheidung von Rom nicht in das Kurs 
fürftenfolleg aufzunehmen. Amtlic erklärten ji denn auch beide 
Herren ganz befriedigend: fie bedauerten aufrihtig die dem bayri= 
hen Haufe mwiderfahrene Unbill und ließen die Wahl jelbjt auf 
ihrem Wert oder Unwert beruhen; im Brivatgeipräd dagegen 
widerrieten beide ernftlih, die Sache weiter zu verfolgen. Erz: 
biihof Daniel von Mainz meinte, Herzog Ernft jei gewiß in Köln 
„enormiter lädiert‘ worden; er zmweifle auch nicht, daß man in 
Rom zu Gunften desjelben Sentenz erhalten werde, aber mas 
dann mit der Erefution? — ohne das äußerſte Verderben des 
Stiftes und ohne merflihe Verwirrung und Empörung im heiligen 
Neid) könne diefe nicht ins Werk gerichtet werden. Ahnlich äußerte 
ſich nachher in Koblenz Kurfürft Fakob von Zrier. Was Gebhards 
Aufnahme in das Kurfürftenkolleg angehe, könne er fih von feinen 
übrigen Kollegen nicht abjondern. Inzwiſchen erfuhr Dandorf 
dur einen guten Freund (den Kanzler Wimpheling?), was wir 
über Gebhards Beſuch in Koblenz und den vertrauten Verkehr der 
beiden Nachbarn bereit3 wiſſen; ferner, daß zwei Gejandte Geb- 
hards, fein Bruder Karl und der Dr. Servatius Eid (ein ges 
borener Lütticher, der vordem in Dienften des Biſchofs Johann 
von Hoya gejtanden hatte), bereit3 unterwegs nad Wien jeien, 
um ein faiferlihes Indult für die Verwaltung der Zemporalien 
zu erbitten. 

In Köln, wo man faum mehr an die bayriihe Appellation 
dachte, erregte Dandorfs Ankunft, am 23. Februar, gewaltiges 
Aufiehen ). Dandorf gab fih alle Mühe, die Domkapitularen 


1) 1. März 1578 fchreibt Danborf aus Hambach an Winflmair (St. 
38/16, fol. 230): „Ir glaubt nit, wie die graven barüber zufamen geloffen, 
und was ih von dem gmainen pöfel im tumb zu Eöln, als kem ber curfürft 
jelb8, für ain concurfum gehabt. Die gutherzigen haben ſichs hoch erfreut, 
bie boshaftigen aber ſichs entſötzt und dz gejpot daraus getriben.“ 


Der kölnifhe Prozeß an der römiſchen Kurie. 621 


der bayriihen Partei wieder zu ermutigen; einige, wie Winne— 
burg, Zhengen und Dr. Winkel gaben aud die beiten Worte; den 
mißlihen Umstand, daß fie alle bereit3 das Wahldefret unter— 
fchrieben, entihuldigten fie mit dem geübten Zwang, machten da= 
gegen aus ihrem privatim erhobenen Proteft möglichſt viel Weſens. 
Nur Johann von Reifferfcheid erklärte offen, er habe allerdings 
für Herzog Ernſt geftimmt, hätte diefen aud gerne al3 Kurfürften 
gejehen ; nachdem aber Herr Gebhard Truchſeß einmal die Majo: 
rität erlangt habe, müſſe er al3 Landftand gemäß der Erblandes- 
vereinigung zu ihm halten, wolle aud dem Herzog von Bayern 
und feinem Sohn treulih raten, e3 bei der Wahl beruhen zu 
laffen, fonft würden fie fi) bei der Landihaft und jedermann nur 
verhaßt machen und doch nichts ausrichten. — Dandorf meinte 
zwar, Reifferjheid habe ſolche Worte im Trunk geſprochen; daß fie 
aber wohl begründet, beftätigte er felbft dadurch, daß er aus 
Furcht vor Nachſtellungen vonjeiten der auf einem Kreistag in Köln 
anmejenden Wetterauer Grafen faum ein paar Tage in der Stadt 
zu bleiben wagte. Hatte man doch auch dem Nuntius Porzia, weil 
diejer über den Erwählten, Domkapitel und Klerus allerhand Schimpf- 
liches nad) Rom berichtet, bis über Frankfurt hinaus nachgeftellt, 
fo daß er nur unter ftarfem Geleit von Fülih und Xrier zu 
reifen wagte. 

Don Köln ging Dandorf nad Hambach zum Herzog von 
Jülich, mit welchem er hauptſächlich wegen des Stiftes Lüttich zu 
verhandeln hatte. Inbezug auf Köln verſprach Herzog Wilhelm, 
nichts zu Herzog Ernſts Präjudiz zu thun, wenn er auch den 
nachbarlichen Verkehr mit dem angeblid) Erwählten nicht vermeiden 
könne. Nachher lehnte er die Zumutung, etwaige Einkünfte des 
Kurfürften aus feinem Gebiet mit Beichlag zu belegen, höflich ab 
und äußerte den lebhaften Wunſch, daß der Streit in Güte bei- 
gelegt werde. Erſt Monate jpäter, al3 die Srrungen mit Köln 
über die Steuerpflicht kölniſcher Güter einen gereizten Charakter 
annahmen, fand man es am Jülicher Hofe zweckmäßig, Gebhards 
Mahl wierer in Frage zu ftellen. 


622 Siebente® Bud. Zweites Kapitel. 


Indes war der bayriihe Kanzler Elfenheimer, zunächſt ohne 
den Dr. Römer, am 20. Februar in Wien eingetroffen und hatte 
fofort den Kaiſer perſönlich gebeten, bis zur Entſcheidung dur 
die römische Kurie dem Eingedrungenen weder die Negalien noch 
ein Lehensindult zu verleihen; denn erftens jei die Wahl nicht 
frei gewejen, jodann habe Gebhard zwar majora aber nicht saniora 
vota gehabt, vor allem aber bedeute dieje Wahl einen Verſuch, die 
Freiftellung auf indireftem Wege einzuführen; Gebhard werde, 
wenn er auch für feine Perſon katholiſch fei, nicht vermögen, den 
Sreiftellern, denen er jeine Wahl verdanke, Schranken zu ſetzen. — 
Der Kaifer antwortete, Dr. Hegenmüller habe ihn bereits unter 
richtet, die Sache jei aber wichtig und müfje wohl erwogen wer: 
den. Diejes Erwägen verzögerte jih, da der Hof im Begriffe 
war nad Pressburg überzufiedeln; hier erhielten Eljenheimer und 
Römer am 10. März den vom Tten datierten Beicheid, der Kaiſer 
bedauere, dab fein Vetter Herzog Ernſt nicht gewählt worden jei, 
fönne aber nichts Dazu thun, weil der ftatt deſſen Erwählte bereits 
im Beſitz und ſchon von den anderen Kurfürften anerkannt fei; 
übrigens wolle er von diejen ein Gutachten verlangen. 

Über die Anficht des Kurfürften blied man nicht lange im un: 
gewiſſen. Als im April 1578 ein Reihsdeputationstag zu Worms 
zufammentrat, wurden Gebhards Räte jo gut wie die der anderen 
Kurfürften eingeladen, erſchienen auch und nahmen teil an den Be— 
ratungen. Die bayriihen Abgeordneten proteftierten zwar ſofort 
por den Vertretern der anderen Hurfürften; dieſe ermwiderten aber: 
da fie nicht anders mwühten, als dab Gebhard gewählt und be— 
veit3 proflamiert, demjelben aud ſchon gehuldigt worden jei, jo 
fei es nicht ihre Sade, die kurkölniſchen Geſandten auszuſchließen. 

Zur jelben Zeit befand ſich Gebhard wieder einmal in Koblenz 
beim Zrierer Kurfürften, in deſſen Hände er am 24. April, in 
Gegenwart zweier feiner Räte, des Marihalls Autger von der 
Horft und des Licentiaten Middendorp fowie einiger trieriihen 
Räte, das tridentinische Glaubensbefenntnis beſchwor und den 
Kurfürfteneid ablegte, worauf er von Kurfürft Jalob in aller 


Der kölniſche Prozeß an der römifchen Kurie. 628 


Form in das Kurfürftenkolleg aufgenommen wurde). — Als 
naher, im Mai, die bayriihen Gejandten in Worms im ges 
jamten Rat der furfürftlihen und fürftlihen Gejandten ihren Pro: 
teft erneuerten, wiejen die kölniſchen Räte in ihrem Gegenproteft 
triumphierend hin auf die bereits erfolgte Aufnahme ihres Heren 
in das Kurfürftenkolleg, ſowie auf die 22 Unterfchriften unter dem 
MWahldekret. „Und zweifelt man nicht‘, fügten fie ſpöttiſch bei, 
„da die Vota, von deren Inhabilität Anregung geichehen, auf 
ſ. f. ©. [Herzog Ernft] gefallen, es würde damit feinen Mangel 
gehabt Haben.“ Privatim mußten ſich die Bayern noch ftärfere 
Dinge jagen laffen. Die Kurpfälzer Gefandten ließen in Worms 
verlauten, fal3 man zu Rom gegen den Truchſeſſen entjcheide, 
müſſe man diejen exit recht im Beſitz erhalten. Kurfürft Auguft 
von Sachſen, von deſſen Räten in Worms der Dr. Lindemann den 
bayriihen Anſprüchen nod am meiften entgegengeflommen war, ließ 
doch nachher feinem Freunde Herzog Albrecht dringend raten, einen 
ehrenhaften Vergleich zu ſuchen; denn die Hurfürften würden ihren 
Kollegen gegen Rom nicht im Stiche lafjen, weil fie nit Luft 
hätten, den Päpften wieder ein Fenſter zu öffnen, um wie ehedem 
nad Herzensluft das ganze Reich zu verwirren. Großen Eindrud 
machte auch die zu Worms in öffentlicher Rede ausgeiprochene Be- 
bauptung des Gefandten des Erzherzogs Matthias und der nieder- 
ländiihen Stände, Marnir von St. Aldegonde: Alba habe vor: 
dem den Plan gehabt, mit Hilfe des Herzogs Erich von Braun— 
ſchweig und feiner Genofjen der Städte Köln und Münfter ſich 
zu bemächtigen und, jo im Beſitz der Aheinftromes, ganz Deutich- 
land unter das ſpaniſche Joch zu zwingen. — In dem Hinweis 
auf Herzog Erich und jeine Genofjen fand man am Münchener 
Hofe eine Anfpielung auf das Haus Bayern 2). 





1) Notarielle Urkunde über Gebharbs Eib auf bie Prof. fidei Trident. 
bei Lünig, TRA. Spicil. Eccles, 1. Zeil, Fortſ., ©. 848 (und daraus 
bei Hontheim, Hist. Trevir. III, 93). 

2) Die 3. T. eigenhändige Korrefponbenz zwifchen Kurfürft Auguft und 


624 Siebente® Buch. Zweites Kapitel. 


Geftügt auf die Anfiht der Kurfürften und Fürften und auf 
die Öffentliche Meinung überhaupt, konnte ſich Kaifer Rudolf leicht 
jo entſchließen, wie e8 feiner eigenen Neigung entiprad. — Am 
9. Mai übergab er Gebhards Gejandten, welche jeit Anfang April 
an feinem Hofe verweilten, ein Lehensindult, welches viel weiter 
ging al3 alle anderen in diejer Zeit ausgeftellten. Man war am 
faiferlihen Hofe neuerdings inbezug auf Verleihung der Regalien 
biel zäher geworden al3 zu Zeiten Kaifer Marimilians. Dies 
wurde damals einem Verſprechen zugejchrieben, weldes König 
Rudolf beim jüngften Regensburger Reichstag dem Kardinal Mo- 
rone gegeben haben jollte: fünftighin feinem erwählten Biſchof die 
Regalien zu verleihen, bevor derjelbe gemäk den Konfordaten der 
deutihen Nation die päpftlihe Konfirmation erlangt habe '). 


Herzog Albrecht über diefe Dinge im DrA. (loc. 8926, fol. 346 ff.) habe ich 
feiner Zeit in Dresden nicht vollftändig erzerpiert, weil ich (bisher vergeblich) 
erwartete, die entiprechendben Briefe auch in ben Münchener Archiven zu finden. 
Meine Angaben über bie Äußerungen ber Gefandten in Worms find teil- 
weile einem Auszuge Fends aus verfchiebenen den römifchen Prozeß betr. 
Briefen und Akten entnommen, StA. 399/59. Dafelbft u. a. folgende Notiz: 
Cancellarius Colon., vereri ne, si pergatur, pater et filius audiant parum 
honorata etc. ferner: Statuum legati Wormatiae insinuarunt de practica 
super occupandis pro Hispanis Colonia et Monasteri.. Verendum ne 
tacite nos perstringant sub alieno nomine. — liter Marnir’ vielge- 
priefene Wormfer Rede vgl. Groen van Prinsterer VI, 356 und 
Gachard, Actes des Etats gen. I, 363. Die MB. befizt 2 Ausgaben ber 
feltenen Schrift, die Plantinfche Originalausgabe und einen Neuftädter Nach— 
drud. Die betr. Stelle ſteht Bog. F. 10 der Antw. Ausgabe. 

1) Stieve, Briefe und Akten IV, 201, Anm. 2 verneint bie von 
Ranke, Zur D. Geſch. (Werte VII, 129) ofjengelafiene Frage, ob Kaifer 
Rudolf mit dem römischen Stuble ein Abkommen gegen Verleihung ber 
Regalien an proteftantifche Biſchöfe getroffen Habe. — So wie ich die Sache 
oben barftelle, wirb fie bayrifcherfeitS im Jahre 1578 berichtet uud feheinen 
bie von Stieve erhobenen Bedenken fi zu löfen. 4. Mai 1578 ſchreibt 
Herzog Albreht an den Nuntius Porzia nah Wien (RA. Münfter VI, 
fol. 70): Haeret in aula Caesaris intrusi Coloniensis frater, ut vel 
infeudationem quam vocant et regalia, vel certe indultum aliqnod emun- 
gat. De priore forsan, cum id contra canones, contra German. nationis 
cum 8. Sede concordata, et eam quae cum Smi Dmi N, legato Morono 
nuper admodum repetita est conventionem, omnino sit futurum, minus 


Der kölnifche Prozeß an ber römiſchen Kurie. 65 


Sollte der Zweck eines ſolchen Verſprechens erreicht, nämlich ver— 
hütet werden, daß die noch übrigen katholiſchen Stifter nicht dem 
BProteftantismus anheimfielen, jo mußte man aud) mit fogen. 
Lehensindulten, das ift mit der Erlaubnis, einftweilen, bis zur 
Konfirmation, die weltliche Regierung zu führen, zurüdhaltender 
jein al3 früher. Daß am Faiferlihen Hofe ein anderer Wind 
wehte, hatten jüngft noch Biſchof Eberhard von Lübeck und Ber: 
den und Erzbiſchof Heinrid von Bremen verjpürt. Dem erftern 
wurde das für Verden erbetene Indult anfangs ganz bermeigert, 
weil er ſich herausgenommen habe, die Augsburger Konfeffion dort 
einzuführen, dann nur auf ein halbes Jahr bewilligt. Auch Hein= 
rih3 Gejandter Hermann von der Bede war im Januar 1578, 
al3 er um ein Indult für Paderborn nachſuchte, trok warmer 
Fürſprache des ſächſiſchen Kurfürften, bei den kaiſerlichen Geheim- 
räten auf ſtarken Widerſpruch geftoßen. Erſt nachdem von der 
Bee dargethan, wie fehr fi fein Herr um die Konfirmation 
für Bremen und Dsnabrüd bereit3 bemüht Habe und warum 
diefer den Zrienter Eid nur mit einer Klauſel leiften könne, er— 
hielt er das gewünſchte Indult für Paderborn, aber nur auf zwei 
Jahre. — Dagegen wurden dem Ermwählten von Köln die Rega= 
lien ohne jede Zeitbefchränfung auf fo lange verliehen, bis er die 
päpftlihe Konftrination erlangt haben werde; nachher jolle dann 
die formelle Belehnung jtattfinden. Zugleich erging an die köl— 
nischen Landftände, Lehensleute und Unterthanen ein faiferlicher 
Befehl, den neuen Kurfürften für ihren Herrn zu halten, zu er: 
fennen und zu ehren. 

videtur esse pericnli; alterum tamen, ne artibus quibus ii hodie jam 
sunt dediti obtineatur, verendum est. Ähnlich auch in einem Briefe bes 
Herzogs an Fabricius vom 27, März 1578 (StR. 38/16, fol. 224). Hierzu 
paßt auch die von Stieve a. a. O., ©. 209, Anm. 2 mitgeteilte Auf- 
zeihnung von Hannewald. — Meine Angaben über bie Indulte für 
Berben und Paderborn find von ber Bedes Berichten an den Kurfürften von 
Sadjfen vom 19. und 21. Februar 1578 (DrA. a. a. D.) entnommen. — 
Für Bremen war bem Erzbifchof Heinrich das Lehensinbult bereit8 am 
26. Februar 1577 auf unbeftimmte Zeit erneuert worden. Lünig, T. R. N. 
IX, 452. 

Loſſen, Köln. Krieg I. 40 


626 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


Einige Wochen jpäter baten die fünf unbeteiligten Kurfürften 
den bayriihen Herzog aufs dringendfte, er möge, um Weiterungen 
zu verhüten, und namentlich wegen der niederländiichen Unruhen, 
jeinen Proteſt nicht weiter verfolgen. — Ernftlihe Hoffnung, den 
Truchſeſſen noch aus Köln zu verdrängen, machte man fi in 
Münden jelbft nit mehr; aber der Herzog glaubte durch den 
einmal erhobenen Proteft feines Hauſes Ehre verpfändet und ſah 
feinen würdigen Ausweg, al3 wenn er in Rom irgendeine günftige 
Entiheidung erlangte, die den Truchſeſſen veranlaffen würde, die 
Hand zu einem Vergleich zu bieten. Inzwiſchen ſuchte man auf 
alle Weiſe die Sache wenigſtens in der Schwebe zu halten. In 
einem eigenhändigen Brief an den Kaiſer beichwerte ſich Albrecht 
bitter über das dem Eingedrungenen erteilte Indult: diejes gehe jo 
weit, daß Gebhard nun nad) päpftlicher Konfirmation und faifer: 
licher Belehnung nicht viel zu fragen braude; er aber glaube, um 
das heilige Neih und um das Haus OÖſterreich etwas anderes 
verdient zu haben. Auch Herzog Ernjt mußte auf Befehl des 
Vaters eine Erklärung des Kaiſers verlangen, daß dieſer nicht ges 
willt geweſen fei, durch das Indult jeinen Rechten und der 
Appellation Abbruch zu thun. Das Anfinnen der Kurfürften wies 
Albrecht unmutig zurüd, unter Hinweis auf den großen Schimpf, 
welchen Gebhard und deſſen Anhang feinem Haufe angethan !). 
Bor allem aber lag ihm daran, recht bald ein günftiges Urteil der 
Kurie zu erlangen. Wieder und wieder forderte fein Gejandter 
in Rom Papſt und Kardinäle auf, um die Erefution ſich nicht 
zu kümmern, fondern nur zu enticheiden, was Rechtens fei. Übri— 
gens gab fid Dr. Fabricius alle Mühe, die Römer zu überreden, 
daß fie durch ihre unzeitige Nahficht weit größere Gefahren ber: 
aufbeſchwören, als durch Strenge im rechten Augenblid, wie man 
jegt einen durch die bayriſche Appellation erlangt habe. Aber all 
jeinen Vorftellungen begegneten die deputierten Kardinäle, nament- 





1) Als Beweisftüd ſandte Herzog Albrecht das 0. ©. 576 Anm. erwähnte 
Pasquill mit. 


Der kölniſche Prozeß an der römischen Kurie. 627 


ih der Vorſitzende Santa Croce immer wieder mit der Antwort: 
Ihr behauptet viel, aber ihr beweiſt nichts, während euch ein no= 
tarielles, mit 20 Unterſchriften und dem Kapitelsfiegel verjehenes 
Wahldekret entgegeniteht. Mit welchem echte erhebt ihr aljo 
Einjprucd gegen Gebhard Wahl? 

Da bot die Ankunft einiger jungen Kölner, welche ins ger— 
maniihe Kolleg eintraten, unter ihnen namentlih ein Sohn 
des jülihihen Rates Walter Fabricius, dem bayriichen Gejandten 
willkommene Gelegenheit, die von den Deputierten bisher vermißten 
Berdachtgründe herbeizuſchaffen. Die jungen Leute ließen fich, 
bewogen durch des Fabricius Sekretär, einen Sohn des Kölner 
Buchhändler Eholinus, vor Notar und Zeugen verhören über 
das, was fie zu Köln über Härefie oder Irregularität einzelner 
Domlkapitularen, ferner über fimoniftiihe Vorgänge bei der letzten 
Wahl glaubwürdig oder gerüchtmweife erfahren hatten. Nunmehr 
meinte die bayriihe Partei Verdachtmomente zur Genüge zu 
haben. Einen weitern Beweis, dab das Wahldekret nicht die 
Mahrheit enthalte, entnahmen jie zwei nad) Rom überjandten 
Brivatbriefen von Johann Daniel von Winneburg und Dr. Grop- 
per an Dandorf, worin dargethan wurde, daß nicht Herzog Ernſt 
allein, wie das Dekret behaupte, jondern ebenjo jie und andere 
Domlapitularen die Accessio votorum nur salvo jure unius- 
cujusque bewilligt hatten. Aber was die jungen Germanifer aus— 
jagten, wußte man in Rom ohne Zweifel längſt jchon oder fonnte 
es doc jeden Tag durch ihre Lehrer, die Jeſuiten, und durd) 
andere ebenjo gut erfahren, und die Kleine juriftiihe Spitzfindigkeit 
mit der bedingten Acceſſio wog offenbar nicht jchwer genug, um 
mit ihr die Wahl eines deutſchen Kurfürften umzuftogen, der für 
gut römiſch-katholiſch galt. Darum erklärte Kardinal Sforza die 
Zeugenausjagen, als bloß auf Hörenjagen beruhend, für nicht 
bemweisfräftig, teilte fie aber im Vertrauen feinem Hausgenofjen 
Stravius, dem Prokurator Gebhards, mit, und durch ihn dem 
Agenten Doullart, welcher Kopieen von ihnen und von den beiden 


Briefen fofort an feinen Herrn jandte und diefen dringend er— 
40* 


628 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


mahnte, baldigft fein Glaubensbelenntnis einzufenden, ſowie 10,000 
Kronen für die Zare bereit zu halten, dann werde die Konfirma- 
tion feine weiteren Schwierigleiten machen. 

As hierauf, am 2. Auguft, die Urkunde über Gebhards Pro: 
feifio fivei in Rom eintraf, triumphierten defjen römische Freunde, — 
und das war, da man den Papft auf feiner Seite wußte, fo 
ziemlid) die ganze Kurie. Kurfürft Salentin, fagte man, habe fid 
fieben Jahre Zeit genommen, um den Eid zu leiften, Gebhard den- 
jelben gleich im erften Fahr abgelegt. Bald nachher trafen aud) noch 
Empfehlungsbriefe ein von den beiden in Rom gut angefchriebenen 
Kurfürften von Mainz und Trier, und endlih, im September, 
ein zur Mitteilung an Papft und Kardinäle beftimmtes Schrei- 
ben Gebhard an feinen Agenten, welches vor den jchlimmen 
Folgen eines längeren Aufſchubs feiner Konfirmation ernftlid 
marnte. 

Die Zuverſicht, welche die Proteftanten im Erzitift Köln aus 
der Wahl des Truchſeſſen geihöpft Hatten, war noch gewachſen 
infolge der Fortihritte, welche die Reformation in den benachbarten 
Niederlanden machte, namentlid im Herzogtum Geldern, feit dort 
ein fo eifriger Proteftant, wie Graf Johann von Naffau, Statt- 
halter war (jeit Mai 1578). Man wollte wilfen, Gebhard felbft 
leifte den geldriihen Ständen heimlih Hilfe gegen die ſpaniſchen 
Bejakungen zu Campen und Deventer. Noch höher ftieg die 
Kühnheit der Kölner Reformierten, als im Monat Juni Pfalzgraf 
Sohann Kafimir auf feinem Mari nad) den Niederlanden mit 
einem jtarlen Heere an der Stadt vorüberzog. Das Einftrömen 
niederländifcher Reformierten in Köln nahm wieder bedenklich zu; 
nicht mehr heimlih und bei Naht, wie fonft, jondern am hellen 
Zage fanden an drei mohlbefannten Drten häretiſche Predigten 
ftatt. Domkapitel, Selundarllerus und Univerfität traten zu= 
jammen, um der drohenden Gefahr zu begegnen; fie ſchickten eigene 
Gejandte nad) Linn im Niederftift, mo Gebhard Hof hielt und 
ftellten ihm vor, daß e3 die höchſte Zeit fei, gegen Predigten und 
Prediger einzufchreiten, wenn man den Untergang der alten Kölner 


Der kölnifche Prozeß an der römischen Kurie. 629 


Nechtgläubigfeit und den gewaltjamen Sieg der Ketzer verhüten 
wolle; der Kurfürft möge fi zu dieſem Zweck mit dem Sölner 
Stadtrat in Einvernehmen ſetzen. Gebhard veriprad Hierauf, 
Gut und Blut für die fatholiihe Religion einzufegen ; einftweilen 
möge man von den Kölner Baftoren genaueren Bericht ein- 
fordern. — Sofort aber ſchickte er diefe Kölner Briefe an feinen 
Agenten nad) Rom, damit man dort erlenne, wie notwendig e3 
jei, ihn durch baldige Konfirmation in den Stand zu ſetzen, mit 
voller Autorität gegen die Häretifer einzufchreiten ; andernfall3 pro= 
tejtiere er feierlich, da ihn am Untergang der Kölner Kirche feine 
Schuld treffe. — Das war der Brief, melden Doullart Papft 
und Kardinälen vorlegte. Der bayriihe Gejandte hatte gut vor— 
ftellen, daß doch Kurfürft Salentin, aud bevor er vom BPapfte 
beftätigt, die Ketzer niedergehalten babe und daß Gebhard offen= 
bar abjihtlih, um die Kurie einzufhüchtern, ein Auge zubrüde; 
gerade das war es ja, was man in Rom längft ‚fürdhtete: Geb— 
hard werde, von Rom im Stiche gelafjen, den Häretifern fich 
in die Arme werfen und diefen dadurd die vierte Kurftimme ver- 
ihaffen. 

Daß kein Rechtsgrund vorliege, Gebhard Beftätigung nod) 
länger aufzuſchieben, hatten die deputierten Kardinäle bereit3 im 
Monat August offen ausgeſprochen; jedoch hatte der bayrifche Ge— 
fandte durchgeſetzt, daß zubor nod der römiſche Gerichtshof der 
Rota um feine Anficht befragt werde. Die Rota follte entſchei— 
den, ob im vorliegenden Falle NRemifforien und Kompuljorialien 
zu bemwilligen oder nit. Fabricius und Aernsperg priejen dieſen 
dur Überliftung des Papftes erlangten, vermeinten Erfolg in 
überjhwenglihen Worten: niemals, behaupteten fie, jei die rö— 
miſche Rota einen Finger breit vom ftrengen Recht abgewichen; 
oft ſchon habe fie jogar gegen die Kardinäle ſelbſt entſchieden; 
auch jet jei dies zu erwarten. — Am Münchener Hofe teilte 
man diejen frommen Glauben nicht, fürchtete vielmehr, Papft und 
Deputierte würden, da ja die Auditoren der Rota jelbit bloße 
Kreaturen und Sklaven der Kardinäle feien, diejelben als will 


630 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


fommene Werkzeuge benußen, um durch fie, ohne eigene Verantwor: 
tung, für Gebhard zu entiheiden. Ein mirkjameres Mittel, dies 
zu verhüten oder mindeftens den Prozeß binauszuziehen, jah Her- 
zog Albrecht in der Sendung feines? Sohnes Ernſt nad Rom. 
Das war ein Lieblingsgedanke des alten Herzogs felbit, von dem 
ihn nur zeitweilig des Papftes Abraten, dann die Gegengründe 
bon Eljenheimer und Pienzenau (jet Kammerpräfident, vormals 
freiſingiſcher Hofmeifter) abgebradt hatten. Aber eines Tags, 
Ende August 1578, erhielt Herzog Ernft unverfehens von jeinem 
Bater Befehl, in Eile nah) Rom aufzubrehen und dort jeinen 
ganzen perfönlihen Einfluß bei Bapft und Kardinälen aufzubieten, 
um die bisher vergebens geforderten Kommpuljorialien zu erhalten. 
Dieſer plögliche Entihluß hing zufammen mit den aus und über 
Köln jüngft eingelaufenen Nachrichten. 

Gebhards Stellung befeftigte fih von Tag zu Tag, ſeit er 
das kaiſerliche Indult in Händen hatte. Kurz danad) erjchien 
bei ihm ein Gejandter des ſpaniſchen Königs mit der bormals 
aufgeihobenen Gratulation; auch der König von Frankreich ließ 
durch einen eigenen Abgeordneten Glück wünſchen; der Kaifer be 
zeugte fein Vertrauen auf Gebhard, indem er ihn neben den 
anderen geiftlihen Kurfürften um WVermittelung in den nieder 
ländiihen Wirren erfuhte. Auch in den inneren Angelegenheiten 
des Stiftes konnte Gebhard jet entichiedener auftreten. Auf 
Bitten feines Domfapitel3 und des Klerus nahm er am Kammer: 
gericht den Prozeß gegen den Herzog von Jülich, über die Be 
ftenerung der Güter des kölniſchen Klerus, nachdrücklich wieder 
auf; wegen eines Herrn von Hillesheim, der ſich für die unter 
Köln gehörige Herrlichkeit Kaldenborn in den Schutz des Herzog3 
gegeben hatte, drohte jogar der Ausbruh von Xhätlichkeiten ?). 
Dagegen gab das Domkapitel zu, daß die Zollbeamten, gegen die 
Wahlartikel, welche die päpjtlihe Konfirmation vorausfegten, jetzt 





1) Über biefen Streit einige Notizen in Lacomblet, Archiv 1868, 
VI, 269 ff., weitere8 DA. Domkap.-Protof. 


Der kölnifche Prozeß an der römischen Kurie. 631 


ſchon dem Erwählten den Eid leifteten '). Die bisher ftandhaft 
gebliebenen bayriſchen Votanten im Kapitel, Johann Daniel von 
Winneburg, Gropper und Winkel, mußten Zurüdiegung und Spott 
erdulden. Manches von diejen Dingen erfuhr man aud) am bay: 
riihen Hofe; zulegt kam noch die Nachricht, daß in Gebhards Auf: 
trag deſſen Bruder Chriftoph und der kölniſche Küchenmeifter Metter— 
nich, ein alter Praktitus der Kurie, im Begriff jeien nah Rom 
zu reifen, um bon neuem auf Gebhards Konfirmation zu dringen. 
und die Erteilung von Kompulforialien an Herzog Ernſt zu hin— 
tertreiben. Dieje letzte Nachricht bejonders bewog den deryog | bon 
Bayern, feinen Sohn in Eile nad) Rom zu jenden. 

Anfangs September machte fih Ernſt wirklich auf den Weg, 
begleitet von den Räten Dandorf und Adam Better von der 
Gilgen. Einige Wochen vorher war bereit3 Dr. Halver dorthin 
abgereift, hauptſächlich um auszulunden, wie etwa zu einem Vers 
gleich in der Kölner Sache zu gelangen ſei. Fabricius und Aerns— 
perg waren über die Ankunft des jungen Herzogs und feiner Räte 
durchaus nicht erfreut; denn jie waren zur Zeit noch ganz erfüllt 
bon dem Gedanken, ein Urteil der Rota werde ihnen demnächſft 
recht geben, während Ernſt und die Räte, namentlich Halver, diejes 
blinde Vertrauen auf die Rota nicht teilten und vielmehr Neigung 
berrieten vor rechtliher Entiheidung auf einen Vergleich fi ein= 
zulaffen. Bald merkte Fabricius außerdem, das Herzog Ernit, 
welcher al3 Saft bei dem Kardinal Ferdinand von Medici wohnte, 
deſſen Einflüftern, das Kardinalat werde eine pafjende Entihädigung 
für den Verzicht auf den Kölner Stuhl fein, ein allzu offenes Ohr 
lieh. Als Herzog Ernft nad etwa drei Wochen Rom wieder ver— 
ließ, erklärte Fabricius mit gewohnter Rüdjichtslojigkeit dem alten 
Herzog, feines Sohnes Kommen habe mehr geihadet als ges 


1) So fcheint das Domkap.-Protok. vom 1. September 1578 verftanben 
werben zu müffen, wenngleich ich in Gebhards Wahlartifeln feine Stelle finde, 
welche die Bereidigung der Zollbeamten ausdrücklich von der päpftlichen Kon- 
ficmation abhängig machte; vgl. Protokoll vom 30. Dftober 1579. 


632 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


nüßt. In der That war der eigentliche Zweck desjelben, die Er— 
wirfung von Kompulforialien, nicht erreiht worden. Der Papft 
jelbft war Erörterungen hierüber ſo viel als möglich aus dem Wege 
gegangen, jelbft dadurch, daß er fi) aus der Stadt entfernte; die 
Kardinäle aber hatten nur ihre früheren juriftiihen Bedenken 
wiederholt und gerade die, welche dem Haufe Bayern am wohlſten 
gewogen, einem baldigen DVergleih das Wort geredet. Hierüber 
zu verhandeln war aber Ernjt von feinem Water nicht bevoll- 
mädhtigt. 

Nah Mitte November traf Herzog Ernft wieder in Münden 
ein; fajt gleichzeitig der Sekretär des Großherzogs von Toscana, 
Gavaliere Vinta, mit mündlichen Aufträgen feines Herrn ). 
Der Großherzog ließ melden: nad Berichten aus Rom dürfe 
Herzog Ernft auf eine gerichtlihe Entſcheidung zu feinen Gunſten 
nicht rechnen; man möge alfo nad einem ehrenvollen Vergleich 
trachten; ein folcher ei die Verleihung des Kardinalshutes. Der 
Bapft und der König von Spanien würden gewiß, bereit fein, zu 
den Mitteln beizutragen, welche erforderlich, um diefe Würde mit 
dem gehörigen Glanz zu bekleiden; der Großherzog jelbft ſowie 
jein Bruder, der Kardinal, erböten fih zu Wermittlern. Herzog 
Albrecht antwortete am 21. November: da das Kardinalat mit der 
Kölner Sache nichts zu thun habe, dasfelbe auch bereit3 vor langer 
Zeit von Rom feinem Sohn aus freien Stüden angeboten morden 
jei, könne es nicht jetzt als Vergleichsobjekt betrachtet werden. 
Mole man in Rom ihn zufriedenftellen, jo möge man entweder 
zugunften feines Sohnes entſcheiden oder den Truchſeſſen veran— 
laſſen, diefen als Koadjuter anzunehmen, oder wenigftens das Urteil 
auf ein bis zwei Jahre verjchieben, während welcher Zeit ſich mohl 
Gelegenheit finden werde den Streit zu ſchlichten. Am nämlichen 
Zage richtete der Herzog ein zum Zeil nah Andeutungen von 
Fabricius durch Elfenheimer aufgeſetztes, durch Fend latinifiertes 


1) Den Inhalt von Vintas mündlicher Werbung kenne ich nur aus 
Fends Konzept zu der Antwort des Herzogs. 


Der kölnifhe Prozeß an ber römifchen Kurie. 633 


langes eigenhändiges Schreiben an den Papft, worin er fi in 
bitteren Worten darüber bejchwerte, daß fein Sohn in Rom nichts 
gehört habe, als „die alte Leier nebft einigen allgemeinen leeren 
Troſtreden“ 9). Wiewohl der Truchſeß nur die Mehrheit der Stim- 
men, fein Sohn aber, wenn man die unfähigen abrechne, die Ma— 
jorität des Kapitels gehabt habe, wiewohl aud Santa Eroce jelbft 
einmal erklärt babe, der Papſt ſei bei Gefahr feiner ewigen Se: 
ligfeit verpflichtet, die Sache zu unterfudhen, könne fein Sohn 
doch bei den deputierten Kardinälen fein Recht erlangen. „Eure 
Heilt“, heit es weiter, „möge erwägen, von welcher Gefinnung 
gegen die römiſche Kurie die katholiſchen Neihsfürften erfüllt wer- 
den müfjen, wenn man fie, jelbjt in ſolchen Dingen, die fie auf 
Rat und Antrieb von Rom unternommen haben, aljo im Stiche 
läßt.” Dagegen wachſe den Häretifern der Übermut, ein fatho= 
liches Stift nad dem andern zu zerftören und eine allgemeine 
Freiftellung der Religion einzuführen. Gebhard habe bereits, wie 
c3 heiße, den Urhebern feiner Wahl veriprechen müfjen, fi beim 
nächſten Reichstag der Freiftellung nicht zu widerſetzen. Schon 
träten die Folgen jeiner Wahl zu Köln an den Tag. Nicht aus 
Eigennuß aljo, jondern teils um feines Hauſes Ehre zu erhalten, 
teil3 aus Ergebenheit gegen die katholiſche Religion greife er die 
Wahl des Truchſeſſen an. Den Schluß macht ein feierliher Pro— 
teſt vor Gott und Gottes Stellvertreter (dem Papft), dab er, 
der Herzog, an dem Untergang der Fatholiihen Religion in Deutich- 
land feine Schuld haben wolle. 

Diefer beifpiellos jcharfe Brief bezwedte ohne Zweifel blog, 
Bapft und Kardinäle jo weit einzufhüchtern, daß fie jelbft bei Geb— 
hard für einen Vergleich fid) bemühten. Da jene aber wußten, 
daß in diefer Sache der Kaifer ſelbſt und alle deutſchen Fürften 
auf ihrer Seite ftanden, wurden fie durch den groben Brief nur 


1) veterem illam cantilenam ... . additis solummodo generalibus 
quibusdam consolatiunculis. 


634 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


gereizt aber nit eingeſchüchtert, zumal ja der Nädhitbeteiligte 
ſelbſt, Herzog Ernſt, fi feine Hoffnung mehr auf Köln madte, 
fondern einen gütlihen Vergleich wünſchte und den Gedanken 
an eine Entihädigung durch den römischen Purpur nit von fich 
wies, 

Die erfte beftimmte Nachricht über die ungünftige Aufnahme 
jeines Briefes vom 21. November erhielt Herzog Albrecht wieder 
durch den Großherzog von Toscana, welcher zu Anfang des Jahres 
1579 einen Kurier nah Münden ſchickte, mit einem Briefe, worin 
u. a. ftand: des Herzogs Brief vom 21. November fei der päpftlichen 
Heiligkeit jo rauh und jo wenig ehrfurchtsvoll gegen den apoftoli= 
ſchen Stuhl erſchienen und jo ſehr fei dieſelbe durch deſſen Inhalt 
erregt worden, daß ſie vorgehabt habe, durch die Rota, deren 
ſämtliche Mitglieder Gegner der bayriſchen Anſprüche ſeien, ſofort 
das Urteil ſprechen zu laſſen; das habe aber er, der Großherzog, 
durch ſeine guten Freunde noch verhütet. Der Herzog möge alſo 
ſeinen Stil ändern und das bei dieſem Greis (Papft Gregor) gar 
nicht angebrachte Trogen und Pochen unterlaffen, und nicht feinem 
Sejandten in Rom Glauben jchenten, der in jeiner hochmütigen 
Unerfahrenheit ſich einbilde Sieger zu fein, während die Sache jo 
ihlimm wie möglich ftehe. Vielmehr möge Albrecht dur einen 
demütigen Brief den Papſt befänftigen und entweder diefem die 
-Entiheidung anheimftellen oder ihn, den Großherzog, oder feinen 
Bruder, den Kardinal, beauftragen, ſich mit dem Papfte, nament: 
lich auch inbetreff des Kardinalats, zu verftändigen. — Der Her: 
‚309, durch diefen Brief nod nicht eingefhüchtert, blieb in ver 
Hauptiache bei feinen jüngft dem Sekretär Vinta übergebenen Bor: 
ſchlägen; ein weiteres Vergleihsmittel wäre, wenn Gebhard jeinem 
Sohne zum Stifte Münfter verhelfen könnte und nachher beide 
Herren einander zu Koadjutoren annähmen. 

Inzwiſchen beftätigten andere Nachrichten von Rom, daß Her: 
303 Ernſts Sache verzweifelt ftand. — Im November 1578 waren 
zwei Kölner Domlapitulare, Graf Philipp von der Mark und 
Dr. Gropper, in Privatangelegenheiten des erjteren nad) Rom ge— 


Der kölniſche Prozeß an ber römischen Kurie. 685 


fommen, zogen fi aber bier jo auffällig von Fabricius zurüd, 
daß leicht abzunehmen war, wie aud) fie jegt den kölniſchen Prozeß 
verloren gaben. Ende Dezember jchlugen die deputierten Kardinäle 
das Verlangen des bayriſchen Gejandten, einige Zeugen gerichtlich 
zu befragen, rundweg ab. Die ganze Beichäftigung der Rota 
mit der ihr vorgelegten Frage beitand darin, daß fie allerhand 
ſpitzfindige Vorfragen aufwarf, um zunächſt feitzuftellen, ob Her— 
zog Ernſt mwirkliher Appellant oder bloßer Dpponent fei. 

Am 31. Januar 1579, alfo nad) zwei vollen Monaten, be= 
antwortete endlich der Papft jelbft Herzog Albrehts Brief: er 
wies in allen Punkten und in jehr ſcharfen Ausprüden deffen Be— 
hauptungen zurüd. Er habe, verficherte Gregor, zu Ernſts Gunften 
alles gethan, was nur immer dem Herzog oder deſſen Gejandten 
in den Sinn gelommen ſei. Obwohl fid) aus den Alten durch— 
aus fein Anlaß ergeben habe, Gebhards Wahl anzufechten, babe 
man doc dem Herzog hierzu Zeit über Zeit gelaffen. „Und dies‘, 
heißt es weiter, „scheint dir eine alte Leier und leere Xroft- 
reden —, denn folder unjerer Hoheit, Stellung und Würde ganz 
unangemefjenen Worte hat deine Durdlaudt in ihrem Schreiben 
bom 21. November fich bedient.” Er, Papft Gregor, habe fi) 
bon jeher zum Grundfag gemacht, in Rechtsfragen fein Anjehen 
der Perſon gelten zu laffeu und müſſe fih nun faft vorwerfen, 
daß er Schon mehr als Gott gefällig dem Herzog und deſſen Sohn 
zu Willen gewejen ſei. Dafür, daß er feinen Unwürdigen be= 
ftätigen werde, bürge die von alters herkömmliche und aud) von 
ihm ftrenge gehandhabte Unterfuhung über Glauben und Sitten 
eines jeden Ermwählten. Gegenüber Albrechts feierlihem Proteft 
beteuert Gregor, daß er fürwahr nicht gejonnen jet, mit einer 
Verlegung von Recht und Wahrheit feine legten Lebenstage zu 
befleden und feine ewige GSeligfeit zu gefährden. Zum Schluß 
ermahnt er den Herzog, wie immer aud die Kölner Wahlſache 
ausgehe, feiner erprobten Klugheit und Frömmigkeit, auf welcher 
der Kortbeftand der fatholiihen Religion in Deutihland zu fo 
großem Zeile beruhe, auch fernerhin treu zu bleiben. 


636 Siebentes Bud. Zweites Kapitel. 


So hatte alſo der Papft faft in demjelben Augenblid, da er 
in der münſterſchen Wahljahe durch Weſterholts Sufpenfion 
einen wichtigen Schritt zugunften des Haufes Bayern that, in 
der Kölner Sache gegen dasjelbe für den Truchſeſſen Partei ge— 
nommen. 


3. Kapitel. 


Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albredit von 
Bayern. — Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt. 


"Da die jchroffe Art, wie das Haus Bayern dem römiſchen 
Stuhle in der Kölner Wahlfache entgegentrat, nicht ſowohl dem 
Gefühl erlittener Kränkung entiprang, al3 der Abfiht, den Römern 
mehr Eifer zu Ausgleihsverfuhen beizubringen, lenkte man ein, 


* Quellen: 1) Für ben Lölnifchen Prozeß an der Kırrie folgende meift ſchon 
beim vorigen Kapitel verzeichnete Arhivalien: StR. 9/2 u. 4; 38/2, 
3 u. 9; 95/4; 139/2; 311/1 u. 16; 359/9; 378/7; 399/58. RU. 
Münfter T. VIII u. IX; Fürftenfachen Specialia Nr. 372. Kr. 
Geiftl. Saden I. Nr. 2 und Nr. 342. Bibl. Föringer. Nr. 3238/39. 
DA. Domkap.-Protof. Nr. 158. Gebrudt ift einzelnes bei Mofer, 
Patriot. Arhiv XII, 184ff.;5 Lacomblet, Url. IV, Nr. 583; 
Theiner III, 3sqq. 130. 680. — Über den Kölner Pacififations- 
fongreß bes Jahres 1579 meine Stubie über Aggäus Albada im 
Hiftor. Taſchenbuch, 5. Folge, 6. Jahrgang 1876, ſowie die da— 
ſelbſt und im Theolog. Litteraturbl. 1875, Sp. 218ff. ange- 
führte Litteratur; außerbem noch bie Mitteilungen von Ennen aus 
Weinbergs Gedenkbuch in Zeitfhr. f. D. Kult.-G. 1872 m. 
1874. N. 5. Bd. Iu. II und Ennen, Gef. der Stabt Köln 
V, 22ff. — Über Kerpen vgl. außer ben älteren Gefchichtfchreibern, 
Isselt (Hist. sui temporis, Col. 1602, p. 628), Bor (lib. 13) unb 
Strada (de Bello Belg. Decas II, lib. 1): Languet, Ep. ad 
Sydn., p. 369 unb Ep. seer. I. 2, No. 169sqq. Groen van Prin- 
sterer VI, 500. Weinbergs Gedenkbuch a. a. DO. 1874. Kervyn 
de Volkaersbeke & Diegerick, Docum. hist, ined. I, 89sq. 
100sqg. Dazu Langers Brief an Winflmair AA. Münfter, T. VIII, 


638 Siebented Bud. Drittes Kapitel. 


ſowie man erkannte, dag man falſch gerechnet habe. Gleich nad) 
Empfang des Breves vom 31. Januar 1579 antwortete Herzog 
Albrecht fehr beicheiden: jenes Breve habe ihn wegen des darin 
ausgedrüdten Wohlwollens weit eher mit Freude als mit Be— 
trübnis erfüllt; denn fein eigenes Schreiben vom 21. November 
1578 jei nur bon der Sorge eingegeben geweſen, womit ihn die 
der katholiſchen Religion in Deutſchland drohenden Gefahren er- 
füllten. Die jahlihen Differenzen waren in Albrechts Brief in 
gefchraubter Weife umgangen. — Aber in Rom gab man fi) noch 
nicht zufrieden. Der Kardinal von Medici jprengte jogar aus, 
Herzog Albreht wolle fi, wenn man ihm in der Kölner Sache 
nicht den Willen thue, dem Gehorfam gegen den römiſchen Stuhl 
ganz entziehen. Zugleich ließ er durch einen deutſchen Adeligen 
an feinem Hof, der früher in Herzog Ernſts Dienften geftanden 
hatte, Paul Stor von Oſtrach, dem bayrischen Gejandten jagen: 
da man feine und feines Bruders Ratihläge nicht habe befolgen 


fol. 63ff. und StR. 9/2, fol. 94. Eine auch bei Bor befindliche 
alte Abbildung von dem Haus Kerpen ift mit einigen zugehörigen 
deutſchen Reimen fopiert im Organ für riftl. Kunft, 1868, Jahrg. 
18, Nr. 5. — Über die burh den Tod des Grafen Hermann von 
Neuenar veranlaßten Wirren im Nieberftift viele aber unvollftändbige 
Notizen in den Domfap.-Protot. DA. Ferner DillA. Dil. Korr. 
1578 u. 1579 und Weinsbergs Gedenkbuch a. a. DO. — Über bie 
religiöfen Unruhen in Stadt und Erzftift Köln manderlei in bem 
Domkap.-Protof. DA.; anderes bei Ennen Bd. V, leider ganz un— 
georbnet und unzuverläjfig, und in Weinbergs Gedenkbuch. Über bie 
Bemühungen der proteftantifchen Fürften für ihre Kölner Glaubens- 
genofjen: MA. Köln 1515/80 (Marb. Akten) und Reg. U. Schubl. 
Rep. V. Cell. 75. Bol. III. Nr. 6 (Kafleler Akten). DillA. Dil. 
Korrefp. 1579. Über Gebharbs Beziehungen zu der Grafenforrefpon- 
benz DIA. G. 80 und Dill. Korrefp. 1579. Ludwig v. Wittgenfteins 
Tagebuh Nr. III Berleb. Bibl. Einige ungenaue Angaben bei 
Keller, Gef. Nafjaus I, 4227. 

2) Für die münfterfhen Dinge folgende Arhivalien: DU. 28f & h, 
NA. Münfter T. VII. Sta. 9/2; 38/19; 98/1; 311/1 u. 16; 
359/9. MA. Stift Münfter, Reg. U. Rep. V. Cell. 75. Bol. IL. 
(Kafieler Alten) und Erzſtift Bremen 1535/1643 (Marburger 
Alten). DillA. Dil. Korrefp. 1579. Gebrudt find einige Breven bei 


Köln-Münfter His zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 639 


wollen, könnten fie weiter nichts thun. — Übrigens wurde zwi— 
ſchen den Medici und Herzog Ernſt der Briefwechjel wegen des 
Kardinalats, duch Stors Vermittelung, fortgefeßt. — Um das 
gefpannte Verhältnis zum römiſchen Hof ganz auszugleichen, 
ihrieb Herzog Albreht Ende März neuerdings an den Papft ſo— 
wie an einige vornehme Kardinäle, und verſuchte umſtändlich fein 
Schreiben vom 21. November zu rechtfertigen: er fei gerne bereit, 
jobald nur erft feines Sohnes Recht feftgeftellt, jeder billigen Ent= 
ſcheidung des Papftes ſich zu unterwerfen; wie aber dieje aud) 
ausfallen möge, werde ihn nichts in feinem Gehorfam gegen den 
römischen Stuhl wankend machen. In ähnlihem Sinn jchrieb er 
aud) an den Großherzog von Zoscana. 

Inzwiſchen nahm die Rota in den Monaten März bis Mai 
1579 ihre jpigfindige Erörterung von allerhand juriftiihen Vor— 
fragen wieder auf; die erſte Vorfrage, ob Herzog Ernſts Appel- 
lation aud allen prozeffualiichen Erfordernifien entipreche, gab- 


Theiner III, 17sqq. Einzelne Aftenftüde über den Landtag von 
1579 bei Niefert, Münfter. Urkundenfammlung VII, 235ff. (Nr. 37 
u. 38). Über ben Landtag einige ausnahmsweiſe ziemlich richtige 
Notizen auch bei Kock III, 158. Zwei Briefe an und von Graf 
Iohann von Nafjau, Miünfter betr. bei Groen van Prinsterer 
VI, 72 u. 101g. 

3) Archivalifches über die Bemühungen des Haufes Bayern um das 
Erzftift Salzburg: NA. Salzburg T. XI (vgl. o. ©. 70 Anm.) u. 
T. XII. StA. 487/2. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Ein eigenhändiges 
Schreiben bes Biſchofs von Paſſau vom 22. März 1579, RX. Paflau 
II, 226, verweift auf ein Gutachten, welches der Biſchof mündlich dem 
Dr. Nadler mitgeteilt hatte. — Über die Erwerbung von Stift Re- 
gensburg für Herzog Philipp von Bayern: RU. Regensburg T. I. 
fit. RB (vgl. 0. ©. 313) und fit. E. E. StA. 38/19 u. 359/9. Ge— 
drucktes bei Theiner III, 1189q. 654. 658. Zeitfhr. f. Bayern 
1816, IV, 39. (Mitteilungen von Herzog Wilhelm an feine Schwe- 
fter, die Erzherzogin Maria, aus dem Jahre 1597). Hund-Gewold, 
Metrop. Salisb. I, 221sq. (Hund behauptet fälſchlich, auch Herzog 
Albrecht habe die Poftulation nur ungern angenommen. Aufzeichnungen 
über Herzog Albrechts erfte Beiprehung mit Better liegen leider nicht 
vor). — Über Herzog Albrechts letzte Lebenstage und Tod vgl. bie zu 
Bud 2, Kap. 1 erwähnten Leichenreden auf benfelben. 


640 Siebentes Bud. Drittes Kapitel, 


wieder Anlaß zu einer ganzen Reihe von Unterfragen: ob z. B. 
Ernſt bei feiner Appellation den Eid genau in der borgejchrie= 
benen Form abgelegt, ob er in jedem einzelnen Fall den Vorwurf 
der Härefie oder rregularität genügend fpezifiziert habe u. ſ. w. 
u. |. w. — Schließlich fonnte felbft Fabricius fih und feinem 
Herzog nicht länger verhehlen, daß all dies nur Kniffe waren, um 
der bayriihen Partei den Rechtsweg abzufhneiden, daß fomit die 
Auditoren der Rota wirklich nichts waren, als bequeme Werkzeuge 
in der Hand der deputierten SKardinäle und des Papftes felbft. 
Herzog Ernſt wurde von einem feiner römischen Belannten, jenem 
Camillo Baldi, dem wir in Zivoli und Gadta vordem begegnet 
find, Schon im April gewarnt, feine Sache ftehe an der Rota be— 
denklih; er möge fich beeilen einen Vergleich zu jchliegen. Um 
die Rota zu nötigen, einen Schritt vorwärts zu thun, verlangten 
endlich Fabricius und Aernsperg, fie jolle die Frage anders ftellen: 
nicht mehr, ob Kompulforialien und Remifforien zu bemilligen, 
fondern, ob man bisher gerichtlich oder außergerihtlih verhandelt 
babe. Je nachdem die Antwort fiel, meinte Fabricius entweder 
durchzuſetzen, daß die Gegner in contumaciam verurteilt würden, 
oder daß man aud von der bayriihen Partei nidht mehr buch— 
ftäblihe Erfüllung jeder Rechtsform fordere. Aber diejes Ver— 
langen wurde von den deputierten SKardinälen jo gedeutet, als 
mweigerten ſich jet Herzog Ernits Profuratoren, in der Sache jelbft 
die Rota zu informieren; da nun dieje von fid) aus feinen Grund 
gefunden habe, Kompulforialien zu bemwilligen, beantragten fie im 
Konfiftorium der Kardinäle vom 26. Juni, der Papſt möge im 
nächsten Konfiftorium die Kölner Kiche für Gebhard Truchſeß pro= 
ponieren laſſen. Das verfprad der Bapft ). — Gebhards Agen— 


1) Auf Grund ber durch das Trienter Konzil (Sess. XXIV de Ref. 
ce. 1) aufgeftellten Norm beobachtet die Kurie bei ber Konfirmation ber 
Biſchöfe folgendes Verfahren: in einem erften Konfiftorium ber Karbinäle fchlägt 
ein Karbinal (Cardinalis proponens) den erwählten oder ernannten Biſchof 
zur Konfirmation vor (präfonifiert denſelben); die Entſcheidung wird bis zu 


Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 641 


ten jandten mit dieſer frohen Botſchaft alsbald einen eigenen 
Kurier nah Köln, Fabricius aber proteftierte und berief ſich dar: 
auf, daß die Rota in der Hauptfrage noch gar nichts entfchieden 
babe; er forderte vor der deutihen SKongregation gehört zu wer— 
den, widrigenfall3 er, angeblid gemäß den Befehlen feines Herzogs, 
fofort von Rom abreifen wollte. Da man befürdtete, der ftarr= 
föpfige Gejandte werde mit diefer Drohung Ernſt maden, jo be= 
willigte man ihm für den 4. Juli eine eigene Sigung der deutjchen 
Kongregation, in welcher es zwiihen Fabricius und den Kardi— 
nälen Santa Croce und Sforza zu einem heftigen Disput kam, 
der damit ſchloß, daß der Gejandte von neuem abzureijen drohte, 
wenn ihm nicht fein Recht zuteil werde. 

