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Full text of "Handbuch der Waffenkunde : das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts"

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Handbuch  der  Waffenkunde 


Wendelin  Boeheim,  Harold  L.  Peterson  Collection 


GERMAN  LIBRARY. 


UN1VERSITY  OF  CALIFORNIA. 


Retewtd 


Shelf  No. 


OH 


•30 


Seemanns  Kunsthandbücher. 


Von  dieser  Sammlung  von  Handbüchern,  deren  Bearbeitung  in  du 
Hand  der  vorzüglichsten  Fach8chrift8teller  gelegt  ist,  sind 
bis  jetzt  die  /olgenden  erschienen: 

Handbuch  der  Ornamentik  von  Franz  Sa/es  Meyer, 

Professor  an  der  grofsherzoglichen  Kunstgewcrbeschule  in  Karlsruhe.  Mit 
300  ganzseitigen  Bildertafeln.  Dritte  Auflage.  1890.  Geh.  9  M.,  in  Lein- 
wand geb.  10  M.  50  Pf. 

Das  „Handbuch  der  Ornamentik"  ist  eine  Handausgabe  der  Ornamentalen 
Formenlehre  desselben  Verf.  Als  systematisch  entwickelte  praktische 
Aesthetik  der  Kunstgewerbe  bringt  sie  die  Semptrschcn  Lehren,  unter- 
stützt von  einer  grossen  Fülle  des  vorzüglichsten  Anschauungsmaterials,  in  gc- 
meinfasslicher  Weise  zur  Darstellung.  Die  Tafeln  der  Formenlehre  erscheinen 
dabei  in  stark  verkleinertem  Mafsstabe,  gleichwohl  aber  deutlich  genug,  um 
dem  Auge  überall  verständlich  zu  sein.  Dafs  in  noch  nicht  ganz  zwei  Jahren 
bereits  eine  dritte  Auflage  nötig  wurde,  ist  ein  ebenso  seltener  wie  wohlverdienter 
Erfolg. 

Handbueh  der  Sohmiedekunst  von  Prof.  Fr.  S.  Meyer. 

Mit  196  Abbildungen;  gr.  8°.;  brosch.  3  M.  20  Pf.,  geb.  4  M. 

Gold  und  Silber.    Handbuch  der  Edelschmiedekunst  von 

Prof.  Ferd.  Luthmer.  Mit  152  Abbildungen;  gr.  8°.;  brosch.  3  M.  60  Pf., 
geb.  4  M.  50  Pf. 

Die  Tracht  der  europäischen  Kulturvölker  vom 

Altertum  bis  zum  19.  Jahrhundert.  Von  August  v.  Heyden.  Mit  222  Ab- 
büdungen;  br.  3  M.  20  Pf.,  geb.  4  M. 

Die  Liebhaberkünste,  ein  Handbuch  für  alle,  die  einen 

Vorteil  davon  zu  haben  glauben,  von  Prof.  Franz  Sa/es  A  fever.  Mit  vielen 
Illustrationen,    gr.  8°.    br.  7  M.,  geb.  8  M.  50  Pf. 

Unter  Liebhaberkünsten  sind  alle  diejenigen  Künste  verstanden,  mit  denen 
der  Laie  in  nützlicher  Weise  seine  Mufscstundcn  ausfüllen  kann,  wenn  er  nur  einiger- 
mafsen  Anlage  zum  Zeichnen  hat,  z.  B.  Rauchbilder,  Hollbrand,  Malerei  auf  Perga- 
ment, Seide,  Glas,  Thon,  Holz,  Laubsägearbeit,  Einlegearbeit,  Kerbschnitt, 
Lederplastik,  Metall-,  Glas-,  Elfenbein  -  Spritzarbeiten  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Im  Anschluss  an  das  „Handbuch  der  Liebhaberkünste"  ist  eine  Sammlung 
moderner  Entwürfe  erschienen,  betitelt: 

Vorbilder  für  häusliche  Kunstarbeiten 

herausgegeben  von  Franz  Sales  Meyer.  Erste  Reihe  6  Lieferungen  von  je  12  Blatt. 
Preis  6  Jf,  jede  Lieferung  einzeln  1  J(  50  Pf. 

Der  Bucheinband,  seine  Technik  und  seine  Geschichte. 

Von  Paul  Adam.    Mit  194  Abbildungen;  br.  3  M.  60  Pf.,  geb.  4  M.  50  Pf. 

Waffenkunde.    Handbuch  des  WafTenwesens  in  seiner 

historischen  Entwickelung  von  Wendelin  Boeheim.  Custos  der  Waffensammlung 
des  österr.  Kaiserhauses.  Mit  662  Abbildungen  und  vielen  WafTenschmiedc- 
marken.    gr.  8°.    brosch.  13  M.  50  Pf.,  geb.  15  M. 


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Verlag  von  E.  A.  Seemann  in  Leipzig, 

Kunsthistorische  Bilderbogen. 

1.  Handausgabe.  Erster  Cyklus:  I.  Altertum,  geb.  3  M.  50  Pf. 

—  II.  Mittelalter,  geb.  3  M.   50  Pf.   —  III.  Neuzeit: 

1.  Italien,  geb.  4M.  —  IV.  Neuzeit:  2.  Der  Norden,  geb. 

4  M.  (Zusammen  167  Tafeln,  qu.  folio,  11  M.,  geb  mit  ge- 
brochenen Tafeln  in  Calico  15  M.,  piano  in  Halbfr.  16  M.) 

Handausgabe.  Zzvciter  Cyklus:  (Ergänzungstafeln):  85  Tafeln 
mit  Holzschnitten  und  13  Tafeln  in  Farbendruck,  ia  M., 
geb.  mit  gebrochenen  Tafeln  oder  piano  in  Calico  15  M., 
in  Halbfr.  (nur  piano)  16  M. 

Dazu:  Grundzüge  der  Kunstgeschichte,  von  Anton  Springer. 
L  Altertum.  II.  Mittelalter.  Brosch.  ä  1  M.,  geb. 
ä  1  M.  35  Pf.  III.  Neuzeit,  1.  Hälfte;  IV.  Neuzeit,  2.  Hälfte. 
Br.  ä  1  M.  50  Pf.,  geb.  ä  1  M.  90  Pf.;  in  einen  Band  br. 

5  M.,  geb.  6  M.,  in  Halbfr.  7  M. 
Eine  weitere  Ergänzung  des  Werkes  bildet: 

Die  Kunst  des  19.  Jahrhunderts  von  Anton  Springer. 

2.  Aufl.  82  Tafeln  mit  einem  Textbande  brosch-  8  M.;  ge- 
brochen (4°)  oder  flach  geb.  (der  Textband  für  sich)  12  M., 
in  Halbfr.  14  M. 

2.  Gesamtausgabe:   2  Bände  mit  246  Tafeln  qu.  folio  und 

Textbuch  von  Anton  Springer.  2.  Aufl.  br.  23  M.  50  Pf.; 
geb.  2  Bände  und  Textbuch  31  M.  50  Pf.  (Ohne  Textbuch 
20  M-  50  Pf.;  geb.  27  M.  50  Pf.) 

Dazu  3  Supplemente: 

I.  Supplement:  Die  Kunst  des  19.  Jahrhunderts.  (2.  Auflage 
82  Tafeln  qu.  folio)  mit  Textbuch  von  Anton  Springer, 
brosch.  8  M-,  geb.  12  M-,  in  Halbfr.  14  M.  (wie  oben 
unter  „Handausgabe".) 

II.  Supplement:  (Altertum,  Mittelalter,  Neuzeit)  60  Tafeln 
und  5  Farbendrucke  qu.  folio  8  M.;  geb.  10  M.  60  Pf. 

III.  Supplement:  (Altertum,  Mittelalter,  Neuzeit)  85  Tafeln 
qu-  folio,  darunter  8  Farbendrucke.  12  M-;  geb.  15  M- 

8.  Schulausgabe:  104  Seiten  gr.  Quart  mit  489  Abbildungen. 
Geb.  in  Hlblwd.  3  M.  60  Pf.;  dazu:  Einführung  in  die  Kunst- 
geschichte von  Dr.  R.  Graul.  112  S.  geb.  i  M.  40  Pf.  (Für 
höhere  Schulen.) 

4.  Kunstgeschichtliches  Bilderbuch  für  Schule  und  Haus,  von 
Dr.  G.  Warnecke  (Altona).  41  S.  gr.  40.  Mit  160  Abbild, 
steif  kart.  1  M.  60  Pf.;  geb.  in  Calico  2  M.  50  Pf.  (Für  Volks- 
schulen.) 

W  Ausführliche  Pronjtekte  gratis  und  franco.  mW§ 


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Seemanns  kunstgewerbliche  Handbücher 


vn. 

WAFFENKUNDE 

VON 

WENDELIN  BOEHEIM. 


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HANDBUCH 

DER 

WAFFENKUNDE 


DAS  WAFFENWESEN 

IN  SEINER  HISTORISCHEN  ENTWICKELUNG  VOM  BEGINN 
DES  MITTELALTERS  BIS  ZUM  ENDE  DES  18.  JAHRHUNDERTS 

VON 

WENDELIN  BOEHEIM 

i  ■ 

CUSTOS    DER  WAFFENSAMMLUNG   DES  ÖSTERREICHISCHEN  KAISERHAUSES 


MIT  662  ABBILDUNGEN  NACH  ZEICHNUNGEN  VON  ANTON  KAISER 
UND  VIELEN  WAKFENSCHMIEDEMARKEN 


letpzTg 

VERLAG  VON  E.  A.  SEEMANN 

i  890. 


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VORWORT. 


Die  deutsche  Litteratur  ist  ziemlich  reich  an  vortrefflichen 
Monographien  über  einzelne  Zweige  der  historischen  Waffenkunde  so- 
wohl wie  auch  über  einzelne  Waffensammlungen.  Wir  erinnern  nur 
an  die  Meisterleistungen  Scheigers,  Lebers,  Leitners,  Essenweins, 
Hiltls,  Thierbachs,  Gurlitts,  zahlreicher  anderer  nicht  zu  gedenken. 
Eines  Kompendiums  dieses  Wissenszweiges  aber,  wie  solche  die  fran- 
zösische Litteratur  in  Carre,  Viollet-le-Duc,  selbst  in  dem  Bruch- 
stücke des  trefflichen  Gay  etc.,  die  englische  in  Meyrick,  Planche 
etc.  besitzen,  entbehrt  die  deutsche  Litteratur  bisher  vollständig.  Die 
deutsche  Gründlichkeit  schreckte  offenbar  vor  den  Schwierigkeiten 
der  Aufgabe  zurück,  die  nur  bei  vollkommener  Beherrschung  des  aus- 
gedehnten Stoffes  in  befriedigender  Weise  zu  lösen  war. 

Der  Verfasser  ist  sich  bewufst,  dafs  mit  dem  vorliegenden  Werke 
diese  Lücke  nicht  vollständig  ausgefüllt  wird,  aber  er  glaubte  den 
häufig  an  ihn  gerichteten  Aufforderungen,  ein  brauchbares  Handbuch 
herauszugeben,  nicht  länger  Widerstand  leisten  zu  sollen,  da  in  der 
That  ein  nicht  abzuweisendes  Bedürfnis  nach  einem  solchen  vorliegt, 
und  hofft  in  Anbetracht  der  Unsicherheit,  die  auf  dem  Gebiete 
der  Waffenkunde  noch  an  vielen  Punkten  herrscht,  keine  allzustrenge 
Beurteilung  zu  erfahren.  Für  jeden  Nachweis  eines  Irrtums  oder  Fehl- 
griffes, der  ihm  bei  der  Arbeit  untergelaufen  ist,  wird  er  nur  dank- 
bar sein  können. 

Sein  Werk  erhebt  selbstverständlich  nicht  den  Anspruch  eines 
in  jeder  Hinsicht  ausreichenden  Lehrbuches,  es  soll  nur  ein  schlichtes 
Handbuch  sein,  in  welchem  der  Altertumsfreund  und  der  Sammler 
sich  bei  den  am  häufigsten  an  ihn  herantretenden  Fragen  Rats  er- 
holen kann.    Es  ist  deshalb  der  Nachdruck  auf  alle  die  Dinge  gelegt, 

98895 

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IV 


Vorwort. 


die  ihm  zunächst  zu  wissen  nötig  sind,  auf  eine  strenge  Terminologie 
und  eine  klare  Darlegung  des  Formenwesens  unter  Berücksichtigung 
der  im  Laufe  der  Zeit  eintretenden  Formenwandlungen  und  deren 
Veranlassung.  Was  die  Terminologie  betrifft,  so  hat  der  Verfasser 
in  allen  Sprachen  sich  nach  den  hervorragendsten  Fachautoren  ge- 
richtet. So  in  der  deutschen  Sprache  nach  Quirin  v.  Leitner  und 
M.  Thierbach,  in  der  französischen  nach  Viollet-le-Duc,  in  der  eng- 
lischen nach  Meyrick  und  Planche,  endlich  in  der  italienischen  nach 
A.  Angelucci. 

Weiterhin  war  der  Verfasser  bemüht,  die  Wege  zur  Kennerschaft 
zu  weisen  und  über  die  Mittel  zur  Beurteilung  der  Echtheit  eines 
WafTcnstückes  zu  belehren. 

Manches,  das  der  Verfasser  noch  in  dem  Buche  hätte  niederlegen 
können,  hat  er  zurückhalten  müssen,  um  den  für  ein  Handbuch  ge- 
botenen Umfang  nicht  zu  überschreiten;  er  hofft  aber,  in  dem  eng- 
begrenzten Rahmen  allen  nicht  zu  weit  gehenden  Ansprüchen  gerecht 
geworden  zu  sein,  insofern  er  auch  auf  die  Gesichtspunkte  der  Kriegs- 
wissenschaft neben  den  für  die  Technik,  die  Kulturgeschichte  und 
die  Kunst  mafsgebenden  Rücksicht  genommen  hat. 

Ist  die  Kenntnis  der  Form  und  der  Wirksamkeit  einer  Waffe 
einerseits  zur  richtigen  Würdigung  einer  Kriegsthat  erforderlich,  so 
bietet  sie  andererseits  die  Mittel,  die  äufserliche  Physiognomie  einer 
bestimmten  Zeitperiode  deutlicher  hervortreten  zu  lassen  und  befähigt 
uns,  „mit  klarem  Auge  in  die  Vergangenheit  zu  sehen".  Heutzutage 
geht  aber  das  Studium  weit  über  das  rein  fachtechnische  Gebiet  hin- 
aus, die  Kunstwissenschaft  hat  die  Waffe  ebenso  wie  .  alle  durch  die 
Kunst  geadelten  Erzeugnisse  des  Handwerks  längst  in  ihren  Beobach- 
tungskreis einbezogen.  Mit  diesem  wachsenden  Interesse  an  der 
schönen  Form  hängt  auch  die  Zunahme  der  Sammler  und  Liebhaber 
zusammen,  von  denen  viele  nur  das  schönheitliche  Moment  oder 
dieses  doch  vorzugsweise  ins  Auge  fassen.  So  war  es  für  den  Ver- 
fasser geboten,  auch  nach  dieser  Seite  hin  dem  Bedürfnis  entgegen- 
zukommen. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  Umstände  hat  der  Verfasser  davon 
Abstand  genommen,  für  seine  Arbeit  die  in  mancher  Hinsicht  prak- 
tische lexikalische  Anordnung  zu  wählen,  wie  es  Viollet-le-Duc,  Planche 
und  Gay  gethan  haben.  Er  hätte  auf  diese  Weise  seinen  Stoff  ver- 
zettelt und  auf  eine  systematische  Behandlung  verzichten  müssen. 


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Vorwort. 


V 


Diese  schien  ihm  aber  schon  um  deswillen  den  Vorzug  zu  verdienen, 
weil  sie  Wiederholungen  nur  ausnahmsweise  erforderlich  macht  und 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  jenen  Leser  befriedigt,  der  mehr 
von  kulturgeschichtlichem  Interesse  als  vom  Sammeleifer  geleitet  zu 
dem  Buche  greift. 

Bei  der  Behandlung  des  Textes  hat  sich  der  Verfasser  zum 
Grundsatze  gemacht,  in  jedem  Stoffabschnitte  nur  die  Haupttypen 
der  Betrachtung  zu  unterziehen  und  von  einer  Vorführung  von  Ab- 
normitäten, die  die  Laune  eines  einzelnen  veranlafst,  abzusehen.  Bei 
der  ungeheueren  Mannigfaltigkeit  der  hier  und  dort  üblich  gewesenen 
Formen  war  dies  der  einzige  Weg,  um  einer  Verwirrung  zu  entgehen. 
Im  weiteren  hat  der  Verfasser  von  einer  Erklärung  alles  dessen  ab- 
gesehen, was  man  bei  einem  gebildeten  Leser  von  vornherein  als  be- 
kannt voraussetzen  kann. 

In  den  einzelnen  Abschnitten  wird  man  unter  den  erklärenden 
Figuren,  die  zum  gröfsten  Teile  neue  Beispiele  bringen,  hin  und 
wieder  Typen  vermissen,  die  in  dem  Abschnitte:  „Der  Harnisch  für 
den  Mann  in  seiner  Gesamtheit"  zu  finden  sind;  diese  Beschränkung 
war  durch  die  Raumverhältnisse  geboten.  Die  Vorlagen  für  die  er- 
läuternden Figuren  sind  womöglich  nach  Originalen  gezeichnet  und 
dort  entlehnt,  wo  sie  dem  Verf.  zunächst  zur  Hand  waren.  Aus  der 
Waffensammlung  des  kaiserl.  Hauses  zu  Wien  sind  selbstverständlich 
vorzugsweise  Stücke  abgebildet.  Zur  Orientierung  sei  bemerkt,  dafs 
jene  Abbildungen,  auf  welchen  keine  Bemerkungen  über  den  Be- 
wahrungsort des  Urbildes  oder  die  Entnahme  aus  anderen  Werken 
sich  finden,  Gegenstände  der  Waffensammlung  zu  Wien  darstellen. 

Zum  Schlüsse  sei  es  uns  gestattet,  allen  Fachmännern,  welche 
uns  in  unserer  Arbeit  unterstützten,  den  besten  Dank  zu  sagen.  In 
erster  Linie  nennen  wir  Herrn  Graf  Valencia  de  Don  Juan  in  Madrid, 
Herrn  Major  Angelucci  in  Turin,  Herrn  Oberst  M.  Thierbach  zu 
Dresden,  Herrn  Dozent  Cornelius  Gurlitt  zu  Berlin,  Herrn  C.  Baz- 
zero  in  Mailand,  Herrn  Comendatore  N.  Barozzi  in  Venedig,  Herrn 
Geheimrat  H.  Weifs  zu  Berlin,  endlich  Herrn  Dr.  Alb.  Erbstein  in 
Dresden. 

Wien,  im  März  1890.  Wendelin  Boeheim. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

EINLEITUNG.   Die  Entwickeluog  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundlagen  i 

I.  Die  Schutzwaffen   24 

1.  Der  Helm   24 

2.  Der  Haimischkragen   63 

3.  Das  Artnyeug   67 

4.  Der  Handschuh   79 

5.  Die  Harnischbrust     93 

6.  Der  Harnischrücken   109 

7.  Das  Beinzeug   III 

8.  Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit  ....  120 
g.  Der  Schild   i6q 

10.  Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch   193 

11.  Der  Sporn                                                                   .    .  224 


II.  Die  Angriffswaffen   229 

A.  Die  blanken  Waffen   22Q 

1.  Das  Schwert   229 

2.  Das  Kruimnschwert  und  der  Säbel   271 

3.  Der  Degen   281 

4.  Der  Dolch    .    .    .    291 

B.  Die  Stangenwaffen   305 

1.  Der  Spiefs   30  S 

2.  Die  Helmbartc    330 

3.  Die  Glefe  und  die  Couse   342 

4.  Die  Runka  und  die  Partisane   348 

S»  Das  Spetum,  der  Hakenspiefs,  die  Krie^sgabel  und  die  Sturmsense  353 

C.  Die  Schlagwaffen   357 

1.  Der  Streitkolben   357 

2.  Der  Streithammer,  Faust»  und  Reiterhammer   363 

3.  Die  Streitaxt   367 

4.  Handwaffen  mit  Schiefsvorrichtungen   379 


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Inhaltsverzeichnis.  VII 

S«Mtg 

D.  Die  Fernwaffen  38s 


I.  Die  Schleuder  

1«S 

2.  Der  Bogen  

•  3S9 

3.  Die  Armrust  

401 

430 

469 

6.  Das  Gewehrschloß  

■  473 

7.  Das  Faustrohr  und  die  Pistole  

4S2 

S.  Die  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente  und  Gerrite 

.  4ss 

E.  Das  Bajonett   497 

F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel   ^oi 

III.  Die  Turnierwaffen   317 

IV.  Bemerkungen  fflr  Freunde  und  Sammler  von  Waffen     ....  572 

1.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Wafl'-n  .     .  572 

2.  Die  Aufstellung  der  Waffen   582 

3.  Einige  WTorte  über  die  Erhaltung  der  Waffen   585 

V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen   59t 

VI.  Die  hervorragendsten  Waffcnsammlungen   622 


623 

3.  Das  königliche  historische  Museum  und  die  königliche  Gewehr- 

624 

4.  Die  Rüstkammer  der  Stadt  Emden  

62s 

v  Die  gräflich  Erbachsche  Sammlung  im  Schlosse  zu 

Erbach 

020 

626 

7.  Die  historische  Waffensammlung  in  Kopenhagen  . 

627 

8.  Die  Sammlung  von  Waffen  im  Tower  zu  London  . 

627 

0    Die  Anneria  Real  zu  Madrid  

62  S 

lo.  Das  bayrische  Nationalmuseum  in  München     .  . 

62q 

II.  Das  königlich  bayrische  Armeemuseum  in  München 

•        •         •  • 

630 

12.  Die  WatTensamtnlun^  des  germanischen  Museums  zu 

,  Nürnberg 

631 

632 

633 

15.  Fürstlich  I Iohenzollersche^  Museum  in  Si^marinpen 

634 

16.  Das  Museum  der  Waffen  und  historischen  Kostüme  in 

Stockholm 

17.  Die  kaiserliche  Waffensamralung  zu  Zarskoe-Selo  . 

635 

636 

20.  Die  Waffensammlung  des  kaiserl.  Hauses  in  Wien 

637 

639 

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VIII  Inhaltsverzeichnis. 

VII.  Die  Beschau-  und  Meistcrzcichcn  und  die  Namen  der  Waffen- 


schmiede mit  ihren  Marken   641 

1.  Deutschland  and  die  habsburgischen  Erbländer   644 

2.  England,  Schweden,  Dänemark   65 5 

3.  Frankreich   656 

4.  Belgien,  Niederlande   659 

5.  Italien   660 

6.  Spanien,  Portugal   666 

7.  Rufsland  nnd  der  Orient   671 

8.  Monograamirten   674 


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EINLEITUNG. 


Die  Entwickelung  des  Waffenwesens 
in  ihren  Grundzügen. 


ingsumher  alles  vernichtend,  brachen  am  Beginne  des  4.  Jahr- 


XV  hunderts  die  Hunnen  in  Italien  ein.  Durch  sie  gedrängt  und 
geschoben,  wälzten  sich  die  Germanen  vor  ihnen  her,  erfüllt  von  er- 
erbtem Hasse  gegen  die  Römer,  voll  Beutegier  nach  deren  Schätzen. 
Das  germanische  Volk  hatte  in  Jahrhunderten  römische  Kultur  vor 
Augen  gehabt,  aber  tiefe  Gegensätze  im  nationalen  Wesen  waren  Ur- 
sache, dafs  ihm  diese  in  ihrem  Geiste  stets  fremd  geblieben  war.  Von 
den  Urzeiten  her  war  der  germanische  Mann  eine  Macht  für  sich, 
er  und  seine  Sippe  waren  in  seinem  Sinne  ein  Staat;  erst  als  die 
Römer  ihn  bedräuten,  da  übermannte  ihn  zum  erstenmale  das 
Gefühl  seiner  Schwäche,  da  sah  er  sich  widerwillig  veranlafst,  sich 
mit  den  Stammesgenossen  zu  vereinigen  und  einen  Herrn  über  sich 
anzuerkennen,  der  ihn  leitete  und  dem  er  um  seiner  selbst  willen 
gehorchen  mufste.  Im  hohen  Norden  Europas  wohnten  Völker- 
schaften mit  einer  abgeschlossenen  Cultur,  die,  an  sich  nicht  unbe- 
deutend, doch  aus  Mangel  an  Nahrung  von  aufsen  her  zu  erstarren 
drohte.  In  ihren  sozialen  Verhältnissen  ähnlich  den  Germanen,  bildeten 
sie  nur  eine  Zahl  von  Familien,  deren  jede  sich  selbst  regierte. 
Zu  ihrem  Unterhalte  gröfstenteils  auf  die  Jagd  nach  gefährlichem 
Wilde  angewiesen,  waren  sie  gewandt  in  der  Führung  ihrer  einfachen 
Waffen,  kräftig  infolge  der  Mühseligkeiten  des  Erwerbes,  mutig 
durch  die  Gewohnheit  der  Gefahr.  So  waren  auch  die  Waffen, 
welche  die  Germanen  gegen  den  Konsul  Papirius  gebrauchten,  die- 
selben, welche  ihnen  bisher  zur  Jagd  nach  dem  Ur  und  dem  Bären 
gedient  hatten,  nur  den  Schild  fügten  sie  bei,  den  sie  bei  den 
Feinden  erblickten;  er  war  aber  nicht  von  Erz  oder  Eisen,  sondern 
von  Weidengeflecht  und  mit  ungegerbtem  Felle  eines  Tieres  über- 


zogen. 


t 


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2 


Einleitung. 


Näher  der  Gesittung  standen  die  transalpinen  Gallier;  durch 
die  Jahrhunderte  währende  Berührung  mit  den  Römern  hatten  sie 
vieles  von  deren  Wesen  sich  angeeignet,  manches  angenommen,  was 
äufscrliches  Gehaben,  Lebensart  und  die  Art  der  Kriegführung  be- 
trifft, aber  im  innersten  Kerne  ihrer  Natur  waren  sie  doch  eigen- 
artig geblieben  und  fühlten  ihre  Verwandtschaft  mit  den  barbarischen 
Stämmen  im  Osten. 

Zur  Zeit  des  Beginnes  der  Völkerwanderung  war  auf  dem 
weiten  Gebiete  von  der  Wolga  bis  an  den  Ozean  unter  den 
Hunderten  von  Stämmen  der  verschiedenartigsten  nationalen  Her- 
kunft die  Kultur  keineswegs  in  jener  Gleichmäfsigkeit  verbreitet,  wie 
im  weströmischen  Gebiete  am  Ausgange  seiner  ruhmreichen  Periode. 
Im  Gegenteil  sind  die  bisherigen  Anzeichen  deutliche  Zeugen  dafür, 
dafs  damals  die  verschiedensten  Kulturgrade  vom  rohesten  Zustande 
bis  zu  einem  verhältnismäfsig  wohlentwickeltcn  in  den  zahlreichen 
Völkerfamilien  herrschend  gewesen  sind.  Wenn  wir  die  bisherige 
Einteilung  in  eine  Stein-,  eine  Bronze-  und  eine  Eisenzeit  in  unserer 
vorgeschichtlichen  Periode,  als  unter  Bedingungen  richtig,  hier  zur 
Grundlage  nehmen  wollen,  so  treffen  wir  doch  alle  diese  zu  gleicher 
Zeit  in  den  Gebieten  Nordeuropas.  Wir  finden  weite  Gebiete,  deren 
Bewohner  das  Metall  nicht  kannten,  ebenso  wie  solche,  in  denen 
sich  die  darin  Wohnenden  des  Erzes  bedienten,  das  ihnen  im  Wege 
des  Handels  zugekommen  war;  endlich  treffen  wir  auf  zahlreiche 
Völkerschaften,  welche  das  Eisen  nicht  nur  kannten,  sondern  selbst 
bereiteten  und  verarbeiteten.  Sicher  ist  anzunehmen,  dafs  viele  der 
nach  dem  Süden  ziehenden  Völker  auf  ihrem  Zuge  durch  die  norischen 
Alpen  ihre  Bewaffnung  erst  dort  vervollständigten,  dort  das  Eisen 
erst  anders  betrachten  lernten  als  der  Arme  das  Gold. 

Der  gewaltige  Gegensatz  des  Wesens  der  nun  auf  die  Welt- 
bühne tretenden  Völker  zu  jenem  der  antiken  Kultur  angehörigen 
macht  sich  in  der  Form  der  Waffen  deutlich  ersichtlich.  Die  An- 
griffswaffen der  Römer,  der  Byzantiner  etc.  bestanden  in  dem  dünn- 
schäftigen  Spiefse  der  lancea,  quiris,  dem  Wurfspiefse,  hasta,  pilum, 
dem  kurzen  Schwerte  für  den  Nahkampf,  dem  Dolche,  dem  Bogen 
und,  bei  einigen  Nationen,  auch  der  Schleuder.  Die  Schutzwaffen 
wurden  allmählich  leichter,  der  Harnisch  dünner  und  bequemer,  der 
Helm  kleiner.  Zwei  eigenartige  Rüststücke  erhielten  die  Römer  der 
Spätzeit  aus  dem  Oriente,  das  Drahtherad  und  den  handlichen 
kleinen  Rundschild.  Diesen  entgegen  stand  eine  Unzahl  von  Be- 
waffnungsarten bei  den  im  Norden  auftretenden  Völkern,  je  nachdem 
dieselben  mehr  oder  minder  vom  Oriente  her  beeinflufst  waren. 
Aus  dem  bunten  Durcheinander  tritt  uns  aber  mit  verhältnismäfsiger 
Deutlichkeit  die  nordische  und  germanische  Bewaffnung  entgegen, 
die  aus  der  kräftigen  Natur  jener  Stämme  und  ihrer  Fechtweise  sich 
ergab.    Was  auf  die  Waffenform  bei  barbarischen  Völkern  zunächst 


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Die  Entwickelung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundzügen. 


3 


bestimmend  wirkt,  das  ist  der  Effekt  im  einzelnen*).  Dieses  Streben 
nach  Effekt  äufsert  sich  deutlich  in  der  Bewaffnung  des  körperlich 
kräftigen,  robusten  Volksstamraes  der  Germanen.  Diesen  erschienen 
die  Waffen  der  Römer  wie  Spielzeug,  ihren  Armen  entsprach  viel 
besser  die  Keule,  die  Axt,  das  Schwert  mit  langer  Klinge  und  der 
Spiefs,  dessen  Schaft  in  der  Hand  zu  fühlen  war.  In  den  frühesten 
Sagen  der  Germanen  erscheint  der  eiserne  Hammer  (mjölnir,  der 
Zermalmer)  des  Donnergottes  Thor.  Er  stellt  die  Waffe  der  ger- 
manischen Urzeit  vor.  Die  Einführung  des  Schwertes  bedeutete 
bereits  einen  mächtigen  Vorschritt  in  der  Kultur.  Schon  vor  ihrer 
Berührung  mit  den  Römern  führten  die  deutschen  Völker  die  zwei- 
schneidige Spatha.  Der  Sax  war  aus  dem  gemeinen  Messer  entstanden. 
Für' den  Kriegsgebrauch  verlängerte  sich  derselbe  und  erhielt  eine 
enorme  Zunahme  an  Gewicht  Er  wird  unter  den  Burgundern, 
Alemannen  und  Franken  zum  Langsax,  endlich  zum  Scramasax,  der, 
mit  zwei  Händen  geführt,  als  wuchtiges  Hiebmesser,  gleich  einem  Beile 
wirkte.  Die  nordischen  Völkerschaften  wie  die  Römer,  beide  sahen 
sich  in  der  Folge  das  Vorteilhafteste  ab.  Von  den  Germanen  ge- 
langt ursprünglich  das  Langschwert,  die  Spatha,  zu  den  Galliern,  von 
diesen  zu  den  Römern,  jene  entnahmen  für  sich  den  Schild  und 
später  auch  den  Dolch. 

Mit  dem  Einbrüche  morgenländischer  Völker  im  4.  Jahrhundert 
machten  sich  nicht  unwesentliche  Veränderungen  in  der  Bewaffnung 
auch  der  nordischen  Völker  geltend.  Von  Osten  her  kam  die  Sitte, 
den  Körper  mit  hieb-  und  stichsicheren  Kleidern  zu  bedecken,  in 
anderer  Art  wie  die  Römer,  nicht  durch  geschlagene  Platten,  sondern 
durch  Jacken  und  Beinkleider  aus  starkem  Leder,  mit  Ringen  benäht 
oder  durch  aufgenietete  eiserne  Scheiben  verstärkt.  Von  Osten  her  ge- 
langt ferner  der  orientalische  spitze  Helm  und  die  Halsbrünne,  die 
mit  Veränderungen  sich  durch  ein  volles  Jahrtausend  erhält.  Es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  der  Einflufs  gewisser  orientalischer 
Völkerschaften,  die  den  Westen  betraten,  einen  kulturellen  Einflufs 
auf  die  Germanen  gehabt  hatte;  es  kennzeichnet  sich  dieses  auch  in 
der  Verfeinerung  der  Formen  sowohl,  als  in  der  Aufnahme  von 
Waffen,  die  der  Deutsche  bisher  mit  Verachtung  angesehen  hatte. 
Wir  finden  nämlich  vom  4.  ins  5.  Jahrhundert  die  eisten  Spuren 
der  Verwendung  von  Helmen,  des  ledernen,  eisenbesetzten  Panzers, 
des  Bogens  unter  germanischen  Stämmen.  Damit  waren  die  Elemente 
für  die  kriegerische  Ausrüstung  gegeben,  welche  im  ganzen  Mittel- 
alter üblich  gewesen  ist. 


*)  Bei  dem  Mangel  jeder  Kriegskunst  ist  es  natürlich,  dafs  der  Einzelne 
nur  den  Erfolg  seiner  eigenen  Thätigkeit  in  Betracht  10g  und  für  den  Wert  einer 
Gesamtwirkung  nicht  das  Verständnis  besafs.  Eine  gröfsere  Massentaktik, 
bei  welcher  naturgem&fs  der  Einzelne  in  der  Menge  aufging,  stand  überhaupt  im 
Gegensatze  mit  der  germanischen  Idee  des  Heldentums. 


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4 


Einleitung. 


Bis  um  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  waren  die  Länder  bis 
an  die  Donau  von  Römern  besiedelt,  welche  die  politische  und 
militärische  Führung  der  unter  ihnen  wohnenden  barbarischen  Stämme 
als  ihr  Recht  betrachteten.  Bis  in  jene  Zeit  war  auch  die  Bewaffnung 
der  letzteren  eine  der  römischen  wenn  nicht  gleichende,  doch  ähnliche. 
Mit  dem  Zusammenbruche  der  römischen  Herrschaft,  am  Ende  des 
Jahrhunderts,  kam  auch  dort  unter  den  Barbaren  die  ihrer  Eigenart 
entsprechende  Bewaffnung  mehr  und  mehr  zur  Geltung.  Es  war  eine 
wenn  auch  einfache,  doch  der  kräftigsten  Offensive  entsprechende 
Bewaffnung,  gegen  welche  jene  der  Römer  an  Wirksamkeit  weit 
zurückstand. 

Die  Entwicklung  des  Waffenwesens  in  Europa  ist  oft  wiederholt 
durch  den  Orient  gefördert  worden;  die  erste  Beinflussung  derselben 
macht  sich,  soweit  wir  heute  ermessen  können,  in  der  Völker- 
wanderung kenntlich.  Wieweit  derselbe  sich  erstreckte,  darüber 
fehlen  uns  noch  die  Belege,  aber  wir  ersehen  gewisse  Spuren  einer 
Umgestaltung,  die  eine  Einwirkung  von  Osten  her  zweifellos  er- 
scheinen läfst.  Es  ist,  beispielsweise  bemerkt,  ein  nicht  unwichtiges 
Symptom  für  eine  Verfeinerung  der  Bewaffnungsart,  dafs  die  rohe 
Axt,  die  Wurfaxt  der  Franken  im  6.  Jahrhundert,  zur  Zeit  Gregors 
von  Tours  noch  die  Waffe  jedes  Mannes,  nun  immer  seltener  wird 
und  im  8.  Jahrhundert  nahezu  völlig  dem  Langschwerte  weicht.  In 
den  folgenden  Perioden  ist  nur  ein  bestimmter  Prozentsatz  unter 
den  Spiefsträgern  mit  Äxten  ausgerüstet,  der  im  12.  Jahrhundert 
völlig  schwindet. 

Im  grofsen  und  ganzen  mag  es  als  richtig  erscheinen,  dafs. 
wie  die  Bewaffnung  der  Römer  auf  jene  der  Griechen  sich  zurück- 
führen läfst,  so  die  Bewaffnung  der  Perser  den  Grundtypus  für  die 
gesamte  Formenbildung  im  Oriente  bildete.  Es  genügt  ein  Vergleich 
der  Bewaffnung  der  Perser  auf  antiken  Denkmälern  mit  jener  des 
gesamten  riesigen  Gebietes  des  Orientes  aus  späterer  Zeit,  um  die 
Anfänge  der  Gegensätze  in  der  Formenbildung  zu  erkennen.  Der 
konservative  Geist  der  orientalischen  Völker  zog  auf  diesem  Gebiete 
noch  engere  Grenzen,  um  diese  Gegensätze  frappanter  erscheinen  zu 
lassen. 

Ein  für  den  Stand  unserer  Forschung  frühes  Beispiel  orien- 
talischen Einflusses  bietet  sich  in  der  Thatsache,  dafs  die  Reiterei 
der  Bretagne  im  9.  Jahrhundert  bereits  vollkommen  nach  der  Kampf- 
weise  der  Mauren  eingeübt  und  nach  ihren  Mustern  bewaffnet  war. 

Unter  Karl  dem  Grofsen  stand  das  germanisch-fränkische  Reich 
auf  dem  Höhepunkte  seiner  Macht.  Wie  dieser  grofsc  Herrscher 
sein  gewaltiges  Reich  den  Bedürfnissen  der  Zeit  entsprechend  nach 
allen  Richtungen  hin  umbildete,  so  ordnete  er  auch,  um  dasselbe 
nach  aufsen  widerstandsfähig  zu  gestalten,  dessen  Heerwesen  durch 
Regelung   des   Heerbannes,  Organisierung   der  Massen   und  deren 


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Die  Entwickelung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundzügen. 


Bewaffnung.  Diese  Organisierung  der  Kraftfaktoren  bedeutete  aber 
weit  mehr  als  eine  gewöhnliche  staatliche  Sicherheitsmafsregel.  Karls 
des  Grofsen  Piinzipien  in  der  Heeresbildung  mufsten  in  einer  um- 
fassenderen Anwendimg  zu  einer  vollständigen  Umbildung  der  sozialen 
Verhältnisse  unter  den  Germanen  führen,  sie  führten  auch  dahin, 
vom  Gesichtspunkte  der  Politik  betrachtet  nicht  zum  Vorteile  des 
Volkes,  nicht  zum  Vorteile  des  Herrschers,  der  zwischen  seinem 
Volke  und  sich  selbst  eine  dritte  Macht  aufbaute,  die  seinen 
Nachfolgern  bald  gefährlich  werden  sollte.  Schon  durch  die  Kriege 
vor  Karl  dem  Grofsen  wurden  zahlreiche  Stämme  unfrei  und  ge- 
langten in  die  Dienstbarkeit  der  siegreichen  Anführer.  Mit  der 
Heeresorganisation  dieses  Kaisers  und  bei  den  langwahrenden  Kriegen 
in  entfernten  Ländern  wurde  die  Heeresfolge  für  zahllose  Freie  so 
drückend,  dars  diese  sich  freiwillig  in  die  Dienstbarkeit  Mächtigerer, 
Wohlhabenderer  begaben ,  die  sie  im  Felde  nun  unterhalten  mufsten ; 
sie  gaben  ihr  Besitztum  an  Land  dahin,  um  es  als  Lehen  wieder 
zurückzuerhalten.  So  bildeten  sich  Lehensherren  und  Hörige.  Aus 
ersteren,  die  rasch  zu  Macht  und  Reichtum  gelangten,  bildete  sich 
durch  die  Erblichkeit  der  Adel,  das  Rittertum,  das  auf  das  Staats- 
leben allmählich  mächtiger  einwirkte  und  dem  gesamten  Mittelalter 
seine  Physiognomie  gab. 

Für  Karl  den  Grofsen  war  in  seinen  Bestrebungen,  eine  Reiterei 
zu  schaffen,  die  Erstarkung  Einzelner  von  nicht  zu  läugnenden  mili- 
tärischem Vorteile.  Jeder  seiner  eigenen  Lehensleute,  jeder  Freie 
mufste  mit  seinen  Mannen  zu  Pferde  erscheinen  und  sich  unter  dem 
Hauptbanner  scharen.  Daneben  folgten  die  Unfreien  und  Knechte 
zu  Fufs,  teils  als  Spiefsknechte ,  teils  als  Schützen.  Aus  diesem 
Verhältnisse  gestalteten  sich  erst  die  Begriffe  von  „vornehm"  und 
..niedrig",  die  vorher  dem  germanischen  Volke  nahezu  fremd  ge- 
wesen waren.  Durch  die  soziale  Bedeutimg  dieser  Bevorrechteten, 
durch  das  Vertrauen  des  Herrschers  auf  seine  Lehensleute  und 
Vasallen  wurde  die  Reiterei  zur  Hauptwaffe.  Die  Reiter-  oder 
Ritterschaft  sah  in  sich  selbst  nicht  nur  den  Kern  des  Heeres, 
sondern  das  Heer  selbst.  Diese  Organisation  des  Heerwesens  war 
so  lange  von  Wert,  als  die  übrigen  Völker  von  ähnlichen  Meinungen 
befangen  waren;  sie  entsprach  dem  germanischen  Charakter  noch 
immer  durch  die  Selbstschätzung  des  Einzelnen,  durch  Reste  alten 
Heldentumes,  die  aus  dem  Gebilde  hervorschimmerten. 

Mit  dem  Hervortreten  der  Reiterwaffe  trat  eine  vollständige 
Veränderung  der  Bewaffnung  ein.  Das  Langschwert,  schon  von  den 
Merowingern,  den  Franken,  geführt,  wurde  nun  zur  Hauptwaffe  der 
Ritterschaft  und  zum  Attribute  des  freien  Mannes.  Aber  daneben 
machte  sich  auch  der  Wert  des  Reiterspiefses  geltend,  den  die  im 
5.  Jahrhundert  hereingebrochenen  Völker  aus  dem  Oriente  mitgebracht 
hatten.     Seine  Bedeutung   für  den  ersten  Anstofs  an  den  Feind 


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6 


Einleitung. 


wächst  mit  ungemeiner  Raschheit.  Der  lange  Schild,  so  unbequem 
auch  für  den  Reiter,  konnte  bei  dem  unvollkommenen  Stande  der 
Kriegskleidung  nicht  entbehrt  werden.  Der  Helm,  noch  halbkugel- 
förmig, selten  spitzig  zulaufend,  wird  über  die  Halsbrünne  gesetzt, 
der  Haubert  sackartig  geschnitten  reicht  bis  über  die  Kniee  hinab. 
In  dieser  Ausrüstung  erschienen  die  Deutschen  zum  erstenmale  in  der 
Schlacht  bei  Merseburg  (933)  gegen  die  Ungarn,  und  der  über- 
raschende Erfolg  gegen  ein  vollkommen  orientalisch  ausgerüstetes  und 
ganz  nach  Art  der  Morgenländer  fechtendes  Heer  führte  zu  dem  Glauben 
der  Unübertrefflichkeit  einer  schweren  Reiterei.  Diese  bald  allgemein 
gewordene  Vorstellung  wurde  selbst  durch  die  herben  Erfahrungen  in 
den  Kreuzzügen  nicht  ganz  berichtigt.  Für  den  Fufsknccht  gab  es 
keine  Regel,  er  handhabt  den  oft  selbstgefertigten  Streitkolben,  das 
Lleil,  den  Spiefs  mit  starkem  Schafte.  Bogenschützen  bezogen  die 
deutschen  Herrscher  meist  aus  fremden  Ländern.  Hier  zeigen  sich 
die  ersten  Anfänge  des  Söldnerwesens.  Nicht  so  entschieden  wie 
in  Deutschland  und  Frankreich  hatte  sich  das  Rittertum  in  Italien 
herausgebildet.  Es  war  zu  jeder  Zeit  weniger  zahlreich,  aber  bald 
mächtiger  und  ungeberdiger.  In  Venedig  und  Genua  herrschte  der 
Adel  in  seiner  Vereinigung,  anderwärts  warfen  sich  die  Mächtigeren 
zu  Alleinherrschern  auf,  zahlreiche  kleinere  Staaten  bildend.  Das  Volk 
in  Masse  war  vom  Altcrtume  an  unfrei  und  überlastet.  Bei  dem 
mafslos  ehrgeizigen  Streben  der  zahlreichen  Herrscher  mufste  sich 
hier  zuerst  ein  Söldnerwesen  herausbilden.  Im  frühen  Mittelalter 
war  die  Bewaffnung  in  Italien  noch  nach  antikem  Zuschnitte,  ander- 
weitige Einflüsse  machten  sich  nur  vom  Oriente  her  geltend,  die 
Intelligenz  dieser  Nachkommen  der  Römer,  deren  bewegliches  Naturell 
thaten  das  übrige,  um  die  Bewaffnung  gegen  jene  der  Deutschen  • 
eigenartig  erscheinen  zu  lassen.  Dabei  ist  nicht  zu  übersehen,  dafs 
das  Fufsvolk  von  jeher  in  Italien  die  Hauptwaffe  war  und  auch  im 
allgemeinen  blieb.  Erst  im  12.  Jahrhundert  zeigen  sich  Bestrebungen, 
um  sich  deutsche  Fechtweise  anzueignen;  trotzdem  gelangte  das  Fufs- 
volk als  Waffe  nicht  zu  jener  Mifsachtung  wie  in  Deutschland. 

Der  Grundcharakter  der  italienischen  Bewaffnung  war  ihre 
Leichtigkeit.  Die  Schwerter  waren  kurz  und  spitz  zulaufend,  daher 
auch  auf  den  Stich  berechnet,  die  Spiefsklingen  schmal  und  nicht 
selten  mit  Widerhaken  verschen,  die  Spiefsschäfte  lang  und  dünn, 
der  Schild  kreisrund  von  geringem  Durchmesser,  der  Dolch  war 
häufiger  in  Anwendung.  Der  Helm  deckte  nach  Art  einer  Haube  den 
ganzen  Kopf.  Die  Hauberte  erschienen  in  verschiedenster  Ausstattung: 
als  Schuppenwerk,  mit  aufgenieteten  Ringen  oder  Plättchen  oder  als 
Maschen panzer,  immer  aber  kürzer  und  leichter  als  die  der  Deutschen. 

In  Spanien  traten  nur  die  Keltibcrcr  in  ihrer  Bewaffnung  aus 
dem  antiken  Rahmen  heraus.  Sie  trugen  lange,  zweischneidige 
Schwerter,  kleine,  aus  Tierschnen  geflochtene  Schilde  und  ganz  aus 


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Die  Entwickelung  des  Waffen  Wesens  in  ihren  Grundziigen. 


7 


Eisen  bestehende  Wurfspiefse  mit  Widerhaken,  die  sie  mit  ungemeiner 
Sicherheit  handhabten.  Als  die  trefflichsten  Schützen  waren  sie  auch 
Feinde  jeder  Harnischtracht  und  trugen  nur  eherne  Helme. 

In  Byzanz  begegnen  wir  den  ältesten  Soldtruppen.  Ihr  Auf- 
treten ist  immer  ein  Symptom  der  Schwäche  einer  Nation.  Mit  dem 
System  ist  aber  auch  schon  der  Beginn  einer  gleichförmigeren  Be-. 
waffnung  gegeben,  die  im  absterbenden  oströmischen  Reiche  eine 
vom  Oriente  überaus  stark  beeinflufste  gewesen  war.  Sie  war  immer 
eine  vorzügliche,  ja  musterhafte  an  sich,  geeignet,  eine  Welt  zu  erobern; 
wenn  trotz  vieler  Siege,  die  die  Geschichte  von  Byzanz  auf  ihren 
Tafeln  verzeichnet,  der  politische  Erfolg  weit  hinter  dem  stolzen 
Streben  blieb,  so  ist  die  Ursache  nicht  in  der  Ausrüstung,  sondern 
in  der  inneren  Schwäche  des  Staates  selbst  zu  suchen,  die  die  Miet- 
linge mit  allen  ihren  Heldenthaten  nicht  verdecken  konnten. 

Für  die  Entwickelung  des  europäischen  Waffenwesens  ist  keine 
Periode  bedeutungsvoller  als  jene  vom  i  o.  ins  1 1 .  Jahrhundert.  Der 
Anstofs  hierzu  war  von  einem  nordischen  Volke  gegeben,  das  schon 
vom  8.  Jahrhundert  an  durch  seine  abenteuerlichen  Kriegszüge  der 
Schrecken  Mitteleuropas  geworden  war,  den  Normanen.  Von  jenem 
Zeitpunkte  (912),  als  sie  sich  im  Norden  Frankreichs  festgesetzt 
hatten,  nahmen  sie  regen  Anteil  an  der  Entwickelung  des  ritterlichen 
Wesens;  bei  ihrem  Talente,  ihrer  Regsamkeit  und  Thatenlust  erschie- 
nen sie  bald  als  die  ersten  Kriegsmeister,  die  allenthalben,  was  den 
Krieg,  seine  Mittel  und  seine  Führung  betraf,  als  Beispiel  und  Muster 
angesehen  wurden.  Was  die  Normanen  in  der  Pflege  des  Kriegs- 
wesens ungemein  unterstützte,  das  war  ihre  Kenntnis  der  Welt,  ihr 
freier  Blick,  mit  dem  sie  sich  alles  rasch  aneigneten,  was  einen 
besseren  Erfolg  versprach.  Schon  im  9.  Jahrhundert  waren  sie  nach 
Andalusien  gekommen,  hatten  sich  an  den  afrikanischen  Küsten  fest- 
gesetzt, hatten  Italien  überzogen  und  in  allen  diesen  Ländern  unter 
Feuer  und  Schwert  eine  überlegene  Kriegsgewandtheit  errungen  und 
vieles  sich  angeeignet,  was  ihnen  von  Nutzen  schien.  So  hatten  sie 
auch  im  Waffenwesen  eine  bedeutsame  Umbildung  angebahnt  und 
durchgeführt,  welche  als  die  Grundlage  für  das  ganze  Mittelalter  an- 
zusehen ist;  eine  Umbildung,  welche  der  feudalen  Gestaltung  ihrer 
Organisation  und  ihrer  offensiven  Taktik  entsprach;  die  Elemente 
dazu  hatten  sie  sich  zum  grofsen  Teile  bei  den  orientalischen  Völkern 
geholt.  Blicken  wir  auf  die  Tapete  von  Bayeux  mit  den  Darstellungen 
der  Eroberung  Englands  (1066),  die  den  letzten  Jahrzehnten  des 
n.  Jahrhunderts  entstammt,  so  sehen  wir  auf  den  ersten  Blick  in 
der  Bewaffnung  den  orientalischen  Einflufs,  wenn  auch  eine  Weiter- 
bildung nach  eigenen  nationalen  Anschauungen  nicht  zu  verkennen 
ist.  Wir  sehen  dort  zum  erstenmal  neben  dem  antiken  pilum  den 
spitzen  Helm  mit  dem  charakteristischen  Naseneisen,  die  Brünne,  den 
eng  anliegenden  Haubert,  den  langen  Reiterspiefs,  aber  wir  bemerken, 


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8 


Einleitung. 


dafs  der  Normane  wie  der  Sachse  seinen  nationalen  grofsen  Schild, 
das  lange  Schwert,  die  beide  sich  in  der  damaligen  Fechtweise  bewährt 
hatten,  beibehalten  hat.  Im  schweren  Fufsvolke  erscheinen  neben  den 
langen,  starken  Spiefsen  noch  immer,  wenn  auch  geringer  an  Zahl,  die 
Streitäxte,  und  den  Fernwaffen,  dem  Bogen,  der  Schleuder,  wird  ganz 
im  Geiste  des  Rittertums  nur  zur  Einleitung  des  Gefechtes  eine  Ver- 
wendung gegeben.  In  der  Ausrüstung  der  Reiterei  ist  gegenüber 
jener  des  Fufsvolkes  noch  wenig  Unterschied  zu  bemerken,  nur  der 
lange  Schild  wird  unterhalb  spitz  zugeschnitten;  diese  Form  erschien 
zu  Pferde  bequemer.  Noch  wird  der  Spiefs  mit  freiem  Arme  geführt 
und  das  Schwert,  gleich  den  Orientalen,  erst  in  dem  Augenblicke  ge- 
zogen, wenn  der  Einbruch  in  die  feindliche  Linie  erfolgt  war,  wobei 
jeder  einzelne  seinen  Gegner  sich  suchte,  mit  dem  allein  er  um  die 
Siegespalme  rang. 

Um  den  kräftigen  Einflufs  des  Orientes  auf  die  Bewaffnung  der 
Normanen  erklärlich  zu  finden,  darf  man  unter  anderem  nur  an 
Harald  III.,  Haardraade  erinnern,  der  zehn  Jahre  (1033 — 1043) 
unter  fortwährenden  Kämpfen  mit  den  Sarazenen  in  der  kaiserlichen 
Leibwache  zu  Byzanz  diente. 

Das  Ende  des  II.  Jahrhunderts  bezeichnet  den  Beginn  der 
Kreuzzüge.  Der  kriegerische  Sinn,  der  Drang  nach  Thätigkcit,  der 
alte  Hang  nach  einem  abenteuerlichen  Leben  waren  Ursache,  dafs  die 
Normanen  die  Idee  einer  Eroberung  des  Heiligen  Landes  mit  Be- 
geisterung ergriffen  und  rasch  auch  die  Franzosen  für  selbe  gewannen. 

Die  langen  und  erbitterten  Kriege  mit  den  Scldschukken  und  Arabern 
bildeten  eine  tüchtige  Schule  für  die  abendländischen  Völker.  Schon 
die  ersten  Berührungen  mit  dem  Feinde  erregten  das  Staunen  der 
abendländischen  Ritterschaft.  Sie  sah  sich  einer  Reiterei  von  un- 
gemeiner Zahl  gegenüber,  die  jedem  ihrer  schwerfälligen  Stöfse  aus- 
wich, um,  rasch  wieder  gesammelt,  gegenteilig  anzugreifen.  Eine  solche 
Reiterei  erschien  unbesiegbar.  Der  Bogen  war  längst  bekannt,  aber 
einen  solchen  Pfeilhagel,  von  Reitern  und  Fufstruppen  ausgegangen, 
hatte  sie  nie  gesehen.  Die  Wirkung  der  Fernwaffe  war  erschreckend, 
und  besonders  litt  der  Pferdestand  darunter.  Mit  Entsetzen  sahen 
die  Ritter  eine  Reiterei  vor  sich,  beweglich,  ausdauernd,  die  alle 
Waffen  handhabte:  Spiefs,  Streitkolben,  Beil  und  Bogen;  ein  Fufs- 
volk,  das,  in  einigermafsen  günstiger  Stellung,  sich  eher  vernichten 
liefs,  als  dafs  es  gewichen  wäre.  Hin  grofser  Teil  desselben  führte 
eine  ungekannte  Fernwaffe,  deren  Geschosse  selbst  in  den  Haubert 
einzudringen  vermochten,  die  Armrust.  In  England  und  Brabant 
suchte  man  die  orientalische  Fechtweise  nachzuahmen  und  errichtete 
schon  um  1280  berittene  Bogenschützen.  Wie  in  der  Taktik,  so 
lernten  die  Europäer  auch  in  der  Bewaffnung  den  weitaus  kriegs- 
gewandteren Orientalen  manches  ab.  manches  änderten  sie  sclbst- 
ständig  daran,  um  ihren  Gegnern  ebenbürtig  zu  begegnen.    So  ent- 


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Die  Entwickclung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundzügen 


9 


nahmen  die  Abendländer  von  den  Orientalen  das  Krummschwert,  den 
leichten  Reiterspiefs  (pennon),  den  verbesserten  Bogen  und  die  Armrust. 
Das  wichtigste  Ergebnis  aber  war  die  Entwickelung  des  Rittertums  im 
normanischen  Geiste,  gefördert  durch  die  dort  aufgetretene  Notwendig- 
keit eines  engen  Zusammenhaltens  und  durch  das  nachahmenswerte 
Beispiel  ritterlichen  Sinnes  unter  den  Orientalen.  Das  Rittertum  ist 
auf  der  Schätzung  des  persönlichen  Wertes  aufgebaut,  dieser  Grund- 
zug seines  Wesens  wurzelt  in  alten  deutschen  und  nordischen  Tra- 
ditionen einer  den  späteren  Generationen  ehrwürdigen  Heldenzeit. 
Auf  den  Sandfeldern  Palästinas  unter  französischen,  normannischen  und 
deutschen  Herren  entstand  das  Turnier  als  Scheinkampf  zwischen 
Scharen  oder  Einzelnen.  Es  fand  seinen  Ursprung  nicht  in  dem  Streben, 
sich  im  Gebrauche  der  Waffe  zu  üben,  sondern  in  der  Rivalität  der  hier 
vereinten  nationalen  Parteien,  in  denen  jeder  einzelne  seine  kriege- 
rische Tüchtigkeit  vor  den  anderen  darzuthun  bestrebt  war.  Das 
Turnier  als  Scheinkampf  ist  nicht  aus  romanischem  Geiste  erwachsen. 
Schon  Tacitus  erwähnt  in  seiner  Germania  (Kap.  24)  die  Lieb- 
haberei der  Deutschen  an  Scheinkämpfen,  und  Nithart,  der  844  schrieb, 
erzählt  von  den  Waflenspielen  im  Heere  Ludwigs  des  Deutschen. 
Diese  älteren  Waffenspiele  waren  Kämpfe  in  geteilten  Haufen,  die 
man  mit  dem  Namen  »buhurtt  bezeichnete.  Aus  der  Selbstschätzung 
des  einzelnen  und  durch  den  Umstand,  dafs  später  der  Ritter  durch 
seine  Bewaffnung  vollständig  vermummt  erschien,  erwuchs  das  Bedürfnis, 
sich  durch  bestimmte  Abzeichen  zu  unterscheiden.  Damit  bildete  sich 
die  Heraldik  heraus,  die,  anlänglich  so  einfach,  schön  und  sinnig, 
später  als  Kunst  von  dunkler  Symbolik  eingezwängt,  ihren  ursprüng- 
lichen Charakter  verlor.  Bis  ins  14.  Jahrhundert  bestand  kein  Unter- 
schied in  der  Bewaffnung  des  Turniers  mit  jener  im  Kriege.  Von 
da  an  trennten  sich  allmählich  die  Formen.  Mit  der  Verschiedenheit 
der  Streitmittel  erhielt  das  Tumier  eine  eigenartige  Physiognomie;  es 
verlor  den  ernsten,  bedeutsamen  Untergrund  und  wurde  unversehens 
zum  inhaltlosen  Spiele  nach  gewählten  Regeln,  die  mit  dem  Kriegs- 
handwerke nichts  mehr  gemein  hatten.  Damit  entgeistigt,  ging  das 
Turnier  den  Weg  aller  müfsigen  Spiele.  Zunächst  erkennt  man  das 
Streben  nach  äufserlichem  Effekt  bei  möglichster  Gefahrlosigkeit, 
endlich  wird  es  zur  aufgeputzten  Komödie,  und  die  Bemühungen  der 
Besten  jener  Zeit,  wie  Gastons  de  Foix,  Wilhelms  IV.  von  Baiern, 
Albrecht  Achilles  von  Brandenburg,  Maximilians  I.  u.  a.,  vermochten 
dem  Turnier  nimmermehr  jene  ernste  Bedeutung  zu  verleihen,  die  es 
im  14.  Jahrhundert  noch  besafs;  es  war  mit  dem  Rittertume  selbst 
zu  Grabe  gegangen. 

Hoch  bemerkenswert  sind  uns  die  Kreuzzüge  im  Hinblicke  auf 
die  Erfahrungen  im  Kriegswesen  und  die  auf  selben  beruhende  Be- 
waffnung. Gegen  die  meist  aus  leichten  Reitern  bestehenden  Heer- 
haufen des  Feindes  und  ihre  eigentümliche  Gefechtsweise  schien  sich 


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10 


Einleitung. 


vom  Beginne  an  eine  vollkommen  geänderte  Taktik  zu  empfehlen. 
Nicht  nur  aus  dieser  Ursache,  sondern  durch  die  ungünstigen  Boden- 
verhältnisse veranlafst,  mufste  dem  Fufsvolke  schon  im  ersten  Kreuz- 
zuge ein  bedeutenderer  Wirkungskreis  eingeräumt  werden,  als  ihm 
bisher  vergönnt  war.  Die  schweren  Reiterscharen  der  Europäer 
konnten  nur  im  geraden  Stofse  eine  Wirkung  erreichen.  Schon  bei 
Antiochia  (1097)  hatten  die  Ritter  aus  Not  es  vorgezogen,  dem  An- 
griffe des  Feindes  zu  Fufs  zu  begegnen,  und  hatten  damit  einen 
ungemeinen  Erfolg  erzielt  Hundert  Jahre  später,  im  dritten  Kreuz- 
zuge, wiederholte  Richard  I.  von  England  1192  bei  Joppe  diesen 
Versuch  mit  dem  gleichen  überraschenden  Erfolge.  In  seiner  Stell- 
ordnung, die  er  den  alten  Regeln  der  Griechen,  des  Atheners  Cha- 
brias,  entlehnte,  äufsert  sich  deutlich  die  zur  Zeit  allgemein  geteilte 
Überzeugung,  dafs  die  Kriegskunst  seit  dem  Zusammenbruche  des 
Römerreiches  auf  Abwege  geraten,  dafs  sie  da  wieder  aufgenommen 
werden  müsse,  wo  sie  abgebrochen  war. 

Aber  von  der  Erkenntnis  bis  zur  allgemeinen  Durchführung  war 
noch  ein  weiter  Raum.  Die  innere  politische  Verfassung,  das  noch 
immer  kräftige  Lehenswesen,  das  mit  dem  ganzen  Kriegswesen  im 
innigen  Verbände  war,  ljcfs  eine  Änderung  in  der  Streitweise  nicht 
zu;  nach  Europa  zurückgekehrt,  war  auch  die  Notwendigkeit  einer 
solchen  weniger  gefühlt;  da  traf  doch  ein  Lehensheer  wieder  das 
andere;  nur  in  Italien  und  gegen  die  Städte  war  Vorsicht  nötig,  aber 
der  Krieg  gegen  diese  bestand  doch  zumeist  in  Belagerungen.  Im 
Norden  Europas  wurde  der  Krieg  allerdings  nur  von  einem  tüchtigen 
Fufsvolke  geführt,  wie  unter  den  Stedingern  und  Friesen,  aber  die 
Ereignisse  dortselbst  waren  doch  zu  wenig  bedeutend,  um  Aufmerk- 
samkeit zu  erregen.  Eine  überraschende  Katastrophe  mufste  kommen, 
um  eine  Umänderung  der  Organisation  und  Streitweise  in  Aus- 
führung zu  bringen. 

Je  mehr  die  Lehenschaft  ihre  Wichtigkeit  fühlte,  desto  mehr 
suchte  der  einzelne  darin  seinen  Wert  und  seine  Unentbehrlichkeit 
festzustellen.  Diese  übertriebene  Selbstschätzung  führte  zu  einer  Zeit, 
als  schon  die  ersten  Symptome  einer  Verrückung  des  bisherigen 
Schwerpunktes  in  den  Waffengattungen  wahrnehmbar  wurden,  zu 
einer  ebenso  übertrieben  schweren  Bewaffnung.  Der  einzelne  wollte 
nicht  allein  als  Held,  sondern  auch  »absolut  unverwundbare  erscheinen; 
das  führte  zu  einer  ungemein  schweren  Ausrüstung  des  Reiters  mit 
Topfhelm  und  anderen  Schutzwaffen,  die  auf  dem  orientalischen 
Kriegstheater  im  argen  Mifsverhältnisse  mit  dem  Klima  daselbst  und 
der  eigenartigen  Fechtweise  des  Feindes  stand.  Was  nützte  die  all- 
mähliche Verkürzung  des  gewichtigen  Haubert,  die  Verbefserung  des 
Schutzes  der  Beine,  die  dadurch  ermöglichte  Verkleinerung  des 
Schildes,  wenn  die  Notwendigkeit  hinwieder  zur  Verstärkung  des  Leib- 
hamisches  durch  immer  gröfsere  Eisenplatten  zwang?    Der  Reiter 


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• 

Die  Entwickclung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundzügen.  11 


erschien  gesichert  vor  den  Streichen  des  Feindes,  aber  sein  Rofs 
brach  ermattet  unter  ihm  zusammen,  und  er  selbst  war  nicht  im  stände, 
sich  vom  Boden  zu  erheben.  'Wie  seine  Schutzwaffen,  so  nahmen 
auch  seine  Angriffswaffen  an  Gewicht  zu;  der  Spiefs  wurde  starker 
im  Schafte,  das  Schwert  gewichtiger;  ersterer  konnte  nicht  mehr  mit 
frei  erhobenem  Arme  geführt,  sondern  mufste  zum  Stofse  in  die 
Achselhöhle  gedrückt  werden.  Diese  Übertreibung  nahm  ihren  Weg 
bis  ans  Ende  des  13.  Jahrhunderts.  Der  Kampf  mit  solchen  Waffen 
in  der  Schlacht  erlaubte  nicht  mehr  eine  Bewegung  in  geschlossener 
Ordnung,  er  artete  zu  einer  Zersplitterung  der  Kräfte  aus  und  bestand 
in  nichts  weiterem  als  einer  Anzahl  von  turnierartig-ritterlichen  Gängen, 
in  welchen  jeder  einzelne  nur  für  sich  focht.  Gerade  das  mifsachtete 
Fufsvolk,  wenn  es  von  dem  Beutemachen  zurückgehalten  werden  konnte, 
gab  das  Beispiel  einer  geschlossenen,  kräftigen  Kampfweise,  ungeachtet 
seine  Bewaffnung  und  Ausrüstung  die  bunteste  und  unzulänglichste  war. 
Daneben  fehlt  es  nicht  an  Beispielen,  dafs  einsichtsvolle  Herrscher 
wenigstens  nach  Möglichkeit  trachteten,  die  Verirrung,  in  welche 
ihre  Lehenschaft  geraten  war,  minder  gefahrvoll  zu  gestalten.  Ja 
Friedrich  II.  hielt  in  seinem  geworbenen  Heere  neben  Deutschen 
auch  zahlreiche  Mauren  von  Luceria  und  Sicilien,  deren  Fechtweise 
im  vollen  Gegensatze  zu  der  des  Lehensheeres  stand.  Der  Römer- 
zug Heinrichs  VII.  (13 10 — 1313)  bildete  den  letzten  Triumphzug 
der  schwergerüsteten  deutschen  Ritterschaft;  wenige  Jahre  darauf 
( 1 3 1 5)  erlag  die  auserlesenste  Schar  der  habsburgischen  Lehenschaft 
den  Keulenschlägen  einer  Horde  armseliger  Schweizerbauern  am  Moor- 
garten.*) Dieser  Erfolg  eines  an  sich  schlechtbewaffnetcn,  aber  mora- 
lisch tüchtigen  Jjufsvolkes  wirkte  wie  ein  Donnerschlag  auf  die  von 
übertriebenem  Selbstbewufstsein  befangene  Ritterschaft  Deutschlands 
und  Frankreichs;  der  Wahn  von  Jahrhunderten  war  zerstäubt,  aber 
die  richtige  Erkenntnis  war  dem  Schlage  nicht  gefolgt.  Sie  konnte 
und  wollte  sich  von  dem  Dienste  zu  Pferde  nicht  lossagen  und  ver- 
meinte durch  ein  nur  gelegentliches  Streiten  zu  Fufs  ihren  alten 
Ruhm  zu  retten,  vergebens!  In  ihrer  schweren  Bewaffnung  unbeweg- 
lich, für  den  Fufskampf  ungeschult,  war  sie  nur  für  die  starrste 
Abwehr  brauchbar  und  die  Tage  bei  Laupen  1338,  bei  Sempach  1386 
und  bei  Näfels  1388  bewiesen  ihre  Unzulänglichkeit  völlig.  Vom 
Tage  beim  Moorgarten  schreibt  sich  der  Jahrhunderte  alte  Ruhm 
des  schweizerischen  Fufsvolkes  her. 

So  wurde  aus  den  untersten  Volkselementen  heraus  eine  voll- 
ständige Umwälzung  der  Kriegführung  angebahnt,  das  Kriegswesen 


•)  Die  Ursachen  der  Niederlagen  gegen  die  Schweizer  sind,  wie  wir  nicht 
verschweigen  dürfen ,  in  der  überlegenen  Taktik  der  letzteren  zu  suchen ,  die  aber 
auch  mit  der  Bewaffnung  in  besserem  Einklänge  war,  als  bei  ihren  Feinden. 
Gerade  am  Moorgarten  konnte  der  Reiterei  nur  eine  Reservestellung  zugetheilt 
werden;  das  liess  aber  der  Hochmut  der  Ritterschaft  nicht  zu. 


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12 


Einleitung. 


selbst  aus  der  Erstarrung  gerissen,  der  es  verfallen  war.  Auf  die 
Ritterschaft  hatte  dieser  Schicksalsschlag  eine  demoralisierende  Wir- 
kung, die  durch  die  Schwäche  der  Reichsgewalt  nur  noch  gesteigert 
wurde.  Zunächst  merkt  man  die  Scheu,  in  gröfserem  Verbände  zu 
fechten;  in  kleineren  Geschwadern  waren  sie  aber  auf  Beweglichkeit 
angewiesen.  Das  führte  zu  einer  relativen  Erleichterung  der  Schutz- 
waffen.  Der  Topf  heim  verschwindet,  an  seine  Stelle  tritt  die 
Beckenhaube,  das  Bafsinet,  den  sackförmigen  Haubert  ersetzt  der 
geschmeidigere  Lentner,  der  sich  mehr  an  die  Körperform  anschlofe. 
Dadurch  wird  die  Reiterei  entschieden  handsamer  und  beweglicher. 
Aber  ihre  Prozentzahl  im  Heere  schwindet  bedeutend,  während  die 
des  Fufsvolkes  progressiv  wächst.  Dem  Fufsknechte  wird  in  seiner 
Ausrüstung  in  Schallern  oder  Eisenhut,  mit  Spiefs  und  Schwert  mehr 
Sorgfalt  zugewendet.  Armrust  und  Bogen  wird  zahlreicher  und  mit 
mehr  Bedacht  benutzt  und  in  den  Heeren  der  ersten  kriegführenden 
Mächte  tauchen  um  1330  einzelne  fremde  Wundermänner  auf, 
welche  zum  Erstaunen  von  Freund  und  Feind  die  Donnerbüchse 
handhaben. 

Weit  vor  Erfindung  und  Anwendung  des  Schiefspulvers  hatten 
Mangel  an  Vaterlandsliebe,  Eigensucht  und  Hoffart  das  Rittertum 
und  damit  auch  die  Lehensheere  dem  Verfalle  entgegengeführt,  wenn 
auch  die  letzten  kümmerlichen  Reste  erst  dann  sich  verloren,  als 
Mut  und  Kraft  des  Einzelnen  an  Wert  einbüfste,  und  Todesgefahr 
den  Reiter  früher  treffen  konnte,  bevor  er  selbst  sie  dem  Feinde 
bringen  konnte. 

Wenn  wir  die  Perioden  des  Mittelalters  bis  ans  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  überschauen,  so  sehen  wir,  dafs  das  Rittertum 
einem  Elemente  erlag,  das  anfanglich  tief  verachtet,  allmählich  zu 
hoher  Bedeutung  gelangte,  dem  Volkselemente,  dem  Bürgertum. 
Die  Staatsweisheit  nötigte  die  Herrscher  immer  mehr,  dieses  zu 
schützen;  sie  folgten  aber  damit  nicht  einem  Herzenszuge,  sondern 
nur  der  Not.  Die  Prinzipien  des  Rittertums  waren  so  ehrenhaft, 
dafs  ihr  Erlöschen  nur  mit  tiefem  Leid  gesehen  werden  konnte.  In 
seinem  Kodex  stand  anfänglich  für  den  Krieg  keine  Arglist,  kein 
Überfall,  kein  Angriff  aus  der  Ferne  von  sicherem  Winkel  aus. 
So  wenig  das  zu  den  Bedingungen  der  Kriegskunst  stimmen  mochte, 
man  konnte  der  reinen  Anwendung  der  virilen  Kraft,  geleitet  durch 
einen  heldenhaften  Geist,  seine  Bewunderung  nicht  versagen.  Als 
die  Zahl  derer  immer  mehr  zunahm,  die  den  Traditionen  des  Adels 
untreu  wurden  und  den  ritterlichen  Waffengang,  oft  schmutzigster 
Natur,  ausfochten  mit  den  Mitteln  der  Volkselemente,  da  demokra- 
tisierten sie  sich  selbst,  und  verleugneten  das  Andenken  ihrer  helden- 
haften Ahnen. 

Worin  aber  lag  die  äufserliche  Ursache  der  vorschreitenden 
Demokratisierung  der  Heere?    Sie  rindet  sich  deutlich  in  der  all- 


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Die  Entwickclung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundzügen. 


13 


gemein  sich  hebenden  Technik,  welche  immer  wirksamere  Mittel  des 
Angriffes  und  der  Abwehr  lieferte.  Naturkräfte  wurden  vom  Banne 
erlöst  und  mit  Scharfsinn  verwendet,  das  Bearbeiten  der  rohen  Stoffe, 
vorwiegend  des  Eisens,  entwickelte  sich  und  der  Schleier  des  Geheim- 
nisses, der  die  Thätigkeit  umgab,  lüftete  sich  immer  mehr.  Alle  die 
zahllosen  neuen  Mittel  lieferten  die  Volkskreise. 

Die  bedeutsamste  Erfindung,  welche  die  Kriegskunst  in  voll- 
kommen neue  Bahnen  lenkte,  war  die  des  Schiefspul vers.  Es  ist 
ganz  überflüssig,  darüber  nachzugrübeln,  wann  dasselbe  erfunden 
wurde;  viel  wichtiger  raufs  es  uns  hier  sein,  zu  wissen,  wann  dasselbe 
begann,  eine  allgemeinere  Anwendung  zu  finden.  So  viel  ist  als  er- 
wiesen anzunehmen,  dafs  das  Feuer  bereits  im  Altertume  als  Mittel 
im  Kriege  erscheint.  Kallinikos  aus  Heliopolis  teilte  das  Geheimnis 
der  Bereitung  des  „griechischen  Feuers"  bei  der  Belagerung  Kon- 
stantinopels 668  n.  Chr.  dem  Kaiser  Konstantin  Pogonatus  mit.  Aus 
diesen  und  anderen  Andeutungen  ist  zu  entnehmen,  dafs  das  Schiefs- 
pulver seine  Entstehung  als  eine  Art  Brandsatz  gefunden  hat  und 
nur  allmählich  zu  einer  explosiven  Wirkung  gedieh,  dafs  anfänglich  nur 
das  Feuer  selbst  das  unmittelbare  Zerstörungsmittel  bildete  und  erst 
später  als  treibende  Kraft  für  eiserne  und  steinerne  Geschosse  be- 
nutzt wurde. 

Diese  letzte  Stufe  des  Werdens  scheint  es  durch  die  Orientalen 
erreicht  zu  haben,  wenigstens  weist  seine  erste  Anwendung  auf  die 
Tataren  1241  vor  Liegnitz.  Die  allgemeine  Anwendung  des  Schiefs- 
pulvers zum  Treiben  eiserner  oder  steinerner  Kugeln  beginnt  aber  erst 
ein  Jahrhundert  später,  und  wieder  waren  es  Orientalen,  die  Mauren, 
in  der  Verteidigung  von  Alicante  1 33 1  und  von  Algesiras  1342, 
welche  hier  voranschreiten.  Die  erste  Schlacht,  in  welcher  sich  ein 
abendländisches  Heer  einer  kleinen  Zahl  von  Geschützen  bediente, 
war  jene  bei  Crecy,  1346,  in  welcher  die  Engländer  sechs  Kanonen 
verwendeten. 

Gleich  am  Beginne  fand  das  Schiefspulver  eine  umfangreiche 
Anwendung,  man  benutzte  es  nicht  allein  für  kleine  Faustbüchsen, 
sondern  auch  für  schwere  eiserne  Rohre,  welche  auf  Wägen  trans- 
portiert wurden.  Die  ersten  im  Felde  gebrauchten  Geschütze  waren 
Hinterlader  mit  Kammerladung,  genau  in  gleicher  Konstruktion,  wie 
sie  von  der  ältesten  Zeit  an  die  Chinesen  führten.  Das  gibt  uns 
den  Beweis  von  dem  orientalischen  Ursprünge  der  Verwendung  des 
Schiefspulvers  wie  des  darauf  sich  bildenden  Geschützwesens.  Gegen 
das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  war  man  allerorts  bemüht,  den  Effekt 
des  Schiefspulvers  zu  erhöhen ;  das  führte  zu  allmählicher  Vergröfserung 
der  Geschütze,  zur  Erzeugung  von  Monstre-Geschützcn ,  wie  solche 
in  den  Dardanellenschlössern  und  anderen  türkischen  Plätzen  zu 
finden  waren,  aber  auch  in  unseren  Ländern  überbot  man  sich  in 
Riesengeschützen,  von  welchen  sich  noch  einige  erhalten  haben.  Das 


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14  Einleitung. 

leichtbewegliche  Feldgeschütz  scheint  seine  Einführung  unter  den 
Hussiten  um  1420  gefunden  zu  haben,  unter  den  Burgundern  um 
1470  fand  es  eine  zahlreichere  Verwendung,  von  jener  Zeit  reiht 
sich  die  Artillerie  ebenbürtig  neben  Reiterei  und  Fufsvolk.  Diese 
nun  ins  Gebiet  tretende  Waffe  bildete  sich  aus  durchaus  bürgerlichen 
Elementen  von  handwerksmäfsigem  Gepräge,  sie  hatte  keine  nationale 
Färbung  in  den  Heeren,  im  Gegenteil  bedienten  sich  die  Macht- 
haber der  Büchsenmeister,  wo  sie  selbige  nur  fanden;  so  dienten  in  der 
Türkei  Italiener,  Griechen  und  Ungarn,  in  den  burgundischen 
Landern  Italiener,  Deutsche  u.  s.  w.  Als  man  um  1430  begann, 
die  Geschütze  aus  Metall  zu  erzeugen,  dienten  die  Gufsmeister  zu- 
gleich als  Büchsenmeister.  Diese  Verwendung  finden  sie  •  noch  am 
Ende  des  17.  Jahrhunderts. 

Der  Gebrauch  von  Handfeuerwaffen  durch  das  Fufsvolk  griff 
nur  langsam  um  sich;  seltsamerweise  wurde  das  Handgewehr  als 
Faustrohr  lange  Zeit  nur  in  der  Reiterei  angewendet.  Erst  um  13  70 
finden  wir  Handrohre  auf  Bockgestellen,  die  aber  mehr  zum  Wurfe, 
als  zum  direkten  Schusse  dienten.  Im  15.  Jahrhundert  finden  sich 
im  Fufsvolke  leichte  Handrohre,  welche,  unter  dem  rechten  Arm 
gehalten,  abgefeuert  wurden.  Der  Schaß  des  Handgewehres  erscheint 
erst  um  1480.  Die  meisten  Heere  bedienten  sich  noch  bis  etwa 
1450  vorwiegend  der  Bogen-  und  Armrustschützen. 

Bis  ins  15.  Jahrhundert  hatte  die  Reiterei  noch  einen  Anstrich 
aus  feudaler  Zeit,  die  Reihen  der  Lehensritter  lichteten  sich  aber  so 
bedeutend,  dafs  die  Herrscher  darauf  Bedacht  nehmen  mufsten,  ihre 
Reiterei  in  einem  entsprechenden  Stande  zu  erhalten.  Sie  nahmen 
entweder  ärmere  Adlige  daftlr  unmittelbar  in  Sold,  oder  übertrugen 
das  Geschäft  der  Anwerbung  auf  einen  angesehenen  Reitersmann 
gegen  summarische  Entschädigung. 

Wir  haben  gesehen,  dafs  die  Ritterschaften  in  den  Kreuzzügen 
ihre  Rüstung  gerade  einem  Feinde  gegenüber  schwerer  gestalteten,  der 
nicht  allein  durch  Kraftwirkung,  sondern  auch  durch  Beweglichkeit 
zu  bekämpfen  war.  Diese  Schwerfälligkeit  der  Reiterei  jener  Zeit 
war  die  Folge  des  irrigen  Glaubens  an  den  Wert  einer  absoluten 
Deckung  vor  der  feindlichen  Waffe.  Dieser  Irrwahn  erhielt  sich  vor 
allem  in  der  Reiterei  und  nahm  sein  Ende  noch  lange  nicht,  als 
die  Geschosse  der  Kartaunen,  Singerinen  und  Falken  ganze  Reihen 
Geharnischter  niederschmetterten.  Ja  im  Gegenteil  war  man  be- 
strebt, den  Lentner  allmählich  durch  mehr  und  gröfsere  Platten  zu  ver- 
stärken. 

Im  13.  Jahrh.  begann  bereits  die  Deckung  von  Armen  und  Beinen 
durch  Geschiebe  aus  Eisenplatten;  nun  fügte  man  Brust-  und  Rücken- 
stücke, aus  eisernen  Platten  gebildet,  hinzu,  gab  den  Helmen  entsprechen- 
dere Formen;  so  entstand  um  1420  der  „Plattenharnisch",  der  nur 
gegen  Spiefs  und  Schwert,  allenfalls  noch  gegen  Armrustbolzen  und 


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Die  Entwickelung  des  Waffenwesens  in  ihren  Grundlügen. 


15 


Faustrohrkugel  einen  Schutz  bot.  Damit  wurde  die  Reiterei  nicht 
beweglicher  und  brauchbarer,  wenn  sich  auch  im  Laufe  der  Zeit  mit 
dem  martialisch  erscheinenden  Plattenharnische  der  Begriff  von  alter 
Ritterlichkeit  verband.  Der  Spicfs  (Schürzer)  bildete  noch  immer  die 
vorzüglichste  Angriffswaffe  des  Reiteis,  sein  Gewicht  veranlafste  um 
1460,  ihn  beim  Anrennen  auf  einen  Haken,  Rüsthaken,  aufzulegen, 
der  an  der  rechten  Seite  des  Bruststückes  angebracht  war.  Schwert 
und  Dolch  waren  gleich  dem  Topf  heim  seit  dem  13.  Jahrhundert 
mittelst  Ketten  an  dem  Haubert  befestigt,  um  sie  im  Schlachtgewühle 
nicht  zu  verlieren.  Diese  verwickelten  sich  leicht  und  wurden  darum 
am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  abgelegt.  Viel  hielt  der  schwere 
Reiter  seit  dem  13.  Jahrhundert  auf  ein  starkes  Schwert  mit  langer 
Klinge  und  auf  einen  stofs  kräftigen  Dolch. 

Schon  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  entstanden  in  England, 
Spanien,  in  Brabant  und  in  Italien  leichte  Reiterkorps,  welche  aus 
Söldnern  bestanden.  Sie  führten  meist  keine  Spiefse,  wohl  aber 
leichte  Schwerter  und  Bögen,  später  auch  Faustrohre  (scopiti). 
Friedrich  der  Schöne  benutzte  1322  die  Freundschaft  Ungarns  zur 
Mithilfe  ungarischer  Reiter,  die  er  leider  bei  Mühldorf  nicht  zu  be- 
nützen verstand.  Immer  mehr  wuchs  das  Ansehen  der  Italiener  als 
leichte  Reiter,  das  sie  sich  bis  ins  17.  Jahrhundert  zu  erhalten 
wufsten.  Das  Fufsvolk  gewann  seit  den  Schweizerkriegen  eine  stets 
wachsende  Bedeutung,  damit  wurde  auch  ihrer  entsprechenden  Be- 
waffnung allerorts  mehr  Sorgfalt  zugewendet  Diese  Sorgfalt  äufsert 
sich  nicht  allein  in  der  stets  solider  werdenden  Form  der  Angriffs- 
waffen, sondern  auch  in  dem  Bestreben,  den  immer  wertvoller 
werdenden  Mann  zu  schützen.  Der  Fufsknecht  und  besonders  der 
Schütze  wurde  nun  durch  den  Holzschild,  ersterer  auch  durch  so- 
genannte Sturm  wände  gedeckt,  die  wohl  die  Beweglichkeit  sehr 
beeinträchtigten,  dennoch  aber  beim  Angriffe  viele  Vorteile  boten. 
Sie  erhalten  sich  bis  gegen  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts.  Im 
allgemeinen  teilte  sich  das  Fufsvolk  in  Spiefsknechte  und  Schützen. 
Nur  die  Spanier  fochten  mit  Schwert  und  Rundschild.  Es  war  um 
1320  ein  bewegliches  und  moralisch  tüchtiges  Element  in  das  Fufs- 
volk gekommen,  der  geistige  Faktor  wuchs  in  der  Kriegskunst,  die 
Taktik  entwickelte  sich.  Ebenso  wohl  durchdachte  als  kühn  aus- 
geführte Unternehmungen,  Flankenmärsche,  Überfälle  etc.  beweisen 
das  zur  Genüge.  Dem  entsprechend  entwickelte  sich  auch  die  Waffe, 
sie  wurde  handlicher,  es  wuchs  das  Streben,  eine  und  dieselbe  Waffe 
für  mehrere  Zwecke  zum  Hieb  und  Stich  zu  verwenden.  Zu  un- 
gemeinem Ruhme  gelangten  die  Schweizer,  die  ihre  eigene  Fechtweise 
besafsen,  der  auch  die  Bewaffnung  entsprach,  die  im  14.  Jahrhundert 
noch  einfach  genug  war.  Sie  bestand  damals  nur  aus  schwerem 
Schilde  und  Spiefse,  später  bedienten  sie  sich  auch  der  Helme  und 
Bruststücke,  legten  den  Schild  ab  und  rüsteten  sich  mit  langem 


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16 


Einleitung. 


Spiefse,  dem  Kurzschwerte  und  dem  sogenannten  Kurzdolch  (Schweizer  - 
degen)  aus.  Einzelne  kräftige  Leute  fochten  mit  ungeheuren 
Schwertern  oder  schweren  Keulen.  In  der  Fechtweise  wie  in  der 
Bewaffnung  wurden  sie  das  Vorbild  für  die  späteren  Landsknechte 
Maximilians  I.  In  Frankreich,  wo  die  Heeresfolge  schon  früh  ab- 
nahm, mufsten  die  Könige  schon  im  13.  Jahrhundert  zu  Miettruppen 
ihre  Zuflucht  nehmen.  Den  Brabancons  folgten  die  Grandes  com- 
pagnies,  diesen  die  berüchtigten  Armagnacs.  Sie  bestanden  alle  der 
Mehrzahl  nach  aus  Fufsvolk  mit  leichter  Bewaffnung  und  betrachteten 
alle  das  Kriegfuhren  als  Geschäft  mehr  zur  Bereicherung  wie  zur 
tüchtigen  Leistung.  Als  ein  schwacher  Versuch,  ein  Nationalheer  zu 
schaffen,  kann  die  1448  erfolgte  Errichtung  der  Franc-archers  oder 
Freischützen  unter  Karl  VII.  in  Frankreich  betrachtet  werden.  Nicht 
besser  als  die  Armagnacs  waren  die  italienischen  Condottieri,  nur 
war  die  Bewaffnung  der  letzteren  solider.  Diese  wurde  später  zum 
Vorbilde  für  die  Heere  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  in  Deutsch- 
land und  anderen  Ländern.  Spiefse,  Kurzschwerter,  Degen,  sowie 
die  Armrüste  erhielten  allenthalben  italienische  Formen. 

Auch  in  den  orientalischen  Ländern  machten  sich  in  den  Heeren 
ähnliche  Verhältnisse  geltend  wie  im  Abendlande.  Auch  dort  wollte 
der  Türke,  der  Tatare  und  vorab  der  Araber  nicht  zu  Fufs  fechten, 
aber  in  der  Abhilfe  dieses  Mifsverhältnisses  schritten  die  Sultane  den 
Europäern  weit  voraus  durch  die  Errichtung  eines  tüchtigen  Fufs- 
volkes  der  Janitscharen  (Jeni-tscheri)  1330.  Die  Bewaffnung  der 
türkischen  Heere  war  nach  den  zahllosen  Stämmen  dieses  grofsen 
Reiches  eine  sehr  verschiedene,  und  es  machten  sich  darin  später 
auch  europäische  Einflüsse  geltend.  Die  Janitscharen  führten  Bogen 
und  Krummschwert,  die  Spahis  oder  Timarioten,  aus  Europäern  be- 
stehend, lange,  gerade  Schwerter  und  dünnschäftige  Spiefse.  Die 
Anatolier,  welche  unter  ihren  Dere-Begs  eine  Art  Feudalverfassung 
hatten,  waren  in  ganz  asiatischer  Art  mit  Krumraschwert,  Bogen, 
Streitaxt  und  dem  Wurfspicfse  (djerid)  bewaffnet. 

Gegen  das  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts  stand  ein  Staat  an  der 
Spitze  der  Heeresreformen,  das  Herzogtum  Burgund  unter  Karl  dem 
Kühnen.  Die  Einrichtungen  desselben  waren,  äufserlich  betrachtet, 
staunenerregend  und  einzelne  derselben,  wie  die  Organisation  des 
Geschützwesens,  ohne  Zweifel  hoch  verdienstlich,  aber  dem  ganzen 
riesigen  Heere  fehlte  es  an  Homogenität  und  vor  allem  an  Korpsgeist. 
So  kam  es,  dafs  ein  äufserlich  prachtvolles  und  vorzüglich  bewaffnetes 
Heer  den  Schweizern  erlag.  Ebenso  erging  es  vorher  den  östlichen 
Mächten,  die  den  fanatischen  Hussiten  nur  Haufen  eilfertig  bewaffneter, 
stumpfsinniger  Landleute  entgegenstellen  konnten. 

Mit  dem  ausgehenden  15.  Jahrhundert  beginnt  die  Epoche  der 
stehenden  Heere  und  damit  einer  mehr  in  den  Sorten  und  Formen 
einheitlichen  Bewaffnung.    In  der  Reiterei  erscheinen  die  Gensdarmes, 


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Die  Entwickelung  des  Wafienwesens  in  ihren  Grundzügen. 


17 


in  Deutschland  die  Kürisser  als  Muster  einer  schweren  Reitertruppe. 
Vielfach  noch  aus  adeligen  Elementen  bestehend,  erhielten  sich  in 
ihnen  noch  manche  Traditionen  der  feudalen  Heere.  Ihre  Ausrüstung 
und  Bewaffnung,  an  sich  sehr  sorgfaltig,  war  doch  selbst  für  den 
starken  Pferdeschlag  zu  schwer.  Mann  und  Pferd  waren  mit  Eisen- 
platten bedeckt,  der  Rcisspiefs,  das  Kürifsschwert  waren  die  Angriffs- 
waffen.  Offiziere  und  Rottmeister  führten  den  eleganten,  aber  wenig 
brauchbaren  Reiterhammer,  Oberste  den  Regimentsstab.  Die  leichten 
.Reitertruppen  bildeten  sich  nach  italienischem  Muster.  Sie  waren 
nur  in  leichte  Harnische  mit  Sturmhauben  gekleidet  und  führten 
neben  dem  Haudegen  das  Faustrohr  und  die  Arkebuse,  eine  Art 
leichter  Reitergewehre  mit  deutschen  Radschlössern. 

Mit  staunenswerter  Raschheit  entwickelte  sich  das  Geschütz wesen. 
Um  1520  bestanden  schon  nahezu  sämtliche  Feldgeschütze  aus  Bronze, 
und  auch  eine  oberflächliche  Bestimmung  der  Kaliber  hatte,  von  Nürn- 
berg angeregt,  Platz  gegriffen.  Die  sogenannten  4  Geschlechter:  der 
48pfünder  oder  die  Kartaune,  der  24pfünder,  die  Halbkartaune,  der 
i^pfündcr  oder  Falke,  endlich  der  öpfünder  oder  Schlange  konnten 
trotz  der  vielen  Zwischen  formen  als  Grundformen  angesehen  werden. 
Das  Wurfgeschütz,  die  Morser  für  Steingeschosse,  hatten  noch  keinen 
bestimmten  Kaliber,  doch  wurden  auch  sie  in  Bronze  gegossen  und 
es  schieden  sich  aus  ihnen  eigenartige  Formen  zum  Werfen  von 
Feuerwerkskörpern  ab.  Auch  die  Ballistik  machte  Fortschritte;  man 
kannte  schon  um  1480  den  Quadranten  und  bediente  sich  um  1500 
hie-  und  da  bereits  der  Richtmaschinen.  Die  alte  Karrenlafette 
machte  der  Protzlafette  Platz,  und  die  Lade,  in  welcher  früher  das 
Kanonenrohr  befestigt  war,  verschwand,  dafür  entstand  die  Balance- 
lagerung des  Rohres  in  den  Schildzapfen,  die  zuerst  bei  kleineren 
Kalibern  in  Anwendung  kam.  Der  Büchsenmeister  erhielt  den 
charakteristischen  Luntenspiefs,  der  halb  als  Waffe,  halb  als  Werkzeug 
anzusehen  ist. 

Das  Fufsvolk  war  je  nach  der  Art  seines  Aufbringens  und 
seiner  Herkunft  noch  sehr  verschiedenartig  gestaltet.  Städtische  Truppe 
war  ziemlich  gleichmäfsig  und  gut,  immer  aber  eigenartig  und  wenig 
für  den  Angriff  tauglich  ausgerüstet.  In  ihr  überwog  in  der  Regel 
das  Feuerrohr  als  Luntengewehr,  daneben  erschienen  die  Spiefsknechte 
mit  gemeinen  Spiefsen  oder  Helmbarten.  Armrustschützen  ver- 
schwanden nun  gänzlich.  Fufsknechthaufen ,  welche  noch  zuweilen 
Adelige  gegen  Besoldung  stellten  —  ein  Schatten  der  alten  Feudal- 
einrichtung —  bestanden  zumeist  aus  unbeholfenen  Bauern  und 
anderen  wenig  kriegsgeübten  Elementen.  Ihre  Bewaffnung  war  die 
verschiedenartigste  und  schlechteste. 

Anders  war  es  mit  jener  Elitetruppe,  welche  die  Franzosen  in 
ihren  Schweizerregimentern  besafsen.  Sie  war  mit  langen  Spiefsen, 
Kurzschwertern  und  Dolchen,  ein  Teil  mit  allerdings  schweren  Bock- 

Boeheim,  Waffenkundc.  2 


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18 


Einleitung. 


büchsen  bewaffnet.  Eine  anfänglich  bedeutende  Zahl  führte  riesige 
Schlachtsch werter,  deren  Handhabung  ungemeine  Übung  erforderte; 
es  wurde  für  die  Schweizerheere  charakteristisch.  Nach  ihrem  Muster 
bildete  Maximilian  I.  1482  die  Landsknechte  als  von  erprobten 
Führern  geworbene  Truppe,  ein  nationales  Heer,  denn  ihre  Werbung 
beschränkte  sich  auf  Schwaben,  das  Allgäu  und  Tirol,  später  auch 
aus  anderen,  aber  immer  eigenen  Ländern.  Die  Landsknechttruppe 
bildete  ungeachtet  ihrer  ziemlich  mangelhaften  Disziplin  und  ihrer 
zuweilen  schwer  fühlbaren  Ausartung  eine  ausgezeichnete  Fufstruppe, . 
die  sich  den  Schweizern  ebenbürtig  und  nicht  selten  überlegen  erwies. 
Der  Landsknecht  war  Soldat  von  Profession  mit  eigener  imponierender 
Streitweise,  der  auch  die  Bewaffnung  entsprach.  Gleich  dem  Schweizer 
liefs  sich  auch  der  deutsche  Landsknecht  ebensowohl  als  Spiefsknecht, 
wie  als  Schütze  oder  als  Stuckknecht  verwenden,  ohne  seinen  Charakter 
dabei  einzubüfsen.  Der  Spiefsknecht  führte  den  langen  Spiefs,  die 
Pinne  (von  dem  mittelalterlichen  pennon  hergeleitet),  das  Landsknecht- 
schwert und  den  starken  kurzen  Dolch.  Einzelne  führten,  wie  sie 
es  von  den  Schweizern  gesehen  hatten,  das  zweihändige  Schwert,  den 
„Bidenhander".  Der  Schütze  trug  die  Bockbüchse  und  als  erster  in 
allen  Heeren  die  kurze  leichte  Handbüchse.  Er  wandte  vor  allen 
anderen  zuerst  die  Patrone  an,  um  rascher  seine  Büchse  laden  zu 
können. 

Die  italienischen  Fufstruppen  weisen  in  dem  beschriebenen  Zeit- 
räume gegen  die  vergangene  Periode  die  geringsten  Unterschiede 
auf.  Über  das  ganze  Land  war  eine  Zahl  von  Hauptleuten  verstreut, 
die  das  Kriegführen  als  eine  geschäftliche  Unternehmung  betrachteten 
und  sich  mit  ihren  Leuten  an  den  Meistbietenden  verdangen.  Ihre 
Bewaffnung,  meist  klaglos,  war  verschieden,  je  nach  den  Ansichten 
ihrer  Hauptleute;  in  einigen  Kompagnien  machten  sich  antike,  in 
anderen  orientalische  Einflüsse  merkbar.  Hervorragend  in  Organisation 
und  Bewaffnung  waren  immer  die  Venetianer,  zeitweise  auch  die 
Mailänder.  Die  Bewaffnung  war  aber  stets  ungemein  verschieden- 
artig. Wir  finden  nebst  dem  gemeiniglich  nicht  übertrieben  lang- 
schäftigen  Spicfse  das  Kurzschwert,  später  den  Degen;  aber  neben 
der  leichten  Luntenbüchse  noch  lange  Armrust  und  Bogen.  Von 
den  Schweizern  entnahmen  sie  das  Schlachtschwert  und  nicht  selten 
finden  wir  Fufskompagnien  gleich  den  Spaniern  nur  mit  Rundschild 
und  Schwert  ausgerüstet. 

Von  Italien  und  den  Niederlanden  aus  angeregt,  erlitt  das  Kriegs- 
wesen am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  eine  bedeutende  Umbildung. 
Die  schwere  Reiterei,  die  alten  Kürisser,  legten  den  Reisspiefs  ab 
und  fochten  nur  noch  mit  leichteren,  italienischen  Haudegen.  Der 
alte  ritterliche  Harnisch  verschwand,  dafür  erschien  der  reiterische 
Harnisch  mit  Sturmhaube  ohne  Beinzeug,  der  eine  grüfsere  Beweglich- 
keit und  freiere  Führung  der  Klinge  gestattete.    Noch  war  das  Brust- 


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Die  Entwickelung  des  Waffcnwesens  in  ihren  Grundzügen. 


19 


stück  schwer,  um  vor  den  Geschossen  zu  sichern,  aber  dafür  wurde 
es  kürzer  und  kleiner.  Die  Arkebusiere  und  Dragoner,  letztere  aus 
Frankreich  gekommen  und  zum  Streit  zu  Fufs  und  zu  Pferde  geeignet, 
erhielten  leichte,  sogenannte  Trabhamische,  die  Arkebuse  schrumpft 
zum  Karabiner  zusammen,  die  Faustrohre  werden  doppelläufig,  nicht 
selten  erscheinen  darin  Revolversysterae.  Die  Artillerie  erleichtert 
ihre  Kaliber  für  den  Feldkrieg  beträchtlich.  In  der  ersten  Gefechts- 
linie findet  man  nur  noch  Schlangen.  Ein  Hauptstützpunkt  in  der 
Stellung  aber  ist  von  Halbkartaunen  besetzt,  die,  in  einer  Batterie 
vereint,  der  ganzen  Gefechtsstellung  eine  gewisse  Festigkeit  verleihen. 

Das  Fufsvolk  änderte  schrittweise  seine  Physiognomie.  Die 
allmählich  gewonnene  Überzeugung,  dafs  auch  andere  Volksstämme 
zu  einem  brauchbaren  Fufsvolk  herangebildet  werden  können,  veran- 
lafste  zu  allgemeinen  Werbungen  im  Reiche;  dadurch  und  durch 
verschärfte  Ordnungen  verwischte  sich  der  Charakter  der  Landsknecht- 
regimenter, und  damit  erlosch  auch  ihr  immerhin  ruhmvoller  Name. 
Von  nun  an  erscheinen  nur  Fufsknechtregimenter,  die  von  erprobten 
Kriegern  geworben,  ausgerüstet  und  als  Obersten  kommandiert  werden. 
Schon  unter  den  Landsknechten  waren  Spiefsträger  und  Schützen  in 
organischem  Verbände,  jetzt  wurde  das  System  mehr  ausgebildet  und 
in  ein  besseres  Verhältnis  gebracht.  Der  Spiefsknecht  erhielt  die 
lange  dünnschäftige  Picke  und  wurde  nun  „Pickenier"  genannt.  Noch 
lange  trug  er  einen  leichten,  schwarzen  Harnisch  und  eine  sogenannte 
Pickelhaube;  der  Schütze  gemeiniglich  nur  ein  Brust-  und  Rückenstück 
mit  der  sogenannten  Schützenhaube.  Die  alte,  schwere  Hakenbüchse 
wird  abgelegt  und  die  Luntenmusketc  eingeführt,  welche  zum  An- 
schlage auf  einen  Gabelstock  aufgelegt  wird.  Unteroffiziere  führten 
die  Helmbarte,  Offiziere  der  Truppe  die  Partisane  oder  den  leichten 
Feldspiefs.  Die  Spanier  und  Niederländer  griffen  in  der  Regel  mit 
starken  Kolonnen  an,  in  deren  ersten  Reihen  Soldaten  mit  Rundschildern 
und  schweren  Stofsdegen  marschierten.  Derlei  Schildträger,  „Rund- 
tartschiere"  genannt,  finden  sich  auch  bei  den  Engländern.  Charak- 
teristisch für  die  zunehmende  Bedeutung  des  Feuergewehres  ist,  dafs 
die  Picken  an  Zahl  immer  mehr  abnehmen,  während  die  Musketen- 
zahl stetig  wächst. 

In  dieser  Bewaffnung,  die  sich  im  Detail  im  niederländischen 
Kriege  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  herausgebildet  hatte,  wurden 
von  den  Deutschen  die  Schlachten  des  30jährigen  Krieges  aus- 
gefochten.  Die  Italiener  bequemten  sich  erst  allmählich  zu  derselben. 
Ihre  Bewaffnung  mit  Schilden  und  Haudegen,  Partisanen  und  leichten 
Musketen  eignete  sich  mehr  für  den  kleinen  Krieg,  als  für  die  Feld- 
schlacht; desungeachtet  fand  diese  leichte  Ausrüstung,  namentlich  der 
Schützen,  allenthalben  auch  in  deutschen  Truppen  Nachahmung. 
Eigenartig  wie  immer  erschien  die  Ausrüstung  der  Polen  und  Ungarn 
in  jener  Zeit,  die  stets  ein  orientalisches  Gepräge  aufwies.  Gewisse 

2* 


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20 


Einleitung. 


überraschende  Einzelerfolge  brachten  die  Truppen  jener  Nationen  zu 
nicht  unbedeutendem  Ansehen  unter  den  Heerführern.  Bei  den 
Polen  findet  sich  in  der  Ausrüstung  ein  Gemisch  von  abendländischen 
und  orientalischen  Mustern.  In  der  Reiterei  diente  der  hohe  Adel 
in  den  in  deutsche  Harnische  gekleideten  Husaren  mit  Spiefs  und 
Schwert,  der  niedere  Adel  unter  den  „Gepanzerten",  pancernik,  welche, 
mit  Ringpanzern  bekleidet,  zu  den  leichten  Reitern  zählten;  das  ge- 
meine Volk  wurde  unter  die  Kosaken  gereiht,  die  noch  um  1630 
und  später  neben  dem  Säbel  den  Bogen  führten.  Ahnlich  war  die 
Ausrüstung  bei  den  Ungarn,  deren  Reiterei  fast  durchgehends  mit 
Panzerhemden  bekleidet  war  und  die  nebst  leichten  Spiefscn  und 
Säbeln  mit  Vorliebe  Schlagwaffen  handhabte.  Vom  16.  Jahrhundert 
an  hatten  sich  die  Heiducken  anfangs  gefürchtet,  später  geachtet 
zu  machen  verstanden.  Nach  ihrer  späteren  Organisation  nach  1613 
dienten  sie  ebensowohl  zu  Pferde  als  zu  Fufs,  und  waren  durch 
Bocskay  vorzüglich  bewaffnet  worden.  Die  Reiterei  führte  neben 
dem  Säbel  noch  Schilde,  das  Fufsvolk  Musketen  und  sogenannte 
Fokos,  eine  Schlagwaffe.  Unter  den  Habsburgern  wurde  ungarisches 
oder  kroatisches  Fufsvolk  weniger  verwendet.  Erst  um  die  Mitte 
des  1 7.  Jahrhunderts  erscheint  solches  allgemeiner.  In  demselben  findet 
sich  keine  Picke;  der  Ungar  und  Kroate  griff  mit  dem  Czakäny  oder 
Buzoganyi  an;  seine  Muskete  war  leichter  als  die  der  Westvölker; 
daneben  führte  er  den  krummen  Säbel. 

Von  den  zahlreichen,  verschieden  ausgerüsteten  türkischen  Truppen 
ist  es  schwierig,  ein  Gesamtbild  aus  jener  Periode  zu  gestalten,  doch  kann 
im  allgemeinen  bemerkt  werden,  dafs  die  schwere,  aber  nach  unseren 
Anschauungen  noch  immer  leichte  Reiterei  die  sogenannten  Gepan- 
zerten, „tschebeli",  bildeten.  Mann  und  Rofs  waren  in  sehr  leichte 
Plattenharnische  gekleidet.  Sie  führten  handliche  Spiefse,  Säbel,  Hand- 
jars  und  Faustkolbcn.  Den  Kern  der  Reiterei  bildeten  die  von  den 
Timari  gestellten  Spahis.  Sie  waren  nach  altarabischer  Art  in  Panzer- 
hemden gekleidet  und  führten  nebst  dem  Wurfspiefse,  „djerid",  auch 
den  Bogen.  Eine  durch  Tapferkeit  berühmte  Truppe  waren  die 
Deli  oder  Tollköpfc,  welche  in  Asien  geworben  wurden.  Ein  voll- 
kommen unregelmäTsiges  und  nahezu  unabhängiges  Reiterkorps  waren 
die  Tartaren  unter  ihrem  Chan,  der  sich  den  Titel  eines  Sultans 
gab.  Sie  konnten  immer  nur  als  Vortruppen  verwendet  werden. 
Ihre  Bewaffnung  war  vollkommen  verschiedenartig.  Der  Janitscharen 
als  Fufstruppe  haben  wir  bereits  gedacht.  Im  17.  Jahrhundert  wird 
der  Bogen  in  ihren  Reihen  seltener,  dafür  wird  die  Muskete  häufiger, 
die,  um  1680  bereits  mit  Schnapphahnschlofs  ausgestattet,  als  Feuer- 
waffe der  Infanterie  die  Luntenmusketen  der  anderen  Heere  an 
Brauchbarkeit  weit  überragte. 

Gegen  das  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts  erhalten  die  Heere  über- 
all eine  strammere  Organisation,  wenn  auch  die  Heeresbildung  dic- 


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Die  Entwickelung  des  Waffenwesens  in  ihreu  Grundzügcn. 


21 


selbe  bleibt.  In  der  Reiterei  werden  die  Harnische  nur  noch  von 
Kürassieren  getragen  und  selbst  bei  diesen  die  Helme  durch  Hüte 
ersetzt  Nur  die  Franzosen  beliefsen  den  Dragonern  ihre  Bruststücke 
und  Helme.  Die  Waffen  waren  der  gerade  Pallasch  und  die  Pistole. 
Noch  ist  unter  den  Offizieren  der  Reiterei  eine  Spur  des  alten 
ritterlichen  Geistes  wahrnehmbar.  Die  deutsche  Artillerie  war  um 
jene  Zeit  sehr  herabgekomraen,  während  die  französische  und  venc- 
tianische  aufserordentlich  gut  ausgerüstet  und  bedient  war,  doch 
zeigte  sich  allerorten  der  Fehler,  dafs  dieselbe  in  den  Rahmen  des 
Heeres  nicht  entsprechend  eingefügt  war  und  noch  immer  das  Ge- 
präge des  Handwerks  aufwies.  Die  Infanterie,  wie  sie  nun  nach 
spanischem  Muster  genannt  wurde,  ging  einer  vollen  Umwandlung  in  ihrer 
Bewaffnung  entgegen.  Am  Beginne  des  1 8.  Jahrhunderts  legte  sie  die 
Picke  vollends  ab,  sie  fand  ihren  Ersatz  in  dem  Bajonett,  das  anfänglich 
in  den  Lauf  des  Gewehres  gesteckt  wurde.  Statt  des  Luntengewehres 
erhielt  sie  die  Flinte,  die  mit  dem  französischen  Feuerschlofs  ver- 
sehen war  und  ebenfalls  Muskete  genannt  wurde.  Das  Bajonett 
nahmen  endlich  auch  die  ungarischen  Truppen  an.  Von  1 7  50  datiert 
die  Bildung  einer  leichten  Feld- Artillerie,  von  1772  in  den  deutschen 
Erblanden  die  Bildung  von  Artillerie-Regimentern  und  einer  Festungs- 
Artillerie.  Ungefähr  um  die  gleiche  Zeit  auch  in  Frankreich  und 
den  deutschen  Staaten.  Damit  war  ihre  vollständige  Militarisie- 
rung endlich  durchgeführt  In  der  Reiterei  kamen  schon  vom  17. 
Jahrhundert  an  mannigfache  Namen  in  Aufnahme.  Chevauxlegers, 
reitende  Jäger,  Arkebusiere,  Husaren,  vom  18.  Jahrhundert  an 
Uhlanen,  Bosniaken,  Towarsziken ,  Kosaken  etc.  Im  allgemeinen 
riehen  alle  diese  als  leichte  Reiter  den  schweren  Kürassieren  gegen- 
über. Die  Husaren  bilden  darunter  eine  besondere  Truppe,  als  ihre 
Fechtweise  eine  der  orientalischen  ähnliche  wTar.  Dasselbe  ist  auch 
von  den  Uhlanen  und  Kosaken  zu  sagen,  die  als  Lanzenreiter  aller- 
dings selbständig  hervortreten.  Der  Name  Ulan  stammt  aus  dem 
Tartarischen  und  bedeutet  so  viel  als  der  Wachsame.  Als  die  Polen 
ihre  schweren  Pancerni  und  Husaren  durch  leichte  Reiterei  ersetzten, 
gaben  sie  dieser  den  Namen  Uhlanen.  Auch  der  Name  Kosak 
(Kasak)  ist  türkisch  -  tartarischen  Ursprungs.  Die  Verwendung  von 
Reiterei  mit  orientalischer  Fechtweise  läfst  erkennen,  wie  sehr  man 
noch  im  18.  Jahrhundert  und  noch  später  die  Kriegskunst  der 
Orientalen  achtete. 

Mit  der  vorschreitenden  Erstarkung  der  Herrschergewalt  gelangte 
auch  das  Heerwesen  stets  mehr  in  die  Hände  der  Landesfürsten. 
Als  die  Werbung  durch  eine  wehrpflichtige  Stellung  ersetzt  wurde, 
brach  der  letzte  Rest  der  Rechte  der  alten  Regimentsherren  in  sich 
selbst  zusammen  und  es  verschwand  damit  jede  Spur  der  einstigen 
feudalen  Organisation  der  Heere.  In  der  Hand  der  Landesfürsten 
erhielt  jedes  einzelne  Heer  in  seiner  Ausrüstung  und  Bewaffnung 


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22 


Einleitung. 


einen  gleichförmigen  Charakter.  Die  letztere,  abhängig  von  dem 
Stande  der  technischen  Wissenschaften  und  der  Kriegskunst,  wird 
allmählich  mehr  ein  Gegenstand  der  Massenerzeugung,  der  Maschinen- 
thätigkeit.  Als  solcher  entwickelt  sich  die  Bewaffnung  unmittelbarer 
mit  den  Fortschritten  der  Technik.  Der  Kampf  aber  zwischen  den 
Mitteln  des  Angriffes  und  jenen  der  Abwehr  wogt  weiter,  er  wird 
erst  mit  dem  letzten  Kriege  sein  Ende  nehmen.  Nach  den  jeweiligen 
Erfolgen  des  einen  oder  des  anderen  Teiles  regelt  sich  die  Taktik. 

Die  Betrachtung  der  Entwickelung  des  Waffenwesens  hat  den 
bedeutenden  Einflufs  des  Orientes  auf  den  Occident  auf  dem  tech- 
nischen und  Formengebiete  vor  Augen  gestellt;  dieser  Einflufs,  schon 
im  Altertume  herrschend,  ist  vom  Beginne  des  Mittelalters  an  peri- 
odisch, oft  direkt,  oft  indirekt  wirkend,  immer  aber  kräftig  und 
fördernd,  zuzeiten  selbst  von  nachhaltiger  Wichtigkeit  für  die 
Kultur  des  Abendlandes. 

Die  ersten  Spuren  orientalischer  Einwirkung  im  Mittelalter  gehen 
bereits  bis  in  die  Zeit  der  Völkerwanderung,  ins  4.  Jahrhundert, 
zurück.  Später  vermitteln  sie  bis  ins  9.  Jahrhundert  die  Sarazenen 
in  Spanien  und  Sizilien.  Im  1 1.  Jahrhundert  sind  es  die  Normanen, 
welche  die  Lehren  orientalischer  Kriegskunst  aufnehmen  und  ver- 
breiten. Die  bemerkenswerteste  Periode  aber  ist  jene  der  Kreuzzüge, 
und  vor  allem  war  es  der  dritte,  welcher  als  eine  grofse  Schule  des 
Krieges  angesehen  werden  kann.  Von  jener  Zeit  an  wird  der  direkte 
Einflufs  des  Orientes  geringer,  dafür  nimmt  der  indirekte  aus  Italien 
zu,  der  sich  bis  ins  17.  Jahrhundert  erhält.  In  den  Türkenkriegen 
dieses  Jahrhunderts  kommt  der  Orient  wieder  unmittelbarer  und  nicht 
ohne  Erfolg  zur  Beachtung.  Die  Spuren  dieser  letzten  Einwirkung 
leiteten  sich  bis  auf  die  Gegenwart 

Das  Fcudalwescn  mit  all  seiner  Kriegskunst  war  starr  geworden, 
es  hatte  sich  früher  überlebt,  als  die  Feudalherren  dies  gewahr  wurden. 
Ein  flüchtiger  Zusammenstofs  mit  Volkselementen  genügte,  um  die 
Schwäche  des  Kolosses  vor  aller  Augen  darzuthun.  Von  diesem 
Augenblicke  an  nimmt  die  Bedeutung  des  Fufsvolkes  zu;  aus  Volks- 
elementen heraus  ersteht  das  Geschütz wesen ,  als  eine  bedeutsame 
Entwickelungsstufe  der  Verwendung  des  Schiefspul vers,  die  ihre 
ersten  Anfänge  gleichfalls  unter  den  Orientalen  gefunden  hatte. 
Durch  diese  totale  Umbildung  des  Heerwesens  tritt  das  Waffen- 
wesen in  ein  neues  Stadium.  Diese  letzte  Entwickelung  fand  ihren 
Ursprung  auf  heimatlichem  Boden. 


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I.   Die  Schutzwaffen. 


x.  Der  Helm. 

So  helfs  das  Streben  der  Waffenschmiede  in  Jahrhunderten  auch 
war,  den  Mitteln  des  Angriffes  wirksame  der  Abwehr  und  umge- 
kehrt entgegenzustellen,  so  fand  dasselbe  doch  stets  seine  Grenzen  in  dem 
technischen  Vermögen,  und  in  dem  allmählichen  Zunehmen  des 
letzteren  erkennen  wir  die  Hauptursache  der  so  häufigen  und  oft 
drastisch  erscheinenden  Formenwandlungen.  Am  Ausgange  der  an- 
tiken Zeit  schien  es,  als  hätten  die  Angriffsmittel  jene  der  Abwehr 
weit  übertroffen.  Das  Schwert  der  Germanen,  Gallier  etc.  wurde 
kräftiger  im  Eisen,  seine  Klinge  länger,  die  Stangen waffe  stärker  und 
wirksamer,  die  Schlagwaffen  wurden  allgemeiner,  die  Fernwaffen, 
Bogen,  Schleuder,  Wurfspiefs,  gelangten  zu  gröfserer  Bedeutung.  All 
diesen  furchtbaren  Angriffswerkzeugen  hatte  man  nur  höchst  un- 
genügende Schutzmittel  entgegenzustellen:  einen  kleinen  Helm,  der 
in  seiner  Form  noch  ein  Vermächtnis  aus  der  späten  römischen  Zeit 
darstellte,  ein  Lederkleid,  mit  Plättchen  oder  Schuppen  von  Eisen, 
Bronze  oder  Horn  besetzt,  und  einen  Schild,  den  ein  Axthieb  trennen 
konnte.  Die  eifrige  Sorge,  dieses  empfindliche  Mifsverhältnis  zu 
beheben,  findet  sich  nirgends  klarer  vor  Augen  gestellt,  als  wenn  wir 
die  Wandlungen  verfolgen,  welche  der  Helm  vom  frühen  Mittelalter 
bis  in  die  Neuzeit  in  seiner  Form  erfahren  hat. 

Die  Hauptbedeckung  der  italischen  Krieger  am  Beginne  des 
Mittelalters  bestand  aus  einer  halbkugelförmigen,  aus  mehreren  Stücken 
zusammengenieteten  Haube  aus  Bronze  oder  Eisenblech,  an  deren 
Unterrande  eine  flache,  schmale  Krempe  angesetzt  war.  Über  die 
Mitte  von  vorn  nach  rückwärts  verbreitete  sich  ein  blattartiger,  be- 
malter Kamm,  eine  dunkle  Erinnerung  an  den  alten  Helm  aus  der 
Blütezeit  Roms.  (Fig.  i.)  Es  ist  dies  mit  geringen  Veränderungen 
dieselbe  Form,  wie  wir  sie  von  der  Hallstattperiode  her  antreffen, 
somit  von  einem  Zeiträume,  der  fünf  Jahrhunderte  vor  unserer  Zeit- 
rechnung zu  setzen  ist.    Weit  einfacher  war  die  kriegerische  Kopf- 


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24 


I.    Die  Schutzwaffen. 


bedeckung  der  barbarischen  Völkerschaften  des  5.  Jahrhunderts,  sie 
bestand  aus  einer  niederen,  konischen  Haube,  aus  mehreren  Stücken 
Bronze  oder  Eisen  zusammengesetzt,  von  deren  Rande  aber  ein 
Kettengeflecht  oder  ein  mit  Ringen  benähter  Stoff  herabhing  und 
sich  unter  dem  Kinne  an  den  Hals  schlofs.  Die  älteste  Form  einer 
Halsbrünne,  die  ihr  Original  im  Oriente  gefunden  hatte. 

Die  wenigen  in  Deutschland  gefundenen  Helme  des  frühesten 
Mittelalters  zeigen  etruskische  oder  asiatische  Formen,  was  darauf 
hindeutet,  dafs  der  klassisch-antike  Einflufs  bei  den  Germanen  nur 
gering  gewesen  ist.  Die  Heruler  und  Longobarden  waren  die  ersten, 
welche  sich  eiserner  Helme  bedienten;  das  hatte  seinen  Grund,  weil 
beide  Stämme  an   den  Südabhängen  der  Alpen  eine  alte  Eisen- 


Fig.  1.  Fig.  2. 


Fig.  I.  Bronzehclm.  Der  Helm,  ohne  den  hier  dargestellten 
Kamm,  gefunden  in  einem  Grabe  bei  Sesto-Calende.  Vielleicht  4.  Jahr- 
hundert.   Museum  der  Akademie  zu  Mailand.    Nach  Viollet-lc-Duc. 

Fig.  2.  Germanischer  Helm,  sogenannter  ,, Eberhelm",  ge- 
funden in  einem  Grabhügel  bei  Monyjash  (Derbyshire).  Die  Spangen 
sind  von  Eisen,  teils  mit  Silbereinlagen  geziert;  die  Füllung  besteht  aus 
Hornplatten.  Die  Eberfigur  ist  in  Eisen  geschnitten,  mit  Augen  aus 
Bronze  gebildet.   7.  Jahrhundert.   Nach  Beck,  „Geschichte  des  Eisens". 

industrie  vorfanden.  Unter  den  Germanen  waren  nur  die  Vor- 
nehmeren mit  Helmen  versehen,  die  aus  Kupfer-  und  nicht  selten 
aus  Hornplatten  bestanden,  welche  mit  eisernen  Spangen  zusammen- 
gehalten •  wurden.  Ein  solcher  aus  Horn  gebildeter  Helm  wurde  in 
einem  Grabhügel  bei  Monsyjah  in  Derbyshire  gefunden.  Derselbe 
zeigt  bereits  ein  Naseneisen,  auf  welchem  ein  Kreuz  in  Silber  er- 


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I.   Der  Helm. 


25 


sichtlich  ist.  Auf  dem  Scheitel  zeigt  sich  das  in  Eisen  geschnittene, 
deutliche  Bild  eines  Schweines.  (Fig.  2.)  Es  ist  damit  das  Original 
eines  „Eberhelmes"  gefunden  worden,  der  eine  so  bedeutende  Rolle 
in  der  heidnisch-christlichen  Übergangszeit  bei  den  Deutschen  spielt 
und  der  wiederholt  im  Beowulfliede  erwähnt  wird.  Wir  sehen  damit 
auch  die  ersten  Anfange  des  Zimiers,  dessen  deutscher  Ursprung 
sich  hier  deutlich  erweist.*) 

Vom  5.  bis  ins  9.  Jahrhundert  ist  in  den  italischen  Ländern  in 
dem  Streben,  das  Haupt  zu  schützen,  der  orientalische  Einflufs  noch 
gering,  die  Halsbrünne,  in  der  Form  einer  Kapuze,  die  mit  dem 
Haubert  in  Verbindung  kam,  wird  angenommen,  der  Helm  aber, 
besser  gesagt:  eine  Art  Eisenhaube,  kann  ihren  klassisch  antiken 
Ursprung  nicht  verleugnen.  In  den  Miniaturen  des  Psalterium 
aureum  von  St.  Gallen  vom  Ende  des  8.  Jahrhunderts  tragen  die 
Krieger  Helme  mit  weit  ausladender  Krempe  und  tiefem  Nacken- 
schirme. An  der  Stirne  ist  die  erstere  nach  aufwärts  geschnitten  und 
bildet  vorn  einen  Knopf.  Gemeine  Krieger  tragen  den  Helm  ohne 
Kamm,  vornehme  auch  mit  jenem  blattartig  geschnittenen  Kamme, 
wie  er  aus  der  Römerzeit  her  üblich  war.  Ganz  ähnlich  finden  wir  den 
Helm  in  den  Miniaturen  der  Bibel  von  San  Paolo  fuori  le  mura  vom 

9.  Jahrhundert  dargestellt,  ebenso  im  Evangelium  des  Lothar  und  in 
der  Bibel  Karls  des  Kahlen  im  Museum  des  Louvre.  Im  10.  Jahr- 
hundert wird  ersichtlich  der  antike  Einflufs  schwächer,  die  Helme 
werden  hoch  und  spitzig  mit  Nackenschirmen,  welche  beiderseits  sich 
bis  über  die  Ohren  verbreiten;  diese  kegelförmige  Gestalt  scheinen 
sie,  wie  wir  aus  dem  Manuskripte  des  Prudentius  ersehen  können, 
um  das  Jahr  1000  erhalten  zu  haben.  Bis  in  jene  Zeit  war  der 
Helm  aus  mehreren  Stücken  zusammengesetzt  und  vernietet  und  wohl 
auch  aus  Leder  gefertigt,  nur  der  Stirnreif  und  die  über  das  Scheitel- 
stück laufenden  Spangen  waren  aus  Metall,  eine  Annahme,  die  sich 
durch  zwei  in  England  gefundene  derlei  Helme  auch  bestätigt  hat. 

Es  ist  nun  einleuchtend,  dafs  eine  derartige  Kopfbedeckung  einen 
nur  geringen  Schutz  gegen  die  damaligen  Angriflswaffen  gewähren 
konnte;  sie  scheint  auch  unter  dem  Kriegsvolke  in  nicht  besonderer 
Schätzung  gestanden  zu  haben,  denn  unter  den  Germanen  war  der 
Helm  nicht  allgemein  im  Gebrauche  gewesen  und  in  Miniaturen  des 

10.  Jahrhunderts  finden  wir  häufig  das  Fufsvolk  ohne  Helm,  nur  mit 
dem  Haubert  ausgestattet.  Wesentliche  Verbesserungen  des  Helmes 
lassen  sich  erst  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  erweisen,  und  es  ist 
hier  der  orientalische  Einflufs  unverkennbar.  Wir  sehen  im  Teppich  von 
Bayeux  die  Angelsachsen  wie  die  Normanen  gleich  ausgerüstet.  Sie 
tragen  die  mit  eng  anschliefsender  Kapuze  ausgestattete  Brünne  aus 


*)  Lindenschmit ,  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  —  Beck,  Ge- 
schichte des  Eisens.  —  Beowulf,  v   305,  1464. 


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26 


L    Die  Schutzwaflen. 


Leder,  mit  Blechs tücken  oder  Ringen  benäht.  Über  der  aufge- 
schlagenen Kapuze  trägt  der  Krieger  einen  sphärisch  spitz  nach  oben 
zulaufenden  Helm,  das  Vorbild  der  späteren  Beckenhaube.  Das 
älteste  Beispiel  dieser  Form  ersehen  wir  in  dem  Helme  des  heiligen 
Wenzel  im  Schatze  des  St.  Veitsdomes  zu  Prag.  (Fig.  3.)  Er  ist 
noch  aus  mehreren  Stücken  zusammengenietet,  an  seinem  Rande 
vorn  ist  eine  Spange,  Naseneisen,  nasal,  angenietet,  rückwärts 
befindet  sich  ein  ähnlicher  breiter  Fortsatz.  Diese  Form  ist  orien- 
talisch, sie  hat  sich  unter  den  Arabern  und  den  persischen  und 
turanischen  Völkern  bis  ins  17.  Jahrhundert  erhalten.  In  den  nörd- 
lichen Ländern  und  in  Italien  treffen  wir  im  II.  Jahrhundert  den 
Helm  bei  gleichfalls  konischer  Gestalt,  meist  auch  mit  dem  Nasen- 
cisen.    Im  Norden  erblicken  wir  ihn  häufig  von  Kupfer  in  2  Hälften 


Fig.  3.  Fig.  4. 


Fig.  3.  Der  an  der  Rückseite  des  St.  Wenzel -Altars  zu  St.  Veit 
in  Prag  aufbewahrte  Helm  des  Herzogs  Wcnzeslaus  des  Heili- 
gen von  Böhmen  (ermordet  938). 

Fig.  4.  Helm  aus  getriebenem  Kupfer,  aus  zwei  getrennten 
Hälften  bestehend,  die  zusammengenietet  sind.  Die  kronenförmige  Um- 
rahmung, sowie  die  grofsc  Federhülse  tragen  Spuren  von  Vergoldung. 
Der  Helm  wurde  zu  Giez  in  der  Provinz  Posen  aus  dem  Boden  ge- 
graben, deren  Feste  1039  von  den  Böhmen  zerstört  wurde.  12.  Jahr- 
hundert.   Museum  der  Freunde  der  Wissenschaft  in  Posen. 

gefertigt  und  mit  Bronze  verziert.  (Fig.  4.)  Wiewohl  gegen  die 
Schlagwaffe  noch  nicht  ausreichend  deckend,  war  diese  Helmform 
schon  als  ein  erheblicher  Fortschritt  zu  betrachten;  es  ist  darum 
erklärlich,  dafs  sich  dieselbe  bis  ins  12.,  ja  selbst  ins  13.  Jahrhundert 
hinein  erhielt.  (Fig.  5.)  Mit  dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  erscheinen 
die  ersten  derlei  Helme  aus  einem  Stücke  getrieben.  (Fig.  6.)  Diese 
Thatsache  beweist  eine  enorme  Entwicklung  der  Waffenschmiede- 


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I.   Der  Helm. 


27 


kunst  in  jener  Zeit,  wenn  man  die  hierbei  erforderliche  Fertigkeit  in 
Betracht  zieht.  Ein  scheibenförmiges,  entsprechend  dickes  Stück  reinen 
Eisens  mufste  im  glühenden  Zustande  mittelst  schwerer  Fallhämmer 
vorerst  in  eine  konkave  Form  gebracht  und  dann  am  Ambofse 
mittelst  des  Handhammers  ausgefertigt  werden.  Diese  Kunst,  wenn 
wir  sie  so  nennen  wollen,  wurde  aber  im  Oriente  weit  vor  dem 
IO.  Jahrhundert  geübt. 

Der  Verlauf  des  12.  Jahrhunderts  ist  von  einem  fieberhaften 
Streben  begleitet,  die  Helmform  zu  verbessern.  Das  Scheitelstück 
erscheint  in  allen  Formen  sphärisch  spitz  zulaufend,  kegelförmig,  halb- 
kugelförmig, selbst  cylindrisch  mit  flacher  Decke.  Am  längsten  erhält 
sich  die  erstere  als  „normanischer  Helm",  eine  Bezeichnung,  die,  wie 
wir  oben  gesehen  haben,  nicht  ganz  zutreffend  ist.     Allen  diesen 


Fig.  5.  Fig.  6. 


Fig.  5.    Helm  Heinrichs  des  Löwen,  Herzogs  zu  Sachsen 
(gest.  1195).    Sammlung  des  Herzogs  von  Cumberland  in  Gmunden. 

Fig.  6.    Helm  aus  Eisen,   aus  einem  Stück  getrieben,  vom 
Ende  des  II.  oder  dem  Anfange  des  12.  Jahrhunderts. 

Formen  ist  das  Naseneisen  eigentümlich,  das  im  Verlaufe  immer 
länger  und  breiter  wird,  ja  in  Deutschland  tritt  selbst  die  feste  Ge- 
sichtsblende, das  Visier,  auf.  Am  deutlichsten  beobachten  wir  dieses 
Herumtasten  der  Waffenschmiede  in  den  Kopien  der  Miniaturen, 
welche  aus  dem  hortus  deliciarum  Herrads  von  Landsberg  stammen. 
Bemerkenswert  in  dieser  Periode  ist  die  allgemeiner  werdende  Sitte, 
den  Helm  mit  Gold  und  Edelsteinen  zu  verzieren. 

Inzwischen  aller  dieser  regellosen  Versuche  hatten  die  praktischen 
Erfahrungen  im  ersten  und  zweiten  Kreuzzuge  in  erstaunlich  kurzer 
Zeit   eine   Wandlung   in   der    Helraform    hervorgebracht,   wie  sie 


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28 


I.    Die  SchulzwaflTen. 


drastischer  kaum  zu  denken  ist.  Der  Helm  wird  nun  plötzlich  cylin- 
drisch  oder  auch  halbkugelförmig  und  so  umfangreich,  dafs  er  nun 
nicht  mehr  auf  der  Stirne  aufsitzt,  sondern  aufgestülpt  werden  mufs, 
wobei  das  innen  gepolsterte  Scheitelstück  auf  der  Kapuze  des  Hauberts 
lagert.  Damit  erscheint  das  Gesicht  vollkommen  durch  die  Helm- 
wand gedeckt;  um  das  Sehen  zu  gestatten,  werden  Augenlöcher 
oder  Seh  spalten  eingeschnitten;  häufig  werden  auch  Löcher  für 
den  hier  allerdings  sehr  nötigen  Luftzutritt  eingeschlagen.  Damit  war 
der  Topf  heim  geschaffen,  der  in  mannigfachen  Formenwandlungen 
von  der  Mitte  des  12.  bis  ins  14.  Jahrhundert  die  Kopfbedeckung 
des  ritterlichen  Kriegers  bildete.  Der  Topfhelm  verdankte  sein 
Entstehen    der    überaus    gefährlichen    Wirkung    der  sarazenischen 


Fig.  7.  Fig.  8. 

Fig.  7.  Topf  heim  mit  konischem  Scheitelstücke.  Übergang 
aus  dem  normanischen  Helm.  Aus  der  Kirche  zu  Faversham.  Mitte 
des  12.  Jahrhunderts.    Nach  Planchö. 

Fig.  8.  Hoher  Topf  heim  mit  Absteckvisier  und  Resten  des 
alten  Kettengehänges.  Stammt  aus  der  Kirche  in  Norfolk.  Alexandra- 
Palast.    12.  Jahrhundert.    Nach  Planen«. 

Streitkolben  und  Beile,  gegen  welche  sich  die  etwas  schwerfälligen 
Reiter  Im  Heere  der  Kreuzfahrer  anfänglich  gar  nicht  zu  wehren 
vermochten.  Die  ersten  derlei  Topfhelme  schlössen  sich  noch  ziem- 
lich der  Kopfform  an.  (Fig.  7.)  Das  einem  Thürchen  gleich  sich 
öffnende  Visier  war  vorn  aufgetrieben,  um  das  Atmen  zu  erleichtern, 
und  besafs  zum  Ausblicke  ein  Drahtgitter  oder  auch  nur  einen 
einfachen  Sehspalt.  (Fig.  8,  9.)  Die  Topfhelme  der  Franzosen 
und  Engländer  stellen  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 


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I.    Der  Helm. 


29 


mit  vollständig  flacher  Scheitelplatte  dar,  während  jene  der  Deutschen 
mehr  abgerundet  erscheinen.  (Fig.  10.)  Gleich  mit  dem  ersten 
Auftreten  der  Topfhelme  finden  sich  in  den  Handschriften  An- 
deutungen von  einer  Befestigung  an  den  Haubert  mittelst  Lederriemen. 
Häufig  wird  in  den  Gedichten  des  „Aufbindens"  der  Helme  Er- 
wähnung gethan.  Auch  die  normanischen  Helme  wurden  übrigens 
im  Nacken  mittelst  Bändern  an  die  Brünne  genestelt,  wie  wir  noch 
an  Siegeldarstellungen  ersehen  können.  Gegen  das  Ende  des  13. 
Jahrhunderts  werden  die  Scheitelplatten  konisch  und  selbst  der  ganze 
Helm  zuweilen  zuckerhutförmig  gebildet  (Fig.  11),  die  Wand  erhält  im 
Nacken  eine  leichte  konkave  Einbiegung.  Am  deutlichsten  erblicken  wir 
die  um  13  40  etwa  übliche  Form  des  Topfhelmes  in  den  Abbildungen 
des  Codex  Balduini  Trevirensis,  über  welche  wichtige  Quelle  zur 


Fig.  9.  Topf  heim  mit  Helmfenster.  12.  Jahrhundert,  Ende. 
National  Collection  in  London.    Nach  Planchl. 

Fig.  10.  Topfhelm  Eduards,  des  Schwarzen  Prinzen 
(1330— 1376),  auf  dessen  Grabmale  in  der  Kathedrale  zu  Canterbury. 
Nach  Planche\ 

Geschichte  des  Waffenwesens  wir  später  noch  zu  sprechen  haben 
werden.  In  Italien  treten  zuerst  an  Topfhelmen  die  Helmfenster 
(Luftgeber)  auf,  es  sind  dies  vierseitige  Ößhungen  von  ungefähr  10 
bis  12  Zentimeter  Seitenlänge,  welche  an  der  (heraldisch)  rechten 
Wandseite  mittelst  eines  eisernen  Thürchens  geschlossen  und  mittelst 
eines  kleinen  Riegels  gesperrt  wurden.  Auch  diese  Vorrichtung  zeugt 
wieder  von  Bemühungen,  dem  Träger  die  nötige  frische  Luft  zuzu- 
führen. 

Um  dieselbe  Periode  tritt  eine  Sitte  entschiedener  hervor,  die, 
wie  wir  bei  den  Eberhelmen  gesehen  haben,  unter  den  Deutschen 


Fig.  9. 


Fig.  10. 


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30 


I.  Die  Schutzwaffen. 


schon  durch  Jahrhunderte  üblich  gewesen  war,  die  Helme  am  Scheitel 
mit  figürlichen  Zeichen  zu  schmücken.  Diese  Zeichen  werden  nun 
höher,  auffälliger  und  haben  zunächst  den  Zweck,  den  Träger,  der 
durch  das  Visier  oder  die  Helmwand  häufig  vermummt  war,  vor  den 
Seinigen  kenntlich  zu  machen.  Das  Selbstgefühl  führte  dahin, 
dieses  Erkennungszeichen  geachtet  zu  erhalten;  es  bestand  aus  figür- 
lichen Zeichen  in  den  verschiedensten  Gestalten,  anfänglich  aus  freier 
Wahl;  später  wurden  dieselben  ein  bleibendes  Zeichen  des  Mannes 
und  seiner  Sippe  und  wurden  zur  „Wappenfigur",  als  welche  sie  auch 
auf  den  Schilden  erscheinen.    (Fig.  12,  13.) 

Diese  Zeichen,  Zimiere  (cimiers)  genannt,  bestanden  meist  aus 


Fig.  11.  Fig.  12. 


Fig.  Ii.  Topfhelm  aus  der  Kathedrale  zu  Hcreford,  später  in 
der  Sammlung  Meyrik  bewahrt.  Gegenwärtiger  Bewahrungsort  unbekannt. 
14.  Jahrhundert.    Nach  Planche\ 

Fig.  12.  Topf  heim  mit  Rest  eines  Zimiers,  das  wahrscheinlich 
einen  Adlerkopf  darstellte.   Artillerie-Museum  zu  Paris.    14.  Jahrhundert. 

getriebenem  Leder,  das  mit  Leinwand  beklebt  wurde.  Letztere  erhielt 
sodann  einen  Kreideüberzug  als  Grund  für  die  Temperamalerei  oder 
Vergoldung.  (Fig.  14).  Diese  Zimiere  bildeten  ebenso  wie  die  Holz- 
tartschen  und  Pavesen,  die  Lederparschen  für  die  Pferde,  einen  speziellen 
Arbeitsgegenstand  des  Schilterhandwerks.  Die  Spuren  von  derlei 
Zimieren  finden  sich  bei  alten  Helmen  in  den  in  den  Scheitelplatten 
ersichtlichen  Löchern.  In  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
ist   die  Ausstattung  der  Helme    mit  Zimieren  für  das   Feld  nicht 


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I.    Der  Helm. 


31 


allgemein  üblich,  wohl  aber  für  das  Turnier.  Im  Codex  Balduini 
sehen  wir  nirgends  in  den  Schlachtenbildern  zimierte  Helme,  wohl 
aber  solche  auf  Blatt  34,  wo  ein  Gestech  dargestellt  ist.  Betrachten 
wir  den  Topfhelm  vom  Gesichtspunkte  des  praktischen  Gebrauches, 
so  müssen  wir  bei  aller  Anerkennung  eines  Fortschrittes  dennoch 
zugeben,  dafs  er  dem  Träger  unausstehlich  werden  mufste.  In  der 
Sonnenhitze  lief  der  Reiter  Gefahr,  unter  seinem  Helme  zu  ersticken. 
Er  wurde  auch  in  der  That  nur  im  Kampfe  selbst  aufgestülpt, 
sonst  entweder  von  den  Knappen  in  den  Händen  nachgetragen  oder 
mittelst  einer  Kette  an  den  Sattel  gehängt,  deren  anderes  Ende  an 
dem  Haubert  befestigt  war.  Um  die  Last  desselben  leichter  zu 
tragen,  wurden  seine  Wände  derart  verlängert,  dafs  der  Helm  auf 
den  Schultern  aufsafs;  damit  war  nur  nach  einer  Richtung  hin  Ab- 
hilfe getroffen.  Die  peinigende 
Lage  führte,  wie  wir  gesehen 
haben,  schon  am  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  dahin,  die 
vordere  Helmwand  in  Ge- 
sichtsgröfse  auszuschneiden 
und  die  Öffnung  durch  ein 
bewegliches  Visier  zu  schlie- 
fsen,  das  entweder  durch 
Entfernung  der  Scharnier- 
stifte abzustecken  oder  in 
Bolzen  nach  auf-  oder  ab- 
wärts zu  schieben  war.  Da- 
durch entstand  das  auf-  oder 
ubschlächtige  Visier,  wel- 
ches häufig,  um  das  Atmen 
zu  erleichtern,  mit  Löchern 
versehen  (gelocht)  wurde. 

Der  Topf  heim  wurde  an- 
fänglich über  einer  stark  ge- 
polsterten Haube  aus  Leder  (calotte)  getragen,  später,  am  Ende  des 

13.  Jahrhunderts,  trug  der  Reiter  unter  gelbem  eine  niedere  Beckenhaube 
(bacinet),  an  welcher  ein  Maschenpanzer,  die  Halsbrünne,  befestigt 
wurde,  welche  bis  auf  die  Schultern  herabhing.  Die  älteren  derlei 
Brünnen  schliefsen  noch  dicht  an  den  Hals  an,  die  späteren  des 

14.  Jahrhunderts  fallen  gerade  herab.  Letztere  Art  war  von  ausser- 
ordentlichem Vorteile,  denn  nun  mufste  sich  jeder  Hieb  in  den  Hals 
auf  dem  lose  herabhängenden  Gewebe  bis  zur  Unschädlichkeit  ab- 
schwächen. An  einer  Seite  der  Vorderwand  des  Topfhelmes,  gemeinig- 
lich an  der  rechten,  seltener  an  beiden  Seiten,  finden  sich  kreuzartig 
ausgeschnittene  Löcher;  dieselben  dienten,  um  den  Helm  an  den 
Haubert  zu  befestigen  (Fig.  10);  dies  erfolgte  mittelst  einer  Kette,  an 


Fig.  13. 

Fig.  13.  Helm  mit  Zimier  des  Königs 
Jakob  I.  von  Arragonien  (1206 — 1276). 
Orientalisierend.    Armeria  Real  zu  Madrid. 


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32 


L    Die  SchutzwarTen. 


deren  Ende  sich  ein  Knebel  befand,  der  durch  das  Loch  gezogen 
wurde. 

Es  ist  interessant,  die  mannigfachen  Bestrebungen  zu  verfolgen, 
welche  dahin  zielten,  ein  so  plumpes,  schweres  Rüststück,  wie  es  der 
Topf  heim  darstellt,  für  den  Träger  leidlicher  zu  gestalten,  ohne  die 
vermeinten  Vorteile  einzubüfsen.  Schon  im  2.  Kreuzzuge,  zu  welcher 
Periode  die  ersten  Topfhelme  von  noch  geringen  Dimensionen  vor 
Augen  treten,  sahen  sich  die  Reiter  genötigt,  über  den  Helm  einen 
Leinenstoff  zu  breiten,  um  die  Erhitzung  des  Eisens  im  Sonnenbrande 
wenigstens  zu  mäfsigen.  (Fig.  15.)  Dieser  weit  über  die  Schultern  herab- 
wallende Stoff,  die  Helmdecke,  wurde  bei  längerem  Tragen  unter  dem 
Einflüsse  der  Witterung  und  des  Lagerlebens  beschädigt.    Die  Schufs- 


Fig.  14  a.  Topf  hei  m  mit  Zitnier  von  einer  kleinen  Rciterstatuette, 
ausgegraben  auf  der  Insel  Tcxel.  Anfang  des  14.  Jahrhunderts.  Samm- 
lung J.  P.  Six  in  Amsterdam.    Nach  van  der  Kellen. 

Fig.  I4b.  Rückseite. 

fäden  trennten  sich  und  es  wurde  daraus  ein  an  den  Rändern  viel- 
fältig eingerissenes  schmutziges  Gewebe.  Wie  später  die  Fahne,  so 
bildete  damals  eine  verrissene  Helmdecke  ein  den  Ritter  ehrendes 
Zeichen  seiner  Tapferkeit.  Sie  wurde  mit  dem  Helme  und  später 
dem  Zimiere  typisch  für  den  adeligen  Reiter,  ein  Attribut  seiner 
Mannhaftigkeit,  die  Kunst  nahm  diese  herabhängenden  Fetzen  als 
stilistisches  Motiv  für  ihre  Darstellungen  und  so  entstand  die  gezottete 
oder  „gezaddclte"  Helmdecke  (lambrequin),  wie  wir  sie  an  heraldischen 
Darstellungen  vom  14.  Jahrhundert  ersehen.  Zuletzt  wurden  selbst 
neu  gefertigte  Hclmdecken  nicht  anders  als  am  Rande  ausgezackt 
getragen,  so  sehr  hatte  sich  eine  ehrwürdige  Tradition  eingelebt.  Am 


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i.   Der  Helm. 


33 


Ende  des  13.  Jahrhunderts  schien  manchem  einzelnen  die  Beckenhaube 
mit  der  Halsbrünne  für  seinen  Schutz  genügend,  aber  der  Topfhelm  aus 
den  Kreuazügen  war  der  Stolz  des  Ritters  geworden,  ein  Standes- 
zeichen gegenüber  dem  geraeinen  Söldner  oder  Knappen  unter  der 
Eisenhaube.  Da  gab's  viele  und  zumal  ältere,  welche  über  der 
Beckenhaube  einen  Topf  heim  aus  Leder  trugen,  der  mit  Spangen 
von  Eisen  und  Metall  verstärkt  war.  Aber  auch  die  mannhaftesten 
litten  unsäglich  unter  dem  Drucke  des  riesigen  Topfhelmes  und 
trachteten,  sein  Auflager  auf  einen  anderen  Punkt  als  den  Scheitel 
zu  übertragen.  Damit  entstanden  die  Lederwülste  rings  um  die  Becken- 
haube, auf  welchen  der  Helm  nun  aufruhte.  Die  Kunst  bemächtigte 
sich  auch  dieser  simplen  Beigabe  und  stattete  sie  in  schöner  Zeich- 


Fig.  15.  Fig.  16. 


Fig.  15.  Topfhelm  mit  halbem  Flug  als  Zimier  und  Helm- 
decke. Von  einem  Schilde  König  Wenzels  von  Böhmen  aus  der 
Manessischen  Handschrift  nach  von  Eye,  „Kunst  und  Leben  der  Vor- 
zeit".   14.  Jahrhundert. 

Fig.  16.  Helm  des  Georg  Castriota,  Fürsten  von  Albanien, 
genannt  Skanderbeg  (1403 — 1466).  Orientahsierend.  Das  Scheitelstück 
aus  blankem  Eisen,  die  Helmbinde  wie  das  Zimier  aus  Kupfer,  teils 
vergoldet    Auf  der  Binde  liest  man  in  gotischen  Bandminuskeln 

tn+pe+ra+to+re+bt 

(Ihesus  Nazarenus  +  Principi  Emathiae  +  Regi  Albanlae  +■  Terrori  Os- 
manorum  +  Regi  Epiri  +  Benedicat.)  Der  Ziegenkopf  als  Zimier  weist 
auf  ältere  Zeit  als  das  15.  Jahrhundert. 

nung  mit  reichen  Stickereien  aus.  Sie  wurde  zur  Helmbinde,  die 
später  nur  noch  eine  dekorative  Bedeutung  hatte.    (Fig.  16.) 

Um  den  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  beginnt  der  Topfhelm 

Boeheim,  Waffenkunde.  3 


34 


I.  Die  Schutzwaficn. 


im  Gefechte  seltener  zu  werden.  Man  ging  nach  anderthalb  Jahr- 
hunderten wieder  zum  alten  normanischen  Helme  zurück,  den  man  nun 
nach  den  waltenden  Verhältnissen  und  den  gewonnenen  Erfahrungen 
allmählich  umformte.  Derselbe  wurde  in  seinem  Umfange  gröfser 
gestaltet,  so  dafs  er  nun  nicht  mehr  auf  der  Stirne  aufsafs,  sondern 
tiefer  in  den  Nacken  reichte;  an  der  Vorderseite  wurde  die  Glocke 
ausgeschnitten,  so  dafs  das  Gesicht  bis  an  die  Stirne  frei  war;  ebenso 
war  dieselbe  auch  im  Nacken  leicht  ausgeschnitten  (Fig.  17.)  An 
den  Seitenrändern  wurde  die  Halsbrünne  mittelst  einer  durch  Kloben 
gezogenen  Drahtschnur  befestigt.  Diese  Halsbrünne  bestand  aus 
einem  Geflechte  aus  genieteten  Eisenringen,  dem  sogenannten  Panzer- 
oder Mufszeug,  und  fiel  vorn  und  rückwärts  über  den  Hals  herab. 


Fig.  17-  Fig.  18. 


Fig.  17.  Beckenhaube  (bacinet)  mit  Kloben  zur  Befestigung 
der  Helmbrünne  und  der  Nasenbandschliefse  (breteche).  14.  Jahrhundert, 
Mitte.    Italienisch.    Musco  Poldi-Pezzoü  in  Mailand. 

Fig.  18.  Beckenhaube  mit  aufgeschlagenem  Nasenband.  ^.Jahr- 
hundert nach  Viollet-le-Duc. 

Vorn  war  sie  nur  soweit  ausgeschnitten,  dafs  das  Gesicht  bis  zum 
Kinne  frei  blieb.  Am  Punkte  des  Kinnes  setzte  sich  ein  Lappen, 
das  Nasenband  (breteche),  fort,  an  welches  ein  nach  der  Nasen- 
form getriebenes  Blechstück  sich  reihte.  Dieser  Lappen,  im  Gefechte 
hinaufgeschlagen  und  an  der  Stirne  an  einem  Kloben  befestigt,  deckte 
das  Gesicht  mit  Ausnahme  der  Augen.  (Fig.  18.)  Diese  Nasen- 
bänder, vorwiegend  in  Deutschland,  doch  auch  da  nicht  allgemein 
üblich,  erscheinen  um  1330  und  verschwinden  um  1370.  Die 
sicherste  Deckung  des  Gesichtes  wurde  aber  seit  dem  Anfange 
des  14.  Jahrhunderts  in  dem  Visiere  gefunden,  welches  nun  immer 


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I .  Der  Helm. 


35 


häufiger  und  zuletzt  um  1400  allenthalben  an  den  Beckenhauben 
getroffen  wird.  Ist  es  am  Stirnteile  an  einem  Scharniere  befestigt, 
dann  heifst  es  Klappvisier,  (Fig.  19),  oder  an  den  Seiten  unbeweg- 
lich, aber  durch  Entfernung  von  Stiften  abzulegen,  dann  benennt 
man  es  Absteckvisier,  oder,  um  seitlich  angebrachte  Bolzen  laufend, 
auf-  oder  abschlächtig.  Auf  dem  Grabmale  des  Aymer  de  Valence, 
Earl  of  Pembrocke,  von  1323  in  der  Westminsterabtei  finden  wir  den 
Visierhelm  bereits  vollständig  ausgebildet. 

In  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  kommt  für  die  mit  Visier 
versehenen  Beckenhauben  die  von  der  damaligen  Kopftracht  her- 
geleitete Bezeichnung  Gugel  auf.  Solche  des  leichteren  Atmens 
halber  mit  spitz  vorgetriebenen  Visieren,  welche  eine  der  Hunds- 


Fig.  19.  Fig.  2a 


Fig.  19.  Beckenhaubc  mit  Kloben  für  die  Helmbrunne  und 
schnauzenförmig  vorgetriebenem  Klappvisier.  Der  Unterrand  des  Seh- 
spaltes ist  gezahnt,  um  ein  Hineingreifen  zu  erschweren.  Italienisch. 
Ende  des  14.  Jahrhunderts.  Sammlung  J.  H.  von  Hefner-Alteneck  in 
München. 

Fig.  20.  Hunds  gugel  mit  Absteckvisier  aus  der  Wende  des 
14.  Jahrhunderts.  Schweizerisch. 

schnauze  ähnliche  Form  besafsen,  wurden  darum  Hundsgugeln 
genannt.  Sie  erscheinen  von  ca.  1350  bis  in  den  Anfang  des 
15.  Jahrhunderts.  (Fig.  20.)  Bekannt  ist  der  sogenannte  Gugler- 
krieg  1375f  m  welchem  Ingram  von  Conzi  mit  18000,  mit  Becken- 
hauben (Gugeln)  ausgerüsteten  Knechten  die  althabsburgischen  Erb- 
güter zu  Aargau  angriff.  Und  in  den  fasti  Limpurgenses  heilst  es 
unter  dem  Jahre  1389:  „Die  hundskugeln  führten  ritter  und  knecht, 
burger  und  reisige  Ieut."    (Fig.  21.) 

3' 


36 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  erscheint  eine  ähnliche 
Helmform  mit  hundsschnauzenförmigem  Visier;  das  Scheitelstück  ist 
ganz  der  Beckenhaube  nachgebildet,  nur  setzt  sich  an  selbe  ein  steifer 
Bart  und  ein  Nackenstück  derart  fort,  dafs  der  Helm  eigentlich  auf 
den  Schultern  aufsitzt  Die  Form  wird  dadurch  erklärlich,  wenn 
man  entdeckt,  dafs  diese  Verlängerungen  nach  abwärts  auf  Brust  und 
Rücken  eigentlich  nichts  anderes,  als  einen  Ersatz  der  Halsbrünne 
darstellen.  Die  Form  ist  allerdings  italienisch,  aber  man  irrt  in  Frank- 
reich, wenn  man  sie  dort  Aquilee  nennt.  Die  Helme  von  Aquilea 
fanden  bereits  am  Schlüsse  des  13.  Jahrhunderts  ihr  Ende.  Nicht  weniger 
irrt  man,  wenn  man  sie  schlechtweg  Bacinets  benennt;  am  treffendsten 
bezeichnet  man  sie  als  grofse  Beckenhaube:  Grand  Bacinet.  Helme 

mit  Visieren,  die  einer 
Hundsschnauze  ähnlich  ge- 
bildet sind,  werden  noch 
bis  etwa  1540  getragen. 
Bekannt  ist  der  derart  ge- 
staltete Helm  Kaiser  Fer- 
dinands I.  in  der  kaiser- 
lichen Sammlung  zu  Wien, 
der  um  1530  von  Jörg 
Säusenhofer  in  Innsbruck 
gefertigt  wurde. 

War  der  Topf  helm  aus 
dem  Heere  verschwunden, 
so  bildete  er  doch  noch 
ein  wichtiges  Attribut  des 
Fl8-  21  •  Rittertums    und   fand  in 

Fig.  31.  Hundsgugel  mit  Absteckvisier  geringen  Formenwandlun- 
vom  Anfange  des  15.  Jahrhunderts.    Deutsch.         gen  seine  Verwendung  im 

Turnier,  beziehungsweise 
im  Gesteche  bis  ins  16.  Jahrhundert,  von  da  an  verwandelt  er  sich 
in  den  neuen  Siechhelm,  der  wieder  in  seiner  Form  sich  dem  ge- 
schlossenen Helme  nähert. 

Die  Kopfbedeckung  des  Ritters  war  bisher  von  jener  des 
Hörigen  und  gemeinen  Söldners  wesentlich  verschieden.  Der  Fufs- 
knecht,  der  Bogen-  oder  Armrustschütze  trug  vom  12.  Jahrhundert 
an  eine  weit  weniger  komplizierte  Kopfbedeckung,  die  Eisenhaube, 
(isenhut,  chapel),  die,  unwesentliche  Varianten  ungerechnet,  die  Form 
eines  tiefen  Beckens  mit  verschieden  breitem  Rande  besafs.  (Fig.  22.) 
Vom  14.  Jahrhundert  an,  als  das  Fufsvolk  allgemach  wieder  zur 
Bedeutung  gelangte  und  die  adligen  Herren  den  Söldnern  zu 
schmeicheln  begannen,  da  trugen  selbst  die  Könige  zuweilen  die 
Eisenhaube,  doch  zumeist  mit  dem  Barte  (ba viere)  zur  Deckung 
der  unteren  Gesichtshälfte.   (Fig.  23.)    Von  der  Form  der  am  Ende 


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I.    Der  Helm. 


37 


des  14.  Jahrhunderts  in  Frankreich  getragenen,  chapels  de  Montauban, 
sind  wir  nicht  genau  unterrichtet. 

Die  Eisenkappe  verschwindet  erst  um  die  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts.   Im  letzten  Stadium  ihres  Bestehens  von  1520  an  kommt 


Fig.  22. 


Fig.  22.    Eisen  hu  t  mit  flachem  Grat  und  breiten,  tief  herab- 
reichenden Krempen.    Augsburger  Arbeit.    15.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 

sie  in  den  Landsknechtherren  ihrer  Bequemlichkeit  wegen  ungemein 
zur  Beliebtheit,  und  wird  als  niedere,  leichte  Haube  mit  einem  wie 
noch  heute  üblichen  Sonnenschirme  getragen.    (Fig.  24.) 


Fig.  23.  Eisenkappe  von  einem  Harnische,  in  welchen  gekleidet 
König  Maximilian  I.  1480  in  Lützelburg  eingeritten  war.  Deutsch. 

Um  das  2.  Jahrzehnt  des  15.  Jahrhunderts  rinden  wir  in  der 
Ritterschaft  plötzlich  eine  ganz  neue  Helmform,  den  Kugel  heim 
(bicoquet).  Aus  Italien  herübergekommen,  ist  er  eigentlich  doch 
nichts  anderes,  als  ein  Topf  heim  mit  grofsem  Visier  und  eingezogenen 


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38 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Halswänden.  Aber  in  der  Form  lag  ein  entschiedener  Vorteil,  der 
Helm  safs  auf  Brust  und  Schultern  auf  und  wurde  auf  Brust  und 
Rücken  mittelst  Riemen  befestigt  Der  Kopf  bewegte  sich  frei  in 
dieser  Eisenkugel  und  die  Schlage  der  Kürifsbcngel  konnten  ihm  nur 
wenig  anhaben.  Trotzdem  verschwinden  sie  um  1470  bereits,  viel- 
leicht ihrer  Plumpheit  halber,  vielleicht,  weil  die  Schlagwaffen  all- 
mählich seltener  wurden.  Schon  mit  der  Beckenhaube  erscheint  um 
1350  eine  Deckung  der  unteren  Gesichtshälfte  durch  ein  Kinnreff, 
das  zuweilen  steif,  oft  aber  aufschlächtig  ist.  Bildet  diese  Deckung 
keinen  Bestandteil  des  Helmes,  so  dafs  sie  an  der  Brust  mittelst 
Riemen  oder  Vorsteckkloben  haftet,  dann  bezeichnet  man  dieselbe 
als  Bart  (baviere). 


Fig.  24. 


Fig.  24.  Eisenkappe  mit  vergoldeten  Ätzungen.  Wcchsclstück 
zu  einem  Harnische  des  Konrad  von  Bemelherg.  (1494 — 1567.) 
Arbeit  des  Plattners  Valentin  Siebenbürger  in  Nürnberg,  die  Ätzungen 
von  Albert  Glockendon  um  1532. 

Gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  wird  die  Beckenhaube 
allmählich  oben  flacher  und  mehr  der  Kugelform  sich  annähernd 
gebildet  Der  Teil  im  Nacken  wird  ausgeschweift  und  von  1420 
etwa  an  bildet  sich  ein  leichter  Grat  über  den  Scheitel,  damit  ent- 
steht eine  ganz  neue  Helmform,  die  Schal  lern  (schelern,  salade), 
welche  bis  ans  Ende  des  Jahrhunderts  unter  Rittern  und  Söldnern 
sich  einer  grofsen  Beliebtheit  erfreute.  Der  Name  Schallern  schreibt 
sich  ohne  Zweifel  von  dem  deutschen  Worte  Schale  her  und  be- 
deutet eigentlich  dasselbe  wie  Beckenhaube.    (Fig.  25,  26,  27.) 


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I«   Der  Helm. 


39 


Die  italienische  Schallern  ist  von  der  deutschen  erheblich  ver- 
schieden. Erstere  hat  in  lebhafterer  Erinnerung  an  die  Antike  mehr 
die  Form  eines  römischen  oder  griechischen  Helmes,  manche  mit 
schmalen  Ausschnitten  für  Nase  und  Augen,  gleich  den  Hopliten- 
helmen,  wie  die  venetianische  Schallern.  Die  deutsche  Schallern  ist 
im  Nacken  weit  nach  rückwärts  gezogen  und  besitzt  zuweilen  auch 
seitlich  weit  abstehende  Wände.  Das  Gesicht  ist  mit  einem  auf- 
schlächtigen  Visier  gedeckt,  welches  einen  Sehspalt  besitzt,  dessen 
Unterrand  so  weit  vorragt,  dafs  ein  Hieb  oder  Schlag  nicht  bis  ans 
Auge  dringen  kann.  Um  1500  erscheinen  die  Nackenschirme 
geschoben.    Die  deutschen  Schallern  verschwinden  schon  vollends 


Fig.  25.  Italicnische,  sogenannte  lucchesische  Schallern 
mit  getriebenen  und  vergoldeten  Verzierungen.  Die  dargestellte  Binde 
ist  mit  Spitzen  besetzt  und  mit  geätzten  Minuskelbuchstaben  geziert, 
die,  unlesbar,  nur  als  Dekorationdienen.  15.  Jahrhundert  Ende.  Museum 
zu  Zarskoe-Selo. 

Fig.  26.  Deutsche  Schallern  mit  aufschlächtigem  Visier  von 
einem  Harnische  des  Erzherzogs  Sigmund  von  Tirol.  Der  Rand  ist 
mit  verzierten  Messingstreifen  geziert.  Der  zugehörige  Bart,  welcher  am 
Bruststück  haftet  und  einmal  abschlächtig  ist,  wurde  in  der  Figur  an- 
gedeutet. 

um  1520,  die  italienischen  erhalten  sich  das  ganze  16.  Jahrhundert 
hindurch.  Die  Schal  lern  waren  nicht  immer  von  Eisen  gefertigt. 
In  der  Schlacht  bei  Azincourt  14 15  waren  nach  dem  Berichte  eines 
Augenzeugen  derselben,  Saint-Remv,  die  berühmten  englischen  Bogen- 
schützen mit  capelines  (Saladen)  von  gesottenem  Leder  (cuir  bouilli) 
ausgerüstet. 


Fig.  25. 


Fig.  26. 


40 


I.   Die  Schußwaffen. 


Ein  wesentliches  Begleitstück  der  deutschen  Schallern  bildete 
der  an  die  Brust  mittelst  Federkloben  befestigte  Bart,  welcher,  wie 
erwähnt,  die  untere  Hälfte  des  Gesichts  bis  an  die  Augen  deckte. 
Vornehme  trugen  in  Städten  den  Bart  aus  Leder  gefertigt  und  mit 
Stoff  überzogen.  Um  1480  tragen  deutsche  Edelleute  und  auch 
Söldner  schallernförmige  Hauben,  die  aus  einem  Gerüste  aus  Blech  - 
bändem  bestanden,  welche  mit  rauhem  Plüsch  oder  Pelzwerk  über- 
zogen wurden.  In  den  Zeugbüchern  des  Kaisers  Maximilian  I.  finden 
sie  sich  abgebildet*)  mit  und  ohne  Visiere.  Ähnliche  Hauben  werden 
als  „Gattert  hirnhauben"  in  der  Zahl  von  400  in  dem  Inventar 
des  Zeughauses  zu  Wien  1 5 1 9**)  angeführt  mit  der  Bezeichnung  „auf 
fuefsknecht".  In  einem  Bildkodex  vom  Schlosse  Tetschen  a.  d.  Elbe 

trägt  eine  solche  aber  auch 
ein  Reiter  mit  den  Gesichts- 
zügen Kaiser  Maximilians.***) 
(Fig.  28a  und  b.) 

Wenn  auch  den  Angaben 
der  älteren  Schriftsteller  und 
Chronisten  insofern  nicht  im- 
mer zu  trauen  ist,  dafs  sie 
mit  dem  Namen  Saladen 
oder  Schallern  oft  ganz  ver- 
schiedenartige Helme  belegen, 
ohne  scharf  zu  unterscheiden, 
weil  eben  diese  Bezeichnung 
allgemein  wurde,  wie  bei- 
spielsweise der  Name  Pickel- 
haube heute  für  eine  ganz 
andere  als  die  ursprüngliche 
Helmform    gebraucht   wird ; 


Fig.  27. 

Fig.  27.  Italienische  Schallern  eines 
Fufsknechtes  vom  Anfange  des  15.  Jahrhunderts.   ~  '"~ 

Museo  Poldi-Pezxoli  in  Mailand.  der  ihr  verwandte  Eisenhut 

in  den  deutschen  Söldner- 
scharen, wie  auch  unter  den  Schweizern  im  15.  Jahrhundert  all- 
gemein im  Gebrauch  gestanden.  In  Frankreich  führten  sie  unter 
Karl  VII.  die  königlichen  Bogenschützen,  von  Ludwig  XI.  an  auch 
die  leichten  Reiter.  Als  Kopfbedeckung  der  Chevauxlegers  erhält 
sie  sich  bis  in  die  Zeit  Ludwigs  XIII.  Maximilian  I.  bezeichnet  die 
wällische  Schallern  in  seinem  Memorienbuche  von  1502  als  Aus- 
rüstungsstück für  den  Büchsenschützen  zu  Rofs,  also  wieder  für  den 
leichten  Reiter.    Häufig  findet  sich  die  Bezeichnung  „Lucchesische 


*)  Bibliothek  der  kunsthist.  Sammlungen  des  kaiserlichen  Hauses.  Wien. 
•*)  Reichsfinanzarchiv  in  Wien.    Fasz.  31. 
***)  Grfl.  Thun-Hohensteinsche  Fideikommifs-Bibliothck  in  Schlofs  Tetschen 
a.  d.  Elbe. 


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I.   Der  Helm. 


41 


Schallern",  womit  wirklich  eine  italienische  Schallern  verstanden  ist, 
nicht  selten  aber  der  Name  „tartarische  Schallern",  der  auf  einer 
Verwechselung  mit  der  orientalischen  Sturmhaube  beruht.  In  Italien 
und  später  auch  in  Frankreich  werden  die  Schallern  zum  Schutze 
der  Ohren  an  den  Seiten  mit  scheibenförmigen  Platten  ausgestattet. 
Mit  dieser  Beigabe  ist  der  Übergang  der  Schallern  in  die  Sturmhaube 
eingeleitet. 

Von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  bildet  sich  allmählich  der 
geschlossene  Helm  älterer  Form,  mittelhochd.  haubtharnasch, 
franz.  heaume,  ital.  elmo.  Die  älteste  Übergangsform  entwickelt  sich 
aus  der  späteren  Beckenhaube.  Die  Konstruktion  derselben  ist  ver- 
schieden, doch  charakterisieren  sich  alle  durch  das  eingezogene 
Nackenstück,  durch  zwei  seitlich  an  Scharnieren  befestigte  Backen- 
stücke, welche  vorn  am  Kinn  geschlossen  werden  und  ein  sogenanntes 
zweiteiliges  Kinnreff  bilden,  durch  ein  quer  gekehltes  oder  spitz 


Fig.  28. 


Fig.  28  a.  Eiseng  es  teile  (calotte)  von  einer  mit  Pelzwerk 
überzogenen  Haube  mit  nach  aufwärts  zu  schiebendem  Visier. 

Fig.  28b.  Mit  Pelzwerk  überzogene  schallernförmige 
Haube.  Zeugbücher  des  Kaisers  Maximilian  von  1514.  Zeug  von 
Tirol.    15.  Jahrhundert  Ende. 

vorspringendes  aufschlächtiges,  dabei  aber  auch  abzusteckendes  Visier, 
endlich  einen  mit  dem  Visier  in  gleicher  Welle  laufenden  Stirn  stülp, 
welcher  die  Stirnpartie  des  Scheitelstückes  verstärkt  und  auch  die 
offene  Stelle  an  den  Augen  bei  vorspringenden  Visieren  schliefst. 
Im  Nacken  wurde  weiters  an  einem  Stifte  eine  kleine  Scheibe  an- 
gebracht, die  sogenannte  Stiel  Scheibe.  Sie  hatte  vermutlich  den 
Zweck,  dafs  der  nach  rückwärts  stürzende  Träger  nicht  unmittelbar 
auf  das  Hinterhaupt  fallen  konnte.  In  der  Zeit  des  Überganges 
sind  derlei  geschlossene  Helme  älterer  Form  noch  mit  einem  Stück 
Panzerzeug  am  Unterrande  ausgestattet;  man  trennte  sich  eben  schwer 
von  der  gewohnten  Helmbrünne.  (Fig.  29a  und  b.)  Diese  Beigabe 
verliert  sich  im  16.  Jahrhundert  mit  dem  Auftreten  des  Harnisch- 
kragens. 


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42 


I.   Die  Schutz waffcn. 


Auf  den  ältesten  Helmen  des  16.  Jahrhunderts  befindet  sich 
nur  eine  über  das  Scheitelstück  von  vorn  nach  rückwärts  laufende, 
wulstförmige  Erhöhung,  die  ersten  Anfänge  des  Kammes.  In  der 
Folge  wird  diese  immer  höher  aufgetrieben  und  wird  damit  zum 
ausgesprochenen  Kamme.  Um  1570  wächst  der  Kamm  besonders  in 
Italien  zu  riesiger  Höhe.  Eine  barocke  Phantasie  führt  dahin,  die 
Visiere  auch  in  Form  eines  abschreckenden  Antlitzes  zu  bilden;  man 
hiefs  derlei  Visiere  Teufelsschembart.  Überhaupt  führten  die 
damaligen  Helmvarianten,  hauptsächlich  nach  der  Gestalt  der  Visiere, 
eigene  Namen  wie  Totenkopf,  Affen  visier  u.  dergl.    (Fig.  30.) 

Um  1500  wird  der  geschlossene  Helm  in  seiner  Zusammen- 
setzung wesentlich  vereinfacht   Die  Öffnung  desselben  erfolgt  lediglich 


a.  Fig.  29.  b. 


Fig.  29a.  Geschlossener  Helm  ältester  Form  mit  absteck- 
barem  aufschlächtigen  Visier,  Anschnallbart  und  Stielscheibe.  Den 
Hals  deckt  noch  ein  I'anzergehänge ,  eine  Art  Halsbrünne.  Um  1490. 
Italienisch.    Armeria  Reale  zu  Turin.  Seitenansicht. 

Fig.  29b.  Rückseite  mit  geöffneten  Backenstücken  und  ge- 
öffnetem Visier. 

von  dem  seitlichen  Visierkloben  aus,  indem  Kinnreff  und  Visier  auf- 
geschlagen den  Raum  geben,  um  beim  Aufsetzen  den  Kopf  durch- 
zulassen. Das  Nackenstück  erscheint  nun  geschoben,  die  Stielscheibe 
verschwindet.  Aus  dieser  Übergangsform  bildet  sich  um  1530  der 
geschlossene  Helm  neuerer  Form.  An  Maximilianshamischcn  sehen 
wir  den  Helm  von  der  einfachsten  Konstruktion.  Eigenartig  erscheint 
derselbe  durch  sein  rückwärts  sehr  stark  ausgetriebenes  Scheitelstück, 


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I.    Der  Helm. 


43 


um  der  stark  gefütterten  „Helmhaube"  Raum  zu  bieten.  Das  mehr- 
mals quer  gekehlte  Visier  verbreitet  sich  auch  über  die  Stirnpartie, 
wodurch  der  Stirnstulp  überflüssig  wird.  Das  Kinnrefif  ist  in  der 
Mehrzahl  zweiteilig.  (Fig.  31.)  An  geschlossenen  Helmen  älterer 
Form  kommen  zuerst  die  doppelten  Visiere  zur  Anwendung.  Zwei 
übereinander  stehende  Visiere,  von  welchen  das  untere  gewöhnlich 
ein  Spangen  visier,  oder  doch  breiter  durchlocht  ist. 

Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  entsteht  der  Harnischkragen 
und  fast  gleichzeitig  damit  kam  man  auf  die  Idee,  diesen  mit  dem 
Helme  in  Verbindung  zu  bringen.  Man  trieb  den  Unterrand  des 
Helmes  rinnenartig  auf  und  erzielte  dadurch,  dafs  die  aufgeworfene 
Oberkante  des  Kragens  innerhalb  dieser  Rinne  sich  bewegte,  eine 


Fig.  30.  Fig.  31. 


Fig.  30.  Burgundischer  Helm  (bourgignot)  mit  Teufels- 
schembart und  seitlich  angesetzten  Flügeln.  Polnisch.  Um  1510.  Ar- 
meria Reale  zu  Turin. 

Fig.  31.  Geschlossener  Helm  zu  einem  Maximilians-Harnische 
gehörig,  mit  Kinnreff,  auf-  und  abschlächtigem  Visier.  Cbergangsform 
aus  der  Schallern.    Projekt  des  Kaisers  Maximilian  um  15 10. 

sichere  Verbindung  beider.  Derlei  Helme,  welche,  wie  es  in  der 
gleichzeitigen  Sprache  heifst,  „im  kragen  umbgeen",  nennt  man  bur- 
gundische Helme  (bourgignots,  borgognotas)  *).  Um  diese  Zeit 
bildet  sich  jene  Visierform  heraus,  welche  bis  an  das  Ende  des 
Jahrhunderts  allenthalben  üblich  blieb,  nämlich  aufschlächtig  mit 
weit  und  spitz  vorspringenden  Wänden,  in  welche  oberhalb  in  einer 

•)  Nicht  zu  verwechseln  mit  bourgignottc ,  was  Sturmhaube  bedeutet. 


44 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Kehlung  der  Sehspalt  geschnitten  wurde.  In  der  Konstruktion  zur 
Öffnung  des  Helmes  hat  der  burgundische,  wie  wir  an  den  Figuren 
ersehen,  genau  die  Wandlungen  des  geschlossenen  Helmes  mit- 
gemacht.   (Fig.  32.) 

Um  1530  tritt  uns  eine  andere  Form  vor  Augen,  die  sich  von 
15 10  an  allmählich  aus  der  spätesten  Form  der  italienischen  Stech- 
helme herausgebildet  hatte,  der  geschlossene  Helm  neuerer  Form. 
Derselbe  besitzt  im  ganzen  die  Form  des  burgundischen,  nur  steht 
er  mit  dem  Kragen  nicht  in  mechanischer  Verbindung  und  sind  an 
der  vorderen  Seite  unterhalb  mehrere  geschobene  Schienen,  die  Hals- 
reifen,  an  der  rückwärtigen  die  Nackenreifen  angefügt  Der 
Hauptunterschied  aber  besteht  in  der  Art  der  Zusammensetzung  der 


Fig.  32. 


Fig.  33. 


Fig.  32.   Burgundischer  Helm  von  einer  Harnischgarnitur  des 
Ferdinand  I.  um  1530.    Blank  mit  schwarz  geätzten  Ver- 
zierungen. 

Fig.  33-  Geschlossener  Helm  mit  niederem  Kamm,  Kinnreff, 
Visier,  aufstellbarem,  mit  Deckel  zu  schliefsendem  Stirnstulp.  Hals-  und 
Nackenreifen  sind  dreimal  geschoben.  Von  einem  Harnische  des  Erz- 
herzogs Ferdinand  von  Tirol  (Harnisch  mit  den  Adlern).  Arbeit 
des  Jörg  Seusenhofer  in  Innsbruck  von  1547. 

einzelnen  Teile.  Er  öffnet  sich  nämlich  an  den  beiden  Seiten 
dadurch,  dafs  das  Visier  mit  dem  unterhalb  liegenden,  abschlächtigen 
ganzen,  d.  i.  aus  einem  Stücke  bestehenden  Kinn  reff,  welche  beide 
um  die  Welle  des  Visierbolzens  laufen,  nach  aufwärts  geschoben 
wird;  so  geöffnet  wird  der  Helm  auf  den  Kopf  gestülpt.   Auch  hier 


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I.   Der  Helm. 


45 


ist  dem  Visier  und  dem  Kinnreff  noch  ein  drittes  Stück  beigegeben, 
das  sich  im  Vereine  mit  beiden  bewegt,  der  Stirnstulp.  Zum 
Erheben  des  Stimstulps  dient  ein  an  der  rechten  Seite  der  Visier- 
wand befindlicher  Kloben.  Wird  auch  das  Visier  aufgeschlagen, 
dann  wird  es  auf  ein  eisernes  Stängelchen,  Stützstange,  aufgestützt, 
welches  an  der  rechten  Seite  des  Kinnreffs  befestigt  ist  und  das 
Zurückfallen  des  Visiers  und  des  Stimstulps  hindert.  Häufig,  und 
besonders  an  auch  fürs  Turnier  gebrauchten  Helmen,  befindet  sich 
an  der  rechten  Seite  eine  Sperre,  welche  das  Visier  und  den  Stirn- 
stulp, zuweilen  auch  das  aufschlächtige  Kinnreff,  in  geschlossener 
Stellung  erhält  Soll  der  Helm  geöffnet  werden,  so  mufs  an  einem 
Lederriemchen  gezogen  werden,  welches  aus  einer  Öffnung  in  der 


Fig.  34.  Reiterhelm,  sogenannte  „Burgundcrkappe"  vom  Ende 
des  16.  Jahrhunderts.  Niederländisch.  Waffensammlung  Schloss  Am- 
bras in  Tirol. 

Fi?»  35-  Geschlossener  Helm  mit  gelochten  BackenstUcken 
und  Visier  von  einem  Ilamische  des  Kaisers  Maximilian  I.   Um  1500. 

rechten  Visierwand  hervorsteht.  Der  Mechanismus  besteht  in  einer 
einfachen  Feder  im  Inneren,  die  beim  Anziehen  einen  Sperrstift  frei 
macht  Bemerkenswert  erscheint  die  Form  des  Visiers,  wie  sich 
selbe  vom  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  herausgebildet  hatte.  Die 
beiden  Wände  erheben  sich  zu  einer  am  oberen  Rande  auslaufenden 
Spitze,  die  besonders  um  1550  scharf  hervortritt,  wobei  die  Wände 
leicht  konkav  geschweift  nach  aufwärts  streben.  Die  Form  ist  keine  will- 
kürliche, sondern  das  Ergebnis  der  Erfahrung  und  des  Nachdenkens. 
Die  Richtung  nach  vorwärts  erhielt  es  zum  Schutze  der  Augen  vor 
Schwert-  und  anderen  Hieben,  dadurch  ergab  sich  eincatspfl^flsa^er 


F'g-  34- 


Fiß-  35. 


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46 


I.   Die  Schutzwaflcn. 


Raum,  der  zur  Erleichterung  des  Atmens  und  zur  Ventilation  sich 
als  ungemein  nützlich  herausstellte.  In  die  Spitze  zulaufende  Visiere 
(ital.  celata  a  becco  di  passero)  sind  den  Helmen  von  etwa  1530 
bis  1560  eigentümlich,  erst  von  da  an  wird  die  Visierwand  senkrecht 
gestellt,  so  dafs  sie  an  den  Augenspalten  nur  wenig  hervorragt.  (Fig.  33.) 

In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  treten  wieder  einfachere 
Visiermechanismen  auf.  Den  alten  Stirnstulp  ersetzt  ein  aufschläch- 
tiger  Gesichtsschirm,  mit  welchem  ein  meist  breit  und  senkrecht 
gespaltenes  Visier  in  Verbindung  ist,  das  sich  beim  Aufschlagen  des 
Schirmes  gleichzeitig  öffnet  In  den  Heeren  der  Niederländer  und 
Engländer  fuhren  die  reitenden  Schützen  Helme  mit  ähnlichen  Visieren, 
die  aber  nur  aus  drei  Spangen  bestehen.    (Fig.  34.) 

Besondere  Verstärkungen  durch  Auflegen  von  Doppelstücken 
kommen  bei  geschlossenen  wie  bei  burgundischen  Helmen  nicht 
selten  auch  für  den  Feldgebrauch  vor,  für  gewisse  Turnierarten  sind 
solche,  wie  wir  später  ersehen  werden,  unentbehrlich.  Zunächst  wäre 
hier  die  Verstärkung  am  Scheitel  zu  erwähnen.  Sie  überdeckt 
das  Scheitelstück,  bei  Kämmen  mit  Aussparung  desselben  vollständig 
und  wird  rückwärts  durch  3  Spangen  gehalten,  die  federartig  wirkend 
an  das  Nackenstück  sich  pressen.  Die  ältesten  derselben  erscheinen 
um  15 10;  um  1540  kommen  sie  auch  in  hübschen  Dessins  durch- 
brochen vor  Augen,  in  welchem  Falle  sie  nur  als  Zierstücke  dienen. 
Eine  andere  Verstärkung  erblicken  wir  in  dem  Feldbart,  der  auch 
an  Sturmhauben  üblich  ist.  Derselbe,  schmal  geschnitten,  deckt  nur 
die  Kinnpartie  und  reicht  bis  zu  den  Visierbolzen  hinauf,  welchen 
er  an  beiden  Seiten  deckt,  unterhalb  reiht  sich  daran  ein  geschobener 
Halsreifen.  Nicht  so  häufig  im  Felde,  als  beim  Turnier  wird  die 
Helmwand  an  der  linken  (Hieb-)  Seite  verstärkt  Derlei  Wand- 
verstärkungen erscheinen,  je  nachdem  sie  sich  über  anderen  Partien 
des  Körpers  verbreiten,  in  verschiedenen  Gröfsen.  Die  kleinsten 
decken  nur  die  Helmwand  allein,  die  Mittelkante  des  Helmes  etwas 
übergreifend,  und  werden  um  den  Hals  geschnallt;  gröfsere  reichen 
bis  an  die  Brust,  an  welche  sie  angeschraubt  werden;  die  gröfsten, 
über  die  halbe  Brust  und  die  ganze  linke  Achsel  sich  spannend, 
werden  nur  im  Gestech  über  der  pallia  getragen,  wir  werden  sie  an 
geeigneter  Stelle  näher  ins  Auge  fassen. 

Aber  auch  eine  andere  Eigentümlichkeit  gewahrt  man  an  ge- 
schlossenen und  burgundischen  Helmen,  schon  von  ihrem  ersten 
Auftreten  an,  die  bei  aller  Anerkennung  gewisser  Vorteile  doch  eine 
Schwächung  derselben  darstellt:  das  Durchlöchern  des  Scheitelstückes. 
Der  älteste  derartiger  Helme  stammt  aus  dem  Besitze  des  Kaisers  Maxi- 
milian, doch  kommen  ähnliche  bis  1570  vor.  Die  zahlreichen  Löcher 
mögen  wohl  das  Tragen  des  Helmes  in  der  Tageshitze  erheblich 
erleichtert  haben.    (Fig.  35.) 

Von  Italien  aus   auf  dem  Wege  über  Spanien  gelangt  eine 


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I.    Der  Helm. 


47 


andere  charakteristische  Helmform  nach  Frankreich  und  Deutschland, 
die  Sturmhaube  (bourgignotte).  Sie  bildete  sich  zweifelsohne  aus 
der  italienischen  Schallern  heraus,  mit  der  sie  manche  Ähnlichkeiten 
besitzt,  vor  der  sie  aber  viele  Vorteile  voraus  hat. 

Die  Sturmhaube  besteht  im  wesentlichen  aus  dem  Scheitel- 
stücke,  welches,  rückwärts  stark  eingezogen,  einen  ausgeschweiften 
steifen  oder  geschobenen  Nackenschirm,  vom  aber  einen  meist 
aufwärts  gerichteten  Sonnenschirm  besitzt.  Ursprünglich  mit  niederem 
Kamme,  wird  derselbe  allmählich  übertrieben  hoch.  An  dem  seitlich 
ausgeschnittenen  Scheitelstücke  werden  Backenstücke  zum  Schutze 
der  Ohren  befestigt,  welche  sich  an  Scharnieren  bewegen.  Zum 
Zwecke  des  Hörens  werden  dieselben  mit  Löchern  versehen,  welche 


Fig.  36.  Fig.  37. 


Fig.  36.  Gcschlosse ne  Sturmhaube  Ton  einem  Trabharnische 
des  Ritters  Hans  Fernberger  von  Auer  (gest.  1584).    Um  IS5°- 

Fig.  37.  Venetian ische  Sturmhaube,  in  Eisen  getrieben, 
gebräunt  und  vergoldet.  Die  Backensttlcke  sind  von  alter,  doch  späterer 
Arbeit.    Um  1560.    Armeria  Reale  in  Turin. 

Gehörrosen  heifsen.  Im  Nacken  unterhalb  des  Kammes  befindet 
sich  die  Federhülse.  Reichen  diese  Backenstücke  nur  bis  an  den 
Backenknochen,  wo  sie  am  Halse  mittelst  Riemen  verbunden  werden, 
dann  benennt  man  die  Haube  eine  offene.  Schliefsen  sie  sich  bis 
ans  Kinn,  dann  bildet  sich  die  geschlossene  Sturmhaube. 
(Fig.  36.) 

Italienische  Sturmhauben  unterscheiden  sich  von  den  deutschen 
im  allgemeinen  dadurch,  dafs  die  ersteren  mehr  geschweifte  Formen 
haben  und  dem  antiken  Helme  der  Römer  ähnlich  erscheinen.  Sie 


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48 


I.    Die  Schutzwaffen. 


erscheinen  daselbst  als  Gegenstände  des  Luxus  in  phantasievoller 
Darstellung  und  reichster  Ausstattung  in  Treibarbeit,  Tausia  und 
Vergoldung.  Mailand,  Florenz,  später  auch  Bologna  und  Rom 
gelangen  ihrer  prachtvollen  Sturmhauben  wegen  in  allen  Ländern  zu 
ungemeinem  Rufe.  Aber  auch  in  Deutschland,  vornehmlich  in  Augs- 
burg, werden  reichgezierte  Sturmhauben  von  künstlerischer  Ausführung 
gefertigt.    (Fig.  37.) 

Die  ältesten  Sturmhauben  der  Zeit  Karls  V.  besitzen  3  niedere 
Kämme  (Fig.  38);  später  bildet  sich  die  deutsche  Form  heraus,  die 
selbst  in  Spanien  und  Italien  angetroffen  wird.  Anfänglich  war  die 
Sturmhaube  nur  eine  Kopfbedeckung  des  Fufssöldners ;  bald  aber 
wurde  sie  auch  von  den  Befehlshabern  der  Landsknechttruppe  getragen. 
Schon  um   1530  wird  sie  ein  Wechselstück  zum  Harnische  und 


Deutsche  und  niederländische  Sturmhauben  besitzen  Feldbärte  mit  Hals- 
reifen, die,  angeschnallt  oder  mittelst  Häkchen  an  den  Backenstücken  be- 
festigt, der  Haube  ganz  das  Aussehen  eines  geschlossenen  Helmes 
geben.  (Fig.  41.)  Sie  sind  gewöhnlich  drei  bis  viermal  abwärts 
geschoben,  um  sie  nach  Bedarf  teilweise  oder  ganz  öffnen  zu  können. 
Deutsche  Sturmhauben  werden  bis  ins  17.  Jahrhundert  in  allen 
Heeren,  selbst  den  italienischen  getragen.  Schon  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  erscheinen  geschlossene  Helme,  welche  die  alte 
Helmform  mit  jener  der  Sturmhauben  vereinigen.  Die  Varianten 
darin  sind  ungemein  zahlreich.  Am  Ende  des  16.  Jahrhunderts 
erscheint  die  deutsche  Sturmhaube  häufig  unter  der  Bezeichnung 


hauptsächlich  auf  Märschen 
benutzt  In  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
tragen  sie  die  leichten  Reiter 


}  Itanens  um'  Deutschlands  wie 

* j 0     ^Bm  ^  ^cr   Niederlande.      In  der 

ß^m^^^-        \S  Reiterei  wird  um  1560  zur 

0  Sturmhaube  ein  Bart  getragen, 

j        y^t'  der.  am  Bruststück  befestigt, 

y?w!E/m  die  Form  derBarte von  u80 

Wf  r  natte,  nur  dafs  derselbe-  mehr 

ml      *    r        «\  vorwärts  gerichtet  war  (Fig.  39). 


Häufiger  aber  gewahrt  man 
den  Vorsteck-  oder  An- 
schnallbart, sogenannten 
Feldbart,  der  einem  Visier 


Fig.  38.  ähnlich  das  Gesicht  deckte, 


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I.   Der  Helm. 


40 


Pickelhaube,  Beckelhaube,  die  sich  ohne  Zweifel  von  dem  Worte 
Becken  herleitet  und  nur  unter  den  vielsprachigen  Söldnern  korrum- 
piert wurde.    (Fig.  42.) 

Von  etwa  1650  an  wird  in  allen  Heeren  Europas  eine  Sturm- 
haube angenommen,  welche  von  orientalischen,  zunächst  ungarischen 
Formen  sich  ableitet,  weil  sie  aber  in  dieser  Form  zuerst  im  öster- 
reichischen Heere  getragen  wurde,  auch  österreichische  Sturm- 
haube genannt  wurde.  Es  ist  interessant,  die  Wandlungen,  welche 
dieselbe  auf  ihrem  Wege  vom  Oriente  her  erfahren  hatte,  zu  ver- 
folgen. Den  Orientalen  war  von  ältesten  Zeiten  an  ein  Helm  ohne 
Gesichts-*)  und  anfänglich  auch  ohne  Nackenschirra  eigen,  der  in 
leichter  konvex-konkaver  Schweifung  spitzig  zulief.    (Fig.  43.) 


Fig.  39.  Deutsche  Sturmhaube  mit  au  dem  Bruststücke  be- 
festigten sogenannten  „  flirfallendcm "  Barte  von  einem  Landsknecht- 
harnische des  Lutums  Sckwendi  (1522  — 1584).    Um  1560. 

Diesen  türkischen  Helmen  (kulali)  war  vom  ein  kürzeres,  rück- 
wärts ein  längeres,  tief  in  den  Nacken  fallendes  Stück  Panzerzeug 
angeheftet  (eine  Art  Helmbrünne),  von  welchen  das  vordere,  über  das 


*)  Der  Mohamedaner  sollte  nie  eine  Kopfbedeckung  tragen,  welche  ihn 
daran  hindert,  im  Gebete  mit  der  Stirne  den  Boden  zu  berühren.  Aus  diesem 
Grunde  wird  man  viele  orientalische  Helme  ohne  Gesichtsschirme  antreffen.  Man 
hat  sich  aber  nicht  immer  an  diese  Vorschriften  gehalten,  wie  zahllose  Beispiele 


Fig-  39- 


erweisen. 


Boebeim,  Waffcnkunde. 


4 


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50 


I.    Die  Schutzwaffrn. 


Gesicht  fallend,  nach  altarabischer  Art  zugleich  das  Visier  ersetzte. 
Mit  solchen  Helmen  waren  die  Tschebelis  oder  Panzerreiter  und  die 
Tartaren  bis  ins  vorige  Jahrhundert  ausgerüstet.  Daneben  erscheint 
im  türkischen  Heere  eine  andere  Art  Helme,  welche,  was  die 
Glockenform  betrifft,  den  oben  erwähnten  gleichen  und  nur  einige  be- 
sondere Zuthaten  aufweisen.  Man  benennt  dieselben  türkische 
Sturmhauben.  Sie  charakterisieren  sich  zunächst  durch  den  gerade 
vorstehenden,  spitz  geschnittenen  Augenschirm  und  das  durch 
selben  gesteckte  Naseneisen,  welches,  beweglich,  nach  auf-  oder 
abwärts  geschoben  und  in  jeder  Stellung  mittelst  einer  Schraube 
festgestellt  werden  konnte.  Der  rückwärtige  Teil  wurde  durch  einen 
Nackenschirm  geschützt,  der  im  16.  Jahrhundert  noch  mittelst  kurzen 


Fig.  40.  Fig.  41. 


Fig.  40.  Sturmhaube  zu  einem  halben  Harnische  des  Franz 
von  Castelalto  (gest.  1550).  Der  einmal  abschlächtige  Bart  ist 
selbständig  an  den  Harnischkragen  zu  befestigen  und  läuft  rings  um 
denselben.    Darüber  ist  die  Sturmhaube  gesetzt.    Arbeit  um  1 525. 

Fig.  41.  Geschlossene  deutsche  Sturmhaube  mit  Absteck- 
visicr.  Die  oberste  Folge  des  Visiers  ist  herabgeschlagcn  gezeichnet. 
Vom  Harnische  Kaiser  Ferdinands  I.,  genannt  ,,mit  den  Roscnblättcrn", 
um  1560.    Vermutlich  Arbeit  des  Hans  Rosenberger  in  Dresden. 

Kettchens  an  der  Haube  hing,  später  aber  mittelst  Folgenriemen  mit 
selber  in  Verbindung  stand.  (Fig.  44.)  Derlei  Sturmhauben  finden 
sich  auch  bei  Janitscharen,  solchen  ist  gemeiniglich  an  der  Vorder- 
seite eine  lange  Hülse  beigegeben,  in  welcher  der  hohe  Federbusch, 
zuweilen  aber  auch  das  Attribut  der  Truppe,  der  „Löffel",  steckte. 
Vornehme  Türken  und  Befehlshaber  pflegten  im  Felde,  um  den 
Janitscharen  zu  gefallen,  häufig  derlei  Sturmhauben  zu  tragen. 


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I.    Der  Helm. 


51 


So  erscheinen  die  türkischen  Helme  schon  am  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  und  bleiben  in  dieser  Form,  wie  wir  an  zahlreichen 
Trophäenstücken  ersehen,  bis  an  das  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  ja 
noch  länger,  nur  merkt  man  später  die  Hinneigung,  die  Glocke  niederer 
und  halbkugelförmig  zu  gestalten.  Die  Russen,  Polen  und  Ungarn, 
welche  die  türkische  Sturmhaube  angenommen  hatten,  bildeten  die- 
selbe nach  ihrem  nationalen  Geschmacke  um.  Die  Unterschiede  iu 
den  Formen  sind  in  den  verschiedenen  Nationen  gering,  doch  werden 
sie  in  der  Regel  deutlich  als  moskowitische,  polnische  und  hussarische 
Sturmhauben  unterschieden.  Um  1590  erscheinen  alle  derlei  orien- 
talische Sturmhauben  unter  der  Benennung  „Zischägge",  welche  sie 
vereinzelt  noch  bis  ins  17.  Jahrhundert  beibehalten. 


Fig.  42.  Fig.  43. 


Fig.  42.  Offene  Sturmhaube  mit  geschobenem  Nackenschirm, 
aufschlächtigem  Sonnenschirm  und  geschobenem  Sturmband.  Arbeit 
des  Nürnberger  Plattners  Mert.  Rotschmid  (gest.  1597).  16.  Jahr- 
hundert, Ende.    Landeszeughaus  in  Graz. 

Fig.  43.  Gemeine  tartarische  Sturmhaube  mit  aus  zwei 
Stücken  roh  zusammengenieteter  Glocke  und  Gesichtsschirm.  16.  Jahr- 
hundert.   Museo  Poldi-Pezzoli  in  Mailand. 

Von  Polen  aus  gelangen  die  Zischäggen  nach  Sachsen,  von  Ungarn 
nach  Österreich  und  Bayern,  und  von  da  in  alle  Heere,  nicht  ohne 
in  selben  Umbildungen  zu  erfahren.  So  erhalten  sie  in  der  2.  Hälfte 
des  17.  Jahrhunderts,  als  die  Allongeperücken  Mode  wurden,  diesen 
grofsen  Frisuren  entsprechende  umfangreiche  Nackenschirme.  Die 
polnischen  Reiter  fügten  auch  zu  dieser  Sturmhaube  ein  Zierstück, 
wie  ein  ähnliches  sie  schon  auf  Helmen  des  15.  Jahrhunderts  ge- 

4* 


I.   Die  Schutz wafifeti. 


tragen  hatten:  die  Flügel  aus  Eisenblech,  welche  an  beiden  Seiten 
der  Haube  angenietet  wurden.    (Fig.  45.) 

So  entstand  die  neue  Sturmhaube,  die  in  kurzer  Zeit  in  allen 
Heeren  getragen  wurde.  Sie  findet  sich  ebensowohl  bei  dem  Fu£s- 
volk,  namentlich  bei  den  Pickenieren,  als  bei  den  leichten  Reitern, 
Arkebusieren,  Jägern  u.  dgl.  und  verschwindet  erst  am  Ende  des 
17.  Jahrhunderts.    (Fig.  46.) 

Es  ist  nach  dem  Gange  der  Entwickelung  des  Helmes  und  seiner 
Formenwandlungen  kaum  zu  betonen,  dafs  die  türkische  Sturmhaube 
kein  Waffenstück  ist,  welches  diesem  orientalischen  Volke  allein  an- 
gehört.   Es  erweist  sich  dies  schon  genügend  dadurch,   dafs  die 


Fig-  44- 


Fig.  45- 


Fig.  44.  Türkische  Sturmhaube  (Zischägge)  des  Grofsveziers 
Mehmed  Sokolowitsch  (ermordet  1579)  aus  Eisen  mit  reichen  Ver- 
zierungen in  Goldtausia.  Gesichts-  und  Nackenschtrm  sind  mittelst 
Drehstiften  abzustecken.    Um  1560. 

Fig.  45.  Polnische  Sturmhaube  mit  Verzierungen  in  ver- 
goldeter Ätzung.   16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Museum  zu  Zarskoe - Sclo. 


Zischäggenform  in  ihren  charakteristischsten  Teüen  ebensowohl  bei 
den  Persern,  als  den  Indern,  Tscherkessen  u.  s.  w.  auftritt.  Zweifels- 
ohne hat  sie  in  Persien  ihre  Urheimat.    (Fig.  47  und  48.) 

In  den  Sammlungen  finden  sich  ziemlich  häufig  Helme  ver- 
schiedener Formen  der  2.  Hälfte  des  16.  und  des  17.  Jahrhunderts 
und  auch  Sturmhauben  von  ungemeiner  Schwere.   Dieselben  dienten 


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I.    Der  Helm. 


nicht  für  den  Gebrauch  in  offener  Schlacht,  sondern  zum  Schutze 
in  den  Laufgräben  beim  Angriffe  von  Festungen.  Im  1 7.  Jahrhundert, 
der  Periode  der  Entwickelung  des  methodischen  Angriffes  der 
Festungen,  fand  es  jeder  Befehlshaber  für  unausweichlich,  neben 
seinen  Feldharnischen  noch  einen  Tranche'eharnisch  oder  wenigstens 
eine  sogenannte  schwere  Trancheehaube  zu  besitzen.  In  Frank- 
reich wurden  letztere  noch  bis  1840  von  den  Genietruppen  benutzt 

Im  1 7.  Jahrhundert,  als  die  Brustharnische  bei  vielen  Truppen  in 
Abnahme  kamen,  suchte  man  mit  dem  Helme  zugleich  auch  den 
Hals  vor  dem  Hiebe  zu  decken,  wozu  man,  von  den  Unterrändern 
ausgehend,  Spangen  an- 
wendete, welche  bis  an 
die  Schultern  herab- 
reichten. Es  finden  sich 
sowohl  Sturmhauben  als 
Eisenhüte  mit  derlei  Vor- 
richtungen, die  ihrem 
Zwecke  wenig  entspra- 
chen und  darum  auch 
bald  wieder  verschwan- 
den.   (Fig.  49.) 

Neben  der  Sturm- 
haube kommt  um  1520 
eine  andere  kriegerische 
Kopfbedeckung  auf,  de- 
ren Heimat,  wie  es 
scheint,  Spanien  ist, 
später  aber  im  Fufs- 
volk  aller  westlichen 
Nationen  zu  finden,  ja 
selbst  in  der  Ritter- 
schaft für  den  täglichen 
Gebrauch  nicht  unbe- 


Fig.  46. 


Fig.  46.  Zischägge  des  Herzogs  Karl  III. 
von  Lothringen  (1540- 1608),  gekehlt,  graviert, 
hebt  war,  der  Morton,  geätltf  vergoldet  und  mit  Halbedelsteinen  besetzt, 
im  Spanischen  mor-  Ungarische  Arbeit  um  1580. 
rion.  Woher  die  Be- 
zeichnung stammt,  ist  unbekannt,  möglich,  dafs  er  sich  von  einer  unter 
den  Mauren  üblichen  Form  oder  von  dem  spanischen  morro  herleitet, 
welches  so  viel  wie  cranium,  Schädeldach,  bedeutet.  Der  Name,  vermutlich 
für  eine  andere  Helmform,  kommt  schon  im  14.  Jahrhundert  im 
Manuskripte  des  Froifsart  vor,  doch  ist  nicht  zu  verschweigen,  dafs 
Fronsperger  in  seinem  Kriegsbuche  die  maurischen  Fufssoldaten  „Mori- 
anische  Fufsknecht"  benennt.*)    Der  Morion  des   16.  Jahrhunderts 


*)  Fronspcrger,  Leonhard,  Kriegsbuch,  III.  Teil.    1573.  fol.  CXXXIX. 


54 


I.   Die  Schutzwaffen. 


ist  eine  hohe,  etwas  spitz  getriebene  Haube  mit  über  die  Mitte 
laufendem  Grat  oder  auch  eine  halbkugelförmige  Haube  mit  ver- 
schieden hohem  Kamme,  deren  Krempen  nach  vorn  und  rückwärts 
derart  aufgebogen  sind,  dafs  sie  beiderseits  in  gleich  gestalteten  Spitzen 
endigen.  (Fig.  50.)  Der  Morion  ist  ersichtlich  weniger  aus  der 
Kriegserfahrung  erwachsen,  als  ein  Ergebnis  einer  soldatischen  Phan- 
tasie; er  wird  in  den  Heeren  Karls  V.  anfänglich  im  Fufsvolk  all- 
gemein getragen,  später  legten  ihn  die  Schützen  ab,  da  er  sich  für 
sie  als  nicht  praktisch  erwies.    In  manchen  Ländern,  wie  in  Italien, 


Fig.  47-  Fig.  48. 


Fig.  47-  Indische  Sturmhaube  mit  durchbrochenen  Metall- 
verzierungen auf  rotem  Grunde.    Museum  zu  Zarskoe-Selo. 

Fig.  48.  Tscherkessischc  Sturmhaube  mit  tauschierten  Ver- 
zierungen und  mit  Seidenstoff  überzogenem  Kettengehange.  Museum  zu 
Zarskoe-Selo. 

werden  ihm  kurze,  geschobene  Backenstücke  beigegeben.  Der  Morion, 
dessen  Kamm  allmählich  höher  bis  zur  Übertreibung  gefertigt  wird, 
erhält  sich  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  17.  Jahrhunderts.  Das 
Passauer  Kriegsvolk  war  noch   1603  damit  ausgerüstet.    (Fig.  51.) 


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I.   Der  Helm. 


55 


Besonders  häufig  treffen  wir  ihn  als  Kopfbedeckung  der  Helmbardiere 
und  Trabanten  an  den  Höfen,  aber  auch  vieler  deutscher  Bürger- 
milizen.  Der  Schutz  des  Kopfes  mittelst  eines  eisernen  Helmes 
erschien  als  eine  allgemeine  Notwendigkeit,  dem  Schützen  aber,  der 
sein  Feuerrohr  an  die  Backe  anlegen  mufste,  wurde  der  Morion, 
noch  mehr  aber  die  Sturmhaube,  unbequem.  Das  war  die  Ursache, 
daß»  dieselben  um  1550  eine  eigene  leichte  Art  Helme  erhielten,  die 
man  sonderbarerweise  gleichfalls  Gugeln,  auch  Schützenhauben 
oder  Häubel  benannte,  wiewohl  dieselben  in  der  Form  und  Trag- 
art mit  den  alten  Gugeln  wenig  gemein  haben.  Die  Gugel  besteht 
aus  einer  spitzen  Haube  mit  darüber  laufenden  flachen  Grat  und 
sehr   schmalen,    raeist   gerade   vorstehenden,    seltener    vorn  und 


Fig.  49- 

Fig.  49.  Eisenkappe  für  leichte  Reiter  in  blankem  Eisen  mit 
in  Scharnieren  haftenden,  nach  abwärts  reichenden  Spangen.  1 7.  Jahr- 
hundert.   Museum  zu  Zarskoc-Selo. 


rückwärts  etwas  aufgebogenen  Krempen.  Zuweilen  besitzen  dieselben 
schmale,  geschobene  Backenstücke,  die  unter  dem  Kinne  gebunden 
werden,  und  selbst  Nackenschirme.  (Fig.  52.)  Letztere  bezeichnete  man 
um  1580  als  „Gugeln  mit  Biberschwänzen".  Läuft  die  Haube  ober- 
halb in  einen  Stiel  aus,  der  nach  rückwärts  abgebogen  ist,  so  erscheint 
sie  auch  unter  dem  Namen  Birnenhelm.  Die  Gugeln  der  späteren 
Periode  verschwinden  um  1640.  Im  16.  Jahrhundert  wurden  sie 
vielfach  auch  von  Vornehmen  getragen.  Karl  V.  trug  einen  Birnen- 
helm, König  Franz  I.,  Herzog  Philipp  Emanuel  von  Savoyen 
u.  a.  Gugeln,  besonders  in  italienischen  und  französischen  Heeren 
treten  sie  häufig  auf.    Endlich  sei  hier  noch  der  sogenannten  Hirn- 


56 


I.   Die  Schutzwaffen. 


ha  üben  Erwähnung  gemacht,  welche  von  der  Reiterei  zum  Schutze 
des  Kopfes  unter  den  Filzhüten  getragen  wurden.  Sie  erscheine! 
allgemein  um  1640  und  besitzen  die  Form  einer  Halbkugel  mit 
seichten  Ausschnitten  an  Stelle  der  Ohren.    (Fig.  53.) 

Die  ersten  Nachrichten  über  die  Hirnhaube  gelangen  schon  im 
16.  Jahrhundert  aus  Italien  zu  uns,  wo  sie  unter  dem  Namen  „cer- 
velliera",  aber  auch  „segretta  in  testa"  auftritt  In  den  italienischen 
Städten  wurde  es  nämlich  Sitte,  unter  den  Hüten  und  Baretten 
Blechstücke  zu  tragen,  welche  nach  der  Form  des  Scheitels  getrieben 
und  nicht  selten  auch  mit  5  bis  7  eisernen  Spitzen  versehen  waren. 
Eine  derlei  segretta  findet  sich  in  der  k.  k.  Hof-Waffensammlung  zu 
«Wien.    (Fig.  54.) 


Fig.  50. 

Fig.  50.  Morion  mit  geätzten  und  vergoldeten  Verzierungen,  mit 
dem  Wappen  der  venetianischen  Patrizierfamilie  Da  Mula.  16.  Jahr- 
hundert, Mitte.  Italienisch. 

- 

Die  dekorative  Ausstattung  der  Helme  wird  schon  im  8.  Jahr- 
hundert Sitte.  Bis  ins  15.  Jahrhundert,  in  welchem  der  Helm  ein 
Bestandteil  des  Plattenhamisches  zu  werden  beginnt,  tritt  dieselbe 
unabhängig  von  den  übrigen  Schutz waffen  auf,  von  da  an  steht  sie 
in  den  meisten  Fällen  im  Einklänge  mit  selben. 

Die  Verzierung  der  ältesten  Helme  besteht  zumeist  in  Be- 
schlagen von  Gold  oder  stark  zinnhaltiger  Bronze,  die  auch  in  durch- 
brochener Arbeit  auftritt.  Ornamente  und  figurale  Ausschmückungen 
werden  in  noch  ziemlich  roher  Punzentechnik,  aber  mit  vielem  Ge- 
fühle für  Wirksamkeit  ausgeführt;  derlei  Darstellungen  sehen  sich  wie 


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i.    Der  Helm. 


57 


flache  Reliefs  an,  und  der  Zeitstil  der  Kunst  ist  in  diesen  rohen 
Produkten  deutlich  ausgedrückt.  Das  Streben,  den  Wert  des  Gegen- 
standes, wie  dessen  Eindruck  durch  Beigabe  von  Edelsteinen  zu  er- 
höhefi,  ist  schon  in  der  Zeit  der  Karolinger  merkbar.  Getriebene  Arbeit 
im  Relief  scheint  anfänglich  nur  in  Kupfer  geübt  worden  zu  sein,  in 
Eisen  tritt  sie  erst  am  Ende  des  Mittelalters  auf.  Im  14.  Jahrhundert 
begegnet  man  häufig  Verzierungen  in  gehauener  Technik,  die  in  Messing 
oder  Gold  eingelegt  sind;  es  ist  dies  die  älteste  Tausia  im  Abend- 
lande, die  als  eine  ungelenke  Nachahmung  orientalischer  Technik  an- 
zusehen ist.  Die  Vergoldung  wird  im  13.  Jahrhundert  vorwiegend 
in  Italien  und  Spanien  geübt,  sie  gilt  bis  ans  Ende  des  Mittelalters 
als  eine  geheime  Kunst.  Um  die  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts  beginnt 


Fig.  51.  Fig.  52. 


Fig.  51.  Morion  geschwärzt  mit  blankem  Kamm  und  getriebenen 
blanken  Vertierungen.  Kopfbedeckung  eines  Wcibels  im  Passauer  Kriegs- 
heere des  Erzherzogs  Leopold  V.    Um  1603.  Deutsch. 

Fig.  52.  Gemeine  Schiit  zenhaubc.  16.  Jahrhundert,  Ende. 
Zeughaus  zu  Graz. 

man  die  Verzierungen  mittelst  des  Grabstichels  darzustellen.  Erst  am 
Ende  desselben  werden  Versuche  merkbar,  dieselben  in  Ätzung  wie- 
derzugeben. Die  Kunsthistoriker  setzen  den  Beginn  dieser  Technik 
zu  spät  an,  eine  Vertiefung  der  Grabstichelschnitte  mittelst  Ätzwasser 
ist  schon  an  Helmen  und  anderen  Schutzwaffen  um  1460  nachzu- 
weisen. Von  ungefähr  1500  datiert  der  Rundschild  Maximilians  I. 
in  der  k.  k.  Waffensammlung  zu  Wien,  welcher  eine  Hochätzung  zeigt, 
welche  die  äufserste  Gewandtheit  in  dieser  Technik  voraussetzt. 

Wenn  sich  auch  keine  Proben  aus  ältester  Zeit  mehr  erhalten 
haben,  so  ist  doch  anzunehmen,  dafs  das  Bemalen  der  Helme  schon 


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58 


I.    Die  Schutzwaffen. 


um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  üblich  war.  Bildliche  Beispiele 
haben  sich  namentlich  an  Turnierhelmen  vom  15.  Jahrhundert  an  er- 
halten. Die  Motive  sind  zumeist  heraldisch.  Es  finden  sich  aber  in 
den  Sammlungen  auch  Schallern  vom  Ende  des  1 5.  und  Helme  des 
16.  Jahrhunderts  mit  charakteristischen  Malereien  ausgestattet.  Über 
das  Schwärzen  und  Bläuen  der  Harnische  und  über  die  Ursache  des- 
selben werden  wir  an  einem  anderen  Orte  nähere  Erklärungen  an- 
fügen, aber  über  eine  andere  spezielle  Ausstattung,  die  lediglich  nur  den 
Helm  betrifft,  ist  es  nötig,  uns  näher  auszusprechen.  Schon  im 
14.  Jahrhundert  treten,  zuerst  in  Italien,  mit  Stoff  überzogene  Eisen- 
hüte und  Helme  auf,  wie  wir  aus  Gemälden  ersehen.  Die  italische 
Sonne  erhitzte  das  Metall  in  so  hohem  Grade,  dafs  eine  derartige 


Fig.  53  54- 


F«ß-  53  Gemeine  Hirnhaube  eines  deutschen  Reiters  um  1640. 
K.  k.  Heeresmuseum  im  Wien. 

Fig-  54-  Hirnhaube  (segretta  in  testa)  mit  fünf  Spitzen,  ge- 
schwärzt und  mit  geschobenen  kleinen  Backenstücken.  Italienisch.  16.  Jahr- 
hundert, zweite  Hälfte. 

ausgiebige  Vorsorge  selbst  dann  begreiflich  erscheint,  wenn  man,  wie 
doch  anzunehmen,  jeden  Helm  mit  einer  dicken  Fütterung,  dem  Helm- 
futter (hamaschhaube),  ausgestattet  sich  vorstellt  Diese  Neuerung  fand 
ein  um  so  regeres  Entgegenkommen  in  den  italienischen  Städten,  als 
durch  selbe  erzielt  wurde,  dem  Helme  den  Anschein  eines  bürger- 
lichen Kleidungsstückes  zu  geben.  So  sehen  wir  in  den  Sammlungen 
italienische  Schallem  und  später  Sturmhauben,  welche  entweder  noch 
den  originalen  Überzug  aus  Samrat  oder  Seide  besitzen  oder  doch 


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I.    Der  Helm. 


59 


durch  die  an  den  Rändern  befindlichen  kleinen  Löcher  erkennen 
lassen,  dafs  sie  einst  überzogen  waren.  Diese  praktische  Einrichtung 
fand  auch  im  16.  Jahrhundert  Eingang  in  die  Truppenkörper  nament- 
lich der  italienischen  und  spanischen,  aber  auch  die  leichte  Reiterei 
in  Deutschland  war  mit  solchen  überzogenen  Helmen  um  1570  aus- 
gerüstet. 

Die  grofse  Schwierigkeit  der  Fertigung  der  Helme  brachte  schon 
im  frühesten  Mittelalter  die  Helmschmiede  zu  hohem  Ansehen.  Die 
Technik  des  Austreibens  der  Glocke  entwickelte  sich  vom  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  in  solchem  Grade,  dafs  die  Arbeiter  nicht 
nur  die  Scheitelstücke,  sondern  aus  diesen  auch  10  bis  12  cm. 
hohe  Kämme  heraustrieben.  Erst  im  16.  Jahrhundert  läfst  diese 
Fertigkeit  nach,  der  grofse  Bedarf  an  Helmen,  die  Zunahme  des 
Wertes  der  menschlichen  Arbeit,  beide  Faktoren  trieben  die  Preise 
der  getriebenen  Helme  zu  unerschwinglicher  Höhe  hinauf.  Man 
suchte  sich  zu  helfen  und  fertigte  die  Helme,  Sturmhauben,  Morions 
und  Gugeln,  aus  zwei  Hälften,  die  dann  zu  einem  Ganzen  zusammen- 
genietet und  verschweifst  wurden.  Derlei  Stücke  haben  natürlich 
auch  für  den  Sammler  einen  minderen  Wert,  da  sie  nicht  aus  dem 
Stück,  sondern  aus  vorbereitetem  .Schlagblech  getrieben  sind. 

Bevor  wir  diesen  Abschnitt  schliefsen,  mögen  noch  einige  Worte 
Über  die  Sitte  hier  angeführt  werden,  die  Helme  und  hier  besonders 
jene  zum  Turniergebrauche  mit  Federn  oder  federartig  gestalteten 
Aufsätzen  zu  zieren.  Bis  ans  Ende  des  15.  Jahrhunderts  begegnet 
man  und  besonders  an  Turnierzeugen  den  plastischen  Zimieren. 
Mit  diesen  aber  kommen  schon  häufig  kleinere  und  gröfsere  Feder- 
büsche (pennacchio,  penacho)  in  Verbindung.  Im  Kriege  wurden, 
als  die  Söldnerheere  sich  mehr  entwickelten,  nur  kleine  Federbüsche 
oder  auch  nur  Laubwerk  auf  den  Helmen  und  Hauben  getragen. 
Die  Befestigung  erfolgte  bei  Helmen,  Sturmhauben,  Morions  und  Gugeln, 
rückwärts,  bei  Eisenhüten  und  Kappen  gewöhnlich  seitwärts,  wozu 
eigene  Federhülsen  angebracht  waren.  Letztere  bestehen  bei 
deutschen  Helmen  und  Hauben  aus  verzierten  Hülsen  aus  Mes- 
sing, bei  italienischen  zuweilen  auch  aus  schildförmigen,  ornamentierten, 
stark  ausgebauchten  Plättchen,  die  den  italienischen  Kartouchen  ähnlich 
geformt  sind.  In  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  wurde  es 
in  Italien  Mode,  bei  festlichen  Aufzügen,  Turnieren  und  dergl.  auf 
den  Helmen  riesige  Federbüsche  von  Meterhöhe,  ganze  Systeme  auf 
den  Helmen  zu  tragen,  die  in  seltensten  Fällen  aus  wirklichen  Federn, 
sondern  aus  Imitationen  von  Seide  oder  Schafwolle  bestanden.  Diese  etwas 
barocke  Sitte  verbreitete  sich  auch  an  die  deutschen  Höfe.  Zur  Be- 
festigung dieser  monströsen  und  schweren  Verzierungen  mufsten  die 
Helme  eigene  Vorrichtungen  auf  den  Kämmen  besitzen.  Von  diesen 
mechanischen  Vorrichtungen  haben  sich  noch  einige  in  den  Samm- 
lungen erhalten,  bei  vielen  Helmen  finden  sich  aber  noch  die  Spuren 


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60 


I.    Die  Schutzwaffen. 


ihrer  einstigen  Existenz.  Mit  dem  Beginne  des  30jährigen  Krieges 
verschwindet  auch  diese  Mode.  (Fig.  55.) 

Nebst  diesen  Vorrichtungen  zum  Feststellen  des  Helmschmuckes 
finden  sich  auch  zuweilen  bei  Helmen  und  Sturmhauben,  namentlich 
älteren  bis  etwa  1520  andere  Eigentümlichkeiten,  welche  eine  Er- 
wähnung verdienen.  Solche  sind  zunächst  die  Schnürlöcher  für 
die  Helmhaube.  Unterhalb  des  Helmes  wurden  nämlich  anfänglich 
stark  gefütterte  Hauben  aus  Zwilch  oder  Leder  getragen.    Um  diese 

nun  bequem  zurechtschieben ,  Falten 
ausgleichen  zu  können  etc.,  waren  rück- 
wärts an  den  Seiten  derselben  Lederriem- 
chen  genäht,  welche  durch  entsprechende 
Löcher  im  Helme  gezogen  und  aufser- 
halb  gebunden  wurden.  Diese  stets 
paarweise  auftretenden,  häufig  mit  Mes- 
sing gefütterten  Schnürlöcher  rinden  sich 
an  späteren  Stechhelmen,  wie  auch  an 
geschlossenen  Helmen  fürs  Feld  und 
selbst  an  Sturmhauben  vom  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts.  Das  Streben,  dem 
Kopfe  unter  dem  Helme  Luft  zuzuführen 
und  die  Qual  der  Hitze  im  Sonnen- 
brande zu  mäfsigen,  führte  am  Beginne 
55-  des  16.  Jahrhunderts  dahin,  dasScheitel- 

55-  Vorrichtung  für  die  stück  siebartig  zu  durchlöchern.  Solche 
Befestigung  eines  Helmschmuckes  Helme  kommen  uns  schon  um  15 10 
an   einem   geschlossenen    Helme.  .  c    ,  .    ,  ,       ,  , 

Italienisch.  16.  Jahrhundert,  zweite  VOr  AuSen'  man  findet  aber  aUch  S°lche 
Hälfte.  Sammlung  C.  Bazzero  in  durchlöcherte  Helme  für  das  Fufsturnier 

bis  1570. 


2.   Der  Harnischkragen. 

Der  Gebrauch,  den  Hals  durch  eiserne  Schienen  zu  decken, 
wird  bei  den  Plattenharnischen  erst  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts 
allgemein.  Nahezu  ein  Jahrhundert  wird  der  Plattenharnisch  ohne 
Kragen  getragen.  Zwar  rinden  sich  schon  vor  der  Einfuhrung  des- 
selben Anzeichen  genug,  welche  darauf  hinzielen,  den  Hals  zu  schützen. 
So  wird  das  unter  dem  Lentner  getragene  Wams  oder  auch  dieser 
selbst  hoch  in  den  Hals  hinauf  geschnitten  und  der  Kragenteil  vorn 
verschnürt.  Darüber  kam  die  Helmbrünne  zu  liegen,  welche  bis  zu 
den  Schultern  ausreichend  deckte.  Auch  das  unterhalb  liegende 
Panzerhemd  reichte  anfänglich  bis  über  den  Hals  hinauf  und  wurde 
vorne  mit  2 — 3  Riemchen  zusammengeschnallt.    Diese  Art  des  Hals- 


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2.   Der  Harnischkragen. 


61 


Schutzes  blieb  sich  im  wesentlichen  auch  in  jener  Periode  gleich, 
in  welcher  die  ersten  geschlossenen  Helme  in  Gebrauch  kamen. 
Als  die  Kugelhelme  in  Aufnahme  kamen,  etwa  um  1450,  wurde  der 
Hals  durch  den  unteren  Teil  des  Helmes,  der  bis  auf  die  Brust  und 
den  Nacken  hinabreichte,  geschützt,  aber  aus  dieser  Form  erwuchs  die 
groke  Unbequemlichkeit,  dafs  der  Mann  nicht  im  stände  war,  den 
Kopf  zu  erheben  oder  zu  senken.  Dieser  Nachteil  führte  zunächst 
und  aus  den  Kreisen  der  praktischen  Kriegführung  heraus  zur  Ein- 
führung der  Schallern.  Die  italienischen  Kondottieri  waren  es  zuerst, 
welche  sich  dieser  relativ  bequemeren  Kopfbedeckung  bedienten. 
Der  Hals  wurde  durch  den  an  das  Bruststück  vom  befestigten  Bart 
geschützt,  welcher  bis  in  die  Höhe  der  Augen  reichte.  Erst  mit  der 
Einführung  des  burgundischen  Helmes  erschien  als  wesentliche  Bei- 
gabe der  Harnischkragen,  welcher  als  Bestandteil  fortan  beibehalten 


Fig.  56.  Fig.  57. 


Fig.  56.  Kragen  von  einem  Harnische  des  Kaisers  Maximilian  I. 
mil  Gravierungen  und  in  Goldschmelz  geziert.  Vorne  erblickt  man  das 
Emblem  des  Vlicfsordens.  Die  Achseln  werden  durch  Riemen  befestigt. 
Deutsch,  um  1508.   Eines  der  ältesten  Beispiele  eines  Harnischkragens. 

Fig.  57-  Kragen  von  einem  Harnische,  der  Albrecht  Achilles 
von  Brandenburg  (141 4 — 1486)  zugeschrieben  ist.  Der  obere  Rand  ist 
in  der  Art  eines  umgeschlagenen  Kragens  geformt.    Arbeit  um  15 10. 

und  selbst  unter  dem  geschlossenen  Helme  oder  der  Sturmhaube  ge- 
tragen wurde. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich,  dafs  der  Harnischkragen  aus 
dem  sogenannten  Bart  (baviere,  baviera)  hervorgegangen  ist  Der 
vordere  Teil  wurde  hierzu  derart  verändert,  dafs  er  nur  den  Hals 
deckte;  weiter  hinauf  erschien  eine  Deckung  überflüssig,  weil  eine 
solche  durch  Kinnreff  und  Visier  am  Helme  hinreichend  vorhanden 
war.    Der  Rückteil  wurde  zum  vollkommenen  Verschlufs  neu  hinzu- 


62 


[.    Die  Schutzwaffen. 


gefügt.  Die  ältesten  Krägen  wurden  noch  gleich  dem  Barte  auüser- 
halb  am  Bruststücke  mit  Kloben  befestigt  (Fig.  56-)  Bald  aber 
änderte  man  diese  Anordnung  derart,  dafs  zuerst  der  Kragen,  dann 
erst  Brust-  und  Rückenstück  zum  „Anlegen"  kamen.  Um  1630  kam 
man  wieder  auf  die  ursprüngliche  Einrichtung  zurück  und  verlegte 
den  Kragen  über  Brust  und  Rücken. 

Der  Harnischkragen  besteht  aus  dem  Brust-  und  Rückenbleche, 
das,  auf  Brust  und  im  Nacken  aufliegend,  genau  dem  Körper  ange- 
pafst  sein  mufs;  an  diese  schliefst  sich  gegen  den  Hals  hinauf  ein 
3 — 4faches  Geschübe.  Der  vordere  und  rückwärtige  Teil  ist  getrennt, 
beide  sind  links  nur  mit  Scharnieren  in  Verbindung;  an  der  rechten 
Seite  werden  sie  mittelst  Häspen  geschlossen.    (Fig.  57.) 

Es  wird  sich  gleich  am  Beginne  empfehlen,  zu  erklären,  was 
man  unter  einem  Geschübe  am  Plattenharnische  überhaupt  versteht 
und  wie  dasselbe  eingerichtet  ist.  Das  Harnischblech  ist  eine  steife 
Platte,  die  so  unnachgiebig  ist,  dafs  es  unmöglich  wäre,  ohne  eine 
besondere  Zusammensetzung  der  Teile  dem  von  selbem  bedeckten 
Körper  auch  nur  eine  geringe  Beweglichkeit  zu  gestatten.  Man  fugte 
daher  alle  jene  Harnischteile,  welche  Körperteile  zu  decken  bestimmt 
waren,  denen  die  Beweglichkeit  erhalten  bleiben  mufste,  aus  einzelnen 
Blechstreifen,  sogenannten  „Schienen",  im  Fachausdrucke  auch 
„Folgen"  genannt,  zusammen,  die,  horizontal  angeordnet,  etwas  sich 
übergreifend  gelegt,  im  Inneren  durch  breite  Streifen  aus  Alaunleder 
verbunden  wurden,  die  von  innen  mit  platten  Nieten  befestigt  waren. 
Diese  Verbindung  durch  Lederstreifen  kommt  nicht  ausnahmslos  vor, 
im  Gegenteil  finden  sich  zahlreiche  Beispiele,  dafs  die  Schienen 
untereinander  mit  Nieten  verbunden  sind,  welchen  durch  längliche 
Öffnungen  eine  Spielung  nach  auf-  oder  abwärts  gestattet  ist  Dieser 
Konstruktionsart  wird  an  italienischen  Harnischen  häufig  begegnet, 
man  nennt  sie  „eiserne  Geschübe".  Sie  konnten  ihrer  geringen 
Vorteile  halber  nirgends  zu  allgemeiner  Verwendung  gelangen.  Je 
nach  der  Richtung  des  Übergreifens  der  Schienen  bezeichnet  man 
selbe  nach  auf-  oder  abwärts  geschoben.  So  werden  nach  dem 
Fachausdrucke  gewöhnlich  die  Hals-  und  Nackenreifen,  der  Kragen, 
zuweilen  die  Achseln  mit  den  Flügen,  geschlossene  Armbeugen,  die 
Handschuhe,  die  Bauchreifen,  Beintaschen,  oder  die  Schöfse,  nicht 
selten  auch  die  Diechlinge  und  die  unteren  Teile  der  Beinröhren, 
endlich  auch  die  Schuhe  an  den  Riststellen  geschoben.  Wie  wir 
später  ersehen  werden,  wird,  um  die  Beweglichkeit  des  Körpers  mög- 
lichst zu  fördern,  auch  das  Brust-  und  Rückenstück  ganz  oder  nur 
teilweise  aus  Geschoben  gebildet,  beim  Rofsharnische  der  Halsteil, 
seltener  andere  Bestandteile  desselben.  Die  übergreifenden  Ränder 
der  Folgen,  welche  gemeiniglich  scharf  zugefeilt  sind,  heifsen  „Für  feilen". 

Wenn  der  Harnischkragen  für  einen  burgundischen  Helm  dient 
dann  ist  sein  Oberrand  nach  auswärts  gebogen  und  dieser  aufgebogene 


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2.    Der  Harnischkragen. 


63 


Rand  dient  als  Führungsschiene  für  den  hohlen  Wulst  am  Unterrande 
des  Helmes,  der  sich  darin  nach  den  Seiten  bewegt,  wie  es  in  der 
alten  Sprache  heifst:  „der  im  Kragen  vmbgeet".  Bei  allen  anderen 
Helm-  und  Harnischformen  besitzt  der  Kragen  einen  aufgeworfenen 
Rand,  der  häufig  mit  eingehauenen  Linien  geziert  ist,  die  ihm  das 
Aussehen  einer  gedrehten  Schnur  verleihen,  ein  sogenannter  „ge- 
schnürlter",  im  Gegensatze  zum  „glatten"  Rand.  (Fig.  58.) 

Nicht  selten  findet  man  an  geschlossenen  deutschen  Sturmhauben 
unterhalb  quere  Auftreibungen,  dem  Kragenrande  entsprechend,  um 
eine  Verbindung  der  Haube  mit  dem  Kragen  zu  erzielen.  Uber  dem 
Kragen  wurden  nun  Brust  und  Rücken  dann  erst  die  Achseln  mit 
den  Armzeugen  aufgelegt.  Eine  nicht  unwichtige  Aufgabe  hatte  der 
Kragen  dadurch  zu  erfüllen,  dafs  an  seinen  Seiten  die  Achselstücke 
mittelst  sogenannter  Federzapfen  oder  auch  mittelst  Riemchen  befestigt 


Fig.  58.  Fig.  59. 


Fig.  58.  Harnischkragen  mit  Federzapfen  zur  Befestigung  der 
Achseln,  in  Schwarzätzung  im  Stile  der  oberdeutschen  Kleinmeister,  ge- 
ziert von  einem  Landsknechtharnische  des  Sebastian  Schärtlin  von 
Hurtenbach  (i495— « 577-)    Deutsch,  um  1545. 

Fig.  59*  Kragen  zum  Reiterharnisch  des  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  von  Sachsen,  (1503— 1554)  zugleich  Wechselstück  für 
einen  Landsknechtharnisch.  Geschwärzt,  mit  blanken,  schwarzgeätzten 
Strichen  (vieUeicht  von  Mathias  Gerung.)    Deutsch  um  1540. 

wurden.  Um  1540  erscheinen  die  Brust-  und  Rückenbleche  der 
Kragen  an  deutschen  Harnischen  bis  über  die  Achseln  reichend. 
Die  Veranlassung  war  nur,  den  Druck  der  Tragbänder  des  Brust- 
stückes zu  mäfsigen.  Die  Form  verschwindet  wieder  um  1550.  (Fig.  59.) 

Diese  Anwendung  der  Verbindung  mit  den  Achseln  hatte  für 
den  praktischen  Gebrauch  in  der  Truppe  seine  Nachteile  schon  da- 
durch, dafs  das  Anlegen  der  Harnische  bei  den  vielen  einzelnen 
Stücken  umständlich  war  und  unverhältnismäfsig  viele  Zeit  erforderte. 
Diese  Wahrnehmung  und  das  Bestreben,  dem  Übelstande  abzuhelfen. 


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€4 


L    Die  Schutz waffcn. 


führte  in  der  Landsknechttruppe  zu  einer  besonderen  Harnischform, 
welche  sich  von  jener  des  „ritterlichen"  Harnisches  unterscheidet 
Hauptsächlich  durch  die  eigentümliche  Form  des  Kragens  und  des 
Armzeuges  bildete  sich  der  sogenannte  gemeine  „Landskuechtha misch*', 
der,  den  praktischen  Bedürfnissen  im  Kriege  besser  entsprechend,  bald 
auch  von  den  „reisigen"  (reitenden)  Knechten,  im  Kriege  aber  auch 
gern  von  der  Ritterschaft  getragen  wurde.  Die  Form  verbreitet  sich 
im  Heere  von  der  Landsknechttruppe  aus,  übergeht  von  da  auf. die 
leichte  italienische  Reiterei,  die  Arkebusierc,  schwarzen  Reiter  etc., 
endlich  auf  die  leichte  Reiterei  der  Spanier  und  Niederländer.  Am 
spätesten  nehmen  sie  jene  der  Franzosen  und  Deutschen  an. 

Diese  Veränderung,  welche  durch  diese  nicht  unbedeutende  Um- 


Fig.  60. 


Fig.  60.  Kragen  zu  einem  Trabharnische  des  Fcldobersten 
Heinrich  von  Rantzau,  (1526 — 1599)  gebläut  und  mit  geschwärzten 
Strichen  geziert.  Der  Kragen  steht  in  Verbindung  mit  Spangröls,  an 
welchem  Schwebescheiben  hängen  (die  linksseitige  ist  hier  weggelassen 
worden).    Deutsch  um  1570. 

bildung  des  Feldharnisches  der  Harnischkragen  erfuhr,  war  nicht  ge- 
ring. Zunächst  wurde  das  Brust-  und  Rückcnblech  bedeutend  gröfser, 
da  das  Brust-  und  Rückenstück,  um  es  möglichst  zu  erleichtern,  ge- 
ringere Dimensionen  erhielt  und  mit  (anfänglich)  gerade  laufenden 
Oberrändern  nur  bis  etwa  an  die  zweite  Brustrippe  hinaufreichte,  so 
dafs  thatsächlich  Brust-  und  Rückenblech  des  Kragens  einen  bedeu- 
tenden Teil  der  Brust  und  des  Rückens  deckte.  An  den  beiden 
Seiten  des  Kragens  wurden  die  Achseln  befestigt,  welche,  etwa  8 — 
10  mal  geschoben,  weder  Vorder-  noch  Hinterflüge  besafsen.  Man 
nannte  derlei  Achseln  in  den  Landsknechtheeren  „Spangröls",  eine 
Umbildung  des  italienischen  Wortes  „spalla-gola".    Diese  Achselstücke, 


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2.    Der  Harnischkragen. 


