Handbuch der Waffenkunde
Wendelin Boeheim, Harold L. Peterson Collection
GERMAN LIBRARY.
UN1VERSITY OF CALIFORNIA.
Retewtd
Shelf No.
OH
•30
Seemanns Kunsthandbücher.
Von dieser Sammlung von Handbüchern, deren Bearbeitung in du
Hand der vorzüglichsten Fach8chrift8teller gelegt ist, sind
bis jetzt die /olgenden erschienen:
Handbuch der Ornamentik von Franz Sa/es Meyer,
Professor an der grofsherzoglichen Kunstgewcrbeschule in Karlsruhe. Mit
300 ganzseitigen Bildertafeln. Dritte Auflage. 1890. Geh. 9 M., in Lein-
wand geb. 10 M. 50 Pf.
Das „Handbuch der Ornamentik" ist eine Handausgabe der Ornamentalen
Formenlehre desselben Verf. Als systematisch entwickelte praktische
Aesthetik der Kunstgewerbe bringt sie die Semptrschcn Lehren, unter-
stützt von einer grossen Fülle des vorzüglichsten Anschauungsmaterials, in gc-
meinfasslicher Weise zur Darstellung. Die Tafeln der Formenlehre erscheinen
dabei in stark verkleinertem Mafsstabe, gleichwohl aber deutlich genug, um
dem Auge überall verständlich zu sein. Dafs in noch nicht ganz zwei Jahren
bereits eine dritte Auflage nötig wurde, ist ein ebenso seltener wie wohlverdienter
Erfolg.
Handbueh der Sohmiedekunst von Prof. Fr. S. Meyer.
Mit 196 Abbildungen; gr. 8°.; brosch. 3 M. 20 Pf., geb. 4 M.
Gold und Silber. Handbuch der Edelschmiedekunst von
Prof. Ferd. Luthmer. Mit 152 Abbildungen; gr. 8°.; brosch. 3 M. 60 Pf.,
geb. 4 M. 50 Pf.
Die Tracht der europäischen Kulturvölker vom
Altertum bis zum 19. Jahrhundert. Von August v. Heyden. Mit 222 Ab-
büdungen; br. 3 M. 20 Pf., geb. 4 M.
Die Liebhaberkünste, ein Handbuch für alle, die einen
Vorteil davon zu haben glauben, von Prof. Franz Sa/es A fever. Mit vielen
Illustrationen, gr. 8°. br. 7 M., geb. 8 M. 50 Pf.
Unter Liebhaberkünsten sind alle diejenigen Künste verstanden, mit denen
der Laie in nützlicher Weise seine Mufscstundcn ausfüllen kann, wenn er nur einiger-
mafsen Anlage zum Zeichnen hat, z. B. Rauchbilder, Hollbrand, Malerei auf Perga-
ment, Seide, Glas, Thon, Holz, Laubsägearbeit, Einlegearbeit, Kerbschnitt,
Lederplastik, Metall-, Glas-, Elfenbein - Spritzarbeiten u. s. w. u. s. w.
Im Anschluss an das „Handbuch der Liebhaberkünste" ist eine Sammlung
moderner Entwürfe erschienen, betitelt:
Vorbilder für häusliche Kunstarbeiten
herausgegeben von Franz Sales Meyer. Erste Reihe 6 Lieferungen von je 12 Blatt.
Preis 6 Jf, jede Lieferung einzeln 1 J( 50 Pf.
Der Bucheinband, seine Technik und seine Geschichte.
Von Paul Adam. Mit 194 Abbildungen; br. 3 M. 60 Pf., geb. 4 M. 50 Pf.
Waffenkunde. Handbuch des WafTenwesens in seiner
historischen Entwickelung von Wendelin Boeheim. Custos der Waffensammlung
des österr. Kaiserhauses. Mit 662 Abbildungen und vielen WafTenschmiedc-
marken. gr. 8°. brosch. 13 M. 50 Pf., geb. 15 M.
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Verlag von E. A. Seemann in Leipzig,
Kunsthistorische Bilderbogen.
1. Handausgabe. Erster Cyklus: I. Altertum, geb. 3 M. 50 Pf.
— II. Mittelalter, geb. 3 M. 50 Pf. — III. Neuzeit:
1. Italien, geb. 4M. — IV. Neuzeit: 2. Der Norden, geb.
4 M. (Zusammen 167 Tafeln, qu. folio, 11 M., geb mit ge-
brochenen Tafeln in Calico 15 M., piano in Halbfr. 16 M.)
Handausgabe. Zzvciter Cyklus: (Ergänzungstafeln): 85 Tafeln
mit Holzschnitten und 13 Tafeln in Farbendruck, ia M.,
geb. mit gebrochenen Tafeln oder piano in Calico 15 M.,
in Halbfr. (nur piano) 16 M.
Dazu: Grundzüge der Kunstgeschichte, von Anton Springer.
L Altertum. II. Mittelalter. Brosch. ä 1 M., geb.
ä 1 M. 35 Pf. III. Neuzeit, 1. Hälfte; IV. Neuzeit, 2. Hälfte.
Br. ä 1 M. 50 Pf., geb. ä 1 M. 90 Pf.; in einen Band br.
5 M., geb. 6 M., in Halbfr. 7 M.
Eine weitere Ergänzung des Werkes bildet:
Die Kunst des 19. Jahrhunderts von Anton Springer.
2. Aufl. 82 Tafeln mit einem Textbande brosch- 8 M.; ge-
brochen (4°) oder flach geb. (der Textband für sich) 12 M.,
in Halbfr. 14 M.
2. Gesamtausgabe: 2 Bände mit 246 Tafeln qu. folio und
Textbuch von Anton Springer. 2. Aufl. br. 23 M. 50 Pf.;
geb. 2 Bände und Textbuch 31 M. 50 Pf. (Ohne Textbuch
20 M- 50 Pf.; geb. 27 M. 50 Pf.)
Dazu 3 Supplemente:
I. Supplement: Die Kunst des 19. Jahrhunderts. (2. Auflage
82 Tafeln qu. folio) mit Textbuch von Anton Springer,
brosch. 8 M-, geb. 12 M-, in Halbfr. 14 M. (wie oben
unter „Handausgabe".)
II. Supplement: (Altertum, Mittelalter, Neuzeit) 60 Tafeln
und 5 Farbendrucke qu. folio 8 M.; geb. 10 M. 60 Pf.
III. Supplement: (Altertum, Mittelalter, Neuzeit) 85 Tafeln
qu- folio, darunter 8 Farbendrucke. 12 M-; geb. 15 M-
8. Schulausgabe: 104 Seiten gr. Quart mit 489 Abbildungen.
Geb. in Hlblwd. 3 M. 60 Pf.; dazu: Einführung in die Kunst-
geschichte von Dr. R. Graul. 112 S. geb. i M. 40 Pf. (Für
höhere Schulen.)
4. Kunstgeschichtliches Bilderbuch für Schule und Haus, von
Dr. G. Warnecke (Altona). 41 S. gr. 40. Mit 160 Abbild,
steif kart. 1 M. 60 Pf.; geb. in Calico 2 M. 50 Pf. (Für Volks-
schulen.)
W Ausführliche Pronjtekte gratis und franco. mW§
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Seemanns kunstgewerbliche Handbücher
vn.
WAFFENKUNDE
VON
WENDELIN BOEHEIM.
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HANDBUCH
DER
WAFFENKUNDE
DAS WAFFENWESEN
IN SEINER HISTORISCHEN ENTWICKELUNG VOM BEGINN
DES MITTELALTERS BIS ZUM ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS
VON
WENDELIN BOEHEIM
i ■
CUSTOS DER WAFFENSAMMLUNG DES ÖSTERREICHISCHEN KAISERHAUSES
MIT 662 ABBILDUNGEN NACH ZEICHNUNGEN VON ANTON KAISER
UND VIELEN WAKFENSCHMIEDEMARKEN
letpzTg
VERLAG VON E. A. SEEMANN
i 890.
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VORWORT.
Die deutsche Litteratur ist ziemlich reich an vortrefflichen
Monographien über einzelne Zweige der historischen Waffenkunde so-
wohl wie auch über einzelne Waffensammlungen. Wir erinnern nur
an die Meisterleistungen Scheigers, Lebers, Leitners, Essenweins,
Hiltls, Thierbachs, Gurlitts, zahlreicher anderer nicht zu gedenken.
Eines Kompendiums dieses Wissenszweiges aber, wie solche die fran-
zösische Litteratur in Carre, Viollet-le-Duc, selbst in dem Bruch-
stücke des trefflichen Gay etc., die englische in Meyrick, Planche
etc. besitzen, entbehrt die deutsche Litteratur bisher vollständig. Die
deutsche Gründlichkeit schreckte offenbar vor den Schwierigkeiten
der Aufgabe zurück, die nur bei vollkommener Beherrschung des aus-
gedehnten Stoffes in befriedigender Weise zu lösen war.
Der Verfasser ist sich bewufst, dafs mit dem vorliegenden Werke
diese Lücke nicht vollständig ausgefüllt wird, aber er glaubte den
häufig an ihn gerichteten Aufforderungen, ein brauchbares Handbuch
herauszugeben, nicht länger Widerstand leisten zu sollen, da in der
That ein nicht abzuweisendes Bedürfnis nach einem solchen vorliegt,
und hofft in Anbetracht der Unsicherheit, die auf dem Gebiete
der Waffenkunde noch an vielen Punkten herrscht, keine allzustrenge
Beurteilung zu erfahren. Für jeden Nachweis eines Irrtums oder Fehl-
griffes, der ihm bei der Arbeit untergelaufen ist, wird er nur dank-
bar sein können.
Sein Werk erhebt selbstverständlich nicht den Anspruch eines
in jeder Hinsicht ausreichenden Lehrbuches, es soll nur ein schlichtes
Handbuch sein, in welchem der Altertumsfreund und der Sammler
sich bei den am häufigsten an ihn herantretenden Fragen Rats er-
holen kann. Es ist deshalb der Nachdruck auf alle die Dinge gelegt,
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IV
Vorwort.
die ihm zunächst zu wissen nötig sind, auf eine strenge Terminologie
und eine klare Darlegung des Formenwesens unter Berücksichtigung
der im Laufe der Zeit eintretenden Formenwandlungen und deren
Veranlassung. Was die Terminologie betrifft, so hat der Verfasser
in allen Sprachen sich nach den hervorragendsten Fachautoren ge-
richtet. So in der deutschen Sprache nach Quirin v. Leitner und
M. Thierbach, in der französischen nach Viollet-le-Duc, in der eng-
lischen nach Meyrick und Planche, endlich in der italienischen nach
A. Angelucci.
Weiterhin war der Verfasser bemüht, die Wege zur Kennerschaft
zu weisen und über die Mittel zur Beurteilung der Echtheit eines
WafTcnstückes zu belehren.
Manches, das der Verfasser noch in dem Buche hätte niederlegen
können, hat er zurückhalten müssen, um den für ein Handbuch ge-
botenen Umfang nicht zu überschreiten; er hofft aber, in dem eng-
begrenzten Rahmen allen nicht zu weit gehenden Ansprüchen gerecht
geworden zu sein, insofern er auch auf die Gesichtspunkte der Kriegs-
wissenschaft neben den für die Technik, die Kulturgeschichte und
die Kunst mafsgebenden Rücksicht genommen hat.
Ist die Kenntnis der Form und der Wirksamkeit einer Waffe
einerseits zur richtigen Würdigung einer Kriegsthat erforderlich, so
bietet sie andererseits die Mittel, die äufserliche Physiognomie einer
bestimmten Zeitperiode deutlicher hervortreten zu lassen und befähigt
uns, „mit klarem Auge in die Vergangenheit zu sehen". Heutzutage
geht aber das Studium weit über das rein fachtechnische Gebiet hin-
aus, die Kunstwissenschaft hat die Waffe ebenso wie . alle durch die
Kunst geadelten Erzeugnisse des Handwerks längst in ihren Beobach-
tungskreis einbezogen. Mit diesem wachsenden Interesse an der
schönen Form hängt auch die Zunahme der Sammler und Liebhaber
zusammen, von denen viele nur das schönheitliche Moment oder
dieses doch vorzugsweise ins Auge fassen. So war es für den Ver-
fasser geboten, auch nach dieser Seite hin dem Bedürfnis entgegen-
zukommen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Verfasser davon
Abstand genommen, für seine Arbeit die in mancher Hinsicht prak-
tische lexikalische Anordnung zu wählen, wie es Viollet-le-Duc, Planche
und Gay gethan haben. Er hätte auf diese Weise seinen Stoff ver-
zettelt und auf eine systematische Behandlung verzichten müssen.
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Vorwort.
V
Diese schien ihm aber schon um deswillen den Vorzug zu verdienen,
weil sie Wiederholungen nur ausnahmsweise erforderlich macht und
bis zu einem gewissen Grade auch jenen Leser befriedigt, der mehr
von kulturgeschichtlichem Interesse als vom Sammeleifer geleitet zu
dem Buche greift.
Bei der Behandlung des Textes hat sich der Verfasser zum
Grundsatze gemacht, in jedem Stoffabschnitte nur die Haupttypen
der Betrachtung zu unterziehen und von einer Vorführung von Ab-
normitäten, die die Laune eines einzelnen veranlafst, abzusehen. Bei
der ungeheueren Mannigfaltigkeit der hier und dort üblich gewesenen
Formen war dies der einzige Weg, um einer Verwirrung zu entgehen.
Im weiteren hat der Verfasser von einer Erklärung alles dessen ab-
gesehen, was man bei einem gebildeten Leser von vornherein als be-
kannt voraussetzen kann.
In den einzelnen Abschnitten wird man unter den erklärenden
Figuren, die zum gröfsten Teile neue Beispiele bringen, hin und
wieder Typen vermissen, die in dem Abschnitte: „Der Harnisch für
den Mann in seiner Gesamtheit" zu finden sind; diese Beschränkung
war durch die Raumverhältnisse geboten. Die Vorlagen für die er-
läuternden Figuren sind womöglich nach Originalen gezeichnet und
dort entlehnt, wo sie dem Verf. zunächst zur Hand waren. Aus der
Waffensammlung des kaiserl. Hauses zu Wien sind selbstverständlich
vorzugsweise Stücke abgebildet. Zur Orientierung sei bemerkt, dafs
jene Abbildungen, auf welchen keine Bemerkungen über den Be-
wahrungsort des Urbildes oder die Entnahme aus anderen Werken
sich finden, Gegenstände der Waffensammlung zu Wien darstellen.
Zum Schlüsse sei es uns gestattet, allen Fachmännern, welche
uns in unserer Arbeit unterstützten, den besten Dank zu sagen. In
erster Linie nennen wir Herrn Graf Valencia de Don Juan in Madrid,
Herrn Major Angelucci in Turin, Herrn Oberst M. Thierbach zu
Dresden, Herrn Dozent Cornelius Gurlitt zu Berlin, Herrn C. Baz-
zero in Mailand, Herrn Comendatore N. Barozzi in Venedig, Herrn
Geheimrat H. Weifs zu Berlin, endlich Herrn Dr. Alb. Erbstein in
Dresden.
Wien, im März 1890. Wendelin Boeheim.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
EINLEITUNG. Die Entwickeluog des Waffenwesens in ihren Grundlagen i
I. Die Schutzwaffen 24
1. Der Helm 24
2. Der Haimischkragen 63
3. Das Artnyeug 67
4. Der Handschuh 79
5. Die Harnischbrust 93
6. Der Harnischrücken 109
7. Das Beinzeug III
8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit .... 120
g. Der Schild i6q
10. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch 193
11. Der Sporn . . 224
II. Die Angriffswaffen 229
A. Die blanken Waffen 22Q
1. Das Schwert 229
2. Das Kruimnschwert und der Säbel 271
3. Der Degen 281
4. Der Dolch . . . 291
B. Die Stangenwaffen 305
1. Der Spiefs 30 S
2. Die Helmbartc 330
3. Die Glefe und die Couse 342
4. Die Runka und die Partisane 348
S» Das Spetum, der Hakenspiefs, die Krie^sgabel und die Sturmsense 353
C. Die Schlagwaffen 357
1. Der Streitkolben 357
2. Der Streithammer, Faust» und Reiterhammer 363
3. Die Streitaxt 367
4. Handwaffen mit Schiefsvorrichtungen 379
y Google
Inhaltsverzeichnis. VII
S«Mtg
D. Die Fernwaffen 38s
I. Die Schleuder
1«S
2. Der Bogen
• 3S9
3. Die Armrust
401
430
469
6. Das Gewehrschloß
■ 473
7. Das Faustrohr und die Pistole
4S2
S. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente und Gerrite
. 4ss
E. Das Bajonett 497
F. Die Fahne und das Feldspiel ^oi
III. Die Turnierwaffen 317
IV. Bemerkungen fflr Freunde und Sammler von Waffen .... 572
1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Wafl'-n . . 572
2. Die Aufstellung der Waffen 582
3. Einige WTorte über die Erhaltung der Waffen 585
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen 59t
VI. Die hervorragendsten Waffcnsammlungen 622
623
3. Das königliche historische Museum und die königliche Gewehr-
624
4. Die Rüstkammer der Stadt Emden
62s
v Die gräflich Erbachsche Sammlung im Schlosse zu
Erbach
020
626
7. Die historische Waffensammlung in Kopenhagen .
627
8. Die Sammlung von Waffen im Tower zu London .
627
0 Die Anneria Real zu Madrid
62 S
lo. Das bayrische Nationalmuseum in München . .
62q
II. Das königlich bayrische Armeemuseum in München
• • • •
630
12. Die WatTensamtnlun^ des germanischen Museums zu
, Nürnberg
631
632
633
15. Fürstlich I Iohenzollersche^ Museum in Si^marinpen
634
16. Das Museum der Waffen und historischen Kostüme in
Stockholm
17. Die kaiserliche Waffensamralung zu Zarskoe-Selo .
635
636
20. Die Waffensammlung des kaiserl. Hauses in Wien
637
639
Google
VIII Inhaltsverzeichnis.
VII. Die Beschau- und Meistcrzcichcn und die Namen der Waffen-
schmiede mit ihren Marken 641
1. Deutschland and die habsburgischen Erbländer 644
2. England, Schweden, Dänemark 65 5
3. Frankreich 656
4. Belgien, Niederlande 659
5. Italien 660
6. Spanien, Portugal 666
7. Rufsland nnd der Orient 671
8. Monograamirten 674
y Google
EINLEITUNG.
Die Entwickelung des Waffenwesens
in ihren Grundzügen.
ingsumher alles vernichtend, brachen am Beginne des 4. Jahr-
XV hunderts die Hunnen in Italien ein. Durch sie gedrängt und
geschoben, wälzten sich die Germanen vor ihnen her, erfüllt von er-
erbtem Hasse gegen die Römer, voll Beutegier nach deren Schätzen.
Das germanische Volk hatte in Jahrhunderten römische Kultur vor
Augen gehabt, aber tiefe Gegensätze im nationalen Wesen waren Ur-
sache, dafs ihm diese in ihrem Geiste stets fremd geblieben war. Von
den Urzeiten her war der germanische Mann eine Macht für sich,
er und seine Sippe waren in seinem Sinne ein Staat; erst als die
Römer ihn bedräuten, da übermannte ihn zum erstenmale das
Gefühl seiner Schwäche, da sah er sich widerwillig veranlafst, sich
mit den Stammesgenossen zu vereinigen und einen Herrn über sich
anzuerkennen, der ihn leitete und dem er um seiner selbst willen
gehorchen mufste. Im hohen Norden Europas wohnten Völker-
schaften mit einer abgeschlossenen Cultur, die, an sich nicht unbe-
deutend, doch aus Mangel an Nahrung von aufsen her zu erstarren
drohte. In ihren sozialen Verhältnissen ähnlich den Germanen, bildeten
sie nur eine Zahl von Familien, deren jede sich selbst regierte.
Zu ihrem Unterhalte gröfstenteils auf die Jagd nach gefährlichem
Wilde angewiesen, waren sie gewandt in der Führung ihrer einfachen
Waffen, kräftig infolge der Mühseligkeiten des Erwerbes, mutig
durch die Gewohnheit der Gefahr. So waren auch die Waffen,
welche die Germanen gegen den Konsul Papirius gebrauchten, die-
selben, welche ihnen bisher zur Jagd nach dem Ur und dem Bären
gedient hatten, nur den Schild fügten sie bei, den sie bei den
Feinden erblickten; er war aber nicht von Erz oder Eisen, sondern
von Weidengeflecht und mit ungegerbtem Felle eines Tieres über-
zogen.
t
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2
Einleitung.
Näher der Gesittung standen die transalpinen Gallier; durch
die Jahrhunderte währende Berührung mit den Römern hatten sie
vieles von deren Wesen sich angeeignet, manches angenommen, was
äufscrliches Gehaben, Lebensart und die Art der Kriegführung be-
trifft, aber im innersten Kerne ihrer Natur waren sie doch eigen-
artig geblieben und fühlten ihre Verwandtschaft mit den barbarischen
Stämmen im Osten.
Zur Zeit des Beginnes der Völkerwanderung war auf dem
weiten Gebiete von der Wolga bis an den Ozean unter den
Hunderten von Stämmen der verschiedenartigsten nationalen Her-
kunft die Kultur keineswegs in jener Gleichmäfsigkeit verbreitet, wie
im weströmischen Gebiete am Ausgange seiner ruhmreichen Periode.
Im Gegenteil sind die bisherigen Anzeichen deutliche Zeugen dafür,
dafs damals die verschiedensten Kulturgrade vom rohesten Zustande
bis zu einem verhältnismäfsig wohlentwickeltcn in den zahlreichen
Völkerfamilien herrschend gewesen sind. Wenn wir die bisherige
Einteilung in eine Stein-, eine Bronze- und eine Eisenzeit in unserer
vorgeschichtlichen Periode, als unter Bedingungen richtig, hier zur
Grundlage nehmen wollen, so treffen wir doch alle diese zu gleicher
Zeit in den Gebieten Nordeuropas. Wir finden weite Gebiete, deren
Bewohner das Metall nicht kannten, ebenso wie solche, in denen
sich die darin Wohnenden des Erzes bedienten, das ihnen im Wege
des Handels zugekommen war; endlich treffen wir auf zahlreiche
Völkerschaften, welche das Eisen nicht nur kannten, sondern selbst
bereiteten und verarbeiteten. Sicher ist anzunehmen, dafs viele der
nach dem Süden ziehenden Völker auf ihrem Zuge durch die norischen
Alpen ihre Bewaffnung erst dort vervollständigten, dort das Eisen
erst anders betrachten lernten als der Arme das Gold.
Der gewaltige Gegensatz des Wesens der nun auf die Welt-
bühne tretenden Völker zu jenem der antiken Kultur angehörigen
macht sich in der Form der Waffen deutlich ersichtlich. Die An-
griffswaffen der Römer, der Byzantiner etc. bestanden in dem dünn-
schäftigen Spiefse der lancea, quiris, dem Wurfspiefse, hasta, pilum,
dem kurzen Schwerte für den Nahkampf, dem Dolche, dem Bogen
und, bei einigen Nationen, auch der Schleuder. Die Schutzwaffen
wurden allmählich leichter, der Harnisch dünner und bequemer, der
Helm kleiner. Zwei eigenartige Rüststücke erhielten die Römer der
Spätzeit aus dem Oriente, das Drahtherad und den handlichen
kleinen Rundschild. Diesen entgegen stand eine Unzahl von Be-
waffnungsarten bei den im Norden auftretenden Völkern, je nachdem
dieselben mehr oder minder vom Oriente her beeinflufst waren.
Aus dem bunten Durcheinander tritt uns aber mit verhältnismäfsiger
Deutlichkeit die nordische und germanische Bewaffnung entgegen,
die aus der kräftigen Natur jener Stämme und ihrer Fechtweise sich
ergab. Was auf die Waffenform bei barbarischen Völkern zunächst
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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
3
bestimmend wirkt, das ist der Effekt im einzelnen*). Dieses Streben
nach Effekt äufsert sich deutlich in der Bewaffnung des körperlich
kräftigen, robusten Volksstamraes der Germanen. Diesen erschienen
die Waffen der Römer wie Spielzeug, ihren Armen entsprach viel
besser die Keule, die Axt, das Schwert mit langer Klinge und der
Spiefs, dessen Schaft in der Hand zu fühlen war. In den frühesten
Sagen der Germanen erscheint der eiserne Hammer (mjölnir, der
Zermalmer) des Donnergottes Thor. Er stellt die Waffe der ger-
manischen Urzeit vor. Die Einführung des Schwertes bedeutete
bereits einen mächtigen Vorschritt in der Kultur. Schon vor ihrer
Berührung mit den Römern führten die deutschen Völker die zwei-
schneidige Spatha. Der Sax war aus dem gemeinen Messer entstanden.
Für' den Kriegsgebrauch verlängerte sich derselbe und erhielt eine
enorme Zunahme an Gewicht Er wird unter den Burgundern,
Alemannen und Franken zum Langsax, endlich zum Scramasax, der,
mit zwei Händen geführt, als wuchtiges Hiebmesser, gleich einem Beile
wirkte. Die nordischen Völkerschaften wie die Römer, beide sahen
sich in der Folge das Vorteilhafteste ab. Von den Germanen ge-
langt ursprünglich das Langschwert, die Spatha, zu den Galliern, von
diesen zu den Römern, jene entnahmen für sich den Schild und
später auch den Dolch.
Mit dem Einbrüche morgenländischer Völker im 4. Jahrhundert
machten sich nicht unwesentliche Veränderungen in der Bewaffnung
auch der nordischen Völker geltend. Von Osten her kam die Sitte,
den Körper mit hieb- und stichsicheren Kleidern zu bedecken, in
anderer Art wie die Römer, nicht durch geschlagene Platten, sondern
durch Jacken und Beinkleider aus starkem Leder, mit Ringen benäht
oder durch aufgenietete eiserne Scheiben verstärkt. Von Osten her ge-
langt ferner der orientalische spitze Helm und die Halsbrünne, die
mit Veränderungen sich durch ein volles Jahrtausend erhält. Es
unterliegt keinem Zweifel, dafs der Einflufs gewisser orientalischer
Völkerschaften, die den Westen betraten, einen kulturellen Einflufs
auf die Germanen gehabt hatte; es kennzeichnet sich dieses auch in
der Verfeinerung der Formen sowohl, als in der Aufnahme von
Waffen, die der Deutsche bisher mit Verachtung angesehen hatte.
Wir finden nämlich vom 4. ins 5. Jahrhundert die eisten Spuren
der Verwendung von Helmen, des ledernen, eisenbesetzten Panzers,
des Bogens unter germanischen Stämmen. Damit waren die Elemente
für die kriegerische Ausrüstung gegeben, welche im ganzen Mittel-
alter üblich gewesen ist.
*) Bei dem Mangel jeder Kriegskunst ist es natürlich, dafs der Einzelne
nur den Erfolg seiner eigenen Thätigkeit in Betracht 10g und für den Wert einer
Gesamtwirkung nicht das Verständnis besafs. Eine gröfsere Massentaktik,
bei welcher naturgem&fs der Einzelne in der Menge aufging, stand überhaupt im
Gegensatze mit der germanischen Idee des Heldentums.
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4
Einleitung.
Bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts waren die Länder bis
an die Donau von Römern besiedelt, welche die politische und
militärische Führung der unter ihnen wohnenden barbarischen Stämme
als ihr Recht betrachteten. Bis in jene Zeit war auch die Bewaffnung
der letzteren eine der römischen wenn nicht gleichende, doch ähnliche.
Mit dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft, am Ende des
Jahrhunderts, kam auch dort unter den Barbaren die ihrer Eigenart
entsprechende Bewaffnung mehr und mehr zur Geltung. Es war eine
wenn auch einfache, doch der kräftigsten Offensive entsprechende
Bewaffnung, gegen welche jene der Römer an Wirksamkeit weit
zurückstand.
Die Entwicklung des Waffenwesens in Europa ist oft wiederholt
durch den Orient gefördert worden; die erste Beinflussung derselben
macht sich, soweit wir heute ermessen können, in der Völker-
wanderung kenntlich. Wieweit derselbe sich erstreckte, darüber
fehlen uns noch die Belege, aber wir ersehen gewisse Spuren einer
Umgestaltung, die eine Einwirkung von Osten her zweifellos er-
scheinen läfst. Es ist, beispielsweise bemerkt, ein nicht unwichtiges
Symptom für eine Verfeinerung der Bewaffnungsart, dafs die rohe
Axt, die Wurfaxt der Franken im 6. Jahrhundert, zur Zeit Gregors
von Tours noch die Waffe jedes Mannes, nun immer seltener wird
und im 8. Jahrhundert nahezu völlig dem Langschwerte weicht. In
den folgenden Perioden ist nur ein bestimmter Prozentsatz unter
den Spiefsträgern mit Äxten ausgerüstet, der im 12. Jahrhundert
völlig schwindet.
Im grofsen und ganzen mag es als richtig erscheinen, dafs.
wie die Bewaffnung der Römer auf jene der Griechen sich zurück-
führen läfst, so die Bewaffnung der Perser den Grundtypus für die
gesamte Formenbildung im Oriente bildete. Es genügt ein Vergleich
der Bewaffnung der Perser auf antiken Denkmälern mit jener des
gesamten riesigen Gebietes des Orientes aus späterer Zeit, um die
Anfänge der Gegensätze in der Formenbildung zu erkennen. Der
konservative Geist der orientalischen Völker zog auf diesem Gebiete
noch engere Grenzen, um diese Gegensätze frappanter erscheinen zu
lassen.
Ein für den Stand unserer Forschung frühes Beispiel orien-
talischen Einflusses bietet sich in der Thatsache, dafs die Reiterei
der Bretagne im 9. Jahrhundert bereits vollkommen nach der Kampf-
weise der Mauren eingeübt und nach ihren Mustern bewaffnet war.
Unter Karl dem Grofsen stand das germanisch-fränkische Reich
auf dem Höhepunkte seiner Macht. Wie dieser grofsc Herrscher
sein gewaltiges Reich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend nach
allen Richtungen hin umbildete, so ordnete er auch, um dasselbe
nach aufsen widerstandsfähig zu gestalten, dessen Heerwesen durch
Regelung des Heerbannes, Organisierung der Massen und deren
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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aber
weit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmafsregel. Karls
des Grofsen Piinzipien in der Heeresbildung mufsten in einer um-
fassenderen Anwendimg zu einer vollständigen Umbildung der sozialen
Verhältnisse unter den Germanen führen, sie führten auch dahin,
vom Gesichtspunkte der Politik betrachtet nicht zum Vorteile des
Volkes, nicht zum Vorteile des Herrschers, der zwischen seinem
Volke und sich selbst eine dritte Macht aufbaute, die seinen
Nachfolgern bald gefährlich werden sollte. Schon durch die Kriege
vor Karl dem Grofsen wurden zahlreiche Stämme unfrei und ge-
langten in die Dienstbarkeit der siegreichen Anführer. Mit der
Heeresorganisation dieses Kaisers und bei den langwahrenden Kriegen
in entfernten Ländern wurde die Heeresfolge für zahllose Freie so
drückend, dars diese sich freiwillig in die Dienstbarkeit Mächtigerer,
Wohlhabenderer begaben , die sie im Felde nun unterhalten mufsten ;
sie gaben ihr Besitztum an Land dahin, um es als Lehen wieder
zurückzuerhalten. So bildeten sich Lehensherren und Hörige. Aus
ersteren, die rasch zu Macht und Reichtum gelangten, bildete sich
durch die Erblichkeit der Adel, das Rittertum, das auf das Staats-
leben allmählich mächtiger einwirkte und dem gesamten Mittelalter
seine Physiognomie gab.
Für Karl den Grofsen war in seinen Bestrebungen, eine Reiterei
zu schaffen, die Erstarkung Einzelner von nicht zu läugnenden mili-
tärischem Vorteile. Jeder seiner eigenen Lehensleute, jeder Freie
mufste mit seinen Mannen zu Pferde erscheinen und sich unter dem
Hauptbanner scharen. Daneben folgten die Unfreien und Knechte
zu Fufs, teils als Spiefsknechte , teils als Schützen. Aus diesem
Verhältnisse gestalteten sich erst die Begriffe von „vornehm" und
..niedrig", die vorher dem germanischen Volke nahezu fremd ge-
wesen waren. Durch die soziale Bedeutimg dieser Bevorrechteten,
durch das Vertrauen des Herrschers auf seine Lehensleute und
Vasallen wurde die Reiterei zur Hauptwaffe. Die Reiter- oder
Ritterschaft sah in sich selbst nicht nur den Kern des Heeres,
sondern das Heer selbst. Diese Organisation des Heerwesens war
so lange von Wert, als die übrigen Völker von ähnlichen Meinungen
befangen waren; sie entsprach dem germanischen Charakter noch
immer durch die Selbstschätzung des Einzelnen, durch Reste alten
Heldentumes, die aus dem Gebilde hervorschimmerten.
Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige
Veränderung der Bewaffnung ein. Das Langschwert, schon von den
Merowingern, den Franken, geführt, wurde nun zur Hauptwaffe der
Ritterschaft und zum Attribute des freien Mannes. Aber daneben
machte sich auch der Wert des Reiterspiefses geltend, den die im
5. Jahrhundert hereingebrochenen Völker aus dem Oriente mitgebracht
hatten. Seine Bedeutung für den ersten Anstofs an den Feind
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Einleitung.
wächst mit ungemeiner Raschheit. Der lange Schild, so unbequem
auch für den Reiter, konnte bei dem unvollkommenen Stande der
Kriegskleidung nicht entbehrt werden. Der Helm, noch halbkugel-
förmig, selten spitzig zulaufend, wird über die Halsbrünne gesetzt,
der Haubert sackartig geschnitten reicht bis über die Kniee hinab.
In dieser Ausrüstung erschienen die Deutschen zum erstenmale in der
Schlacht bei Merseburg (933) gegen die Ungarn, und der über-
raschende Erfolg gegen ein vollkommen orientalisch ausgerüstetes und
ganz nach Art der Morgenländer fechtendes Heer führte zu dem Glauben
der Unübertrefflichkeit einer schweren Reiterei. Diese bald allgemein
gewordene Vorstellung wurde selbst durch die herben Erfahrungen in
den Kreuzzügen nicht ganz berichtigt. Für den Fufsknccht gab es
keine Regel, er handhabt den oft selbstgefertigten Streitkolben, das
Lleil, den Spiefs mit starkem Schafte. Bogenschützen bezogen die
deutschen Herrscher meist aus fremden Ländern. Hier zeigen sich
die ersten Anfänge des Söldnerwesens. Nicht so entschieden wie
in Deutschland und Frankreich hatte sich das Rittertum in Italien
herausgebildet. Es war zu jeder Zeit weniger zahlreich, aber bald
mächtiger und ungeberdiger. In Venedig und Genua herrschte der
Adel in seiner Vereinigung, anderwärts warfen sich die Mächtigeren
zu Alleinherrschern auf, zahlreiche kleinere Staaten bildend. Das Volk
in Masse war vom Altcrtume an unfrei und überlastet. Bei dem
mafslos ehrgeizigen Streben der zahlreichen Herrscher mufste sich
hier zuerst ein Söldnerwesen herausbilden. Im frühen Mittelalter
war die Bewaffnung in Italien noch nach antikem Zuschnitte, ander-
weitige Einflüsse machten sich nur vom Oriente her geltend, die
Intelligenz dieser Nachkommen der Römer, deren bewegliches Naturell
thaten das übrige, um die Bewaffnung gegen jene der Deutschen •
eigenartig erscheinen zu lassen. Dabei ist nicht zu übersehen, dafs
das Fufsvolk von jeher in Italien die Hauptwaffe war und auch im
allgemeinen blieb. Erst im 12. Jahrhundert zeigen sich Bestrebungen,
um sich deutsche Fechtweise anzueignen; trotzdem gelangte das Fufs-
volk als Waffe nicht zu jener Mifsachtung wie in Deutschland.
Der Grundcharakter der italienischen Bewaffnung war ihre
Leichtigkeit. Die Schwerter waren kurz und spitz zulaufend, daher
auch auf den Stich berechnet, die Spiefsklingen schmal und nicht
selten mit Widerhaken verschen, die Spiefsschäfte lang und dünn,
der Schild kreisrund von geringem Durchmesser, der Dolch war
häufiger in Anwendung. Der Helm deckte nach Art einer Haube den
ganzen Kopf. Die Hauberte erschienen in verschiedenster Ausstattung:
als Schuppenwerk, mit aufgenieteten Ringen oder Plättchen oder als
Maschen panzer, immer aber kürzer und leichter als die der Deutschen.
In Spanien traten nur die Keltibcrcr in ihrer Bewaffnung aus
dem antiken Rahmen heraus. Sie trugen lange, zweischneidige
Schwerter, kleine, aus Tierschnen geflochtene Schilde und ganz aus
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Die Entwickelung des Waffen Wesens in ihren Grundziigen.
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Eisen bestehende Wurfspiefse mit Widerhaken, die sie mit ungemeiner
Sicherheit handhabten. Als die trefflichsten Schützen waren sie auch
Feinde jeder Harnischtracht und trugen nur eherne Helme.
In Byzanz begegnen wir den ältesten Soldtruppen. Ihr Auf-
treten ist immer ein Symptom der Schwäche einer Nation. Mit dem
System ist aber auch schon der Beginn einer gleichförmigeren Be-.
waffnung gegeben, die im absterbenden oströmischen Reiche eine
vom Oriente überaus stark beeinflufste gewesen war. Sie war immer
eine vorzügliche, ja musterhafte an sich, geeignet, eine Welt zu erobern;
wenn trotz vieler Siege, die die Geschichte von Byzanz auf ihren
Tafeln verzeichnet, der politische Erfolg weit hinter dem stolzen
Streben blieb, so ist die Ursache nicht in der Ausrüstung, sondern
in der inneren Schwäche des Staates selbst zu suchen, die die Miet-
linge mit allen ihren Heldenthaten nicht verdecken konnten.
Für die Entwickelung des europäischen Waffenwesens ist keine
Periode bedeutungsvoller als jene vom i o. ins 1 1 . Jahrhundert. Der
Anstofs hierzu war von einem nordischen Volke gegeben, das schon
vom 8. Jahrhundert an durch seine abenteuerlichen Kriegszüge der
Schrecken Mitteleuropas geworden war, den Normanen. Von jenem
Zeitpunkte (912), als sie sich im Norden Frankreichs festgesetzt
hatten, nahmen sie regen Anteil an der Entwickelung des ritterlichen
Wesens; bei ihrem Talente, ihrer Regsamkeit und Thatenlust erschie-
nen sie bald als die ersten Kriegsmeister, die allenthalben, was den
Krieg, seine Mittel und seine Führung betraf, als Beispiel und Muster
angesehen wurden. Was die Normanen in der Pflege des Kriegs-
wesens ungemein unterstützte, das war ihre Kenntnis der Welt, ihr
freier Blick, mit dem sie sich alles rasch aneigneten, was einen
besseren Erfolg versprach. Schon im 9. Jahrhundert waren sie nach
Andalusien gekommen, hatten sich an den afrikanischen Küsten fest-
gesetzt, hatten Italien überzogen und in allen diesen Ländern unter
Feuer und Schwert eine überlegene Kriegsgewandtheit errungen und
vieles sich angeeignet, was ihnen von Nutzen schien. So hatten sie
auch im Waffenwesen eine bedeutsame Umbildung angebahnt und
durchgeführt, welche als die Grundlage für das ganze Mittelalter an-
zusehen ist; eine Umbildung, welche der feudalen Gestaltung ihrer
Organisation und ihrer offensiven Taktik entsprach; die Elemente
dazu hatten sie sich zum grofsen Teile bei den orientalischen Völkern
geholt. Blicken wir auf die Tapete von Bayeux mit den Darstellungen
der Eroberung Englands (1066), die den letzten Jahrzehnten des
n. Jahrhunderts entstammt, so sehen wir auf den ersten Blick in
der Bewaffnung den orientalischen Einflufs, wenn auch eine Weiter-
bildung nach eigenen nationalen Anschauungen nicht zu verkennen
ist. Wir sehen dort zum erstenmal neben dem antiken pilum den
spitzen Helm mit dem charakteristischen Naseneisen, die Brünne, den
eng anliegenden Haubert, den langen Reiterspiefs, aber wir bemerken,
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Einleitung.
dafs der Normane wie der Sachse seinen nationalen grofsen Schild,
das lange Schwert, die beide sich in der damaligen Fechtweise bewährt
hatten, beibehalten hat. Im schweren Fufsvolke erscheinen neben den
langen, starken Spiefsen noch immer, wenn auch geringer an Zahl, die
Streitäxte, und den Fernwaffen, dem Bogen, der Schleuder, wird ganz
im Geiste des Rittertums nur zur Einleitung des Gefechtes eine Ver-
wendung gegeben. In der Ausrüstung der Reiterei ist gegenüber
jener des Fufsvolkes noch wenig Unterschied zu bemerken, nur der
lange Schild wird unterhalb spitz zugeschnitten; diese Form erschien
zu Pferde bequemer. Noch wird der Spiefs mit freiem Arme geführt
und das Schwert, gleich den Orientalen, erst in dem Augenblicke ge-
zogen, wenn der Einbruch in die feindliche Linie erfolgt war, wobei
jeder einzelne seinen Gegner sich suchte, mit dem allein er um die
Siegespalme rang.
Um den kräftigen Einflufs des Orientes auf die Bewaffnung der
Normanen erklärlich zu finden, darf man unter anderem nur an
Harald III., Haardraade erinnern, der zehn Jahre (1033 — 1043)
unter fortwährenden Kämpfen mit den Sarazenen in der kaiserlichen
Leibwache zu Byzanz diente.
Das Ende des II. Jahrhunderts bezeichnet den Beginn der
Kreuzzüge. Der kriegerische Sinn, der Drang nach Thätigkcit, der
alte Hang nach einem abenteuerlichen Leben waren Ursache, dafs die
Normanen die Idee einer Eroberung des Heiligen Landes mit Be-
geisterung ergriffen und rasch auch die Franzosen für selbe gewannen.
Die langen und erbitterten Kriege mit den Scldschukken und Arabern
bildeten eine tüchtige Schule für die abendländischen Völker. Schon
die ersten Berührungen mit dem Feinde erregten das Staunen der
abendländischen Ritterschaft. Sie sah sich einer Reiterei von un-
gemeiner Zahl gegenüber, die jedem ihrer schwerfälligen Stöfse aus-
wich, um, rasch wieder gesammelt, gegenteilig anzugreifen. Eine solche
Reiterei erschien unbesiegbar. Der Bogen war längst bekannt, aber
einen solchen Pfeilhagel, von Reitern und Fufstruppen ausgegangen,
hatte sie nie gesehen. Die Wirkung der Fernwaffe war erschreckend,
und besonders litt der Pferdestand darunter. Mit Entsetzen sahen
die Ritter eine Reiterei vor sich, beweglich, ausdauernd, die alle
Waffen handhabte: Spiefs, Streitkolben, Beil und Bogen; ein Fufs-
volk, das, in einigermafsen günstiger Stellung, sich eher vernichten
liefs, als dafs es gewichen wäre. Hin grofser Teil desselben führte
eine ungekannte Fernwaffe, deren Geschosse selbst in den Haubert
einzudringen vermochten, die Armrust. In England und Brabant
suchte man die orientalische Fechtweise nachzuahmen und errichtete
schon um 1280 berittene Bogenschützen. Wie in der Taktik, so
lernten die Europäer auch in der Bewaffnung den weitaus kriegs-
gewandteren Orientalen manches ab. manches änderten sie sclbst-
ständig daran, um ihren Gegnern ebenbürtig zu begegnen. So ent-
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Die Entwickclung des Waffenwesens in ihren Grundzügen
9
nahmen die Abendländer von den Orientalen das Krummschwert, den
leichten Reiterspiefs (pennon), den verbesserten Bogen und die Armrust.
Das wichtigste Ergebnis aber war die Entwickelung des Rittertums im
normanischen Geiste, gefördert durch die dort aufgetretene Notwendig-
keit eines engen Zusammenhaltens und durch das nachahmenswerte
Beispiel ritterlichen Sinnes unter den Orientalen. Das Rittertum ist
auf der Schätzung des persönlichen Wertes aufgebaut, dieser Grund-
zug seines Wesens wurzelt in alten deutschen und nordischen Tra-
ditionen einer den späteren Generationen ehrwürdigen Heldenzeit.
Auf den Sandfeldern Palästinas unter französischen, normannischen und
deutschen Herren entstand das Turnier als Scheinkampf zwischen
Scharen oder Einzelnen. Es fand seinen Ursprung nicht in dem Streben,
sich im Gebrauche der Waffe zu üben, sondern in der Rivalität der hier
vereinten nationalen Parteien, in denen jeder einzelne seine kriege-
rische Tüchtigkeit vor den anderen darzuthun bestrebt war. Das
Turnier als Scheinkampf ist nicht aus romanischem Geiste erwachsen.
Schon Tacitus erwähnt in seiner Germania (Kap. 24) die Lieb-
haberei der Deutschen an Scheinkämpfen, und Nithart, der 844 schrieb,
erzählt von den Waflenspielen im Heere Ludwigs des Deutschen.
Diese älteren Waffenspiele waren Kämpfe in geteilten Haufen, die
man mit dem Namen »buhurtt bezeichnete. Aus der Selbstschätzung
des einzelnen und durch den Umstand, dafs später der Ritter durch
seine Bewaffnung vollständig vermummt erschien, erwuchs das Bedürfnis,
sich durch bestimmte Abzeichen zu unterscheiden. Damit bildete sich
die Heraldik heraus, die, anlänglich so einfach, schön und sinnig,
später als Kunst von dunkler Symbolik eingezwängt, ihren ursprüng-
lichen Charakter verlor. Bis ins 14. Jahrhundert bestand kein Unter-
schied in der Bewaffnung des Turniers mit jener im Kriege. Von
da an trennten sich allmählich die Formen. Mit der Verschiedenheit
der Streitmittel erhielt das Tumier eine eigenartige Physiognomie; es
verlor den ernsten, bedeutsamen Untergrund und wurde unversehens
zum inhaltlosen Spiele nach gewählten Regeln, die mit dem Kriegs-
handwerke nichts mehr gemein hatten. Damit entgeistigt, ging das
Turnier den Weg aller müfsigen Spiele. Zunächst erkennt man das
Streben nach äufserlichem Effekt bei möglichster Gefahrlosigkeit,
endlich wird es zur aufgeputzten Komödie, und die Bemühungen der
Besten jener Zeit, wie Gastons de Foix, Wilhelms IV. von Baiern,
Albrecht Achilles von Brandenburg, Maximilians I. u. a., vermochten
dem Turnier nimmermehr jene ernste Bedeutung zu verleihen, die es
im 14. Jahrhundert noch besafs; es war mit dem Rittertume selbst
zu Grabe gegangen.
Hoch bemerkenswert sind uns die Kreuzzüge im Hinblicke auf
die Erfahrungen im Kriegswesen und die auf selben beruhende Be-
waffnung. Gegen die meist aus leichten Reitern bestehenden Heer-
haufen des Feindes und ihre eigentümliche Gefechtsweise schien sich
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Einleitung.
vom Beginne an eine vollkommen geänderte Taktik zu empfehlen.
Nicht nur aus dieser Ursache, sondern durch die ungünstigen Boden-
verhältnisse veranlafst, mufste dem Fufsvolke schon im ersten Kreuz-
zuge ein bedeutenderer Wirkungskreis eingeräumt werden, als ihm
bisher vergönnt war. Die schweren Reiterscharen der Europäer
konnten nur im geraden Stofse eine Wirkung erreichen. Schon bei
Antiochia (1097) hatten die Ritter aus Not es vorgezogen, dem An-
griffe des Feindes zu Fufs zu begegnen, und hatten damit einen
ungemeinen Erfolg erzielt Hundert Jahre später, im dritten Kreuz-
zuge, wiederholte Richard I. von England 1192 bei Joppe diesen
Versuch mit dem gleichen überraschenden Erfolge. In seiner Stell-
ordnung, die er den alten Regeln der Griechen, des Atheners Cha-
brias, entlehnte, äufsert sich deutlich die zur Zeit allgemein geteilte
Überzeugung, dafs die Kriegskunst seit dem Zusammenbruche des
Römerreiches auf Abwege geraten, dafs sie da wieder aufgenommen
werden müsse, wo sie abgebrochen war.
Aber von der Erkenntnis bis zur allgemeinen Durchführung war
noch ein weiter Raum. Die innere politische Verfassung, das noch
immer kräftige Lehenswesen, das mit dem ganzen Kriegswesen im
innigen Verbände war, ljcfs eine Änderung in der Streitweise nicht
zu; nach Europa zurückgekehrt, war auch die Notwendigkeit einer
solchen weniger gefühlt; da traf doch ein Lehensheer wieder das
andere; nur in Italien und gegen die Städte war Vorsicht nötig, aber
der Krieg gegen diese bestand doch zumeist in Belagerungen. Im
Norden Europas wurde der Krieg allerdings nur von einem tüchtigen
Fufsvolke geführt, wie unter den Stedingern und Friesen, aber die
Ereignisse dortselbst waren doch zu wenig bedeutend, um Aufmerk-
samkeit zu erregen. Eine überraschende Katastrophe mufste kommen,
um eine Umänderung der Organisation und Streitweise in Aus-
führung zu bringen.
Je mehr die Lehenschaft ihre Wichtigkeit fühlte, desto mehr
suchte der einzelne darin seinen Wert und seine Unentbehrlichkeit
festzustellen. Diese übertriebene Selbstschätzung führte zu einer Zeit,
als schon die ersten Symptome einer Verrückung des bisherigen
Schwerpunktes in den Waffengattungen wahrnehmbar wurden, zu
einer ebenso übertrieben schweren Bewaffnung. Der einzelne wollte
nicht allein als Held, sondern auch »absolut unverwundbare erscheinen;
das führte zu einer ungemein schweren Ausrüstung des Reiters mit
Topfhelm und anderen Schutzwaffen, die auf dem orientalischen
Kriegstheater im argen Mifsverhältnisse mit dem Klima daselbst und
der eigenartigen Fechtweise des Feindes stand. Was nützte die all-
mähliche Verkürzung des gewichtigen Haubert, die Verbefserung des
Schutzes der Beine, die dadurch ermöglichte Verkleinerung des
Schildes, wenn die Notwendigkeit hinwieder zur Verstärkung des Leib-
hamisches durch immer gröfsere Eisenplatten zwang? Der Reiter
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•
Die Entwickclung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. 11
erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Rofs
brach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht im stände,
sich vom Boden zu erheben. 'Wie seine Schutzwaffen, so nahmen
auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spiefs wurde starker
im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit
frei erhobenem Arme geführt, sondern mufste zum Stofse in die
Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg
bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen
in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener
Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand
in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen,
in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das mifsachtete
Fufsvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte,
gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet
seine Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war.
Daneben fehlt es nicht an Beispielen, dafs einsichtsvolle Herrscher
wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche
ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja
Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heere neben Deutschen
auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sicilien, deren Fechtweise
im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römer-
zug Heinrichs VII. (13 10 — 1313) bildete den letzten Triumphzug
der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf
( 1 3 1 5) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft
den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moor-
garten.*) Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffnetcn, aber mora-
lisch tüchtigen Jjufsvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von
übertriebenem Selbstbewufstsein befangene Ritterschaft Deutschlands
und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber
die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte
und wollte sich von dem Dienste zu Pferde nicht lossagen und ver-
meinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fufs ihren alten
Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweg-
lich, für den Fufskampf ungeschult, war sie nur für die starrste
Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386
und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom
Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm
des schweizerischen Fufsvolkes her.
So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine voll-
ständige Umwälzung der Kriegführung angebahnt, das Kriegswesen
•) Die Ursachen der Niederlagen gegen die Schweizer sind, wie wir nicht
verschweigen dürfen , in der überlegenen Taktik der letzteren zu suchen , die aber
auch mit der Bewaffnung in besserem Einklänge war, als bei ihren Feinden.
Gerade am Moorgarten konnte der Reiterei nur eine Reservestellung zugetheilt
werden; das liess aber der Hochmut der Ritterschaft nicht zu.
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12
Einleitung.
selbst aus der Erstarrung gerissen, der es verfallen war. Auf die
Ritterschaft hatte dieser Schicksalsschlag eine demoralisierende Wir-
kung, die durch die Schwäche der Reichsgewalt nur noch gesteigert
wurde. Zunächst merkt man die Scheu, in gröfserem Verbände zu
fechten; in kleineren Geschwadern waren sie aber auf Beweglichkeit
angewiesen. Das führte zu einer relativen Erleichterung der Schutz-
waffen. Der Topf heim verschwindet, an seine Stelle tritt die
Beckenhaube, das Bafsinet, den sackförmigen Haubert ersetzt der
geschmeidigere Lentner, der sich mehr an die Körperform anschlofe.