Während fih nun einige Kardinäle, namentlich Farneſe, be= 
mühten, den Gefandten von einem übereilten Schritt abzuhalten, 
traf am 9. Juli ein bayrifher Kurier in Rom ein’), mit der 
Nachricht, mehrere deutihe Kurfürften und Fürften arbeiteten an 
einem gütlihen Ausgleih zwiihen Gebhard Truchſeß und dem 
Haufe Bayern; um diejen nicht zu ftören, möge der Papit das 
Urteil auf zwei bis drei Monate vertagen. Gregor zauderte 
anfangs; denn er argmwöhnte, Fabricius habe die Abjendung des 
Kuriers felbft veranlaßt, nur um den Prozeß weiter zu ver- 
fhleppen; doch vermittelte jchlieglih Kardinal Morone, daß der 
Papft den Aufihub unter gewiſſen Bedingungen wirklich bemilligte 
und fogar verſprach, einen Bergleih durch feinen zur Zeit in 
Köln weilenden Nuntius Gaftagna, Erzbiihof von Roſſano, bei 


einem folgenden Konfiftorium verfhoben: inzwifchen prüft ber proponierenbe 
Kardinal nebft brei weiteren Karbinälen bie eingezogenen Informationen über 
die gemäß dem fanonifchen Recht und ben Trienter Dekreten erforberlichen 
Eigenfchaften des Betreffenden. Im folgenden Konfiftorium erfolgt ſodann 
bie eigentliche Propositio, die Abftimmung ber Karbinäle und bie Provisio 
durch den Papſt. Bol. van Espen, Jus eccles. univ. P. I. tit. XIV. 
. IV. — Ob bei Gebhards Konfirmation genau in berfelden Weife verfahren 
wurbe, weiß ich freilich nicht. 

1) Der Kurier war in 5 Tagen von Münden nad Rom geritten, eine, 
zumal bei ber Hige, erftaunlie und in Rom angeftaunte Leiftung. 

2ojien, Köln. Krieg L 41 


642 Siebentes Buch. Drittes Kapitel. 


Gebhard Truchſeß zu befördern. Der Konfiftorialbeihlug vom 
26. Juni wurde jedod nicht zurücdgenommen: der Kardinal von 
Como blieb als Proponent beauftragt, den üblichen Prozeß super 
vita et moribus eleeti einzuleiten; eben jenem Nuntius wurde 
befohlen, die nötigen Informationen in Köln einzuziehen. 

Die Nahriht von Ausgleihverfuhen zwischen Kurfürft Geb— 
hard und dem Haufe Bayern war nicht ganz aus der Luft ges 
griffen: Anlaß zu folden hatte der feit Anfang April d. J. zu 
Köln tagende niederländiihe Pacififationsfongreß geboten, an wel: 
chem neben Gebhard aud einige bejondere Freunde Bayerns, Kur— 
fürft Jalob von Trier und Biſchof Julius von Würzburg, als 
faiferlihe Kommiſſare teilnahmen; dieſe beiden Hatten fi dem 
bayrischen Herzog als Vermittler angeboten. 





As Kaifer Rudolf im Sommer 1578 den Ermwählten von 
Köln erfuchte, neben anderen deutichen Fürften in den Niederlanden 
Frieden zu ftiften, trug Gebhard anfangs Bedenken, die Kommiſſion 
zu übernehmen: jein Domfapitel riet entichieden ab, wegen der Un— 
foften und weil dabei fein Dank zu verdienen; auch Kurfürft Da- 
niel von Mainz hatte bereits feine Zeilnahme verweigert. Aber 
Gebhard war nit jo unabhängig wie diefer: von Rom nod) nicht 
betätigt, lag ihm daran, fi) des Kaiſers Wohlwollen durd Ein— 
gehen auf deſſen Wünjche zu bewahren; auch war nit zu ver— 
fennen, wie jehr feine nody immer beftrittene Stellung befeftigt 
wurde, wenn er in faiferlihem Auftrag, mit Gutheißen des 
Rapftes, als Vermittler zmwiihen dem König von Spanien und 
deſſen Unterthanen auftreten durfte. Ende Januar 1579 erflärte 
fi) aud) jein Domkapitel für Annahme des Eaiferlihen Auftrags: 
denn gerade in diefer Zeit drohten einige Ereigniſſe das Erzftift 
Köln in die niederländischen Unruhen zu berwideln und machten 
baldigen Frieden doppelt erwünſcht. 

Zwei gute Meilen weftlid) vom Rhein, mitten zwiſchen dem 
Herzogtum Fülih und dem Erzftift Köln, lag die Heine unter 


Köin-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 648 


brabantifcher Hoheit ftehende Herrichaft Kerpen, mit einem feften 
Haus bei dem gleichnamigen Städtchen an der Erft. Diejes Haus 
hatte ein Freibeuter im Dienft der Generalftaaten, der Haupt: 
mann Engelbert Biel, etwa zu Anfang des Jahres 1578 über- 
rumpelt und brandihagte feitdem von da aus das umliegende 
Süliher und Kölner Land. „Und machen es“, fchreibt Graf 
Hermann von Neuenar im Auguft 1578 an den LZandgrafen von 
Heffen, „die Gefellen zu Kerpen dermaßen, daß Köln und Zülich, 
die fonft in vielen Händeln einander feind find, über ihn [Biel] 
wohl einig jollen werden.“ Von jülihiher Seite ließ man «8 
daher, ungeachtet der Gegenvorftellungen der Generalftaaten, gut= 
willig geichehen, dah zu Anfang des Jahres 1579 der fpanifche 
Dberft Mondragon durch herzogliches Gebiet vor Kerpen 309. 
Nah eintägiger Beichiegung wurde das Haus am 7. Januar 
mit Sturm genommen, die ganze Belakung mitfamt dem Haupt= 
mann gehängt. Nachher machten e3 aber die Spanier nicht befjer 
als zuvor Biel3 Leute. „Seit das Raub- und Kekerneft zu 
Kerpen gefegt“, berichtet Anfangs Februar der Kammerſekretär 
Langer nad Münden, „hat das königliche Kriegsvolf uns auf 
dem Hals gelegen, zu großem Außerftem VBerderben der Unter— 
thanen, wollen nicht fortrüden ; dann folhe Unordnung und Un— 
zudt unter denjelben iſt, daß nicht genug davon zu jchreiben.‘ 
Vorftellungen bei Alerander Farnefe, Prinz von Parma, dem 
Nachfolger des am 1. Dftober 1578 im Lager bei Namur ges 
ftorbenen Don Juan d’Auftria, fruchteten monatelang nichts; erſt 
als ih Kurfürft Gebhard und Herzog Wilhelm anfchieten, ſich 
jelbft mit den Waffen zu belfen, 309 das ſpaniſche Kriegsvolk 
wieder ab von ihrem Gebiet, jedoh mußte fih Gebhard nod zu 
Ende des Jahres bei Farnefe um Erſatz der feinen Unterthanen 
weggenommenen Güter bemühen. 
Etwa gleichzeitig mit der Einnahme von Kerpen dur die 
Epanier lief, infolge de3 Todes des Grafen Hermann bon 
teuenar, das kölniſche Niederftift Gefahr, in die niederländiichen 
Kriegsmirren hineinzugeraten. — Graf Hermann, ein hodgekildeter 
41* 


644 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


geiftvoller Mann, aber längft in Zrunfjuht ganz verfommen ?), 
war am 4. Dezember 1578 kinderlos gejtorben. Anſpruch auf 
die ganze Erbihaft erhob Hermanns Vetter Graf Adolf von 
Neuenar, als Gemahl von deſſen Schweiter Walpurgis 2); diejen 
Anspruch beftritt aber für die Herrſchaft Bedbur die Familie 
Reiffericheid, in deren Beſitz diefelbe bis zum Jahre 1425 ges 
weien war. Die Herrihaft war kurkölniſches Lehen, jedody frag— 
Ih ob Manns» oder MWeiberlehen. Graf Werner von Neiffer- 
ſcheid martete eine gerichtliche Entiheidung nit ab, ſondern be= 
mächtigte fi) ſchon wenige Tage nad) Hermanns Tod des Schloffes 
und Städthens Bedbur, — man mollte wiſſen, mit ſpaniſcher 
Hilfe. Graf Adolf feinerfeit3 wandte fi) insgeheim an Johann 
von Naffau, den Statthalter von Geldern, damit dieſer ihm ftaa= 
tiſches Kriegsvolk leihe, um Bedbur wieder zu erobern. Vermut— 
ih nur deshalb kam es nicht fogleid dazu, weil Graf Fohann, 
durch die Spanier im geldrifchen Dberquartier ſtark bedrängt, feine 
Soldaten jelbft braudte. Danach beſchied Kurfürft Gebhard als 
Lehensherr beide Parteien vor fid) und verhandelte man eine Zeit 
lang hin und ber; nod) verwidelter wurden die Dinge, weil fich 
Graf Werner, unter dem Vorgeben, die Vorburg (zu Bedbur?) 
jei jülihiches Lehen, unter Herzog Wilhelms Schub, geftellt hatte, 
fodann dadurch, daß das Kölner Domkapitel auf Herausgabe des 
bormal3 an Hermann bon Neuenar verpfändeten Schloſſes und 


1) Zur Zeit ber Wahl Salenting (im Jahre 1567, vgl. 0. ©. 21) er- 
zählte Dr. Hegenmüller dem Gefanbten bes Karbinals von Augsburg, er 
babe bis jetzt ben Grafen Hermann von Neuenar noch nicht fprechen können: 
„er ift mit gewiß anzutreffen morgens, nachdem er fpat auffteet, nach mittag 
aber fo fan man mit bemfelben nichts verrichten, dan er ſtets wol bezecht 
if”. StA. 9/3, fol. 93. Ähnliche Bemerkungen in Weinbergs Gedenkbuch; 
vgl. au Gachard, Corresp. de Philippe U. T. II zum 7. Oftober 
1566. 

2) Abolf8 Urgroßvater und Hermanns Großvater waren Brüber, |. Ge- 
nealogie bei Teschenmacher, Ann, Cliviae, p. 407. Walpurgis von 
Neuenar war in erfter Ehe mit dem Grafen von Hoorn, Egmonts Leibens- 
gefährten, vermählt. 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 645 


der Stadt Hülchrath Aniprud erhob, meil Hermann den Gegen- 
wert von 8000 Goldgulden und die weiter darauf laftenden Pen— 
fionen nicht entrichtet hatte. Das Domkapitel ließ ſich zulekt 
gütlih abfinden, dagegen wurde der Streit um Bedbur mit Ge— 
walt fortgeführt. Am 10. Juni 1579 überrumpelte Graf Adolf 
— angeblih ohne ftaatiihe Hilfe — Schloß Bedbur und nahm 
dabei den Grafen Werner jelbft gefangen. Nun entjpann fi ein 
Prozeß am Kammergeriht, wobei Herzog Wilhelm für Reiffer- 
ſcheid, Kurfürft Gebhard aber als Lehensherr für Adolf von Neuenar 
Partei nahm. Graf Werner fam im Spätjaht 1579 — mir 
wiſſen nicht wie — wieder frei !), Bedbur aber blieb einftweilen 
in Neuenars Händen. 

Enge verbunden mit diefen Dingen und mit den Wechielfällen 
de3 niederländiichen Krieges ift Auf- und Niedergang der prote= 
ftantifhen Bewegung in Stadt und Erzftift Köln. infolge der 
Vorftellungen, welhe Domkapitel und Klerus im Sommer 1578 
ihrem ermwählten Erzbiihof gemacht hatten, verhandelte Gebhard 
Anfangs Dftober zuerft durch Kommiſſare, dann perſönlich mit 
Abgeordneten des Rates über die Maßregeln, welche zu ergreifen, 
damit ketzeriſche Predigten fernerhin nicht öffentlich gehalten, 
Shmähihriften und Schandgemälde nicht verbreitet, die fatholi= 
ihen Saframente nit ungeftraft veradhtet würden. Schon. 
hatten auch Kaiſer Rudolf und der Kurfürft von Mainz den Stadt- 
rat zur Standhaftigfeit im fatholiihen Glauben ermahnt. Am 
10. Dezember 1578, alfo furz vor der regelmäßigen Neumahl 
de3 halben Rates, erließen Bürgermeifter und Nat, im Einver- 
nehmen mit Greve und Schöffen des Erzbiſchofs, wieder einmal 
ein ftrenges an die früheren Morgenſprachen ſich anichliegendes 
Religiongedift folgenden Inhalts: Wiedertäufer jollen mit dem 


1) Aus den Domtap.-Protof. ergiebt fih, daß Graf Werner im Dftober 
1579 als Gefangener Gebhards zu Kaiſerswerth ſaß. Alerander von 
Parma bemüht fih um feine Freilafjung, welche biß zum 6. November noch 
nicht erfolgt ift, weil der Graf fich weigert Urfehde zu ſchwören. 


646 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


Tode beftraft werden, Zwingliihe und andere Saframentierer 
binnen drei Tagen, bei Strafe an Leib und Leben, die Stadt 
verlafjen; alle heimlichen Konventifel und neuen Verbündniſſe find 
verboten; wer die gebenedeite Mutter Maria, Saframente und 
Heilige läftert, wird als Gottesläfterer peinlich beſtraft; ftrenge 
Büchercenfur foll fortan durch Verordnete der Univerfität und des 
Rates geübt werden, damit nichts gedrudt oder feilgeboten werde, 
was nicht der Lehre der hriftlichen Kirche gemäß jei oder was 
als aufrühreriſch und ſchmählich (injuriös) befunden werde; Fremde 
jollen al3 Bürger nur aufgenommen werden, nachdem fie ſich über 
ihren Wegzug von anderen Drten gebührend ausgemwiejen. — 
Trotz diefem jcharfen Edikt famen bei der neuen Ratswahl wies 
der mehrere proteſtantiſch Gefinnte in den Rat und nad wie vor 
fanden heimliche und öffentlihe Konventifel ftatt, wenn man auch 
ab und zu ein paar geringe Leute deshalb verhaftete oder aus— 
wies !). Anfangs Februar 1579 ließ Kaifer Rudolf neuerdings 
— diesmal durch beiondere Gefandte, den alten Freiherın von 
Winneburg und den trieriſchen Rat Philipp von Naffau — den Rat 
ernſtlich ermahnen, er möge die fatholiihe Neligion in der Stadt 
aufrecht halten. Nunmehr legte die katholiſche Mehrheit im Rat, 
ohne Zweifel zugleih ermutigt durd die Einnahme von Sterpen 


1) Eunen V, 348 ff. fett das Eindringen mehrerer Proteftauten in den 
Rat und ihre Wiederentfernung aus demſelben unbeftimmt ins Jahr 1579; 
nah Merlo, Die Familie Jabah (Annalen des hiſt. Vereins f. d. Nieder- 
rhein 1861, ©. 1ff.) wurde dagegen ber Proteftant Arnt Jabed bereits im 
Dezember 1577 in den Rat gewählt; — meine Annahme, daß biefer Jabach 
und die anderen drei von Ennen ©. 349 genannten WProteftanten (Jalob 
Omphal, Richard Bachoven von Echt und Hermann Schmittmann) zu Weih- 
nachten 1578 in ben Nat gewählt worden, gründet fi beſonders auf fol- 
gende Stelle aus einem römischen Brief vom 29. Mai 1579 (an den Her- 
309 von Bayern, StA. 311/16, fol. 162): Huc appulit superioribus diebus 
Lansingius, qui admodum ample et honorifice de Truchsesii pietate et 
religionis zelo passim ubique loquitur, commemorans ejus auctoritate 
libros haereticorum Coloniae esse prohibitos et tres praecipuos senatores 
ob haeresim suspectos suo gradu esse dejectos. 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albredht von Bayern. 647 


und durh das fiegreihe Vordringen der Spanier im benadbarten 
Geldriſchen, etwas mehr Energie an den Zag: am 10. Februar wur- 
den 15 Perfonen auf einmal, jo viel wir jehen Lutheraner, wegen 
Zeilnahme an verbotenem Gottesdienft verbunden mit Spendung der 
Saframente, in den Zurm geſchickt !), kamen jedoch nachher ſämt— 
lich mit milden Gelditrafen davon; zum Zeil wohl, weil man andern: 
fall3 Unruhen ‚in der Stadt befürdhtete 2), nod mehr aber in An— 
betradht der alsbald einlaufenden Beſchwerde- und Fürbittichreiben 
proteſtantiſcher Fürften. Sole erfolgten znerft von Surfürft 
Ludwig von der Pfalz, Pfalzgraf Reihard und Landgraf Philipp, 
fodann, auf Antrieb der Wittgenfteiner Grafen, von den Land— 
grafen Wilhelm und Ludwig; auch Johann von Nafjau be— 
ſchwerte ſich brieflih) bei dem Bürgermeifter Lysfichen, daß die 
Kölner jegt den Mantel nad dem Winde drehten und fih zu 
ſpaniſcher Inquifition und Verfolgung der armen Chriſten verhegen 
ließen. Der Rat antwortete den Fürften, jene Leute feien nicht 
wegen ihres Belenntniffes, jondern wegen verbotener Konventikel 
und Gemeindebildung, obendrein jehr milde, beftraft worden; 
übrigens jeien fie, als Dbrigfeit einer katholiſchen Stadt, gemäß 
dem NReligionsfrieden ebenſo wenig verpflichtet, die Übung der 
Augsburger Konfeſſion zu dulden, wie die Fürſten ſelbſt ihren der 
alten Religion anhangenden Unterthanen gejtatteten, dieſe auszu— 
üben. Auch Kurfürft Gebhard wies die Bitte der Landgrafen, 
er möge ſich bei Bürgermeifter und Rat für ihre Glaubensgenofjen 
verwenden, unter Hinweis auf den Religionsfrieden von ſich ab. 


1) Daß e8 Lutheraner waren, fchließe ih aus dem von Ennen V, 336f. 
(ogl. ©. 392 ff.) mitgeteilten Bekenntniß bes Lic. Bennonius und aus ber 
Angabe des Kafpar Ulenberg (Antwort auf Joannis Babii warnung, 
1592, &. 46f.): im Jahre 1579 feien zu Köln etliche Lutheraner verhaftet 
mworben, beren Präbifant nicht gewollt habe, daß ſich ein calvinifcher Doctor 
ihrer beim Rat annähme. 

2) Der beifiihe Nat Georg von Scholley, welcher fih gerade in Köln 
aufbielt, als jene 15 Lutheraner verhaftet wurden, berichtet an feinen Land— 
grafen, er vernehme „wen ber rat bie vermogenben reichen wurbe angreiffen 
und alfo befchweren, jo werbe es albir ein großen aufrur erregen“. 


648 Siebente® Bud. Drittes Kapitel. 


Auf Gebhards Betreiben hauptſächlich follen bald danach drei 
häretiſche Ratsherren wieder aus dem Stadtrat ausgeſchloſſen 
worden fein. 

Dennoch beitand in diefer Zeit, zu Anfang des Jahres 1579, 
der freundichaftlihe Verkehr zwiichen Gebhard und den evangelis 
ſchen Grafen noch ungetrübt fort. Als die Wetterauer Grafen 
auf einem Zag zu Bugbah, im Februar 1579, ernftlih daran 
gingen, ihren alten Plan eines Vereins ſämtlicher deutichen Reichs— 
grafen ins Werk zu jeken, rechneten jie, um die ſchwäbiſchen 
Grafen berbeizubringen, namentlih auf Gebhards Hilfe. Etwa 
im Monat März erichien der Sekretär der Wetterauer Grafen, 
Mag. Johann von Rehe, in Gegenwart des Dompropftes Witt- 
genftein und der Grafen Hermann Wolf von Solm3 und Her— 
mann bon Mandericheid, bei Gebhard und bat ihn, nit nur für 
jeine Perfon der Grafenkorreſpondenz beizutreten, fondern aud) bei 
jeinem Domlapitel, ferner bei Biihof und Kapitel zu Straßburg 
und endlich bei den ſchwäbiſchen Grafen das gleihe Erſuchen zu 
unterftügen. Schon aus den Namen der bei diefer Werbung an: 
weſenden Perſonen läßt jich entnehmen, daß der Kurfürſt den 
Nebenzwed der gefuchten Korrefpondenz, die Betreibung der Frei: 
ftellung, wohl kannte; noch deutlicher ergiebt fi Dies daraus, 
daß Gebhard felbft im Vertrauen die Gefandterr warnte, fie ſoll— 
ten beim Kölner Domkapitel capitulariter hiervon nichts vor: 
bringen. — Den fränfiihen Grafen teilten die MWetterauer ihre 
firhenpolitiihen Abfihten ſchon jegt mit, den durchweg katholiſchen 
ſchwäbiſchen Grafen und Herren ſprach man nur von den poli— 
tischen Vorteilen der Korreſpondenz. Wie weit man damal3 mit 
den fränkiſchen Grafen fam, wiſſen wir nicht; ein gemeinfamer 
Tag der ſchwäbiſchen und der Wetterauer fand im April 1579 
zu Dinkelsbühl ftatt, wo man bereits einen Vertrag entwarf, der 
nachher, im Monat Auguft, dem Kölner Kurfürften zur Begut— 
achtung vorgelegt wurde. 

Aber mittlerweile war diefer durch die niederländischen Ereig— 
niffe mehr und mehr auf Seite der ſpaniſch-katholiſchen Partei 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 649 


geführt worden. Die friegeriihen und diplomatischen Erfolge des 
Prinzen von Parma liegen vorausjehen, daß der größte Teil der 
Niederlande der Herrihaft des ſpaniſchen Königs bald wieder ge- 
borchen werde; demnad war es ein Gebot der Klugheit für jeden 
Kölner Kurfürften, fi mit dem mächtigen Nachbar auf guten Fuß 
zu ftellen. Doch war Gebhards kirchliches Verhalten wohl nicht 
allein von politischer Berechnung diftiert, fondern entiprad feiner 
damaligen Geſinnung. — Im Sommer 1579 verjammelte der 
niederländiihe Pacifikationskongreß die glänzendften Vertreter der 
fatholiihen Mächte in den Mauern von Köln. Auch Gebhards 
Hoflager befand ſich wochen oder gar monatelang in der Stadt. 
Der freundſchaftliche Verkehr mit jo eifrig fatholifchen Fürften mie 
Jakob von Zrier und Julius von Würzburg, mit dem Gejandten 
bon Spanien, Karl D’Aragona Herzog von Zerranova, mit dem 
päpftlihen Nuntius Gaftagna und vielen anderen vornehmen fa= 
tholiſchen Herren, blieb auf einen von Haus aus fatholiihen, in 
den Übungen des katholischen Kults aufgewachſenen jungen Mann 
— Gebhard ftand jetzt in feinem 32. Jahre — ſicherlich nicht 
ohne Einfluß. Bald nah Eröffnung des Kongreifes, am zweiten 
Freitag nad Dftern (1. Mai) beteiligte er ſich jamt feinen Mit: 
biihöfen von Trier und von Würzburg im geiftlihen Gewande 
an der alljährlihen großen Kölner Gottestracht; ebenjo ein paar 
Moden fpäter, am 31. Mai, an der noch viel feierlicheren Pro— 
zeifion, welche die katholiſchen Abgeordneten zu Köln abpielten, 
um vom Himmel guten Erfolg ihres Friedenswerfes zu erflehen. 
An der Spitze des Zuges jhritten dabei der Nuntius Gaftagna 
und, zu feiner Rechten und Linken, die Kurfürften Gebhard und 
Jakob; ſodann die anderen katholiſchen Fürften und fürftlichen 
Subdelegierten, Bürgermeifter und Rat der Stadt, Furfürftliche 
und fürftlihe Räte und Hofgefinde in großer Zahl. Auf dem 
Kongreß ſprach und ftimmte Gebhards Bevollmädtigter, der 
Licentiat Gerhard Kleinforgen, durchweg im Sinne der ſpaniſch— 
fatholiihen Partei. Gebhard ſelbſt ſoll öffentlich die veligiöjen 
Aniprühe der Staaten als unvernünftig und unbillig erklärt 


650 Siebentes Bud. Dritte Kapitel. 


Haben ). Während er aljo feinen evangeliihen Freunden nicht 
minder dur jeine Zeilnahme an dem verabicheuten papiftiihen 
Gößendienft, wie duch fein Liebäugeln mit dem ſpaniſchen Tyrannen 
mehr und mehr verdächtig wurde, ftieg er in des Papftes Gunſt 
als eifriger Anhänger der katholischen Kirhe und Freund des fa= 
tholiihen Königs. Bereits während des Kongreſſes begann der 
Erzbiihof von Roffano den Informativprozeß super vita et mo- 
ribus electi Coloniensis. Middendorp führte ihm, wie es heißt, 
die Zeugen zu, welche er über Gebhard befragte: zunächſt die drei 
Verjonen, welche als Notar und Zeugen das Wahldefret unter: 
ihrieben hatten, der Kapitelsjefretär Lemgopius, der Weihbiſchof 
Craſchel und der Dechant von ©. Severin, Konrad Wippermann; 
ferner den Domkapitular Konrad Orth von Hagen, zwei Xrierer 
Domherren, Wilhelm Duad von Landskron und Johann von der 
Leyen, endlich zwei als Flüchtlinge in Köln lebende Niederländer, 
Gunerus Petri, Biihof von Leeumarden und Jakob Gormang, 
Scholafter zu Gent. Ihre Ausjagen über Gebhards Religion und 
Sitten müſſen jehr günftig gelautet haben, da man nachher in 
Gaftagnas Umgebung von Gebhard als von dem (Karl) Borromeo 
Deutihlands ſprach 2). 

Zur jelben Zeit, da fo der Streit um Köln einer endgültigen Ent— 
ſcheidung gegen Herzog Ernft nahe war, hatten ſich auch im Stift 
Münfter die Dinge ſehr ungünftig für das Haus Bayern geftaltet. 





In der Dfterwoche 1579 war zu Münfter ein cleviſcher Notar 
erjdienen, mit dem römischen Mandat, durch welches Wefterholt 


1) ©. den Bericht des Heffifhen Agenten bes Traos an Landgraf Wil- 
helm über einen Disput zwifchen Gebhard und dem Herzog von Arſchot bei 
Groen van Prinsterer VII, 45. 

2) Presso tutti que’ Signori [nel convento di Colonia] si guadagno 
buonissimo nome, e particolarmente da alcuni della famiglia del Nunzio 
Castagna veniva chiamato il Borromeo della Germania. Maffei, 
Annali II, 245. 





Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 651 


von jeinen Ämtern und Würden fufpendiert und aus dem Kapitel 
ausgeihloffen wurde. Senioren und Regierung erklärten fich bereit, 
dem Mandat nachzukommen, Wejterholt aber begab ſich alsbald 
zu Erzbiſchof Heinrich nah) Paderborn, von wo er am 29. April, 
por Notar und Zeugen, wegen ſtarker Formfehler und noch ftär= 
ferer materieller Nihtigkeitsgründe, an den beffer zu informierenden 
Vapit und zugleih an Kaifer, Reichsſtände und Kammergericht 
appellierte. Dieje Urkunde wurde in Eile nad) Rom abgeſchickt, 
Weſterholt aber kehrte, jedenfalls erſt nachdem ihm Heinrich jeine 
Hilfe zugejagt, nah Münſter zurüd und erſchien hier am Morgen 
des 4. Mai, geleitet von bewaffneten Dienern, wieder im Dom— 
dor, nahm teil an Prozeffion und Opfergang und that jo dar, 
daß er geionnen fei, troß der Sufpenfion fih im Beſitz zu be= 
haupten. Von den übrigen WVerordneten zur Regierung aufges 
fordert, des Ratganges ji zu enthalten — auf Grund des zwei- 
ten Regierungsartifels, welder ihn zum Gehorfam gegen Papſt 
und Kaiſer verpflichtete!) — antwortete er durch Überfendung 
jeiner Appellation und den Beſcheid, wer nicht mit ihm zu Nat 
gehen wolle, der ſolle es bleiben lajjen. Am nämlihen Zage er: 
Härten er und die Junioren auf die früher erwähnte Aufforderung 
des Ständeausihuffes — vom 10. März —, fie hielten nunmehr 
die Poſtulation eines dritten für ratſam, feien übrigens für ihre 
Perſonen mit den Heinen Änderungen in der bremiichen Kapitula= 
tion einverftanden; jeien die anderen Herren das nicht, jo könne 
man ja mit dem Grzbiihof felbjt hierüber verhandeln. 

Zagelang jpann ji zwilhen Welterholt und jeinen Mit- 
verordneten in Schriften die Verhandlung darüber fort, ob man 
beiderjeit3 an die Sufpenfion gebunden ſei. Weſterholt berief ſich 


1) Art. 2 der im Mai 1574 auf dem Laerbrud (j. 0. ©. 255f.) verein- 
barten Regierungsartitel für Statthalter und Verordnete fordert: „das jie 
der pabft. Heilt und R. 8. Mt... als dem gebuerenden obrigfeiten ſchul- 
digen gehorſamb leiften und fich fonft geiftlicher und wmeltlicher rechten, des 
beil. reih8 ordnung und abfchieven gemeß verhalten”. 


652 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


auf ein Stiftsprivileg, wonad feine Sache nicht in erfter Ins 
ftanz nad Rom gezogen werden dürfe; verſäume die Regierung 
ihre Pflicht, ihn bei diefem Privileg zu handhaben, jo müſſe er 
ih) an die Landftände wenden. Dagegen beftritten die Verord— 
neten, daß diejes Privileg auf feinen Fall anwendbar ſei ). Be 
einer Zufammenfunft mit dem Stiftsfanzler Wilhelm Sted lief 
Weſterholt nachher zwar durhbliden, wenn man die Prozeſſe gegen 
ihn fallen lafje, werde man ihn wohl zu einer Verftändigung über 
Herzog Ernſts Wahl bereit finden, denn Erzbiſchof Heinrich habe 
fi) jüngft in Paderborn nicht jo, wie er gehofft hätte, erklärt, — 
aber man traute feinen Reden nicht mehr. 

Bald darauf begab ſich Wefterholt wieder aus der Stadt, 
diesmal zu feinen im Stift anſäſſigen Verwandten, um mit ihnen 
zu beraten, wie der Vollzug feiner Suſpenſion zu hintertreiben ſei. 
Der Statthalter, wiewohl jelbit fein geborener Münfteraner, hatte 
do unter der dortigen Ritterſchaft jehr angejehene Verwandte, 
weldhe unter Umftänden den Raesfeldiihen wohl gewachſen waren: 
der Herr zu Lembed, Bernhard von Weiterholt, war fein Vetter, 
mit den Familien Torf und Der war er verjchwägert. Sie be 
ihloffen, jest durhaus auf einem Landtag zu beftehen und dieſem 
die Sufpenfion vorzulegen. Man konnte darauf rechnen, daß die 
weltlichen Stände nicht gutmwillig gejchehen laffen würden, daß rö— 
miihe Willkür auf Koften der Privilegien und Freiheiten des 
Landes ausgedehnt werde. Behaupteten kundige Leute doch ſogar, 
die Mehrheit der Ritterihaft ſei im ftillen und auf ihren Häufern 
der Augsburger Konfeffion zugethan ?). Zudem ſtieß Weſterholt 


1) Eine Anzahl ältere Stiftsprivilegien und Bifchofseide, als letztes das 
Privileg des Biſchofs Wilhelm Ketteler vom 1555, bei Niefert VIL, 159. 
Das erweiterte, hochdeutſch abgefaßte Privileg bes Biſchofſs Johann von 
Hoya vom 6. April 1570 bei Lünig, T. R. A. Bd. 19. Spieil. eccles. 
Contin. I, 594. Art. 8 besfelben ermächtigt alle Unterthanen, Klagen gegen 
den regierenden Herrn im erfter Inftanz nah Willtür entweber beim Dom- 
fapitel oder beim Kammergeriht anzubringen. Ein ausdrüdliches Verbot ber 
Evokationen nah Rom enthalten diefe Privilegien allerdings nicht. 

2) In Wefterholts Afleveration vom 16. Dezember 1577 (f. o. ©. 59) 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 658 


eben damals, zu guter Stunde, auf ein altes, längjt vergeifenes 
päpftliches Privileg, welches feine rechtliche Stellung gewaltig be- 
feitigte. Dem Stiftsprivileg und dem Biſchofseid hatte die Re— 
gierung die Anwendbarkeit auf feinen Fall abgeftritten; durch das 
Trienter Konzil, mit deſſen Sess. XXIV. de Reform. c. 20 
Wefterholt feine Evolation nah Rom al3 ungeſetzlich erweiſen 
wollte, ließ fih der Papft die Hände nit binden; — aber ein 
Privileg des Papſtes felbft, welches mit allen erdenklichen Klauſeln 
gegen Übertretung Evofationen verbot, war eine trefflihe Waffe 
gegen ein anderes päpftliches Mandat, weldes ihn, Wejterholt, zu— 
nähft nur wegen feines Ungehorjams gegen eine Citation, als 
contumax aljo, fujpendierte. Ein ſolches Privileg de non evo- 
cando hatte Papſt Julius II. am 22. Scptember 1508 dem 
münfterihen Domkapitel verliehen. Damit fernerhin nicht, 
hieß es darin, Einwohner des Stiftes, unter dem Vorwand apo= 
ftolifher Breven, ihrem ordentlihen Richter entzogen mürden, 
folle von nun an in ewigen Zeiten fein Einwohner, der in Stadt 
und Stift Recht ftehen wolle, anders al3 durch Appellation oder 
im Falle verweigerten Rechtes außerhalb des Stiftes vor Gericht 
gezogen werden. So hatte aljo Wefterholt, deſſen Sache bereits 
zu Münfter und zu Speier anhängig war, einen Haren Redht3- 
titel, um feine in erfter Inftanz zu Rom erfolgte Sujpenfion zu= 
rüdzumeifen. Dafür aber, daß diejes Privileg de non evocando 
fein toter Buchſtabe blieb, jorgten die alten Landvereinigungen 
vom Fahre 1446 und vom VBincentiustag 1466, in melden die 
drei Stiftsftände einander feierlich gelobt hatten, feine Ber: 
fürzung ihrer Privilegien zuzugeben. Sollte aber, heißt e3 (dem 
Sinne nad) in Art. 6 der Vereinigung von 1466, irgendjemand 


wirb wiederholt angeführt, daß die vom Abel auf ihren Häufern, beögleichen 
ein Zeil der Stäbte feit langer Zeit Neligionsfreiheit bejefien hätten. Am 
9. Zuli 1579 ſchreibt Dr. Halver an Elfenheimer (RA. Münfter VIII, fol. 
199), e8 ſei Gefahr vorhanden, „ba8 man etwan, dem colnifchen betrug 
nad, durch die lantftende, fo laider merers teils luteriſch, dem capittel etwas 
dem vorigen zumieber aufbringen mochte“. Vgl. aud o. ©. 225f. 


654 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


gegen dieſe Privilegien verfürzt werden, und bei dem Domtapitel 
oder dem Ausihuß der Stände feine Hilfe finden, fo follen Ka: 
pitel und Stadt das ganze Land beichreiben, damit durch dieſes 
der regierende Herr zur Aufrehthaltung der Privilegien angehalten 
werde ?). 

Als Wefterholt wieder in die Stadt fam, forderte er bon der 
Regierung neuerdings, jegt aber auf Grund des Privilegs von 
1508, fie jolle feine Suſpenſion einftellen und die Stände berufen; 
und da man mit allerlei Einwänden gegen die Gültigkeit des Pri— 
bilegs antwortete, erſchienen am 15. Juni, von Wefterholts Ber: 
wandten eingeladen, 40 bi8 50 Herren von der Nitterfchaft in 
der Stadt, um von Kapitel und Regierung die Berufung der all: 
gemeinen Landftände zu erzwingen. Gleichzeitig ſchickte Erzbiſchof 
Heinrich ſechs Räte aus jeinen verjchiedenen Stiftern, darunter 
auch Schrader, nah Münfter und ließ vor Senioren und Ju— 
nioren ?) fowie vor der Negierung erklären: da der Statthalter 
jeinetwegen in folde Bedrängnis gelommen fei, könne er nicht 
umbin, desfelben fih anzunehmen. Den Senioren, namentlich dem 
Dedanten, wurde vorgeworfen, daß fie aus bloßem Neid und 
Privataffeltion, den Stift3privilegien zumider, den Statthalter in 
Schimpf und Schaden hätten führen wollen, den Erzbiſchof aber 
im ganzen Reiche ‚ausgetragen‘ hätten. Zwar beriefen ſich die 
Senioren wieder auf ihr dem bayriihen Herzog gegebenes Wort 
und die Pfliht des Gehorfams gegen die höchſte geiftliche Obrig— 
feit, beitritten ferner, daß das obendrein nicht authentiſche Privt: 
leg auf den Statthalter paffe?); da aber nicht nur die Ju— 


1) Die beiden Privilegien von 1446 unb 1466 bei Kimblinger, 
Münfterfche Beiträge I, Urkunden Nr. 33 u. 41, ©. 122 u. 148. 

2) Bei Senioren und Junioren abgefondert, weil bie erfteren eine Aubienz 
vor verſammeltem Kapitel abgelehnt hatten. 

3) Die Regierung bemerkte u. a.: „Und bieweil man zuvor basielbig 
[Privilegium Julii secundi] niehe nennen und allegiren boren, viel weniger 
besfelben einhalt gewift, dernachher Hat man geſchickt und gefpurt, im einem 
alten rapfodio oder formular ein bloffe copei . . . befunden.“ Regierung 


Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albredht von Bayern. 655 


nioren, jondern au die Stadt Münfter den Landtag fofort be— 
willigten und die Regierung eingefhüchtert war durch die Drohung 
der Freunde und Verwandten MWefterholts, die Ritterfchaft werde 
einer unvolllommenen, ihr eigenes Haupt von fi weiſenden Re— 
gierung vielleicht nicht mehr gehorchen wollen, jo mußten aud) die 
Senioren ſchließlich nachgeben und zufrieden fein, daß der Zu— 
jammentritt des Landtags mwenigftens bis zum 20. Juli verſchoben 
wurde; — denn bis dahin hofften fie vom Papſfte die wirkliche 
Privation des bis jegt nur jujpendierten Statthalters zu erlangen, 
ferner vom Saifer einen ernftlihen Befehl an die Landftände, daß 
diefe den Vollzug der Sufpenfion nit hindern ſollten. Auch er— 
warteten fie, dab Fülih und Bayern Gejandte zum Landtag 
idhiden würden. Aber vom faiferlihen Hof, an welchen fofort ein 
jülihicher Kurier ging, erlangte man nidts, als ganz allgemeine 
brieflihe Ermahnungen an Kapitel und Landſtände: fie jollten 
Einigkeit und Ruhe erhalten, Praftifen verhüten und fi den 
Statuten und. dem Herlommen gemäß benehinen. Vom Herzog. 
von Bayern konnten wegen Kürze der Zeit feine Gejandte kom— 
men; ein energiihes Schreiben desjelben forderte aber die Land» 
ftände auf, den „unruhigen und mißgünftigen Mann‘, der ver= 
hindern wolle, daß man ihm und feinem Sohne Wort halte, zur 
Gebühr zu mweifen. Die Senioren und namentlih den Dechant 
Raesfeld ermahnte Herzog Albrecht, ftandhaft zu fein, und ver: 
ſprach, fie niht im Stiche zu laſſen. Seinen Schwager Herzog 
. Wilhelm bat er zu geitatten, daß der Poftulierte, nötigenfalls aud) 
ohne vorherige Erlaubnis von Rom, für einige Zeit die Regierung 
von Münfter übernehme. Übrigens drängte er die Kurie neuerdings 
aufs entichiedenfte, diefe Erlaubnis endlid zu erteilen, al3 einziges 
Mittel, den Übermut der Häretifer in Münfter zu breden und 
jene Kirche vom Untergang zu retten. — Zwar hatte der Papft 
bereit3 im Monat März, bald nad) dem Sufpenfionsmandat gegen 
MWoefterholt, an den Domdehanten zwei Breven zur Auswahl ge: 


und Senioren wandten weiter ein, Wefterholt fei kein bloßer Unterthan, 
fondern Stellvertreter eines regierenden Herrn. 


656 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


ihidt, von denen eine3 dem Domkapitel befahl, baldigft einen 
neuen Scholafter und Statthalter zu wählen, da3 andere den 
Dedanten jelbft als folhen ernannte; Goddert von Raesfeld hatte 
aber vorgezogen, bon beiden fein Wort verlauten zu lafien, da 
beide einer feindlihen SKapitelamajorität gegenüber doc nicht 
ausgeführt werden konnten. Der Herzog von Jülich ſchickte 
zum Landtag vier Gejandte: Heinrich von der Rede, den Herrn 
von Rheidt, feinen Amtmann zu Hamm, Dietrih Knipping, 
und al3 Redner den Dr. Walter Fabricius von Köln. Ihre In— 
ftruftion entwarf von der Rede, verftändigte ſich auch im geheimen 
mit Domdehant und Syndilus über ein übereinftimmendes Vor— 
gehen auf dem Landtag. 

Aber auch die Gegner gingen dem Landtag nicht müßig ent= 
gegen. Wefterholts Verwandte forderten Anfangs Juli in einem 
Rundſchreiben die münfteriche Ritterſchaft auf, in ihren verſchie— 
denen Duartieren Vorberatungen zu halten, beionders über die 
Frage, ob Weſterholts Sufpenfion mit den Stiftsprivilegien und 
der Landvereinigung zu vereinbaren jet). Daß ſolche Vorbe— 
iprehungen wirklich ftattgefunden, läßt fi) aus der nachmaligen 
übereinftimmenden Haltung der Ritterihaft ſchließen. Wichtiger 
nod war, mas geihah, um Hilfe von auswärts zu befommen. 
Erzbiihof Heinrih war ſchon im eigenen Intereſſe erbötig, aud 
zum Landtag wieder Geſandte zu ſchicken; acht oder neun Näte 
famen für ihn, darunter jehr angefehene Leute, wie fein Pader— 
borner Statthalter, der zugleih das weſtfäliſche Kreisoberftenamt 





1) Schreiben von fünf Verwandten Wefterholts, feinen Brüdern Hermann 
und Bernhard, feinem Better Bernhard, Herr zu Lembed, und feinen 
Schwägern Rotger Tord und Lambert von Der vom 8. Juli 1579 bei 
Niefert VII, 235 ff., Nr. 37; Niefert läßt dieſes Schreiben irrtümlich „an 
die Berwaltungs-Kommiffion des Stiftes M.“ gerichtet fein, anftatt, wie aus 
bem Inhalt hervorgeht, an bie Ritterfhaft. (Nr. 36 gehört ind Jahr 1580.) 
Die münſterſche Nitterfchaft war (nah Büſching, Erbbejchreibung, 6. Teil, 
7. Aufl. 1790, ©. 11ff.) in vier Quartiere eingeteilt: das Wollbedifche 
oder Dreinſche, das Wernifche ober Steverfche, das Braemſche und bas 
Embslanbijche. 


Köln-Münfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 657 


verwaltete, Johann Edelherr zu Büren. Heinrich war e3 auch ohne 
Zweifel, der vermittelte, daß König Friedrich II. von Dänemark in 
Briefen an Domkapitel, Regierung und Stände, vom 27. Juni, 
jeine Zufriedenheit darüber ausſprach, daß die Mehrheit des Ka— 
pitel3 feinen Blutsverwandten !) und Freund Erzbifchof Heinrich 
zum Biſchof auserjehen habe, ſowie feine Unzufriedenheit, daß 
dieſe Abjicht, infolge von Praktifen etliher Kapitularen, bisher ihr 
Ziel nicht erreiht Habe, ja dab man fogar damit umgehe, den 
Herrn Konrad von Wefterholt wegen feiner Zuneigung zu dem 
Erzbiihof feines Standes zu entjegen. Er erinnerte daran, daß 
viele münfteriche Unterthanen in feinen Landen Nahrung und 
Hantierung fänden; wolle man, daß diefe und fie alle aud) ferner 
feine Gnade genöffen, jo möge man dafür die Sache feines lieben 
Vetters ſich angelegen fein laffen. — Die Freunde Bayerns in 
Münfter Hegten die lebhafte Bejorgnis, daß ſich durch dieſe Briefe 
nicht nur der gemeine Mann, jondern aud) die vornehmen Bürger, 
al3 „die Kaufleute und Ochſentreiber“, noch mehr ala bisher 
gegen Herzog Ernſts Wahl würden aufreizen lafjen. 

Ferner miſchten ſich die benachbarten niederländischen Provinzen 
ein, und auch hier fühlen wir die Hand des Bremer Erzbiſchofs 
neben der des Grafen Johann von Naffau. — Bon Anfang an 
hatte Graf Johann die -münfterihe Wahlfahe aufmerkfam verfolgt 
und fi) bemüht, bier nicht minder wie im Erzftift Köln zum 
beiten der Freiftellung und des Grafenftandes die bayriihe Nach— 
folge zu hintertreiben. Jetzt war er als Statthalter von Geldern 
obendrein eine Art Nachbar des Stiftes geworden. Als er ſich 
im Winter 1578/79 damit beichäftigte, Die nordniederländiichen 
Provinzen zu einer gegen die ſpaniſche Herrichaft gerichteten 
näheren Union zufammenzubringen, verlor er darüber und über 
den Sorgen des Tages jeinen alten Plan einer allgemeinen 


1) König Friedrichs Mutter Dorothea und Erzbifchof Heinrichs Bater, 
Herzog Franz von Lauenburg, waren Gefchwifter, beide Herren alfo rechte 
Vettern. 

Lofſen, Köln. Krieg I. 42 


658 Siebented Buch. Drittes Kapitel. 


deutihen Grafenkorreſpondenz niht aus den Augen: er verfolgte 
die Idee, feine neue niederländiihe Union folle fih mit den 
deutſchen Grafen verbünden, wobei er ſich als Mittelglieder des 
Bundes den neuen Kurfürften von Köln, den Bremer Erzbiſchof, 
den Straßburger Biſchof u. a. dachte. In den Utrechter Ber: 
tragsartifeln wird der deutiche Charakter der Union und die Zus 
gehörigfeit ihrer meisten Glieder zum Reihe ftark betont; nad) 
dem Mufter der Freiftellung, welche die MWetterauer Grafen für 
die deutſchen Hocdhftifter planten, find in der Union die Artikel 
über den Religionsfrieden abgefaßt. Johanns alte Verbindung 
mit Erzbiſchof Heinrich beftand fort; find wir auch nicht im— 
ftande, die einzelnen Fäden bloßzulegen, No jehen wir dod jo 
viel, daß auch jegt wieder die früheren Unterhändler, Rutger von 
der Horft und Winand von Breyl, eine Vermittlerrolle fpielen. 
Zu Anfang des Jahres 1579 war eine Zufammenfunft zwiſchen 
Graf Johann und Erzbiihof Heinrich längere Zeit im Plane. 
Siherlih war Johann über das, was in Münfter vorging, wohl 
unterrichtet. Als nun der münfteriche Landtag herannahte, bes 
ichloffen die zu Utrecht tagenden Deputierten der Union, ohne 
Zweifel auf Graf Johanns Betreiben, die münfterfhen Stände 
durch eine eigene Gejandtichaft zu ermahnen, daß fie zum Behuf 
guter Nahbarihaft einen angejchenen Nachbarherrn poftulieren 
möchten. Gemeint war zunächſt wohl Erzbiihof Heinrich, jeden 
fall3 aber der Ausschluß des Haufes Bayern beabfihtigt. Bier 
Abgeordnete, lauter Freunde oder Gefinnungsgenoffen des Grafen 
Johann, wurden am 19. Juli nah Münfter abgejhidt; ihre Bes 
glaubigung ftellte, mit dem Statthalter von Groningen, Friesland 
und Overijſſel, Georg von Lalaing, Graf zu Nenneberg, und mit 
dem Sekretär der Unierten, der Graf Johann jelbft aus ?). 


1) Die vier Gefandbten waren: Adrian van Zuylen, Dedant zu ©. I0- 
bann Binnen Utrecht, Seyno von Dorth, Lanbbroft der Grafichaft Berge, 
Dr. Gerhard Voeth und Dr. Reiner van den Sande, gelbrifche Räte. In 
ber mir zugänglichen Litteratur über die Utrechter Union finde ich die Ge— 
ſandtſchaft nah Münfter nur bei Scheltema, Staatkundig Nederland, 


Köln-Miünfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 659 


AS vierter Bundesgenoſſe Wefterholts trat endlich Kurfürft 
Gebhard auf, indem aud er vier Gejandte, Rutger von der 
Horft, Dietrich Ketteler zu Hoveftatt, Adrian von Enfe und 
Dr. Servatius Eid, nad Münfter ſchickte und, als Metropolit und 
Nahbar, feine DVermittelung anbot, um Frieden und Eintracht 
unter den Kapitularen zu befördern. Natürlich) war e3 auch ihm 
zunächſt darum zu thun, feinen Kölner Gegner vom Stift — 
fernzuhalten. 

Am Morgen des 20. Juli eröffnete die münſterſche Regierung 
den Landtag mit der Aufforderung an die Stände, die ſtreitigen 
Parteien im Domlapitel womöglich zu vergleichen. Die Stimmung. 
unter den weltlihen Ständen, namentlih unter der Ritterſchaft 
mar bon vornherein günftig für Wefterholt, feindlih aber gegen 
die Senioren und bejonders gegen das Haus Bayern. Wohl 
nicht mit Unrecht hatten die Senioren und die jülichichen Geſandten 
Erzbiſchof Heinrihs Rat Schrader in Verdacht, daß er auch jetzt 
wieder die Abneigung und das Mißtrauen gegen das Haus Bayern 
befonder3 jhüre. Der Herr von Rheidt fand auf dem Landtag 
„die Gemüter durch böſe Leute dermaßen vergiftet, daß fich ihrer 
viel vernehmen ließen: ehe fie Bayern zum Herrn nähmen, wollten 
fie fi die Häufer über den Köpfen abbrennen oder die Köpfe jelbft 
abſchlagen laſſen“. Die Senioren mußten zu ihrem Verdruß mit 
anjehen, wie Weiterholt3 Freunde und Verwandte das große Wort 
unter der Ritterſchaft führten und all’ ihre Ratichläge und Heim— 
lichkeiten mit den Junioren austauſchten. Die ftattlihen Gejandt= 
ſchaften von Erzbiihof Heinrih, von Kurfürft Gebhard, von den 
Unierten, die Briefe des dänischen Königs, welche öffentlich verlejen 
mwurden, hoben gewaltig den Mut der Wefterholtihen Partei. 
Zudem fprengte man aus, im Stift Bremen feien bereit3 Reiter 
und Knechte verfammelt, um die Senioren von ihrem Vorhaben 


1806, II. 2, 425 (und baraus bei van der Aa, Biogr. Woordenbock s. v. 
Voeth Gerhard) furz erwähnt; ferner bei Groen van Prinsterer 


VII, 101. 
42* 


660 Siebentes Buch. Drittes Kapitel. 


abzujhreden. Vor verjammelten Ständen erklärten ſich jet 
Heinrichs Gefandte nicht minder ſcharf tadelnd gegen den Dedant 
und Genofjen und ſchutzverheißend für Mefterholt, als jüngft vor 
' Regierung und Kapitel. Die Ausrede der Senioren, daß fie atı 
Weſterholts Sufpenfion unſchuldig jeien, aber nicht Löfen könnten, 
was fie nicht gebunden, liegen fie nicht gelten und machten auch 
den Ständen Vorwürfe, dab diefe es dabei bewenden lafjen woll— 
ten; die Regierung wurde von Heinrichs Gefandten hart -angelaffen, 
weil fie die Hand geboten habe, um die in Widerſpruch mit den 
Stiftsprivilegien, dur bloße Denunciation der Senioren, er= 
ſchlichene Sufpenfion des Statthalters zu vollziehen. Die jülid- 
ihen Räte nahmen zwar mit großer Entſchiedenheit Partei für vie 
Senioren, aber der Gegner waren zu viele; des Kaiſers matte 
Briefe nugten faum etwas, den bayriihen Schreiben fehlte das 
Gewicht perjönlier Vertretung. Zudem erichütterte Wefterholt 
die Bedeutung deſſen, was man vonſeiten Jülichs und Bayerns 
über die einmütige Kapitulation mit Herzog Ernft vorbrachte, dadurch, 
daß er jet zuerft offen erzählte, wie er vormals durch den vorigen 
Kurfürften von Köln erfahren babe, daß das Haus Bayern Köln 
erlangen jollte, dafür aber auf das Stift Münfter verzichtet habe. 
Endlich litt die Sache Bayerns auch in den Augen der römiſch 
Geſinnten dadurch, daß Kurfürſt Gebhard Gefandte Briefe aus 
Rom umbergaben, wonad inbezug auf die Kölner Wahl bereits 
ein Urteil gegen Herzog Ernſt ergangen ſei. Die münfterjchen 
Stände zeigten große Luft, die Vermittelung des neuen Kölner Kur— 
fürften anzunehmen, und gaben nur. ungern den Gegenvorftellungen 
der Senioren nah. Die Anficht, daß man den Herzog von Jülich 
neuerdings erjuchen jolle, feinen Sohn refignieren zu lafjen und 
einige geeignete Kandidaten zur Auswahl zu benennen, drang gleich 
zu Anfang des Landtags dur !), nur beſchloß man damit zu 


1) Bereit8 am 21. Zult erfuchen bie Grafen zur Lippe und von Walbed 
brieflich die jülichſchen Geſandten in Miünfter, bei einer neuen Poſtulation 
ihren Better und Bruder Graf Bernhard zu empfehlen. Die Gefanbten 


Kölm-Miünfter bis zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 661 


warten, bis Wejterholts Sujpenjion aufgehoben je. — Das End: 
ergebnis. des Landtags war die dringende Bitte dev Landftände 
an den Papſt: Seine Heilt möge, auf Grund der beigefügten 
Motive Weiterholts, defjen Sache neuerdings unterfuden und ihn 
daraufhin entweder ganz freiiprechen oder, falls er je aus Ver— 
jehen gefehlt, dies gütig verzeihen und die Suſpenſion aufheben, 
damit man endlich wieder zur erjehnten Eintracht im Stifte ges 
lange. Der Kaiſer wurde um feine gewichtige Fürjchrift an den 
Bapft gebeten. Sobald Antwort von Rom und Prag erfolgt, 
jolle wieder ein Landtag ftattfinden, aber nicht eher neu poftuliert 
werden, bis Mefterholt wirklich reftituiert jei. Dem heftigen Drängen 
der Stände nachgebend, mußten auch die Verorbneten zur Res 
gierung, im Widerſpruch mit ihrem bisherigen Verhalten, die Briefe 
an Papft und Kaiſer gemeinsam mit den Ständen ausfertigen. 
Sogar von den Senioren verlangte man das und ftand erft nad) 
langem Hin= und Herreden davon ab; doch mußten fie veriprechen, 
der Aufhebung der Sufpenfion wenigftens fein Hindernis bei Bapft 
und Kaifer in den Weg zu legen. 

Die Senioren, jo ftandhaft fie auch bis zum legten Augen- 
blid aushielten, waren doch durch den Ausgang des Landtags 
neuerdings tief entmutigt. Der Dechant wollte, wenn nicht binnen 
drei Monaten Hilfe geihafft werde, fein Amt niederlegen, jein 
Vetter, der Dompropft, nicht länger bei der Regierung bleiben; 
auch der Syndilus ſprach von feinem baldigen Rücktritt. Über— 
einftimmend mit Herzog Wilhelms Räten fanden es jekt die 
Senioren unbedingt nötig, daß Herzog Johann Wilhelm, mit 
oder auch ohne vorherige Erlaubnis von Rom, für einige 
Jahre wenigſtens die Aominiftration übernehme. Von Rom 
jollte von neuem baldige wirkliche Privation Wefterholt3 und 
Dispens für die Adminiftration des minderjährigen Boftulierten 
gefordert werden, vom Saifer aber ein ernftliher Befehl an Re— 


entfchuldigen fih am 23ften damit, daß fie von ihrem Herzog feinen Befehl 
deshalb hätten. 


662 Siebente® Bud. Drittes Kapitel. 


gierung und Stände, dem Vollzug der päpftlihen Mandate gegen 
Wefterholt fein Hindernis in den Weg zu legen. Offentlich 
durften die Senioren allerdings, wegen ihres den Landftänden ges 
gebenen Verſprechens, dieſe Wünſche nicht kundgeben, aber ihre 
Freunde am clevifchen Hof und in Köln forgten dafür, daß man 
am geeigneten Drt über ihre Meinung nit im Zweifel blieb. 
Übrigens erklärten ſich auch einige von den Verordneten zur Re— 
gierung und fogar etliche vornehme Stadträte gegen Red und den 
Herrn von Rheidt im Vertrauen bereits einverftanden damit, daß 
Herzog Johann Wilhelm regierender Herr merde. 