65 


welche  bis  an  den  Ellenbogen  herabreichten,  standen  nicht  immer 
mit  einem  Armzeuge  in  Verbindung,  in  vielen  Fällen  schützte  den 
Arm  lediglich  der  Panzerärmel,  Hand  und  Unterarm  der  Handschuh, 
dessen  lange  Stulpen  bis  an  den  Ellenbogen  reichten. 

Diese  Umänderung  des  Feldharnisches  für  den  Söldner  begann 
um  1 530  und  war  um  1 570  vollendet,  der  Anstofs  daz\i  wurde  von 
Italien  gegeben,  man  nannte  sie  dort  alleggiate,  in  Frankreich  und 
England  allecrets. 

Um  den  Kragen  mit  den  Spangeröls  bequemer  anziehen  zu 
können,  wurde  die  rechte  Achsel  nur  rückwärts  mittelst  eines  Riemens 
mit  dem  Kragen  verbunden,  ein  zweiter  Riemen  wurde  erst  nach  dem 
Umlegen  mittelst  eines  Bolzens  in  ein  Loch  eingehakt,  welches  am 
Halsbleche  des  Kragens  befindlich  war.  Vornehmere  trugen  zu  den 
Spangeröls  auch  Armzeuge,  die  in  Lederschleifen  an  ersteren  hingen. 


Fig.  61.  Kragen  als  Beigabe  zur  gewöhnlichen  Tracht,  in 
Kupfer  getrieben  und  teils  vergoldet.  Vorne  erblickt  man  Neptun, 
Ainphitrite  mit  Amor.  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  Italienisch. 
Museum  zu  Zarskoe-Selo. 

Fig.  62.  Kragen  von  einem  Prunkharnische  des  kais. 
Generallieutenants  Grafen  Adolf  Schwarzenberg  (gefallen  1600) 
reich  geätzt  und  vergoldet  Arbeit  des  Pomfeo  della  Chiesa  in  Mai 
land  um  1590. 

Auch  Schwebescheiben  finden  sich  an  Spangeröls  häufig  angehängt, 
um  die  Achselhöhlen  zu  decken.  (Fig.  60.) 

Um  1570  erhielt  der  Kragen  an  ritterlichen  Harnischen  dadurch 
eine  Veränderung,  dafs  er,  nun  der  Mode  entsprechend,  hoch  hinauf- 
gezogen erscheint.  Über  dem  Rande  tritt  dabei  anfänglich  ein  schmaler, 
später  ein  übermäfsig  breiter  und  hoher,  weifser,  gefalteter  Kragen, 
aus  feiner,  gestreifter  Leinwand  hervor,  der  in  seiner  höchsten  Über- 
treibung als  „Mühlsteinkragen"  bekannt  ist.    Wir  werden  bei  Gelegen- 

H  oi- he  im,  Waffcnkundc.  ,  5 


Fig.  6l. 


Fig.  62. 


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66 


l.   Die  Schutzwaffen. 


heit  der  Betrachtung  der  Harnischbrust  ersehen,  dafs  der  Kragen 
nicht  immer  als  selbständiger  Bestandteil,  sondern  auch  in  Verbin- 
dung mit  der  Brust  und  dem  Rücken  erscheint. 

Schon  um  1550  wurde  es  unter  den  Kavalieren  in  Italien  Sitte, 
im  gewöhnlichen  Verkehre  in  den  Städten,  um  doch  etwas  vom  Har- 
nische an  sich  zu  haben,  und  vielleicht,  um  bei  einem  unvermuteten 
Angriffe  wenigstens  die  Schlagadern  geschützt  zu  haben,  nur  den  Kragen 
allein  zu  tragen,  -Das  führte  nicht  nur  zur  besonderen  Verzierung 
desselben,  sondern  auch  dahin,  Farbe  und  Zier  des  Wamses  in  Ein- 
klang mit  der  Dekoration  des  Kragens  zu  bringen.  Derlei  Krägen 
sind  um  1620  schon  ohne  Geschübe,  reichen  auch  etwas  weiter  über 
die  Brust  herab  und  erscheinen  dort,  weil  nun  sichtbar,  mit  geschmack- 
vollerem Schnitte  (Fig.  61, 62.)  Diese  Sitte  erhielt  sich  in  den  italienischen 


Fig.  63.  Fig.  64. 


Fig.  63.    Kragen   von  einer  ungarischen  Feldriistung  des  Erz- 
herzogs Ferdinand  Karl  von  Tirol.    Geätzt  und  versilbert.  1650. 

Fig.    64.      Dienstkragen    eines    preussischen  Oberoffiziers. 
Um  1740. 

Heeren  unter  den  Offizieren,  wurde  später  zum  Dienstabzeichen  und 
verbreitete  sich  in  fast  alle  Anneen  Europas.  Im  niederländischen 
Befreiungskriege,  unter  Moriz  von  Oranien,  im  30jährigen  Kriege 
wird  der  Harnischkragen  von  den  Offizieren  fast  ausnahmslos  über 
dem  Lederkoller  getragen.  (Fig.  63.)  In  der  Zeit  des  Rokoko,  in 
welcher  alles  zugeschnitten  und  zugestutzt  wurde,  verlor  der  Dienst- 
kragen den  allerdings  minder  bequemen  Halsteil  und  schrumpfte  zum 
Ringkragen  zusammen,  als  welchen  wir  ihn  noch  zur  Stunde  in 
vielen  Armeen  sehen  können.    (Fig.  64.) 

In  seinem  Zusammenhange  mit  den  übrigen  Teilen  des  Har- 
nisches werden  wir  ihn  später  erblicken. 


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3.    Da*  Arnweug. 


G7 


3.   Das  Armzeug. 

Zum  Armzeug  (franz.  brassard,  ital.  bracciale)  am  Plattenhar- 
nische rechnet  man  die  Achseln  (fr.  epaulieres,  ital.  spallacci),  die 
Armröhren  (canons)  und  die  Ellenbogenkacheln  (fr.  cubitiercs, 
ital.  cubitiere),  und  benennt  gemeiniglich  die  Achseln  mit  der  an- 
schliefsenden  Armröhre  Oberarmzeug,  die  übrigen  beiden  Stücke 
Unterarmzeug. 

Wiewohl  eine  Bedeckung  der  Achseln  durch  Bronze  oder  Eisen 
schon  im  Altertume  allenthalben  im  Gebrauche  war,  so  gewahren  wir 
doch  in  der  kriegerischen  Ausrüstung  des  früheren  Mittelalters  nirgends 
eine  besondere  Sorge  für  den  Schutz  einer  so  sehr  der  Verletzung 
ausgesetzten  Körperstelle,  wie  die  Schultern  sich  darstellen.  Wir  finden 
weder  an  der  Brünne  (broigne)  noch  am  Haubert  des  13.  Jahrhun- 
derts die  geringste  Verstärkung,  und  demnach  konnte  ein  Axt-  oder 
mächtigerer  Schwerthieb  ohne  Zweifel  jene  Stelle  ausgiebig  verwunden. 
Als  einziges  Mittel,  seine  Schultern  zu  schützen,  blieb  dem  Krieger 
bis  gegen  das  Ende  des  13.  Jahrhunderts  der  Schild,  später  die  über 
den  Hals  gehängte  Tartsche.  Erst  um  1275  schien  man  sich  der 
Mangelhaftigkeit  der  Kriegskleidung  bewufst  zu  werden,  denn  die  um 
jene  Zeit  auftretenden  Achselschilde  (ailettes),  in  Frankreich  und 
England,  welche  später  nähere  Erwähnung  finden  werden,  hatten  die 
Aufgabe,  nicht  nur  dem  Halse,  sondern  auch  den  Schultern  einen 
besseren  Schutz  zu  bieten.  Aber  diese  Schildchen,  an  sich  nicht 
sehr  widerstandsfähig,  glitten  im  Gefechte  leicht  von  der  Schulter 
ab  und  fielen  nach  vor-  oder  rückwärts.  Um  diesen  Nachteilen  zu 
begegnen  merkt  man  schon  um  jene  Zeit  schüchterne  Versuche,  die 
Achseln  unmittelbar  mit  Platten  aus  geschlagenem  Eisenblech  zu  be- 
decken. Man  befestigte  runde  Scheiben  mittelst  Lederriemen  an  den 
Achselpunkten  des  Hauberts,  diese  Achselscheiben  deckten  den 
Körperteil  begreiflicherweise  nur  höchst  unvollständig,  weshalb 
man  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  begann,  die  Achseln  mit 
schuppenförmigen,  lose  herabfallenden  Plättchen,  bald  darauf  aber  mit 
quer  angeordneten  Schienen  zu  decken,  welche  schon  eine  Art  von 
Geschübe  darstellten.  Man  nannte  ein  derlei  Achselstück  um  1270 
Spaldenier  vom  lateinischen  espalderium.  Diese  nicht  unwichtige 
Veränderung  fällt  so  ziemlich  mit  der  Aufnahme  des  Lentners  zu- 
sammen, der,  eng  den  Leib  umschliefsend,  allen  Verstärkungen  mehr 
Halt  gewährte.  Wir  sehen  auch  im  14.  Jahrhundert  diesen  Vorteil 
rasch  benutzt,  denn  nun  wird  die  Achsel  durch  halbkugelförmig  ge- 
triebene Platten  geschützt,  die  sich  oben  an  den  Lentner,  unterhalb 
an  die  Armschienen  anschliefsen.  Diese  Verbesserung  blieb  dadurch 
unvollkommen,  als  der  Arm  in  gehobener  Stellung  ungedeckt  er- 
schien, und  diese  Wahrnehmung  führte  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des   15.  Jahrhunderts  zur  Vergröfserung  der  Achselstücke  nach  vor- 

5* 


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08 


I.  Die  SchutzwafTen. 


und  rückwärts.  Damit  bildeten  sich  die  sogenannten  vorderen  und 
hinteren  Flüge.  Die  ersten  derlei  Formen  bestanden  aus  einem 
Stücke,  aber  es  dauerte  nicht  lange,  so  wurden  dieselben,  um  den 
Armen  mehr  Bewegungsfreiheit  zu  bieten,  in  mehreren  Folgen  nach 
aufwärts  geschoben.     Die  Vorderflüge,   das  sind  die  gegen  die 

Brustmitte  zu  sich  verbreitenden 
Partien  der  Achseln,  sind  nicht 
immer  an  beiden  Seiten  gleich. 
Der  rechte  ist  nämlich  in  der 
Regel,  da  der  Reiter  die  Spiers- 
stange in  die  Achselhöhle  geprefst 
führte,  an  dieser  Stelle  konkav 
ausgeschnitten  (Fig.  65),  während 
der  linke  voll  gestaltet  bleibt.  Da- 
mit war  die  Achselhöhle,  nament- 
lich bei  Führung  des  Schwertes, 
gefährdet  Man  versuchte  es  nun 
mit  freihängenden  kleinen  Platten, 
welche  an  den  Flügen  mit  Leder- 
riemen oder  Schnüren  befestigt 


Fig.  65. 


Fig.  66. 


Fig.  65.  Rechtsseitiges  Armzeug  von  einem  sogenannten 
gotischen  Hämische  des  Erzherzogs  Sigmund  von  Tirol  mit  aus- 
geschnittenem Vorderflug  und  aufgebundenen  halben  Armkacheln. 
Deutsche  Arbeit  um  1480. 

Fig.  66.  Rechtsseitige  Achsel  mit  angebundener  Schwebe- 
scheibe von  einem  Harnische  des  Kaisers  Ferdinand  L  um  1560. 

wurden.  Diese  Platten,  anfänglich  viereckig,  lappenförmig,  wurden 
um    1400    scheibenförmig  gestaltet   und   Schwebescheiben  ge- 


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3.   Das  Armzeug. 


69 


nannt.  Sic  bewährten  sich  im  Gebrauche  und  erhalten  sich  fast 
während  der  ganzen  Periode  des  Plattenharnisches  bis  ans  Ende  des 
16.  Jahrhunderts;  ausnahmsweise  werden  sie  selbst  an  Spangröls  ge- 


a.  Fig.  67.  b. 


Fig.  67a.  Rechtsseitiges  Armzeug  von  einem  Harnische 
Ferdinand  des  Katholischen,  Königs  von  Arragonien.  Italienische 
Arbeit  um  1480. 

Fig.  67b.    Rückseite  von  Fig.  67a. 

tragen.  (Fig.  66.)  Als  um  1580  allenthalben  die  Reifsspiefse  abgelegt 
wurden,  wurden  auch  die  rechten  Vorderflüge  nicht  mehr  ausgeschnitten. 


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70 


I.   Die  SchutzwaflVn. 


Auch  an  Turnierharnischen  für  den  deutschen  Fufskampf  und  für 
das  spätere  Fufsturnier  waren  von  jeher  ausgeschnittene  Vorderflüge 


Fig.  68. 

Fig.  68.  Linksseitiges  Armzeug  mit  Spangröls  und  halben 
Ellenbogenkachcln  von  einem  Landskucchtharnische  des  Caspar  von 
Frundsbcrg.    Deutsch  um  1527. 

nicht  üblich.  Die  Hinterflüge  sind  nach  Ablegen  der  Helmbrünne 
anfanglich  sehr  grofs  gebildet,  ja  an  italienischen  Harnischen  über- 


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3.   Das  Amizeug. 


71 


greifen  sie  sich  an  der  Rückgratstelle  nicht  selten,  um  das  nicht 
sehr  widerstandsfähige,  tief  ausgeschnittene  Rückenstück  zu  verstärken. 
An  italienischen  Harnischen  des  15.  Jahrhunderts  treffen  wir  auch 
Achseln  ohne,  oder  nur  mit  kleinen  Vorderflügen;  es  erklärt  sich  das 
durch  den  Widerwillen  des  Italieners  gegen  eine  Beschränkung  in 
seiner  Bewegung,  wie  auch  durch  seine  dem  Naturell  angepafste 
Fechtweise  (Fig.  67  a  und  67b).  Und  gerade  in  Italien  änderten  die 
deutschen  Landsknechte  den  Harnisch  um,  verwarfen  die  Achseln 
mit  den  die  Bewegung  beeinträchtigenden  Flügen  und  schlössen  an 
den  Kragen  ein  Geschübe,  welches  nur  die  Achsel  und  die  äufsere 
Schulterseitc  bis  zur  Hälfte  des  Oberarmes  deckte.    Diese  Achseln 


Fig.  69.  Linksseitige  Achsel  mit  geschobenem  Vorderflug 
und  hohem  Brechrand  von  einem  Harnische  des  Kaisers  Ferdinand!, 
um  1560. 

in  Verbindung  mit  dem  Kragen  hiefsen,  wie  wir  bereits  bemerkten, 
Spangröls.  (Fig.  68).  An  deutschen  Reiterharnischen  vom  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  finden  sich  ebensowohl  Achseln  mit  als  ohne 
Vorderflüge  und  selbst  ohne  Hinterflüge. 

Gerade  an  jenem  Zeitpunkte,  an  welchem  eine  merkbare  Scheidung 
in  der  Form  der  Harnische  des  Adels  und  des  Söldners  eintritt, 
gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  wird  die  Achsel  an  ritterlichen 
Harnischen  in  ganz  selbständiger  Weise  weitergebildet.  Der  adelige 
Reiter  hatte  als  Streitobjekt  wieder   den  Reiter   vor   sich,  gegen 


Fig.  69. 


72 


I.   Die  SchutzwafTen. 


dessen  Reisspiefc,  dessen  Schwert  er  sich  zunächst  zu  schützen  hatte. 
Das  Spiefseisen  konnte  ihm  die  Achsel  mit  dem  Helme  abstofsen, 
ein  Schlag  mit  dem  Hammer,  ein  kräftiger  Schwerthieb  die  Achsel- 
schienen zertrümmern.  Man  setzte  daher  an  der  Vorderseite  der 
Achseln,  den  Vorderflügen 
entlang,  aufrecht  stehende 
Schienen,  welche  so  ge- 
stellt waren,  dafs  jeder 
Spiefsstofs  gegen  den  ge- 
fährdeten Punkt  an  selben 
abgleiten  mufste,  so  hoch, 
dafs  jeder  Hieb  nur  die 
Kante  derselben,  nie  aber 
die  Schulter  treffen  konnte. 
Derlei  Schienen  heifsen, 


Fig. 


Fig.  7i. 


Fig.  70.  Armxeug.  Partie  von  einem  Grabmale  des  Chevaliers 
Baion  in  der  Kirche  zu  Carleston  nach  Stothard  The  Mon.  Effig.  of 
Great-Britain. 

Fig.  71.  Linksseitiges  Armzeug  mit  steifem  Achselflug  und 
ganzen  Muscheln.  Blank  mit  Schwarzätzung  geziert,  vun  einem  Lands- 
knechtharnischc  des  Lazarus  Schwendi,  Freiherrn  von  Hohenlands- 
berg,  kais.  Feldhauptmann.    Deutsche  Arbeit  um  1560. 


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3.  Das  Armzeug. 


73 


wenn  sie  nieder  gestaltet  sind:  Stauchen  (Achselstauchen),  hohe, 
weit  über  die  Schulter  hinausreichende:  Brechränder,  auch  Stofs- 
krägen  (fr.  passe -gards,  ital.  guarda-goletta,  span.  bufa).  (Fig.  69.) 
Sie  verlieren  sich  nur  allmählich  in  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 
Die  Achselstücke  sind  an  den  Schulterpartien  durchwegs  und  meist 
nach  aufwärts  geschoben.  Zuweilen  setzt  sich,  und  zwar  an  Har- 
nischen späterer  Zeit  von  1560  an,  das  Geschübe  auch  bis  über  die 
Flüge  hinaus  fort.  Man  unterscheidet  demnach  Achseln  mit  steifen 
von  solchen  mit  geschobenen  Flügen.  Auch  diese  letzteren  er- 
scheinen in  verschiedenen  Formen,  entweder  mit  Flügen,  welche  nur 
an  den  oberen  Achseigeschüben  haften,  oder  solchen,  bei  denen  die 
Flüge  auch  mit  den  unteren  in  Verbindung  sind.  Die  Befestigung 
der  Achseln  erfolgte  in  der  Regel  am  Kragen,  seltener  an  den  eisernen 
Schulterbändern,  noch  seltener  an  den  Schulterriemen,  anfänglich 
mittelst  Federbolzen,  welche  den  Nachteil  besafsen,  dafs  sie  leicht 
abgehauen  wurden,  später  an  Riemen. 

Von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  an  bis  ans  Ende  des  16. 
prägt  sich  in  den  Formen  der  Achselstücke  der  Kunststil  der  Zeit 
in  hervorragender  Weise  an  den  gotischen  Harnischen  um  1460 
bis  1480  aus,  in  welcher  Periode  die  Flüge  gleich  den  Armkacheln 
muschelförmig  getrieben  und  in  geschmackvollster  Zeichnung  durch- 
brochen gearbeitet  werden. 

Es  ist  bemerkenswert,  dafs  das  Bestreben,  die  äufsere  oder 
Streckseite  des  Armes  mit  Eisen  platten  gegen  den  Hieb  zu  schützen, 
schon  um  etliche  Jahrzehnte  vor  der  Einführung  der  Achselscheiben 
und  der  Spaldeniere  merkbar  wird.  Um  1250  bereits  sehen  wir 
Krieger,  welche  schmale  Eisenschienen  an  die  Oberarme  geschnallt 
tragen.  Vielleicht  noch  aus  früherer  Periode  datiert  der  Gebrauch, 
die  Ellenbogen  durch  kleine  buckeiförmig  ausgetriebene,  eiserne  Platten, 
sogenannte  Mäusel  (eubitieres)  zu  schützen.  (Fig.  70.)  Erst  am  Be- 
ginne des  1 4.  Jahrhunderts  wird  auch  der  Vorderarm  an  der  Streck- 
seite mit  einer  Eisenschiene  gesichert.  Man  würde  irren,  wollte  man 
in  diesen  primitiven  Versuchen,  die  Arme  des  Kriegers  zu  schützen, 
die  späteren  Armzeuge  erblicken.  Wie  überhaupt  der  Plattenharnisch 
durch  ein  organisches  Aneinanderfügen  von  früher  getrennten  und 
für  sich  bestehenden  Verstärkungsstücken  gebildet  wurde,  ebenso 
standen  die  ersten  den  Arm  deckenden  Stücke  untereinander  in 
keinem  Zusammenhange,  sondern  wurden,  jedes  für  sich,  mittelst 
Riemen  an  die  Arme  geschnallt.  Die  Franzosen  nennen  eine  derlei 
Deckung  der  Arme  avant-  oder  arriere-bras  und  trennen  diesen 
Begriff  von  dem  späteren  Armzeuge,  brassard,  ein  Ausdruck,  der 
übrigens  erst  im  16.  Jahrhundert  auftritt.  Im  Verlaufe  des  14.  Jahr- 
hunderts vervollständigt  sich  allmählich  der  Schutz  des  Armes,  die 
Schienen  werden  immer  breiter ,  die  unbedeckten  Stellen  immer 
schmäler,  bis  um  1350  die  Armröhren  sich  bilden.    Die  den  Ober- 


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74 


1.    Die  SchutzwalTcn. 


arm  deckenden  Oberarmrühren  besitzen  keine  seitlichen  Öffnungen, 
da  der  Arm  einfach  durch  selbe  gesteckt  wurde.  Die  Unterarm- 
röhren jedoch  sind  an  den  inneren  Seiten  offen  und  werden  erst 
nach  dem  Durchziehen  des  Armes  geschlossen.  Dieser  Verschlufs 
erfolgte  an  älteren  Armzeugen  bis  etwa  1500  ausnahmslos  durch 
Riemen  und  Schnallen,  von  dieser  Zeit  an  durch  Haspen.  Italienische 
(Mailänder)  Harnische  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts  besitzen,  um 
die  Drehung  des  Armes  zu  gestatten,  am  Oberrande  der  Oberarm- 
schiene horizontale  Führungsschienen,  die  um  1500  in  Abnahme 
kamen,  da  bei  Einführung  von  geschobenen  Oberarmröhren  die  Ge- 
schüblcder  ohnehin  eine  mäfsige  Drehung  des  Annes  gestatteten. 
Selbst  nach  dieser  Vervollständigung  blieben  die  einzelnen  Teile 
untereinander  ohne  Verbindung,  ja  nicht  selten  werden  die  Achseln 
über  dem  Panzerhemd  getragen,  wahrend  auch  andere  innerhalb  der 
Ärmel  desselben  auf  das  gesteppte  Wams  geschnallt  wurden.  Die 
Armröhren  mufsten  natürlich,  um  den  Arm  biegen  zu  können,  in  der 
Beuge  stark  ausgeschnitten  werden.  Dadurch  blieb  eine  empfindliche 
Stelle  ohne  Deckung;  man  suchte  sie  durch  kleine  Rundscheiben  zu 
ersetzen,  die  an  die  äufsere  Armseite  geschnallt  wurden.  Das  war 
unbequem  und  entsprach  wenig  dem  Zwecke,  man  geriet  darum  etwa 
um  1380  auf  den  Gedanken,  die  Streckseite  des  Armes  mit  einer 
buckeiförmig  ausgestatteten  Platte,  dem  sogenannten  Mäusel,  zu 
decken  und  an  dieses  zur  Deckung  der  Armbeuge  ein  breites,  muschel- 
förmiges  Blechstück  anzufügen.  So  bildeten  sich  die  Armkacheln 
(garde-eubitieres).  Bei  den  ältesten  setzen  sich  die  vorderen  breiten 
Ansätze,  die  sogenannten  Muscheln,  allgemach  schmäler  werdend, 
über  die  Armbeuge  nach  rückwärts,  ohne  an  der  rückwärtigen  Arm- 
seite anzuschliefsen.  Man  nennt  derlei  Formen  Armkacheln  mit 
halben  Muscheln  (Fig.  67a);  falls  sie,  wie  an  Annzeugen  des  iö.Jahrh. 
einem  Stege  gleich  den  Arm  ringartig  umschliefsen,  solche  mit  ganzen 
Muscheln.  (Fig.  71.)  Aber  die  Deckung,  welche  die  Muscheln 
des  Armzeuges  gewährten,  erschien  den  Plattnern  immer  noch  nicht 
genügend,  sie  strebten  auch  hier  die  absolute  an  und  versahen  die 
Öffnung  der  Armbeuge  mit  einem  Geschübe,  welches  allerdings  den 
beabsichtigten  Zweck  bis  zu  einem  Grade  erreichte,  die  Bewegung 
des  Armes  jedoch  nicht  unbedeutend  beeinträchtigte.  Derart  kon- 
struierte Armzeuge  heifsen  geschlossene.  Sie  erscheinen  vereinzelt 
schon  um  1480  an  Stechzeugen,  erhalten  sich  bis  ins  1 7.  Jahrhundert, 
fanden  aber  zu  keiner  Zeit  eine  allgemeine  Einführung,  nur  bei  ge- 
wissen Tumierformcn  glaubte  man  sie  nicht  entbehren  zu  können. 
(Fig.  72  a  und  72  b.)  Um  1420  gerieten  die  Mailänder  Waffen- 
schmiede auf  den  ungeachtet  seiner  Einfachheit  doch  eine  vollständige 
Neuerung  darstellenden  Gedanken,  Achseln,  Armröhren  und  Kacheln 
mittelst  Folgenriemen  oder  Nieten  untereinander  zu  verbinden  und 
so  nicht  allein  eine  vollständige  Deckung  zu  erzielen,  als  auch  das 


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3.   Das  Annzeug. 


75 


ungemein  langwierige  und  komplizierte  „Anlegen"  zu  vereinfachen 
und  abzukürzen.  Diese  Erfindung  und  deren  Anwendung,  die  sich 
auch  auf  das  Beinzeug  erstreckte,  war  es,  die  im  15.  Jahrhundert 
den  „Mailänder  Harnisch"  zu  einer  besonderen  Spezialität  machte. 
Deutsche  und  burgundische  Werkstätten  ahmten  ihn  nach,  aber  die 


a.  Fig.  72.  b. 


Fig.  72a.  Linksseitiges  Armzeug  mit  geschobener  Achsel 
und  niederem  Brechrand.  Die  Armbeugen  sind  geschlossen.  Von  einem 
Harnische  Philipp  IT.,  Königs  von  Spanien.  Mit  Hochätzung  geziert 
und  teils  vergoldet.    Deutsche  Arbeit  um  1546. 

Fig.  72b.    Rückseite  von  7  a,  der  Hinterflug  ist  steif. 


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76 


I.   Die  Schußwaffen. 


Armkacheln  mufsten,  wenngleich  in  Verbindung  mit  den  Röhren, 
doch  um  1480  noch  durch  Lederschnüre  „aufgebunden"  werden,  um 
sie  festzustellen.  Derlei  Schnüre  waren  an  den  Ellenbogenpunkten 
des  Wamses  befestigt,  sie  wurden  durch  in  den  Armkacheln  ange- 
brachte Löcher  gezogen  und  dann  auswärts  gebunden.  (Fig.  65.) 
Derlei  Befestigungsarten  erblickt  man  noch  häufig  an  Nürnberger- 
und  Augsburger  Harnischen  jener  Zeit.  In  Inventaren  von  1580 
noch  wird  das  vollständige,  von  der  Achsel  an  in  seinen  Teilen  in 
Verbindung  stehende  Armzeug  durch  den  Beisatz:  ,, alles  aneinander" 
bezeichnet.  Bis  etwa  1490  werden  die  Armkacheln  desungeachtet 
noch  besonders  an  die  Armbeugen  geschnallt.  Das  Armzeug  war 
kaum  gebildet,  als  die  Plattner  begannen,  die  Armkacheln  in  riesiger 
Gröfse  zu  fertigen.  Diese  Übertreibung  nimmt  ihren  Beginn  um 
1450  und  endet  erst  nach  1540.  Als  Mode  fanden  diese  riesigen 
Kacheln,  mit  welchen  die  Plattner  ihre  Kunstfertigkeit  darzulegen  be- 
absichtigten, nicht  allgemeine  Verbreitung.  In  den  ersten  Jahrzehnten 
des  16.  Jahrhunderts  erleidet  das  Armzeug  einige,  wenn  auch  un- 
wesentliche Änderungen.  Die  Mäusel,  in  Deutschland  vorher  spitz, 
werden  nun  stumpf  und  selbst  halbkugelförmig,  die  halben  Muscheln 
verschwinden  allgemach,  nachdem  die  sogenannten  „ganzen"  mehr 
Festigkeit  besafsen  und  die  Oberarmröhren  erscheinen  nun  häufig 
mehrfach  geschoben. 

Von  ungefähr  1550  an  findet  man  das  Armzeug  an  Lands- 
knecht- und  selbst  an  Trabharnischen  in  sonderbaren  Detailformen. 
Der  Harnisch  wurde  den  Söldnern  im  Marsche  in  grofser  Hitze  oft 
unerträglich,  und  man  suchte  ihnen  ihre  Lage  nach  Möglichkeit  zu 
erleichtem.  Schon  um  1530  finden  wir  Unterarmröhren,  die  derart 
durchlöchert  sind,  dafs  sie  einem  grofsen  Gitter  gleichen.  Später, 
um  1560,  werden  die  Armröhren  einfach  aus  vier  herablaufenden 
Blechspangen  gebildet,  welche  mit  kleinen  Kacheln  zusammenhängen; 
um  1570  bildet  man  in  Italien  Arm-  und  Beinzeuge,  an  welchen 
die  Kachel  und  Buckel  mit  den  Röhren  in  Blattdessins  durchbrochen 
gearbeitet  sind.    (Fig.  73.) 

Verstärkungen  des  Armzeuges  durch  übergelegte  Doppelstücke 
(pieces  de  renfort)  waren  meist  nur  bei  Turnieren  üblich,  doch  kommen 
sie  nicht  selten  auch  für  den  Feldgebrauch  in  Anwendung.  Wir 
zählen  hierzu  zunächst  die  Doppel  ach  sei.  Sie  ist  in  der  Regel 
nur  für  die  linke,  die  Hieb-Seite,  üblich  und  deckt  meist  geschobene 
Achseln.  Für  das  Freiturnier,  wie  für  das  Feld  kommt  die  Doppel- 
achsel häufig  mit  hohem  Brechrand  vor.  (Fig.  74.)  Die  rechte 
Achsel  wird  selten  verstärkt,  aber  an  solchen  des  16.  Jahrhunderts 
treffen  wir  auf  die  Eigentümlichkeit,  dafs  an  der  Vorderseite  die 
bogenförmig  geschnittenen,  aufwärts  geschobenen  Folgen  stärker  auf- 
gebogen (gestaucht)  sind,  damit  sie  den  Schwerthieben  mehr  Wider- 
stand entgegensetzen  können.    Aufser  der  Achsel  wird  am  Armzeuge 


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4    Der  Handschuh. 


77 


nur  der  linke  Ellenbogen  verstärkt  Diese  Verstärkung  wird  durch 
das  aufgeschraubte  Doppel-  oder  Stechmäusel  (garde-bras)  be- 
wirkt Dasselbe  reicht  mit  grofsem  Fluge  vom  Mäusel  bis  an  die 
Armbeuge  und  deckt  somit  nur  die  vordere  Armseite.  Kleine  Arm- 
kacheln erhalten  zuweilen  am  Oberrande  Ansätze,  welche  aufge- 
schraubt werden,  lediglich  um  den 
Flug  zu  vergröfsern  und  die  Arm- 
beugen ausgiebiger  zu  schützen.  Die 
sogenannten  grofsen  Stechmäusel, 
welche  sich  über  den  halben  Oberarm 
verbreiten,  sowie  die  Stechachseln, 
die  nebst  der  Schulter  auch  noch  die 
linke  Helmseite  und  einen  Teil  der 
Brust  deckten,  waren  nur  beim  neuen 


Fig.  73-  F*g-  74- 

Fig.  73-  Armzug  aus  geschuppten  Plättchen  gebildet  nach  einer 
Abbildung  im  Codex:  Musterbuch  eines  Plattners  in  der  gräfl. 
1  hun'schen  Fideicommifsbibliothek  im  Schlofsc  zu  Tetschen,    Um  1 5  50. 

Fig.  74.  Linksseitige  Achsel  Verstärkung  mit  hohem  Brech- 
rand, teils  auch  zum  Turniergebrauche  von  einem  Harnische  des 
Rupprecht  von  der  Pfalz.  (Gest.  1504.)  Deutsche  Arbeit  um  1502. 

welschen  Gestech  über  die  pallia  üblich.  Zuweilen  findet  sich  an  den 
grofsen  Stechmäuseln  oder  den  Stechachseln  ein  eingeschraubter  Haken. 
Viollet-le-duc*)  vermutet,  er  diente  zur  Befestigung  einer  Tartsche. 

*)  Dictionnaire  raisonne  du  Mobilicr  francais  pag.  463. 


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78 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Das  ist  irrig,  denn  weder  im  Felde  noch  beim  Plankengestech  be- 
diente man  sich  einer  frei  getragenen  Tartsche,  beim  Realgestech 
aber  war  sie  an  den  Bart  angeschraubt  Vermutlich  diente  er  zur 
Befestigung  der  Zügelriemen. 

Der  Vollständigkeit  halber  erwähnen  wir  noch  der  Achselstücke 
und  ganzen  Armzeuge,  welche  an  italienischen  Korazins  gebräuchlich 
sind.  In  Mailand  treten  nümlich  im  1 5.  Jahrhundert  zuerst  Harnische 
auf,  deren  Brust-  und  Rückenstücke,  gleichviel  ob  diese  steif  oder 
aus  kleineren  Stücken  (Schienen,  Plättchen)  bestehen,  aufserhalb  mit 
Seidenstoff  oder  Samt  überzogen  und  dicht  mit  vergoldeten  Nieten 
besetzt  sind,  deren  Köpfchen  feine  Dessins  besitzen.  Derlei  über- 
zogene Bruststücke  werden  nicht  selten  mit  Achselstücken  und  selbst 
ganzen  Armzeugen  versehen,  welche  gleich  ausgestattet  sind.  Die- 
selben sind  in  der  Regel  gleich  den  gewöhnlichen  derlei  Harnisch- 
bestandteilen  und  unterscheiden  sich  nur  durch  den  Überzug.  Wir 
kommen  auf  derlei  Ausstattungen  später  wieder  zurück. 


4.   Der  Handschuh. 

Die  Erfolge,  welche  die  Waffenschmiede  in  dem  Bestreben,  einen 
so  wichtigen  Körperteil,  wie  es  die  Hand  ist,  zu  schützen,  waren  bis 
ins  13.  Jahrhundert  äufserst  gering.  Im  11.  Jahrhundert  staken  die 
Hände  in  gefingerten  Handschuhen  aus  dickem  Leder  mit  kaum 
5  cm.  breiten  Stulpbesätzen.  Gegen  den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts, 
als  der  Haubert  aus  mit  Ringen  bedeckten  Schnüren  in  Gebrauch  kam. 
waren  die  Ärmel  vorn  geschlossen,  die  Hände  steckten  wie  in  einem 
Sacke,  nur  die  Innenflächen  derselben  blieben  von  der  Ringdecke  frei, 
so  dafs  an  dieser  Stelle  die  Lederflächc  sichtbar  blieb.  Eine  Bewegungs- 
freiheit besafs  nur  der  Daumen,  welcher  eingeschnitten  sich  darstellte, 
um  Spiels  und  Schwert  anfassen  zu  können.  In  Frankreich  erscheint 
im  1 3.  Jahrhundert  eine  Handschuh  form,  welche  „gagnepain"  genannt 
wird.  Es  ist  dies  nichts  anderes,  als  der  mit  Eisenplättchen  ver- 
stärkte Lederhandschuh  und  die  Bezeichnung  leitet  sich  von  dem 
Worte  „canepin"  ab,  das  eine  gegerbte  Haut  bezeichnet,  welche 
die  Handschuhmacher  dazu  verwendeten.  Am  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts, als  die  Erfahrungen  des  5.  Kreuzzuges,  vornehmlich  in 
Frankreich  und  Italien,  ihren  Einflufs  geltend  machten,  schnitt  man 
die  plumpen,  sackartigen  Enden  entschlossen  von  den  Armein  und 
steckte  die  Hände  in  gefingerte  Handschuhe  von  starkem  Damhirsch- 
Jeder  mit  Stulpen.  Im  Gefechte  pflegte  man  dieselben  noch  über- 
dies mit  einem  Stücke  Rindsleder  zu  belegen,  das  von  der  ersten 
Knöchel  reihe  bis  an  den  Ellenbogen  reichte  und  an  der  inneren  Arm- 


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4.    Oer  Handschuh. 


fläche  zusammengeknöpft  wurde.  Dieser  Schutz  erwies  sich  als  nicht 
genügend,  man  nähte  darum  sowohl  auf  den  Handrücken,  als  auf 
den  ersten  Daumenknöchel  runde  Eisenplatten,  die  nach  der  Hand- 
form getrieben  waren.  Diese  Scheiben  auf  dem  Handrücken  treten 
bis  ins  14.  Jahrhundert  häufig  vor  Augen,  man  band  sie  später 
mittelst  Lederriemchcn  an  den  Handschuh,  welche  durch  zwei  Löcher 
der  Scheibe  gezogen  und  aufsen  geknüpft  wurden.  Der  Gebrauch 
erbte  sich  traditionell  bis  in  die  Zeit  fort,  in  welcher  bereits  längst 
Eisenhandschuhe  getragen  wurden.  In  dieser  primitiven  Bedeckung 
des  Handrückens  ist  das  Vorbild  der  an  vielen  Eisenhandschuhen 
noch  bis  etwa  1500  ersichtlichen  Sticlscheiben  zu  erblicken,  welcher 
wir  später  gedenken. 

In  den  zahlreichen  Abbildungen  des  Codex  Balduini  I.  von  ca. 


Fig.  75.  Lederhandschuh  mit  schuppenförmig  angeordneten 
Eisenplättchen  benäht  vom  Grabmale  des  Sir  Richard  von  Burling- 
thorpe  um  1310  nach  Planen*. 

Fig.  76.  Eisenhandschuh  vom  Grabmale  eines  Ritters  aus  der 
Familie  der  Eresby  in  der  Spielsbykirche  in  Lincolnshire  um  1410, 
nach  Hewitt. 

1340,  dessen  wir  wiederholt  erwähnten,  tragen  die  Ritter  durchaus 
gefingerte  Lederhandschuhe  mit  langen  Stulpen.  Der  ungenügende 
Schutz,  welchen  die  Eisenscheiben  auf  den  Handrücken  boten,  war 
Ursache,  dafs  man  nun  die  Platte  vergröfserte  und  sie  nach  der 
Form  der  Hand  bildete  und  dabei  auch  die  Handwurzel  zu  decken 
suchte.  Dadurch  entstanden  die  wesentlichsten  Teile  des  Eisenhand- 
schuhes, die  Rückenplatte  und  der  Stülp.  Die  Finger  wurden  mit 
kleinen  Eisenblechstücken  bedeckt,  welche  schuppenförmig  auf  den 
Lederhandschuh  genäht  wurden.  (Fig.  75.)  Eine  derlei  Einrichtung 
war  aber  doch  nichts  anderes,  als  ein  mit  Eisenplatten  besetzter 
Lederhandschuh  und  kein  Eisenhandschuh  an  sich,  der  sich  erst  in 
der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  zu  bilden  begann.    Die  ältesten 


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80 


I.    Die  Schutzwaffen. 


Eisenhandschuhe  besitzen  breite  Rückenplattcn,  von  welchen  aus  nicht 
allein  die  4  Finger,  sondern  auch  der  Daumen  sich  herausschieben. 
Die  Stulpen  sind  kurz,  teils  geradelaufend,  teils  geschweift  gebildet. 
(Fig.  76.)  Erst  am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  ist  die  geschobene 
Partie  des  Daumens  getrennt  und  nur  durch  ein  Scharnier  mit  dem 
Handschuh  in  Verbindung.  Um  diese  Zeit  gewahren  wir  die  ersten 
Handschuhe,  in  welchen  die  4  Finger  nicht  getrennt,  sondern  mit- 
einander eine  einzige  geschobene  Bedeckung  besitzen.  Man  nennt 
derlei  Eisenhandschuhe  insgemein  Hentzen  (mitons).  Sie  werden 
für  das  Feld  wie  für  das  Turnier  gebraucht    (Fig.  77.)    Eine  be- 


Fig.  77-  Fiß-  78. 


Fig.  77.  Hentze  mit  Stielscheibc ,  der  angeschobene  Daumen 
besitzt  eine  Auftreibung  für  den  Siegelring.  Dieselbe  gehört  zu  einem 
Harnische  Friedrichs  Gonzaga  Markgrafen  von  Mantua.  Italienisch 
um  1480.    Die  Randätzungen  gehören  dem  16.  Jahrhundert  an. 

Fig.  78.  Hentze  mit  Fingerschlufs  von  eim-m  Fufskampfharnische 
Kaiser  Ferdinands  I.    Blank  mit  goldgeätzten  Zügen  um  1560. 

sondere  Form  bilden  jene  Hentzen,  welche  derart  eingerichtet  sind, 
dafs  sie  nach  Erfassen  des  Schwertes  mit  der  Hand  derart  geschlossen 
werden  konnten,  dafs  eine  Entwaffnung  unmöglich  wurde.  Sie  waren 
für  den  Fufskampf  im  Turniere  und  für  das  Fufsturnier  nicht  ge- 
stattet, dennoch  finden  wir  sie  an  Kampf-  und  anderen  Turnier- 


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4.   Der  Handschuh. 


81 


hämischen.  Der  Faustschlufs  wurde  dadurch  erzielt,  dafs  an  den 
Fingerspitzen  eine  weitere  Folge  angesetzt  wurde,  in  welcher  sich  ein 
Loch  befand.  Wurde  die  Faust  geschlossen,  so  gelangte  diese  an 
die  Handwurzel,  woselbst  ein  schlüsselartiger  Bolzen  sich  befand,  der 
durch  das  Loch  gesteckt  wurde  und  durch  Umdrehen  des  Bartes 
die  Öffnung  der  Faust  hinderte.    (Fig.  78.) 

Wie  wir  vorher  be- 


Fig.  79.  Fig.  80. 


Fig.  79.  Gelochte  Hentze  Ton  einem  Harnische  des  Kaisers 
Maximilian  I.  um  1480. 

Fig.  80.  Rechter  Handschuh  mit  messingenen  Rand  ein  fas- 
sungen  und  Knöchel Wülsten,  gekehlt  und  mit  ausgezackten  Folgen.  Der 
Daumen  ist  an  der  Scharniere  hängend.  Von  einem  Harnische  des  Erz- 
herzogs Sigmund  von  Tirol.    Deutsche  Arbeit  um  1480. 

Eisenscheibe,  Stielscheibe  genannt.  Sie  findet  sich  nur  an  linken 
Handschuhen,  nie  an  rechten.    Wenn  dieselbe  sich  auch  zweifellos 

Boeheim,  Waffenkunde.  6 


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82 


I.    Die  Schußwaffen. 


von  den  alten  auf  den  Lederhandschuh  gebundenen  Scheibchen  her- 
schreibt, so  läfst  doch  die  Beschränkung  ihres  späteren  Vorkommens 
auf  den  linksseitigen  Handschuh  erkennen,  dafs  sie  entweder  zur 
sicheren  Befestigung  der  Zügelriemen,  oder  beim  Gebrauche  eines 
Schildes  zu  dessen  festerer  Anlehnung  diente. 

Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  hatten  sich  die  Handschuhe 
schon  vollständig  ausgebildet,  ja  man  begegnet  schon  um  1510  Ver- 
suchen, der  Nachteile  derselben  sich  zu  erwehren.  So  kommen  in 
dieser  Periode  schon  durchlöcherte  Handschuhe  vor,  um  die  Aus- 
dünstung der  Hände  zu  befördern.  Wir  bringen  hier  einen  solchen 
von  einem  Harnische  des  Kaisers  Maximilians  I.    (Fig.  79.) 

Am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  um  1470  etwa  begegnen  wir 
an  Nürnberger  Harnischen  Handschuhen  von  vollendet  schöner  Form 
im  Stile  der  Spätgotik.  Die  zahlreichen  Folgen  sind  seicht  gekehlt 
und  an  den  Rändern,  den  sogenannten  Für  feilen,  gezackt  ge- 
schnitten und  durchbrochen  gearbeitet  Die  ganze  Arbeit  erinnert 
an  ein  Spitzengewebe.  Die  Knöchel  bedecken  spitz  getriebene  Eisen- 
oder Messingbuckel  von  eleganter  Zeichnung.  Die  Ränder  der  langen, 
spitz  geschnittenen  Stulpen  sind  von  Messing  mit  zarten  lilienförmigen 
Dessins.  Das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  ist  die  Blütezeit  der 
Plattnerei,  es  zeigt  sich  das  nicht  wenig  in  der  Form  des  Hand- 
schuhes.   (Fig.  80.) 

Im  16.  Jahrhundert  ging  man  im  allgemeinen  wieder  auf  die 
älteren  Formen  zurück.  Die  Hauptformen  ändern  sich  wenig,  die 
dekorative  Ausstattung  soll  den  Mangel  einer  entsprechenden  Weiter- 
bildung der  Form  ersetzen.  Um  1 5 1  o  treten  die  geriffelten  Formen 
auf,  welche  die  Maxirailiansharnische  charakterisieren.  Die  Stulpen 
werden  bei  wenig  konischer  Bildung  wieder  kurz.  Die  gefingerten 
Handschuhe  werden  gebräuchlicher,  die  Hentzen  seltener.   (Fig.  81.) 

Einer  Eigentümlichkeit  an  Handschuhen  deutscher  Arbeit  müssen 
wir  gedenken.  Man  wird  nämlich  an  solchen,  nahezu  durchweg  am 
äufseren  Knöchel  der  Handwurzel,  einen  kleinen  Buckel  aufgetrieben 
finden.  Wir  haben  es  hier  mit  einer  Handwerksgewohnheit  deutscher 
Werkstätten  zu  thun,  die  sich  aus  dem  1 5.  Jahrhundert  herschreibt. 
Italienische  Meister,  welche  den  Knöchelauftrieb  fertigen,  waren  sicher 
einst  in  deutschen  Werkstätten  beschäftigt.  Man  findet  solchen 
übrigens  an  italienischen  Arbeiten  äufserst  selten. 

Um  1530,  in  jener  Periode,  in  welcher  der  Einflufs  des  Lands- 
knechtwesens  mächtig  wird,  erwacht  das  Bestreben,  die  Handschuhe 
leichter  und  beweglicher  zu  machen.  In  dieser  Zeit  treffen  wir  Hand- 
schuhe zwar  mit  etwas  längeren,  öfter  geschweiften  Stulpen,  aber  ohne 
Fingergeschübe.  Der  Schutz  der  Finger  wird  durch  Streifen  von  Panzer- 
zeug, aus  kleinen  Eisenringelchen  (Panzerstücken)  bestehend,  gebildet, 
welche  auf  die  obere  Seite  des  Lederhandschuhes  genäht  werden  (Fig.  82). 
Diese  Form  erhält  sich   bis  ins   17.  Jahrhundert.    Um  1540  wird 


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4-  Der  Handschuh. 


83 


selbst  bei  Handschuhen  mit  Fingergeschüben  wenigstens  der  Zeige- 
finger der  rechten  Hand,  dem  beim  Handhaben  von  Spiefs  und 
Schwert  Beweglichkeit  nötig  ist,  nur  durch  Panzerzeug  vorn  gedeckt. 
In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  gelangen  von  Italien  aus 
leichte  und  bewegliche  Handschuhe  mit  hohen  Stulpen  in  Gebrauch, 
welche  in  der  Technik  ganz  mit  den  Brigantinen  übereinstimmen. 
Mehrere  Reihen  von  schuppenartig  übereinander  liegenden  Plättchen 
werden  mit  schmalen  Streifen  von  Panzerzeug  verbunden. 


Fig.  81. 


Fig.  82. 


Fig.  81.  Rechter  Handschuh  von  einem  Prunkharnische  Kaiser 
Karls  V.  blank  mit  aufgelegten  messingenen  and  vergoldeten  Streifen 
von  meisterhafter  Zeichnung  im  Stile  Wentel  Jamnittcrs.    Um  1550. 

Fig.  82.  Handschuh  mit  Knöchelschiene,  angeschobenem  Dau- 
men und  Fingern  aus  Panzerzeug.  Blank  mit  schwarz  geätztem  Rand. 
Derselbe  gehört  zu  einem  Landsknechtharnische  des  Caspar  von 
Frundsberg.    Deutsche  Arbeit  um  1527. 

Hiebe  mit  schwächeren  italienischen  Haudegen  waren  sie  eine  immer- 
hin ausreichende  Schutzwaffe.    (Fig.  83.) 

Die  späteren  Fufsknechtharnische  um  1570  besafsen  bekanntlich 
kein  Armzeug.    Die  Achsel  und  den  halben  Oberarm  deckte  das 

6« 


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84 


I.   Die  Schutzwaffen. 


SpangTÖl,  den  übrigen  Teil  der  Panzerärmel.  Zur  ausreichenderen 
Versicherung  des  Unterarmes  bediente  man  sich  der  Blechhandschuhe 
mit  Stulpen,  welche  bis  über  den  Ellenbogen  reichten.  Diese  Hand- 
schuhe wurden  noch  von  den  Pickenieren  im  30jährigen  Kriege  ge- 
tragen. Sie  waren  die  letzten  Eisenhandschuhe,  welche  überhaupt  in 
den  Heeren  in  Verwendung  kamen.    (Fig.  84.) 

Aus  italienischen  Werkstätten  gelangen  rechtsseitige  Armzeuge, 
die  mit  dem  Handschuh  durch  ein  Geschübe  in  Verbindung  stehen. 
Diese  Kampfhandschuhe  unterscheiden  sich  von  allen  anderen  da- 


Fig.  83.  Fig.  84. 

Fig.  83.  Handschuh  aus  Plattchen  und  Panzerzeug  bestehend, 
sogenannter  Brigantinhandschuh,  geatzt  und  vergoldet.  Deutsch 
nach  italienischem  Muster,  um  1560. 

Fig.  84.  Handschuh  mit  bis  an  den  Ellenbogen  reichendem 
Stulpe,  sogenannter  Pickenierhandschuh.  Geschwärzt  mit  Vorstöfsen 
aus  Leder.    Italienisch,  um  1620. 

durch,  dafs  die  Hand  auch  an  der  Innenseite  durch  Geschübe  ge- 
deckt, somit  vollständig  in  Eisen  eingehüllt  ist.  An  der  Innenseite 
des  Daumens,  des  Mittel-  und  des  kleinen  Fingers  sind  kurze,  scharfe 
Eisenspitzen  aufgenietet.  Derlei  Handschuhe  waren  im  Handgemenge 
und  selbst  nach  Verlust  der  Waffe  noch  von  Vorteil.  Immerhin  war 


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4.   Der  Handschuh. 


85 


ihre  Brauchbarkeit  auf  so  vereinzelte  Fälle  beschränkt,  dafs  dieselben 
keine  allgemeinere  Anwendung  fanden.    (Fig.  85.) 

Im  Oriente,  bei  dessen  Völkern  eine  Streitweise  üblich  war,  die 
Beweglichkeit  zur  ersten  Bedingung  hatte,  war  man  allen  Schutzwaffen 
abhold,  welche  dieselbe  irgend  beeinträchtigen  konnte.  Ebenso  wie 
der  steife  Brustharnisch  nie  angenommen  wurde,  ebensowenig  fand 
der  geschobene  Handschuh  je  Eingang.  Der  bestgerüstete  Mann 
trug  an  der  rechten  Hand  einen  leichten  Blechhandschuh  (elwän), 
der  den  ganzen  Unterarm  deckte;  die  Hand  aber  steckte  in  einem 


Fig.  85.  Fig.  86. 


Fig.  85.  Eis enhandschuh  mit  vollständiger  Deckung  der  inneren 
Handfläche,  an  den  Fingern  mit  scharfen  Spitzen  besetzt.  Italienisch 
um  1570. 

Fig.  86.  Eiserne  Armschiene  zu  einer  türkischen  Ausrüstung 
gehörig,  mit  Fäustling  aus  rotem  Damast,  des  Sultans  Solimans  I. 
(1494 — 1566),  gekehlt  und  reich  in  Gold  tauschiert.  Beutestück  nach 
dem  Abzüge  der  Türken  von  Wien  1529.  Die  Schiene  ist  in  geöff- 
netem Zustande  gezeichnet. 

Fäustling,  der  an  der  Streckseite  mit  Panzerzeug  benäht,  unterhalb 
aber  mit  Damast-  oder  anderem  Wollstoff  überzogen  war.  (Fig.  86.) 


86  I.    Die  Schutzwaffen. 

Die  Mauren  trugen  im  15.  Jahrhundert  Handschuhe  an  der  linken 
Hand,  welche  mit  einer  dreizackigen  Klinge  in  Verbindung  als  An- 
griffswafTe  gelten  konnte.  Eine  Nachahmung  dieser  Form  in  Spanien 
und  Italien  ersehen  wir  in  den  Armschilden  des  16.  Jahrhunderts, 
welche  sich  als  eine  Verbindung  von  Handschuh,  Rundschild  und 
Klingen  darstellten.  Wir  werden  ihrer  bei  der  Beschreibung  der  Schilde 
gedenken.  Noch  in  spätester  Zeit  des  Jahrhunderts  finden  wir  An- 
klänge an  diese  Konstruktion  in  Handschuhen,  welche  mit  3  bis  4 
Stacheln  besetzt  sind.  Sie  konnten  unter  Umständen  nur  im  Hand- 
gemenge von  einigem  Vorteile  sein. 


5.   Die  Harnischbrust. 

So  wie  der  Plattenharnisch  nur  allgemach  und  dadurch  sich 
herauszubilden  begann,  dafs  anfänglich  nur  einzelne  Teile  des  Körpers 
durch  geschlagenes  und  aufgenietetes  Eisenblech  verstärkt  wurden, 
ebenso  bildete  sich  der  wichtigste  Teil  desselben,  die  Brust,  aus  ein- 
zelnen Verstärkungsplatten,  welche  über  den  Lentner  geschnallt  oder 
an  diesen  genietet  wurden.  Aber  mit  der  mittelst  einfacher  Nieten 
bewirkten  Überkleidung  eines  Lederwamses  durch  gröfsere  oder  kleinere 
Platten  von  Eisen  öder  anderem  Metall  ist  der  Plattenharnisch  noch 
keineswegs  erstanden.  Bei  derlei  überkleideten  Lentnern  waren  die 
Eisenplatten  musivisch  aneinander  gefügt,  und  jede  Streckbewegung 
öffnete  die  Zwischenspalten,  in  welche  die  Schneide  jeder  Hiebwaffe 
eindringen  konnte.  Erst  durch  die  scharf  von  der  früheren  sich 
unterscheidende  Art  der  Deckung  durch  nach  auf-  oder  abwärts 
sich  übergreifende  schienenartige  Eisenplattcn ,  durch  das  sogenannte 
Geschübe,  erwuchs  der  eigentliche  Plattenharnisch  und  damit  dessen 
wichtigster  Bestandteil,  die  Harnisch  brüst.  Nun  übernahm  die 
Eisenschiene  selbst  die  Aufgabe,  die  früher  dem  mit  Eisenplatten  be- 
nähten Lederkleide  zugeteilt  war,  und  die  Verbindung  der  einzelnen 
Platten  untereinander  erfolgte,  wie  erwähnt,  *im  Inneren  durch  breite 
Streifen  aus  Alaunleder,  sogenannte  Geschübeleder,  welche  von 
innen  an  die  Schienen  genietet  waren  und  infolge  ihrer  Elastizität 
und  Geschmeidigkeit  eine  verhältnismäfsig  freie  Körperbewegung  zu- 
lässig machten.  Betrachten  wir  das  neue  Geschübesystem ,  welches 
eigentlich  den  Plattenharnisch  charakterisiert,  so  scheint  es,  als  hätten 
die  Plattner  des  15.  Jahrhunderts  ihr  Vorbild  dafür  in  der  Natur  ge- 
sucht und  gefunden.  Es  ist  dasselbe  System  der  Deckung,  welches 
wir  in  den  Krustaccen  finden.  Dafs  diese  Ähnlichkeit  auch  den 
alten  Meistern  im  Bewufstsein  lag,  beweist,  dafs  man  geschobene 
Bruststücke  allgemein  Krebse  benannte. 


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5.   Die  Harnischbrust. 


87 


In  Italien  begann  man  um  1380  den  unteren  Brustteil  des 
Lentners  durch  eine  Platte  zu  verstärken,  welche  an  der  Brust- 
mitte bis  zum  Halse  reichte.  Um  1430,  als  man  hie  und  da  ver- 
suchte, die  Harnischbrüste  ganz  aus  Platten  zu  fertigen,  bestanden 
diese  zum  wenigsten  aus  zwei  Teilen,  welche  mittelst  Riemen  und 
Schnalle  miteinander  in  Verbindung  standen.  Später  bildete  der 
untere  Teil  mit  dem  oberen  ein  Geschübe.  Harnischbrüste  aus  einem 
Stücke  waren  um  1430  selbst  in  Italien,  dem  Lande  der  Erfindung 
und  Entwickelung  des  Plattenharnisches,  noch  eine  grofse  Seltenheit. 
Gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  wurde  der  Lentner  häufig 
durch  horizontal  laufende,  auf  das  Leder  genietete  10  bis  12  cm. 
breite  Blechschienen  verstärkt,  die  aber  nicht  nachbarlich  übereinander 
griffen  und  somit  ein  „Geschübe"  bildeten,  sondern  Rand  an  Rand 
gesetzt  erscheinen. 

Die  Form  des  Bruststückes,  dessen  Schnitt  und  Ausbauchung 
bildet  ein  sicheres  Merkmal  für  dessen  Alter,  in  sorgfältigerer  Beob- 
achtung selbst  für  dessen  Erzeugungsort.  So  wie  die  ersten  an  den 
Lentner  angelegten  Verstärkungsstücke  der  Form  desselben  sich  genau 
anschmiegen  mufsten,  ebenso  hatten  die  ersten  Plattenbruststücke  die 
Form  der  Brust  des  Lentners.  Um  1430  wird  die  Brust  kugelförmig 
ausgebaucht,  weil  man  der  Kugelform  die  gröfste  Widerstandskraft 
beimafs.  Die  ältesten  Brust-  und  Rückenstücke,  etwa  um  1450,  be- 
sitzen zuweilen  übermäfsig  grofse  Armausschnitte,  und  zwar  aus  der 
Ursache,  weil  es  damals  Sitte  war,  statt  des  übrigens  zur  Zeit  längst 
bekannten  Armzeuges  sich  weiter  Ärmel  zu  bedienen,  welche  mit 
Wolle  fest  ausgestopft  waren.  Solche  gepolsterte  Ärmel  wurden 
in  Italien  und  Frankreich  häufig  getragen;  sie  verschwinden  erst 
um  1480. 

Der  untere  Teil  der  geschifteten  Brust,  an  welchen  sich  die 
Bauchreifen  schliefsen,  erhielt  im  1 5.  Jahrhundert  den  Namen  Bruech, 
vermutlich  eine  Verstümmelung  des  französischen  braconniere,  her- 
geleitet von  dem  lateinischen  broccae,  italienisch  brache,  was  Panzer- 
hosen bedeutet.  Als  die  geschifteten  Bruststücke  um  1490  verschwanden, 
wurde  der  Name  auf  ein  Verstärkungsstück  des  unteren  Brustteiles  über- 
tragen. Um  dieselbe  Zeit  erscheint  in  Italien  und  Burgund  das  Bruststück 
schlanker  gebildet  und  scharf  gegen  die  Weichen  geschnitten,  und  es 
zeigte  sich  schon  damals  über  der  Mitte  der  Brust  ein  schwacher  Grat. 
Derlei  Bruststücke,  welche  übrigens  nicht  allgemein  und  meist  nur  in  Ver- 
bindung mit  dem  Barte  und  der  Schallern  getragen  wurden,  besafsen 
eine  schöne  und  elegante  Form.  Man  bezeichnet  sie  uneigentlich  als 
gotische,  und  sollte  sie  eher  florentinische  Bruststücke  nennen,  denn 
ihre  Form  war  der  florentinischen  Tracht  entlehnt.  Bis  in  diese  Zeit 
finden  wir  die  Bruststücke  noch  allenthalben  geschiftet,  erst  um  1490 
verbreitet  sich  der  untere  Schiftteil  allgemach  nach  aufwärts,  so  dafs 
der  obere  endlich  ganz  wegfällt.    Der  Oberrand  ist  anfänglich  wenig 


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88 


I.    Die  Schutzwaffen. 


aufgeworfen  und  leicht  konkav,  zuweilen  sogar  etwas  spitz  ausgeschnitten. 
(Fig.  87.)  In  dieser  Form  erscheinen  die  Bruststücke  bis  etwa  1500, 
um  welche  Zeit,  nicht  ohne  Einflufsnahme  Maximilians  I.,  sie  eine 
Umbildung  erleiden.  Dieselben  werden  nun  kurz,  kugelförmig,  mit  hori- 
zontal laufendem,  zuweilen  übertrieben  stark  aufgeworfenem  Oberrande 
und  unterhalb  eckig  ausgeschnittenen  Armausschnitten,  welche  nun 
zum  erstenmal  ein  bewegliches  Geschübe  erhalten,  um  den  Arm 
freier    gebrauchen    zu    können.     Diese  peschübe    in    den  Arm- 


Fig.  87. 

Fig.  87.  Gcschiftctcs  Bruststück  von  einem  Harnische  des 
venetianischen  Feldherm  Bartolomeo  Colleoni  (c-  «399— »475)- 
Italienisch,  um  1470. 

ausschnitten,  welche  federartig  wirken,  benennt  man  bewegliche 
Einsätze.  Fast  gleichzeitig  mit  den  glatten  Kugelbrüsten  treten  die 
von  Maximilian  I.  angegebenen  gerippten  oder  geriffelten  Harnisch- 
brüste auf,  von  welchen  wir  noch  später  sprechen  werden.  Man 
nennt  sie  Maximilianische,  irrtümlich  auch  mailändische.  (Fig.  88.) 
Von  1520  an  bildeten  die  in  Italien  dienenden  Landsknechte  die 


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5.    Die  Harnischbrust. 


89 


Harnischbrüste  nach  ihrem  eigenen  bizarren  Geschmack  um,  und  so 
übertrieben  die  Mode  erschien,  sie  war  nicht  ganz  ohne  Berechnung 
entstanden.  Das  Bruststück  wurde  nämlich  in  der  Mitte  immer  weiter 
vorgetrieben,  so,  dafs  sich  um  1530  allmählich  eine  scharfe  Spitze 
bildete.  Eine  derlei  spitze  Auftreibung  hiefs  Tapul,  von  dem  ita- 
lienischen „tappo",  der  Zapfen.    Die  Landsknechte  erachteten  diese 


Fig.  88. 

Fig.  88.  Brust  mit  Kragen,  Bauchreifen  und  geschobenen 
Beintaschen  von  einem  (geriffelten)  Maximiliansharnische  des  Rup- 
recht von  der  Pfalz  (gest.  1504  .    Deutsche  Arbeit  um  1500. 

Form  darum  für  vorteilhaft,  weil  ihrer  Ansicht  nach  jeder  Hieb  und  jede 
Kugel  von  den  schräg  gerichteten  sphärischen  Wänden  abgleiten  mufste. 
Diese  Form  erhielt  sich  bis  um  das  Jahr  1546.    (Fig.  89.) 


90 


I.    Die  Schutzwaffen. 


Iii  ritterlichen  Kreisen  wurde  diese  Mode  einer  übermütigen 
Soldateska  nicht  bis  zur  Übertreibung  mitgemacht.  Man  findet  um 
1520  an  ritterlichen  Harnischen,  auch  der  Landsknechtführer  die 
Bruststücke  ohne  ausgesprochenen  Tapul,  wohl  aber  merkt  man  gegen 
1530,  dafs  sich  die  Brust  stetig  verlängert,  dafs  sich  in  der  Brustmitte 
allgemach  ein  Grat  bildet  und  dafs  die  Brust  in  leichtem  Bogen 
stärker  vorgetrieben   ist.    Der  anfänglich  horizontal  laufende  Ober- 


Fig.  89. 


Fig.  89  Halber  Landsknechtharnisch  bestehend  aus  Kragen, 
Achseln  mit  Brechrändern  und  rechtsseitiger  Schwebscheibe,  Armzeug 
mit  grofsen  Ellenbogenkacheln,  Brust  mit  spitz  vorstrebendero  Tapul, 
Bauchreifen  und  Beintaschen.  Das  Bruststück  ist  mit  figuralcm  Ätzwerk 
geziert.    Deutsche  Arbeit  um  15  40. 

rand  wird  im  Verlaufe  der  Zeit,  da  er  nun  wieder  mehr  an  den  Hals 
hinaufreicht,  diesem  entsprechend  immer  mehr  konkav  ausgeschnitten. 
(Fig.  90.)    So  erscheinen  noch  um  1550  Bruststücke  der  hervor- 


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5»    Die  Harnisch  brüst. 


Ol 


ragendsten  Meister.  Von  1550  ab  rückt  diese  Auftreibung  allgemach 
nach  abwärts,  so  dafs  sie  um  1570  etwa  gerade  am  unteren  Rande 
anlangt  Man  nennt  derlei  Formen  Gansbäuche.*)  (Fig.  91.) 
Bei  italienischen  Bruststücken  um  1570  ist  der  Gansbauch  so  über- 
trieben gebildet,  dafs  das  Bruststück,  unterhalb  spitzig  geschnitten, 
zapfenartig  verläuft.    Um  1600  wird  das  Bruststück  wieder  allgemach 


Fig.  90. 

Fig.  90.  Brust  mit  Kragen,  Bauchreifen  und  geschobe- 
nen Beintaschen  mit  in  goldgeätzten  Zügen  und  figuralen  Darstel- 
lungen. Der  Rüsthaken  ist  in  das  Bruststück  zurückzuschieben.  Von 
einem  Harnisch  Kaiser  Karls  V.  den  derselbe  1546  vor  Ingolstadt  ge- 
tragen hatte.    Deutsche  Arbeit  von  1543. 

insofern  kürzer,  als  sein  Unterrand  immer  weiter  nach  aufwärts  rückt; 
es  behält  aber  anfänglich  die  Form  des  Gansbauches  noch  bei,  der 

•)  Der  Italiener  machte  sich  über  diese  bizarTe  Form  durch  seinen  pulcinello 
lustig,  dem  er  die  schneidige,  herabhängende  Brust,  aber  auch  den  Höcker  verleiht, 
wodurch  er  dem  Huhn  (puleino)  ähnlich  wurde. 


92 


I.  Die  Schutzwaffen. 


sogar  noch  entschiedener  dadurch  sich  ausspricht,  als  sich  am  Unter- 
rande ein  Zäpfchen  bildet.  Um  1620  verschwindet  der  Gansbauch, 
die  Brust  mit  schwachem  Grat  wird  nun  so  kurz,  dafs  sie  kaum  bis 
ans  Ende  des  Brustblattcs  reicht.  Der  Halsausschnitt  ist  sehr  tief, 
und  um  1650  wird  das  Bruststück  mit  dem  Rückenstück  nicht  mehr 
auf  der  Schulter  verschnallt,  sondern  von  diesem  reichen  zwei  mit 
Metallschüppen  besetzte  Bänder  nach  vorwärts,  die  an  den  Seiten 
der  Brust  in  Kloben  eingehakt  werden.  Diese  kurzen  Brüste,  welche 
aber  demungeachtet  zuweilen  ein  enormes  Gewicht  besafsen,  erhalten 
sich  bis  in  die  Rokokoperiode.    Da  werden  sie  plötzlich  länger,  be- 


Fig.  91. 


Fig.  91.  Brust  mit  Gansbauch,  Kragen  und  Beintaschen 
mit  Schwarzätzung  geziert  von  einem  Feld  hämische.  Deutsche  Arbeit 
um  1560. 

halten  aber  die  Einrichtung  ihrer  Befestigung  mittelst  Schuppenbänder. 
Bruststücke  der  Kürassiere  um  1750  reichten  bis  über  die  Schulter 
hinauf,  um  sie  leichter  und  sicherer  zu  tragen. 

In  den  folgenden  Figuren  ersehen  wir  die  Formenwandlungen 
der  Bruststücke  von  1450  bis  1640.    (Fig.  92  bis  99.) 

Schon  um  1 400  kommen  uns  italienische  Harnischbrüste  vor 


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5.    Die  Harnischbrust. 


93 


Augen,  welche  aus  horizontal  angeordneten,  nach  aufwärts  geschobenen 
Schienen  bestehen.  Diese  Anwendung  gestattete  allerdings  dem  Träger 
mehr  Bewegungsfreiheit,  aber  immer  auf  Kosten  der  Sicherheit  des- 
selben, da  geschobene  Bruststücke  geringere  Widerstandskraft  besitzen. 
Vermutlich  aus  dieser  Ursache  kamen  solche  Bruststücke  nicht  all- 
gemein in  Aufnahme,  erst  um  1520  werden  für  leichte  Reiter  ge- 


Fig.  92. 


Fig.  93 


Fig.  92.  Fafsbrust,  geschoben  mit  Bauchreifen  und  Beintaschen. 
Italienisch  um  1450. 

Fig.  93-  Gothische  Brust  geschoben,  mit  Bauchreifen,  An- 
:bart  und  Schallern.    Deutsch  um  1480. 


steckbart 


schobene  Bruststücke  sehr  beliebt.  Man  nannte  sie,  wenn  auch  in 
Italien  oder  Deutschland  erzeugt,  ungarische,  weil  sie  dortselbst 


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04 


I.  Die  Schußwaffen. 


am  häufigsten  getragen  wurden.  Ist  das  Bruststück  in  seiner  ganzen 
Fläche  geschoben,  so  heifst  es  ein  „ganzer  Krebs".  (Fig.  100.) 
Finden  sich  aber  an  der  unteren  Seite  nur  einige  Geschübe,  3  oder 
4,  so  nennt  man  das  Bruststück  „halber  Krebs".  (Fig.  90.) 
Beim  ganzen  Krebs  ist  der  Kragen  immer  in  Verbindung  mit  der 
Brust,  d.  h.  die  Geschübe  setzen  sich  bis  an  den  Kragenrand  fort. 


Fig.  94-  Fig-  95- 

Fig.  94.  Kugel  brüst  mit  Bauchreifen,  Beintaschen  und  Latz. 
Deutsch  um  15 10. 

Fig.  95.  Tapulbrust,  mit  Bauchreifen,  Beintaschen  und  Latz. 
Deutsch  um  1540. 


Der  Umstand,  dafs  die  Harnischbrust  in  heifser  Jahreszeit  un- 
erträglich wurde,  führte  schon  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  zu 


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5.    Die  Harnischbrust. 


allerlei  Versuchen,  diesem  Übelstande  zu  begegnen.  Man  versuchte 
die  Bruststücke  und  auch  andere  Harnischteile  zu  durchlöchern,  damit 
verloren  sie  aber  die  Sicherheit  gegen  den  Stich.  Da  geriet  man 
auf  ein  anderes  Mittel  der  Abhilfe,  das  wenigstens  auf  dem  Marsche 
Erleichterung  gewährte.  Unter  den  leichten  Reitern  Italiens  tritt 
nämlich  um  1560  eine  besondere  Einrichtung  der  Harnischbrüste 
auf,  welche  gestattet,  dieselben  nach  Art  eines  Wamses  vorn  zu  öffnen. 


Fig.  96.  Fig.  97- 


Fig.  96.    Brust  mit  Bauchreifen,  Beintaschen  und  Latz.  Deutsch 
»547- 

Fig.  97.    Brust  mit  Gansbauch,  Kragen  und  Beintaschen.  Der 
Kragen  ist  stark  in  die  Höhe  gezogen.    Italienisch  um  1570. 

An  dem  Harnisch  rücken  wurde  hierzu  an  jeder  Seite  die  Hälfte  eines 
Bruststückes  derart  befestigt,  dafs  sich  beide  in  Scharnieren  bewegen 
und  angezogen  vom  an  der  Brust  mittelst  Häkchen  geschlossen  wurden. 


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96 


I«   Die  Schutzwaffen. 


(Fig.  ioi.)  Sie  treten  bis  1580  auch  bei  deutschen  Reitertruppen 
auf.  Diese  Einrichtung  war  keine  neue  Erfindung,  sondern  ein  Zurück- 
greifen auf  die  Konstruktion  des  Lentners,  der  ja  gleichfalls  vorn  an 
der  Brust  geschlossen  wurde,  wie  wir  später  ersehen  werden. 

In  solange  die  Reiterei  den  Reisspiefs  führte,  bildete  der  Rüst- 
haken  (Gerüst,  faucre),  auf  welchen  derselbe  aufgelegt  wurde,  einen 
wichtigen  Bestandteil  der  Harnischbrust.  Der  Rüsthaken  erscheint 
schon  auf  dem  Lentner,  wie  gleichzeitige  Abbildungen  auf  Grabsteinen 


Fig.  98.  Fig.  99. 


Fig.  98.    Brust  mit  Kragen  und  geschobenen  Schöfsen.  Deutsch 
um  1626. 

Fig.  99.  Schwere  Brust  mit  Kragen  und  Vorderschurz.  Deutsch 
um  1640. 

erkennen  lassen.  In  Italien  aber  tritt  er  bis  um  1460  an  Platten- 
harnischen noch  nicht  allgemein  auf.  Die  ältesten  Rüsthaken  besitzen 
eine  hörnerartige  Form  und  erscheinen  anfänglich  an  die  Brust  ge- 
nietet, später  mittelst  Kloben  befestigt,  um  sie  abstecken  zu  können. 
Um  1480  werden  sie  beweglich  gebildet,  derart,  dafs  sie  beim  Nicht- 


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5.    Die  Harnischbrust. 


97 


gebrauche  in  einem  Scharnier  nach  aufwärts  umzulegen  sind.  Horn- 
artig gestaltete  Rüsthaken  benennt  man  zum  Unterschiede  von  den 
späteren  Formen  „altartig".  Man  findet  sie  um  1500  auch  an 
italienischen  Korazins.    (Fig.  102.) 

Zuerst  bei  Harnischen  Kaiser  Maximilians  L  um  15 10  treten 
die  Rüsthaken  in  anderen  Formen  auf.    Sie  sind  geradelaufcnd  und 

bestehen  aus  einer  im  Winkel  ge- 
brochenen Schiene,  der  vordere  Rand 
erscheint  in  den  meisten  Fällen  ge- 
zahnt, um  das  Abgleiten  der  Spiefs- 
stange  zu  hindern.  Derlei  „neu- 
artige Rüsthaken"  kommen  an- 
fänglich steif,  später  beweglich  vor, 
um  sie  nach  aufwärts  umlegen  zu 
können.  In  letzterer  Form  verhindert 
eine  unterhalb  angebrachte  Sperrfeder 


Fig.  100. 


Fig.  101. 


Fig.  loo.  Geschobenes  Bruststück,  sogenannter  ganzer  Krebs, 
mit  angeschobenem  Kragen,  Bauchreifen  und  Schössen  von  einem  Trab- 
harnische des  Niclas  III.  von  Salm-Neuburg,  des  Vertheidigers 
von  Wien  1529.    Deutsch,  bezeichnet  1542. 

Fig.  IOX.  Bruststück  vorne  tum  öffnen  eingerichtet,  von  einem 
Trabharnische  des  Don  Juan  d'Austria.    Italienisch  um  1 575. 


das  Aufschlagen  des  Rüsthakens,  sobald  der  Spiefs  eingelegt  ist.  Wir 
werden  später  sehen,  weshalb  der  Rüsthaken  zuweilen  eine  Umhüllung 
von  Blei  oder  weichem  Holze  erhielt.    (Fig.  103.) 

Boebeim,  Waffenkunde.  7 


98 


I.    Die  Schußwaffen. 


Um  1590,  als  die  Reiterei  den  Spiefs  ablegte,  verschwindet  auch 
der  Rüsthaken  von  den  Bruststücken.  Um  1580  fertigen  einzelne 
Plattner  Brust-  und  Rückenstücke,  mit  welchen  der  Kragen  derart  in 
Verbindung  ist,  dafs  am  Bruststücke  der  vordere,  am  Rückenstücke 
der  hintere  Teil  an  die  Oberränder  im  Geschübe  anschließt  und  sie  beim 
Anlegen  an  den  Seiten  verbunden  werden. 

Bevor  wir  uns  zu  den  den  Bruststücken  weiters  angehörenden 
Bestandteilen  wenden,  sei  noch  der  „Doppelbrust"  gedacht.  Sie 
gehört  zu  den  Verstärkungsstücken,  wurde  über  das  Bruststück  gelegt 
und  an  der  Mitte  mittelst  eines  Klobens,  um  den  Leib  mittelst  Riemen 
befestigt.  (Fig.  104.)  Ihre  Form  ist  verschieden;  zuweilen  deckt 
sie  nur  die  untere  Hälfte,  in  der  Regel  reicht  sie  bis  an  den  oberen 
Brustrand.  An  der  Stelle  des  Rüsthakens  ist  dieselbe  ausgeschnitten. 
(Fig.  105.)  Nicht  selten  fertigen  die  Plattncr  für  angesehene  Herren 
Landsknechtharnisehe  und  liefern  zu  selben  eine  Doppelbrust  mit 


Fig.  102.  Rüsthaken  älterer  Form  von  einem  Maximilianshar- 
nische des  Eitel  Friedrich  Grafen  von  Zollern  (gest.  1512).  Der 
Haken  ist  nach  aufwärts  zu  schlagen. 

Fig.  103.  Rüsthaken  späterer  Form  von  einem  Trabharnische 
des  Kaisers  Ferdinand  I.  von  c.  1560.  Der  Haken  ist  nach  aufwärts 
umzulegen  und  mittelst  einer  Feder  in  seine  Lage  festzustellen. 

daran  befindlichem  Rüsthaken,  um  denselben  auch  zu  Rofs  und  mit 
dem  Reisspiefs  bewaffnet  benutzen  zu  können.  Zum  Turniergebrauche 
erhalten  die  Doppclbrüstc  auch  Bauchreifen  und  steife  Beintaschen, 
durch  welche  die  unteren  gleichartigen  Stücke  verstärkt  werden.  Derlei 
Doppelbrüste  für  das  Turnier  erhalten  gewöhnlich  rechts  oberhalb,  wo 
sie  an  die  Achsel  anstofsen,  Aufbiegungen,  gleichfalls  „Stauchen" 
genannt,  welche  den  Zweck  haben,  die  Spiefsstöl'sc  des  Gegners  von 
den  Achseln  abzulenken.  Sie  dienten  vom  Beginne  des  16.  Jahr- 
hunderts auch  zum  Feldgebrauche.  Um  1550  werden  sie  immer 
seltener  und  verschwinden  endlich  ganz. 


Fig.  10?. 


Fig  103. 


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3-    Die  Harnischbrust. 


09 


Zunächst  an  den  Unterrand  des  Bruststückes  schliefsen  sich  die 
sogenannten  Bauchreifen.  Sie  bestehen  aus  einem  Geschübe  von 
Eisenschienen,  welche  bei  den  ältesten  Harnischen  des  15.  Jahrhunderts 
bis  über  das  Becken,  bei  späteren  nur  bis  etwas  über  den  Oberrand 
des  Beckenknochens  reichen.  Wie  es  ihr  Name  anzeigt,  sollten  sie 
bei  der  Bedingung  möglichster  Beweglichkeit  den  Unterleib  schützen 
und  durften  den  Reiter  im  Sattel  nicht  beirren.  Daraus  geht  schon 
hervor,  dafs,  je  kürzer  die  Brust  war,  desto  mehr  Geschübe  die 
Bauchreifen  besitzen  mufsten.  Diese  Bauchreifen  wurden  aber  für 
den  Schutz  des  Unterleibes  und  der  Oberschenkel  als  nicht  genügend 


Fig.  104.  Fig.  105. 


Fig.  104.  Doppclbrust  mit  Bauchreifen  und  steifen  Beintaschen 
zum  neuen  Gestech  über  das  Dill  von  einem  Harnische  des  Andreas 
Grafen  von  Sonnenberg  (ermordet  1511).  Arbeit  des  Desiderius 
HflmiChmicd  zu  Nürnberg  um  1505. 

Fig.  105.  Schiftung  für  die  Brust,  sogenannter  Bruech  mit 
steifem  Bauchreifen  und  linksseitiger  Beintasche  zum  neuen  Gestech  über 
das  Dill  von  einem  Maximiliansharnische  des  Ruprecht  von  der 
Pfalz  (gest.  1504).    Deutsche  Arbeit  um  1500. 

angesehen;  es  wurden  daher  zu  den  Seiten  bewegliche  Platten  mittelst 
Riemen  angeschnallt,  sogenannte  „Beintaschen",  welche,  anfänglich 
unterhalb  spitz  geschnitten,  die  Form  von  Dachziegeln,  „tuiles",  hatten. 

7* 


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100 


1.   Die  Schutzwaffen. 


An  den  ältesten  Harnischen  hängt  an  den  äußeren  Seiten  daneben 
noch  je  eine  weitere  kleine  Platte  (Fig.  92).  Die  späteren  Beintaschen  sind 
mehr  rund  zugeschnitten  und  sind  entweder  steif  oder  mehrmals 
geschoben.  Nicht  selten  setzen  sich  die  Beintaschen  an  die  Bauch- 
reifen ohne  eigentlichen  Abschlufs  in  der  Art  fort,  dafs  die  Geschübe 
gerade  und  eckig  abschliefsend  bis  an  die  Oberschenkel  reichen  (Fig.  88). 

Von  etwa  1550  an  sehen  wir  die  Bauchreifen  häufig  stark  auf- 
getrieben, besonders  an  französischen  Harnischen.  Das  geschah  zu 
dem  Zwecke,  um  den  kurzen,  bauschigen,  spanischen  Höschen  Platz 
zu  lassen,  welche  in  Hinsicht  auf  ihre  Dimensionen  im  Umfange  be- 
sonders in  Frankreich  erheblichen  Raum  erforderten. 

Um  1520  entstehen  in  den  Landsknechtheeren  und  zweifelsohne 
gleichfalls  in  der  Absicht,  das  Anlegen  des  Hämisches  möglichst  zu 
vereinfachen  und  abzukürzen,  die  „Schöfse".  In  dieser  Anordnung 
ersieht  man  das  Bestreben,  die  Brust  mit  den  Bauchreifen  unmittelbar 
in  Verbindung  mit  dem  Beinzeug  zu  bringen.  Von  den  Bauchieifen 
setzen  sich  die  Oberschenkel  entlang  die  Geschübe  fort,  entweder 
bis  an  den  halben  Schenkel  reichend,  in  welchem  Falle  den  restlichen 
Schenkelteil  die  Unterdiechlinge  decken,  oder  bis  an  die  Kniee,  wo 
sie  mit  den  Kniebuckeln  abschliefsen  und  damit  das  Oberbeinzeug 
ersetzen.  Letztere  Form  wird  schon  am  Beginne  auch  bei  ritterlichen 
Harnischen  nicht  selten  beobachtet,  dann  ist  selbstverständlich  auch 
ein  Unterbeinzeug  damit  in  Verbindung. 

Bei  Harnischen  des  15.  Jahrhunderts  bilden  vorne  die  Innenränder 
der  beiderseitigen  Beintaschen  einen  weiten  konkaven  Bogen,  dem 
Sitze  im  Sattel  entsprechend,  selbst  bei  Schöfsen  erscheint  der  Teil 
am  Ende  des  Unterleibes  kreisförmig  ausgeschnitten.  Am  oberen 
Rande  dieses  Bogens  ist  bei  Harnischen  um  1500  der  letzte  Bauch- 
reifen buckeiförmig  aufgetrieben.  Diese  Erhöhung  wird  „Scham- 
kapsel"  benannt.  Später,  als  die  Schamkapseln  verschwanden,  ent- 
steht an  dieser  Stelle  ein  eigenartiger  Harnischbestandteil,  der  eigentlich 
nur  vom  kulturhistorischen  Standpunkte  zu  würdigen  ist,  der  Glied- 
schirm  oder  „Latz"  vom  lateinischen  „latus"  hergeleitet.  Der  Latz, 
als  Gegenstand  von  geschlagenem  Eisen  erzeugt,  ist  eigentlich  nur 
ein  Ergebnis  eines  bizarren  Geschmackes  und  hatte  überhaupt  keine 
praktische  Bedeutung.  Dennoch  hatte  er  sein  Vorbild  in  einer  ganz 
entsprechenden  Einrichtung  des  15.  Jahrhunderts  gefunden.  In 
dem  Bestreben,  den  Geschlechtsteil  zu  sichern,  besafsen  die  Panzer- 
hemden vorn  eine  sackartige  Verlängerung,  die  schon  damals  „Latz" 
genannt  wurde.  Es  sind  nur  wenige  Exemplare  solcher  mehr  vor- 
handen. Der  „latus"  soll  eigentlich  nichts  anderes  darstellen,  als  eine 
Hülse  von  geschlagenem  Eisenblech  für  den  Geschlechtsteil,  die 
mittelst  einer  oder  mehrerer  Nieten  mit  den  Bauchreifen  in  Verbindung 
stand  und  zuweilen  noch  durch  eine  Masche  aus  farbigen  Bändern 
geziert  wurde.    (Fig.  106,  107  und  108.)    Diese  sonderbare  Mode 


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5.    Der  Brustharnisch. 


101 


fand  ihr  Entstehen  durch  die  Schweizer,  um  sich  vor  der  Streit- 
manier der  Deutschen  zu  sichern,  welche  ihre  Spiefsstöfse  nach  dem 
unbeschützten  Punkte  an  den  Geschlechtsteilen  zu  richten  pflegten. 
Darin  läge  eine  fachliche  Begründung;  dafs  sie  aber  mit  Raschheit 
sich  verbreitete  und  nicht  allein  von  Stutzern,  sondern  auch  von  Hof- 
leuten im  gewöhnlichen  Leben  allenthalben  mit  sichtlichem  Behagen 
mitgemacht  wurde,  das  bietet  uns  einen  wenn  auch  nur  kleinen 
Beitrag  zur  Beurteilung  einer  Zeit,  in  welcher  der  menschliche  Geist 
gar  oft  die  Schranken  der  Selbstzucht  überflog.  In  formellster  Bildung 
erscheint  der  Latz  zuerst  um  1520  und  verschwindet  erst  um  1570.*) 
Etwa  um  1590  kommen  allmählich  die  Beintaschen  an  den 
Harnischen,  welche  vorwiegend  nur  einen  Bestandteil  des  ritterlichen 
Harnisches  bildeten,  in  Abnahme,  und  an  ihre  Stelle  treten  nun  all- 
gemein die  Schöfse.  Je  kürzer  die  Brustplatten  wurden,  desto  gröfsere 
Dimensionen  nimmt  das  Geschübe  der  Bauchreifen  und  Schöfse  an. 
Die  nun  in  Mode  kommenden  bis  an  die  Kniee  reichenden  Pump- 
hosen (alla  vallona),  welche  unter  den  Schöfsen  zu  liegen  kamen, 
waren  Ursache,  dafs  diese  nun  einen  immensen  Umfang  erhielten 


Fig.  106.  Fig.  107.  Fig.  108. 


Fig.  106.  Gl  i  edschirm  von  einem  Landsknechtharnischc  des 
Wilhelm  von  Roggendorf  (gest.  1541)  von  c.  1515  mit  geätzten 
Verzierungen,  mit  welchen  die  verhaute  Tracht  dargestellt  ist 

Fig.  107.  Gliedschirm  von  einem  Landsknechtharnische  des 
Konrad  von  Bemelberg  (gest.  1567)  von  c.  1532.  Die  Löcher  au 
den  Rändern  dienen  zum  Anheften  an  das  Panzerhemd. 

Fig.  108.  Gliedschirm  von  einem  aus  unegalen  Stücken  zu- 
sammengesetzten Harnische  ans  der  fürstl.  Sulkowsky 'sehen  WafTen- 
sammlung  im  Schlosse  Feistritz  in  Niedcrösterreich ,  gegenwärtig  im 
Gennanischen  Museum  zu  Nürnberg.    Um  1540. 

gleich  einem  Fasse.  Der  weite  Ausschnitt  in  der  Schamgegend  ver- 
schwindet ganz,  die  beiderseitigen  inneren  Enden  der  ersten  Schofs- 
schienen  stofsen  hart  aneinander.    Um  1680,  als  die  langen  Röcke 

•)  Als  steife  Hülse  ersehen  wir  ihn  an  den  gewöhnlichen  Kleidern  und  selbst 
an  Harnischen  um  1550  erscheint  er  nicht  immer  aus  Eisenblech,  sondern  in  Ver- 
bindung mit  dem  darunter  getragenen  Kleide  auch  aus  textilem  Stoffe  gebildet. 
Im  königlichen  historischen  Museum  zu  Dresden  finden  sich  noch  Hofkleidcr  des 
16.  Jahrhunderts  mit  derartiger  Ausstattung. 


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102 


I.    Die  Schutzwafien. 


Mode  werden,  kommen  auch  die  Schotee  im  Adel  aufser  Gebrauch 
und  erhalten  sich  nur  noch  einige  Jahrzehnte  in  den  Kürassier- 
regimentern und  unter  den  Reitern  der  Heere  im  östlichen  Europa. 
Am  Beginne  des  18.  Jahrhunderts  sind  sie  völlig  verschwunden. 

Das  Streben  nach  einer  Verschönerung  des  äufseren  Lebens 
führte  in  Italien  schon  im  Mittelalter  dahin,  nicht  allein  die  Angriffs- 


Fig.  109. 


Fig.  109.  Brigantine  mit  Sturmhaube  des  Franz  Maria  von 
Rovere-Mon  tefcltre  Herzogs  von  Urbino.  Arbeit  der  Gebrüder 
Philipp  und  Jacob  Negroli  von  1532. 

waffen,  sondern  auch  das  Kriegskleid  zu  verzieren.  Im  14.  Jahr- 
hundert wurde  der  Lentncr  bereits  ein  Gegenstand  künstlerischer 
Ausstattung.  Er  wurde  mit  Seide  oder  Damast  überzogen  und  reich 
in  Gold  und  Silber  gestickt,  so  dafs  die  Schutzwaffe  völlig  den  Ein- 


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5     Dir-  Harnischbnist. 


103 


druck  eines  reichen  Kleides  darstellte.  Die  dekorativen  Motive  wurden 
anfänglich  der  Heraldik  entlehnt.  Als  der  Lentner  mit  grolseren 
Eisenplatten  verstärkt  wurde,  wollte  der  Edelmann  nicht  auf  den 
Eindruck  verzichten,  den  er  im  reich  gezierten  Lentner  erzielt  hatte. 
So  finden  wir  die  ersten  mit  Platten  belegten  Lentner  vorn  zum 
Öffnen  und  die  Platten  mit  reichen  Stoffen  überzogen,  welche  mittelst 
vergoldeter  Nieten  auf  dem  Metall  befestigt  wurtlen.  Die  steife  Platten- 


Fig.  no. 

Fig.  llo.  Korazin  mit  kirschrotem  Sani  mt  überzogen,  des  Feld  - 
obersten  Jacob  von  Embs  (gest.  1512)  italienisch,  wahrscheinlich 
mailändisch  um  1500. 

brüst,  der  Rücken  erschienen  aber  für  den  Gebrauch  in  Städten 
doch  zu  unbequem  und  man  ersetzte  beide  durch  den  sogenannten 
Korazin  (corazzino),  welcher  in  einem  System  kleiner  eiserner 
Plättchen  bestand.   Diese  Plättchen  wurden,  daehziegelförmig  geordnet, 


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101 


L    Die  Schutzwaffen. 


auf  Leder  oder  starke  Leinwand  genäht,  welch  letztere  einen  Über- 
zug von  Samt  oder  Seide  erhielt.  Der  Korazin  charakterisiert  sich 
dadurch,  dafs  das  schützende  Metall  an  der  Innenseite  sich  befindet. 
Finden  sich  die  Plättchen  oder  Schuppen  an  der  Aufsenseite  des 
Körpers,  dann  wird  ein  derlei  Waffenkleid  Brigantine  benannt. 
(Fig.  109.)  In  Italien  und  Frankreich  benannte  man  Panzerhemden, 
welche  aus  kleinen,  glatt  geschlagenen  Eisenringen  bestanden,  die 
untereinander  durch  Ringe  oder  Ringgeflechte  in  Verbindung  standen, 
Jazerins,  Jazerans,  von  dem  italienischen  Worte  ghiazzerino  (altital. 
gazzarina)  abstammend,  das  Netz,  Panzerhemd  schlechtweg  bedeutet. 
Bis  ungefähr  1530  erschienen  diese  halb  Kleid,  halb  Harnisch  dar- 
stellenden Korazins  derart  geschnitten,  dafs  sie  an  der  Brustmitte 


Vig.  in. 


Fig.  in.  Teil  eines  Brustharnisches  des  Torghud  Reis, 
Königs  von  Kairewan  (gest.  1565).  Arbeit  des  Waffenschmiedes  Ali. 
Der  obere  Brustteil  aus  einer  Platte  und  dem  Kragen  bestehend  ist  ab- 
gängig.   Arabisch  16.  Jahrhundert. 

geschlossen  werden.  (Fig.  110.)  Nicht  selten  sind  sie  für  Reiter 
mit  altartigen  Rüsthaken  ausgestattet.  Später  erscheinen  Brust-  und 
Rückenteil  getrennt,  beide  werden  dann  an  den  Seiten  genestelt. 
Korazine  und  Brigantinen  bildeten  das  beliebteste  Kleid  der  Vornehmen 
in  Italien,  Spanien,  Frankreich  und  aller  von  der  italienischen  Re- 
naissance beeinflufsten  Edelleute  anderer  Nationen;  in  den  ob- 
genannten  Ländern  aber,  allerdings  in  einfacherer  Ausstattung,  der 
Bogen-  und  Armrustschützen. 

Auch  in  den  orientalischen  Ländern  entwickelte  sich  die  Brust- 
bedeckung des  Krieges  von  einem   mit  Eisenringen,  Plättchen  oder 


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5-  Die  Haroischbrust 


Scheiben  benieteten  Lederwams  zu  einem  nur  aus  Eisenpartikeln 
bestehenden  Brust-  und  Rückenharnische,  aber  die  Ansprüche  des 
Orientalen  an  die  Leistungsfähigkeit  derselben  gingen  nicht  so  weit, 
als  die  der  Europäer,  die  jederzeit  eine  absolute  Deckung  auch 
gegen  das  kleine  Feuergewehr  forderten.  Es  scheint,  dafs  die  Inder 
und  nach  ihnen  die  Perser  sich  zuerst  der  Brust-  und  Rücken- 
harnische bedienten,  welche  aus  sehr  dünnen,  kleinen  Eisenplatten 
von  äufserst  hartem  Stahle  bestanden,  die  untereinander  durch  schmale 
Streifen  von  Panzergeflecht  verbunden  waren.  Diese  Platten,  bei  den 
Persem  viereckig,  bei  Indern  und  Arabern  meist  rund,  sind  gewöhn- 
lich mehr  oder  weniger  in  Gold  verziert  und  mit  Arabesken  und 


Fig.  112. 


Fig.  112.    Rückenteil  mit  Achselstücken  des  Harnisches  Fig.  Iii; 
die  Eisenteile  sind  graviert  und  vergoldet. 

Schriftzügen  ausgestattet  Derlei  orientalische  Panzer,  von  welchen 
wir  in  Fig.  in,  112  ein  älteres  Beispiel  bringen,  sind  verhältnis- 
mäfsig  leicht,  sichern  gegen  Hieb  und  Stich  bei  der  Güte  des 
Materiales  genügend  und  besitzen  einen  Vorteil,  den  der  Orientale 
vor  allem  schützte,  sie  sind  der  raschesten  Bewegung  im  Gefechte 
nicht  hinderlich. 


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106 


I.    Die  SchutzwafTen. 


6.    Der  Harnischrücken. 

Der  Harnischrücken  hatte  ganz  jene  Entwickelungsphasen  mit- 
gemacht wie  die  Harnischbrust,  als  deren  Ergänzung  er  anzusehen 
ist  Die  ältesten  Rückenstücke  aus  Platten  bestanden  aus  zwei  Teilen, 
welche  in  der  Mitte  des  Rückens  ähnlich  wie  einige  Lentnerfurmen 
zusammengeschnallt  wurden.  Die  späteren  des  15.  Jahrhunderts  sind 
wie  die  Bruststücke  zwei-  bis  dreimal  geschoben  mit  in  gotischen 


Fig.  113 

Fig.  113.   Rücken   eines  sogenannten  gothischen  Harnisches 
des  Erzherzogs  Sigmund  von  Tirol.     Deutsche  Arbeit  um  1480. 

Konturen  ausgezackten  Folgenrändern  und  ziemlich  tief  ausgeschnitten. 
Die  Rückenstücke  an  sogenannten  gotischen  Harnischen  besitzen  zu- 
meist am  Unterrande  Verlängerungen,  die  in  ihrer  Form  das  kleine, 
faltige  Schöfschen  an  fiorentinischen  Wämsern  wiedergeben.  (Fig.  113.) 
Bei  Feldhamischen  des  15.  Jahrhunderts  setzt  sich  am  Rücken  zu- 
meist ein  Gesäfs schürz  fort,  der  geschoben  gerade  so  weit  reicht, 
um  im  Sattel  sitzen  zu  können.    Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts 


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6.    Der  Harnischrücken. 


107 


verschwinden  diese  Schurze  zum  gröfstcn  Teile,  dann  schliefst  der 
Rücken  einfach  mit  einem  etwas  aufgetriebenen  Gesäfsreifen  ab. 
(Fig.  114.)  Die  Verbindung  der  Brust  mit  dem  Rücken  erfolgt  über 
die  Schultern  durch  die  beiden  Riemen,  welche  an  den  vorderen  Seiten 
des  Bruststücks  geschnallt  werden.  In  der  Übergangsperiode  vom 
Lentner  zum  Plattenharnisch,  in  welcher  letzterer  noch  aus  kleineren 
Tlatten  bestand,  erfolgte  noch  häufig  die  Öffnung  des  Rückenstückes 
von  der  Mitte  aus.  Die  Verbindung  vermittelten  Riemen  und  Schnallen, 


Fig.  114. 


Fig.  114.  Rücken  eines  Prunkharnisches,  halber  Krebs,  welchen 
Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol  bei  seiner  Vermählung  mit  Anna 
Katharina  von  Mantua  1583  getragen  hatte.  Deutsche,  vermutlich 
Tiroler  Arbeit,  um  1 580 

wie  wir  aus  der  interessanten  Statue  Philipps  VI.,  Grafen  von  Holland. 
(Fig.  115)  ersehen.  Die  Form  ist  italienisch.  Vom  17.  Jahrhundert 
an  wird  der  Rücken  an  das  Bruststück  durch  Schuppenbänder  be- 
festigt, welche  Befestigung  an  den  beiden  Seiten  der  Brust  in  Knöpfen 
gehalten  wird. 

An   den  Seiten    unterhalb   der  Arme    sind    beide  Stücke  bis 


< 

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108  l.   Die  Schutzwaffen. 

etwa  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  mittelst  Häspen,  später 
mittelst  Häkchen,  aufserdem  mit  einem  Leibriemen  verbunden,  welcher, 
am  Unterrande  des  Rückens  befestigt,  vorn  an  der  Brust  zusammen- 
geschnallt wurde.  Erst  von  c.  1540  an  erblickt  man  Verbindungen 
mittelst  kleiner  Naben  und  Vorsteckbolzen.  Bis  um  die  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  ist  in  der  plastischen  Gestaltung  des  Rückens 
der  anatomischen  Form    noch  wenig  Rechnung  getragen,    in  der 


Fig.  115. 

Fig.  115.  Rückseite  einer  Holzstatuette  Wilhelms  VI., 
Grafen  von  Holland  (gest.  14*7).  Kopie  einer  Bronzestatue,  die  bei 
dem  Brande  des  Stadlhauses  von  Amsterdam  1652  zu  Grunde  ging, 
ausgeführt  von  A.  Qutllinus.  Nach  D.  Van  der  Kellen  Nederland«; 
Oudh.-den. 

2.  Hälfte  des  Jahrhunderts  sehen  wir  die  Schulterblätter  zuweilen 
übermäfsig  vorgetrieben. 

Die  Gestalt  des  Rückens  bei  geschobenen  ungarischen  Harnischen 
ist  entsprechend  der  Brust  mit  gleichlaufenden  horizontalen  Geschüben. 


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6.    D<r  Hartiischrücken. 


109 


Der  Rücken  reicht  dann  bis  in  die  Kragenhöhe  und  verbindet  sich 
mit  dem  Vorderteile  des  Kragens  an  der  Brust.  Um  1580  kommen 
auch  ungeschobene  Rückenstücke  vor  Augen,  welche  den  ent- 
sprechenden Teil  des  Kragens  angenietet  haben.    (Fig.  116.) 

Die  Rückenstücke  bei  älteren  Korazins,  welche  vorn  an  der 
Brust  geschlossen  werden,  bilden  insofern  einen  Hauptteil  des  Ganzen, 
als  die  gesamte  Anordnung  der  Stahlplättchen  von  der  Linie  des  Rückgrat, 
aus  erfolgt,  die  sich  in  der  Reihe  gegen  vom  fortsetzt.  (Fig.  1 1 7  und  118.) 
Ähnlich  wie  die  Bruststücke  an   Harnischen  des  15.  Jahrhunderts 


Fig.  116.  Rücken  eines  Trabharnisches  (ganzer  Krebs)  des 
Niclas  III.  Grafen  von  Sal  in  -  Neu  b  urg  (gest.  1550).  Deutsche 
Arbeit  von  1542.    (Siehe  Fig.  lOo.) 

Fig.  117.  Rücken  eines  Korazins  mit  kirschrotem  Sammt  über- 
zogen, des  Fcldobcrsten  Jacob  von  Embs  (gest.  15 12)  italienisch 
um  1500.    (Siehe  Fig.  HO.) 

wurden  auch  die  Rückenstücke  nicht  selten  mit  Stoffen  überkleidet 
und  dieser  Gebrauch  hatte  nicht  allein  einen  rein  dekorativen  Zweck, 
sondern  auch  einen  praktischen,  um  das  Eisen  vor  der  Einwirkung 


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110 


I.    Die  Schutzwafien. 


der  Sonne  zu  schützen.  An  Harnischen  der  ersten  Hälfte  des  16. 
Jahrhunderts,  allecrets  und  ähnlich  gebildeten  Formen,  an  welchen 
der  Oberrand  des  Bruststückes  in  gerader  Linie  und  horizontal  läuft, 
hat  auch  jener  des  Rückens  die  gleiche  Richtung,  wobei  der  tiefen 
Lage  wegen  ein  grofser  Teil  des  Rückenbleches  vom  Kragen  sichtbar 
ist.  (Fig.  1 1 9.)  An  allen  späteren  Formen  reicht  der  Oberrand  von 
Brust  und  Rücken  höher  an  den  Hals  hinauf. 

Am  Beginne  des  17.  Jahrhunderts  kam  man  auf  kurze  Zeit 


Kif.  "8.  Fig.  119. 


Fig.  Il8.  Innenseite  des  Rückens  eines  italienischen  Kora- 
zins  von  c.  1510.  Die  riättchen  stehen  am  Halse  und  den  Hüften 
in  Verbindung  mit  Panzerzeug. 

Fig.  115.  Rücken  mit  Gc^äfsschurz  von  einem  Maximilianharnische 
des  Eitel  Friedrich,  Grafen  Zollern  (gest.  1512).  Deutsche  Ar- 
beit um  1506. 

wieder  darauf  zurück,  den  Rücken  mit  einem  geschobenen  Gesäfs- 
schurz  auszustatten,  aus  der  Ursache,  weil  jener  kaum  den  halben 
Rücken  deckte.  Mit  der  Verlängerung  der  Brust  und  des  Rückens 
verschwindet  er  auf  immer. 


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7.    Das  Beinzeug 


111 


7.   Das  Beinzeug. 

Das  Beinzeug  oder  der  Beinharnisch  besteht  in  seiner 
vollendeten  Ausbildung  aus  den  Diechlingen  (fr.  cuissards,  ital. 
cosciali),  welche  die  Oberschenkel  bedecken,  den  Kniebuckeln 
(fr.  genoullieres ,  ital.  ginocchielli) ,  den  Beinröhren  (fr.  greves, 
ital.  schinieri)  zum  Schutze  der  Unterschenkel,  endlich  aus  den 
Schuhen  (fr.  sollerets,  ital.  scarpe),  Eisenschuhen. 


Fig.  120.  Fig.  121. 


Fig.  120.  Unterbeinzeug  von  der  Statue  Ulrichs,  Land- 
grafen von  Elsafs,  an  der  Wilhelmskirche  zu  Strafsburg  von  1344 
nach  Viollet-le-Duc. 

Fig.  121.  Vollständiges  Bein  zeug  mit  Ober-  und  Unterdiech- 
lingen  und  Knicbuckelgeschübcn  von  einem  gotischen  Fcldharnische 
Kaiser  Maximilians  I.  um  1480. 


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112 


L    Die  SchuUwaflen. 


Das  gesamte  Beinzeug  am  Plattenharnische  kristallisierte  sich 
gewisserra afscn  aus  den  Knieen  heraus,  denn  wir  sehen  eine  Deckung 
des  Beines  durch  Platten  zuerst  an  den  Kniepunkten  auftreten.  Als 
im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  die  Beinkleider  aus  sogenanntem 
Panzerzeug  in  Aufnahme  kamen,  welche  auch  den  Vorfufs  bedeckten 
und  in  welchen  die  Beine  wie  in  Säcken  steckten,  fühlte  man  trotz 
des  errungenen  Vorteiles,  dafs  die  der  Verletzung  am  meisten  aus- 
gesetzten Kniee  durch  den  Ringpanzer  noch  nicht  ausreichend  ge- 
schützt waren.  Man  schnallte  daher  über  die  Partie  des  Kniees  einen 
breiten  Streifen  aus  starkem  Leder,  auf  welchen  gerade  über  der 
Kniescheibe  eine  kreisrunde  Eisenplatte  genäht  wurde.  Diese  ersten 
Kniebuckel  (genouillieres)  treten  schon  am  Beginne  des  1 3 .  Jahrhunderts 
auf,  denn  wir  finden  sie  schon  in  guter  Ausbildung  am  Grabmale 
des  Robert  de  Vere,  Herzogs  von  Oxford,  von  1221.  Der 
Haubert,  damals  noch  bis  zu  den  Knieen  reichend,  deckte  die 
Oberschenkel  anfangs  leidlich,  dennoch  sah  man  sich  zu  Verbesserungen 
veranlafst.  Der  breite  Lederstreif,  welcher  das  Beugen  des  Kniees 
erschwerte,  fiel  weg,  die  eisernen  Kniebuckel  wurden  mittelst  Riemen 
und  Schnallen  in  der  Kniebeuge  befestigt  (Fig.  120)  und  schon  um 
1270  fügte  man  zuweilen  ein  einfaches  Geschübe  an,  welches  einen 
Teil  der  Oberschenkel  deckte.  Dadurch  bildeten  sich  die  Anfänge 
der  oberen  Schenkelschienen,  welche  Dielinge  oder  Diechlinge 
(cuissots)  genannt  werden.  Nach  dem  Mafs,  als  der  Haubert  kürzer 
gemacht  wurde,  was  schon  am  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  merkbar 
wird,  mufste  der  Schutz  der  Oberschenkel  nötiger  werden;  so  ersehen 
wir  auch  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  die  Diechlinge  den  ganzen 
Schenkel  ausfüllend.  Die  ersten  Diechlinge  deckten  nur  die  äufsere 
Seite,  da  der  innere  Teil  am  Sattel  zu  liegen  kam.  Demungeachtet 
versuchte  man  gegen  1360,  die  Oberschenkel  in  Röhren  zu  stecken, 
eine  Form,  die  sich  unmöglich  erhalten  konnte.  Man  kehrte  zu  der 
alten  Form  zurück,  versah  aber  die  äufsere  Seite  des  Diechlings  mit 
einer  Längsschiene,  die  an  ersterem  mittelst  Riemen  befestigt  wurde, 
später,  bis  ins  1 5.  Jahrhundert,  wurden  diese  Streifschienen  ange- 
nietet. Die  Sorge  nach  möglichstem  Schutz  der  äufseren  Seite  führte 
zunächst  dahin,  auch  die  Kniebuckel  nach  dieser  Richtung  hin  aus- 
zudehnen. So  entstand  um  1390  der  vollständige  Kniebuckel  mit 
seiner  äufseren  Muschel,  wie  er  im  wesentlichen  bis  ins  17.  Jahr- 
hundert gleich  geblieben  ist.  Noch  vor  dem  Entstehen  der  Diech- 
linge, um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  tritt  das  Bedürfnis  auf, 
die  damals  weit  mehr  gefährdeten  Unterschenkel  durch  Platten  zu 
decken.  Anfänglich  wurden  schmale  Schienen  an  den  vorderen  Teil 
des  Beines  geschnallt,  die  allgemach  breiter  wurden  und  das  Bein 
immer  mehr  umfafsten.  So  entsteht  am  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
die  Beinröhre  (greve),  welche  in  steter  Ausbildung  bis  ans  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  einen  Harnischbestandteil  darstellt,  der  für  uns 


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7.   Das  Beinzeug. 


113 


noch  nebenher  dadurch  bemerkenswert  ist,  als  wir  jeden  Harnisch 
als  „ganzen"  benennen,  der  mit  Beinröhren  und  Schuhen  ausgestattet 
ist,  während  wir  im  Gegenfalle  denselben  als  „ halben"  bezeichnen. 

Der  Lentner  des  14.  Jahrhunderts  deckte  noch  bis  an  den  halben 
Oberschenkel,  dem  entsprechend  reichten  auch  die  Diechlinge  nicht 
sehr  hoch  an  demselben  hinauf.  Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  gefiel 
man  sich  in  kurzen  Lentner.  Das  veranlafste  zu  einer  Verlängerung 
der  Diechlinge  nach  aufwärts  durch  Ansetzen  eines  weiteren  Stückes. 
Dadurch  entstand  der  Oberdiechling,  während  das  ursprüngliche 
Stück  nun  Unterdiechling  genannt  wurde.  Man  behielt  diese 
Teilung  aus  der  Ursache  bei,  weil  je  nach  der  Deckung,  die  dieser 
oder  jener  Brustharnisch  mit  seinen  Bauchreifen  und  Beintaschen 
gewährte,  ein  kürzerer  oder  längerer  Diechling  sich  empfahl.  Später, 
im  16.  Jahrhundert,  trat  ein  anderer  Grund  hervor,  der  Diechlinge 
verschiedener  Längen  nötig  machte.  Die  kurzen  spanischen  Bausch- 
höschen gestatteten  nur  das  Anlegen  der  Unterdiechlinge,  während  in 
voller  Feld-  oder  Tumierausrüstung  die  Oberdiechlinge  unentbehrlich 
waren. 

Der  Diechling,  mittelst  zweier  Riemen  an  den  Schenkel  geschnallt, 
erhält  in  der  ersten  Hälfte  des  1 5.  Jahrhunderts  eine  weitere  Be- 
festigung mittelst  Schnüren  an  den  Leibgürtel,  um  das  Abrutschen 
desselben  zu  verhindern.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  am  Oberrande 
ein  Lederlappen  angenietet,  durch  dessen  Löcher  die  Schnüre  liefen, 
mit  welchen  der  Diechling  an  den  Gürtel  befestigt  wurde.  Diese  Be- 
festigungsart erhält  sich  bis  an  den  Schlufs  des  16.  Jahrh.  (Fig.  124.) 
Die  Oberdiechlinge  deckten  im  15.  Jahrhundert  oberhalb  nicht  den 
ganzen  Oberschenkel.  Nur  an  gotischen  Harnischen  vom  Ende  dieses 
Jahrhunderts,  welche  gemeiniglich  nur  kleine  Beintaschen  und  zuweilen 
auch  gar  keine  besafsen,  reichten  sie  hart  bis  an  die  Leisten  hinauf. 
Von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  trifft  man  italienische  und  bur- 
gundische Harnische,  deren  Kniebuckelgeschübe  nach  auf-  und  abwärts 
spitz  zugeschnitten  werden.  Das  untere  dieser  Geschübe  hängt  mit  der 
Beinröhre  mittelst  eines  Drehbolzens  (goujon-toumiquet)  zusammen, 
eine  Verbindung,  die  stellbar  ist  und  eine  Verlängerung  oder  Ver- 
kürzung der  Beinröhre  zuläfst  (Fig.  121.)  Bald  nach  dem  Beginne 
des  16.  Jahrhunderts  erschienen  die  geschobenen  Diechlinge,  aus 
einem  System  von  8  bis  10  quer  angeordneten  Folgenschienen  be- 
stehend. Diese  Neuerung  führte  um  1520  zu  der  Verbindung  der 
Diechlinge  mit  den  Bauchreifen  und  zur  Bildung  der  Schöfse.  Bein- 
zeuge für  das  Feld  wie  für  alle  Turnierarten  zu  Rofs  besitzen  durch- 
weg in  den  Kniebeugen  offene  Gelenke,  nur  das  Beinzeug  für  den 
Fufskampf  ist  in  der  Regel  dortselbst  mittelst  Folgen  geschlossen;  dann 
ist  aber  auch  der  Diechling  als  eine  vollständige  Röhre  gebildet. 

Die  Form  der  Beinzeuge  an  Maximiliansharnischen  werden  wir 
an  den  Darstellungen  dieser  Gattung  am  besten  ersehen,  wir  bemerken 

Ho  che  im,  Waffenkunde.  8 


114 


I.  Die  Schutzwaffen. 


jedoch,  dafs  bei  geriffelten  Harnischen  die  Beinröhren  stets  ungeriffelt, 
somit  glatt  vor  Augen  treten.    (Fig.  131a  und  b.) 

Mit  dem  Auftreten  der  grofsen  Bewegung,  die  wir  mit  dem 
Worte  Renaissance  bezeichnen,  ändern  sich  auch  die  Formen  des 
gesamten  Harnisches  und  damit  des  Beinzeugs.  In  allen  Formen  ist 
schon   die  Linienführung   der  neuen   „antikischen"  Kunst  deutlich 


Fig.  122.  Fig.  123. 


Fig.  122.  Vollständiges  Beinzeug  mit  schmalen  Oberdiechlingen 
von  einem  Kampf  hämische  der  Albrecht  Achilles,  Markgrafen  von 
Brandenburg  (gest.  i486)  zugeschrieben  ist.  Das  Beinzeug  ist  jedoch 
um  etwas  jünger  und  dürfte  um  1 505  geschlagen  sein.  Auf  den  Diech- 
lingen  ist  die  Tracht  der  Landsknechte  nachgeahmt.  Die  Füfsc  decken 
bereits  schwere  Kuhrnäuler. 

Fig.  123.    Bruststück  mit  angeschnallten  Schöfscn.    Um  1570. 

merkbar.  Die  scharf  aufgetriebenen  Buckel  verschwinden  und  machen 
den  kugelförmigen  Platz,  die  zackigen  Folgenränder  (Fürfeilen)  werden 
geradlinig,   eine  Änderung,  die  zwar  zweckmäßiger  genannt  werden 


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7.   Das  Beinzeug. 


115 


kann,  die  Schönheit  aber  nicht  fördert.  Die  Tracht  der  Zeit  mit 
Schlitzen  und  Puffen  wird  von  den  Plattnern  am  Beinzeuge,  wie 
überhaupt  am  Harnische  häufig  nachgeahmt.  (Fig.  122.)  Aber  weit 
eingreifender  ist  die  Umwandlung  vom  Gesichtspunkte  der  Kriegs- 
kunst; sie  ist  vom  Fufsvolke,  aus  Landsknechtkreisen,  ausgegangen. 
Der  Landsknecht  entledigte  sich  um  1520  des  Unterbeinzeugs,  das  ihm 


Fig.  124.  Fig.  125. 


Fig.  124.    Bein  zeug  mit  geschobenem  Diechling    und  halber 
Beinschiene.    Um  1560. 

Fig.  125.    Unterer  Teil   einer  Beinröhre  in   Verbindung  mit 
einem  Fanzerschuh. 

im  Marsche  hinderlich  war,  völlig  und  begnügte  sich  mit  den  Diech- 
lingen  oder  den  Schöfsen.  Dadurch  entstand  der  „halbe  Harnisch", 
der  auch  bald  von  leichten  Reitern  angenommen  wurde,  die  ihn  mit 

B* 


I.   Die  Schutzwaffen. 


kleinen  Abänderungen  als  „reiterischen"  oder  „Trabharnisch" 
tragen.  (Fig.  123.)  Von  dieser  Umbildung  in  Söldnerkreisen  blieb 
der  ritterliche  Harnisch  unberührt,  der  so  zu  sagen  für  sich  selbst 
sich  weiterbildete. 

In  zahllosen  Formen  tritt  uns  von  etwa  1550  an  der  Trab- 
harnisch vor  Augen.  Er  nimmt  um  diese  Zeit  selbst  eine  Art  Bein- 
zeug wieder  auf,  indem  der  Reiter  die  Schienbeine  mit  schmalen 
Platten  bedeckt,  die  er  an  die  Waden  schnallt.   (Fig.  124.) 


Fig.  126.  Fig.  127. 

Fig.  126.  Durchbrochenes  Beinzeug  nach  einem  Modell  in  der 
Sammlung  Poldi-Pezzoli  in  Mailand.  Die  Durchbrechungen  sind 
fUr  Samrotunterlage  berechnet,  die  Schuhe  für  Panzerung  oder  Leder. 
Italienisch  um  1580. 

Fig.  127.  Vollständiges  Beinzeug  mit  Schöfsen,  welche  auch 
ohne  Beinröhren  zu  tragen  sind.  Die  letzteren  sind  in  den  inneren 
Seiten  geschnürt.  Der  Eisenschuh  besitzt  ein  Rist-  und  Ballengeschübc. 
Um  1560. 


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7.   Das  Beinzeug. 


117 


Harnischfonnen,  welche  einen  Übergang  vom  ritterlichen,  dem 
alten  Kürisserharnisch  zum  Landsknecht-  oder  Trabharnisch  darstellen, 
finden  sich  von  1550  an  äufserst  zahlreich,  Man  kokettierte  einer- 
seits mit  dem  Geschmacke  des  demokratischen  Söldners,  anderseits 
übte  das  von  selbem  aufgestellte  Prinzip  der  Bequemlichkeit  und 
Leichtigkeit  seine  Wirkung.  Das  war  die  Ursache,  dafs  man  an 
Feldharnischen  und  an  solchen  für  das  Fufsturnier  häufig  gar  keine 


Fig.  128.  Fig.  129. 

Fig.  128.  Vollständiges  Beinzeug  mit  geschobenen  Kniebuckeln 
und  Schuhen  ron  einem  Feldharnische  Ferdinand  des  Katholischen, 
Königs  von  Aragonien.    Um  1480. 

Fig.  129.  Vollständiges  Beinzeug  mit  umfangreichen  Schöfsen. 
Der  Eisenschuh  besitzt  neben  dem  Rist-  und  Ballengcschübe  auch  ein 
Knöchelgeschübc.    Um  1620. 

Eisenschuhe,  sondern  solche  aus  Panzerzeug  trug,  welche  nur  vorn 
an  den  Spitzen  eine  Bedeckung  durch  Eisenplatten,  die  sogenannten 


118 


I.  .Die  Schutzwaffen. 


Schuhkappen,  erhielten.  (Fig.  125.)  In  die  Gattung  der  Trab- 
harnische reihen  sich  die  in  Italien  viel  getragenen  leichten  Harnische, 
deren  Platten  durchaus  in  Dessins  durchbrochen  gearbeitet  waren. 
Wir  bringen  hier  ein  derartig  gearbeitetes  Beinzeug  nach  einem  Mo- 
dell aus  der  Sammlung  Poldi-Pezzoli  in  Mailand.    (Fig.  126.) 

Wir  sehen  in  den  Sammlungen  zahlreiche  ganze  Harnische,  welche 
je  nach  Gefallen  auch  als  halbe  getragen  werden  konnten.  Sie  kenn- 
zeichnen sich  durch  den  aufgeworfenen  Rand  am  unteren  Kniebuckel- 
geschübe. 

Von  etwa  1570  an  finden  sich  häufig  Beinröhren,  welche  an 
den  inneren  Seiten  nicht  mittelst  Haspen  (boutons  ä  ressort)  ge- 
schlossen, sondern  geschnürt  werden.    (Fig.  127.) 

Der  Eisenschuh  (soleret)  tritt  von  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts an  stets  in  organischer  Verbindung  mit  der  Beinröhre  auf, 
ja  diese  selbst  bildet  schon  einen  Teil  des  Schuhes  dadurch,  dafs  sie 
meist  bis  an  die  Ferse  reicht  und  an  den  entsprechenden  Punkten 
die  Knöchelauftriebe  besitzt  An  den  vorderen  Ristbogen  setzt 
sich  ein  nach  abwärts  gerichtetes  Geschübe  bis  an  die  Spitze  fort. 

Der  Eisenschuh  bildet  sich  allmählich  erst  am  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts, indem  eine  steife  Platte  über  den  mit  Panzerzeug  bedeckten 
Vorderfufs  gelegt  wird,  die  man  an  der  Ferse  mittelst  eines  Riemens 
befestigte.  Um  1290  ist  diese  Bedeckung  durch  ein  Geschübe  er- 
setzt. Noch  um  1390  besteht  der  Schuh  des  gemeinen  Söldners  aus 
Leder,  das  mit  kleinen  Platten  mosaikartig  benäht  ist.  Eisenschuhe 
vom  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  enden  im  Geschübe  in  eine  stumpfe 
Spitze  (Fig.  128),  oder  sie  setzen  sich  in  langen  Schnäbeln  (fr.  ä  la 
poulaines,  ital.  scarpe  a  punta)  fort  (Fig.  121),  welche  etwas  nach  abwärts 
gebogen  sind.  Diese  langen  Schnäbel,  welche  man  mit  Recht  als  eine 
Verirrung  der  Mode  betrachtete,  hatte  gleichwohl,  wenigstens  anfäng- 
lich, einen  praktischen  Zweck.  Je  unvollkommener  das  Beinzeug  war 
und  je  weniger  der  Reiter  im  stände  war,  den  Vorfufs  auf-  und  ab- 
wärts zu  bewegen,  desto  näher  lag  die  Gefahr,  den  Bügel  zu  ver- 
lieren. Der  lange  Schnabel  verhinderte  dies  und  gestattete  dem  Reiter, 
den  verlorenen  Bügel  rasch  wieder  zu  erfassen. 

Erst  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  erscheinen  die  Schuhe 
vollständig  in  Verbindung  mit  dem  Beinzeuge.  Um  1400  ersehen 
wir  die  ersten  Beispiele  von  absteckbaren  Schnäbeln;  dadurch  ver- 
mochte der  Reiter,  zu  Fufs  befindlich,  ohne  Schwierigkeit  zu  schreiten. 
Zu  Rofs  gestiegen,  wurden  die  Schnäbel  mittelst  Drehbolzen  am  Rist 
befestigt.  Um  1430  erscheinen  in  Italien  Schuhe  mit  bis  zu  36  cm. 
langen  Schnäbeln  aus  Holz,  mit  Leder  überzogen  und  mit  Eisen- 
schuppen belegt,  welche  erst  zu  Rofe  an  den  Vorfufs  gesteckt  wurden. 
Der  Schuhschnabel  erhält  sich  bis  ca.  1490  im  Gebrauch. 

In  den  letzten  Jahren  des  15.  Jahrhunderts  tritt  die  Reform- 
bewegung ein,  das  Prinzip  der  Bequemlichkeit  wird  aufgestellt,  viel- 


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7.    Das  Beinzeug.  119 

leicht  nicht  ohne  Mitbeteiligung  Maximilians  I.  und  des  Markgrafen 
Albrecht  Achilles  von  Brandenburg;  es  führte  in  der  Schuhform 
unmittelbar  zu  enormen  Übertreibungen.  Statt  der  schmalen  gotischen 
Schnabelschuhe  erscheinen  die  ungeheuerlichen  Bärenfüfse  oder 
Kuhmäuler  (pieds  d'ours)  von  erschrecklicher  Plumpheit  Erst  um 
1530  müfsigt  sich  allgemach  deren  Dimension  und  die  Formen 
der  Schuhe  nähern  sich  allmählich  der  Fufsform,  zunächst  sehen  wir 
sie  abgezackt  mit  scharfen  Ecken,  später  um  1550  rundet  sich  der 
Vorderteil  und  es  entstehen  die  sogenannten  Entenschnäbel,  erst 
um  1560  nimmt  der  Schuh  die  natürliche  Form  des  Vorfufses  an, 
wie  es  die  Zehenlage  erfordert;  nur  ist  eine  leichte  Hinneigung  er- 
kennbar, den  Vorfufs  spitzig  und  damit  schmal  zu  gestalten.  Siehe 
das  nebenstehende  Schema.  (Fig.  130.)  Von  der  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts an  ist  ein  reges  Streben  der  Plattner  ersichtlich,  den  Fufs 


0  b. 


im  Eisenschuh  beweglicher  zu  gestalten  und  damit  das  Reiten  auf 
beweglicheren  Pferden  zu  erleichtern.  Zunächst  ersehen  wir  das 
Ristgeschübe,  etwas  weiter  vor  das  Ballengeschübe,  endlich  wird 
noch  an  der  Beinröhre  selbst  ein  Geschübe  zunächst  oberhalb  der 
Knöchel,  das  Knöchelgeschübe,  angeordnet.    (Fig.  127  und  129.) 

Dafs  man  um  1570  hier  und  da  wieder  begann,  Eisenschuhe  zu 
tragen,  welche  nicht  in  Verbindung  mit  den  Beinröhren  standen,  zeigt 
ein  derlei  Paar  italienischer  Provenienz  in  der  kais.  Waffensamralung 
zu  Wien.    Sie  gehörten  aber  sicher  keinem  Vornehmen  an. 

Vorkehrungen  zum  Anlegen  der  Sporen  an  die  Fersen  sind  der 
verschiedensten  Art.  Ist  das  Beinzeug  an  der  Ferse  hoch  aus- 
geschnitten, dann  war  der  Sporn  unterhalb  des  Eisenschuhes  befestigt. 
Um  1560  wird  nicht  selten  der  Spornhals  an  die  Fersenplatte  ge- 
nietet, wie  zahlreiche  Beispiele  erweisen.  In  den  meisten  Fällen  aber 
wurde  der  Sporn  über  den  Eisenschuh  mittelst  Riemen  geschnallt. 


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120 


I.  Die  Schutzwaffcn. 


Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 

Die  einzelnen  Teile  des  Plattenharnisches. 
Fig.  131a  u.  b. 

A.  Der  Helm,  franz. armet, 
ital.  celata,  engl,  helmet. 
I.  Das  Scheitelstück,  frz,timbrc, 

ital.  coppo,  engl,  scall  piece. 
2  Der  Kamm,  franz.  cr£te,  ital. 
cresta,  engl,  crest. 

3.  Das  Visier,  franz.  mezail,  ital. 
visiera,  engl,  visor. 

Bei  den  späteren  Helmen 
besteht  das  Visier  aus  2  Tei- 
len, die  sich  aufschlächtig 
bewegen.  Der  obere  Teil  mit 
den  Sehspaltcn  heifst  dann 
Stirnstulp,  franz.  frontal,  ital. 
frontale,  der  untere,  das 
eigentliche  Visier,  altdeutsch 
Scherabart,  fr.  ventail,  ital. 
ventaglio. 

4.  DasKinnrefT,  fr.  mentonniere, 
ital.  baviera,  engl,  beaver. 

5.  Der  Nackenschirm,  fr.  couvre- 
nuque. 

6.  Das  Kehlstück,  bei  späteren 
Helmen  Halsreifen,  fr.  gor- 
gerin.it.goletta,  engLgorgct. 

B.  Der  Kragen,  fr.  hausse 
col,  ital.collo,  engl,  neck 
collar. 

I.  Federzapfen  (zur  Befestigung 

der  Achseln),  fr.  auberon. 
Die  Achseln,  fr.  epau- 
Iirres,   ital.  spallacci, 
engl.  Shoulder  plates. 
I.  Die  Vorderflüge,  fr.  aile,  ital. 
ala,  lunetta. 

2.  Die  Hinterflüge,  franz. 
ailes  dorsales. 

3.  Die  Brechränder,  Stofs- 
krägen,  fr.  passe-garde, 
garde-col,  it.  guarda-go- 
letta,  engl,  pass  guard. 


Fig.  131a. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


121 


D.  Das  Armzeug,  frz.  brassard, 
ital.  bracciale,  engl,  brassard. 

1.  Oberarmzeug,  Oberarmröhre. 

2.  Untcrarmzcug,  Untcrarmröhre. 

3.  Die  Armkacheln,  fr.  eubitieres,  ital. 
eubiticra,  bestehen  aus  den  Mäuseln 
und  den  ganzen  oder  halben  Muscheln. 

E.  Die  Handschuhe,  frz.  gan- 
telets,  ital  manopole,  engl, 
gauntlet,  wenn  ungefingert: 
Hentzen,  franz.  mitons,  ital. 
mittene,engl.mittengauntlets. 

1.  Die  Stulpen. 

2.  Die  Knöchelrcifen. 

F.  Die  Brust,  das  Bruststück, 
franz.  plastron,  ital.  corazza, 
engl  breast  plate. 

1.  Der  Brustrand. 

2.  Der  Rüsthaken,  fr.  faucre,  ital.  resta, 
engl,  lance  rest. 

3.  Die  Bauchreifen,  frz.  braeconniere, 
ital.  panziera,  engl,  great  brayette. 

4.  Die  Schamkapsel,  franz.  brayette. 

5.  Die  Beintaschen,  frz.  u.engl.  tassettes, 
tuiles,   ital.  fiancali,  scarselloni. 

G.  Der  Rücken,  das  Rücken- 
stück, franz.  dossiere,  ital. 
schiena,  engl,  backplate. 

I.  Die  Gesäfsreifen ,  der  Gesäfsschurz., 
franz.  garde-reins,  ital.  falda. 

H.  Das  Beinzeug,  die  Diech- 
linge  mit  den  Kniebuckcln 
bilden  das  Oberbeinzeug,  die 
Beinröhren  mit  den  Schuhen 
das  Unterbeinzeug. 

1.   Die  Oberdicchlinge.    2.   Die  Unterdiechlinge,   fr.   u.  engl,  cuissards,  ital. 
cosciali. 

3.  Die  Kniebuckel,    franz.    genoulliere,    ital.  ginocchietti,    engl,    buce,  mit 
ihren  Muscheln. 

4.  Die  Beinröhren,  franz.  greves,  ital.  schinieri,  engl,  greaves. 

5.  Die  Schuhe,  franz.  sollerets,  ital.  scarpe,  engl,  goad,  sole 


Fig.  131b. 


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122  I.  Die  Schußwaffen. 

Bevor  wir  in  eine  Betrachtung  der  Wandlungen  jener  Schutz- 
waffe eingehen,  welche  der  Krieger  unmittelbar  am  Körper  selbst 
getragen  hat  und  die  man  unter  der  generellen  Bezeichnung  Harnisch 
zusammenfaßt,  sehen  wir  uns  veranlafst,  einer  möglichen  irrigen  Auf- 
fassung zu  begegnen,  als  sei  mit  den  gegebenen  Typen  namentlich 
der  älteren  Perioden,  etwa  bis  ins  14.  Jahrhundert,  mehr  als  ein 
nur  im  allgemeinen  orientierendes  Beispiel  der  Tracht  gegeben.  Je 
höher  wir  in  den  Zeiten  hinaufrücken,  in  denen  zahllose  Volksstämme 
auf  die  Weltbühne  treten,  deren  Kulturzustand  von  verschiedenen 
Zentren  beeinflufst  war,  desto  mehr  müssen  wir  von  einer  einheit- 
lichen Physiognomie  der  Kriegstracht  absehen.  Wenn  wir  bedenken, 
dafs  die  Völker  des  europäischen  Nordens  eine  in  sich  abgeschlossene 
Kultur  mit  sich  brachten,  jene  des  Ostens  in  dem  Grade  und  der 
Art  ihrer  Entwickelung  die  gröfsten  Verschiedenheiten  merkbar  werden 
lassen,  dafs  die  Einflüsse  des  Orients  auf  den  Occident,  der  Antike 
auf  die  barbarische  Welt  in  tausendfachen  Nüancen  zu  Tage  treten,  so 
kann  von  einer  äufserlichen  Uniformität  des  Menschen  in  Bezug  auf 
seine  kriegerische  Tracht  keine  Rede  sein.  Hier  ist  die  Gestalt  der 
Äufserlichkeit  so  sehr  von  dem  Grade  der  Entwickelung  der  Technik, 
den  religiösen-  und  Stammesgewohnheiten,  den  Ansichten  des  einzelnen 
abhängig,  dafs  jeder  der  zahllosen  Volksstämme  zwar  einen  Haupt- 
typus für  sich  bilden  kann,  der  aber  bis  zu  den  einzelnen  Individuen 
herab  millionenmal  variiert. 

Für  die  Epoche  der  Völkerwanderung  standen  uns  bis  jetzt  nur 
spärliche  Materialien  zu  Gebote,  um  die  Tracht  des  Kriegers  beur- 
teilen zu  können.  Originale  Stücke  sind  nur  wenige,  und  diese  in 
Trümmern  auf  uns  gekommen,  und  bildliche  Darstellungen  waren  ja 
selbst  in  jener  Zeit  äufserst  selten.  Griechische  und  römische  Kunst 
waren  im  Entschlafen,  und  jene  der  Barbaren  stand  noch  auf  zu  ge- 
ringer Stufe,  und  war  in  dem  Wirrsal  der  Zeit  so  wenig  in  Übung, 
dafs  es  begreiflich  erscheint,  wenn  uns  bis  jetzt  bildliche  Belege  nicht 
untergekommen  sind.  Helme,  Schildrcste,  Spiefse,  Schwerter,  welche 
dieser  Periode  angehörend,  in  Deutschland,  Italien  und  Frankreich 
aus  dem  Boden  gegraben  wurden,  zeigen  merkwürdigerweise  mehr 
orientalischen  Einflufs,  als  jenen  der  Antike,  und  dennoch  ist  der 
letztere  zweifelsohne  bis  ins  8.  Jahrhundert,  ja  noch  bis  zu  den, 
Ottonen,  in  den  genannten  Ländern  in  Tracht  und  Bewaffnung 
herrschend  gewesen. 

Wenn  uns  gerade  für  das  Ausleben  des  antiken  Einflusses  Belege 
fehlen,  so  sind  wir  anderseits  für  den  orientalischen  durch  in  den 
letzten  Jahrzehnten  gemachte  Bildfunde  bereichert  worden. 

Der  eine  ist  eine  kleine  bronzene  Reiterfigur,  einen  finnländischen 
Krieger  darstellend,  die  wenn  nicht  vor,  doch  sicher  in  die  Periode 
der  Völkerwanderung  zu  reihen  ist.  Der  Reiter  trägt  den  kleinen, 
spitzen  Helm,  der,  wie  wir  sehen,  vom  Altertum  bis  in  die  Neuzeit 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


128 


den  orientalischen,  und  den  vom  Oriente  beeinflufsten  Völkern  eigen- 
tümlich ist.  Das  Kleid  ist  eng  anliegend.  Die  Figur  sitzt  bereits  im 
bequemen  Sattel.*)    (Fig.  132.) 

Noch  weit  wichtiger,  ja  unschätzbar  sind  die  Reliefdarstellungen, 
welche  sich  auf  einem  Goldgefafse  aus  dem  Schatz  von  Nagy  Szent- 
Miklos,  dem  sogenannten  „Schatz  des  Attila",  gefunden  haben.**) 
Die  eine  stellt  einen  Reiter  dar,  der  einen  Gefangenen  mit  sich 
schleppt,  die  andere  einen  Bogenschützen.  Man  bezeichnet  sie  als 
sarmatische,  und  setzt  sie  ins  5.  Jahrhundert,  was  im  allgemeinen 
wohl  zutreffen  mag.    Was  für  uns  äufserst  wichtig  erscheint,  ist  die 


Fig-  »32-  Fig.  133. 


Fig.  132.  Statuette  eines  finnländischen  Reiters  von 
Bronze  Fund  auf  einem  Felde  bei  Omstomsk,  Gouvernement  Wiatka. 
5.  Jahrhundert.    Nach  einem  im  Privatbesitze  befindlichen  Originale. 

Fig.  133.  Sarmatischer  Reiter  mit  einem  Gefangenen.  Dar- 
stellung im  Flachrelief  auf  einem  Goldgefafse  aus  dem  Erdfunde  von 
Nagy  Szent-Miklös,  dem  sogenannten  „Schatz  des  Attila"  5.  Jahr- 
hundert. 

Tracht  beider,  aus  der  wir  ersehen,  dafs  sie  orientalisch  ist,  dafs 
die  Kriegstracht,  wie  sie  bis  ins  12.  Jahrhundert  in  Europa  üblich 
war,  sich  von  ihr  ableitet,  und  schon  in  antiker  Zeit  ihren  Ursprung 

•)  Der  Fundort  der  Bronze  ist  auf  einem  Felde  bei  Omatomsk,  Gouverne- 
ment Wiatka.  Sie  ist  erwähnt  in  Apelin,  Antiquites  finnoises,  mit  unrichtiger 
Angabe  des  Gouvernements  Wilna.  Ausführlich  besprochen  in  dem  Berichte  über 
den  Kiewer  archäologischen  Kongrefs  1873. 

**)  Kunsthistorisch.-  Sammlungen  des  kais.  Hauses,  Wien. 


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124 


I.   Die  Schatzwaffen. 


gefunden  hat,  und  dafs  endlich  die  spätere,  ritterliche  Tracht,  der 
Haubert  die  Brünne,  der  Helm  etc.  ihre  Vorbilder  im  Oriente  und 
nicht  in  der  antiken  Welt  gefunden  haben.  Der  eine  Reiter  trägt 
den  niederen  spitzen  Helm  mit  der  Brünne,  die  ein  Kettengeflecht 
darstellt.  Eine  Jacke  und  Beinkleider  aus  mit  Lederstreifen  besetztem 
Stoffe  bedecken  den  ganzen  Körper,  darüber  erscheint  ein  langer 
Haubert  mit  kurzen  Ärmeln,  vermutlich  aus  Leder  mit  dicht  darauf 
genieteten  Blechscheibchen.  Derselbe  wird  an  den  Lenden  mit  einem 
gleichfalls  mit  Metall  belegten  Gürtel  zusammengehalten,  der  mög- 
licherweise auch  ein  Schwert  tragen  kann.  Ganz  ähnlich  erscheint 
der  minder  vornehme  Bogenschütze,  der  jedoch  keinen  Helm  am 
Haupte  trägt,  sondern  barhaupt  mit  fliegendem  Haare  sich  darstellt. 
(Fig.  133.)*) 

Von  diesen  bis  jetzt  ältesten  Darstellungen  einer  Kriegstracht  im 
Mittelalter  bis  zu  der  nächsten  klafft  eine  Lücke  von  3  Jahrhunderten, 
aber  wir  ersehen  aus  der  nächsten;  dafs  sich  in  dieser  Zeit  nur  wenig 
geändert  hat.  Die  aus  Elfenbein  geschnitzten  Reiterfiguren,  zum 
Schachbrettc  Karls  des  Grofscn  gehörig,**)  zeigen  uns  die  Kriegstracht 
der  Berittenen  im  8.  Jahrhundert.  Das  Haupt  der  einen  ist  von 
einer  kugelförmigen  Haube  bedeckt,  der  ganze  Kopfteil  mit  Ausnahme 
des  Gesichtes  mit  einem  Stoffe  eingehüllt,  der  vermutlich  eine  Brünne 
darstellt.  Die  Brust  deckt  ein  eng  an  den  Körper  schliefsender 
Harnisch  von  Leder,  mit  viereckigen,  übereinander  fallenden  Schuppen, 
der  bis  an  die  Beine  reicht.  Die  Ärmel  sind  kurz,  die  Unterarme 
nackt.  Die  Unterschenkel  scheinen  in  Lederstrümpfen  zu  stecken, 
die  Füfse  sind  von  Sandalen  bedeckt,  an  deren  Fersenteil  Sporen 
mit  stachelförmigen  Hälsen  befestigt  sind.  Die  andere  trägt  über 
eine  lange  Tunika  einen  ähnlichen  Harnisch,  jedoch  mit  unterhalb 
abgerundeten,  und  gestielten  Schuppen.  Der  Codex  aureus  von  St. 
Gallen  zeigt  uns  im  Gegensatze  zu  den  vorgenannten  Ausrüstungen 
die  Krieger  in  einer  vollkommen  der  Antike  entlehnten  Tracht.  Der 
Helm  erinnert  an  die  der  späteren  Römerzeit,  der  Harnisch  aber,  bis  an 
die  Kniec  reichend,  ist  von  Leder  und  mit  zungenförmigen  Schuppen 
bedeckt.  Die  Ärmel  sind  kurz  und  lassen  ein  faltiges  Untergewand 
erblicken.  Die  Unterschenkel  stecken  in  hohen  Strümpfen,  die  bis 
über  das  Knie  reichen.  Die  Füfse  sind  mit  Schuhen  bekleidet.  Über 
den  Harnisch  trägt  der  Vornehme  die  Toga,  die  Handwaffe  ist  der 
dünnschäftige  Spiefs  oder  das  pilum.  (Fig.  134.)  Man  sieht  in  der 
Gesamtbetrachtung  deutlich  das  Gemisch  von  orientalischen  und  an- 
tiken Formen,  aber  auch  wie  wenig  die  Kriegstechnik  seit  dem  5. 


*)  Die  andere  hier  erwähnte  Figur  des  Bogenschützen  ist  in  dem  Abschnitte: 
„Der  Bogen",  wiedergegeben. 

**)  Einst  im  Schatze  der  Abtei  zu  Saint-Denis,  jetzt  im  Mcdaillenkabinett  der 
Nationalhibliothek  zu  Paris. 


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Der  Harnisch  für  den  Matth  in  seiner  Gesamtheit. 


125 


Jahrhundert  vorgeschritten  ist.  Die  geringen  Fortschritte  in  der  Ent- 
wickelung  der  Schutzwaffe,  und  speziell  des  Harnisches  sind  aus  den 
nächstjüngeren  Handschriften  und  Miniaturen  zu  erkennen.  Fast 
vollkommen  gleich  mit  der  vorigen  ist  die  Kriegstracht  in  der  Bibel 
von  San  Paolo  fuori  le  mura  vom  9.  Jahrhundert,  im  Evangelium  des 
Lothar  und  in  der  Bibel  Karls  des  Kahlen  aus  ziemlich  gleicher  Zeit. 
Nur  im  Manuskripte  des  Prudentius  um  das  Jahr  1000  erscheinen 
die  Helme  kegelförmig,  und  nähern  sich  in  ihrer  Form  der  in  Frank- 
reich als  „normanischer  Helm"  bezeichneten  Kopfbedeckung.  Sicher 
ist  die  gründliche  Verbesserung  der  Bewaffnung  und  der  Taktik  vom 


Fig.  134. 

Fig.  134.  Figur  des  Saul  aus  dem  Codex  aureus  von  Sanct 
Gallen.    8.  Jahrhundert. 


Beginne  des  1 1 .  Jahrhunderts  allgemeiner  merkbar,  von  den  Normanen 
ausgegangen,  deren  Herrscher  in  unausgesetzter  Verbindung  mit  fernen 
Nationen  einen  weitreichenderen  Blick  besafsen.  Einen  wichtigen 
Beleg  für  die  Verbesserung  der  Kriegstracht,  wie  sich  dieselbe  am 
Ende  des  11.  Jahrhunderts  darstellte,  besitzen  wir  in  den  Darstel- 
lungen am  Teppich  zu  Baycux ,  und  wir  sehen  auch  hier  die  fort- 


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126 


L   Die  Schatzwaffen. 


gesetzte  Einwirkung  des  Orients  auf  das  europäische  Kriegswesen. 
Die  künstlerische  Hand  der  Tapete  stellt  uns  die  bretonischen  Krieger 
im  wesentlichen  mit  den  normanischen  gleich  gehamischt  vor.  Den 
Kopf  bedeckt  der  spitze  Helm  mit  dem  charakteristischen,  vom  Oriente 
her  entlehnten  Naseneisen,  der  Kopf  ist  von  einer  Art  Brünne  ein- 
gehüllt, die  nur  das  Gesicht  frei  läfst.    Der  Körper  ist  von  einem 


F'g.  »35- 

Fig.  135.  Herzog  Wilhelm  der  Eroberer  aus  der  Tapete 
von  Bayeux.    Ende  des  11.  Jahrhunderts. 


Harnisch  bedeckt,  der  das  Wams  mit  dem  Beinkleid  in  einem 
Stücke  darstellt.  Die  Ärmel  sind  kurz,  die  Beinkleidpartie  reicht  bis 
an  die  Kniee.  Der  ganze  Harnisch  ist  entweder  mit  eng  aneinander 
liegenden,  quadratförmigen,  eisernen  oder  mit  scheibenförmigen  Plätt- 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


127 


chen  verstärkt,  die  vermutlich  aufgenietet  sind.  Bei  Vornehmen  sind 
dieselben  entweder  vergoldet  oder  aus  Bronze  gebildet.  Auf  der 
Brust  zeigt  sich  ein  viereckiges  Blatt,  in  den  Ecken  aut  den  Harnisch 
befestigt,  das  wahrscheinlich  eine  Verdoppelung  der  Brustpartie  dar- 
stellt. Nur  Vornehmere  haben  auch  die  Unterschenkel  in  gleicher 
Weise  geschützt  (Fig.  135),  bei  den  übrigen  sind  die  Beine  nur  mit 
engen  Strümpfen  bekleidet  Das  Gewicht  eines  solchen  Harnisches 
mag  nicht  gering  gewesen  sein;  auf  der  Tapete  in  der  Darstellung 
der  Landung  Wilhelms  in  England  tragen  zwei  Knechte  einen  solchen 
Harnisch  auf  einer  starken  Stange.    (Fig.  136.) 

Bei  den  Normanen  war  das  Ritterwesen  vollends  ausgebildet; 
man  erkennt  dieses  deutlich  in  der  minderen  Bedeutung,  die  dem 
Fufsstreiter  zu  teil  wird.  In  der  Tapete  von  Bayeux  sind  nebst  den 
Reitern  nur  die  Spiefsträger  geharnischt  (Fig.  137),  in  anderen  Körpern, 
wie  bei  den  Bogenschützen,  erscheint  der  Mann  nur  vereinzelt  im 


Fig.  136. 


Fig   136.    Kriegsknechte,  einen  Harnisch  tragend,  aus  der 
Tapete  von  Bayeux.    Ende  des  Ii.  Jahrhunderts. 

Harnisch,  und  das  Kleid  der  übrigen  ähnelt  jenen  der  Krieger  des 
8.  Jahrhunderts  in  ihrer  spätrömischen  Tracht.    (Fig.  138.) 

Dafs  uns  die  Tapete  die  Tracht  einer  etwas  späteren  Zeit  als 
die  dargestellte  Eroberung  Englands  durch  die  Normanen  wiedergibt, 
zeigt  das  Reitersiegel  Wilhelms  des  Eroberers  vom  Hotel  Soubise  in 
Paris.  Hier  trügt  der  Herzog  einen  kugelförmigen,  grofsen  Helm, 
einen  Haubert,  mit  sechseckigen  Eisenplättchen  belegt,  ganz  in  der 
Art  einer  Tunika  geschnitten,  mit  kurzen  Ärmeln,  die  Beine  sind 
unbewehrt.  (Fig.  139.)  Das  Reitcrsiegel  Wilhelms  II.  aber  zeigt  diesen 
bereits  im  spitzen  Helme  mit  Naseneisen,  und  ist  genau  aus  der  Zeit 
der  Fertigung  der  Tapete. 

Vom  Beginne  des  12.  Jahrhunderts  machen  sich  vorzüglich  an 
den  Hauberts  Änderungen  im  Schnitte  merklich.    Zunächst  erscheint 


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128 


I.    Die  Schutzwaflen. 


das  Beinkleid  getrennt,  und  der  Haubert  selbst  wird  bedeutend  länger, 
so  dafs  er  bis  an  die  Waden  reicht.  Um  mit  selbem  zu  Pferde  sitzen 
zu  können,  wird  er  rückwärts  und  zuweilen  auch  an  den  Seiten  auf- 
geschlitzt. Die  Ärmel  reichen  bis  an  die  Handwurzel,  sind  anfänglich 
weit,  später  eng  anliegend.  Die  Verstärkung  mit  Eisenpartikcln  wird 
subtiler  und  besteht  aus  feineren,  übereinander  genähten  Ringen,  oder 


Fig.  137.  Fig.  138. 


Fig.  137.  Normanischer  Fufsstrciter  aus  der  Tapete  von 
Bayeux.    Ende  des  11.  Jahrhunderts. 

Fig.  138.  Normanische  Bogenschützen,  der  eine  gehar- 
nischt, der  andere  nicht  geharnischt,  aus  der  Tapete  von  Bayeux.  Ende 
des  11.  Jahrhunderts. 

aus  kleinen,  schuppenförmig  gereihten  Plättchen,  den  sogenannten 
„stahelzein",  oder  aus  aufgenähten  Metallscheibchen  oder  Metall- 
buckeln. (Fig.  140.)    Dieser  Haubert  wird  über  einem  langen,  faltigen 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


120 


Waffenrock  (bliaud)  getragen,  der  unterhalb  hervorsieht,  dieses  Unterkleid 
ist  für  die  Harnischtracht  durch  mehr  als  ein  Jahrhundert  charakteristisch. 
Die  kapuzenähnliche  Brünne  wird  nicht  nur  beibehalten,  sondern 
wird  nun  auch  gleich  dem  Haubert  mit  aufgenähten  Ringen  verstärkt. 


Fig-  139- 

F'g-  139-  Grofses  Rcitcrsiegel  Herzogs  Wilhelm  des  Er- 
oberers aus  dem  Hotel  Soubise  in  Paris  nach  Hewitt. 

Einige  Male  finden  wir  das  Schwert  unterhalb  des  Hauberts  getragen, 
und  mit  der  Scheidemündung  aus  einem  Schlitze  hervorragend. 
(Fig.  141.) 


$  m  % 

Fig.  140 

Fig.  140.    Verschiedene   Proben   von    Darstellungen   des  Panzer- 
werks an  Hauberts  aus  der  Tapete  von  Baycux. 

Vermutlich  war  es  die  enorme  Schwere  von  derlei  mit  Eisen- 
partikeln dicht  benähten  Harnischen,  dafs  man  im  12.  Jahrhundert 
versuchte,  die  eisernen  Plättchen  durch  solche  aus  Horn  zu  er- 
setzen, man  hielt  solche  Harnische  für  undurchdringlich.    Eine  Schar 

Boeheim,  Waffenkunde.  9 


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130 


I.   Die  Schutzwaffen. 


im  Heere  Heinrichs  V.  trug  1 1 1 5  derlei  hornbelegte  Hauberts,  und 
auch  im  Wigalois  werden  solche  erwähnt,  welche  reich  mit  Gold 
belegt  und  mit  Edelsteinen  geziert  waren.*)  Gegen  1 1 50,  zu  welcher 
Periode  die  Erfahrungen  aus  den  Kreuzzügen  greifbare  Gestalt  an- 
zunehmen begannen,  begegnen  wir  in  Mitteleuropa  zuerst  dem  Maschen- 
panzerwerk (maille,  Mufszeug),  welches  aus  ineinander  geflochtenen 
verschweifsten  Ringen  besteht  Der  Maschenpanzer,  bereits  unter  den 
Römern  bekannt  und  verwendet,  war  zu  jener  Zeit  schon  bis  zum 
Norden  Europas  verbreitet    In  ganz  vorzüglicher  Fertigung  erscheint 


Fig.  141.  Fig.  142. 


Fig.  141.  Krieger  aus  einer  Darstellung  des  Kinderrnordes  aus 
einer  Papierhandschrift  Nero  C.  IV.  der  Harlaian- Bibliothek  datiert 
1125.    Französisch.    Nach  Hewitt  I,  p.  130. 

Fig.  142.  Detail  von  der  Anordnung  des  Panzerzeuges  an  einem 
sogenannten  „ledcrstreifigen"  Harnische.   Nach  Viollet-le-Duc  II,  p.  240 

er  nach  Fundstücken,  aus  dem  Thorsberger  Moor  im  Museum  zu 
Kiel,  die  dem  3.  Jahrhundert  angehören  dürften,  ebenso  fand  er 

*)  Vielleicht  erklärt  sich  dadurch  die  Sage  vom  „hörnen  Siegfried".  Die 
Erinnerung  an  hornbelegte  Harnische  hat  sich  übrigens  lange  erhalten,  noch  Kaiser 
Maximilian  I.  kommt  in  seinen  Studien  auf  selbe  wieder  zurück. 


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Der  Harnisch  Mir  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit.  131 

sich  in  Schweden  in  Gräbern,  die  ins  6.  Jahrhundert  zu  reihen 
sind.*)  Diese  frühe  Erscheinung  weist  auf  die  Anfange  der  Meer- 
fahrten der  Wikingar  zurück,  bei  welchen  nebst  materiellen  wohl 
auch  manche  kulturelle  Eroberungen  -gemacht  worden  waren.  Im 
12.  Jahrhundert  werden  der  Haubert  wie  die  Brünne  aus  Maschen- 
panzerwerk allgemeiner,  wenn  auch  anfänglich  nur  als  Kriegskleid 
der  Vornehmeren,  da  die  Mehrzahl  der  Reiter  den  hohen  Preis  für 


Vig.  143- 


Fig.  144- 


Fig-  '43-  Krieger  im  Haubert  mit  aufgenieteten  Plättcheu.  Frag- 
ment einer  Miniatur  auf  Pergament  im  Besitze  des  Herrn  von  Hefner- 
Alteneck.  Anfang  des  12.  Jahrhunderts.  Nach  Hefner,  Trachten  des 
christlichen  Mittelalters,  I,  T.  12. 

Fig.  144.  Fufsknccht  im  Haubert  mit  Fäustlingen  und  Eiscn- 
hosen  mit  vollständiger  Deckung  des  Vorfufses.  Skulptur  am  Portale 
der  Kathedrale  zu  Rheims.    Um  1230.    Nach  Viollet-le-Duc  VI,  p.  88. 

*)  Mestorf,  J.,  Die  vaterländischen  Altertümer  Schleswig-Holsteins. 
Montelino,  O.,  Antiquites  su^doises.    Stockholm  1873— 1875. 

9' 


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132 


I.   Die  Schutzwaffen. 


selbe  nicht  zu  erschwingen  vermochte.  Diese  bedienten  sich  eines 
am  Ende  des  12.  Jahrhunderts  neu  auftretenden,  eigentümlich  gearbei- 
teten Hauberts,  und  einer  damit  verbundenen  Brünne,  die  man  im 
Altfranzösischen  armure  treslice  (trcillie)  benannte.  Dieses  Kleid 
bestand  aus  zweimal  gesottenem  Leder,  auf  welches  der  Quere  nach 
Lederstreifen  mittelst  starker  Ticrschnen  genäht  wurden.  Auf  jedem 
dieser  Streifen  wurden  Eisenringelchen  dicht  aneinander  gefädelt,  die 

durch  zwischen  den  Ringelreihen  liegende 
Lederstreifen  fest  und  Mach  liegend  erhalten 
wurden.  Diese  Art  Harnische,  von  späteren 
deutschen  Schriftstellern  nicht  sehr  glücklich 
„lederstreifige"  benannt,  erhalten  sich  bis  ins 
14.  Jahrhundert  im  Gebrauche.    (Fig.  142.) 

Schon  am  Schlüsse  des  1 1 .  Jahrhunderts 
waren  die  Unterschenkel  der  geharnischten 
Reiter,  wie  wir  gesehen  haben,  mit  Harnisch- 
zeug geschützt,  und  nicht  selten  begegnen 
wir  schon  damals  Hauberts  und  Eisenhosen 
(isenhuse)  an  den  unteren  Extremitäten,  die 
sackartig  gestaltet  waren,  somit  zugleich  die 
Hände  und  Vorfüfse  bedecken.  Diese  Art 
wird  auch  bei  den  Harnischen  des  12.  Jahr- 
hunderts wieder  aufgenommen  (Fig.  143  und 
144).  Der  aus  Lederstreifen  und  Ringen  ge- 
bildete, wie  der  aus  Maschen  bestehende 
Harnisch  deckt  gleichfalls  Hände  und  Vor-  ■ 
füfse,  nur  werden  die  inneren  Handflächen 
der  ersteren,  die  Sohlen  der  letzteren,  ferner 
die  Sitzflächen,  endlich  die  Achselhöhlen  von 
der  Panzerung  frei  gelassen.  Minder  ansehn- 
liche Reiter  tragen  auch  nur  die  vorderen 
Flächen  der  Schenkel  mit  einem  Stück  Panzer- 
zeug bedeckt,  das  rückwärts  gebunden  wird. 
(Fig.  145.) 

Mit  der  Zunahme   der  Bedeutung  des 
Rittertums    kam   der  Fufsstreiter  allmählich 
ieger  aufser  Beachtung,  seiner  Ausrüstung  wurde 
immer   weniger  Aufmerksamkeit  zugewendet. 


Kig.  145. 


Fig.   145.  Krii 
aus  der  Handschrift  69  der 
Bibliothek  im  Haag.  Ende 
des  12.  Jahrhunderts.  Nach  Daher  kommt  es,  dafe  wir  den  zum  Knecht 

van  der  Kellen.  T.  73.  heruntergesunkenen  Fufsstreiter  in  den  Minia- 
turen des  12.  und  13.  Jahrhunderts  entweder 
ganz  vermissen,  oder  in  den  mannigfachsten  Ausrüstungen  und  mit 
der  verschiedensten  Bewaffnung  antreffen.  Bogenschützen  und  die 
späteren  Armrustschützen  erhielten  sich  zwar  jeweilig  durch  ihre  Ge- 
wandtheit und  Leistungsfähigkeit  in  einer  gewissen  Achtung;  aber  gerade 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


183 


Fig.  146. 


Fig.  146.  Kriegsmann  aus  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
aus  einem  Manuskripte  der  kgl.  Bibliothek  in  London.  2.  A.  XXII.  Der- 
selbe ist  bereits  im  Haubert  mit  Maschenpanzerwerk  und  kurzen  derlei 
Beinkleidern,  über  ersteren  ist  der  Gambeson  aus  Leinwand  angezogen. 
Nach  Hewitt  I,  p.  254. 


134 


I.    Die  Schutzwaflen. 


sie  kleideten  sich  nach  Willkür,  und  die  Verachtung  jeder  schweren 
Harnischausrüstung  war  bei  ihnen  zur  Tradition  geworden. 

Gegen  das  Ende  des  12.  Jahrhunderts  mit  der  Beendigung  des 
2.  Kreuzzuges  kommt  der  normanische  Helm  immer  mehr  in  Ab- 
nahme,*) und  nach  einem  merkbaren  Herumtasten  wird  der  deutsche 
Topfhelm  allenthalben  angenommen.  Diese  Veränderung  steht  in 
Verbindung  mit  der  Veränderung  der  Taktik  und  geht  nur  Schritt 
für  Schritt  vor  sich.  In  den  westlichen  Landern  Europas,  in  dem 
England  Richard  Löwenhcrz',  dem  Frankreich  Philipp  Augusts  er- 
scheinen zuerst  niedere  cylindrische  Helme,  welche  über  der  Brünne 
auf  der  Stirne  aufsitzen.  Statt  des  Naseneisens  tritt  zuerst  das  feste 
Visier  mit  Sehspalt  oder  den  Augenlöchern  auf.  Der  Haubert  reicht 
bis  ans  Knie,  unter  selbem  ist  in  der  Regel  das  seidene  oder  leinene 
Wams  (bliaud)  sichtbar,  das,  wie  wir  an  Siegeln  ersehen,  oft  bis  an 
die  Füfse  herabreicht.  Charakteristisch  für  diese  wie  für  die  vergan- 
genen Perioden  ist  die  enge  an  den  Hals  schliefsende  Brünne.  Die 
Füfse  stecken  in  Eisenhosen  aus  Panzerwerk  oder  mit  Lederstreifen 
und  Ringen  verstärkt,  die  am  Vorfufse  spitz  enden.  Diese  schwere 
Ausrüstung  mit  eiserner  Epidermis  wurde  unter  der  heifsen  Sonne 
des  Orientes  unerträglich.  Um  das  Erhitzen  des  Metalls  nur  etwas 
zu  vermindern,  trugen  die  Ritter  im  zweiten  Kreuzzuge  lange  weifse 
Hemden  über  den  Haubert.  Diese  waren  ohne  Ärmel  und  waren 
vom  Unterrande  bis  in  die  Gegend  des  Sitzes  an  den  Seiten  aufge- 
schlitzt Auch  die  Helme  erhielten  Decken  aus  weifser  Leinwand. 
Über  das  Hemd,  das  bei  den  Franzosen  „gambeson"  hiefs,  wurde 
das  Schwert  gegürtet  (Fig.  146).  In  den  östlichen  Ländern  wurden 
cylindrische  Helme  selten,  dafür  aber  halbkugelförmige  und  spitze  ge- 
tragen. Um  diese  Periode  von  etwa  1 1 70  an,  also  gerade  in  jenem 
Zeitpunkte,  wo  die  Helme  das  Antlitz  verdecken,  beginnt  man  auf 
Schilde  und  Helme,  später  auch  auf  die  Fahnen,  Rofsdeckcn,  Sättel  etc. 
gewisse  Darstellungen  als  persönliche  Erkennungszeichen  zu  malen; 
damit  entwickelt  sich  die  Heraldik  im  Ritterwesen,  die  ihre  Anfänge 
allerdings,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  5  Jahrhunderte  vorher  gefunden 
hatte. 

Im  Verlaufe  des  13.  Jahrhunderts  schreitet  die  Reform  in  der 
kriegerischen  Ausrüstung  weiter,  und  ihre  beste  Stütze  findet  sie  in 
den  Fortschritten,  welche  das  Handwerk  überhaupt  und  damit  auch 


*)  Der  Übergang  fand  nicht  plötzlich  statt,  das  erklärt  sich  schon  aus  den 
Verhältnissen.  Die  Harnische  und  Waffen  wurden  von  dem  Vater  auf  den  Sohn, 
den  Enkel  vererbt,  und  wurden  von  diesen  teils  aus  Pietät,  teils  der  nicht  ge- 
ringen Kosten  neuer  Waffen  wegen  oft  noch  ein  halbes  Jahrhundert  und  später 
getragen,  als  schon  längst  die  Kriegserfahrung  andere  Formen  an  die  Stelle  ge- 
setzt hatte.  Nur  die  Vornehmsten  und  Wohlhabendsten  vermochten  mit  der  Ver- 
änderung des  WafTenwesens  gleichen  Schritt  zu  halten,  sie  bildeten  gewissermafsen 
das  Muster  für  die  Geringeren. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


13.S 


jenes  des  Waffensclimiedcs  gemacht 
hatte.  Der  Helm  erweiterte  sich 
so,  dafs  er  nun  nicht  mehr  auf 
der  Stirne  sitzt,  sondern  auf  den 
Kopf  gestülpt  werden  mufs.  Der 
Haubert  wird  etwas  kürzer,  schon 
um  1200  reichte  er  nur  mehr  bis 
über  die  Hälfte  der  Oberschenkel ; 
sowohl  der  Topfhelm,  wie  auch 
Schwert  und  Dolch  werden  mittelst 
Ketten  vorn  an  der  Brust  ange- 
heftet, die  Schultern  wie  auch  die 
Kniescheiben  werden  durch  zur 
Zeit  noch  sehr  kleine  Eisen- 
scheiben gedeckt.  Auf  den  Helmen 
erscheinen  die  heraldischen  Zeichen 
plastischer  Darstellung  (Zimiere)  in 
immer  verschiedenerer  Gestaltung. 
Auch  das  Waffenhemd  erhält  die 
Farbe  seines  Trägers.  Der  Schild, 
um  1200  noch  fast  in  voller  Länge 
des  normanischen,  wird  im  Ver- 
laufe des  13.  Jahrhunderts,  nach 
Mafsgabe  als  der  Beinharnisch 
solider  wird,  kürzer  und  kleiner. 

Gegen  den  Ausgang  des 
13.  Jahrhunderts  wird  unter  dem 
schweren  Topfhelm  die  kleine 
Beckenhaube  getragen ,  welche, 
nahezu  halbkugelförmig  gebildet, 
über  die  Brünne  aufgesetzt  wird. 
Dieselbe  erhält  an  jenen  Punkten, 
wo  der  Topfhelm  aufsitzt,  Polste- 
rungen, um  den  Druck  zu  mildem ; 
dadurch  bildet  sich  die  Helm- 
binde,  die  später,  als  die  Topf- 
helme abkommen,  nur  mehr  eine 
dekorative  Bedeutung  hat.  Gegen 
das  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
werden  die  Beine,  wenn  sie  nicht 
durch  Maschenpanzer  gedeckt  sind, 
an  den  vorderen  Flächen  mit 
starken,  gesottenen  Rindsleder- 
streifen gesichert,  die  rückwärts 
angeschnallt  werden.  Der  Schwert- 


Fig.  147- 


Fig.  147.  Grabrelief,  in  Kupfer  gegolten, 
des  Sir  Jonan  D'Aubernoun  Kitter,  in  der  Kirche 
von  Stokc  D'Abernon  in  der  Grafschaft  Surrey 
v.  J.  1277.  Da»  älteste  Beispiel  eines  Grab- 
steines mit  bildlicher  Darstellung  des  Verstor- 
benen.   Nach  Schultz. 


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13<J 


I.   Die  Schutzwaffen. 


gürtel  wird  meist  lose  getragen,  so  dafs  er  nicht  mehr  in  den  Weichen 
sitzt,  sondern  an  den  Lenden  haftet.  (Fig.  147.)  Von  etwa  1274  bis 
gegen  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  tragen  die  Ritter  in  Frankreich 
und  England  die  Achselschilde  (ailettes).  Im  östlichen  Deutschland 
kommen  sie  selten,  in  Italien  gar  nicht  vor  Augen.  (Fig.  148.)  In 
den  letzten  Dezennien  des  13.  Jahrhunderts  wird  eine  wichtige  Ver- 

besserung  des  Harnisches  bemerk- 
bar, man  könnte  diese  Periode  die 
des  Anfanges  der  Plattenharnische 
nennen,  die  freilich  erst  nach  einem 
Jahrhundert  in  sich  fertig  dastehen. 
Aber  schon  zu  jener  Zeit  beginnt 
man  Ellenbogen  und  Kniescheiben 
mit  hohl  getriebenen,  runden  Eisen- 
scheiben, Oberarme  und  Unter- 
schenkel mit  eisernen  Schienen  zu 
bedecken,  die  über  Haubert  und 
Eisenhose  mittelst  Riemen  geschnallt 
werden.  In  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  werden  auch  die 
oberen  Flächen  der  Vorfüfsc  mit 
Eisenschienen  gedeckt,  um  1356  sind 
diese  bereits  geschoben.  In  den  für 
die  Geschichte  des  Waffenwesens  un- 
gemein wichtigen  Abbildungen  des 
Codex  Balduini  Trevirensis  aus  der 
1.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts,  in 
denen  die  Romfahrt  Kaiser  Hein- 
richs VII.  dargestellt  ist,*)  erblicken 
wir  die  Ritter  in  kurzen  Hauberts 
mit  darüber  gezogenen  langen  Waffen- 
hemden.  Diese  letzteren  besitzen 
kurze,  aber  weite  Ärmel  und  tragen 
den  Blason  des  Eigners  oder  nur 
Kig.  148.  die  Farben  desselben.  Nur  die  Vor- 

Fig.  148.  Donator  im  blasoniertei,  »ehmsten  tragen  Fufszeug  aus  Platten. 
Gambeson,  mit  Achselschilden.  Manu-  Der  Helm  aber  nähert  sich  dadurch, 
script  der  Bibliothek  zu  Cambray.  Flan-  dafs   er  im  Nacken   eingezogen  er- 

L^arts'to^^uau^r'l^  scheint,  bereits  der  späteren  Form 

es  arts  somptuatres,   .  geschlossenen  Helme.   Auch  der 

Eisenhut  mit  breiter  Krempe,  über  die  Brünne  gesetzt,  kommt  ver- 
einzelt vor.**)  (Fig.  149.)  Der  Topfhelm  war  im  Feld  kriege  wenigstens 

*)  K.  Provinzialarchiv  zu  Coblenz. 
**)  Inner,   Georg,  Die  Romfahrt  Kaiser  Heinrichs  VII.     Ein  Bildercyclus  des 
Codex  Balduini  Trevirensis.    Berlin  1881. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


137 


um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  für  immer  abgelegt  worden,  nach- 
dem noch  in  den  letzten  Jahrzehnten  seiner  Verwendung  verschiedene 
Versuche  gemacht  worden  waren ,  ihn  zu  erleichtem  und  erträglicher 
zu  gestalten.  Er  wurde  nämlich  in  den  Helmwänden  verlängert,  so 
dafs  er  nun  auf  den  Schultern  aufruhte;  die  vordere  Wand  wurde  aus- 
geschnitten und  mit  einem  Visier  versehen.  Umsonst!  Der  Krieger 
war  des  schweren  Rüstzeugs  satt  geworden.    Es  wurde*  durch  die 


Fig.  149. 

F'ß-  '45-  Reitergefecht  aus  dem  Codex  Balduini,  die  Rom- 
fahrt Kaiser  Heinrichs  VII.  darstellend  aus  dem  kgl.  Provinzialarchiv  zu 
Coblenz.  I.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts.  Nach  Irmer  Dr.  G.  die  Rom- 
fahrt etc. 

Beckenhaube  ersetzt,  die  nur  weiter  gehalten  wurde,  so  dafs  sie  im 
Nacken  aufsafs.  Jetzt  verschwindet  die  unbequeme,  kapuzenförmige 
Brünne,  die  den  ganzen  Scheitel  deckte;  sie  wird  nun  an  dem  Unter- 
rande der  Beckenaube  angeheftet,  in  einer  Form,  dafs  sie  nur  das 
Antlitz  frei  läfst.  Die  Verbindungen  zeigen  aufserordentliche  Solidität. 


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138 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Dadurch  blieb  der  Hals  vom  Helm  unbedeckt,  aber  die  Brünne 
wird  so  weit  geschnitten,  dais  sie  nicht  mehr  an  den  Hals  schliefst, 
sondern  frei  herabfällt. 


Fig.  150.  Fig  15t. 


Fig.  150.  Eduard  der  schwarze  Prinz,  Sohn  Eduards  III. 
(133° — *376).  Von  dessen  Grabmale  in  der  Kathedrale  zu  Canter- 
bury.    Nach  Stotthart,  I,  15. 

Fig.  151.  Krieger.  Holzskulptur  in  der  Kathedrale  zn  Bamberg 
von  1370.    Nach  Hewitt  I,  138. 


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Der  Harnisch  fiir  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


139 


Auch  der  Haubert  erleidet  wesentliche  Veränderungen  in  seinem 
Schnitte.  Er  wird  allgemach  enger  oder  doch  mehr  in  die  Weichen 
geschnitten.  Um  1320  beginnt  eine  bemerkenswerte  Mode,  den 
Schwertgürtel  sehr  tief  an  den  Lenden  zu  tragen.  Aus  dem  Schwert- 
gürtel bildete  sich  jener  steife,  ringförmige  Gürtel,  der  als  ein  Zeichen 
ritterlicher  Würde  tief  an  den  Lenden  getragen  rourde.  Gegen  die 
2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  wird  er  immer  reicher  verziert. 
Einzelne  derselben  gehören  zu  den  schönsten  Werken  der  Gold- 
schmiedekunst. Der  ritterliche  Gürtel  (cingulum  militare,  im  Deutschen 
„Dupsing"  genannt),  der  auch  am  bürgerlichen  Kleide,  vorzugsweise 
aber  auf  dem  Harnische  getragen  wurde,  war  vorzüglich  in  Frank- 
reich und  England,  aber  auch  in  Deutschland,  weniger  in  Italien 
üblich.  Er  erhält  sich  bis  zur  Umänderung  des  Plattenharnisches  in 
der  Renaissance.  (Fig.  150.) 

Um  1330  verschwinden  die  faltigen  WafTenhemden  (cottes  d'armes, 
gambisons)  aus  den  ritterlichen  Kriegskörpem  und  machen  eng  anliegen- 
den Platz,  die  nun  auch  mit  farbiger  Seide,  Stickerei  und  Tapisserie 
geziert  werden.  Um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  bildet  sich  aus 
dem  Haubert  allgemach  der  Lentner.  Anfänglich  erscheint  er  als 
eng  anliegendes  Überkleid  aus  dickem  Leder,  das  über  dem  eng 
anschliefsenden  Haubert  rückwärts  geschnürt  getragen  wird  (juste  au 
corps);  später  wird  der  Haubert  zum  einfachen  Kettenhemde,  über 
welches  der  scharf  in  die  Weichen  geschnittene  Lentner  angezogen 
und  an  der  Brust  zugeschnürt  wird,  wie  wir  in  Fig.  150  ersehen. 
Die  Helmbrünne,  nun  vom  Kettenhemd  getrennt,  fällt  als  Kragen  über 
Brust  und  Schultern  herab.  In  dieser  Periode  ist  das  aus  Platten 
gebildete  Arm-  und  Beinzeug  bereits  allenthalben  üblich,  wenn  auch 
Arm-  und  Beinbekleidungen  aus  Panzerzeug  und  selbst  aus  Schuppen- 
werk  immer  und  lange  noch  nebenher  im  Gebrauch  bleiben.  In 
Frankreich  wird  noch  der  bliaud,  zuweilen  auch  gezaddelt,  getragen.  Zwei 
Modeerscheinungen  treten  um  1350  auf,  die  übertrieben  spitzen  Eisen- 
schuhe und  die  Schellengürtel.  Sie  sind  für  den  Beginn  eines  über- 
triebenen Luxus  im  gesamten  ritterlichen  Leben  der  Zeit  charak- 
teristisch. In  der  2.  Hälfte  des  Jahrhunderts  verschwindet  das 
Nasenband,  jener  Lappen  aus  Panzerzeug,  der  an  der  Brünne  vom 
Kinne  über  das  Gesicht  hinaufgeschlagen  und  an  der  Beckenhaube  be- 
festigt wurde,  gänzlich,  dafür  wird  immer  häufiger  das  Visier,  das  in 
vielen  Gestalten  auftritt.  Nicht  selten  ist  es  schnabelförmig  spitz  ge- 
bildet in  einer  Form,  die  an  die  Hundeschnauze  erinnert  und  davon 
im  östlichen  Deutschland,  wo  die  gemeine  Beckenhaube  im  Volks- 
munde „Gugel"  hiefs,  Hundsgugel  genannt  wurde.  Sie  verschwindet 
erst  um  1430.  Seit  dem  14.  Jahrhundert  tragen  auch  Ritter  den 
Eisenhut  mit  oft  breiter  Krempe  in  Verbindung  mit  der  Halsbrünne. 

Von  etwa  1360  an  tritt  das  Bestreben  auf,  den  immerhin  wenig 
hiebfesten  Lentner  durch  Eisenplatten  zu  verstärken.    Das  geschieht 


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140 


I.   Die  Schutzwaflen. 


in  verschiedener  Art,  durch  musivisches  Aneinanderreihen  von  Eisen- 
platten, die  nun  allgemach  gröfser  gebildet  werden,  oder  auch  durch 
Aufnieten  einer  gröfseren  Platte  auf  die  Brustseite,  an  welche  auch 
die  Schwert-  und  Dolchkette  befestigt  wird.  Bei  allen  diesen  Ver- 
stärkungen bildet  noch  der  Lentner  den  Träger.  (Fig.  151.)  Erst 
um  1380  erscheint  die  selbständige  Brustplatte,  halbkugelförmig,  mit 
stark  geschweiftem  Oberrande,  welche  über  die  Schultern  und  in  der 
Leibesmitte  angeschnallt  ist;    zunächst    reiht  sich  an  dieselbe  ein 


1'ig-  152.  .  Fig.  153. 

Fig.  '52-  I)er  Roland  von  Ragusa.  Stcinskulptur  von  1423. 
Die  geschiftete  Plattenbrast  hat  noch  die  Form  des  Lentners.  Italienisch. 
Nach  einer  Zeichnung  des  Verfassers. 

Fig.  1 53-  Kriegsknecht  im  Harnischröckchen  aus  einem  Altar- 
hilde der  Auferstehung  Christi  in  der  Kunstsammlung  des  Chorhcrrn- 
stiftes  Klostcrneuburg  von  1476. 

Rückenstück.  Das  alles  verändert  den  allgemeinen  Charakter  des 
Harnisches  nur  wenig,  denn  noch  besitzt  der  Helm  die  weite  Brünne, 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit.  141 

die  über  die  Brust  und  die  Schultern  herabfällt  und  noch  ist  der 
Unterleib  unbedeckt  und  der  Lentner  daselbst  noch  sichtbar.  Aber 
der  voll  ausgebildete  Plattenhandschuh  mit  kurzen  Stulpen  kommt  in 
Aufnahme.    Das  ist  eine  bemerkenswerte  Neuerung. 

Knapp  um  die  Wende  des  14.  Jahrhunderts  begegnen  wir  einer 
eingreifenden  Veränderung  dadurch,  dafs  die  Helmbrünne  allmählich  in 
Abnahme  kommt.    Das  Panzerhemd  wird  jetzt  hoch  in  den  Hals 


r»g.  154. 


Fig.  151.  Kriegsknecht  im  Lederharuisch  mit  eisernen  Buckeln 
an  den  Mäuseln  und  Knieen  und  dem  Harnischröckchcn  darüber.  Aus 
einem  Altarbildc  der  Auferstehung  Christi  in  der  Kunstsammlung  des 
Chorhcrrnstiftes  Klostemcuburg  von  1476. 

geschnitten  und  an  den  Helm  wird  vorn  ein  breiter  Halsreifen, 
rückwärts  ein  tief  reichender  Nackenschirm  angesetzt,  welche  dicht  an 
Brust  und  Rücken  anschliefsen.  Die  Helmbinde  bleibt  als  dekorative 


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142  I.   Die  Schutzwaffen. 

Beigabe,  aber  um  1410  erscheinen  die  kleinen  Achselstücke  geschoben 
und  bereits  in  Verbindung  mit  dem  Brust-  und  Rückenstücke  und 
von  beiden  letzteren  herab  verbreiten  sich  einem  Schurze  gleich  die 
Bauch-  und  Gesäfsreifen  in  3  bis  5  Geschoben.  (Fig.  152.)  Ebenso 
beginnt  man  die  ungedeckten  Stellen  an  den  Achselhöhlen  durch 
Schwebescheiben  zu  sichern.  An  den  Mäuseln  und  Kniebuckeln 
erscheinen  Muscheln  von  anfänglich  sehr  geringen  Dimensionen.  Wir 
nähern  uns  der  Periode  der  Zaddeltracht ,  die  auch  bei  dem  ge- 
harnischten Manne  zumal  bei  festlichen  Gelegenheiten  zur  Geltung 
gelangt.  In  Italien  werden  bis  ans  Ende  des  15.  Jahrhunderts  über 
den  Rücken  gezogene  Mäntel  getragen,  von  den  Achseln  fallen  lange 
gezaddelte,  weite  Ärmel,  bei  manchem  bis  auf  den  Boden  herab. 
Überhaupt  kommen  in  Italien  um  diese  Periode  kurze,  bis  an  die, 
Kniee  reichende  Harnischhemden  in  Aufnahme,  die,  meist  ärmellos 
in  der  Mitte  des  Leibes  durch  einen  Gürtel  gehalten  werden.  (Fig.  153 
und  154.) 

Das  Bestreben,  den  Unterleib  ausgiebiger  zu  schützen,  veran- 
lafst  um  1430  den  anfänglich  schüchtern  auftretenden  Versuch,  an 
den  Unterrand  der  Bauchreifen  eine  weitere  Folge  derart  anzufügen, 
dafs  diese,  um  zu  Pferde  nicht  hinderlich  zu  sein,  frei  beweglich 
bleiben;  damit  ersehen  wir  die  ersten  Beintaschen  erstehen.  Um 
1420  begegnen  wir  bereits  Achselstücken  mit  Flügen;  die  rechts- 
seitigen sind  meist  tiefer  eingeschnitten,  um  den  Spiefs  in  die  Achsel- 
höhle setzen  zu  können.  Der  linke  Mäusel  erhält  eine  Verstärkung, 
die  anfänglich  angebunden  wird.  Dieser  „Stechmäusel"  erhält  zu- 
weilen gTofse  Dimensionen.  An  der  linken  Achsel  (Hiebseite)  treten 
die  ersten  Stauchen  oder  Brechränder  auf,  um  den  wenig  gesicherten 
Hals  ausreichender  zu  schützen.  Vom  ersten  Auftreten  des  Platten- 
harnisches an  wird  unter  selbem  das  Panzerhemd  aus  ineinanderge- 
flochtenen  Ringen  getragen,  anfänglich  auch  derlei  Beinkleider  mit 
den  Schuhen  in  Verbindung.  Bei  den  ältesten  sind  noch  alle  Ringe 
verschweifst,  bei  jenen  des  15.  Jahrhunderts  findet  sich  nur  jeder 
zweite  verschweifst,  der  andere  vernietet,  was  aus  dem  Nietköpfchen 
zu  erkennen  ist,  das  sich  an  jedem  derlei  Ringe  findet;  im  16.  Jahr- 
hundert werden  die  Panzerhemden,  besonders  die  italienischen  und 
spanischen,  ungemein  fein  gearbeitet,  sie  besitzen  durchweg  genietete 
Ringelchen.  (Fig.  155,  156.) 

Die  Bestimmung  des  Alters  und  des  Erzeugungsortes  eines 
Panzerhemdes  ist  eine  schwierige  Aufgabe,  zumal  diesem  Gegenstande 
noch  wenig  Aufmerksamkeit  zugewendet  wurde.  Deutsche  des  15. 
Jahrhunderts  bestehen  im  allgemeinen  aus  gröfseren  Ringen,  während 
in  jener  Zeit  die  italienischen,  besonders  die  mailändischen  bedeutend 
feiner  sind.  Auch  in  der  Art  der  Verflechtung  der  Ringe  finden 
sich  Unterschiede.  Von  etwa  1420  an  trägt  man  in  Italien  auch 
zwei  Panzerheraden  übereinander;    ein    gröberes   über  ein  feineres, 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


143 


ebenso  Panzerhosen,  die  bis  über  das  Knie  reichen  und  am  Unter- 
rande der  Kniebuckel  hervorstehen.  Auch  feine  Panzerstrümpfe  oder 
-schuhe  sind  nicht  selten  im  Gebrauch.  Endlich  ist  der  Verwendung 
des  Ringpanzers  als  Bedeckung  des  Pferdes  zu  gedenken.    In  Italien 


Fig-  i55- 


Fig.  156. 


Fig.  155.    Detail  von  einem  Panzerhemd  mit  teils  gemieteten, 
teils  geschweifsten  Ringen.    15.  Jahrhundert. 

Fig.  156.    Detail   von   einem  Panzerhemd   mit  genieteten 
Ringen.    16.  Jahrhundert. 

erscheint  das  Panzergeflecht  zuerst  in  zweierlei  Ringformen.  Bei  der 
einen  ist  der  Ringdraht  <  ylindrisch  geformt,  zugehämmert  und  nicht, 


Fig.  157. 

Fig.  157.    Detail  von  einem  Panzcrg  eflechte  des  Jazerins. 
15.  Jahrhundert.  Italienisch. 

wie  vielfach  angenommen  wird,  aus  gezogenem  Draht  gebildet.*)  Bei 

*)  Auch  nach  Erfindung  des  Drahtziehens  wurde  das  Panzerhemd  noch  lange 
nicht  aus  Ringen  von  gezogenem  Draht  gebildet,  wie  allgemein  angenommen 
wird.  Das  wäre  wider  allen  Handwerksgebrauch  des  „Sarwürchers"  gewesen.  Erst 
gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  finden  sich  leichte  Panzerhemden  aus  gezogenem 
Draht,  da  sind  aber  die  Ringe  nicht  genietet,  sondern  nur  eingebogen  und  gehärtet. 


144 


I.   Die  Schutzwaffen. 


der  anderen  ist  er  platt  geschlagen,  so  dafs  die  übereinanderliegenden 

Ringe  fast  eine  Schuppendecke  bil- 
den. Panzerhemden,  in  letzterer 
Form  gebildet,  nannten  die  Italiener 
speciell  „maglia  ghiazzerina"  und  sie 
sind  als  die  eigentlichen  J  a  z  c  r  i  n  s  *)  an  - 
zusehen,  über  welche  unter  den  Archäo- 
logen so  verschiedene  Ansichten  herr 
sehen.  (Fig.  157).' 

Bei  Betrachtung  der  ältesten 
aus  dem  Oriente  stammenden  Panzer- 
hemden kommt  man  zu  der  Ver- 
mutung, dafs  die  Orientalen  schon 
weit  früher  als  die  Europäer  die 
Kunst  des  Drahtziehens  gekannt 
haben.  Die  Ringelchen  von  sehr 
geringem  Durchmesser  sind,  nicht 
immer,  doch  häufig,  aus  gezogenem 
Draht  und  durchaus  so  tadellos  ver- 
schweifst, dafs  wir  über  die  Geschick- 
lichkeit der  Meister  uns  erstaunen. 

Wir  haben  bereits  zu  erwähnen 
Gelegenheit  gehabt,  dafs  der  Ring- 
panzer schon  in  antiker  Zeit  und 
vorwiegend  von  den  Truppen  des 
oströmischen  Reiches  getragen  wurde. 
Nach  dem  Norden  Europas  gelangte 
er  schon  im  6.  Jahrhundert  als  Han- 
delsartikel. 

Die  Araber  scheinen  das  Draht- 
hemd aus  Indien  erhalten  zu  haben, 
im  2.  Jahrhundert  ist  es  aber  bereits 
ein  heimischer  Artikel.  Die  älteste 
Nachricht  über  selbes  lesen  wir  im 
Koran,  (Sure  34,  —  Saba  v.  34), 
es  heifst  darin,  dafs  Gott  unter  den 
Händen  Davids  (Daud)  das  Elsen 
erweichte  und  zu  diesem  sprach: 
„Mache    vollkommene  Panzer 


Fig.  158. 

Fig.  158.  Holistatuettc  Her- 
zog Philipps  des  Guten  von  Bur- 
gund (1419 — 1467).  Kopie  einer 
Statue  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
am  Stadthausc zu  Amsterdam,  die  1652 
beim  Brande  zerstört  wurde.  Arbeit 
des  Artur  Quellinus.  Nach  van  der 
Kellen,  Ncderlands  Oudheden. 


*)  Im  Inventare  der  Waffen  Louis'  X.  von  Frankreich  von  1316  heifst  es: 
,ltem,  une  couverture  de  jazeran  de  fcr.  Item,  une  couverture  de  mailles  rundes 
demy  cloees.  Item,  une  couverture  gamboisecs  des  armes  lc  roy  et  unes  Indes 
jazeguenees."  —  Jcannc  d'Arc  war  bei  der  Einnahme  von  Orleans,  als  sie  durch 
den  Bolzen  einer  Armrust  verwundet  wurde,  mit  einem  Jazerin  bekleidet.  Ebenso 
finden  wir  den  Jazerin  im  Roman  des  Gaydon:  „Sor  l'anqueton  vesti  lhauberk -jazeran'  \ 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


145 


daraus  und  füge  sie  gehörig  im  Ringe/'*)  Im  Arabischen  heifst  auch 
eine  Sorte  von  Harnischen  Daudi. 

Um  1420  ist  der  Plattenharnisch  als  vollends  ausgebildet  zu 
betrachten,  alle  nachfolgenden  Veränderungen  desselben  erscheinen 
nur  als  partielle  Verbesserungen  oder  als  Launen  der  Mode,  die  nun 
einen  allmählich  entschiedeneren  Einflufs  auf  die  Bewaffnung  nimmt. 

Die  Veränderungen  in  der  Harnischform  erscheinen  zuweilen 
drastisch  und  machen  oft  schon  nach  wenigen  Jahren  anderen  Platz; 
dabei  machen  sich  nationale  Eigenformen  merklich,  die  die  Übersicht 
im  Formenwesen  sehr  erschweren.  (Fig.  158.) 

Um  1450  reicht  die  kugelförmige  Brust  um  etwas  tiefer,  diese 
Vergröfserung  bewirkte,  dafs  dieselbe  in  zwei  Stücken  gefertigt  wurde. 
Dadurch  entsteht  die  geschiftete  Brust.  Der  obere  Schiftteil  wird  in 
Italien  mit  Stoff  bedeckt,  so  dafs  das  Ganze  aussieht,  als  säfse  der 
untere  Schiftteil  (bruech)  über  einem  Lentner;  die  Achseln  werden 
grofs,  bis  zu  einer  oft  riesigen  Dimension  aber  wachsen  die  Arm- 
kacheln an.  Die  Beintaschen  werden  spitz  (tuiles),  neben  ihnen  an  den 
Seiten  nehmen  derlei  kleinere  (tuilettes)  Platz,  die  Handschuhe  er- 
halten spitzgeschnittene  Stulpen.  Das  Haupt  bedeckt  ein  Kugelhelm 
oder  die  demokratische  Schallern,  die  Schnabelschuhe  wachsen  bis 
zu  36  cm.  an.    (Fig.  159  und  160.) 

Das  ist  um  1450  die  Harnischtracht  des  Vornehmen,  die  ritter- 
liche Tracht,  unter  den  Geringeren  zeigen  sich  noch  die  mannigfach- 
sten veralteten  Formen  bis  zum  alten  Haubert  herab  mit  den  unter- 
schiedlichsten Verstärkungen  durch  Platten.  Die  Kopfbedeckung  des 
gemeinen  Spiefsknechtes  ist  der  alte  Eisenhut,  die  Beckenhaube  und 
die  Hundsgugel,  noch  bis  1480  wird  die  Helmbrünne  getragen,  sie 
verwandelt  sich  mit  geringen  Veränderungen  in  den  Panzerkragen, 
der  unter  den  Landsknechten  sich  grofser  Beliebtheit  erfreute.  In 
Italien  tragen  die  Bogen-  und  Armrustschützen  eine  eigene  Art  von 
Harnischen,  die  sich  als  ein  Mittelding  von  Stoffwams  und  Harnisch 
darstellt,  ihren  Ursprung  aber  zweifelsohne  im  Lentner  gefunden  hat, 
den  Korazin.  Schwertträger  finden  sich  häufig  in  Schuppenwämseni, 
Brigantinen  oder  nur  mit  Panzerhemden,  Jazerins,  (maglia  ghiazzerina), 
ausgerüstet,  wie  denn  in  Italien  immer  eine  innigere  Annäherung  an 
alte  Formen  wahrzunehmen  ist  und  selbst  Reminiszenzen  an  die 
Antike  nicht  erst  von  der  Renaissanceperiode  her  datieren,  vielmehr 
stets  lebhaft  gewesen  sind.  Sicher  ist  das  eigentliche  Schuppenhemd, 
die  Brigantine,  aus  der  römischen  „lorica  squamata"  erwachsen  und 
auch  die  Anordnung  der  Schuppenlagerung  ist  bei  Korazins  dieselbe, 
wie  sie  bei  genannten  loricas  mit  Bronzeplättchen  vorkommt.  Was 
Tacitus  bei  Erwähnung  der  Bekleidung  Kaiser  Othos  als  „tunica 
ferrea"    bezeichnet,    ist    ohne  Zweifel    ein    ähnlich  schmiegsames, 


*)  Auch  mit  Beziehung  auf  Sure  21.    (Die  Propheten.) 
Boeheim,  Waffeokunde.  'O 


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146  L   Die  Schutzwaffen. 

eisernes  Waffenkleid  gewesen.  Um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
besteht  die  Panzerung  der  Korazins  und  Brigantinen  nicht  nur 
aus   kleinen    Plättchen,   sondern    an   den   oberen   Brustteilen  und 


Fig.  159. 

Fig.  159.  Ganzer  Harnisch  Friedrichs  des  Siegreichen, 
l'falzgrafen  am  Rheiu  (1425  — 1476).  Arbeit  des  Mailänder  Plattners 
Tomaso  da  Mißaglia  um  1450.  Vorderseite. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


H7 


am  Rücken  auch  aus  gröfseren  Platten,  an  welche  sich  kleinere  an 
den  Weichteüen  des  Körpers  reihen;  wir  ersehen  dieses  an  der  Bri- 
gantine Maximilians  I.  von  Bernardino  Cantoni  von  c.  15 10  in 
Madrid  und  am  Korazin  des  Jacob  vonEmbs  von  c.  1500  in  Wien. 
Die  ersten  Feuerschützen    waren  und    blieben  stets  Feinde  einer 


Fig.  160. 

Fig.  157.    Ganzer  Harnisch  Friedrichs  des  Siegreichen.  Rückseite. 

schweren  Ausrüstung.  Hakenschützen  tragen  wohl  geschiftetc  Brust- 
stücke, aber  durchweg  nur  leichte  Hauben.    Fulsknechte  insgemein 

10* 


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148 


I.  Die  Schutzwaffen. 


nur  Hauben  aus  geschlagenem  Eisenblech,  die  lebhaft  an  die  Helme 
der  römischen  Fufssoldaten  erinnern;  aus  ihnen  entwickelt  sich  rasch 
darauf  die  Sturmhaube. 

Wir  nähern  uns  nun  um  1450  einer  Periode  in  der  Harnisch- 
tracht, die  eine  eigentümliche  Erscheinung  aufweist  Der  Adelige, 
das  ist  der  zu  Rofs  erscheinende  Lehensmann,  konservativ  in  seinem 


Fig.  161.  Fig.  162. 


Fig.  161.  Ganzer  Harnisch  mit  bemalter  Schallern  des  Robert 
von  Sanscverino,  Grafen  von  Gajazzo  (starb  1487).  Arbeit  des 
Mailänder  l'lattncrs  Antonio  Ja  Mifsaglia,  um  I480.  Vorderseite. 

Fig.  162.  Ganzer  Harnisch  des  Robert  von  Sanscverino. 
Rückseite. 


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Der  Harnisch  far  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit.  149 

ganzen  Wesen,  tritt  in  dem  Reiterharnisch  auf,  wie  sich  dieser  vom 
Anfange  des  Jahrhunderts  herausgebildet  hatte.  Die  Umbildungen 
desselben  waren  unwesentlich,  es  war  schon  ein  Grofses,  dafs  der 
ritterliche  Mann  die  Schallern  willig  annahm,  weil  ihm  die  Becken- 
haube unbequem  wurde.  Zum  Schutze  des  Gesichtes  fügte  er  den 
Bart  hinzu,  der,  an  das  Bruststück  angeschraubt  oder  um  den  Hals 
geschnallt,  dasselbe  bis  zu  den  Augen  deckte.  Diese  Form  findet 
sich  vorwiegend  in  Frankreich  und  Deutschland.  In  Italien,  woselbst 
die  Renaissance  schon  ein  Jahrhundert  früher  die  Formen  beein- 
flufste,  treten  auch  andere  Kopfbedeckungen  auf,  die  in  ihrer  Gestalt 
sich  mehr  an  die  Antike  anlehnen.    (Fig.  1 6 1  und  162.) 

Um  1470  ist  der  ritterliche  Harnisch  mit  Schallern  in  seiner 
ganzen  Erscheinung  ein  Muster  von  Ebenmafs  und  Eleganz.  Weder 
vorher  noch  später  wurden  die  Anforderungen  an  Schönheit  und  an 
eine  geschmackvolle  Ausführung  so  voll  erreicht,  als  in  dieser  Zeit, 
die  als  der  Höhepunkt  des  Plattnerwesens  bezeichnet  werden  kann. 
Was  später  Anspruch  auf  Bewunderung  machen  kann,  ist  nur  eine 
zuweilen  staunenswerte  dekorative  Auszierung,  nicht  aber  die  Gesamt- 
form, der  Zuschnitt  und  das  Verhältnis  der  einzelnen  Teile. 
(Fig.  163.) 

Man  nennt  heute  diese  Harnische,  gewifs  durch  einzelne  Detail- 
formen veranlafst,  die  den  Stil  des  Mittelalters  erkennen  lassen, 
„gothische".  Die  Form  jedoch  ist  der  italienischen  und  speziell  floren- 
tinischen  Tracht  entlehnt,  die  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
als  Mode  ihren  Rundgang  über  alle  Welt  machte  und  allenthalben 
als  Hoftracht  üblich  wurde. 

Um  diese  Zeit  hatte  sich  eine  bedeutende  Veränderung  im 
Heereswesen  ergeben.  Aus  dem  alten  Lehensheere  war  allmählich 
das  Söldnerheer  entstanden,  geworbene  Truppen;  eine  Veränderung, 
der  die  Ritterschaft  anfänglich  fremd  gegenüberstand.  Die  Art  der 
Bildung  mufste  naturgemäfs  Berufsleute  heranziehen,  die  ihre  Aus- 
rüstung und  Bewaffnung  vom  Gesichtspunkte  ihrer  Fecht weise,  ihrer 
Gewohnheiten,  ihrer  Erfahrung  und  auch  des  Geschmackes  ihres  hoch- 
gehaltenen Standes  betrachteten.  Blieb  auch  anfänglich  das  Werbe- 
system auf  die  Fufstruppe  und  das  Geschützwesen  beschränkt,  so 
bewirkte  doch  das  moralische  Gewicht,  das  diese  zahlreichen  Scharen 
in  die  Wagschale  warfen,  eine  vollständige  Umformung  ihrer  Aus- 
rüstung. Damit  scheidet  sich  von  dem  ritterlichen  oder  reisigen  der 
knechtische  oder  Fufsknechtharnisch  ab,  die  beide  in  ihren  Formen 
wesentliche  Verschiedenheiten  erkennen  lassen. 

Die  ersten  Anfänge  der  Bildung  eines  Harnischtypus  für  den 
Fufsknccht  sind  in  Italien  schon  im  14.  Jahrhundert  merkbar.  Für  sich 
entwickelt  sich  dieses  Bestreben  unter  den  Schweizern,  in  denen  das 
Berufsgefuhl  ungemein  rege  war  und  deren  eigene  Fechtweise  auch 
eine  ganz  eigenartige  Ausrüstung  in  Harnisch  und  Handwaffe  erforderte; 


150 


L   Die  SchutzwafTen. 


Fig.  163.  Fig.  164. 


Fig.  163.  Ganzer  Harnisch  Kaiser  Maximilian  I.  (1459  — 
1519)  mit  Schallern  und  Bart.  Blank  mit  messingenen  Kandverzierungen. 
Nürnberger  Arbeit,  um  1475. 

Fig.  164.  Ganzer  Maximiliansharnisch  mit  schwarz  geätzten 
Strichen  des  Otto  Heinrich,  Pfalzgrafcn  am  Rhein  (1502— 1559  V 
Deutsche  Arbeit  von  1523. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


151 


von  ihnen  aus  verbreitete  sich  das  Streben  nach  besonderer  Bewaff- 
nung des  Fufsvolkes  Ober  alle  Heere. 

Der  deutsche  Landsknecht,  der  geworbene  Berufssoldat  im  vollen 
Sinne  des  Wortes,  trug  in  der  ersten  Zeit  einen  ganzen  Harnisch, 
der  sich  von  dem  in  der  Ritterschaft  üblichen  nicht  wesentlich  unter- 
schied *)  spater  um  1520  die  Sturmhaube  nach  spanisch-italienischem 
Muster,  den  Brust-  und  Rückenharnisch  mit  Bauchreifen,  Beintaschen 
oder  auch  mit  Schöfsen,  den  eisernen,  geschobenen  Kragen  mit  kurzen, 
geschobenen  Achselstücken,  die  Spangeröls,  die  nur  den  Oberarm 
bedeckten.  Unter  dem  Harnische  trug  er  das  Kettenhemd,  nach  1530 
auch  den  Panzerkragen  über  den  Schultern.  So  entstand  der  Lands- 
knechtharnisch, in  Frankreich  „allecret",  in  Italien  „armatura  alleggiata" 
benannt. 

Betrachten  wir  die  Harnischform  im  Detail,  so  bemerken  wir, 
dafs  gerade  um  die  Zeit  des  Entstehens  eigener  knechtischer  Harnische 
der  ritterliche  durch  den  Einflufs  der  Renaissance  eine  Umgestaltung 
erleidet. 

Aus  der  Schallern  bildet  sich  der  geschlossene  Helm  mit  Hals- 
und  Nackenschirm,  der  geschobene  Kragen  reiht  sich  nun  dem  System 
ein  und  fast  gleichzeitig  tritt  der  burgundische  Helm  auf,  der  in  fester 
Verbindung  mit  dem  Kragen  steht  und  nur  eine  Bewegung  des  Kopfes 
nach  den  Seiten  gestattet.  Die  Brust  wird  breit  und  kugelförmig,  der 
stark  aufgeworfene  Oberrand  läuft  horizontal,  die  Beintaschen  werden 
breiter.  Schon  um  1460,  bei  Turnierzeugen  noch  etwas  früher, 
kommt  der  Rüsthaken  in  Aufnahme,  der  über  ein  Jahrhundert  in 
Gebrauch  bleibt.  Der  Reisige  war  nicht  mehr  im  stände,  die  schwerer 
gewordene  Reisspiefsstange  frei  unter  der  Armhöhle  zu  halten.  Noch 
reichen  die  Oberdiechlinge  bis  an  die  Leisten  hinauf,  die  Kniebuckel 
aber  werden  halbkugelförmig  gleich  den  Mäuseln  und  die  Armkacheln 
und  Kniebuckel  werden  gröfser.  Die  bedeutendste  Veränderung  er- 
leiden die  Schuhe.  Früher  schmal,  spitz  und  nicht  selten  mit  langen 
Schnäbeln,  werden  sie  nun  übermäfsig  breit  und  plump;  sie  zeigen 
Ähnlichkeit  mit  den  schweren,  gepolsterten  Schuhen,  die  beim  Rennen 
getragen  werden.  Diese  Veränderung  tritt  so  plötzlich  auf,  •  dafs  sie 
unmöglich  als  eine  natürliche  Umbildung,  sondern  nur  als  das  Er- 
gebnis eines  bestimmten  Willens  erscheinen  kann.  Eine  neue  Deko- 
rationsart tritt  auf,  der  Goldschmelz,  die  Schwarzätzung  und  die  ver- 
goldete Ätzung  in  ornamentierten  Rändern  und  Streifen  (Strichen). 
Von  Italien  aus  tritt  der  Gebrauch  auf,  die  Harnische  zu  schwärzen 
oder  auch  schwarze  Röckchen  über  die  Harnische  zu  ziehen.  In 
Spanien  und  Italien  werden  auch  reich  gestickte,  weifse  und  farbige 
Haraischröckchen  getragen.    Der  Deutsche  erscheint  aber  lieber  in 

*)  So  sehen  wir  sie  auch  noch  in  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.,  in  deren 
Tafeln  wiederholt  verschiedene  Ausrüstungsperioden  vor  Augen  gestellt  werden. 


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152 


I.   Die  Schußwaffen. 


schön  geziertem  Harnisch  von  blankem  Eisen.  Viel  häufiger  wird 
eine  reich  gezierte  Jacke  mit  kurzen  faltigen  Schöfechen  unter  dem 
Harnische  getragen,  wo  dann  die  letzteren  unter  dem  Rücken  her- 
vorstehen. Später,  um  1570,  trägt  man  auch  nur  die  Schöfschen 
allein,  die  um  den  Leib  geschnallt  werden. 

Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts,  der  Periode  der  vollen  Um- 
bildung des  gothischen  Harnisches  in  die  Form  der  Renaissance,  be- 
gegnen wir  einer  Hinneigung  der  deutschen  Ritterschaft,  bei  festlichen 
Anlässen,  um  würdevoll  zu  erscheinen,  sich  Harnische  zu  bedienen, 
welche  nur  beim  Turniere  üblich  waren.  Es  ist,  als  wollte  die 
Ritterschaft  damit  allenthalben  ihre  bevorzugte  Stellung  gegenüber 
dem  aufstrebenden  Landsknechttume  darlegen,  was  sie  nicht  deut- 
licher bezeugen  konnte,  als  durch  den  Hinweis  auf  ihre  Turnier- 
fähigkeit. Um  diese  Zeit  wurden  nun  prächtig  ausgestattete  Kampf- 
harnische mit  langen  Schurzen  getragen,  die  nur  bei  Festlichkeiten 
gebraucht  wurden.  Bei  derlei  Anlässen  war  aber  das  Erscheinen  zu 
Pferde  meist  bedingt;  um  nun  in  diesem  Turnierharnisch  zu  Pferde 
steigen  zu  können,  wurden  aus  den  Schurzen  vorn  und  rückwärts 
bogenförmige  Blätter  ausgeschnitten,  die,  wenn  der  Mann  zu  Fufse 
erschien,  wieder  in  die  Ausschnitte  mittelst  Häkchen  und  Federzapfen 
eingefügt  wurden.  Überhaupt  erschien  der  Adlige  bis  etwa  1530 
bei  Festlichkeiten  lieber  in  seinem  Turnierharnisch  für  das  Gestech, 
als  in  einer  Zusammenstellung  für  das  Feld. 

Viele  Anzeichen  deuten  darauf  hin,  dafs  auf  die  Formbildung 
der  ersten  Harnische  der  Renaissanceperiode  Maximilian  I.  einen 
nicht  unbedeutenden,  wenn  nicht  einen  entscheidenden  Einflufs 
geübt  hatte.  In  mehreren  Bestandteilen,  wie  in  Brust  und  Rücken, 
den  Bauchreifen  und  Beintaschen,  erscheint  der  Landsknechtharnisch 
mit  dem  reisigen  gleich  gebildet,  wie  überhaupt  auch  späterhin  die 
Formen  der  Bruststücke  beider  sich  ziemlich  gleichartig  weiterbilden. 

Um  1500  erblicken  wir  plötzlich  eine  besondere  Art  von  Har- 
nischen, welche  in  der  allgemeinen  Form  zwar  mit  den  vorher  be- 
schriebenen gleich  gebildet  sind,  aber  an  allen  Teilen  ihrer  Oberfläche 
mit  Ausnahme  der  Beinröhren  feine  Kehlungen  oder  Riffelungen 
besitzen.  Diese  geriffelten  Harnische  (französisch  armure  cannell6ef 
Maximilienne,  italienisch  armatura  spigolata)  nannten  die  älteren  Archä- 
ologen im  Fache  „Mailänder  Harnische",  eine  auf  keinerlei  Beweise  sich 
stützende  Bezeichnung,  die  umsoweniger  stichhaltig  ist,  als  sämtliche 
noch  vorhandenen  derlei  Harnische  deutsches,  meist  Nürnberger 
Fabrikat  sind.  (Fig.  164.)  Sie  treten  gleichfalls  so  plötzlich  vor 
Augen,  dafs  wir  auch  hier  wieder  in  ihrer  Einführung  imperative 
Impulse  voraussetzen  müssen.  Alle  Umstände  treffen  zusammen,  sie 
als  eine  Erfindung  Maximilians  I.  anzusehen,  der  durch  die  feinen 
Riffelungen  eine  Verstärkung  des  Hämisches  zu  erzielen  gedachte, 
ohne  das  Harnischblech  verstärken  zu  müssen.    Neuere  Schriftsteller 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit.  153 

nennen  sie  aus  diesem  Grunde  richtiger  Maximiliansharnische. 
Gegen  den  Hieb  hatte  sich,  die  Voraussetzung  des  Erfinders  aller- 
dings bewährt,  nicht  aber  gegen  die  Geschosse  der  Fernwaffen.  Der 
geringe  Vorteil  und  die  bedeutenderen  Kosten  waren  Ursache,  dafs 
diese  eigenartigen  Formen  um  1530  wieder  verschwanden.  Eine 
Variante  dieser  Maximiliansharnische  ist  in  dem  sogenannten  „Pfeifen - 
hämisch"  zu  erblicken,  der  mit  hohl  ausgetriebenen  Stäben  (Pfeifen) 
ausgestattet  ist    (Fig.  165.) 

Der  Plattenharnisch  war  um  1500  zu  allgemeiner  Beliebtheit 
gekommen;  er  erschien  von  da  an  ebenso  in  der  Schlacht,  im  Turnier, 
wie  bei  festlicher  Gelegenheit  und  im  bürgerlichen  Leben.  Unter 
solchen  Verhältnissen  bildete  sich  derselbe  auch  zum  reich  ausgestatteten 
Prunkkleide.  Zunächst  waren  die  Plattner  bestrebt,  einen  und  den- 
selben Harnisch  derart  auszustatten,  dafs  derselbe  für  das  Feld,  wie 
auch  für  die  verschiedenen  Turnierarten,  wie  nicht  minder  als  knech- 
tischer oder  leichter  Trabharnisch  in  Gebrauch  genommen  werden 
konnte.  Dadurch  bildeten  sich  ganze  Harnischgarnituren,  diedurch 
Zusammenstellung  der  verschiedenartigsten  Wechsel-  und  Verstärkungs- 
stücke für  alle  Fälle  zu  verwenden  waren.  Die  älteste  derlei  Gar- 
nitur, die  dem  Verfasser  vor  Augen  gekommen  ist,  datiert  von  un- 
gefähr 15 10.  Diese  Garnituren  gelangen  um  1520  zu  einer  un- 
gemeinen Beliebtheit;  einzelne  gestatten  die  Bildung  von  höfischen 
Kleidern,  die  die  Landsknecht-  oder  überhaupt  irgend  eine  Mode- 
tracht darstellen,  wie  der  prächtige  Harnisch  G.  23  im  Artillerie- 
museum in  Paris,  oder  der  Harnisch  des  Wilhelm  von  RoggendorfT 
mit  den  weiten  bauschigen  Ärmeln  in  der  kaiserlichen  Waffensamm- 
lung zu  Wien,  die  zu  den  Meisterwerken  der  Plattnerkunst  zählen. 
(Fig.  166.)  Noch  1549  findet  der  Augsburger  Plattner  Mathäus 
Frauenbreys  es  nötig,  einer  Harnischgarnitur  für  Maximilian  II.  die 
Wechselstücke  für  einen  Harnisch  für  den  Fufskampf  (mit  kurzem 
Schurze)  beizugeben,  der  längst  aufser  Übung  gekommen  war.  Von 
1500  bis  1530  etwa  begegnen  wir  Helmen  mit' Visieren,  die  eine 
abschreckende  Fratze  darstellen,  den  sogenannten  „Teufelsschembart". 
Hier  berührt  sich  deutscher  Geschmack  mit  jenem  der  Japaner  und 
Chinesen.  Es  war  eben  eine  Zeit  der  Ungebundenheit,  der  lockeren 
Sitte  über  das  deutsche  Kriegsvolk  gekommen,  die  sich  auch  in  dem 
obseönen  „Latz"  (latus)  kennzeichnet,  den  der  übermütige,  rohe  Lands- 
knecht mit  ebenso  wenig  Schamgefühl  wie  der  turnierfähige  Ritter  trägt. 

In  das  Ende  der  oben  bezeichneten  Zeitperiode  fällt  auch  die 
übertriebene  Ausgestaltung  der  Bruststücke  zum  Tapul,  eine  Form, 
die  mehr  den  Landsknechtkreisen  angehört.  (Fig.  167.)  An  ritter- 
lichen Harnischen  verlängert  sich  um  1547  allmählich  die  Brust,  die 
nun  der  Länge  nach  einen  flachen  Grat  erhält.  Die  Harnisch  formen 
zeigen  unwesentliche  Veränderungen  am  Helm,  dessen  Visier  spitzer 
und  selbst  in  geschweiften  Linien  hervortritt  und  dessen  Kamm  all- 


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1.   Die  SchutzwafTcn. 


Fig.  165. 

Fig.  165.  Ganzer,  sogenannter  Pfe  i fen  harn  i sch  für  einen 
Knaben,  gefertigt  für  den  Prinzen,  späteren  Kaiser  Karl  V.  von  Hans 
Seusenhofer  in  Innsbruck  151 1  und  unbekannter  Umstände  halber  un- 
vollendet geblieben. 


Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


155 


Fig.  166. 


Fig.  166.  Zierharnisch,  in  welchem  die  geschlitzte  Tracht  der 
Zeit  nachgeahmt  wird,  des  kaiserlichen  Feldhauptmanns  W i  1  h e  1  m  tob 
Koggendorf  (1481 — 1541)-  Der  Helm  gehört  zur  Garnitur,  aber  nicht 
zum  vorliegenden  Harnische,  zu  welcher  eine  Landsknechthaube  benutzt 
wurde.    Deutsche  Arbeit  um  151 5. 


156 


I.  Die  Schutzwaffen. 


mählich  höher  getrieben  wird.  Die  Schuhe  nähern  sich  der  natürlichen 
Fufsform  oder  sind  vorn  abgekappt.  (Fig.  168  und  169.)  Um  die- 
selbe Zeit  bildet  sich  die  deutsche  Sturmhaube  für  den  Landsknecht 
heraus,  die  aber  auch  der  Adlige,  teils  zur  Bequemlichkeit,  teils  um 
der  Fufstruppe  zu  gefallen,  trägt.  Der  Vornehme  erscheint  in  Ver- 
bindung mit  der  Landsknechttruppe  in  der  Regel  in  deren  Harnisch 
gekleidet,  der  dann  seines  geringeren  Gewichtes  wegen,  und  weil  er 
auch  zu  Pferde  getragen  wird,  „Trabharnisch"  hiefs.    Diese  Trab- 


Fig.  167. 


Fig.  167.  Trabharnisch  des  Konrad  von  Bemelberg 
(1494  — 1567).  Blank  mit  geätzten  Rändern  und  figuralen  Era- 
blernen. Landsknechthaubc ,  Spangröls,  durchbrochenes  Untcrarmzeug, 
Tapulbrust,  Schöfsc  und  Latz.  Arbeit  der  Nürnberger  Plattner  Wil- 
helm von  Worms  jun.  (gest.  1539)  und  Valentin  Siebenbürger.  Die 
Ätzmalerei  wahrscheinlich  von  Albert  Glockendon.    Um  1532. 


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Der  Harnisch  fiir  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


157 


hämische  erscheinen  als  ein  Mittelding  zwischen  dem  ritterlichen  und 
dem  Landsknechtharnische.  Sie  besitzen  nebst  Spangröls,  an  denen 
nicht  selten  Schwebescheiben  hängen,  auch  vollständiges  Armzeug. 
Nur  durch  die  Sturmhaube,  die  Schöfse  und  durch  den  Abgang  des 
Rüsthakens  erscheinen  sie  als  „knechtische*'  Harnische. 

Um  1547  hatte  die  Periode  der  Übertreibung  in  der  Harnisch- 
tracht ihr  Ende  gefunden.  Die  einzelnen  Hamischteile  werden  all- 
gemach kleiner  und  ebenmäfsiger.  (Fig.  1 70.)  Das  Bruststück  wird 
nun  erheblich  länger  und  der  Tapul  rückt  allgemach  bis  an  den 
Unterrand  herab.  Diese  Auftreibung  am  unteren  Brustharnische  wird, 
wie  schon  bemerkt,  „Gansbauch"  genannt. 

Von  1550  an  kommt  der  sogenannte  ritterliche  Harnisch  in  den 
Heeren  immer  weniger  im  Kriege  in  Gebrauch.  Angesehene  Personen 
erschienen  zwar  noch  in  ganzen  Harnischen  und  in  der  Reiterei  sind 
noch  die  Kürisser  mit  selben  ausgestattet,  aber  ersichtlich  besitzt  er 
von  jener  Zeit  an  nur  mehr  eine  traditionelle  Existenz.  Der  Rück- 
gang beginnt  damit,  dafs  die  Eisenschuhe  abgelegt  werden  und  dafür 
Panzerschuhe  treten,  die  bequemer  erscheinen;  ihnen  folgen  die  Bein- 
röhren, damit  ist  der  halbe  an  die  Stelle  des  ganzen  Harnisches 
gelangt.  Durch  die  Annahme  der  nun  auch  noch  mit  Visier  aus- 
gestatteten Sturmhaube  nähert  sich  die  Reitertracht  immer  mehr  der 
Fufsknechttracht,  wie  überhaupt  die  Kriegerkleidung  ein  mehr  einheit- 
liches Gepräge  erhält.  Noch  ist  der  Adlige  stolz  auf  das  hergebrachte 
Eisenkleid,  aber  im  Felde  dominiert  der  schwarze  Trabharnisch,  der 
mit  unwesentlichen  Varianten  auch  von  den  mit  der  Stangenwaffe 
ausgerüsteten  Fufsknechten,  den  Pickenieren,  getragen  wird.  Um  1590 
legt  auch  der  schwere  Reiter  den  Reisspiefs  ab,  aus  welcher  Ursache 
auch  der  Rüsthaken  verschwindet.  (Fig.  171.)  Alle  Reiter  tragen 
nun  schwere  Stiefel,  um  1600  auch  lederne  Koller  unter  den  Brust- 
harnischen, deren  Schöfse  bis  über  den  halben  Oberschenkel  reichen. 
Schon  etwas  früher  wird  das  schwere  Panzerhemd,  das,  unter  dem 
Harnisch  getragen,  die  unbedeckten  Stellen  des  Körpers  schützte, 
abgelegt.  Zuerst  bei  der  leichten  Reiterei,  später  auch  beim  Fufs- 
volke  werden  ungarische  Sturmhauben  mit  Naseneisen  eingeführt. 
Um  1640  werden  in  der  Reiterei  die  Helme  und  Sturmhauben 
seltener,  der  breite  wallonische  Hut  wird  allgemeine  Kopfbedeckung 
mit  eiserner  Hirnhaube  darunter,  um  das  Haupt  gegen  Klingenhiebe 
2U  schützen.  Nur  die  kaiserlichen  Kürisser  tragen  noch  und  nicht 
selten  sehr  schwere  Rüstungen,  die  noch  einigermafsen  an  den  alten 
Plattenharnisch  erinnern,  aber  die  Bruststücke  werden  winzig  klein 
und  kurz,  dafür  verbreitern  sich  die  Schöfse  ins  Mafslose,  um  die 
immens  umfangreichen  Bauschhosen  zu  bedecken.  Der  Kürisser- 
harnisch  ist  plump,  unbequem  und  im  ganzen  unschön,  dabei  besitzt 
er  eine  ungemeine  Schwere,  die  den  Mann  fast  erdrückt.  Trotz 
dieses  Gewichtes  durch  die  Dicke  des  Bleches  dokumentiert  der 


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158 


L   Die  SchuUwaffcn. 


Harnisch  seine  Nutzlosigkeit  gegenüber  der  an  Treffsicherheit  ge- 
winnenden Feuerwaffen. 

Der  Pickenier  ist  der  letzte  Fufssoldat,  der  in  den  regulären 


Fig.  168. 

Fig.  168.  Ganzer  Feldharnisch,  blank  mit  geätzten  und  ver- 
goldeten Strichen  des  Kaisers  Maximilian  II.  (1527  — 1576).  Arbeit 
des  Nürnberger  Plattncrs  Kunz  Lochner  um  1547. 


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Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


Fig.  169. 

Fig.  169.  Ganzer  Feldharnisch  mit  geätzten  und  vergoldeten 
Strichen  und  Emblemen,  genannt  , .mit  den  Adlern"  des  Erzherzogs  Fer- 
dinand von  Tirol  (1529 — 1 595).  gefertigt  von  dem  kaiserlichen  Hof- 
plattner  Jörg  Seusenhofer  in  Innsbruck  1547.  Die  Ätzungen  sind  von 
dem  Maler  Hans  Perckhamer  in  Innsbruck.  Geschlossener  Helm  mit 
durchbrochener  Helm  Verstärkung.  Brust  mit  Ansatz  zum  Gansbauch,  Bein- 
taschen.   Beinzeug  mit  Untcrdiechlingen. 


100 


1.   Die  SchutzwaflTen. 


Fig.  170. 


Fig.  170.  Ganzer  Feldharnisch,  blank  mit  breiten  Strichen 
die  in  Tausia  verziert  sind  mit  eingestreuten  figuralcn  Gestalten.  Ge- 
schlossener Helm  mit  bereits  steilem  Visier,  breiten,  geschobenen  Achseln, 
Brust  mit  tiefem  Gansbauch,  breiten  Beintaschen.  Deutsche  Arbeit  um 
i57o- 


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8.   Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


161 


europäischen  Heeren  einen  Harnisch  getragen  hatte.  Es  ist  ein  so- 
genannter halber,  auch  Pickenierharnisch  genannt,  und  er  bestand  aus 
einer  Eisenhaube,  einer  Brust  mit  Rücken,  erstere  mit  kurzen  Bein- 
taschen. Die  Oberarme  deckten  bis  an  den  Ellenbogen  reichende 
Spangröls,  die  Unterarme  die  langen  Stulpen  der  Handschuhe,  die 
die  Spangröls  fast  berührten.    (Fig.  172.) 

Ungeachtet  der  allenthalben  gewonnenen  Überzeugung  von  der 
geringen  Brauchbarkeit  des  Harnisches  trennte  sich  der  Adlige  nur 


Fig.  171. 


Fig.  171.  Halber  Harnisch,  gebläut  mit  gerissenen  Strichen,  des 
Andreas  von  Österreich,  Kardinal,  Sohn  Erzherzog  Ferdinands 
von  Tirol  mit  Philippine  Welser  (1558— 1600).  Helm  mit  abschläch- 
tigem  Visier,  Brust  mit  Gansbauch,  weiten  plumpen  Schofsen.  Deutsche 
Arbeit  um  1590. 

Hoehcira,  Wattenkunde.  II 


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I.   Die  Schutzwaflen 


schwer  von  dieser  Schutzwaffe.  Noch  bis  ins  18.  Jahrhundert  herein 
spielt  er  eine  Rolle  in  der  romantischen  Vorstellung  als  unzertrenn- 
lich von  der  adligen  Würde.  Während  der  Haubert  das  Kriegs- 
kleid des  Ritters  durch  mehr  als  5  Jahrhunderte  gewesen  war,  hatte 
der  Plattenharnisch  nur  die  kurze  Lebensdauer  von  kaum  deren  zwei, 

aber  in  den  Kriegerkreisen  erhielt  sich 
der  Glaube,  als  sei  er  das  ritterliche 
Kleid  von  alters  her  gewesen.  Als 
der  Plattenharnisch  längst  nicht  mehr 
existierte,  im  18.  Jahrhundert  noch, 
würde  es  ein  Adliger,  ein  höherer 
Offizier  unter  seiner  Würde  gefunden 
haben,  sich  anders,  als  im  Brustharnisch 
mit  dem  Visierhelme  daneben  abbilden 
zu  lassen. 

Selten  ist  eine  Waffe  in  den 
eigenen  Berufskreisen  von  ihrem  ersten 
Auftreten  an  mehr  überschätzt,  worden, 
als  der  Plattenharnisch.  Entstanden 
in  einer  Periode,  in  welcher  auch  die 
Feuerwaffe  zur  Entwickelung  gelangte, 
trug  er  gewissermafsen  schon  am  Be- 
ginne die  Bedingungen  für  eine  nur 
kurze  Existenz  in  sich.  Er  bildet  nur 
eine  kleine  Episode  in  dem  durch 
Jahrhunderte  währenden  Streite  um 
den  Wert  der  aktiven  oder  passiven 
Kampfmittel,  aber  seine  Geschichte 
beweist,  dafs  seine  Nützlichkeit  in 
demselben  Grade  abnahm,  wie  die 
Feuerwaffe  in  ihrer  Leistungsfähigkeit 
sich  erhob.  Lange  hatte  man  in  den 
Kreisen  der  Ritterschaft  vor  dieser 
früh  eingetretenen  Thatsache  die  Augen 
geschlossen  gehalten;  in  den  Tradi- 
tionen alten  Heldentums  lebend,  er- 
schien das  eiserne  Kleid  als  etwas 
Unersetzbares,  Unentbehrliches.  Die 
äufserliche  Erscheinung,  das  Martia- 
lische des  Auftretens  dieser  Schutzwafie 
wirkte  mit,  um  an  ihr  zu  hängen,  als 
sei  sie  mit  dem  Kriegerstand  innig 
verwachsen.  Für  den  Romantiker  von 
heute  ist  sie  nicht  weniger  ein  Gegen- 
stand unklarer  Schwärmerei,  für  den 


Fig.  172. 


Fig.  172.  Fickcnicr  aus  dem 
englischen  Heere.  I>er  Hämisch 
stammt  aus  der  ehemaligen  Samm- 
lung Meyrick  in  Goodrich -Court. 
17.  Jahrhundert.    Nach  Meyrick. 


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8.  Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


ernsten  Denker  bildet  sie  ein  kulturhistorisches  Beispiel  von  hohem 
Interesse,  dem  Kunstfreund  bietet  sie  in  ihren  tausendfachen  herr- 
lichen Ausgestaltungen  einen  Gegenstand  der  Bewunderung  und  des 
anregendsten  Studiums. 

In  ihren  kleinen  Einzelheiten,  den  Detailformen  gewisser  Partieen, 
den  Verbindungen  u.  dergl.  zeigen  die  Plattenharnische  viele  Ver- 
schiedenheiten. So  zeigen  italienische,  besonders  mailändische  Harnische 
Eigentümlichkeiten  in  der  Zusammensetzung,  die  von  den  in  Deutsch- 
land üblichen  sehr  verschieden  sind.  Ebenso  zeigt  die  Beobachtung, 
dafs  fast  jeder  einzelne  der  deutschen  Plattner  in  den  Formen  und 
Verbindungen  seinen  eigenen  Gedanken  und  Erfahrungen  folgte.  Um 
diese  zahlreichen  Varianten  sich  ins  Gedächtnis  einzuprägen,  ist  zu- 
nächst die  Betrachtung  von  möglichst  vielen  Harnischen  erforderlich. 
Zu  diesem  Studium  kann  das  vorliegende  Buch  begreiflicherweise 
nur  Anhaltspunkte  liefern,  die  durch  Vergleiche  auch  in  den  gegebenen 
Abbildungen  sich  finden  werden. 

Je  weniger  Materialien  uns  zum  Studium  der  orientalischen 
Harnischformen  zu  Gebote  stehen,  um  so  wertvoller  mufs  uns  jeder 
und  selbst  der  einfachste  Beleg  sein,  wenn  wir  uns  vor  Augen  halten, 
dafs  wir  die  wichtigsten  Lehren  der  Kriegskunst  und  Technik  aus 
dem  Oriente  erhalten  haben.  Was  uns  zum  Studium  der  orientali- 
schen Kriegstracht  zur  Verfügung  steht,  ist  äufserst  wenig.  Originale 
Reste  reichen  kaum  ins  Mittelalter  zurück,  gleichzeitige  Abbildungen 
besitzen  wir  nur  von  den  Indern,  Griechen,  Japanesen  und  den 
Persern,  nicht  aber  von  den  Arabern  und  Türken;  nur  die  in  mancher 
Richtung  emanzipierten  Sarazenen  und  Mauren  des  Mittelalters  wagten 
über  die  Darstellung  von  Tierfiguren  hinaus,  in  seltenen  Fällen  Ab- 
bildungen von  Menschen,  und  dann  nur  in  phantastischer  Gestalt  zu 
fertigen.  Die  Schilderungen  gleichzeitiger  europäischer  Chronisten 
sind  unzuverlässig  und  nicht  selten  geradezu  erfunden.  Nur  ein  Um- 
stand kommt  uns  dabei  sehr  zu  Hilfe,  dafs  die  Formen  im  Oriente 
mit  ungemeiner  Zähigkeit  in  Jahrhunderten  sich  unverändert  erhalten, 
wodurch  es  uns  ermöglicht  wird,  in  vielen  Fällen  von  der  jüngeren 
Form  auf  die  ältere  zu  schliefsen. 

In  den  arabischen-persischen  Ländern  ist  seit  Jahrhunderten  das 
allgemeine  Kriegskleid  der  Kaftan,  der  in  der  Mitte  des  Leibes 
durch  einen  metallenen  Gürtel  gehalten  wird.  Brust,  Rücken  und 
Achseln,  seltener  die  Oberarme,  erhalten  metallene  Beschläge  von 
verschiedener  Gröfse,  die  aufgenäht  oder  aufgenietet,  in  den  meisten 
Fällen  auch  durch  Gravierungen  oder  in  gestanzter  Arbeit  verziert 
sind.  (Fig.  173.)  Besonders  war  es  die  Brust,  welcher  besondere 
Aufmerksamkeit  bezüglich  des  Schutzes  gewidmet  wurde.  Die  Be- 
schläge daselbst  sind  immer  reicher  ausgestattet,  und  selbst  bei  dem 
Ärmsten  wenigstens  mit  dem  Zeichen  der  „tüghra"  versehen.  Der 
tief  ins  politische  und  Bürgerleben  eingreifende  religiöse  Glaube  ver- 

11* 


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1Ö4 


I.   Die  Schutzwaflen. 


anlafste  vorzüglich,  auf  dem  Helme  und  der  Brust  Gebetsprüche  aus 
dem  Koran  anzubringen,  Anrufungen,  Beteuerungen  u.  dgl.  Dadurch 
bildete  sich  die  arabische  und  kufische  Schrift  allmählich  zu  einem 
wirksamen  Mittel  der  Dekoration  aus.  Der  Gebrauch  dürfte  sich 
kaum  über  das  Jahr  iooo  hinauf  erstrecken,  zu  welcher  Zeit  erst 
die  Schrift  ihren  Charakter  erhielt.  Eins  der  ältesten  Bestandteile 
orientalischer  Ausrüstung  ist  der  Helm;  er  ist  vom  Altertum  her  in 
seiner  typischen  Form,  oben  spitzig  zulaufend,  übernommen  worden 
und  hatte  sich  mit  unwesentlichen  Veränderungen  bis  in  die  neueste 
Zeit  so  erhalten.  Eine  ihm  eigenartige  Beigabe  ist  in  dem  Nasen- 
eisen zu  sehen,  das,  anfänglich  mit  dem  Helme  aus  einem  Stücke 
gefertigt,  später  getrennt  wurde  und  nach  auf-  oder  abwärts  gestellt 
werden  konnte.    Das  „bewegliche"  Nasencisen  ist  schon  im  Mittei- 


lt'g-  *73-  Gegenüberstellung  von  europäischen  und  orientalischen 
Kriegern.  Miniatur  aus  der  Chronica  de  Gestis  Hungarorum  der  k.  k. 
Hofbibliothek  in  Wien  vom  Jahre  1330. 

alter  üblich  gewesen.  Bis  ins  Altertum  reicht  der  Gebrauch  eines 
Nackenschirmes  aus  feinem  Ringgeflechte,  des  Vorbildes  der  Brünne 
der  europäischen  Krieger  des  Mittelalters;  er  reicht  gemeinlich  bis 
über  die  Schultern  und  die  halbe  Brust  herab.  Bei  einigen  Völker- 
schaften Asiens,  wie  bei  den  Arabern  und  den  Tartaren,  ist  das 
Naseneisen  am  Helme  nicht  immer  üblich  gewesen,  erstere  ersetzten 
dasselbe  —  allerdings  unvorteilhaft  genug  —  durch  einen  Streifen 
von  Maschenpanzerwerk,  der  wie  ein  Schleier  das  Gesicht  bis  über 
die  Augen  deckte. 


Fig.  173. 


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8.   Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


165 


Es  ist  für  die  meritorische  Bedeutung  des  orientalischen  Kriegs- 
wesens bezeichnend,  dafs  in  der  Ausrüstung  mit  Harnisch  und  Hand- 
waffe nie  jene  Grenzen  überschritten  wurden,  welche  durch  die 
Rücksicht  auf  die  Beweglichkeit  des  Trägers  gezogen  sind.  (Fig.  174.) 
Die  orientalische  Waffentechnik  verirrte  sich  nie  auf  jene  Abwege, 
auf  die  man  in  Europa  und  vor  allem  in  Deutschland  geriet,  indem 
man  in  dem  Harnisch  eine  absolute  Sicherheit  gegen  den  Angriff 


Fig.  174.  Fig.  175. 


Fig.  174.  Byzantinischer  Soldat  nach  einer  Miniatur  eines 
byzantinischen  Codex  der  2.  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  in  der  National- 
bibliothek zu  Paris.    Aus  Louandre,  Les  arts  somptuaires  L 

Fig.  175.  Arabisch-türkische  Kriegskleidung.  16.  Jahr- 
hundert.   Kaiserl.  Waffcnmuseum  zu  Zarskoe-Selo. 

erstrebte.  Zwar  führten  schon  die  Sarazenen  Schuppenharnische,  die  an 
sich  ihrer  Zusammensetzung  nach  zu  den  schwersten  gehören,  aber  ihre 
Partikel  waren  so  dünn  und  leicht,  dafs  der  ganze  Harnisch  der  Bewegung 


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166  L  Die  8chutzwaficn. 

und  Waffenführung  nicht  im  geringsten  hinderlich  war.  Die  Harnisch- 
schmiede trachteten  im  gegenseitigen  Wetteifer  darnach,  ihre  Eisenkleider 
widerstandsfähig  gegen  Hieb  und  Stich,  aber  dünn  im  Bleche,  schmiegsam 


Fig.  176.  Fig.  177. 

Fig.  176.  Alte  indische  Kricgskleidung  aus  Kabul.  Kaiserl. 
Waflenmuseum  zu  Zarskoe-Selo. 