Dadurch wird die Reiterei entschieden handsamer und beweglicher.
Aber ihre Prozentzahl im Heere schwindet bedeutend, während die
des Fufsvolkes progressiv wächst. Dem Fufsknechte wird in seiner
Ausrüstung in Schallern oder Eisenhut, mit Spiefs und Schwert mehr
Sorgfalt zugewendet. Armrust und Bogen wird zahlreicher und mit
mehr Bedacht benutzt und in den Heeren der ersten kriegführenden
Mächte tauchen um 1330 einzelne fremde Wundermänner auf,
welche zum Erstaunen von Freund und Feind die Donnerbüchse
handhaben.
Weit vor Erfindung und Anwendung des Schiefspulvers hatten
Mangel an Vaterlandsliebe, Eigensucht und Hoffart das Rittertum
und damit auch die Lehensheere dem Verfalle entgegengeführt, wenn
auch die letzten kümmerlichen Reste erst dann sich verloren, als
Mut und Kraft des Einzelnen an Wert einbüfste, und Todesgefahr
den Reiter früher treffen konnte, bevor er selbst sie dem Feinde
bringen konnte.
Wenn wir die Perioden des Mittelalters bis ans Ende des
14. Jahrhunderts überschauen, so sehen wir, dafs das Rittertum
einem Elemente erlag, das anfanglich tief verachtet, allmählich zu
hoher Bedeutung gelangte, dem Volkselemente, dem Bürgertum.
Die Staatsweisheit nötigte die Herrscher immer mehr, dieses zu
schützen; sie folgten aber damit nicht einem Herzenszuge, sondern
nur der Not. Die Prinzipien des Rittertums waren so ehrenhaft,
dafs ihr Erlöschen nur mit tiefem Leid gesehen werden konnte. In
seinem Kodex stand anfänglich für den Krieg keine Arglist, kein
Überfall, kein Angriff aus der Ferne von sicherem Winkel aus.
So wenig das zu den Bedingungen der Kriegskunst stimmen mochte,
man konnte der reinen Anwendung der virilen Kraft, geleitet durch
einen heldenhaften Geist, seine Bewunderung nicht versagen. Als
die Zahl derer immer mehr zunahm, die den Traditionen des Adels
untreu wurden und den ritterlichen Waffengang, oft schmutzigster
Natur, ausfochten mit den Mitteln der Volkselemente, da demokra-
tisierten sie sich selbst, und verleugneten das Andenken ihrer helden-
haften Ahnen.
Worin aber lag die äufserliche Ursache der vorschreitenden
Demokratisierung der Heere? Sie rindet sich deutlich in der all-
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Die Entwickclung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
13
gemein sich hebenden Technik, welche immer wirksamere Mittel des
Angriffes und der Abwehr lieferte. Naturkräfte wurden vom Banne
erlöst und mit Scharfsinn verwendet, das Bearbeiten der rohen Stoffe,
vorwiegend des Eisens, entwickelte sich und der Schleier des Geheim-
nisses, der die Thätigkeit umgab, lüftete sich immer mehr. Alle die
zahllosen neuen Mittel lieferten die Volkskreise.
Die bedeutsamste Erfindung, welche die Kriegskunst in voll-
kommen neue Bahnen lenkte, war die des Schiefspul vers. Es ist
ganz überflüssig, darüber nachzugrübeln, wann dasselbe erfunden
wurde; viel wichtiger raufs es uns hier sein, zu wissen, wann dasselbe
begann, eine allgemeinere Anwendung zu finden. So viel ist als er-
wiesen anzunehmen, dafs das Feuer bereits im Altertume als Mittel
im Kriege erscheint. Kallinikos aus Heliopolis teilte das Geheimnis
der Bereitung des „griechischen Feuers" bei der Belagerung Kon-
stantinopels 668 n. Chr. dem Kaiser Konstantin Pogonatus mit. Aus
diesen und anderen Andeutungen ist zu entnehmen, dafs das Schiefs-
pulver seine Entstehung als eine Art Brandsatz gefunden hat und
nur allmählich zu einer explosiven Wirkung gedieh, dafs anfänglich nur
das Feuer selbst das unmittelbare Zerstörungsmittel bildete und erst
später als treibende Kraft für eiserne und steinerne Geschosse be-
nutzt wurde.
Diese letzte Stufe des Werdens scheint es durch die Orientalen
erreicht zu haben, wenigstens weist seine erste Anwendung auf die
Tataren 1241 vor Liegnitz. Die allgemeine Anwendung des Schiefs-
pulvers zum Treiben eiserner oder steinerner Kugeln beginnt aber erst
ein Jahrhundert später, und wieder waren es Orientalen, die Mauren,
in der Verteidigung von Alicante 1 33 1 und von Algesiras 1342,
welche hier voranschreiten. Die erste Schlacht, in welcher sich ein
abendländisches Heer einer kleinen Zahl von Geschützen bediente,
war jene bei Crecy, 1346, in welcher die Engländer sechs Kanonen
verwendeten.
Gleich am Beginne fand das Schiefspulver eine umfangreiche
Anwendung, man benutzte es nicht allein für kleine Faustbüchsen,
sondern auch für schwere eiserne Rohre, welche auf Wägen trans-
portiert wurden. Die ersten im Felde gebrauchten Geschütze waren
Hinterlader mit Kammerladung, genau in gleicher Konstruktion, wie
sie von der ältesten Zeit an die Chinesen führten. Das gibt uns
den Beweis von dem orientalischen Ursprünge der Verwendung des
Schiefspulvers wie des darauf sich bildenden Geschützwesens. Gegen
das Ende des 14. Jahrhunderts war man allerorts bemüht, den Effekt
des Schiefspulvers zu erhöhen ; das führte zu allmählicher Vergröfserung
der Geschütze, zur Erzeugung von Monstre-Geschützcn , wie solche
in den Dardanellenschlössern und anderen türkischen Plätzen zu
finden waren, aber auch in unseren Ländern überbot man sich in
Riesengeschützen, von welchen sich noch einige erhalten haben. Das
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14 Einleitung.
leichtbewegliche Feldgeschütz scheint seine Einführung unter den
Hussiten um 1420 gefunden zu haben, unter den Burgundern um
1470 fand es eine zahlreichere Verwendung, von jener Zeit reiht
sich die Artillerie ebenbürtig neben Reiterei und Fufsvolk. Diese
nun ins Gebiet tretende Waffe bildete sich aus durchaus bürgerlichen
Elementen von handwerksmäfsigem Gepräge, sie hatte keine nationale
Färbung in den Heeren, im Gegenteil bedienten sich die Macht-
haber der Büchsenmeister, wo sie selbige nur fanden; so dienten in der
Türkei Italiener, Griechen und Ungarn, in den burgundischen
Landern Italiener, Deutsche u. s. w. Als man um 1430 begann,
die Geschütze aus Metall zu erzeugen, dienten die Gufsmeister zu-
gleich als Büchsenmeister. Diese Verwendung finden sie • noch am
Ende des 17. Jahrhunderts.
Der Gebrauch von Handfeuerwaffen durch das Fufsvolk griff
nur langsam um sich; seltsamerweise wurde das Handgewehr als
Faustrohr lange Zeit nur in der Reiterei angewendet. Erst um 13 70
finden wir Handrohre auf Bockgestellen, die aber mehr zum Wurfe,
als zum direkten Schusse dienten. Im 15. Jahrhundert finden sich
im Fufsvolke leichte Handrohre, welche, unter dem rechten Arm
gehalten, abgefeuert wurden. Der Schaß des Handgewehres erscheint
erst um 1480. Die meisten Heere bedienten sich noch bis etwa
1450 vorwiegend der Bogen- und Armrustschützen.
Bis ins 15. Jahrhundert hatte die Reiterei noch einen Anstrich
aus feudaler Zeit, die Reihen der Lehensritter lichteten sich aber so
bedeutend, dafs die Herrscher darauf Bedacht nehmen mufsten, ihre
Reiterei in einem entsprechenden Stande zu erhalten. Sie nahmen
entweder ärmere Adlige daftlr unmittelbar in Sold, oder übertrugen
das Geschäft der Anwerbung auf einen angesehenen Reitersmann
gegen summarische Entschädigung.
Wir haben gesehen, dafs die Ritterschaften in den Kreuzzügen
ihre Rüstung gerade einem Feinde gegenüber schwerer gestalteten, der
nicht allein durch Kraftwirkung, sondern auch durch Beweglichkeit
zu bekämpfen war. Diese Schwerfälligkeit der Reiterei jener Zeit
war die Folge des irrigen Glaubens an den Wert einer absoluten
Deckung vor der feindlichen Waffe. Dieser Irrwahn erhielt sich vor
allem in der Reiterei und nahm sein Ende noch lange nicht, als
die Geschosse der Kartaunen, Singerinen und Falken ganze Reihen
Geharnischter niederschmetterten. Ja im Gegenteil war man be-
strebt, den Lentner allmählich durch mehr und gröfsere Platten zu ver-
stärken.
Im 13. Jahrh. begann bereits die Deckung von Armen und Beinen
durch Geschiebe aus Eisenplatten; nun fügte man Brust- und Rücken-
stücke, aus eisernen Platten gebildet, hinzu, gab den Helmen entsprechen-
dere Formen; so entstand um 1420 der „Plattenharnisch", der nur
gegen Spiefs und Schwert, allenfalls noch gegen Armrustbolzen und
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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundlügen.
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Faustrohrkugel einen Schutz bot. Damit wurde die Reiterei nicht
beweglicher und brauchbarer, wenn sich auch im Laufe der Zeit mit
dem martialisch erscheinenden Plattenharnische der Begriff von alter
Ritterlichkeit verband. Der Spicfs (Schürzer) bildete noch immer die
vorzüglichste Angriffswaffe des Reiteis, sein Gewicht veranlafste um
1460, ihn beim Anrennen auf einen Haken, Rüsthaken, aufzulegen,
der an der rechten Seite des Bruststückes angebracht war. Schwert
und Dolch waren gleich dem Topf heim seit dem 13. Jahrhundert
mittelst Ketten an dem Haubert befestigt, um sie im Schlachtgewühle
nicht zu verlieren. Diese verwickelten sich leicht und wurden darum
am Beginne des 15. Jahrhunderts abgelegt. Viel hielt der schwere
Reiter seit dem 13. Jahrhundert auf ein starkes Schwert mit langer
Klinge und auf einen stofs kräftigen Dolch.
Schon am Ende des 13. Jahrhunderts entstanden in England,
Spanien, in Brabant und in Italien leichte Reiterkorps, welche aus
Söldnern bestanden. Sie führten meist keine Spiefse, wohl aber
leichte Schwerter und Bögen, später auch Faustrohre (scopiti).
Friedrich der Schöne benutzte 1322 die Freundschaft Ungarns zur
Mithilfe ungarischer Reiter, die er leider bei Mühldorf nicht zu be-
nützen verstand. Immer mehr wuchs das Ansehen der Italiener als
leichte Reiter, das sie sich bis ins 17. Jahrhundert zu erhalten
wufsten. Das Fufsvolk gewann seit den Schweizerkriegen eine stets
wachsende Bedeutung, damit wurde auch ihrer entsprechenden Be-
waffnung allerorts mehr Sorgfalt zugewendet Diese Sorgfalt äufsert
sich nicht allein in der stets solider werdenden Form der Angriffs-
waffen, sondern auch in dem Bestreben, den immer wertvoller
werdenden Mann zu schützen. Der Fufsknecht und besonders der
Schütze wurde nun durch den Holzschild, ersterer auch durch so-
genannte Sturm wände gedeckt, die wohl die Beweglichkeit sehr
beeinträchtigten, dennoch aber beim Angriffe viele Vorteile boten.
Sie erhalten sich bis gegen das Ende des 15. Jahrhunderts. Im
allgemeinen teilte sich das Fufsvolk in Spiefsknechte und Schützen.
Nur die Spanier fochten mit Schwert und Rundschild. Es war um
1320 ein bewegliches und moralisch tüchtiges Element in das Fufs-
volk gekommen, der geistige Faktor wuchs in der Kriegskunst, die
Taktik entwickelte sich. Ebenso wohl durchdachte als kühn aus-
geführte Unternehmungen, Flankenmärsche, Überfälle etc. beweisen
das zur Genüge. Dem entsprechend entwickelte sich auch die Waffe,
sie wurde handlicher, es wuchs das Streben, eine und dieselbe Waffe
für mehrere Zwecke zum Hieb und Stich zu verwenden. Zu un-
gemeinem Ruhme gelangten die Schweizer, die ihre eigene Fechtweise
besafsen, der auch die Bewaffnung entsprach, die im 14. Jahrhundert
noch einfach genug war. Sie bestand damals nur aus schwerem
Schilde und Spiefse, später bedienten sie sich auch der Helme und
Bruststücke, legten den Schild ab und rüsteten sich mit langem
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Einleitung.
Spiefse, dem Kurzschwerte und dem sogenannten Kurzdolch (Schweizer -
degen) aus. Einzelne kräftige Leute fochten mit ungeheuren
Schwertern oder schweren Keulen. In der Fechtweise wie in der
Bewaffnung wurden sie das Vorbild für die späteren Landsknechte
Maximilians I. In Frankreich, wo die Heeresfolge schon früh ab-
nahm, mufsten die Könige schon im 13. Jahrhundert zu Miettruppen
ihre Zuflucht nehmen. Den Brabancons folgten die Grandes com-
pagnies, diesen die berüchtigten Armagnacs. Sie bestanden alle der
Mehrzahl nach aus Fufsvolk mit leichter Bewaffnung und betrachteten
alle das Kriegfuhren als Geschäft mehr zur Bereicherung wie zur
tüchtigen Leistung. Als ein schwacher Versuch, ein Nationalheer zu
schaffen, kann die 1448 erfolgte Errichtung der Franc-archers oder
Freischützen unter Karl VII. in Frankreich betrachtet werden. Nicht
besser als die Armagnacs waren die italienischen Condottieri, nur
war die Bewaffnung der letzteren solider. Diese wurde später zum
Vorbilde für die Heere des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutsch-
land und anderen Ländern. Spiefse, Kurzschwerter, Degen, sowie
die Armrüste erhielten allenthalben italienische Formen.
Auch in den orientalischen Ländern machten sich in den Heeren
ähnliche Verhältnisse geltend wie im Abendlande. Auch dort wollte
der Türke, der Tatare und vorab der Araber nicht zu Fufs fechten,
aber in der Abhilfe dieses Mifsverhältnisses schritten die Sultane den
Europäern weit voraus durch die Errichtung eines tüchtigen Fufs-
volkes der Janitscharen (Jeni-tscheri) 1330. Die Bewaffnung der
türkischen Heere war nach den zahllosen Stämmen dieses grofsen
Reiches eine sehr verschiedene, und es machten sich darin später
auch europäische Einflüsse geltend. Die Janitscharen führten Bogen
und Krummschwert, die Spahis oder Timarioten, aus Europäern be-
stehend, lange, gerade Schwerter und dünnschäftige Spiefse. Die
Anatolier, welche unter ihren Dere-Begs eine Art Feudalverfassung
hatten, waren in ganz asiatischer Art mit Krumraschwert, Bogen,
Streitaxt und dem Wurfspicfse (djerid) bewaffnet.
Gegen das Ende des 1 5. Jahrhunderts stand ein Staat an der
Spitze der Heeresreformen, das Herzogtum Burgund unter Karl dem
Kühnen. Die Einrichtungen desselben waren, äufserlich betrachtet,
staunenerregend und einzelne derselben, wie die Organisation des
Geschützwesens, ohne Zweifel hoch verdienstlich, aber dem ganzen
riesigen Heere fehlte es an Homogenität und vor allem an Korpsgeist.
So kam es, dafs ein äufserlich prachtvolles und vorzüglich bewaffnetes
Heer den Schweizern erlag. Ebenso erging es vorher den östlichen
Mächten, die den fanatischen Hussiten nur Haufen eilfertig bewaffneter,
stumpfsinniger Landleute entgegenstellen konnten.
Mit dem ausgehenden 15. Jahrhundert beginnt die Epoche der
stehenden Heere und damit einer mehr in den Sorten und Formen
einheitlichen Bewaffnung. In der Reiterei erscheinen die Gensdarmes,
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Die Entwickelung des Wafienwesens in ihren Grundzügen.
17
in Deutschland die Kürisser als Muster einer schweren Reitertruppe.
Vielfach noch aus adeligen Elementen bestehend, erhielten sich in
ihnen noch manche Traditionen der feudalen Heere. Ihre Ausrüstung
und Bewaffnung, an sich sehr sorgfaltig, war doch selbst für den
starken Pferdeschlag zu schwer. Mann und Pferd waren mit Eisen-
platten bedeckt, der Rcisspiefs, das Kürifsschwert waren die Angriffs-
waffen. Offiziere und Rottmeister führten den eleganten, aber wenig
brauchbaren Reiterhammer, Oberste den Regimentsstab. Die leichten
.Reitertruppen bildeten sich nach italienischem Muster. Sie waren
nur in leichte Harnische mit Sturmhauben gekleidet und führten
neben dem Haudegen das Faustrohr und die Arkebuse, eine Art
leichter Reitergewehre mit deutschen Radschlössern.
Mit staunenswerter Raschheit entwickelte sich das Geschütz wesen.
Um 1520 bestanden schon nahezu sämtliche Feldgeschütze aus Bronze,
und auch eine oberflächliche Bestimmung der Kaliber hatte, von Nürn-
berg angeregt, Platz gegriffen. Die sogenannten 4 Geschlechter: der
48pfünder oder die Kartaune, der 24pfünder, die Halbkartaune, der
i^pfündcr oder Falke, endlich der öpfünder oder Schlange konnten
trotz der vielen Zwischen formen als Grundformen angesehen werden.
Das Wurfgeschütz, die Morser für Steingeschosse, hatten noch keinen
bestimmten Kaliber, doch wurden auch sie in Bronze gegossen und
es schieden sich aus ihnen eigenartige Formen zum Werfen von
Feuerwerkskörpern ab. Auch die Ballistik machte Fortschritte; man
kannte schon um 1480 den Quadranten und bediente sich um 1500
hie- und da bereits der Richtmaschinen. Die alte Karrenlafette
machte der Protzlafette Platz, und die Lade, in welcher früher das
Kanonenrohr befestigt war, verschwand, dafür entstand die Balance-
lagerung des Rohres in den Schildzapfen, die zuerst bei kleineren
Kalibern in Anwendung kam. Der Büchsenmeister erhielt den
charakteristischen Luntenspiefs, der halb als Waffe, halb als Werkzeug
anzusehen ist.
Das Fufsvolk war je nach der Art seines Aufbringens und
seiner Herkunft noch sehr verschiedenartig gestaltet. Städtische Truppe
war ziemlich gleichmäfsig und gut, immer aber eigenartig und wenig
für den Angriff tauglich ausgerüstet. In ihr überwog in der Regel
das Feuerrohr als Luntengewehr, daneben erschienen die Spiefsknechte
mit gemeinen Spiefsen oder Helmbarten. Armrustschützen ver-
schwanden nun gänzlich. Fufsknechthaufen , welche noch zuweilen
Adelige gegen Besoldung stellten — ein Schatten der alten Feudal-
einrichtung — bestanden zumeist aus unbeholfenen Bauern und
anderen wenig kriegsgeübten Elementen. Ihre Bewaffnung war die
verschiedenartigste und schlechteste.
Anders war es mit jener Elitetruppe, welche die Franzosen in
ihren Schweizerregimentern besafsen. Sie war mit langen Spiefsen,
Kurzschwertern und Dolchen, ein Teil mit allerdings schweren Bock-
Boeheim, Waffenkundc. 2
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18
Einleitung.
büchsen bewaffnet. Eine anfänglich bedeutende Zahl führte riesige
Schlachtsch werter, deren Handhabung ungemeine Übung erforderte;
es wurde für die Schweizerheere charakteristisch. Nach ihrem Muster
bildete Maximilian I. 1482 die Landsknechte als von erprobten
Führern geworbene Truppe, ein nationales Heer, denn ihre Werbung
beschränkte sich auf Schwaben, das Allgäu und Tirol, später auch
aus anderen, aber immer eigenen Ländern. Die Landsknechttruppe
bildete ungeachtet ihrer ziemlich mangelhaften Disziplin und ihrer
zuweilen schwer fühlbaren Ausartung eine ausgezeichnete Fufstruppe, .
die sich den Schweizern ebenbürtig und nicht selten überlegen erwies.
Der Landsknecht war Soldat von Profession mit eigener imponierender
Streitweise, der auch die Bewaffnung entsprach. Gleich dem Schweizer
liefs sich auch der deutsche Landsknecht ebensowohl als Spiefsknecht,
wie als Schütze oder als Stuckknecht verwenden, ohne seinen Charakter
dabei einzubüfsen. Der Spiefsknecht führte den langen Spiefs, die
Pinne (von dem mittelalterlichen pennon hergeleitet), das Landsknecht-
schwert und den starken kurzen Dolch. Einzelne führten, wie sie
es von den Schweizern gesehen hatten, das zweihändige Schwert, den
„Bidenhander". Der Schütze trug die Bockbüchse und als erster in
allen Heeren die kurze leichte Handbüchse. Er wandte vor allen
anderen zuerst die Patrone an, um rascher seine Büchse laden zu
können.
Die italienischen Fufstruppen weisen in dem beschriebenen Zeit-
räume gegen die vergangene Periode die geringsten Unterschiede
auf. Über das ganze Land war eine Zahl von Hauptleuten verstreut,
die das Kriegführen als eine geschäftliche Unternehmung betrachteten
und sich mit ihren Leuten an den Meistbietenden verdangen. Ihre
Bewaffnung, meist klaglos, war verschieden, je nach den Ansichten
ihrer Hauptleute; in einigen Kompagnien machten sich antike, in
anderen orientalische Einflüsse merkbar. Hervorragend in Organisation
und Bewaffnung waren immer die Venetianer, zeitweise auch die
Mailänder. Die Bewaffnung war aber stets ungemein verschieden-
artig. Wir finden nebst dem gemeiniglich nicht übertrieben lang-
schäftigen Spicfse das Kurzschwert, später den Degen; aber neben
der leichten Luntenbüchse noch lange Armrust und Bogen. Von
den Schweizern entnahmen sie das Schlachtschwert und nicht selten
finden wir Fufskompagnien gleich den Spaniern nur mit Rundschild
und Schwert ausgerüstet.
Von Italien und den Niederlanden aus angeregt, erlitt das Kriegs-
wesen am Ende des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Umbildung.
Die schwere Reiterei, die alten Kürisser, legten den Reisspiefs ab
und fochten nur noch mit leichteren, italienischen Haudegen. Der
alte ritterliche Harnisch verschwand, dafür erschien der reiterische
Harnisch mit Sturmhaube ohne Beinzeug, der eine grüfsere Beweglich-
keit und freiere Führung der Klinge gestattete. Noch war das Brust-
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Die Entwickelung des Waffcnwesens in ihren Grundzügen.
19
stück schwer, um vor den Geschossen zu sichern, aber dafür wurde
es kürzer und kleiner. Die Arkebusiere und Dragoner, letztere aus
Frankreich gekommen und zum Streit zu Fufs und zu Pferde geeignet,
erhielten leichte, sogenannte Trabhamische, die Arkebuse schrumpft
zum Karabiner zusammen, die Faustrohre werden doppelläufig, nicht
selten erscheinen darin Revolversysterae. Die Artillerie erleichtert
ihre Kaliber für den Feldkrieg beträchtlich. In der ersten Gefechts-
linie findet man nur noch Schlangen. Ein Hauptstützpunkt in der
Stellung aber ist von Halbkartaunen besetzt, die, in einer Batterie
vereint, der ganzen Gefechtsstellung eine gewisse Festigkeit verleihen.
Das Fufsvolk änderte schrittweise seine Physiognomie. Die
allmählich gewonnene Überzeugung, dafs auch andere Volksstämme
zu einem brauchbaren Fufsvolk herangebildet werden können, veran-
lafste zu allgemeinen Werbungen im Reiche; dadurch und durch
verschärfte Ordnungen verwischte sich der Charakter der Landsknecht-
regimenter, und damit erlosch auch ihr immerhin ruhmvoller Name.
Von nun an erscheinen nur Fufsknechtregimenter, die von erprobten
Kriegern geworben, ausgerüstet und als Obersten kommandiert werden.
Schon unter den Landsknechten waren Spiefsträger und Schützen in
organischem Verbände, jetzt wurde das System mehr ausgebildet und
in ein besseres Verhältnis gebracht. Der Spiefsknecht erhielt die
lange dünnschäftige Picke und wurde nun „Pickenier" genannt. Noch
lange trug er einen leichten, schwarzen Harnisch und eine sogenannte
Pickelhaube; der Schütze gemeiniglich nur ein Brust- und Rückenstück
mit der sogenannten Schützenhaube. Die alte, schwere Hakenbüchse
wird abgelegt und die Luntenmusketc eingeführt, welche zum An-
schlage auf einen Gabelstock aufgelegt wird. Unteroffiziere führten
die Helmbarte, Offiziere der Truppe die Partisane oder den leichten
Feldspiefs. Die Spanier und Niederländer griffen in der Regel mit
starken Kolonnen an, in deren ersten Reihen Soldaten mit Rundschildern
und schweren Stofsdegen marschierten. Derlei Schildträger, „Rund-
tartschiere" genannt, finden sich auch bei den Engländern. Charak-
teristisch für die zunehmende Bedeutung des Feuergewehres ist, dafs
die Picken an Zahl immer mehr abnehmen, während die Musketen-
zahl stetig wächst.
In dieser Bewaffnung, die sich im Detail im niederländischen
Kriege am Ende des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte, wurden
von den Deutschen die Schlachten des 30jährigen Krieges aus-
gefochten. Die Italiener bequemten sich erst allmählich zu derselben.
Ihre Bewaffnung mit Schilden und Haudegen, Partisanen und leichten
Musketen eignete sich mehr für den kleinen Krieg, als für die Feld-
schlacht; desungeachtet fand diese leichte Ausrüstung, namentlich der
Schützen, allenthalben auch in deutschen Truppen Nachahmung.
Eigenartig wie immer erschien die Ausrüstung der Polen und Ungarn
in jener Zeit, die stets ein orientalisches Gepräge aufwies. Gewisse
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20
Einleitung.
überraschende Einzelerfolge brachten die Truppen jener Nationen zu
nicht unbedeutendem Ansehen unter den Heerführern. Bei den
Polen findet sich in der Ausrüstung ein Gemisch von abendländischen
und orientalischen Mustern. In der Reiterei diente der hohe Adel
in den in deutsche Harnische gekleideten Husaren mit Spiefs und
Schwert, der niedere Adel unter den „Gepanzerten", pancernik, welche,
mit Ringpanzern bekleidet, zu den leichten Reitern zählten; das ge-
meine Volk wurde unter die Kosaken gereiht, die noch um 1630
und später neben dem Säbel den Bogen führten. Ahnlich war die
Ausrüstung bei den Ungarn, deren Reiterei fast durchgehends mit
Panzerhemden bekleidet war und die nebst leichten Spiefscn und
Säbeln mit Vorliebe Schlagwaffen handhabte. Vom 16. Jahrhundert
an hatten sich die Heiducken anfangs gefürchtet, später geachtet
zu machen verstanden. Nach ihrer späteren Organisation nach 1613
dienten sie ebensowohl zu Pferde als zu Fufs, und waren durch
Bocskay vorzüglich bewaffnet worden. Die Reiterei führte neben
dem Säbel noch Schilde, das Fufsvolk Musketen und sogenannte
Fokos, eine Schlagwaffe. Unter den Habsburgern wurde ungarisches
oder kroatisches Fufsvolk weniger verwendet. Erst um die Mitte
des 1 7. Jahrhunderts erscheint solches allgemeiner. In demselben findet
sich keine Picke; der Ungar und Kroate griff mit dem Czakäny oder
Buzoganyi an; seine Muskete war leichter als die der Westvölker;
daneben führte er den krummen Säbel.
Von den zahlreichen, verschieden ausgerüsteten türkischen Truppen
ist es schwierig, ein Gesamtbild aus jener Periode zu gestalten, doch kann
im allgemeinen bemerkt werden, dafs die schwere, aber nach unseren
Anschauungen noch immer leichte Reiterei die sogenannten Gepan-
zerten, „tschebeli", bildeten. Mann und Rofs waren in sehr leichte
Plattenharnische gekleidet. Sie führten handliche Spiefse, Säbel, Hand-
jars und Faustkolbcn. Den Kern der Reiterei bildeten die von den
Timari gestellten Spahis. Sie waren nach altarabischer Art in Panzer-
hemden gekleidet und führten nebst dem Wurfspiefse, „djerid", auch
den Bogen. Eine durch Tapferkeit berühmte Truppe waren die
Deli oder Tollköpfc, welche in Asien geworben wurden. Ein voll-
kommen unregelmäTsiges und nahezu unabhängiges Reiterkorps waren
die Tartaren unter ihrem Chan, der sich den Titel eines Sultans
gab. Sie konnten immer nur als Vortruppen verwendet werden.
Ihre Bewaffnung war vollkommen verschiedenartig. Der Janitscharen
als Fufstruppe haben wir bereits gedacht. Im 17. Jahrhundert wird
der Bogen in ihren Reihen seltener, dafür wird die Muskete häufiger,
die, um 1680 bereits mit Schnapphahnschlofs ausgestattet, als Feuer-
waffe der Infanterie die Luntenmusketen der anderen Heere an
Brauchbarkeit weit überragte.
Gegen das Ende des 1 7. Jahrhunderts erhalten die Heere über-
all eine strammere Organisation, wenn auch die Heeresbildung dic-
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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihreu Grundzügcn.
21
selbe bleibt. In der Reiterei werden die Harnische nur noch von
Kürassieren getragen und selbst bei diesen die Helme durch Hüte
ersetzt Nur die Franzosen beliefsen den Dragonern ihre Bruststücke
und Helme. Die Waffen waren der gerade Pallasch und die Pistole.
Noch ist unter den Offizieren der Reiterei eine Spur des alten
ritterlichen Geistes wahrnehmbar. Die deutsche Artillerie war um
jene Zeit sehr herabgekomraen, während die französische und venc-
tianische aufserordentlich gut ausgerüstet und bedient war, doch
zeigte sich allerorten der Fehler, dafs dieselbe in den Rahmen des
Heeres nicht entsprechend eingefügt war und noch immer das Ge-
präge des Handwerks aufwies. Die Infanterie, wie sie nun nach
spanischem Muster genannt wurde, ging einer vollen Umwandlung in ihrer
Bewaffnung entgegen. Am Beginne des 1 8. Jahrhunderts legte sie die
Picke vollends ab, sie fand ihren Ersatz in dem Bajonett, das anfänglich
in den Lauf des Gewehres gesteckt wurde. Statt des Luntengewehres
erhielt sie die Flinte, die mit dem französischen Feuerschlofs ver-
sehen war und ebenfalls Muskete genannt wurde. Das Bajonett
nahmen endlich auch die ungarischen Truppen an. Von 1 7 50 datiert
die Bildung einer leichten Feld- Artillerie, von 1772 in den deutschen
Erblanden die Bildung von Artillerie-Regimentern und einer Festungs-
Artillerie. Ungefähr um die gleiche Zeit auch in Frankreich und
den deutschen Staaten. Damit war ihre vollständige Militarisie-
rung endlich durchgeführt In der Reiterei kamen schon vom 17.
Jahrhundert an mannigfache Namen in Aufnahme. Chevauxlegers,
reitende Jäger, Arkebusiere, Husaren, vom 18. Jahrhundert an
Uhlanen, Bosniaken, Towarsziken , Kosaken etc. Im allgemeinen
riehen alle diese als leichte Reiter den schweren Kürassieren gegen-
über. Die Husaren bilden darunter eine besondere Truppe, als ihre
Fechtweise eine der orientalischen ähnliche wTar. Dasselbe ist auch
von den Uhlanen und Kosaken zu sagen, die als Lanzenreiter aller-
dings selbständig hervortreten. Der Name Ulan stammt aus dem
Tartarischen und bedeutet so viel als der Wachsame. Als die Polen
ihre schweren Pancerni und Husaren durch leichte Reiterei ersetzten,
gaben sie dieser den Namen Uhlanen. Auch der Name Kosak
(Kasak) ist türkisch - tartarischen Ursprungs. Die Verwendung von
Reiterei mit orientalischer Fechtweise läfst erkennen, wie sehr man
noch im 18. Jahrhundert und noch später die Kriegskunst der
Orientalen achtete.
Mit der vorschreitenden Erstarkung der Herrschergewalt gelangte
auch das Heerwesen stets mehr in die Hände der Landesfürsten.
Als die Werbung durch eine wehrpflichtige Stellung ersetzt wurde,
brach der letzte Rest der Rechte der alten Regimentsherren in sich
selbst zusammen und es verschwand damit jede Spur der einstigen
feudalen Organisation der Heere. In der Hand der Landesfürsten
erhielt jedes einzelne Heer in seiner Ausrüstung und Bewaffnung
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22
Einleitung.
einen gleichförmigen Charakter. Die letztere, abhängig von dem
Stande der technischen Wissenschaften und der Kriegskunst, wird
allmählich mehr ein Gegenstand der Massenerzeugung, der Maschinen-
thätigkeit. Als solcher entwickelt sich die Bewaffnung unmittelbarer
mit den Fortschritten der Technik. Der Kampf aber zwischen den
Mitteln des Angriffes und jenen der Abwehr wogt weiter, er wird
erst mit dem letzten Kriege sein Ende nehmen. Nach den jeweiligen
Erfolgen des einen oder des anderen Teiles regelt sich die Taktik.
Die Betrachtung der Entwickelung des Waffenwesens hat den
bedeutenden Einflufs des Orientes auf den Occident auf dem tech-
nischen und Formengebiete vor Augen gestellt; dieser Einflufs, schon
im Altertume herrschend, ist vom Beginne des Mittelalters an peri-
odisch, oft direkt, oft indirekt wirkend, immer aber kräftig und
fördernd, zuzeiten selbst von nachhaltiger Wichtigkeit für die
Kultur des Abendlandes.
Die ersten Spuren orientalischer Einwirkung im Mittelalter gehen
bereits bis in die Zeit der Völkerwanderung, ins 4. Jahrhundert,
zurück. Später vermitteln sie bis ins 9. Jahrhundert die Sarazenen
in Spanien und Sizilien. Im 1 1. Jahrhundert sind es die Normanen,
welche die Lehren orientalischer Kriegskunst aufnehmen und ver-
breiten. Die bemerkenswerteste Periode aber ist jene der Kreuzzüge,
und vor allem war es der dritte, welcher als eine grofse Schule des
Krieges angesehen werden kann. Von jener Zeit an wird der direkte
Einflufs des Orientes geringer, dafür nimmt der indirekte aus Italien
zu, der sich bis ins 17. Jahrhundert erhält. In den Türkenkriegen
dieses Jahrhunderts kommt der Orient wieder unmittelbarer und nicht
ohne Erfolg zur Beachtung. Die Spuren dieser letzten Einwirkung
leiteten sich bis auf die Gegenwart
Das Fcudalwescn mit all seiner Kriegskunst war starr geworden,
es hatte sich früher überlebt, als die Feudalherren dies gewahr wurden.
Ein flüchtiger Zusammenstofs mit Volkselementen genügte, um die
Schwäche des Kolosses vor aller Augen darzuthun. Von diesem
Augenblicke an nimmt die Bedeutung des Fufsvolkes zu; aus Volks-
elementen heraus ersteht das Geschütz wesen , als eine bedeutsame
Entwickelungsstufe der Verwendung des Schiefspul vers, die ihre
ersten Anfänge gleichfalls unter den Orientalen gefunden hatte.
Durch diese totale Umbildung des Heerwesens tritt das Waffen-
wesen in ein neues Stadium. Diese letzte Entwickelung fand ihren
Ursprung auf heimatlichem Boden.
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I. Die Schutzwaffen.
x. Der Helm.
So helfs das Streben der Waffenschmiede in Jahrhunderten auch
war, den Mitteln des Angriffes wirksame der Abwehr und umge-
kehrt entgegenzustellen, so fand dasselbe doch stets seine Grenzen in dem
technischen Vermögen, und in dem allmählichen Zunehmen des
letzteren erkennen wir die Hauptursache der so häufigen und oft
drastisch erscheinenden Formenwandlungen. Am Ausgange der an-
tiken Zeit schien es, als hätten die Angriffsmittel jene der Abwehr
weit übertroffen. Das Schwert der Germanen, Gallier etc. wurde
kräftiger im Eisen, seine Klinge länger, die Stangen waffe stärker und
wirksamer, die Schlagwaffen wurden allgemeiner, die Fernwaffen,
Bogen, Schleuder, Wurfspiefs, gelangten zu gröfserer Bedeutung. All
diesen furchtbaren Angriffswerkzeugen hatte man nur höchst un-
genügende Schutzmittel entgegenzustellen: einen kleinen Helm, der
in seiner Form noch ein Vermächtnis aus der späten römischen Zeit
darstellte, ein Lederkleid, mit Plättchen oder Schuppen von Eisen,
Bronze oder Horn besetzt, und einen Schild, den ein Axthieb trennen
konnte. Die eifrige Sorge, dieses empfindliche Mifsverhältnis zu
beheben, findet sich nirgends klarer vor Augen gestellt, als wenn wir
die Wandlungen verfolgen, welche der Helm vom frühen Mittelalter
bis in die Neuzeit in seiner Form erfahren hat.
Die Hauptbedeckung der italischen Krieger am Beginne des
Mittelalters bestand aus einer halbkugelförmigen, aus mehreren Stücken
zusammengenieteten Haube aus Bronze oder Eisenblech, an deren
Unterrande eine flache, schmale Krempe angesetzt war. Über die
Mitte von vorn nach rückwärts verbreitete sich ein blattartiger, be-
malter Kamm, eine dunkle Erinnerung an den alten Helm aus der
Blütezeit Roms. (Fig. i.) Es ist dies mit geringen Veränderungen
dieselbe Form, wie wir sie von der Hallstattperiode her antreffen,
somit von einem Zeiträume, der fünf Jahrhunderte vor unserer Zeit-
rechnung zu setzen ist. Weit einfacher war die kriegerische Kopf-
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24
I. Die Schutzwaffen.
bedeckung der barbarischen Völkerschaften des 5. Jahrhunderts, sie
bestand aus einer niederen, konischen Haube, aus mehreren Stücken
Bronze oder Eisen zusammengesetzt, von deren Rande aber ein
Kettengeflecht oder ein mit Ringen benähter Stoff herabhing und
sich unter dem Kinne an den Hals schlofs. Die älteste Form einer
Halsbrünne, die ihr Original im Oriente gefunden hatte.
Die wenigen in Deutschland gefundenen Helme des frühesten
Mittelalters zeigen etruskische oder asiatische Formen, was darauf
hindeutet, dafs der klassisch-antike Einflufs bei den Germanen nur
gering gewesen ist. Die Heruler und Longobarden waren die ersten,
welche sich eiserner Helme bedienten; das hatte seinen Grund, weil
beide Stämme an den Südabhängen der Alpen eine alte Eisen-
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. I. Bronzehclm. Der Helm, ohne den hier dargestellten
Kamm, gefunden in einem Grabe bei Sesto-Calende. Vielleicht 4. Jahr-
hundert. Museum der Akademie zu Mailand. Nach Viollet-lc-Duc.
Fig. 2. Germanischer Helm, sogenannter ,, Eberhelm", ge-
funden in einem Grabhügel bei Monyjash (Derbyshire). Die Spangen
sind von Eisen, teils mit Silbereinlagen geziert; die Füllung besteht aus
Hornplatten. Die Eberfigur ist in Eisen geschnitten, mit Augen aus
Bronze gebildet. 7. Jahrhundert. Nach Beck, „Geschichte des Eisens".
industrie vorfanden. Unter den Germanen waren nur die Vor-
nehmeren mit Helmen versehen, die aus Kupfer- und nicht selten
aus Hornplatten bestanden, welche mit eisernen Spangen zusammen-
gehalten • wurden. Ein solcher aus Horn gebildeter Helm wurde in
einem Grabhügel bei Monsyjah in Derbyshire gefunden. Derselbe
zeigt bereits ein Naseneisen, auf welchem ein Kreuz in Silber er-
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I. Der Helm.
25
sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene,
deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original
eines „Eberhelmes" gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle
in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt
und der wiederholt im Beowulfliede erwähnt wird. Wir sehen damit
auch die ersten Anfange des Zimiers, dessen deutscher Ursprung
sich hier deutlich erweist.*)
Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in
dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einflufs noch
gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem
Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber,
besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken
Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium
aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die
Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nacken-
schirme. An der Stirne ist die erstere nach aufwärts geschnitten und
bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne
Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamme,
wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den
Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom
9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in
der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahr-
hundert wird ersichtlich der antike Einflufs schwächer, die Helme
werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich
bis über die Ohren verbreiten; diese kegelförmige Gestalt scheinen
sie, wie wir aus dem Manuskripte des Prudentius ersehen können,
um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der
Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl
auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitel-
stück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich
durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat.
Es ist nun einleuchtend, dafs eine derartige Kopfbedeckung einen
nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriflswaffen gewähren
konnte; sie scheint auch unter dem Kriegsvolke in nicht besonderer
Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der
Helm nicht allgemein im Gebrauche gewesen und in Miniaturen des
10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fufsvolk ohne Helm, nur mit
dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes
lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen, und es ist
hier der orientalische Einflufs unverkennbar. Wir sehen im Teppich von
Bayeux die Angelsachsen wie die Normanen gleich ausgerüstet. Sie
tragen die mit eng anschliefsender Kapuze ausgestattete Brünne aus
*) Lindenschmit , Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. — Beck, Ge-
schichte des Eisens. — Beowulf, v 305, 1464.
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26
L Die Schutzwaflen.
Leder, mit Blechs tücken oder Ringen benäht. Über der aufge-
schlagenen Kapuze trägt der Krieger einen sphärisch spitz nach oben
zulaufenden Helm, das Vorbild der späteren Beckenhaube. Das
älteste Beispiel dieser Form ersehen wir in dem Helme des heiligen
Wenzel im Schatze des St. Veitsdomes zu Prag. (Fig. 3.) Er ist
noch aus mehreren Stücken zusammengenietet, an seinem Rande
vorn ist eine Spange, Naseneisen, nasal, angenietet, rückwärts
befindet sich ein ähnlicher breiter Fortsatz. Diese Form ist orien-
talisch, sie hat sich unter den Arabern und den persischen und
turanischen Völkern bis ins 17. Jahrhundert erhalten. In den nörd-
lichen Ländern und in Italien treffen wir im II. Jahrhundert den
Helm bei gleichfalls konischer Gestalt, meist auch mit dem Nasen-
cisen. Im Norden erblicken wir ihn häufig von Kupfer in 2 Hälften
Fig. 3. Fig. 4.
Fig. 3. Der an der Rückseite des St. Wenzel -Altars zu St. Veit
in Prag aufbewahrte Helm des Herzogs Wcnzeslaus des Heili-
gen von Böhmen (ermordet 938).
Fig. 4. Helm aus getriebenem Kupfer, aus zwei getrennten
Hälften bestehend, die zusammengenietet sind. Die kronenförmige Um-
rahmung, sowie die grofsc Federhülse tragen Spuren von Vergoldung.
Der Helm wurde zu Giez in der Provinz Posen aus dem Boden ge-
graben, deren Feste 1039 von den Böhmen zerstört wurde. 12. Jahr-
hundert. Museum der Freunde der Wissenschaft in Posen.
gefertigt und mit Bronze verziert. (Fig. 4.) Wiewohl gegen die
Schlagwaffe noch nicht ausreichend deckend, war diese Helmform
schon als ein erheblicher Fortschritt zu betrachten; es ist darum
erklärlich, dafs sich dieselbe bis ins 12., ja selbst ins 13. Jahrhundert
hinein erhielt. (Fig. 5.) Mit dem Ende des 11. Jahrhunderts erscheinen
die ersten derlei Helme aus einem Stücke getrieben. (Fig. 6.) Diese
Thatsache beweist eine enorme Entwicklung der Waffenschmiede-
Digitized by
I. Der Helm.
27
kunst in jener Zeit, wenn man die hierbei erforderliche Fertigkeit in
Betracht zieht. Ein scheibenförmiges, entsprechend dickes Stück reinen
Eisens mufste im glühenden Zustande mittelst schwerer Fallhämmer
vorerst in eine konkave Form gebracht und dann am Ambofse
mittelst des Handhammers ausgefertigt werden. Diese Kunst, wenn
wir sie so nennen wollen, wurde aber im Oriente weit vor dem
IO. Jahrhundert geübt.
Der Verlauf des 12. Jahrhunderts ist von einem fieberhaften
Streben begleitet, die Helmform zu verbessern. Das Scheitelstück
erscheint in allen Formen sphärisch spitz zulaufend, kegelförmig, halb-
kugelförmig, selbst cylindrisch mit flacher Decke. Am längsten erhält
sich die erstere als „normanischer Helm", eine Bezeichnung, die, wie
wir oben gesehen haben, nicht ganz zutreffend ist. Allen diesen
Fig. 5. Fig. 6.
Fig. 5. Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen
(gest. 1195). Sammlung des Herzogs von Cumberland in Gmunden.
Fig. 6. Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom
Ende des II. oder dem Anfange des 12. Jahrhunderts.
Formen ist das Naseneisen eigentümlich, das im Verlaufe immer
länger und breiter wird, ja in Deutschland tritt selbst die feste Ge-
sichtsblende, das Visier, auf. Am deutlichsten beobachten wir dieses
Herumtasten der Waffenschmiede in den Kopien der Miniaturen,
welche aus dem hortus deliciarum Herrads von Landsberg stammen.
Bemerkenswert in dieser Periode ist die allgemeiner werdende Sitte,
den Helm mit Gold und Edelsteinen zu verzieren.
Inzwischen aller dieser regellosen Versuche hatten die praktischen
Erfahrungen im ersten und zweiten Kreuzzuge in erstaunlich kurzer
Zeit eine Wandlung in der Helraform hervorgebracht, wie sie
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I. Die SchulzwaflTen.
drastischer kaum zu denken ist. Der Helm wird nun plötzlich cylin-
drisch oder auch halbkugelförmig und so umfangreich, dafs er nun
nicht mehr auf der Stirne aufsitzt, sondern aufgestülpt werden mufs,
wobei das innen gepolsterte Scheitelstück auf der Kapuze des Hauberts
lagert. Damit erscheint das Gesicht vollkommen durch die Helm-
wand gedeckt; um das Sehen zu gestatten, werden Augenlöcher
oder Seh spalten eingeschnitten; häufig werden auch Löcher für
den hier allerdings sehr nötigen Luftzutritt eingeschlagen. Damit war
der Topf heim geschaffen, der in mannigfachen Formenwandlungen
von der Mitte des 12. bis ins 14. Jahrhundert die Kopfbedeckung
des ritterlichen Kriegers bildete. Der Topfhelm verdankte sein
Entstehen der überaus gefährlichen Wirkung der sarazenischen
Fig. 7. Fig. 8.
Fig. 7. Topf heim mit konischem Scheitelstücke. Übergang
aus dem normanischen Helm. Aus der Kirche zu Faversham. Mitte
des 12. Jahrhunderts. Nach Planchö.
Fig. 8. Hoher Topf heim mit Absteckvisier und Resten des
alten Kettengehänges. Stammt aus der Kirche in Norfolk. Alexandra-
Palast. 12. Jahrhundert. Nach Planen«.
Streitkolben und Beile, gegen welche sich die etwas schwerfälligen
Reiter Im Heere der Kreuzfahrer anfänglich gar nicht zu wehren
vermochten. Die ersten derlei Topfhelme schlössen sich noch ziem-
lich der Kopfform an. (Fig. 7.) Das einem Thürchen gleich sich
öffnende Visier war vorn aufgetrieben, um das Atmen zu erleichtern,
und besafs zum Ausblicke ein Drahtgitter oder auch nur einen
einfachen Sehspalt. (Fig. 8, 9.) Die Topfhelme der Franzosen
und Engländer stellen sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
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I. Der Helm.
29
mit vollständig flacher Scheitelplatte dar, während jene der Deutschen
mehr abgerundet erscheinen. (Fig. 10.) Gleich mit dem ersten
Auftreten der Topfhelme finden sich in den Handschriften An-
deutungen von einer Befestigung an den Haubert mittelst Lederriemen.
Häufig wird in den Gedichten des „Aufbindens" der Helme Er-
wähnung gethan. Auch die normanischen Helme wurden übrigens
im Nacken mittelst Bändern an die Brünne genestelt, wie wir noch
an Siegeldarstellungen ersehen können. Gegen das Ende des 13.
Jahrhunderts werden die Scheitelplatten konisch und selbst der ganze
Helm zuweilen zuckerhutförmig gebildet (Fig. 11), die Wand erhält im
Nacken eine leichte konkave Einbiegung. Am deutlichsten erblicken wir
die um 13 40 etwa übliche Form des Topfhelmes in den Abbildungen
des Codex Balduini Trevirensis, über welche wichtige Quelle zur
Fig. 9. Topf heim mit Helmfenster. 12. Jahrhundert, Ende.
National Collection in London. Nach Planchl.
Fig. 10. Topfhelm Eduards, des Schwarzen Prinzen
(1330— 1376), auf dessen Grabmale in der Kathedrale zu Canterbury.
Nach Planche\
Geschichte des Waffenwesens wir später noch zu sprechen haben
werden. In Italien treten zuerst an Topfhelmen die Helmfenster
(Luftgeber) auf, es sind dies vierseitige Ößhungen von ungefähr 10
bis 12 Zentimeter Seitenlänge, welche an der (heraldisch) rechten
Wandseite mittelst eines eisernen Thürchens geschlossen und mittelst
eines kleinen Riegels gesperrt wurden. Auch diese Vorrichtung zeugt
wieder von Bemühungen, dem Träger die nötige frische Luft zuzu-
führen.
Um dieselbe Periode tritt eine Sitte entschiedener hervor, die,
wie wir bei den Eberhelmen gesehen haben, unter den Deutschen
Fig. 9.
Fig. 10.
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30
I. Die Schutzwaffen.
schon durch Jahrhunderte üblich gewesen war, die Helme am Scheitel
mit figürlichen Zeichen zu schmücken. Diese Zeichen werden nun
höher, auffälliger und haben zunächst den Zweck, den Träger, der
durch das Visier oder die Helmwand häufig vermummt war, vor den
Seinigen kenntlich zu machen. Das Selbstgefühl führte dahin,
dieses Erkennungszeichen geachtet zu erhalten; es bestand aus figür-
lichen Zeichen in den verschiedensten Gestalten, anfänglich aus freier
Wahl; später wurden dieselben ein bleibendes Zeichen des Mannes
und seiner Sippe und wurden zur „Wappenfigur", als welche sie auch
auf den Schilden erscheinen. (Fig. 12, 13.)
Diese Zeichen, Zimiere (cimiers) genannt, bestanden meist aus
Fig. 11. Fig. 12.
Fig. Ii. Topfhelm aus der Kathedrale zu Hcreford, später in
der Sammlung Meyrik bewahrt. Gegenwärtiger Bewahrungsort unbekannt.
14. Jahrhundert. Nach Planche\
Fig. 12. Topf heim mit Rest eines Zimiers, das wahrscheinlich
einen Adlerkopf darstellte. Artillerie-Museum zu Paris. 14. Jahrhundert.
getriebenem Leder, das mit Leinwand beklebt wurde. Letztere erhielt
sodann einen Kreideüberzug als Grund für die Temperamalerei oder
Vergoldung. (Fig. 14). Diese Zimiere bildeten ebenso wie die Holz-
tartschen und Pavesen, die Lederparschen für die Pferde, einen speziellen
Arbeitsgegenstand des Schilterhandwerks. Die Spuren von derlei
Zimieren finden sich bei alten Helmen in den in den Scheitelplatten
ersichtlichen Löchern. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
ist die Ausstattung der Helme mit Zimieren für das Feld nicht
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I. Der Helm.
31
allgemein üblich, wohl aber für das Turnier. Im Codex Balduini
sehen wir nirgends in den Schlachtenbildern zimierte Helme, wohl
aber solche auf Blatt 34, wo ein Gestech dargestellt ist. Betrachten
wir den Topfhelm vom Gesichtspunkte des praktischen Gebrauches,
so müssen wir bei aller Anerkennung eines Fortschrittes dennoch
zugeben, dafs er dem Träger unausstehlich werden mufste. In der
Sonnenhitze lief der Reiter Gefahr, unter seinem Helme zu ersticken.