Als Herzog Albreht von Bayern Kunde erhielt vom üblen 
Derlauf des Landtags, geriet er in hellen Zorn, namentlich gegen 
die beiden Hauptanftifter alles Böen, MWefterholt und Schrader. 
Schon mehr als einmal hatte Albreht den Wunſch geäußert, man 
möge den Statthalter, den untreuen Mann, auf clevifhem Gebiet 
aufgreifen; jetzt Schloß er einen eigenhändigen Brief an feinen 
Schwager Herzog Wilhelm mit den Worten: „Sonſt hielt id) 
dafür, wenn E. L. den Welterholt und den Lorenz Schrader bre= 
miſchen Rat in der Still aufheben funnt und ein Baum mit 
ihnen zieret, e3 wär wohl gethan und viel fünftiges Übel dadurd) 
fürfommen. Dann, wie das Sprihmwort jagt, an eim Wolf bricht 
man fein Wildbann.“) — Weil gewiß nichts anderes als die 
Religion, die Abſicht nämlich, dem Gehorjam des päpftlichen Stuhles 
ſich zu entziehen und die Freiftellung einzuführen, Ritterihaft und 
Städte bewege, fi des Wefterholt jo hoch gegen ihn und feinen 
Schwager anzunehmen, — bat Herzog Albreht den Dom: 
dechanten aufs dringendfte, fein Dekanat nicht niederzulegen, ſon— 
dern zum Troſt der fatholiihen Religion, um die e3 ſich hier 


1) Aſche von Holle, ein nieberfächfifcher Aittmeifter in Beftallung bes 
Landsberger Bundes, erbietet fi im Jahre 1579 in Briefen an Marlrain 
und Effenheimer wiederholt, wenn er dem Herzog einen Dienft bamit leiſte 
und Befehl erhalte, wolle er bafür forgen: „das bem umgetreuen man 
Wefterboft . . . eim ftrit uber ben wegk gezogen und i. f. ©. feiner wol 
mechtig werben folte”. StA. 95/4, fol. 140 u. 146. 


Köin-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 668 


mehr al3 um die Poftulation handle, bis zum erwünſchten Ende 
auszubarren. Er verſprach zugleih von neuem dem Dechanten 
und den anderen Senioren jeinen Schuß und feine Erkenntlichkeit. 
An den faiferlihen Hof ſchickte Albrecht, damit man fid) dort nicht 
wieder mit einem jo matten Schreiben wie jüngft begnüge, eigene 
GSejandte, Dandorf und Dr. Nadler, und ließ durch fie Beſchwerde 
führen über die Vorgänge auf dem Landtag, insbejondere über die 
Einmiſchung der Fremden; der Kaiſer möge zu feiner Milverung 
der Suſpenſion Weiterholt3 jeine Hand bieten, ſondern vielmehr 
Regierung und Stände zum Gehorſam gegen ihre geiftliche Obrig— 
feit ernftlih auffordern; denn offenbar habe man es in Münfter 
mit einem neuen Verſuch zu thun, die Freiftellung einzuführen. 
Seinem alten Vertrauten, dem jegigen Bizefanzler, Dr. Sigmund 
Vieheufer, ließ er noch bejonders vorftellen: er und fein Schwager 
feien jo tief in diefen Handel geraten, daß fie ohne ihre hödhfte 
Verkleinerung, Schimpf und Spott nit mehr zurüd könnten und 
feien darum endlich- entſchloſſen, das Außerfte dabei zu thun. Um 
die Sadhe zum guten Ende, nämlih zu Herzog Ernſts Poſtu— 
lation zu bringen, möge der Kaiſer anjehnlide Kommifjare, etwa die 
Kurfürften von Mainz und Zrier nebjt einem oder dem andern 
faiferlihen Rat nad) Münfter verordnen, damit durch jie ein Ver— 
gleih zwiichen dem Bremer Erzbiihof und den Herzögen von 
Bayern und Jülich zuftande gebradt werde. — Denn die Hoff: 
nung, mit Erzbiſchof Heinrich ſich gütlid) zu verftändigen, gab man 
weder am Münchener noch am clevischen Hofe ganz auf. Nament- 
lid) der Herr von Rheidt wies immer wieder auf diefen Weg Hin. 
Hatte doch Heinrich ſelbſt längft erklärt, er jei bereit, zugunften 
eines dritten zurüdzutreten; auch auf dem legten Landtag mar 
dies allgemein al3 feine wahre Meinung bezeichnet worden; e3 
fragte ſich alfo, ob der Erzbiſchof nit etwa von feiner Bedingung, 
dag auch Herzog Ernſt zurüdtreten müſſe, abzubringen fei; die 
Junioren zu gewinnen hielt man in diefem Falle für nicht ſchwie— 
tig. Bereits auf dem Landtag ſuchte der Herr bon Rheidt mit 
einigen von Heinrichs Räten, namentlid) mit dem Statthalter und 


664 Siebente® Bud. Dritte Kapitel. 


dem Kanzler von Paderborn, Johann von Büren und Dr. Laurenz 
Sibel, deshalb anzufnüpfen und jegte die Korreipondenz mit ihnen 
nachher brieflih fort. Dieſe gaben wohl einige Hoffnung, meinten 
aber, wenn man auf gütlihem Wege etwas erreichen wollte, hätte 
man nit jo leidenihaftlih und unbeſcheiden, wie jüngft nod die 
Senioren, gegen Erzbiihof Heinrich auftreten jollen ). — Die 
cleviichen Rüte, namentlih von der Rede und Dr. Weze, urteilten 
freilich) anders: fo lange, meinten jie, Wefterholt noch auf Mil- 
derung. jeiner Sufpenfion hoffen dürfe, werde man weder bei ihm 
und feinem Anhang, noch beim Bremer Erzbiihof mit Güte etwas 
ausrichten. Reck wies darauf bin, daß er jelbjt während des 
Landtags bei Weiterholts Vetter und Schwager, dem Herrn von 
Lembeck und dem Herrn Rotger Zord, vergeblid wegen einer Ver— 
ftändigung angeflopft habe. Recks Anficht eignete jih auch Her— 
zog Wilhelm an, lehnte darum Herzog Albrehts Anerbieten, feinen 
Rat Halver zu Verhandlungen mit Erzbiſchof Heinrich abzujenden, 
al3 verfrüht ab und beftand darauf, daß vor allem zu Rom und 
zu Prag mit Weiterholts Privation Ernft gemaht werden müſſe. 


—0 


In diefer Zeit der Entmutigung, am Abend jeines Lebens, 
al3 Herzog Albrecht all fein Hoffen und Mühen, durch den Befit 
meitentlegener Hochftifter feines Hauſes Macht zu erhöhen, jcheitern 
ſah, fiel ihm faſt mühelos ein Nachbarftift, Regensburg, zu und 
auf ein zweites, das Salzburger, eröffneten ſich gute Ausſichten. 

Hans Jakob von Khuen=Belafy, der feit Ende des Jahres 
1560 auf dem Salzburger Stuhle ſaß, war am 24. Februar 
1579 vom Schlag gerührt worden. Zwar erholte er fi bald 
wieder, jedoch ftanden weitere Anfälle und demnach das baldige 


1) Seyno von Dorth will bereit8 am 28. Auguft 1579 wijjen, Cleve 
und Bayern hätten Gefandte an ben Bremer Erzbifchof geſchickt, um fich mit 
ihm zu vergleihen. Groen van Prinsterer VII, 72. Jedoch finde ich 
biefe Angabe fonft nicht beftätigt. 


Köin-Münfter big zum Tode des Herzogs Albrecht von Bayern. 665 


Freimerden des Stiftes zu erwarten. Bereits im März 1579 
wandte fih deshalb Herzog Albreht an den Paffauer Bischof, 
Urban von Trenbach, einen geborenen Bayer, der auch zu Salz: 
burg Domherr war, um duch ihn insgeheim zu erfahren, ob viel- 
leicht Herzog Ernſt Ausfiht auf die Nachfolge habe. Albrecht 
fürchtete beſonders Gegenpraftifen des Hauſes Oſterreich; ſprach 
man doch ſchon ſeit Jahren davon, daß ſich Erzherzog Ferdinand 
für ſeinen Sohn Andreas auf Salzburg Hoffnung made). Der 
Biihof von Paſſau fcheint geraten zu haben, Herzog Ernſt jolle 
ſich zunächſt einen Kapitelplag verichaffen. Im Laufe des Som 
mer3 wurde weiter mit dem Salzburger Domherrn Joahim Berner 
und duch ihn wit dem Domdehanten Wilhelm von Zrautinanns- 
dorf verhandelt, welche dem Herzog ebenfalls empfahlen, feinen 
Sohn vor allem ins Kapitel zu bringen. Kanonikus war Herzog, 
Ernit, wie wir willen, jchon feit dem Jahre 1565, hatte auch— 
im Jahre 1568 feine erfte Nefidenz gehalten; das nad) den Salz. 
burger Statuten für. einen Domfapitular erforderlihe Alter von 
vollen 24 Jahren bejaß er jet ebenfalls. So begab er fi) denn 
auf Wunſch und Befehl feines Waters, begleitet von dem Propft 
der Münchener Frauenkirche, Dr. Georg Lauther und feinem Frei— 
finger Hofmeifter, Hans Sigmund von Seiboltstorf im. September 
1579 zur Reſidenz nah Salzburg, wo er, am Vorabend des, 
©. Rupertifeftes im Herbft (23. September), in gewohnter Form 
in das Kapitel aufgenommen wurde. Damit war der Meg ges 
bahnt; vorläufig wollte man, um Gerede zu verhüten, feine weis 
teren Schritte thun; Ernſt fehrte alfo, nad einem Aufenthalt 
von wenigen Wochen, nad) Freiling zurüd. 

Inzwiſchen war Stift Regensburg dem: bayriihen Haufe bes 


1) 1. Dezember 1576 ſchreibt Languer aus Linz an Dr. Erato (Gillet, 
Crato von Crafjtheim II, 534): Pont. Rom. misit galerum cardinalitium 
filio majori natu, Ferdinandi archiducis, Jam paratus. est valens aemu- 
lus episcopo Frisingensi in petitione archiepiscopatus Salzburgensis, 
quandocumque diem suum obierit is qui jam est archiepiscopus. 


666 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


reit3 zugefallen. — Wir erinnern uns, wie Herzog Albrecht im 
Herbft 1575 ſich erboten hatte, Erzherzog Ferdinands Sohn An- 
dreas zur Grlangung von Regensburg behilflich zu fein. Zur Zeit 
des Regensburger Wahltags that denn auch Albrecht, gemeinfam mit 
dem Erzbiihof von Salzburg, wirklich einige Schritte, um Biſchof 
und Kapitel zu bewegen, den Herrn Andreas von Dfterreih als 
Koadjutor anzunehmen. Da ſich aber das Kapitel jchroff ab- 
lehnend verhielt, lie der Erzherzog jelbit den Plan bald fallen, 
ficherli zu Herzog Albrechts Vergnügen, der fo mit guter Manier 
von feinem Verſprechen loskam. Daß Albrecht in den nächſten 
Jahren ſich für ſein eigenes Haus um die Koadjutorie oder Suc— 
ceſſion in Regensburg bemüht hätte, findet ſich nicht, obwohl es 
ihm als Nachbarn an Gelegenheit zu Verhandlungen mit Biſchof 
und Kapitel nicht fehlte). Erſt als Biſchof David Kölderer am 
22. Juni 1579 geftorben war, ſcheint einer von Albrechts Räten, 
Adam Vetter von der Gilgen, der zugleich Domherr zu Regens— 
burg war, — bielleiht im Einverftändnis mit dem Dompropft 
Viktor Auguft Fugger — den Vorſchlag gemacht zu haben, man 
jolle juchen, das Stift an das Haus Bayern zu bringen. In 
Vetter Geſpräch mit dem alten Herzog mar zuerft bon Herzog 
Ernft die Rede, jodann von Herzog Wilhelms Söhnen, von wel- 
hen der ältefte erſt ſechs, der jüngfte noch nicht zwei Jahre alt 
war. Für Ernfts Poftulation gab Wetter wenig Hoffnung und 
Herzog Albrecht jelbft mochte fürchten, durd eine Wahl desjelben 
in Regensburg die Ausfichten auf Salzburg zu trüben. So ging 
aljo Vetter mit dem Plan, einen von Herzog Wilhelms Söhnen 
ins Stift zu bringen, nad Regensburg, um mit dem zur Zeit 
14 Perſonen, meift bayriſche Adelige, zählenden Domkapitel ?) zu 


1) Verhandlungen zwifchen Bayern und dem Stift fanden namentlich 
ftatt, über die Translation der Kollegiatlicche von Pfaffenmünfter nah Strau- 
bing welche bereit Biſchof David zu Herzog Albrechts Lebzeiten bewilligte; 
bemnad ift Hund-Gewold, Metrop. Salisb. III, 102 zu berichigen. 

2) Die Namen ber 14 Domberren bei Theiner III, 13; ftatt Valter 
ift Vetter zu leſen. 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 667 


beraten. Sein Vorſchlag gefiel. Das Stift hatte von alteräher 
vielfahe Streitigfeiten mit der Stadt, melde durch den religiöien 
Zwieſpalt jehr verihärft worden waren; denn die Bürger befannten 
fi größtenteils zum fchroffften Luthertum, Biſchof und Kapitel 
aber noch zu Rom. In dieſen Reibereien hatte das Stift feither 
regelmäßig den kürzeren gezogen; unter einem Biſchof aus dem 
mächtigen Haufe Bayern werde das, hoffte man, anders gehen. 
Auch in den Irrungen mit dem benachbarten Pfalzgrafen von 
Neuburg war der Shut, eines mächtigen Haufes erwünſcht. Her: 
zog Ernft zu poftulieren Hatte man nit Luft: das Stift war 
infolge der Verſchwendung feiner legten Biſchöfe ſtark in Schulden 
geraten und Herzog Ernſt vorausfihtlih nit der Mann, ihm. 
daraus zu helfen; wenn man dagegen eines von Herzog Wilhelms 
Kindern poftulierte, konnten während deſſen Minderjährigfeit die 
Finanzen des Stifts geordnet werden. So beihloß denn das 
Kapitel am 14. Juli mit Majorität, diesmal niht aus dem 
Shoe de3 Kapitel3 zu wählen, jondern zu poftulieren, und zwar 
Herzog Wilhelms mittleren Sohn, den am 22. September 1576 
geborenen, alſo noch nicht dreijährigen Herzog Philipp. Nachher 
ftimmte das ganze Kapitel bei. Gemäß der Kapitulation jollte 
bis zur Großjährigkeit des Poſtulierten ein von den Herzögen 
Aldreht und Wilhelm im Einvernehmen mit dem Kapitel er: 
nannter Statthalter das weltliche Regiment führen, dem Prinzen 
aber ein jährlihes Deputat von 3000 Gulden gereidht werden. 
Übrigens fiherten fi die Domherren dur allerlei Beftimmungen 
davor, daß der KRoftulierte ihren Rechten und Bequemlichkeiten 
nit allzu nahe trete. 

Herzog Albrecht jah die Annahme diefer Wahl als ganz felbit- 
verftändlih an, nicht jo Philipps Vater, Herzog Wilhelm, der ſich 
ihretwegen die ftärkjten Gewiſſensſtrupel machte, einmal weil man 
das Kind ohne Vorwiſſen und Gutheigen des Papftes poftuliert, 
fodann weil man demfelben durch die Kapitulation die Hände ges 
bunden habe, jo daß das in ſehr ſchlechtem Rufe ftehende Kapitel 
und Stift nit im Geifte des Zridentinum xeformiert werden 


668 Siebented Bud. Drittes Kapitel. 


könne. Es gab erft lange Erörterungen zwifchen Wilhelm, den Räten 
jeines Vaters und den Gefandten des Kapitel3, bis jener aus 
Furcht vor jeines Vaters Ungnade, wie er jelbft verfichert, endlich 
nahgab. Seine Gewiſſensbedenlen jchwanden aber erft, als er 
dur einen im Vertrauen an den Papſt gefandten Hofdiener 
deſſen Abjolution und Dispens erlangt hatte‘). Im folgenden 
Fahre hat dann Gregor XII. in aller Form die Poftulation des 
Kindes beftätigt, hauptſächlich in Anbetracht der großen Verdienſte 
feines Vaters um die fatholiihe Kirche. 

Sp war aljo das Haus Bayern am Ende der Regierung 
Herzog Albrechts von feiner in die Ferne jhweifenden Politik, zeit= 
weilig wenigitens, zu dem Beſtreben zurüdgefehrt, feine Macht in 
der Nähe zu erweitern. Am Hofe des Herzogs war man fid. 
diefer Umkehr wohl bewußt. In einem Gutachten für Herzog 
Wilhelm motiviert Erasmus end, der alle Wechfelfälle der bay— 
riihen Politik feit langen Jahren thätig mit durchlebt hatte, die 
Annahme der Regensburger Wahl, — abgejehen von dem reli— 
giöſen Grund, daß man nicht ohne Sünde die Gelegenheit ver— 
jäumen dürfe, jo viel taufend Seelen wieder zurecht zu bringen — 
namentlid mit dem üblen Erfolg der auswärtigen Bewerbungen ?). 


1) In dem oben angeführten Aftenband, AA. Regensburg Lit. E. E., 
finden fi zwar nur bie Konzepte zu Kredenz und Inftruttion für Herzog 
Wilhelms Gefandten an den Papft, den Mantuaner Hortenfio de Triachis, 
und feine beflimmte Nachricht, daß biefer wirklich in Rom war; ich fchließe 
bie8 aber einerfeit8 baraus, baß bald nachher, gemäß Wilhelms Bitte, 
P. Ninguarda mit der Ordnung der Angelegenheit betraut wird, ſodann aus 
Wilhelms Berfiherung (in dem oben angeführten Brief an feine Schwefter), 
Papft Gregor und fein Vater hätten haben wollen, daß fein Sohn das Stift 
annehme. 

2) „Man fiht umd greift augenfcheinlih, das es mit weitgefuechten 
practiden diſem hauß nit glüden wil, urfach die fände widerwertiger religion 
fürchten das groß aufnemen, hießen rigl wa fi fönden, damit Bairm ben 
fues nit weitter fee. Und welle Got, das nit etwa auch hindern unb 
drücken, bie e8 nachender verwantnus halben fonft nit thuen follen [d. i. 
das Haus Öfterreich], allein damit man nit auffome x. Dan bie feind 
ber welt grif und hats diß hauß mer als ein hundert jar ber greiflich em— 


Köln-Münfter bis zum Tode bes Herzogs Albrecht von Bayern. 669 


Und als um diefelbe Zeit die Ausfiht auf Erwerbung von Salz: 
burg fi aufthat, ſchrieb Send an Herzog Ernft u. a.: „Ich hoffe 
zu Gott, weil man ſich um die treulofen unehrbaren Leute unten 
[d. i. zu Münfter] zantet und reißet, es ſoll das Glüd ein andern 
Broden aufs Zeller bringen, daß man ihrer nimmer bedürfe !). 


Unterdes hatten ſich inbezug auf die münfterihe Sache einige 
Umftände günftiger für das Haus Bayern geftaltet. Am 18. Sep- 
tember erteilte der Kaiſer Herzog Albrechts Gejandten den Be- 
fcheid, er wolle Kommifjare nady Münfter verordnen, um beide 
Parteien womöglid zu vergleichen, damit alsdann die Poftulation 
eines wohl qualifizierten Biſchofs erfolgen könne. Zwar lautete 
diefer Beiheid, und ähnlich aud die vom jelben Tag datierte 
faiferlihe Kommiſſion ſehr allgemein, aber gewichtig fchien, 
dag als Kommiffare gerade die von Herzog Albrecht felbit ge— 
wünſchten Perjonen auserjehen waren: die Kurfürften von Mainz 
und Zrier und der Hofmarichall Ditheinrih von Schwarzenberg. 
Da nun obendrein einige faiferlihe Räte den Geſandten verſicher— 
ten, der Kaiſer merde gewiß nichts thun, um MWefterholt3 Sufpen- 
fion zu hintertreiben, jo war Herzog Albreht mit dem in Prag 


— — — — 


pfunden. So es dan in die weitte hinaus ſchwerlich zuegeen und ſich auch 
mit groſſen coften eben nichte wil gewinnen und heben laſſen, mueß letſtlich 
das geſicht eingezogen, der gedanken auf bie näche gericht und in glimpfliche 
guette mitl, wie eben biß eines ift, brauf fürgebacht werden, wie diß hauf 
macht unb vermügen beifamen bleiben.” MA. Regensburg T. I. Lit. R. 
fol. 106. 

1) Fend fährt in bemfelben Brief fort: O S. Ruperte [S. Rupert ift 
der Patron der Salzburger Kirche] respice ad fideles tuos Bavaros, qui tua 
jussa etiamnum tenent, redde tu quod alibi fraude ac perfidia est labe- 
factatum, idque vel debes etiam fundatorum regni tui posteris, ex quorum 
liberalitate tu prius es ditatus. Es feind warlich gewünſchte mitl vor ber 
band. Et fata forsan ipsa ingentem patriae consolationem [b. i. Her- 
309g Ernſt] ad remotas perfidas gentes distrahi non patientur. Bibl. 
Föringer. Nr. 3239. 


670 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


erlangten Bejcheid wohl zufrieden). Auch in Rom hatte man 
ih endlich entſchloſſen, dem Drängen der Häufer Jülich und 
Bayern in der münfterjhen Sade nadzugeben. — As Wefter- 
holts Appellation dort einlief, etwa Anfangs Juni, gab ſich Herzog 
Wilhelms Agent Hammerftein, von Dr. Fabricius unterftügt, jofort 
alle Mühe, um zu verhüten, daß diejelbe an der Kurie zuges 
laffen werde. Das gelang aud. Fabricius meinte, Papft und 
Kardinäle zeigten, gleihfam um das Haus Bayern für ihre in der 
kölniſchen Sache bewiejene Lauheit zu entihädigen, in der mün— 
fterihen guten Eifer. Dafür gab dann Fabricins zu verftehen, 
wenn jein Herzog feine Abfichten inbezug auf Münfter durch Roms 
Hilfe erreiche, werde er inbezug auf Köln Gregors Wünſchen viel 
eher entiprehen. Mitte Auguft erklärte der Papft, in Breven an 
den Saifer, an den Herzog von Jülich und an das münſterſche 
Kapitel, MWefterholts Appellation für frivol und verleumderiih und 
forderte Vollzug der päpftlichen Urteile. Zugleich) verbot er von 
neuem, Herzog Heinrich zu poftulieren, empfahl dagegen den Biſchof 
von Freifing. AS dann von Münden die Nachricht kam, 
Weiterholt werde von Tag zu Tag troßiger und hetze die Land— 
ftände auf, fo daß der Domdehant nicht wage, die ihm von Rom 
verliehene Regierung anzunehmen, als endlih auch noch Berichte 
über den ſchlimmen Verlauf des Landtags, und befonders über We- 
jterholt3 Verbindung mit dem lutheriihen Dänenfönig und mit den 
niederländiichen Rebellen, anlangten, da widerftand die Kurie nicht länger 
dem Drängen der Häufer Bayern und FZülih. Unterm 26. Auguft 
1579 verhängte der Generalauditor der apoftoliihen Kammer über 
Wefterholt die Privation von feinen Pfründen und Amtern und 
zugleich die Exlommunikation. Im Anſchluß hieran beftellte ein 
päpftliches Breve vom 20. September den Poſtulierten, Herzog 


1) Die Berichte von Dandorf und Nabler aus Prag babe ich bisher 
nicht aufgefunden; ich entnehme meine Angaben dem kurzen Bericht, welchen 
Herzog Albrecht über den Erfolg der Geſandtſchaft am 15. Oktober an ben 
Herzog von Jülich gelangen Tieh. 


Gebhard Truchfe vom Papfte beftätigt. 671 


Johann Wilhelm, unter Beiftand und Nat des Domdechanten 
und der anderen bisherigen Verordneten !), für die nächiten drei 
Jahre zum Verwalter der Zemporalien des Stiftes Münſter. 
Drei Tage danad) nahm ein bayriicher Kurier Mandat und Breve 
mit nah Münden, wo er am 9. Dftober eintraf. — Er fand 
den bayriihen Herzog auf feinem legten Krankenlager; Albrecht 
litt an einem alten, dur Häufige Diätfehler verichlimmerten 
Magen= und Nierenleidven; ſchon lange galt er, wiewohl erft 
52 Jahre alt, faft als ein alter Mann, deſſen Lebenskraft er- 
ihöpft war. Am 24. Dftober 1579, Abends 7 Uhr, ftarb der 


Herzog. 


Die nächte Folge von Herzog Albrehts Tod war, daß nun 
endlich der Kölner Wahlſtreit feinen Abſchluß fand. Albrecht hatte 
e3 von Anfang an al3 Ehrenjache feines Haufes erklärt, daß der 
Truchſeß nicht beftätigt werden dürfe, bevor der Papſt über feines 
eigenen Sohnes Recht förmlich abgeurteilt habe. Won Albrechts 
Nachfolger, Herzog Wilhelm V., der von Jugend auf fi) ängſt— 
ih bemüht hatte, fein ganzes Verhalten in Einklang mit den 
Vorſchriften des römischen Stuhles zu jeken, der eben noch in 
der Regensburger Angelegenheit dem Papſte die deutlichiten Be— 
weiſe jeiner Eindlihen Ergebenheit geliefert hatte, durfte Gregor 
erwarten, daß er fih nicht in der Kölner Sache feinen jo oft 
und jo offen ausgeſprochenen Wünfchen widerjegen werde 2). So 





1) cum assistentia et consilio.... . decani ac aliorum ad id pridem 
deputatorum. Unter biefen Deputierten find bie Verorbneten zur Regierung 
gemeint; der Ausbrud ift abfichtlih fo unbeftimmt, weil ber Papft anfangs 
Anftand nahm, daß darunter auch Laien waren, unb dies wenigftens nicht 
ausbrüdlich zugeben wollte. 

2) Sehr bezeihnend fiir Wilhelms Gefinnung gegen ben römifchen Stuhl 
ift fein Schreiben an den Papft vom 24. November 1579 bei Theiner 
11, 7. Darin 3. B. folgende Stelle: hoc de me certo persuasa [sit 
S. V.], quod nihil sum aggressurus, nihil recepturus in me aut admissurus 
etiam, quod vel probare non velit S. V. libentissime vel cum conscientia 


672 Siebentes Bud. Drittes Kapitel. 


erflärt e3 fi, da man in Rom faft mehr Freude über Wilhelms 
Nachfolge als Betrübnis über Albrechts Tod an den Zag legte ?). 

Die im Sommer 1579 durch Kurfürft Jakob von Trier und 
den Würzburger Biſchof eingeleiteten Verſuche, einen Vergleich 
zwiſchen Gebhard und dem Haufe Bayern zuftande zu bringen, 
waren über die erften vielleicht nicht recht ernftgemeinten An- 
fragen nicht binausgegangen. Gebhards Gegner aus dem Kapitel, 
zulegt Dr. Gropper, hatten ihren Frieden mit dem Erwählten 
längft gemadt. Graf Salentin von Iſenburg war im Mai dieſes 
Jahres perjönlic in Bayern geweſen, um zu hören, ob Herzog 
Albreht noch immer gejonnen fei, die Wahl des Truchſeſſen, 
nötigenfall3 auch mit Gewalt, zu beftreiten. Da er ſich überzeugte, 
dag man am bayriihen Hofe von folden Gedanken weit entfernt 
war, fing auch er an, ſich feinem Nachfolger im Kurfürftentum zu 
nähern; Heinrih von Bremen follte vermitteln. Noch ehe es 
hierzu fam, ftarb Herzog Albreht. — Salentin frug nun bei 
Herzog Wilhelm V. an, wie er fi gegen Gebhard verhalten 
jolle. Darauf erklärte fid) der neue Herzog ausdrüdlich einver- 
ftanden damit, daß Salentin feinen Vertrag mit jenem made. 
‚Und können Euch‘, jchreibt er am 22. Januar 1580, „dab Ihr 
hierin fürnehmlih Euer Gelegenheit bedenfet, gar nit berargen, 
der Zuverſicht, Ihr werdet, da diefe Irrung gleid) zwiſchen Euch 
und dem eingedrungenen Kurfürſten verglichen, nicht meniger in 


mea possit pugnare. Bgl. auch Ninguarbas Bericht über feine Verhand— 
lungen mit Herzog Wilhelm nach Albrechts Tod bei Theiner III, 653 
u. 657. 

1) Bgl. das Breve vom 21. November 1578 bei Theiner III, 8: 
quidquid damni accepimus interitu clarissimi principis, speramus tua 
praestanti virtute et pietate restitutum iri. Ahnlich in dem Konbolenz- 
ſchreiben Morones an Herzog Wilhelm (RA. Fürftenfahen XXX, fol. 67): 
Et me non parum etiam consolatur successio Celais V,, in qua paterno 
par studium agnovi catholicae religionis defendendae ac omnium virtu- 
tum aemulationem, quibus certam spem concepi paternam gloriam a 
Celne V, superatum iri. 


Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt. 673 


guter Zuneigung gegen uns und unjer Haus beftändig ver: 
harren.“ 

Schon vorher hatten die bayriſchen Herzöge Wilhelm und 
Ernſt in Rom deutlich zu verſtehen gegeben, daß ſie den kölniſchen 
Prozeß nicht länger fortgeſetzt ſehen wollten; denn bereits im No— 
vember 1579 wurde der, welcher denſelben am eifrigſten betrieben, 
Dr. Andreas Fabricius, feines Amtes al3 bayriicher Gefandter ent: 
boben; um Koften zu eriparen, jollten fortan wieder nur Agenten die 
Intereſſen des Haufes Bayern in Rom vertreten. Herzog Wilhelms 
Agent blieb Dr. Joh. Paul Gaftellino, Herzog Ernft betraute den 
Dr. Adrian Aerntsperg mit feinen römischen Geſchäften. Fabricius, 
wegen ſeines Hochmuts, feiner Anmaßung und feiner frankhaften 
Empfindlichkeit den meiften bayriichen Räten längft verhaft, kehrte 
zu Anfang des Jahres 1580 nad) Bayern zurüd, wo er als 
ehrenvollen Ruhepoſten, der ihn zugleid vom Hofe entfernte, die 
Propſtei zu Altötting erhielt ?). 

Inzwiſchen mar aud der Informativprogeh über Gebhards 
Leben und Sitten abgeihloffen worden. Einen warmen Fürſprecher 
hatte der Erwählte an dem ſpaniſchen Gejandten beim Pacififations- 
fongreß, Herzog Karl von Zerranova. Als der Nuntius Ca— 
ftagna Anfangs Januar 1580 von Augsburg aus feine Rückreiſe 
nad) Rom antrat, gab ihm Terranova ein Schreiben an den Papit 


1) Im Sommer 1578 fchreibt Send einmal an Herzog Ernft (DA. Erz- 
Bifchöfe. Gebharb 1b, fol. 115), nachdem Fabricius fich fehr bitter über bie 
Aufforderung, feine Rechnung zu fenden, beſchwert hatte: „Ein wunder ift’s, 
wen ber beftien ſolch ungebür hingeet. Der from fürft diſſimuliert's bis 
zu feiner zeit und möcht fi noch jchiden, das E. f. ©. wunderbarlich ge- 
rochen werben. Hette vor ber zeit nit vermeint, das diß ein folder gümpl 
were. Glaub, er halte fih für den höchſten und wißigiften, der im ganzen 
Rom ift: er mag je feinen hern auch im billihen ſachen mit ime nit 
reben laſſen . . .“ Im Januar 1580, kurz vor feiner Abreife aus Nom 
denunziert Fabricius noch den Löwener Profefjor Bajus bei ber Inquifition, 
Laderchius, Annal. Ecel. XXII, 365. Auffallend und faum als Lap- 
sus calami ober memoriae zu erflären ift ber ſchon bei Mayer, Thes. 
nov. I, 173sqg. bemerkte Umftand, daß Hund in feiner Metrop. Salisb. 
II, 77.ben Dr. Fabricius unter den Pröpften von Altötting nicht nennt. 

Lofſen, Köln. Krieg 1. 43 


674 Siebente® Buch. Dritte Kapitel. 


mit, worin es u. a. heißt: „Ich kann nicht umhin, Eurer Heilt 
zu bezeugen, daß unter allen kaiſerlichen Kommiffaren [auf - dent 
Kölner Kongreß] die beiden Kurfürften von Köln und Trier fid) 
jo jehr ausgezeichnet und angeftrengt haben, und bei diefer ganzen 
Verhandlung, namentlid) aber im Religionspunft, fo hilfreich ge= 
weſen find, daß man nit nur Gott dafür danken muß, der in 
jo Schlimmer Zeit feiner Kirche ſolche Beihüger gegeben hat — in 
jenen Landſchaften, wo man ihrer jo jehr bedarf, jondern daß id) 
e2 audy Eurer Heilt vorftellen wollte, damit dieſelbe al3 das all- 
gemeine Haupt der Kirche jene Fürften ermuntern und zur Stand: 
baftigfeit antreiben könne, indem fie ihnen jolhe Gnaden und 
Gunst zuteilet, wie Eure Heilt denen zu thun pflegt, melde fich 
bei Gott und Eurer Heilt fo große Verdienſte erwerben.‘ 

Einige Schwierigkeit machte es Gebhard noch, das für feine 
Konfirmation nötige Geld zu beihaffen. Zwar verzichtete Gregor 
auf feine eigene Taxe, aber die Beamten der Kurie, denen bet 
Salentins Konfirmation nicht3 zuteil geworden, beftanden auf ihren 
berfömmlichen Gebühren; aud hatte der Prozeh große Koften ver- 
urſacht: mindeitens 10,000 Gulden mußten nah Rom geſchickt 
werden. Das Geld wurde zunädit durd Anleihe beichafft; dann 
bemilligte der Kölner Klerus nad) langem Feilihen über die Höhe 
der Summe und die Zahltermine ein Subſidium caritativum bon 
60 Dezimen, während 40 herkömmlich waren, Salentin aber, 
freilich mit Rüdjiht auf die damals ſchuldige Zürkenfteuer, fogar 
80 Dezimen erhalten hatte ?). 

Gebhards Konfirmation erfolgte am 19. März 1580; in dem 
betreffenden Breve an Gebhard gedenkt der Papſt insbejondere 
des Eifers, weldyen diefer, nad) dem Zeugnis des Erzbiſchofs von 
Roffano, auf dem Kölner Kongreß für die MWiederherftellung der 
katholiihen Religion bewieſen habe, ferner feines Bemühens, da 
aus der Stadt die fegeriihen Schulen entfernt, dak nur noch 
fatholiihe Ratsherren erwählt, endlih daß gute Bücher gedrudt 


1) Wie viel eine Dezime in Geld beträgt, habe ich nicht gefunden. 





Gebhard Truchſeß vom Papfte beftätigt. 675 


würden. Der Erzbiihof möge fortfahren, wie er begonnen; in 
allen Schwierigkeiten auf Gottes Beiftand vertrauen, zugleich aber 
berfihert jein, daß ihm auch des Papftes Autorität und Hilfe 
nicht fehlen werde ?). 

Im folgenden Monat (April 1580) kam Dr. Halver auf 
Grund eines Briefes des Biſchofs von Würzburg nochmals auf 
den Vorſchlag zurüd, da man einen Vergleich mit Gebhard juchen 
folle. Herzog Ernft aber jowohl wie fein Bruder Wilhelm wiejen 
diefen Gedanken furzweg von der Hand: „Denn“, jchreibt Herzog 
Ernſt an Dr. Halver, „wie ung und unſer löblich Haus der Truchſeß 
meinet und rejpeftiert, das ift Eucd) unverborgen. Da er Gemüt 
und Luft gehabt, fid) in einige Güte einzulaffen, uns und unjerem 
Haufe ichtes zu Ehren zu thun, Hätte es ein fo geraume Zeit 
ber... . wohl beichehen mögen. Weil e3 aber bis daher dahin 
nit zu bringen gemweft, können wir uns viel weniger Hoffnung 
machen noch bereden lafien, daß er obtenta jam confirmatione 
apostolica das Geringfte thun, — und alfo uns, da wir es 
fuchten, nur mehr Schimpf, Hohn und Spott folgen würde. Ge— 
denken demnad und aus gehörten Urſachen die Sad gleid) alfo 
beruhen zu laffen und befehlen die und uns dem lieben allmäch— 
tigen Gott; der wirdet, getrofter Zuverfiht, uns zu feiner Zeit 
auch ohne alles unjer Zuthun gewißlich vindicieren und etwa nad) 
jeinem göttlihen Rat und Willen in anderweg ergößen.‘‘ 


1) Die Konfirmationsbulle war übrigens im Dezember 1580 dem Be- 
ftätigten noch nicht zugeftellt (etwa weil das Gelb ausgeblieben?). Gebharbs 
Agent (Doullart?) reifte am 8. Dezember 1580 ohne diejelbe von Rom ab. 


43* 


4. Kapitel. 
Herzog Johann Wilhelm wird Adminiftrator von Münfter.* 


Mitte November 1579 kamen Heinrih von der Rede und 
Dr. Weze mit Dedant, Syndikus und Sekretär des münfterihen 
Domkapitel in der Stille zu Dinslaken zuſammen und verab: 
redeten, wie man fi) der angekündigten faiferlihen Kommiſſion 
bedienen wolle, um Weſterholts Abjegung und nachher entweder 
die Wahl des bayriihen Herzogs oder Johann Wilhelms Ad: 
miniftration durchzuſetzen. Hieraus erjieht man, daß des Kaiſers 


*Quellen: 1) Für bie münfterfhe Sache folgende Arhivalien: RA. Münfter 
Tom. VIII. IX. X; Lüttich, Tom. I; StA. 98/1; 230/5. DU. 
28° g hu. 28i Vol. I. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Über Erzherzog 
Matthias’ Bewerbung um Münfter Bruchftüde aus deſſen Or.-Alten 
in ber Wiener Hofbibliothek bei Chmel, Die Handſchriften ber k. f. 
Hofbibliothek in Wien, 1840, I, 64ff. 118ff. 136ff. Bezold 
a. a. O. I, Nr. 201. (Die Aushängebogen des Bezoldſchen Buches, 
vol. 0. ©. 289, lagen mir erft für dieſes Kapitel wieder vor; daher 
ift im ben vorhergehenden Kapiteln ein paarmal auf Archive ver- 
wiefen, wo ich nunmehr jenes citieren könnte; auf Chmel murbe 
ih durch Bezold aufmerkfam.) inige Briefe bei Theiner II, 
20. 1268qq. 241sgg. Einzelne brauchbare Notizen auch bei Kock 
III, 159sqq. und Münfter. Geſchichtsqu. III, Töff. — Ein fehr an- 
ſchaulicher und ausführlicher Bericht des Grafen Johann von Nafjau 
an Dranien über feine Reife nah Münfter Groen van Prin 
sterer VII, 343/357. 

2) Für die Salzburger Koabjutorie: RA. Salzburg Tom. XI u. 
XII. Bibl. Föringer. Nr. 3238. Einzelne® auh RA. Miünfter 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 677 


Verſprechen, Kommifjare nad Münfter zu fchiden, am cleviſchen 
Hofe und in Münfter ebenfowohl wie in Münden anfangs als 
ein Erfolg der bayriihen Politik betrachtet wurde. Es ift in 
der That kaum zweifelhaft, daß urjprünglid Kaifer Audolf nur 
um Herzog Albreht3 Wunſch zu willfahren, demnach auch in deſſen 
Sinn die Kommiffion angeordnet hatte. Aber nicht lange nachher 
trat an das Kaiſerhaus die Verſuchung heran, dieſelbe nicht im 
bayrischen jondern im eigenen Intereffe zu benugen. — Erzbiſchof 
Heinrih von Bremen hatte, wie wir wiſſen, ſchon vor langer Zeit 
erklärt, er wolle für feine Perfon auf Münfter verzichten, falls 
bon bayriicher Seite dasjelbe gejchehe, und ein dritter, beiden 
Zeilen genehmer Herr als Johann Wilhelms Nachfolger genommen 
werde. Auch die münfterihen Landftände hatten ſchon mehrmals 
und erft jüngft wieder auf dem Landtag den gleihen Wunſch jehr 
lebhaft geäußert. Bald nad dem Landtag ließ nun Heinrich dem 
Erzherzog Matthias in Antwerpen und vielleiht zur jelben Zeit 
dem Kaiſer anbieten, er wolle feine Rechte auf das Stift Münfter 
einem der Brüder des Kaifers abtreten ). Matthias war fofort 


Tom. IX. Ein paar interefjante Konzepte bed Dombechanten Traut- 
mangborf AA. Adelsfelect. Trautmansborf. Fasc. 1. In dem Brief 
des Erzbifhof8 an den Papft bei Theiner III, 133 ift man— 
ches zwijchen ben Zeilen zu leſen. Maffei, Ann. di Gregorio 
II, 135 qq. fcheint die Dinge ziemlich richtig zu erzählen. Daß bie 
Salzburger Gefchichtfchreiber für biefen Koabjutorieftreit jo dürftig 
find, Hängt wohl mit ihren Nücdfichten auf das Haus Ofterreich zu— 
fammen. Am meiften noch bei Zauner, Ehronif von Salzburg 
VI, 485, aber ungenau. Hansiz, Germ. sacra II, 644 ſchreibt: 
W. a. T., qui propter delicta, nescio quae, vocatus in jus ac... 
ad carcerem perpetuum damnatus est. 

3) Für die Hildesheimer Dinge vgl. Ouellen zu Buch 2, Kap. 5, 
namentlih StA. 95/4; Alten inbetr. der Dompropftei auch StA. 9/2. 
Bon ber gebrudten Litteratur befonders: Beiträge zur Hilbesheimer 
Geſch. III, 301 ff. 


1) Bei Hurter, Geſch. Ferbinands IL, V, 56 ift ein Schreiben bes 
Kaiſers an Erzherzog Matthias vom 7. Oktober, und bei Chmel a. a. O., 
©. 120 ein Memorial des Erzherzogs für Heinrich von Liechtenftein, Ludwig 


678 Siebentes Bud. Viertes Kapitel. 


zum Zugreifen bereit. Bereits Anfangs Oktober ſchickte er einige 
von feinen deutſchen Hofleuten und Räten zum Erzbiihof, um 
Genaueres zu erfahren. Heinrich ſcheint ihn aufgefordert zu haben, 
er möge ſich zunächit mit dem Kaiſer benehmen und fodann der 
Zuftimmung des Herzogs von Jülich verfihern. Matthias meinte, 
er könne feine niederländische Statthalterihaft neben dem Stift 
Münfter beibehalten, und hatte feine Luft, ſich für den geiftlichen 
Stand zu binden. Auch am Faiferlihen Hofe nahm man Hein: 
richs Anerbieten gern an, und zwar zunädit für Erzherzog 
Matthias, aber nur unter der Bedingung, dab diefer Die Nieder: 
lande verlaffe, andernfall3 wollte man lieber den jüngern Bruder, 
Erzherzog Marimilian, nad Münfter gebracht ſehen. Matthias 
hatte durd) die unbefonnene Annahme der niederländiichen Statt 
halterſchaft ſich ſelbſt in die Häglichite Lage, zugleid) aber den gan= 
zen deutihen Zweig des Hauſes Dfterreih in eine ſchiefe 
Stellung zu dem ſpaniſchen gebracht. König Philipp wollte von 
ſeiner Statthalterſchaft nie etwas wiſſen; Oranien und die Ge— 
neralftaaten duldeten ihn zur Zeit zwar noch, geſtatteten ihm aber 
faum eine ehrenvolle Unthätigfett und wünſchten ſchon längſt, ihn 
mit guter Manier (08 zu werden; kam Matthias nad) Münfter, 
jo erlangten fie obendrein einen angenehmen oder mindeftens un: 
gefährlihen Nachbar ). — Kaiſer Rudolf wäre wohl nit jo 
raſch auf Heinrichs Anerbieten eingegangen, hätte nicht der eben 
jegt eingetretene Tod feines Oheims, des alten Herzogs von 


Rumpf und Balthafar von Dannewig vom 9. Oktober 1579 angeführt, 
welche, wenn richtig batiert, den Beweis liefern, daß Erzbifchof Heinrich da- 
mals bereit8 fowohl dem Erzherzog wie dem Kaifer feinen Verzicht auf 
Münfter angeboten Hatte. Das Schreiben des Erzherzog Matthias an 
Graf Johann von Nafjau bei Chmel, ©. 118 wirb in bem Dezember 
1579 zu feten fein; ich lege basfelbe zugrundb, um bie Zeitſolge in der 
öſterreichiſchen Bewerbung um Münſter zu beſtimmen. 

1) Aus dem oben erwähnten Bericht bes Grafen Johann an Dranien 
(Groen van Prinsterer VII, 354) geht zwar hervor, daß Johann ben 
Erzherzog Matthias nicht gern im Stift Münfter gefehen Hätte; doch folgt 
baraus nicht, daß dies auch bie Anfiht Oraniens und ber Generalftaaten 
gewejen wäre. 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 679 


Bayern, ihm Mut gemaht. Ein weiterer Grund, die Rüdjichten 
auf die Häufer Bayern und Fülih außer Augen zu jegen, fam 
noch hinzu: der Verdruß darüber, das ſich auf deren Betreiben 
der Papit herausgenommen hatte, im Widerjpruc mit der Reichs— 
verfaffung und mit den Konkordaten der deutichen Nation, über die 
Meltlihfeit eines Reichsfürſtentums zu verfügen, indem er, ohne 
den Kaiſer zu fragen, den Herzog — Wilhelm zum Admi= 
niftrator von Münfter ernannte. 

Schon um die Mitte November erhielt man am cleviichen 
Hof, zuerft duch den Herrn von Rheidt, bald danach auch aus 
Arnheim einige Andeutungen über den neuen Plan. Am 18. De— 
zember erſchien zu Düffeldorf, mit einem vom 23. November da— 
tierten Beglaubigungsichreiben des Kaijers, der alte Freiherr von 
Winneburg und teilte, um ftrenges Geheimnis bittend, mündlich 
mit, daß ſich Erzbiſchof Heinrich erboten habe, einen der Brüder 
des Kaifers nad Münfter zu befördern; auch Herzog Wilhelm 
möge dazu behilflich fein oder mwenigftens Domtlapitel und Land— 
ftände gewähren laſſen; ev wies hin auf den Beihluß des letzten 
münfterjhen Landtags, wonach weder Bayern nod) Bremen po= 
ftuliert werden folle. Auf den Rat des Kanzlers Orsbeck ant- 
wortete der Herzog ausweichend: er gedachte des jüngft erlaffenen 
Adminiftrationsbreves und feiner daraufhin bereit3 an den Sailer 
gerichteten Bitte um die Regalien, auch müſſe abgewartet werden, 
was der bevorftehende neue münſterſche Landtag beichließe. — 
Diejer Landtag, gemäß dem Abſchied des lekten ausgefchrieben, 
fobald man die Nahriht erhielt, daß der Kaifer demnächſt feine 
Kommifjare jenden wolle, fand ftatt vom 4. bis 6. Januar 
und verlief ganz nah Wunſch der bremiihen, jest alſo auch 
faiferlihen Partei. Die briefiihe Anzeige des Herzogs von Jülich, 
daß Weſterholts Appellation in Rom verworfen und feine Er- 
fommunifation bereit3 erfolgt fei, wurde faum beachtet; denn 
Mefterholt3 Freunde wußten bereit3, wie übel man am kaiſerlichen 
Hof mit Roms Vorgehen zufrieden war, und verließen ji dar- 
anf, daß der Kaiſer den Vollzug des päpftlihen Urteils nicht zu= 


680 Siebente® Bud. Viertes Kapitel. 


geben werde. Der neue LZandtagsabichied befagte, die kaiſerliche 
Kommiffion Tolle abgewartet werden; ſchon jet wählte man zehn 
Deputierte aus Ritterſchaft und Städten, welche den Kommifjaren 
bei den künftigen Vergleihsverhandlungen beiftehen jollten. Sollte 
aber die faiferlihe Kommiſſion nicht ftattfinden — der Mainzer 
Kurfürft Hatte bereit3 abgelehnt — oder nichts ausrichten, jo 
wollte man den Herzog von Jülich neuerdings durch Gejandte er- 
ſuchen, feinen Sohn vefignieren zu lafjen und einige geeignete Kan— 
didaten zur Auswahl vorzufdhlagen. — Die Senioren behaupten 
zwar jpäter, fie hätten diefem Abſchied nicht ausdrüdlid zuge— 
ftimmt, in der That Hat ihn aber einer der Ihren, der jetzige Se— 
nior Büren, namens des Kapitel3 befiegelt. 

Die Hoffnung, ſchon durch die bloße Ankündigung, daß Wefter- 
holt erfommuniziert, die Junioren nachgiebig zu ftimmen, mußte man 
nun aufgeben. Herzog Wilhelms cleviſche und jülihihe Räte kamen 
überein, da jofort das Privationsmandat und bald danad) aud) das 
Aominiftrationsbreve in Münfter überreiht werden müſſe. Man 
wurde in diefem Entihluß noch beherzter, da ein Gejandter des 
Prinzen von Parma, Johann Baptifta de Zafjis, am 21. Ja— 
nuar in Hambad) eröffnete, dem König und dem Statthalter jei 
der Plan, den Erzherzog Matthias nad) Münfter zu bringen, hoch 
zumider; Herzog Johann Wilhelm möge demnach entweder bis zu 
jeiner Verheiratung das Stift behalten oder es menigjtens nur 
mit Vorwiſſen des Königs aufgeben. Im Vertrauen auf Spa= 
niens Hilfe ließ man eine furz danach einlaufende ſcharfe Rüge 
de3 Kaiſers wegen des päpftlihen Eingriffs in die weltliche Re— 
gierung von Münfter unbeadtet. 

Am 8. Februar infinuierte ein cleviiher Notar dem münfter- 
ihen Domtapitel das römishe Mandat, durch welches Wefterholt 
erfommuniziert und feiner Amter und Pfründen entjeßt wurde. 
Namens des Kapitels erklärten ſich Dechant und Senioren ſchuldig, 
ihrer höchſten geiftlichen Obrigkeit zu gehorhen, und noch im jelben 
Monat ernannte Herr Arnd von Büren, in deſſen Turnus Weiter: 
holt3 Privation fiel, als Nachfolger für den erledigten Kapitelplag 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 681 


einen Neffen de3 Dechanten, jenen Johann von Raesfeld, welcher 
bor drei Jahren den Befehl zur Neftitution Johann Wilhelms 
bon Rom geholt hatte. Damit ſetzte man fi hinaus über das 
fanonijche Recht und über die Konkordate der deutichen Nation, welche 
beftimmen, daß der Papſt, wenn er jemanden abſetzt, deſſen Pfrün— 
den wieder zu verleihen habe. 

Weiterholt3 Erlommunilation erwedte in dem Dechanten und 
jeinen beiden ergebenen Gehilfen, Syndikus und Sekretär, die 
Hoffnung, daß es jetzt vielleicht möglich fein werde, ihrer Partei 
die Majorität des Kapitels zu fihern, und alsdann in Eile zur 
Mahl des bayriihen Herzogs zu jchreiten. — Zwölf Freunden 
Bayerns hatten im Jahre 1575 fiebzehn bremiſch gefinnte gegen= 
über gejtanden. Seitdem hatten Tod, Verziht, neue Ernennung 
das damalige Verhältnis der Parteien verihoben. Von den Se— 
nioren hatte nur einer, Herr Heidenreich Drofte, refigniert, dagegen 
war bon den Junioren ſchon vor langer Zeit der ehemalige 
Sholafter Diepenbroid zurüdgetreten, nachher der Senior Nagell 
geftorben; jüngft hatten weiter der Viztum Bernhard von Büren 
und Herr Jörg Ketteler rejigniert; Rotger Setteler galt, warum 
wien wir nicht gewiß, für unfähig im Kapitel zu fißen, Weiter: 
holt war joeben priviert: — es ftanden aljo elf Stimmen gegen 
elf. Von den neuernannten Domherren glaubte man ſechs bisher 
neutrale: Wennemar von Ajchebroid '), Heinrih Drofte, Heinrich) 
von Raesfeld, Kuno Freiherr von Winneburg und zwei junge 
Herren von Velen auf die bayriiche Seite ziehen zu können; die 
anderen neuen Kanoniker, Dietrih von Merfeld, Heinrih von 
Büren, zwei Herren von Wefterholt waren zwar entjchieden bre= 
miſch gejinnt, aber entweder noch gar nicht emanzipiert oder doch 
nicht, durch die Subdiafonatsweihe, qualifiziert im Kapitel mitzu= 


1) Wennemar von Afchebroid erfcheint bereit8 in dem o. ©. 330/1 Anm. 
gegebenen Berzeihnis der bremifchen Votanten (von Martini 1575); vielleicht 
war er einer von bem jungen Herren, melde damals mitftimmten, ohne 
[durch die Subbialonatsweihe] qualifiziert zu fein. 


682 Siebented Bud. Viertes Kapitel. 


ftunmen. Verſchiedene Urjahen trieben den Dedanten zur Eile: 
einmal die Bejorgnis, Weiterholt könne in Rom, vom Sailer 
unterftügt, feine Reftitution durchſetzen, — man hatte erfahren, 
daß Erzbischof Heinrichs Sekretär Hermann von der Bede jeit 
Mitte Dezember deshalb in Prag weilte und dem Kaiſer zwei 
ihöne Pferde als Geſchenk mitgebradht hatte; ferner daß der Kur— 
fürft von Sachſen, zum Beſten von Ruhe und Frieden im Reid, 
jein gewichtiges Wort für Weſterholt einlegtee Dazu kam die 
Nachricht, die angekündigte Kommilfion fei in einer für die bay: 
riſche Partei höchſt ungünftigen Weife abgeändert. — Dem Bei: 
fpiel des Mainzer Kurfürften folgend, hatte auch der Trierer jeine 
Teilnahme an der Kommiffion abgelehnt. Das gab dem Kaiſer 
willlommenen Anlaß, nunmehr (am 18. Februar) andere Kommiffare 
zu ernennen, auf die er fi, zugunften feines eigenen Hauſes, 
beffer verlaſſen konnte: Kurfürft Gebhard von Köln und den alten 
Hofratspräfidenten Winneburg. Kein Zweifel, daß ſich Gebhard der 
Kommiffion von vornherein mit der Abſicht unterzog, feinen vor: 
maligen Kölner Gegner nun aud in Miünfter zu befämpfen; 
Winneburg aber erhielt geradezu Befehl in diefem Sinne: ſchon 
am 12. Februar beauftragte ihn der Kaifer, fich wieder zum Her: 
zog von Jülich zu verfügen und abermal3 mündlid für einen 
jeiner Brüder zu werben. Gleichzeitig richtete Rudolf an Papit 
und Kardinäle ſehr energiihe Fürfchreiben für Weſterholt, deſſen 
Evofation nad Rom ebenfo den münfterichen Privilegien, wie 
Herzog Johann Wilhelms Ernennung zum Adminiftrator den Kon— 
fordaten der deutichen Nation widerſpreche; zudem gefährde Weiter: 
holts Privation nicht bloß das Stift Münfter, jondern werde im 
ganzen Reich Unruhe und Weiterung erweden. Der Papft möge 
darum diejelbe widerrufen oder mindeftens den Vollzug auf drei 
Jahre einftellen. 