F'g-  177  Russische  Kriegskleidung  vom  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts.   Kaiserl.  Waffenmuseum  zu  Zarskoe-Selo. 


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8.   Der  Harnisch  für  den  Mann  in  seiner  Gesamtheit. 


167 


und  leicht  zu  gestalten.  Im  spateren  Mittelalter  bestand  der  Harnisch 
der  Türken  und  Araber  aus  einem  System  von  gröfseren  und  kleineren 
Platten,  die  untereinander  mittelst  Streifen  von  Panzergeflechten  in 
der  Breite  von  3,  höchstens  5  Ringen  verbunden  waren.    Aus  einem 


Fig.  178. 


Fig.  178.  Japanische  Kriegskleidung  nach  einer  Original- 
zeichnung des  Professors  Hugo  Ströhl  in  Wien. 


168 


I.    Die  Schutzwaffen. 


Stücke  bestanden  die  Achselteile;  auf  Brust  und  Rücken  bildete  je 
eine  grofse  Scheibe  das  Mittelstück,  um  welches  sich  die  anderen 
Platten  gruppierten.  Bei  den  Tartaren  und  einigen  türkischen  Stämmen, 
wie  auch  bei  den  Tscherkessen,  ist  der  Brust-  und  Rückenharnisch 
aus  einem  System  von  vierseitigen  Platten,  die  unter  sich  durch 
Maschenpanzer  in  Verbindung  standen.  (Fig.  175.)  Zuweilen  war  auch 
nur  der  rechte  Arm  von  einem  Handschuh  mit  langem  Stulpe  geschützt; 
der  linke  Unterarm  schien  durch  den  Rundschild  genügend  gedeckt. 
Die  Füfse  blieben  anfänglich  ganz  unbeschützt  (Fig.  176.  177);  später, 
im  1 6.  Jahrhundert,  findet  man  bei  den  Persern,  dann  auch  bei  einigen 
Tartarenstämmen  eine  Art  Beinkleid,  aus  eisernen  Bändern  be- 
stehend, die  mit  Ringgeflechten  verbunden  waren.  Sie  waren  so  weit 
gebildet,  dafs  sie  die  Bewegung  nicht  im  geringsten  hinderten. 

Die  Araber  kämpften  bis  in  die  Zeit  Mohammeds  nicht  wie  die 
Perser  zu  Pferde,  ja  es  sind  in  ihren  Heeren  bis  ans  Ende  des 
7.  Jahrhunderts  nur  wenig  Reiter  anzutreffen,  so  bei  Bedr  623  gar 
nur  zwei.  Später  vermehrte  sich  deren  Zahl  aufserordentlich,  so  dafs 
die  Reiterei  von  nun  an  zur  Hauptwaffe  der  arabischen  Heere  wurde. 
Weit  früher  hatten  sich  die  tartarischen  Völker  dazu  bequemt,  den 
Krieg  zu  Pferde  zu  führen;  bei  den  Persern  aber  hatte  sich  die  Lust  zum 
Reiterdienste  auch  nach  dem  Zusammenbruche  des  altpersischen  Reiches 
traditionell  erhalten.  Die  Chinesen  waren  von  ältester  Zeit  her  dem 
Reiterdienste  abhold;  ihre  wenige  Reiterei  bestand  aus  tartarischen 
Stämmen,  die  um  Sold  dienten;  ebenso  scheinen  auch  in  Japan  in 
alter  Zeit  keine  Reitertruppen  bestanden  zu  haben.  Eigentümlich 
ist  die  Harnischausrüstung  der  Chinesen  und  Japaner,  die  vom 
Mittelalter  bis  in  die  Neuzeit  sich  im  wesentlichen  gleich  geblieben 
ist.  Der  Harnisch  bestand  in  einem  weiten  Helme  von  Schlagblech, 
der  an  die  deutschen  Eisenhüte  erinnert;  vorn  war  ein  festes  Visier 
genietet,  welches  eine  abschreckende  Fratze  mit  stacheligem  Barte 
darstellte.  Der  übrige  Teil  des  Harnisches  war  aus  mattenartig  ge- 
bildeten Tabletten  aus  Fischbeinstäben  zusammengefügt,  die  mittelst 
fein  gewirkten  Bändern  verbunden  und  mit  Lackmalerei  verziert  oder 
mit  reichem  Stoff  überzogen  waren.  (Fig.  178.)  Nur  Vornehme 
hatten  auch  die  Beine  in  dieser  Art  geschützt,  gemeine  Krieger  hatten 
die  Füfse  ungeharnischt  und  zuweilen  nackt.  Es  sind  noch  japanesische 
Harnische  vorhanden,  welche  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts 
datieren.*)  Sie  dienen  zum  Beweise,  wie  wenig  sich  deren  Form  bis 
in  die  Neuzeit  geändert  hat.  Erst  vor  einigen  Jahrzehnten  wurde 
der  chinesische  Fischbeinharnisch  abgelegt. 

*)  In  Mailand,  in  Madrid,  im  Schlosse  Ambras  in  Tirol  u.  a.  O. 


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g.  Der  Schild. 

Das  Bedürfnis  des  Kriegers,  sich  durch  eine  tragbare  Schutzwaffe 
vor  der  Wirkung  der  Waffen  des  Feindes  zu  sichern,  war  stets  um  so 
reger,  je  bedeutender  diese  Wirkung  erschien,  je  unausgebildeter  die 
Taktik  und  je  unzulänglicher  der  Schutz  war,  welchen  die  kriegerische 
Kleidung  selbst  bieten  konnte. 

Am  Beginne  des  Mittelalters,  in  einer  Epoche  des  Strebens  nach 
geordneten  Verhältnissen,  fand  man  barbarische  Völkerschaften  über 
Europa  verstreut,  deren  Kultur  an  sich  verschieden  voneinander, 
immer  aber  zu  gering  war,  um  sich  durch  technische  Mittel  aus- 
reichend vor  der  feindlichen  Angriflswaffe  zu  schützen;  barbarische 
Völker  mufsten  im  Kriege  allezeit  durch  rasche  Bewegungen  das  er- 
setzen, was  ihnen  durch  ihre  mangelhafte  kriegerische  Ausrüstung  an 
defensiven  Streitmitteln  abging. 

Wir  finden  deshalb  unter  den  sarmatischen  und  hunnischen 
Reitervölkern,  welche  im  4.  Jahrhundert  den  Westen  Europas  über- 
schwemmten, nirgends  eine  Spur  von  einer  Verwendung  von  Schilden. 
Jene  Völkerschaften,  welche  sich  in  Deutschland  sefshaft  gemacht  und 
manches  von  der  Kampfweise  der  Römer  sich  angeeignet  hatten,  be- 
nutzten allerdings  grofse,  ovale  Schilde,  aber  diese  waren  von  zweifel- 
haftem Werte,  von  Weidenzweigen  geflochten  und  mit  ungegerbten 
Rindshäuten  überspannt.  Die  Schilde  der  Germanen  waren  fast  noch 
einfacher.  Sie  hatten  in  der  allgemeinen  Gestalt  einige  Ähnlichkeit 
mit  jenen  in  den  römischen  Legionen  üblichen,  nur  waren  sie  bei 
ihrer  viereckigen  Gestalt  weniger  ausgebogen.  Gleichfalls  aus  Weiden- 
geflecht gebildet,  waren  sie  mit  Pelzwerk,  gemeiniglich  vom  Wolfe,  über- 
zogen. Dieser  Gebrauch,  Schilde  mit  Pelzwerk  (Rauchwerk)  zu  über- 
ziehen, erhielt  sich  bis  ins  13.  Jahrhundert,  in  welchem  man  noch 
häufig  Schilde  findet,  welche  wenigstens  am  oberen  Teile  mit  Fellen 
verschiedener  Tiere  überzogen  sind.  Aus  dieser  Sitte  hat  sich  auch 
das  heraldische  Pelzwerk  (feh)  im  Mittelalter  herausgestaltet.  Man 
findet  übrigens  noch  heute  Rundschilde  asiatischer  Völkerschaften  mit 
Fell  von  Rindern  überzogen. 

Der  leichte  Reiter  war  einer  Verwendung  des  Schildes  stets  ab- 
hold, er  hinderte  ihn  in  der  Führung  des  Pferdes,  ohne  ihm  den 
erwünschten  Schutz  zu  bieten.  Nur  dem  zu  Fufs  kämpfenden  Mann 
erschien  der  Schild  um  so  unentbehrlicher,  je  weniger  er  im  stände 
war,  sich  der  feindlichen  Waffenwirkung  durch  eine  rasche  Bewegung 
zu  entziehen. 

Zwei  Umstände  führten  zu  einer  allmählichen  Verbesserung  der 
Waffen  der  Völker,  welche  sich  in  Europa  sefshaft  gemacht  hatten. 
Die  Verbindung,  in  welche  sie  mit  Konstantinopel  geraten  waren, 
von  wo  sie  auf  dem  Handelswege  die  Waffen  bezogen,  und  der  glück- 


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170 


I.  Die  Schußwaffen. 


liehe  Zufall,  dafs  sie  auf  ihrem  Zuge  gegen  Rom  auch  Lander  be- 
rührten, in  welchen  seit  langem  autochthone  Bevölkerungen  das  Eisen 
aus  den  Bergen  gewannen  und  zu  Waffen  verarbeiteten.  Jene  süd- 
germanischen Völkerschaften,  welche  vom  Beginne  der  Kaiserzeit  an 
mehr  oder  weniger  mit  dem  römischen  Reiche  in  Beziehungen  ge- 
standen waren,  hatten  allgemach  römischer  Fechtweise  sich  anbequemt, 
und  wir  sehen  auch  aus  ihren  von  den  Römern  entlehnten  erst  die 
den  nationalen  Eigenschaften  entsprechenden  germanischen  Waffen- 
formen  erstehen.  Der  Weg,  auf  welchem  die  Germanen  des  Westens 
römische  Art  und  Sitte  an  sich  zogen,  ging  über  Mailand,  die  Alpen 
durchschneidend,  an  den  Rhein.  In  Iberien  hatten  die  Westgoten 
eine  uralte,  von  den  Römern  gegründete  Eisenindustrie  vorgefunden 
und  im  eigenen  Interesse  geschont.  Sie  versah  mit  ihren  Erzeugnissen 
bis  ins  8.  Jahrhundert  allein  das  ganze  fränkische  Reich  bis  an  die 
Maas. 

Dcsungeachtet  waren  die  Schilde  noch  zur  Zeit  Karls  des 
Grofsen,  wie  uns  das  Schachspiel  aus  dem  Schatze  von  Saint -Denis 
aus  jener  Zeit  erkennen  läfst,  nicht  allgemein  von  dem  widerstands- 
fähigsten Material  <.-,  dem  Eisen,  sondern  noch  zum  gröfsten  Teile  aus 
Holz,  mit  Leder  überzogen  und  mit  Eisenbändern  verstärkt.  Der 
Reiter  führte  einen  leichten,  hölzernen,  runden  oder  unten  kolbig  zu- 
gespitzten Schild,  mit  eisernen  Spangen  und  Nägeln  verstärkt,  bei 
Rundschilden  war  in  der  Mitte  ein  buckeiförmiges  Beschläge,  der 
Schildnabel,  aufgenietet.  Getragen  wurde  derselbe  am  linken  Arme 
an  einem  breiten  Riemen  (Schildfessel),  ein  zweiter  diente,  um  selben 
an  der  Hand  zu  fassen.  Der  zu  Fufs  kämpfende  Mann  trug  einen 
grofsen,  mandelförmigen,  etwas  über  i  Meter  hohen,  stark  gewölbten 
Holzschild,  der  an  den  Rändern  und  in  der  Mitte  kreuzweise  mit 
Eisenbändern  verstärkt  und  in  den  dadurch  gebildeten  Rauten  mit 
starken  Nägeln  besetzt  war.  Er  wurde  im  Gefechte  mit  der  Spitze 
auf  den  Boden  gestützt,  und  es  scheint  schon  im  9.  Jahrhundert 
der  Gebrauch  aufgekommen  zu  sein,  die  hohen  Schilde  knapp  an- 
einander zu  reihen  und  so  eine  feste  Wand  zu  bilden,  hinter  welcher 
die  Bogenschützen  gedeckt  sich  postieren  konnten.  Wie  man  die 
langen,  zugespitzten,  der  Dreiecksform  sich  nähernden  Schilde  als  den 
germanischen  Völkern  eigentümlich  erklären  kann,  ebenso  sind  die 
runden  und  ovalen  Schilde  hauptsächlich  in  den  Heeren  des  Südens 
und  Südostens  Europas  zu  finden.  Ja  in  Byzanz  treffen  wir  die 
Rundschilde  im  8.  Jahrhundert  in  so  kleinen  Dimensionen,  dafs  sie 
nahezu  den  Faustschilden  anzureihen  sind,  die  im  Kampfe  gegen 
die  blanke  Waffe  den  Vorteil  boten,  dafs  sie  sich  zum  Parieren  eigneten. 

Die  ältesten  Abbildungen  von  Schildformen  des  Mittelalters 
finden  sich  in  einem  Virgil  in  der  Bibliothek  des  Vatikans,  der  dem 
5.  Jahrhundert  angehört  Sie  erscheinen  dort  als  Rundschilde  mit 
stumpf  kegelförmigen  Stacheln. 


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9.   Der  Schild. 


171 


Im  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen  sehen  wir  die  Krieger  zu 
Fufs  und  zu  Pferde  mit  einerlei  Schilden,  Rundschilden  romanischer 
Form,  bewaffnet  Sie  sind  von  halber  Mannshöhe  im  Durchmesser, 
stark  gewölbt  und  mit  einem  stark  spitz  zulaufenden  Schildnabel  ver- 
sehen. Sie  waren  wie  noch  jene  aus  merowingischer  Zeit  ohne 
Zweifel  von  Holz,  mit  Leder  überzogen  und  mit  radiallaufenden 
Bändern  von  Metall  verstärkt,  welche  mit  Nägeln  besetzt  erscheinen. 
(Fig.  179  und  180.)  Genau  in  dieser  Form  erblicken  wir  sie  in  einer 
Bibel  aus  dem  9.  Jahrhundert  in  S.  Paolo  fuori  le  mura  zu  Rom. 


Fig.  179.  Fig.  180. 


Fig.  179.  Krieger  mit  Rundschild  vom  Ende  des  8.  Jahrhunderts 
aus  dem  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen,  nach  Rahn,  Psalt.  aur. 

Fig.  180.  Krieger  mit  Rundschild  und  Spiefs  vom  Ende  des 
8.  Jahrhunderts    aus  dem  Psalterium  von  St.  Gallen,    nach  Rahn. 

Die  Umwandlung  in  der  anfangs  römischen  Bewaffnung  der 
germanischen  Heere  ging  nur  nach  Mafsgabe  des  Verblassens  der 
antiken  Traditionen  und  langsam  vor  sich;  so  finden  wir  den  Rund- 
schild neben  dem  germanischen  Schilde  im  frühen  Mittelalter  noch 
lange  in  Gebrauch.    Unter  den  Vornehmen  blieb  es  Jahrhunderte 


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172 


I.   Die  Schatzwaffen. 


hindurch  noch  Sitte,  sich  nach  römischer  Art  zu  tragen,  und  noch 
die  ersten  deutschen  Könige  erscheinen  in  ihren  Siegeln  mit  dem 
römischen  Rundschilde  bewaffnet,  wie  denn  auch  noch  der  Reiter 
im  Schachspiele  Karls  des  Grofsen  mit  einem  solchen  bewaffnet  dar- 
gestellt ist.  In  Italien  erhalten  sich  begreiflicherweise  die  antiken 
Formen  der  Schilde  noch  weit  länger;  in  den  Mosaiken  der  Markus- 
kirche in  Venedig  (12.  Jahrhundert)    erscheinen  die  venetianischen 


Fig.  181.  Fig.  182. 


Fig.  181.  Normanischer  Schild  mit  Bemalungen  in  Schwarz 
und  Rot  auf  gelblich -weifscra  Grunde  nach  einer  Miniatur  aus  der  Bibel 
des  heil.  Martial  von  Limoges  in  der  Nationalbibliothek  zu  Paris  vom 
Anfange  des  12.  Jahrhunderts. 

Fig.  182.  Bretonischer  Schild  von  Bronze,  gefunden  im 
Withamflusse  in  Lincolnshire  aus  der  ehemaligen  Sammlung  des  L. 
Meyrick  in  Goodrich-Court.    10.  Jahrhundert. 


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9.    Der  Schild. 


173 


Soldaten  nur  mit  Rundschilden  ausgerüstet.  Und  auch  in  einem 
Manuscripte,  enthaltend  die  Legende  Alexanders  III.,  im  Museo 
Correr,  aus  dem  14.  Jahrhundert  tragen  die  venetianischen  Soldaten 
Rundschilde  und  sonderbarer  Weise  dazu  auch  Helmbarten. 

Im  Teppich  von  Bayeux  finden  wir  allerdings  in  der  Mehrzahl 
den  langen  romanischen  Schild  (Fig.  181),  daneben  aber  auch  noch 
hochgewölbte  und  mit  Spitzen  versehene  romanische  Rundschilde  in 
Verwendung.  Bei  den  englischen  Scharen  finden  sich  in  einigen 
Gruppen  der  Schlacht  bei  Hastings  auch  bretonische  Schilde  abge- 


Fig.  183.  Fig.  184. 


Fig.  183.  Bretonischer  Schild  aus  dem  Teppich  von  Bayeux. 
Ende  des  Ii.  Jahrhunderts. 

Fig.  184.  Innenseitc  eines  normanischen  Schildes  mit 
Schildfessel  und  Tragriemen  aus  einem  Manuskript  d.  Psalt.  lat.  der  Na- 
tionalbibliothek in  Paris  vom  Anfang  des  13.  Jahrhunderts.  Nach 
Viollct-le-Duc. 

bildet.  Ein  solcher  Schild  aus  Bronze  befand  sich  vor  einigen  Jahren 
noch  in  der  Sammlung  Meyrick  (Fig.  182),  einen  anderen  von  ähnlicher 
Form  bringen  wir  nebenstehend  aus  der  Tapete  von  Bayeux  (Fig.  1 83). 


174 


I.    Die  Schutzwaffeu. 


Schon  im  6.  Jahrhundert  finden  wir  Zeugnisse,  dafs  die  Schilde 
ein  beliebter  Gegenstand  der  Dekoration  durch  die  Kunst  des  Gold- 
schmiedes gewesen  waren.  Gregor  von  Tours  erwähnt  eines  reich  in 
Gold  verzierten  und  mit  Steinen  besetzten  Schildes,  welchen  Brune- 
haut dem  Könige  von  Spanien  sendet 

Es  ist  bezeichnend,  dafs  im  1 1 .  Jahrhundert,  zur  Zeit  Haralds  III. 
von  Norwegen,  die  ersten  Spuren  von  einer  Bemalung  der  Schilde 
mit  abenteuerlichen  und  abschreckenden  Figuren  angetroffen  werden. 
Diese  rohen  Anfange  der  Heraldik  lassen  damit  auf  ihre  orientalische 
Herkunft  schliefsen.  Der  normanische  Schild,  von  Holz  mit  Kreide- 
grund, schmal,  unterhalb  spitz  zulaufend  und  oberhalb  rund  ab- 
schliefsend,  kann  als  das  Urbild  aller  späteren  Schildformen  des 
Mittelalters  betrachtet  werden.    (Fig.  181,  184.) 

Die  Gröfse  des  Reiterschildes  in  jener  von  der  römischen 
wesentlich  abweichenden  Form,  wie  selbe  durch  die  Normanen  zuerst 
in  Gebrauch  kam,  war  im  Hinblicke  auf  die  primitive  Harnischaus- 
rüstung wohlberechnet.  Da  diese  den  SchlagwafTen  nicht  widerstand, 
bedurfte  man  einer  Schutzwaffe,  welche  den  Reiter  vom  Fufs  bis 
an  die  Schulter  zu  decken  im  stände  war.  Die  Schilde  des 
11.  und  1 2.  Jahrhunderts  hatten  darum  auch  eine  bedeutende  Länge. 
Im  mehrgenannten  Teppich  von  Bayeux  ist  in  der  Schildform  zwischen 
der  Reiterei  und  dem  Fufsvolke  kein  Unterschied  zu  erkennen,  sie 
eignete  sich  eben  für  beide  gleich  gut.  Die  Fufssoldaten  reihten  sich 
dicht  aneinander,  so  dafs  ihre  langen  Schilde,  einer  über  den  anderen 
gelegt,  eine  feste,  schufssichere  Wand  bildeten.  Die  Sorge  um  die 
Festigkeit  des  Schildes  führte  darauf,  sie  zu  beschlagen  und  mit  einem 
Schildbuckel  auszustatten,  von  welchem  aus  die  Eisenbänder  gehalten 
wurden. 

Gerade  um  diese  Zeit  wird  der  Harnisch  aber  in  seiner  Festig- 
keit wesentlich  verbessert.  Dieser  bedeutende,  aus  den  Erfahrungen 
in  den  Kreuzzügen  hervorgetretene  Erfolg  war  zunächst  Ursache,  dafs 
im  Verlaufe  des  13.  Jahrhunderts  der  Reiterschild  allmählich  kürzer 
wurde,  so  dafs  er  nun  nur  noch  vom  Sattelsteg  bis  an  das  Kinn 
reichte.  Die  Seiten ränder  sind  noch  stark  kolbig  gegen  die  Spitze 
laufend,  aber  der  Oberrand  wird  nun  flacher  gebildet,  denn  für  die 
Deckung  des  Gesichtes  ist  durch  die  neue  Helmform  ausreichend  vor- 
gesorgt. Der  Schiid,  anfänglich  noch  gewölbt,  wird  flacher,  und 
Schildbuckel  und  Beschläge  verschwinden  nach  und  nach.  In 
den  älteren  Teilen  des  Nibelungenliedes,  welche  vor  den  Beginn 
der  Epoche  des  Minnegesanges  im  12.  Jahrhundert  zu  reihen  sind, 
sehen  wir  noch  die  Schilde  mit  Edelsteinen  besetzt,  ebenso  auch  den 
Riemen,  welcher,  um  den  Schild  zu  tragen,  um  den  Hals  geschlungen 
wurde  (schiltvezzel).  Ebenso  ist  wiederholt  des  „schiltgespenges", 
des  Beschlages  der  Schilde  aus  Bronze  Erwähnung  gethan.  Leb- 
haft tritt  in  der  Dichtung  die  Sorge  zu  Tage,   den  Schild  breit  und 


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9.  Der  Schild. 


175, 


dick  zu  gestalten,  wie  in  der  Aventiure  VII,  gelegentlich  des  Wett- 
kampfes mit  Brunhild,  wo  von  dem  Schilde  die  Rede  ist,  den  drei 
Kämmerer  kaum  zu  tragen  vermochten.  Das  ist  die  Periode,  welche 
jener  der  Kreuzzüge  vorausging.  Ihr  folgte  die  neue  Ausrüstung  mit 
Topfhelm  und  dem  allmählich  sich  verkleinernden,  dreieckigen  Schilde, 
der  nun  in  der  Regel  nicht  mehr  mit  Steinen  besetzt,  sondern  mit 
den  gewählten  Emblemen  und  Farben  bemalt  wird. 

Ein  bezeichnendes  Moment  bildet  die  Wahrnehmung,  dafs  die 
Bewaffnung  des  Fufsvolkes  bis  ins  13.,  ja  selbst  bis  ins  14.  Jahr- 
hundert sich  von  jener  der  Reiterei  nur  ganz  unwesentlich  unter- 


Fig.  185.  Fig.  186. 

Fig.  185.  Fufsknecht  im  Topf  heim  mit  Spicfs  und  Dreieck- 
schild in  der  Schlachtstellung.  Die  Formen  nach  der  Statue  in  der 
Kathedrale  zu  Reims.    Französisch,  um  1240.    Nach  Viollet-le-Duc. 

Fig.  186.  Fufsknecht,  einen  Wall  ersteigend.  Aus  einer  Mi- 
niatur im  Codex  Balduini  Trevirensis  von  c.  1340. 

scheidet.  Die  Ursache  davon  ist  darin  gelegen,  dafs  dem  Fufsvolke 
überhaupt  eine  gelinge  Bedeutung  im  Kampfe  beigemessen  wurde, 
und  man  darum  die  Nötigung  nicht  empfand,  über  die  Bedürfnisse 
desselben  nachzudenken.  So  führte  der  Fufsknecht  genau  denselben, 
Schild  wie  der  Reiter,  obwohl  derselbe  in  seiner  Form  nur  auf  die 
Deckung  zu  Pferde  berechnet  war.    In  der  Stellung  zu  Fufs  deckte 


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176  I.    Die  Schutzwaflen. 

der  dreieckige  Schild  den  Mann  nur  sehr  unzureichend.  Erst  als  der 
Reiterschild  zum  „petit  ccu"  zusammenschrumpfte  und  damit  für  den 
Fufsstreiter  vollkommen  unbrauchbar  wurde,  wird  eine  Verschiedenheit 
in  der  Bewaffnung  insofern  wahrnehmbar,  als  der  letztere  den  alten, 
längeren  Dreieckschild,  welchen  der  Reiter  abgelegt  hatte,  fernerhin 
beibehielt.    (Fig.  185,  186.) 

Um  1300  hatte  die  Hamischerzeugung  wieder  einen  erheblichen 
Fortschritt  gemacht,  dadurch  verlor  der  Reiterschild  abermals  an  Be- 
deutung; er  wird  nun  zu  einer  kleinen,  dreieckigen  Tartsc  he  (petit 
^cu)  mit  geradlinigen  Rändern,  die  wenig  mehr  als  die  halbe  Brust  und 


Fig.  187. 

Fig.  187.  Reiterschild  aus  dem  Frauenklostcr  Seedorf  im 
Kanton  Uri,  wahrscheinlich  von  einem  Angehörigen  der  Familie  von 
Briens.    Erste  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts. 

<3ie  linke  Schulter  deckt.  Der  Name  Tartsche,  welcher  um  die 
genannte  Zeit  zum  erstenmale  auftritt,  leitet  sich  von  dem  arabischen 
darake  ab,  wovon  das  italienische  targa  stammt,  womit  ursprüng- 
lich der  kleine  Rundschild  bezeichnet  wurde.    (Fig.  187.) 

Vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts,  von  etwa  1274  bis  1348  an 
begegnen  wir  in  der  kriegerischen  Ausrüstung  französischer  und  bur- 


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♦ 


9.    Der  Schild. 


177 


gundischer  Heere  den  Achselschilden,  ailettes,  meist  quadratförmigen 
Platten,  welche,  schief  aufgestellt,  vom  Helme  bis  ans  Schulterende 
reichend,  den  Hals  und  die  Schulter  des  Streiters  deckten.  Um  ihr 
Auftreten  begreiflich  zu  finden,  mufs  man  in  Erwägung  ziehen,  dafs 
die  Kapuze,  Halsbrünne,  camail,  im  13.  Jahrhundert  noch  dicht  an 
den  Hals  schlofs,  und  jeder  Schwerthieb  auf  die  Halsarterien  unge- 
achtet des  Panzerzeuges  den  augenblicklichen  Tod  herbeiführen 
konnte.  Erst  als  die  Kapuze  des  Hauberts  derart  gestaltet  wurde, 
dafs  die  unteren  Teile  gerade  herabfielen,  schwächte  sich  jeder  Hieb 
an  dem  nachgiebigen  Panzerzeug.  Die  Achselschilde,  deren  Verwen- 
dung um  1348  endet,  waren  gleich  der  Tartsche  mit  dem  Wappen 
der  Eigner  bemalt;  sie  bildeten  im 
französischen  Adel  gleich  jenen  ein 
Abzeichen  des  ritterlichen  Standes. 
Ihre  Befestigung  am  Haubert  war 
nach  den  vorhandenen  gleichzeitigen 
Abbildungen  sehr  einfach.  An  den 
Innenseiten  "befanden  sich  Leder- 
schleifen, durch  welche  ein  Riemen 
lief,  welcher  um  den  Hals  geschnallt 
wurde.  Auf  dem  Marsche  wurde  der 
Halsriemen  gelockert,  so  dafs  die 
Achselschilde  an  beiden  Seiten  der 
Brust  nach  vorn  oder  rückwärts 
herabhingen.  (Fig.  188.)  Ein  Bei- 
spiel finden  wir  in  dem  Siegel  Louis'  I. 
von  Bourbon  von  c.  1300. 

Gegen  das  Ende  des  14.  und 


in  der  königl.  Bibliothek  zu  London. 

Erste  Hälfte  des 
Nach  Hewitt. 


Fig.  188. 

im  ,5.  Jahrhundert  erleidet  die  Form  jlÄ'-Ä 
der  Tartschen  Veränderungen,    die  „iatur  in  einer  Sammlung  von  Romanen 
nicht    mehr    eine  waffentechnische, 
sondern  lediglich  stilistische  Bedeu-  Mscr-   f4-  E-  3 
hing  haben.  Sie  wird  nun  unterhalb  I4"  Jahrhundcrts- 
halbrund  gebildet,  zuweilen,  wie  in  England  und  Nord  frank  reich,  vier- 
eckig, nahezu  quadratförmig. 

Im  16.  Jahrhundert  ist  der  Plattenharnisch  zur  Vollendung  ge- 
diehen, und  der  Reiterschild,  durch  fünf  Jahrhunderte  eine  der  wich- 
tigsten Schutzwaffen,  hatte  nicht  mehr  ein  Recht  auf  das  Dasein. 

Mit  der  Erstarkung  des  feudalen  Wesens  kam  das  Fufsvolk 
immer  mehr  in  Mifsachtung,  so  wurde  eben  auf  die  Bewaffnung  der 
Fufsknechte  wenig  oder  gar  kein  Wert  gelegt  und  man  findet  auch 
in  der  That  dort,  wo  uns  eine  Kunde  über  eine  Verwendung  von 
Fufsvolk  wird,  die  mannigfachsten  und  sonderbarsten  Schildformen, 
während  ersichtlich  auf  die  Ausbildung  der  Formen  der  Reiterschildc 
ein  sorgsames  Augenmerk  gelenkt  ist. 

Boeheim,  Waffenkunde. 


12 


ä 

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178 


I.  Die  Schutswaffen. 


Durch  die  herben  Erfahrungen  in  den  Schweizerkriegen  des 
14.  Jahrhunderts,  die  auch  auf  die  feudalen  Parteien  ausserhalb  des 
deutschen  Reiches  mächtigen  Eindruck  machten,  wurden  die  Ritter- 
schaften über  den  hohen  Wert  des  Fufsvolkes  belehrt  und  von  dieser 
Zeit  an  wird  allmählich  der  entsprechenden  Ausrüstung  des  Fufs- 
knechtes  mehr  Sorgfalt  zugewendet. 

So   wird  es  im    14.  Jahrhundert  deutlich  merkbar,    dafs  das 


Fig.  189. 


Fig.  180.    Setzschild  aus  dem  Heere  des  römischen  König«. 
Maximilians  I.,  von  Holz  mit  Temperamalerei  mit  heraldischen  Emblemen 
der  deutsche  Königsadler,  der  Bindenschild  und  Tirol.    Aus  den"  Zeug- 
bilchern  Maximilians  I.    Zeug  Tirol. 

Streben  dahin  ging,  die  defensive  Kraft  des  Fufsvolkes  möglichst  aus- 
zunützen und  dieses  dafür  auszurüsten.  Dieses  Streben  führte  wiecer 
auf  die  alte  Verteidigungsmanier  des  Fufsvolkes,  die  schon  die  Rön.er 


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9.    Der  Schild. 


179 


mit  großem  Erfolge  übten  und  die  selbst  im  frühen  Mittelalter  in 
Deutschland  noch  häufig  zur  Anwendung  gelangte.  Sie  bestand  in 
der  Bildung  von  festen  Wänden,  aus  dicht  aneinandergereihten 
Schilden,  hinter  welchen  die  Streiter  geschützt  ihre  Fernwaffen  ge- 
brauchen konnten.  Dazu  mufste  der  Schild  so  grofs  sein,  dafs  er, 
auf  den  Boden  gestellt,  einen  Mann  zu  decken  im  stände  war,  so 


Fig.  190. 


Fig.  190.  Setzschild  aus  dem  Heere  Maximilians  I.,  von  Holz 
mit  Temperamakrei  und  den  Emblemen  der  Granatpflanze,  auf  Granada 
anspielend,  mit  Guckloch.  Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  Zeug 
österr.  Land. 

fest,  dafs  ein  Bolzen  darin  stecken  blieb,  so  leicht,  dafs  er  ohne  Be- 
schwer getragen  werden  konnte.  Damit  entstand  der  Setzschild, 
die  grofse  Pavese.    Er  ist  von  Holz  und  mit  Haut  überzogen, 

12« 


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180 


L    Die  Schutzwaffen 


darüber  kam  ein  dünner  Kreidegrund,  auf  welchen  Embleme  in 
Tempera  gemalt  wurden,  zu  welchen  teils  religiöse,  teils  heraldische 
Motive  mit  Inschriften  gewählt  wurden.  Letztere  enthalten  meist 
religiöse  Anrufungen,  in  späterer  Zeit  auch  kabbalistische  Sprüche, 
Waffensegen  etc.,  die  man  auch  auf  Schwertklingen  findet*)  Die 
Form  dieser  Setzschilde  ist  im  allgemeinen  die  eines  Parallelogramms, 
oberhalb  mit  bogenförmigem  Abschlüsse  mit  leichter,  konvexer 
Wölbung.  Die  Mitte  entlang  zieht  eine  auch  innen  hohl  gebildete 
Ausbauchung,  die  am  Oberrande  in  einen  vorstehenden  stumpfen 
Schnabel  oder  einer  Vorkragung  endet.  (Fig.  189.)  Innerhalb  ist 
das  Tragband  aus  Leder  angenietet,  unterhalb  welchem  sich  die 
Handhabe  befindet.  In  einigen  deutschen  Heerteilen  bediente  man 
sich  am  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  statt  der  Setzschilde  der  aller- 
dings besser  schützenden,  aber  schwer  transportierbaren  Sturm  - 
wände,  wie  sich  eine  solche  noch  im  Museum  zu  Sigmaringen  er- 
halten hat.  Nicht  selten  haben  Setzschilde  oberhalb  Visierspalten 
oder  Gucklöcher,  viele  sind  unterhalb  mit  eisernen  Spitzen  versehen. 
(Fig.  190.) 

Wir  begegnen  häufig  der  Ansicht,  dafs  die  Pavese  böhmischen 
Ursprunges  sei;  diese  Annahme  ist  sehr  alt,  denn  schon  in  den  Zeug- 
büchern Maximilians  von  15 19  lesen  wir: 

* 

„Nicht  allein  auf  die  teutschen  art 
Ist  dises  paradeis  bewart, 
Sonnder  nach  beheimischem  syt 
Tregt  man  uns  gros  pavesen  mit." 

Zu  dieser  Annahme  wird  man  durch  den  Umstand  gekommen 
sein,  dafs  sich  die  böhmischen  Nationalheere  wie  die  meisten  anderen, 
allerdings  solcher  Schutzwaffen  bedienten,  aber  die  Entstehung  der  Pavesen 
dürfte  sich  doch  aus  früherer  Zeit  herschreiben.  Schon  bei  den 
Normanen  tritt  der  Schild  unter  der  Bezeichnung  pavois  auf,  und  es 
scheint  nicht  unglaubwürdig,  dafs  sich  dieser  Name  von  der  Stadt 
Pavia  hergeleitet  hat,  wo  nachweislich  schon  in  antiker  Zeit  eine  weit- 
berühmte Schildfabrik  bestand.    (Fig.  191.) 

War  der  Setzschild  die  bestimmte  Schutzwaffe  nur  für  die  Ver- 
teidigung, so  mufste  man  bestrebt  sein,  auch  dem  angreifenden  Fufs- 
knecht  einen  Schutz  zu  bieten;  damit  entstand  der  Handschild,  die 
kleine  Pavese.  Dieselbe  ist  meist  viereckig,  unten  zuweilen  auch 
schmäler  und  besitzt  gleichfalls  die  charakteristische  Ausbauchung,  die 

*)  Unter  den  gothischen  Randinschriften  auf  Setzschilden  und  Pavesen  lindet 
man  häufig  die  Anrufungen :  „Hilf,  Maria!4',  „Hilf,  heiliger  Ritter  St.  Jorg!",  „Hilf, 
du  ewiges  Wort  dem  Leibe  hier,  den  Seelen  dort!",  aber  auch  das  kabbalistische 
Wort  „agla",  das  sind  die  Anfangsbuchstaben  des  Spruches:  „Atha  Gibbor 
Leolam,  Adonai",  d.  h.  „du  bist  stark,  Herr  in  Ewigkeit";  oder  dafür  auch  die 
Zusammenfassung:  „Thctragramathon",  d.  h.  das  durch  vier  Zeichen  (Worte)  Aus- 
gedrückte.   Endlich  finden  sich  auch  häufig  die  Namen  der  heiligen  drei  Könige. 


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9.   Der  Schild. 


181 


Ecken  sind  zuweilen  abgestumpft,  die  älteren  nicht  selten  mit  Buckeln 
ausgestattet.    (Fig.  192,  193.) 

Schon  im  11.  Jahrhundert  war  das  Streben  des  Reiters  dahin 
gerichtet,  die  Zügelhand  vom  Schilde  unabhängiger  zu  machen.  Diese 
Absicht  führte  dahin,  die  Schilde  und  Tartschen  um  den  Hals  zu 
hängen,  so  daTs  sie  vollständig  die  Brust  bedeckten.  Derlei  Tartschen 
sind,  wiewohl  häufig  aus  Eisen  vorkommend,  doch  der  Mehrzahl  nach 
von  Holz,  mit  Haut  überzogen,  viereckig,  mit  abgerundeten  Ecken 
und  besitzen  in  der  Mitte  einen  vorspringenden  Grat  Damit  das 
Einlegen  des  Speeres  nicht  behindert  werde,  besafsen  sie  an  der 
rechten  Seite  einen  tiefen  Einschnitt,  in  welchem  der  Spiefsschaft 


Fig.  191.  Fig.  192. 


Fig.  191.  Armrustschützen  im  Kampfe,  durch  Setzschilde  ge- 
deckt Aus  einem  Manuscript  der  königl.  Bibliothek  in  London.  Mscr. 
E.  IV.    Nach  Hewitt. 

Fig.  192.  Handtartsche,  sogenannte  kleine  Pavese,  von  Holz 
mit  Temperamalerei.  Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  Zeug  österr. 
Land. 


Platz  finden  konnte  (Fig.  1 94.).  Im  Oriente  macht  sich  zu  gleicher  Zeit 
eine  Umänderung  der  Form  der  Reitertartschen  bemerkbar.  Auch 
hier  werden  sie  meist  von  Holz  gefertigt,  oft  bemalt,  öfter  aber  mit 
ornamentalen  Reliefs  in  Handpressung  auf  Leder  gefertigt  und  ver- 
goldet. In  der  Wahl  der  Form  und  in  der  Tragart  aber  gingen  die  Wege 
auseinander.  Eine  besondere  Art  in  Ungarn  im  15.  Jahrhundert 
üblicher  Tartsche  ist  trapezförmig,  mehr  konvex  gebaut,  so  dafs  sie, 


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182 


I.    Die  Schußwaffen. 


Über  die  Brust  reichend,  auch  die  linke  Seite  deckt.  Diese  Tartschen 
finden  sich  nicht  allein  in  den  ungarischen,  sondern  in  allen  Heeren, 
welche  mehr  oder  weniger  unter  dem  Einflüsse  des  Orientes  stehen, 
den  ungarischen,  polnischen,  moskowitischen  u.  a.  Sicher  trugen  auch  die 
Reiter  des  Königs  Mathias  Corvinus  derlei  Tartschen.  Die 
ungarische  Garde  Maximilians  I.  führte  solche,  wie  wir  aus  dem 
Theuerdank  ersehen.  Einige  Exemplare  derselben  haben  sich  noch 
in  den  kaiserlichen  Sammlungen  zu  Wien  erhalten.  (Fig.  195.)  Dort, 
wo  diese  in  Berührung  mit  den  deutschen  kamen,  merkt  man  deren 
Streben,  die  Vorteile  der  deutschen  mit  der  orientalischen  Form  zu 


Land. 

Fig.  194«  Brusttartsche  für  einen  Feldharnisch,  von  Holz,  mit 
Leder  Überzogen  und  mit  dem  Wappen  der  Stadt  Deggendorf  bemalt. 
15.  Jahrhundert,  1.  Hälfte.    Kais.  Museum  in  Zarskoe-Selo. 

vereinen;  da  erhalten  die  Tartschen  an  der  rechten  Seite  die  Ein- 
schnitte für  die  Spiefsstange,  aber  auch  die  Deutschen  führen  um 
die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  „ungarische"  Tartschen,  die  aber 
durchwegs  in  Deutschland  gefertigt  waren. 

Eine  andere  Form  orientalischer  Schilde  ist  die  Adarga 
(adargue,  eigentlich  därake),  welche  im  13.  und  14.  Jahrhundert  von 
den  Mauren  in  die  spanischen  Heere  und  von  da  nach  Frankreich, 


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9.   Der  Schild. 


183 


Italien  und  selbst  nach  England  gelangte,  wo  sie  noch  bis  ins  1 5.  Jahr- 
hundert in  Gebrauch  blieb.  Die  alte  maurische  Adarga  war  von 
starkem,  steifen  Leder,  oval,  herzförmig  oder  auch  in  der  Form 
zweier  sich  schneidender  Ovale  (bivalve).  Sie  wurde  an  einem  Riemen 
über  die  rechte  Achsel  getragen  und  in  der  Linken  an  einem  Faust  - 
griff  gehalten.  Die  vorzüglichsten  derlei  Schilde  wurden  in  Fez  ge- 
fertigt und  es  bedienten  sich  ihrer  bis  ans  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts 
noch  die  Lanzenreiter  zu  Oran,  zu  Mellila,  zu  Ceuta  und  selbst  an 
der  Küste  von  Granada.    Abbildungen  derselben  finden  sich  in  den 


F«g.  195.  Fig.  196. 


F"f-  «95-  Ungarische  Tartsche  von  Holz,  mit  Leder  Über- 
zogen und  bemalt.  Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  Zeug  österr. 
Land.    15.  Jahrhundert,  2.  Hälfte 

Fig.  196.  Innenseite  einer  maurischen  Adarga  von  Leder 
mit  gestickten  Arabesken  und  Inschriften.   15.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 

Fresken  der  Alhambra  und  in  einem  trefflichen  Stich  von  M.  Schoen. 
St.  Jacob  von  Campostella.  Noch  im  18.  Jahrhundert  erscheint  sie 
in  den  Waffenspielen  der  Spanier,  den  sogenannten  „alcancias". 
(Fig.  196.) 


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184 


I.    Die  Schutzwaffcn. 


Die  leichten  arabischen  Reiter,  die  Deli,  d.  i.  die  Wagehälse, 
führten  kleine  Rundschilde,  im  Türkischen  kalkan  genannt,  mit 
Überzug  aus  Fischhaut,  meist  vom  squalus  cetrina,  die  entweder 
rauh  belassen  oder  glatt  geschliffen  wird,  aus  Leder  nicht  selten  mit 
schönen,  geprefsten  Ornamenten;  endlich  finden  sich  solche  aus  dünnen 
Zweigen  aus  Feigenholz,  welche  kreisförmig,  konzentrisch  angeordnet 
und  mit  Silberdrähten  und  farbigen  Seidenfäden  derart  übersponnen 
sind,  dafs  sich  dadurch  geschmackvolle  Arabesken  bilden.  Derlei 
etwa  60  cm.  im  Durchmesser  haltenden  Rundschilde  haben  ungeachtet 
ihres  subtilen  Materiales  eine  ungemeine  Widerstandskraft  gegen  den 
Schwerthieb. 

Die  Sarazenen  bedienten  sich  kleiner,  handlicher  Rundschilde 
aus  Fisch-  oder  Nashornhaut,  die  in  der  Art  der  Faustschilde  ge- 
tragen wurden.    Ihr  Durchmesser  überragt  nie  40  cm.    Man  findet 


Fig.  197. 


Fig.  197.  Sarazenischer  f  austschild  eines  Fufsstreiters  aus 
Nashornhaut,  rot  gelabt,  mit  orientalischen  Verzierungen,  in  Goldfarbe 
gemalt.  Innen  mit  Faustgriff  und  Knöchelpolster.  Gefunden  im  Schutte 
der  durch  Erdbeben  1822  zu  Grunde  gegangenen  Citadelle  von  Aleppo. 
15.  Jahrhundert.    Vorderseite,  Rückseite  und  Durchschnitt. 

sie  noch  im  1 7.  Jahrhundert  und  später  in  Verwendung.    (Fig.  1 97.) 

Mit  dem  Aufkommen  der  Plattenharnische  im  westlichen  Europa 
Änderte  sich  die  Tragweise  der  Tartschen  insofern,  als  diese  nun  an 
die  Brust  geschraubt  wurden. 

Wir  erwähnen  nebenher  zweier  Schildformen  des  14.  und 
1 5.  Jahrhunderts,  welche  nicht  für  den  Feldgebrauch  bestimmt  waren, 
des  „alten*'  Fechtschildes,  der  in  den  Fechtschulen  üblich  gewesen 
war.  Derlei  Schilde  sind  von  Holz,  mit  Leder  überzogen  und  be- 
malt; in  der  Mitte  des  sehr  langen  und  schmalen  Schildes  läuft  ein 
hoher  Grat  entlang,  der  auch  innen  ausgehöhlt  ist  und  in  welchem 
eine  eiserne  Tragstange  entlang  läuft.  Ober-  und  unterhalb  stehen 
aus  dem  Schilde  lange  eiserne  Spitzen  mit  oder  ohne  Widerhaken 
hervor,  so   dafs  das  Ganze  eine  Länge  von  2,5  Metern  besitzt. 


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9.   Der  Schild. 


185 


Diese  Form  ist,  wie  die  gesamte  Fechtkunst  des  Mittelalters, 
italienisch.  (Fig.  198.)  Eine  andere  Schildform  ist  jene,  welche  bei 
den  Kampfspielen  der  jungen  Adligen  in  den  Städten  Italiens  an 
gewissen  Festtagen  gebräuchlich  war,  der  italienische  Armschild. 
Derselbe,  zugleich  Schild  und  Waffe  darstellend,  ist  von  Holz  und 
bemalt.    Er  ist  etwa  60  cm.  lang  und  so  schmal,  dafs  er  nur  den 


Fig.  198. 

Fig.  198.    Fechtschild  von  Holz,  mit  Haut  überzogen  und  be- 
malt.   Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.    15.  Jahrhundert. 

Unterarm  deckt,  an  welchem  er  getragen  wurde.  Unterhalb  ragt 
eine  kleine  eiserne  Spitze  hervor.  Eins  der  berühmtesten  Waffen- 
spiele war  das  Giuoco  del  Ponte  zu  Pisa.    (Fig.  199.) 

Wie  im  11.  und  12.  Jahrhundert,  so  stellt  sich  auch  am  Beginne 
des   16.  Jahrhunderts    in  der  Kriegsausrüstung   deutsche  Art  der 


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186 


I.    Die  Schuttwaffen. 


romanisch-italienischen  entgegen;  das  zeigt  sich  zunächst  in  der  An- 
sicht über  den  Wert  des  Schildes  selbst  Nach  der  Einführung  der 
Plattenharnische,  die,  wenigstens  anfänglich,  bezüglich  ihrer  Widerstands- 
kraft sehr  hoch  angesehen  wurden,  erschien  eine  Tartsche  überflüssig, 
zumal  Verstärkungsstücke,  am  Harnische  selbst  angebracht,  weit  bessere 
Dienste  leisteten.  So  verschwinden  die  Tartschen  allmählich  in  den 
Reitergeschwadern.  Nur  Fürsten  und  vornehme  Herren  in  Deutsch- 
land, in  denen  der  Geist  der  Renaissance  lebhaft  war,  fanden  es  zu 
einem  standesgemäfsen  Auftreten  unerläfslich,  sich  eines  italienischen 


Fig  199  a.  Fig.  199  b. 


Fig-  >99-  Italienischer  Armschild  zu  Kampfspielen,  von 
Holz,  mit  Pergament  überzogen  und  bemalt.  Bezeichnet  1542.  Vordcr- 
und  Rückseite. 

Rundschildes  zu  bedienen;  damit  im  Einklänge  steht  die  Wahrnehmung 
einer  allgemach  kunstreicheren  Gestaltung  desselben. 

Im  deutschen  Heere  aber  verschwand  der  Schild;  der  Reiter 
fand  ihn  überflüssig  und  das  Fufsvolk,  die  Landsknechte,  hatten  keine 
Hand  für  einen  solchen  frei,  das  Schlachtschwert  und  die  lange  Pinne 
wurde  mit  zwei  Händen  geführt  und  der  Schütze  konnte  sich  noch 
weniger  mit  einem  Schilde  belasten. 


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■ 


9.   Der  Schild.  187 

In  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  heifst  es  über  die  Pavesen 
bezeichnend : 

„Man  fyndt  hirin  auch  pavesen, 
Stark  schon  nach  vorteil  ausglesen. 
Vor  zeiten  gepraucht  man  die  mer, 
E  die  langen  spiefs  kamen  her." 

Anders  war  es  in  den  italienischen,  französischen  und  spanischen 
Heeren.  In  diesen  war  noch  die  Fechtweise  des  14.  Jahrhunderts 
mit  dem  Schwerte  üblich.  Die  Italiener  folgten  hier  den  Traditionen 
der  Condottieri,  die  französischen  Soldtruppen  hielten  die  Fechtweise 
der  grandes  compagnies  und  der  tard-venus  für  unwiderstehlich  und 
bei  den  Spaniern  hatte  sich  Schild  und  Degen  gegen  die  Mauren  als 
der  nationalen  Art  entsprechend  bewährt.  So  finden  wir  in  den  ge- 
nannten Heeren  den  Rundschild  ununterbrochen  in  Gebrauch.  Aber 


Fig.  200. 


Fig.  200.    Armschild  mit  Stofsklinge.  Aus  den  Zeugbüchern 
Maximilians  I.    Zeug  österr.  Land.    15.  Jahrhundert,  Mitte. 

auch  dieser  erfuhr  wenigstens  teilweise  vom  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts 
an  eine  Umwandlung  in  der  Form.  Wir  finden  nämlich  gegen  das 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  bei  den  Spaniern  wie  bei  den  Italienern 
eine  Art  Schild,  die  sich  von  allen  bisher  gekannten  Formen  wesent- 
lich unterscheidet.  Bei  den  meisten  ist  nämlich  das  linke  Armzeug 
mit  dem  Schilde  derart  in  Verbindung,  dafs  beide  Teile  gewisser- 
mafsen  ein  Ganzes  bilden.  Die  so  gestalteten  Schilde  wurden  all- 
mählich mit  vielen  und  zuweilen  komplizierten  Vorrichtungen  ausge- 
stattet, wodurch  sie  ihren  bisherigen  Charakter  nicht  unwesentlich  ver- 
änderten. (Fig.  200.)  Zunächst  versah  man  sie  mit  Spitzen  und 
Klingen,  manchmal  auch  mit  sägeförmig  tief  eingekerbten  Klingen, 
sogenannten  „Degenbrechern",   dann  mit   einer  oder  mehreren 


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188 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Reihen  von  eisernen  Ringen,  welche,  auf  dem  Blatte  frei  stehend,  mit 
diesem  nur  durch  eingenietete  Bolzen  in  Verbindung  standen,  söge- 

h 


Fig.  2oia. 

Fig.  20ia.  Italienischer  Armschild,  sogenannter  Laternen  - 
schild,  mit  Degenbrecher,  Stofsklinge  und  Klingenfangerring.  1 6.  Jahr- 
hundert, I.  Hälfte.  Vorderseite. 


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9.    Der  Schild. 


189 


nannte  Klingen  fänger,  bestimmt,  die  von  dem  Träger  aufgefangene 
Klinge  des  Gegners  in  den  Zwischenräumen  durch  eine  rasche  Be- 


Fig.  20 ib. 


Fig.  201  b.  Italienischer  Armschild  ,  sogenannter  Laternen- 
schi ld.    Rückseite  mit  dem  Handschuh  und  originaler  Laterne. 


ä 

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190 


l.   Die  Schutzwaflen. 


wegung  einzuklemmen  und  festzuhalten.  Endlich  finden  sich  unter 
diesen  Schilden  auch  solche,  welche  aus  zwei  auf  geringe  Entfernung 
übereinander  lagernden  Blättern  bestehen.  Das  obere  ist  mit  vielen 
Spalten  und  Löchern  versehen,  deren  Ränder  derart  schräg  laufen, 
dafs  bei  jedem  Stiche  die  Klinge  des  Gegners  in  eine  solche  Öffnung 
gleiten  mufs.  Mit  einer  drehenden  Bewegung  des  Schildes  konnte 
nun  die  Klingenspitze  eingeklemmt  werden.  Nächtliche  Cberfälle 
waren  bei  den  Spaniern  und  Italienern  sehr  beliebt,  in  solchen  bestand 
ein  wesentlicher  Teil  ihrer  Taktik.  Nicht  selten  veranstalten  sie 
nächtliche  Überfälle,  wobei  die  Hemden  über  die  Harnische  ange- 
zogen, um  sich  gegenseitig  leichter  zu  erkennen  und  den  Gegner 
durch  den  ungewohnten  Anblick  in  Schrecken  zu  versetzen.  Derlei 
Unternehmungen  hiefsen  die  Spanier  Camisaden,  von  dem  spa- 
nischen „camisa",  Hemd.  Man  wendete  sie  auch  gegen  die  Türken  an. 
Aus  diesem  Grunde  sind  viele  ihrer  Schilde  am  oberen  Rande  mit 
kreisrunden  Ausschnitten  für  einzufügende  Blendlaternen  versehen, 
solche  werden  Laternenschilde  genannt.    (Fig.  201a  und  b.) 

Bei  den  Spaniern  führten  nur  die  ersten  Reihen  der  Angreifen- 
den derlei  Schilde,  die  übrigen  trugen  entweder  nur  Faustschilde  oder, 
wenn  mit  Stangenwaffen  ausgerüstet,  gar  keine  Schilde. 

Von  den  Spaniern  kam  der  Gebrauch  der  Schilde  im  Laufe  des 
16.  Jahrhunderts  zu  den  Niederländern.  Diese  führten  beim  Angriffe 
in  ihren  vorderen  Reihen  Rundschilde  von  einfacher  Form.  Bei  der 
Zunahme  der  Wirkung  der  Feuerwaffen  wurden  selbe  immer  stärker 
und  schwerer,  um  Deckung  zu  bieten,  ja  es  wurde  kein  Schild 
•  vom  Plattner  angenommen,  der  nicht  durch  sein  Kugelmal  anzeigte, 
dafs  ein  Probeschufs,  aus  einem  Halbhaken  auf  100  Schritte  abge- 
schossen, keine  seine  volle  Brauchbarkeit  beeinträchtigende  Wirkung 
ausgeübt  hatte.  Ihr  Gewicht  ist  bei  einzelnen  Exemplaren  9  bis  10  kg. 

Eine  besondere  Form  eines  Schildes,  die  sich  in  der  Tragart  wie 
im  Gebrauche  wesentlich  von  allen  anderen  Schildformen  unterscheidet, 
erblicken  wir  in  dem  sogenannten  Faustschild  (boce,  bocete,  ron- 
delle  de  poing,  ital.  brochiero).  Wir  haben  bereits  erwähnt,  dafs 
derselbe  schon  im  8.  Jahrhundert  bei  den  Byzantinern  auftritt,  was 
wieder  auf  seinen  orientalischen  Ursprung  schliefsen  läfst.  Der  Faust- 
schild, hauptsächlich  auf  den  Einzelkampf  berechnet,  soll  eigent- 
lich nicht  allein  vor  der  feindlichen  Waffe  eine  passive  Deckung 
bieten,  sondern  auch  bei  geschickter  Handhabung  den  Schwerthieb 
ablenken  oder  parieren.  Mit  Faustschildcn  bewaffnete  Krieger  finden 
wir  schon  um  1 200,  wie  auf  einem  Rufhom  (Olifant),  bei  Eye  I.  In 
französischen  Handschriften  sehen  wir  sie  häufig  abgebildet,  wie  im 
breviaire  d'amour  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  in  der  National- 
bibliothek zu  Paris  und  im  Tristan  um  1260  ebendaselbst.  Der 
Faustschild,  anfänglich  nur  in  Italien  und  der  Provence  üblich,  fand 
im  14.  Jahrhundert  auch  in  Deutschland  Eingang,  wo  er  aber  aus- 


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9.  Der  Schild. 


191 


schliefslich  nur  bei  Zweikämpfen,  dem  alten  Fufskampf,  auftritt  In 
Italien  und  Frankreich  wird  er  an  einem  Haken  am  Gürtel,  häufiger 
noch  am  Schwertgriffe  geführt,  wo  er  mit  dem  Handbügel  über  den 
Griff  gehängt  wird.    In  letzterer  Art  getragen  sehen  wir  ihn  in  der 
Chronik  des  Froissart  in  der  National- 
bibliothek um  1440  und  in  einem  Kreu- 
zigungsbilde  des  Gerard  David  in  der 
Berliner  Galerie  (573).    (Fig.  202.)  Im 
1 6.  Jahrhundert,  als  die  italienischen  Fecht- 
schulen   allenthalben   mächtigen  Einflufs 
gewannen,  kam  der  Faustschild  so  sehr 
in  Mcde,  dafs  junge  Männer  jener  Zeit 
denselben  an  ihren  Degengehängen  stets 
mit  sich  zu  führen  pflegten.    So  sehen 
wir  einen  jungen  Engländer  in  solcher 
Ausrüstung  in  dem  Werke  des  Caspar 
Rutz  von   1557.*)    (Fig.  203.)  Gegen 
das  Ende  des  1 6.  Jahrhunderts  verwarfen 
die    venetianischen     Fechtschulen  den 
Faustschild  gänzlich  und  bewehrten  die 
linke  Hand  mit  dem  Fechtdolch  (soge- 
nannte „Linkehand"),  der  um  den  Be- 
ginn des  18.  Jahrhunderts  und  in  dem 
Augenblicke  ebenfalls  verschwand,  als  das 
Tempofechten  in  Aufnahme  kam,  in  wel- 
chem die  Degen-  oder  Parierklinge  eben- 
sowohl den  Ausfall  als  die  Parade  durch- 
zuführen hat.    (Fig.  204.) 

Im  englischen  Heere  wurden  noch 
am  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  Rund- 
schilde geführt,  welche  in  ihrem  Mit- 
telpunkte eine  Schiefsvorrichtung  be- 
safsen.  In  diesem  Falle  war  das  Schlofs 
im  Inneren  des  Schildes  angebracht  und  Fig.  202.  Kriegsmann  in 
ein  kleiner,  kurzer  Lauf  ragte  aus  dem  halbem  italienischen  Harnisch  mit 
Schildnabel  hervor.  Derlei  Exemplare  geschobenem  Schurre  und  Schal- 
werden  noch  im  Tower   in  London  be-  fem  von  späterer  Form.  Derselbe 

ist   mit    einem  Krummscnwerte 
wa"rt.  (Malchus)  bewaffnet,  an  welches 

Vom  Beginne  des  1 8.  Jahrhunderts  der  Faustschild  gehängt  ist.  Figur 
kommt  der  Rundschild  im  Fufsvolke  all-  aus  einem  Temperabildc ,  dar- 
gemach aufser  Gebrauch,  nur  in  kleinen  stcllcnd  d}e  Kreuzigung,  vom 
g"u«.u  ohb«  vjcLUrtm.il,  uiii        knauew  Anf         dcs    l6  Jahrhunderts 

italienischen  Heeren  wird   er  noch   bis  Kunstsammlung   im  Chof 
etwa  1730  geführt,  in  allen  übrigen  ist  stifte  Klosterneuburg  (27). 


Fig.  202. 


*)  Rutz,  Caspar.    Omne  pene  gentium  imagines.  1557. 


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192 


I.   Die  Schutzwaffen. 


vollständig  verschwunden.  In  den  Memoiren  Montecucolis  (17 12) 
werden  zwar  in  einem  Infanterie-Regimen te  noch  „30  Rundtartschiere" 
angeführt,  aber  diese  Angabe  bezieht  sich  auf  eine  frühere  Zeit  und 
auf  eine  Ausrüstung  gegen  die  Türken,  gegen  welche  Tauschen  noch 
als  zweckentsprechend  angesehen  wurden. 

Mit  welchem  erstaunlichen  Erfolge  sich  die  italienische  Kunst  des 
15.  und  1 6.  Jahrhunderts,  die  deutsche  des  16.  sich  des  Schildes  als 


Fig.  203.  Englischer  Kavalier  mit  Degen  und  Faustschild 
aus  dem  Weke  von  Caspar  Rutz  von  1557.    Nach  Hewitt  p.  659. 

Fig.  204.  Fechter  mit  Degen  und  Faustschild  aus  dem 
Werke  von  Giac.  de  Grassi.  „Ragione  di  adoprar  Parme"  von  1570 
nach  V.  Gay,  Glossaire  archeologique. 

Gegenstand  der  Ausschmückung  bemächtigt  hat,  werden  wir  in  einem 
späteren  Abschnitte  ersehen. 

Die  Reiterei  hatte  sich  der  Schilde  gleichfalls  entledigt;  nur  bei 
den  moskowitischen  Scharen,  den  ungarischen  und  polnischen  Reitern 
und  jenen  der  Kroaten  werden  kleine  Rundtartschen  selbst  noch  bis 
ins  18.  Jahrhundert  hinein  getragen.  Heute  finden  wir  sie  nur  noch 
bei  den  afrikanischen  Völkern,  bei  den  nomadisierenden  Arabern,  bei 
den  Indern  und  den  der  modernen  Kultur  noch  nicht  zugeführten 
Nationen. 


Fig.  203. 


Fig.  204. 


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io.  Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


Die  Abbildungen  und  Funde  belehren  uns,  dafs  die  älteste  Art 
der  Zäumung  jene  mit  der  Trense  gewesen  ist.  Dieselbe  hatte 
ziemlich  die  Form  unseres  heutigen  Wischzaumes,  nur  erscheint  das 
gebrochene  Gebifs  viel  schärfer  und  nicht  selten  spiralförmig  gedreht. 
So  waren  die  Pferde  der  Steppe  gezäumt,  welche  die  barbarischen 
Krieger  aus  dem  fernen  Osten  im  5.  und  6.  Jahrhundert  nach  Europa 
trugen.  Das  Kopfgestell  mit  den  Zügelriemen  war  dabei  das  denkbar 
einfachste  und  bestand  aus  ungegerbtem  Leder.  In  den  Miniaturen 
des  psalterium  aureum  des  Klosters  St.  Gallen  aus  Karolinger-Zeit 
erscheinen  die  dargestellten  Pferde  nur  mit  der  Trense  gezäumt. 
(Fig.  205.)  Aber  schon  um  1050  erschien  diese  Zäumung  für  die 
weit  ungebärdigeren  Pferde  der  anglo-normanischen  und  der  nord- 


Fig.  205.  Fig.  206. 


Fig.  205.    Zäumung   eines   Pferdes  mit    der   Trense.  Aus 
dem  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen.    9.  Jahrhundert. 

Fig.  206.     Zäumung    eines  Pferdes   aus   dem  Teppich  von 
Bayeux.    Ii.  Jahrhundert,  Ende. 

germanischen  Rassen  nicht  genügend  und  die  Verwendung  einer  Art 
Stange  (Kandare,  branche)  erforderlich,  welche  hebelartig  auf  die  Kinn- 
lage wirkte,  jedoch,  wie  es  scheint,  ohne  Beigabe  einer  Kinnkette. 
(Fig.  206.) 

In  Siegeln  von  ungefähr  1300  erscheinen  die  Stangenbäumc  unter- 
halb mittelst  einer  Spange  verbunden  und  auch  bereits  mit  Zügel- 
ringen ausgestattet.  Bis  ins  12.  Jahrhundert  waren  die  Schilde  noch 
verhältnismäfsig  leicht,  so  dafs  der  Reiter  den  Schild  halten  und  die 
Zügel  regieren  konnte.  So  finden  wir  noch  bei  den  Normanen  in 
dem  Teppich  zu  Bayeux  Schild  und  Zügel  frei  in  der  Hand  gehalten. 
(Fig.  207 )  Später  wurde  der  Schild  an  den  Hals  mittelst  eines 
Riemens  gehängt,  wodurch  die  Zügclhand  entlastet  wurde.  Im  12.  und 
13.  Jahrhundert  waren  die  Zügelriemen  mittelst  eines  Ringes  ver- 

Boeheim,  Waffrnkunde.  13 


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19-1 


I.   Die  Schutzwaffen. 


bunden,  welchen  der  Reiter  in  der  Linken  gefafst  hielt;  seltener  sieht 
man  die  Riemen  in  der  Gegend  des  Sattelknopfes  in  einen  Knoten 
geschlungen.  Um  1250  bediente  man  sich  bereits  der  Zügelketten, 
die  auch  bei  den  Orientalen  bis  ins  16.  Jahrhundert  vorkamen. 
Vom  13.  Jahrhundert  an  beginnen  allgemach  die  Italiener  Einflufs 
auf  die  Kriegsbewaffnung,  die  Tracht  und  auch  auf  die  Dressur  und 
Ausrüstung  des  Pferdes  zu  nehmen.  Das  Reiten  wird  durch  sie 
zu  einer  Kunst  im  allgemeinen  Sinne  und  von  dieser  Zeit  an  datieren 
die  bedeutendsten  Veränderungen  in  der  Zäumung  ebensowohl  wie  in 


Fig.  207.  Fig.  208. 


Fig.  207.  Beispiel  der  Handhabung  des  Reiterschildcs 
und  der  Zügel  aus  dem  Teppich  von  Bayeux.   II.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  208.  Reitstange  aus  geschwärztem  F.iscn  mit  oi  »gehauenen 
Verzierungen,  mit  Kugelkette  und  Zungcnspielungcn.  15.  Jahrhundert, 
Ende. 

der  Sattelung.  Schon  um  1380  bildet  sich  die  Stange  in  ihrer  heu- 
tigen Form  mit  Ober-  und  Unterbaumen  aus,  aber  mit  gebrochenem 
Gebifs,  und  als  wichtigste  Beigabe,  wenn  auch  nicht  als  humanste, 
erscheint  die  Kinnkettc.  Rcitstangen  aus  der  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts besitzen  bereits  komplizierte  Formen.  Die  Gebisse  sind 
mehr  oder  weniger  gebrochen  und  mit  kleinen  eisernen,  beweglichen 


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lo.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdcharnisch. 


195 


Anhängseln,  den  sogenannten  Zungenspielungen.  ausgestattet. 
(Fig.  208.) 

Alle  diese  Bestrebungen  nach  schärferer  Wirkung  der  Zügel  er- 
klären sich  aus  dem  Umstände,  dafs  sich  vom  11.  bis  ans  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  der  Adelige  wie  der  reisige  Mann  in  Deutschland, 
England  und  Frankreich  nur  der  Hengste  bediente,  und  sich  durch 
das  Besteigen  eines  weiblichen  Pferdes  für  entehrt  erachtet  hätte. 
Die  Vorsicht  führte  im  13.  Jahrhundert  dahin,  die  Trensenzäumung 
mit  jener  der  Stange  zu  verbinden  und  für  jede  einen  eigenen  Zügel 
zu  führen;  dann  war  der  leichtere  Trensenzügel  von  Leder,  der 
Stangenzügel  aber  war  fast  ausnahmslos  aus  einer  starken  Kette  ge- 
bildet. Um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  brachten  die  Italiener 
das  verschnittene  Pferd  nach  Deutschland  und  Frankreich,  das  als 
„geringes",  d.  i.  leichtes,  schon  um  1360  im  Kriege  diente.  Die 
Vorliebe  der  Adligen  für  Hengste  währte  jedoch  noch  bis  ans  Ende 
des  17.  Jahrhunderts.  Die  künstlerische  Auszierurg  der  Zäume  reicht 
ins  9.  Jahrhundert  und  noch  weiter  in  die  Zeit  hinauf;  die  ersten 
Vorbilder  hierzu  kamen  aus  Byzanz,  das  in  jener  Zeit  und  noch  lange 
nachher  für  die  dekorativen  Künste  als  eine  Musterstätte  galt.  Nach 
dem  Aussterben  der  Karolinger  nahm  das  Kunstbedürfnis  stetig  ab, 
um  im  13.  Jahrhundert,  durch  die  Kreuzzüge  angeregt,  wieder  zu 
schöner  Blüte  zu  erwachsen.  Von  da  an  finden  wir  das  Streben  nach 
Schönheit  im  Gebiete  der  kriegerischen  Ausrüstung  stetig  zunehmen: 
ihren  Höhepunkt  hatte  sie  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts.  Bei 
den  Türken,  den  Ungarn  und  Polen  hatte  sich  die  Freude  an  ver- 
zierten Zäumen  bis  ins  18.  Jahrhundert  rege  erhalten,  aber  sie  äufserte 
sich  mehr  in  einem  Streben  nach  äufserem  Wert  durch  Besetzen  mit 
kostbaren  Steinen  und  dergleichen.  Eine  speziell  den  Türken  und 
Ungarn  eigentümliche  Beigabe  zum  Zaume  bilden  die  Stirnketten 
und  der  Dscheleng.  Dieser  hing  als  Anhängsel  um  den  Hals  des 
Pferdes.  An  dem  Riemen  hängt  ein  Halbmond  oder  ein  kugelförmiger 
Metallkörper  mit  daran  hängendem  Haarschweife,  wozu  häufig  die 
Wolle  des  Yak  (bos  grunniens),  aber  auch  Frauenhaar  benutzt  wurde.  *'\ 
(Fig.  209.) 

Die  Wildheit  der  Streithengste  veranlagte  die  Verwendung  von 
Maulkörben.  Diese  Beigabe  zum  Zaumzeug  erblicken  wir  zuerst  im 
15.  Jahrhundert;  die  Verwendung  ist  aber  zweifelsohne  weit  älter. 
Derlei  Maulkörbe  gaben  den  Sporern  reiche  Gelegenheit,  ihre  Kunst- 
fertigkeit zu  bethätigen;  wir  finden  darum  auch  besonders  aus  dem 


•)  Die*e  Anhängsel,  im  Türkischen  Dscheleng,  waren  ursprünglich  eine  Aus- 
zeichnung für  die  bewiesene  Tapferkeit  des  Reiters  nach  dem  altosroanischcn 
Kanün-i-tcschrtfdt,  Kanon  der  Ehrenzeichen,  dessen  berühmteste  Aufzeichnung 
aus  der  Zeit  Suleimdns  des  Grofsen  (Anfang  des  16.  Jahrhunderts)  datiert  Bei 
den  Polen  erscheint  der  Dscheleng  auch  unter  der  Bezeichnung  Bünczuk  (Fahne), 
ein  Name,  der  für  diese  Anhängsel  auch  in  andere  östliche  Heere  übergegangen  ist. 

■3* 


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Ml 

vliP 

4 1 


■  7  ' 

Fig.  209. 

Fig.  209.  Dschclcng  oder  Halsgchänge  eines  Pferdes,  zur  so- 
genannten ,, ungarischen  Rüstung"  des  Erzherzogs  Ferd  i na  nd  von  Tirol 
gehörig,  aus  vergoldetem  Silber,  mit  starken  Fherzähnen  geziert.  Der 
Husch  besteht  aus  Yakwolle.     t6.  Jahrhundert,  2..  Hälfte. 


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io.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


107 


in.  Jahrhundert  die  kunstvollst  gebildeten  Exemplare  in  durch- 
brochenem Eisen  und  mit  Auflagen  von  Messing.  (Fig.  210.)  H.'iufig 
tritt  bei  Maulkörben  und  auch  bei  Rofsstirnen  das  Emblem  der  Ei- 
dechse auf,  als  ein  Symbol  unschuldiger  Gewandtheit.  Wir  bringen 
hier  ein  Beispiel  dieses'  Ausrüstungsstückes. 

Untrennbar  von  der  Zäumung  ist  die  Sattelung  des  Pferdes.  Die 
ersten  Einwanderer  im  5.  Jahrhundert 
kannten  den  Sattel  vielleicht,  aber  sie 
benutzten  ihn  nicht.  Sie  ritten  auf 
roh  gewebten  Decken  mit  erstaunlicher 
Sicherheit,  ohne  ein  Bedürfnis  nach  einer 
bequemeren  Ausrüstung  zu  empfinden. 

So  sitzt  auch  der  sarmatische  Reiter 
auf  dem  Gefäfs  aus  dem  Funde  von 
Grofs-Sz.  Miklos  auf  einem  ungesattelten 
Pferde  und  wir  bemerken  keine  Steig- 
bügel. •  (Fig.  133.) 

Im  8.  Jahrhundert  ist  die  Ver- 
wendung kleiner  und  auch  reichver- 
zierter Sattel  bereits  allgemein  und  auch 
der  Steigbügel  ist  schon  ein  Bedürfnis 
geworden;  doch  sind  die  Sattel  noch 
klein  und  bestehen  aus  einem  Holz- 
gestelle mit  sehr  niederen  Vorder-  und 
Hinterbögen,  erstere  ohne  Knopf.  Uber 


Fig.  210 


Fig.  210.  Pferdemaulkorl> 

aus   verzinntem   Eisen,   teils  durch- 
den  Sattel  wurde  eine  kleine  Decke  brochcilt  tcUs  mk  Drahtgittcrn  aus. 

gelegt.  Die  Befestigung  erfolgte  durch  gestattet.  Auf  einem  Bande  zeigt  sich 

eine  Bauchgurte,  zuweilen  auch  durch  die  Inschrift .  „Was  got  beschert,  ist 

ein   Brust-  und  Hinterzeug.    So   er-  vnerwert".    2.  Hälfte  des  16  Jahr- 

,    .  ..    —„..  ,  .  j  hunderts.    Sammlung  Franz  ihm  nt 

Schemen  die  Süttel  im  Codex  aureum  Wien  6 

von  St.  Gallen.*) 

Am  Ende  des  11.  Jahrhunderts  hat  sich  eine  typische  Form 
der  Sättel  bereits  herausgebildet;  wir  sehen  diese  im  Teppich  von 
Bayeux  in  gleicher  Form  bei  den  Sachsen  wie  bei  den  Normanen. 
Es  ist  ein  festes  Gestelle  mit  tief  stehendem  Sattelknopfe  und  höherem, 
in  eine  Schnecke  sich  ausbiegenden  Hinterbogen.  (Fig.  211.)  Die 
Steigbügel  sind  von  mäßiger  Gröfse  und  halbrund  gebildet. 

Der  Sattel  mit  seinen  Teilen  besteht  aus  dem  vorderen  und 
hinteren  Sattelbogen,  dem  Sitze,  den  Seitenblättern,  der 
Decke,  den  Steigriemen,  den  Steigbügeln  oder  Stegreifen, 
dem  Brustriemen,  endlich  dem  Schwanzriemen. 

Um  11 27  erscheinen  die  Sättel  mit  tiefem  Sitze.  Der  vordere 
Sattelbogen  ist  na<h  vorn  gedrückt  und  bildet  dort  eine  Schnecke, 


»)  Rahn,  J.  Kud.,  „Pas  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen".  St  Gallen  187S. 


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198  I.    Die  Schutzwaffeu. 

der  hintere  ist  gewöhnlich  höher  gestellt  und  stark  nach  rückwärts 
gebogen,  die  Decke  verbreitert  sich  nach  den  unteren  Enden  zu.  Die 
Befestigung  erfolgt  mittelst  zweier  voneinander  entfernt  stehenden 
Gurten  und  schon  um  diese  Zeit  tritt  der  mit  Schellen  besetzte  Brust- 
riemen auf.  Der  Steigbügel  ist  flaschenartig  geformt.  (Fig.  212.) 
1 1 63  ersehen  wir  zum  erstenmal  die  Steigbügel  an  Ketten  hängend. 
In  dieser  Form  bleibt  der  Sattel  bis  ungefähr  1160,  doch  noch  1181 
sehen  wir  in  einem  Siegel  einen  Reiter  ohne  Sattel  nur  auf  langer 
fliegender  Decke  sitzend. 

Von  ungefähr  1 1 70  an  ändert  sich  der  Rückteil  des  Sattels 
wesentlich,  ersichtlich  in  dem  Bestreben,  dem  Reiter  einen  sichereren 
Sitz  zu  bieten.    Während  der  vordere  Sattelbogen  sich  nach  dem 


Fig.  211. 


Fig.  211.    Gesattelter  Hcugst  aus  der  Tapete  zu  Bayeux. 
1 1 .  Jahrhundert,  Ende. 

Rist  zu  aufrollt,  wird  der  hmtere  hoch  und  breit  und  erhält  zu  den 
Seiten  Ausbauchungen  (Krippen).  Es  ist  das  die  älteste  Form  des 
Krippensattcls,  der  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  16.  Jahr- 
hunderts im  Gebrauch  steht.    (Fig.  213  und  214.) 

Schon  in  einem  Siegel  des  Baudouin  Grafen  von  Guines  von 
12  35  (Fig.  215)  sehen  wir  die  flache  Rückseite  des  hinteren  Sattel- 
bogens mit  dem  Blason  des  Eigners  bemalt,  eine  Sitte,  die  sich  bis 
ins  14.  Jahrhundert  hinein  erhielt.  (Fig.  216.)  Im  Laufe  des 
1 3.  Jahrhundert*  wird  der  vordere  Sattelbogen  allmählich  niedriger  und 
schrumpft  zu  einem  Knopfe  zusammen.    (Fig.  217.)    Die  Befestigung 


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IO.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


100 


ist  derart,  dafs  sich  die  nachbarlichen  Gurten  unter  der  Brust  des 
Pferdes  kreuzen.  Die  Steigbügel  erhalten  eine  vollkommen  dreieckige 
Form. 

Bis  1360  tritt  die  seitliche  Ausbauchung  der  Krippe  immer 
charakteristischer  hervor  und  wird  anfäng- 
lich zu  einem  vorstehenden  Lappen,  später 
zu  einer  Schiene,  die  soweit  nach  vorn 
reicht,  dafs  man  nicht  begreifen  kann, 
wie  der  Reiter  mit  den  Schenkeln  sich 
zwischen  Krippe  und  dem  vorderen  Sattel- 
bogen durchzwängen  konnte.    (Fig.  2  1 8.) 

Von  1350  etwa  an  wird  der  vordere 
Sattelbogen  allmählich  wieder  höher  (Fig. 
219),  und  es  wird  damit  das  Bestreben 
merkbar,  durch  denselben  auch  den  Bauch 
und  die  Schenkel  des  Reiters  besser  zu 
schützen;  es  ist  dies  die  Form  des  aus- 
gebildeten Krippensattels  (Fig.  220), 
welcher  um  1520  verschwindet.  An  Luxus- 
sätteln des  14.  Jahrhunderts  sind  diese 
sonst  so  ausgesprochenen  Formen  nur 
angedeutet.  (Fig.  221.)  Nun  erscheint  der  schwere  Kürifs- 
sattel  mit  breitem  Sitzblatte,  hohen  Vorder-  und  Hinterbogen  und 


Fig.  212. 

Fig.  21 2.  Aragon  es  i  scher 
Steigbügel  des  13.  Jahrhun- 


derts. Mauresker  Einflufs. 
meria  Real  tu  Madrid. 


Ar- 


Fig.  213.  Aus  dem  Rcitcrsicgcl  des  Philipp  d 'Alsace ,  Grafen 
von  Flandern.  11 70.  Nach  Domay,  Le  costume  au  moyen-Age  d'apres 
les  sceaux. 

Fig.  214.  Aus  dem  Reitersiegel  des  Pierre  de  Courtenay 
von  1184.    Nach  Demay. 

rechteckig  geformten  Seitenblättern.  Eine  Eigentümlichkeit  dieser 
Sättel  sind  die  nächst  dem  hinteren  Bogen  angebrachten  Schenkel- 
wülste, welche  dazu  dienten,  die  Schenkel  des  Reiters  festzuhalten. 
Der  Übergang  vom  Krippen-  in  den  schweren  Kürifssattel  charakte- 


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200 


I.    Die  Schutzwaffen 


risiert  sich  in  der  in  Fig.  222  gegebenen  Form  von  1523.  Die 
Sattelbogen  werden  an  den  äufseren  Seiten  mit  Eisenblech  belegt, 
deren  Flächen  häufig  mit  ornamentalen  Dessins  verziert  werden.  Die 
Befestigung  wird  durch  zwei  von  einander  entfernte  Gurten  bewirkt. 
Mit  dem  Auftreten  dieser  Sattelformen  fällt  auch  die  Veränderung 


Fig.  215.  Fig.  216. 


Fig.  215.    Aus  dein  Rcitersiegcl  des  Haudoin,  Grafen  von 
Guines,  von  1235.    Nach  Douay. 

.  Fig.  216.  Aus  dein  Reitersiegcl  des  Louis,  Grafen  von  Nevers, 
von  131 5.    Nach  Demay. 

des  Mannsharnisches  und  die  Einführung  der  übertrieben  breiten 
Eisenschuhe,  der  „Bärenfüfse",  zusammen;  dadurch  erhalten  die  Steig- 
bügel ebenfalls  eine  übermäfsige  Breite.    1  Fig.  22.3)    Um  15 10  er- 


Kig.  217. 


Fig.  217.    Aragonesischcr  Sattel  des  König«?  Jakob  I.  von 
Aragonien  (1206— 1276).    Arnieria  Real  zu  Madrid. 

scheinen  die  geschlossenen  Steigbügel,  sie  kamen  aus  Italien  und 
hatten  anfänglich  den  Zweck ,  beim  welschen  Gestech  über  das  Dill 
den  Vorfufs  vor  der  Planke  zu  sichern.  In  diesem  Falle  hatten  sie 
auch  die  Form  von  Schuhen,   Bügelschuhe,  ital.  staffe  a  gabbia 


io.    Das  Pferdezeug  und  der  l'ferdeharnisch. 


201 


(Fig.  224);  später  wurde  der  Vorfufs  nur  durch  ein  Gitter  aus  Eisen- 
spangen geschützt,  um  im  Falle  eines  Sturzes  nicht  mit  dem  Fufse 
im  Bügel  hängen  zu  bleiben.   Hans  Kreutzbcrger  nennt  sie  in  seinem 


Fig.  218. 


Fig.  21S.  l'ferd  mit  Krippensattel  'und  Hinterzeug  mit 
HEngeriemen  nach  einem  Fresko  in  der  Kirche  zu  Velemer  in  Ungarn 
von  1378,  darstellend  die  Anbetung  der  Könige.  Mitteilungen  der  k.  k. 
C.-Kommission  für  Kunst  und  historische  Denkmale  in  Wien,  Jahrg.  1874. 

interessanten  Werke  über  Zäume  und  Pferdegebisse  von  1572  sonder-  * 
barerweise  Fraucnsteigbügel. 


Fig.  219. 


Fig.  219.  Krip  pensattel  von  einem  schweren  Roiszeuge  des 
Kaisers  Maximilian  [,    15.  Jahrhundert  2.  Hälfte. 


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202 


I.   Die  Schutzwaffen. 


Sowie  die  Sättel  schwerer  und  plumper  werden,  ebenso  wird 
der  Brustriemen  stärker.  An  der  Vorderseite  erhält  er,  was  übrigens 
vereinzelt  schon  im  15.  Jahrhundert  und  früher  vor  Augen  tritt,  eine 
buckeiförmige  Metallplatte,  welche  meist  verziert  wird.  Erst  im 
16.  Jahrhundert  finden  wir  Beispiele  der  Anwendung  von  Schwanz- 
riemen, die  durch  die  Schwere  des  Sattels  bedingt  waren. 

Der  Sattel  wie  das  gesamte  Pferdezeug  war  durch  das  ganze 
Mittelalter  ein  beliebter  Gegenstand  für  eine  reiche  künstlerische  Aus- 
stattung. Bestimmte  Beweise  hiervon  haben  wir  im  Psalterium  aureum 
von  St.  Gallen  um  800,  nähere  Beschreibungen  in  den  Dichtungen 


Fig  220. 


Fig.  220.   Krippensattel  aus  der  ehemaligen  Sammlung  Meyrick. 
15.  Jahrhundert  Anfang. 

des  12.  Jahrhunderts,  wie  im  Nibelungenlied,  wo  der  mit  Steinen  aus 
India  besetzten  Sättel  gedacht  wird.  Im  13.  und  14.  Jahrhundert 
bezeugen  bereits  Dokumente,  mit  welchem  bedeutenden  Aufwände 
von  Kunst  die  Sättel  ausgestattet  wurden.*)  .Im  öffentlichen  Verkehre 

*)  Rechnung  des  Hofsattlers  Geffroy  lc  Breton  für  den  Connctable  von  Frank- 
reich Kaoul  Comte  d'Eu  (1336—1319): 

,,Für  Monseigneur  einen  prächtigen  Kennsattcl,  die  Bogen  vorn*  und  hinten 
mit  verschlungenen  Verzierungen  von  Silber,  in  Form  von  Röhren  beschlagen  und 
an  den  Ecken  dieser  Verzierungen  Einfassungen  und  in  der  Mitte  dieser  Bogen 
ein  Liebesgott,  in  Goldstoff  gekleidet,  nach  dem  Leben  gebildet,  die  Hände  und 


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io.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


203 


waren  je  nach  dem  Stande  des  Reiters  Krippensättel  beliebt,  welche 
entweder  vollständig  mit  Elfenbeinplatten  in  flachen  Reliefs  belegt 
waren  oder  doch  teilweise  Einlagen  von  Elfenbein  in  Holz  besafsen. 


Fig.  221. 


Fig.  221.  Jagdsattel  mit  Überzug  von  rotem  Lcder,  gestickter, 
kreisrunder  Satteldecke  und  metallenen  Steigbügeln.  Sudfranzösisch. 
14.  lahrhundert. 

•  ■ 

Von  diesen  Sätteln,  welche,  ganz  ohne  Sitzkissen,  gewissermafsen  nur 


der  Kopf  von  Elfenbein  und  die  Flügel  von  Goldschmiedearbeit.  Er  hält  eine 
Holle  von  Email  in  der  Hand  und  sitzt  auf  einer  Rasenbank  von  Samt,  bei  dem 
einen  dieser  Liebesgötter  befindet  sich  ein  Schäfer,  bei  dem  anderen  eine  Schäferin, 
beide  sind  in  Goldstoff  gekleidet,  Köpfe  und  Hände  sind  aus  Elfenbein  und  auf 
dem  genannten  Wiesenplan  sieht  man  Schafe  aus  Elfenbein,  welche  weiden,  und 
dabei  einen  Hund  von  Elfenbein.  Der  genannte  Wioscnplan  ist  auf  das  schönste  mit 
funkelnden  Blumen  bestreut.    XLV.  L.  p." 

Demay,  G.,  Lc  costume  au  moyen-age  d'apres  les  secaux.    Paris  1880. 


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204 


I.    Die  Schutzwaffen. 


das  Gestelle  darstellen,  haben  sich  noch  wenige  Exemplare  in  den 
Museen  erhalten,  von  welchen  das  älteste  aus  dem  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  stammt  (Fig.  225.)  Die  Mehrzahl  derselben  ist 
französisch  oder  burgundisch,  einige  besitzen  aber  auch  niederdeutsche 
Bandinschriften.  Die  Steigbüge)  jener  spätesten  Periode  des  Krippen- 
sattels haben  eine  eigentümliche  Form.  Sie  sind  trapezförmig,  sehr 
schmal,  mit  Riemenblechen  und  besitzen  eine  schief  gegen  auswärts 
gerichtete  breite  Trittplatte.    (Fig.  226.) 

Die  Kürifssättcl  des  1 6.  Jahrhunderts  erhalten  auf  den  Beschlägen 


Fig.  222. 


Fig.  222.  Schwerer  K ilrifssatte  1 ,  blank  mit  schwarz  geätzten 
Strichen,  des  Otto  Heinrich,  Pfalzgrafen  am  Rhein.  Deutsche  Arbeit 
von  1523. 

der  Bögen  dekorative  Auszierungcn  gleich  jenen,  welche  wir  bei  den 
Harnischen  beschrieben  haben,  die  reichsten,  welche  aus  Mailand  und 
Spanien  bezogen  wurden,  Verzierungen  in  Treibarbeit  in  Verbindung 
mit  Tausia.  Es  kommt  häufig  vor,  dafs  der  Sattel  in  Zeichnung  und 
Technik  mit  dem  Harnische  im  Einklänge  verziert  ist,  somit  zur 
Harnischgarnitur  gehört.  Ein  Beispiel  rindet  sich  in  der  grofsen 
Harnischgarnitur    Kaiser  Ferdinands   I.    in    der  Hof-Waffensamm- 


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♦ 

io.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdcharnisch.  205 

lung  in  Wien,  zu  welcher  jener  Rofsharnisch  gehört,  der  gegenwärtig 
im  Zeughause  zu  Berlin  bewahrt  wird. 

Etwa  um  die  Mitte  des  1 7.  Jahrhunderts  erhalten  die  Sättel  für 
den  bürgerlichen  Gebrauch,  namentlich  für  ein  prunkvolleres  Auftreten 
eine  wesentlich  geänderte  Form.  Die  hohen  Bögen  verschwinden 
allmählich  und  machen  gepolsterten,  reich  mit  Samt  oder  Seide  über- 
zogenen Kissen  Platz,  die  Schenkel wülste  entfallen  ganz,  der  Sitz 
wird  flacher,  das  Sitzkissen  erhält  Verzierungen  in  Stepparbeit  und 
Auszierungen  in  Soutache.  Der  Sattel  wird  wieder  erheblich  kleiner, 
ebenso  die  Satteldecke,  welche  jedoch  immer  noch  der  Gegenstand 
einer  reichen  Auszicrung  bleibt.  Die  ersten  Muster  dieser  Formen 
gelangten  aus  Spanien  nach  Frankreich  und  Deutschland.  Der  Kriegs- 
sattel aber  behält  in  jener  Zeit  im  wesentlichen  die  alte  Form  der 
Kürifssättel,  namentlich  in  der  schweren  Reiterei;  nur  verliert  er,  in- 


Fig  223.  Kig.  224. 


Fig.  223.*  Steigbügel  zu  einem  schweren  Rofszeuge.  Um  1510. 

Fig.  224.    Geschlossener  Steigbügel  von  einem  Prunksattel 
aus  der  Zeit  Kaiser  Max im*  Ii ans  II. 

folge  der  Ausbildung  der  Reitkunst,  die  Schenkelwülste.  Leichte 
Reiterei  bedient  sich  aber  schon  spanischer  Sättel. 

In  keinem  Gegenstande  der  kriegerischen  Ausrüstung  macht  sich 
der  Gegensatz  der  Anschauungen  zwischen  dem  Orient  und  dem 
Occident  drastischer  geltend,  als  in  der  Ausrüstung  des  Pferdes.  Hatte 
sich  im  Occident  dem  Naturell,  der  Taktik  entsprechend  die  Pferde- 
rüstung immer  schwerfälliger  herausgebildet,  so  sehen  wir  dieselbe  im 
Oriente  leicht  und  dem  Baue  des  Pferdes  angemessener.  Die  Taktik 
der  Orientalen  beruhte  immer  auf  Beweglichkeit  und  Ausdauer,  mehr 
auf  der  moralischen  Wirkung,  als  auf  jener  des  physischen  Anpralles. 
Sage  wie  Geschichte  belehren  uns,  dafs  der  Araber  im  Kampfe  sich 
in  der  Regel  nicht  der  Hengste,  sondern  der  Stuten  bediente.  Die  so 


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I.    Die  Schutzwaffen. 


zu  Tage  tretende  Vorliebe  für  ein  fügsameres,  treues,  in  längeren 
Anstrengungen  ausdauernderes  Reittier  ergab  sich  aus  dem  beweg- 
licheren Naturell  des  Arabers,  der  Gestaltung  seines  heimischen  Bodens 
und  der  darauf  beruhenden  eigenartigen  Kampfweise.  In  den  Kreuz- 
zügen erhielten  die  westlichen  Europäer  zum  erstenmal  Gelegenheit, 
die  Taktik  wie  die  Ausrüstung  der  Araber  zu  beobachten,  und  scheinen 
manches  bei  jenen  Gebräuchliche  sich  zu  nutze  gemacht  zu  haben. 
Gewisse,  im  östlichen  Europa  ansässige  Nationen,  die  Tartaren,  Russen, 
, Polen,  die  Stämme  des  byzantinischen  Reiches,  die  Ungarn,  ja  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  selbst  die  Böhmen  standen  in  Beziehung  auf  die 
Formen  der  kriegerischen  Ausrüstung  seit  den  ältesten  Zeiten  unter 
dem  Einflüsse  des  Orientes. 


Fig.  225. 

Fig.  223.  l'runksattcl,  mit  Elfenbein  belebt  und  tuit  figuralen 
Reliefs  reich  ausgestattet.  Die  Darstellungen  beziehen  sich  auf  die 
St.    Georgslegende.     14.    Jahrhundert,    Ende.       Nationalmuscurn  zu 


Von  Polen  und  Ungarn  aus  fand  die  orientalische  Art  der 
Pferderüstung  zuerst  in  Deutschland  Eingang;  in  Österreich  leiten  die 
ersten  deutlichen  Spuren  davon  ins  14.  Jahrhundert  zurück;  im 
16.  Jahrhundert  linden  wir  Zäumungen  ungarischer  Art  bereits  in 


Die  orientalischen  Sättel  unterscheiden  sich  von  den  deutschen 
durch  den  Bau  der  Gestelle.    Der  deutsche  Sattel  liegt  vollständig 


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JO.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


207 


auf  dem  Rücken  des  Pferdes  auf,  der  orientalische  mit  breiten  Schienen 
auf  den  Rippen  des  Pferdes,  während  das  Rückgrat  vollständig  frei 
bleibt.  Bei  der  Lage  des  Sattels  ist  eine  reiche  Unterlage  von  Filz 
oder  Wolle  unerläfslich,  wenn  das  Pferd  nicht  gedrückt  werden  soll. 


Fig.  226. 

Fig.  226.  Vorder-  und  Seitenansicht  eines  rechtsseitigen  Steig- 
bügels, zu  einem  Krippensattel  gehörig,  aus  durchbrochenem  Eisen. 
15.  Jahrhundert,  Mitte. 

Im  hohen  Ansehen  im  15.  und  16.  Jahrhundert  standen  ihrer 
ausgezeichneten  Lederarbeit  wegen  die  spanischen  Sattel.   Man  unter- 


Fig.  227. 

Fig.   227.     Maurischer   Sattel   (liarda)    mit  reichgesticktcr, 
samtener  Decke.    16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.   Armeria  Real  zu  Madrid. 

schied  damals  die  Sättel  der  christlichen  Bevölkerung,  die  gallegas, 
von  den  Kriegssätteln  der  Mauren,  die  man  bar  das  nannte.  Die 
vorzüglichsten  Werkstätten  der  gallegas  waren  in  Galizien,  jene  der 
maurischen  Sättel  in  Cordova  und  Granada.    Die  barda  besafs  einen 


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203 


I.    Die  Schutzwaflen. 


in  stumpfe  Spitze  aufstrebenden  Vorderbogen  und  den  allen  arabischen 
Sätteln  gemeinsamen  hohen,  runden  Hinterbogen.    (Fig.  227.) 

Der  arabische  Sattel  ist  ein  niederer  Bocksattel,  klein,  mit 


Fig.  228. 


Fig.  228.  Arabischer  Sattel.  Die  Vorder-  und  Hinterstege 
sind  in  feiner  Lackmalerei  geziert,  die  Seitenblätter  sind  von  Lcder,  mit 
Goldfarbe  in  orientalischem  Ornament  bemalt,  die  Unterlage  ist  aus 
dickem,  braunen  Filz.  Beutestück  aus  dem  Feldzuge  von  1556  gegen 
die  Türken. 


Fig  229. 

Fig.  227.  Sattel  mit  silbernen  und  vergoldeten  Stegbeschlägen 
und  Bezug  aus  rotem  Samt,  zur  sogenannten  „türkischen  Rüstung"  ge- 
hörig, welche  der  kaiserliche  Feldhauptmann  Lazarus  Schwcndi 
(1522  — 1584)' dem  Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol  verehrte.  Beule- 
stück aus  dem  Feldzuge  von  1566. 


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IO.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


209 


schmalem  aber  hohen,  mit  Metall  beschlagenen  vorderen  Bogen,  der 
in  einen  hoch  aufgesetzten  Knopf  endet;  der  Sitz  ist  kurz  und  schmal, 
der  hintere  Bogen  ist  abgerundet  und  meist  hoch  gestellt.  (Fig.  228.) 
Der  Sattel  der  vornehmen  Araber  und  Türken  ist  immer  mit  einer 
reichgestickten  Decke  (apäji)  belegt.  Der  Bau,  ebenso  wie  die 
stilistische  Ausstattung  des  türkischen  Sattels  ist  ähnlich  dem 
arabischen,  nur  in  den  hängenden  Sattelblättern,  die  an  den  tartarischen 
Sattel  erinnern,  findet  sich  ein  Unterschied.    (Fig.  229.) 

Der  tartarische,  auch  raoskowitische  Sattel  des  15.  Jahr- 


Fig.  230. 

Fig.  230.  Tartarischer,  auch  altrussischer  Sattel  mit  Bezug 
aus  grünem  Damast.  Die  Stege  sind  mit  Fischhaut  (Squalus  cetrina) 
belegt.  Die  Seitenblätter  von  Rindsledcr  sind  mit  orientalischen  Dessins 
bemalt.    Beutestück  aus  dem  Feldzuge  von  1556. 


hunderts  ist  ein  sehr  hoch  gestellter  Bock  mit  hohen  Bögen,  dicken 
Kissen  und  seitlich  angebundenen  Sattelblättern.  (Fig.  230  und  231.) 

Der  alte  ungar  ische  Sattel,  vom  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts, 
wie  er  uns  in  prächtigen  Exemplaren  aus  dem  Besitze  Maximilians  I. 
vor  Augen  gelangt,  ist  in  seiner  Bauart  ein  Mittelding  zwischen  dem 

Ho  che  im,  Waffenkunde.  '4 


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210 


l.    Die  Schutzwaffen. 


deutschen  und  arabischen  Sattel.  Kr  ist  weniger  hoch  gestellt,  der 
Vorderbogen  ist  schmal,  flach,  oberhalb  aber  hoch,  vorgebogen  und 
seitlich  zusammengedrückt.  Der  Sitz  ist  derart  gebildet,  dafs  er  von 
der  Höhe  des  hinteren  Bogens  bis  nach  vorne  in  schiefer  Richtung 
läuft.  Der  hintere  Bogen  ist  ähnlich  dem  arabischen,  nur  bedeutend 
breiter.    (Fig.  232.)    Ungarische  Sättel  wurden  im  16.  Jahrhundert 


Fiß-  231- 


Fig.  231.  Tscherkcssischer  Sattel  mit  eisernen  Steigbügeln 
und  Bezug  von  rotem  Maroquin  mit  Silberstickerei.  Die  Stege,  von  ge- 
schwärztem Eisen,  sind  mit  Silbertausia  geziert.  18.  Jahrhundert.  Kaiser- 
liches Waffcnmuscum  zu  Zarskoe  Selo. 


Gc 


io.    Das  Pferdeteug  irnd  der  Pferdeharnisch.  Hl 


van  •deutschen  Reitern  häufig  benutzt,  -wie  denn  überhaupt  die  An- 
eignung ungarischer  und  polnischer  Formen  bis  in  die  neueste  Zeit 
stattgefunden  hat,  ja  sogar  die  alte  türkische  Sitte,  die  Pferde  mit 
mennigroter  Farbe  zu  bemalen,  wurde  noch  am  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts in  Deutchland  nachgeahmt.  Die  später  als  ungarische  be- 
nannten Sättel  leiten  sich  in  ihren  Formen  nicht  so  sein-  von  den 
arten  ungarischen,  als  van  den  mosfcowitischen  und  polnischen  Book- 
sättebi  her,  wie  ein  Vergleich  mit  den  hier  dargestellten  Abbildungen 
von  Originalen  des  16.  Jahrhunderts  auf  den  ersten  Blick  erkennen 
läfst.    Eine  Eigentum hchkeit  aller  orientalischen  Sättel  des  16.  Jahr- 


Fig.  232. 


Fig.  232.  Ungarischer  Sattel  aus  dem  Besitze  Kaiser 
Maximilians  I.  Sattel  und  Decke  sind  aus  rotem  Leder  und  mit  Gold- 
farben im  orientalischen  Stile  bemalt.    16.  Jahrhundert,  Anfang. 

hunderts  bildet  die  an  der  linken  Seite,  unterhalb  des  Sattelblattes 
angebrachte  scheidenförmige  Öffnung  für  den  „  Panzerstecher der 
damit  zur  Pferderüstung  gehörte,  wie  der  Säbel  oder  das  Schwert  zur 
Mannesrüstung.  Derlei  Einrichtungen  finden  sich  auch  zuweilen  an 
deutschen  Kürifssätteln  in  der  Periode  der  Türkenkriege  der  2.  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts. 

Bemerkenswert  erscheint  ein  Zubehör  zur  altorientalischen  Pferde- 

14* 


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212 


L    Die  Schußwaffen. 


rüstung  dadurch,  dafs  dasselbe  zur  Taktik  der  Reiterei  des  Ostens 
einen  deutlichen  Beleg  bietet:  es  ist  dies  die  Hand  pauke  (türk. 
tabl),  welche  an  der  rechten  Seite  am  Vorderbogen  des  Sattels  an- 
gebunden wurde.  Die  Handpauke  finden  wir  in  allen  orientalischen 
Heeren,  auch  unter  den  Tartaren  und  Polen,  im  Gebrauch,  nur  im 
ungarischen  konnte  der  Verfasser  bisher  kein  älteres  Beispiel  ihrer 
Verwendung  finden.  Der  Kessel  ist  gewöhnlich  von  geschlagenem 
Kupfer  oder  Bronze.  Unterhalb  verläuft  sich  derselbe  in  eine  stumpfe 
Spitze,  an  welcher  ein  Öhr  angenietet  ist.  An  diesem  Öhr  sowohl 
als  auch  am  oberen  Rande  ist  die  Pauke  mit  Lederriemen  an  den 
Sattel  geschnürt.  Der  Durchmesser  des  Schlagfelles  überschritt  selten 
25  cm.  _Um  dasselbe  vor  Nässe  zu  schützen,  wurde  es  im  Marsche 


Fig.  233. 

Fig.  233.  Türkische  Handpauke.  Der  Kessel  ist  aus  Kupfer 
und  vergoldet,  der  Deckel  von  Metall,  mit  schwarzem  Leder  überzogen 
und  mit  Goldfarben  bemalt.  Dabei  der  Schlägel.  Beutestück  aus  dem 
Feldzuge  von  1556. 

mit  einem  Überzug  aus  Rindsleder  ausgestattet.  Viele  Reiter  be- 
haupteten, ihre  Pauken  seien  mit  Menschenhaut  überzogen,  deren 
Ton  angeblich  eine  unwiderstehliche  Wirkung  auf  den  Feind  üben 
sollte.    (Fig.  233.) 

In  der  That  war  die  Handpauke  ein  ganz  vorzügliches  Mittel 
zur  Erhöhung  der  moralischen  Wirkung  beim  Angriffe  gegen  Truppen, 
die  zum  erstenmal  orientalischer  Reiterei  gegenüberstanden.  Der 
ganze  mächtige  Haufe  rückte  in  allmählich  schärfer  werdender  Gangart 
unter  fortwährendem  Schlagen  auf  die  Handpauken  an  den  Gegner; 


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io.   Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


213 


erst  auf  kurze  Distanz  von  demselben  wurden  die  Säbel  gezogen  und 
geschwangen  und  unter  Allahrufen  in  den  Feind  eingedrungen. 

Bevor  wir  uns  wieder  der  europäischen  Pferderüstung  zuwenden, 
sei  noch  einer  eigenen  Form  von  Steigbügeln  an  orientalischen 
Sätteln  gedacht.    Wie  wir  aus  einigen  gegebenen  Beispielen  ersehen, 


Fig.  234.  Fig.  235. 

Fig.  234.    Steigbügel  von  Holz  und  roh  bemalt,  zu  dem  tar- 
tariseben  Sattel  Fig.  228  gehörig. 

Fig-  235.    Altungarischer  Steigbügel  aus  verzinntem  Eisen. 

waren  im  Oriente  die  verschiedensten  Bügelformcn  und  selbst  solche 
von  Holz  (Fig.  234)  in  Gebrauch,  die  mehr  oder  weniger  den  euro- 
päischen gleichen.  Solche  nennt  man  im  Türkischen  üzengi  (Fig.  235); 


Fig.  236. 


Fig.  236.     Arabischer  Steigbügel  von   Silber.     16.  Jahr- 
hundert, Mitte. 

der  Araber  der  Wüste  jedoch,  dessen  Füfse  nur  von  weichen  Schuhen 
aus  Ziegenleder  bedeckt  waren,  bediente  sich  von  alters  her  einer 
eigenen  Art  von  Bügeln,  in  welchen  der  Fufs  vollständig  ruhte.  Diese 


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214  I.   Die  Schurz waffen. 

Steigbügel  wurden  später  auch  voa  den  Türken  benutzt,  von.  welchen 
sie  unter  den  Europäern  den  Namen  türkische  Steigbügel  (tttrk. 
sim-rikab)  erhielten  Weder  der  Araber  noch  der  Türke  trug  in  der 
Regel  Sporen,  die  Hilfen  wurden  durch  die  Steigbügel  derart  ge- 
geben ,  dafs  die  inneren  Ecken  der  Trittbleche  in  die  Weichen  des 
Pferdes  gedrückt  wurden.  Derlei  Steigbügel  finden  sich  noch  heute 
an  Prunksätteln  in  der  Türkei.  Die  Führung  silberner  Steigbügel  war 
nur  den  höchsten  Würdenträgern  gestattet.  (Fig.  236  und  237.) 
Unter  den  Mauren  in  Afrika  und  Spanien  hatte  diese  letztere  Form 
nie  eine  allgemeine  Anwendung  gefunden. 

Soviel  wir  aus  den  Siegeln  des  Mittelalters  entnehmen  können, 


Fiß-  237. 

F"g-  *37-    Türkischer  Steigbügel    Ton  vergoldetem  Eisen. 
17  Jahrhundert. 

tritt  am  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  das  Streben  zu  Tage,  das  « 
Pferd  vor  der  Waffe  des  Gegneis  durch  eine  Bedeckung  aus  einem 
widerstandsfähigen  Materiale  zu  schützen.  Diese  Bedeckungen, 
Par sehen  (housses)  genannt,  bestanden  aus  dickem  Leder,  Elenhaut 
oder  auch  Rindsledcr,  ähnlich  dem  Mannsharnisch  mit  eisernen 
Scheiben,  Ringen  und  Plättchen  besetzt,  welche  angenietet  waren;  oft 
finden  sie  sich  besonders  bei  Vornehmen  auch  ohne  diesen-  Belag 
und  mit  den  Wappenfiguren  des  Eigners  bemalt  In  derselben  Zeit 
tragen  die  Pferde  der  Vornehmeren  Parschen  von  an  Lederetreifen 
gefädelten  Ringen,  später  auch  von  Maschenpanzerzeug.   Es  sind  dies 


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IO.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch.  215 

dieselben  Deckstoffe,  welche  man  für  den  Haubert  und  die  Brünne 
rerwcmlete. 

Die  Bedeckung  war,  bis  zu  den  Sprunggelenken  reichend,  eine 
vollständige,  so  dafs  nur  die  Nüstern  bis  zum  Gebifs  unbedeckt 
blieben  und  zwei  Löcher  dem  Pferde  das  Sehen  gestatteten.  Die 
ältesten  Parschen  waren  ungeteilt  und  reichten  in  einem  Stücke  vom 
Kopf  bis  zur  Kruppe,  an  den  Flanken  waren  sie  bogenförmig  ausge- 
scl mitten,  um  den  Sporen  Raum  zu  lassen.  Diese  unbequeme  Form 
wurde  aber  bald  geändert  und  die  Parsche  in  zwei  Teile  geteilt,  jene 
des  Vorderteiles:  Vorbug  oder  Fürbug  und  jene  des  Hinterteiles: 


Fig.  238. 

Fif.  23S.  Reiter  im  Haubert  uud  Brunne,  mit  an  Lederstreifen 
befestigten  Ringen  verstärkt.  Das  Pferd,  mit  Parsche  aus  gleichem 
Stoffe  und  darüber  gelegter  Lederdecke,  ist  mit  einem  schweren  Rofs- 
kopfe  ausgestattet.  Elfenbeinstatuette,  im  Besitze  des  Rev.  J.  Eagles. 
14.  Jahrhundert,  Ende.    Nach  Hcwitt. 

Gelicger;  dabei  blieben  die  Flanken  unterhalb  des  Sattels  ohne  Be- 
deckung. 

In  Siegeln  um  1220  erscheinen  die  Parschen  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  derart  bemalt,  dafs  sich  die  Blasons  des  Eigners  vorn 
und  rückwärts  wiederholen.  Die  erste  Veränderung  der  Parschen  form 
bestand  darin,  dafs  der  Fürbug  bedeutend  abgekürzt  wurde,  da  der 
schwere  Stoff  das  Pferd  im  Sprunge  behinderte.  Fast  gleichzeitig  mit 
den  Lederparschen  treten  jene  aus  Panzerzeug  auf,  aber  anfänglich 


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216 


L    Die  Schutzwaffen. 


nur  als  Bedeckung  des  Vorderteiles,  weil  die  ältesten  Panzerzeuge 
noch  zu  schwer  waren.  Erst  im  14.  Jahrhundert  findet  man  Parschen 
aus  Panzerzeug,  welche  das  Pferd  vollständig  bedeckten.   (Fig.  238.) 

Um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  wird  es  Gebrauch,  die 
Parschen,  vorzüglich  jene  aus  Panzerzeug,  mit  Decken  aus  Seide  oder 
feiner  Leinwand  zu  überdecken,  welche  wie  die  Lederparschen  mit 
sich  repetierenden  Blasons  bemalt  waren.  Diese  Art  steht  im  Ein- 
klänge mit  der  Art,  die  Mannsharnische  von  einem  langen,  ärmellosen 
Kleide,  dem  „Waffenhemd",  bedeckt  zu  tragen,  die  in  den  Kreuz- 
zügen ihr  Entstehen  fand.    (Fig.  149  ) 

Von  ca.  1267  an  findet  sich  auf  dem  Kopfe  des  Pferdes  eine 
dem  Zimier  des  Mannshelmes  gleichende  Ausschmückung,  entweder 
nur  aus  Straufsfcdern  oder  mit  Wappenfiguren:  Hirschgestängen, 
Wappentieren,  Ungeheuern  u.  dgl. 

Vom  13.  Jahrhundert  bis  zum  Ende  des  15.  Jahrhunderts  finden 
wir  die  Pferdezeuge.  Brustriemen,  Sättel,  das  Gelieger,  oft  auch  das 
Kopfgestell,  mit  Schellen  geziert.  Es  steht  diese  Sitte  mit  der  Tracht 
des  Mannes  in  Beziehung,  die  ebenfalls  mit  Schellen  geziert  wurde. 

In  der  oben  angedeuteten  Form  blieben  die  Parschen  aus  Leder 
oder  Panzerzeug  als  allgemeiner  Schutz  des  Pferdes  im  Kriege  bis 
gegen  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts.  Um  diese  Zeit  beginnt  die 
Epoche  der  vollständigen  Plattenharnische;  man  suchte  nun  auch 
den  Streithengst  durch  Eisenplatten  zu  schützen;  damit  erscheint  der 
sogenannte  „Rofsharnisch".  Die  Vervollständigung  desselben  nahm 
einen  langen  Zeitraum  in  Anspruch.  Das  erste  Stück  des  Harnisches, 
die  Rofsstirne,  tritt  zuerst  um  1300  auf;  erst  um  1360  wird  der 
Hals  mit  geschobenen  Platten  bedeckt,  dabei  blieb  es  durch  nahezu 
ein  ganzes  Jahrhundert.  Erst  um  1400  kommt  als  neues  Stück  des 
Rofsharnisches  der  sogenannte  Fürbug  und  wenig  später  das  letzte, 
das  Gelieger,  hinzu. 

Der  Rofsharnisch  ist  entweder  ein  schwerer  oder  leichter, 
je  nach  seinem  Gewichte,  ein  voller  (Tonnenharnisch)  oder  ein 
durchbrochener,  je  nachdem  die  Bedeckung  durch  Eisenplatten 
vollständig  den  Pferdekörper  umhüllt  oder  nur  aus  einzelnen  Platten 
und  Schienen  besteht,  welche  den  Pferdekörper  nur  teilweise  be- 
decken. 

Noch  vor  jener  Periode,  in  welcher  der  Rofsharnisch  vollständig 
ausgebildet  ist,  tritt  der  Rofskopf,  welcher  den  Pferdekopf  bis  an  den 
Hals  gleich  einer  Larve  vollkommen  einhüllt,  auf.  Wir  bringen  hier 
ein  Beispiel  vom  Ende  des  14.  Jahrhunderts  an  einer  Elfenbeinskulptur, 
an  welcher  wir  auch  die  Form  einer  Parsche  ersehen  und  zu  deren 
Lederdecke  wir  uns  nur  ein  geraaltes  heraldisches  Muster  hinzuzu- 
denken haben.    (Fig.  238.) 

Ein  schwerer  Rofsharnisch  besteht  aus  folgenden  einzelnen  Teilen : 
Der  Rofskopf  bedeckt  den  Kopf  des  Pferdes  rückwärts  und  bis  zu  den 


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io.   Das  Pferdeieug  und  der  Pferdeharnisch 


217 


Nüstern  vollständig.  Die  Ohren  stecken  in  röhrenartigen  Muscheln, 
die  weiten  Augenlöchcr,  zumeist  von  Augendächern  bedeckt, 
sind  entweder  offen  oder  mit  buckeiförmig  vortretenden  Gittern  be- 
deckt. (Fig.  239.)  Auf  der  Stirne  ist  entweder  ein  Stachel  ange- 
bracht oder  ein  Wappenschild  aufgenietet.  An  den  festen  Teil  schliefst 
sich  oberhalb  eine  breite  Folge,  die  mit  dem  Halsstück  (, Kanz')  in 
Verbindung  steht.  Der  Kanz  deckt  entweder  nur  den  Kamm  allein, 
dann  ist  er  mittelst  geschienter  Riemen  an  den  Hals  gebunden,  oder 


F'ß-  239- 

Fig.  239.  Schwerer  Rofskopf,  von  einem  MaximUiansharnische, 
mit  vergitterten  Augenlöchern.    Deutsch,  um  1515. 

er  deckt  den  Hals  in  breiten  Geschüben  vollständig  (.ganzer  Kanz'); 
immer  aber  ist  er  mit  der  letzten  Folge  an  den  Sattel  geschnallt. 
Dicht  daran  schliefst  sich,  die  Brust  deckend,  der  Fürbug,  aus 
einem  Stück  bestehend  und  gleichfalls  durch  starke  Riemen  an  den 
Vorderbogen  des  Sattels  befestigt.  Zu  den  Seiten  befinden  sich 
häufig  buckeiförmige  Auftreibungen,  die  sogenannten  Streifbuckel. 
Der  vordere  Teil  wird  häufig  verziert  und  zur  Darstellung  von  Wappen 


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218 


I.    Die  Schutzwaflen. 


oder  Devisen  des  Eigners  benutzt..  Der  Rückenteil  des  Pferdes  wird 
durch  das  Gelieger  bedeckt,  welches  am  Rücktet!  des  Sattels  an- 
geschnalft  wh*d.  Man  unterscheidet  hier  die  Seitenteile.  Taschen 
vom  Kruppteile.  Ist  das  Gelieger  ein  volles,  dann  ist  der  Pferde- 
schweif meist  unterhalb  desselben;  ist  dasselbe  rückwärts  geteilt,  dann 
ist  er  aufserhalb  und  aufgebunden.  Auf  dem  höchsten  Punkte  des 
Geliegers,  etwa  oberhalb  des  letzten  Brustwirbels  wird  häufig  ein  ge- 
stielter Knopf  aufgesetzt,  der  nur  eine  dekorative  Bedeutung  hat. 


Li 


t 


4»-j 


Fig.  240. 

Fig.  Z38.  Schwerer  Rofsharnisch  Fcrd  inands,  Herzogs 
von  Alba,  gefertigt  »on  Dvsiderrus  Colman  zu  Augsburg  I55T.  Aus 
einem  Bildcodex:  Musterbuch  eines  augsburgischen  Atzmalers  in  der 
königl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Stuttgart    Cod.  mil.  24. 


Die  Zngelrkmen  werden  durch  geschobene  Platten,  Zügelbleche, 
verstärkt,  die  Weichen  oder  Flanken  bleiben  in  der  Reget  unbedeckt 
(Fig.  240.) 

Ein  derart  geharnischtes  Tier  wird  ein  geliegertes  Rofe  ge- 
genannt; leichtere  Harnische  wurden  anfänglich  weniger  für  das  Feld, 


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IO.    Das  Fferdeaeng  und  der  Pferdeharnisch. 


als  für  den  gewöhnlichen  Gebrauch  und  bei  festlichen  Gelegenheiten 


Bei  solchen  ist  der  Kopf  nur  durch  eine  ganze  Rofsstirne  ge- 
deckt (Fig.  241),  welche  nicht  über  die  Genaschen  reichte;  der 
Kanz  deckte  nur  den  Kamm,  der  Fürbug 
war  schmäler  und  das  GeUeger  bestand 
oberhalb  nur  aus  Schienen,  an  welchen  seitlich 
breite  Taschen  hingen,    (Fig.  242.) 

Um  15 15  bestand  die  Einrichtung  in 
den  Kürisser-Regimentern,  dafs  die  Kürisser 
auf  schwer  geliegerten,  die  reisigen  Knechte 
aber  auf  leicht  geliegerten  Hengsten  ritten. 

Auch  wenn  das  Rofs  ungeliegert  war, 
pflegte  man  an  die  Stirn  desselben  eine  halbe 
Rofsstirne  zu  schnallen,  die  nur  bis  zu  den 
Augen  reichte  und  das  Nasenbein  bis  zur 
Hälfte  deckte.  (Fig.  243.)  Selbst  die  Esel 
und  Maultiere  des  Trains  wurden  mit  Eisen- 
stirnen ausgerüstet,  eine  solche  Eselstirae  ßndet 
sich  in  der  Sammlung  Fr.  Thill  in  Wien. 

Versuche  des  Plattners  Lorenz  Hehn- 
schmied  in  Augsburg  um  1480,  das  Streitrofs 
vollständig  am  Bauche  und  bis  an  die  Fes- 
seln der  Hufe  zu  decken,  fanden  der  Schwie- 
rigkeit der  Fertigung  halber  keine  allgemeine 
Nachahmung.  *) 

Gegen  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
treten   für  Zwecke   der   Repräsentation  bei 

Festlichkeiten    Pferdezeuge    von    besonderer    Rofsstim"  mit  Betriebe- 
Ausstattung  und  Zierlichkeit,  sogenannte  Ca-     «en  Verzierungen  auf  ge- 
perationen,  auf,  von  welchen  selbst  die  aus  ^U^™/XLctTrcIi 
Plättchen  und  Partikeln  von  Blech  gebildeten    zu  Ma^d 
nicht  eigentlich  unter  die  Pferdeharnische  zu 

reihen  sind.  Sie  sind  zumeist  in  schönem  Dessin  durchbrochen.  '  Die 
einzelnen  beweglich  verbundenen  Blechstücke  sind  mit  Samt  oder 
Seide  überzogen,  oft  gestickt  oder  mit  Soutachierungcn  in  Gold  oder 
Silber  geziert    (Fig.  244). 

Eine  charakteristische  Beigabe  zu  den  italienischen  Caperationen 
ist  in  dem  Schweifbunde  zu  sehen,  der  in  einer  ledernen,  oft 
auch  mit  Samt  überzogenen  Hülse  besteht,  die  um  den  Pferdeschweif 


Fig.  »41. 
Fig.  241.  Leichte 


•)  In  einem  kleinen  Ölbilde  von  1480  in  den  k.  k.  knusthistorischen  Samm- 
lungen zu  Wien  ist  der  Harnischmeister  des  Erzherzogs  Maximilian,  Junker  Albrecht, 
auf  einem  derartig  in  geschlossenem  Gelieger  geharnischten  Pferde  reitend  darge- 
stellt. Leber.,  Wiens  bürgert.  Zeughaus.  Jahrbuch  d.  k.  k.  kunsthist.  Museen, 
VIII.  Band. 


220 


I.   Die  Schutzwaffen. 


gelegt  und  sodann  mit  Seidenschnüren  zugeschnürt  wird.  Sein  Zweck 
war,  den  Schweif  von  den  Exkrementen  rein  zu  erhalten.  (Fig.  245.) 
Gewöhnlich  ist  derlei  Pferdezeugen  des  16.  Jahrhunderts  noch  ein 
Ring  für  den  Streitkolben  an  der  linken,  und  die  Hülse  für  den 
Schaft  eines  Fähnleins  an  der  rechten  Seite  beigegeben. 

Solche  Caperationen  gelangten  vorzugsweise  von  Mailand  aus 
nach  Deutschland  und  Frankreich.  Doch  auch  Parschen  von  Leder 
und  Panzerzeug  kommen  bis  ans  Ende  des  16.  Jahrhunderts  noch 
zur  Anwendung.    Karl  V.  benutzte  solche  häufig  und  auch  Erzherzog 


Fig.  242. 


Fig.  242.  Reicher  Kofsharnisch  mit  den  getriebeneu  Dar- 
stellungen der  Thaten  Samsons  und  Herkules.  Die  mit  Samt  unter- 
legten, durchbrochenen  Folgen  sind  reich  mit  Goldätzung  geziert  und 
mit  Fransen  und  Quasten  besetzt.  Der  geharnischte  Reiter  zeigt  das 
Bildnis  Kaiser  Maximilians  L  Der  Helmschmuck,  ein  Pfauenstofs, 
wurde  weggelassen.  Die  Abbildung  wurde  einem  Bildcodex  aus  der 
gräfl.  Thunschen  Fidcikommifsbibliothek  auf  Schlofs  Tetschen  in 
Böhmen  entnommen,  welcher  sich  als  das  Musterbuch  eines  Augs- 
burger Plattncrs  darstellt.    Um  1510. 


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IO.    Das  Pferdeicug  und  der  Pferdeharaisch. 


Karl  von  Steyermark  besafs  eine  ganz  besonders  reich  ausgestattete. 
Eine  Parsche  aus  Nashornhaut  vom  Anfange  des  16.  Jahrhunderts, 
ganz  in  der  Form  eines  eisernen  Geliegers,  hat  sich  noch  erhalten 
und  findet  sich  in  der  Armeria  Reale  zu  Turin.  (B.  2.)  Lederparschen, 
mit  Ringen  benäht,  aus  dem  Besitze  des  Erzherzogs  Ferdinand  von 
Tirol,  sind  noch  zur  Stunde  in  den  kaiserlichen  Sammlungen  zu  Wien 
vorhanden.  Solche  Parschen  späterer  Zeit  kennzeichnen  sich  dadurch, 
dafs  sie  aus  vielen  einzelnen  Teilen  bestehen  und  so  kurz  geschnitten 
sind,  dafs  sie  die  Beine  des  Tieres  vollständig  unbedeckt  lassen. 

Mit  dem  Beginne  des  17.  Jahr- 
hunderts verschwinden  die  Pferdehar- 
nische allmählich  aus  den  Heeren  der- 
art, dafs  man  die  einzelnen  Teile  aufser 
Gebrauch  setzt,  zuerst  das  schwere  Ge- 
lieger,  dann  den  Kanz,  den  Fürbug, 
endlich  bei  den  Kürassieren  auch  die 
Rofsstime.  Von  der  ganzen  Beklei- 
dung des  Pferdes  blieb  nichts  übrig, 
als  der  Brust-  und  Schweifriemen,  bei 
schweren  Pferden  noch  ein  Gelieger- 
zeug  aus  Riemen,  das  den  Hinterteil 
vollständig  umfafste.  Leichte  Pferde 
trugen  am  Brustriemen  und  an  der 
Kruppe  ein  Zeug  aus  schmalen  Häng- 
riemen, eine  uralte  Sitte,  die  aus  dem 
Orient  stammt  und  direkt  von  den 
Ungarn  angenommen  wurde. 

Im  18.  Jahrhundert  war  die  Sattel- 
decke, Echabraque,  ein  Hauptgegen- 
stand der  Verzierung,  bei  den  Deut- 
schen mehr  rechtwinkelig  geschnitten,  bei  den  Ungarn  nach  rück- 
wärts im  spitzen  Winkel  endigend.  Man  findet  sie  in  allen  Farben, 
meist  aus  Samt  oder  Tuch  gefertigt  und  aufs  reichste  mit  Gold  und 
Silberstickereien  geziert. 

Der  Gebrauch,  das  Pferd  durch  geschlagenes  Eisen  zu 
schützen,  ist  im  Orient  weit  älter  als  in  Europa,  aber  niemals  hatten 
die  Orientalen  sich  soweit  verirrt,  Pferdeharnische  zu  benutzen,  welche 
der  Kraft  des  Pferdes  nicht  entsprechen  und  die  Beweglichkeit  des- 
selben beeinträchtigt  hätten.  Rofsstirnen  arabischer  Herkunft  treten 
uns  in  Sammlungen  schon  aus  dem  16.  Jahrhundert  herrüberragend 
vor  Augen,  ihr  Gebrauch  reicht  jedoch,  wie  erwähnt,  viel  weiter  in 
die  Jahrhunderte  hinauf.  Bemerkenswert  ist  ihre  elegante  Form  und 
stilvolle  Ausschmückung.  (Fig.  246).  Auch  solche  Formen,  welche 
unter  die  Rofsköpfe  zu  reihen  sind,  finden  sich  noch  aus  älterer  Zeit, 
sie  unterscheiden  sich  von  den  europäischen  vorteilhaft  durch  ihre 


Fig.  243- 


Fig.  243.  Halbe  Rofs- 
stirn,  sogenannte  Klcpperstirn, 
von  einer  Harnischgarnitur  König 
Ferdinands  I.  mit  geätzten  und 
vergoldeten  Rändern.  Auf  dem 
Stirnschildchen  findet  sich  der 
österreichische  Bindenschild  und 
die  Jahreszahl  1549.  Deutsche, 
vermutlich  Augsburger  Arbeit. 


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I.    Die  Schutzwaffen. 


Geschmeidigkeit  und  Nachgiebigkeit.  (Fig.  247.).  Der  übrige  Teil 
des  orientalischen  Pferdehamisches  (türkisch  Gejm)  besteht  zumeist 
aus  kleineren,  dünnen,  meist  reich  in  Gold  gezierten  Platten,  welche 
unter  sich  durch  Streifen  aus  Maschenpanzer  verbunden  sind.  Häufig 
besitzt  derselbe  eine  Unterlage  aus  gewebten  Stoffen,  Damast  u.  dgL 


Fig.  244- 


Fig.  244.  Prunkhamisch  und  Caperation  des  Erzherzogs 
Ferdinand  von  Tirol  in  getriebener  Arbeit  mit  reichen  Verzierungen 
in  Tausia.  Gefertigt  1560  von  dem  Waffenschmiede  Giovanni  Battista 
Scrabaglio  in  Mailand.  Aus  einem  gleichzeitigen  Bildcodex  in  den 
kunsthist.  Sammlungen  des  österreichischen  Kaiserhauses  in  Wien. 

oder  wenigstens  eine  Verbrämung  aus  kostbaren  Stoffen.  Orientalische 
Pferdehamische  wurden  noch  am  Beginne  des  18.  Jahrhunderts  in 
den  Kriegen  verwendet. 


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IO.    Das  Pferdezeug  und  der  Pferdeharnisch. 


Fig.  245- 


Fig.  246. 


Fig.  245.  Schweifbund  von  der  Caperation  des  Erzherzogs 
Ferdinand  ton  Tirol.    Fig.  «44.  1560. 

Fig.  246.  Persische  Rofsstirn  mit  geätzten  und  vergoldeten 
Verzierungen  und  Inschriften.    Musco  Poldi-Pezxoli  in  Mailand. 


Fig.  247. 


Fig.  247.  Arabischer  Rofskopf,  aus  sechs  Platten  bestehend, 
welche  durch  Streifen  aus  Panzergeflecht  verbunden  sind.  Museo  Poldi- 
Pczzoli  in  Mailand. 


XX.   Der  Sporn. 

Unter  den  Kriegsgeräten  hat  der  Sporn  mit  dem  Aufnehmen 
des  feudalen  Wesens  eine  über  seine  praktische  Bestimmung 
hinausgehende  Bedeutung  als  Zeichen  der  ritterlichen  Würde  erlangt, 
das  nur  demjenigen  zu  tragen  zustand,  der  Recht  und  Pflicht  hatte, 
im  Sattel  zu  sitzen,  gegenüber  dem  Hörigen  und  Unfreien,  der  im 
Heere  zu  Fufs  diente. 

Der  Sporn,  wenn  auch  bereits  bekannt,  scheint  zu  den  Zeiten 
der  Karolinger  noch  nicht  allgemein  üblich  gewesen  zu  sein,  wenigstens 
finden  wir  ihn  in  den  Miniaturen  aus  jener  Zeit,  wie  im  Codex 
aureus,  noch  nicht  in  Gebrauch.  Wenn  man  jedoch  bisher  ange- 
nommen hatte,  dafs  die  Sporen,  welche  an- 
fänglich mit  zugespitzten,  stachelförmigen  Hälsen 
erschienen,  erst  im  14.  Jahrhundert  Rädchen 
erhielten,  so  hat  dagegen  ein  schon  163g  zu 
Mailand  in  dem  Grabe  Bernhards,  des  Königs 
von  Italien,  (gest.  811)  gemachter  Fund  das 
Gegenteil  bewiesen,  indem  man  in  selbem  bereits 
ein  Paar  Sporen  aus  Messing  mit  kleinen  Räd- 
chen an  den  Hälsen  gefunden  hatte.  Das  war 
aber  zweifelsohne  nur  eine  vereinzelte  Ausnahme 
gewesen.  Denn  alle  bildlichen  Zeugen  vereinigen 
sich  dahin,  dafs  die  ersten  mit  kurzen,  spitzen 
Hälsen  ausgestatteten  Sporen  unter  den  späteren 
Karolingern  allgemein  in  Gebrauch  kamen  und 
dafs  erst  um  das  Ende  des  13.  Jahrhunderts, 
anfänglich  bei  Vornehmen,  Sporen  mit  Rädern 
üblich  werden.  Sporen  mit  Stachelhälsen  wer- 
Fig.  248.  Steig-  den  bei  den  Franzosen  Elsterschnäbel,  becs  de 
bügel  und  Sporn  eines  geai,  genannt  und  erschienen  unter  dieser  Be- 
französischen  Befehls-  zejchnung  noch  1335,  während  in  dem  grofsen 
habers.  Nach  Malereien        .       •      ,   Tt  V>   j  .r    tv  A  *       •  u 

in  einem Manuscripte  der  Reitersiegel  Herzog  Rudolfs  IV.  von  Österreich 

2.  Hälfte  des  ii.  Jahr-  von  ca.  1 3 58  dieser  Fürst  bereits  Sporen  mit 
hunderte  in  der  National-  grofsen ,  bizarr  geformten  Rädern  an  den  Füfsen 
bibliothek  zu  Paris.  Nach  trägt. 

Jacquemin.  ^..^  ^[erj-maj  jes  Alters  eines  Stachelspornes 

giebt,  wenn  nicht  stilistisc  he  Formen  einen  näheren  Anhalt  bieten,  allein 
die  Richtung  der  Bügel  und  deren  Riemenöhre.  Die  Bügel  erscheinen  im 

1 1.  Jahrhundert  noch  gcradelaufend  oder  nur  wenig  gebogen  mit  ein- 
fachen, roh  gebildeten  Ohren,  während  sie  schon  im  Anfange  des 

12.  Jahrhunderts  nach  aufwärts  geschwungen  sind,  damit  die  Hälse 
im  Gehen  nicht  auf  den  Boden  schleppen.  (Fig,  248.)  Damit  im 
Zusammenhange  steht  das  Bestreben,  die  Hälse  nach  aufwärts  zu 


Fig.  248. 


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II.    Der  Sporn. 


biegen.  (Fig.  249,  250.)  In  jener  Periode,  als  man  noch  die  Füfse 
mit  Panzerzeug  schützte,  besafsen  die  Sporen  zuweilen  besondere 
Formen.  Man  nietete  nämlich  den  Stachel  in  eine  Scheibe  von 
Eisenblech,  welche  nach  de'r  Form  der  Ferse  ausgetrieben,  mit  Löchern 
versehen  und  mittelst  dieser  durch  starke  Hanfladen  oder  Leder- 
streifen an  die  Ringe  des  Panzerzeuges  befestigt  wurde.    Ein  solcher 


Fig.  249.  Fig.  250. 


Fig.  249.  Sporn  aus  dem  Grabe  des  Königs  Bela  III.  von 
Ungarn  (gest.  Ii 96)  zu  Stuhlweifsenburg.  Nach  einer  Zeichnung  in  den 
Mitteilungen  der  k.  k.  C.-Kommission,  Bd.  II. 

Fig.  250.  Sporn  aus  dem  Grabe  Kasimirs  des  Grofsen 
(gest.  1370)  in  der  Kathedrale  zu  Krakau.  Nach  einer  Zeichnung  in 
den  Mitteilungen  der  k.  k.  C.-Kommission,  Bd.  15. 

Sporn  wird  in  der  Sammlung  W.  H.  Riggs  bewahrt.  (Fig.  251.) 
Im  9.  Jahrhundert  sitzt  der  Stachel  noch  ohne  Hals  auf  dem  Bügel, 
im   10.  Jahrhundert  erscheint  er  gegliedert  und  von  da  an  giebt 


Fig.  251.  Fig.  252. 

Fig.  251.  Stachelsporn.  Der  Hals  ist  auf  eine  Eisenschiene 
genietet,  welche  durchlöchert,  mittelst  Tiersehnen  auf  den  Fersenteil  der 
Eisenhose  genäht  wurde.  13.  Jahrhundert,  Anfang.  Aus  der  Sammlung 
W.  H.  Riggs.    Nach  Viollct-le-Duc. 

Fig.  252.  Sporn  mit  nach  abwärts  gerichtetem  Halse,  in  Tausia 
geziert.    Italienisch.    16.  Jahrhundert,  Ende.    Museum  zu  Zarskoe-Selo. 

zuweilen  der  Stil  der  Gliederung  einen  sicheren  Anhaltspunkt  für  das 
Alter  des  Sporns. 

Im  13.  Jahrhundert  erhält  der  Bügel  oberhalb  des  Halses  einen 
kleinen  Ansatz  zu  dem  Zwecke,  um  zu  verhüten,  dafs  der  Hals 

Boeheim,  Waffenkunde  1$ 


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22  Ü 


I.   Die  Schutzwaffen. 


beim  Gebrauche  nach  aufwärts  gegen  die  Achillessehne  schlage.  Diese 
Form  erhält  sich  mit  einigen  Veränderungen  bis  ins  1 6.  Jahrhundert 
hinein. 

Schon  in  der  i.  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  wird  es  unter 
den  Vornehmen  Sitte,  die  Sporen  zu  vergolden  und  selbst  mit  Emails 
auszustatten,  wie  überhaupt,  was  die  künstlerische  Gestaltung  und 
Auszierung  betrifft,  der  Sporn  bis  ins  17.  Jahrhundert  als  ein  von 
der  Kunst  reich  ausgestatteter  Gegenstand  erscheint. 

In  älterer  Zeit  und  bis  etwa  ins  14.  Jahrhundert  ist  der  Sporn 
bei  den  Orientalen  nicht  selten,  er  erscheint  als  gerader,  ziemlich 


Fig-  253. 

Fig.  253.    Sporn  von  geschnittenem  Eisen,  teilweise  vergoldet. 
Italienisch.    16.  Jahrhundert. 

langer  Stachel  mit  kugelförmigen  Ansätzen  am  Halse  und  selbst  mit 
kleinen  Scheibchen.  Namentlich  steht  er  bei  den  Mauren  in  Ge- 
brauch. Bei  den  östlichen  arabischen  und  türkischen  Völkern  kommt 
er  seltener  vor,  weil  die  breiten  Steigbügel  denselben  ersetzen. 


Fig.  254. 


Fig.  254.    Gotischer  Sporn  aus  geschnittenem  Eisen,  teilweise 
durchbrochen  gearbeitet  und  verzinnt.     15.  Jahrhundert,  Ende. 

Die  Länge  des  Halses  ist  für  den  Gebrauch  keineswegs  gleich- 
giltig.  Je  länger  der  Hals,  desto  weniger  kommt  der  Reiter  bei  der 
Spornhilfe  aus  der  Anlehnung  der  Waden.  Auch  die  Sattelform  hat 
auf  die  Länge  des  Halses  Einflufs,  besonders  aber  die  Bekleidung 
des  Beines  vom  13.  Jahrhundert  an.  Aus  dieser  Ursache  benötigten 
schon  die  mit  Panzerbeinkleidern  Gerüsteten  des  13.  Jahrhunderts 
noch  mehr  aber  die  mit  Beinschienen  ausgestatteten  Reiter  des  15. 
und  dem  Anfange  des   16.  Jahrhunderts,  Sporen  mit  sehr  langen 


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Ii.   Der  Sporn. 


227 


Hälsen,  weil  die  Kniebuckel  eine  nur  beschränkte  Bewegung  des 
Unterschenkels  gestatteten.  Später,  als  das  Beinzeug  beweglicher  ge- 
staltet wurde,  und  als  man  sich  häufig  nur  halber  Harnische  bediente, 
wurden  die  Sporenhälse  wieder  kurz,  ja  in  Italien  sitzen  die  Räder 
oft  knapp  an  den  Bügeln  und  sind  die  Hälse  nicht  selten  nach  ab- 
wärts gerichtet  (Fig.  252  und  253.)  Die  beweglichen  Spomräder 
erscheinen  vom  14.  Jahrhundert  an  in  den  verschiedensten,  vom 
Kunststile  der  Zeit  beeinflufsten  Formen,  ebenso  häufig  als  am  Rande 
gezackte  Scheiben  wie  als  Sterne,  Von  der  Zahl  der  Spitzen  an 
letzteren  auf  das  Alter  des  Sporns  schliefsen  zu  wollen,  würde  zu 
Irrungen  führen.  Man  findet  in  der  Zahl  der  Spitzen  gerade  im  14. 
Jahrhundert  die  gröfsten  Verschiedenheiten.  Von  der  Mitte  des  15. 
Jahrhunderts  am  Ausgange  der  gotischen  Kunstperiode  findet  sich 
häufig  der  Stern  mit  6  dünnen  Spitzen,  er  ist  für  die  Zeit  charakte- 
ristisch. (Fig.  254.)  In  Burgund  wird  es  unter  Karl  dem  Kühnen 
Sitte,   an  den  Spornhälsen  bewegliche  Buchstaben  als  Anhängsel  zu 


Fig.  255. 

Fig.  255.  Sporn  aus  durchbrochenem  Eisen  und  gehauenen  Ver- 
zierungen. Auf  dem  Stege  liest  man  die  Inschrift:  „pomny  na  mye 
ma  myla  wyerna  pany"  (Gedenke  mein,  meine  liebe,  getreue  Gattin). 
Auf  dem  Beschläge  des  Schnallcnriemens  erblickt  man  ein  gekröntes 
gotisches  Monogramm,  das  bisher  nicht  gedeutet  ist.    Um  1450. 

tragen,  welche  in  ihrem  Zusammenhalte  irgend  einen  Spruch,  eine 
Devise  oder  religiöse  Anrufung  darstellten.  Diese  Mode  leitet  sich 
von  einer  älteren  her,  an  den  Spornhälsen  Schellen  zu  tragen. 

Von  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ab  finden  sich  an  den 
Bügelenden  im  Scharnier  laufende  Riemenöhre,  deren  Anfänge  und 
allmähliche  Ausbildung  man  schon  vom  13.  Jahrhuudert  an  verfolgen 
kann.  Vom  1 5.  Jahrhundert  erscheinen  die  Sporen  mit  durchbroche- 
nen Dessins  in  schöner  Zeichnung,  auch  das  hatte  seine  praktische 
Ursache:  um  sie  leichter  zu  machen.    (Fig.  255.) 

Von  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  an  steht  nicht  selten  der 
Sporn  unmittelbar  mit  dem  Eisenschuh  an  der  Ferse  derart  in  Ver- 
bindung, dafs  der  Hals  ohne  Bügel  an  das  Fersenblech  genietet  ist. 
An  den  meisten  derartigen  Harnischen  in  den  Museen  und  Samm- 

«5* 


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228 


I.   Die  SchutzwafTen. 


lungen  sind  die  Sporen  weggebrochen,  aber  die  noch  sichtbaren  Niet- 
löcher zeigen  ihr  einstiges  Vorhandensein  an. 

Seit  dem  15.  Jahrhundert  wurde  in  den  meisten  Fällen  der 
Sporn  unter  dem  Eisenschuh  an  Riemen  befestigt  Das  Beinzeug 
besitzt  zu  diesem  Zwecke  an  der  Ferse  tiefe  Ausschnitte,  aus  welchen 
der  Spornhals  hervorragt.  In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
trifft  man  die  unterschiedlichsten  Arten  des  Anlegens  der  Sporen 
am  geharnischten  Fufs,  auch  oberhalb  des  Eisenschuhes  angeschnallte 
Sporen  zählen  nicht  zu  den  Seltenheiten. 


Fig.  256. 

Fig.  256.  Sporn  aus  Eisen  mit  drei  vertikal  übereinander  stehen- 
den gezahnten  Rädern.  Polnisch.  17.  Jahrhundert.  Museum  iu 
Zarskoe-Selo. 

Die  Beriemung  des  Spornes  bestand  aus  dem  unter  der  Sohle 
durchlaufenden  Stegriemen  und  den  über  den  Rist  laufenden 
Schnallenriemen.   Im  15.  Jahrhundert  begegnet  man  auch  doppel- 


Fig.  257. 

Fig.  257.    Schwerer  Kutschenreitersporn  von  Messing  mit 
drei  Hälsen  und  sternförmigen  Rädern.    Deutsch.    17.  Jahrhundert. 

ten  Stegriemen,  oder  selbst  doppelten  Kettchen  mit  Trittspangen,  weil 
Lederriemen  leicht  abgetreten  wurden. 

Ein  charakteristisches  Merkmal  für  das  Alter  der  Sporen  geben 
die  Formen  der  Riemenöhre.  Die  ältesten  Exemplare  haben  an  den 
Bügelenden  nur  ein  Öhr,  an  welches  mittelst  Ringen  mit  dem  Steg- 
riemen auch  der  Schnallenriemen  befestigt  wurde.    Vom  13.  Jahr- 


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II.   Der  Sporn. 


229 


hundert  an  kommen  bereits  zwei  Öhre  vor,  die  übereinander,  häufiger 
aber  hintereinander  stehen.  Das  vordere  diente  immer  für  den  Steg- 
riemen. Im  15.  Jahrhundert  bildete  man  die  Riemenansätze  mittelst 
Beschlägen,  die  in  Scharnieren  laufen.  Für  den  Stegriemen  wird  ein 
eigener  Ansatz  an  den  Bügel  gebildet,  der  öfter  zur  Bügelrichtung 
im  Winkel  gebrochen  erscheint. 

Im  17.  Jahrhundert  kamen  bei  den  Moskowitern  und  Polen 
Sporen  mit  2  bis  3  Rädem  vor,  die  Formen  sind  meist  plump  und 
unschön.  Den  Reitern  erschienen  sie  jedoch  martialisch  und  sie  be- 
dienten sich  daher  derselben  mit  Vorliebe.    (Fig.  256.) 

Als  man  allgemein  anfing,  den  Sporn  auf  der  gewöhnlichen 
Fufsbekleidung  aus  Leder  zu  tragen,  wurde  der  Schnallenriemen  über 
den  Rist  breiter  gemacht,  um  ein  schmerzendes  Drücken  des  Fufses 
zu  verhüten.  Aus  gleicher  Ursache  erhalten  im  17.  Jahrhundert  die 
Schnallenriemen  vierseitig  geschnittene  Auflager  aus  starkem  Leder, 
durch  welche  sie  hindurchlaufen.  Diese  Art  der  Beriemung  hat  sich 
auch  noch  bis  in  die  neueste  Zeit  erhalten. 

In  den  Sammlungen  finden  sich  zuweilen  äufserst  bizarr  gestaltete 
Sporen,  zumeist  aus  Messing  mit  zwei  und  selbst  auch  drei  Haben 
mit  mächtigen  Rädern.  Derlei  Formen  dienten  nie  für  den  Gebrauch 
im  Kriege,  es  sind  sogenannte  Kutschenreitersporen,  welche  an 
den  schweren  Kutscherstiefeln  angeschnallt  getragen  wurden,  die  dem 
Reiter  eine  nur  sehr  beschränkte  Bewegung  mit  den  Füfsen  ge- 
statteten. Solche  Sporen  wirkten  schon  bei  einer  nur  geringen  An- 
lehnung des  Fufses  an  die  Weichen  des  Pferdes.    (Fig.  257.) 


I 


Die  Handwerkszeichen  der  Plattnerfamilie  Missaglia. 
Relief  im  Hofe  des  Hauses  derselben  in  der  Via  degli  Spadari  zu  Mailand. 

Um  1380. 


II.   Die  Angriffswaffen. 


A.   Die  blanken  Waffen. 


L  Das  Schwert. 


as  Schwert  ist  ein  ehrwürdiges  Vermächtnis  aus  dem  Altertum, 


seine  Erfindung  reicht  weit  über  unsere  geschichtliche  Kenntnis 
zurück;  wir  haben  es  jedoch  hier  nur  mit  seinen  ersten  Formen  im 
Mittelalter  zu  thun  und  mit  den  Wandlungen,  welche  dieselben  bis 
in  die  Neuzeit  erfahren  haben. 

Wir  verstehen  unter  der  Bezeichnung  Schwert  im  allgemeinen 
eine  Blankwaffe,  welche  mit  gerader,  ein-  oder  zweischneidiger,  spitziger 
oder  abgestumpfter  Klinge  zum  Hieb  oder  Hieb  und  Stich  am  Griffe 
derart  geführt  wird,  daß  der  Daumen  am  Ansatz  der  Klinge,  ^ler 
kleine  Finger  am  Knaufe  ruht. 

Strenge  genommen  gehörten  somit  alle  geraden  Klingen  mit 
säbelartiger  Montierung,  wie  die  französischen  Reitersäbel  zum  Stöfs 
oder  die  sogenannten  Pallasche,  die  polnische  Karabela  hierher;  ihre 
ganz  verschiedene  Montierung  aber  reiht  sie  zu  den  Säbeln,  mit 
denen  sie  in  der  Ausstattung  übereinkommen. 

Ohne  die  späteren  Beigaben  am  Griffe,  deren  wir  am  betreffen- 
den Orte  gedenken,  zu  berücksichtigen,  unterscheiden  wir  den  Knauf, 
das  Griffholz  und  die  Parierstange.  Die  Klinge,  mit  einem 
schmalen  Fortsatze  aus  weicherem  Eisen,  der  sogenannten  Angel, 
vom  Griffe  gehalten,  ist  entweder  einschneidig  messerförmig  oder 
zweischneidig,  mit  abgerundetem  oder  spitzem  Ende.  Sie  ist,  wenn 
wir  ihren  Querschnitt  ins  Auge  fassen,  flach,  kolbig  oder  mit  Grat, 
mit  Hohlschliff  oder  mit  mehreren  schmäleren  Rinnen,  sogenannten 
Blutrinnen  ausgestattet.  Der  Hohlschliff  hat  immer  den  Zweck, 
die  Klinge  im  Gewichte  zu  erleichtern. 

Man  mufs  in  der  Beurteilung  der  Waffenformen  immer  festhalten, 
dafs  deren  Entwickelung  nicht  von  einem  territorialen  Punkte  aus- 


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A.  Blanke  Waffen.    I.  Das  Schwert. 


gegangen  ist,  sondern  gewissermafsen  von  zwei  Zentren,  deren  als 
Grenzen  des  Einflusses  gedachte  Kreislinien  sich  berühren  und  oft 
überkreuzen.  So  ist  es  auch  in  der  Ausbildung  der  Schwertformen, 
es  stehen  sich  da  zwei  voneinander  unabhängige  kulturelle  Bewe- 
gungen gegenüber,  von  denen  die  eine  ihren  Anstofs  in  der  römi- 
schen Antike,  die  andere  vom  Oriente  her  erhalten  hatte. 

Die  erstere  ist  von  einer  absterbenden  Kultur  ausgegangen,  sie 
ist  einfach,  selbst  schwerfallig  und  führt  erst  nach  Jahrhunderten  zu 
einer  feineren  Durchbildung.  Die  letztere  ist  das  Ergebnis  eines 
mächtigen  Aufstrebens  und  gelangt  in  überraschend  kurzer  Zeit  zu 


Fig.  258.  Fig.  259. 

Fig.  258.  Kurzschwert,  parazonium,  gallischen  Ursprungs  aus 
vormerowingischer  Zeit.  Gefunden  bei  Sesto-Calende.  Archäol.  Museum 
der  Akademie  in  Mailand.    Nach  Viollet-le-Duc. 

Fig.  259.  Formen  des  Sax  ältester  Zeit.  Nach  Beck,  Geschichte 
des  Eisens. 

einer  aufserordentlichen  Entwickelung,  mit  der  sie  zu  verschiedenen 
Perioden  den  ganzen  Occident  beeinflufst. 

Wenn  wir  zur  Beurteilung  der  Schwertformen  zunächst  die  der 
Klinge  ins  Auge  fassen,  so  müssen  wir  vorerst  bemerken,  dafs  sie 
von  der  Ausbildung  der  Technik  wesentlich  abhängig  war.  Wir 
finden  demnach  in  den  Händen  der  Völker  am  Ausgange  der  an- 


232 


II.   Die  Angriff s waffen. 


tiken  Periode  durchweg  nur  das  Kurzschwert,  das  in  mancher  Be- 
ziehung dem  Parazonium  der  Alten  ähnlich  ist.  (Fig.  258.)  Von 
Italien  und  Spanien  bis  in  den  Norden  hinauf  finden  sich  die 
Schwerter,  welche  Gräbern  des  4.  und  5.  Jahrhunderts  entstammen, 
mit  kurzen  Klingen  von  ganz  ähnlichen  Formen,  eine  Beobachtung, 
die  sich  auch  auf  die  Griffe  erstreckt.  Die  durchschnittlich  45  cm, 
lange,  meist  kolbige,   zweischneidige  Klinge  verbreitert  sich  gegen 


Fig.  260.     Fig.  261.  Fig.  262. 


Fig.  260.    Langsax.    Nach  Beck,  Geschichte  des  Eisens. 

Fig.  261.    Scramasax.    Nach  Beck,  Geschichte  des  Eisens. 

Fig.  262.  Fränkisches  Kurzschwert  (Scramasax).  Die  ein- 
schneidige Klinge  mifst  34  cm.  Länge  und  7  cm.  Breite.  Der  17.25  cm. 
lange  Griff  ist  nahezu  ganz  zerstört.  Die  Lederscheide  besitzt  an  der 
Schneideseite  eine  Verbreiterung,  von  der  aus  das  Schwert  an  dem 
Gürtel  befestigt  wurde.  Grabfund  vor  dem  Burgthore  in  Andernach. 
Rhein.  Provinzialmuseum  in  Bonn.  Nach  C.  Koenen,  in  den  Jahr- 
büchern des  Vereins  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  18S8. 


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A.  Blanke  Waffen,    i.  Das  Schwert. 


233 


das  2.  Drittel  der  Länge,  um  die  Hiebwucht  zu  vergröfsern  und 
läuft  spitz  gegen  das  Ende  zu. 

Unter  den  Germanen,  die  das  Schwert  im  gewöhnlichen  Sinne 
erst  von  den  Römern  übernahmen,  war  anfanglich  nur  das  Messer 
(sax,  altd.  sahs,  angels.  seax)  zum  Hausgebrauch  bekannt,  das  später 
auch  im  Kampfe  dienen  mufste.  (Fig.  259.)  Es  hatte  ursprünglich 
eine  gebogene  Klinge,  erst  später  formte  man  diese  geradelaufend. 
Zweifelsohne  wurde  es  im  Gefechte  auch  geworfen.  Die  Krieger 
erachteten  jedoch  diese  Waffe  als  zu  wenig  ihren  Kräften  entspre- 
chend; sobald  ihnen  nur  ein  Schmied  ein  gröfseres  Stück  erzeugen 
konnte,  regte  sich  der  Wunsch  nach  einer  längeren  und  schwereren 
Klinge.  So  entstand  der  Langsax  mit  einschneidiger,  3.5  bis  4 
cm.  Breite  und  40  bis  60  cm.  Länge.  (Fig.  260.)  Seine  Form 
hat  sich  mit  einigen  Veränderungen  in  den  Waidmessern  erhalten. 
Auch  der  Langsax  erschien  dem  Germanen  zu  leicht  und  wenig 
wirksam,  der  unausgesetzt  nach  einer  gewichtigeren  Waffe  verlangte. 
Aus  diesem  Streben  erwuchs  das  einschneidige  schwere  Kurz- 
schwert, der  Scramasax.  Seine  Klinge  von  6.5  cm.  Breite  und 
44  bis  76  cm.  Länge  hatte  einen  Rücken  von  6  bis  8  mm.  Breite, 
Dimensionen,  die  der  Waffe  eine  ungemeine  Wucht  geben  mufsten. 
Der  Scramasax  wurde  darum  auch  an  einem  langen  Griffe  mit 
beiden  Händen  geführt  (Fig.  261  und  262.)  Das  Kurzschwert  im 
Beowulf  wird  Breitsax  genannt,  es  scheint  damit  jedoch  ein  Scra- 
masax bezeichnet  zu  sein.  Eigentümlich  ist  den  Klingen  des 
Scramasax  eine  tiefe  Blutrinne,  die  nahe  dem  Rücken  entlang  läuft  Die 
Form  des  Scramasax  finden  wir  noch  im  9.  und  selbst  im  10.  Jahr- 
hundert in  Bildwerken,  welche  auf  byzantinische  Herkunft  weisen, 
wie  am  Porphyrrelief  an  der  Markuskirche  in  Venedig  (Fig.  263,) 
und  in  einem  Dyptichon  im  Domschatze  zu  Halberstadt. 

Das  einschneidige  Hauschwert  hatte  unter  den  Germanen  selbst 
sich  herausgestaltet  das  gestählte  zweischneidige  lange  Schwert,  so 
früh  es  auch  bei  ihnen  Eingang  gefunden  hatte,  übernahmen  sie  von 
fremden  Völkern,  wenngleich  sein  Name  spatha  nordischen  Ur- 
sprungs ist  In  den  Händen  der  Germanen  erwuchs  dasselbe  zu 
gröfserer  Länge  und  Schwere.  In  den  ältesten  Perioden  seines  Vor- 
kommens konnte  nur  der  Wohlhabende  eine  so  mühsam  gefertigte 
teure  Waffe  sich  verschaffen;  das  blieb  bis  in  jene  Zeit  als  unter 
den  Germanen  der  Wohlhabende  vornehm,  der  Arme  gering  wurde. 
Bereits  unter  den  Merowingem  war  das  Schwert  nur  eine  Waffe  des 
Vornehmen,  und  das  ganze  Mittelalter  hindurch  galt  dasselbe  aus- 
schliefslich  als  ritterliche  Waffe. 

Unter  den  Merowingem  trug  die  Masse  des  Fufsvolkes  neben 
anderen  Waffen,  wie  der  firamea,  einer  Art  Wurfspiefs,  und  der 
francisca,  einer  Wurfhake,  den  deutschen  Scramasax.  In  der 
Reiterei  führte  nur  der  Vornehme  ein  Schwert  deren  zweischneidige 


234 


II.    Die  Angriffswaffen. 


Fig.  263.  Fig.  264.  Fig.  265. 

Fig.  263.  Schwert  aus  dem  Porpbyrreiief,  ein  sich  umarmendes 
Fürstenpaar  darstellend,  vor  der  Markuskirche  in  Venedig.  Das  Relief, 
angeblich  aus  Ptolomais  hergebracht,  ist  wohl  byzantinisch.    10.  Jahrh. 

Fig.  264.  Schwert  samt  Scheide  aus  dem  Grabe  des  Königs 
Chilperich  (gest.  584)  stammend,  in  seiner  jetzigen  fachmäfsigen  Zu- 
sammenstellung. Knauf,  Parierstange  und  Scheidenbeschläge  sind  von 
Gold,  mit  rotem  Zellenemail  geziert.  Die  Klinge  mifst  48  cm.  Musee 
du  Louvre. 

Fig  265.  Fränkisches  Schwert  mit  eisenbeschlagenem  Griffe. 
Klingenlängc  8$  cm.  Grabfund  von  Kirchberg  bei  Andernach.  Rhein. 
Provinzialmuseum  in  Bonn.  C.  Koencn  in  den  Jahrbüchern  des  Ver- 
eins von  Altcrtumsfreundcn  im  Rheinlande  1888. 


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A.  Blanke  Waffen.    I.   Das  Sehwert. 


235 


flache  Klinge  aber,  um  vom  Pferde  aus  besser  wirken  zu  können, 
eine  Länge  von  60  bis  70  cra.  hatte.  Diese  Reiterschwerter  der 
Merowinger,  von  denen  sich  noch  einige  Exemplare  in  der  Sammlung 
des  Louvre,  im  germanischen  Museum,  zu  Mainz  u.  a.  O.  erhalten 
haben,  ist  als  Urform  des  späteren  Reiterschwertes  zu  betrachten. 

Eigentümlich  ist  den  Reiterschwertern  dieser  Periode  (um  580) 
der  quer  stehende,  knebeiförmige  Knauf,  das  kurze  Griffholz  und  die 
kurze  gerade  Parierstange.  Das  Scheidenbeschläge  mit  Mundbeschläge, 
Mittelbeschläge  und  Ortband  läfst  orientalische  Einflüsse  erkennen, 
die  sich  auch,  wie  an  dem  bekannten  Schwerte  Chilperichs  (f  584)  im 
Louvre,  in  der  Form  und  Technik  der  Verzierungen  aussprechen. 
(Fig  264.) 

Ein  Beleg  für  den  steten  Einflufs  des  Orientes  ist  das  Schreiben 
Theoderichs  des  Grofsen  an  seinen  Schwager  den  König  der  Van- 
dalen  Thrasamund  (um  520),  worin  derselbe  für  eine  Sendung  von 
Waffen,  deren  Klingen  blank  wie  der  Spiegel  gefertigt  und  mit 
schönen  Vertiefungen,  wie  kräuselndem  Gewürm,  geziert  waren,  seinen 
Dank  ausspricht.*)  Das  waren  ohne  Zweifel  Arbeiten  maurischer 
Werkstätten  von  der  Nordküste  Afrikas,  und  wir  erhalten  hier  die 
erste  Kunde  von  einer  Damaszierung  der  Klingen.  Auch  noch  später 
werden  „wurmbunte"  Klingen  von  Dichtern  gepriesen.  Aus  dem 
Funde  in  einem  longobardischen  Fürstengrabe  von  Civezzano,**)  der 
dem  8.  Jahrhundert  angehören  dürfte,  erweist  sich,  dafs  auch  in 
dieser  Völkerschaft  das  lange  Schwert  Eingang  gefunden  hatte;  die 
beiden  Klingen  sind  breit,  flach,  haben  eine  durchschnittliche  Länge 
von  75  cm.  und  enden  in  stumpfer  Spitze,  die  kurzen  Griffe  aber 
zeigen  römische  Formen. 

Was  die  Grifflform  anbelangt,  so  finden  wir  neben  den  be- 
schriebenen eine  besondere,  die  sich  unzweifelhaft  aus  ältester  Zeit 
herschreibt  und  ebensowohl  bei  den  nordischen,  als  den  germanischen 
und  fränkischen  Völkern  angetroffen  wird.  Diese  Griffe  sind  häufig 
aus  Bronze  gebildet,  sehr  kurz,  die  Handlage  besitzt  quere  Gliede- 
rungen, der  untere  Teil  schliefst  mit  einer  Scheibe  ab.  Schwerter 
mit  derlei  Griffen  scheinen  in  den  damaligen  Heeren  allgemein  ge- 
führt worden  zu  sein.  Der  Übergang  von  dieser  Form  zur  Form  der 
Griffe  mit  kleinen  Parierstangen  scheint  erst  im  8.  Jahrhundert  ein- 
getreten zu  sein.    (Fig.  265.) 

Vom  6.  bis  zum  7.  Jahrhundert  hatte  die  Klingenfabrikation  im 
Occident  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen;  es  erweist  sich 
dies  in  der  ausgezeichneten  Güte  des  Stahles  und  der  vorzüglichen 
Arbeit  der  aufgefundenen  Klingen  jener  Zeit,  die  schon  mit  ganz 
regelrecht  geformten  Hohlschliffen  ausgestattet  sind.   (Fig.  266.)  Es 


*)  Cassiod.,  Variar.  Hb.  V.  Epist.  1.  Gay  V.  Glossaire  archeol.  Alemellc 
•)  Ferdinandeum  in  Innsbruck. 


230 


II.   Die  Angriffswaffen. 


1 


Ii 

Fig.  266. 


Fig.  267. 


V 

Fig.  268. 


F i g.  266.  Schwert  aus  karolingischer  Zeit  mit  silberbeschlagenem 
Griffe  und  silberner  oval  gebildeter  Parierstahgc.  Die  Klinge  besitzt 
einen  der  ganzen  Länge  nach  laufenden  Hohlschliff.  Sammlung  Graf 
Nieuwerkerke.   Nach  Viollet-le-Duc. 

Fig.  267.  Schwert  mit  Scheide  und  Gehänge.  Von  einer 
Miniatur  aus  der  Bibel  Karls  des  Kahlen  (860—875).  Nach  Jac- 
quemin. 

Fig.  268.  Das  Schwert  des  heiligen  Stephan,  Königs 
Ungarn.  Der  Knauf  und  die  kreisrunde,  oben  abgeplattete  Scheibe 
Elfenbein  zeigen  früh  romanisch»^  Laubwerk.  Die  flache,  109  cm  lange 
Klinge  läfst  noch  Spuren  einer  Inschrift  erkennen.  Anfang  des  Ii.  Jahr- 
hundert.  Schatz  von  St.  Veit  in  Prag. 


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A.  Blanke  Waffen.    I,  Das  Schwert. 


237 


ist  bemerkenswert,  dafs  die  gröfste  Menge  der  Klingen  vom  5.  bis 
ins  7.  Jahrhundert  mit  abgerundeten  Enden  erscheint,  ein  Beweis, 
wie  wenig  Wert  man  in  der  Streitweise  auf  den  Stich  gelegt  hat. 
Die  Griffe  des  7.  Jahrhunderts  sind  noch  auffallend  kurz,  kaum  für 
die  Faust  ausreichend,  mit  Knäufen,  welche  bereits  in  die  Form  einer 
aufrecht  stehenden  halben  Scheibe  übergehen,  und  geraden  kurzen 
Parierstangen.  Die  Klingen  messen  in  der  Länge  bis  zu  85  cm.  und 
darüber.  So  stellen  sie  sich  nicht  allein  im  Psalterium  aureum  und 
anderen  Handschriften  des  8.  Jahrhunderts,  sondern  auch  in  Origi- 


Fig.  269.  a.  Fig.  270.  b. 


Fig.  269.  Schwert  eines  französischen  Befehlshabers  aus  einer 
Miniatur  in  einem  Codex  der  2.  Hafte  des  II.  Jahrhunderts  in  der 
Nationalbibliothek  in  Paris.    Nach  Jacquetnin. 

Fig.  270  a.  b.  Schwertformen  aus  dem  Teppich  von  Bayeux. 
Ende  des  Ii.  Jahrhunderts. 

nalen  dar.  (Fig.  267.)  Im  allgemeinen  erscheint  das  Schwert  an- 
fänglich nur  als  ein  Werkzeug  zum  Verletzen  und  nicht  auch  als 
ein  solches,  um  sich  vor  der  Verletzung  des  Gegners  zu  schützen. 
Darum  besitzen  die  ältesten  Schwerter  nur  Griffe  ohne  oder  mit 


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238         .  II.   Die  Angriffswaffen. 

nur  sehr  kurzen  Parierstangen  ja  die  ältesten  haben  an  dieser 
Stelle  nur  Scheiben  oder  Knäufe.  (Fig.  268.)  Erst  mit  der  Ent- 
wickelung  der  Fechtkunst  wurde  bei  der  Form  des  Griffes  auf  den 
Faustschutz  Bedacht  genommen.  Die  Fechtkunst  kam  aber  erst  in  den 
ersten  Kreuzzügen  in  Aufnahme;  auch  sie  ist  orientalischen  Ursprungs. 

Die  innere  Festigimg  des  germanisch-gallischen  Staatswesens 
unter  Karl  dem  Grofsen  wirkte  ungemein  fördernd  auf  die  Entwickc- 
lung  der  Künste  und  Handwerke;  dazu  trug  nicht  wenig  der  stetig 
zunehmende  Verkehr  mit  dem  Oriente  bei.  Dieser  Einflufs  macht 
sich,  wie  überhaupt  in  der  Kunsttechnik,  auch  in  der  Klingenfabri- 
kation deutlich  kennbar.  Aus  Syrien  wanderten  die  ebenso  geschickten 
wie  emsigen  Kunsthandwerker,  darunter  die  Klingenschmiede,  nach 
Europa  und  begannen  anfänglich  an  den  Küsten  Siziliens  und  Spaniens 
eine  reich  sich  lohnende  Thätigkeit.  Dieser  Thatsache  ist  es  zuzu- 
schreiben, dafs  wir  bereits  am  Ende  des  8.  Jahrhunderts  Klingen  von 
einer  so  kunstvollen  Ausführung  erblicken,  wie  sie  in  christlichen 
Ländern  selbst  bis  ins  15.  Jahrhundert  nicht  übertroffen  wurde.  Wir 
finden  in  der  Miniatur  einer  Handschrift  der  Nationalbibliothek  in 
Paris  aus  der  2.  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  in  den  Händen  eines 
fränkischen  Befehlshabers  ein  Schwert  mit  kelchförmigcm  Knaufe,  ge- 
rader Parierstange  und  einer  sehr  langen  Klinge,  welche  einen  bis 
ans  Ende  reichenden  Hohlschliff  besitzt.  Innerhalb  dieses  bemerkt 
man  Linien  und  Punkte  angedeutet,  welche  vermuten  lassen,  dafs 
mit  ihnen  bereits  Durchlöcherungen,  sogenannte  „Giftzüge"  (alemelles 
ä  fenetres)  dargestellt  sind;  wie  uns  solche  bisher  nur  in  maurischen 
Klingen  des  14.  Jahrhunderts  vor  Augen  kommen.  (Fig.  269.)  Im 
Teppich  von  Bayeux  erscheinen  die  Schwertklingen  von 
>*v  verschiedener  Länge,  übermäfsig  lang  bei  Vornehmen, 
*"\  \  etwa  60  cm.  bei  Geringeren  und  Fufsstreitern ,  meist 
1  I  spitz.  Die  Knäufe  sind  in  Form  einer  halben  Scheibe, 
p  '  '  1  die  Griffe  besitzen  kurze,  gerade  Parierstangen  und  ein 
'  auffallend  kurzes  Griffholz.     (Fig.  270  a  und  b,  271.) 

Wenig  später  treffen  wir  schon  mit  dem  scheibenförmigen 
Knauf  die  etwas  nach  abwärts  gebogene  Parierstange. 
(Fig.  272,  273,  274,  275.)  Der  Knauf  in  seiner  scheiben- 

G  St  Vom    förmi&en  Gestalt  hatte  nicnt  allein  die  Bestimmung,  das 
Schwerte    Ausgleiten  der  Hand  zu  verhindern,  sondern  auch  dem 
eines  Nor-  Gewichte  der  langen  Klinge  ein  Gegengewicht  zu  bieten, 
manen  aus    Aus  dieser  Ursache  werden  auch  die  Knäufe  in  späterer 
dem  Teppich  ^eit  jramer  massiver  und  schwerer.    Im  12.  Jahrhundert 
Ende  des     macht   sich    eine    strengere    Scheidung    des  Reiter- 
11.  Jahrh.    Schwertes  von  jenem  des  Fufsgängers  merkbar,  insoweit 
man  dem   Fufsknechte  überhaupt   das  Führen  eines 
Schwertes,  das  nur  als  eine  Waffe  des  Adligen,  desRitters  angesehen 
wurde,  zugestand.  Selbst  in  Italien,  wo  doch  das  Fufsvolk  überhaupt  nicht 


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A.   Blanke  Waffen.    I.  Das  Schwert. 


239 


so  sehr  mifsachtet  wurde,  führte  dieses  im  12.  Jahrhundert  nur  Spiefse. 
Diese  Ausrüstung  ohne  Schwert  erhält  sich  in  der  venetianischen 
Miliz  bis  ins  13.  Jahrhundert  Vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  er- 
scheinen auf  den  Klingen  Marken,  welche  mit  einfachen  Gravierungen 
versehen  sind,  in  welche  Gold  oder  Silber  eingeschlagen  wurde,  die 
einfachste  Art  von  Tausia. 

Ein  Beispiel  aus  der  Zeit  des  Überganges  vom  II,  ins  12. 
Jahrhundert  bietet  uns  das  sogenannte  Schwert  des  heiligen  Mauritius, 


Fig.  272.  Fig.  273. 

Fig.  272.  Schwert  Kaiser  Heinrichs  IL  des  Heiligen  (gest. 
1024),  aus  dessem  Missalc  vormals  im  Domschatze  zu  Bamberg.  Kgl. 
Bibliothek  in  München.    Nach  Hefner,  Trachten  I,  2. 

Fig.  273-  Schwert  Wilhelms  II.  des  Rothen  Königs  von  Eng- 
land (1087  —  1100).  Aus  einer  Miniatur  der  Bibel  von  Canterbury. 
Bibliothek  S.  Gcncvicve.    Nach  Jacquemin  Iconographie. 

in  der  kaiserlichen  Schatzkammer  zu  Wien,  das  trotz  seiner  sagen- 
haften Zueignung  doch  erst  der  Zeit  Konrads  III.  (1093,  folgte  1 138, 
starb  1152)  angehört.    Die  federkräftige  Klinge  mit  Hohlschliff  trägt 


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240  IL   Die  Angriffswaffen. 

das  Jerusalemer  Kreuz  in  Silber  tauschiert.  Der  Griff  aus  vergol- 
detem Silber  mit  pilzförmigem  Knauf  besitzt  lateinische  Inschriften. 
Das  Zeremonienschwert  der  deutschen  Throninsignien  ebendaselbst 
wurde  unter  Heinrich  VI.  (i  165,  folgte  11 90,  starb  1 197)  in  Sizilien 


Fig.  274.  Fig.  275. 


Fig.  274'  Schwert  Gottfrieds  I.,  Herzogs  der  Nonnandie. 
Nach  einer  Emailplattc  von  ca.  Ii 50  im  Museum  zu  Mans.  Gazette  des 
Beaux-Arts.  1886. 

F  i 275.  Kriegsmann  mit  Schwert  nach  einer  Miniatur  in 
einer  Handschrift  vom  Ende  des  12.  Jahrhunderts.  Königl.  Bibliothek 
im  Haag.    Nach  Van  der  Kellen. 


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Fig.  276.  Das  Zeremonienschwert  der  deutschen  Kron- 
insignien,  gefertigt  unter  Kaiser  Heinrich  VL  (1 165 — 1197).  Mau- 
rische Arbeit  aus  Sizilien.  Der  Knauf  ist  jüngere  Arbeit  des  14.  Jahr- 
hunderts.   K.  u.  K.  Schatzkammer  zu  Wien.    Nach  Leitner. 

Fig.  277.  Zweihändiges  Schwert  mit  Ledergriff  und  Fassung 
von  Eisen  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Auf  der  noch  älteren  Klinge 
von  151.5  cm.  Länge  liest  man  in  Majuskeln  des  15.  Jahrhunderts: 
„Genannt  Herr  Dietrich  von  Berns  schwert." 

Boeheim.  Waffenkuode.  l6 


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242  IL    Die  Angriffswaffen. 

gefertigt.  Seine  federkräftige  Klinge  mit  flachem  Hohlschliff  trägt 
das  Kreuzzeichen  in  Goldtausia.  Griff  und  Parierstange  sind  in  Email 
geziert,  der  Knauf  ist  jüngere  Arbeit  der  Zeit  Karls  IV.  Die  pracht- 
volle, mit  emaillierten  Goldblechen  und  Lotperlen  gezierte  Scheide  ist 
genau  so  gefertigt,  wie  der  Mönch  von  St.  Gallen  schildert.*) 
(Fig.  276.) 

Im  13.  Jahrhundert  erscheinen  die  Klingen  bereits  mit  oft 
längeren  Inschriften  in  gotischen  oder  lateinischen  Majuskeln,  ein- 
graviert oder  auch  in  Tausia,  aber  auch  schon  mit  ins  Gesenk  ge- 
schlagenen Marken,  durch  welche  der  Meister  bezeichnet  wird.  Die 
Inschriften  enthalten  entweder  fromme  Sprüche,  sogenannte  Waffen- 
segen oder  kabbalistische  Anrufungen,  welche  besonders  auf  Passauer 
Klingen  häufig  angetroffen  werden.  Oft  gibt  die  Reihe  der  Buch- 
staben gar  keinen  Sinn  und  erscheint  als  eine  willkürliche  Zusammen- 
stellung von  Buchstaben.  Die  häufig  auf  Klingen  des  13.  und  14. 
Jahrhunderts  vorkommenden  Buchstaben  S.  S.  bedeuten  Sacrificium 
Sanctum. 

Seit  der  Zeit  der  Karolinger  erhielt  das  Schwert  eine  hohe  Be- 
deutung für  den  freien  Mann.  Man  betrachtete  es  als  einen  Gegen- 
stand der  Verehrung,  verlieh  ihm  Namen  wie  einem  lebendigen  Wesen 
und  umkleidete  es  mit  dem  Zauber  der  Romantik.  So  hiefs 
Rolands  Schwert,  das  der  Schmied  Madelger  von  Regensburg  fertigte, 
„Durandel"  (Durenda  Durindane).  Karls  des  Grofsen  Schwert  hiefs 
„Joyuse",  das  Turpins  „Almance",  das  Ganelons  „Mulagir",  das 
Schwert  des  Mohrenkönigs  Paligans  hiefs  „Preciose",  das  cles  Wilhelm 
von  Oranse  ebenfalls  Shoyuse  (Joyeuse).  Siegfrieds  Schwert  hiefs 
bekanntlich  „Balmung".  In  der  Artussage  finden  wir  gleichfalls  mit 
Namen  belegte  Schwerter.  Voran  steht  „Caliburn",  das  Schwert  des 
Königs  Artus,  gefertigt  auf  der  Insel  Avalon,  wo  die  Fee  Morgane 
hauste;  es  kam  der  Sage  nach  in  den  Besitz  des  Richard  Löwenherz. 

Um  seinen  Wert  für  den  christlichen  Sinn  zu  erhöhen,  wurden 
in  die  Knäufe  Reliquien  von  Heiligen  gefafst;  diese  fromme  Sitte 
erhielt  sich  bis  ins  14.  Jahrhundert.  Nicht  die  Christen  allein,  auch 
die  Araber  widmeten  ihren  Schwertern  eine  hohe  Verehrung,  und  es 
waren  besonders  die  Mauren,  welche  dem  Kultus  des  Schwertes  im 
hohen  Grade  huldigten. 

Die  Verehrung  des  Schwertes  bei  den  Arabern  datiert  ohne 
Zweifel  noch  aus  vorraohammedanischer  Zeit  Den  gröfsten  Reich- 
tum des  Propheten  bildeten  nach  den  arabischen  Schriftstellern  seine 


*;  „Das  Schwert  wurde  erstiieh  von  einer  Scheide  (von  Holz),  dann  durch 
Leder,  drittens  durch  sehr  weifses,  mit  hellem  Wachs  gestärktes  Linnen  so  um- 
geben, dafs  es  mit  seinem  in  der  Mitte  glänzenden  Kreuzchen  zum  Verderben  der 
Heiden  dauerhaft  erhalten  werde."  Monach.  St.  Gall.  I.  34.  Leitner,  Die  her- 
vorragendsten Kunstwerke  der  kaiserl.  Schatxkammer  zu  Wien. 


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A.   Blanke  Waffen.    I.   Das  Schwert. 


243 


10  Schwerter,  unter  denen  als  das  berühmteste  der  „Dsulfakar"  (  der 
Durchbohrer)  gepriesen  wird.  Nach  Albufeda  soll  es  Mohammed  in  der 
Schlacht  bei  Bedr  von  Mombas  al  Heyjahi,  dem  Sohne  des  Alsaha- 
mitam,  erbeutet  haben.   Alle  10  Schwerter  führten  Namen,  der  Dsul- 


Fig.  278.  Fig.  279. 


Fig.  278.  Schwert  des  Deutschordensritters  Konrad  von 
Thüringen,  Landgrafen  von  Hessen,  auf  dessem  Grabsteine  von 
1241.    Nach  Jacquemin,  Ikonographie. 

Fig.  279.  Venezianisches  Stadtschwert.  Die  78  cm.  lange 
Klinge  mit  demNamen  des  Königs  C  oloman  von  Ungarn  (1094 — 1 1 14) 
gehört  dem  14.  Jahrhundert  an.  Der  Griff  von  Elfenbein,  in  Form  des 
Ainkhurns  (Narwall)  geschnitten,  mit  vergoldetem  Metallknauf  von  orien- 
talisierender  Form.    Fassung  15.  Jahrhundert,  Ende. 

16» 


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244 


II.    Die  Angriffswaffen. 


fakar  lief  sonderbar  in  2  Spitzen  aus,  wie  er  auch  allgemein  abge- 
bildet wird.  Später  wird  seiner  durch  ein  allgemein  gebräuchliches 
Schriftzeichen  y  erwähnt 

Im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  ersteht  in  Deutschland  der  Ge- 
brauch, die  scheibefh förmigen  Knäufe  mit  Wappen  (Fig.  277),  in 
Italien  und  Frankreich,  mit  Inschriften  oder  Namen  zu  verzieren;  er 
erhält  sich  bis  ins  15.  Jahrhundert. 

Am  Ende  des  1 2  Jahrhunderts  verlängert  sich  an  Reiterschwertern 
das  Griftholz  allmählich.  (Fig.  278.)  Die  Schwierigkeit,  eine  längere 
Klinge  von  80  bis  90  cm.  mit  einer  Hand  zu  regieren,  führte 
zu  der  Notwendigkeit,  auch  zuweilen  die  zweite  zu  Hilfe  zu  nehmen; 
damit  entstehen  die  Griffe  „zu  anderthalb  Hand".    Diese  Form, 


Fig.  280.  Fig.  281. 

Fig.  280.  Schwert  mit  Griff  aus  grün  gefärbtem  Horn,  in  Stift- 
technik geziert.  Die  Klinge  von  91  cm.  Länge  besitzt  den  sogenannten 
Kettenring.  Am  Ansätze  erblickt  man  Verzierungen  in  Goldschmclz 
alla  sanguigna,  darin  das  Wappen  der  Hohenembs  Die  Scheide  aus 
gcprcfstcm  Leder  besitzt  eine  Besteckscheide  für  ein  Messer.  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts.    Italienisch,    Nach  Hefner,  Trachten  II,  166. 

Fig.  281.  Reiterschwert  mit  Parierringen  und  Faustschutz- 
spangen nach  italienischer  Art.  Die  Klinge  von  108  cm.  Länge  ist 
mit  gehauenen  Verzierungen  ausgestattet.    Deutsch.    Um  I53°- 


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A.   Blanke  Waffen.    I.  Das  Schwert.  245  ^ 


im  13.  Jahrhundert  noch  vereinzelt  auftretend,  wird  im  14.  unter 
den  Adligen  allgemeiner  und  zur  charakteristischen  Form  des  ritter- 


Fig.  282  Fig.  283  Fig.  284. 


Fig.  282.  Gemeines  R eiterschwert  mit  einfachem  Faust- 
schutzbügel und  Kreuzspangen.  Die  112  cm.  lange  Klinge  wie  die 
Fassung  sind  Mailänder  Arbeit.  Waffe  der  KUrisser  des  Kurfürsten 
Albrecht  von  Bayern,  wie  der  auf  der  Klinge  ins  Gesenk  geschla- 
gene Rautenschild  erweist.    Um  1540. 

Fig.  283.  Gemeines  leichtes  Reiterschwert  mit  einfachem 
Parierring  und  Daumenring.  Länge  der  Bresciancr  Klinge  107  cm. 
Italienisch.    Um  15 10. 

Fig.  284.  Italienisches  Reiterschwert  mit  lappcnförmigem 
Knaufe  und  schneckenförmig  eingebogenen  Parierstangen.  15  Jahr- 
hundert, Ende. 


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246 


IL   Die  Angriffswaffen. 


liehen  Schwertes.  Bis  in  diese  Zeit  waren  längere  Schwerter  auch 
ohne  Scheiden  getragen  und  blofs  mit  Riemen  umwickelt.  In  Frank- 
reich trug  der  Adlige  zwei  Schwerter,  das  eine  lange  am  Sattelbogen 
rechts,  das  andere  kürzere  am  Gürtel  an  der  linken  Seite.  Um  die 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  traten  zuerst  jene  Klingen  auf,  welche, 
mit  scharfem  Grat  versehen,  von  der  Angel  bis  zum  Ende  spitz  zu- 
laufen. Sie  dienten  in  der  Regel  für  den  Kampf  zu  Fufs,  wurden 
aber  später,  besonders  in  Italien,  auch  zu  Pferde  getragen;  ihre  spitze 
Form  zeigt  bereits  an,  dafs  man  sich  ihrer  nicht  allein  für  den  Hieb, 
sondern  auch  für  den  Stich  nach  den  Zwischenräumen  des  Panzer- 
zeuges, nach  unbedeckten  oder  weniger  verwahrten  Stellen  des 
Körpers  bediente.  Die  Schwertscheiden  jener  Zeit  sind  von  Holz 
mit  meist  getriebenen  Metallbeschlagen.  Die  immer  mehr  zunehmende 
Verbesserung  des  Harnisches  war  Ursache,  dafs  im  14.  Jahrhundert 
auch  die  Klingen  eine  bedeutendere  Stärke  erhielten,  um  im  Hiebe 
auch  entsprechende  Wirkung  zu  erreichen.  Man  findet  denn  auch 
an  den  Klingen  der  eigentlichen  Armeewaffen  jener  Zeit  den  Hohl- 
schliff seltener  und  die  gratige  Klinge  allgemein,  die,  um  nicht  ein 
übermäfsiges  Gewicht  zu  erhalten,  von  der  Angel  an  spitz  zuläuft. 
Für  Luxuswaffen  und  solche,  die  im  gewöhnlichen  Verkehre  getragen 
wurden,  waren  für  die  Form  der  Klingen  immer  andere  Bedürfhisse 
ausschlaggebend.  Sie  waren  in  der  Regel  kurz,  für  den  Nahkampf 
berechnet,  leicht,  um  nicht  unbequem  zu  werden;  so  entwickelt  sich 
am  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  in  Italien  und  Spanien  gegenüber 
dem  eigentlichen  Kriegsschwert  „die  Hauswehre",  deren  sich  in 
Städten  der  Adlige,  der  Bürger,  auf  dem  Lande  der  Bauer  bedient. 
(Fig.  279,  280.) 

Bis  ins  14.  Jahrhundert  war  deutsche  Art  in  der  kriegerischen 
Ausrüstung  mafsgebend;  so  war  auch  die  in  Deutschland  übliche 
Form  für  das  Schwert  in  Frankreich  und  England  allenthalben  an- 
zutreffen. Von  dieser  Zeit  an  beginnt  im  Waffenwesen  der  italienische 
Eintlufs  mächtiger  zu  werden.  Er  begann  mit  der  Ausbildung  der 
Fechtkunst  in  Venedig,  Bologna  und  Florenz,  die  sehr  bald  darauf 
auch  in  Frankreich  und  Deutschland  Eingang  fand.  Die  allenthalben 
auf  dem  Kontinent  herumziehenden  Adepten  italienischer  Fecht- 
schulen, die  Marcusbrüder,  Fechtbrüder,  hatten  anfänglich  einen  nicht 
unbedeutenden  Einflufs  auf  die  allmähliche  Umgestaltung  der  Form 
der  Schwerter.  Um  1350  finden  wir  bereits  Fechtmeister  unter  der 
Bezeichnung  gladiatores  in  den  deutschen  Städten,  1380  Fechtschulen 
(Vechtstatt)  und  die  Meister  werden  Fechter  genannt  Kaiser  Frie- 
drich III.  verlieh  ihnen  1487  ein  Privilegium,  als  „Meistern  des 
Schwertes".  Ernste  Schaustellungen  wurden  „Bluet-Rüer-Fechten" 
genannt  Herumziehende  Meister  hiefsen  Freifechter.  Im  17.  Jahr- 
hundert treten  die  Federfechter  auf,  welche  statt  des  Schwertes  den 
Degen  handhabten. 


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A.    Blanke  Waffen.    I.   Da»  Schwert 


247 


In  Frankreich,  wo  die  Waffenfabrikation  ganz  in  den  Händen 
der  Italiener  lag,  brauchte  man  im  14.  Jahrhundert  allgemein 
Schwerter  mit  kurzen,  spitzigen,  grätigen  Klingen  und  Griffen,  welche 
mit  beiden  Händen  geführt  und  grofsenteils  in  Bordeaux  erzeugt, 
daher  bordelaises  genannt  wurden;  daneben  erhielt  sich  das  lange 
deutsche  Reiterschwert,  Kürifs schwer t,  dessen  Griff  aber  überall 
Formen  Wandlungen  unterlag,  die  den  italienischen  Geschmack  verraten. 
(Fig.  281,  282,  283,  284.)  So  erscheinen  nun  die  lappig  gebildeten 
Knäufe,  die  gebogenen,  attisch  gegliederten  Parierstangen  und  Beschläg- 
formen an  Scheiden,  die  bereits  der  Frührenaissance  angehören. 
(Fig.  285.) 

In  der  Klingenfabrikation,  in  der  bisher  der  Orient  dominierte, 
streiten  nun  Toledo,  Passau  und  Brescia  um  den  Vorrang.  Zwei  dieser 
Zentren  der  Waffenschmiedekunst  leiteten  ihren  Ursprung  in  die  vor- 
geschichtliche Zeit  zurück.  Toledo  verdankte  seinen  späteren  hohen 
Ruhm  den  Mauren,  Passau,  eine  Waffenstätte  aus  nachrömischer  Zeit, 
erhob  sich  später  durch  deutschen  KunsUieifs  zur  ersten  Stätte  der 
Kunstindustrie.  Brescia,  das  schon  den  Etruskern  Waffen  schmiedete, 
stand  in  der  späteren  Römerzeit  bezüglich  seiner  Waffenerzeugung  unter 
einem  Decurio  armamentarii,  dem  auch  die  Werkstätten  von  Friaul, 
Steyermark  und  Kärnten  unterstellt  waren  und  von  welchen  aus  die 
Legionen  am  Rhein,  an  der  Donau,  in  Pannonien  mit  Waffen  versehen 
wurden.  Im  13.  Jahrhundert  aber  entwickelte  sich  Brescia  bedeutend, 
so  dafs  es  mit  staunenswertem  Erfolge  um  den  Preis  des  Vorranges 
in  die  Bahn  treten  konnte. 

Wenngleich,  wie  wir  gesehen  haben,  das  Schwert  schon  im  7. 
Jahrhunderte  und  früher  ein  beliebter  Gegenstand  der  künstlerischen 
Ausstattung  gewesen  ist,  so  blieb  diese  doch  nur  auf  einzelne  Stücke 
beschrankt,  die  Masse  der  übrigen  erscheint  in  Ansehung  der  Fassung 
auch  da  insgemein  roh  und  plump,  wo  ausgezeichnete  Klingen  sorg- 
fältigere Behandlung  verdient  hätten.  Erst  im  14.  Jahrhundert,  durch 
italienischen  Einflufs  gefördert,  erhalten  die  Griffe  eine  leichtere  und 
durchgebildete  Form.  Die  Knäufe  erscheinen  in  mannigfachen  und 
gefälligeren  Formen,  das  Griffholz  wird  nun  mit  Leder  oder  Stoff 
überzogen  oder  mit  Draht  umwunden,  ja  oft  mit  Seidenschnüren 
netzartig  umstrickt.  Die  Parierstangen  werden  nun  nicht  selten  ge- 
schweift gebildet.  Gegen  das  Ende  des  Jahrhunderts  zeigen  sich  in 
Spanien  die  ersten  kleinen  Anfänge  zur  Erzielung  eines  besseren 
Schutzes  der  Faust  durch  Beigabe  des  Faustschutzbügels  (Eselshuf, 
pas  d'äne)  der  später,  im  16.  und  17.  Jahrhundert,  in  Italien  und 
Spanien  zu  so  übertriebener  Ausgestaltung  gelangte.  Die  Schwert- 
scheide von  Leder  erhält  Beschläge  von  Metall,  das  Ortband  er- 
scheint zuweilen  in  Form  einer  Zwinge.  Nie  findet  sich  ein  Mund- 
blech, welches  damals  nur  an  orientalischen  Scheiden  vorkam.  Um 
die  Klinge  vor  Nässe  zu  schützen,  wird  der  Oberrand  der  Scheide- 


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248 


II.  Die  Angriffswaffen. 


mündung  häufig  im  Eck  geschnitten,  wie  wir  aus  Fig.  286  ersehen. 
Schmale  Riemen  verbinden  die  Schwertscheide  mit  dem  Gürtel,  sie 
bilden  das  Gehänge  von  Leder,  welches  für  gewöhnlich  nie  Beschläge 
erhält,  oft  nicht  einmal  mit  einer  Schnalle  versehen  wird.  Die  Be- 
festigung des  Schwertes  an  den  Körper  war  anfänglich  sehr  einfach 
und  wurde  durch  einen  breiten  Lederriemen  vermittelt,  der  an  einem 
Ende    schmal   geschnitten    und   durch  Spalten  am   anderen  Ende 


Fig.  285.  Fig.  286.  Fig.  287. 


Fig.  285.  Prunkschwert  Philipps  des  Schönen,  Königs  von 
Castilien  (1478 — 1506)  aus  vergoldetem  Messing,  teils  durchbrochen 
gearbeitet  und  auf  rotem  Sammt  aufgelegt.  Die  74  cm  lange,  spitz 
zulaufende  Klinge  ist  mit  vergoldeten  Gravierungen  ausgestattet,  in 
welchen  Wappen  und  Embleme  des  Papstes  Julius  II.  (della  Rovere, 
gest.  15 13)  erscheinen.  Romische  Arbeit  vom  Anfange  des  16.  Jahr- 
hunderts. 

Fig.  286.  Schwert  in  der  Scheide  und  mit  Gehänge  des 
Schwanenritters  in  der  Minnesinger- Handschrift  der  Nationalbibliothek 
in  Paris.  Mitte  des  14.  Jahrhunderts.  Nach  Jacquemin,  Ikono- 
graphie. 

Fig.  287.  Schwert  eines  Kriegers  mit  Scheide  und  Gehänge 
aus  der  Zeit  König  Johanns  I.  von  Frankreich  (1350 — 1364).  Aus 
einem  Basrelief  an  der  Kirche  St.  Leu  in  Paris,  Erste  Form  der 
Schleifengehängc.    Italienischer  Einflufs.    Nach  Jacquemin. 


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■ 


A.  Blanke  Waffen.    I.  Das  Schwert.  249 

gesteckt  und  verknüpft  wurde.  Diese  Befestigung  war  so  unbequem 
und  umständlich,  dafs  die  Krieger  beim  Nichtgebrauche  das  Schwert 
mit  dem  um  die  Scheide  gewickelten  Riemen  in  der  Hand  trugen.  Als 
im  13.  Jahrhundert  die  tiefen  Waffengürtel  (dupsing)  in  Gebrauch 
kamen,  wurde  das  Schwert  an  Ringen  an  diesem  Gürtel  getragen 
und  bei  der  tiefen  Stellung  desselben  an  den  Lenden  zu  Fufs  rück- 
wärts am  Boden  nachgeschleppt  Eine  praktischere  Befestigung  des 
Leibriemens  durch  Schnallen  oder  Haken,  der  Schwertscheide  durch 
Schleifen  wird  erst  im  14.  Jahrhundert  allgemeiner.  (Fig.  287.)  Vom 
Anfange  des  16.  Jahrhunderts  datieren  die  aus  Italien  gekommenen 
Taschen,  in  denen  die  Schwertscheide  ruht  Um  die  Mitte  des 
Jahrhunderts  bestehen  diese  Taschen  aus  3  und  bis  zu  6  schmalen 
Riemen,  die  geschnallt  sind  und  an  einem  Haken  am  Gürtel  hängen. 
Ein  schmaler  Riemen  läuft  von  der  Tasche  gegen  die  Mitte  des 
Leibes  an  den  Gürtel,  um  das  Schlenkern  zu  verhindern.  (Fig.  326.) 
So  bleiben  die  Schwertgehänge  bis  gegen  die  Mitte  des  1 7.  Jahrhunderts, 
um  welche  Zeit  die  französische  Art  des  Tragens  über  die  rechte  Schulter 
üblich  wird.  In  dieser  Art  behalten  die  Taschen  anfänglich  noch 
die  alte  Form.  Gegen  das  Ende  des  Jahrhunderts  erscheint  die 
Seiten waffe  mittelst  der  sogenannten  Steckkuppel  um  die  Mitte  des 
Leibes  geschnallt 

Seit  dem  12.  Jahrhundert  hatte  sich  allmählich  die  Überzeugung 
herausbildet,  dafs  das  Schwert  für  den  Hieb  allein  auf  die  Pan- 
zerung des  Gegners  eine  nur  geringe  Wirkung  hatte;  infolge  dessen, 
wie  wir  gesehen  haben,  die  Klingen  spitz  zulaufend  gestaltet  werden, 
um  sie  auch  für  den  Stich  gebrauchen  zu  können.  Bei  der  äufserst 
soliden  Fertigung  des  Lentners  im  14.  Jahrhundert,  der  an  den 
Achseln,  am  unteren  Brustteile,  den  Armgelenken  etc.  bald  durch 
Platten  verstärkt  wurde,  genügte  auch  diese  Umbildung  nicht  mehr, 
die  Klingen  waren  zu  breit  und  auch  zu  biegsam,  um  zwischen  den 
Geschieben  in  den  Körper  eindringen  zu  können.  Das  führte  am 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  zur  Einführung  der  Bohrschwerter 
(perswerte,  auch  pratspiefse  genannt)  (Fig.  288),  welche  in  der  Form 
langer  Pfriemen  mit  drei-  oder  vierseitigem  Querschnitte  und  stumpfen 
Kanten  nur  für  den  Stöfs  zu  gebrauchen  waren.  Die  Spitzen  dieser 
Klingen  haben  in  der  Regel  eine  ungemeine  Härte.  Aus  den  Bohr- 
schwertern, welche  schwer  zu  regieren  waren,  bildete  sich  im  1 6.  Jahr- 
hundert eine  ähnliche  leichtere  Schwertgattung  heraus:  der  Panzer- 
stecher, der  im  westlichen  Europa  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  verschwand,  um  den  von  Spanien  aus  in  die 
Mode  gekommenen  Stöfs degen  Platz  zu  machen.  In  dieser  Periode 
schien  es  als  würde  die  Stichwaffe  die  Hiebwaffe  völlig  verdrängen, 
ja  italienische  Fufstruppen  führten  um  1 560  neben  den  noch  üblichen 
Schlachtschwertern  (Z weihändern,  Bidenhandern)  auch  zweihändige 
Stecher  von  oft  riesenhafter  Länge.    In  der  Türkei,  in  Ungarn  und 


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Fig.  288.  Fig.  289. 

Fig.  288.  Pörschwcrt  mit  kantig  geschliffener  Klinge  (gotischer  Einrlufs).  Der 
Griff  ist  mit  Leder  überzogen;  die  Parierstangen  sind  verstümmelt.  Um  1500.  Deutsch. 

Fig.  289.  Schwert  zu  anderthalb  Hand  des  Kaisers  Maximilians  I.  Die 
92  cm.  lange  italienische  Klinge,  noch  dem  14.  Jahrhundert  angehorig,  wurde  später 
mit  dem  Bindenschild  in  Goldschmelz  geziert.  Der  Griff  von  Horn  mit  vergoldeten 
Metallbeschlägen  und  mit  blechbeschlagencr  Tasche.  Die  Scheide  von  Leder  hat 
vergoldete  Beschläge  ungarischer  Form 


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A.  Blanke  Waffen.    I.  Das  Schwert. 


251 


Polen,  wo  noch  bis  ins  18.  Jahrhundert  Maschenpanzer  getragen  wurden, 
führte  ein  Teil  der  Reiterei  Panzerstecher,  welche,  an  der  linken  Seite 
des  Sattels  zwischen  den  Taschen  eingesteckt,  einen  Teil  der  Pferde- 
rüstung bildeten.    Aufserdem  führte  der  Reiter  seinen  Säbel. 

Wie  rasch  auch  am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  infolge 
spanischer  und  italienischer  Einflüsse  die  Formen  der  Schwertgriffe 
wie  der  Klingen  sich  umbildeten,  die  deutsche  Ritterschaft  hielt  doch 
anfanglich  zähe  fest  an  der  Form  des  alten  Kürifsschwertes  mit  langem 
Griffe  zu  anderthalb  Hand  ohne  Bügel  und  langer,  mäfsig  breiter 
Klinge,  wie  sie  sich  in  der  Spätgotik  herausstilisiert  hatte.  (Fig.  289.) 
Die  Griffe  zeigen  häufig  eine  eminente  Technik  im  Eisenschnitt  mit 
wirkungsvollen  dekorativen  Ziermitteln,  wie  Mosaik,  Email,  Schmelz, 
Gravierung.  Auch  der  Gold-  und  Silberschmied,  der  Elfenbein- 
schneider etc.  nimmt  allmählich  häufiger  Anteil  an  der  Ausstattung  des 
Schwertes.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  an  Reiterschwertern  sind 
die  sogenannten  Taschen,  zweilappig  geschnittene,  in  der  Mitte 
durchlöcherte  Lederstücke,  welche  auf  den  Griff  bis  zur  Parierstange 
herab  derart  gesteckt  wurden,  dafs  die  Lappen  beiderseits  über  den 
Klingenansatz  reichten.  Die  äufseren  Lappen  wurden  häufig  mit  Messing- 
nägeln geziert  und  wohl  auch  mit  solchem  Blech  beschlagen.  Der 
Zweck  dieser  Taschen  war,  die  Angel  der  Klinge  vor  Nässe  und 
damit  vor  Rost  besser  zu  schützen.  (Fig.  289.)  Diese  Lappen  treten 
schon  um  1350  auf,  und  man  findet  sie  noch  an  Schwertern  des  16. 
Jahrhunderts.  Die  Klingen  werden  vielfältig  graviert,  mit  Gold,  Silber, 
Kupfer  oder  Messing  eingelegt  (tauschiert)  und  am  Ansatz  vergoldet. 
Die  Markierung  der  Werkstätten  durch  eingehauene  oder  ins  Gesenk 
geschlagene  Zeichen  wird  allgemein  üblich,  und  ausnahmsweise  treffen 
wir  auch  schon  Namen  oder  doch  Monogramme  von  Waffenschmieden 
auf  denselben.  Eine  der  ältesten  Klingenmarken,  die  schon  im  14. 
Jahrhundert  bekannt  war,  ist  der  sogenannte  „Wolf",  das  Zeichen 
der  Passauer  Werkstätten,  welches  bis  in  den  Orient  durch  Jahr- 
hunderte eine  grofse  Berühmtheit  erlangte,  leider  aber  auch  vielfach  ge- 
fälscht wurde")  (Fig.  290).  Ins  Gesenk  geschlagene  Meistermarken  führten 


*)  Es  wird  gegenüber  den  vielfach  irrigen  Ansichten  über  das  Wolfszeichen 
nicht  Überflüssig  erscheinen,  über  selbes  einige  Aufschlüsse  zu  geben.  Der  Wolf  leitet 
sich  von  dem  Passauer  Wappenschilde  ab,  welches  aus  einem  aufrecht  stehenden 
Wolfe  in  Silber  im  roten  Felde  besteht.  Eine  Stelle  in  einer  alten  Passauer 
Chronik,  welche  uns  Leber  in  seinem  Werke:  „Das  kaiserl.  Zeughaus  zu  Wien" 
mitteüt,  berichtet,  dafs  die  Passauer  Klingenschmiede  das  Wolfszeichen  1349  durch 
Albrecht  den  Lahmen  erhalten  hätten.  Das  stimmt  nur  insofern,  als  wir  thatsächlich 
keine  älteren  Wolfszeichen  aufweisen  können,  aber  zur  Bezeichnung  der  Klinge 
mit  dem  Wappen  des  Erzeugungsortes  bedurfte  es  wohl  keiner  landesherrlichen 
Begabung.  Andere  Werkstätten,  die  Solinger  voran,  haben  sich  unrecht- 
mäfsigerweisc  später  gleichfalls  dieses  Zeichens  bedient.  Die  auf  den  Klingen 
eingehauene  Gestalt  des  Wolfes  ist  für  Passaucr  Klingen  charakteristisch  und 
unschwer  von  Fälschungen   zu   unterscheiden.    Klingen  von  bischöflichen  Werk- 


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252 


II.    Die  Angriffswaffan. 


zuerst  die  Toledaner  Werkstätten,  ihnen  folgten  jene  zu  Brescia, 
endlich  die  Nürnberger.  Passau  entschlofs  sich  erst  spät  zu  ihrer 
Einfuhrung.  Um  1500  kommt  die  Tauschierung  von  Meisterzeichen 
nur  mehr  ausnahmsweise  bei  Solinger  Klingen  vor. 

Wir  wenden   uns   nun  der  orientalischen 
Klingenerzeugung  zu,  welche  das  ganze  Mittel- 
alter hindurch  vielfach  fördernden  Einflufs  auf 
die  occidentale  Produktion  gewonnen  hat.  In 
der  frühesten  Zeit  des  Islams  werden  die  indischen 
Schwertklingen  und  jene  von  Yemen  gerühmt, 
später  in  den  Kreuzzügen  jene  aus  Syrien  und 
von  Damaskus.     Diese  alten  Industrien  gingen 
im   15.  Jahrhundert  sehr  zurück,  dafür  hoben 
sich  jene  in  Ägypten,  Marokko  und  Spanien; 
letztere  Orte  hatten,  wie  wir  bereits  bemerkten, 
schon  zur  Zeit  der  Vandalenherrschaft  eine  her- 
vorragende Bedeutung.     Vom    9.  Jahrhundert 
an  kamen  die  Klingen  aus  schwarzem  Stahl  von 
Fig.  290.   Formen  Khorassan  mit  Recht  zu  hohem  Ansehen.  Die 
von  Passauer  Wolfs-  Klingenfabrikation  Toledos  fand  ihr  Entstehen 
"i;CMesnsinrc.!ngcleg\   "hon  ™  *****  Mittelalter  durch  die  Mauren. 
14.  und  15.  Jahrhundert.  Abderhaman  II.  gestaltete  die  dortige  Industrie 

vollständig  um  (822  —  852),  ein  Unternehmen, 
welches  von  ungemeinem  Erfolg  begleitet  war.  Neben  Toledo  glänzten 
in  der  Klingenerzeugung  in  Spanien  im  späteren  Mittelalter  Almeria, 
Murcia,  Granada,  vor  allem  aber  Sevilla,  im  15.  Jahrhundert  auch 
Valencia,  Saragossa,  Barcelona  und  Cuelar  in  der  Provinz  Segovia. 

Wir  kennen  keine  spanisch -maurischen  Waffen  von  höherem 
Alter  als  dem  15.  Jahrhundert.  Die  schönsten  besitzen  die  Armeria 
Real  (Fig.  291)  und  die  Sammlung  des  Marquis  von  Villasecca  in 
Madrid,  in  letzterer  bewahrt  man  die  Waffen  Boabdils.  Unter  den 
berühmten  Meistern  spanischer  Klingenindustrie,  welche  wir  am  Schlüsse 
anführen,  ragt  der  Maure  Julian  del  Rey  hervor.  Er  war  vor  1492 
noch  Boabdils  Dienstmann,  nahm  später  das  Christentum  an  und 
erfreute  sich  der  hohen  Gunst  seines  Taufpaten,  des  Königs  Ferdi- 


führen  aufser  dem  Wolf  noch  das  pedum,  den  bischöflichen  Krummstab. 
Im  14.  Jahrhundert,  wenn  nicht  schon  früher,  wufsten  die  Passauer  Klingen- 
schmiede ihre  Arbeiten  mit  mystischem  Nimbus  zu  umgeben.  Ihre  Klingen,  angeb- 
lich unter  geheimnisvollen  Zeremonien  gearbeitet,  sollten  nicht  nur  eine  stets 
tödliche  Wirkung  haben ,  sondern  auch  den  Träger  unverwundbar  machen.  Dazu 
mufsten  allerlei  Sprüche,  teils  religiösen,  teils  kabbalistischen  Inhalts  dienen,  welche 
auf  den  Klingen  eingegraben  wurden.  Ganz  analoge  Verhältnisse  in  Bezug  auf 
schlaue  Benutzung  des  Aberglaubens  finden  sich  bei  den  Waffenschmieden  Indiens, 
Chinas  und  Japans.  Selbst  den  Türken  waren  Wolfsklingen  und  ihre  geheime 
Kraft  nicht  unbekannt,  und  die  für  derlei  mystische  Vorspiegelungen  empfänglichen 
italienischen  Kriegsleute  schätzten  Wolfsklingen  ungemein  hoch. 


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Fig.  291.  Fig.  292.  Fig.  293. 


Fig.  291.  Maarisches  Schwert.  Aus  dem  Besitze  des  Don 
Juan  d'Austria,  aber  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammend.  Armeria 
Real  in  Madrid,  nach  Laurent. 

Fig.  292.  Reiterschwert  zu  anderthalb  Hand  mit  Parier- 
ringen und  gegliedertem  Griffholz.    15.  Jahrhundert  Ende.  Italienisch. 

Fig.  293.  Prunkschwert,  bekannt  unter  der  Bezeichnung  „mit 
dem  Mascaron"  mit  einfachem  Faustschutzbügel  und  aufgebogenem 
Griffbilgel.  Italienische  Arbeit.  Die  schöne  Klinge  mit  Giftzügen  in 
3  Reihen  ist  spanisch  und  trägt  das  Zeichen  des  berühmten  Klingen- 
schmiedes Sebastian  Hernandez  in  Toledo. 


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254 


11.   Die  Angriffswaffcn. 


nand  des  Katholischen.  Als  seine  Marke  ist  eine  einem  Hündchen 
ähnliche  Figur  angesehen,  daher  auch  deren  Name  „perillo",  aber 
selbst  unter  spanischen  Archäologen  im  Fache  regt  sich  darüber  ein 
Zweifel,  und  man  neigt  sich  jetzt  der  Ansicht  zu,  dafs  mit  diesem 
Zeichen  nicht  jenes  Julians  allein,  sondern  ein  allgemeines,  ähnlich 
dem  Passauer  Wolf,  ausgedrückt  sei.  Julian  arbeitete  anfangs  in 
Granada,  dann  in  Saragossa,  zuletzt  aber  in  Toledo,  zu  dessen  Ruhm 
er  ausserordentlich  beigetragen  hatte. 

Die  japanische  Klingenindustrie,  welche  heute  durch  den  Druck 
der  modernen  Fabriksthätigkeit  ihrem  Ende  entgegengeht,  hat  eine 
ungemein  rühmliche  Vergangenheit  hinter  sich.  Wir  sind  in  der  Lage, 
sie  in  ihren  besten  Meistern  fast  bis  an  den  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung zu  verfolgen.  Japanische  Klingen  gelangten  von  uralter  Zeit 
her  ohne  eigentliche  Montierung  in  die  Hände  des  Bestellers.  Das 
zweihändige  Langschwert  Katänä,  das  Kurzschwert  Wakisaschi,  end- 
lich der  Panzerstecher  Ken  wurden  in  einer  Scheide  von  weifsem 
Holze  aus  dem  Stamme  des  Kiri  verwahrt  übergeben,  auch  die  Angel 
steckte  in  einer  hölzernen  Hülse.  Nach  Entfernung  zweier  Holznägel 
konnte  die  Angel  von  der  Hülse  befreit  und  das  auf  ihr  befindliche 
Schwertfegerzeichen  betrachtet  werden.  Die  Fassung  liefs  sich 
jeder  Eigentümer  nach  seinen  individuellen  Ansichten  fertigen.  Das 
gehörte  nicht  mehr  zur  Aufgabe  des  Schwertfegers.  Was  man  in 
Japan  mit  Schwert  bezeichnet,  ordnet  sich  fachlich  unter  die  Krumm- 
schwerter. 

Mit  der  Verfeinerung  des  Kriegswesens  wurde  auch  die  Hand- 
habung des  Schwertes  mehr  durchgebildet;  man  beschränkte  sich  nicht 
mehr  auf  ein  blindes  Dreinschlagen,  um  den  Gegner  ausgiebig  zu 
verletzen,  sondern  suchte  auch  in  der  Form  und  Führung  das  Mittel 
zu  finden,  sich  vor  den  Hieben  des  Gegners  zu  schützen.  Dieses 
Bestreben  führte  zunächst  auf  eine  Veränderung  der  Schwertgriffe. 
Bei  den  ältesten  Formen  derselben  trennt  nur  ein  knaufartiger  Ansatz  die 
Faust  von  der  Klinge,  sodafs  die  Faust  in  ganz  ungenügender  Weise 
gegen  den  Hieb  geschützt  ist.  Einen  besseren  Schutz  boten  dann 
zwar  die  Parierstangen,  die  anfänglich  nur  kurz  gebildet  sind  und  erst 
später  sich  verlängern.  Allein  auch  die  Parierstange  erschien  bald  un- 
genügend; man  verbreiterte  deshalb  die  Deckung  und  bildete  die  Faust- 
schutzbügel, anfänglich  an  der  Aufsenseite,  später  auch  nach  beiden 
Seiten. 

Das  Griffholz  an  Reiterschwertern  entglitt  zu  leichtt  der  noch 
von  einem  ungefingerten  Eisenhandschuh  (Hentze)  bedeckten  Hand; 
man  verjüngte  und  gliederte  den  Griff,  um  ihn  in  der  ungelenken 
Hand  besser  zu  fühlen.  (Fig.  292.)  Zunächst  traten  dann  in  Italien 
zum  Schutze  der  Fingerlage  die  Griffbügel  auf.  Sie  wachsen  an- 
fänglich aus  der  Parierstange  heraus  und  stehen  mit  dem  Knaufe 
oberhalb  nicht  in  Verbindung.    Erst  um  1560  sind  sie  vollständig 


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A.  Blanke  Waffen,    i.  Da»  Schwert.  255 

geschlossen.  (Fig.  293.)  Erst  gegen  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
kamen,  von  Italien  her  angeregt,  Schwerter  mit  doppelten  Faust- 
schutzbügeln in  Gebrauch,  ein  Bügel  unter  dem  anderen,  damit  die 
aufgefangenen  Hiebe  nicht  bis  zur  Faust  dringen  konnten.  Bald 
darauf  suchte  man  durch  einfache  und  doppelte  Korbbügel 
(Spangenkörbe)  auch  die  Knöchel  zu  schützen.  Die  ersten  derartigen 
Korbgriffe  kamen  aus  Spanien,  eine  besondere  Ausbildung  erhielten 
sie  aber  in  Mailand.  In  gröfseren  Massen  wurden  sie  anfänglich  in 
Brescia,  später  aber  auch  allenthalben  in  Deutschland  erzeugt. 
Stichblätter  kommen  an  Schwertern  seltener  zur  Anwendung  und 
selbst  dann  nur  bei  italienischen.  Im  Oriente  sind  vorzugsweise  bei 
bei  Panzerstechern  scheibenförmige  Stichblätter  beliebt. 

Gegen  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  kommt  uns  in  vielen 
Sammlungen  eine  Gattung  von  Schwertern  vor  Augen,  die  man 
Schweinschwerter  nennt  Wie  es  ihr  Name  schon  anzeigt,  dienten 
sie  für  die  Eberjagd  und  verdanken  ihr  Entstehen  dem  Altmeister 
auf  dem  Gebiete  des  Jagdwesens,  Kaiser  Maximilian  I.  Diese 
Schweinschwerter  haben  gewöhnlich  den  Reiterschwertern  ähnliche 
Griffe,  die  Klingen  aber  sind  bis  etwa  drei  Viertel  der  Länge  stab- 
ähnlich, ohne  Schneiden;  erst  von  da  verbreitern  sie  sich  und  bilden 
schneidige  Spitzen,  an  deren  oberen  Enden  häufig  eiserne  Knebel 
eingeschraubt  sind,  damit  die  Klinge  nicht  zu  weit  in  den  Rachen 
des  Keilers  dringen  und  dem  Jäger  gefährlich  werden  könne.  Derlei 
Schweinschwerter  wurden  bis  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
in  Deutschland  und  Spanien  viel  erzeugt;  von  da  an  verschwinden 
sie,  da  sie  den  Schweinspiefs  doch  nie  ersetzten.    (Fig.  294.  295.) 

Bis  gegen  das  Ende  des  Mittelalters  ist  ein  Unterschied  zwischen 
den  auf  der  Jagd  und  den  im  Felde  geführten  Schwertern  nicht 
merkbar.  Aus  Miniaturen  ist  nur  so  viel  zu  konstatieren,  dafs  gegen 
Bären,  Eber,  Luchse  u.  dergl.  in  der  Regel  längere,  in  allen  übrigen 
Fällen,  insbesondere  bei  der  Falkenjagd,  mit  Vorliebe  kurze,  spitze 
italienische  Schwerter  getragen  wurden.  Erst  um  1470  wird  es  in 
Burgund  Mode,  zur  Jagd  sich  längerer,  besonders  geformter  Schwerter 
„Gjaidsch werter"  zu  bedienen.  Jagdschwerter  aus  der  Zeit  des 
Kaisers  Maximilian  I.  besitzen  den  gewöhnlichen  Griff  von  Schwer- 
tern zu  anderthalb  Hand,  ohne  Faustschutzbügel  nach  deutscher 
Art  Zuweilen  hat  der  Knauf  eine  schnabelähnliche  Form.  Die 
Klinge  ist  immer  einschneidig  von  durchschnittlich  85  cm.  Länge. 
Charakteristisch  ist  dem  Jagdschwerte  die  an  der  äufseren  Seite  der 
Scheide  angebrachte  sogenannte  Besteckscheide,  in  welcher  in  der 
Regel  wenigstens  ein  Aufbruch-,  ein  Zerwirkmesser  und  ein  Pfriemen 
zum  Auslösen  der  Fufssehnen  steckte.  Besteckscheiden  finden  sich 
vom  14.  Jahrhundert  an  auch  häufig  an  Scheiden  von  Kriegsschwer- 
tern; diese  enthalten  *ui  der  Mehrzahl  Efsbestecke.  Diese  Form  erlitt 
am  Beginne  des   16.  Jahrhundert  durch  italienischen  Emflufs  eine 


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256  II.   Die  Angriffswaffen. 

baldige  Umbildung,  dadurch,  dafe  die  Klingen  immer  kürzer  und 
leichter  werden.  Endlich  gestalten  sie  sich  zum  Jagdmesser  des 
1 7.  Jahrhunderts  und  zum  Hirschfänger  (Standhauer)  um.  (Fig. 296.) 


Fig.  294.  Fig.  295. 


Fig.  294.  Schweinschwert  mit  geätztem  und  vergoldetem  Griffe, 
geschnürtem  Griffholz  und  ScheidenhUlse  Die  85.7  cm.  lange  Klinge 
ohne  Knebel  hat  Kinnen,  in  welchen  Mariengebete  in  vergoldeter 
Ätzung  ersichtlich  sind.    16.  Jahrhundert,  Anfang. 

Fig.  295.  Schweinschwert.  Der  Griff  von  Eisen  mit  Parier- 
ri ugen  ist  in  der  Handlage  mit  schachbrettförmig«»  Einlagen  von  H0I2 
und  Bein  geziert.  Die  Klinge  besitzt  einen  abschraubbaren  Knebel. 
Aus  dem  Besitze  Kaiser  Maximilians  I.    Deutsch.    Um  15 10. 


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Fig.  296. 


Fig.  296.  Hirsch fän gor  samt  Gehänge 
mit  Kufhorn,  Leitschnur  für  den  Hund  und  Wild- 
schnüren für  kleines  Fcdenvild.  Die  Eisenteile  sind 
zierlich  geschnitten  und  teils  vergoldet.  Der 
Hirschfänger  ist  über  die  Schulter  am  Bandclier 
von  grünem  Sammt  zu  tragen.  17.  Jahrhundert, 
2.  Hälfte. 

Boebcim,  Waffenkunde. 


253 


II.    Die  Angriffs waffcn. 


Wir  haben  zuvor  bemerkt,  clafs  sich  am  Beginne  des  14.  Jahr- 
hunderts und  zuerst  in  Ländern  eines  regeren  gesellschaftlichen  Ver- 
kehrs eine  Form  von  Schwertern  herausbildete  die  ihr  Entstehen  in 
der  Sorge  um  die  persönliche  Sicherheit  im  gemeinen  Leben  gefunden 
hatte.  Derlei  Schwerter,  Haus-  auch  Bauernwehren  genannt,  waren, 
als  für  den  Nahkampf  berechnet,  meist  sehr  kurz.  Bauernwehren  bilden 
in  ihrer  Klingenform  schon  einen  Übergang  zum  Säbel.  In  dem  von 
Parteien  zerrissenen  Italien  tritt  im  i4.Jahrh.  eine  derartige  Hauswehre 


Fig.  297.  Fig.  298. 


Fig.  297.  Ochsenzunge  (Anelace)  mit  geschnittenem  Griffe  von 
vergoldetem  Messing,  der  mit  Halbedelsteinen  besetzt  ist.  Auf  der 
Klinge  erblickt  man  in  vergoldeter  Ätzung  die  Gestalt  des  Herkules. 
Auf  dieser  und  dorn  Scheidenbeschläge  auch  das  französische  Wappen, 
umgeben  von  Trophäen.  16.  Jahrhundert,  Ende.  Zeit  Heinrichs  IV. 
Kais.  Waffensammlung  zu  Zarskoc-Sclo. 

Fig.  298.  Ansatz  einer  Schwertklinge  mit  einfachen  Gift- 
zügen und  den  eingeschlagenen  Marken  des  Juan  Martincz  in  Toledo. 
16.  Jahrhundert,  Ende. 


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A.   Blanko  Waffen,    i.  Das  Schwert. 


259 


auf,  die  man  Ochsenzungen,  (anelace,  langue  de  boeuf,  auch  pistos) 
benennt.  Diese  Wehre,  eine  Nachbildung  des  spätantiken  parazoniums, 
erscheint  zuerst  in  Venedig  und  Florenz  und  verbreitet  sich  in  ihrer 
charakteristischen  Form  ungemein  rasch  über  Italien,  Frankreich,  Burgund, 
spater  findet  man  sie  zahlreich  unter  den  Bürgern  der  deutschen 
Reichsstädte.  Im  1 5.  Jahrhundert  ist  Verona  eine  Hauptfabrikations- 
stätte der  Ochsenzungen;  dort  und  in  Venedig  erscheinen  sie  auch 


Fig.  299.  Fig.  300. 


Fig.  299.  Landsknechtschwert  des  kais.  Feldobersten  Ul- 
rich von  Schedenberg  (ca.  1487  — 1558).  Der  Griff  von  Messing 
ist  vergoldet.  Die  Lederscheide  enthält  ein  Besteck  für  8  Messer  und 
einen  Pfriem.  Auf  den  Griffen  der  ersteren  sind  Minnesprüche  graviert. 
Deutsch.    Um  1520. 

Fig.  300.  Italieni  scher  Haudegen,  sogenannte  „schiavona"  mit 
doppeltem  eisernem  Korbe  und  Daumenring.  Übergang  zum  Säbel- 
griffe. Die  Brescianer  Klinge  ohne  Ansatz  mifst  85  cm.  Die  I^eder- 
scheide  mit  eisernem  Ortband  ohne  Mundblcch  zeigt  ungarische 
Formen. 

.7* 


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260 


II.  Die  AngriflswafTen. 


unter  der  Bezeichnung  „cinque  dea"  (cinque  dita),  von  der  Breite  der 
Klinge  hergeleitet,  die  an  der  Angel  genau  die  Handbreite  besafs. 

(Fig.  2970 

Ihr  Knauf  ist  scheibenförmig  mit  dem  Griff  aus  einem  Stücke, 
die  gestutzten  Parierstangen  sind  bogenförmig  nach  abwärts  gebogen, 
die  übermäfsig  breite,  selten  über  35  cm.  lange  Klinge  mit 
Hohlschliffen  läuft  geradlinig  spitzig  zu.  So  bildet  die  Ochsenzunge 
gewissermafsen  einen  Übergang  zum  Dolch.  Man  findet  sie  in  der 
einfachsten  und  plumpsten  wie  in  der  zierlichsten  und  reichsten  Form. 

Am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  kommen  uns  zuweilen  Klingen- 
formen vor  Augen,  welche  ihr  Entstehen  mehr  einer  phantastischen 
Anschauung  als  praktischen  Erwägungen  verdanken;  es  sind  dies 
die  geflammten  Klingen,  im  Vereine  mit  ihrer  Fassung  auch 
Flammberge  genannt.  Auch  der  Gebrauch  von  geflammten  Klingen 
stammt  übrigens  nicht  erst  aus  dem  1 5.  Jahrhundert.  Ein  mit 
solcher  Klinge  ausgestattetes  eisernes  Kurzschwert  wurde  1885  in 
einem  prähistorischen  Grabe  bei  Mönchsbruch  in  Hessen  gefunden.*) 
Eine  nur  oberflächliche  Betrachtung  wird  zur  Überzeugung  führen, 
dafs  eine  solche  Klingenform  keineswegs  als  eine  Verbesserung  zu  be- 
trachten ist;  nichtsdestoweniger  erhält  sich  deren  Gebrauch  bis  in 
das  17.  Jahrhundert.  In  den  Landsknechtheeren  Karls  V.  finden 
wir  die  geflammten  Klingen  mit  Vorliebe  angewendet,  besonders  häufig 
an  Zweihändern.  Die  Doppelsöldner,  welche  solche  Klingen  führten, 
erachteten  sie  für  martialischer. 

Mit  dem  Auftreten  der  doppelten  Faustschutzbügel  trat  eine 
kleine  Neuerung  in  der  Klingenkonstruktion  ins  Leben.  Der  Teil 
der  Klinge  von  der  Parierstange  bis  zum  unteren  Faustschutzbügel 
erwies  sich  für  den  Hieb  unbrauchbar,  man  verlängerte  deshalb  die 
Angel  so  weit,  dafs  die  Klinge  selbst  erst  unmittelbar  am  unteren 
Bügel  ansetzte.  Der  bis  zur  Parirstange  reichende  Teil  der  Angel 
..Ansatz"  wurde  mit  Vorliebe  als  Stelle  für  die  Klingenschmied-  und 
Beschaumarken  benutzt.  Die  ersten  so  gebildeten  Klingen  kamen 
am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  aus  Spanien,  später  werden  solche 
allenthalben  erzeugt,  besonders  in  Mailand,  Brescia  und  Belluno. 
(Fig.  298.)  Bei  Schwertern  ist  die  Klinge  mit  Ansatz  nicht  allgemein 
gebräuchlich,  wohl  aber,  wie  wir  ersehen  werden,  bei  Degen. 

In  der  Bewaffnung  des  Fufsvolkes  der  meisten  Heere  im  15.  und 
16.  Jahrhundert  nimmt  das  Schwert  nicht  die  erste  Stelle  ein.  Bei 
den  Schweizern,  Franzosen  und  Deutschen  ist  die  Stangen waffe  immer 
von  hervorragender  Bedeutung;  nur  die  Italiener  und  die  Spanier 
machen  da  eine  Ausnahme.  In  seltenen  Fällen  gerieten  die  Heer- 
haufen so  enge  aneinander,  dafs  die  Stangenwaffe  nicht  mehr  in 


*)  Zcntralblattcr  des  hist.  Vereins  für  das  Grofshcrzogtuin  Hessen  1855,  4. 


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A.  Blanke  Waffen,    i.  Das  Schwert. 


261 


Verwendung  bleiben  konnte;  für  diese  ausnahmsweisen  Fälle  des 
Nahkampfes  (Handgemenges)  führten  Italiener  und  Franzosen  kurze 
Schwerter  mit  zuweilen  säbelförmigen  Klingen,  die  Schweizer  schwere 
Hiebmesser  oder  „kurze  Wehren",  sogenannte  „Schweizerdegen." 
In  den  Landsknechtheeren  hatte  sich  am  Beginne  des  16.  Jahr- 
hunderts für  diese  Waffe  eine  besondere  Form  das  „Landsknecht- 
schwert" herausgebildet.  Dasselbe  besafs  einen  kurzen  Handgriff 
mit  fächerförmig  ausgebreitetem  Knaufe,  die  langen  Parierstangen 
waren  horizontal  S-förmig  gebogen  und  mit  kleinen  Knäufen  besetzt. 
Zuweilen  setzt  sich  an  diese  ein  Griffbügel  an.  Die  breiten,  nur  etwa 
50  bis  54  cm.  langen  Klingen  waren  meist  abgestumpft,  die  Leder- 
scheiden trifft  man  nicht  selten  mit  Besteckscheiden  ausgestattet. 
(Fig.  299.)  Der  Landsknecht  führte  dieses  Schwert  in  der  Magen- 
gegend in  einem  Gürtel,  an  welchem  rückwärts  an  der  rechten  Seite 
der  Dolch  befestigt  wurde.  Um  1570  verändert  sich  die  Form  der 
Griffe  des  Landsknechtschwertes.  Ungefähr  von  1590  an  vervielfältigen 
sich  die  Schwertformen  im  kaiserlichen  Heere  unter  dem  italienischen 
Einflüsse,  die  Klingen  werden  länger,  die  Griffe  erhalten  Körbe  aus 
durchbrochenem  Blech.  Eine  Schwertform,  welche  in  dem  meist  aus 
dalmatinischen  Slawen  gebildeten  venezianischen  Fufsvolke,  den 
schiavoni,  auftritt  und  darum  auch  „schiavona"  genannt  wurde, 
gelangt  durch  den  Handel  aus  Brescia  und  Seravalle  um  1580 
zu  einer  ungemeinen  Verbreitung  in  anderen  Heeren.  Mit  längeren 
Klingen  versehen,  wird  die  Schiavona  auch  bei  der  Reiterei  und  unter 
Ferdinand  II.  selbst  bei  den  Kürassieren  eingeführt.    (Fig.  299.) 

In  den  Landsknechtregimentern  begegnen  wir  einer  charakte- 
ristischen Waffe,  dem  Zweihänder  oder  Bidenhander,  Schlacht- 
schwert, welche,  von  ungemeiner  Gröfse  und  Schwere,  in  der  Hand 
eines  Fufssoldaten  eine  nicht  unbedeutende  Gewandtheit  zu  ihrer 
Führung  voraussetzte.  Das  Schlachtschwert  als  Waffe  des  Fufsknech- 
tes  hatte  seinen  Ursprung  bei  den  Schweizern  gefunden,  welche  sich 
desselben  in  ihren  Kriegen  im  14.  Jahrhundert  bedienten.  Sie  ver- 
standen es,  sich  mit  demselben  derart  in  Respekt  zu  setzen,  dafs 
man,  um  ebenbürtig  zu  erscheinen,  dasselbe  auch  in  anderen  Ländern 
einführte.  Die  ältesten  dieser  riesigen  Schwerter  —  Meyrick  setzt  ihr 
erstes  Auftreten  um  das  Ende  der  Regierung  Heinrichs  V.,  also  um 
1420,  —  gehören  noch  dem  15.  Jahrhundert  an.  In  den  Regimen- 
tern der  Landsknechte  erhalten  sie  eine  typische  Form.  Die  ein 
oder  zweimal  gekerbten  Griffe  haben  eine  Länge  von  durchschnitt- 
lich 120  cm.  Die  Parierstangen  von  Eisen,  zuweilen  hübsch  aus- 
geschmückt, sind  an  den  Enden  schneckenförmig  abgebogen  und 
besitzen  beiderseits  starke,  einfache  Faustbügel,  nicht  selten  auch  Stich- 
blätter dazwischen.  Die  älteren  haben  noch  keine  Parierhaken,  jene 
seitlich  ausladenden  hakenförmigen  Ansätze,  welche  zum  Auffangen 
der  Hiebe  dienten.    Zweihänder  wurden  selten  oder  nie  mit  Scheiden 


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Fig.  301. 


Fig.  301.  Gemeiner  Zw  einander  (Bidenhander,  Schlacht- 
schwert. Epce  a  deux  mains)  mit  geflammter  Klinge  von  127  cm.  Länge, 
belcdcrtem  Ansatz  und  Parierhaken.  Der  Griff  ist  mit  Plüsch  über- 
zogen und  mit  Wollfransen  verbrämt  (aufgeputzt).  Die  Fassung:  Knauf, 
Parierstange  und  Parierringe  sind  aus  geschmiedetem,  ungefeiltem  Eisen. 
Deutsch.    Um  1570. 


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A.   Blanke  Waffen.     I.   Das  Schwert. 


268 


versehen,  sondern  mit  unverwahrter  Klinge  auf  der  Schulter  getragen, 
zu  welchem  Zwecke  die  Klinge  von  den  Parierhaken  bis  zum  Griffe 
mit  Leder  überzogen  war.    (Fig.  301.) 

Das  Regiment  hatte  nur  eine  beschränkte  Zahl  von  mit  Schlacht- 
schwertern ausgerüsteten  Landsknechten.  Diese  mufsten  sich  mit  einem 
Zeugnisse  eines  „Meisters  vom  langen  Schwert"  über  ihre  Geübtheit 
in  der  Führung  der  Waffe  ausweisen,  bezogen  dafür  aber  doppelten 
Sold.  Diesen  erprobten  Leuten  war  zunächst  der  Schutz  der  Fahne 
und  des  Obersten  anvertraut.    Von  dem  Werte  jener  Waffe  hatten 


Fig.  302.  Fig.  .-,03. 


Fig.  302.  Schwert  eines  venezianischen  Bog  enschützen 
mit  GriffbUgel,  einseitiger  Parierstange  und  Parierhaken.  Eisen.  Klingen- 
längc  70  cm.    Arbeit  von  SeravalU  um  1520.   Arsenal  in  Venedig. 

Fig.  303.  Italienisches  Fufsknechtschwert  mit  GriffbUgel 
und  Parierspangen  von  Eisen.  Klingcnlänge  78  cm.  Die  Klinge  ist 
Arbeit  des  Andrea  Ferreira  in  Belluno  um  1530.  Arsenal  in  Venedig. 

die  Kriegsleute  und  auch  die  Schriftsteller  der  Zeit  zwar  eine  hohe 
Meinung,  doch  blieb  deren  Leistung  infolge  ihrer  schwierigen  Führung 
im  Gewühle  des  Kampfes  immer  hinter  den  Erwartungen  zurück. 


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204 


II.    Die  Angriffswaffen. 


Demungeachtet  bildeten  die  martialisch  aussehenden  Schlachtschwert- 
rotten bis  ans  Ende  des  16.  Jahrhunderts  den  Stolz  des  Regimentes. 
Durch  die  Schweizer  fand  das  Schlachtschwert  auch  in  Italien  einigen 
Eingang  und  zwar,  wie  wir  bereits  bemerkten,  in  der  Form  zwei- 
händiger Stecher. 