Er wurde auch in der That nur im Kampfe selbst aufgestülpt,
sonst entweder von den Knappen in den Händen nachgetragen oder
mittelst einer Kette an den Sattel gehängt, deren anderes Ende an
dem Haubert befestigt war. Um die Last desselben leichter zu
tragen, wurden seine Wände derart verlängert, dafs der Helm auf
den Schultern aufsafs; damit war nur nach einer Richtung hin Ab-
hilfe getroffen. Die peinigende
Lage führte, wie wir gesehen
haben, schon am Ende des
13. Jahrhunderts dahin, die
vordere Helmwand in Ge-
sichtsgröfse auszuschneiden
und die Öffnung durch ein
bewegliches Visier zu schlie-
fsen, das entweder durch
Entfernung der Scharnier-
stifte abzustecken oder in
Bolzen nach auf- oder ab-
wärts zu schieben war. Da-
durch entstand das auf- oder
ubschlächtige Visier, wel-
ches häufig, um das Atmen
zu erleichtern, mit Löchern
versehen (gelocht) wurde.
Der Topf heim wurde an-
fänglich über einer stark ge-
polsterten Haube aus Leder (calotte) getragen, später, am Ende des
13. Jahrhunderts, trug der Reiter unter gelbem eine niedere Beckenhaube
(bacinet), an welcher ein Maschenpanzer, die Halsbrünne, befestigt
wurde, welche bis auf die Schultern herabhing. Die älteren derlei
Brünnen schliefsen noch dicht an den Hals an, die späteren des
14. Jahrhunderts fallen gerade herab. Letztere Art war von ausser-
ordentlichem Vorteile, denn nun mufste sich jeder Hieb in den Hals
auf dem lose herabhängenden Gewebe bis zur Unschädlichkeit ab-
schwächen. An einer Seite der Vorderwand des Topfhelmes, gemeinig-
lich an der rechten, seltener an beiden Seiten, finden sich kreuzartig
ausgeschnittene Löcher; dieselben dienten, um den Helm an den
Haubert zu befestigen (Fig. 10); dies erfolgte mittelst einer Kette, an
Fig. 13.
Fig. 13. Helm mit Zimier des Königs
Jakob I. von Arragonien (1206 — 1276).
Orientalisierend. Armeria Real zu Madrid.
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32
L Die SchutzwarTen.
deren Ende sich ein Knebel befand, der durch das Loch gezogen
wurde.
Es ist interessant, die mannigfachen Bestrebungen zu verfolgen,
welche dahin zielten, ein so plumpes, schweres Rüststück, wie es der
Topf heim darstellt, für den Träger leidlicher zu gestalten, ohne die
vermeinten Vorteile einzubüfsen. Schon im 2. Kreuzzuge, zu welcher
Periode die ersten Topfhelme von noch geringen Dimensionen vor
Augen treten, sahen sich die Reiter genötigt, über den Helm einen
Leinenstoff zu breiten, um die Erhitzung des Eisens im Sonnenbrande
wenigstens zu mäfsigen. (Fig. 15.) Dieser weit über die Schultern herab-
wallende Stoff, die Helmdecke, wurde bei längerem Tragen unter dem
Einflüsse der Witterung und des Lagerlebens beschädigt. Die Schufs-
Fig. 14 a. Topf hei m mit Zitnier von einer kleinen Rciterstatuette,
ausgegraben auf der Insel Tcxel. Anfang des 14. Jahrhunderts. Samm-
lung J. P. Six in Amsterdam. Nach van der Kellen.
Fig. I4b. Rückseite.
fäden trennten sich und es wurde daraus ein an den Rändern viel-
fältig eingerissenes schmutziges Gewebe. Wie später die Fahne, so
bildete damals eine verrissene Helmdecke ein den Ritter ehrendes
Zeichen seiner Tapferkeit. Sie wurde mit dem Helme und später
dem Zimiere typisch für den adeligen Reiter, ein Attribut seiner
Mannhaftigkeit, die Kunst nahm diese herabhängenden Fetzen als
stilistisches Motiv für ihre Darstellungen und so entstand die gezottete
oder „gezaddclte" Helmdecke (lambrequin), wie wir sie an heraldischen
Darstellungen vom 14. Jahrhundert ersehen. Zuletzt wurden selbst
neu gefertigte Hclmdecken nicht anders als am Rande ausgezackt
getragen, so sehr hatte sich eine ehrwürdige Tradition eingelebt. Am
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i. Der Helm.
33
Ende des 13. Jahrhunderts schien manchem einzelnen die Beckenhaube
mit der Halsbrünne für seinen Schutz genügend, aber der Topfhelm aus
den Kreuazügen war der Stolz des Ritters geworden, ein Standes-
zeichen gegenüber dem geraeinen Söldner oder Knappen unter der
Eisenhaube. Da gab's viele und zumal ältere, welche über der
Beckenhaube einen Topf heim aus Leder trugen, der mit Spangen
von Eisen und Metall verstärkt war. Aber auch die mannhaftesten
litten unsäglich unter dem Drucke des riesigen Topfhelmes und
trachteten, sein Auflager auf einen anderen Punkt als den Scheitel
zu übertragen. Damit entstanden die Lederwülste rings um die Becken-
haube, auf welchen der Helm nun aufruhte. Die Kunst bemächtigte
sich auch dieser simplen Beigabe und stattete sie in schöner Zeich-
Fig. 15. Fig. 16.
Fig. 15. Topfhelm mit halbem Flug als Zimier und Helm-
decke. Von einem Schilde König Wenzels von Böhmen aus der
Manessischen Handschrift nach von Eye, „Kunst und Leben der Vor-
zeit". 14. Jahrhundert.
Fig. 16. Helm des Georg Castriota, Fürsten von Albanien,
genannt Skanderbeg (1403 — 1466). Orientahsierend. Das Scheitelstück
aus blankem Eisen, die Helmbinde wie das Zimier aus Kupfer, teils
vergoldet Auf der Binde liest man in gotischen Bandminuskeln
tn+pe+ra+to+re+bt
(Ihesus Nazarenus + Principi Emathiae + Regi Albanlae +■ Terrori Os-
manorum + Regi Epiri + Benedicat.) Der Ziegenkopf als Zimier weist
auf ältere Zeit als das 15. Jahrhundert.
nung mit reichen Stickereien aus. Sie wurde zur Helmbinde, die
später nur noch eine dekorative Bedeutung hatte. (Fig. 16.)
Um den Beginn des 14. Jahrhunderts beginnt der Topfhelm
Boeheim, Waffenkunde. 3
34
I. Die Schutzwaficn.
im Gefechte seltener zu werden. Man ging nach anderthalb Jahr-
hunderten wieder zum alten normanischen Helme zurück, den man nun
nach den waltenden Verhältnissen und den gewonnenen Erfahrungen
allmählich umformte. Derselbe wurde in seinem Umfange gröfser
gestaltet, so dafs er nun nicht mehr auf der Stirne aufsafs, sondern
tiefer in den Nacken reichte; an der Vorderseite wurde die Glocke
ausgeschnitten, so dafs das Gesicht bis an die Stirne frei war; ebenso
war dieselbe auch im Nacken leicht ausgeschnitten (Fig. 17.) An
den Seitenrändern wurde die Halsbrünne mittelst einer durch Kloben
gezogenen Drahtschnur befestigt. Diese Halsbrünne bestand aus
einem Geflechte aus genieteten Eisenringen, dem sogenannten Panzer-
oder Mufszeug, und fiel vorn und rückwärts über den Hals herab.
Fig. 17- Fig. 18.
Fig. 17. Beckenhaube (bacinet) mit Kloben zur Befestigung
der Helmbrünne und der Nasenbandschliefse (breteche). 14. Jahrhundert,
Mitte. Italienisch. Musco Poldi-Pezzoü in Mailand.
Fig. 18. Beckenhaube mit aufgeschlagenem Nasenband. ^.Jahr-
hundert nach Viollet-le-Duc.
Vorn war sie nur soweit ausgeschnitten, dafs das Gesicht bis zum
Kinne frei blieb. Am Punkte des Kinnes setzte sich ein Lappen,
das Nasenband (breteche), fort, an welches ein nach der Nasen-
form getriebenes Blechstück sich reihte. Dieser Lappen, im Gefechte
hinaufgeschlagen und an der Stirne an einem Kloben befestigt, deckte
das Gesicht mit Ausnahme der Augen. (Fig. 18.) Diese Nasen-
bänder, vorwiegend in Deutschland, doch auch da nicht allgemein
üblich, erscheinen um 1330 und verschwinden um 1370. Die
sicherste Deckung des Gesichtes wurde aber seit dem Anfange
des 14. Jahrhunderts in dem Visiere gefunden, welches nun immer
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I . Der Helm.
35
häufiger und zuletzt um 1400 allenthalben an den Beckenhauben
getroffen wird. Ist es am Stirnteile an einem Scharniere befestigt,
dann heifst es Klappvisier, (Fig. 19), oder an den Seiten unbeweg-
lich, aber durch Entfernung von Stiften abzulegen, dann benennt
man es Absteckvisier, oder, um seitlich angebrachte Bolzen laufend,
auf- oder abschlächtig. Auf dem Grabmale des Aymer de Valence,
Earl of Pembrocke, von 1323 in der Westminsterabtei finden wir den
Visierhelm bereits vollständig ausgebildet.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts kommt für die mit Visier
versehenen Beckenhauben die von der damaligen Kopftracht her-
geleitete Bezeichnung Gugel auf. Solche des leichteren Atmens
halber mit spitz vorgetriebenen Visieren, welche eine der Hunds-
Fig. 19. Fig. 2a
Fig. 19. Beckenhaubc mit Kloben für die Helmbrunne und
schnauzenförmig vorgetriebenem Klappvisier. Der Unterrand des Seh-
spaltes ist gezahnt, um ein Hineingreifen zu erschweren. Italienisch.
Ende des 14. Jahrhunderts. Sammlung J. H. von Hefner-Alteneck in
München.
Fig. 20. Hunds gugel mit Absteckvisier aus der Wende des
14. Jahrhunderts. Schweizerisch.
schnauze ähnliche Form besafsen, wurden darum Hundsgugeln
genannt. Sie erscheinen von ca. 1350 bis in den Anfang des
15. Jahrhunderts. (Fig. 20.) Bekannt ist der sogenannte Gugler-
krieg 1375f m welchem Ingram von Conzi mit 18000, mit Becken-
hauben (Gugeln) ausgerüsteten Knechten die althabsburgischen Erb-
güter zu Aargau angriff. Und in den fasti Limpurgenses heilst es
unter dem Jahre 1389: „Die hundskugeln führten ritter und knecht,
burger und reisige Ieut." (Fig. 21.)
3'
36
I. Die Schutzwaffen.
Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts erscheint eine ähnliche
Helmform mit hundsschnauzenförmigem Visier; das Scheitelstück ist
ganz der Beckenhaube nachgebildet, nur setzt sich an selbe ein steifer
Bart und ein Nackenstück derart fort, dafs der Helm eigentlich auf
den Schultern aufsitzt Die Form wird dadurch erklärlich, wenn
man entdeckt, dafs diese Verlängerungen nach abwärts auf Brust und
Rücken eigentlich nichts anderes, als einen Ersatz der Halsbrünne
darstellen. Die Form ist allerdings italienisch, aber man irrt in Frank-
reich, wenn man sie dort Aquilee nennt. Die Helme von Aquilea
fanden bereits am Schlüsse des 13. Jahrhunderts ihr Ende. Nicht weniger
irrt man, wenn man sie schlechtweg Bacinets benennt; am treffendsten
bezeichnet man sie als grofse Beckenhaube: Grand Bacinet. Helme
mit Visieren, die einer
Hundsschnauze ähnlich ge-
bildet sind, werden noch
bis etwa 1540 getragen.
Bekannt ist der derart ge-
staltete Helm Kaiser Fer-
dinands I. in der kaiser-
lichen Sammlung zu Wien,
der um 1530 von Jörg
Säusenhofer in Innsbruck
gefertigt wurde.
War der Topf helm aus
dem Heere verschwunden,
so bildete er doch noch
ein wichtiges Attribut des
Fl8- 21 • Rittertums und fand in
Fig. 31. Hundsgugel mit Absteckvisier geringen Formenwandlun-
vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Deutsch. gen seine Verwendung im
Turnier, beziehungsweise
im Gesteche bis ins 16. Jahrhundert, von da an verwandelt er sich
in den neuen Siechhelm, der wieder in seiner Form sich dem ge-
schlossenen Helme nähert.
Die Kopfbedeckung des Ritters war bisher von jener des
Hörigen und gemeinen Söldners wesentlich verschieden. Der Fufs-
knecht, der Bogen- oder Armrustschütze trug vom 12. Jahrhundert
an eine weit weniger komplizierte Kopfbedeckung, die Eisenhaube,
(isenhut, chapel), die, unwesentliche Varianten ungerechnet, die Form
eines tiefen Beckens mit verschieden breitem Rande besafs. (Fig. 22.)
Vom 14. Jahrhundert an, als das Fufsvolk allgemach wieder zur
Bedeutung gelangte und die adligen Herren den Söldnern zu
schmeicheln begannen, da trugen selbst die Könige zuweilen die
Eisenhaube, doch zumeist mit dem Barte (ba viere) zur Deckung
der unteren Gesichtshälfte. (Fig. 23.) Von der Form der am Ende
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I. Der Helm.
37
des 14. Jahrhunderts in Frankreich getragenen, chapels de Montauban,
sind wir nicht genau unterrichtet.
Die Eisenkappe verschwindet erst um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Im letzten Stadium ihres Bestehens von 1520 an kommt
Fig. 22.
Fig. 22. Eisen hu t mit flachem Grat und breiten, tief herab-
reichenden Krempen. Augsburger Arbeit. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte.
sie in den Landsknechtherren ihrer Bequemlichkeit wegen ungemein
zur Beliebtheit, und wird als niedere, leichte Haube mit einem wie
noch heute üblichen Sonnenschirme getragen. (Fig. 24.)
Fig. 23. Eisenkappe von einem Harnische, in welchen gekleidet
König Maximilian I. 1480 in Lützelburg eingeritten war. Deutsch.
Um das 2. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts rinden wir in der
Ritterschaft plötzlich eine ganz neue Helmform, den Kugel heim
(bicoquet). Aus Italien herübergekommen, ist er eigentlich doch
nichts anderes, als ein Topf heim mit grofsem Visier und eingezogenen
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38
I. Die Schutzwaffen.
Halswänden. Aber in der Form lag ein entschiedener Vorteil, der
Helm safs auf Brust und Schultern auf und wurde auf Brust und
Rücken mittelst Riemen befestigt Der Kopf bewegte sich frei in
dieser Eisenkugel und die Schlage der Kürifsbcngel konnten ihm nur
wenig anhaben. Trotzdem verschwinden sie um 1470 bereits, viel-
leicht ihrer Plumpheit halber, vielleicht, weil die Schlagwaffen all-
mählich seltener wurden. Schon mit der Beckenhaube erscheint um
1350 eine Deckung der unteren Gesichtshälfte durch ein Kinnreff,
das zuweilen steif, oft aber aufschlächtig ist. Bildet diese Deckung
keinen Bestandteil des Helmes, so dafs sie an der Brust mittelst
Riemen oder Vorsteckkloben haftet, dann bezeichnet man dieselbe
als Bart (baviere).
Fig. 24.
Fig. 24. Eisenkappe mit vergoldeten Ätzungen. Wcchsclstück
zu einem Harnische des Konrad von Bemelherg. (1494 — 1567.)
Arbeit des Plattners Valentin Siebenbürger in Nürnberg, die Ätzungen
von Albert Glockendon um 1532.
Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts wird die Beckenhaube
allmählich oben flacher und mehr der Kugelform sich annähernd
gebildet Der Teil im Nacken wird ausgeschweift und von 1420
etwa an bildet sich ein leichter Grat über den Scheitel, damit ent-
steht eine ganz neue Helmform, die Schal lern (schelern, salade),
welche bis ans Ende des Jahrhunderts unter Rittern und Söldnern
sich einer grofsen Beliebtheit erfreute. Der Name Schallern schreibt
sich ohne Zweifel von dem deutschen Worte Schale her und be-
deutet eigentlich dasselbe wie Beckenhaube. (Fig. 25, 26, 27.)
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I« Der Helm.
39
Die italienische Schallern ist von der deutschen erheblich ver-
schieden. Erstere hat in lebhafterer Erinnerung an die Antike mehr
die Form eines römischen oder griechischen Helmes, manche mit
schmalen Ausschnitten für Nase und Augen, gleich den Hopliten-
helmen, wie die venetianische Schallern. Die deutsche Schallern ist
im Nacken weit nach rückwärts gezogen und besitzt zuweilen auch
seitlich weit abstehende Wände. Das Gesicht ist mit einem auf-
schlächtigen Visier gedeckt, welches einen Sehspalt besitzt, dessen
Unterrand so weit vorragt, dafs ein Hieb oder Schlag nicht bis ans
Auge dringen kann. Um 1500 erscheinen die Nackenschirme
geschoben. Die deutschen Schallern verschwinden schon vollends
Fig. 25. Italicnische, sogenannte lucchesische Schallern
mit getriebenen und vergoldeten Verzierungen. Die dargestellte Binde
ist mit Spitzen besetzt und mit geätzten Minuskelbuchstaben geziert,
die, unlesbar, nur als Dekorationdienen. 15. Jahrhundert Ende. Museum
zu Zarskoe-Selo.
Fig. 26. Deutsche Schallern mit aufschlächtigem Visier von
einem Harnische des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Der Rand ist
mit verzierten Messingstreifen geziert. Der zugehörige Bart, welcher am
Bruststück haftet und einmal abschlächtig ist, wurde in der Figur an-
gedeutet.
um 1520, die italienischen erhalten sich das ganze 16. Jahrhundert
hindurch. Die Schal lern waren nicht immer von Eisen gefertigt.
In der Schlacht bei Azincourt 14 15 waren nach dem Berichte eines
Augenzeugen derselben, Saint-Remv, die berühmten englischen Bogen-
schützen mit capelines (Saladen) von gesottenem Leder (cuir bouilli)
ausgerüstet.
Fig. 25.
Fig. 26.
40
I. Die Schußwaffen.
Ein wesentliches Begleitstück der deutschen Schallern bildete
der an die Brust mittelst Federkloben befestigte Bart, welcher, wie
erwähnt, die untere Hälfte des Gesichts bis an die Augen deckte.
Vornehme trugen in Städten den Bart aus Leder gefertigt und mit
Stoff überzogen. Um 1480 tragen deutsche Edelleute und auch
Söldner schallernförmige Hauben, die aus einem Gerüste aus Blech -
bändem bestanden, welche mit rauhem Plüsch oder Pelzwerk über-
zogen wurden. In den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I. finden
sie sich abgebildet*) mit und ohne Visiere. Ähnliche Hauben werden
als „Gattert hirnhauben" in der Zahl von 400 in dem Inventar
des Zeughauses zu Wien 1 5 1 9**) angeführt mit der Bezeichnung „auf
fuefsknecht". In einem Bildkodex vom Schlosse Tetschen a. d. Elbe
trägt eine solche aber auch
ein Reiter mit den Gesichts-
zügen Kaiser Maximilians.***)
(Fig. 28a und b.)
Wenn auch den Angaben
der älteren Schriftsteller und
Chronisten insofern nicht im-
mer zu trauen ist, dafs sie
mit dem Namen Saladen
oder Schallern oft ganz ver-
schiedenartige Helme belegen,
ohne scharf zu unterscheiden,
weil eben diese Bezeichnung
allgemein wurde, wie bei-
spielsweise der Name Pickel-
haube heute für eine ganz
andere als die ursprüngliche
Helmform gebraucht wird ;
Fig. 27.
Fig. 27. Italienische Schallern eines
Fufsknechtes vom Anfange des 15. Jahrhunderts. ~ '"~
Museo Poldi-Pezxoli in Mailand. der ihr verwandte Eisenhut
in den deutschen Söldner-
scharen, wie auch unter den Schweizern im 15. Jahrhundert all-
gemein im Gebrauch gestanden. In Frankreich führten sie unter
Karl VII. die königlichen Bogenschützen, von Ludwig XI. an auch
die leichten Reiter. Als Kopfbedeckung der Chevauxlegers erhält
sie sich bis in die Zeit Ludwigs XIII. Maximilian I. bezeichnet die
wällische Schallern in seinem Memorienbuche von 1502 als Aus-
rüstungsstück für den Büchsenschützen zu Rofs, also wieder für den
leichten Reiter. Häufig findet sich die Bezeichnung „Lucchesische
*) Bibliothek der kunsthist. Sammlungen des kaiserlichen Hauses. Wien.
•*) Reichsfinanzarchiv in Wien. Fasz. 31.
***) Grfl. Thun-Hohensteinsche Fideikommifs-Bibliothck in Schlofs Tetschen
a. d. Elbe.
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I. Der Helm.
41
Schallern", womit wirklich eine italienische Schallern verstanden ist,
nicht selten aber der Name „tartarische Schallern", der auf einer
Verwechselung mit der orientalischen Sturmhaube beruht. In Italien
und später auch in Frankreich werden die Schallern zum Schutze
der Ohren an den Seiten mit scheibenförmigen Platten ausgestattet.
Mit dieser Beigabe ist der Übergang der Schallern in die Sturmhaube
eingeleitet.
Von der Mitte des 15. Jahrhunderts bildet sich allmählich der
geschlossene Helm älterer Form, mittelhochd. haubtharnasch,
franz. heaume, ital. elmo. Die älteste Übergangsform entwickelt sich
aus der späteren Beckenhaube. Die Konstruktion derselben ist ver-
schieden, doch charakterisieren sich alle durch das eingezogene
Nackenstück, durch zwei seitlich an Scharnieren befestigte Backen-
stücke, welche vorn am Kinn geschlossen werden und ein sogenanntes
zweiteiliges Kinnreff bilden, durch ein quer gekehltes oder spitz
Fig. 28.
Fig. 28 a. Eiseng es teile (calotte) von einer mit Pelzwerk
überzogenen Haube mit nach aufwärts zu schiebendem Visier.
Fig. 28b. Mit Pelzwerk überzogene schallernförmige
Haube. Zeugbücher des Kaisers Maximilian von 1514. Zeug von
Tirol. 15. Jahrhundert Ende.
vorspringendes aufschlächtiges, dabei aber auch abzusteckendes Visier,
endlich einen mit dem Visier in gleicher Welle laufenden Stirn stülp,
welcher die Stirnpartie des Scheitelstückes verstärkt und auch die
offene Stelle an den Augen bei vorspringenden Visieren schliefst.
Im Nacken wurde weiters an einem Stifte eine kleine Scheibe an-
gebracht, die sogenannte Stiel Scheibe. Sie hatte vermutlich den
Zweck, dafs der nach rückwärts stürzende Träger nicht unmittelbar
auf das Hinterhaupt fallen konnte. In der Zeit des Überganges
sind derlei geschlossene Helme älterer Form noch mit einem Stück
Panzerzeug am Unterrande ausgestattet; man trennte sich eben schwer
von der gewohnten Helmbrünne. (Fig. 29a und b.) Diese Beigabe
verliert sich im 16. Jahrhundert mit dem Auftreten des Harnisch-
kragens.
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42
I. Die Schutz waffcn.
Auf den ältesten Helmen des 16. Jahrhunderts befindet sich
nur eine über das Scheitelstück von vorn nach rückwärts laufende,
wulstförmige Erhöhung, die ersten Anfänge des Kammes. In der
Folge wird diese immer höher aufgetrieben und wird damit zum
ausgesprochenen Kamme. Um 1570 wächst der Kamm besonders in
Italien zu riesiger Höhe. Eine barocke Phantasie führt dahin, die
Visiere auch in Form eines abschreckenden Antlitzes zu bilden; man
hiefs derlei Visiere Teufelsschembart. Überhaupt führten die
damaligen Helmvarianten, hauptsächlich nach der Gestalt der Visiere,
eigene Namen wie Totenkopf, Affen visier u. dergl. (Fig. 30.)
Um 1500 wird der geschlossene Helm in seiner Zusammen-
setzung wesentlich vereinfacht Die Öffnung desselben erfolgt lediglich
a. Fig. 29. b.
Fig. 29a. Geschlossener Helm ältester Form mit absteck-
barem aufschlächtigen Visier, Anschnallbart und Stielscheibe. Den
Hals deckt noch ein I'anzergehänge , eine Art Halsbrünne. Um 1490.
Italienisch. Armeria Reale zu Turin. Seitenansicht.
Fig. 29b. Rückseite mit geöffneten Backenstücken und ge-
öffnetem Visier.
von dem seitlichen Visierkloben aus, indem Kinnreff und Visier auf-
geschlagen den Raum geben, um beim Aufsetzen den Kopf durch-
zulassen. Das Nackenstück erscheint nun geschoben, die Stielscheibe
verschwindet. Aus dieser Übergangsform bildet sich um 1530 der
geschlossene Helm neuerer Form. An Maximilianshamischcn sehen
wir den Helm von der einfachsten Konstruktion. Eigenartig erscheint
derselbe durch sein rückwärts sehr stark ausgetriebenes Scheitelstück,
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I. Der Helm.
43
um der stark gefütterten „Helmhaube" Raum zu bieten. Das mehr-
mals quer gekehlte Visier verbreitet sich auch über die Stirnpartie,
wodurch der Stirnstulp überflüssig wird. Das Kinnrefif ist in der
Mehrzahl zweiteilig. (Fig. 31.) An geschlossenen Helmen älterer
Form kommen zuerst die doppelten Visiere zur Anwendung. Zwei
übereinander stehende Visiere, von welchen das untere gewöhnlich
ein Spangen visier, oder doch breiter durchlocht ist.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts entsteht der Harnischkragen
und fast gleichzeitig damit kam man auf die Idee, diesen mit dem
Helme in Verbindung zu bringen. Man trieb den Unterrand des
Helmes rinnenartig auf und erzielte dadurch, dafs die aufgeworfene
Oberkante des Kragens innerhalb dieser Rinne sich bewegte, eine
Fig. 30. Fig. 31.
Fig. 30. Burgundischer Helm (bourgignot) mit Teufels-
schembart und seitlich angesetzten Flügeln. Polnisch. Um 1510. Ar-
meria Reale zu Turin.
Fig. 31. Geschlossener Helm zu einem Maximilians-Harnische
gehörig, mit Kinnreff, auf- und abschlächtigem Visier. Cbergangsform
aus der Schallern. Projekt des Kaisers Maximilian um 15 10.
sichere Verbindung beider. Derlei Helme, welche, wie es in der
gleichzeitigen Sprache heifst, „im kragen umbgeen", nennt man bur-
gundische Helme (bourgignots, borgognotas) *). Um diese Zeit
bildet sich jene Visierform heraus, welche bis an das Ende des
Jahrhunderts allenthalben üblich blieb, nämlich aufschlächtig mit
weit und spitz vorspringenden Wänden, in welche oberhalb in einer
•) Nicht zu verwechseln mit bourgignottc , was Sturmhaube bedeutet.
44
I. Die Schutzwaffen.
Kehlung der Sehspalt geschnitten wurde. In der Konstruktion zur
Öffnung des Helmes hat der burgundische, wie wir an den Figuren
ersehen, genau die Wandlungen des geschlossenen Helmes mit-
gemacht. (Fig. 32.)
Um 1530 tritt uns eine andere Form vor Augen, die sich von
15 10 an allmählich aus der spätesten Form der italienischen Stech-
helme herausgebildet hatte, der geschlossene Helm neuerer Form.
Derselbe besitzt im ganzen die Form des burgundischen, nur steht
er mit dem Kragen nicht in mechanischer Verbindung und sind an
der vorderen Seite unterhalb mehrere geschobene Schienen, die Hals-
reifen, an der rückwärtigen die Nackenreifen angefügt Der
Hauptunterschied aber besteht in der Art der Zusammensetzung der
Fig. 32.
Fig. 33.
Fig. 32. Burgundischer Helm von einer Harnischgarnitur des
Ferdinand I. um 1530. Blank mit schwarz geätzten Ver-
zierungen.
Fig. 33- Geschlossener Helm mit niederem Kamm, Kinnreff,
Visier, aufstellbarem, mit Deckel zu schliefsendem Stirnstulp. Hals- und
Nackenreifen sind dreimal geschoben. Von einem Harnische des Erz-
herzogs Ferdinand von Tirol (Harnisch mit den Adlern). Arbeit
des Jörg Seusenhofer in Innsbruck von 1547.
einzelnen Teile. Er öffnet sich nämlich an den beiden Seiten
dadurch, dafs das Visier mit dem unterhalb liegenden, abschlächtigen
ganzen, d. i. aus einem Stücke bestehenden Kinn reff, welche beide
um die Welle des Visierbolzens laufen, nach aufwärts geschoben
wird; so geöffnet wird der Helm auf den Kopf gestülpt. Auch hier
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I. Der Helm.
45
ist dem Visier und dem Kinnreff noch ein drittes Stück beigegeben,
das sich im Vereine mit beiden bewegt, der Stirnstulp. Zum
Erheben des Stimstulps dient ein an der rechten Seite der Visier-
wand befindlicher Kloben. Wird auch das Visier aufgeschlagen,
dann wird es auf ein eisernes Stängelchen, Stützstange, aufgestützt,
welches an der rechten Seite des Kinnreffs befestigt ist und das
Zurückfallen des Visiers und des Stimstulps hindert. Häufig, und
besonders an auch fürs Turnier gebrauchten Helmen, befindet sich
an der rechten Seite eine Sperre, welche das Visier und den Stirn-
stulp, zuweilen auch das aufschlächtige Kinnreff, in geschlossener
Stellung erhält Soll der Helm geöffnet werden, so mufs an einem
Lederriemchen gezogen werden, welches aus einer Öffnung in der
Fig. 34. Reiterhelm, sogenannte „Burgundcrkappe" vom Ende
des 16. Jahrhunderts. Niederländisch. Waffensammlung Schloss Am-
bras in Tirol.
Fi?» 35- Geschlossener Helm mit gelochten BackenstUcken
und Visier von einem Ilamische des Kaisers Maximilian I. Um 1500.
rechten Visierwand hervorsteht. Der Mechanismus besteht in einer
einfachen Feder im Inneren, die beim Anziehen einen Sperrstift frei
macht Bemerkenswert erscheint die Form des Visiers, wie sich
selbe vom Beginne des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte. Die
beiden Wände erheben sich zu einer am oberen Rande auslaufenden
Spitze, die besonders um 1550 scharf hervortritt, wobei die Wände
leicht konkav geschweift nach aufwärts streben. Die Form ist keine will-
kürliche, sondern das Ergebnis der Erfahrung und des Nachdenkens.
Die Richtung nach vorwärts erhielt es zum Schutze der Augen vor
Schwert- und anderen Hieben, dadurch ergab sich eincatspfl^flsa^er
F'g- 34-
Fiß- 35.
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46
I. Die Schutzwaflcn.
Raum, der zur Erleichterung des Atmens und zur Ventilation sich
als ungemein nützlich herausstellte. In die Spitze zulaufende Visiere
(ital. celata a becco di passero) sind den Helmen von etwa 1530
bis 1560 eigentümlich, erst von da an wird die Visierwand senkrecht
gestellt, so dafs sie an den Augenspalten nur wenig hervorragt. (Fig. 33.)
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts treten wieder einfachere
Visiermechanismen auf. Den alten Stirnstulp ersetzt ein aufschläch-
tiger Gesichtsschirm, mit welchem ein meist breit und senkrecht
gespaltenes Visier in Verbindung ist, das sich beim Aufschlagen des
Schirmes gleichzeitig öffnet In den Heeren der Niederländer und
Engländer fuhren die reitenden Schützen Helme mit ähnlichen Visieren,
die aber nur aus drei Spangen bestehen. (Fig. 34.)
Besondere Verstärkungen durch Auflegen von Doppelstücken
kommen bei geschlossenen wie bei burgundischen Helmen nicht
selten auch für den Feldgebrauch vor, für gewisse Turnierarten sind
solche, wie wir später ersehen werden, unentbehrlich. Zunächst wäre
hier die Verstärkung am Scheitel zu erwähnen. Sie überdeckt
das Scheitelstück, bei Kämmen mit Aussparung desselben vollständig
und wird rückwärts durch 3 Spangen gehalten, die federartig wirkend
an das Nackenstück sich pressen. Die ältesten derselben erscheinen
um 15 10; um 1540 kommen sie auch in hübschen Dessins durch-
brochen vor Augen, in welchem Falle sie nur als Zierstücke dienen.
Eine andere Verstärkung erblicken wir in dem Feldbart, der auch
an Sturmhauben üblich ist. Derselbe, schmal geschnitten, deckt nur
die Kinnpartie und reicht bis zu den Visierbolzen hinauf, welchen
er an beiden Seiten deckt, unterhalb reiht sich daran ein geschobener
Halsreifen. Nicht so häufig im Felde, als beim Turnier wird die
Helmwand an der linken (Hieb-) Seite verstärkt Derlei Wand-
verstärkungen erscheinen, je nachdem sie sich über anderen Partien
des Körpers verbreiten, in verschiedenen Gröfsen. Die kleinsten
decken nur die Helmwand allein, die Mittelkante des Helmes etwas
übergreifend, und werden um den Hals geschnallt; gröfsere reichen
bis an die Brust, an welche sie angeschraubt werden; die gröfsten,
über die halbe Brust und die ganze linke Achsel sich spannend,
werden nur im Gestech über der pallia getragen, wir werden sie an
geeigneter Stelle näher ins Auge fassen.
Aber auch eine andere Eigentümlichkeit gewahrt man an ge-
schlossenen und burgundischen Helmen, schon von ihrem ersten
Auftreten an, die bei aller Anerkennung gewisser Vorteile doch eine
Schwächung derselben darstellt: das Durchlöchern des Scheitelstückes.
Der älteste derartiger Helme stammt aus dem Besitze des Kaisers Maxi-
milian, doch kommen ähnliche bis 1570 vor. Die zahlreichen Löcher
mögen wohl das Tragen des Helmes in der Tageshitze erheblich
erleichtert haben. (Fig. 35.)
Von Italien aus auf dem Wege über Spanien gelangt eine
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I. Der Helm.
47
andere charakteristische Helmform nach Frankreich und Deutschland,
die Sturmhaube (bourgignotte). Sie bildete sich zweifelsohne aus
der italienischen Schallern heraus, mit der sie manche Ähnlichkeiten
besitzt, vor der sie aber viele Vorteile voraus hat.
Die Sturmhaube besteht im wesentlichen aus dem Scheitel-
stücke, welches, rückwärts stark eingezogen, einen ausgeschweiften
steifen oder geschobenen Nackenschirm, vom aber einen meist
aufwärts gerichteten Sonnenschirm besitzt. Ursprünglich mit niederem
Kamme, wird derselbe allmählich übertrieben hoch. An dem seitlich
ausgeschnittenen Scheitelstücke werden Backenstücke zum Schutze
der Ohren befestigt, welche sich an Scharnieren bewegen. Zum
Zwecke des Hörens werden dieselben mit Löchern versehen, welche
Fig. 36. Fig. 37.
Fig. 36. Gcschlosse ne Sturmhaube Ton einem Trabharnische
des Ritters Hans Fernberger von Auer (gest. 1584). Um IS5°-
Fig. 37. Venetian ische Sturmhaube, in Eisen getrieben,
gebräunt und vergoldet. Die Backensttlcke sind von alter, doch späterer
Arbeit. Um 1560. Armeria Reale in Turin.
Gehörrosen heifsen. Im Nacken unterhalb des Kammes befindet
sich die Federhülse. Reichen diese Backenstücke nur bis an den
Backenknochen, wo sie am Halse mittelst Riemen verbunden werden,
dann benennt man die Haube eine offene. Schliefsen sie sich bis
ans Kinn, dann bildet sich die geschlossene Sturmhaube.
(Fig. 36.)
Italienische Sturmhauben unterscheiden sich von den deutschen
im allgemeinen dadurch, dafs die ersteren mehr geschweifte Formen
haben und dem antiken Helme der Römer ähnlich erscheinen. Sie
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48
I. Die Schutzwaffen.
erscheinen daselbst als Gegenstände des Luxus in phantasievoller
Darstellung und reichster Ausstattung in Treibarbeit, Tausia und
Vergoldung. Mailand, Florenz, später auch Bologna und Rom
gelangen ihrer prachtvollen Sturmhauben wegen in allen Ländern zu
ungemeinem Rufe. Aber auch in Deutschland, vornehmlich in Augs-
burg, werden reichgezierte Sturmhauben von künstlerischer Ausführung
gefertigt. (Fig. 37.)
Die ältesten Sturmhauben der Zeit Karls V. besitzen 3 niedere
Kämme (Fig. 38); später bildet sich die deutsche Form heraus, die
selbst in Spanien und Italien angetroffen wird. Anfänglich war die
Sturmhaube nur eine Kopfbedeckung des Fufssöldners ; bald aber
wurde sie auch von den Befehlshabern der Landsknechttruppe getragen.
Schon um 1530 wird sie ein Wechselstück zum Harnische und
Deutsche und niederländische Sturmhauben besitzen Feldbärte mit Hals-
reifen, die, angeschnallt oder mittelst Häkchen an den Backenstücken be-
festigt, der Haube ganz das Aussehen eines geschlossenen Helmes
geben. (Fig. 41.) Sie sind gewöhnlich drei bis viermal abwärts
geschoben, um sie nach Bedarf teilweise oder ganz öffnen zu können.
Deutsche Sturmhauben werden bis ins 17. Jahrhundert in allen
Heeren, selbst den italienischen getragen. Schon um die Mitte des
16. Jahrhunderts erscheinen geschlossene Helme, welche die alte
Helmform mit jener der Sturmhauben vereinigen. Die Varianten
darin sind ungemein zahlreich. Am Ende des 16. Jahrhunderts
erscheint die deutsche Sturmhaube häufig unter der Bezeichnung
hauptsächlich auf Märschen
benutzt In der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts
tragen sie die leichten Reiter
} Itanens um' Deutschlands wie
* j 0 ^Bm ^ ^cr Niederlande. In der
ß^m^^^- \S Reiterei wird um 1560 zur
0 Sturmhaube ein Bart getragen,
j y^t' der. am Bruststück befestigt,
y?w!E/m die Form derBarte von u80
Wf r natte, nur dafs derselbe- mehr
ml * r «\ vorwärts gerichtet war (Fig. 39).
Häufiger aber gewahrt man
den Vorsteck- oder An-
schnallbart, sogenannten
Feldbart, der einem Visier
Fig. 38. ähnlich das Gesicht deckte,
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I. Der Helm.
40
Pickelhaube, Beckelhaube, die sich ohne Zweifel von dem Worte
Becken herleitet und nur unter den vielsprachigen Söldnern korrum-
piert wurde. (Fig. 42.)
Von etwa 1650 an wird in allen Heeren Europas eine Sturm-
haube angenommen, welche von orientalischen, zunächst ungarischen
Formen sich ableitet, weil sie aber in dieser Form zuerst im öster-
reichischen Heere getragen wurde, auch österreichische Sturm-
haube genannt wurde. Es ist interessant, die Wandlungen, welche
dieselbe auf ihrem Wege vom Oriente her erfahren hatte, zu ver-
folgen. Den Orientalen war von ältesten Zeiten an ein Helm ohne
Gesichts-*) und anfänglich auch ohne Nackenschirra eigen, der in
leichter konvex-konkaver Schweifung spitzig zulief. (Fig. 43.)
Fig. 39. Deutsche Sturmhaube mit au dem Bruststücke be-
festigten sogenannten „ flirfallendcm " Barte von einem Landsknecht-
harnische des Lutums Sckwendi (1522 — 1584). Um 1560.
Diesen türkischen Helmen (kulali) war vom ein kürzeres, rück-
wärts ein längeres, tief in den Nacken fallendes Stück Panzerzeug
angeheftet (eine Art Helmbrünne), von welchen das vordere, über das
*) Der Mohamedaner sollte nie eine Kopfbedeckung tragen, welche ihn
daran hindert, im Gebete mit der Stirne den Boden zu berühren. Aus diesem
Grunde wird man viele orientalische Helme ohne Gesichtsschirme antreffen. Man
hat sich aber nicht immer an diese Vorschriften gehalten, wie zahllose Beispiele
Fig- 39-
erweisen.
Boebeim, Waffcnkunde.
4
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50
I. Die Schutzwaffrn.
Gesicht fallend, nach altarabischer Art zugleich das Visier ersetzte.
Mit solchen Helmen waren die Tschebelis oder Panzerreiter und die
Tartaren bis ins vorige Jahrhundert ausgerüstet. Daneben erscheint
im türkischen Heere eine andere Art Helme, welche, was die
Glockenform betrifft, den oben erwähnten gleichen und nur einige be-
sondere Zuthaten aufweisen. Man benennt dieselben türkische
Sturmhauben. Sie charakterisieren sich zunächst durch den gerade
vorstehenden, spitz geschnittenen Augenschirm und das durch
selben gesteckte Naseneisen, welches, beweglich, nach auf- oder
abwärts geschoben und in jeder Stellung mittelst einer Schraube
festgestellt werden konnte. Der rückwärtige Teil wurde durch einen
Nackenschirm geschützt, der im 16. Jahrhundert noch mittelst kurzen
Fig. 40. Fig. 41.
Fig. 40. Sturmhaube zu einem halben Harnische des Franz
von Castelalto (gest. 1550). Der einmal abschlächtige Bart ist
selbständig an den Harnischkragen zu befestigen und läuft rings um
denselben. Darüber ist die Sturmhaube gesetzt. Arbeit um 1 525.
Fig. 41. Geschlossene deutsche Sturmhaube mit Absteck-
visicr. Die oberste Folge des Visiers ist herabgeschlagcn gezeichnet.
Vom Harnische Kaiser Ferdinands I., genannt ,,mit den Roscnblättcrn",
um 1560. Vermutlich Arbeit des Hans Rosenberger in Dresden.
Kettchens an der Haube hing, später aber mittelst Folgenriemen mit
selber in Verbindung stand. (Fig. 44.) Derlei Sturmhauben finden
sich auch bei Janitscharen, solchen ist gemeiniglich an der Vorder-
seite eine lange Hülse beigegeben, in welcher der hohe Federbusch,
zuweilen aber auch das Attribut der Truppe, der „Löffel", steckte.
Vornehme Türken und Befehlshaber pflegten im Felde, um den
Janitscharen zu gefallen, häufig derlei Sturmhauben zu tragen.
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I. Der Helm.
51
So erscheinen die türkischen Helme schon am Anfange des
16. Jahrhunderts und bleiben in dieser Form, wie wir an zahlreichen
Trophäenstücken ersehen, bis an das Ende des 17. Jahrhunderts, ja
noch länger, nur merkt man später die Hinneigung, die Glocke niederer
und halbkugelförmig zu gestalten. Die Russen, Polen und Ungarn,
welche die türkische Sturmhaube angenommen hatten, bildeten die-
selbe nach ihrem nationalen Geschmacke um. Die Unterschiede iu
den Formen sind in den verschiedenen Nationen gering, doch werden
sie in der Regel deutlich als moskowitische, polnische und hussarische
Sturmhauben unterschieden. Um 1590 erscheinen alle derlei orien-
talische Sturmhauben unter der Benennung „Zischägge", welche sie
vereinzelt noch bis ins 17. Jahrhundert beibehalten.
Fig. 42. Fig. 43.
Fig. 42. Offene Sturmhaube mit geschobenem Nackenschirm,
aufschlächtigem Sonnenschirm und geschobenem Sturmband. Arbeit
des Nürnberger Plattners Mert. Rotschmid (gest. 1597). 16. Jahr-
hundert, Ende. Landeszeughaus in Graz.
Fig. 43. Gemeine tartarische Sturmhaube mit aus zwei
Stücken roh zusammengenieteter Glocke und Gesichtsschirm. 16. Jahr-
hundert. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.
Von Polen aus gelangen die Zischäggen nach Sachsen, von Ungarn
nach Österreich und Bayern, und von da in alle Heere, nicht ohne
in selben Umbildungen zu erfahren. So erhalten sie in der 2. Hälfte
des 17. Jahrhunderts, als die Allongeperücken Mode wurden, diesen
grofsen Frisuren entsprechende umfangreiche Nackenschirme. Die
polnischen Reiter fügten auch zu dieser Sturmhaube ein Zierstück,
wie ein ähnliches sie schon auf Helmen des 15. Jahrhunderts ge-
4*
I. Die Schutz wafifeti.
tragen hatten: die Flügel aus Eisenblech, welche an beiden Seiten
der Haube angenietet wurden. (Fig. 45.)
So entstand die neue Sturmhaube, die in kurzer Zeit in allen
Heeren getragen wurde. Sie findet sich ebensowohl bei dem Fu£s-
volk, namentlich bei den Pickenieren, als bei den leichten Reitern,
Arkebusieren, Jägern u. dgl. und verschwindet erst am Ende des
17. Jahrhunderts. (Fig. 46.)
Es ist nach dem Gange der Entwickelung des Helmes und seiner
Formenwandlungen kaum zu betonen, dafs die türkische Sturmhaube
kein Waffenstück ist, welches diesem orientalischen Volke allein an-
gehört. Es erweist sich dies schon genügend dadurch, dafs die
Fig- 44-
Fig. 45-
Fig. 44. Türkische Sturmhaube (Zischägge) des Grofsveziers
Mehmed Sokolowitsch (ermordet 1579) aus Eisen mit reichen Ver-
zierungen in Goldtausia. Gesichts- und Nackenschtrm sind mittelst
Drehstiften abzustecken. Um 1560.
Fig. 45. Polnische Sturmhaube mit Verzierungen in ver-
goldeter Ätzung. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte. Museum zu Zarskoe - Sclo.
Zischäggenform in ihren charakteristischsten Teüen ebensowohl bei
den Persern, als den Indern, Tscherkessen u. s. w. auftritt. Zweifels-
ohne hat sie in Persien ihre Urheimat. (Fig. 47 und 48.)
In den Sammlungen finden sich ziemlich häufig Helme ver-
schiedener Formen der 2. Hälfte des 16. und des 17. Jahrhunderts
und auch Sturmhauben von ungemeiner Schwere. Dieselben dienten
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I. Der Helm.
nicht für den Gebrauch in offener Schlacht, sondern zum Schutze
in den Laufgräben beim Angriffe von Festungen. Im 1 7. Jahrhundert,
der Periode der Entwickelung des methodischen Angriffes der
Festungen, fand es jeder Befehlshaber für unausweichlich, neben
seinen Feldharnischen noch einen Tranche'eharnisch oder wenigstens
eine sogenannte schwere Trancheehaube zu besitzen. In Frank-
reich wurden letztere noch bis 1840 von den Genietruppen benutzt
Im 1 7. Jahrhundert, als die Brustharnische bei vielen Truppen in
Abnahme kamen, suchte man mit dem Helme zugleich auch den
Hals vor dem Hiebe zu decken, wozu man, von den Unterrändern
ausgehend, Spangen an-
wendete, welche bis an
die Schultern herab-
reichten. Es finden sich
sowohl Sturmhauben als
Eisenhüte mit derlei Vor-
richtungen, die ihrem
Zwecke wenig entspra-
chen und darum auch
bald wieder verschwan-
den. (Fig. 49.)
Neben der Sturm-
haube kommt um 1520
eine andere kriegerische
Kopfbedeckung auf, de-
ren Heimat, wie es
scheint, Spanien ist,
später aber im Fufs-
volk aller westlichen
Nationen zu finden, ja
selbst in der Ritter-
schaft für den täglichen
Gebrauch nicht unbe-
Fig. 46.
Fig. 46. Zischägge des Herzogs Karl III.
von Lothringen (1540- 1608), gekehlt, graviert,
hebt war, der Morton, geätltf vergoldet und mit Halbedelsteinen besetzt,
im Spanischen mor- Ungarische Arbeit um 1580.
rion. Woher die Be-
zeichnung stammt, ist unbekannt, möglich, dafs er sich von einer unter
den Mauren üblichen Form oder von dem spanischen morro herleitet,
welches so viel wie cranium, Schädeldach, bedeutet. Der Name, vermutlich
für eine andere Helmform, kommt schon im 14. Jahrhundert im
Manuskripte des Froifsart vor, doch ist nicht zu verschweigen, dafs
Fronsperger in seinem Kriegsbuche die maurischen Fufssoldaten „Mori-
anische Fufsknecht" benennt.*) Der Morion des 16. Jahrhunderts
*) Fronspcrger, Leonhard, Kriegsbuch, III. Teil. 1573. fol. CXXXIX.
54
I. Die Schutzwaffen.
ist eine hohe, etwas spitz getriebene Haube mit über die Mitte
laufendem Grat oder auch eine halbkugelförmige Haube mit ver-
schieden hohem Kamme, deren Krempen nach vorn und rückwärts
derart aufgebogen sind, dafs sie beiderseits in gleich gestalteten Spitzen
endigen. (Fig. 50.) Der Morion ist ersichtlich weniger aus der
Kriegserfahrung erwachsen, als ein Ergebnis einer soldatischen Phan-
tasie; er wird in den Heeren Karls V. anfänglich im Fufsvolk all-
gemein getragen, später legten ihn die Schützen ab, da er sich für
sie als nicht praktisch erwies. In manchen Ländern, wie in Italien,
Fig. 47- Fig. 48.
Fig. 47- Indische Sturmhaube mit durchbrochenen Metall-
verzierungen auf rotem Grunde. Museum zu Zarskoe-Selo.
Fig. 48. Tscherkessischc Sturmhaube mit tauschierten Ver-
zierungen und mit Seidenstoff überzogenem Kettengehange. Museum zu
Zarskoe-Selo.
werden ihm kurze, geschobene Backenstücke beigegeben. Der Morion,
dessen Kamm allmählich höher bis zur Übertreibung gefertigt wird,
erhält sich bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Das
Passauer Kriegsvolk war noch 1603 damit ausgerüstet. (Fig. 51.)
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I. Der Helm.
55
Besonders häufig treffen wir ihn als Kopfbedeckung der Helmbardiere
und Trabanten an den Höfen, aber auch vieler deutscher Bürger-
milizen. Der Schutz des Kopfes mittelst eines eisernen Helmes
erschien als eine allgemeine Notwendigkeit, dem Schützen aber, der
sein Feuerrohr an die Backe anlegen mufste, wurde der Morion,
noch mehr aber die Sturmhaube, unbequem. Das war die Ursache,
daß» dieselben um 1550 eine eigene leichte Art Helme erhielten, die
man sonderbarerweise gleichfalls Gugeln, auch Schützenhauben
oder Häubel benannte, wiewohl dieselben in der Form und Trag-
art mit den alten Gugeln wenig gemein haben. Die Gugel besteht
aus einer spitzen Haube mit darüber laufenden flachen Grat und
sehr schmalen, raeist gerade vorstehenden, seltener vorn und
Fig. 49-
Fig. 49. Eisenkappe für leichte Reiter in blankem Eisen mit
in Scharnieren haftenden, nach abwärts reichenden Spangen. 1 7. Jahr-
hundert. Museum zu Zarskoc-Selo.
rückwärts etwas aufgebogenen Krempen. Zuweilen besitzen dieselben
schmale, geschobene Backenstücke, die unter dem Kinne gebunden
werden, und selbst Nackenschirme. (Fig. 52.) Letztere bezeichnete man
um 1580 als „Gugeln mit Biberschwänzen". Läuft die Haube ober-
halb in einen Stiel aus, der nach rückwärts abgebogen ist, so erscheint
sie auch unter dem Namen Birnenhelm. Die Gugeln der späteren
Periode verschwinden um 1640. Im 16. Jahrhundert wurden sie
vielfach auch von Vornehmen getragen. Karl V. trug einen Birnen-
helm, König Franz I., Herzog Philipp Emanuel von Savoyen
u. a. Gugeln, besonders in italienischen und französischen Heeren
treten sie häufig auf. Endlich sei hier noch der sogenannten Hirn-
56
I. Die Schutzwaffen.
ha üben Erwähnung gemacht, welche von der Reiterei zum Schutze
des Kopfes unter den Filzhüten getragen wurden. Sie erscheine!
allgemein um 1640 und besitzen die Form einer Halbkugel mit
seichten Ausschnitten an Stelle der Ohren. (Fig. 53.)
Die ersten Nachrichten über die Hirnhaube gelangen schon im
16. Jahrhundert aus Italien zu uns, wo sie unter dem Namen „cer-
velliera", aber auch „segretta in testa" auftritt In den italienischen
Städten wurde es nämlich Sitte, unter den Hüten und Baretten
Blechstücke zu tragen, welche nach der Form des Scheitels getrieben
und nicht selten auch mit 5 bis 7 eisernen Spitzen versehen waren.
Eine derlei segretta findet sich in der k. k. Hof-Waffensammlung zu
«Wien. (Fig. 54.)
Fig. 50.
Fig. 50. Morion mit geätzten und vergoldeten Verzierungen, mit
dem Wappen der venetianischen Patrizierfamilie Da Mula. 16. Jahr-
hundert, Mitte. Italienisch.