Ein dritter mehr verftedter Grund, der den Dechanten zu eilen 
beiwog, war endlich die Zucht, Jülich und Bayern möchten ſich 
unter der Hand mit dem Bremer Erzbiſchof über den Belig von 
Münfter verftändigen, auf Koften des Stifts und nebenbei aud) 


Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münſter. 688 


der Senioren. — Im November 1579, bald nad Herzog Albrechts 
od, hatte Graf Salentin von Iſenburg dem Freilinger Biſchof 
jagen lafjen: wenn man veriprechen wolle, dem Bremer Erzbiſchof 
jährlich 4000 Thaler vom Stift Münfter zu reihen, hoffe er, 
der Graf, es dahin zu bringen, daß Herzog Ernft ohne weitere 
Schwierigkeit das Stift befomme. Dieſen Wink hatte Ernft an 
den Hof feines Oheims gelangen laffen, wo man im Januar 1580 
auch den Gejandten Farnejes, Taffis, im Vertrauen davon veritän- 
digte, um zu erfunden, ob vielleiht Spanien im Intereſſe guter 
Nahbarihaft zu den erforderlichen 4000 Thalern etwas beitragen 
wolle. Salentin jelbft erbot jih mit Herzog Wilhelm, bei Gelegen= 
beit einer Kindtaufe in der Familie Reifferſcheid, weiter über die 
Sade zu fprehen. Wlerander von Parma erklärte ſich wirklich, 
alsbald nad) Taſſis' Rückkunft, einverftanden, dak man, wenn Johann 
Wilhelm das Stift Münfter nicht jelbft in Händen halten wolle, 
dem bayriihen Prinzen mittel einer an Bremen zu zahlenden 
Penſion die Nachfolge verihaffe *); fall es etwa dem bayriichen 
Herzog ſchwer falle, die erforderlihe Summe aufzubringen, jo wolle 
er, Farnefe, bei feinem König ſich dafür verwenden, da Herzog 
Ernft durch eine ſpaniſche Penfion entihädigt werde. Ende Fe: 
bruar kam ſodann Heinrihs Rat Lorenz Schrader nad) Düfjeldorf 
und ließ durch den Herrn von Rheidt allerhand Vorſchläge maden, 
wie Mefterholt und die Junioren mit Bayern auszujöhnen jeien; 
er warnte davor, daß fi widrigenfall3 fein Herr vielleicht mit dem 
Kaifer verftändigen werde. Jedoch traute man an Wilhelms Hof 
dem alten Ränkeſchmied nicht recht, fondern wünſchte vom Erzbiſchof 
jelbft Zuverläffigeres zu erfahren; vor allem aber wollte man 


1) Farneſe fcheint feltfamermweife Taffis’ Bericht jo aufgefaßt zu haben, 
als gehöre auch der Bremer Erzbifchof zu den münfterfhen Domherren: 
cum inter ceteros ejusdem ecclesiae canonicos gratia et auctoritate plu- 
rimum valeat archiepiscopus Bremensis, quem intelligo ab adversariis 
annua promissa pensione sollicitari, res sane melius successura videretur, 
si idem Frisingensis episcopus eandem aut ampliorem pensionem dicto 
Bremensi offerat. Alex. von Parma an Herzog Jülich. Maeftricht 15. Febr. 
1580. Dr. DA. 288, fol. 71. 


654 Siebented Bud. Viertes Kapitel. 


wilfen, was die Senioren über den Plan dächten. — Aber bei 
diefen, namentlih bei Goddert von Naesfeld, ftieß der ganze 
Handel auf den entſchiedenſten Widerwillen: unmittelbar auf die 
erfte Nachricht von demjelben wurde der verwegene Plan gefaßt, 
durch eilige Majoritätsmahl des bayriihen Herzogs die Gegner 
zu überrumpeln. 

Nah kurzem Bedenken — ob des Dedanten Plan nicht etwa 
zugunften der öfterreihiihen Kandidatur ausichlagen könne — 
lieg man fid) denjelben auch am clevischen Hofe gefallen und erbot 
fi, mitzuhelfen, um in der Stille die zur Neuwahl nötige Stim— 
menmehrheit zu gewinnen. Der Kapitelsſekretär Schmale ging zu 
dem Trierer Domdehanten und münfterjhen Domherrn von der Leyen 
und ließ fih von ihm verſprechen, daß er aud diesmal wieder 
dem Freilinger Biſchof feine Stimme geben wolle. Nachher fuchte 
Schmale den Freiheren Kuno von Winneburg auf, des Präfidenten 
jüngiten Sohn, der zwar nicht für katholiſch galt, aber feinen mün— 
fterihen Kapitelplag durch Vermittelung des Syndifus Schade er= 
langt hatte und aud dem Dechanten Raesfeld Dank fchuldete. Der 
Freiherr gab jein Ehrenwort, daß er bei der Neuwahl erſcheinen 
und für Herzog Ernſt ftimmen werde. Den alten Herin von 
Velen, münfterfhen Marſchall, beſchied Herzog Wilhelm zu fi, 
um ſich durch ihn Der beiden geiftlihen Söhne desjelben zu verfichern : 
der eine, Alerander, befand jih in Frankreih in Sriegsdienften, 
der andere aber, Johann, ließ ſich alsbald (am SKarfamstag, 
2. April), um fapitelfähig zu werden, durd den Kölner Weih— 
biſchof Craſchel zum Subdialon weihen. Damit nun nicht die 
beiden noch ungemeihten bremiſch gefinnten Kanoniker, Dietrich 
bon Merfeld und Bernhard von Wefterholt, des Herrn von Lem— 
bed Sohn, dasſelbe thun könnten, ließ fi Herzog Wilhelms Rat 
Dr. Walter Fabrictus von Craſchel verjpredhen, daß er fortan 
feinen muünfterihen Kanonikus außerhalb der gejeglihen (Qua— 
tember=) Zeit weihen werde. Wirklich verweigerte Craſchel nach— 
her dem jungen Wefterholt die nachgeſuchte Weihe. Ferner ver— 
Iprad) der Herzog von Jülich vor der Neuwahl feinen Sohn aber= 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 685 


mal3 rejignieren zu laffen. Von dem Freifinger Biſchof bedurfte 
man wieder einer Afjefuration und einer Vollmacht zum Abſchluß 
der Kapitulation mit den etwa nötigen Anderungen. Zu dieſem 
Zweck machte fi ein reitender jülichſcher Hofbote, mit kurzem 
Bericht über den Anjchlag der Senioren, am 21. März auf den 
Meg nad Münden und nahm zugleid Briefe an Papft und 
Kardinäle mit, in welchen gebeten wurde, Rom möge zum Beſten 
der geplanten Neuwahl die Verleihung der Pfründe Wefterholts 
an Johann von Raesfeld entweder genehmigen oder jelbft diefem 
die Pfründe neu verleihen. Späteftens bis zum Sonntag Mi- 
fericordia (17. April) follten die bayriſchen Urkunden in Jülichs 
Händen fein. 

Aber den, welchen die Sache zunächſt anging, Herzog Ernſt, 
fand der Bote weder zu Münden nod zu Freifing; jeit Wochen 
ſchon weilte er in Italien, angeblid) wegen einer nad) Loreto ver- 
lobten Kirchenfahrt; in der That ſaß er die ganze Zeit über in 
Venedig, machte hier allerhand Luftbarkeiten mit und wollte nod) 
bis Ehrifti Himmelfahrt bleiben, um fi) das große Feft des Tages, 
die Vermählung des Dogen mit dem Meere, einmal anzujehen. 
In der Zmwifchenzeit jollte auf der Poſt ein Abfteher nad) Loreto 
gemacht werden. 

Indeſſen nahm fi Herzog Wilhelm der Sache feines Bruders 
wie feiner eigenen an. Er forderte den Kaifer auf, fi nicht 
durch Wefterholt zu etwas verleiten zu laſſen, was der katho— 
lichen Religion zumider oder den beiden Häufern Fülih und 
Bayern verkleinerlih ſei. Auch den Kurfürften von Sachſen bat 
er, der Juſtiz — d. i. dem römischen Proze gegen Weiterholt — 
ihren ftraden Lauf zu laffen. Das Schreiben an den Kaiſer be= 
gleitete ein Brief an den Vizekanzler Vieheufer, worin Wilhelm 
feinem Unmut über die zugunften des Erzherzog Matthias getrie— 
benen Praftifen noch ſchärferen Ausdruck gab. Er erwarte, jchreibt 
er, dag Rudolf als ein katholiſcher gerechter Kaifer ihm willfahren 
werde; „dann jollte dem zumider ichte beſchwerlichs erfolgen, 
müßten wir e3 dahin verftehen, daß es uns zu Ungnaden oder 


656 Siebente® Bud. Viertes Kapitel. 


ionft jonderer Privaturfadh willen beſchehe; wie uns dann ein 
Zeit her des Stifts Münfter halb allerlei zu Ohren kommen, dem 
wir doc bisher, dieweil es der nahenden Blutsfreundfhaft, auch 
dem hohen und vielfältigen Erbieten zuwider, feinen Glauben geben 
können.‘ — Für den Herzog von Jülich ftellte Wilhelm einft- 
mweilen in feinem eigenen Namen aber mit feines Bruders Siegel 
eine Vollmacht aus zum Abſchluß einer neuen Kapitulation. Zu 
gleicher Zeit bat er den Grafen Salentin von Iſenburg, diefer möge 
fi) bei dem Bremer Erzbiſchof erfundigen, ohne jedoch feiner zu er= 
wähnen, wie der Erzbiſchof inbezug auf Verzicht gegen Benfion gefinnt 
fei. Bei all dem hegten aber Herzog Wilhelm und feine Räte 
den lebhafteften Wunſch, Ernſt möchte fchleunigft heimlehren. Schien 
dies Shon nötig wegen der Ausfiht, nun endlih in den Beſitz 
von Münfter zu kommen, um jo mehr nod wegen der bedenk— 
lihen Nachrichten, die in demſelben Augenblid aus Salzburg ein= 
gelaufen waren. 


Als Herzog Ernft im September 1579 einen Kapitelplag in 
Salzburg erlangt hatte, vermied man bon bayriider Seite vor= 
fihtig, feine Abſichten auf die Nachfolge dafelbit offener an den 
Zag zu legen, zumeift wohl darum, weil Erzbiihof Hans Jakob 
bereit3 im Sommer diejes Jahres den Vorſchlag einer Koad— 
jutorie unmillig von fi gewiejen hatte. Bayern beihränfte ſich 
darauf, den Domherrn Joachim Berner als ftillen Beobachter 
aufzuftellen. Mittlerweile jpann aber der Kaifer mit dem Dom: 
dehanten Wilhelm von Zrautmansdorf, der fi) bisher als Freund 
de3 bayrischen Haufes ausgegeben hatte, geheime Praktiken an, um 
einem jeiner Brüder, Matthias oder Marimilian, die Koadjutorie 
zu verichaffen ). Monate hindurd), vom Sommer 1579 an, wurde 
mit Zrautmansdorf durd einige in faiferlihem Dienfte ftehende 


1) Maffei bringt die Praftifen des Dombechanten in Zufammenhang mit 
defien Sorge für feine Kinder, deren er allerdings von zwei Konfubinen 
eine ziemliche Anzahl hatte. 





Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 637 


Freunde und Verwandte desjelben in der Stille verhandelt, bis end- 
li, im Januar 1580, der faiferliche Geheimrat Rudolf Khuen, 
ein Bruder des Erzbiihofs, bei diefem jelbit eridien und offen 
das Anfinnen ftellte, Hans Jakob möge einen der jungen Erzherzöge 
al3 Koadjutor annehmen. Obwohl der Erzbiichof, ſoviel wir ſehen, 
rundwegs mit Nein antwortete, fuhr doch der Dedant fort, ing- 
geheim auf die öſterreichiſche Succeſſion Hinzuarbeiten. Mitte 
März kam es im Domkapitel wegen der von verichiedenen Seiten 
getriebenen Praktiken zu gegenfeitigen Vorwürfen und vierzehn 
Zage darauf ließ das Kapitel, mit Zuftimmung des Erzbiſchofs, 
jeinen hochbejahrten Dehant plöglich verhaften und als Gefangenen 
auf das Hauptihlog bringen. Neben dem Vorwurf, daß er dem 
Erzbiſchof und dem Kapitel wider ihren Willen einen Nachfolger 
babe aufdringen wollen, hatte man mancherlei Beſchwerden über 
jein eigenmädhtiges Schalten im Erzftift und insbeſondere über 
Unterfhlagung eines die Stiftsregierung betreffenden päpftlichen 
Breves. Vermutlich hatten fi) die bayrisch gefinnten Domherren, 
drei oder vier an der Zahl, mit anderen, die vielleicht für fich 
jelb}t auf die Nachfolge vechneten, namentlih mit dem Dompropft 
Georg von Küenburg und dem Herin Sigmund Friedrich Fugger, 
zu diefem gewaltfamen Vorgehen verbündet. In den Briefichaften 
des Dechanten fand man Belege für die mit dem Haufe Ofterreic 
getriebenen Praftifen in Menge. Bereit3 am 4. April wurde Wil- 
helm von Zrautmansdorf jeines Amtes entjegt und an jeiner 
Stelle Sigmund Friedrid Fugger zum Dechanten erwählt. 
Herzog Ernſt erhielt diefe Nahriten über Münden in Bes 
nedig. Er ſchwankte anfangs, was zu thun fei. Als ihn da- 
nad) aber wiederholte Briefe des Kapitels einluden, an den Be— 
ratungen über die jet vom ganzen Kapitel geforderte Koadjutorie 
teilzunehmen, jegte er ſich Ichleunigft auf die Poſt und reifte gerade- 
wegs nad Salzburg, wo er, begleitet von Paul Stor von Oſtrach, 
jeinem nunmehrigen Kämmerer, bereits am 29. April eintraf. 


688 Siebentes Buch. Viertes Kapitel. 


Mittlerweile waren in Münfter die Dinge durchaus nicht nad) 
Wunſch und Erwarten der bayriihen Partei verlaufen. — Am 
9. April, al3 der Dechant der Majorität im Kapitel fiher zu fein 
glaubte, hatte er mit den befreundeten Senioren den Beſchluß 
gefaßt, zur neuen Poftulation zu jchreiten, jobald dies nad) den 
Statuten thunli war. „Zur Verhandlung wegen der Poſtu— 
lation und zur Wahl eines neuen Scholafters‘, wurde aljo auf 
den Dienstag nach Fubilate, 26. April, ein peremptoriiches Kapitel 
ausgeichrieben ; die Abficht war, bereits an diefem Tage die Neu: 
wahl jelbft vorzunehmen. Aber das Ausichreiben des Kapitels 
enthüllte, da es allen in der Kirchenprovinz fih aufhaltenden Ka— 
nonifern zugeftellt werden mußte, das bisher bewahrte Geheimnis 
auch den Gegnern und trieb fie an, alle Segel beizufeßen, um 
nicht von der bayriichen Partei überholt zu werden. 

Kurfürft Gebhard und der alte Freiherr von Winneburg, welde 
im Laufe des März in Befit der faiferlihen Kommiſſion gelangt 
waren, würden fid) wohl nicht jo jehr beeilt haben, dieſelbe aus- 
- zuführen, hätte nicht Gebhard durch den an feinem Hofe dienenden 
jungen Domherrn von Wefterholt erfahren, daß der Wahltag be 
borftehe, alſo Gefahr im Berzug ſei. Am 14. April kündigten 
die beiden Kommifjare dem münfterjhen Kapitel ihre Kommiſſion 
an; vier Zage jpäter folgte die Anzeige, daß fie, wegen des auf 
den 26. April ausgeichriebenen Poftulationstages, bereit3 am 
2öfen in Münfter ericheinen würden; fie forderten alfo das fa: 
pitel auf, bei Vermeidung faiferliher IUngnade die Kommifjion zu 
erwarten und inzwiſchen mit der Poftulation nicht fortzufahren. 

Auch Erzbiihof Heinrich vernahm durd) feine münfterichen 
Freunde, was die Senioren im Schilde führten; daraufhin zog 
er in Eile aus feinem Stift Bremen nad dem osnabrüdiihen 
Haus Iburg, fünf Meilen von Münfter, wohin er feine Bremer, 
Osnabrücker und Paderborner Räte und Hofleute in großer Zahl 
beihied und wo fih auch Weſterholt und andere Junioren 
einfanden. Ein Gefandter Heinrichs eilte nach Arnheim zu Graf 
Johann von Naſſau und bat diefen um Hilfe, damit die 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminifirator von Münſter. 689 


beabjihtigte Poftulation umgeftoßen oder wenigftens aufgehalten 
werde. Am 22. April kündigte Heinrichs Rittmeifter Johann von 
Plettenberg dem Kapitel, der Regierung und dem Stadtrat an, 
jein Herr wolle, wegen wichtiger Dinge und auf ein Gutachten 
des Kaiſers Hin, am Sonntag Abend, 24. April, in die Stadt 
fommen und ihnen andern Morgens Vortrag halten. Zum Ber- 
druß Godderts von Raesfeld bemwilligte der Stadtrat den Eimritt. 
Als Heinrich zur beftimmten Zeit, mit ftattlihem Gefolge, 142 
Pferde ftarl, in Münfter einzog, wurde er mit allen Ehren em— 
pfangen. — Kurz nad ihm trafen die Räte des Herzogs von 
Jülich ein, Heinrid) von der Rede, Dietrih von der Horft und 
Dr. Walter Fabricius, fpäter no Johann von Aldenbodum. Sie 
hatten Befehl, nur wenn die Poftulation des bayrischen Herzogs 
gewiß, Johann Wilhelms Verzicht zu übergeben, jonft aber zu er— 
klären, diefer fei erbötig, auf Grund des päpftlichen Breves Die 
Adminiftration zu übernehmen. 

Am folgenden Morgen hatte Erzbiihof Heinrich, der zuerft ger 
fommen, auch zuerit Audienz bei Regierung und Stadtrat; auch 
von der Nitterfchaft waren einige Herren mit anmejend, darunter 
der Herr von Steinfurt, Graf Arnd von Bentheim-Tecklenburg; 
dagegen mar bon der jekigen Kapitelömehrheit niemand erjchienen, 
angeblich weil fie zu ſehr mit anderen Dingen bejhäftigt jeien. 
Der bremiihe Kanzler Gedeon Egeling hielt den Vortrag: Wie: 
wohl jein Herr, jagte er, die ftarfe Majorität des Kapitels für 
fich gehabt, Habe er doch um des lieben Friedens willen einge 
willigt, daß man, anftatt feiner und des bayrischen Herzogs, einen 
dritten wähle. Da man fid hierüber nicht einigen fonnte, habe 
der Kaiſer Kommifjare verordnet und der münfteriche Landtag ſchon 
zweimal beſchloſſen, deren Verrichtung abzuwarten. Zrogdem aber 
wollten num der Dedhant und Genoſſen ohne weiteres zu neuer 
BPoftulation ſchreiten. Daraus müfle Unruhe und Weiterung er— 
folgen, welchem jein Herr als Nahbarfürft und dazu im Auftrag 
des Kaiſers — ein faiferlihes Schreiben an Heinrih wurde ver— 

Lofien, Köln. Krieg 1. 44 


6% Siebente® Bud. Viertes Kapitel. 


leſen ) — nit ruhig zufehen dürfe. Da nun das Kapitel ihn 
nicht anhören wolle, jo fordere er Regierung und Stände auf, 
dafür zu forgen, daß die Poftulation eingeftellt werde. 

Zur jelben Stunde ſaßen die Senioren mit den jülichſchen 
Räten in der Dompropftei zufammen und machten mit einander 
aus, daß man trog Bremen und troß den faiferlihen Kommiſſaren 
von der Neuwahl nicht abftehen wolle. Die herzoglihen Räte über: 
nahmen es, dem Stadtrat die Gründe hierfür klar zu machen, ver- 
fuchten es aud) noch am Nachmittag und forderten zugleich, der 
Nat jolle das Kapitel bei Ausübung feines Wahlrechtes ſchützen. 
Bürgermeifter und Rat antworteten jedoch zweideutig: Gewalt 
wollten fie fo viel al3 möglid) verhüten, man möge aber die kaiſer— 
liche Kommiffion abwarten. — Indeſſen waren aud die Subdele— 
gierten des Kölner Kurfürften, der Marſchall Rutger von der 
Horft, Dr. Schenk, die Licentiaten Auerdund und Middendorp, in 
der Stadt eingetroffen; vor ihnen ſchon der zweite Kommiſſar, 
der alte Freiherr von Winneburg. Da diefen Red im Vertrauen 
warnte, er möge nicht durch die Kommiffion Migverftand zwiſchen 
den Häufern Ofterreih und Bayern verurſachen, ſchien er etwas 
betroffen, entihuldigte fih aber damit, daß er fi dem vom 
Kölner Kurfürften bereit3 angenommenen faiferlihen Auftrag nicht 
babe entziehen fönnen. 

Am nächſten Morgen, 26. April, ließen die Kommifjare vor 
verjammeltem Sapitel ein ausführliches Schreiben des Kaiſers ver— 
lefen, worin die Rechtmäßigkeit des päpftlichen Aominiftrationg- 
breves aufs jchärffte angefochten wurde; fie warnten vor des 
Kaifer3 Ungnade, vor der Einmiſchung anderer Kurfürften und 
Fürften, fall3 man zur Neuwahl jchreite, ehe die Domberren unter 
einander verglichen; jie erboten jih, die auf dem legten Landtag 
gewählten Deputierten zu ihren Vergleichsverſuchen beizuziehen. 

Das Kapitel erbat Bedenkzeit. 


1) Bon biefem kaiſerlichen Schreiben findet fih in den von mir benutzten 
jülichſchen und Bayrifchen Alten keine Kopie. 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 691 


Denn inzwiſchen hatten die Senioren erfahren, geftern Abend 
jpät fei, unter falſchem Namen und unerkannt, Graf Johann bon 
Nafjau in die Stadt gelommen und Habe gleich Heute früh zuerft 
den Stadtrat, nachher auch die Herren von der Regierung zu ſich 
berufen und beiden jehr jeltfame Dinge vorgetragen: — Das 
ſtaatiſche Kriegsvoll bei Deventer Habe gehört, man wolle den Frei— 
finger Biſchof poftulieren; das könne es nicht leiden, zumal man 
erft jüngft aus aufgefangenen Briefen erſehen habe, derjelbe wolle 
Stift Münfter zu einem Sit des Krieges machen. Auch manden 
ſpaniſch gefinnten Räten des Herzogs von Jülich trauten fie nicht. 
Er jeldft, Johann, jei von den unierten Provinzen beauftragt, ſich 
zu erkundigen, ob vielleicht die münſterſche Regierung oder auch 
Erzbiihof Heinrich die Hilfe des ſtaatiſchen Kriegsvolls wünſchten; 
inzwijchen habe er dieſes noch zurüdgehalten, doch feien bereits 
ein paar Fähnlein zu Rheine angelangt ). — In Wahrheit hatte 
Graf Johann jelbft auf dem Weg von Arnheim nah Münfter 
die ftaatiihen Hauptleute veranlaßt, ins Stift zu rüden. 

Aufgefangene Briefe, echte und mehr noch faljche, fpielen in 
den niederländiihen Händeln jener Zeit eine große Rolle. Auch 
diesmal verfehlte die fede Lüge ihren Zweck nit. Die ganze 
Stadt, bejonders das gemeine Volk, geriet bei dem Gedanken, die 
niederländischen Kriegsbanden im Stift zu mifjen, in gewaltige Auf: 


1) Id gebe den Inhalt des mündlichen Vortrags bes Grafen nach bem 
darüber geführten Protofoll; Johanns Beriht an Dranien fiimmt in ber 
Hauptfahe damit überein, fügt aber noch mancherlei Gründe bei, welche er 
zum Beften der Wahl des Bremer Bifhofs und gegen die bes Freifingers 
dem Rat vorgehalten habe. ferner erzählt Johann, daß er bereit8 unter- 
wegs einen „Diskurs“ (gegen Bayern) zu Papier gebradht unb burch ben 
Hofmeifter des Grafen von Bentheim unter der Gemeinde zu Miünfter babe 
verteilen laſſen. Nach Iohanns Darftellung Hatte Erzbiſchof Heinrich das 
Spiel bereit8 verloren gegeben, al8 Iohann fam und, faft gegen Heinrichs 
Willen, den Umſchwung hervorrief. Übrigens unterfhägt Johann offenbar 
den Einfluß ber kaiferlihen Kommiffton, hebt auch nicht genug hervor, daß 
Heinrich mit ber von Johann befämpften Nachfolge eines Erzherzogs ein- 


verftanden war. 
44* 


692 Siebentes Bud. Biertes Kapitel. 


tegung; man bewaffnete jih, ſchloß die Thore, verftärkte die 
Wachen und führte das große Geſchütz auf den Markt. — Bon 
diefem Augenblid an waren die Vertreter der Gemeinde, Alder- 
und Meifterleute, entſchloſſen, jegt feine Neuwahl und insbeiondere 
nicht die eines der beiden Rivalen Bremen und Bayern zu dulden. 
Des Rates Meinung war das ohnehin jhon lange. Auch von 
Herzog Julius von Braunſchweig kamen Briefe an Regierung und 
Nat, in welchen davor gewarnt wurde, bei diefem Zwieſpalt der 
Gemüter eine Neuwahl zu gejtatten ?). 

Am Morgen des 27ften erjchienen Abgeordnete von Rat und 
Gemeinde zuerft vor dem Kapitel, nachher vor der Regierung 
und verlangten auf Grund der von verſchiedenen Seiten erfolgten 
Warnungen, jowie der Abſchiede der beiden lekten Landtage, man 
Folle nicht den Freifinger Biſchof poftulieren, fondern entweder auf 
Wahl einer dritten Perſon denken, oder wenn dies zur Zeit nicht 
möglich, einftweilen an dem jekigen Poftulierten fefthalten. Die 
Senioren proteftierten, weil dieſe Forderung in die Rechte des Ka— 
pitels eingreife, Junioren und Regierung nahmen die Sade in 
Bedenken. Am nämlihen Vormittag wurde zwischen Kommiſſaren 
und Kapitel die Frage, ob zuerft Kommiffion oder Neumahl, er: 
folglo3 weiter erörtert. Am Nachmittag aber, als die Senioren 
und die jülihihen Gejandten wieder in der Propftei zujammen 
famen, ftimmten beide überein, daß man unter den jegigen Umftänden 
mit der Poftulation nicht fortfahren könne, fondern darauf denfen 
müfje, wie Herzog Johann Wilhelm an die Adminiftration zu 
bringen. — Schon am Abend zuvor hatten die Gefandten, da fie 
jahen, wie jehr die Bürgerſchaft ſeit Graf Johanns Ankunft er: 
regt war, ihren zu Cleve weilenden Herzog gebeten, fein Hoflager 
an die Stiftögrenze, nad Schermbed zu verlegen, um den feind: 
lichen Einſchüchterungen ein Gegengewicht zu bieten und nötigen 


1) Bereits im Oftober 1579 finden wir ben Braunfchweiger Herzog in 
Briefwechfel mit Graf Johann wegen ber münfterfhen Wahl. Groen van 
Prinsterer VII, 101. 


Herzog Iohann Wilhelm wird Adminiſtrator von Münſter. 698 


falls mitjamt dem Poftulierten in die Stadt ſelbſt zu kommen. 
Damit erflärten fi) nun auch Senioren und Negierung einver- 
ftanden. — Der alte Herzog, deſſen einflugreichite Räte ohnehin 
mit Graf Johann, ihrem geldriihen Nachbar, auf geipanntem 
Fuße ftanden, jagte jofort zu; ſchon am 29ſten brad) er von Gleve 
auf, in Monreberg (bei Calcar) ſtieß Johann Wilhelm zu feinem 
Vater; am Abend des 1. Mai zogen die beiden Fürften in Schloß 
Schermbeck ein, wohin aud eine Anzahl Landſaſſen aus Berg, 
Mark und Ravensberg beichrieben wurde. 

Unterdes hatten Erzbiſchof Heinrih und Graf Johann die 
Stadt bereits verlaffen, der erfte am 27. April, Graf Johann, 
zufammen mit dem Grafen von Bentheim, am 28ften, Aber die 
Dinge ftanden darum nicht befjer für die hayrtihe Partei. Ein 
Trupp ftaatiicher Reiter von Graf Hollachs (Hohenlohes) Volk lag 
wirklich ſchon im Stift und zeigte, troß der Aufforderung dur 
die Regierung, feine Luft, wieder abzuziehen. Ginige ſtaatiſche 
Hauptleute erſchienen jogar, angeblich veranlaßt durch die Junioren, 
in der Stadt, um zu fehen, wie fie fagten, mo dies Werk hinaus 
wolle. Auch fanden fi am 28ften viele Herren von der Nitters 
ihaft, Verwandte und Freunde Wefterholts, in Münfter ein und 
verlangten, der Stadtrat folle mit ihnen bei der Regierung darauf 
dringen, daß das Kapitel am legten Landtagsabihied fefthalte. 
Das geihah am folgenden Tag durch Rat, Alder- und Meifter: 
leute, am 30ften dann auch, durd den Nat, bei den Senioren 
jelbft —, mit ſehr entichiedenen Worten. Nicht umfonft hatte 
Graf Johann die Bürger an einen alten Sprud erinnert, den 
ihre Vorfahren bei Neuwahlen zu den Domberren zu ſprechen 
pflegten: „Habt ihr die Thür, jo haben wir den Schlüſſel zur 
Thür!‘ Die Gemeinde ließ melden: wenn man balsftarrigerweile 
mit der BPoftulation fortfahre und einen bon den genannten 
Herren, Bremen oder Bayern, poftuliere, wollten fie die Kapitu— 
laren jo lange hier fefthalten und verwahren, bis man jehe, was 
daraus erfolgen werde; die Herren Kapitularen follten bei ihnen 
in der Stadt bleiben, Lieb und Leid mit einander zu tragen. 


694 Siebente® Bud. Viertes Kapitel. 


Bereit? am Tag zubor waren, von den Verordneten zur Re— 
gierung berufen, die anderen Hof= und Landräte in der Stadt 
erſchienen und unterzogen ſich fortan, zujanmen mit jenen, der 
Aufgabe zwifhen Rat und Gemeinde einerſeits, Senioren und 
ülihichen Gejandten anderjeit3 zu vermitteln ). Die Bürger: 
ſchaft forderte dreierlei: 1) man folle gemäß dem legten Land— 
tagsabihied abwarten, was die faiferlihe Kommiffion ausrichten 
werde; 2) weder Bremen nod) Bayern, fondern einen dritten 
poftulieren; 3) fall3 dies nicht möglich, dann nod eine Zeit lang 
bei dem jegigen Poftulierten bleiben. Dagegen wandten die Se: 
nioren ein, daß die Kommifjare nun ſchon acht Tage in der Stadt 
feien und noch nit ein Vergleihsmittel vorgeſchlagen hätten; 
auch ſei die eigentlihe, auf dem lekten Landtag gemeinte Kom— 
miffion dadurd) erlofhen, dab Mainz und Trier abgelehnt; die 
neue jei ein parteitfches erpraftiziertes Werk, die Intereſſenten 
Jülich und Bayern feinen nit mit citiert, der Kölner Kurfürft 
könne diefen beiden Häufern als Kommiſſar nicht genehm fein 
u. |. w. Die zweite Forderung habe der Herzog von Jülich 
längft abgelehnt, weil ihm Ehre und Reputation verböten, einen 
andern als den Freifinger Bifhof zu empfehlen. Mit Punkt 3 
feien fie einverftanden, fall3 er jo ausgelegt werde, daß man den 
jegigen Boftulierten al3 ein Haupt zur Regierung kommen lafje. 
Aber jo meinten es Rat und Bürgerfhaft nicht, fondern wollten 
nur, wie fie fi) ausdrüdten, den Poftulierten jo lange an der 
Hand behalten, bis man zum dritten fomme, damit man alio 
beim Krummftab bleibe. Dffenbar hatte in der Stadt das Miß— 
trauen Wurzel geihlagen, daß e3 das Haus Jülich auf dauernde 
Herrſchaft über das Stift abgejehen habe. 


1) Das jülichfche Protokoll nennt als Vermittler: „Eort Ketler, marfchalt 
Belin, droft zu Wolbed Rasfelt, canzler Sted, Heibenrih Drofte, Red ber 
tho Heefien und Strid mit noch einem licentiaten u. fecretarien.” Bon 
biefen Herren waren Belen, Raesfeld und Sted zugleich Berorbnete zur Re- 
gierung, f. 0. ©. 255. 


Herzog Iohann Wilhelm wird Adminiftrator von Münſter. 69% 


Fünf volle Tage, vom 29. April bis zum 3. Mai, zogen 
fi diefe Verhandlungen ohne Rejultat Hin, was den jülichſchen 
Geſandten inſoweit nit unlieb war, als ihr Herzog mittlerweile 
in die Nähe fommen und feinen Einritt in die Stadt vorbereiten 
fonnte. Die kaiſerlichen Kommifjare blieben die ganze Zeit über 
in der Stadt; am Morgen des 3. Mai erklärten fie endlich: da 
ihre Mühe vergeblich geweſen, müßten fie wieder an den Kaifer 
berichten; man jolle darum, bei Vermeidung des faiferlihen Zornes, 
die Poftulation auf drei Monate vertagen. Zwar entzogen ſich 
die Senioren einer ſolchen Zufage, die Kommiſſare verließen fich 
aber darauf, daß Stadtrat und NRitterihaft die Wahl des Frei- 
finger Biſchofs jobald nicht zugeben würden. Am Nachmittag des 
3. Mai ſprach der Rat noch einmal den beftimmten Wunſch aus, 
daß ein dritter gewählt werde, und behielt fi vor, aud an Her— 
zog Wilhelm, der feine Ankunft bereits angekündigt hatte, dieſe 
Forderung zu richten ). — Auf feinem Rückweg von Miünfter, 
zu Dülmen, begegnete der Freiherr von Winneburg dem heran- 
ziehenden Herzog, und erſuchte ihn, gemäß dem Befehl des Kaiferz, 
abermals, einem von defien Brüdern nad; Münfter zu verhelfen, 
wurde aber kurz abgewiejen. 

Am Abend des 7. Mai zogen die beiden Herzöge, Vater und 
Sohn, mit etwa 300 Pferden durch das Agidithor in Münfter 
ein. Die Stadt ließ es an äußeren Ehren nicht fehlen: über 
2000 Bürger gingen in Nüftung mit fliegenden Fähnlein vor 
ihnen ber. Dagegen lud der alte Herzog das ganze Domkapitel 
famt den anmwejenden weltlichen Ständen zugafte und verehrte den 
Bürgern, welche ihn beim Einzug geleitet, 100 Reichsthaler. 


1) Wie fehr Rat und Gemeinde ber jülich-bayrifhen Partei abgeneigt 
waren, merkt man felbft aus der Art, wie ber Rat Herzog Wilhelms An- 
fündigung, daß er am Abend bes Tten in bie Stabt fommen wolle, beant= 
mortete: während bie Regierung ihn „Herzlich gern und mit erfreutem Ge- 
müt“ aufzunehmen verſprach, antworteten Bürgermeifter und Nat, fie feien 
- „feiner Ankunft gewärtig, jedoch im träglicher Anzahl”; auch verfähen fie fich, 
bes Herzogs Gefolge werbe ſich „frieblih und aller Gebühr nad bei ihnen 
verhalten”. 


69% Siebentes Bud. Biertes Kapitel. 


Am nächften Morgen begann das Gejhäftliche damit, daß der 
Herzog im Kapitel feinen Neffen, Herzog Ernſt, neuerdings em— 
pfehlen ließ. Hierauf veriprahen die Senioren, ihrer alten Zufage 
treu zu bleiben, die Junioren forderten wieder freie Wahl. Am 
9. Mai erichienen Abgeordnete von Regierung, Ritterihaft und 
Städten vor dem Herzog, erinnerten an al’ die vergeblihen Ver— 
juche, beide Zeile zu vergleihen, an Erzbiſchof Heinrichs jüngfte 
Erklärung, daß er fich feines durch Majorität erlangten Rechtes 
nicht begeben wolle, an die vielen Warnungen vor der Wahl eines 
der beiden Rivalen, — und ftellten demnach dem Herzog anheim, 
entweder eine dritte Perſon zu empfehlen oder mehrere, zur Aus- 
wahl vorzufchlagen. Dabei erinnerten fie ihn wieder an das 
Veriprechen, welches er ihnen vor anderthalb Jahren (am 30. Di: 
tober 1578) zu Hambach gegeben hatte. Der Herzog ließ ant— 
morten, feine fürftlihe Ehre verbiete ihm, von dem was früher 
verabredet abzuftehen; empfehle er jegt einen andern als ven 
Freifinger Biſchof, jo würde es ausfehen, als ſei dieſer wirklich 
eine ſolche Perſon, wofür man ihn ausgegeben; auch würden ſich 
Senioren und Junioren doch nit vergleichen können; die erpraf- 
tizierten Warnungen jeien nit gar gefährlih, man möge nur 
kühn mit der Wahl fortfahren. Am Nachmittag und am folgen- 
den Tag geichah vonjeiten des Herzogs öffentlich nichts; dafür 
bemühten fi feine Räte privatim, einzelne Ritter und Bürger 
für Johann Wilhelms Aominiftration einzunehmen; Landftände 
und Regierung verhandelten hierüber auch unter einander. Am 
Abend des 10ten fam es zu einem Kompromiß: die jegige Ka— 
pitelämajorität verzichtete für jest auf die Neuwahl; dagegen gaben 
Junioren und Landftände zu, daß auf Grund der alten Poftulation 
Herzog Johann Wilhelm, unter Beirat der bisherigen Verordneten, 
al3 ein Haupt zur Regierung fomme. Von dem päpftlihen Ad— 
miniftrationsbreve wurde ganz abgejehen !.., Am andern Morgen 


1) An den Kaifer fchreibt nachher ber Herzog von Zülih, er babe fich 
des Breves nicht bebienen wollen, weil er bes Kaiferd Bedenken vernommen 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Miünfter. 697 


erhielt das Bereinbarte feine offizielle Form. Abgeordnete der 
drei Stände erſchienen vor dem Herzog und erklärten, fie wollten 
e3 diesmal bei feiner Erklärung bewenden laffen. Da nun das 
Kapitel auf Wunſch von Regierung und weltlichen Ständen die 
Neuwahl eingeftellt habe, die Regierung aber nad einem Haupte 
verlange, jo müßten fie fein dienlicheres als den jekigen Poſtu— 
hierten; der Herzog möge aljo jeinem Sohne geftatten, mit der 
Stiftregierung fi zu beladen. Herzog Wilhelm ſprach jein Be: 
dauern aus, daß man nicht zur Neumahl gelangt ſei, und gewährte 
jodann die Bitte. Hierauf händigte man ihm den Entwurf einer 
vom 10. Mai datierten Aſſekuration ein, durch welche ſich die 
beiden Herzöge verbürgten, dag Johann Wilhelm, fobald er zur 
Ehe ſchreite, pure et libere refignieren werde. Sonft wurde die 
alte Kapitulation und Afjefuration im weſentlichen erneuert. Des 
putierte von beiden Seiten vereinbarten alsdann noch Regierungs: 
artikel, während das Kapitel unter dem 11. Mai zum Behuf der 
päpftlihen Konfirmation ein lateinifches Adminiftrationsdelret aus— 
fertigte, worin e8 hieß, jie hätten, vorbehaltlich der päpftlichen 
Genehmigung und der Rechte des Kaifers, ihren bisherigen Poſtu— 
lierten al3 Aominiftrator und Gubernator der Weltlichfeit der 
münſterſchen Kirche, unter Beirat der bisherigen Verordneten, aufs 
genommen und zugelafjen. 

Wie es bei Kompromiffen zu gehen pflegt, war feine Partei 
ganz zufrieden. Der Domdehant und die Seinen Hlagten, daß 
fie duch die unzeitige Kommiſſion um allen Vorteil gebracht feien 
und jobald nicht mehr Majorität für eine Neuwahl zu haben fein 
werde. In der That war anzunehmen, daß die Gegner durch 
Dualififation etliher Junioren einer abermaligen Überrafhung vor: 


babe, „als jolt e8 €. 8. Mt und dem heiligen reich etwan zum nachteil ge» 
reihen“; dagegen verfichert er dem Bapfte, er habe feinem Sohn die Annahıne 
ber Abminiftration geftattet, eo libentius, quod S. V. per breve suum 
superioribus mensibus transmissum fillio meo administrationem hanc 
commisit. Daß das Breve nicht infinuiert worden, teilte ber Herzog libri« 
gens auch dem Papfte mit. 


698 Siebentes Buch. Biertes Kapitel. 


bauen würden. Gelbft dem alten Herzog war der Ausgang nicht 
ganz recht. Die Urſache — cine Art von Eiferfucht gegen feinen 
Sohn — verrät Paul Langer in einem Brief an den bayriſchen 
Sekretär Winklmair: „Weil nun das Merk’, jchreibt er, „Gott⸗ 
(ob zu dem Ende kommen, muß dafjelbig unjerm alten Herrn 
fonderlih hoc; commendiert werden, denn meins Bedenken hat 
er jeither etwas Widerwillen über dero Sohn .. . ., daß er fo 
jung [Johann Wilhelm wurde eben 18 Fahre alt] zu folder Dig- 
nität und Gubernation erhoben. Daraufhin richteten die bay- 
riihen Herzöge warme Dank- und Glückwunſchſchreiben an ihren 
Dbheim, von deſſen Unzufriedenheit nachher nichts weiter ver- 
lautet. 

Noch weniger zufrieden war die Gegenpartei. Der Kaiſer 
rügte ſcharf, daß feine Kommifjare jo wenig beim Kapitel ausge- 
richtet, und wollte demnächſt wieder eine Kommilfion abordnen. 
Erzbischof Heinrih, Kurfürft Gebhard, die Generalftaaten und die 
fonftigen Gegner Bayerns betrachteten ohne Zweifel die jülihiche 
Adminiftration nur als das Heinere von zwei Übeln. — Wefter- 
holt jelbft hatte fi während der Anweſenheit der Herzöge ftill in 
feinem Hof gehalten; kaum waren fie weg, jo machte er ſich heim- 
lid fort aus der Stadt (am 14. Mai); wohin, — fonnten die 
Senioren anfangs nicht erfahren: fie meinten entweder mit dem 
Bremer Erzbiihof nah Dänemark, oder an den Hof des Kaiſers, 
oder endlich nad) Rom. Dies legtere war wirklid der Fall. Be— 
reit3? Ende Juni traf Wefterholt in Rom ein, wo er, vom faijer- 
lichen Hof aufs wärmſte empfohlen, von dem Kardinalproteftor der 
deutihen Nation, Madruszi, ehrenvol empfangen wurde. — Bon 
nun an glaubte die bayriihe Partei die Gefahr, daß Wefterholt 
vom Papſte reftituiert und dadurd alles wieder in Verwirrung 
gebracht werde, ganz nahe gerüdt. War doc) der Statthalter haupt- 
ſächlich wegen feines ungehorfamen Nichterſcheinens in Rom erft ſu— 
ipendiert, dann erlommuniziert worden! Vor drei Jahren jhon hatte 
der Kardinal von Como angedeutet, daß man Wefterholt und feinen 
Genoſſen, wenn fie jo ug wären, in Rom zu erjcheinen, wenig 


Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 699 


werde anhaben können. Nun mar der gefürditete Führer der 
bremiſchen Partei wirkli da, zur großen Freude aller Surialiften ; 
denn je weniger Rom zur Zeit gewöhnt war, von den ſchisma— 
tiichen Deutjchen feine Befehle beachtet zu jehen, deſto mehr freute 
man ſich über diefen unerwarteten Gehorfam. Zudem mar der 
Eindrud, welchen Wefterholt perfönli) in Rom machte, fein un— 
günftiger. „Viele wundern ſich“, heißt e3 in einem nad Köln 
gelangten Brief, „wie diefer Mann jolde Zragödien hervor— 
rufen fonnte, defjen heiteres Gefiht, wohlgefämmtes Haar, vor: 
nehme Kleidung und würdiges Auftreten viele bewundern, die bon 
feinem Scharffinn nicht viel merken.‘ *) 

Weſterholt machte auch in Rom feine alten Argumente geltend: 
nur um ihre freie Wahl zu behaupten, hätten er und feine Ge- 
noffen fi der bayriſchen Nachfolge widerſetzt; den Bremer Erz— 
bifhof hätten fie gewählt, weil fie ihn für katholiſch hielten: Hein— 
rich habe verſprochen, die katholische Religion im Stift Münfter zu 
handhaben und die päpftlihe Konfirmation zu erwirken. Es fam 
Meiterholt zugute, daß fich Heinrih eben damals in Rom jelbft 
um feine Konfirmation bemühte. Schon während des Kölner Paci- 
fifationsfongreffes hatte er fi mit dem Nuntius Gaftagna des: 
balb ins Benehmen gejegt; Lorenz Schrader war ſelbſt einmal bei 
Caſtagna in Köln; es jcheint, daß an ihm Erzbiſchof Heinrich nicht 
minder wie Hurfürft Gebhard einen warmen Fürſprecher hatte; 
Empfehlungen vonfeiten des Kölner Kurfürften und namentlich des 
Kaiſers werden nicht gefehlt haben. Anfangs September 1580 
berichtet der jülihihe Agent Hammerftein aus Rom an feinen 
Herzog: der Bremer Erzbiſchof gelte bei den meiften durchaus nicht 
als Häretifer; wenn man an ihm etwas Fehlerhaftes finde, fer es 


1) Multi hie mirantur hominem illum potuisse tot tragoedias excitare, 
cujus nitidam faciem, pexum capillum ornatumque elegantem et gravem 
incessum mirantur multi, ingenii acumen non agnoscunt. Aus einem 
römiſchen Briefe vom 2. Juli 1580 an Dr. Winkel. Kop. St. 98/1, 
fol. 92. 


700 Siebentes Bud. Viertes Kapitel. 


vielmehr ein gewiſſes fleischliches und leichtfertiges MWejen. Es 
ihien, al3 jollte jegt auch das alte Haupthindernis feiner Konfirz 
mation, jeine Weigerung, den Zrienter Eid unbedingt zu leiften, 
gehoben werden. Heinrich, hie es, wolle die frühere Klauſel fallen 
lafjen, wenn man ihm geftatte, den Eid heimlich zu leiften. Wan 
wollte in Rom fogar wiffen, er babe bereit3 Jeſuiten in Pader— 
born aufgenommen. Anfangs Dftober joll man in einer Sitzung 
der germanischen Kongregation dem Beihluß, ihn zu fonfirmieren, 
Ihon ganz nahe geftanden haben. — Weſterholt unterhielt in 
Rom ſowohl mit Heinrichs Agenten, wie mit dem des Kölner 
Kurfürften vertrauten Verkehr. Auch an der münfterfchen Bürger— 
haft fand er Bundesgenoffen. Wir werden hier wieder einmal 
an Dr. Schenkings Prozeß erinnert, der in den früheren Jahren 
jo mandes Mal mit den Poftulationswirren verwidelt war. Wefter: 
bolt, wiewohl jelbft ein Mitglied der Ritterihaft, jcheint nämlich 
den münfterihen Erbmännern Ausfiht auf befriedigenden Aus— 
trag ihres Prozeſſes gemacht zu haben, wogegen fie ihn an der 
Kurie unterftügten, desgleihen die Stadt Münfter, welche das durch 
Weſterholt wieder entdeckte Privileg de non evocando von Rom 
erneuert haben wollte. Anderſeits wird Weiterholt nicht verjäumt 
haben, das alte Mißtrauen der Kurie gegen die Redtgläubigfeit 
des Herzogs von Fülih zu nähren. Hatte diefer doch jüngft 
— im Dftober 1579 — aud feine dritte Tochter Magdalena 
an einen lutheriihen Fürften, den Pfalzgrafen Johann von Zwei— 
brüden, verheiratet. Dazu kam nun die Bejorgnis, die Übernahme 
der Regierung von Münfter durch Johann Wilhelm möchte der 
Anfang fein zu völliger Befignahme diejes Stiftes. In Hammer: 
fteind römischen Briefen aus diejer Zeit finden ſich wiederholt Ans 
deutungen wie folgende: „Entweder giebt e3 hier Leute, die, ih 
weiß nicht melde Verleumdung gegen E. f. Gnaden ausiprengen, 
oder der römische Stuhl jelbit fürchtet, wir möchten unter dem 
Vorwand der Adminiftration das Stift ganz behalten.” — Das 
legte und vielleicht ftärkjte Motiv für Rom, Wefterholt zu jchonen, 
war aber der Verdruß darüber, daß ſich die münſterſchen Senioren 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 701 


herausgenommen hatten, in die Vorrechte des rönftidhen Stuhles 
einzugreifen, indem fie eigenmächtig über Weſterholts erledigte 
Pfründen verfügten. 

AN dieſen feindfeligen Einflüfterungen gegenüber war es die 
Aufgabe der bayriihen Partei, die Kurie zu überzeugen, daß 
Weſterholts Reftitution nicht nur mit der Ehre der beiden Häufer 
Jülich und Bayern unvereinbar ſei, fondern auch das Anſehen 
des römiſchen Stuhles ſelbſt aufs höchſte gefährden und die faum 
beruhigten Stiftslande von neuem in Unruhe und Empörung 
ftürzen werde. — Über Wefterholts Abreife Hatten die Senioren 
anfangs frohlodt: „Ich werde den Hirten ſchlagen und die Schafe 
der Herde werden zeritreut werden!‘ — ſchreibt Goddert von 
Raesfeld an Dr. Winkel. Aber Wefterholts Ankunft in Rom 
und die Gunft, welche er hier fand, erichütterten alsbald die Hoff- 
nung, daß nun alle Schwierigkeiten überwunden feien. Im Auguft 
1580 reifte der junge Raesfeld, welcher Weſterholts Kapitelplatz 
erhalten hatte, in Eile jelbft nah Rom, um feine Rechte zu ver: 
teidigen, wurde aber von Hammerftein in aller Stille wieder 
weggeihicdt, damit Wefterholt nicht Gelegenheit befomme, feinen 
Gegner periönlid ad evacuandam possessionem aufzufordern. 
Schon im September hie es in Rom, der Papft werde Weiter: 
holts Pfründen demnähft in Sequefter nehmen. Seine Er: 
fommunifation war jofort nad) feiner Ankunft, damit er überhaupt 
Prozeß führen könne, fufpendiert worden. Übrigens gab fi Ham— 
merjtein jchon damit zufrieden, daß der Papſt wiederholt verſprach, 
Weſterholts Sade folle nur nad) dem ftrengen Recht — mit 
Ausschluß päpftlicher Gnade — behandelt werden. Damit, meinte 
Hammerftein, gerate Wefterholt in ein Labyrinth, aus dem er fich 
faum mit Hilfe eines Dädalus werde herauswinden fünnen; denn 
die Kriminaliften der Kurie feien in ſolchen Dingen wundergeſchickt 
und liftig; um fie fertig und luftig zu machen, bedürfe es freilich 
der Geſchenke. Hammerftein empfahl, möglichit viel Material zu jen- 
den, wodurch dargethan werde, daß ſich Weſterholt gegen die Auto: 
rität des römischen Stuhles und für die Freiftellung, gegen die 


102 Siebente® Bud. Biertes Kapitel. 


Inquifition uhd gegen Spanien ausgeſprochen habe, insbefondere 
alfo Kopie und Überjegung feiner Afjeverationsihrift vom Des 
zember 1577. Dabei aber empfahl Hammerftein immer wieder, 
fih nit auf die Remedia Curiae zu verlafjen, fondern dort im 
Beſitz zu befeftigen, damit das zur Zeit gar furdtfame Rom fich 
iheuen müfje, durch Reftitution Wejterholt3 den Frieden wieder 
zu gefährden. 

Auch die Senioren pflihteten diefer Anfiht bei. Bereits 
Anfangs Auguft kamen Gefandte von Kapitel und Regierung nad) 
Cleve und baten dringend, der Herzog möge baldigjt jeinen Sohn 
die Regierung wirklich antreten laffen. Unter dem Eindrud der 
bedenflihen Nadrichten von Rom milligte Herzog Wilhelm ein. 
Mitte September brach er mit feinem Sohne von Düfjeldorf auf 
nach dem Stift Münfter,; am 20ſten zogen jie, feierlich empfangen, 
auf dem Haus Horftmar ein, welches fortan Si der neuen Re— 
gierung wurde. Da die bisherigen Verordneten ihr Amt behielten, 
änderte ji in der Stiftäverwaltung zunächſt nit viel, nur daß 
alle Schreiben und Befehle fortan im Namen des Adminiftrators 
ausgingen. Am 24. Dftober wurde auf dem Laerbruch ein Land— 
tag gehalten, der ganz nah Wunfd der Senioren und des Haufes 
Jülich verlief: die Stände dankten dem jungen Herzog für die 
Annahme der Regierung und gelobten, Eintradht, Ruhe und Ge- 
horſam im Lande zu erhalten. 

Nun ließ aud) der Kaifer geichehen, was er nicht ändern 
fonnte. Als Ende Dftober Gejandte des Adminiftrators und des 
Kapitel3 zu Prag erihienen — zunädft um Beichwerde zu 
führen, dab noch immer ftaatifches und jet auch königliches Kriegs- 
voll im Stift lagere —, erklärte ihnen der Kaiſer, er laſſe fi) 
Johann Wilhelms Adminiftration gefallen und wolle feine weiteren 
Kommijjare verordnen. Aus den mündlichen Außerungen des 
Dizefanzler3 entnahmen fie ferner, daß „Diejenigen, jo Ihre 
Mt und derjelben nächfte Verwandte mit in das münſterſche Wert 
gezogen, nachdem die Sachen anders al3 fie vermeint abgelaufen, 
nicht viel Gnaden jondern mehr Schimpf verdient hätten“. Dr. Vie— 


Herzog Johann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 708 


heuſer jelbjt verwahrte fi gegen den Verdacht, als Habe er in 
Münfter irgendetwas dem bayriihen Haufe zumider thun wollen. 
Der Kaifer und er ſelbſt, als Vizekanzler des Reiches, hätten nur 
nicht dulden dürfen, daß ſich der römiihe Stuhl herausnehmen 
wollte, über die Weltlichfeit eines Neichsftiftes zu verfügen. 
Weſterholt aber habe für Rom nur ganz allgemeine Empfehlungen 
pro administranda justitia erhalten, wie fie der Kaifer niemanden 
bermeigere. 

So war denn, nad) fünf Fahren, der münfterjhe PVoftulations- 
ftreit zu einem vorläufigen Abſchluß gelangt, einem Abſchluß, 
durch welden die Ausfichten de3 Haufes Bayern auf Erlangung 
dieſes Stift3 in weite Ferne gerüdt jchienen. 


Inzwiſchen war Herzog Ernſts Hoffnung, das Erzitift Salz— 
burg zu erlangen, für immer zunichte geworden. 

Auf dem peremptorifchen Kapitel des 10. Mai, zu weldem 
Herzog Ernft aus Venedig herbeigeeilt war, forderten die Dom: 
herren ihren Erzbiſchof geradezu auf, fi einen Koadjutor aus 
ihrer Mitte gefallen zu laffen. Der Erzbifchof zögerte noch immer; 
zunädhft wohl um Zeit zu gewinnen, verlangte er, der Papft 
müffe zuvor einmwilligen. Sein Berater, der Nuntius Ninguarda, 
Biſchof von Scala, bejtärkte ihn darin, wohl in der Abfiht, ſol— 
hermaßen die Vorrechte des römiſchen Stuhles wieder um ein 
Stück zu erweitern. Die päpftlihe Erlaubnis wurde ſofort er= 
teilt, jo daß nun die Bewerber um die Koadjutorie ihr Spiel 
offener treiben konnten. Doc wiſſen mir Näheres — und aud) 
dies jehr lückenhaft — faft nur über das, was bon bayriſcher 
Seite geihah. Herzog Wilhelm jchrieb auf Bitten feines Bruders 
an den Papft und empfahl denjelben deutlich genug, wenn aud) ohne 
Namen zu nennen, als den geeignetiten Koadjutor. Gregor XI. 
vermied e3 aber, offen Partei zu nehmen, ohne Zweifel weil er 


704 Siebentes Bud. Viertes Kapitel. 


weder das Haus Oſterreich noch das bayriſche beleidigen wollte !). 
Als das Domkapitel am 6. Juli zur Koadjutorwahl zufammen- 
fam, waren Bayerns Hoffnungen jedenfalls ſchon ſtark geſunken, 
da Herzog Ernſt nit wieder jelbft in Salzburg erſchien, jondern 
fi damit begnügte, daß fein Bruder ein paar Räte dorthin ab: 
ordnete, weldye dem Kapitel eine gute Koadjutorwahl empfahlen. 
Die Wahl ſelbſt verzögerte fi bis zum 18. Juli und fiel dann 
weder auf Herzog Ernſt noch auf einen Erzherzog, fondern auf 
den Dompropft Georg von Küenburg, einen Neffen des vorigen 
Erzbiihofs. — So legten Ihon damals die Salzburger Dome: 
herren jene Meinung an den Zag, welde fie jpäterhin (im Fahre 
1606) zum förmlichen Kapitelsftatut erheben wollten: daß fortan 
fein Herr aus den Häufern Oſterreich oder Bayern „‚den an: 
deren zu wiſſentlichem oder kundlichem Präjudiz“, zum Erzſtift 
erwählt werden folle. 