Das  Kürifsschwert,  noch  unter  Kaiser  Maximilian  I.  von  der 
beschriebenen  einfachen  Form,  verändert  sich  in  der  geworbenen 
Reiterei  mit  ungemeiner  Raschheit,  die  Griffe  erhalten  Faustschutz, 
die  Klingen  werden  leichter  und  schmäler;  die  italienischen  Formen 
rinden  in  den  deutschen  Heeren  Eingang,  weil  die  Friauler  und  Bres- 
cianer  Werkstätten  allein  dem  Massenbedarf  zu  entsprechen  im  stände 
waren.  Diese  fabriksmäfsige  Erzeugung  war  die  erste  Veranlassung 
zu  einer  gleichförmigen  Bewaffnung  der  Truppe  (Fig.  302,  303).  In  der 
französischen  Reiterei  treten  nach  1550  die  Korbgriffe  auf,  welche 
bis  an  den  Schwertknauf  reichten  und  aus  Schlagblech  durchbrochen 
gearbeitet  waren.  Sie  wurden  meist  von  Italienern  in  Südfrankreich 
erzeugt.  Eine  besondere  Schwertform  mit  langem  Griffholz  für  andert- 
halb Hand,  geraden,  nach  abwärts  gerichteten  Parierstangen  und 
schmaler,  zweischneidiger,  etwa  90  cm.  langer,  spitzer  Klinge  tritt 
uns  in  den  schottisch  -  englischen  Heeren  vor  Augen ,  wo  sie 
claymore,  auch  glaymore  genannt  wird.  Im  späten  Mittelalter  in 
Aufnahme  gekommen,  verliert  sie  sich  schon  am  Beginne  des  1 7.  Jahr- 
hunderts. Der  Umstand,  dafs  um  diese  Zeit  die  schottischen  Reiter 
mit  einer  der  schiavona  ähnlichen  Waffe  ausgerüstet  wurden,  welche 
sie,  nebenher  bemerkt,  noch  gegenwärtig  tragen,  hat  zu  einer  Verwech- 
selung des  claymore  mit  der  schiavona  Veranlassung  gegeben.  Die 
schiavona  der  Schotten  besitzt  einen  schweren,  durchbrochenen  Ktfrb 
aus  Blech,  der  innen  mit  Leder  ausgefüttert  ist  (Fig.  304  a  und  b.) 
Um  1520,  der  Epoche  der  Verallgemeinerung  des  Krieges,  gewahren 
wir  das  Bestreben,  die  Klinge  der  Schwerter  zu  anderen,  als  dem 
ursprünglichen  Zwecke,  zu  benützen.  So  finden  wir  schon  um  etwa 
1520  einschneidige  Reiterschwerter  mit  als  Säge  gestaltetem  Rücken, 
der  zum  Holzsägen  verwendbar  war.  Andere  haben  an  beiden  Seiten 
einen  Kalender  eingeätzt,  Kalenderschwerter;  wieder  andere  be- 
sitzen kreisförmige  Hohlschliffe  verschiedener  Form.  Man  benutzte 
sie  angeblich,  um  in  der  Nacht  im  Rosenkranzgebete  durch  das  Tast- 
gefühl die  Anzahl  der  Paternoster  zu  bestimmen;  man  nennt  sie 
Schwerter  mit  Paternosterklingen. 

In  Italien  und  Frankreich  kommen  gegen  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts in  den  Fufstruppen  Kurzschwerter  in  Aufnahme,  deren 
Klingen  mit  jenen  der  späteren  deutschen  Landsknechte  einige  Ähn- 
lichkeit haben  (Fig.  305),  deren  Griffe  aber  anders  gefafst  waren 
und  die  auch  in  anderer  Art  am  Körper  getragen  wurden.  An 
diesen  Kurzschwertern  treten  häufig  die  Griff bügel  auf;  doch  finden 
sich  auch  Griffe  ohne  diese  mit  S-förmig  horizontal  gebogenen  Parier- 

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A.  Blanke  Waffen.    I.   Das  Schwert. 


265 


Stangen.  Weniger  bei  den  Genuesen,  als  bei  den  Venezianern  bilden 
sich  besondere  Formen  von  Kurzschwertern  für  die  Seesoldaten  heraus. 
Sie  haben  insgemein  breite  nicht  viel  über  60  cm.  lange,  flache 
Klingen.  An  den  Griffen  tritt  zum  Schutz  der  Hand  das  halbe 
Stichblatt  auf.  Diese  Form  erhält  sich  mit  unwesentlichen  Ände- 
rungen bis  ins  1 8.  Jahrhundert,  ja  ähnliche  findet  man  noch  heute  an 
den  Wänden  der  Batterien  unserer  Kriegsschiffe. 


a.       Fig.  304.  b. 

Fig«  3°4-    Schottische  Schwerter. 

a.  Claymore  mit  eisernem  Griffe.    16.  Jahrhundert. 

b.  Schottisches  Reiterschwert  mit  eisernem  Griffe.  18.  Jahr- 
hundert.   Nach  Drumond,  Scotish  Weapons. 

Es  ist  hier  an  der  Zeit,  der  sogenannten  Richtschwerter  zu 
9  gedenken,  welche,  wenn  sie  auch  nicht  zu  kriegerischem  Gebrauch 


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266  II,   Die  Angriffswaffen. 

dienten,  doch  ins  Waffenfach  gehören  und  in  Sammlungen  nicht  selten 
angetroffen  werden.  Die  ältesten  Schwerter  der  Art,  welche  wir  kennen, 
datieren  vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  und  stammen  von  städtischen 
Gemeinschaften,  wo  zuerst  eine  geregeltere  Rechtspflege  Platz  ge- 
griffen hatte.  Ihre  Betrachtung  erweist,  dafs  von  jener  Zeit  bis  ins 
18.  Jahrhundert  die  Formen  der  Klingen  gleich  geblieben  sind. 
(Fig.  306).  Die  Richtschwertklinge  ist  in  ihrer  ganzen  Länge  sehr 
breit,  flach,  kolbig,  unterhalb  meist  flach  abgerundet.    In  der  Nähe 


Fig.  305.  Fig.  306. 

Fig.  3°5-  Italienisches  Fufskncchtschwcrt  mit  Griff- 
bügcl  und  einfachem  Parierring.    16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 

Fig.  306.  Richtschwert.  Der  Griff  ist  aus  Messing,  die 
kurzen  Parierstangen  sind  mit  Schellen  besetzt.  Auf  dem  Griffe  ist 
nebst  anderen  Gestalten  die  heiL  Katharina  mit  der  Jahrzahl  1401  in 
roher  Gravierung  dargestellt.  Ebenso  finden  sich  auf  der  Klinge  Galgen 
und  Rad  eingehauen.  Deutsch. 

des  Endes  findet  sich  zuweilen  ein  Loch,  welches  vorerst  dazu  diente, 
das  Schwert  an  der  Wand  aufzuhängen.  Nach  Berichten  einiger 
Fachschriftstellcr  benutzten  die  Scharfrichter  dieses  Loch,  um  eine 
Bleikugel  hineinzupressen  und  dann  flach  zu  schlagen,  um  die  Hieb- 


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A.   Blanke  Waffen,    i.   Das  Schwert. 


267 


wucht  zu  vergröfsem.  Dieser  Gebrauch  könnte  sich  aber  erst  aus  dem 
17.  Jahrhundert  herschreiben.  Ältere  Autoren  berichten  von  Richt- 
schwertklingen, welche  im  Inneren  einen  hohlen  Raum  besafsen,  der 
zur  Hälfte  mit  Quecksilber  angefüllt  war.  Beim  Hiebe  strömte  das 
Quecksilber  mit  Gewalt  gegen  die  Spitze  und  steigerte  die  Wucht  um 
ein  Bedeutendes.  Dem  Verfasser  ist  unter  zahllosen  Rieh tsch wertem 
auch  nicht  ein  einziges  derartiges  unter  die  Hand  gekommen.  Es 
dürfte  sich  auch  hier  nur  um  vereinzelte  Versuche  gehandelt  haben.*) 
Die  Griffe  haben  in  der  Regel  nur  eine  Länge  für  zwei  eng  aneinander 
geprefste  Fäuste,  kurze  Parierstangen,  welche  bei  den  ältesten  Exem- 
plaren zuweilen  mit  Schellen  besetzt  sind.  Wenn  das  Richtschwert 
eine  Scheide  besafs,  was  nicht  immer  der  Fall  war,  dann  war  diese 
in  der  Regel  mit  einem  Besteck  ausgestattet,  welches  2  bis  3  Messer 
enthielt,  die  bei  besonderen  Hinrichtungsarten  dienten. 

Wie  nahezu  bei  allen  Angriffswaffen  kamen  in  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts  auch  bei  Schwertern  und  Haudegen  Schiefs- 
vorrichtungen vor.  Sie  sind,  je  nachdem  deren  Läufe  an  nur  einer 
oder  beiden  Klingenflachseiten  angeordnet  sind,  einfach  oder  doppelt, 
die  Radschlösser  liegen  meist  unterhalb  oder  zunächst  des  Ansatzes. 
Ihre  Brauchbarkeit  im  Gefechte  kann  nur  gering  gewesen  sein.  Mit 
Vorliebe  wurden  derlei  Schiefsschwerter  bei  Festlichkeiten,  Turnieren 
u.  dergl.  verwendet,  wo  sie  zur  Vermehrung  des  Geräusches  trefflich 
dienten.  In  dem  1560  zu  Wrien  erschienenen  sogenannten  „Turnier- 
buche" des  Hans  Francolin  jun.,  die  Beschreibung  der  von  Kaiser 
Ferdinand  I.  in  diesem  Jahre  veranstalteten  Festlichkeiten  enthaltend, 
ist  auf  Tafel  IV  von  Hans  Lautensack  ein  Geharnischter  zu  Pferde 
dargestellt,  der  während  des  Plankengestcchs  sein  Schiefsschwert 
schwingend  entladet. 

Gegen  das  Ende  des  16.  Jahrhunderts  sehen  wir  die  deutsche 
Reiterei  mit  Schwertern,  welche  auffällig  kurze,  breite  Klingen  besitzen, 
während  die  Italiener  Korbschwerter  mit  langen  Klingen  tragen,  die 
einen  Übergang  zum  Haudegen  darstellen.  Ganz  im  Gegenteile 
gefällt  sich  nun  das  Fufsvolk  in  Haudegen  mit  übermäfsig  langen 


*)  Die  ineisten  Richtschwerter  weisen  figuralc  Dessins  und  Inschriften  auf, 
welche  sich  auf  deren  traurige  Bestimmung  bezichen.  So  führen  viele  Galgen  und 
Rad,  den  Tod  Christi,  die  schmerzhafte  Mutter  Gottes,  die  heilige  Katharina  etc. 
auf  den  Klingen.  Nicht  selten  erscheint  der  Name  des  Scharfrichters  mit  einer 
Jahreszahl,  dann  bezügliche  Bibelsprüche  und  moralisierende  Verse,  wie: 

,,\Venn  ich  das  schwert  thu  erheben, 
Wünsch  ich  dem  sünder  das  ewige  leben, 
Führ  ich  mit  macht  den  todesstreich 
Kommt  er  von  stund  ins  himmelreich." 

oder . 

„Wer  findt  eh's  verloren  wird, 

Wer  kauft  eh's  feil  wird, 

Der  stirbt  ch  er  alt  wird."  u.  dergl. 


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2G8 


II.    Die  Angriffswaffen. 


Klingen.  In  der  Verzierung  der  Klingen  tritt  mit  dem  Beginne  des 
16.  Jahrhunderts  eine  bemerkenswerte  Änderung  insofern  ein,  als 
die  neue  Erfindung  der  Ätzkunst  nun  auch  hier  als  Ziermittel  zur 
Verwendung  gelangte,  während  wir  vor  diesem  Zeitpunkte  nur 
gravierten  Klingen  begegnen.  Von  Italien  her  kam  das  Bläuen  der 
Klingen  und  das  Verzieren  durch  Goldschmelz  in  Aufnahme.  Auch 

das  Violett-  und  Rotanlaufen  der  Klinge  kommt 
in  Aufnahme,  nicht  minder  die  ein-  oder  auf- 
geschlagene Tausia.    Im  30jährigen  Kriege  er- 

!.  scheinen  die  kaiserlichen  Reiter  mit  mäfsig  langen 

Schwertern,  deren  Griffe  n  !  Ähnlichkeit  mit  den 
;«R  schiavonas  besitzen.  Nach  dem  Schlüsse  des 
iilfll  deutschen  Krieges  beim  Beginne  der  Türkenkriege 

tritt  ungarischer  Einflufs  immer  merkbarer  auf; 
er  erstreckt  sich  bald  auf  alle  westlichen  Heere. 
Nun  nimmt  die  deutsche  Reiterei  eine  Warle 
mit  gerader  Klinge  und  säbelartiger  Fassung  an, 
die  direkt  von  dem  alten  ungarischen  Säbel  ab- 
stammt. In  dieser  Form  findet  sie  auch  in  dem 
französischen  Heere  Eingang.  Die  säbelartige 
Fassung  charakterisiert  sich  besonders  durch  das 
nach  vorn  gebogene  Griflholz,  welches  rückwärts 
mit  einem  Beschläge,  der  sogenannten  „Kappe", 
verstärkt  ist  Die  übrigen  Bestandteile  sind  die 
Parierstange,  das  Stichblatt,  bei  älteren  Exem- 
plaren an  der  inneren  Seite  auch  der  Daumen- 
ring, endlich  der  GrifTbügel,  dieser  oft  in  Ver- 
bindung mit  einem  Korbe.  Das  Fufsvolk  erhält 
um  jene  Zeit  eine  Waffe,  deren  Fassung  ein 
französisches  Muster  darstellt;  es  ist  eine  kurze 
Klinge  mit  dem  Griffe  des  noch  heute  üblichen 
Degens;  mit  diesen  Umwandlungen  verschwand 
das  Schwert  in  seiner  alten  charakteristischen  Ge- 
stalt aus  den  Heeren. 

In  der  ältesten  Zeit  bedienten  sich  die  Inder, 
Perser  und  Araber  des  Schwertes  mit  gerader 
Wurfspiefs  samt  Leder-  Klinge,  wie  im  Occident.  Ein  Unterschied  bestand 
scheide.  Die  Klinge  ist  blofs  in  der  Form  des  Griffes  und  der  deko- 
rativen Ausstattung.  (Fig.  307.)  Diese  Griff- 
formen fanden  im  Verlaufe  der  Zeit  in  den  asia- 
tischen Ländern  eine  andere  Ausgestaltung  als  im 
Westen,  wie  in  Sizilien,  an  der  afrikanischen  Küste 
und  im  maurischen  Spanien,  und  der  Gegensatz  ist  selbst  in  stilistischer 
Hinsicht  nicht  unbedeutend.  Im  frühen  Mittelalter  tritt  unter  den 
Turkmanen  das  Krumschwert  auf,  das  vom  9.  Jahrhundert  an  die 


Fig.  307. 

Fig.  307.  Persi 
sches  Schwert  mit 


aus  feinem  Chorassan- 
stahl.  Ältere  Form, 
die  an  solche  des  16. 
Jahrh.  sich  anreiht. 


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A.  Blanke  Waffen.    2.  Das  Krumiuschwert  und  der  Säbel. 


2G9 


allgemeine  Waffe  des  Orientalen  bildete.  Nur  die  Mauren  hingen  bis 
ins  1 5.  Jahrhundert  hinein  zähe  an  der  alten  Form.  (Fig.  291.)  Von 
der  Zeit  Harun-al- Raschids,  also  vom  Anfang  des  9.  Jahrhunderts 
an  kommen  die  Klingen  von  Khorassan  zur  Geltung,  anfangs  im 
Oriente,  später  unter  den  Vornehmen  der  gesamten  Welt.  Noch  bis 
ins  16.  Jahrhundert  kommen  von  dort  über  Venedig  und  Genua 
Massen  von  Khorassanklingen  in  den  Handel.  Sic  haben  einen 
dunkelgrauen  Ton  und  sind  mit  Verzierungen  in  Gold-  und  Silber- 
tausia  ausgestattet,  in  welchen  Kraniche  oder  andere  Vögel  einge- 
streut erscheinen.  Vom  17.  Jahrhundert  an  werden  in  dem  Westen 
Europas  nur  noch  Säbelklingen  aus  Damaskus  bezogen.  Über  die 
orientalische  Kunst  des  Damaszirens  werden  wir  später  Näheres  be- 
merken. 


2.   Das  Krummschwert  und  der  Säbel. 

Die  krumme  einschneidige  Klinge  ist  vom  Gesichtspunkte  des 
Gebrauches  als  ein  wesentlicher  Fortschritt  in  der  Kriegstechnik  an- 
zusehen und  ihr  erstes  Auftreten  in  Westeuropa  schon  im  frühen 
Mittelalter  läfst  ein  eingehendes  Studium  der  Wirkung  der  Waffe  in 
jener  Zeit  erkennen  Das  Schwert  mit  gerader  Klinge  hatte  beim 
Hiebe  selbst  bei  grofser  Kraftanwendung  zwar  eine  zerschmetternde 
Wirkung  auf  feste  Körper;  auf  weiche  Teile  wie  Fleisch partien  treffend, 
war  aber  die  Eindringungsfähigkeit  auffällig  gering.  Die  krumme 
Klinge  dagegen  wirkt  nicht  allein  senkrecht  auf  den  Treffpunkt,  also 
nur  hackend,  sondern  infolge  der  Krümmung  der  Schneide  und  der 
Hiebbewegung  auch  nach  der  Richtung  der  Klinge,  somit  schneidend, 
wodurch  die  Eindringungsfähigkeit  erheblich  sich  steigert. 

Das  krumme  Schwert,  avAvav.rtQ  (acinaces),  war  von  der  ältesten 
Zeit  an  die  Nationalwaffe  der  Perser.  Erst  im  3.  Jahrhundert,  unter 
den  Sassaniden  fand  das  gerade  Schwert  der  Griechen  dort  Eingang. 
Darius  Codomanus  führte  unter  grofsem  Widerstande  des  Volkes 
diese  Neuerung  ein,  aus  der  die  Chaldäer  den  Sturz  des  Perserreiches 
weissagten.  Ungeachtet  der  häufigen  Berührungen  mit  dem  Oriente, 
namentlich  von  den  Kreuzzügen  an,  hatte  das  Krummschwert  in  den 
Ritterschaften  des  westlichen  Europas  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
wenig  Eingang  gefunden,  und  die  Ursache  dürfte  wohl  darin  zu 
suchen  sein,  dafs  im  occidentalcn  Gebiete  wenigstens  gegen  die 
Schutzwaffen  auf  eine  mehr  zerschmetternde  Wirkung  der  Klinge 
Wert  gelegt  werden  mufste.  Immerhin  treffen  wir  in  Miniaturen  aus  der 
Zeit  des  3.  Kreuzzuges  Ritter,  die  mit  Krummschwertern  bewaffnet  sind. 


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270 


II.    Die  AngriflswaJTen. 


Vom  4.  Jahrhunderte  an,  zuerst  in  Italien,  später  auch  unter 
den  Franken,  wird  das  kurze  Krummschwert  eine  beliebte  Waffe  des 
Fufsvolkes,  das,  wie  wir  wissen,  immer  mit  weniger  widerstandsfähigen 
Schutzwaffen  ausgerüstet  war.  In  Frankreich  tritt  es  um  die  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  unter  der  Bezeichnung  fauch on  als  messer- 
artige Waffe  mit  gegen  die  Spitze  zu  sich  verbreitender  und  dort  vom 
Rücken  aus  schräg  abgeschnittener  Klinge,  also  in  vollkommen  orien- 
talischer Form  auf.  Unter  diesem  Namen,  der  unzweifelhaft  sich  von 
dem  Worte  faux,  „Sense",  ableitet,  erscheint  diese  Waffe  bis  gegen 
das  Ende  des  14.  Jahrhunderts.  Von  da  an  erscheint  sie  mit  etwas 
längerer  und  mehr  bizarr  geformter  Klinge  als  bazelairc,  später 
badelaire.  Sie  erhielt  sich  bis  ins  17.  Jahrhundert,  wenngleich  sie 
immer  als  Messer  angesehen  und  immer  weniger  beachtet  wurde. 

Sehr  schwere,  einschneidige  und  nur  an  der  Spitze  auch  am 
Rücken  zugeschliffene  krumme  Hiebwaffen  nannte  man  in  England 
und  Frankreich  Craqucmarts.  Sie  erscheinen  neben  den  badelaire s 
im  14.  Jahrhundert  und  werden  vorzugsweise  von  Seesoldaten  geführt. 
Eine  Abart  derselben  mit  mehr  gekrümmter,  an  der  Spitze  sich  ver- 
breitender und  am  Rücken  eckig  eingezogener  Klinge  wird  im  späten 
Mittelalter  malchus  genannt.  Das  kurze  Krummschwert  mit  messer- 
artiger Klinge  war  unter  verschiedenen  Bezeichnungen  bis  ans  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  die  gemeine  deutsche  Bauernwehre;  als  solche 
wird  es  im  14.  und  15.  Jahrhundert  unter  dem  Fufsvolke  in  ganz 
Deutschland  bis  in  den  Norden  hinauf  angetroffen.  Im  14.  Jahr- 
hundert erscheint  dasselbe  auch  häufig  mit  dem  Faustschilde,  wie 
wir  an  dem  schönen  Kreuzigungsbilde  des  Gerard  David  in  der 
Berliner  Galerie  (573)  und  in  einem  solchen  der  Kunstsammlung  im 
Stifte  Klostcrncuburg  ersehen.    (Fig.  202  ) 

Eine  eigene  Art  von  Krummschwertern  wurde  um  die  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  von  den  venezianischen  Secsoldaten  geführt:  das 
sogenannte  Sägeschwert,  dessen  Klinge  von  45  cm.  Länge  an 
der  Scheide  gezähnt  gebildet  war  und  unterhalb  gebogen  in  die 
Spitze  lief.  Der  Griff  besafs  nur  Parierstange  mit  anlaufendem  Griff- 
bügel und  kurzen  Parierknebel.  In  den  gemeiniglich  nur  kurz  an- 
dauernden Entergefechten  mochte  die  Form  einige  Vorteile  besitzen, 
da  schon  ein  schwacher,  ungcziclter  Hieb  einen  Mann  aufser  Gefecht 
setzen  konnte.  Alle  diese  Schwerter  wurden  in  Belluneser  Werk- 
stätten gefertigt.    (Fig.  308.) 

Die  ältesten  asiatischen  Krummschwerter  treten  unter  dem  Namen 
seymitar  auf,  vermutlich  eine  Ableitung  von  dem  persischen 
chimichir,  schemschir,  was  schlechtweg  Schwert  bedeutet;  im 
Munde  der  Franzosen  verwandelte  sich  diese  Bezeichnung  in  sauve- 
terre  und  eimeterre.  Mit  dem  fauchon  ist  der  Seymitar  nicht 
zu  verwechseln,  da  dessen  Klinge  bei  70  cm.  Länge  mafs,  somit 
immer  langer  und  gestreckter  war.    Im  Türkischen  heilst  das  Krumm- 


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A.   Blanke  Waffen    2.  Das  Krummschwert  und  der  Säbel.  271 

schwert  mit  nicht  sehr  gekrümmter  Klinge  seif;  jenes  mit  stark 
gekrümmter,  also  säbelartiger  Klinge  kilidsch. 

Die  Abbildungen  der  Krummschwerter  in  den  Miniaturen  sind 
bezüglich  der  Klingenformen  häufig  übertrieben.  Diese  Übertreibung 
setzt  sich  bis  in  die  Renaissanceepoche  fort.  Man  findet  in  den 
Stichen  Burgkmairs,  Jost  Amans  und  anderer  gleichzeitiger  Meister 
ganz  ungeheuerliche  Formen,  die  nie  existierten. 


Fig.  308.  Fig.  309 


Fig.  305.  Venezianisches  Marineschwert  mit  sägeförmiger 
Klingenschneide.  Der  Eisengriff  besitzt  Parierstangen ,  aufgebogenen 
Parierknebel  und  Griffbügel.    Um  15 15. 

Fig.  306.  Courtclas  (coltellagio)  mit  Griff  aus  geschnittenem 
Eisen ,  vergoldet  und  in  Goldtausia  geziert.  Die  schwere  Klinge  ist 
gleichfalls  mit  geschnittenen  und  in  Gold  und  Silber  tauschiertem  Band- 
.»rnament  ausgestattet.    Italienisch  um  1565. 


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Fig.  310. 

Fig.  310.  Zweihändiges  Fechtschwert  mit  krummer  Klinge 
welche  noch  dem  14.  Jahrhundert  angehört,  mit  eingeschlagenen  romani- 
sierenden  Ornamenten ;  sie  trägt  den  Passauer  Wolf.  Deutsch,  Fassung 
vom  Anfange  des  1 5.  Jahrhunderts.  Das  Schwert  ist  dem  Fürsten  von 
Albanien  Georg  Castriota  (1403  — 1467)  zugeschrieben. 


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A.   Blanke  Waffen.    2.   Das  Krummschwert  und  der  Säbel.  273 


In  Italien,  namentlich  in  den  Freistaaten  Venedig  und  Genua, 
-welche,  friedlich  oder  feindlich,  in  einer  ununterbrochenen  Berührung 
mit  dem  Oriente  standen,  ja  welche  selbst  orientalische  Völker- 
schaften beherrschten,  finden  wir  das  Krummschwert  unter  der  Be- 


Fig.  311.  Fig.  312. 

Fig.  311.  Dusägge  aus  Eisen,  roh  geschmiedet.  15.  Jahr- 
hundert. 

Fig.  312.  Türkischer  Säbel  des  Grafeu  Niclas  Zrinyi, 
Banns  von  Croatien  (gefallen  1566).  Beispiel  eines  türkischen  Säbels 
älterer  Form  mit  kurzem  Griff  und  langen  Parierstangen  mit  rauten- 
förmigem Mitteleisen.  Der  Griff  mit  Kappe  von  vergoldetem  Silber, 
auf  welcher  das  Zrinyische  Wappen  graviert  ist,  zeigt  oberhalb  ein 
Loch  für  die  Handschnur.  Die  Scheide,  von  schwarzem  Samt,  ist  mit 
Kuppelringen  versehen,  welche  dazu  dienten,  die  Waffe  um  die  Leibes- 
mitte zu  tragen.    Um  1540. 

Koeheim,  Waffenkunde.  18 


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274 


II.    Die  Angriffswaffcn. 


Zeichnung  coltelaccio,  cortelas,  d.  i.  grofses  Messer  (Fig.  309), 
in  ihren  Heeren  bis  ins  Mittelalter  hinauf  vertreten.  In  Deutsch- 
land erscheint  es  unter  der  korrumpierten  Bezeichnung  Kordelatsch 
oder  Kordalätsch.  Venedig  ist  im  Fache  der  Waffen  bis  ins 
17.  Jahrhundert  als  die  rege  Vermittlerin  zwischen  dem  Oriente  und 
dem  Occidente  anzusehen.  Aus  diesem  Umstände  erklärt  sich  die 
Aufnahme  des  coltelaccio  als  Waffe  in  den  venezianischen  Fecht- 
schulen der  Markusbrüder  im  14.  Jahrhundert,  und  wir  treffen  sie 
da  nicht  nur  einhändig,  sondern  später  auch  zweihändig.  Der 
schnabelförmig  endende  Griff  und  der  muschelförmige  Ansatz  (Parier- 
knebel) an  der  Parierstange  kennzeichnet  die  orientalische  Herkunft 
dieser  Fechtschwerter  vollends.  (Fig.  310.)  Im  15.  Jahrhundert 
wurde  dieses  Krummschwert  eine  beliebte  Waffe  der  deutschen  Städte- 
bürger, die  immer  die  anhänglichsten  Schüler  der  wandernden  italie- 
nischen Fechtschulen  gewesen  waren.  Für  den  Gebrauch  im  Feld- 
kriege sehen  wir  den  coltelaccio  unter  den  im  venezianischen,  im 
päpstlichen  und  später  auch  im  französischen  Heere  in  Albanien  ge- 
worbenen Stradioten  schon  im  15.  Jahrhundert.  In  der  italieni- 
schen Reiterausrüstung  um  15  70  erscheint  der  coltelaccio  im  Vereine 
mit  der  spada,  dem  Schwerte.  In  den  Heeren  der  Nationen  an 
den  Grenzen  des  Orients,  wie  jener  Ungarns,  Polens,  des  mosko- 
witischen  Reiches  war  von  der  ältesten  Zeit  an  der  orientalische 
Einflufs  in  der  Bewaffnung  dem  occidentalen  weit  überwiegend,  ja 
in  der  Form  der  Krummschwerter  und  der  späteren  Säbel  ist  die 
türkisch-arabische  Form  von  der  ungarischen  sehr  schwer  zu  unter- 
scheiden, nur  die  moskowitischen  und  polnischen  Säbel  lassen  einige 
kleine  Unterschiede  erkennen.  Der  orientalische  Einflufs  ist  auch  an 
einer  europäischen  Waffe  des  15.  Jahrhunderts,  der  'sogenannten 
Dusägge,  zu  erkennen.  Diese  Dusägge  ist  nichts  anderes  als  ein 
rohes  Stück  Eisen,  krumm  in  die  Spitze  laufend,  mit  breitem  Rücken 
und  stumpfer  Schneide;  am  unteren  Ende  ist  ein  längliches  Loch 
ausgesägt,  welches  als  Handhabe  dadurch  dient,  dafs  die  vier  Finger 
in  dasselbe  hineingreifen. 

Man  hat  bisher  den  Ursprung  des  Namens  Dusägge  in  Böhmen 
gesucht;  derselbe  könnte  sich  aber  auch  von  dem  altdeutschen 
„tusic",  stumpf,  oder  von  dem  ebenfalls  altdeutschen  „twoseax"  her- 
leiten, welches  soviel  als  Doppelmesser  bedeutet.  Für  die  erstere 
Annahme  spricht,  dafs  diese  plumpe  Waffe  seltener  als  Kriegswaffe, 
hauptsächlich  aber  auf  Fechtschulen  gebraucht  wurde.    (Fig.  311.) 

So  schwierig  es  sonst  ist,  an  stilistischen  Merkmalen  einen  orien- 
talischen Gegenstand  auf  sein  Alter  hin  zu  beurteilen,  so  macht  doch 
darin  der  türkische  Säbel  eine  Ausnahme,  der  der  sonstigen  Starrheit 
aller  Lebensformen  entgegen,  vom  15.  Jahrhundert  an  eine  ununter- 
brochene Formcnumbildung  erkennen  läfst.  So  sehen  wir  den  tür- 
kischen Säbel  des  16.  Jahrhunderts  ohne  Knauf,  während  jener  des 


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A.  Blanke  Waffen.    2.   Das  Krummschwert  und  der  Säbel. 


275 


17.  Jahrhunderts  in  einem  schneckenförmig  ausladenden  Knopf  endet; 
die  Klingen,  anfänglich  nur  wenig,  später  übermäfsig  gekrümmt,  ge- 


Fig.  3  «3-  F»g.  3M. 

Fig.  313.  Indischer  Säbel.  Der  Griff  von  Eisen  ist  mit  Orna- 
menten in  Goldtausia  nahezu  völlig  bedeckt.  Die  Klinge  mit  scharfen, 
unterbrochenen  Hohlschliffen  besitzt  der  Länge  nach  einen  Schlitz,  in 
dessen  Führungskanten  Perlen  eingeschmiedet  sind,  welche  sich  nach 
auf-  und  abwärts  bewegen.  Sammlung  des  regierenden  Fürsten  Johan  a 
zu  Liechtenstein. 

Fig.  314.  Türkischer  Säbel  späterer  Föhn  mit  in  einen  kugel- 
förmigen Knauf  auslaufendem,  mit  schwarzem  Bein  belegtem  Griffe. 
18.  Jahrhundert. 

18* 


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276 


IL  Die  Angriffswaffen. 


stalten  sich  allmählich  mehr  bogenförmig  und  werden  zuweilen  aufser- 
ordentlich  schmal. 


m 


Fig.  315- 


Fig.  316 


Fig.  315.  Persischer  Säbel  mit  Griff  aus 
Elfenbein  aus  dem  Besitz  des  Schahs  Sultan  Hussein 
(regierte  1700  — 1722).  Die  schöne  tausch ierteDamask- 
klinge  ist  Arbeit  des  Waffenschmiedes  Essedulah  in 
Ispahan. 

Fig.  316.  Persischer  Säbel  mit  Griff  von 
Elfenbein,  mit  Halbedelsteinen  besetzt.  Moderne 
Arbeit. 


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A.  Blanke  Waffen.    2.  Das  Krunimschwert  und  der  Säbel.  277 


Der  ältere  Griff  an  orientalischen  Krumraschwertern  ist  für  uns 
auch  darum  wichtig,  weil  aus  ihm  sich  allmählich  der  heutige  Säbel- 
griff herausgebildet  hat.  Speziell  ist  es  die  am  oberen  Griffende 
sitzende  „Kappe",  welche  ein  charakteristisches  Merkmal  darstellt,  wfc 
nicht  minder  die  nach  auf-  und  abwärts  gerichteten  Ansätze  an  der 
Parierstange  (Mitteleisen).  Die  Kappe  breitete  sich  später  über  den 
Rücken  des  Griffes  aus,  dadurch  wurde  der  moderne  Griff  in  seiner 
heutigen  Gestalt  gebildet.  Die  vordere  Parierstange  fiel  weg  und 
wurde  durch  den  Griffbügel  ersetzt.  Die  Ansätze  aber  finden  wir 
noch  an  Infanteriesäbeln  vom  Anfange  unseres  Jahrhunderts.  Voll- 
ständig von  den  Orientalen  ist  die  heute  übliche  Tragart  an  der 
Schleppkuppel  abgenommen,  welche  schon  im  1 5.  Jahrhundert,  wenn 
nicht  früher  im  Oriente  gebräuchlich  war.  Der  Säbel  Zrinyis  (Fig.  312) 
gibt  hierzu  einen  deutlichen  Beleg. 

Bemerkenswert  ist  an  orientalischen  Krummschwertern  der  Ab- 
gang des  Griffbügels,  ungeachtet  er  sich  an  arabischen  Schwertern 
findet.  An  ungarischen  Säbeln  ist  derselbe  durch  eine  Kette  (Bügel- 
kette) ersetzt,  die  eigentlich  nutzlos  ist  Häufig  ist  die  Kappe  durch- 
löchert und  durch  die  Öffnung  eine  Schnur  gezogen,  die,  da  sie  im 
Gefechte  um  die  Hand  gewunden  wurde,  einen  praktischen  Nutzen 
gewährte.    Auch  diese  Handschnur  fand  in  Europa  Nachahmung. 

Wiewohl  die  Eisenindustrie  von  Damaskus  vom  15.  Jahrhundert 
an  im  merklichen  Rückgange  begriffen  war,  so  gelang  es  ihr  doch 
noch,  die  persischen  Klingen  vom  westorientalischen  Markte  nahezu 
zu  verdrängen,  so  dafs  um  1550  Khorassanklingen  nur  über  Griechen- 
land und  Venedig  einen  Weg  fanden.  Vom  1 6.  Jahrhundert  an  be- 
schränkten sich  die  Damaszener  Werkstätten  hauptsächlich  nur  auf 
die  Erzeugung  von  Säbel-  und  Dolchklingen  und  überschwemmten 
damit  den  ganzen  Orient.  Die  Damaszener  arbeiteten  ebenso  die 
gemeinste  Ware  wie  Klingen  von  ausgezeichneter  Güte.  Für  die 
Erzeugung  der  letzteren  hatten  sie  ein  übrigens  aus  Indien  stammen- 
des Verfahren,  welches  sie  lange  als  Geheimnis  bewahrten  und  nur  an 
ihre  Söhne  selbst  vererbten;  aus  diesem  Verfahren  erstand  der  seit  dem 
16.  Jahrhundert  so  berühmt  gewordene  Damaszenerstahl,  dessen 
hoher  Wert  sich  später  nicht  nur  für  Klingen,  sondern  auch  für  Gewehr- 
läufe darstellte.  Dieser  Stahl,  über  dessen  Herstellung  wir  an  be- 
treffender Stelle  noch  näher  sprechen,  ist  schon  äufserlich  durch  eine 
gewässerte,  von  Streifen  oder  Spirallinien  bedeckte  Oberfläche  kenn- 
bar, wurde  aber  schon  im  vorigen  Jahrhundert  und  wird  bis  heute, 
namentlich  in  Frankreich,  vielfach  nachgeahmt  Von  etwa  sieben 
besonderen  Arten  nennen  wir  nur  die  charakteristischsten:  den 
Banddamast  mit  streifigen  Linien  und  den  so  geschätzten,  nebenher 
gesagt  aber  weit  leichter  zu  erzeugenden  Rosendamast  mit  spiralen 
Linienformen. 

Die  orientalischen  Klingen  der  Krummschwerter  und  Säbel  haben 


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Fig.  318. 

Fig.  317.  Polnische  Karabela  mit  Griffbelag 
aus  Schildpatt  und  in  Silber  montiert.    17.  Jahrh. 

Fig.  318.  Japanisches  Schwert  (katana) 
mit  geschnürtem  Griff  und  hölzerner,  mit  Lack  be- 
malter Scheide.    Moderne  Arbeit. 


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A.  Blanke  Waffen.    2.   Das  Krummschwert  und  der  Säbel.  279 


mit  allem  Recht  stets  einen  hohen  Ruhm  genossen.  Besonders  waren 
es  die  indischen  Klingen,  welche  in  der  Güte  sowohl  als  auch  in  ihrer 
Auszierung  Staunen  erregten.  Wir  finden  solche  in  einer  Ausstat- 
tung, deren  Fertigungsart  uns  geradezu  unerklärlich  ist.  So  die 
indische  Säbelklinge  (Fig.  313),  in  deren  rinnenartig  -der  Länge  nach 
laufendem  Spalt  eine  Reihe  Perlen  gefafst  ist.  Wie  mufsten  diese 
eingefügt  sein,  ohne  dafs  auch  nur  eine  verletzt  wurde?  Auch  an 
Handscharklingen  aus  Damaskus  ist  die  Einfügung  und  Fassung  von 
Korallen  oder  Türkisen  zu  bewundern. 

Die  Formenvarianten  orientalischer  Säbel  finden  allgemeine  An- 
deutungen in  den  Figuren  314,  315,  316  und  317. 

Die  Scheiden  der  orientalischen  Kruramschwerter  zeigen  eine 
von  den  europäischen  wesentlich  unterschiedene  Form  schon  durch 
die  eigenartigen  Beschläge.  Bei  ihnen  tritt  zuerst  das  Mundblech 
auf,  das  Ortband  reicht  an  der  vorderen,  der  Schneidekante  weit 
hinauf  zum  Schutze  vor  dem  Steigbügel.  Die  Ringbeschläge  bestehen 
aus  2  bis  3,  oft  aber  auch  5  bis  6  schmalen  Spangen.  Bei  Säbel- 
scheiden für  sehr  gekrümmte  Klingen  ist  die  schmale  Rückenfläche 
zunächst  der  Mündung  derart  eingerichtet,  dafs  diese  sich  beim  Her- 
ausziehen der  Klinge  federartig  öffnet  Die  Scheide  selbst  ist  mit 
den  mannigfachsten  Materialien  überzogen,  meist  mit  Chagrinleder, 
aber  auch  mit  Damaststoffen  oder  mit  rauher  oder  abgeschliffener 
Fischhaut  u.  dgl.  Die  praktisch  ausgestattete  orientalische  Scheide 
wurde  schon  im  15.  Jahrhundert,  wenn  nicht  gar  früher,  in  Europa 
nachgeahmt,  wir  treffen  sie  nicht  selten  bei  Schwertern  im  östlichen 
Deutschland,  zahlreich  aber  in  Ungarn  und  den  dort  angrenzenden 
Ländern. 

In  den  arabisch-türkischen  Ländern  bildete  sich,  veranlafst  durch 
die  Streitweise,  seit  dem  16.  Jahrhundert  eine  Waffenform  heraus, 
welche,  soweit  hierher  gehörig,  in  der  Dimension  und  der  Form  der 
Klinge  zwischen  dem  Säbel  und  dem  Dolchmesser  in  der  Mitte 
steht;  es  ist  dies  der  Khandschar,  gemeiniglich  Handschar  ge- 
nannt. Der  grofse  Handschar  hat  eine  zweifach  gebogene,  in  eine 
Spitze  auslaufende  Klinge.  Die  Schneide  ist  anfänglich  leicht 
konkav,  gegen  das  Ende  zu  konvex  gekrümmt.  Der  kleine 
Handschar,  gewöhnlich  auch  Yatagan  genannt,  stammt  in  dieser 
Form  aus  Ostindien;  seine  Klinge  ist  messcrartig  spitz  und  leicht  ge- 
krümmt. Der  Griff  des  Handschars  ist  eigentümlich.  Ursprünglich 
bestand  er  aus  dem  Ende  eines  Röhrenknochens,  aus  welcher  Urform 
sich  später  jener  charakteristische  zweilappige  Knauf  (pommeau  ä 
oreilles)  herausgebildet  hat.  Der  Griff  besitzt  keine  Parierstange. 
Die  meist  sehr  reich  in  Tausia  gezierte  und  mit  orientalischen  In- 
schriften, Koransprüchen  u.  dgl.  ausgestattete  Klinge  steht  mittelst  einer 
Zwinge  mit  dem  Griffe  in  Verbindung.  Die  Scheide,  gewöhnlich  von 
einem  stark  ovalen  Querschnitte,  hat  einen  Bezug  von  Leder,  Stoffen, 


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280 


II.    Die  Angriffswaffen. 


1       Fig.  319. 

Fig.  319.  Türkischer 
Handschar  mit  Griff  aus 
Wallrofshorn ,  mit  Silber 
montiert  und  mit  geschnit- 
tenen Korallen  besetzt.  Aus 
dem    Besitze    des  Fürsten 

MiloschObrenowitsch. 
Modern. 


auch  wohl  von  Silberblech,  welches  in  ge- 
prefster  Arbeit  reich  geziert  ist.  Handschars  wer- 
den im  Gürtel  auf  der  Brust  getragen.  (Fig.  3 1 9.) 

Es  war  ohne  Zweifel  eine  Folge  der  Über- 
zeugung von  dem  Vorteile  gekrümmter  Klingen, 
dafs  das  Krummschwert  um  die  2,  Hälfte  des 
1 6.  Jahrhunderts  sich  über  den  ganzen  euro- 
päischen Kontinent  verbreitete.  Zu  jener  Zeit 
führten  es  die  schweren  Reiter  der  Holländer, 
welche  ihrer  Waffe  halber  gefürchtet  waren. 

Am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  erfährt  das 
Krummschwert  allenthalben  in  Bezug  auf  die 
Fassung  und  GrinTorm  eine  Wandlung,  durch 
welche  es  eigentlich  zum  Säbel  wird.  Das 
Wort  stammt  aus  dem  slawischen  sabla,  die 
Form  aber  aus  Ungarn,  woher  das  westliche 
Europa  schon  seit  Jahrhunderten  unterschied- 
liche Waffenformen  sich  aneignete.  Aber  erst 
in  den  französischen  und  deutschen  Heeren  er- 
hält der  Griff  jene  Ausbildung,  wie  er  noch 
zur  Stunde  uns  vor  Augen  tritt.  Der  Griff 
des  Säbels  charakterisiert  sich  speziell  durch 
das  Rückenbeschläge  am  Griffholze.  Sieht 
man  an  ungarischen  Säbeln  noch  —  meist 
S-förmig  gekrümmte  —  Parierstangen,  so  fehlen 
sie  bei  jenen  in  den  westlichen  Heeren  gänz- 
lich und  sind  durch  Stichblätter  mit  Griffbügel 
oder  Körben  aus  gegossenem  Messing  oder  aus 
Eisen  ersetzt.  Säbel  mit  wenig  gekrümmter 
oder  gerader  Klinge  wurden  im  Gegensatze 
zu  den  mehr  gekrümmten  der  Husaren  im  öster- 
reichischen und  preufsischen  Heere  Palasche 
genannt. 

In  der  Auszierung  der  europäischen  Klingen 
findet  sich  ebenso  der  Geschmack  wie  der 
Zeitgeist  scharf  ausgeprägt  Im  16.  Jahrhundert 
ist  in  den  geätzten  Verzierungen  durch  die 
Schönheit  und  Korrektheit  des  Ornamentes 
der  Geist  der  Renaissance  waltend.  Später 
im  17.  Jahrhundert  nimmt  die  künstlerische 
Fähigkeit  stetig  ab  und  in  die  Darstellungen 
mengt  sich  nicht  selten  der  rohe  Soldatenwitz. 
In  den  Türkenkriegen  werden  häufig  Sonne 
und  Mond,  dann  eine  aus  Wolken  ragende, 
mit   einem   Krummschwert    bewehrte  Hand, 


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A.   Blanke  Waffen.    3.  Der  Degen.  281 

türkische  Reiter  u.  dergl.  ziemlich  roh  dargestellt.  Häufig  finden  sich 
Klingen  mit  der  Bezeichnung  FRINGIA,  sie  gehörten  zu  den 
gesuchtesten  und  wurden  in  Ungarn  mit  hohen  Preisen  bezahlt 
Diese  Klingen  sind  steirischer  Herkunft,  die  Buchstaben  bedeuten: 
FRIDERICUS  (III.)  REX  (Hungariae)  IN  GERMANIA  IMPERATOR 
AUGUSTUS.  Bei  ihrer  Beliebtheit  wurden  sie  vielfach  gefälscht  und 
absichtlich  oder  unabsichtlich  oft  die  Buchstaben  etwas  verändert  in 
FRINA;  FRIMIA  u.  dergl.  Auf  Klingen  der  ungarischen  Husaren 
des  18.  Jahrhunderts  rindet  sich  häufig  der  deutsche  Reichsadler  und 
die  Devise  Vivat  Maria  Theresia.  Dieselben ,  gleichfalls  steirischer 
Arbeit,  wurden  selbst  von  den  Türken  geschätzt,  aber  auch  andere 
Devisen,  wie  Vivat  Franciscus  (Rakotzy)  oder  Vivat  Pandur  u.  dergl. 
erinnern  an  ungarische  Geschichtsmomente. 

Zu  den  Krummschwertern  ist,  wie  bereits  bemerkt,  das  japa- 
nische Schwert  zu  zählen.  Man  unterscheidet  bei  selbem  den 
Griff  Touka,  und  die  Scheide  Saya.  (Fig.  318.)  An  dem  scheiben- 
förmigen Stichblatt  befinden  sich  oft  Löcher  in  welchen  das  Schwert- 
messer Ko-dzuka  und  die  Schwertnadel  K6-gai  sich  befand.  Die 
Klingenmarken  sind  an  der  Angel  angebracht  und  erst  zu  erblicken, 
wenn  man  von  dem  Griffholz  die  Querstifte  entfernt,  wonach  die 
Klinge  sich  leicht  herausziehen  läfst.  Die  besten  Klingen  Masamunes 
stammen  aus  dem  Jahre  1326.*) 


3.   Der  Degen. 

Der  Degen,  eigentlich  nur  eine  Abart  des  Schwertes,  unter- 
scheidet sich  von  diesem  blofs  durch  die  schmälere,  mehr  auf  den 
Stich  als  auf  den  Hieb  berechnete  Klinge.  Der  Name  ist  wie  bei 
der  Glaive  und  anderen  Waffen  eine  Übertragung  von  einer  anderen 
Stichwaffe,  die  im  Verlaufe  der  Zeit  eine  geänderte  Benennung  erhielt. 
Schon  vom  12.  Jahrhundert  an  erscheint  in  Deutschland  der  von 
den  Adligen  getragene  lange  Dolch  unter  der  Bezeichnung  ,,dcgen", 
wie  ja  noch  heute  der  Dolch  im  Französischen  dague,  im  Italienischen 
und  im  Spanischen  daga  benannt  wird.  Da  in  keiner  Sprache  der 
westlichen  Nationen  aufser  der  deutschen  für  diese  Art  Waffen,  die 
Spezialform  des  Stofsdegens,  fr.  estoc,  ital.  stoeco,  ausgenommen,  eine 
besondere  Bezeichnung  existiert  und  dieselbe  allenthalben  als  Schwert 
benannt  wird,  so  ist  nur  anzunehmen,  dafs  die  Deutschen,  welche 


*)  Ein  ausführliches  Werk  Über  alle  japanischen  Waffen  ist  Zenkea-Kojitson 
von  Kiku-du  Yo-sai  aus  Kioto.    20  Bände  mit  Illustrationen. 


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282 


II.    Die  Angriffswaffen. 


diese  Waffe  erst  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts,  und  zwar  aus 
Spanien  erhielten,  mit  ihr  auch  eine  provinzielle  Bezeichnung, 
dagon,  langer  Dolch,  in  ihre  Sprache  herübernahmen,  da  die  ersten 
Degen  in  der  That  .keine  besonders  langen  Klingen  besafsen,  und 
es  damals  oft  schwer  zu  sagen  war,  was  noch  als  langer  Dolch  und 
was  als  Schwert  bezeichnet  werden  sollte.  Wenn  auch  der  Degen 
durch  die  Kavaliere  Karls  V.  und  Ferdinands  I.  nach  Deutschland 
kam,  so  ist  doch  die  Entstehung  dieser  leichten  Blankwaffe  in  jenem 
Lande  zu  suchen,  in  welchem  die  Fechtkunst  ihre  ersten  Anfänge 
hatte,  in  Italien;  denn  keine  Waffe  ist  in  ihrer  Form  so  sehr  auf  die 
Geschicklichkeit  in  der  Führung  angewiesen  wie  der  Degen.  Aus 
dieser  Ursache  sehen  wir  auch  auf  den  Faustschutz  beim  Degen  weit 
mehr  Sorgfalt  verwendet  als  beim  Schwerte,  ja  Spanien,  Italien,  später 
auch  die  Niederlande  und  Frankreich  rivalisieren  im  16.  und  17. 
Jahrhundert  in  ebenso  komplizierten  als  raffiniert  konstruierten  Formen 
zur  Erzielung  eines  ausgiebigen  Faustschutzes.  Die  ersten  GriflTormen 
im  15.  Jahrhundert  stellen  sich  als  Spangengriffe  dar,  mit  langen, 
geraden  Parierstangen  anfänglich  mit  nur  aufsen  liegendem  (einfachen), 
später  mit  beiderseits  angeordnetem  Parierringe.  Später  kamen  die 
Faustschutzbügel  (pas  d'äne)  hinzu,  welche,  wie  bereits  erwähnt, 
tief  herabreichten,  um  die  Faust  in  der  Parade  mehr  zu  sichern. 
Mit  diesen  in  Verbindung  treten  die  Spangenkörbe  auf  mit  oft 
bizarren  Formen.  Erst  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  und  an- 
fänglich nur  bei  italienischen  Hofdegen  erscheinen  die  Griffbügel, 
mit  diesen  zugleich  die  sogenannten  Stichblätter,  welche  wir  ein- 
seitig, öfter  aber  zweiseitig  antreffen;  sie  sind  mehr  in  Italien  in 
Gebrauch.  In  allen  diesen  oft  voneinander  abweichenden  Formen 
bekundet  sich  immer  von  sehen  des  Verfcrtigers  eine  sorgsame  Be- 
rechnung der  Eventualitäten  im  Einzelgefechte. 

Die  GriflTormen  an  Degen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  sind 
so  mannigfaltig,  einzelne  dabei  so  kompliziert,  dafs  es  wünschenswert 
erscheinen  mufs,  die  häufigst  vorkommenden  derselben  hier  anzuführen 
und  deren  einzelne  Teile  zu  benennen:  1.  Degen  mit  einfacher 
Parierstange.  —  2.  Degen  mit  Parierbügeln  (zwei  nach  abwärts  gegen 
die  Klinge  zu  gerichtete  gebogene  Spangen;  der  Übergang  zum  Faust- 
schutzbügel). —  3.  Degen  mit  einseitigem  oder  zweiseitigem  Parier- 
ringe (ein  an  der  äufseren  oder  an  beiden  Seiten  an  Mitteleisen 
befindlicher  Ring,  der  bestimmt  ist,  den  Hieb  an  der  Parierstange  auf- 
zufangen). —  4.  Degen  mit  einseitigem  oder  zweiseitigem  Faustschutz- 
bügel. (Er  entsteht  eigentlich  nur  aus  einer  Verbindung  der  Parier- 
bügel durch  eine  gebogene  Spange,  die  eigentlich  den  Zweck  hat,  den 
Hieb  noch  in  angemessener  Entfernung  von  der  Faust  parieren  zu 
können.)  Fig.  320.  —  5.  Degen  mit  ein-  oder  zweiseitigem  doppelten 
Faustschutzbügel  (eigentlich  ein  Faustschutzbügel  vor  dem  anderen, 
die  Form  kommt  seltener  vor  Augen.)  —  6.  Degen  mit  Griffbügel. 


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A.  Blanke  Waffen.    3.   Der  Degen. 


283 


—  7.  Degen  mit  Griffbügel  und  Spangen  (der  Übergang  zum  Korb). 

—  8.  Degen  mit  Faustschutzbügel  und  Spangen  (eine  S-förmig  ge- 
bogene Spange,  gewöhnlich  nur  äufsere,  die  von  der  Parierstange  quer 
zum  Faustschutzbügel  herabreicht).  —  9.  Degen  mit  Faustschutz  und 
einem  oder  zwei  Parierknebeln  (ein  oder  zwei  Fortsätze,  die,  von  der 
Parierstange  oder  vom  Faustschutz  etwas  aufwärts  gebogen,  nach  vome 
zu  reichen.    Sie  dienen  zum  Schutz  der  Knöchel;  die  Form  ist 


Fig.  320. 

Fig.  320.  Degen  aus  geschnittenem  Eisen,  teilweise  vergoldet 
und  tauschiert.  Der  Griff  enthält  Parierstange,  Parierbügel,  einfache 
Faustschutzbügel  und  geschweiften  Griffbügel.  Kais.  Waffcnsammlung 
zu  Zarskoe-Selo. 

ursprünglich  mailändisch).  (Fig.  321,  322.)  —  10.  Degen  mit  Stich- 
blatt im  Parierring  (einfachste  Vorkehrung,  um  sich  gegen  den  Stich 
zu  schützen).  (Fig.  323).  —  It.  Degen  mit  Stichblatt  am  Faustschutz- 
bügel (ein  meist  durchbrochenes  eiförmiges  Blechstück,  das  am  unteren 


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281 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Teile  des  Bügels  haftet  und  nach  aufwärts  reicht  (ihre  Bestimmung  ist, 
den  Stich  schon  in  gewisser  Entfernung  von  der  Hand  aufzunehmen). 
—  12.  Degen  mit  halbem  oder  ganzem  Korbe  (entweder  Spangenkorb, 
durchbrochenem  Korb  aus  Blech  oder  Drahtkorb.  Man  unterscheidet 
den  runden,  tellerartigen  Korb,  vom  Scheibenkorb  und  vom  ge- 
schwungenen). Zieht  man  nun  die  Kombinationen  dieser  einzelnen 
Vorrichtungen  in  Rechnung,  so  kann  man  sich  nur  nach  dem  hier 
gegebenen  Schema  die  zahllosen  Varianten  in  den  Griff  formen 
vorstellen. 


Fig.  i^l. 


Fig.  321.  Degen  Karls  V.  aus  geschnittenem  Eisen  mit  Ver- 
zierungen in  Goldtausia.  Die  flache  Klinge  ist  in  Hochätzung  ausge- 
stattet und  enthält  den  Kalender  des  Jahres  1530,  ferner  die  Inschrift 
„Carolus  Romanorum  Semper  vltra  1 530.  Ambrosio  Gemlich  de  Mo- 
naco etc."  Der  Griff  besteht  aus  geschwungenen  Parierstangen  als 
Übergang  zum  Griffbügel,  Parierbügeln  und  einem  Parierknebel. 

Der  Degen  erscheint  am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  zuerst 
an  spanischen  und  einigen  italienischen  Fürstenhöfen,  wo  er  über- 
haupt den  Dolch  ersetzte;  weit  spater,  im  16.  Jahrhundert,  taucht 
er  als  Haudegen  unter  den  leichten  spanischen  und  italienischen 
Reitergeschwadern  auf.    Hier  erhalt  er  auch  eine  oft  übertriebene 


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A.  Blanke  Waffen.    3.   Der  Degen. 


285 


Klingenlänge.  Ist  die  Klinge  des  Degens  einschneidig  und  nur  an 
der  Spitze  zweischneidig,  dann  bezeichnet  man  sie  als  Haudegen- 
klinge;  ist  sie  zwei-,  drei-  oder  vierschneidig,  als  Stofsdegen- 
klinge.  In  einer  Herausforderung  des  Hans  von  Degenfeld  (1464) 
erscheint  die  Bezeichnung  „pratspiefs";  damit  ist  nicht  eigentlich 
ein  Degen,  sondern  ein  Pörschwert  gemeint 

Degen  mit  breiteren  zweischneidigen  Klingen  werden  zuweilen, 
wiewohl  fachwidrig,  als  Haudegen  bezeichnet.  Sind  die  Klingen  sehr 
schmal,  pfriemenartig  und  nicht  sehr  oder  gar  nicht  federkräftig,  dann 


3"-  Fig.  323. 


Fig.  322.  Degen  aus  geschnittenem  Eisen  und  reich  vergoldet. 
Der  Griff  besteht  aus  einer  gebogenen,  in  den  Griffbügel  übergehenden 
Parierstange,  Parierbügeln  und  zwei  Parierknebeln.  Italienisch.  16.  Jahr- 
hundert, 2.  Hälfte.    Kgl.  hisL  Museum  in  Dresden. 

Fig-  323.  Degen  aus  geschnittenem  Eisen.  Der  Griff  besitzt  ein 
Stich blatt  im  Parierring  und  zwei  Parierknebel.  Italienisch.  16.  Jahr- 
hundert, 2.  Hälfte.    Kgl.  hist.  Museum  in  Dresden. 

nannte  man  sie  Stecherklingen;    sehr  biegsame  aber  Rappicr- 
kl  ingen,  besonders  dann,  wenn  sie  in  breite  Körbe  gefafst  waren. 
Mit  der  Bezeichnung  stoeco  verstand  der  Italiener  anfangs  nur 


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2S6 


II.   Die  Angriffswaffen. 


jene  Stecher  oder  Stofsdegen,  deren  Klingen  vollständig  unbiegsam 
waren,  im  Gegensatze  zur  puma,  womit  eine  biegsame  Klinge  be- 
zeichnet wurde.  Diese  letztere  Bezeichnung  übertrug  sich  auch  in 
die  deutsche  Sprache,  indem  man  professionelle  Degenfechter 
Feder fechter  nannte.  In  späterer  Zeit  erhielt  das  italienische  Wort 
stoeco,  wie  das  französische  estoc  einen  etwas  erweiterten  Begriff 
dadurch,  dafs  er  sich  nun  auf  alle  Degenformen  ausdehnte.  Um  1560 
wird  das  Tragen  von  Degen  auch  im  Fufsvolke  Sitte.  Im  ganzen 
südlichen  Europa  wird  nun  der  Degen  zur  Kavalierswaffe,  nebenher 
zum  unzertrennbaren  Begleiter  für  alle  Glücksritter,  Abenteurer  und 
Raufbolde.  In  dieser  Sphäre  erhält  er  eine  charakteristische  Form 
als  Raufdegen  mit  kurzer  Handhabe,  halbkugelförmigem,  durch- 
brochenem Blechkorbe  und  Parierstange.  Derlei  Sorten  kamen  in 
der  Mehrzahl  aus  Sevilla  und  Brescia.  (Fig.  324.)  Beim  Fechten 
bediente  man  sich  dabei  auch  des  sogenannten  Parierdolches  der 
Linkhand,  welcher,  in  der  linken  Hand  geführt,  hauptsächlich  zum 
Parieren  des  gegnerischen  Ausfalles  diente.*)  Einen  solchen  Dolch 
werden  wir  an  entsprechender  Stelle  beschreiben.  Aus  dem  Rauf- 
degen entwickelte  sich  jene  erst  im  spanischen  Stiergefechte  gebrauchte 
Waffe,  der  sogenannte  Matadordegen,  mit  langer,  unbiegsamer 
Stecherklinge,  kurzem  Griff,  langer  Parierstange  und  mit  rotem  Stoff 
umwickeltem  Griffbügel,  der  bei  dieser  Volksbelustigung  in  ganz  gleicher 
Form  noch  heute  gebraucht  wird. 

Abgesehen  von  diesen  besonderen  praktischen  Verwendungen 
wurde  der  Degen  schliefslich  ein  Zubehör  der  Hoftracht  und  verlor 
in  dieser  Eigenschaft  allgemach  seine  Bedeutung  als  Waffe.  Er  wird 
zum  Attribut  einer  Würde,  zu  einem  äufseren  Abzeichen  für  eine  im 
Staate  hervorragende  Rangsklasse  und  ist  in  seiner  Ausstattung  als 
Zierstück  nur  noch  vom  kunstgeschichtlichen  Gesichtspunkte  aus  zu 
würdigen. 

Beim  Degen  des  16.  Jahrhunderts  mit  herabreichendem  Faust- 
schutzbügel (Fig.  325)  besitzt  die  Angel  eine  derartige  Länge,  dafs 
sie  noch  bis  an  das  Ende  der  Bügelringe  hervorragt.  Dieser  sicht- 
bare Teil- Ansatz,  wird,  wie  wir  schon  im  Abschnitte  „Das  Schwert" 
bemerkten,  dazu  verwendet,  um  die  Marken  der  Meister  und  die 
Zeichen  der  behördlichen  Beschau  darauf  einzuschlagen.  An  diesem 
Punkte  ist  somit  der  Degen  bezüglich  seiner  Herkunft  vorerst  zu  be- 
trachten. Die  besten  Degenklingen  kamen  in  jener  Zeit  aus  Toledo, 
Sevilla,  Mailand,  Serfavalle,  Brescia  und  aus  Solingen.  Die 
behördlichen,  sowie  die  hervorragendsten  Marken  der  Meister  werden 
wir  am  Schlüsse  dieses  Werkes  zur  Kenntnis  bringen.  Je  geringer  der 
Querschnitt  einer  Klinge  ist,  desto  mehr  Sorgfalt  ist  bezüglich  ihrer 


*)  In  Ermangelnng  eines  Parierdolches  umwickelte  der  Spanier  im  Zweikampfe 
auch  wohl  die  linke  Hand  mit  dem  Mantel  und  vollführte  mit  dieser  die  Paraden. 


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A.   Blanke  Waffen.    3.   Der  Degen. 


287 


Brauchbarkeit  auf  die  Fertigung  zu  legen.  Toledaner  Klingen  standen 
darin  anfänglich  in  bedeutendem  Rufe,  sie  wurden,  um  ihre  unüber- 
treffliche Elastizität  zu  demonstrieren,  auch  kreisförmig  eingebogen  in 
den  Handel  gebracht  Am  Ende  des  Jahrhunderts  hatten  aber  die 
Belluneser  und  Brescianer  Werkstätten  ihre  Rivalen  in  der  Güte  der 
Klingen  erreicht,  ja  teils  überflügelt,  denn  diese  erzeugten  nun  Klingen 
von  vollständiger  Güte,  dabei  aber  von  so  fabelhaft  geringem  Ge- 
wichte, als  seien  sie  von  Holz  gefertigt.  Die  berühmten  Belluneser 
Schwertfeger  Ferrara  versendeten  um  1560  ihre  Klingen  gleichfalls 
in  eingebogenem  Zustande. 

Berühmt  sind  die  Degenklingen  mit  Giftzügen  geworden,  in  welchen 


Fig-  324«  Fechttiegen.  Der  Griff  aus  geschnittenem  und  durch- 
brochenem Eisen  besitzt  lange  Parierstangen,  Griffbtigel  und  einen  vullen 
(schalenförmigen)  Korb.    17.  Jahrhundert.  Italienisch. 

zuerst  die  Mauren,  später  die  Spanier  ihre  ungemeine  Geschicklichkeit  im 
Schmieden  des  Eisens  bewiesen.*)  Wir  haben  bereits  erwähnt,  dafs 
schon  im  Ii.  Jahrhundert  sich  deutliche  Spuren  von  dem  Bestreben 
zeigen,  die  Klinge  dadurch  zu  erleichtern,  dafs  man  sie  durchlöcherte; 
nun  aber  wurde  diese  Kunst  mit  einer  Geschicklichkeit  weitergebildet, 
die  alles  Staunen  erregt,  denn  nun  werden  die  Klingen  mit  tiefen 


*)  Die  Behauptung,  dafs  diese  Durchlöcherungen  dazu  dienten,  um  einen 
Giftstoff,  in  welchen  die  Klinge  getaucht  wurde,  in  dieser  aufzunehmen  und  wirk- 
sam zu  erhalten,  ist,  wenigstens  für  den  Kriegsgebrauch,  nirgends  zu  erweisen. 
Überhaupt  gehören  die  meisten  Erzählungen  von  vergifteten  Klingen  ins  Gebiet 
der  Romantik. 


Di 


268 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Rinnen  und  hohen  scharfen  Rippen  ausgestattet  und  nicht  nur  letztere, 
sondern  auch  nach  der  Quere  die  Rinnen  unzählige  Male  derart  durch- 
löchert, dafs  die  Klinge  selbst  von  allen  Seiten  betrachtet  durch- 
sichtig erscheint.  Auch  diese  eminente  Fertigkeit  hatten  die  Mai- 
länder und  Brescianer  den  Spaniern  bald  abgelauscht,  sie  fertigten 
schon  um  1560  die  kunstreichsten  Giftzugklingen.  In  dieser 
Kunsttechnik  treten  auch  häufig  Dolchklingen  auf.  Schon  auf  den 
ältesten  Degenklingen  findet  man  und  zwar  meist  in  den  Blutrinnen  die 
Namen  der  Meister  in  einer  ganz  eigenen  lateinischen  Majuskelschrift 
eingeschlagen,  die  für  den  Ungeübten  oft  schwer  oder  gar  nicht  zu 


325. 


f^g  325.  Degen  mit  Griff  aus  geschnittenem  Eisen,  teilweise 
vergoldet.  Letzterer  besteht  aus  geraden  Parierstangen,  aus  einem  vom 
Parierring  aufgeschwungenen  Griffbügel  und  doppeltem  Faustschutzbügel 
(pas  d'äne). 

lesen  ist,  um  so  mehr  als  Verwechselungen  von  Buchstaben  nicht  selten 
vorkommen.  Der  dekorative  Abschlufs  von  derlei  Klingeninschriften, 
zumeist  eine  ankerähnliche  Figur  darstellend,  wird  häufig,  aber  irrig 
als  Marke  des  Meisters  angesehen.  Nebst  den  Meisternamen  finden 
sich  auch  Sinnsprüche  wie:  IN  DIO  •  SPERAVI,  VI  VE  LE  •  ROY 
u.  dergl.    Auf  späteren  französischen  Klingen  des  17.  Jahrhundert 


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A.   Blanke  Waffen.     3.  Der  Degen. 


'289 


lesen  wir  häufig  den  Mahnspruch:  „Ne  nie  tirez  pas  sans  raison,  ne 
me  reraettez  pas  sans  honneur4'.  etc. 

Als  Zierwaffe  ist  der  Degen  stets  der  beliebteste  Gegenstand  für 
eine  künstlerische  Ausschmückung  gewesen,  und  es  haben  sich  da 
noch  Beispiele  erhalten,  welche  zu  den  bedeutendsten  Werken  des 
Kunsthandwerks  zählen. 

Bedeutende  Künstler  und  Kunsthandwerker  lieferten  Zeichnungen 


Fig.  326.  Fig.  327. 


Fig.  326.  Kleiner  Hofdegen  mit  Griff  aus  Bergkristall.  Die 
Fassung  aus  vergoldetem  Silber  ist  mit  Edelsteinen  besetzt.  17.  Jahr- 
hundert. 

Fig>  327.  Kleiner  Hofdegen,  auch  als  Zierwaffe  auf  der  Jagd 
gebraucht.  Der  Griff  ist  mit  Perlmutter  belegt,  die  Fassung  ist  aus 
vergoldeter  Bronze,  die  Klinge  zeigt  feine  Ätzungen.  Französisch. 
17.  Jahrhundert. 

Bocbcim,  Waffenkunde  I  o. 


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290  II.   Die  Angriflswaflen. 

für  Degen,  so  Hans  Mielich,  Polidoro  da  Caravaggio,  der  Lothringer 
Pierre  Woöiriot  u.  a.  Von  letzterem  ist  eine  Serie  aus  gezeichneter 
Kupfertafeln  1555  erschienen. 

Herrlich  ausgestattete  Degengriffe  in  Eisenschnitt,  mit  Email  und 
Tausia  geziert,  lieferte  Spanien,  die  schönsten  aber  Mailand  und 
Florenz. 

Noch  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  erblicken  wir  Hofdegen 
mit  Griffen  in  geschnittener  Eisenarbeit  von  hoher  künstlerischer 
Ausführung  (Fig.  326,  327).  Mittlerweile  aber  hatte  sich,  von  Frank- 


Fig.  328. 

Fig.  328.  Degenkuppel  mit  Tasche  aus  gesticktem  Samt  und 
Beschlägen  aus  vergoldetem  Eisen.  16.  Jahrhundert,  Ende.  Kgl.  hist. 
Museum  in  Dresden. 


reich  ausgehend,  eine  Schablone  herausgebildet,  die  nun  in  allen 
Ländern  sich  verbreitete.  Sie  ist  allerdings  einfach  genug,  es  ist  der 
moderne  Degengriff  aus  gegossenem  Messing  mit  eiförmigen  Stich- 
blättern und  Griffbügel. 

Im  18.  Jahrhundert,  in  welchem  sich  alles  verzierlichte,  treten 
uns  die  Hofdegen  aus  geschliffenem  Blankstahl  vor  Augen.  Simple 
Facettierung  ohne  jeden  Kunstwert,  die  relativ  hübschesten  erzeugte 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


291 


man  in  Paris.  In  dieser  Form  und  als  blau  angelaufener  Trauer- 
degen  lebt  sich  heute  diese  Waffe  aus.  Der  Degen  gleich  dem 
Schwerte  wurde  im  16.  Jahrhundert  an  einem 
schmalen  Riemen  um  die  Mitte  des  Leibes  ge- 
tragen, von  welchem  an  der  rechten  Seite,  an 
einem  Ringe  befestigt,  eine  dreiseitige  sogenannte 
„Tasche"  herabhing,  die  aus  einer  Anzahl  von 
Riemen  und  Schnallen  bestand,  in  welcher  die 
Waffe  steckte.  Ein  weiterer  schmaler  Riemen  lief 
vorne  von  der  Tasche  gegen  den  Leibriemen,  so 
dafs  die  Waffe  in  einer  schiefen  Lage  hing.  Erst  im 
1 7.  Jahrhundert  kamen  die  Bandeliere  auf,  welche 
über  die  rechte  Achsel  getragen  wurden;  die  Waffe 
stak  anfanglich  in  einer  ganz  ähnlichen,  mit  dem 
breiten  Bandelierriemen  verbundenen  Tasche. 
(Fig.  328.) 

Im  Oriente  hat  der  Degen  zu  keiner  Zeit 
Eingang  gefunden.  Aus  dem  alten  Pörschwert 
des  14.  und  1 5.  Jahrhunderts,  das  die  Bestimmung 
hatte,  die  Maschen  des  Panzerhemdes  zu  durch- 
stofsen,  entwickelte  sich  der  Panzer  stech  er  mit 
pfriemenförmiger  aber  sehr  langer  Klinge,  der  ge- 
wissermafsen  als  der  Vorläufer  des  allerdings  weit 
leichteren  Degens  zu  betrachten  ist.  Selbständig 
entwickelt  sich  der  orientalische  Panzerstecher 
(Fig.  329),  der  sich  hauptsächlich  durch  seine 
Fassung  unterscheidet,  sonst  aber  die  gleiche  Be- 
stimmung hatte.  Der  orientalische  Panzerstecher, 
den  wir  bei  den  Arabern,  Persem  und  Türken 
bis  ins  17.  Jahrhundert  antreffen,  war  immer  ein 
Bestandteil  der  Pferderüstung  und  wurde  auch 
hinter  dem  linken  Sattelblatte  versorgt.  Aufserdem 
führte  der  Mann  den  Säbel. 


PI 


4.   Der  Dolch. 

Der  Dolch  (franz.  poignard,  dague,  engl,  dagger, 
ital.  pugnale,  von  dem  lateinischen  pugione  her- 
kommend), in  seiner  deutschen  Bezeichnung  von 
dem  lateinischen  dolequinus  abgeleitet,  ist  eine 
Blankwaffe  mit  kurzer  Klinge,  lediglich  auf  den 
Stöfs  berechnet.    Er  kommt  seit  seinem  ersten 


II 

Fig.  329. 
Fig.  329.  Orien- 
talischer Panrer- 
stecher  mit  Fassung 
aus  vergoldetem  Mes- 
sing und  mit  Nephrit- 
steinen besetzt.  Kais. 
WarTensammlung  zu 
Zarskoe  -  Selo. 

19* 


292 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Auftreten,  welches  wir,  nach  den  vorhandenen  Funden  zu  urteilen,  bis  in 
die  Steinzeit  setzen  müssen,  in  allen  Nationen  unter  verschiedenen  und 
wechselnden  Bezeichnungen  vor.  Im  Deutschen  wahrscheinlich  vom 
fränkischen  daga  hergeleitet  unter  dem  Namen  Degen  bis  ins  16. 
Jahrhundert.  In  der  Erinnerung  an  die  alten  Gottesgerichte  erhielt 
er  im  14.  Jahrhundert  den  Namen  gnadgott,  eine  Übersetzung  des 
italienischen  misericordia.  Erst  im  16.  Jahrhundert  finden  wir  in 
Deutschland  diese  Waffe  als  „Dolch"   angesprochen.     Unter  dem 


Fig-  330. 


Fig.  330.  Dolch,  sogenannter  ,, Gnadgott",  mit  Griff  aus  schwarzem 
Horn.  Die  vierseitige,  hohlgeschliffenc  Klinge  ist  mit  gravierten  Ara- 
besken gestiert.  Die  schadhafte  Scheide  aus  geprefstem  Leder  besitzt 
zwei  Besteckscheiden  für  ein  Schnitzmesser  und  einen  Pfriem.  Deutsch. 
1 5.  Jahrhundert. 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


293 


Einflüsse  der  spateren  Italiener  werden  die  dortigen  Bezeichnungen 
teils  übersetzt,  teils  in  der  fremden  Bezeichnung  auch  in  Deutsch- 
land und  Frankreich  fiblich. 

In  den  nördlichen  Ländern  bildete  sich  der  Dolch  aus  dem 
gewöhnlichen  Messer  heraus,  das  sich  auch  für  den  Streit  von  selbst 
als  zweckentsprechend  darbot  So  ist  der  Sax  der  Germanen  nichts 
als  eine  Art  breites  Messer  gewesen,  das,  allgemach  sich  verlängernd 
und  schwerer  werdend,  zum  Langsax  und  zum  Scramasax  gedieh, 
die  schon  den  Charakter  des  Schwertes  annahmen  und  ihrer  Form 
nach  auch  anders  gehandhabt  wurden. 

Der  Dolch  ist  eine  Waffe  für  den  Nahkampf  und  seiner  Wir- 


Fig.  33*-  Fig.  332. 

Fig.  331.  Dolch  von  einem  Grabsteine.  Deutsch.  2.  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts.    Nach  Eye,  Kunst  und  Leben  der  Vorxeit. 

Fig.  332.  Dolch  samt  Scheide  von  einem  Grabsteine  im  Kloster 
Zimmern,  unweit  Nördlingen.  Deutsch.  Ende  des  13.  Jahrhunderts. 
Nach  Eye,  Kunst  und  Leben  der  Vorzeit. 

kung  nach  für  eine  kurze,  rasche  Entscheidung  berechnet,  nicht  selten 
wurde  er  unter  Anwendung  von  Hinterlist  gebraucht  Im  Mittelalter 
erscheint  er  als  Hilfewaffe,  um  den  bereits  durch  eine  andere  Waffe 
kampfunfähig  gewordenen  Gegner  vollends  zu  töten,  somit  das 
Kampfziel  ganz  zu  erreichen.  Aus  dieser  Bestimmung  erstanden  die 
Bezeichnungen  misericordia  und  gnadgott  für  die  Waffe  und  im 
Deutschen  das  Wort  „Gnadenstofs"  für  deren  Gebrauch.  Mit  dem 
Dolche   wurde  es  möglich,    zwischen   die    Fugen   des  Harnisches 


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204 


II.  Die  AngriflswafFen. 


(Hauberts,  Lentners)  einzudringen  und  selbst  die  Maschen  des  Panzer- 
hemdes zu  durchstofsen.  (Fig.  330.) 

Im  Gegensatze  zu  allen  übrigen  Blankwaffen  wird  der  Dolch  in 
der  Regel  derart  in  der  Hand  geführt,  dafs  der  kleine  Finger  an  der 
Parierstange  oder  dem  Ansatz,  der  Daumen  am  Knaufe  liegt. 

Stand  der  Dolch  auch,  wie  erwähnt,  von  den  ältesten  Zeiten  in 
den  nordischen  Ländern  und  im  Oriente  in  Gebrauch,  eine  syste- 
matische Verwendung  desselben  als  bestimmtes  Ausrüstungsstück 
erhielt  er  erst  im  13.  Jahrhundert,  von  welcher  Zeit  an  zunächst  die 
Vornehmeren,  neben  dem  Schwerte  auch  den  Dolch  führten.  Von 
da  an  wird  dieser  eine  allgemeine  Kriegswaffe,  während  er  vorher 


Fig-  333-  Grabrelicf  in  Bronze  des  Sir  Nicolaus  D  agworth 
at  Bückling  in  der  Kirche  zu  Norfolk.  Der  Dolch  hingt  an  der 
rechten  Seite  des  Dupsing.     1401.    Nach  Hewitt. 

Fig.  334.  Grabrelief  in  Bronze  des  Sir  John  Wylcotcs  in 
der  Kirche  zu  Great  Tew  in  Oxfordshire  von  1410.  Der  Dupsing  an 
den  Bauchreifen  dient  als  Träger  des  Schwertes  und  des  Dolches.  Nach 
Hewitt. 

durch  Jahrhunderte  nur  in  einzelnen  Fällen  als  solche  gedient  haben 
mochte.  Er  wird  an  der  rechten  Seite  an  einer  Kette  hängend  getragen, 
welche  oberhalb  an  der  rechten  Brustseite  befestigt  ist,  um  die  Waffe 
im  Handgemenge  nicht  zu  verlieren.  (Fig.  331,  332.)  Nicht  immer 
wird  er  mit  einer  Scheide  getragen,  besonders  dann  nicht,  wenn  die 
Kette  am  Knaufe  befestigt  ist    Von  der  Zeit  an,  in  welcher  von 


Kg-  333- 


F'g-  334- 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


295 


den  Feudalen  jener  breite  Gürtel  an  den  Lenden  getragen  wird,  der 
gewissermafsen-  als  ein  Würdenzeichen  ritterlichen  Stammes  anzusehen 
war,  und  der  im  Deutschen  „dupsing"  genannt 
wird,  um  1340,  wird  der  Dolch  an  diesem 
hängend  getragen  (Fig.  333.334)-  Im  15.  Jahr- 
hundert tragen  ihn  die  Ritter  anfänglich  an 
der  rechten  Seite  der  Bauchreifen,  wo  er  an 
starken  eisernen  Ringen  hängt;  später  an  der- 
selben Seite  am  Gürtel  hängend.  In  den  Städten 
ist  es  Gebrauch,  den  Dolch,  um  das  Herum- 
schlenkem  desselben  zu  vermeiden,  in  Ver- 
bindung mit  der  üblichen  Ledertasche  zu 
tragen  (Fig.  335);  so  in  Deutschland  und 
Burgund  fast  ausnahmslos.  Vom  14.  Jahr- 
hundert an  ist  der  Dolch  in  Italien  der  un- 
zertrennliche Begleiter  des  Mannes,  er  trägt 
ihn  an  der  rechten  Seite  oder  auch  vor  der 
Mitte  des  Leibes  an  einem  Riemen  herab- 
hängend. Von  Spanien  aus  verbreitet  sich 
am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  der  Gebrauch, 
den  Dolch  am  Rücken  mit  dem  Griffe  nach 
abwärts  gerichtet  zu  tragen,  eine  Mode,  die 
auch  von  den  deutschen  Landsknechten  und 
den  Schweizern  angenommen  wird. 

Der  Form  der  Klingen  nach  unterscheidet 
«ich  der  lange  von  jenen  kleinen  Dolchen  mit 
kurzen  Klingen,  die  namentlich  von  Italien 
aus  Mode  werden  und  in  Dimensionen  vor 
Augen  treten,  die  sie  mehr  als  Spielzeug  und 
Gegenstand  der  Koketterie  erscheinen  lassen, 
wie  die  Damendolche,  die  stiletti  und  fussetti. 
In  den  Querschnitten  der  Klingen  finden  sich 
alle  denkbaren  Formen ;  sie  erscheinen  ebenso- 
wohl kreisrund  als  drei-  und  vierschneidig, 
blattförmig  mit  Grat  und  gerippt  mit  Blut- 
rinnen, Giftzügen  und  komplizierten  Hohl- 
schliffen. Die  ältesten  Dolche,  welche  in 
nordischen  Ländern  in  der  Erde  gefunden 
werden,  haben  gröfstenteils  breite,  blatt- 
förmige, kolbige  Klingen.  (Fig.  336.)  Dolche 
mit  einschneidigen,  somit  messerartig  geformten 
Klingen  werden  gemeiniglich  Dolchmesser  Mitte  des  14.  Jahrh.  Die 
(couteaux)  genannt  (Fig.  337,  338.)  Die  Kunst   9.e8?lt,  träßt,  &m,  DuPsinß 

j      irrt  v    1  j    l  4     •  u         a      x\  1  1.      d  e  Ledertasche,  hinter  wel- 

des  Klingenschmieds  hat  sich  an  den  Dolch-  chcrdcrDolch  st'ecUt.  Nach 
klingen  nicht  minder  bewährt,  als  an  jenen  jacquemin. 


\ 


Fiß-  335-  Grabbild 
eines  Grafen  in  der  Kathe- 
dralkirche   zu  Neuch&tel. 


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296 


II.   Die  Angriffs waffen. 


der  übrigen  Blankwaffen;  so  finden  wir  solche  mit  Giftzügen  von  ganz 
außerordentlicher  Feinheit  in  der  Ausführung.  Vorzugsweise  war  die 
Dolchklinge  im  Oriente  der  Gegenstand  einer  minutiösen  und  kunst- 
reichen Ausführung,  die  in  einzelnen  Fällen  an  das  Wunderbare 
streift. 

Aus  Indien  kommen  die  damaszierten  Klingen,  die  bei  kräftiger 
Textur  ganz  schwarz  erscheinen;  von  da  und  aus  Persien  die  in 
Tausia  verzierten;  bei  diesen  finden  sich  auch  Tierfiguren  in  Silber 
und  Gold  mit  Zuhilfenahme  des  Niello  eingestreut.  Aus  Damaskus, 
Bagdad  und  von  den  syrischen  Küsten  stammen  jene  schönen  Dolch- 
klingen aus  damasziertem  Stahle  mit  Flachreliefs  und  auch  aufgeschla- 
gener Tausia  an  den  Ansätzen,  in  welche  zuweilen  kleine  Korallen 

gefafst  sind,  eine  Zierart,  die  wir  häufig  auch  an 
j|  Handschars  und  Yatagans  treffen.  (Fig.  339,  340.) 

|3  Eine  staunenswerte  Technik  aber  bekunden  jene 

I  4  indischen  Klingen,  welche  dem  Grat  entlang  geschlitzt 

J/L,  sind  und  in  deren  Schlitzöflhung  eine  Reihe  kost- 

barer Perlen  derart  eingeschmiedet  erscheinen,  dafs 
sie  beiderseitig  sichtbar  sind.  Diese  wunderbare 
Technik  findet  sich  auch  an  Säbelklingen  ver- 
treten. Wir  haben  die  Abbildung  einer  solchen 
am  betreffenden  Orte  gebracht.  Im  Occident  ist 
gemeiniglich  nur  der  Dolch  mit  gerader  Klinge  im 
Gebrauche,  nicht  selten  auch  das  einschneidige 
Dolchmesser,  welches  in  Frankreich  im  15.  Jahr- 
hundert von  dem  Fufsvolke  geführt  wurde,  davon 
ihr  Name  coustilliers  stammt.  Vom  15.  Jahrhundert 
an  finden  wir  Dolche  mit  geflammten  Klingen. 
Eine  besondere  Verwendung  hatten  die  Degen - 
13  cm.  lang"  Grab-  brecher,  welche  am  Beginne  des  1 6.  Jahrhunderts 
fund  vom  Kirchberg  aus  Spanien  sich  verbreiten.  Ihre  Klingen  besitzen 
bei  Andernach.  Pro-  an  einer  Seite  tiefe,  zahnförmige  Einschnitte.  An 

den  vorderen  Enden  der  Zähne  befinden  sich  kleinere 
bewegliche  Zähne,  welche  zwar  das  Eindringen 
der  gegnerischen  Klinge  in  den  Einschnitt,  nicht  aber  deren  Zurück- 
ziehen gestatten.  (Fig.  341.)  Die  Dolche  des  14.  und  15.  Jahr- 
hunderts besitzen  zumeist  drei-  oder  vierschneidige,  starke  Klingen. 
Die  Scheiden  jener  Zeit  sind  aus  Elfenbein  oder  aus  Holz  gefertigt 
oder  mit  Leder  überzogen,  welche  häufig  in  schönen  gotischen 
Dessins  getrieben  oder  geprefst  sind;  an  vielen  findet  sich  ein 
Besteck  für  ein  kleines  Messer,  daneben  auch  wohl  für  einen  Pfriemen. 
Auf  reichgezierte  Dolche  wurde  im  ganzen  Mittelalter  ein  besonderer 
Wert  gelegt.  (Fig.  342,  343.)  Landsknechtdolche  zeigen  lange, 
schmale  aber  starke  Klingen.  Die  Griffe  wie  die  Scheiden  sind  häufig, 
wenn  auch  nur  roh  mit  Elfenbein-  oder  Hirschhorneinlagen  geziert. 


Fig.  336. 

Fig.  336.  Frän- 
kische Dolch- 
klinge von 


vinzial- Museum  in 
Bonn. 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch, 


297 


m 


Iii 


F»g-  337- 


Fig-  338. 


Fig.  337-  Einschneidiger  Dolch.  Der  Griff  von  Bronze  mit 
Auflagen  von  emailliertem  Silber  und  der  Inschrift:  VICES.DVRANT. 
Im  Grunde  der  Seine  gefundeu.  Anfang  des  14.  Jahrhunderts.  Fran- 
zösisch.   Sammlung  Refsmann,  nach  Gay,  Glossaire. 

F'g-  338.  Dolchmesser  in  der  Fassung  eines  Degens.  Der 
Griff  von  Bein,  geästet,  besitzt  am  Knauf  eine  Scheibe  und  ein  ähnliches 
Stichblatt.  Die  messerfonnige  Klinge  ist  am  Ansätze  etwas  graviert 
und  vergoldet.  15.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Fassung  deutsch,  Klinge 
italienisch. 


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298 


II.   Die  Angriffswaffen. 


(Fig.  344,  345.)  In  Italien  werden  zuerst  die  kleinen  Dolche  ge- 
tragen. Man  findet  solche  von  feinster  Arbeit  bereits  im  14.  Jahr- 
hundert Im  14.  und  15.  Jahrhundert  genossen  die  in  Bordeaux 
erzeugten,  burgalaise  oder  bordelaise  genannten,  kleinen  Dolche 
grofsen  Ruf.  Sic  besafsen  jedoch  kaum  andere,  als  die  gewöhnlichen 
italienischen  Formen.  Eine  eigene  Art  von  Dolchen  mit  dreiseitigen 
Klingen,  sehr  langen  Griffen  und   kreisrunden  Parierringen  war  im 


Fig.  339-  Fiß-  340. 

F'ß-  339-  Türkischer  Dolch  mit  krummer  Klinge  mit  Fassung 
aus  vergoldetem  Silber  von  ungarischer  Arbeit.    Bez.  1543. 

Fig.  340.  Gerader  orientalischer  Dolch  mit  Griff  aus 
Elfenbein,  das  mit  Türkisen  und  Rubinen  besetzt  ist.  Die  Klinge  be- 
sitzt Giftzüge. 

15.  Jahrhundert  als  Sieneser  bekannt.  In  grofsen  Massen  für  den 
venezianischen  Markt  wurden  die  Dolche  in  Belluno,  für  den  fran- 
zösischen in  Brescia  erzeugt.  Aus  jenem  Orte  gelangen  die  so- 
genannten fussetti  nach  Venedig,  bei  denen  eine  numerierte  Grad- 
einteilung auf  den  Klingen  eingeschlagen  ist.    Es  sind  die  Waffen 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


290 


der  venezianischen  Marine -Bombardiere;  die  Gradeinteilung  soll  ein 
Kalibermafs  darstellen,  ist  aber  nur  fingiert.  Durch  diese  Beigabe 
erschien  die  Waffe  als  artilleristisches  Werkzeug,  und  die  Bombardiere 
konnten  damit  in  Venedig,  in  welcher  Stadt  niemand  bewaffnet 
gehen  durfte,  unbeanstandet  paradieren.  Im  16.  Jahrhundert  kommt 
in  Spanien  zuerst  eine  Fechtmethode  im  Zweikampfe  in  Aufnahme, 


Fig.  341.  Fig.  342. 


E'g-  34*-  Degenbrecher  mit  12  Zähnen.  Das  Gefafs  ist  von 
Eisen.    Nach  Meyrik.    16.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  342.  Dolch  mit  Griff  und  Scheide  aus  geschnitztem  Elfen- 
bein und  mit  Silberbeschlägen.  Unter  den  Ornamenten  erblickt  man 
das  Wappen  der  westfälischen  Familie  von  Graes.  Archiv  der  Stadt 
Coesfeld  in  Westfalen.    Nach  Hefner,  Trachten  etc. 

nach  welcher  der  Fechtdegen  (espada  de  matador)  in  der  Rechten 
zum  Ausfalle,  der  Dolch  aber  mit  der  Spitze  nach  abwärts  zur  Parade 
geführt  wird.  Dolche  der  Art  erscheinen  unter  dem  Namen  mano  izquierda 


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300 


II.   Die  Angriffswaffen. 


(linke  Hand)  und  unterscheiden  sich  von  anderen  durch  eine  rappier« 
artige  Klinge,  kurzen  Handgriff,  lange  Parierstange,  besonders  aber 
durch  ihren  dreiseitigen,  zuweilen  durchbrochenen  Korb  an  der 
äufseren  Seite.  Von  der  Mitte  des  Jahrhunderts  werden  sie  zahl- 
reich auch  in  Italien  erzeugt  (Fig.  346.) 

Wie  bei  Stangen waffen,  so  kommen  auch  bei  Dolchen  die  so- 


Fig.  343-  Fig.  344. 

Fig-  343>  Langer  Dolch  mit  Griff  und  Stichblatt  aus  Berg- 
kristall mit  schön  ziselierten  Beschlägen  aus  vergoldetem  Silber.  Die 
geschliffene  Klinge  enthält  Inschriften  in  vergoldeter  Gravierung.  Bur- 
gundisch um  1480. 

Fig-  344.  Landsknechtdolch.  Griff  und  Scheide  mit  Besteck 
von  Birnholz  mit  rohen  figuralen  Einlagen  in  Bein.  Deutsch  um 
1540. 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


801 


genannten  Springklingen  in  Verwendung.  Von  den  beiden  Seiten 
des  Blattes  trennen  sich  zwei  Teile  ab,  welche,  unterhalb  in  Schar- 
nieren befestigt,  durch  einen  Druck  auf  einen  am  Griffe  befindlichen 
Knopf,  von  Federkraft  getrieben,  nach  auswärts  schnellen.  Der  Zweck 
der  Springklingen  war,  die  Wunde  zu  erweitem.  Nach  vollfuhrtem 
Stöfs  wurde  an  der  Feder  gedrückt  und  die  Klinge  in  geöffnetem 
Zustande  rasch  aus  der  Wunde  gezogen.   Derlei  Dolche  treten  schon 


V 

Fig.  345-  F'K-  346. 

F«g-  345-  Reiterdolch  mit  Griff  aus  Eisen,  langen  Parier- 
stangen und  einfachem  Parierring.    Italienisch  um  1560. 

Fig.  346.  Fechtdolch,  sogenannte  „Linkehand",  mit  Korb 
aus  zierlich  durchbrochenem  Eisen.  Italienisch  um  1580.  Siehe  den 
zugehörigen  Fechtdegen  (Fig.  324). 

in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  zahlreich  in  Italien  auf. 
(Fig.  3470 

Im  Oriente  ist  der  Dolch  (päle)  vom  frühen  Mittelalter  her  so- 
wohl mit  gerader,  als  gekrümmter  Klinge  in  Gebrauch  gewesen. 
Persische  Dolche  erscheinen  in  der  Mehrzahl  mit  geraden,  breiten, 


302 


II.  Die  Angriffswaffen. 


blattförmigen  Klingen.  (Fig.  348.)  Der  türkische  Dolch  besitzt  eine 
krumme  Klinge,  ebenso  der  arabische;  aus  Yemen  kommen  auch 
Dolche  mit  geflammten  Klingen.  Besondere  Formen  zeigen  die 
indischen  und  malaiischen  Dolche  (Krifs),  welche  gleichfalls  in  der 
Mehrzahl  stark  gekrümmte  Klingen  besitzen,  mit  Ausnahme  jener, 
welche  unter  der  Bezeichnung  Hindu  Khuttar  bekannt  sind  und 
kurze,  breite,  fast  dreieckig  geformte  Klingen,  dabei  aber  gabelförmige 
Metallgriffe  besitzen  und  ganz  eigenartig  gehandhabt  werden.  (Fig.  349, 

350»  350- 


Fig.  347- 


Fig.  348. 


Fig.  349 


Fig.  347-  Dolch  mit  Springklinge.  Der  Griff  ist  aus  ge- 
schnittenem Eisen  und  vergoldet.  16.  Jahrhundert,  2.  Hilfte.  Königl. 
hist.  Museum  in  Dresden. 

Fig.  348.  Dolch  mit  Elfenbeingriff.  An  der  gestutzten 
Parierstange  erblickt  man  eine  arabische  Inschrift  in  Goldeinlage.  Die 
geschnittene  Klinge  zeigt  Ornamente  im  Flachrelief.  Die  Scheide  aus 
schwarzem  Sammt  mit  getriebenen  Blechbcschlägcn  in  vergoldetem 
Silber.  Persisch-arabisch.  Sammlung*  des  regierenden  Fürsten  Johann 
von  und  zu  Liechtenstein. 

Fig  349-  Malaiischer  Krifs.  Der  Griff,  aus  Holz  geschnitzt 
und  bemalt,  stellt  einen  sich  den  Bauch  aufschlitzenden  Menscher»  dar. 


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A.  Blanke  Waffen.    4.  Der  Dolch. 


303 


Ebenso  wie  bei  den  Schwertern  finden  wir  auch  an  den  Dolchen 
die  mannigfachsten  GrifiTormen.  Die  ältesten  Dolche  besitzen  ent- 
weder gar  keine  oder  nur  kurze  Parierstangen,  dafür  aber  starke 
Stichblätter,  erst  im  14.  Jahrhundert  bildet  man  die  Griffe  den 
Schwertern  ähnlich,  anfänglich  mit  kurzen,  abwärts  gerichteten,  später 
mit  oft  langen,  geraden  Parierstangen  und  einfachen  oder  doppelten 
Parierringen,  welch  letztere  zuweilen  irrig  als  Daumenringe  bezeichnet 
werden.  Aus  den  Maureskenstaaten  kommen  jene  zweiflügeligen 
Knäufe  (pommeaux  ä  oreilles),  die  wir  an  Handschars  erblicken,  auch 
an  Dolchen  in  Italien  und  Frankreich  in  Aufnahme,  wo  sie  noch 
bis  ins  16.  Jahrhundert  erzeugt  werden.    (Fig.  352.) 

Es  verlohnt  sich  der  Mühe,  zu  beobachten,  wie  der  Griff  an 
orientalischen  Dolchen  aus  den  rohesten  Formen  .heraus  in  gleichen 


f  ig-  35°«  Indischer  Khuttar  mit  Griff  aus  Bronze  und  blatt- 
förmiger geschliffener  Klinge.  Kaiserl.  Waffensammlung  zu  Zarskoc- 
Selo. 

Fig.  351-  Indischer  Khuttar  mit  Griff  aus  Messing  mit  dop- 
pelter mit  gehauenen  Ornamenten  verzierter  Klinge.  Kaiscrl.  Waffen- 
saramlung  zu  Zarskoe-Selo. 

Typen  bis  zur  reichsten  Ausstattung  sich  durchbildet  und  entwickelt. 
So  der  Griff  am  gemeinen  türkischen  Dolch  aus  einem  Stücke  ein- 
gekerbtem Holz,  der  maurische  aus  einem  Röhrenknochen,  der  indische 
aus  einem  Bambusrohre  u.  a. 

Bei  den  orientalischen  Dolchen  haben  Griffe  und  Scheiden 
gemeiniglich  eine  übereinstimmende  oder  doch  einander  ähnliche 
dekorative  Ausstattung,  und  die  von  altersher  hohe  Entwicklung 
der   dekorativen    Kunst    im    Oriente    macht    es    begreiflich,  dafs 


Fig.  35° 


Fig.  3Si- 


804 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Fig.  352.  Dolch  mit 
Griff  in  aufgeschlagener 
Goldtansia  u.  zweiflüge- 
ligem Knauf  (a  oreilles). 
Klinge  in  Tausia,  mit 
Inschriften  geziert.  Mau- 
risch  I9<jahrh.  Samml. 
des  Marquis  de  Villa- 


hierzu  die  mannigfachsten  Stoffe  benutzt  wurden. 
Zu  Griffen  verwendet  man  häufig  Elfenbein  oder 
den  Zahn  des  Narwals,  des  sogenannten  Einhorn- 
fisches, weiters  auch  Rhinozeroshorn.  Die  Schei- 
den erhalten  Überzüge  von  gewebten  Stoffen, 
Leder,  Schlangenhaut,  Fischhaut,  die  geschliffen 
und  ungeschliffen  zur  Anwendung  kommt.  Am 
häufigsten  finden  sich  an  Dolchscheiden  Über- 
züge aus  dünnem,  vergoldeten  Silberblech  mit 
geprefsten  Ornamenten,  die  häufig,  doch  nicht 
immer,  mit  Emails  geziert  sind:  eine  alte,  aus 
Byzanz  stammende  Technik.  Ein  ungemein 
häufig  im  Oriente  angewendetes  Ziermittel  bildet 
der  Besatz  mit  Edelsteinen.  Wir  finden  unter 
diesen  aufser  anderen  und  weit  kostbareren  vor- 
wiegend den  gTünlichen,  orientalischen  Türkis  und 
den  Granat  vertreten.  Bei  der  Beurteilung  des 
Steinschmuckes  ist  zu  bemerken,  dafs  die  ge- 
fafsten  Edelsteine  im  Oriente  mit  den  seltensten 
Ausnahmen  nicht  geschliffen,  „gemugelt",  vor- 
kommen. Selbst  in  unseren  Ländern  beginnt 
der    brillantierte    Schliff   erst    am    Ende  des 

1 7.  Jahrhunderts  allgemeiner  zu  werden.  Brillan- 
tierte Steine  an  orientalischen  Objekten,  vor  dem 

18.  Jahrhundert  datierend,  sind  daher  zum  min- 
desten als  spätere  Beigaben  anzusehen;  an  euro- 
päischen Waffen  treten  sie  nicht  vor  1650  auf. 

In  den  occidentalen  Ländern  verliert  sich 
der  Dolch  mit  der  Militarisierung  des  Heerwesens 
als  der  Taktik  nicht  entsprechend.  Nur  in  der 
italienischen  und  speziell  venetianischen  Artillerie 
wird  er  noch  im  18.  Jahrhundert  getragen.  In 
der  Marine  bildet  der  Dolch  noch  heute  einen 
Gegenstand  der  Ausrüstung  als  vorteilhafte  Waffe 
im  Nahkampfe  am  Bord  und  in  dem  meist  sehr 
kurz  währenden  Entergefechte.  Unter  den  starren 
Lebensformen  des  Orients  hat  sich  der  Dolch 
wenigstens  bei  den  Bewohnern  und  den  irregu- 
lären Truppen  noch  bis  heute  erhalten;  er  tritt 
aber  in  neuester  Zeit  meist  nur  noch  in  der  Form 
des  Dolchmessers  auf,  das  dem  modernen  Revolver 
in  dem  Leibgurt  zugesellt  erscheint.  Die  alten 
orientalischen  Waffen  verschwinden  allgemach  vor 
den  wirksameren  der  Europäer,  nicht  lange  mehr 
und  sie  gehören  lediglich  der  Kunstgeschichte  an. 


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B.   Die  Stangenwaffen. 


L  Der  Spiels. 

Der  Spiefs  (franz.  epieu,  engl,  spit,  ital.  spiedo,  lancia,  asta, 
!at  espietus,  spedus,  lancea),  beim  Gebrauche  zu  Pferde  auch  Speer 
genannt,  die  einfachste  Stangenwaffe,  ist  in  seiner  ältesten  Form  ein 
Vermächtnis  aus  dem  Altertume,  und  auch  seine  taktische  Verwendung 
unterscheidet  sich  bis  ins  12.  Jahrhundert  in  nichts  von  jener  in  der 
antiken  Zeit  Der  Spiefs  erscheint  am  Beginne  des  Mittelalters  bei 
allen  und  auch  den  barbarischen  Völkern  als  eine  dünnschäftige  Stofs- 
waffe  mit  langer  und  schmaler  Stofsklinge.  Der  Reiter  wie  der  zu 
Fufs  Streitende  gebrauchen  ihn  in  zwei  gleichen  Formen,  die  sich 
nur  durch  die  Länge  des  Schaftes  unterscheiden:  ab  Spiefs  oder 
Speer  mit  einer  Schaftlänge  von  3'/2  bis  4  m.  und  als  Wurfspie fs 
(ger,  pilum)  mit  einer  Schaftlänge  von  2  bis  21/*  m. 

Am  Ausgange  der  antiken  Zeit  kam  die  Spiefswaffe  durch  den 
Einflufs  der  Römer  auch  unter  jenen  Völkern  allenthalben  in  Gebrauch, 
welche  sie  früher  nicht  führten.  Unter  den  Germanen  ist  sie 
die  älteste  und  allgemeine  Waffe  und  steigt  später  so  sehr  in  der 
Achtung,  dafs  nur  dem  freien  Manne  ihre  Führung  gestattet  war; 
diese  Schätzung  des  Spiefses  erhielt  sich  bis  ins  9.  Jahrhundert.  Ebenso 
war  in  den  Heeren  der  Merowinger  der  Spiefs  die  allgemeine  Waffe. 
Das  „scaftlegi",  das  Niederlegen  des  Speeres,  war  gleichbedeutend 
mit  Frieden  halten.  Unter  den  Galliern  findet  sich  neben  dem  Bogen 
noch  eine  Art  von  Wurfspiefsen ,  „mataris",  welche  aus  freier  Hand 
geworfen  wurden,  nebenher  eine  andere,  „cateja",  die  mittelst  Riemen 
geschleudert  wurde.  Unter  den  vielen  Spiefsformen  mit  verschiedenen 
Namen  erscheinen  zwei,  welche  in  den  meisten  Ländern  des  Nordens 
verbreitet  waren,  und  beide  sind  Wurfspiefse.  In  Britannien  und  an 
den  Küsten  des  Stillen  Ozeans  scheint  zuerst,  aus  römischen  Vor- 
bildern erwachsen,  der  Ango  in  Aufnahme  gekommen  zu  sein.  Der- 
selbe ist  ein  kleiner,  schmaler  Spiefs  mit  fast  meterlanger,  dünner  Dille, 
deren  Schaft,  rückwärts  stärker  werdend,  in  einer  Reihe  von  Knöpfen 
endet.  Das  Spiefsblatt  des  Ango  ist  immer  bärtig,  d.  h.  es  besitzt 
beiderseits  Widerhaken.  Der  Ango  hat  sich,  und  fast  in  gleicher 
Gestalt,  im  nördlichen  Europa  als  „Harpune",  wenn  auch  nur  noch 
zum  Jagdzweck  dienend,  erhalten.  Unter  den  Germanen  trugen  die 
Freien  die  Framea,  einen  dem  Ango  ähnlichen,  doch  mit  blatt- 
förmigem Spiefseisen  versehenen  Wurfspiefs,  der  jedoch  später  nicht 
selten  auch  für  den  Nahkampf  diente,  was  beim  Ango  nie  der  Fall 
war.  (Fig.  353,  354,  355.)  Es  ist  bezeichnend,  dafs  auch  der 
Wurfspiefs  der  Reiter  und  sein  Gebrauch  auf  orientalischen  Ursprung 
zurückweist.    Wenn  wir  z.  B.  die  Schilderung  des  Prokop  von  Cae- 

Boebeim.  Waffcnkundc.  20 


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II.   Die  Angriffswaffen. 


30»3 


sarea  über  die  Schlacht  bei  Busta  Gallorum  (6.  Jahrhundert)  lesen, 
bei  welcher  Totilas,  der  König  der  Goten,  dem  Feinde  seine  Künste 
im  Spielswerfen  zeigte,  so  weist  dies  auf  speziell  orientalische  Kriegs- 


F«g.  353- 


Fig-  354- 


F>g-  353-  Fränkisches  Spiefseisen  (framea).  Klingenlänge 
49  cm.  Grabfund  vom  Kirchberg  bei  Andernach.  Rhein.  Provinzial- 
muscum  in  Bonn.  Nach  C.  Koenen,  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alter- 
tumsfreunden  im  Rheinlande  1888. 

Fig.  354-  Bärtiges  Spiefseisen  von  einem  Ango.  9.  Jahr- 
hundert. 


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B.  Die  Stangenwaflen.    i.  Der  Spiefs. 


Übungen,  die  sich  bei  den  Arabern  und  Indern  noch  bis  heute  er- 
halten haben. 

Berühmt  als  sichere  Speerwerfer  waren  die  longobardischen  Reiter, 
ebenso  war  der  Wurfspieß  oder  Wurfspeer  eine  gefürchtete  Waffe 
der  Franken  im  5.  und  6.  Jahrhundert;  nicht  minder  wird  davon  be- 
richtet, dafs  die  Goten  und  Vandalen  in  dieser  Wurfwaffe  sehr  geübt 
waren.  *) 

Nicht  früher  als  ün  8.  Jahrhundert  begegnen  wir  einer  weiteren 
Wurfspiefsgattung,  dem  Dard  (Darde,  dart,  algier).    Es  war  dies 


Fig.  355-  Fig.  356. 


Fig.  355*  Wurfsp ief str&ger  mit  Handschild.  Miniatur  aus 
einer  Bibel  aus  der  Wende  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  in  der  Biblio- 
thek Mazarin.    Nach  Jacquemin,  Ikonographie. 

Fig.  356.  Wurfsp iefstrÄger.  Miniatur  aus  einer  Bibel  der 
W  ende  des  9.  ins  IO.  Jahrhundert  in  der  Bibliothek  Mazarin.  Nach 
Jacquemin,  Ikonographie. 

eine  leichte  Spiefssorte  mit  flacher,  scharfer  Spiefsklinge  und  mit  rück- 
wärts in  der  Art  eines  Pfeiles  befiedertem  Schafte.  Es  ist  nun  kein 
Zweifel,  dafs  sich  der  Name  von  dem  arabischen  „djerid"  ableitet, 
was  ebenfalls  Wurfspiefs  bedeutet,  und  wahrscheinlich,  dafs  der  Dard 


*)  Gregor  von  Tours  IE.  IO,  V.  26,  VII.  29  etc. 

20  * 


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308 


II.   Die  Angriffs waffen. 


unter  den  Karolingern  in  den  Kämpfen  mit  den  Mauren  in  Spanien 
von  diesen  übernommen  wurde,  wie  das  auch  aus  der  zuweilen  vor- 
kommenden Bezeichnung  „algier"  zu  vermuten  ist.  Von  den  Dards 
(darz)  geschieht  auch  erst  im  Rolandsliede  Erwähnung.  Es  spricht 
zwar  der  normanische  Poet  Wilhelm  Guiart  1302  von  „dars";  damals 
und  überhaupt  vom  12.  Jahrhundert  an  war  der  Name  indes  auf  den 
gemeinen  Fulsknechtspiefs  übertragen  und  hat  sich  in  dieser  Bedeu- 
tung bis  ins  17.  Jahrhundert  erhalten.  Man  findet  die  Bezeichnung 
Tardaeisen  in  den  Inventaren  der  Zeughäuser  bis  1647.*)   (Fig.  356.) 


£1 


Fig-  357- 


Fig.  358. 


Fig.  357*  Di«  Lanze  des  heiligen  Mauritius  (getötet  286) 
in  der  Schatzkammer  des  österreichischen  Kaiserhauses  zu  Wien.  Ohne 
die  späteren  Durchbrechungen  der  Klinge  gezeichnet.    Nach  Leitner. 

Fl"g«  358-  Spiefseisenformen  aus  dem  psaltcrium  aureum  vom 
Ende  des  8.  Jahrhunderts.    Nach  Rahn,  Psalt.  aur. 

In  der  Hand  des  Fufsstreiters  und  für  den  Nahkampf  mufste 
naturgemäfs  der  Spiefs  stärker  in  Schaft  und  Eisen  werden;  zuerst 
merken  wir  diese  Zunahme  bei  den  Germanen. 

Vom  9.  Jahrhundert  an  tritt  uns  zuerst  eine  Spielsform  ent- 


*)  Vergl.  „Die  Waffen  des  Landeszeughauses  zu  Graz"  von  F.  G.  v.  M. 
iSSo. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    I.  Der  Spiefs.  809 

gegen,  die  wir  der  Gestalt  des  Spiefseisens  wegen  den  Knebelspie fs 
in  seiner  ältesten  Gestaltung  nennen  möchten. 

Für  die  älteste  Form  dieser  Spielseisen  haben  wir  Vorbilder  in 
mehreren  erhaltenen  Exemplaren,  von  solchen,  welche  teilweise  als 
kirchliche  Reliquien  zu  Rom,  Bordeaux,  Malmesbury  u.  a.  Orten  be- 


Fig.  359-  Fig.  360. 

Fig.  359-  Die  Lanze,  genannt  des  heiligen  Mauritius,  im  Schatze 
der  Kathedrale  zu  Krakau.    9.  Jahrhundert. 

Fig.  360.  Spiefs  und  Rundschild.  Aus  einer  Miniatur  der 
Bibel  Karls  des  Kahlen  (860—875)  im  Museum  des  Louvre  zu 
Paris.    Nach  Jacquemin. 


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310 


H.   Die  AngriffswarTen. 


wahrt  werden;  von  besonderer  Wichtigkeit  erscheint  ein  erhaltenes 
Spiefseisen,  welches,  wenn  es  auch  vielleicht  nicht  jenes  hohe  Alter 
besitzt,  das  ihm  die  Tradition  beigelegt  hat,  doch  als  entschieden 
ältestes  Beispiel  eines  Spiefseisens  des  Mittelalters  zu  erkennen  ist: 
die  sogenannte  Lanze  (lancea)  des  heiligen  Mauritius  in  der  Schatz- 
kammer des  österreichischen  Kaiserhauses  zu  Wien.*)  Entkleiden  wir 
diese  heilige  Lanze  des  Beiwerkes,  mit  welchem  sie  frommer  Sinn 
und  die  Sorge  um  ihre  Erhaltung  ausgestattet  hatte  und  das  für  uns 


Fig.  361.  Fig.  362.  Fig.  363. 


Fig.  361.  Spiefseisen  mit  Gold  und  Silber  eingelegt  darauf 
das  Zeichen  des  Kreuzes.  Grabfund  bei  Ulm.  Nach  Beck,  Geschichte 
des  Eisens. 

Fig.  362.  Spiefscisenformen  aus  dem  Teppich  tu  Bayeux 
vom  Ende  des  II.  Jahrhunderts. 

Eig.  363.  Fränkischer  Spiefs  mit  einem  Stück  des  mit  Silber 
beschlagenen  Schaftes.  Das  Spiefsblatt  besitzt  einen  stark  vortretenden 
Grat.  Länge  des  Spiefseisens  22  an.  Grabfund  vom  Kirchberg  bei 
Andernach.    Rhein.  Provinzialmuseum  in  Bonn.    Nach  C.  Koenen. 

von  nebensächlicher  Bedeutung  ist,  so  erscheint  uns  ein  langes,  blatt- 
förmiges Spiefseisen  mit  schwachem  Grat  auf  langem,  cylindrischen 


*)  Über  deren  Geschichte  und  gegenwärtigen  Zustand  vergl.  Quirin  Leitner, 
„Die  vorzüglichsten  Kunstwerke   der  Schatzkammer  des    österr.  Kaiserhauses". 

Wien. 


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B.  Die  Stangcnwatü-n.     I.  Der  Spiefs. 


311 


Stiele,  an  dessen  unterem  Ende  zwei  flache,  unten  konkav  geschnittene 
Knebelarme  angeschweifst  sind.  Dicht  an  diesen  sitzt  eine  kurze 
Dille  (douille).  (Fig.  357.)  Sie  besitzt  nun  allerdings  nicht  die  Form 
der  römischen  Lanzen,  wenigstens  entdecken  wir  unter  den  antiken 
Funden  kein  ähnliches  Exemplar,  aber  wir  erkennen  hier  in  den 
Details  des  Knebels  das  Vorbild  für  die  mittelalterlichen  Knebelspiefse 
bis  ins  15.  Jahrhundert  herab.  Wir  sehen  in  diesen  Spiefseisen  die 
eigentliche  Form  desselben,  die  uns  in  den  ältesten  Miniaturen,  wie 
im  Psalterium  aureum  nur  durch  flüchtige  Linien  angedeutet  wird. 
(Fig.  358.)  Ein  zweites,  nur  etwas  jüngeres  originales  Exemplar  dieser 
Spielseisenform  aus  der  Kathedrale  zu  Krakau  sehen  wir  in  Fig.  359. 

Im  9.  Jahrhundert  beginnen  die  Formen  des  Spiefseisens  noch 
mannigfaltiger  zu  werden,  wir  treffen  sie  bereits  rautenförmig,  wie  in 
der  Bibel  Karls  des  Kahlen  (860  —  875)  im  Museum  des  Louvre, 
und  bemerken  das  Bestreben,  dasselbe  mit  bunten  Bändern  zu  zieren. 
Ist  der  Knebel,  der  Knopf  (nodus),  dazu  da,  um  ein  zu  tiefes  Ein- 
dringen der  Klinge  in  den  Körper  zu  verhindern,  wodurch  das 
Zurückziehen  der  Waffe  oft  ganz  verhindert  wird,  so  war  das  bunte 
Bändchen,  der  Wimpel,  bestimmt,  den  Träger  des  Spiefses  im  Kampf- 
gewirre die  Richtung  der  Waffe  leichter  erkennen  zu  lassen  (Fig.  360). 
Im  10.  Jahrhunderte  ändern  sich  die  Spiefsformen  wenig  und  viel- 
leicht nur  dadurch,  dafs  sie  nun  um  etwas  stärker  in  Eisen  und  Schaft 
werden.  (Fig.  361.)  Im  1 1 .  Jahrhunderte  treten  bei  den  Normanen 
wie  bei  den  Sachsen  neue  Spiefseisenformen  auf;  es  erscheint  die 
lange,  lanzettförmige  Spiefsklinge  mit  Knopf  und  erheblich  stärkerem 
Schafte,  weiters  die  bärtige  Spiefsklinge,  letztere  im  Teppich  von 
Bayeux  in  grofser  Anzahl,  daneben  aber  auch  die  alten  Formen. 
(Fig.  362.J  Diese  Klingenform  ist  auf  orientalische  Vorbilder  zurück- 
zuführen und  verdankt  ihre  Einführung  bei  den  Normanen  wahr- 
scheinlich Harald  III.  Die  Verzierung  der  dünnen  Spiefsschäfte  ist 
schon  an  Funden  wahrnehmbar,  die  dem  8.  Jahrhundert  angehören. 
Die  Technik  ist  der  orientalischen  sehr  verwandt  und  besteht  meist 
in  einem  dünnen  Belage  von  Silber  oder  einer  dichten  Besetzung 
mit  Silberstiften.  Vom  11.  Jahrhundert  kommt  diese  Technik  allge- 
mach in  Abnahme.  (Fig.  363.)  Vorn  Altertume  an  ist  der  Spiefs 
gewissermafsen  der  eigentliche  Träger  der  Fahnen  und  Fähnchen;  in 
der  Epoche  des  ausgebildeten  Rittertums  zeigt  der  Spiefs  durch  die 
Beigabe  des  Fahnenblattes,  dessen  Gröfse  und  Auszierung  den  Rang 
und  das  Geschlecht  des  Trägers  an.    (Fig.  364.) 

Um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts,  in  jener  Epoche,  in  welcher 
die  Erfahrungen  aus  den  Kreuzzügen  greifbare  Gestalt  angenommen 
hatten,  verändert  sich  die  Form  der  Stangenwaffe  und  damit  auch 
die  Art  ihres  Gebrauches. 

Zunächst  verschwindet  der  Wurfspiefs  allmählich  aus  den  Heeren 
der  Deutschen  und  Franzosen,  nur  die  Italiener,  von  Natur  aus  an- 


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312 


IT.  Die  Aagnffswaffen. 


stellig  und  handgewandter,  führten  ihn  noch  häufig  und  nicht  ohne 
Erfolg.  Bei  der  eigentlichen  Hauptwaffe,  der  Reiterei,  die  immer 
mehr  als  einzig  mafsgebend  im  Streite  angesehen  wurde,  war  man 
bemüht,  die  Wirkung  des  Spiefses  zu  erhöhen.  Das  führte  zur  Ver- 
längerung und  Verstärkung  der  Schäfte.  Hatten  sie  bis  dahin  am 
Stammende  durchschnittlich  nur  eine  Stärke  von  3,3  cm.  und  eine 
durchschnittliche  Länge  von  höchstens  4  m.,  so  führte  man  sie  nun 
bei  einem  Durchmesser  von  ca.  4,5  cm.  in  einer  Länge  bis  zu  5  m. 
Die  Spiefseisen  erhalten  mannigfache  Formen,  die  Spiefsklingen  wer- 
den lang  und  spitzig  und  besitzen  längere  Dillen.  Die  mit  dieser 
Umgestaltung  verbundene  ansehnliche  Vermehrung  des  Gewichtes 
veranlafste  zunächst  eine  Veränderung  in  der  Handhabung.  Führte 
der  Reiter  früher  den  Spiefs  in  freier,  erhobener  Hand,  wie  noch 


Fig.  364. 

Fig.  364.  Reiter gcfc cht  aus  einem  Manuskript  des  13.  Jahr- 
hunderts nach  Van  der  Kellen. 


heute  der  Beduine,  so  zwang  ihn  jetzt  die  Schwere  der  Stange,  sie 
unter  den  Arm  zu  zwängen  und,  den  Oberkörper  anstemmend,  den 
Stöfs  auszuführen. 

Noch  weit  bedeutender  war  die  Veränderung,  welche  die 
StangenwafTe  im  Verlaufe  des  12.  Jahrhunderts  im  Fufsvolke  erhielt. 
Der  alte  Spiefs,  für  Reiter  und  Fufsknecht  gleich  geformt,  erwies  sich 
für  diesen  als  zu  gebrechlich  und  wegen  seiner  Länge  in  der 
Handhabung  unsicher.  Man  verstärkte  darum  den  Schaft  auf  4,75 
bis  selbst  5  cm.  und  verkürzte  ihn  so  bedeutend,  dafs  er  nur  wenig 
eine  Mannslänge  überragte.  (Fig.  365.)  Damit  bildete  sich  die  Ur- 
form des  sogenannten  „gemeinen  Spiefses",  der  mit  unwesentlichen 
Varianten  bis  ins  17.  Jahrhundert  herein  im  Gebrauch  geblieben  ist. 
Das  Bestreben,  die  Handsamkcit  des  Schaftes  zu  erhöhen,  führte  noch 
im  12.  Jahrhundert  zu  neuen  Kombinationen.  Man  suchte  das  Spiefseisen 


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B.  Die  Stangenwaffen.    I.  Der  Spiefs. 


313 


derart  zu  gestalten,  dafs  es  nicht  allein  für  den  Stöfs,  sondern  auch 
für  Hieb  und  Schlag  dienen  konnte;  man  versah  es  mit  Haken,  um 
den  feindlichen  Mann  aus  der  Fronte  hervorzuziehen.  Aus  diesen 
Kombinationen  entstanden  allmählich  die  Glefen,  die  Helmbarten  und 
alle  übrigen  Stangenwaffenformen. 

An  diesen  Stangenwaffen  des  Fufsvolkes  treten  zuerst  die  soge- 
nannten Schaft  federn  auf,  bandartige  Fortsetzungen  der  Dille  von 
Eisen  bis  zum  Drittel  oder  der  Hälfte  des  Schaftes,  in  welchem  sie 
eingelassen  und  mit  Nägeln  befestigt  sind.    Sie  sind  dazu  bestimmt, 


Fig.  365.  Spiefsträgcr  mit  Faustschild.  Aus  einem  Manu- 
skripte von  1294  in  der  Nationalbibliothek  in  Paris.  Nach  Jacquemin, 
Ikonographie. 

das  Abbrechen  oder  Abhauen  des  Schaftes  zu  hindern.  Die  allge- 
meine Form  des  knechtischen  Spiefses  blieb  bis  ins  15.  Jahrhundert 
herein  die  gleiche;  nur  macht  sich  erneut,  etwa  von  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  an,  ein  von  Italien  ausgehendes  allgemeines  Streben 
bemerkbar,  die  Waffe  zu  verzieren.  So  sehen  wir  von  dieser  Zeit  an 
mannigfach  ausgestattete  Spiefse.    Die  Klingen  von  PrunkwafTen  für 


Fig.  365. 


r 

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314 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Befehlshaber,  Trabanten  etc.  erhalten  feine  Gravierungen  und  oft 
auch  Vergoldungen,  die  auf  chemischem  Wege  mit  Quecksilberamalgam 
hergestellt  wurden.  Schäfte  erhalten  unterschiedliche  Auszierungen ; 
sie  werden  mit  Stoffen  überzogen  und  mit  metallenen,  oft  vergoldeten 
Nägeln  besetzt.  Zuweilen  wird  die  Oberfläche  kreuzweise  mit  Leder- 
streifen oder  Goldborten  überlegt  und  diese  mit  Nägeln  befestigt. 
Später,  im  16.  Jahrhundert,  wird  zunächst  an  der  Dille  eine  Quaste 
befestigt  und  der  Schaft  in  der  Höhe  der  „Handlage"  mit  Samt  be- 
legt, der  an  den  Rändern  mit  Fransen  besetzt  ist  Am  unteren  Ende 
wird  ein  Beschlag,  die  sogenannte  Spiefshose,  angebracht,  der  unter- 
halb zuweilen  spitzig  ausläuft. 


Fig-  367.  Schweres  Knebelspiefseisen.  Waffe  der  Tra- 
banten des  Herzogs  Friedrich  IV.  späteren  Kaisers.  Graviert  mit 
Spuren  von  Vergoldung  und  mit  der  Inschrift:  „dux  federic.  dux 
austrie".    15.  Jahrhundert,  Anfang. 

Seit  dem  Beginne  des  1 6.  Jahrhunderts  nimmt  die  Freude  an  prunk- 
vollen und  schönen  Waffen  allenthalben  überhand.  Die  Klingen  er- 
halten reiche  Verzierungen  in  Goldätzung,  Tausia  etc.,  nicht  selten 
auch  in  kunstvollem  Eisenschnitt.  Etwa  von  der  Hälfte  des  Jahr- 
hunderts an  erscheinen  die  „gerippten"   oder  „gepickten"  Schäfte. 


Fig.  366.  Fig.  367. 

Fig.   366.     Gemeines  Reisspicfseisen. 


15.  Jahrhundert 


2.  Hälfte. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    I.  Der  Spiefs. 


315 


Das  Verfahren  zu  ihrer  Erzeugung  ist  eigentümlich.  Der  als  Schaft 
bestimmte  Stamm  wird,  ehe  er  abgeschnitten  wird,  zur  Frühlingszeit 
von  der  Rinde  befreit,  sodann  werden  in  die  Oberfläche  mittelst 
eines  spitzen  Messers  nach  beliebiger  Ordnung  tiefe  Einschnitte  ge- 
macht und  darauf  der  Stamm  leicht  eingebunden.  Nach  einiger  Zeit 
schwellen   diese   eingeschnittenen  Stellen  auf  und   bilden  daselbst 


Fig.  368.  Fig.  369. 

Fig.  368.  Gemeiner  Ahlspiefs  mit  83  cm.  langer  Stofsklingc 
und  dem  eingeschlagenen  Stempel  der  Stadt  Wien.  Roh  gearbeitet 
Deutsch  um  1470. 

Fig.  369*  Arabischer  Rciterspiefs  mit  orientalischen  Gra- 
vierungen und   in  gehauener  Technik  geziert.    Im  Besitze  des  Ver- 


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316 


IL  Die  AngrifiswafTen. 


scharfe,  warzenförmige  Erhöhungen.  Sind  diese  in  wünschenswertem 
Grade  vorgeschritten,  so  wird  der  Stamm  abgeschnitten  und,  bevor 
er  verwendet  wird,  gut  ausgetrocknet  Besonders  fein  zu  zierende 
Schäfte  werden  nicht  blofs  einfach  eingestochen,  sondern  mittelst 
scharfer  MeÜsel,  welche  einfache  Figuren,  wie  Lilien,  Sterne  etc.,  ent- 
halten, eingepickt.  Dem  Verfahren  selbst  liegt  die  Absicht  zu  Grunde, 
den  Schaft  derart  rauh  zu  machen,  dafs  er  nicht  so  leicht  der  Faust 
entgleiten  kann. 

Von  den  Spiefseisenformen  des  15.  Jahrhunderts,  welche  wir  in 
den  nebenstehenden  Figuren  bringen,  sind  zu  bemerken  der  gemeine 
Reisspiefs  (Fig.  366),  der  Knebelspiefs,  eigentlich  ein  Fufs- 
knechtspiefs  (Fig.  367),  der  sein  Vorbild  in  jenem  des  8.  Jahrhun- 
derts findet,  nur  weit  gewichtiger  und  plumper  ist,  und  der  Ahlspiefs, 
eine  Waffe,  die  zuerst  in  der  Schweiz  und  Hochburgund  auftritt, 
später  aber  mit  Vorliebe  von  den  Böhmen  gefuhrt  wird.    (Fig.  368.) 

Orientalische  Fufsstreiter  des  Mittelalters  führten  Spiefse  mit 
schwachen,  aber  in  der  Regel  langen  Schäften,  die  leichten,  roh  ge- 
fertigten Spiefseisen  sind  teils  pfriemenartig,  teils  bärtig,  d.  i.  mit 
Widerhaken  versehen. 

Reiter  führten,  wie  noch  heute,  die  lange  Lanze  mit  dünnen, 
kaum  15  mm.  starken  und  4  bis  4,5  m.  langen  Schäften.  Am  Dillen- 
halsc  finden  sich  herausgestemmte,  nach  abwärts  gerichtete  Zacken, 
um  welche  verschiedenfarbige  Schnüre  aus  Kameelhaaren  gewunden 
sind.    (Fig.  369.) 

Ein  dünnschäftiger,  aber  kürzerer,  höchstens  3  m.  langer  Reiter- 
spiefs  mit  langer  Stofsklinge,  welcher  im  15.  Jahrhundert  bei  den 
Türken  zuerst  allgemeiner  wird,  führt  den  Namen  Copie.  (Fig.  370.) 
Zweifelsohne  war  diese  Spiefsgattung  und  unter  dieser  Bezeichnung 
schon  seit  Jahrhunderten  unter  den  Völkern  des  oströmischen  Reiches 
geführt.  Der  Name  stammt  aus  dem  griechischen  xOTrig,  was  zur 
Zeit  eine  Hiebwaffe  asiatischer  Völker  bedeutete,  später  aber  auf  alle 
Waffen  ausgedehnt  wurde.  Unter  dem  Namen  Copie  erscheint  sie 
auch  im  16.  Jahrhundert  in  Italien,  Spanien  und  in  den  türkisch- 
slavischen  Ländern.  In  der  Türkei  wird  die  Sipähi-  (Reiter-)  Lanze 
„sünü"  benannt. 

Bei  allen  Völkern  Asiens  kommt  die  lange  und  dünnschäfuge 
Reiterlanze  in  Verwendung.  Die  Schäfte  bestehen  aus  Holzarten, 
welche  in  den  betreffenden  Landstrichen  eben  häufiger  vorkommen, 
nicht  selten  aus  Rohr  vom  Pfefferstrauch,  vom  Bambus  u.  dgl. 
(Fig.  371  und  Fig.  372).  Der  Orientale  schätzt  vorzugsweise  einen 
leichten  Spiefs,  daher  es  nicht  selten  vorkommt,  dafs  Spiefsstangen  mit 
aller  Kunstfertigkeit  durchbohrt  und  damit  hohl  gebildet  werden.  Die 
zumeist  sehr  langen,  schmalen  Spiefseisen  sind  häufig  reich  verziert, 
die  Hälse  stilvoll  gegliedert.    Die  Orientalen  haben  von  der  ältesten 


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( 

0 


Fig.  370. 


Fig.  371.     Fig.  372. 

Fig.  370.  Türkische  Copic  mit  silbernem,  innen 
hohlen,  2.50  m.  langen,  gemuteten  Schafte.    16.  Jahrh. 

Fig.  371.  Tscherkessischer  Spiefs  mit  3.16  m. 
langem  Schafte  aus  Pfefferrohr  mit  geschnittenem  Wurzel- 
knollen am  unteren  Ende.  17.  Jahrhundert  (?).  Waffen- 
museum zu  Zarskoe  -  Sclo.     Nach  Gille. 

Fig.  372.  Turkmanischer  Spiefs  mit  4.74  m. 
langem  Schafte  aus  Bambusrohr  und  nieliiertem  Spiefseisen. 
17.  Jahrh.  (?).  Waffenmuseum  zu  Zarskoe -Selo.  Nach  Gille. 


i 

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Fig.  373-  Fig.  374- 

Fig.  373-  Spiefs  mit  7.6  cm.  langer  Klinge  aus  geschnittenem  und  in  Gold 
tauschiertem  Eisen  und  2.28  m.  langem,  reichgeziertem  Schafte  des  Tu  man  Bey, 
letzten  Sultans  der  Mameluken  in  Ägypten  (getötet  1517).  An  der  mit  Gold  ver- 
zierten Schnur  mit  schwerer  Quaste  befindet  sich  eine  goldene  Kapsel ,  in  welcher 
einst  ein  auf  kleine  Blattchcn  geschriebener  Koran  eingeschlossen  war.  Waffen- 
sammlung  zu  Zarskoe-Selo.    Nach  Gillc. 

Fig.  374-  Landsknecht  spiefs,  Totallänge  4.5  m.  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts. Deutsch. 


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B.    Die  Stangen warfen,    l.  Der  Spicfs. 


319 


Zeit  an  der  Form  wie  der  Auszierung  des  Spiefses  das  peinlichste 
Augenmerk  zugewendet  Nicht  nur  die  Lanze  selbst  wurde  vom  Waffen- 
schmied reich  mit  Ornamenten  in  Tausia,  Niello  und  Vergoldung 
ausgestattet,  der  Besitzer  selber  behängte  sie  auch  mit  Geflechten  und 
Quasten  aus  Yakwolle  und  Seide.  Vorzüglich  liebte  man  Wurfspiefse, 
„djerid"  ähnlich  auszustatten.  In  ältester  Zeit  bildete  die  Spende 
einer  Lanze  das  Zeichen  höchster  Gunst  des  Sultans,  und  immer  das 
wertvollste  Geschenk.  Vornehme  Araber  und  Türken  trugen  an  den 
Spiefsen  goldene  Schnüre  mit  langen  Quasten,  an  welchen  in  einer 
platten  Kapsel  ein  auf  kleinen  Blättchen  geschriebener  Koran  einge- 
schlossen war.    (Fig.  373.) 

Im  16.  Jahrhundert  finden  wir  den  Spiefs,  teils  in  neuen  Formen, 
als  vorzüglichste  Stofswaffe  in  den  Landsknechtheeren.  Die  Taktik 
der  Landsknechte  erforderte  eine  langschäftige,  aber  dabei  leichte 
Waffe,  welche  dazu  bestimmt  war,  den  ersten  Stöfs  auf  den  Feind 
auszuführen.  Für  den  Nahkampf  war  das  kurze  Schwert  bestimmt 
Dieser  Kampfweise  entsprechend  erhielt  die  überwiegend  gröfste  Menge 
der  Leute  eines  Fähnleins  den  Landsknechtspie fs,  die  sogenannte 
„Pinne"  (korrumpiert  aus  dem  mittelalterlichen  pennon).  Die  Spiefse 
der  Landsknechte,  die  man  mit  den  späteren  Piken  des  17.  Jahr- 
hunderts nicht  verwechseln  darf,  hatten  ein  blattförmiges  Spiefseisen 
mit  kurzen  Schaftfedem;  ihr  Schaft  von  durchschnittlich  4.5  m.  Länge, 
war  in  der  Mitte  stärker  als  an  den  Enden.  (Fig.  374.)*)  Ihre 
Formen  finden  sich  in  vollster  Deutlichkeit  auf  vielen  Blättern  der 
Zeugbücher  Maximilians  I.  von  15 14  wiedergegeben,  welche  Nie. 
Glockendon  zugeschrieben  werden.  Das  Vorbild  des  Landsknecht- 
spiefses  ist  in  den  Spiefsen  der  Schweizer  zu  finden.  In  den  Händen 
dieser  Truppe  war  aber  seine  Form  und  seine  Führung  eine  andere. 
Noch  im  1 5.  Jahrh.  war  er  nicht  länger  als  etwas  über  3  m.  Im  Lands- 
knechtheere wuchs  er  zu  einer  Länge  von  4.5  —  5  m.  an  und  wurde  so 
geführt,  dafs  der  Mann  kaum  mehr  als  einen  Meter  Schaft  hinter  sich 
hatte.  Die  Schweizer  ergriffen  beim  Vorrücken  den  Spiefs  mehr  in 
der  Mitte.  Die  ein  höheres  Kommando  führenden  Personen  eines 
Landsknechtkörpers  führten,  mehr  als  Zeichen  ihrer  Würde,  einen 
kurzschäftigen,  leichten  Spiefs  mit  blattförmigem  Eisen.  So  sehen  wir 
sie  abgebildet  in  den  Holzschnitten  von  Nicolaus  Meldemann,  Hans 
Guldenmund,  David  de  Necker  und  Hieronymus  Formschneider, 
welche  uns  die  Landsknechte  um  1529  wiedergeben.  Als  Zeichen 
der  Würde  führten  den  leichten  Spiefs  mit  kürzerem,  dünnen  Schafte 
die  höchsten  Personen.   So  erscheint  Karl  V.  in  dem  bekannten  Ge- 


*)  Die  in  den  verschiedenen  Waffenmuseen,  wie  im  Musie  d'Artülerie  in  Paris 
befindlichen,  als  Landsknechtspiefse  bezeichneten  Stangenwaffen  sind  gemeine  Piken 
des  17.  Jahrhunderts.  Wirkliche  Landsknechtspiefse  sind  äufserst  selten.  In  an- 
sehnlicherer Menge  finden  sie  sich  noch  im  Museum  iu  Salzburg. 


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II.  Die  Angriffswaffen. 


mälde  von  Tizian  in  der  Galerie  in  Madrid  dargestellt.*)  Wir  haben 
dabei  kaum  nötig,  zu  bemerken,  dafs  diese  Sitte  nichts  anderes  als 
das  Zurückgreifen  in  eine  frühere  Zeit  ist,  in  welcher  der  Spiefs  als 
das  Würdenzeichen  der  Höchsten  erschien. 

Eine  eigenartige  Spielswaffe  wird  noch  in  den  älteren  Lands- 
knechtheeren  geführt,  der  Wurf  spiefs,  das  „Schefflin",  auch  Archegaie, 
Zagaye.  Das  Schefflin  besitzt  ein  langes,  geripptes,  aber  innen  hohl 
gebildetes,  daher  überaus  leichtes  Spiefseisen  mit  kurzer  Dille,  welches 
an  einem  dünnen,  ca.  1.70  m.  langen  Schafte  befestigt  ist;  letzterer 
wurde  mit  Leinwand  oder  auch  mit  feinem  Leder  überzogen  und  be- 
malt. Am  hinteren  Schaftende  sieht  man  in  Abbildungen  Befiede- 
rungen ähnlich  wie  bei  Pfeilen.    (Fig.  375  und  376.) 

Der  Name  leitet  sich  von  javelin,  javelot,  auch  gabelo  ab,  das 
vielleicht  im  germanischen  „ger"  seine  Wurzel  hat.  Mit  ihm  begegnen 
wir  einer  weiteren  Wurfspiefsgattung,  deren  Gebrauch  ins  frühe  Mittel- 
alter zurückreicht.  Wir  finden  den  javelin  bereits  im  Rolandsliede, 
ebenso  in  der  Dichtung:  „La  conquete  de  Jerusalem",  wo  es  heilst: 

„Et  eil  as  gavclos  commencent  ä  lanchir"  VI,  v.  5377  ff. 
Im  Jahre  1320  werden  die  javelots  unter  den  verbotenen  Waffen 
angeführt.  In  London  bildeten  die  „javelin  -  men"  die  Eskorte  des 
Sheriffs,  wenn  er  zu  Hofe  ritt  Die  letzten  javelots  sollen  nach  Hewitt 
in  einem  Harleian- Manuskripte  (4374)  von  ca.  1480  abgebildet  sein;  das 
ist,  wie  wir  ersehen  haben,  irrig,  da  sie  noch  in  den  Zeugbüchern 
Maximilians  I.  vom  Jahre  15 14  figurieren  und  bis  ca.  1520  noch  von 
den  deutschen  Landsknechten  geführt  wurden. 

Bei  der  allmählichen  Umbildung  der  Landsknechtfähnlein  in  anders 
organisierte  Fufsknechtregimenter  erlitt  auch  die  Bewaffnung  und  da- 
mit auch  die  Gefechtsweise  eine  Änderung.  Die  Stofswaffe,  der  lange 
Spiefs,  blieb  aber  mit  unwesentlichen  Veränderungen  in  der  Form 
nach  wie  vor  die  vorzüglichste  Waffe  des  Fufsknechtes ;  nur  verliert 
sie  ihren  Namen  und  wird  nun  Pike  genannt.  Diese  Bezeichnung, 
aus  dem  französischen  „pique"  von  piquer,  „stechen",  erscheint  schon 
in  den  spanischen  Heeren  Karls  V.  unter  der  Bezeichnung  picas  und 
kam  durch  die  Niederländer  in  die  übrigen  Heere;  sie  erhält  sich  bis 
zu  ihrem  Verschwinden  im  letzten  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts, 
der  Zeit  der  Einführung  des  Spundbajonetts.  In  dem  Absätze, 
welcher  die  Bewaffnung  in  ihrer  Totalität  behandelt,  haben  wir  den 
Piqueur  oder  „Pikenier",  wie  er  in  deutschen  Regimentern  genannt 
wurde,  vor  Augen  gestellt.  In  dieser  Periode  führt  ähnlich  wie  in 
den  Landsknechtheeren  der  Unteroffizier  (Feldweibel,  Profofs,  Rott- 


*)  Derlei  leichte  Spicfse  von  der  Form  der  Wurfspiefse  wurden  von  den 
Herren  meist  auf  der  Jagd,  sonst  bei  festlichen  Anlässen,  selten  aber  im  vollen 
Harnische  geführt.  Auch  Karl  V.  erscheint  auf  dem  obenerwähnten  Gemälde  von 
J548  nur  im  halben  Harnisch. 


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B.   Die  Stangenwaffen.    I.   Der  Spiefs. 


321 


meister)  die  Helmbarte,  der  Offizier  aber  vom  Obersten  bis  zum 
Leutnant  herab  statt  des  Spießes  die  Partisane.  Die  Pike  bestand 
aus  einem  kleinen,  rautenförmigen  Spiefseisen  mit  kurzer  Dille  und 
Schaftfedern,  deren  Schaft,  meist  aus  Erlenholz,  schwarz  gebeizt,  war 
cvlindrisch.  Die  Länge  derselben  betrug  bei  den  Deutschen,  Schwei- 
zern und  Niederländern  4.194 — 5.1 1,  bei  den  Franzosen  aber  nur 
3.914— 4.194  m.    (Fig.  377.) 

In  der  Artillerie  führten  die  Stuckknechte  mit  ihren  Handlangern 
neben  gewöhnlichen  Bandhacken  auch  gemeine  Spiefse,  die  Büchsen- 


Fig.  375-  Kg.  376.                  Fig.  377. 

F»g-    375-     Grofscs  Schcfflinciscn ,    innen    hohl  gebildet. 
16.  Jahrhundert,  Anfang. 

Fig.    376.     Kleines  Sehe  ffli  ne  i  sen ,    innen    hohl  gebildet. 

16.  Jahrhundert. 

Fig.  377-    Gemeiner  Pikenicrspiefs.     Totallängc   5. 11  m. 

17.  Jahrhundert.  Deutsch. 

Bo  eh  ei  in,  Waffenkunde.  21 


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322 


II.  Die  AngrilTswaflen. 


meister  aber  sogenannte  Luntenspiefse  mit  einer  Vorrichtung  zum 
Einzwängen  der  Lunte.    Wir  bringen  hier  diese  Gattung,  die  halb 


Fi«.  37»-  Fig.  379. 

Fig.  378.  Gemeiner  Stuckknechtspiers.  Italienisch.  17.  Jahr- 
hundert. 

Fi«-  379-    Gemeiner  Luntenspiefs.     18.  Jahrhundert. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    I.  Der  Spiefs. 

Waffe,  halb  Gerät  ist,  nach  Originalen  in  Abbildungen.  (Fig.  378, 
379»  38o.) 

Trabanten  führten  an  den  meisten  Höfen  Stangen waffen,  nicht 


Fig.  380. 

Fig.  380.  Reichverzierter  Luntenspiefs  eines  Btichsen- 
meisters  Ton  Eisen  und  Messing.  16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Waffen- 
sammlung  im  Stifte  Klosterneuburg. 


Fig.  381.  Geätzter  Trabantcnspicfs  mit  einseitigem  Parier- 
haken mit  den  Devisen  des  Herzogs  Victor  Amadeus  von  Savoyen 
(gest.  1637).    Sammlung  Bazzcro  in  Mailand. 

Fig.  382.  Trabantenspiefs  mit  Parierhaken  und  spießförmigem 
Knebel.  Ital.  16.  Jahrh.,  Ende.  Wafiensamml.  in  Zarskoe-Selo.  Nach  Gille. 


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B.  Die  Stangenwaffen,    i.  Der  Spicfs. 


325 


selten  auch  gemeine  Spiefse,  die  in  der  Regel  reich  verziert  waren 
und  oft  mannigfache,  seitsame  Formen  aufwiesen.  Besonders  an 
italienischen  Höfen  waltete  da  die  Phantasie  uneingeschränkt,  wie  aus 
zwei  Beispielen  (Fig.  381  und  Fig.  382)  ersehen  werden  kann. 

In  der  Reiterei  macht  sich  vom  14.  Jahrhundert  immer  mehr 
das  Streben  geltend,  den  Schaft  besonders  gegen  das  Stammende  hin 
zu  verstärken.  Schon  um  1 360  tritt  der  Versuch  auf,  die  den  Schaft 
haltende  Faust  durch  eine  flache  Scheibe  aus*  Blech  vor  Verletzungen 


Kg-  383. 

Fig.  383.     Unterer  Teil  eines  Spiefsschaftes  mit  daran 
befestigter  geätzter  Brcchschcibe.    Deutsch.    Um  1560. 

zu  sichern.  Diese  Beigabe  genügte  nicht,  man  bildete  sie  darum 
trichterförmig  mit  ausgeschweiften  Flächen.  So  entstand  die  Brech- 
scheibe  (Fig.  383.)  Die  Stärke  des  Hinterschaftes  zwang  zu  einer 
Schwächung  in  der  Handlage,  woraus  jene  Form  entstand,  die  bei 
den  gewöhnlichen  Reiterspiefsen  wie  bei  den  Tumierspiefsen  allent- 
halben zu  erblicken  ist  und  welche  sich  traditionell  bei  den  Schäften 
der  Reiterstandarten  bis  ins  späte  18.  Jahrhundert  erhalten  hat.  Es 


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Fig.  384.  Fig.  3S5.  Fig.  386.  Fig.  387. 

Fig.  384.    Kanälierter  Spicfsschaft.    Deutsch.    Um  1570. 

Fig.  385.  Spitze  eines  Reisspiefses  mit  dem  Fuchsschweif 
geziert.    Um  1480. 

Fig.  386.  Rcisspiefs  ohne  Brechscheibe,  mit  den  Ringen  aus 
Stahlkugeln  am  Handgriffe.    15.  Jahrhundert.   Nach  Viollet-le  Duc. 

Fig.  387.  Spitze  und  Handgriff  mit  den  Ringen  aus  Stahlkugeln, 
vergröfsert.  Punkt  a  bezeichnet  die  Stelle,  wo  der  Rüsthaken  zu  liegen  kommt 


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B.  Die  Stangenwaffcn.    i.  Der  Spiefs. 


327 


ist  die  charakteristische  Form  des  sogenannten  Reisspiefses,  d.  i. 
der  Spiefs  des  Reisigen,  des  Reiters,  im  Gegensatze  zum  knech- 
tischen Spiefs,  d.  i.  der  Spiefs  des  Fufsknechtes,  später  des  Lands- 
knechts und  Pikeniers. 

Im  15.  Jahrhundert,  in  dessen  Laufe  die  Starke  der  Reisspiefse 
stetig  zugenommen  hatte,  trat,  veranlafst  durch  die  Zunahme  ihres 
Gewichtes,  eine  Reaktion  ein;  der  Spiefsschaft  wird  zwar  am  Durch- 
messer nicht  geringer  gebildet,  er  erhält  aber  Kanälierungen  (Fig.  384) 
von  zuweilen  bedeutender  Tiefe;  dadurch  wurde  er  auch  für  das 
Auge  gefälliger.  Am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wurde  es  Sitte,  das 
Spiefseisen  an  seinem  unteren  Ende  mit  einem  Fuchsschweife  zu  ver- 
zieren.  Wir  sehen  diese  Mode  in  A.  Dürers  schönem  Stiche:  „Ritter, 


Fig.  388. 

Fig.  388.  Spanischer  Reiter,  aus  Springstecken  gebildet. 
18.  Jahrhundert.   Landeszeughaus  in  Graz. 


Tod  und  Teufel",  wie  auch  in  den  für  die  Kunde  des  Waffenwesens 
jener  Zeit  aufserordentlich  wichtigen  Zeugbüchern  Maximilians  I. 
(Fig.  385O 

Die  Reisspiefse,  in  deutschen  Ländern  auch  „Schürzer"  genannt, 
welche  eine  durchschnittliche  Länge  von  3.5  m.  besafsen,  wurden 
beim  Angriffe  in  horizontale  Lage  gebracht  und  derart  auf  den  Rüst- 
haken des  Harnisches  gelegt,  dafs  dieser  in  den  schwächeren  Teil 
des  Schaftes,  der  Handlage,  zunächst  hinter  der  Hand  des  Reiters 
zu  stehen  kam.    Diese  Position  hatte  ihre  Nachteile  darin,  dafs  bei 


328 


II.    Die  Angriflswaffen. 


einem  ausgeführten  Stofse  die  Spiefsstange  zurückprallte  und  dem 
Reisigen  die  Faust  zwischen  der  Einkerbung  des  Handgriffes  oder 
der  Brechscheibe  und  dem  eigenen  Rüsthaken  einquetschte;  dabei 
wurde  nicht  selten  die  Stange  aus  dem  Haken  ausgehoben.  Um 
dieses  zu  verhindern,  wurde  der  Handgriff  mit  einem  breiten  Ringe 
umgeben,  der  aus  4  —  5  Reihen  von  durchlöcherten  Stahlkugeln  be- 
stand, die  auf  Draht  geheftet  waren.  Der  Rüsthaken  erhielt  eine 
Umhüllung  von  weichem  Holz  oder  Blei.  Beim  Gebrauch  ergriff 
der  Reisige  den  Ring  mit  der  Faust  und  legte  die  Stange  derart  ein, 
dafs  der  Rüsthaken  knapp  hinter  dem  Ringe  safs.  Beim  Stofse 
drückten  sich  die  Stahlkugeln  fest  in  die  Umhüllung  des  Hakens  ein 
und  bildeten  mit  dieser  einen  Körper.  (Fig.  386  und  387.)*)  Kommt 
der  Reisspiefs  im  15.  Jahrhundert  häufiger  ohne  Brechscheibe  vor,  so 
linden  wir  ihn  mit  solcher  in  der  Ritterschaft  wie  bei  den  Kürissera 
des  1 6.  Jahrhunderts  fast  ausnahmslos  und  zuweilen  selbst  an  Fahnen- 
und  Fähnleinschäften. 

Gegen  das  Ende  des  1 6.  Jahrhunderts,  jener  Epoche,  in  welcher 
die  Erfahrungen  in  den  Kriegen  der  Niederlande  sich  allenthalben 
geltend  machten,  verlor  der  Reisspiefs  mehr  und  mehr  an  Bedeutung. 
Dazu  kamen  noch  die  Einflüsse  der  italienischen  Kriegslehren,  in- 
sofern man  in  Italien  von  jeher  eine  schwere  Ausrüstung  des  Reiters 
und  die  darauf  fufsende  Taktik  als  ungünstig  ansah.  Alle  diese 
Einwirkungen  führten  zu  dem  Bestreben,  die  Beweglichkeit  der  Reiterei 
zu  fördern.  Schon  in  der  ersten  Hälfte  des  1 6.  Jahrhunderts  entstanden 
die  Arkebusiere  oder  reitenden  Schützen,  die  Dragoner  (Drachen), 
die  geeignet  waren,  ebenso  zu  Fufs  als  zu  Pferde  zu  fechten  und 
deshalb  in  den  Heeren  immer  zahlreicher  wurden,  während  die  Kürisser, 
welche  noch  den  Reisspiefs  führten,  sich  allmählich  verminderten.  Nun 
erschienen  auch  die  Kürassiere  zu  schwerfällig,  und  zur  Förderung  ihrer 
Beweglichkeit  entledigte  man  sie  des  schweren  Reisspiefscs.  Damit  kam 
das  Reiterschwert,  der  Haudegen,  in  der  Reiterei  wieder  zu  Ehren. 
Nur  bei  den  Ungarn  und  Polen,  die  nach  den  Traditionen  des  Orientes 
wie  im  gesamten  Leben  auch  in  der  Kriegskunst  stets  konservativ  er- 
scheinen, blieb  die  leichte  orientalische  Lanze  unter  der,  fachlich 
genommen,  unrichtigen  Bezeichnung  Pike  bis  ins  18.  Jahrhundert,  bei 
den  Polen  selbst  bis  zur  Gegenwart  eine  beliebte  Reiterwaffe. 

In  der  deutschen  und  französischen  Reiterei  werden  die  Harnische 
von  ca.  15 So  an  nicht  mehr  mit  Rüsthaken  ausgestattet.  Nur  einzelne 

*)  Bclleval,  M.  R.,  Du  costume  militaire  des  Francis  en  1446.  Noten  58 
bis  63  nach  zwei  anonymen  Manuskripten,  das  eine  in  der  Bibliotheque  nationale, 
das  andere  im  Besitze  Mr.  Bellcvals.  Dem  Verfasser,  welchem  diese  Einrichtung 
zwar  ganz  entsprechend  erscheint,  ist  nie  ein  Exemplar  eines  derartigen  Ringes  vor 
Augen  gekommen ;  auch  in  der  deutschen  Litteratur  der  Zeit  verlautet  nichts  dar- 
über. Es  scheint  demnach,  dafs  dieselbe  nur  in  Frankreich  gebräuchlich  war  und 
dafs  man  das  Rückprallen  der  Stange  in  Deutschland  durch  eiserne  Bandringe  zu 
verhindern  trachtete. 


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B.   Die  Stangenwaffen.    I.  Der  Spicfs. 


329 


Ritter  und  Standesherren  trugen,  alter  Sitte 
huldigend,  noch  mit  Vorliebe  an  ihren  ritter- 
lichen Harnischen  den  längst  nicht  mehr  in 
Gebrauch  stehenden  Rüsthaken.  Um  1580 
legte  die  Reiterei  den  Reisspiefs,  hundert- 
zwanzig Jahre  darauf,  nach  1700,  das  Fufs- 
volk  die  Pike  ab;  damit  aber  war  der  Spiefs 
in  seiner  charakteristischen  Form  noch  immer 
nicht  ganz  aus  den  Heeren  verschwunden.  Schon 
in  den  niederländischen  Befreiungskriegen  ent- 
stand der  S  pringstecken;  er  bestand  aus  einer 
dünnen,  etwa  2  ra.  langen  Stange,  welche  an 
beiden  Enden  mit  einfachen,  pfriemenartigen, 
eisernen  Spitzen  versehen  war.  Er  wurde  in 
dem  von  vielen  Kanälen  durchschnittenen  Lande 
besonders  von  den  Schützen  zum  Übersetzen 
dieser  Terrainhindernisse  gebraucht.  Nebenher 
lief  auch  das  Bestreben,  dieses  spiefsartige 
Werkzeug  als  Auflager  für  die  Büchse  beim 
Zielen  zu  gebrauchen,  wozu  in  der  Mitte  des 
Schaftes  ein  eiserner  Haken  angebracht  wurde. 
Derlei  Springstecken,  Scharfschützenlanzen 
genannt,  kommen  in  verschiedenen  Formen  bis 
ans  Ende  des  18.  Jahrhunderts  vor. 

In  Österreich  erhielt  in  den  Türkenkriegen 
am  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts  der  Springstecken 
noch  eine  andere  Aufgabe;  er  diente  zur  Bil- 
dung der  „spanischen  Reiter",  für  welche 
die  Hauptbalken  auf  eigenen  Wagen  im  Train 
mitgeführt  wurden.  Der  spanische  Reiter,  welcher 
zum  Schutze  vor  Überfällen  durch  Reiterei 
diente,  bestand  aus  einem  vierkantigen  Haupt- 
balken (Leib),  welcher  auf  geringe  Entfernungen 
wechselweise  durchlöchert  war.  In  diese  Löcher 
wurden  nun  die  von  den  Infanteristen  getragenen 
Springstecken,  hiersonderbarerWeise  „Schweins- 
federn" genannt,  gesteckt,  so  dafs  eine  Art 
Bockgestelle  entstand.  Nach  dem  Reglement 
von  1720  wurden  im  kaiserlichen  Heere  die 
Springstöcke  nur  noch  von  den  Fähnrichen  ge- 
führt.   (Fig.  388.) 

Eine  besondere  Aufgabe  hat  der  Spiefs  spiefs  mit  geätzter  und 
schon  seit  dem  frühen  Mittelalter  auf  der  Jagd   vergoldcterVerzicrung und 

u     •         tt      originaler  Ausstattung  am 

nach  dem  Bären  und  dem  Wildschwein.  Er  Schafte.  Historisches  Mu- 
wird  da  Bärenspiefs,  Sau-  oder  Schweinspiefs   seum  in  Dresden. 


1 


ff 


mm 


Fig.  389.  Schwein- 


330 


II.  Die  Angriffswaffen. 


genannt  und  diente,  um  das  Wild  anrennen  zu  lassen.  Diesem  ge- 
fährlichen Gebrauche  entsprechend  war  er  auch  kräftig  ausgestattet, 
um  die  Wucht  des  anrennenden  Wildes  auszuhalten  und  dabei  nicht 
zu  zerbrechen.  Die  Klinge  war  breit,  blattförmig  und  sehr  scharf 
und  spitz.  Spätere  Exemplare  haben  einen  Knebel  an  der  Dille,  der 
mit  starken  Lederriemchen  angeschnürt  ist.  Dieser  Knebel  bezweckte, 
ein  tieferes  Eindringen  der  Klinge  als  bis  zur  Dille  zu  verhindern. 
Der  überaus  starke  Schaft  von  2  m.  Länge  war  meistenteils  mit 
schmalen  Lederriemen  umwickelt  und  mit  Nieten  besetzt,  um  das 
Ausgleiten  der  Fäuste  zu  verhindern.  Vom  16.  Jahrhundert  an  kamen 
auch  Schweinspiefse  mit  Schiefsvorrichtungen  in  Gebrauch,  die  den 
Zweck  hatten,  den  EfTekt  zu  sichern,  falls  beim  Stofsen  das  Ziel 
mehr  oder  minder  verfehlt  wurde.  Die  Bärenspiefse  verschwinden 
bereits  im  1 5.  Jahrhundert,  die  Schweinspiefse  erhalten  sich  noch  bis 
ins  17.,  bei  einigen  Höfen  selbst  bis  ins  18.  Jahrhundert.  Sie  sind 
noch  heute  Inventarstücke  fürstlicher  Jagdkammern.    (Fig.  389.) 


2.  Die  Helmbarte. 

Der  Name  dieser  sinnreichsten  Stangenwaffe  ist  von  Helm 
(Halm,  Stange,  Stiel)  und  Barte  (Beil)  herzuleiten.  Als  deutschen 
Ursprungs  wird  in  fremden  Sprachen  ihr  Name  durchwegs  verstümmelt. 
Sie  heifst  franz.  hallebarde,  engl,  halbert,  lat  hellemparta,  ital. 
allabarda.  Erst  im  16.  und  17.  Jahrhundert  wurde  durch  Rücküber- 
setzung die  alte  Benennung  in  Hellebarte  verunstaltet 

Nach  den  Forschungen,  welche  Quirin  von  Leitner*)  über  den 
Ursprung  der  Helmbarten  angestellt  hat,  findet  schon  im  letzten 
Viertel  des  13.  Jahrhunderts  in  der  mittelhochdeutschen  gereimten 
Erzählung:  „Herzog  Ernst*'  die  Helmbarte  Erwähnung  und  in  „Ludwig 
dem  Kreuzfahrer",  also  zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  wird  sie 
genau  beschrieben  In  ausgesprochenster  Form  führten  sie  schon  die 
Schweizer  bei  Morgarten   13 15  wie  bei  Sempach  1386. 

Diese  Waffe  ist  somit  zu  einer  Zeit  entstanden,  als  man  schon 
begaim,  die  einzelne  Teile  der  Rüstung  im  Kriege  durch  etwas 
gröfscre  Platten  zu  verstarken.  Es  zeigt  sich  auch  hier  das  fort- 
gesetzte Streben,  dem  neuen  defensiven  mit  dem  entsprechenden  offen- 
siven Mittel  zu  begegnen;  denn  war  Stich  und  Hieb  des  Schwertes 
nicht  im  stände,  dem  Plattenharnische  wirksam  zu  begegnen,  so  ver- 
mochte das  wohl  der  wuchtige  Schlag  eines  Beiles  mit  langem  Stiele. 

*)  Quirin  Leitner,  Die  Waffensanimlung  des  österreichischen  Kaiserhauses  im 
k  u.  k.  Artillerie -Museum  in  Wien.   Wien  1866 -1870. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    2.  Die  Helmbarte. 


33 


Die  ältesten  Helmbarten,  welche  wir  kennen  und  welche  sich 
teils  noch  in  Originalien  erhalten  haben,  teils  in  Bildwerken  vor  Augen 
liegen,  besitzen  noch  die  auf  das  Trennen  und  Zertrümmern  der 
Harnischteile  berechnete  kräftige  Form.  So  sehen  wir  eine  Helmbarte 
in  der  Hand  eines  Gensdarmen  aus  der  Zeit  König  Johanns  I. 
(!35° — 1364)  in  einem  Basrelief  der  Kirche  St.  Leu  in  Paris,  welche 
statt  des  Hakens  mit  einem  Hammer  versehen  ist.  (Fig.  390.) 
Allmählich  aber,  wahrscheinlich  infolge  der  Verbesserung  der  Hand- 


Fig.  390. 

F«g-  39°-  Kriegsmann  mit  Helmbarte  aus  der  Zeit  König 
Johanns  I.  in  einem  Basrelief  der  Kirche  St  Leu  in  Paris.  H.Jahr- 
hundert.   Nach  Jacquemin. 

feuerwafle,  erleiden  die  Helmbarten  Umänderungen,  welche  erkennen 
lassen,  dafs  ihre  ursprüngliche  Bestimmung  in  den  Hintergrund  ge- 
treten ist,  und  dafs  ihr  Hauptwert  nur  noch  in  ihrer  Eigenschaft  als 
Stofswaffe  liegt,  wobei  der  sogenannte  Haken  als  eine  zuweilen  vor- 
teilhafte Beigabe  erscheinen  mochte. 


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882 


II.  Die  AngriflTswafTen. 


Thatsächlich  bildet  in  der  Regel  die  Beilform  und  die  Form 
und  Richtung  der  Beilschneide  das  sicherste  Anzeichen  des  Alters 
dieser  Waffe;  ohne  uns  mit  langen  Beschreibungen  aufzuhalten,  weisen 
wir  auf  die  hier  folgenden,  nach  dem  Alter  gereihten  Abbildungen, 
nach  welchen  die  allmähliche  Umwandlung  der  Form  bis  ins  1 7.  Jahr- 
hundert deutlich  zu  ersehen  ist    (Fig.  391a  bis  1.) 

Die  Helmbarte  in  ihrer  ältesten  und  ursprünglichen  Form  ist, 
wie  erwähnt,  deutschen  Ursprungs;  sie  bildete  im  14.  und  15.  Jahr- 
hundert die  gemeine  Waffe  des  Fufsknechts;  erst  mit  der  Umände- 


a.  1).  c. 

F'ß.  39». 


Fig.  391.    Die  deutsche  Helmbarte  in  ihrer  Formcntwicke- 
lung  vom  15.  Jahrhundert. 

a.  Deutsche  Helmbartc  um  1480. 

b.  Tirolischc  Helmbarte,  bezeichnet  1490. 

c.  Helmbartc  aus  der  Zeit  Maximilians  L    Um  1500. 

rang  der  Bewaffnung  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  als  der  Lands- 
knecht den  langen  Spiefs  erhielt,  führten  sie  nur  bestimmte,  in  der 
Führung  erprobte  Kricgsleute  und  Unteroffiziere;  so  war  sie  für 
lange  Zeit  die  Waffe  des  „Weibels". 


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B.  Die  Staugen waffen.    2.  Die  Helmbarte. 


338 


Während  die  Helmbarte  sich  durch  das  ganze  16.  Jahrhundert 
im  Gebrauch  erhält,  verschwindet  sie  im  17.  Jahrhundert  nahezu 
vollständig  aus  den  Heeren.  Im  18.  Jahrhundert  führte  der  Unter- 
offizier der  Infanterie  eine  kleinere  Helmbarte,  das  sogenannte  „Unter- 
offizierskurzgewehr". 

In  Italien  und  Frankreich  wurde  unter  der  Bezeichnung  Helm- 
barte (hallebarde,  allabarda)  eine  Stangenwaffc  geführt,  welche  der 
deutschen  Form  sehr  unähnlich  ist,  also  eigentlich  kaum  in  diese 


d. 

Fig  39'. 


d.  Helinbarte  aus  der  Zeit  Maximilians  I.    Um  1510. 

e.  Bairischc  Holmbarte.    Um  1 5 1 5. 

Gattung  zu  reihen  wäre;  derlei  Formen  werden  demnach  gemeiniglich 
durch  die  Bezeichnung  Deutsche  oder  Italienische  Helmbartc 
unterschieden. 

Unabhängig  von  ihrer  Verwendung  im  Kriege  erscheint  die 
Helmbarte  als  Waffe  der  Leibgarden  der  Regenten,  am  deutschen 
Hofe  der  „Trabanten";  so  finden  wir  sie  bereits  in  einem  Holz- 


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334 


II.  Die  Angriffswaffen. 


schnitte  des  von  Hieronymus  Formschneider  herausgegebenen  Werkes 
von  1539,  welches  den  Zug  wider  die  Türken  1532  beschreibt.  Hier 
erscheint  sie  bei  der  Heerschau,  welche  Karl  V.  über  die  Reichs- 
truppen hielt. 

In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  waren  die  Schweizer  am 
französischen  Hofe  mit  Helmbarten  ausgerüstet. 

Wie  die  deutsche  Helmbarte  im  Verlaufe  der  Zeit  für  ihre  ur- 


f.  g.  h. 

Fig.  39i. 


f.  Geätzte  Trabant enhclmbartc  aus  der  Zeit  Ferdinands  I. 
mit  dem  Reichsadler,  den  Buchstaben  K.  F.  (Kaiser  Ferdi- 
nand) und  der  Jahrzahl  1563. 

g.  Gemeine  Helmbartc  aus  der  Zeit  Ferdinands  I. 

h.  Geätzte  Helmbarte  eines  Weibels  um  1570. 

sprüngliche  Bestimmung  immer  untauglicher  wird,  so  erhalten  die 
Beile  und  Haken  unter  dem  Einflüsse  der  Kunstströmung  in  der 


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B.  Die  Stangenwaffen.    2.  Die  Helmbarte.  335 

Renaissanceepoche  ideale,  barocke  Formen.  Am  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts erscheinen  die  Spiefsklingen  pfriemenartig  und  in  übertriebenen 
Längen,  während  die  übrigen  Klingenteile  ganz  zusammenschrumpfen. 


k.  1. 

F«g-  39'. 


i.  Geätzte  Helmbarte,   niederländisch.    Ende  des  l6.  Jahr- 
hunderts.    Sammlung  Neyt.     Nach  Vanvinkeroy,     L'art  a 
l'exposition  de  Bruxelles. 
k.  Geätzte  Trabantenhelmbarte  mit  dem  Namenszuge  Kaiser 
Ferdinands  II.  und  mit  dessen  Wahlspruch:  „Legitime  cer 
tantibus".    17.  Jahrhundert 

l  Geätzte  Trabantenhelmbarte  aus  der  Zeit  Kaiser  Leo- 
polds L  1660. 


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336  II.  Die  Angriffswaffen. 

Einige  charakteristische  Proben,  darunter  auch  Nachahmungen  deutscher 
Formen  aus  italienischen  Werkstätten,  bringen  wir  in  nebenstehenden 
Figuren  392  a — i.    Helmbarten  deutscher  Form  mit  durchbrochenen 


a.  b. 
Fig.  392. 


Fig.  392.    Deutsche  Helmbartenfor  mcn. 

a.  Helmbarte  mit  durchbrochenem  Beile  und   Haken,  soge- 
nannte „niederländische  Helmbartc".    16.  Jahrhundert,  Ende. 

b.  Ilclmbarte  mit  durchbrochenem  Beile  und  Haken  und  langer 
Stofsklinge.    Niederländisch.     17.  Jahrhundert,  Anfang. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    2.  Die  Helmbarte. 


337 


c. 


Fig.  392- 


c.  Helm  harte  mit  durchlöchertem  Beile  und  Haken.  Nieder- 
ländisch. 17.  Jahrhundert,  Anfang  Sammlung  Van  Zuylcn. 
Nach  Vanvinkeroy. 

d.  Helmbartc  mit  durchbrochenem  Beile  und  Haken  und  ori- 
ginaler Quaste  (Aufputz).  17.  Jahrhundert.  Sammlung  Delpier. 
Nach  Vanvinkeroy. 

Boche  im,  Waffenkunde.  22 


/  -r   1  HS 

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338 


EL   Die  Angriffs waffcn. 


Beilen  und  Haken  wurden  im  Friaulschen  in  Seravalle  und  in  Brescia 
gefertigt,  die  meisten  kamen  aber  aus  den  Niederlanden,  vorzüglich 
aus  Lüttich  und  Antwerpen. 

Die  italienische  Helmbarte  hatte  ungeachtet  ihrer  der 
deutschen   ganz   unähnlichen  Form,  wie  aus  der   in  beistehenden 


c  f-  g. 

Fig.  392. 

e.  Holmbartc  deutscher  Form,  aber  italienischer  Arbeit  1 7.  Jahr- 
hundert. 

f.  Hclmbarte  mir  gabelförmiger   Stofsklingc   und  Hammer 
Italienisch.     17.  Jahrhundert. 

g.  Helm  harte  mit  Beil  und  Haken  von   barocken  Formen. 
Italienisch.     17.  Jahrhundert. 


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B.  Die  Stangenwafien.    2.  Die  Helmbarte. 


Figuren  393  a  —  e  gegebenen  Entwickelung  zu  ersehen  ist,  mit  der 
deutschen  doch  eine  und  dieselbe  Urform  gemein,  sie  hatte  im  Verlaufe 


Fig.  392. 


i. 


h.  Geätzte  Hcluibarte  der  Patrizicrfaniilie  Weiser.    17.  Jahr- 
hundert. 

i.  Geätzte  Helmbartc  mit  doppeltem  Beile.   Die  Klinge  be- 
steht aus  3  Teilen.    17.  Jahrhundert. 

22* 


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F'g-  393-  Formcnentwickelung 
der  italienischen  Helmbarte. 

a.  Itali  enischellelmbarte  aus 
der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts. 
Ehemalige  Samml.  L.  Meyrick. 

b.  Italienische  Trabantcn- 
helmbartc  vom  Ende  des  15. 
Jahrh.  Ehemalige  Sammlung 
L.  Meyrick. 

c.  ItalienischeHelmbarte  aus 
der  I.  Hälfte  des  16.  Jahrh. 


d.  Itali  enischellelmbarte 
der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts. 

e.  Italienische  Hclmbartc 
vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts. 
Sic  trägt  die  alte  Mailänder 
Marke,  den  ,, Skorpion".  Samm- 
lung von  \V.  H.  Riggs.  Nach 
Viollet-le-Duc. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    2.  Die  Hclmbarte. 


841 


sich  nur  anders  herausgestaltet  Wir  sehen  sie  schon  in  dem  Flügelaltar  des 
Nicolo  Semitecolo  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  in  der  Akademie 
zu  Venedig  (S.  I,  20)  mit  aller  Deutlichkeit  abgebildet.  Im  15.  und 
in  der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  ist  sie  in  Italien,  Frankreich 
und  der  Schweiz  die  allgemeine  Waffe  des  Fufsknechts.  Ihre  Be- 
stimmung war,  mit  Spitze  und  Haken  die  vom  Harnische  unbedeckten 
Körperteile  des  Mannes  zu  verletzen,  mit  dem  sichelförmigen  Klingen- 
ansatze  aber  den  Gegner  an  sich  zu  ziehen. 


Fig.  394-  Fig.  395. 


Fig.  394-  Deutsche  Helrabarte  mit  sichelförmiger  Klinge, 
16.  Jahrhundert,  Ende.   Fürstl.  Hohenzollern-Museum  zu  Sigmaringen. 

Fig.  395.  Schweizerische  Helmbarte  mit  der  Stofskliuge 
am  Beile.  Übergangsform  von  der  Helmbarte  zur  Streitaxt.  16.  Jahr- 
hundert, Anfang.    Landeszeughaus  zu  Graz. 


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342  II.  Die  Angriffswaflen. 

Die  Italicner  liebten  lange  Schäfte  an  ihren  Stangenwaffen;  so 
ist  die  durchschnittliche  Länge  der  Schäfte  an  italienischen  Helm- 
barten 2.14  m. 

Spezialformen  ersehen  wir  in  den  Figuren  394  und  395,  erstere 
ist  deutscher,  letztere  italienischer  Herkunft,  beide  sind  nur  Umbildungen 
von  älteren  Formen. 


3.  Die  Glefe  und  die  Couse. 

Die  Glefe  (vouge),  irrig  auch  „Streitsense"  und  „Breschmesser' 
genannt,  besteht  aus  einer  langen,  messerförmigen  Klinge,  welche  an 
einer  langen  Stange  mittels  Dille  und  Schaftfedern  befestigt  ist.  Am 
unteren  Ende  befinden  sich  spitze  Ansätze,  sogenannte  „Parier- 
haken",   ähnlich  jenen  an  der  italienischen  Helmbartc,  und  am 


Fig.  396. 

Fig.  396.    Italienische   Soldaten  des    14.  Jahrhunderts  aus 
einem  Manuskript  der  Ambrosianischen  Bibliothek.    Nach  Jacquemin. 

Rücken  entweder  eine  gerade,  vorstehende  Spitze,  gleichfalls  zum  Auf- 
fangen der  Hiebe,  oder  aber  ein  nach  aufwärts  gestellter  Haken, 
sogenannter  „Klingenfänger". 

Einen  mit  einer  Glefe  bewaffneten  italienischen  Kriegsknecht 
erblickt  man  schon  in  einem  Manuskript  des  14.  Jahrhunderts  in  der 
Ambrosianischen  Bibliothek  (Fig.  396)*);  gegen  das  Ende  dieses  Jahr- 

*)  Jacquemin  Raphael,  Ikonographie  du  costume.    Paris  1863. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    3.  Die  Glefe  und  die  Couse.  343 

hunderte  nahm  ihre  Verwendung  stetig  zu.  Im  1 5.  Jahrh.  ist  sie  all- 
gemein die  Waffe  des  Fufsknechts  und  in  Burgund  selbst  des  Armrust- 
schützen.  Karl  der  Kühne  verlangte  für  jene  drei  Soldaten,  welche 
von  je  50  Feuerstellen  durch  die  Ortschaften  gestellt  werden  mufsten, 
dafs  wenigstens  einer  derselben,  wenn  nicht  zwei,  mit  Schwert,  Dolch 
und  einer  Vouge  erscheinen  solle. 

Noch  am  Ende  des  15.  Jahrhunderte  nannte  man  jede  einer 


Fig.  397- 

F'g-  397-  Vic  italienischen  Glefen  in  ihrer  Formenentwicke- 
lung im  16.  Jahrhundert. 

a.  Italienische   Glefe   vom  Anfange  des    16.  Jahrhunderts 
Nach  Mcyrick. 

b.  Italienische  Glefe  aus  der  I.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 
Nach  Mcyrick. 

c.  Glefe  der  Trabanten  des  Rektors  der  Republik  Ragusa  von 
ca.  1540.    Nach  Meyrick. 


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344  II.   Die  Angriffswafien. 


Lehenschaft  zugehörige  Zahl  von  Fufsknechten  „Glefen"  nach  ihrer 
Waffe.  Aus  einer  Anzahl  solcher  Glefen  wurden  die  ersten  knech- 
tischen Fähnlein  gebildet. 


d.  e.  f. 

Fig.  397- 


d.  Glcfc  der  Leibwache  des  Dogen  von  Venedig  Francesco 
Vcnieri  (i 554 — 1556).    Nach  Meyrick. 

c.  Venezianische  Glefe  von  ca.  1550.    Nach  Meyrick. 

f.  Französische   Glefe  aus  der  2.  Hälfte  des   16.  Jahr- 
hunderts.   Nach  Meyrick. 


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B.  Die  Stangenwaffen.    3.  Die  Glefe  und  die  Couse.  345 

In  der  I.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  bildete  die  Glefe  in 
eigenartiger  Form  die  allgemeine  Waffe  des  sächsischen  Fufsvolkes. 
Nach  der  folgenschweren  Schlacht  bei  Mühlberg  1547  lasen  die  Kaiser- 


Fig.  398.  Fig.  399.         Fig.  400. 


Fig.  398.  Kursächsischc  Glefe  aus  der  Zeit  Augusts  L  mit 
dein  kurfürstlichen  Wappen  reich  geätzt  und  vergoldet,  und  der  In- 
schrift: „Die  Hoffnung  hat  mich  offt  ernerdt,  sonst  hätt  mich  Vnfal 
lengst  verzert." 

F>g-  399-  Hartschiercouse  aus  der  Regierungszeit  des  Erz- 
herzogs Ferdinand,  späteren  Kaisers,  von  ca.  1530. 

Fig.  400.  Blanke  Cousc  mit  Helmbartenhaken.  Arbeit  des 
Peter  Schreckeisen  in  Neukirchen  in  Steiermark  von  1581  Landes- 
zeughaus in  Graz. 


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346  IL  Die  Angriffswaffen. 

liehen  enorme  Mengen  dieser  Waffe  auf  dem  Schlachtfelde  auf.  Einige 
von  diesen  werden  noch  gegenwärtig  in  der  k.  k.  Hof-Waffensamm- 
lung zu  Wien  bewahrt.  Die  ältesten  Glefcn  waren  ebenso  für  den 
Stich  wie  für  den  Hieb  zu  gebrauchen;  später  scheint  man  sie  ihrer 
verhältnismäfsig  weniger  zweckmäfsigen  Form  wegen  abgelegt  zu  haben, 


.  Fig.  401.  Fig.  4°2- 

Fig.  401.  Trabantencouse  vom  Hofe  Kaiser  Rudolfs  II.,  in 
Schwarzätzung  geziert  mit  dem  Namenszuge  des  Kaisers,  dem  Wappen, 
der  Devise  ADSIT  und  der  Jahrzahl  1577. 

Fig.  402.  Trabantencousc  vom  Hofe  Kaiser  Leopolds  I.,  in 
Schwarzätzung  geziert  mit  dem  Namenszuge  des  Kaisers  und  der  Jahr- 
zahl 1666. 


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B.  Die  StangenwafFen.    3.  Die  Glefe  und  die  Couse. 


347 


desungeachtet  behielt  man  sie  an  verschiedenen  Höfen  als  Trabanten- 
waffe bis  ins  vorige  Jahrhundert  bei.   Dies  ist  die  Ursache,  dafs  wir  • 
in  den  Sammlungen  so  häufig  reich  mittelst  Goldätzung  gezierten 
Glefen  begegnen. 

Die  Glefe  als  Trabantenwaffe  finden  wir  im  15.  und  16.  Jahr- 
hundert an  nahezu  allen  italienischen  Höfen,  besonders  in  Florenz, 
Mantua  und  Venedig,  aber  auch  zeitweilig  am  französischen  Hofe. 
(Fig.  397a — f.)  Es  ist  bemerkenswert,  wie  in  dieser  Verwendung 
die  Glefe  sich  allgemach  umbildet,  die  Eignung  für  den  Stöfs  ver- 
liert und  überhaupt  zum  reich,  ausgestatteten  Spielzeug  herabsinkt. 
Besonders  am  venetianischen  Hofe,  wo  sie  von  der  slavischen  Leib- 
garde der  Dogen  geführt  wurde,  erhält  sie  eine  imposante,  aber  über- 
triebene Gestalt.  Sie  erscheint  hier  als  breites,  rückwärts  gekrümmtes 
Messer,  an  dessen  Rücken  sich  ein  reich  konturierter  Ansatz  be- 
findet. Ein  übermäfsig  langer  Schaft  von  über  2.50  m.  Länge  war 
darauf  berechnet,  die  Wirkung  für  das  Auge  zu  erhöhen.  Am  säch- 
sischen Hofe  wurde  die  Glefe  in  einer  eigenartigen  Gestalt  schon  im 
16.  Jahrhundert  als  Trabantenwaffe  geführt.  Sie  unterscheidet  sich 
von  der  italienischen  und  französischen  dadurch,  dafs  das  beilartig 
geformte,  gekrümmte  Messer  mittels  Naben  an  dem  Schafte  befestigt 
ist.  Ein  stark  gekrümmter,  unterhalb  geschärfter  Haken  sitzt  auf  der 
Hirnseite  des  Schaftes,  welcher  etwas  unterhalb  in  der  Faustlage  mit 
einer  Handschutzscheibe  versehen  ist  Alle  derartige  Glefen  sind  reich 
in  Gold  geätzt  und  tragen  das  kursächsische  Wappen.  Ihre  Schaft- 
lange beträgt  durchschnittlich  146  cm.    (Fig.  398.) 

Im  17.  Jahrhundert,  in  welchem  sie  auch  am  polnischen  Hofe 
von  der  dortigen  Leibwache  geführt  wurde,  erhielt  diese  Stangen- 
waffe den  Namen  Kosa,  von  Couse  (couteaux)  abgeleitet. 

Die  Couse  (guisarme)  besitzt  eine  messerförmige  Klinge,  welche 
mittelst  einer  Dille  auf  den  Schaft  gesteckt  und  mit  demselben  durch 
lange,  eiserne  Schaftfedern  und  Nägel  verbunden  ist.  In  einzelnen 
Fällen  findet  sich  am  Schafte  unterhalb  der  Dille  eine  Handschutz- 
scheibe. Aus  ihrer  Form  ist  zu  ersehen,  dafs  die  Couse  weniger  für 
den  Stich  als  für  den  Hieb  zu  gebrauchen  ist  und  dafs  sie  sich 
von  der  Glefe  nur  unwesentlich  unterscheidet.  Die  Couse  tritt,  aller- 
dings in  einer  noch  rohen  und  plumpen  Form,  im  14.  Jahrhundert 
zuerst  bei  den  Schweizern  auf  und  war  darauf  berechnet,  mittels 
wuchtiger  Hiebe  die  Harnische  der  Gegner,  namentlich  den  Lentner, 
zu  durchdringen.  Schon  am  Beginne  des  1 5.  Jahrhunderts  findet 
man  sie  in  Frankreich  und  sie  gelangt  nach  der  Schlacht  bei  St.  Jacob 
zu  solcher  Beliebtheit,  dafs  die  Schweizer  bei  Hofe  mit  solcher  be- 
waffnet wurden.  So  erscheinen  sie  in  einer  gleichzeitigen  Miniatur 
des  Jean  Foucquet  der  Sammlung  Brentano  in  Frankfurt,  darstellend 
das  lit  de  justice  Karls  VII.  zu  Vendöme  1458.  Ein  weiteres  Bei- 
spiel ihres  Gebrauches  findet  sich  in  einem  Manuskripte  des  Jouvencel 


» 

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318 


II.   Die  Angriffswaffen. 


aus  dem  15.  Jahrhundert  in  der  Nationalbibliothek  zu  Paris.  Am 
Beginne  des  16.  Jahrhunderts  wird  die  Couse  auch  in  Spanien  eine 
Waffe  der  Leibgarden  Philipps  L,  der  seine  Hartschiere  damit  aus- 
rüstete, und  seit  dieser  Zeit  erscheint  sie  ununterbrochen  an  den 
habsburgischen  und  mehreren  deutschen  Höfen.  (Fig.  399.)  Eine 
der  alteren  Abbildungen  der  Couse  als  Hartschierwaffe  sehen  wir 
in  dem  Freskogemälde  des  Domenico  Brusasorci  in  der  Casa  Ridolfi 
zu  Verona,  darstellend  den  feierlichen  Einzug  Karls  V.  und  Klemens'  VII. 
in  Bologna  1530,  welches  auch  von  Lukas  Cranach  in  Kupfer  ge- 
stochen ist.  Die  Waffensammlung  des  kaiserl.  Hauses  zu  Wien  bewahrt 
noch  Exemplare  von  Cousen  aller  Kaiser  von  Ferdinand  I.  bis  auf  Josef  II. 
und  auch  einiger  regierender  Erzherzöge.  (Fig.  400,  401,  402.) 
Josef  II.  (gest.  1790)  war  der  letzte  Kaiser,  in  dessem  Hofstaate  die 
Cousen  getragen  wurden.  Gegenwärtig  fuhren  sie  noch  die  bayrischen 
Hartschiere. 


4.   Die  Runka  und  die  Partisane. 

Die  Runka  (ronsard,  ranseur,  roncie,  Wolfseisen)  unterscheidet 
sich  von  dem  gemeinen  Spiefs  nur  durch  die  am  unteren  Klingenende 
zunächst  der  Dille  befindlichen,  seitlich  abstehenden,  halbmondförmig 
nach  aufwärts  gerichteten  Ohren.  Sie  erscheint  als  FufsknechtwafTe 
auf  Gemälden  des  15.  Jahrhunderts,  ist  aber  gewifs  weit  älter.  Die 
Runka  wurde  mehr  in  den  spanischen  und  italienischen  Heeren  ge- 
führt, von  welchen  sie  erst  die  Deutschen  übernahmen,  doch  ist  sie 
bei  letzteren  nie  in  grofser  Anzahl  in  Gebrauch  gestanden.  Bestimmte 
Angaben  über  die  Benennung  und  die  Handhabung  der  Runka  ver- 
lauten am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts.*) 

Als  Kriegswaffe  erhält  sich  die  Runka  bis  an  die  2.  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts,  bisweilen  unter  bizarren  Formen  und  nicht 
selten  mit  weit  abstehenden,  beiderseits  geschärften  Ohren,  durch 
welche  man  einen  gewaltsamen  Durchbruch  der  Fronte  zu  erschweren 
beabsichtigte.    (Fig.  403  a — d.) 

In  der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  ist  sie  auch  die  Waffe 
einer  Leibgarde,  wahrscheinlich  Karls  V.  In  der  Waffensammlung 
des  kaiserlichen  Hauses  zu  Wien,  wie  in  der  Armeria  Real  zu  Madrid 
werden  ganz  gleichartig  geformte  Runkas  bewahrt,  welche  ersichtlich 
einer  Leibgarde  angehört  haben.  Ihre  Klingen,  reich  geätzt  und 
vergoldet,  die  Schäfte  mit  Samt  überzogen,  sind  so  eingerichtet,  dafs 


)  Monti  Pietro,  Exercitiorura  atque  artis  militaris  collcctanca.  Mediolani  1 509. 


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F'g-  403- 


Fig.  403.  Formen  der  Runka  vom  Anfange  bis  um  die  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts. 

a.  R'unka  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts. 

b.  Runka  mit  weitabstehenden  und  geschärften  Ohren  aus  derselben  Zeit. 

c.  Runka  in  Form  einer  Kriegs-  oder  Stunngabel. 

d.  Runka  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts.  Italienisch. 


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A 


Fig.  4©5- 


Fig.  406. 


Fig.  404.  Reichgeätzte  und  teils  vergoldete 
Runka  mit,  zusammenzuschiebenden  Ohren.  Der  1.78  m. 
lange  viereckige  Schaft  ist  zweimal  im  Scharnier  umzu- 
legen.   Um  1530.  Spanisch. 

Fig.  405.  Partisane  mit  behackten  Ohren.  15.  Jahr- 
hundert, Ende. 

F i g.  400.  Venetianische  Partisane  mit  gerippter 
Stofsklinge  und  Verzierungen  in  Goldätzung.  16.  Jahr- 
hundert,  I.  Hälfte. 


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Fig.  407.  Fig.  408.  Fiy.  409. 

Fig.  407.  Geätzte  Partisane  der  kurbairischen  Leibwache  des 
Kurfürsten  Ferdinand  Maria  1677.  K.  Waffensamml.  zu  Zarskoe - Sclo. 

Fig.  408.  Österreichische  Oberstenpartisane  aus  der  Zeit 
Kaiser  Karls  VI. 

Fig.  409.  Preufsische  Offizierpartisane  aus  der  Zeit 
König  Friedrichs  II.    Kais.  u.  königl.  Heeresmuseum  in  Wien. 


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352 


IL  Die  Angriffswafien. 


die  Ohren  in  Scharnieren  zusammenzuschieben,  die  Schäfte  aber  in 
der  Hälfte  umzulegen,  somit  zu  verkürzen  waren,  damit  die  Verpackung 
erleichtert  wurde..*)    (Fig.  404). 

Die  Partisanen**)  sind  eigentlich  nichts  anderes  als  Runkas 
mit  kürzer  gebildeten  Ohren.  Ihre  ausgesprochene  Form  dürfte  sich 
kaum  über  das  16.  Jahrhundert  verfolgen  lassen,  doch  findet  man 
sie  in  den  späteren  Landsknechtheeren  als  Stangenwaffe  der  Offiziere 
stark  im  Gebrauch.  Sie  bleibt  auch  noch  im  1 7.  Jahrhundert  in  Deutsch- 
land und  in  den  Niederlanden  eine  beliebte  Waffe  und  wird  allgemach 
zur  Waffe  der  Oberoffiziere.  Im  18.  Jahrhundert  führte  eine  Gattung 
kleiner  Partisanen,  Sponton***)  genannt,  in  den  deutschen  Heeren 
der  Oberst  und  Oberst- Inhaber,  der  Oberstleutnant,  der  Hauptmann 
und  der  Leutnant,  letzterer  ohne  Quaste.  Um  das  Jahr  1770  wurden 
sie  allenthalben  abgelegt. 

Die  ältesten  Partisanen  besitzen  noch  breite  und  lange  Spiefs- 
eisen  (Fig.  405,  406);  später  werden  diese  allmählich  kleiner.  Als 
Waffen  der  Leibgarden  an  einigen  deutschen,  namentlich  am  bayrischen 
und  sächsischen  Hofe  erhalten  die  Klingen  eine  reiche  dekorative 
Ausschmückung  in  Eisenschnitt  und  Goldätzung.  (Fig.  407.)  In 
Sachsen  führte  sie  die  kurfürstliche  und  später  königliche  Schweizer- 
garde bis  zu  deren  Auflösung  1 8 1 4  und  die  polnische  Nobelgarde.  In 
ihrer  Verwendung  im  Heere  sind  sie  weniger  Waffen  als  Würdenzeichen, 
welcher  Eigenschaft  entsprechend  sie  auch  verziert  sind.  (Fig.  408,  409.) 
Partisanen,  genau  den  älteren  sächsischen  nachgebildet,  führten  auch 
die  Tempelwachen  in  einigen  ostindischen  Staaten  im  1 8.  Jahrhundert. 
Dergleichen  Stücke,  die  Kurfürst  August  von  Sachsen  1 77 1  gekauft 
hatte  und  welche  reich  in  Eisenschnitt  verziert  sind,  werden  noch  gegen- 
wartig im  k.  historischen  Museum  zu  Dresden  bewahrt. 


*)  Die  Hartschiere  wie  die  Trabanten  dienten  auf  den  Reisen  der  Kaiser  zu 
Pferde  mit  der  Ausrüstung  von  reisigen  Knechten ,  wenn  auch  in  reicher  Aus- 
stattung, im  Hof  lager  jedoch  mit  der  Stangenwaffc,  welche  ihnen  auf  der  Reise  im 
Gepäckwagen  mitgeführt  wurde. 

**)  Der  Versuch ,  die  Bezeichnung  Partisane  von  dem  französischen  pertuis, 
Loch  herzuleiten,  ist  unstichhaltig.  Die  Bezeichnung  Partisan  für  Parteigänger  ist 
vermutlich  von  der  Waffe  abzuleiten,  wie  man  im  15.  und  16.  Jahrhundert  ge- 
meiniglich die  Anzahl  der  Streitbaren  nach  der  Zahl  der  Helme,  Spiefse  etc.  zu  be- 
zeichnen pflegte. 

***)  Der  Name  leitet  sich  von  Spiefs,  lat.  espietus,  spedus,  spentum,  direkt 
vom  Spetum  der  Frilhrcnaissance  her. 


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5-   Das  Spetum,  der  Hakenspiefs,  die  Kriegsgabel 

und  die  Sturmsense. 


Unter  den  besonderen  Formen  der  Stangenwaffen  ist  zunächst 
des  Spetums  zu  erwähnen.  Das  Spetum,  auch  „Friaulerspiefs"  ge- 
nannt, wodurch  seine  Herkunft  genügend  bezeichnet  ist,  besteht  aus 
einer  langen  Spiefsklinge,  an  deren  unterem  Ende  nächst  der  Dille 
Ohren  angebracht  sind,  welche  mehr  oder  weniger  einen  seitab  und 
rückwärts  gebogenen  Haken  bilden.  Die  ältesten  Spetums  stammen 
aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts,  sie  verschwinden  am  Beginne 
des  16.  Jahrhunderts.  Ihr  Name  leitet  sich,  wie  bereits  bemerkt,  von 
dem  lateinischen  Worte  spendum,  Spiefs,  her.    (Fig.  410,  411,  412.) 

Eine  schon  am  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  unter  den  italie- 
nischen Kriegsbanden  erscheinende  Stangenwaffe  ist  der  Hakenspiefs. 
An  sich  ist  er  eigentlich  nichts  anderes,  als  ein  Spetum  mit  einseitigem 
Ohre.  Der  Haken  ist  dazu  bestimmt,  den  Feind  zu  erfassen  und  an 
sich  zu  ziehen.  Hakenspiefse  rinden  sich  noch  häufig  im  15.  Jahr- 
hundert bei  den  Italienern  und  Schweizern,  weniger  bei  den  Franzosen 
und  Deutschen. 

Einen  Kriegsmann,  mit  dem  Hakenspiefs  bewaffnet  (Hakenspiefser), 
sehen  wir  auf  Fig.  395  des  Abschnittes  Glefe,  Seite  342. 

In  Italien,  dem  Lande,  in  welchem  wir  vom  14.  Jahrhundert  die 
mannigfachsten  Handwaffen  antreffen,  erscheint  auch  zuerst  die  eigen- 
tümlich geformte  Kriegsgabel.  Sie  besteht  gewöhnlich  aus  zwei, 
seltener  drei  gabelartig  gestalteten,  zugespitzten  Zinken  aus  schwachem 
Stangeneisen,  welche  von  einer  Dille  auslaufen.  Diese  Kriegsgabeln, 
welche  für  ihren  Zweck,  den  Lentner  zu  durchbohren,  doch  zu  schwach 
gestaltet  waren,  wurden  gleichwohl  bis  ins  15.  Jahrhundert  häufig  an- 
getroffen, namentlich  in  Scharen,  die  für  ihre  Bewaffnung  selbst  zu  sorgen 
hatten.  Im  16.  Jahrhundert  kommen  sie  nur  noch  in  Italien  vor. 
(Fig.  41 3-) 

In  England  tritt  schon  im  12.  Jahrhundert  eine  Waffe  auf,  welche 
eigentlich  in  die  Gattung  der  Sturmsensen  gehört,  in  den  verschie- 
denen Werken  aber  teils  zu  den  Glefen  gezählt,  teils  guisarme  ge- 
nannt wird.*)  Ihre  Klinge  besteht  aus  einer  an  einer  Dille  aufsitzen- 


*)  Viollet-le-Duc  in  seinem  sonst  sehr  anerkennenswerten  Dictionnaire  du 
Mobilier  francais,  Bd.  5,  pag.  492  benennt  sie  mit  Anführung  von  alten  Beleg- 
stellen guisarmc.  Diese  Annahme  ist ,  wie  der  verdienstvolle  Autor  selbst  durch- 
blicken läfst,  irrig,  da  nirgends  aus  einem  Bilde  konstatiert  wird,  dafs  diese  Form 
in  Frankreich  vorgekommen  ist,  während  ihr  Gebrauch  in  England  nachgewiesen 
ist.  Im  Gegenteile  scheint  die  Guisarme  des  12.  Jahrhunderts  eine  Waffe  gewesen 
zu  sein,  welche,  zwischen  Glefe  und  Couse  stehend,  eigentlich  ein  Messer  dar- 
stellte, welches  oben  in  eine  pfriemenartige  Spitze  auslief  (Glaive- guisarme). 

Boehcim,  Waffenkunde.  23 


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354  II.   Die  Angriffswaffen. 

den  Sense,  an  deren  Rücken,  von  einem  Ansätze  auslaufend,  ein 
langes,  pfriemenartiges  Spiefseisen  angebracht  ist. 

Die  in  Fig.  414  dargestellte  Waffe  gehört  jedoch  bereits  ins 
14.  Jahrhundert  und  hat  auf  dem  Festlande  eine  wenig  ausgedehnte 
Verwendung  gefunden. 


Fig.  410.  Fig.  411.  Fig.  412. 


Fig.  410.  Spetum  (Friaulerspiefs)  vom  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts. 

Fig.  411.    Spetum  vom  Anfange  des  16.  Jahrhunderts. 

Fig.  412.  Spetum  vom  Anfange  des  16.  Jahrhunderts.  — 
Italienisch. 


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B.  Die  Stangcnwaflen.    5.  Das  Spetum,  der  Hakenspicfs  etc.  355 

Die  Kriegs-  oder  Sturmsensen  besitzen  eine  flache,  ge- 
krümmte, säbelähnliche  Klinge,  welche  am  konvexen  Rande  verstärkt 
oder  gleich  den  Sensen  am  Rücken  umgebogen,  am  konkaven  Teile 
aber  geschärft  ist. 

Die  Kriegssensen  erscheinen  in  gröfseren  Mengen  als  Kriegs- 
waffen zuerst  in  den  Bauernunruhen  Tirols  in  der  1.  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts,  in  geringerer  Zahl  dürften  sie  in  den  Burgunder- 
kriegen von  den  Schweizern  geführt  worden  sein.    Die  Kriegssense, 


Fig.  413.  Fig.  414. 


F'g-  4*3*    Kricgsgabel  mir  doppeltem  Beile  (Barte).    16.  Jahr- 
hundert.   Sammlung  Poldi-Pezxoli  in  Mailand. 

Fig.  414.     Sturmsense    (guisarme  genannt).     14.  Jahrhundert. 
Sammlung  W.  H.  Riggs. 

eine  Bauernwaffe,  ist  für  den  Stöfs  ganz  ungeeignet  und  für  den  Hieb 
weniger  wirksam,  als  man  gemeiniglich  annimmt.  Dennoch  hat  diese 
Waffe,  weil  sie  dem  Begriffsvermögen  des  Bauern  am  nächsten  lag, 
in  allen   Empörungskriegen    eine  allgemeine   Anwendung  gefunden, 

23* 


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35G 


II.    Die  Angriffswaffen. 


besonders  in  dem  Bauernkriege  am  Anfange  des  16.  Jahrhunderts, 
dem  Aufstande  der  Tiroler  1703,  1805  und  1809,  endlich  in  den 
polnischen  Aufständen  von  1830  und  1848. 

Während  der  Belagerung  Wiens  durch  die  Türken  1683  ver- 
wendeten die  Verteidiger  eine  eigene  Art  von  Sturmsensen,  die 
sich  im  Kampfe  in  der  Bresche  gut  bewährte.  Eine  solche  Sense 
bestand  aus  einer  90  cm.  langen,  flachen  Spiefsklinge  an  einem 
kurzen  Schafte.  Knapp  vor  der  Dille  breiteten  sich  beiderseits  konkav 
nach  aufwärts  gerichtete  sensenähnliche  Klingen  aus,  deren  Spitzen 
80  cm.  von  der  Spiefsklinge  abstanden.  Etwa  in  der  Mitte  dieser 
Sensenklingen  waren  viereckige  Löcher  angebracht,  die  bezweckten, 
die  Klingen  mit  den  beiden  benachbarten  Sturmsensen  durch  Bolzen 
verbinden  zu  können,  so  dafs  die  ganze  Reihe  derselben  gewisser- 
mafsen  nur  eine  einzige  Waffe  darstellte.   (Fig.  412.)    Beim  Gebrauche 


Fig.  415- 

F'ß-  4!5>    Sturmsensen  in  ihrer  Zusammenstellung  für  den  An- 
griff.   1683.    K.  u.  k.  Heeresmuseum  in  Wien. 

wurde  die  nötige  Anzahl  von  Sturmsensen  zusammengestellt  und 
mittelst  Federbolzen  verbunden.  So  viele  Soldaten,  als  Platz  fanden, 
ergriffen  die  Schäfte  und  rückten  mit  dieser  Maschine  dem  anstürmen- 
den Feinde  entgegen.*)  Die  Anwendung  eines  ähnlichen  Systems  war 
damals  nicht  neu.  Schon  Maximilian  I.  führte  in  seinen  Zeughäusern 
sogenannte  Streitkarren,  welche  mit  Spiefsen,  Sensen  und  selbst  mit 
Hakenbüchsen  bewehrt  waren. 

Im  18.  Jahrhundert  führte  die  Mannschaft  der  Kriegsflottille  an 
der  unteren  Donau,  die  sogenannten  Czaikisten,  Sturmsensen  auf  ihren 
Schiffen,  um  das  Entern  zu  verhindern. 


•)  Diese  häufig  in  Anwendung  gebrachte  Waffe  wurde  dem  Feinde  zuletzt 
so  furchtbar,  dafs  er  sich  über  diese  „schlechte  Kriegsmanier"  bitter  beklagte. 


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C.   Die  Schlagwaffen. 


i.  Der  Streitkolben. 

Die  Urform  des  Streitkolbens  (mace,  macue,  macuete,  tinel,  — 
engl,  mace,  lat.  macia,  ital.  mazza,  Span,  maza,  hcrrada)  bildet  die 
älteste  und  einfachste  Waffe  des  Menschen,  die  Keule,  und  es  ist 
eine  sonderbare  Berührung  der  Gegensätze,  dafs  eine  Waffe,  der  sich 
ursprünglich  nur  die  barbarischen  Völker  bedienten,  im  frühesten 
Mittelalter  bereits  zu  hohem  Ansehen  gelangt  und  ganz  besonders 
von  hervorragenden  Personen  geführt,  den  Keim  bildet,  aus  dem  der 


Fig.  416.  Fig.  417. 


Fig.  416.  Herzog  Wilhelm  der  Eroberer  in  der  Schlacht 
bei  Hastings  mit  dem  Baculus.  Partie  aus  dem  Teppich  von  Baycux. 
Ii.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  417.  Flüchtender  Engländer  mit  einem  Streitkolbcn 
bewaffnet.  Partie  aus  dem  Teppich  von  Baycux.  1 1.  Jahrhundert,  Ende. 

Feldherrnstab  sich  entwickelte.  Wir  sehen  am  Teppich  von  Bayeux 
den  Bischof  Odo  sowie  auch  Herzog  Wilhelm  mit  dem  Baculus  in 
den  Händen  in  der  Schlacht  bei  Hastings.  Dieser  Baculus  ist  eine 
lange  etwa  70 — 80  cm.  lange  Keule,  die  vorne  in  der  Form  eines 


358 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Tieres  roh  zugeschnitzt  zu  sein  scheint.  (Fig.  416.)  Unter  den 
flüchtenden  Engländern  aber  erblicken  wir  Leute,  welche  eine  Art 
Streitkolben  führen,  die  aus  einem  rosettenartigen  Kopf  an  einem 
etwa  50  cm.  langen  Stiele  bestehen,  der  ziemlich  gewichtig  sein 
mufs,  da  sie  ihn  auf  der  Schulter  tragen.  (Fig.  417.)  Wie  sehr 
diese  einfache  und  gewifs  wirksame  Waffe  unter  den  Tüchtigsten 
Ansehen  genofs,  ersehen  wir  in  dem  französischen  Roman  der  Alis- 
cans aus  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts,  in  welchem  der  Held 
Rainvars  selbst  ein  Schwert,  das  ihm  geboten  wird,  verschmäht  und 
mit  seinem  15  Fuis  langen  Streitkolben  (tinel)  die  Sarazenen  be- 
kämpft. Die  Abbildung  eines  mit  einem  einfachen  rohen  Streit- 
kolben bewehrten  Kriegers  bringt  Viollet-le-Duc  aus  dem  Manuskript 
des  Tristan  von  ungefähr  1250.*) 

Der  Streitkolben  war  weniger  eine  Waffe  des  gemeinen  Fufs- 


Fig.  418.  Fufsknccht  in  Haubert,  Brünne  und  Waffenhernd 
gekleidet  und  mit  Schild  und  Baculus  bewaffnet.  Randzeichnung  aus 
dem  Codex  Balduini  Treviensis  von  ca.  1340. 

Fig.  419.  Streitkolben  aus  Bronze,  unweit  Tarnow  aus  der 
Erde  gegraben.    12.  Jahrhundert.    Sammlung  Rogawski. 

volkes  als  der  Bauern,  weshalb  wir  ihn  auch  in  allen  Empörungs- 
kriegen finden.  In  der  Reiterei  ist  er  vom  14.  Jahrhundert  an  eine 
aufserordentlich  verbreitete  Waffe,  die  geradezu  unentbehrlich  für  den 
Reiter  erschien.  Mit  dem  Streitkolben,  dem  Streithammer  und  der 
Streitaxt  war  der  Reiter  im  Stande,  den  Helm  seines  Gegners  zu 
zertrümmern  oder  den  Haubert  soweit  zu  trennen,  dafs  die  Schwert- 
klinge einen  Eingang  finden  konnte,  ja,  ein  Schlag  mit  dem  Kolben 
konnte  den  bestgeharnischten  Arm  entzweibrechen;  davor  schützten 


*)  Dict.  du  mob.  francais.    Art.  Masse. 


Fig.  418. 


Fig.  419- 


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C.  Die  Schlagwaffcn.    I.  Der  Streitkolben. 


359 


den  feindlichen  Reiter  selbst  die  Schulterschilde  nicht;  nur  der 
Schild  konnte  eine  Zeit  lang  den  Hieben  widerstehen.  Bis  ins  15. 
Jahrhundert  kommt  der  Streitkolben  in  seiner  rohesten  Form  als 
Bacillus  im  Fufsvolke  vor.  (Fig.  418.)  Um  nicht  nur  durch  den 
rohen  Schlag  allein  zu  wirken,  sondern  auch  in  den  Stoff  des  Hau- 
berts einzudringen,  versah  man  schon  um  1280  den  Kopf  des  Streit- 


Fig.  420.  Fig.  421.  Fig.  422. 


Fig.  420.  Streitkolben  von  Eisen  mit  Stiel  von  Holz.  Aus 
dem  Manuskript  der  Nationalbibliothek  zu  Paris:  Ii  romans  d'Alixandre 
von  ungefähr  1280.    Französisch.    Nach  Viollet-le-Duc,  Dictionnaire. 

Fig.  421.  Streitkolben  von  Eisen,  cylindrisch  mit  Schlag- 
blättern und  Stacheln.  Musec  des  fouilles  des  chateaux  de  Pierrefonds. 
Ende  des  14.  Jahrhunderts.    Nach  Viollet-le-Duc,  Dictionnaire. 

Fig.  422.  Morgenstern  von  Eisen  mit  hölzernem  geästeten 
Stiele.    15.  Jahrhundert.    Königl.  Zeughaus  in  Berlin.    Nach  Hiltl. 


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360 


II.   Die  Angriffswaffen. 


kolbens  mit  stumpfen  Stacheln.  Derlei  Formen  benannte  der  Söldner- 
witz Morgensterne.  (Fig.  419.)  Ein  nicht  über  einen  Meter 
langer  Stiel,  der  unterhalb  mit  starken  Handriemen  ausgestattet 
war,  wurde  in  einen  zylindrischen  oder  kugelförmigen  Körper  aus 
Metall,  Blei  oder  Eisen  eingelassen,  der  mit  Stacheln  besetzt  war. 
Diese  Metallköpfe  hatten  im  Detail  verschiedene  Formen;  am  besten 
bewährten  sich  die  zylindrischen  Köpfe,  welche  am  Ende  des  14. 
Jahrhunderts  fast  ausnahmslos  verwendet  wurden,  weil  ihre  Treff- 


Fig.  423-  F>ß.  424- 


Fig.  423.  Schwerer  Strcitkolbcn  mit  prismatischem,  mit 
Stacheln  besitzten  Kopfe.  Der  Stiel  ist  mit  Stoff  überzogen  und  mit 
Nägeln  besetzt.  Italienisch.  15.  Jahrhundert.  Königl.  Zeughaus  in 
Berlin.    Nach  Hiltl. 

Fig.  424.  S treitko Iben  mit  birnförmigem,  hölzernem  Kopfe  und 
mit  langen,  eisernen  Stacheln  besetzt.  Deutsch.  Bauernwaffe.  15.  Jahr- 
hundert.   Königl.  Zeughaus  in  Berlin. 

fläche  bedeutend  gröfser  war  und  der  Kopf  durch  eiserne  Federn 
sicherer  mit  dem  Stiele  sich  verbinden  liefs.  (Fig.  420,  421,  422, 
423,  424.)    Am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  bildet  sich  in  der 


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C.  Die  Schlagwaflen.    i.  Der  Streitkolben.  3G1 

Reiterei  eine  ganz  eigene  Art  von  Streitkolben  heraus,  die  unter 
dem  Namen  „Kürifsbengel"  oder  auch  Faustkolben  bekannt  ist. 


II 


Fig.  425. 


Fig.  426. 


Fig.  427. 


Fig.  425.  Streitkolben  des  Kaisers  Friedrich  III.  in  der 
Form  des  gemeinen  deutschen  Kürifsbengcls  aus  vergoldetem  Messing 
in  feiner  gotischer  Gliederung.  Länge  65  cm.  Deutsch.   15-  Jahrh,  Mitte. 

Fig.  426.  Streitkolben  mit  acht  Schlagblättern  von  Eisen, 
teilweise  vergoldet.  Italienisch.  16.  Jahrhundert.  Königl.  Zeughaus 
in  Berlin.    Nach  Hiltl. 

Fig.  427.  Türkischer  Streitkolbcn  aus  vergoldetem  Silber 
und  mit  Edelsteinen  besetzt.     17.  Jahrhundert. 


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302 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Schon  im  1 4.  Jahrhundert  war  zuweilen  der  Kolben  mit  sogenannten 
Schlagblättern,  welche  radial  aus  dem  Körper  hervorragten,  aus- 
gestattet (quadrelle);  nun  bildete  sich  diese  Art  in  gotischen  Formen 
vollends  durch,  und  wir  sehen,  dafs  auch  der  Schaft  von  Eisen  ge- 
bildet ist,  was  der  Waffe  ein  bedeutendes  Gewicht  giebt.  Diese  Ver- 
änderung bedeutet  nichts  anderes,  als  dem  widerstandsfähigen  Platten- 
harnische, der  zu  jener  Zeit  aus  einzelnen  Teilen  zusammengesetzt  zu 
werden  pflegte,  eine  entsprechende  Angriffswaffe  entgegenzustellen.  Den 
Kürifsbengel  führte  der  einzelne  Adelige  zu  Rofs  mit  grofser  Vorliebe, 
sie  erschien  ihm  vornehmer  als  die  Streitaxt  der  Söldner,  umsomehr 
als  es  längst  Sitte  geworden  war,  dafs  Befehlshaber  den  Streitkolben 
führten  und  mächtige  Herrscher,  ja  die  Kaiser  selbst,  sich  eines  dem 
Streitkolben  ähnlichen  Gegenstandes  als  Würdenzeichen,  des  Szepters, 
bedienten.  (Fig.  425.)  Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  ist  unsere 
Waffe  allenthalben  im  Gebrauche  und  bleibt  es  bis  etwa  um  1540; 
von  da  an  wird  sie  seltener  im  Heere,  sie  schrumpft  ein,  gleich  der 
Helmbarte;  gleich  dieser  hatte  sie  sich  von  dem  Zeitpunkt  an  über- 
lebt, wo  die  Faustrohre  in  der  Reiterei  allgemeiner  in  Aufnahme 
kamen.  Einzelne  Reiter  führten  den  Kolben  gleichwohl  noch  lange 
am  Sattel,  und  Würdenträger  erschienen  bis  ins  1 7.  Jahrhundert  nicht 
ohne  den  Kolben  in  der  Hand.  Dieser  Umstand  war  auch  zunächst 
Ursache,  dafs  die  Kunst  diese  Waffe  mit  prächtigem  Zierat  versah, 
dafs  wir  schön  ausgestattete  Kolben  nicht  selten  antreffen.  Es  haben 
da  die  Italiener  und  vorzugsweise  die  Mailänder  hervorragende 
Leistungen  aufzuweisen.    (Fig.  426.) 

In  Frankreich  wurde  der  Streitkolben  im  Laufe  der  Zeit  noch  mehr 
als  in  anderen  Ländern  zum  blofsen  Zeichen  einer  Würde.  Zur  Zeit 
Heinrichs  IV.  führten  die  Thürhüter  in  Paris,  die  sogenannten 
Schweizer,  ebenso  die  Thürhüter  in  den  Kirchen  Streitkolben,  mehr 
als  Würdezeichen  wie  als  Waffe.  Im  Volke  hiefsen  sie  „sergants  mas- 
siers".  Später  erhielten  die  letzteren  Helmbarten,  die  ersteren  aber 
behielten  den  Kolben,  und  aus  diesem  hat  sich  der  heutige  Portier- 
stock herausgebildet. 

Bei  den  Orientalen  scheint  der  Streitkolben  als  eine  ursprüng- 
lich tartarische  Waffe  schon  vor  dem  13.  Jahrhundert  in  Aufnahme 
gekommen  zu  sein;  er  hatte  sich  gegen  die  wohlgerüsteten  Reiter 
gut  bewährt.  Joinville  berichtet  in  seiner  Histoire  de  Saint  Louis 
an  mehreren  Stellen  davon,  dafs  die  Türken  mit  Streitkolben  be- 
waffnet erschienen.  Die  meisten  türkischen  Streitkolben  (tschumäk, 
güry,  der  birnförmige:  topüz)  sind  ganz  von  Metall  und  besitzen 
kugel-  oder  birnförmige  Köpfe.  (Fig.  427.)  Doch  finden  sich  auch 
solche  mit  Schlagblättcrn,  die  aber  immer  dem  orientalischen  Stile 
entsprechend  contourirt  sind.  Von  den  Türken  und  Tartaren 
nahmen  sie  die  Ungarn  auf,  und  auch  bei  den  Kroaten  und  Böhmen 
finden  wir  sie  in  orientalisierenden  Formen  schon  im  1 5.  Jahrhundert. 


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C.  Die  Schlagwaffcn.    2.  Der  Streithammer,  Faust-  und  Reiterhammer.  363 

Kein  adeliger  Ungar  erschien  noch  im  16.  Jahrhundert  anders  als 
mit  dem  Streitkolben  im  Gürtel  bei  Hofe.  In  Ungarn  und  besonders  in 
Polen  ist  der  Streitkolben  noch  bis  ins  18.  Jahrhundert  in  Gebrauch 
geblieben;  er  bildete  zuletzt  das  Würdenzeichen  des  Offiziers  bis  zum 
Heerführer  hinauf;  noch  heute  aber  erblicken  wir  den  Kolbenträger 
in  dem  „Massiere  des  Vatican". 


2.   Der  Streithammer,  Faust-  und  Reiterhammer. 

Der  Hammer  ist  die  älteste  deutsche  Waffe,  die  frühesten  Volks- 
sagen legen  ihn  in  die  Faust  der  vornehmsten  Gottheit.  Im  Laufe 
der  Jahrhunderte  lernte  der  Germane  von  benachbarten  Völkern  andere 
kunstreicher  gefertigte  Waffen  kennen  und  gebrauchen;  der  Hammer 
aber  wurde  nie  vollständig  abgelegt;  im  Gegenteile,  er  gelangte  im 
Mittelalter  erneuert  zu  ausgedehnter  Anwendung.  Die  Deutschen 
namentlich  führten  ihn  bis  ins  11.  Jahrhundert,  seine  allgemeinere 
Einfuhrung  besonders  in  der  Reiterei  fällt  jedoch  erst  ins  13.  Jahr- 
hundert. Vertraute  der  Reiter  bisher  nur  auf  Schwert  und  Spiefs, 
der  Fursknecht  auf  Bogen,  Armrust,  Spiefs  und  Schwert,  so  erw  iesen 
sich  diese  Waffen  gegen  einen  wohlgerüsteten  Gegner  doch  als  un- 
zureichend; der  Schlag  aber  eines  schweren  Hammers,  eines  Kolbens, 
einer  Axt  mufste  nicht  allein  einen  Haubert,  einen  Lentner  und 
selbst  einen  Plattenharnisch  zertrümmern,  er  konnte  den  Körper 
des  Gegners  bei  guter  Führung  auch  bis  zur  Kampfunfähigkeit  er- 
schüttern. So  ähnlich  der  Hammer  mit  dem  Kolben  in  Form  und 
Gebrauch  auch  erscheinen  mag,  so  hat  er  doch  darin  einen  Vorzug, 
dafs  er  schwerer  ist,  mehr  Vorgewicht  besitzt  und  bei  guter,  kräftiger 
Führung  immer  wirksamer  als  jener  ist 

Für  den  Fufsknecht  wurde  der  Streithammer  (marteau  d'armes, 
maillotin,  cassetete,  engl,  polehammer,  lat.  molleus,  ital.  martello,  span. 
hachuela  de  mano,  martillo)  vom  14.  Jahrhundert  an  um  so  nötiger, 
je  mehr  die  Anwendung  von  Eisenplatten  zum  Schutze  des  Körpers 
allgemeiner  wurde.  Ja  diese  Waffe  gelangte  unter  bestimmten  Kor- 
porationen zu  einer  besonderen  Beliebtheit.  So  führten  die  Pariser 
Bürger  während  des  Aufruhrs  138 1  schlägelförmige  Hämmer  von 
Blei  an  langen  Holzstielen  (mailles)  und  machten  sich  damit  sehr 
gefürchtet.  (Fig.  428.)  Bekannt  ist  der  schon  seit  1367  bestehende 
Schläglerbund  der  schwäbischen  Ritterschaft,  der  sogenannten 
Martinsvögel,  dessen  Zweck  war,  sich  gegen  den  Kaiser  und  die 
Reichsstädte  zur  Wehr  zu  setzen.  In  ihren  Reihen  erscheint  der 
Hammer  zuerst  als  Reiterwaffe. 


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361 


II.   Die  Angriffswafien. 


Die  ältesten  von  den  Fufsknechtcn  geführten  Streithämmer  ent- 
sprachen der  obenbemerkten  Absicht  allerdings  noch  wenig;  das 
Hammereisen,  der  Stachel  waren  zu  kurz.  Doch  fügte  man  bald  ein 
Spierseisen  dazu  und  versah  sie  an  den  Seiten  mit  Spitzen.  So  er- 
schienen schon  die  französischen  Fufsknechte  um  die  Mitte  des  14. 
Jahrhunderts  mit  solch  verbesserten  Streithämmern  (picois)  bewaffnet. 
(Fig.  429.) 

Fast  zu  gleicher  Zeit  treten  im  Fufsvolke  verschiedene  Formen 


Fig.  428.  Fig.  429.  Fig.  430- 


Fig.  428.  Gemeiner  Kriegsschlägcl  von  Blei  mit  eisernen 
Schaftfedern  und  ca.  150  cm.  langem  Stiele  von  Holz.  Französisch,  aus 
einem  Titus  Livius  der  Nationalbibliothek  in  Paris  von  ca.  1395.  Nach 
Viollet-le-Duc. 

Fig.  429.  Streithammer  (picois).  Französisch.  Aus  einem 
Titus  Livius  der  Nationalbibliothek  in  Paris  von  ca.  1350.  Nach 
Viollet-le-Duc. 

F»g-  43°-  Luzerner  Hammer  mit  Schnabel  und  Spiefseisen. 
14.  Jahrhundert,  Ende.    Nach  Müller-Mothes,  Arch.  Lexikon. 


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C.  Die  Schlagwaffen.    2.  Der  Streithammer,  Faust-  und  Reiterhammer  365 

von  Streithämmern  auf,  welche  ermessen  lassen,  wie  angelegentlich 
man  sich  mit  der  Verbesserung  derselben  befafste.  Zunächst  ging 
man  davon  ab,  sie  aus  Blei  zu  fertigen,  da  dies  im  Gebrauche  seine 
Form  veränderte;  man  machte  sie  aus  Eisen  und  gab  dem  Hammer 
eine  Gestalt  und  Gliederung  der  Art,  dafs  ihn  der  Mann  im  Ge- 
fechte auch  dauernd  gebrauchen  konnte.  In  dieser  Umbildung  er- 
scheint er  auch  an  der  Stangenwaffe,  zunächst  an  Hclmbarten,  deren 


Fig.  431.  Fig.  432. 


Fig.  431.  Streithatnmer  (Papagei)  mit  eisernem  Stiele  und 
äufserst  feinen  mattierten  Verzierungen.    Italienisch.    Um  1560. 

Fig.  432.  Fausthammer  eines  Rottmeisters  eines  Kürisser-Regi- 
mentes  unter  Maximilian  L,  mit  48  cm.  langem  Stachel  und  115  cm. 
langem  Holzstiele  mit  Faustriemen.    Deutsch.    Um  1510. 

Brauchbarkeit  dadurch  verstärkt  wurde.  So  entstehen  die  sogenannten 
Luzerner  Hämmer,  auch  Falkenschnäbel  genannt,  eine  nur  vom 
Fufsvolke  gebrauchte  Waffe  mit  langem  Schafte  und  von  etwa 
14  Kilogramm  Gewicht.    (Fig.  430.)    Die  Sorge  um  Verbesserung 


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866 


II.  Die  Angriffswaflen. 


der  Wirkung  der  Schlagwaffen  erklärt  sich  durch  die  immer  mehr 
sich  vervollständigenden  Plattenharnische  gegen  die  Mitte  des  14. 
Jahrhunderts. 

Dieselbe  Absicht  führte  den  Reiter  freilich  erst  später  dahin,  sich  im 
Gefechte  eines  kurzstieligen  Hammers  zu  bedienen.  Der  Adel  wehrte 
sich  lange  gegen  die  mifsachtete  Waffe  der  Städtebürger,  der  Pfeffer- 
säcke und  der  rohen  Bauern;  aber  die  Notwendigkeit  liefs  keine 

Wahl  und  zwang  ihn  dazu,  sich  mit  ihr  zu 
befreunden.  So  kam  es,  dafs  schon  um  die 
Mitte  des  15.  Jahrh.  der  Streithammer,  nun 
Faust-  oder  Reiterhammer  (marteau  d'armes 
de  ca valier,  engl,  horsman-hammer)  genannt, 
von  der  Reiterei  allenthalben  geführt  wurde. 
Die  Deutschen  und  Franzosen  führten  ihn 
am  Sattelknopfe,  die  Italiener  trugen  ihn 
am  Gürtel;  ihre  Fausthämmer  sind  deshalb 
durchweg  mit  Gürtelhaken  ausgestattet.  Ge- 
wisse Formen  dieser  Fausthämmer  führten 
wegen  der  Ähnlichkeit  des  Hammereisens  mit 
einem  Vogelschnabel  den  Namen  Papagey. 
(Fig.  431.)  In  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrh. 
wird  es  Sitte,  die  Fausthämmer  zu  Pferde  der- 
art in  der  Rechten  zu  tragen,  dafs  der  untere 
Teil  des  Stieles  auf  dem  Rande  des  Unter- 
diechlings  aufruhte,  und  das  Hammereisen 
als  Handgriff  diente.  In  den  Kürifserregiraen- 
tern  Maximilians  I.  trugen  die  Rottmeister 
Fausthämmer  mit  übermäfsig  langen  Stacheln, 
zugleich  als  Waffe  und  Würdenzeichen.  Dieser 
Gebrauch  erhielt  sich  bis  in  die  ersten  Jahre 
der  Regierung  Ferdinands  I.  (Fig.  432.)  In 
den  italienischen  Reiterregimentern  wurden  von 
jedem  Mann  bis  zum  Obersten  hinauf  im 
16.  Jahrhundert  kleine  Fausthämmer  mit 
eisernen  Stielen  geführt,  welche  an  den  Gürteln 
F>g-  433-  getragen  wurden.  (Fig.  433.)  Einer  besonderen 

Fig.  433  Kleiner  Eigenheit  müssen  wir  noch  erwähnen,  der  im 
Reit  er  ha  ramer  des  Her-  15.  Jahrh.  auftretenden  Sitte,  die  Schlagfläche 
/.ogsvonUrbino, Francesco  des  Hammers  mit  diamantförmigen  Spitzen  und 

Maria  von  Rovere  -  Monte-  ,  .   ,  ^.  .  .  »r 

ffltre  11491  —  1538)  von  verschiedenartigen  Figuren,  ja  selbst  Mono- 
Eist-n.  Italienisch.  Um  1580.  grammen  auszustatten.     Entstanden    in  der 

Absicht  den  Schlag  gefährlicher  zu  machen, 
führte  die  Sitte  zur  plumpen  Rennomisterei  mit  der  Begründung,  die 
Hand  des  Helden  an  den  Leichen  der  Gefallenen  wiederzuerkennen. 
Mit   der  allgemeineren  Einführung  der  Faustrohrc    kam  der  Faust- 


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C.  Die  Schlagwaffen.    3.  Die  Streitaxt. 


3G7 


hammer  allenthalben  aufser  Gebrauch.  Vereinzelt  kommt  er  noch 
im  17.  Jahrhundert  bei  den  ungarischen  Truppen  vor,  wo  er  sich 
noch  bis  zur  Einführung  des  Bajoncts  erhalt.  Er  erscheint  in  dieser 
Zeit  und  bis  zuletzt  als  eine  Art  Gehstock  (Czakan)  und  diente  in  Ungarn 
häufig  als  Waffe  auf  Reisen  zur  Abwehr  gegen  räuberische  Überfälle. 


3.  Die  Streitaxt. 

Unter  den  Funden  der  Stein-,  der  ältesten  Bronzeperiode  bildet 
die  Streitaxt  (franz.  hache  d'armes,  engl,  battle-axe,  pole-axe,  ital. 
azza,  span.  hacha  de  armas,  lat.  acha,  polaxis,  rastieucium,  bipennis) 
einen  so  häufig  vor  Augen  tretenden  und  bemerkenswerten  Gegen- 
stand, dafs  wir  deren  Alter  am  weitesten  in  die  prähistorische  Zeit 
rücken  können.  Wo  wir  aber  ihre  Spur  finden,  da  weisen  die  Um- 
stände in  den  meisten  Fällen  darauf  hin,  dafs  sie  bei  den  nor- 
dischen Völkern  zuerst  Verwendung  im  Kriege  gefunden  hat.  Schon 
auf  der  Trajanssäule  erblicken  wir  die  Streitaxt  in  den  Händen  der 
fechtenden  Barbaren  und  in  den  ältesten  Gräbern  aus  der  Zeit  der 
Merowinger,  wie  u.  a.  jenen  von  Parfondeval  (Dep.  de  1'Eaulne)  fand 
sich  fast  ausnahmslos  neben  dem  Scramasax  die  Francisca,  jene 
kurzstielige,  unserer  gemeinen  Holzhaueraxt  ähnliche  Waffe,  die  sc  hon 
im  5.  Jahrhundert  unter  den  Galliern  zur  Nationalwaffe  geworden 
war,  wie  uns  schon  Sidonius  Apollinaris  und  Procopius  von  Caesarea 
berichten. 

Von  diesen  unanfechtbaren  Zeugen  abgesehen  finden  wir  sie  in 
Abbildungen  aus  dem  frühen  Mittelalter  bis  ins  1 1.  Jahrhundert  dar- 
gestellt. In  dem  oft  erwähnten  Teppich  von  Bayeux  erscheint  sie 
in  einer  so  vollständigen  Deutlichkeit  als  Waffe  des  englischen  Fufs- 
volkes,  dafs  wir  selbst  die  Kampfweise  daraus  zu  entnehmen  im  stände 
sind.  (Fig.  434.)  War  unter  den  Merowingern  die  kleine  Streitaxt, 
Francisca,  eine  Wurfwaffe,  welche  10—12  m.  vom  Feinde  entfernt 
in  dessen  Reihen  flog,  so  erscheint  hier  die  langstielige  Axt  mit  kon- 
vexer Beilschneide  als  Hiebwaffe,  mit  der  das  Fufsvolk  zuerst  in  die 
feindliche  Front  eindrang.  Nach  dem  mit  den  Äxten  bewirkten  Ein- 
brüche folgten  erst  die  schild tragenden  Streiter,  um  mit  den  langen 
Wurfspiefsen  und  Schwertern  den  Erfolg  zu  vermehren.    (Fig.  435.) 

Ist  die  Streitaxt  ihrem  Ursprünge  nach  eine  Waffe  des  Fufs- 
volkes  gewesen,  so  führte  die  unzureichende  Wirkung  des  Spiefses  und 
des  Reiterschwertes  auf  den  immer  widerstandsfähiger  werdenden 
Harnisch  allmählich  dahin,  dafs  auch  die  Reiterei  sich  derselben  bediente. 
Diese  Umwandlung  in  der  Bewaffnung  wird  schon  im  1.  Kreuzzuge 


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863 


II.   Die  Angriffswaffen. 


bemerkbar  und  es  ist  nicht  unmöglich,  dafs  das  Vorbild  hierzu  von 
den  Orientalen  gegeben  worden  ist,  unter  welchen  wir  schon  sehr 
früh  die  Reiteraxt  antreffen. 

Eine  ausschlaggebende  Bedeutung  hat  aber  die  Streitaxt  nur  als 
Waffe  des  Fufsvolkes  und  bei  den  Völkern  des  Nordens  erhalten. 
Es  spricht  sich  dieses  schon  in  den  eigenartigen  Formen  aus,  die 
bei  bestimmten  Völkern  auftreten,  so  die  Lochaberaxt  bei  dem 
schottischen  Bergvolke  (Fig.  436),  die  dünische,  schwedische,  die 
Schweizer -Axt,  jene  der  Polen  und  Russen  etc. 


Fig.  434- 

Fig-  434.     Englischer   Fufskänipfer   mit    der  Streitaxt. 
Aus  dem  Teppich  von  Bayeux.    II.  Jahrhundert,  Ende. 

Gerade  zu  jenem  Zeitpunkte,  als  man  anfing,  dem  gemeinen 
Spiels  eine  erweiterte  Verwendung  durch  Beigabe  von  Beil  und  Haken 
zu  geben  und  denselben  zur  Helmbartc  gestaltete,  am  Beginne  des 
13.  Jahrhunderts,  begann  man  auch  die  Streitaxt  am  Rücken  mit 
einem  hammerartigen  Ansätze,  einem  spitzigen  Stachel  oder  einem 
schnabelförmigen  Haken  zu  versehen;  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts 


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C.  Die  Schlag  «raffen.    3.  Die  Streitaxt. 


3G9 


fügte  man  eine  Stofsklinge  hinzu.  In  dieser  Art  verschmelzen  sich 
die  Formen,  so  dafs  es  manchmal  schwierig  ist,  die  Waffe  nach 
ihrer  Form  zu  rubrizieren,  weil  sie  dem  einen  wie  dem  anderen  Formen- 
bereiche mit  fast  gleicher  Berechtigung  zuzuweisen  ist  So  ist  die 
Streitaxt,  welche  in  Flandern  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  vom 
Fufsvolke  geführt  wurde  und  die  der  Söldnerwitz  „Godendag"  be- 
nannte, eine  Bezeichnung,  die  sicher  auf  eine  niederdeutsche  Her- 
kunft schliefsen  läfst,  eine  Waffe,  die  in  ihrer  Form  nahe  an  die 


F'g-  435- 

Fig-  435.  Angreifende  englische  Fufskämpfcr  mit  Streit- 
axt und  Wurfspicfscn.  Aus  dem  Teppich  von  Baycux.  It.  Jahr- 
hundert, Ende. 

Helmbarte  streift,  wenngleich  wir  sie  ihrer  Beilform  und  ihres  Ge- 
brauches halber  unter  die  Streitäxte  reihen  müssen.  (Fig.  437  a  u.  b.) 

Diese  Form,  jedoch  stets  ohne  Stofsklingen,  findet  man  im  15.  und 
16.  Jahrhundert  bei  allen  Nationen  des  Nordens  von  Schweden  bis 

Boche  im,  Waffenkunde  24 


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370 


IL    Die  Angriffswaflen. 


nach  Rufsland  verbreitet.  (Fig.  438  u.  439.)  Solche  Streitäxte  führten 
ebenso  die  Trabanten  der  schwedischen  Reichsstatthalter  Sture  und 
des  Königs  Gustav  Wasa,  wie  wir  an  den  Fresken  der  Grabkapelle 
tlcs  letzteren  in  der  Kathedrale  zu  Upsala  sehen;  sie  waren  auch  bis 
ans  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts  die  Waffe  der  Strelitzen,  bei  welchen 
sie  den  Namen  „Berdiche"  führten,  ein  vermutlich  von  dem  deutschen 
Worte  „Barte"  abgeleiteter  Ausdruck.  (Fig.  440.)  In  einer  besonderen, 
der  türkischen  ähnlichen  Form  des  Beiles  wird  die  Streitaxt  in  Ungarn 
zur  persönlichen  Sicherheit  des  einzelnen  Bürgers  geführt,  und  es  ist 


Fig.  436.  Fig.  437- 


Fig.  436.  Lochaberaxt.  15.  Jahrhundert.  Ehemalige  Samm- 
lung Mcyrick. 

Fig.  437  »  und  b.  Gudenda nach  der  gereimten  Beschreibung 
in  dem  Fechtbuche  des  Guillaume  Guiart  von  1298.  Nach  einer  Zeich- 
nung von  Viollet-le-Duc. 

dort  seit  Jahrhunderten  Sitte  geworden,  zu  Pferde  ein  „gereisiges 
Beil"  (Griesbeil:  Buzogany,  im  Türkischen  Bozdoghan)  am  Sattel 
hängend  zu  tragen,  zu  Fufs  aber  ein  solches  als  Stock  zu  benutzen. 
Streitäxte  mit  reich  geätzten  Beilen  führten  auch  die  ungarischen 
Trabanten  des  Königs  Ferdinand  I.  um  1530  (Fig.  441),  und  auch 
Karl  III.  von  Spanien,  nachmals  Kaiser  Karl  VI.,  besafs  in  Spanien 


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C.  Die  Schlagwaffen.    3.  Die  Streitaxt. 


871 


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372 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Fig.  440.  Fig.  441. 

Fig.  440.  Schwere  Trabanten-Streitaxt  (berdiche)  mit 
70  cm.  langem  Beile.  15.  Jahrhundert,  Ende.  Kais.  Waffenmuseum  zu 
Zarskoe"  -  Sclo. 

Fig.  441.  Streithackc  (gereisiges  Beil)  der  ungarischen  Tra- 
banten Ferdinands  I.  mit  dem  habsburgischen  Wappen  und  dem  Vliefs- 
orden  in  Schwarzätzung  geziert.  Deutsche,  vielleicht  Augsburger  Arbeit 
Um  1530.    Im  Besitze  der  Stadtgemeinde  Mährisch  -  Neustadt. 


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C.  Die  Schlagwaffcn.    3.  Die  Streitaxt. 


373 


eine  ungarische  Leibwache,  welche  mit  Streitbeilen  mit  reichen  Silber- 
beschlägen bewaffnet  war.  Die  schwere,  mit  zwei  Händen  zu  führende 
Axt  wurde  von  den  Reitern  im  Mittelalter  nur  in  besonderen  Fällen 
und  nie  allgemein  gefuhrt  Ein  vereinzeltes  Beispiel  findet  sich  in 
einer  Miniatur  der  Nationalbibliothek  zu  Paris  von  c.  1250:  Le  Roman 
de  la  table  ronde. 