-
Die dekorative Ausstattung der Helme wird schon im 8. Jahr-
hundert Sitte. Bis ins 15. Jahrhundert, in welchem der Helm ein
Bestandteil des Plattenhamisches zu werden beginnt, tritt dieselbe
unabhängig von den übrigen Schutz waffen auf, von da an steht sie
in den meisten Fällen im Einklänge mit selben.
Die Verzierung der ältesten Helme besteht zumeist in Be-
schlagen von Gold oder stark zinnhaltiger Bronze, die auch in durch-
brochener Arbeit auftritt. Ornamente und figurale Ausschmückungen
werden in noch ziemlich roher Punzentechnik, aber mit vielem Ge-
fühle für Wirksamkeit ausgeführt; derlei Darstellungen sehen sich wie
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i. Der Helm.
57
flache Reliefs an, und der Zeitstil der Kunst ist in diesen rohen
Produkten deutlich ausgedrückt. Das Streben, den Wert des Gegen-
standes, wie dessen Eindruck durch Beigabe von Edelsteinen zu er-
höhefi, ist schon in der Zeit der Karolinger merkbar. Getriebene Arbeit
im Relief scheint anfänglich nur in Kupfer geübt worden zu sein, in
Eisen tritt sie erst am Ende des Mittelalters auf. Im 14. Jahrhundert
begegnet man häufig Verzierungen in gehauener Technik, die in Messing
oder Gold eingelegt sind; es ist dies die älteste Tausia im Abend-
lande, die als eine ungelenke Nachahmung orientalischer Technik an-
zusehen ist. Die Vergoldung wird im 13. Jahrhundert vorwiegend
in Italien und Spanien geübt, sie gilt bis ans Ende des Mittelalters
als eine geheime Kunst. Um die Mitte des 1 5. Jahrhunderts beginnt
Fig. 51. Fig. 52.
Fig. 51. Morion geschwärzt mit blankem Kamm und getriebenen
blanken Vertierungen. Kopfbedeckung eines Wcibels im Passauer Kriegs-
heere des Erzherzogs Leopold V. Um 1603. Deutsch.
Fig. 52. Gemeine Schiit zenhaubc. 16. Jahrhundert, Ende.
Zeughaus zu Graz.
man die Verzierungen mittelst des Grabstichels darzustellen. Erst am
Ende desselben werden Versuche merkbar, dieselben in Ätzung wie-
derzugeben. Die Kunsthistoriker setzen den Beginn dieser Technik
zu spät an, eine Vertiefung der Grabstichelschnitte mittelst Ätzwasser
ist schon an Helmen und anderen Schutzwaffen um 1460 nachzu-
weisen. Von ungefähr 1500 datiert der Rundschild Maximilians I.
in der k. k. Waffensammlung zu Wien, welcher eine Hochätzung zeigt,
welche die äufserste Gewandtheit in dieser Technik voraussetzt.
Wenn sich auch keine Proben aus ältester Zeit mehr erhalten
haben, so ist doch anzunehmen, dafs das Bemalen der Helme schon
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58
I. Die Schutzwaffen.
um die Mitte des 12. Jahrhunderts üblich war. Bildliche Beispiele
haben sich namentlich an Turnierhelmen vom 15. Jahrhundert an er-
halten. Die Motive sind zumeist heraldisch. Es finden sich aber in
den Sammlungen auch Schallern vom Ende des 1 5. und Helme des
16. Jahrhunderts mit charakteristischen Malereien ausgestattet. Über
das Schwärzen und Bläuen der Harnische und über die Ursache des-
selben werden wir an einem anderen Orte nähere Erklärungen an-
fügen, aber über eine andere spezielle Ausstattung, die lediglich nur den
Helm betrifft, ist es nötig, uns näher auszusprechen. Schon im
14. Jahrhundert treten, zuerst in Italien, mit Stoff überzogene Eisen-
hüte und Helme auf, wie wir aus Gemälden ersehen. Die italische
Sonne erhitzte das Metall in so hohem Grade, dafs eine derartige
Fig. 53 54-
F«ß- 53 Gemeine Hirnhaube eines deutschen Reiters um 1640.
K. k. Heeresmuseum im Wien.
Fig- 54- Hirnhaube (segretta in testa) mit fünf Spitzen, ge-
schwärzt und mit geschobenen kleinen Backenstücken. Italienisch. 16. Jahr-
hundert, zweite Hälfte.
ausgiebige Vorsorge selbst dann begreiflich erscheint, wenn man, wie
doch anzunehmen, jeden Helm mit einer dicken Fütterung, dem Helm-
futter (hamaschhaube), ausgestattet sich vorstellt Diese Neuerung fand
ein um so regeres Entgegenkommen in den italienischen Städten, als
durch selbe erzielt wurde, dem Helme den Anschein eines bürger-
lichen Kleidungsstückes zu geben. So sehen wir in den Sammlungen
italienische Schallem und später Sturmhauben, welche entweder noch
den originalen Überzug aus Samrat oder Seide besitzen oder doch
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I. Der Helm.
59
durch die an den Rändern befindlichen kleinen Löcher erkennen
lassen, dafs sie einst überzogen waren. Diese praktische Einrichtung
fand auch im 16. Jahrhundert Eingang in die Truppenkörper nament-
lich der italienischen und spanischen, aber auch die leichte Reiterei
in Deutschland war mit solchen überzogenen Helmen um 1570 aus-
gerüstet.
Die grofse Schwierigkeit der Fertigung der Helme brachte schon
im frühesten Mittelalter die Helmschmiede zu hohem Ansehen. Die
Technik des Austreibens der Glocke entwickelte sich vom Anfange
des 16. Jahrhunderts in solchem Grade, dafs die Arbeiter nicht
nur die Scheitelstücke, sondern aus diesen auch 10 bis 12 cm.
hohe Kämme heraustrieben. Erst im 16. Jahrhundert läfst diese
Fertigkeit nach, der grofse Bedarf an Helmen, die Zunahme des
Wertes der menschlichen Arbeit, beide Faktoren trieben die Preise
der getriebenen Helme zu unerschwinglicher Höhe hinauf. Man
suchte sich zu helfen und fertigte die Helme, Sturmhauben, Morions
und Gugeln, aus zwei Hälften, die dann zu einem Ganzen zusammen-
genietet und verschweifst wurden. Derlei Stücke haben natürlich
auch für den Sammler einen minderen Wert, da sie nicht aus dem
Stück, sondern aus vorbereitetem .Schlagblech getrieben sind.
Bevor wir diesen Abschnitt schliefsen, mögen noch einige Worte
Über die Sitte hier angeführt werden, die Helme und hier besonders
jene zum Turniergebrauche mit Federn oder federartig gestalteten
Aufsätzen zu zieren. Bis ans Ende des 15. Jahrhunderts begegnet
man und besonders an Turnierzeugen den plastischen Zimieren.
Mit diesen aber kommen schon häufig kleinere und gröfsere Feder-
büsche (pennacchio, penacho) in Verbindung. Im Kriege wurden,
als die Söldnerheere sich mehr entwickelten, nur kleine Federbüsche
oder auch nur Laubwerk auf den Helmen und Hauben getragen.
Die Befestigung erfolgte bei Helmen, Sturmhauben, Morions und Gugeln,
rückwärts, bei Eisenhüten und Kappen gewöhnlich seitwärts, wozu
eigene Federhülsen angebracht waren. Letztere bestehen bei
deutschen Helmen und Hauben aus verzierten Hülsen aus Mes-
sing, bei italienischen zuweilen auch aus schildförmigen, ornamentierten,
stark ausgebauchten Plättchen, die den italienischen Kartouchen ähnlich
geformt sind. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde es
in Italien Mode, bei festlichen Aufzügen, Turnieren und dergl. auf
den Helmen riesige Federbüsche von Meterhöhe, ganze Systeme auf
den Helmen zu tragen, die in seltensten Fällen aus wirklichen Federn,
sondern aus Imitationen von Seide oder Schafwolle bestanden. Diese etwas
barocke Sitte verbreitete sich auch an die deutschen Höfe. Zur Be-
festigung dieser monströsen und schweren Verzierungen mufsten die
Helme eigene Vorrichtungen auf den Kämmen besitzen. Von diesen
mechanischen Vorrichtungen haben sich noch einige in den Samm-
lungen erhalten, bei vielen Helmen finden sich aber noch die Spuren
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60
I. Die Schutzwaffen.
ihrer einstigen Existenz. Mit dem Beginne des 30jährigen Krieges
verschwindet auch diese Mode. (Fig. 55.)
Nebst diesen Vorrichtungen zum Feststellen des Helmschmuckes
finden sich auch zuweilen bei Helmen und Sturmhauben, namentlich
älteren bis etwa 1520 andere Eigentümlichkeiten, welche eine Er-
wähnung verdienen. Solche sind zunächst die Schnürlöcher für
die Helmhaube. Unterhalb des Helmes wurden nämlich anfänglich
stark gefütterte Hauben aus Zwilch oder Leder getragen. Um diese
nun bequem zurechtschieben , Falten
ausgleichen zu können etc., waren rück-
wärts an den Seiten derselben Lederriem-
chen genäht, welche durch entsprechende
Löcher im Helme gezogen und aufser-
halb gebunden wurden. Diese stets
paarweise auftretenden, häufig mit Mes-
sing gefütterten Schnürlöcher rinden sich
an späteren Stechhelmen, wie auch an
geschlossenen Helmen fürs Feld und
selbst an Sturmhauben vom Anfange des
16. Jahrhunderts. Das Streben, dem
Kopfe unter dem Helme Luft zuzuführen
und die Qual der Hitze im Sonnen-
brande zu mäfsigen, führte am Beginne
55- des 16. Jahrhunderts dahin, dasScheitel-
55- Vorrichtung für die stück siebartig zu durchlöchern. Solche
Befestigung eines Helmschmuckes Helme kommen uns schon um 15 10
an einem geschlossenen Helme. . c , . , , , ,
Italienisch. 16. Jahrhundert, zweite VOr AuSen' man findet aber aUch S°lche
Hälfte. Sammlung C. Bazzero in durchlöcherte Helme für das Fufsturnier
bis 1570.
2. Der Harnischkragen.
Der Gebrauch, den Hals durch eiserne Schienen zu decken,
wird bei den Plattenharnischen erst am Beginne des 16. Jahrhunderts
allgemein. Nahezu ein Jahrhundert wird der Plattenharnisch ohne
Kragen getragen. Zwar rinden sich schon vor der Einfuhrung des-
selben Anzeichen genug, welche darauf hinzielen, den Hals zu schützen.
So wird das unter dem Lentner getragene Wams oder auch dieser
selbst hoch in den Hals hinauf geschnitten und der Kragenteil vorn
verschnürt. Darüber kam die Helmbrünne zu liegen, welche bis zu
den Schultern ausreichend deckte. Auch das unterhalb liegende
Panzerhemd reichte anfänglich bis über den Hals hinauf und wurde
vorne mit 2 — 3 Riemchen zusammengeschnallt. Diese Art des Hals-
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2. Der Harnischkragen.
61
Schutzes blieb sich im wesentlichen auch in jener Periode gleich,
in welcher die ersten geschlossenen Helme in Gebrauch kamen.
Als die Kugelhelme in Aufnahme kamen, etwa um 1450, wurde der
Hals durch den unteren Teil des Helmes, der bis auf die Brust und
den Nacken hinabreichte, geschützt, aber aus dieser Form erwuchs die
groke Unbequemlichkeit, dafs der Mann nicht im stände war, den
Kopf zu erheben oder zu senken. Dieser Nachteil führte zunächst
und aus den Kreisen der praktischen Kriegführung heraus zur Ein-
führung der Schallern. Die italienischen Kondottieri waren es zuerst,
welche sich dieser relativ bequemeren Kopfbedeckung bedienten.
Der Hals wurde durch den an das Bruststück vom befestigten Bart
geschützt, welcher bis in die Höhe der Augen reichte. Erst mit der
Einführung des burgundischen Helmes erschien als wesentliche Bei-
gabe der Harnischkragen, welcher als Bestandteil fortan beibehalten
Fig. 56. Fig. 57.
Fig. 56. Kragen von einem Harnische des Kaisers Maximilian I.
mil Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Vorne erblickt man das
Emblem des Vlicfsordens. Die Achseln werden durch Riemen befestigt.
Deutsch, um 1508. Eines der ältesten Beispiele eines Harnischkragens.
Fig. 57- Kragen von einem Harnische, der Albrecht Achilles
von Brandenburg (141 4 — 1486) zugeschrieben ist. Der obere Rand ist
in der Art eines umgeschlagenen Kragens geformt. Arbeit um 15 10.
und selbst unter dem geschlossenen Helme oder der Sturmhaube ge-
tragen wurde.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dafs der Harnischkragen aus
dem sogenannten Bart (baviere, baviera) hervorgegangen ist Der
vordere Teil wurde hierzu derart verändert, dafs er nur den Hals
deckte; weiter hinauf erschien eine Deckung überflüssig, weil eine
solche durch Kinnreff und Visier am Helme hinreichend vorhanden
war. Der Rückteil wurde zum vollkommenen Verschlufs neu hinzu-
62
[. Die Schutzwaffen.
gefügt. Die ältesten Krägen wurden noch gleich dem Barte auüser-
halb am Bruststücke mit Kloben befestigt (Fig. 56-) Bald aber
änderte man diese Anordnung derart, dafs zuerst der Kragen, dann
erst Brust- und Rückenstück zum „Anlegen" kamen. Um 1630 kam
man wieder auf die ursprüngliche Einrichtung zurück und verlegte
den Kragen über Brust und Rücken.
Der Harnischkragen besteht aus dem Brust- und Rückenbleche,
das, auf Brust und im Nacken aufliegend, genau dem Körper ange-
pafst sein mufs; an diese schliefst sich gegen den Hals hinauf ein
3 — 4faches Geschübe. Der vordere und rückwärtige Teil ist getrennt,
beide sind links nur mit Scharnieren in Verbindung; an der rechten
Seite werden sie mittelst Häspen geschlossen. (Fig. 57.)
Es wird sich gleich am Beginne empfehlen, zu erklären, was
man unter einem Geschübe am Plattenharnische überhaupt versteht
und wie dasselbe eingerichtet ist. Das Harnischblech ist eine steife
Platte, die so unnachgiebig ist, dafs es unmöglich wäre, ohne eine
besondere Zusammensetzung der Teile dem von selbem bedeckten
Körper auch nur eine geringe Beweglichkeit zu gestatten. Man fugte
daher alle jene Harnischteile, welche Körperteile zu decken bestimmt
waren, denen die Beweglichkeit erhalten bleiben mufste, aus einzelnen
Blechstreifen, sogenannten „Schienen", im Fachausdrucke auch
„Folgen" genannt, zusammen, die, horizontal angeordnet, etwas sich
übergreifend gelegt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder
verbunden wurden, die von innen mit platten Nieten befestigt waren.
Diese Verbindung durch Lederstreifen kommt nicht ausnahmslos vor,
im Gegenteil finden sich zahlreiche Beispiele, dafs die Schienen
untereinander mit Nieten verbunden sind, welchen durch längliche
Öffnungen eine Spielung nach auf- oder abwärts gestattet ist Dieser
Konstruktionsart wird an italienischen Harnischen häufig begegnet,
man nennt sie „eiserne Geschübe". Sie konnten ihrer geringen
Vorteile halber nirgends zu allgemeiner Verwendung gelangen. Je
nach der Richtung des Übergreifens der Schienen bezeichnet man
selbe nach auf- oder abwärts geschoben. So werden nach dem
Fachausdrucke gewöhnlich die Hals- und Nackenreifen, der Kragen,
zuweilen die Achseln mit den Flügen, geschlossene Armbeugen, die
Handschuhe, die Bauchreifen, Beintaschen, oder die Schöfse, nicht
selten auch die Diechlinge und die unteren Teile der Beinröhren,
endlich auch die Schuhe an den Riststellen geschoben. Wie wir
später ersehen werden, wird, um die Beweglichkeit des Körpers mög-
lichst zu fördern, auch das Brust- und Rückenstück ganz oder nur
teilweise aus Geschoben gebildet, beim Rofsharnische der Halsteil,
seltener andere Bestandteile desselben. Die übergreifenden Ränder
der Folgen, welche gemeiniglich scharf zugefeilt sind, heifsen „Für feilen".
Wenn der Harnischkragen für einen burgundischen Helm dient
dann ist sein Oberrand nach auswärts gebogen und dieser aufgebogene
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2. Der Harnischkragen.
63
Rand dient als Führungsschiene für den hohlen Wulst am Unterrande
des Helmes, der sich darin nach den Seiten bewegt, wie es in der
alten Sprache heifst: „der im Kragen vmbgeet". Bei allen anderen
Helm- und Harnischformen besitzt der Kragen einen aufgeworfenen
Rand, der häufig mit eingehauenen Linien geziert ist, die ihm das
Aussehen einer gedrehten Schnur verleihen, ein sogenannter „ge-
schnürlter", im Gegensatze zum „glatten" Rand. (Fig. 58.)
Nicht selten findet man an geschlossenen deutschen Sturmhauben
unterhalb quere Auftreibungen, dem Kragenrande entsprechend, um
eine Verbindung der Haube mit dem Kragen zu erzielen. Uber dem
Kragen wurden nun Brust und Rücken dann erst die Achseln mit
den Armzeugen aufgelegt. Eine nicht unwichtige Aufgabe hatte der
Kragen dadurch zu erfüllen, dafs an seinen Seiten die Achselstücke
mittelst sogenannter Federzapfen oder auch mittelst Riemchen befestigt
Fig. 58. Fig. 59.
Fig. 58. Harnischkragen mit Federzapfen zur Befestigung der
Achseln, in Schwarzätzung im Stile der oberdeutschen Kleinmeister, ge-
ziert von einem Landsknechtharnische des Sebastian Schärtlin von
Hurtenbach (i495— « 577-) Deutsch, um 1545.
Fig. 59* Kragen zum Reiterharnisch des Kurfürsten Johann
Friedrich von Sachsen, (1503— 1554) zugleich Wechselstück für
einen Landsknechtharnisch. Geschwärzt, mit blanken, schwarzgeätzten
Strichen (vieUeicht von Mathias Gerung.) Deutsch um 1540.
wurden. Um 1540 erscheinen die Brust- und Rückenbleche der
Kragen an deutschen Harnischen bis über die Achseln reichend.
Die Veranlassung war nur, den Druck der Tragbänder des Brust-
stückes zu mäfsigen. Die Form verschwindet wieder um 1550. (Fig. 59.)
Diese Anwendung der Verbindung mit den Achseln hatte für
den praktischen Gebrauch in der Truppe seine Nachteile schon da-
durch, dafs das Anlegen der Harnische bei den vielen einzelnen
Stücken umständlich war und unverhältnismäfsig viele Zeit erforderte.
Diese Wahrnehmung und das Bestreben, dem Übelstande abzuhelfen.
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€4
L Die Schutz waffcn.
führte in der Landsknechttruppe zu einer besonderen Harnischform,
welche sich von jener des „ritterlichen" Harnisches unterscheidet
Hauptsächlich durch die eigentümliche Form des Kragens und des
Armzeuges bildete sich der sogenannte gemeine „Landskuechtha misch*',
der, den praktischen Bedürfnissen im Kriege besser entsprechend, bald
auch von den „reisigen" (reitenden) Knechten, im Kriege aber auch
gern von der Ritterschaft getragen wurde. Die Form verbreitet sich
im Heere von der Landsknechttruppe aus, übergeht von da auf. die
leichte italienische Reiterei, die Arkebusierc, schwarzen Reiter etc.,
endlich auf die leichte Reiterei der Spanier und Niederländer. Am
spätesten nehmen sie jene der Franzosen und Deutschen an.
Diese Veränderung, welche durch diese nicht unbedeutende Um-
Fig. 60.
Fig. 60. Kragen zu einem Trabharnische des Fcldobersten
Heinrich von Rantzau, (1526 — 1599) gebläut und mit geschwärzten
Strichen geziert. Der Kragen steht in Verbindung mit Spangröls, an
welchem Schwebescheiben hängen (die linksseitige ist hier weggelassen
worden). Deutsch um 1570.
bildung des Feldharnisches der Harnischkragen erfuhr, war nicht ge-
ring. Zunächst wurde das Brust- und Rückcnblech bedeutend gröfser,
da das Brust- und Rückenstück, um es möglichst zu erleichtern, ge-
ringere Dimensionen erhielt und mit (anfänglich) gerade laufenden
Oberrändern nur bis etwa an die zweite Brustrippe hinaufreichte, so
dafs thatsächlich Brust- und Rückenblech des Kragens einen bedeu-
tenden Teil der Brust und des Rückens deckte. An den beiden
Seiten des Kragens wurden die Achseln befestigt, welche, etwa 8 —
10 mal geschoben, weder Vorder- noch Hinterflüge besafsen. Man
nannte derlei Achseln in den Landsknechtheeren „Spangröls", eine
Umbildung des italienischen Wortes „spalla-gola". Diese Achselstücke,
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2. Der Harnischkragen.
65
welche bis an den Ellenbogen herabreichten, standen nicht immer
mit einem Armzeuge in Verbindung, in vielen Fällen schützte den
Arm lediglich der Panzerärmel, Hand und Unterarm der Handschuh,
dessen lange Stulpen bis an den Ellenbogen reichten.
Diese Umänderung des Feldharnisches für den Söldner begann
um 1 530 und war um 1 570 vollendet, der Anstofs daz\i wurde von
Italien gegeben, man nannte sie dort alleggiate, in Frankreich und
England allecrets.
Um den Kragen mit den Spangeröls bequemer anziehen zu
können, wurde die rechte Achsel nur rückwärts mittelst eines Riemens
mit dem Kragen verbunden, ein zweiter Riemen wurde erst nach dem
Umlegen mittelst eines Bolzens in ein Loch eingehakt, welches am
Halsbleche des Kragens befindlich war. Vornehmere trugen zu den
Spangeröls auch Armzeuge, die in Lederschleifen an ersteren hingen.
Fig. 61. Kragen als Beigabe zur gewöhnlichen Tracht, in
Kupfer getrieben und teils vergoldet. Vorne erblickt man Neptun,
Ainphitrite mit Amor. Anfang des 17. Jahrhunderts. Italienisch.
Museum zu Zarskoe-Selo.
Fig. 62. Kragen von einem Prunkharnische des kais.
Generallieutenants Grafen Adolf Schwarzenberg (gefallen 1600)
reich geätzt und vergoldet Arbeit des Pomfeo della Chiesa in Mai
land um 1590.
Auch Schwebescheiben finden sich an Spangeröls häufig angehängt,
um die Achselhöhlen zu decken. (Fig. 60.)
Um 1570 erhielt der Kragen an ritterlichen Harnischen dadurch
eine Veränderung, dafs er, nun der Mode entsprechend, hoch hinauf-
gezogen erscheint. Über dem Rande tritt dabei anfänglich ein schmaler,
später ein übermäfsig breiter und hoher, weifser, gefalteter Kragen,
aus feiner, gestreifter Leinwand hervor, der in seiner höchsten Über-
treibung als „Mühlsteinkragen" bekannt ist. Wir werden bei Gelegen-
H oi- he im, Waffcnkundc. , 5
Fig. 6l.
Fig. 62.
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66
l. Die Schutzwaffen.
heit der Betrachtung der Harnischbrust ersehen, dafs der Kragen
nicht immer als selbständiger Bestandteil, sondern auch in Verbin-
dung mit der Brust und dem Rücken erscheint.
Schon um 1550 wurde es unter den Kavalieren in Italien Sitte,
im gewöhnlichen Verkehre in den Städten, um doch etwas vom Har-
nische an sich zu haben, und vielleicht, um bei einem unvermuteten
Angriffe wenigstens die Schlagadern geschützt zu haben, nur den Kragen
allein zu tragen, -Das führte nicht nur zur besonderen Verzierung
desselben, sondern auch dahin, Farbe und Zier des Wamses in Ein-
klang mit der Dekoration des Kragens zu bringen. Derlei Krägen
sind um 1620 schon ohne Geschübe, reichen auch etwas weiter über
die Brust herab und erscheinen dort, weil nun sichtbar, mit geschmack-
vollerem Schnitte (Fig. 61, 62.) Diese Sitte erhielt sich in den italienischen
Fig. 63. Fig. 64.
Fig. 63. Kragen von einer ungarischen Feldriistung des Erz-
herzogs Ferdinand Karl von Tirol. Geätzt und versilbert. 1650.
Fig. 64. Dienstkragen eines preussischen Oberoffiziers.
Um 1740.
Heeren unter den Offizieren, wurde später zum Dienstabzeichen und
verbreitete sich in fast alle Anneen Europas. Im niederländischen
Befreiungskriege, unter Moriz von Oranien, im 30jährigen Kriege
wird der Harnischkragen von den Offizieren fast ausnahmslos über
dem Lederkoller getragen. (Fig. 63.) In der Zeit des Rokoko, in
welcher alles zugeschnitten und zugestutzt wurde, verlor der Dienst-
kragen den allerdings minder bequemen Halsteil und schrumpfte zum
Ringkragen zusammen, als welchen wir ihn noch zur Stunde in
vielen Armeen sehen können. (Fig. 64.)
In seinem Zusammenhange mit den übrigen Teilen des Har-
nisches werden wir ihn später erblicken.
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3. Da* Arnweug.
G7
3. Das Armzeug.
Zum Armzeug (franz. brassard, ital. bracciale) am Plattenhar-
nische rechnet man die Achseln (fr. epaulieres, ital. spallacci), die
Armröhren (canons) und die Ellenbogenkacheln (fr. cubitiercs,
ital. cubitiere), und benennt gemeiniglich die Achseln mit der an-
schliefsenden Armröhre Oberarmzeug, die übrigen beiden Stücke
Unterarmzeug.
Wiewohl eine Bedeckung der Achseln durch Bronze oder Eisen
schon im Altertume allenthalben im Gebrauche war, so gewahren wir
doch in der kriegerischen Ausrüstung des früheren Mittelalters nirgends
eine besondere Sorge für den Schutz einer so sehr der Verletzung
ausgesetzten Körperstelle, wie die Schultern sich darstellen. Wir finden
weder an der Brünne (broigne) noch am Haubert des 13. Jahrhun-
derts die geringste Verstärkung, und demnach konnte ein Axt- oder
mächtigerer Schwerthieb ohne Zweifel jene Stelle ausgiebig verwunden.
Als einziges Mittel, seine Schultern zu schützen, blieb dem Krieger
bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts der Schild, später die über
den Hals gehängte Tartsche. Erst um 1275 schien man sich der
Mangelhaftigkeit der Kriegskleidung bewufst zu werden, denn die um
jene Zeit auftretenden Achselschilde (ailettes), in Frankreich und
England, welche später nähere Erwähnung finden werden, hatten die
Aufgabe, nicht nur dem Halse, sondern auch den Schultern einen
besseren Schutz zu bieten. Aber diese Schildchen, an sich nicht
sehr widerstandsfähig, glitten im Gefechte leicht von der Schulter
ab und fielen nach vor- oder rückwärts. Um diesen Nachteilen zu
begegnen merkt man schon um jene Zeit schüchterne Versuche, die
Achseln unmittelbar mit Platten aus geschlagenem Eisenblech zu be-
decken. Man befestigte runde Scheiben mittelst Lederriemen an den
Achselpunkten des Hauberts, diese Achselscheiben deckten den
Körperteil begreiflicherweise nur höchst unvollständig, weshalb
man am Ende des 13. Jahrhunderts begann, die Achseln mit
schuppenförmigen, lose herabfallenden Plättchen, bald darauf aber mit
quer angeordneten Schienen zu decken, welche schon eine Art von
Geschübe darstellten. Man nannte ein derlei Achselstück um 1270
Spaldenier vom lateinischen espalderium. Diese nicht unwichtige
Veränderung fällt so ziemlich mit der Aufnahme des Lentners zu-
sammen, der, eng den Leib umschliefsend, allen Verstärkungen mehr
Halt gewährte. Wir sehen auch im 14. Jahrhundert diesen Vorteil
rasch benutzt, denn nun wird die Achsel durch halbkugelförmig ge-
triebene Platten geschützt, die sich oben an den Lentner, unterhalb
an die Armschienen anschliefsen. Diese Verbesserung blieb dadurch
unvollkommen, als der Arm in gehobener Stellung ungedeckt er-
schien, und diese Wahrnehmung führte schon in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts zur Vergröfserung der Achselstücke nach vor-
5*
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08
I. Die SchutzwafTen.
und rückwärts. Damit bildeten sich die sogenannten vorderen und
hinteren Flüge. Die ersten derlei Formen bestanden aus einem
Stücke, aber es dauerte nicht lange, so wurden dieselben, um den
Armen mehr Bewegungsfreiheit zu bieten, in mehreren Folgen nach
aufwärts geschoben. Die Vorderflüge, das sind die gegen die
Brustmitte zu sich verbreitenden
Partien der Achseln, sind nicht
immer an beiden Seiten gleich.
Der rechte ist nämlich in der
Regel, da der Reiter die Spiers-
stange in die Achselhöhle geprefst
führte, an dieser Stelle konkav
ausgeschnitten (Fig. 65), während
der linke voll gestaltet bleibt. Da-
mit war die Achselhöhle, nament-
lich bei Führung des Schwertes,
gefährdet Man versuchte es nun
mit freihängenden kleinen Platten,
welche an den Flügen mit Leder-
riemen oder Schnüren befestigt
Fig. 65.
Fig. 66.
Fig. 65. Rechtsseitiges Armzeug von einem sogenannten
gotischen Hämische des Erzherzogs Sigmund von Tirol mit aus-
geschnittenem Vorderflug und aufgebundenen halben Armkacheln.
Deutsche Arbeit um 1480.
Fig. 66. Rechtsseitige Achsel mit angebundener Schwebe-
scheibe von einem Harnische des Kaisers Ferdinand L um 1560.
wurden. Diese Platten, anfänglich viereckig, lappenförmig, wurden
um 1400 scheibenförmig gestaltet und Schwebescheiben ge-
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3. Das Armzeug.
69
nannt. Sic bewährten sich im Gebrauche und erhalten sich fast
während der ganzen Periode des Plattenharnisches bis ans Ende des
16. Jahrhunderts; ausnahmsweise werden sie selbst an Spangröls ge-
a. Fig. 67. b.
Fig. 67a. Rechtsseitiges Armzeug von einem Harnische
Ferdinand des Katholischen, Königs von Arragonien. Italienische
Arbeit um 1480.
Fig. 67b. Rückseite von Fig. 67a.
tragen. (Fig. 66.) Als um 1580 allenthalben die Reifsspiefse abgelegt
wurden, wurden auch die rechten Vorderflüge nicht mehr ausgeschnitten.
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70
I. Die SchutzwaflVn.
Auch an Turnierharnischen für den deutschen Fufskampf und für
das spätere Fufsturnier waren von jeher ausgeschnittene Vorderflüge
Fig. 68.
Fig. 68. Linksseitiges Armzeug mit Spangröls und halben
Ellenbogenkachcln von einem Landskucchtharnische des Caspar von
Frundsbcrg. Deutsch um 1527.
nicht üblich. Die Hinterflüge sind nach Ablegen der Helmbrünne
anfanglich sehr grofs gebildet, ja an italienischen Harnischen über-
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3. Das Amizeug.
71
greifen sie sich an der Rückgratstelle nicht selten, um das nicht
sehr widerstandsfähige, tief ausgeschnittene Rückenstück zu verstärken.
An italienischen Harnischen des 15. Jahrhunderts treffen wir auch
Achseln ohne, oder nur mit kleinen Vorderflügen; es erklärt sich das
durch den Widerwillen des Italieners gegen eine Beschränkung in
seiner Bewegung, wie auch durch seine dem Naturell angepafste
Fechtweise (Fig. 67 a und 67b). Und gerade in Italien änderten die
deutschen Landsknechte den Harnisch um, verwarfen die Achseln
mit den die Bewegung beeinträchtigenden Flügen und schlössen an
den Kragen ein Geschübe, welches nur die Achsel und die äufsere
Schulterseitc bis zur Hälfte des Oberarmes deckte. Diese Achseln
Fig. 69. Linksseitige Achsel mit geschobenem Vorderflug
und hohem Brechrand von einem Harnische des Kaisers Ferdinand!,
um 1560.
in Verbindung mit dem Kragen hiefsen, wie wir bereits bemerkten,
Spangröls. (Fig. 68). An deutschen Reiterharnischen vom Anfange
des 16. Jahrhunderts finden sich ebensowohl Achseln mit als ohne
Vorderflüge und selbst ohne Hinterflüge.
Gerade an jenem Zeitpunkte, an welchem eine merkbare Scheidung
in der Form der Harnische des Adels und des Söldners eintritt,
gegen Ende des 15. Jahrhunderts, wird die Achsel an ritterlichen
Harnischen in ganz selbständiger Weise weitergebildet. Der adelige
Reiter hatte als Streitobjekt wieder den Reiter vor sich, gegen
Fig. 69.
72
I. Die SchutzwafTen.
dessen Reisspiefc, dessen Schwert er sich zunächst zu schützen hatte.
Das Spiefseisen konnte ihm die Achsel mit dem Helme abstofsen,
ein Schlag mit dem Hammer, ein kräftiger Schwerthieb die Achsel-
schienen zertrümmern. Man setzte daher an der Vorderseite der
Achseln, den Vorderflügen
entlang, aufrecht stehende
Schienen, welche so ge-
stellt waren, dafs jeder
Spiefsstofs gegen den ge-
fährdeten Punkt an selben
abgleiten mufste, so hoch,
dafs jeder Hieb nur die
Kante derselben, nie aber
die Schulter treffen konnte.
Derlei Schienen heifsen,
Fig.
Fig. 7i.
Fig. 70. Armxeug. Partie von einem Grabmale des Chevaliers
Baion in der Kirche zu Carleston nach Stothard The Mon. Effig. of
Great-Britain.
Fig. 71. Linksseitiges Armzeug mit steifem Achselflug und
ganzen Muscheln. Blank mit Schwarzätzung geziert, vun einem Lands-
knechtharnischc des Lazarus Schwendi, Freiherrn von Hohenlands-
berg, kais. Feldhauptmann. Deutsche Arbeit um 1560.
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3. Das Armzeug.
73
wenn sie nieder gestaltet sind: Stauchen (Achselstauchen), hohe,
weit über die Schulter hinausreichende: Brechränder, auch Stofs-
krägen (fr. passe -gards, ital. guarda-goletta, span. bufa). (Fig. 69.)
Sie verlieren sich nur allmählich in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Die Achselstücke sind an den Schulterpartien durchwegs und meist
nach aufwärts geschoben. Zuweilen setzt sich, und zwar an Har-
nischen späterer Zeit von 1560 an, das Geschübe auch bis über die
Flüge hinaus fort. Man unterscheidet demnach Achseln mit steifen
von solchen mit geschobenen Flügen. Auch diese letzteren er-
scheinen in verschiedenen Formen, entweder mit Flügen, welche nur
an den oberen Achseigeschüben haften, oder solchen, bei denen die
Flüge auch mit den unteren in Verbindung sind. Die Befestigung
der Achseln erfolgte in der Regel am Kragen, seltener an den eisernen
Schulterbändern, noch seltener an den Schulterriemen, anfänglich
mittelst Federbolzen, welche den Nachteil besafsen, dafs sie leicht
abgehauen wurden, später an Riemen.
Von der Mitte des 15. Jahrhunderts an bis ans Ende des 16.
prägt sich in den Formen der Achselstücke der Kunststil der Zeit
in hervorragender Weise an den gotischen Harnischen um 1460
bis 1480 aus, in welcher Periode die Flüge gleich den Armkacheln
muschelförmig getrieben und in geschmackvollster Zeichnung durch-
brochen gearbeitet werden.
Es ist bemerkenswert, dafs das Bestreben, die äufsere oder
Streckseite des Armes mit Eisen platten gegen den Hieb zu schützen,
schon um etliche Jahrzehnte vor der Einführung der Achselscheiben
und der Spaldeniere merkbar wird. Um 1250 bereits sehen wir
Krieger, welche schmale Eisenschienen an die Oberarme geschnallt
tragen. Vielleicht noch aus früherer Periode datiert der Gebrauch,
die Ellenbogen durch kleine buckeiförmig ausgetriebene, eiserne Platten,
sogenannte Mäusel (eubitieres) zu schützen. (Fig. 70.) Erst am Be-
ginne des 1 4. Jahrhunderts wird auch der Vorderarm an der Streck-
seite mit einer Eisenschiene gesichert. Man würde irren, wollte man
in diesen primitiven Versuchen, die Arme des Kriegers zu schützen,
die späteren Armzeuge erblicken. Wie überhaupt der Plattenharnisch
durch ein organisches Aneinanderfügen von früher getrennten und
für sich bestehenden Verstärkungsstücken gebildet wurde, ebenso
standen die ersten den Arm deckenden Stücke untereinander in
keinem Zusammenhange, sondern wurden, jedes für sich, mittelst
Riemen an die Arme geschnallt. Die Franzosen nennen eine derlei
Deckung der Arme avant- oder arriere-bras und trennen diesen
Begriff von dem späteren Armzeuge, brassard, ein Ausdruck, der
übrigens erst im 16. Jahrhundert auftritt. Im Verlaufe des 14. Jahr-
hunderts vervollständigt sich allmählich der Schutz des Armes, die
Schienen werden immer breiter , die unbedeckten Stellen immer
schmäler, bis um 1350 die Armröhren sich bilden. Die den Ober-
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74
1. Die SchutzwalTcn.
arm deckenden Oberarmrühren besitzen keine seitlichen Öffnungen,
da der Arm einfach durch selbe gesteckt wurde. Die Unterarm-
röhren jedoch sind an den inneren Seiten offen und werden erst
nach dem Durchziehen des Armes geschlossen. Dieser Verschlufs
erfolgte an älteren Armzeugen bis etwa 1500 ausnahmslos durch
Riemen und Schnallen, von dieser Zeit an durch Haspen. Italienische
(Mailänder) Harnische vom Ende des 15. Jahrhunderts besitzen, um
die Drehung des Armes zu gestatten, am Oberrande der Oberarm-
schiene horizontale Führungsschienen, die um 1500 in Abnahme
kamen, da bei Einführung von geschobenen Oberarmröhren die Ge-
schüblcder ohnehin eine mäfsige Drehung des Annes gestatteten.
Selbst nach dieser Vervollständigung blieben die einzelnen Teile
untereinander ohne Verbindung, ja nicht selten werden die Achseln
über dem Panzerhemd getragen, wahrend auch andere innerhalb der
Ärmel desselben auf das gesteppte Wams geschnallt wurden. Die
Armröhren mufsten natürlich, um den Arm biegen zu können, in der
Beuge stark ausgeschnitten werden. Dadurch blieb eine empfindliche
Stelle ohne Deckung; man suchte sie durch kleine Rundscheiben zu
ersetzen, die an die äufsere Armseite geschnallt wurden. Das war
unbequem und entsprach wenig dem Zwecke, man geriet darum etwa
um 1380 auf den Gedanken, die Streckseite des Armes mit einer
buckeiförmig ausgestatteten Platte, dem sogenannten Mäusel, zu
decken und an dieses zur Deckung der Armbeuge ein breites, muschel-
förmiges Blechstück anzufügen. So bildeten sich die Armkacheln
(garde-eubitieres). Bei den ältesten setzen sich die vorderen breiten
Ansätze, die sogenannten Muscheln, allgemach schmäler werdend,
über die Armbeuge nach rückwärts, ohne an der rückwärtigen Arm-
seite anzuschliefsen. Man nennt derlei Formen Armkacheln mit
halben Muscheln (Fig. 67a); falls sie, wie an Annzeugen des iö.Jahrh.
einem Stege gleich den Arm ringartig umschliefsen, solche mit ganzen
Muscheln. (Fig. 71.) Aber die Deckung, welche die Muscheln
des Armzeuges gewährten, erschien den Plattnern immer noch nicht
genügend, sie strebten auch hier die absolute an und versahen die
Öffnung der Armbeuge mit einem Geschübe, welches allerdings den
beabsichtigten Zweck bis zu einem Grade erreichte, die Bewegung
des Armes jedoch nicht unbedeutend beeinträchtigte. Derart kon-
struierte Armzeuge heifsen geschlossene. Sie erscheinen vereinzelt
schon um 1480 an Stechzeugen, erhalten sich bis ins 1 7. Jahrhundert,
fanden aber zu keiner Zeit eine allgemeine Einführung, nur bei ge-
wissen Tumierformcn glaubte man sie nicht entbehren zu können.
(Fig. 72 a und 72 b.) Um 1420 gerieten die Mailänder Waffen-
schmiede auf den ungeachtet seiner Einfachheit doch eine vollständige
Neuerung darstellenden Gedanken, Achseln, Armröhren und Kacheln
mittelst Folgenriemen oder Nieten untereinander zu verbinden und
so nicht allein eine vollständige Deckung zu erzielen, als auch das
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3. Das Annzeug.
75
ungemein langwierige und komplizierte „Anlegen" zu vereinfachen
und abzukürzen. Diese Erfindung und deren Anwendung, die sich
auch auf das Beinzeug erstreckte, war es, die im 15. Jahrhundert
den „Mailänder Harnisch" zu einer besonderen Spezialität machte.
Deutsche und burgundische Werkstätten ahmten ihn nach, aber die
a. Fig. 72. b.
Fig. 72a. Linksseitiges Armzeug mit geschobener Achsel
und niederem Brechrand. Die Armbeugen sind geschlossen. Von einem
Harnische Philipp IT., Königs von Spanien. Mit Hochätzung geziert
und teils vergoldet. Deutsche Arbeit um 1546.
Fig. 72b. Rückseite von 7 a, der Hinterflug ist steif.
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76
I. Die Schußwaffen.
Armkacheln mufsten, wenngleich in Verbindung mit den Röhren,
doch um 1480 noch durch Lederschnüre „aufgebunden" werden, um
sie festzustellen. Derlei Schnüre waren an den Ellenbogenpunkten
des Wamses befestigt, sie wurden durch in den Armkacheln ange-
brachte Löcher gezogen und dann auswärts gebunden. (Fig. 65.)
Derlei Befestigungsarten erblickt man noch häufig an Nürnberger-
und Augsburger Harnischen jener Zeit. In Inventaren von 1580
noch wird das vollständige, von der Achsel an in seinen Teilen in
Verbindung stehende Armzeug durch den Beisatz: ,, alles aneinander"
bezeichnet. Bis etwa 1490 werden die Armkacheln desungeachtet
noch besonders an die Armbeugen geschnallt. Das Armzeug war
kaum gebildet, als die Plattner begannen, die Armkacheln in riesiger
Gröfse zu fertigen. Diese Übertreibung nimmt ihren Beginn um
1450 und endet erst nach 1540. Als Mode fanden diese riesigen
Kacheln, mit welchen die Plattner ihre Kunstfertigkeit darzulegen be-
absichtigten, nicht allgemeine Verbreitung. In den ersten Jahrzehnten
des 16. Jahrhunderts erleidet das Armzeug einige, wenn auch un-
wesentliche Änderungen. Die Mäusel, in Deutschland vorher spitz,
werden nun stumpf und selbst halbkugelförmig, die halben Muscheln
verschwinden allgemach, nachdem die sogenannten „ganzen" mehr
Festigkeit besafsen und die Oberarmröhren erscheinen nun häufig
mehrfach geschoben.
Von ungefähr 1550 an findet man das Armzeug an Lands-
knecht- und selbst an Trabharnischen in sonderbaren Detailformen.
Der Harnisch wurde den Söldnern im Marsche in grofser Hitze oft
unerträglich, und man suchte ihnen ihre Lage nach Möglichkeit zu
erleichtem. Schon um 1530 finden wir Unterarmröhren, die derart
durchlöchert sind, dafs sie einem grofsen Gitter gleichen. Später,
um 1560, werden die Armröhren einfach aus vier herablaufenden
Blechspangen gebildet, welche mit kleinen Kacheln zusammenhängen;
um 1570 bildet man in Italien Arm- und Beinzeuge, an welchen
die Kachel und Buckel mit den Röhren in Blattdessins durchbrochen
gearbeitet sind. (Fig. 73.)
Verstärkungen des Armzeuges durch übergelegte Doppelstücke
(pieces de renfort) waren meist nur bei Turnieren üblich, doch kommen
sie nicht selten auch für den Feldgebrauch in Anwendung. Wir
zählen hierzu zunächst die Doppel ach sei. Sie ist in der Regel
nur für die linke, die Hieb-Seite, üblich und deckt meist geschobene
Achseln. Für das Freiturnier, wie für das Feld kommt die Doppel-
achsel häufig mit hohem Brechrand vor. (Fig. 74.) Die rechte
Achsel wird selten verstärkt, aber an solchen des 16. Jahrhunderts
treffen wir auf die Eigentümlichkeit, dafs an der Vorderseite die
bogenförmig geschnittenen, aufwärts geschobenen Folgen stärker auf-
gebogen (gestaucht) sind, damit sie den Schwerthieben mehr Wider-
stand entgegensetzen können. Aufser der Achsel wird am Armzeuge
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4 Der Handschuh.
77
nur der linke Ellenbogen verstärkt Diese Verstärkung wird durch
das aufgeschraubte Doppel- oder Stechmäusel (garde-bras) be-
wirkt Dasselbe reicht mit grofsem Fluge vom Mäusel bis an die
Armbeuge und deckt somit nur die vordere Armseite. Kleine Arm-
kacheln erhalten zuweilen am Oberrande Ansätze, welche aufge-
schraubt werden, lediglich um den
Flug zu vergröfsern und die Arm-
beugen ausgiebiger zu schützen. Die
sogenannten grofsen Stechmäusel,
welche sich über den halben Oberarm
verbreiten, sowie die Stechachseln,
die nebst der Schulter auch noch die
linke Helmseite und einen Teil der
Brust deckten, waren nur beim neuen
Fig. 73- F*g- 74-
Fig. 73- Armzug aus geschuppten Plättchen gebildet nach einer
Abbildung im Codex: Musterbuch eines Plattners in der gräfl.
1 hun'schen Fideicommifsbibliothek im Schlofsc zu Tetschen, Um 1 5 50.
Fig. 74. Linksseitige Achsel Verstärkung mit hohem Brech-
rand, teils auch zum Turniergebrauche von einem Harnische des
Rupprecht von der Pfalz. (Gest. 1504.) Deutsche Arbeit um 1502.
welschen Gestech über die pallia üblich. Zuweilen findet sich an den
grofsen Stechmäuseln oder den Stechachseln ein eingeschraubter Haken.
Viollet-le-duc*) vermutet, er diente zur Befestigung einer Tartsche.
*) Dictionnaire raisonne du Mobilicr francais pag. 463.
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78
I. Die Schutzwaffen.
Das ist irrig, denn weder im Felde noch beim Plankengestech be-
diente man sich einer frei getragenen Tartsche, beim Realgestech
aber war sie an den Bart angeschraubt Vermutlich diente er zur
Befestigung der Zügelriemen.
Der Vollständigkeit halber erwähnen wir noch der Achselstücke
und ganzen Armzeuge, welche an italienischen Korazins gebräuchlich
sind. In Mailand treten nümlich im 1 5. Jahrhundert zuerst Harnische
auf, deren Brust- und Rückenstücke, gleichviel ob diese steif oder
aus kleineren Stücken (Schienen, Plättchen) bestehen, aufserhalb mit
Seidenstoff oder Samt überzogen und dicht mit vergoldeten Nieten
besetzt sind, deren Köpfchen feine Dessins besitzen. Derlei über-
zogene Bruststücke werden nicht selten mit Achselstücken und selbst
ganzen Armzeugen versehen, welche gleich ausgestattet sind. Die-
selben sind in der Regel gleich den gewöhnlichen derlei Harnisch-
bestandteilen und unterscheiden sich nur durch den Überzug. Wir
kommen auf derlei Ausstattungen später wieder zurück.
4. Der Handschuh.
Die Erfolge, welche die Waffenschmiede in dem Bestreben, einen
so wichtigen Körperteil, wie es die Hand ist, zu schützen, waren bis
ins 13. Jahrhundert äufserst gering. Im 11. Jahrhundert staken die
Hände in gefingerten Handschuhen aus dickem Leder mit kaum
5 cm. breiten Stulpbesätzen. Gegen den Anfang des 13. Jahrhunderts,
als der Haubert aus mit Ringen bedeckten Schnüren in Gebrauch kam.
waren die Ärmel vorn geschlossen, die Hände steckten wie in einem
Sacke, nur die Innenflächen derselben blieben von der Ringdecke frei,
so dafs an dieser Stelle die Lederflächc sichtbar blieb. Eine Bewegungs-
freiheit besafs nur der Daumen, welcher eingeschnitten sich darstellte,
um Spiels und Schwert anfassen zu können. In Frankreich erscheint
im 1 3. Jahrhundert eine Handschuh form, welche „gagnepain" genannt
wird. Es ist dies nichts anderes, als der mit Eisenplättchen ver-
stärkte Lederhandschuh und die Bezeichnung leitet sich von dem
Worte „canepin" ab, das eine gegerbte Haut bezeichnet, welche
die Handschuhmacher dazu verwendeten. Am Ende des 13. Jahr-
hunderts, als die Erfahrungen des 5. Kreuzzuges, vornehmlich in
Frankreich und Italien, ihren Einflufs geltend machten, schnitt man
die plumpen, sackartigen Enden entschlossen von den Armein und
steckte die Hände in gefingerte Handschuhe von starkem Damhirsch-
Jeder mit Stulpen. Im Gefechte pflegte man dieselben noch über-
dies mit einem Stücke Rindsleder zu belegen, das von der ersten
Knöchel reihe bis an den Ellenbogen reichte und an der inneren Arm-
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4. Oer Handschuh.
fläche zusammengeknöpft wurde. Dieser Schutz erwies sich als nicht
genügend, man nähte darum sowohl auf den Handrücken, als auf
den ersten Daumenknöchel runde Eisenplatten, die nach der Hand-
form getrieben waren. Diese Scheiben auf dem Handrücken treten
bis ins 14. Jahrhundert häufig vor Augen, man band sie später
mittelst Lederriemchcn an den Handschuh, welche durch zwei Löcher
der Scheibe gezogen und aufsen geknüpft wurden. Der Gebrauch
erbte sich traditionell bis in die Zeit fort, in welcher bereits längst
Eisenhandschuhe getragen wurden. In dieser primitiven Bedeckung
des Handrückens ist das Vorbild der an vielen Eisenhandschuhen
noch bis etwa 1500 ersichtlichen Sticlscheiben zu erblicken, welcher
wir später gedenken.
In den zahlreichen Abbildungen des Codex Balduini I. von ca.
Fig. 75. Lederhandschuh mit schuppenförmig angeordneten
Eisenplättchen benäht vom Grabmale des Sir Richard von Burling-
thorpe um 1310 nach Planen*.
Fig. 76. Eisenhandschuh vom Grabmale eines Ritters aus der
Familie der Eresby in der Spielsbykirche in Lincolnshire um 1410,
nach Hewitt.
1340, dessen wir wiederholt erwähnten, tragen die Ritter durchaus
gefingerte Lederhandschuhe mit langen Stulpen. Der ungenügende
Schutz, welchen die Eisenscheiben auf den Handrücken boten, war
Ursache, dafs man nun die Platte vergröfserte und sie nach der
Form der Hand bildete und dabei auch die Handwurzel zu decken
suchte. Dadurch entstanden die wesentlichsten Teile des Eisenhand-
schuhes, die Rückenplatte und der Stülp. Die Finger wurden mit
kleinen Eisenblechstücken bedeckt, welche schuppenförmig auf den
Lederhandschuh genäht wurden. (Fig. 75.) Eine derlei Einrichtung
war aber doch nichts anderes, als ein mit Eisenplatten besetzter
Lederhandschuh und kein Eisenhandschuh an sich, der sich erst in
der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu bilden begann. Die ältesten
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80
I. Die Schutzwaffen.
Eisenhandschuhe besitzen breite Rückenplattcn, von welchen aus nicht
allein die 4 Finger, sondern auch der Daumen sich herausschieben.
Die Stulpen sind kurz, teils geradelaufend, teils geschweift gebildet.
(Fig. 76.) Erst am Beginne des 15. Jahrhunderts ist die geschobene
Partie des Daumens getrennt und nur durch ein Scharnier mit dem
Handschuh in Verbindung. Um diese Zeit gewahren wir die ersten
Handschuhe, in welchen die 4 Finger nicht getrennt, sondern mit-
einander eine einzige geschobene Bedeckung besitzen. Man nennt
derlei Eisenhandschuhe insgemein Hentzen (mitons). Sie werden
für das Feld wie für das Turnier gebraucht (Fig. 77.) Eine be-
Fig. 77- Fiß- 78.