Nah all diefen Mikerfolgen begann Herzog Ernſt daran zu 
verzweifeln, daß er im deutſchen Reiche fobald eine würdige geiſt— 
liche Stellung erlangen werde, Im Einverftändnis mit feinem 
Bruder Wilhelm nahın er darım den alten Plan ernftlich wieder 
auf, daß er fi zu längerem Aufenthalt nad) Rom begeben wolle, 
um dort zum Kardinal ernannt zu werden; die für dieſe Würde 
erforderlihen Einkünfte hoffte er mit Hilfe des Papftes vom ſpa— 
nischen König zu erhalten. Zuvor follte nur noch Stift Hildes- 
beim bejucht werden, deflen Biſchof er nun jchon im achten Fahre 


1) Maffei behauptet zwar, Gregor XIII. habe des Kaifers Bemühen für 
Erzherzog Marimilian unterftügt (Il Papa fratanto sollecitatovi dall’ Im- 
peratore e con brevi e per mezzo del Nunzio Feliciano cercö di ajutarlo, 
ma sempre salve le ragioni e la indennitä del Capitulo), doch finbe ich 
in den bayrifchen Akten feine Beweife für eine fo weitgehende Parteinahme. 
Der Nuntins Ninguarba Tpricht fih nachher über Küenburgs Wahl hoch— 
erfreut aus, hat aljo wohl auch das Seine gethan, um fie durchzuſetzen. 


Herzog Iohann Wilhelm wird Abminiftrator von Münfter. 705 


war, ohne daß fein Fuß es je betreten hatte. Zwar waren die 
Emfünfte, welche Ernft von Hildesheim bezog, ſehr gering 
— höchftens ein paar taufend Gulden jährlih —, doch hatte ſich 
im Laufe der legten Fahre einiges ereignet, was, abgejehen davon, 
dag die Stiftsunterthanen doch aud einmal ihren Herrn jehen 
wollten, des Biſchofs perſönliche Anweſenheit wünſchenswert machte. 
Im Jahre 1578 hatte ſich die alte Stadt Hildesheim einen gro— 
ben Eingriff in die biſchöfliche Landeshoheit erlaubt — eine Art 
Juſtizmord an dem Befehlshaber des dem Domtlapitel gehörigen Haufes 
Marienburg, einem Schwager des Kanzlers Nuntz; ſie fürchtete die 
Folgen und wünſchte mit ihrem Biſchof ſich auszuſöhnen. Wich— 
tiger war ein ſeit längerer Zeit ſchwebender Streit über die reiche 
Dompropſtei. Der Dompropſt, Graf Wilhelm von Schauenburg, 
war im März 1580 geſtorben, nachdem er vor längerer Zeit zu— 
gunften jeines Neffen, des Kölner Domdehanten Graf Anton, re 
figniert hatte; dieſen Verzicht wollten aber weder Herzog Ernft noch 
der Papſt gelten laſſen; Ernft hatte dem Hildesheimer Scholafter 
und Mindener Dompropft Zangen (Burkard oder Anton?) Hoffnung 
auf die Hildesheimer Propftei gemacht, der Papft aber diefelbe dem 
pon Herzog Wilhelm empfohlenen Dr. Andreas Fabricius verliehen; 
jedoch bedurfte es mehr als eines bloßen Schriftenwechſels, wenn 
Herzog Ernſt den bereit? im Belig befindlichen Grafen Anton 
von Schauenburg, jeinen Gegner ſchon von Köln her, wieder dar— 
aus vertreiben wollte. Endlich erſchien es wünſchenswert, ſowohl 
für das Stift, wie für die Dinge im Reich, wenn Herzog Ernſt 
durch perfönlichen Verkehr ein leidliches Verhältnis zu dem nächften 
Nahbar und alten Rivalen, Herzog Julius von Braunichweig, 
derftellen konnte. — So brad denn Ernſt gegen Ende Dftober 
1580 nad Hildesheim auf, begleitet von feinen. beiden nächſten 
Vertrauten, Baul Stor und deſſen Vetter Hieronymus, Domberr 
zu Gichftätt und Augsburg, der als zukünftiger Statthalter bon 
Freiſing auserjehen mar. | 

Kaum befand fi Herzog Ernft ein paar. Wochen auf feinem 
bildesheimischen Haus Steuerwald, als eine Botihaft feines Bruders 

2ofien, Köln. Krieg I. 45 


706 Siebentes Bud. Viertes Kapitel. 


noch einmal die Hoffnung in ihm wachrief, auf einem Ummeg in 
den Befik, von Münfter zu kommen. — Im Sommer dieſes Jahres 
hatte der Herzog von Fülid den Grafen Salentin von Sienburg 
wieder einmal an deſſen Verſprechen erinnert, daß er einen Aus— 
glei) mit dem Bremer Erzbiichof zuftande bringen wolle. Monate 
waren jeitdem vergangen, al3 Salentin eines Zages, Anfangs No= 
vember, im Kloſter Dalheim (im Amt Wafjenberg) bei Herzog Wil- 
helm erjhien und diefem in Gegenwart de3 Landdroften Gimnid) 
berichtete: der Erzbiihof Habe fich endlich zu einem Vergleich be- 
reit erklärt, wonad entweder Herzog Ernſt ihm oder er jenem 
in Münfter weichen folle, unter der Bedingung, daß der Zurüd- 
tretende dem andern jährlich 10,000 Thaler Penfion zahle und 
denjelben zum Koadjutor mache. Salentin riet dringend, die gute 
Gelegenheit nicht aus der Hand zu laffen; jonft ſeien Weiterungen 
zu beforgen oder Heinridy werde fid) mit dem Kaiſer verftändigen. 
In gleihem Sinn ſchrieb Salentin von Dalheim aus aud an 
den bayrifchen Herzog: Fronte capillata, post est occasio calva, 
meinte er, und man müſſe aus der Not eine Tugend machen, 
quia melior est inigua pax quam justum bellum. Aud der 
alte Herzog von Jülich mochte das Anerbieten nicht völlig zurüd- 
weiſen; vielleicht war vom fpaniichen König ein Zufhuß zu der 
Penfion für Heinrich zu erlangen. Herzog Wilhelm fchrieb aljo 
zunächft an den Herzog von Bayern, der zwar feinem in Steuerwald 
weilenden Bruder die Entſcheidung überließ, aber feine großen 
Bedenken nicht verhehlte, namentlih ob der Papft einmilligen 
werde und ob das Stift eine fo hohe Penfion erichwingen könne. 
Jedenfalls müſſe man zunächſt hören, was die Senioren dazu 
fagten. Herzog Ernft war nicht jo ängitlih: ev hätte, um mit 
Ehren aus dem Handel zu kommen, jogar lieber eine Benfion von 
Bremen genommen al3 fie gegeben; doch wollte er zunächſt die 
beſtimmte Anficht jeines jülichſchen Oheims wiſſen. In den lekten 
Dezembertagen fand fi deshalb Hieronymus Stor in Hambach ein, 
fonnte jedoch nicht jofort einen feften Beſcheid befommen, weil 
man bier jelbft noch auf Antwort von den Senioren wartete. 


Herzog Johaun Wilhelm wird Apminifirator von Münſter. 707 


Stor wollte gerade wieder abreifen, als diefe Antwort eintraf: 
ein deutliches Nein, ohne viel Phrafen und Umſchweife. Erzbiſchof 
Heinrich habe, erklärten die Senioren, ganz abgeſehen davon, daß 
ihr Stift eine ſolche Summe nicht aufbringen könne, und von den 
lirchlichen Bedenken, nicht das mindefte Anrecht auf Münfter; warum 
alfo ein foldhes ihm ablaufen! Könne oder wolle Herzog Johann 
Wilhelm nit Adminiftrator bleiben, fo wäre es weit befier, dem 
Kapitel freie Wahl zu laffen, dann fei man aus allem Streit, da 
ja Heinrich jelbft, feine Anhänger und die Stiftsftände ſchon längft 
nichts weiter forderten. Diefe Sprache war fo deutlich, daß 
man den Gedanken, dem Bremer Erzbiſchof aus den Stiftsgefällen 
eine Penfion zu reihen, fofort fallen lief. Stor machte nun 
im Vertrauen einige Andeutungen über feines Herrn Abfiht, nad 
Rom zu gehen und die Bewerbung um Münfter ganz aufzugeben, 
falls nicht etwa Erzbiſchof Heinrich gegen eine mäßige Benfion 
von höchſtens 5000 Xhalern, die aber nicht auf Münfter zu ver— 
fihern jei, Verzicht und zugleich Bürgſchaft leiſten wolle, daß nach⸗ 
ber jeine Anhänger wirklich den Herzog Ernſt wählten. Am Jü— 
licher Hof fand man diefe Vorfchläge billig und wollte darüber 
wieder mit Graf Salentin ſprechen. Wenn aber nichts zu er= 
langen jei, und wenn aud die kürzlich wieder einmal von Lüttich 
aus angeregte Hoffnung, dort vielleicht jegt zu einer Koadjutorie 
zu gelangen, als eitel fid erweiſe, fo werde es auch dem Herzog 
von Jülich nicht zumider fein, daß Herzog Ernft nad) Italien gehe 
und dort das Glück erwarte. 

Stor hatte Hambach kaum verlaffen, als Hier ein vom 
28. Dezember datiertes Schreiben des Lütticher Domfapitel3 mel- 
dete, ihr Kardinal-Biſchof fei ſchwer erfrankt, es fcheine ihnen nicht 
nur nüglid, jondern notwendig, daß fi der SFreifinger Biſchof 
eiligft in ihre Nähe verfüge; Herzog Wilhelm möge alſo ſeinen 
Neffen veranlaſſen, ſofort zu ihm zu kommen. Zwei Tage danach 
meldete ein weiterer Brief von Lüttich, daß Biſchof Gerhard bereits 
geftorben und dem bewußten Herrn (Herzog Ernſt) ein Kanonifat 
verliehen, ſowie die Neuwahl auf den 23. Januar angeſetzt ei; 

45* 


708  . Siebentes Bud. Biertes Kapitel. 


e3 jei aljo durchaus nötig, daß ſich der bewußte Herr unverzüglich 
zu Lüttich einfinde. 

Ale zulegt gefaßten Entſchlüſſe wurden hinfällig durch dieſe 
Rachrichten, welche bereits. deutlich durchblicken ließen, daß Herzog; 
Ernft die beiten Ausfichten habe, zum Biſchof von Lüttich) gemählt 
zu werden. 


Achtes Bud. 
Hochſtift Lüttich) und das Haus Bayern. 


1. Kapitel. 
Stift Lüttih unter Biſchof Gerhard von Groesbeek.* 


Das Hochſtift Lüttich erſtreckte fi in einer Länge von einigen 
20 und einer Durchfchnittlihen Breite von etwa 5 geographiichen 
Meilen am mittleren Laufe der Maas; mit dem übrigen deutichen 


* Quellen: Überblid über die Gefchichte des Stiftes Lüttich bei de Gerlache, 
Hist. de Liege, 2me Ed. Oeuvres T. IV. Brux. 1859 unb bei 
Ferd. Henaux, Hist. du Pays de Liege. Nouv. Ed. Liege 1856; 
an beiden Autoren fieht man, daß heute noch bie alten Parteigegen- 
füge im Stift Lüttich fortleben. Das 16. Jahrhundert ift Übrigens 
von beiden fehr dürftig behandelt, welcher Mangel erſetzt wirb durch 
die älteren, lateiniſchen Geſchichtſchreiber: Jo. Chapeauville, Gesta 
Pontif. Leod. T. III. Leodii 1616; Barth. Fisen $. J., Sancta 
Legia Rom. Ecel. Filia sive Hist. Leodiensis T. II. Ed. II. Leod. 1696 
(in der erften Auflage von 1642 fehlt der 2. Band); Foullon 
S. J., Hist. Leodiensis T. II. Leod. 1736. Chapeauville, Liitticher 
Generalvikar (F 1617), fohreibt über die Bijchdfe Gerharb von Groes- 
beef und Herzog Ernft als Zeitgenofje und nad Alten; Fifen (f 1649) 
ergänzt ihm vielfach, namentlih aus dem Stabtardiv; ber feine und 
kritifche Foullon (F 1668) berichtigt mandes Einzelne. Das von 
Neueren vielfach benutte Werft des Karmeliten P. Bouille, Hist. de 
la Ville et du Pays de Liege, 3 Voll., L. 1725—1732, ift für bie 
von mir behandelte Zeit faft nur eine franzöfifche Bearbeitung des 
von Chapeaupille, Fifen und Foullon gefammelten und verarbeiteten 
Stoffes. — Eine hübſche von Bifhof Gerhard felbft beforgte Anficht 
der Stabt Lüttich im 16. Jahrhundert im 1. Banb von Brauns 
Städtebuch (vgl. 0. ©. 153/154). Abbildungen der Hauptftabt und 


712 Achtes Bud. Erftes Kapitel. 


Neih Hing es nur durch einen faum 2 Meilen breiten Landſtrich 
im Nordoften, gegen das Herzogtum Jülich, zufammen; aud an 
Frankreich grenzte es nur auf wenige Meilen im Südweſten; im 
übrigen war es durdaus von belgischen Provinzen umgeben 
und durhdrungen, im Norden und Welten von Brabant, Namur, 
Hennegau, im Siüdoften und Nordoften von Luxemburg, Lim— 
burg, Geldern. Demgemäß redete man im größten Zeile des 
Stiftes einen franzöfiichen Dialekt, das Wallonifhe, nur im Nor— 
den niederdeutſch (vlämiſch oder brabantiih). Franzöſiſch war, 
neben dem Lateinischen, die amtlihe Sprade im Stift. — Zu— 
nächſt infolge diejer geographiichen Lage ift auch die Geſchichte des 
Stiftes mit der Geſchichte der niederländtiheburgundiihen Erblande 
auf3 engite verbunden. 

Im 15. Jahrhundert hatten die Herzöge von Burgund 
danad) gejtrebt, Lüttich mit Lift und Gemalt ihrer Herrſchaft zu 
unterwerfen und dem Biſchof nur feine geiftlihe Jurisdiktion zu 


anderer Stiftsftäbte fowie vieler einzelnen Kirchen und Profanbauten, 
nah ihrem Durchgang durch ben Barodftil, in dem fünfbänbigen 
Kupferwert: Les Delices du Pays de Liege, L. 1738 (in T. V, 
p. 126 aud ein Porträt von Gerharb non Groesbeel). Ju T. I 
interefjante Bemerkungen über ben Charakter bes Liitticher Boltes, 
mogegen ber hiftorifche Teil bes Werkes ſehr mangelhaft if. Geiftvolle 
Äußerungen über Bifchof Gerhard, Stabt und Volk zu feiner Zeit in 
ben Mem. deMarg. de Valois, Coll. Petitot I. 37, p. 120sqq. — 
Überficht über die Verfaffung des Landes, auf Grund ber im Jahre 
1684 erfolgten Reform bei Henaux, Constitution du Pays de 
Liege... en 1789. Nouv. Ed. Liege 1858; einige genauer, na— 
mentlich über ben geiftlihen Stanb kei de Crassier, Recherches 
et dissertations sur l’hist. de la principaut& de Liege. L. 1845. — 
Auszüge aus den Lüttiher Domtapitelprotofollen von S. Bormans 
ziemlih nadläffig angefertigt bei Ram, Analectes pour servir & 
U'hist, eccles. de la Belgique, T. VI—IX (bie Jahre 1566—1597 in 
T. VII, 1870). — Über die religiöfen Unruhen im Stift Lüttich 
1566/67: Corresp. de Görard de Groisbeck avec Marg. de Parme 
bei Gachard, Anal. Belgiques, Vol. I. 1830, Über bes Bifhofs 
Beziehungen zu Don Juan und den Generalftaaten 1576/80: Ga- 
chard, Actes des Etats génér. des Pays-Bas 1576 — 1585; bis jetzt 
2 Bände. (Die von Gadharb unter feinen Quellen citierten Publi— 
fationen von Diegerick und Henaur, Nr. 86 u. 38 1. c. I, xxxvu sq. 


Stift Füttih unter Biſchof Gerharb von Groesbeek. 713 


laffen. Ohne den frühen Tod Karls des Kühnen wäre ihnen das 
wohl auch gelungen. Die Stadt jelbft wurde in den burgundiichen 
Kriegen nahezu vernichtet und erhob ſich erſt unter der langen 
mohlthätigen Regierung Erards von der Marl (1506—1538) zu 
neuer Blüte. Die Erben der burgundiihen Herzöge, SKaifer 
Karl V. und König Philipp IL, bedrohten zwar nicht mehr ges 
radezu die NReichsunmittelbarkeit des Stiftes, wußten es aber 
dahin zu bringen, daß diejes ihnen in den langen Kriegen gegen 
Frankreich gleihjam Heeresfolge leiftete. Vier Biihöfe nad ein- 
‚ander mußten jchon bei Lebzeiten einen dem Kaiſer und ſodann 
dem König Philipp genehmen Nachfolger al3 Koadjutor annehmen. 
Auf Lüttiher Gebiet legten Karl und Philipp drei Grenzfeftungen 
gegen Frankreih an: Marienburg, Charlemont und Philippeville ; 
wofür Entjhädigung wiederholt veriprochen aber nicht geleiftet 
wurde. As Philipp II. mit Zuftimmung des Papftes im Jahre 
1559 die neuen niederländiichen Bistümer errichtete, verlor der 


lagen mir nit vor.) Der Berfuh einer Lütticher Reformations— 
gej&hichte von Rahlenbeck, L’Eglise de Liege et la R£volution, : 
Brux. 1862 ift ganz mißlungen. — Über bie Vereinigung ber Abtei 
Stablo mit Lüttih: de Noue, Etudes histor. sur l’ancien pays 
de Stavelot et Malmedy, Liege 1848 und von der bort angeführten 
Litteratur namentlih Ign. Roderique, Disceptationes de Abbati- 
bus Malmundar. et Stabul. p. 174sgq. (Über die Intorporation 
von Prüm in das Erzftift Trier: Häberlin IX, 505ff. und Marr, 
Geſch. des Erzſtifts Trier I, 262 ff.) 

Meine Angaben über die bayrifhe Bewerbung um Stift Lüttich 
zumeift aus RX. Lüttich T. I u. II. Ergänzungen in den Serien 
NA. Münfter T. IIff. und DA. Landesherrl. Familienfahen 28v ff. 
Einzelne RA. Freifing Nr. 80 u. 82; Gülch und Efeve T. II; Für 
ftenfachen Spec. C. Nr. 413. St. 38/3 und 10 bis 18; 96/1; 
311/16; 399/77. DA. Polit. Begebenheiten Nr. 17. Bibl. Föringer. 
Nr. 3238/39. (Gelegentlich ift die bayrifhe Bewerbung um Lüttich 
oben erwähnt S. 276. 344f. 473. 621.) Über die Gegenpraftif zu— 
guuften des Kardinals Andreas von Öfterreich (von der man übrigens 
am bayrifchen Hofe erft mehrere Jahre fpäter etwas erfuhr): IA. 
Ferdin. fol. 111, Nr. 140. Über die Gegenpraftifen des Haufes Nafjau 
einige kurze Notizen bei Groen van Prinsterer VI, 305 unb 
VII, 102. ®gl. auch Langueti Ep. secr. I, 1. 114 und I, 2. 
2365q. 742. 8425qg. 


714 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Biihof von Lüttich, zugleih mit denen von Köln, Münfter, 
Osnabrück, ohne jede Vergütung, einen großen Zeil von feiner 
bisherigen geiftlihen Jurisdiktion —, fomeit ſich dieſe näm— 
(ih über königliches Gebiet erſtreckte. Nicht nur die unter 
öſterreichiſch-ſpaniſchem Einfluß gewählten Biihöfe, fondern auch 
das zeitweilig überwiegend aus Brabantern und anderen Unter= 
thanen des Königs beftehende Domkapitel bejchuldigte man im 
Volke übergroßer Gefügigfeit gegen den mächtigen Nachbar; von 
Biihof Robert von Bergen (1557 —1564) und von dem wegen der 
neuen Bistümer nad) Rom gejandten Agenten des Biſchofs und 
Kapitels, Laevinus Zorrentius, hieß e3 geradezu, fie feien mit 
ſpaniſchem Gelde erfauft. Auch Robert3 Nachfolger, Gerhard von 
Sroesbeef, aus geldriſchem Nitteradel, galt von Anfang an als 
eifriger Freund des ſpaniſchen Königs 9. 

Die religiöfen Verhältniffe im Stift Lüttich entwickelten ſich 
Jahrzehnte hindurch in Abhängigkeit von den niederländischen 
Dingen. Kaifer Karls Edikte gegen die Keger wurden bon den 
Biſchöfen Erard von der Mark, Cornelius von Bergen und Georg 
von Dfterreich befolgt oder nachgeahmt, nicht bloß Wiedertäufer 
fondern auch Zutheraner grauſam Hingerihtet. Nur die Eiferfudt, 
womit die Lüttiher Bürgerichaft auch dem biſchöflichen Inquifitor 
gegenüber über ihre alten Freiheiten machte, rettete einzelnen Leben 
und Vermögen. Allgemein gemildert wurde das Verfahren gegen 
Häretiker erft nah dein Augsburger Religionsfrieden. Denn da 
Lüttih zum Reiche gehörte, traten aud hier die Grundſätze diejes 
Friedens in Kraft: Belenner der Augsburger Konfejfion durften 


1) Schon 1564 fchreibt Karbinal Granvella an König Philipp: Si otros 
no le daüan, terna en &l V. Md un buen servidor. Gachard, Corresp. 
de Phil. II. I, 325 vgl. I, 338; II, 288; III, 28. Bei Languet beißt 
ber Bifchof im Jahre 1569: vir pessimus et verae religioni infensissimus. 
In den Jahren 1573—1574 hofften die Nafjauer allerdings eine Zeit lang, 
Gerhard von Spanien abziehen zu können (Groen. v. Pr. IV, 248; V, 102; 
vgl. de la Huguerye, Mem. I, 203sq. 209); doch finde ich nicht, daß 
biefer Hoffnung mehr zugrunde gelegen hätte, als Gerhards Wunſch, fein 
Land neutral zu halten. 


Stift Lüttih unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 715 


fortan nicht mehr mit dem Tode beftraft noch aud) ihrer Güter 
beraubt, fondern nur no, unbeſchadet ihrer Ehre und ihres Ver— 
mögen, außer Landes verwieſen werden. Teils infolge hiervon, 
teil3 im Anſchluß an die erften politiihen Erfolge der franzöfiichen 
Hugenotten, regt fih um das Fahr 1561 unter der Lütticher 
Bürgerihaft das Verlangen nad firhlihen Neuerungen. In 
Stadtrat und Zünften, namentlid in der Krämerzunft, fordert 
man, daß die im römiſchen Reiche zugelaffene Augsburger Kon— 
feffion aud in Lüttich geduldet werde. Die Erfüllung dieſes Ver- 
langen bintertrieben damals, wie erzählt wird, zwei bornehme 
Bürger, indem fie bei der vornehmiten Zunft, den Schmieden, den 
Beihluß durdfegten, daß alle, melde joldhe Freiheit forderten, 
ihre Namen aufſchreiben jollten; das mochte niemand thun. 

Als Gerhard von Groesbeek eben Biihof geworden war 
(1564), begannen in den benahbarten Niederlanden die Unruhen 
gegen das ſpaniſche Regiment. Gerhard war für feine Perſon 
unzweifelhaft katholiih: er Hat al3 einer der erften deutjchen 
Biihöfe das Zrienter Glaubensbefenntnis beſchworen 9; er zuerft 
berief die Fejuiten zu dauerndem Aufenthalt in das Stift; auf 
feinen Vorſchlag wurde auf einem Landtag im Juni 1565 be= 
ſchloſſen, an der alten Religion feftzuhalten, und feinen beredten 
Worten joll e3 zu verdanken gewejen fein, daß derjelbe Beſchluß 
auf dem nächſten Landtag, im Januar 1566, von allen Ständen 
einmütig und begeiftert erneuert wurde. — Bald danach, im 
Suli 1566, fand zu ©. Trond, auf Lütticher Gebiet, jene große 
Geujenverfammlung ftatt, welche gleihjam das Signal zu dem 
wilden Bilderfturm in den ſpaniſchen Niederlanden gab. Die Be- 
wegung pflanzte ſich aud auf Lütticher Gebiet fort, unter Die 
deutihe Bevölkerung der Grafihaft Looz: fremde Prädikanten 
predigten die Kicchenreform in Hafelt, Maeftriht, Maegeid, 
Stodhem; daraufhin wurden die Bilder aus den Kirchen geworfen 
und verbrannt. Aber die Mehrheit im Lande und namentlid die 


1) ebenfalls ſchon vor dem 17. Mai 1566, f. Reimann im ben 
Forſchungen XII, 362; vgl. o. ©. 9. 


716 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Stadt Lüttich, obwohl fie gerade eben über die Aufbewahrung der 
Schlüſſel in einen hartnädigen Streit mit Gerhard geraten war, 
ftand in der religiöfen Frage feit zu ihrem Biſchof. Zu Anfang 
des Jahres 1567 erklärten die Lütticher Schöffen, der höchſte Ge— 
richtshof des Landes, erit die Haffelter, dann die Maeseicker für 
Rebellen; mit Gutheißen der Landftände wurden beide Städte 
von Biihof Gerhard mit bemaffneter Hand unterworfen; Maeftricht, 
welches Gemeineigentum von Brabant und Lüttich mar, wurde 
zur jelben Zeit durch das Kriegsvolf der Statthalterin Margareta 
bejegt. — Seitdem blieb Stift Lüttih, trog allem Bemühen fic) 
neutral zu halten, auf Jahrzehnte Hinaus der Zummelplag für 
Soldaten und Freibeuter der verichiedenen in den Niederlanden 
ſich befämpfenden Parteien. Im folgenden Fahre, 1568, wurde 
die Hauptſtadt jelbft einige Zage lang von Dranien mit einer 
Belagerung bedroht, aber durch die Eintraht zwiſchen Biſchof, 
Klerus und Bürgerfchaft, jowie durch Albas Herannahen von der 
Gefahr befreit — gerade 100 Jahre nad ihrer Zerflörung durch 
Karl den Kühnen. Daß in den nörblid gelegenen deutjchen 
Städten, und namentlid in der al3 erledigtes Lehen dem Stift 
heimgefallenen Grafihaft Hooın, Keime des Proteſtantismus zurüd- 
blieben oder durch niederländiihe Flüchtlinge neu dorthin getragen 
wurden, fonnte Biihof Gerhard zwar nicht verhüten,; aber in 
den Hauptteilen de3 Landes und vor allem in der Hauptitadt 
hielt er die Einheit des römiſch-katholiſchen Belenntnifjes aufrecht. 
In Draniens zweitem und drittem Feldzug gegen die Spanier, 
1572 und 1574, wurde die Neutralität des Stiftes etwas beſſer 
geachtet. Wir finden damals den Biſchof bemüht, ſich enger als 
vormals an den Kaifer und an die anderen Reichsfürften anzu= 
ſchließen ?), vermutlich zumeift, um bei ihnen vor den Gefahren 
des belgischen Krieges Schu zu finden, jodann aber auh um 
einen Rüdhalt zu gewinnen für feinen Streit mit der Lütticher 
Bürgerſchaft. 


1) Ein ähnliches Bemühen vonſeiten des Biſchofs zeigt übrigens ſchon 
das Mandat vom 15. April 1567 bei Bouille I, 437. 


Stift Lüttich unter Bifhof Gerhard von Groesbeel. 717 


Das Land der Wallonen und vor allem die Stadt Lüttich 
mit ihrer Umgebung mar ſchon damals eine der reichiten und- 
dichteft bewölferten Gegenden Europas). Der fruditbare Boden 
ipendete Getreide und Wein in Überfluß; der Reichtum der Erde 
an Steinkohlen, Eifen, Blei, Marmor, Mineralwaflern rief zahl: 
reihe Snduftrieen ins Leben, deren Erzeugniffe auf dem herrlichen 
Maasitrom auf: und abwärts, nad Frankreih und Belgien und 
darüber hinaus verihifft wurden. Während der Wohlftand in 
den oberen Klafjen der Bürgerichaft ein ftarfes Gefühl der Unab- 
bängigfeit erzeugte, wurde die Roheit in den unteren durd die 
überwiegende Beihäftigung mit Bergbau und Metallarbeiten ge: 
nährt. Von Kind auf gewöhnt an den Gebrauch von Pulver 
und jharfen Werkzeugen, benugte man jie leiht auch, um alte 
Rechte und Freiheiten zu verteidigen oder neue zu erwerben. 
Freiheitsliebend ſchon von der Römerzeit her, leicht beweglich zu 
Freude und Genuß, aber aud jäh und mahlos im Zorn, kam 
das Volk der Wallonen in den Ruf ganz befonderer Wildheit und 
Unbändigkeit 2). Die Gefhichte von Lüttich ift in der That eine 
Kette von meist blutigen Kämpfen, zuerft des Adel3 unter einander, 
dann des Adels mit der Bürgerichaft und beider mit den Biſchöfen. 

Gerade jet, da es draußen Unruhen gab, ſuchte die ftädtifche 


1) Mit dem Mafftab heutiger Großftäbte darf man freilich nicht mefjen. 
Henaur (Hist. U, 7. n. 1) fhäßt für die Mitte bes 15. Jahrhunderts die 
Einwohnerzahl der Stabt Lüttich, innerhalb der Mauern, auf höchſtens 
60,000 Seelen. Diefe Ziffer bürfte auch für das 16. Jahrhundert ausreichen. 
Lüttich war alfo etwa fo groß wie Köln, f.o. S.155f. Margarete von Balois 
(1 e. p. 120) meint, Lüttich fei größer als Lyon. Die Bevölkerung des 
ganzen Stiftes giebt Henaur einmal (Hist. I, 30) auf circa 560,000 Seelen 
an, ein anbermal aber (Constit. du P. de L., p. 24) nur auf 460,000. 

2) Zanguet (Ep. sec. I. 2, 742) fchreibt einmal: Haec mihi videntur 
intempestive moveri in urbe populosa et apud homines ferocissimos, 
quos potius furere quam irasci dicere possimus, quando sunt commoti, 
Ähnliche Urteile aus dem 18. Jahrhundert bei Henaux, Hist. I, 31 n. 
und 8. M. Fabritius, Geſchichte des Hodftifts Lüttich, (Leipzig 1792), 
&. 215 Anm. 


718 Achte Bud. Erſtes Kapitel. 


Bürgerihaft wieder einmal ihre Rechte gegenüber dem Biſchof zu 
erweitern. Zu dem Älteren Streit wegen der Stadtſchlüſſel kam 
jeit dem Jahre 1571 ein neuer über die Wahl der Bürgermeifter. 
Seit alter Zeit lag die Regierung der Stadt faft ausſchließlich in 
den Händen der beiden Bürgermeifter, die, gemäß der Verfafiung 
bon 1424, jährlih dur indirefte Wahl neu gemählt wurden, 
aber jedes fünfte Fahr wieder wählbar waren. Als Urwähler 
dienten dabei die 22 ſogen. Kommifjare, eine Art zünftiger Auf- 
ſichtsbehörde, aus Notabeln beftehend, von welchen der Biſchof 6, 
die Kichipiele die anderen 16 auf Lebenszeit ernannten. Diefe 
22 Kommifjare wählten jährlih am Vorabend Jacobi 32 Wahl- 
männer, je einen aus jeder Zunft, melde am folgenden Morgen 
zwei angejehene Männer aus der Bürgerſchaft, jedod nicht aus 
ihrer Mitte, zu Bürgermeiftern wählten. Auch der übrigens wenig 
einflugreihe Stadtrat und die jonftigen ftädtiihen Beamten wurden 
jährlich neu gewählt. — Bisher hatten die Zweiunddreißig häufig 
einen der Bürgermeifter unter den vom Biſchof ernannten, meift 
vornehmen Familien angehörigen Gerichtsſchöffen ausgeſucht. Nun 
aber (im Jahre 1571) verfündeten eines Tages Bürgermeifter 
und Rat, auf Verlangen der Zünfte und troß dem Widerſpruch 
von Biſchof und Domkapitel, fortan dürfe fein Schöffe irgendein 
ftädtiiches Amt bekleiden. Der Biihof nahm dieſen Schimpf einft= 
weilen unter Proteft Hin, brachte ihn dann aber, gleidy dem frü= 
heren Zwift wegen der Stadtihlüffel, vor Kaifer und Kammer— 
gericht. Dieſe ſowie weitere Streitigkeiten über die Jurisdiktion 
erregten, zumal in diejer Zeit allgemeinen Wachstums der landes- 
fürftlihen Macht, in dem Biſchof den Wunſch nad einem ftarfen 
Rückhalt. Diejen fand er am pafjendften in dem nächiten deutſchen 
Nahbarfüriten, Herzog Wilhelm von Jülich-Cleve-Berg, melder 
ihon als einer der Oberften des niederländiih=weftfäliichen Kreiſes, 
zu welchem Stift Lüttich gehörte, jedem Mitglied bewaffneten 
Schu gegen feindlihe Gewalt zu verihaffen verpflichtet war. 
Herzog Wilhelm feinerjeit3 befam einen bejondern Grund, 
dem Lüttiher Bischof fi) zu nähern, al3 er Anfangs der fiebziger 


Stift Lüttich unter Bifchof Gerharb von Groesbeet. 719 


Fahre jeinen zweiten Sohn in den geiftlichen Stand zu geben 
beihlog. — Er ließ nun mit dem Biſchof von Lüttich ebenjo wie 
mit dem von Münfter über eine Koadjutorie für Herzog Johann 
Wilhelm unterhandeln, und zwar durch Dit von Bylandt, der 
als Herr von Rheidt faft ein Nachbar des Stiftes und außerdem 
mit einigen angejehenen Domberren verwandt war. Man war 
noch nicht über die erſten Worbeiprehungen hinaus, als Herzog 
Wilhelms älterer Sohn in Rom ftarb und infolge deſſen der 
Plan, den jüngeren im geiftlihen Stande zu laſſen, aufgegeben 
werden mußte Nunmehr entihloß fih der Herzog, feinem 
Neffen, Herzog Ernft von Bayern an feines Sohnes Statt 
nit nur Münfter, fondern auch Lüttich jamt den beiden reichs- 
fürftlihen Benediktinerabteien Stablo und Prüm zu verihaffen. 
Für Biihof Gerhard war es jedoch von vornherein nicht einerlei, 
ob er einen Koadjutor aus dem Nahbarhaufe Fülih oder aus 
dem fernen bayriihen hatte. Zudem freuzten ſich jetzt inbezug 
auf die eine der beiden Abteien, auf Stablo, feine eigenen Wünſche 
mit denen der Häufer Jülich und Bayern. 

Abt von Stablo nebft Malmedy und zugleih von Prüm war 
jeit dem Jahre 1546 Graf Ehriftoph von Manderſcheid-Keil, ein 
Säufer und Verſchwender, wenn man feinen Gegnern glauben 
darf, unter welchem ſowohl die Kloſterzucht verfiel, wie der 
materielle Wohlftand der Abteien, und ihre Säfularifierung 
durch die Halb Iutherifchen Grafen von Manderſcheid angebahnt 
wurde. Dies benußte Kurfürft Jakob von Trier, um jhon zu 
Lebzeiten des Abtes Chriftoph von Papſt Gregor XII. eine Bulle 
zu erwirfen (datiert vom 24. Yuguft 1574), melde die Einver- 
leibung der Abtei Prüm in das Erzftift Trier, nad) dem Tode 
des jekigen Abtes, ausſprach. Kaifer Marimilian beftätigte dieje 
Inkorporation auf dem Regensburger Wahltag, angeblih gemäß 
früheren Zufagen feines Vaters, Kaifer Ferdinand, zugleih mohl 
zum Lohn dafür, daß der Kurfürft feinen Sohn Rudolf zum rö— 
mischen König mählen Half. — Wie Prüm dem Erzftift Zrier 
wohl anftand, jo Stablo mit Malmedy dem benachbarten Lüttich. 


720 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Ähnlich) dem Trierer Erzbiſchof ſcheint auch Biſchof Gerhard ſchon 
vor Abt Chriſtophs Tod Schritte gethan zu haben, um die In— 
forporation von Stablo und Malmedy in Lüttich zu erlangen ?). 
Hauptſächlich mit der Abjiht, die Inkorporationen zu Hintertreiben, 
ließ ſich Ehriftoph von Manderfcheid mit dem Herzog bon Jülich 
in Verhandlungen ein über eine Koadjutorie Johann Wilhelms 
ſowohl für Prüm wie für Stable. Nah Karl Friedrichs Tod 
erfuchte der alte Herzog den Abt durch einen eigenen Gejandten, 
nunmehr feinen Neffen Herzog Ernft an die Stelle feines Sohnes 
treten zu laffen. Anderſeits bemühte fi Ehriftophs Vetter, Graf 
Arnold von Mandericheid: Blankenheim, der Bruder des GStraß- 
burger Biſchofs, perfönlicd in Rom, beide Abteien, oder wenigſtens 
Stablo, für fih zu befommen. 

Als der Herr von Rheidt im Sommer 1575 nad Lüttich) 
fam, um über die Koadjutorie weiter zu verhandeln, ſchlugen ihm 
Biſchof Gerhard und feine beiden einflugreichiten Räte, Laevinus 
Torrentius und Chriftoph von Woeftenraedt eine Art Kompromiß 
bor: die Herzöge von Jülich und Bayern follten dem Biſchof die 
Abtei Stablo überlaffen, dagegen wolle dann diejer den Herzog 
Ernſt zugleih für Stablo und für Lüttid) zum Koadjutor machen. 
Für Lüttich bedürfe man zu diefem Zweck Fürſchriften an Biſchof 
und Kapitel vom Kaifer und beſonders vom jpaniichen König, 
legtere aber direft und nicht etwa dur den Statthalter Re— 
quejens oder die Brüffeler Regierung. Daraus ift zu Ichließen, 
daß vonfeiten der ſpaniſchen Regierung in den Niederlanden be= 
reits ein anderer Koadjutor für Lüttich) ind Auge gefaßt war, 
wohl der Lüttiher Dompropft Johann von Barlaymont, einer 
der Söhne des bei König Philipp in höchſter Gunſt ftehenden 
Staatsrates Graf Karl von Barlayment. Von den Barlaymonts 


1) 22. Ottober 1575 fchreibt Dr. Fabricius am Herzog Albrecht (RA. 
Freifing Nr. 82, fol. 68): quantum subodorari videor, optarent [scil. Leo- 
dienses] aliquam posse iniri rationem, qua ipsa abbatia episcopatui in- 
corporetur. 


Stift Lüttich unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 721 


wollte man jedoh in Lüttich nichts wiſſen: zumeift wohl, meil 
man fürdhtete, fie würden allzu ſchlechte Hüter der Unabhängigkeit 
des Stiftes gegen Spanien fein. Herzog Albreht von Bayern 
wünſchte, von faiferlihen Fürjchreiben möge man abjehen; denn 
Kaifer Marimilian werde gewiß lieber den Sohn des Erzherzogs 
Ferdinand, Andreas, dem man bereit3 in Miünfter al3 Rivalen 
begegnet war, auch für Lüttich empfehlen; dagegen bemühte er 
fi) um die Spanischen Fürfchriften fofort und wiederholt aufs 
eifrigfte; e3 verging aber mehr als ein Jahr, bis überhaupt eine 
Antwort des Königs erfolgte, und diefe dann jo fühl, daß man 
fie am Münchener Hofe faſt als eine abichlägige anjah. Erſt 
auf nodymalige dringende Bitte des Herzogs ftellte König Phi— 
lipp im Juni 1577 zweierlei Fürfchriften an den Biſchof ſowie an 
das Kapitel aus, die einen ziemlih warn für den Fall, daß das 
Kapitel für fi) die Koadjutorie bereit3 bewilligt Habe, die anderen 
in jener höflich-kalten Form, wie fie niemanden leicht verweigert 
wurden, darım aber aud) niemanden verpflichteten. 

Inzwiſchen war Abt Ehriftoph von Mandericheid bereits ge= 
ftorben, am 28. Auguft 1576, und über das fernere Schidial 
feiner Abteien entichieden worden: Zu Prüm erichien Erzbiſchof Ja— 
fob von Trier fofort nad Chriſtophs Tod, worauf der Konvent 
mehr gezwungen als freiwillig die Inkorporation der Abtei be= 
willigte (am 2. September) und die Unterthanen dem Kurfürften 
den Eid leifteten. In Stablo und Malmedy wählten die Mönche 
ihon vor dem 1. September den Lüttiher Biſchof zum Admi— 
niftrator der vereinigten Abteien, liegen ſich aber von den Lütticher 
Landftänden verbürgen, daß ihnen für die Zukunft ihr freies 
Wahlreht gewahrt bleibe). Damit fiel für Biſchof Gerhard 
der Grund weg, welcher ihn zunächſt bewogen hatte, auf eine 
bayrifhe Koadjutorie ſich einzulafjen. 


1) Bei ber päpftlichen Verleihung ber Abtei Stablo an den Lütticher 
Biſchof Tieß fi Dr. Andreas Fabricius eine Penſion von 600 Dulaten aus 
beren Einkünften refervieren. RA. Münfter V, 155. 

Lojjen, Köln. Krieg I. - 46 


722 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Auch auf bayrifcher Seite hatte man es, jo lange die Bes 
werbung um Münfter, nachher die um Köln, noch im Gange war, 
mit Lüttich nicht eben eilig; man mochte, wie man fi ausdrüdte, 
nicht zwei Hafen auf einmal jagen; Münfter und Köln fchienen 
aber wertvoller und lagen näher. Jedoch ſchickte man menigftens, 
al3 die ſpaniſchen Fürjchriften zu München eingetroffen waren, im 
Auguft 1577, einen jungen Hofdiener, Hans David Funk, zus 
nächft an den Süliher Hof, wo damals Herzog Exrnft fi) aufhielt, 
und von da nah Namur zu Don Juan d’Auftria, welcher zu 
jener Zeit nod) bemüht war, auf friedlihem Wege mit den Gene 
ralftaaten ſich zu verftändigen. Don Juan verjprad nicht nur, 
den Befehl feines Königs jofort auszuführen, fondern erbot ſich 
auch, für feine eigene Perſon den bayriihen Herzog in Lüttich 
beftens zu empfehlen. Hatte er doch ſchon in der Kölner Wahl: 
ſache bewieſen, daß er die Vorteile einer bayriſchen Nahbarichaft 
beſſer zu jhäßen mußte, als fein Lönigliher Bruder. Sein Rat 
Johann Funk (Foncq), der ſeit kurzem felbft Lüttiher Domherr 
war, erhielt den Auftrag, mit Hilfe des Lütticher Sieglers Lävinus 
Zorrentius den Biſchof zu beftimmen, daß er fi ſowohl gegen 
Don Juan wie gegen den König für die bayriiche Koadjutorie er- 
Hären möge. — Das fand man jedoch in Lüttich zur Zeit bedenk— 
li, denn die belgischen Ereigniffe des legten Jahres hatten Biſchof 
und Kapitel in die Notwendigkeit verjegt, ſowohl gegen den 
König wie gegen Don Juan perjönlich jehr zurüdhaltend zu fein. 

Nah; dem Tode des Statthalter Requefens (F 5. März 
1576), als faft ganz Belgien, ohne Unterjchied der Religion und 
bisherigen Parteinahme, gegen die meuternde ſpaniſche Soldatesfa 
ih erhob und das Spanische Willlürregiment nicht länger dul— 
den wollte, hatten die Generalftanten aud nad Lüttich Gefandte 
geichiet (im November 1576) und das ftammverwandte Land auf- 
gefordert, fi) mit ihnen gegen die Spanier zu verbünden !). Im 


1) Das kurze Negeft bei Gachard, Actes des Et.’gen. I. No. 125 
(p. 41) wirb verftändlih durch das, was Fisen II, 378sq. über bie 


Stift Lüttich unter Biſchof Gerhard von Groesbeek. 723 


Stift Lüttich teilte man allgemein den Haß der belgiſchen Na— 
tion gegen die Spanier, war zudem direlt durch dieſe anges 
griffen, da fich die meuternden Soldaten auch der zur Hälfte dem 
Stift gehörigen Stadt Maeftriht bemächtigt hatten und weithin 
das Lüttiher Gebiet verwüfteten. Nur mit Mühe brachte es der 
beredte Biſchof !) dahin, daß die Lüttiher Stände, auf Grund 
ihrer Pflichten gegen Kaifer und Reich, die Aufforderung der 
Generalitaaten zurüdwiefen. Nachher war es zumeift Biſchof 
Gerhard, der als einer der faiferlihen Kommiſſare den Vertrag 
zwifchen dem neuen Statthalter und den belgiſchen Ständen ver- 
mittelte; an Don Juans Seite ritt der Biſchof am 1. Mai 
1577 in Brüſſel ein.” Sehr bald mußte aber Don Juan, dur 
Draniens Lift und Ränfe zum Bruch mit den Ständen getrieben, 
nad Namur zurüdweihen und den Krieg wieder aufnehmen. Nun 
durfte es Biſchof Gerhard aus Rückſicht auf die öffentlihe Meinung 
feines Landes nicht wagen, ſich offen für den fpaniichen Statt- 
halter zu erklären. Als die belgiſchen Stände im November 1577 
die Lütticher neuerdings aufforderten, mit ihnen gemeinfame Sade 
gegen die Spanier zu machen, bedurfte es wieder des eiftigen Zu— 
redens des Biſchofs, um feine durch neue Gemwaltthaten der Spa= 
nier — bon den drei Feftungen auf ihrem eigenen Gebiete aus — 
erbitterten Xüttiher bei ihrem früheren Beſcheid feitzubalten. 
Gleichzeitig verlautete, Erzherzog Matthias, welcher jüngſt 
al3 angebliher Statthalter König Philipps in den Niederlanden 
erſchienen war, folle Koadjutor des Lüttiher Biſchofs werden. 


Werbung des Herrn von Froibmont und bes Rates Dubart zu Lüttich 
mitteilt. 

1) Gerbarbs Berebfamteit wird von den Zeitgenofien Häufig gepriefen. 
Der Lütticher Dichter Jean Poly (Politus, Inauguratio principis Ernesti, 
Col. Agr. 1583, unb Panegyrici ad Christ. orbis prineipes, Col. 1588), 
fagt von ihm: — cui labra dedit facundus Apollo Tingere Pieria limpha, 
ac. praedivite lingua Magna loqui. — Margareta von Valois (Mm. 
p. 120) ſchreibt: C’estoit un seigneur accompagnö de beaucoup de vertu, 
de prudence et de bont&, et qui parloit bien frangois, agreable de sa 
personne, honorable, magnifique, et de compagnie fort agreable. - 

46* 


724 Achtes Bud. Erſtes Kapitel. 


Gegen Ende desjelben Monats, November 1577, kam der Herr 
bon Rheidt wieder einmal nah Lüttih und ſprach über dieſe 
Dinge mit feinen dortigen Freunden und mit dem Biſchof jelbft. 
Er fand fie für ihre Perjonen noch mwohlgeneigt für die Nachfolge 
des bayrifhen Herzogs, aber eine Empfehlung durch König Philipp 
oder deſſen Statthalter konnte unter den jegigen Umftänden nichts 
mehr nützen; wurde dod Don Juan jelbjt vierzehn Zage jpäter 
bon den Generalftaaten al3 Feind des Vaterlandes proflamiert. 
Die Freunde des Herrn von Rheidt, der Droft der Markgraf- 
ſchaft Frandimont, Heinrih bon Eynatten, der Domdehant 
Winand don Wyngaerde, der Siegler Zorrentius, der Kanzler 
Moeftenraedt, die Domherren Philipp vor Corswarem, Johann 
von Berlo u. a. empfahlen daher Herzog Ernfts Nachfolge lieber 
auf dem Wege vorzubereiten, daß fi diefer einen Plak im 
Domkapitel verihaffe, aljo wählbar werde. 

Die kirhenpolitiihen Verhältniſſe im Stift Lüttih ähnelten 
den früher gejchilderten des Erzftifts Köln. Auch Lüttich) beſaß 
einen ſehr zahlreichen grundbefigenden Klerus !), aber aud bier 
wie in Köln und anderwärts im Reiche bildete nicht der Klerus 
im allgemeinen einen eigenen Landſtand, jondern nur der fogen. 
Klerus primarius, das Kapitel der Domkirche ©. Lambert 2). 


1) Henaux, Hist, II, 161 n. 4 giebt an, baß man im Sabre 1606 
die Güter des Klerus im Stifte auf zwei Drittel bes gefamten Grunbeigen- 
tums geſchätzt, ber politiihe Einfluß jedoch biefem Befig nicht entſprochen 
babe. Im der Stabt befanden fih 3 Kollegiatfirchen, 4 Abteien, 32 Pfarr- 
tirchen, 4 große Bettelfiöfter und eine Menge Kleinere geiftliche Korporationen, 
fo daß man behauptete, außer Nom gebe e8 im ber ganzen Welt in feiner 
Stabt fo viele Gotteshäufer und Kirchen wie in Lüttich; vgl. Gratiani; 
De Scriptis invita Minerva II, 64. Der Ausbrud Sancta Legia Romanae 
Ecelesiae filia, welchen Fifen als Titel feiner Hist. Leod. braudt, ift wohl 
eine Nachahmung des älteren Titels der Stabt Köln, vgl. 0. ©. 169. 
Lüttich konnte eine Tochter der römischen Kirche heißen gemäß ber Legenbe, 
daß St. Hubert, ihr erfier Bifchof, in Rom felbft zum Bifchof gemacht wor- 
den fei. gl. Politus, Inauguratio, p. 74. 

2) Die alte Domklirche ift zur Zeit ber franzöfifchen Revolution zerftört 
mworben. 


Stift Lüttih unter Bifhof Gerhard von Groesbeek. 725 


Der Sekundarklerus beanſpruchte aber eigene Jurisdiktion ſowie 
Steuerfreiheit, und wollte nur freiwillig, bei außerordentlichen 
Anläſſen, zu den Laſten des Landes beitragen. Übrigens waren 
auch in Lüttich wie anderwärts die angeſeheneren Domherren in 
der Regel zugleich Pröpſte oder ſonſtige Prälaten der niederen 
Kollegiatlirchen oder ſogen. weltliche Äbte reicher Abteien. Um ein 
Kanonilat bei ©. Lambert zu bekommen, mußte man entweder 
ritterlihe Abkunft von acht Ahnen nachweiſen oder fünf Jahre: 
auf einer katholiſchen Univerfität ftudiert und einen Univerfität3- 
grad (Licentiat oder Doktorat) erlangt haben. Im ganzen gab 
e3 am Dom 60 Kanonifate, die zu einem Kapitelplatz beredhtigten. 
Bor der Aufnahme in das Kapitel mußten verjchiedene Forma— 
litäten erfüllt fein, namentlih Subdialonatsweihe, Entrihtung des 
Statutengeldes, perjönlihe Reſidenz. Abweichend von Köln mar 
dagegen in Lüttich, innerhalb der 60 Kanonikate, die Zahl der 
Kapitelpläge keine geſchloſſene; zwiſchen 40 und 50 Domlapitularen 
gab es in der Regel. Einzelnen Kanonilaten waren noch be= 
fondere Laſten auferlegt, 3. B. ftändige Reſidenz oder Presbyte- 
rat. — Eine derartige Priefterpräbende an S. Lambert bejaß der 
bayriihe Gefandte in Rom, Dr. Andreas Fabricius. Der Ge: 
danfe, daß er diejelbe zugunften feines früheren Zöglings refig- 
nieren könne, lag nahe, war auch ſchon vor zwei Fahren ausge— 
ſprochen worden. Nahdem nun die Kölner Wahl unglüdlid für 
das Haus Bayern ausgegangen war, beſchloß man am bayrijchen 
und gleichzeitig am jülihichen Hofe, ernftlicher al3 bisher um das 
Lüttiher Stift zu werben. Bereit? im Januar 1578 wurde 
Dr. Fabricius von Münden aus aufgefordert, jein Lütticher Ka— 
nonifat zu Herzog Ernſts Gunften zu refignieren. Im Februar 
nahm Dandorf bei feiner Reife an den Niederrhein zwei, von bier 
bayrischen Adeligen befiegelte Urkunden mit, welche bejagten, daß 
Herzog Ernft von je vier Ahnen von Fürftenftamm ehelih ab» 
ftamme, — ferner eine Vollmacht desjelben für drei Lütticher 
Dombderren, Winand von Wyngaerde, Karl D’Dyenbrugge zu 
Duras und Jakob Carondelet, zur Annahme eines Kanonifats bon 


726 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


S. Lambert. Dandorf erfuhr jedoch dur den Herrn von Rheidt, 
dag deſſen LKütticher Freunde wegen der mit Fabricius’ Kanonilat 
verfnüpften Refidenzpflicht Anftand nähmen, und deshalb vorſchlügen, 
Fabricius ſolle dasſelbe zunähft gegen ein anderes freies Kano— 
nifat vertaufchen, wozu fi der Domberr Johann Bruning, bor= 
behaltlih einer zu vereinbarenden Penfion, ſchon bereit erklärt 
babe. Dr. Fabricius erhielt nun Befehl, Permutation und Re— 
fignation feines Kanonilats gleichzeitig zu vollziehen. Er zeigte 
anfangs wenig Luft: fo lange man nod hoffen dürfe, Köln 
durd den römiſchen Prozeß zu erlangen, fei es unflug, zugleich 
Lüttich zu erftreben; er äußerte den Verdacht, Lävinus Tor— 
rentius wolle vielleiht, da des Bruninx Kanonilat ftreitig ſei, 
mehr für diefen feinen Freund als für Herzog Ernſt ſorgen. Doc 
gab er ſchließlich dem beftimmten Wunſch feines Herzogs nad: im 
Mai 1578 fandte er Tauſch- und DVerzichturfunde nad Münden, 
bon wo diejelben nebjt einer neuen Vollmacht von Herzog Ernſt 
im Juli nad Cleve gelangten. 

Mittlerweile waren die Lütticher Freunde durch das lange 
Verihleppen der Sache ungeduldig geworden. Die Gegner Spa— 
niend und des bayrischen Haujes Hatten von der neuen Praftif 
etwas erfahren: Schon Anfangs März findet ſich in einem Briefe 
des Grafen Johann von Nafjau an feinen Bruder Dranien die 
Nachricht, daß für den Freifinger Biſchof u. a. auch wegen Lüttich 
verhandelt werde; Dranien möge bei Zeiten ftenern und wehren !). 
Einige Zeit nachher verlautete, viele große Herren und namentlid 
der jeit furzem mit einem ftarfen Heere in den Niederlanden wei— 
Iende Pfalzgraf Johann Kaſimir fuchten zu Hintertreiben, daß 
Herzog Ernſt zu einer Lütticher Dompräbende gelange. In einem 


— — — — 


1) In demſelben Brief (bei Groen van Prinsterer VI, 304) giebt 
Graf Johann an, der Trierer Kurfürft und fein Kapitel hätten jüngft ſchon 
bewilligt gehabt, dem Freiſinger Bifchof als Koabjutor anzunehmen, ber Dom- 
dechant von ber Leyen habe das aber diesmal noch verhindert. Archivaliſche 
Deweife für diefe Behauptung find mir bisher nicht vorgelommen. 