Im  15.  Jahrhundert  führten  ebensowohl  die  schwer  geharnischten 


Fig.  442. 

Fig.  442.    Deutsche  Streithacke  der  Kürisser  unter  Maxi- 
milian  I.    Um  1500.    Der  Stiel  wurde  im  16.  Jahrhundert  erneuert. 

adligen  Reiter,  wie  deren  reisige  Knechte,  später  die  deutschen 
Kürisser  und  die  französischen  Gens  d'armes  eine  Art  Beile,  deren 
Form  darauf  berechnet  war,  zunächst  den  Harnisch  des  Gegners  zu 


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374 


II.   Die  Angriffswaffcn. 


zertrümmern,  weshalb  sie  keine  scharfe  Schneide  hatten,  sondern 
bei  ansehnlicher  Stärke  und  Schwere  keilartig  gebildet  waren.  Diese 


Fi*  443-  Fig.  444. 


F>g-  443-  Streithacke  der  Trabanten  des  Kurfürsten  August  I. 
von  Sachsen  (1 553 — 1586).  Heil  und  Handgriff  von  Eisen  sind  in 
Schwarzätzung,  ersteres  mit  dem  kursächsischen  und  dem  dänischen 
Wappen  geziert.   Stiellängc  73  cm.   Königl.  hist.  Museum  in  Dresden. 

Fig.  444.  Polnische  Streithacke  mit  sogenanntem  „bärtigen" 
Beile  und  rohen  Verzierungen  auf  der  Klinge.  Der  83  an.  lange  Stiel 
besitzt  einen  silbernen  Handgriff  mit  Aftcrkugel  italienischer  Form. 
17.  Jahrhundert,  Anfang.   KönigL  hist.  Museum  in  Dresden. 


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C.  Die  Schlagwaffen.    3.  Die  Streitaxt. 


375 


Streitäxte  besafsen  kurze,  meist  nicht  viel  über  60  cm.  lange  Stiele 
und  wurden  an  starken  Riemen  über  den  Sattel  hängend  geführt 
(Fig.  442.)  Vornehme  bedienten  sich  statt  der  Äxte  lieber  der  Streit- 


Fig.  445-  Fiß-  446. 

Fig.  445-  Streithacke  des  Ruprecht  von  der  Pfalz  (gest.  1504) 
von  italienischer  Form ,  jedoch  deutscher  Arbeit.  Das  Beil  ist  stern- 
förmig durchbrochen.  Sämtliche  Eisenteile  sind  mit  figuralen  Ver- 
zierungen in  Goldschmelz  auf  gebläutem  Grunde  geziert.  Der  Hand- 
griff besitzt  einen  Überzug  von  Leder.    Um  1500. 

Fig.  446.  Italienische  Streithacke  mit  Giirtclhakcn  in  Silber 
tauschiert  und  mit  figuralen  Emblemen  in  Goldätzung  ausgestattet.  Um 
«530. 


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376  II.   Die  Angriflswaffen. 

häramer;  der  Streitkolben  aber,  im  Oriente  weit  allgemeiner  im  Ge- 
brauch, bildete  im  Abendlande  ein  besonderes  Würdezeichen. 
(Fig.  443  u.  444.) 

Italienische  Reiteräxte  sind  vom  14.  Jahrhundert  an  schmal  und 
leicht;  die  meisten  besitzen  metallene  Schäfte  und  als  charakteristisches 
Merkmal  am  Mitteleisen  einen  Haken,  da  sie  dort  nicht  am  Sattel- 
bogen, sondern  am  Gürtel  getragen  wurden.  Italienische  Äxte  be- 
sitzen häufig  eigene,  mit  Handschutzscheiben  ausgestattete  Handgriffe. 
(Fig.  445  u.  446.) 

Es  ist  bemerkenswert,  dafs  wir  schon  am  Beginne  des  13.  Jahr- 
hunderts die  Beile  mit  breiter  Verstählung  antreffen,  ein  Umstand,  der 
bei  den  langen  Beilschneiden  der  Lochaber-  wie  der  schwedischen 
und  russischen  Äxte  einen  Begriff  von  der  hohen  Ausbildung  des 
Waffenschmiedhandwerks  gibt. 

Am  verbreitetsten  unter  dem  Fufsvolke  in  Frankreich,  Deutsch- 
land und  der  Schweiz  war  jene  breite  Streitaxt,  deren  Beil  am  unteren 
Ende  der  Verstärkung  wegen  entweder  mittels  einer  Schnürung,  oder 
mittelst  Schrauben  mit  dem  Schafte  in  Verbindung  stand.  Der  Schaft 
selbst  ist  gewöhnlich  mit  2  Ringen  ausgestattet,  an  die  ein  Riemen 
geschnallt  wurde.  Auf  dem  Marsche  trug  sie  der  Mann  am  Rücken.  Das 
Bestreben,  die  Wucht  des  Hiebes  zu  verstärken,  führte  im  Ii.  Jahr- 
hundert schon  zu  einer  bedeutenden  Verlängerung  der  Schäfte;  da- 
durch und  durch  Beigabe  von  Stofsklinge  und  Haken  wird  das  Streit- 
beil zu  einer  Art  Helmbarte.  Solcher  langschäftiger  Streitäxte  be- 
dienten sich  selbst  Personen  des  Ritterstandes  im  Kampfe  zu  Fufs. 
Eine  sehr  interessante  Waffe  der  Art  bewahrt  die  reiche  Sammlung 
W.  H.  Riggs ;  sie  findet  sich  abgebildet  in  Viollet-le-Duc,  Dictionnaire 
du  mobilier  francais,  VI.  Band,  pag.  1 7.  Sic  besitzt  statt  des  Hakens 
einen  Hammer  mit  diamantierter  Schlagfläche  und  darauf  die  Spott- 
inschrift: „de  bon  V".  (Fig.  447.)  In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts sehen  wir  auch  bei  dieser  Waffe  die  Absicht  auftauchen, 
durch  Beigabc  eines  Feuerrohres  eine  Fernwirkung  zu  erzielen.  Derlei 
Streitäxte  mit  Schiefsvorrichtungen  wurden  um  1 5  70  zahlreich  in  Nürn- 
berg und  in  Brescia  erzeugt,  sie  sind  meist  von  reicher  künstlerischer 
Ausstattung  in  Ätzung  und  Tausia.  Es  ist  dies  überhaupt  jene  Periode, 
in  welcher  die  Waffen  in  reicherer  Verzierung  auftreten.  Abgesehen 
von  der  Ausstattung  der  Klingen  werden  auch  die  Schäfte  mit  reichen 
Stoffen  und  Netzwerk  überzogen  und  mit  feiner  Gold-  und  Sciden- 
passamenterie  besetzt.  Eine  besondere  Gattung  von  Äxten,  halb 
Waffe,  halb  Zeichen  des  Handwerks,  bilden  die  Bergmannsbarten, 
deren  Form  auf  die  polnischen  Streitäxte  zurückzuführen  ist ;  sie 
werden  noch  zur  Stunde  von  den  Bergleuten  bei  festlichen  Aufzügen 
getragen.  Aufser  Schweden,  Dänemark,  Polen,  Ungarn  und  Rufsland 
gehört  auch  Sachsen  zu  den  Ländern,  in  denen  bis  ans  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  die  Streithacke  als  Trabantenwaffe  geführt  wird. 


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Fig.  447.  Fig.  448. 

Fig.  44 7.  Streithacke  für  Fufsknechte  mit  Stofsklinge  und I lammer 
mit  diamantierter  Schlagfläche,  dazwischen  eine  Inschrift.  15.  Jahr- 
hundert, Anfang.    Sammlung  W.  H.  Riggs.    Nach  Viollct-le-Duc. 

Fig.  448.  Streitaxt  des  Sultans  der  Mameluken  in  Ägypten 
Muhammed  Ben  Kaitbai  (gest.  1499).  Das  Beil  mit  Schellenringen  zeigt  in 
durchbrochener  Arbeit  eine  kufische  Inschrift  mit  dem  Namen  des  Eigen- 
tümers. Sowohl  das  Beil  als  der  hohle  eiserne  Schaft  sind  in  Goldtausia 
geziert. 


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378 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Im  Oriente  ist  das  Streitbeil  (Teber-zen)  zweifelsohne  weit  vor 
Mohammed  geführt  worden.  Das  Beil  erscheint  entweder  in  Form 
eines  Halbmondes  mit  fast  kreisrunder,  konvexer  Beilschneide,  mit 
konkaven  Seitenwänden  oder  mit  vollständig  geradelaufendem  Ober- 
rande, sehr  selten  aber  unterhalb  abgekappt  (bärtig),  sondern  fast 
immer  spitzig  zulaufend.  Vornehme  führten  Äxte  mit  Schellen  ge- 
ziert, um  in  der  Schlacht  Aufmerksamkeit  zu  erregen.    Wir  bringen 


Fig.  449.  Fig.  450.  Fig.  451. 


F»K-  449.  Streitaxt  des  letzten  Sultans  der  Mameluken  in 
Ägypten  Tu  man  Bai  (getötet  1517).  Das  Beil  zeigt  in  geschnittener 
Arbeit  eine  Hasenjagd  zu  Pferde.  Alle  Eisenteile  sind  in  Goldtausia 
geziert.    Kais.  Waffcnsammlung  in  Zarskoe  -  Selo. 

Fig.  450.  Arabisches  Doppelbeil  mit  Stofsklinge.  17.  Jahr- 
hundert, Ende.    Kais,  und  königl.  Heeresmuseum  in  Wien. 

Fig.  451.  Streitbeil  aus  Syenit  Montczumas  II.,  Inkas  von 
Mexiko  (getutet  1520).  Das  Beil  ist  mit  feinen  Wollfadcn  an  den 
langen  Holzstiel  befestigt. 


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C.  Die  Schlagwaffen.    4.  Handwaffen  mit  Schiefsvorrichtungen.  379 


von  beiden  charakteristischen  Formen  Exemplare,  welche  von  her- 
vorragenden historischen  Personen  herrühren.  (Fig.  448  und  449.) 
Unterbefehlshaber  der  türkischen  Reiterei  führten  im  17.  Jahrhundert 
Streitäxte  mit  zwei-  oder  dreifachen  Beilen,  die  fast  jenen  auf  den 
antiken  Darstellungen  der  Amazonenkämpfe  gleichen,  aber  in  zwei 
verschiedenen  Formen  vorkommen;  die  aus  drei  Beilen  bestehenden 
erscheinen  öfter  mit  Tausia  geziert,  weshalb  zu  vermuten  ist,  dafs 
sie  höheren  Truppenführem  angehörten.    (Fig.  450.) 

Ein  altmexikanisches  Streitbeil  sehen  wir  in  der  folgenden  Figur 
(Fig-  45 1.) 


4.   Handwaffen  mit  Schiefsvorrichtungen. 

Nahezu  alle  Hand  Waffenformen,  ja,  Überhaupt  alle  Handwaffen 
kommen  etwa  von  der  Mitte  des  1 6.  Jahrhunderts  an  zuweilen  in  Ver- 
bindung mit  Schiefsvorrichtungen  vor.  Bei  Stangenwaffen  findet  sich 
selten  nur  eine  an  solchen  angebracht,  weit  häufiger  deren  zwei  an  den 
entgegengesetzten  Seiten  der  Spiefsblättcr.  Die  Wahrnehmung,  dafs 
derlei  kombinierte  Waffen  fast  ausnahmslos  reich  verziert  erscheinen, 
beweist,  dafs  dieselben  im  Kriege  selbst  keine  oder  nur  vereinzelt 
Anwendung  gefunden  haben,  und  dafs  wir  in  ihnen  nur  Trabanten- 
waffen vor  Augen  haben.  Bei  einem  Hoflager  mufsten  derlei  Aus- 
rüstungen zweifelsohne  von  grofsem  Vorteile  für  den  Wachtdienst 
sein,  da  der  Mann  damit  nicht  nur  eine  ausgiebige  Stöfs-,  be- 
ziehungsweise Hiebwaffe  besafs,  sondern  auch  in  der  Lage  war,  durch 
einen  abgefeuerten  Schufs  zu  verletzen  und  die  Gefahr  rasch  zur 
Kenntnis  zu  bringen.  Am  Beginne  des  17.  Jahrhunderts  ver- 
schwinden diese  kombinierten  Trabanten waffen  fast  plötzlich.  (Fig.  452, 
453.)  Bald  nach  der  Einführung  des  Radschlosses  erscheinen  auch 
die  Schweinspiefse  mit  Schiefsvorrichtungen  ausgestattet  Hier  hatten 
die  letzteren  eine  besondere  fachliche  Bestimmung,  und  derlei  Waffen 
erhalten   sich   auch  noch  bis  in  die  Mitte  des    17.  Jahrhunderts. 

(Fig-  4540 

Bei  Trabantenspiefsen,  Partisanen,  Helmbarten  etc.  finden  sich 
die  Schiefsvorrichtungen  paarweise  an  den  Flachseiten  der  Klinge 
angeordnet.  Zwei  in  der  Regel  nicht  über  20  cm.  lange  Läufe  sind 
auf  entsprechend  hohen  Stegen  in  der  rückwärtigen  Hälfte  der  Spiefs- 
klinge  angeschweifst,  welch  letztere  statt  gerippt  zumeist  in  der  Mitte 
rinnenartig  gebildet  ist,  um  den  Flug  des  Geschosses  nicht  zu 
hindern.  Die  Radschlösser  befinden  sich  entweder  an  den  beiden 
Seiten  oder  zunächst  hinter  dem  Laufe.    Die  Abfeuerung  geschieht 


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380 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Fig.  452.  Fig.  453- 

Fig.  450.  Spiefs  mit  Springklinge  und  einfacher  Schiefsvorrich- 
tung.    16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Deutsch. 

Fig.  451.  Trabantenhel  mbartc  mit  doppelter  Schiefsvor 
richtung.  Reich  in  Schwarzätzung  geziert.  16.  Jahrh.,  2.  Hälfte.  Deutsch. 


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C.  Die  Schlagwaffen.    4.  Handwaffen  mit  Schicfs  Vorrichtungen.  381 


Fig.  454-  Fig.  455- 

Fig.  454.  S ch wc inspiefs  mit  doppelter  Schiefsvorrichtung.  Das 
breite  Spiefsblatt  ist  reich  geschnitten  und  vergoldet.  17.  Jahrhundert, 
Mitte. 

Fig.  45.  Reiterschwert  mit  Parierring,  einfachem  Faustschuü- 
bügel  und  einfacher  Schiefsvorrichtung.  Fassung  von  gebläutem  Eisen. 
16.  Jahrhundert,  I.  Hälfte. 


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388 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Fig.  456.  Haudegen.  Der  Griff  von  geschnittenem  Eisen  ist 
reich  vergoldet.  An  der  in  Schwarzätzung  gezierten  Klinge  findet  sich 
eine  einfache  Schiefsvorrichtung.  16.  Jahrhundert,  Mitte.  Königl.  hist. 
Museum  in  Dresden. 


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C.  Die  Schlagwaffen.    4.  Handwaffen  mit  Schiefsvorrichtungen.  383 


mittels  eines  längs  des  Schaftes  in  einer  verdeckten  Nut  laufenden 
Drahtes  vom  letzten  Drittel  des  Schaftes  aus. 

Nicht  selten  ist  auch  mit  der  Schiefsvorrichtung  ein  Spring- 


Fig.  457- 


Fig.  458. 


F'g>  457-  Streithacke  mit  Schiefsvorrichtung  italienischer  Form. 
Der  Stiel  bildet  den  Lauf,  dessen  Spitze  beim  Gebrauche  abzuschrauben 
ist.  Alle  Eisenteile  sind  reich  in  Schwarzätzung  geziert.  16.  Jahr- 
hundert, 2.  Hälfte.    Königl.  bist.  Museum  zu  Dresden. 

Fig.  458.  Streithacke  italienischer  Form  mit  Schiefsvorrichtung. 
Der  Stiel,  an  der  Mündung  abschraubbar,  dient  als  Lauf.  Alle  Eisen- 
teile der  Hacke  sind  in  Schwarzätzung  geziert.  16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte. 
Königl.  hist.  Museum  in  Dresden. 


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Fig.  459- 


Fig.  460. 


Fig.  459.  Kleine  Reiterhacke,  sogenanntes  „Schiefshackel*4 
mit  einfacher  Schiefsvorrichtung.  Der  faustrohrähnliche  Schaft  ist  üi 
Bein  eingelegt-  Russisch-polnisch.  16.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Kais. 
Waffenmuseum  in  Zarskoe-Selo. 

Fig.  460.  Strcitkolhen  mit  vierfacher  Schiefsvorrichtung,  soge- 
nannter „Wcihwasser-sprenger1'.  Der  Schaft  wie  der  Kolben  sind  von 
Holz  mit  rohen  Einladen  in  Bein  geziert.  Letzterer  besitzt  eiserne  Be- 
schläge mit  Stacheln.  Wenn  der  obere  Deckel  des  Kolbens  durch 
einen  Federdruck  geöffnet  wird,  zeigen  sich  vier  Feuerrohre,  welche,  am 
unteren  Kolbenende  von  Schubern  gedeckt,  ihre  Zündungs-  und  Ent- 
ladungsvorrichtungon  besitzen.    Englisch?     16.  Jahrhundert,  Ende. 


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D.  Die  Fern waffen.    I.  Die  Schleuder. 


385 


klingensystem  in  Verbindung,  welches  jedoch  immer  einen  für  sich 
wirkenden  Mechanismus  besitzt,  der  gleichfalls  vom  letzten  Drittel  des 
Schaftes  aus  gehandhabt  wird. 

Glefen  und  Cousen  besitzen  in  der  Regel  nur  eine  einfache 
Schiefsvorrichtung.  Der  Lauf  befindet  sich  hier  am  Rücken  der 
Klinge  und  ist  aus  diesem  Grunde  zuweilen  auch  etwas  länger;  das 
Radschlofs  steht  dann  gewöhnlich  an  der  rechten  Klingenseite. 

Über  Schiefsvorrichtungen  an  Schwertern  und  Haudegen  haben 
wir  am  betreffenden  Orte  gesprochen,  wir  fügen  hier  nur  gelegentlich 
einige  Beispiele  an.    (Fig.  455,  456.) 

Ebenso  wie  bei  Stangenwaffen  und  Hiebwaffen  erscheinen  Schiefs- 
vorrichtungen an  Schlagwaffen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts,  beson- 
ders häufig  bei  Streithacken.  Wir  bringen  hier  einige  Beispiele  von 
solchen.    (Fig.  457,  458,  459.) 

Eine  eigene  Form  von  Waffen  ist  der  sogenannte  Weihwasser- 
sprenger,  ein  hölzerner  Streitkolben,  in  dessen  innen  hohl  gebildetem 
Kolbcnteile  mehrere  Feuerrohre  sich  befinden,  welche  vom  Schafte  aus 
abgefeuert  werden.  Seinen  Ursprung  scheint  er  in  England  gefunden 
zu  haben,  wenigstens  kommen  solche  Waffen  meist  in  englischen 
Sammlungen,  sehr  wenige  in  Frankreich  und  Deutschland  vor.  Die 
ältesten  gehören  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  an.    (Fig.  460.) 


D.    Die  Fern  waffen. 

x.  Die  Schleuder. 

Die  Thatsache,  dafs  wir  die  Schleuder  als  Kriegswaffe  tausend 
Jahre  vor  unserer  Zeitrechnung  im  Buch  der  Könige  antreffen,  läfst 
uns  ihr  Auftreten  schon  im  frühesten  Mittelalter  begreiflich  erscheinen. 
Die  Einfachheit  dieser  Waffe  ist  ein  genügender  Grund,  ihre  An- 
wendung bei  allen  Völkern,  vielleicht  nur  die  Germanen  und  die  Völker- 
schaften des  Nordens  ausgenommen,  vorauszusetzen.  Die  Erwerbung 
von  444  Stück  römischen  Schleuderbleies  durch  das  Berliner  Museum 
1875  gab  Anlafs,  auch  die  Anwendung  der  Schleuder  im  Mittelalter 
einem  näheren  Studium  zu  unterziehen. 

Die  Schleuder  (franB.  fronde,  altfranz.  fonde,  engl,  slinger,  ital. 
fromba,  span.  honda)  war  im  Mittelalter  von  den  Kreuzzügen  an  bis 
ins  1 5.  Jahrhundert  eine  häufig  angewendete  Waffe,  besonders  der  Berg- 
bewohner Helvetiens,  nicht  minder  der  Italiener,  selbst  des  Flach- 
landes.   Sie  war  nie  eine  Waffe  der  Vornehmen,  sondern  stets  nur 

Boebeim,  Waffenkunde.  2 5 


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38G 


II.  Die  Angriffswaffen. 


der  niederen  Volksklassen  bis  zu  den  Zeiten  der  französischen  Reli- 
gionskriege herab. 

In  dem  oft  berührten  Teppich  von  Bayeux  finden  wir  einen 
Schleuderer  auf  der  Jagd,  wie  er  eben  ein  Geschofs  von  der  Schlinge 
gebracht  hat.  Die  Darstellung,  so  einfach  sie  auch  gegeben  ist,  läfst 
an  Deutlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig.    (Fig.  461.) 


Fig.  461. 


Fig.  461.    Schleuderer  nach  einer  Darstellung  auf  der  unteren 
Randleiste  des  Teppichs  von  Bayeux.    II.  Jahrhundert,  Ende. 

Im  13.  Jahrhundert  wurde  der  Schleuderer  gemeiniglich  mit  dem 
Namen  „eslingur"  (engl,  slinger)  bezeichnet.  Damals  stand  die  Schleuder 
als  Hand-  und  Stockschleuder  (gibet),  welch  letztere  wir  in  einer  Bibel 


Fig.  462. 
Fig.  462.  Handschleuder. 


des  10.  Jahrhunderts  in  der  Nationalbibliothek  in  Paris  abgebildet 
antreffen,  längst  allgemein  im  französischen  Heere  in  Anwendung.  Die 
Stockschleuder  scheint  im  1 3.  Jahrh.  vorzüglich  im  Seekriege  und  bei 
Belagerungen  in  Anwendung  gekommen  zu  sein.  Die  Handschleuder 
bestand  aus  einer  einfachen  Schlinge,  welche  in  der  Mitte  eine  hohl 


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D.  Die  Fernwaffen.    I.  Die  Schleuder. 


387 


gebildete  Schale  aus  Leder  besals,  in  welche  der  Stein  oder  das  Blei 
gelegt  wurde.  (Fig.  462.)  Beim  Gebrauche  schwang  der  Schleuderer 
die  Schlinge  zwei-  bis  dreimal  rasch  im  Kreise  herum  und  liefs  im 
geeigneten  Augenblicke  das  eine  Ende  der  Schlinge  aus  der  Hand 
gleiten,  wie  wir  ans  der  Figur  ersehen.  Beim  Gebrauche  der  Stock- 
schleuder mufste  sich  im  Schwünge  das  eine  Ende  von  einem  am 
Ende  des  Stockes  angebrachten  Haken  abheben,  was  nur  durch  be- 
sondere Geschicklichkeit  erzielt  werden  konnte  Immerhin  war  die 
Stockschleuder  in  der  Hand  eines  geübten  Mannes  eine  fürchterliche 
Waffe.  (Fig.  463.)  Ihre  unläugbaren  Vorzüge  wurden  noch  im 
17.  Jahrhundert  erkannt,  da  sie  häufig  zum  Schleudern  von  Hand- 
granaten benutzt  wurde.  Ebenso  wie  Bogenschützen  wurden  „Schleuderer" 
noch  im  14.  Jahrhundert  bei  allen  Heeren  geworben,  die  aus  ihrer 
Kunst  ein  Gewerbe  machten,  unansehnliches  und  wohl  auch  im  Äufseren 


Fig.  463. 

F»g-  463.  Gruppen  von  Bewaffneten,  darunter  einer  mit 
einer  Armrust,  der  andere  mit  einer  Stockschleuder.  Miniatur  aus 
einem  Manuskripte  des  Matheus  Paris,  13.  Jahrhundert,  in  der  Biblio- 
thek des  Bcnct  College  in  Cambridge.    Nach  Hewitt.  * 

herabgekommenes,  dabei  sehr  schlecht  diszipliniertes  Volk.  Sie  begleiteten 
auch  die  Ritterschaft  Kaiser  Heinrichs  VII.  nach  Italien.  (Fig.  464.) 

Im  15.  Jahrhundert  mehren  sich  die  Berichte  von  einer  Ver- 
wendung der  Schleuder  durch  eigene,  für  den  Zweck  bestimmte 
Söldner.  In  dem  zusammengerafften  Heere,  welches  Johann  von 
Capistran  nach  Belgrad  führte,  war  sie  die  vorzüglichste  Femwaffe. 
In  dem  Rufe,  die  gewandtesten  Schleuderer  zu  besitzen,  standen  die 
spanischen  Heere,  die  sich  für  diesen  Zweck  der  Bewohner  der 
balearischen  Inseln  bedienten.  Die  Leistungsfähigkeit  eines  balearischen 
oder  kretischen  Schleuderers  war  so  grofs,  dafs  er  auf  120 — 160 
Schritte  mit  Sicherheit '  seinen  Mann  traf.    Einige  Anzeichen  deuten 

2S* 


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388 


II.   Die  Angriffs waffen. 


darauf  hin,  dafs  auch  Mathias  Corvinus,  der  ja  altrömische  Krieg- 
führung sorgfältigst  nachahmte,  in  seinem  Heere  Schleuderer  führte; 
so  wird  in  der  kostbaren  Sammlung  des  Grafen  Hans  Wilczek  ein 
kleines  Schleuderblei  bewahrt,  dessen  Prägung  neben  einem  undeut- 
lichen Wappen  das  Wort  „Mathias"  erkennen  läfstr 

Die  Schleuderbleie  des  Mittelalters  besitzen  gleich  denen  des 
Altertums  eine  dattelähnliche  Form,  doch  sind  die  meisten  nicht  ge- 
gossen, sondern  aus  Bleistücken  zugehämmert.  Wie  diese  tragen  viele 
unter  ihnen  mehrmals  übereinander  geschlagene  Stempel  mit  In- 
schriften, die  aber  nicht  wie  bei  römischen  Schleuderbleien  trotzige 
Anrufungen  an  den  Feind,  wie:  „Nimm",  „ifs",  „dir"  etc.,  sondern 
meistens  Namen  von  Personen  und  Städten,  wie  „Milano",  „Biztom", 
„Hotelin"  u.  a.  bezeichnen  (Fig.  465).   Bis  jetzt  wurden  blofs  deutsche 


hundert,  Mitte.    Nach  Inner. 

F'g«  4^5-    Schleudcrblci,  aus  Schlössern  in  der  Umgebung  von 
Treviso  stammend.    15.  Jahrhundert,  Anfang. 

und  norditalienische  Schleuderbleie  gefunden.  In  anderen  Ländern 
ist  die  Aufmerksamkeit  auf  den  Gegenstand  noch  wenig  rege.  Die 
gröfste  Zahl  der  entdeckten  Schleuderbleie  ist  in  dem  Besitze  des 
Grafen  Hans  Wilczek  in  Wien,  der  sie  auf  seinem  Schlosse  Seebarn 
bewahrt;  sie  stammen  aus  Schlössern  in  der  Nähe  von  Treviso. 

Einen  Beweis  dafür,  dafs  die  Schleuder  auch  in  den  Streithaufen 
Kaiser  Friedrichs  III.  in  Verwendung  kam,  finden  wir  in  dem  In- 
ventar des  Wiener  Zeughauses  von  15 19,  in  welchem  als  im  „Ziller- 
hof4'  befindlich  32  Schleudern  angeführt  werden.*)  Sie  waren  zweifels- 
ohne dort  seit  vielen  Jahrzehnten  gelagert,  ohne  mehr  Ausrüstungs- 
stücke zu  bilden. 


*)  Reichs -Finanzarchiv,  Fasz.  31. 


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2.  Der  Bogen. 

• 

Der  Ursprung  des  Bogens  (franz.  arc,  engl,  bow,  ital.  und  span. 
arco,  lat  arcus)  reicht  weit  in  die  vorhistorischen  Perioden  zurück, 
wie  wir  aus  den  Steinfunden  ersehen,  unter  welchen  die  Pfeilspitzen 
nicht  selten  sind.  Wir  begegnen  demnach  auch  dieser  einfachen  und, 
wie  wir  vorausbemerken,  vorzüglichen  Waffe  schon  in  den  ältesten 
bildlichen  Darstellungen  des  Mittelalters.  Diese  Thatsache  ist  allent- 
halben bekannt,  nur  mufs  dazu  bemerkt  werden,  dafs  in  der  grofeen 
Veränderung  der  Taktik,  welche  die  Völkerwanderung  herbeiführte, 
der  Bogen  eine  erhöhte  Bedeutung  erlangte.  In  den  wilden  Heer- 
haufen der  von  Osten  herdrängenden  Völker  wurden  die  Bogenschützen 
zum  Schutze  der  Flügel  und  zur  Einleitung  des  Gefechtes  verwendet 
Ihnen  folgten  die  geschlossenen  Körper  des  mit  Schild  und  Speer 
bewaffneten  Fufsvolkes,  den  Kern  des  Ganzen  aber  bildete  die  Reiterei, 
sie  war  die  ausschlaggebende  Waffe.  Das  war  eine  vollständige  Um- 
änderung altrömischer  Taktik,  aber  es  war  auch  damals  nicht  das 
erste  Mal,  dafs  eine  allgemeine  Veränderung  in  der  Streitweise  durch 
die  ungebildetsten  Völker  herbeigeführt  wurde. 

Es  ist  ein  Beweis  von  einer  gewissen  Durchbildung  des  Kriegs- 
wesens, dafs  wir  schon  inmitten  der  Periode  der  Völkerwanderung 
den  Bogen  in  der  Verwendung  zu  Pferd  und  zu  Fufs  antreffen  und 
dafs  wir  die  Vorteile  dieser  Waffe  bewundernswert  ausgenützt  finden. 
In  dem  reitenden  Bogenschützen  ist  der  erste  leichte  Reiter  zu  er- 
blicken; als  solcher  steht  er  im  vollen  Gegensatze  zu  den  Anschau- 
ungen des  feudalen  Adels,  der  jeden  Leichtgerüsteten  für  unebenbürtig 
hielt.  Daraus  ist  auch  die  Mifsachtung  zu  erklären,  die  der  Bogen- 
schütze in  der  französischen  Ritterschaft  fand. 

Im  Vergleich  der  Wirkung  zu  der  Einfachheit  der  Herstellung 
erscheint  der  Bogen  als  die  vorteilhafteste  Waffe:  eine  Rute,  ein 
biegsamer  Stab  aus  Holz  oder  Horn,  dessen  äufserste  Enden  mit 
einer  Schnur,  der  „Sehne",  verbunden  sind,  welche  angespannt  die 
Schnellkraft  des  Stabes  oder  „Bogens"  so  weit  in  Anspruch  nimmt, 
um  damit  einen  leichten  Pfeil  auf  200,  ja  selbst  250  Schritte  mit 
aller  Treffsicherheit  abzuschnellen,  darin  liegt  die  ganze  Mechanik 
dieser  Waffe,  die  den  Ruhm  der  erfolgreichsten  Verwendung  in  Jahr- 
hunderten in  Anspruch  nehmen  darf. 

Das  flaschen förmige  Goldgefäfs  aus  dem  Funde  von  Nagy-Szent- 
Mikl6s,  dem  sogenannten  Schatz  des  Attila,  welches  aus  dem  5.  Jahr- 
hundert datiert,  zeigt  ein  Relief,  in  welchem  ein  sarmatischer  Reiter 
dargestellt  ist,  der,  nach  rückwärts  gewendet,  im  Begriffe  ist,  einen 
Pfeil  von  einem  kleinen  Bogen  abzuschnellen,  vielleicht,  wenn  man 
vom  Altertum  absieht,  die  älteste  Darstellung  eines  Bogenschützen, 
die  uns  erhalten  ist.    (Fig.  466.) 


390 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Ungeachtet  seiner  Wichtigkeit  im  Gefechte  war  der  Bogen  des 
Fufsstreiters  doch  nur  eine  Waffe  der  niederen  Klassen;  so  finden  wir 
die  Bogenschützen  im  Teppich  von  Bayeux  als  ein  besonderes  Korps, 
nach  der  Methode  der  Ikonographie,  das  minder  Bedeutsame  nur 
anzudeuten,  kleiner  dargestellt.  Ihr  Anführer  ist  im  Harnisch,  die 
Schützen  aber  sind  leicht  gekleidet  und  mit  etwa  1.50  m.  langen 
Bogen  bewaffnet;  die  Formen  der  Köcher  sind  deutlich  dargestellt. 
(Fig.  467.)  Bogenschützen  zu  Pferde  gehörten  schon  einer  höheren 
Gesellschaftsklasse  an,  wie  wir  aus  Miniaturen  in  einem  Manuskripte 
aus  der  2.  Hälfte  des  Ii.  Jahrhunderts  ersehen,  in  welchen  selbst 
ein  König,  den  Bogen  abschnellend,  dargestellt  ist.  (Fig.  468.)  Join- 
ville  bestätigt,  dafs  der  Bogen  in  den  Kreuzzügen  bei  den  Orientalen 
im  Gebrauch  war.    In  Frankreich  wurde  die  Waffe  von  den  Lehens- 


Fig.  466.    Sarmatischer  Bogenschütze  zu  Pferd.    Relief  aus 
dem  Goldfunde  von  Nagy  Szent-Miklös.    5.  Jahrhundert. 

herren  mifsachtet  und  unterdrückt;  dafür  wurde  sie  in  Brabant  und 
in  England  gepflegt  und  dort  wurden  die  ersten  regulären  Bogen- 
schützenkorps errichtet,  die  ihrer  aufserordentlichen  Ausbildung  halber 
berühmt  waren.  Der  englische  oder  schottische  Bogenschütze  war 
verachtet,  der  nicht  in  der  Minute  10  — 12  Pfeile  abschiefsen  konnte 
und  dabei  sein  mehrere  Hundert  Schritte  entferntes  Ziel  auch  nur 
einmal  verfehlt  hätte.  Während  im  13.  Jahrhundert  der  Bogen  in 
Deutschland  und  selbst  in  Italien  allgemein  in  den  Heeren  geführt 
wurde,  entschlofs  man  sich  in  Frankreich  erst  1356  nach  der 
Schlacht  bei   Poitiers,  eigene  Bogenschützenkompanien  aufzustellen, 


Fig.  466. 


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D.  Die  Fernwaffen.    2.  Der  Bogen. 


391 


und  wiewohl  sich  schon  um  1300  berittene  Bogenschützen  freiwillig 
ins  Heer  stellten,  so  wurden  doch  erst  1450  ständige  Bogen- 
schützen zu  Pferd  in  Frankreich  üblich.    (Fig.  469.) 


Fig.  467. 

Fig.  467.    Bogenschütze  mit  daneben  gestelltem  Pfeilköcher. 
Aus  der  Tapete  von  Bayeux.    Ii.  Jahrhundert,  Ende. 

In  betreff  der  Form  und  Wirksamkeit  war  im  Mittelalter  der 
englische  Bogen  stets  als  ein  unübertreffliches  Muster  angesehen.  Die 
französischen  Bogen  hatten  im  15.  Jahrhundert  nur  eine  Länge  von 


Fig.  468. 

Fig.  468.  Französischer  König,  dargestellt  zu  Pferde,  einen 
Bogen  abschnellend.  Aus  einem  Manuskript  aus  der  2.  Hälfte  des 
II.  Jahrhunderts  der  Nationalbibliothek  in  Paris.    Nach  Jaquemin. 


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392 


II.  Die  Angriffswaffen. 


etwas  über  130  cm.,  während  die  englischen  stets  bis  über  2  m.  Länge 
mafsen;  ihr  Material  war  das  Holz  der  Eibe  oder  des  Ahorns,  die 
Pfeillänge  betrug  nicht  ganz  1  m.;  die  Sehne  bestand  aus  gedrehtem 
Hanf  oder  Seide.  Die  vorzügliche  Brauchbarkeit  englischer  Bögen  be- 
ruhte darauf,  dafs  die  Spannkraft  des  Bogens  in  seiner  ganzen  Länge 
ausgenutzt  wurde,  dafs  sie  somit  eine  gröfsere  Spannhöhe  gestatteten; 
von  letzterer  war,  nebenher  bemerkt,  die  Länge  der  Pfeile  abhängig. 

Gleich  dem  Schlcuderer  und  dem  Armrustschützen  war  auch  der 
Bogenschütze  überall  leichter  als  alle  übrigen  Truppen  ausgerüstet. 
Im  15.  Jahrhundert  trug  der  Bogner  zu  Fufs  die  Brigantine,  den 


Fig.  469. 

Fig.  467.  Berittener  Bogenschütze  aus  einer  Miniatur  der 
französischen  Handschrift  Histoire  universelle.  Um  13 10.   Nach  Hewitt. 


Korazin  oder  ein  leichtes  Panzerhemd.  Die  Ausrüstung  für  die  Hand- 
habung war  sehr  einfach  und  bestand  in  England  in  einer  eisernen 
Schiene,  welche  an  den  linken  Unterarm  zum  Schutze  vor  der  längs 
desselben  schnellenden  Sehne  mittelst  Schnüren  befestigt  wurde 
(Fig.  470),  und  in  einem  starken  Lederhandschuh  für  die  linke  Hand, 
über  deren  Zeigefingerknöchei  weg  der  Pfeil  streifte.  In  Europa 
hat  sich  der  Bogen  als  Waffe  für  den  Krieg  bei  den  Engländern  am 


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D.  Die  Fern waffcn.    2.  Der  Bogen. 


398 


längsten  —  bis  ins  1 7.  Jahrhundert  —  erhalten.  Bei  ihrer  staunenswerten 
Geschicklichkeit  blickten  die  Bogenschützen  mit  Verachtung  auf  die 
Büchsenschützen  mit  ihren  schwerfälligen  Feuerrohren,  die  bei  Regen- 
wetter oft  ganz  unbrauchbar  wurden  und  auch  sonst  .an  Treffsicher- 
heit noch  vieles  zu  wünschen  übrig  liefsen.  Kaiser  Maximilian  I., 
der  für  alles  im  Leben  und  insbesondere  für  das  Kriegswesen  in 
anderen  Ländern  ein  achtsames  Auge  hatte  und  in  den  Niederlanden 
persönlich  von  den  Vorzügen  des  Handbogens  sich  überzeugen  konnte, 
organisierte  eigene  Abteilungen,  die  er  mit  englischen  Bögen  bewaff- 
nete. In  den  Zeughäusern  zu  Innsbruck  und  Wien  wurden  noch  1500 
erhebliche  Mengen  dieser  Bögen  aufbewahrt;  sie^ 
sind  in  Maximilians  Zeugbüchern  in  der  wünschens- 
wertesten Genauigkeit  abgebildet.  (Fig.  471.)  Wie 
dort  selbst  das  geringfügigste  Kriegsgerät  mit  aller 
Sorgfalt  abgemalt  ist,  so  finden  wir  darin  auch 
die  zugehörigen  Köcher  abgebildet,  welche  nach 
altem  deutschen  Gebrauch  mit  langhaarigem  Pelz- 
werk überzogen  waren.  (Fig.  472.)  Man  nannte 
dieselben  „Rauchköcher".  Bogen  aus  Stahl, 
wie  sie  im  15.  und  bis  ins  16.  Jahrhundert  die 
Italiener  führten,  wurden  in  besonderer  Güte  in 
Seravalle,  Brescia  und  Mailand  gearbeitet.  In 
Deutschland  wurden  stählerne  Bogen  nur  sehr 
vereinzelt  geführt,  daher  auch  in  gröfseren  Mengen 
kaum  erzeugt. 

Im  15.  und  16.  Jahrhundert  pflegten  jene 
christlichen  Nationen,  welche  im  Oriente  ihre 
Wohnsitze  aufgeschlagen  hatten,  mit  den  dortigen 
Völkern  häufiger  in  Verkehr  kamen,  sich  der 
orientalischen  Streitweise  anzubequemen;  so  führen 
im  15.  Jahrhundert  die  Johanniter  zu  Rhodus, 
die  christlichen  Griechen,  die  slavischen  Völker 
an  der  albanesischen  und  dalmatinischen  Küste 
ebenso  die  Venetianer  Bogen  und  Pfeile,  die 
vollständig  den  arabischen  nachgebildet  waren, 
letzteren  legte  man  einen  grofsen  Wert  auf  die  Leistung  der  Bogen- 
schützen im  Gefechte  und  vermehrte  dieselben  stetig.  Über  die  Aus- 
rüstung der  venetianischen  Bogenschützen  um  die  Wende  des 
15.  Jahrhunderts  belehren  uns  die  Gemälde  des  Gian  Bellini  und 
des  Vittore  Carpaccio  in  der  Academia  zu  Venedig.    (Fig.  473.) 

Für  den  Gebrauch  des  Bogens  im  Oriente  besitzen  wir  für  die 
älteren  Zeiträume  nur  äufserst  wenige  bildliche  Belege.  Zwar  findet 
sich  der  Bogen  in  persischen  Miniaturen  ziemlich  häufig  abgebildet, 
allein  es  sind  daraus  keine  Details  zu  entnehmen.  Erst  im  Anfang 
des   15.  Jahrhunderts  finden  sich  einige  spärliche  Nachrichten  in 


Fig.  470. 

Fig.  470.  Schiene 
flir  den  linken  Unterann 
eines  Bogenschützen  von 
Eisen  mit  schwarzgeäU* 
ten  Verzierungen.  Engl. 
Um  1570.  Ehemalige 
Sammlung  Meyrick. 

Besonders  bei  den 


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394  II.   Die  Angriffswaffen. 

Manuskripten,  welche  darauf  schliefsen  lassen,  dafs  die  Formen  wie 
der  Gebrauch  des  Bogens  im  Oriente  sich  von  jeher  gleich  geblieben 


Fig.  471. 


Fig.  471.  Landsknecht  mit  englischem  Handbogen.  Aas 
den  Zeugbüchern  des  Kaisers  Maximilian  I.  Zeug  Tirol.  Um 
1510« 


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D.  Die  Fernwaffen.    2.  Der  Bogen. 


395 


sind.  Erst  am  Anfange  des  1 6.  Jahrhunderts  werden  die  Beschreibungen 
in  Büchern  deutlicher  und  eingehender,  es  kommen  aber  aus  dieser  Zeit 
auch  schon  Originale  vor,  welche  ein  vollkommeneres  Studium  gestatten. 

Der  Bogen  der  Araber  unterschied  sich  von  jenen  der  asiatischen 
Türken  durch  seine  gröfsere  Länge,  er  ähnelte  mehr  jenen  der  Griechen, 
der  Tartaren  und  Wallachen.     Die  Kretenser  führten  Bogen  von 
zweierlei  Materiale  und  Herkunft,  jene  aus 
Sphagia  waren  aus  Steinbockhorn,  während 
die  aus  Candia  kommenden  aus  BüfFelhorn 
gefertigt  wurden.    Die  türkischen  Bogen 
waren  bedeutend   kleiner,  stärker  aufge- 
bogen und   gekrümmt  und  steif  besehnt 
Die  Pfeillängen  waren  eigentümlicherweise 
bei  den  türkischen  wie  bei  den  arabischen 
Bogen  ziemlich  gleich.    Der  grofse  Bogen 
heifst   im    türkischen  perwäne  kemän, 
d.  i.  Schmetterling,  der  kleinere  jaj. 

Alle  orientalischen  Bogen  wurden  ohne 
Armschienen  und  Handschuhe  gehandhabt, 
im  Gegensatze  zu  den  von  occidentalen 
Nationen  geführten  hölzernen  Bogen,  die 
bei  gröfserer  Länge  leicht  nach  der  Seite 
schnellten.  Als  Auflager  für  den  Pfeil  be- 
dienten sich  die  Orientalen  eines  Ringes, 
der  oberhalb  ein  kleines  Zäpfchen  hatte 
und  am  linken  Daumen  getragen  wurde. 
Diese  Ringe  waren  je  nach  dem  Ver- 
mögen der  Eigner  aus  Ochsenhorn,  Elfen- 
bein, Silber  oder  Gold,  tauschiert  und  selbst 
mit  kostbaren  Steinen  besetzt.  Das  war 
im  16.  Jahrhundert,  woher  uns  die  Kunde 
klingt,  keine  neue  Mode,  sondern  ein  Ge- 
brauch von  alters  her.*) 

T  _  ,.  ,  '    «        .  I  ig.  472.  Kocher  für  Hand- 

ln den  kaiserlichen  Sammlungen  zu   bogenpfeile  mit  Pekwcrk  über- 
Wien wird  eine  ansehnliche  Zahl  orienta-   zogen.   Sogenannter  „Rauch- 
lischer   Bogen    bewahrt,    welche   aus   der    köcher".   Zur  Ausrüstung  der 
Kriegsbeute  der  Feldzüge  von    1556   und    kaiserlichen  Bogenschützen  ge- 
7?V  .  ,  t-  j    hörig.    Aus  den  Zeugbüchern 

1566  stammen  und  an  Erzherzog  Ferdinand   des  Kaisers  Maximilian  I. 

von  Tirol  gelangten.   Aus  dieser  Sammlung   Zeug  Tirol.   Um  1510. 
bringen  wir  hier  einen  gröfseren,  arabischen 

oder  tartarischen  Bogen,  sowie  einen  kleinen,  türkischen.  Diese  beiden 
Beispiele  dürften  genügen,  um  den  Unterschied  in  ihrer  Konstruktion 
wahrzunehmen.    (Fig.  474  und  475.) 


Fig.  472 


•)  Belon,  Singularit&  1553.   I.  2.  Kap.  89.    Gaye  V.   Gloss.  archeol.  Are. 


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396 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Es  ist  aus  den  beiden  Figuren  474  und  475  deutlich  ersichtlich, 
welcher  wesentliche  Unterschied  zwischen  einem  europäischen  und 
einem  orientalischen  Bogen  bezüglich  der  Konstruktion  besteht. 
Betrachten  wir  den  unbesehnten  türkischen  Bogen  (Fig.  475),  so  finden 
wir  denselben  stark  nach  aufwärts  gekrümmt.  Wird  die  Sehne  ange- 
legt, so  mufs  der  Bogen  stark  nach  abwärts  bis  a'  gezogen  werden, 


Fig.  473- 

Fig.  473'  Venetianischer  Bogenschütze  aus  einem  Gemälde 
des  Vittore  Carpaccio  von  1493  in  der  Galeric  der  Akademie  zu 
Venedig.    (Saal  VIII,  27.)    Nach  Jacquemin. 


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D.  Die  Kernwaffen.    2.  Der  Bogen. 


397 


wodurch  seine  Spannkraft  bereits  in  Verwendung  genommen  wird.  Wird 
nun  überdies  die  Sehne  zum  Abschnellen  des  Pfeiles  angezogen,  so 
tritt  eine  noch  vermehrte  Abbiegung  des  Bogens  bis  a"  ein,  wodurch 
seine  relative  Festigkeit  einen  Moment  lang  aufs  äufserste  in  Anspruch 
genommen  wird.  Nur  durch  die  ramnirteste  Ausnützung  des  Materiales 
liefs  sich  eine  so  bedeutende  Aufzughöhe  erzielen,  und  dadurch  er- 
klärt sich  auch  die  nahezu  unglaubliche  Leistungsfähigkeit  der  orien- 
talischen Bogen  bezüglich  ihrer  Tragweite  und  Treffsicherheit 


Fig.  474- 


Fig.  474.  Ära  bischer  Bogen  ohne  Sehne  mit  feinen  Arabesken 
in  Gold  auf  grünem  Lackgrunde,  in  allen  Teilen  bemalt  Kriegsbeute 
aus  einem  der  türkischen  Feldzüge  1550  oder  1566. 

Selbst  die  einfachsten  orientalischen  Bogen  sind  meist  an  den  • 
oberen  Seiten  und  an  den  Handgriffen  mit  feiner  Lackmalerei  in 
oft  reizenden  Zeichnungen  verziert;  jene  der  Vornehmeren  aber  er- 
regen durch  ihre  reiche  Ausstattung  in  Goldmalerei  auf  farbigem 


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39S 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Grunde  unsere  volle  Bewunderung.  Die  Sehne  orientalischer  Bogen 
(jaj  kirischi)  besteht  aus  fünf  bis  sechs  starken  Fäden  aus  Schaf- 
wolle, welche  dicht  mit  gedrehten  Seidenfaden  von  verschiedener 
Farbe  übersponnen  sind. 

Die  Pfeile  der  Normanen,  der  Engländer  wie  der  Franzosen 
des  1 1 .  Jahrhunderts  waren  der  Länge  der  Bogen  entsprechend  von 
einer  Länge  nicht  über  70  cm.,  anscheinend  mit  Federposen  befiedert 
und  besafsen  bärtige  oder  auch  lanzettförmige  Spitzen  mit  kleinen 
Knöpfen  am  Ansätze. 


Fig.  475- 


Fig.  475-  Türkischer  Bogen  aus  Büffelhorn  mit  feinen  Gold- 
arabesken auf  rotem  Lackgrunde,  an  der  Oberseite  und  am  Handgriffe 
bemalt.  Kriegsbeute  aus  einem  der  türkischen  Feldzüge  1556  oder 
1 566.  Derselbe  ist  zwar  unbesehnt,  hier  aber  in  der  Stellung  des  Bogens 
besehnt  und  zum  Abschnellen  gespannt  dargestellt. 

Die  Pfeile  der  englischen,  französischen  und  deutschen  Bogen 
des  15.  Jahrh.  und  der  Folgezeit  hatten  eine  durchschnittliche  Länge 
von  110  cm.  bei  1.5 — 1.8  cm.  Querschnitt.  Sie  waren  für  den 
Kriegsgebrauch  gemeiniglich  mit  Pergament  befiedert,  das  mit  grellen 


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D.  Die  Kernwaffen.    2.  Der  Bogen 


399 


Farben  bemalt  wurde;  die  Spitzen  waren  lanzettförmig  mit  kurzen 
Dillen.  Über  die  Lage  des  Schwerpunktes  konnte  der  Verfasser 
keine  Versuche  anstellen,  indem  ihm  noch  kein  originaler  Pfeil  eines 
deutschen  oder  englischen  Bogens  in  Sammlungen  vor  Augen  ge- 
kommen ist  Schwerlich  dürfte  sich  auch  noch  ein  echtes  Exemplar 
finden.    Selbst  die  Sammlung  Meyrick  besafsen  nur  Pfeilspitzen. 

Orientalische  Pfeile  (tir)  besitzen  eine  Länge  von  durschschnitt- 
lich  75  cm.  bei  einer  Stärke  von  nur  selten  über  7  mm.    Die  Be- 


F'ß.  476.  Fig.  477- 


Fig.  476.  Pfeilformen  orientalisch,  a.  Tartarischer  Pfeil.  — 
b.  Türkischer  Pfeil  mit  Befiederung,  der  Schaft  mit  feiner  Lackmalerei 
geziert.  —  c.  d.  e.  Arabische  Pfeile.  —  f.  Türkischer  Pfeil.  —  a.  bis  e. 
16.  Jahrhudert,  Mitte.  —  f.  17.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig-  477-  Tartarischer  Pfeilköcher,  um  den  Leib  zu  schnallen 
von  Rehleder  mit  Applikationen  von  farbigem  Ziegenleder  und  mit  ver- 
goldeten Beschlägen.    16.  Jahrhundert,  Mitte. 


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400 


II.  Die  AngrifTswaffcn. 


fiederung  ist  in  der  Regel  dreireihig  und  besteht  aus  Vogelfedern 
verschiedener  Arten;  die  Spitzen  sind  äufserst  fein  und  sitzen  häufig 
im  Dorn  auf  dem  Schafte,  der  dann  am  oberen  Ende  fein  geschnürt 
und  zuweilen  mit  äufserst  dünnem  Bast  überklebt  ist.  Einige  Sorten 
besitzen  knapp  unter  der  Spitze  ungemein  feine,  kaum  i  mm.  breite 
Ringe  aus  Metall.  Am  rückwärtigen  Ende  ist  bei  reicher  ausge- 
statteten Pfeilen  ein  kleines  Füfschen  von  Elfenbein  angesetzt,  welches 
am  Ende  einen  kleinen  Ausschnitt  hat,  in  welchen  beim  Spannen 
die  Sehne  eingelegt  wird.  Gemeine  Pfeile  entbehren  zwar  eines 
solchen  Ansatzes  aus  Bein,  sie  besitzen  aber  alle  sorgfältig  gefertigte 
Sehnenausschnitte.    Der  Schwerpunkt  befindet  sich  gewöhnlich  nur 


a.  Fig.  478.  b. 


Fig.  476.  Türkische  Köcher,  a.  Bogenköcher.  —  b.  Pfeil- 
köcher, beide  von  grÜDem  Korduanleder  mit  Stickerei  in  Silber  und 
farbiger  Seide  und  mit  in  kaltem  Email  gezierten  Beschlägen.  Der 
Bogenköcher  ist  über  die  Achsel  zu  hängen,  der  Pfeilköcher  um  den 
Leib  geschnallt  zu  tragen.    16.  Jahrhundert,  Mitte. 

• 

wenige  Centimeter  über  der  Hälfte  gegen  die  Spitze  zu.  Nahezu  jeder 
der  vorhandenen  orientalischen  Pfeile  ist  in  schönen  Mustern  geziert,  die 
zumeist  in  Lackmalerei  mit  Vergoldung  hergestellt  sind;  seltener  finden 
sich  Einlagen,  noch  seltener  Schnitzereien.    (Fig.  476  a  bis  f.) 

Der  Orientale  verwahrte  seinen  Bogen  ebenfalls  in  einem  Köcher; 
man  unterscheidet  demnach  Bogenköcher  (kemändän)  und  Pfeil  - 


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D.  Die  Kernwaffen.    3.  Die  Armrust. 


401 


köcher  (tirkesch).  Diese  Behältnisse  boten  den  orientalischen  Kunst- 
handwerkern reiche  Gelegenheit  zur  stilvollen  Verzierung  der  Aufsen- 
flächen  derselben.  Man  findet  auch  in  Köchern 
des  15.  Jahrhunderts  staunenswerte  Proben  orien- 
talischer Kunst,  besonders  in  Lederarbeit  und 
Stickerei  von  wunderbar  schöner  Zeichnung. 
(Fig.  477  und  478a  undb.)  Köcher  des  ^.Jahr- 
hunderts bezeugen  schon  deutlich  den  Verfall  der 
orientalischen  Kunsttechnik,  die  bei  aller  hübscher 
Zeichnung  das  billigere  Mittel  des  Gold-  oder 
Silberbeschlages  zu  Hilfe  nimmt,  um  eine  ent- 
sprechende Wirkung  zu  erzielen.  In  den  euro- 
päischen Heeren  wurde  der  Bogen  nie  im  Köcher 
geführt.  Bei  Regenwetter  wurde  in  der  Regel 
nur  die  Sehne  in  einer  Tasche  verwahrt.  Die 
Pfeile  jedoch  steckten  in  langen  kegelförmigen 
oder  auch  prismatischen  Behältnissen  von  Holz, 
die  entweder  geschnitzt  oder  mit  Pergament  über- 
zogen und  bemalt  waren  (Fig.  479).  Es  finden 
sich  wie  im  Florentinisclien  auch  zuweilen  flache 
Köcher,  die  mit  den  orientalischen  einige  Ähn- 
lichkeit hatten.    (Fig.  473.) 


i 


i1 


3.   Die  Armrust. 

Das  mechanische  Prinzip,  auf  welchem  die 
Konstruktion  der  Armrust  (franz.  arbalete,  engl, 
cross-bow,  arbalist,  ital.  balestra,  span.  ballesta, 
lat.  arcubalista,  arbalista)  beruht,  leitet  sich  von 
jener  der  Katapulte  der  Alten  ab,  wie  sie 
Vitruv  in  seinem  Werke:  „De  architectura" 
ziemlich  deutlich  beschrieben  hat.  Es  erübrigte 
nur,  das  Prinzip  der  schweren  Belagerungsmaschine 
in  einer  leichten  Handwaffe  zu  verwerten,  und 
das  ist,  wie  neuere  Forschungen  ergeben  haben, 
noch  vor  Ausgang  der  antiken  Periode  gelungen; 
denn  schon  Vegetius  spricht  in  seiner  „Epitome 
institutionum  rei  militaris"  (um  385)  von  der 
„arcubalista"  nicht  als  von  einer  schweren 
Maschine,  sondern  von  einer  Handwaffe  leichter 
Truppen,  wie  von  einem  allgemein  bekannten 

Boeheim,  Waffenkunde. 


Fig.  479- 

Fig-  479-  Köcher 
der  venetianischen 
Bogenschützen,  von 
Holz  geschnitzt  mit  ver- 
goldeten Arabesken  auf 
rotem  Grunde.  16.  Jahr- 
hundert, I.Hälfte.  Kais. 
Waffenmuscum  in  Zars- 
koe-Selo. 

26 


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402 


II.  Die  Angriffswaflen. 


Gegenstande.  In  zwei  Basreliefs  im  Museum  zu  Puy,  welche  zweifel- 
los noch  vor  das  4.  Jahrhundert  zu  setzen  sind,  ist  die  Armrust  in 
ihrer  charakteristischen  Form  deutlich  zu  erkennen.  Das  eine  ist  an 
einer  Halbsäule  (cippe)  gefunden  in  Solignac-sur- Loire,  welches  wir 
in  Fig.  480  nach  Gay  darstellen;*)  das  andere  rindet  sich  auf  dem 

Fragment  eines  Frieses,  aus  den  Trümmern  einer 
Villa  bei  Puy  herrührend. 

Der  deutsche  Name  setzt  sich  aus  den  Worten 
„Arm"  und  „Rüstung"  zusammen  und  bedeutete 
somit  ursprünglich  eine  „Armrüstung".    Mit  dieser 
Bezeichnung    „armrust"    erscheint    sie  schon  im 
12.  Jahrhundert.    Am  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
unterlag  das  Wort  Armrust  einer  neuen  Schreibart, 
die  dem  m  ein  b  anfügte,  wie  u.  a.  bei  räumblich, 
Fig.  480.         Saumb,  Beheimb,  ziemblich;  damit  verwandelte  sich 
Fig  480.  Relief  ^cr  Name  unserer  Waffe  in  „Armbrust".  Nachdem 
auf  einem  Säulen-   diese  unschönen  Silbenansätze  in  unserer  modernen 
schafte,  gefunden  in   Sprache  allenthalben  ausgemerzt  sind ,  findet  sich 
Sohgnac  sur  Loire,   jjg^  Grund,  einen  solchen  vereinzelt  zu  belassen. 

Glo^sanV  ^         ^an  *st  darum  au^  die  ursprüngliche  und  richtige 

Schreibart  wieder  zurückgegangen. 

Vom  5.  bis  ins  10.  Jahrhundert  versiegen  die  Nachrichten  über 
die  Armrust  gänzlich,  so  dafs  es  scheint,  als  sei  dies  in  jener  Periode 
wenn  nicht  vollständig  in  Vergessenheit,  doch  seltener  in  Verwendung 
gekommen.  Und  in  der  That  ei  scheint  sie  erst  wieder  in  einer 
Miniatur  eines  lateinischen  Manuskriptes  aus  der  Zeit  Ludwigs  IV., 
des  Ultramariners,  um  937.  In  der  Miniatur  einer  Bibel  vom  Aus- 
gange des  10.  Jahrhunderts  aus  der  Abtei  von  St.  Germain,  jetzt  in 
der  Nationalbibliothek  zu  Paris,  sehen  wir  zwei  Schützen  zu  Fufs, 
welche  deutlich  gezeichnete  Armrüste  gegen  die  Wälle  von  Tyrus 
abschiefsen.  (Fig.  481.)  Die  gelehrte  Tochter  des  byzantinischen 
Kaisers  Alexius,  Anna  Komnena  (1083 — 1 148),  erwähnt  in  ihrem 
Werke  „Annae  Comnenae  Alexiados  XIX  libri"  bei  der  Beschreibung 
des  1.  Kreuzzuges  einer  neuen  Art  Bogen,  die  sie  „tzagrac"  nennt, 
mit  den  Worten:  „Die  Tzagra  ist  ein  Bogen,  den  wir  nicht  kannten  — " 
Es  scheint  daraus  hervorzugehen,  dafs  die  Armrust,  im  Osten  noch 
unbekannt,  eine  im  weströmischen  Reiche  erfundene  und  nur  in 
Westeuropa  bekannte  und  angewendete  Waffe  gewesen  ist. 

Erst  im  12.  Jahrhundert  fand  die  Armrust  eine  allgemeine  und 
starke  Verbreitung,  vorzüglich  in  England  und  Frankreich;  das  2. 
Konzil  vom  Lateran  1139  verbot  ihren  Gebrauch  als  einen  mörderischen 
unter  Christen  und  gestattete  ihn  nur  gegen  Ungläubige;  desunge- 


*)  Zuerst  besprochen  von  M.  Ayrnard  1831.  Vcrgl.  Gay,  V.,  Glossaire  archco- 
logique  unter  arbalete. 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Arnirust. 


403 


achtet  führten  sie  um  1190  die  Fufstruppen  König  Richards  I. 
von  England,  und  Philipp  August  von  Frankreich  errichtete  um 
dieselbe  Zeit  die  ersten  Armrustschützen-Kompanien  zu  Fufs  und  zu 
Pferd,  was  Veranlassung  gab,  dafs  Innocenz  III.  das  Verbot  des 
Konzils  erneuerte.  Trotz  dieser  strengen  Verbote  kam  die  Waffe 
doch  zu  hoher  Bedeutung;  der  Befehlshaber  der  Armrustschützen 
führte  den  Titel  „Grandmaitre  de  l'arbaleterie"  und  wurde  später 
unter  die  Marschälle  von  Frankreich  eingereiht. 

In  Deutschland  war  die  Arnirust  im  12.  Jahrhundert  häufig  in 
Gebrauch.  Zwei  Zeugen,  fast  aus  der  gleichen  Zeit,  finden  sich  da, 
um  ihr  Bestehen  zu  beweisen:  die  im  Dom  zu  Braunschweig  unter 
Heinrich  dem  Löwen  ausgeführten  Wandmalereien  und  die  Stelle  in 


Fig.  481. 


Fig.  481.  Darstellung  der  Belagerung  von  Tyrus.  Miniatur 
einer  Bibel  vom  Ausgange  des  10.  Jahrhunderts  in  der  Nationalbibliothek 
zu  Paris.    Nach  Louandre,  Les  arts  soraptuaires. 

der  „Eneit"  des  Heinrich  von  Veldeke,  worin  sie  zuerst  „Arni- 
rust" genannt  wird. 

In  der  deutschen  Ritterschaft  war  die  Armrust  vom  Anbeginne 
als  eine  heimtückische,  somit  unritterliche  Waffe  angesehen  und  ver- 
schmäht; nur  das  Bürgertum  in  den  Städten  bediente  sich  ihrer 
mit  Vorliebe  in  der  Absicht,  die  Kraftverhältnisse  gegenüber  dem 
Landadel  auszugleichen.  In  den  deutschen  und  niederländischen 
Städten,  vornehmlich  in  jenen  der  Hansa,  bildeten  sich  frühzeitig 
sogenannte  Schützengilden  unter  dem  Schutze  des  heiligen  Sebastian, 
des  heiligen  Moriz  und  anderer  Patrone.  Schon  im  13.  Jahrhundert 
wird  die  Armrust  allgemeine  Jagdwaffe  wie  früher  die  Schleuder  und 
der  Bogen;  und  sie  behält  als  solche  ihre  Beliebtheit  noch  lange,  als 

26* 


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Fig.  482. 


Fig.  483. 


Fig.  482.  Jagdarmrust  Ludwigs  XII.  von  Frankreich  mit 
geätztem  und  vergoldetem  Stahlbogen.  An  der  Säule  von  Ahornholz 
finden  sich  ornamentale  Einlagen  im  Bein,  die  gemalten  Wappen  von 
Frankreich  und  Mailand,  ferner  in  Rcliefcinlagen  der  Orden  des  Stachel- 
schweins (porc-£pic)  und  die  heraldische  Figur  aus  dem  Wappen  der 
Anna  von  Bretagne,  das  Hermelinschwänzchen,  in  einem  Herz, 
weiters  das  Zeichen  der  Witwenschaft,  die  cordeliere.  Die  Nufs  ist 
freischwebend,  die  Sehne  ist  abgängig.    Französisch.    Um  1490. 

Fig.  483.  Ansicht  der  Verankerung  des  Bogens  und  der 
Abzugvorrichtung  an  der  Armrust  Ludwigs  XII.  Fig.  482  in  geome- 
trischer Darstellung. 


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D.  Die  Fern waffen.    3.  Die  Armrust. 


40b 


das  Feuergewehr  schon  langst  einen  hohen  Grad  von  Ausbildung 
erhalten  hatte,  zunächst  aus  der  Ursache,  weil  sie  beim  Abzüge  das 
Wild  nicht  verscheuchte  und  keinen  Rauch  erzeugte.  Und  dennoch 
war  die  Armrust  gegen  den  Bogen  nur  bedingungsweise  von  Vorteil. 
Die  Schnellkraft  war  zwar  weit  bedeutender,  die  Trefllähigkeit  gröfser, 
aber  der  gewandte  Bogenschütze  war  im  stände,  im  Zeiträume  einer 
Minute  sieben  Pfeile  zu  verschiefsen,  während  der  beste  Armrust- 
schütze  in  derselben  Zeit  nur  zwei  Bolzen  von  der  Rinne  zu  bringen 
im  stände  war. 

Im  14.  Jahrhundert  ist  der  Armrustschütze  der  unzertrennliche 
Gefährte  des  Pavesenträgers,  ja  ersterer  selbst  wird  in  Frankreich 
mit  einer  leichten  Pavese  ausgerüstet  Als  die  Plattenharnische  in 
Aufnahme  kamen,  lehnte  der  Armrustschütze  das  ungefüge  neue 
Waffenkleid  ab,  das  ihn  in  der  Handhabung  der  Waffe  nur  hinderte; 
dafür  erhielt  er  in  Deutschland  den  mit  Eisenscheibchen  besetzten 
Lederkoller,  in  Frankreich  und  Italien  aber  den  Korazin,  oder  die 
Brigantine  de  demi-epreuve.  Die  Fertigung  der  Armrüste  hat  ihre 
höchste  Ausbildung  im  15.  und  16.  Jahrhundert  in  Spanien,  den 
Niederlanden  und  in  Deutschland  gefunden.  Die  besten  Stahlbogen 
wurden  aus  Italien  bezogen,  die  feinsten  und  dauerhaftesten  Sehnen 
kamen  aus  Antwerpen.  Die  gewandtesten  Armrustschützen  waren  im 
14.  und  15.  Jahrhundert  die  Genuesen.  Ein  Schütze  von  selben 
führte  nur  12  Bolzen,  von  denen  bis  200  Schritte  keiner  sein  Ziel 
verfehlen  durfte. 

Die  Armrust  besteht  aus  der  Säule,  urbner,  dem  Bogen,  arc, 
der  Sehne,  corde,  und  der  Spann-  und  Abzugsvorrichtung. 

Man  unterscheidet  ihren  Dimensionen  nach  Standarmrüste 
und  Handarmrüste,  erstere  halten  die  Mitte  zwischen  der  Belagerungs- 
maschine und  der  Handwaffe. 

Nach  der  Art  des  Spannens  unterscheidet  man  die  Armrust  für 
Handspannung,  arbalete  ä  main,  die  Flaschenzugarmrust,  arbalete 
ä  tour  oder  a  moufle,  die  Windenarmrust,  arbalete  ä  cric  oder  ä 
cranequin,  endlich  die  Geifsfufsarmrust,  arbalete  a  pied-de-biche. 

Nach  der  Art  der  Geschosse  benennen  wir  jene,  welche  Bolzen, 
(quarels,  viretons)  schiefsen,  schlechtweg  Arm  rüste,  wenn  sie  stählerne 
Bogen  besitzen,  auch  Stahle,  Stahel,  jene,  welche  metallene,  steinerne 
oder,  wie  auf  der  Jagd,  auch  Lehmkugeln  schiefsen,  Ball  äster;  von 
diesen  unterscheidet  sich  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  noch  eine 
leichtere  Gattung,  die  Schnepper. 

Das  Material  für  den  Bogen  ist  Holz,  das  aber  seiner  geringen 
Federkraft  wegen  nur  bei  gemeinen  Waffen  in  Gebrauch  kam,  Stahl 
und  Horn.  Stählerne  Bogen  hatten  ungeachtet  der  grüfsten  Schnell- 
kraft doch  den  Nachteil,  dafs  sie  bei  grofser  Kälte  leicht  entzwei- 
brachen; man  bediente  sich  daher,  namentlich  im  Winter,  mit  Vor- 
liebe der  Bogen  aus  mehrfachen  Lagen  von  Ochsenhorn,  welche  mit 


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406 


II.  Die  Angriffswaflen. 


feinem  Bast  belegt  und  mit  Pergament  überzogen  wurden,  um  den 
schädlichen  Einflute  der  Witterung  auf  die  Schnellkraft  des  Bogens 
hintanzuhalten. 

Die  sichere  Verbindung  des  Bogens  mit  der  Säule,  eine  wesent- 
liche Bedingung  für  den  Gebrauch  der  Armrust,  erfolgte  ursprünglich 
mitteist  Tauwerk  oder  Lederriemen,  welche  in  dichter  Schnürung  nicht 
nur  Säule  und  Bogen  umfafsten,  sondern  noch  einen  ringförmigen 
eisernen  Bügel  festhielten,  welcher,  wie  wir  sogleich  sehen  werden,  in 
älterer  Zeit  zum  Spannen  der  Armrust  nötig  war,  später  nur  einen 
Ziergegenstand  bildete.  Am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  erscheinen 
in  Spanien  und  Italien  zuerst  die  sogenannten  Verankerungen, 
welche  in  zwei  an  der  Seite  der  Säule  befestigten  eisernen  Schienen 
bestanden,  welche  oberhalb  viereckig  gelocht  waren.  Durch  diese 
Öffnungen  wurde  der  Bogen  eingeschoben  und  mittelst  Keilen  be- 
festigt. Bei  Jagdarmrüsten  mit  schwachen  Bogen  laufen  letztere  zu- 
weilen auch  durch  eine  Öffnung  in  der  Säule. 

Zunächst  an  der  Verankerung  an  der  unteren  Seite  der  Säule 
ist  zuweilen  ein  eiserner  Haken  angeschraubt,  welcher  dazu  diente,  die 
Armrust  beim  Nichtgebrauche  an  dem  Gürtel  oder  am  Sattel 
hängend  zu  tragen.  (Fig.  483  G.)  In  der  Seitenansicht  steht  der 
Bogen  immer  derart  schief  zur  Säule,  dafs  die  auf  den  Querschnitt 
D  (Fig.  483)  geführte  Kapitallinie  N  L  genau  die  Sehnenlage  der 
Nufs  trifft.  An  dem  von  uns  gewählten  Beispiele  sind  die  beiden  Schienen- 
fortsätzc  B  rückwärts  in  E  nicht  an  die  Säule  geschraubt,  sondern  es 
wurde  gerade  dieser  Punkt  zu  der  Verkeilung  benutzt,  durch  welche 
der  Bogen  mit  der  Säule  verbunden  ist  An  anderen  Exemplaren 
erscheint  diese  oberhalb  in  C.  . 

Stahlbogen,  welche  selbst  bei  geringer  Dicke  eine  verhältnis- 
mäßig grofse  Schnellkraft  besitzen,  bedurften  keiner  bedeutenden  Auf- 
zugdimension; anders  war  es  bei  Holz-  oder  Hombogen,  da  mufste 
die  Spannkraft  bis  auf  das  möglichste  ausgenutzt  werden.  Solche 
Bogen  sind  auch  derart  gebildet,  dafs  sie,  ehe  noch  die  Sehne  an 
ihnen  befestigt  wird,  eine  gegen  die  Säule  zu  konvexe  Richtung  haben. 
(Fig.  484.)  Wird  die  Sehne  angelegt,  dann  ist  der  Bogen  eigentlich 
zur  guten  Hälfte  schon  gespannt.  Die  Aufzugdimension  ist  somit 
eine  doppelte,  von  der  konvexen  Stellung  in  die  gerade  und  von  da 
in  die  konkave.  Die  Sehnen  leiden  daher  bei  Holzbogen  ungleich  mehr. 

Die  weitgehendsten  Veränderungen  von  der  einfachsten  Art  bis 
zur  sinnreichsten  hat  die  Abzugsvorrichtung  erfahren,  wiewohl  sich 
nahezu  alle  auf  das  ursprüngliche  System  zurückführen  lassen. 

Die  älteste  Vorrichtung  beschreiben  wir  in  folgendem:  Genau 
auf  dem  Punkte  der  Aufzugshöhe  wurde  ein  Scheibchen  aus  Bein 
oder  Hirschhorn  an  der  oberen  Fläche  der  Säule  derart  eingelassen, 
dafs  dasselbe  etwas  hervorragte  und  in  der  Einkerbung  sich  nur  in 
der  Richtung  der  Rundung  bewegen  konnte.    Diese  Scheibe,  Nufs, 


D.  Die  FcrnwaflTen.    3.  Die  Armnist. 


407 


noix,  H  (Fig.  483)  genannt,  besafs  an  der  einen  Seite  einen  Aus- 
schnitt für  die  Sehne,  an  der  entgegengesetzten  eine  Einkerbung, 
„Rast",  in  welche  der  Abzugbügel  eingriff.  Bei  alteren  Armrüsten, 
wie  bei  unserem  Exemplare,  hatte  die  Nufs  keine  Wellenführung, 


Fig.  484. 


Fig.  484.  Schwere  Standarmrust  mit  Hornbogen  und  Spann- 
vorrichtung für  eine  deutsche  Winde.  Die  I.IO  m.  lange  Säule  besitzt 
eine  einfache  Ahzugs Vorrichtung,  die  Nufs  läuft  im  Faden  (a).  Der  I  m. 
lange  Hornbogen  ist  mit  Pergament  überzogen  und  bemalt.  Am  Unter- 
teile zeigt  sich  das  Wappen  des  steirischen  Ritters  Andreas  Baum- 
kircher  (enthauptet  1471).    Um  1450. 


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4  OH 


II.  Die  AngrirTswaffen. 


Fig.  485. 

Fig.  485.  Spanische  Armrust  mit  geätztem  und  vergoldetem 
Stahlbogen  des  Kaisers  Maximilian  I.  Die  rot  lackierte  Säule  ist 
mit  den  Sinnsprüchen  des  Kaisers  in  Goldlettern  geziert.  Die  Nufs  ist 
freischwebend,  der  Aufzug  erfolgt  mit  deutscher  Winde.  Der  Abzug 
ist  mittelst  eines  Hebels  (c)  zu  sperren.    Um  1500. 


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D.  Die  Fernwafien.    3.  Die  Armrust. 


409 


man  bezeichnet  sie  dann  als  „frei schwebend".  Um  die  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts  erhalt  sie  eine  Art  Führung,  so  dafs  sie  um  eine 
Schnürung  aus  Bindfaden  sich  bewegte.  (Fig.  484  a.)  Man  erkennt 
dieselbe  auf  den  ersten  Blick,  weil  diese  Schnürung  aufserhalb  um 
die  Säule  läuft.  In  diesem  Falle  bezeichnet 
man  die  Nufs  als  „im  Faden  laufend". 

Der  Abzug  geschieht  mittels  eines 
langen  Bügels  R,  welcher  einen  zwei- 
armigen Hebel  darstellt,  der  in  M  um  eine 
Welle  sich  bewegt;  der  kürzere  Arm  greift 
in  die  Nufsrast,  eine  Feder  S  drückt  auf 
den  längeren  Hebelsarm,  um  denselben  in 
der  gespannten  Lage  zu  erhalten.  Bei 
älteren  Armrüsten  fehlt  diese  Feder,  der 
Schütze  mufste  daher  beim  Spannen  die 
Nufs  in  den  Bügel  vorher  einstellen,  die 
Rast  war  in  diesem  Falle  zur  Sicherung 
vor  einem  vorzeitigen  Abgehen  (Lassen) 
tiefer  eingekerbt 

Eine  weitere  Verbesserung  am  Abzüge 
datiert  aus  der  Zeit  Kaiser  Maximilians  L 
um  1500,  der,  wie  wir  aus  dem  Theuer- 
dank  (p.  44)  wissen,  durch  das  unver- 
mutete „Lassen"  eines  gespannten  Stahles 
in  Gefahr  kam.  Sie  besteht  in  einem  Sperr- 
hebel c  (Fig.  485),  welcher  den  Abzugbügel 
so  lange  festhält,  bis  dieser  gebraucht  wird, 
in  welchem  Falle  der  Sperrhebel  einfach 
im  Scharnier  nach  aufwärts  geschlagen  wird. 

Nach  erfolgtem  Spannen  wurde  der 
„Bolzen",  (in  alten  Inventaren  auch  „Haus- 
pfeil" genannt),  knapp  vor  der  Nufs  auf- 
gelegt. An  vielen  Armrüsten,  besonders 
nichtdeutschen,  war  zu  diesem  Zwecke 
an  der  oberen  Fläche  der  Säule  eine 
Rinne  vorhanden,  in  welche  der  Bolzen 
gelegt  wurde.  Deutsche  Armrüste  besitzen 
gewöhnlich  keine  Rinne,  sondern  zeigen 
am  Bolzenlager  einen  glatten,  ebenen  Bein- 
belag. Der  Bolzen  wurde  in  diesem  Falle 
von  einem  „Bolzenklemmer"  aus  Horn  gehalten,  der  etwas  rück- 
wärts von  der  Nufs  angeschraubt  war.*)    Damit  der  Klemmer  beim 


Fig.  486. 

Fig.  4S6.  Ansicht  eines 
aufgelegten  Bolzens  mit 
Anwendung  des  Klemmer». 


•)  Diese  Bolzenklemmer  fehlen  an  den  meisten  in  den  Museen  bewahrten 
Armrüsten,  doch  ist  an  allen  der  Punkt  leicht  zu  erkennen,  wo  dieselben  befestigt 


4 

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410 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Spannen  nicht  hinderlich  werde,  wurde  er  nach  der  linken  Seite  ge- 
dreht.   (Fig.  486  c.) 

Indem  wir  uns  dahin  wenden,  die  verschiedenen  Spannvor- 
richtungen möglichst  unter  Zugrundelegung  von  Beispielen  an  noch 
vorhandenen  Originalen  zu  beschreiben,  bemerken  wir,  dafs  alle  in 
den  Sammlungen  noch  bewahrten  Armrüste  einer  Zeit  entstammen, 
in  der  die  Schleuder-  und  Schnellwaffen  durch  die  erhöhte  Wirkung 
der  Feuerwaffen  bereits  in  den  Hintergrund  gedrängt  waren;  die 
ältesten  Armrüste  reichen  nur  bis  in  die  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts 
hinan. 

Bis  ins  12.  Jahrhundert  spannten  die  Armrustschützen  ihre  Bogen 
noch  ohne  mechanische  Hilfsmittel  mit  den  beiden  Händen.  Auf 
diese  Kraft  mutete  die  Stärke  derselben  eingerichtet  werden.  Dieser 
einfachsten  Art  folgte  im  14.  Jahrhundert  eine  nur  wenig  kom- 
pliziertere mittels  des  Spann hakens,  (crochet);  sie  erhielt  sich 
bis  an  den  Beginn  des  15.  Jahrhunderts.    Dieser  Spannhaken,  am 

abgebogenen  Ende  in  zwei  Arme  sich  spaltend,  war 

Van  einem  breiten,  starken  Riemen  befestigt,  welchen 
v       der  Schütze  um  die  Lenden  geschnallt  trug,  so  dafs 
er  vorne  herabhing.  Zum  Spannen  wurde  die  Ann- 
rust  verkehrt  und  mit  der  oberen  Seite  gegen  den 
Schützen  gewendet  auf  den  Boden  gestellt,  der 
Schütze  trat  mit  einem  Fufse  in  den  bügeiförmigen 
Ring,  etrier,  legte  den  Haken  in  die  Sehne  ein 
und  spannte  diese  in  der  Weise,  dafs  er  mit  der 
vollen  Kraft  seines  Körpers  sich  aus  der  gebückten 
lg"  4  7"        Stellung  aufrichtete,  bis  die  Sehne  in  die  Nufs  ein- 
Fig. 487.  Spann-  klappte;  dabei  mufste  er  den  Abzugbügel  nach  vor- 
haken vom  Ende  wärts  drücken,  damit  der  Fortsatz  in  die  Rast  zu 

maliXtsa^m1lanEhtu  Hegen  kam*  EÜ1  solcher  Spannhaken  hatte  sich 
PkrSfoiids1"  "Jfach  nocn  ^  der  ehemaligen  Sammlung  von  Pierrefonds 
Viollet-lc-Duc.  erhalten  und  dürfte  gegenwärtig  im  Musee  d' Artil- 
lerie zu  Paris  zu  finden  sein.    (Fig.  487.) 

Diese  Art  des  Spannens  war  allerdings  weit  vorteilhafter,  als 
jene  mit  den  blofsen  Händen.  Der  Schütze  konnte  von  den  Lenden 
aus  eine  bedeutendere  Last  nach  aufwärts  ziehen.  Damit  konnte  der 
Bogen  entsprechend  stärker  und  kräftiger  gemacht  werden,  was  gleich- 
bedeutend War  mit  dem  Erreichen  einer  gröfseren  Tragfähigkeit 

Aber  die  stetig  zunehmende  Bedeutung  der  Femwaffe  drängte 
nach  fortwährender  Vergröfserung  ihrer  Wirkung;  man  sah  sich  ge- 
nötigt, die  Bogen  kräftiger  zu  machen,  um  ihre  Spannkraft  aufs  höchste 
auszunutzen;  da  reichte  die  Körperkraft  allein  zu  ihrer  Handhabung 
nicht  mehr  hin,  man  mufste  daher  mechanische  Mittel  zu  Hilfe  nehmen, 
um  die  Kraft  zu  erhöhen. 

Eines  der  ältesten  dieser  Mittel  zum  Spannen  der  Armrustbogen 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Armrust.  411 

ist  die  Winde;  man  nannte  sie  die  englische.  Damit  ist  das  Land 
ihrer  ersten  Verwendung   für  diesen  Zweck  bezeichnet.    Die  eng- 


Fig.  48S. 

Fig.  48S.  Die  in  Fig.  482  dargestellte  Armrust  mit  angelegter 
englischer  Winde.  Die  Eisenteile  der  letzteren  sind  vergoldet,  die 
Beseilung  ist  original. 


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412 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Ii  sehe  Winde  (Fig.  488)  ist  eigentlich  nichts  anderes  als  ein  ge- 
wöhnlicher Flaschenzug  mit  zwei,  seltener  drei  Radern  (Rollen);  da- 
durch erzielte  man  die  doppelte,  beziehungsweise  dreifache  Leistungs- 
fähigkeit. Die  Anwendung  des  Mechanismus  auf  die  Armrust  ist,  wie 
wir  an  dem  Beispiele  einer  zweirädrigen  Winde  (Fig.  489)  ersehen. 


Fig.  489.  Fig.  490.  Fig.  491. 


Fig.  489.  Mechanismus  der  in  Fig.  488  dargestellten" englischen 
Winde  in  geometrischer  Larstellung. 

Fig.  490.  Eiserne  Armrustwind  c,  sogenannte  „deutsche 
Winde"  für  die  Jagd  mit  eisernem  Windenbügcl  (Windfaden).  Um 
1560. 

Fig.  491.  Mechanismus  einer  deutschen  Winde,  zu  einer 
Armrust  aus  dem  Besitze  des  Erzherzogs  Karl  von  Steiermark  ge- 
hörig.   Bezeichnet  1 563. 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Armrust. 


413 


eine  einfache.  Die  beiden  oberen  Radgehäuse  B  besitzen  oberhalb 
Spannhaken,  an  dem  unteren  Fortsat»  in  C  ist  die  Leine  befestigt. 
Das  untere  Radgehäuse  steht  mit  einer  Hülse  D  in  Verbindung,  in 
welche  beim  Gebrauche  das  Ende  der  Säule  eingelassen  wird;  an 
ihren  beiden  Seiten  laufen  die  Räder  G.  Der  Aufzug  erfolgt  mittels 
der  Welle  F  und  zweier  Kurbeln  KK'.  Ein  Haken  I  dient  dazu,  die 
Winde  beim  Nichtgebrauche  auf  dem  Marsche  etc.  an  den  Gürtel 
zu  hängen.   (Fig.  488  und  489.) 

Deutsche  Armrüste  mit  Stahl-  oder  Horn  bogen  wurden  schon 
am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  mit  der  sogenannten  „deutschen 
Winde"  (Fig.  490)  gespannt,  und  diese  Art  erschien  so  einfach  und 
praktisch,  dafs  sie  gegen  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  auch  aufser- 
halb  des  römischen  Reiches  Eingang  fand.  Mit  der  deutschen  Winde 
ausgerüstete  Armrustschützen  nannte  man  in  Frankreich  cranequi- 
nieurs. 

Der  Mechanismus  einer  Zahnstangenwinde  ist  äufserst  einfach: 
Um  eine  Welle  A  (Fig.  491)  läuft  ein  Drilling,  dessen  Triebstöcke 
C  in  die  Zahnstange  eingreifen.  Mit  der  Welle  bewegt  sich  ein  Zahn- 
rad, in  welches  eine  Schraube  ohne  Ende  D  eingreift,  die  mit  der 
Kurbel  H  in  Verbindung  steht*)  Die  Zahnstange  besitzt  oberhalb 
eine  Krappe,  um  die  Sehne  zu  erfassen;  unterhalb  in  M  ist  gemeinig- 
lich ein  Haken  angebracht,  um  die  Winde  an  den  Gürtel  hängen 
zu  können.  Der  Haken  fehlt  an  unserem  Exemplare,  wurde  aber  in 
der  Zeichnung  hinzugefügt.  Der  Radmechanismus  ist  von  einem  Ge- 
häuse eingeschlossen,  das  rückwärts  einen  Bügel  L  besitzt,  in  welchen 
ein  aus  starken  Hanfschnüren  gefertigter  Ring  „Wind faden"  einge- 
schlungen wurde. 

Zum  Spannen  der  Armrust  wurde  der  Windfaden  von  rückwärts 
über  die  Säule  bis  an  den  Knebel  vorgeschoben,  welcher  den  Wider- 
halt bildete;  sodann  wurden  die  Krappen  der  Zahnstange  in  die 
Sehne  eingelegt  und  die  Winde  mit  der  Kurbel  aufgezogen.*)  (Fig.  492.) 

Zwischen  1550  und  1560  treten  von  Nürnberg  und  Augsburg 
aus  die  ersten  Armrüste  mit  Stechermechanismen  auf,  welche  nament- 
lich für  das  Zielschiefsen  und  selbst  für  die  Jagd  sich  überaus  vor- 
teilhaft erwiesen.  Diese  deutschen  Stahle  mit  Stecher  fanden  so 
allgemeinen  Beifall,  dals  sie  in  grofser  Anzahl  in  alle  Länder  ausge- 
führt wurden.  Daher  fehlen  Armrüste  mit  solch  feineren  Abzug- 
mechanismen in  keiner  grösseren  Waffensammlung. 


•)  Häufig  greift  der  Triebstock  in  das  Zahnrad  und  dieses  erst  in  die  Zahn- 
stange; dann  liegt  das  Gehäuse  beim  Spannen  oberhalb  der  Armrust,  während  es 
bei  der  oben  beschriebenen  an  der  rechten  Seite  der  Säule  zu  stehen  kommt,  die 
Kurbel  aber  in  der  gleichen  Richtung  sich  bewegt. 

*)  In  der  Waffensammlung  des  kaiserlichen  Hauses  in  Wien  wird  auch  eine 
Balläster  bewahrt,  bei  welcher  die  Zahnstange  in  der  Säule  eingelassen  ist  und 
der  Mechanismus  mittels  eines  Schlüssels  aufgezogen  wird. 


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414 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Äufserlich  ist  eine  solche  Armrust  zunächst  an  dem  weit  stärkeren 
Querschnitte  der  Säule  erkennbar.  Gerade  unterhalb  der  Nufs  findet 
sich  eine  Bohrung,  in  schiefer  Richtung  nach  abwärts  laufend,  dahinter 
ist  ein  eingesetztes  flaches  Eisenstück  merkbar,  welches  mit  einem 


Fig.  492. 


Fig.  492.  Jagdartnrust,  sogenannter  „Pürschstahel",  mit  eingelegter 
und  zum  Spannen  bereiter  Winde.  Der  obere  Zapfen  läfst  erkennen, 
dafs  die  Armrust  auch  für  eine  Gaisfufsspannung  eingerichtet  ist.  Mit 
einigen  Verbesserungen  nach  Delaunay.    Les  archers. 


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D.  Die  Fernwaflen.    3.   Die  Armrust. 


415 


Schieber  festzustellen  ist  An  der  oberen  Seite,  etwas  hinter  der 
Nufs,  erblickt  man  eine  zweite  Bohrung,  welche  aber  senkrecht  nach 
abwärts  läuft  Der  einer  Abzugstange  ähnliche  Bügel  hat  hier  keinen 
weiteren  Zweck,  als  jenen  einer  Handhabe  und  des  Schutzes  des 
Stechers,  der  in  einem  Scharniere  laufend,  auch  umgelegt  werden 
kann. 


Fig.  493- 

Fig.  493.    Stech  mechanismus  von  einer  Jagdarmrust  von  ca. 
1560  im  Durchschnitt. 

Wir  bringen  hier  die  geometrische  Zeichnung  eines  solchen  Stech- 
schlosses in  Fig.  493,  welche  sich  teilweise  selbst  erklärt.  Zum  Aufzu- 
ziehen desselben  wurde  mittels  eines  kleinen  Bolzens  in  X  der  Hebel  B 
in  den  Zahn  des  Hebels  L  gedrückt,  sodann  der  Reiber  p  vorgedreht 


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D.   Die  Fernwaffen.    3.   Die  Armrust. 


417 


Nun  erfolgte  das  Spannen  der  Armrust  mit  der  deutschen  Winde. 
War  die  Sehne  K  in  der  Nufs,  dann  wurde  der  Bolzen  in  R  hinein- 
gesteckt und  die  Stange  D  in  den  Züngelarm  E  hineingedrückt;  damit 
war,  wenn  der  Reibcr  p  wieder  weggeschoben  wurde,  der  Stecher 
.  zum  Abzug  bereit. 

Schon  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  und  selbst  noch  früher 
findet  man  die  deutschen  Armrüste  an  den  Abzugstangen  und  nächst 
der  Verankerung  mit  Stoffen  überzogen  und  mit  Fransen  besetzt. 
Gegen  das  1 7.  Jahrhundert  hin  werden  auch  die  Bogen  mit  kurzen 
Seiden-  und  Goldquasten  geziert;  man  benannte  eine  derartige  Aus- 
stattung in  Deutschland  den  „Aufputz". 

Für  Armrüste  mit  Bogen  von  geringerer  Kraft*)  war  der  Geifs- 
fufs  immer  die  einfachste  und  damit  angemessenste  Spannmaschine. 
Er  stellt  eigentlich  nichts  anderes  als  einen  einarmigen  Hebel  dar. 
Der  Stützpunkt  desselben  ist  (Fig.  494)  in  dem  Knebel  E,  der  hier 
bedeutend  näher  an  der  Nufs  sich  befindet  als  bei  der  Windenann- 
rust.  Der  Aufzug  erfolgte  von  den  in  Scharnieren  beweglichen 
Krappen  C  D  aus  durch  den  Ann  A,  an  dessen  oberem  Ende  ein 
beweglicher  Haken  sich  befand,  an  welchem  der  Geifsfufs  im  Gürtel 
getragen  werden  konnte. 

Dieses  System  des  Geifsfufses  führte,  besonders  bei  Bailästern 
mit  welchen  keine  Bolzen,  sondern  Kugeln  geschossen  wurden, 
schon  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  zu  der  Einrichtung  der 
„Säulenhebel"  (arbalete  ä  jalet),  welche  mit  der  Säule  in  Ver- 
bindung einen  Bestandteil  derselben  bildete.  (Fig.  495  )  Es  gibt 
unterschiedliche  Formen  von  derlei  Säulenhebeln,  in  besonderer  Rück- 
sicht darauf,  ob  der  Spannapparat  ober-  oder  unterhalb  der  Säule 
liegt.  Wir  beschreiben  hier  die  charakteristischsten  Konstruktionen, 
nach  denen  Varianten  sich  leicht  richtig  beurteilen  lassen. 

Spanische  Bailästern  besitzen  eine  sehr  sinnreich  konstruierte 
Spann-  und  Abzugvorrichtung.  Sie  besteht  in  einem  langen  Hebel- 
arme A  (Fig.  496),  welcher  in  die  Säule  eingelassen  ist  und  rück- 
wärts in  D  gesperrt  werden  kann.  An  der  Welle  e  ist  das  Ende 
des  Armes  mit  Zähnen  versehen,  in  welche  ein  Sperrhebel  g  greift, 
um  ein  Zurückschlagen  des  Armes  beim  Spannen  zu  verhindern. 

Der  bewegliche  Arm  B,  welcher  beim  Aufheben  des  Armes  A 
sich  vorschiebt  und  die  Sehne  selbstthätig  ergreift,  enthält  auch  die 


*)  Für  Armrilste  von  schwächeren  Bogen  kam  auch  eine  Spannmaschine  in 
Anwendung,  welche  in  einer  kleinen  Welle  bestand,  über  welche  ein  Riemen  ge- 
wunden war,  an  dessen  Ende  eine  eiserne  Krappe  sich  befand  Diese  Welle  mit 
Zahnrad  und  Sperrhaken  wurde  mittels  eines  Schlüssels  gedreht.  Die  Leistung 
einer  solchen  Vorrichtung  kann  nur  sehr  gering  gewesen  sein,  weshalb  wir  ihrer 
nur  nebenher  gedenken.  Eine  solche  Spannmaschine  an  einer  Armrust  ist,  wie 
V.  Gay  in  seinem  Glossaire  bemerkt,  in  einem  Manuskripte  der  Bibliothek  zu 
Besancon  von  1400  dargestellt. 

Bocheim,  Waffenkunde.  27 


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Fig.  495-  F'g-  496- 

Fig.  495.  Spanische  Ballästcr  mit  geätztem  und  vergoldetem 
Bogen  und  derlei  Montierung  aus  dem  Besitze  des  Kaisers  Maxi- 
milian I.  Die  Säule  ist  hellrot  lackiert,  mit  Ornamenten  in  Maler- 
gold und  dem  burgundischen  Wappen  geziert.  Der  Säulenhebel  mit 
dem  Absehen  (Stuhl)  ist  halb  aufgezogen.  Arbeit  ganz  ähnlich  jener 
des  Pueblas  in  Madrid.    Um  15 10. 

Fig.  496.  Ansicht  des  Spann-  und  Abzugorganismus  der 
in  Fig.  495  dargestellten  Ballästcr  in  geometrischer  Projektion. 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Armrust. 


419 


Nufs  d,  welche  beim  Niederlegen  des  Hebels  die  Sehne  anspannt. 
Der  Abzug  erfolgt  mit  der  linken  Hand  durch  einen  Druck  des 
Daumens  auf  den  Hebel  b. 

In  dieser  in  Fig.  495  vor  Augen  liegenden  Waffe  erblicken 
wir  eine  der  ältesten  Bailästerformen  mit  deren  Einrichtungen.  Die 
Balläster  diente  nicht  für  den  direkten  Schufs,  sondern  für  den  wenn 
auch  sehr  flachen  Bogenschufs;  diesem  Zwecke  entsprechend  war 
auch  die  Zielvorrichtung  eingerichtet.  Sie  besteht  aus  einem  beweg- 
lichen, oben  eingekerbten  Aufsatze,  „Stuhl"  genannt  (C),  knapp  hinter 
der  Nufs,  ferner  aus  einer  vorne  am  Bogen  befindlichen  Zielgabel, 
„Schiff'1,  d.  Beide  Säulchen  der  letzteren  waren  oberhalb  durch 
einen  Faden  oder  auch  eine  dünne  Drahtspange  verbunden,  in  deren 
Mitte  eine  kleine  schwarze  Kugel  befestigt  war,  welche  als  Kom  diente. 
Diese  Einrichtung  fehlt  an  unserem  Exemplare,  ebenso  die  Sehne,  die 
aus  awei  getrennten  Strängen  bestand,  welche  nur  zunächst  den  Bogen 
enden  verbunden,  sonst  aber  durch  zwei  Stäbchen  aus  Elfenbein  aus- 
einandergehalten (gespannelt)  wurden.  Der  Teil,  welcher  von  der 
Nufs  aufgenommen  wurde,  bildete  eine  Art  Sack,  in  welchen  die 
Kugel  zwischen  Schnüren  leicht  eingeklemmt  wurde.    (Fig.  497.) 

Der  Schufs  oder  Wurf  aus  einer  Balläster  war  unsicher,  dennoch 
erhielt  sich  dieselbe  lediglich  als  Jagdwaffe  das  ganze  1 6.  Jahrhundert 
in  stets  gleicher  Beliebtheit,  weil  sie  viele  Geschicklichkeit  im  Ab- 
schätzen der  Distanzen  erforderte.  Wir  finden  sie  in  Jost  Amans 
Abbildungen  zu  den  „Adeligen  Weydwerken"  1582  häufig  gezeichnet. 

Die  hervorragende  Stellung,  welche  sich  die  Spanier  im  1 5.  Jahr- 
hundert in  der  Fertigung  von  Armrüsten  und  Bailästern  errungen 
hatten,  überdauerte  noch  einige  Jahrzehnte  das  Ende  der  maurischen 
Herrschaft.  Noch  Ferdinand  I.  liefs  seine  Armrüste  1523  in  Sara- 
gossa und  Barbastro  fertigen. 

Wesentliche  Abweichungen  in  der  Form  und  mechanischen  Kon- 
struktion gegenüber  den  spanischen  weisen  die  „italienischen  Bailästern" 
auf,  welche  man  zum  Unterschiede  von  ersteren  „Schnepper"  be- 
nennt. (Fig.  498.)  Sie  werden  entweder  mit  der  Hand  allein  oder 
mit  Hülfe  einer  eisernen  Krappe  (Fig.  499)  gespannt,  welche  zwei 
Haken  und  dahinter  einen  langen  Bügel  oder  seitliche  Handgriffe 
besitzt,  in  welche  man  mit  beiden  Händen  eingreifen  konnte.  Die 
Abzugvorrichtung  ist  unter  allen  die  einfachste.  Die  ältesten  der- 
artigen Schnepper  treten  um  1550  auf. 

Die  bedeutendste  Änderung,  in  der  sich  der  italienische  Schnepper 
von  anderen  unterscheidet,  ist  durch  die  krumme  Form  der  Säule 
zwischen  Nufs  und  Bogen  zu  erblicken,  zweifelsohne  dazu  dienend,  die 
Linke  vor  dem  Schnellen  der  Sehne  zu  schützen.  Der  Querschnitt  der 
Säule  ist  gering  und  wird  gegen  das  Ende  zu  noch  geringer,  wo  sie 
mit  einem  gedrehten  Kopf  abschliefst.  Der  Abzugmechanismus  be- 
steht in  zwei  Hebeln;  der  vordere,  ein  zweiarmiger,  an  welchem  der 

27* 


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Fig.  497.  Ballästcr  mit  in  der  Säule  eingelassenem  Spann- 
mechanismus, der  in  einer  Zahnstange  besteht,  die  mittelst  einer  Kurbel 
am  Kolben  bewegt  wird.  Das  Objekt  besitzt  die  vollständige  Be- 
nennung, zweiteilig,  gespannelt  und  mit  Kugelsack.  Die  vordere  Ziel- 
gabcl  (Schiff)  ist  verbogen.    Um  15S0. 

Fig.  498.  Italienischer  Schnepper  für  die  Vogeljagd.  Die 
Eisenteile  sind  poliert  und  in  Goldtausia  geziert.  Die  Säule  ist  ge- 
schnitzt.   Um  1590, 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Armrust.  421 


Haken  für  die  Sehne  befindlich  ist,  wird  rückwärts  niedergedrückt 
und  am  hinteren  Ende  durch  ein  Häkchen  gehalten,  welches  das 
vordere  Ende  eines  Winkelhebels  bildet,  der  mit  der  Abzugstange  in 
Verbindung  ist.  Wird  diese  nach  aufwärts  gedrückt,  so  schlägt  der 
vordere,  vom  Häkchen  befreite  Hebel  durch  die  Kraft  der  Sehne 
nach  aufwärts  und  letztere  verläfst  den  Haken.  Besehnung  und  Ziel- 
vorrichtung sind  die  gleichen,  wie  bei  der  spanischen  Balläster.  Diese 
italienischen  Schnepper  waren  in  der  2.  Hälfte  des  16.  und  am 
Anfange  des  17.  Jahrhunderts  für  die  Feldjagd  eine  äufserst  beliebte 
Fernwaffe.  In  den  Blättern  des  Johann  Stradan,  namentlich  in  der 
Serie  „Venatio",  gestochen  von  Raphael  Sadeler,  und  jener  von  1578, 
welche  Cosmus  von  Medici  gewidmet  und  von  Philipp  Galle  gestochen 
ist,  finden  sich  derartige  Schnepper  oft  und  genauestens  abgebildet. 

Eine  besondere  Art  von  Schneppern,  die  vielfach  als  „deutsche" 
bezeichnet  werden,  werden  in  nicht  geringer  Zahl  auch  in  Italien, 
besonders  in  Brescia,  erzeugt  und  von  dort  in  den  Handel  gebracht. 


Fig.  499. 


Fig.  499.    Krappe  zum  Spannen  einer  Balläster  mit  Gürtelhaken. 
Um  1580. 

Sie  unterscheiden  sich  von  allen  sonstigen  Armrustgattungen  dadurch, 
cjafs  auch  die  Säule  von  Eisen  gefertigt  ist.  Am  rückwärtigen 
Ende  befindet  sich  ein  breites  Backenstück  aus  Holz.  Derlei  Schnepper 
finden  sich  in  allen  Gröfsen  von  jener  einer  gewöhnlichen  Armrust 
bis  zur  kleinsten  Dimension  von  nur  35  cm.  Säulenlänge  herab,  wie 
sie  bei  Armrüsten  üblich  war,  die  auf  der  Jagd  zu  Pferde  geführt 
wurden.  (Fig.  500.)  Sie  führen  gemeiniglich  den  Säulenhebel  nach 
Art  der  spanischen,  denen  sie  auch  augenscheinlich  nachgebildet  sind. 
Eine  gewisse  äufsere  Ähnlichkeit  mit  diesen  deutschen  Schneppern  hat 
eine  Gattung  italienischer  Schnepper  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts. 
Auch  diese  besitzen  eiserne  Säulen,  welche  aber  wie  die  vorbeschriebenen 
abgebogen  sind  und  runde,  hölzerne  Backenstücke  besitzen;  die  meisten 
aber  führen  keine  Säulenhebel,  sondern  werden  mit  der  Hand  oder 
dem  Krappen  gespannt. 


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422 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Um  1530  erscheinen  in  Italien  winzig  kleine  Armrüste,  welche 
man  unter  den  Kleidern  trug.  Sie  wurden  von  den  Regierungen  mit 
strengen  Verboten  belegt.  Der  Senat  von  Venedig  setzte  auf  ihren 
Besitz  1542  schwere  Strafe.  Schöne  Exemplare  dieser  Art  bewahrt 
das  Museo  civico  (Correr)  in  Venedig. 


Fig.  500. 

Fig.  500.  Kleiner  deutscher  Schnepper  von  Eisen  mit  höl- 
zernem Kolben.  Die  Bcsehnung  ist  original.  Waffensammluug  im 
Stifte  Klosterneuenburg. 

Gegen  das  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  wo  die  Überzeugung  von 
dem  Werte  der  Feuerwaffe  auch  für  den  Jagdzweck  mächtiger  wird, 
kommen  Balläster  in  Aufnahrae,  welche  mit  Feuerrohren  in  Verbindung 
sind,  in  Italien  „balestrino-pistola"  genannt.    Es  sind  hier  im  allge- 


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D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Armrust. 


423 


memca  zwei  verschiedene  konstruktive  Systeme  zu  unterscheiden.  Be- 
isitzt die  Ballilster  den  Säulenhcbel  oberhalb  der  Säule,  dann  ist  das 


Fig.  501.  Fig.  502. 


Fig.  501.  Dali  äster  in  Verbindung  mit  einem  Feuerrohre. 
Deutsche,  vielleicht  augsburgische  Arbeit.  Um  1580.  Aus  dem  Be- 
sitze des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Tirol. 

Fig.  502  Spann-  und  Abzugmechanismus  für  den  Bogen 
und  Abfcuerung  für  das  Rohr  der  in  Fig.  501  dargestellten  Balläster 
mit  Schiefsvorrichtung. 


424 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Feuerrohr  unterhalb  derselben  und  das  Radschlofs  an  der  rechten 
Seite,  im  entgegengesetzten  Falle  oberhalb  mit  dem  Radschlofs  an 
der  linken  Seite. 

Die  erstere  Gattung  bringt  unter  anderem  Meyrick;  sie  ist  die 
verbreitetste  und  darum  auch  bekanntere,  von  der  letzteren,  weit 
seltener  vorkommenden  bringen  wir  ein  Beispiel  in  einer  reich  gezierten 
deutschen  Balläster  mit  Kugelschale  von  ca.  1580  aus  der  Waffen- 
sammlung des  kaiserlichen  Hauses  in  Wien.  Fig.  501  zeigt  uns  die 
Ansicht  der  Balläster  mit  ihren  schön  gezeichneten  Elfenbeineinlagen 
in  der  aus  Birnholz  gefertigten  Säule  und  der  äufseren  Form  ihrer 
mechanischen  Ausstattung.  Fig.  502  erklärt  uns  in  geometrischer 
Projektion  den  Radmechanismus  des  Feuergewehres  und  teils  auch 
den  Spannmechanismus  des  Stahlbogens.  Durch  das  Zurückschlagen 
des  Hebels  F  wird  die  Stange  q  vorgetrieben  und  entweder  die 
obere  Platte  mit  der  Nufs  bis  zur  Schale  vorgeschoben  oder  nur  das 
Zahnrad  h  gespannt;  sodann  wird  der  Hebel  wieder  geschlossen  und 
damit  auch  die  Nufs  e  in  die  Spannung  zurückgezogen.  Der  Hahn 
d,  welcher  beim  Nichtgebrauche  seitwärts  zu  drehen  ist,  führt  hier 
bereits  einen  Schlag  auf  das  gleichzeitig  rotierende  Rad.  Beim  Ab- 
züge des  Feuerrohres  drückt  das  Züngel  r  auf  den  Hebel  p,  dieser 
löst  eine  Schlagfeder  und  damit  auch  den  Hebel  R,  wodurch  das 
Zahnrad  wieder  zurückrotiert.  (Fig.  503.)  Das  Feuerrohr  ist  beim 
Nichtgebrauche  durch  eine  Schraube  n  zu  schliefscn. 

Unter  den  Geschossen  der  Armrüste,  den  Bolzen,  Haus- 
pfeil en,  französisch  Carreaux,  Dondaines,  Garrots,  Traits,  Bougons, 
Matras,  Pilettes  etc.,  unterscheidet  man  die  für  den  Krieg  von  den 
für  die  Jagd  bestimmten.  Jene  sind  einfach  und  meist  von  roher 
Fertigung,  doch  immer  mit  sorgfältiger  Beachtung  der  Gewichts-  und 
Schwerpunktsverhältnisse;  diese,  in  der  Regel  von  besserem  Materiale, 
feinerer  Ausführung,  erscheinen  in  einer  Unzahl  der  verschiedensten 
Formen. 

Der  Bolzen  besteht  aus  der  Spitze,  dem  sogenannten  Eisen, 
dem  Schafte  oder  Zain;  die  Schäfte  sind  mit  oder  ohne  „Federn" 
ausgestattet.  Die  Form  und  Schwere  des  Bolzens  beruhte  immer 
auf  einer  sorgfältigen  Berechnung.  Die  Zainlänge  war  abhängig  von 
der  Aufzugsdimension  der  Armrust,  das  Gewicht  von  der  Kraft  des 
Bogens.  Für  die  Tragweite  des  Bolzens  die  richtige  Lage  des  Schwer- 
punktes ein  wichtiges  Erfordernis  war.  Bei  kurzen  Bolzen  bis  zu 
35  cm.  Zainlänge  liegt  der  Schwerpunkt  in  der  Regel  genau  am 
Ende  des  1.  Drittels  von  der  Spitze  gerechnet,  bei  längeren  ge- 
wöhnlich am  Ende  des  1.  Viertels.  Der  Schwerpunkt  wurde  an  jedem 
Stücke  geprüft  und  durch  Beschneiden  des  hinteren  Zainendes  ab- 
gepafst.  Man  wird  die  meisten  Bolzen  für  den  Kriegsgebrauch  am 
rückwärtigen  Ende  zugeschnitten  antreffen.  Gemeine  Bolzen  besitzen 
gewöhnlich  roh   zugeschmiedete  Eisen  von  vierseitigem  Querschnitte, 


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D.  Die  FernwalTen.    3.  Die  Armrust. 


425 


die  entweder  mit  der  Dille  am  Zain  sitzen  oder  im  Dorn  des  letzteren 
eingelassen  sind.  In  diesem  Falle  ist  der  Zain  oberhalb  mit  starkem 
Faden  gebunden,  um  ein  Aussprengen  desselben  durch  den  Dorn 
zu  verhindern.    (Fig.  504  a  und  b.) 


Fiß-  503. 

F'g«  503.  Die  in  Fig.  501  dargestellte  Balläster  in  isometrischer 
Projektion  mit  geöffnetem  Säulenhebel  und  gespanntem  Hahn. 


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42*5 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Über  den  Nutzen  einer  Befiederung  waren  die  Ansichten  zu 
jeder  Zeit  geteilt ;  man  findet  darum  häufig  nichtbefiederte  Bolzen, 
ja  sehr  schwere  haben  in  der  Regel  keine  „Federn".  Das  Material, 
aus  welchem  die  Federn  gefertigt  wurden,  war  verschieden;  bei  ge- 
meinen Stücken  für  den  Krieg  bestanden  sie  aus  rohen  Holzspanen. 
In  der  Schweiz  und  in  Tirol  war  Leder  sehr  beliebt.  In  Frankreich 


Fig.  504.    Gemeine  Armrustbolzen  für  den  Feldgebrauch. 

a.  Gemeiner  Hauspfeil  mit  gerade  laufenden  hölzernen  Federn 
mit  33.5  cm.  langem  Zain 

b.  Gemeiner  Haus p feil  mit  am  Dorn  aufsitzendem  Eisen  ohne 
Federn  mit  35  cm.  langem  Zain. 

Tirolisch.    15.  Jahrhundert. 

Fig-  5°5-  Brandbolzco, 

a.  Brandbolzen  mit  hölzernen  bemalten  Federn  und  bärtiger 
Spitze.    15.  Jahrhundert. 

b.  Brandbolzen  nach  einer  Zeichnung   in   den  Zeugbüchern 
Kaiser  Maximilians  I.  mit  einseitig  bärtiger  Spitze. 


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D.  Die  Fcrnwaficn.    3.  Die  Armrust 


427 


Pergament,  desselben  Stoffes  bedienten  sich  in  den  Hussitenkriegen 
auch  die  Böhmen.  Für  die  Jagd  pflegten  Vornehme  Bolzen  mit  Be- 
fiederungen aus  dünnen  Plättchen  von  Elfenbein  oder  auch  aus 
Posen  von  Schwanenfedern  zu  verwenden. 

Die  Richtung  der  Federn  war  entweder  geradelaufend  oder  im 
„Drall",  das  ist  in  einem  Winkel  bis  zu  etwa  1.5  Graden  zur  Zain- 
richtung.   Durch  die  schiefe  Richtung  der  Federn  zum  Schafte  ent- 


e 


Fig.  5o6.    Bolzenformen  für  die  Jagd. 

a.  Spitzbolzen  ohne  Befiederung.    16.  Jahrhundert. 

b.  Spitzbolzen  mit  Spur  von  Befiederung  aus  Schwanenfedern 
im  Drall.    16.  Jahrhundert. 

c  Spitzbolzen,  ähnlich  dem  vorigen.    16.  Jahrhundert, 
d.  Kronbolzen,  ohne  Befiederung.     15.  Jahrhundert. 

c.  Schneidebolzen,  mailändisch.  Ende  des  15.  Jahrhunderts. 

stand  eine  drehende,  bohrende  Bewegung  im  Fluge,  welche  bei  Stich- 
bolzen die  Treffsicherheit  erhöhte.  Die  Franzosen,  die  derart  ge- 
staltete Bolzen  schon  im  14.  Jahrhundert  anwendeten,  nennen  sie 
„viretons". 


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428 


II.   Die  Angriflswaffen. 


Eine  besondere  Gattung  unter  den  Bolzen  für  den  Gebrauch 
im  Kriege  bildeten  die  Brandpfeile  (fleches  incendiaires,  falariques). 
Sic  waren  mit  Brandballen  ausgerüstet  und  besafsen  Spitzen  mit 
Widerhaken  (totes  barbelces),  um  das  Haftenbleiben  an  dem  anzu- 
zündenden Gegenstande  zu  sichern.    (Fig.  505a  und  b.) 

Waren  für  den  Krieg  die  Formen  für  die  Bolzen  im  allgemeinen 
wenig  unterschieden,  so  war  für  den  Gebrauch  auf  der  Jagd  gerade 
das  Gegenteil  der  Fall.  Je  nach  der  Gröfse  und  Gattung  des  Wildes 
kommen  hier  die  mannigfaltigsten  Spitzeneisenformen  vor.  Ihrer  Ge- 
stalt nach  unterscheiden  wir  Stichbolzen  (Fig.  506a,  507a)  mit 
spitzigen  Eisen,  leichte  für  gröfsercs  Federwild,  schwere  und  scharfe 
aüsschliefslich  für  Haarwild  und  zur  Bärenjagd. 

Bolzenspitzen  mit  Widerhaken  (Fig.  507  b)  kamen  bei  Brand- 
pfeilen, sonst  aber  selbst  im  frühen  Mittelalter  für  Krieg  und  Jagd 
wenig  in  Verwendung.    Man  führte  sie  in  Spanien,  wo  sie  durch  die 


b. 


c. 

Fig.  507. 


d. 


Fig.  507-    Formen  von  Bolzeneisen. 

a.  Stichbolzeneisen. 

b.  Grofses  bärtiges  Eisen. 

c.  Schneidebolzeneisen. 

d.  Gabelbolzencisen. 

Königliches  Zeughaus  in  Berlin. 


Mauren  in  die  christlichen  Heere  gekommen  waren;  auch  in  England 
wurden  zahlreichere  bärtige  Spitzen  ausgegraben,  sonst  kommen  derlei 
Formen  gemeiniglich  nur  bei  Bogenpfeilen  vor.  Schlag-  oder  Prell - 
bolzen  (matras)  mit  ganz  flachen,  platten  oder  abgerundeten  Eisen 
waren  dazu  bestimmt,  das  Wild  statt  es  zu  töten,  blofs  zu  betäuben, 
damit  das  kostbare  Fell  nicht  verletzt  und,  falls  das  Wild  nicht  zu- 
sammenbrach, der  kostbaren  Bolzen  nicht  verloren  wurde  Daraus  ergibt 


D.  Die  Fernwaffen.    3.  Die  Aruirust  429 

sich  schon  ihre  Verwendung  für  kleineres  Haarwild.  *)  Eine  Abart 
der  Prellbolzen  bildeten  die  Kronbolzen.  (Fig.  50öd.)  Diese  meist 
sehr  schweren  Geschosse  dienten  vorzugsweise  auf  der  Jagd  nach 
Adlem  und  Geiern.  Gabelbolzen  (Fig.  507 d),  welche  wir  wieder- 
holt im  Theuerdank  dargestellt  finden,  waren  ihrer  kräftigen  Wirkung 
wegen  auf  der  Gemsjagd  beliebt;  ihr  Flug  aber  war  unsicher,  da  sie 
sich  nicht  selten  überschlugen.  Endlich  erwähnen  wir  noch  der 
Schneidebolzen  (Fig.  506 e).  Solche  mit  breiten,  halbmond- 
förmigen Eisen,  „mads"  (Fig.  507c)  genannt,  verwendete  man  bei 
der  Jagd  auf  Hochwild,  leichte  Schneidebolzen  vorzugsweise  auf  der 
Enten-  („  Antvogel"-)  Jagd,  da  sie  im  Fluge  nur  ein  ganz  geringes 


Fig.  508.  Fig.  509.  Fig.  510. 


Fig.  508.  Gemeiner  Bolzenköcher  aus  geprefstem  Leder. 
Nach  Viollet-le-Duc. 

Fig.  509.  Gemeiner  Bolzenköcher  aus  Holz,  mit  Schweins- 
haut Überzogen  und  mit  geprefstem  Kalbleder  besetzt.   15.  Jahrhundert. 

Fig.  510.  Bolzenköcher  für  die  Jagd  von  Holz,  mit  Schweins- 
haut überzogen.  Der  Deckel  und  der  Besatz  sind  aus  Leder,  mit 
Gürtelriemen.    15.  Jahrhundert. 

Geräusch  erzeugten.  Schlicfslich  wäre  zu  bemerken,  dafs  einige  Arten 
feinerer  Jagdbolzen  zunächst  der  Spitze  kleine  eiserne  Warzen  besitzen, 
die  als  Absehkorn  beim  Zielen  dienten.    (Fig.  506  b  und  c.) 

Die  Behältnisse  für  die  Bolzen,  „Köcher",  wurden,  wenn  auch 


*)  Kurze  Bolzen  mit  dicken,  birnformigen  Spitzen  verwendete  man  in  den 
Schützengesellschaften  beim  sogenannten  Papagei-  oder  Vogelschiefsen. 


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430 


II.  Die  Angriffswaffen. 


nicht  selten  von  Metall,  doch  der  gröfsten  Mehrzahl  nach  aus  Holz 
gefertigt  und  mit  Leder  oder  Haut  überzogen.  In  Deutschland  war 
es  Sitte,  wie  die  Schilde  an  der  oberen  Seite,  auch  die  Köcher  mit 
Pelzwerk  zu  überziehen;  derlei  Köcher  werden  „Rauchköcher" 
benannt.  Die  älteste  bis  jetzt  bekannte  Form  eines  Köchers  erblickt 
man  in  einem  Basrelief  des  4.  Jahrhunderts  (Fig.  480).  Wie  man 
daraus  erkennen  kann,  haben  sich  die  Formen  in  den  späteren  Jahr- 
hunderten im  allgemeinen  nur  unwesentlich  geändert.  Die  für  dieses 
Gerät  charakteristischsten  Formen  bringen  wir  in  nebenstehenden 
Figuren.    (Fig.  508,  509,  510.) 


4.   Die  Feuerwaffen. 

Wie  wir  in  der  Darstellung  der  Entwickelung  des  Waffenwesens 
(S.  Seite  13)  bereits  auseinandergesetzt  haben,  währte  es  Jahrhunderte, 
bis  die  seit  langer  Zeit  bekannte  Sprengkraft  des  Schiefspulvers  für 
Kriegszwecke  ausgenutzt  wurde  und  der  gegen  das  Feuergewehr  ge- 
richtete tiefe  Widerwille  des  Kriegers,  der  bislang  mit  seiner  Körper- 
kraft und  seiner  Gewandtheit  für  sich  selbst  wie  ein  Held  einstand, 
durch  die  Macht  der  Thatsachen  überwunden  worden  war. 

Die  Entdeckung  der  explosiven  Kraft  des  Pulvers  hatte  zunächst 
keine  Bewunderer  gefunden  und  die  Kunde  von  ihr  sich  scheu  in 
in  die  Gelehrtenstubcn,  in  die  Mönchszellen  zurückgezogen,  wo  sie 
als  Geheimnis  der  Alchimisten  bis  um  die  Mitte  des  1 3.  Jahrhunderts 
bewahrt  blieb.  Es  ist  bezeichnend,  dafs  es  kein  abendländisches  Volk 
war,  dafs  das  Schiefspulver  in  Europa  zuerst  für  Kriegszwecke  ver- 
wendete, sondern  ein  asiatisches:  die  Tartaren,  deren  Begriffe  vom 
Heldentum  wesentlich  anders  als  die  abendländischen  geartet  waren. 
Im  Gefühl  ihrer  Schwäche  sahen  sie  sich  veranlafst,  das  Mifsverhältnis 
der  Kräfte  durch  eine  wesentliche  Verstärkung  der  Waffenwirkung 
auszugleichen  und  gaben  so,  ohne  es  zu  wollen,  den  Anstofs  zu  dem 
ungeheuren  Umschwünge  in  der  Kriegführung,  der  noch  zur  Stunde 
nicht  an  seinem  Zielpunkte  angelangt  ist.  Genau  dieselbe  widerwillige 
Empfindung  hatte  einst  der  Bogen  und  später  die  Armrust  zu  über- 
winden gehabt;  auch  sie  stehen  im  Widerspruche  mit  dem  Begriffe  des 
persönlichen  Heldentums,  der  bei  dem  Adel  des  Mittelalters  geltenden 
Ritterlichkeit.  Indes  waren  die  Vorzüge  der  neuen  Kampfmittel  für 
den  Schwachen,  ebenso  wie  für  den  Eroberer  zu  verführerisch,  als 
dafs  nicht  allmählich  die  alten  Grundsätze  preisgegeben  worden  wären, 
wenn  es  galt,  die  Existenz  zu  retten  oder  einem  feindlichen  Nachbar 
den  eigenen  Willen  aufzuzwingen. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


431 


Man  führt  als  eins  der  frühesten  Beispiele  der  Anwendung  von 
Geschützen  den  Krieg  von  Chioggia  (1381)  an.  Nun  kennen  wir 
aber  ein  Senatsdekret  von  Venedig  von  1324,  also  weit  vor  diesem 
Kriege  datierend,  mit  welchem  die  Regierung  den  Gonfaloniere  und 
die  12  Vertrauensmänner  beauftragt,  cannoni  und  „eiserne"  Kugeln 
zur  Verteidigung  der  Stadt  anfertigen  zu  lassen.*) 

Die  technische  Entwickelung  der  Feuerwaffe  in  ihren  ersten  Stadien 
ist  bis  jetzt  noch  nicht  genügend  festgestellt ,  doch'  deuten  die  kurzen 
Angaben  der  Chronisten  darauf  hin,  dafs  die  ersten  Feuerwaffen  als 
schwerfällige  Maschinen  auftraten,  die  den  Bewegungen  des  Heeres 
im  Kriege  nur  langsam  und  mit  vielen  Anstrengungen  zu  folgen 
vermochten,  also  als  Positionswaffen  anzusehen  waren. 

Wir  unterscheiden  in  der  Waffenlehre  zweierlei  Kategorien  von 
Feuerwaffen.  Das  Geschütz,  welches  auf  dem  Boden  ruhend,  von 
Menschen-  oder  Pferdekräften  bewegt  wird,  und  die  Handfeuer- 
waffe, welche  von  einem  Schützen  allein  getragen  und  bedient  wird. 

Aus  den  Nachrichten  der  Chronisten  ergibt  sich,  dafs  erst  all- 
gemach mit  der  Entwickelung  der  Technik  und  Kriegskunst  die  Feuer- 
waffe beweglicher,  handsamer,  leichter  gemacht  wurde,  bis  man  dahin 
gelangte,  ihre  Bewegung  und  Bedienung  auch  der  Kraft  eines  ein- 
zelnen Kriegers  zuzumuten.  Dieser  Weg  wurde  aber,  als  sich  die 
Erfindung  endlich  Bahn  gebrochen  hatte,  in  verhältnismäfsig  schneller 
Zeit  zurückgelegt.  Die  erste  Nachricht  vom  Gebrauche  des  Schiefs- 
pulvers durch  die  Tartaren  unter  Babu  Chan  bei  Liegnitz  gegen  die 
Polen  und  Schlesier  fällt  in  das  Jahr  1241;  und  schon  um  1320 
besafs  jede  gröfsere  Stadt  Geschütze,  um  1350  selbst  gegossene. 
Um  1360  finden  wir  bereits  ,,spannenlange"  Handbüchsen,  ja  1380 
solche  von  Bronze  gegossen.  Die  ersten  Geschütze  waren  aus  Eisen, 
über  den  Dorn  geschmiedet  und  bestanden  aus  mehreren  Lagen.  Die 
erste  Lage  bestand  aus  einer  mäfsig  dicken  Eisenplatte,  welche  um 
den  Dorn  gebogen  und  zu  einer  Röhre  verschweifst  wurde;  dann  kam 
gewöhnlich  darüber  eine  der  Länge  nach  angeordnete  Lage  Lang- 
schienen, welche  mittels  einer  Reihe  von  in  glühendem  Zustande 
darübergezogenen  Ringen  gehalten  wurden.  60  schwerfällig  die 
ersten  Geschütze  auch  waren,  so  besafsen  sie  doch  nur  eine  mäfsige 
Gröfse.  Erst  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  suchte  man  sich  in  der 
Ausdehnung  der  Rohre  zu  überbieten.  Es  ist  eine  noch  ungelöste 
Frage,  ob  die  ersten  Geschütze  schon  für  den  direkten  Schufs  ge- 
dient haben;  es  klingt  wahrscheinlicher,  dafs  sie  anfänglich  nur  für 
den  Wurf  eingerichtet  waren.  Das  Gcschofsmaterial  bestand  in  den  ersten 
Zeiten  aus  natürlichen  grofsen  Feldsteinen,  später,  um  die  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts,  bediente  man  sich  kugelförmig  zugemeifselter  Bruch- 


*)  Gelcich,  G.,  Die  Erzgiefscr  der  Republik  Ragiisa.  Mitt.  der  k.  k.  Zentr.- 
Konunission,  1890. 


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432 


II.   Die  Angriffswaffen. 


steine,  für  kleinere  Kaliber  auch  eiserner  Kugeln,  die  natürlich  nicht 
gegossen,  sondern  geschmiedet  waren.  Mit  diesem  Zeitpunkte  erst 
beginnt  eine  wenn  auch  anfangs  noch  systemlose  Bestimmung  der 
Lichtendimension  des  Rohres,  des  Kalibers,  üblich  zu  werden. 
(Fig.  $11.) 

Obwohl  die  erste  Nachricht  von  ihrer  Verwendung  aus  dem 
Osten  Europas  zu  uns  dringt,  nahm  die  Feuerwaffe  dennoch  ihren 
Weg  über  den  Kontinent  von  Spanien  aus,  wo  sie  in  bereits  ent- 
wickelterer Form  und  allgemeiner  bei  den  Mauren  in  Gebrauch  war. 
Langsam  verbreitete  sie  sich  über  Frankreich  und  England,  wo  die 
Traditionen  der  Ritterschaft  noch  zu  lebhaft  waren,  aber  rasch  über 
Italien,  das,  bewohnt  von  einer  Handel  treibenden  Nation,  den 
Utilitätsprinzipien  zugänglicher  erschien. 


Fig.  511. 

Fig.  511.  Bombarde,  sogenanntes  Hauptstück,  von  Eisen,  ge- 
nannt die  „tolle  Grete",  in  Gent.  14.  Jahrhundert.  Nach  Müllcr-Mothes, 
Archäol.  Wörterbuch. 


Um  1360  erhält  das  grofse  Geschütz  eine  bestimmte  Bezeichnung. 
Bisher  hatten  die  Feuergeschütze  vielerlei  willkürlich  gewählte  Namen, 
als  Feuermaschinen  u.  dgl.  In  den  Rechnungen  von  Valenciennes 
vom  Jahre  1363  werden  die  Stadtgeschütze  bombardes  de  la 
vi  11 6  benannt.  Unzweifelhaft  stammt  der  Name  aus  Italien  und 
hat  seine  Ableitung  von  dem  griechischen  Worte  „bombos"  {ß6futiog), 
was  soviel  als  Brummer  bedeutet.  Den  Namen  Bombarden  be- 
halten sie  in  Frankreich,  Spanien,  Italien  und  den  Niederlanden  bis 
ans  Ende  des  15.  Jahrhunderts;  nur  in  Deutschland  ist  von  der 
ältesten  Zeit  an  die  Bezeichnung  Büchse  üblich,  die  mit  verschie- 
denen Variationen  selbst  noch  bis  ins  17.  Jahrhundert  wenigstens  als 


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I).  Kernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


433 


allgemeinen  Begriff  beibehalten  wird.  Kleinere  Bombarden  erscheinen 
in  Frankreich  unter  dem  Namen  bombardclles,  aber  schon  um 
1300  auch  als  canons,  ein  Wort,  das  sich  gewifs  von  canne,  Rohr, 
ableitet  und  ursprünglich  sich  auf  alle  kleineren  Kaliber  bis  zur  Hand- 
feuerwaffe bezog.  Für  das  schwere  Wurfgeschütz,  den  Mörser, 
kommt  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  die  Bezeichnung  mortier  in 
Aufnahme. 

Der  Name  Artillerie  erscheint  in  Burgund  und  Frankreich  schon 
im  14.  Jahrhundert  für  das  Geschützwesen,  gleichviel  ob  hierbei 
Wurfmaschinen  oder  Pulvergeschütze  in  Gebrauch  kamen.  Allgemeiner 
wird  der  Ausdruck  erst  im  1 5.  Jahrhundert,  nach  Deutschland  gelangt 
er  verstümmelt  in  vermutlich  unrichtiger  Ableitung  von  arco,  der 
Bogen.  Bogen-  und  Armnistmacher  erscheinen  unter  der  Bezeichnung 


Fig.  512.    Belagerungsgeschütz    in   Stellung,    mit  Blende. 
14.  Jahrhundert.    Nach  Froissard. 

Artilleurs  (Künstler),  so  Jean  l'Artilleur,  der  Bogenmacher  in  Brüssel 
1400.  Später  wurde  das  gesamte  Schiefswesen  unter  dem  Begriffe 
Artillerie  zusammengefaßt,  schliefslich  aber  dieser  Begriff  nur  auf  das 
Geschützwesen  allein  bezogen.  Alle  übrigen  Bezeichnungen  im 
Deutschen,  wie  Arkelei,  Arcolei  etc.,  beruhen  auf  schlechter  Schreib- 
weise und  Verkrüppelung  dieses  Wortes. 

Schon  um  1305  geschieht  der  „Kanone  von  Metall"  in  Italien 
Erwähnung,  doch  treten  in  Deutschland  gegossene  Geschütze  von 
gröfserem  Kaliber  in  bedeutenderer  Zahl  erst  am  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts auf.    Diese   waren   nicht  gebohrt,    d.  h.  das   Rohr  ging 

Boche  im,  Waffenkunde.  28 


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4:u 


II.  Die  Angriffswaffen. 


vollkommen  fertig  aus  dem  Gusse  hervor.  Mit  Zunahme  der  Fertig- 
keit bemühte  man  sich,  immer  gröfsere  Geschütze  zu  giefsen;  so  ent- 
standen die  gröfsten,  „Hauptstücke"  genannten  Geschütze.  Daneben 
aber  wurden  noch  bis  ans  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts  Geschütze  von 
geringerem  Kaliber  und  gröfserer  Rohrlänge  aus  Eisen  geschmiedet 

Die  den  Hauptbüchsen  in  der  Gröfse  zunächst  stehenden  Ge- 
schütze wurden  Hetzen,  Scharfmetzen  (scharpffmetzen)  genannt.  Der 
rohe  Söldnerwitz  personifizierte  die  plumpe  Waffe  und  verglich  sie 
mit  einem  weiblichen  Wesen.  Der  Ideengang  dabei  ist  spezifisch 
oberdeutsch.  Die  Bezeichnung  selbst  aber  dürfte  sich  aus  dem  Ita- 
lienischen „  mezza -bombarda"  herleiten. 

Wie  uns  die  vorhandenen  alten  Feuerwerksbücher  belehren,  war 
im  14.  Jahrhundert  bereits  das  Streben  nach  Verbesserung  des  Ge- 
schützwesens in  technisch  -  konstruktiver  Beziehung,  wie  nach  der 
pyrotechnischen  Seite  hin  nicht  geringer  als  heutzutage  inmitten  des 
Zeitalters  der  Erfindungen.  Von  allem  Anfange  an  jagte  ein  Projekt 
das  andere,  suchte  der  eine  Büchsenmeister  den  anderen  zu  über- 


Fig.  5 «3- 

Fig-  5 '3-    Viertelbüchse  in  Lade  und  Bank.   15.  Jahrhundert. 
Nach  Dolleczek,  Geschichte  der  österr.  Artillerie. 

bieten.  Dadurch  entstanden  in  den  verschiedenen  Ländern  die 
mannigfachsten  und  auch  sonderbarsten  Geschützformen,  so  dafs  es 
schwierig  wird,  in  das  Chaos  ein  System  zu  bringen,  um  so  mehr,  als 
diese  unter  zahllosen  Namen  auftauchen. 

Die  Bombarde  oder  „pumhart",  wie  sie  zuerst  in  deutschen 
Ländern  genannt  wurde,  entbehrte  anfänglich  jeglicher  Lafettierung.  Sie 
wurde  einfach  auf  schwere  Kanthölzer  gelagert,  nach  Möglichkeit  ge- 
richtet und  nach  langwierigem  Laden  abgefeuert.  Dabei  stellte  sich 
der  bedeutende  Ü beistand  des  Rückstofses  heraus,  der  meist  das  Rohr 
gänzlich  aus  seinem  Lager  warf.  Man  suchte  ihn  zwar  durch  rück- 
wärts in  die  Erde  gegrabene  starke  Balken  zu  beheben,  aber  das  ge- 
lang nur  in  geringem  Mafse,  da,  wie  auch  die  Nürnberger  Chronik 
berichtet,  diese  Balken  (Preller)  alle  3  bis  4  Tage  erneuert  werden 


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D.  Die  Kernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


435 


mufsten.  Einzelne  ßüchsenraeister  versenkten  das  Rohr  darum  bis 
zur  Hälfte  des  Querschnittes  in  die  Erde.  Bei  Belagerungen  wurde 
das  Rohr  den  Augen  des  Feindes  durch  eine  Bretterwand  (Schirm) 
entzogen,  die  erst  beim  Schusse  aufgezogen  wurde. 

(F>g-  512.) 

Erst  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  wird  das 
Rohr  in  einem  ausgehöhlten  Balken  (Lade)  gelagert,  der 
rückwärts  einen  schräg  nach  abwärts  gerichteten  Fort- 
satz besafs,  um  den  Rückstofs  nach  abwärts  zu  lenken. 
Vorne  war  der  Balken  auf  einen  niederen  Bock  (Bank) 
gelagert.  Das  war  der  erste  Schritt  zur  Bildung  der 
Lafette  mit  dem  schief  nach  abwärts  gerichtetem  Protz- 
stocke, der  mit  seinem  rückwärtigen  Ende  auf  dem 
Boden  ruht  (Fig.  513).  Im  17.  Jahrhundert  waren 
die  Rohre  noch  sehr  niedrig  gelagert  und  die  Protz- 
stöcke hatten  bei  geringem  Lafettenwinkel  eine  grofse 
Länge.  Nach  ihrer  Konstruktion  unterscheidet  man 
Wandlafetten  von  Blocklafetten.  Erstere  bestehen 
aus  zwei  parallelen  Wänden,  welche  durch  Riegel  ver- 
bunden sind;  letztere  aus  einem  keilförmig,  rückwärts 
verlaufenden  Holzklötze.  Die  Wandlafette  entstand 
aus  der  sogenannten  Gabellafette;  sie  wird  bereits  von 
Martin  Merz  um  1490  angewendet  und  ist  speziell 
in  Deutschland  in  Gebrauch  gestanden,  während  in 
Frankreich  und  Italien  vorzugsweise  die  Blocklafette 
zur  Anwendung  gelangte.  Auf  den  Galeeren  ruhte  das 
gröbere  Geschütz  in  Laden,  die  auf  vier  Blockrädern 
sich  bewegten.  Hier  wurde  der  Rückstofs  durch  die 
Hemmseile  gemildert,  die  an  den  Ringen  der  Bord- 
wände befestigt  waren.  Kleinere  Rohre  ruhten  in  Gabeln, 
sogenannten  „Drehbassen".  Für  die  Lafettierung  der 
Marine  war  in  den  meisten  Staaten  das  venetianische 
System  mafsgebend. 

Die  ersten  Geschütze  bestanden,  wie  erwähnt,  aus 
Schmiedeeisen,  aber  schon  in  der  1.  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts begann  man  sie  aus  Bronze  zu  giefsen.  1346 
fertigte  der  Zinngiefser  Peter  von  Brügge  zu  Turnay 
ein  kleines  Bronzegeschütz  für  zweipfündige  Bleikugeln, 
1370  (1372?)  Peter  von  Aarau  zu  Augsburg 
20  Bronzegeschütze.  In  Venedig  wurde  der  Geschütz  - 
gufs  1376  durch  einen  Deutschen  eingeführt.  Die 
dortige  Giefserei  war  lange  Zeit  die  einzige  in  Italien.*) 

Der  Wurf  oder  das  Schleudern  von  Steinhagel 


Fig.  514.  Lot- 
büchse (Schiffs- 
schlange) aus  ge- 
schmiedetem 
Eisen,  15.  Jahrh. 
K  u.  k.  Heeres- 
museum in  Wien. 


*)  Gelcich  l  c. 


2S' 


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486 


11.    Die  Allgriffswaffen. 


erschien  bald  zu  unsicher  und  effektarm;  man  suchte  die  Bombarde 
kleiner  herzu  stellen,  um  weniger  Steine,  aber  mit  mehr  Sicherheit  zu 
werfen;  dadurch  entstand  die  Haufnitz,  ein  handsames  Geschütz, 
das  noch  in  den  Burgunderkriegen  mit  Vorteil  verwendet  wurde.*) 
Eine  wünschenswerte  Trefffähigkeit  wurde  aber  erst  erreicht,  als  man 
anfing,  Stein-  oder  Eisenkugeln  aus  Rohren  zu  schiefsen,  welche  in  der 
Rohrwandung  einen  nur  geringen  Spielraum  fanden.  Hand  in  Hand  mit 
dieser  Verbesserung  ging  das  Bestreben,  die  Rohre  zu  verlängern  in 
dem  Glauben,  dafs  die  Tragweite  mit  deren  Verlängerung  zunehme. 
Damit  tritt  eine  neue  Geschützgattung  auf,  die  sogenannte  Schlange, 
in  Frankreich  couleuvrine,  in  Italien  serpentina,  in  Spanien  culebrina 
genannt.  Sic  erschien  schon  um  1400;  aus  der  kleineren  Art  wurden 
auch  Bleikugeln  geschossen.  (Fig.  514.)  Waren  die  Bombarden  als 
das  schwere  Geschütz  zu  betrachten,  so  bildeten  die  Schlangen  in 
verschiedenen  Gröfsen  das  leichte  Feldgeschütz;  mit  ihnen  gelangte 
der  direkte  Schufs  zur  Geltung,  man  fand  sie  sehr  brauchbar  und 
erzeugte  sie  darum  auch  in  so  kleinen  Dimensionen,  dafs  sie  von 
einem  Manne  getragen  und  bedient  werden  konnten.  Diese  Art 
nannte  man  Handschlangen,  und  sie  sind  im  Hinblicke  auf  ihren 
allgemeinen  Gebrauch  als  die  ersten  Handfeuerwaffen  des  Fufsvolke* 
zu  betrachten.  Schon  um  1420  treffen  wir  die  Schlange  als  kleines 
Feldgeschütz,  als  Hinterlader  mit  einer  einzulegenden  Ladekammer, 
welche  rückwärts  verkeilt  wurde. 

Die  Schlangen  sind  zumeist  aus  Eisen  und  mit  aufgezogenen 
Ringen  verstärkt,  nur  kleine  Handschlangen  wurden  im  15.  Jahrhun- 
dert in  Bronze  gegossen.  Erst  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  er- 
scheinen gegossene  Schlangengcschütze;  die  schönsten  stammen  aus 
Venedig.**) 

Zum  Angriffe  auf  feste  Plätze  erwiesen  sich  auch  die  Bombarden 
und  Hauptbüchsen  zu  schwach,  der  Steinhagel  erwies  sich  als  zer- 
streut und  darum  wenig  wirksam.  Man  suchte  die  Triebkraft  zu  ver- 
gröfsern  und  die  Steinladung  zu  vermehren.  Aus  diesem  Streben  ent- 
stand der  Mörser  mit  weitem  Flug  und  kleiner  angeschmiedeter 
Kammer.  Der  älteste  und  grülste  dieser  Gattung,  der  grofse  „pum- 
hart"  von  Steyr  von  etwa  1380,  befindet  sich  im  k.  u.  k.  Heeres- 
museum zu  Wien.  (Fig.  515.) 

Aus    dieser   übersichtlichen    Darstellung    ist    zu  ersehen,  dafs 


*)  Der  Name  deutet  auf  slavischen  Ursprung ;  es  ist  damit  die  erneut  wieder 
auftretende  Behauptung,  dafs  die  ersten  Haufnitzen  im  Heere  der  Hussiten  ange- 
wendet wurden,  von  vieler  Wahrscheinlichkeit  begleitet.  Thatsächlich  stammt  der 
Ruhm  Böhmens,  die  geschicktesten  Artilleristen  zu  besitzen,  aus  den  Hussiten- 
kriegen her. 

**)  Aus  dem  italienischen  Serpentinelle  entstand  im  16.  Jahrhundert  in  den 
deutschen  Heeren  das  Wort  Scharlentindl ,  was  gleichfalls  kleine  Schlange,  eine 
sogenannte  Viertelschlange,  bezeichnet. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.   Die  Feuerwaffen.  437 

um  1450  bereits  die  Elemente  für  ein  geordnetes  Geschützsystem 
vorhanden  waren,  wie  sie  sich  aus  der  Praxis  von  selbst  ergaben. 
Eine  Regelung  des  Geschützwesens  erfolgte  erst  am  Beginne  des 
16.  Jahrhunderts,  sie  nahm  ihre  Wege  gleichzeitig  von  Deutschland 
und  von  Italien  aus. 

Die  ältesten  Feuerwerksbücher,  die  zahlreich  unter  den  alten 
Büchsenmeistern  in  Abschriften  verbreitet  waren,  beschäftigen  sich 
gelegentlich  mit  Vorrichtungen,  eine  gröfsere  Feuergeschwindigkeit  zu 
erzielen.  Viele  der  vorgeschlagenen  Mittel  sind  unausführbare  Projekte, 
wie  das  Ellenbogengeschütz  u.  a.  Doch  findet  man  auch  zahlreiche 
anwendbare  Konstruktionen,  die  auch  gewifs  praktisch  verwertet  wurden  r 
dazu  sind  die  auf  drehbaren  Scheiben  ruhenden  kurzen  Rohre,  die 
zwei-  und  dreifachen  Rohre,  die  auf  vertikalen  Rädern  angeordneten 
Polier  u.  a.  zu  zählen.  Um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  treten 
die  Orgclgeschütze  auf,  die  noch  unter  Kaiser  Maximilian  I.  in  den 


Fig.  5 '5- 


F*g«  5 'S-  Der  grofse  Steinmörser  von  geschmiedetem  Eisen 
mit  88.2  cm.  Durchmesser,  bekannt  unter  dem  Namen:  „Der  grofse 
Purnhart  von  Steyr*'.  Um  1350.  K.  u.  k.  Heeresmuseum  in  Wien. 
Nach  Dolleczek. 

Zeughäusern  vorrätig  sind.  Ein  solches  Orgelgeschütz  (Totenorgel) 
besitzt  40  Rohre,  die  auf  einem  zweiräderigen  Karren  bewegt  werden. 
(Fig.  516.)  Später  ist  die  Zahl  und  Anordnung  der  Rohre  bei  gleichem 
System  verschieden,  sie  sind  entweder  in  der  Reihe  oder  in  Bündeln 
gruppiert.  Die  Abfeuerung  geschieht  entweder  mit  gemeinsamer  Zünd- 
pfanne oder  mittelst  der  Lunte  einzeln.  Ihre  Verwendung  war  immer 
eine  beschränkte  und  wurde  im  15.  Jahrhundert  ganz  richtig  be- 
urteilt. In  einem  Kodex  von  1488  heifst  es:  „und  man  sol  sy  prau- 
chen  vnter  die  thor  und  wo  der  feyndt  zum  stürm  liefen  mag,  auch 


4:?8 


II.  Die  Angriffswaffen. 


in  der  Wagenburg  seindt  sy  nutz".  —  Das  System  der  „Orgel",  so 
verführerisch  für  alle  Projektenmacher,  hat  auch  durch  vier  Jahrhun- 
derte ununterbrochen  in  verschiedenen  Formen  bis  zur  Mitrailleuse 
herab  seinen  Weg  gemacht  —  es  kann  nicht  leben  und  nicht  sterben. 

Die  Lafettierung  ( Systeme  d'afiut)  war  bis  ans  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts kompliziert  und  ungemein  schwerfällig.  Die  Rohre  ruhten, 
wie  bereits  bemerkt,  zur  Hälfte  ihrer  Stärke  in  ausgehöhlten  Balken, 
sogenannten  Laden  (chantiers),  welche,  auf  den  Achsen  schwerer  Räder 
liegend,  eine  nur  geringe  Elevation  gestatteten.  An  der  Haumitz,  einem 
kurzen  Wurfgeschütze,  war  die  Lade  schon  etwas  beweglicher  einge- 
richtet.   Der  Umstand,  dafs  das  Rohr  beim  Schusse  aus  seiner  Lage 


Fig.  516 


Fig.  516.     Vierzigläufiges   Hagclstück.     15.  Jahrhundert. 
Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  von  1 5 1 4. 

in  der  Lade  gestofsen  wurde,  führte  um  1450  zu  der  Beigabe  von 
vier  sogenannten  Schildzapfen,  welche  in  die  Lade  eingelassen 
wurden  und  so  eine  Bewegung  des  Rohres  verhinderten.  Die  gröfste 
Zahl  der  älteren  Hauptbüchsen  Kaiser  Maximilians  ist  noch  mit  solchen 
(doppelten)  Schildzapfen  versehen.  (Fig.  517.)  Aufser  den  hölzernen 
Lafetten  finden  sich  im  Verlaufe  des  ganzen  15.  Jahrhunderts  in  der 
Marine  wie  in  Landpositionen  kleinere  Schlangen  meist  mit  Hinter- 
ladung, welche  auf  eisernen  drehbaren  Gabeln,  sogenannten  Dreh- 
bassen,  ruhen.  Erst  um  1490  stofsen  wir  auf  Geschütze  mit  einfachen 


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D.   Die  Fcrowaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


480 


Schildzapfen,  die  ungefähr  in  der  Mitte  des  Rohres  stehen  und 
eine  Welle  bilden,  um  welche  bewegt  das  Rohr  auf  die  einfachste 
Art  eleviert  werden  konnte.  Diese  an  sich  einfache  Einrichtung  kann 
zu  den  wichtigsten  Verbesserungen  im  Artilleriewesen  gezählt  werden. 
Die  Erfindung  der  einfachen  Schildzapfen  soll  unter  Karl  VIII.  von 
Frankreich  im  Lager  von  Pont  d'arche  gemacht  worden  sein. 

Der  gröfste  Übelstand  im  Geschützwesen  bestand  noch  am  Ende 
des  15.  Jahrhunderts  in  der  ganz  systemlosen  Vielgestaltigkeit  der 
Rohre,  die  nicht  nur  eine  Beurteilung  der  Leistung  verhinderte,  son- 
dern auch  grofse  Schwierigkeit  für  den  Munitionsersatz  herbeiführte. 
In  Italien,  namentlich  in  Venedig  und  Genua,  auch  in  Frankreich 
suchte  man  diesem  Übelstande  abzuhelfen,  der  Erfolg  blieb  aber 
hinter  den  Erwartungen  zurück.  Später  nahm  Kaiser  Maximilian  (um 
1498)  eine  eingreifende  Reorganisation  seines  Geschützwesens  vor; 
sein  System,  dessen  Durchbildung  von  dem  Hauszeugmeister  Bartolo- 
meus  Freysleben  herrührt,  ist  in  seinen  von  uns  öfter  erwähnten 
Zeugbüchern    niedergelegt.     So   scharfsinnig   es  auch  erschien,  so 


Fig.  5  »7- 

Fig.  517.  Hauptbüchse  in  Bronze  gegossen  und  mit  doppeltem 
Schildzapfen  ausgestattet,  genannt  ,,die  wohlgcstimbt  Lauerpfeiff".  Nach 
einem  Modell  in  der  Waffensammlung  des  k.  Hauses  zu  Wien.  1  5.  Jahr- 
hundert.   Innsbrucker  Giefsstätte. 

wurde  es  doch  durch  die  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  herein- 
brechende gänzliche  Umgestaltung  des  gesamten  Kriegswesens  und 
der  Kriegführung  rasch  überholt.  Nach  den  Zeugbüchern  zählte 
man  in  den  Zeughäusern  des  Kaisers  Maximilian  folgende  Geschütz- 
gattungen: Hauptstücke  (Bombarden,  von  welchen  viele  aus  anderen 
Ländern  stammten  und  erobert  waren),  Scharfmetzen  (Fig.  518), 
Basilisken,  Vierteilbüchsen,  Singerinen,  grofse  Schlangen, 
(Fig.  519.)  Feld-  oder  Mittelschlangen,  Haufnitzen,  Falkonet- 
lein (Fig.  520.)  (kleines  Geschütz,  welches  von  einem  Pferde  in  der 
Gabel  geführt  wurde),  Kammerschlangen  (Hinterlader  auf  Dreh- 
basse), endlich  eine  kleinere  Geschützgattung,  welche  Dorndrell 
(tornarello)  und  auch  Terrasbüchse  (von  dem  spanischen  terasca, 
teraxa,  Schlange)  genannt  wird.  Unter  den  Mörsern,  welche  ver- 
schiedenartige Gröfsen  und  Formen  besafsen,  werden  Haupt- (Fig.  52 1) 


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440 


II.  Die  Angriffswaffen. 


und  kleine  Mörser  (Lerchlein)  mit  sternförmiger  Bohrung  (um  das 
Auflodern  der  aus  ihn  geworfenen  Feuerwerkskörper  zu  befördern). 
Kalibermafse  sind  nicht  angegeben,  sie  lassen  sich  aus  den  Aquarellen 
nur  ungefähr  schätzen. 

Unter  Kaiser  Maximilian  begann  man  auch  die  Geschütze  zu 
bohren,  aber  das  war  anfänglich  noch  eine  mühsame  und  unverläfs- 
liche  Arbeit  mittels  schwerer  Handbohrer,  die  im  „Gangspill"  bei 
ungenauer  Führung  liefen.  Man  verbesserte  daran  im  16.  Jahrhundert 
vieles,  doch  wurden  nach  wie  vor  viele  Geschütze  mit  der  Seele  ge- 
gossen. Erst  am  Beginne  des  18.  Jahrhunderts  erfand  J.  Maritz  in 
Bern  die  Kanonendrehmühle,  eine  mechanische  Einrichtung,  die  eine 
genau  zentrale  Bohrung  lieferte.  Unter  Kaiser  Karl  V.  bildete  sich 
zuerst  ein  bestimmtes  und  brauchbares  Geschützsystem,  das  Kaliber- 
system, aus,  das  mit  geringen  Abweichungen  auch  von  Frankreich 
und  von  den  bedeutenderen  italienischen  Staaten  angenommen  wurde. 


Fig.  5i*. 

Fig.  518.    Scharfmetze  in  Blocklafette.    15.  Jahrhundert.  Aus 
den  Zeugbüchern  Maximilians  I.    Zeug:  Österr.  Land. 

Der  Erfinder  des  Kalibersystems,  das  auf  dem  Verhältnisse  des  Boh- 
rungs  -  Durchmessers  zum  Steingewicht  der  Kugel  beruhte,  war  der 
Vikar  der  St.  Sebaldskirche  zu  Nürnberg  Georg  Hartmann  (1489 
bis  1564),  der  Schöpfer  des  darauf  fufsenden  Geschützsystems 
aber  der  geniale  Stuckgicfser  Gregor  Löffler.  Auch  dieses  neuere 
System  behielt  die  Bezeichnungen  der  Geschütze  im  allgemeinen  (nach 
den  sogenannten  drei  Geschlechtern:  Kanonen,  Schlangen  und  Falken) 
bei,  es  regelte  nur  die  Gewichtsverhältnisse.  Der  Park  Karls  V.  be- 
stand aus  40-  und  I2pfündigen  Kanonen,  24-,  12-  und  6  pfundigen 
Schlangen  und  6  %-  und  3pfündigen  Falken.  Das  Kugelgewicht 
war  auf  Stein  berechnet  und  wurde  auch  dann  beibehalten,  als  um 
1520  bereits  allenthalben  eiserne  Kugeln,   anfänglich  geschmiedet, 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


441 


später  gegossen  zur  Verwendung  gelangten.*)  Die  40pfündigen  Ka- 
nonen wurden  gemeinlich  Kartaunen  benannt,  eine  Bezeichnung, 
die  sich  von  dem  italienischen  Quartana  —  richtiger  Quarantana  — 
herschreibt.  Ebenso  wurden  die  Schlangen  als  „ganze",  „halbe"  und 
„Viertelschlangen",  letztere  auch  als  Scharfetindlein  bezeichnet. 
Die  kleine  Falkengattung  benannte  man  Falkonet e. 

Die  italienischen  Artillerien  besafsen  noch  1480  einen  ungemein 
vielgestaltigen  Geschützpark,  darunter  folgende  Gattungen:  die  Born- 
barde  zu  300,  den  Mortier  (Mörser)  zu  2 — 300,  die  Co- 
muna  zu  50,  die  Cortana  zu  60 — 100,  die  Passa  volante  zu 
16**),  den  Basilisk  zu  20,***)  die  Cerbatana  zu  2 — 3,  endlich 
die  Espingarde  zu  10 — 15t)  Pfund  nach  dem  Gewicht  des 
Materiales. 

In  Frankreich  wurde  das  System  um  1550  auf  das  äufserste 
vereinfacht.  Der  Feldpark  bestand  damals  aus  Canons  zu  33, 
Grande  couleuvrines  zu  15,  Couleuvrines  batardes  zu  7,  Cou- 


1 


Fig.  519. 

Fig.  519.  Grofse  Schlange  in  sogenannter  Burgunderlafette. 
15.  Jahrhundert.    Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I. 


leuvrines  moyennes  zu  2,  Faucons  zu  1  Pfund  und  Fauconneaus 
zu  14  Unzen  Steingewicht.  Man  sieht,  das  französische  System  näherte 
sich  am  meisten  dem  deutschen,  nur  war  im  allgemeinen  das  Kaliber 
weit  leichter,  seitdem  um  1540  die  Basilisken  zu  66  franz.  Pfunden 
und  die  schweren  Serpentines  ausgeschieden  wurden. 

Dazwischen  gab  es  aber  noch  immer  eine  ungeheuere  Menge 


*)  Das  heifst,  jede  eiserne  Kugel  wird  mit  jenem  Gewichte  benannt,  welches 
eise  gleich  grofse,  steinerne  Kugel  wiegt.    Man  nennt  das  Nürnbergcr-oder  Stein- 
gewicht, es  war  in  Deutschland  noch  bis  c  1860  in  Anwendung. 
**)  Eiserne,  mit  Blei  umgossenq  Kugeln. 
***)  Kugeln  von  Bronze  oder  Eisen. 
+)  Stein. 


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142  n.  Die  Angriffswaffen. 

von  Geschützarten  namentlich  in  Frankreich  und  Italien;  wie  in  der 
Marine  die  Cardinales,  Berches.  In  den  Landheeren  die  Cour- 
tans,  Boites,  Veugliaires,  Crapaudeaus,  Flageollets,  Cerba- 
tanas  (aus  dem  Spanischen:  Blasrohr),  Emerillons,  Mouches  und 
hundert  andere  Arten,  denen  oft  nur  der  Soldatenwitz  einen  Namen 
'  verlieh. 

Eigentümlich  ist  der  vom  14.  Jahrhundert  sich  herschreibende 
Gebrauch,  die  Geschütze  mit  Namen  zu  benennen.  In  Deutschland 
zuerst  wahrnehmbar,  erklärt  er  sich  aus  der  urgermanischen  Neigung 
der  Krieger,  die  Waffe  zu  personifizieren  und  als  lebendiges  Wesen 
aufzufassen.  So  finden  wir  deutschen  Geschützen  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts die  sonderbarsten  Namen  beigelegt,  wie  der  Purlepaus, 
der  Schnurrhindurch,  die  Lauerpfeiff,  die  Buhlerin,  der  gestreifte 
Löw  u.  dgl.  Nicht  selten  treten  auch  unflätige  Namen  zu  Tage. 
Diese  Benennungen  verschwinden  in  Deutschland  erst  um  17 10.  In 
Frankreich  war  eine  Namenverleihung  bei  Geschützen  nicht  immer 


Fig.  520. 

Fig.  520.  Falkonetlein  in  sogenannter  Gabcllafctte.  15.  Jahr- 
hundert.   Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.    Zeug  österr.  Land. 


in  Gebrauch.  Unter  Ludwig  XII.  findet  sich  ausnahmslos  nur  das 
Stachelschwein  (porc-epic,  das  Sinnbild  des  Königs),  unter  Franz  I. 
der  Salamander  u.  s.  w.  Die  spätere  französische  Artillerie  hatte 
zwar  auch  Benennungen  für  Geschütze,  wie  Tinvincible,  le  monstrueux, 
l'aigle,  le  dragon  u.  dgl.,  diese  hatten  aber  weniger  eine  allegorische 
Bedeutung,  als  vielmehr  einen  praktischen  Zweck.  In  Italien,  wo 
sich  vom  14.  Jahrhundert  an  meist  von  der  Mythologie  hergenommene 
Namen  für  Geschütze  finden,  steht  dieser  Brauch  mit  dem  Geiste  der 
Zeit,  der  alles  zu  antikisieren  suchte,  im  Zusammenhange. 

Das  Pulver  wurde  anfänglich  in  Mehlform  hergestellt,  wie  sie  sich 
aus  dem  Gemenge  der  pulverisierten  Substanzen  ergab.  Erst  um  die 
Mitte  des  15.  Jahrhunderts  begann  man  es  zu  körnen  und,  wie  aus 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


443 


urkundlichen  Mitteilungen  hervorgeht,  einen  Unterschied  zwischen 
Stuck-  (Geschütz-)  und  Büchsen-  (Gewehr-)pulver  zu  machen.  Die  Ab- 
feuerung  wurde  anfanglich  mittelst  eines  glühenden  Kohlenstückes  be- 
wirkt, welches  auf  die  schalenförmige  Aushöhlung  am  Zündloche 
(Pfanne)  gelegt  wurde.  Später  füllte  man  die  Zündlochschale  mit  Pulver 
und  entzündete  dieses  mittelst  Eisenstangen,  welche  an  einem  Ende 
glühend  gemacht  wurden.  Erst  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  kam 
der  Feuerschwamm  (Polyporus  fomentarius  und  Polyporus  igniarius) 
auch  Moder  verschiedener  Holzarten,  wie  z.  B.  der  Buche  für  diesen 
Zweck  in  Gebrauch;  der  Name  „Schwamm"  erhielt  sich,  auf  die  Strick- 


Fig.  521. 


Fig.  521.    Hängender  Hauptmörscr  von  Bronze.     15.  Jahr- 
hundert.   Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  L 

lunte  angewendet,  noch  bis  ins  16.  Jahrhundert  herein.  Etwa  um 
1420  wurde  die  sogenannte  Lunte  (mechc)  erfunden,  die  aus  einem 
fingerdicken  Hanfstricke  bestand,  welcher  mit  Bleizucker  gebeizt  wurde 
und  damit  die  Fähigkeit  erhielt,  wenn  angezündet,  fortzuglimmen. 

Die  Mörser  (mortier),  anfänglich  von  bedeutender  Gröfse  und  für 
das  Werfen  von  Lagen  grofser  Feldsteine  berechnet,  werden  im  Verlaufe 
des  15.  Jahrhunderts  merklich  kleiner.    Die  Kammer,  zur  Aufnahme 


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444  II.  Die  Angriflswaflen. 

der  Pulverladung  anfänglich  zu  klein,  kam  nun  zum  vorderen  Teile 
(Flug)  in  ein  besseres  Verhältnis.  Man  bediente  sich  ihrer  zum  Werfen 
von  Steinkugeln,  aber  auch  von  Kugeln  aus  Lehm,  welche  mit  Brand- 
und  Sprengsatz  gefüllt  und  gitterartig  mit  Eisendraht  umstrickt  waren. 
Zum  Werfen  von  Feuerwerkskörpern  bediente  man  sich  am  Anfange 
des  16.  Jahrhunderts  kleinerer  Mörser  (Lerchlein),  die  sternförmig 
gebohrt  waren.  Das  hatte  den  Zweck,  dem  im  Rohre  angezün- 
deten Körper  Luft  zuzuführen,  damit  der  Brandsatz  nicht  verlösche. 
Im  niederländischen  Kriege  des  16.  Jahrhunderts  erscheinen  zuerst 
die  kleinen  Mörser  für  7 pfundige  Hohlkugeln;  sie  bewährten  sich  vor- 
züglich ihrer  Handsamkeit  wegen  im  Laufgraben.  Später  erscheinen 
sie  unter  der  Bezeichnung  Coehornscher  Mörser,  weil  dieser  nieder- 
ländische General  sie  seit  1688  vielfach  anwendete. 

Vom  14.  Jahrhundert  an  kommen  uns  Berichte  zu  von  der 
Anwendung  lederner  Geschütze.  Diese  Neuerung  beruhte  vermutlich 
auf  der  Elastizität  des  Materiale«  und  dessen  geringem  Gewicht.  Der 
kleine  lederne  Mörser  im  Arsenal  zu  Venedig  soll  1379  und  138a 
unter  Vittorio  Pisani  und  Carlo  Zeno  (?)  vor  Chioggia  gebraucht 
worden  sein.  Eine  kleine  Lederkanone  aus  dem  16.  Jahrhundert 
mit  dem  Wappen  der  Medici  wird  in  der  Sammlung  Modena  in 
Wien  bewahrt.  Bekannt  ist,  dafs  die  aufrührerischen  Salzburger  ihren 
Landesherrn,  den  Erzbischof  Matthäus  Lang,  1525  mit  aus  dickem 
Leder  gefertigten  Kanonen  auf  dessen  Feste  Hohensalzburg  belagerten. 
In  der  schwedischen  Armee  wurden  Lederkanonen  1626  durch  den 
englischen  Baronet  Robert  Scot  eingeführt,  der  mit  200  Mann  in 
Gustav  Adolfs  Dienste  getreten  war.  Sie  wurden  aber,  da  sie  sich 
in  der  Schlacht  bei  Leipzig  schlecht  bewährten,  1631  wieder  ab- 
geschafft. Die  jüngste  Lederkanone  befindet  sich  im  k.  k.  Heeres- 
museum zu  Wien.  Sie  soll  1702  als  Geschenk  der  Stadt  Augsburg 
an  König  Josef  I.  gekommen  sein.  Sie  ist  ihrer  Konstruktion  nach 
nur  ein  Schaustück. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  einer  artilleristischen  Sprengmaschine, 
der  Petarde,  gedacht;  auch  sie  entstand  im  16.  Jahrhundert  und 
zwar  in  den  Niederlanden.  Ihr  Zweck  ist,  Festungsthore,  Palisaden- 
wände und  andere  Abschlüsse  aufzusprengen.  Sie  besteht  aus  einem 
in  Metall  gegossenen  Kessel,  der  mit  seiner  Mündung  auf  eine 
quadratförmige  Bohle  (Madrillbrett)  aufgeschraubt  ist  Die  Entzündungs- 
vorrichtung befindet  sich  am  Boden  des  Kessels.  Die  Petarde  wurde 
vor  dem  Gebrauche  mit  einem  eigens  gemischten  (hartreifsenden) 
Pulver  geladen.  Der  Petardier  hatte  zwei  Gehilfen,  welche  die  Petarde 
trugen,  er  näherte  sich  dem  zu  sprengenden  Thore  und  schlug  oder 
schraubte  einen  schweren  Haken  an  einen  der  Flügel.  Auf  diesen 
wurde  die  Petarde,  an  deren  Madrillbrett  sich  zu  dem  Ende  ein 
Ring  befand,  gehängt  und  unverweilt  angezündet  wurde.  Die  Petarde 
wurde  bereits  1570,  von  den  Hugenotten  bei  St.  Emilion  verwendet, 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


445 


<  ine  der  ruhmvollsten  Verwendungen  fand  sie  bei  der  Einnahme  von 
Raab  1598. 


Die  Handfeuerwaffe  wird  schon  1364  erwähnt.  Die  Stadt 
Perugia  liefs  500  spannenlange  Büchsen  anfertigen,  die  man  in 
der  Hand  führen  konnte  und  deren  Geschosse  jeden  Harnisch 
(Lentner)  durchdrangen.*)  138 1  stellte  der  Rat  zu  Augsburg  zum 
Kriege  gegen  den  fränkischen  und  schwäbischen  Adel  30  Büchsen- 
schützen. 1388  zählte  auch  die  Stadt  Nürnberg  bereits  48  Schützen, 
welche  die  Handbüchse  gut  handzuhaben  vermochten,  und  1399  wurden 
bei  der  Belagerung  des  Schlosses  Tannenberg  in  Hessen  Faust-  . 
büchsen  verwendet. 

Die  ersten  vom  Fufsvolke  benutzten  Feuerrohre  bildeten  einen 
Übergang  vom  Geschütz  zum  Handgewehre.  Sie  wurden  von  zwei 
Männern  bedient  und  ihrer  Schwere  wegen  auf  leichten  Rädergestellen 


Fig   522.   Scopitus,  nach  Paulus  Sanctius  (Bibl.  Richelieu).  1460. 
Aus  Gay,  Glossaire  archeologique. 

geführt.  An  ihnen  findet  sich  schon  die  erste  Spur  einer  Schäftung 
insofern,  als  das  Rohr  an  einer  langen  Stange  befestigt  war.  An 
dieser  Stange  hielt  der  eine  Mann  das  Rohr  in  der  Richtung,  während 
der  andere  abfeuerte. 

So  wenig  die  ersten  Handbüchsen  im  Gefechte  leisteten,  so  un- 
sicher ihr  Schufs  war,  so  mochte  man  sich  ihrer  doch  nicht  entäufsern, 
in  der  Hoffnung,  sie  allgemach  zu  verbessern.  Diese  Hoffnung  be- 
währte sich  auch,  denn  im  Verlaufe  des  15.  Jahrhunderts  jagte  eine 
sinnreiche  Verbesserung  die  andere. 


•)  Höver,  Geschichte  der  Kriegskunst. 


o 


Fig.  522. 


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Fig.  523.  Fig.  524. 


F'ß«  523-  Gemeine  Hakenbüchse  mit  gebohrtem  Bronzclauf 
und  ZUndpfanne.  Das  Schlofs,  inkomplett,  war  ursprünglich  ein  Lunten- 
schnapphahnschlofs.  Die  Entladung  erfolgt  vom  Drücker  g,  wodurch 
der  Stift  e  zurücktritt  und  den  Schnapphahn  frei  macht.  Gesamtlänge 
160  cm.    Deutsch.    Das  Rohr  trägt  die  Nürnberger  Marke.    Um  ^520. 

Fig.  524.  Standbüchse  mit  123  cm.  langem  Messinglaufe  und 
Visierrohr.  Der  Schaft  ist  zum  Anlegen  an  die  Schulter  rückwärts  horn- 
artig gebildet.  An  der  Stelle  der  Pfanne  ist  ein  Feuerschirm  aus  Leder 
angebracht.    Italienisch,  um  151  5. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


447 


Um  1460  führte  der  italienische  leichte  Reiter,  später  auch  der 
französische  ein  spannelanges  Rohr  (scopitus),  welches  rückwärts  in 
eine  Stange  auslief,  die  mit  einem  Ringe  endete.    Der  Reiter  trug 
diese  Hand-  oder  Knall büchse  an  einem  Riemen  um  den  Hals 
.    und  legte  sie  zum  Schusse  auf  eine  Gabel  auf,  welche  an  dem  vorderen 
Sattelbogen  befestigt  war.    Diese  Scopiti  (davon  das  spätere  Wort 
Escopette  für  kurze  Reitergewehre)  blieben  in  Frankreich  mit  allerlei 
Verbesserungen  sehr  lange  in  Verwendung,  und  aus  ihnen  ist  das 
spätere  Faustrohr  entstanden.  Von  dem  Gebrauche,  sie  an  die  Harnisch  - 
brüst  anzusetzen,  erhielten  sie  die  Bezeichnung  petrinal  (von  poitrine). 
Diese  kleinen  Reiterbüchsen  wurden  mit  der  Lunte  abgefeuert  (Fig.  522). 
Ein  grofser  Übelstand  bei  den  ersten  Feuerrohren  war  ungemein 
starker  Rückprall ;  man  versuchte  daher  diesen  auf  einen  anderen  festen 
Gegenstand  zu  übertragen  und  versah  zu  diesem  Zwecke  das  Rohr  an 
seiner  Mündung  unterhalb  mit  einem  starken  Ansätze  (Haken),  der  beim 
Schusse  an  eine  Mauer  oder  einen  Pflock  angelegt  wurde.  Von  diesem 
Haken  stammt  ohne  Zweifel  die  spätere  Bezeichnung  Hakenbüchse.*) 
Einen  Gegenstand  emsiger  Sorge  bildete  die  zur  Handhabung  des  Rohres 
unentbehrliche  Schäftung.  Die  ersten  Feuerrohre  besafsen  keinen  Holz- 
schaft, sondern  endeten  rückwärts  in  einem  stangenartigen  Fortsatz 
(Schwanz).    Später  wurde  an  das  Bodenstück  ein  spitzer  Dorn  an- 
geschweifst,  welcher  in  ein  längliches,  prismatisches  Holzstück  (Kolben) 
eingelassen  wurde.    Erst  gegen  1470  erhält  das  Rohr  einen  (ganzen) 
Schaft,    in    dessen    Rinne    es    eingelagert    erscheint.     Bei  diesen 
ersten  ganzen  Schäften  waren  der  Kolben  gerade  gestaltet  und  das 
Rohr  in  der  ausgehöhlten  Rinne  mit  Stiften  befestigt.    Diese  älteste 
Form  ist  das  Vorbild  des  späteren  deutschen  Schaftes  (Fig.  523). 
In  Italien  und  Frankreich  finden  sich  mannigfache  andere  Formen, 
namentlich  in  der  Partie  am  Kolben;  da  erscheinen  ringförmige  Kolben, 
solche,  welche  hakenähnlich  enden,  um  die  Schulter  daran  zu  stem- 
men (Fig.  524),  endlich  auch  nach  abwärts  abgebogene.    Alle  diese 
Änderungen  führen  später  zu  bestimmten  nationalen  Schaftformen,  die 
wir  später  erwähnen  werden. 

Bei  der  primitiven  Abfeuerungsart  aus  freier  Hand  (Fig.  525) 
war  ein  Zielen  nur  sehr  schwer  möglich,  da  das  Auge  dem  Schwamm 
oder  der  Lunte  folgen  mufste;  man  sann  demnach  auf  ein  Mittel,  die 
Zündung  auf  mechanischem  Wege  zu  bewirken.  Aus  diesem  Streben 
entwickeln  sich  bald  nach  1420  die  ersten  Anfänge  des  Lunten- 
schlosses. Das  älteste  bestand  aus  einem  zweiarmigen  Hebel,  an 
dessen  vorderem  Ende  der  Feuerschwamm  in  eine  Spalte  eingezwängt 
wurde.    Ein  Druck  auf  den  unteren  Hebelarm   mit  einem  Finger 


*)  Und  nicht  von  dem  hakenförmigen  Hahn  am  Luntenschlosse,  denn  die 
Bezeichnung  „areubusari"  kommt  schon  weit  vor  Erfindung  des  Luntenschlosses, 
1417,  in  den  Komcntarien  des  Fr.  Carpezani,  vor.    Vergl.  Gay,  Glossaire,  pag.  73. 


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448 


II.  Die  Angrifiswarfen. 


veranlafste  das  Senken  des  oberen,  wobei  der  Schwamm  auf  die 
Pfanne  fiel.*)  Das  hatte  noch  seine  grofsen  Übelstände,  da  beim 
Abfeuern  der  Schwamm  oder  die  Lunte  durch  das  abbrennende  Zünd- 
kraut häufig  ausgeblasen  wurde.  Man  verband  nun  den  Hebel  mit  einer 
Druckfeder,  Stangenfeder,  wodurch  der  Hebel,  Hahn,  Luntenhahn  . 
(fr.  chien,  ital.  cane,  span.  gatillo)  nach  der  Entzündung  des  Krautes 
wieder  in  seine  vorige  Lage  zurückgeschoben  wurde.  Das  war  das  erste 
Schwammschlofs  oder  „Schwammengelafs",  wie  es  im  15.  Jahrhundert 
benannt  wurde.  (Fig.  526.)  Um  1530  tritt  an  diesem  Schlofsmecha- 
nismus  eine  neue  wichtige  Verbesserung  auf  durch  den  Verschlufs 
der  Pfanne  mit  einem  drehbaren  Schuber,  dem  Pfannendeckel. 
(Fig.  527,  528.)  Zwischen  1480  und  1500  entwickelt  sich  das 
Luntenschlofs  in  der  Weise  weiter,  dafs  nun  der  Hahn  mit  einer 


Fig.  5*5- 

*»g-  525-  Rohrschütze,  sein  Feuerrohr  mit  einer  Lunte  ab- 
schickend. Nach  einer  Handschrift  der  Univ. -Bibliothek  zu  Göttingen 
von  1405. 

zweiten  gegenwirkenden  Feder  (Schlagfccler)  ausgestattet  wird. 
Nach  Auslösen  der  Stangenfeder  klappte  nun  der  Hahn  mit  einem 
Schlage  auf  die  Pfanne.  Derlei  Schlösser,  die  übrigens  nicht  allge- 
gemein  in  Aufnahme  kamen  und  auch  im  17.  Jahrhundert  nahezu 
ganz  verschwanden,  nannte  man  Schnapphähne  (Fig.  52g),  und  von 
diesen  übertrug  sich  der  Name  auf  das  marodierende,  allweg  raubende 
Gesindel,  auf  abgedankte  Kriegsknechte  in  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahr- 

*)  In  den  Zeugbüchern  Maximilians  I.  findet  sich  und  zwar  im  Teile  von 
OsterwiU  in  Krain  der  Schwamm  und  die  Art  und  Weise  abgebildet,  wie  er  mit 
dem  Messer  geschnitten  wird.  Es  findet  sich  aber  auf  anderen  Abbildungen  auch 
die  Stricklunte  als  Zündungsmittel  verwendet. 


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D.  Die  Kernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


449 


hunderte ,  die  mit  ihren  Waffen  im  Lande  herumzogen.  In  der 
neueren  Waffenwissenschaft  nennt  man  sie,  zum  Unterschiede  von  den 
späteren  spanischen  und  niederländischen  Schnapphahnschlössern, 
Luntenschnapphahnschlösser. 


I 


Fig.  526. 


Fig.  527. 


Fig.  526.  Handbüchse  mit  Schwammschlofs.  Dabei  der  eisen» 
beschlagene  hölzerne  Ladestock  und  etliche  Stücke  zugeschnittenen 
Holzschwammcs.    Um  1500.    Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I. 

Fig.  527.  Luntensch  lofs  mit  Abzugstange  und  Pfannendeckel. 
Italienisch.    Um  1530. 

Bocheim,  Waffenkunde.  29 


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450 


II.   Die  AngriffswatTcn. 


Am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts,  nach  allgemeiner  Annahme 
15 15,  erscheint  das  Radschlofs.  Die  Angaben  der  Schriftsteller 
über  den  Erfinder  desselben  sind  sehr  zweifelhaft.    Das  System  im 

'  J 


Fig.  528.  Fig.  529. 


Fig.  528.  Handbüchsc.  Der  Bronzelauf  besitzt  ein  Absehen, 
der  deutsche  Schaft  besteht  aus  Lindeuholz,  der  leider  verstümmelte 
Luntenhahn  wird  durch  einen  Druck  des  Daumens  auf  eine  Feder  be- 
wegt.   Deutsch  um  15 10. 

Fig.  529.  Luntensch napphahnschlofs  mit  Züngelabzug.  Die 
Auslösung  geschieht  vom  Schwanz  des  Hahnes  durch  Zurücktreten  eines 
Stiftes.    Italienisch.    Um  1500. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen.  451 

allgemeinen  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  Nürnberg  erdacht. 
Wir  werden  aber  später  sehen,  dafs  seine  konstruktiven  Anfänge  schon 
in  früherer  Zeit  vorhanden  waren.    Sicher  hat  das  Radschlofs  seine 


Fig.  530. 

Fig.  53°-  Deutsches  Kadschlofs  mit  durchbrochener  Rad- 
decke; die  Hahnfeder  läuft  um  das  Rad.  Die  Pfanne  ist  durch  den 
Druck  auf  eine  Feder  zu  öffnen.  Das  Schlofs  besitzt  eine  Züngelsperre, 
die  durch  die  Schlofsplatte  greift.    16.  Jahrhundert,  1.  Hälfte. 


Fig.  53 1- 

Fig.  531.  Deutsches  Radschlofs  mit  ungedecktem  Rade  und 
auf  die  geöffnete  Pfanne  niedergedrücktem  Hahne.  16.  Jahrhundert, 
Ende.  • 

Entstehung  durch  eine  fortschreitende  praktische  Verwertung  des  uralten 
Feuerstahles  gefunden.*)     In   seiner  vollen  Ausbildung  besteht  es 


*)  Das  Steinfeuerzeug,  Stahl,  Feuereisen,  Schlagcisen ,  bildet  ein  Symbol  des 
1429  gestifteten  Vliesordens. 

29* 


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452 


IL  Die  AngriffswaffcD. 


aus  einem  flachen,  am  Rande  nach  der  Richtung  der  Peripherie 
mehrmals  eingekerbten  Rade,  welches  mittels  einer  Welle  an  der 
Schlofsplatte  befestigt  ist  und  mit  dem  Rande  oberhalb  in  die  Pfanne 
eingreift. 

Mittels  eines  Schlüssels  wird  der  Mechanismus  des  Rades  derart 
gespannt,  dafs  das  Rad  um  drei  Viertel  seiner  Peripherie  auf- 
gezogen ist.  Beim  Abfeuern  wird  der  Hahn,  in  dessem  oberen  Teile 
ein  Stück  Schwefelkies  (pyrit)  geschraubt  ist,  derart  auf  die  Pfanne 
niedergedrückt,  dafs  der  Kies  auf  dem  Rande  des  Rades  aufsitzt. 
Infolge  des  Auslösens  der  Spannung  durch  das  Züngel  rotiert  das  Rad 
wieder  rasch  zurück,  wobei  die  durch  die  Reibung  an  dem  Kies  ent- 
stehenden Funken  das  Zündkraut  entzünden  (Fig.  530  und  531).  In 
den  ersten  Stadien  der  Aufnahme  des  Rcibungsprinzipes  zur  Zündung 
ist  das  Rad  noch  nicht  im  Mechanismus  vertreten,  die  Reibung  wurde 


Lopez  in  Madrid.    18.  Jahrhundert,  Anfang. 

anfänglich  durch  eine  kleine,  rauh  gefeilte  Stange  erzeugt,  welche  zu- 
erst mit  der  Hand  geschoben,  später  mittels  Federkraft  bewegt  wurde. 
Noch  im  1 7.  Jahrhundert  kommen  die  Büchsenmacher  in  ihren  Kon- 
struktionen hier  und  da  vom  Wellen-  auf  das  Stangensystem  wieder 
zurück. 

So  sinnreich  das  Radschlofs  erscheint,  für  den  Gebrauch  im 
Kriege  war  es  seiner  vielen  Mängel  wegen  nur  bedingungsweise  von 
Vorteil.  Seine  Mängel  bestanden  vor  allem  darin,  dafs  der  Mechanismus 
zu  kompliziert  war,  das  Rad  durch  den  Pulverrückstand  leicht  ver- 
schmandete  und  das  Gewehr  versagte.  Bei  der  Reiterei  erwies  sich 
das  Radschlofs  jedoch  als  wesentlicher  Fortschritt,  und  selbst  beim 
Fufsvolke  wurde  seine  Brauchbarkeit  bei  nächtlichen  Überfällen  all- 


"j 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen.  453 


gemein  anerkannt.  Für  die  allgemeine  Bewaffnung  des  Fufsvolkes 
erhält  sich  aber  das  Luntenschlofs  unverändert  bis  ans  Ende  des 
1 7.  Jahrhunderts,  doch  führten  in  der  Regel  vom  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts an  von  den  Musketieren  einer  Kompagnie  etwa  10  Mann 
die  Radschlofsmuskete. 

Mit  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  kommt,  und  zwar  zuerst 
in  den  spanischen  Heeren,  eine  Gattung  von  Gewehrschlössern  in  Ver- 
wendung, welche  als  das  Urbild  des  späteren  Flintenschlosses  anzu- 
sehen ist,  das  spanische  Schnapphahnschlofs.  Dasselbe  besitzt 
im  wesentlichen  bereits  die  Mechanik  des  Flintenschlosses,  nur  fehlt 
ihm  die  Nufs  mit  ihren  Rasten,  und  der  gröfste  Teil  des  Mechanis- 
mus liegt  an  der  Aufsenseite.  Der  Hahn,  dessen  Vorbild  im  alten 
Luntenschnapphahn  gefunden  werden  kann,  schlägt  hier  mit  seinem 
Schwefelkies  auf  den  sogenannten  Batteriedcckel,  welcher  insofern 


Fig«  533.  Flintenschlofs  mit  Schnapphahnbatterie  von 
einer  Pistole.  Arbeit  des  Büchsenmachers  Armand  Bongarde  in  Düssel- 
dorf.   Um  1680. 

sinnreich  eingerichtet  ist,  als  er  zugleich  die  Pfanne  schliefst.  Beim 
Abzüge  streift  der  Stein  die  Schlagfläche  des  Batteriedeckels, 
welcher  dadurch  nach  aufwärts  schlägt  und  die  Pfanne  öffnet.  Durch 
die  Reibung  des  Steines  an  der  Schlagfläche  entwickeln  sich  Funken, 
welche  herabfallend  das  Pulver  der  Pfanne  entzünden.  (Fig.  532.) 
Diese  Schlofskonstruktion  findet  sich  bis  ins  18.  Jahrhundert  herein 
häufig  an  Gewehren  (tüfenk)  orientalischer  Herkunft.*) 

*)  Im  17.  Jahrhuudert  bezogen  die  Türken  ihre  Gewehrschlösser  in  grofsen 
Mengen  aus  Europa  und  den  Vertrieb  besorgten  mit  grofsem  Gewinn  griechische 
und  venetianische  Kaufleute. 


Fig.  533- 


464 


II.    Die  AngriffswafFen. 


Das  niederländische  Schnapphahnschlofs  entstand  ohne 
Zweifel  aus  dem  spanischen  und  beruht  auf  dem  gleichen  System. 
Es  besitzt  den  Vorteil,  dafs  der  Mechanismus  an  der  inneren  Seite 
des  Schlofsbleches  angebracht  ist,  den  Nachteil,  dafs  die  Batterie  die 
Aufgabe  des  Verschlusses  der  Pfanne  nicht  besorgt,  sondern  blos  aus 
einem  an  einem  Stiele  sitzenden  Schlageisen,  Schnapphahnbatterie, 
besteht.  (Fig.  533.) 

Es  wäre  hier  noch  einer  besonderen  mechanischen  Einrichtung, 
des  Stechschlosses,  zu  erwähnen,  welches  jedoch  keineswegs  ein 
selbständiger  Mechanismus,  sondern  eine  Vorrichtung  ist,  die  sich  bei 
allen  Schlofsgattungen  anwenden  läfst,  um  den  Abzug  am  Züngel 


Fig-  534. 

Fig.  534.  Landsknechte  eine  Hakenbüchse  auf  zerleg- 
barem^ Bocke  abfeuernd.  Aus  den  Zeugbüchern  Maximilians  I. 
Zeug:  Östcir.  Land.    Um  15 14. 


leichter  zu  gestalten.  Wir  haben  früher  bei  den  Armrüsten  gesehen, 
dafs  bei  diesen  ein  Stechschlofsmechanismus  schon  um  1550  zur  An- 
wendung gekommen  ist.  Um  dieselbe  Zeit  trifft  man  auf  verschie- 
dene Vorrichtungen  gleicher  Tendenz  an  Zielgewehren  aus  Nürnberg 
und  anderen  deutschen  Städten. 

Die  Handfeuerwaffe  trat  bis  Ende  des  15.  Jahrhunderts,  wenn 
wir  die  kleinen  Knallbüchsen  des  14.  Jahrhunderts  als  nur  vereinzelt 
im  Gebrauche  aufser  Berücksichtigung  lassen  wollen,  allgemeiner  in 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


455 


zwei  Gattungen  auf:  als  Haken  und  Doppel  haken.*)  Dieser, 
fast  2  m.  lang  und  bis  nahe  an  30  Kilogramm  schwer,  mit  Kugeln 
bis  116  Gramm,  wurde  auf  Böcke  aufgelegt  und  so  abgefeuert;  zu 
seiner  Bedienung  waren  zwei  Mann  erforderlich.  (Fig.  534.)  Der 
gemeine  Haken  oder  die  Hakenbüchse  besafs  eine  Länge  von  einem 
Meter  und  darüber,  ein  Gewicht  von  ca.  15  Kilogramm  und  schofs 
Kugeln  von  39.9  Gramm  Gewicht 

Um  1499  rüstete  Maximilian  I.  einen  Teil  der  Landsknechte 
als  Büchsenschützen  aus  und  versah  sie  mit  Handbüchsen,  welche 
bei  allerdings  sehr  geringer  Länge  eine  grofse  Leichtigkeit,  ja  ein 
geringeres  Gewicht  als  die  späteren  Musketen  besafsem  Man  findet 
unter  diesen  Handbüchsen,  welche  uneigentlich  auch  Halbhaken 
genannt  wurden,  bereits  metallene  Rohre,  welche  gebohrt  sind.**)  Alle 
diese  Büchsengattungen  besafsen  bis  15 10  noch  Luntenhähne,  welche 
durch  einen  Druck  mit  einem  Finger  auf  eine  Feder  regiert  wurden. 
Viele  sind  unter  ihnen  links  geschäftet.  Die  Schäfte  waren  bereits 
um  1470  zur  Aufnahme  eines  hölzernen,  an  beiden  Enden  mit  Eisen- 
blech beschlagenen  Ladestockes  eingerichtet.  (Fig.  535.) 

Aber  dieses  System  hatte  seine  grofsen  Nachteile,  die  schweren 
Rohre  waren  bei  ihrem  Gewichte  und  bei  der  Notwendigkeit,  deren 
Haken  beim  Schusse  an  irgend  einen  Gegenstand  anzulehnen,  zu  ab- 
hängig vom  Boden.  Schon  Maximilian  I.  empfand  diesen  Nachteil 
lebhaft  und  war  deshalb  bemüht,  ihn  wenigstens  zu  mildern.  Er 
liefs  darum  seine  Böcke  für  Bock-  und  gemeine  Haken  zerlegbar 
einrichten.  Wir  bringen  einen  solchen  Bock  in  Fig.  534.  Er  bestand 
aus  vier  Teilen,  von  welchen  je  zwei  von  einem  Mann  getragen 
wurden.  Sie  liefsen  sich  in  der  gewählten  Stellung  in  einer  Minute 
zusammensetzen.  Die  Handrohre  hatten  eine  so  geringe  Wirkung, 
dafs  ihre  Geschosse  auf  geringe  Distanzen  nicht  einmal  einen  Harnisch 
durchbohrten. 

Da  erscheint  um  1520  zuerst  in  Spanien  eine  neue  Feuerwaffe, 
welche  beide  Nachteile  aufhob,  die  Muskete  (mousquete,  moschetta). 
Sie  besafs  einen  etwas  längeren  Lauf,  so  dafs  das  ganze  Gewehr  un- 
gefähr 1.5  Meter  Länge  mafs.  Der  Lauf  war  von  geringerer  Wand- 
stärke und  besafs  keinen  Haken.  (Fig.  536.)  Die  Muskete  wurde 
beim  Schusse  auf  einen  Gabelstock,  Gewehrgabel,  aufgelegt,  ihre 
Bedienung  war  weniger  umständlich,  da  der  Musketier  (mousquetaire, 
moschettiere)  beim  Laden  das  nötige  Pulverquantum  aus  der  höl- 
zernen Patronenhülse  entnahm,  während  der  Hakenschütze  sein  Pulver 
aus  einem  ledernen  Pulversacke  entnehmen  mufste. 

Durch  diese  wichtige  Verbesserung  wurde  der  Schütze  unab- 

*)  Letzterer  nach  den  Zeugbüchern  des  Kaisers  Maximilian  Haken  auf  Böcken 
genannt. 

**)  „Gegossen  und  geporet  recht"  heifst  es  in  den  Zeugbüchern  des  Kaisers 
Maximilian  I. 


45»i 


II.    Die  Angriffs waffen. 


hängig  vom  Boden,  er  konnte  den  Bewegungen  der  Truppe  folgen, 
und  erst  jetzt  konnte  ein  Feuergefecht  in  zerstreuter  Ordnung  einge- 
leitet werden.  Dieser  Fähigkeit,  allorts  aufzutreten  und  dem  Feind  an 
den  Leib  zu  rücken,  wird  die  Waffe  wohl  ihren  Namen  zu  verdanken 
haben,  indem  die  Musketiere  mit  den  in  Spanien  so  lästigen  Fliegen, 
„mosquitos",  verglichen  wurden.  Viele  Bezeichnungen  im  Kriegswesen 


F>g.  535- 

F>g-  535-  Landsknecht  eine  Handbüchse  abfeuernd. 
Die  Flasche  für  das  Zündkraut  wird  auf  dem  Rücken  getragen.  Aus 
den  Zeugbüchern  Maximilians  L    Zeug  Üsterr.  Land.    Um  15 14. 


verdanken  ja  ihren  Ursprung  dem  Söldnerwitze.  Von  Spanien  ge- 
langte die  Muskete  rasch  nach  Frankreich  und  den  Niederlanden,  am 
spätesten  nach  Deutschland.    In  betreff  ihrer  Konstruktion  ist  zu  be- 


Fig.  536.  Fig.  537-  Fig-  538- 


Fig.  536.  Muskete  mit  Luntenschlofs,  daran  ein  verschiebbarer 
PfannendcckcL  Der  Schaft  ist  reich  mit  Bein  und  Perlmutter  eingelegt. 
Dabei  die  Gewehrgabel.    Um  1620. 

F»g-  537«  Trombon  mit  französischem  Kolben  und  spanischem 
Schnapphahnschlofs.    17.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  538.  Tschinkc  mit  reichen  Einlagen  im  Schafte.  l7jahrh.,Mitte. 


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458 


IL  Die  Angriffswaffen 


merken,  dafs  bei  ihr  zuerst  und  allgemein  das  vollständige  Lunten- 
schlofs  mit  Stangenabzug  zu  sehen  ist. 

Die  leichte  Reiterei  führte  anfänglich  nur  Faustrohre  mit  Rad- 
schlössern, deren  geringe  Wirkung  Veranlassung  gab,  die  Rohre  immer 
mehr  zu  verlängern;  dadurch  entstand  eine  Art  kurzer  und  leichter 
Reitergewehre  mit  Radschlössern,  die  man  gleichfalls  Hakenbüchsen 
(Arkebusen)  benannte,  wiewohl  sie  sich  von  den  eigentlichen  Haken- 
büchsen des  Fufsvolkes  in  allem  unterschieden.  1589  kommt  im 
französischen  Heere  für  diese  Reitergewehre  der  Name  carabine 
auf,  den  sie  auch  bis  in  die  Neuzeit  in  fast  allen  Heeren  behalten 
haben.  Die  ersten  Arkebusierkompanien  (zu  Pferde)  treten  in 
Italien  auf.  Die  niederländischen  und  deutschen  Reiter  führten  ihre 
Gewehre  an  Riemen  (Bandclieren),  welche  über  der  linken  Schulter  ge- 
tragen wurden;  man  nannte  sie  darum  auch  allenthalben  Bandelier- 
reiter. 

In  dem  spanischen  Heere  sind  unter  Karl  V.  um  1530  einzelne 
Schützen  mit  kurzen  aber  schweren  Handbüchsen  ausgerüstet,  deren 
Läufe  an  der  Mündung  trichterartig  erweitert  sind.  Sie  erscheinen 
in  der  Mündung  entweder  kreisrund  oder  auch  queroval  und  wurden 
nach  ihrer  einer  Trompete  (trompa)  ähnlichen  Form  Tromblons  oder 
Trombons  genannt.  Um  1570  führten  sie  die  Venezianer  auf  den 
Galeeren,  und  um  dieselbe  Zeit  wird  eine  leichte  Gattung  von  Trom- 
bons bei  der  italienischen  leichten  Reiterei  eingeführt,  wozu  der  un- 
sichere Schufs  zu  Pferde  die  Veranlassung  gegeben  haben  mochte. 
Vereinzelt  kommen  Trombons  noch  im  17.  Jahrhundert  vor.  Sic 
wurden  mit  gehacktem  Blei  geladen  und  hatten  auf  kurze  Distanzen 
ziemliche  Wirkung.  (Fig.  537.) 

Mit  der  rasch  sich  vollziehenden  mechanischen  Verbesserung  des 
Feuergewehres  wurde  auch  dessen  Verwendung  vielseitiger,  und  den 
verschiedenen  Verwendungsarten  gemäfs  bildeten  sich  bestimmte  Typen 
heraus.  Den  ersten  Anstofs  nicht  nur  zu  wichtigen  Verbesserungen, 
sondern  auch  zur  Bildung  gewisser  besonderer  Formen  für  bestimmte 
Zwecke  gab  die  Jagd,  einen  weiteren  das  in  deutschen  und  nieder- 
ländischen Städten  schon  am  Ende  des  15.  Jährhunderts  in  Aufnahme 
gekommene  Zielschiefscn.  Im  Verlaufe  des  1 6.  Jahrhunderts  kommen 
zahlreiche  Gewehrtypen  in  Aufnahme,  die  früher  ganz  unbekannt 
waren.  Zunächst  trennen  sich  die  Formen  des  Krieges  von  jenen 
der  Jagd  und  des  Zielschiefsens  ab.  Es  bildet  sich  die  Pürsch- 
büchse,  die  Scheibenbüchse  und  diese  verteilen  sich  wieder  in 
zahlreiche  Spezialtypen,  von  denen  wir  nur  die  charakteristischsten 
hier  anführen  können.  Von  Nürnberg  und  Augsburg  aus  gelangen 
die  ersten  Bockgewehre  in  Gebrauch;  Doppelläufe,  welche  über- 
einander liegend  angeordnet  sind,  etwas  später  die  Doppellauf- 
büchsen  mit  nebeneinander  liegenden  Läufen.  Diese  Anordnung 
war  Veranlassung  zu  komplizierten   Radschlofssystemen ,  den  zwei-, 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


459 


dreifachen  Radschlössern  (Doppelschlössern)  u.  dgl.  Besonders  frucht- 
bar an  neuen  Systemen  war  die  Periode  der  letzten  zwei  Jahrzehnte, 
des  16.  und  das  17.  Jahrhundert  Nach  1550  erscheint  plötzlich 
eine  Gattung  von  Gewehren  von  sehr  geringem  Kaliber  und  stark 
abgesenktem,  zierlichen  Kolben,  der  meist  in  Einlegetechnik  reich  ver- 
ziert ist.  Sie  erscheinen  unter  den  Namen  Teschinkas,  Tschinken, 
Teschinger  Büchsen  und  dienten  für  die  Vogeljagd.  (Fig.  538.) 
Ihre  Herkunft  ist  noch  unermittelt,  doch  weist  ihr  Ursprung  auf  ein 
slavisches  Land  im  Nordosten  Europas,  worauf  auch  ihr  Name  hin- 
zielt, denn  teska  bedeutet  im  Tschechoslavischen  so  viel  wie  Pulversack. 
Die  meisten  dieser  Tschinken  besitzen  Radschlösser,  deren  Mechanik 
an  der  Aufsenseite  liegt,  was  wohl  eine  Folge  der  geringen  Dimension 
des  Mittelschafts  sein  mag.    Diese  Konstruktion,   welche  übrigens 


Fig-  539- 


Fig-  539-  Radschlofs  mit  Rauch  fang.  Das  Rad  mit  seinem 
Mechanismus  liegt  im  Innern  der  Schlofsplatte.  Der  Rauchfang  ist  im 
Scharnier  nach  vorne  umzulegen.  Arbeit  des  Büchsenmachers  Christian 
Baier.    Um  1640. 

schon  unter  den  ältesten  Radschlössern  angetroffen  wird,  kommt 
in  den  alten  Inventarien  der  kgl.  Gewehrgalerie  zu  Dresden  unter  ' 
der  Bezeichnung  kurländische  vor,    was  abermals  wieder  nach 
dem  Nordosten  weist.*)    Die  älteste  Tschinke,  welche  dem  Verfasser 

*)  Nicht  selten  werden  die  Tschinken  irrigerweise  türkische  Gewehre  genannt, 
vielleicht  aus  der  Ursache,  weil  die  Zeichnungen  der  Schaftcinlagen  einen  ganz 
fremdartigen,  rustikalen  Stil  erkennen  lassen,  der  dem  in  den  Kunststilen  weniger 
Bewanderten  als  orientalisch  erschien.  Im  weiteren  Sinne  ist  diese  Empfindung 
nicht  unrichtig,  denn  slavische  Stilform  en,  wo  sie  entschiedener  hervortreten,  lassen 
ganz  deutlich  ihre  orientalische  Herkunft  erkennen. 


460 


II.   Die  Angriffswaffen. 


bekannt  geworden  ist,  befindet  sich  in  der  Rüstkammer  zu  Emden; 
sie  trägt  die  Jahreszahl  1558. 

Um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  treffen  wir  kurzläufige  Jagd- 
gewehre, welchen  ihre  eigentümliche  Schlofskonstruktion  den  Namen 
Rauch fanggewehre  gegeben  hat.  Die  Besonderheit  besteht  darin, 
dafs  auf  der  Pfanne  eine  Röhre,  Rauchfang,  aufgesetzt  wird.  Sie 
dienten  vorzüglich  zur  Entenjagd  und  der  Rauchfang  hatte  den 
Zweck,  dem  scheuen  Wild  das  Aufblitzen  des  Zündkrautes  zu  verbergen. 


Fig.  540.  Fig.  541. 


Fig.  540.  Muskete  mit  Luntcnschlofs  und  altem  spanischen 
Kolben  (culatta  castellana).  Der  Schaft  ist  mit  Beineinlagen  geziert. 
Der  Lauf  ist  Nürnberger  Arbeit.    Um  1560. 

Fig.  541.  Muskete  mit  verbeintem  Schaft  und  italienischem 
Kolben.  Radschlofs  in  Verbindung  mit  einem  Luntenhahn.  Be- 
zeichnet 1571.  Deutsch. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


461 


Sie  kommen  hauptsächlich  nur  in  österreichischen  Sammlungen  vor. 
(Fig.  5390 

Schon  vor  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  und  zuerst  an  Faust- 
rohren, kommen  jene  Systeme  vor,  welche  wir  heute  als  Revolver 
benennen;  sie  gehören  eigentlich  ;hrer  Konstruktion  nach  in  die 
Wender  Systeme.  Sie  entwickeln  sich  im  17.  Jahrhundert  zu 
grofser  Vollkommenheit  und  kranken  nur  an  der  ungeeigneten  Zün- 
dungsmethode. 'Aus  diesem  Umstände  erklärt  sich  die  Erscheinung, 
dafs  alle  diese  Systeme  nur  vereinzelt  auftreten  und  sogar  gänzlich 
verschwinden.  Die  Armeria  Reale  in  Turin  bewahrt  eine  Revolver- 
pistole  mit  den  Emblemen  und  dem  Wahlspruch  Karls  V.:  „Plus 
ultra".  Es  ist  die  älteste  Feuerwaffe  dieser  Konstruktionen,  welche 
bekannt  ist 

Bis  zum  Auftreten  des  französischen  Flintenschlosses,  um  1650, 
hatte  die  Form  der  Schäfte  und  besonders  jene  der  Kolben  ver- 
schiedene charakteristische  Wandlungen  durchgemacht,  und  es  haben 
hierzu  alle  Nationen  beigetragen.  Wir  haben  bereits  gesehen,  dafs 
aus  den  ältesten  klotzähnlichen  geraden  Schäften  der  sogenannte 
„deutsche  Schaft"  mit  geradem,  zuweilen  auch  sich  rückwärts 
etwas  verjüngenden  Kolben  hervorgegangen  ist.  Am  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  tragen  die  spanischen,  später  auch  die  niederlän- 
dischen und  französischen  Hakenschützen  Gewehre  mit  nach  abwärts 
gebogenen  Kolben  (culata  castellana).  (Fig.  540.)  Später  kommen 
aus  Italien  Gewehre  mit  geraden,  rückwärts  in  einer  Schnecke 
endigenden  Kolben  (Fig.  541);  sie  werden  auch  in  Deutschland  viel- 
fach nachgeahmt.  Alle  diese  Kolbenformen  erlaubten  aber  nicht  das 
Ansetzen  an  die  Achsel.  Da  treten  um  1560,  vermutlich  aus  Italien 
kommend,  die  alten  Musketenkolben  auf,  welche  bereits  einen 
etwas  abwärts  gebogenen  Kolbenhals  und  ein  Lager  für  den  rechten 
Daumen  (Daumengriff)  besitzen,  ferner  rückwärts  abgeplattet  sind, 
um  ein  Anlegen  an  die  Achsel  zu  erlauben.  (Fig.  542,  543.)  Diese 
Kolbenform  wird  nun  um  1570  die  allgemeine  in  allen  Heeren,  sie 
erhält  sich  bis  um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  bei  einigen  nor- 
dischen Heeren  noch  länger.  Die  Verbindung  des  Laufes  mit  dem 
Schafte  erfolgte  von  der  ältesten  Zeit  an  mittels  Stiften,  welche  quer 
durch  den  Vorderschaft  gesteckt  wurden.  Die  Verbindung  beider 
durch  sogenannte  Laufringe,  die  gegen  das  Ende  des  16.  Jahrhun- 
derts zuerst  bei  orientalischen  Gewehren  bemerkt  wird,  kommt  in 
Westeuropa  erst  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts,  anfänglich  in  Italien, 
später  auch  in  Frankreich  und  den  Niederlanden  in  Aufnahme. 

Hier  wäre  weiter  noch  der  Gewehre  zum  Schiefsen  von  Brand- 
zeug oder  auch  von  Handgranaten,  der  sogenannten  Katzenköpfe, 
zu  gedenken.  Ihr  Lauf  ist  meistens  aus  Bronze  gefertigt  und  ge- 
meiniglich von  einer  30  Zentimeter  nicht  überschreitenden  Länge. 
Ihre  Bohrung  hat  einen  Durchmesser  von  6 — 7  Zentimeter,  Schaft 


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II.    Die  Angriffswaffen. 


und  Schlofs  besitzen  ganz  die  Form  einer  Muskete.  Ihre  erste  An- 
wendung fanden  sie  im  niederländischen  Freiheitskriege  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Sie  wurden  im  Festungskriege  noch  im 
17.  und  18.  Jahrhundert  verwendet  (Fig.  544.) 


ttg.  542.  F'g-  543-  Fig.  54+. 


Fig.  542.  Radschlofsmuskete  mit  italienischem  Kolben.  Das 
Schlofs  besitzt  noch  einen  Lunten hahn.    Italienisch.    Um  1620. 

Fig.  543.  Radschlofsmuskete  mit  italienischem  Kolben.  Über- 
gang zum  französischen  Kolben.  Brescianer  Arbeit  des  Antonio  Fran- 
cini.   Um  1600. 

Fig-  544-  Gewehr  mit  Radschlofs  zum  Schiefsen  von  Brand- 
zeug, sogenannter  „Katzcnkopf.  Der  Lauf  ist  in  Metall  gegossen  und 
besitzt  Kammerbohrung.    Deutsch.    Um  1620. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen. 


403 


Werfen  wir,  bevor  wir  uns  zur  Periode  des  Flintenschlosses 
wenden,  die  einen  wichtigen  Abschnitt  in  der  Geschichte  des  Feuer- 
gewehrwesens bildet,  einen  Blick  auf  die  Entwickelung  der  Feuerwaffe 
im  Oriente. 

In  der  Türkei  machte,  wenngleich  die  Erfindung  des  Schiefspul vers 
ihren  Weg  gerade  vom  Orient  aus  über  die  Tartarei  und  Arabien 
nach  Europa  angetreten  hatte,  die  Aufnahme  des  Feuergeschützes  nur 
langsame  Fortschritte,  ja  im  15.  Jahrhundert  mufsten  sich  die  Türken 
noch  deutscher,  italienischer  und  griechischer  Büchsenmeister  und 
Stuckgiefser  bedienen.  Das  Hauptaugenmerk  war  im  Oriente  stets 
auf  die  Vergröfserung  des  Effektes  gerichtet;  daher  entstanden  auch 
die  riesigen  Geschützungetüme,  mit  welchen  die  Türken  auf  ihren 
Eroberungszügen  auftraten  und  ihre  Festungen  ausrüsteten.  Erst  im 
17.  Jahrhundert  suchten  sie,  aber  immer  mit  fremder  Hilfe,,  europäische 
Geschützsysteme  einzuführen,  in  ziemlicher  Regellosigkeit  und  vom  kaiser- 
lichen zum  französischen  schwankend.  Die  Bedienung  der  Büchsen- 
meister (toptschi)  liefs,  obwohl  an  diese  Unsummen  verschwendet 
wurden,  vieles  zu  wünschen  übrig.  So  schlecht  es  im  türkischen 
Heere  mit  dem  Geschützwesen  bestellt  war,  ebenso  ausgezeichnet 
gegenüber  dem  Occident  war  die  Handfeuerwaffe  entwickelt.  Das  hatte 
seine  Ursachen  in  der  Tüchtigkeit  des  Schmiedehandwerkes,  durch 
welche  es  möglich  wurde,  den  Hauptbestandteil  des  Gewehres,  den 
Lauf,  in  Form  und  Güte  weit  besser  als  im  Occidente  zu  erzeugen. 
Schon  im  16.  Jahrhundert  hatten  die  Orientalen  die  besten  damas- 
zierten  Läufe,  und  auch  in  der  Auszierung  übertreffen  sie  an  Geschmack 
und  eminenter  Technik  weit  ihre  westlichen  Nachbarn.  Wir  finden 
den  Eisenschnitt,  die  Tausia  in  Gold  und  Silber,  nebenher  häufig  auch 
Einlagen  mit  Steinen  und  Korallen.  Allerdings  waren  im  allgemeinen 
türkische  Gewehre  noch  schwer  und  plump,  aber  einzelne  Einrich- 
tungen daran  beweisen  eine  staunenswerte  Kenntnis  der  ballistischen 
Grundsätze.  So  erblicken  wir  an  Läufen  des  16.  Jahrhunderts  feste 
Visieraufsätze,  die  auf  genauer  Berechnung  beruhen;  ihre  Bohrungen 
sind  tadellos. 

In  betreff  der  Schlofskonstruktionen  kann  man,  von  vereinzelten 
Anwendungen  abgesehen,  sagen,  dafs  sie  das  Radschlors  nahezu  ganz 
ignoriert  haben,  und  von  dem  Luntenschlosse  unmittelbar  auf  das  spa- 
nische, beziehungsweise  türkische  Schnapphahnschlols  übergegangen 
sind.  Mit  letzterem  waren  sie  auch  im  17.  Jahrhundert  den  Muske- 
tieren mit  ihren  Luntengewehren  weit  überlegen. 

Wir  gelangen  nun  zu  einer  überaus  wichtigen  Periode  in  der  Ge- 
schichte des  Feuergewehres,  jener  des  Flintenschlosses.  Wir 
stofsen  in  Fachschriften  noch  zuweilen  auf  die  Nachricht,  dafs  der 
französische  Geniegeneral  Vauban  (1633— 1707)  der  Erfinder  des 
Flintenschlosses  gewesen  sei.  Das  ist  schon  darum  unrichtig,  weil  das 
Flintenschlofs  in  seiner  vollen  Ausbildung  schon  1648  von  Pariser 


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464 


II.  Die  Angriffswaffen. 


Büchsenmachern  gefertigt  wurde,  in  welchem  Jahre  Vauban  gerade 
15  Jahre  zählte.  Die  Veranlassung  zu  dieser  irrigen  Angabe  wird 
wohl  gewesen  sein,  dafs  Vauban  das  mit  einem  Luntenhahn  versehene 
Flintenschlofs  in  der  französischen  Armee  allgemein  einführte,  was 
freilich  erst  1692  geschah,  während  das  Regiment  Royal  -  fuseliers 
schon  seit  1671  bestand. 

Schon  bei  den  alten  Schnapphahnschlössern  hatte  man  an  Stelle 
des  Schwefelkieses  vielfach  den  Feuerstein  (Flint,  quarz  pyromache) 
verwendet,  der  wegen  seiner  gröfseren  Festigkeit  seinem  Zwecke 
besser  entsprach.    Von  ihm  erhielt  das  Flintenschlofs  den  Namen.*) 

Die  bearbeiteten  Feuersteine  dürften  anfänglich  aus  den  Nieder- 
landen gekommen  sein.  Die  ersten  Flinten  dagegen,  als  Luxus- 
gewehre nur  für  den  Jagdgebrauch  bestimmt,  wurden  in  Paris  erzeugt, 
und  wenn  man  schon  nach  einem  Erfinder  derselben,  beziehungsweise 
einem  Verbesserer  des  Schnapphahnschlosses  suchen  wollte,  müfste 
man  über  die  Thätigkeit  der  um  1648  dort  wirkenden  Arquebusiers 
genauere  Forschungen  anstellen.  Thatsache  ist,  dafs  uns  der  Pariser 
Philippe  Cordier  d'Aubeville  (1635 — 1665)  in  seinen  gestochenen 
Blättern  und  zwar  in  jenen  von  1654  bereits  die  Abbildung  eines 
Flintenschlosses  bringt**) 

Wir  sind  aber  im  stände,  auf  ein  noch  älteres  im  Originale  vor- 
handenes Flintenschlofs  hinzuweisen.  In  den  kunsthistorischen  Samm- 
lungen in  Wien  befindet  sich  ein  kleines,  leichtes  Reitergewehr  mit 
messingenem  Rohre  und  geschwärztem  Schafte  (Fig.  545),  an  dessen 
Flintcnschlosse  alle  Teile  im  Innern  angeordnet  sind;  die  Schlofsplatte 
ist  von  Messing  und  graviert,  der  Hahn  und  die  Batterie  sind  von 
poliertem  Eisen.  Am  Laufe  lesen  wir:  „Felix  Werder  Tiguri  Inventor 
1652."  Wir  hätten  also  mit  dem  Züricher  Meister  den  Fertiger  der 
ältesten  Flinte  vor  uns;  ob  auch  den  Erfinder  des  Flintenschlosses, 
das  steht  noch  in  Frage,  denn  die  Bezeichnung  Inventor  bezieht  sich 
gewifs  nur  auf  die  Fertigung,  nicht  speziell  auf  die  Schlofskonstruktion. 
Weiter  läfst  die  ausgebildete  Form  des  Hahnes  erkennen,  dafs  das 
System  bereits  einen  gewissen  Entwickelungsgrad  überschritten  haben 


*)  NN  'im  man  den  Mechanismus  des  alten  spanischen  und  niederländischen 
Schnapphahuschlosscs  betrachtet,  so  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dafs  die  Spanier 
und  die  Araber  ebenso  wie  die  Niederländer  statt  des  Schwefelkieses  sich  längst 
nebenher  des  Feuersteines  bei  ihren  Schnapphahngewehren  bedienten.  Die  Spanier 
und  Araber  fanden  hierzu  vorzügliches  Material  an  der  Nordküste  Afrikas  und  die 
Niederländer  verstanden  sich  trefflich  auf  die  Bearbeitung  harter  Stoffe,  sie  werden 
auch  den  harten  Quarz  für  den  Zweck  zuzurichten  gewufst  haben.  Die  Bearbeitung 
des  Feuersteines  war  doch  nur  eine  vergessene  Kunst,  vergessen,  weil  man  ihrer 
nicht  bedurfte. 

**)  Vergleiche  über  die  Entwickclung  der  französischen  Büchscnmacherci  die 
Abhandlung  des  Verfassers  in  den  Blättern  für  Kunstgewerbe,  Wien,  Waldheim, 
1886,  Heft  VII  u.  VIII:  „Die  Luxusgewehrfabrikation  in  Frankreich  im  17.  und 
18.  Jahrhundert". 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen.  465 


mochte.  Jedenfalls  liefert  uns  das  kleine  Gewehr  einen  wertvollen 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Flintenschlosses. 

Die  Einführung  des  französischen  Schlosses  hatte  unmittelbar 
eine  völlige  Veränderung  der  bisherigen  Gewehrform,  zunächst  des 
Schaftes  im  Gefolge,  der  sich  nunmehr  dem  neuen,  weit  konziseren 
Mechanismus  anbequemen  mufste.  Der  Kolben  wurde  in  der  Hand- 
lage schwächer  gemacht;  dadurch  entstand  der  Kolbenhals,  der  Kolben 
selbst  wurde  noch  mehr  abgebogen  und  zum  Anschlage  bequemer 
eingerichtet.  Wir  unterscheiden  diese  Form,  welche  sich  im  wesent- 
lichen noch  bis  jetzt  erhalten  hat,  von  den  übrigen  älteren  durch  die 
Bezeichnung  französischer  Kolben.  (Fig.  546.)  In  seine  Detail- 
konstruktion wurde  auch  die  deutsche  Kolbenlade  herübergenommen, 
eine  Aushöhlung  an  der  Aufsenseite  des  Kolbens,  die  den  Zweck  hatte, 


F'g-  545- 


Fig.  545.  Schlofs  einer  kleinen  Reiterflinte  von  Messing 
mit  eisernem  Hahne.  Arbeit  des  Felix  Werder  in  Zürich.  1652.  Eines 
der  ältesten  vorhandenen  Flintenschlösser. 

die  Requisiten  (Kugelbohrer,  Wischer,  Patronenzieher)  aufzunehmen 
und  welche  mittels  des  Ladeschubers  geschlossen  wurde. 

Die  ausgezeichnete  Geschicklichkeit  indischer  und  arabischer  Lauf- 
schmiede führte  die  Erzeugung  von  langen  und  dünnen  Läufen  herbei, 
die  ihrer  grofsen  Leichtigkeit  wegen,  und  weil  man  selben  eine  be- 
deutende Treffsicherheit  zuschrieb,  namentlich  unter  den  Beduinen- 
stämmen, allgemeine  Verbreitung  fanden  und  teuer  bezahlt  wurden. 
Die  mit  derlei  Läufen  ausgestatteten  Gewehre  besitzen  Schäfte  mit 
abgebogenen,  am  Ende  flach  gedrückten  Kolben  und  kleine  Schnapp- 
hahn-, spätere  auch  Flintenschlösser.  Sie  kommen  jetzt  mehr  und 
mehr  in  Abnahme,  da  auch  die  Wüstensöhne  den  Wert  der  modernen 
Hinterlader  schätzen  lernen. 

Boeheim,  Waffenkunde.  30 


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466  II.   Die  Angriffswaffen. 


Fig.  546.  Fig.  547.  Fig.  548. 

F>H-  546.  Flinte  mit  Lauf  von  Lazarino  Cominazzo  reich  in 
Eisen  geschnitten,  mit  französischem  Kolben.    Um  1700. 

Fig.  547.  Japanisches  Gewehr  in  braun  lackiertem  Schafte 
mit  Luntenschlofs.  18.  Jahrhundert.  Kgl.  historisches  Museum  in  Dresden. 

Fig.  548.  Indisches  Gewehr  mit  Luntenschlofs,  aus  Lahore 
stammend.    Kaiscrl.  Waffensammlung  zu  Zarskoe-Selo.    Nach  Gille. 


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D.  Die  Fernwaffen.    4.  Die  Feuerwaffen  467 

Orientalische  Gewehrformen  ersehen  wir  in  den  folgenden  Figuren 
—551. 


Fig.  55°- 


Fig.  55'. 


Fig.  549- 


F i g.  549.  Montenegrinisches  Gewehr  mit  türkischem 
Schnapphahnschlofs  und  reichen  Metalleinlagen  im  Schafte. 
Kaiserl.  Waffcnsammlung  zu  Zarskoe-Selo.    Nach  Gille. 

Fig.  550.  Türkisches  Gewehr  mit  türkischem  Schnapp- 
hahnschlofs und  reich  in  Elfenbein  eingelegtem  Schafte. 
17.  Jahrhundert. 

Fig.  55 1.  Türkische  Flinte  mit  in  Messing  einge- 
legtem Schafte.    18.  Jahrhundert. 

30* 


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468 


II.    Die  Angriflswaffen. 


Gegen  das  Ende  des  17.  Jahrh.  finden  wir  in  Albanien  und 
Montenegro  eine  eigentümliche  Gewehrform,  die  sich  im  18.  Jahrh.  über 
die  Länder  der  europäischen  Türkei  rasch  verbreitet,  das  sogenannte 
Arnautengewehr  (Djeferdari)  (Fig.  549.)  Es  besitzt  einen  sehr 
langen,  dünnen  Lauf  und  eine  eigenartige  Schäftung,  die  meist  mit 
silbernen  Beschlägen,  Einlagen  und  mit  Stein-  oder  Korallenfassungen  ge- 
ziert ist  Die  ältesten  haben  noch  Schnapphahnschlösser,  die  des  1 8.  Jahrh. 
bereits  gute  Flintenschlösser.  Sie  sind  im  Landvolke  noch  heute  im  Ge- 
brauch, verschwinden  aber  vor  den  modernen  Gewehrsystemen  sichtlich. 

Das  Flintenschlofs  gestattete  in  seiner  einfachen  Konstruktion  die 
Anwendung  verschiedener  Systeme  zur  Erzielung  eines  rascheren 
Feuers.  Es  entstanden  damit  zahlreiche  Hinterlade-  und  selbst 
Magazinsystemc,  denn  auch  diese  sind  eine  Erfindung  dieser  Periode. 

Schon  bald  nach  dem  ersten  Auftreten  des  Feuergewehres  macht 
sich  zunächst  beim  Jagdgewehre  das  Verlangen  nach  künstlerischem 
Schmucke  geltend.  Italien  ging  dabei  wieder  voran,  in  den  anderen 
Ländern  geht  der  Anstofs  dabei  von  den  Höfen,  zunächst  jenen  von 
Burgund  und  Frankreich  aus.  Noch  bis  ins  16.  Jahrh.  werden  verzierte 
Luntengewehre  „altfränkische"  genannt.  In  Italien  verzierte  man  die 
Eisenteile  mit  Gravierungen  und  Vergoldungen,  seltener  die  Schafte 
mit  Schnitzwerk.  In  Burgund  werden  diese  mit  Samt  überzogen  und 
mit  zierlichen  vergoldeten  Silbernägeln  besetzt. 

In  Deutschland  kommt  schon  am  Anfange  des  16.  Jahrh.  eine 
ganz  eigenartige  Verzierungsweise  in  Aufnahme,  die  sich,  von  den 
stilistischen  Wandlungen  abgesehen,  bis  ans  Ende  des  1 7.  Jahrhunderts 
erhält:  die  Elfenbein-,  Hirschhorn-,  Holz-,  später  auch  Perlmutter- 
und  Metalleinlagen  (Intarsia).  Die  Einlegearbeit  der  deutschen  Schäfter 
war  in  Zeichnung  und  Technik  unübertroffen. 

Dagegen  treffen  wir  vom  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  an  an 
mailändischen  und  florentiner  Ziergewehren  den  Eisenschnitt  und  die 
Tausia;  spater,  um  1560,  leisten  auch  die  Brescianer  Archibusieri 
Staunenswertes  im  Eisenschnitt  und  von  etwa  1590  an  auch  in  zier- 
lichen Einlagen  von  Eisen.  Vom  Jahre  1650  an  tritt  in  der  künst- 
lerischen Ausschmückung  von  Gewehren  Frankreich,  voran  Paris, 
alles  verdunkelnd  in  die  Bahn.  Die  Eisenschnitte  und  Relief- 
ziseluren  der  Franzosen  überragen  an  Zeichnung  und  graziöser 
Durchführung  weit  die  der  älteren  Italiener.  Dasselbe  gilt  von  der 
Gravierung  und  den  Metalleinlagcn.  Die  letzten  Radschlofsgewehre, 
welche  in  Deutschland  erzeugt  werden,  zeichnen  sich  noch  durch 
originelle  Schnitzarbeiten  an  den  Schäften  und  brillante,  von  geübten 
Stechern  herrührende  Gravuren  aus.  Die  neue  Generation  von  1680 
an  arbeitete  ihre  Flinten  ganz  nach  französischen  Vorbildern,  aber 
viele  der  jüngeren  Krüftc  übertrafen  ihre  Meister.  In  der  Gegenwart 
ist  nur  noch  von  fabriksmäfsiger  Präzision  der  Gewehre,  nicht  aber 
von  ihrer  künstlerischen  Gestaltung  mehr  zu  reden. 


5.   Der  Gewehrlauf. 

Wie  die  Betrachtung  der  ältesten  Gewehrläufe  lehrt,  haben  diese 
einen  schwierigen  Weg  bis  zu  ihrer  vollendeten  Ausbildung  durch- 
gemacht. Zwar  war  man  schon  im  14.  Jahrhundert  im  stände,  Läufe 
aus  Bronze  zu  giefsen;  diese  aber  hatten  nur  eine  sehr  geringe  Länge, 
weil  man  das  Bohren  nicht  verstand  und  der  Lauf  mit  seiner  inneren 
Höhlung  gegossen  werden  mufste.  Das  schliefslich  unerläfsliche 
Nachbohren  sticfs  schon  auf  Schwierigkeiten. 

Das  Bedürfnis,  längere  Läufe  zu  besitzen  und  die  bedeutenden 
Kosten  bronzener  Läufe  zu  ersparen,  führte  darauf,  die  Läufe  aus 
Eisen  zu  erzeugen.  Dies  geschah,  indem  man  platte  Eisenstücke 
über  den  Dorn  schmiedete  und  so  an  beiden  Enden  offene  Röhren 
erhielt;  der  Stofsboden  wurde  dadurch  hergestellt,  dafs  man  in  das 
glühend  gemachte  hintere  Ende  einen  eisernen  Keil  trieb.  Das 
Zündloch  war  anfangs  an  der  oberen  Seite;  im  Verlaufe  des  15.  Jahr- 
hunderts rückt  es  allmählich  mehr  gegen  die  rechte  Rohrwand  hin, 
wo  zuletzt,  um  das  Zündkraut  aufschütten  zu  können,  aus  dem  Block 
selbst  eine  Schale  herausgeschmiedet  wird,  die  zuletzt  die  Form  einer 
Zündpfanne  annimmt.  Derlei  Läufe  sind  in  der  Regel  prismatisch 
gebildet  Eine  Visiervorrichtung  ist  bei  gemeinen  Rohren  erst  um  die 
Mitte  des  Jahrhunderts  zu  entdecken.*)  Gegen  das  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts begegnet  man  dem  ersten  Versuche,  das  Rohr  durch  eine 
Schraube,  die  sogenannte  Schwanzschraube,  zu  schliefsen.  Diese 
Erfindung  ist  als  eine  namhafte  Verbesserung  anzusehen.  Nun  konnte 
das  Innere  des  Rohres  besser  gereinigt  werden,  der  Verschlufs  wurde 
zugleich  sicherer,  und  es  ergab  sich  aufserdem  der  Vorteil,  dafs  man 
mittels  eines  Fortsatzes  den  Lauf  in  eine  sichere  Verbindung  mit  dem 
Schafte  bringen  konnte.  Sehr  früh  nahm  man  darauf  Bedacht,  den 
Lauf  an  der  Mündung  zu  verstärken,  vermutlich  weil  in  manchen 
Fällen  die  Schweifsnaht  beim  Schusse  entzweirifs.  Solche  Verstärkungen 
rinden  sich  noch  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts.  Eine  Ver- 
besserung von  ungemeiner  Wichtigkeit  führte  die  am  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts  in  Spanien  oder  Italien  gemachte  Erfindung  herbei, 
die  Läufe  zu  bohren.  Nun  konnte  der  Lauf  aus  besserem  Eisen 
gefertigt  und  an  den  Aufsenflächen  regelrecht  gezogen  werden;  die 
Bohrung  erfolgte  durch  eine  Führung  an  den  Aufsenwänden.  Manche  An- 
zeichen deuten  darauf  hin,  dafs  die  Araber  schon  vor  den  Europäern 
ihre  Gewchrläufe  gebohrt  hatten.  Im  Laufe  des  16.  Jahrh.  nahm  die 
Fertigkeit  des  Bohrens  in  so  hohem  Grade  zu,  dafs  um  1570  schon 

*)  In  der  Waffensamnilung  des  Chorherrenstiftes  Klosterneuburg  bei  Wien  findet 
sich  eine  bedeutende  Anzahl  geschmiedeter  Rohre  vom  Anfang  des  15.  Jahrhunderts 
bis  ins  16.  Jahrhundert  datierend,  an  welcher  wertvollen  Kollektion  die  allmähliche 
Verbesserung  ganz  deutlich  zu  verfolgen  ist. 


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470 


II.   Die  Angriffswaffen. 


äufserst  dünne  Läufe  von  staunenswerter  Länge  angefertigt  werden 
konnten.  Die  Waffensaramlung  des  kaiserl.  Hauses  in  Wien  bewahrt 
ein  Radschlofsgewehr  von  ca.  1590,  dessen  Lauf  1.95  m.  Länge  bei 
19  mm.  Bohrung  miCst;  noch  bewundernswerter  ist  ein  Gewehrlauf 
derselben  Sammlung  von  der  enormen  Länge  von  257.5  cm.  und 
einer  Bohrung  von  nur  14  mm.*)  Er  datiert  von  etwa  1620.  In 
der  Verbesserung  des  Laufes  mufs  überhaupt  der  erste  Anstofs  zum 
Auftreten  der  Muskete  gesucht  werden,  denn  erst  jetzt  mäfsigte  sich 
das  Gewicht  des  Gewehres  und  konnte  von  der  Beigabe  des  Hakens 
abgegangen  werden.  Schon  die  ältesten  Musketen  besitzen  gebohrte 
Läufe. 

Vereinzelt  treten  Visiervorrichtungen  bereits  an  Läufen  der  zweiten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  auf.  In  den  ersten  Jahrzehnten  des 
16.  Jahrhunderts  treffen  wir  schon  allgemein  das  Korn  und  an  Stelle 
unseres  heutigen  Absehens  ein  Visierrohr.  Dieses  beweist,  dafs 
über  die  Flugbahn  des  Geschosses  zu  jener  Zeit  noch  eine  bedeutende 
Unklarheit  herrschte  und  man  sich  dieselbe  weit  rasanter  dachte,  als 
sie  in  Wirklichkeit  ist.  Bei  Bailästern  und  Schneppern  erlangte  man 
weit  rascher  eine  praktische  Erfahrung  über  die  Flugbahn  der  Kugel 
und  nutzte  sie  auch  vollständig  aus.  Bemerkenswert  ist  darum  der 
Mangel  jeder  Aufsatzvorrichtung  an  Feuergewehren.  Selbst  als 
die  Grundsätze  der  Ballistik  allgemein  bekannt  wurden,  fand  bei 
der  beschränkten  Schufsweite  der  Visieraufsatz  an  Kriegsgewehren 
nur  geringe  Anwendung.  Um  so  bemerkenswerter  ist  es,  dafs  wir 
solche  schon  an  orientalischen  Läufen  des  1 7.  Jahrhunderts  antreffen. 
Sie  sind  feststehend  aus  dem  Laufe  selbst  gefeilt  und  besitzen  in  ver- 
tikaler Reihe  laufende  Durchlöcherungen,  welche  den  Distanzen  ent- 
sprechen. Es  scheinen  uns  auch  auf  diesem  Gebiete  die  Morgen- 
länder vorangeschritten  zu  sein.  (Fig.  552.) 

In  Nürnberg  scheinen,  und  zwar  zunächst  nur  für  den  Zweck  des 
Zielschiefsens,  die  ersten  gezogenen  Läufe  gefertigt  worden  zu  sein. 
Der  Zeitpunkt  dieser  Erfindung  wird  noch  etwas  vor  der  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  anzunehmen  sein.  Die  ersten  derartigen  Rohre  hatten 
noch  geradelaufende  Züge,  die  natürlich  wenig  mehr  leisteten,  als 
nicht  gezogene  Rohre  mit  Anwendung  von  Pafskugeln.  Um  1560 
erhalten  die  Züge  eine  spirale  Führung  im  Rohrinneren,  wodurch  sich 
erst  ihr  Nutzen  bewähren  konnte.  In  Beziehung  auf  den  Quer- 
schnitt der  Züge  wie  auf  deren  Führung  findet  man  die  verschiedensten 
Formen,  ein  Beweis  unausgesetzten  und  eifrigsten  Strebens  nach  Ver- 
besserung.   Am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  fertigte  der  Augsburger 


*)  Sie  trägt  den  Namen  Hans  Friedrich  von  Dicpendalh.  Das  aber  ist  noch 
nicht  die  äufserste  Leistung  in  diesem  Fache,  der  Waffenschmied  Petrini  berichtet 
in  seinem  wertvollen  Manuskripte  von  1642  (Bibl.  Magüabecch.)  von  einem  Maestro 
Maffei  in  Pistoja,  der  10  Ellen  lange,  allerdings  sehr  schwere  Läufe  hergestellt  hatte. 


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D.  Die  Fernwaffen.    5.  Der  Gewehrlauf. 


471 


Augustin  Kotter  (gest.  nach  1635)  die  ersten  sogenannten  Haar- 
züge.   (Fig.  553  c.)    Für  den  Kriegsgebrauch  wurden  anfanglich 


Fig.  552-  Fig.  553-  Fig.  554- 


Fig.  552.  Türkischer  Lauf  mit  feststehendem  Aufsatz  und 
Visierlöchern.    17.  Jahrhundert. 

Fig.  553.    Querschnitte  von  gezogenen  Rohren. 

a.  Der  Keilzug. 

b.  Der  prismatische  Zug. 

c.  Der  Haarzug. 

Fig.  554.  Wendergewehr  mit  fünf  mit  der  Trommel  in  Ver- 
bindung stehenden  Pfannen  und  Batteriedeckeln.  Halber  Schaft  mit 
französischem  Kolben.    18.  Jahrhundert. 


472 


II.  Die  Angriflswaffcn. 


gezogene  Gewehre  nur  äufserst  selten,  und  vielleicht  nur  bei  der  Ver- 
teidigung von  festen  Platzen  verwendet.  Im  18.  Jahrhundert  werden 
bereits  ganze  Abteilungen  von  Schützen  mit  solchen  versehen.  Am 
Ende  des  1 6.  Jahrhunderts  gewannen  die  Brescianer  Werkstätten. einen 
bedeutenden  Ruf  durch  ihre  ausgezeichnet  gearbeiteten  Gewehr-  und 
Pistolenläufe.  Die  hervorragendsten  Meister,  wie  Francino,  die 
Cominazzi  forderten  für  ihre  Läufe,  die  sie  wie  etwa  heute  ein 
Reifszeug  oder  einen  Goldschmuck  in  Lederetuis  an  die  Büchsen- 
macher fast  von  ganz  Europa  versendeten,  geradezu  horrende  Preise. 
Unwillig,  aber  doch  nicht  ohne  Erfolg  hatten  sie  sich  der  Erzeugung 
gezogener  Läufe  zugewendet,  darin  klüger  als  die  Spanier,  die  dadurch, 
dafs  sie  nur  glatte  Läufe  erzeugten,  den  Niedergang  des  Fabrikations- 
zweiges herbeiführten. 