Fig. 77. Hentze mit Stielscheibc , der angeschobene Daumen
besitzt eine Auftreibung für den Siegelring. Dieselbe gehört zu einem
Harnische Friedrichs Gonzaga Markgrafen von Mantua. Italienisch
um 1480. Die Randätzungen gehören dem 16. Jahrhundert an.
Fig. 78. Hentze mit Fingerschlufs von eim-m Fufskampfharnische
Kaiser Ferdinands I. Blank mit goldgeätzten Zügen um 1560.
sondere Form bilden jene Hentzen, welche derart eingerichtet sind,
dafs sie nach Erfassen des Schwertes mit der Hand derart geschlossen
werden konnten, dafs eine Entwaffnung unmöglich wurde. Sie waren
für den Fufskampf im Turniere und für das Fufsturnier nicht ge-
stattet, dennoch finden wir sie an Kampf- und anderen Turnier-
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4. Der Handschuh.
81
hämischen. Der Faustschlufs wurde dadurch erzielt, dafs an den
Fingerspitzen eine weitere Folge angesetzt wurde, in welcher sich ein
Loch befand. Wurde die Faust geschlossen, so gelangte diese an
die Handwurzel, woselbst ein schlüsselartiger Bolzen sich befand, der
durch das Loch gesteckt wurde und durch Umdrehen des Bartes
die Öffnung der Faust hinderte. (Fig. 78.)
Wie wir vorher be-
Fig. 79. Fig. 80.
Fig. 79. Gelochte Hentze Ton einem Harnische des Kaisers
Maximilian I. um 1480.
Fig. 80. Rechter Handschuh mit messingenen Rand ein fas-
sungen und Knöchel Wülsten, gekehlt und mit ausgezackten Folgen. Der
Daumen ist an der Scharniere hängend. Von einem Harnische des Erz-
herzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.
Eisenscheibe, Stielscheibe genannt. Sie findet sich nur an linken
Handschuhen, nie an rechten. Wenn dieselbe sich auch zweifellos
Boeheim, Waffenkunde. 6
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82
I. Die Schußwaffen.
von den alten auf den Lederhandschuh gebundenen Scheibchen her-
schreibt, so läfst doch die Beschränkung ihres späteren Vorkommens
auf den linksseitigen Handschuh erkennen, dafs sie entweder zur
sicheren Befestigung der Zügelriemen, oder beim Gebrauche eines
Schildes zu dessen festerer Anlehnung diente.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts hatten sich die Handschuhe
schon vollständig ausgebildet, ja man begegnet schon um 1510 Ver-
suchen, der Nachteile derselben sich zu erwehren. So kommen in
dieser Periode schon durchlöcherte Handschuhe vor, um die Aus-
dünstung der Hände zu befördern. Wir bringen hier einen solchen
von einem Harnische des Kaisers Maximilians I. (Fig. 79.)
Am Ende des 15. Jahrhunderts um 1470 etwa begegnen wir
an Nürnberger Harnischen Handschuhen von vollendet schöner Form
im Stile der Spätgotik. Die zahlreichen Folgen sind seicht gekehlt
und an den Rändern, den sogenannten Für feilen, gezackt ge-
schnitten und durchbrochen gearbeitet Die ganze Arbeit erinnert
an ein Spitzengewebe. Die Knöchel bedecken spitz getriebene Eisen-
oder Messingbuckel von eleganter Zeichnung. Die Ränder der langen,
spitz geschnittenen Stulpen sind von Messing mit zarten lilienförmigen
Dessins. Das Ende des 15. Jahrhunderts ist die Blütezeit der
Plattnerei, es zeigt sich das nicht wenig in der Form des Hand-
schuhes. (Fig. 80.)
Im 16. Jahrhundert ging man im allgemeinen wieder auf die
älteren Formen zurück. Die Hauptformen ändern sich wenig, die
dekorative Ausstattung soll den Mangel einer entsprechenden Weiter-
bildung der Form ersetzen. Um 1 5 1 o treten die geriffelten Formen
auf, welche die Maxirailiansharnische charakterisieren. Die Stulpen
werden bei wenig konischer Bildung wieder kurz. Die gefingerten
Handschuhe werden gebräuchlicher, die Hentzen seltener. (Fig. 81.)
Einer Eigentümlichkeit an Handschuhen deutscher Arbeit müssen
wir gedenken. Man wird nämlich an solchen, nahezu durchweg am
äufseren Knöchel der Handwurzel, einen kleinen Buckel aufgetrieben
finden. Wir haben es hier mit einer Handwerksgewohnheit deutscher
Werkstätten zu thun, die sich aus dem 1 5. Jahrhundert herschreibt.
Italienische Meister, welche den Knöchelauftrieb fertigen, waren sicher
einst in deutschen Werkstätten beschäftigt. Man findet solchen
übrigens an italienischen Arbeiten äufserst selten.
Um 1530, in jener Periode, in welcher der Einflufs des Lands-
knechtwesens mächtig wird, erwacht das Bestreben, die Handschuhe
leichter und beweglicher zu machen. In dieser Zeit treffen wir Hand-
schuhe zwar mit etwas längeren, öfter geschweiften Stulpen, aber ohne
Fingergeschübe. Der Schutz der Finger wird durch Streifen von Panzer-
zeug, aus kleinen Eisenringelchen (Panzerstücken) bestehend, gebildet,
welche auf die obere Seite des Lederhandschuhes genäht werden (Fig. 82).
Diese Form erhält sich bis ins 17. Jahrhundert. Um 1540 wird
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4- Der Handschuh.
83
selbst bei Handschuhen mit Fingergeschüben wenigstens der Zeige-
finger der rechten Hand, dem beim Handhaben von Spiefs und
Schwert Beweglichkeit nötig ist, nur durch Panzerzeug vorn gedeckt.
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts gelangen von Italien aus
leichte und bewegliche Handschuhe mit hohen Stulpen in Gebrauch,
welche in der Technik ganz mit den Brigantinen übereinstimmen.
Mehrere Reihen von schuppenartig übereinander liegenden Plättchen
werden mit schmalen Streifen von Panzerzeug verbunden.
Fig. 81.
Fig. 82.
Fig. 81. Rechter Handschuh von einem Prunkharnische Kaiser
Karls V. blank mit aufgelegten messingenen and vergoldeten Streifen
von meisterhafter Zeichnung im Stile Wentel Jamnittcrs. Um 1550.
Fig. 82. Handschuh mit Knöchelschiene, angeschobenem Dau-
men und Fingern aus Panzerzeug. Blank mit schwarz geätztem Rand.
Derselbe gehört zu einem Landsknechtharnische des Caspar von
Frundsberg. Deutsche Arbeit um 1527.
Hiebe mit schwächeren italienischen Haudegen waren sie eine immer-
hin ausreichende Schutzwaffe. (Fig. 83.)
Die späteren Fufsknechtharnische um 1570 besafsen bekanntlich
kein Armzeug. Die Achsel und den halben Oberarm deckte das
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I. Die Schutzwaffen.
SpangTÖl, den übrigen Teil der Panzerärmel. Zur ausreichenderen
Versicherung des Unterarmes bediente man sich der Blechhandschuhe
mit Stulpen, welche bis über den Ellenbogen reichten. Diese Hand-
schuhe wurden noch von den Pickenieren im 30jährigen Kriege ge-
tragen. Sie waren die letzten Eisenhandschuhe, welche überhaupt in
den Heeren in Verwendung kamen. (Fig. 84.)
Aus italienischen Werkstätten gelangen rechtsseitige Armzeuge,
die mit dem Handschuh durch ein Geschübe in Verbindung stehen.
Diese Kampfhandschuhe unterscheiden sich von allen anderen da-
Fig. 83. Fig. 84.
Fig. 83. Handschuh aus Plattchen und Panzerzeug bestehend,
sogenannter Brigantinhandschuh, geatzt und vergoldet. Deutsch
nach italienischem Muster, um 1560.
Fig. 84. Handschuh mit bis an den Ellenbogen reichendem
Stulpe, sogenannter Pickenierhandschuh. Geschwärzt mit Vorstöfsen
aus Leder. Italienisch, um 1620.
durch, dafs die Hand auch an der Innenseite durch Geschübe ge-
deckt, somit vollständig in Eisen eingehüllt ist. An der Innenseite
des Daumens, des Mittel- und des kleinen Fingers sind kurze, scharfe
Eisenspitzen aufgenietet. Derlei Handschuhe waren im Handgemenge
und selbst nach Verlust der Waffe noch von Vorteil. Immerhin war
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4. Der Handschuh.
85
ihre Brauchbarkeit auf so vereinzelte Fälle beschränkt, dafs dieselben
keine allgemeinere Anwendung fanden. (Fig. 85.)
Im Oriente, bei dessen Völkern eine Streitweise üblich war, die
Beweglichkeit zur ersten Bedingung hatte, war man allen Schutzwaffen
abhold, welche dieselbe irgend beeinträchtigen konnte. Ebenso wie
der steife Brustharnisch nie angenommen wurde, ebensowenig fand
der geschobene Handschuh je Eingang. Der bestgerüstete Mann
trug an der rechten Hand einen leichten Blechhandschuh (elwän),
der den ganzen Unterarm deckte; die Hand aber steckte in einem
Fig. 85. Fig. 86.
Fig. 85. Eis enhandschuh mit vollständiger Deckung der inneren
Handfläche, an den Fingern mit scharfen Spitzen besetzt. Italienisch
um 1570.
Fig. 86. Eiserne Armschiene zu einer türkischen Ausrüstung
gehörig, mit Fäustling aus rotem Damast, des Sultans Solimans I.
(1494 — 1566), gekehlt und reich in Gold tauschiert. Beutestück nach
dem Abzüge der Türken von Wien 1529. Die Schiene ist in geöff-
netem Zustande gezeichnet.
Fäustling, der an der Streckseite mit Panzerzeug benäht, unterhalb
aber mit Damast- oder anderem Wollstoff überzogen war. (Fig. 86.)
86 I. Die Schutzwaffen.
Die Mauren trugen im 15. Jahrhundert Handschuhe an der linken
Hand, welche mit einer dreizackigen Klinge in Verbindung als An-
griffswafTe gelten konnte. Eine Nachahmung dieser Form in Spanien
und Italien ersehen wir in den Armschilden des 16. Jahrhunderts,
welche sich als eine Verbindung von Handschuh, Rundschild und
Klingen darstellten. Wir werden ihrer bei der Beschreibung der Schilde
gedenken. Noch in spätester Zeit des Jahrhunderts finden wir An-
klänge an diese Konstruktion in Handschuhen, welche mit 3 bis 4
Stacheln besetzt sind. Sie konnten unter Umständen nur im Hand-
gemenge von einigem Vorteile sein.
5. Die Harnischbrust.
So wie der Plattenharnisch nur allgemach und dadurch sich
herauszubilden begann, dafs anfänglich nur einzelne Teile des Körpers
durch geschlagenes und aufgenietetes Eisenblech verstärkt wurden,
ebenso bildete sich der wichtigste Teil desselben, die Brust, aus ein-
zelnen Verstärkungsplatten, welche über den Lentner geschnallt oder
an diesen genietet wurden. Aber mit der mittelst einfacher Nieten
bewirkten Überkleidung eines Lederwamses durch gröfsere oder kleinere
Platten von Eisen öder anderem Metall ist der Plattenharnisch noch
keineswegs erstanden. Bei derlei überkleideten Lentnern waren die
Eisenplatten musivisch aneinander gefügt, und jede Streckbewegung
öffnete die Zwischenspalten, in welche die Schneide jeder Hiebwaffe
eindringen konnte. Erst durch die scharf von der früheren sich
unterscheidende Art der Deckung durch nach auf- oder abwärts
sich übergreifende schienenartige Eisenplattcn , durch das sogenannte
Geschübe, erwuchs der eigentliche Plattenharnisch und damit dessen
wichtigster Bestandteil, die Harnisch brüst. Nun übernahm die
Eisenschiene selbst die Aufgabe, die früher dem mit Eisenplatten be-
nähten Lederkleide zugeteilt war, und die Verbindung der einzelnen
Platten untereinander erfolgte, wie erwähnt, *im Inneren durch breite
Streifen aus Alaunleder, sogenannte Geschübeleder, welche von
innen an die Schienen genietet waren und infolge ihrer Elastizität
und Geschmeidigkeit eine verhältnismäfsig freie Körperbewegung zu-
lässig machten. Betrachten wir das neue Geschübesystem , welches
eigentlich den Plattenharnisch charakterisiert, so scheint es, als hätten
die Plattner des 15. Jahrhunderts ihr Vorbild dafür in der Natur ge-
sucht und gefunden. Es ist dasselbe System der Deckung, welches
wir in den Krustaccen finden. Dafs diese Ähnlichkeit auch den
alten Meistern im Bewufstsein lag, beweist, dafs man geschobene
Bruststücke allgemein Krebse benannte.
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5. Die Harnischbrust.
87
In Italien begann man um 1380 den unteren Brustteil des
Lentners durch eine Platte zu verstärken, welche an der Brust-
mitte bis zum Halse reichte. Um 1430, als man hie und da ver-
suchte, die Harnischbrüste ganz aus Platten zu fertigen, bestanden
diese zum wenigsten aus zwei Teilen, welche mittelst Riemen und
Schnalle miteinander in Verbindung standen. Später bildete der
untere Teil mit dem oberen ein Geschübe. Harnischbrüste aus einem
Stücke waren um 1430 selbst in Italien, dem Lande der Erfindung
und Entwickelung des Plattenharnisches, noch eine grofse Seltenheit.
Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Lentner häufig
durch horizontal laufende, auf das Leder genietete 10 bis 12 cm.
breite Blechschienen verstärkt, die aber nicht nachbarlich übereinander
griffen und somit ein „Geschübe" bildeten, sondern Rand an Rand
gesetzt erscheinen.
Die Form des Bruststückes, dessen Schnitt und Ausbauchung
bildet ein sicheres Merkmal für dessen Alter, in sorgfältigerer Beob-
achtung selbst für dessen Erzeugungsort. So wie die ersten an den
Lentner angelegten Verstärkungsstücke der Form desselben sich genau
anschmiegen mufsten, ebenso hatten die ersten Plattenbruststücke die
Form der Brust des Lentners. Um 1430 wird die Brust kugelförmig
ausgebaucht, weil man der Kugelform die gröfste Widerstandskraft
beimafs. Die ältesten Brust- und Rückenstücke, etwa um 1450, be-
sitzen zuweilen übermäfsig grofse Armausschnitte, und zwar aus der
Ursache, weil es damals Sitte war, statt des übrigens zur Zeit längst
bekannten Armzeuges sich weiter Ärmel zu bedienen, welche mit
Wolle fest ausgestopft waren. Solche gepolsterte Ärmel wurden
in Italien und Frankreich häufig getragen; sie verschwinden erst
um 1480.
Der untere Teil der geschifteten Brust, an welchen sich die
Bauchreifen schliefsen, erhielt im 1 5. Jahrhundert den Namen Bruech,
vermutlich eine Verstümmelung des französischen braconniere, her-
geleitet von dem lateinischen broccae, italienisch brache, was Panzer-
hosen bedeutet. Als die geschifteten Bruststücke um 1490 verschwanden,
wurde der Name auf ein Verstärkungsstück des unteren Brustteiles über-
tragen. Um dieselbe Zeit erscheint in Italien und Burgund das Bruststück
schlanker gebildet und scharf gegen die Weichen geschnitten, und es
zeigte sich schon damals über der Mitte der Brust ein schwacher Grat.
Derlei Bruststücke, welche übrigens nicht allgemein und meist nur in Ver-
bindung mit dem Barte und der Schallern getragen wurden, besafsen
eine schöne und elegante Form. Man bezeichnet sie uneigentlich als
gotische, und sollte sie eher florentinische Bruststücke nennen, denn
ihre Form war der florentinischen Tracht entlehnt. Bis in diese Zeit
finden wir die Bruststücke noch allenthalben geschiftet, erst um 1490
verbreitet sich der untere Schiftteil allgemach nach aufwärts, so dafs
der obere endlich ganz wegfällt. Der Oberrand ist anfänglich wenig
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88
I. Die Schutzwaffen.
aufgeworfen und leicht konkav, zuweilen sogar etwas spitz ausgeschnitten.
(Fig. 87.) In dieser Form erscheinen die Bruststücke bis etwa 1500,
um welche Zeit, nicht ohne Einflufsnahme Maximilians I., sie eine
Umbildung erleiden. Dieselben werden nun kurz, kugelförmig, mit hori-
zontal laufendem, zuweilen übertrieben stark aufgeworfenem Oberrande
und unterhalb eckig ausgeschnittenen Armausschnitten, welche nun
zum erstenmal ein bewegliches Geschübe erhalten, um den Arm
freier gebrauchen zu können. Diese peschübe in den Arm-
Fig. 87.
Fig. 87. Gcschiftctcs Bruststück von einem Harnische des
venetianischen Feldherm Bartolomeo Colleoni (c- «399— »475)-
Italienisch, um 1470.
ausschnitten, welche federartig wirken, benennt man bewegliche
Einsätze. Fast gleichzeitig mit den glatten Kugelbrüsten treten die
von Maximilian I. angegebenen gerippten oder geriffelten Harnisch-
brüste auf, von welchen wir noch später sprechen werden. Man
nennt sie Maximilianische, irrtümlich auch mailändische. (Fig. 88.)
Von 1520 an bildeten die in Italien dienenden Landsknechte die
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5. Die Harnischbrust.
89
Harnischbrüste nach ihrem eigenen bizarren Geschmack um, und so
übertrieben die Mode erschien, sie war nicht ganz ohne Berechnung
entstanden. Das Bruststück wurde nämlich in der Mitte immer weiter
vorgetrieben, so, dafs sich um 1530 allmählich eine scharfe Spitze
bildete. Eine derlei spitze Auftreibung hiefs Tapul, von dem ita-
lienischen „tappo", der Zapfen. Die Landsknechte erachteten diese
Fig. 88.
Fig. 88. Brust mit Kragen, Bauchreifen und geschobenen
Beintaschen von einem (geriffelten) Maximiliansharnische des Rup-
recht von der Pfalz (gest. 1504 . Deutsche Arbeit um 1500.
Form darum für vorteilhaft, weil ihrer Ansicht nach jeder Hieb und jede
Kugel von den schräg gerichteten sphärischen Wänden abgleiten mufste.
Diese Form erhielt sich bis um das Jahr 1546. (Fig. 89.)
90
I. Die Schutzwaffen.
Iii ritterlichen Kreisen wurde diese Mode einer übermütigen
Soldateska nicht bis zur Übertreibung mitgemacht. Man findet um
1520 an ritterlichen Harnischen, auch der Landsknechtführer die
Bruststücke ohne ausgesprochenen Tapul, wohl aber merkt man gegen
1530, dafs sich die Brust stetig verlängert, dafs sich in der Brustmitte
allgemach ein Grat bildet und dafs die Brust in leichtem Bogen
stärker vorgetrieben ist. Der anfänglich horizontal laufende Ober-
Fig. 89.
Fig. 89 Halber Landsknechtharnisch bestehend aus Kragen,
Achseln mit Brechrändern und rechtsseitiger Schwebscheibe, Armzeug
mit grofsen Ellenbogenkacheln, Brust mit spitz vorstrebendero Tapul,
Bauchreifen und Beintaschen. Das Bruststück ist mit figuralcm Ätzwerk
geziert. Deutsche Arbeit um 15 40.
rand wird im Verlaufe der Zeit, da er nun wieder mehr an den Hals
hinaufreicht, diesem entsprechend immer mehr konkav ausgeschnitten.
(Fig. 90.) So erscheinen noch um 1550 Bruststücke der hervor-
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5» Die Harnisch brüst.
Ol
ragendsten Meister. Von 1550 ab rückt diese Auftreibung allgemach
nach abwärts, so dafs sie um 1570 etwa gerade am unteren Rande
anlangt Man nennt derlei Formen Gansbäuche.*) (Fig. 91.)
Bei italienischen Bruststücken um 1570 ist der Gansbauch so über-
trieben gebildet, dafs das Bruststück, unterhalb spitzig geschnitten,
zapfenartig verläuft. Um 1600 wird das Bruststück wieder allgemach
Fig. 90.
Fig. 90. Brust mit Kragen, Bauchreifen und geschobe-
nen Beintaschen mit in goldgeätzten Zügen und figuralen Darstel-
lungen. Der Rüsthaken ist in das Bruststück zurückzuschieben. Von
einem Harnisch Kaiser Karls V. den derselbe 1546 vor Ingolstadt ge-
tragen hatte. Deutsche Arbeit von 1543.
insofern kürzer, als sein Unterrand immer weiter nach aufwärts rückt;
es behält aber anfänglich die Form des Gansbauches noch bei, der
•) Der Italiener machte sich über diese bizarTe Form durch seinen pulcinello
lustig, dem er die schneidige, herabhängende Brust, aber auch den Höcker verleiht,
wodurch er dem Huhn (puleino) ähnlich wurde.
92
I. Die Schutzwaffen.
sogar noch entschiedener dadurch sich ausspricht, als sich am Unter-
rande ein Zäpfchen bildet. Um 1620 verschwindet der Gansbauch,
die Brust mit schwachem Grat wird nun so kurz, dafs sie kaum bis
ans Ende des Brustblattcs reicht. Der Halsausschnitt ist sehr tief,
und um 1650 wird das Bruststück mit dem Rückenstück nicht mehr
auf der Schulter verschnallt, sondern von diesem reichen zwei mit
Metallschüppen besetzte Bänder nach vorwärts, die an den Seiten
der Brust in Kloben eingehakt werden. Diese kurzen Brüste, welche
aber demungeachtet zuweilen ein enormes Gewicht besafsen, erhalten
sich bis in die Rokokoperiode. Da werden sie plötzlich länger, be-
Fig. 91.
Fig. 91. Brust mit Gansbauch, Kragen und Beintaschen
mit Schwarzätzung geziert von einem Feld hämische. Deutsche Arbeit
um 1560.
halten aber die Einrichtung ihrer Befestigung mittelst Schuppenbänder.
Bruststücke der Kürassiere um 1750 reichten bis über die Schulter
hinauf, um sie leichter und sicherer zu tragen.
In den folgenden Figuren ersehen wir die Formenwandlungen
der Bruststücke von 1450 bis 1640. (Fig. 92 bis 99.)
Schon um 1 400 kommen uns italienische Harnischbrüste vor
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5. Die Harnischbrust.
93
Augen, welche aus horizontal angeordneten, nach aufwärts geschobenen
Schienen bestehen. Diese Anwendung gestattete allerdings dem Träger
mehr Bewegungsfreiheit, aber immer auf Kosten der Sicherheit des-
selben, da geschobene Bruststücke geringere Widerstandskraft besitzen.
Vermutlich aus dieser Ursache kamen solche Bruststücke nicht all-
gemein in Aufnahme, erst um 1520 werden für leichte Reiter ge-
Fig. 92.
Fig. 93
Fig. 92. Fafsbrust, geschoben mit Bauchreifen und Beintaschen.
Italienisch um 1450.
Fig. 93- Gothische Brust geschoben, mit Bauchreifen, An-
:bart und Schallern. Deutsch um 1480.
steckbart
schobene Bruststücke sehr beliebt. Man nannte sie, wenn auch in
Italien oder Deutschland erzeugt, ungarische, weil sie dortselbst
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04
I. Die Schußwaffen.
am häufigsten getragen wurden. Ist das Bruststück in seiner ganzen
Fläche geschoben, so heifst es ein „ganzer Krebs". (Fig. 100.)
Finden sich aber an der unteren Seite nur einige Geschübe, 3 oder
4, so nennt man das Bruststück „halber Krebs". (Fig. 90.)
Beim ganzen Krebs ist der Kragen immer in Verbindung mit der
Brust, d. h. die Geschübe setzen sich bis an den Kragenrand fort.
Fig. 94- Fig- 95-
Fig. 94. Kugel brüst mit Bauchreifen, Beintaschen und Latz.
Deutsch um 15 10.
Fig. 95. Tapulbrust, mit Bauchreifen, Beintaschen und Latz.
Deutsch um 1540.
Der Umstand, dafs die Harnischbrust in heifser Jahreszeit un-
erträglich wurde, führte schon am Beginne des 16. Jahrhunderts zu
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5. Die Harnischbrust.
allerlei Versuchen, diesem Übelstande zu begegnen. Man versuchte
die Bruststücke und auch andere Harnischteile zu durchlöchern, damit
verloren sie aber die Sicherheit gegen den Stich. Da geriet man
auf ein anderes Mittel der Abhilfe, das wenigstens auf dem Marsche
Erleichterung gewährte. Unter den leichten Reitern Italiens tritt
nämlich um 1560 eine besondere Einrichtung der Harnischbrüste
auf, welche gestattet, dieselben nach Art eines Wamses vorn zu öffnen.
Fig. 96. Fig. 97-
Fig. 96. Brust mit Bauchreifen, Beintaschen und Latz. Deutsch
»547-
Fig. 97. Brust mit Gansbauch, Kragen und Beintaschen. Der
Kragen ist stark in die Höhe gezogen. Italienisch um 1570.
An dem Harnisch rücken wurde hierzu an jeder Seite die Hälfte eines
Bruststückes derart befestigt, dafs sich beide in Scharnieren bewegen
und angezogen vom an der Brust mittelst Häkchen geschlossen wurden.
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96
I« Die Schutzwaffen.
(Fig. ioi.) Sie treten bis 1580 auch bei deutschen Reitertruppen
auf. Diese Einrichtung war keine neue Erfindung, sondern ein Zurück-
greifen auf die Konstruktion des Lentners, der ja gleichfalls vorn an
der Brust geschlossen wurde, wie wir später ersehen werden.
In solange die Reiterei den Reisspiefs führte, bildete der Rüst-
haken (Gerüst, faucre), auf welchen derselbe aufgelegt wurde, einen
wichtigen Bestandteil der Harnischbrust. Der Rüsthaken erscheint
schon auf dem Lentner, wie gleichzeitige Abbildungen auf Grabsteinen
Fig. 98. Fig. 99.
Fig. 98. Brust mit Kragen und geschobenen Schöfsen. Deutsch
um 1626.
Fig. 99. Schwere Brust mit Kragen und Vorderschurz. Deutsch
um 1640.
erkennen lassen. In Italien aber tritt er bis um 1460 an Platten-
harnischen noch nicht allgemein auf. Die ältesten Rüsthaken besitzen
eine hörnerartige Form und erscheinen anfänglich an die Brust ge-
nietet, später mittelst Kloben befestigt, um sie abstecken zu können.
Um 1480 werden sie beweglich gebildet, derart, dafs sie beim Nicht-
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5. Die Harnischbrust.
97
gebrauche in einem Scharnier nach aufwärts umzulegen sind. Horn-
artig gestaltete Rüsthaken benennt man zum Unterschiede von den
späteren Formen „altartig". Man findet sie um 1500 auch an
italienischen Korazins. (Fig. 102.)
Zuerst bei Harnischen Kaiser Maximilians L um 15 10 treten
die Rüsthaken in anderen Formen auf. Sie sind geradelaufcnd und
bestehen aus einer im Winkel ge-
brochenen Schiene, der vordere Rand
erscheint in den meisten Fällen ge-
zahnt, um das Abgleiten der Spiefs-
stange zu hindern. Derlei „neu-
artige Rüsthaken" kommen an-
fänglich steif, später beweglich vor,
um sie nach aufwärts umlegen zu
können. In letzterer Form verhindert
eine unterhalb angebrachte Sperrfeder
Fig. 100.
Fig. 101.
Fig. loo. Geschobenes Bruststück, sogenannter ganzer Krebs,
mit angeschobenem Kragen, Bauchreifen und Schössen von einem Trab-
harnische des Niclas III. von Salm-Neuburg, des Vertheidigers
von Wien 1529. Deutsch, bezeichnet 1542.
Fig. IOX. Bruststück vorne tum öffnen eingerichtet, von einem
Trabharnische des Don Juan d'Austria. Italienisch um 1 575.
das Aufschlagen des Rüsthakens, sobald der Spiefs eingelegt ist. Wir
werden später sehen, weshalb der Rüsthaken zuweilen eine Umhüllung
von Blei oder weichem Holze erhielt. (Fig. 103.)
Boebeim, Waffenkunde. 7
98
I. Die Schußwaffen.
Um 1590, als die Reiterei den Spiefs ablegte, verschwindet auch
der Rüsthaken von den Bruststücken. Um 1580 fertigen einzelne
Plattner Brust- und Rückenstücke, mit welchen der Kragen derart in
Verbindung ist, dafs am Bruststücke der vordere, am Rückenstücke
der hintere Teil an die Oberränder im Geschübe anschließt und sie beim
Anlegen an den Seiten verbunden werden.
Bevor wir uns zu den den Bruststücken weiters angehörenden
Bestandteilen wenden, sei noch der „Doppelbrust" gedacht. Sie
gehört zu den Verstärkungsstücken, wurde über das Bruststück gelegt
und an der Mitte mittelst eines Klobens, um den Leib mittelst Riemen
befestigt. (Fig. 104.) Ihre Form ist verschieden; zuweilen deckt
sie nur die untere Hälfte, in der Regel reicht sie bis an den oberen
Brustrand. An der Stelle des Rüsthakens ist dieselbe ausgeschnitten.
(Fig. 105.) Nicht selten fertigen die Plattncr für angesehene Herren
Landsknechtharnisehe und liefern zu selben eine Doppelbrust mit
Fig. 102. Rüsthaken älterer Form von einem Maximilianshar-
nische des Eitel Friedrich Grafen von Zollern (gest. 1512). Der
Haken ist nach aufwärts zu schlagen.
Fig. 103. Rüsthaken späterer Form von einem Trabharnische
des Kaisers Ferdinand I. von c. 1560. Der Haken ist nach aufwärts
umzulegen und mittelst einer Feder in seine Lage festzustellen.
daran befindlichem Rüsthaken, um denselben auch zu Rofs und mit
dem Reisspiefs bewaffnet benutzen zu können. Zum Turniergebrauche
erhalten die Doppclbrüstc auch Bauchreifen und steife Beintaschen,
durch welche die unteren gleichartigen Stücke verstärkt werden. Derlei
Doppelbrüste für das Turnier erhalten gewöhnlich rechts oberhalb, wo
sie an die Achsel anstofsen, Aufbiegungen, gleichfalls „Stauchen"
genannt, welche den Zweck haben, die Spiefsstöl'sc des Gegners von
den Achseln abzulenken. Sie dienten vom Beginne des 16. Jahr-
hunderts auch zum Feldgebrauche. Um 1550 werden sie immer
seltener und verschwinden endlich ganz.
Fig. 10?.
Fig 103.
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3- Die Harnischbrust.
09
Zunächst an den Unterrand des Bruststückes schliefsen sich die
sogenannten Bauchreifen. Sie bestehen aus einem Geschübe von
Eisenschienen, welche bei den ältesten Harnischen des 15. Jahrhunderts
bis über das Becken, bei späteren nur bis etwas über den Oberrand
des Beckenknochens reichen. Wie es ihr Name anzeigt, sollten sie
bei der Bedingung möglichster Beweglichkeit den Unterleib schützen
und durften den Reiter im Sattel nicht beirren. Daraus geht schon
hervor, dafs, je kürzer die Brust war, desto mehr Geschübe die
Bauchreifen besitzen mufsten. Diese Bauchreifen wurden aber für
den Schutz des Unterleibes und der Oberschenkel als nicht genügend
Fig. 104. Fig. 105.
Fig. 104. Doppclbrust mit Bauchreifen und steifen Beintaschen
zum neuen Gestech über das Dill von einem Harnische des Andreas
Grafen von Sonnenberg (ermordet 1511). Arbeit des Desiderius
HflmiChmicd zu Nürnberg um 1505.
Fig. 105. Schiftung für die Brust, sogenannter Bruech mit
steifem Bauchreifen und linksseitiger Beintasche zum neuen Gestech über
das Dill von einem Maximiliansharnische des Ruprecht von der
Pfalz (gest. 1504). Deutsche Arbeit um 1500.
angesehen; es wurden daher zu den Seiten bewegliche Platten mittelst
Riemen angeschnallt, sogenannte „Beintaschen", welche, anfänglich
unterhalb spitz geschnitten, die Form von Dachziegeln, „tuiles", hatten.
7*
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100
1. Die Schutzwaffen.
An den ältesten Harnischen hängt an den äußeren Seiten daneben
noch je eine weitere kleine Platte (Fig. 92). Die späteren Beintaschen sind
mehr rund zugeschnitten und sind entweder steif oder mehrmals
geschoben. Nicht selten setzen sich die Beintaschen an die Bauch-
reifen ohne eigentlichen Abschlufs in der Art fort, dafs die Geschübe
gerade und eckig abschliefsend bis an die Oberschenkel reichen (Fig. 88).
Von etwa 1550 an sehen wir die Bauchreifen häufig stark auf-
getrieben, besonders an französischen Harnischen. Das geschah zu
dem Zwecke, um den kurzen, bauschigen, spanischen Höschen Platz
zu lassen, welche in Hinsicht auf ihre Dimensionen im Umfange be-
sonders in Frankreich erheblichen Raum erforderten.
Um 1520 entstehen in den Landsknechtheeren und zweifelsohne
gleichfalls in der Absicht, das Anlegen des Hämisches möglichst zu
vereinfachen und abzukürzen, die „Schöfse". In dieser Anordnung
ersieht man das Bestreben, die Brust mit den Bauchreifen unmittelbar
in Verbindung mit dem Beinzeug zu bringen. Von den Bauchieifen
setzen sich die Oberschenkel entlang die Geschübe fort, entweder
bis an den halben Schenkel reichend, in welchem Falle den restlichen
Schenkelteil die Unterdiechlinge decken, oder bis an die Kniee, wo
sie mit den Kniebuckeln abschliefsen und damit das Oberbeinzeug
ersetzen. Letztere Form wird schon am Beginne auch bei ritterlichen
Harnischen nicht selten beobachtet, dann ist selbstverständlich auch
ein Unterbeinzeug damit in Verbindung.
Bei Harnischen des 15. Jahrhunderts bilden vorne die Innenränder
der beiderseitigen Beintaschen einen weiten konkaven Bogen, dem
Sitze im Sattel entsprechend, selbst bei Schöfsen erscheint der Teil
am Ende des Unterleibes kreisförmig ausgeschnitten. Am oberen
Rande dieses Bogens ist bei Harnischen um 1500 der letzte Bauch-
reifen buckeiförmig aufgetrieben. Diese Erhöhung wird „Scham-
kapsel" benannt. Später, als die Schamkapseln verschwanden, ent-
steht an dieser Stelle ein eigenartiger Harnischbestandteil, der eigentlich
nur vom kulturhistorischen Standpunkte zu würdigen ist, der Glied-
schirm oder „Latz" vom lateinischen „latus" hergeleitet. Der Latz,
als Gegenstand von geschlagenem Eisen erzeugt, ist eigentlich nur
ein Ergebnis eines bizarren Geschmackes und hatte überhaupt keine
praktische Bedeutung. Dennoch hatte er sein Vorbild in einer ganz
entsprechenden Einrichtung des 15. Jahrhunderts gefunden. In
dem Bestreben, den Geschlechtsteil zu sichern, besafsen die Panzer-
hemden vorn eine sackartige Verlängerung, die schon damals „Latz"
genannt wurde. Es sind nur wenige Exemplare solcher mehr vor-
handen. Der „latus" soll eigentlich nichts anderes darstellen, als eine
Hülse von geschlagenem Eisenblech für den Geschlechtsteil, die
mittelst einer oder mehrerer Nieten mit den Bauchreifen in Verbindung
stand und zuweilen noch durch eine Masche aus farbigen Bändern
geziert wurde. (Fig. 106, 107 und 108.) Diese sonderbare Mode
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5. Der Brustharnisch.
101
fand ihr Entstehen durch die Schweizer, um sich vor der Streit-
manier der Deutschen zu sichern, welche ihre Spiefsstöfse nach dem
unbeschützten Punkte an den Geschlechtsteilen zu richten pflegten.
Darin läge eine fachliche Begründung; dafs sie aber mit Raschheit
sich verbreitete und nicht allein von Stutzern, sondern auch von Hof-
leuten im gewöhnlichen Leben allenthalben mit sichtlichem Behagen
mitgemacht wurde, das bietet uns einen wenn auch nur kleinen
Beitrag zur Beurteilung einer Zeit, in welcher der menschliche Geist
gar oft die Schranken der Selbstzucht überflog. In formellster Bildung
erscheint der Latz zuerst um 1520 und verschwindet erst um 1570.*)
Etwa um 1590 kommen allmählich die Beintaschen an den
Harnischen, welche vorwiegend nur einen Bestandteil des ritterlichen
Harnisches bildeten, in Abnahme, und an ihre Stelle treten nun all-
gemein die Schöfse. Je kürzer die Brustplatten wurden, desto gröfsere
Dimensionen nimmt das Geschübe der Bauchreifen und Schöfse an.
Die nun in Mode kommenden bis an die Kniee reichenden Pump-
hosen (alla vallona), welche unter den Schöfsen zu liegen kamen,
waren Ursache, dafs diese nun einen immensen Umfang erhielten
Fig. 106. Fig. 107. Fig. 108.
Fig. 106. Gl i edschirm von einem Landsknechtharnischc des
Wilhelm von Roggendorf (gest. 1541) von c. 1515 mit geätzten
Verzierungen, mit welchen die verhaute Tracht dargestellt ist
Fig. 107. Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des
Konrad von Bemelberg (gest. 1567) von c. 1532. Die Löcher au
den Rändern dienen zum Anheften an das Panzerhemd.
Fig. 108. Gliedschirm von einem aus unegalen Stücken zu-
sammengesetzten Harnische ans der fürstl. Sulkowsky 'sehen WafTen-
sammlung im Schlosse Feistritz in Niedcrösterreich , gegenwärtig im
Gennanischen Museum zu Nürnberg. Um 1540.
gleich einem Fasse. Der weite Ausschnitt in der Schamgegend ver-
schwindet ganz, die beiderseitigen inneren Enden der ersten Schofs-
schienen stofsen hart aneinander. Um 1680, als die langen Röcke
•) Als steife Hülse ersehen wir ihn an den gewöhnlichen Kleidern und selbst
an Harnischen um 1550 erscheint er nicht immer aus Eisenblech, sondern in Ver-
bindung mit dem darunter getragenen Kleide auch aus textilem Stoffe gebildet.
Im königlichen historischen Museum zu Dresden finden sich noch Hofkleidcr des
16. Jahrhunderts mit derartiger Ausstattung.
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102
I. Die Schutzwafien.
Mode werden, kommen auch die Schotee im Adel aufser Gebrauch
und erhalten sich nur noch einige Jahrzehnte in den Kürassier-
regimentern und unter den Reitern der Heere im östlichen Europa.
Am Beginne des 18. Jahrhunderts sind sie völlig verschwunden.
Das Streben nach einer Verschönerung des äufseren Lebens
führte in Italien schon im Mittelalter dahin, nicht allein die Angriffs-
Fig. 109.
Fig. 109. Brigantine mit Sturmhaube des Franz Maria von
Rovere-Mon tefcltre Herzogs von Urbino. Arbeit der Gebrüder
Philipp und Jacob Negroli von 1532.
waffen, sondern auch das Kriegskleid zu verzieren. Im 14. Jahr-
hundert wurde der Lentncr bereits ein Gegenstand künstlerischer
Ausstattung. Er wurde mit Seide oder Damast überzogen und reich
in Gold und Silber gestickt, so dafs die Schutzwaffe völlig den Ein-
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5 Dir- Harnischbnist.
103
druck eines reichen Kleides darstellte. Die dekorativen Motive wurden
anfänglich der Heraldik entlehnt. Als der Lentner mit grolseren
Eisenplatten verstärkt wurde, wollte der Edelmann nicht auf den
Eindruck verzichten, den er im reich gezierten Lentner erzielt hatte.
So finden wir die ersten mit Platten belegten Lentner vorn zum
Öffnen und die Platten mit reichen Stoffen überzogen, welche mittelst
vergoldeter Nieten auf dem Metall befestigt wurtlen. Die steife Platten-
Fig. no.
Fig. llo. Korazin mit kirschrotem Sani mt überzogen, des Feld -
obersten Jacob von Embs (gest. 1512) italienisch, wahrscheinlich
mailändisch um 1500.
brüst, der Rücken erschienen aber für den Gebrauch in Städten
doch zu unbequem und man ersetzte beide durch den sogenannten
Korazin (corazzino), welcher in einem System kleiner eiserner
Plättchen bestand. Diese Plättchen wurden, daehziegelförmig geordnet,
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101
L Die Schutzwaffen.
auf Leder oder starke Leinwand genäht, welch letztere einen Über-
zug von Samt oder Seide erhielt. Der Korazin charakterisiert sich
dadurch, dafs das schützende Metall an der Innenseite sich befindet.
Finden sich die Plättchen oder Schuppen an der Aufsenseite des
Körpers, dann wird ein derlei Waffenkleid Brigantine benannt.
(Fig. 109.) In Italien und Frankreich benannte man Panzerhemden,
welche aus kleinen, glatt geschlagenen Eisenringen bestanden, die
untereinander durch Ringe oder Ringgeflechte in Verbindung standen,
Jazerins, Jazerans, von dem italienischen Worte ghiazzerino (altital.
gazzarina) abstammend, das Netz, Panzerhemd schlechtweg bedeutet.
Bis ungefähr 1530 erschienen diese halb Kleid, halb Harnisch dar-
stellenden Korazins derart geschnitten, dafs sie an der Brustmitte
Vig. in.
Fig. in. Teil eines Brustharnisches des Torghud Reis,
Königs von Kairewan (gest. 1565). Arbeit des Waffenschmiedes Ali.
Der obere Brustteil aus einer Platte und dem Kragen bestehend ist ab-
gängig. Arabisch 16. Jahrhundert.
geschlossen werden. (Fig. 110.) Nicht selten sind sie für Reiter
mit altartigen Rüsthaken ausgestattet. Später erscheinen Brust- und
Rückenteil getrennt, beide werden dann an den Seiten genestelt.
Korazine und Brigantinen bildeten das beliebteste Kleid der Vornehmen
in Italien, Spanien, Frankreich und aller von der italienischen Re-
naissance beeinflufsten Edelleute anderer Nationen; in den ob-
genannten Ländern aber, allerdings in einfacherer Ausstattung, der
Bogen- und Armrustschützen.
Auch in den orientalischen Ländern entwickelte sich die Brust-
bedeckung des Krieges von einem mit Eisenringen, Plättchen oder
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5- Die Haroischbrust
Scheiben benieteten Lederwams zu einem nur aus Eisenpartikeln
bestehenden Brust- und Rückenharnische, aber die Ansprüche des
Orientalen an die Leistungsfähigkeit derselben gingen nicht so weit,
als die der Europäer, die jederzeit eine absolute Deckung auch
gegen das kleine Feuergewehr forderten. Es scheint, dafs die Inder
und nach ihnen die Perser sich zuerst der Brust- und Rücken-
harnische bedienten, welche aus sehr dünnen, kleinen Eisenplatten
von äufserst hartem Stahle bestanden, die untereinander durch schmale
Streifen von Panzergeflecht verbunden waren. Diese Platten, bei den
Persem viereckig, bei Indern und Arabern meist rund, sind gewöhn-
lich mehr oder weniger in Gold verziert und mit Arabesken und
Fig. 112.
Fig. 112. Rückenteil mit Achselstücken des Harnisches Fig. Iii;
die Eisenteile sind graviert und vergoldet.
Schriftzügen ausgestattet Derlei orientalische Panzer, von welchen
wir in Fig. in, 112 ein älteres Beispiel bringen, sind verhältnis-
mäfsig leicht, sichern gegen Hieb und Stich bei der Güte des
Materiales genügend und besitzen einen Vorteil, den der Orientale
vor allem schützte, sie sind der raschesten Bewegung im Gefechte
nicht hinderlich.
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106
I. Die SchutzwafTen.
6. Der Harnischrücken.
Der Harnischrücken hatte ganz jene Entwickelungsphasen mit-
gemacht wie die Harnischbrust, als deren Ergänzung er anzusehen
ist Die ältesten Rückenstücke aus Platten bestanden aus zwei Teilen,
welche in der Mitte des Rückens ähnlich wie einige Lentnerfurmen
zusammengeschnallt wurden. Die späteren des 15. Jahrhunderts sind
wie die Bruststücke zwei- bis dreimal geschoben mit in gotischen
Fig. 113
Fig. 113. Rücken eines sogenannten gothischen Harnisches
des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.
Konturen ausgezackten Folgenrändern und ziemlich tief ausgeschnitten.
Die Rückenstücke an sogenannten gotischen Harnischen besitzen zu-
meist am Unterrande Verlängerungen, die in ihrer Form das kleine,
faltige Schöfschen an fiorentinischen Wämsern wiedergeben. (Fig. 113.)
Bei Feldhamischen des 15. Jahrhunderts setzt sich am Rücken zu-
meist ein Gesäfs schürz fort, der geschoben gerade so weit reicht,
um im Sattel sitzen zu können. Am Beginne des 16. Jahrhunderts
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6. Der Harnischrücken.
107
verschwinden diese Schurze zum gröfstcn Teile, dann schliefst der
Rücken einfach mit einem etwas aufgetriebenen Gesäfsreifen ab.
(Fig. 114.) Die Verbindung der Brust mit dem Rücken erfolgt über
die Schultern durch die beiden Riemen, welche an den vorderen Seiten
des Bruststücks geschnallt werden. In der Übergangsperiode vom
Lentner zum Plattenharnisch, in welcher letzterer noch aus kleineren
Tlatten bestand, erfolgte noch häufig die Öffnung des Rückenstückes
von der Mitte aus. Die Verbindung vermittelten Riemen und Schnallen,
Fig. 114.
Fig. 114. Rücken eines Prunkharnisches, halber Krebs, welchen
Erzherzog Ferdinand von Tirol bei seiner Vermählung mit Anna
Katharina von Mantua 1583 getragen hatte. Deutsche, vermutlich
Tiroler Arbeit, um 1 580
wie wir aus der interessanten Statue Philipps VI., Grafen von Holland.
(Fig. 115) ersehen. Die Form ist italienisch. Vom 17. Jahrhundert
an wird der Rücken an das Bruststück durch Schuppenbänder be-
festigt, welche Befestigung an den beiden Seiten der Brust in Knöpfen
gehalten wird.
An den Seiten unterhalb der Arme sind beide Stücke bis
<
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108 l. Die Schutzwaffen.
etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts mittelst Häspen, später
mittelst Häkchen, aufserdem mit einem Leibriemen verbunden, welcher,
am Unterrande des Rückens befestigt, vorn an der Brust zusammen-
geschnallt wurde. Erst von c. 1540 an erblickt man Verbindungen
mittelst kleiner Naben und Vorsteckbolzen. Bis um die Mitte
des 16. Jahrhunderts ist in der plastischen Gestaltung des Rückens
der anatomischen Form noch wenig Rechnung getragen, in der
Fig. 115.
Fig. 115. Rückseite einer Holzstatuette Wilhelms VI.,
Grafen von Holland (gest. 14*7). Kopie einer Bronzestatue, die bei
dem Brande des Stadlhauses von Amsterdam 1652 zu Grunde ging,
ausgeführt von A. Qutllinus. Nach D. Van der Kellen Nederland«;
Oudh.-den.
2. Hälfte des Jahrhunderts sehen wir die Schulterblätter zuweilen
übermäfsig vorgetrieben.
Die Gestalt des Rückens bei geschobenen ungarischen Harnischen
ist entsprechend der Brust mit gleichlaufenden horizontalen Geschüben.
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6. D<r Hartiischrücken.
109
Der Rücken reicht dann bis in die Kragenhöhe und verbindet sich
mit dem Vorderteile des Kragens an der Brust. Um 1580 kommen
auch ungeschobene Rückenstücke vor Augen, welche den ent-
sprechenden Teil des Kragens angenietet haben. (Fig. 116.)
Die Rückenstücke bei älteren Korazins, welche vorn an der
Brust geschlossen werden, bilden insofern einen Hauptteil des Ganzen,
als die gesamte Anordnung der Stahlplättchen von der Linie des Rückgrat,
aus erfolgt, die sich in der Reihe gegen vom fortsetzt. (Fig. 1 1 7 und 118.)
Ähnlich wie die Bruststücke an Harnischen des 15. Jahrhunderts
Fig. 116. Rücken eines Trabharnisches (ganzer Krebs) des
Niclas III. Grafen von Sal in - Neu b urg (gest. 1550). Deutsche
Arbeit von 1542. (Siehe Fig. lOo.)
Fig. 117. Rücken eines Korazins mit kirschrotem Sammt über-
zogen, des Fcldobcrsten Jacob von Embs (gest. 15 12) italienisch
um 1500. (Siehe Fig. HO.)
wurden auch die Rückenstücke nicht selten mit Stoffen überkleidet
und dieser Gebrauch hatte nicht allein einen rein dekorativen Zweck,
sondern auch einen praktischen, um das Eisen vor der Einwirkung
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110
I. Die Schutzwafien.
der Sonne zu schützen. An Harnischen der ersten Hälfte des 16.
Jahrhunderts, allecrets und ähnlich gebildeten Formen, an welchen
der Oberrand des Bruststückes in gerader Linie und horizontal läuft,
hat auch jener des Rückens die gleiche Richtung, wobei der tiefen
Lage wegen ein grofser Teil des Rückenbleches vom Kragen sichtbar
ist. (Fig. 1 1 9.) An allen späteren Formen reicht der Oberrand von
Brust und Rücken höher an den Hals hinauf.
Am Beginne des 17. Jahrhunderts kam man auf kurze Zeit
Kif. "8. Fig. 119.
Fig. Il8. Innenseite des Rückens eines italienischen Kora-
zins von c. 1510. Die riättchen stehen am Halse und den Hüften
in Verbindung mit Panzerzeug.
Fig. 115. Rücken mit Gc^äfsschurz von einem Maximilianharnische
des Eitel Friedrich, Grafen Zollern (gest. 1512). Deutsche Ar-
beit um 1506.
wieder darauf zurück, den Rücken mit einem geschobenen Gesäfs-
schurz auszustatten, aus der Ursache, weil jener kaum den halben
Rücken deckte. Mit der Verlängerung der Brust und des Rückens
verschwindet er auf immer.
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7. Das Beinzeug
111
7. Das Beinzeug.
Das Beinzeug oder der Beinharnisch besteht in seiner
vollendeten Ausbildung aus den Diechlingen (fr. cuissards, ital.
cosciali), welche die Oberschenkel bedecken, den Kniebuckeln
(fr. genoullieres , ital. ginocchielli) , den Beinröhren (fr. greves,
ital. schinieri) zum Schutze der Unterschenkel, endlich aus den
Schuhen (fr. sollerets, ital. scarpe), Eisenschuhen.
Fig. 120. Fig. 121.
Fig. 120. Unterbeinzeug von der Statue Ulrichs, Land-
grafen von Elsafs, an der Wilhelmskirche zu Strafsburg von 1344
nach Viollet-le-Duc.
Fig. 121. Vollständiges Bein zeug mit Ober- und Unterdiech-
lingen und Knicbuckelgeschübcn von einem gotischen Fcldharnische
Kaiser Maximilians I. um 1480.
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112
L Die SchuUwaflen.