Stift Lüttich unter Biſchof Gerharb von Groesbeef. 7127 


Brief an Dit von Bylandt deutet der bifhöflihe Sekretär Do: 
minifus Lampfon an, daß der münſterſche Statthalter, Herr 
Konrad von Wefterholt, welder aud, wie Dr. Fabricius, eine 
Priefterpfründe zu Lüttich befige, mit dem Herrn Bruninx gerne 
taufhen wolle und erbötig jei, eine jährlihe Penfion von min— 
deitens 75 Dufaten darauf zu zahlen; man möge ſich alfo wegen 
der vorgejhlagenen Permutation endlich entſchließen. Hält man 
diefe Nahriht mit den anderen Gerüchten zujammen, jo wird 
faum zu bezweifeln jein, daß es MWefterholt weniger um die Doms 
pfründe an ſich zu thun war, als vielmehr darum, aud) in Lüttich 
das Emporkommen des Haujes Bayern zu erſchweren. Hinter 
Wefterholt ftanden entweder Johann von Naffau und die Gene— 
talftaaten, oder wahrſcheinlicher Kurfürft Gebhard von Köln, den 
wir um diejelbe Zeit in Briefwechſel mit dem Erzherzog Ferdinand 
finden, hauptſächlich wegen der Frage, auf welche Weiſe eines der 
beiden Stifter Münfter oder Lüttih dem Sohne des Erzherzogs, 
Kardinal Andreas von Dfterreidh zugewendet werden könne. Geb: 
hards Bruder Ehriftoph, zur Zeit Erzherzog Ferdinands Käm— 
merer, fam im Laufe des Sommers 1578 an den Niederrhein 
und ſprach Hierüber im Vertrauen mit dem Lölnifchen Kanzler 
Burkhart, einem alten Penfionär des öfterreihiihen Haufes, mel 
her von Münfter abriet, dagegen inbezug auf Lüttich feine guten 
Dienfte anbot. Ende Auguft jhreibt Dr. Burkhart an den Erz— 
berzog: das beſte Mittel, feinem Sohne zur KRoadjutorie in 
Lüttih zu verhelfen, würde fein, wenn derjelbe von Spanien 
die längft verſprochene Entihädigung für den Bau der drei 
Feftungen und für die geichmälerte geiftliche Jurisdiktion erlangen 
fönnte; denn nur durch das Verſprechen freiwilligen Erſatzes 
babe fih Biſchof Gerhard abhalten laffen, auf dem legten Reichs— 
tage förmliche Klage zu erheben; übrigens paßten gemäßigte Na= 
turen, wie die vom Haufe Ofterreich, gut nad) Lüttich, wie Biſchof 
Georg von Ofterreich bewieſen habe. Nachher verſprach Dr. Burk— 
hart meiter, fi dafür zu bemühen, daß Kardinal Andreas ein 
Kanonikat zu Lüttich) erlange, wobei er auf die Hilfe des Biſchofs 


128 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


jelbft, jodann des Dompropftes Johann von Barlaymont und 
de3 Archidialons von Campinne, Graf Hermann von Nenneberg 
rechnete. 

Inzwifchen war endlih, dankt dem Bemühen des Herrn von 
Rheidt, am 29. Dftober 1578 der Umtaufd der Kanonikate des 
Herrn Bruninx und de3 Dr. Fabricius vor fi gegangen. Rheidt 
und einige jeiner Lüttiher Freunde verbürgten fih dafür, daß 
Fabricius die fchlieglih ausbedungene jährliche Penfion von 150 
brabantiſchen Gulden wirklich leiften und dazu aud die päpftliche 
Genehmigung ausbringen werde. Auf Grund der bereitliegenden 
Vollmachten hätte nun Bruning’ Kanonikat jofort auf den Herzog 
von Bayern übertragen werden können; das geihah aber nicht, 
ohne Zweifel wieder aus Rüdjiht auf die Lage der Dinge im be= 
nachbarten Belgien. 

Seit dem Sommer 1578 durdftreiften und plünderten die 
Heere des Pfalzgrafen Johann Kaſimir und des Herzogs von 
Anjou (Ulenson) von den Niederlanden aus, um die Wette mit 
dem föniglihen Kriegsvolt, Lütticher Gebiet. Hätten jest Biſchof 
und Dombherren durch die Aufnahme des bayrifhen Herzogs in 
das Kapitel die Abficht, ihm Fünftig zum Herrn zu machen, offen 
fundgegeben, jo wäre da3 für die mehr Raub als Krieg treiben= 
den Soldaten vielleiht ein willlommener Vorwand geweſen, Die 
Neutralität des Stiftes noch weniger al3 jeither zu achten. Er— 
ichien ihnen doch Biihof Gerhard, feit er Kardinal der römischen 
Kiche geworden war, 21. Februar 1578, mehr nod) wie früher 
verdächtig al3 ſpaniſch gefinnter Y. 


1) Gebharbs Ernennung zum Karbinal wurde von fpanifcher Seite ſchon 
feit dem Jahre 1565 betrieben (Gachard, Corr. de Phil. II. I, 338; 
II, 288. 296), und verzögerte fih wohl nur, weil ber Bifchof felbft dem mit 
diefer Würde verbundenen Aufwand fürdtete (Gachard 1. c. IV, 2248q.). 
Bielleiht brachten ihn nachher, neben dem Beſitz von Stablo, ſpaniſche Pen⸗ 
fionen in günftigere Lage. Übrigens ſah man anfangs auch am Jülicher 
Hofe Gebhards Ernennung zum Kardinal nicht gerne, zumäcft wohl, meil 
man dadurch das Wahlrecht des Kapitel und bamit die Nachfolge bes Her- 


Stift Lüttich umter Biſchof Gerhard von Groesbeet. 129 


Das folgende Jahr, 1579, brachte der Politik und den 
Waffen des neuen Spanischen Statthalters, Alerander Farneſe, glän— 
zende Erfolge. Ruhmlos löfte der unftäte Pfalzgraf fein Heer 
auf, aud der Herzog von Anjou verlieh das Land wieder; die 
ſogen. Malcontenten in den walloniſchen Südprovinzen machten ihren 
Frieden mit dem König; der Kölner Pacififationsfongreß ging res 
jultatlos aber mittelbar zum großen Vorteil der ſpaniſch-katholiſchen 
Partei auseinander. Am Tage Peter und Paul wurde die Stadt 
Maeftriht, zu deren Belagerung Biſchof Gerhard als Mitherr 
Lebensmittel und Geſchütze geliefert und Zaufende von geichicten 
Minierern und Schanzgräbern gejandt hatte, von den Spaniern 
mit ftürmender Hand erobert, die tapfere Bejakung, dazu Weiber 
und Kinder, mit unmenjhliher Graufamfeit erichlagen und er= 
mordet, die Stadt der Plünderung preisgegeben. Aus dem An— 
fauf der Beute bereiherte ſich die Nahbarftadt Lüttich. 

Infolge dieſer Ereigniffe geftalteten ſich die Ausfichten auf die 
Nachfolge des Haufes Bayern in Lüttich weſentlich günftiger, 
wenn auch der Ausbruch der Veit im Stifte die Wiederaufnahme 
der Verhandlungen noch einige Zeit verzögerte. Schon im Früh: 
jahr 1579, al3 der kurkölniſche, Früher lüttihihe Rat Dr. Ser— 
vatius Eid in Gebhard: Auftrag nad Lüttich fam, um ſich in 
der Stille über den Stand der bayriihen Bewerbung und die 
etwaigen Ausfihten für Kardinal Andreas zu erfundigen, lauteten 
die dort erhaltenen Nachrichten ziemlih günftig für das Haus 
Bayern, aber wenig für das Haus Dfterreih: Zwar habe 
der Ausgang der münfterichen jomwie der kölniſchen Wahl aud in 
Lüttich der bayrifhen Partei jehr geichadet, doch werde die Praftif 
für Bayern durch den Herzog von Jülich nod fortwährend mit 
allem Eifer getrieben. Der Erzherzog müſſe fi) alfo entichließen, 
ob er unter diefen Umftänden im Kapitel ſelbſt für den Fall der 
künftigen Neuwahl eine Gegenpartei gegen die jülich-bayriſche bil- 





30938 Ernft gefährbet glaubte. Papft Gregor beflätigte inbes fomohl bem 
Stift Lüttich mie der Abtei Stablo ausdrücklich ihr freiss Wahlrecht. 


730 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


den wolle — bei 60 Domherren mit verſchiedenen Köpfen und 
Sinnen kein ausſichtsloſes Bemühen. Dazu ſei aber nötig, daß 
ſich Kardinal Andreas, neben einer Empfehlung von Spanien, 
eine Dompräbende zu Lüttich verſchaffe. — Indem Kanzler Burk— 
hart dieſen Bericht dem Erzherzog übermittelte, deutete er zugleich 
möglichſt ſchonend an, daß Kardinal Andreas, da er nicht den 
Nachweis ritterlicher Abſtammung liefern könne, am beſten durch 
Univerſitätsſtudium und den Doltoren= oder Licentiatengrad ſich 
qualifizieren würde. Der Erzherzog nahm aber diefe Andeutung 
jehr übel auf: Andreas jei fein eheleibliher Sohn, ein weiterer 
Nahmweis überflüffig, zumal derjelbe bereits Kardinal der römischen 
Kirche ſei. Ebenſo wenig wollte er von der Annahme des Dok— 
torat3 oder Licentiats etwas willen. — Nachher verſuchte noch 
einmal der fpanische Dberft Pollweiler, mit Biſchof Gerhard felbft 
wegen einer Koadjutorie des Kardinals Andreas anzufnüpfen; man 
fam aber nicht über die erjten gegenjeitigen Freundichaftsver- 
fiherungen hinaus. So ſchlief dieſe Gegenpraftif allmählich ein. — 
Dagegen erfahren wir zu Ausgang des Jahres 1579 aus Briefen 
des Herin von Rheidt, daß ſich ein anderer hoher Potentat um 
die Lütticher Koadjutorie bemühe und dabei auf die Unterftügung 
de3 faijerlichen Hofes rechne. Gemeint ift ohne Zweifel Erzherzog 
Matthias, welhem man um diejelbe Zeit auch das Stift Münfter 
zu verichaffen ſuchte. Näheres über diefe Praltik wiſſen wir nidt; 
erfolglos mußte fie ſchon darum- bleiben, weil König Philipp und 
Alerander Farneſe diefen Erzherzog in Lüttich ſicherlich noch weniger 
als in Münfter zum Nachbar haben wollten. 

Bonfeiten Bayerns geihah wohl ein Jahr lang nicht das Ge— 
ringfte, um die in Lüttich bereit3 erlangte Stellung zu verftärfen 
oder aud) nur zu behaupten. Man ſchien diejes Stift ganz ver- 
gefien zu haben. Die Urjahe war, daß man damals am bayri= 
ihen Hofe der foftipieligen erfolglojen Bewerbung um weit ent= 
legene Stifter müde war und die Gedanken auf Näherliegendes, na= 
mentlid) auf Salzburg, gerichtet hatte. Aber gerade das Salzburger 
Projeft bot den äußern Anlaß, daß die Frage der Kütticher 


Stift Lüttich unter Biſchof Gerharb von Groesbeek. 781 


Koadjutorie wieder angeregt wurde. Auch in Lüttich Hatte man 
erfahren, daß fi Herzog Ernft um Salzburg bemühe, hielt es 
aber für unmöglich, diejes Erzitift und das weit entlegene Lüttich 
in einer Hand zu vereinigen. Die Lütticher Freunde Bayerns 
wollten aljo wiflen, woran fie waren, und wandten fi deshalb 
an den Herrn von Rheidt. Rheidt berichtete am 23. Auguft 
1580 an jeinen Herzog, diejer an die bayriſchen Herzöge, indem 
er fi zugleich erbot, falls Herzog Ernft das wünſche, die Ver— 
handlungen in Lüttich wieder aufzunehmen. — Inzwiſchen war 
Bayerns Bemühen um Salzburg bereits gejcheitert; Herzog Ernſt 
batte aljo feinen Grund mehr, Lüttich auszufchlagen. Daß man 
dort ebenjo wie in Münfter und in Salzburg das Haus Diter- 
reich als Nebenbubler traf, reizte ihn mehr als es ihn abichredte. 
Er bat aljo feinen Oheim, die Sade in die Hand zu nehmen 
und zunächſt dafür zu forgen, daß ihm das Lütticher Kanonikat 
endlich zuteil werde. Noch war dies nicht geichehen, als Gerhard 
bon Groesbeel am 27. Dezember 1580 auf den Zod erkrankte. 
Vor langen Fahren (1567) hatte er ſich durch einen unglüdlichen 
Schuß am Fuße verlegt — er hinkte jeitdem. Die alte Wunde 
war vor einigen Wochen, infolge eines heftigen Stoßes, wieder 
aufgebrochen, und feitdem kränkelte der fonft noch rüftige Mann. 
Das Unwohljein ſcheint ganz plößlid einen gefährlihen Cha= 
alter angenommen zu haben. Am Nachmittag des 27. Dezem- 
ber jpendete der Dompropft, frühere Domdehant, Winand von 
Wyngaerde 2), feinem Biſchof die legte Dlung. Das Kapitel blieb 
in Permanenz verfammelt, nur fünf oder ſechs Domherren fehlten. 
Die Frage, wer des Sterbenden Nachfolger werden folle, lag auf 
aller Lippen; ſchon ſprach ſich die allgemeine Stimme nit nur 
im Sapitel fondern aud in der Stadt für Herzog Ernſt von 


1) Winand von Wyngaerbe war am 6. September 1580, nad dem Tode 
bes Herrn Johann von Barlaymont, zum Dompropft gewählt morben, 
worauf er das Dekanat refignierte, zu welchem bann, am 29. Oktober, Arnold 
Hoen von Hoensbroeck neu gewählt wurbe, Bormans bei Ram |. c. 


132 Achtes Buch. Erſtes Kapitel. 


Bayern aus 9: inmitten der feindlichen Kriegspölfer, von denen 
feines die Neutralität des Landes achtete, verlangte man nad 
einem Fürften aus mächtigem Haufe. Im Kapitel waren der 
Dompropft und Herr Karl D’Dyenbrugge zu Duras, mit melden 
Herzog Ernft vor bald ſechs Jahren in Rom Freundſchaft ge— 
ſchloſſen hatte, die eifrigften. Eiligſt beforgten fie, noch am 
28. Dezember, die bisher verichobenen Formalitäten, um des Her- 
3098 Aufnahme in das Kapitel zu fihern. Ein Kapitelbote über- 
brachte dieſe Nachrichten dem Herzog von Jülich nah Schloß 
Hambach, zugleih mit dem dringenden Nat, der Herzog möge 
feinen Neffen fofort herbeilommen lafien. In der Frühe des 
nächſten Morgens, am 29. Dezember um 3 Uhr, ftarb der Kar— 
dinalbiihof, 63 Jahre alt. Noh am jelben Tage beftimmte das 
Domtlapitel den 23. Januar als Tag der Neumahl. 


1) Schon bald nah Biſchof Gerhards Tod verbreitete fich bei Freund 
unb Feind das Gerücht, diefer habe noch auf dem Sterbebett Herzog Emft 
als feinen Nachfolger empfohlen. Wir begegnen bemfelben in einem Briefe 
Languet8 vom 1. Februar 1581, Ep. secr. I. 2. 845, und ganz ähnlich in 
einem Briefe bes Dr. Winkel an Herzog Wilhelm von Bayern vom 12. Januar 
RA. Münfter IX, 25. Man wird dieſes weder den Umſtänden entfprechenbe, 
noch durch bie vorliegenden genauen Berichte Über Gerhards letztes Kran- 
fenlager betätigte Gerücht als eine volfstümliche Umgeftaltung ber feit 
Jahren zwiſchen Biſchof Gerhard und dem Haufe Bayern über die Nachfolge 
gepflogenen Berbandlungen aufzufafien haben. 





2. Kapitel. 
Herzog Ernſt von Bayern wird Bifhof von Lüttich. * 


Die Revolution, durch welche ſich die nördlihen Provinzen 
der Niederlande von der ſpaniſchen Herrihaft und zugleid vom 
Haufe Oſterreich losriſſen, erreichte ihren Höhepunkt gerade in dem 
Augenblid, al3 Biſchof Gerhard von Lüttich ftarb. Am 13. De— 
zember 1580 hatte Wilhelm von Dranien feine Achtung als Hoch— 
verräter durch ein Manifeft beantwortet, worin er feinen König 
als Tyrannen, Ehebreher und Mörder brandmarkte; am 30. De— 


* Quellen: Bon ben im vorigen Kapitel genannten Liütticher Gefchicht- 
fohreibern befonbers Fiſen, ſodann Bormans’ Auszug aus ben Ka— 
pitelprotofollen. Einiges Cigentümliche in Langueti Ep. secr. I. 2, 
841sqg. und bei Strada, De Bello Belgico Dec. IL lib. IV. Bon 
ben oben angeführten Archivalien befonders AA. Lüttich Tom. II und 
Münfter IX und X; Fürftenfachen Spec. C. Nr. 413. Bibl. Föringer. 
3239. Die jülihfhen Akten inbetreff ber Lütticher Wahl haben fich 
bisher in Düfjelborf nicht vorgefunden. Die Akten über ben Einritt 
DA. Politifhe Begebenheiten Nr. 19 benutzte ich nicht eingehend, weil 
bierfür bie gebrudte Litteratur ausreiht, nämlid Jo. Politus 
Leodius, Rmi ac Sermi Principis Ernesti . . . Inauguratio, 
Col. Agr. 1583 — bier auch manches über bie Wahl — unb Rob. 
Turner, Triumphus Bavaricus, Ingolst. 1583 fowie in ber Samm- 
lung der Schriften Turners von 1599. Turner foheint Polys Be- 
ſchreibung bereit8 vor fih gehabt zu Haben. Beide flimmen unter 
einanber und mit ben arcdivalifchen Angaben in ben Einzelnheiten 
meiſtens überein. 


734 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


zember, einen Zag nad) Gerhards Tod, genehmigten die zu Delft 
berfammelten Stände von Brabant, Flandern, Holland und Zee 
land, Mecheln, Friesland und Ommelande den Vertrag, wodurch 
fie den Bruder des franzöſiſchen Königs, Herzog Franz von Anjou 
und Alenson als ihren neuen Herzog und Herrn annahmen. 
Fortan war fein Ausgleih mehr möglid, jondern nur noch Kampf 
auf Leben und Zod. Die Sriegspölfer beider Parteien lagen 
hart an der Grenze des Stiftes Lüttich zu Dieft und zu Leeum 
einander gegenüber; ohne Scheu plünderten beide auf Lütticher 
Gebiet und reizten die Stiftsunterthanen zu Unruhe und Auf: 
ruht. Darum vor allem war das Domlapitel jo jehr darauf 
bedacht, die Zwiſchenregierung abzufürzen; darum verlangte man 
nad) einem bon Haus aus mächtigen Fürften. 

Auch jonft würde man bei einer Neuwahl die Wünſche des 
Herzogs von Jülich, des nächſten deutihen Nachbarfürften, be= 
rücjichtigt haben; diesmal fielen jie zujammen mit den Intereſſen 
des Stiftes felbft. Darum gingen bei dem Bemühen, den bay— 
rifhen Herzog an die Stelle des verftorbenen Biihofs zu brin= 
gen, Herzog Wilhelm und das Domlapitel Hand in Hand. Ein 
Eilbote des Herzogs trug die Nachricht von Gerhards Tod nad 
dem bildesheimishen Haus Steuerwald zu Herzog Ernft: diejer 
möge fi, da er anders zu diefer Würde gerne erhöht fein wolle, 
eiligft nad Lüttich begeben, um das Eiſen zu jhmieden fo lange 
e3 hei ſei. Ernſt ließ, wie der Oheim riet, alles andere liegen 
und ftehen; jhon am 12. Januar traf er mit einigen Begleitern, 
darunter Paul Stor, auf Schloß Hambach ein, hatte alfo eine 
Strede von mehr als 40 deutihen Meilen in höchſtens 6 Zagen 
zurüdgelegt ). Inzwiſchen hatte ihm der Oheim die Bahn zum Stift 
bereit3 geebnet. Am 5. Januar ſchrieb Herzog Wilhelm an Alerander 
Farneje und bat diejen, an die früheren Fürſchriften des Königs 





1) Der jülichſche Bote brach früheſtens am 2. Januar von Hambach 
auf; angenommen, er fei in vier Tagen bis nach Hildesheim geritten, fo 
fann Ernſts Aufbruch von bort faum vor dem 7. Januar erfolgt fein. 


Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 785 


und feines Vorgängers Don Juan erinnernd, er möge dem bayriſchen 
Herzog zugleich in Lüttich und in Stablo behilflich fein. Ferner 
erjuchte er, auf den Nat der Lütticher Freunde, die Mönche von 
Stablo und Malmedy, ihre Neumahl nicht zu beeilen und fi an 
die früheren Verhandlungen über eine Koadjutorie des Freifinger 
Biſchofs zu erinnern. Am 10. Januar erſchienen Gejandte des 
Herzog3 vor dem Lüttiher Domkapitel, fondolierten wegen Biſchof 
Gerhard: Zod und empfahlen hierauf in aller Form den bayri= 
hen Herzog als Nachfolger. Ernfts Ankunft in Hambad wurde 
dem Domkapitel jofort gemeldet; darauf antworteten die drei 
Herren Wyngaerde, Zorrentius und Woeftenraedt: es würde jehr 
erſprießlich fein, wenn jener jhon etwa 8 Tage vor der vom 
23. auf den 30. Januar verjhobenen Neuwahl feine Reſidenz als 
Kanonikus an S. Lambert beginnen fünnte. Der Dompropft 
Wyngaerde bot zugleich jein Haus als Wohnung für Herzog Ernft 
an. Woeftenraedt fügte bei, alle anmejenden Domherren jühen 
deſſen baldiger Ankunft mit Verlangen entgegen, wenn auch nie 
mand vom Kapitel demjelben entgegenfommen dürfe. — Dieje 
Zurüdhaltung, ſowie der Umftand, daß nicht das Kapitel als ſol— 
ches, jondern nur einzelne, freilih die einflugreichiten Domherren, 
den bayrischen Herzog nad) Lüttich einluden, erflärt fi dadurch, 
daß bereit3 verſchiedene Gegenbewerber aufgetreten waren, derent= 
wegen das Sapitel bis zur wirklichen Wahl den Schein feiner 
Unabhängigfeit wahren wollte. 

Alerander Farneje hatte gleich auf die Nachricht von Gerhards 
Tod, bevor er das Schreiben des Füliher Herzogs erhielt, den 
Geheimrat Fohann van der Burg nah Lüttich abgeordnet, um 
dajelbft im Namen des Königs drei verihiedene Kandidaten zu 
benennen: Ludwig von Barlaymont (Erzbiihof von Gambrai), 
den Kardinal Granvella und Herzog Ernſt. Der Lütticher Dom- 
propft Johann von Barlaymont, den man von ſpaniſcher Seite 
vordem als künftigen Biihof auserjehen hatte, war vor einigen 
Monaten geftorben; wohl aus Rüdjiht auf die großen Verdienſte 
jeiner Familie um Spanien, jegte man nun ehrenhalber jeinen 


736 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


Bruder, den Erzbiſchof, auf die Lifte, Kardinal Granvella, ftet3 
gierig nad) neuen geiftlihen Würden und Pfründen, wird mohl 
ſelbſt bei König Philipp, an deſſen Hof er zur Zeit lebte, feine 
Empfehlung erwirkt haben. Farneſe perjönlih aber war für Her— 
309 Ernſt. Schon am 17. Januar beteuert er in einem Briefe 
an den Herzog von Jülich, Ernft werde ihm wie feinem König 
der liebfte Nachbar fein. Da man nun in Lüttich bon dem Kar— 
dinal Sranvella gewiß ebenjo wenig wiſſen wollte, wie von einem 
Barlaymont, fo fiel Spaniens Einfluß zugunften des bayriichen 
Herzogs in die Wagichale. Als van der Burg am 18. Januar 
im Domkapitel erſchien, nannte er Öffentlih feine beſtimmte Per— 
ion, ſondern empfahl nur allgemein einen ſolchen Herrn zu wäh- 
len, der den Ffatholiihen Glauben zu verteidigen imjtande ſei; 
privatim wird er ſich wohl für Herzog Ernft ausgeſprochen 
haben ?). 

Der -gefährliite Rivale für Herzog Ernft war Erzherzog 
Matthias. — In dem Augenblid, da man zu Delft im Bes 
griffe ftand, den Erzherzog zugunften eines franzöſiſchen Prinzen 
beifeite zu ſchieben, gebot die Klugheit, den Kaifer und die Anz 
bänger des Haufes Dfterreih in und außer dem Lande fomeit 
als möglich zu beſchwichtigen. Das geihah am beften, wenn man 
dem Erzherzog durch jeine Wahl zum Biſchof von Lüttih einen 
ehrenvollen Rüdzug verſchaffte. Da man aber nit erwarten 
durfte, daß die ſpaniſch-geſinnte Majorität des Kapitel3 von ſich 


1) Dr. Andreas Fabricius erfuhr zwar vom feinen Lütticher Freunden, 
Farnefe habe den Erzbiſchof von Cambrai beſonders empfohlen, das läßt fich 
aber mit deſſen Schreiben an den Herzog von Jülich nicht vereinigen. Rich- 
tig ſcheint Straba das Verhältnis anzugeben: 4 Parmensi principe, illuc 
misso Vandemburgio consiliario, tribusque Catholici regis nomine pro- 
positis, Ernesto Bavariae ducis filio, Frisingensi tune episcopo, et An- 
tonio Granvellano cardinali, et Barlamontio archiepiscopo Cameracensi, 
Bavarus praelatus est. Dagegen giebt Fabricius treffend ben Hauptgrund 
an, weshalb man in Lüttich feinen Barlaymont zum Bifchof wollte: quod 
principem habere nollent, qui plebem et patriam privata egestate ex- 
corticaret, sed qui aliunde ad patriae dignitatem aliquid afferre possit. 


Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Füttich. 137 


aus den Erzherzog wählen würde, jo galt es, von außen einen 
Drud auf dasjelbe auszuüben. Darum erinnerten die belgiſchen 
Stände das Lütticher Volk, deſſen bewaffneter Wille jo oft ſchon 
über die Geſchicke des Stiftes entſchieden hatte, in einem offenen 
Schreiben vom 22. Januar an die alten Bande des Blutes und 
der Verträge, ſowie an den gemeinfamen Haß gegen die ſpaniſchen 
Tyrannen; ein von Parma empfohlener, der ſpaniſchen Faftion 
angehöriger Biſchof werde Stift Lüttich ſelbſt zu einem Sitze des 
Kriegs machen. Erzherzog Matthias ſei dagegen der rehte Mann: 
fatholiüh, Sohn und Bruder eines Kaifers, Schwager des ſpa— 
niſchen und zugleich eines franzöſiſchen Königs, mit allen großen 
Mächten alfo durch Verwandtſchaft und Freundichaft verbunden, 
werde er des Stiftes Neutralität aufrechthalten und aud in den 
Niederlanden den Frieden vermitteln können. Sie rühmten die 
während der legten vier Jahre erprobte perjönlide Milde und 
Friedliebe des Erzherzogs; vom Kaifer und zugleih von ihnen, 
ven Generalftaaten, mit Geldmitteln unterftügt, werde dieſer die 
glücklichen Zeiten des Biſchofs Erard von der Mark wieder über 
das Stift bringen. Dieſes offene Schreiben wurde den Bürger: 
meiftern zugefchiet, damit fie e8 in den Zünften vorlefen lichen; 
ein anderes Ähnliches erging an den Klerus von Lüttid. Es 
folgten weitere Briefe der Generalftaaten und des niederländischen 
Staatsrates, worin dieſe anfündigten, daß eheſtens eigene Gefandte 
fommen würden, um die Wahl eines geeigneten Fürften zu em— 
pfehlen; man möge alfo nötigenfalls die Wahl einige Zage ver: 
ſchieben ). — Uber das Lüttiher Volk hatte bereits, che es den 


1) Fisen Il, 387 (385) giebt aus dem Stadtarchiv eine angeblich wört- 
liche Überfegung des franzöſiſchen Schreibens der Generalftanten an das Bolt 
von Lüttich. Verwirrend ift nur, baß er basjelbe aus Antwerpen kommen 
läßt und nachher p. 388 (386) von einem zweiten Schreiben ber zu Delft 
verfammelten Stände ſpricht. Meine Annahme, daß das Schreiben der 
lesteren nur Über Antwerpen nach Lüttich gelangt ift, löſt den Widerſpruch. 
Ih finde fie beftätigt durch Bormans’ Auszug aus dem Kapitelprototoll 
de8 23. Januar: Les bourgmestres avertissent le chapitre que le messager 

Loſſen, Köln. Krieg I. 47 


138 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


bayriſchen Prinzen perjönlid kannte, eine Vorliebe für ihn gefaßt 
und die Zeit bis zur Wahl war allzu kurz, diefe wieder zu er= 
füttern. Die Bürgermeifter legten das aus Antwerpen erhaltene 
offene Schreiben dem Domkapitel vor, bezeichneten es al3 eine 
aufrührerische Proflamation und forderten, daß fortan alle an— 
fummenden Briefe geöffnet würden. Das war am 23. Sanuar. 
Am folgenden Abend kam Herzog Ernft mit ftattlihem Gefolge 
nah Lüttih. In dichten Scharen drängte fi) das Volk her— 
bei, ihn zu ſehen, als er, geleitet von einigen befreundeten Dom— 
herren und von den Bürgermeiftern, zum Haufe des Dompropftes 
ritt. Sein herablafjendes freundliches Weſen gewann ihm fchnell 
alle Herzen; von Zag zu Zag, je mehr man ihn fennen lernte, 
wuchs die Vorliebe des Volkes. Entiprachen doch ſowohl feine 
Neigungen wie jeine Schwächen denen des Lütticher Volkes. 
Gleich dem Klerus und Adel von Lüttich liebte Ernſt die klaſſi— 
ihen Studien, die Frauen, den Wein; mit dem gemeinen 
Volk teilte er die Freude am Handwerk der Waffen, das Ge- 
ſchick für mechaniſche Fertigkeiten; mit dem ganzen Volk der 
Wallonen das freie, zu Freude und Zorn gleich ſchnell be— 
wegte Wejen, den Hang zu Prunk und Prahlerei. Selbft was 
man von jeinen jittlihen Vergehen aus Rom, Freifing und fonft 
erfahren haben mochte, ſchadete ihm nicht viel bei einem Volke, 
das, wie ein treffliher Kenner desjelben jagt, „an einer düftern 
Heiligkeit niemals Gefallen fand‘). 


de la Cit€ ä Anvers était revenu avec une lettre adressee aux repré— 
sentants du conseil de la cite, laquelle contenait une proclamation se- 
ditieuse imprimee, pour le peuple liégeois; ils proposent d’arröter toutes 
les lettres et de les ouvrir. Dieſe Proclamation sed. wirb eben das 
Schreiben der Generalftaaten an das Volk von Lüttich fein. 

1) apud nationem cui taetrica sanctimonia nunquam in pretio fuit, 
fagt ber Iefuit Foullon (1. c. II, 206) bei Angabe ber Gründe, weshalb 
Biihof Erarb von der Mark bei den Lüttichern fo beliebt gewefen fei. In 
Les Delices du Pais de Liöge I, 60 (1738) beißt e8, wohl mit Bezug auf 
das ftrenge Urteil der Jeſuiten Foullon und Fifen über bie Leichtfertigfeit 
des Biſchofs Ernft: d’autres Jui ont imput& quelques defauts, mais si 


Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 789 


Am Tage nad) feiner Ankunft in Lüttich, 25. Januar, nahm 
Herzog Ernft im Domkapitel Befig von feinem Kapitelplag und 
begann die erfte Reſidenz. Von diefem Augenblid an war er 
wählbar. Unmittelbar vorher hatte ein Gefandter des Herzogs 
bon Anjou, namens diefes Fünftigen Schugheren der Niederlande, 
dem Kapitel empfohlen, e3 möge einen Biſchof wählen, welcher 
im belgijchen Krieg die Neutralität beffer zu wahren wiſſe, als der 
jüngft verftorbene. Die Behauptung jpäterer Gejchichtichreiber, der 
Gejandte Habe zuerft jeinen eigenen Herrn als Biſchof vorge- 
ſchlagen, fid) dann aber, als er gemerkt, daß die Wahl des bayri— 
ſchen Herzogs bereits gefichert, für diejen erklärt, wird zwar nicht 
durch gleichzeitige Berichte beglaubigt ?), aber jo viel ift unzweifel— 
haft, daß den Franzofen ein bayriſcher Herzog immerhin als Nach— 
bar lieber war, al3 ein Parteigänger Spaniens, wie der Herr von 
Barlaymont oder als ein öſterreichiſcher Erzherzog, So hoben 
fi aljo die Fürfchriften der niederländiihen Gegner Spaniens 
gleichſam gegenjeitig auf, offenbar zu Herzog Ernſts Gunſten. — 
Das Domkapitel dankte dem franzöfiihen Gefandten für das 
Mohlwollen jeines Herrn, mies aber den gegen Biihof Gerhard 
erhobenen Vorwurf jchlechtgewahrter Neutralität entſchieden zu— 
rüd. Auch bei der neuen Wahl würden fie ihre und des Stiftes 
Freiheit und Unabhängigfeit beftens wahren. 

Am 30. Januar, al3 man zur Neuwahl fchritt, wurden nad) 
altem Herkommen die Stadtthore geſchloſſen, die hier Schüßenge- 
jellichaften und die bewaffnete Bürgerwehr bejegten die Thore 


legers qu’ils auroient bien pu les couyrir de la charit& et les ensevelir 
dans le silence. Noch im Sabre 1858 bemerkt Henaur (Constit. du Pays 
de Liöge, Nouv. Ed. p. 31 n. 2): l’attachement aux femmes fut toujours 
la passion dominante du clerg& de Liege. 

1) Die beftimmte Angabe, daß der Herzog von Anjou feine eigene Wahl 
empfohlen babe, zuerft bei Fifen und Foullon, welche wohl aus Ehapeau- 
villes Worten (l. c. p. 511) mehr berauslafen, als biefe genau genommen be— 
fagen. Die von mir benusten Alten, Bormans’ Auszug aus ben Kapitel- 
protofollen und Poly enthalten nichts von einer. eigenen Bewerbung Alengons. 

47* 


740 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


und Pläge der Stadt, bewahten vor allem die Kathedrale 
&. Lambert, in welcher fih die Domberren zur Wahl ver- 
fammelt hatten. Gerade in dieſem Augenblid follen die Geſandten 
der Generalftaaten, ein Herr von Merode und der Doltor Ei: 
bertug Leoninus, in der Vorſtabt ©. Walpurg angelangt fein; 
als fie erfuhren, nad fie zu Spät gefommen, kehrten jie um, ohne 
fi ihres Auftrags zu entledigen. Die Beratung im Kapitel 
dauerte dem ungeduldig bor den Domthüren ſich drängenden Volf 
zu lange; ſchon murden Drohungen laut für den Fall, daß ein 
anderer als der bayriſche Herzog gewählt werde. Endlich gab die 
Glode das Zeichen, daß die Wahl beendigt ſei; die Domthüren 
öffneten fih und von erhöhter Stelle wurde, nad) altem Brauch in 
drei Spraden: lateiniſch, franzöjiih und niederdeutih, dem Wolfe 
verfündigt, der Biſchof von Freifing und Hildesheim, Herzog Ernft 
von Bayern jei zum Biſchof von Lüttih gewählt. Die Wahl 
war einmütig erfolgt, nachdem Herzog Ernſt das Bedenken eini- 
ger Domberren bezüglidy feiner anderen Hochſtifter dadurch ge: 
hoben hatte, daß er päpftlihe Breven vorwies, welde ihn er: 
mädhtigten, gleichzeitig verichiedene Bistümer zu befigen. Herzog 
Ernft nahm die Wahl an und beihwor alsdann noch im Kapitel 
eine Wahlkapitulation, die nämlihe wie feine Vorgänger !) und 
im allgemeinen den in anderen Stiftern üblichen SKapitulationen 
gleichend, nur daß hier die Pflicht, beftändig im Stift zu refidieren 
und dasjelbe nur mit Erlaubnis des Kapitel zu verlaffen, be: 
fonders ftreng eingeihärft war. Des Herzogs Freunde im Ka— 
pitel hatten jhon im voraus ihren Kollegen verſprechen müſſen, 
daß ſich auch Ernft, troß, feinen anderen Bistümern, diejer Pflicht 


1) Die von Fisen II, 886sq. mitgeteilte Wahlfapitilation des Bifchofs 
Ernft wird gewöhnlich (fo von Billenfagne und Henaut) als die älteſte be- 
tanute angefehen, ſtimmt jedoch durchweg überein mit der Kapitulation des 
Biſchoſs Gerhard, von welcher ein Auszug RA. Lüttih I, 23. Ich bin fo- 
gar gemeigt anzunehmen, daß Fiſen vielmehr bie letztere Topiert bat, weil 
fein Art. XVI, Ante annum sacerdos consecrator, auf ben bereits im 
Sabre 1577 gemeihten Herzog Ernft nicht paßt. 


Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 741 


unterwerfen werde ?). Nur verlangte jest Herzog Ernft, da man 
ihm bis zum Ginritt in Lüttich einige Monate Zeit laſſe, um ine 
zwiichen in Hildesheim jeine bei der eiligen Abreiſe unerledigt ges 
bliebenen Geihäfte zu ordnen. Denn in Lüttih hielt man 
ftrenge an der übrigens auch anderwärts zu Recht beftehenvden 
Sitte feft, daß der neue Herr erſt nach dem feierlichen Einritt in 
jeine Hauptjtadt die wirklihe Regierung antreten dürfe. Bis 
dahin ftand diejelbe dem Domkapitel und den von diejem Depu— 
tierten zu ?). 

Zautjubelnd begrüßte das Volt die Proflamation der neuen 
Wahl. Am Zriumph, unter Slodengeläute und ihre Gewehre 
losfeuernd, geleiteten Schüben und Bürgerwehr den Erwählten 
zum Haufe des Dompropftes, wo Herzog Ernſt feine Wähler be= 
mirtete. Ein Augenzeuge behauptet, der Himmel jei vom Rauch 
der Freudenfeuer und des Pulvers faft wie bei Nacht verdunfelt 
worden. Einige Zage ſpäter, am Felt Mariä Reinigung, erſchien 
Herzog Ernſt, zur Freude des Volkes, mit der Kerze in der Hand 
bei der Lichtmeßprozeſſion. 


1) Fabricius in dem o. ©. 736 Anm. erwähnten Brief an ben bayri— 
ſchen Herzog (vom 2. Februar 1581, RA. Lüttich II, 41) fchreibt einem 
feiner Lüttiher Verwandten, Egidius Rengaut, hauptſächlich das Verdienſt 
daran zu, daß bie Domherren ihre Bedenken wegen ber Pluralität ber Stifter 
und wegen Herzog Ernſts geringer Kenntnis ber franzöfifchen Sprade fallen 
gelafjen hätten. Im ben Akten finde ich Hiervon nichts; wenn ſich ein Eiu- 
zelner beſondere WBerbienfte um bie Wahl beimefien konnte, fo war e8 
wohl ber Domherr D’Oyenbrugge zu Duras, de8 Herzogs freund von 
Rom ber. 

2) Bon dem ehemaligen Brauch, daß bie Lanbftändbe einem Abeligen bes 
Stiftes, dem fogen. Mambour d. i. VBormund, bie Zwifchenregierung über- 
trugen, findet fih nah Biſchof Gerhards Tod nicht die leifefte Spur. 
Henaur irrt aljo, wie gewöhnlich zugunften ber Volksrechte, wenn er be- 
bauptet (Constit. du Pays de Liöge, p. 60), das Domlapitel babe im 
Jahre 1688, au möpris du droit et de l’usage, anftatt ber Stände bas 
Recht beanfprucht, einen Mambour zu wählen. Die Sebisvafanz von 1581 
ift entjcheidendb für das Recht des Kapitels, da lange Zeit vor unb nachher 
jedesmal ſchon vor dem Tode des Biſchofs ein Nachfolger (Koadjutor) ba 
war, aljo feine eigentlihe Sebisvalanz eintrat. 


742 Achtes Buch. Zweites Kapitel. 


In denfelben Zagen wurde aud) über den Beſitz von Stablo 
und Malmedy entihieden. Hier hatte Herzog Ernft nur einen 
ernftlihen Gegenbewerber, den 16jährigen Grafen Hans Gerhard 
von Manderfheid- Keil, deſſen Wahl zunächſt durd feine Ver— 
wandten, die Nachbarn und langjährigen Inhaber der ver: 
einigten Abteien, betrieben wurde. Gewichtig war namentlich 
Graf Joachim von Manderfcheid - Schleiden, der ſpaniſche Gou— 
verneur von Luxemburg, da wohl ihm zuliebe aud) der Herzog 
von Lothringen und Graf Peter Ernft von Mansfeld, nad) Far: 
neje der höchſtgeſtellte Mann in den Spanischen Niederlanden, für 
jeinen jungen Better ſich verwendeten ). Auch der Kaiſer ließ 
denfelben durch den alten Freiherrn von Winneburg und durd) 
einen Grafen von Wefterburg empfehlen. Für Herzog Ernſt aber 
traten der Herzog von Jülich und das Lüttiher Domtapitel ein, 
indem fie den Lütticher Licentiaten Gotfrid Zaris, der vermutlich 
unter Gerhard Groesbeek ein Amt in Stablo bekleidet hatte ?), 
zu den Mönchen jchidten. Die Lütticher ſuchten außerdem den 
jungen Manderſcheid zu bewegen, freiwillig zurüdzuftehen, indem 
fie ihm das erfte freimerdende Kanonilat an ©. Lambert in Aus- 
fiht ftellten. — Die Mönde beſchloſſen den Ausgang der Lütticher 
Wahl abzuwarten. — Sobald dieſe auf Herzog Ernſt gefallen war, 
gingen Zorrentius und Woeftenraedt nad Stablo und Malmedy 
und beſchwichtigten die lekten Bedenken der beiden Konvente. 
Am 3. Februar wurde Herzog Ernſt in beiden Abteien einmütig 
(per viam inspirationis) zum Adminiſtrator poftuliert. Die 


1) Über die Familie Manderſcheid im allgemeinen vgl. o. ©. 17 u. 25. 
Graf Joachim erfcheint bei Gachard, Actes des Et. gen. I, 431sqgq. im 
Jahre 1576 al8 Gouverneur von Luxemburg, während gewöhnlich Graf Peter 
Ernft von Mansfeld als folder genannt wird. Wie beides zu vereinigen, 
babe ich bisher noch micht gefunden. — Unter ben Herren, bie für ben 
jungen Manberfcheid-Keil ſich verwenden, ift ferner ber Freiherr Johann von 
Wilz. 

2) Unter Herzog Ernſt erſcheint Taxis bald nachher als Referendarius, 
ſpäter als Kanzler von Stablo. 


Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 143 


Aufgabe, einerfeit3 die päpftlihe Konfirmation ſich zu verſchaffen, 
anderjeit3 den Verdruß der Familie Manderiheid zu beihmwichtigen, 
blieb dem Boftulierten überlaffen. Das legtere geſchah mittels 
ernftliher Schreiben desjelben an die Grafen von Manderſcheid 
und an deren Gönner, fodann dadurh, daß dem jungen Hans 
Gerhard das durch Herzog Ernfts Wahl zum Biſchof freigewor— 
dene Kanonikat an ©. Lambert wirflid) verliehen wurde. 

Am Tage der Stabloer Wahl trat Herzog Ernſt die Rückreiſe 
nad) Hildesheim an. In Düffeldorf traf er den Grafen Salentin 
von Iſenburg, der ihm mit feinem Schwager Karl von Arenberg 
und dem jülihihen Marihall ein Stüd Weges das Geleite gab 
und dabei das Programm für den fünftigen Einritt in Lüttich 
entwarf. Die Koſten desjelben einſchließlich der eriten Einrihtung 
in Lüttich berechnete Salentin auf 90= bis 100,000 Gulden, während 
das Gejchent, welches die Lüttiher Landftände nad) dem Einritt 
ihrem neuen Herrn zu verehrten pflegten, nur etwa 34,000 
rheiniſche Thaler (52,000 brabantiiche Gulden) betrug. Von dem, 
was die Stifter Freifing und Hildesheim einbradhten, und dem 
Sahrgeld von 12,000 Gulden, welches Herzog Wilhelm gemäß 
dem väterlihen Zeftament einftweilen noch auszuzahlen Hatte, 
fonnte Herzog Ernſt kaum jeinen bisherigen Hofhalt beftreiten; 
ihon für die Reife nad) Hildesheim hatte er Geld borgen müſſen. 
Die Beihaffung der zum Einritt nötigen Geldmittel wurde aljo 
borerft die wicdhtigfte Angelegenheit. Herzog Wilhelm von Bayern 
ſteckte jelbft tief in Schulden, die er teils von dem pradhtliebenden 
Vater ererbt, teil3 felbft gemacht hatte, verſprach jedoch, Bürge für 
feinen Bruder zu werden, falls ihn diefer durch die Überſchüſſe 
der jährlihen Einnahmen von Freifing fiher tell. Paul Stor 
ging nun zunächft zu dem reihen Großherzog von Toscana, aber 
„der grobe Zölpel”, wie Herzog Wilhelm ihn nannte, hatte 
taufend Entjhuldigungen, daß er all jein Geld für andere Zwede 
bedürfe. Auch von der Stadt Nürnberg war nicht? zu haben. 
Nach Rom ging Hieronymus Stor, teils wegen der Konfirmation, 
teil um durch P. Toledos Vermittelung vom Papfte ein Dar— 


TH Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


lehen zu erbitten. Der Pater riet jedoch entichieden ab, die 
jiherlih erfolglofe Bitte überhaupt zu ftellen. In diejer Ver— 
legenheit empfahl Herzog Wilhelm feinem Bruder, den Eoftipieligen 
Einritt lieber ganz zu unterlaffen oder wenigſtens zu verjchieben ; 
diefer wies aber darauf hin, daß al’ feine Vorgänger, die doch 
nicht einmal geborene Fürſten, feierlic eingeritten jeien und, was 
wichtiger, daß nad) dem Herfommen fein Biſchof vorher zur Re— 
gierung zugelaffen werde. 

Ernit hatte in der That, von aller Prunkſucht abgejehen, 
guten Grund, nad) jo vielen empfindlihen und faſt Ichimpflichen 
Niederlagen diejen erften Erfolg glänzend zu feiern. Das Stift 
galt als eines der vornehmſten und beiten im ganzen Reid; Für— 
jten und Grafen ſaßen neben den Nitteradel gern in feinem 
Domkapitel; 25 Städte und mehr al3 1400 Dörfer zählte man 
um Lande. Bor allem aber bedeutete die Lüttiher Wahl einen 
Sieg über diejelben Gegner, welde jein und jeines Haufes Auf— 
fommen bisher im Stift Münfter bintertrieben, im Erzſtift Köln 
ganz vereitelt hatten. Die Kölner Freunde des Haufes Bayern 
verbreiteten alsbald in weiten Kreiſen ein lateiniſches Gedicht des 
Füliher Präceptors Hubert von Schüren, welches den Gegenſatz 
gegen die Kölner Wahl icharf hervorhebt: 

Sieh, den mit Trug und Verrat man erft unterdrüdte, den hebt nun, 
Ruhmvoll bietend Erfag, blühende Tugend empor !). 

„Der Stein, welchen die Bauleute zu Köln verworfen haben, 

ift in Lüttich zum Edjtein geworden‘, ſchreibt Graf Dttheinrid) 

von Schwarzenberg aus Prag an Herzog Wilhelm von Bayern. 

Einfihtige Leute, wie diefer Graf, welcher das LXüttiher Land 





1) En quem perfidia prius oppressere, vieissim 
Extulit hune virtus, non sine laude virens. 
Ein Exemplar bed aus 45 Dijtihen beftehenden Getichtes jchidt Dr. Winfel 
am 16. Februar an den Herzog von Bayern und bemerkt babei, es ſeien 
davon neuerdings 200 Exemplare gebrudt worden, und follten in Rom, 
Praa, Trier, Mainz, Miünfter und Köln verbreitet werben. 


Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 745 


bon jeinen niederländischen Friedensverhandlungen her kannte, ver— 
hehlten freilich auch nicht die Schattenfeiten der Wahl, den En- 
zian unter dem Zuder, wie Schmarzenberg ſich ausdrüdte: die 
grauenhafte Verwüſtung des Stiftes dur die Kriegsvölker der 
belgischen Parteien, die Übergriffe der mächtigen Nachbarn, Spa— 
nier und Franzojen, die ſchmalen Einkünfte des regierenden 
Herrn ). — U dies stellte Herzog Wilhelm jeinem Bruder jehr 
vernünftig vor und erbot ſich zugleih, damit man ihm feinen Rat 
nicht al3 Geiz auslege, fall Ernſt auf den Einritt verzichte, die 
gleihe Summe herzufchenfen, welche er ſonſt auf vdenjelben ver- 
menden würde. Da jedoch Herzog Exnft auf feinem Entſchluß be— 


1) „Dan erftlich ift ber ftift burch die nunmer 15 jerigen frieg und fo- 
wol durch einen als ben andern beil ganz und gar ausgefogen erarmet ver- 
bert und verberbt, das e8 nit einem criften fonder einem turfen, fo es fiht 
von herzen erparmen folle, und bat ſich nit allain aus bemfelben das gelt 
fonder bie Leit fo ſolches im dem ftift bringen unb durch ir hantierung erhalten 
jollen, fo gar die welche das felt bauen, verloren; fo ligen bie berfer unb 
bie felder db und alles befert. So haben etliche hohe potentaten zum beil 
durch neue accort, zum beil jure belli zimlih band darein gefchlagen und 
was einmal in folhe ftarte Haen [= Stlauen] fomt, das beleibt gemainf- 
ih x. Zudem fo hab id a defuncto ſelbſt gehert, das er nit 16m A 
[= Kronen?) von dem ftift einfomens. Der flift hat wol vil berliche fchene 
ftet und ein gewaltige landſchaft, ein regirender ber aber bat wenig Hilf, 
wie der vorig her felbft faget, von den undertanen. Dan fie geben jerlich 
10,000 fl., die werben durch fonberliche geornete commiffarii zu den granizen- 
beijern [= Grenzbäufern] gegen Frankreich und ben reichdanlagen ver- 
wendet; iber das find fie nie ſchuldig.“ (Ottheinrih von Schwarzenberg an 
Herzog Wilhelm, Prag, 7. März 1581 RA. Lüttich IL, 97.) Beredt ſchildert 
Turner (l. c. Ed. 1599, p. 112sqgq.) die Verwüſtung, welche königliche und 
ftaatiiche8 Kriegsrolt und danach Räuberbanden am Niederrhein angerichtet: 
quiequid est itineris a Colonia Leodium, id totum est obsessum a latrone, 
sive externo, qui irrumpit, sive domestico qui latet... Cujus rei ar- 
gumentum sit, quod itinere sex milliariorum, agri gleba bene opima, 
hortis commode inclusis, nullum viderim aut equum aut bovem aut 
jumentum cujuscunqgue generis extra quosdam equites, quos timemus, 
insessis viis, insidiari nobis. lbereinftimmende Nachrichten, mehrfach in 
Briefen Languets, Albadas und fonft. Bol. auh Bezold a. a. DO. ©. 407. 
Und dod war bas Zülicher und das Kölner Land noch lange nicht fo heim— 
gefucht wie das Stiit Lüttich. 


746 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


ftand, gab fih aud Herzog Wilhelm zufrieden, zumal es den 
Brüdern endlid) gelang, die nötige Summe aufzubringen. 15,000 
Gulden liehen Stadtpfleger und Geheime des Rates zu Augs— 
burg, mit denen der alte Herzog jederzeit gute Nachbarſchaft ges 
halten hatte; den ganzen Reſt von mehr al3 80,000 Gulden 
braten die Fugger auf, zu dem billigen Zinsfuß von 5 Prozent. 
So erwies es fid) auch Hier, wie in manden größeren Dingen, 
vorteilhaft für die Sache der fatholifhen Reftauration, daß das 
erite Kaufmannshaus der Welt auffeiten der fatholiihen Mächte 
ftand. 

Viel weniger Mühe als das Herbeilchaffen des Geldes machte 
die ebenfall3 vor dem Einritt erforderlihe Erlangung der päpft= 
lihen Konfirmation und eines faiferlihen Lehensindultes. Als 
Hieronymus Stor um den 20. April nad Rom kam, fand er die 
Konfirmationsfahe zu feinem Erftaunen bereit3 erledigt. — Das 
Lüttiher Domkapitel hatte aus eigenem Antrieb die Sache jeines 
Ermwählten in die Hand genommen. Ein päpftliher Kämmerer, 
Wilhelm von Bergen, Herr zu Grimberg, welcher ſelbſt Kanonikus 
an ©. Lambert war, wurde vom Kapitel beauftragt, die Konfir- 
mation für Lüttich und zugleih für Stablo zu betreiben. Man 
fam ihm in Rom auf halbem Wege entgegen. Die Xütticher 
Domherren waren im allgemeinen wegen ihres kirchlichen Eifers 
an der Kurie gut angejchrieben, mande von ihnen, vor allen 
Zorrentius, auch perjönlid mit Kardinälen und Kurialiften wohl- 
befannt !). Dazu kamen die Sympathieen, deren ſich Herzog Ernſt 
jelbit in Rom erfreute. In der Kölner Sache hatte man ihm 
unrecht geben müfjen, in Münfter nicht helfen können, in Salz— 
burg vielleiht nicht gewollt; — man war froh, endlih einmal 
zeigen zu können, daß die Schuld nicht an mangelndem perjön= 
lihen Wohlwollen gelegen hatte. Won den Kardinälen zeigten 


1) Eine Anzahl römische Freunde des Torrentius lernt man aus ben 
zwei Büchern Odarum ad amicos fennen, welche ben fpäteren Ausgaben 
feiner Poemata sacra angehängt find. 


Herzog Ernft von Bayern wird Bicchof von Lüttich. 747 


fih der Protektor der deutihen Nation Ludwig Madruzzi und 
Ferdinand von Medici bejonders eifrig. Medici verficherte nach— 
ber dem Herzog von Bayern, jo ſehr liebe er deſſen Bruder, 
welcher durd feine vortrefflihen Eigenschaften, feinen freundlichen 
und liebenswürdigen Charakter aller Herzen fi) erobere, daß er, 
fofort auf das erſte Gerüht von der Wahl Hin, diefer Sache wie 
feiner eigenen fi angenommen habe. Auch Madruzzi beteuert, 
er habe nit warten wollen, bi3 man ihn um feine Unterftügung 
gebeten; denn er juche Gelegenheiten, dem Haufe Bayern zu dienen, 
viel mehr auf, al3 daß er fie erwarte. Madruzzi that aber noch 
mehr: Der Papft hatte bewilligt, daß die Konfirmation um: 
jonft erfolge, wodurch Herzog Ernit eine Taxe von 11,260 Du— 
faten eriparte; nad dem Herkommen wurde jedoh die jogen. 
Propina des proponierenden Kardinals, in diefem Falle 1080 
Dukaten, nicht nachgelaſſen; Madruzzi verzichtete auch auf fie, denn 
er habe in diejer Sache nicht als Protektor, jondern al3 ein per= 
fönliher Freund gehandelt. Bereits am 3. April wurde Herzog 
Ernit in einem Konfiftorium der Kardinäle als Biihof von 
Lüttich präfonifiert; mit der Expedition wartete man nur auf die 
Ankunft Stors, welcher die neuerdings abverlangte Profeſſio fidei 
des Ermwählten mitbringen ſollte. Da Stor diejelbe nicht bei ſich 
batte, begnügte man ſich mit feinem Verſprechen, daß der Biſchof 
den Eid nachträglich leiften werde Y. Nur mit einer in die Kon— 
firmationsbulle aufgenommenen Bedingung war man am bayriichen 
Hofe durchaus nit einverftanden: Herzog Ernft jollte nämlich 
binnen zwei Jahren eines feiner drei Bistümer wieder rejignieren. 
Auch am kaiferlihen Hofe kam man raid zum Ziel. Wie: 
mohl dem Kaifer ohne Zweifel die Wahl feines eigenen Bruders 
viel lieber gemwejen wäre, mußte ihm doch recht jein, daß menig- 
ſtens fein Parteigänger von Frankreich Biſchof geworden war. 
Rudolf beantwortete daher die Anzeige von der Wahl alsbald 


4) Nah Bormans’ Auszug aus den Domtfapitelprotofollen leiftete Ernſt 
den vom Papfte geforderten [Trienter] Eid erft am 3. Mai 1582. 


748 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


mit einem verbindlichen Glückwunſch und erteilte bereit3 am 19. April 
ein Lehensindult. 

Das Lüttiher Domkapitel und die von ihm beftellten Depu— 
tierten hätten nun, namentlid wegen der Gefahren von außen, 
den Zermin für den Einritt gern abgekürzt gejehen, aber Herzog 
Ernſt fonnte ſich einerfeitS nicht fo schnell von feinen Hildes— 
heimer Geichäften freimachen, und brauchte anderſeits Zeit zu den 
Vorbereitungen für den geplanten glänzenden Eintritt. So blieb 
diefer auf den 18. Juni 1581 feitgeiekt. 