Eine  besondere  Einrichtung  des  Laufes  hat  im  Verlaufe  des 
1 6.  Jahrhunderts  mannigfache  Verbesserung  erfahren,  die  Zündloch - 
bohrung,  deren  Dimension,  Form  und  Richtung  fortwährend  verändert 
wurde.  Ein  grofser  Übelstand  war  das  sogenannte  Ausbrennen  des 
Zündloches,  welches  dadurch  immer  gröfser  wurde.  Um  demselben 
abzuhelfen,  setzten  die  spanischen  Meister  am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts sogenannte  Zündkerne  aus  reinem  Gold  ein.  Man  findet 
sie  an  spanischen  und  zuweilen  auch  an  französischen  Jagdgewehren 
noch  bis  ans  Ende  des  18.  Jahrhunderts.  Im  vorigen  Jahrhundert 
bilden  sich  je  nach  der  Bestimmung  verschiedene  Formen  und  Be- 
nennungen heraus.  Der  gezogene  Lauf  für  das  Scheibenschiefsen 
und  für  die  Pürschjagd,  der  glatte  Lauf  für  den  Zweck  des 
Krieges  und  für  die  Feldjagd.  Dazu  treten  nun  die  Kombinationen, 
wie  der  Doppellauf  aus  2  nebeneinander  liegenden  aneinander  ge- 
schweifsten  Läufen  für  die  Feldjagd,  der  Bocklauf  aus  einem  Stücke 
mit  zwei  übereinander  angeordneten  Bohrungen,  von  welchen  häufig 
•4ic  eine  gezogen,  die  andere  glatt  ist,  meist  für  die  Pürschjagd. 
Sehr  lange,  glatte  Läufe  dienten  für  die  Jagd  auf  Wasserwild,  daher 
ihr  Name  Entenläufe.  Endlich  kommen  noch  die  Wender- 
gewehre in  Betracht,  welche  in  den  mannigfachsten  Konstruktionen 
vor  Augen  treten.  Sie  dienen  nur  für  Jagdzwecke.  Manche  besitzen 
3  —  5  drehbare  Läufe  mit  ebenso  vielen  gleichzeitig  umlaufenden 
Zündpfannen  und  Batteriedeckeln.  Die  wenigsten  sind  als  zweckmässig 
zu  betrachten.    (Fig.  554.) 

Zum  Schlüsse  haben  wir  noch  bezüglich  der  Einrichtung  der 
Läufe  für  die  Hinterladung  einiges  zu  bemerken.  Die  älteste  Hinter- 
ladevorrichtung um  1550  ist  jene  mit  aushebbarer  Kammer,  ganz 
nach  dem  bei  den  Geschützen  des  15.  Jahrhunderts  üblichen  Systeme. 
Sie  scheinen  besonders  für  den  Reiter  Wert  gehabt  zu  haben,  der 
eine  Anzahl  geladener  Kammern  mit  sich  führen  konnte,  um  sie  in 
den  Laderaum  des  Laufes  einzulegen.  Das  System  findet  sich  nur 
bei  Faustrohren.    Erst  im  1 7.  Jahrhundert  tritt  ein  System  auf,  ähnlich 


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D.  Die  Fernwaffen.    6.  Das  Gewehrschlofs.  473 


dem  Lefoucheux-System,  mit  nach  abwärts  zu  legendem  Kolben,  bald 
darauf  ein  anderes  mit  Schrauben verschlufs.  Im  18.  Jahrhundert  häufen 
sich  die  Hinterladeprojekte  experimentierender  Büchsenmacher,  und 
man  findet  in  ihren  Konstruktionen  nahezu  alle  heutigen  Systeme 
wenigstens  in  ihren  mechanischen  Prinzipien  vertreten.  In  dieser 
Periode  erscheinen  auch  die  ersten  Magazingewehre,  von  denen  die 
meisten  vom  Kolbenschuh  aus  versorgt  werden. 

Das  Erkennen  der  Herkunft  eines  Laufes  ist  zuweilen  schwierig, 
und  es  erfordert  jedenfalls  viele  Übung,  um  die  kleinen  Formeneigen- 
tümlichkeiten der  verschiedenen  Werkstätten  sich  in  das  Gedächtnis 
zu  prägen.  Vor  etwa  1520  finden  sich  keine  sicheren  Beschauraarken, 
um  die  Herkunft  zu  konstatieren,  und  auch  nach  dieser  Zeit  finden 
sich  solche  nur  von  wenigen  deutschen  Orten.  Die  älteste  Marke 
einer  Beschau  durch  die  Behörde  findet  sich  an  Nürnberger  Läufen. 
Diese  ist  anfänglich  ein  N,  später,  von  etwa  1570  an,  stellt  sie 
das  bekannte  geteilte  Nürnberger  Wappen  dar.  In  Augsburg  .wird 
der  „Stadtpyr"  ins  Gesenk  geschlagen.  Spanische  Läufe  erhalten 
erst  im  17.  Jahrhundert  Beschaumarken,  die  in  eingestempelten  Lilien 
bestehen;  solche  finden  sich  im  18.  Jahrh.  auch  an  neapolitanischen. 
Charakteristisch  sind  die  spanischen  Meisterstempel,  welche  im  Grunde 
vergoldet  werden.  Als  die  Fabriken  zu  Suhl  der  alten  Grafschaft 
Henneberg  in  Aufnahme  kamen,  führten  sie  eine  kleine  Marke  mit 
dem  Worte  SVL. 

Mailänder  Läufe  führen  eine  Zeitlang  ein  Kreuz  die  Brescianer 
erscheinen  ohne  Beschaumarke  und  werden  nur  nach  Meisternamen 
oder  Monogrammen  beurteilt,  ebenso  die  steierischen  und  jene  von 
Ferlach  in  Kärnten. 


6.   Das  Gewehrschlofs. 

Bis  ins  15.  Jahrhundert  erfolgte  die  Zündung  des  Gewehres,  wie 
wir  wissen,  mittelst  der  Hand  durch  Auflegen  eines  brennenden 
Stückes  Holzschwamm  oder  einer  Stricklunte.  Als  das  Zündloch  an 
der  Seite  der  Rohrwand  angebracht  wurde,  fügte  man  die  Pfanne 
hinzu.  Das  Bedürfnis,  während  des  Zielens  abfeuern  zu  können, 
gab  Veranlassung  zur  Bildung  des  Luntenhahnes  und  des  Lunten- 
schlosses. 

Man  kann  bei  der  ersten  Anwendung  mechanischer  Hilfsmittel 
zur  Abfeuerung  von  einem  Luntenschlofs  nicht  sprechen,  da  der 
ganze  Apparat  in  nichts  als  einem  Stängelchen  bestand,  welches  am 
Schafte  mit  einem  Stifte  befestigt  war.  Vorne  war  ein  Spalt  an- 
gebracht, in  welchen  der  Schwamm  oder  die  Lunte  gezwängt  wurde. 


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474 


II.   Die  Angriflswaffen. 


Die  Zündung  erfolgte  durch  Fingerführung,  wobei  der  Hahn  durch 
seine  eigene  Schwere  auf  die  Pfanne  klappte.  In  diesem  Entwicke- 
lungsstadium  finden  wir  den  Zündmechanismus  noch  an  den  Hand- 
büchsen  in  den  Zeugbüchern  Maximilians  I. 

In  der  nächsten  Zeit  bildete  man  den  Hahn  als  zweiarmigen 
Hebel,  wobei  der  hintere  Arm  das  Bewegen  desselben  erleichterte. 
Gerade  diese  Konstruktion  führte  später  auf  den  Abzug  durch  das 
Züngel.  Eine  wichtige  Beigabe  war  die  Stangenfeder,  wodurch  sich 
die  Hahnbewegung  regelte;  damit  verband  man  eine  sogenannte  Ab- 
zugstange,  ähnlich  wie  bei  den  Armrüsten.  Hahn,  Feder  und  Ab« 
Zugstange  bildeten  nun  bereits  ein  mechanisches  System,  das  mittels 
der  Schlofsplatte,  die  anfänglich  nur  aus  einem  langen,  bandförmigen 
Blechstreifen  bestand,  zusammengefafst  wurde.  So  entstand  das 
erste  Luntenschlofs.  Das  Züngel  erscheint  bei  feineren  Gewehren 
schon  im  16.  Jahrhundert,  bei  Kriegsgewehren  bleibt  bis  ans  Ende 
des -17.  Jahrhunderts  vielfältig  noch  die  Abzugstange  in  Gebrauch. 


Fig.  555- 

Fig-  555-  Die  sogenannte  Mönchsbüchse.  Orientalisch. 
Kgl.  hist.  Museum  in» Dresden.  Nach  Thierbach,  Handfeuerwaffen  I, 
Fig.  51. 


Die  Vorrichtung  am  Hahne  zur  Aufnahme  des  Zündmittels  bestand 
entweder  in  einem  Spalt,  dessen  beide  Lippen  später,  um  die  Lunte 
fester  einzuklemmen,  mit  einer  Schraube  versehen  wurden,  oder 
in  einem  vorne  angebrachten  Röhrchen,  durch  welches  die  Lunte  ge- 
zogen wurde.  Der  Übelstand,  dafs  bei  Regenwetter  das  Zündpulver 
nafs  und  somit  unbrauchbar  wurde,  veranlasste  die  Beigabe  des  so- 
genannten Pfannenschiebers,  der  auch  noch  im  Radschlofssystem 
beibehalten  ist 

Ein  weiterer  mechanischer  Fortschritt  war  der  Luntenschnapp- 
hahn;  er  erforderte  bereits  eine  doppelte  Federwirkung  durch  die 
Schlagfeder  einer-  und  die  Stangenfeder  andererseits,  die  zumeist  durch 
Zurückziehen  eines  Stiftes  die  Schlagfeder  auslöste.  Die  Erfindung,  wie- 
wohl sie  später  zur  Konstruktion  des  Schnapphahn-  und  Flintenschlosses 


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D.  Die  Fernwaffen.    6.  Das  Gewehrschlofs. 


475 


führte,  bewährte  sich  für  die  Luntenzündung  nicht,  da  der  Hahn 
während  des  Entzündens  auf  die  Pfanne  gesenkt  J^lieb  und  das  auf- 
sprühende Zündpulver  häufig  die  Lunte  ausblies. 

Wie  erwähnt,  nimmt  man  allgemein  an,  dafs  das  Radschlofs  um 
1515  in  Nürnberg  erfunden  worden  sei;  das  mag  in  Bezug  auf  die 
Konstruktion  im  allgemeinen  seine  Richtigkeit  haben,  nicht  aber  in 
Bezug  auf  die  Abfeuerung  durch  das  Reiben  des  Schwefelkieses  an 
einer  rauhen  Eisenfläche.  Wir  sehen  den  Beweis  in  der  sogenannten 
Mönchsbüchse  im  königl.  historischen  Museum  zu  Dresden,  die 
spätestens  ins  1 5.  Jahrhundert  zu  setzen  ist.  Der  Lauf  aber  zeigt  am 
vorderen  Ende  Verzierungen  in  offenbar  arabischem  Stile,  und  es 
weist  dieser  Umstand  von  neuem  darauf  hin,  dafs  wir  die  wichtigsten 
Erfindungen  den  Orientalen  zu  danken  haben.    (Fig.  555 ) 

In  der  Detailkonstruktion  des  Radschlosses  kommen  seit  seinem 
ersten  Auftreten  bis  zu  seinem  Verschwinden  die  mannigfachsten  Ver- 
schiedenheiten vor,  und  jede  einzelne  Veränderung  läfst,  wenn  wir 
genauer  zusehen,  einen  bestimmten  Grund,  eine  Verbesserung  wahr- 
nehmen. Betrachten  wir  vorerst  das  Rad.  Die  ältesten  Rädei  liegen  am 
Mechanismus  unbeschützt  zu  Tage;  das  offene  Rad  aber  wurde  leicht 
beschmutzt,  verstaubt,  was  auf  seine  Bewegung  einen  widrigen  Einflufs 
üben  mufste.  Bei  Regenwetter  wurde  es  nafs,  wodurch  die  Funken- 
bildung gestört  wurde.  Man  versah  demnach  das  Rad  mit  einer 
schalenförmigen  Decke,  die  zuweilen  auch  durchbrochen  gebildet 
wurde,  was  freilich  auch  die  Absicht  wieder  vereitelte.  Diese  Rad- 
decke wird  mit  Vorliebe  ein  Gegenstand  der  Verzierung,  sie  ist  meist 
aus  Metall  und  vergoldet  und  zeigt  die  hübschesten  Dessins  in  Gra- 
vierung oder  Ätzung.  Man  unterscheidet  darum  zunächst  Radschlössef 
mit  offenem  und  solche  mit  gedecktem  Rade.  Im  Verlaufe  des 
16.  Jahrhunderts  treffen  wir  bezüglich  der  Lage  des  Rades  auf  die 
mannigfachsten  Konstruktionen;  nicht  selten  finden  wir  das  Rad  an 
der  Innenseite,  eine  Anordnung,  die  viele  Nachteile  im  Gefolge  hatte. 
Zur  Feststellung  des  Rades  diente  ein  Achslager,  eine  Art  Studel, 
und  nicht  selten  findet  man,  dafs  die  Hahnfeder  rings  um  die  untere 
Hälfte  des  Rades  geführt  ist.  Bei  den  ältesten  Konstruktionen  voll- 
führt beim  Abzüge  das  Rad  eine  ganze  Umdrehung.  Bei  den  späteren 
macht  das  Rad  nur  eine  halbe  und  selbst  nur  eine  Viertelumdrehung. 
Sehr  bald  nach  Erfindung  des  Radschlosses  stellt  sich  zur  Sicherung 
gegen  unzeitiges  Losgehen  des  Gewehres  eine  Sperrvorrichtung  ein, 
die  an  der  rückwärtigen  Seite  angebracht  ist.  Es  gibt  vielerlei 
Sperrsysterae ;  das  einfachste  und  am  öftesten  vorkommende  ist  jenes, 
wo  der  Fufs  des  Abzuges  verlängert  ist  und  mit  seinem  Ende  aus 
einer  Durchfeilung  der  Schlofsplatte  hervorragt.  Ein  Scharnierhebel 
kann  mit  seiner  Kopffiäche  derart  vor  die  vordere  Seite  des  Fufses 
gelegt  werden,  dafs  der  Abzug  unbeweglich  wird.  Die  ältesten  Rad- 
schlösser haben  noch  Pfannenschieber,  welche  mit  dem  Daumen  auf- 


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47Ü 


IL  Die  Angrifiswaffcn. 


zuschieben  sind;  die  späteren,  vornehmlich  jene  an  Jagdgewehren, 
besitzen  schon  Pfajinenschieber,  welche,  durch  den  Druck  auf  einen 
Knopf  von  einer  Feder  (Deckelfeder)  im  Innern  bewegt,  rasch  sich 
öffnen  lassen. 

Unter  den  Radschlössern  bildet  das  kurländische  eine  eigene 
Art.  Vermutlich  ist  es  überhaupt  das  älteste  Radschlofs.  Seine 
Eigentümlichkeit  besteht  darin,  dafs  Schlagfeder  mit  Rad  und  Kette 
nach  aufsen  zu  gelegen  ist;  über  beide  Teile  ist  die  Studel  im  Bogen 
geführt.  Der  Hahn  mit  einer  besonderen  Feder  liegt  vor  der  Pfanne. 
Die  Stangenfeder  wirkt  inwendig  von  unten  auf  den  vorderen  Ami 
der  Stange.  (Fig.  556.) 

Eine  besondere  Konstruktion  zeigen  die  sogenannten  Selbst- 
spanner. Während  jedes  gewöhnliche  Radschlofs  mit  einem  Schlüssel, 
dem  zu  diesem  Zwecke  an  die  Welle  des  Rades  gesteckten  Rad- 


Fig.  556. 

Fig.  556.  Kurländisches,  sogenanntes  Tschinkenrad- 
schlofs.    17.  Jahrhundert,  Anfang. 


schlofs Schlüssel,  gespannt  wird,  erfolgt  bei  den  Selbstspannern  das 
Spannen  durch  die  Bewegung,  die  der  Hahn  beim  Niederlegen  auf 
die  Pfanne  macht,  so  dafs  die  Mitführung  eines  eigenen  Schlüssels 
entbehrlich  wird. 

Die  Konstruktionen  dieser  Art  sind  so  mannigfaltig,  dafs  es  zu 
weit  führen  würde,  selbst  die  gebräuchlichsten  hier  anzuführen.  Der 
aufmerksame  Liebhaber  wird  im  vorkommenden  Falle  leicht  eine 
solche  Kombination  entdecken  und  ihr  System  sich  klar  machen. 

Die  Form  des  Hahnes  hat  im  Verlaufe  der  Zeit  Veränderungen 
erfahren,  so  dafs  es  möglich  ist,  wenigstens  die   späteren   auf  den 


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D.  Die  Fcmwaffen.    6.  Das  Gcwehrschlofs. 


477 


ersten  Blick  hin  von  rJen  älteren  zu  unterscheiden.  Die  ältesten 
Hähne  sind  sehr  einfach  und  bestehen  nur  aus  einem  dünnen,  ge- 
drehten oder  vierkantig  gefeilten  Stiele,  die  Hahnlippen  sind  schmal 
und  eckig  gebildet,  der  Hebel  ist  kurz  oder  fehlt  wohl  auch  ganz. 
Später  ist  der  Hahn  mehr  geschwungen,  der  Stiel  wird  breiter,  der 
Hebel  strebt  in  hohem  Bogen  nach  aufwärts  und  bildet  auch  einen 
Ring.  Zuletzt  werden  die  Hähne  breit  und  plump  mit  allerlei  Ein- 
feilungen versehen.  Immer  aber  sind  sie  und  zuweilen  selbst  meister- 
haft graviert.  Viele  und  namhafte  Kupferstecher,  vorzüglich  Augs- 
burger, haben  sich  in  der  Gravierung  und  Auszierung  von  Rad- 
schlössern  versucht. 

Italienische  Radschlösser,  besonders  die  von  Brescia  und  Gar- 


Fig.  557- 

F"g-  557-  Radschlofs  mit  zwei  Hähnen  und  ei ner  Pfanne. 
Brcscianer  Arbeit.    17.  Jahrhundert. 


done ,  sind  meist  sehr  zierlich  gebildet  und  die  Hähne  zeigen  oft 
phantastische  Formen:  Drachen,  Schlangen  etc.,  ein  Beweis  für  die 
ausgezeichnete  künstlerische  Schulung  der  Verfertiger. 

Bei  den  älteren  Radschlofsgewehren  neigt  sich  der  Hahn  gegen 
die  Mündung  zu,  später  hat  er  fast  ausnahmslos  eine  entgegengesetzte 
Bewegung.  Das  geringe  Vertrauen,  welches  man  allweg  dem  Rad- 
schlosse entgegenbrachte,  führte  zu  verschiedenen  Kombinationen, 
denen  die  Absicht  zu  Grunde  liegt,  falls  das  Schlofs  versagte,  den 
Schützen  nicht  in  Verlegenheit  kommen  zu  lassen.  Bis  ins  1 7.  Jahr- 
hundert hinein  wird  darum,  namentlich  bei  Kriegsgewehren,  dem 


478 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Radschlofs  ein  Luntenhahn  beigegeben.  Bei  Jagdgewehren  kommen 
häufig  Radschlösser  mit  2  Hähnen  vor,  welche  abwechselnd  auf  die 
Pfanne  gelegt  werden  können.  (Fig.  557.)  Diese  Vorsicht  entsprach 
kaum  dem  Zwecke  vollständig,  da  die  meisten  Versager  ihre  Ursache 
in  dem  verschmandeten  Rade  hatten.  Die  Umständlichkeit,  das  Rad 
nach  jedem  Schusse  wieder  aufziehen  zu  müssen,  veranlafste  schon 
um  1570  zu  verschiedenen  Versuchen,  ein  Schlofs  zusammenzustellen, 
welches  bei  einmaligem  Spannen  mehrere  Schüsse  abzugeben  gestattet 
Die  hierauf  abzielenden  Systeme  sind  ungemein  mannigfaltig 

Eine  Eigentümlichkeit  an  Rad-  und  Flintenschlofsgewehren  findet 
sich  in  den  sog.  Doppelschlössern.  (Fig.  558.)  Zwei  oder  auch 
drei  Schlösser  liegen  voreinander  und  jedes  besitzt  seine  eigene  Pfanne 
mit  Zündloch.  Diese  Konstruktion  ging  aus  der  Absicht  hervor,  nicht 
für  jeden  einzelnen  Schufs  neu  laden  zu  müssen.  So  wurden  nun 
2 — 3  Patronen  je  nach  der  Schlofszahl  übereinander  geladen  und 


Fig.  558. 

S58-    Doppclschlofs  einer  Flinte  mit  zwei  Pfannen. 

Um  1680. 


zwischen  jede  Ladung  ein  starker  Pfropf  gelagert.  Die  Einrichtung 
kann  nicht  als  eine  vorteilhafte  angesehen  werden. 

Von  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  an  streben  die  deutschen 
Werkstätten  eifrig  nach  Verbesserung  des  Radschlosses,  das  man  mit 
allem  Rechte  als  „deutsches  Schlofs"  bezeichnet.  Es  gab  keinen 
Büchsenmacher,  der  nicht  sein  eigenes  System  gehabt  hätte.  Wir  finden 
darum  auch  an  Radschlössern  bis  ins  17.  Jahrhundert  die  mannig- 
fachsten Varianten,  von  denen  nicht  wenige  sich  als  sehr  sinnreich 
zu  erkennen  geben;  freilich  treffen  wir  auch  nicht  selten  sonderbare 
Verirrungen.  (Fig.  559.)  Die  Gewehrschlofssammlung  der  k.  k.  Hof- 
Wafiensammlung  in  Wien  ist  in  dieser  Beziehung  sehr  lehrreich,  sie 
enthält  u.  a.  ein  monströses  Radschlofs  von  nicht  weniger  als  44  cm. 
Schlofsplattenlänge  und  3.8  kg.  Gewicht,  eine  bedenkliche  Verirrung 


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I).  Die  Feruwaflen.    6.  Das  Gcwehrschlofs. 


479 


eines  Meisters.  Als  ob  zur  Entzündung  einer  gröfseren  Quantität 
Pulver  mehr  und  stärkere  Funken  nötig  wären  als  zur  Entzündung 
einer  kleineren. 

Indem  wir  zur  Besprechung  der  Sehn apphahnsy  st eme  schreiten, 
bemerken  wir,  dafs  es  rätselhaft  ist,  warum  das  spanische  Schnapp- 
hahnschi ofs,  das  sicher  so  alt  als  das  Radschlofs  ist,  sich  nicht 
gleich  diesem  allgemein  verbreitete.  Bei  allen  konstruktiven  Mängeln 
war  der  Vorteil  des  Systems  gegenüber  jenem  des  Radschlosses  so 
in  die  Augen  springend,  dafs  wir  über  die  lange  Dauer  des  Gebrauches 
von  Lunten-  und  Radschlössern  nur  staunen  können.  Wir  nennen 
die  älteste  Schnapphahnkonstruktion  eine  spanische,  weil  sie  von  Spanien 
her  sich  langsam  über  Frankreich  und  die  Niederlande  verbreitete. 
Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  dafs  sie  von  den  Mauren  herge- 


Fig-  559- 


Fig.  559.  Radschlofs  mit  Spanner  von  einem  Jagdgewehr 
des  Augustinus  Kotttr,  genannt  Sparr  in  Nürnberg.  Die  Gravierung 
ist  von  Wilhtlm  Weyer  in  Wien.  Späteste  Form  des  Kadschlosscs. 
Sammlung  des  Grafen  Wladimir  Mittrowsky  in  Pernstein  in  Mähren. 

kommen  ist;  denn  sie  wird  weit  häufiger  an  arabischen  und  türkischen 
als  an  europäischen  Gewehren  des  iö.  Jahrhundeits  angetroffen. 
(Fig.  560.)  In  verschiedenen  Werken  wird  sie  auch  türkisches 
Schnapp hahnschlofs  benannt.  Wahrscheinlich  aber  ist  sie  eine 
maurisch-arabische  Erfindung  der  zweiten  Hälfte  des  1 5.  Jahrhunderts. 

Bei  diesen  Schlössern  befindet  sich  das  Federsystem  an  der 
äufseren  Seite  der  Schlofsplatte,  und  das  ist  unstreitig  ein  Nachteil. 
Nirgends  ist  eine  Nufskonstruktion  vorhanden,  die  schlagende  Bewegung 
erfolgt  vielmehr  durch  den  Druck  der  Schlagfedcr  auf  einen  Hahn- 


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480 


II.  Angri ff s waffen. 


fortsatz.  Der  Abzug  wird  durch  Zurückziehen  eines  Stiftes  bewirkt,  der 
durch  die  Schlofsplatte  greift  und  den  Hahn  in  gespannter  Lage 
erhält.  Die  wichtigste  und  genialste  Einrichtung  besteht  aber  in  der 
Verbindung  des  Pfannendeckels  mit  der  Schlagfläche  (Batterie),  wo- 
durch sich  die  Pfanne  in  dem  Augenblicke  öffnet,  wo  der  Schlag 
erfolgt.*)  Es  ist  daher  ganz  unbegreiflich,  warum  die  niederländischen 
Meister,  welche  das  spanische  Schnapphahnschlofs  um  1560  über- 
nahmen und  weiterbildeten,  gerade  dessen  vorteilhafteste  Einrichtung, 
den  Batteriedeckel  (von  battere,  schlagen),  verwarfen,  den  alten 
Pfannenschieber  des  Radschlosses  beibehielten  und  auf  die  soge- 
nannte Schnapphahnbatterie  verfielen,  welche  in  einem  Schlagcisen 
bestand,  das  auf  einem  Stiele  angeordnet  war.**)    Diese  Schnapp- 


Fig.  560. 


Fig.   560.    Spanisches  Schnapphahnschlofs  von  Francisco 
Lopez  in  Madrid.     18.  Jahrhundert. 

hahnbatterie  wird  von  den  Franzosen  und  Niederländern  an  den 
Flintenschlössern  noch  um  1680  angewendet.  (Fig.  533.)  Eine  un- 
leugbare Verbesserung  besitzt  das  niederländische  Schnapphahnschlofs 
darin,  dafs  der  Federmechanismus  nach  innen  zu  gelegen  ist.  An 
einigen  sind  schon  Versuche  bemerkbar,  die  zum  Flintenschlofssystem 
überleiten.  Auch  der  Hahn  nähert  sich  in  seiner  Form  bereits  dem 
späteren  Flintenhahn.  Es  ist  bemerkenswert,  dafs  wir  schon  an  türkischen 

*)  Solange  noch  der  Schwefelkies  angewendet  wurde,  mufstc  die  Schlagfläche 
mit  nach  abwärts  laufenden  Rifflungen  zur  Schonung  des  Steines  versehen  wer- 
den; beim  Feuersteine  war  diese  Vorsicht  nicht  mehr  nötig. 

**)  Die  Ursache  wird  wohl  sein,  dafs  die  niederländischen  Büchsenmacher  ru 
sehr  unter  dem  Einflüsse  der  deutschen  standen  und  von  dem  aufschnellenden 
Pfannenschuber  des  Radschlosses  eine  zu  hohe  Meinung  hatten. 


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D.  Die  Fernwaffen.    6.  Das  Gewehrschlofs. 


481 


Schnapphahngewehren  vom  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  die  Hahn- 
sperre  (Sperrhaken)  antreffen.  Wir  sehen  auch  hier  wieder,  dafs  die 
besten  Einrichtungen  weit  älter  sind,  als  man  bisher  angenommen  hat 
und  auf  den  Orient  zurückgehen. 

Schliefslich  sei  erwähnt,  dafs  das  älteste  bekannte  niederländische 
Schnapphahnschlofs  im  historischen  Museum  in  Dresden  die  Jahres- 
zahl 1598  trägt. 

Das  französische  Flintenschlofs  kann  als  eine  der  wichtigsten 
Verbesserungen  im  Gewehrwesen  betrachtet  werden.  Es  war  damit 
ein  System  geschaffen,  welches  allen  Anforderungen  an  eine  sichere 
und  rasche  Entladung  entsprach,  und  dennoch  begegnete  es  in  den 
konservativen  Militärkreisen  in  Frankreich  einem  nicht  zu  bannenden 


Fig.  561.  Flintenschlofs  mit  reicher  Auszierung  in  Eisenschnitt, 
zur  Flinte  Fig.  544  gehörig.    Um  1700. 

Mifstrauen.  Bis  ans  Ende  des  17.  Jahrhunderts  blieb  der  Lunten- 
hahn noch  an  den  Schlössern  der  Füscliergewehre. 

Am  Flintenschlosse  liegt  mit  Ausnahme  des  Hahnes,  der 
Pfanne,  dem  Batteriedeckel  und  der  Deckelfeder  der  Mecha- 
nismus, bestehend  in  der  Nufs,  der  Stangenfeder,  der  Schlag- 
feder, der  Studel  und  der  Stange  im  Innern  der  Schlofsplatte. 
Die  ältesten  französischen  Flintenschlösser  besafsen ,  wie  erwähnt, 
noch  die  alte  Schnapphahnbatterie,  was  als  ein  Beweis  erscheint, 
dafs  der  französische  Erfinder  des  Flintenschlosses  das  niederländische 
Schnapphahnschlofs  zum  Vorbild  genommen  hatte.  Der  Pfannen- 
schuber wird  noch  mittels  Drücker  geöffnet.    Diese  Umständlichkeit 

Boeheim,  "Waffenkunde.  31 


\ 


Fig.  561. 


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482 


II.    Die  AngrifTswaffen. 


wufsten  die  Pariser  Meister  dadurch  zu  beseitigen,  dafs  sie  den  Pfannen- 
schuber mit  dem  Hahne  durch  ein  Gestänge  verbanden,  sodafs  sich 
ersterer  beim  Aufziehen  öffnet.  Eine  charakteristische  und  wesent- 
liche Neuerung  ist  in  der  Nufs  mit  ihren  beiden  Rasten  zu  sehen; 
sie  gewinnt  aber  nach  vielen  Studien  erst  die  zweckentsprechende 
Form.  Bis  etwa  1660  trifft  man  noch  häufig  geriffelte  Schlagflächen 
für  Schwefelkies,  von  da  an  nur  noch  platte.  Um  dieselbe  Zeit  ver- 
schwinden auch  die  Schnapphahnbatterien,  die  sich  unverdtenterweise 
so  lange  im  Gebrauche  erhielten.  Von  dem  Entstehen  des  Flintcnschlosses 
an  datiert  ein  riesiger  Aufschwung  der  französischen  Büchsenmacher- 
werkstfttten  unter  dem  Schutze,  welchen  ihnen  namentlich  Cölbe rt  ge- 
währte. Die  Arbeiten  sind  aber  auch  von  einer  Schönheit  und  Ele- 
ganz, welche  alle  Bewunderung  verdienen.  Auf  die  Ausschmückung 
der  Schlösser  wie  der  Läufe  nahmen  die  ersten  Künstler  Frankreichs 
im  Fache  der  Dekoration,  wie  Lebrun,  Berain,  Brisseville  und 
viele  andere,  Einflufs.  (Fig.  561.)  Nach  und  nach  erst  bequemten  sich 
die  deutschen  Büchsenmacher  dazu,  von  ihrem  geliebten  Radschlosse 
zu  lassen  und  Flintenschlösscr  zu  erzeugen;  bei  ihrer  ausgezeichneten 
fachlichen  Schulung  gelang  es  ihnen  aber  im  18.  Jahrhundert  rasch 
den  Franzosen  und  Belgiern  empfindlichste  Konkurrenz  zu  machen, 
ja  einzelne,  wie  Ulrich  Münz  in  Braunschweig,  S.  Hauschka  in 
Wolfenbüttel,  Andreas  Kuchenreuter  in  Regensburg,  L.  Becher 
in  Karlsbad,  Georg  Keiser  in  Wien  u.  a.,  übertrafen  bald  die  Fran- 
zosen in  der  Schönheit  und  Güte  ihrer  Arbeiten. 

Die  Einfachheit  und  konzise  Zusammenstellung  des  Mechanismus 
gestattete  ohne  Schwierigkeit  die  Umwandlung  des  Flintenschlosses 
in  ein  Stechschlofs.  Stechschlösser  linden  sich  schon  am  Beginne 
des  18.  Jahrhunderts  in  nahezu  derselben  Form  wie  ein  Jahrhundert 
spater. 


7.  Das  Faustrohr  und  die  Pistole. 

Wir  haben  bereits  früher  erwähnt,  dafs  das  kurzläufige  Faust- 
rohr, die  spatere  Pistole,  aus  den  Knallbüchsen  des  14.  Jahrhunderts 
hervorgegangen  ist,  die  die  Reiter,  auf  dem  Sattelbogen  von  einer 
Gabel  gestützt,  abfeuerten.  Diese  Knallbüchsen  besafsen  rückwärts  einen 
stangenartigen  Fortsatz,  welcher  beim  Anschlage  an  die  Brustplatte 
angestemmt  wurde.  Aus  diesen  plumpen  und  schweren  Büchsen  ent- 
standen, nachdem  es  gelungen  war,  die  Laufstärke  zu  ermäfsigen,  die 
l'etrinals,  welche  zwar  noch  immer  an  die  Brust  angestemmt  werden 
mufsten,  doch  keiner  Gabelstütze  mehr  bedurften.  Diese  Petrinals  be- 


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D.  Die  Fernwaffen.    7.  Das  Faustrohr  und  die  Pistole.  483 


sitzen  schon  einen  Holzschaft,  welcher  geradelaufend  als  ein  Fortsatz 
des  Laufes  anzusehen  ist  und  zur  Verstärkung  dicht  mit  Nägeln  besetzt 
wurde.  Sie  wurden  mit  der  Lunte  abgeschossen,  was  für  den  Reiter 
ungemein  schwierig  und  selbst  gefährlich  war.  Um  1530  erscheinen 
in  Deutschland  die  ersten  Faustrohre,  welche  mit  der  ausgestreckten 
Hand  abgefeuert  werden;  ihr  erstes  Auftreten  hatte  eine  nicht  un- 
bedeutende Umwandlung  in  der  Bewaffnung  des  Reisigen  zur  Folge. 
Das  Faustrohr  erwies  sich  nämlich  als  eine  ganz  vorzügliche  Waffe 
für  den  Nahkampf,  es  machte  die  Schlagwaffen,  wie  Kolben,  Hämmer 
und  Streithaken,  entbehrlich,  weshalb  diese  auch  allgemach  aus  der 
Reiterei  verschwanden.  Nur  in  den  orientalischen  Ländern,  in  Ungarn, 
Polen  und  Rufsland  etc.,  deren  Bewohner  mit  ungemeiner  Zähigkeit 
an  den  überlieferten  kriegerischen  Einrichtungen  hingen,  blieb  die 
Schlagwaffe  noch  bis  über  das  17.  Jahrhundert  hinaus  im  Ge- 
brauche. In  den  Heeren  Süd-  und  Westeuropas  aber  legten  die 
Führer  und  Rottmeister  ihre  Kolben  und  Hämmer  ab,  die  in  letzter 
Zeit  ohnehin  nur  noch  die  Bedeutung  von  Würdezeichen  hatten. 
Dafür  erhielt  nun  jeder  reisige  Mann  zwei  Faustrohre,  welche  am 
vorderen  Sattelbogen  in  Hulftern  geführt  wurden.  Diese  Faustrohre 
hatten  eine  ungleiche  Länge,  das  kürzere,  gewöhnlich  Fäustling  oder 
Puffer  genannt,  war  nur  für  ganz  geringe  Distanzen  brauchbar;  es 
diente  auch  nur  im  Handgemenge,  wo  es  nicht  selten  auch  nach 
Entladung  den  Dienst  eines  Streitkolbens  verrichtete;  das  längere,  das 
eigentliche  Faustrohr,  konnte  auf  50  —  80  Schritte  eine  ansehnliche 
Wirkung  ausüben.  Bei  dieser  Waffe  erwies  sich  das  Radschlofs  als 
ungemein  vorteilhaft,  da  der  Reiter  sich  zum  Abfeuern  nur  einer 
Hand  zu  bedienen  brauchte. 

Die  ältesten  Faustrohre  mit  Radschlössern  bildeten  sich,  was  die 
Form  des  Schaftes  betrifft,  aus  den  petrinals  heraus;  sie  haben  einen 
noch  geraden  oder  nur  wenig  nach  abwärts  gesenkten  Kolben  (Hand- 
griff), an  dessen  Ende  eine  kugelförmige  Verstärkung,  die  sogenannte 
Afterkugcl,  sich  befindet.  Gegen  1560  senkt  sich  der  Handgriff 
an  deutschen  Faustrohren  immer  mehr  nach  abwärts,  so  dafs 
dieser  mit  der  Laufrichtung  einen  Winkel  von  50 — 60 0  bildet. 
(Fig.  562)  Von  Spanien  aus  kamen  um  1550  Handgriffformen  in 
Aufnahme,  welche  geschweift  gebildet  und  nach  rückwärts  schmal 
zugeschnitten  sind.  Die  Italiener  bildeten  ihre  Formen  den  Deutschen 
ähnlich,  nur  ist  der  Handgriff  weit  länger  und  schlanker,  geradelaufentl 
und  endet  mit  einer  eiförmigen  Afterkugel  oder  mit  geschweifter  Ver- 
stärkung. (Fig.  563.)  Ähnliche  Formen  werden  von  1580  an  viel- 
fach auch  in  Deutschland  und  den  Niederlanden  erzeugt.  Ziel- 
vorrichtungen finden  sich  sehr  selten,  ebenso  gezogene  Läufe.  Sehr 
früh  begegnet  man  der  Sperrvorrichtung  an  den  Radschlössern.  Das 
Bestreben,  die  Arbeit  des  Ladens  möglichst  zu  erleichtern,  hatte  schon 
um    1540  dahin  geführt,   Faustrohre  mit   Hinterladeeinrichtung  zu 

3t* 


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484 


II.   Die  Angriffswaffen. 


fertigen.  Die  ältesten  bekannten  beruhen  auf  dem  System  der  auszu- 
hebenden Kammer  mit  seitlichem  Scharnier verschlufs.  Um  1560  kamen 
sehr  zierliche  Doppelfaustrohre  oder  Doppelfauster  in  Gebrauch. 
Die  ersten  gelangen  aus  Italien  nach  Deutschland.  Die  Laufe  stehen 
getrennt  übereinander  und  berühren  sich  an  den  Mündungen;  an 
jeder  Seite  befindet  sich  ein  Radschlofs,  der  Handgriff  läuft  gerade, 
so  dafs  das  Faustrohr  für  den  zweiten  Schufs  nur  gewendet  zu  werden 
braucht.  (Fig.  564.)    Um   1580,  wenn  nicht  schon  früher,  kommen 


Fig.  562.  Fig.  563.        Fig.  564. 


Fig.  562.  Kurzes  Faustrohr,  sogenaunter  „Puffer",  mit  in  Bein 
eingelegtem  deutschen  Schafte,  mit  Aftcrkugel.  Nürnberger  Arbeit,  mit 
dem  Zeichen  der  Traube.    Um  1560. 

Fig.  563.  Langes  Faustrohr  mit  dreifachem  Radschlofs;  die 
Räder  sind  gedeckt,  die  vordere  Radsperre  ist  geöffnet  dargestellt.  Der 
Schaft  von  Nufsholz  ist  unterhalb  mit  graviertem  Elfenbein  belegt. 
Italienisch,  vermutlich  brescianisch,  ohne  Zeichen,    Um  1560. 

Fig.  564.  Doppelfaustrohr  mit  übereinander  stehenden,  51  cm. 
langen  Läufen  und  zwei  Radschlosscrn,  der  Schaft  ist  reich  mit  Elfen- 
bein und  Perlmutter  eingelegt.    Italienisch.    Um  1570. 


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Fig.  565.  Fig.  566. 


Fig-  565.  Revolverfaustrohr  mit  Radschlofs  und  sechs- 
schüssiger  Trommel.  Letztere  ist  mit  durchbrochenen  Mcssingauflagen 
geziert,  in  welchen  der  böhmische  Löwe  dargestellt  ist.  Deutsch.  Um  1590. 

Fig.  566.  Reiter pistole  mit  geschnittenem  Laufe  und  Schlosse 
und  mit  Silber  eingelegtem  Schafte.  Arbeit  von  La  Marre  in  Paris.  Um  1 730. 


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4S6 


II.  Die  Angriffswaffen. 


die  ersten  Revolver-Faustrohre  in  Aufnahme,  die  meisten  sind 
mit  6  schüssiger  Trommel  ausgestattet.  Welcher  Nation  die  sinnreiche 
Erfindung  zuzuschreiben  ist,  kann  nicht  angegeben  werden;  die  dem 
Verfasser  vor  Augen  gekommenen  besitzen  zwar  italienische  Formen 
in  der  Schäftung,  sind  aber  durchweg  von  deutscher  Hand,  viele  in 
Nürnberg  gefertigt.  (Fig.  565.) 

Im  Verlaufe  des  dreifsigjährigcn  Krieges  verändert  sich  die 
Schaftform  des  Faustrohres  dadurch,  dafs  die  Afterkugel  verschwindet, 
der  Handgriff  etwas  geschwungen  gebildet  wird  und  in  einer 
mäfsigen,  mit  Metall  beschlagenen  Verstärkung  endet.  Von  etwa  1650 
an  machen  sich  französische  Einflüsse  in  der  Formengebung  immer 
stärker  geltend,  ihnen  verdankt  die  gegenwärtige  Form  ihre  Entstehung 
und  von  jener  Zeit  wird  auch  der  Name  Pistole  immer  häufiger 
und  schliefslich  allgemein.  Dafs  der  Name  von  Pistoja  herrühre, 
ist  ebensowenig  begründet  als  die  Herleitung  des  Wortes  Bajonett 
von  Bajonne.*)  Der  Spanier  bezeichnet  mit  pistoresa,  wahrscheinlich 
von  piston  hergeleitet,  jede  kurze,  handsame  Waffe,  so  auch  den 
kurzen  Dolch,  der  Italiener  mit  pistolesa  einen  kurzen  Säbel; "es  dürfte 
sich  sonach,  wie  so  häufig  in  den  Bezeichnungen  von  Waffen,  der 
Name  von  einem  Vergleiche  mit  einem  anderen  ähnlichen  Gegen- 
stande herleiten. 

Im  18.  Jahrhundert  scheiden  sich  nach  dem  Gebrauchszweck  drei 
Pistolengattungen  ab:  die  Reiterpistole  (Fig.  566)  für  das  Feld 
mit  langem  Laufe  und  kleinem  Kaliber,  die  Jagdpistole  mit  grofsem 
Kaliber,  zuweilen  auch  mit  Trombonlauf  für  Schrotladung,  weiters  die 
Scheibenpistole  mit  kleinem  Kaliber,  Stechschlofs  und  nicht  selten 
auch  gezogenem  Laufe.  Die  Ducllpistole  besitzt  in  der  Regel  die 
Form  der  Reiterpistole.  In  dieser  Periode  erscheinen  die  Doppel  - 
pistolen,  die  ersten  werden  in  Frankreich  erzeugt.  Die  Vorteile 
des  Flintenschlosses  wurden  für  die  Pistole  rasch  ausgenutzt  und  auch 
die  Hahnsperre  sehen  wir  häufig  angewendet.  Speziellen  Bedürfnissen 
dienten  die  kleinen  Pistolen,  Terzerole,  pistole.se  genannt,  endlich 
die  sogenannten  Taschenpuffer,  welche  nur  mehr  als  eine  Art 
Spielzeug  anzusehen  sind.  Das  Flintenschlofs  gestattete  bei  Pistolen 
nicht  nur  die  Anwendung  von  Wendersystemen  mit  3 — 4  Läufen, 
sondern  auch  das  Revolversystem. 

Das  Faustrohr  wurde  unmittelbar  nach  seiner  Einführung  zur 
Lieblingswaffe  des  adligen  Reiters,  der  ein  Paar  derselben  stets  bei 
seinen  Ritten  mit  sich  führte.  Die  gewöhnlichen  Faustrohre  wurden, 
wie  noch  heute,  am  vorderen  Sattelbogen  in  Ilulftern  geführt,  die 
meist   mit  Samt  überzogen  waren.     Im   17.  und   18.  Jahrhundert 


*)  Man  mufs  im  allgemeinen  die  landläufigen  Herleitungen  der  Bezeichnungen 
im  Waffenwesen  mit  Vorsicht  aufnehmen.  Nahezu  alle  laufen  auf  Lautähnlichkeiten 
hinaus,  die  im  Übrigen  jeder  historischen  Grundlage  entbehren. 


D.  Die  Fermvaflen.    7.  Das  Faustrohr  und  die  Pistole, 


487 


wurden  diese  Hulftern  mit  grofsen  Überschlägen  (Taschen)  versehen, 
welche  mit  Emblemen,  Namenszügen  etc.  geziert  und  mit  Fransen 
besetzt  wurden.  Lange  Faustrohre,  die  in  ihrer  Gröfse  eine  Cber- 
gangsform  zur  Arkebuse  und  zum  Karabiner  darstellen,  wurden  auch 
auf  der  rechten  Seite  am  rückwärtigen  Sattelbogen  in  schweren  Hulftern 
geführt. 

Als  Reiterwaflc  des  Adligen  wurde  das  Faustrohr  schon  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  ein  beliebter  Gegenstand  künst- 
lerischer Auszierung,  und  es  haben  darin  die  Deutschen  durch  ihre 
aufserordentlich  feinen  und  schönen  Elfenbeineinlagen,  die  Italiener 
durch  ihre  prächtigen  Eisenschnitte,  sowie  durch  ihre  wunderbaren 
Dekorationen  in  Tausia  sich  einen  Namen  zu  machen  gewufst. 

Im  18.  Jahrhundert,  der  Periode  des  Flintenschlosses,  tritt  die 
Schaftdekoration  mehr  in  den  Hintergrund,  dafür  werden  Läufe  und 
Schlösser,  sowie  die  Beschläge  mit  Vorliebe  verziert,  und  wir  treffen 
da  auf  ausgezeichnete  Schnittarbeiten,  wie  auch  auf  Gravierungen,  die 
sich  in  manchen  Fällen  als  Kunstwerke  darstellen.  Die  Gold-  und 
Schwarzätzung,  die  einst  einer  so  grofsen  Beliebtheit  sich  erfreute, 
wird  immer  seltener  und  verschwindet  endlich  ganz.  Die  Schäfte 
erhalten  nur  noch  selten  Metalleinlagen  oder  sind  in  seichter  Aus- 
führung geschnitzt;  im  übrigen  wurden  sie  in  der  natürlichen  Holz- 
farbe belassen  oder  dunkel  gebeizt. 

In  den  orientalischen  Ländern  wird  die  Pistole  im  16.  Jahrhun- 
dert nur  von  den  Vornehmsten  geführt,  allgemeiner  kommt  sie  erst 
im  1 7.  Jahrhundert  in  Aufnahme,  kommt  aber  dann  zu  so  hohem 
Weite,  dafs  sie  mit  dem  Handschar  der  unzertrennliche  Begleiter 
jedes  Mannes  wird.  Im  Oriente  ist  die  Pistole  nicht  wie  in  den 
westlichen  Ländern  ein  Gegenstand  der  Pferdeausrüstung,  sie  wird 
nie  in  Hulftern,  sondern  stets  im  Gürtel  des  Mannes  getragen.  Die 
Rohre  sind  ungemein  dünn  und  von  kleinem  Kaliber,  die  meist  euro- 
päischen Schlösser  klein,  die  Schäftung  ist  in  den  meisten  Fällen  mit 
Metall  beschlagen  und  oft  mit  edlen  Steinen  geziert.  Nur  die  älteren 
orientalischen  Pistolen  zeichnen  sich  durch  Kunstwert  aus,  die  neueren 
sind  zwar  reich,  ja  überladen,  in  ihrer  stilistischen  Behandlung  lassen 
sie  jedoch  viel  zu  wünschen  übrig. 


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8.  Die  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente 

und  Geräte. 


Die  in  der  ältesten  Zeit  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Gerät- 
schaften waren  keineswegs  gleichartig.  Das  Geschützwesen  entwickelte 
sich  anfänglich  in  den  Heeren  für  sich,  damit  entstanden  unterschied- 
liche Gerätschaften,  von  vielen  einzelnen  unabhängig  voneinander 
erdacht,  die  freilich  allesamt  Ähnlichkeiten  aufweisen.  Als  die  Ge- 
schütze noch  ohne  Lafetten,  auf  Kanthölzern  liegend,  abgefeuert 
wurden,  war  die  gemeine  Bandhacke  das  vorzüglichste  Werkzeug  des 
Stuckknechtes;  daneben  wurde  die  Ladeschaufel  (Fig.  567)  ge- 
führt, mittelst  welcher  das  Pulver  in  das  Rohr  geschüttet  wurde, 
weiters  der  Wischer,  der  Ladestock,  die  Hebebäume,  Geifs- 
füfse,  auch  Beifser  genannt,  der  Büchsenmeister  trug  den  Lunten - 
stock,  eine  Art  Spiefs,  von  dessen  Klinge  seitlich  Arme  ausliefen, 
an  welchen  die  Luntenstricke  aufgewunden  wurden.  Der  Luntenstock 
bildete  auch  zugleich  das  Zeichen  der  Würde  eines  Meisters. 
(Fig.  37g,  380,  568.)  Schon  in  der  1.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  wird 
zum  Richten  der  Wurfgeschütze  ein  einfacher  Quadrant  benutzt, 
wie  wir  aus  einem  Kodex  von  ca.  1440  in  der  Bibliothek  der  kunst- 
historischen Sammlungen  in  Wien  ersehen. 

In  dem  Mafse  als  die  Geschütze  eine  solidere  und  gleichmäfsigere 
Lafettierung  erhielten,  wird  auch  das  Gerät  einfacher  und  fachgemäfser ; 
die  Hacke  verschwindet  im  Feldkriege  gänzlich,  dafür  entstehen  sehr 
sinnreich  erdachte  und  leicht  fortzubewegende  Hebezeuge  u.  dgL 
Als  um  1680  allgemach  die  Patronen  eingeführt  wurden,  kamen 
auch  die  Ladeschaufeln  aufser  Gebrauch.  Nun  wird  die  Hand- 
habung eine  subtilere,  der  einzelne  Stuckknecht  wird  mit  feineren 
Instrumenten  zur  Bedienung  ausgerüstet.  Der  Mann  erhalt  ein  so- 
genanntes Besteck,  welches  aufser  Kaliberstab  und  Besteckmesser, 
auch  Raumnadel,  Bohrpfriemen,  Feile  und  Zirkel  enthält.  Ähnliche  Aus- 
rüstungen, wenn  auch  einfacher,  führten  schon  die  italienischen  Ar- 
tilleristen der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Zum  Bestimmen 
der  Kraft  des  Pulvers  erfand  man  im  1 7.  Jahrhundert  sehr  sinnreiche 
Instrumente,  Pulverproben  genannt.  Es  gibt  davon  unterschied- 
liche mechanische  Systeme,  das  beste  jener  Zeit  ist  die  sogenannte 
Stangen  probe,  nach  Furtenbach  1642,  von  welcher  ein  Exemplar 
sich  in  den  kaiserlichen  Sammlungen  zu  Wien  befindet.  (Fig.  569,  570.) 

Ebenso  wie  beim  Geschütz  bediente  man  sich  in  der  ältesten 
Zeit  auch  bei  Handfeuerwaffen  gewisser  Hilfs Werkzeuge,  je  nach 
individuellen  Bedürfnisse.  Erst  in  der  letzten  Zeit  des  14.  Jahrhun- 
derts macht  sich  in  Italien  ein  von  den  Machthabern  ausgehendes 
Streben  bemerkbar,  Gleichartigkzit  in  die  Ausrüstung  des  Büchsen- 
schützen mit  Gerätschaften  zu  bringen.    Die  älteste  Ausrüstung  eines 


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D.  Die  Fernwaffen.    8.  Die  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente.  489 

Scopitus  zu  Pferde  (Fig.  522)  war  einfach  genug,  sie  bestand  in  einem 
eisernen  Ladestock,  einer  Gabel  zum  Auflegen  der  Knallbüchse  auf  den 
Sattelbogen,  einem  ledernen  Pulversack  und  einem  Kugelbeutel.  Der 
gemeine  Büchsenschütze  zu  Fufs  um  1400  trieb  einen  Pflock  in  die 
Erde,  auf  den  er  sein  Rohr  auflegte.  (Fig.  525.)  Aber  schon  um  1420 
finden  wir  die  Gewehrgabel  in  Anwendung,  die  sich  jedoch  bald 
wieder  verlor.  Gegen  die  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts,  als  die 
Plattenharnische  allgemein  wurden,  glaubte  man  nur  durch  Gewehre 
von  schwerem  Kaliber  dieser  jederzeit  überschätzten  Schutzwaffe  ent- 


Fig.  567.  Fig.  568.  Fig.  569. 


F»£-  567.  Ladeschaufel.  Kopie  aus  den  Zeugbüchern  Maxi- 
milians I. 

Fig.  568.  Preufsisches  Artillerie-Kurzgewehr  mit  Lunten 
träger.    1720 — 1740.    Kgl.  Zeughaus  in  Berlin. 

Fig.  569.  Pulverprobe,  sogenannte  „  Stangeuprobe ",  nach 
Furteubach.  1642. 


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4Ü0 


II.  Die  AngrirTswafTeti. 


gcgenwirk.cn  zu  können.  So  entstanden  die  Hockbüchsen;  sie  wurden 
von  zwei  Mann  bedient,  von  denen  der  eine  den  Bock,  der  andere 
die  Büchse  zu  befördern  hatte.    (Fig.  534.) 

In  den  Landsknechtheeren  der  ältesten  Periode,  von  1490 — 1520, 
erblicken  wir  zum  ersten  Male  die  Pulverflasche,  und  zwar  bei  allen 
I  Jandbüchsenschützen  in  ziemlich  gleichartigen  Formen.  Sie  ist  scheiben- 


Fig.  570. 

Fig.  570.    Pulverprobe  mit  Hebel  und  Zahnrad.    L'm  1750. 

förmig,  mifst  nicht  über  10  cm.  im  Durchmesser,  hat  ein  Ausgufsrohr 
und  wird  an  einer  Schnur  auf  dem  Rücken  getragen,  wogegen  vorne 
an  der  Brust  aber  ein  kleines  Hörnchen  für  das  Zündkraut  hing. 
(Fig.  535.)  Diese  scheibenförmige  Gestalt  behalten  die  Pulverflaschen 
für  den  Kriegs-  und  Jagdiiebrauch  bis  ans  Ende  des  1 8.  Jahrhunderts. 


(Fig.  571,  5/2.) 


F'g-  57«. 


Fig.  5  7 1  •    Klein.«  Pul  vor  f  läse  he  mit  Pulversperre  aus  Horn 

mit  Silberbeschlägen.  In  den  Gehäusen  befindet  sich  einerseits  eine  Uhr, 

anderseits  ein  Kompafs.  Sächsische  Arbeit.  Um  1580.  Sammlung 
der  Frau  Gräfin  Zicrutin  in  lilauda  in  Mühren. 


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D.  Die  Fernwaffen.    8.   Die  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente.  491 


Um  1510  wird  auch  bereits  der  Kugel  bohre  r  und  der  Kratzer, 
um  Ladungen  aus  dem  Rohre  zu  ziehen,  angewendet,  wie  wir  aus  den 
Zeugbüchern  Maximilians  I.  ersehen.  Mit  der  Zunahme  der  Fertigkeit 
im  Schiefsen  wurden  die  Pulverflaschen  allgemach  gröfser,  so  dafs  sie  in 
den  deutschen  Heeren  in  der  angegebenen  scheibenförmigen  Gestalt  um 
1560  schon  einen  Durchmesser  von  15  cm.  erreichten.  Die  Italiener 
brachten  um  1580  die  ersten  kantig  geformten  Pulverflaschen  auf  den 
niederländischen  Kriegsschauplatz.  Diese  sind  trapezförmig  mit  ge- 
schweiften Seitenrändern  gestaltet,  bei  einer  Dicke  von  ca.  6 — 7  cm. 
Der  Körper  ist  aus  Holz  gearbeitet  und  mit  durchbrochenem  Eisen  be- 
schlagen. Er  wird  mit  Schnüren  und  Quasten  ausgestattet,  rückwärts  an 
der  rechten  Hüfte  getragen,  während  ein  ganz  gleich  geformtes,  nur  weit 


Fig.  57*- 

Fig.  572.  Kleine  Pulverflaschc  von  Elfenbein  mit  Pulver- 
sperre und  lichtblauen  Quasten.  In  der  Mitte  der  Scheibe  sind  beider- 
seits Medaillons  in  Silber  eingelassen.  An  der  einen  Seite  erblickt  man 
das  Reliefbild  Ernst  Rüdigers  von  Starhemberg,  des  Verteidigers 
von  Wien  1683,  an  der  anderen  Seile  eine  Ansicht  dieser  Stadt.  Um 
1690. 

kleineres  Fläschchen  für  das  Zündkraut  an  derselben  Seite  vorne  an- 
gebracht ist.  (Fig.  573,  574.)  In  den  nordischen  Ländern  ahmte 
man  diese  Flaschen  häufig  nach,  auch  änderte  man  in  einigen  Ländern 
die  Formen.  So  erscheinen  nicht  selten  Flaschen  in  Form  eines  ab- 
gestutzten Kegels,  rückwärts  aber  abgeplattet;  das  Ausgufsrohr  bleibt 
dabei  unverändert.  In  Italien  kommen  sie  in  verschiedenem  Material, 
namentlich  in  schöner  Ledertechnik,  vor.    (Fig.  575,  576.)  Mit 


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492 


II.  Die  Angriffswaften. 


der  Muskete  zugleich  tritt  die  Gewehrgabel  auf,  welche  als  ein 
charakteristisches  Attribut  des  Musketiers  bis  ans  Ende  des  1 7.  Jahr- 
hunderts im  Gebrauch  bleibt.    (Fig.  577.)    Für  die  Niederlande  ist 


Fig.  573- 

Fig-  573-  Musketier-Pulverflaschc  mit  Kedcrspen-c,  von  durch- 
brochenem Eisen  mit  Unterlagen  aus  gelbem  Samt  und  grünen  Quasten. 
Italienisch.    Um  1570. 

das  Pul  verhorn  charakteristisch.  (Fig.  578.)  Es  kam  von  dort 
aus  auch  anderwärts  in  Gebrauch   und  besteht  aus  einem  flach- 


Fig.  574. 

Fig.  574.    Flasche  für  das  Zündkraut  in  gleicher  Ausstat- 
tung wie  Fig.  573. 

geprefsten  Kuhhom;  das  breite  Ende,  mit  Blech  geschlossen,  bildet 
den  Boden,  während  an  dem  dünneren  Ende  eine  Röhre,  das  Aus- 
gufsrohr  mit  Pul  versperre,  angebracht  ist. 


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D.  Die  Kernwaffen.    8.  Die  bei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente.  493 


mit  in  Lcder  geprefsten  Verzierungen.    Um  1580. 


F'ß-  576.  Fig.  577. 

Fig.  576.    Pulvcrflasche  aus  geprefstem  Lcder,  mit  Eisenblech 
montiert.    Italienisch.    Um  1570. 

Fiß«  577«  Gewchrgabel  aus  dem  Besitze  des  Erzherzogs 
Leopold  V.  von  Tirol  (1586— 1632),  der  Schaft  ist  reich  mit  Elfen- 
bein belegt,  oberhalb  zeigt  sich  die  Darstellung  des  guten  Hirten  mit 
dem  Schrifttext:  „Ego  sum  pastor  bonusu.    Deutsch.    Um  1628. 


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404 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Das  Pulverhorn  wurde  gemeiniglich  an  einer  Schnur  über  die 
Schulter  oder,  wie  bei  den  niederländischen  Reitern,  am  sogenannten 
Flaschenhangsel  am  Leibriemen  getragen.  Dieses  bestand  aus 
einem  Stück  Leder,  an  welchem  die  Pulverflasche,  der  Spanner  und 
der  Kugelbeutel  befestigt  waren.    Das  Behältnis  für  das  Zündkraut 


Fig.  579.  Fig.  580. 


F'g-  579-  Patronbüchse  eines  kaiserlichen  Arkebusiers  fiir 
13  Patronen  von  Eisen,  blank,  mit  Schwarzätzung  geziert.  Deutsch. 
Cm  1570. 

Fig.  5  So.  Patronen  band  elier  eines  Musketiers  mit  Kugelbeutel 
und  Zündkrautflasche.  Nach  Schön,  Geschichte  der  Handfeuerwaffen, 
Tafel  10. 


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D.  Die  Fernwaffen.    8.   Die  hei  den  Feuerwaffen  dienenden  Instrumente.  405 


ist  in  jener  Periode,  am  Beginne  des  17.  Jahrhunderts,  verschieden. 
J.'lger  tragen  mit  Vorliebe  ein  aus  der  Gabel  eines  Hirschgestilnges 
gebildetes  FUischchen.  In  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts,  als  bei 
den  leichten  Reitern  und  vornehmlich  den  Arkebusieren,  die  Patrone 
in  Verwendung  kommt,  führten  diese  sog.  Patronbüchsen,  die  an 
die  Leibgürtel  geschnallt  wurden.  Gemeine  Reiter  im  kaiserlichen 
Heere  trugen  darin  10 — 15  Patronen  (Fig.  570),  bei  Vornehmen  waren 
sie  in  der  Regel  kleiner  und  oft  reich  geziert.  Sie  sind  von  Eisen- 
blech, oft  mit  Ätzungen  ausgestattet;  ihre  üufsere  Form  erinnert  an 
den  BolzenkOcher,  nur  sind  sie  weit  niedrige! . 


Fig.  581.  Fig.  582.  Fig.  583  Fig.  584. 


Fig.  58t.  Preufsischer  Luntenberger,  nach  einem  Ölgemälde 
im  kgl.  Zeughaus  in  Berlin.    Um  1720. 

Fig.  582.  Radschlofsspanncr  in  Verbindung  mit  einem 
Schraubenschlüssel  von  geschnittenem  Eisen,  teils  vergoldet,  zu  einem 
Jagdgewehre  Kaiser  Rudolfs  II.  gehörig.  Augsburger  Arbeit.  Um 
1605. 

Fig.  583.  Radschlofsspanncr  in  Verbindung  mit  einem  Pulver- 
mafse.    Gebläutes  Kisen.    Deutsch.     17.  Jahrhundert. 

Fig.  584.  Pulverhorn  für  das  Ziindkraut,  ohne  Pulversperre, 
von  Horn  mit  Beschlag  aus  graviertem  Messing,  an  selbem  findet  sich  ein 
Spannschlüsselloch.    Deutsch.    17.  Jahrhundert. 

Im  17.  Jahrhundert  ist  die  deutsche  scheibenförmige  Puiver- 
flasche  noch  hie  und  da  in  Gebrauch,  und  zwar  meistens  von  Holz 
und  gedreht.  Bei  den  östlichen  Völkern,  in  der  europäischen  Türkei, 
in  den  polnischen  und  ungarischen  Nationalheeren  bediente  sich  der 


49(3 


II.  Die  Angriffswaffen. 


gemeine  Mann  häufig  des  sogenannten  Flaschenkürbis,  der  an  der 
Mündung  mit  einer  primitiven  Ausgufsröhre  versehen  wurde. 

Die  Pulverflasche  litt  an  dem  Übelstande,  dafs  der  Schütze  die 
für  einen  Schufs  erforderliche  Pul  vermenge  nicht  genau  abzumessen 
im  stände  war  und  meist  zu  viel  Pulver  in  das  Rohr  brachte. 

Um  diesem  Übelstande  abzuhelfen,  rüstete  man  den  Musketier  mit 
einer  Anzahl  (n  — 12)  hölzernen,  gedrehten  Patronenhülsen  aus, 
in  welchen  die  genau  für  den  Schufs  abgemessene  Quantität  Pulver 
vorhanden  war.  Diese  Patronenhülsen  wurden  mittels  geflochtener 
Lederriemchen  an  einen  mäfsig  breiten  Riemen  gehängt,  der  über  der 
linken  Schulter  getragen  wurde.  (Fig.  580.)  An  diesem  Riemen 
(Bändel ier,    bandouliere)  hing  auch  ein  Beutel  für  Kugeln  und 


Fig-  585. 

Fig.  583.  Flasche nhangscl  zur  Bewahrung  der  Kugeln  im 
Beutel,  der  Zündkrautflasche  und  des  Spanners.  Nach  Schön,  Geschichte 
der  Handfeuerwaffen,  Taf.  14. 

Wisch  zeug  und  die  Zündkrautflasche,  überdies  wickelte  man  noch 
einen  Luntenvorrat  darum.  Diese  Bandelicre  scheinen  zuerst  in 
Sachsen  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  aufgekommen  zu  sein;  am 
Beginne  des  17.  findet  man  sie  bereits  in  den  meisten  Heeren,  in 
Italien  am  spätesten.  Obwohl  sie  den  beabsichtigten  Zweck  erfüllten, 
besafsen  sie  doch  den  Nachteil,  dafs,  wenn  der  Mann  in  Bewegung 
war,  die  Patronhülsen  ein  klapperndes  Geräusch  verursachten,  was  iu 
Fallen  von  beabsichtigter  Überrumpelung  den  Anmarsch  einer  Truppe 
leicht  verriet. 


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E.  Das  Bajonett.  497 

• 

Mit  der  Einführung  der  Papierpatrone  am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts legt  das  Fufsvolk  das  Bandelier  ab  und  erhält  statt  dessen 
die  anfänglich  an  der  rechten  Seite,  später  am  Rücken  getragene 
Patrontasche.*)  Die  Zündkrautflasche  erhält  sich  aber  noch  länger, 
bis  die  Einrichtung  an  der  Patrone  getroffen  wird,  wonach  das  Zünd- 
pulver einen  Teil  ihrer  Füllung  bildet.  Bei  den  Schützen,  Jägern  etc.,  der 
sogenannten  leichten  Infanterie,  welche  mit  gezogenen  Gewehren, 
Kammerbüchsen  oder  sogenannten  Stutzen  (gezogenen  kurzen  Gewehren) 
ausgerüstet  waren,  war  die  Zündkrautflasche  noch  bis  in  die  2.  Hälfte 
unseres  Jahrhunderts  in  Gebrauch. 

Die  Unbequemlichkeit  für  den  Musketier,  die  an  beiden  Enden 
angezündete  Lunte  stets  zwischen  den  Fingern  halten  zu  müssen,  gab 
schon  im  17.  Jahrhundert  Veranlassung  zur  Einführung  von  soge- 
nannten Luntenb ergern.  Sie  werden  aus  Eisen-  oder  Messingblech 
in  Form  eines  Cy linders  gemacht,  welcher  oben  mit  einem  kegel- 
förmigen oder  flachen  Deckel  geschlossen  wurde.  Dieses  Behältnis 
war  an  seiner  ganzen  Oberfläche  durchlöchert;  es  wurde  an  dem 
Patrontaschenriemen  an  der  Brust  getragen.  Im  18.  Jahrhundert 
führten  es  noch  die  Grenadiere  als  die  letzten  Infanteriesoldaten, 
welche  sich  der  Lunte  bedienten.  (Fig.  581.) 

Ein  dem  Radschlofsgewehre  eigentümliches  Gerät  ist  der  Rad- 
schlofsspanner  (Fig.  582,  583,  584),  eine  Art  Schlüssel,  mittelst 
welchem  das  Rad  aufgezogen  wurde.  Der  Spanner  wird  von  den 
Reitern  um  die  Wende  des  16.  Jahrhunderts  am  sogenannten  Flaschen- 
hangsel,  -oder  an  einem  Riemen  am  Gürtel  getragen.  (Fig.  585.) 


E.   Das  Bajonett. 

Man  kann  das  Bajonett  nicht  schlechtweg  zum  Zubehör  einer 
Handfeuerwaffe  rechnen,  es  ist  eine  Beigabe,  durch  welche  das  Ge- 
wehr gewissermafsen  seine  Bestimmung  verändert  und  zur  Stofswaffe 
wird.  Wir  haben  gesehen,  dafs  man  schon  seit  dem  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts,  ja  in  beschränkterer  Ausdehnung  schon  seit  dem 
14.  Jahrhhundert  darauf  Bedacht  nimmt,  die  Waffe  gleichzeitig  für 
Stöfs  und  Hieb,  bez.  für  den  Schufs  verwendbar  zu  machen.  Man 


*)  Die  allgemeine  Einführung  der  Papierpatrone  und  der  Patrontasche  ist  um 
das  Jahr  1670  zu  setzen.  In  dem  sehr  interessanten  Werke  des  Francesco  Mazzioli 
Precetti  militari,  Bologna  1673,  erscheinen  bereits  die  Pikeniere  mit  einer  im  Degen- 
gurt steckenden  Steinschlofspistole  und  mit  einer  kleinen  Patrontasche  ausgerüstet. 
Der  Verfasser  schlägt  auch  für  die  Musketiere  Patrontaschen  mit  12  blechernen 
Hülsen  und  in  diesen  Papierpatronen  mit  aufgebundener  Kugel  vor. 

Boche  im,  Waffenkunde.  32 


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498 


II.  Die  Angriffswaffen. 


sah  das  höchste  Ziel  in  einer  Universal -Waffe,  die  jede  Art  der  An- 
wendung gestattete. 

Gegen  das  Ende  des  1 6.  Jahrhunderts,  in  den  Kriegen  der  Nieder- 
lande, ändert  sich  allmählich  die  Fechtweise,  das  Feuergefecht  ent- 
wickelt sich  in  den  gröfseren  Heeren  mehr  und  mehr  und  die  Taktik 
streift  vollends  ihre  mittelalterlichen  Traditionen  ab.  Mit  der  Be- 
deutung des  Feuers  kommt  das  Gewehr  zu  überwiegender  Geltung. 


Fig.  586.  a.    Fig.  587.  b. 


Fig.  586.    Schweinspie fs  in  Form   eines  Spundbajonetts  mit 
Messingfassung  und  hölzernem  Spunde.    17.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  587.  Spundbajonette. 

a.  Spundbajonett  mit  Stichblatt.    17.  Jahrhundert.  Ehe- 
malige Sammlung  L.  Meyrick. 

b.  Spundbajonett.    17.  Jahrhundert.     Englisch.  Ehemalige 
Sammlung  L.  Meyrick. 

Aber  für  den  Ansturm  auf  den  Gegner  konnte  man  einer  Stofswaffe 
doch  nicht  entraten;  so  blieb  die  Pike  neben  der  Muskete  noch  bei- 
nahe ein  Jahrhundert  eine  unentbehrliche  Waffe. 


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E.  Das  Bajonett. 


499 


Nach  einem  noch  vorhandenen  Schreiben  eines  gewissen  Hot- 
mann  an  Jacob  Kapell us  zu  Sedan  vom  Jahre  1575*)  zu  schliefsen, 
mufs  das  Bajonett  schon  damals  als  Waffe  bekannt  gewesen  sein,  da 
in  dem  Schreiben  von  einem  vergoldeten  Dolche  gesprochen  wird, 


Fig.  588.  Fig.  589. 


Fig.  588.    Französisches  Dillen-Bajonett  vom  Jahre  1724. 
Nach  Schön,  Geschichte  der  Handfeuerwaffen,  Taf.  XVIII. 

F»g-  589.  Französisches  Haubajonett,  sogenannter  „Yatagan", 
System  Delvigne,  vom  Jahre  1840.    Nach  Thierbach. 

„den  man  Bajonett  nenne".  Zum  mindesten  bestand  zu  jener  Zeit 
das  Wort,  wahrscheinlich  aber  anch  schon  die  heutige  Verwendung 

•)  Archiv  für  Geschichte  etc.    1828.    pag.  70. 

32* 


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500 


II.  Die  Angrifiswafien. 


der  mit  ihm  bezeichneten  Waffe,  da  die  ältesten  Bajonette  eben  nichts 
anderes  als  lange  Dolche  waren,  deren  Griffholz  man  in  die  Mündung 
des  Laufes  steckte  und  damit  das  Gewehr  zur  Stofswaffe  umgestaltete. 
Schon  in  diesem  Stadium  der  Entwickelung  ist  das  Schicksal  der 
Pike  entschieden,  sie  wird  überflüssig  und  verschwindet  aus  den 
Heeren. 

Aus  dem  Wortlaute  des  erwähnten  Schreibens  läfst  sich  aber 
schliefsen,  dafs  anfänglich  die  Bezeichnung  Bajonett  eine  vermutlich 
in  Bajonne  erzeugte  Dolchform  bedeutete  und  erst  später  der  Ähn- 
lichkeit des  Gegenstandes  wegen  auf  den  Gewehrspiefs  übertragen 
wurde. 

Oberst  M.  Thierbach  bemerkt  in  seinem  trefflichen  Werke  über 
die  geschichtliche  Entwickelung  der  Handfeuerwaffen,*)  das  Bajonett 
sei  wahrscheinlich  zuerst  bei  der  Jagd  zur  Anwendung  gekommen. 
Diese  Vermutung  hat  manches  für  sich,  denn  in  der  Waffensammlung 
des  kais.  Hauses  in  Wien  wird  thatsächlich  ein  in  den  Lauf  zu  steckendes 
Bajonett  (Spundbajonett)  bewahrt,  dessen  Klinge  ein  vollständiges 
„Schweinsblatt4'  darstellt  (Fig.  586.)  Es  gehört  dem  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  an.  Aber  die  Idee,  aus  der  Schiefswaffe  in  der  hier 
bezeichneten  Art  eine  Stichwaffe  zu  machen  und  diese  auch  im 
Kriege  zu  verwenden,  trat  doch  schon  weit  früher  auf.  So  werden 
in  der  obengenannten  Sammlung  auch  zwei  lange  Faustrohre,  etwa 
von  1580  datierend,  bewahrt,  die  an  der  Stelle  des  Ladestockes 
eine  Nut  aufweisen,  aus  welcher  eine  spitze,  pfrieraenartige  Klinge  sich 
herausziehen  und  mittels  einer  Sperrfeder  feststellen  läfst.  Das  sind 
die  frühesten  Anfänge  des  Bajonettes.    (Fig.  587a  und  b.) 

Die  erste  Erwähnung  des  Bajonettes,  als  ein  „zu  den  Musqueden 
gehöriges  Messer",  findet  sich  in  den  Akten  des  Hauptzeughauses  zu 
Dresden  im  Jahre  1669. 

Der  Nachteil  der  Spundbajonette,  die  man  erst  vom  Gewehre 
hcrabnehmen  mufste,  um  mit  diesem  auch  schiefsen  zu  können, 
führte  zu  Versuchen,  die  Klinge  etwas  seitwärts  vom  Laufe  zu  stellen 
und  die  Verbindung  durch  eine  Hülse  (Dille)  zu  bewirken.  Die 
ersten  derartigen  Bajonette  besitzen  nicht  nur  Spunde,  sondern  auch 
Dillen,  welche  aufgeschlitzt  sind  und  den  Lauf  federnd  umklammem. 
Um  die  Klinge  aus  der  Kugelbahn  zu  bringen  und  somit  auch  bei 
aufgestecktem  Bajonette  feuern  zu  können,  wurde  sie  mit  dem  so- 
sogenannten Halse  versehen  und  seitwärts  gestellt  (Fig.  588.)  Diese 
Art  der  Befestigung  liefs  vieles  zu  wünschen  übrig,  da  nicht  selten 
die  Bajonette  beim  Feuern  herabfielen  und  im  Handgemenge  leicht 
herabgezogen  werden  konnten.  Erst  um  1 740  wurde  in  Frankreich 
eine  solidere  Befestigung  dadurch  erzielt,  dals  die  Dille  einen  einge- 


*)  Thierbach,  M. ,  Die  geschichtliche  Entwickelung  der  Handfeuerwaffen. 
Dresden  1886. 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspicl. 


5Ö1 


feilten,  „gebrochenen  Gang"  erhielt,  der  seine  Führung  durch  das 
Visierkorn  oder  einen  an  den  Lauf  geschweifste  Narbe  erhielt.  Auf- 
gesteckt wurde  es  durch  eine  Feder  gehalten. 

Die  ersten  Bajonettklingen  waren  gerade,  in  Form  eines  kurzen 
Schwertes,  nicht  selten  für  den  Gebrauch  im  Lager  auch  gezahnt. 
Später,  im  18.  und  bis  ins  1 9.  Jahrhundert,  werden  sie  immer  kürzer 
und  messerförmig.  Im  18.  Jahrhundert  besafs  die  sächsische  Infanterie 
auch  Bajonette  mit  Säbelgriffen ,  welche  seitwärts  an  den  Lauf 
befestigt  wurden.  Von  Frankreich  aus  gelangten  die  dreikantigen, 
pfriemenartig  gebildeten  Bajonette  in  die  anderen  Heere;  sie  wurden 
auch  in  Lüttich,  der  grofsen  Kriegswaffen -Werkstätte,  in  Massen  er- 
zeugt Später  erhielt  die  Klinge  bei  etwas  zunehmender  Länge  einen 
vierseitigen  Querschnitt  mit  konkaven  Flächen.  Der  sogenannte  Ba- 
jonetthals wird  am  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  cylindrisch  und 
abgebogen,  die  Klinge  erhält  zur  Sicherung  vor  der  den  Lauf  ver- 
lassenden Kugel  eine  geringe  Neigung  nach  der  Seite.  Erst  um  1 840 
finden  sich  die  ersten  Haubajonette  ohne  Dillen,  ähnlich  den  alten 
sächsischen,  aber  mit  yataganähnlichen  Klingen  nach  dem  System 
Delvigne,  mit  denen  zuerst  die  Chasseurs  d'Orleans  ausgerüstet  wurden. 
(Fig.  589.) 


F.    Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 

Der  Gebrauch  von  Fahnen  in  den  Heeren  reicht  bis  nahezu  an 
die  Grenzen  unserer  geschichtlichen  Kenntnifs  zurück.*)  Die  Fahnen 
und  Feldzeichen  hatten  nicht  allein  einen  praktischen  Zweck  als 
weithin  sichtbare  Vereinigungspunkte  und  als  Ausgangspunkte  des  Be- 
fehles, sondern  auch  eine  moralische  Bedeutung,  indem  durch  sie  das 
Heer  oder  der  Heerteil  in  seiner  Streitbarkeit  gekennzeichnet  wird. 
Nach  beiden  Richtungen  hin  haben  die  Fahnen  und  Feldzeichen  be- 
reits im  Altertume  gedient.  In  ihren  äufserlichen  Formen,  wie  in  ihrer 
Bedeutung  sind  sie  auf  die  das  Erbe  Roms  antretenden  und  alle 
übrigen  nordischen  Völker  übergegangen.  Eine  Art  kleiner  Reiter- 
fahnen, ähnlich  wie  die  späteren  Lehensfahnen,  führten  schon  die 
sarmatischen  Krieger  in  der  Zeit  der  Völkerwanderung  im  5.  Jahr- 
hundert, wie  wir  an  dem  Bilde  des  Reiters  auf  einem  Gefäfse  im 
Goldfunde  von  Szent  Miklos  (Fig.  133)  ersehen;  sie  war  viereckig 
und  oberhalb  in  zwei  Wimpel  geschnitten.  Genauer  betrachtet  ist 
die  Form  des  Fahnenblattes  schon  vollkommen  jene  der  viele  Jahr- 


*)  „Die  Kinder  Israel  sollen  vor  der  Hütte  des  Stifts  umher  sich  lagern,  ein 
jeglicher  unter  seinem  Panier  und  Zeichen."    4.  Buch  Moses,  Kap.  2,  2. 


IL  Die  Angriffswaffen. 


hunderte  späteren  Lehensfahnen,  die  in  einem  Wimpel  ausliefen,  der 
lang  und  spitz  geschnitten  war.  Unterhalb  setzte  sich  das  Blatt 
gerade  abgeschnitten  fort.  Niemand  wird  die  Ähnlichkeit  der  in  den 
Figuren  133  und  596  dargestellten  Fahnenblätter  verkennen,  wenn 
sich  auch  in  ersterer  zwei  Wimpel  zeigen.  Auch  die  mohamme- 
danischen Völker  bedienten  sich  von  ihrem  ersten  Auftreten  an 
ähnlicher  Feldzeichen,    doch   haben    diese   in   der  Folge  manche 


Fig.  59 1.  Fig.  592. 


Fig.  59°*    Reiterfahne  aus  dem  Psalteriom  aureum    von  St.' 
Gallen.    Ende  des  8.  Jahrhunderts.    Nach  Kahn. 

Fig.  591.  Heinrich  von  Metz  mit  derOriflamme  nach  dem 
Glasgemälde  in  der  Kathedrale  zu  Chartres.  13.  Jahrhundert.  Nach 
Müller -Mothes,  Arch.  Lexikon. 

Fig.  592.  Drache  als  Feldzeichen.  Nach  dem  Relief  auf 
der  Columna  Trajana.    2.  Jahrhundert. 

Formeneigentümlichkeiten  von  den  Byzantinern  und  selbst  von  den 
Heeren  der  Kreuzfahrer  angenommen. 

Eines  der  ältesten  Beispiele  der  Verwendung  von  Heerfahnen 
am  Ausgange  der  antiken  Zeit  bilden  die  Fahnen  Theodorichs  des 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


503 


Grofsen  und  seines  Gegners  Odoaker,  Ende  des  5.  Jahrhunderts. 
Erstere  war  weife  und  golden,  letztere  schwarz,  golden  und  grün.  Beide 
waren  über  und  über  mit  grofsen  Schellen  behängt,  ein  Umstand, 
der  die  Absicht  erkennen  läfet,  den  Standpunkt  und  die  aufrechte 
Stellung  der  Fahne  auch  durchs  Ohr  wahrnehmbar  zu  machen.  Bis 
in  die  späteste  Zeit  waren  die  Feldfahnen  in  der  That  nicht  allein 
von  den  verläfslichsten  zu  ihrem  Schutze  bestimmten  Kriegern,  sondern 
auch  von  Spielleuten  umgeben. 

Bis  ins  9.  Jahrhundert  bestand  die  Fahne  aus  einem  Stücke  Stoff, 
welches,  ähnlich  dem  römischen  vexillum,  an  einen  Querstab  geheftet, 
mit  Schnüren   an   einer   Spiefsstange  (Fahnenstock)    befestigt  war. 


Fig.  593.  Fȧ-  594- 


Fiß-  593-  Drache  als  Reiter-Feldzeichen.  Aus  einer  Mi- 
niatur im  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen.  Ende  des  8.  Jahrhunderts. 
Nach  Rahn. 

Fig.  594.  Drache  als  Feldzeichen.  Aus  der  Tapete  von 
Bayeux.    Ende  des  1 1 .  Jahrhunderts. 

So  erscheint  auch  die  Fahne  Karls  des  Grofsen  auf  einem  Mosaik 
im  Lateran.  Erst  unter  dem  byzantinischen  Kaiser,  Leo  V.,  wurde 
das  Fahnenblatt  unmittelbar  an  den  Stock  befestigt. 

Im  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen  erblicken  wir  die  Fahne 
nur  ein  einziges  Mal;  sie  erscheint  hier  in  roter  Farbe,  in  3  Wimpel 
geschnitten  und  mit  grofsen  Ringen  an  den  Schaft  befestigt  (Fig.  590.) 
Bedeutsam  ragt  in  der  Geschichte  die  Kriegsfahne  der  Könige  von 


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II.  Die  Angriffswaffen. 


Frankreich,  die  OrÜlamme  (auri  flamma),  hervor,  die  von  1124 — 1415 
dem  französischen  Heere  voranflatterte.  Sie  war  ursprünglich  die 
Kriegsfahne  der  Abtei  St.  Denis  in  der  Form  des  alten  labarum 
Konstantins  und  bestand  aus  einem  Blatte  von  roter  Seide,  welches 
unterhalb  in  5  Spitzen  endete  und  mit  grünen  Fransen  besäumt  war. 
So  ist  sie  abgebildet  in  einem  Glasgemälde  in  der  Kathedrale  zu 
Chartres  aus  dem  13.  Jahrhundert.  (Fig.  591.)  Mit  der  allmählichen 
Verbreitung  und  Erstarkung  des  Lehenswesens  vervielfältigten  sich 
die  Formen  der  Fahnen  nach  Gröfse  und  Bedeutung.  Zur  Haupt- 
fahne, dem  Reichsbanner,  des  Kaisers  und  der  Könige  gesellten  sich 
die  Lehensfahnen  und  die  Ritterfahnen  mit  ihren  Fähnlein,  welche 


Fig.  595- 

Fig-  595-    Verwundeter  Träger  eines  Drachens.    Aus  der 
Tapete  von  Bayeux.    Ende  des  Ii.  Jahrhunderts. 

alle  seit  dem  1 1 .  Jahrhundert  gewisse  feststehende  Abzeichen  an  sich 
trugen.  In  den  ersten  Kreuzzügen  wurde  dem  Christenheer  ein 
Heerbanner  von  Seide  mit  dem  weifsen  Kreuze  im  roten  Felde  voran- 
getragen. 

Das  älteste  deutsche  Reichsbanner  war  rot  und  mit  dem  Bilde 
des  Erzengels  Michael  geschmückt,  erst  von  Kaiser  Sigismund  an  mit 
dem  Reichsadler.  Von  Mailand  ausgehend,  bürgerte  sich  im  11.  Jahrh. 
bei  den  Streitvölkern  der  italienischen  Städte,  aber  auch  in  England 
und  selbst  bei  den  Sarazenen  der  vierräderige  Fahnenwagen,  der 
carroccio,  ein,  der  von  Ochsen  oder  Stieren  gezogen  wurde  und  auf 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


505 


welchem  die  Fahne  an  einem  aufrecht  stehenden  Mastbaume  ange- 
heftet war.  Dieser  Wagen,  der  gewissermafsen  die  Streitmacht  und 
ihre  volle  Kampffähigkeit  symbolisierte,  war  stets  von  einer  auserlesenen 
Schar  von  Kriegern  und  von  der  Feldmusik  begleitet. 

Bereits  zur  Kaiserzeit  Roms  treffen  wir  auf  Feldzeichen  für 
einzelne  kleinere  Heerteile,  die  ihrer  sonderbaren  und  bizarren  Form 
wegen  auffallen.  Es  sind  dies  bemalte  und  vergoldete  plastische 
Figuren  in  Form  von  Drachen,  welche  auf  langen  Stangen  getragen 
wurden.  Das  Abbild  eines  solchen  Drachens  erscheint  schon  auf 
der  Trajanssäule ,  wo  es  von  dakischen  Abteilungen  geführt  wird. 
Diese  Drachen  haben  sich  als  Feldzeichen  Jahrhunderte  lang  in  den 


Fig.  596.  Fig.  597. 


Fig.  596.  Lehenfahne  mit  angefügtem  Wimpel.  13.  Jahr- 
hundert. 

Fig.  597-  Herzog  Leopold  der  Tugendhafte  (x  157 — 1194) 
mit  der  Lehenfahne  auf  einem  Siegel  im  Archive  des  Stiftes  Heiligen- 
kreuz.   Nach  Sava. 

Heeren  erhalten,  denn  wir  finden  sie  noch  im  Psalterium  aureum  und 
auch  noch  in  der  Tapete  von  Bayeux,*)  also  noch  bis  ans  Ende  des 
11.  Jahrhunderts.  (Fig.  592,  593,  594,  595.)  Derlei  Drachenbilder 
führten  nach  Widukinds  Res  gestae  Saxonicae  auch  im  10.  Jahr- 


*)  In  den  Darstellnngen  der  genannten  Stickerei  kommen  bereits  Reiterabtei- 
lungen mit  verschiedenartig  gestalteten  Fähnlein  vor. 


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506 


II.  Die  Angrinswaffen 


hundert  die  heidnischen  Sachsen  im  Felde,  und  auch  das  Rolands- 
lied erwähnt  der  mit  Gold  und  Edelsteinen  besetzten  Drachen  der 
Heiden  im  Gegensatze  zu  den  christlichen  Fahnen,  auf  welchen  reli- 
giöse Embleme  dargestellt  waren.*) 

Die  Formen  der  späteren  Lehensfahnen  waren  verschieden.  Vom 
13.  Jahrh.  an  besafsen  sie  u.  a,  die  in  Fig.  596  angegebene,  die  immer 
ausgespannt  erscheint,  um  das  Lehen  in  dem  Blason  des  Blattes  rascher 
erkennen  zu  lassen.  Am  häufigsten  aber  finden  wir  die  an  die  Ori- 
flamme  erinnernde  Form  vom  1 1.  Jahrh.  an  in  Siegeln  bis  ins  12.  Jahrh., 
wo  das  Blatt  in  2 — 4  Wimpel  ausflattert  (Fig.  597.)  Die  Ritterfahnen, 
Fähnlein,  sind  meist  klein,  quadratförmig  oder  rechteckig,  im  letzteren 


Fig.  598. 

Fig.  598.  König  Ottokar  von  Böhmen  als  Herzog  von 
Österreich  (1230— 1278)  mit  der  Rennfahne,  auf  einem  Siegel  im  k.  k. 
Staatsarchive  zu  Wien.   Nach  Sava. 

Falle  mit  einer  langen  Seite  an  die  Stange  geheftet.  (Fig.  598.) 
Später  entstand  dafür  die  Bezeichnung  Rennfahne,  die  noch  bis  in 
die  Zeit  Maximilians  I.  für  sie  gebräuchlich  war.  Sie  finden  sich 
auch  nicht  selten,  namentlich  in  Frankreich  und  in  Burgund,  im 
13.  und  14.  Jahrhundert  mit  steifem  Blatte  und  unterscheiden  sich 
zuerst  durch  die  Farbe  allein,  später  auch  durch  den  heraldischen 

*)  Vergl.  die  Ausgabe  von  Ekkehards  Casus  St.  Galli  (Mitt.  z.  vaterländ. 
Geschichte,  herausgegeben  vom  histor.  Verein  von  St.  Gallen  durch  G.  Meyer  von 
Kronau,  St.  Gallen  1877,  pag.  140,  No.  488). 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


507 


Blason.  Nicht  selten  besafsen  sie  eine  dreiseitige  Form,  man  nannte 
sie  dann  pennons  (Federn,  ihrer  schwachen  Schäfte  halber,  Fig.  599). 
Wir  bringen  zum  Vergleiche  eine  deutsche  Rennfahne,  sie  gehörte 
dem  Ritter  Döring  von  Eptingen  und  wurde  auf  dem  Schlachtfelde 
von  Sempach  1386  erbeutet  (Fig.  600.)  Sie  ist  mit  Applikations- 
stickerei geziert  und  stammt  aus  dem  Zeughause  zu  Luzern. 

Einfache,  wenn  auch  ritterbürtige  Dienstmannen  und  Vasallen 
führten  statt  des  Rennfahnleins  oft  nur  ein  farbiges  Wimpel,  dessen 
Blatt  schmal  und  lang  gezogen  in  eine  Spitze  geschnitten  endete.  Für 
die  Fahnenspitzen  hat  sich  das  ganze  Mittelalter  hindurch  keine 
bestimmte  Form  herausgebildet,  man  trifft  daher  in  den  verschiedenen 


Fig.  599- 


Fig.  599.    Louis  L  von  Bourbon  (1339— 1384)  mit  dem  Pennon 
auf  einem  Siegel  im  Archive  zu  Paris. 

Heeren  die  mannigfachsten  Spiefseisenformen;  die  Stangen  oder  Schäfte 
aus  Holz  blieben  bis  ins  15.  Jahrhundert  cylindrisch  mit  geringem 
Querschnitte.  Erst  um  1400,  als  man  anfing,  die  Spiefse  in  Rüst- 
haken einzulegen,  welche  auf  der  Plattenbrust  befestigt  wurden,  gab 
man  auch  den  Fahnenschäften  die  für  das  Einlegen  berechnete  Form 
und  versah  sie  zuweilen  auch  mit  eisernen  Brechscheiben. 

Mit  der  Einführung  geworbener  Heere  veränderte  sich  unter 
Maximilian  I.  und  Ludwig  XII.  die  innere  Organisation  des  gesamten 


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508 


II.   Die  AngTiflswaffen. 


Kriegswesens,  wodurch  auch  die  Fahnen  in  ihrer  Form  und  Ver- 
teilung wesentliche  Änderungen  erfuhren.  Die  Reiterei,  die  alten 
Traditionen  bewahrend,  blieb  den  alten  Formen  mit  Zähigkeit  zuge- 
than.  Das  Regiment,  bestehend  aus  adligen  Kürissern  und  aus  Rei- 
sigen, wurde  in  3 — 4  Abteilungen,  Fahnen  genannt,  geteilt  Vor 
jeder  Fahne  ritt  deren  Hauptmann  mit  dem  Rennfähnrich  (cornet), 
der  die  Rennfahne  trug.  Bei  den  Fufstruppen,  den  Landsknechten, 
Schweizern  etc.,  hatte  sich  eine  eigene  Organisation  entwickelt.  Das 
Regiment  führte  die  Hauptfahne  und  jedes  seiner  einzelnen  Ab- 
teilungen kleinere  Fahnen,  Fähnlein  genannt;  dem  Heerführer  wurde 
das  Banner  vorangetragen.  Bei  den  Fufsregimentern,  welche  in  jener 


Fig.  600. 


Fig.  600.    Rennfähnlein  des  Ritters  D ö r i n g  von  Eptingen, 
gefunden  auf  dem  Schlachtfelde  von  Scmpach.  1386. 

Zeit,  ihre  Wichtigkeit  fühlend,  sehr  zu  Übertreibungen  geneigt  waren, 
waren  alle  Fahnen  von  einer  manchmal  staunenswerten  Dimension, 
was  die  Ausdehnung  des  Blattes  betrifft;  dafür  war  die  Stange  so 
kurz,  dafs  sie  unterhalb  nur  soweit  hervorragte,  dafs  der  Fähnrich  im 
stände  war,  sie  mit  beiden  Händen  anzufassen.  Sie  zu  tragen  und  im 
Gefechte  zu  schwingen,  war  eine  längere  Einübung  unerläfslich.  Jede 
Fahne  war  von  einer  Schar  auserlesener  Landsknechte  umgeben,  welche 
mit  mächtigen  zweihändigen  Schwertern,  Bidenhandern ,  Schlacht- 
schwerter genannt,  bewaffnet  waren.  Ihnen  zunächst  schritten  die 
Trommler  und  Pfeifer,  das  sogenannte  Feldspiel.   (Fig.  601.) 


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F.  Die  Fahne  und  das  Fcldspiel. 


509 


In  den  türkischen  Heeren  waren  in  jener  Zeit  die  organisato- 
rischen Einrichtungen  so  vielgestaltet,  dafs  wir  in  den  Formen  und 
der  Verteilung  der  Fahnen  und  Feldzeichen  wesentliche  Unterschiede 
bemerken.  Ohne  auf  die  vielen  Formen  von  Fahnen  und  Feldzeichen 
hier  einzugehen,  welche  unter  den  Hilfsvölkern  der  osmanischen  Reichs- 


Fig.  60 1. 


Fig.  601.  Landsknecht  als  Fahnenträger.  Nach  Jac.  Köbel 
Wappen  des  heil.  Rom.  Reichs  (Bartsch  IX,  157).  Zweite  Ausgabe 
des  Sigm.  Feyerabend  1579,  Holzschnitt  von  c.  1 5 1 5. 

macht  gebräuchlich  gewesen  sind,  beschränken  wir  uns  auf  die  Be- 
schreibung jener,  welche  in  den  Truppen  des  Hauptheeres  selbst  vom 
15.  bis  ins  18.  Jahrhundert  geführt  wurden. 


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510 


II.  Die  Angriffswaffen. 


'Alem,  im  Volksmunde  Blutfahne  genannt,  ist  das  Banner  des 
Heerführers.  Das  Fahnenblatt  von  rotem  Damast,  meist  4.5  m.  lang 
und  3  m.  breit,  unten  spitz  zulaufend,  hängt  an  einer  Querstange  in 
der  Art  eines  vexillum.  In  dem  Stoffe  rinden  sich  religiöse  Spruche 
und  Symbole  in  Gold  eingewebt:  zunächst  das  Glaubensbekenntnis, 
dann  einzelne  Verse  der  48.  Sure  des  Korans  (Sure  des  Sieges), 
ferner  ein  Abrifs  der  Rachehand  des  im  Jahre  660  v.  Chr.  ermor- 
deten Kalifen  Ali  und  dessen  mit  zwei  Klingen  ausgestatteten  Schwertes 
des  Dsü-l-fakär,  d.  i.  „des  mit  Rückenwirbeln  begabten  Schwertes 
Mohammeds".  Seltener  finden  sich  Sprüche  aus  der  61.  Sure  des 
Korans  darauf.*)  Eines  der  schönsten  Exemplare  ist  das  'Alem  des 
Seraskiers  Suleiman  Pascha,  welches  vom  Herzoge  Karl  von  Lothringen 
in  der  Schlacht  bei  Hamzabeg  in  der  Nähe  von  Ofen  am  22.  Juli 
1684  erbeutet  wurde. 

Sandschak,  die  Fahne  des  Statthalters  einer  Provinz,  ist  ähnlich 
dem  'Alem,  nur  verhältnismäfsig  kleiner,  einfacher  geschmückt  und 
auf  dem  Blatte  sind  zumeist  nur  ein  oder  zwei  Verse  der  Sure  des 
Sieges  ersichtlich. 

Bairak  ist  die  Fahne  der  leichten  Reiterei,  der  Deli,  d.  i.  der 
Tollen  oder  närrischen  Wagehälse,  aus  Freiwilligen  bestehend,  die  in 
Asien  angeworben  wurden.  Sie  ist  zumeist  dreieckig,  aus  roter,  auch 
gelber  Leinwand  gefertigt;  die  Buchstaben  der  Inschriften  sind  in 
rotem  oder  weifsem  Filztuch  ausgeschnitten  und  roh  aufgenäht,  ebenso 
die  Rachehand  Alis  und  der  Dsu-l-'fakar. 

Tüg,  der  Rofsschweif,  besteht  aus  einer  cvlindrischen ,  innen 
hohl  gebildeten,  daher  ungemein  leichten  Stange  aus  weichem  Holze, 
welche  mit  orientalischen  Ornamenten  bemalt  ist  Am  oberen  Ende 
befindet  sich  ein  meist  aus  Metall  getriebener  Knauf,  zuweilen  auch 
ein  Halbmond  aufgesetzt.  Unterhalb  desselben  ist  ein  entweder  offener 
oder  in  Zöpfen  geflochtener  Rofshaarschweif  befestigt,  dessen  Haare 
verschieden  in  Blau,  Rot  und  Schwarz  gefärbt  sind.  Zunächst  an 
dem  Rofsschweif  ist  die  Stange  mit  einem  Gewebe  von  Rofc-  und 
Kamelhaaren  überzogen,  die  in  mehreren  Farben  zuweilen  sehr  schöne 
Dessins  zeigen.  Die  in  Fig.  602  und  603  abgebildeten  Rofsschweife 
stammen  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  und  wurden  von  Erz- 
herzog Ferdinand  von  Tirol  vermutlich  im  Feldzuge  1556  erobert. 

Der  Rofsschweif  war  kein  Feldzeichen  gleich  den  Fahnen, 
sondern  das  Zeichen  einer  Würde.  Drei  Rofsschweife  führten  die 
Pascha  von  dem  Range  eines  Vezirs,  deren  zwei  die  Beglerbeg  oder 
Statthalter,  einen  Rofsschweif  führte  der  Sandschakbeg,  d.  i.  Distrikts- 
gouverneur. Die  Tüg  wurden  von  Silihdaren  (Waffenträgern)  getragen, 
welche  man  in  diesem  Falle  tügdschi  (Rofsschweifträger)  nannte. 


*)  Alle  Benennungen  orientalischer  Waffen  und  Kriegsgcrate  nach  Prof.  Dr. 
J.  Karabaczcks  Angaben  im  Katalog  der  histor.  Ausstellung  der  Stadt  Wien  1SS3. 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


Fig.  602.  Fig.  603. 

Fig.  602.  Rofsschwcif  mit  offenem  Haarbusch.  Die  innere 
hohle,  3.50  m.  hohe  Stange  ist  bemalt,  der  obere  Teil  mit  einem  Ge- 
webe aus  Rofshaaren  überzogen.  Trophäe  aus  dem  Feldzuge  von  15  56 
in  Ungarn. 

Fig«  6°3«  Rofsschwcif  mit  geflochtenem  Haarbusch.  Oberhalb 
des  letzteren  ist  die  3.64  m.  hohe  Stange  mit  einem  Gewebe  aus  Rofs- 
haaren überzogen.  An  der  Spitze  befindet  sich  ein  in  Metall  getriebener 
vergoldeter  Knauf.    Trophäe  aus  dem  Feldzuge  von  1556  in  Ungarn. 


512 


II.   Die  Angriffswaffen. 


Im  dreifsigjährigen  Kriege  veränderten  sich  in  den  occidentalen 
Heeren  die  Formen  der  Fahnen  nur  wenig.  In  den  Reiterregimentern 
wurde  später  nur  eine  Fahne,  Standarte  genannt,  geführt,  das  Renn- 
fähnlein kam  bald  gänzlich  aufser  Gebrauch.  In  den  Fufsknecht- 
regimentern  führte,  wie  bisher,  jeder  Haufen  (Fähnlein)  seine  Fahne, 
zu  ihrer  Verteidigung  in  der  Schlacht  bediente  man  sich  aber  nicht 
mehr  der  zweihändigen  Schwerter,  sondern  des  Kurzgewehrs,  worunter, 
im  Gegensatze  zu  den  langen  Piken,  die  Helmbarte  zu  verstehen  ist 
Später  kamen  auch  Schützen  dazu. 

Im  18.  Jahrhundert  wurden  in  allen  Heeren,  in  den  französischen 
zuletzt,  die  Dimensionen  der  Infanteriefahnen  und  Standarten  bedeu- 
tend ermäfsigt. 

Eine  Spezialität  bildeten  die  sogenannten  „Adler",  die  Fahnen 
und  Standarten  der  französischen  Armee  unter  Napoleon  L 


Das  Feld  spiel,  das,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  vom  Alter- 
tume  an  in  Verbindung  mit  den  Fahnen  und  Feldzeichen  auftritt, 
hat  mit  dem  Fortschritt  der  Kultur  und  der  Ausgestaltung  des  Kriegs- 
wesens bedeutende  Änderungen  erfahren,  es  ist,  man  kann  sagen, 
stetig  von  den  rohesten  Anfängen  bis  zur  höchsten  künstlerischen 
Durchbildung  gelangt,  und  sowohl  der  Orient  als  auch  der  Occi- 
dent  hat  hierzu  das  Seinige  beigetragen. 

Das  Feldspiel  hat  im  Heere  verschiedene  Aufgaben  zu  erfüllen: 
es  ertönt  zur  Belebung  des  Mutes  in  der  Schlacht,  zur  Erheiterung 
der  Gemüter  beim  Marsche;  endlich  finden  wir  es  auch,  namentlich 
in  der  Reiterei,  benutzt,  um  Befehle  auf  weitere  Distanzen,  selbst  im 
Getöse  des  Kampfes,  zu  vermitteln:  als  Signal. 

Das  älteste  Instrument,  dem  wir  in  den  occidentalen  Heeren  in 
der  Periode  der  Völkerwanderung  begegnen,  ist  das  Horn.  Es  tritt, 
aus  Erz  gebildet,  zwar  in  ähnlicher  Form  auf  wie  bei  den  Römern, 
viele  der  Streitvölker  jener  Zeit  scheinen  aber  dieses  Instrument,  das 
unter  der  Bezeichnung  Posaune  schon  im  Buche  Josua  (Kap.  6,  V. 
4  und  2  o)  erwähnt  wird  und  das  weit  vor  ihnen  schon  die  Ägypter 
gekannt  hatten,  von  den  Byzantinern  erhalten  zu  haben.  In  den 
Streithaufen  minder  kultivierter  Völker  finden  wir  es  als  Natur- 
gegenstand, als  Ochsen-  oder  Kuhhorn,  wie  bei  den  Schweizern  des 
14.  Jahrhunderts. 

Schon  am  Beginne  des  Mittelalters  verwandelte  sich  das  Horn 
in  die  leichtere  Trompete,  deren  schmetternde  Töne  den  Kampflärm 
besser  zu  durchdringen  vermochten.  Diese  Trompete  war  allerdings, 
und  noch  bis  in  das  13.  Jahrhundert,  von  der  einfachsten  Form  und 
bestand  nur  aus  einer  geraden  Röhre  mit  darangefügter  Schallöffnung 
nebst  Mundstück.  (Fig.  604.)  Gegen  das  Ende  des  14.  Jahrhunderts 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


513 


ist  ihre  Form  bereits  weit  komplizierter;  ihr  Rohr  ist  zweimal  gebogen 
und  wir  finden  in  jener  Zeit  zuerst  ein  Stück  Stoff  daran  ange- 
bunden, die  „Trompetenfahne",  auf  welches  die  Embleme  des  Heer- 
führers oder  Lehensmannes  gemalt  oder  gestickt  sind.  (Fig.  605.) 
Diese  Trompetenfahnen  erhalten  sich  in  den  Heeren  bis  ins  18.  Jahr- 
hundert. Erst  gegen  die  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  erscheinen 
die  Trompeten  in  der  in  Fig.  606  dargestellten  Form,  in  welcher  sie 
sich  im  wesentlichen  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  haben. 

Zu  den  am  häufigsten  angewendeten  Instrumenten  in  den  Heeren 
gehört  die  Pauke  und  die  Trommel.  Bei  beiden  wird  der  Ton 
dadurch,  dafs  man  mit  einem  Holzstück,  dem  Schlägel,  auf  ein  ge- 
spanntes Kalbfell  schlägt.  So  alt  auch  diese  Instrumente  sind,  so 
finden  wir  keine  Andeutung,  die  darauf  schliefsen  läfst,  dafs  ihre  Ver- 
wendung in  den  ersten  Jahrhunderten  des  Mittelalters  eine  allgemeine 


Fig.  604.  Trompete  aus  einer  Miniatur  einer  Apokalypse  des 
13.  Jahrhunderts,  ehemals  in  der  Sammlung  ß.  Delcssert.  Nach  Viollct- 
le-I)uc. 

Fig.  605.  Trompete  mit  Fahne  aus  einem  Manuskripte  der 
Bibliothek  zu  Troyes.    Nach  Viollet-le- Duc. 

gewesen  ist.  Der  Umstand,  dafs  diese  Schlaginstrumente  in  allen  ihren 
Formen  als  Tamburin,  Pauke,  grofse  und  kleine  Trommel  in  den 
Manuskripten  des  12.  Jahrhunderts  zahlreich  abgebildet  sind,  scheint 
ein  Beweis,  dafs  die  Occidentalen  sie  von  den  Orientalen  in  den 
Kreuzzügen  übernommen  haben. 

Im  12.  Jahrhundert  tritt  neben  dem  Sumber  oder  Paukenschläger 
bereits  der  Holibläser  oder  Pfeifer  auf  und  seit  dieser  Zeit  und  bis 
zur  Gegenwart  bilden  bei  der  Reiterei  Pauke  und  Trompete,  bei  den 
Fufssoldaten  Trommel  und  Pfeife  gemeinsam  das  Feldspiel.  In  dieser 
Zusammenstellung  finden  wir  sie  auch  bei  den  Franzosen  und  Bur- 
gundern im  15.  Jahrhundert. 

Bocheira,  Waffenkuode.  33 


Fig.  604. 


Fig.  605. 


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514 


IL  Die  Angriflswaffen. 


In  den  Landsknechtheeren  sehen  wir  das  Feldspiel  mit  grofser 
Wichtigkeit  behandelt.  Dort  bildete  sich  das  Trommelschlagen 
zu  einer  eigenen  Kunst  aus  und  es  erscheinen  zum  erstenmal  die 
einfachen  und  hübschen  Pfeifenmelodien,  die  sich  teilweise  noch  bis 
heute  erhalten  haben. 

Die  Trommel  der  Landsknechtstruppe  war  ein  noch  ziemlich 
ungeschlachter  Gegenstand.  Die  beiden  Fellreife  waren  von  be- 
deutendem Durchmesser,  der  eigentliche  Körper  der  Trommel,  der 
„Sarg",  war  von  Holz  und  nach  den  Wappenfarben  des  Obersten 
oder  den  Landesfarben  angestrichen.   In  der  Reiterei  führten  in  der 


Fig.  606. 


Fig.  606.    Trompete  aus  dem  Turnierbuch  des  Königs  Rene\ 
15.  Jahrhundert.    Nach  Viollet-lc-Duc. 

Regel  im  16.  Jahrhundert  nur  die  Kürassiere  neben  den  Trompeten 
auch  Pauken,  und  wir  sehen  diese  letzteren  Instrumente  schon  damals 
mit  reich  gestickten  Stoffen,  „Paukendecken",  behängt,  die  in  ahnlicher 
Form  noch  bis  ins  18.  Jahrhundert  üblich  gewesen  sind.   (Fig  607.) 

Im  türkischen  Heere  waren  Pauken  und  Trommeln  schon  der 
lärmenden  Kampfweise  wegen  von  grofser  Bedeutung,  ja  in  der  Reiterei 
hatte  im  16.  Jahrhundert  und  vermutlich  schon  weit  früher  jetler 
einzelne  Mann  eine  kleine  Handpauke  (tabl)  zur  rechten  Seite  an 


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F.  Die  Fahne  und  das  Feldspiel. 


515 


den  Sattelknopf  gebunden,  welche  sowohl  beim  Marsche,  vorzüglich 
aber  beim  Anreiten  an  den  Feind  geschlagen  wurde.  Erst  in  nächster 
Nähe  des  Angriffszieles  wurden  unter  Geschrei  die  Säbel  gezogen. 

Diese  Handpauken  finden  wir  bis  ins  17.  Jahrhundert  auch  in 
den  moskowitischen,  polnischen  und  ungarischen  Reitertruppen,  wie 
denn  diese  Nationen  ihre  kriegerische  Ausrüstung  durch  Jahrhunderte  . 
nach  orientalischen  Mustern  zusammenstellten.   In  Fig.  233  sehen  wir 
eine  türkische  Handpauke,  die  Lazarus  Schwendi  1556  erbeutet  hatte. 

Im  dreifsigj ährigen  Kriege  werden  die  Trommeln  des  Fufsvolkes 
kleiner  im  Durchmesser,  dafür  aber  länger  und  bleiben  so  bis  ins 
18.  Jahrhundert. 


Fig.  607. 


Fig.  607.  Bedeckte  Pauke  eines  österreichischen  Kürassier- 
Regiments.  Die  Paukendecke  von  grünem  Damast  mit  schwerer  Rand- 
verzierung in  Goldstickerei.  In  der  Mitte  der  kaiserliche  Adler  mit  den 
Wappen  von  Habsburg- Lothringen  im  Herzschilde.  Um  1750.  K.  u.  k. 
Heeresmuseum  in  Wien. 

Die  sogenannten  grofsen  Trommeln  bei  der  Feldmusik  waren  bei 
den  Janitscharen  schon  im  17.  Jahrhundert  im  Gebrauch,  durch  kroa- 
tische Regimenter  kamen  sie  1743  in  die  österreichische  Armee  und 
von  hier  in  alle  übrigen.  Mit  ihnen  zugleich  die  Handbecken, 
„Tschinellen",  die  ein  untrennbares  Anhängsel  der  Trommeln  bilden. 

Schon  ein  Jahrhundert  früher  und  wieder  nach  türkischen  Vor- 
bildern gesellte  sich  zur  Trommel  und  Pfeife  des  Fufsvolkes  das  so- 

33* 


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516 


IL  Die  Angriflswaffen. 


genannte  „Schellenspiel",  das  aus  einem  etwa  1 1ji  m.  langem  Stocke 
bestand,  der  oberhalb  mit  Schellen  und  Glöckchen  behangen  war  und 
durch  einen  leichten  Schlag  mit  der  Hand  im  Takte  der  Musik  ge- 
spielt wurde.  Von  diesen  Schellenspielen  haben  sich  nur  sehr  wenige 
noch  erhalten.  Ein  Exemplar  aus  dem  Beginne  des  17.  Jahrhunderts 
wird  in  der  Waffensammlung  im  kaiserlichen  Schlosse  zu  Ambras  bei 
Innsbruck  bewahrt  (15 14),  ein  anderes  aus  der   1.  Hälfte  unseres 


Fig.  608. 


Fig.  608.    Vollständiges  Kompanie-Feldspiel  aus  Jacob 
Sutors  künstlichem  Fechtbuch,  1612. 

Jahrhunderts  findet  sich  im  k.  u.  k.  Heeresmuseum  zu  Wien.  Fig. 
608  zeigt  uns  ein  vollständiges  „Spiel",  aus  Trommler,  Pfeifer  und 
Schellenmann  bestehend,  nach  einem  Holzschnitte  in  Jacob  Sutors 
von  Baden  künstlichem  Fechtbuch  von  161 2. 

Endlich  ist  noch  eines  besonderen  Instrumentes  zu  erwähnen, 
welches,  als  Feldspiel  seit  alter  Zeit  in  Übung,  noch  bis  in  die  Gegen- 
wart sich  erhalten  hat,  die  „Sackpfeife"  der  hochschottischen  Truppen. 


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III.   Die  Turnierwaffen. 


Was  wir  heute  unter  dem  Worte  „Turnier"  verstehen,  deckt  nicht 
vollständig  den  in  früherer  Zeit  mit  dem  Worte  verbundenen 
Begriff,  ja  im  Laufe  der  Jahrhunderte  ist  unter  der  Bezeichnung  „Turnier" 
nicht  immer  ein  und  derselbe  Vorgang  verstanden  worden. 

Unter  der  Bezeichnung  Turnier  (turney)  verstehen  wir  allgemein 
einen  Waffengang  im  Frieden,  ein  Kampfspiel.  Genau  genommen 
umfafst  der  Ausdruck  aber  ebensowohl  einen  Ernstkampf  zwischen 
einzelnen,  ein  sogenanntes  „Gottesgericht",  als  auch  einen  ritterlichen 
Waffengang  zwischen  Zweien  nach  bestimmten  Regeln,  in  dem  es 
nicht  so  sehr  darauf  ankam,  den  Gegner  zu  gefährden,  als  vielmehr 
die  eigene  Geschicklichkeit  in  der  Führung  der  Waffe  vor  Augen  zu 
stellen.  Immerhin  empfiehlt  es  sich,  der  Verständlichkeit  halber,  für  die 
genannten  Waffengänge  die  generelle  Bezeichnung  „Turnier"  beizu- 
behalten, wenn  sie  auch  der  Fachsprache  nach  nur  ganz  bestimmten 
Übungen  zukam. 

Die  Germania  des  Tacitus,  das  Beowulflied  und  die  beiden 
Edda  enthalten  die  ältesten  Andeutungen  über  die  Liebhaberei  der 
Deutschen  für  Scheinkämpfe,  ja  es  scheint  sogar  aus  den  Be- 
merkungen des  Tacitus  (Kap.  24)  hervorzugehen,  dafs  die  römischen 
Kaiser  durch  diese  Leidenschaft  der  Deutschen  zur  Einführung  der 
Gladiatorenkämpfe  veranlafst  wurden. 

Auf  diese  altgermanische  Streitlust  geht  auch  der  Ursprung  der 
Kampfspiele  im  Mittelalter  zurück.  Neithart,  der  Neffe  Karls  des 
Grofsen,  erzählt  (Lib.  III.),  wie  844  das  Gefolge  Ludwigs  des  Deutschen 
und  seines  Bruders  Karl  sich  in  gleiche  Scharen  teilte  und  ein  Schein- 
gefecht lieferte,  wobei  auch  die  beiden  Prinzen  an  der  Spitze  von 
jungen  Leuten  selbst  sich  in  den  Streit  mischten.  Gottfried  von 
Preuillv  (gest.  1066)  scheint  der  erste  gewesen  zu  sein,  der  für 
dieses  Kampfspiel  zwischen  zwei  Haufen  eigene  Regeln  aufgestellt 
hat.    Anfänglich  war  dafür  die  Bezeichnung  Buhurt  üblich,  während 


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518 


III.  Die  Turnierwaffen. 


der  Name  „Turnier",  von  tourner,  tornare,  erst  im  12.  Jahr- 
hundert, und  zwar  für  das  Kampfspiel  in  Scharen  bei  den  Franzosen 
auftritt  und  sich  von  ihnen  auf  andere  Nationen  überträgt.  Dieser 
Umstand  erklärt,  dafs  von  dieser  Zeit  an  die  ursprünglichen  deutschen 
Fachausdrücke  im  Turnierwesen  verschwinden  und  französische,  später 
italienische  dafür  üblich  werden.  Wie  das  Turnier  deutschen  Ur- 
sprungs ist,  ebenso  waren  es  die  Deutschen,  die  bei  der  Weiterbildung 
desselben  in  Bezug  auf  die  Manier  und  Ausrüstung  den  Ton  an- 
gaben. 

Nicht  im  Gegensatze  zu  dem,  was  allgemein  unter  „Turnier4* 
verstanden  wird,  sondern  als  bestimmte  Einzelform  ist  das  „Gestech" 
(joute,  von  juxta,  treffen)  anzusehen,  bei  welchem  nur  zwei  Gegner 
in  die  Bahn  traten,  um  ihre  Geschicklichkeit  in  der  Handhabung  der 
Waffen  an  den  Tag  zu  legen. 

Sicher  war  das  Gestech,  wie  überhaupt  alle  Turnierarten  nur 
eingerichtet,  um  die  adlige  Jugend  in  der  Handhabung  der  Waffen 
und  des  Pferdes  zu  üben.  In  der  ältesten  Zeit  findet  sich  keine 
Spur  eines  Kampfpreises  oder  materiellen  Dankes  für  den  Sieger; 
es  genügte  diesem  vollkommen,  den  Beweis  seiner  Tüchtigkeit  er- 
bracht zu  haben.  Später,  im  13.  Jahrhundert,  als  sich  in  der  Ritter- 
schaft das  Bestreben  nach  Vornehmheit  und  feiner  Sitte  mehr  und 
mehr  geltend  machte  und  die  Verehrung  des  weiblichen  Geschlechtes 
den  Adligen  zur  Pflicht  wurde,  bildete  die  Anerkennung,  der  Dank 
der  Dame,  den  höchsten  Preis  für  den  Sieger.  Mit  dieser  Wendung 
im  Zusammenhange  steht  eine  bis  zum  Übermafs  reifende  Ausbildung 
des  Zeremoniells,  dessen  Ausübung  von  eigenen  Fachmännern,  den 
Herolden,  gehandhabt  wurde. 

In  den  ersten  zwanzig  Teilen  des  Nibelungenliedes  finden  sich 
in  Bezug  auf  das  Turnier  zahlreiche  Bemerkungen,  die  sich  noch  aus 
der  ursprünglichen  Fassung  des  Gedichtes  erhalten  haben  müssen: 
denn  im  13.  Jahrhundert,  in  welches  man  allgemein  die  jetzige  Be- 
arbeitung des  nordischen  Epos  setzt,  hatten  die  Turniergebräuche 
bereits  eine  Ausbildung  erfahren,  von  der  in  den  Schilderungen  der 
Turniere  im  Nibelungenliede  noch  nichts  zu  finden  ist.  Diese  Wahr- 
nehmung wird  bestätigt,  wenn  man  jene  Schilderungen  mit  dem  fast 
gleichzeitigen  „Frauendienst"  vergleicht.  So  begegnen  wir  dort  nirgend* 
der  Bezeichnung  „turnay",  die  wir  im  „Frauendienst"  häufig  lesen 
können;  wir  finden  darin  längst  veraltete  Sitten,  wie  das  Abreichen 
von  Kleidern  an  den  Sieger  (X,  4841 — 4842),  femer  sehen  wir  die 
Verehrung  des  weiblichen  Geschlechtes  weitaus  nicht  so  entwickelt, 
wie  in  den  höfischen  Gedichten  des  13.  Jahrhunderts. 

Zum  richtigen  Verständnisse  des  Turnierwesens  ist  die  Kenntnis 
der  Ausrüstung  und  der  Streitweise,  wenn  wir  sie  so  nennen  wollen, 
unerläfslich.  Diese  Kenntnis  ist  freilich  um  so  schwieriger  zu  erlangen, 
als  sich  die  äufseren  Formen  des  Kampfspiels  bei  den  verschiedenen 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


519 


Nationen  und  im  Laufe  der  Zeiten  beträchtlich  veränderten  und  sich 
ins  Unglaubliche  vervielfältigten.  So  war  am  Ende  des  II.  Jahrhun- 
derts das  Anrennen  der  Gegner  mit  der  unter  dem  Arme  gehaltenen 
Spiefsstange  noch  nicht  allgemein  im  Gebrauche.  Der  Teppich  von 
Bayeux  zeigt  uns  vielmehr,  wie  die  Kavaliere  ihre  langen,  dünn- 
schäftigen  Spiefse  beinahe  alle  mit  erhobenem  Arme,  wie  die  Alten 
den  Wurfspiefs,  das  pilum,  führen. 

Bis  ins  14.  Jahrhundert  blieb  die  Ausrüstung  und  Bewaffnung 
im  Turniere  dieselbe  wie  im  Kriege.  Im  Nibelungenliede  spricht  sich 
der  Dichter  darüber  bei  der  Beschreibung  des  Wettkampfes  mit 
Brunhild  aus.  Ein  Waffenhemd  von  Seide  (dem  pfellil  aus  Libyen, 
sicherer  wohl  aus  Spanien),  eine  feste  Brünne,  darüber  die  Eisenplatten, 
die  „stahelzein",  genäht.  Die  Helme  werden  aufgebunden.  Ein 
Schild,  von  Gold  berandet,  stark  und  breit;  der  „schildvezzel",  Schild- 
rieraen,  war  mit  Steinen  besetzt.  Wenn  wir  in  der  Erzählung  von 
dem  unter  dem  Buckel  drei  Handbreiten  dicken  Schilde  lesen,  den 
vier  der  Kämmerer  kaum  zu  tragen  vermochten,  so  läfst  uns  dieses 
nur  auf  das  Bestreben  schliefsen,  die  Schilde  zu  verstärken,  die  sich 
gegen  den  Hieb  und  besonders  gegen  den  Stöfs  zu  schwach  erwiesen. 
Wiederholt  wird  von  durchstofsenen  Schilden,  und  von  solchen  ge- 
sprochen, in  denen  die  Spiefs-  oder  Speerschäfte  stecken  geblieben 
waren.  Zu  den  Stofswaffen  sind  der  Speer  und  der  „ger"  oder 
Wurfspiefs  zu  zählen.  Die  Sättel  waren  mit  Steinen  besetzt  und  mit 
goldenen  Schellen  behangen.  Alle  diese  Merkmale  deuten  eher 
auf  die  Mitte  des  12.,  als  den  Beginn  des  13.  Jahrhunderts,  denn 
zu  jenem  Zeiträume  waren  die  Schilde  bereits  an  der  Schulter  be- 
festigt, und  man  bediente  sich  nicht  mehr  des  Wurfspiefses,  sondern 
ausnahmslos  der  Speere.  Die  Schäfte  waren  zu  schwach,  um  mit 
ihnen  beim  Anrennen  den  Gegner  hinter  das  Rofs  zu  setzen;  man 
liest  darum  in  den  älteren  Teilen  des  Nibelungenliedes  nirgends  einen 
solchen  Fall,  wohl  aber,  dafs  die  Schafttrümraer  wie  Spreu  in  die 
Luft  flogen.  Erst  in  dem  jüngeren  Teile,  der  XXVI.  Aventiure,  wird 
gelegentlich  der  Erzählung  des  Kampfes  zwischen  Gelpfrat  und 
Hagen  erwähnt,  dafs  letzterer  hinter  das  Rofs  gesetzt  worden,  ersterer 
vom  Pferde  gefallen  sei.  Dabei  lesen  wir  die  bemerkenswerten 
Verse: 

„Wer  in  die  ros  behielte, 
Daz  ist  mir  vubechant". 

Wir  sehen  aus  dieser  Stelle,  wie  alt  die  Gepflogenheit  ist,  in  den 
Turnieren  eigene  Leute  zur  Seite  zu  haben,  deren  Aufgabe  es  war, 
die  Pferde  aufzuhalten  und  den  aus  dem  Sattel  gehobenen  Reitern 
behende  beizuspringen,  um  die  Wucht  des  Falles  zu  mäfsigen.  Diese 
wichtige  Hilfeleistung,  mit  der  vom  15.  Jahrhundert  an  eigene  ge- 
schulte Leute,  die  „Grieswärtel"  betraut  waren,  wird  gleichwohl  in  den 
Turnierbüchern  gern  verhehlt    Ohne  sie  wären  die  Gesteche  und 


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520 


III.  Die  Turnierwaffen. 


Rennen  des  15.  und  16.  Jahrhunderts  weit  gefahr-  und  opfervoller 
gewesen. 

Mehr  fachlich  entwickelt  erscheint  das  Turnier  im  „Frauen- 
dienst" des  Ulrich  von  Lichtenstein,  der  uns  als  eine  vorzügliche 
Quelle  für  diese  ritterlichen  Spiele  dienen  kann.  Hier  unterscheiden 
wir  den  WarTengang  zu  zweien,  den  „tyost"  oder  das  Gestech,  von 
dem  „buhurt",  dem  „turnay"  im  engeren  Sinne,  bei  dem  die 
Gegner  in  zahlreichen  Scharen  in  die  Bahn  traten. 

Die  Ausrüstung  und  Bewaffnung  unterscheidet  sich  nur  sehr  ge- 
ring von  der  im  Kriege  üblichen.  Der  Wappenrock  ist  wie  die  Decke 
des  Pferdes  (parsen)  von  Leder,  beide  wohl  auch  mit  Samt  von 
einerlei  Farbe  überzogen  und  mit  Schildchen  von  Eisenblech  besetzt. 
Halsberg,  „spaldenier"  (espalderium),  der  auch  bis  über  die  Achseln 
reichte,  und  Beinkleider,  „isenhosen",  bestanden  aus  Panzerzeug.  Der 
Schild  von  dreieckiger  Form  scheint  etwas  kürzer  als  der  im  Kriege 
verwendete  gewesen  zu  sein.  Der  schwere  Topf  heim  wird  erst  nach 
vollendeter  Wappnung  mit  seidenen  Schnüren  aufgebunden.  Die 
Speere  haben  bereits  kleine  Brechscheiben,  die  dort  „speerscheiben" 
genannt  werden. 

Im  Tyost  zu  Tarvis  traten  Reinprecht  von  Mureck  und 
Ulrich  von  Lichtenstein  in  die  Bahn,  jener  schlug  seinen  Speer  unter 
den  Arm  —  das  war  die  gebräuchliche  Art  —  dieser  setzte  ihn  tief  am 
Schenkel,  „an  den  diech",  an. 

Am  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  ist  bereits  das  Ziel  des  Waffen- 
spieles geändert  und  bestimmter  ausgesprochen.  Die  Absicht  auf 
beiden  Seiten  ist,  entweder  den  Speer  kunstgerecht  an  dem  an  der 
linken  Schulter  hangenden  Schilde  zu  verstechen,  so  dafs  der  Schaft 
beim  Anrennen  zersplitterte,  oder  den  Gegner  hinter  das  Rofs  zu 
setzen.  Für  beide  Gegner  war  es  im  ersten  Falle  selbstverständlich, 
dafs  sie  den  mäfsigen  Stöfs  „auszusitzen"  im  stände  waren,  d.  h.  nicht 
vom  Pferde  fielen.  Für  diesen  Fall  wurde  die  Stellung  zum  Anreiten 
nahe,  der  „puneiz"  (von  poser,  ponere,  stellen)  kurz  genommen. 
In  dem  anderen  Falle,  wo  der  Stecher  die  Absicht  hat,  den  Gegner 
seine  Kraft  und  Geschicklichkeit  fühlen  zu  lassen  oder  ihn  zu  be- 
schämen, nahm  er  seine  Stellung  entfernter,  ,,den  puneiz  lanc",  und 
warf  ihn  mit  kunstgerechtem  Stofse  hinter  das  Rofs,  wobei  natürlich 
beide  Speere  gleichfalls  zerschellten.  Es  ist  hieraus  zu  ersehen,  dafs 
die  Speere  seit  dem  12.  Jahrhundert  allmählich  stärker  wurden. 
Immerhin  aber  besafsen  sie  noch  einen  6.5  cm.  nicht  überschreitenden 
Durchmesser  und  blieben  damit  so  handsam  und  leicht,  dafs  sie  ohne 
Auflager  (Rüsthaken)  angesetzt  werden  konnten.  Die  Knechte  Ul- 
richs von  Lichtenstein  führten  beim  festlichen  Einritte  jeder  3 
zusammengebundene  Speere  in  der  Hand. 

Wir  unterscheiden  im  13.  Jahrhundert  bereits  zweierlei  Turniere, 
das  Wanderturnier  und  das  ausgeschriebene.    Jenes  ist  ein  zu- 


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III.  Die  Tumierwaffen. 


521 


fälliges  oder  absichtliches  Begegnen  zweier  Ritter  auf  dem  Wege,  wo- 
bei es  ohne  einiges  Speerverstechen  nicht  abging.  Der  eine  setzte 
sich  am  Wege  und  forderte  den  anderen  meist  unter  schwulstigen 
Reden  und  ruhmredigen  Worten  zum  ritterlichen  Kampfe  auf;  er 
erscheint  hier  als  der  Aventurier.  Der  andere  mufste  sich  ihm 
stellen,  als  Mantenador.  Auf  dem  Wege  hinter  Clemun  hatte  der 
Ritter  Mathie  sein  Zelt  vor  Ulrichs  Weg  geschlagen,  um  ihn  vor  der 
Weiterreise  zum  Stechen  aufzufordern ;  da  mafs  er  sich  mit  1 1  Rittern, 
und  die  Trümmer,  „trumzen",  der  Speere  und  etliche  Schilde  lagen 
auf  der  Erde.  Das  häufig  grofse  Gedränge  des  Trosses  und  des 
herbeigeeilten  Volkes  bewog  Ulrich,  den  Ring  des  Turnieres  abzu- 
stecken. Die  Ecken  eines  Rechteckes  wurden  durch  vier  in  die  Erde 
gesteckte  Paniere  bezeichnet,  die  Linien  dazwischen  durch  200  Speere 
mit  Fähnlein  in  der  Farbe  von  Ulrichs  Schild  bezeichnet.  An 
den  kurzen  Seiten  befand  sich  in  der  Mitte  je  ein  Eingang,  durch 


Fig.  609. 


Fig.  609.    Abbildung  eines   Gcsteches.     Aus  dem  Codex 
Balduini  Trevirensis  von  c.  1330. 

welchen  niemand  reiten  durfte,  der  nicht  zum  tyost  bereit  war.  Das 
war  damals  eine  Neuerung,  für  die  man  Ulrich  sehr  erkenntlich  war. 

Dieses  Wegelagern  im  Stile  des  Stegreifritters  währte  bis  ans  Ende 
des  14.  Jahrhunderts,  in  Deutschland  sogar  noch  bis  ins  16.  Jahr- 
hundert, und  es  lag  in  der  Natur  dieser  Zufallsgesteche,  dafs  bei 
ihnen  nur  solche  Waffen  benutzt  wurden,  die  auch  im  Felde  ge- 
bräuchlich waren,  so  z.  B.  die  Brusttartschen  aus  Holz,  deren  wir 
bei  Beschreibung  der  Feldharnische  des  15.  Jahrhunderts  gedacht 
haben.  Sie  bildeten  gleichfalls  ein  wichtiges  Ausrüstungsstück.  Vergl. 
Fig.  187  und  194.    (Fig.  609.) 

Das  ausgeschriebene  Turnier  wurde,  wie  es  der  Name  schon 
bezeichnet,  infolge  einer  Einladung,  die  an  die  Ritterschaft  erging, 


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522  III.  Die  Turnierwaffen. 


auf  einem  bestimmten  Platze  abgehalten.  Schon  viele  Monate  vor 
dem  anberaumten  Tage  durchzogen  Sendlinge  oft  weit  entfernte  Länder 
und  überbrachten  vorzugsweise  an  berühmte  Turniergenossen  die  Auf- 
forderung, bei  dem  ritterlichen  Wettkampfe  nicht  zu  fehlen. 

Diesen  allgemeinen  Charakter  behielten  die  Turniere  bis  gegen 
das  Ende  des  14.  Jahrhunderts  und  die  Ausrüstung  folgte  genau  allen 
Wandlungen,  welche  sich  bis  dahin  im  Kriege  merkbar  machen.  Erst 
um  1350  oder  doch  wenig  früher  beginnen  die  Formen  der  Aus- 


Fig  610.    Turnierschwert.    Aus  dem  Livre  des  toumoirs  des 
Königs  Rene.    15.  Jahrhundert.    Nach  Jacquemin. 

Fig.  611.    Turnicrkolbcn.    Aus  dem  Livre  des  tournoirs  des 
Königs  Rene.    15.  Jahrhundert.    Nach  Jacquemin. 

rüstung  zum  Turnier  von  jener  im  Kriege  sich  zu  unterscheiden. 
Diese  Erscheinung  erklärt  sich  daraus,  dafs  man,  um  im  Turniere 
kühn  und  tapfer  zu  erscheinen,  allgemach  auf  Mittel  sann,  den  Effekt 


Fig.  610. 


Fig.  611. 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


523 


für  das  Auge  des  Zuschauers  zu  erhöhen.  Wir  werden  im  Verlaufe 
unserer  Darstellung  Gelegenheit  erhalten,  diesem  Streben  Schritt  für 
Schritt  zu  folgen. 

Schon  im  Verlaufe  des  14.  Jahrhunderts  hatte  der  Buhurt,  nun 
Turnier  genannt,  besonders  in  Südfrankreich  und  Italien  eine  Ver- 
änderung dadurch  erfahren,  dafs  die  Gegner  in  der  Regel  nur  einen 
Speer  verstachen  und  dann  zu  stumpfen  Schwertern  griffen,  mit  denen 
sie  sich  unter  lautem  Geschrei,  in  Deutschland  unter  dem  Rufe: 
„Wicha  herre,  wicha  wich!",  anfielen,  bis  eine  Partei,  von  den  Streichen 
des  Gegners  erschüttert,  sich  oft  unter  Rücklassung  von  ritterlich  Ge- 
fangenen für  überwunden  erklärte. 

In  Deutschland  kam  vom  Beginne  des  1 5.  Jahrhunderts  an  das 
sogenannte  Kolbenturnier  zu  Rofs  in  Gebrauch,  das  immer  nur 
zwischen  zwei  Gegnern  ausgetragen  wurde.  Die  Waffen  in  diesem 
Gange  bestanden  aus  stumpfen,  aber  schweren  Schwertern  (Fig.  610) 
und  Kolben.  Letzterer,  aus  hartem  Holz  gefertigt,  hatte  eine  durch- 
schnittliche Länge  von  80  cm.  Die  Handhabe  besafs  insgemein 
einen  kugelförmigen  Knauf  und  statt  einer  Parierstange  eine  Scheibe 
aus  Eisenblech  oder  einen  Nodus  (Fig.  611).  Der  Kolben  selbst  hatte 
einen  polygonen  Querschnitt  und  verstärkte  sich  allmählich  gegen 
das  Ende  zu. 

Diese  mächtig  wirkenden  Waffen  waren  die  nächste  Veranlassung 
zu  einer  Veränderung  der  Helmform  beim  Turnier  zu  Rofs,  da  ein 
Schlag  mit  solchen  auf  den  alten  Topfhelm,  welcher  auf  dem  Scheitel 
aufsafs  oder  doch  mit  diesem  in  Berührung  stand,  lebensgefährlich 
werden  konnte.  Der  neue  Helm  wurde  kugelförmig  gebaut,  und  war  so 
umfangreich,  dafs  ihn  der  Kopf  des  Mannes  nirgends  berührte  und  ledig- 
lich auf  den  Schultern  und  der  Brust  aufsafs;  desungeachtet  wurde  der 
Kopf  des  Trägers  durch  eine  dick  mit  Werg  gefütterte  Haube,  ,,har- 
naschkappe",  geschützt  Zum  erstenmal  finden  wir  jetzt  die  Teile 
am  Halse  und  im  Nacken  eingezogen.  Derlei  Kugelhelme  kommen 
in  unterschiedlichen  Detailformen  vor,  sehr  gebräuchlich  waren  die 
Helme,  die  aus  einem  starken  Eisengerippe  bestanden,  worüber  ein 
Überzug  von  starkem,  gesottenem  Rindsleder  kam.  An  der  Stelle 
des  Gesichtes  war  der  Helm  offen  und  dieser  Teil  durch  ein  starkes 
Gitter  aus  Eisen  und  Draht  geschützt.  Das  ganze  Scheitelstück  war 
mit  Leinwand  überzogen,  mit  Kreidegrund  bedeckt  und  mit  der 
Wappenfigur  des  Eigners  in  Temperafarben  bemalt.  Der  Hals  sowie 
der  Bart-  und  Rückenteil  bestand  aus  Eisenblech.  Die  Befestigung 
an  der  Brust  sowie  am  Rücken,  an  dem  Lentner  oder  an  dem  Platten- 
harnisch wurde  durch  Eisenbünder  bewirkt,  die  in  entsprechende 
Naben  eingefügt  wurden.  Ebenso  wie  der  Topfhelm  des  12.  und 
13.  Jahrhunderts,  so  war  auch  der  Kugclhclm  mit  einer  Helmzier  am 
Scheitel,  dem  sogenannten  „Zimier",  ausgestattet.    Die  Formen  dieser 


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524 


III.  Die  Turnierwaflen. 


Helmzieren  wechselten  nach  dem  Geschmack  oder  der  Laune  des 
Eigners.  Zuweilen  finden  sich  darin  in  vollplastischer  Ausführung  die 
Wappenfiguren  der  Eigner  wiedergegeben,  oft  aber  eine  andere  bizarre 
Figur,  nicht  selten  Anspielungen  an  eine  geliebte  Dame,  und  selbst 
Andenken  von  solchen,  wie  Tücher,  Handschuhe,  Schleier  u.  dgl., 
werden  an  den  Zimieren  angebracht  So  findet  man  denn  an  allen 
noch  vorhandenen  alten  Helmen  Vorrichtungen  zur  Befestigung  von 
Helmzieren,  die  in  einer  Röhre  oder  einem  eisernen  Stabe  bestehen. 
Die  Anfertigung  der  Zimiere,  der  Lederparschen  für  die  Pferde,  der 
ledernen  Rofsköpfe,  Rofsstirnen,  der  Schilde  u.  dgl.,  die  alle  insgemein 
bemalt  waren,  gehörte  in  den  Bereich  des  Schilterhandwerks.  (Fig.  6 1 2 


Fig.  6 12. 


Fig.  612.  Turnierhelm  für  das  Kolbenturnier  zu  Rofs,  bestehend 
aus  einem  Eisengestell,  welches  mit  gesottenem  Leder  überzogen  und  in 
Temperatechnik  bemalt  ist.  Der  vordere  Teil  ist  mit  einem  Gitter  von 
Eisenspangen  und  Draht  geschützt.  Um  1480.  Sammlung  Mayerfisch 
in  Sigmaringen.    Nach  Suttner,  Der  Helm. 

und  613.)  Auch  hier  zeigt  sich  das  Streben  nach  Erhöhung  des 
Effektes,  insofern  es  beim  Kolbenturnier  vorzugsweise  darauf  abge- 
sehen war,  dem  Gegner  das  Zimier  vom  Helme  zu  schlagen. 

Eine  andere  Art  von  Kugelhelmen  für  das  Kolbenturnier  bestand 
aus  geschlagenem  Eisen,  mit  ahnlicher  Form  des  Scheitelstückes  aber 
mit  breitem  aufschlächtigem  Visier;  zuweilen  mit  bauchig  vorgetriebenem 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


525 


Gitter.  Derlei  blanke  Helme  wurden  zum  Schutze  vor  den  Sonnen- 
strahlen in  der  Regel  mit  Helmdecken  getragen,  welche  unterhalb  des 
Zimiers  befestigt,  über  den  Rücken  herabfielen.  Diese  Helmdecken, 
schon  im  13.  Jahrhundert  an  den  Kübelhelmen  häufig  in  Gebrauch, 
waren  von  Seide  oder  feiner  Leinwand  in  den  Farben  des  Wappens 
des  Trägers  gehalten  und  meist  an  den  Rändern  ausgezackt  (gezaddelt). 

Der  Brustharnisch,  anfänglich  von  starkem,  gesottenen  Rindsleder, 
mit  Nägeln  besetzt,  als  Lentner,  hatte  beim  Kolbenturnier  einen  starken 
eisernen  Ring  an  jeder  Seite.  An  dem  linken  wurde  das  stumpfe 
Schwert,  an  dem  rechten  der  Kolben  mit  starken  Hanfschnüren  be- 
festigt.   Später,  als  der  Plattenharnisch  in  Aufnahme  kam,  um  1440 


Fig.  613. 

Fig.  613.  Turnierhelm  für  das  Kolbenturnier  zu  Rofs,  ähnlich 
dem  vorigen,  mit  röhrenartiger  Vorrichtung  zur  Befestigung  des  Zimiers. 
Um  1480. 

pflegte  man  das  Brust-  und  Rückenstück  der  Transpiration  wegen  zu 
durchlöchern.  An  Brust  und  Rücken  schlössen  sich  vorne  die  ge- 
schobenen Bauchreifen  und  rückwärts  ein  kurzer  Schurz  an.  Das 
Arrazeug  hatte,  je  nachdem  es  von  Leder  oder  Eisenblech  gefertigt 
war,  eine  verschiedene  Form.  Von  Leder  wurden  die  Achseln  kugel- 
förmig gestaltet  und  diese  ebenso  wie  die"  Armröhren  und  Kacheln 
durch  starke  aufgenähte  Hanfstricke  verstärkt.  Die  Handschuhe  aus 
schwerem  Rindsleder  waren  nicht  gefingert  (Hentzen)  und  meist  der 


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526 


1IL  Die  Turnierwaflen. 


linke  an  der  Oberseite  der  Hand  wie  am  Stülp  mittelst  angebundener 
eiserner  Scheiben  geschützt.  Diese  waren  das  Vorbild  für  die  Stiel- 
scheiben, die  an  den  Handschuhen  der  Harnische  vom  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  auftreten. 

Ging  dem  Kolbenturnier  ein  Spiefsbrechen  voraus,  was  nicht 
selten  vorkam,  dann  wurde  an  die  linke  Seite  der  Stechschild  gehängt 
und  der  Riemen  lief  über  die  rechte  Schulter  und  unter  dem  linken 
Arm  durch.  Die  Schildform  war  verschieden,  meist  dreieckig,  später 
aber  auch  viereckig,  konkav  gebildet,  mit  schneckenförmig  aufgerollten 
Rändern,  zumeist  heraldisch  bemalt  oder  mit  Stoff  überzogen.  Je 
nach  Bedürfnis  waren  sie  aus  Holz,  das  mit  Leder  überzogen  wurde, 
oder  aus  Eisenblech  gefertigt. 

Über  dem  Harnisch  trug  der  Turnierende  häufig  ein  Hamisch- 
röckchen  (harnaschhemt)  von  Seide  oder  feiner  Leinwand  in  den 
Farben  des  Wappens,  oft  auch  mit  den  wechselnden  Figuren  desselben. 
Die  Beine  wurden  anfänglich  mit  Panzerwerk  (Mufszeug)  geschützt, 
die  Kniee  im  14.  Jahrhundert  gleich  den  spitzen  Schuhen  mit  Eisen- 
blech. Später  bestand  der  Beinschutz  aus  Diechlingen,  Kniebuckeln, 
Beinröhren  und  Spitzschuhen  von  Eisen. 

Auch  die  Pferderüstung  zeigte  im  Turnier  einige  Abweichungen 
von  jener  im  Kriege.  Schon  für  das  Kolbenturnier  und  vermutlich 
da  zuerst,  erhielten  die  Sättel  ein  erhöhtes  Sitzblatt  So  entstanden 
die  sogenannten  „Sättel  im  hohen  Zeug",  damit  verfolgte  man 
die  Absicht,  dafs  der  Reiter  in  der  Handhabung  der  Waffe  durch  das 
Pferd  nicht  gehindert  war.  (Fig.  614.)  Die  Konstruktion  des 
Sattels  war  eine  derartige,  dafs  der  Reiter  nahezu  in  den  Bügeln 
stand.  Der  mit  Eisen  beschlagene  Vordersteg  reichte  zum  Schutze 
der  Lenden  des  Reiters  sehr  hoch  hinauf  und  verbreitete  sich 
auch  stark  nach  seit-  und  abwärts.  An  dem  oberen  Rande  be- 
fand sich  ein  starker  eiserner  Bügel,  um  beim  Ausfalle  dem  Reiter 
für  die  linke  Hand  einen  Anhalt  zu  bieten.  Der  Hintersteg  fehlte 
bei  derartigen  Sätteln  zumeist  gänzlich,  doch  umschlofs  ein  eisernes 
Band  den»  Körper  des  Reiters  derart,  dafs  dieser  nicht  vom  Pferde 
fallen  konnte.  Der  übrige  Teil  der  Pferderüstung  war  gleich  der  im 
Kriege  üblichen,  wie  wir  sie  bereits  beschrieben  haben,  nur  wäre  zu 
bemerken,  dafs  das  Pferd  stets  mit  einer  Parsche  aus  schwerem  Rinds- 
leder  bedeckt  war;  darüber  wurde  eine  Decke  gelegt,  die  auch  über 
den  Sattclsteg  reichte  und  gemeiniglich  ganz  gleich  dem  Harnisch- 
röckchen  mit  heraldischen  Emblemen  ausgestattet  war.  Das  Kolben- 
turnier zu  Rofs  kam  am  Ende  des  15.  Jahrhunderte  aufser  Übung. 
(Fig.  615.) 

Schon  im  frühen  Mittelalter  kommt  neben  den  beschriebenen 
Turnierarten  unter  ganz  ähnlichen  Zeremonien  eine  andere  vor,  die 
von  diesen  wesentlich  absticht.    Man  nannte  sie  „Kämpfen",  später 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


527 


im  15.  Jahrhundert  mit  etwas  mehr  Emphase  „den  alten  deutschen 
Fufskampf".  Der  Ursprung  dieses  Fufskampfs  zu  zweien  ist  in 
den  uralten  Ordalien  der  Deutschen,  den  Gottesurteilen,  zu  suchen, 
bei  denen  der  Unterliegende  sein  Schicksal  mit  dem  Leben  bezahlte. 
Bei  den  späteren  Kämpfen  dieser  Art  kam  allmählich  die  religiöse 
Grundlage  abhanden,  sie  wandelten  sich  zu  WarTenspielen  um,  bei 
denen  die  Absicht  nicht  mehr  allein  auf  die  Vernichtung  des  Gegners 
gerichtet  war ,  der  Siegespreis  vielmehr  in  der  Anerkennung  der 
WarTentüchtigkeit  oder  in  der  Gunst  einer  Dame  gesucht  wurde. 


Fig.  614. 


Fig.  614.  Turniersattel  im  hohen  Zeug,  für  das  Kolbenturnicr 
zu  Rofs.  15.  Jahrhundert,  2.  Hälfte.  Germanisches  Nationalmuseum 
zu  Nürnberg.    Nach  Leitner,  Freidal. 

In  der  That  scheint  das  Zurückgreifen  auf  eine  uralte  Sitte,  wie  sie 
der  „Kampf",  der  Zweikampf  zu  Fufs,  im  Mittelalter  darstellt,  keinen 
anderen  Zweck  gehabt  zu  haben,  als  das  Waffenspiel  mannigfaltiger  zu 
gestalten  Bei  der  hohen  Achtung,  die  man  in  der  Ritterschaft  vor 
allen  alten  Gebräuchen  hegte,  wurde  auch  der  Fufskampf  vom  Be- 
ginne an  mit  außerordentlicher  Wichtigkeit  behandelt  und  strenge 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


Gesetze  dafür  aufgestellt.  Die  ganz  verschiedene  Kampfweise  führte 
auch  zunächst  zu  einer  wesentlichen  Veränderung  der  Schutzwaffe, 
aus  der  sich  allmählich  die  Form  des  Kampfharnisches  heraus- 
bildete. 

Bei  dem  Aufkommen  dieser  Übung  scheinen  die  alten  Fecht- 
meister, die  Markusbrüder,  auf  die  Ausrüstung  wie  auf  das  Zeremo- 
niell und  die  Fechtweise  einigen  Einflufs  geübt  zu  haben,  darauf  deuten 
manche  Ähnlichkeiten,   die  sich  in  den  alten  Fechtbüchern  wieder- 


Fig.  615. 


Fig.  615.  Herzog  Georg  von  Bayern-Landshut  auf  dem 
Kolhenturnier  zu  Heidelberg  am  18.  August  1482.  Aus  Hans 
Burgkmayrs  'furnierbuch.  Aquarell  von  ca.  1554.  Im  Besitze  des 
Fürsten  von  Hohcnzollern  -  Sigmaringen.    Nach  Hefner. 

finden;  man  ist  aber  von  diesen  Förmlichkeiten  später  abgegangen, 
um  praktischere  Einrichtungen  an  die  Stelle  zu  setzen. 

In  der  Abbildung  eines  Fufskampfes  in  der  Manesseschen  Hand- 
schrift in  Zürich,  die  um  das  Jahr  1300  entstand,  sehen  wir  zwei 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


520 


Kämpfer,  die  ihre  Sache  in  Gegenwart  von  Damen  austragen,  die 
mit  den  Händen  Beifall  klatschen.  Für  uns  ist  hier  nur  Tracht  und 
Bewaffnung  bemerkenswert.  Was  die  Tracht  betrifft,  so  ist  das  lange 
Hemd  (später  über  den  Harnisch  getragen)  als  Gewand  des  Kämpfers 
vom  frühen  Mittelalter  an  traditionell;  es  verliert  sich  erst  gegen  die 
Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts.  Die  Waffe  beider  Streitenden  ist  das  stumpfe 


Fig.  616. 


Fig.  616.  Der  Minnesänger  Wilhelm  von  Scharfenberg 
kämpfend.  Aus  der  Manessischen  Bilderhandschrift.  Um  1 300.  Nach 
Eye,  Kunst  und  Leben  der  Vorzeit. 

Schwert,  wir  finden  hier  auch  ein  altes  Beispiel  der  Verwendung  von 
sogenannten  „Faustschilden".  (Fig.  616.) 

Wesentliche  Verschiedenheiten  in  Tracht  und  Ausrüstung  ge- 
wahren wir  in  einem  vom  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  stammenden 

Boebeim,  Waffenkunde.  34 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


Bildkodex  der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris,  betitelt:  Ceremonies 
des  gages  de  bataille;*)  hier  tragen  die  beiden  Kämpfer  den  voll- 
ständigen Plattenharnisch  mit  einem  Helme  von  kugelförmiger  Gestalt 
und  breitem  Visier;  über  den  Harnisch  das  herkömmliche  Waffenhemd 
mit  dem  Blason  des  Wappens  der  Träger.  Das  erinnert  noch  an  die 
bei  den  Ordalien  üblichen  Gebräuche.  Die  Waffe  aber,  welche  die 
Kämpfer  führen,  besteht  in  einem  kurzen  Ahlspiefs  mit  zwei  runden 
Scheiben  am  Griffe  und  mit  spitzer  Klinge.  (Fig.  617.) 

Gegen  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  erfährt  die  Ausrüstung 
für  den  alten  deutschen  Fufskampf  eine  bedeutende  Veränderung. 
Zunächst  vervielfältigen  sich  die  Waffen.  Man  kämpft,  wie  wir  aus 
dem  Freydal  Maximilians  I.  ersehen,  nicht  nur  mit  Schwertern,  son- 
dern auch  mit  Kolben,  Ahlspiefsen,  Cousen,  Spitzhämmern,  gemeinen 
Spiefsen,  Dolchen  (Degen),  Stangen,  Dusäggen,  Helmbarten,  ja  selbst 


Fig.  617. 


Fig.  617.  Ritter  im  Fufskampf  mit  Ahlspiefsen.  Aus  dem 
Bildcodex  „Ceremonies  des  gages  de  bataille"  der  Nationalbibliothek 
zu  Paris  vom  Anfange  des  15.  Jahrhunderts.  Nach  Lacroix,  Vie  mi- 
litaire  etc. 

mit  Drischeln.  Der  Harnisch  erhält  eine  für  die  Kampfart  berechnete 
Form.  Der  Helm,  mit  breitem,  aufschlächtigen  Visier,  ist  übermäfsig 
grofs,  kugelförmig  gestaltet  und  wird  an  Brust  und  Rücken  ange- 
schraubt oder  mit  Riemen  daran  festgeschnallt.  Es  ist  auch  hier  die 
Absicht  erkennbar,  zu  verhindern,  dafs  der  Helm  mit  dem  Kopfe  des 
Trägers  in  unmittelbare  Verbindung  kommt,  um  diesen  vor  den  Er- 
schütterungen durch  Kolbenschläge  möglichst  zu  bewahren.  Die  Brust 
ist  einmal  geschoben,  an  sie  schliefst  sich  unterhalb  ein  vielfach  ge- 


*)  Lacroix,  P.,  Vie  militairc  et  religieuse  au  Moyen-dge.  Paris  1873,  p.  167. 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


531 


schobener  Schurz,  sogenannter  „Kampfschurz",  der  nahezu  bis  an  die 
Kniee  reicht  Die  Achseln  sind  geschoben  und  reichen  zum  Schutze 
der  Achselhöhlen  bis  zur  Brustmitte.  Das  Armzeug  ist  das  gewöhn- 
liche der  gleichzeitigen  Harnische;  ebenso  sind  die  Handschuhe  mit 
spitz  geschnittenen  Stulpen  der  Form  der  Hentzen  jener  Zeit  ent- 
sprechend. Das  Fufszeug  zeigt  gleichfalls  keine  besonderen  Formen, 
doch  reichen  die  Diechlinge  weit  über  den  Schenkel  hinauf,  die  Knie- 
beugen sind  meist  mittelst  Folgen  geschlossen  und  die  natürlich  un- 
bespornten  Schuhe,  welche  für  sich  angezogen  werden,  erscheinen 
schon  um  1480,  kolbig,  gleich  den  späteren  Kuhmäulern  oder  Bären- 
füfsen.  So  erblicken  wir  den  Kampfhamisch  des  burgundischen  Ritters, 
Rates  und  Kämmerers  Herzog  Karls  des  Kühnen,  Claude  de 
Vaudrey,  worin  derselbe  auf  dem  Turnier  zu  Worms  1495  von 
Kaiser  Maximilian  I.  besiegt  wurde.  (Fig.  618.)  Die  Darstellung  des 
Kampfes  mit  Fausthämmern  ist  im  Fr ey dal*)  enthalten.  Aus  dieser 
ist  ersichtlich,  dafs  über  den  Harnisch  noch  ein  Röckchen  aus  Stoff 
gezogen  wurde.  Um  den  unteren  Teil  des  Schurzes  kam  häufig  das 
alte  Zeichen  der  Ritterwürde,  der  breite  Waffengürtel,  den  wir  schon 
an  der  ritterlichen  Tracht  des  14.  Jahrhunderts  finden.  Eine  Be- 
trachtung der  Form  des  Harnisches  führt  weiter  zu  der  Überzeugung, 
dafs  dem  Träger  in  den  Armen  eine  nur  beschränkte  Bewegung  ge- 
stattet war,  offenbar  um  die  Gefahr  zu  mäfsigen,  ohne  den  Effekt 
für  das  Auge  viel  zu  beeinträchtigen. 

Zu  den  Handwaffen  des  Fufskampfes  zählte  zunächst  der  Faust - 
schild.  Wir  sehen  einen  solchen  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
in  Fig.  619.  Er  hat  einen  Durchmesser  von  32  cm.,  der  Rand  ist 
aufgeworfen.  Etwas  innerhalb  des  letzteren  läuft  ein  eiserner  Reif 
rings  um  den  Schild,  der  freistehend  nur  an  starken,  stiftähnlichen 
Stielen  auf  dem  Schildblatte  aufsitzt.  Es  ist  dies  ein  sogenannter 
Klingen  länger,  seine  Bestimmung  war,  falls  es  gelang,  die  Spitze  des 
Ahlspiefses  oder  der  Schwertklinge  in  den  Zwischenraum  des  Reifes 
zu  bringen,  diese  durch  eine  Handbewegung  einzuklemmen  und  fest- 
zuhalten. An  derlei  Faustschilden  finden  sich  oft  auch  3  —  6  und 
mehr  konzentrisch  angeordnete  Reifen.  Der  Schildnabel  ist  hoch  aufge- 
trieben und  mit  aufgelegten  Verzierungen  gotischen  Stiles  ausgestattet.  Im 
Inneren  findet  sich  ein  starker  Bügel  (A.)  zur  freien  Führung  mit  der 
linken  Faust,  am  Oberrande  ein  langer  Haken  (B.),  mit  dem  der 
Schild  am  Schwertgehänge  getragen  werden  konnte.  (Fig.  619.) 

Neben  dem  Faustschilde  wurden  auch  in  Kämpfen,  bei  denen 
nicht  Stangenwaffen  geführt  wurden,  schwere  Holzschilde  (Pavesen) 
und  sogenannte  Handtartschen  gebraucht,  welche  gleichfalls  aus  Holz 
mit  Leinwand  überzogen  und  gleich  den  ersteren  bemalt  waren. 

*)  Bildkodex  in  der  Bibliothek  der  kunsthist.  Sammlungen  des  kais.  Hauses 
zu  Wien.  Quirin  v.  Leitner,  Freydal.  Des  Kaisers  Maximilians  L  Turniere 
und  Mummereien.    Wien,  1880— 1882. 

34* 


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532 


III.  Die  Turnierwaffen. 


Im  16.  Jahrhundert  kam  der  deutsche  Fufskampf  allmählich 
aufser  Übung.    Dafür  kam  das  weit  wirkungsvollere  Fufsturnier  in 


Fig.  6i8. 


Fig.  618.  Harnisch  für  den  deutschen  Fufskampf  des 
burgundischen  Kämmerers  Claude  de  Vaudrey,  in  welchen  gerüstet 
derselbe  mit  Kaiser  Maximilian  I.  am  Reichstage  zu  Worms  1495  sich 
mafs.    Um  1590.    Nach  Leitner,  Freidal. 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


533 


Aufnahme  und  zu  grofser  Beliebtheit,  das  mit  den  alten  Buhurts 
einige  Ähnlichkeit  dadurch  hat,  dafs  auch  hier  in  Gruppen  turniert 
wurde;  die  Gruppen  waren  aber  durch  Schranken  getrennt.  Bei  der 
schwärmerischen  Verehrung  jedoch,  welche  die  alten  Gebräuche  in  den 
Adelskreisen  genossen,  fanden  Angehörige  des  hohen  Adels  es  auch  in 
jener  Zeit  ihrer  Würde  angemessen,  wenigstens  einen  Kampfharnisch  zu 
besitzen,  um  sich  bei  einer  etwaigen  Herausforderung  zum  Kampfe  stellen 
zu  können.  Etwa  vom  Jahre  1510  an  begannen  die  Plattner  die  Har- 
nische in  ganzen  Garnituren  so  einzurichten,  dafs  einen  und  denselben 
Harnisch  durch  Veränderung  mittelst  Wechselstücken  ebenso  für  das 
Feld,  wie  für  das  Turnier  verwendet  werden  konnte,  und  um  1560 
kam  man  so  weit,  dafs  ein  und  derselbe  Harnisch  auch  für  den  Fufs- 
kampf  zu  verwenden  war.  Viele  Kampf  hämische,  darunter  jener  des 
Albrecht  Achilles,  Markgrafen  von   Brandenburg,  Karls  V., 


a.  Fig.  619.  b. 


Fig.  619.    Faustschild  von  Eisen  mit  einfachem  Klingenfan ger. 
Italienisch.    15.  Jahrhundert. 

a.  Obere  Ansicht. 

b.  Durchschnitt  nach  der  Mitte. 

Ferdinands  I.  und  des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Tirol  sind 
noch  vorhanden.  Monarchen  bedienten  sich  der  imposanten  Kampf- 
harnische auch  bei  Gelegenheit  von  Festlichkeiten,  wie  denn  auch 
Maximilian  I.  wiederholt  in  solchen  Harnisch  gekleidet  in  H.  Burg- 
mayrs  Holzschnitten  erscheint.  In  diesem  Falle  benutzte  man  sie 
selbst  zu  Pferde,  zu  welchem  Zwecke  der  Kampfschurtz  vorne  und  rück- 
wärts bogenförmig  ausgeschnitten  wurde. 

Die  Form  dieser  spätesten  Kampf  hämische  ist,  abgesehen  von 
ihren  besonderen  Eigentümlichkeiten,  des  Kampfschurzes,  der  gescho- 
benen breiten  Achseln,  des  fehlenden  Rüsthakens,  ganz  den  gewöhn- 
lichen gleichzeitigen  Harnischen  nachgebildet.    Häufig  finden  wir  den 


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534 


III.  Die  Turnierwaffen. 


burgundischen  Helm,  „der  im  kragen  umbget",  nicht  selten  auch  den 
an  die  Brust  geschraubten  Helm  (Fig.  620),  aber  in  einer  dem  Kopfe 
des  Trägers  angepafsten  Gröfse.  Sowohl  die  Armbeugen  als  die 
Kniekehlen  sind  mit  Folgen  geschlossen.  Verstärkungsstücke  kommen 
gewöhnlich  nur  an  den  Achseln  vor.  (Fig.  621.) 

Wie  erwähnt,  war  die  Ausrüstung  für  das  Gestech  ursprünglich 
dieselbe  wie  im  Kriege.  Erst  im  14.  Jahrhundert  bemerkt  man  einige 
Vorkehrungen,  namentlich  an  den  Helmen  und  Schilden  (Tartscben), 
die  auf  den  besonderen  Zweck  des  Turniers  deuten.  Eine  solche 
besondere  Ausstattung  sehen  wir  in  dem  sogenannten  Pranckher  Helm 


Fig.  620. 


Fig.  620.  Geschlossener  Helm  zu  einem  Harnisch  für  den 
deutschen  Fufskampf,  blank  mit  geätzten  und  vergoldeten  Strichen  und 
Emblemen.  Deutsche,  vielleicht  Augsburger  Arbeit  um  1560.  Armeria 
Reale  zu  Turin. 

aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  (Fig.  622),  der  an  der  linken 
Seite  der  Helmwand  durch  Filz  und  eine  darübergenietete  Eisen- 
platte verstärkt  ist. 

Vom  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  an  erfuhr  der  Harnisch  für 
das  Gestech  eine  vollständige  Umänderung.  Die  Sorge  Air  die  Sicher- 
heit des  Stechers  (stickers),  das  Streben  nach  äufserlicher  Wirkung 
und  Erhöhung  des  Effektes  waren  die  nächsten  Anlässe  dazu,  sich 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


535 


zum  Gesteche  nicht  mehr  der  Kriegshamische,  sondern  besonderer 
schwerer  Harnische  zu  bedienen,  die  man  unter  der  allgemeinen  Be- 
zeichnung „Stechzeuge"  begreift.  Diese  Umwandlung  erfolgte  jedoch 


Fig.  621. 


Fig.  621.  Harnisch  für  den  deutschen  Fufskampf  späterer 
Form  mit  burgundischem  Helm,  geschlossenem  Arm-  und  Beinzeug.  Aus 
der  Harnischgarnitur  des  Erzherzogs  Ferdinand  von  Tirol  von  1 547 
(siehe  Fig.  169). 


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5J6 


III.    Die  Turnierwaflen. 


nicht  bei  allen  Nationen  zu  gleicher  Zeit  und  in  gleicher  Weise,  wenn 
auch  die  Formen  im  allgemeinen  Ähnlichkeiten  aufweisen.  In  der 
Hauptsache  werden  zwei  charakteristische  Typen  unterschieden:  das 
deutsche  und  italienische  Stechzeug.  Der  weniger  bedeutenden 
Varianten  werden  wir  später  gedenken. 

Das  sogenannte  deutsche  Stechzeug  (Fig.  623  und  624)  besteht 
aus  folgenden  Teilen:  Der  Stechhelm  hat  annähernd  die  Form  der 
alten  Kübelhelme,  mit  hohen  Wänden  und  ziemlich  flachem  Scheitel- 


Fig.  622. 


Fig.  622.  Topf  heim  eines  Angehörigen  der  steirischen  Familie 
Franckh,  von  Eisen  mit  linksseitiger  Verstärkung  der  Helm  wand  für  das 
Gestech.  Deutsch,  14.  Jahrhundert,  Mitte.  Das  Zimier,  aus  Leder  und 
vergoldet,  ist  etwas  jünger  und  stammt  aus  dem  Anfange  des  15.  Jahr- 
hunderts. 


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III.  Die  Turnierwaffen 


Fig.  623. 


Fig.  623.  Deutsches  Stechzeug  mit  aufgebundener  Stech- 
tartsche  des  Kaisers  Maximilian  I.  Blank,  gekehlt  mit  gotisch 
durchbrochenen  Rändern.  Der  gotisch  durchbrochen  gearbeitete  Luft- 
geber an  der  rechten  Helmwand  ist  von  italienischer  Form.  Deutsch. 
Um  1490.  Vorderseite. 


538 


III.  Die  Turnierwaffen. 


stücke,  an  der  vorderen  Seite  strebt  die  Hclmwand  vor  und  bildet 
den  Rand  des  Sehspaltes.  Sowohl  am  Scheitelstücke,  als  auch  am 
Oberrande  der  Wände  finden  sich,  paarweise  angeordnet,  mit  Messing 


Fig.  624. 

Fig.  624.  Dasselbe  Stechzeug  von  der  Rückseite.  Bemerkens- 
wert sind  die  sorgfältig  gearbeitete  Hclmzagelschraube ,  der  Rasthaken 
als  Gcgenhalt  für  das  Stangenende,  endlich  der  faltig  gebildete  Gesäfs- 
schürz,  das  Schwänze!. 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


589 


gefütterte  Löcher;  jene  dienen  zur  Befestigung  der  Helmzier,  diese 
zum  Anziehen  der  Lederriemchen  der  Harnischkappe.  Die  kurze, 
einmal  geschobene  Brust  ist  nur  vorne  und  an  der  linken  Seite 
bauchig  gestaltet,  an  der  rechten  Seite  bildet  sie  der  Stangenführung 
halber  eine  flache  Wand.  Der  Rücken  hat  meist  die  gewöhnliche  Form. 
Der  Helm  wird  an  die  Brust  entweder  mit  drei  Schrauben  oder  mit 
Kloben  befestigt;  am  Rücken  erfolgt  die  Verbindung  durch  eine 
vertikal  stehende  Schraube,  die  Helmzagelschraube.  An  der 
rechtsseitigen  Brustwand  ist  eine  schwere  Eisenschiene  angeschraubt, 
deren  vorderes  Ende  an  den  Rüsthaken  stöfct;  ihr  rückwärtiges 
Ende  ist  nach  abwärts  gekrümmt  und  bildet  dort  den  Rasthaken 
als  Widerlager  für  die  Stechstange.  An  der  rechten  Brustseite  finden 
sich  zwei  Löcher,  zuweilen  auch  ein  starker  Ring,  durch  den  die 
Hanfstricke  gezogen  werden,  mit  denen  die  Stechtartsche  an  die 
Brust  gebunden  wird.  Ein  birnförmiges  Holzstück,  durch  das  die 
Stricke  gezogen  wurden,  bildet  für  die  Tartsche  die  Unterlage.  An 
die  Brust  schliefst  sich  ein  Geschiebe,  Magenblech  genannt,  mit 
diesem  stehen  die  Bauchreifen  in  Verbindung,  deren  Fortsetzung  die 
geschobenen  oder  auch  steifen  Beintaschen  bilden.  An  den  Rücken, 
dessen  Armlöcher  weit  ausgeschnitten  sind,  schliefst  sich  ein  Fortsatz 
aus  Eisenblech,  das  „Schwänzel"  genannt,  auf  dem  beim  Gesteche 
der  Rückteil  des  Stechzeuges  am  Sattel  aufruht.  Die  Achseln  haften 
an  den  eisernen  Bändern  der  Brust  in  Federbolzen,  sie  besitzen  zu- 
meist vorne  nur  sehr  kleine  oder  gar  keine,  rückwärts  aber  sehr  grofse 
Flüge.  Die  Achselhöhlen  werden  durch  manchmal  übermäfsig  grofse 
Schwebescheiben  gedeckt,  welche  an  Lederriemen  hängen.  An 
dem  rechten  Unterarmzeug  findet  sich  zum  Schutze  der  Armbeuge 
zuweilen  eine  breite  Stauche,  ebenso  auch  am  steifen  Unterarm - 
zeug  der  Zügelhand,  die  in  einer  Hentze  endet.  Auf  der  rechten 
Achsel  erblickt  man  öfter  einen  stielartigen  Ansatz;  er  dient  als  Halt- 
punkt, wenn  die  Stange  beim  Eintritt  zum  Gestech  auf  der  Schulter 
getragen  wird. 

Noch  sei  bemerkt,  dafs  zu  dem  Stechzeuge  in  der  Regel  steife, 
faltige  Schöfschen  aus  Stoff  getragen  wurden,  welche  oft  mit  künst- 
lichen Stickereien  geziert  waren. 

Das  Stechzeug  ist  um  so  älter,  je  steiler  seine  Helm  wände  laufen, 
und  um  so  jünger,  je  mehr  sie  sich  enger  an  den  Hals  ziehen. 

Zur  Stechzeugausrüstung  gehören  die  Stechtartsche,  und  die 
Stechstange. 

Die  Stechtartsche,  oberhalb  rechteckig,  unterhalb  abgerundet 
und  etwas  nach  vorwärts  geschweift,  breit  ca.  40  cm.,  hoch  ca.  35  cm., 
ist  aus  hartem  Holz  mit  einem  Belage  von  viereckigen,  mosaikartig 
aneinander  gereihten  und  mit  Bolzen  angehefteten  Plättchen  von 
Hirschhorn,  seltener  von  Bein  gefertigt.  Diese  Plättchen  sollten  das 
Brechen  der  Tartsche  beim  Stofse  verhindern.     Über  das  Ganze 


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540 


III.  Die  Turnierwaffen. 


kommt  ein  Überzug  von  geschwärztem  Kalbleder.  In  der  Mitte  be- 
finden sich  zwei  Löcher,  durch  die  die  Hanfstricke  gezogen  werden, 
mit  denen  die  Tartsche  an  die  Brust  gebunden  ist  Beim  Gestech 
ist  die  Tartsche  mit  einem  Stoff  überdeckt,  der  in  der  Regel  mit 
denselben  Farben  und  dem  gleichen  Muster  wie  die  Decke  des  Pferdes 
geziert  ist  (Fig.  625.) 

Die  Stechstange,  von  weichem  Holze  in  einer  durchschnitt- 
lichen Länge  von  370  cm.  und  einer  Stärke  von  ca.  9  cm.,  trägt  an 
der  Spitze  den  Krön  ig  oder  das  Krönlein.  Dieser  besteht  aus 
einer  kurzen  Hülse,  aus  der  3 — 4  Spitzen  hervorragen.  (Fig.  626.) 
Nach  unten  ist  die  Stange  schwächer  zugeschnitten  und  mit  einem 


1  1 

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Fig.  625. 


Fig.  626. 


Fig.  625.  Leichte  Stechtartsche.  Der  LcderUberzug  ist  ent- 
fernt gedacht.  15.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  626.  Schwerer  Krön  ig  für  das  deutsche  Gestech.  15.  Jahr- 
hundert, Ende. 


eisernen  Ringe  (b)  versehen,  an  den  die  von  rückwärts  eingeschobene 
Brechscheibe  (c)  mit  Schrauben  befestigt  wurde.  (Fig.  627.) 

Aufser  den  genannten  Stücken  sind  noch  zur  Ausrüstung  zu 
zählen:  die  Harnischkappe,  aus  doppeltem  mit  Werg  gefütterten 
und  abgesteppten  Zwilch,  der  an  den  Rändern  noch  durch  Riemen 
verstärkt  wird.  Die  Lederriemchen  wurden  durch  die  Löcher  des 
Helmes  gezogen  imd  an  diesem  aufsen  angebunden.  (Fig.  628.) 
Aufserdem  bringen  wir   noch   die  Form  eines  alten  Schrauben« 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


541 


i 


Fig.  627. 


Fig.  628. 

Fig.  628.  Harnischkappe  als  Unter- 
lage für  den  Stcchhelm.    15.  Jahrhundert. 


Fig.  629. 


Fig.  627.  Stechstange  mit  Krönig  und  Brechscheibe.  15.  Jahr- 
hundert. 

Fig.  629.  Schraubenschlüssel  für  Stech-  und  Rennzeuge. 
15.  Jahrhundert. 


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542 


III.  Die  Turnierwaffen. 


schlüsseis  (Fig.  629),  eines  zum  Anlegen  des  Zeuges  notwendigen 
Werkzeuges.  Endlich,  um  alles  zu  erschöpfen,  erwähnen  wir  noch 
der  Sporen.  Diese  haben  für  das  Gestech,  wie  für  das  Rennen  im 
„Zeug-'  einerlei  Form;  sie  sind  aus  Eisen  gefertigt  und  zuweilen  an 
den  Aufsenseiten  mit  Messing  überzogen  (vennessingt).  Die  bis  20  an. 
langen  Hälse,  mit  den  nicht  sehr  breiten  Stegen  in  gleicher  Rich- 
tung laufend,  sind  für  diese  Waffe  charakteristisch.  Diese  Form  ge- 
stattete die  Anwendung  (Hilfe)  ohne  viele  Bewegung  des  Unter- 
schenkels, durch  die  das  Gleichgewicht  des  Reiters  im  Sattel  hätte 
gestört  werden  können. 

Das  italienische  Stechzeug,  das  für  das  sogenannte  „welsche 
Gestech"  berechnete,  dessen  Gestaltung  wir  noch  zu  schildern 
haben,  weist  einige  bemerkenswerte  Veränderungen  auf.  Zu- 
nächst ist  der  Stechhelm  vorne  und  rückwärts  an  Naben  befestigt. 
Der  Oberrand  der  Helm  wände  ist  zuweilen  durch  eine  umlaufende 
Eisenspange  verstärkt.  An  der  rechten  Helmwand  findet  sich  eine 
breite,  vierseitige,  mit  einem  Thürchen  zu  schliefsende  Öffnung.  Es 
ist  das  Helmfenster,  das  dazu  dient,  dem  Stecher  frische  Luft  zuzu- 
führen. 

Die  Brust  zeigt  keine  Abflachung  an  der  rechten  Seite,  sondern 
ist  eine  volle  Kugelbrust.  In  der  Regel  ist  sie  mit  feinem  Damast 
überzogen,  der  mit  heraldischen  Emblemen  in  Stickerei  geziert  ist 
An  der  rechten  Seite  findet  sich  ein  schwerer  Ring  zum  Anschnüren 
der  in  diesem  Falle  viereckigen  Tartsche.  An  der  rechten  Seite  der 
Brust  am  Unterrande  findet  sich  ein  täschchenartiger  Ansatz  von 
Leder,  der  mit  Stoff  überzogen  ist.  Er  dient  zum  Aufsetzen  der 
Stechstange  beim  Einritt,  welch  letztere  weit  leichter  ist,  als  jene  beim 
deutschen  Gestech.  Die  Brust  hat  an  der  rechten  Seite  einen  schweren 
Rüsthaken,  der  an  Kloben  befestigt  ist,  aber  keinen  Rasthaken.  Der 
Rücken,  gleichfalls  mit  Stoff  überzogen,  ist  wie  bei  dem  deutschen 
Stechzeug  in  den  Armlöchern  stark  ausgeschnitten.  Die  geschobenen 
Achseln  haben  keine  Vorder-  und  Hinterflüge,  sondern  erscheinen 
als  Spangröls.  Das  rechte  Arrazeug  ist  ähnlich  dem  deutschen, 
das  linke  ist  nicht  steif,  sondern  beweglich.  Als  Beispiel  geben  wir 
das  welsche  Stechzeug  aus  der  Armeria  Real  zu  Madrid,  das 
irrig  Karl  V.  zugeschrieben  wird.  (Fig.  630.) 

Das  französische  Stechzeug  jener  Periode  ist  dem  italienischen 
ähnlich,  nur  ist  der  Helm  sehr  niedrig.  Seine  Befestigung  wird  vorne 
mittels  Kloben,  rückwärts  durch  Riemen  bewirkt,  die  über  einige  im 
Nacken  angebrachte  Stifte  geschlungen  werden. 

Das  englische  Stechzeug  hat  in  Bezug  auf  Helm- und  Brust- 
formen grofse  Ähnlichkeit  mit  den  älteren  Feld-  und  Turnierharnischen 
des  14.  Jahrhunderts,  wie  denn  überhaupt  in  England  die  Umbildung 
der  Waffenformen  sich  weit  langsamer  vollzieht  als  anderswo. 


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III.    Die  Turnierwaffen. 


543 


Um  den  Beginn  des  15.  Jahrhunderts  kam  in  Deutschland  eine 
neue  Turniergattung  in  Aufnahme,  die  bald  mehr  beliebt  wurde,  als 
das  Gestech:  das  Rennen.*) 

Schon  aus  dem  oberflächlichen  Vergleiche  des  Stech-  mit  dem 
Rennzeuge  ist  zu  ersehen,  dafs,  wie  jenes  sich  aus  den  alten  Har- 
nischen mit  den  Kübelhelmen  entwickelt,  dieses  seine  Formen  von 
den  gleichzeitigen  Schallernharnischen  des  15.  Jahrhunderts  entlehnt, 
ja  geradezu  als  eine  Verstärkung  des  Schallernharnisches  erscheint. 

Die  Kopfbedeckung  des  Rennzeuges  (Fig.  631  und  632)  bildet 
der  Rennhut,  dessen  Formen  ganz  der  Schallern  entsprechen,  mit 
Schspalt,  jedoch  ohne  Visier.  Die  Stirnseite  wird  durch  zwei  Platten 
(Stirnplatten)  verstärkt,  welche  mit  Federlappen  an  das  Stirnstück  be- 
festigt werden.  Auch  hier  finden  sich  mit  Messing  gefütterte  Löcher 
zur  Befestigung  des  einfacheren  Hclmschmuckes,  der  beim  Rennhut 
leichter  und  weniger  auffällig  erscheint  und  meist  nur  aus  Federn 
bestand.  Die  Brust  ist  im  allgemeinen  wie  die  Stechbrust  mit  Rüst- 
und  Rasthaken  versehen.  An  die  Brust  wird  ein  sogenannter  „Bart" 
aus  Eisenblech  geschraubt,  der  die  untere  Hälfte  des  Gesichtes  deckt. 

An  das  Magenblech  schliefsen  sich  die  Bauch  reifen  und  an  diese 
die  Rennschöfse,  die  meist  geschoben  sind.  Der  Rücken  ist  ge- 
wöhnlich in  den  Armlöchern,  am  Nacken  und  unterhalb  derart  tief 
ausgeschnitten,  dafs  er  nur  wie  ein  kreuzweise  gelegtes  Band  erscheint. 
Am  Unterrande  des  Rückens  ist,  wie  beim  Stechzeug,  das  Schwänzel 
angenietet.  Rüsthaken  und  Rasthakenschiene  ist  ganz  wie  beim  deut- 
schen Stechzeuge. 

Dies  ist  die  für  alle  Renngattungen  gemeinsame  Form  des  Renn- 
zeuges. Die  kleinen  Formvarianten  werden  wir  der  Verständlichkeit 
halber  bei  Gelegenheit  der  Erklärung  der  verschiedenen  Gattungen 
des  Rennens  näher  ins  Auge  fassen. 

Zu  den  Ausrüstungsstücken  des  Rennzeuges  gehören: 

Die  Renntartsche.  (Fig.  633.)  Sie  ist  von  Holz,  an  den  Rän- 


*)  Wenn  wir  den  Schilderungen  des  Hofmeisters  de»  Markgrafen  Albrccht 
Achilles  von  Brandmburg ,  Ludwig  von  Eyb ,  Glauben  schenken ,  so  hatte  dieser 
einen  bedeutenden  Anteil  an  der  Einführung  des  Rennens  im  Turnierwesen.  Er 
sagt  in  Bezug  darauf:  „er,  Albrecht,  hat  herfurbracht  vnd  geöffnet  das  rennen  mit 
dem  spieff,  denn  das  vor  im  selten  (sie!)  gebraucht  was,  der  hat  mit  einem  seiner 
diener  Heinrich  Dondorfer  herfurbracht  das  rennen  hinter  dem  punt  mit  groffer 
versorgknus,  das  vor  nit  gwest  was,  auch  das  rennen  hinter  der  angeschweiften 
dartschen.  Auch  zum  stechen  die  zeug  darzu  gericht,  die  stechzeug  mit  der  Stegen 
uff  der  platten  über  die  achsell,  darauff  der  heim  sein  ruh  hat.  Auch  die  anzug 
uff  der  platten  mit  den  schrauben,  das  man  vor  mit  den  rymen  anzug,  die  lieffen 
nach,  dadurch  die  stucker  hart  gestoffen  wurden."  (Jul.  v.  Minutoli.  Das  kais. 
Buch  des  Markgrafen  Albrecht  Achilles.  Berlin  1850,  pag.  51 1.)  In  diesem 
Werke  finden  sich  noch  wichtige  Bemerkungen  über  das  Turnierwesen.  Nach- 
weislich hat  sich  für  die  Ausbildung  des  späteren  Turnierwesens  im  1 5.  Jahrh.  neben 
Albrecht  Achilles  auch  Maximilian  I.  wesentliche  Verdienste  erworben. 


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544  UL  Die  Turnierwaffen. 

dem  unterhalb  mit  Eisenblech  verstärkt  und  mit  geschwärztem  Kalb- 
leder überzogen.  Um  bequem  an  die  Rennbrust  befestigt  werden  zu 
können,  schmiegt  sie  sich  in  ihrer  Form  ganz  der  Form  der  Brust 
und  linken  Schulter  an  und  ist  nur  am  Unterrande  etwas  nach  vor- 
wärts gebogen.  Ihre  Gröfee  ist,  je  nach  der  Art  ihrer  Verwendung, 
verschieden.  Im  Schweif-  oder  Bundrennen  reicht  sie  nur  bis 
an  den  Hals,  während  sie  beim  Anzogenrennen  sich#  bis  zum 


Fig.  630. 


Fig.  630.  Italienisches  Stechzeug,  sogenanntes  Welsches 
Zeug,  aus  der  Harnischkammer  Karls  V.  Das  Bruststück  ist  mit  genue- 
sischem Brokat  überzogen,  das  Zeug,  sonst  blank,  teilweise  vergoldet. 
Arbeit  des  15.  Jahrhunderts,  das  Armzeug  gehört  dem  16.  Jahrhundert 
an.  Das  Zeug  gehörte  wahrscheinlich  Ferdinand  dem  Katholischen 
Armeria  Real  zu  Madrid. 

Sehspalt  des  Rennhutes  erstreckt.  Bei  allen  Rennen,  wo  die  Stech- 
tartsche  beim  Stofse  nicht  mit  einem  „Geschäft"  verschen  ist,  erscheint 


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m.    Die  Turnierwaffen. 


545 


sie  in  der  Regel  mit  Stoff  von  der  Farbe  und  mit  den  Emblemen 
der  Rofsdecke  überzogen. 

Die  Rennstange,  gemeiniglich  leichter  als  die  Stechstange,  ist 
von  weichem  Holze,  sie  besitzt  bei  einer  Länge  von  etwa  380  cm. 


Fig.  631. 

Fig.  631.    Rennzeug  zum  Anzogenrennen  mit  aufgeschraubter 
Renntartschc.    15.  Jahrhundert,  Ende.    Vordere  Ansicht. 

eine  Stärke  von  7  cm.,  was  einem  Gewichte  von  ca.  14  kg.  entspricht. 
An  dem  oberen  Ende  ist  das  Scharfe isen  angebracht,  das  aus  einer 

Boeheim,  Waffenkunde.  35 


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546  III.  Die  Turnierwaffcn. 

Hülse  besteht,  auf  der  eine  kurze  Spitze  sitzt.  Die  gebrauclüichsten 
Formen  geben  wir  in  Fig.  634  a — d  wieder.  Die  übrigen  Bestand- 
teile sind  denen  der  Stechstange  gleich;  nur  wird  statt  der  Brech- 
scheibe der  sogenannte  Brechschild  (Garbeisen,  Fig.  635  a  und  b) 


Fig.  632. 

Fig.  632.  Das  in  Fig.  631  abgebildete  Reunzeug.  Rückcn- 
ansicht. 


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III.   Die  Turnierwaffen. 


547 


an  die  Stange  geschraubt.  Dieser  Brechschild  hat  eine  gröfsere  Aus- 
dehnung und  eine  Form,  der  gemäfs  er  bei  eingelegter  Stange  den 
ganzen  Arm  des  Renners  bis  an  dessen  rechte  Schulter  deckt.  Der 
Brechschild  und  mit  diesem  die  Stange  wird  mittels  eines  Hakens 
regiert,  der  innerhalb  desselben  angenietet  ist  und  den  der  Renner 
bei  eingelegter  Stange  mit  der  Rechten  ergreift.  (Fig.  636.) 

Die  Harnisch  kappe,  ähnlich  jener  am  Stechzeuge,  wurde  auf 
den  Kopf  geschnallt  und  darüber  der  Rennhut  aufgesetzt,  der  mit 
kleinen  Riemchen  an  jene  aufscrhalb  festgebunden  wurde. 

Bei  den  meisten  Renngattungen  trug  der  Renner  an  der  rechten, 
oft  auch  an  beiden  Händen  sogenannte  Stutzen  aus  Eisenblech  zum 
Schutze  des  Handgelenkes.  (Fig.  637.) 


Fig.  633. 


Fiß-  633-  Renntartsche  filr  das  Schweif-  oder  Scharfrennen 
von  Holz,  mit  Leder  Überzogen  und  mit  Eisenplatten  verstärkt.  15.  Jahr- 
hundert, Ende. 

Zu  den  älteren  Turniergattungen ,  die  im  15.  und  am  Beginne 
des  16.  Jahrhunderts  üblich  waren,  gehört  das  „Tiirnier"  im  engeren 
Sinne,  das  auch  als  „Feldturnier"  bezeichnet  wird.  Diese  Übung 
leitet  sich,  nach  manchen  Ähnlichkeiten  zu  schliefsen,  von  dem  alten 
Buhurt  ab.  Im  allgemeinen  stimmt  sie  mit  diesem  darin  überein, 
dafs  die  Parteien  in  Gruppen  und  zu  Pferde  auf  die  Bahn  treten 
und  weicht  nur  in  Bezug  auf  die  im  Laufe  der  Zeit  stark  veränderte 
Harnischtracht  von  ihm  ab.  Zum  Feldturnier  wurde  der  gewöhnliche 

35* 


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548 


III.  Die  Tarnierwaffen. 


Feldharnisch  verwendet,  der  nur  eine  geringe  Veränderung  darin 
zeigt,  dafs  an  die  Brust  ein  steifer  Bart  geschraubt  wird,  der  nach 
oben  bis  an  den  Sehspalt  reicht.  Aufserdem  wurden  je  nach  dem 
Belieben  des  Turnierenden  Verstärkungsstücke,  eine  linke  Doppelachsel, 
ein  Doppelkinn  oder  ein  Garde-bras  aufgeschraubt.  Der  Turnier  hämisch 
ist  daran  zu  erkennen,  dafs  der  Oberrand  der  Brust  des  aufzuschrauben- 
den Bartes  halber  keine  Wulst  hat  und  in  dessen  Nähe  2 — 3  Schrauben- 
löcher sich  finden.  Die  Bewaffnung  bildete  der  Turnierspiefs;  er  war 
ganz  ähnlich  dem  Reisspiefs,  nur  etwas  kürzer  und  stärker,  und  seine 
Spitze  war  dem  Scharfeisen  ähnlich,  nur  dünner  und  schlanker  ge- 
bildet.   (Fig.  638  a— d.) 

Für  manche  Turniergattungen  wurde  der  gewöhnliche,  für  das 
Feld  gebräuchliche  Rofsharnisch,  „das  stählin  geliger",  benutzt.  Für 


a.  b.  c.  d. 

Fiß-  634. 


Fig.  634.    a  — d.  Scharfeisenformen. 

einzelne  Arten,  namentlich  für  das  Stechen  und  Rennen  im  „Zeug", 
kam  eine  besondere  Pferderüstung  in  Anwendung. 

Er  war  für  beide  Gattungen  im  wesentlichen  gleich,  nur  in  den 
Sattelformen  verschieden.  Das  Kopfgestell,  „haubtgstiel",  war  das 
denkbar  einfachste  *  und  bestand  nur  aus  rohen  Hanfbändem.  In 
der  Regel  war  das  Rofs  mit  der  Stange  gezäumt,  deren  Gebifs  jedoch 
gebrochen  war  (Fig.  639);  die  Zügelriemen  erhielten  Behänge,  in  Stoff 
und  Farbe  übereinstimmend  mit  der  Decke. "  Über  das  Pferd  wurde 
die  lederne  Pars  che  gelegt,  die  Hals  und  Widerrist  deckte;  darüber 
kam  die  Rofsdecke  aus  Leinwand,  die  auch  den  Hals  und  den  Kopf 


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III.  Die  Turnierwafien. 


540 


des  Rosses  bis  zu  den  Nüstern  einhüllte.  Auf  den  Vorderteil  des 
Kopfes  wurde  sodann  die  Blendstirne  (Fig.  640),  aus  starkem  Eisen- 
blech, geschnallt,  die,  ohne  Augenlöcher,  die  Augen  des  Rosses  voll- 
ständig deckte,  „blendt  und  thört",  wie  #der  Fachausdruck  lautete. 
Das  Blenden  des  Rosses  war  eine  Vorsicht,  um  beim  Anrennen  das 
Stutzigwerden  oder  Ausbrechen  des  Tieres  zu  verhindern,  da  andern- 
falls ein  sicheres  Treffen  des  Zielpunktes  unmöglich  geworden  wäre. 
Das  älteste  Beispiel  einer  geblendeten  Rofsstirne  findet  G.  Demay  in 
einem  Siegel  Johannes'  L  von  Lothringen  von  1367.*) 

Im  folgenden  beschreiben  wir  die  vollständigen  Ausrüstungen  zu 
den  verschiedenen  Gattungen  des  Gesteches,  des  Rennens  und 
des  Turniers,  wobei  wir  des  besseren  Verständnisses  halber  den 
jeweilig  beabsichtigten  Effekt  ins  Auge  fassen  wollen. 


a-  Fig.  635.  b. 

Fig.  °35-    Brechschild  zu  einem  Rennzeuge,  blank  und  gekehlt. 

a.  Vorderseite. 

b.  Rück-  oder  innere  Seite  mit  dem  Griffhaken. 

Das  deutsche  Gestech  teilt  sich  im  allgemeinen  in  drei  ver- 
schiedene Hauptgattungen;  in  das  Gestech  im  hohen  Zeug,  in 
das  gemeindeutsche  Gestech  und  in  das  Gestech  im  Bein- 
harnisch. 

Im  Gestech  im  hohen  Zeug  bedient  sich  der  Stecher  des 
beschriebenen  Stechzeuges.  Die  Beine  sind  ungeharnischt,  die  Füfse 
stecken  in  schweren,  vorne  und  an  den  Knöcheln  stark  gepolsterten, 


•)  G.  Demay,  Le  costume  au  moyen-age  d'apres  les  secaux.  Paris,  1880. 


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550 


III.  Die  Turnierwaffen. 


niedrigen  Lederschuhen,  die  auch  im  Rennen  und  überall  dort  benutzt 
werden,  wo  ein  Beinharnisch  nicht  in  Verwendung  kommt.  Das 
wesentlichste  Merkmal  bildet  in  dieser  Gestechsart  der  bereits  beim 
Kolbcnturnier  erwähnte  Sattel,  das  hohe  Zeug,  dessen  Sitz  um  ein 
Bedeutendes  höher  liegt,  als  bei  allen  übrigen  Sattelformen.    Der  von 


Fig.  636. 


Fig.  636.    Rennstange   mit   daran  befestigtem  Brechschilde. 
Seitenansicht. 

Holz  gefertigte  und  öfter  mit  Eisen  beschlagene  Vorderbogen  reicht 
weit  über  die  Brust  hinauf  und  deckt  beiderseits  die  Beine  vollständig. 
Ein  starkes  Eisenband,  am  Vordersteg  befestigt,  umschliefst  den  Körper 
des  Reiters  derart,  dafs  dem  Herabfallen  vom  Rosse  vollständig  vor- 


Fig.  637. 


Fig.  637.    Handstutze  für  den  rechten  Unterarm  eines  Renners. 
Etwas  geöffnet  dargestellt. 

gebeugt  ist.  (Fig.  641.)  Bei  einigen  dieser  Sättel  besitzt  der  oben 
in  die  Spitze  laufende  vordere  Sattelbogen  an  den  Seiten  grofse  Hand- 
haben zum  Anhalten,  falls  der  Stecher  durch  den  Stöfs  aus  dem 
Gleichgewichte  kam.  Derlei  Exemplare  finden  sich  im  Germanischen 
Museum  zu  Nürnberg,  im  fürstl.  Hohenzollem'schen  Museum  zu  Sig- 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


551 


maringen,  im  Zeughause  zu  Schaffhausen  und  im  Tower  zu  London. 
Das  Rofs  trügt  die  Lederparsche,  darüber  die  bemalte  Decke,  die  über 
die  Beine  des  Reiters  und  über  den  Vordersteg  des  Sattels  gelegt 
wird.    Der  Fürbug  der  Parsche  ist  an  den  Vordersteg  angeschnallt. 

a.  b.  c.  d. 

Fig.  638. 

Fig.  638.  a  — d.  Turnierspiefseisen. 

Das  Rofs  ist  geblendet.  Im  hohen  Zeuggestech  konnte  es  sich  nur 
darum  handeln,  die  Stangen  an  den  Stech tartschen  zu  brechen,  da 
ein  Fällen  des  Gegners  durch  die  Sattelform  ausgeschlossen  war. 


Fig.  639. 

Fig.  639.    Reitstange  mit  messingenen,  gebuckelten  Scheiben,  zu 
einer  Turnierausrüstung  gehörig.    15.  Jahrhundert. 

Das  gemeindeutsche  Gestech.  Der  Reiter  trägt  das  Stech- 
zeug, die  Beine  sind  unbewehrt,  das  Rofs  trägt  den  sogenannten 
Stechsattel  ohne  Rücklehne  (Fig.  642),  ferner  von  der  Parsche  nur 


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552 


III.  Die  Turnierwaflen. 


den  hinteren  Teil  (Gelieger).  Vorne  an  der  Brust  des  Pferdes  wurde 
in  dem  Stechen  nach  den  Vorschriften  Maximilians  I.  zum  besseren 
Schutze  eine  Art  Kissen  befestigt,  ein  eigentümlich  gestaltetes, 
von  grober  Leinwand  gefertigtes  und  mit  Stroh  gefülltes  Polster,  dessen 
beide  Flügel  an  den  Vordersteg  des  Sattels  geschnallt  wurden.  (Fig.  643.) 
Über  das  ganze  Pferd  wurde  sodann  die  bemalte  Decke  gelegt 
(Fig.  644.) 

Bei  dieser  Gestechsart  war  es  die  Aufgabe,  den  Gegner  durch 
einen  gelungenen  Stöfs  auf  die  Stechtartsche  abzustofsen. 


Fig.  640.  Geblendete  Rofsstirne  mit  dem  habsburgischen 
Wappen  aus  dem  Besitze  des  Königs  Ferdinand  I.  Arbeit  des  Augs- 
burger Plattners  Lorenz  Helmschmidt.    Um  1510. 

Das  Gestech  im  Bein  ha  misch  unterscheidet  sich,  wie  "schon 
die  Bezeichnung  ergibt,  von  den  übrigen  dadurch,  dafs  die  Stecher 
auch  an  den  Beinen  vollständig  geharnischt  auf  die  Bahn  traten. 

In  der  Ausrüstung  des  Pferdes  kommen  Varianten  vor,  insofern 
es  zuweilen  mit  dem  Kürifssattel  mit  Rücklehne,  meist  aber  mit  dem 
Stechsattel  ausgerüstet  erscheint    In  dem  einen  Falle  konnte  es  sich 


Fig.  640. 


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r 


III.  Die  Turnierwaffen.  553 

nur  um  ein  Stangenbrechen,  in  dem  anderen  mufste  es  sich  auch 
um  ein  Abstofsen  handeln. 

Das  alte  welsche  Gestech.  Der  Reiter  ist  mit  dem  welschen, 
häufig  aber  auch  mit  einem  deutschen  Stechzeug  ausgerüstet,  die 


Fig.  641. 


Fig.  641.  Kaiser  Maximilian  L  im  deutschen  Gestech 
im  hohen  Zeug  mit  Graf  Johann  von  Werdenberg.  Miniatur  aus 
dem  Freidal.    Nach  Lcitner,  Freidal,  Tafel  9S. 

Beine  sind  gehamischt,  werden  aber  nicht  selten  auch  unbewehrt  an- 
getroffen. Das  Rofs  trägt  den  Kürifssattel  mit  Rücklehne,  ferner  die 
Parsche  und  die  bemalte  Decke.    Der  Kopf  des  Pferdes  ist  nicht 


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554 


III.  Die  Tumierwaffen. 


immer  geblendet,  sondern  öfter  auch  mit  einem  Rofskopf  mit  ver- 
gitterten Augenlöchern  ausgerüstet.  (Fig.  239.) 

Das  welsche  Gestech  unterscheidet  sich  von  allen  übrigen  da- 
durch, dafs  die  beiden  Gegner  durch  eine  Schranke  aus  Holz,  Dill 
(Diele),  pallia,  getrennt  sind.  Die  beiden  Gegner  reiten  einander  ent- 
gegen, so  dafs  ihre  linken  Seiten  der  Schranke  zugekehrt  sind.  (Fig. 
645.)  Die  Absicht  war  in  dem  welschen  Gestech  nur  darauf  gerichtet, 
die  in  diesem  Falle  bedeutend  schwächere  eigene  Stange  auf  der 
Tartsche  des  Gegners  zu  zerbrechen. 


Fig.  642. 


Fig.  642.    Stechsatte  1.    Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 

„Ich  hab  das  pest  gethan,  wann  ich  hab  viii  stechholz  zer- 
stossen,"  schreibt  am  4.  Februar  1478  Maximilian  L  an  Sigmund  von 
Prüschenk. 

Noch  einer  Spezialität  der  Gesteche  müssen  wir  Erwähnung  thun, 
die  in  Österreich  und  dem  östlichen  Deutschland  um  1550  sehr  be- 
liebt war,  und  in  welchem  das  Waffenspiel  nahe  an  die  Mummereien 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


555 


des  Mittelalters  streift,  des  ungarischen  Turniers.  Merken  wir 
schon  im  Frauendienst,  dafs  die  Sucht,  sich  zu  maskieren  nach  ita- 
lienischer Sitte,  im  13.  Jahrhundert  bis  zur  Geschmacklosigkeit  über- 
handgenommen hatte,  so  sehen  wir,  wie  der  Hang  zum  Theatra- 
lischen im  Waffenspiele  auch  in  den  folgenden  Zeiten  lebendig  ist. 
Auf  die  Bewaffnung  haben  diese  aufgeputzten  Turniere  wenig  Einflufs 
gehabt.  Nur  auf  den  ungarischen  Turnieren,  die  um  1550  Erzherzog 
Ferdinand  von  Tirol  in  Böhmen,  und  Kurfürst  August  I.  in  Dresden 
veranstaltete,  werden  statt  der  Stechtartschen  ungarische  Tartschen  be- 
nutzt, daneben  ungarische  Säbel,  die  nur  als  Zierde  dienten,  aber 


Fig.  643. 

Fig.  643.  Stechkissen  aus  dem  Besitze  des  Kaisers  Maximilians  I. 
15.  Jahrhundert,  Ende.  Im  kais.  Schlosse  Ambras  bei  Innsbruck  auf- 
gefunden. 

auch  eine  Art  Sporen,  die  „ungarischen"  genannt,  von  übertriebener 
Gröfse  und  Schwere.  (Fig.  646.) 

Hatte  das  Gestech  noch  so  viel  ehrwürdiges  an  sich,  dafs  sich 
kein  Turniergenofs  wesentliche  Abänderungen  an  seinen  althergebrachten 
Regeln  erlaubte,  so  war  das  bei  der  jüngeren  Turnierart  des  Rennens 
ganz  anders,  ja  hier  suchte  man  zur  Erhöhung  des  Vergnügens,  je 
nach  Laune   und  Gefallen,  Ausrüstung  und  Gebrauch  zu  verändern. 


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556 


III.  Die  Turnierwaffen. 


Es  finden  sich  daher  an  den  verschiedenen  Höfen  eine  solche  Menge 
von  Varianten,  dafs  ihre  vollständige  Aufzählung  einen  bedeutenden 
Raum  in  Anspruch  nehmen  würde,  ohne  doch  die  Verständlichkeit 
im  geringsten  zu  fördern.  Wir  beschränken  uns  demnach  nur  auf 
die  Erklärung  der  Ausrüstung  und  Technik  jener  Rennen,  welche 
sich  in  dem  besten  Turnierbuche  jener  Zeit  finden,  im  Freidal. 

Nach  diesem  für  das  deutsche  Turnierwesen  um  1480  mafs- 
gebenden  Kodex  teilt  sich  das  Rennen  in  folgende  einzelne  Arten: 

1.  Das  Geschiftrennen,  und  dieses  wieder  in  das  Geschift- 
tartschen-  und  das  Geschiftscheibenrennen, 

2.  das  Scharf-  oder  Schweifrennen, 

3.  das  Bundrennen, 

4.  das  Anzogcnrennen, 

5.  das  Krönl  (-rennen),  endlich 

6.  das  Feldrennen.*) 

Das  Geschift rennen.  Der  Renner  ist  mit  dem  Rennzeug  aus- 
gerüstet. Unter  dem  Rennzeug  wird  meistenteils  ein  stark  wattiertes 
Wams  getragen,  dessen  gepolsterte  Ärmel  das  Armzeug  ersetzen.  Die 
Beine  sind  zuweilen  geharnischt,  öfter  auch  ohne  Beinzeug,  dann  aber 
sind  sie  an  den  Oberschenkeln  durch  sogenannte  Streift  ansehen 
(Fig.  647)  oder  durch  Dilgen  (Fig.  648)  geschützt,  die  an  Riemen 
über  den  Sattel  hängen.  Die  Sättel  sind  sehr  klein  und  haben  weder 
Vorder-  noch  Hintersteg.  (Fig.  649.)  Das  Rofs  trägt  die  lederne 
Parsche,  der  Kopf  ist  geblendet. 

Beim  Geschifttartschenrennen  erzielte  ein  gelungener  Stöfs 
auf  die  Renntartsche  die  Wirkung,  dafs  diese  von  der  Brust  sich 
Kiste  und  mit  einer  Anzahl  von  eisernen,  keilartig  geformten  Stücken, 
„Schiftkeilen",  über  den  Kopf  des  Renners  weg  in  die  Luft  flog. 
Diese  Wirkung  wurde  durch  einen  Federmechanismus  hervorgebracht, 
der  auf  der  Rennbrustmitte  angebracht  war.  Vor  der  Renntartsche 
befand  sich  eine  Metallscheibe,  die  mittels  eines  starken  Domes,  der, 
durch  eine  Durchlöcherung  der  Tartsche  reichend,  mit  dem  Mecha- 
nismus dahinter  in  Verbindung  stand.  Zwischen  der  Tartsche 
und  der  Maschine  wurden  nun  konzentrisch  die  Schiftkeile  derart 
eingeprefst,  dafs  diese  durch  den  Druck,  den  sie  auf  die  Tartsche 
ausübten,  den  Federmechanismus  anspannten,  und  dieser  zugleich  die 
Keile  in  ihrer  Pressung  erhielt  Wurde  durch  den  Stöfs  der  Renn- 
stange die  Federspannung  aufgehoben,  dann  schleuderten  zwei  an  den 
Enden  mit  Rädlein  versehene  Hebelarme  die  Tartsche  nach  aufwärts 
und  drei  kleinere  Hebel  befreiten  die  gespannten  Schiftkeile  aus  ihrer 

*)  In  dem  bedeutend  später  gefertigten  Turnierbuch  Maximilians  L,  das  von 
dem  jüngeren  H.  Burgmayr  herrührt,  findet  sich  noch  das  Pfannenrennen.  Das 
Anzogcnrennen  mit  wollenen  Kränzen  (auf  den  Häuptern)  und  das  welsch 
Rennen  in  dem  Armetin. 


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III.   Die  Turnierwaffen 


557 


Lage,  worauf  sie  auseinanderprallten.  Wir  ersehen  aus  der  Beschrei- 
bung, dafs  alles  darauf  berechnet  war,  den  Effekt  möglichst  zu  steigern. 

Die  einzige  vorhandene  Abbildung  eines  solchen  Mechanismus 
findet  sich  in  einem  Bildcodex  des  Armeria  zu  Madrid  von  ca.  1544. 

Im  Geschiftscheibenrennen  war  der  Effekt  ein  ähnlicher, 
der  Mechanismus  aber  ein  einfacherer.  Hier  war  über  der  Rennbrust 
und  deren  Maschine  eine  grofse  Scheibe  aus  Eisenblech  gelegt,  die 


Fig.  644- 


Fig.  644.   Stecher  im  gemein -deutschen  Gestech  nach  Angaben 
des  Kaisers  Maximilian  I. 

über  die  ganze  Brust  reichte  und  diese  mittelst  der  Keile  gespannt. 
Beim  Auslösen  durch  den  Stöfs  blieb  die  Scheibe  an  der  Brust  haften; 
nur  die  Keile,  zum  Teil  durch  Federkraft  getrieben,  flogen,  von  der 
Spannung  befreit,  nach  allen  Richtungen  in  die  Luft.  Ein  Mecha- 
nismus für  das  Geschiftscheibenrennen  hat  sich  in  einem  allerdings 


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558 


III.  Die  Turnierwaffen. 


nicht  mehr  ganz  vollständigen  Exemplare  in  den  kais.  Sammlungen 
zu  Wien  erhalten,  wir  bringen  selben  hier  in  einer  Skizze.  (Fig.  650.) 

Bei  beiden  unter  Geschiftrennen  verstandenen  Turniergattungen 
war  die  Absicht  vornehmlich  darauf  gerichtet,  den  Mechanismus 
wirken  zu  sehen,  „sollen  tartschen  haben,  das  die  trümmer  in  die 
hoch  springen,"  heifst  es  im  Triumph  Maximilians  I.  Aber  es  war 
auch,  falls  der  Renner  einen  stärkeren  Stöfs  erhielt,  dem  er  nicht 
mehr  standhalten  konnte  („besitzen  konnte")  auf  das  „Abrennen" 
abgesehen. 


stech  über  das  Dill  (pallia)  mit  Graf  Engelbrecht  von  Nassau.  Miniatur 
aus  dem  Freidal.    Nach  Leitner,  Freidal,  Tafel  2. 

Das  Schweif-  oder  Scharfrennen.  Der  Renner  ist  im  Renn- 
zeug, ohne  Arm-  oder  Beinzeug.  Dieses  wird  nur  selten  und  aus- 
nahmsweise getragen.  Das  geblendete  Pferd  trägt  über  der  Parsche 
die  Decke. 


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III.  Die  Turnierwaffen 


550 


Im  Schweifrennen  soll  die  aus  den  Haken  gehobene  Tartsche 
ohne  Beihilfe  eines  Mechanismus  herabfallen  und  der  Gegner  dabei 
„abgerannt"  werden.  (Fig.  651.) 

Das  Bundrennen.  Bei  dieser  Rennart,  welche  zu  den  gefähr- 
lichsten gehörte,  wurde  das  Rennzeug  mit  einer  sogenannten  Bund- 


F"ig.  646. 


Fig.  616.     Sporn    zum   ungarischen    Turnier.      16.  Jahr- 
hundert, Mitte. 

rennbrust  getragen,  auf  der  ein  Mechanismus  angebracht  war,  der  bei 
gelungenem  Stofse  die  darüber  gelegte  Renntartsche  über  den  Kopf 


Fig.  647. 

Fig.  647.   Streift artsche  für  den  Schutz  der  Oherschenkel  beim 
Rennen.    15.  Jahrhundert,  Ende. 

des  Renners  hinweg  in  die  Luft  schleuderte.  Da  hier  der  Renner 
unter  der  Tartsche  keinen  eisernen  Bart  trug,  so  konnte  eine  geringe 
Unregclmäfsigkeit  leicht  Gefahr  bringen.    Die  Tartsche  glitt  beim  Ab- 


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560 


III.  Die  Turnierwaffen. 


springen  mit  dem  oberen  Teile  über  zwei  Spangen  (Krippen)  hinweg, 
die  von  der  Rennbrust  bis  an  den  Rand  des  Rennhutes  reichten. 
Im  Weiskunig  heifst  es:  Er  (Maximilian)  hat  auch  under  den  pundten 
vilmal  gerennt,  da  im  treffen  baid  schilt  in  die  höch  Sprüngen,  das 
dann  lustig  ist  zu  sehen,  Aber  sorgklich  zu  thun."  In  den  kaiserl. 
Sammlungen  zu  Wien  findet  sich  noch  ein  Mechanismus  für  das 
Bundrennen,  der  aber  gleichfalls  nicht  mehr  vollständig  ist. 

Anzogenrennen.  Der  Renner  erschien  im  Rennzeug  ohne 
Arm-  und  Beinzeug  auf  der  Bahn.  Das  geblendete  Rofs  trug  über 
der  Parsche  die  Decke.    Im  Anzogenrennen  ist  die  Tartsche  an  die 


Fig.  648.  Fig  649. 

Fig.  648.  Rechtsseitige  Dilge  für  den  Schutz  des  Ober- 
schenkels beim  Rennen.    15.  Jahrhundert,  Ende. 

Fig.  649.  Kleiner  Rennsattel,  sogenannter  „silla  rasa". 
15.  Jahrhundert,  Ende. 


Rennbrust  ein-  oder  zweimal  fest  angeschraubt  („anzogen").  Eis  war 
dabei  darauf  abgesehen,  die  Stangen  zu  brechen  und  den  Gegner 
abzurennen.  (Fig.  652.) 

Das  „Krönlrenncn"  ist  nur  eine  Variante  des  vorigen,  um 
Abwec  hselung  in  die  Unterhaltung  zu  bringen.  Bei  diesem  trat  ein 
Gegner  im  Stechzeug  einem  solchen  im  Rennzeug  entgegen,  die  Rofs- 
rüstung  war  die  in  jeder  Art  übliche;  der  eine  führte  eine  Renn- 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


561 


stange,  der  andere  einen  Krönig.  Die  Absicht  war  auf  das  Brechen 
der  Stangen  wie  auf  das  Fällen  des  Gegners  gerichtet. 

Das  Feldrennen.  Der  Renner  erschien  im  Rennzeug  mit  Arm- 
und  Beinzeug  (wie  im  Feld)  auf  der  Bahn.  Das  Rofs,  nicht  immer 
geblendet,  trug  einen  Kürifssattel  und  die  lederne  Parsche.  Hier  war 
es  blofs  auf  das  Brechen  der  Stangen  abgesehen.  Zum  Schlüsse  der 
Turniere  „im  Zeug"  bringen  wir  in  Fig.  653  a  und  b  Abbildungen 
der  bei  selben  angewendeten  Sporen. 

Im  Feldturnier,  in  welchem  die  Gegner  in  zahlreichen,  geord- 
neten Reihen  einander  gegenübertraten,  sollte  ein  vollkommener  Reiter- 
angriff wie  im  Felde  dargestellt  werden.  Hierzu  erschien  jeder  Reiter 
im  gewöhnlichen  ganzen  Feldharnisch  auf  geharnischtem  (geliegertem) 


Fig.  650.  Bruststück  mit  Federmechanismus  zum  Geschift- 
scheibenrennen. Die  Maschine  ist  insofern  inkomplett,  als  nur  der  Aus- 
löseapparat der  gespannten  Tartsche  hier  vorhanden  ist.  15.  Jahr- 
hundert, Ende. 

Rosse  mit  dem  gemeinen  Reisspiefs  in  der  Hand.  Der  Vorgang 
wird  nicht  überall  in  gleicher  Weise  geschildert.  In  vielen  Fällen  war 
nur  ein  Spiefsbrechen  beabsichtigt;  dann  erschienen  die  Renner  ohne 
Schwert.  Oft  folgte  aber  nach  gebrochenen  Spiefsstangen  ein  Angriff 
mit  dem  Schwerte.  Ja  in  einem  Feldturnier,  das  im  Turnierbuche 
Herzog  Wilhelms  IV.  von  Bayern  abgebildet  ist,  erschienen  die  Renner 
mit  je  zwei  Schwertern. 

* 

Boche  im,  Waffenkunde.  36 


Fig.  650. 


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562 


III.  Die  Turtfierwaffen. 


Obwohl  das  jüngste  unter  den  vorher  beschriebenen  Turniergat- 
tuDgen,  kann  das  Fufsturnier,  da  es  noch  unter  Kaiser  Maximilian 
in  Aufnahme  kam,  unter  die  älteren  gerechnet  werden.  Die  Gegner 
erschienen  in  gewöhnlichen  Feldhamischen ,  jedoch  meistenteils  ohne 
Beinzeug,  mit  gewöhnlichen  Reisspiefsen  bewaffnet,  in  grofser  Zahl  auf 
der  Bahn  und  bekämpften  sich  über  eine  hölzerne  Schranke  hinweg, 
um  an  ihren  Gegnern  die  Stangen  zu  brechen.  Diese  wurden  hierbei 
mit  beiden  Händen  in  der  Art  der  Landsknechte  geführt.  Jedem 
Turnierer  war  gestattet,  fünf  bis  sechs  Stangen  zu  brechen.  Es  wurde 


Fig.  651. 


Fig.  651.  Sigmund  von  Wclspcrg  im  Scharfrennen,  ge- 
halten am  Weifsen  Sonntage  1497  zu  Innsbruck.  Aus  Hans  Burgkraayrs 
des  Jüngern  Turnierbuche  von  ca.  1 554.  Im  Besitze  des  Fürsten  von 
Hohenzollern- Sigmaringen.    Nach  Hefncr. 

strenge  darüber  gewacht,  dafs  kein  Gegner  unterhalb  der  Beintaschen 
getroffen  wurde.  In  der  Regel  wurde  später  jedes  Stechen  oder  Rennen 
durch  ein  lebhaftes  Fufsturnier  eingeleitet,  um  den  Stechern  oder 
Rennern  Zeit  zur  Rüstung  zu  gewähren.  Dann  erst-  wurde  die 
Bahn  geräumt  und  das  eigentliche  Ritterspiel  zu  Rois  nahm  seinen 
Anfang. 


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III.   Die  Turnierwaffen. 


563 


Wenn  es  auch  gegen  die  Mitte  des  1 6.  Jahrhunderts  noch  immer 
einige  tüchtige  Männer  gab,  welche  das  Stechen  oder  Rennen  „im 
Zeug"  als  eine  ehrwürdige  und  die  einzig  wahre  ritterliche  Übung 
ansahen  und  pflegten,  so  kam  doch  das  alte  Turnierzeug  allmählich 
aufser  Gebrauch.  Der  im  Zeitalter  der  Renaissance  überhandnehmende 
Einflufs  der  Italiener,  die  von  jeher  den  plumpen  Formen  des  deut- 
schen Turniers  abhold  waren  und  nur  widerwillig  eine  Zeitlang  der 
Strömung  aber  immer  in  gemildeteren  Formen  folgten,  machte  sich 
nun  auch  im  Turnierwesen  mit  aller  Macht  geltend.    Daher  kam  es 


Fig.  652. 


Fig.  652.  Herzog  Wilhelm  IV.  von  Bayern  im  „Anzogen 
rennen",  gehalten  Mittwoch  nach  St.  Paulstag  1 5 1 2.  Aus  dem  Turnier- 
buch Herzog  Wilhelms  IV.  von  Bayern.    Nach  Schlichtegroll. 

auch,  dafs  das  deutsche  Turnier  allgemach  verdrängt  und  ausnahmslos 
durch  italienische  Formen  ersetzt  wurde.  So  blieben  um  die  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts  eigentlich  nur  zwei  Arten  in  Übung,  das  Frei- 
turnier,  auch  „Freirennen"  genannt,  und  das  Gestech  über  das 

36  • 


564 


III.  Die  Turnierwaffcn. 


Dill,  „alla  pallia",  womit  die  Planke  bezeichnet  wurde,  welche  die 
Gegner  trennte. 

Für  das  Freiturnier  war  immer  nur  der  gewöhnliche  Feldharnisch, 
mit  einigen  Verstärkungsstücken,  in  Gebrauch.  Für  das  Gestech  über 
das  Dill,  für  das,  wie  wir  bemerkt  haben,  anfanglich  die  Stechzeuge 
üblich  waren,  wurden  allmählich  leichtere  derartige  Zeuge  gefertigt, 
bis  diese  endlich  in  die  Form  der  Feldharnische  übergingen.  Um 
1550  unterscheidet  sich  der  Harnisch  zum  „neuen"  Gestech 
über  das  Dill  vom  Feldharnisch  dadurch,  dafs  an  jenem  das  Brust- 
stück keinen  wulstartigen  Oberrand  hat  und  dafs  an  das  Bruststück 
der  neue  Stechhelm  angeschraubt  wird,  der  in  seinem  Äufseren  nur 
noch  leichte  Spuren  seiner  Abstammung  aufweist  und  mehr  dem  ge- 
schlossenen Helm  eines  Feldharnisches  ähnlich  sieht. 


1. 


Fig.  653. 

Fig-  653.  Turniersporen. 

a.  Sporn  zum  Stech-  und  Kennzeug  mit  21  cm.  langen  Hälsen. 

b.  Sporn  zum  Stech-  und  Rennzeug  mit  17  cm.  langen  Hälsen. 
Beide  15.  Jahrhundert,  Ende. 

War  der  Harnisch  selbst  von  den  Feldharnischen  kaum  zu 
unterscheiden,  so  wurde  er  doch  unter  der  Hand  der  deutschen 
Plattner,  die  ihn  mit  schweren  Verstärkungsstücken  versahen,  zu 
einer  plumpen  Masse,  die  deren  Träger  noch  weit  beschwerlicher  fiel 
als  das  schwerste  Stechzeug,  weil  sich  deren  Gewicht  nicht  wie  dort 
direkt  aufs  Rofs  übertrug,  sondern  zum  gröfsten  Teile  auf  dessen 
Körper  lastete.  (Fig.  654.) 

Ein  kolossales  und  gewichtiges  Verstärkungsstück  bildete  die 
Doppelachsel,  die  sich  über  die  ganze  Schulter,  den  Oberarm,  den 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


565 


Oberteil  der  Brust  und  über  die  linke  Wandseite  des  Helmes  er- 
streckte. Ein  weiteres,  nicht  minder  plumpes  Stück  war  das  steife 
linke  Armzeug,  das  mit  der  Hentze  in  Verbindung  stand,  sich  über 
den  linken  Ellenbogen  verbreitete  und  dort  eine  riesige  Stauche  bil- 
dete. (Fig.  655,  656  und  657.) 

Edelleute,  die  italienische  Turniere  mit  Augen  gesehen  hatten, 
wendeten  sich  bald  von  der  schweren  deutschen  Ausrüstung  ab  und 
bedienten  sich  der  gewöhnlichen  Feldharnische  in  weit  leichterer  Aus- 
stattung und  Verstärkung,  wie  solche  in  Italien  in  Aufnahme  gekom- 
men waren. 


Fig.  654. 

Fig.  654.  Herr  Andreas  Welser  im  welschen  Gestech 
Über  das  Dill  auf  dem  Hochzeitsturnier  zu  Augsburg  am  9.  Jänner  1 553. 
Aus  Hans  Burgkmayrs  des  Jüngern  Turnierbuch  von  ca.  1554.  Nach  Hefner. 


Diese  Harnische,  für  das  Realgestech  oder  Plankengestech 
kamen  um   1540  in  Deutschland  in  Übung.*)    Sie  erschienen  in 

*)  Nach  einer  „neuen  furm",  bemerkt  der  Hofplattner  Ferdinands  I.  zu  Inns- 
bruck, Jörg  Seusenhofer,  in  seiner  Rechnung  über  einen  dem  Erzherzog  Ferdinand 
von  Tirol  1547  gelieferten  Harnisch. 


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5G6 


III.  Die  TuraicrwafTen. 


der  Regel  in  nachstehender  Zusammenstellung.  Auf  dem  Haupte  ist 
der  burgundische  Helm,  seltener  bereits  der  neue  Stechhelm,  mit  links- 
seitiger Visierverstärkung  üblich.    An  die  linke  Achsel  wird  eine  so- 


Fiß-  655. 

ig«  655.  Blanker  Harnisch  für  das  neue  welsche  Gcstcch 
über  das  Dill  des  Karl  Schurff  von  Schünwert  (gest.  um  X628).  Inns- 
brucker Arbeit  um  1580. 


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III.  Die  Turnierwaffen. 


5G7 


genannte  Stechtartsche  (Fig.  658)  aus  Eisenblech  geschraubt,  die 
sich  bis  an  die  Brustmitte  erstreckt  und  unterhalb  etwas  aufgebogen 
ist.    Sie  bildet  das  Ziel  der  Stechstange  und  ist  mit  starken  Eisen- 


Fig.  656.  Fig.  657. 


Fig.  656.  Steifer  Bart  zu  einem  Harnische  filr  das  neue  welsche 
Gestech  über  das  Dill.    Italienische  Form.    Museum  zu  Zarskoe-Selo. 

Fig.  657.  Linksseitige  Achselverstärkung  zu  einem  säch- 
sischen Stechharnische  mit  angeschraubtem  Haken. 


Fig.  658. 


Fig.  658.  Tartsche  für  das  Realgestech  mit  schwarz  geätzten 
Verzierungen  in  den  Rautenfeldern.    Deutsch.    Um  1550. 


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568 


III.  Die  Turnierwaffen. 


Stäben  belegt,  die  sich  gitterartig  kreuzen.  Diese  Verstäbung  sollte 
verhüten,  dafs  der  Krönig  von  der  Tartsche  abglitte.  (Fig.  659.) 
Weitere  Verstärkungen  bildet  ein  Stechmäusel  (garde-bras)  und  eine 
Verdoppelung  der  linken  Beintasche.  Der  gesamte  Harnisch  bot  den 
Anblick  der  Leichtigkeit;  nur  staken  die  Füfse  zum  Schutze  vor  Ver- 
letzungen an  der  Planke  in  manchmal  plumpen  und  schweren  Eisen - 
schuhen,  die  über  die  Hamischschuhe  angelegt  wurden.  (Fig.  660.) 


Fig.  659. 


Fig.  659.  Harnisch  für  das  Realgestech,  getrieben  und  mit 
geätzten  und  vergoldeten  Verzierungen,  aus  der  Jugendzeit  Kaiser  Karls  V. 
Arbeit  des  Plattners  Koloman  Helmschmied  in  Augsburg  1 516.  Armeria 
Real  in  Madrid. 


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III.  Die  Turnierwaflen.  569 

* 

Bald  nach  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  finden  wir,  und  vor- 
züglich am  sächsischen  Hofe,  eine  eigene  Art  Turnierhamische,  die 
als  ein  Formengemisch  vom  alten  Stech-  und  vom  Rennzeuge  er- 
scheinen. Ihrer  Hauptform  nach  Stechharnische  für  das  Gestech  über 
das  Dill,  besitzen  sie  hinwieder  Rennhüte,  die,  damit  sie  nicht  vom 
Kopfe  abgestofsen  werden  können,  mit  dem  Rücken  durch  ein  Ge- 
stänge verbunden  sind.  Derlei  Zeuge,  die  in  Dresden  und  einigen 
Museen  im  nördlichen  Deutschland  noch  zahlreich  zu  finden  sind, 
dürften  der  Erfindung  eines  Plattners  am  Hofe  Kurfürst  Augusts  I. 
ihr  Dasein  verdanken;  sie  scheinen  eine  Zeitlang  sehr  beliebt  gewesen 
zu  sein.  Wir  benennen  sie  zur  Unterscheidung  sächsische  Tur- 
nierharnische. (Fig.  661  a  und  b.) 

Der  Harnisch  für  das  Realgestech  ist  als  der  letzte  Turnier- 
hämisch  zu  betrachten.  Als  auch  dieser  um  1590  aufser  Gebrauch 
kam,  blieben  in  den  nächsten  Jahrzehnten  nur  noch  die  Freiturniere 


Fig.  660. 


Fig.  660.  Schwerer  Doppelschuh  zum  Schutze  vor  der  Planke, 
einem  Lederschuh  ähnlich  gebildet.  Italienisch.  Um  1570.  Museo 
Poldi-Pezzoli  in  Mailand. 

und  die  sogenannten  Scharmützel,  die  ein  Bild  des  Krieges  dar- 
stellen sollten,  in  Übung.  Aus  Italien  kam  sodann  ein  anderes  ritter- 
liches Spiel,  das  nur  wie  eine  abgeblafste  Erinnerung  an  das  alte 
Turnier  erscheint,  das  Ringelrennen  (corso  all'  annello).  Es  be- 
stand darin,  dafs  die  phantastisch  aufgeputzten  Kavaliere  mit  langen 
Rennstangen  (Fig.  662)  nach  einem  an  einem  erhöhten  Punkte  an 
einem  Faden  aufgehängten  Ringe  stachen.  Im  Stallgebäude  zu 
Dresden  sieht  man  noch  heute  die  zierlichen  bronzenen  Säulen, 
zwischen  welchen  die  Ringe  an  Schnüren  aufgehängt  wurden.  Als 
um  1700  auch  dieses  Spiel  aufser  Übung  kam,  klang  das  alte  Tumier 
des  Mittelalters  in  den  Rofsballetten  aus. 

Lediglich  um  irrigen  Auffassungen  zu  begegnen,  erwähnen  wir 
zum  Schlüsse  noch  der  sogenannten  Quintana,   franz.  quintaine, 


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570 


III.  Die  Tumierwafien. 


I 

engl,  quintain.  Das  Quintanrennen  ist  keine  Turnierform  in  unserem 
Sinne,  sondern  nur  eine  Vorübung  zum  Stechen  oder  Rennen;  ab 
solche  bietet  es  keine  Eigentümlichkeiten  in  der  Bewaffnung.  Es  war 
lediglich  ein  Spiel,  bei  welchem  ein  Reiter  mit  dem  Spiefs  mitten  auf 
den  Schild  eines  auf  einem  Pfahl  gestellten  Gliedermannes  treffen 
mufste.  Dieser  Gliedermann  war  um  den  genannten  Pfahl  drehbar; 
an  dessen  ausgestreckten  rechten  Arme  hing  ein  mit  Sand  gefüllter 
Leinensack.    Gelang  es  dem  an  der  linken  Seite  des  Gliedermannes 


a.  Fig.  66 1.  b. 


Fig.  661.    Sächsischer  Turnierharnisch,  blank  ohne  Ver- 
zierungen, mit  Rennhut,  Hart  und  Achselverstärkung. 

a.  Ansicht  von  der  linken  Seite. 

b.  Ansicht  von  der  rechten  Seite. 

in  Galopp  anreitenden  Kavalier  die  Mitte  des  Schildes  zu  treffen, 
dann  zerbrach  der  Lanzenschaft  und  die  Quintana  war  gemacht. 
Fehlte  er  aber  nur  um  ein  geringes,  so  drehte  sich  der  Gliedermarin 
um  den  Pfahl    und  der  angehängte  schwere  Sack    legte  sich  im 


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III.  Die  Turnierwaffen.  571 

Schwünge  unsanft  auf  seinen  Rücken:  ein  Ereignis,  das  immer  zu 
ungemeiner  Heiterkeit  der  Zuschauerkreise  Anlafs  gab.  Die  Quintana 
ist  schon  im  12.  Jahrhundert  nachweisbar  und  wahrscheinlich  zuerst 
in  Frankreich  aufgekommen;  in  England  war  sie  noch  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  in  Übung.  Noch  Shakespeare  erwähnt  ihrer,  wenn 
auch  nur  als  einer  besonderen  ritterlichen  Übung.  Im  1 7.  Jahrhundert 
trat  an  Stelle  der  Quintana  das  Caroussel,  bei  welchem  Türken- 
oder Mohrenköpfe  aus  Pappe  oder  Holz  von  aufgestellten  Pfählen 
heruntergestochen  wurden. 


Fig.  662. 


Fig.  662.    Ringelrenneisen.    17.  Jahrhundert,  Anfang. 


Das  Wappen  der  Schwertfcger  Venedigs. 
Relief  an  dem  Hause  662  in  der  Spaderia  dort. 
14.  Jahrhundert,  Ende. 


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IV.   Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler 

von  Waffen. 


X.   Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes 

der  Waffen. 

Das  Erkennen  der  Echtheit  einer  Waffe  ist  eine  der  schwierigsten 
Aufgaben  für  den  Sammler,  es  erfordert  nebst  einer  tüchtigen 
Kenntnis  der  Geschichte  ein  ungemeines  Formenstudium,  eine  grofse 
Geläufigkeit  in  der  Bestimmung  der  zahllosen  Stilvarianten  und  eine 
nicht  geringe  Kenntnis  der  alten  technischen  Herstellungsarten.  Dabei 
mufs  dem  Beurteiler  ein  sicheres  Auge  zu  Gebote  stehen,  ein  Vor- 
zug, dessen  sich  nicht  jeder  erfreut,  der  die  obigen  Bedingungen  er- 
füllen zu  können  vermeint.  Wenn  es  nun  auch  keinem  Zweifel 
unterliegt,  dafs  die  fortwährende  praktische  Übung  die  Fähigkeit  zu 
einem  klaren  und  richtigen  Urteile  herbeifuhren  kann,  so  gibt  es  doch 
viele  Leute,  die  dessenungeachtet  nie  zur  vollen  Sicherheit  in  der 
Beurteilung  alter  Gegenstände  gelangen,  weil  ihnen  die  natürliche  Be- 
gabung hierzu  mangelt.  Der  Sammler  selbst  besitzt  in  der  Regel  eine 
mehr  kulturgeschichtliche  als  fachliche  Bildung,  die  ihn  zwar  einiger- 
mafsen  unterstützt,  aber  doch  nicht  das  sichere  Auge  gewinnen  läfst, 
das  der  Händler,  der  oft  ganz  ungebildet  ist  und  sich  von  einem  un- 
bewufsten  Gefühle  leiten  läfst,  sich  auf  Grund  jahrelanger  Beschäf- 
tigung mit  alten  Kunsterzeugnissen  anzueignen  weifs.  Häufig  sehen 
sich  beide  betrogen;  der  Sammler  hat  in  solchem  Falle  das  Falsum 
meist  auf  dem  Halse,  während  der  Händler  sich  desselben  auf  gute 
Manier  zu  entledigen  weifs.  In  jedem  Jahre  werden  Unsummen  für 
wertlose  Fälschungen  verschleudert,  und  zwar  oft  von  Leuten,  die  sich 
nicht  wenig  auf  ihr  Verständnis  zu  gute  thun.  Ähnlich  verhält  es 
sich  mit  der  Beurteilung  des  Preises  eines  Gegenstandes,  sofern  es 
nicht  um  den  Preis  an  sich  als  pretium  affectionis,  sondern  um  sein 
Verhältnis  zu  der  Seltenheit  oder  den  Kunstwert  sich  handelt.  Der  rich- 
tige Mafsstab  für  den  Preisansatz  auf  unserem  Gebiete  mangelt  allent- 
halben.   So  kann  noch  heute  ein  geschulter  Sammler  das  wertvollste 


uigiuz 


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I.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Waffen. 


573 


Stück  für  wenige  Goldstücke  erwerben,  während  für  gar  viele  Gegen- 
stände von  höchst  mäfsigem  Werte  geradezu  ungeheure  Summen  ver- 
langt und  leider  auch  bezahlt  werden. 

Zum  Besten  der  Menschenklasse,  die  das  Fälscherhandwerk  treibt, 
ist  zu  sagen,  dafs  die  meisten  ihrer  Glieder  durch  das  Publikum  selbst 
auf  die  unsittliche  Bahn  gedrängt  wurden.  Die  überwiegend  gröfste 
Zahl  der  Käufer  nimmt  die  beste,  schönste  Imitation  alter  Kunst- 
werke nur  dann,  wenn  sie  für  „alt"  ausgegeben  wird.  Was  will  dann 
der  Erzeuger  machen?  Über  dieses  mifsliche  Verhältnis  haben  dem 
Verfasser  schon  viele  talentvolle  Kunstarbeiter  ihr  Leid  geklagt.  Ein 
sicheres  Mittel,  um  sich  durch  die  Beteuerungen  von  der  Echtheit 
eines  Gegenstandes  nicht  irre  leiten  zu  lassen,  bleibt  immer  die 
Gegenfrage:  ob  der  Verkäufer  geneigt  sei,  die  Echtheit  schriftlich  zu 
bescheinigen. 

Es  kann  nicht  die  Aufgabe  des  Verfassers  sein,  die  zur  Beur- 
teilung der  Echtheit  und  des  Wertes  einer  Waffe  unbedingt  nötigen 
Disziplinen  ins  Auge  zu  fassen.  Der  aufmerksame  Leser  wird  in  den 
anderen  Kapiteln  dieses  Buches  zahlreiche  Anhaltspunkte  finden,  die 
seine  Kenntnis  des  Gegenstandes  für  diesen  Zweck  unterstützen;  wohl 
aber  wird  es  dem  Bedürfnisse  des  Publikums  entsprechen,  jene  Grund- 
sätze anzuführen,  die,  auf  der  Kenntnis  des  Gegenstandes  fufsend, 
maßgebend  bleiben  müssen,  um  das  Echte  vom  Falschen  unterscheiden 
zu  lernen,  um  eine  rationellere  Basis  für  den  Wert  des  einzelnen 
Stückes  zu  schaffen  und  so  der  heutigen  Zerfahrenheit  in  der  Wert- 
bestimmung zu  steuern. 