Das gesamte Beinzeug am Plattenharnische kristallisierte sich
gewisserra afscn aus den Knieen heraus, denn wir sehen eine Deckung
des Beines durch Platten zuerst an den Kniepunkten auftreten. Als
im Laufe des 12. Jahrhunderts die Beinkleider aus sogenanntem
Panzerzeug in Aufnahme kamen, welche auch den Vorfufs bedeckten
und in welchen die Beine wie in Säcken steckten, fühlte man trotz
des errungenen Vorteiles, dafs die der Verletzung am meisten aus-
gesetzten Kniee durch den Ringpanzer noch nicht ausreichend ge-
schützt waren. Man schnallte daher über die Partie des Kniees einen
breiten Streifen aus starkem Leder, auf welchen gerade über der
Kniescheibe eine kreisrunde Eisenplatte genäht wurde. Diese ersten
Kniebuckel (genouillieres) treten schon am Beginne des 1 3 . Jahrhunderts
auf, denn wir finden sie schon in guter Ausbildung am Grabmale
des Robert de Vere, Herzogs von Oxford, von 1221. Der
Haubert, damals noch bis zu den Knieen reichend, deckte die
Oberschenkel anfangs leidlich, dennoch sah man sich zu Verbesserungen
veranlafst. Der breite Lederstreif, welcher das Beugen des Kniees
erschwerte, fiel weg, die eisernen Kniebuckel wurden mittelst Riemen
und Schnallen in der Kniebeuge befestigt (Fig. 120) und schon um
1270 fügte man zuweilen ein einfaches Geschübe an, welches einen
Teil der Oberschenkel deckte. Dadurch bildeten sich die Anfänge
der oberen Schenkelschienen, welche Dielinge oder Diechlinge
(cuissots) genannt werden. Nach dem Mafs, als der Haubert kürzer
gemacht wurde, was schon am Beginne des 14. Jahrhunderts merkbar
wird, mufste der Schutz der Oberschenkel nötiger werden; so ersehen
wir auch um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Diechlinge den ganzen
Schenkel ausfüllend. Die ersten Diechlinge deckten nur die äufsere
Seite, da der innere Teil am Sattel zu liegen kam. Demungeachtet
versuchte man gegen 1360, die Oberschenkel in Röhren zu stecken,
eine Form, die sich unmöglich erhalten konnte. Man kehrte zu der
alten Form zurück, versah aber die äufsere Seite des Diechlings mit
einer Längsschiene, die an ersterem mittelst Riemen befestigt wurde,
später, bis ins 1 5. Jahrhundert, wurden diese Streifschienen ange-
nietet. Die Sorge nach möglichstem Schutz der äufseren Seite führte
zunächst dahin, auch die Kniebuckel nach dieser Richtung hin aus-
zudehnen. So entstand um 1390 der vollständige Kniebuckel mit
seiner äufseren Muschel, wie er im wesentlichen bis ins 17. Jahr-
hundert gleich geblieben ist. Noch vor dem Entstehen der Diech-
linge, um die Mitte des 13. Jahrhunderts, tritt das Bedürfnis auf,
die damals weit mehr gefährdeten Unterschenkel durch Platten zu
decken. Anfänglich wurden schmale Schienen an den vorderen Teil
des Beines geschnallt, die allgemach breiter wurden und das Bein
immer mehr umfafsten. So entsteht am Anfange des 14. Jahrhunderts
die Beinröhre (greve), welche in steter Ausbildung bis ans Ende
des 16. Jahrhunderts einen Harnischbestandteil darstellt, der für uns
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7. Das Beinzeug.
113
noch nebenher dadurch bemerkenswert ist, als wir jeden Harnisch
als „ganzen" benennen, der mit Beinröhren und Schuhen ausgestattet
ist, während wir im Gegenfalle denselben als „ halben" bezeichnen.
Der Lentner des 14. Jahrhunderts deckte noch bis an den halben
Oberschenkel, dem entsprechend reichten auch die Diechlinge nicht
sehr hoch an demselben hinauf. Gegen Ende des Jahrhunderts gefiel
man sich in kurzen Lentner. Das veranlafste zu einer Verlängerung
der Diechlinge nach aufwärts durch Ansetzen eines weiteren Stückes.
Dadurch entstand der Oberdiechling, während das ursprüngliche
Stück nun Unterdiechling genannt wurde. Man behielt diese
Teilung aus der Ursache bei, weil je nach der Deckung, die dieser
oder jener Brustharnisch mit seinen Bauchreifen und Beintaschen
gewährte, ein kürzerer oder längerer Diechling sich empfahl. Später,
im 16. Jahrhundert, trat ein anderer Grund hervor, der Diechlinge
verschiedener Längen nötig machte. Die kurzen spanischen Bausch-
höschen gestatteten nur das Anlegen der Unterdiechlinge, während in
voller Feld- oder Tumierausrüstung die Oberdiechlinge unentbehrlich
waren.
Der Diechling, mittelst zweier Riemen an den Schenkel geschnallt,
erhält in der ersten Hälfte des 1 5. Jahrhunderts eine weitere Be-
festigung mittelst Schnüren an den Leibgürtel, um das Abrutschen
desselben zu verhindern. Zu diesem Zwecke wurde am Oberrande
ein Lederlappen angenietet, durch dessen Löcher die Schnüre liefen,
mit welchen der Diechling an den Gürtel befestigt wurde. Diese Be-
festigungsart erhält sich bis an den Schlufs des 16. Jahrh. (Fig. 124.)
Die Oberdiechlinge deckten im 15. Jahrhundert oberhalb nicht den
ganzen Oberschenkel. Nur an gotischen Harnischen vom Ende dieses
Jahrhunderts, welche gemeiniglich nur kleine Beintaschen und zuweilen
auch gar keine besafsen, reichten sie hart bis an die Leisten hinauf.
Von der Mitte des 15. Jahrhunderts trifft man italienische und bur-
gundische Harnische, deren Kniebuckelgeschübe nach auf- und abwärts
spitz zugeschnitten werden. Das untere dieser Geschübe hängt mit der
Beinröhre mittelst eines Drehbolzens (goujon-toumiquet) zusammen,
eine Verbindung, die stellbar ist und eine Verlängerung oder Ver-
kürzung der Beinröhre zuläfst (Fig. 121.) Bald nach dem Beginne
des 16. Jahrhunderts erschienen die geschobenen Diechlinge, aus
einem System von 8 bis 10 quer angeordneten Folgenschienen be-
stehend. Diese Neuerung führte um 1520 zu der Verbindung der
Diechlinge mit den Bauchreifen und zur Bildung der Schöfse. Bein-
zeuge für das Feld wie für alle Turnierarten zu Rofs besitzen durch-
weg in den Kniebeugen offene Gelenke, nur das Beinzeug für den
Fufskampf ist in der Regel dortselbst mittelst Folgen geschlossen; dann
ist aber auch der Diechling als eine vollständige Röhre gebildet.
Die Form der Beinzeuge an Maximiliansharnischen werden wir
an den Darstellungen dieser Gattung am besten ersehen, wir bemerken
Ho che im, Waffenkunde. 8
114
I. Die Schutzwaffen.
jedoch, dafs bei geriffelten Harnischen die Beinröhren stets ungeriffelt,
somit glatt vor Augen treten. (Fig. 131a und b.)
Mit dem Auftreten der grofsen Bewegung, die wir mit dem
Worte Renaissance bezeichnen, ändern sich auch die Formen des
gesamten Harnisches und damit des Beinzeugs. In allen Formen ist
schon die Linienführung der neuen „antikischen" Kunst deutlich
Fig. 122. Fig. 123.
Fig. 122. Vollständiges Beinzeug mit schmalen Oberdiechlingen
von einem Kampf hämische der Albrecht Achilles, Markgrafen von
Brandenburg (gest. i486) zugeschrieben ist. Das Beinzeug ist jedoch
um etwas jünger und dürfte um 1 505 geschlagen sein. Auf den Diech-
lingen ist die Tracht der Landsknechte nachgeahmt. Die Füfsc decken
bereits schwere Kuhrnäuler.
Fig. 123. Bruststück mit angeschnallten Schöfscn. Um 1570.
merkbar. Die scharf aufgetriebenen Buckel verschwinden und machen
den kugelförmigen Platz, die zackigen Folgenränder (Fürfeilen) werden
geradlinig, eine Änderung, die zwar zweckmäßiger genannt werden
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7. Das Beinzeug.
115
kann, die Schönheit aber nicht fördert. Die Tracht der Zeit mit
Schlitzen und Puffen wird von den Plattnern am Beinzeuge, wie
überhaupt am Harnische häufig nachgeahmt. (Fig. 122.) Aber weit
eingreifender ist die Umwandlung vom Gesichtspunkte der Kriegs-
kunst; sie ist vom Fufsvolke, aus Landsknechtkreisen, ausgegangen.
Der Landsknecht entledigte sich um 1520 des Unterbeinzeugs, das ihm
Fig. 124. Fig. 125.
Fig. 124. Bein zeug mit geschobenem Diechling und halber
Beinschiene. Um 1560.
Fig. 125. Unterer Teil einer Beinröhre in Verbindung mit
einem Fanzerschuh.
im Marsche hinderlich war, völlig und begnügte sich mit den Diech-
lingen oder den Schöfsen. Dadurch entstand der „halbe Harnisch",
der auch bald von leichten Reitern angenommen wurde, die ihn mit
B*
I. Die Schutzwaffen.
kleinen Abänderungen als „reiterischen" oder „Trabharnisch"
tragen. (Fig. 123.) Von dieser Umbildung in Söldnerkreisen blieb
der ritterliche Harnisch unberührt, der so zu sagen für sich selbst
sich weiterbildete.
In zahllosen Formen tritt uns von etwa 1550 an der Trab-
harnisch vor Augen. Er nimmt um diese Zeit selbst eine Art Bein-
zeug wieder auf, indem der Reiter die Schienbeine mit schmalen
Platten bedeckt, die er an die Waden schnallt. (Fig. 124.)
Fig. 126. Fig. 127.
Fig. 126. Durchbrochenes Beinzeug nach einem Modell in der
Sammlung Poldi-Pezzoli in Mailand. Die Durchbrechungen sind
fUr Samrotunterlage berechnet, die Schuhe für Panzerung oder Leder.
Italienisch um 1580.
Fig. 127. Vollständiges Beinzeug mit Schöfsen, welche auch
ohne Beinröhren zu tragen sind. Die letzteren sind in den inneren
Seiten geschnürt. Der Eisenschuh besitzt ein Rist- und Ballengeschübc.
Um 1560.
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7. Das Beinzeug.
117
Harnischfonnen, welche einen Übergang vom ritterlichen, dem
alten Kürisserharnisch zum Landsknecht- oder Trabharnisch darstellen,
finden sich von 1550 an äufserst zahlreich, Man kokettierte einer-
seits mit dem Geschmacke des demokratischen Söldners, anderseits
übte das von selbem aufgestellte Prinzip der Bequemlichkeit und
Leichtigkeit seine Wirkung. Das war die Ursache, dafs man an
Feldharnischen und an solchen für das Fufsturnier häufig gar keine
Fig. 128. Fig. 129.
Fig. 128. Vollständiges Beinzeug mit geschobenen Kniebuckeln
und Schuhen ron einem Feldharnische Ferdinand des Katholischen,
Königs von Aragonien. Um 1480.
Fig. 129. Vollständiges Beinzeug mit umfangreichen Schöfsen.
Der Eisenschuh besitzt neben dem Rist- und Ballengcschübe auch ein
Knöchelgeschübc. Um 1620.
Eisenschuhe, sondern solche aus Panzerzeug trug, welche nur vorn
an den Spitzen eine Bedeckung durch Eisenplatten, die sogenannten
118
I. .Die Schutzwaffen.
Schuhkappen, erhielten. (Fig. 125.) In die Gattung der Trab-
harnische reihen sich die in Italien viel getragenen leichten Harnische,
deren Platten durchaus in Dessins durchbrochen gearbeitet waren.
Wir bringen hier ein derartig gearbeitetes Beinzeug nach einem Mo-
dell aus der Sammlung Poldi-Pezzoli in Mailand. (Fig. 126.)
Wir sehen in den Sammlungen zahlreiche ganze Harnische, welche
je nach Gefallen auch als halbe getragen werden konnten. Sie kenn-
zeichnen sich durch den aufgeworfenen Rand am unteren Kniebuckel-
geschübe.
Von etwa 1570 an finden sich häufig Beinröhren, welche an
den inneren Seiten nicht mittelst Haspen (boutons ä ressort) ge-
schlossen, sondern geschnürt werden. (Fig. 127.)
Der Eisenschuh (soleret) tritt von der 2. Hälfte des 14. Jahr-
hunderts an stets in organischer Verbindung mit der Beinröhre auf,
ja diese selbst bildet schon einen Teil des Schuhes dadurch, dafs sie
meist bis an die Ferse reicht und an den entsprechenden Punkten
die Knöchelauftriebe besitzt An den vorderen Ristbogen setzt
sich ein nach abwärts gerichtetes Geschübe bis an die Spitze fort.
Der Eisenschuh bildet sich allmählich erst am Ende des 13. Jahr-
hunderts, indem eine steife Platte über den mit Panzerzeug bedeckten
Vorderfufs gelegt wird, die man an der Ferse mittelst eines Riemens
befestigte. Um 1290 ist diese Bedeckung durch ein Geschübe er-
setzt. Noch um 1390 besteht der Schuh des gemeinen Söldners aus
Leder, das mit kleinen Platten mosaikartig benäht ist. Eisenschuhe
vom Anfange des 14. Jahrhunderts enden im Geschübe in eine stumpfe
Spitze (Fig. 128), oder sie setzen sich in langen Schnäbeln (fr. ä la
poulaines, ital. scarpe a punta) fort (Fig. 121), welche etwas nach abwärts
gebogen sind. Diese langen Schnäbel, welche man mit Recht als eine
Verirrung der Mode betrachtete, hatte gleichwohl, wenigstens anfäng-
lich, einen praktischen Zweck. Je unvollkommener das Beinzeug war
und je weniger der Reiter im stände war, den Vorfufs auf- und ab-
wärts zu bewegen, desto näher lag die Gefahr, den Bügel zu ver-
lieren. Der lange Schnabel verhinderte dies und gestattete dem Reiter,
den verlorenen Bügel rasch wieder zu erfassen.
Erst in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheinen die Schuhe
vollständig in Verbindung mit dem Beinzeuge. Um 1400 ersehen
wir die ersten Beispiele von absteckbaren Schnäbeln; dadurch ver-
mochte der Reiter, zu Fufs befindlich, ohne Schwierigkeit zu schreiten.
Zu Rofs gestiegen, wurden die Schnäbel mittelst Drehbolzen am Rist
befestigt. Um 1430 erscheinen in Italien Schuhe mit bis zu 36 cm.
langen Schnäbeln aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisen-
schuppen belegt, welche erst zu Rofe an den Vorfufs gesteckt wurden.
Der Schuhschnabel erhält sich bis ca. 1490 im Gebrauch.
In den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts tritt die Reform-
bewegung ein, das Prinzip der Bequemlichkeit wird aufgestellt, viel-
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7. Das Beinzeug. 119
leicht nicht ohne Mitbeteiligung Maximilians I. und des Markgrafen
Albrecht Achilles von Brandenburg; es führte in der Schuhform
unmittelbar zu enormen Übertreibungen. Statt der schmalen gotischen
Schnabelschuhe erscheinen die ungeheuerlichen Bärenfüfse oder
Kuhmäuler (pieds d'ours) von erschrecklicher Plumpheit Erst um
1530 müfsigt sich allgemach deren Dimension und die Formen
der Schuhe nähern sich allmählich der Fufsform, zunächst sehen wir
sie abgezackt mit scharfen Ecken, später um 1550 rundet sich der
Vorderteil und es entstehen die sogenannten Entenschnäbel, erst
um 1560 nimmt der Schuh die natürliche Form des Vorfufses an,
wie es die Zehenlage erfordert; nur ist eine leichte Hinneigung er-
kennbar, den Vorfufs spitzig und damit schmal zu gestalten. Siehe
das nebenstehende Schema. (Fig. 130.) Von der Mitte des 16. Jahr-
hunderts an ist ein reges Streben der Plattner ersichtlich, den Fufs
0 b.
im Eisenschuh beweglicher zu gestalten und damit das Reiten auf
beweglicheren Pferden zu erleichtern. Zunächst ersehen wir das
Ristgeschübe, etwas weiter vor das Ballengeschübe, endlich wird
noch an der Beinröhre selbst ein Geschübe zunächst oberhalb der
Knöchel, das Knöchelgeschübe, angeordnet. (Fig. 127 und 129.)
Dafs man um 1570 hier und da wieder begann, Eisenschuhe zu
tragen, welche nicht in Verbindung mit den Beinröhren standen, zeigt
ein derlei Paar italienischer Provenienz in der kais. Waffensamralung
zu Wien. Sie gehörten aber sicher keinem Vornehmen an.
Vorkehrungen zum Anlegen der Sporen an die Fersen sind der
verschiedensten Art. Ist das Beinzeug an der Ferse hoch aus-
geschnitten, dann war der Sporn unterhalb des Eisenschuhes befestigt.
Um 1560 wird nicht selten der Spornhals an die Fersenplatte ge-
nietet, wie zahlreiche Beispiele erweisen. In den meisten Fällen aber
wurde der Sporn über den Eisenschuh mittelst Riemen geschnallt.
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120
I. Die Schutzwaffcn.
Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
Die einzelnen Teile des Plattenharnisches.
Fig. 131a u. b.
A. Der Helm, franz. armet,
ital. celata, engl, helmet.
I. Das Scheitelstück, frz,timbrc,
ital. coppo, engl, scall piece.
2 Der Kamm, franz. cr£te, ital.
cresta, engl, crest.
3. Das Visier, franz. mezail, ital.
visiera, engl, visor.
Bei den späteren Helmen
besteht das Visier aus 2 Tei-
len, die sich aufschlächtig
bewegen. Der obere Teil mit
den Sehspaltcn heifst dann
Stirnstulp, franz. frontal, ital.
frontale, der untere, das
eigentliche Visier, altdeutsch
Scherabart, fr. ventail, ital.
ventaglio.
4. DasKinnrefT, fr. mentonniere,
ital. baviera, engl, beaver.
5. Der Nackenschirm, fr. couvre-
nuque.
6. Das Kehlstück, bei späteren
Helmen Halsreifen, fr. gor-
gerin.it.goletta, engLgorgct.
B. Der Kragen, fr. hausse
col, ital.collo, engl, neck
collar.
I. Federzapfen (zur Befestigung
der Achseln), fr. auberon.
Die Achseln, fr. epau-
Iirres, ital. spallacci,
engl. Shoulder plates.
I. Die Vorderflüge, fr. aile, ital.
ala, lunetta.
2. Die Hinterflüge, franz.
ailes dorsales.
3. Die Brechränder, Stofs-
krägen, fr. passe-garde,
garde-col, it. guarda-go-
letta, engl, pass guard.
Fig. 131a.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
121
D. Das Armzeug, frz. brassard,
ital. bracciale, engl, brassard.
1. Oberarmzeug, Oberarmröhre.
2. Untcrarmzcug, Untcrarmröhre.
3. Die Armkacheln, fr. eubitieres, ital.
eubiticra, bestehen aus den Mäuseln
und den ganzen oder halben Muscheln.
E. Die Handschuhe, frz. gan-
telets, ital manopole, engl,
gauntlet, wenn ungefingert:
Hentzen, franz. mitons, ital.
mittene,engl.mittengauntlets.
1. Die Stulpen.
2. Die Knöchelrcifen.
F. Die Brust, das Bruststück,
franz. plastron, ital. corazza,
engl breast plate.
1. Der Brustrand.
2. Der Rüsthaken, fr. faucre, ital. resta,
engl, lance rest.
3. Die Bauchreifen, frz. braeconniere,
ital. panziera, engl, great brayette.
4. Die Schamkapsel, franz. brayette.
5. Die Beintaschen, frz. u.engl. tassettes,
tuiles, ital. fiancali, scarselloni.
G. Der Rücken, das Rücken-
stück, franz. dossiere, ital.
schiena, engl, backplate.
I. Die Gesäfsreifen , der Gesäfsschurz.,
franz. garde-reins, ital. falda.
H. Das Beinzeug, die Diech-
linge mit den Kniebuckcln
bilden das Oberbeinzeug, die
Beinröhren mit den Schuhen
das Unterbeinzeug.
1. Die Oberdicchlinge. 2. Die Unterdiechlinge, fr. u. engl, cuissards, ital.
cosciali.
3. Die Kniebuckel, franz. genoulliere, ital. ginocchietti, engl, buce, mit
ihren Muscheln.
4. Die Beinröhren, franz. greves, ital. schinieri, engl, greaves.
5. Die Schuhe, franz. sollerets, ital. scarpe, engl, goad, sole
Fig. 131b.
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122 I. Die Schußwaffen.
Bevor wir in eine Betrachtung der Wandlungen jener Schutz-
waffe eingehen, welche der Krieger unmittelbar am Körper selbst
getragen hat und die man unter der generellen Bezeichnung Harnisch
zusammenfaßt, sehen wir uns veranlafst, einer möglichen irrigen Auf-
fassung zu begegnen, als sei mit den gegebenen Typen namentlich
der älteren Perioden, etwa bis ins 14. Jahrhundert, mehr als ein
nur im allgemeinen orientierendes Beispiel der Tracht gegeben. Je
höher wir in den Zeiten hinaufrücken, in denen zahllose Volksstämme
auf die Weltbühne treten, deren Kulturzustand von verschiedenen
Zentren beeinflufst war, desto mehr müssen wir von einer einheit-
lichen Physiognomie der Kriegstracht absehen. Wenn wir bedenken,
dafs die Völker des europäischen Nordens eine in sich abgeschlossene
Kultur mit sich brachten, jene des Ostens in dem Grade und der
Art ihrer Entwickelung die gröfsten Verschiedenheiten merkbar werden
lassen, dafs die Einflüsse des Orients auf den Occident, der Antike
auf die barbarische Welt in tausendfachen Nüancen zu Tage treten, so
kann von einer äufserlichen Uniformität des Menschen in Bezug auf
seine kriegerische Tracht keine Rede sein. Hier ist die Gestalt der
Äufserlichkeit so sehr von dem Grade der Entwickelung der Technik,
den religiösen- und Stammesgewohnheiten, den Ansichten des einzelnen
abhängig, dafs jeder der zahllosen Volksstämme zwar einen Haupt-
typus für sich bilden kann, der aber bis zu den einzelnen Individuen
herab millionenmal variiert.
Für die Epoche der Völkerwanderung standen uns bis jetzt nur
spärliche Materialien zu Gebote, um die Tracht des Kriegers beur-
teilen zu können. Originale Stücke sind nur wenige, und diese in
Trümmern auf uns gekommen, und bildliche Darstellungen waren ja
selbst in jener Zeit äufserst selten. Griechische und römische Kunst
waren im Entschlafen, und jene der Barbaren stand noch auf zu ge-
ringer Stufe, und war in dem Wirrsal der Zeit so wenig in Übung,
dafs es begreiflich erscheint, wenn uns bis jetzt bildliche Belege nicht
untergekommen sind. Helme, Schildrcste, Spiefse, Schwerter, welche
dieser Periode angehörend, in Deutschland, Italien und Frankreich
aus dem Boden gegraben wurden, zeigen merkwürdigerweise mehr
orientalischen Einflufs, als jenen der Antike, und dennoch ist der
letztere zweifelsohne bis ins 8. Jahrhundert, ja noch bis zu den,
Ottonen, in den genannten Ländern in Tracht und Bewaffnung
herrschend gewesen.
Wenn uns gerade für das Ausleben des antiken Einflusses Belege
fehlen, so sind wir anderseits für den orientalischen durch in den
letzten Jahrzehnten gemachte Bildfunde bereichert worden.
Der eine ist eine kleine bronzene Reiterfigur, einen finnländischen
Krieger darstellend, die wenn nicht vor, doch sicher in die Periode
der Völkerwanderung zu reihen ist. Der Reiter trägt den kleinen,
spitzen Helm, der, wie wir sehen, vom Altertum bis in die Neuzeit
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
128
den orientalischen, und den vom Oriente beeinflufsten Völkern eigen-
tümlich ist. Das Kleid ist eng anliegend. Die Figur sitzt bereits im
bequemen Sattel.*) (Fig. 132.)
Noch weit wichtiger, ja unschätzbar sind die Reliefdarstellungen,
welche sich auf einem Goldgefafse aus dem Schatz von Nagy Szent-
Miklos, dem sogenannten „Schatz des Attila", gefunden haben.**)
Die eine stellt einen Reiter dar, der einen Gefangenen mit sich
schleppt, die andere einen Bogenschützen. Man bezeichnet sie als
sarmatische, und setzt sie ins 5. Jahrhundert, was im allgemeinen
wohl zutreffen mag. Was für uns äufserst wichtig erscheint, ist die
Fig- »32- Fig. 133.
Fig. 132. Statuette eines finnländischen Reiters von
Bronze Fund auf einem Felde bei Omstomsk, Gouvernement Wiatka.
5. Jahrhundert. Nach einem im Privatbesitze befindlichen Originale.
Fig. 133. Sarmatischer Reiter mit einem Gefangenen. Dar-
stellung im Flachrelief auf einem Goldgefafse aus dem Erdfunde von
Nagy Szent-Miklös, dem sogenannten „Schatz des Attila" 5. Jahr-
hundert.
Tracht beider, aus der wir ersehen, dafs sie orientalisch ist, dafs
die Kriegstracht, wie sie bis ins 12. Jahrhundert in Europa üblich
war, sich von ihr ableitet, und schon in antiker Zeit ihren Ursprung
•) Der Fundort der Bronze ist auf einem Felde bei Omatomsk, Gouverne-
ment Wiatka. Sie ist erwähnt in Apelin, Antiquites finnoises, mit unrichtiger
Angabe des Gouvernements Wilna. Ausführlich besprochen in dem Berichte über
den Kiewer archäologischen Kongrefs 1873.
**) Kunsthistorisch.- Sammlungen des kais. Hauses, Wien.
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124
I. Die Schatzwaffen.
gefunden hat, und dafs endlich die spätere, ritterliche Tracht, der
Haubert die Brünne, der Helm etc. ihre Vorbilder im Oriente und
nicht in der antiken Welt gefunden haben. Der eine Reiter trägt
den niederen spitzen Helm mit der Brünne, die ein Kettengeflecht
darstellt. Eine Jacke und Beinkleider aus mit Lederstreifen besetztem
Stoffe bedecken den ganzen Körper, darüber erscheint ein langer
Haubert mit kurzen Ärmeln, vermutlich aus Leder mit dicht darauf
genieteten Blechscheibchen. Derselbe wird an den Lenden mit einem
gleichfalls mit Metall belegten Gürtel zusammengehalten, der mög-
licherweise auch ein Schwert tragen kann. Ganz ähnlich erscheint
der minder vornehme Bogenschütze, der jedoch keinen Helm am
Haupte trägt, sondern barhaupt mit fliegendem Haare sich darstellt.
(Fig. 133.)*)
Von diesen bis jetzt ältesten Darstellungen einer Kriegstracht im
Mittelalter bis zu der nächsten klafft eine Lücke von 3 Jahrhunderten,
aber wir ersehen aus der nächsten; dafs sich in dieser Zeit nur wenig
geändert hat. Die aus Elfenbein geschnitzten Reiterfiguren, zum
Schachbrettc Karls des Grofscn gehörig,**) zeigen uns die Kriegstracht
der Berittenen im 8. Jahrhundert. Das Haupt der einen ist von
einer kugelförmigen Haube bedeckt, der ganze Kopfteil mit Ausnahme
des Gesichtes mit einem Stoffe eingehüllt, der vermutlich eine Brünne
darstellt. Die Brust deckt ein eng an den Körper schliefsender
Harnisch von Leder, mit viereckigen, übereinander fallenden Schuppen,
der bis an die Beine reicht. Die Ärmel sind kurz, die Unterarme
nackt. Die Unterschenkel scheinen in Lederstrümpfen zu stecken,
die Füfse sind von Sandalen bedeckt, an deren Fersenteil Sporen
mit stachelförmigen Hälsen befestigt sind. Die andere trägt über
eine lange Tunika einen ähnlichen Harnisch, jedoch mit unterhalb
abgerundeten, und gestielten Schuppen. Der Codex aureus von St.
Gallen zeigt uns im Gegensatze zu den vorgenannten Ausrüstungen
die Krieger in einer vollkommen der Antike entlehnten Tracht. Der
Helm erinnert an die der späteren Römerzeit, der Harnisch aber, bis an
die Kniec reichend, ist von Leder und mit zungenförmigen Schuppen
bedeckt. Die Ärmel sind kurz und lassen ein faltiges Untergewand
erblicken. Die Unterschenkel stecken in hohen Strümpfen, die bis
über das Knie reichen. Die Füfse sind mit Schuhen bekleidet. Über
den Harnisch trägt der Vornehme die Toga, die Handwaffe ist der
dünnschäftige Spiefs oder das pilum. (Fig. 134.) Man sieht in der
Gesamtbetrachtung deutlich das Gemisch von orientalischen und an-
tiken Formen, aber auch wie wenig die Kriegstechnik seit dem 5.
*) Die andere hier erwähnte Figur des Bogenschützen ist in dem Abschnitte:
„Der Bogen", wiedergegeben.
**) Einst im Schatze der Abtei zu Saint-Denis, jetzt im Mcdaillenkabinett der
Nationalhibliothek zu Paris.
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Der Harnisch für den Matth in seiner Gesamtheit.
125
Jahrhundert vorgeschritten ist. Die geringen Fortschritte in der Ent-
wickelung der Schutzwaffe, und speziell des Harnisches sind aus den
nächstjüngeren Handschriften und Miniaturen zu erkennen. Fast
vollkommen gleich mit der vorigen ist die Kriegstracht in der Bibel
von San Paolo fuori le mura vom 9. Jahrhundert, im Evangelium des
Lothar und in der Bibel Karls des Kahlen aus ziemlich gleicher Zeit.
Nur im Manuskripte des Prudentius um das Jahr 1000 erscheinen
die Helme kegelförmig, und nähern sich in ihrer Form der in Frank-
reich als „normanischer Helm" bezeichneten Kopfbedeckung. Sicher
ist die gründliche Verbesserung der Bewaffnung und der Taktik vom
Fig. 134.
Fig. 134. Figur des Saul aus dem Codex aureus von Sanct
Gallen. 8. Jahrhundert.
Beginne des 1 1 . Jahrhunderts allgemeiner merkbar, von den Normanen
ausgegangen, deren Herrscher in unausgesetzter Verbindung mit fernen
Nationen einen weitreichenderen Blick besafsen. Einen wichtigen
Beleg für die Verbesserung der Kriegstracht, wie sich dieselbe am
Ende des 11. Jahrhunderts darstellte, besitzen wir in den Darstel-
lungen am Teppich zu Baycux , und wir sehen auch hier die fort-
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126
L Die Schatzwaffen.
gesetzte Einwirkung des Orients auf das europäische Kriegswesen.
Die künstlerische Hand der Tapete stellt uns die bretonischen Krieger
im wesentlichen mit den normanischen gleich gehamischt vor. Den
Kopf bedeckt der spitze Helm mit dem charakteristischen, vom Oriente
her entlehnten Naseneisen, der Kopf ist von einer Art Brünne ein-
gehüllt, die nur das Gesicht frei läfst. Der Körper ist von einem
F'g. »35-
Fig. 135. Herzog Wilhelm der Eroberer aus der Tapete
von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.
Harnisch bedeckt, der das Wams mit dem Beinkleid in einem
Stücke darstellt. Die Ärmel sind kurz, die Beinkleidpartie reicht bis
an die Kniee. Der ganze Harnisch ist entweder mit eng aneinander
liegenden, quadratförmigen, eisernen oder mit scheibenförmigen Plätt-
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
127
chen verstärkt, die vermutlich aufgenietet sind. Bei Vornehmen sind
dieselben entweder vergoldet oder aus Bronze gebildet. Auf der
Brust zeigt sich ein viereckiges Blatt, in den Ecken aut den Harnisch
befestigt, das wahrscheinlich eine Verdoppelung der Brustpartie dar-
stellt. Nur Vornehmere haben auch die Unterschenkel in gleicher
Weise geschützt (Fig. 135), bei den übrigen sind die Beine nur mit
engen Strümpfen bekleidet Das Gewicht eines solchen Harnisches
mag nicht gering gewesen sein; auf der Tapete in der Darstellung
der Landung Wilhelms in England tragen zwei Knechte einen solchen
Harnisch auf einer starken Stange. (Fig. 136.)
Bei den Normanen war das Ritterwesen vollends ausgebildet;
man erkennt dieses deutlich in der minderen Bedeutung, die dem
Fufsstreiter zu teil wird. In der Tapete von Bayeux sind nebst den
Reitern nur die Spiefsträger geharnischt (Fig. 137), in anderen Körpern,
wie bei den Bogenschützen, erscheint der Mann nur vereinzelt im
Fig. 136.
Fig 136. Kriegsknechte, einen Harnisch tragend, aus der
Tapete von Bayeux. Ende des Ii. Jahrhunderts.
Harnisch, und das Kleid der übrigen ähnelt jenen der Krieger des
8. Jahrhunderts in ihrer spätrömischen Tracht. (Fig. 138.)
Dafs uns die Tapete die Tracht einer etwas späteren Zeit als
die dargestellte Eroberung Englands durch die Normanen wiedergibt,
zeigt das Reitersiegel Wilhelms des Eroberers vom Hotel Soubise in
Paris. Hier trügt der Herzog einen kugelförmigen, grofsen Helm,
einen Haubert, mit sechseckigen Eisenplättchen belegt, ganz in der
Art einer Tunika geschnitten, mit kurzen Ärmeln, die Beine sind
unbewehrt. (Fig. 139.) Das Reitcrsiegel Wilhelms II. aber zeigt diesen
bereits im spitzen Helme mit Naseneisen, und ist genau aus der Zeit
der Fertigung der Tapete.
Vom Beginne des 12. Jahrhunderts machen sich vorzüglich an
den Hauberts Änderungen im Schnitte merklich. Zunächst erscheint
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128
I. Die Schutzwaflen.
das Beinkleid getrennt, und der Haubert selbst wird bedeutend länger,
so dafs er bis an die Waden reicht. Um mit selbem zu Pferde sitzen
zu können, wird er rückwärts und zuweilen auch an den Seiten auf-
geschlitzt. Die Ärmel reichen bis an die Handwurzel, sind anfänglich
weit, später eng anliegend. Die Verstärkung mit Eisenpartikcln wird
subtiler und besteht aus feineren, übereinander genähten Ringen, oder
Fig. 137. Fig. 138.
Fig. 137. Normanischer Fufsstrciter aus der Tapete von
Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.
Fig. 138. Normanische Bogenschützen, der eine gehar-
nischt, der andere nicht geharnischt, aus der Tapete von Bayeux. Ende
des 11. Jahrhunderts.
aus kleinen, schuppenförmig gereihten Plättchen, den sogenannten
„stahelzein", oder aus aufgenähten Metallscheibchen oder Metall-
buckeln. (Fig. 140.) Dieser Haubert wird über einem langen, faltigen
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
120
Waffenrock (bliaud) getragen, der unterhalb hervorsieht, dieses Unterkleid
ist für die Harnischtracht durch mehr als ein Jahrhundert charakteristisch.
Die kapuzenähnliche Brünne wird nicht nur beibehalten, sondern
wird nun auch gleich dem Haubert mit aufgenähten Ringen verstärkt.
Fig- 139-
F'g- 139- Grofses Rcitcrsiegel Herzogs Wilhelm des Er-
oberers aus dem Hotel Soubise in Paris nach Hewitt.
Einige Male finden wir das Schwert unterhalb des Hauberts getragen,
und mit der Scheidemündung aus einem Schlitze hervorragend.
(Fig. 141.)
$ m %
Fig. 140
Fig. 140. Verschiedene Proben von Darstellungen des Panzer-
werks an Hauberts aus der Tapete von Baycux.
Vermutlich war es die enorme Schwere von derlei mit Eisen-
partikeln dicht benähten Harnischen, dafs man im 12. Jahrhundert
versuchte, die eisernen Plättchen durch solche aus Horn zu er-
setzen, man hielt solche Harnische für undurchdringlich. Eine Schar
Boeheim, Waffenkunde. 9
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130
I. Die Schutzwaffen.
im Heere Heinrichs V. trug 1 1 1 5 derlei hornbelegte Hauberts, und
auch im Wigalois werden solche erwähnt, welche reich mit Gold
belegt und mit Edelsteinen geziert waren.*) Gegen 1 1 50, zu welcher
Periode die Erfahrungen aus den Kreuzzügen greifbare Gestalt an-
zunehmen begannen, begegnen wir in Mitteleuropa zuerst dem Maschen-
panzerwerk (maille, Mufszeug), welches aus ineinander geflochtenen
verschweifsten Ringen besteht Der Maschenpanzer, bereits unter den
Römern bekannt und verwendet, war zu jener Zeit schon bis zum
Norden Europas verbreitet In ganz vorzüglicher Fertigung erscheint
Fig. 141. Fig. 142.
Fig. 141. Krieger aus einer Darstellung des Kinderrnordes aus
einer Papierhandschrift Nero C. IV. der Harlaian- Bibliothek datiert
1125. Französisch. Nach Hewitt I, p. 130.
Fig. 142. Detail von der Anordnung des Panzerzeuges an einem
sogenannten „ledcrstreifigen" Harnische. Nach Viollet-le-Duc II, p. 240
er nach Fundstücken, aus dem Thorsberger Moor im Museum zu
Kiel, die dem 3. Jahrhundert angehören dürften, ebenso fand er
*) Vielleicht erklärt sich dadurch die Sage vom „hörnen Siegfried". Die
Erinnerung an hornbelegte Harnische hat sich übrigens lange erhalten, noch Kaiser
Maximilian I. kommt in seinen Studien auf selbe wieder zurück.
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Der Harnisch Mir den Mann in seiner Gesamtheit. 131
sich in Schweden in Gräbern, die ins 6. Jahrhundert zu reihen
sind.*) Diese frühe Erscheinung weist auf die Anfange der Meer-
fahrten der Wikingar zurück, bei welchen nebst materiellen wohl
auch manche kulturelle Eroberungen -gemacht worden waren. Im
12. Jahrhundert werden der Haubert wie die Brünne aus Maschen-
panzerwerk allgemeiner, wenn auch anfänglich nur als Kriegskleid
der Vornehmeren, da die Mehrzahl der Reiter den hohen Preis für
Vig. 143-
Fig. 144-
Fig- '43- Krieger im Haubert mit aufgenieteten Plättcheu. Frag-
ment einer Miniatur auf Pergament im Besitze des Herrn von Hefner-
Alteneck. Anfang des 12. Jahrhunderts. Nach Hefner, Trachten des
christlichen Mittelalters, I, T. 12.
Fig. 144. Fufsknccht im Haubert mit Fäustlingen und Eiscn-
hosen mit vollständiger Deckung des Vorfufses. Skulptur am Portale
der Kathedrale zu Rheims. Um 1230. Nach Viollet-le-Duc VI, p. 88.
*) Mestorf, J., Die vaterländischen Altertümer Schleswig-Holsteins.
Montelino, O., Antiquites su^doises. Stockholm 1873— 1875.
9'
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132
I. Die Schutzwaffen.
selbe nicht zu erschwingen vermochte. Diese bedienten sich eines
am Ende des 12. Jahrhunderts neu auftretenden, eigentümlich gearbei-
teten Hauberts, und einer damit verbundenen Brünne, die man im
Altfranzösischen armure treslice (trcillie) benannte. Dieses Kleid
bestand aus zweimal gesottenem Leder, auf welches der Quere nach
Lederstreifen mittelst starker Ticrschnen genäht wurden. Auf jedem
dieser Streifen wurden Eisenringelchen dicht aneinander gefädelt, die
durch zwischen den Ringelreihen liegende
Lederstreifen fest und Mach liegend erhalten
wurden. Diese Art Harnische, von späteren
deutschen Schriftstellern nicht sehr glücklich
„lederstreifige" benannt, erhalten sich bis ins
14. Jahrhundert im Gebrauche. (Fig. 142.)
Schon am Schlüsse des 1 1 . Jahrhunderts
waren die Unterschenkel der geharnischten
Reiter, wie wir gesehen haben, mit Harnisch-
zeug geschützt, und nicht selten begegnen
wir schon damals Hauberts und Eisenhosen
(isenhuse) an den unteren Extremitäten, die
sackartig gestaltet waren, somit zugleich die
Hände und Vorfüfse bedecken. Diese Art
wird auch bei den Harnischen des 12. Jahr-
hunderts wieder aufgenommen (Fig. 143 und
144). Der aus Lederstreifen und Ringen ge-
bildete, wie der aus Maschen bestehende
Harnisch deckt gleichfalls Hände und Vor- ■
füfse, nur werden die inneren Handflächen
der ersteren, die Sohlen der letzteren, ferner
die Sitzflächen, endlich die Achselhöhlen von
der Panzerung frei gelassen. Minder ansehn-
liche Reiter tragen auch nur die vorderen
Flächen der Schenkel mit einem Stück Panzer-
zeug bedeckt, das rückwärts gebunden wird.
(Fig. 145.)
Mit der Zunahme der Bedeutung des
Rittertums kam der Fufsstreiter allmählich
ieger aufser Beachtung, seiner Ausrüstung wurde
immer weniger Aufmerksamkeit zugewendet.
Kig. 145.
Fig. 145. Krii
aus der Handschrift 69 der
Bibliothek im Haag. Ende
des 12. Jahrhunderts. Nach Daher kommt es, dafe wir den zum Knecht
van der Kellen. T. 73. heruntergesunkenen Fufsstreiter in den Minia-
turen des 12. und 13. Jahrhunderts entweder
ganz vermissen, oder in den mannigfachsten Ausrüstungen und mit
der verschiedensten Bewaffnung antreffen. Bogenschützen und die
späteren Armrustschützen erhielten sich zwar jeweilig durch ihre Ge-
wandtheit und Leistungsfähigkeit in einer gewissen Achtung; aber gerade
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
183
Fig. 146.
Fig. 146. Kriegsmann aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts
aus einem Manuskripte der kgl. Bibliothek in London. 2. A. XXII. Der-
selbe ist bereits im Haubert mit Maschenpanzerwerk und kurzen derlei
Beinkleidern, über ersteren ist der Gambeson aus Leinwand angezogen.
Nach Hewitt I, p. 254.
134
I. Die Schutzwaflen.
sie kleideten sich nach Willkür, und die Verachtung jeder schweren
Harnischausrüstung war bei ihnen zur Tradition geworden.
Gegen das Ende des 12. Jahrhunderts mit der Beendigung des
2. Kreuzzuges kommt der normanische Helm immer mehr in Ab-
nahme,*) und nach einem merkbaren Herumtasten wird der deutsche
Topfhelm allenthalben angenommen. Diese Veränderung steht in
Verbindung mit der Veränderung der Taktik und geht nur Schritt
für Schritt vor sich. In den westlichen Landern Europas, in dem
England Richard Löwenhcrz', dem Frankreich Philipp Augusts er-
scheinen zuerst niedere cylindrische Helme, welche über der Brünne
auf der Stirne aufsitzen. Statt des Naseneisens tritt zuerst das feste
Visier mit Sehspalt oder den Augenlöchern auf. Der Haubert reicht
bis ans Knie, unter selbem ist in der Regel das seidene oder leinene
Wams (bliaud) sichtbar, das, wie wir an Siegeln ersehen, oft bis an
die Füfse herabreicht. Charakteristisch für diese wie für die vergan-
genen Perioden ist die enge an den Hals schliefsende Brünne. Die
Füfse stecken in Eisenhosen aus Panzerwerk oder mit Lederstreifen
und Ringen verstärkt, die am Vorfufse spitz enden. Diese schwere
Ausrüstung mit eiserner Epidermis wurde unter der heifsen Sonne
des Orientes unerträglich. Um das Erhitzen des Metalls nur etwas
zu vermindern, trugen die Ritter im zweiten Kreuzzuge lange weifse
Hemden über den Haubert. Diese waren ohne Ärmel und waren
vom Unterrande bis in die Gegend des Sitzes an den Seiten aufge-
schlitzt Auch die Helme erhielten Decken aus weifser Leinwand.
Über das Hemd, das bei den Franzosen „gambeson" hiefs, wurde
das Schwert gegürtet (Fig. 146). In den östlichen Ländern wurden
cylindrische Helme selten, dafür aber halbkugelförmige und spitze ge-
tragen. Um diese Periode von etwa 1 1 70 an, also gerade in jenem
Zeitpunkte, wo die Helme das Antlitz verdecken, beginnt man auf
Schilde und Helme, später auch auf die Fahnen, Rofsdeckcn, Sättel etc.
gewisse Darstellungen als persönliche Erkennungszeichen zu malen;
damit entwickelt sich die Heraldik im Ritterwesen, die ihre Anfänge
allerdings, wie wir gesehen haben, schon 5 Jahrhunderte vorher gefunden
hatte.
Im Verlaufe des 13. Jahrhunderts schreitet die Reform in der
kriegerischen Ausrüstung weiter, und ihre beste Stütze findet sie in
den Fortschritten, welche das Handwerk überhaupt und damit auch
*) Der Übergang fand nicht plötzlich statt, das erklärt sich schon aus den
Verhältnissen. Die Harnische und Waffen wurden von dem Vater auf den Sohn,
den Enkel vererbt, und wurden von diesen teils aus Pietät, teils der nicht ge-
ringen Kosten neuer Waffen wegen oft noch ein halbes Jahrhundert und später
getragen, als schon längst die Kriegserfahrung andere Formen an die Stelle ge-
setzt hatte. Nur die Vornehmsten und Wohlhabendsten vermochten mit der Ver-
änderung des WafTenwesens gleichen Schritt zu halten, sie bildeten gewissermafsen
das Muster für die Geringeren.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
13.S
jenes des Waffensclimiedcs gemacht
hatte. Der Helm erweiterte sich
so, dafs er nun nicht mehr auf
der Stirne sitzt, sondern auf den
Kopf gestülpt werden mufs. Der
Haubert wird etwas kürzer, schon
um 1200 reichte er nur mehr bis
über die Hälfte der Oberschenkel ;
sowohl der Topfhelm, wie auch
Schwert und Dolch werden mittelst
Ketten vorn an der Brust ange-
heftet, die Schultern wie auch die
Kniescheiben werden durch zur
Zeit noch sehr kleine Eisen-
scheiben gedeckt. Auf den Helmen
erscheinen die heraldischen Zeichen
plastischer Darstellung (Zimiere) in
immer verschiedenerer Gestaltung.
Auch das Waffenhemd erhält die
Farbe seines Trägers. Der Schild,
um 1200 noch fast in voller Länge
des normanischen, wird im Ver-
laufe des 13. Jahrhunderts, nach
Mafsgabe als der Beinharnisch
solider wird, kürzer und kleiner.
Gegen den Ausgang des
13. Jahrhunderts wird unter dem
schweren Topfhelm die kleine
Beckenhaube getragen , welche,
nahezu halbkugelförmig gebildet,
über die Brünne aufgesetzt wird.
Dieselbe erhält an jenen Punkten,
wo der Topfhelm aufsitzt, Polste-
rungen, um den Druck zu mildem ;
dadurch bildet sich die Helm-
binde, die später, als die Topf-
helme abkommen, nur mehr eine
dekorative Bedeutung hat. Gegen
das Ende des 13. Jahrhunderts
werden die Beine, wenn sie nicht
durch Maschenpanzer gedeckt sind,
an den vorderen Flächen mit
starken, gesottenen Rindsleder-
streifen gesichert, die rückwärts
angeschnallt werden. Der Schwert-
Fig. 147-
Fig. 147. Grabrelief, in Kupfer gegolten,
des Sir Jonan D'Aubernoun Kitter, in der Kirche
von Stokc D'Abernon in der Grafschaft Surrey
v. J. 1277. Da» älteste Beispiel eines Grab-
steines mit bildlicher Darstellung des Verstor-
benen. Nach Schultz.
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13<J
I. Die Schutzwaffen.
gürtel wird meist lose getragen, so dafs er nicht mehr in den Weichen
sitzt, sondern an den Lenden haftet. (Fig. 147.) Von etwa 1274 bis
gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts tragen die Ritter in Frankreich
und England die Achselschilde (ailettes). Im östlichen Deutschland
kommen sie selten, in Italien gar nicht vor Augen. (Fig. 148.) In
den letzten Dezennien des 13. Jahrhunderts wird eine wichtige Ver-
besserung des Harnisches bemerk-
bar, man könnte diese Periode die
des Anfanges der Plattenharnische
nennen, die freilich erst nach einem
Jahrhundert in sich fertig dastehen.
Aber schon zu jener Zeit beginnt
man Ellenbogen und Kniescheiben
mit hohl getriebenen, runden Eisen-
scheiben, Oberarme und Unter-
schenkel mit eisernen Schienen zu
bedecken, die über Haubert und
Eisenhose mittelst Riemen geschnallt
werden. In der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts werden auch die
oberen Flächen der Vorfüfsc mit
Eisenschienen gedeckt, um 1356 sind
diese bereits geschoben. In den für
die Geschichte des Waffenwesens un-
gemein wichtigen Abbildungen des
Codex Balduini Trevirensis aus der
1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, in
denen die Romfahrt Kaiser Hein-
richs VII. dargestellt ist,*) erblicken
wir die Ritter in kurzen Hauberts
mit darüber gezogenen langen Waffen-
hemden. Diese letzteren besitzen
kurze, aber weite Ärmel und tragen
den Blason des Eigners oder nur
Kig. 148. die Farben desselben. Nur die Vor-
Fig. 148. Donator im blasoniertei, »ehmsten tragen Fufszeug aus Platten.
Gambeson, mit Achselschilden. Manu- Der Helm aber nähert sich dadurch,
script der Bibliothek zu Cambray. Flan- dafs er im Nacken eingezogen er-
L^arts'to^^uau^r'l^ scheint, bereits der späteren Form
es arts somptuatres, . geschlossenen Helme. Auch der
Eisenhut mit breiter Krempe, über die Brünne gesetzt, kommt ver-
einzelt vor.**) (Fig. 149.) Der Topfhelm war im Feld kriege wenigstens
*) K. Provinzialarchiv zu Coblenz.
**) Inner, Georg, Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. Ein Bildercyclus des
Codex Balduini Trevirensis. Berlin 1881.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
137
um die Mitte des 14. Jahrhunderts für immer abgelegt worden, nach-
dem noch in den letzten Jahrzehnten seiner Verwendung verschiedene
Versuche gemacht worden waren , ihn zu erleichtem und erträglicher
zu gestalten. Er wurde nämlich in den Helmwänden verlängert, so
dafs er nun auf den Schultern aufruhte; die vordere Wand wurde aus-
geschnitten und mit einem Visier versehen. Umsonst! Der Krieger
war des schweren Rüstzeugs satt geworden. Es wurde* durch die
Fig. 149.
F'ß- '45- Reitergefecht aus dem Codex Balduini, die Rom-
fahrt Kaiser Heinrichs VII. darstellend aus dem kgl. Provinzialarchiv zu
Coblenz. I. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Irmer Dr. G. die Rom-
fahrt etc.
Beckenhaube ersetzt, die nur weiter gehalten wurde, so dafs sie im
Nacken aufsafs. Jetzt verschwindet die unbequeme, kapuzenförmige
Brünne, die den ganzen Scheitel deckte; sie wird nun an dem Unter-
rande der Beckenaube angeheftet, in einer Form, dafs sie nur das
Antlitz frei läfst. Die Verbindungen zeigen aufserordentliche Solidität.
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138
I. Die Schutzwaffen.
Dadurch blieb der Hals vom Helm unbedeckt, aber die Brünne
wird so weit geschnitten, dais sie nicht mehr an den Hals schliefst,
sondern frei herabfällt.
Fig. 150. Fig 15t.
Fig. 150. Eduard der schwarze Prinz, Sohn Eduards III.
(133° — *376). Von dessen Grabmale in der Kathedrale zu Canter-
bury. Nach Stotthart, I, 15.
Fig. 151. Krieger. Holzskulptur in der Kathedrale zn Bamberg
von 1370. Nach Hewitt I, 138.
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Der Harnisch fiir den Mann in seiner Gesamtheit.
139
Auch der Haubert erleidet wesentliche Veränderungen in seinem
Schnitte. Er wird allgemach enger oder doch mehr in die Weichen
geschnitten. Um 1320 beginnt eine bemerkenswerte Mode, den
Schwertgürtel sehr tief an den Lenden zu tragen. Aus dem Schwert-
gürtel bildete sich jener steife, ringförmige Gürtel, der als ein Zeichen
ritterlicher Würde tief an den Lenden getragen rourde. Gegen die
2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er immer reicher verziert.
Einzelne derselben gehören zu den schönsten Werken der Gold-
schmiedekunst. Der ritterliche Gürtel (cingulum militare, im Deutschen
„Dupsing" genannt), der auch am bürgerlichen Kleide, vorzugsweise
aber auf dem Harnische getragen wurde, war vorzüglich in Frank-
reich und England, aber auch in Deutschland, weniger in Italien
üblich. Er erhält sich bis zur Umänderung des Plattenharnisches in
der Renaissance. (Fig. 150.)
Um 1330 verschwinden die faltigen WafTenhemden (cottes d'armes,
gambisons) aus den ritterlichen Kriegskörpem und machen eng anliegen-
den Platz, die nun auch mit farbiger Seide, Stickerei und Tapisserie
geziert werden. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts bildet sich aus
dem Haubert allgemach der Lentner. Anfänglich erscheint er als
eng anliegendes Überkleid aus dickem Leder, das über dem eng
anschliefsenden Haubert rückwärts geschnürt getragen wird (juste au
corps); später wird der Haubert zum einfachen Kettenhemde, über
welches der scharf in die Weichen geschnittene Lentner angezogen
und an der Brust zugeschnürt wird, wie wir in Fig. 150 ersehen.