Zwei Zage vorher veriammelten fi die Teilnehmer in und 
bei Weſet, der Grenzitadt gegen das Herzogtum Fülih. Der 
alte Herzog von Fülih kam in Perfon mit zahlreihem Hofgefinde, 
Nüten und Beamten, zufammen 354 Pferde und 64 Mann zu 
Fuß). Aus Belgien kam, als König Philipps Gefandter, Karl 
von Groy, Herzog von Arihot, ſowie fein Sohn, der Prinz 
Philipp von Chimay, zufammen mit etwa 250 Pferden. Weiter 
der gefürftete Graf Karl von Arenberg mit 166 Pferden. Auch 
auf Salentin von Fienburg hatte man anfangs gerechnet, dann 
hieß es aber, Salentin habe ſich jüngft nad Spanien eingeichifft, 
um dort ein Gouvernement zu übernehmen; nachher fam er doc 
nod nad) Lüttid, aber erft am Zage nad) dem Einritt und ohne 
größeres Gefolge. Aus Bayern erihien namens der beiden Brü— 
der des Bischofs Herzog Ferdinand und mit ihm der am Mün— 
dener Hof erzogene junge Landgraf Georg von Xeuchtenberg. Als 
beiondere Vertreter des regierenden Herzogs befanden fi) in Fer— 


1) Die von Poly angegebenen Ziffern faft ebenfo bei Zurner. Ein jü- 
lichfcher Futter» oder Furierzettel MB. Cgm. 2213, Tom. 31 (Rebinghoven) 
verzeichnet Herzog Wilhelms Gefolge auf 373 Pferde und 64 Mann zu 
Fuß; da ſich Hierunter aber auch Graf Salentin von Iſenburg mit 20 Pier- 
den befindet, fo flimmt die Zahl bis auf einen mit ber von Poly und 
Turner gegebenen. Daß die Futterzettel ber Herzöge Ernft und Ferdinand 
NA. Lüttich Tom. II. kleinere Zahlen geben, erklärt ſich wohl fo, daß ſich ihr 
Gefolge erft nah und nach auf die von Poly angegebenen erhöhte. — Im 
bemjelben Aftenband ein paar ganz hübſche kolorierte Mufter, wie ſich bie 
bayriſchen Adeligen und ihre Knechte Heiden mußten. 


Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 149 


dinands Gefolge die Freiherren Wolf Wilhelm von Marlrain und 
Konrad von Bemelberg, Hans Jakob von Dandorf und der eng: 
liſche Priefter Robert Zurner, welder jüngft aus dem Collegium 
Germanicum als Profeffor der Eloquenz nad) Ingolftadt berufen 
worden und jet beauftragt war, die offiziellen Dank: und Glüd: 
munichreden an das Domkapitel und den Biſchof zu halten, 
Herzog Wilhelm hätte diejes Amt gern dem Dr. Andreas Fabri: 
cius, jest Propſt zu Altötting, übertragen; verdankte es doch Her: 
30g Ernſt niht zum wenigften gerade ihm, daß er Biihof von 
Lüttich) geworden war. Aber einerjeit3S mochte Herzog Ernſt feinen 
bormaligen Erzieher nicht um fich fehen, anderſeits fühlte fich 
Fabricius felbft nit ftark genug für die weite Reife. — Das 
zahlreichſte Gefolge, 852 Reiter und 37 Mann zu Fuß, kam mit 
dem Biihof ſelbſt aus Hildesheim; eine Anzahl Braunſchweiger 
Adelige hatten ſich freiwillig ihm angeſchloſſen, ſodann brachte er 
zu feinem perfönlihen Schu zwei niederſächſiſche Aittmeifter mit, 
Aſche von Holle und Klaus von Zerfien, mit 600 geworbenen 
Neiligen. Da das ganze Land am Niederrhein, von Köln ab: 
wärts bis zur belgischen Grenze, nun jchon feit Jahren durch 
königliches und ſtaatiſches Kriegsvolf und in der Folge auch dur 
Räuberbanden unfiher gemadt wurde, mochte ſolche Worficht nicht 
überflüffig fein. Herzog Ernſt ritt ſelbſt mehr wie ein Reiteroberit, 
denn wie ein Bifhof einher. Übrigens hatte ſchon der Herzog 
von Fülih dafür geforgt, daß feine beiden Neffen den Weg durch) 
fein Land, von Düffeldorf und Köln über Aachen nah Lüttich 
und Weſet, gefahrlos fanden. — Manche Namen in dem Ber: 
zeidmis von Herzog Ernſts Gefolge erinnern uns noch einmal an 
die Dinge, welche wir jeit ſechzehn Jahren mit ihm erlebt haben: 
da finden wir die beiden Kanzler von Kreiling und Hildesheim, 
Dr. Römer und Dr. Nunk, den Hildesheimer Domherrn Hermann 
bon Homeburg und den Salzburger Joachim Berner; Adolf 
Freiherr von Schwarzenberg und Paul Stor von Oſtrach, mit 
welchen Ernſt in Rom Freundſchaft gefchloffen hatte; Hans 
Philipp Graf von Manderiheid-Gerolftein, durch deſſen Verzicht 


750 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


er Domfapitular zu Köln geworden war, und Chriftoph Ladislaus 
bon Thengen, einer feiner ergebenften Anhänger bei der Kölner 
Wahl. 

Voller Jubel wurde der Biſchof bei feinem Eintritt in Wejet 
empfangen. Bei einem glänzenden Feſtmahl, weldes ihm die 
Stadt gab, verehrte fie ihm einen jchönen vergoldeten Becher, den 
er, als das erfte Geſchenk aus feinem neuen Lande, mit Freuden 
annahm und mwohlgefüllt feinem Bruder Ferdinand zutranf; dann 
ging der Becher weiter in der ganzen Zafelrunde herum. Seitdem 
bat fih Biſchof Ernft no oft, zur Freude feiner Lütticher, als 
einen tüchtigen Trinker bewährt. 

In und um Wejet verfammelte ſich au in großer Zahl der 
Adel des Landes. As ſich der ganze Zug am Sonntagmorgen, 
den 18. Juni, in der Ebene von Herftal zum Einritt ordnete, 
zählte man etwa 3000 Weiter: die Lütticher in den bayrifchen 
Farben, blau und weiß, die bayrifchen Adeligen durchaus gleich— 
mäßig in ſchwarzem Sammet, mit Silber verbrämt, ihre reifigen 
Knechte und Jungen in jhwarzer Wolle, blauweiße Federn auf 
den Sturmhauben; in buntem Gegenjak zu ihnen die belgischen 
Herren, jeder nad) jeinem eigenen Geihmad, teils nad franzöfiicher, 
teils nad ſpaniſcher Mode, Arenbergs Leute dagegen durchweg in 
ſpaniſcher Tracht, „weil aud der meiften Herz aufridhtig jpa= 
niſch“, — meint Zurner. An Rang: und GEtifetteftreitigfeiten 
fehlte es natürlid nicht, namentlid) die beiden Groy waren mit 
dem ihnen angewieſenen Platz anfangs nicht zufrieden; der Biſchof 
ſelbſt mußte entjcheiden. 

An der Grenze des Stadtgebietes, bei der Brücke Alcreyre, 
erwarteten die beiden Bürgermeifter ftehenden Fußes ihren neuen 
Herrn. Nachdem er in ihre Hände geihworen, den Frieden von 
Fexhe vom Jahre 1316, die DVerfaffung der Stadt und die 
Privilegien und Freiheiten ihrer Bürger zu beobachten, ftiegen die 
Bürgermeifter wieder zu Pferde und nahmen den Biſchof in ihre 
Mitte. Es war etwa vier Uhr nachmittags, ein jchöner heller 
Sunitag, als der Einritt auf dem linken Maasufer dur die 


Herzog Ernft von Bayern wird Biſchof von Lüttich. 751 


Vorſtadt S. Leonhard begann. Voraus eine Schar Lanzenreiter, 
die „Küriſſer“ von Maeftriht und Haffelt, jodann die Lütticher 
Amtleute und Adeligen, nad ihnen das Gefolge der Fürften von 
Chimay, Arenberg, Jülich, Herzog Ferdinand, Arſchot und Herzog 
Ernft; nun des Biſchofs Edelknaben und 24 Zrabunten in blauem 
Sammet, darüber weißſeidene Schligröde. Hierauf, ein jeder von 
Zrompetern begleitet, die hohen Herren jelbit, ihrem Rang nad: 
Arenberg, Chimay, Leuchtenberg hinter einander; fodann inmitten 
der Herzöge Ferdinand von Bayern und Wilhelm von Jülich der 
Herzog don Arſchot, als Gejandter des katholiſchen Königs auf 
dem Ehrenplag; nun Adolf Freiherr von Schwarzenberg mit der 
Fahne feines biihöflihen Herrn, der Stadtrihter Heinrih von 
Barlaymont mit den Symbolen des Gerichtsbannes, der roten 
Rute und den filbernen Sceptern, endlid der Herr von Duras 
mit dem Zeichen der Herrichaft über Leben und Tod, dem filbernen 
Schwert, unmittelbar vor dem Biſchof; Herzog Ernſt jelbit in 
prächtiger weltliher Kleidung zwiſchen den beiden Bürgermeiltern, 
hinter ihm feine geheimen Räte, darunter Zorrentius, Woeften- 
raedt und Gotfrid Zaris, ſowie die Sefretäre, die 22 Kommiſſare 
der Stadt und die 32 Wahlmänner des lekten Jahres, darauf 
die Dienerichaft der Fürften und zum Schluß die 600 geworbenen 
deutichen Reiter. 

In der Vorftadt drängte fich ein Menge von Leuten, die wegen 
Vergehen aus der Stadt verbannt waren, an den neuen Herrn 
heran, um nad dem Herkommen von ihm Begnadigung zu er- 
flehen; der Biſchof befahl ihnen aber, ihre Bitten jchriftlich einzu= 
reihen, denn er wollte verhüten, wie Johann Poly, einer der 
Beichreiber des Einritts fagt, daß nicht unter den Übelthätern 
auch folde, die von der Ketzerei angeſteckt, wieder in die Stadt 
fümen. Beim Klofter S. Leonhard empfing der Biihof von den 
Bürgermeiftern die Stadtichlüffel, gab fie ihnen aber jofort mit 
freundlihen Worten zurüd. Als der Biihof dem Stadtthor 
S. Leonhard ganz nahe war, wurde es vor feinen Augen ges 
ichloffen und erft auf dreimaliges Anrufen der Bürgermeifter wies 


752 Achtes Buch. Zweites Kapitel. 


der geöffnet, zum Zeichen der Sorgfalt, womit die Stadt über 
ihre Sicherheit wache. Innerhalb des Thores traten die Kaiſer 
und Könige der alten Armbruftihügen mit ihrer Fahne an den 
Biihof heran, ließen ſich ihre Privilegien beſchwören, gelobten da- 
gegen, mit Leib und Leben ihn zu befhügen. In den Straßen, 
durch welche der Zug ging, bildeten die bewaffnete Mannſchaft der 
32 Zünfte und die 4 Schützengeſellſchaften mit ihren Fahnen und 
Emblemen Spalier bis zum Dom; die Ehrenwahe auf dem 
Markt hatten die tapferen Frandimontaner, 700 Mann zu Fuß 
in 6 Fähnlein. Zroß dem Spalter drängte ſich das Volk fo 
ftürmifh an den Zug heran, dab faum für die Prerde Raum 
blieb. Das Schießen in den Straßen und auf den Thoren wurde 
jo arg, daß man es zulegt verbieten mußte, um das Scheuwerden 
der Pferde und Unglüd zu verhüten. Bei der Stiftskirche S. Georg 
war ein 50 Fuß hoher Triumphbogen errichtet mit allegoriihen 
und geihichtlichen Figuren und Emblemen, Wappen und lateinischen 
Verſen ). AS Herzog Ernſt zu diefem Bogen fam, ſchwebte 
von feiner Höhe mittel3 eines fünftlihen Mehanismus, unter Mu: 
fit, eine ſchöne, reich geihmüdte Jungfrau herab, durch ihr Wap— 
pen, den Pinienapfel, als Allegorie der Stadt Lüttich) bezeichnet, 
welche dem einreitenden Fürften einen jhönen Strauß überreichte, 
ihn als ihren Gemahl begrüßte und über ihn des Himmels Segen 
erflehte. Auf dem Markte waren vier Bühnen und dazwiſchen 
drei hohe Pyramiden errichtet: auf den drei erften Bühnen ftellten 
pornehme Knaben und Fünglinge die drei Stände von Lüttich, 
Klerus, Adel und Voll iymboliid dar, auf der vierten erinnerte 
eine Gerichtsicene an Herzog Ernſts Devife: Audiatur et altera 
pars; weitere allegoriihe Figuren ftanden auf den drei Pyra— 
miden ; aus der de3 Bachus floh Wein. 

Herzog Ernſt hörte und ſah alles an mit freudeltrahlendem 


1) Zurner ift von diefen Verſen übrigens nicht erbaut; er meint: verba 
bona esse perdita tam male, ut putem potius authores dignos cruce, 
quam versus areu triumphali. 


Herzog Ernft von Bayern wird Bifchof von Lüttich. 153 


Gefiht und wurde nicht müde, mit Hand und Hut die ſich drän— 
gende jubelnde Menge zu grüßen. Auf den Stufen der Kathedrale 
ſaßen die Domherren nebjt dem übrigen Klerus in feidenen Ge— 
wändern, die ihnen der neue Biſchof nad altem Brauch vor dem 
Einritt verehrt hatte. Hier ftieg Herzog Ernft vom Pferde und 
wurde nun in das nahe Schöffenhaus geleitet, wo er die weltliche 
Kleidung gegen reiche, goldgefticte biſchöfliche Gewänder vertauſchte. 
So ſchritt er zwiſchen Dompropft und Decant in den Dom zum 
feierlihen Te Deum. Im Dome jhwur er nod einmal den 
ihon bei der Wahl abgelegten Eid auf die Wahlkapitulation. 
Den Schluß des Tages machte ein glänzendes Feſtmahl in dem 
von Biſchof Erard von der Mark erbauten, wahrhaft königlichen Balaft. 
Am andern Morgen folgte eine feierliche Prozeſſion mit dem Sanctij= 
fimum, an welder alle ſtädtiſchen und ftiftiichen Korporationen und 
außerdem mit Herzog Ernſt die fremden Fürften und Grafen, dar- 
unter felbft ſolche teilnahmen, die jonft für evangeliicd galten, wie 
die Grafen von Eberftein und Limburg Stirumb. Wie fonft bei 
fürftlihen Hochzeiten dauerten auch bei diejer geiftlihen Vermählung 
des Biſchofs mit feiner Hauptitadt die Feſtlichkeiten tagelang fort. 
Stadt, Domkapitel, Adel und Zünfte wetteiferten, ihren neuen 
Herrn dur Geſchenke, Feſtmahle und Spiele, darınter aud Wett: 
fümpfe auf der Maas, zu ehren und zu erfreuen. Zu den Feit- 
mablen, jelbjt zu denen der geiftlichen Herren, erichtenen nad) Kütticher 
Sitte auch vornehme Damen. In ähnliher Weife, wenn auch 
minder prächtig, hielt der Biſchof teil bald darauf, teils erſt im 
folgenden Frühjahr feinen Einritt in Stablo und in jämtlichen 
Städten des Fürftentums Lüttich — mit Ausnahme des unglüd- 
lihen Maeftricht. Überall empfing man ihn mit lärmenden Felt: 
lichfeiten und Fam bejonders durch Eunftreihe Waffenſpiele jeinen 
friegeriihen Neigungen entgegen. 

Während man jo in Xüttich Feſte feierte, ftieg im benach— 
barten Belgien, infolge der förmlichen Abjegung des Königs Phi- 
(ipp, am 26. Juli 1581, der gegenfeitige Haß der Parteien aufs 
äußerfte. Spanier und Franzojen, Engländer und Deutjche 

Lofſen, Köln. Krieg I. 48 


754 Achtes Bud. Zweites Kapitel. 


bauften, im Solde der Parteien, einer Ärger als der andere in den 
armen Provinzen. Stift Lüttid) in ihrer Mitte war ohne Unter: 
laß aufs äußerfte bedroht. Seine Neutralität zu wahren, bedurfte 
e3 eines fräftigen Regiments. Bereits hatte in der unter der 
geiftlihen Jurisdiktion des Biſchofs von Lüttich ftehenden benach— 
barten Reihsftadt Aachen der Hader zwiichen Reformierten und 
Katholiken zum offenen Zerwürfnis, zu zwielpältiger Ratswahl und 
endlich zur Auswanderung der fatholiichen Ratsherren und Geiſt— 
lichen geführt. Sein eigenes Intereſſe und des Kaiſers Auftrag 
nötigten den Bischof von Lüttich, in dieſe Händel ſich einzumiichen. 
Zur jelben Zeit bereiteten fih im Erzitift Köln in aller Stille 
Greigniffe vor, welche bald auch im Deutſchen Reiche den offenen 
Religionskrieg zwiſchen Römiſchkatholiſchen und Reformierten ent- 
zünden, den Lüttiher Biſchof aber al3 das Haupt der einen 
Partei ins Feld rufen follten. 


Regiſter. 


Aachen, Reihsftabt 754, 

Adel, nieberer, ſ. Ritterfchaft. 

Adolf, Herzog von Holftein 100, 
140. 146f. 191. 513, 


— d. Schauenburg, Kf. v. Köln 
24. 28f. 127. 412, 

Aerntsperg, Dr. Abr., bayr. Rat 71. 
117f. 121. 123, 337f. 351. 569, 
577f. 581, 587. 610. 612, 615 
bi® 617, 619. 629. 631. 640. 673, 

Ahaus im Stift Münfter 235. 248, 

Ahnenprobe 19. 73—TT. 106, 
392, 448. 725. 730. 


Alava, Frances de 101. 

Alba, „genog von 12. 40. 88. 93 
bis 105. 1085. 111. 179—181, 
191f. 206—208. 236—238. 294. 
623. 716. 


Albada, Aggäus 166. 637. 745, 

Albani, Kardinal 616. 

nn 30h. Wimpinäus, Dr. 
f 


med. 
er IV., Herzog von Bayern 


— V. beögl. 3. 20. 22. 36. 48. 
53—68. 69—87. 88—111. 112 
bis 115. 119— 124, 130 — 150. 
268 —270. 278. 282. 297. 309 
bis 312, 324— 329, 2334f. 337 
bis 358. 360. 366— 368. 370f. 
374. 378, 384. 387—389. 397. 
399f. 4035. re 421. 440. 
443. 467—475,. 


558. 568, 578. 596, 603, 606 —— 

626. 629 - 635. 638f. 641 

662—672 (f. Tod 671). 721. 748. 
—, Erzherzog, Kardinal 505. 


A. 


Albret, Haus 107. 110. 

Aldenbofum, Johann v., jül. Rat 
689—69. 

Allendorf, Herr von, köln. Ritter 
429, 506, 


Almazan, Marques de, fpan. Gef. 
in Wien 4737. 
— Abtei im Bergiſchen 
539. 560. 


—— Propftei 673, 749. 

Amalie, as Jülich 235.406. 

Andreas von fterreih, Kardinal 

. 828, 333. 372. 390. 443. 

505. 524. 613. 666. 713. 721. 
127. 729f. 

Angelis, ._ be, röm. Agent 243. 

Anima, S. Maria bel’, Kirche in 
Rom 265. 

Anjou en) Herzog Franz v. 
128. 734. 


Annav. Sie $ ——— v. Neu⸗ 
burg 235. 247. 259. 272. 

— 'v. Öfterreih, Gemahlin Alb- 
rechts V. v. Bayern 58. 70. 118f. 
122. 275. 


399. 407, 
— besgl., Gemahlin Philipps II. 
158. 231. 


—— d. Sadfen, Gemahlin Ora— 
niens 164. 322, 

Anton v. Schauenburg, Kf. v. Köln 
24. 127. 


Antrecht, Joh. Lic., Gef.d. Wetter- 
auer Grafen 313. 

Araceli, Kardinal v. 83. 

Arco, Graf Profper v., kaiferlicher 
Gefandter in Rom 47. 96f. 

Arenberg, Antonia Wilh., Gräfin 
(Gemahlin Salentins v. YHenburg) 
193. 390. 421, 548. 578—580. 


758 Arenberg 


at Joh. v. Ligne, Graf v., 
— Er Graf Karl v. 337, 390, 
— 591. 743, 750f. 
gef. Gräfin- Witwe 
308. 421. 446, 532, 
248f. 552. 578f. 
—, Schloß 4äf. 
len Schloß 37. 417. 489, 
Arnheim in Geldern 688. 691. 
Arnsberg, Schloß u. Stabt 184, 
207, — 279. 294. 297. 308. 





539, 603. 
Arſchot, Philipp v. Eroy, Herzog v. 
650. 748, 750 


Asbed, Aut 
berr 329, 
Aſchaffenburg, kturmainz. Refibenz 

482. 487, 


Afchebroid, Wennemar v., münft. 
“ Domberr 331. 681. 


er v., münfter, Dome 
373. 598. 


Beutterich 


ee münſter 
294f. 597. 652 in 


affifi, Baitfahrtsort 3 342, 
Attendorn iu Weftfalen 546. 
Auerbund,Lic., köln. Rat690—695, 
Augsburg, Bilhöfe, ſ. Johann 
olf, Marquard, Otto; Hochſtift 
345, 611f.; Reichsſtadt, '8gf. 349, 
611. 673. 746; vgl. Reichstage. 
Augsburger er Imkikon: ſ. Konf. 
und Freiftellung. 
— ——— v. Sachſen 93 bis 
134. 144 193. 206. 209. 212, 


242, 257. 281. 295 —302. 314. 
aldf. 322f. 3605. en 
404. 412, 422f. 426, 445. 450, 
477—480. 488, 508. 512—514. 
530. 532, 588. 605. 623—626. 


685. 
Autonomia (Erftenbergers) 289. 
300 f. 393. 404, 


B. 


Bachoven, v. a Richard, köln. | Bennonius, Lie. luth. Pred. 647, 


Broteftant 646. 
Baden, Markgraf N. 
Hans Jakob und Yalobe. 
en ‚ Herbort de, münft. Domberr 


Bajus, ee Profefior Ba. 

Baldi, Camillo 341f. 451. 640, 

Balthafar v. — Abt v. 
Fulda 301f. 392. 402f. 

Heinrih v., lütt 


lütt. Dompropft 
735. 
— vudwig v., Erzb. v. Cambrai, 
735 f. 
Bayern, Herzöge, |. Albrecht, Ernft, 
inand, Ri ilipp, wer m; — 
aus 53. 107f. 142. 269f. 337. 
422, 430. 505f. b65. N "Sof. 
704; — Landftände 56—64. 
Dede, Herm. v. d., brem. Sefretär 
388. 458. Bößf. 571. 625. 682. 
— Schloß u. Herrſchaft 406. 
ee Graf, Barth. Frieb- 


er Konr. Freiherr v. 749, 


Barlaymont, 


| Bensberg, Schloß 443. d48f. 534, 
v., 315; ſ. | 601. 


Bentheim- ——— Anna, 
Gräfin v. — 


bis 698. 
Bentlage bei Rheine, Klofter 229. 
* (Rheinberg), Zoll zu 187. 435. 


Berleburg, Stabt, Schloß und 
—— 304f. 307. 427. 429. 


Berieng, Erih Volkmar v., fur- 
fähf. Rat 193. 240. 563. 579, 
Berlo, 30h, v., lütt. Domherr 724. 
Bern, Wilh. * Hr. zu der Laitern, 

Freihert 106. 
er — ſalzb. Domherr 


Bernhard v. ‚3, Hast en von 
Münfter 223. f. 254. 
Berswordt, Johann, — 
Bürgermeifter 601. 
Kölner Syn⸗ 
533, 


Dr. Konr., 

376. 528, 

Beutterich, Dr. Beter, kurpfälz. 
Rat 303. 314. 





Biel 


Biel, Engelbert, ftaat. Hauptmann | Breven, päpftl., Pius’ 
643. | 4 


rg rhein. Kurfürftentag zu 


— Herr v., köln. Ritter 
Blecker, — 5 Dom⸗ 


fholafter 133. 

Bocholt, Bertrag ı N ar 

Bodelfhwing, Franz v., münfter. 
Nitter 601. 

Böcklin, magbeb. Dompropft 139, 

Bologna, Univerfität 147. 612, 

Boncompagno, Kard.v. ©. Sifto, 
536, 614f.; f. Gregor XI. 

Bonello, Mid),, Karb. v. Alefjan- 
dria 86, 

Bongart, Herr, köln. Ritter 429, 

Bonn, Probfti (v. S. Eaffius), 
487; Schloß und Stabt 10, 25f. 
42. 184, 187. 193. 482, 526, 553. 


578f.; Zoll zu 187—189. 564. 
Bopparb a. Rhein 91. 
Borromeo, Karl, Erzbifhof 116. 


650, 
Bothmer, Gebh. v., hildesh. Dom— 
herr 136f. 143. 
Brandenburg, ſ. Hans, Joachim, 
Joachim Friedrich, Johann * 
Sigismund; Kur und Haus ZI. 
3. 128f. 361f. 393. 400f. 423, 
426. 508. 
Braun, 


Georg (Stäbtebudh) 153 
bis 272. 11. 


— Melchior, köln. Gelehrter 177. | 

Braunfels, Schloß 523 (vergl. 
Solms). 

Braunfhmeig- Calenberg, |. Doro- 
thea, Erich; Lüneburg, Haus 141, 
144; » Wolfenbüttel, |. Georg, 
Heinrich, Heinrich Zuliug, Julius, 
Sophia. 

Bredelar, weitfäl. Klofter 296. 

Bremen, "Erzbilhöfe, f. Georg u. 
gt ——— 240f. 257. 362 


erg > v., in. Rittmeifter 
100. 185. 191f. 2077. 
Brendel v. Homburg, Nitter (vgl. 


Daniel) 395. 
Breuner, Hans, Freib. v., kaiferl. 
Rat 502. 524, 


Bylanbt 


84. 132; Gregors 


592. 597. 
674f. 687. 696f. 

Breyl, Winand v., köln. Ritter 307. 
323. 429, 504. 506. 658. 

Brietzke, — v., halberſt. Dom⸗ 

dechant 366 

Broel, Rud. v. d., Lie. und jülich— 
ſcher Rat 468, 

Broich, Anna v., Geliebte, dann 
Ehefrau Heinrichs v. Bremen 376, 

Brühl, Be Köln 110, 184, 187. 
189. 208. 418f. 501. 539. 542, 
5505. 581. 602. 

Bruninr, ob. v., Lütticher Dom- 
berr 726— 728. 

Büren, v., weifät. Nitterfamilie ; 
Arnd, Domberr 330. 680; Bal⸗ 
tbafar Domb. 330; Bernh., Edel» 
berr zu, Domberr 373. 447. 
453. 462, 493. 681; 

Heinrich v. 681; Johann, Edelberr 

zu Paderb. Statthalter) 229, böbf. 

; Meldior v., Domberr 278, 


330, 
Bunb, — 88f. 925. 508. 
508." 





Burg, Joh. van der, ſpan. Rat 735 . 
Burghaufen in Bayern 65. 74. 
Burkard v. Oberg, Bilhof von 
Hildesheim 124. 125—141. 143, 
Burkhart, Dr. Hr köln. Kanzler 
3. 481. 76. 96. 102f. 194. 197. 


312. 318, 324. 376, 414. 419, 
500, 524, 56h, GIB, G2af. 127. 


1730. 
——— bei Aachen, Bab 517, 
520—522. 527. 
Bufhhofen, im Erzft. Köln 12. 
Butzbach in der t Wetieran. Grafen⸗ 
‚tage 427, 648, 
—— —* Herr zu Rheidt, 
251. 3781. 493. 602, 
607, 666. ——— 679. 
Fer 2181. 724. 726—728. 730f. 


760 Galeniuß. 


ef. 


Calenius, Lic. Gerwin, köln Buch⸗ 
händler 115. 178. 231, 

Calvin und Ealpiniften 14. 80, 
163, 226. 247, 299, 305. 323, | 
360, 395. 425f. 428. 647, | 

Canifius, Bater Pe., S: L 62. 
113—115. 172f. 224. 282, 597, 

Capilupi, Camillo, päpftl. Käm- 
merer 349, 351 

Caprarola bei Rom 342, 

Carondelet, Jakob, Yütticher Dom- 
berr 725. 

Caſſander, Georg 3—5. 13—15. 
156. 167f. 171. 238, 


Caſtagna, Erzbiſchof von rn 
päpftl. Nuntius 83, 641. 649f. 
673. 699. 


&aftellino, Dr. Joh. Paul, röm. 
Agent 49. 80—82. 85. 124. 131. 
243, 673, 

Caftner, Jodokus, Lehrer des 9. 
Eraft v. 8. TIf. 86. 114 117. 

Chantonay, Thomas Werrenot, 
Herr v. 94, 101, 103. 105. 205. 

Chapeaupille, Filen u. Foullon, 
Lütt. Gefchichtfchr. ZI1f. 737. 740, 

Charlemont, Marienburg unb 
Philippevile, nieberländ. Feftungen 
113. 723, 727. 





Charlotte v. Bourbon, Oraniens 
dritte Gemahlin 322, 

Chimay, Karl v. Eroy, Prinz v. 
148. 750f. 


Cholinus, Maternus, Kölner Buch— 
händler 6f. 107. 178. 472. 





Daniel 


a. st). 


Chriſtoph, Pialzgraf 216. 220, 
Ehyträus, Geihichtichreiber 125. 
139. 223. 228, 239, 


Elend, Dr. Rud. 568. 
Sleve-Mart, Landichaften 39. 155. 
f. 241 591. 


233 
Eleve, Stabt 111. 233. 248. 397. 
597. 692. 702. 


Cols hill, englijcher Agent in Köln 
412, 


Commendone, Joh. Franz, Karb. 
f. 48. 65. 


614 

Como, Ptolemäus Galli, Kard. v. 
258—260. 311, 328. 344. 497f. 
520. 537. 642, 698. 

Eormans, Jakob, Scolafter zu 
Gent 650, 

Eornaro, Lubwig, Kardinal 614. 

Sornelius v. Bergen, Biſchof von 
Lüttih 714 

Eorswarem, Bhil. v., Lütticher 
Domberr 724. 

Cofimo, — von Florenz 339. 

Cofter, Franz 174f. 

Craſchel, Theobald, köln. Weih— 
bifhof 41. 45. 203. 517f. 579. 


618, 650. 
.. olius, Merfjäus, ſ. Krate- 
poil. 
Eronberg, Hartmut v., 
Hofmeifter 296. 
Cunerus, Petri (Tuner Peeters), 
Biſchof von Leeumwarden 650. 
Cuſanus (Nik. v. Cues), Kardin. 18. 


mainz. 


D. 


— 


Dachau bei München 122, 
Dänemark, Königreich 657. 698, 
(vgl. Friebrid). 

Daimer, freifing. Bürger 123, 
Dalberg, Wolig. Kim. von Worms. 
gen. 526—528. 538—542, 5687. 
Dalbheim, Klofterim Jülichſchen 706. 
Dandori, Dans Jak. v., bayr. Rat 
269971. 279—285. 289, 376, 
378—380. 387. 409f. 437, 449, | 
462—464. 4T5f. 482. 485, 4895. | 


| 
| 
| 


503. 515-517. 527f. 544. 547. 
659, 569. 577f. 581. 587, 602, 
— 631. 663. 6695. 725. 

Daniel, Brendel, er v. er. 
174. 92. 9. 111. 


bis 299. 301. 318]. Target 


Dannewit 


Dannemwit,Balth.v., Rat des Erzb. 
Matth. 475. 6771. 

Daſypodius, Lic. Theophilus 428 | 
bis 431. 505. 

Dathenuß, Beter, kurpf. Rat 303, | 

David Kölverer, Biſchof v. Regens- 
burg 46. 401. 666, 

Deklaration, Ferdinandeiſche 2897. 
298—302. 3i8f. 3915. 401—405. 


422. 
Deliino, = päpftl. Nunt. 204, 
245. 313. 319, 363. 383. 409. 


411f. 
Delft, niederl. Stände zu 734, 73. 
Deputationstage, Frankf. v. 
1569 93. 96; v. 1577 508. 556; 
Wormſer v. ‚. 1578 622—624. 
Deventer in Overijſſel 628. 691, 
Diepenbroid, Herm. v., Dom— 
fholafter zu Münſter 255. 276, 
278, 289—291. 


> 330—332. 
373. 381. 461f. 681. 
Dieft und Leeuw in Brabant 734, 
Dietrid v. Mörs, Kurf. v. Köln 
Fa 154. 186f. 
v. Bettenborf, Biſchof v. Worms 


Diethart, Lie. Meinhart, Stabt- 
ſyndikus zu Münſter 601. 

Dietrichſtein, kaiſerl. Geheimrat 
434, 


Dillenburg, nafj. Fefte 209. 307 f. 
321. 487, 509. 


Elverfeld 761 


| Dintelsbühl, Grafentag zu 648, 
Dinsladen im Herzogtum Kleve 
511, 676, 


| Dionyfius, Hein, & L 174, 
Dobbe, H., Domb. zu Münfter 599. 
Döle, Univerfität 432. 4687. 

ı Domkapitel, deutſche (vgl. Frei- 
fing, Halberftabt, Hildesheim, Köln, 
Lüttich, Münfter, Regeusburg, Salz- 
burg) 26. 70. 73, 359—365, 


| Dorothea v. Lothringen, Gemahlin 


Erih8 v. Braunſchweig 8f. 
Dorth, Seyno v., Lanbbroft v. Berge 
658, 664, 


Doullart, Lie. Joh., rim. Agent 
583, 616f. 627—629, 640f. 675. 


700, 
Dresden, Stabt u. Hof 215. 360, 
403f. 408, 411. 445. 571. 


Drolshagen in Weftialen 207, 

Droſte, münft. Ritterfam., Heiden— 
reich 694; Heidenreich, Domb. 330. 
461, 681; Heinrih, Domh. 681; 
Jodotus Domh. 331. 387. 387. GL" 

Dülmen im Stift Münfter 329 big 
332. 695. 

Duisburg, Stabt 246, 535, 

Düffeldorf, Stabt 233, 246f. 
263. 279. 281. 289f. 323f. 376, 
378, 380. 3837. 397, 464, 591f. 
609, 679, 683. 702, 743, 

Duras, Herr v. TEL (vgl. Oyen- 
brugge). 


— 


E. 


Eberhard v. Holle, Biſchof v. Lübeck 

und Verden 136. 141. 362f. 625, 

Eberftein, Graf N. 100, 752. 

Ed, Oswald v., bayr. Adeliger 59. 

‚ Dr. Joh., Theologe 65f. 

—, , Dr. Simon Thaddäus, bayr. 
Kanzler 65—68. 72. 74. 76. ur 
84. 86. 91. 118—122, 130f. 141. 


B35f. 
Eder, Dr. Georg 11Af. 262. 
—— Wolfg. Buchdr. in Ingolft. 62 f. 
Egeling, Dr. Gedeon, brem. Kanz- 
ler 383. 388. 410. 689. 
Ehem, Dr. Ehriftopb, kurpf. Kanzler 
211f. 215—219. 303, 428. 


Eichsfeld, das 296. 301. 392. 
Eid, Dr. Servatius, kurköln. Rat 
620, 624, 659. 729f. 


Ein ritt, bilhöfl. 161, 253. 259. 
741. 743746. 748— 753. 

Eijengrein, Dr. Dtartin, 
Theologe TI. 78—82, 114. 

Elgard, Dr. Nikolaus, kath. Geift- 
liyer 156. 260. 310f. 365. 375, 
380, 386f. 407 


Elifabeth, Königin von England 

Eljenheimer, Dr. Chriftopb, bayr. 
Kanzler 67r. 112. 272, 316. 324. 
334 336. 343 1. 388 f. 397. 4731. 
479, 4835. 512, 533. 546. 549 
bis 552. 557. 561. 569. 576, 588, 
619. 622, 630. 632. 662, 

Eltz, Anton v., nn Marſchall 91f. 
(wgl. Jalob v. E.). 

Elverfeld, Chriſtoph u. Wilhelm v., 


bayr. 


762 
Domherren zu Münfter 329. 331. 
373. 598, 


Ems, Bab 508. 523, 5ö4. 
Engerd, Joh., Prof. zu Ingolftabt 
63. TL. 


England, 502 (vgl. Elifabeth). 
Enje, Adrian v., münfter. Ritter 


329, 
Erard v. d. Mark, Bifchof v. Lüttich 
z13f. 737f. 753, 


Ems 


Erasmus und Erasmianer 13 
bis 16. en 225. 238. 261, 


270. 365. 

Erbmänner, münfterfches Batriciat 
268. 277f. 446. 700, 

Erfurt, Tag zu 9. 

Eric II., Herzog von Braunfchweig- 
Calenberg 133. 135. 141. 146, 
207. 256. 273. 568f. 623, 

Ernft, Herzog v. Bayern, Bifchof 
von Paſſau und Salzburg 56. 70. 

——, Herzog dv. Bayern 24, 48f. 
70f.; Geburt und Eintritt in den 
geiftl. Stand 72— 77; Abminiftr. 
v. Freifing 77—86. 96f. 102 bie 

111; ungeiftl. Neigungen 112 bis 
124: Adminiftrator v. Hildesheim 
130-150. 177. 192f. 205. 231. 


250. 263. 268 f. 272; Bewerbung 


F. 


Faber, Pater S. J 172, 

Fabricius, Dr. Andreas 32, 71f.; 
Erzieher des Herzogs Eruft 86f. 
101. 103, 


106—111. 113—124; 
. 186, 205. 


in Rom 148 —150, 178, 

264. 267—270. 278, 281f. 311f. 
324. 328. 333; Geſandter in Rom 
334—358. 374, 386, 390. 407f. 
449f. A71f. 4975. 521. 535 —538. 
569. 596 f. 603. 609; Proz. i. Rom 
610. 613—617. 626 — 642, 670; 
Propft 3. Altötting 673. 705, 720f.; 
Lütticher Domtlapitular 725 - 728. 
736, 741. 


149, 

Fabricius, Dr. Walter, janajiher 

Rat 399, 437. 489, 499, 517 
539. 569f. 581. 593. 627. er 
684. 689 — 695 ; deſſ. S.569 f. 627, 

Saltenftein, Graf N. (?), 522. 

Sarnefe, Uler., Kardinal 83, 337 
342 f. 355. 357, 641. 


Slorebello 


um Münfter 276—285 ; Subbialon 
310f. 323f. 333; Romreife 334 
Eye nn Bemühung um SHalber- 
m t dgl. um Münſter 
—382. 389; Bemühungen um 

Köln 396200. 408. 408— 437; 
Niederlage in Miünfter 438-464: 
Domfapitular in Köln 467—491; 
im Erzfift Köln 498—518; Prie- 
fterweihe 516 — 518; Bewerbung 
um Köln und Niederlage 519 bis 
583, 588f. 611; Prozeß in Rom 
Satyb. G6B.GOBT. BB. 673: neue 

in Salz 675; neue 
Bemühung um Münfter 683-686; 
Bemühung um Salzburg 688f.; 
Bemühungen um Münfter 688 bis 
697 ; Niederlage in Salzburg 703f.; 
in Hildesheim 704—707; Bewer- 
bung um Süttih 719, 73: 119, 732; Wahl 
und Einritt im Lüttich 733— 754. 
Erprath im Erzft. Köln 39, 188, 
Erftenberger, Andreas, Reichshof— 
rats⸗Sekretär ag Autonomia) 


Effen, clev.-märt. Landt. 3. 587, 591, 
Eynatten, Heinr. v., Droft von 
Srandimont 724. 


Farneſe, Aler., Prinz von Parma 
643, 645. 649, 680. 683. 729f. 


Fend, Erasmus, bayr. Rat 67, 78. 
82. 84f. 338, 343, 353, 538. 624, 


6325. 668f. 673, 
Ferbinand, Herzog von Bayern 
72, 399, 748—753, 


—— (d. Tirol), Erzb. 22. 77.90. 108, 
281f. 313. 328, 372, 390. 404, 
409, 438. 443. 536. 613. 666f. 
nn 

— In. en Kaifer 5. 328, 
54f. 538f. 64. 70. 88, 238. 298f. 
319, 118 (opt. Deklaration). 

Fihard, Raimund Pius, Reichs— 
tagsge efanbter 384. 404, 

ie nn Herr v., * aifert. Kom⸗ 


J——— Ant., päpſtl. Sekretär 


Florenz 


lorenz, Stabt und Hof 339, 357, 
randhimont, Markgrafſchaſt im 
Stift Tüttih 724. 752. 

Fränkiſche Grafen 648. 

Frankfurt, Meſſe 320; Rittertage 
zu 397; vgl. Deputations- und 
Wabltage. 

Frantreid, Politit 200f. 206. 209 
bis 212, 214—220. 713, 734. 736, 
739 (vgl. Heinrich III., Karl IX.). 

Gran, Herzog von Sacfen-Lanen- 

burg 100. 191. 239—242, 657. 

— — Herzog, dann Re von 

Toscana 357, 610, 615. 632, 


634, 639, 743, 

Freifing, Bilhöfe, ſ. Ernft und 
Moriz; Domtapitel 70f. 78f. 81f. 
86. 114, 124, 440; Hochſtift 77 
bis 86. 113, 124. 150. 702. 743; 


a: 


Stabt Söf. Ul 114. 117—123, 
665. 


N 
onfelfion 5 
273. 289. 

re "ans. 313—319. 321, 
384, 389, 391—396. 899— 405. 
409, 422—426. 501. 508. 591, 
694. 608, 622, 633. 648. 652f. 
658. 6625. TOL, 

Freitag, Willen, Hildesheim. Dom- 
dechant 133. 

an von, bayr. Ade- 
liger 60. 66. 

en Burg und Stabt i. db. 
Wetterau 305. 556. 587. 590f. 

Friedrich II. König v. Dänemark 
141. 657. 659, 


——, Herzog v. Holftein 140. 146f. 
——, Herzog v. Sachſen-Lauenburg 


763 
(Kölner — 76. 198, 240, 
281, 284f. 330, 378, 416. 431, 
436. 476. 487f. 490f. 500. 530, 


> 547, 550f. 560, 571—574. 
8. 


Gebhard 





167, 192, 220. 273. 
298, 296—298, 302 Te 
bis 318, 321. 394. 


425f. 
— v. Wied, Kurf. v. Köln 3 bis 
12. 15f. 28. 38, 74. 


300, 544. 
——, d. Wirsberg, Bifhof v. Würz- 
burg 74, 
Froibmont, Herr v., nieberl. Abe- 
liger 723, 
Sürfen, beutfche 70—72. 92. 270. 
2997. 359—361. 


Fürftenau, im Stift Osnabrüd 
239, 308, 

Fürftenberg, Graf Heintih v. 
106, 


—— , Dietrih u. Kafpar v., weftfäl. 
Nitter 251. 
——— Dr — jülichſcher Rat 
403f. 499. 569, 
Sugger, familie 746, 
‚ Hans Yatob 101. 130, 13Hf. 
341. 


352, 
‚ Sigmund Friedr. 352, 687, 
— viltor Auguft 666. 
——_N 114f. 
Fulda, Wirren im Stift 290, 
301f. 4027. (vgl. Balthafar). 
Funk, Hans David, bayr. Hofdiener 


Funk (Fonca), Joh., Ipan. Rat 157. 
294. 568. 581. 722, 


6. 


Gabe, evang. Prebiger 376, 
Gatta, Stabt 349— 353, 
Gail, men, taiferl. Hofrat 


475. 

Gailenkirchen, Kafp., Greve zu 
Köln 167 

Sambara, Kardinal 342, 


"Sebertshaen, Wolter v. — 
—* Kurf. Salentin 201. 215, 


Gebhard Truchſeß v. Walbburg, 
Domherr, dann Kf. von Köln 19. 
432, 434. 490f. 499. 501-503, 
609f. 518. 522, 526f. 530, 532f. 
536f. 549f. 558, bäbf. 559—561; 
feine Wahl b63—583. 587—591. 
593. 602f. 607; Prozeß in Rom 
610 — 636; Diatonatsweihe 618 ; 
Trienter Eid und Aufnahme ing 
Kurfürftentolleg 622f. 638. 640 


164 Geldern 


bis 650. 659 f.; Konfirmation 671 
bis 675.682, 688 — 695. 698 f. 727. 
Geldern, Herzgt. 155. 628. 644. 657, 

Geldwert 39, 547. 743. 

Gemen, münft. — 226. 

Generalftaaten, ſ. nieberländifche 
Stände. 

Georg, Herzog von Braunſchweig, 
Erzb. von Bremen und Biſchof 
von Minden 240, 363. 

„Landgraf v. Hefleu 145. 230, 

— — von Ofterreih, Biſchof von 
Lüttihd 714, 727, 

Gerhard v. — Biſchof von 

19. 22, 46. 98i. 237, 


eüttich 9 
473. 500. 707, ZI1 bis 
132, 134. 7397. 
Gerting, Jodokus (Lemgovius) köln. 
Domtapitelöfefretär 434. 550, 558, 
560. 650, 





Germanicum, Kollegium in Rom 
612. 627. 


493. 
Gerolftein, Schloß 468 f. 
Geufen, 12. 16. 99, 1085. 164. 
179. 244. 715. | 


Gilgen, v. d.; f. Better. 

Gimnid (Gymnich), Wernher v., 
jülich. Rat ıc. 236f. 250. 261 bie 
265. 267 --270. 275f. 378. 384 
442. 569. 706. 

Glajer, Dr., töln. Rat 198. 

Goldftein, W. v., köln. Ritter 429. 

Grafen, Reichg- (ogl. fränt., ſchwäb. 
und Wetterauer) 19 — 104, 


2005. 203, . 
321—323. 384. 392—395. 400, 
405. 412. 421—431. 470. 487, 
504, 523. 529, 534. 551—557. 
268. 587. 589—591. 620f. 638. 
648, 657f. 


D. 


Habbius, Gerhard, Kölner Prof. 
177, 200. 

Haberftod, L., bayr. Agent 204, 
610. 

Hagen im Erzſtift Bremen 375f. 
458. 


Halberftabt, Domkapitel 83. 128. 
364 — 371; Hodfift ZL 125f. 
128—130. 345. 359. 362. 364 


bis 371. 409; Stadt 65. 


Samelmann 


Granvella, Karbinal, Anton von 
61, 83. 263f. 349—351. 3577. 
393. 613. 714. 735f. 
Gratiani, Ant. Maria 156. 171, 
223. 724. 


Gregor XIH., Papft, Boncom- 
pagno (vgl. Breven) 119, 147 bis 
150. 202— 205. 243 — 248, 260 
bis 265. 267. 281f. 311. 328, 
332f. 336—358. 359—382, 399, 
405—408. 434. 471f. 497f. 519 
bis 522, 535 — 538. 545, 582f. 
609, 610—617. 627f. 631—636. 
638—642. 655. 668. 670-675. 
2 703—705. 719. 7285. 7437. 


— zau, Iſenburger Schloß 37. 
Grevenbroich, jül.-berg. Landtag 
587. 591, 


zu 
Grimberg, Wilh. v. Bergen, Herr 
zu, päpftl. Kämmerer 746, 
Gropper, Familie, 177. 200. 
—— , Dr. Gotfrid, turf. Rat und 
Domtfapitular zu Köln 31f. 42. 
153. 189. 195.197. 202. 204, 248, 


— Di; Johann 160. 171. 202, 


. 49. 197. 200. 202f. 205. 
217, 240. 245—248, 250. 253 
bie 255. 258— 260. 282, 291. 
310f. 359. 362—364. 367. 372, 
375—378. ae 386 f. 407, 


452. 472, 578, 
Wilhelm v., 





Ritter 


Halver, Dr. Lubolf, 


dann bayr. Rat 83, 97. 108, 132. 
279f. 284. 289, 449. 453—464, 
512f. 608, 631. 663. 664, 675. 
125. 749, 
Sambad, ri bei Jülich 273 
bis 278. 3727. 406, 441 —443,446, 
677. 592 ir 620f. 680, 706f. 
132. 734f. 
Hamelmann, Lic. Herm., Schrift- 


Sammelburg 


fteller 3. 14. 132, 165. 178. 224, 
226f. 271. 

Hammelburg, im Stift Fulda 
402, 

Hammerftein, Wolfg., jül. Agent 
in Rom 243f. 278. 281. 374. 498, 
670, 699— 702. 

Hanau, Graf Phil. Ludw. v., und 
Graffhaft 213. 394. 555f. 

Hans, Martgr. von Brandenburg» 
Küftrin 93. 100. 138. 

— Jakob, Marlar. v. Baben 86. 

— 8 Pete Erzb. 
» „ Sabsurg 74, 404. 6 666. 
686 F. ZOBf. 

Sanfaftäbte 143. 155. 

Hardenberg, Wild. v. Bernfau, 
Herr zu 2625. 

ey Dr. Johann, jül. 
Rat 399, 595. 

Harrad, Leon. v., faiferl. Geheim- 
rat 297, 484. 686f. 

er im Stift Lüttich 181. 520. 

zıäf. 751, 


Hatzfeld N. v., köln. Rat 251. 

Haunsperg, Woifg. — von, 
Salzburg. Domherr 74 

men Seb., Freif. Weihbiichof 


Hegenmüller, Dr. Joh., taiferl. 
Rat 3. 9-12. W-22. 27. 172. 
190. 297, 526—528, 538 -542. 
68f. 610—614. 622, 644, 

Heidelberg, Stadt und Hof 132, 

210f. 293. 3025. 394 f. 487, 

Heiden, Bernd. v., münfter. Dom— 
berr 331, 373. 

N. v. d., köln. Ritter 429. 

Heinrich d. “ Herzog dv. Braum- 
ſchweig 83. 125—133. 230, 368, 

— IIL, König v. Frantr. (Polen) 
206, 210f. 216. 220. 293, 630. 

— — Julius, Herzog v. Braun 


ſchweig, Boftul. von Halberftabt 
83. 118 — 130. 136, 141 — 146. 
364. 367—371. 

——, Herzog dv. Sadfen-Lauenburg 
104, 185. 19: 225; Erzb. von 
Bremen, bewirbt fih um Münfter 
und Dsnabrüd 239—242; Bifchof 
von Osnabrüd 256—259. 284 f.; 
Freundfhaft mit Kurf. Salentin 
291f.; Bewerbung um Münfter 
306—310. 320—325. 330f. 362, 
372—376; Heirat 376, 377—382. 





Hollach 765 


385—388. 396. 4055. 415. 418. 
432, 442f. 445, 450 f. 456—464. 
477—481. 487f. 494f. 506. 510 
bis 514. 530—532. 541; Bifchof 
v. Paderborn 548, 555. 559, B7I f. 
600. 603—605. 607. 625. 6ölf. 
654—661, 663f. 672, 677—684, 
688—694. 699f. 7O6f. 

Hellu, a v., würzb. Kanzler 
91—94. 98. 234. 

Helmnäbt. — 369 

Henneberg, Graf N. v. 523; 
Grafſchaft 302, 

Heresbach, Konrad v. 4 13, 

—— Lutger »., töln. Oberfiegler 
414. 


Hermann v. Wied, Kurf. v. Köln 
19. 163. 172. 186, 412, 

—— d. Schauenburg, Biſchof von 
Minden 235. 28. 31. 46. 137 
363f. 414. 432. 510. 530. 54, 
bhb, 569, — 571-678. 

Herſchbach, ifenburg. Schloß am 
Wefterwald 37. 307, 

Herftal, im Stift Lüttih 750, 

Herzig, köln. Setretär 580. 

Helfen, Landgrafen v. 193. 229f. 
301f. 306. 393f. 400. 508. 523. 
603, 605; vgl. Georg, Philipp u. 
Wilhelm. 

Heuſenſtamm, Herr v., kaiſerl. 
Rat 617f. 

Hildesheim, Biſchöfe, f. Burkard, 
Ernft, Friedr., Schauenburg; Dom- 
fapitel 126—128, 130f. 133 bis 
136. 139—146; Dompropftei 127, 
470, 677. 705; Hochſtift 125 bis 
149. 366. 378f. 448. 677. 704 f. 
Ir 749; Stabt 127. 141. 470, 


ee Ludwig, von Anber- 
nad 33. 

—, N, Herr v. 620. 

Hittorp, Meldior, köln. Gelehr- 
ter 

Hodftetter, Dr. Joh. Ehryf., öfterr. 
Nat 372, 


Hoen v. Hoensbroed, Lütticher 
Dombedhant 731. 753. 
Hofdriften 13. 423. 
Hogenberg (Stäbtebud), 1537. 
Hoitband, Martin, paberb. Pfarrer 


229. 
Hollad (Hohenlohe), Graf, ftaat. 
Oberſt 693. 


766 

Holle, Aſche von, Nittmeifter 497, 

— ſ. Adolf, Friedrich, Joh. 

Holzapfel, Dr. — biſch. augsb. 
Nat. 20. 22, 24 

— Graf und Grafſchaft 644 


Horneburg, Lic. Herm. v., Hildes- 
heimer Domherr 130—144. 362, 
366—368. 370. 749, 


Holle 


Horft, Dietr. v. a Amtm. u. Rat zu 
Düſſeldorf 207, 246, 
386. 454—464. 493f. 599, 606. 
689 — 69. 





— Heinrich 207, | 
——, Nutger, köln. Hofmarfhall | 
195. 207 257. 807, | 


Iburg, im — Osnabrück 239, 
379. 381. 480. 688, 


Ignatius v. Toyola 54. 174. 

Ilſung, Joh. Achill, kaiferl. Rat Af. 

Ingolſtadt, Stadt u. Univerfität 
24. 58—60. 62. 6öf. 71. 79. 178, 
269. 282, 749. 

Innsbruck, Stadt und Hof M. 


262. 389. 
Inquifition (religidje) Z 56. 408. 


Johann 


Fur, een (d. 599. 





— Haus im Stift Münſter 
Hoſius, Stanisl., Karb. 64. 148f. 
263. 334f. 352. 


Hoya, Grafen v. 19. 223f. 234f.; 
vgl. Johann 

Hoyer, Bropft (zu Lübeck) 22. 

Hülchrath, a... und Herrſchaft 
. Erzft. Köln) 645, 

Hüfefen, Dr., münfter. Syndikus 
256. 


Hund, Dr. Wigul., bayr. Rat 58f. 
66. 103 — 106. 120, 272, 639, 
666. 673, 


d- 


427, 440—444. 489, 499—501. 
591. 594f. 647. 673. 7O1f. 714, 

Sfaac, Joh., Kölner Gelehrter 177. 

— Stephan 24 203. 
Ifenburg- Büdingen, Graf Lub- 
wig v., Kölner Domberr, unb 
Grafſchaſt 28. 31. 213. 555; 
Grenzau, Grafen und Grafihait 
34. 42.190, 


37f. 213; f. Salentin. 
Iſſelt, Mid. v., Geſchichtſchreiber 
183. 637. 


od). 


Jabach, köln. Proteftant 646, 

Jakob v. Elf, Kurfürft von Trier 
8f. 74. 91f. 98. 111. 181. 237. 
296, 434. 475. D28 f. — 34. 


Jakobe v. Baden, Witwe Herzog 
Wilhelms IV. v. Bayern 122, 
Zarsdorf, Hans Chriftoph v., bayr. 

Rat 338. 340. 342. 350. 


Sejuiten, 5. 54f. 68. 87 148. 
15 — 157. 164. 172 — 177. 203. 
252. 


on II. Kurf. v. Brandenburg 


Joachim Friedrich, Markgraf v. 
Brandenburg, Abminiftrator von 
Magdeburg 128. 138. Z14f. 362, 

Johann v. Hoya, Biſchof v. Osna- 
brüd, Miünfter, Baberborn 9.19.22. 
46, 220. 223—249, 251. 363, 652. 

v. Manderſcheid, Kölner Dom- 
. ftofafer, Biſchof von Straßburg 
24f. 31.36. 45—47. 109 109. 1897. 


196f. 397f. 414—416, 418, 432 

bis 437. 469, 503. 530—532. * 
D41, 550. 553, 63566 - 662. 563, 
a7af. 578, 583, 668. 


Johann 


Johann v. Iſenburg, Kurfürft von | 

ut 28, | 

‚ nalhgral von Zweibrüden | 
3ld, 7 


— von derreich, (Groß)⸗ 
Herzogin von Toscana 330. 357, 

Johann Adolf, Herz. v. — 
Biſch. v. Lübech 140. 146f. 363. 

Johann Egolf von Kuöringen, 
Biſchof v. Augsburg 345. 

— Gebhard v. Mansfeld, Kurf. 
v. Köln 175. 184. 187, 544. 564. 

Georg, (Markgr.) Kurf. von 

— 129, 144, 295— 298. 


| 
| 
aldf. 480. 488. 530. 