Beginnen  wir  mit  der  Beurteilung  der  Echtheit  eines  Gegen- 
standes als  der  ersten  Bedingung  für  dessen  Wert,  so  müssen  wir 
vorweg  den  Kardinalsatz  aufstellen,  dafs  jeder  angebotene  Gegenstand, 
der  mit  den  heutigen  Mitteln  nicht  um  den  geforderten  Preis  zu 
fertigen  ist,  die  Vermutung  der  Echtheit  für  sich  hat.  Dies  ist  ganz 
einfach  daraus  zu  erklären,  dafs  derjenige,  der  zu  dem  Mittel  der 
Fälschung  greift,  viel  mehr,  als  mit  ehrlicher  Arbeit  möglich  ist,  ver- 
dienen will.  Wenn  das  nicht  erreichbar  ist,  lohnt  sich  der  redliche 
Erwerb  besser  als  der  betrügerische.  Ist  der  Preis  im  Verhältnisse 
zum  Werte  der  Arbeit  höher,  dann  treten  alle  Mafsregeln  der  Vor- 
sicht in  ihre  Rechte,  und  es  sind  dann  allerdings  unzählige  Umstände 
zu  berücksichtigen,  um  den  Fälscherkniffen  auf  die  Spur  zu  kommen, 
von  denen  wir  nur  die  bemerkenswertesten  hier  anführen  können. 

Vorerst  mufs  die  allgemeine  Form  zum  angegebenen  Zeitalter 
stimmen ;  das  ist  bei  Zuschreibung  an  bestimmte  historische  Personen 
oder  Thatsachen  von  besonderer  Wichtigkeit.  Beigaben  dekorativer 
Natur,  Inschriften,  Wappen  müssen  in  Form  und  Technik  unver- 
dächtig erscheinen,  denn  oft  wird  derlei  nachträglich  selbst  an  echten 
Stücken  hinzugefügt,  um  den  Wert  zu  erhöhen.  Jedes  Zeitalter  hat 
seinen  eigenen  Stil  in  Schrift  und  Bild  und  seine  eigene  Technik. 


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IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


Bei  Inschriften,  Versen  u.  dgl.  ist  wohl  zu  beachten,  dafs  jede  Zeit- 
periode ihre  eigene  Ausdrucksform,  ihre  poetische  Richtung  besitzt 
Gewisse  Sinnsprüche  gehören  bestimmten  Zeitaltem  an,  und  gerade 
da  wird  von  den  Fälschern  am  häufigsten  gefehlt,  die  gewöhnlich 
bessere  Kunstarbeiter  als  Philologen  und  Kulturhistoriker  sind.  Gar 
manche  Fälschung  ist  schon  durch  das  einfache  Lesen  der  Inschrift 
zu  entdecken;  man  hat  dann  gar  nicht  nötig,  sich  in  weitere  Unter- 
suchungen einzulassen. 

Was  die  allgemeine  Form  betrifft,  so  ist  es  auch  dem  talent- 
vollsten Fälscher  'nicht  so  leicht,  den  Kenner  zu  täuschen;  denn  oft 
verrät  die  Linie  einer  Kante,  die  an  echten  Stücken  mit  einer  ge- 
wissen Empfindung  und  nach  handwerksmäßiger  Regel  geführt  ist 
die  moderne,  ungebildete  Hand.  Unwillkürlich  verleitet  die  mensch- 
liche Natur  den  Fälscher  dazu,  es  regelmässiger  zu  machen  als  die 
Alten  und  der  Vorzug  wird  dann  zum  Verräter.  In  Bezug  auf  Platten- 
harnische ist  zuvörderst  zu  bemerken,  dafs  der  alte  Hämisch  aus 
Schlagblcch  gearbeitet  ist,  das  aus  einem  Frischeisenstücke  anfänglich 
mittels  Fallhämmer  zu  Platten  geschlagen,  später  aber  mit  flachen 
Handhämmem  in  teils  glühendem,  teils  heifsem  Zustande  in  die  be- 
absichtigte Form  gebracht  wurde.  Es  müssen  daher  an  der  nicht 
geglätteten  Rückseite  die  Haramerspuren  sichtbar  sein.  Das  moderne 
Walzblech  ist  an  seinen  rinnenartigen  Streifen  leicht  zu  erkennen,  und 
eine  Untersuchung  mit  dem  Vergröfserungsglase  klärt  schnell  darüber 
auf,  ob  etwa  stärkeres  Walzblech  blofs  mit  dem  Hammer  überarbeitet 
wurde,  um  als  Schlagblech  zu  erscheinen. 

Die  schwierigste  und  wenigstlohnende  Arbeit  für  den  Fälscher 
ist  die  Brust  des  Harnisches,  die  nicht  so  sehr  als  Blechstück,  sondern 
als  getriebene  Eisenplatte  erscheinen  soll,  besonders  aber  der  Helm 
des  16.  Jahrh.,  dessen  genaue  Herstellung  in  alter  Technik  den  Lohn 
auf  ein  Minimum  herabdrücken  würde.  Man  findet  demnach  häufig  alte 
Helme  und  Bruststücke,  die  durch  Neuhinzufügung  aller  übrigen  Teile 
zu  einem  ganzen  Harnisch  ergänzt  wurden.  Eine  solche  Spekulation 
verlohnt  sich  in  der  Regel,  ist  aber  leicht  zu  entdecken,  sobald  man 
einzelne  Stücke  auf  die  Farbe  des  Eisens  hin  vergleicht.  Wenn  auch 
alles  andere  sachgemäfs  erscheinen  sollte,  so  bilden  meist  die  Nieten 
den  Verräter,  die  früher  durch  Handarbeit  und  nun  durch  Maschinen- 
arbeit hergestellt  werden,  die  augenblicklich  zu  erkennen  ist.  In  Paris 
befinden  sich  einige  Werkstätten,  die  Harnische  von,  oberflächlich 
betrachtet,  tadelloser  Form  erzeugen,  aber  ihre  Helme  sind  Blech- 
helme, ihre  Bruststücke  Blechbrüste.  So  teuer  sie  sie  sich  auch  be- 
zahlen lassen,  sie  würden  bei  Fertigung  nach  alter  Art  und  in  voller 
Stärke  des  Metalls  ihre  Rechnung  nicht  finden. 

Alte  Helme  müssen  in  ihren  Konturen  den  handwerksmäfsigen 
Formen  der  Zeit  entsprechen;  das  ist  eine  schwierige  Aufgabe  für 
den  Falscher.    Von  etwa  1530  an  werden  die  Kämme  immer  höher 


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I.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Waffen. 


575 


und  mit  dem  Scheitelsttick  zugleich  aus  einem  Stücke  getrieben. 
Wie  teuer  mülste  heute  der  Helm  verkauft  werdeiL  um,  so  hergestellt, 
die  Arbeit  zu  lohnen?  Man  versucht  daher  ^Änselben  aus  zwei 
Hälften  zu  fertigen,  die  an  den  Kammrändern  sorgfältig  zusammen- 
geschweifst  werden.  Derlei  Kniffe  sind  durch  sorgfältige  Beobachtung 
des  Innern  aufzudecken.  Von  ca.  1580  an  kommen  übrigens  wirk- 
lich Helme  vor,  die  aus  zwei  Hälften  gefertigt  sind,  so  z.  B.  bestehen 
die  bekannten  Mortons  mit  den  Lilien  (Fig.  51)  durchweg  aus  zwei 
Teilen.  Erschiene  endlich  an  einem  Harnische  auch  alles  ohne  Verdacht, 
dann  scheitert  die  Absicht  des  Fälschers  zuletzt  an  der  Wiedergabe 
der  Vorstöfse  und  der  Beriemung.  Alter  Samt  und  alte  Seide  ist  in 
Farbe  und  Textur  dem  Kenner  geläufig,  und  die  Fertigung  des 
heutigen  Alaunleders  ist  von  der  alten  sehr  verschieden. 

Wie  an  der  Bronze  die  Patina,  so  wird  am  Eisen  der  Rost  als 
ein  Kennzeichen  des  Alters  angesehen,  Grund  genug  für  den  Fälscher, 
dieses  Mittelchen  bei  solchen  „grünen"  Kauflustigen  zu  benutzen,  die 
nicht  wissen,  dafs  das  durchaus  kein  Beweis  ist,  da  es  eiserne 
Gegenstände  von  400-  und  mehrjährigem  Alter  genug  gibt,  die  nicht 
die  geringste  Rostspur  zeigen.  Aber  der  Rost  mufs  daran  sein;  darum 
wird  zu  Salzsäure,  Schwefelsäure  und  anderen  Ätzmitteln  gegriffen.- 
Jeder  auf  derlei  Kundschaft  spekulierende  Antiquitätenhändler  hat  zu 
diesem  Zwecke  sein  eigenes  probates  Rezept.  Der  eine  hängt  den 
betreffenden  Gegenstand  in  den  Schornstein,  der  andere  gräbt  ihn 
in  die  Erde;  der  Rost  ist  ja  ein  gefälliger  Gast,  er  kommt  sicher. 
Verdächtig  in  Bezug  auf  sein  Alter  ist  aller  Rost,  der  eine  lebhaft 
rote  Farbe  hat  und  sich  mit  dem  Finger  wegreiben  läfst,  ebenso 
solcher,  der  nicht  in  den  Vertiefungen,  Brüchen  etc.  sitzt,  sondern 
an  den  flachen,  offenen  Stellen. 

An  alten  Harnischbestandteilen  finden  sich  häufig  Beschädigungen, 
welche  durch  die  Waffen  Wirkung,  durch  Stürse  und  Quetschungen 
herbeigeführt  sind.  Derlei  Schäden  ahmt  der  Fälscher  mit  Vorliebe 
an  seiner  Arbeit  nach  in  der  Meinung,  diese  um  so  weniger  ver- 
dächtig zu  machen.  Da  ist  denn  sorgfältig  zu  erwägen,  ob  solche 
Beschädigungen  an  dem  Orte,  wo  sie  sich  finden,  auch  wirklich  vor- 
gekommen sein  können;  oft  trifft  man  Mulden  und  Wannen  dort  an, 
wo  eine  Beschädigung  schlechterdings  unmöglich  ist,  z.  B.  an  ver- 
tieften Stellen,  während  die  Erhebungen  in  der  Nähe  ganz  unversehrt 
erscheinen.  Besonders  auf  die  Ränder  richte  man  das  Augenmerk. 
Bei  echten  Gegenständen  sind  sie  immer  nur  an  bestimmten  Stellen 
durch  den  Gebrauch  abgenützt  oder  durch  Angriffswaffen  beschädigt. 
Verlegungen  und  Brüche,  die  durch  Fall  herbeigeführt  sind,  können 
nur  an  Punkten  auftreten,  welche  nach  der  Form  des  Gegenstandes 
beim  Fallen  auf  den  harten  Boden  treffen.  Der  Verfasser  bekam 
jüngst  einen  Topfhelm  zur  Ansicht,  der  am  Scheitelstücke  von  dem 
dicksten  Eisen  rückwärts  eine  tiefe  Grube  aufwies,  während  die  weit 


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IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


schwächeren  Helmwände  und  deren  Unterränder,  die  sonst  wohl  in 
verletztem  Zustande  vorkommen,  vollkommen  unversehrt  waren.  Diese 
mit  dem  ersten  Blicke  erzielte  Beobachtung  erregte  den  Verdacht 
einer  Fälschung,  die  sich  auch  bei  weiterer  sorgfältiger  Untersuchung 
durch  Kunstfehler  im  Innern  und  nicht  zum  wenigsten  durch  die  un- 
mittelbare Herkunft  des  Stückes  sattsam  bestätigte. 

Indes  wagt  es  der  Fälscher  nur  dem  blöden  Neuling  einen  voll- 
ständig neugearbeiteten  Harnisch  als  echt  und  alt  anzubieten.  Er 
greift  deshalb  lieber  zu  einem  Stück  altem  Eisen,  das  er  durch  Er- 
gänzung fehlender  Teile  und  durch  Dekorationsmittel  wertvoll  zu 
machen  weifs.  So  ist  es  ein  häufig  ausgeführter  Kniff,  dafs  ein  alter, 
glatter  Harnisch  in  Schwarz-,  ja  selbst  vergoldeter  Ätzung  verziert 
wird.  Wer  das  Mifsverhältnis  zwischen  der  Arbeit  an  einem  gewöhn- 
lichen Harnisch  und  seinem  frischen  Zierat  nicht  sofort  herausfühlt, 
der  thut  gut,  den  Stil  in  der  Ornamentation  und  die  Technik  einer 
Prüfung  zu  unterziehen.  Zur  Beurteilung  des  Stils  ist  kunstwissen- 
schaftliches Studium  unentbehrlich.  Der  Fälscher  kopiert  oft  gute 
alte  Muster:  ein  Grund  zu  weiterer  Vorsicht.  Das  Alter  der  Technik 
ist  nicht  so  schwer  zu  erkennen.  Es  kommt  uns  dabei  die  Unwissen- 
heit des  modernen  Arbeiters  zu  Hilfe.  Die  alten  Ätzmaler  bedienten 
sich  nämlich  nie  oder  nur  selten  eiserner  Stifte  oder  Griffel,  um  die 
Zeichnung  in  den  Ätzgrund  einzuritzen,  sondern  hölzerner  und  beinerner. 
Die  moderne  Arbeit  kennzeichnet  sich  demnach  fast  immer  durch 
feine,  wie  mit  Nadeln  gekratzte  Striche  ohne  Kraft  und  Schwung. 
Der  Hochätzung  weicht  der  Fälscher  meist  sorgfältig  aus.  Der  alte 
Ätzkünstler  besafs  zudem  in  der  Bereitung  des  Ätzwassers  eine 
staunenswerte  Sicherheit.  Die  Ätzung  erscheint  in  der  Regel  im 
Vergleich  zu  der  gefälschten  eher  stärker  als  schwächer.  Moderne 
Arbeiten  sind  oft  zwei-  bis  dreimal  nachgeätzt.  Dieser  Kniff,  alte, 
glatte  Harnische  mit  Ätzungen  auszustatten,  gibt  einer  grofsen  Anzahl 
Leuten  reichliches  Brot.  Derlei  Fälschungen  betreibt  man  in  Paris, 
Nürnberg,  München  und  Stuttgart.  Sehr  schlechte  Leistungen  derart 
kommen  aus  Venedig;  trotzdem  finden  sie  Absatz  in  Griechenland 
und  der  Levante.  Vergoldung  ist  unschwer  als  neue  Arbeit  zu  er- 
kennen. Ist  sie  nur  schwach  aufgetragen,  um  als  alt  zu  erscheinen, 
dann  erscheint  sie  ungleich;  ist  sie  stark,  gleich  der  alten,  dann  läfst 
sie  sich  nicht  vom  Falscher  so  unverdächtig  abreiben,  dafs  man  nicht 
die  Spuren  dieser  Arbeit  fände. 

Aus  Spanien,  Frankreich  und  Italien  kommen  Fälschungen  in 
Gold-  und  Silbertausia  vor,  die  einen  Nichtkenner  leicht  zu  täuschen 
im  stände  sind,  zumal  da  sie  in  der  That  in  der  Regel  sorgfältig  und 
fleifsig  ausgeführt  sind.  Wir  übergehen  die  Beobachtungspunkte,  die 
auch  bei  der  Ätzung  mafsgebend  sind,  und  halten  uns  unmittelbar 
an  die  Technik.  Der  Goldpartikel,  der  von  den  alten  Tausiatoren 
in  den  Grund  der  Gravierung  eingeschlagen  wurde,  wurde  aus  einem 


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I.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Waffen. 


577 


flachen  Stücke  Gold  mit  dem  Grabstichel  herausgehoben,  er  war  daher 
nur  kurz  und  hatte  einen  eckigen  Querschnitt.  Moderne  Arbeiten 
sind  mit  gezogenem  Golddraht  geschlagen,  die  einzelnen  Teile  sind 
länger  und  heben  sich  bei  nur  einiger  Nachhilfe  leicht  aus  dem 
Grunde  heraus.  Unter  dem  Vergröfserungsglase  ist  zu  erkennen,  wie 
wenig  der  cylindrische  Draht  mit  dem  Grunde  in  Verbindung  steht. 
Der  Verfasser  hat  davon  einige  drastische  Beispiele  vor  Augen  ge- 
habt. Das  Schwierigste  aber  für  den  Fälscher  ist,  dem  Eisen  den 
grauen  Ton  zu  verleihen,  der  für  orientalische  und  Mailänder  Tausia- 
Arbciten,  für  welche  die  Fälschungen  in  der  Regel  gelten  sollen, 
charakteristisch  ist.  Die  Fälscher  begnügen  sich  auch  gewöhnlich  mit 
einer  Bläuung  oder  einer  rötlichen  Färbung  alla  sanguigna,  die  häufig 
fleckig  geraten  ist.  Die  am  wenigsten  Geübten  schwärzen  das  Stück 
durch  Einlegen  in  heifse  Asche. 

Ein  ergiebiges  Feld  für  Fälscherkünste  bieten  getriebene  Ar- 
beiten und  überhaupt  Reliefdarstellungen  in  Metall.  Der  ungemein 
vorgeschrittene  Stand  der  Technik  in  heutiger  Zeit  stellt  in  dieser 
Hinsicht  technische  Hilfsmittel  zur  Verfügung,  die  das  Original  mit 
aller  Treue  wiedergeben.  Für  getriebene  Arbeiten  in  Eisen  wird  der 
Gufs  in  Weicheisen,  sogenannter  Weichgufs,  häufig  angewendet,  der 
selbst  Nacharbeit  mit  dem  Ziseliermeifsel  gestattet.  Das  Erzeugnis 
verrät  sich  freilich  bei  der  ersten  Probe  durch  sein  im  Verhältnis 
zur  Masse  übermäfsiges  Gewicht.  Ferner  ist  der  Gufs  an  den 
scharfen  Kanten  leicht  zu  erkennen,  so  dafs  es  wunder  nehmen  mufs, 
wenn  Personen  auf  diese  Weise  thatsächlich  getäuscht  wurden. 
Schwieriger  ist  es,  galvanoplastische  Kopien  von  Originalen  zu  unter- 
scheiden, besonders,  wenn  die  Umstände  es  nicht  gestatten,  die  Rück- 
seiten der  Reliefs  zu  untersuchen.  Kann  die  Rückseite  betrachtet 
werden,  dann  ist  es  ein  Leichtes,  die  galvanische  Ablagerung  festzu- 
stellen; denn  die  Oberfläche  ist  in  diesem  Falle  grieslich  gestaltet  und 
von  Warzen  bedeckt,  die  nur  schwer  ganz  zu  entfernen  sind.  Ist 
man  lediglich  auf  die  Prüfung  der  oberen  Relieffläche  angewiesen,  dann 
kommt  in  Betracht,  dafs  das  galvanisch  abgelagerte  Metall  einen 
grofsen  Härtegrad  und  eine  gewisse  Sprödigkeit  besitzt  und  dafs  es 
sich  in  den  vorspringenden  Stellen  immer  dichter  ablagert  als  in  den 
tiefer  gelegenen.  GrirTbestandteile  und  silberne  Beschläge  von  orien- 
talischen Säbeln  u.  dgl.  werden  sehr  häufig  nachgegossen,  und  selbst 
Emails  werden  nachzuahmen  versucht.  Im  transluziden  Email  ist 
eine  Täuschung  schwierig,  weil  das  alte  gewöhnlich  nicht  sehr  rein 
und  meist  getrübt  ist.  Opake  Flüsse  in  Weifs  lassen  sich  leichter 
darstellen;  die  alten  zeigen  aber  oft  winzig  kleine  Blasenspuren,  die 
an  neueren  fehlen.  Altes  Email,  das  ausgebrochen  ist,  läfst  sich  be- 
kanntlich nicht  mehr  im  Feuer  ersetzen,  der  Arbeiter  mufs  hier  so- 
genanntes kaltes  Email  zu  Hilfe  nehmen,  eine  harzige  Masse,  die  in 
mäfsig  heifsem  Zustande  in  die  Zellen   eingestrichen  wird.  Derlei 


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IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


Restaurationen  erkennt  man  schon  mit  dem  freien  Auge.  Im  Oriente 
und  in  Rufsland  gibt  man  sich  auch  oft  Mühe,  altes  Niello  darzu- 
stellen, das  aber  in  den  meisten  Fällen  durch  eine  zu  grofse  Regel- 
mäfsigkeit  der  Zeichnung  auffällt;  dann  ist  auch  gewöhnlich  dasNigellum 
bei  den  heutigen  Mitteln  gleichmäfsiger  verschmolzen  und  überhaupt 
zu  tief  im  Tone. 

Alter  Anstrich  in  Ölfarbe  unterscheidet  sich  durch  sein  Ansehen 
von  jüngerem  und  erweist  sich  als  reiner  Leinölanstrich.  Dicker 
Lack  mit  Zusätzen  von  Harzen  wurde  erst  im  18.  Jahrhundert  an- 
gewendet. 

In  betreff  der  Echtheit  von  Stein fassungen  haben  wir  bereits 
Gelegenheit  gehabt,  unsere  Bemerkungen  zu  machen.  Die  Kunst, 
Edelsteine  in  Facetten  zu  schleifen,  drang  erst  am  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  in  die  orientalischen  Länder,*)  und  man  findet  selbst  an 
modernen  Arbeiten  aus  dem  Orient  rfoch  gemugehe  Edelsteine.  Ob- 
zwar  schon  1385  Diamantpolierer  in  Nürnberg  genannt  werden  und 
1456  Ludwig  von  Bcrquen  die  Kunst  erfand,  den  Diamant  mit 
seinem  eigenen  Pulver  zu  schleifen,  so  ist  es  doch  bekannt,  dafs 
Kardinal  Mazarin  um  1650  die  ersten  Diamanten  in  Brillantenform 
schleifen  liefs,  und  geschliffene  Edelsteine  allgemeiner  erst  am  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  auftraten. 

In  neuester  Zeit  gelangen  häufig  gefälschte  Schwert-  und  Säbel- 
griffe, Scheiden  etc.  in  den  Handel,  die  mit  graviertem  Nephrit 
(  Beilstein,  i'unamastein)  besetzt  sind.  Die  Fälscher  benutzen  die  all- 
gemein verbreitete  Meinung,  dafs  Nephrit  in  rohen  Stücken  in  Europa 
nicht  in  den  Handel  komme.  Aber  dieser  Halbedelstein,  der  schon 
im  Altertume  bekannt  war  und  im  Mittelalter  im  Oriente  häufig  als 
Verzicrungsmittel  für  Waffen  diente,  wurde  schon  in  der  1.  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts  von  Joh.  Forster  nach  Europa  gebracht  und 
seither  vorwiegend  zu  Fälschungen  benutzt.  Bei  der  Beurteilung  von 
derartig  verzierten  Waffen  können  lediglich  die  Formen  und  die  Art 
der  Bearbeitung  des  Steines  den  Ausschlag  geben. 

Bei  Beurteilung  von  Schnitzarbeiten  in  Beziehung  auf  ihr  Alter 
und  ihre  Echtheit  entscheiden  in  erster  Linie  die  von  dem  Geschmack 
der  Zeit  bedingten  stilistischen  Eigentümlichkeiten.  Bei  Elfenbein- 
arbeiten zeigen  sich  immer  Spuren  des  Werkzeuges,  das  in  neuerer 
Zeit  ein  anderes  ist,  als  ehedem  verwendet  wurde.  Die  Alten  ver- 
wendeten die  Feile  nur  sehr  wenig  und  begnügten  sich  mit  hobel- 


*)  Auch  die  Fassung  der  Edelstein'*  kam  aus  dem  Oriente.  Schon  im  frühesten 
Mittelalter  kamen  E  delsteine  in  regelmäfsigen  Körpern  geschliffen  und  auch  durch- 
löchert vor.  Das  Verfahren  beschreibt  uns  Theophilus  in  seiner  „Schedula  diver- 
sarura  artium".  Einfache  FacettenschlitTe  und  selbst  dublierte  Edelsteine  treten  schon 
im  1 5.  Jahrhunderl  auf,  immerhin  aber  vereinzelt  und  so  selten,  dafs  wir  in  vor- 
kommenden Fällen  sehr  zur  Vorsicht  raten.  In  Brillantcnforin  und  als  Tafelsteine 
üadeu  wir  sie  häufig  in  den  Goldschrmedeblättem  des  Virgil  Solis  u.  a. 


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I.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Waffen. 


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artigen  Werkzeugen  und  Messern,  deren  Spuren  man  verfolgen  kann. 
Bei  Polychrornierungen  ist  zu  beachten,  dafs  die  Alten  Pflanzenfarben 
verwendeten.  Auch  Holzschnitzereien  sind  von  ähnlichen  Gesichts- 
punkten zu  beurteilen.  Es  ist  ein  bestimmter  Ausspruch  über  deren 
Alter  vom  kunsttechnischem  Standpunkte  um  so  schwieriger,  als  die 
Imitatoren,  die  ihr  Geschäft  in  Deutschland  fabriksmäfsig  betreiben, 
hierzu  altes,  wurmstichiges  Holz  verwenden,  das  sie  zu  diesem  Zwecke 
überall  zusammenkaufen.*)  Ungeachtet  aller  Finesse  aber  kann  selbst 
der  Holzwurm  zum  Verräter  werden,  wenn  man  nur  einige  Beobach- 
tungsgabe besitzt.  Der  Holzwurm  bohrt  eben  nicht  über  Schnitzwerk 
hinweg,  stellenweise  in  freier  Luft  darüberschreitend.  Er  geht  nicht 
nach  abwärts  und  quer  immer  auf  längere  Distanzen.  Fälschung  von 
Bohrlöchern  und  Gängen  ist  endlich  doch  gar  zu  leicht  zu  ent- 
decken. 

Bei  Blankwaffen  ist  die  Zusammenstoppelung  verschiedener  fremder 
Teile  zu  einem  Ganzen  am  häufigsten  anzutreffen,  und  hierbei  machen 
sich  nicht  nur  die  Händler,  sondern  auch  die  Sammler  der  Fälschung 
schuldig.  Gar  mancher  besitzt  eine  seiner  Ansicht  nach  gute  Klinge 
und  strebt  darnach,  einen  Griff  oder  eine  Scheide  dazu  zu  erhalten, 
ob  beide  nun  zusammengehören  oder  nicht.  In  solchem  Falle  ent- 
scheidet ebenso  der  stilistische  wie  der  historische  Faktor.  Die 
wenigsten  wissen  den  Wert  und  das  Alter  einer  Klinge  zu  beurteilen, 
und  legen  das  gröfste  Gewicht  auf  deren  Biegsamkeit,  während  in 
einzelnen  Fällen  gerade  die  Unbiegsamkeit  für  die  Güte  und  die 
Zugehörigkeit  der  Klinge  mafsgebend  ist.  Auch  sind  nur  wenige  im 
stände,  von  der  Form  der  Klinge  auf  deren  Meister  zu  schliefsen, 
also  den  Punkt  zu  treffen,  von  dem  zunächst  der  Wert  einer  Klinge 
abhängt.  Daher  kommt  es,  dafs  fast  allgemein  das  Alter  einer  Klinge 
nicht  richtig  geschätzt  wird  und  diese  durch  Mifsverstand  mit  einer 
Fassung  in  Verbindung  kommt,  die  durchaus  nicht  zu  ihr  pafst.  In 
dieser  Beziehung  kommen  die  ungeheuerlichsten  Irrtümer  vor. 

An  Gewehren  treten  fachwidrige  und  verständnislose  Reparaturen 
und  Ergänzungen  am  häufigsten  auf,  und  es  fehlt  auch  hier  nicht  an 
ganz  sinnlosen  Zusammenstoppelungen  von  alten  und  neuen  Stücken. 
Eingelegte  Technik  an  Schälten  wird  am  seltensten  gefälscht  und  je 
feiner  sie  ist,  desto  seltener.  Das  kostet  Mühe  und  Zeit  und  ver- 
lohnt sich  nicht. 

Desungeachtet  hat  der  Verfasser  im  Laufe  seiner  Wirksamkeit 
zahlreiche  eingelegte  Gewehrschäfte  getroffen,  die  sowohl  in  den  Ein- 
lagen ergänzt,  also  ausgebessert,  als  auch  ganz  neu  gefertigt  waren, 
um   für  alt  ausgegeben  zu  werden,  somit   vollständige  Fälschungen 

•)  Der  Antiquitätenhändler  Spenge  1  in  München  produzierte  auf  der  Kunst- 
und  Kunstgewerbe-Ausstellung  in  München  1876  Holz  von  alten  Deckenbalken, 
welche  ihm  als  Material  für  Imitationen  älterer  Schnitzwerke  dienten.  Ein  seltener 
Fall  von  Aufrichtigkeit. 

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IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


darstellten.  Aber  derlei  Nachahmungen  sind  in  ihrer  technischen 
Ausführung  weit  von  den  alten  Arbeiten  verschieden.  Dem  Fälscher 
von  heute  fehlt  zu  seinem  Werke  die  Zeit  und  auch  die  Geschick- 
lichkeit, seine  Partikel  so  präzise  zu  schneiden,  dafs  nach  deren  Ein- 
fügung nicht  der  geringste  Zwischenraum  bleibt.  Der  durch  ungenaue 
Arbeit  sich  ergebende  Zwischenraum  wird  dann  mit  Kitt  ausgefüllt; 
bei  Verwendung  von  schwarz  gebeiztem  Holz  wird  der  Kitt  mit 
Kohlenstaub  gemengt.  Man  halte  den  Gegenstand  gegen  das  Licht 
und  man  wird  die  matten  Rander  sehen,  denn  der  Kitt  nimmt 
nie  den  Fettglanz  des  Holzes  an,  und  wenn  ihm  durch  eine  Bei-  ( 
mengung  von  Graphit  Glanz  verliehen  wird,  so  bekommt  er  ein 
graues  Ansehen.  Man  untersuche  auch  die  Gravierungen  in  den 
Elfenbeinpartikeln,  und  man  wird  sie  in  den  meisten  Fällen  mit 
modernem  Öllack  eingerieben  finden,  der  sein  Fett  den  Rändern 
mitteilt.*) 

Schliefslich  raten  wir  denjenigen  Sammlern  und  Liebhabern,  welche 
zu  ihrer  Fachkenntnis  und  ihrem  Blicke  kein  volles  Zutrauen  besitzen, 
sich  angelegentlichst  über  die  berüchtigsten  Stätten  der  Fälschung  alter 
Kunstgegenständc  zu  unterrichten.  Man  kann  auch  auf  diesem  ein- 
fachen Wege  auf  die  richtige  Spur  kommen.  Ist  man  über  die  ver- 
dächtigsten Werkstätten  im  Klaren,  dann  stelle  man  bei  Gelegenheit 
eines  Angebotes  ein  wohlgeordnetes  Verhör  an,  das  sich  auf  den 
Nachweis  der  Herkunft  zuspitzt.  Es  ist  oft  ergötzlich  zu  sehen,  wie 
sich  der  einen  Betrug  beabsichtigende  Händler  in  die  unglaublichste« 
Widersprüche  verwickelt.  Eis  fehlt  da  wie  vor  Gericht  nicht  an 
geheimnisvollen  Unbekannten,  an  hohen  Persönlichkeiten,  die  den 
Gegenstand  aus  Not  veräufsern,  aber  nicht  genannt  werden  dürfen, 
an  leisen  Hindeutungen,  dafs  das  Stück  aus  einer  grofsen  —  aber 
immer  sehr  fernen  —  Sammlung  stamme  u.  dgl.  Schliefslich  löst 
sich  der  von  der  Lüge  geschürzte  Knoten,  sobald  ein  Ort  genannt 
wird,  von  welchem  das  Stück  zunächst  hergekommen  ist;  mit  diesen, 
ist  man  auf  realem  Boden,  von  welchem  aus  man  sicher  weite: 
schreiten  kann.  Nach  und  nach  kommt  auch  ein  Name  zum  Vor- 
schein, aus  dem  man  entweder  unmittelbar  einen  Schlufs  ziehen  oder 
über  den  man  durch  Erkundigungen  sich  bald  Auskunft  verschaffen 


*)  Wir  empfehlen  demjenigen,  welcher  sich  über  die  Praktiken  der  zahlreichen 
Betrüger  im  Gebiete  alter  Kunst  weiter  unterrichten  will,  das  BUchlein  „Le  Tru- 
quage"  von  Paul  Eudel.  Der  Verfasser  hat  sich  viele  Mühe  gegeben  und  e- 
steht  ihm  auch  eine  ziemlich  grofsc  Erfahrung  zur  Seite.  Erheblichere  Mängel 
besitzt  das  Puch  nur  nach  der  kunsttechnischen  Seite  hin,  insofern  der  Autor  übe: 
gewisse  Verfahrensatton  ersichtlich  im  Unklaren  ist.  Nichtsdestoweniger  wird 
der  I^escr  manch  beachtenswerten  Wink  finden.  Noch  empfehlenswerter  ist  die 
deutsche  Ausgabe  des  Werkes:  ,,Die  Fälscherkünstc",  Leipzig  1S85,  deren  Heraus- 
geber, Br.  Bucher,  den  Autor  des  Original  Werkes  an  fachlichen  Kenntnissen  über 
bietet  und  auch  anmerkungsweisc  häutig  Anlafs  genommen  hat,  irrige  Anschau- 
ungen zu  berichtigen  und  über  schwierige  Fragen  Auskunft  zu  geben. 


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I.  Die  Beurteilung  der  Echtheit  und  des  Wertes  der  Waffen. 


581 


kann.  Einige  Sammler  üben  die  Vorsicht,  sich  den  angebotenen 
Gegenstand  auf  kurze  Zeit  zu  erbitten,  um  ihn  von  erprobten  Kennern 
untersuchen  zu  lassen.  Dagegen  pflegen  sich  die  Händler  sanft  zu 
wehren,  indem  sie  vorgeben,  das  Stück  nicht  aus  den  Händen  lassen 
zu  können;  andere  wagen  es  auf  das  gute  Glück  hin,  in  der  Hoff- 
nung, dafs  auch  der  Kenner  sich  täuschen  läfst.  Legen  doch  kleine 
Händler  sehr  häufig  Museumsbeamten  gut  ausgeführte  Fälschungen 
zur  Beurteilung  vor,  um  möglicherweise  ein  günstiges  Urteil  zu  er- 
langen und  auf  dieses  gestützt,  dem  Kunden  gegenüber  mit  Sichei- 
heit  auftreten  zu  können. 

Was  nun  die  Beurteilung  des  Wertes  einer  Waffe,  bei  der  wir 
die  Echtheit  voraussetzen,  anlangt,  so  kommt  in  erster  Linie  der 
historische  Wert,  ihre  verbürgten  Beziehungen  zu  einer  historischen 
Person  oder  einer  historischen  Thatsache  in  Frage;  dann  folgt  die 
Frage  nach  dem  Meister,  nach  der  Seltenheit  "des  Stückes  an  sich, 
nach  dem  Kunstwert  der  Arbeit,  endlich  nach  dessen  Vollständigkeit. 
Was  nicht  unter  einem  der  hier  erwähnten  Gesichtspunkte  Interesse 
bietet,  ist  Ware  von  geringem  Wert,  die  zwar  als  instruktives  Material 
in  öffentlichen  Sammlungen  nicht  fehlen  darf,  aber  nur  im  Zusammen- 
hange mit  anderem  eine  waffengeschichtliche  Bedeutung  besitzt.  Die 
hier  angeführten  Gesichtspunkte  sollten  ebensowohl  für  den  Händler 
wie  für  den  Käufer  bei  der  Beurteilung  des  Preises  allein  mafsgebend 
sein.  Das  ist  indes  nicht  der  Fall,  weil  unsere  geschichtlichen  Kennt- 
nisse zur  Stunde  noch  zu  mangelhaft  sind,  um  für  eine  angemessene 
Normierung  der  Preise  in  allen  Fällen  einen  festen  Anhalt  zu  bieten. 

Bei  der  Lückenhaftigkeit  unserer  kunstgeschichtlichen  Erkenntnis 
läfst  sich  eine  Waffe  nur  in  wenigen  Fällen  auf  ihren  Meister  hin 
schätzen,  überhaupt  wird  ihr  Wert  meist  unterschätzt.  Dem  Verfasser 
erscheint  zum  Beispiel  ein  einfacher  Haudegen  mit  einer  zugehörigen 
Klinge  des  Spaniers  Alonso  de  Sahagun  oder  des  Italieners  Andrea 
Ferraro  wertvoller  als  der  zierlichste  —  ohne  Marke;  ein  Harnisch 
mit  dem  Zeichen  des  Augsburger  Matthäus  Frauenbrifs  weit  kost- 
barer als  einer  des  gleichzeitigen  Nürnbergers  Mert  Rotschmied;  eine 
Arkebuse  mit  einem  Laufe  von  dem  älteren  Brescianer  Lazaro 
Cominazzo  viel  begehrenswerter  als  eine  selbst  künstlerisch  schöner 
ausgestattete  seines  jüngeren  Landsmannes  Giovanni  Francino  u.  s.  w. 
Die  Kenntnis  der  Meister  und  ihrer  Marken  ist  im  Verkehre  noch 
nicht  ins  Konzept  aufgenommen  worden,  weshalb  die  Grundlage  für 
die  Wertbestimmung  noch  ganz  unsicher  erscheint.  Vielleicht  tragen 
unsere  Ausführungen  und  die  am  Schlüsse  gegebene  Liste  der  Namen 
und  Marken  von  Waffenschmieden,  deren  Zusammenstellung  zumeist 
auf  dem  eigenen  Studium  des  Verf.  beruht,  dazu  bei,  einen  sichereren 
Mafsstab  für  den  Wert  alter  Waffen  zu  schaffen. 


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2.   Die  Aufstellung  der  Waffen 


Die  Anordnung  von  Waffensammlungen  mufs  sich  nach  dem  Zwecke 
richten,  welchem  sie  zu  dienen  haben.  Sind  sie  in  den  Händen  des 
Staates,  einer  Provinz,  einer  Gemeinde  oder  überhaupt  öffentlich,  dann 
mufs  die  Art  der  Anordnung  der  Gegenstände  dem  Bedürfnisse  nach 
Belehrung  strenge  entsprechen.  Da  hat  der  Dilettantismus  oder  das 
Streben  nach  dekorativer  Wirkung,  mit  der  so  häufig  die  Unkenntnis 
bemäntelt  wird,  kein  Wort  mitzureden.  Die  Vorführung  mufs  derart 
sein,  dafs  sie  den  historischen  Gedanken  festhält,  die  Entwickelung 
des  Waffenwesens  demonstriert  und  so  nicht  nur  Material  zur  Er- 
läuterung der  politischen,  sondern  auch  der  Kulturgeschichte  über- 
haupt bietet.  Die  Anordnung  mufs  also  eine  chronologische  sein, 
„beginnend  mit  dem  ältesten  Stücke  und  endigend  mit  dem 
jüngsten".  Öffentliche  Sammlungen,  welche  nach  anderen  Gesichts- 
punkten geordnet  sind,  entsprechen  nicht  dem  wissenschaftlichen 
Zwecke,  und  unter  Umständen  erscheint  eine  mehr  auf  „Bewunderung" 
als  „Belehrung"  abzielende  Gruppierung  als  eine  unverantwortliche 
Vergeudung  des  öffentlichen  Gutes,  der  baldmöglichst  Schranken  ge- 
setzt werden  sollten. 

Halten  wir  den  Gedanken  einer  strenge  chronologisch -synchro- 
nistischen Reihung  fest,  dann  gelangt  unversehens  der  einfachste 
Gegenstand  als  ergänzender  Teil  zu  gleicher  Wichtigkeit  mit  den  an 
sich  wertvollsten  und  seltensten  Stücken.  Dadurch  ergibt  sich  von 
selbst,  dafs  jedes  Stück  zwar  in  fachgemäfser  Zusammenstellung  er- 
scheinen, aber  aufser  dekorativer  Verbindung  mit  anderen  bleiben  mufs. 

Im  nachfolgenden  geben  wir  einige  Regeln  für  die  Aufstellung 
einer  dem  erwähnten  Grundsatze  entsprechenden  Waffensammlung. 

Ganze  Plattenharnische  sind  auf  Figurinen  (Gestellen)  anzu- 
bringen, welche  in  einfachster  Form  zu  fertigen  sind.  Man  vermeide 
es,  geschnitzte  oder  wächserne  Gesichter  oder  Hände  beizugeben,  die 
der  Sammlung  den  Charakter  eines  Wachsfiguren  -  Kabinettes  geben 
würde.  Ebenso  ist  es  zweckwidrig,  Harnische  auf  hölzerne  Pferde 
zu  setzen,  wodurch  die  Sättel  der  Ansicht  entzogen  werden  und  vor 
der  Zeit  zu  Grunde  gehen.  Pferdeharnische  werden  auf  Gestelle  auf- 
gelegt, ebenso  halbe  Mannsharnische  auf  Kreuzgestelle  gehängt.  Kein 
Harnisch  darf  mit  einer  Angriffs-  oder  anderen  Schutzwaffe  in  Ver- 
bindung vorgeführt  werden.  Derlei  Zusammenstellungen  führen  nur 
zu  irrigen  Anschauungen  und  verleiten  unwillkürlich  zur  Erzielung  von 
theatralischen  Effekten.  Ein  Harnisch  ist  eben  nur  ein  Harnisch,  und 
es  darf  niemand  einfallen,  sich  bei  dessen  Anblicke  einen  in  Eisen 
gekleideten  Menschen,  etwa  einen  alten  Helden  mit  gezücktem 
Schwerte  u.  dgl.  zu  denken.  Das  ist  eine  romantische  Spielerei.  Die 
ihrem  historischen  Werte  oder  ihrer  Form  nach  interessantesten  An- 


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2.   Die  Aufstellung  der  Waffen. 


533 


griffswaffen  sind  dem  Auge  nahezurücken,  daher  auf  am  Boden 
ruhenden  Gestellen  anzubringen.  Duplikate  und  sonst  minder  bedeut- 
same Stücke,  Schwerter,  Degen,  Stangenwaffen  mit  nicht  vollkommen 
erhaltenen  Schäften  u.  dgl.  können  dagegen,  im  Falle  es  an  Platz 
mangelt,  auf  Waffenbretter "  gruppiert,  an  den  Wänden  zur  Ansicht 
gelangen;  doch  soll  jedes  Stück  so  angebracht  sein,  dafs  es  im  Be- 
dürfnisfalle leicht  und  schnell  herabgenommen  werden  kann.  Fahnen 
müssen  vollkommen  entfaltet  an  den  Wänden  oder  in  den  Saalmitten 
hängend  angebracht  werden.  Alle  Drapierungen  sind  zu  vermeiden. 
Gegenstände  von  geringen  Dimensionen,  aber  von  an  sich  bedeuten- 
derem Kunstwerte,  von  gröfserer  Seltenheit  und  solche  subtilerer  Struktur 
sind  in  Glaskästen  zur  Schau  zu  stellen,  die,  freistehend,  den  Gegen- 
stand von  allen  Seiten  zu  betrachten  gestatten.  Sie  müssen  immer 
so  gestellt  werden,  dafs  das  Licht  von  den  Fenstern  nicht  diametral 
auf  die  Glasscheiben  fällt 

Diese  Forderungen  sind  unabweislich  an  Staats-  und  öffentliche 
Sammlungen  zu  stellen;  ein  anderes  ist  es  aber  bei  privaten  Kollek- 
tionen. Bei  diesen  entfällt  selbstverständlich  jede  Forderung,  denn  jeder 
hat  das  Recht,  seinen  Besitz  nach  seinen  eigenen  Anschauungen  zu 
ordnen.  Wir  hätteD  demnach  die  Pflicht,  an  dem  Privatbesitze 
stumm  vorüberzugehen.  Wenn  wir  dennoch  über  die  Ordnung  privater 
Waffcnsammlungen  uns  einige  Winke  zu  geben  erlauben,  so  sind  wir 
dazu  aus  dem  Grunde  veranlagt,  dafs  eine  nicht  geringe  Anzahl  von 
Besitzern  wertvoller  Sammlungen,  die  diese,  von  humansten  Gefühlen 
beseelt,  dem  Publikum  eröffnet  haben,  nicht  abgeneigt  sind,  ihre 
eigenen  Anschauungen  mit  dem  Bedürfnis  der  Belehrung  in  thunlichsten 
Finklang  zu  bringen.  Zudem  haben  wir  die  Überzeugung  gewonnen, 
dafs  fast  jeder  Sammler  von  Waffen  sachgemäfsen  Urteilen  über  die 
Art  der  Aufstellung  gerne  das  Ohr  leiht,  sei  es  auch  nur,  um  einzelne 
Winke  zu  beherzigen  und  sich  nach  ihnen  zu  richten. 

Jeder  einzelne  Sammler  pflegt  nach  bestimmten  Richtungen  zu 
sammeln,  und  so  trägt  jede  private  Waffensammlung  ihren  eigenen 
Charakter  an  sich.  Die  grofse  Masse  privater  Sammler  gellt  lediglich 
von  der  Absicht  aus,  mit  älteren  Waffenstücken  dekorative  Effekte  zu 
erreichen.  In  dieses  Streben  mengen  sich  oft  dunkle,  romantische 
Empfindungen,  mit  welchen  man  sich  in  eine  vergangene  Zeit  hinein- 
träumt, als  Gegensatz  zu  der  schal  erscheinenden  Gegenwart.  Das 
sind  freilich  Passionen,  mit  denen  wir  hier  nicht  zu  rechnen  haben 
und  denen  gegenüber  wir  nur  Andeutungen  geben  können,  wie  ihnen 
nachzugehen  wäre,  ohne  dem  Gegenstande  selbst,  der  Waffe,  Gewalt 
anzuthun.  Vor  allem  vermeide  man  es  strenge,  mit  Harnischen  andere 
Waffen  in  Verbindung  zu  bringen,  welche  weder  aus  derselben  Zeit 
stammen,  noch  zum  Gegenstande  stimmen.  So  sieht  man  z.  B.  häufig 
Zweihänder  in  die  Handschuhe  von  Reiterharnischen  geklemmt,  die, 
wie  wir  gesehen  haben,  nur  von  gemeinen  Knechten  zu  Fufs  gc- 


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584 


IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


führt  wurden.  Oft  hängt  an  den  Hüften  eines  Turnierharnisches  des 
1 6.  Jahrhunderts  ein  zierlicher  italienischer  Stadtdegen  mit  doppeltem 
Eselshuf,  oder  es  ist  einem  schweren  Stechzeuge  eine  Helmbarte  in 
die  steifen  Hentzen  gedrückt.  Derlei  Widersprüchen  und  Anachro- 
nismen begegnen  wir  in  Hülle  und  Fülle.  Ganz  unzweckmäfsig  ist 
es  ferner,  in  verschwenderischer  Weise  kostbare  Waffen,  zu  sogenannten 
Trophäen  gruppiert,  hoch  an  die  Wände  zu  nageln,  da  man  mit 
den  prunklosestcn  Stücken  genau  dieselbe  Wirkung  erzielen  kann. 
Unten  an  die  Wände  gestellt,  auf  Tische  oder  Kästen  gelegt,  erfüllen 
sie  weit  besser  den  beabsichtigten  Zweck.  Fahnen  mit  in  Falten 
herabhängenden  Blättern  aufzustellen,  sollte  vermieden  werden.  Sie 
müssen,  wie  es  schon  in  alten  Zeiten  geschah,  mit  horizontalen 
Schäften  an  das  Gewölbe  gehängt  werden,  so  dafs  die  Blätter  glatt 
herabfallen.  Turnierzeug  ist  immer  von  den  Feldwaffen  und  womög- 
lich räumlich  zu  trennen,  ebenso  die  Jagd-  und  Zielwaffen,  wie  auch 
orientalische  Gegenstände,  da  diese  einem  besonderen  Kulturgebiet 
angehören. 

Ein  wichtiges  Kapitel  im  Sammelwesen  betrifft  die  Ergänzungen 
von  unvollständigen  Stücken.  In  öffentlichen  Sammlungen  ist  jede 
Ergänzung  dieser  Art  unstatthaft.  Man  kann,  statt  ein  schadhaftes 
Stück  zu  ergänzen,  lieber  ein  gutes  Bild,  selbst  eine  Imitation  vor 
Augen  stellen,  auch  den  Gebrauch  desselben  bildlich  darstellen;  das 
schadhafte  Original  mufs  aber  bleiben,  wie  es  ist,  weil  in  den  meisten 
Fällen  jede  moderne  Zuthat  einer  Schädigung  desselben  gleichkommt. 
Bei  Sammlern  ist  das  Streben,  etwas  Vollständiges  zu  besitzen,  freilich 
zu  grofs,  als  dafs  nicht  allenthalben  solche  Ergänzungen  vorkämen, 
die  das  Auge  des  Kenners  doch  nicht  täuschen.  Was  kann  man  da 
nicht  alles  sehen!  Harnische  werden  mittels  Papiermache  oder  Blech 
vervollständigt,  Stangen  an  Spiefsen  und  Helrabarten  neu  gemacht, 
Löcher  in  Fahnenblättern  werden  mit  Stoff  überklebt  und  roh  mit 
Farben  überklext.  In  Schwert-  und  Degengriffe  werden  Eisenstücke 
eingestofsen,  die  aus  der  Entfernung  als  schöne  Klingen  erscheinen 
.sollen.  Nicht  selten  wird  aus  zwei  unvollständigen  Stücken  ein  ganzes 
gemacht,  und  der  Eigentümer  hat  eine  Herzensfreude  über  das  ver- 
meintlich gelungene  Werk.  Von  solchem  Vorgehen  möchten  wir 
dringend  abraten.  Der  Eigentümer  denkt  oft  nicht  daran,  welchen 
Schaden  er  eines  besseren  dekorativen  Eindruckes  wegen  einer  wert- 
vollen, wenn  auch  unvollständigen  Waffe  zufügt.  Da  ist  es  ratsamer, 
um  wenige  hundert  Mark  die  ganz  trefflich  ausgeführten  Abgüsse  von 
Zierwaffen  des  Stolbergschen  Eisenwerks  in  Ilsenburg  oder  gute 
galvanoplastische  Kopien  von  Haas  in  Wien  etc.  zu  kaufen,  die  für 
eine  Dekoration  vollauf  ihre  Dienste  thun. 

Manche  Schlofsherrcn  besitzen  auf  ihren  Stammsitzen  zahlreiche 
Waffenstücke,  die  nicht  bei  Antiquaren  und  Trödlern  zusammengekauft, 
sondern  seit  Jahrhunderten  von  Generation  auf  Generation  vererbt 


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3.  Einige  Worte  über  die  Erhaltung  der  Waffen. 


worden  sind.  Bei  derlei  Materiale  fordert  es  die  Pietät,  es  in  Ehren 
und  unverletzt  zu  erhalten.  Aber  gerade  diese  Pietät  führt  oft  zu 
den  empfindlichsten  Schädigungen  kostbarster  Sammlungen,  denn  hier 
waltet  oft  uneingeschränkt  der  sicher  zerstörende  Rost,  der  Grünspan 
und  die  Fäule.  Häufig  in  feuchten  Gewölben  untergebracht,  gehen 
die  schönsten  Stücke  ihrem  Verderben  weit  vor  der  Zeit  entgegen» 
Gerade  für  solche  Sammlungen  würde  sich  eine  Übersiedelung  in 
lichte,  trockene  Räume  und  eine  chronologische  Aufstellung  empfehlen, 
denn  die  Pietät  äufsert  sich  nicht  allein  in  der  substanziellen  Bewah- 
rung, sondern  in  der  Fürsorge  für  die  Erhaltung  und  in  einer  ebenso 
würdigen  als  zweckmäfsigcn  Aufstellung.  Derlei  Arbeiten  lassen  sich 
auch  auf  mehrere  Jahre  verteilen.  Auch  in  diesem  Falle  mufs  man 
von  dem  Gedanken  absehen,  statt  Harnischen  geharnischte  Männer, 
statt  Rofszeugen  geliegerte  Pferde  u.  s.  w.  vor  Augen  stellen  zu 
wollen.  Das  kostet  viel  Geld  und  lenkt  die  Aufmerksamkeit  von  dem 
eigentlichen  Gegenstande  ab,  der  gar  oft  nicht  unbedeutenden  Wert 
besitzt  und  mit  der  Geschichte  des  Schlosses,  in  dem  er  sich  befindet, 
in  engen  Beziehungen  steht. 

Wer  aber  nur  wenige,  aber  künstlerisch  wertvolle,  schöne  und 
seltene  Stücke  besitzt,  der  verzichte  darauf,  sie  vereint  aufzustellen 
oder  gar  zu  gruppieren.  Der  lege  sie,  wenn  die  Gegenstände  es 
erlauben,  auf  Tische,  Etageren  und  Kommoden  in  seinen  Wohn- 
zimmern, stelle  Harnische  an  geeigneten  Punkten  auf  dem  Boden 
auf,  breite  Fahnen  gleich  Arazzis  an  die  Wände;  da  werden  sie  zum 
Schmucke  der  Räume  beitragen  und*  der  Bewunderung  des  kunst- 
verständigen Fachmannes,  welcher  als  Gast  eintritt,  nicht  entgehen. 


3.  Einige  Worte  über  die  Erhaltung  der  Waffen. 

Zur  Erhaltung  der  WafTen  in  einem  Stande,  welcher  einen  vor- 
zeitigen Ruin  ausschliefst,  ist  in  erster  Linie  die  Räumlichkeit  in  Er- 
wägung zu  ziehen,  in  der  sie  aufbewahrt  werden.  Das  Hauptmatcrial, 
aus  welchem  die  Waffen  bestehen,  ist  das  Eisen,  aber  oft  ein  mangel- 
haft ausgeschlacktes,  unreines  und  mit  anderen  Mineralien  versetztes, 
namentlich  schwefeliges  Eisen.  Darum  ist  die  Wahl  des  Lokales 
mit  besonderer  Vorsicht  vorzunehmen.  Selbstverständlich  ist  es, 
dafs  der  Raum  vollkommen  trocken  sein  mufs  und  womöglich  nicht 
an  der  Sonnenseite  gelegen  ist.  Überdies  ist  aber  unerläfslich,  dafs 
die  äufsere  Temperatur  nicht  unmittelbar  auf  das  Innere  zu  wirken 
vermag.  Das  ist  besonders  im  Frühjahre  von  Wichtigkeit,  wenn  die 
ersten  wärmeren,   sonnigen  Tage  beginnen;  da  ist  Sorge  zu  tragen, 


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586 


IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


dafs  die  innere  kalte  Luft  sich  nur  allmählich  und  so  langsam  als 
möglich  erwärme,  weil  der  plötzlich  eindringende  warme  Luftstrom 
sich  im  Augenblick  kondensiert. 

Hat  man  dieser  Hauptbedingung  genügt,  sodafs  sich  der  für 
die  Aufbewahrung  von  Waffen  bestimmte  Raum  in  einer  möglichst 
gleichen  Temperatur  im  Winter  wie  im  Sommer  erhält,  dann  werden 
die  darin  aufgestellten,  ursprünglich  gut  gereinigten  Waffen  stets  in 
klaglosem  Zustande  bleiben,  und  man  wird  nur  in  längeren  Zeiträumen 
einmal  eine  eingehende  Durchsicht  vorzunehmen  haben,  um  die  durch 
die  natürliche  Feuchtigkeit  der  Wände  etwa  entstandenen  Rostansätze, 
die  sich  oft  nur  durch  winzige,  braune  Pünktchen  ankündigen,  durch 
Befeuchten  mit  öl  zu  entfernen.  Dabei  mufs  der  Grundsatz  beobachtet 
werden,  dem  Rost  schon  im  ersten  Entstehen  zu  begegnen. 

Eine  zweite  unerläfsliche  Bedingung  zur  rostfreien  Erhaltung  der 
Waffen  ist,  dafs  das  Berühren  derselben  mit  den  blofsen  Händen 
möglichst  vermieden  und  dafs  eine  Waffe,  die  berührt  wurde,  nach- 
traglich mit  einem  trockenen,  weichen  Tuche  abgewischt  wird.  Es 
bedarf  wohl  keiner  Erwähnung,  dafs  man  es  vermeiden  mufs,  Waffen  - 
Sammlungen  in  feuchten  Kleidern  zu  betreten  oder  die  Fufsböden 
mit  Wasser  zu  reinigen. 

Man  hat  schon  im  17.  Jahrhundert  die  Gegenstände  der  Rüst- 
kammern mit  dünnem  Firnis  überzogen,  um  sie  rostfrei  zu  erhalten. 
Das  gibt  dem  Eisen  aber  ein  häfsliches  Ansehen,  ohne  viel  zu  nützen. 
Ebenso  ist  das  Einfetten  des  Eisens  eher  schädlich,  weil  jedes  Fett 
nach  einiger  Zeit  ranzig  wird  und  Säuren  bildet,  die  gerade  das 
Entstehen  des  Rostes  befördern.  In  einem  gleichmäfsig  temperierten 
Räume  kann  man  das  Eisen  ohne  jeden  Überzug  lassen. 

Jeder  neuübernommene  Gegenstand  mufs  bezüglich  seines  Zu- 
standes  auf  das  genaueste  untersucht  und  darf  nicht  früher  in  die 
Sammlung  eingereiht  werden,  als  bis  er  vollständig  rostfrei  gemacht 
worden  ist. 

Das  Befreien  des  Eisens  von  Rost  ist,  wenn  es  in  angemessener 
Weise  und  ohne  Schädigung  des  Materiales  vorgenommen  werden  soll, 
keine  ganz  einfache  Sache,  es  erfordert  aufserordentliche  Sorgfalt  und 
vor  allem  Geduld.  Was  oft  in  Jahrhunderten  sich  entwickelt  hat, 
soll  man  nicht  in  Minuten  vom  Platze  schaffen  wollen.  Vorerst  ist 
zu  beurteilen,  ob  das  Oxyd  bereits  den  Körper  und  bis  zu  welchem 
Grade  angegriffen  hat,  oder  ob  es^  in  nur  geringem  Grade  schädigend 
die  Oberfläche  deckt.  Jeder  Rost  mufs  aber  unbedingt  entfernt 
werden,  hätte  er  auch  noch  so  zerstörend  auf  das  Material  gewirkt. 

Das  Mittel,  um  Eisen  von  Rost  zu  befreien,  ist  einfach  und  all- 
gemein bekannt,  weniger  die  Methode.  Man  befeuchtet  die  Roststelle 
stark  mit  frischem,  reinen  Öl,  ohne  im  mindesten  zu  reiben  oder 
gar  sich  des  Schmirgels  zu  bedienen.  Jeder  Rost  löst  sich  in  Öl  all- 
mählich auf;  es  ist  darum  nichts  weiter  zu  thun,  als  das  aufgetragene 


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3.  Einige  Worte  über  die  Erhaltung  der  Waffen. 


587 


Öl  nach  einigen  Tagen  einfach  wegzuwischen,  frisches  aufzutragen 
und  damit  so  lange  geduldig  fortzufahren,  bis  die  rotbraune  Kruste 
vollständig  aufgelöst  und  entfernt  ist.  Zeigen  sich  unterhalb  schwarze 
Flecken,  wie  sie  zuweilen  in  Vertiefungen  vorkommen,  so  ist  das  nicht 
mehr  Rost,  sondern  das  Bild  des  Schadens  selbst,  den  das  Oxyd 
verursacht  hatte.  Derlei  Flecken  sind  nur  dadurch  zu  entfernen,  dafs 
man  die  Stelle  mit  Schmirgelpapier  behandelt;  aber  es  ist,  bevor  man 
zu  diesem  den  Körper  selbst  angreifenden  Mittel  schreitet,  wohl  zu 
erwägen,  ob  der  Gegenstand  nicht  dadurch  in  seinem  archäologischen 
oder  seinem  Kunstwerte  für  immer  geschädigt  wird. 

Klingen  sind  in  der  Regel  leicht  zu  reinigen,  schwieriger  ist  dies 
bei  Schilden,  welche  innen  Fütterungen  haben,  die,  damit  die  Innen- 
seite gereinigt  werden  kann,  abgenietet  werden  müssen;  am  aller- 
schwierigsten  aber  bei  Harnischen,  weil  dem  Roste  zwischen  den 
Folgen  schwer  beizukommen  ist,  so  dafs  im  äufsersten  Falle  nichts 
übrigbleibt  als  sie  zu  zerlegen  und  neue  Lederstreifen  (Geschiebleder) 
einzufügen.  Besitzer  gröfserer  Sammlungen  werden  daher  wohlthun, 
stets  einige  Pakete  Nieten  mit  gelben  und  weifsen  Köpfen  und  ver- 
schiedener Gröfse  im  Vorrate  zu  halten,  weil  nicht  selten  Nieten  an 
stark  beschädigten  Harnischen,  besonders  wenn  sie  ursprünglich  stark 
angezogen  waren,  bei  Temperaturwechsel  ausspringen. 

An  glatten,  unverzierten  Flächen  kann  man  sich  zum  Entfernen 
des  Rostes  unbedenklich  des  Steinöls,  Petroleums,  bedienen,  nur  nicht 
an  Stellen,  die  mit  Schwarzätzung  verziert  sind,  weil  Petroleum  das 
in  den  Vertiefungen  liegende  Schwarzlot  angreift.  Selbst  bei  Behand- 
lung mit  gewöhnlichem  Baumöl  ist  in  diesem  Falle  aufserordentliche 
Vorsicht  geboten,  damit  das  Schwarzlot  nicht  herausgelaugt  wird. 

Jeder  blanke  Harnisch  mufs  in  tadellos  reinem  Zustande  erscheinen, 
er  mufs  auf  das  reinste  geputzt  oder,  wie  der  alte  Fachausdruck 
lautet,  „gewischt"  sein.  Dieses  Wischen  der  Harnische  erfordert 
eine  eigene  Übung.  Gute  Harnisch wischer  waren  schon  seit  dem 
Aufkommen  der  Plattenharnische  sehr  gesucht.  An  einem  gut  ge- 
wischten Harnische  müssen  die  Putzstriche  in  vollständig  paralleler 
Richtung  laufen  und  dürfen  sich  nirgends  kreuzen.  Sehr  schwache 
und  durch  vieles  unverständiges  Putzen  dem  Ruine  nahegeführte 
Harnische  läfst  man  lieber  ungewischt  und  reinigt  sie  blofs  mit  ge- 
wöhnlicher Seife.  Übereifrige  Diener  vergehen  sich  nicht  selten  so 
weit,  Harnische,  Schilde,  Schwertgriffe,  Läufe  etc.  zu  polieren.  Man 
untersage  ihnen  dieses  strenge.  Ein  derart  mifshandelter  Gegenstand 
ist  nicht  das  halbe  Geld  mehr  wert. 

Rostflecke  auf  gebläutem,  d.  i.  blau  angelaufenem,  geschwärztem, 
d.  i.  in  heifser  Asche  gebranntem,  und  gebräuntem  (brüniertem)  Eisen 
sind  nicht  zu  entfernen,  ohne  die  Färbung  mehr  oder  weniger  zu  be- 
schädigen. Man  mufs  entweder  die  betreffende  Stelle  blank  lassen 
oder  die  Färbung  des  gesamten  Gegenstandes  entfernen  und  durch 


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5S8 


IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


eine  neue  ersetzen.  Bei  archäologischen  Gegenständen  ist  aber  ein 
dahingehender  Entschlufs  stets  bedenklich,  weil  sie  unbedingt  an 
Wert  dadurch  einbüfsen;  denn  jede  nachträgliche  Färbung  ist  dem 
Fach  manne  leicht  kenntlich.  • 

Das  Innere  der  Gewehrläufe  wird  untersucht,  indem  man  ein 
scheibenförmiges,  glänzend  poliertes  Plättchen  von  Stahl,  „Spiegel", 
in  den  Grund  des  Laufes  gleiten  läfst  und  dann  diesen  gegen  das 
Licht  hält.  Der  Reflex  des  Spiegels  erhellt  die  Laufwandungen  so 
vollständig,  dafs  man  jede  rostige  Stelle  sofort  erkennen  kann. 

Mit  Ausnahme  des  Goldes  unterliegen  alle  für  unsere  Zwecke  in 
Betracht  kommende  Metalle  der  Oxydation.  Diese  ist  zweifacher  Art ; 
die  eine  ist  vorteilhaft  und  wirkt  konservierend,  die  andere  ist  un- 
bedingt schädlich  und  mufs  hintangehalten  werden. 

Bronze  nimmt,  je  nach  ihrer  Zusammensetzung,  durch  die  Ein- 
wirkung des  Sauerstoffes  der  Luft  an  der  Oberfläche  allmählich  eine 
andere  Färbung  an,  indem  sich  halbkohlensaures  Kupferoxydhydrat 
entwickelt;  sie  wird  erst  bräunlich  und  erhält  später,  ohne  die  Glätte 
einzubüfsen,  eine  tiefgrünliche  Farbe.  Diese  feine  Kruste,  die  gegen 
die  zerstörende  Einwirkung  der  Witterung  schützt,  ist  die  schon  im 
Altertume  gepriesene  patina  antiqua.  Gegenstände,  welche  auf  natür- 
lichem Wege  diese  Patina  erhalten  haben,  werden  von  Kennern  stets 
mit  Interesse,  unter  Umständen  selbst  mit  hoher  Bewunderung  be- 
trachtet. Man  soll,  um  die  Patinabildung  nicht  zu  stören,  einen 
Bronzegegenstand  nie  mit  Tüchern  abwischen,  sondern  lediglich  mit 
einem  Haarpinsel  oder  Flederwisch  vom  Staube  befreien. 

Etwas  anderes  ist  es  mit  einem  Oxyd,  das  sich  an  einzelnen 
Stellen,  vornehmlich  in  scharfen  Vertiefungen  ansetzt,  sich  von  da 
immer  weiter  verbreitet  und  den  Gegenstand  allmählich  zerstört.  Es 
ist  im  Gegensätze  zur  Patina  von  hellgrüner,  dem  Schweinfurter  Grün 
ähnlicher  Farbe  und  hat  ein  kalkähnliches  Aussehen;  dieses  essig- 
saure Kupferoxyd,  der  sogenannte  „Grünspan",  mufs  entfernt  werden, 
wenn  man  den  Gegenstand  erhalten  will. 

Diesem  Feinde  unterliegen  auch  andere  Metalle,  wie  Kupfer  und 
Messing  gleich  allen  Kupferlcgierungen.  Auch  hier  ist  das  Ol  das 
beste  Mittel  zur  Entfernung  des  Schadens.  Am  sichersten  und 
schnellsten  würde  freilich  Essig  oder  Weinsteinsäure  wirken,  beide 
würden  das  Oxyd  augenblicklich  entfernen;  aber  selbst  bei  sorglichster 
Reinigung  der  Stellen  würden  die  Säuren  die  Ursache  zu  neuem 
Oxydansatze  werden.  Somit  ist  nur  Baum-  oder  Steinöl  zu  empfehlen; 
wenn  es  nötig  ist,  hilft  man  mit  kleinen  Holzstückchen  nach,  um  die 
Kruste  aufzulockern. 

Silber  verliert  durch  den  Zutritt  des  Schwefelwasserstoffes  in  der 
Luft  im  Oxydul  den  Glanz  und  verändert  seine  Farbe  ins  Tiefgraue, 
zuweilen  ins  Bräunliche.  Den  grauen  Farbton  nennt  man  „Altsilber". 
Diese   Kruste,    so  sehr  sie  auch   die  künstlerische  Wirkung  eines 


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3.  Einige  Worte  über  die  Erhaltung  der  Waffen. 


589 


Gegenstandes  beeinträchtigt,  hat  den  Vorzug,  dafs  sie  gleich  der 
Bronzepatina  konservierend  wirkt,  sie  darf  daher  nicht  entfernt  werden. 
Bräunliche  Färbungen  nimmt  man  in  der  Regel  weg,  indem  man  den 
Gegenstand  mit  Seife  leicht  einreibt  und  diese  nach  einigen  Stunden 
mit  frischem  Wasser  wieder  wegwäscht 

Organische  Stoffe,  wie  Holz,  Horn,  Bein  etc.,  bedürfen  zu  ihrer 
Erhaltung  frischer  Luft,  die  aber  nicht  feucht  sein  darf.  Bei  Stücken 
von  Holz  wird  nasse  Fäulung  wohl  kaum  vorkommen,  wohl  aber  die 
sog.  Trockenfäule,  welche  den  Stoff  in  eine  mehlige  Substanz  auf- 
löst. Hier  hilft  kein  anderes  Mittel,  als  dafs  man  den  Gegenstand 
mit  Substanzen  tränkt,  die  fäulniswidrig  sind,  wie  konzentrierte  Salz- 
sole, Meerwasser,  Alaun  u.  dgl.  Man  hüte  sich  aber,  den  Gegen- 
stand etwa  mit  kieselsaurem  Natron,  dem  sogenannten  Wasserglas, 
zu  überziehen,  weil  gerade  der  Mangel  an  Luft  die  Trockenfäule  ver- 
ursacht und  Wasserglas  den  Zutritt  der  Luft  nahezu  aufhebt. 

Ein  gefährlicher  Feind  gewisser  Holzarten,  besonders  harziger, 
ist  der  Holzwurm,  von  dem  in  Sammlungen  gewöhnlich  nur  eine  Art, 
der  sogenannte  Nagebohrer  (Anobium  striatum),  vorkommt.  Um  ihn 
zu  vernichten,  tränke  man  die  Bohrlöcher  mit  Benzin;  dann  verklebe 
man  sie  mit  Wachs,  um  beobachten  zu  können,  ob  sich  später  noch  neue 
Löcher  bilden,  in  welchem  Falle  man  das  Mittel  wiederholt.  Auch 
in  Horn  zeigen  sich  nicht  selten  kleine  Bohrkäfer;  man  tötet  sie  leicht 
mit  Terpentinöl. 

Das  Elfenbein  hat  die  üble  Eigenschaft,  dafs  es  im  Verlaufe  der 
Zeit  eine  bräunliche  Farbe  annimmt;  man  hilft  dem  am  sichersten 
und  ohne  Schaden  ab,  wenn  man  den  betreffenden  Gegenstand  unter 
einem  Glassturz  oder  zwischen  geschlossenen  Fenstern  dem  Sonnen- 
lichte aussetzt,  wodurch  die  Oberfläche  sich  nach  und  nach  wieder 
vollständig  bleicht.  Ein  anderes,  etwas  schärferes  Mittel  ist  das  Be- 
feuchten mit  Seifenwasser  oder  Benzin  und  nachträgliches  Reinigen 
der  Flüchen  mit  Kalkstaub,  der  mit  weichen  Bürsten  darübergerieben 
wird.  Durch  das  Alter  gelb  gewordenes  Elfenbein  befeuchtet  man 
auch  mit  rektifiziertem  Terpentinöl  und  setzt  es  dann  längere  Zeit  der 
Sonne  aus.  Will  die  gelbliche  Färbung  nicht  weichen,  dann  wäre 
die  Anwendung  flüssiger,  schwefeliger  Säure  am  Platze;  sie  ist  aber 
als  letztes  und  schärfstes  Mittel  nur  im  Notfalle  und  nur  mit  aller 
Vorsicht  zu  gebrauchen. 

Das  Schwierigste  ist  die  Erhaltung  textiler  Gegenstände,  Sattel- 
überzüge, Fütterungen,  Fahnen  u.  dgl.  Solche  aus  Wolle  und  Leinen 
besitzen  einen  argen  Feind  in  der  sogenannten  Kleidermotte  (Tinea 
sarcitella),  die  nur  durch  Einstäuben  mit  Arsenik  oder  dem  bekannten 
Insektenpulver  auszurotten  ist.  Stete  Lüftung  ist  sehr  zu  empfehlen, 
ebenso  ist  starke  Sonnen-  oder  Ofenwärme  der  Brut  dieser  Insekten 
schädlich. 


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590 


IV.  Bemerkungen  für  Freunde  und  Sammler  von  Waffen. 


Fahnen,  namentlich  bemalte,  dürfen  nie  in  kleine  Falten  gelegt 
werden,  weil  jeder  scharfe  Bug  leicht  Bruch  erzeugt.  Das  Restau- 
rieren der  Fahnenblätter  durch  Steppen  ist  nur  bei  kleinen  Schäden 
anzuwenden.  Ausbesserungen  grofser  Löcher  durch  Applikationen 
sind  unstatthaft.  In  einigen  Sammlungen  werden  derlei  Abgänge  an 
dem  Stoff  durch  ein  Gitter  aus  gleichfarbigen  Seidenfäden  von  ctw.. 
0.5  cm.  messenden  Quadraten  ausgefüllt.  Löcher  an  Sattel  Polsterungen 
werden  durch  Unterlegen  eines  reinen  Seidenstoffes  oder  besser  durch 
Leder  soweit  ausgefüllt,  dafs  die  Füllung  nicht  herausfallen  kann. 


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V,   Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


ls  die  gewaltige  Bewegung  der  östlichen  Völker  nach  dem  Westen 


</~~\_  und  Süden  Europas  im  9.  Jahrhundert  ihr  Ende  nahm,  lag 
der  gesamte  Kontinent  im  Banne  des  Barbarismus.  Die  antike  Kultur 
war  zurückgegangen,  eingeschrumpft;  was  noch  davon  geblieben, 
fand  bei  den  fremden  Eroberern  mit  ihren  unklaren  Erinnerungen 
an  die  einstige  Gröfse  des  Römerreiches  nur  nach  der  äufserlichcn 
Seite  hin  eine  Wertschätzung.  Aber  mit  der  festen  Niederlassung  der 
Eroberer  begann  aus  der  eigenen  Volkskraft  heraus,  unterstützt  von 
den  vorhandenen  autochthonen  Elementen,  eine  neue  Kultur  fast  aus 
den  rohesten  Anfängen  heraus  emporzukeimen,  die  trotz  unausgesetzter 
Störungen  langsam  aber  stetig  zum  kräftigen  Baume  erwuchs.  Der  Weg 
vom  Barbarismus  zur  Gesittung  war  auch  hier  genau  derselbe  wie 
allenthalben,  wo  immer  ein  Volk  nach  geistiger  Entwickelung  ringt. 
Auch  hier  tritt  das  Streben  nach  Sicherheit  des  Lebens  und  des  Be- 
sitzes  naturgemäfs  der  Sehnsucht  nach  Behaglichkeit,  nach  einer  feineren 
Gestaltung  des  Lebens  voran,  und  die  lautesten  Forderungen  sind  auf 
die  Vervollkommnung  der  Waffe  gerichtet. 

Wenn  wir  den  Weg,  den  Kunst  und  Technik  im  Waffenwesen 
von  ihrem  Wiedererstehen  am  Beginne  des  Mittelalters  genommen 
haben,  verfolgen,  so  dürfen  wir  nicht  aufser  acht  lassen,  dafs  die  neu 
in  Europa  eingedrungenen  Völker  von  noch  ziemlich  lebhaften  Tradi- 
tionen aus  dem  Kulturgebicte  des  Orients  erfüllt  waren,  dafs  sie  in 
Gebieten  sich  sefshaft  machten,  in  denen  einesteils  die  antike  Kultur 
nicht  gänzlich  ausgestorben  andernteils  eine  noch  unentwickelte  zwar, 
aber  in  sich  selbst  geschlossene  Kultur  vorhanden  war,  die  in  den 
Resten  der  autochthonen  Bevölkerung  wurzelte.  Wenn  wir  diese  wich- 
tigen Umstände  uns  stets  vor  Augen  halten,  dann  erst  werden  wir 
mit  klarerem  Blicke  jene  Wandlungen  verstehen,  welche  die  Technik 
im  Waffenwesen  und  jenes  versöhnende  Element  darin  erfahren  hat, 
das  nach  der  Schönheit  zielt. 


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592  V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 

Der  Waffenschmied  ist  ein  Eisenarbeiter,  von  seiner  Fähigkeit, 
das  harte  Metall  zu  bearbeiten  und  zu  formen,  hängt  die  Güte  der 
Waffe  ab.  Schon  in  antiker  Zeit  war  darin  der  Orientale,  vor  allem 
der  Inder,  den  westlichen  Nationen  weit  überlegen  und  ist  es  ge- 
blieben bis  auf  die  Gegenwart;  denn  noch  heute  ist  man  mit  dem 
riesigsten  Aufwände  von  Mitteln  in  Europa  nicht  im  stände,  eine  Klinge 
von  der  Güte  einer  indischen,  persischen  oder  japanesischen  herzustellen 

Von  der  Zubereitung  des  Eisens  im  Oriente  in  älterer  Zeit  i>t 
man  nur  ungenügend  unterrichtet.  In  Europa  war  die  Zubereitung 
des  Eisens  lange  Zeit  «'iufserst  primitiv.  Das  uralte  Pochen  in  Mörsern 
und  das  Sieben  hatte  sich  vom  Altcrtume  her  bis  ins  Mittelalter  fort- 
vererbt, und  erst  15 19  wurde  zu  Joachimsthal  im  Erzgebirge  das 
erste  nasse  Pochwerk  angelegt.  In  der  Frühzeit  des  Mittelalters  bot 
dem  Waffenschmiede  die  Fertigung  der  Schwertklinge  die  gröfsten 
Schwierigkeiten,  daher  man  guten  Schwertern  schwärmerische  Ver- 
ehrung widmete  und  ihnen  nicht  selten  auch  wunderbare  Kräfte  bei- 
mafs.  Der  alte  Haubert,  die  Brünne  und  auch  der  spätere  Lentner 
wurde  nur  aus  kleinen  Eisenstückchen  und  geschmiedetem  Draht  ge- 
bildet, die  Schilde  aus  mehreren  Blechstücken  zusammengesetzt,  die 
untereinander  vernietet  waren;  selbst  der  Helm  bestand  aus  mehreren 
verschweifsten  Stücken,  aber  eine  Klinge,  zumal  von  gröfsercr  Länge, 
zu  fertigen,  das  gehörte  bei  den  hohen  Ansprüchen  an  die  Leistungs- 
fähigkeit zu  den  schwierigsten  Aufgaben ,  und  daraus  erklärt  sich, 
dafs  die  ersten  Waffenschmiede  ihr  Verfahren  mit  dem  Schleier  tiefsten 
Geheimnisses  zu  umgeben  trachteten.  In  grolscn  Mengen  sendeten 
die  sarazenischen  Werkstatten  Siziliens,  die  maurischen  Spaniens  vom 
9,  Jahrhundert  an  ihre  unübertrefflichen  Klingen  nach  Europa.  Später, 
im  1  I.Jahrhundert  entwickelte  sich  eine  namhafte  Einfuhr  aus  Damaskus 
über  Byzanz  nach  Venedig,  ebenso  aus  Indien  nach  Genua. 

Eine  außerordentliche  Geschicklichkeit  und  ungemeine  Vorsicht 
und  Geduld  erforderte  das  Schmieden  einer  Schwertklinge,  das  Ver- 
schweifsen*  des  eigentlichen  Kerns  aus  weichem  Eisen  mit  den  äufseren 
Partien  an  den  Schneiden  aus  feinstem  Stahl.  Diese  schwierige,  nur 
mit  dem  Handhammer  ausgeübte  Technik  war  aus  dem  Oriente  ge- 
kommen. 

Die  Keltiberer  und  viele  andere  Gebirgsvölker  fertigten  ihre 
Klingen,  indem  sie  Eisenplatten  in  feuchte  Erde  vergruben  und  sie 
so  lange  darin  liegen  liersen,  bis  der  Rost  die  schwächeren,  schlech- 
teren Teile  ausgefressen  hatte.  Aus  den  festesten,  übriggebliebenen 
Teilen  schmiedeten  sie  dann  ihre  Schwerter,  die  zu  den  vortrefflichsten 
gehörten.  Das  Verfahren  ist  nicht  unglaubwürdig,  denn  wir  wissen, 
dafs  der  Rost  weit  weniger  den  Stahl  als  das  Eisen  ergreift;  je  un- 
reiner dieses  ist,  desto  eher  wird  es  verzehrt,  so  dafs  die  besten 
Partien  übrigbleiben.  Die  Japaner  beobachteten  ein  ganz  ähnliche- 
Verfahren. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Wafienschmicdwesen. 


5M 


In  Japan  gehörte  der  Schwertfeger  zu  den  vornehmsten  Hand- 
werkern; sein  Stand  legte  ihm  und  seinen  Angehörigen  grofse  Ver- 
pflichtungen auf,  vor  allem  in  Reinheit  der  Sitten  und  Übung  der 
Mildthätigkcit.  Das  Schwert  wurde  in  reich  geschmückter  Werkstätte 
vollendet,  wobei  der  Meister  in  seiner  vollen  Amtstracht  im  Beisein 
seiner  Familie  und  seines  Auftraggebers  das  Werk  vollbrachte.  Vor 
noch  nicht  20  Jahren  galt  der  Verkauf  einer  Klinge  als  ein  schmäh- 
licher Handel,  und  ein  Mann  der  Kriegerkaste,  der  Samurai,  hätte 
sich  eher  töten  lassen,  als  sein  Schwert  zu  veräufsern.  Schwertklingen 
hervorragender  Meister  wurden  mit  5-,  selbst  6000  Gulden  bezahlt. 
Wir  bringen  am  betreffenden  Orte  eine  Liste  der  hervorragendsten 
japanesischen  Schwertfeger  vom  1.  bis  ins  17.  Jahrhundert. 

Zu  den  Anforderungen  an  eine  gute  Klinge  zählte  nicht  allein 
die  Güte  des  Eisens,  sondern  auch  die  Schärfe  und  Korrektheit  des 
Schliffes  und  dessen  feine  Polierung.  Die  Technik  des  Schleifens  ist 
ohne  Zweifel  von  den  Orientalen  zu  uns  gekommen;  sie  wurde  aber 
schon  im  8.  Jahrhundert  in  Europa  mit  staunenswerter  Kunst  geübt. 
Das  Schleifen  erfolgte  auf  sogenannten  Schleifmühlen,  somit  auf  voll- 
ständig mechanischem  Wege  mit  Benutzung  der  Wasserkraft.  Nur  so 
sind  die  wunderbar  regelmäfsigen  Hohlschliffe  mit  schnurgeraden  oder 
kreisförmigen,  scharfen  Kanten  zu  erklären.  Zur  höchsten  Stufe  der 
Vollkommenheit'  brachten  es  im  14.  Jahrhundert  die  Mailände'r.  In 
der  Via  Mulino  delle  armi  am  Kanal  bei  der  Porta  Ticinese  reihte 
sich  damals  Mühle  an  Mühle,  und  hier  fertigte  man  jene  vielgesuchten 
Klingen  mit  unterbrochenen  Hohlschliffen,  Paternosterklingen  u.  dgl. 
noch  im  17.  Jahrhundert. 

Vom  Ende  des  11.  Jahrhunderts  werden  den  Waffenschmieden 
auch  für  die  Schutzwaffe  bedeutendere  Aufgaben  gestellt.  Zunächst 
wurde  das  Scheitelstück  des  Helmes  aus  einem  Stücke  erzeugt,  eine 
Technik,  die  im  Oriente  schon  seit  Jahrhunderten  mit  grofser  Ge- 
schicklichkeit geübt  wurde.  Ein  entsprechend  dickes,  scheibenförmiges 
Eisenstück  mufste  dazu  in  rot  glühendem  Zustande  mittels  schwerer 
Fallhämmer  vorerst  in  eine  schalenförmige  Form  gebracht  werden; 
dann  erst  wurde  das  Stück  mit  Meifsel  und  Hammer  feiner  ausge- 
arbeitet. Wie  wir  bei  dem  Abschnitte:  „Der  Helm"  erwähnten,  wurde 
das  „Treiben"  der  Helme  im  16.  Jahrhundert  mit  solchem  Geschick 
betrieben,  dafs  nicht  nur  das  Schcitelstück,  sondern  aus  diesem  auch 
der  in  der  späteren  Zeit,  um  1580,  oft  12  Centimeter  hohe  Kamm 
herausgetrieben  wurde  —  als  Handarbeit  eine  unglaubliche  Leistung. 
Schon  am  Beginne  des  11.  Jahrhunderts  wurden  die  italienischen 
Rundschilde  aus  einem  Stück  erzeugt,  eine  Leistung,  die  weniger  für 
die  Treibarbeit,  als  bei  der  Gröfse  des  Gegenstandes  für  die  vorge- 
schrittene Eisenbercitung  spricht.  Mit  der  Entwickelung  dieser  Treib- 
technik bildete  sich  eine  angesehene  Gilde,  die  der  „Helmschmiede", 
die  erst  gegen  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  allmählich  in  jene  der 

Boeheim,  Waffenkundc.  38 


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594 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


„Plattner"  aufging,  welche  sich  mit  der  Erzeugung  ganzer  Platten- 
harnische befafsten.  Aus  dem  12.  Jahrhundert  dringt  eine  Kunde 
zu  uns,  wonach  Pavia  in  der  Erzeugung  von  Helmen  berühmt  war. 
Die  dortige  Helmindustrie  ist  aber  weit  alter  und  ragt  bereits  aus 
römischer  Zeit  ins  Mittelalter  hinein.  Bedeutende  Aufgaben  werden 
um  1560  den  italienischen  Plattnern  in  der  Fertigung  der  jüngsten 
Harnische  (nicht  Zeuge)  zum  Gestech  über  das  Dill  gestellt,  an  denen 
einzelne  Verstärkungsstücke  kolossale  Dimensionen  haben. 

Eine  nicht  minder  in  Achtung  stehende  Gilde  bildeten  vom 
frühen  Mittelalter  her  die  Brunner  (pruner)  oder  Sarwürcher  (sarburher), 
die  Verfertiger  der  Panzer  aus  verschiedenartigen  Ringgeflechten.  Sie 
entstand  mit  dem  Auftreten  des  Harnisches  aus  auf  Lederriemen  ge- 
zogenen Ringen;  als  diese  abkamen,  fertigten  sie  das  sogenannte 
Panzer-  oder  Mufszeug,  das  spätere  Panzerhemd.  Die  Ringe  des 
Panzerhemdes  wurden  aus  geschmiedeten,  platt  gearbeiteten,  draht- 
ühnlichen  Stücken  erzeugt,  die  auf  kaltem  Wege  durch  Nietung  zu 
Ringen  gebildet  wurden.  In  den  älteren  Panzerhemden  des  14.  und 
1 5.  Jahrhunderts  ist  je  ein  Ring  geschweifst,  der  andere  kalt  genietet. 
Später  werden  die  Ringe  durchaus  nur  genietet.  Gezogener  Draht 
wird  auch  im  16.  Jahrhundert  zu  Panzerhemden  oder  Kragen  nie 
verwendet.  Um  1570  kamen  die  Panzerhemden  ganz  aufser  Gebrauch, 
damit  verschwindet  ein  einst  hochbedeutender  Handwerkszweig. 

Vom  Oriente  her  gelangt  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  eine 
Art  der  Verarbeitung- des  Eisens,  welche  sich  an  der  Oberfläche  des- 
selben durch  eine  gewässerte  Textur  kenntlich  macht,  in  das  Abend- 
land; es  ist  die  sogenannte  Damaszierung:  die  Erzeugung  des 
Damaststahles.  Der  Name  leitet  sich  von  der  Stadt  Damaskus 
her,  wo  diese  Art  der  Eisenbereitung,  namentlich  für  Klingen,  schon 
im  Altertume  betrieben  wurde.  Der  Ursprung  des  Verfahrens  ist 
aber  von  den  südlichen  Abhängen  des  Himalaja,  von  jener  ältesten 
Eisenstätte  der  Welt,  herzuleiten.  Wir  besitzen  noch  heute  alte 
indische  Schwert-  und  Dolchklingen  von  ausgezeichnetem  Stahle 
gleicher  Zubereitung.  Damaszierte  (wurmbunte)  Klingen  werden  schon 
im  6.  Jahrhundert  erwähnt,  stammten  aber  zweifellos  aus  orientalischen 
Werkstätten. 

Die  eigentümliche  Textur  des  echten  Damaststahles  ist  keine 
äufserliche  Dekorierung,  sie  erstreckt  sich  nicht  allein  auf  die  Ober- 
fläche, sondern  auf  die  ganze  Masse.  Die  Textur  entsteht  durch  eine 
innere  Kristallisation,  die  die  halb  geschmolzenen  Stahlpartikel  bei  ihrer 
langsamen  Erstarrung  erleiden.  Wir  dürfen  sie  demnach  nicht  zu 
den  Dekorationen  des  Eisens  zählen  und  auch  nicht,  wie  es  oft  ge- 
schieht, mit  wirklich  nur  äufserlich  auftretenden  Dekorationen,  wie 
„imitierter  Damast",  „Mattätzung"  oder  gar  „Tausa",  „Niello"  etc.,  ver- 
wechseln. 

Das  Verfahren  zur  Bereitung  des  Damast-  oder  Wutzstahles  ist 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


595 


bis  jetzt  noch  nicht  völlig  aufgeklärt,  doch  ist  man  schon  seit  40 
Jahren  durch  die  Versuche  Clouets,  Crivellis,  Breants  und  vor  allem 
Anossows  so  weit  gekommen,  dafs  man  ihn  sehr  täuschend  nachzuahmen 
weifs.  Im  allgemeinen  besteht  Damaststahl  in  einer  Verschweifsung 
mehrerer  kohlenstoffreicher  Stahlplatten  oder  von  Drähten  verschiedener 
Sorten  bei  äufserst  langsamer  Abkühlung.  Aus  der  Art  der  vorherigen 
Drehung  und  Bewegung  dieser  Partikel  entstehen  die  verschiedenen 
Formen.  Die  eigentümliche  Textur  tritt  durch  eine  Behandlung  mit 
Säuren  hervor,  welche  die  verschiedenen  Eisenpartikel  auch  verschieden 
angreifen. 

Im  Oriente  unterscheidet  man  den  Scham,  den  in  Damaskus 
erzeugten  aber  minderwertigen  Bulat  (Büläd,  was  im  Arabischen 
schlechtweg  Stahl  bedeutet),  den  Taban,  Karataban  (schwarzen 
Taban),  Khorassan,Karakhorassan  (schwarzen  Khorassan),  G y n d y , 
Kumgyndy  und  Nciris.  Wir  unterscheiden  hauptsächlich  den  ge- 
wässerten Damast,  Banddamast  (Tabandamast),  das  schraubenförmig 
gewundene  Muster,  den  Rosendamast,  endlich  den  seltener  vor- 
kommenden Mosaikdamast,  der  verschiedene  sich  wiederholende 
Muster  ersichtlich  werden  läfst.  Imitierter  Damast  wird  durch  Ätzung 
an  der  Oberfläche  erzeugt  und  ist  bei  einiger  Aufmerksamkeit  leicht 
zu  erkennen. 

Bei  Plattenharnischen  wurde  im  1 5.  Jahrhundert  ein  grofses  Ge- 
wicht auf  das  Härten  der  Bruststücke  gelegt,  und  man  war  darin 
namentlich  in  Mailand  unstreitig  sehr  weit  gekommen.  Um  1480 
scheint  das  Verfahren  in  Vergessenheit  geraten  zu  sein,  denn  Maxi- 
milian I.  bemühte  sich  eifrigst,  es  wieder  zu  entdecken,  was  ihm  denn, 
wie  es  heifst,  auch  gelang. 

Welche  Werkzeuge  der  Plattner  zu  seiner  Arbeit  verwendete,  ist 
aus  einigen  Verlassenschaftsinventaren  des  16.  Jahrhunderts  bekannt. 
In  welcher  Art  man  den  Harnisch  bearbeitete,  bevor  er  in  der 
Schleifmühle  geschliffen  und  gewischt  und  damit  glänzend  gemacht 
wurde,  darüber  belehrt  uns  der  Jugendharnisch  Karls  V.  von  151 1, 
den  wir  in  Fig.  165,  Seite  154,  in  Abbildung  gebracht  haben.  Der- 
selbe ist  nie  vollendet  und  nur  hammer fertig  geworden,  so  dafs 
man  an  ihm  jede  Spur  des  Hammers  und  Meifscls  deutlich  erkennen 
kann. 

Bevor  wir  zu  den  künstlerischen  Dekorationsarten  übergehen, 
erwähnen  wir  noch  flüchtig  der  verschiedenen  Arten  der  Färbung  des 
Eisens.  Wollen  wir  von  dem  Anstrich  mit  Farben  absehen,  so  führen 
wir  vorerst  das  Blauanlaufen  desselben  an.  Es  erfolgte  in  Muffeln 
auf  Holzkohlenfeuer  und  wurde  besonders  in  Italien  mit  solchem  Ge- 
schick geübt,  dafs  nicht  nur  die  gröfsten  Stücke  in  gleicher  Färbung 
erscheinen,  sondern  auch  alle  Farbnüancen  im  Prozesse  festgehalten 
werden  konnten.  Beliebt  war  das  Violett  und  besonders  das  Rot 
(alla  sanguigna).    Das  Verfahren,  das  man  anwandte,  um  dem  Eisen 

38* 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmied  wesen. 


einen  feinen  grauen  Ton  zu  geben,  in  welchem  die  hervorragendsten 
tauschierten  Mailänder  Harnische  und  auch  gleichzeitige  arabische 
SchutzwafTen  erscheinen,  ist  noch  nicht  wieder  entdeckt  worden.  Be- 
kannt ist  das  Schwarzanlaufen,  das  durch  Einsetzen  in  heifse  Asche 
bewirkt  wird,  das  heute  häufig  angewendete  Brünieren  kommt  in 
Mailand  schon  um  1530  zur  Anwendung. 

Die  zum  Schmuck  der  Waffen  angewendeten  Mittel  sind  so 
zahlreich  und  mannigfaltig,  dafs  sie  alle  zu  beschreiben  den  Rahmen 
unseres  Werkes  weit  überschreiten  würden.  Wir  müssen  uns  daher 
darauf  beschranken,  diejenigen  einer  Besprechung  zu  unterziehen, 
welche  allgemeiner  vorkommen,  und  solche,  über  welche  irrige  An- 
schauungen herrschen. 

Als  die  alten  dekorativen  Verfahren,  welche  aus  dem  Oriente 
über  Bvzanz  im  frühen  Mittelalter  ins  Abendland  gekommen  waren, 
wie  das  Email,  die  Auflagen  von  getriebenem  Goldblech  etc.,  in  Ab- 
nahme kamen,  entstanden  allgemach,  zuerst  in  Italien,  allerlei  andere 
wirksame  Techniken,  welche,  wenn  auch  anfänglich  nur  roh  und  un- 
geschickt geübt,  doch  mit  der  Zeit  zu  bewundernswerter  Ausbildung 
gelangten.  Es  gibt  kein  Gebiet -des  Kunsthandwerks,  welches  an  den 
Arbeiter  mehr  und  mannigfachere  Anforderungen  stellte  als  die  Waffen- 
schmiedekunst. Die  Beurteilung  der  künstlerischen  Ausschmückung 
der  Waffen  erfordert  damit  auch  die  umfassendste  Kenntnis  der 
kunsttechnischen  Mittel  und  Verfahrungsarten. 

An  Harnischen,  Schilden  u.  dgl.  kommt  um  die  Mitte  des  15. 
Jahrhunderts  in  Italien  die  Gravierung  in  Anwendung,  seit  1480 
schon  häufig  in  Verbindung  mit  der  Vergoldung.  Diese  Vergoldung 
war  eine  chemische  mit  Goldamalgam,  dessen  Quecksilberzusatz 
durch  Erhitzen  zum  Verflüchtigen  gebracht  wurde.  Alle  Vergoldungen 
an  Schutzwaffen,  Klingen  u.  dgl.  wurden  durch  diese  Feuervergol- 
dung hergestellt.  Bei  der  primitiven  Behandlungsart  war  sie  für  den 
Arbeiter,  der  Quecksilberdünste  wegen,  nicht  gefahrlos.  Mailänder 
Harnische  des  Figino,  um  1560,  weisen  eine  ungemein  starke  und 
schöne  Vergoldung  auf. 

Um  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  werden  Harnische,  Schilde 
u.  dgl.  durch  verzierte  Berandungen,  Striche  und  Embleme  in  Ätzung 
geziert.  Das  Verfahren  in  jener  Periode  ist  zwar  im  allgemeinen, 
aber  nicht  in  seinen  Einzelheiten  bekannt,  und  moderne  Fälschungen 
sind  noch  immer  leicht  erkennbar.  Wir  unterscheiden  die  Hoch- 
ätzung von  der  Tielätzung,  je  nachdem  der  dargestellte  Gegen- 
stand erhaben  bleibt  und  nur  der  Grund  vertieft  ist  oder  umgekehrt. 
Im  ersten  Falle  stellt  der  dargestellte  Gegenstand  ein  sehr  flaches 
Relief  dar,  im  zweiten  nähert  sich  die  Darstellung  der  Kupferstich- 
technik. Nach  der  koloristischen  Wirkung  unterscheiden  wir  die 
Schwarzätzung  und  die  vergoldete  Ätzung.  Bei  jener  werden 
die  eingeätzten  Vertiefungen  mit  einer  Mengung  von  Schwarzlot  und 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


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ranzigem  Öl  eingerieben  und  sodann  das  Stück  der  Hitze  ausgesetzt, 
so  dafs  das  Öl  sich  verflüchtigt  und  das  Schwarzlot  sich  mit  dem 
Ätzgrunde  verbindet.  Bei  der  vergoldeten  Ätzung,  die  nicht  selten 
mit  der  Schwarzätzung  im  Vereine  auftritt,  ist  das  Verfahren  dasselbe 
wie  bei  der  Vergoldung  von  Gravierungen. 

Im  allgemeinen  bemerkt,  bestand  das  Ätzverfahren  darin,  dafs 
auf  die  zu  behandelnde  Eisen-  oder  Stahlfläche  eine  Paste,  deren 
Hauptbestandteile  Wachs,  Asphalt  und  Baumharz  waren,  für  die  aber 
jeder  Ätzmaler  sein  besonderes  Rezept  hatte,  in .  erwärmtem  Zustande 
dünn  aufgetragen,  sodann  die  Zeichnung,  nachdem  sie  leicht  aufge- 
paust worden  war,  mit  einem  Griffel  aus  Holz,  Bein,  auch  Stahl  oder 
auch  mit  der  Borste  des  Stachelschweines  derart  ausgeführt  wurde, 
dafs  die  Striche  die  Wachsschicht  bis  auf  das  Metall  durchdrangen. 
Darauf  wurde  mit  Wachs  ein  erhöhter  Rand  gebildet  und  das  Ätz- 
wasser über  die  Fläche  gegossen.  Dieses  Ätzwasser  bestand  in  einer 
Mischung  von  Essigsäure,  Scheidewasser  und  Alkohol.  Auch  in 
Bezug  auf  dieses  bewahrte  jeder  einzelne  Meister  das  Geheimnis  der 
Mischung.  Bei  dieser  kam  es  vorzüglich  auf  grofse  Schärfe  an,  wäh- 
rend es  von  der  Erfahrung  abhing,  wann  das  Ätzwasser  zu  entfernen 
war,  um  die  Säure  nicht  zu  tief  in  den  Stahl  einfressen  zu  lassen 
oder  keine  zu  schwache  Zeichnung  zu  erhalten.  Zum  Nachätzen 
entschlofs  man  sich  nur  ungern,  wenn  die  Zeichnung  nicht  gleich  mit 
der  wünschenswerten  Schärfe  hervortrat. 

An  deutschen  Harnischen  kamen  am  Anfange  des  16.  Jahr- 
hunderts ganz  eigentümliche  künstlerische  Behandlungsarten  in  An- 
wendung. Wir  erwähnen  da  zunächst  der  Malerei  auf  gebläutem 
Metall.  Das  Verfahren  ist  höchst  einfach.  Die  gebläute  Fläche 
wird  mit  Wachs  überzogen  und  wie  beim  Radieren  der  Kupferstiche 
die  Zeichnung  mittelst  hölzerner  Griffel  eingedrückt,  bis  das  Metall 
zum  Vorschein  kommt.  Ein  momentanes  Eintauchen  des  fertigen 
Stückes  in  scharfen  Essig  genügt,  um  die  Bläuung  von  den  vom 
Wachs  freien  Stellen  zu  entfernen.  Wird  nun  der  Ätzgrund  durch 
Terpentin  entfernt,  so  erscheint  die  Zeichnung  blank  im  gebläuten 
Grunde.  Auf  gebläutem  Eisen  wird  nicht  selten  auch  die  Zeichnung 
ausgeschabt.  Wir  begegnen  derartigen  Arbeiten  noch  im  17.  Jahr- 
hundert. 

Ein  anderes  Verfahren,  die  Verzierung  in  Goldschmelz,  be- 
steht im  Gegensätze  zu  seiner  Benennung  eigentlich  aus  einer  Art 
Plattierung  mit  Blattgold.  Das  zu  verzierende  Stück  wird  sehr  rein 
metallisch  hergestellt  und  bis  zu  dem  Punkte  erhitzt,  dafs  es  anfängt, 
farbig  anzulaufen.  Dann  wird  ein  Stück  Blattgold  aufgelegt  und  mit 
dem  Polierstahl  bearbeitet,  wodurch  es  sich  dann  mit  dem  Grunde 
innig  verbindet.  Manche  schöne  Augsburger  Harnische  finden  wir 
(um  15 10)  in  dieser  Art  verziert. 

Uralt  ist  die  Verzierung  der  Metallflächen  in   Niello.  Wie 


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V.  Kunst  uud  Technik  im  Wafienschmiedwescn. 


Brinkmann  bemerkt,*)  spricht  schon  Plinius  von  ähnlicher  ägyp- 
tischer Arbeit,  nicht  minder  beschreibt  dieses  Verfahren  der  Presbyter 
Theophilus  in  seiner  Diversarum  artium  schedula  III,  27  schon 
völlig  so,  ja  noch  eingehender  als  Cell ini  in  seinen  Traktaten.  Man 
versteht  unter  Nielloarbeit  eine  eingravierte  Zeichnung  auf  einer  Gold-, 
Silber-  oder  anderen  Metallfläche,  welche  mit  einer  dunklen  schwefe- 
ligen Metallmasse,  dem  nigellum  der  Alten,  ausgefüllt  ist.  Die 
Technik  wird  noch  heute  in  den  grofsen  Zentren  der  Kunstindustrie 
und,  wenn  auch  in  minderer  Gediegenheit,  in  Tula  bei  Moskau  be- 
trieben. Das  nigellum  besteht  in  einer  Mischung  von  Silber,  Kupfer 
und  Blei  in  reinstem  Zustande  im  Verhältnisse  wie  1  zu  2  zu  3. 
Die  Wirkung  dieses  dunkelgrauen  Metalls  in  entsprechender  Zeich- 
nung auf  blankem  Grunde  ist  eine  äufserst  ansprechende  und  vor- 
nehme. Die  Technik  ist  ohne  Zweifel  auf  dem  Wege  über  den 
Orient,  wo  sie  noch  heute,  wie  z.  B.  in  Persien,  betrieben  wird,  nach 
Italien  und  von  da  schon  im  frühesten  Mittelalter  durch  Mönche 
nach  Deutschland  gekommen.  Ihre  Anwendung  findet  sie  meist  an 
Schwertgriffen  und  Scheiden,  überhaupt  an  Handwaffen,  selten  an 
Schutzwaffen.  Nur  im  Oriente  finden  wir  auch  Helme  und  Panzer 
mit  Nielloverzierungen.  In  Europa  sind  es  im  Mittelalter  vorzüglich 
nur  die  Italiener,  welche  sich  der  Niellotechnik  bedienen;  im  16.  Jahr- 
hundert kommt  sie  stark  in  Abnahme. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  einer  anderen  Ziertechnik,  welche  durch 
ihr  gleichfalls  hohes  Alter,  wie  durch  ihre  ungemeine  Wirksamkeit 
hohe  Beachtung  verdient,  die  Tausia.  Die  Tausia,  Tauschier- 
arbeit, italienisch  und  lateinisch  tausia,  tarsia,  englisch  empaistic 
work,  besteht  in  der  Einlage  von  Gold  oder  Silber  in  Eisen  oder 
Stahl.  Sie  wird  von  mehreren  Schriftstellern  Damaszierung  genannt, 
eine  Benennung,  die,  wenn  auch  in  Fraukreith  seit  Jahrhunderten  in 
Gebrauch,  doch  unrichtig  ist  und  heute  nur  zu  Verwirrungen  Anlafs 
gibt.  In  Italien  erscheint  sie  im  16.  Jahrhundert  unter  den  Bezeich- 
nungen als  Lavoro  all'  Azzimina  oder  alla  Gemina,  welche  beide  sich 
aus  dem  Arabischen  herleiten.  Die  Technik  ist  im  Abendlande  schon 
in  antiker  Zeit  bekannt  gewesen  und  an  Ringen,  Fibeln,  Schliefsen 
u.  dgl.  vielfach  angewendet  worden.  Auch  unter  den  Germanen  war 
sie  nicht  unbekannt  und  unter  den  Merowingem,  die  doch  eine  origi- 
nale Kunst  nicht  besafsen,  wurde  sie  häufig  und  mit  ungemeinem 
Geschick  ausgeübt.  Später  geriet  sie  im  Abendlande  in  Vergessenheit 
und  wurde  nur  von  Indern,  Persern  und  Arabern  gepflegt,  von  welch' 
letzteren  sie  die  Spanier  und  Italiener  wieder  erlernten.  Vom  An- 
fange des  16.  Jahrhunderts  an  wurde  sie  besonders  in  Toledo,  Florenz 
und  Mailand  mit  aufserordentlichem  Erfolge  betrieben,  aus  welchen 
Städten  tauschierte  Waffen  über  ganz  Europa  sich  verbreiteten  und 

*)  Cell  ini,  Tractat.,  S.  162. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffcnschmicdwescn. 


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allenthalben  Bewunderung  erregten.  Das  Verfahren  besteht  darin, 
dafs  ein  beliebiges  Ornament  mittelst  des  Grabstichels  in  eine  eiserne 
Platte  graviert,  und  in  die  gemachten  Vertiefungen  Gold  oder  Silber 
in  kleinen  Partikeln  mittelst  kleiner  flacher  Hämmer  eingeschlagen 
wird.  Ein  Untergraben  der  Schnitte,  das,  wie  einige  meinen,  zur 
besseren  Befestigung  der  Einlagen  erforderlich  sei,  findet  bei  diesem 
Verfahren  nicht  statt,  da  die  fertige  Platte  spüter  erhitzt  wird,  wobei 
sich  die  Einlage  innig  mit  der  Unterlage  verbindet.  Man  unter- 
scheidet zweierlei  Arten  von  Tauschierarbeit,  die  eingeschlagene, 
wobei  die  Einlage  in  einer  Ebene  mit  der  Platte  erscheint,  und  die 
aufgeschlagene,  bei  welcher  die  Einlagepartikel  über  die  Bildflüche 
hervorragen  und  somit  ein  flaches  Relief  darstellen.  Letztere,  welche 
besonders  in  Spanien  vorkommt,  ist  bedeutend  schwieriger,  da  die 
vorstehenden  Einlagekörper  eine  Nacharbeit  erforderten,  während  bei 
der  eingeschlagenen  Tausia  die  Flächen  einfach  abgeschliffen  und 
poliert  wurden,  ehe  man  das  Eisen  der  grauen  oder  blauen  Färbung 
unterzog.  Es  ist  zu  beachten,  dafs  die  Tausia  sich  immer  nur  auf 
verhältnismäfsig  schmale  Linien  und  Partien  von  geringer  Ausdehnung 
beschränkt ,  während  die  Vergoldung  gröfserer  Flächen  mit  Blattgold 
erfolgt,  das  mit  dem  Polierstahl  geglättet  wird. 

In  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  kommt  eine  dekorative 
Technik  in  Aufnahme,  die  auf  dem  Gebiet  des  Waffenwesens  voll- 
ständig neu  erscheint,  die  Treibarbeit  in  Eisen,  das  „repousse". 
Zwar  wurde  die  Treibarbeit  in  Gold  schon  von  unterschiedlichen 
Völkern,  selbst  im  hohen  Norden,  in  der  Bronzezeit  geübt  (Minuterie, 
Grosserie),  in  der  Glanzzeit  von  Byzanz  bildete  sie  einen  Hauptteil 
der  kunstindustriellen  Technik,  später  treten  auch  Treibarbeiten  in 
Silber  an  Helmen,  Schilden  etc.  bei  barbarischen,  von  antiker  Kultur 
beeinflufsten  Völkern  auf,  aber  die  Härte  des  Eisens  hatte  bisher 
stets  ein  Hindernis  für  die  plastische  Gestaltung-  desselben  durch 
Treibarbeit  gebildet.  Erst  mit  der  Ausbildung  der  Plattenharnische 
steigerte  sich  die  Gewandtheit  der  Waffenschmiede  in  der  Treibarbeit 
im  Eisen  derart,  dafs  diese  auch  zu  feineren  Kunstarbeiten  dien- 
lich wurde. 

Treibarbeit  im  engeren  Sinne  nennt  man  die  Darstellung  eines 
Reliefbildes  in  einer  eisernen  Platte  (Schlagblech)  mittelst  verschieden- 
artiger Hämmer  und  Punzen.  Die  Technik  ist  namentlich  in  Eisen 
schwierig,  weil  der  Gegenstand  je  nach  Bedürfnis  in  mehr  oder  weniger 
erhitztem  Zustande  bearbeitet  werden  mufs.  Die  Arbeit  beginnt  stets 
an  der  Rückseite  durch  das  Austreiben  der  allgemeinen  plastischen 
Form,  die  feinere  Ausgestaltung  erfolgt  sodann  teils  von  der  Vorder-, 
teils  von  der  Rückseite;  daher  auch  die  französische  Bezeichnung 
repousser,  entgegentreiben.  Die  berühmtesten  Treibarbeiten  wiesen 
Mailand,  Florenz  und  Augsburg  auf. 

Eine  andere  Technik,  die  mit  der  Treibarbeit  viele  Ähnlichkeit 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


hat,  ist  der  Eisenschnitt.  Besteht  erstere  in  der  künstlerischen 
Bearbeitung  des  Eisenbleches,  so  ist  es  hier  ein  massives  Stück,  dessen 
künstlerische  Form  durch  dieselben  Werkzeuge,  mit  Zuhilfenahme  von 
Grabsticheln  und  Schneideeisen  hervorgebracht  wird.  Bei  anderem 
Metalle  wird  die  gleiche  Technik  ebenfalls  als  Schneidearbeit  bezeichnet. 
Auch  hier  steht  im  16.  Jahrhundert  wieder  Italien  allen  übrigen 
Ländern  weit  voran.  Im  17.  Jahrhundert  finden  sich  aber  schon 
französische  und  deutsche  Meister,  welche  die  Italiener  in  der  Schön- 
heit der  Arbeit  übertreffen.  Der  Natur  des  bearbeiteten  Gegenstandes 
nach  tritt  die  Treibarbeit  hauptsächlich  bei  Schutzwaffen  auf,  welche 
aus  Schlagblech  gefertigt  sind,  während  der  Eisen-  oder  Metallschnitt 
bei  Schwert-,  Degen-  und  Dolchgriffen,  Gewehrschlössern,  Läufen, 
Steigbügeln,  Gebissen  u.  dgl.  in  Anwendung  kommt.  Sowohl  die 
Treibarbeit,  wie  der  Eisenschnitt  erscheinen  namentlich  in  Mailand, 
Florenz,  Venedig,  später  auch  in  Augsburg  und  München  sehr  häufig 
in  Verbindung  mit  Tausia  und  Vergoldung.  Dieser  Zusammenwirkung 
verdanken  wir  die  herrlichen  Harnische,  Schilde  und  Helme,  welche 
wir  noch  heute  in  den  reicheren  Waffensammlungen  bewundern. 

In  Spanien  finden  wir  an  Harnischen,  Schilden  u.  dgl.  am  An- 
fange des  17.  Jahrhunderts  eine  Punzenarbeit  im  Verein  mit  Ver- 
goldung, wobei  die  Ornamente  wenig  motiviert  erscheinen,  so  dafs 
das  Ganze  einer  Inkrustation  vergleichbar  ist;  diese  Technik  bezeichnet 
bereits  deutlich  den  Verfall  kunsttechnischer  Darstellungskraft 

In  der  Dekoration  des  Metalles  tritt  das  Email  schon  im  frühen 
Mittelalter  auf  und  wird,  wie  im  Arbeitsgebiete  des  Goldschmiedes, 
auch  in  jenem  der  Waffen  vielfach  angewendet.  Auch  hier  verfolgen 
wir  dasselbe  in  allen  seinen  Entwickelungsstadien  vom  Email  cloi- 
sonne  bis  zum  malerisch  durchgebildeten  Emailgemälde.  So  in  den 
frühesten  Epochen  das  Zellenemail,  vorzüglich  an  Schwertern  und 
Schilden,  das  Grubenemail  an  Sätteln  und  an  Pferdezeugen,  ebenso 
das  durchsichtige  Reliefemail,  das  später  auch  für  Schwert-  und 
Degengefäfse  als  ScheidenbeschUtge  vielfach  in  Anwendung  gelangt, 
und  namentlich  in  Frankreich  (Limoges)  und  in  Italien  (Florenz)  geübt 
wird.  Das  Maleremail  kommt  vorzüglich  im  17.  Jahrhundert  an 
Schäften  von  Prunkgewehren,  Pulverhörnern  u.  dgl.  zur  Anwendung. 

Elfenbein,  geschnitzt  oder  graviert,  wird  in  älterer  Zeit  vor- 
wiegend zu  Sattelbelegen,  Schwert-  und  Dolchgefäfsen ,  in  späterer 
auch  zu  Gewehrschäften,  Pulverhörnern  verwendet.  Die  Schnitz- 
arbeit besorgten  die  Bildschnitzer,  deren  viele  für  den  Schmuck  von 
Waffen  thätig  waren.  Ein  eigenes  Kunstfach  betrieben  die  Elfen- 
beingraveure, deren  Technik  eine  besondere  Gewandtheit  erforderte, 
da  ein  reines  Durchtrennen  der  Fasern  quer  auf  die  Richtung  der- 
selben nicht  geringe  Schwierigkeiten  bietet.  Darum  wurden  auch 
kleinere  Arbeiten  auf  der  Hirnfläche  des  Elfenbeines  ausgeführt. 
Nach  vollendeter  Gravierung  wurde  dieselbe  mit  schwarzer  oder  an- 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmicdwesen. 


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derer  Farbe  eingerieben,  die  Fläche  leicht  abgeschabt  und  poliert, 
so  dafs  allein  die  Zeichnung  farbig  erschien.  Einlegearbeiten  in 
Elfenbeingrund  wurden  selten  gemacht  und  auch  dann  nicht  in  feineren 
Mustern. 

Weit  leichter  ist  das  Holz  für  Zierarbeiten  zu  behandeln,  und 
Holzschnitzereien  finden  sich  denn  auch  sehr  häufig  an  Waffenstücken. 
Auch  dieses  ist  ein  vorzügliches  und  wirksames  Material  für  die 
Schnitzkunst,  zu  welcher  es  häufig  verwendet  erscheint.  Bewunderns- 
werter und  wirksamer  ist  aber  die  Einlegetechnik,  die  Tarsia  oder 
Intarsia,  in  der  vorwiegend  die  Italiener,  später  auch  die  Deutschen 
Unübertreffliches  geleistet  haben.  Es  ist  erstaunlich,  wie  mannig- 
faltig sich  die  Wirkung  dieser  Technik  je  nach  der  Wahl  und  der 
Zusammenstellung  des  Materiales  darstellt  und  was  für  verschiedene 
koloristische  Wirkungen  damit  erzielt  werden  können.  In  den  Grund, 
den  hier  immer  das  Holz  bildet,  werden  Partikel  von  anderen  Holz- 
arten, häufiger  aber  Elfenbein,  Hirschhorn,  später  auch  Perlmutter, 
Schildpatt  und  selbst  Metall  derart  eingefügt,  dafs  sie  in  gleicher 
Ebene  mit  der  Grundoberfläche  liegen.  Elfenbein  und  Horn  wird 
nicht  selten  zierlich  graviert.  In  vielen  Fällen  kommen  verschiedene 
dieser  Einlegematerialien  im  Vereine  zur  Anwendung.  Das  vorzüg- 
lichste Augenmerk  hat  der  Arbeiter  darauf  zu  legen,  dafs  die  Teile 
sich  derart  scharf  in  den  Grund  einfügen,  dafs  nicht  der  geringste 
merkbare  Zwischenraum  entsteht.  Ausbesserungen  in  der  Art,  dafs 
die  klaffenden  Fugen  mit  Kitt  ausgefüllt  worden,  sind  augenblicklich 
zu  erkennen,  wenn  man  den  Gegenstand  gegen  das  Licht  hält,  weil 
der  Kitt  nie  die  Glätte  des  Materiales  annimmt  und  stets  matt  er- 
scheint 

Es  gibt  Arbeiten  ähnlicher  Art  von  etwa  1560,  meist  an  Gewehr- 
und Faustrohrschäften  vorkommend,  welche  aussehen,  als  ob  sie  in 
schwarzgebeiztes  Holz  eingelegt  seien,  aber  von  einer  so  staunens- 
werten Feinheit  in  der  Zeichnung  sind,  dafs  ihre  Herstellung  in  dieser 
Art  Technik  kaum  zu  begreifen  ist.  Den  eigentlichen  Grundstoff  an 
derlei  Intarsien  bildet  in  der  That  nicht  das  Holz,  sondern  eine 
Asphaltmasse,  in  welche  die  Elfenbeinartikel  eingeprefst  erscheinen. 
Wie  sich  nach  genauerer  Untersuchung  ergibt,  sind  in  die  schwarze 
Asphaltmasse,  die  in  erwärmtem  Zustande  aufgetragen  war,  die  Elfenbein- 
stücke hineingedrückt  worden.  Nach  der  Erkaltung  mufs  die  Fläche 
glatt  geschabt,  leicht  geglättet,  endlich  die  Gravierung  des  Elfenbeins 
vorgenommen  worden  sein.  In  dieser  Technik  ausgeführte  Schäfte 
finden  sich  in  mehreren  grofsen  Sammlungen,  wo  sie  aber  bisher 
nirgends  beachtet  wurden.  Der  Verfasser  hat  sie  nur  immer  bei 
deutschen  Stücken  angetroffen. 

Aus  dem  früheren  Mittelalter  haben  sich  nur  wenige  Waffen- 
stücke bis  in  die  Gegenwart  herein  erhalten,  welche  unter  die  Werke 
der  Kunst  zu  reihen  sind.    Diese  wenigen  Zeugen  aber  in  Verbin- 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


dung  mit  zahlreichen  Belegstellen  in  Chroniken  und  Handschriften 
lassen  uns  erkennen,  wie  auch  in  einer  Periode,  in  welcher  die  kul- 
turellen Kräfte  sich  erst  wieder  sammelten,  die  Freude  an  schönen 
Waffen  in  den  Kreisen  der  Vornehmen  sich  regte  und  viele  Kunst- 
arbeiter beschäftigt  waren,  das  ernste  Werkzeug  des  Krieges  kunstvoll 
und  reich  zu  gestalten. 

Wir  haben  im  Verlaufe  unserer  Darstellung  unterschiedliche 
Proben  von  reich  geschmückten  Waffen  vom  Beginne  des  Mittelalters 
bis  an  dessen  Ende  in  Skizzen  gebracht,  wir  haben  wiederholt  Ge- 
legenheit genommen,  charakteristische  Stellen  aus  Handschriften  zu 
citieren,  in  welchen  kostbare  Waffenstücke  erwähnt  werden ;  wenn 
wir  aber  nach  Meistern  forschen,  welche  hervorragend  in  der  Erzeu- 
gung kunstvoller  Waffen  thätig  gewesen  sind,  dann  finden  wir  nur 
etliche  Namen  etwa  vom  Ende  des  13.  Jahrhunderts  an,  viele  schon 
zweifelhaft  dadurch,  dafs  sie  in  Gedichten  erwähnt  werden,  wertlos, 
weil  wir  sie  in  keine  Beziehung  zu  bestimmten  Thatsachen  bringen 
können.  Im  Mittelalter  ging  der  Meister  in  seinem  Werke  auf,  an 
ihn  erinnert  nur  selten  eine  Marke,  deren  Bedeutung  auch  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  in  Vergessenheit  geriet,  fast  nie  ein  Name,  und 
auch  dieser  besitzt  meist  keinen  kunsthistorischen  Wert. 

Erst  mit  der  Renaissance  in  Italien  im  14.  Jahrhundert  änderte 
sich  das  Verhältnis,  in  Welchem  der  Meister  bis  dahin  zu  seinem 
Werke  stand;  er  tritt  anspruchsvoller  und  damit  greifbarer  hervor. 
Es  mehren  sich  die  Zeichen,  die  das  Werk  seiner  Hand  bezeugen; 
immer  häufiger  nennen  sich  die  Künstler  auf  ihren  Werken,  in  keiner 
anderen  Absicht,  als  des  eigenen  Ruhmes  und  der  eigenen  Ehre  halber. 

Die.  nördlichen  Länder  waren  noch  lange  unter  dem  Banne  der 
Anschauungen  des  Mittelalters,  als  in  Italien  die  Meister  der  Kunst 
mit  Selbstbewufstsein  sich  ihrer  Werke  rühmten.  In  den  Städten 
Norditaliens  erschallen  Namen  von  Kunstarbeitern,  deren  Bedeutung 
wir  nun  schon  ermessen  können  durch  glaubwürdige  Berichte  über 
ihre  Leistungen,  ja  durch  manche  ihrer  Werke  selbst,  die  sich  glück- 
licherweise noch  erhalten  haben. 

Florenz,  die  Stadt  der  Goldschmiede,  wird  in  den  Aufschreibungen 
zuerst  als  Erzeugungsort  prunkvoller  Waffen  gerühmt.  Am  Beginne 
des  15.  Jahrhunderts  verbreitet  sich  die  Erzeugung  derselben  nach 
Mailand  und  Brescia,  in  welchen  Orten  schon  seit  dem  13.  Jahrhun- 
dert das  Waffenhandwerk  blühte,  dann  auch  nach  Bologna  und  Rom. 

Betrachten  wir  den  Gang  der  Entwickelung  der  Waffenerzeugung 
Italiens  im  allgemeinen,  so  müssen  wir  mit  Brescia  als  der  ältesten 
Stätte  derselben  in  Italien,  deren  Entstehen  noch  in  die  antike  Zeit 
zurückreicht,  beginnen.  Die  natürliche  Bedingung  des  Entstehens 
und  Gedeihens  der  Brescianer  Waffenindustrie  war  die  Nähe  der 
eisenreichen  Berge  des  Monte  Prealba  und  des  Monte  Conche  bis 
Gardone  und  Caino  hinauf,  und  nicht  minder  die  wasserreichen  Ge- 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


G03 


rinne  der  Melle  und  Garza.  Bis  ins  16.  Jahrhundert  beschäftigten 
sich  die  Werke  nur  mit  der  Erzeugung  von  Klingen  und  Spiefseisen, 
von  da  an  und  mit  grofsem  Erfolge  mit  der  Fertigung  von  Feuer- 
waffen. In  ersterer  hat  sich  PietroCaino  einen  unsterblichen  Namen 
gemacht,  in  letzterer  haben  Cominazzo,  Vater  und  Sohn.  Lazarino 
und  Giovanni  Francino  nicht  weniger  Ruhm  erworben.  Schon 
im  13.  Jahrhundert  erwarb  sich  Brescia  durch  seine  grofsartige  Pro- 
duktivität den  Beinamen  l'armata. 

Vergessen  ist  heute  die  einst  so  grofsartige  Stätte  der  Waffen- 
erzeugung von  Belluno  und  Seravalle  im  Friaulischen ,  von  welcher 
die  Republik  Venedig  bis  ins  1 6.  Jahrhundert  ihre  sämtlichen  Waffen 
bezog.  Noch  Maximilian  I.  liefs  einen  grofsen  Teil  seiner  Kürisser 
und  Landsknechte  mit  Waffen  aus  dem  Friaul  ausrüsten,  und  schon 
früher  erwarben  Kaiser  Friedrich  III.  und  Erzherzog  Siegmund  von 
Tirol  dortselbst  Waffen  für  ihre  Söldnerhaufen.  An  sie  erinnert  noch 
eine  Waffe:  der  sogenannte  Friaulerspiefs,  das  Spetum.  Aus  Belluno 
stammen  die  unerklärlich  leichten  Klingen,  welche  im  16.  Jahrhundert 
so  sehr  beliebt  waren  und  die  auch  noch  heute  von  Kennern  hoch 
geschätzt  werden.  Sie  sind  eine  Erfindung  des  Vittore  Camelio, 
der  dafür  1509  vom  Senate  zu  Venedig  ein  Privilegium  auf  fünf 
Jahre  erhielt.  Noch  um  1740  fertigt  man  in  Belluno  Pistolen,  die 
ein  Gewicht  haben,  als  wären  sie  aus  weichem  Holz  gearbeitet.*) 
Berühmte  Klingen  aus  Friaul  tragen  die  Bezeichnung  „Jesus-Maria" 
und  „Angone".  Von  den  vielen  ausgezeichneten  Meistern  haben 
besonders  die  Brüder  Andrea  und  Giandonato  Ferarra  aus  Fon- 
zaso  bei  Belluno  ihre  Namen  rühmlichst  auf  die  Nachwelt  gebracht. 

Florenz  war,  gleichwie  Venedig,  nicht  die  Stätte  einer  Waffen- 
erzeugung im  grofsen  Stile,  wie  etwa  Brescia,  bedeutend  aber  für 
Prunkwaffen.  Es  ist  anzunehmen,  dafs  auf  die  Entwürfe  für  den 
Zierat  die  grofsen  Bildhauer  des  Quattrocento,  wie  Donatello  —  von 
dem  es  übrigens  erwiesen  ist  —  Benedetto  da  Majano  u.  a.  Einflufs 
gehabt  haben.  Man  irrt  jedoch,  wenn  man  Benvenuto  Cellini  unter 
die  Waffenschmiede  rechnet.  Er  selbst  spricht  weder  in  seiner  Vita 
noch  in  seinen  Trattati  davon,  dafs  er  Waffen  gefertigt  hätte;  nur 
nebenher  ist  einmal  bei  ihm  von  Dolchscheiden  die  Rede.  Aller- 
dings mögen  Schüler  von  ihm  sich  später  der  Waffenerzeugung  zuge- 
wendet haben. 

Die  Kunst  der  Waffenschmiede  von  Florenz  steht  vollkommen 
unter  dem  Einflüsse  der  grofsen  Ornamentisten  Italiens,  voran  Ra- 
phaels. Vermittelt  wurden  die  phantasievollen  Arabesken  und  Gro- 
tesken, welche  den  Kunstarbeitem  als  Vorbilder  dienten,  durch  zahl- 
lose Stiche  im  Verlage  von  zumeist  römischen  Kunsthändlern,  so  des 
Lafreri,  des  Rossi  (Rubeis)  u.  a.    Durch  diese  Blätter  gelangte  auch 

*)  Urban i  de  Gheltof,  Les  arts  industriels  ä  Venise  etc.  Venisc  1885. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


der  italienische  Ornamentstil  nach  Deutschland  und  den  Niederlanden, 
in  welch  beiden  Ländern  alsbald  massenhaft  ähnliche  Stiche  er- 
schienen, in  denen  die  erhaltenen  Vorbilder  dem  nationalen  Ge- 
schmacke  entsprechend  variiert  sind;  so  dafs  wir  von  da  an  von 
niederländischem  und  deutschem  Ornamentstil  sprechen  können. 

Florenz  hat  im  16.  Jahrhundert  hochbedeutende  Meister  in 
unserem  Fache  aufzuweisen.  So  Gasparo  Mola,  Pifanio  Piripe 
genannt  Tacito,  den  Franzosen  Guglielmo  Lemaitre,  Aluigi 
Lani  u.  s.  \v.,  welche  sämtlich  nicht  allein  ausgezeichnete  Treibarbeiter 
(Ziseleure),  sondern  auch  Tausiatoren  gewesen  sind.  Petrini  nennt 
uns  in  seinem  Manuskripte  über  die  Waffenschmiede  auch  einen  ge- 
wissen Repa  als  unübertrefflich  in  diesem  Fache.*) 

Man  kann  mit  allem  Rechte  sagen,  dafs  in  der  Waffenerzeugung 
vom  Fabrikat  für  den  gemeinen  Gebrauch  bis  zu  dessen  höchster 
künstlerischer  Ausführung  vom  13.  Jahrhundert  an  Mailand  den  ersten 
Rang  eingenommen  hat.  Der  Ruf  seiner  Erzeugnisse  drang  weit  über 
Europa  hinaus  und  seine  Harnische  und  anderen  Waffen  fanden  Ab- 
satz ebenso  an  der  westafrikanischen  Küste  wie  in  Ägypten  bis  nach 
Arabien  und  Persien.  Die  Herrscher  Englands  und  Frankreichs  be- 
mühten sich,  mailändische  Waffenschmiede  ins  Land  zu  ziehen,  um 
die  so  hoch  entwickelte  Industrie  bei  sich  heimisch  zu  machen,  so 
Heinrich  IV.  von  England.  Karl  VI.  von  Frankreich  errichtete  eine 
Kolonie  in.  Lyon,  Ludwig  XL  in  Paris,  Karl  VIII.  in  Bordeaux. 
Auch  Kaiser  Maximilian  I.  berief  zwei  vorzügliche  Meister,  die  Me- 
rate,  nach  Arbois  in  Flandern. 

Wir  kennen  bereits  namhafte  Mailänder  Meister  im  13.  Jahr- 
hundert; ihre  Weltbedeutung  in  der  .Waffenerzeugung  erlangte  die 
Stadt  aber  erst,  als  aus  ihren  Mauern  die  ersten  vollständigen  Platten - 
hämische  für  Rofs  und  Mann  in  die  Welt  gesendet  wurden.  Mit 
diesem  Zeitpunkt  nahm  die  Industrie  einen  Aufschwung,  der  ohne 
Beispiel  dasteht;  der  Mailänder  Harnisch  wurde  in  Form  und  Güte 
sprichwörtlich  in  der  Welt,  um  das  Ausgezeichnetste  zu  bezeichnen. 

Den  hervorragendsten  Anteil  an  diesem  grofsartigen  Ergebnisse 
hatte  Petrolo  da  Missaglia  aus  der  Familie  Nigroli.  Nach  seinem 
Tode  am  Anfange  des  1 5.  Jahrhunderts  übernahm  sein  Sohn  Tomaso 
die  Führung  mit  steigendem  Erfolge.  Als  Tomaso  um  1468  starb, 
hinter! iefs  er  seinem  Sohne  Antonio  eine  der  gTofsartigsten  Werk- 
stätten der  Welt,  eine  Faktorei  von  riesiger  Leistungsfähigkeit,  Die 
Stadt  Mailand  liefs  dem  venezianischen  Gesandten  Giorgio  Contarini, 
der  auf  seiner  Reise  nach  Deutschland  1492  diese  Stadt  berührte, 
auch  die  Werkstätte  der  Missaglia  als  eine  hervorragende  Sehens- 


*)  Petrini,  Antonio,  Arte  fabrilc  ovvero  Armeria  universale  dove  si  conten- 
fjono  tutta  la  qualitä  e  natura  del  ferro  ecc.  1642.  Manuskript  der  Bibl.  Maglia- 
becchiana.  (Cl   XIX,  16.)  Mitgeteilt  in  E.  Plön,  Benvenuto  Cellini. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Wafienschmicdwcsen 


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Würdigkeit  zeigen,  und  Contarini  erschöpfte  sich  in  der  Bewunderung 
über  deren  Grüfse  und  Leistungsfähigkeit,*)  Das  Rohmaterial  ent- 
nahmen die  Mailänder  Werkstätten  aus  den  nahe  gelegenen  Minen 
von  Valassina,  Valsassina,  bei  Premana  etc.**) 

Nicht  geringer  wie  in  der  einfachen  Gebrauchsware  gestalteten 
sich  die  Erfolge  in  der  Fertigung  von  Prunkwaffen,  ja  Mailand  über- 
traf darin  nicht  nur  das  kunstreiche  Florenz,  sondern  auch  die  wett- 
eifernden spanischen  Werkstätten.  Die  Thätigkeit  der  Mailänder  in 
der  Kunstarbeit  erstreckte  sich  vorwiegend  auf  fein  ziselierte  Schwert- 
und  Degengriffe,  tauschierte  Spiefseisen,  ferner  aber  auf  die  herrlich 
getriebenen  und  tauschierten  Harnische,  die  in  ihrem  mattgrauen 
Tone  und  der  reichen  Goldzier  eine  Spezialität  bildeten,  die. nir- 
gends übertroffen  wurde. 

Wenn  man  die  Reihe  der  Mailänder  Kunstarbeiter  überblickt, 
welche  auf  dem  Waffengebiete  im  16.  Jahrhundert  beschäftigt  waren, 
so  staunt  man  über  die  grofse  Zahl  derselben,  ja  es  ist  nahezu  un- 
erklärlich, woher  alle  diese  Kräfte  genommen  wurden,  wenn  man  be- 
denkt, dafs  zahlreiche  Mailänder  Meister  in  anderen  italienischen 
Städten,  ja  in  Frankreich  und  England  arbeiteten  und  es  fast  keinen 
Hof  gab,  an  welchem  nicht  ein  Mailänder  „Wehrvergolder"  ange- 
stellt war. 

Von  den,  wie  erwähnt,  ungemein  zahlreichen  Meistern  nennen 
wir  nur  die  hervorragendsten,  wie  Pietro  Cantoni,  die  Brüder 
Nigroli,  Bartolomeo  Campi,  Lucio  Piccinino,  Giovanni 
Battista  Serabaglio,  von  welchen  Werke  teils  in  Madrid,  teils  in 
Wien  sich  befinden;  ferner  Giovanni  Pietro  Figino,  Antonio 
Romero,  Bartolomeo  Piat'ti,  Martino  genannt  il  Ghinello. 
Andere  nennen  wir  unter  den  Waffenschmieden  am  Schlüsse  dieses 
Werkes. 

Die  Entwürfe  zu  den  Zeichnungen  entnahmen  die  Mailänder 
sowohl  aus  den  Ornamentstichen,  als  auch  aus  Handzeichnungen  des 
Caradosso,  des  Agostino  Busti  und  nicht  minder  des  Giovanni 
Battista  Mantuano  (Ghisi,  auch  Bertano  genannt),  der  selbst  in 
anbetracht  des  prachtvollen  Schildes,  den  er  mit  eigener  Hand  fertigte, 
unter  die  bedeutendsten  Treibarbeiter  zu  zählen  ist. 

Wie  wir  bereits  erwähnten,  besafs  Mailand  zahlreiche  und  vor- 
zügliche Werkstätten  zur  Erzeugung  von  Klingen.  Diese  ahmten  die 
spanischen  Klingen  mit  Giftzügen  in  staunenswerter  Weise  nach. 
Speziell  in  der  Klingenschleiferei  sind  die  Mailänder  als  unerreicht 
anzusehen.  Die  berühmtesten  Klingenschmiede  waren  Antonio 
Piccinino  und  dessen  Sohn  Federigo. 

*)  Itincrario  di  Germania.    Mscrpt.  Bibliotcca  Trivulziana. 
**)  Vergl.  hierüber  des  Verfassers  Abhandlung:    „Werke  Mailänder  Waffen- 
schmiede  in  den  kais.   Sammlungen".    Jahrbuch  d.  kunsthist.  Sammlungen  des 
kais.  Hauses  Bd.  IX,  p.  375. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwes«n. 


Der  zur  Zeit  ungemein  grofse  Bedarf,  sowie  das  grofse  Talent 
der  Italiener  für  Handfertigkeiten  waren  Ursache,  dafs  neben  der 
genannten  noch  zahlreiche  Waffenwerkstätten  in  kleinen  Städten  ent- 
standen, von  denen  einige  grofse  Bedeutung  erlangten.  So  jene  in 
Lucca,  der  alten  Eisenindustriestätte,  in  Neapel,  in  Pistoja,  wo  be- 
sonders Gewehrläufe  erzeugt  wurden.  Hervorragend  in  diesem  Fa- 
brikationszweige sind  Maffia  und  Bastiano  da  Pistoja,  von  welchem 
man  noch  hier  und  da  Arbeiten  antrifft.  Von  bemerkenswerten  Waffen- 
künstlern anderer  Orte  seien  noch  hervorgehoben  Geronimo  Spacini 
in  Bologna,  Caremolo  in  Mantua,  Serafino  Bresciano  in  Brescia. 

Schon  vom  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  an  sammelten  sich 
zahlreiche  Waffenschmiede  in  Rom,  welche  namentlich  unter  Julius  II. 
imd  Leo  X.  auch  eine  nicht  gering  zu  schätzende  künstlerische 
Thätigkeit  entfalteten.  Die  Leistungen  lassen  sich  an  vielen  ausge- 
zeichnet schönen  Waffen,  wie  unter  anderen  an  den  geweihten 
Schwertern  ermessen,  welche  die  Päpste  an  Könige  und  Fürsten  zu 
verschenken  pflegten. 

Die  Waffenkünstler  Italiens  standen  mitten  im  Kreise  der  grofsen 
Künstler  der  Renaissance,  der  Humanisten  und  Poeten  und  unmittel- 
bar unter  ihrem  belebenden  Einflüsse ;  nicht  so  die  Kunstwaffenschmiede 
Spaniens,  deren  Erzeugnisse  gleichwohl  in  Technik  und  Dekoration 
hervorragten.  An  den  schönen  Prunkwaffen  Spaniens  haften  keine 
Namen  von  Kunstheroen  wie  in  Italien,  das  spanische  Kunstleben,  an 
sich  mehr  ausgeglichen,  gab  auch  dem  Kunsthandwerk  ein  gleich- 
förmigeres Gepräge,  aus  welchem  nur  Reminiszenzen  an  den  maurischen 
Stil  und  starke  Anklänge  an  die  Italiener,  speziell  die  Mailänder  zu 
entnehmen  sind. 

Die  spanische  Waffenindustrie  konzentrierte  sich  vom  Mittelalter 
an.  wie  nahezu  überall,  um  die  Gewinnungsstätten  ihres  vorzüglichsten 
Materiales,  des  Eisens,  und  da  sehen  wir  drei  Gebiete  hervorragen, 
jenes  den  Tajo  entlang,  von  den  Bergen  von  Toledo  bis  zu  den  Ab- 
hängen des  Gebirges  der  Sierra  de  S.  Memede,  jenes  an  der  Küste 
des  Golfes  von  Biscaja,  von  Guipuzcoa  bis  in  die  Ebene  von  Leon 
herab.  Endlich  das  Gebiet  von  Murcia  nördlich  bis  Albacete,  süd- 
lich bis  Almeria  reichend.  Erstercs  hatte  als  Hauptindustrieort  Toledo, 
das  zweite  Bilbao,  Mondragon  und  Sahagun,  das  dritte  Albacete  und 
Almeria.  Isolierter  von  den  Gewinnungsstätten  lag  ein  hervorragender 
I  ndustrieort :  Sevilla. 

Waren  die  beiden  südlichen  Orte,  Toledo  und  Albacete,  durch  die 
Kunstfertigkeit  der  Mauren  zu  ungemeiner  Bedeutung  gelangt,  so  stellt 
Bilbao  sich  als  der  Vorort  einer  Waffenfabrikation  dar,  die  ihre  Ur- 
anfänge noch  unter  den  Iberern  sucht  und  die  selbst  von  den  Römern 
und  Galliern  geschont  wurde.  Die  Erzeugung  war  aber  lange  von 
primitivster  Art  und  blieb  seit  ältester  Zeit  die  gleiche.  Im  Gebiet 
von  Murcia  machten  sich  die  Mauren  nach  ihrem  Übertritte  nach 


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V.   Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


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Spanien  zuerst  sefshaft.  AI  Makkari  berichtet  in  seiner  Geschichte  der 
mohammedanischen  Herrschaft  in  Spanien,  dafs  im  Königreiche  Murcia 
die  berühmtesten  Fabriken  von  Panzerhemden,  Kunstharnischen  und 
mit  Gold  eingelegten  Stahlrüstungen  bestanden.*)  Mit  dem  Vorrücken 
der  Araber  breitete  sich  die  Industrie  Ittngs  des  Tajo  aus.  Leider 
sind  uns  aus  jener  Zeit  nur  wenig  Daten  geblieben,  doch  wissen  wir, 
dafs  Abderhaman  II.  (822 — 852)  die  dortige  Waffen fabrikation  refor- 
mierte und  dafs  AI  Hakem  II.  um  965  dem  Könige  Don  Sancho  von 
Leon  ein  reiches  Geschenk  mit  Toledaner  Arbeiten  machte.  Näher 
tritt  uns  die  Industrie  von  Toledo  erst,  als  das  Gebiet  unter  christ- 
liche Herrschaft  gelangt  war  (1402).  Da  hören  wir  von  dem  Neu- 
begründer derselben  Julian  del  Rey,  der,  ein  Maure  und  Dienstmann 
Boabdils,  nach  dessen  Gefangennahme  den  christlichen  Glauben  an- 
nahm. Ferdinand  der  Katholische  soll  sein  Taufpate  gewesen  sein. 
Julian,  der  mit  dem  maurischen  "Waffenschmied  Reduan  identisch  sein 
dürfte,  führte  als  Zeichen  ein  vierfüfsiges  Tier,  vermutlich  eine  Nach- 
ahmung des  Passauer  Wolfes,  in  dem  die  Spanier  ein  Hündchen, 
,  perillo" ,  erblickten.  Die  berühmtesten  Klingenschmiede  Spaniens 
gehören  desungeachtet  erst  der  2.  Hälfte  des  16.  und  17.  Jahrhun- 
derts an;  so  Juan  Martinez  aus  der  Familie  Menchaca  in  Lissa- 
bon, später  in  Sevilla  und  Madrid,  um  15 öo,  Juan  de  la  Horta 
um  1545,  Juan  de  Alman  (Alcmania?)  um  1550,  Miguel  Cantero 
um  1564,  Lupus  Aguado  um  1567,  Alonso  de  Sahagun 
der  Ältere  um  1570,  der  Jüngere,  Luis,  um  1620,  Hortuno  de 
Aguirre  um  1604,  die  beiden  Francesco  Ruiz,  Vater  und  Sohn, 
1580 — 161 7,  Thomas  de  Ayala,  der  Fertiger  der  hochberühmten 
,, Thomasklingen"  um  1625,  endlich  die  beiden  Sebastian  Hernandez, 
Vater  und  Sohn,  welche  gleichfalls  dem  17.  Jahrhundert  angehören. 
Bald  danach  ging  diese  Industrie  so  rasch  zurück,  dafs  sich  beispiels- 
weise bemerkt,  unter  Karl  III.  1760  nicht  ein  einziger  Klingenschmied 
fand,  dem  die  Leitung  der  vom  Staate  neugegründeten  Toledaner 
Klingenfabrik  anzuvertrauen  gewesen  wäre.  Endlich  übergab  man  sie 
dem  70jährigen  LuisCalisto,  dem  die  Wiedererstehung  der  Industrie 
zu  danken  ist. 

Die  Fabrikation  der  Feuergewehre  kam  erst  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  in  Spanien  in  Aufnahme,  die  ersten  Läufe  wurden 
noch  aus  Deutschland  bezogen.**)  Im  Verlaufe  des  Jahrhunderts  und 
bis  etwa  1780  gelangte  sie  zu  ungemein  rascher  Entwickelung.  Wir 
werden  am  Schlüsse  die  Namen  der  besten  Büchsenmacher  verzeichnen. 
Die  Ursache  des  späteren  Rückganges  dieser  Industrie  lag  darin,  dafs 
die  Spanier  sich  der  Forderung  gezogener  Laufe  nicht  anbequemen 


*)  Riano,  J.,  The  industrial  Arts  in  Spain.    London  1879. 
**)  Martinez  de  Espinar  Alonso,  Arte  de  Ballesteria  y  Monteria.  Madrid 

1644. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmied wesen. 


wollten  und  damit  den  Markt  allgemach  verloren.  Melchior  Alvarez 
um  1780  war  der  erste,  der  gezogene  und  Doppelläufe  verfertigte. 

Erwähnen  wir  noch  der  ausgezeichneten  Panzerhemden,  welche 
weit  und  breit  versendet  wurden,  der  vorzüglichen  Sattelfabrikation 
in  Galizien  und  Cordova,  ferner,  der  angesehenen  Fabrikation  von 
Armrüsten  in  Saragossa,  so  haben  wir  in  kurzen  Zügen  die  technische 
WafTenindustric  Spaniens  geschildert. 

Wenden  wir  uns  schliefslich  der  Frage  zu,  was  Spanien  im 
Kunstgebiete  geleistet  hat,  so  können  wir  auf  zahlreiche,  herrliche 
Gebilde  verweisen,  die  namentlich  nach  der  kunsttechnischen  Seite  zu 
würdigen  sind.  An  keinem  der  Meister,  so  viele  wir  auch  kennen, 
haftet  aber  ein  gleich  hoher  Ruhm  wie  an  den  Italienern,  die  in  innigem 
Vereine  mit  den  ersten  Gröfsen  der  Kunst  zu  schaffen  pflegten.  Und 
dennoch,  wenn  auch  nicht  die  Meister,  die  spanische  Kunstwaffen- 
erzeugung gelangte,  durch  Spanier  selbst  überliefert,  an  den  deutschen 
und  anderen  Höfen  zu  so  grofser  Beliebtheit,  dafs  an  diesen  die 
spanischen  „Wehrvergolder"  mit  den  italienischen  in  Wettbewerb 
traten. 

Man  hat  die  französische  Waffenerzeugung  vom  Mittelalter 
bis  ins  17.  Jahrhundert  bisher  als  unbedeutend  dargestellt,  vielleicht 
weil  kein  Autor  in  der  Lage  war,  auf  namhaftere  Werkstätten  und 
tüchtigere  Meister  hinzudeuten.  Diese  geringe  Bewertung  entspricht 
jedoch  nicht  den  Ergebnissen  neuerer  Forschung.  Für  das  frühere 
Mittelalter  läfst  schon  die  verhältnisraäfsig  hohe  Kultur  Südfrankreichs 
eine  tüchtige  Waffenindustrie  voraussetzen,  wie  auch  anzunehmen  ist 
dafs  italienische  und  spanische  Kunstfertigkeit  ihre  Ausläufer  in  der 
Provence  gefunden  haben.  Im  13.  Jahrhundert  werden  die  kleinen 
Bassinets  von  Montauban  allenthalben  getragen,  und  die  Dichter  er- 
wähnen am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  mit  ungemeinem  Lobe  der 
Harnische  von  Monsegur,  vom  Anfange  des  14.  der  Waffen  von 
Mortemer.*)  Im  15.  und  16.  Jahrhundert  fehlt  es  auch  nicht  an 
Namen  bedeutender  Waffenschmiede  und  auch  nicht  an  solchen,  die 
dem  Hofe  kunstreichere-  Arbeiten  zu  liefern  im  stände  waren.  Wir 
erwähnen  darunter  nur  einige,  wie  Jehan  de  Bonnes,  den  Hof- 
plattner  des  Königs  Rene  um  1450,  den  Hofplattner  Thomassin 
Baigneux  um  1456,  die  berühmten  Waffenschmiede  von  Tours, 
Jacques  Merville  um  1510  und  S.  Rcmy  Farant  um  1568,  die 
bedeutenden  Tausiatorcn  Roquelin  Dehoux  um  1561,  Germain 
Pilon  um  1550  und  den  Fertiger  der  überaus  kunstreichen  Dolche 
Thevenin  Martineau. 

All  diese  unleugbar  ansehnliche  Bcthätigung  französischen  Kunst- 
fleifses  genügte  weitaus  nicht  den  stolzen  Plänen  der  französischen 
Könige,  welche  dahin  gerichtet  waren,  Frankreich  zum  ersten  Kultur- 

*)  Gay,  V.,  Glossaire  archeologique. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschtniedwescn. 


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Staate  zu  machen.  In  der  Erzeugung  von  Zier-  wie  von  gemeinen 
Waffen  fühlte  sich  Frankreich  von  Mailand  noch  zu  abhängig,  darum 
die  wiederholte  Bemühung  der  Könige  vom  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts an,  berühmte  Waffenmeister  Mailands  ins  Land  zu  ziehen, 
um  hier  eine  Schule  zu  bilden.  Es  ist  dies  ganz  derselbe  Weg,  den 
die  Könige  bei  den  höheren  Künsten  mit  der  Schule  von  Fontainebleau 
einschlugen.  Einen  bedeutenden  Aufschwung  von  14 10  an  nahm  die 
Schule  zu  Lyon  unter  Karl  VI.,  deren  bedeutendste  Meister  die  Mai- 
länder Martin  de  Tras  1410 — 1435,  der  Tausiator  Francois 
Forcia  um  1537  und  die  Brüder  Baptiste  und  Cäsar  Gambeo 
1543  — 1549  waren.*)  Ludwig  XI.  machte  1466  erneuerte  Anstren- 
gungen, um  Mailänder  Meister  an  sich  zu  ziehen.  Karl  VIII.  gründete 
1490  au  Bordeaux  eine  neue  Ansiedelung  von  Waffenschmieden,  meist 
aus  Mailändern,  unter  denen  Ambroise  Caron  zu  groCsem  Ansehen 
und  Reichtum  kam.  Inzwischen  war  um  1540  die  Waffenschmiede- 
kunst Deutschlands  zu  hoher  Entwickelung  gekommen,  und  schnell 
war  Franz  I.  zur  Hand,  deutsche,  namentlich  Tiroler-  und  Augsburger 
Plattner  nach  Frankreich  zu  ziehen.  Diese  Bemühungen  der  Könige 
waren  von  guten  Erfolgen  begleitet,  denn  wir  sehen  im  16.  Jahr- 
hundert zahlreiche  Franzosen  in  Spanien,  Italien  und  in  Deutschland 
als  Kunstarbeiter  beschäftigt. 

Von  1640  an  hebt  sich  Frankreich  mächtig  in  seiner  industriellen 
Kunst  und  damit  auch  in  der  Erzeugung  kunstvoller  Waffen,  besonders 
in  Feuergewehren,  Degen  u.  dgl.  Es  wird  darin  tonangebend  zu 
einer  Zeit,  in  welcher  die  deutsche  Kunstindustrie  starr  zu  werden 
droht,  die  italienische  und  spanische,  obwohl  sie  noch  über  gewichtige 
Namen  verfügen,  doch  ersichtlich  sich  im  Rückgange  befinden.  Zu 
den  ersten  Meistern  zählen  die  Büchsenmacher  Bertrand  Pi raube 
um  1670,  Adrien  Reynier,  genannt  le  Hollandois,  um  1724  und 
Louis  Renard,  genannt  Saint-Malo,  um  1643.  Allen  voran  dürfte 
der  schon  früher  genannte  Philipp  Cordier  d'Aubigny,  1635  — 1665, 
stehen,  dessen  Arbeiten  zu  den  schönsten  der  Zeit  zählen  und  der 
auch  der  Erfindung  des  Flintenschlosses  nicht  ferne  steht. 

In  den  Niederlanden  erscheint  die  Waffenerzeugung  bis  ans 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  nicht  bedeutender  als  etwa  im  nördlichen 
Deutschland,  doch  hatten  sich  in  den  vielen  Städten  daselbst  Zünfte 
herangebildet,  welche  als  tüchtig  und  befähigt  angesehen  werden 
konnten.  Wie  überhaupt  alle  Künste  und  Gewerbe  unter  burgundischer 
Herrschaft  einen  gewaltigen  Aufschwung  genommen  hatten,  so  kam 
auch  um  1400  das  Waffenhandwerk  in  den  niederländischen  Städten, 
vom  Hofe  unterstützt,  zu  ungemeiner  Blüte.  Die  erste  Anregung 
gaben  die  zahlreichen  Turniere,  die  um  diese  Zeit  zu  besonderer  Be- 


•)  Rondot,  Natalis.  Les  artistes  et  les  mattres  des  metiers  Tangers  ayant 
travaille  a  Lyon.    Gazette  de  Beaux-Arts  1883. 

Boeheim,  Waffenkunde.  39 


610 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


liebtheit  gelangten;  nicht  minder  gab  die  Prachtliebe  der  beiden  bur- 
gundischen  Herzoge  Philipp  und  Karl  Gelegenheit  zu  einer  künst- 
lerischen Ausstattung  der  Waffen.  Die  am  Beginne  des  15.  Jahr- 
hunderts zunehmende  Bedeutung  der  niederländischen  Waffenschmiede 
kennzeichnet  sich  dadurch,  dafs  wir  von  da  an  Namen  von  bedeu- 
tenderen Meistern  in  den  Urkunden  antreffen,  so  um  1407  Lodequin 
Hughes  in  Brüssel,  um  1423  Jehan  Wisseron  in  Brüssel,  um 
1438  den  Hofplattner  Massin  de  Fromont.  Um  1462  wirkt  der 
berühmte  Waffenschmied  Ambroise  Ruphin;  um  1468  aber  der 
Hofplattner  Karls  des  Kühnen,  Lancelot  de  Gindertale,  der  in 
seiner  Leistungsfähigkeit  mit  dem  gleichzeitigen  Tomaso  Missaglia  in 
Mailand  zu  vergleichen  ist.  Um  diese  Zeit  hatten  sich  auch  die 
Zünfte  der  Armrustmacher  mächtig  gehoben,  die  sich  später  vorzugs- 
weise überseeischer  Holzarten  für  die  Säulen  bedienten.  Berühmt 
war  um  1469  Luc  de  Muldre.*) 

Unter  Philipp  dem  Guten  wurde  die  Geschützgiefserei  zu  Mecheln 
gegründet  Karl  V.  erneuerte  sie  1520,  wobei  sich  der  kaiserliche 
Büchsenmeister  Hans  Poppenrieder  grofse  Verdienste  erwarb.  Der 
letzte  bedeutende  Giefser  in  Mecheln  war  P.  F.  Dietrich  um  1760. 

Mit  dem  Ende  Karls  des  Kühnen,  1477,  schien  das  Waffen- 
schmiedhandwerk in  Brüssel,  Valenciennes,  Mecheln  etc.  einen  Rück- 
schritt zu  machen.  Der  einzige  Plattner  von  Bedeutung  um  1480 
war  Francis  Scroo.  Auch  die  quantitative  Leistungsfähigkeit  war 
in  Abnahme.  1495  berief  König  Maximilian  I.  die  Mailänder  Waffen- 
schmiede Gabriel  und  Francesco  Merate  nach  den  Niederlanden  und 
etablierte  sie  in  Arbois. 

Im  Verlaufe  des  16.  Jahrhunderts  herrschte  in  der  Erzeugung 
der  Waffen  in  diesen  Gebieten  eine  ungemeine  Thätigkeit,  ihre  Be- 
deutung ist  aber  nur  nach  der  technischen  Seite  hin  zu  würdigen.  Man 
kann  zwar  in  der  2.  Hälfte  des  Jahrhunderts  ganz  gut  von  einer 
Schule  des  Waffenhandwerks  in  den  Niederlanden  sprechen,  aber 
die  künstlerische  Fähigkeit,  die  sie  aufwies,  blieb  weit  zurück  hinter 
jener,  die  zur  Zeit  Philipps  des  Guten  und  Karls  des  Kühnen  herrschte. 
Fast  gleichzeitig  mit  der  französischen  Gewehrfabrikation  um  1640 
erhob  sich  auch  die  niederländische,  und  sie  erreichte  jene  auch  in 
Bezug  auf  die  künstlerische  Ausstattung  der  Erzeugnisse,  beeinflufst 
von  den  Amsterdamer  Ornamentisten,  deren  Stil  schon  vom  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  an  das  niederländische  Kunsthandwerk  be- 
herrschte, örtlich  in  Verbindung,  doch  getrennt  in  politischer  Be- 
ziehung von  den  Niederlanden  stand  das  Gebiet  von  Lüttich.  Eine 
bedeutende  Waffenschmiedestätte,   besitzt  sie  in  ihrem  genetischen 


*)  L'art  ancien  a  l'Exposition  Nationale  Beige,  public  sous  la  Direction  de 
Camille  de  Roddaz,  Armureric  par  E.  Vanvinkeroy,  Chef  de  la  Scction  d'armes  au 
Musee  Royal  d'antiquites  a  Bruxellcs.    Bruxclles  et  Paris  1881. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


tili 


Wesen  viele  Ähnlichkeit  mit  Passau,  denn  auch  Lüttich,  am  Zusammen- 
flüsse der  Ourthc  mit  der  Maas,  verdankt  seine  Bedeutung  seinen 
bischöflichen  Herrschern.  War  die  Eisenindustrie  schon  vom  9.  Jahr- 
hundert dort  lebhaft  betrieben,  so  hob  sie  sich  als  Industrie  für  Ge- 
schütze und  Eisenwaffen  und  besonders  Feuergewehren  im  nieder- 
ländischen Befreiungskriege  des  16.  Jahrhunderts  auf  eine  ungeahnte 
Höhe.  In  jener  Zeit  diente  sie  den  Spaniern  wie  den  Kaiserlichen 
in  der  Waffenausrüstung.  Oftmals  versuchten  die  fremden  Herrscher 
die  dortige  Erzeugungsweise  bei  sich  heimisch  zu  machen  und  Ar- 
beiter an  sich  zu  ziehen.  Massenhaft  war  ihre  Leistung  für  Napoleon  I. 
1809 — 1814. 

England  ist,  nach  der  technischen  Seite  hin  betrachtet,  vom 
Beginne  des  Mittelalters  an  als  hervorragend  in  der  Waffenerzeugung 
zu  betrachten.  Seit  Richard  I.  bilden  sich  dort  in  den  Harnischen 
und  anderen  Waffen  besondere  nationale  Formen  heraus,  was  immer 
als  Zeichen  einer  gewissen  Selbständigkeit  des  Geschmacks  anzusehen 
ist.  Vom  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  an  förderte  die  Prunkliebe 
des  Hofes  und  der  Adligen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  die 
künstlerische  Fähigkeit  der  Londoner  Waffenschmiede.  Im  17.  Jahr- 
hundert beginnt  eine  ausgezeichnete  Industrie  in  Feuergewehren,  be- 
merkenswert durch  tadelloses  Metall  und  bewunderungswürdige  Arbeit. 
Auf  das  Festland  hat  die  Waflenindustrie  Englands  bis  ins  1 8.  Jahr- 
hundert hinein  nur  zeitweilig  und  vorübergehend  Einflufs  gewonnen. 

Um  Deutschlands  Waffenindustrie  übersichtlich  zu  beschreiben, 
müssen  wir  bis  ins  frühe  Mittelalter  zurückgreifen,  in  die  Epoche 
Karls  des  Grofsen,  in  welcher  die  reich  verzierten  Schwerter  Kölns 
im  ganzen  Reiche  grofse  Berühmtheit  genossen.    Soweit  wir  nach 
Waffenstücken  und  Beschreibungen  urteilen  können,  ist  diese  älteste 
Waffenstätte  vom  Oriente  beeinflufst  worden.    Sarazenische  Arbeiten 
von  der  Nordküste  Afrikas,  arabische,  über  Byzanz  kommend,  hatten 
längst  ihren  Weg  nach  Deutschland  gefunden  und  wurden  dort  in  ihrer 
Technik  nachgeahmt,  wobei  die  Goldschmiede  vorzugsweise  behilflich 
waren.  Weniger  kunstreich  als  die  kölnische  und  mehr  auf  die  Massen 
berechnet  war  die  altberühmte  Waffenindustrie  Passaus.    Nach  der 
Verlegung  des  von  den  Avaren  bedrohten  Bistums  Lorch  nach  Passau 
im  8.  Jahrhundert  wanderten  auch  zahlreiche  Eisenarbeiter  aus  den 
heutigen    nordsteirischen   und  österreichischen  Gebieten  mit  ihrem 
Seelenhirten  aus  und  gründeten  in  der  genannten  Stadt  eine  Industrie, 
die  rasch  zu  hoher  Entwickelung  kam  und  im  ganzen  Mittelalter 
einen  Weltruhm  genofs.    Die  Werkstätten,  die  zum  Teil  abhängig 
von  dem  Bischöfe  waren,  führten  in  ihren  Erzeugnissen,  die  meist 
aus  Schwertklingen  bestanden,  vom  13.  Jahrhundert  an  das  Wappen 
des  Bistums,  den  „WolP*,  und  wohl  auch  den  Bischofstab.   Das  alt- 
berühmte Zeichen  wurde  im  späten  Mittelalter  vielfach  gefälscht.  Eine 
Chronikstelle    besagt,    dafs  Herzog  Albrccht    im  Jahre   1349  die 

39* 


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612  V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmied wesen. 

Passauer  Werkstätten  mit  dem  Wolfszeichen  begabt  habe;  die  Nach- 
richt ist  aber  apokryph.  Dagegen  ist  die  Angabe  zuverlässig,  dafs 
Kaiser  Karl  IV.  dem  Passauer  Messerschmiede  Georg  Springinklee 
für  seine  Zunft  ein  Wappen  verliehen  habe,  das  in  einer  Krone  be- 
stand, in  deren  Zinken  drei  blanke  Schwerter  stecken.  In  einem 
gewissen  Kontakte  mit  Passau  stand  die  Schwertindustrie  Regens- 
burgs.  Im  Rolandsliede  wird  als  Verfertiger  des  Schwertes  Rolands 
(Durenda)  der  Schmied  Madelger  aus  Regensburg  erwähnt.*)  Die 
Passauer  verstanden  es,  ihre  Erzeugnisse  mit  abergläubischem  Nimbus 
zu  umgeben.  Mit  einer  Passaucr  Klinge  konnte  man  sich  „fest",  d.  i. 
unverwundbar  machen,  wie  auch  die  „Passauer  Kunst"  eine  Unzahl 
von  Geheimmitteln  in  sich  fafste.  Der  fromme  Schwindel  währte  bis 
zum  westfälischen  Frieden. 

Bis  ins  12.  Jahrhundert  reicht  die  Waffenindustrie  Solingens 
zurück.  Nach  einer  Tradition  soll  sie  durch  Adolf  IV.  von  Berg 
1 147,  nach  anderer  Annahme  erst  1290  gleichfalls  von  dahin  einge- 
wanderten steirischen  Eisenarbeitern  gegründet  worden  sein;  ihren 
raschen  Aufschwung  verdankt  sie  der  gewaltigen  Bewegung  in  den 
Kreuzzügen.  Im  16.  Jahrhundert  wendeten  sich  die  zahlreichen 
Werkstätten  vorzüglich  der  Fabrikation  von  Degen  und  Rappieren  zu, 
in  welcher  sie  heute  selbst  von  den  englischen  nicht  übertroffen  werden. 
Solinger  Degenklingen  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  haben  viele 
Ähnlichkeiten  mit  gleichzeitigen  spanischen,  wie  denn  auch  erwiesen 
ist,  dafs  viele  Solinger  Schwertfeger  zeitweise  in  Spanien  arbeiteten. 
Ein  Hauptort  der  Waffenerzeugung  war  Suhl  in  Thüringen;  die 
dortige  Waffenindustrie  bestand  schon  vor  1380  und  lieferte  ihre 
Harnische  und  Schwerter  der  Ritterschaft  Deutschlands.  1563  be- 
gründete der  letzte  Graf  von  Henneberg  die  dortige  Feuerwaffen- 
industrie im  grofsen  Stile,  die  sich  bis  auf  unsere  Tage  in  grofsem 
Ansehen  erhielt.  Die  Büchsenmacherfamilie  Klett  hat  an  ihrem 
Ruhme  nicht  geringen  Anteil. 

Mit  diesen  grofsen  Zentren  teilten  aber  auch  viele  andere 
deutsche  Städte  den  Ruhm  einer  ungemeinen  Produktionsfahigkeit  auf 
dem  Gebiete  der  Waffen.  Schon  im  frühen  Mittelalter  tritt  Nürnberg 
in  dieser  Hinsicht  achtunggebietend  hervor.  Eine  der  ältesten  Nürn- 
berger Zünfte  ist  die  Messercrzunft  von  1285.  lm  '4-  Jahrhundert, 
wo  die  Nürnberger  Werkstätten  bereits  für  die  ersten  Deutschlands 
galten,  nimmt  die  Kunst  hier  immer  mehr  Einflufs  auf  das  Hand- 
werk. Indes  kommt  in  Bezug  auf  die  künstlerische  Ausstattung  die 
Nürnberger  Waffenindustric  erst  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts  zu 
vollem  Glänze,  und  wir  zählen  von  da  an  Meister,  deren  Namen  für 

*)  Es  ist  bezeichnend,  dafs  althochdeutsch  madalger,  mittelhochdeutsch  madelger 
die  Kreuzwurz  (Gentiana  cruciata)  genannt  wurde,  die  in  der  nordischen  Mythologie 
eine  nicht  unbedeutende  Rolle  spielt.  Sie  erhielt  ihren  Namen  von  Madelger,  dem 
Vater  Heimirs.    (Grimm,  Mythologie.) 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


613 


alle  Zeiten  in  der  Kunstgeschichte  prangen  werden,  wie  die  Plattner 
Hans  Grunewalt,  Wilhelm  von  Worms,  Vater  und  Sohn, 
Konrad  Lochner,  Valentin  Siebenbürger,  die  Büchsengiefser 
Sebald  Behaim,  Andreas  Pegnitzer,  Vater  und  Sohn,  und  viele 
andere.  Wie  in  Italien,  so  waren  auch  in  Deutschland  die  Be- 
ziehungen zwischen  Kunst  und  Handwerk  immer  inniger  geworden. 
War  die  erste  Anregung  hierzu  auch  aus  Italien  gekommen,  die  grofse 
geistige  Kraft  der  Nation  bildete  die  fremden  Elemente  doch  in  staunens- 
wert kurzer  Zeit  nach  ihren  Anschauungen  um,  und  der  grofse  deutsche 
Meister  Albrecht  Dürer  steht  mitten  im  industriellen  Gebiete  wie 
eine  eherne  Säule  da.  Er,  der  Meister  im  grofsen  Stile,  nimmt  Ein- 
flufs  auf  die  kleinsten  Verhältnisse  im  nationalen  Kunstleben;  ihm  ist 
es  nicht  zu  gering,  von  der  Staffelei  weg  sich  an  den  Tisch  zu  setzen, 
um  den  Entwurf  zu  einem  Gerät  zu  machen.  Der  Kaiser  wünscht 
15 17  eine  Zeichnung  zu  einem  silbernen  Hämisch,  und  er  zeichnet 
einen  solchen  in  allen  Einzelheiten.  Er  ist  von  dem  berühmten 
Colman  Helmschmied  ausgeführt  worden  und  würde,  wäre  er  uns 
erhalten  geblieben,  in  künstlerischer  Schönheit  von  keinem  der  Welt 
übertroflen  werden,  wie  uns  einige  noch  vorhandene  Skizzen  lehren. 
Und  wie  Dürer,  so  waren  auch  seine  künstlerischen  Zeitgenossen 
und  Nachfolger  für  das  Waffenwesen  mit  Erfolg  thätig.  So  sehen  wir 
im  Skizzenbuche  des  Hans  Baidung  Grün  Musterzeichnungen  von 
Harnischen;  so  wissen  wir,  dafs  die  beiden  Burgk mair  am  Waffen- 
wesen, ebenso  wie  Albrecht  Altdorfe r  mit  Entwürfen  beteiligt 
waren.  Auf  dekorativem  Gebiete  ragt  in  der  fränkischen  Schule 
vor  allem  A.  Aldegrever  hervor,  der  der  Ornamentik  eine 
eigene  Richtung  gab,  und  welchen  bedeutenden  Einfiufs  haben  nicht 
der  ältere  L.  Cranach,  Aug.  Hirsvogel,  Virgil  Solis  und  die, 
Goldschmiede  Jamnitzer  auf  die  Verzierung  der  Waffen  genommen! 

Im  Verlaufe  des  1 6.  Jahrhunderts  trat  gegen  das  mächtige  Nürn- 
berg eine  lebenskräftige  Rivalin  auf:  Augsburg.  Von  alter  Zeit  her 
war  hier  eine  gute,  wenn  auch  nicht  tonangebende  Waffenwerkstätte, 
aber  erst  die  volkstümliche  schwäbische  Kunst  gab  den  Anstois  zu 
einer  Entwickelung,  die  Nürnbergs  Ruhm  bald  überholte.  Immer 
gröfser  wurde  die  Zahl  der  Plattner  der  alten  Augusta  Vindelicorum. 
In  der  vordersten  Reihe  stehen  die  Kolman  Helmschmied,  deren 
Thätigkeit  sich  bis  1440  hinauf  verfolgen  läfst.  Dem  ältesten  uns  be- 
kannten Sprossen  der  Familie,  Georg,  folgte  dessen  Sohn  Lorenz  (gest. 
15 16),  diesem  der  berühmte  Enkel  Koloman  (gest.  1532)  und  diesem 
wieder  dessen  Urenkel  Desiderius,  der  die  Leistungen  selbst  der  Italiener 
in  den  Schatten  stellte.  Weiter  sind  zu  nennen  der  talentvolle  Wilhelm 
Seusenhofer  aus  Innsbruck,  Matthäus  Frauenbrys,  Anton 
Pfeffenhauser  und  zahllose  andere.  Im  Geschützgusse  ragt  vor 
allen  der  Vorarlberger  Gregor  Löffler  hervor,  der  Augsburg  seiner 
prächtigen  Geschütze  halber  sprichwörtlich  gemacht  hat. 


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614 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waflenschmiedwesen. 


Fragen  wir  nach  den  Meistern,  welche  dem  Waffen wesen  sein 
künstlerisches  Gepräge  aufgedrückt  und  die  deutsche  Waffenschmiede- 
.  kunst  zu  ungemeiner  Bedeutung  erhoben  haben ,  dann  stofsen  wir 
nicht  allein  auf  Maler,  sondern  auch  auf  Bildhauer,  Goldschmiede  und 
selbst  auf  einfache  Ätzkünstler.  Neben  den  Nürnbergern  und  den 
beiden  Burgkmair  ist  hier  noch  Hans  Holbein  d.  j.,  der,  wenn 
auch  von  der  Heimat  fern,  doch  ersichtlich  grofsen  EinfluCs  auf 
die  dekorative  Kunst  im  Waffenwesen  Augsburgs  gehabt  hat  Wie 
Augsburg  später  in  den  Wettbewerb  getreten  ist,  so  fand  es  auch 
bereits  eine  andere  Art  des  Kunstbetriebes  vor.  Es  lernte  die  Ent- 
würfe von  Künstlern  grofsen  Stils  allgemach  entbehren  und  fand  seine 
Ornamentisten  in  einer  Unzahl  von  Goldschmieden,  Emailisten  und 
Ätzmalern,  die,  wie  Jörg  Sorg,  Marquart,  Christof  Lenker, 
Schanternell,  Attcmstätter,  die  Ätzmaler  Roth  und  viele  andere, 
Vorzügliches  leisteten.  Daneben  boten  der  Industrie  die  zahlreichen 
Ornamentstiche  aus  dem  Weigelschen  Verlage  und  jene  aus  den 
Niederlanden  des  Hieronymus  Cock  treffliche  Muster.  Wir  nennen 
hier  unter  anderen  Theodor  de  Bry,  Michel  le  Blon,  Cornelis 
Floris  und  Johann  Vredeman  Vries.  Selbst  die  Benutzung  italie- 
nischer Vorlagen  ist  bei  Desiderius  Kolman  nachzuweisen. 

Von  nicht  geringer  Bedeutung  war  der  Einflufs  einiger  Höfe  in 
Deutschland  auf  die  Entwickelung  des  Waffenschmiedewesens.  In 
Bayern  errichtete  Herzog  Albrecht  IV.  1492  zu  München  die  Stuck- 
giefserei  am  Glockenbachc,  um  deren  Förderung  sich  die  Familie 
Ernst  wesentliche  Verdienste  erwarb.  Die  Plattnerei  war  in  Lands- 
hut heimisch,  ihr  hervorragendster  Meister  war  Franz  Grosschedel. 
In  Sachsen  wirkte  von  1460  an  die  berühmte  Stuckgiefserfamilie 
•  Hilger  in  Dresden,  ebendort  waren  die  Plattner  Hans  und  Sig- 
mund Rosenberger  berühmt  in  ihrem  Fache,  und  in  Annaberg 
stand  die  Familie  der  von  Speyer  in  verdientem  Ansehen.*) 

Diese  von  den  Kunstzentren  Deutschlands  entfernten  Meister 
lassen  auf  dem  dekorativen  Gebiete  den  Einflufs  einer  bestimmten 
Schule  nicht  erkennen.  Sie  nehmen  ihre  Vorbilder  überall  her,  selbst 
von  Franzosen  wie  Jacques  Ducerceau. 

Übrigens  tauchen  Ornamentisten  nach  und  nach  in  den 
kleinsten  Städten  auf,  wo  Kunstarbeiten  gefertigt  wurden.  Besonders 
zahlreich  scheinen  sie  in  München  gewesen  zu  sein,  wie  u.  a.  aus 
den  von  Hefner-Alteneck  publizierten  Handzeichnungen  aus  dem  kgl. 
Kupferstichkabinett  zu  München  zu  entnehmen  ist.  Als  ein  Hauptmeister 
der  Ornamentik  erscheint  dabei  Hans  Mielich,  der  Entwürfe  zu 
Harnischen  für  Franz  I.  und  Heinrich  II.  von  Frankreich  lieferte,  ferner 
ChristofSchwarz  aus  Ingolstadt,  der  für  einen  Harnisch  Rudolfs  II. 


*)  Gurlitt,  Com.,  Deutsche  Turniere,  Rüstungen  und  Plattner  im  16.  Jahr- 
hundert.   Dresden,  1889. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffcnschmicdwcscn. 


615 


Zeichnungen  fertigte.  Hans  Bol  und  Hans  Boksberger  sind  eben- 
falls durch  die  genannte  Veröffentlichung  zu  verdientem  Ansehen 
gekommen. 

Mit  der  Einführung  des  Feuergewehres  erstand  für  Deutschland 
ein  neues  Gebiet  der  Waffenindustric,  auf  dem  es  viele  Jahrzehnte 
den  Ton  angab.  Namentlich  war  das  deutsche  oder  Radschlofs  eine 
Spezialität,  in  deren  Erzeugung  selbst  die  nacheifernden  Brescianer 
es  nicht  zu  höherer  Bedeutung  zu  bringen  vermochten.  Eigenartig 
und  bewundernswert  war  auch  die  Einlagetcchnik  der  deutschen 
Schäftcr,  mit  der  diese  in  der  ganzen  Welt  den  höchsten  Ruhm  er- 
warben. Selbst  nach  der  Erfindung  des  Flintenschlosses  hatte  Deutsch- 
land noch  namhafte  Meister  aufzuweisen,  die  allerdings  den  heimischen 
Stil  verliefsen,  wie  Armand  Bongardc  in  Düsseldorf,  Ulrich  Mänz 
in  Braunschweig,  S.  Hauschka  in  Wolfenbüttel,  J.  A.  Kuchenreuter 
in  Regensburg  u.  a.  Für  die  Büchsenmacherei  bildete  sich  damals 
eine  eigene,  den  Franzosen  nachgebildete  Kunstlitteratur ;  wir  erwähnen 
daraus  nur  der  Ausgaben  des  Peter  Schenck  in  Amsterdam  1692 
und  des  Christof  Weigel  in  Nürnberg. 

In  den  österreichischen  Erbländern  finden  wir  eine  Waffen- 
industrie, die  bis  in  das  Altertum  und  an  den  Beginn  der  Eisen- 
periode hinaufreicht.  Die  römischen  Schriftsteller,  wie  Plinius,  be- 
richten uns  von  der  Güte  des  norischen  Stahles  und  Tacitus  von 
der  dortselbst  rege  betriebenen  Fabrikation  von  Waffen.  Diese  In- 
dustrie scheint  selbst  unter  den  Wirren  der  Völkerwanderung  nicht 
gänzlich  zu  Grunde  gegangen  zu  sein.  Sie  stammt  keinesfalls  von 
den  Römern,  sondern  von  illyrischen  Kelten  her;  wir  schliefsen  dies 
daraus,  dafs  diesem  Volksstamme  der  Bergbau  eigentümlich  war  und 
dafs  der  Zug  einzelner  von  den  Avaren  bedrängter  Familien  nicht 
nach  Süden,  sondern  gerade  donauaufwärts  ging.  Die  Eisen-,  damit 
auch  Waffenindustrie  Noricums  beschränkte  sich  nicht  auf  das  heutige 
Steiermark  allein,  sie  reichte  von  der  Donau  bis  nach  Kärnten  und 
von  der  Enns,  dem  Anisus  der  Alten,  bis  an  die  Abdachung  des 
Wienerwaldes  und  an  die  Raab.  Die  hier  gefertigten  Waffen  gingen 
teils  nach  Italien  und  in  die  pannonischen  Landschaften,  teils  donau- 
aufwärts, bis  die  Passauer  Werkstätten  das  nördliche  Gebiet  für  sich 
gewannen.  Während  der  Periode  der  Kreuzzüge  scheint  die  stei- 
rische  Waffenindustrie  zu  grofser  Bedeutung  und  ungemeiner  Leistungs- 
fähigkeit gekommen  zu  sein.  Es  ergibt  sich  das  aus  dem  mächtig 
zunehmenden  Selbstbewufstsein  der  Korporationen  und  den  allent- 
halben erlassenen  Privilegien  im  12.  und  13.  Jahrhundert  Um  diese 
Zeit  mehren  sich  auch  die  Werkstätten  in  den  gröfseren  Städten 
Böhmens  und  Ungarns,  die  den  in  diesen  Ländern  nicht  unbedeuten- 
den Ertrag  an  Eisen  und  Stahl  verarbeiten. 

Im  Hussitenkriege  gelangten  einige  Bezirke  in  Böhmen,  welche 
schon  im  frühen  Mittelalter  als  Eisenindustrie  treibend  genannt  werden, 


616 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waffensehmiedwcsen. 


wie  Beraun,  Kuttenberg  etc.,  zu  vorübergehender  Bedeutung.  Auch 
unter  König  Podiebrad  wurden  Versuche  gemacht,  das  Land  im 
Waffenwesen  minder  abhangig  zu  machen;  sie  scheiterten  zumeist  an 
der  unüberwindlichen  Konkurrenz  Passaus. 

So  grofs  die  Leistungsfähigkeit  der  Schmiedewerkstätten  im  Mittel- 
alter auch  war,  so  litten  ihre  Erzeugnisse  doch  an  dem  Gebrechen 
der  Regellosigkeit  der  Formen,  ein  Umstand,  der  einzelne  Herrscher 
im  14.  Jahrh.  veranlafste,  auf  die  Formengebung  Einflufs  zu  nehmen. 
Diese  durch  gesetzliche  Vorschriften  bewirkte  Reform  wird  freilich 
erst  im  15.  Jahrhundert  merkbar.  In  Tirol  ist  es  Friedrich  mit  der 
leeren  Tasche,  der  eine  geregelte  einheitliche  Bewaffnung  seines  Kriegs- 
volkes anzubahnen  versuchte,  insofern  er  den  Gcschützgufs  zuerst  in 
eigene  Hände  nahm.  Sein  Nachfolger  Sigismund  setzte  die  Be- 
mühungen eifrig  fort.  Kr  ist  als  der  eigentliche  Schupfer  der  be- 
rühmten Stuckgiefserschule  anzusehen,  die  unter  Maximilian  I.  ihre 
grofsartige  praktische  Verwertung  fand.  Unter  Sigismund  bildeten 
sich  Jörg  Endorfer,  Peter  Layminger,  Hans  Prein,  Linhart 
Peringer  u.  a.  Die  anderen  Waffen  wurden  je  nach  dem  politischen 
Verhältnis  aus  Italien  oder  aus  Passau  bezogen.  Mit  dem  Regie- 
rungsantritte Maximilians  I.  trat  im  gesamten  Kriegswesen  der  öster- 
reichischen Erblande  und  Deutschlands  ein  ungeheuerer  Umschwung 
ein.  Dieser  Herrscher  war  es,  der  zuerst  ein  vollständiges  System 
der  Bewaffnung  ins  Leben  rief  und  bei  dessen  Durchführung  auf  die 
Produktion  der  Erblande  eine  möglichst  weitgehende  Rücksicht  nahm. 
Jetzt  trat  die  Innsbrucker  Giefserei  tonangebend  mit  Meistern  hervor, 
die  an  Fähigkeit  selbst  die  Augsburger  und  Nürnberger  überragten; 
so  Hans  Seelos,  Stefan  Godl,  Hans  Düring,  und  vor  allen 
Peter  Laymingers  berühmter  Sohn  Gregor  Löffler.  Nicht  allein 
für  das  Geschützwesen,  auch  für  die  übrigen  Angriffswaffen:  Spiefse, 
Schwerter,  Armrüste,  später  um  1500  auch  für  die  Handfeuerwaffen 
wurden  bezüglich  ihrer  Formen  Bestimmungen  getroffen,  die  mit  der 
neugebildeten  Heeresorganisation  im  Einklänge  standen.  Spielse  und 
Schwerter  kamen  aus  Leoben,  zum  Teil  auch  aus  dem  Belluncsischen, 
Armrüste  aus  Tirol  und  dem  Donauthale,  Hakenbüchsen  aus  Mürz- 
zuschlag  und  aus  Steyr.  Ein  bedeutender  Nachdruck  wurde  auf 
die  Entwickelung  des  Artilleriezeugwescns  gelegt.  Unter  Kaiser  Maxi- 
milian I.  bildeten  die  österreichischen  Heereseinrichtungen  das  Muster 
für  jene  aller  übrigen  Länder,  selbst  Frankreich  nicht  ausgenommen. 
Maximilian  bediente  sich  zur  Durchführung  seiner  Reformen  des 
Bartholomäus  Freysleben,  eines  äufserst  begabten  Mannes,  der 
als  einfacher  Schlosser  seine  Laufbahn  begonnen  hatte  und  spater 
seines  organisatorischen  Talentes  wegen  des  Kaisers  vollstes  Vertrauen 
genofs.  Die  wiederholt  erwähnten  Zeugbücher  Maximilians  I.,  eine 
wichtige  Quelle  zur  Kenntnis  des  Waffenwesens  am  Beginne  des 
16.  Jahrhunderts,  sind  unter  seiner  Leitung  entstanden.    Als  ein  von 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


617 


dem  Kaiser  für  Waffenentwürfe  beschäftigter  Künstler  wird  uns  der 
Briefmaler  Nicolaus  Glockendon  genannt. 

Das  österreichische  Plattnerwesen  hatte,  wie  die  Giefskunst,  ihre 
Heimstätte  in  Tirol.  Als  der  vollständige  Plattcnharnisch  üblich 
wurde,  arbeitete  zu  Innsbruck  die  Plattnerfamilie  Treytz;  sie  lieferte 
ausgezeichnete  Harnische,  die  weit  und  breit  begehrt  wurden.  Die 
tirolische  Plattnerei  scheint  aus  der  mailändischen  Schule  erwachsen 
zu  sein.  In  der  Treytzschen  Werkstätte  bildete  sich  der  mit  Recht 
berühmte  Hans  Seusenhofer,  der  Harnischmeister  Maximilians  I. 
Ihm  folgte  zu  Innsbruck  dessen  Sohn  Jörg  Seusenhofer,  ein  Bruder 
Jörgs  war  der  berühmte  Wilhelm  dieses  Namens  zu  Augsburg,  dessen 
wir  bereits  gedacht  haben. 

Unter  Ferdinand  I.  nahm  die  Bedeutung  der  speziell  österreichi- 
schen Waffenindustrie  etwas  ab,  wenigstens  werden  für  den  Bedarf 
an  Waffen  die  Industrien  in  den  Reichslanden,  wie  Augsburg,  Passau, 
ferner  Mailand,  Brescia,  und  selbst  in  Spanien  mehr  in  Anspruch 
genommen.  Ungarisch-orientalische  Formen  beeinflufsten  damals  mehr 
und  mehr  das  deutsche  Waffen wesen ;  von  hier  aus  gehen  sie  auch 
auf  italienische  Werkstätten  über.  Deutsche  Ätzmaler,  die  Zischüggen, 
Säbelscheiden  etc.  mit  ihren  charakteristischen  Renaissanceomamenten 
verzierten,  versuchen  nicht  selten  auch  den  orientalischen  Stil  nach- 
zuahmen, was  ihnen  manchmal  wunderbar  gelingt.  Am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  und  das  ganze  1 7.  Jahrhundert  hindurch  sind  geätzte 
Schwertklingen  auch  bei  Jagdschwertern  sehr  beliebt  gewesen.  Im 
letzteren  Jahrhundert  bildete  sich  für  die  Klingenätzung  eine  eigene 
bäuerliche  Industrie  im  Algäu,  in  dem  Schwarz-  und  dem  Bregenzer- 
walde heraus,  die  zwar  rohe  aber  äufserst  charakteristische  Erzeugnisse 
zu  Tage  förderte.  Ferdinand  I.  gründete  1558  die  heute  noch  immer 
ansehnliche  Feuergewehrindustrie  zu  Fcrlach  in  Kärnten.  Er  berief 
hierzu  Arbeiter  aus  den  Niederlanden.  Das  Eisen  zur  Fertigung  der 
Läufe  wurde  aus  der  nächsten  Umgebung  bezogen,  wie  auch  die 
Bohrungen  am  Orte  selbst  vorgenommen  wurden  Ihre  Berühmtheit 
verdankt  sie  den  aufserordentlich  präzisen  Montierungen.  Unter  Kaiser 
Rudolf  wurden  die  italienischen  Industriestädte  für  Waffen  sehr  in 
Anspruch  genommen,  aber  auch  Passau  arbeitet  viel  für  den  Kur- 
fürsten Maximilian  von  Bayern.  Von  etwa  1600  an  hebt  sich  in  den 
österreichischen  Erblanden  die  Fabrikation  von  Feuergewehren.  Im 
Jahre  1657  gründete  Kaiser  Ferdinand  III.  die  später  zu  bedeuten- 
dem Ansehen  gelangte  Feuergewehrfabrik  zu  Wiener  Neustadt,  deren 
erste  Arbeiter  gleichfalls  Niederländer  waren.  Sie  wurde  indes  um 
1750  wieder  aufgegeben.  In  Tirol,  in  Böhmen  erstehen  ausgezeich- 
nete Meister  für  geschnitzte  und  eingelegte  deutsche  Schäfte,  für  Rad- 
schlösser etc.  Später  treten  auf  diesem  Gebiete  die  Wiener  Meister 
hervor,  die  ersichtlich  im  Kontakte  mit  den  Augsburgern  stehen,  aber 
auch  Brescianer  Eisenarbeit  zu  erreichen  streben.    All  diesen  Be- 


618 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


mühungen  macht  die  Erfindung  des  Flintenschlosses  und  die  Umge- 
staltung des  Schaftes  nach  französischem  Muster  ein  Ende.  So  wie 
im  westlichen  Deutschland  beeilen  sich  auch  die  österreichischen  Büchsen- 
macher, die  neuen  Gewehrformen  nachzuahmen,  und  nach  wenigen 
Jahrzehnten,  um  1680,  arbeiten  sie  Ziergewehre  für  die  Jagd,  Pistolen 
und  dgl.,  die  den  französischen  an  Güte  nicht  nachstehen,  in  der 
Zeichnung  der  Verzierungen  aber  diese  nicht  selten  übertreffen.  Zu 
den  hervorragendsten  Meistern  zählen  wir  S.  Hause hka  und  Neu- 
reiter  in  Prag,  L.  Becher  in  Karlsbad,  G.  Keiser  in  Wien, 
G.  Dünkl  in  Schwatz  u.  a. 

Zum  Schlufs  wenden  wir  uns  zum  Oriente,  der  ja  als  die  Wiege 
der  Waffenschraiedekunst  anzusehen  ist.  Von  den  Schneegebirgen 
des  Himalaya  zogen  in  der  Mitte  des  2.  Jahrtausends  vor  Christi  die 
ersten  Eisenschmiede  in  den  Pendschab  hinab,  mächtig  breitete  sich 
in  dessen  Thälern  die  Waffen industrie  aus  und  von  hier  aus  gelangte 
die  Verarbeitung  des  Eisens  zu  Waffen  nach  Hinterindien,  Siam, 
China,  Japan  einerseits,  nach  Persien,  Arabien  und  Phönizien  ande- 
rerseits. Zur  Zeit  Alexanders  des  Grofsen  besafs  indischer  Stahl,  der 
schon  damals  als  Rohprodukt  in  den  Handel  kam,  einen  ungemein 
hohen  Wert.  Indisches  Eisen  wird  der  feinen  Politur  wegen,  die  es 
annahm,  bei  den  Alten  ferrum  candidum*)  genannt.  Die  berühmtesten 
Klingen  lieferte  das  Gebiet  von  Bokhara,  der  Stahl  aber  gelangte 
dahin  aus  Missore,  Lahore,  teils  auch  aus  Kutsch  und  aus  den  Blauen 
Bergen.  Die  indischen  Waffen  wurden  in  grofsen  Massen  nach 
Europa  ausgeführt,  ein  Teil  über  Adola,  das  heutige  Aden;  ein 
nicht  minder  bedeutender  ging  auf  den  Markt  nach  Damaskus. 
Nächst  Indien  ist  Persien  in  der  Klingenerzeugung  zu  hohem  Ruhme 
gelangt,  wiewohl  auch  hier  meist  indischer  Stahl  verarbeitet  wurde. 
Grofscs  Ansehen  genossen  die  Werkstätten  von  Khorassan,  deren 
Hauptsitz  die  Stadt  Mesched  war,  nicht  minder  geschätzt  waren  die 
Klingen  aus  Kerman,  jene  aus  Schiras  und  Ispahan.  Im  Mittel- 
alter wurden  auch  die  Panzer  von  Samarkand,  die  Klingen  von 
He  rat  mit  Auszeichnung  genannt. 

Für  die  Waffenerzeugung  war  seit  dem  Altertume  auch  Armenien 
ein  klassisches  Gebiet.  Sein  Ruhm  schreibt  sich  von  einer  uralten 
Waffenschmiedfamilie  her,  den  Yedi-Kardasch,  den  sieben  Brüdern.**) 
Vom  Mittelalter  an  ragen  die  Werkstätten  von  Erzerum,  Tiflis  und 
Akhlat  durch  ihre  Erzeugnisse  hervor,  die  selbst  bis  auf  den  Markt 
von  Damaskus  zu  dringen  vermochten. 

Die  bedeutsamste  Stadt  in  der  Geschichte  der  Waffen  ist  Da- 
maskus am  Antilibanon.  Die  schönste,  berühmteste  und  nach  der 
Meinung  der  Orientalen  auch  die  älteste,  auf  deren  Markte  die  kost- 


*)  Beck,  D.  Ludw.  Die  Geschichte  des  Eisens.  Braunschweig  1884. 
*•)  Beck,  L  c. 


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I 


V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen.  619 

barsten  Schätze  Indiens  und  Persiens  sich  sammelten.  Wer  ein  kost- 
bares Schwert  erwerben  wollte,  zog  nach  Damaskus.  Seine  Klingen 
sind  bis  zum  heutigen  Tage  sprichwörtlich  geworden,  und  wenn  auch 
nicht  alle  dort  gekauften  Klingen  aus  dieser  Stadt  selbst,  ja  die  besten 
aus  Persien  und  Tiflis  stammten,  so  zählte  man  dort  doch  hochbe- 
rühmte Klingenschmiede.  Die  ersten  und  reichsten  Tausiaarbeiten 
kamen  aus  Indien  und  Siam,  wurden  aber,  da  sie  zuerst  von  dem 
ungeheuren  Bazar  von  Damaskus  aus  in  die  Welt  gelangten,  durch- 
weg als  Damaszenerarbeiten  berühmt.  In  der  Periode  der  Kreuzzüge, 
wo  ein  Massenbedarf  an  Waffen  eingetreten  war,  entwickelte  sich  die 
quantitative  Leistungsfähigkeit  der  Industrie  in  Damaskus  selbst  so 
grofsartig,  dafs  sie  die  persische  und  armenische  Ware  allmählich 
völlig  verdrängte,  obwohl  diese  die  einheimischen  Erzeugnisse  an 
Güte  überragten.  Wiederholt  wurden  bei  der  Eroberung  der  Stadt 
die  Eisenarbeiter  von  den  Siegern  fortgeführt,  so  von  Nebukadnezar, 
und  noch  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  auch  von  Timur-Leng. 

Eigentümlich  hat  sich  die  Waffenschmiedekunst  unter  den  Arabern 
entwickelt.  Die  Araber  waren  vorwiegend  ein  Wandcrvolk,  ihre  ein- 
zigen Ansiedelungen  am  Roten  Meere  aber  sind  uralt.  Schon  3000 
v.  Chr.  erkämpften  sie  sich  die  Bergwerke  am  Sinai,  und  der  dort 
sich  entwickelnde  Bergbau  fand  eine  ungemeine  Unterstützung  in  der 
Neigung  des  Arabers  zur  Handelsthätigkcit.  Vom  Sinai,  aus  Usal, 
dem  heutigen  Sanaa,  gelangten  die  aus  feinstem  Stahl  gearbeiteten 
Waffen  nach  Tyrus  und  von  da  nach  Europa. 

Die  arabischen  Waffenschmiede  waren  nirgends  sefshaft;  sie 
wanderten  unter  den  nomadischen  Stämmen  herum  und  hatten  die 
Gewohnheit,  dafs  sie,  an  einem  Orte  angelangt,  den  Tag  ihrer  Weiter- 
reise nie  angaben,  weshalb  man  sich  auf  ihre  Beteuerungen  nie  ver- 
lassen konnte.  Ihre  Unzuverlässigkeit  wurde  darum  sprichwörtlich. 
Die  berühmtesten  arabischen  Schwerter  waren  die  Hanifitischen,  von 
ihrem  Meister  Alhanaf-ben-Kais  so  genannt  Auch  die  Klingen 
des  Waffenschmiedes  Soraidj  werden  in  den  Schriften  mit  grofser 
Verehrung  erwälint.  Nicht  weniger  berühmt  waren  die  arabischen 
Ringpanzer,  die  nicht  selten  eigene  Namen  trugen.  Die  besten  Ring- 
panzer kamen  aus  Soluk  in  Jemen.  Zweifelsohne  hat  zur  Entwicke- 
lung  der  arabischen  Waffenschmiedekunst  persischer  Einflufs  beige- 
tragen. 

Die  eigentliche  Kunsttechnik  der  Inder,  Perser  und  Araber  er- 
streckte sich  hauptsächlich  auf  die  Tausia,  das  Niello  und  die  Schnitzerei. 
Die  Entwickelung  des  Stiles  war,  wie  überhaupt  im  Oriente,  durch  die 
religiösen  Satzungen  beeinflufst,  die  ihr  einen  nur  sehr  schmalen  Weg 
übrigließen.  Die  Inder  vermeiden  figürliche  Darstellungen,  unter  denen 
sie  immer  nur  Göttergestalten  verstanden,  auf  profanen  Gegenständen. 
Den  Arabern  verbietet  das  mohammedanische  Gesetz  geradezu  die 
Nachbildung  der  menschlichen  Gestalt   und   der  Tierwelt.  Ohne 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


Zweifel  benutzten  die  Araber  vor  Mohammed  figürliche  Motive  zu 
dekorativen  Zwecken,  aber  Waffen  aus  jener  fernen  Zeit  sind  nicht 
auf  uns  gekommen.  So  beschränkte  sich  der  orientalische  Motivenschatz 
notgedrungen  auf  das  botanische  Gebiet.  Die  stilistische  Ausgestaltung 
der  Pflanzenwelt  bei  den  Arabern  hat  mit  den  Uranfängen  der  Kunst 
im  Norden  Europas,  in  den  altslawischen  Gebieten  etc.  eine  über- 
raschende Ähnlichkeit.  Die  Schrift  als  dekoratives  Mittel  zu  be- 
nutzen haben  die  Araber  um  das  Jahr  iooo  n.  Chr.  zuerst  begonnen; 
nach  ihnen  versuchten  es  auch  die  Perser,  die  als  Schiiten  übrigens 
an  figürlichen  Darstellungen  keinen  Anstofs  zu  nehmen  pflegten. 
Ornamente  mit  eingestreuten  Tieren  sind  daher,  wenn  nicht  ihr  Stil 
auf  andere  Gebiete,  wie  etwa  Indien,  Siam,  China  etc.,  weist,  was 
leicht  zu  unterscheiden  ist,  als  persisch  zu  betrachten,  wenn  auch 
arabische  Formen  mit  unterlaufen.  Die  Sarazenen,  sowie  die  Mauren 
in  Sizilien  und  Spanien  haben  sich  nicht  immer  strenge  an  das  mo- 
hammedanische Gesetz  gehalten,  denn  wir  besitzen  von  ihnen  zahl- 
reiche ornamentale  Gebilde  mit  Tier-  und  selbst  mit  Menschenge- 
stalten. Der  Löwenhof  der  Alhambra  ist  ja  für  dieses  Hinwegsetzen 
über  religiöse  Satzungen  ein  monumentaler  Beweis.  Ungemeines  Ge- 
schick zeigen  alle  orientalischen  Völker  in  der  farbigen  Behandlung 
des  Ornaments;  das  erlernten  von  ihnen  auch  die  Byzantiner.  Die 
übermäfsige  Auszierung  der  Gegenstände  mit  kostbaren  Steinen,  die 
wir  vom  7.  Jahrhundert  her  an  arabischen  Waffen,  später  auch 
an  byzantinischen  merken,  bedeuten  einen  Rückgang  in  der  dekora- 
tiven Kunst.  Vorwiegend  wird  der  Türkis  verwendet,  der  vom  Sinai 
und  aus  Persien  von  Nischapur  bei  Mesched  bezogen  wurde. 

So  geschickt  die  Chinesen  auch  in  allen  Handfertigkeiten  sind 
und  so  alt  auch  ihre  Bekanntschaft  mit  dem  Eisen  ist,  in  der  Waffen- 
fabrikation  standen  sie  immer  hinter  ihren  westlichen  Nachbarn,  den 
Siamesen  und  Indem,  aber  auch  hinter  ihren  Brüdern,  den  Japanern, 
zurück.  Die  ältesten  Eisenwerke  Chinas  waren  in  Schansi  und 
Tschilili  in  der  Provinz  Ho  und  in  Hai-schan  im  Südwesten;  die 
dort  bereiteten  Stahlsorten  wurden  zu  Schwertern,  Spiefseisen  und 
Messern  verarbeitet. 

Weit  vollkommener  ist  die  Eisen-  und  Stahlbereitung,  sowie  die 
Waffenindustrie  in  Japan.  Das  Eisen  wird  an  verschiedenen  Stellen 
gewonnen,  am  meisten  da,  wo  die  drei  Provinzen  Mimesaka,  Bitspi 
und  Bisen  zusammenstofsen.  Japanesische  Klingen  sind  so  vortrefflich 
gearbeitet,  dafs  sie  den  Damaskklingen  zur  Seite  gestellt  werden ;  freilich 
standen  sie  auch  ungemein  hoch  im  Preise.  Die  Bereitung  des  Stahles 
wird  als  Geheimnis  gehütet;  nach  Swedenborg*)  schmieden  sie  Eisen 
in  Stangen  aus,  die  sie  an  gewissen  sumpfigen  Orten  in  den  Boden 
eingraben  und  sie  dort  so  lange  liegen  lassen,  bis  sie  zum  gröfsten 


*)  Swedcnborgius,  De  Ferro.  1734.  p.  194.  —  Beck,  L  c. 


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V.  Kunst  und  Technik  im  Waffenschmiedwesen. 


(J21 


Teile  vom  Roste  verzehrt  sind;  dann  graben  sie  sie  aus,  schmieden 
sie  von  neuem  und  vergraben  sie  nochmals.  So  behandeln  sie  das 
Metall  8 — 10  Jahre,  d.  h.  so  lange,  bis  die  minderwertigen  Teile  fast 
gänzlich  durch  die  Salze  im  Sumpfwasser  verzehrt  sind.  Der  übrig- 
bleibende Teil  ist  der  reinste  Stahl. 

Das  Handwerk  des  Schwertfegers  gehörte  in  Japan  zu  den  ge- 
achtetsten  Gewerben,  und  selbst  Prinzen,  wie  Idzumi  (um  1350) 
hielten  es  nicht  unter  ihrer  Würde,  Klingen  zu  schmieden  Die  Liste 
der  berühmten  Schwertfeger  Japans  reicht  800  Jahre  hinauf,  der 
älteste  bekannte  ist  Jukimitzu;  seine  Klingen  werden  nur  noch 
als  Weihgeschenke  in  Tempeln  getroffen;  der  berühmteste  aber  ist 
Masamune  (2.  Jahrhundert).  Klingen  dieses  Meisters  tragen  keine 
Zeichen.  Der  Samurai  (Krieger),  sagte  er,  der  werth  sei,  seine  Klinge 
zu  besitzen,  müsse  sie  auch  ohne  Inschrift  erkennen. 


VI.   Die  hervorragendsten  Waffensammlungen. 


1.  Das  königliehe  Zeughaus  in  Berlin. 


o  grofsartig  und  bedeutend  die  Waffensammlung  des  königlichen 


Zeughauses  in  Berlin  auch  ist,  so  ist  sie  doch  erst  eine  Schöpfung 
jüngster  Zeit,  erstanden  unter  dem  Eindrucke  der  grofsen  deutschen 
Siege  als  eine  Versinnlichung  der  Gröfse  und  Kraft  der  deutschen 
Nation  und  ihrer  Thaten  in  der  Geschichte. 

Die  Waffensammlung  des  Zeughauses  ist  weniger  vom  technischen 
als  historischen  Gesichtspunkte  von  Bedeutung.  Sie  dient  nur  nebenher 
zur  Beleuchtung  der  Entwickelung  des  Waffenwesens,  und  hat  ihren 
Hauptwert  als  Material  für  die  Geschichte  des  Heeres,  denn  die 
Hauptmenge  datiert  erst  von  etwa  1740,  die  Reihe  beginnt  mit  Er- 
innerungsstücken aus  dem  ersten  schlesischen  Kriege  und  endet  mit 
den  Trophäen  aus  dem  letzten  Kriege  ge*gen  Frankreich. 

Die  Sammlung  füllt  alle  Räume  des  königlichen  Zeughauses  an 
der  Schlofsbrücke ,  welches  bis  zum  Jahre  1875  teilweise  noch  dem 
praktischen  Zwecke  der  Aufbewahrung  des  Kriegsmateriales  diente. 
Das  Gebäude  selbst,  ein  Architekturwerk  ersten  Ranges,  wurde  be- 
kanntlich 1695  von  dem  Baumeister  Nering  begonnen,  den  plastischen 
Schmuck  verdankt  es  dem  berühmten  Schlüter,  der  vielleicht  auch 
auf  die  Gestaltung  der  Architektur  Einflufs  hatte.  Später  wurde 
Martin  Grünberg  mit  der  Bauleitung  betraut,  1705  führte  Johann  de 
Bodt  den  Bau  zu  Ende.  Erst  1730  wurde  das  Gebäude  voll  be- 
zogen. 

Am  22.  März  1875  befahl  Kaiser  Wilhelm  I.  dem  preufsischen 
Staatsministerium,  dem  Landtage  eine  Gesetzes  vorläge  zu  unterbreiten 
zur  Gewährung  der  Mittel  für  eine  Umgestaltung  des  Hauses  zu  einer 
Ruhmeshalle  in  Verbindung  mit  einer  Waffensammlung.  Diese  Vor- 
lage erhielt  am  22.  März  Gesetzeskraft,  worauf  sogleich  mit  der  Aus- 
führung begonnen  wurde.    In  baulicher  Hinsicht  hat  dabei  der  Ge- 


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I.  Das  königliche  Zeughaus  in  Berlin.    2.  Das  Musee  d'Armures  in  Brüssel.  623 

heirae  Regierungsrat  Hitzig,  in  Bezug  auf  die  Neubildung  der  Samm- 
lung aber  der  damalige  Oberstleutnant  von  Ising  und  der  Geheime 
Regierungsrat  Weifs  sich  grofse  Verdienste  erworben. 

Die  ganze  Sammlung  ist  auf  das  obere  und  untere  Geschofs 
verteilt.  Im  oberen  Geschofs  befinden  sich  die  Sammlungen  I.  der 
morgenlandischen  und  abendlandischen  Waffen,  diese  vom  15.  bis 
zum  19.  Jahrhundert  laufend,  2.  die  Mustersammlung  und  3.  die  ge- 
trennt aufgestellte  Sammlung  des  Prinzen  Karl  von  Preufsen,  welche 
kauflich  erworben  wurde.  Im  unteren  Stockwerk  sind  die  Geschütz- 
sammlung, die  Sammlung  des  Ingenieurwesens  und  die  der  Nach- 
bildungen untergebracht. 

Die  Sammlung  zählt  rund  8000  Nummern,  ohne  die  des  Prinzen 
Karl,  die  an  1883  Stücke  umfafst;  sie  enthält  zum  grofsen  Teile 
auch  Uniform-  und  Ausrüstungsstücke,  Pläne,  Modelle,  ferner  Gedenk- 
stücke, welche  nicht  eigentlich  in  das  Waffenfach  gehören,  aber,  dem 
historischen  Charakter  der  Sammlung  entsprechend,  hier  nicht  fehlen 
durften. 

2.  Das  Musee  d'Armures  in  Brüssel. 

Der  Hof  der  Herzoge  von  Burgund  war  im  15.  Jahrhundert 
durch  die  Pracht  seiner  Erscheinung  und  speziell  durch  Schönheit, 
Zahl  und  Reichtum  seiner  Waffen  weltberühmt.  Anton  von  Burgund 
begann  1406  im  Schlosse  von  Caudenberg  zu  Brüssel  eine  Sammlung 
alter  Waffen,  welche  später,  zur  Zeit  der  Regierung  Philipps  des  Guten 
und  Karls  des  Kühnen,  unter  dem  Namen  „Königliches  Arsenal", 
sich  glänzend  entfaltete,  der  gröfste  Teil  dieser  Schätze  ging  aber 
leider  in  den  letzten  Burgunderkriegen  zu  Grunde.  Während  der 
Regierung  Maximilians  I.  und  Karls  V.  erhielt  das  Arsenal  royal 
wieder  reichen  Ersatz,  so  dafs  es  zu  den  schönsten  und  reichhaltig- 
sten der  Welt  gezählt  werden  konnte.  Auch  unter  der  Regierungs- 
zeit Albrecht  VII.  und  Isabellas,  nicht  minder  unter  Erzherzog  Leo- 
pold Wilhelm  erhielt  es  neue  Bereicherungen.  Unter  letztgenanntem 
gelangte  1653  das  berühmte  Schwert  Chilperichs  in  das  Arsenal,  das 
aber  nach  Frankreich  gekommen  ist  und  sich  nun  in  Paris  befindet. 

Nach  wiederholtem  Ortswechsel  gelangte  die  Sammlung  1773  in 
die  Rue  de  la  Paille,  wo  sie  in  den  Wirren  des  Krieges  1794  bis 
auf  einen  kleinen  Rest  zu  Grunde  ging. 

Die  jetzige  Sammlung  entstand  erst  im  Jahre  1835;  sie  enthält 
zwar  noch  Stücke  der  alten,  doch  besteht  ihr  heutiger  Reichtum  nur 
aus  einer  Reihe  glücklicher  Erwerbungen,  wie  u.  a.  der  Sammlung 
des  Grafen  Hompesch,  eines  Teiles  des  Inhaltes  des  Arsenales  der 
alten  Sultane  zu  Konstantinopel  etc.  Im  Jahre  1847  wurde  das  ge- 
samte Musealwesen  neu  organisiert,  das  Musee  „Royal  d'Antiquites 
et  d'Armures"  gegründet  und  in  dem  alten,   1381  erbauten  Befesti- 


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624  VI.   Die  hervorragendsten  Waffensaramlungen. 


gungsturme  „la  Porte  de  Hai"  untergebracht,  der  von  der  alten  Be- 
festigung Brüssel  allein  übrig  geblieben  ist.  Die  Aufstellung  in  diesem 
Gebäude  ist  keine  günstige,  da  die  Räume  durchweg  des  nötigen 
Lichtes  entbehren. 

Das  Museum  in  Brüssel  ist  im  ganzen  ähnlich  dem  Musee  d'Ar- 
tillerie  in  Paris  organisiert;  es  enthält  demnach  aufser  einer  ethnolo- 
gischen Sammlung  noch  Musterstücke  aus  der  Gegenwart.  In  der 
Sammlung  älterer  Waffen  sind  hochwertvolle  Stücke  zu  verzeichnen, 
wie  solche  nur  in  den  erlesensten  Sammlungen  angetroffen  werden. 
Die  orientalische  Partie  ist  zwar  klein,  zählt  aber  zu  den  besten  und 
wertvollsten  und  wird  stets  vermehrt. 

Das  Musee  zählt,  unter  Abrechnung  der  nicht  zu  den  Waffen 
gehörigen  Stücke  2400  Nummern. 

3.  Das  königliche  historische  Museum  und  die  königliche 

Gewehrgalerie  zu  Dresden. 

Der  Gründer  des  historischen  Museums  zu  Dresden  ist  Kurfürst 
August  I.  von  Sachsen,  der  während  seiner  mehr  als  dreifsigj ährigen 
Regierung  (1553 — 1586)  eine  grofse  Menge  von  Kunstwerken,  Rari- 
täten, alten  Waffen  u.  dgl.  sammelte  und  1556  unter  der  Bezeich- 
nung: „Kunst-  und  Raritätenkammer"  im  kurfürstlichen  Schlosse  auf- 
stellen liefs.  Unter  seinem  Nachfolger,  Christian  I.,  wurde  die  Samm- 
lung in  das  prachtvolle  Stallgebäude  übersiedelt,  das  dieser  Fürst  1 586 
erbauen  liefs.  Einen  eifrigen  Förderer  fand  sie  später  an  Kurfürst 
August  II.  dem  Starken,  der  ihre  Übertragung  in  das  1 7 1 1  von  Pöp- 
pelmann  erbaute  Gebäude  des  Zwingers  veranlafste.  Dieser  Fürst 
war  auch  det  Gründer  der  königlichen  Gewchrgalerie,  die  sich  seit 
ihrer  Entstehung  im  königlichen  Schlosse  befindet.  Ihre  gegenwärtige 
Organisation  erhielt  die  Sammlung  unter  der  Regierung  König  Antons 
im  Jahre  1833,  wo  sie  in  neun  Sälen  und  langen  Galerien  ziemlich 
nach  chronologischer  Ordnung  im  Joanneum  aufgestellt  wurde.  Seit 
dieser  Zeit  führt  sie  den  Titel:  „Historisches  Museum". 

Das  Museum  enthält  nicht  allein  Waffen  und  Jagdgeräte,  sondern 
auch  Gerätschaften,  Möbel  und  Geföfse  der  italienischen  und  deutschen 
Renaissance  und  geschichtlich  interessante  Gegenstände,  welche  mit 
dem  Waffenwesen  nichts  gemein  haben. 

In  Ansehung  der  Waffen  allein  gehört  das  historische  Museum 
zu  Dresden  zu  den  kostbarsten  und  reichhaltigsten  Europas.  Der 
Zeit  nach  gehen  die  Gegenstände,  wenige  Stücke  ausgenommen,  nicht 
über  das  16.  Jahrhundert  zurück,  sie  bezeugen  aber  durch  ihre  Pracht 
und  ihre  Schönheit  den  hohen  Kunstsinn  der  sächsischen  Herrscher 
jener  Zeit.  Die  schönsten  Erzeugnisse  des  17.  und  dem  Anfange 
des  18.  Jahrhunderts  verdankt  das  Museum  dem  Sammeleifer  Augusts  II. 


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4.  Rüstkammer  zu  Emden. 


625 


Manche  Stücke  werden  bestimmten  Personen  zugeschrieben.  Von 
diesen  Zuschreibungen  sind  viele  durch  Belege  beglaubigt,  andere  be- 
ruhen zwar  nur  auf  Traditionen,  haben  aber  in  Ansehung  der  ur- 
sprünglichen Zugehörigkeit  der  Stücke  zu  der  kurfürstlichen  Sammlung 
die  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  Von  grofser  Bedeutung  ist  die  Samm- 
lung türkischer  und  persischer  Waffen  und  Kriegsgeräte,  die  gröfsten- 
teils  von  August  II.  zusammengebracht  wurde.  Ihr  reiht  sich  eine 
wertvolle  ethnologische  Sammlung  an,  die  noch  fortwährend  vermehrt 
wird.  An  älteren,  künstlerisch  ausgestatteten  Sätteln  und  Pferdezeugen 
ist  das  Museum  eines  der  reichsten  der  Welt. 

Die  königliche  Gewehrgalerie,  1730  gegründet,*)  enthält  über 
2000  Nummern,  die  am  reichsten  ausgestatteten  Jagdgewehre  sind 
vorwiegend  französischer  und  deutscher  Arbeit.  Sie  ist  als  die  reich- 
haltigste und  instruktivste  Sammlung  von  Feuerwaffen  des  18.  Jahr- 
hunderts zu  betrachten. 

Bei  der  Zusammensetzung  des  historischen  Museums  ist  es 
schwierig,  den  quantitativen  Gehalt  desselben  an  speziell  dem  Waffen- 
gebiete angehörenden  Gegenständen  ziffernmäfsig  festzustellen.  Der 
Gesamtstand  betrügt  rund  30000  Nummern.  Einer  übersichtlichen 
Schätzung  nach  dürfte  die  Zahl  der  Waffen  kaum  die  Hälfte  obiger 
Nummernzahl  betragen. 

4.  Die  Rüstkammer  der  Stadt  Emden. 

Die  reichhaltige  Waffensammlung  der  Stadt  Emden  in  Ostfries- 
land ist  nicht,  wie  es  sonst  der  Fall  zu  sein  pflegt,  aus  den  ver- 
schiedensten Orten  zusammengetragen,  sondern  bildet  in  ihrem  weit- 
aus gröfsten  Teile  den  Waffenbesitz,  den  die  Stadt  vom  Ende  des 
16.  bis  in  das  vorige  Jahrhundert  angeschafft  hatte.  Darauf  deutet 
auch  die  alte,  noch  übliche  Bezeichnung:  „Rüstkammer".  Den  ur- 
sprünglichen Charakter  hat  sie  indes,  gleich  der  Wiener,  Grazer  etc., 
allgemach  verloren  und  ist  eine  rein  museale  Anstalt  geworden. 
Einzelne  schöne  Stücke  sind  im  Laufe  der  Zeit  als  Geschenke  hinzu- 
gekommen, doch  stammen  auch  sie  aus  der  Umgebung  der  Stadt. 

Die  Emdener  Rüstkammer  zählt  kein  Waffenstück,  dessen  Alter 
über  das  16.  Jahrhundert  hinausreicht.  Von  diesem  Zeitpunkt  aber 
angefangen,  bietet  sie  ein  sehr  lehrreiches  Bild  der  lokalen  Bewaffnung. 
Sehr  reich  ist  sie  an  schönen  und  interessanten  Feuerwaffen. 

Die  Sammlung  ist  noch  gegenwärtig  in  den  ursprünglich  für  sie 
bestimmten  Räumen  im  oberen  Stockwerke  des  1576  erbauten  Rat- 
hauses in  einer  langen  Halle  untergebracht  und  in  neuerer  Zeit  auf 
Grund  des  ältesten  Kataloges  von  1839  inventiert  und  neu  aufgestellt 
worden.    Sie  zählt  an  Waffenobjekten  rund  2400  Nummern. 

*)  Seit  1733  ist  sie  in  der  königl.  Stallgalerie  aufgestellt. 
Boche  im,  Waffenkunde.  4° 


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626 


VI.   Die  hervorragendsten  Waffensammlungcn. 


5.  Die  gräflich  Erbachsehe  Sammlung  im  Schlosse  zu 

Erbach. 

In  den  gräflich  Erbachschcn  Sammlungen  bilden  die  Kriegs- 
und Jagdwaffen  besondere  Abteilungen ;  diese  geniefsen  wegen  ihres 
waffentechnischen  und  künstlerischen  Wertes  wie  auch  in  anbetracht 
der  Zahl  und  Mannigfaltigkeit  ihrer  Gegenstande  einen  Weltruf. 

Der  Gründer  der  Sammlungen  ist  der  Urgrofsvater  des  jetzigen 
Besitzers,  Graf  Franz  zu  Erbach-Erbach,  der  die  Waffensammlung  um 
1820  aus  einer  kleinen  Rüstkammer  bildete,  die  er  im  Schlosse  vor- 
gefunden hatte.  Diese  ist  in  dem  sogenannten  Rittersaal,  in  der  Ge- 
wehrkammer  und  in  der  Hirschgalerie  aufgestellt  Die  Sammlungen 
zählen  rund  11 00  Gegenstände,  wovon  allein  650  Stück  auf  Jagd- 
waffen entfallen. 


6.  Das  Landeszeughaus  in  Graz. 

Ein  Zeughaus  mit  allem  seinem  Inhalte  und  seiner  unversehrten 
Einrichtung  aus  der  1.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ist  eine  Erschei- 
nung, die  einzig  dasteht  in  der  Welt.  Schon  um  deswillen  mufs  das 
Landeszeughaus  in  Graz  das  höchste  Interesse  des  Waffenfreundes  in 
Anspruch  nehmen. 

Wenngleich  anzunehmen  ist,  dafs  das  Land  in  seinem  schon 
seit  dem  14.  Jahrhundert  und  bis  zur  Stunde  an  demselben  Orte 
bestehenden  Landhause  eine  Rüstkammer  besafs,  so  erfahren  wir  doch 
erst  1547  etwas  von  den  darin  untergebrachten  Waffen.  Das  gegen- 
wärtige Zeughaus  mit  seinen  vier  Stockwerken  stammt  aus  dem  Jahre 
1642,  und  sein  Waffcninhalt  wie  seine  Lagerungseinrichtungen  haben 
sich  seit  dem  17.  Jahrhundert  wunderbar  erhalten.  Mit  Ausnahme 
von  wenigen  Gegenständen,  die  noch  dem  15.  Jahrhundert  angehören, 
besteht  der  Inhalt  aus  gemeinen,  knechtischen  Waffen  vom  Ende  des 
16.  und  aus  dem  17.  Jahrhundert,  aber  in  ungemein  grofser  Zahl, 
in  einer  Reichhaltigkeit  und  einer  relativen  Vollständigkeit,  die 
Staunen  erregt.  Für  das  Studium  des  Waffenwesens  vom  rein 
waffentechnischen  und  historischen  Gesichtspunkte  ist  das  Grazer 
Zeughaus  von  hoher  Wichtigkeit  Der  Bestand  ist  ungemein  grofs; 
er  beziffert  sich  mit  26000  Stücken,  worunter  freilich  massenhaft 
Stücke  gleicher  Form  sich  befinden.  So  zählt  es  nicht  weniger 
als  1000  Fufsangcln  von  einerlei  Gestalt  und  dgl.,  aber  anderseits 
auch  Formen,  die  nur  hier  allein  angetroffen  werden. 


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7.  Historische  Sammlung  in  Kopenhagen. 


G27 


7.  Die  historische  Waffensammlung  in  Kopenhagen. 

Die  historische  Waffcnsammlung  des  Zeughauses  geht  in  ihren 
Anfängen  bis  1604  zurück,  in  welchem  Jahre  König  Christian  IV. 
die  noch  aus  der  Zeit  Friedrichs  II.  stammenden  Waffen  in  dem 
Gebäude  der  königlichen  Bibliothek  vereinte  und  dazu  auch  die  in 
einzelnen  Städten  noch  vorhandenen  Waffenbestände  heranzog.  Im 
vorigen  Jahrhundert  wurde  die  Sammlung  an  ihren  heutigen  Ort  im 
Zeughaus  übertragen,  wo  die  Geschütze  im  Hofe,  die  übrigen  Stücke 
in  zwei  Stockwerken  untergebracht  sind.  Die  historische  Waffen- 
sammlung entspricht  auch  hier  nur  teilweise  ihrer  Bezeichnung,  da 
sie  in  ihrer  Zusammensetzung  und  Anordnung  mehr  eine  kriegsge- 
schichtliche Sammlung  Dänemarks  ist,  insofern  die  Waffe  nicht  um 
ihrer  selbst  willen,  sondern  als  geschichtlicher  Zeuge  erscheint  und 
auf  deren  Entwickelungsgang  erst  in  zweiter  Linie  Rücksicht  genom- 
men ist.  Dessenungeachtet  gehört  diese  museale  Anstalt  auch  in  Be- 
ziehung auf  das  Waffenwesen  zu  den  wertvollsten  und  lehrreichsten 
der  Welt.  Sie  besteht  aus  der  Gcschützsammlung,  der  Sammlung 
der  Handfeuerwaffen,  der  blanken  Waffen,  der  Schutzwaffen,  endlich 
aus  der  Sammlung  von  verschiedenen  Ausrüstungsgegenständen,  Fahnen, 
Feldspiel  etc.    Die  Sammlung  zählt  rund  3000  Nummern. 


8.  Die  Sammlung  von  Waffen  im  Tower  zu  London. 

Die  ansehnliche,  ebenso  kostbare  wie  seltene  Gegenstände  ent- 
haltende Waffensammlung  im  Tower  zu  London  diente  ursprünglich 
rein  praktischen  Zwecken.  Sie  ging  aus  einer  Rüstkammer  der  Könige 
und  ihrer  Dienstleute  hervor.  Als  solche  mag  sie  schon  unter  Wil- 
helm dem  Eroberer  entstanden  sein,  der  1078  den  ältesten  Teil  des 
Tower,  den  „White  Tower",  erbaute.  Freilich  reicht  kein  Stück  der 
heutigen  Sammlung  mehr  in  diese  Periode  hinan.  Die  früheste  Er- 
wähnung einer  königlichen  Rüstkammer  finden  wir  erst  unter  der 
Regierung  Eduards  VI.  1547. 

Diesen  Charakter  als  eine  der  königlichen  Stallmeisterei  unter- 
stehende Rüstkammer  behielt  sie  bis  ans  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
und  erst  Karl  II.  bildete  sie  zu  einem  mehr  musealen  Institut  aus, 
indem  er  den  Inhalt  in  dem  alten,  an  den  weifsen  Tower  angebauten 
Hors  Armoury  neu  aufstellen  liefs,  die  Gewehrsammlung  in  dem  Small 
Armoury  mit  ihr  organisch  vereinigte  und  sie  dem  Publikum  eröffnete. 
Im  Jahre  1841  verbrannte  die  Gewehrsammlung,  wobei  nicht  weniger 
als  150000  alter  Gewehre  zu  Grunde  gingen.  In  den  Jahren  1882 
und  1883  wurde  das  alte  Hors  Armoury  an  der  Südseite  abgebrochen 
und  damit  der  alte  Turm  freigelegt,  die  Waffen  aber  wurden  in  den 

40* 


G28 


VL  Die  hervorragendsten  Waffcnsammlungen. 


3.  Stock  des  White  Tower  übertragen,  wo  sie  nun  in  dem  sogenannten 
„Council  Chamber"  und  einem  anstofsenden  Zimmer  aufgestellt  sind. 
Im  Jahre  1885  fand  an  der  von  der  St.  Johannes- Kapelle  zur  Waffen- 
sammlung  führenden  Treppe  die  bekannte  Dynamitexplosion  statt, 
welche  aber  der  Sammlung  nur  geringen  Schaden  zufügte. 

Die  Waffensammlung  des  Towers  gehört,  wie  erwähnt,  zu  den 
reichhaltigsten  und  wertvollsten,  die  es  gibt.  Als  museale  Anstalt  hat 
sie  durch  Llelewin  Meyrik  ihre  Würdigung  gefunden,  ihre  Aufstellung 
aber  ist  noch  nach  romantischen  Anschauungen  erfolgt,  wie  denn  auch 
nicht  hierher  gehörige  kulturgeschichtliche  Objekte,  als  Folterwerkzeuge 
u.  dgl.,  darin  aufgenommen  sind.  Eine  grofse  Bedeutung  besitzt  die 
Sammlung  wegen  ihrer  zahlreichen  Harnische  und  Waffen  aus  dem 
15.  Jahrhundert;  aber  auch  das  16.  Jahrhundert  ist  in  schönen  und 
interessanten  Gegenständen  vertreten.  Nicht  minder  erwähnenswert 
sind  die  orientalischen  Waffen,  eine  Spezialsammlung,  die  nur  von 
der  kaiserlichen  Sammlung  in  Tsarskoe-Selo  übertroffen  wird;  ferner 
die  Sammlung  alter  Geschütze,  die  aufserhalb  des  weifsen  Towers 
aufgestellt  ist. 

Über  die  Anzahl  der  Stücke  sind  keine  Daten  bekannt  geworden, 
doch  dürfte  sie  sich  auf  nicht  ganz  6000  belaufen,  wobei  freilich 
manches  unzugehörige  mit  unterläuft  und  auch  moderne  Waffen  in- 
begriffen sind.  Der  Organisator  war  bemüht,  ein  Bild  der  Kriegs- 
trachten von  der  Zeit  Eduards  I.  (1272!)  bis  auf  Jacob  II.  (1688) 
vor  Augen  zu  stellen,  eine  Idee,  die  schlechterdings  Nachbildungen 
nötig  machen  und  zu  mancherlei  gewaltsamen  Zusammenstellungen 
führen  mufste.  Die  Zuschreibungen  an  bestimmte  Personen  sind  nur 
von  äufseren  Merkmalen  hergeleitet  und  deshalb,  von  dem  waffen- 
wissenschaftlichen und  künstlerischen  Werte  abgesehen ,  nicht  immer  über 
jeden  Zweifel  erhaben.  Dem  Studium  bietet  die  Sammlung  im  Tower 
ein  weites  und  sehr  wenig  bebautes  Feld,  der  sorgfältigen  Betrachtung 
des  Liebhabers  sollte  sie  nicht  entgehen. 

9.  Die  Armeria  Real  zu  Madrid. 

Die  Armeria  Real  ist,  gleich  der  Hof- Waffensammlung  zu  Wien, 
nicht  aus  einer  gewöhnlichen  Zeugkammer,  sondern  aus  den  Waffen- 
kammern habsburgischer  Fürsten  erwachsen.  Ihren  Grundstock  bilden 
die  Harnische  und  Waffen  Karls  V.,  von  denen  ein  Teil  in  Simancas. 
ein  anderer  zu  Valladolid  bewahrt  wurde.  Vierzehn  der  schönsten 
Leibharnische  mit  anderen  auserlesenen  Waffenstücken  hatte  der 
kranke  Kaiser  mit  sich  in  das  Kloster  zu  San  Yuste  genommen. 

Im  Jahre  1565  ordnete  König  Philipp  IL  die  Übertragung  der 
sämtlichen  Waffen  aus  den  genannten  Orten  nach  Madrid  an  und 
liefs  zu  deren  Unterbringung  gegenüber  dem  königlichen  Palaste,  an 


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io.  Das  bayrische  Nationalmuscum  in  München. 


629 


der  Stelle  des  alten  Alcazars  durch  Gasparo  de  Vega  ein  grofses 
Gebäude,  die  Stallmeisterei  (las  caballerizas)  errichten.  In  der  Folge 
vergröfserte  sich  die  Armeria  durch  Waffenstücke  der  folgenden  Herr- 
scher und  nach  und  nach  wandelte  sich  die  für  Kriegszwecke  ange- 
legte Waffenkammer  in  ein  Museum  um. 

Wenn  wir  von  der  Beraubung,  die  die  Armeria  in  den  Napoleo- 
nischen Kriegen  erlitten  hat,  absehen,  erhielt  sich  ihr  alter  Bestand 
bis  auf  den  heutigen  Tag.  Als  ein  ehrwürdiges  Denkmal  der  ruhm- 
vollen Geschichte  Spaniens  bildete  sie  zu  allen  Zeiten  den  Stolz  der 
Nation,  und  alle  Parteien  trugen  die  äufserste  Sorge,  dafs  die  kostbare 
Sammlung  selbst  mitten  revolutionärer  Aufstände  nicht  geschädigt  wurde. 

Ungeachtet  aller  dieser  für  ihre  Erhaltung  günstigen  Umstände 
fiel  sie  dennoch  vor  einigen  Jahren  einer  Katastrophe  zum  Opfer, 
die  sie  der  völligen  Vernichtung  nahe  brachte.  Am  9.  Juli  1884 
entstand  in  dem  Gebäude  Feuer,  das  sich  mit  ungemeiner  Schnellig- 
keit nach  allen  Seiten  verbreitete.  Nur  der  Geistesgegenwart  des  ver- 
ewigten Königs  Alphons  XII.  war  es  zu  danken,  dafs  wenigstens  ein 
erheblicher  Teil  des  Inhaltes  gerettet  wurde.  Er  drang  in  das  bren- 
nende Gebäude,  rettete  das  nächstbeste  Stück  und  forderte  die  zahl- 
reiche Umgebung  auf,  das  Gleiche  zu  thun.  Mit  Enthusiasmus  und 
Kühnheit  folgten  die  Anwesenden  dem  königlichen  Beispiele. 

Die  Armeria  war  und  ist  noch  heute  die  kostbarste  Waffcn- 
sammlung  in  Europa.  Sie  enthält  eine  unschätzbare  Menge  von 
Waffen  maurischer  wie  christlicher  Herkunft  vom  13.  bis  ins  15. 
Jahrhundert,  wie  eine  solche  nirgends  angetroffen  wird.  An  den 
Harnischen  und  Waffen  Karls  V.  und  Philipps  II.  haben  die  berühm- 
testen Kunstarbeiter  Spaniens,  Deutschlands  und  Italiens  das  Erlesenste 
zu  schaffen  sich  bemüht.  Der  Gesamtbestand  hat  einen  ungemeinen 
historischen  Wert,  und  wenn  auch  viele  der  historischen  Daten,  die 
an  einzelnen  Stücken  geknüpft  werden,  nur  auf  Tradition  beruhen, 
so  dürfte  doch  eine  nähere  Durchforschung  der  Archive  von  Simancas 
eine  Fülle  von  interessanten  und  wichtigen  Belegen  zur  Geschichte 
derselben  ans  Licht  bringen.  Einen  wichtigen,  ja  unschätzbaren  Be- 
leg hierzu,  eine  Grundlage  zum  Studium  bildet  ein  vorhandener  Bild- 
kodex aus  dem  Beginne  der  Regierungszeit  Philipp  II. 

Vor  dem  Brande  1884  zählte  die  Anneria  nicht  ganz  2700 
Nummern,  über  ihren  gegenwärtigen  etwas  verminderten  Bestand  sind 
dem  Verfasser  bisher  noch  keine  authentischen  Nachrichten  zuge- 
kommen. 

10.  Das  bayrische  Nationalmuseum  in  München. 

* 

Wenn  auch  der  Bestand  des  bayrischen  Nationalmuseums  an 
Waffen  infolge  der  getroffenen  Aufstellung  nicht  so  im  Zusammen- 
hange vorgeführt  wird,  wie  dies  zu  wünschen  wäre,  so  ist  er  doch  an 


VI.   Die  hervorragendsten  Waflensammlungen. 


älteren  und  wertvollen  Stücken  reich  genug,  um  der  Besichtigung  und  dem 
Studium  jedes  Geschichtsfreundes  angelegentlich  empfohlen  zu  werden. 

Das  bayrische  Nationalmuseum  entstand  im  November  1853  auf 
Anregung  des  Freiherrn  von  Aretin.  Der  Bau  des  Gebäudes,  nach 
Plänen  Ed.  Riedels  ausgeführt,  wurde  zum  gröfsten  Teile  aus  den 
Privatmitteln  Königs  Maximilian  II.  bestritten.  Der  Grundstock  der 
reichen  Sammlungen  wurde  dadurch  gebildet,  dafs  die  ehemaligen 
„Vereinigten  Sammlungen"  zur  Bildung  des  Nationalmuseums  aufgelöst 
und  dafs  aus  den  königlichen  Schlössern  alles  Dienliche  herangezogen 
wurde.  Ansehnliche  Beiträge  erlüelt  das  Nationalmuseum  durch  per- 
sönliche Geschenke  König  Ludwigs  L  Aufserdem  wurde  das  Museum 
noch  durch  Ankäufe  von  anderen  Sammlungen,  wie  Ainmiller,  Mar- 
tinengo, Reider,  auch  durch  Geschenke  z.  B.  von  der  Universität 
Erlangen  etc.  bedeutend  vermehrt  Die  Waffen  sind  zwischen  ver- 
schiedenem Hausrat  gruppiert,  im  zweiten  Stockwerk  die  Stücke  vom 
13.  bis  zum  16.  Jahrhundert  und  im  dritten  die  vom  16.  Jahrhun- 
dert bis  zur  Neuzeit.  Einzelne  ganz  interessante  Stücke  sind  auch 
dekorativ  im  Stiegenhause  aufgestellt. 


11.  Das  königlich  bayrische  Armeemuseum  in  München. 

Als  Schöpfer  des  heutigen  Armeemuseums  ist  eigentlich  Herzog 
Maximilian  anzusehen,  der  hinter  der  Neuen  Feste  ein  Zeughaus 
erbauen  liefs.  Ein  Teil  desselben  diente  schon  damals  zur  Aufbe- 
wahrung von  Trophäen.  Im  Jahre  1864  nach  dem  Abbruche  des 
Zeughauses  wurden  die  Zeugen  des  Ruhmes  des  bayrischen  Heeres 
in  das  neue,  von  Gläser  erbaute  Hauptzeughaus  an  der  Staatsstrafse 
nach  Dachau  übertragen.  In  dieser  Zeit  kamen  bedeutende  Mengen 
an  Waffen  in  andere  Museen  des  Landes.  Um  nun  die  noch  vor- 
handene Sammlung  in  ihrem  Bestände  und  in  ihrem  historischen 
Charakter  zu  bewahren,  fafste  der  damalige  Kriegsminister  den  Ent- 
schlufs,  die  in  den  verschiedenen  Zeughäusern  und  bei  Militäranstalten 
noch  vorhandenen  alten  Stücke  mit  der  genannten  zu  vereinigen  und 
aus  dem  gewonnenen  Ganzen  ein  historisches  Museum  des  bayrischen 
Heeres  zu  bilden.  Im  Jahre  1879  wurde  mit  dessen  Bildung  be- 
gonnen und  am  25.  August  1881  konnte  es  eröffnet  werden. 