Die Helmbrünne, nun vom Kettenhemd getrennt, fällt als Kragen über
Brust und Schultern herab. In dieser Periode ist das aus Platten
gebildete Arm- und Beinzeug bereits allenthalben üblich, wenn auch
Arm- und Beinbekleidungen aus Panzerzeug und selbst aus Schuppen-
werk immer und lange noch nebenher im Gebrauch bleiben. In
Frankreich wird noch der bliaud, zuweilen auch gezaddelt, getragen. Zwei
Modeerscheinungen treten um 1350 auf, die übertrieben spitzen Eisen-
schuhe und die Schellengürtel. Sie sind für den Beginn eines über-
triebenen Luxus im gesamten ritterlichen Leben der Zeit charak-
teristisch. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts verschwindet das
Nasenband, jener Lappen aus Panzerzeug, der an der Brünne vom
Kinne über das Gesicht hinaufgeschlagen und an der Beckenhaube be-
festigt wurde, gänzlich, dafür wird immer häufiger das Visier, das in
vielen Gestalten auftritt. Nicht selten ist es schnabelförmig spitz ge-
bildet in einer Form, die an die Hundeschnauze erinnert und davon
im östlichen Deutschland, wo die gemeine Beckenhaube im Volks-
munde „Gugel" hiefs, Hundsgugel genannt wurde. Sie verschwindet
erst um 1430. Seit dem 14. Jahrhundert tragen auch Ritter den
Eisenhut mit oft breiter Krempe in Verbindung mit der Halsbrünne.
Von etwa 1360 an tritt das Bestreben auf, den immerhin wenig
hiebfesten Lentner durch Eisenplatten zu verstärken. Das geschieht
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140
I. Die Schutzwaflen.
in verschiedener Art, durch musivisches Aneinanderreihen von Eisen-
platten, die nun allgemach gröfser gebildet werden, oder auch durch
Aufnieten einer gröfseren Platte auf die Brustseite, an welche auch
die Schwert- und Dolchkette befestigt wird. Bei allen diesen Ver-
stärkungen bildet noch der Lentner den Träger. (Fig. 151.) Erst
um 1380 erscheint die selbständige Brustplatte, halbkugelförmig, mit
stark geschweiftem Oberrande, welche über die Schultern und in der
Leibesmitte angeschnallt ist; zunächst reiht sich an dieselbe ein
1'ig- 152. . Fig. 153.
Fig. '52- I)er Roland von Ragusa. Stcinskulptur von 1423.
Die geschiftete Plattenbrast hat noch die Form des Lentners. Italienisch.
Nach einer Zeichnung des Verfassers.
Fig. 1 53- Kriegsknecht im Harnischröckchen aus einem Altar-
hilde der Auferstehung Christi in der Kunstsammlung des Chorhcrrn-
stiftes Klostcrneuburg von 1476.
Rückenstück. Das alles verändert den allgemeinen Charakter des
Harnisches nur wenig, denn noch besitzt der Helm die weite Brünne,
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit. 141
die über die Brust und die Schultern herabfällt und noch ist der
Unterleib unbedeckt und der Lentner daselbst noch sichtbar. Aber
der voll ausgebildete Plattenhandschuh mit kurzen Stulpen kommt in
Aufnahme. Das ist eine bemerkenswerte Neuerung.
Knapp um die Wende des 14. Jahrhunderts begegnen wir einer
eingreifenden Veränderung dadurch, dafs die Helmbrünne allmählich in
Abnahme kommt. Das Panzerhemd wird jetzt hoch in den Hals
r»g. 154.
Fig. 151. Kriegsknecht im Lederharuisch mit eisernen Buckeln
an den Mäuseln und Knieen und dem Harnischröckchcn darüber. Aus
einem Altarbildc der Auferstehung Christi in der Kunstsammlung des
Chorhcrrnstiftes Klostemcuburg von 1476.
geschnitten und an den Helm wird vorn ein breiter Halsreifen,
rückwärts ein tief reichender Nackenschirm angesetzt, welche dicht an
Brust und Rücken anschliefsen. Die Helmbinde bleibt als dekorative
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142 I. Die Schutzwaffen.
Beigabe, aber um 1410 erscheinen die kleinen Achselstücke geschoben
und bereits in Verbindung mit dem Brust- und Rückenstücke und
von beiden letzteren herab verbreiten sich einem Schurze gleich die
Bauch- und Gesäfsreifen in 3 bis 5 Geschoben. (Fig. 152.) Ebenso
beginnt man die ungedeckten Stellen an den Achselhöhlen durch
Schwebescheiben zu sichern. An den Mäuseln und Kniebuckeln
erscheinen Muscheln von anfänglich sehr geringen Dimensionen. Wir
nähern uns der Periode der Zaddeltracht , die auch bei dem ge-
harnischten Manne zumal bei festlichen Gelegenheiten zur Geltung
gelangt. In Italien werden bis ans Ende des 15. Jahrhunderts über
den Rücken gezogene Mäntel getragen, von den Achseln fallen lange
gezaddelte, weite Ärmel, bei manchem bis auf den Boden herab.
Überhaupt kommen in Italien um diese Periode kurze, bis an die,
Kniee reichende Harnischhemden in Aufnahme, die, meist ärmellos
in der Mitte des Leibes durch einen Gürtel gehalten werden. (Fig. 153
und 154.)
Das Bestreben, den Unterleib ausgiebiger zu schützen, veran-
lafst um 1430 den anfänglich schüchtern auftretenden Versuch, an
den Unterrand der Bauchreifen eine weitere Folge derart anzufügen,
dafs diese, um zu Pferde nicht hinderlich zu sein, frei beweglich
bleiben; damit ersehen wir die ersten Beintaschen erstehen. Um
1420 begegnen wir bereits Achselstücken mit Flügen; die rechts-
seitigen sind meist tiefer eingeschnitten, um den Spiefs in die Achsel-
höhle setzen zu können. Der linke Mäusel erhält eine Verstärkung,
die anfänglich angebunden wird. Dieser „Stechmäusel" erhält zu-
weilen gTofse Dimensionen. An der linken Achsel (Hiebseite) treten
die ersten Stauchen oder Brechränder auf, um den wenig gesicherten
Hals ausreichender zu schützen. Vom ersten Auftreten des Platten-
harnisches an wird unter selbem das Panzerhemd aus ineinanderge-
flochtenen Ringen getragen, anfänglich auch derlei Beinkleider mit
den Schuhen in Verbindung. Bei den ältesten sind noch alle Ringe
verschweifst, bei jenen des 15. Jahrhunderts findet sich nur jeder
zweite verschweifst, der andere vernietet, was aus dem Nietköpfchen
zu erkennen ist, das sich an jedem derlei Ringe findet; im 16. Jahr-
hundert werden die Panzerhemden, besonders die italienischen und
spanischen, ungemein fein gearbeitet, sie besitzen durchweg genietete
Ringelchen. (Fig. 155, 156.)
Die Bestimmung des Alters und des Erzeugungsortes eines
Panzerhemdes ist eine schwierige Aufgabe, zumal diesem Gegenstande
noch wenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Deutsche des 15.
Jahrhunderts bestehen im allgemeinen aus gröfseren Ringen, während
in jener Zeit die italienischen, besonders die mailändischen bedeutend
feiner sind. Auch in der Art der Verflechtung der Ringe finden
sich Unterschiede. Von etwa 1420 an trägt man in Italien auch
zwei Panzerheraden übereinander; ein gröberes über ein feineres,
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
143
ebenso Panzerhosen, die bis über das Knie reichen und am Unter-
rande der Kniebuckel hervorstehen. Auch feine Panzerstrümpfe oder
-schuhe sind nicht selten im Gebrauch. Endlich ist der Verwendung
des Ringpanzers als Bedeckung des Pferdes zu gedenken. In Italien
Fig- i55-
Fig. 156.
Fig. 155. Detail von einem Panzerhemd mit teils gemieteten,
teils geschweifsten Ringen. 15. Jahrhundert.
Fig. 156. Detail von einem Panzerhemd mit genieteten
Ringen. 16. Jahrhundert.
erscheint das Panzergeflecht zuerst in zweierlei Ringformen. Bei der
einen ist der Ringdraht < ylindrisch geformt, zugehämmert und nicht,
Fig. 157.
Fig. 157. Detail von einem Panzcrg eflechte des Jazerins.
15. Jahrhundert. Italienisch.
wie vielfach angenommen wird, aus gezogenem Draht gebildet.*) Bei
*) Auch nach Erfindung des Drahtziehens wurde das Panzerhemd noch lange
nicht aus Ringen von gezogenem Draht gebildet, wie allgemein angenommen
wird. Das wäre wider allen Handwerksgebrauch des „Sarwürchers" gewesen. Erst
gegen Ende des 16. Jahrhunderts finden sich leichte Panzerhemden aus gezogenem
Draht, da sind aber die Ringe nicht genietet, sondern nur eingebogen und gehärtet.
144
I. Die Schutzwaffen.
der anderen ist er platt geschlagen, so dafs die übereinanderliegenden
Ringe fast eine Schuppendecke bil-
den. Panzerhemden, in letzterer
Form gebildet, nannten die Italiener
speciell „maglia ghiazzerina" und sie
sind als die eigentlichen J a z c r i n s *) an -
zusehen, über welche unter den Archäo-
logen so verschiedene Ansichten herr
sehen. (Fig. 157).'
Bei Betrachtung der ältesten
aus dem Oriente stammenden Panzer-
hemden kommt man zu der Ver-
mutung, dafs die Orientalen schon
weit früher als die Europäer die
Kunst des Drahtziehens gekannt
haben. Die Ringelchen von sehr
geringem Durchmesser sind, nicht
immer, doch häufig, aus gezogenem
Draht und durchaus so tadellos ver-
schweifst, dafs wir über die Geschick-
lichkeit der Meister uns erstaunen.
Wir haben bereits zu erwähnen
Gelegenheit gehabt, dafs der Ring-
panzer schon in antiker Zeit und
vorwiegend von den Truppen des
oströmischen Reiches getragen wurde.
Nach dem Norden Europas gelangte
er schon im 6. Jahrhundert als Han-
delsartikel.
Die Araber scheinen das Draht-
hemd aus Indien erhalten zu haben,
im 2. Jahrhundert ist es aber bereits
ein heimischer Artikel. Die älteste
Nachricht über selbes lesen wir im
Koran, (Sure 34, — Saba v. 34),
es heifst darin, dafs Gott unter den
Händen Davids (Daud) das Elsen
erweichte und zu diesem sprach:
„Mache vollkommene Panzer
Fig. 158.
Fig. 158. Holistatuettc Her-
zog Philipps des Guten von Bur-
gund (1419 — 1467). Kopie einer
Statue vom Ende des 15. Jahrhunderts
am Stadthausc zu Amsterdam, die 1652
beim Brande zerstört wurde. Arbeit
des Artur Quellinus. Nach van der
Kellen, Ncderlands Oudheden.
*) Im Inventare der Waffen Louis' X. von Frankreich von 1316 heifst es:
,ltem, une couverture de jazeran de fcr. Item, une couverture de mailles rundes
demy cloees. Item, une couverture gamboisecs des armes lc roy et unes Indes
jazeguenees." — Jcannc d'Arc war bei der Einnahme von Orleans, als sie durch
den Bolzen einer Armrust verwundet wurde, mit einem Jazerin bekleidet. Ebenso
finden wir den Jazerin im Roman des Gaydon: „Sor l'anqueton vesti lhauberk -jazeran' \
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
145
daraus und füge sie gehörig im Ringe/'*) Im Arabischen heifst auch
eine Sorte von Harnischen Daudi.
Um 1420 ist der Plattenharnisch als vollends ausgebildet zu
betrachten, alle nachfolgenden Veränderungen desselben erscheinen
nur als partielle Verbesserungen oder als Launen der Mode, die nun
einen allmählich entschiedeneren Einflufs auf die Bewaffnung nimmt.
Die Veränderungen in der Harnischform erscheinen zuweilen
drastisch und machen oft schon nach wenigen Jahren anderen Platz;
dabei machen sich nationale Eigenformen merklich, die die Übersicht
im Formenwesen sehr erschweren. (Fig. 158.)
Um 1450 reicht die kugelförmige Brust um etwas tiefer, diese
Vergröfserung bewirkte, dafs dieselbe in zwei Stücken gefertigt wurde.
Dadurch entsteht die geschiftete Brust. Der obere Schiftteil wird in
Italien mit Stoff bedeckt, so dafs das Ganze aussieht, als säfse der
untere Schiftteil (bruech) über einem Lentner; die Achseln werden
grofs, bis zu einer oft riesigen Dimension aber wachsen die Arm-
kacheln an. Die Beintaschen werden spitz (tuiles), neben ihnen an den
Seiten nehmen derlei kleinere (tuilettes) Platz, die Handschuhe er-
halten spitzgeschnittene Stulpen. Das Haupt bedeckt ein Kugelhelm
oder die demokratische Schallern, die Schnabelschuhe wachsen bis
zu 36 cm. an. (Fig. 159 und 160.)
Das ist um 1450 die Harnischtracht des Vornehmen, die ritter-
liche Tracht, unter den Geringeren zeigen sich noch die mannigfach-
sten veralteten Formen bis zum alten Haubert herab mit den unter-
schiedlichsten Verstärkungen durch Platten. Die Kopfbedeckung des
gemeinen Spiefsknechtes ist der alte Eisenhut, die Beckenhaube und
die Hundsgugel, noch bis 1480 wird die Helmbrünne getragen, sie
verwandelt sich mit geringen Veränderungen in den Panzerkragen,
der unter den Landsknechten sich grofser Beliebtheit erfreute. In
Italien tragen die Bogen- und Armrustschützen eine eigene Art von
Harnischen, die sich als ein Mittelding von Stoffwams und Harnisch
darstellt, ihren Ursprung aber zweifelsohne im Lentner gefunden hat,
den Korazin. Schwertträger finden sich häufig in Schuppenwämseni,
Brigantinen oder nur mit Panzerhemden, Jazerins, (maglia ghiazzerina),
ausgerüstet, wie denn in Italien immer eine innigere Annäherung an
alte Formen wahrzunehmen ist und selbst Reminiszenzen an die
Antike nicht erst von der Renaissanceperiode her datieren, vielmehr
stets lebhaft gewesen sind. Sicher ist das eigentliche Schuppenhemd,
die Brigantine, aus der römischen „lorica squamata" erwachsen und
auch die Anordnung der Schuppenlagerung ist bei Korazins dieselbe,
wie sie bei genannten loricas mit Bronzeplättchen vorkommt. Was
Tacitus bei Erwähnung der Bekleidung Kaiser Othos als „tunica
ferrea" bezeichnet, ist ohne Zweifel ein ähnlich schmiegsames,
*) Auch mit Beziehung auf Sure 21. (Die Propheten.)
Boeheim, Waffeokunde. 'O
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146 L Die Schutzwaffen.
eisernes Waffenkleid gewesen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts
besteht die Panzerung der Korazins und Brigantinen nicht nur
aus kleinen Plättchen, sondern an den oberen Brustteilen und
Fig. 159.
Fig. 159. Ganzer Harnisch Friedrichs des Siegreichen,
l'falzgrafen am Rheiu (1425 — 1476). Arbeit des Mailänder Plattners
Tomaso da Mißaglia um 1450. Vorderseite.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
H7
am Rücken auch aus gröfseren Platten, an welche sich kleinere an
den Weichteüen des Körpers reihen; wir ersehen dieses an der Bri-
gantine Maximilians I. von Bernardino Cantoni von c. 15 10 in
Madrid und am Korazin des Jacob vonEmbs von c. 1500 in Wien.
Die ersten Feuerschützen waren und blieben stets Feinde einer
Fig. 160.
Fig. 157. Ganzer Harnisch Friedrichs des Siegreichen. Rückseite.
schweren Ausrüstung. Hakenschützen tragen wohl geschiftetc Brust-
stücke, aber durchweg nur leichte Hauben. Fulsknechte insgemein
10*
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148
I. Die Schutzwaffen.
nur Hauben aus geschlagenem Eisenblech, die lebhaft an die Helme
der römischen Fufssoldaten erinnern; aus ihnen entwickelt sich rasch
darauf die Sturmhaube.
Wir nähern uns nun um 1450 einer Periode in der Harnisch-
tracht, die eine eigentümliche Erscheinung aufweist Der Adelige,
das ist der zu Rofs erscheinende Lehensmann, konservativ in seinem
Fig. 161. Fig. 162.
Fig. 161. Ganzer Harnisch mit bemalter Schallern des Robert
von Sanscverino, Grafen von Gajazzo (starb 1487). Arbeit des
Mailänder l'lattncrs Antonio Ja Mifsaglia, um I480. Vorderseite.
Fig. 162. Ganzer Harnisch des Robert von Sanscverino.
Rückseite.
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Der Harnisch far den Mann in seiner Gesamtheit. 149
ganzen Wesen, tritt in dem Reiterharnisch auf, wie sich dieser vom
Anfange des Jahrhunderts herausgebildet hatte. Die Umbildungen
desselben waren unwesentlich, es war schon ein Grofses, dafs der
ritterliche Mann die Schallern willig annahm, weil ihm die Becken-
haube unbequem wurde. Zum Schutze des Gesichtes fügte er den
Bart hinzu, der, an das Bruststück angeschraubt oder um den Hals
geschnallt, dasselbe bis zu den Augen deckte. Diese Form findet
sich vorwiegend in Frankreich und Deutschland. In Italien, woselbst
die Renaissance schon ein Jahrhundert früher die Formen beein-
flufste, treten auch andere Kopfbedeckungen auf, die in ihrer Gestalt
sich mehr an die Antike anlehnen. (Fig. 1 6 1 und 162.)
Um 1470 ist der ritterliche Harnisch mit Schallern in seiner
ganzen Erscheinung ein Muster von Ebenmafs und Eleganz. Weder
vorher noch später wurden die Anforderungen an Schönheit und an
eine geschmackvolle Ausführung so voll erreicht, als in dieser Zeit,
die als der Höhepunkt des Plattnerwesens bezeichnet werden kann.
Was später Anspruch auf Bewunderung machen kann, ist nur eine
zuweilen staunenswerte dekorative Auszierung, nicht aber die Gesamt-
form, der Zuschnitt und das Verhältnis der einzelnen Teile.
(Fig. 163.)
Man nennt heute diese Harnische, gewifs durch einzelne Detail-
formen veranlafst, die den Stil des Mittelalters erkennen lassen,
„gothische". Die Form jedoch ist der italienischen und speziell floren-
tinischen Tracht entlehnt, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts
als Mode ihren Rundgang über alle Welt machte und allenthalben
als Hoftracht üblich wurde.
Um diese Zeit hatte sich eine bedeutende Veränderung im
Heereswesen ergeben. Aus dem alten Lehensheere war allmählich
das Söldnerheer entstanden, geworbene Truppen; eine Veränderung,
der die Ritterschaft anfänglich fremd gegenüberstand. Die Art der
Bildung mufste naturgemäfs Berufsleute heranziehen, die ihre Aus-
rüstung und Bewaffnung vom Gesichtspunkte ihrer Fecht weise, ihrer
Gewohnheiten, ihrer Erfahrung und auch des Geschmackes ihres hoch-
gehaltenen Standes betrachteten. Blieb auch anfänglich das Werbe-
system auf die Fufstruppe und das Geschützwesen beschränkt, so
bewirkte doch das moralische Gewicht, das diese zahlreichen Scharen
in die Wagschale warfen, eine vollständige Umformung ihrer Aus-
rüstung. Damit scheidet sich von dem ritterlichen oder reisigen der
knechtische oder Fufsknechtharnisch ab, die beide in ihren Formen
wesentliche Verschiedenheiten erkennen lassen.
Die ersten Anfänge der Bildung eines Harnischtypus für den
Fufsknccht sind in Italien schon im 14. Jahrhundert merkbar. Für sich
entwickelt sich dieses Bestreben unter den Schweizern, in denen das
Berufsgefuhl ungemein rege war und deren eigene Fechtweise auch
eine ganz eigenartige Ausrüstung in Harnisch und Handwaffe erforderte;
150
L Die SchutzwafTen.
Fig. 163. Fig. 164.
Fig. 163. Ganzer Harnisch Kaiser Maximilian I. (1459 —
1519) mit Schallern und Bart. Blank mit messingenen Kandverzierungen.
Nürnberger Arbeit, um 1475.
Fig. 164. Ganzer Maximiliansharnisch mit schwarz geätzten
Strichen des Otto Heinrich, Pfalzgrafcn am Rhein (1502— 1559 V
Deutsche Arbeit von 1523.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
151
von ihnen aus verbreitete sich das Streben nach besonderer Bewaff-
nung des Fufsvolkes Ober alle Heere.
Der deutsche Landsknecht, der geworbene Berufssoldat im vollen
Sinne des Wortes, trug in der ersten Zeit einen ganzen Harnisch,
der sich von dem in der Ritterschaft üblichen nicht wesentlich unter-
schied *) spater um 1520 die Sturmhaube nach spanisch-italienischem
Muster, den Brust- und Rückenharnisch mit Bauchreifen, Beintaschen
oder auch mit Schöfsen, den eisernen, geschobenen Kragen mit kurzen,
geschobenen Achselstücken, die Spangeröls, die nur den Oberarm
bedeckten. Unter dem Harnische trug er das Kettenhemd, nach 1530
auch den Panzerkragen über den Schultern. So entstand der Lands-
knechtharnisch, in Frankreich „allecret", in Italien „armatura alleggiata"
benannt.
Betrachten wir die Harnischform im Detail, so bemerken wir,
dafs gerade um die Zeit des Entstehens eigener knechtischer Harnische
der ritterliche durch den Einflufs der Renaissance eine Umgestaltung
erleidet.
Aus der Schallern bildet sich der geschlossene Helm mit Hals-
und Nackenschirm, der geschobene Kragen reiht sich nun dem System
ein und fast gleichzeitig tritt der burgundische Helm auf, der in fester
Verbindung mit dem Kragen steht und nur eine Bewegung des Kopfes
nach den Seiten gestattet. Die Brust wird breit und kugelförmig, der
stark aufgeworfene Oberrand läuft horizontal, die Beintaschen werden
breiter. Schon um 1460, bei Turnierzeugen noch etwas früher,
kommt der Rüsthaken in Aufnahme, der über ein Jahrhundert in
Gebrauch bleibt. Der Reisige war nicht mehr im stände, die schwerer
gewordene Reisspiefsstange frei unter der Armhöhle zu halten. Noch
reichen die Oberdiechlinge bis an die Leisten hinauf, die Kniebuckel
aber werden halbkugelförmig gleich den Mäuseln und die Armkacheln
und Kniebuckel werden gröfser. Die bedeutendste Veränderung er-
leiden die Schuhe. Früher schmal, spitz und nicht selten mit langen
Schnäbeln, werden sie nun übermäfsig breit und plump; sie zeigen
Ähnlichkeit mit den schweren, gepolsterten Schuhen, die beim Rennen
getragen werden. Diese Veränderung tritt so plötzlich auf, • dafs sie
unmöglich als eine natürliche Umbildung, sondern nur als das Er-
gebnis eines bestimmten Willens erscheinen kann. Eine neue Deko-
rationsart tritt auf, der Goldschmelz, die Schwarzätzung und die ver-
goldete Ätzung in ornamentierten Rändern und Streifen (Strichen).
Von Italien aus tritt der Gebrauch auf, die Harnische zu schwärzen
oder auch schwarze Röckchen über die Harnische zu ziehen. In
Spanien und Italien werden auch reich gestickte, weifse und farbige
Haraischröckchen getragen. Der Deutsche erscheint aber lieber in
*) So sehen wir sie auch noch in den Zeugbüchern Maximilians I., in deren
Tafeln wiederholt verschiedene Ausrüstungsperioden vor Augen gestellt werden.
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152
I. Die Schußwaffen.
schön geziertem Harnisch von blankem Eisen. Viel häufiger wird
eine reich gezierte Jacke mit kurzen faltigen Schöfechen unter dem
Harnische getragen, wo dann die letzteren unter dem Rücken her-
vorstehen. Später, um 1570, trägt man auch nur die Schöfschen
allein, die um den Leib geschnallt werden.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts, der Periode der vollen Um-
bildung des gothischen Harnisches in die Form der Renaissance, be-
gegnen wir einer Hinneigung der deutschen Ritterschaft, bei festlichen
Anlässen, um würdevoll zu erscheinen, sich Harnische zu bedienen,
welche nur beim Turniere üblich waren. Es ist, als wollte die
Ritterschaft damit allenthalben ihre bevorzugte Stellung gegenüber
dem aufstrebenden Landsknechttume darlegen, was sie nicht deut-
licher bezeugen konnte, als durch den Hinweis auf ihre Turnier-
fähigkeit. Um diese Zeit wurden nun prächtig ausgestattete Kampf-
harnische mit langen Schurzen getragen, die nur bei Festlichkeiten
gebraucht wurden. Bei derlei Anlässen war aber das Erscheinen zu
Pferde meist bedingt; um nun in diesem Turnierharnisch zu Pferde
steigen zu können, wurden aus den Schurzen vorn und rückwärts
bogenförmige Blätter ausgeschnitten, die, wenn der Mann zu Fufse
erschien, wieder in die Ausschnitte mittelst Häkchen und Federzapfen
eingefügt wurden. Überhaupt erschien der Adlige bis etwa 1530
bei Festlichkeiten lieber in seinem Turnierharnisch für das Gestech,
als in einer Zusammenstellung für das Feld.
Viele Anzeichen deuten darauf hin, dafs auf die Formbildung
der ersten Harnische der Renaissanceperiode Maximilian I. einen
nicht unbedeutenden, wenn nicht einen entscheidenden Einflufs
geübt hatte. In mehreren Bestandteilen, wie in Brust und Rücken,
den Bauchreifen und Beintaschen, erscheint der Landsknechtharnisch
mit dem reisigen gleich gebildet, wie überhaupt auch späterhin die
Formen der Bruststücke beider sich ziemlich gleichartig weiterbilden.
Um 1500 erblicken wir plötzlich eine besondere Art von Har-
nischen, welche in der allgemeinen Form zwar mit den vorher be-
schriebenen gleich gebildet sind, aber an allen Teilen ihrer Oberfläche
mit Ausnahme der Beinröhren feine Kehlungen oder Riffelungen
besitzen. Diese geriffelten Harnische (französisch armure cannell6ef
Maximilienne, italienisch armatura spigolata) nannten die älteren Archä-
ologen im Fache „Mailänder Harnische", eine auf keinerlei Beweise sich
stützende Bezeichnung, die umsoweniger stichhaltig ist, als sämtliche
noch vorhandenen derlei Harnische deutsches, meist Nürnberger
Fabrikat sind. (Fig. 164.) Sie treten gleichfalls so plötzlich vor
Augen, dafs wir auch hier wieder in ihrer Einführung imperative
Impulse voraussetzen müssen. Alle Umstände treffen zusammen, sie
als eine Erfindung Maximilians I. anzusehen, der durch die feinen
Riffelungen eine Verstärkung des Hämisches zu erzielen gedachte,
ohne das Harnischblech verstärken zu müssen. Neuere Schriftsteller
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit. 153
nennen sie aus diesem Grunde richtiger Maximiliansharnische.
Gegen den Hieb hatte sich, die Voraussetzung des Erfinders aller-
dings bewährt, nicht aber gegen die Geschosse der Fernwaffen. Der
geringe Vorteil und die bedeutenderen Kosten waren Ursache, dafs
diese eigenartigen Formen um 1530 wieder verschwanden. Eine
Variante dieser Maximiliansharnische ist in dem sogenannten „Pfeifen -
hämisch" zu erblicken, der mit hohl ausgetriebenen Stäben (Pfeifen)
ausgestattet ist (Fig. 165.)
Der Plattenharnisch war um 1500 zu allgemeiner Beliebtheit
gekommen; er erschien von da an ebenso in der Schlacht, im Turnier,
wie bei festlicher Gelegenheit und im bürgerlichen Leben. Unter
solchen Verhältnissen bildete sich derselbe auch zum reich ausgestatteten
Prunkkleide. Zunächst waren die Plattner bestrebt, einen und den-
selben Harnisch derart auszustatten, dafs derselbe für das Feld, wie
auch für die verschiedenen Turnierarten, wie nicht minder als knech-
tischer oder leichter Trabharnisch in Gebrauch genommen werden
konnte. Dadurch bildeten sich ganze Harnischgarnituren, diedurch
Zusammenstellung der verschiedenartigsten Wechsel- und Verstärkungs-
stücke für alle Fälle zu verwenden waren. Die älteste derlei Gar-
nitur, die dem Verfasser vor Augen gekommen ist, datiert von un-
gefähr 15 10. Diese Garnituren gelangen um 1520 zu einer un-
gemeinen Beliebtheit; einzelne gestatten die Bildung von höfischen
Kleidern, die die Landsknecht- oder überhaupt irgend eine Mode-
tracht darstellen, wie der prächtige Harnisch G. 23 im Artillerie-
museum in Paris, oder der Harnisch des Wilhelm von RoggendorfT
mit den weiten bauschigen Ärmeln in der kaiserlichen Waffensamm-
lung zu Wien, die zu den Meisterwerken der Plattnerkunst zählen.
(Fig. 166.) Noch 1549 findet der Augsburger Plattner Mathäus
Frauenbreys es nötig, einer Harnischgarnitur für Maximilian II. die
Wechselstücke für einen Harnisch für den Fufskampf (mit kurzem
Schurze) beizugeben, der längst aufser Übung gekommen war. Von
1500 bis 1530 etwa begegnen wir Helmen mit' Visieren, die eine
abschreckende Fratze darstellen, den sogenannten „Teufelsschembart".
Hier berührt sich deutscher Geschmack mit jenem der Japaner und
Chinesen. Es war eben eine Zeit der Ungebundenheit, der lockeren
Sitte über das deutsche Kriegsvolk gekommen, die sich auch in dem
obseönen „Latz" (latus) kennzeichnet, den der übermütige, rohe Lands-
knecht mit ebenso wenig Schamgefühl wie der turnierfähige Ritter trägt.
In das Ende der oben bezeichneten Zeitperiode fällt auch die
übertriebene Ausgestaltung der Bruststücke zum Tapul, eine Form,
die mehr den Landsknechtkreisen angehört. (Fig. 167.) An ritter-
lichen Harnischen verlängert sich um 1547 allmählich die Brust, die
nun der Länge nach einen flachen Grat erhält. Die Harnisch formen
zeigen unwesentliche Veränderungen am Helm, dessen Visier spitzer
und selbst in geschweiften Linien hervortritt und dessen Kamm all-
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1. Die SchutzwafTcn.
Fig. 165.
Fig. 165. Ganzer, sogenannter Pfe i fen harn i sch für einen
Knaben, gefertigt für den Prinzen, späteren Kaiser Karl V. von Hans
Seusenhofer in Innsbruck 151 1 und unbekannter Umstände halber un-
vollendet geblieben.
Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
155
Fig. 166.
Fig. 166. Zierharnisch, in welchem die geschlitzte Tracht der
Zeit nachgeahmt wird, des kaiserlichen Feldhauptmanns W i 1 h e 1 m tob
Koggendorf (1481 — 1541)- Der Helm gehört zur Garnitur, aber nicht
zum vorliegenden Harnische, zu welcher eine Landsknechthaube benutzt
wurde. Deutsche Arbeit um 151 5.
156
I. Die Schutzwaffen.
mählich höher getrieben wird. Die Schuhe nähern sich der natürlichen
Fufsform oder sind vorn abgekappt. (Fig. 168 und 169.) Um die-
selbe Zeit bildet sich die deutsche Sturmhaube für den Landsknecht
heraus, die aber auch der Adlige, teils zur Bequemlichkeit, teils um
der Fufstruppe zu gefallen, trägt. Der Vornehme erscheint in Ver-
bindung mit der Landsknechttruppe in der Regel in deren Harnisch
gekleidet, der dann seines geringeren Gewichtes wegen, und weil er
auch zu Pferde getragen wird, „Trabharnisch" hiefs. Diese Trab-
Fig. 167.
Fig. 167. Trabharnisch des Konrad von Bemelberg
(1494 — 1567). Blank mit geätzten Rändern und figuralen Era-
blernen. Landsknechthaubc , Spangröls, durchbrochenes Untcrarmzeug,
Tapulbrust, Schöfsc und Latz. Arbeit der Nürnberger Plattner Wil-
helm von Worms jun. (gest. 1539) und Valentin Siebenbürger. Die
Ätzmalerei wahrscheinlich von Albert Glockendon. Um 1532.
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Der Harnisch fiir den Mann in seiner Gesamtheit.
157
hämische erscheinen als ein Mittelding zwischen dem ritterlichen und
dem Landsknechtharnische. Sie besitzen nebst Spangröls, an denen
nicht selten Schwebescheiben hängen, auch vollständiges Armzeug.
Nur durch die Sturmhaube, die Schöfse und durch den Abgang des
Rüsthakens erscheinen sie als „knechtische*' Harnische.
Um 1547 hatte die Periode der Übertreibung in der Harnisch-
tracht ihr Ende gefunden. Die einzelnen Hamischteile werden all-
gemach kleiner und ebenmäfsiger. (Fig. 1 70.) Das Bruststück wird
nun erheblich länger und der Tapul rückt allgemach bis an den
Unterrand herab. Diese Auftreibung am unteren Brustharnische wird,
wie schon bemerkt, „Gansbauch" genannt.
Von 1550 an kommt der sogenannte ritterliche Harnisch in den
Heeren immer weniger im Kriege in Gebrauch. Angesehene Personen
erschienen zwar noch in ganzen Harnischen und in der Reiterei sind
noch die Kürisser mit selben ausgestattet, aber ersichtlich besitzt er
von jener Zeit an nur mehr eine traditionelle Existenz. Der Rück-
gang beginnt damit, dafs die Eisenschuhe abgelegt werden und dafür
Panzerschuhe treten, die bequemer erscheinen; ihnen folgen die Bein-
röhren, damit ist der halbe an die Stelle des ganzen Harnisches
gelangt. Durch die Annahme der nun auch noch mit Visier aus-
gestatteten Sturmhaube nähert sich die Reitertracht immer mehr der
Fufsknechttracht, wie überhaupt die Kriegerkleidung ein mehr einheit-
liches Gepräge erhält. Noch ist der Adlige stolz auf das hergebrachte
Eisenkleid, aber im Felde dominiert der schwarze Trabharnisch, der
mit unwesentlichen Varianten auch von den mit der Stangenwaffe
ausgerüsteten Fufsknechten, den Pickenieren, getragen wird. Um 1590
legt auch der schwere Reiter den Reisspiefs ab, aus welcher Ursache
auch der Rüsthaken verschwindet. (Fig. 171.) Alle Reiter tragen
nun schwere Stiefel, um 1600 auch lederne Koller unter den Brust-
harnischen, deren Schöfse bis über den halben Oberschenkel reichen.
Schon etwas früher wird das schwere Panzerhemd, das, unter dem
Harnisch getragen, die unbedeckten Stellen des Körpers schützte,
abgelegt. Zuerst bei der leichten Reiterei, später auch beim Fufs-
volke werden ungarische Sturmhauben mit Naseneisen eingeführt.
Um 1640 werden in der Reiterei die Helme und Sturmhauben
seltener, der breite wallonische Hut wird allgemeine Kopfbedeckung
mit eiserner Hirnhaube darunter, um das Haupt gegen Klingenhiebe
2U schützen. Nur die kaiserlichen Kürisser tragen noch und nicht
selten sehr schwere Rüstungen, die noch einigermafsen an den alten
Plattenharnisch erinnern, aber die Bruststücke werden winzig klein
und kurz, dafür verbreitern sich die Schöfse ins Mafslose, um die
immens umfangreichen Bauschhosen zu bedecken. Der Kürisser-
harnisch ist plump, unbequem und im ganzen unschön, dabei besitzt
er eine ungemeine Schwere, die den Mann fast erdrückt. Trotz
dieses Gewichtes durch die Dicke des Bleches dokumentiert der
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158
L Die SchuUwaffcn.
Harnisch seine Nutzlosigkeit gegenüber der an Treffsicherheit ge-
winnenden Feuerwaffen.
Der Pickenier ist der letzte Fufssoldat, der in den regulären
Fig. 168.
Fig. 168. Ganzer Feldharnisch, blank mit geätzten und ver-
goldeten Strichen des Kaisers Maximilian II. (1527 — 1576). Arbeit
des Nürnberger Plattncrs Kunz Lochner um 1547.
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Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
Fig. 169.
Fig. 169. Ganzer Feldharnisch mit geätzten und vergoldeten
Strichen und Emblemen, genannt , .mit den Adlern" des Erzherzogs Fer-
dinand von Tirol (1529 — 1 595). gefertigt von dem kaiserlichen Hof-
plattner Jörg Seusenhofer in Innsbruck 1547. Die Ätzungen sind von
dem Maler Hans Perckhamer in Innsbruck. Geschlossener Helm mit
durchbrochener Helm Verstärkung. Brust mit Ansatz zum Gansbauch, Bein-
taschen. Beinzeug mit Untcrdiechlingen.
100
1. Die SchutzwaflTen.
Fig. 170.
Fig. 170. Ganzer Feldharnisch, blank mit breiten Strichen
die in Tausia verziert sind mit eingestreuten figuralcn Gestalten. Ge-
schlossener Helm mit bereits steilem Visier, breiten, geschobenen Achseln,
Brust mit tiefem Gansbauch, breiten Beintaschen. Deutsche Arbeit um
i57o-
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8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
161
europäischen Heeren einen Harnisch getragen hatte. Es ist ein so-
genannter halber, auch Pickenierharnisch genannt, und er bestand aus
einer Eisenhaube, einer Brust mit Rücken, erstere mit kurzen Bein-
taschen. Die Oberarme deckten bis an den Ellenbogen reichende
Spangröls, die Unterarme die langen Stulpen der Handschuhe, die
die Spangröls fast berührten. (Fig. 172.)
Ungeachtet der allenthalben gewonnenen Überzeugung von der
geringen Brauchbarkeit des Harnisches trennte sich der Adlige nur
Fig. 171.
Fig. 171. Halber Harnisch, gebläut mit gerissenen Strichen, des
Andreas von Österreich, Kardinal, Sohn Erzherzog Ferdinands
von Tirol mit Philippine Welser (1558— 1600). Helm mit abschläch-
tigem Visier, Brust mit Gansbauch, weiten plumpen Schofsen. Deutsche
Arbeit um 1590.
Hoehcira, Wattenkunde. II
i
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I. Die Schutzwaflen
schwer von dieser Schutzwaffe. Noch bis ins 18. Jahrhundert herein
spielt er eine Rolle in der romantischen Vorstellung als unzertrenn-
lich von der adligen Würde. Während der Haubert das Kriegs-
kleid des Ritters durch mehr als 5 Jahrhunderte gewesen war, hatte
der Plattenharnisch nur die kurze Lebensdauer von kaum deren zwei,
aber in den Kriegerkreisen erhielt sich
der Glaube, als sei er das ritterliche
Kleid von alters her gewesen. Als
der Plattenharnisch längst nicht mehr
existierte, im 18. Jahrhundert noch,
würde es ein Adliger, ein höherer
Offizier unter seiner Würde gefunden
haben, sich anders, als im Brustharnisch
mit dem Visierhelme daneben abbilden
zu lassen.
Selten ist eine Waffe in den
eigenen Berufskreisen von ihrem ersten
Auftreten an mehr überschätzt, worden,
als der Plattenharnisch. Entstanden
in einer Periode, in welcher auch die
Feuerwaffe zur Entwickelung gelangte,
trug er gewissermafsen schon am Be-
ginne die Bedingungen für eine nur
kurze Existenz in sich. Er bildet nur
eine kleine Episode in dem durch
Jahrhunderte währenden Streite um
den Wert der aktiven oder passiven
Kampfmittel, aber seine Geschichte
beweist, dafs seine Nützlichkeit in
demselben Grade abnahm, wie die
Feuerwaffe in ihrer Leistungsfähigkeit
sich erhob. Lange hatte man in den
Kreisen der Ritterschaft vor dieser
früh eingetretenen Thatsache die Augen
geschlossen gehalten; in den Tradi-
tionen alten Heldentums lebend, er-
schien das eiserne Kleid als etwas
Unersetzbares, Unentbehrliches. Die
äufserliche Erscheinung, das Martia-
lische des Auftretens dieser Schutzwafie
wirkte mit, um an ihr zu hängen, als
sei sie mit dem Kriegerstand innig
verwachsen. Für den Romantiker von
heute ist sie nicht weniger ein Gegen-
stand unklarer Schwärmerei, für den
Fig. 172.
Fig. 172. Fickcnicr aus dem
englischen Heere. I>er Hämisch
stammt aus der ehemaligen Samm-
lung Meyrick in Goodrich -Court.
17. Jahrhundert. Nach Meyrick.
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8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
ernsten Denker bildet sie ein kulturhistorisches Beispiel von hohem
Interesse, dem Kunstfreund bietet sie in ihren tausendfachen herr-
lichen Ausgestaltungen einen Gegenstand der Bewunderung und des
anregendsten Studiums.
In ihren kleinen Einzelheiten, den Detailformen gewisser Partieen,
den Verbindungen u. dergl. zeigen die Plattenharnische viele Ver-
schiedenheiten. So zeigen italienische, besonders mailändische Harnische
Eigentümlichkeiten in der Zusammensetzung, die von den in Deutsch-
land üblichen sehr verschieden sind. Ebenso zeigt die Beobachtung,
dafs fast jeder einzelne der deutschen Plattner in den Formen und
Verbindungen seinen eigenen Gedanken und Erfahrungen folgte. Um
diese zahlreichen Varianten sich ins Gedächtnis einzuprägen, ist zu-
nächst die Betrachtung von möglichst vielen Harnischen erforderlich.
Zu diesem Studium kann das vorliegende Buch begreiflicherweise
nur Anhaltspunkte liefern, die durch Vergleiche auch in den gegebenen
Abbildungen sich finden werden.
Je weniger Materialien uns zum Studium der orientalischen
Harnischformen zu Gebote stehen, um so wertvoller mufs uns jeder
und selbst der einfachste Beleg sein, wenn wir uns vor Augen halten,
dafs wir die wichtigsten Lehren der Kriegskunst und Technik aus
dem Oriente erhalten haben. Was uns zum Studium der orientali-
schen Kriegstracht zur Verfügung steht, ist äufserst wenig. Originale
Reste reichen kaum ins Mittelalter zurück, gleichzeitige Abbildungen
besitzen wir nur von den Indern, Griechen, Japanesen und den
Persern, nicht aber von den Arabern und Türken; nur die in mancher
Richtung emanzipierten Sarazenen und Mauren des Mittelalters wagten
über die Darstellung von Tierfiguren hinaus, in seltenen Fällen Ab-
bildungen von Menschen, und dann nur in phantastischer Gestalt zu
fertigen. Die Schilderungen gleichzeitiger europäischer Chronisten
sind unzuverlässig und nicht selten geradezu erfunden. Nur ein Um-
stand kommt uns dabei sehr zu Hilfe, dafs die Formen im Oriente
mit ungemeiner Zähigkeit in Jahrhunderten sich unverändert erhalten,
wodurch es uns ermöglicht wird, in vielen Fällen von der jüngeren
Form auf die ältere zu schliefsen.
In den arabischen-persischen Ländern ist seit Jahrhunderten das
allgemeine Kriegskleid der Kaftan, der in der Mitte des Leibes
durch einen metallenen Gürtel gehalten wird. Brust, Rücken und
Achseln, seltener die Oberarme, erhalten metallene Beschläge von
verschiedener Gröfse, die aufgenäht oder aufgenietet, in den meisten
Fällen auch durch Gravierungen oder in gestanzter Arbeit verziert
sind. (Fig. 173.) Besonders war es die Brust, welcher besondere
Aufmerksamkeit bezüglich des Schutzes gewidmet wurde. Die Be-
schläge daselbst sind immer reicher ausgestattet, und selbst bei dem
Ärmsten wenigstens mit dem Zeichen der „tüghra" versehen. Der
tief ins politische und Bürgerleben eingreifende religiöse Glaube ver-
11*
i
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1Ö4
I. Die Schutzwaflen.
anlafste vorzüglich, auf dem Helme und der Brust Gebetsprüche aus
dem Koran anzubringen, Anrufungen, Beteuerungen u. dgl. Dadurch
bildete sich die arabische und kufische Schrift allmählich zu einem
wirksamen Mittel der Dekoration aus. Der Gebrauch dürfte sich
kaum über das Jahr iooo hinauf erstrecken, zu welcher Zeit erst
die Schrift ihren Charakter erhielt. Eins der ältesten Bestandteile
orientalischer Ausrüstung ist der Helm; er ist vom Altertum her in
seiner typischen Form, oben spitzig zulaufend, übernommen worden
und hatte sich mit unwesentlichen Veränderungen bis in die neueste
Zeit so erhalten. Eine ihm eigenartige Beigabe ist in dem Nasen-
eisen zu sehen, das, anfänglich mit dem Helme aus einem Stücke
gefertigt, später getrennt wurde und nach auf- oder abwärts gestellt
werden konnte. Das „bewegliche" Nasencisen ist schon im Mittei-
lt'g- *73- Gegenüberstellung von europäischen und orientalischen
Kriegern. Miniatur aus der Chronica de Gestis Hungarorum der k. k.
Hofbibliothek in Wien vom Jahre 1330.
alter üblich gewesen. Bis ins Altertum reicht der Gebrauch eines
Nackenschirmes aus feinem Ringgeflechte, des Vorbildes der Brünne
der europäischen Krieger des Mittelalters; er reicht gemeinlich bis
über die Schultern und die halbe Brust herab. Bei einigen Völker-
schaften Asiens, wie bei den Arabern und den Tartaren, ist das
Naseneisen am Helme nicht immer üblich gewesen, erstere ersetzten
dasselbe — allerdings unvorteilhaft genug — durch einen Streifen
von Maschenpanzerwerk, der wie ein Schleier das Gesicht bis über
die Augen deckte.
Fig. 173.
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8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
165
Es ist für die meritorische Bedeutung des orientalischen Kriegs-
wesens bezeichnend, dafs in der Ausrüstung mit Harnisch und Hand-
waffe nie jene Grenzen überschritten wurden, welche durch die
Rücksicht auf die Beweglichkeit des Trägers gezogen sind. (Fig. 174.)
Die orientalische Waffentechnik verirrte sich nie auf jene Abwege,
auf die man in Europa und vor allem in Deutschland geriet, indem
man in dem Harnisch eine absolute Sicherheit gegen den Angriff
Fig. 174. Fig. 175.
Fig. 174. Byzantinischer Soldat nach einer Miniatur eines
byzantinischen Codex der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts in der National-
bibliothek zu Paris. Aus Louandre, Les arts somptuaires L
Fig. 175. Arabisch-türkische Kriegskleidung. 16. Jahr-
hundert. Kaiserl. Waffcnmuseum zu Zarskoe-Selo.
erstrebte. Zwar führten schon die Sarazenen Schuppenharnische, die an
sich ihrer Zusammensetzung nach zu den schwersten gehören, aber ihre
Partikel waren so dünn und leicht, dafs der ganze Harnisch der Bewegung
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166 L Die 8chutzwaficn.
und Waffenführung nicht im geringsten hinderlich war. Die Harnisch-
schmiede trachteten im gegenseitigen Wetteifer darnach, ihre Eisenkleider
widerstandsfähig gegen Hieb und Stich, aber dünn im Bleche, schmiegsam
Fig. 176. Fig. 177.
Fig. 176. Alte indische Kricgskleidung aus Kabul. Kaiserl.
Waflenmuseum zu Zarskoe-Selo.
F'g- 177 Russische Kriegskleidung vom Ende des 15. Jahr-
hunderts. Kaiserl. Waffenmuseum zu Zarskoe-Selo.
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8. Der Harnisch für den Mann in seiner Gesamtheit.
167
und leicht zu gestalten. Im spateren Mittelalter bestand der Harnisch
der Türken und Araber aus einem System von gröfseren und kleineren
Platten, die untereinander mittelst Streifen von Panzergeflechten in
der Breite von 3, höchstens 5 Ringen verbunden waren. Aus einem
Fig. 178.
Fig. 178. Japanische Kriegskleidung nach einer Original-
zeichnung des Professors Hugo Ströhl in Wien.
168
I. Die Schutzwaffen.
Stücke bestanden die Achselteile; auf Brust und Rücken bildete je
eine grofse Scheibe das Mittelstück, um welches sich die anderen
Platten gruppierten. Bei den Tartaren und einigen türkischen Stämmen,
wie auch bei den Tscherkessen, ist der Brust- und Rückenharnisch
aus einem System von vierseitigen Platten, die unter sich durch
Maschenpanzer in Verbindung standen. (Fig. 175.) Zuweilen war auch
nur der rechte Arm von einem Handschuh mit langem Stulpe geschützt;
der linke Unterarm schien durch den Rundschild genügend gedeckt.
Die Füfse blieben anfänglich ganz unbeschützt (Fig. 176. 177); später,
im 1 6. Jahrhundert, findet man bei den Persern, dann auch bei einigen
Tartarenstämmen eine Art Beinkleid, aus eisernen Bändern be-
stehend, die mit Ringgeflechten verbunden waren. Sie waren so weit
gebildet, dafs sie die Bewegung nicht im geringsten hinderten.
Die Araber kämpften bis in die Zeit Mohammeds nicht wie die
Perser zu Pferde, ja es sind in ihren Heeren bis ans Ende des
7. Jahrhunderts nur wenig Reiter anzutreffen, so bei Bedr 623 gar
nur zwei. Später vermehrte sich deren Zahl aufserordentlich, so dafs
die Reiterei von nun an zur Hauptwaffe der arabischen Heere wurde.
Weit früher hatten sich die tartarischen Völker dazu bequemt, den
Krieg zu Pferde zu führen; bei den Persern aber hatte sich die Lust zum
Reiterdienste auch nach dem Zusammenbruche des altpersischen Reiches
traditionell erhalten. Die Chinesen waren von ältester Zeit her dem
Reiterdienste abhold; ihre wenige Reiterei bestand aus tartarischen
Stämmen, die um Sold dienten; ebenso scheinen auch in Japan in
alter Zeit keine Reitertruppen bestanden zu haben. Eigentümlich
ist die Harnischausrüstung der Chinesen und Japaner, die vom
Mittelalter bis in die Neuzeit sich im wesentlichen gleich geblieben
ist. Der Harnisch bestand in einem weiten Helme von Schlagblech,
der an die deutschen Eisenhüte erinnert; vorn war ein festes Visier
genietet, welches eine abschreckende Fratze mit stacheligem Barte
darstellte. Der übrige Teil des Harnisches war aus mattenartig ge-
bildeten Tabletten aus Fischbeinstäben zusammengefügt, die mittelst
fein gewirkten Bändern verbunden und mit Lackmalerei verziert oder
mit reichem Stoff überzogen waren. (Fig. 178.) Nur Vornehme
hatten auch die Beine in dieser Art geschützt, gemeine Krieger hatten
die Füfse ungeharnischt und zuweilen nackt. Es sind noch japanesische
Harnische vorhanden, welche aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts
datieren.*) Sie dienen zum Beweise, wie wenig sich deren Form bis
in die Neuzeit geändert hat. Erst vor einigen Jahrzehnten wurde
der chinesische Fischbeinharnisch abgelegt.
*) In Mailand, in Madrid, im Schlosse Ambras in Tirol u. a. O.
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g. Der Schild.
Das Bedürfnis des Kriegers, sich durch eine tragbare Schutzwaffe
vor der Wirkung der Waffen des Feindes zu sichern, war stets um so
reger, je bedeutender diese Wirkung erschien, je unausgebildeter die
Taktik und je unzulänglicher der Schutz war, welchen die kriegerische
Kleidung selbst bieten konnte.
Am Beginne des Mittelalters, in einer Epoche des Strebens nach
geordneten Verhältnissen, fand man barbarische Völkerschaften über
Europa verstreut, deren Kultur an sich verschieden voneinander,
immer aber zu gering war, um sich durch technische Mittel aus-
reichend vor der feindlichen Angriflswaffe zu schützen; barbarische
Völker mufsten im Kriege allezeit durch rasche Bewegungen das er-
setzen, was ihnen durch ihre mangelhafte kriegerische Ausrüstung an
defensiven Streitmitteln abging.
Wir finden deshalb unter den sarmatischen und hunnischen
Reitervölkern, welche im 4. Jahrhundert den Westen Europas über-
schwemmten, nirgends eine Spur von einer Verwendung von Schilden.
Jene Völkerschaften, welche sich in Deutschland sefshaft gemacht und
manches von der Kampfweise der Römer sich angeeignet hatten, be-
nutzten allerdings grofse, ovale Schilde, aber diese waren von zweifel-
haftem Werte, von Weidenzweigen geflochten und mit ungegerbten
Rindshäuten überspannt. Die Schilde der Germanen waren fast noch
einfacher. Sie hatten in der allgemeinen Gestalt einige Ähnlichkeit
mit jenen in den römischen Legionen üblichen, nur waren sie bei
ihrer viereckigen Gestalt weniger ausgebogen. Gleichfalls aus Weiden-
geflecht gebildet, waren sie mit Pelzwerk, gemeiniglich vom Wolfe, über-
zogen. Dieser Gebrauch, Schilde mit Pelzwerk (Rauchwerk) zu über-
ziehen, erhielt sich bis ins 13. Jahrhundert, in welchem man noch
häufig Schilde findet, welche wenigstens am oberen Teile mit Fellen
verschiedener Tiere überzogen sind. Aus dieser Sitte hat sich auch
das heraldische Pelzwerk (feh) im Mittelalter herausgestaltet. Man
findet übrigens noch heute Rundschilde asiatischer Völkerschaften mit
Fell von Rindern überzogen.