— Bilhelm, Herzog v. Jülich 
150; Koabjutor v. Münſter 233 
dis 248; Poftulierter v. Münſter 
253—256. 266—273. 276. 406f. 
492. 496. 514.592 .; Erſte Kom- 
munion 606, 661f. '870f. 680; 
Adminiftrator von Miünfter 692 
bis 698; Einritt 7025. 719, 

Jonas, D Dr., öfterr. Kanzler 319. 


el Stabt, a u. 
Zoll 39f. 184f. 195. 217f. 
3831. ie 421. 431, 499. 504. 
507. 524, 547. 575. 645. | 

Kaldenborn, köln. Herridaft 630. 

Kammergeriht — ), in 
Speier 40. 60, 62f. 119, 127, 
224, 299. 336. 415. 507, 566. 
597f. 630. 645. 652, 718 

- in Overijfiel 237. 250, 


a Recht 18. 25f. 29, 
FT 360 f. 387, 456. 561, 


Kanzleramt 67, 

Kardinäle, röm. 47. Sof 5 83. 124, 
264. 337. 340-322, Ab4. 357, 
433, 535—538. 610, 612—617, 
626. 629. 631—635. 639. 746 f.; 
vgl. Kongregation, german. 

a Kaifer Dh. 224f. 233, 


— der Kühne, Herzog dv. Burgund 
113. 716, 
— IX, König v. Branfreid 212. | 


216, 220 (vgl. Frankreich). 
— Friedrich, Herzog v. Jülich- | 


767 


Juan, Don, b’Auftria 349. 351. 
ar2f. 499f. 523. b44f. 568 f. 5891. 
643, 712. 722—724. 

TR röm., von 1575 260 
i8 263. 

se ns 


Ketteler 


Herzogtümer Pe 
2327. 276. 383f. 591, 


gütie, — 276. 442, 

‚ I Amalie, Anna, Iobann 
Wilhelm, Karl Friedrih, Magta- 
lena, Maria, Maria Gleonore, 
Sibylla, Wilhelm. 

| Julius, Herzog von Braunſchweig 
128f. 131 146. 251. 273—275. 
330. 360, 364 — 371. 403. 450, 
510, 513. 554, 603. 692, 705. 

"mat. ie ‚ Bapft (Privileg f. Miünfter) 


Echter, u v. Würzburg 
642, 649, 672, 675, 
Jung, Dr., Zimoth., kaiſerl. Rat 
184. 194, 201. 


Kleve 233. 236—238, 245. 250. 
261 — 265. ET 306 f. 345 f. 719f. 
ee — 35 re 


Ba" —8 529, TE 106 ost, 
Katehismus, db. römifche 231. 
eo Markus, Bremer Rat 588, 
— im Erzſt. Köln 580. 
Kempis, Dr. Joh., Kölner Dom- 

fapitufar 161, 522. 531. 533. 546, 

549 573. 


f. 570, 
Kerpen bei Köln 637f. 6427. 
u. ‚ Herm., Reltor 223. 


Kefiel, P.,Leon, S.J. 155f. 173f. 176. 
Ketteler, Tietrich v., köln. Rat 


„Georg, münfter. Domherr 331. 
455. 681. 
—, Johann, jülihfcher Kammer- 
meifter 
—, Konrad, osnabrüd. Domherr 


— Kort, münfter. Nitter 694. 
dRuiger münſter. Domherr 
681. 


768 Ketteler 


Ketteler, Wild (Bifchof v. Münfter), 
13. 307f. 323, 429, 652. 


Khuen, Rud. v., kaiferl. Geheimrat 
687; f. Hans Zatob. 
Steinjorgen, Lic. Gerh., köln. Rat 
253. 649. 


een Dietr., 
Hamm 656. 

Koadjutorieen, bilchöfliche 48. 81. 
= 130—140. 235—245, 250f. 


allf. 388f. 408. 412f. 
428—436. 4675. 471—480. 4827. 
499—503. 522, 632. 686f. 703f. 
2719 —721. 


Koblenz, Stabt 482, 618, 622, 

Köln, — 3f. 6—12. 17—33. 
38. 41—46. 70, 3. 5 —7 
103f. 106—110. 170f. 183—199. 


”-_.090 


Amtmann zu 


9 


648; Erblandesvereinigung 6f. 10, 
28. 195. 415. 420, 433—436. 
SIE En (te 41 5 ver 
621; Erzbiſchöfe 41 f. 161.476; vgl. 
bolf, Anton, Dietrich, Friedrich, 
Gebhard, Hermann, Johann Geb- 
bard, Rupredt, Salentin; und 
33, 153—155. 183—185, 542. 
b4df. 642, 645. 745: Greve und 
Schöffen 161. 166, 645; Kapiteld- 
grafen u. Priefterfanonifer, f. Dom- 
— Kirchen und Kirchl. 10 bis 
12. 32. 38, 116, 1575. 160—162. 
167—171. 175—177. 188. 516f. 
241. 574. 580. 620; Klerus 
— 40. Is, 15 154 — 


162. 516. 618, 
inte def Biſchofsbo 
567; Landſtände 10f. 
iss 1 


bis 541. 551 —553. 559 — 562. 
567, 576, 618. 625; — 
rer in 12f. 108. 156f. 
164f. 179—182, 628; zer 
ten 163—167. 4991. £ D87f. 628. 
638, 645 — — Räte, kf. —— 
9 
. 6283; rede 
476f.; Stadt 40f. 108f. 153 bie 
182, 429f. 476f. bO6f. 529, 533. 
541. 576, 620f. 623. 627—629. 


Kreis 


645 — 650; Stabtrat 32, 108, 
159, 161—165. 169. 174f. 179 
bis 182. 194. 476f. 507. 528, 
541. 570, 576. 629. 45 — — 649; 
Univerfität 108 f. 154 f. 162.173 big 
182. 369. 570f. 628. 646; Bahl- 
fapitulationen, erzbifchäfl. 6—8, 
275. 41f. 184 187f. 413 — 416. 
433 —436, 539, 550. 562—567. 
576, 630f; Zünfte (Gaffeln) 159. 
179. 588, 


Königftein, Schloß und Grafihaft 
470f. 485. 


Königswahl, vömifhe 105 f. 
2055. 210f. 215. 217. 289, 295 
bis 298, 306, 413. 544. 616, 

Körnlein, Peter, Hildesh. Sekretär 
133, 136, 140—144. 146f. 366, 


Kommiffionen, kaiſerl. 3f. 9 bis 

12. 20—22, 27. 134. 190. 194. 
198, 297f. 413—416. 482. 524 
bis 528. 533. 539 — 542. D44f. 
565 f. A8 f. 642, — 676f. 682, 
688—695. 702. 723. 

Kommunion, f. Laienkelch. 

Konfeffion, Augsb., vgl. Freie 
ftellung u. Luther. 58—63. 66, 
90. 100, 128f. 138. 142, 149, 
165. 217 —219. 257. 274f. 298 
bi8 302, 304. 315. 317f. 361, 
392—395. 402, 425, 429, 5D13f. 
5I1f. 625. 647. 652. TiAf. 

Konfirmationen, päpftl., ber 
Bilhofswahlen 5. 7—9 4. 2. 

—47. 143 f. 147 — 149. 

202 — 205. 217. 228—230, 236, 
241—248. 258—260. 360 300. 
373—376. 385. 464. 564, 581 bie 
583. 608. 616f. 624. 628f. 
631, 635. 640 — 642. 673 bie 
675. 697. 699f. 743, 746f. 

Kongregation, germ., der Karb. 
245. 464. 609. 641. 700. 


Konkordate, der deutfchen . 
7 42. 360—363. 331 459. 594. 
624. 679. 681f. 
Konkordienformel, Iuther. 425, 
556. 


Konvertiten, röm. 79. 315. 568. 

Kram, Burfarb v., Statthalter v. 
Marburg 193. 393 f. 396, 428, 
450, 

Kratepoil, Kölner Minorit 3. 12, 
24, 35. 171. 183, 

Kreis, nieberl.-weftf. 294. 621. 718. 


Kribt 


2003 769 


Kribt, — Münſter Kunigunde von Öfterreih, Ge— 
227. 229, 245, 260, 


— — wi or v., 
Domh. zu Köln 28. 31, 

Kuchoven, * Paul, — 
zu Köln 80 531533. 546. 
b49, 570f. 573. 576f. 

—— Georg v., Dompropſt, 
Sr Koabjutor zu Salzburg 687, 


L. 


Laerbruch, —— Landtage auf 
dem 255. 493. 651. 702, 
töln. Haus a. d. Wieb 42. 


La zn de, hugen. bel. 
211. 213f. 316. 714, 
Taienfelb 5. 13. 54—6A 68. 


135. 225f. 229, 236—238. 2477. 
262f. 275. 365. 406f. 691f. 596f. 


606, 
Laiming, Adaz v., bayr. Adeliger 
59. 62. 


Lampſon, Dominif., Lütticher Se— 
fretär 727. 751. 

2anbsberger Bund 88—95. 98 
bis 104. 192, 231. 269. 487. 
497, 513. 662, 

Langen, Anton (ober Burkhart?), 
— Domherr ꝛc. 137. 366. 

Langer, Paul, jül. Kammerfefr. 
243. 246. 260f. 273. 378. 384. 


Hubert 468. 492, 505. 
113. 717.732, 733, 745, 

Lanfing (anzig), Gisbert, Köln. 
Zurift DIL 646, 

Laſſo, —53 di 72 

Sauenburg, Herzöge von Sachſen⸗ 
239 — 241. 251, 657; f. Franz, 
Friedrich, Heintih. — 

Lautber, Dr. Georg, Kanonifus 
(Propft) zu Münden 72. 353 bis 
357. 666 


Ledebur, Gerd. v., Droft zu Iburg 
381 


Languet, 
637.665. 713 


mablin Albrehts IV. v. Bayern 69. 
en Jakobe, Pfalzgräfin 


on en, geiftliche und ri 
g1f. 97.191. 295—298. 


er Äoo=and, 41a 15 08 
544. 617. 620. 6225. 626. 


495. 620. 622, 624—626. 630. 
747f.; vgl. Regalien. 

Leihius, Jakob, Prof. in Köln 
155. 173 


Lembed, miünfter. Herrſchaft 154. 
652. 664. 


Lemgovius, f. Gerfing. 
Leoninuß, Dr., Ebert, nieberländ. 


Rat 740," 
Leonore de Toledo, Gemahlin 


bes Don Pietro von Florenz 339. 
343. 


Leyen, Bartbol. v. d., münfterfcher 
Domherr und trier. Domdechant 
464, 684. 726, 


——, Georg, köln. Lanbbofmeifter 
195. 318, 500, 552, 567, 


— Johann, trier. Domherr 650. 
Leuchtenberg, Georg, Landgr. v. 
748, 751. 


Liechtenſtein, Heinrich v., öſterr. 
Rat 677f. 

Liesborn, weſtf. Kloſter DIL. 

Limburg-Stirumb, Graf N. v. 
753, 

Lindanus, * Biſchof v. Roer⸗ 
mond 549. 570. 576, 

Lindemann, Dr., kurſächſ. Rat. 
302, 

Lindenau, Hans v., furfähl. Rat 
219, 

Linn, im Erzft. Köln 431. 628 f. 

Linz, kurköln. Zoll zu 187. 435, 

Lippe, Gr. Simon zur 469. 660. 


— Auna, ſ. Walded. 
— Albr. v., köln. Ritter 


— Kaſpar, Amtm. zu Ravensberg | einen Löwen, Univerfität 24. 72. 86. 132, 
470, 246, 263, 500, 


Lehensindulte, 
Loſſen, Köln. Krieg J. 


faiferl. 47. Wo. 2ooz, Lüttiher Grafſchaft 715 
49 


770 
Foreto, Wallfahrtsort 262, 342. 
685. 


Loreto 


Louverman, Lic. (Lauerman), jü- 
lihiher Rat 246, 386. 535. 
Lovius, Servatius, nieberl. Geift- 
liher 117. 
Ludwig, Landgr. v. Heflen (Darın- 
abt) 647. 


Eu Pfalzgraf, dann Kurfürſt 
318f. 426. 487f. 508f. B23f. 


528f. 364f. 647. 

„Herzog v. Württemberg 145, 
Lübed, Hochſt. 362 f.; vgl. Eberhard. 
Südinghaufen, im Stift Münfter 

280. 283f. 309. 332. 598, 


Lüning, Franz, Droft zu Fürftenau 
239, 


Lüttich, —— ſ. Cornelius, Erard, 
Ernſt, Georg, Gerhard, Robert; 
Bürgermeiſter (u. Rat) 718. zart 
750f.;5 Bürgerſchaft (Bolt) 712, 


Maria 


714—718. 722. 737— 741.750 bis 
153; Domtlapitel von S. Lambert 
86. 344f. 707, 712, 714, 


720f. 
124 — 732, 733 — 753; Hochſtift 
88, 276. 327. 344f. 4 4735. 505. 
621. 707. 711—732. 733— 754; 
Klerus 712. 724f. 737. 753: 
Sandflände Ziöf. 721723. TAL 
143 ; Broteflanten 713— 716; Stabt 
111—713. 717f. 724. 739-741. 
150. 753, 
Lützenrod, Joh. v., köln. Ritter 429, 
Yuiber und Lutheraner 14. 25. 
59. 63. 127f. 163. 166. 225f. 229, 
299. 362, 367, 398. 647. 652. 


667. 714, 
turemburg, Feſtung 742, 
Lymers, bie, clev. Amt 235. 271. 
Lustir ben, Konflantin v., Köln. 
Bürgermeifter 158. 158, 1671. 173 
180, 429f. 516. 528. 647. 


M. 


Maas, Fluß UL 717. 7583. 

Mabruszi, ar: Karb. von 
Trient 205. 340, 342. 351. 

—— , Ludwig, Karb. 328, 340. 350 
bis 352. 357f. 434. 497. BL | 
537f. 616. 747. 

Maeseid, im Stift Lüttich 715f. 

Maeftrict, Stabt 192. 715f. 723, 
129, 751. 753. 

Maffei, Marc’ Anton, Karb. 617. 
626 |. 629. 638, 


Magdalenav. Jülich, Damen 
von Zweibrüden 2a. 247, 270. 
273—275. 406f. 700, 

Magdeburg, Abminiftr., |. Joa— 
Kim riebrich u. Sigismund; Erz- 
kife 71. 125. 128—-130. 138f. 
273. 314f. 361f. 505. 

Magie (Aldhimie) 118. 120. 122. 

Mainz, Kur, Er Be und Dome 
tapitel 38, 7A. 214. 299, 335. 
344. 3925. 427. 434; vgl. Daniel. 

re belgifche u 

Malsburg, Edbrecht v. d., heſſ. 
Adeliger 145. 600. 

Manderfheid, Grafen v. 17. 24f. 
37. 397. 468. 509. 539, 5527. 

z19f. 742f. 


Manderfheid - Blantenheim, 
Graf Arnold v. 538. 720, 
— Hermann 25. 3975. 429. 
431. 475, 563f. 559—562. 648. 
j. Johann. 

— »Gerolftein, Hans Gerbarb 
468. 532, 


— Hans Ppitop, Domb. zu Köln 
432. 468f. 486f. 749f. 

⸗Keil, ——— er . 

a und Prim 276. 719 6 





— Hans Gerhard, 742f. 


—— Philipp, Kölner Domberr 31. 
397. 500. 530. 532. 541. 549. 


Schleiden, Graf Dietrid 
b53. 559—562. 

— — S$oadhim 742. 

— fund, Kölner Domberr 25. 


28. 31. 
Mansfeld, Graf Ernft 469. 
Mantua, Peter Ernft 742. 
Stabt 339, 
Margaretha v. Parma 712.716. 
v. Balois 712. 717. 723, 
Maria v. Ofterreich, Kaiferin 247. 
475, 589, 








Maria 


Maria von Ofterreih, Herzogin v. 
Jülich 233. 

— Eleonorev. — Fa 
v. Preußen 235. 244— 

Marienburg, im Stift Sildesgeim 


126. 705. 
Marienfelbe, weftfäl. Klofter 446, 


Mart, v. d.; f. Erarb. 
— Graf BEI, föüln. Domberr 
897 436. 500f. 510, 


Marntz, v., ©. Abelgonde 623 f. 

Marquard v. Berg, Bilhof von 
Augsburg 40L, 

ei; Hatflein, Biſchof v. Speier 
316. 396. 


——— v. Schaumburg, Biſchof v. 
Eichftätt 401. 

Mafius, Dr. Andreas, clev. Rat 
236—238. 243, 271, 


Matthias, Sryperzog 294. 474f. 
419, 483— 524, 587—590. 
623, — 682, 685—687. 
691. 723. 730. 736f.; TAT, 

Matthifius, Dr. Gerh. (Gelbrien- 
fis), Köln. Domtapit. 177. 

Mattigbofen, Schloßi. Bayern 62. 

Mavelde, Wilh. v., niederl. Adeliger 
323 


f. 

Marimilian, Erzherzog 294. 474, 
479, 483—485. 524. 677—680. 
682, 686f. 691. 703f. 

2 II. Kaifer 3—5. 8f. 13. 20 
Dis 23. 46f. 91—97. 99. 102 big 
106. 108, 110f. 138f. 158. 191. 
194. 199, 203—207. 231. 233. 
237f. 240. 245. 259. 262f. 294 
bis 301. 306. 319, 327, 368, 371. 
384. 3915. 399—405. 409. 422 
bis 425. 434. 441. 441. 443, 474 |. 
477. 119. 721, 

Marlrain, Wolf Dietrich v., Frei. 
zu Walbed 59. 61f. 

—, Rolf Wilhelm 449. 453 bis 
464. 490, 515518. 527 $. 46 f. 
549, 569. 577. 662, 749, 

Medlenburg, Herzöge v. ZL. 361, 

Medici, Ferd. Kard. v. 347. 613. 
631. 634, 638. 747, 


Meißner, Dr. Johann, Gef. ber 
Wetterauer Graien 301. 

Mengin, Dominikus, Pater S. L 
122. 348, 352. 


Münfter 771 


Mercator, Gerh. Geograph 154, 

Mercurianus, Eherh., Jeſuiten⸗ 
general 352. 

Merjeld, Dietrid von, miünfter. 
Dombderr 681, 684. | 

M m be, N., v., nieberl. Adeliger 


Merjeburg, Meißen und Naum- 
burg, Domftifter 71. 361. 
Metternid, N. v., köln. Küchen- 
meifter 631. 
Middelburg (Job. v. Stryen), 
570, 


Biſchof von 
Jalob, Prof. 
177, 


Middendorp, lic. 
und köln. Rat 154f. 486. 
618, 622, 650, 690—69. 
Minden, Bilhöfe, f. Georg und 
Hermann; Hochftift TIL. 126, 137. 
251. 362, 


Mörs, Stadt und Grafichaft 155. 
h58. 


Moller, Bernd., Dichter 157, 159, 

Mondragon, ſpan. Oberft 643. 

Monheim, Rektor 246f. 

Monreberg, bei Calcar 693, 

Moriz v. Sandizell, Biſchof von 
Freifing 7L. 77—85, 

Morone, Joh., Kardinal 83, 383, 
399403. A408. 434. 4435. 497f. 
a 537f. 591f. 614. 624. 641, 


Morrien, Berndh., münfter. Dom- 
berr 280. 330, 

Mülheim, Meld. v., toln. Bürger⸗ 
meiſter 528, 

Münnerſtadt in Franken 302, 

Münden, Stadt u. Hof zu 20, 54, 
56, 61—63. 68. 72. 90—92. 97. 
111. 118f. 130. 136. 142f. 333, 
834—336. 343. 345. 357. 370f. 
378, 386—389. 396. 421, 440, 
443, 449f. 473. 4853. 498, 512, 


685—687, 748. 

Miünfter, Bilhöfe, f. Bernhard, 
Johann, Joh. Wilhelm, Ketteler; 
Bürgerfchaft 226. 277f. 657. 689, 
697; Domtfapitel 227. 234. 248, 
253—256. 260. 266268. 272. 
276— 285. 289—291. 307—309. 
313. 325—333. 371—382, 386f. 
405. 438—464. 481. 492—498. 
510f. 592—609, 650—664. 676 
bis 686. 688— 702. 706f; Hoch— 
ftift 224—229, 234. 249, 253 bis 

49* 


772 
256. 266—285. 307—309. 321 bis 
333 371—382.384—391,405. 410, 


438-464. 492498. 588, 592 
biß 609. GA8f. 650664. 669 bi8 
BTL. 676-686 GBR 708, 


706 f.; 
Lanbftände — — — 
493—497, 593 - 609. 639. 651 
bis 664. 679. 702.707; Regierung 
255f. 308. 832, 380, 493—496. 
511. 595f. 601—604. 607—609. 
651f.654—657.659—661.671.689 
bis 697. 702; Ritterfh. 255. 277. 
308, 324. 332. 379, 381, 440f. 446 
bie 449, 453, 464, 493, 594f. 
600 f. 652—656. 659. 662. 689, 
693. 696. 700; Senioren unb 


Münfter 


Nabler, Dr., bayr. Rat. 639. 663. 
669 | 


Nagell, Brüder v., Georg, Lukas 
Matthias, münft. Domberren 329 
bis 331. 373, 453. 

—, Johann, münfter. Domberr 
330. 373. 387. 497. 511. 593f. 


599, 

Namur, im Hennegau 643. 722. 
Naffau - Dillenburg, Grafen 
v. 200. 207—212. 470. 713f. 

-, Graf Adolf 209. 
— _ Seid. 207. 220. 
— — Johann 34—36. 101. 
201. 207-220. 291—295. 300f. 
306. 319-323. 3%. 394—396. 


688, 691—693. 726f. 
‚ Zubwig 209. 212. 216. 


220. 303, 
— ——, Bilhelm, f. Oranien. 
-Saarbrüden, Gr. Albrecht 


427. 
_—, Philipp v., — Ritter und 
trier. — 34. 94. 97f. 102. 184. 


DBA, 
Nette im Ersftift Köln 184. 
Neuenar Grafen v. 17, 509, 552. 
Bi — Adolf v. 431. 553. 559. 


——_, Hermann 9. 11 Of. 406f. 
414. 417. 431. 522f. 5341. 553. 


— _. _. 





| 


Nunk 


Junioren ſ. Domkapitel (von 327. 
ab); Stabt und Städte 225— 297. 
2b f. 464. 493f. 599—601. 623. 
655. 689—697. 700; Stiftsräte 
254, 256. 69%; Wabllapitı- 
Yation 228, 235f. 244. 254, 
280. 282—284. 330. 441, 447. 
4525. 455. 457—463. 593. 604. 
607—609. 651. 660. 685. 697. 
Münft — Rolf v., münſter. Dom- 


Müggenthat, Erhard v., bayr. 


Mulert, Lic., jtitichfcher Rat 273. 
M ußelti n, braunfate. Kanzler 404, 
409, 425, 


en 567, 578, 588. 643 bis 
Neuenar, Walp. (Gräfin v. Hoorm) 
644, 


Neuenhofe, — v., 
jülichſcher Kat. 245. 

Neubans, das Paberbormer 308, 
320. 378f. 436. 450—452. 475, 
548. 572, 600, 

Niederlande, fpan. 12, 16. 88 
bis 95. 99. 154, 164f. 185. 190 
bi8 193, 200f. 206— 210. 231, 
236. 270. 294. 472f. 630, 6377. 
642—650. 678, 712— 716. 720 
bis 724. 728f. 7331. 

Niederländifhe Stände (Gene 
ralftaaten) 323. 475. 488, 587 bis 
590. 598f. 603. 614. 623f. 643. 
649, 678. 691. 693. 698. 702. 
7112. 722-724. 736—740 (vgl. 
Niederlande, fpan., und Union). 

Nimptſch, Element v., Pſeudonym 
für Graf Joh. v. Naffau 201. 
215. 293. 


Ninguardba, Pater — päpſtl. 
Nuntius 668. 672. TOBf. 

Novimola, Sebaft (Duisbergenfis), 
Köln. Domtapit. 32. 171. 188, 
196. 198, 416, 486. '491. 530. 
533. 535. 546. 549f. 557. 570, 


673. 615, 
Nürnberg, Reichsſtadt 89. 743. 
Nun, Sigfrid, hildesh. Kanzler 
135, 366. 371. 705. 749, 


gen. Ley, 


Dberftein 


Pfalz 773 


O. 


Bun Andr. v., fpeir. Dom- 
526-528. 538—542, b68f. 


bed). 
510) Dietr. v., köln. Ritter 429. 
Der unb Chor, Höfe im Fe 
Recklinghauſen 435, 476, 
500. 546. 551. 


Der, Lambert v., miünfter. Ritter 
652. 656, 


—— Haus 92 206f. 210f. 
292, 298. 484. 505. 589. 613. 
617f. 665. 668.677f. 690. 
703f. 727, 731. 736, 

— f. Albrecht, Anna, Andreas, 
Ferdinand, Georg, Johanna, Juan, 
Karl V., Kunigunde, Maria, Ma— 
tbilde, Marimilian, Philipp II, 

„ Rubolf. 

Öttingen, Graf Friedrich d. Jüng. 
469, 485f. 


— — Bolf und Friebrich 106. 
Oldins, Kafp., münſt. Geiftl. 227. 
Dlifleger, Hein. Bars, gen., clev. 

Kanzler 13. 92, 167, 238, 248. 
262. 270, 
we; al, Jakob, köln. Proteftant 
Dotmarfum in Operijfjel 177. 
618, 


Dranien, ®ilh. v. 36. 40, 90. 99. 


P. 


in Köln 


164. 191f. 207—212. 294f. 307, 
321—324. 450. 488. 589f. 678, 
DOrmanetti, päpfil. Nuntius 63f. 
Orsbed, Wild. v., jül. Kanzler 
13. 246. 270, 208 — 275. 378, 


384, 535. 539, 679 

Drfini, Flavius, Kardinal 616f. 
626f. 629, 633, 

Ortenburg, Grafen v. 54. 59 bis 
64. 400. 440. 473. 


| Orth, Dr. Konrad v. Hagen, köln. 


Domtapit. 171. 399. 434. 515. 
530f. 549-551. 570. 619, 650, 

Dsnabrüd, Bilchöfe, — u. 
Johann; Domtapitel 224f. 234, 
239- 242. 256— 259. 284; Hoch⸗ 
ftift 98. 223 — 225, 230—232, 
248f. 256—259, 


f. 688, 
Dtto Truchſeß, eu, v. 
—— 3. 10. 19—2 B2f. 


Dubart, nieberl. Rat 128, 

d’ Oyenbrugge, zu Duras, Karl, 
lütt. Domberr 345. 725. 732, 741. 
vgl. Duras. 


A nieber(. | Beina, — im Stift Hildesheim 
642. 649f. 126, 140, 147. 


729, 

Paderborn, Bilhdfe, f. Hein- 
ih, Johann, Rembert, —— 
Domkapitel 251. 

Hodftift 145. 224. 200 oe a 
rn 310, 410. 431. 451. 539, 


664. 688; Stadt 2297. KL 
Bike — xXũi guuus IL. 


—— oben. Karbinal 311. 
PBarma, f. Farnefe. 
rn ‚Dr., pfälz. Bizefanzler 400. 


Paull, Dr. Andr., kurſächſ. Rat 
390. 457. 468, 477—479, 

Paumgartner, Dr. Auguftin, hayr. 
Rat 66. 


nn franz. 995. 214 bis 
216. 218. 293. 310, 


320f. 504; 
öfterreihifche 727; — Fi 
132f. 141, 190— 


128, 
Perbinger, Dr. Onuphrius, bayr. 
Rat 78. 91. 121 
N — 612. 


354. 389. 391. 
650. 729, 
Bieffenmünker ‚  Kollegiatfirche 


b. Straubing 666. 

Pfalz, Kur- 210—220. 273. 292f. 
296—298. 302—306. 393—396. 
400—405. 422 —426. 623; vgl. 
Friedrich III, Kafimir, Ludwig. 


774 Pfalz- Neuburg 


Pfalz-Neuburg, |. Anna und 
Philipp Ludwig. 

-Simmern, f. Reicharb. 

-Zweibrüden, * Johann u. 
Wolfgang; ſ. Ruprech 

Pfiſter, Dr. Joh., reif. — 70. 
78—85. 114, 


Pflug, Aler.,kurfähf. Rat430. 5127. 
Philipp, Herzog v. a Bild. 

von — a 666— 668, 
ER A, Landgraf v. Hefien 


a0 








98—102. 158. 180, 

374. 389, 391, 472—474. 544. 
568. 580.587, 591. 630, 678. 706, 
zı3f. 720—724. 728, 733, 734 
bis 737. 751, 753, 

Philipp Ludwig, Pialzgraf von 
Neuburg 259, 269, 272. 667. 
Pienzenau, Chriftoph v., en 
Hofmeifter ıc. 86. 103, 106. 
118. 120. 279f. 630. 





Pigpin 8, Sleph. Winand, b, Human 
237. 250. 260—265. 


Pilgrum, Gh. köln. Fe 528. 
Pius en Bapft (Medici) 5. 8. 59. 


— ja Dorf —— 8 2 
43—48, 


102f. * — 124, asıf a7 
139, 147f. 157. 164. 200. 227f. 
230f. 340, 355 (vgl. Breven). 

Plettenberg, Dietrih v., münſt. 
Ritter 601, 


| von Heflen - Rheinfels 
—— I, König v. Spanien 47. 83, | 
231. 237, 


Raesfeld 


Plettenburg, Joh., brem. Rittm. 


Pollius, Joh. proteft. — 156. 
Bollweiler, ſpan. Oberſt 730. 
Bo (Reli), 2 “A lütt. Dichter 


— =. v. u 361. 
Boppelsporf, Schloß bei Köln 


Porzia, Graf, — ee 
Nuntius 150, 171. 


—, — 
ne 


= 
E 


621. 

Borzia, Gr. Hieron.. 338— 357.440, 

Poſtulationen, m. wr 
108. 284. 377. 399, 
bis 4b6. 531. PFTTE 667; F 
Wahlen. 

Prag, kaiſ. Hofzu 58. 95. 471. 473 
bis 481. 483, 504, 655. 661. 
669. 677f. 682, 744, 

Preces primariae 44, 

a ing N. v. bayr. Abeliger 337. 


Prefiburg, faiferl. Hof zu 622, 
Briefterebe, 5. 13. 54—60. 173, 


225—229. 
Briefterweibe, 2628. — 
203f. 229, 557 f. 564, 


618. 

Primogenitur, fürfllihe 69—72. 
233f. 335. 

Prüm, Abtei 276, 713. 719-721. 


O. 


Quad, Wilh., v. Landskron, päpftl. 
Kämmerer 36. 43f. 650. 


| Quad, Lutger, Herr zu Mülheim, 
föln. Ritter 429. 


N. 


Raesfeld, miünf. Nitterfamilie 
329f. 377.452, 2. 652; ſ. Bernharb. 

— Bitter, münft. © Domkuſtor 329 
bis 331. 441, 448, 453. 459, 

—— , Bitter jr., münft. Domberr 
330, 464. 


— Goddert, münſt. Domdechant 
229. 235. 239 f. 243. 250—252. 
254. 267. 272. 278—280. 283 bis 


701. 
Raesfeld, Goswin, münft. Dompr. 
255. 278—280. 329832. 458. 
4h6f. 497. 661. 
Heinrich, münfter. Ritter 329. 








Raesfeld 


Raesfeld, Heinrich, münſt. Dom— | 
681, 


berr 


——, Lutger, Droft zu Wolbed ıc. | 
255. 329. 607, 694. 


—, Johann, münft. Kanonikus 
493. 4977. 510. 681. 685. 7OL 
—— Rotger, münft. Domberr 278, 
Reindort rf, Ehriftoph v., bayr. Rat 


Rede, — v. d., clev. Rat 
235, 243. 245, 271 f. 276—281. 
283—285, 289, 325. 327. 329, 
373. 386f. 442. 444f. 453—455. 
459—464. 493. 496. L 592 
bis 596. 601f. 656. 662, 664. 
676, — 

—, N., Herr tho Heeſſen, münſt. 
Ritter 694, 

Reckinghauſen, ſ. Veſt. 
Regalien, kaiſerl. 228, 608. 617, 
622. 625; vgl. Lehensindulte. 
Regensbu urg, Biſchöfe, ſ. David 
und Philipp; Domlapitel 666 bie 
668; Hochſtift 328. 639. 664 bis 
669; Stadt 667; vgl. Reichstage 

uu Wahltag. — 

Rebdiger, Thomas, in Köln 168. 
Rebe, Mag. Joh. v., Sekretär ber 
Wetter. Grafen 384. 556. 648. 
Reichard, Plalzgraf von Simmern 

47. 315f. 523. 529. 647. 
Neihshofrat 105. 305. 399. 401. 
Reichsſtände, kathol. 67. 399 big 

404, 42 — 425; proteft. nn 
2167 231, 235. 273. 302f. 393 
— 239. 399 —404, 422- 426. 


Reichstage, Augsb., von1555: 54 
v. 1556, 1557, 1559: 209; —* 
v. 1566: 6.8, 14f. 21. 88. 87. 
213. 299-301. 303; —* 
von 1567: 77. 801; © Speirer von 
1570: 100, 103—106. 115. 180. 
188. 205. 291, 301f. 305f.; 
Negensb. von 1576: 383f. 391, 
399 —405. 408—410. 422 —426. 
446, 589. 624. 

Neidt, * v.,& L 155f. 173 

bis 176. 180. 


la Grafen von 509. 
639. 552. 644f. 683. 

——, Öraf — föln. Domherr 
420. 436. 506. 510. 530—532, 
240. 6. b53. 572, 582. 618. 


175 


Reifferfheid, Werner, köln. Erb» 
lanbmaridh. 195. 397, 506. 534. 
553, 644. 

— ‚ Bien, töln. Domherr 31. 
379. 397. 432, 467, 5301. 558. 


Rota 


572. 

Religionsfriede, Augsb., von 
1555: 53f. 60. 181. 298f. 302, 
359, 395. 403. 422—424. 608. 
647, 714f.; nieberländ. von 1579: 
658, 


Religionskrieg, nieberl.- franzöf. 
89, 209f. 220. 2935. 301. 308, 
426. T1öf. 722f. 728f. 734, 

Rembert von Kerfiebroid, Bilchof 
von Paderborn 229f. 

ı Renata von Lothringen, Herzogin 
von Bayern 86f. 568. 


| Rengaut, Egid., aus Lüttich 123. 
741. 


Nenneberg, Georg von Lalaing, 
Örafb., Statth. von Groningen:e. 


— Graf Hermann, lütt. Domh. 

Requefens, Don Luis, de Zufiga 
y R. 184 268. 270. 279. 284. 
er 323. 330. 374f. 473, 720 

Reuber, Dr. oft, kurpfälz. Rat 
507f. 

a Joh. v., 35 

— 270, 275, 


143 es 
ı Rheidt, f. Bylanbt. 


Rheine, im Stift Miünfter 308, 
691, 


Rheingraf N. 579, 
a deutfhe 61f. 234, 
303. Alß. 892—395. 424. 


Robert v. Bergen, vijchof v. Lüttich 
114. 


Römer, Dr., Freif. Kanzler 140, 
4%. 524. 527, 577f. BBL 619, 


622. 

Rom, Stadt und Kurie 80, 123. 
334 —358, 405. 407—409. 493. 
609, 610—617, 626—636. 637 
bis 642, 653. 670. 673—675. 
698— 702. 746f. 

Rommersdorf, Abtei 34. 40. 

Rojenberg, With. v., faiferl. Ge—⸗ 
beimrat 297, 

Rota, römiſche 277. 326. 441. 629 
bis 631. 634. 639— 641. 


776 Rotmar 


Prof. in Ingolftabt 


Rudolf II, römischer König, dann 
Kaifer 205 |. 289, 296f. 319,409, 
424f. 473— 475. 477, 479, 482 
bis 485. 496. 502. 524 —529, 
589, 617f. 622, 624—626. 630. 
64äf. 6bb. 669, 677—688. 685 
bis 698, 702f. 719. 736 f. 142, 7477. 


Rotmar, Bal., 
66, 7L 79f. 





Schönberg 
— pf, Ludwig, öſterreichiſcher Rat 


Ruperti, Mich., münft. Geiftlicher 
456, 


Ruprecht, Pfalzgraf, Kurf. v. Köln 
107f. 186, 
Rym, Karl, ſpaniſcher Rat 500. 


©. 


Sadjen, Kur 71; f. Auguft. 
Salentin, v. Fſenburg, Kurfürſt 
von Köln 18; Belenntnis 25f.; 
Köln. Mahl 3 31—33; Biographie 
34—48. 88. 91. 95—106 (ſpan. 
Penſionär 100f.). 110f. 1537. 161. 
181; Streit mit feinem Domtfapitel 
183—199; tonfirmiert 200— 205; 
Beiiefungen — Hauſe Naffau 
207--220, 230; Biſchof v. Pader⸗ 
born ei 2h6f. 272, 279, 
284. 291—297 (franz. Penfionär 
2981: föln = münfterfher Plan 
306—312f. 318—325. 363, 378 
bis 382, 383—391. 396; auf dem 
Regensburger Reichstag 401— 405. 
407 — 411; Koadjutorieplan 412 
bis 422. 426-437. 442, 45f. 
450—452. 457. 468f. 471f. 474 
bis 483 (in Prag 477—481). 488 
b. 490. 492. 495. 499—509. 511. 
519—521. 524—530; Rücktritt 
538-542. 548. 552. 556; Heirat 
Dis DAB. BT. DIS Dab. 61ß. 
6281. 660. 672, 683. 686, 1061, 


743. 748, 

— Erzbiſchöfe, ſ. Ernſt u. 
Hans Jalob; Erzſtift u. Domtapit. 
70. Z3f. 112 — 114. 639, 664f. 

> 686. 703f. 730; Stadt 


Reiner van bem, geldr. Rat 
Santa Eroce, Profper, Kardinal 
617, 627. 633. 641. 


Savoyen, Herzöge v. 337. 
Sayn, Grafen v. 17.23, 
‚ Abolf 23. 

— Heinrich, köln. Domdechaut 
23. 31. 41. 75. 106f. 109f. 171. 
197f. 315. 414. 429, 

— Hermann 28. 31. 429. 431. 





Schade, ic, münft. Synditus 248, 
276—278. 283. 289f. 326 


Scharberger, Urban, Brüfjel. Setr. 
98. 101. 192, 201. 203, 205. 294, 

Shauenburg, _. v. 17, 23f. 
154. 185. 226 


229, 413. 565; 

Bi an und Anton. 
‚ Anton, köln. Domdechant 23f. 
198. 416. 434. 


b. 574. 579. 615. 705; ſ. Hermann. 


ae Jobſt 535, 


iin: NE 137. 256, 413f. 432. 
; Bien, | bildesh. Dompropft 
127. 469 705, 


ne —58 heſſ. Kanzler 


Sa, Dr., köln. Rat 690—695. 
Schenting, oh. v., münft. Dome 
berr 229, 


_—— Wilh. v., wer ze“ 
387. 447. 453, 460 

—, Dr. Johann F — 
Prozeß 268. 277f. 280. 283. 326. 
330. 337. 339f. 342. 346. 851. 
357, 438f. 441. 443f. 446f. 449. 
460, 463f. 700. 

Schermbed, im Herzogt. Eleve 511. 
595. 692f 


Schmale, Tic., Engelb., münft. Ka— 
pitelfefretär 326f. 438. 441, 446. 
448f,. 456, 597f. 676, 681, 684. 

Shmifing, Bernhard v., münſt. 
Domberr 330. 375. 462, 498. 

Shmittmann, föln. 
Proteftant 646. 

Schönberg, Kafp. v., franzöſ. Oberft 
146. 210— 212, 216. 293. 310. 


Hermann, 


3207. 
——, Meinhart, pfälz. Rat 167. 


Schönenburg 


Shönenburg, — v., — 
Domherr 77. 632. 549, 569, 

Scholley, Georg v., befi. Rat 273 
His 275. 605. 647. 


o8nabr. Rat 
375. 378f. 
387. 418. 489—441. 451. 454, 
457—459. 477, 495. 5ilf. 67. 
654. 659. 662, 683. 699, 

Schüren, Hub. v., Dichter 744. 

nn Grafen 2125. 591. 


Schwarz, Dr. Jak., nafj. Rat 394, 
412, 421. 428—431, 433, 487, 


504—506. 529, 554—557. 573, 
Schwarzburg, Graf Günther v. 
100. 208. 295. 589, 598, 


Schwarzenberg, Abolf, Freih. 351. 
1749. 751, 

— Gotthard, Freib., jül. Hofmfir. 
246. 263, 269. 273. 378. 284, 
407. 442. 449, 535. 


Schrader, Lorenz, 


— — Graf v. 78. 106. 
510. 526. 669, 744f. 


Schwebel, Lie. Heinr., zweibrüd. Rat 
316 —318, 
— Heinr., bayr. Sekretär 
en Sans v., Nitter 
B4f. 171, 
— taiſ. Oberſt 
93. 306. 404, 
be Fsrantiften), 156. 
Sedisvalanz, bifchäfl. 12, 17—29. 
141 —143, 227, 230, 242. 251 
bis 254. 256 — 258. 543 — 562. 
b63—573, 732, 734—741. 
eu Sign. v., Freif. Hof- 
meifter 665. 
Seld, Dr. Thomas, biſch. Augsb. 
Rat 20. 
Sforza, Mer., Karbinal 616f. 626f. 
629, 633, 641, 
Sibel, Dr. Laur., 
664, 
Sibylla, DEE v. Jülich 270, 
273—275. 406. 


Sidney, Sir Phil. 
en Arnold v., 


— v., 


paderb. Kanzler 


492. 604 -606. 
töln. Bürger⸗ 
ſter 158, 


— in Naffau 428. 487. 504. 

Sigismund, Markgr. v.Brandenb,., 
Admin. v. Magdeburg 129. 

Solenanber, Dr. Reiner, Arzt 517. 


77 


S — Graf — weſtf. Land⸗ 

ro 
— Dem. —E töln. Domherr 
28. 31. 104. 196. 198. 396—398. 
418. 431. 484. 490, 513. 517. 
530f. 540f. 646f. 550f. Aädf. 
664. 571. 57Af, 578. 587f, 


Stolberg 








»Braunfel®, Graf Konr. 509. 
3. 555. 557. 573. 
— Laubach, Grafen Georg u. Otto 
427—431, 433. 509. 523, 655. 
Sopbia, v. Polen, Herz.-Ww. von 


Braunſchweig 141, 
Spaa, Bad im Stift Füttid 527, 


| 
| Spangenberg, _. em 
17. 125. 363, 412f. | 


ſchreiber 
Spanien u. Spanier 133. 208. 
bis 210, 297, 427, 430, 594. 643 f. 
648 — 650. 702, Ti3f. 723. 737. 
750; vgl. Niederlande, Penfionäre, 
ilipp II. 
Sparenberg ber, bei Bielefeld 239. 
879. 410, 


Speyer, Stabt 115. 119f.; vgl. 
Kammergericht und Reichstag. 

Spiegel, — zum Deſenberg, 
Paderb. Ubdeliger 252. 

Sporeno, Frater, Hofmeifter des 
— v. ‚Öfterreich 282. 328, 372, 


Stablou. rin 
2113. 719—721. 735. 7427. 
Sted, — münſt. Kanzler 249, 


254f. 652. 
Steinberg, bilbesh. Abeliger 126. 


Steinfurt, münft. Herrfchaft 226, 
308. 601. 689. 


Steinlage, Nik. ‚münft. Geiftl. 227, 


Steinwid, Dr., köln. Stadtſyndik. 
b7L. 


533 
© = ban, Dr. Joh., köln. Bürger (?) 


Steu er wald, im Stift Hildesheim 
126f. 705f. 734. 


Stevart, Peter, Theologe 72. 
Stodhammer, Dr. Georg, bayr. 
Rat 66, 
Stockhem, im Stift Lüttich = 
Stolberg, Gr. Chriſtoph v. 
bis 471, 4851. 


178 


Stor v. — — 705 
bis 707, 743. 746f. 

—, Paul au 638f. 687. 705. 
734, 743. 749. 

Straßburg, Biſchof, |. Johann; 
Hodftift 36. 38. 47. 300. 316f. 
392, 396. 559, 648. 

Stravius, Franz, röm. Agent 616. 
627. 640f 


Strid, Dietr. v., münft-Ritter 694. 
© —J rbaum ber, im Stift Münſter 


Stor 


Taffis, Joh. Bapt. de, ſpan. Rat 
236, 289, 680. 688; 

un kirchen, oe v.,bayr. Abeliger 

Taren, — —A 19f. 84. 
149, 204. 230, 


628, 674, 747, 

Taris, Gotfr., Lie., lütt. Rat 742, 751. 

Tedlenburg, f. Bentheim. 

Terranova, Karl d'Aragona, Herz. 
v. 649, 67a. 

Thengen, Ehriftoph Ladisl. v., Gr. 
v. Nellenburg, köln. Domberr 28. 
31. 193, 198, 245. 31df. 387 
389, 415—418. 432—437. 485f. 

509. 523. 526. 530 

551. 577. 679. 


750. 

zpurn, Graf Georg v., öfterr. Ge— 
anbter 281. 

Tivoli, bei Rom 341f. 346f. 

Toledo, Pater & L 148. 346 
bis 349, 352. 355f. 614f. 743f. 

Tord, Rotger v., miünft. Ritter 
652, 656. 664. 


Torrentins, Laevinus, lütt. Dom- 
herr 243. 714. 720, 722, 724. 
126. 735, 742, 746, 751. 

Traos, Ant. des, heſſ. Agent 650. 

Trautmansborf, "Si v., ſalzb. 
Dombehant 665. 677, 

ZTrautfon, Freib. v., 


—* Ge⸗ 
heimrat 434. 484. 


N. 


Urban 


Stuttgart, Stabt, 145.490. 498, 
Subfidium caritativum 8. 204, 
674, 743. 


Subermann, Hermann u. Heinrich, 
Köln. Bürger 153. 167, 
Surius, Laur., Kartäufer, Schrift- 


fteller 177, 
Swolgen, Dr. Johann v., köln. 


Domtapitular 106—108, 116, 399, 
434, 515. 522, 


Triahis, Hort. de, bayr. Hofdiener 
668, 


Trienter Glaubensbelenntnis 4 
bis 11. 24. 27f. 36. 43—47. 95. 


625, 
628. 700, — 747; Konzil 5f. 
2. 18, S1f. 109, "148, 202. 218. 


f. 
Trier, Domtapitel 70, 77 214. 
392. 427. 434. 726; Erzbifchöfe, 
!. we Johann; Erzftift 38. 


Trinken, beutjches 35. 121, > 
234. 340. 394, 507. 532. 573. 


598, 621. Fr 750. 
o, Aler., päpftl. Nuntius 257, 


Trond, ©., im Stift Lüttich 715. 

Erucfe von Waldburg, Frei⸗ 
herren 502f. 613, 

— ee 631. 727. 





J. Gebhard u. Otto. 
Türfenfteuer 8. 193f. 391. 399, 
401. 404, 415—424. 426f. 618. 


674, 
Turner, Rob., Prof. SL 732. 
745. 748f, 752, 


Übertingen, Bab bei Geislingen | Union, Utrechter 657—659. 691. 
388. 399. 472. 


Ürdingen im Erzſt. Köln 185. 
Ulenberg, Kafp., kath. Geiftl. 647. 


Urban v. Trenbach, Biſchof von 
665. 


Paſſau 689. 


Balentin 


Weſtfalen 779 


V. 


Valentia, Greg. be, Prof. S. J. 55. 
Belen, Aler. u. Johann v., münft. 
a 681. 684. 
,‚ Hermann, = Marſchall 
254f. 601. 684. 694, 


Bellenius, Heinr., evang. Präb.181, 
Belmannus, Gerard. Geldr. Schrift⸗ 
ſteller 26. 
Veltius, Gerh., evang. Prediger 
—— 


Vendius, ſ. Fend. 
Benedig, Stabt u. Republik 262. 
337. 390f. 685. 703, 


Verden, Biſchoſe f. Eberhard; Hoch⸗ 
Be und Domtap. 71. 362 2-—- 365. 


— Adam v. d. Gilgen, bayr. 
Rat ıc. 631. 639. 666f. 

Beft, das, v. Redlinghaufen 29. 154. 
185.412—414. 416.435. 545f.580. 


Bieheufer, Dr. Sigm., kaiſ. Rat, 
bann Bizefanzler 204. 297, 368. 
422, 434, 479. 484f. 533f. 663. 
685 f. 702f. 

Biermund, Arnold v., heſſ. Hofe 
richter 600f. 606f. 

Viglius van Zwichem, brüſſſ. 
—— 237f. 

Bi a —— florent. Sekretär 

Börde, im Erzſtift Bremen 258, 

385. 44h. 572. 


Boeth, Dr. Gerh., geldr. Rat 658. 

Borbehalt, der geiftl. (vgl. Frei- 
ftelung) 138f. 289f. 298 — 306. 
314—318. 359—363. 400-405. 
423—425. 

Voß, Jakob, münft. Geiftlicher 456, 

Boffius, Dr. Leonard, röm. Agent 
520-522. 535—538. 545. 583, 


W. 


Wachtendonck, Arnold v., clev. 
Marſchall 246. 270. 454—464. 


493f. 595. 

Wahlen, kirchl. (vgl. Poftulationen) 
18. 25. 29—33. 35. 43. 73—78,. 
81. 128f. 138—145. 228—230. 
235f. 251—259. 333. 360—864. 
867—371. 374—377. 453—457. 

543 — 545, 561. 570 — 576. 
613—617. 621. 623—625. 666. 
703f. 721, 739—742, 


— Frankfurter, von 1662 
58. 305. 544; Regensburger, ee 


Walbed, we Anna, geb. Gräfin 
3- eippe 600 








Boitipp 252. 601. 660. 
Wallonen, Bolt der 712, 717. 738, 
Walfbarz ‚ 3ob. (v. Tongern), 

töln. Domtlapitular 41. 531. 546. 
Wameſius, Dr. Joh., Profefior in 
Lö 500. 


wen 
Weber, Dr., Reichsvizekanzler 201. 
484, 


Weineserg, Se Herm., köln. Ehronift 
> 6. 174, 519, 611. 6377. 


Weißenturm bei Anbernad 155. 
W ar: r, Emmanuel, bayr. Hofdiener 


—— , Philippine, Gemahlin d. Erz- 
herzogs Ferdinand 282, 
— —— Dr., Straßburger 
Kanzler 47. 
Weihpfennig, Lie, jül. Rat 273, 
Wefet, im Stift Lüttich 748—750. 
Wefterburg, Grafen v. 100. 742, 
Weſterholt, Ritterfamilie 652 bis 
654, 656. 659, 681. 698. 


——, Bernhard, münfter. Domberr 
681. 684. 688, 





— Konrad, münft. Domfcolafter 
und Statthalter 248, 2ö5f. 276 
bie 280. 289f. 323, 326f. 330 
bis 332. — mn 
433 — 464. 493 — 497. BIL 
bis 609, 650— 664. 679— 685. 68. 
698— 703. 727, 

W f 108 ‚ paberb. NRitterfamilie 


780 Weftfalen 


mehleien Se ar Huet —* 


Wetterauer Grafen, ſ. Grafen. 
Weyer, Dr. Dietrich, kurpfälz. Rat 
273-275, 303, 314, 
——, Joh. (Wier), Arzt 273, 
Weze, Dr. Heinr. v., clev. Kanzler 
244, 246. 270f. 601. 664. 676. 
Wichterich im Erzſt. Köln 184, 
Wick, H. v. d., münft. Erbm. 829, 
Wiedertäufer 14, 55, 163, 165f. 
645, 714. 


253. 

Wien, taif. Hof zu20. 58. 237. 261 
big 263. 533. 589, 622, 624f. 
Wilhelm IV. u. Ludwig, Herzöge v. 
65. 70, 


Bayern 55. 

V., Herzog v. Bayern 69, 72, 
u} 4007. 409f. 478f. 483. 490, 
- 615. 639, 666—668. 671—673. 

re 698, 703— 706. 743 big 





252. 257. 
273—275. 308 f. * 321. 426, 


af. 13—16, 


265. 285. 289f. 
372—382. 383—385. 396f. a06f. 
441—444. 448464. 468—471. 


2. ‚Kreib. Joh. v. 
Wimpheling, Dr. Sat, 
Kanzler 77. 94. 102, 482. 
503. 


649, 620, 
intel, Dr. — köln. Dom- 
fap. 311, 399, 420f. 482. 489, 


531. 546. 549f. 674. 677. 602, 


— 
485 |. 


Zanten 
Bintelmair, Hans, bayr. Sefr. 
406, 606. 698, 


zn... Freih. v. 17. 
‚ Bin. ——— 21. 28, 
BL 308. 420. 490f. 530. 540. 
546. 564. 574. 615, 
Joh. Daniel, köln. Dom- 
herr 21. 31.887. 398. Alßf. 
436. 501. 


— 


—— , Kuno, miünf. Domb. 681 
684. 


— , Philipp der Ältere, er 


— nt 9—11. 
406f. 475, 538f. 
* 646. 679. 682. 


— Phil. d. 3, Herr zu W. und 
Beilftein 21. 307. 315—317. 
Witt ar Grafen und Graf- 

ichaft 290f. 3047. 
—, Graf Sarg, köln. en 
23f. 38, 





803—306. 314—8318. 321. 84 
892—396. 402. 404. 427430, 
450. 468. 487. 504. 509. B22. 
böaf. 6566f. 573. 688. 647 
MWoeftenraebt, Ben 2 lütt. 
Domherr 720, 724, 182. 


11 
Bolbed, miünf. Amt 329, 607. 
Wolfgang, Pialgraf 90, 259. 
Worms, Anton v., Holzichneiber 
153, 157; Bifchof f. ‚Dietrid; 
Stabt 67, "395, 622 —624. 
Würzburg, Biſchöfe, ſ. Friedrich 
und er Domtap. u. Hodftift 
61. 70, 74. 77. 91. 302, 


Wyngaerde, Winand v., lütt. 
Domes, (Bropp), 345. 724f. Tdl} 
785. 738. 741. 753. 


X. 


Kanten, Stabt u. Stift 244. 246. 


Babern 


Zabern im Elfak 25. 397f. 
Zafius, Dr. Reih8-Bizefanzler 20. 
94. 172. 336. 


Zerffen, Klaus v., Rittmeifter 749. 
3 er el, Wolig., Prof. zu Ingolft. 


— im Herzogt. Eleve 244. 
Zollern, Eitel Friebr. und Karl, 


Grafen v. 
Zons, Stabt unb Zoll 184. 187 


Zwinglianer 781 


8. 


bis 190, 194—199, 412—416. 
DöL, 


435 f. 525. — 
Zülpich im Erzſt. Köln 475. 
Zuleger, Lic. Wenzel, kurpf. Rat 
167. 203. 314, 316f 


Zufiga, Yuan be, fpan. Gef. in 
Rom 102. 267f. 375. 614. 

Zuylen, Ar. von, Dechant zu 
Utrecht 658. 

Zwinglianer 163.305. 646; vgl. 
Calviniften. 


Drud von Friedr. Andr. Perthes in Gotha. 


Berichtigungen. 


Eeite 93, Anm. lied engliſch-proteſtantiſch, ftatt ——— 


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” 
„ 


„ 
. 


[23 
[2 


225, Quellen, lie Rep. 11. Eell. 19, Bol. V, ftatt B 

228, Zeile 7 v. u. lied Com mendoue, ftatt Morone. 

307, „. 5». u. lied Bhilipp db. I. v. Winneburg, ftatt Johann. 

375, » 8». o. und Seite 441, Zeile 4 v. u. lies Münden, ftatt Münfter. 

380, Anm., nad „von ber Poftulat ou ’' ergänze: bes Herzogs Ernit. 

500, ,, lies Wamefins, ftatt Dlambefius. 

516, 3„Aus RM. Detretenitg ulbr. V, Nr. 184 ergiebt fih, daß H. Ernſt auı 
28. Februar 1577 zu Freiſing zum Diakon geweiht wurde. 

526, Zeile 18 v. o. lie Kommiifare, ftatt Kanoniler. 

635, 3 u. und Seite 583, Zeile 10 v. o. lied Leonard Bolfius, ftatt Ger» 
ar 

622, „ 15». u. lied ber KRurfürften, flatt des 8. 

748, . 14 bid 16 lies Philipp v. Eroy und Karl v. Ehimap. 


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