Das  bayrische  Armeemuseum  ist  keine  Waffensammlung  im  gewöhn- 
lichen Sinne,  sondern  umfafst  auch  andere  Gedenkstücke,  Gemälde  etc. 
Nichtsdestoweniger  bietet  es  Kennern  und  Freunden  der  Waffenkunde 
reiche  Gelegenheit  zum  Studium  der  Entwickelung  des  Waffenwesens, 
insbesondere  für  die  Zeit  des  17.  und  1 8.  Jahrhunderts.  Das  Museum 
zählt,  alle  Gegenstände  eingerechnet,  rund  7000  Nummern.*) 

*)  Würdinger,  J.,  Das  königl.  bayr.  Armeemuseuni  etc.  1882. 


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12.  Die  WafFensaminlung  des  germanischen  Museums  zu  Nürnberg.  631 


12.  Die  Waffensammlung  des  germanischen  Museums 

zu  Nürnberg. 

Die  Waffensammlung  bildet  nur  einen  kleinen  Teil  dieses  in 
seiner  Grofsartigkeit  und  Vielseitigkeit  bewundernswerten  kunst-  und 
kulturhistorischen  Museums.  Demungeachtet  zahlt  sie,  auch  an  sich 
betrachtet,  dank  neuerer  namhafter  Erwerbungen  zu  den  beträchtlichsten 
und  wertvollsten  Europas  und  enthält  Unica  von  unberechenbarem 
Werte. 

Die  Gründung  dieses  Museums  erfolgte  auf  der  zu  Dresden  im 
Jahre  1852  abgehaltenen  Versammlung  deutscher  Geschichts-  und 
Altertumsforscher.  Der  Grundstock  bestand  aus  der  Privatsammlung 
des  Freiherrn  Hans  von  und  zu  Aufsefs,  welcher  auch  als  erster 
Direktor  dem  neuerrichteten  Institute  vorstand.  Die  Mittel  zur  Er- 
haltung und  Vermehrung  werden  durch  freiwillige  Beiträge,  sowohl 
von  seiten  der  Regierungen,  wie  von  den  Fürsten  und  dem  Volke 
gewonnen.  Als  Sitz  des  Museums  war  von  vornherein  Nürnberg  be- 
stimmt, wo  es  in  den  ersten  Jahren  im  Turme  des  Tiergärtnerthorcs 
aufgestellt  wurde.  Im  Jahre  1856  wurde  durch  käufliche  Erwerbung 
des  Karthäuserklosters  dem  Museum  ein  vergröfsertes  Heim  geschaffen, 
das  sich  jedoch  bald  wieder  als  zu  beschränkt  darstellte,  so  dafs  an 
eine  Erweiterung  gedacht  werden  mufste.  Diese  erfolgte  durch  Er- 
werbung und  Abtragung  des  alten  gotischen  Augustinerklosters,  welches 
in  gleicher  Form  im  Anschlüsse  an  die  Karthause  wieder  aufgebaut 
wurde.  Gegenwärtig  sind  auch  die  so  gewonnenen  weiten  Räume 
für  die  rasch  sich  mehrenden  Sammlungen  zu  enge  geworden;  es 
wird  darum  in  nächster  Zeit  im  Anschlüsse  an  den  bisherigen  Kom- 
plex zu  einem  Neubaue  geschritten  werden,  für  den  die  erforderliche 
Bodenfläche  in  genügendem  Mafse  vorhanden  ist 

Der  Grundstock  der  Waffenabteilung  stammt  aus  der  Sammlung 
Aufsefs,  die  1864  angekauft  wurde.  Einen  bedeutenden  Zuwachs 
erhielt  sie  durch  eine  andere  Sammlung,  die  der  Verein  der  deut- 
schen Standesherrn  für  das  Museum  käuflich  erworben  hatte.  Seit 
dieser  Zeit  vermehrte  sie  sich  durch  zum  Teil  hochwertvolle  Einzel- 
stücke. Die  letzte  auTsergewöhnlich  glückliche  Bereicherung  wurde 
der  Sammlung  im  Jahre  1889  durch  Ankauf  des  wertvollsten  Teiles 
der  reichen  und  unschätzbaren  Waffensammlung  des  Fürsten 
Sulkowsky  auf  Schlofs  Feistritz  in  Niederösterreich  zu  teil,  die  am 
Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  durch  den  Bankier  Josef  Freiherrn 
von  Dietrich  in  Wien  gegründet  wurde.  Mit  dieser  bedeutenden 
Erwerbung,  wodurch  namentlich  die  Sammlung  von  Turnierwaffen 
wesentlich  gewann,  ist  die  Waffensammlung  auf  rund  2000  Nummern 
angewachsen. 


632 


VI.  Die  hervorragendsten  Waffcnsammlungen. 


13.  Das  Musee  d' Artillerie  in  Paris. 

Das  unter  den  grofsen  Waffensammlungen  durch  Zahl  und  Wert 
seiner  Stücke  hervorragende  Musee  d'Artillcrie  verdankt  seine  Ent- 
stehung dem  Grofsmcistcr  der  Artillerie,  Marschall  Duc  d'Humicres 
1684.  Diese  erste  Sammlung  alter  Waffen  und  Kriegsmodelle,  die 
zur  Belehrung  junger  Artillerieoffiziere  dienen  sollte,  wurde  in  den 
Sälen  des  Magasin  royal  in  der  Bastille  aufgestellt.  Im  Jahre  1755 
vermehrte  der  Generalleutnant  de  Valliere  die  Sammlung  durch 
einige  ältere  Waffenstücke,  die  aus  verschiedenen  Arsenalen  in  der 
Provinz  nach  Paris  geschafft  wurden,  und  ordnete  die  Aufstellung 
eines  Inventars  an,  das  noch  vorhanden  ist. 

Auf  Veranlassung  des  berühmten  Generals  Gribeauval  wurde  die 
Sammlung  1788  in  das  neuerbaute  Musee  d' Artillerie  in  weite  und 
schöne  Säle  übertragen.  Ihre  anfängliche  frische  Entwicklung  wurde 
durch  die  Revolution  jäh  unterbrochen.  Das  Gebäude  wurde  am 
14.  Juli  1789  vernichtet,  die  Sammlung  aber  verschleppt. 

Verschiedene  Versuche  ( 1 79 1  — 1794),  eine  ähnliche  Sammlung 
wiederherzustellen,  scheiterten  anfänglich,  doch  gelang  es  nach  und 
nach  bei  den  wiederholten  Waffenrequisitionen,  alte  Waffen  auszu- 
scheiden und  mit  diesen  den  Grund  zu  einem  neuen  Waffenmuseum 
zu  legen.  Mit  Senatsdekret  vom  4.  Frimaire  1796  wurde  die  Heran- 
ziehung aller  der  Bewahrung  wert  scheinenden  Waffen  im  Reiche  an- 
geordnet. Nicht  ohne  Widerstand  gelang  die  Ausführung  dieses  De- 
kretes. So  lieferte  Strafsburg  seine  älteren  Waffen  erst  1799  aus, 
und  Bonaparte  vermochte  der  Stadt  Sedan  gegenüber  erst  1804  das 
Dekret  durchzusetzen.  Eine  beträchtliche  Zahl  von  Waffen  erhielt 
das  Museum  aus  dem  Schlosse  Chantilly.  Im  Jahre  18 14  wurde  die 
Sammlung  in  der  Bibliothek  des  ancien  convent  aufgestellt  und  neu 
organisiert.  Von  181 5 — 1830  erhielt  das  Musee  bedeutende  Ver- 
mehrungen, um  die  vorhandenen  Lücken  auszufüllen.  Während  der 
Julirevolution  wurde  es  trotz  des  heftigsten  Widerstandes  der  Schweizer 
und  des  Konservators  Carpegna  am  28.  Juli  1830  ausgeleert,  indes 
sorgte  die  Pariser  Bevölkerung  dafür,  dafs  schon  vom  folgenden  Tage 
an  ein  grofser  Teil  des  Verschleppten  zurückgebracht  wurde.  Das 
Fehlende  wurde  durch  Erwerbung  der  Sammlung  des  Duc  de  Reggio 
teilweise  wieder  ergänzt.  Im  Jahre  1848  und  auch  1871  erlitt  das 
Musee  keine  Verluste.  Napoleon  III.  schuf  1852  das  Musee  des 
Souverains  im  Louvre,  infolgedessen  wurden  alle  auf  die  Herrscher  sich 
beziehenden  Waffenstücke ,  darunter  5  Hämische,  dahin  abgegeben, 
1872  nach  Auflösung  dieses  Museums  aber  wieder  eingereiht  Im 
Jahre  1879  wurde  dem  Staate  die  reiche  Waffcnsammlung  Napoleons  III. 
zu  Pierrefonds  als  Eigentum  rechtlich  zugesprochen  und  mit  dem 


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14  Das  Musee  Cluny  in  Paris. 


C33 


Musee  d'Artillerie  vereinigt.*)  Gegenwärtig  ist  das  Musee  im  vorderen 
Trakte  des  Hotels  des  Invalides  gegen  die  Esplanade  zu  im  Erdge- 
schors und  ersten  Stockwerke  in  ziemlich  dichter  Anordnung  auf- 
gestellt. 

Wie  schon  aus  der  Art  des  Zustandekommens  und  den  Schick- 
salen dieses  Museums  zu  entnehmen  ist,  leidet  es  an  dem  Übelstande, 
dafs  viele  Gegenstände,  die  es  besitzt,  unvollständig  sind.  Es  ver- 
wahrt Waffen  aus  allen  Landern  und  dennoch  ist  keine  Nation,  am 
allerwenigsten  Frankreich,  derart  vertreten,  dafs  man  sich  ein  Bild 
von  der  Eigentümlichkeit  ihrer  Leistungen  verschaffen  kann.  Die  fast 
willkürliche  Aufstellung  trägt  auch  nicht  dazu  bei,  das  Studium  zu  er- 
leichtern. Immerhin  besitzt  es  eine  der  auserlesensten  Sammlungen 
antiker  Waffen  und  nächst  der  Wiener  und  Nürnberger  die  reichste 
an  Turnierwaffen.  Das  16.  Jahrhundert  ist  in  jeder  Hinsicht  am 
besten  vertreten.  Bedeutend  ist  die  Sammlung  von  Feuerwaffen  zu 
nennen,  und  zahlreiche  Unika  bilden  die  Glanzpunkte  der  Sammlung. 
Für  die  Zuschreibungen  an  bestimmte  Personen  hat  man  zumeist 
kein  anderes  Beweismittel  als  äufserliche  Anzeichen,  Wappen,  Devisen 
etc.. und  die  Tradition. 

Das  Musee  d'Artillerie  ist  keine  eigentliche  Waffensammlung  nach 
unseren  Begriffen,  es  enthält  aufser  Waffen  noch  ethnographische 
Gegenstände,  Andenken  an  den  Kriegsruhm  Frankreichs,  Ehrenzeichen, 
Trophäen,  moderne  Waffen  und  Modelle,  aber  auch  Darstellungen 
der  Kriegertracht  in  Frankreich  u.  dgl.  Sie  ist  somit  mehr  eine 
kulturgeschichtliche  Sammlung  auf  militärischem  Gebiete.  Nach  Aus- 
scheidung aller  derjenigen  Stücke,  welche  für  das  historische  Waflen- 
wesen  keine  Bedeutung  haben,  zählt  das  Museum  nach  dem  Kataloge 
von  Penguilly  l'Haridon  mit  Zurechnung  bekannt  gewordener  Neu- 
erwerbungen an  5000  Nummern.  An  Geschützen  und  Artillerie- 
geräten verzeichnet  der  oben  erwähnte  Katalog  ungefähr  14 19  Stücke. 


14.  Das  Musee  Cluny  in  Paris. 

Das  alte  Hotel  Cluny  in  Paris,  1340  an  der  Stelle  der  antiken 
Kaiserthermen  der  alten  Lutetia  erbaut,  enthält  eine  reiche  Sammlung 
von  Gegenständen  der  Vergangenheit,  und  wiewohl  die  hier  bewahrten 
Waffen  an  Zahl  nur  gering  sind  und  kaum  100  Stück  übersteigen, 
so  sind  sie  dennoch  so  bedeutend  an  historischem  und  künstlerischem 
Werte,  dafs  wir  diese  wichtige  Anstalt  hier  nicht  übergehen  dürfen. 


*)  Die  Sammlung  vom  Schlofs  Pierrefonds  wurde  von  Napoleon  III.  1861  ge- 
gründet. Sie  bestand  zum  gröfsten  Teile  aus  der  angekauften  Sammlung  des 
Fürsten  Soltikoff,  dann  aus  gelegentlichen  Erwerbungen  des  Kaisers,  endlich  aus 
Objekten,  die  dem  Musee  du  Louvrc  gehörten,  das  eine  Domäne  des  Staates  ist. 
Der  Katalog  von  Penguilly  l'Haridon  1867  ist  nicht  im  Buchhandel  erschienen. 


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G34 


VL  Die  hervorragendsten  Waffe  nsamnilungen. 


Die  Sammlung  ist  im  Jahre  1833  durch  den  als  Altertumsforscher 
hervorragenden  Alexander  Du  Sommerard  (1779 — 1842)  ins  Leben 
gerufen,  der  die  Baulichkeiten  des  seit  der  Revolution  in  Privathände 
übergegangenen  Konventes  käuflich  an  sich  brachte  und  deren  Räume 
mit  den  Resten  alten  Kunstfleifscs  füllte.  Nach  dessen  Tode  wurde 
das  ausgedehnte  Gebäude  mit  den  Sammlungen  1843  von  dem  Staate 
angekauft  und  führt  seitdem  den  offiziellen  Titel:  „Musee  des  thermes 
et  de  Phötel  de  Cluny".  Seit  jener  Zeit  wurde  die  Sammlung  teils 
durch  Ankaufe  des  Staates,  teils  durch  reiche  Legate  und  Geschenke 
Privater  erheblich  vermehrt.*) 

15.  Fürstlieh  Hohenzollernsches  Museum  in  Sigmaringen. 

Das  berühmte  Hohcnzollernschc  Museum,  das  sich  auf  alle  Ge- 
biete der  Kunst  und  des  Kunstgewerbes  erstreckt,  stammt  aus  dem 
alten  Familicnbcsitze  des  fürstlichen  Hauses.  Seine  gegenwärtige 
Organisation  in  sechzehn  Abteilungen  hat  es  durch  den  Fürsten 
Karl  Anton  von  Hohenzollern  erhalten,  durch  dessen  Kunstliebe 
und  Sammeleifer  es  zu  einem  der  wertvollsten  Museen  gediehen  ist. 
Ks  wurde  im  Jahre  1867  in  einem  eigens  für  den  Zweck  errichteten 
Gebäude  eröffnet.  Die  11.  Abteilung  enthält  die  Waffensammlung. 
Sic  enthält  die  seltensten  und  kunstreichsten  Stücke.  Bei  ihrem  hohen 
Werte  für  die  Kulturgeschichte  und  besonders  für  die  Waffen  Wissen- 
schaft ist  es  sehr  zu  bedauern,  dafs  sie  noch  nicht  katalogisiert  ist. 
Die  Sammlung  der  Waffen  enthält  rund  2500  Nummern. 

16.  Das  Museum  der  Waffen  und  historischen  Kostüme 

in  Stockholm. 

Die  ältesten  Waffenstücke  dieses  reichen  Museums  reichen  bis 
in  die  Zeit  der  ersten  Könige  aus  dem  Hause  Wasa  zurück;  die 
königliche  Garderobe  aus  jener  Zeit  wurde  leider  zerstreut.  Erst 
unter  der  Königin  Christine  wurde  mit  der  Bildung  eines  Museums 
historischer  Waffen  begonnen.  Der  Grofskanzler  Axel  Oxenstierna 
fafstc  1633  den  P'an  zu  einem  grofsen  Museum  nach  heutiger  Alt, 
worin  die  Gedenkstückc  an  die  Siege  der  schwedischen  Herrscher 
vor  Augen  geführt  werden  solten.  Die  Absicht  blieb  unausgeführt, 
und  die  alten  Waffenstücke  und  Trophäen,  die  Reste  der  alten 
Waffenkammern,  blieben  im  königlichen  Palaste,  wo  sie  einen  Be- 
standteil des  Arsenals  bildeten.  Seit  der  Mitte  des  1 7.  Jahrhunderts 
wurden  die  vorhandenen  Schätze  dem  Volke  zugänglich  gemacht  und 


*)  E.  du  Sommcrard,  Cataloguc  du  Musee  de  Cluny.   Paris  1877. 


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17-  Die  kaiserliche  Waffcnsammlung  zu  Zarskoe-Selo. 


635 


seit  die  Gedenkstücke  Gustav  Adolfs  hinzukamen,  bildete  das  Ka- 
binett für  Schweden  einen  Gegenstand  besonderer  Verehrung.  Im 
Jahre  1691  wurde  die  Sammlung,  wenn  auch  immer  dem  Arsenal 
angehörig,  in  ein  Palais  übertragen,  das  ehemals  dem  Grafen  Magnus 
Gabriel  de  la  Gardie  gehörte,  und  blieb  dort  bis  1793,  wo  dieses 
in  ein  Theater  umgewandelt  wurde.  Von  da  gelangte  sie  ins  Schlofs 
Fredrikshof  und  zehn  Jahre  später  in  eine  alte  Orangerie  des  könig- 
lichen Gartens.  Wenige  Jahre  darnach  wurde  der  Inhalt  der  Samm- 
lung auf  sonderbare  Weise  zerstreut,  die  historischen  Stücke  gelangten 
181 7  in  die  Kirche  zu  Riddarholmen,  die  kostbareren  Waffen  ins 
königliche  Palais,  die  Waffen,  die  bei  den  Karoussels  Gustavs  III. 
dienten,  ins  Schlofs  zu  Gripsholm,  anderes  in  die  Magazine  des 
Theaters  etc.  Erst  1850  wurde  alles  wieder  in  Stockholm  gesammelt 
und  im  Palais  des  Kronprinzen  aufgestellt.  Seit  1856  war  die  Samm- 
lung so  lange  in  einem  gemieteten  Privathause  untergebracht,  bis  sie 
1865  ins  Nationalmuscum  übertragen  werden  konnte.  Als  dieses  den 
industriellen  Künsten  gewidmet  wurde,  verfügte  König  Oskar  IL 
1884  deren  Aufstellung  im  königlichen  Palais  in  dessen  Nordwest- 
trakte, wo  sie  im  ersten  Stocke  die  Räume  der  alten  königlichen 
Bibliothek  und  eine  Galerie,  im  Zwischenstocke  eine  andere  Galerie 
und  einen  Saal  einnimmt,  der  ehemals  das  Skulpturenrauseum  ent- 
hielt. In  dieser  Aufstellung  wurde  das  Museum  am  31.  Juli  1885 
eröffnet. 

Seit  der  Mitte  unseres  Jahrhunderts  wurde  die  Sammlung  durch 
namhafte  Legate  und  Ankäufe  vergröfsert,  so  durch  Spenden  des 
Kämmerers  J.  O.  de  Blomstedt  1858,  das  Legat  des  Baron 
E.  M.  Willebrand  1859,  durch  den  Ankauf  der  Sammlung  des 
Barons  G.  Fleetwood  1862,  ferner  durch  das  Legat  Karls  XV.  1872, 
zumeist  aus  der  Sammlung  M.  A.  L.  Sold  ins  bestehend,  die  der 
König  an  sich  brachte,  durch  das  Legat  des  Grafen  Axel  Bielke  u.  a. 

Das  Museum,  zu  den  gröfseren  Europas  zählend,  ist  reich  an 
Harnischen  und  Waffen  von  kunstvoller  und  prächtiger  Ausführung. 
Für  die  ältere  Waffenindustrie  Schwedens  und  Dänemarks  ist  es  eine 
reiche  Quelle  des  Studiums.  Unerreicht  aber  steht  es  in  seinen 
historischen  Kostümen  da,  die,  wenn  sie  auch  nicht  speziell  in  unser 
Gebiet  fallen,  doch  ihres  ungemeinen  Wertes  halber  hier  einer  Er- 
wähnung verdienen.    Das  Museum  zählt  rund  5700  Nummern*) 

17.  Die  kaiserliche  Waffensammlung  zu  Zarskoe-Selo. 

Die  kaiserliche  Waffensammlung  ist  in  einem  schlofsähnlichen, 
in  modern  gotischem  Stile  gehaltenen  Gebäude  im  Garten  des  kaiser- 
lichen Lustschlosses  Zarskoe-Selo  aufgestellt.     Vordem  stand  auf 

*)  Nach  dem  sehr  tüchtig  gearbeiteten  Guide  des  Consenrators  C.  A.  Ofsbahr. 
Stockholm  1889. 


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636 


VL  Die  hervorragendsten  WafTensammlungen. 


der  Stelle  ein  Jagdschlöfschen  der  Kaiserin  Katharina  II.  in  der 
Art  des  Trianon.  Kaiser  Alexander  I.  liefs  es  um  1801  abbrechen 
und  dafür  das  gegenwärtige  Gebäude  zur  Unterbringung  der  zahl- 
reichen, von  ihm  selbst  in  allen  Ländern  erkauften  und  sonst  erwor- 
benen Waffen  errichten.  Schon  unter  Alexander  I.  nahm  der  Sammel- 
trieb die  Richtung  auf  orientalische  Gegenstände,  später  erweiterte 
sich  das  Programm  und  ging  auch,  auf  indische  und  altrussische  aus 
den  jetzigen  Gebieten  des  Reiches  aus.  Die  Sammlung  ist  den  vor- 
handenen Räumlichkeiten  entsprechend  in  6  Abteilungen  aufgestellt. 
Sie  verteilt  sich  in  das  Erdgeschofs,  die  Gewehrkammer,  den  grofsen 
Saal,  das  türkische  Kabinett,  das  indo - musulmanische  und  in  das 
russische  Kabinett.  Aufserdera  enthält  noch  das  Stiegenhaus  zahlreiche 
Waffenstücke.  Die  Sammlung  bewahrt  fast  durchgängig  in  ihrer  künst- 
lerischen Ausführung  auserlesene  Stücke;  bei  der  Art  der  Erwerbung 
sind  aber  auch  viele  Stücke  hinzugekommen,  die  aus  anderen  grofsen 
Sammlungen  stammen;  so  aus  Paris,  aus  Wien  etc.  Viele  der  kost- 
barsten Stücke  erwarb  Kaiser  Alexander  in  Paris  und  Florenz.  Die 
orientalische  Abteilung  ist  die  reichste  und  vollständigste  der  Welt, 
und  sie  wird  noch  heute  nach  systematischem  Plane  vermehrt.  Die 
Sammlung  zählt  an  5000  Nummern. 


18.  Die  Armeria  Reale  zu  Turin. 

Der  Gründer  der  kostbaren  Armeria  Reale  zu  Turin  ist  Karl 
Emanuell.  von  Savoyen.  Gleich  Wilhelm  V.  von  Bayern,  August  I. 
von  Sachsen,  Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol  war  auch  dieser  kunst- 
liebcnde  Fürst  bestrebt,  hervorragende  Kunstwerke  und  Andenken 
berühmter  Helden  zu  sammeln.  Das  Gebäude,  worin  die  Sammlung 
früher  aufgestellt  war,  wurde  durch  Brand  zerstört.  Dies  war  die 
Veranlassung,  dafs  sie  in  das  Arsenal  übertragen  und  von  dem  Grafen 
Vittorio  di  Seissel  d'Aix  neu  geordnet  wurde.  Ihre  Wiedereröff- 
nung fand  im  Frühjahre  1837  statt.  Nach  Demolierung  des  alten 
Arsenales  ordnete  König  Viktor  Emanuel  ihre  Überführung  in  den 
königlichen  Palast  an,  wo  sie  in  dem  östlichen  Flügel  gegenüber  dem 
Palazzo  Madama  in  einem  grofsen  galericartigen  und  einem  etwas 
kleineren  Saale  untergebracht  wurde.  Die  königliche  Armeria  enthält 
viele  Stücke,  welche  nicht  strenge  ins  Waffenfach  gehören;  so  u.  a. 
zahlreiche  Geschenke  von  Fürsten,  Kommunen  u.  dgl.  Der  Hauptteil 
der  Armeria  besteht  aus  so  auserlesenen,  teils  historisch  wichtigen, 
teils  kunstvoll  gearbeiteten  Waffenstücken,  dafs  die  Sammlung  unge- 
achtet ihrer  geringeren  Ausdehnung  zu  den  wertvollsten  zu  zählen  ist. 
Sehr  reich  ist  sie  an  Zierwaffen  des  1 6.  Jahrhunderts,  doch  kann  sie 
sich  auch,  was  ihren  Besitz  an  Stücken  aus  dem  15.  Jahrhundert 
anlangt,  mit  manch  gröfserer  Sammlung  messen.    Die  Zuschreibungcn 


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ig.  Die  Sammlung  des  Arsenalcs  zu  Venedig. 


637 


an  bestimmte  Personen  begründen  sich  auf  aufsere  Merkmale  an  den 
Gegenständen  selbst.  Gegenwartig  wird  sie  unter  der  Leitung  ihres 
Direktors,  des  Generalleutnants  und  Senators  Conte  Raffaele  Ca- 
dorna,  einer  Neuaufstellung  unterzogen.  Die  Armeria  dürfte  an 
WafTenstücken  etwa  2500  Nummern  zählen. 

19.  Die  Sammlung  des  Arsenales  zu  Venedig. 

Die  Sammlung  ist  im  ersten  Stockwerke  eines  nach  vorne  ge- 
legenen Traktes  in  dem  im  Jahre  1304  begonnenen  Arsenale  unter- 
gebracht und  nimmt  einen  einzigen  aber  sehr  ausgedehnten  Saal  ein. 
Für  den  Bedarf  des  Staates  wurden  schon  im  14.  Jahrhundert  be- 
deutende Vorräte  im  Arsenale  aufgestapelt.  Historische  Gedenkstückc 
aber  wurden  bis  ins  18.  Jahrhundert  im  Dogenpalaste  gesammelt. 
Somit  ist  die  Sammlung  aus  einem  Zeughause  entstanden,  dessen 
Inhalt  freilich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  zum  gröfsten  Teile  verloren 
ging,  denn,  abgesehen  von  einigen  wenigen  anderen,  gehören  die 
ältesten  Stücke  der  Sammlung  erst  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts, 
ein  nicht  geringer  Teil  der  späteren  aber  dem  16.  Jahrhundert  an. 
Wenngleich  die  Bewaffnung  der  Venezianer  von  16.  Jahrhundert  an 
vorzugsweise  hier  studiert  werden  kann,  so  ist  die  Sammlung  gleich- 
wohl an  Gedenkstücken  der  reichen  Geschichte  der  Republik  verhält- 
nismäßig arm.  Der  gröfste  Teil  wurde  im  Taumel  der  Revolution 
1797  geraubt.  Zudem  gerieten  die  historischen  Traditionen,  die  an 
den  Gegenständen  haften,  unter  der  militärischen  Leitung  in  Ver- 
gessenheit, weshalb  die  an  sich  gewifs  sehr  wertvolle  Sammlung  mehr 
von  waffenwissenschaftlicher  als  von  historischer  Bedeutung  ist.  In 
künstlerischer  und  kunsttechnischcr  Beziehung  sind  nur  einige,  aber 
erlesene  Stücke  hervorzuheben.  Ein  Katalog  existiert  nicht.  Nach 
oberflächlicher  Schätzung  dürfte  die  Sammlung  an  2000  Nummern 
zählen. 


20.  Die  Waffensammlung  des  kaiserl.  Hauses  in  Wien. 

Den  Grundstock  der  Waffensammlung  des  kaiserlichen  Hauses 
bilden  gewissermafsen  die  Hinterlassenschaften  Maximilians  I.  (gest. 
15 19)  und  Ferdinands  I.  (gest  1564.)  Nach  dem  Ableben  dieses 
Herrschers  wurde  der  gesamte  Nachlass  an  Waffen  unter  dessen  drei 
Söhne  geteilt.  Der  Teil  Maximilians  II.  verblieb  in  Wien  im  soge- 
nannten Salzburgcr  Hofe,  der  später  umgebaut  und  zum  kaiserlichen 
Zeughaus  bestimmt  wurde,  jener  Ferdinands  von  Tirol  gelangte  nach 
Prag  und  später  nach  Innsbruck,  bez.  in's  Schlofs  Ambras,  jener  Karls 
von  Steiermarck  nach  Graz.   Nach  Karls  Tode,  1599,  fiel  dessen  Teil 


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688 


VI.  Die  hervorragendsten  Waffensammlungen. 


wieder  an  die  Hauptlinie  zurück,  wurde  aber  erst  1765  nach  Wien 
übertragen.  Der  ererbte  Besitz  Ferdinands  wurde  von  diesem  in  be- 
deutendem Mafse  durch  Sammlung  von  Waffen  berühmter  Personen 
der  vergangenen  Zeit  und  seiner  eigenen  Zeit  vermehrt  und  damit 
eine  an  historischem  und  künstlerischem  Werte  einzig  dastehende 
Waffcnsammlung  geschaffen.  Nach  dem  Hintritte  ihres  genialen  Grün- 
ders, 1595,  gelangte  die  Sammlung  an  dessen  ältesten  Sohn,  Karl 
von  Burgau,  von  dem  sie  durch  Kauf  in  kaiserlichen  Privatbesitz 
kam.  Die  Sammlung  blieb  bis  1806  im  Schlosse  Ambras,  in  welchem 
Jahre  sie  der  Kriegsereignisse  halber  nach  Wien  übergeführt  wurde. 
Obgleich  nun  beide  Sammlungen  sich  in  Wien  befanden,  blieben  sie 
doch  bis  jetzt  räumlich  getrennt  Die  vorher  erwähnte  kaiserliche 
Waffensammlung  gelangte  vom  alten  Zeughause  1856  in  das  neu- 
erbaute Artilleriearsenal.  Der  frühere  Besitz  des  Erzherzogs  Ferdi- 
nand wurde  mit  der  Bezeichnung  Ambraser  Sammlung  mit  den  übrigen 
Kunstgegenständen  dieser  Sammlung  im  unteren  Belvedere  aufgestellt. 

Im  Augenblicke  ist  der  ganze  museale  Kunstbesitz  des  kaiser- 
lichen Hauses  in  das  neuerbautc  kunsthistorische  Hofmuseum  am 
Burgring  übertragen.  Dadurch  ist  die  Vereinigung  beider  Waffen- 
sammlungen, jener  des  Arsenales  mit  jener  der  Ambraser  Sammlung, 
herbeigeführt  worden,  und  man  ist  soeben  daran,  den  Gesamtbestand 
zu  ordnen,  eine  Aufgabe,  die,  was  die  Abteilung  der  Waffen  anbe- 
langt, bereits  durchgeführt  ist 

Der  hohe  Wert  dieser  zu  den  hervorragendsten  der  Welt  zäh- 
lenden Sammlung  besteht  nicht  allein  in  ihrem  reichen  Inhalte  an 
künstlerisch  hervorragenden  Gegenständen,  nicht  in  den,  waffenwissen- 
schaftlich betrachtet,  hochinteressanten  Formen  derselben,  sondern  in 
ihrer  historischen  Bedeutung  insofern,  als  in  ihr  eine  ungemein  grofse 
Zahl  von  Harnischen  und  Waffen  berühmter  Personen  bewahrt  werden. 
Die  Richtigkeit  der  betreffenden  Zuschreibungen  ist  durch  zahlreiche 
Inventare,  die  bis  in  das  Jahr  1580  hinaufreichen  und  nicht  minder 
durch  Bildwerke  des  16.  Jahrhunderts  bis  zur  Evidenz  erwiesen. 

Die  Sammlung  enthält  hauptsächlich  Waffen  vom  Mittelalter  bis 
zum  Beginne  des  30jährigen  Krieges;  nur  die  Jagdwaffen  reichen  bis 
zum  Anfange  unseres  Jahrhunderts.  Ihr  Gesamtstand  ist  etwas  über 
5000  Nummern.  Einzig  in  ihrer  Art  erscheint  sie  in  Bezug  auf 
Tumierwaffen,  darunter  zahlreiche  Unika;  auf  diesem  kulturwissen- 
schaftlichen Gebiete  ist  sie  von  einer  Reichhaltigkeit  und  einem  For- 
menreichtum, der  unübertroffen  dasteht. 

Als  eine  wichtige  Ergänzung  dieser  einzigen  Sammlung  ist  die 
Bibliothek  der  kunsthistorischen  Sammlungen  des  kaiserlichen  Hauses 
anzusehen,  die  kulturhistorisch  wichtige  Bildhandschriften  und  Druck- 
werke über  das  Kriegs-  und  Turnierwesen,  die  Fecht-  und  Reitkunst 
etc.  enthält 


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21.  Die  Waffensammlung  der  Stadt  Wien.  639 

2t  Die  Waffensammlung  der  Stadt  Wien. 

Die  Waffensammlung  der  Stadt  Wien  ging  aus  der  schon  seit 
dem  15.  Jahrh.  bestandenen  städtischen  Rüstkammer  hervor,  die  sich 
um  1445  am  alten  Flcischmarkt  bei  St  Laurenz  befand.  Im  Jahre  1562 
erbaute  die  Stadt  ein  neues  Zeughaus  am  Hof,  das  1732  umgeändert 
und  nach  den  Plänen  Anton  Ospels  mit  einer  neuen  Fassade  versehen 
wurde.  Im  Jahre  1873  wurde  die  Sammlung  anlüfslich  der  Welt- 
ausstellung durch  Kustos  Lcitner  chronologisch  geordnet.  In  den  Jahren 
1885  und  1886  veranlafste  die  Gemeinde  deren  Übertragung  in  das 
neuerbaute  Rathaus  und  deren  organische  Einfügung  in  das  historische 
Museum  der  Stadt,  dessen  IV.  Abteilung  sie  bildet. 

Die  Sammlung  besitzt  aufser  einer  sehr  bedeutenden  Anzahl  von 
Setztartschen  nicht  viele  Waffen  aus  dem  15.  und  dem  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts.  Ungemein  reichhaltig  ist  sie  aber  an  Stücken  aus 
der  Zeit  nach  1540,  die  zwar  von  gemeiner  Art,  aber  doch  kultur- 
geschichtlich äufserst  interessant  sind.  Bemerkenswert  ist  der  Bestand 
an  türkischen  Waffen,  Trophäen  von  1683,  nicht  minder  die  Abtei- 
lung, die  die  Bewaffnung  der  Bürgerwehr  vom  18.  Jahrhundert  bis 
zum  Jahre  1848  enthält.  Die  Sammlung  umfafst  etwa  1500  Num- 
mern. 


Aufser  den  vorerwähnten  bedeutenderen  öffentlichen  Waffensamm- 
lungen in  Europa  zählen  wir  eine  geradezu  ungeheuere  Zahl  von 
solchen,  die  sich  im  Privatbesitz  befinden.  In  Frankreich  sind  die 
Sammlungen  Arosa,  Spitzer  und  W.  H.  Riggs  zu  den  wertvollsten 
zu  rechnen;  sie  geniefsen  wegen  ihrer  unschätzbaren  Kunstwaffen  einen 
Weltruf.  In  England  zählte  schon  Leber*)  um  1840  an  20  Privat- 
sammlungen von  gröfscrer  Bedeutung,  so  jene  von  Cristy  zu  Lon- 
don, jene  im  Schlosse  War w ick  und  die  Sammlung  Neville  in 
Andley-End  u.  v.  a.  Eine  der  bedeutendsten  ist  die  Waffensamm- 
lung der  Königin  zu  Windsor.  In  Belgien  und  den  Niederlanden 
sind  die  Sammlungen  M.  Nuyt,  Delpier  und  Van  Zuylen  in 
Brüssel  und  die  Sammlung  J.  P.  Six  in  Amsterdam  hervorzuheben. 
In  Italien  bezeichnen  wir  das  Museo  Filangieri  im  Palazzo  Como 
zu  Neapel.  Die  Sammlung  Poldi-Pczzoli  und  Carlo  Bazzero 
in  Mailand  und  die  Sammlung  Raoul  Richards  in  Rom,  welche 
leider  vor  kurzem  unter  den  Hammer  gekommen  ist.  In  Spanien 
dürfte  die  Sammlung  des  Marquis  von  Villa-Secca  in  Madrid  als 
die  hervorragendste  anzusehen  sein. 

Nicht  minder  ist  Deutschland  reich  an  bedeutenden  Privatsamm- 
lungen. Wir  nennen  die  des  Fürsten  Fuggcr-Babcnhausen  und 
von  Soeter  in  Augsburg,  des  Franz  Lipperhcidc  in  Berlin, 

*)  Leber,  Fr.  v.,  Wiens  kais.  Zeughaus,  1844. 


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640 


VI.  Die  hervorragendsten  Waffcnsammlungen. 


des  Baron  Rothschild  in  Frankfurt  a.  M.,  Renne  in  Konstanz, 
Spengel  und  Hefner- Alteneck  in  München,  Töchtermann  in 
Freiburg,  Wittmann  in  Geisenheim,  Fleischhauer  in  Col- 
mar, Forscher  in  Hautzenbücher  und  Lilienthal  in  Elber- 
feld. Die  Sammlung  im  Schlosse  Monbijou  in  Berlin  und  im 
Schlofs  Löwenburg  auf  der  Wilhelmshöhe  bei  Kassel,  und  Klemm 
in  Dresden  u.  v.  a.  In  Schweden  ist  die  durch  den  Feldmarschall 
Gustav  Wrangel  gegründete  Sammlung  im  Schlosse  Skokloster  am 
Mälarsee  zu  verzeichnen;  sie  ist  gegenwärtig  im  Besitze  des  Grafen 
von  Brahe.  Ferner  gedenken  wir  des  Museums  von  Christiania, 
jenes  K.  Karls  XV.  in  Stockholm,  ferner  die  Sammlung  Hammer 
ebendaselbst. 

In  der  Schweiz  hat  fast  jede  der  Kantonhauptstädte  seine  kleine 
aber  wertvolle  Waffensammlung,  namentlich  Genf,  Luzern,  Solo- 
thurn,  Schaffhausen  und  das  Gymnasium  zu  Murten.  In  Russ- 
land heben  wir  noch  das  Waffenmuseum  in  Moskau  hervor. 

In  der  Österreich-ungarischen  Monarchie  hat  sich  noch  aus 
alter  Zeit  ein  ansehnlicher  Besitz  an  alten  Waffen  erhalten.  Beson- 
ders finden  sich  noch  in  einzelnen  Schlössern  Tirols  namhafte  Samm- 
lungen als  Reste  alter  Rüstkammern;  zu  den  wertvollsten  zählen  die 
des  Grafen  Trapp  in  Churburg  und  des  Grafen  Enzenberg  in 
Schlofs  Tratzberg  im  Unterinnthale.  Aber  auch  in  Böhmen,  Öster- 
reich und  Steiermark  finden  sich  sehr  bemerkenswerte  Sammlungen, 
wie  die  der  Stadt  Eger,  die  des  Grafen  Breuner  in  Grafenegg, 
und  des  Grafen  H.  Wilczek  in  Seebarn  in  Niederösterreich,  Az 
in  Linz,  Fürst  Lobkowitz  in  Raudnitz  u.  v.  a.  Nicht  minder 
wertvoll  sind  die  Sammlungen  des  Fürsten  Johann  Liechtenstein  in 
Sebenstein  und  Fcldsberg,  jene  zu  Frauenberg  in  Böhmen,  dem 
Fürsten  Adolf  Schwarzenberg  gehörig,  des  Grafen  Attems  zu 
Graz  u.  a.  Unvergleichlich  schöne  und  kunstreich  gearbeitete  Waffen 
besitzt  Baron  Nathanael  Rothschild  in  Wien.  Einzig  in  ihrer 
Art  und  reich  an  kostbaren  italienischen  Prunkwaffen  ist  die  Samm- 
lung Modena  in  Wien,  gegenwärtig  im  Besitze  des  Erzherzogs 
Franz  von  Österreich -Este.  In  Ungarn,  wo  übrigens  ein  reicher 
Besitz  von  Waffen,  meist  aus  den  Türkenkriegen  herrührend,  auf  zahl- 
reichen Schlössern  verstreut  sich  findet,  ist  die  fürstl.  Efsterhazysche 
Sammlung  in  Forchtenstein  zu  den  ausgedehntesten  und  interessan- 
testen zu  zählen. 


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VII.    Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  und  die 


Namen  der  Waffenschmiede  mit  ihren  Marken. 


In  den  meisten  älteren  Stätten  des  Waffenhandwerkes  besafs  die 
arbeitende  Kürperschaft  eine  feste  Organisation  im  Sinne  des 
Zunftwesens.  Die  ältesten  derartigen  Ordnungen  schreiben  sich  be- 
reits vom  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  her,  ihr  Ursprung  reicht  aber 
ohne  Zweifel  noch  viel  weiter  in  das  Mittelalter  zurück.  Das  Vor- 
bild zu  einem  solchen  strammen  Zusammenschlufs  der  Angehörigen 
desselben  Gewerbes  finden  wir  ebenso  in  Byzanz  wie  unter  den  sara- 
zenischen Handwerkern  in  Sizilien  und  unter  den  maurischen  in 
Spanien.  Die  grofsen  Erfolge  der  orientalischen  Werkstätten  forderte 
gebieterisch  zu  einer  Nachahmung  ihrer  allgemeinen  Organisation  auf. 
Die  Gesetze,  die  diese  Verbindungen  sich  auferlegten,  betreffen  vor 
allem  die  Disziplin  der  Genossen,  sodann  die  strenge  Aufsicht  über 
das  Erzeugnis  ihrer  Hände.  In  dieser  Hinsicht  wurde  jedes  in  der 
Genossenschaft  gefertigte  Stück  von  gewählten  erfahrenen  Meistern, 
die  „Beschaumeister",  geprüft  und  nach  entsprechendem  Befunde  mit 
einem  vereinbarten  Zeichen,  „Beschauzeichen",  versehen,  das  bei 
Eisenwaren  im  Mittelalter  eingraviert  und  in  Gold  oder  Messing 
tauschiert,  später  „in  das  Gesenk"  geschlagen  wurde.  Mit  den  Formen 
dieser  Marken  haben  sich  die  Forscher  noch  zu  wenig  beschäftigt; 
doch  sind  wir  in  der  Lage,  eine  Anzahl  der  wichtigsten  in  dem 
nachfolgenden  Verzeichnisse  zu  bringen,  bemerken  jedoch,  dafs  im 
Laufe  der  Zeit  zwar  die  allgemeinen  Formen,  nicht  aber  die  Detail- 
formen sich  gleich  blieben,  dafs  somit  auf  Grund  dieser  Abweichungen 
ganz  gut  auf  das  Alter  des  Gegenstandes  geschlossen  werden  kann. 
Wir  können  begreiflicherweise  auf  derlei  Subtilitäten  hier  nicht 
näher  eingehen  und  müssen  sie  der  Beobachtung  des  einzelnen  über- 
lassen. 

Der  Gebrauch,  dem  handwerklichen  Erzeugnisse  den  Namen  oder 
ein  diesen  vertretendes  Zeichen  des  Verfertigers  beizufügen,  ist  dem 

Boebcim,  Waffenkundc.  41 


642 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Altertum  fremd,  Bezeichnungen  dieser  Art  kommen  bei  Antiken  nur 
ganz  vereinzelt  vor. 

Auch  das  Mittelalter  kannte  ihn  anfangs  nicht,  was  um  deswillen 
begreiflich  ist,  weil  nach  der  christlichen  Auffassung  alles  Bestehende 
als  Werk  Gottes  erschien.  Erst  mit  dem  Erwachen  des  humanistischen 
Geistes  im  14.  Jahrhundert  wagte  es  der  Meister  mit  dem  Ansprüche 
an  die  Schätzung  seiner  Person  und  seiner  Arbeit  hervorzutreten. 
In  den  Passauer  Werkstätten  hat  sich  die  mittelalterliche  Tradition 
am  längsten  erhalten,  weshalb  nur  wenige  Namen  von  den  ihr  ange- 
hörigen  Meistern  bekannt  geworden  sind.  Waren  bis  dahin  die  Ar- 
beiten, vorzugsweise  die  Klingen  nur  mit  dem  Stempel  der  grofsen 
Genossenschaften  versehen,  so  gesellt  sich  diesem  nun  der  Name  oder 
die  Marke  des  Meisters  hinzu.  Das  Studium  dieser  Marken  ist  für 
die  Waffenkunde  und  speziell  für  die  richtige  Schätzung  des  Wertes 
der  Waffe  von  grofser  Wichtigkeit,  denn  überall,  wo  wir  die  Beschaf- 
fenheit einer  Waffe  nicht  praktisch  erproben  können,  bietet  die 
Kenntnis  des  Meisters  den  Mafsstab  für  die  Schätzung  ihres  Wertes, 
das  gilt  auch  für  das  rein  Künstlerische  und  Dekorative. 

Es  ist  leicht  begreiflich,  dafs  berühmte  Marken,  wie  der  „Wolf", 
der  „Bischofstab",  der  „Mohrenkopf",  der  „Bischofskopf",  einige  spa- 
nische Marken,  so  der  „Espadero  del  Rey",  „Sahagun",  „Toledo", 
„Ayala"  u.  a.,  nicht  minder  einige  von  Italienern,  wie  Piccinino,  Caino, 
den  Ferarra,  endlich  den  Cominazzi  herrührende  mehr  oder  weniger 
häufig  gefälscht  worden  sind.  Derartige  Nachahmungen  zu  erkennen, 
ist  nicht  immer  leicht  und  lernt  sich  erst  durch  langjährige  Er-  . 
fahrung. 

Der  Begriff  der  Fälschung  ist  übrigens,  beim  Lichte  betrachtet, 
soweit  es  sich  um  Klingen  handelt,  ausserordentlich  dehnbar,  und 
von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus  zu  beurteilen.  Bis  ins  hohe 
Mittelalter  hinauf  diente  die  Marke  als  eine  Art  Reklame,  sie  erweist 
sich  deutlich  als  eine  Spekulation  auf  den  guten  Glauben  des  Käufers. 
So  führten  z.  B.  die  sarazenischen  Waffenschmiede  Siziliens  im  9. 
Jahrhundert  das  verhafste  Kreuz  auf  ihren  Klingen  mit  Rücksicht 
auf  ihre  nahezu  ausnahmslos  christliche  Kundschaft  in  Europa.  Diese 
zu  hohem  Ansehen  gelangte  Marke  wurde  dann  von  den  italienischen 
Werkstätten  in  ganz  gleicher  Form  bis  ins  14.  Jahrhundert  angewendet. 
Sie  sahen  sich  dazu  gezwungen,  weil  jeder  Käufer  dieses  Zeichen 
verlangte,  und  anders  bezeichnete  Klingen  nicht  an  den  Mann  zu 
bringen  waren.  Ein  ganz  ähnlicher  Fall  spielte  sich  im  Norden  ab. 
Der  Passauer  Wolf  war  zu  solchem  Ruhrae  gelangt,  dafs  die  anderen 
Werkstätten  im  eigenen  Geschäftsinteresse  sich  genötigt  sahen,  den 
Wolf  auf  ihre  Klingen  zu  setzen,  nur  um  nicht  zu  Grunde  zu  gehen. 
Thatsache  ist,  dafs  durch  jede  zur  Berühmtheit  gelangte  Marke  der 
Vertrieb  von  Waren  mit  anderen  Marken  erschwert  wurde,  eine  mifs- 
liche  Lage,  der  sich  die  Händler  dadurch  zu  erwehren  suchten,  dafs 


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VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


643 


sie  das  berühmt  gewordene  Zeichen  auch  auf  ihren  Waren  anbrachten. 
Nicht  immer  ist  dabei  an  eine  Fälschung  im  vollen  Sinne  des  Wortes 
zu  denken,  denn  es  finden  sich  zahlreiche  Klingen,  auf  denen  der 
Meister  neben  der  fremden  Marke  seinen  Namen,  seine  eigene  Marke, 
ja  nicht  selten  den  Ort  der  Erzeugung  beigefügt  hat.  Damit  erklärt 
sich  das  häufige  Vorkommen  von  Klingen,  die  den  Namen  Ferrara, 
Piccinino  etc.,  den  spanischen  Halbmond  oder  die  Marke  der  Meister 
von  Sahagun  etc.  tragen,  zum  grofsen  Teile  aber  in  Deutschland  ge- 
schmiedet sind.  Wie  Solingen  schon  frühzeitig  den  Wolf  unbe- 
rechtigt führte,  der,  nebenher  bemerkt,  im  15.  Jahrhundert  gleich- 
falls in  Spanien  gefälscht  wurde,  so  führte  es  im  16.  Jahrhundert 
Marken,  die  mit  spanischen  auffällige  Ähnlichkeit  haben.  Es  war 
dies  die  Zeit,  wo  die  spanischen  Werkstätten  mit  ihren  Degenklingen 
ganz  Europa  überfluteten. 

In  dem  folgenden  Verzeichnisse  bringen  wir  u.  a.  auch  jene 
Marken  spanischer  Klingenschmiede,  die  uns  durch  Iubinal  „L'Armeria 
Real  de  Madrid"  vermittelt  wurden.  Der  Vergleich  mit  den  wirklichen 
Marken  hat  freilich  ergeben,  dafs  der  Zeichner  aus  Ungeschicklichkeit 
nur  den  allgemeinen  Charakter  wiederzugeben  vermochte  und  keines- 
wegs faksimile  darstellte.  Wir  haben  darum  in  einigen  Fällen  die 
genaueren  Faksimilia  nach  Abdrücken  an  deren  Stelle  gesetzt. 

Es  sei  noch  bemerkt,  dafs  die  Franzosen  vom  17.  Jahrhundert 
an  auf  Klingen  und  Gewehren  in  der  Regel  keine  Marken  führten, 
sondern  zumeist  ihre  vollen  Namen  darauf  setzten,  und  oft  auch  den 
Erzeugungsort  beifügten. 

Zu  dem  folgenden  Verzeichnisse  der  Marken  und  Meister  be- 
merken wir,  dafs  der  Verfasser  es  dabei  durchaus  nicht  auf  Voll- 
ständigkeit gesehen  hat.  Was  ihn  bei  der  Auswahl  aus  einer  mehr 
als  zehnfachen  Zahl  leitete,  war  die  Absicht,  die  ersten  und  besten 
Meister  zu  kennzeichnen,  die  ihm  vor  Augen  getreten  sind.  Diese 
Auswahl  dürfte  für  den  Zweck  dieses  Werkes  wohl  genügen.  Unter 
den  beiläufig  700  Namen,  die  wir  hier  bringen,  rindet  sich  mancher, 
der  bisher  unbekannt  war  oder  weniger  geachtet  dastand. 

Manche  Meisternamen  sind  den  Archiven  entnommen,  die  meisten 
aber  geben  wir  nach  den  in  Sammlungen  noch  vorhandenen  Werken 
und  haben  zur  Förderung  des  Studiums  die  Orte  angeführt,  wo  sich 
solche  finden,  ohne  jedoch  darauf  auszugehen,  den  Gegenstand  zu 
erschöpfen.  Der  Kürze  halber  haben  wir  diese  Orte  in  Chiffren 
gegeben,  und  zwar:  Wien  W.,  Paris  P„  Madrid  Mdr.,  Turin  T„ 
London  L„  Brüssel  Br.,  Berlin  BL,  Graz  G.,  München  Mch., 
Frankfurt  a.  M.  Fr.,  Dresden  Drd.,  Emden  EM  Erbach  Erb.,  Sigma- 
ringen Sg.,  Venedig  V.,  Mailand  Mld„  Florenz  Fl.,  Ambras  A*, 
Capo  di  Monte  Cap.,  Wartburg  Wtbg.,  Kopenhagen  Kop.,  Nürn- 
berg N„  Stockholm  Stockh.  Meister  von  besonderem  Rufe  wurden 
mit  einem  Sternchen  bezeichnet. 

41' 


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044 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Mit  diesem  Hinweise  wird  man  die  Gegenstände  in  den  Waffen- 
sammlungen aufsuchen  müssen  und  auch  zweifelsohne  ohne  Schwie- 
rigkeit finden.  Alle  Künstler  aufzuzählen,  die  für  das  Waffenfach 
Entwürfe  geliefert  haben,  schien  unthunlich,  da  nahezu  alle  Meister 
des  Quattro-  und  Cinquecento  in  Italien,  und  eine  sehr  grofse  An- 
zahl von  Niederländern  und  Deutschen  dabei  in  Frage  gekommen 
wären.  Wir  haben  uns  darauf  beschränkt,  nur  jene  Ornamentisten 
zu  nennen,  die  sich  ganz  besonders  mit  Entwürfen  für  Waffen  be- 
fafst  haben. 


1.  Deutsohland  und  die  habsburgischen  Erbländer. 


Aarau,  Johann  von.  Angeblich  der 
erste  bekannte  Geschützgiefeer.  Augs- 
burg, 1375— 1378. 

Achen,  Johann  van,  Maler.  Köln, 
Venedig,  Wien,  Prag,  gest.  1600; 
fertigt  Entwürfe  fttr  Waffendeko- 
rationen. 

Agent,  J.  F.,  Klingenschmied.  Solingen 
um  1712. 

•Aldegrever,  Heinrich,  Maler,  Ätzer. 
Soest,  geb.  1502,  gest.  155S,  lieferte 
Zeichnungen  von  Waffen. 

M 

Algyeyer,  Martin,  Ätzer  von  Kalender- 
klingcn.   Solingen,  17.  Jahrh.  Drd. 

A 1 1  e  i  t  n  e  r ,  Jacob,  KlingcnäUer  aus  der 
Schule  der  im  Bauernstile  arbeitenden 
Ätzmeister  aus  dem  Algäu,  dem 
Schwarz-  und  dem  Bregenzerwald. 
Um  1668. 

Ancinus,  Petrus,  Klingenschmied.  Re- 
gensburg, um  1660.  P. 

*Arbe,  Giovanni  B.,  aus  der  Familie 
della  Tolle,  Büchsengiefser.  Ragusa, 
gest.  1540.    W.  N. 

Armgerdt,  Michael,  Büchsenmacher. 
Dresden,  um  1588.  Arbeitet  auch  in 
Leipzig. 


Arnold,  Friedrich,  Büchsengiefser. 
Fulda,  um  1630. 

Appenzeller,  auch  Appctzeller,  Hans. 
Büchsengiefser.  Innsbruck.  Arbeitet 
für  Maximilian  I.  und  Karl  von  Bur- 
gund 1490- 1499. 

Attemstctter,  David,  Emaillist.  Augs- 
burg.  Arbeitet  einiges  in  Waffen  für 
K.  Rudolf  IL,  gest.  1617. 
Monogramm: 

D.  A.  oder  D.  A.  F. 

•Baidung,  Hans,  genannt  Grün,  Maler, 
Zeichner  von  Waffenformen.  Strafs- 
burg,  geb.    1470  oder  1476,  gest. 

«545- 
Marke: 

ru 

nebst  der  Jahreszahl. 

Baur,  Wilhelm,  Büchsenschäfter.  Ell- 
wangen, um  1690.  Mch. 

Bebinckhorn,  auch  Bebickenhorn  und 
Bebickhorn,  Wolf,  Plattner.  Dresden. 
Kommt  aus  Kassel,  1577  — 1591. 
Drd. 

Becher,  Hans,  Plattner.  Nürnberg, 
gest.  1589.    W.  • 

Becher,  Leopold,  Büchsenmacher,  Karls- 
bad.   W.  Kop. 


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X.    Deutschland  und  die  habsburgischen  Erbländer. 


646 


B  e  h  a  i  m ,  Sebald,  Büchsengiefser.  Nürn- 
berg, g«t.  1534. 

Benninck ,  Büchsengiefserfamilie. 
Lübeck. 

♦Albert,  Lübeck,  Berlin,  Kopen- 
hagen, gest.  1690.  W.  Bl.  Kop. 
Reinhold,  Rathgiefser,  gest.  um 
161 7. 

Berns,  Arnold,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 16.  Jahrh.,  Ende.  Bl. 

Berns,  Johannes,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 17.  Jahrh.,  Anfang. 

Berns,    Meves,   Klingenschmied.  So- 
lingen, 17.  Jahrh.,  Anfang.  W. 
Seine  Marke,  der  Hirsch,  nebenst. 

© 

Bertholt,  Nikolaus,  Schwertfeger. 
Nürnberg,  dann  in  Dresden.  Um 
1530.  Wird  später  Rüstknecht  am 
sächsischen  Hofe. 

Boel,  Augustin,  Klingenschmied.  So- 
lingen, um  1550.  W. 

*Bongarde,  Armand,  Büchsenmacher, 
Eisenschneider.  Düsseldorf,  um  1700. 
P.  W.  Drd. 

Boxberger  (auch Bocksberger),  Johann, 
Maler,  Formschncider.  Salzburg,  Augs- 
burg, Landshut,  München.  Fertigt 
Entwürfe     für  Waffendekorationen. 

16.  Jahrh.,  2.  Hälfte. 

Brab enter,  Heinrich,  Klingenschmied. 
Solingen,  17.  Jahrh.,  Anfang.  Bl. 

Brabcnter,  Wilhelm,  Plattner.  So- 
lingen?   16.  Jahrh.,  Ende.  L. 

B ra  s ,  Peter  von  Meigen,  Klingenschmied. 

17.  Jahrh.  W. 
Marke: 


Brentel,  Friedrich,  Maler,  Zeichner  von 
PrunkwafTen.  Strafsburg,  geb.  1580, 
gest.  1651. 

Bronnaucr,  Georg,  Ätzmaler.  Nürn- 
berg, um  16 10.  A. 

Bry,  Theodor  de,  Goldschmied, Zeichner 
von  Prunkwaffen,  Beschlägen  u.  dgl. 
Frankfurt  a.  M.,  geb.  1528,  gest.  1598. 

Bulff,  auch  Wulff,  Plattner  „vecino  de 
Lancuete".  In  der  Nähe  von  Lands- 
hut. Bisher  noch  unbekannter  Meister, 
der  vieles  und  Kunstreiches  1 5  50—  1 55 1 
für  Philipp  II.  von  Spanien  arbeitete. 

•Burgkmair,  Hans,  der  Ältere,  Maler. 
Augsburg,  geb.  1473,  g«t.  «531- 
Diente  den  Kaisern  Maximilian  L  und 
Karl  V.  in  der  Auszierung  der  Harnische. 

Cloeter,  P.  und  C,  Büchsenmacher. 
Mannheim,  17.  Jahrh.    St.  Kop. 

Dann  er,  Rudolf,  Laufschmied  Nürn- 
berg, starb  um  1625. 

*Danner,  Wolf,  Laufschmied.  Nürn- 
berg, starb  1552. 

Dax,  Johann  Georg,  Büchsenmacher. 
München,  18.  Jahrh.,  Anfang.  P.W. 

Dietrich,  Armrustmacher. Wien,  u.  1 39  2 . 

Dinckelmayer,  Joh.  Lukas,  Büchsen- 
giefser, Schriftsteller.  Nürnberg,  1590 
bis  1608.  W. 

Dinger,  demente,  Klingenschmied, 
wahrscheinlich  ein  Solinger,  arbeitet 
später  in  Spanien.  Sig.  demente 
Dinger  espadero.  Mi  signal  parajo 
(an  dieser  Stelle)  Anno  1677.  P. 

Drechsler,  auch  Drefsler,  Drexler, 
Trechsel ,  Tresseier .  hervorragende 
Büchsenmacherfamilie. 

Balthasar,  Büchsenmacher.  Dres- 
den, um  1580. 
*Christof,    Bruder    des  Vorigen, 
Büchsenmacher,  Mechaniker.  Dres- 
den, geb.  um  1550.   Arbeitet  bis 
ca.  1624.  Bezeichnet 
CT  od.  CTMD.  od.  CTDEM, 
endlich  auch  mit  vollem  Namen. 


64G 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Lorenz,  Büchsenmacher,  Vater  der 
Vorigen.  Dresden.   Erscheint  zu- 
erst 1558,  stirbt  ca.  1579. 
♦Dürer,  Albrecht,  Maler,  Zeichner  von 
Waffenfonnen.  Nürnberg,  geb.  147 1, 
gest.  1523.    Entwirft  15 1 7  für  Maxi- 
milian I.  Zeichnungen  für  einen  sil- 
bernen Harnisch. 
Marke  bekannt: 

Ä 

Eberharrt  Jacob,  Büchsenmacher.  Suhl, 
um  1590. 

Eckehardus,    Gold  -  Waffenschmied. 

Deutsch.    Sein  Name  erscheint  auf 

einem  Dolche  mit  Bronzegriff  aus  dem 

IO.  Jahrhundert  in  der  Sammlung  H. 

Garthe  zu  Köln. 
Ehmcr,  auch  Eimer,  Franz,  Tischler 

und  Büchsenschäfter.    Chemnitz,  um 

1570.  Arbeitet  für  Kurfürst  Christian  I. 

von  Sachsen. 
Eisenhoit,  Anton,  Treibarbeiter,  geb. 

1554.  Münster. 
Else ss er,  Bernhard,  Büchsenschäfter. 

Innsbruck.    Arbeitet  1 574  — 1582  für 

den  kaiserlichen  Hof 
Zeichnet  E.  B.  W. 
Elsesser,  Wigelio,  Bruder  des  Vorigen. 

Büchsenschäfter.  Innsbruck.  Arbeitet 

1574  für  den  kaiserlichen  Hof. 
•Endorfer,  Jörg,  Büchscngiefser  aus 

Augsburg.    Innsbruck,  1480 — 1494. 
Entzingcr,   Johann,  Büchsenmacher. 

Baden,  um  1660.    W.  P. 
Ernst,  Büchsenmachcrfamilie.  München, 

von  1492— 1740  thätig. 

Ernst,  A.B.,  Büchsenmacher  um, 
1730.  Mch. 
Erttel,   Joh.   Georg,  Büchsenmacher. 

Dresden,  um  1680.    Drd.  W. 
Es  eher,   H.   Caspar,  Büchsenmacher. 

Leipzig,  um  1660.  Kop. 


Fehr,  Georg,  Büchsenmacher.  Dresden, 

um  1650.  Kop. 
Feil,  Hans,  Büchsenmeister  und  Plattner. 

Dresden,  1576— 1 592. 
Fichtner,   Nikolaus,  Büchsenmacher. 

Dresden,  um  1650.  Kop. 
•Frauenbreis,  Frauenpreifs,  Matthäus, 

der  Altere,  Plattner.  Augsburg,  stirbt 

1549,  markiert: 


19 

Mdr. 

•Frauenbreis,  Matthäus,  Sohn  des 
Vorigen,  Plattner.  Augsburg,  wirkt 
von  1549  bis  etwa  1575,  markiert 
gleich  seinem  Vater.  W.  Mdr. 
Freund,  ßüchsenmacherfamilic.  Georg 
Karl  und  Christoph  Wilhelm.  Fürstenau 
und  München,  18.  Jahrh.  Arbeiten 
viel  fÜrdcnErbachschen  Hof.  P.  Erb. 
Frey,  zahlreiche  Büchsengiefserfamilie. 
München. 

•Martin,  Büchsengiefser,  gest.  1 605 . 
Geralich,  Ambrosius,  Klingenschmied. 
München,    um    1530.     Arbeitet  für 
Karl  V.  W. 
Glockendon,  Malerfaroilie.  Nürnberg. 
•Albert,  Bruder  des  Nikolaus,  Brief- 
maler, Harnischätzer.  Seine  Marke 
findet  sich  auf  einem  schön  geätzten 
Harnische  des  Konrad  von  Bemel- 
berg  von  ca.  1532.  W. 

•Nikolaus,  Briefmaler.  Ihm  werden 
die  Abbildungen   in  den  Zeug- 
büchern  Maximilians  I.  15 14  zu- 
geschrieben. 
Godl,  Büchsengiefserfamilie.  Innsbruck. 
Michael,  um  i486. 
•Stephan,  Büchsenmeister  Erzher- 
zogs Sigmund  von  Tirol  150S — * 
1529. 


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I.    Deutschland  und  die 

G  ö  b  c  1  n ,  Stephan,  Büchsengiefser.  Frank- 
furt a.  M.i  um  1522. 

Gol,  Enrico,  Klingenschtnicd.  Solingen. 
Ist  ein  Deutscher,  der  auch  in  Spanien 
arbeitet.  Signiert  auch  ,,Spadero  del 
Reyu  und  „En  Alcmania  fecit",  ferner: 
,,Mi  sinnal  Santismo  Crucificio".  17. 
Jahrh.    W.  Mdr.  P. 

Grienwalt,  Michael,  Büchsenmacher. 
Augsburg?  Um  1664.  Arbeitet  für 
Ludwig  XIV. 

G  r  i  e  f s  e r ,  Georg,  Büchsenschäfter.  Augs- 
burg? Ist  1567  — 1569  am  Hofe  Maxi- 
milians II.  angestellt. 

Grofsschedl,  Franz,  Plattncr.  Lands- 
hut, um  1568.  Arbeitet  für  den  bay- 
rischen und  tirolischen  Hof.  Ihm  ge- 
hört vermutlich  die  nebenstehende 
Marke: 


(Siehe  auch  unter  Monogrammisten.) 
Grüncwald,    Hans,    Plattner.  Nürn- 
berg, starb  1503. 
Marke: 

0 

Gsell,  Ägydius,  Büchsenmacher.  Artz- 

berg,  um  1650.    W.  Kop. 
Gull,  Michael,  Büchsenmacher.  Deutsch. 

17.  Jahrh.  W. 

Guter,  Büchsenmacher,  Erfinder  der 
Windbüchse.    Nürnberg,  um  1560. 

Ha  Hl,  Leopold,  Stückgicfscr.  Wien, 
1716  — 1750.  W. 

Hamcrl,  Josef,  Büchsenmacher.  Wien, 

18.  Jahrh.    P.  W. 

Hans,  Meister,  Plattner.  Augsburg,  um 
1 551.  Arbeitet  für  Philipp  II.  von 
Spanien. 

Härtel  (Hantel I,  Johannes,  Graveur. 
Deutsch.  17.  Jahrh.  Graviert  Schlofs- 
platten.  W. 


absburgischen  Erbländer.  647 

Hauer,  Anton.  Ätzmaler.  Nürnberg, 
um  1612.  W. 

*H  a  u  s  c  h  k  a ,  S.,  Büchsenmacher.Wolfen- 
büttel,  Prag,  um  17 10.  Arbeitet  für 
den  kais.  Hof.  W. 

Heintzberger, Konrad,  Büchsengiefser. 
Frankfurt  a.  M. ,  um  1373,  Büchsen- 
meister der  Stadt,  gest.  vor  1378. 

Heishaupt,  Daniel ,  Büchsenmacher. 
Ulm,  um  1780.  P. 

Helmschmied,  mit  dem  Familien- 
namen Kolman,  Plattncrfamilie.  Augs- 
burg. 

•Coloman,  geb.  1470,  gest.  1532, 
arbeitet  für  den  kaiserlichen  u. 
spanischen  Hof. 
Marke : 

•Dcsiderius,  dessen  Sohn,  arbeitet 
für  den  kaiserlichen  und  spanischen 
Hof,  um  1552.  Führt  die  gleiche 
Marke  wie  Coloman. 
•Lorenz,  1490,  Grofsvater  des 
Vorigen,  Hofplattner  Maximi- 
lians I.,  gest.  15 16. 
Marke : 

a 

Henkel,  Peter,  Ktingenschmied.  So- 
lingen, um  1624. 

Hermann,  Valentin,  Büchsenschäfter. 

Nürnberg,  stirbt  dort  1598. 
Herold,     ausgebreitete  Kunstgiefser 
familie.  Nürnberg. 

Andreas.    Nürnberg,  Dresden. 
Ba Itasar  sen. 


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648 


VIT.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


•Baltasar  jun.  Wien,  geb.  1625, 

gest.  1683.    W.  P.  Bl. 
*\Volf  Hieronymus,  gest.  1693. 
Herold,     berühmte  Büchscnmacher- 
familie.  Dresden. 

Balthasar,  um  1690.  Kop. 
•Christian,  um  1670.  Drd. 
Heumann,     Georg,  Messerschmied. 
Zeichner  von  Prunkwaffen.  Nürnberg, 
17.  Jahrh.,  Anfang. 
Hey  der,    Nikolaus,  Büchscnschäfter. 
Nürnberg,  stirbt  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts. 

Hilger,  ursprünglich  Kannegiefscr  ge- 
nannt, zahlreiche  Stückgicfserfamibe. 
•Martin  I.    Freiberg,   geb.  1484, 
gest.  1544. 
Martin  II.  Freiberg,  Graz,  Dresden, 
geb.  1538,  gest.  1601. 
•Wolf,  Sohn  Martins  I.  Freiberg 
und  Dresden,   geb.  1511,  gest. 
1577- 

Hinterhäusel,  Friedrich,  Geschütz- 
giefser.    Nürnberg,  gest.  1708. 

Hirder,  Geschützgiefserfamilie.  Nürn- 
berg. 

•Sebald,  Schüler  des  M.  Mertz,  s.  d. 
gest.  1563,  in  Diensten  Friedrichs 
von  Pfalzbayern. 
Hirschvogel,    Augustin,  Ätzmalcr. 
Nürnberg,  Wien,  geb.  Nürnberg  I5°3» 
gest.  Wien  1553.  Arbeitet  für  die  Stadt. 
Hörl,  Hanns,  Büchsenschmied.  Nürn- 
berg, 16.  Jahrh.,  2.  Hälfte. 
Zeichen:  H.  H. 
•Holbein,   Hans,  Maler.  Augsburg, 
Basel,  London,  geb.  1498,  gest.  1554. 
Liefert  Zeichnungen  für  Waffen. 
Hopfer,  Daniel,  Maler,  Harnischätzer. 
Augsburg.  Arbeitet  1566  mit  seinem 
Bruder  Georg  für  Maximilian  II.  und 
für  den  spanischen  Hof.    Stirbt  1 598. 
Mdr. 

Hopp,  Johann.  Klingenschmied.  So- 
lingen, 16.  Jahrh.,  Anfang.    —  P. 


•Horn  (Horum),  Klemens,  Klingen- 
schmied. Solingen,  16.  Jahrh.,  An- 
fang, lebte  noch  1625.  W.  P.  Bl. 
Marke:  Einhorn,  häufig  auch  der  volle 


Name  mit  lat.  Sinnsprüchen.  Es 
kommen  aber  auch  auf  seinen  Klingen 
andere  Zeichen  vor,  wie  der  „Wolf*4, 
„3  tief  ins  Gesenk  geschlagene  Mohren- 
köpfc",  die  Brescianer  Marke  u.  a. 

Jacobi,  Johann,  Stuckgiefser.  Berlin, 
um  1700.    P.  Bl. 

III,  Lorenz,  Büchsenmacher.  Augsburg, 
17.  Jahrh.,  2.  Hälfte.  P. 

Keindt,  Johannes,  Klingenschmied. 
Solingen,  16.  Jahrh.,  I.  Hälfte.  P. 

Keiscr,  Caspar,  Büchsenmacher.  Egcr, 
um  1660.  W. 

•K  eiser,  Georg,  Büchsenmacher.  Wien, 
geb.  1647,  gest.  nach  1732.  Arbeitet 
für  den  kaiserlichen  Hof. 

W.  Drd.  Kop.  P. 

Keuller,  Klemens,  Klingenschmied. 
Solingen,  Ende  des  16.  Jahrh.  Bl. 

Kiefufs,  Johann,  Büchsenmacher,  an- 
geblich Erfinder  des  Radschlosses. 
Nürnberg,  1517. 

Kinig  (Chinig,  vielleicht  König),  Ma- 
thias, Harnischätzer.  Innsbruck,  um 
1560. 

Kirsbaum,  Johannes,  Klingenschmied. 
Solingen,  Anfang  des  16.  Jahrh.  Bl. 

Klein,  Weilm. ,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 16.  Jahrh. 

Mch.  W.  Stockh. 

0 

Klett,  zahlreiche  Büchsenmacherfamilie. 
Haus  in  Ottensen,  1610— i6t8. 
Bez.  H.  K.  Kop. 


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I.    Deutschland  und  die  habsburgischen  Erbländer.  G49 


•Stephan  und  Valentin  in  Suhl, 

um  1586.   P.  W.  Drd. 
J.  C.  in  Potsdam,  18.  Jahrh.,  Ende. 
Sigmund,  um  165c. 
Köster,    Gerhardus ,  Büchsengiefscr. 

Emden,  um  1619.  E. 
Kopp,  Sebald,  Büchsengiefscr.  Würz- 

burg,  gest.  nach  1683. 
*Kotter,  Augustinus,  genannt  Sparr, 
Büchsenmacher.  Nürnberg,  stirbt  nach 
1635.  W.  BL  E.  P.  Drd. 
Kraus,  Hans,  Büchsenschäfter.  Wien. 
Diente  1569  im  Hofstaate  Maximi- 
lians II. 

K  r  e  n  g  e ,    Hermann ,  Büchsenschäfter. 
Dresden.    Stammt  aus  Wolfenbüttel, 
stirbt  1580. 
Kuchenreuter,  Büchsenmacherfamilie. 
Johann   Andreas,  Regensburg, 
18.  Jahrh  ,  Anf.    P.  W.  Drd. 


Kuchenreuter,  Christoph.  Regensburg, 
18.  Jahrh.,  Anf.  Stockh. 

Kuler  (Woller:-),  Klemens,  Klingen- 
schmied. Solingen,  „Clemens  Kuler 
cn  Alemania.  Mi  sinnal  es  el  navio". 
(Siehe  auch  unter  den  Monogram- 
inisten.)  Mdr. 

Lamarre,  Heinrich  (?),  Büchsenmacher. 
Wien,  19.  Jahrh.    W.  P. 

Leuthner,  genannt  der  Pollak,  Hans, 
Plattner.  Dresden.  Wird  1551  kur- 
fürstlicher Rüstmeister,  arbeitet  für 
den  sächsischen ,  brandenburgischen 
und  schwedischen  Hof  bis  1560. 

•Lcygebe,  Gottfried,  Eisenschneider. 
Nürnberg, geb.  1 630, gest.  1683.  Drd. 
Mch. 

L  ienhart,  Paul,  Büchsenmacher  (Schäf- 
ter?).   München.    Mch.  P. 

Lobenschrod,  Konrad,  Klingen- 
schmied.    Nürnberg,  starb  um  1592. 


•Lochner,  Kunz,  Eisenschneider,  Platt- 
ner. Nürnberg,  gest.  1567.  Arbeitete 
für  Erzherzog  Maximilian  v.  Österreich. 

Seine  Marke:  ein  zum  Grimmen  ge- 
schickter  zweischwänziger   Löwe  in 
einem  Tartschenschilde. 
W.  Wtbg.  Stockh.  Bl.  Erb. 
♦Sebald,    Plattner.  Nürnberg, 
starb  1550 
Löffler,  Geschützgiefserfamilie.  Inns- 
bruck. 

Christoph,  von  und  zu  Büchsen- 
hausen, Sohn  des  Hans  Christoph. 
Büchsenmeister  Rudolfs  II.  in 
Prag,  steht  1 568— 1593  in  kaiserl. 
Diensten,  gest.  1623. 

•Gregor,  Sohn  des  Peter,  gest. 
1565.  Innsbruck,  Augsburg. 
Büchsenmeister  Karls  V. 

*Hans  Christoph,  Sohn  des 
Gregor,  wirkt  auch  in  Graz.  W. 

•Peter,  genannt  Layminger,  vom 
heil.  Kreuz,  Bregenz,  später  Inns- 
bruck, Büchsenmeistcr  Maximi- 
lians 1.,  gest.  um  1520. 

Wenzel,  Bruder  des  Vorigen,  gest. 
1528. 

Mänz,  Ulrich,  Büchsenmacher.  Braun- 
schweig. Arbeitet  für  Kaiser  Karl  VI. 
um  1708.  W. 

Marckwart,  Bartholomen ,  Büchsen- 
macher.   Augsburg,  gest  1552. 

Marquart,  Martin,  Goldschmied,  Platt- 
ner. Augsburg,  um  1568.  Arbeitet 
für  Kaiser  Maximilian  II. 

Matl,  auch  Mätl,  Mathäus,  Büchsen- 
macher, deutsch,  um  1661.    P.  W 

Matzenkopf,  Franz,  Büchsenmacher, 
Graveur.    Prag,  17.  Jahrh. 

Maucher,  Christoph,  Büchsenschäfter. 
Schwäbisch-Gmünd,  um  1700. 


G50 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


•Mau eher,  Johann  Michael,  Büchsen- 
schäfter.  Schwäbisch -Gmünd,  später 
Würzburg,  1670— 1 693.  Mch. 


Fi 


Maucher,  Onuphrius,  Büchsenschäfter. 
Schwäbisch-Gmünd,  um  1670. 

Mayr,  Konrad,  Büchsenschäfter.  Prag. 
Arbeitet  1570  für  Maximilian  IL 

Maystetter,  Hans,  Plattner.  Augs- 
burg. Graz.  Wird  15 10  von  Maxi- 
milian I.  bestellt. 

Meifsncr,  Hans, Büchsengiefser.  Lands- 
hut, 16.  Jahrh.,  I.  Hälfte,  um  1540. 
Mch. 

Memmingen,  Abraham  von,  Büchsen- 
giefser, Schriftsteller.  Memmingen, 
um  1414.  Sein  Feuerwerksbuch  das 
Vorbild  für  die  vielen  Kopien  im  15. 
Jahrh. 

M  e  n  t  e  1 ,  Hans,  Büchsenmacher,  Ätzmaler. 
Prag,  um  1650.    W.  Stockh. 

*Mertz,  Martin,  Büchsengiefser,  Schrift- 
steller. Amberg,  1425  — 1476  in 
Diensten  Kurfürst  Friedrich  des  Sieg- 
reichen, gest.  1501. 

Mielich,  auch  Muelich,  Hans,  Zeichner 
von  Waffen.    München,  gest.  1572. 

Milotta,  Büchsenmacher.  Dresden,  um 
1750.    Drd.  W. 

Moral  es,  Jacob  de,  Wehrvergolder. 
Regensburg.  Ein  Spanier;  wird  1546 
am  Hofe  König  Ferdinands  I.  ange- 
stellt. 

Morgenroth,  Hans,  Büchsenmacher. 
Nürnberg,  um  1600.  P 

Moum,  Hans,  Klingenschmied.  Solingen, 
1600  —  1625,  signiert:  „Hans  Moum 
me  fecit  Solingen.  Soli  Deo  Gloria", 
markiert  zwei  kleine  s,  aber  auch 


Müllner,     Paulus,  Büchsenschäfter. 
Nürnberg,  stirbt  1598. 

Munich,  Peter,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 16.  Jahrh.,  Ende. 

Markiert:  Bischofskopf  tief  ins  Ge- 
senk geschlagen.    Emd.  Bl. 


PH 


Munsten,  Andreas.  Erscheintauch  in 
Toledo  und  Calatayel  gearbeitet  zu 
haben.  Siehe  unter  Spanier  Munesten. 

Munsten,  Peter,  Klingenschmied.  Bru- 
der des  Vorigen.  Solingen ,  später  in 
London,  um  1595.  Seine  Klingen 
führen  als  Zeichen  den  „wilden  Mann", 
zuweilen  auch  den  Wolf. 


Ulm, 


Bl.  Sigm.  P.  Drd.  St. 
Neidhardt,  Wolfgang,  Gicfser. 

gest.  1598.  • 
N  eron,  Lorenz  de,  SchwertgnrTerzeuger 

(Wehrvergolder).  Prag.   Erscheint  im 

Hofstaat  Rudolfs  II.  1568— 158 1. 
Neureiter,   Johann,  Büchsenmacher. 

Salzburg,  17.  Jahrh.    P.  W. 
*Oberacker,   Niklas.  Büchsengiefser. 

Augsburg,  um  1500. 


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i.   Deutschland  und  die  habsburgischen  Erbländer. 


651 


*Obcrländcr,  Johann,  Büchsenmacher. 

Nürnberg,    geb.   1640,   gest.   17 14. 

Erfinder  der  Luftbüchsen. 
Obresch  (Obrist),  Heinrich,  Plattner, 

Panzermacher.    Graz,  um  1590. 
Marke:  K 

I 

Ol  ig,  Hans,  Klingenschmied.  Solingen, 

um  1640.  W. 
Paras,    Aibcrgh    (Albert?),  Büchsen- 
macher,  deutsch,  um  1640. 
Markiert:  A.  P. 
Pater,  Heinrich,  Klingenschmied.  So- 
lingen, um  1580. 
Marke: 

A 

Paulus,  Klingenschmied.  Solingen,  um 
1600. 

Paulus,  M.,  Büchsenschäfter,  Schnitzer. 
Elwangen,  um  1697.  Mch. 

Pech,  Peter,  Büchsenmacher.  München, 
um  1540.  Arbeitet  für  den  spa- 
nischen Hof. 

♦Pcffe  n  haus  er,  auch  Pellenhauser, 
Pfeffenhauser,  Anton,  Plattner.  Augs- 
burg, 1566  — 1594.  Arbeitet  für  den 
kaiserlichen,  den  sächsischen  und 
spanischen  Hof.  Md.  W.  Drd. 
Marke: 

1* 

P  e  g  n  i  t  z  e  r ,  Büchsengiefserfamilie,  Nürn- 
berg. 

Andreas,   der  Ältere.  Nürnberg, 
geht  1543  nach  Culmbach. 
•Andreas,  der  Jüngere.  Nürnberg, 
gest.  1549. 
P  e  r  i  n  g  e  r ,  Büchsengiefserfamilie,  Lands- 
hut. 

♦Erhart,  ein  Schüler  Seb.  Hirders 
s.  d.,  um  1550.  Mch. 
Leonhart,  um  1566.  W. 


Pister,  Büchsenmacher.  Schmalkalden, 
18.  Jahrh.  Erb. 

Po  et  er,  Klemens,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 17.  Jahrh.  P. 

Polhammer,  auch  Polhaimer  jun.,  Hans, 
Harnischätzer.  Innsbruck,  1547— 1564. 
W.  Bl.  P. 

Preu,  Leonhart,  Büchsenschäfter.  Nürn- 
berg, starb  1596. 

Qualek,  Martin,  Büchsenmacher.  Wien, 
um  1670.    H.  W. 

Reck  (Regk),  Georg,  Büchsenmacher. 
Mannheim,  1782— 1796.    15.  P. 

Rccknagel,  Caspar,  Büchsenmacher. 
Nürnberg,  starb  1632. 

Reig,  Medardus,  Büchsengiefser.  Graz, 
I      1682  — 1688.  W. 

Reifser,  Hermann,  Klingenschmied. 
rassau,  17.  Jahrh.,  Anlang. 


Richter,  Konrad,  Plattner.  Augsburg, 
um  1550.  Arbeitet  für  den  kaiserl. 
und  den  tirolischen  Hof. 

Ringler,  Hans,  Plattner.  Nürnberg, 
um  1560.  W. 

FTR* 

Ris,  Christoph,  Büchsenmacher.  Wien, 

um  1750.  W. 
Roch  er,  Büchsenmacher.  Karlsbad,  18. 

Jahrh.    Stockh.  W. 
Roen ,  Franziskus,  Büchsengiefser.  Glück- 
stadt, um  1660.  Kop. 
Rockenberg  er,    auch  Rosenberger, 
Plattncrfamüte.  Dresden. 
♦Hans  wird  1543  Bürger,  arbeitet 
für  die  Höfe  des  Kaisers,  der 
Rheinpfalz,  Sachsen  und  Meck- 
lenburg, erscheint  bis  15  70. 
•Sigmund  wird  1554  Hofplattner, 
IS54-I572, 


652 


VII.  Die  Beschau*  und  Meisterzeichen  etc. 


Roggenberger,  Heinrich ,  Büchsen- 
giefser.  Passau.  Kommt  1436  nach 
Augsburg. 

Rotschmied,  Mart.,  Plattner.  Nürn- 
berg, starb  1597.  G. 


•Rück  er,  auch  Rucker,  Ruckarth  und 
Rückert,  Thomas,  Schwertfcger,  Eisen- 
schncider ,  Mechaniker.  Augsburg. 
Arbeitet  um  1575  für  den  sächsischen 
Hof  und  für  Kaiser  Rudolf  II.  Drd. 

Ruef,  Franz,  Laufschmied.  Elwangen, 
um  1680.    Mch.  P. 

•Sadeler,  Johann,  Zeichner  von  Ge- 
schützen. 

Sander,  Jan,  Büchsen-  und  Armrust- 
macher.    Hannover,  um  1669.  P. 

Samitsch,  Daniel,  Büchsenmacher. 
Deutsch.  Liefert  für  König  Ferdi- 
nand I.,  I544* 

S  c  h  e  n  c  k ,  Peter,  Kupferstecher,  Zeichner 
von  Prunkwaffen.  Amsterdam ,  geb. 
zu  Elberfeld  um  1645,  g«t-  um  1715. 

Schcnckh,  Johann  Caspar,  Elfenbein- 
schnitzer. Wien.  Arbeitet  um  1665 
viel  für  den  kaiserl.  Hof  Prunkwaffen 
und  Jagdgeräte,  gest.  1674.  W. 

S  c  h  i  n  z  c  1 ,  Elias ,  Büchsenmacher. 
Berlin,  um  16 So.    Kop.  Bl. 

Schnee,  Hans,  Büchsengicfser.  Inns- 
bruck, Verona,  gest.  1 5 1 7. 

Schwarz,  Christoph,  Maler.  Ingolstadt. 
Hofmaler  des  Herzogs  Wilhelm  V. 
von  Bayern,  gest.  1594.  Zeichner  von 
Harnischdekorationen.  W. 

Schwenck,  Johann,  Büchsenmacher. 
Wiener-Neustadt,  17.  Jahrh.  Kop. 

Seelos,    eigentlich    Reuter,  Büchsen- 
giefserfamilie.  Innsbruck. 
•Hans,   arbeitet   für  E.  H.  Sigis- 
mund und  Kaiser  Maximilian  I., 
um  1480. 
Jorg,  um  1516. 


Seusenhofer,    Plattnerfamilie.  Inns- 
bruck. 

♦Hans,  wird  1 5 1 5  Wappenmeister  in 
Innsbruck,  geb.  1475,  gest.  1555. 

♦Jörg,  Sohn  des  Vorigen,  arbeitet 
für  den  französischen,  spanischen 
und  den  kaiserl.  Hof  bis  Über 
1558.    W.  Bl.  P. 
Marke ; 


•Konrad,  arbeitet  für  Maximilian L, 
für  Aragonien,  Brandenburg  etc., 
1502,  starb  15 18. 
♦Seus  enhofer,     Wilhelm,  Plattncx. 

Augsburg  gest.  1547. 
♦Siebenbürger,    Valcnün,  Plattncr. 
Nürnberg.    Wird  1531  Meister,  gest. 
nach  1547. 
W.  Bl.  Darmst.  Erb.  P. 
Sigm. 

Marke: 


53 


S  i  e  g  1  i  n  g ,  Valentin ,  Büchsenmacher. 
Frankfurt  a.  M.,  18.  Jahrh.  P. 

Sigmann,  Georg,  Goldschmied,  Treib- 
arbeiter.   Deutsch.  L. 

•Solis,  Virgil,  Maler,  Ornamentist, 
Zeichner  von  Prunkwaffen.  Nürnberg, 

geb.  I$I4»  gest-  1562- 

Sommer,  Johann, Büchsenmacher.  Bam- 
berg, um  1680. 

Sorg,  Jörg,  Zeichner,  Ätzmaler.  Augs- 
burg. Entwirft  seinem  Schwager,  den 
Plattner  Coloman  Helmschmied,  und 
dessem  Sohn  Desidcrius  um  1560 
Harnische ,  darunter  solche  Maximi- 
lians II.    Mdr.  Bl. 


I  5 


uiguiz 


zed  by  Goog 


Ii   Deutschland  und  die 


habsburgischen  Erbländer.  658 


Spazierer,  Büchsenmacher.   Prag,  18. 

Jahrh.  P. 
Speyer,  von,  zahlreiche  Plattnerfamilie. 
Annaberg  und  Dresden. 
♦Peter,  der  Ältere.  Annaberg.  Ar- 
beitet für  den  sächsischen,  bran- 
denburgischen und  dänischen  Hof 
um  1560.  Bl. 
Marke : 

P-V-St, 

•Wolf,  der  Ältere.    Annaberg  und 
Dresden.  Arbeitet  als  sächsischer 
Hofplattner  auch  für  den  tiro- 
lischen Hof,  starb  1580. 
Springenklee,  Georg,  Messerer  Klin- 
genschmied,   Passau.    Erhält  später 
von   Kaiser   Karl   IV.    ein  eigenes 
Wappen. 

Steigentesch,  Georg,  Klingenschmied. 

Solingen,  um  1630.  Emd. 
St  ein  weg,    Johann,  Büchsenmacher. 

München,  um  1690.  Mch. 
Stengel,  J.  C,  Graveur.    Wien?  16. 

Jahrh.,  Ende.  Mch. 
Stifter,  Hans  Christoph,Büchsenmacher. 

Prag.  Arbeitet  um  1660  und  bis  nach 

1684. 
Marke:  ein  Löwe. 


Drd.  W.  Stockh.  A.  P. 
Stockmann,    Hans ,  Büchsenmacher. 
Dresden,  ca.  1590 — 1621. 
Zeichnet:  H.  S. 
Stockmar,    J.    L. ,  Büchsenmacher. 
Heidersbach   bei   Suhl,    x8.  Jahrh. 
Drd. 

Stockmar,  Johann  Nikolaus,  Büchsen- 
macher. Heidersbach,  um  1740.  Drd. 

Stramayr  (Strohmayer),  Hans,  Ätz- 
maler. Wien,  um  1580.  Arbeitet  für 
Erzherzog  Ernst. 


Sussebecker,  Martin,  Büchsenmacher. 

Dresden,  um  1640.    E.  Kop. 
Sustris,  Friedrich,  Maler.  Amsterdam, 
München.  Fertigt  Entwürfe  für  Warten - 
dekorationen.    17.  Jahrh. 
Treytz,  zahlreiche  Plattnerfamilie.  Inns- 
bruck. 
•Adrian,  1469— 1517. 
Marke: 

Christian,  um  1484,  stirbt  1517. 
Jörg,  1469— 1478. 
Konrad,  starb  vor  1469. 
Undeutsch,  Hans,  Plattner.  Dresden, 
um  1560. 

Veit,  Plattner.  Nürnberg,  Ende  des  1$. 
Jahrh. 


Voigt,  Caspar,  Geschützgiefscr.  Dres- 
den, um  1549. 

Walt  her  (von  Arles?),  Büchsengiefser. 
Augsburg.  Giefst  bereits  1373  daselbst 
Büchsen. 

Weinhold,  Johann  Gottfried,  Stück- 

giefser.    Dresden,  um  1740.  "W. 
•Weifs.H,  Büchsenmacher.  Suhl,  18. 

Jahrh.  L. 
Weng  er,  Maximilian,  Büchsenmacher 

und  Rohrschmied.  Mitte  des  17.  Jahrh. 

Bez.  MAX.  W.  —  Stockh. 

Werder,  Felix,  Büchsenmacher.  Zürich. 
Der  Verfertiger  des  ältesten  datierten 
Flintenschlosses  von  1652.  W. 

Wetschgi,   Andreas,  Büchsenmacher. 
Augsburg,  18.  Jahrh.,  Mitte. 
Kop.  W.  Stockh. 


054 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Wetter,  Othmar,  Messerschmied,  Eisen - 
Schneider.  München  und  Dresden. 
Arbeitet  prächtige  Schwert-  und  Degen- 
griffe.   Um  1590.  Drd. 

Marke:  W.  in  Gold  eingelegt. 

Weyditz,  Christoph,  Elfenbeinschnitzer. 
Augsburg,  um  1560.  . 

Weyer,  Franz  Wilhelm,  Büchsenmacher 
aus  Nürnberg,  später  in  Wien.  Aus- 
gezeichneter Graveur.  1 7.  Jahrh  ,  An£ 
P.  Emd.  Drd. 

Wilczinski,  Lukas,  Klingenschmied. 
Posen?  um  16 10.  Arbeitet  Kalender- 
schwerter. Bl. 


Widerstein,  Büchsengiefser  Nürn- 
berg, 1449 — *470-  Giefst  die  unter 
dem  Namen  die  Widersteiner  bekannten 
Geschütze. 

Wildemann,  Marx,  Büchsenmacher. 
Dresden.  Arbeitet  für  den  sächsischen 
Hof  bis  1587. 

Winffang  siehe  Wynsang. 

*W  i  r  s  b  e  r  g,  Peter,  Klingenschmied.  So- 
lingen, Bürgermeister  dieser  Stadt 
1611  — 1617,  um  1580. 

H.  Mch.  P.  W. 

.  *Wirsberg,  Wilhelm,  Klingenschmied. 
Solingen,  Bürgermeister  dieser  Stadt 
1573,  um  1540.  Md.  P.  Drd. 
Stockh. 

Marke:  das  halbe  Rad. 

W  i  rsb  erg,  Wolf  Ernst,  Klingenschmied. 
Wien,  RUstmeister  Kaiser  Maximi- 
lians II.  um  1565. 

Woller,  Klemens,  Klingenschmied.  So- 
lingen, 17.  Jahrh.,  Ende.  W. 
Marke:  ein  Hahn. 


Worms,  von,  Plattnerfamilie.  Nürn- 
berg. 

Wilhelm,  der  Ältere,  starb  1539. 
•Wilhelm,  der  Jüngere,  Sohn  des 
Vorigen,  Hofplattner  Karls  V. 

Wundes,  Johannes,  Klingenschmied. 
Solingen.  Arbeitet  1 560— 16 10,  führt 
als  Marke  den  „Königskopf"  und  den 
„Reichsapfel".  P.  W.  btockh. 


Wynsang  (auch  Wynnfang),  Hans, 
Büchsengiefser.  Passau.  Liefert  für 
König  Ferdinand  I.    1544.  W. 

Zaruba  , Andreas,  Büchsenmacher.  Salz- 
burg, um  1700.    P.  "W. 


Zell n er,  Büchsenmacherfamilie.  Salz- 
burg, Wien. 

Cajetan,  18.  Jahrh. 


Caspar,  Wien,  18.  Jahrh.  W. 


Franz  X.  Salzburg,  18.  Jahrh. 
Johann    Georg,    Salzburg,  18. 
Jahrh. 

Kilian  arbeitet  in  Wien  um  1720 
für  den  Erzbischof  von  Salzburg. 


2.    England,  Schweden,  Dänemark. 


655 


Marcus,    Salzburg,    18.  Jahrh., 
Anfg. 

♦Zilli,  Markus,  Büchsenmacher,  Lauf- 
schmied. Memmingen,  1670—1690. 
Mch. 

Zoller,  Melchior,  Klingenschmied. 
Augsburg,  um  1600.  Mch. 


Z  ü  n  d  t  ( ?)  Matthias.  Nach  Nagler  Monogr. 
IV,  1971  Goldschmied,  Zeichner  von 
Prunkwaffen.  Nürnberg,  16.  Jahrh., 
2.  Hälfte.  L. 

7£* 


2.  England,  Schweden,  Dänemark. 


Bars,  David,  Büchsenmacher.  Stock- 
holm, um  1730.  Drd. 
Bäte,  Büchsenmacher.    London,  Ende 

des  18.  Jahrh.  P. 
Burting,  P. ,  Büchsengiefser.  Fossum 

Jaernvacrk.  Norwegen,  um  1690.K0P. 
Clark,  Büchsenmacher.    London,  18. 

Jahrh.  P. 
Dam,  Claus,  Stückgiefser.  Kopenhagen, 

um  1620.  Kop. 
End tf eider,  Hans  Wolf,  Stückgiefser. 

Kopenhagen,  um  1600.  Kop. 
Free  man,     James,  Büchsenmacher. 

London,  18.  Jahrh.  Drd. 
Froomen,  Peter,  Büchsenmacher.  Jön- 

köping.  Schweden,  18.  Jahrh,  Ende. 

Stockh. 

Kalt  hoff,  Laasen  Matthias,  Büchsen- 
macher.  Dänemark,  1652  — 1679.  Kop. 

Kalt  hoff,  Peter,  Büchsenmacher. 
Dänemark,  um  1646.  Kop. 

Kapell,  Heinrich,  Büchsenmacher. 
Kopenhagen,  17.  Jahrh.  Stockh. 

Koch,  Johann,  Büchsenmacher  und  Uhr- 
macher. Stockholm, um  1 670. Stockh. 

Kohl,  Caspar,  Klingenschmied.  Garp- 
strömmen  und  Wira  in  Schweden, 
17.  Jahrh.  Stockh. 

*  K  o  h  1  .David,  Sohn  desVorigen,  Klingen- 
schmied. Wira,  Stockholm,  geb.  1628, 
gest.  1685.  Stockh. 

Kost  er,  Assuerus  van  der  Hart,  Stück- 
giefser. Kopenhagen,  um  1680.  Kop. 


Mard.B.,  Büchsenmacher.  Stockholm? 

18.  Jahrh.,  Anf.  Stockh. 
Mathias  von  Nürnberg,  Stückgiefser. 

Kopenhagen,  um  1559.  Kop. 
Metzger,  Johann  Georg  und  Michael, 

Büchsenmacher.  Stockholm,  um  1750. 

Stockh. 

Murdoch,  H.,  Büchsenmacher.  Schott- 
land, 17.  Jahrh.  Mdr. 

Neid  hart,   Andreas,  Büchsenmacher. 
Kopenhagen,  1636 — 1650. 
Bez.  A.  N.  —  Kop. 

Nusbaum,  J.,  Büchsenmacher.  Stock- 
holm, um  1780.  Stockh. 

Nusbaum,  Matthias  Vincenz,  Büchsen- 
macher. Breslau. 

Nusbaum,  Moriz  Friedrich,  Büchsen- 
macher.   Stockholm,  um  1747. 

Ostermann,  Friedrich,  Büchsenmacher. 
Kopenhagen,  l8.Jahrh., Anf.  Stockh. 
Marke : 


3T 

Kosenhell,  J.,  Büchsenmacher.  Norr- 
telge,  Schweden,  um  1 790.  Stockh. 

Rundberg,  Gebrüder,  Büchsenmacher. 
Jönköping,  Schweden,  später  Paris, 
18.  Jahrh.,  Ende.  Stockh. 

S  t  a  r  b  u  s ,  Peter,  Büchsenmacher.  Amster- 
dam, später  in  Stockholm,  17.  Jahrh., 
Ende.    Stockh.  Kop. 

Stephean,  Büchsenmacher.  London, 
18.  Jahrh  ,  Ende.  P. 


(356 


VIL  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


To  mm  er,  Büchsenmacher.  Kopenhagen, 
1612— 1631.  Liefert  dem  dänischen 
Hof.  Kop. 

Tonner,  A.,  Büchsenschäfter.  Kopen- 
hagen, um  1610— 1630.  Kop. 


Wilson,    Büchsenmacher.  London, 

18.  Jahrh.  Stockh. 
Zimmermann,  Hans,  Büchsenmacher. 

Kopenhagen,  Ende  des   17.  Jahrh. 

Stockh. 


3.  Frankreich. 


•Aubigny,  Philippe  Cordier  d\  Kupfer- 
stecher, Zeichner  von  Prunkgewehren. 
Paris,  1635  — 1665. 

Barnabo,  Meister,  Waffenschmied. 
Paris,  um  1400. 

*Bcrain,  Jean,  sen  ,  Ornamentist  in 
Feuerwaffen,  Schriftsteller.  Paris,  geb. 
1639,  gest.  171 1.    P.  Stockh. 

Bcrain,  Jean,  jun. ,  Ornamentist  in 
Feuerwaffen,  Schriftsteller.  Paris. 

Bcrcan,  auch  Berquen,  Jacques,  Stück- 
giefser.  Lyon,  um  1790.  Arbeitet 
mit  seinem  Bruder  Baltasar.  W. 

Bereau,  Antoine  de,  Stückgicfser. 
Strafsburg,  1714— 1734.  W. 

Berenger  de  Falize,  Stückgiefser. 
Douai,  1694  bis  ca.  1730.    W.  P. 

Berenger,  J.,  Stückgicfser.  Douai, 
1759— 1801.  W. 

Berg  er,  richtig  Bergier,  Pierre,  Uhr« 
macher  und  Büchsenmacher.  Grenoble, 
um  1634.    Arbeitet  für  Ludwig  XIV. 

Bernard,  Schwertfeger.  Paris.  Zum 
schwarzen  Kopf  an  der  porte  Saint- 
Michel.  Zeichen  zur  Sonne.  Um 
1750. 

Binago,  Antonio  de,  Waffenschmied. 
Lyon,  1482,  gest.  zwischen  1494  und 
1498. 

Bizouard,  Büchsenmacher.  Marseille, 

um  1850.    Arbeitet  für  den  Bey  von 

Tunis.  W. 
Bourgeois,  Büchsenmacher.  Lizieux, 

um  1690.  Arbeitet  für  Ludwig  XIV. 
Bautet,  Direktor  der  Waffenmanufaktur 

Versailles,  um  1800.    P.  Stockh. 


Boutifar,   Schwertfeger.     Paris,  18. 

Jahrh.  W. 
Brezin,  Stückgiefser.    Paris,  um  1790 

bis  ca.  18 12.    W.  P. 
•Brisseville,  Henry, Schlosser, Zeichner 

von  Waffen,  Fachschriftsteller.  Paris, 

um  1663. 

Cai  Hovel,  Jean,  Büchsenmacher. 
Paris?  Um  1680.  Arbeitet  für  Lud- 
wig XIV. 

Caron,  Ambroise,  aus  Mailand,  Waffen- 
schmied, Plattner.  Bordeaux,  16.  Jahrh., 
Mitte. 

Chateau  (Chasteau),  Büchsenmacher. 

Paris,  um  1750.    W.  D.  E. 
Chevalier,  Nicolaus,  Schnitzer.  Franz. 

Um  1720.    W.  P. 
Col,  Büchsenmacher,  Paris,  Arquebusier 

des    menus    plaisirs   du   Roi.  Um 

1754. 

C  o  1  a  s  ,  Nicolas,  Büchsenmacher.  Paris  ? 

Um  1690.  Arbeitet  für  Ludwig  XIV. 
Collombe,    De   la,  Büchsenmacher. 

Zeichner,    Fachschriftsteller.  Paris. 

um  1702.  P. 
Colombo,   Laufschmied.  Frankreich. 

um  1 680. 

Cordier,  Jean,  Graveur  von  Flinten- 
bestandteilcn.    Paris,  um  1690. 

Cormier,  Thomas,  Armrustmacher. 
Angier,  um  1465. 

Crucy,  Stückgiefser.  Strafsburg,  um 
1809.  W. 

*D' Artein,  Jean  Baptist c  .  Chevalier. 
Stückgiefser,  Fachschriftsteller.  Strafs- 
burg, 1760—1797.  W. 


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3.  Frankreich. 


657 


Decaplein,  richtig  Le  Chapclain,  J., 
Büchsenmacher.  Cherbourg,  um  1624. 
Arbeitet  für  Ludwig  XIV. 

DelaBlettcrie,  Büchsenmacher.  Paris, 
Arquebusier  et  Archer  du  Roi  et  des 
Princes.    Um  1785.  Drd. 

Des  Chasaux,  Büchsenmacher.  Paris, 
um  1790.  Arbeitet  für  den  Konsul 
Bonaparte. 

De  seines,  auch  De  Saintes,  Büchsen- 
macher. Paris,  Arquebusier  ordinaire 
du  Roi.    Um  x  763.  W. 

Duclos,  Frangois,  Büchsenmacher.  Paris. 
Seit  1636  mit  Pierre  Boulle,  tourneur 
et  menuisier  du  roi  (vermutlich  dem 
Grofsvater  des  berühmten  Andre  Boulle), 
im  Louvre  etabliert. 

Dumesnil,  genannt leNormand,  Robert, 
Armrustmacher.    Paris,  um  1528. 

DttpOmt,  Francois,  königl.  Stückgiefser. 
Algier,  um  1840. 

Dutrevil,  Büchsenmacher.  Paris,  um 
1710.  Drd. 

Forcia,  Franzesco,  Waffenschmied, 
Tausiator.  Lyon.  Arbeitet  für  Franz  I. 

«537-153«- 
F r er ejean,  Stückgiefser.  Pont  de  Vaux, 

um  1780.  W. 
Gambeo,  Künstlerfamilie,  Tausiatoren. 
Mailand,  Lyon,  Paris. 

Battista  arbeitet  im  Verein  mit 
seinem  Bruder  Cesax  meist  Degen- 
griffe. Verlassen  1549  Lyon,  um 
in  die  Dienste  des  Königs  zu 
treten. 

Cesare  arbeitet  für  Heinrich  II. 
um  1550. 

Glerd,  H.  L..  Büchsenmacher.  Paris, 
18.  Jahrh. 

Gor,  J.,  Commissaire  general  des  fon- 
deries.    Paris,  um  1740.  P. 

Goulet,  Jacques  de,  Büchsenmacher. 
Vitre,  um  1680.  Arbeitet  für  Lud- 
wig XIV. 

Goulet,  Jean  de ,  des  Vorigen  Bruder, 
Boebeim,  Waffenkunde. 


Büchsenmacher.  Vitre\  um  1680.  Ar- 
beitet für  Ludwig  XIV. 

Gruche,  Büchsenmacher.  Paris,  An  f. 
des  18.  Jahrh.  Arbeitet  für  K.  Karl  VI. 
W.  Kop. 

Haber,  Büchsenmacher.  Nancy.  Arbeitet 
für  Ludwig  XIV.  um  1690. 

Hauch  er.  Pierre,  Armrustmacher.  Paris, 
um  1488. 

*Holandais,  le,  eigentl.AdrienReynier, 
königl.  Büchsenmacher,  Fachschrift- 
steiler, seit  1724  in  der  Galeric  des 
Louvre  etabliert.  Paris.  Drd.  Kop. 

Ein  gleichnamiger  Sohn,  gleichfalls 
k.  Büchsenmacher  im  Louvre,  stirbt 

1743 

Beide  bezeichnen  zuweilen  gemein- 
schaftlich: Les  Holandais. 

Jacquard,  Antoinc,  Büchsenmacher, 
Kupferstecher,  Zeichner,  Poitiers, 
1619 — 1650. 

Junquyeres,  Guitard,  Plattner.  Bor- 
deaux, um  1375. 

Keller,  Geschützgiefser.  Douai,  um 
1688.    W.  P. 

Lacollombe,  Büchsenmacher,  Graveur. 
Paris,  um  1702. 

•Languedoc,  J., Büchsenmacher.  Paris, 

,8.  jah,h.  Sie„,  Drd. 

Larchier,   Guillemin,  Büchsengiefser. 

Paris,  „artilleur  du  roy",  1396. 
•La  Roche,   Büchsenmacher.  Paris, 

starb  1769.    Arbeitet  in  der  Galerie 

des  Louvre.    Drd.  W. 
•Le   Contc,   Büchsenmacher.  Paris. 

Arbeitet    nach    Jean    Berain    s.  d. 

Stockh. 

L6courreur,  Francois,  Büchsenmacher. 
Paris.  War  anfangs  im  Louvre  etabliert, 
seit  1653  im  Palais  Royal,  gest.  1658. 
Jean,  dessen  Sohn,  Büchsenmacher. 
Paris.  Seit  1658  im  Palais  Royal 
etabliert,  gest.  1697. 

42 


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658 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Philipp,  dessen  Enkel,  Büchsen- 
macher.   Paris.    Gleichfalls  im 
Palais  Royal  etabliert. 
Lcloup,  Guillaume,  auch  Le  Loupc, 
Armrustmacher.    Lyon,  1418— 1421. 
Lemoyne,     Jehan,  Klingenschmied. 
Französisch,  um  1600.    „Maltre  de 
l'epee  couronnee". 
Lepage,  M.  H..  Büchsenmacher.  Paris, 

18.  Jahrh.,  Mitte.    P.  W. 
Lorraine,  le,  Büchsenmacher.  Valence, 

13.  Jahrh.  Dr'd. 
•Marcou,   Francois,  Büchsenmacher, 
Fachschriftsteller.  Paris,  legi.  Büchsen- 
macher, geb.  1595,  gest.  nach  1660. 
•Maritz,  Stückgiefserfamilie  aus  Bern. 
Der   Altere.    Strafsburg.  Erfinder 
der  Kanonenbohrmaschinen,  um 
1710.    W.  P. 
Johann,    der    Jüngere.  Douai, 
1730— 1778,  später  um  1785  im 
Haag.    W.  P.  Kop. 
M  a  s  s  o  n  ,    Alexander ,  Eisenschneider. 

Paris,  Ende  des  17.  Jahrh.  Stockh. 
Masson,      Antoine,  Eisenschneider. 

Orleans,  gest.  1684.  P. 
Mazue,  Maxtin,  Büchsenmacher.  Vitre, 

um  161 2.    Arquebusier  du  Roi. 
Meissonnier,    Aurele.  Zeichner  von 
Waffen.      Paris,   Hofkünstlcr,  gest. 
um  1 740. 

Merment  du  Perry,  Waffenschmied. 

Aix,  um  1448. 
Mesnil,    Robert   du,  Armrustmacher. 

Paris  (?),  um  1529. 
Michelet,  Bogenmacher.    Nogcnt,  um 

1400. 

Noli,  Jehan,  Klingenschmied.  Tours, 
um  1488.    Liefert  dem  Hofe. 

Page,  Le,  Büchsenmacher.  Paris,  um 
1800.    Drd.  P. 

Pelousc,  Büchsenmacher,  Waffen- 
schmied. Paris.  Arbeitet  für  Lud- 
wig XV.  um  1760. 


Perier  freres,  Stückgiefser.    Paris,  um 

1790.  W. 
Pessonneau,  derÄltere,  Büchsenmacher. 

Lyon.    18.  Jahrh. 
Pilon,  Germain,  Waffenschmied,  Tau- 
siator.    Paris,  16.  Jahrh.,  Mitte.  P. 
•Piraube,   Bertrand,  Büchsenmacher. 
Paris.    Kommt  1670  in  die  Galerie 
des  Louvre.  W.  Drd.  L.  Stockh. 
Winds.  Wolw.  W. 
Prevoteau,  Waffenschmied,  Schwert- 
feger.    Paris,  um  1790.    Fertigt  die 
Preise  für  die  Volksfeste  der  Republik. 
•Raoult,  Büchsenmacher.  Versailles, 

Lyon,  18.  Jahrh.  Mch. 
•Renard,  Louis,  genannt  Saint-Malo. 
Büchsenmacher.  Paris.  ,, Arquebusier 
et  garde  du  cabinet  des  armes  du 
Roy".  Seit  1643  im  Louvre  etabliert. 
Schüler  seines  Vaters  Pierre. 
Renier,    H  ,   Büchsenmacher.  Paris, 

18.  Jahrh.  P. 
Renier,  Jean,  Büchsenmacher.  Paris, 

18.  Jahrh.  P. 
Sei i er,  Philippe,  Büchsenmacher.  Paris, 

18.  Jahrh.    P.  W.  E. 
Sc  Iii  er,  G.  de,  Büchsenmacher.  Paris, 

18.  Jahrh.  P. 
Simonin,  Jean,  Büchsenmacher.  Lunc- 

ville.  um  1620  P. 
Spinell  1     Nicolö,    auch   Nicolas  de 
Florence  oder  Nicolö  di  Forzore,  Gold- 
schmied.    Lyon.     Arbeitet  kostbare 
Degengriffe,  um  148 5,  starb  1499. 
Thomas,     Claude ,     Büchsenm  acher. 

Epinal,  um  1620.  E 
Thomas  de  Milan,    Plattner.  Lyon. 

Arbeitet  für  Ludwig  XL,  1466— 147 1. 
•Thurenne  (Thuraine),  de,  kön.  Büch- 
senmacher, Fachschriftstellcr.  Paris, 
um  1660.    Liefert  dem  franz.  Hof. 
Drd.  P. 

Bez.  zuweilen  gemeinschaftlich  mit 
einem  Sohne  Les  Thuraines.  Kop. 
Tondeux,  Jehan,  le,  Armrustmacher. 


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4.   Belgien,  Niederlande. 


659 


Paris?  um  1480.  Liefert  Lud- 
wig XL 

Tri  buchet  wird  im  Parsival  als  Waffen- 
schmied erwähnt. 

Villequin,  Pierre,  Messerer.  Paris, 
um  1380.    Liefert  dem  König. 


Woeiriot,  Pierre,  auch  Pierre  Woieriot 
de  Bouzey,  Bildhauer,  Zeichner  von 
Schwert-  und  Degengefäfsen.  Lyon, 
geb.  1532. 

Bez.  P.  Woieriot  Lotharingus. 


4.  Belgien,  Niederlande. 


Alexandre,  Jehan,  Armrustmacher. 
Brüssel,  1520— 1530. 

Artilleur  1',  Jean,  Bogenmacher.  Bur- 
gund, 1400. 

Basse,  Julian,  Büchsenmacher.  Brüssel, 
um  1620. 

Beugen,  Pieter  van ,  Büchsenmacher. 
Utrecht,  17.  Jahrh.  Stockh. 

Bol ,  Hans,  Maler.  Mecheln,  Antwerpen. 
Amsterdam,  gest.  1583.  Fertigt  Ent- 
würfe für  Waffendekorationen. 

Breton,  Pierre  le,  Bogenmacher. 
Lüttich?  um  1538. 

B  r  u  g  m  a  n ,  Hughes ,  Klingenschmied. 
Brüssel,  um  1490. 

Cant,  auch  Kant,  Cornelis,  Büchsen- 
macher.   Amterdam,  17.  Jahrh. 
Kop.  P. 

Ceule,  Jean,  Büchsenmacher.  Utrecht, 
17.  Jahrh.  Kop. 

Chastel,  Thierry,  Plattner.  Brüssel. 
Hofplattner  Philipp  des  Guten,  1432 
I433- 

Cornet,  du,  Plattnerfamilie.  Brügge, 
Valenciennes. 

Baltasar  arbeitet  in  Brügge  1468 

bis  I470  für  den  Herzog. 
Valentin  arbeitet  in  Valenciennes 
als  Hofplattner  um  14 öS. 
Cos  t  er,     Cornelis,  Büchsenmacher. 

Utrecht,  18.  Jahrh.    W  E. 
Ettor  (Hector?),  Waffenschmied.  Flan- 
dern.   Soll  das  Radschlofs  erfunden 
haben.     16.   Jahrh.?      (Siehe  auch 
unter  Italien  Ettore.) 


Fourbisseur,  Mathieu  le,  Waffen- 
schmied.   Brüssel,  um  1400. 

Fromont,  Massin  de,  Plattner.  Brüssel? 
Herzogl.  Hofplattner,  1438— 1440. 

Gheyn,  Jacob  de,  Maler,  Ornamentist, 
Zeichner  von  Prunkwaffen.  Antwerpen, 
geb.  1565,  gest.  1615. 

*G  i  a  m  m  o ,  G. ,  Büchsenmacher  aus 
Flandern,  arbeitet  in  England,  16.  Jahr- 
hundert. 

Marke:  ein  Nagel. 

Gindertale,  Lancelot  de,  herzogl.  Hof- 
plattner.   Brüssel,  um  1460. 

G od,  Jehan,  Schwertfeger.  Brüssel,  um 
1460. 

Hay  e ,  Loysdela^Armrustmacher.  Brügge, 
um  1440. 

Haynau,  Gu^rart  de,  Waffenschmied 
Philipps  des  Guten.  Brüssel,  um  1444. 

Henry  le  serrurier,  Armrustmacher. 
Brüssel,  um  1304. 

Hogvorst,  Jehan  van,  Armrustmacher. 
Mechern.  Liefert  1501  für  Philipp 
den  Schönen. 

Jaghere,  Gille  de,  Klingenschmied. 
Gent,  um  1540. 

La  Pierre,  Büchsenmacher.  Maestricht, 
17.  Jahrh.,  Ende.  op. 

Lebion,  auch  Le  Blon,  Michael,  Gold- 
schmied, Zeichner  von  Prunkwaffen, 
Beschlägen  u.  dgl.  Amsterdam,  geb. 
1587,  gest.  1656. 

David,  Büchsenmacher.  Lüttich,  18. 
Jahrh.  Stockh. 

Lodequin,   Hughes,  Waffenschmied. 

42* 


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660 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Brüssel.  Liefert  1407— 1409  für  Anton 

von  Brabant. 
Mal  herbe,     Oscar,  Büchsenmacher. 

Lüttich.    Verfertigte  Tschinken  18. 

Jahrh.  Drd. 
Mehault,  J.,  Bogcninacher.  Arras,  um 

1419- 

Merate,  Plattnerfamilie.  Mailand- Arbois. 
Gabriel  tritt  mit  seinem  Bruder 
Francesco  1495  m  Dienste 
Maximilians  I.,  arbeitete  bis  1509  in 
Arbois  in  Flandern. 


Marke : 


Mercier,  F.,  Büchsenmacher.  Lüttich, 

18.  Jahrh.  Bl. 
Merveilles,  Jacques,  Plattner.  Tours, 

um  1510. 

Moniot,  Vincent  de,  Plattner.  Namur, 

gest.  um  1632. 
Muldrc,    Lucas   de,  Armrustmacher. 

Brüssel,  um  1469. 
Niquet,  Claude,  Büchsenmacher.  Liege, 

18.  Jahrh.  P. 
Pentermann,  Büchsenmacher.  Utrecht, 

18.  Jahrh.,  Anfang.    E.  W. 
♦Ruphin,  Ambroise,  Plattner.  Brüssel, 

um  1470. 

Rycker,  Martin  de,  Spiefsmacher. 
Brügge,  1520— 1530.  Arbeitete  für 
Karl  V. 


St.  Catherine,  Pieron  de,  Maler.  Lille, 
Bogenmaler,  um  1355. 

•Scroo,  Francis,  Plattner.  Brüssel.  Ist 
1 480—  1 496  Hofplattner  Maximilians  I. 

Sohl  in  gen,  Pietervan,  Büchsenmacher. 
Utrecht,  um  1760.  Drd. 

Tanner,  M.  C.  D.,  Sohn,  Büchsen- 
macher. Lüttich,  um  1760.  Liefert 
dem  hanuov.  und  braunschweigschen 
Hof.    P.  E. 

Tomson  &  Zoonen,  Büchsenmacher. 
Rotterdam.  Liefern  für  Napoleon  I. 
P. 

Vestale,  Lancelot  de,  Plattner.  Brüssel. 
Ist  um  1460  Hofplattner. 

Voys,  Jacques,  Plattner.   Brüssel  Ar- 
beitet für  Philipp  den  Schönen. 
Marke: 


Mdr.  W. 

Wambaix,  Pierre,  Plattner.  Brüssel. 
Arbeitet  für  Maximilian  I.  um  1496 

Watt,  Jehan,  Plattner.  Brüssel.  Ar- 
beitet um  1496  für  den  Herzog. 

Wisseron,  Jehan,  Plattner.  Brüssel. 
Arbeitet  1423  — 1440  für  den  Herzog. 

Wyk,  Jean  de,  Büchsenmacher.  Utrecht. 
17.  Jahrh.  Kop. 


5.  Italien. 


Albergeti,  auch  Alberghetti,  Ge- 
schützgiefscrfamilie.  Stammt  aus 
Massa-Fiscalia. 

Antonio  Orazio,  Geschützgiefser 
der  Republik  Venedig,  geb.  da- 
selbst.   17.  Jahrh.  L. 


*Battista,  genannt  Zuanne,  Ge- 
schützgiefser. Florenz.  Sohn  des 
Giulio.  In  Diensten  Ferdinands  II. 
von  Toscana.  Arbeitet  auch  mit 
Gian  da  Bologna,  16.  Jahrh.. 
Ende. 


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5.  Italien. 


661 


»Giovanni  Battista,  Geschütz- 
giefscr.  Venedig.  Enkel  Sigis- 
mondos.    17.  Jahrh. 

Giulio,  Geschützgiefser.  Venedig, 
16.  Jahrh. 

*Sigismondo,  der  Ältere.  Ge- 
schützgiefser. Venedig.  Sohn  des 
alten  Albergcti  und  1487  vom 
Senate  angestellt,  arbeitet  dort 
bis  1524,  geht  nach  Massa- 
Fiscalia  bei  Ferrara,  lebte  noch 
I530- 

*Sigismondo,  Geschützgiefser. 
Venedig.  Arbeitete  auch  in  Eng- 
land. V. 
Albergotti,  Francesco,  Laufschmied. 

Brescia,  17.  Jahrh.  Zeichnet:  F.  A. 
*B  a  d  i  1  e ,  Maffeo  .Büchsenmacher.  Brescia, 

17.  Jahrh.,  Ende.  P. 
Bartolomeo  da  Cremona,  Geschütz- 
giefser.  Venedig,  starb  148 7. 

Bastiano  da  Pistoja,  Laufschmied. 
Pistoja,  17.  Jahrh.    Zeichnet:  B.  P. 

Bernard ino  d'  Antonio  di  Milano  (Mis- 
saglia?),  Geschützgiefser  der  Republik 
Florenz  1497— 15 12. 

*Biancardi,  Giov. ,  Antonio,  Plattner. 
Mailand.    16.  Jahrh. 

Boia  il,  M. ,  Büchsenmacher.  Brescia, 
17.  Jahrh. 
Marke : 

eine  Bärenpranke  mit  den  Buch- 
staben M.  B. 

Bonisolo,  Antonio,  Büchsenmacher. 
Brescia?  17.  Jahrh.  P. 

Bouquero,  StÜckgiefser.  Turin,  um 
1810.    P.  W. 

C  a  ff  i ,  Lorenzo ,  Büchsenmacher. 
Italien,  um  1620.  Arbeitet  für  Lud- 
wig XIV. 

*Caino ,  Pietro,  Klingenschmied.  Mai- 
land, 16.  Jahrh.,  Ende.  Führte  ver- 
schiedene Marken  und  zwar  nebst  dem 


Namen  noch  dreimal  hintereinander 
die  Buchstaben  P.  S.  M.,  ferner  den 
hier  gegebenen  Stempel: 

O 

z 

< 


endlich  auch  zuweilen  einen  Mond. 
Klingen  von  ihm  werden  oft  gefälscht. 
P.  W.  Bl.  Stockh. 

Camelio,  Vittore,  Waffenschmied.  Ve- 
nedig, Brescia,  um  1500.  Erfindet 
den  leichten  Stahl. 

*Campi,  Bartolomeo,  Goldschmied, 
Treibarbeiter,  Kriegsingenieur.  Mai- 
land. Gebürtig  aus  Pesaro,  nach  an- 
deren aus  Cremona.  Dient  der  Re- 
publik Venedig  und  dem  Herzog 
Guidobald  II.  von  Urbino,  später 
Heinrich  II.  von  Frankreich.  Im 
Dienste  Philipps  II.  von  Spanien  unter 
Alba,  starb  er  vor  Harlem  15  73.  Von 
ihm  ein  getriebener  Schild,  gefertigt 
für  Karl  V.  um  1550,  bez.  B.  C.  F. 
und  G.  G.  —  Mdr. 

Cani,  Ventura,  Büchsenmacher.  Bres- 
cia? um  1630.  P. 

*Cantoni,  Bernardino,  Plattner.  Mai- 
land. Arbeitet  für  Kaiser  Maximi- 
lian I.  um  1500.    —  Mdr. 

Caravaggio  (Caldara),  Polidorc  de, 
Maler.  Neapel.  Schüler  Raphaels, 
zeichnete  viele  Degengriffe  um  1530. 

*Caremolo    di    Modrone,  Plattner. 


662 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Mantua.  Arbeitet  für  den  spanischen 
und  mantuanischen  Hof,  geb.  1489. 
gest.  1543. 

*C  e  n  n  i ,  Cosimo ,  GeschüUgiefser.  Flo- 
renz. Stand  im  Dienste  Cosimos  von 
Medici ,  in  Florenz,  woselbst  er  eine 
reiche  Thitigkeit  entfaltete.  Einer  der 
besten  GeschÜtzgiefscr,  die  es  gegeben 
hat,  arbeitet  um  1630.  FL 

»Censori,  bedeutende  Geschützgiefser- 
familie. 

A  n  c  h  i  s  e ,  Sohn  des  Orazio,  geboren 

in  Bologna,  arbeitet  in  Modena 

um  1550. 
Giovanni  Battista,  arbeitet  in 

Ferra  ra  um  1630. 
Orazio ,  geboren  in  Bologna.  Rom, 

16.  Jahrh.,  2.  Hilfte. 

Chiesa,  Pompeo  della,  königl.  Plattner, 

Treibarbeiter,    Tausiator.  Mailand. 

Arbeitet  für  den  spanischen  Hof  um 

1590.    T.  W. 
Cinalti,  der  Ältere,  Klingenschmied. 

Pisa,  16.  Jahrh.,  Ende. 
Civo,   Bernardo,    Plattner.  Mailand, 

Schüler  des  Biancardi    s.    d.  Um 

1560. 

Cominazzo,  berühmte  Laufschmied- 
familic.    Brescia,  Gardone. 

♦Lazarino,  der  Jüngere,  bez.  La- 
zarino  Cominazzo",  gest.  1696 
zu  Gardone.  W.  Bl.  P.  Drd. 
V.  Mdr.  Mch.  Stockh.  E. 
Kop. 

♦Lazaro,  der  Alte,  bez.  „Lazari 
Cominaz",  um  1620.  W. 

Cominazzo,  Angelo  Lazarino,  Lauf- 
schmied. Gardone,  16.  Jahrh.  Mdr. 

Cominazzo,  Bartolo,  Laufschmied. 
Brescia,  um  1804.  Mdr. 

Conti,  Nicolö  de,  Geschützgiefser.  Ve- 
nedig, um  1570. 

Dcsandri,  Juan,  Klingenschmied.  Bres- 


cia? 16.  Jahrh.  Bezeichnet  mit  dem 
Worte  Scacchi.  Bl. 


Diomede,  Büchsenmacher.  Brescia, 
17.  Jahrh.  P. 

Donatello,  Donato  di  Betto  Bardi  ge- 
nannt. Bildhauer.Goldschmied.  Florenz, 
geb.  1383,  gest.  1466.  Fertigt  auch 
Schwert  und  Degengriffe.  T. 

Ettore,  Büchsenmacher.  Brescia.  Nach 
Petrini  ein  Deutscher.  Wird  seiner 
berühmten  Radschlösser  wegen  il  gran 
Maestro  da  Brescia  genannt.  1 6.  Jahrh., 
Ende.    Bez.  H.  T. 

Felliciano,  Büchsenmacher.  Verona. 
Nach  Petrini  ein  ausgezeichneter 
Meister,  führt  als  Zeichen  eine  Sonne. 
16.  Jahrh  ,  Ende. 

Feramosca,  Caesar,  Goldschmied. 
Italien.  Liefert  Karl  V.  ein  reich- 
geziertes Schwert.  1524. 


5.  Italien. 


6*3 


*Ferrante,  Bellino,  Treibarbeiter,  Tau- 

siator.    Mailand,  um  1570. 
♦Ferrara,    Andrea,  Klingenschmied. 
Belluno,  geb.  um  15  30,  gest.  nach 
1583.   W.  Drd.  P.  Stockh. 
♦Ferrara,  Giandonato,  Klingenschmied. 
Bruder  des  Vorigen.   Belluno,  1560. 
Bez.  Zandona. 
W.  Drd.  Bl.  Stockh. 
*Figino,  Giov.  Pietro,  Tausiator.  Mai- 
land ,  um  1 540.    Nach  Morigia  No- 
biltä  di  Milano  als  Erfinder  (!)  der 
Tauschierkunst  bezeichnet. 
Francini,   Bartolin,  Büchsenmacher. 
Florenz,  17.  Jahrh.    War  ein  Fran- 
zose, zeichnet  B.  F.  und  einen  Phönix 
im  Schilde. 
Francino,     berühmte  Laufschmied- 
familie. Brescia. 

Alessandro  ,  18.  Jahrh.  Drd. 
Claudio,  Klingenschmied.  Brescia, 

17.  Jahrh.,  Anf. 
Geronimo,  18.  Jahrh.  Drd. 
*Giovanni.  sig.  G.  F.,  um  1640. 
W.  Ambr.  Mdr.  P. 
Furmigano  (Formicano ?) ,  Pietro  An- 
tonio, Klingenschmied  aus  Padua,  um 
1570,  der  die  Marken  des  Juan  Mar- 
tinez  sen.  benützt.  W. 
Gajardo,  Giacomello,  Armrustmacher. 

Venedig,  um  1400 
*Gavacciolo,  Giovanni  Antonio, 
Büchsenmacher,  Eisenscbneider.  Bres- 
cia, 17.  Jahrh.  Schüler  der  Paratici 
(s.  d.).  Marke  anfänglich  G.  A.  G., 
später  einen  zur  Sonne  aufblickenden 
Adler  mit  der  Umschrift:  ,,Sole,  Sole 
gaudet." 

Ghinello,  Martino  il,  Tausiator.  Mai- 
land,  um  1580. 

Ghisi,  Giov.  Battista,  genannt  Man- 
tuano,  auch  Bertano,  Bildhauer,  Treib- 
arbeiter. Mantua,  geb.  zu  Mantua 
!5°3'  gest-  daselbst  1 5 75.  Von  ihm 
ein  berühmter  Prunkschild. 


Giorgiutti,  Giorgio,  Klingenschmied. 

Belluno,  16.  Jahrh. 
Guiano,    Lorenzo    (vielleicht  Guaina 

und  ein  Bruder  des  Anchise  d.  N.  in 

Mantua),  Plattner.  Brescia,  um  15  50.  P. 
Harivel,    Stückgiefser.    Modena,  um 

I750.  W. 
Lani,  Gebrüder,  Treibarbeiter,  Tausia- 


Adriano,  um  1530. 
Aluigi. 

Lazarino,  siehe  Cominazzo. 

L  a  z  a  r  i  n  o  ,  Lazaro,  Laufschmied.  Bres- 
cia. Sig.  :  „Zaro  Zarino".  17.  Jahrh., 
Ende.  W.  P. 

•Lemaitre,  Guglielmo ,  von  Geburt 
Franzose,  genannt  ,,il  gran  Maestro", 
Eisenschneider  in  Waffen.  Florenz, 
Anf.  des  17.  Jahrh.  Arbeitet  für 
Cosmos  II.  von  Medici. 

Lernie\  Büchsenmacher.  Brescia,  18. 
Jahrh.  W. 

Lopez,  Francisco ,  Klingenschmied 
Neapel,  16.  Jahrh.,  Ende.    K  ; 

Lotenzoni,  Micchele,  Büchsenmacher. 
Florenz,  18.  Jahrh.,  Anfang.  Be- 
rühmter Konstrukteur.    W.  Kop. 

Maffeo,  Büchsenmacher.  Brescia,  17. 
Jahrh.  P. 

♦Maffia,  Laufschmied.  Pistoja, um  1590. 
Berühmt  durch  seine  langen,  bis  10 
Ellen  messenden  Läufe.    Bez.  M.  P. 

♦March etti,  Filippo ,  Laufschraied. 
Brescia,  Ende  des  1 6.  Jahrh.  Zeichnet 
mit  Namen. 

Matinni  Antanni,  Klingenschmied. 
Italien,  ein  Meister  Antonio  Martini 
oder  Martino  Antani,  der  um  1550 
arbeitet,  er  führt  als  Marke  den  ge- 
krönten Mohrenkopf.  W. 


604 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Mazzaroli,  Francesco,  der  Altere, 
Büchscngiefser.    Venedig,  um  1670. 

W.  Zarsk.  Stockh. 

Mazzaroli,  Giovanni,  der  Jüngere, 
Büchscngiefser.  Venedig,  um  1708. 
Kop. 

Michelagnolo    (Viviani),  Plattner. 
Florenz.     Arbeitet    für   Julian  von 
Medici.    15.  Jahrh.,  Ende. 
Missaglia  da,  eigentl.Negroli,Waffen- 
schmiedfamilie.  Mailand. 

•Antonio,  Sohn  des  Tomaso,  her- 
zogl.    Hofplattner,    gest.  nach 
1492,  führte  nachfolgende 
Marken : 


•Petrajolo,  herzogl.  Hofplattner. 
um  1390. 
Marken : 


*Tomaso,    herzogl.  Hofplattner, 
gest.  wahrscheinlich  1468,  führte 
ähnliche  Marke    wie  Petrajolo. 
Arbeitet  für  den  pfälzischen  Hof. 
Mitiano,    Klingenschmied.  Arezzo, 
17.  Jahrh.,  Anfang.    Seine  Klingen 
zählten  zu  den  besten  Italiens. 
*M  o  1  a ,   Gasparo ,   Goldschmied  ,  Me- 
dailleur,   Waffenschmied.  Mailand, 
geb.  zu  Breglio ,  arbeitet  für  den  sa- 
voyschen    und    florentinischen  Hof, 
starb  1640  zu  Rom,   sig.  G.  M.  F. 
FL 

M  o  1 1  a ,     Giovanni ,  Klingenschmied. 

Neapel?  16.  Jahrh.,  Mitte.  Kop. 
*Mutto,    Geronimo,  Büchsenmacher. 

Ital.    18.  Jahrh.  P. 


Mutti,  G.  J.  E.,  Laufschmied.  Italien. 
Marke:  Giraffe,  Sterne  u.  a.  Zeichen. 
Drd. 

Negroli,  Waffenschmiedfamilie.  Aus 
der  Familie  der  Missaglia.  Mailand. 

•Francesco  arbeitet  fürdenkaiserl. 
und  mantuanischen  Hof,  ist  im 
Hofstaate  des  Kaisers  angestellt, 
1549  bis  1551 .  Mdr. 

•Giacomo,  des  Vorigen  Bruder, 
Zeichnet  wie  Philipp  mit  vollem 
Namen.  W. 

•Philipp,  der  Vorigen  Bruder, 
arbeitet  für  den  kaiserl.  Hof,  für 
Frankreich  und  die  Herzoge  von 
Savoyen  und  Urbino,  meist  in  Ver- 
bindung mit  Giacomo,  seinem 
Bruder,  1530— 1590.  Mdr.  W. 


Neron,  Damianus  de,  Waffenschmied, 
Tausiator.  Venedig,  um  1550.  So 
dürfte  der  Meister  der  Inschrift  auf 
einem  Degen:  „DAMIANVS.  DE 
NERVE"  zu  deuten  sein.  W. 
Paras,  Albergh  (Albert),  Niederländer. 
Nach  Petrini  bedeutender  Klingen- 
schmied. Florenz?  16.  Jahrh  Bez.  A.  P. 
•Paratici,  Battistino ,  Büchsenmacher. 
Brcscia.  Arbeitete  auch  in  Florenz. 
17.  Jahrh.,  Anf. 
Marke- 


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5.  Italien. 


605 


Parigino,  Gian,  Büchsenmacher.  Flo- 
renz, 16.  Jahrh.,  Ende. 
Marke: 

Lilie,  im  Schilde  daneben  G.  P. 

Patrolaus,   Klingenschmied.  Italien? 
15.  Jahrh.  Bl. 

Pedro  di  Napoli,  Klingenschmied. 
Neapel,  16.  Jahrh.,  Ende.  Kop. 

P  e  t  r  i  n  i ,  Giuseppe ,  Waffenschmied. 
Florenz,  Hofkünstler  Cosmos  II.  von 
Medici,  17.  Jahrh.,  1.  Hälfte. 

Piatti,  Bartolomeo,  Tausiator.  Mai- 
land, um  1560. 

*P  i  c  c  i  n  i  n  o ,  Waffenschmiedfamilie. 
Mailand. 

Antonio,   Klingenschmied,  geb. 
1509,  gest.  1589. 


Jüngere  Marke. 
W.  P.  Mch.  Mdr.  V.  Bl.  L. 

Fredcrigo,  des  Vorigen  Sohn, 
Klingenschmied.  Arbeitet  bis 
über  1600. 


Marke: 


P.  Drd.  H. 

•Piccinino,  Lucio,  des  Vorigen  jün- 
gerer Bruder,  Waffenschmied,  Treib- 
arbeiter, Tausiator.  Mailand.  Sohn 
des  Antonio,  arbeitet  für  Karl  V.  und 
Aless.  Farnese,  1550  — 1570.  W.  Bl. 
Z. 

Pierus,  KÜngenschmied.  Rom?  um 
1446.  Arbeitet  für  Papst  Eugen  IV. 
Sig.  ,, Pierus  me  fece". 

Pillizone,  eigentlich  Pellizoni,  Fran- 
cesco, genannt  il  Basso,  Tausiator. 
Mailand,  16.  Jahrh. 

*Piripe,  später  Pifanio  (Stefano),  Tacito 
genannt ,  Trcibarbeiter.  Arbeitet  für 
den  florentinischen  Hof  und  für  L'r- 
bino  um  1550.  Zarsk. 

Repa,  Treibarbeitcr  in  Waffen.  Florenz. 
Arbeitet  für  Guidobald  II.  von  Cr- 
bino.  Nach  Pctrini  ein  Sohn  des 
Numa  Babilonico.  (?) 

Pisano,  Vittore,  Bildhauer,  Baumeister. 
Pisa,  Florenz,  Venedig,  zeichnet 
Geschützmodelle,  gest.  1345. 

Rivolta,  N.,  Klingenschmied.  Mai- 
land. Sig.:  II  Rivolta  in  Milano  alla 
Corona. 

•Rizzo,   Paolo,   erscheint  auch  unter 


666 


Die  Beschau-  und 


Meisterzeichen  etc. 


Paolo  Azzitnina,  Tausiator.  Venedig, 
um  1580.  V. 

Romiro,  Antonio,  Plattner.  Mailand, 
um  1590.  Arbeitet  für  Alfonso  TL 
d'Este  von  Ferrara. 

*Serabaglia,  Giovanni  B.,  aus  der 
Familie  der  Busti,  Waffenschmied, 
Tausiator.  Mailand,  um  1 560.  Arbeitet 
für  Erzherzog  Ferdinand  von  Tirol. 

Serafino,  genannt  Bresciano,  Waffen- 
schmied, Tausiator.  Brescia.  Arbeitet 
für  Franz  L  von  Frankreich  um  1540. 

Sirrico,  Pirro  (Pietro),  Waffenschmied. 
Florenz.  Arbeitet  für  Karl  V.  um 
1550. 

S  p  a  c  i  n  i ,   Hieronymus ,  Treibarbeiter. 


Mailand,  ein  Bologneser.  Arbeitet  für 
Karl  V.  um  1550. 

Turcone,  Pompeo,  Treibarbeiter.  Mai- 
land, um  1580. 

Valerio,  Vincenzo,  Tausiator.  Rom. 
Arbeitet  für  den  mantuanischen  Hof 
um  1520. 

Venasolo,  Antonio,  Büchsenmacher. 

Brescia,  16.  Jahrh  ,  Ende.  Mdr. 
•Verdiani,   Rafaele,  Büchsenmacher. 

Florenz.  War  nach  Pctrini  ein  Schüler 

des  Antonio  von  Mcdici.  17.  Jahrh. 
Visin,    Renaldo  de,  Armrustmacher. 

Asolo,  um  1560.  V. 
Zoppo, Klingenschmied.  Pisa,  17. Jahrh., 

Anfang. 


6.  Spanien.  Portugal. 


Aguado,  Lupus,  Sohn  des  Juan  Mutelo, 
Klingenschmied.  Toledo,  San  demente, 
um  1560.  Mdr. 

Aguirre,  Domingo,  Sohn  des  Nicolas 
d.  N.  des  älteren,  führte  auch  dessen 
Marken  und  auch  den  Phönix. 


Aguirre,  Hortuno  de,  Nicolas,  der  Äl- 
tere, Klingenschmied.  Toledo,  um 
1580. 

Aguirre,  Hortuno  de  Nicolas,  der 
Jüngere,  Klingenschmied.  Toledo, 
um  1630.  Bl.  Mdr.  W.  Stockh. 

Aleado,  C,  Klingenschmied.  Toledo. 


Arbeitete  auch  in  Cuella  und  in  Ba- 
dajoz,  17.  Jahrh.,  Anf. 


Alcazes,  Francisco  de,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitete  auch  in  Madrid, 
16.  Jahrh.,  Ende. 

Almau,  Gil  de,  wahrscheinlich  de  Ale- 
mania  und  ein  Bruder  des  Tuan  d.  X., 
Klingenschmied.  Toledo,  um  1560. 
Führt  das  gleiche  Zeichen  mit  dem 
Letztgenannten. 

AI  man,  Juan  de,  wahrscheinl.  de  Ale- 
mania,  Klingenschmied.  Toledo,  um 
1550.    Führt  als  Marke  zwei  Sterne: 


6.    Spanien,  Portugal. 


667 


Arechiga  (Achega),  Pedro  de,  Klingen- 
schmied. Toledo,  17.  Jahrh.,  Anf. 
Er  führte  nebst  dem  Toledaner  Stem- 
pel nebenstehende  Marke: 


Armenta,  Jose"  de,  Büchsenmacher. 
Ciudad  de  los  Angelos  (Mexiko),  um 
1705.  Mdr. 

Avila,  Fabianus  de,  Tausiator.  Spanien, 
Hofkünstler  Karls  V.,  1547— 1548. 

•Ayala,  Thomas,  Klingenschmied.  To- 
ledo, 17.  Jahrh.,  I.Hälfte.   Soll  von 
161 5  — 1625  gearbeitet  haben. 
W.  P.  Drd.  Bl.  T. 

Führt  nebenstehende  Marken: 


Azcoitia,  Armrustmacher- Familie  Ma- 
drid? el  viejo,  um  1550. 
Christobal,  de,  um  1590. 
Juan. 

Balbastro,  Armrustmacher.  Monzon 

(Aragonien),  um  1530. 
Ballestcros,  Francisco,  Stückgiefser. 

Madrid,  um  1620.  Mdr. 
B  e  1  e  n ,  Juan,  Büchsenmacher.  Barcelona, 

um  1690.    Arbeitet  für  Karl  IL 

Marke:  ein  steigender  Löwe. 
Belön,  Juan,  Büchsenmacher.  Madrid, 

um  1680.  Mdr. 
Bis,  Francisco,  Büchsenmacher.  Madrid, 

um   1730.    Soll  nach  Marchesi  ein 

Deutscher  gewesen  sein.  Mdr. 


Marken : 

ein  Kreuz,  ein  Reichsapfel,  vier 
Blätter  in  Gold  eingeschlagen, 
ferner : 


i 


Blanco,  Juan,  der  Ältere,  Armrust- 
macher.   Spanien,  um  1550. 

•Bustindui,  Juan  Esteban,  Büchsen- 
macher. Eibar.,  um  1800.  P.W.  Mdr. 

Bustindui,  Jusepe,  Büchsenmacher. 
Valencia.    W.  Marke. 


Bustindui,  Santos,  Büchsenmacher. 
Valencia.  Mdr. 

Calisto,  Luis,  Klingenschmied.  Toledo, 
18.  Jahrh.,  Mitte,  geb.  um  1690.  Der 
Wiederbegründer  der  Klingenindustrie 
Toledos.  1760. 

•Cano.  Jose\  Büchsenmacher.  Madrid, 
I730—I750- 

Cantero,  Miguel,  Klingenschmied.  To- 
ledo? um  1560.  Signiert  zuweilen: 
„Opus  laudat  Artificium.  Miguel 
Cantero".    Mdr.  Stockh. 

©0 


Bis,  Nicolas,  Büchsenmacher.  Madrid, 
um  1730.    Mdr.  Drd. 


Clamadc,  Domingo  Sanchez,  genannt 
el  Tigerero,  Klingenschmied.  Toledo, 


668 


,  VJL  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


um  1590.  Führte  als  Marke  eine 
Schere : 


Michele  Sanchez,  dessen  Bruder, 
arbeitet  auch  in  Lissabon.  Führt 
das  gleiche  Zeichen. 
•Coma,  vielleicht  Antonio  Comas,  be- 
rühmter spanischer  Laufschmied,  des- 
sen Arbeiten  die  ersten  Büchsenmacher 
benützten.    18.  Jahrh.  Drd. 
Corrientes,  Dionisio,  Klingenschmied. 
Toledo. 

Corrientes,  Domingo,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitet  auch  in  Madrid. 
16.  Jahrh.,  Ende. 


Domingo,  il  maestro,  der  Jüngere, 
Klingenschmied.  Toledo,  17.  Jahrh. 
Anfang. 

•Esquivel,  Diego,  Büchsenmacher. 
Madrid,  um  1720.  Mdr. 

Marke:  ein  Hirsch,  ein  Kreuz  und 
vier  Granatäpfel  in  Gold  ein- 
geschl. 


Cristobal,  Francesco,  Stückgiefser. 
Malaga. 

Christ  ob  al,  Bartolomeo,  Stückgiefser. 
Malaga.  Arbeiten  beide  für  Chr.  Co- 
lumbus.    Ende  des  15.  Jahrh. 

Delaorta,  Johannes,  auch  dela  Horta, 
Klingenschmied.    Spanien,  um  1 545- 


P. 


CS 


Ein  gleichzeitig  wirkender  dieses 
Namens  führt  die  Marke: 


Domingo,  il  maestro,  der  Ältere,  Klin- 
genschmied. Toledo,  16.  Jahrh., 
2.  Hälfte. 


Fernandez,     Juan,  Annrustmacher. 

Spanien  1550.  Mdr. 
Fernandez,    Juan,  Büchsenmacher. 

Madrid,  um  1720.  Mdr. 
•Fernandez,  Caspar,  Büchsenmacher. 
Salamanca.    Einer  der  besten  Meister 
arbeitete  für  König  Ferdinand. 
Fernandez,  G.,  Laufschmied.  Spanien, 
18.  Jahrh.  Drd. 

Marke:  1  Pferd  und  6  Sterne. 
Fernandez,  Juan,  Laufschmied.  Spa- 
nien, 18.  Jahrh.,  Ende.    Drd.  W. 
Marke:  Adler  mit  Reichsapfel  und 
Szepter  und  3  Lilien. 
Frisleva  (Freysleben?),  Cristobal,  Lauf- 
schmied.   Ricla,  um  1560.  Mdr. 
Marke:  X. 
Gaya,  Thomas,  Klingenschmied.  To- 
ledo, Anfang  des  17.  Jahrh.  P. 
Wahrscheinlich  richtiger  Thomas 
Ayala  s.  d. 
Gonzalo,  Simon,  Klingenschmied.  To- 
ledo, um  1617.  Führt  als  Marke  ein 
G  in  einem  Schilde. 


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6    Spanien,  Portugal.  » 


689 


Gotnez,    Francisco,  Klingenschmied. 
Toledo,  16.  Jahrh.,  Ende. 


Gomez,  Jusepe,  Sohn  des  Francisco, 
Klingenschmied.  Toledo,  17.  Jahrh., 
Anfang. 


Hera,  Jusepe  de  la,  Klingenschmiede. 
Toledo.  Unter  diesem  Namen  er- 
scheinen vier  Meister,  vom  Alten  bis 
zum  Urenkel  herab.  Die  beiden  äl- 
teren führten  als  Marke  in  einem 
Schilde  ein  G,  darunter  ein  S  längs 
durchstrichen,  die  beiden  jüngeren  die 
Devise:  „La  misma". 


9 


rrnjmcQ 


Hernandez,   Pedro,  Klingenschmied. 
Toledo,  17.  Jahrh.,;i. Hälfte.  P.Drd. 
Marken: 


# 


•He  rnandez,  Sebastian,    der  Ältere, 
Klingenschmied.    Toledo,  um  1570. 
Mdr.  Bl.  W.  Drd. 
Marken: 


Sebastian,    der  Jüngere.  Toledo, 


um  1630.  Arbeitet  auch  in  Sevilla. 
Führte  als  Marke  den  „wilden 
Mann". 


W. 


Joannes,  Klingenschmied.  Toledo, 
Valenxia,  16.  Jahrh.,  I.  Hälfte.  Ar- 
beitete für  Kaiser  Karl  V.  Mdr. 

Juan  es,  genannt  der  Alte,  Klingen- 
schmied.   Toledo,  16.  Jahrh. 


Juani,  auch  Ivanni,  Klingenschmied. 
Spanien,  um  1554.  Zeichnet  mit  dem 
Halbmond  wie  Juan  Martine*  sen.  und 
vermutlich  identisch  mit  ihm.  W. 

Lafra,  Adriano  de,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitete  auch  in  San  de- 
mente, 16.  Jahrh.,  Ende. 


Lazama,  Pedro  de,  Klingenschmied. 
Toledo,  Sevilla,  16.  Jahrh.,  Mitte. 


e®5 


w. 


Lazonctta,  Pedro  de,  Klingenschmied. 
Toledo.    Arbeitete  auch  in  Bilbao. 


Lechuga,  Cristobal,  Modelleur  von 
Geschützen,  Fachschriftsteller.  Baeza, 
16.  Jahrh.,  Ende.  Mdr. 

•Lopez,  Francisco ,  Büchsenmacher. 
Madrid,  um  1760.  Einer  der  besten 
Meister,  arbeitete  für  Karl  III. 


670 


•  VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Marcuarte ,  Klingenschmiedfamilie. 
,  Spanien. 
Felipe,  Bruder  des  Simon  d.  j. 
Pedro,  dessen  Bruder,  arbeiten  für 

Philipp  III.  und  IV. 
Simon,  der  Alte,  um  1600 
Simon,  der  Junge. 

Marke:  eine  Sichel  im  Schilde. 
Martine;,  Juan,  der  Ältere,  Klingen- 
schmied. Toledo,  Espadero  del  Rey, 
16.  Jahrh.,  Mitte.  Devise:  „In  te 
Doroine  speravi  non."  Führt  das 
Zeichen  des  Espadero  die  gekrönte 
Lilie,  ferner  den  Halbmond.  Die  im 
Palomares  angeführte  Marke  findet  sich 
auf  keiner  seiner  Klingen.  Mdr.  W. 


ff 


Martin  f.*.  Juan,  der  Jüngere,  Klingen- 
schmied. Toledo,  16.  Jahrh.,  2.  Hälfte. 
Devise*  „In  te  Domine  speravi." 
Mdr.  W. 

Marti  nez,    Juan,    aus    der  Familie 

Menchaca,  Klingenschmied.  Toledo, 

17.  Jahrh.,  Anf.  Arbeitet  auch  in 
Lissabon. 


Micerguillo,  Büchsenmacher.  Madrid, 
San  demente?  16.  Jahrh.,  2.  Hälfte. 
Mdr. 

Miguel,  Armrustmacher.  Saragossa, 
um  1533. 

Monte    del,   Pedro,  Klingenschmied. 
Spanien,  Toledo?  18  Jahrh. 
Marke :   Halbmond.  Dl'd. 
Munesten,  Andreas,  Klingenschmied. 


Toledo,  Calatayel.  Scheint  mit  dem 
Deutschen  Andreas  Munsten,  in  So- 
lingen identisch  zu  sein,  s.  d.  17. 
Jahrh.,  Anf. 


Munoz,  Pedro,  genannt  U  Toledano, 

Büchsenmacher.    Sevilla,    um  1600. 

Bez.  mit  ganzem  Namen. 
Orengo,  Juan,  Klingenschmied.  Tor- 

tosa,  15.  Jahrh.  Marke  unbekannt. 
Orozco,  Domingo  de,  Klingenschmied. 

Toledo,  16.  Jahrh.,  Ende. 


Orozco,  Pedro  de,  Klingenschmied. 
Toledo.  Vermutlich  ein  Bruder  des 
Vorigen.  Führt  die  Marke  Domingos 
und  die  nebenstehende 

Palacios,  Pedro,  Büchsenmacher.  Spa- 
nien, 16.  Jahrh.,  Ende.  Mdr. 

Pueblas,  Armrustmacher.  Madrid,  um 
1 560.  L. 

Reduan.  Waffenschmied  Boabdils.  To- 
ledo, Sevilla?  15.  Jahrh.,  2.  Hälfte. 
Mdr. 

Wahrscheinlich  identisch  mit  dem 
späteren  Julian  del  Rey  s.  d. 
Rey,  Julian  del,  Klingenschmied.  Gra- 
nada, Saragossa  und  Toledo.  Ein 
Maure,  nahm  um  149  5  das  Christen- 
tum an,  wobei  Ferdinand  der  Katho- 
lische sein  Taufpate  war.  Seine  Marke 
eine  einem  Hunde  ähnliche  Figur: 


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6.   Spanien,  Portugal. 


wahrscheinlich  aber  eine  Nachahmung 
des  Passauer  „Wolf.  Der  ursprüng- 
liche Name  des  Julian  vor  seiner  Be- 
kehrung war  vermutlich  Reduan  s.  d. 
Rey  soll  auch  andere  als  die  oben 
angegebene  Marke  geführt  haben,  u.  a. 
auch  einen  Halbmond.  Arbeitet  später 
für  Karl  V.  Mdl\  V. 
Rey  na,  de  la,  Büchsenmacher.  Madrid, 
um  1750. 

Rios,  Alonso  de  los,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitete  auch  in  Cordova, 
16.  Jahrh.,  Ende. 


Ä 


R  u  i  z ,  Antonio,  der  Alte,  Klingenschmied. 
Toledo,  Madrid,  um  1520. 

Ruit,  Francisco,  der  Ältere,  Klingen- 
schmied. Toledo,  um  161 7.  Bl.  Drd. 

f 

R uiz,  Francesco,  der  Jüngere,  Klingen- 
schm  ied.  Toledo,  17.  Jahrh.,  I.Hälfte. 
Stockh. 


Rui  z,  Juan,  um  1590- 


Ruiz,  Sebastian,  Rappiermacher  Kaiser 
Maximilians  II.  um  1568 — 1570.  Geht 
in  letzterem  Jahre  nach  Spanien  zurück. 


*Sahagun,  Alonso  de,  der  Altere, 
Klingenschmied.  Toledo,  um  157O1 
Ende.  Die  Sahagun  führen  den  Na- 
men nach  der  Stadt  im  Königreiche 
Leon.  Marke:  ein  gekröntes  S,  zu- 
weilen auch  den  Doppeladler  tief  im 
Gesenk.    P.  W. 

f  w 

Sahagun,  Alonso  Luis  de,  der  Jün- 
gere. Toledo.  Führte  ein  gekröntes 
S  ähnlich  dem  vorigen.  W.  Stockh. 

<vS7? 


Sahagun,  Luis  de,  Klingenschmied, 
Sohn  des  älteren  Alonso  d.  N.  Toledo. 
Führt  die  Marke  des  Vaters. 

Sahagun,  Luis  de,  Sohn  des  jüngeren 
Alonso  d.  N.  Führt  die  Marke  des 
Vaters. 

IT 

Salado,  Juan,  Büchsenmacher.  Arbei- 
tete an  verschiedenen  Orten,  raletzt 
in  Salamanca,  um  1580. 
Marke:  ein  Pferd. 

Salcedo,  Juan  de,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitete  auch  in  Valladolid, 
16.  Jahrh.,  Ende. 

Sutil,  Manuel,  Büchsenmacher.  Madrid, 

um  1735.  Mdr. 
Toro,  Juan  de,  Sohn  des  Pedro  d.  N. 


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72 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Klingenschmied.  Toledo,  17.  Jahrh., 
Anfang. 


Toro,  Pedro  de,  Klingenschmied.  To- 
ledo, 16.  Jahrh.,  Ende. 


Velmoiite.  Pedro  del,  Klingenschmied. 
Toledo.  W. 


Vclmontc,  Luis  de,  Sohu  des  Pedro, 
Klingenschmied.  Toledo,  17.  Jahrh. 
Führt  die  Marke  seines  Vaters. 


Ventura,  Diego,  Büchsenmacher.  Ma- 
drid, um  1720.  W.  Drd. 

Marke:  ein  Hund,  ein  Kreuz  und 
9  Lilien. 


Zabala,  Andreas  Martinez  de  Garcia, 
genannt  Zabala  der  Junge.  Klingen- 
schmied. Toledo. 


Zabala,  Juan  Martinez  de  Garcia,  ge- 
nannt Zabala  der  Alte,  Klingenschmied. 
Toledo,  um  15  50. 

3t 

Zamora,  Francisco  de,  Klingenschmied. 
Toledo.  Arbeitete  auch  in  Sevilla, 
16.  Jahrh.,  Ende. 


7.  Rufsland  und  der  Orient. 


Ali  (Abu  Abi),  Büchsenmacher.  Argöl. 
18.  Jahrh.  Zeichnet: 

Mdr. 

Ali,  Waffenschmied.  Afrika.  Um  1550. 

Aristoteles  von  Bologna,  Büchsen- 
giefser.    Moskau.    Um  1460. 


Bascat,  Ali  Mustapha,  Büchsenmacher. 
Türkei.    18.  Jahrh.  Mdr. 

Essedullah,  Klingenschmied.  Ispa- 
han.    Um  1839.  W. 

Höder,  Martin  H.,  Büchsenmacher. 
Moskau.    Um  1690.  E. 

Jasatzuna,  Klingenschmied.  Japan, 
Provinz  Echiscn.  Arbeitete  um  1  500 
für  die  Familie  Jokugawa,  aus  welcher 


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7.   Rufsland  und  der  Orient. 


673 


der  jetzige  Kaiser  stammt  und  führt 
deren  Wappen  als  Marke.*) 


*)  Wir  verzeichnen  hier  einige  der 
berühmtesten   und  ältesten  Klingen- 
schmiede  Japans,  deren  Arbeiten  sich 
in    der    in    ihrer    Art    einzig  da- 
stehenden Messersammlung  der  k.  k. 
Versuchsanstalt  für  Eisen-  und  Stahl- 
industrie zu  Steyr  in  Oberösterrcich 
finden.    Der  Gründer  und  Vorstand 
dieser  Sammlung,   Kustos  J.  Peter- 
mandl,  hatte  die  Güte,   uns  nicht 
allein  die  Daten  über  selbe,  sondern 
auch    deren   Marken    in  guten  Ab- 
drücken zu  liefern,  für  welche  kolle- 
giale Gefälligkeit  wir  demselben  hier 
unseren  verbindlichsten  Dank  sagen. 
Die    Erwerbungen   an  japanesischen 
Klingen  jener  Sammlung  stammen  aus 
dem  Nachlasse  des  1884  verstorbenen 
Dr.  Albrecht  von  Roretz,  welcher 
längere  Zeit  als  Professor  und  Spital- 
arzt in  Nangoin  bei  Kioto  angestellt 
war.    Von  diesem  Sammler  stammen 
auch  die  uns   gütigst  übermittelten 
Daten. 
Boeheim,  WaffenkundV. 


Ismael,  Geschützgiesser.  Konstanti- 
nopel.   Um  1201  der  Hedschra. 

*Jukimitzu,  der  älteste  und  berühm- 
teste Klingenschmied  in  Japan,  Pro- 
vinz Soshin,  um  1000  n.  Chr.,  Vater 
und  Lehrer  des  berühmten  Klingen- 
schmiedes Masamune  (s.  d.).  Seine 
Klingen,  ungemein  selten,  werden  fast 
nur  mehr  in  Tempeln  als  Weihge- 
schenke getroffen.  Seine  Marke 
können  wir  nur  in  einigen  Spuren  nach- 
weisen, doch  können  diese  noch  zum 
Vergleiche  mit  anderen  echten  seiner 
Hand  dienen. 

fr 


Karaihi,  Osman,  Büchsenmacher,  Lauf- 
schmied.   Türkei.    13.  Jahrh.  Mdr. 

Komai,  Tausiator.  Tokio  in  Japan, 
16.  Jahrh. 

Kuniharu,   Klingenschmied.  Provinz 


674 


VII.  Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Janata.  Seine  Klingen  waren  sehr 
beliebt,  er  arbeitete  auch  für  den 
berühmten  Feldherrn  Shigeniuri  aus 
Nagato. 

Kütschük,  Ali,  Laufschmied.  Türkei, 
18.  Jahrh. 

Mäsamune,  Klingenschmied.  Japan, 
Provinz  Soshin,  um  Ii 50.  Führte 
keine  Marke.  Das  Handwerk  war 
lange  Zeit  in  der  Familie  vererbt,  so 
dafs  echte  Klingen  des  hier  bezeich- 
neten ältesten  der  Familie  und  be- 
rühmtesten nur  in  der  Leichtigkeit 
der  Klinge  und  der  Feinheit  der 
Schneide  zu  erkennen  sind.  Viele 
Fälschungen. 

Muramassa,  Klingenschmied.  Japan, 
Provinz  Soshin ,  um  1 300.  Seine 
Klingen  gelten  einzelnen  Familien  als 
unglückbringend,  so  auch  der  kai-  | 


serlichen;  man  betrachtet  sie  mit  aber- 
gläubischer Scheu.    Der  Stahl  seiner 
Klingen  ist  eigentümlich  dunkel  schim 
mernd,  die  Klinge  selbst  vorzüglich 
schneidend. 

Sadajuki,  Klingenschmied  Provinz 
J.lmat6  in  Japan,  um  i2oo. 

Sadamune,  Klingenschmied.  Japan. 
Provinz  Soshin,  um  1260.  Adoptiv- 
sohn und  Schüler  Masamunes  s.  d. 
Seine  Klingen,  besonders  der  Panzer- 
stecher ,,ken"  sind  hoch  geschätzt. 
Führt  auf  der  Angel  keine  Marke, 
nur  auf  der  Klinge  eigentümliche 
Zeichen. 


8.  Monogrammisten. 


Sarazenische  Marke  des  13.  Jahr- 
hunderts in  Goldtausia  auf  der  Klinge 
eines  Schwertes,  welches  dem  Cid  zuge- 
schrieben wird.  Mdr. 

I 

Deutsche  Klingenschmiedmarke.  14. 
Jahrh.  W. 

Deutsche  Klingenschmiedmarken 
14  Jahrh.  eingehauen.  W. 


Klingenschmiedzeichen  in  Messing 
tauschiert.  13.  Jahrhundert,  welches 
im  14.  und  15.  Jahrhundert  häufig  nach- 
geahmt wird.    Italienisch.  W. 


OOO 


Unbekannter,  vermutlich  spanischer 
Stechzcugplattner ,  der  für  Karl  V.  um 
1520  arbeitet.  Mdr. 


Unbekannter,  vielleicht  niederländi- 
scher Plattner  vom  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts. Mdr. 


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8  Monogramraisten. 


675 


Unbekannter  spanischer  Plattner. 
16.  Jahrh.  Mdr. 


Marke  am  Schwerte  des  heiligen 
Mauritius.  Sarazenisch.  Anfang  des 
12.  Jahrhunderts.  W. 


Zeichen  der  Klingenschmiede  von 
Lyon  (nach  Hiltl).    16.  Jahrh.  Mitte. 


Zeichen  der  Waffenschmiede  von 
Abbeville. 


Beschaumarke  der  Waffenschmiede 
von  Augsburg.  Der  Pinienapfel  oder 
sogenannte  „Stadtpyr". 


i-H 


Marke  auf  dem  Zeremonienschwerte 
des  römisch-deutschen  Reiches  in  Gold 
tauschiert.    12.  Jahrh.  Ende.  W. 


Jhl 


Unbekannter  Plattner  vom  Ende  des 
15.  Jahrhunderts.  Italienisch,  vielleicht 
Mailändisch.   W.  Mdr. 


Marke  der  kgl.  Plattnerwerkstätte 
zu  Arbois  in  Burgund,  errichtet  von 
Maximilian  I.  und  geleitet  von  den  Mai- 
länder Plattnern  Gabriel  und  Francesco 
Merate,  1 498— 1509.  W. 


Die  sogenannte  Skorpionmarke  eines 
vielfach  thätigen  Mailänder  Klingen- 
schmiedes. Sie  erscheint  auch  mit  dem 
Buchstaben  M.  16.  Jahrh.  Anfang.  W. 
Bl  Drd. 


Unbekannter  deutscher  vielleicht 
Augsburger  Plattner  vom  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts,  der  für  Karl  V.  ar- 
beitet. W. 


Unbekannter  Augsburger  Plattner. 
Um  1490.  W. 

43* 


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676 


VII.   Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


Beschaumarke  der  Waffenschmiede 
von  Nürnberg.  Das  geteilte  Nürnberger 
Wappen.    16.  Jahrh.  Anfang. 

D 

Klingenschmiedzeichen  auf  einem 
Schwerte  Karls  IV.  Belluneser  Meister 
des  14.  Jahrh.  Drd. 


Unbekannter  deutscher  Plattner  und 
Kimgenschmied.  Um  1500,  der  für 
Maximilian  I.  und  Philipp  den  Schönen 
arbeitet.  W. 

Unbekannter  Augsburger  Plattner. 
Um  1500.  W. 

Unbekanntes,  vermutlich  Brescianer 
Klingenschmiedzeichen  des  16.  Jahrh. 
W.  Drd.  Bl.  Vdg. 

? 

Marke  vom  Schwerte  des  heiligen 
Ferdinand.    13.  Jahrh.  Mdr 

1A 

Monogramm  eines  bedeutenden  deut- 
schen Atzmalers.    Um  1500.  W. 

Marke  am  Schwerte  Ferdinands  des 
Katholischen.  In  Kupfer  tauschiert.  15. 
Jahrh.  Vermutlich  Mailändisch.  Mdr«. 


X 

Marke  auf  Brescianer  Klingen.  16. 
Jahrh.    W.  Drd.  P.  Bl. 

+ 

Beschaumarke  der  Klingenschmiede 
von  Mailand.  16.  Jahrh.  W.  Bl.  Drd 
Mdr. 


Häufig  vorkommendes  italienisches 
Klingenschmiedzeichen,  mit  welchem  um 
1530  ein  Meister  für  Karl  V.  thätig  ist, 
das  aber  bis  ins  17.  Jahrhundert  auch 
von  Solinger  Meistern  geführt  wird.  W. 


Unbekannter  Mailänder  Klingen- 
schmied. 16.  Jahrh.  W.  Drd.  Bl. 
Vdg.  Mdr. 


Marke  auf  mit  Valencia  bezeichneten 
Klingen.    16.  Jahrh.  Drd. 

Unbekannter  italienischer  Klingen- 
schmied.   Um  15 10.  Bl. 

I 

Französisches  Klingenschmiedzetchea 
unter  Ludwig  XII.    15.  Jahrh.  Ende. 


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8.  Monogrammisten. 


677 


Französischer  Klingenschmied.  16. 
Jahrh.  Bl. 


Zeichen  der  Klingenschmiede  von 
Rheims  (nach  Hihi).  Bl. 

6 

f 

Französisches  Klingenschmiedzeichen 
aus  der  Zeit  Franz  I.    16.  Jahrh.  Bl. 


Unbekannter  italienischer,  vielleicht 
Mailänder  Plattner  vom  Ende  des  15. 
Jahrhunderts.  W. 

Behördliche  Beschaumarke  von  To- 
ledo auf  Klingen.    16.  Jahrh. 


Zeichen  des  Espadero  del  Rey  oder 
königlichen  Schwertfegers  in  Spanien. 
16.  Jahrh. 


Die  Fischmarke,  berühmte  türkische 
Klingenschmiedmarke. 


©  ® 

Berühmte  türkische  Klingenschmied  - 
marken. 

. 

Berühmte  türkische  Klingenschmied- 
marke. 

¥ 

Häufig  auftretendes  Zeichen  auf  alt- 
arabischen  Klingen,  den  Psü-l-fakdr  dar- 
stellend. 


Indisch  arabische  Marken  aus  Gorka 
im  Nepaul.  Zarsk. 

f  9 

Unbekannter  Augsburger  Plattner. 
Um  1530.  W. 

Mailänder  Klingenschmied.  Um 
1 540     W . 

+ 

Mailänder  Klingenschmied.  Um 
1560.  W. 


678 


VII.    Die  Beschau-  und  Meisterzeichen. 


Behördliche  Beschaumarke  auf  Klin- 
gen von  Venedig.  16.  Jahrh.  Anfang. 
W.  Vdg. 


I 


Klingenschmied  marke.  Italienisch. 
Um  1500. 


8 


Klingenschmiedmarke. 
Um  1500. 


Italienisch. 


87 


Heschaumarke  der  Plattner  und  Klin- 
genschmiede von  Wien.  15.  u.  16.  Jahrh. 
W. 

Marke  auf  Landsknecht -Schwert- 
klingen.   16.  Jahrh.  Anfang. 


Eingeschlagenes  Zeichen  auf  Schäften 
von  echtem  Ebenholz  an  Augsburger 
Gewehren.    16.  Jahrh.  Ende. 


Unbekannter  Atzmaler  Deutsch.  16. 
Jahrh.  Anfang,  vielleicht  Michael  Gemlich. 


3 


Unbekannter  Augsburger  Stechzeug- 
plattner.    15.  Jahrh.  Ende. 


Unbekannter  Augsburger  Stechzeug- 
plattner.    15.  Jahrh.  Ende. 


mrr 


Unbekannter  Stcchzeugplattner,  viel- 
leicht Merate.    t5.  Jahrh.  Ende. 


Zeichen  auf  Mailänder  Klingen 
16.  Jahrh. 


Zeichen  der  Suhler  Laufschmiede 
17.  Jahrh. 


Unbekannte  Klingenschmiedmarke 
vielleicht  der  Innsbrucker  Treytz  s.  d. 


Unbekanntes  italienisches  Klingen- 
schmiedzeichen.   16.  Jahrh. 


4 


Marke  von  l'istoja  auf  Gewehrläufen. 
18.  Jahrh 


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8.  Monogrammistcn 


679 


Marke  der  Werkstätten  von  Bilbao. 


Unbekannter  n  iederländ  ischer  Plattner 
der  für  König  Philipp  IV.  von  Spanien 
arbeitet.    17.  Jahrh. 

Eingehauene  Marke  auf  Steyr'er 
Klingen  des  17.  Jahrhunderts,  die  häufig 
irrige  Schätzungen  veranlafst. 

Unbekannter  Landshuter  Stechzcug- 
plattner  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts, 
vielleicht  Franz  Grofsschedl  s.  d. 

Die  Armrust  mit  dem  Marcuslöwen, 
Häufig  vorkommende  geschätzte  Marke 
eines  Belluneser  Klingenschmiedes,  der 
für  die  Republik  Venedig  arbeitet. 

IE?  « 

Das  Schiff.  Geschätzte  BeUuneser 
Marke  auf  venezianischen  Klingen,  die 
aber  auch,  wie  wir  bemerkt  haben,  von 
Solinger  Werkstätten,  wie  von  Clemens 
Kuler,  nachgeahmt  wird. 

v 

Italienische  Marke  spanischer  Form, 
vermutlich  Brescianisch.    16.  Jahrh. 


Der  sogenannte  kleine  Mond.  Bres- 
cianer  Marke  des  16.  Jahrhunderts. 

Die  Brille,  Oberitalienische  Marke 
der  1.  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

% 

Unbekannter  oberitalienischer  Meister 
der  unter  dem  spanischen  Zeichen  der 
Espadcro  del  Rey  arbeitet.    17.  Jahrh. 

m 

Unbekannter  Meister,  vielleicht  Juan 
dela  Ort». 


Berühmter  Büchsenmacher  aus  Nürn- 
berg, A  '  K  mit  dem  Zeichen  der  Traube. 
16.  Jahrh. 

Berühmter  Augsburger  Radschlofs* 
macherl  '  H  mit  dem  Zeichen  der  Hand. 
16.  Jahrh. 

Berühmter  Radschlofsmacher  aus 
Nürnberg,  vielleicht  Peter  Danncr,  mit 
dem  Zeichen  der  Hand.  17.  Jahrh. 
Anfang. 


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880 


VII.   Die  Beschau-  und  Meisterzeichen  etc. 


f  6 


Unbekannter  Klingenschnjied  mit 
dem  Zeichen  der  Lichtscheere  auf  dessen 
Klingen,  auch  der  Wolf  und  der  Reichs- 
apfel in  Tausia  erscheint. 


Deutscher  Büchsenmacher  mit  dem 
Zeichen  der  Schlange  von  1562.  W.  Bi. 

* 

Mailänder  Klingenschmied ,  dessen 
Klingen Damianus  dcNeron  benützt.  W. 


Zeichen  der  königlichen  Waffenfabrik 
in  Neapel  unter  Karl  III.    18.  Jahrh. 

Marke  eines  deutschen  Meisters,  der 
den  Toledaner  Stempel  und  das  Zeichen 
des  Espadcro  del  Rcy  benützt.  1 7.  Jahrh. 


Nürnberger  Laufschmied  vom  An- 
fange des  17.  Jahrhunderts,  der  ausge- 
zeichnete gezogene  Rohre  fertigt. 


Vorzüglicher  Büchsenmacher,  der 
aussergewöhnlich  schön  gearbeitete  Faust- 
rohre liefert.  Von  ihm  ein  Faustrohr 
des  sächsischen  Generals  Teufel  von 
1556.  Bl. 

Ansehnlicher  Nürnberger  Büchsen- 
macher vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts. 

<5 

Bedeutender  Laufschmied ,  wahr- 
scheinlich aus  Augsburg,  der  auch  das 
Zeichen  des  Spornes  führt.  16.  Jahrh. 
Ende.  Bl. 


Register. 


Abzugstange  474. 
Achseln  67_,  142. 
Achselscheiben  67. 
Achselschilde  6jr_,  136, 

HL 

Acinaces    siehe  Krumm- 
schwert. 
Adarga  182,  183. 
Adler,  französische  $12. 
Atzmalerei, gefälschte  $76. 
Ätzkunst  Sli  58. 
Ätzung,  Verfahren  SJ,  58, 

Ätzung,  vergoldete 

596. 
Afterkugel  483. 
Ahlspiefs  315.  316. 
Ailettes  s.  Achselschilde. 
Akhlat,  Waffenwerkstätten 

fiiR 

Albrecht  Achilles  v.  Bran- 
denburg 9,61.114.110. 
533.  54  v 

Alcancias  183. 

'Alem  siehe  Blutfahne. 

Algäu,  Klingenätzer  617, 

Algesiras,  Schlacht  bei  13. 

Alicante,  Schlacht  bei  13. 

Alla  sanguigna  siehe  An- 
laufen  des  Eisens. 

Allecret  s.  Landsknecht- 
hämisch. 


Almeria ,  Waffenindustrie 

Alter  der  Klingen  579. 
Altsilbcr  siehe  Silberoxyd. 
Andreas   von  Österreich, 

Kardinal  1 6 1 . 
Anelace  s.  Ochsenzunge. 
Angel  an  Klingen  25  l 
Ango  305,  306. 
Angriffswaffen  derRömer  2. 
Anlaufen  des  Eisens  595, 

596. 

Anlegen  des  Harnisches  25. 
Annaberg,  Plattnerei  614. 
Antiochia,  Schlacht  bei  lo, 
Anzogenrenncn  544,  54g, 

55°.  56o,  563- 
Araber,  Fechtweise  8^  LfiL 
Arabien,  WafTcnschmiedc- 

kunst  in  619. 
Arkebuse  458. 
Arkebusiere  io^  5^2,  32S. 
Armagnacs  1 1>. 
Armenien,  Waffenindustrie 

Armrust  401. 

Armrust bolzen  409,  424, 

435,  4lh  427,  428. 
Armrustschützen  1 32,  145, 


Armrustwinde,  deutsche 


Armrustwinde ,  englische 

4JLL  4«. 
Armschiene    fOr  Bogen- 

schützen  392,  393. 
Armschiene,  oriental.  85. 
Armschild  8Ü. 
!  Armschild ,  italienischer 

185,  [86,  iSJL  18^. 
Armröhre  6_7_,  74. 
Armurc  treillie  132. 
Armzeug  67^  1  5 1 . 
Annzeug,  geschlossenes  7  4. 
Arnautengewehr  468. 
Artillerie  10^  21,  413. 
Artillerie-Kurzgewehr  489. 
Artillerie-Museum  Paris 

Iii 

Attila,   Schatz  des  123, 

'97.  389,  501. 

Aufputz  an  Annrtisten  4 1  7. 

Aufsatz  470. 

Aufstellung ,  chronolo- 
gische 582. 

Aufstellung  öffentlicher 
Sammlungen  582. 

Aufstellung  privater  Samm- 
lungen 583. 

Augendach  217. 

Augsburg,  Waffenindustrie 

613. 

August  L,  Kurfürst  von 
Sachsen  374.  624. 


688 


Register. 


Ausgufsrohr  492. 
Avant-Arriere-bras  73. 
Avcnturier  521. 
Azincourt,  Schlacht  bei  39. 
Azzimina  siehe  Tausia. 
Babu  Chan  der  Tartarcrt' 

431« 

Baculus  siehe  Streitkolben. 
Badelairc  270. 
Bärcnspiefs  siehe  Schwein- 
spiefs. 

Bajonett  4.91  498.  499- 
Bairäk  ;m 

Balläster  405,  417,  419. 
420. 

Balläster    mit  Feuerrohr 

4Ü  415_ 
Ballistik  i£. 
Banddamask  595. 
Bandelierreiter  458. 
Barda  207. 

Bart  36,  38,  40.  48,  4& 
6l.  149. 

Bart,  steifer  567. 

Basilisk  439,  44 1- 

Batteriedeckel  453,  480. 

Bauchreifen  99^  U2.  1,5'- 

ßayeux,  Tapete  von  7_,  25, 
IÜ  126,  12_L  128, 
I19_i    Iii    LZ4i  L2A 

211.  238^  an,, 

358,  367,  368,  369 
186,   390,   391,  505, 

Beckenhaube  2JL  34^  35, 
135,  132,  L3A  I4S- 
Beinharnisch  135. 
Beinröhre  Lü  Iii 
Beintaschen  loo,  142,  145, 

LiL 

Beinzeug  Hl,  136. 
Belagerungsgeschütz  433- 
Belluno,  Waffenindustrie 
60.3.  61 6. 


Bemelberg ,  Konrad  von 

38,  101,  156. 
Beowulflied  231. 
Beraun ,  Waffenindustrie 

Berche  442- 

Berdiche  siehe  Streitaxt. 
Bergmannsbarte  376. 
Beriemung  der  Harnische 

Uli 

Berlin,  Königl.  Zeughaus 
622, 

Bernhard,  König  von  Ita- 
lien 224. 
Berquen,  Ludwig  von  578. 
Beschädigungen  an  Waffen 

Uli 

Beschaumeister  641. 
Beechauzeichen  473.  641. 
Besteckscheide  2Sg. 
Bibel  von  S.  Paolo  fuori  le 

mura  25^  125,  W. 
Bibel  Karls  des  Kahlen 

?i  Iii  236,  3J_L 
Bidenhander  s.  Schlacht- 
schwert. 
Bilbao,  Waffenindustrie 
606 

Bildcodex    von  Schlofs 

Tetschen  40. 
i  Birnenhelme  5$. 
Blason  136. 
Blendstirne  549_>  SS». 
Bliaud  I2Q.  134,  no. 
Blocklafette  43«j. 
Blutfahne  510 
Blutrinne  230.  2&S- 
Blutrührfechten  246. 
Boabdil,  König  252. 
Bockbüchse,  die  liL 
Bockgewehre  458. 
Bocklauf  472. 
Bocskay,  Stefan  211* 
Bogen  389,  300, 39_L 

393.  394.  126. 


Bogen,  orientalischer  393. 
I9Ju  3j9jj,  391,  321, 
191, 

Bogenköcher,  oriental. 

400,  401. 
Bogenschützen ,  reitende 

8,  I24j  L32,  I4i  389_, 

395,  39_L  3^1. 
Bohren  der  Läufe  469. 
Bohrkäfer  589. 
Bohrschwert  219a  250,  jflL 
Boite  442. 
Bolzenklemmer  4<>9. 
Bolzenkocher  429.  4^0. 
Bombarde  432,  434,  436. 

Bordeaux,  Waffenschmiede 

von  609 
Bordelaise  298. 
Brandbolzen  426,  428. 
Brassard  siehe  Armzeug. 
Brechrand  73- 
Brechscheil)e  32s,  540. 
Brechschild $46.  549.  «SSO. 
Brcitsax  233. 
Brescia,    Waffen  Industrie 

247.  602,  603. 
Bretagne,  Reiterei 
Brigantine  83^  84 ,  104, 

IA1±  4525; 

Bruech  S7,  14g. 

Brünieren  des  Eisens  596. 

Brünne  24,  2«;,  31 ,  33, 
34.  4L  42.49.67,  120. 
LlLi  L32_i  L14_i  L31> 
Llli  131.  L39_.  140, 
141.    164.   177.  2IS. 

Brünncr  L43j  594- 

Brüssel,  Musee  d'Armures. 

Brüssel ,  Waffenschmiede 
von  0 IQ. 

Bruststück ,  geschiftetes 

US,  lAli 
Bruststücke ,    Härten  der 

sali 


d  by  Google 


Register. 


688 


Brusttartsche  siehe  Stech- 

tartsche. 
Büchse  412. 
Büchsenmeister  14 
Büchsenschützen 44 5,  4 4S 
Bügelschuhe  200. 
Buhart  9,  £I7_,  Sl°±  Sü 

Bulat 

Bundrennbrust  559. 
Bandrennen  siehe  Schweif- 
rennen. 
Burgunder  I_4_,  1 6. 
Burgunderlafrrte  441. 
Buzogany  370. 
Byzanz,  Bewaffnung  %. 

Camisaden  iqo. 
Caperation  219,  22z. 
Carabine  458. 
Cardinale  442. 
Carroccio  504,  505. 
Castclalto,  Franz  von  50. 
Castriota,  Georg  Skander- 

beg  2J2, 
Ccrbatana  441,  442. 
Chabrias  10. 

Chilperich,  Konig  der 
Franken  234.  235. 

Chioggia,  Krieg  von  41 1, 
444> 

Chronica  de  gestis  Hunga- 
rorutn  siehe  Codex  Bal- 
duini. 

Cinque  dea  26a. 

Claymore  264,  265. 

Codex  BalduiniTrevirensis 

3».  23i  1&  LIZi  i^i 
I7S,  3i&  388,  S2I. 

Collconi,  Bartolotneo  88. 
Comuna  441. 
Condottieri  16,  187« 
Copie  3J6,  317. 
Cortana  441,  442. 


Corvinus  Matthias,  Konig 
388. 

Couleuvrine  441. 
Courtan  siehe  Cortana. 
Courtelas  271,  274. 
Couse  346.  .147- 
Crapaudeau  442. 
Craquemarts  27Q. 
Crecy,  Schlacht  bei  13. 
Czäkan  167. 

Damaskklinge  277. 
Damaskstahl  23S ,  594, 

Damaskus,  Waffenindustrie 
252,   £24j   S2Si  618, 
610. 

Damaszenerklinge  277. 

Damaszierung  $94- 

Dard  107,  308 . 

Darius  Codomanus  269. 

Daudi  145. 

Degen  2ÄL. 

Degen  siehe  Gnadgott. 

Degenbrechcr  187,  296. 

Degengehänge  290. 

Deli  184. 

Diamantschleifen  578. 
Diechling  Iii,  112,  1 13, 

Uli  ÜI2 
Dilge  556,  S60. 

Dill  554,  558. 

Dillenbajonett  499,  500. 

Djerid  siehe  Dard. 

Dolch  291. 

Dolchketten  294. 

Dolchmesser  295. 

Dolch,  orientalischer  29S. 

30L  391i  32i  324i 
Doppelachsel  76. 
Doppelbrust  oJJ. 
Doppelfaustrohr  484. 
Doppelhaken  4^. 
Doppellaufbüchsen  4^. 

421. 


Doppelschlofs  478. 
Doppelschuh  569. 
Doppelstücke  76, 
Domdrell  439. 
Drache    als  Feldzeichen 

522,  501,  504,  505. 
Dragoner  !£,  21,  128. 
Drehbasse  4JÜ  438. 
Dresden ,   königl.  histor. 

Museum  624. 
Dscheleng  195,  196. 
Dsü-l-fakär  510. 
Ducllpistole  4S0. 
Dupsing         249^  224, 

235. 

Dusslgge  223^  224. 

Ebcrhelme  24,  25. 
Echahraque  2_2JL 
Echtheit  der  Waffen  S72t 

S23i  UAi  SIS.  526. 
Edelsteine,  gemugelte  578. 
Edelsteine,  Schleifen  der 

518. 

Eduard,  der  schwarze  Prinz 
138: 

Einletten  des  Eisens  586. 
Einlegearbeit,  Verfahren 

468,  601 .  * 
Einsätze ,  bewegliche  8JL 
Eisenbereitung  im  Alter- 

tume  592. 
Eisenhose  132,  134,  136. 

S2Q. 

Ebenhut  136,  139,  145. 
Eisenkappe  36,  37,  ^5. 
Eisenschnitt  468. 
Eisenschnitt ,  Verfahren 

SQQ.  hiXL 
Eisenschuh  III,  1 18.  119, 

156, 

Elfenbein ,   Bleichen  des 
$82. 

Ellenbogenkacheln  fij,  24j 
76, 


684 


Register. 


Elsterschnabel  224. 
Email  cloisonne"  600. 
Email,  gefälschtes  577. 
Embs,  Jakob  von  103, 109, 
147. 

Emden ,   Rüstkammer  in 
62  5. 

Emcrillon  442. 

England,  Eroberung  7_. 

Entenlauf  472. 

Entcnschnäbel  119. 

Erbach,  Gräfl.  Sammlung 
in  626. 

Ergänzung    von  Waffen 
576,  S84. 

Erhaltung  der  Waffen  585. 

Erzerum ,  Waffenwerk- 
stätten 61 8. 

Eselshuf  siehe  Faustschutz- 
bügel. 

Espadero  del  Rey,  Marke 

des  642. 
Espingardc  441. 
Evangelium  des  Lothar  25. 

Fähnlein  508. 
Fälschung,  Begriffder  642. 
Fälschungen  5J2,  573,574- 
Sil  576. 

Fäustling  4S3. 
Fahne  501,  505. 
Fahne,  deren  Aufstellung 

583,  SMi  590. 
Fahnen ,  Ausbessern  der 

580. 

Falke  I_L  440,  44». 
Falkenschnabel  365. 
Falkonet  439.  442. 
Fauchon  270. 
Faucon  siehe  Falke. 
Fafsbrust  oj. 
Faustbüchsen  445. 
Fausthammer  siehe  Reiter- 
hammer. 


Faustkolben  siehe  Kürifs- 

bengel. 
Faustrohr  482,  483,  484, 

485,  486,  487. 
Faustschild  170,  190.  191  ■ 

I92»  5J2i  53». 
Faustschild,  sarazenischer 

184. 

Faustschutzbügel  247.253. 

282,  283,  284.  28  s, 
286,  28A 

Fechtdolch  191. 
Fechtkunst  238. 
Fechtschild  184^  185. 
Fechtschule  246. 
Fechtschwert  272. 
Federfechtcr  246,  iMk 
Feh  l6o_. 
Feldrennen  561 . 
Feldspiel  508.  51^ 
Feldturnier  547,  561. 
Ferdinand  L_,  Kaiser  $o_, 

68,  2L  ß_L  204u  311i 

533.  S6i  617. 
Ferdinand  der  Katholische 

68,  117,  607. 
Ferdinand  von  Tirol,  Erz 

herzog  44_t  107.  159. 

221  ,   222_,    223_,  395. 

533- 

Ferdinand,  Karl  von  Tirol, 
Erzherzog  66. 

Ferlach ,  Feuergewehr- 
industrie 617. 

Feuerschütze  147. 

Feuerschwamm  443. 

Feuerstein  464. 

Feucrvergoldung  596. 

Firnissen  von  Waffen  586. 

Flageollet  44^. 

Flammberg  2I1SL 

Flaschenhangsel  494,  49t». 

Flaschenzugannrust  405. 

Flinte  466. 


Flintenschlofs  463,  464, 
465,466,467,468,481. 

Flintenschlofs  m.  Schnapp- 
hahnbatterie 453.  454. 

Florenz,  Waffenindustrie 
602,  Coj,  604. 

Flüge  6JL  70,  71,  73,  142. 

Foix,  Gaston  de  o_. 

Forster,  Joh.  578. 

Framea  305,  306. 

Franc-archers  liL 

Francisca  367. 

Frankreich ,  Miettruppen 

Franz  I.,  König  von  Frank- 
reich 55,  442,  614. 

Frauendienst  518,  520. 

Frauensteigbügel  siehe  ge- 
schlossene Steigbügel. 

Freiturnier  563,  569. 

Freydal  531. 

Frcysleben,  Bartholomäus, 
Zeugmeister  439,  616. 
Friaul  247. 

Friaulerspiefs  s.  Spetum. 
Friedrich  IL  1 
Friedrich  III.,  Kaiser  603, 
361. 

Friedrich  der  Schöne  !£. 
Friedrich  der  Siegreiche, 

Pfalzgraf  146,  14  J. 
Friesen  LCL 
Fringiaklinge  281. 
Frundsbcrg,   Caspar  von 

20,  8^ 
Fürbug  215,  216.  217. 
Fürfeilen  62, 
Fussetto  298,  299. 
Fufskampf,  alter  deutscher 

5«6i  5«Zj  S**j 
53o,  51I2  5J2i 
Fufskampf,  Waffen  beim 

53o,  53»- 
Fufsknechtharnisch  83. 

Fufsturnicr  562. 


y  Google 


Register. 


685 


Fufsvolk,  das  8,  10,  u, 
12,  IS,  i6,  ai,  175, 
177.  178.  341 

Gabelbolzen  428,  429. 

Gabellafctte  44». 

Gagnepin  78. 

Gallcga  207. 

Galvanoplastik  als  Fäl- 
schungsmittel 577. 

Gambeson  134,  I3S,  L3A 
129.- 

Gansbaach,  Brust  mit  o_i_ 

Garbeisen  s.  Brechschild. 
Garde-bras  s.  Stechmäusel. 
Geifsfufsarmrust,  405,416, 

41t 

Gelieger  3 IS,  216,  2l8. 
Gelieger,  geschlossenes 

Geliegcrtaschen  2  1 S. 
Gemina  siehe  Tausia. 
Gensdarmes  it^  1 7. 
Ger  siehe  Wurfspiefs. 
Gesäfsrei:en  107,  142. 
Geschiftrennen  S$6. 
Geschiltscheibenrennen 
557. 

Geschiftscheibenrennen, 
Mechanismus  zum  557. 

Geschifttartschenrennen 

Geschlechter,  die  vier  i^. 
Geschübe  von  Leder  62^ 

86,  8^  IIQ. 
Geschübe,  eiserne  dl* 
Geschütz  431. 
Geschütze,  lederne  444. 
Gestech  5 18 1  520,  521, 

SMi  55 S- 
Gestecharten  S49- 
Gestech  im  Bein  hämisch 


Gestech,  gemein-deutsches 
S49_i  iSli  ISA, 
SSL 

Gestech  ,  welsches ,   542 , 

SM-  iü  S58i 
Gestech   über  das  Dill, 

neues  563,  564,  565. 
Gewehr,  indisches  467. 
Gewehr,  japanisches  466. 
Gewehr,  türkisches  467. 
Gewehrgabel  455 ,  492, 

Gewehrlauf  460. 
Gjaidschwert  255. 
Giftzüge  238,  287^ 
Glaskästen  in  Sammlungen 

58i 
Glefe  342. 

Glefe,  italienische  343. 
Glefe,  sächsische  34$. 
Glefe,  venezianische  344. 
Glied  schirm  100, 101, 153. 
Gnadgott  292,  293,  297. 
Godendag  siehe  Streitaxt. 
Goldgefäfs  von  Nagy  Sz. 

Miklos  siehe  Attila. 
Goldschmelz ,  Verfahren 

liL  S9JL 

Gonzaga,  Friedrich,  Mark- 
graf von  Mantua  So. 

Gotische  Brust  93. 

Gottfried  1^  Herzog  der 
Normandie  240. 

Grauanlaufen  des  Eisens 

577,  59JL 
Gravieren  596. 
Gravierung  des  Elfenbeins 

600.  6ni 
Graz,  Landeszeughaus  in 

6_2& 

Gregor  von  Tours  4j  174. 
Griesbeil  siehe  Streitaxt. 
Grieswärtel  519. 
Griffbügel  254. 
Griffhöhe  230. 


Grünspan  588. 
Gruppierung,  fehlerhafte 

S84, 
Gugel  35. 

Guisarme  sieheSturmsense. 
Gustav  Adolf,  König  444. 
Gyndy,  Kumgyndy  595. 

Haarzug  471. 
Hahnlippe  477« 
Haiduken  2Q. 
Hai-schan,  Schwertindust. 
620. 

Hakenbüchse   446 ,  447, 

454,  4Ü 
Hakenschützc  147. 
Hakenspiefs  353. 
Halbhaken  4SS. 
Halbkartaune  l_7_,  19, 
Hallstadtperiodc  23. 
Hammerfertig  595, 
Handarmrust  405. 
Handbüchse    431,  447, 

449_i  4SO,  4^  456, 

482, 

Handfeuerwaffe  431,  433. 
44$. 

Handpauke 2 12,  514.  SIL 
Handschar  279.  2ÜCL. 
Handschild  180,  i_S_l 
Handschlange  436. 
Handschleuder  386,  387. 
Handschuh  78^  141. 
Handtartsche  531. 
Harald  III.  8,  124,  JIL 
Harnisch  alleggiato  65. 
Harnisch   für  den  Fufs- 

kämpf  152,  153. 
Harnisch,  ganzer 
Harnische,  geschwärzte 

LH. 

Harnisch  zum  neuen  Ge- 
stech 564,  566. 
Harnisch,  gotischer  149. 


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686 


Register. 


Harnisch,  halber  115. 
Harnisch  aus  Horn  129, 
130. 

Harnisch,  japanischer  167, 
ihjL 

Harnisch,  lederner  141 . 
Harnisch ,  lederstreifiger 

130,  13^. 
Harnisch,  Mailänder  74. 
Harnisch ,  orientalischer 

Harnisch,  ritterlicher  04 

ist 

Harnisch ,   türkisch  -  ara- 
bischer 167. 
Harnischbrust  8iL 
Harnischgarnitur  1$ 3- 
Harnischhemd  142. 
Harnischkappe  S40,  541, 

Harnischkragen  60. 

Harnischröckchen  526. 

Harnischrücken  106,  151. 

Hartmann,  Vikar  440. 

Harun  al  Raschid  260. 

Haubajonett  499. 

Haubert  6jj  139,  131, 
'JL  L34_,  135-,  L3li 
119,  145,  »77, 

Haudegen  285. 

Haufnitz  436,  438,  439- 

Hauptfahne  508,  509. 

Hauptstück  4J4j  439» 

Hauswehre  siehe  Ochsen- 
zunge. 

Hebebaum  48S. 

Hebezeug  488. 

Heinrich  der  Löwe  27.403. 

Heinrich  II ,  der  Heilige, 
Kaiser  233 

Heinrich  II.,  König  von 
Frankreich  614. 

Heinrich  V.,  Kaiser  130. 

Heinrich  VI.,  Kaiser  240, 


Heinrich  VII.,  Römerzug 

LL  L&  Uli 
Hc^m  von  Bronze  23^  24. 
Helm,  burgundischer  43^ 

44:  15»« 
Helm,  geschlossener  41, 

43,  44,  45.  151- 
Helm  zum  Kampf  hämisch 

£34: 

1  Hehn  für  das  Kol benturnier 

SUll  £M>  SIL 
Helm  von  Leder  39. 
Helm,  normanischer  2^ 

Helmbarte  330. 
Helmbarte,  deutsche  332, 
ül  334_,  lüj  3J6, 

HL  339. 
Helmbarte ,   italien.  333, 

338,  339.  34Q- 
Helmbarte,  niederländ. 

336,  337,  338. 
Helmbarte,  schweizerische 

3AL 

Helmbinde  33,  135,  141. 
Helmdecke  ja,  134,  525. 
Helme,  Echtheit  der  574, 
S7S- 

Helmkette  31,32, 134,140. 
Hei  raschmiede  593. 
Helmzagelschraube  539. 
Hentze  80^  82. 
Heraldik  g,  134. 
Hcrat,  Klingen  von  618. 
Hindu  Khuttar  302,  303. 
Hinterladevorrichtung472 , 

423i  483i  484, 
Hirnhauben  5_1_l  5Ai  S7- 

«iL 

Hirschfänger  256,  2S7- 
Hochätzung  596. 
Hofdegen  289. 
Holzwurm  579,  589. 
Horn  512. 
Hulftcr  48L 


Hundsgugel  35,  3A  130^ 

Husaren  2_L 
Hussiten  14. 

Jagdmesser  256. 
Jagdpistole  486. 
Jakob  L  von  Arragonien 
31. 

Japan,  Klingenschmiede  in 

S93.  620.  621. 
Javelot  siehe  Schefflin. 
Jazerin  104,  143,  144^  145. 
Jeni-tscheri  16. 
Imitation  alter  Kunstwerke 

573- 

Innsbruck ,  Stückgiefserei 
616. 

Intarsia  s.  Einlegearbeit. 
Intarsien,  gefälschte  S79, 
58a 

Johann  Friedrich  von  Sach- 

sen  63. 
Joppe,  Schlacht  bei  10. 
Josef  L±  Kaiser  444. 
Ispahan,  Klingen  von  t,  is. 
Italien,  Bewaffnung  6j  22. 
Italien ,  Kriegsverfassung 

l& 

Italien,  Reiterei  15. 
Italien,  Rittertum  (L. 
Juan  d'Austria,  Don  '^7. 

Kaftan  163. 

Kalenderschwert  204,  2S4- 
Kaliber  432. 

Kalkan    siehe  türkische 

Schilde. 
Kallinikos  aus  Hcliopolis 

Kammerschlange  439. 
Kampfhandschuh  84. 
Kampfharnisch  530,  S3». 

53  2  *  Iii  534.  535- 
Kampfschurz  531. 


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Register. 


«87 


Kandare  siehe  Stange. 
Kanone  433,  440. 
Kanz  217, 

Karl  der  Grofse  4^  5^  124, 
12^  173.343,  SQ3.6H. 

Karl  III ,  König  607. 

Karl  IV.,  Kaiser  243,  612. 

Karl  V.,  Kaiser  4^  54, 
ü  83_,  9*.  I54i  32o, 
260,  284^  320^  3J4. 
34*L  440,  458,  S22i 
S4Li  S44_,  S25a  610, 

Karl  der  Kühne  16,  222. 
343,  610. 

Karl  VII,  von  Frankreich 
16.  40.  347- 

Karl  von  Steycrmark,  Erz- 
herzog 22JL 

Kartaune  l_7_,  441. 

Katapulte  401. 

Katzenkopf  461 .  462. 

Keilzug  471- 

Keltibercr,  Bewaffnung 

Kerman,  Klingen  von  6_liL 
Khorassan-Karakhorassan- 

Stahl  595. 
Khorassanklinge  260,277. 
Kiel,  Museum  1  jo. 
Killdsch  371. 
Kinnreff  38,  4L  il  4i 
Kleidermotte  589. 
Klepperstirne  22_l 
Klingen,  wurmbunte,  siehe 

Damaskstahl. 
KlingenfSnger  189,  342. 

SIL 

Klosterneuburg ,  Kunst- 
sammlung 140,  »41, 191. 

Knallbüchse  siehe  Hand- 
büchse. 

Knauf  230. 

Knebelspiefs  309 ,  311. 
3>4-  3l6. 


Knicbuckel  Iii,  134,  142, 

Köln,  Schwerter  von  fili. 
Kolben  447. 
Kolben,  deutscher  461. 
Kolben,  französischer  46s 
Kolben,  italienischer  461 . 

! 

Kolbenlade  46  j>. 
Kolbenturnier  523.  526, 

S28. 
Koller  157. 

Komnena  Anna,  Prinzessin 
402. 

Konrad  III.,  Kaiser  2^9. 
Konstantin  Pogonatus  1 3. 
Konstantinopcl ,  Belage- 
rung 13, 
Kopenhagen ,  historische 
Waffensammlung  in  627.. 
Kopfgestell  548. 
Korazin  7^  loi  IOQ,  no, 

I4S,  I46. 
Korbgriff  264.  286.  287. 
Korn  470 
Kosaken  2 1 . 
Krätzer  491. 
Krappe  4J9j  41L 
Krebs  üü. 

Kreuzzüge,  die  8,  32_,  174. 
Kricgsgabel  3^,  355. 
Krippensattel   198,  199, 

200,  201. 
Krifs  302. 

Kroaten,  Verwendung  der 
20. 

Krönig  ">4Q- 
Krönlrennen  560. 
Kronbolzen  437,  428. 
Krummschwert  269. 
Kürifsbengel  361. 
Kürisser  17,  IS7.  .338. 
KUriissattel  199,  304. 
Kürifsschwert  347. 
Kugelbohrer  491 , 


Kugelbrust  04,  14$,  151. 
.  Kugelhelm  3i  3Ä  145. 
Kugeln,  eiserne  433,  440. 
44L 

Kugeln,  steinerne  43 1  444. 

Kuhmäuler  119,  ijjl. 

Kunsttechnik  der  Orien- 
talen 619, 

Kunst  und  Technik  im 
Waffenschmiedwesen 

Karländisches  Gewehr  s. 

Tschinke. 
Kutschenreitersporn  228. 

229. 

Kuttenberg,  Waffenindust. 
Lade  43S. 

Ladcschaufel  488^  489. 
Ladestock  45S,  488. 
Lafette  ü  438. 
Landshut,  Plattnerei  614. 
Landsknecht  |_8,  igl. 
Landsknechtdolch  296, 
3QO. 

Landsknechtharnisch  64^ 

QO,  Igt.  156. 
Landsknechtschwert  259, 

16 1 . 

Landsknechtspiefs  318, 
319. 

Lang,  M.,  Erzbischof  444- 
Langsax  233,  293- 
Lanze  308.  309.  3>Q- 
Laternenschild  188,  189, 
I9Q. 

Latz  siehe  Gliedschirm. 
Lauf,  gezog.  47Q.47l.472. 
Lauf,  glatter  472. 
Laufspiegel  588. 
Laupen,  Schlacht  bei  ll 
Lehenfahne  502« 
Lentner,   8^  102,  »39, 
UP.  141.  145. 


688 


Register. 


Leoben,  Werkstätten  von 
616. 

Lerchlein  siehe  Mörser. 

Lichtenstein,  Ulrich  von 
5l8,  521, 

Liegnitz,  Schlacht  bei  11 

Linkhand  siehe  Parier- 
dolch. 

Lochaberaxt  368, 370. 376. 
London,  Waffenindustrie 

6  1 1 . 
Lotbüchse  43  S- 
Louvre,  Museum  25. 
Lucca ,  Waffenindustrie 

boO. 

Ludwig  der  Deutsche  o. 
Ludwig  XII.,  König  404, 
507- 

Lüttich ,  Waffenindüstrie 

501,  610.  61  L 
Luntenberger  495,  497. 
Luntenhahn  473. 
Luntenschlofs  447  .  449. 

473» 

Luntenschnapphahn  449. 

Luntenspiefs  322,  323. 
Luntenstock  488.  4S9. 
Luzernerhammer364,  365. 
Lyon ,  Waffenschmied- 
schule  von  609. 

Madrid,  Armeria  Real  in 

Madrillbrett  444. 
Mäusel  73.  74.  76.  14». 

Magenblech  53^  S4JL 
Maglia  ghiazzerina  siehe 

Jazerin. 
Mailand,  Waffenindüstrie 

18,  604,  605. 
Malchus  191.  270. 
Malerei  auf  gebläutem 

Eisen  597. 


Mantenador  521. 
Marken  der  Meister  641, 

642,  643. 
Markusbrüder  246. 
Maschenpanzer  130.  133. 

US: 
Mataris  305. 

Maulkörbe  19s.  197. 

Maurische  Waffen  620. 

Mauritius ,  Schwert  des 
heil.  239. 

Maximilian  L_,  Kaiser  9_, 
l6_i  18,  37,  4P.  4S,  46, 
57  ,  6l ,  8l ,  88,  im, 
119,  14L  LS2i  1S2.301. 
220,  2SQ.  264,319,366, 
393.  394.408.409.426, 
437.  439,  440.4SS.SQ7, 
S3i.S33.S37.S38.SSa, 
SS3.  SS4,  SS7.  SS8,  S9S, 
603,  604.  610,616.617. 
637. 

Maximilian  II.,  Kaiser  IS3. 
IS8. 

Maximiliansharnisch  82, 

88,  IS2.  1S3- 
Mazarin,  Kardinal  57S. 
Mccheln,  Waffenindüstrie 

610. 

Meister  der  Waffen  fifii 
Meisler  vom  langenSchwert 

346.  263. 
Merovinger,  Bewaffnung  S_, 

3QS- 

Merseburg,  Schlacht  bei  6. 
Mesched,  Waffenindüstrie 

Metze  siehe  Scharfmetze. 
Misericordia  siehe  Gnad- 
gott 

Mönchsbüchse  474,  475. 
Mörser  l^  433,  43JL  4JL 

440.  441,  441,  4J4_. 
Mörser,  Coehom'scher  444. 
Mohammed  243. 


Monslgur,  Harnische  von 
608. 

Montauban,  Bassinets  von 

60S. 

Morgarten,  Schlacht  am  iL. 

Morgenstern  360. 

Morions  53,  S4,  56.  S7- 

Moriz  von  Oranien  66. 

Mortemer,  Waffen  von  60S, 

Mortier  siehe  Mörser. 

Mosaikdamask  S9S- 

Mouche  442. 

Mühlsteinkragen  6^. 

München,  Bayr.  National- 
museum in  629.  630. 

München,  kgl.  bayrisches 
Armeemuseum  630. 

München ,  Stückgiefserei 
614. 

Murcia,  Waffenindüstrie 
607. 

Muscheln  JAi  1 12<  l*2- 
Muskete  455_»  45^  4Ü 
460,  461. 

Nackenschirm  39_,  141. 
Näfels,  Schlacht  bei  LI» 
Namen  der  Geschütze  442. 
Nasenband  34,  139. 
Naseneisen  26. 

Neapel ,    Waffenindustrie  * 

6o6. 
Neiris  S9S. 

Nephritfassungen  S7&. 
Nibelungenlied  174.  2Q2, 

SI8,  5«9- 
Niederlande ,  Bewaffnung 
LS, 

Niederlande,  Fechtweise 

LS: 

Niello,  gefälschtes  S78. 
Niello,  Verfahren  597,  S98. 
Nithart  9_. 

Norikum,  Waffenindustrie 


d  by  Google 


Register. 


*»S9 


Normanen,  Kriegskunst  Ja 
8,    9,   22,    12S,  127, 

Iii 

Nürnberg,  Germanisches 

Museum  631. 
Nürnberg,  Waffenindustrie 

LL  612,  613. 
Nufs,  freischwebende  406. 

422-. 

Nufs ,  im  Faden  laufend 
403. 

Ochsenzunge  246 ,  258, 
Ölfarbenanstrich ,  neuer 

Organisation  des  Waffen- 
handwerks 641. 

Orgelgeschütz  437,  438. 

Oriflamme  504. 

Ornamentisten  610,  613. 
614.  6l  5. 

Otto  Heinrich,  Pfalzgraf 
1  >o.  204. 

Oxydation  588. 

Palasch 

Pallia  siehe  Dill. 
Panzerärmel  65. 
Panzerhemd  142, 143,  »44 

[iL 

Panzerkragen  l$I. 
Panzermacher  s.  Brünner. 
Panzerschuh  IIS. 
Panzerstecher  2  IL,  249, 
2QI. 

Panzerstrümpfe  143. 
Panzerzeug  34,  132,  526, 
S94. 

Papagey  s.  Reiterhammer. 
Papierpatrone  4Q7- 
Papirius,  Konsul  L. 
Parazonium  23 1,  232,259. 
Parierdolch  286,  287.  299, 
300,  301. 

Ho  ehe  im,  Waffenkunde. 


Parierhaken  342. 
Parierstange  230. 
Paris,  Musee  d'Artilleric 

632,  633. 
Paris,  Musee  Cluny  633, 

634. 

Parsche  214.  21$ ,  2l6. 

220,  22_L  Si_L  Slli 
Partisane  3 So,  3SL  3S2. 
Passau,  Waffenindustrie 

247.  351,  611,  615, 
Passauer  Kunst  6_L2* 
Passa  volante  441. 
Pafskugel  47Q« 
Paternosterklinge  264. 
Patina  antiqua  588. 
Patronbüchse  494.  495- 
Patronenbandelicr  494, 

425i  426. 
Patronhülse  4Q6. 
Patrontasche  497» 
Pauke  5_L3j  514-  S_L5_. 
Paukendecke  $14,  515» 
Pavesc  179, 180.  403,  S3I. 
Pavia.Waffenindustrie  S94- 
Pendschab,  Waffenindust. 

Pennon  SQ7- 
Petarde  444. 

Petit  e*cu  siehe  Reiterschild. 
Petrinal  447.  482,  483. 
Pfanne  siehe  Zündpfaune. 
Pfannendcckel  448. 
Pfannenschieber  474. 
Pfeife  Sü  S14. 
Pfeifenharnisch  153,  I  54- 
Pfeil  398. 
Pfeilköcher  401. 
Pfeilköcher,  orientalischer 

399.  40Q. 
Pfeil,  oriental.  399,  400, 
Pferdeharnisch  193. 
Pferdezeug  193. 
Philipp  August,  König 

134. 


Philipp  Lj  der  Schöne 
König  248. 

Philipp  II.,  König  von 
Spanien  Jli  628,  629 

Philipp  der  Gute,  Herzog 
144,  6.112» 

Philipp  VI.,  Graf  von  Hol- 
land IQ7,  lrvX 

Philipp  Emanuel,  Herzog 
von  Savoyen  33. 

Pike  320,  321. 

Pikenier,  I9j  Sli  ^  LÜi 
158. 

Pikenierhandschuh  84. 
Pikenierharnisch  161.  LÜ2» 
Pistoja.  Waffenindustrie 

606. 

Pistole  486,  487. 

Plankengestech  siehe  Real- 
gestech. 

Plattcnbrust  140,  ist. 

Plattenharnisch  l_4_,  136, 
144. 1S2.  153,  163,I77. 

Plattenharnische,  Echtheit 
der  $24. 

Pochwerk,  nasses  592. 

Pörschwert  siehe  Bohr- 
schwert. 

Polen, Kriegsverfassung  2SL 

Polieren  der  Waffen  587. 

Polychromicrung,  alte  579. 

Preise  der  Waffen  §72,  $73- 

Prudentias,  Manuskript  des 
Iii 

Psalterium  aureum  von  St. 

Gallen  25_,  124.  171. 

I9i  I9i  202^  224.  3J_L 

503,  503. 
PürschbÜchse  4sS. 
Pürschstahl  405,  406. 4 14. 
Puffer  siehe  Fäustling. 
Pulverflaschc    4'io.  491, 

422,  49J. 
Pulverhorn  492.  493,  494 

425_- 

44 


690 


Register. 


Pulverprobe  488, 489, 490. 
Pulversperre  492. 
Puneiz  520. 
Punzenarbeit  üqq. 

Quadrant  488. 
Quartana  siehe  Kartaune. 
Quintana  569,  57Q- 

Raddecke  475. 
Radschlofs  450,  4^1,  4^2, 

475,  477>  47^  483. 
Radschlofs,  kurländisches 

476. 

Radschlofs  mit  Rauchfang 

Radschlofsschlüssel  476, 

495,  422i 
Räumlichkeit  für  WafTcn- 

sammlungen  S&5,  586. 
Rantzau,  Heinrich  von  64. 
Rappier  28g. 
Rast  483, 

Rasthaken  5_i9_.  543» 
Rauchfanggewehr  460. 
Rauchköcher  393,  39_£, 

Raufdegen  286. 

Realgestech  5Jl5j  566. 

Realgestech,  Harnisch  für 
das  566,  568. 

Regensburg ,  Schwertin- 
dustrie 612. 

Reichsbanner,  deutsches 
504. 

Reisspiefs  21i  2Li  LSJj 
LSZj  3I4j  li^i  3*6, 
337,  328. 

Reiterei  8j  IO,  IL 

Reiterei,  leichte  9_,  lg. 

Reiterfahne  502,  506. 

Reiterhammer  366. 

Reiterpistole  486. 

Reiterschild  116,  177. 

Reitstange  für  Turnier  5SL 


Rennen  543. 
Rennen,  Arten  der  556. 
Rennfahne  506,  507,  So8. 
Rennhut  543. 
Rennsattel  550- 
Rennschöfse  543. 
Rennstange  545. 
Renntartsche  543 ,  544- 

542« 

Rennzeug  545.  «U6.  547- 
Revolver  461,  48s.  486. 
Richard   I. ,  Löwenherz, 
König  fOj  134,  611. 

Richtschwert  265 ,  266, 
267. 

Ringelrenneisen  5JTL. 
Ringelrennen  569. 
Ringkragen  66. 
Ringpanzer,  orientalische 

Roggendorf,  Wilhelm  von 

|QL  153,  i5S. 
Roland,  der  von  Ragusa 

140. 

Rom,  Waffenindustrie  606. 
Romantik  imSammelwesen 

583. 

Rosendamask  59$. 
Rofsdecke  552. 
Rofsharnisch  216,  220. 
Rofsharnisch.oriental  222. 
Rofskopf  554. 
Rofskopf  216.  217. 
Rofskopf,  arabischer  223. 
Rofsschweif  510,  511. 
Rofsstirne  216.  219. 
Rofsstirne,  arabische  221. 
Rofsstirne,  persische  223. 
Rofsstirne,  halbe  21Q. 
Rost  des  Eisens  ^75,  £86, 

Rovere-M^ntefeltre,  Franz 
Maria,  Herzog  von  Ur- 
bino  1Q2. 


Rudolf  IV.  von  Österreich, 

der  Stifter  324. 
Rüsthaken  96^  151,  157. 

Soi!  5222  543, 
Runka  348,  342,  350, 
Rundtartschiere  IJL  *92- 
Rupprecht  von  der  Pfabz 

TL.  «9j  22i  375. 

Sackpfeife  516. 

Säbel,  europäischer  280. 

Säbel ,  orientalische  273, 

224_,  2J1a  216,  an, 

228,  222.  2ÄL 

Sägeschwert  270.  271. 
Säule,  Armrust-  40$. 
Säulenhebel  417,418,419. 
Salm-Neuburg,  Niklas  III. 
von  92i  109. 

Samarkand ,    Panzer  von 

Sandschak  $lo. 
Sanseverino,  Robert  von 
148, 

|  Saragossa,  Armrüste  von 
608. 

Sarazenen  22. 
Sarazenische  Waffen  6a  t, 

620. 

Sarwürcher  siehe  Brünner. 
Sattel,  arabischer  208. 
Sattel,  maurischer  207. 
Sattel,  normanischer  10,7. 
Sattel,  orientalischer  2£>fL 
I  Sattel,  ungarischer  209. 
2 1 1. 

Sattel,    tartarischer  200. 
2XL. 

Sattel,  tscherkessischer  2  io. 
Sattel,  türkischer 208. 3QQ. 
Sattel  im  hohen  Zeug  520. 

SIL  S*ü  553- 
!  Sax  231,  232^  253. 
Schabarbeit  597. 


d  by  Googl 


Register. 


091 


Schäftung  der  Büchsen 

4A5j  447- 
Schärtlin  von  Burtenbach, 

Sebastian  63. 
Schaft,  deutscher  447« 
Schaft,  gepickter  $14,  3J5, 
Schaft,  italienischer  461, 

462. 

Schaftfedern  313. 
Schallern  3_8_.  t&  40,  4^ 

149. 
Scham  595. 
Schamkapsel  iqq. 
Schansi,  Eisenindustrie 

Scharfeisen  545,  548. 

Scharfmetze 4 34 ■  439.  44Q- 

Scharf  rennen  s.  Schweif- 
rennen. 

Scharfschützenlanze  siehe 
Springstecken. 

Scharmützel  $69. 

Schefflin  320,  321. 

Scheibenbttchse  458. 

Scheibcnpistole  486. 

Schellengürtel  139» 

Schellenspiel  516. 

Schembartvisier  4_2j  ±£i 

Schenkelwülste  IQ9. 

Schiavona  259,  26 1 ,  264, 

Schiefspulver    13 1  43Q. 

431,  4J^ 
Schiefsvorrichtung,  Degen 

mit  3_82i  3»S. 

Schiefsvorrichtung,  Hand- 
waffe mit  379. 

Schiefsvorrichtung,  Helm- 
barte mit  379.  380. 

Schiefsvorricht.,  Schwein- 
spiefs  mit  379,  381. 

Schiefsvorricht. ,  Schwert 
mit  2Ö2i  3_8_L  3iL 

Schiefsvorrichtung ,  Spiefs 
mit  379.  380. 


Schiefsvorrichtung,  Streit- 
hacke mit  383, 384, 38s- 

Schiefsvorrichtung,  Streit- 
kolben mit  384,  385. 
f  Schiffsschlange  siehe  Lot- 
büchse. 

Schiftung  SS, 

Schild  163. 

Schilde,  bemalte  ij^  UJ^ 

178,  179.  »8o. 
Schild,  bretonischer  172. 
Schildfessel  519. 
Schild  der  Germanen  169. 
Schild,  normanischer  172, 

173,  UAi 
Schild,  römischer  1 70- 
Schild,  türkischer  184. 
Schild  zum  Turnier  519, 

S2Q.  S2i,  534- 
Schildbuckel  174. 
Schildfessel  170,  174. 
Schildnabel  170. 
Schildzapfen  438,  439- 
Schiras,  Klingen  von  618. 
Schlachtschwcrt  18,  249. 

261,  262,  263,  264. 
Schläglcrbund  363. 
Schlagblatt  362. 
Schlagbolzen  428. 
Schlagfcder  44S. 
Schlange    i_7_,   io_,  436, 

422i  4_40i  44J- 
Schleifen  der  Klingen  593. 
Schleuder  ßASj  286,  387. 

388. 

Schlcudcrblei  388. 
Schlofsplatte  474,  479- 
Schnabelschuhe  139,  14S. 
Schnapphahn  448. 
Schnapphahnbatterie  480, 
481. 

Schnapphahnschlofs,  nie- 
derländ.  454,  464.  480. 

Schnapphahnschlofs,  span. 
4S2.453.464.  479,480. 


Schnapphahnschlofs,  türk. 
479- 

Schneidebolzen  428,  429. 
Schnepper  405,  419.  42Q, 
422. 

Schnitzarbeit  600.  60  l . 
Schnitzarbeiten,  gefälschte 

579- 

Schöfse  100.  113.   1 14. 

LL^i  L5_!»  Hl; 
Schraubenschlüssel  zum 

Stech  -   und  Rennzeug 

54°!  541,  54A- 
Schürzer  siehe  Reisspiefs. 

SchUtzenhauben  SS.  57« 
Schuhkappen  1 17,  n8- 
Schuppenharnisch  165. 
Schuppenwerk  139. 
Schw&nzel  539. 
SchwamuÄchlofs  s.Lunten- 

schlofs. 
Schwanzriemen  197,  2Q2~ 
Schwanzschraube  469. 
Schwarzätzung  151,  S96. 
Schwarzenberg ,  Adolf, 

Graf  65. 
Schwebescheiben  6±,  68. 

142. 

Schwefelkies  452. 
Schweifbund  219. 
Schweifrennen  $44,  5>S, 

Schweinsfeder  329. 
Schweinschwert  255,  2S6. 
Schwcinspiefs  329,  330. 
Schweizer  Fechtweisc  1^ 

16^  L&. 
Schweizerdegen  261. 
Schweizerspiefs  319. 
Schwendi,  Lazarus  72. 
Schwert  230. 
Schwert  zu  anderthalb 

Hand  244,  2%o. 
Schwert,  japanisches  281, 

254. 

44* 


ized  by  Google 


002 


Register. 


Schwerter,  orientalische 
268,  269. 

Schwert  mit  Schiefsvor- 
richtung 267, 

Schwertgürtcl  s.  Dupsing. 

Scopitus  445,  447. 

Scramasax  232,  233.  29,^. 

Scymitar  270. 

Segretta  in  testa  56^  58. 

Selbstspanner  476. 

Sempach,  Schlacht  bei  1  1 

Seravalle,  Waffenindustrie 
603. 

Serpentine  siehe  Schlange. 

Setzschild  178,  180.  l&l. 

Sienescrdolch  298. 

Sigmund  von  TiroL,  Erz- 
herzog 35^  68j  8lj  106, 
603,  6_i& 

Sigismund  Li  Kaiser  504. 

Sigmaringen ,  F.  Hohen- 
zollcrnsches  Museum  in 

Silberoxyd  588. 
Sinnsprüche  auf  Waffen 

Singerin  439. 
Soliman  L_.  Sultan  85. 
Solingen,  'Waffenindustrie 

612. 

Soluk ,  Ri  n  gpanzer  von  619. 
Sonnenberg,  Andreas,  Graf 

von  29_. 
Spaldenier  67^  22i  53Q. 
Spangröls  64^  jl^  151. 
Spanien,  Kriegskunst  IS, 

!& 

Spanischer  Reiter  32  2 , 325. 
Spannhaken  410. 
Spatha  233. 
Speer  30^,  519,  520. 
Sperrvorricht.  an  Schlös- 
sern 475,  481.  483. 
Spetum  3i3j  354. 
Spicfs  305. 


Spicfs,  fränkischer  310. 
1  Spiefs,  gemeiner  311,  312. 
Spiefs,  normanischer  310, 
3"- 

Spiefs,  orientalischer  315, 

312,  3!lL  3»9- 
Spiefshose  314. 
Sponton  siehe  Partisane. 
Sporn  224,  225. 
Sporn ,  ungarischer  555, 

Springklinge   301  , 
380. 

Springstecken  329. 

Spundbajonett  498,  500. 

Stachelsporn  224.  22$. 

Stätten  der  Fälschungen 
580. 

Stahelzein  128. 

Stahl  siehe  Pürschstahl. 

Standarmrust  405,  407. 

Standarte  £L2, 

Standblichsc  446. 

Standhauer  256. 

Stange  193. 

Stangenfeder  448. 

Starhemberg ,    Ernst  Rü- 
diger 491. 

Stauchen  oji. 

Stcchachseln  77. 

Stechermechanismus  an 
Armrüsten  413,  414, 

Stechhelm  536,  538,  539. 
Stechkissen  552,  555. 
Stechmäusel  u±  142,  568. 
Stechsattel  554. 
Stechschild  526. 
Stechschlofs  482. 
Stechstange  £35^  540, 541. 
j  Stechtartsche   521,  539. 

S4°i  5J>2i 
Stechvorrichtung  4^4. 

Stechzeug  SÜ  ißi  538, 


Stechzeug,  englisches  542. 
Stechzeug ,  französisches 
542. 

j  Stechzeug,  italienisches 
Sj6j  542,  S44. 
Steckkuppel  249. 
Stcdinger  HL. 
Steiermark,  Waffenindustr. 


Steigbügel  l£2i  138,  199. 
Steigbügel,  arabische  213. 
.'  Steigbügel ,  geschlossene 

2QO.  2Qy 

Steigbügel ,  tartarische 
Uli 

Steigbügel,  türkische  214. 

Steinfassung  57S. 

Stc>T ,    Werkstätten  von 

Stichbolzen  427,  4-S. 

Stielscheibe  4J_,  7JL  So^ 
81.  526. 

Stil  in  den  Waffen  573. 

Stirnketten  19S. 

Stockholm ,  Museum  der 
Waffen  634^  63  5- 

Stockschleuder  386,  387. 

Stofsdegen  249,  285. 

Stofskragen  siehe  Brech- 
rand. 

Strcifbuckel  217. 

Streifschiene  112. 

Streiftartschen  556,  5  59. 

Streitaxt  367.  368.  369, 

3ZOi  2ZLi  32Ii  221i 

374.  375.  376. 
Streitaxt,  orientalische  322, 

3l8i  112. 
Streithacke ,  italienische 

375,  376. 
Streithammer  363,  364, 


Streitkolben    35J_,  358. 
359,  360,  361,  362. 


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Register. 


693 


Streitkolben,  orientalische 

36 1«  363. 
Streitsense  siehe  Glefe. 
Studel  475. 

Sturmhauben,  deutsche  \z_ 

42j  156. 
Sturmhauben,  ind.  $2,  $4- 
Sturmhauben,  ital. 47, 
Sturmhauben ,  Österreich. 

42: 

Sturmhauben,  polnische 

Sturmhauben ,  ungarische 

Uli 

Sturmhauben, türkische  49, 

5°_i  51»  51i  Üi  l^Ai 
Sturmhauben ,  tscherkes- 

sische  ^  54. 
Sturmsense         3JÜ1  3S6. 
Sturmwand  L&Q. 
Stutzen  beim  Rennzeuge 

SIL  552: 
Suhl,  Waffenindustrie 473, 

Tab  an,  Karataban  595. 
Tacitus,  Germania  u. 
Tapulbrust  89,00,94,  i^j. 
Tartaren,  Bewaffnung  20. 
Tartsche  176,  181,  182, 

184,  l£6. 
Tartsche,  ungarische  182. 

183. 

Taschen  an  Schwertgriffen 

Taschenpuffer  486. 
Tauschierarbeit  s.  Tausia. 
Tausia,  aufgeschlagene 

S99. 

Tausia ,  eingeschlagene 

Tausia,    gefälschte  576, 
SIL 

Tausia ,    Verfahren  468. 
598. 


Tcrrasbtlchse  439. 
Terzerol  486. 
Teufclsschcmbart  IS3. 
Theodorich  derGrofse  235, 

241.  503. 
Theophilus  Presbyter  57S. 
Thor,  der  Donnergott  3. 
Thrasamund,  König  der 

Vandalen  235. 
Tiefätzung  596. 
Tiflis,  Waffenwerkstätten 

Tirol,  Waffenindustrie  61 6^ 
617. 

Toledo,  Waffenindustrie 
347,  252,  606,  607. 

Topfhelm,  der  io,  12^  28, 
29a iPj  31.  Iii  üLMi 
Laii  13^  L25_i  S20, 
53A 

Torghud  Reis,  König  von 

Kairewan  104. 
Tours ,  Waffenschmiede 

von  6oS. 
Tower ,    Sammlung  von 

Waffen  im  191,  627. 
Trabantenspiefs  3*4,  325. 
Trabharnisch  ic^  6jj  76, 

LL^i  üö,  ijj. 
Trancheeharnische  53. 
Trancheehauben  52. 
Trauerdegen  291. 
Treibarbeit,  gefälschte522. 
Treibarbeit,  Verfahren599. 
Trense  193. 
Trockenfäule  589. 
Trombon  457,  458. 
Trommel  5 »3,  SU,  5*5. 
Trommel,  grofse  515. 
Trompette  Sj^  5^3,  514. 
Trompcttenfahne  513,  514. 
Tschinelle  515. 
Tschinke  457,  459,  460. 
Tschinkenradschlofs  siehe 

kurländisches. 


Türkei,  Bewaffnung  16,  2Q, 

Tug  siehe  Rofsschweif. 

Tüghra  163. 

Tuilettes  145. 

Turin,  Armeria  Reale  in 

636,  637. 
Turnay  siehe  Turnier. 
Turnier  &  517,  518,  5  20. 

5Ü 

Turnier,  ausgeschriebenes 

520,  521. 
Turnierharnisch ,  sächs. 

56a  570. 
Turnierkolben  522,  523. 
Turnierplatz  521. 
Turnierschwert  522,  523, 

512: 

Turnierspicfseisen  551. 
Turniersporen  542,  564. 
Turnier,  ungarisches  555. 
Tyost  S2Q. 

Ulanen  2J_, 

Ungarische  Brust  s. Krebs. 
Ungarn,  Kriegsverfassung 

ao. 

Unteroffizierskurzgewehr 

333. 

Valcnciennes ,  Waffen- 
industrie 610. 

Vauban,  Geniegeneral  ^63^ 
464. 

Venedig ,  Sammlung  des 
Arsenals  in  637. 

Verankerung  404,  406. 

Verfahren  der  alten  Waffen- 
schmiede 592,  593. 

Vergoldung,  nachträgliche 
526. 

Verzierungen,  nachträg- 
liche 576. 
Vcugliaire  442. 
Viertelbüchse  434.  439. 
Virelon  s.  Armrustbolzen. 


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694 

Visier  26,  35^  L24,  '39- 
Visierrohr  47Q- 
Visiervorrichtung  469. 
Voraugenstcl  lung  der  Waf- 
fen 582,  583. 

WafTenbretter ,  Gruppie- 
rungen auf  583. 

WarTcnhemd  siehe  Gam- 
beson. 

Waffensammlungen  in 
Europa  639,  640. 

Wanderturnier  520,  $21. 

Wandlafette  435. 

Wasa,  Gustav,  König  370. 

Weichgufs  als  Fälschungs- 
mittel 577- 

Weudergewehr  471,  472. 

Wendersystem  461,  471. 

Wenzel,  König  von  Böh- 
men 33. 

Wenzeslaus  der  Heilige, 
Helm  26. 

Werkzeuge   der  Plattner 
595- 

Wertbestimmung  der  Waf- 
fen 581. 
Wert,  historischer  58  L 
Wien,  WarTensammlung 


Register. 

des  kaiserlichen  Hauses 

in  63J.  638. 
Wien ,  WarTensammlung 

der  Stadt  639. 
Wiener  Neustadt,  Feuer- 
gewehrindustrie 617. 
Wigalois  130. 
Wikinger  131. 
Wilhelm    der  Eroberer, 

Herzog,  12&  357- 
Wilhelm  II.,   der  Rote, 

Kör.  ig  von  England  239. 
Wilhelm  IV.,  Herzog  von 

Bayern  &  56^  563. 
Windenarmrust  405 1  4  t  1 , 

Wischen    der  Harnische 

582, 
Wischer  488. 

Wischzeug  496. 

Wolf,  der,  als  Waffen- 

schmiedezeichen  251, 

252,  6n. 

Wolfseisen  siehe  Runka. 
Worms,  Turnier  zu  531. 
Wurfspiefs  301;,  306,  307, 

3XL  5»9- 
Wutzstahl  siehe  Damask- 
stahl. 


Yatagan  279. 

Zaddeltracht  142. 
Zarskoe-Selo.Kais.WarTen- 

Sammlung  in  635,  636. 
Zellenemail  6oo. 
Zeugbücher  Maximilians  L 

IS1. 178.  179, 180,18s. 

187,319,  32o>327,393. 

426,448,  4JÜ.A8Q. 616. 
Zimier  30,  31,  32,  33. 

Iii  ÜL  £2±, 
Zischäggen  siehe  türkische 

Sturmhauben. 
Zollern,    Eitel  Friedrich, 

Graf  von  oJJ,  1x0. 
Zrinyi,  Niklas  273.  277. 
Zügelblech  21&> 
Zügelketten  104. 
Zündkern  472. 
Zündkrautflaschc  491. 

426. 

Zündlochbohrung  472. 
Zündpfanne  443. 
Züngel  474. 
Zug,  prismatischer  471. 
Zungenspiclungen  19$. 
Zweihänder  siehe  Schlacht- 
schwert. 


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Berichtigungen. 


cite  96, 

9.  Zeile  v.  u.  ist  nach  dem  Worte  Schöfscn  einzuschalten:  und  Gesäfsschurz. 

11 

96, 

7- 

»» 

11 

„  statt  Vorderschurr  zu  setzen:  Gesäfsschurz. 

*i 

97, 

6. 

»» 

>i 

„  ist  der  Zwischensatz,  des  Verteidigers  von  Wien  1529,  zu 

streichen  und  dafür  zu  setzen:  gest.  1550. 

it 

99, 

9- 

1» 

n 

„  ist  statt  Desiderius  zu  setzen:  Koloman. 

ii 

124, 

16. 

ii 

11 

,,  „     „    der  Codex  aureus  zu  setzen:  Psalterium  aurcum. 

it 

125. 

8. 

11 

11 

„  ,,          Codex  zu  setzen:  Psalterium. 

11 

190, 

11. 

11 

11 

0.  „  nach  dem  Worte  angezogen  einzuschalten:  wurden. 

1» 

197, 

IS- 

11 

11 

u.  ,,  statt  Codex  zu  setzen:  Psalterium. 

11 

213. 

7. 

n 

11 

0    „     ,,    228  zu  setzen  230. 

»1 

220, 

3- 

»• 

•1 

u.  „     „    Thunschen  zu  setzen:  Thun'schen. 

1» 

224, 

10. 

»1 

11 

0.  „     „    Codex  aureus  zu  setzen:  Psalterium  aureum. 

•t 

255i 

15- 

t» 

i. 

„    „     „    Schweinschwerter  zu  setzen:  Schwein-  oder  Anlauf- 

schwertcr. 

* » 

360 

Der  Text 

der  beiden  Figuren  423  und  424  ist  zu  verwechseln. 

11 

544» 

2. 

Zeile 

▼. 

u.  ist  statt  Stechtartsche  zu  setzen:  Renntartsche. 

11 

548. 

In  Figur  634  sind  Verwechselungen  vorgekommen,  so  ist  d  ein  Turnier- 

spiefs  und  gehört  zu  Figur  638. 
„  551.    In  Figur  638  sind  b  und  c  Scharfeisen  und  gehören  zu  Fig.  548. 
„  640,  13.  Zeile  v.  u.   ist  nach  Linz  einzuschalten:  gegenwärtig  im  Museum 

Francisco  -Carolinuni  daselbst. 


Druck  von  Kamm  ft  Seemann  in  Leipzig. 


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