Der leichte Reiter war einer Verwendung des Schildes stets ab-
hold, er hinderte ihn in der Führung des Pferdes, ohne ihm den
erwünschten Schutz zu bieten. Nur dem zu Fufs kämpfenden Mann
erschien der Schild um so unentbehrlicher, je weniger er im stände
war, sich der feindlichen Waffenwirkung durch eine rasche Bewegung
zu entziehen.
Zwei Umstände führten zu einer allmählichen Verbesserung der
Waffen der Völker, welche sich in Europa sefshaft gemacht hatten.
Die Verbindung, in welche sie mit Konstantinopel geraten waren,
von wo sie auf dem Handelswege die Waffen bezogen, und der glück-
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170
I. Die Schußwaffen.
liehe Zufall, dafs sie auf ihrem Zuge gegen Rom auch Lander be-
rührten, in welchen seit langem autochthone Bevölkerungen das Eisen
aus den Bergen gewannen und zu Waffen verarbeiteten. Jene süd-
germanischen Völkerschaften, welche vom Beginne der Kaiserzeit an
mehr oder weniger mit dem römischen Reiche in Beziehungen ge-
standen waren, hatten allgemach römischer Fechtweise sich anbequemt,
und wir sehen auch aus ihren von den Römern entlehnten erst die
den nationalen Eigenschaften entsprechenden germanischen Waffen-
formen erstehen. Der Weg, auf welchem die Germanen des Westens
römische Art und Sitte an sich zogen, ging über Mailand, die Alpen
durchschneidend, an den Rhein. In Iberien hatten die Westgoten
eine uralte, von den Römern gegründete Eisenindustrie vorgefunden
und im eigenen Interesse geschont. Sie versah mit ihren Erzeugnissen
bis ins 8. Jahrhundert allein das ganze fränkische Reich bis an die
Maas.
Dcsungeachtet waren die Schilde noch zur Zeit Karls des
Grofsen, wie uns das Schachspiel aus dem Schatze von Saint -Denis
aus jener Zeit erkennen läfst, nicht allgemein von dem widerstands-
fähigsten Material <.-, dem Eisen, sondern noch zum gröfsten Teile aus
Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenbändern verstärkt. Der
Reiter führte einen leichten, hölzernen, runden oder unten kolbig zu-
gespitzten Schild, mit eisernen Spangen und Nägeln verstärkt, bei
Rundschilden war in der Mitte ein buckeiförmiges Beschläge, der
Schildnabel, aufgenietet. Getragen wurde derselbe am linken Arme
an einem breiten Riemen (Schildfessel), ein zweiter diente, um selben
an der Hand zu fassen. Der zu Fufs kämpfende Mann trug einen
grofsen, mandelförmigen, etwas über i Meter hohen, stark gewölbten
Holzschild, der an den Rändern und in der Mitte kreuzweise mit
Eisenbändern verstärkt und in den dadurch gebildeten Rauten mit
starken Nägeln besetzt war. Er wurde im Gefechte mit der Spitze
auf den Boden gestützt, und es scheint schon im 9. Jahrhundert
der Gebrauch aufgekommen zu sein, die hohen Schilde knapp an-
einander zu reihen und so eine feste Wand zu bilden, hinter welcher
die Bogenschützen gedeckt sich postieren konnten. Wie man die
langen, zugespitzten, der Dreiecksform sich nähernden Schilde als den
germanischen Völkern eigentümlich erklären kann, ebenso sind die
runden und ovalen Schilde hauptsächlich in den Heeren des Südens
und Südostens Europas zu finden. Ja in Byzanz treffen wir die
Rundschilde im 8. Jahrhundert in so kleinen Dimensionen, dafs sie
nahezu den Faustschilden anzureihen sind, die im Kampfe gegen
die blanke Waffe den Vorteil boten, dafs sie sich zum Parieren eigneten.
Die ältesten Abbildungen von Schildformen des Mittelalters
finden sich in einem Virgil in der Bibliothek des Vatikans, der dem
5. Jahrhundert angehört Sie erscheinen dort als Rundschilde mit
stumpf kegelförmigen Stacheln.
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9. Der Schild.
171
Im Psalterium aureum von St. Gallen sehen wir die Krieger zu
Fufs und zu Pferde mit einerlei Schilden, Rundschilden romanischer
Form, bewaffnet Sie sind von halber Mannshöhe im Durchmesser,
stark gewölbt und mit einem stark spitz zulaufenden Schildnabel ver-
sehen. Sie waren wie noch jene aus merowingischer Zeit ohne
Zweifel von Holz, mit Leder überzogen und mit radiallaufenden
Bändern von Metall verstärkt, welche mit Nägeln besetzt erscheinen.
(Fig. 179 und 180.) Genau in dieser Form erblicken wir sie in einer
Bibel aus dem 9. Jahrhundert in S. Paolo fuori le mura zu Rom.
Fig. 179. Fig. 180.
Fig. 179. Krieger mit Rundschild vom Ende des 8. Jahrhunderts
aus dem Psalterium aureum von St. Gallen, nach Rahn, Psalt. aur.
Fig. 180. Krieger mit Rundschild und Spiefs vom Ende des
8. Jahrhunderts aus dem Psalterium von St. Gallen, nach Rahn.
Die Umwandlung in der anfangs römischen Bewaffnung der
germanischen Heere ging nur nach Mafsgabe des Verblassens der
antiken Traditionen und langsam vor sich; so finden wir den Rund-
schild neben dem germanischen Schilde im frühen Mittelalter noch
lange in Gebrauch. Unter den Vornehmen blieb es Jahrhunderte
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172
I. Die Schatzwaffen.
hindurch noch Sitte, sich nach römischer Art zu tragen, und noch
die ersten deutschen Könige erscheinen in ihren Siegeln mit dem
römischen Rundschilde bewaffnet, wie denn auch noch der Reiter
im Schachspiele Karls des Grofsen mit einem solchen bewaffnet dar-
gestellt ist. In Italien erhalten sich begreiflicherweise die antiken
Formen der Schilde noch weit länger; in den Mosaiken der Markus-
kirche in Venedig (12. Jahrhundert) erscheinen die venetianischen
Fig. 181. Fig. 182.
Fig. 181. Normanischer Schild mit Bemalungen in Schwarz
und Rot auf gelblich -weifscra Grunde nach einer Miniatur aus der Bibel
des heil. Martial von Limoges in der Nationalbibliothek zu Paris vom
Anfange des 12. Jahrhunderts.
Fig. 182. Bretonischer Schild von Bronze, gefunden im
Withamflusse in Lincolnshire aus der ehemaligen Sammlung des L.
Meyrick in Goodrich-Court. 10. Jahrhundert.
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9. Der Schild.
173
Soldaten nur mit Rundschilden ausgerüstet. Und auch in einem
Manuscripte, enthaltend die Legende Alexanders III., im Museo
Correr, aus dem 14. Jahrhundert tragen die venetianischen Soldaten
Rundschilde und sonderbarer Weise dazu auch Helmbarten.
Im Teppich von Bayeux finden wir allerdings in der Mehrzahl
den langen romanischen Schild (Fig. 181), daneben aber auch noch
hochgewölbte und mit Spitzen versehene romanische Rundschilde in
Verwendung. Bei den englischen Scharen finden sich in einigen
Gruppen der Schlacht bei Hastings auch bretonische Schilde abge-
Fig. 183. Fig. 184.
Fig. 183. Bretonischer Schild aus dem Teppich von Bayeux.
Ende des Ii. Jahrhunderts.
Fig. 184. Innenseitc eines normanischen Schildes mit
Schildfessel und Tragriemen aus einem Manuskript d. Psalt. lat. der Na-
tionalbibliothek in Paris vom Anfang des 13. Jahrhunderts. Nach
Viollct-le-Duc.
bildet. Ein solcher Schild aus Bronze befand sich vor einigen Jahren
noch in der Sammlung Meyrick (Fig. 182), einen anderen von ähnlicher
Form bringen wir nebenstehend aus der Tapete von Bayeux (Fig. 1 83).
174
I. Die Schutzwaffeu.
Schon im 6. Jahrhundert finden wir Zeugnisse, dafs die Schilde
ein beliebter Gegenstand der Dekoration durch die Kunst des Gold-
schmiedes gewesen waren. Gregor von Tours erwähnt eines reich in
Gold verzierten und mit Steinen besetzten Schildes, welchen Brune-
haut dem Könige von Spanien sendet
Es ist bezeichnend, dafs im 1 1 . Jahrhundert, zur Zeit Haralds III.
von Norwegen, die ersten Spuren von einer Bemalung der Schilde
mit abenteuerlichen und abschreckenden Figuren angetroffen werden.
Diese rohen Anfange der Heraldik lassen damit auf ihre orientalische
Herkunft schliefsen. Der normanische Schild, von Holz mit Kreide-
grund, schmal, unterhalb spitz zulaufend und oberhalb rund ab-
schliefsend, kann als das Urbild aller späteren Schildformen des
Mittelalters betrachtet werden. (Fig. 181, 184.)
Die Gröfse des Reiterschildes in jener von der römischen
wesentlich abweichenden Form, wie selbe durch die Normanen zuerst
in Gebrauch kam, war im Hinblicke auf die primitive Harnischaus-
rüstung wohlberechnet. Da diese den SchlagwafTen nicht widerstand,
bedurfte man einer Schutzwaffe, welche den Reiter vom Fufs bis
an die Schulter zu decken im stände war. Die Schilde des
11. und 1 2. Jahrhunderts hatten darum auch eine bedeutende Länge.
Im mehrgenannten Teppich von Bayeux ist in der Schildform zwischen
der Reiterei und dem Fufsvolke kein Unterschied zu erkennen, sie
eignete sich eben für beide gleich gut. Die Fufssoldaten reihten sich
dicht aneinander, so dafs ihre langen Schilde, einer über den anderen
gelegt, eine feste, schufssichere Wand bildeten. Die Sorge um die
Festigkeit des Schildes führte darauf, sie zu beschlagen und mit einem
Schildbuckel auszustatten, von welchem aus die Eisenbänder gehalten
wurden.
Gerade um diese Zeit wird der Harnisch aber in seiner Festig-
keit wesentlich verbessert. Dieser bedeutende, aus den Erfahrungen
in den Kreuzzügen hervorgetretene Erfolg war zunächst Ursache, dafs
im Verlaufe des 13. Jahrhunderts der Reiterschild allmählich kürzer
wurde, so dafs er nun nur noch vom Sattelsteg bis an das Kinn
reichte. Die Seiten ränder sind noch stark kolbig gegen die Spitze
laufend, aber der Oberrand wird nun flacher gebildet, denn für die
Deckung des Gesichtes ist durch die neue Helmform ausreichend vor-
gesorgt. Der Schiid, anfänglich noch gewölbt, wird flacher, und
Schildbuckel und Beschläge verschwinden nach und nach. In
den älteren Teilen des Nibelungenliedes, welche vor den Beginn
der Epoche des Minnegesanges im 12. Jahrhundert zu reihen sind,
sehen wir noch die Schilde mit Edelsteinen besetzt, ebenso auch den
Riemen, welcher, um den Schild zu tragen, um den Hals geschlungen
wurde (schiltvezzel). Ebenso ist wiederholt des „schiltgespenges",
des Beschlages der Schilde aus Bronze Erwähnung gethan. Leb-
haft tritt in der Dichtung die Sorge zu Tage, den Schild breit und
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9. Der Schild.
175,
dick zu gestalten, wie in der Aventiure VII, gelegentlich des Wett-
kampfes mit Brunhild, wo von dem Schilde die Rede ist, den drei
Kämmerer kaum zu tragen vermochten. Das ist die Periode, welche
jener der Kreuzzüge vorausging. Ihr folgte die neue Ausrüstung mit
Topfhelm und dem allmählich sich verkleinernden, dreieckigen Schilde,
der nun in der Regel nicht mehr mit Steinen besetzt, sondern mit
den gewählten Emblemen und Farben bemalt wird.
Ein bezeichnendes Moment bildet die Wahrnehmung, dafs die
Bewaffnung des Fufsvolkes bis ins 13., ja selbst bis ins 14. Jahr-
hundert sich von jener der Reiterei nur ganz unwesentlich unter-
Fig. 185. Fig. 186.
Fig. 185. Fufsknecht im Topf heim mit Spicfs und Dreieck-
schild in der Schlachtstellung. Die Formen nach der Statue in der
Kathedrale zu Reims. Französisch, um 1240. Nach Viollet-le-Duc.
Fig. 186. Fufsknecht, einen Wall ersteigend. Aus einer Mi-
niatur im Codex Balduini Trevirensis von c. 1340.
scheidet. Die Ursache davon ist darin gelegen, dafs dem Fufsvolke
überhaupt eine gelinge Bedeutung im Kampfe beigemessen wurde,
und man darum die Nötigung nicht empfand, über die Bedürfnisse
desselben nachzudenken. So führte der Fufsknecht genau denselben,
Schild wie der Reiter, obwohl derselbe in seiner Form nur auf die
Deckung zu Pferde berechnet war. In der Stellung zu Fufs deckte
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176 I. Die Schutzwaflen.
der dreieckige Schild den Mann nur sehr unzureichend. Erst als der
Reiterschild zum „petit ccu" zusammenschrumpfte und damit für den
Fufsstreiter vollkommen unbrauchbar wurde, wird eine Verschiedenheit
in der Bewaffnung insofern wahrnehmbar, als der letztere den alten,
längeren Dreieckschild, welchen der Reiter abgelegt hatte, fernerhin
beibehielt. (Fig. 185, 186.)
Um 1300 hatte die Hamischerzeugung wieder einen erheblichen
Fortschritt gemacht, dadurch verlor der Reiterschild abermals an Be-
deutung; er wird nun zu einer kleinen, dreieckigen Tartsc he (petit
^cu) mit geradlinigen Rändern, die wenig mehr als die halbe Brust und
Fig. 187.
Fig. 187. Reiterschild aus dem Frauenklostcr Seedorf im
Kanton Uri, wahrscheinlich von einem Angehörigen der Familie von
Briens. Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.
<3ie linke Schulter deckt. Der Name Tartsche, welcher um die
genannte Zeit zum erstenmale auftritt, leitet sich von dem arabischen
darake ab, wovon das italienische targa stammt, womit ursprüng-
lich der kleine Rundschild bezeichnet wurde. (Fig. 187.)
Vom Ende des 13. Jahrhunderts, von etwa 1274 bis 1348 an
begegnen wir in der kriegerischen Ausrüstung französischer und bur-
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♦
9. Der Schild.
177
gundischer Heere den Achselschilden, ailettes, meist quadratförmigen
Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helme bis ans Schulterende
reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr
Auftreten begreiflich zu finden, mufs man in Erwägung ziehen, dafs
die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an
den Hals schlofs, und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien unge-
achtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen
konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde,
dafs die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb
an dem nachgiebigen Panzerzeug. Die Achselschilde, deren Verwen-
dung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen
der Eigner bemalt; sie bildeten im
französischen Adel gleich jenen ein
Abzeichen des ritterlichen Standes.
Ihre Befestigung am Haubert war
nach den vorhandenen gleichzeitigen
Abbildungen sehr einfach. An den
Innenseiten "befanden sich Leder-
schleifen, durch welche ein Riemen
lief, welcher um den Hals geschnallt
wurde. Auf dem Marsche wurde der
Halsriemen gelockert, so dafs die
Achselschilde an beiden Seiten der
Brust nach vorn oder rückwärts
herabhingen. (Fig. 188.) Ein Bei-
spiel finden wir in dem Siegel Louis' I.
von Bourbon von c. 1300.
Gegen das Ende des 14. und
in der königl. Bibliothek zu London.
Erste Hälfte des
Nach Hewitt.
Fig. 188.
im ,5. Jahrhundert erleidet die Form jlÄ'-Ä
der Tartschen Veränderungen, die „iatur in einer Sammlung von Romanen
nicht mehr eine waffentechnische,
sondern lediglich stilistische Bedeu- Mscr- f4- E- 3
hing haben. Sie wird nun unterhalb I4" Jahrhundcrts-
halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nord frank reich, vier-
eckig, nahezu quadratförmig.
Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung ge-
diehen, und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wich-
tigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.
Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fufsvolk
immer mehr in Mifsachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der
Fufsknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch
in der That dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von
Fufsvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen,
während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschildc
ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.
Boeheim, Waffenkunde.
12
ä
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178
I. Die Schutswaffen.
Durch die herben Erfahrungen in den Schweizerkriegen des
14. Jahrhunderts, die auch auf die feudalen Parteien ausserhalb des
deutschen Reiches mächtigen Eindruck machten, wurden die Ritter-
schaften über den hohen Wert des Fufsvolkes belehrt und von dieser
Zeit an wird allmählich der entsprechenden Ausrüstung des Fufs-
knechtes mehr Sorgfalt zugewendet.
So wird es im 14. Jahrhundert deutlich merkbar, dafs das
Fig. 189.
Fig. 180. Setzschild aus dem Heere des römischen König«.
Maximilians I., von Holz mit Temperamalerei mit heraldischen Emblemen
der deutsche Königsadler, der Bindenschild und Tirol. Aus den" Zeug-
bilchern Maximilians I. Zeug Tirol.
Streben dahin ging, die defensive Kraft des Fufsvolkes möglichst aus-
zunützen und dieses dafür auszurüsten. Dieses Streben führte wiecer
auf die alte Verteidigungsmanier des Fufsvolkes, die schon die Rön.er
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9. Der Schild.
179
mit großem Erfolge übten und die selbst im frühen Mittelalter in
Deutschland noch häufig zur Anwendung gelangte. Sie bestand in
der Bildung von festen Wänden, aus dicht aneinandergereihten
Schilden, hinter welchen die Streiter geschützt ihre Fernwaffen ge-
brauchen konnten. Dazu mufste der Schild so grofs sein, dafs er,
auf den Boden gestellt, einen Mann zu decken im stände war, so
Fig. 190.
Fig. 190. Setzschild aus dem Heere Maximilians I., von Holz
mit Temperamakrei und den Emblemen der Granatpflanze, auf Granada
anspielend, mit Guckloch. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug
österr. Land.
fest, dafs ein Bolzen darin stecken blieb, so leicht, dafs er ohne Be-
schwer getragen werden konnte. Damit entstand der Setzschild,
die grofse Pavese. Er ist von Holz und mit Haut überzogen,
12«
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180
L Die Schutzwaffen
darüber kam ein dünner Kreidegrund, auf welchen Embleme in
Tempera gemalt wurden, zu welchen teils religiöse, teils heraldische
Motive mit Inschriften gewählt wurden. Letztere enthalten meist
religiöse Anrufungen, in späterer Zeit auch kabbalistische Sprüche,
Waffensegen etc., die man auch auf Schwertklingen findet*) Die
Form dieser Setzschilde ist im allgemeinen die eines Parallelogramms,
oberhalb mit bogenförmigem Abschlüsse mit leichter, konvexer
Wölbung. Die Mitte entlang zieht eine auch innen hohl gebildete
Ausbauchung, die am Oberrande in einen vorstehenden stumpfen
Schnabel oder einer Vorkragung endet. (Fig. 189.) Innerhalb ist
das Tragband aus Leder angenietet, unterhalb welchem sich die
Handhabe befindet. In einigen deutschen Heerteilen bediente man
sich am Anfange des 15. Jahrhunderts statt der Setzschilde der aller-
dings besser schützenden, aber schwer transportierbaren Sturm -
wände, wie sich eine solche noch im Museum zu Sigmaringen er-
halten hat. Nicht selten haben Setzschilde oberhalb Visierspalten
oder Gucklöcher, viele sind unterhalb mit eisernen Spitzen versehen.
(Fig. 190.)
Wir begegnen häufig der Ansicht, dafs die Pavese böhmischen
Ursprunges sei; diese Annahme ist sehr alt, denn schon in den Zeug-
büchern Maximilians von 15 19 lesen wir:
*
„Nicht allein auf die teutschen art
Ist dises paradeis bewart,
Sonnder nach beheimischem syt
Tregt man uns gros pavesen mit."
Zu dieser Annahme wird man durch den Umstand gekommen
sein, dafs sich die böhmischen Nationalheere wie die meisten anderen,
allerdings solcher Schutzwaffen bedienten, aber die Entstehung der Pavesen
dürfte sich doch aus früherer Zeit herschreiben. Schon bei den
Normanen tritt der Schild unter der Bezeichnung pavois auf, und es
scheint nicht unglaubwürdig, dafs sich dieser Name von der Stadt
Pavia hergeleitet hat, wo nachweislich schon in antiker Zeit eine weit-
berühmte Schildfabrik bestand. (Fig. 191.)
War der Setzschild die bestimmte Schutzwaffe nur für die Ver-
teidigung, so mufste man bestrebt sein, auch dem angreifenden Fufs-
knecht einen Schutz zu bieten; damit entstand der Handschild, die
kleine Pavese. Dieselbe ist meist viereckig, unten zuweilen auch
schmäler und besitzt gleichfalls die charakteristische Ausbauchung, die
*) Unter den gothischen Randinschriften auf Setzschilden und Pavesen lindet
man häufig die Anrufungen : „Hilf, Maria!4', „Hilf, heiliger Ritter St. Jorg!", „Hilf,
du ewiges Wort dem Leibe hier, den Seelen dort!", aber auch das kabbalistische
Wort „agla", das sind die Anfangsbuchstaben des Spruches: „Atha Gibbor
Leolam, Adonai", d. h. „du bist stark, Herr in Ewigkeit"; oder dafür auch die
Zusammenfassung: „Thctragramathon", d. h. das durch vier Zeichen (Worte) Aus-
gedrückte. Endlich finden sich auch häufig die Namen der heiligen drei Könige.
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9. Der Schild.
181
Ecken sind zuweilen abgestumpft, die älteren nicht selten mit Buckeln
ausgestattet. (Fig. 192, 193.)
Schon im 11. Jahrhundert war das Streben des Reiters dahin
gerichtet, die Zügelhand vom Schilde unabhängiger zu machen. Diese
Absicht führte dahin, die Schilde und Tartschen um den Hals zu
hängen, so daTs sie vollständig die Brust bedeckten. Derlei Tartschen
sind, wiewohl häufig aus Eisen vorkommend, doch der Mehrzahl nach
von Holz, mit Haut überzogen, viereckig, mit abgerundeten Ecken
und besitzen in der Mitte einen vorspringenden Grat Damit das
Einlegen des Speeres nicht behindert werde, besafsen sie an der
rechten Seite einen tiefen Einschnitt, in welchem der Spiefsschaft
Fig. 191. Fig. 192.
Fig. 191. Armrustschützen im Kampfe, durch Setzschilde ge-
deckt Aus einem Manuscript der königl. Bibliothek in London. Mscr.
E. IV. Nach Hewitt.
Fig. 192. Handtartsche, sogenannte kleine Pavese, von Holz
mit Temperamalerei. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug österr.
Land.
Platz finden konnte (Fig. 1 94.). Im Oriente macht sich zu gleicher Zeit
eine Umänderung der Form der Reitertartschen bemerkbar. Auch
hier werden sie meist von Holz gefertigt, oft bemalt, öfter aber mit
ornamentalen Reliefs in Handpressung auf Leder gefertigt und ver-
goldet. In der Wahl der Form und in der Tragart aber gingen die Wege
auseinander. Eine besondere Art in Ungarn im 15. Jahrhundert
üblicher Tartsche ist trapezförmig, mehr konvex gebaut, so dafs sie,
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182
I. Die Schußwaffen.
Über die Brust reichend, auch die linke Seite deckt. Diese Tartschen
finden sich nicht allein in den ungarischen, sondern in allen Heeren,
welche mehr oder weniger unter dem Einflüsse des Orientes stehen,
den ungarischen, polnischen, moskowitischen u. a. Sicher trugen auch die
Reiter des Königs Mathias Corvinus derlei Tartschen. Die
ungarische Garde Maximilians I. führte solche, wie wir aus dem
Theuerdank ersehen. Einige Exemplare derselben haben sich noch
in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien erhalten. (Fig. 195.) Dort,
wo diese in Berührung mit den deutschen kamen, merkt man deren
Streben, die Vorteile der deutschen mit der orientalischen Form zu
Land.
Fig. 194« Brusttartsche für einen Feldharnisch, von Holz, mit
Leder Überzogen und mit dem Wappen der Stadt Deggendorf bemalt.
15. Jahrhundert, 1. Hälfte. Kais. Museum in Zarskoe-Selo.
vereinen; da erhalten die Tartschen an der rechten Seite die Ein-
schnitte für die Spiefsstange, aber auch die Deutschen führen um
die Mitte des 15. Jahrhunderts „ungarische" Tartschen, die aber
durchwegs in Deutschland gefertigt waren.
Eine andere Form orientalischer Schilde ist die Adarga
(adargue, eigentlich därake), welche im 13. und 14. Jahrhundert von
den Mauren in die spanischen Heere und von da nach Frankreich,
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9. Der Schild.
183
Italien und selbst nach England gelangte, wo sie noch bis ins 1 5. Jahr-
hundert in Gebrauch blieb. Die alte maurische Adarga war von
starkem, steifen Leder, oval, herzförmig oder auch in der Form
zweier sich schneidender Ovale (bivalve). Sie wurde an einem Riemen
über die rechte Achsel getragen und in der Linken an einem Faust -
griff gehalten. Die vorzüglichsten derlei Schilde wurden in Fez ge-
fertigt und es bedienten sich ihrer bis ans Ende des 1 7. Jahrhunderts
noch die Lanzenreiter zu Oran, zu Mellila, zu Ceuta und selbst an
der Küste von Granada. Abbildungen derselben finden sich in den
F«g. 195. Fig. 196.
F"f- «95- Ungarische Tartsche von Holz, mit Leder Über-
zogen und bemalt. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug österr.
Land. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte
Fig. 196. Innenseite einer maurischen Adarga von Leder
mit gestickten Arabesken und Inschriften. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte.
Fresken der Alhambra und in einem trefflichen Stich von M. Schoen.
St. Jacob von Campostella. Noch im 18. Jahrhundert erscheint sie
in den Waffenspielen der Spanier, den sogenannten „alcancias".
(Fig. 196.)
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184
I. Die Schutzwaffcn.
Die leichten arabischen Reiter, die Deli, d. i. die Wagehälse,
führten kleine Rundschilde, im Türkischen kalkan genannt, mit
Überzug aus Fischhaut, meist vom squalus cetrina, die entweder
rauh belassen oder glatt geschliffen wird, aus Leder nicht selten mit
schönen, geprefsten Ornamenten; endlich finden sich solche aus dünnen
Zweigen aus Feigenholz, welche kreisförmig, konzentrisch angeordnet
und mit Silberdrähten und farbigen Seidenfäden derart übersponnen
sind, dafs sich dadurch geschmackvolle Arabesken bilden. Derlei
etwa 60 cm. im Durchmesser haltenden Rundschilde haben ungeachtet
ihres subtilen Materiales eine ungemeine Widerstandskraft gegen den
Schwerthieb.
Die Sarazenen bedienten sich kleiner, handlicher Rundschilde
aus Fisch- oder Nashornhaut, die in der Art der Faustschilde ge-
tragen wurden. Ihr Durchmesser überragt nie 40 cm. Man findet
Fig. 197.
Fig. 197. Sarazenischer f austschild eines Fufsstreiters aus
Nashornhaut, rot gelabt, mit orientalischen Verzierungen, in Goldfarbe
gemalt. Innen mit Faustgriff und Knöchelpolster. Gefunden im Schutte
der durch Erdbeben 1822 zu Grunde gegangenen Citadelle von Aleppo.
15. Jahrhundert. Vorderseite, Rückseite und Durchschnitt.
sie noch im 1 7. Jahrhundert und später in Verwendung. (Fig. 1 97.)
Mit dem Aufkommen der Plattenharnische im westlichen Europa
Änderte sich die Tragweise der Tartschen insofern, als diese nun an
die Brust geschraubt wurden.
Wir erwähnen nebenher zweier Schildformen des 14. und
1 5. Jahrhunderts, welche nicht für den Feldgebrauch bestimmt waren,
des „alten*' Fechtschildes, der in den Fechtschulen üblich gewesen
war. Derlei Schilde sind von Holz, mit Leder überzogen und be-
malt; in der Mitte des sehr langen und schmalen Schildes läuft ein
hoher Grat entlang, der auch innen ausgehöhlt ist und in welchem
eine eiserne Tragstange entlang läuft. Ober- und unterhalb stehen
aus dem Schilde lange eiserne Spitzen mit oder ohne Widerhaken
hervor, so dafs das Ganze eine Länge von 2,5 Metern besitzt.
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9. Der Schild.
185
Diese Form ist, wie die gesamte Fechtkunst des Mittelalters,
italienisch. (Fig. 198.) Eine andere Schildform ist jene, welche bei
den Kampfspielen der jungen Adligen in den Städten Italiens an
gewissen Festtagen gebräuchlich war, der italienische Armschild.
Derselbe, zugleich Schild und Waffe darstellend, ist von Holz und
bemalt. Er ist etwa 60 cm. lang und so schmal, dafs er nur den
Fig. 198.
Fig. 198. Fechtschild von Holz, mit Haut überzogen und be-
malt. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. 15. Jahrhundert.
Unterarm deckt, an welchem er getragen wurde. Unterhalb ragt
eine kleine eiserne Spitze hervor. Eins der berühmtesten Waffen-
spiele war das Giuoco del Ponte zu Pisa. (Fig. 199.)
Wie im 11. und 12. Jahrhundert, so stellt sich auch am Beginne
des 16. Jahrhunderts in der Kriegsausrüstung deutsche Art der
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I. Die Schuttwaffen.
romanisch-italienischen entgegen; das zeigt sich zunächst in der An-
sicht über den Wert des Schildes selbst Nach der Einführung der
Plattenharnische, die, wenigstens anfänglich, bezüglich ihrer Widerstands-
kraft sehr hoch angesehen wurden, erschien eine Tartsche überflüssig,
zumal Verstärkungsstücke, am Harnische selbst angebracht, weit bessere
Dienste leisteten. So verschwinden die Tartschen allmählich in den
Reitergeschwadern. Nur Fürsten und vornehme Herren in Deutsch-
land, in denen der Geist der Renaissance lebhaft war, fanden es zu
einem standesgemäfsen Auftreten unerläfslich, sich eines italienischen
Fig 199 a. Fig. 199 b.
Fig- >99- Italienischer Armschild zu Kampfspielen, von
Holz, mit Pergament überzogen und bemalt. Bezeichnet 1542. Vordcr-
und Rückseite.
Rundschildes zu bedienen; damit im Einklänge steht die Wahrnehmung
einer allgemach kunstreicheren Gestaltung desselben.
Im deutschen Heere aber verschwand der Schild; der Reiter
fand ihn überflüssig und das Fufsvolk, die Landsknechte, hatten keine
Hand für einen solchen frei, das Schlachtschwert und die lange Pinne
wurde mit zwei Händen geführt und der Schütze konnte sich noch
weniger mit einem Schilde belasten.
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■
9. Der Schild. 187
In den Zeugbüchern Maximilians I. heifst es über die Pavesen
bezeichnend :
„Man fyndt hirin auch pavesen,
Stark schon nach vorteil ausglesen.
Vor zeiten gepraucht man die mer,
E die langen spiefs kamen her."
Anders war es in den italienischen, französischen und spanischen
Heeren. In diesen war noch die Fechtweise des 14. Jahrhunderts
mit dem Schwerte üblich. Die Italiener folgten hier den Traditionen
der Condottieri, die französischen Soldtruppen hielten die Fechtweise
der grandes compagnies und der tard-venus für unwiderstehlich und
bei den Spaniern hatte sich Schild und Degen gegen die Mauren als
der nationalen Art entsprechend bewährt. So finden wir in den ge-
nannten Heeren den Rundschild ununterbrochen in Gebrauch. Aber
Fig. 200.
Fig. 200. Armschild mit Stofsklinge. Aus den Zeugbüchern
Maximilians I. Zeug österr. Land. 15. Jahrhundert, Mitte.
auch dieser erfuhr wenigstens teilweise vom Ende des 1 5. Jahrhunderts
an eine Umwandlung in der Form. Wir finden nämlich gegen das
Ende des 15. Jahrhunderts bei den Spaniern wie bei den Italienern
eine Art Schild, die sich von allen bisher gekannten Formen wesent-
lich unterscheidet. Bei den meisten ist nämlich das linke Armzeug
mit dem Schilde derart in Verbindung, dafs beide Teile gewisser-
mafsen ein Ganzes bilden. Die so gestalteten Schilde wurden all-
mählich mit vielen und zuweilen komplizierten Vorrichtungen ausge-
stattet, wodurch sie ihren bisherigen Charakter nicht unwesentlich ver-
änderten. (Fig. 200.) Zunächst versah man sie mit Spitzen und
Klingen, manchmal auch mit sägeförmig tief eingekerbten Klingen,
sogenannten „Degenbrechern", dann mit einer oder mehreren
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188
I. Die Schutzwaffen.
Reihen von eisernen Ringen, welche, auf dem Blatte frei stehend, mit
diesem nur durch eingenietete Bolzen in Verbindung standen, söge-
h
Fig. 2oia.
Fig. 20ia. Italienischer Armschild, sogenannter Laternen -
schild, mit Degenbrecher, Stofsklinge und Klingenfangerring. 1 6. Jahr-
hundert, I. Hälfte. Vorderseite.
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9. Der Schild.
189
nannte Klingen fänger, bestimmt, die von dem Träger aufgefangene
Klinge des Gegners in den Zwischenräumen durch eine rasche Be-
Fig. 20 ib.
Fig. 201 b. Italienischer Armschild , sogenannter Laternen-
schi ld. Rückseite mit dem Handschuh und originaler Laterne.
ä
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190
l. Die Schutzwaflen.
wegung einzuklemmen und festzuhalten. Endlich finden sich unter
diesen Schilden auch solche, welche aus zwei auf geringe Entfernung
übereinander lagernden Blättern bestehen. Das obere ist mit vielen
Spalten und Löchern versehen, deren Ränder derart schräg laufen,
dafs bei jedem Stiche die Klinge des Gegners in eine solche Öffnung
gleiten mufs. Mit einer drehenden Bewegung des Schildes konnte
nun die Klingenspitze eingeklemmt werden. Nächtliche Cberfälle
waren bei den Spaniern und Italienern sehr beliebt, in solchen bestand
ein wesentlicher Teil ihrer Taktik. Nicht selten veranstalten sie
nächtliche Überfälle, wobei die Hemden über die Harnische ange-
zogen, um sich gegenseitig leichter zu erkennen und den Gegner
durch den ungewohnten Anblick in Schrecken zu versetzen. Derlei
Unternehmungen hiefsen die Spanier Camisaden, von dem spa-
nischen „camisa", Hemd. Man wendete sie auch gegen die Türken an.
Aus diesem Grunde sind viele ihrer Schilde am oberen Rande mit
kreisrunden Ausschnitten für einzufügende Blendlaternen versehen,
solche werden Laternenschilde genannt. (Fig. 201a und b.)
Bei den Spaniern führten nur die ersten Reihen der Angreifen-
den derlei Schilde, die übrigen trugen entweder nur Faustschilde oder,
wenn mit Stangenwaffen ausgerüstet, gar keine Schilde.
Von den Spaniern kam der Gebrauch der Schilde im Laufe des
16. Jahrhunderts zu den Niederländern. Diese führten beim Angriffe
in ihren vorderen Reihen Rundschilde von einfacher Form. Bei der
Zunahme der Wirkung der Feuerwaffen wurden selbe immer stärker
und schwerer, um Deckung zu bieten, ja es wurde kein Schild
• vom Plattner angenommen, der nicht durch sein Kugelmal anzeigte,
dafs ein Probeschufs, aus einem Halbhaken auf 100 Schritte abge-
schossen, keine seine volle Brauchbarkeit beeinträchtigende Wirkung
ausgeübt hatte. Ihr Gewicht ist bei einzelnen Exemplaren 9 bis 10 kg.
Eine besondere Form eines Schildes, die sich in der Tragart wie
im Gebrauche wesentlich von allen anderen Schildformen unterscheidet,
erblicken wir in dem sogenannten Faustschild (boce, bocete, ron-
delle de poing, ital. brochiero). Wir haben bereits erwähnt, dafs
derselbe schon im 8. Jahrhundert bei den Byzantinern auftritt, was
wieder auf seinen orientalischen Ursprung schliefsen läfst. Der Faust-
schild, hauptsächlich auf den Einzelkampf berechnet, soll eigent-
lich nicht allein vor der feindlichen Waffe eine passive Deckung
bieten, sondern auch bei geschickter Handhabung den Schwerthieb
ablenken oder parieren. Mit Faustschildcn bewaffnete Krieger finden
wir schon um 1 200, wie auf einem Rufhom (Olifant), bei Eye I. In
französischen Handschriften sehen wir sie häufig abgebildet, wie im
breviaire d'amour der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der National-
bibliothek zu Paris und im Tristan um 1260 ebendaselbst. Der
Faustschild, anfänglich nur in Italien und der Provence üblich, fand
im 14. Jahrhundert auch in Deutschland Eingang, wo er aber aus-
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9. Der Schild.
191
schliefslich nur bei Zweikämpfen, dem alten Fufskampf, auftritt In
Italien und Frankreich wird er an einem Haken am Gürtel, häufiger
noch am Schwertgriffe geführt, wo er mit dem Handbügel über den
Griff gehängt wird. In letzterer Art getragen sehen wir ihn in der
Chronik des Froissart in der National-
bibliothek um 1440 und in einem Kreu-
zigungsbilde des Gerard David in der
Berliner Galerie (573). (Fig. 202.) Im
1 6. Jahrhundert, als die italienischen Fecht-
schulen allenthalben mächtigen Einflufs
gewannen, kam der Faustschild so sehr
in Mcde, dafs junge Männer jener Zeit
denselben an ihren Degengehängen stets
mit sich zu führen pflegten. So sehen
wir einen jungen Engländer in solcher
Ausrüstung in dem Werke des Caspar
Rutz von 1557.*) (Fig. 203.) Gegen
das Ende des 1 6. Jahrhunderts verwarfen
die venetianischen Fechtschulen den
Faustschild gänzlich und bewehrten die
linke Hand mit dem Fechtdolch (soge-
nannte „Linkehand"), der um den Be-
ginn des 18. Jahrhunderts und in dem
Augenblicke ebenfalls verschwand, als das
Tempofechten in Aufnahme kam, in wel-
chem die Degen- oder Parierklinge eben-
sowohl den Ausfall als die Parade durch-
zuführen hat. (Fig. 204.)
Im englischen Heere wurden noch
am Anfange des 17. Jahrhunderts Rund-
schilde geführt, welche in ihrem Mit-
telpunkte eine Schiefsvorrichtung be-
safsen. In diesem Falle war das Schlofs
im Inneren des Schildes angebracht und Fig. 202. Kriegsmann in
ein kleiner, kurzer Lauf ragte aus dem halbem italienischen Harnisch mit
Schildnabel hervor. Derlei Exemplare geschobenem Schurre und Schal-
werden noch im Tower in London be- fem von späterer Form. Derselbe
ist mit einem Krummscnwerte
wa"rt. (Malchus) bewaffnet, an welches
Vom Beginne des 1 8. Jahrhunderts der Faustschild gehängt ist. Figur
kommt der Rundschild im Fufsvolke all- aus einem Temperabildc , dar-
gemach aufser Gebrauch, nur in kleinen stcllcnd d}e Kreuzigung, vom
g"u«.u ohb« vjcLUrtm.il, uiii knauew Anf dcs l6 Jahrhunderts
italienischen Heeren wird er noch bis Kunstsammlung im Chof
etwa 1730 geführt, in allen übrigen ist stifte Klosterneuburg (27).
Fig. 202.
*) Rutz, Caspar. Omne pene gentium imagines. 1557.
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192
I. Die Schutzwaffen.
vollständig verschwunden. In den Memoiren Montecucolis (17 12)
werden zwar in einem Infanterie-Regimen te noch „30 Rundtartschiere"
angeführt, aber diese Angabe bezieht sich auf eine frühere Zeit und
auf eine Ausrüstung gegen die Türken, gegen welche Tauschen noch
als zweckentsprechend angesehen wurden.
Mit welchem erstaunlichen Erfolge sich die italienische Kunst des
15. und 1 6. Jahrhunderts, die deutsche des 16. sich des Schildes als
Fig. 203. Englischer Kavalier mit Degen und Faustschild
aus dem Weke von Caspar Rutz von 1557. Nach Hewitt p. 659.
Fig. 204. Fechter mit Degen und Faustschild aus dem
Werke von Giac. de Grassi. „Ragione di adoprar Parme" von 1570
nach V. Gay, Glossaire archeologique.
Gegenstand der Ausschmückung bemächtigt hat, werden wir in einem
späteren Abschnitte ersehen.
Die Reiterei hatte sich der Schilde gleichfalls entledigt; nur bei
den moskowitischen Scharen, den ungarischen und polnischen Reitern
und jenen der Kroaten werden kleine Rundtartschen selbst noch bis
ins 18. Jahrhundert hinein getragen. Heute finden wir sie nur noch
bei den afrikanischen Völkern, bei den nomadisierenden Arabern, bei
den Indern und den der modernen Kultur noch nicht zugeführten
Nationen.
Fig. 203.
Fig. 204.
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io. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
Die Abbildungen und Funde belehren uns, dafs die älteste Art
der Zäumung jene mit der Trense gewesen ist. Dieselbe hatte
ziemlich die Form unseres heutigen Wischzaumes, nur erscheint das
gebrochene Gebifs viel schärfer und nicht selten spiralförmig gedreht.
So waren die Pferde der Steppe gezäumt, welche die barbarischen
Krieger aus dem fernen Osten im 5. und 6. Jahrhundert nach Europa
trugen. Das Kopfgestell mit den Zügelriemen war dabei das denkbar
einfachste und bestand aus ungegerbtem Leder. In den Miniaturen
des psalterium aureum des Klosters St. Gallen aus Karolinger-Zeit
erscheinen die dargestellten Pferde nur mit der Trense gezäumt.
(Fig. 205.) Aber schon um 1050 erschien diese Zäumung für die
weit ungebärdigeren Pferde der anglo-normanischen und der nord-
Fig. 205. Fig. 206.
Fig. 205. Zäumung eines Pferdes mit der Trense. Aus
dem Psalterium aureum von St. Gallen. 9. Jahrhundert.
Fig. 206. Zäumung eines Pferdes aus dem Teppich von
Bayeux. Ii. Jahrhundert, Ende.
germanischen Rassen nicht genügend und die Verwendung einer Art
Stange (Kandare, branche) erforderlich, welche hebelartig auf die Kinn-
lage wirkte, jedoch, wie es scheint, ohne Beigabe einer Kinnkette.
(Fig. 206.)
In Siegeln von ungefähr 1300 erscheinen die Stangenbäumc unter-
halb mittelst einer Spange verbunden und auch bereits mit Zügel-
ringen ausgestattet. Bis ins 12. Jahrhundert waren die Schilde noch
verhältnismäfsig leicht, so dafs der Reiter den Schild halten und die
Zügel regieren konnte. So finden wir noch bei den Normanen in
dem Teppich zu Bayeux Schild und Zügel frei in der Hand gehalten.
(Fig. 207 ) Später wurde der Schild an den Hals mittelst eines
Riemens gehängt, wodurch die Zügclhand entlastet wurde. Im 12. und
13. Jahrhundert waren die Zügelriemen mittelst eines Ringes ver-
Boeheim, Waffrnkunde. 13
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19-1
I. Die Schutzwaffen.
bunden, welchen der Reiter in der Linken gefafst hielt; seltener sieht
man die Riemen in der Gegend des Sattelknopfes in einen Knoten
geschlungen. Um 1250 bediente man sich bereits der Zügelketten,
die auch bei den Orientalen bis ins 16. Jahrhundert vorkamen.
Vom 13. Jahrhundert an beginnen allgemach die Italiener Einflufs
auf die Kriegsbewaffnung, die Tracht und auch auf die Dressur und
Ausrüstung des Pferdes zu nehmen. Das Reiten wird durch sie
zu einer Kunst im allgemeinen Sinne und von dieser Zeit an datieren
die bedeutendsten Veränderungen in der Zäumung ebensowohl wie in
Fig. 207. Fig. 208.
Fig. 207. Beispiel der Handhabung des Reiterschildcs
und der Zügel aus dem Teppich von Bayeux. II. Jahrhundert, Ende.
Fig. 208. Reitstange aus geschwärztem F.iscn mit oi »gehauenen
Verzierungen, mit Kugelkette und Zungcnspielungcn. 15. Jahrhundert,
Ende.
der Sattelung. Schon um 1380 bildet sich die Stange in ihrer heu-
tigen Form mit Ober- und Unterbaumen aus, aber mit gebrochenem
Gebifs, und als wichtigste Beigabe, wenn auch nicht als humanste,
erscheint die Kinnkettc. Rcitstangen aus der Mitte des 15. Jahr-
hunderts besitzen bereits komplizierte Formen. Die Gebisse sind
mehr oder weniger gebrochen und mit kleinen eisernen, beweglichen
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lo. Das Pferdezeug und der Pferdcharnisch.
195
Anhängseln, den sogenannten Zungenspielungen. ausgestattet.
(Fig. 208.)
Alle diese Bestrebungen nach schärferer Wirkung der Zügel er-
klären sich aus dem Umstände, dafs sich vom 11. bis ans Ende des
15. Jahrhunderts der Adelige wie der reisige Mann in Deutschland,
England und Frankreich nur der Hengste bediente, und sich durch
das Besteigen eines weiblichen Pferdes für entehrt erachtet hätte.
Die Vorsicht führte im 13. Jahrhundert dahin, die Trensenzäumung
mit jener der Stange zu verbinden und für jede einen eigenen Zügel
zu führen; dann war der leichtere Trensenzügel von Leder, der
Stangenzügel aber war fast ausnahmslos aus einer starken Kette ge-
bildet. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts brachten die Italiener
das verschnittene Pferd nach Deutschland und Frankreich, das als
„geringes", d. i. leichtes, schon um 1360 im Kriege diente. Die
Vorliebe der Adligen für Hengste währte jedoch noch bis ans Ende
des 17. Jahrhunderts. Die künstlerische Auszierurg der Zäume reicht
ins 9. Jahrhundert und noch weiter in die Zeit hinauf; die ersten
Vorbilder hierzu kamen aus Byzanz, das in jener Zeit und noch lange
nachher für die dekorativen Künste als eine Musterstätte galt. Nach
dem Aussterben der Karolinger nahm das Kunstbedürfnis stetig ab,
um im 13. Jahrhundert, durch die Kreuzzüge angeregt, wieder zu
schöner Blüte zu erwachsen. Von da an finden wir das Streben nach
Schönheit im Gebiete der kriegerischen Ausrüstung stetig zunehmen:
ihren Höhepunkt hatte sie um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Bei
den Türken, den Ungarn und Polen hatte sich die Freude an ver-
zierten Zäumen bis ins 18. Jahrhundert rege erhalten, aber sie äufserte
sich mehr in einem Streben nach äufserem Wert durch Besetzen mit
kostbaren Steinen und dergleichen. Eine speziell den Türken und
Ungarn eigentümliche Beigabe zum Zaume bilden die Stirnketten
und der Dscheleng. Dieser hing als Anhängsel um den Hals des
Pferdes. An dem Riemen hängt ein Halbmond oder ein kugelförmiger
Metallkörper mit daran hängendem Haarschweife, wozu häufig die
Wolle des Yak (bos grunniens), aber auch Frauenhaar benutzt wurde. *'\
(Fig. 209.)
Die Wildheit der Streithengste veranlagte die Verwendung von
Maulkörben. Diese Beigabe zum Zaumzeug erblicken wir zuerst im
15. Jahrhundert; die Verwendung ist aber zweifelsohne weit älter.
Derlei Maulkörbe gaben den Sporern reiche Gelegenheit, ihre Kunst-
fertigkeit zu bethätigen; wir finden darum auch besonders aus dem
•) Die*e Anhängsel, im Türkischen Dscheleng, waren ursprünglich eine Aus-
zeichnung für die bewiesene Tapferkeit des Reiters nach dem altosroanischcn
Kanün-i-tcschrtfdt, Kanon der Ehrenzeichen, dessen berühmteste Aufzeichnung
aus der Zeit Suleimdns des Grofsen (Anfang des 16. Jahrhunderts) datiert Bei
den Polen erscheint der Dscheleng auch unter der Bezeichnung Bünczuk (Fahne),
ein Name, der für diese Anhängsel auch in andere östliche Heere übergegangen ist.
■3*
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Ml
vliP
4 1
■ 7 '
Fig. 209.
Fig. 209. Dschclcng oder Halsgchänge eines Pferdes, zur so-
genannten ,, ungarischen Rüstung" des Erzherzogs Ferd i na nd von Tirol
gehörig, aus vergoldetem Silber, mit starken Fherzähnen geziert. Der
Husch besteht aus Yakwolle. t6. Jahrhundert, 2.. Hälfte.
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io. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
107
in. Jahrhundert die kunstvollst gebildeten Exemplare in durch-
brochenem Eisen und mit Auflagen von Messing. (Fig. 210.) H.'iufig
tritt bei Maulkörben und auch bei Rofsstirnen das Emblem der Ei-
dechse auf, als ein Symbol unschuldiger Gewandtheit. Wir bringen
hier ein Beispiel dieses' Ausrüstungsstückes.
Untrennbar von der Zäumung ist die Sattelung des Pferdes. Die
ersten Einwanderer im 5. Jahrhundert
kannten den Sattel vielleicht, aber sie
benutzten ihn nicht. Sie ritten auf
roh gewebten Decken mit erstaunlicher
Sicherheit, ohne ein Bedürfnis nach einer
bequemeren Ausrüstung zu empfinden.
So sitzt auch der sarmatische Reiter
auf dem Gefäfs aus dem Funde von
Grofs-Sz. Miklos auf einem ungesattelten
Pferde und wir bemerken keine Steig-
bügel. • (Fig. 133.)
Im 8. Jahrhundert ist die Ver-
wendung kleiner und auch reichver-
zierter Sattel bereits allgemein und auch
der Steigbügel ist schon ein Bedürfnis
geworden; doch sind die Sattel noch
klein und bestehen aus einem Holz-
gestelle mit sehr niederen Vorder- und
Hinterbögen, erstere ohne Knopf. Uber
Fig. 210
Fig. 210. Pferdemaulkorl>
aus verzinntem Eisen, teils durch-
den Sattel wurde eine kleine Decke brochcilt tcUs mk Drahtgittcrn aus.
gelegt. Die Befestigung erfolgte durch gestattet. Auf einem Bande zeigt sich
eine Bauchgurte, zuweilen auch durch die Inschrift . „Was got beschert, ist
ein Brust- und Hinterzeug. So er- vnerwert". 2. Hälfte des 16 Jahr-
, . .. —„.. , . j hunderts. Sammlung Franz ihm nt
Schemen die Süttel im Codex aureum Wien 6
von St. Gallen.*)
Am Ende des 11. Jahrhunderts hat sich eine typische Form
der Sättel bereits herausgebildet; wir sehen diese im Teppich von
Bayeux in gleicher Form bei den Sachsen wie bei den Normanen.
Es ist ein festes Gestelle mit tief stehendem Sattelknopfe und höherem,
in eine Schnecke sich ausbiegenden Hinterbogen. (Fig. 211.) Die
Steigbügel sind von mäßiger Gröfse und halbrund gebildet.
Der Sattel mit seinen Teilen besteht aus dem vorderen und
hinteren Sattelbogen, dem Sitze, den Seitenblättern, der
Decke, den Steigriemen, den Steigbügeln oder Stegreifen,
dem Brustriemen, endlich dem Schwanzriemen.
Um 11 27 erscheinen die Sättel mit tiefem Sitze. Der vordere
Sattelbogen ist na<h vorn gedrückt und bildet dort eine Schnecke,
») Rahn, J. Kud., „Pas Psalterium aureum von St. Gallen". St Gallen 187S.
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198 I. Die Schutzwaffeu.
der hintere ist gewöhnlich höher gestellt und stark nach rückwärts
gebogen, die Decke verbreitert sich nach den unteren Enden zu. Die
Befestigung erfolgt mittelst zweier voneinander entfernt stehenden
Gurten und schon um diese Zeit tritt der mit Schellen besetzte Brust-
riemen auf. Der Steigbügel ist flaschenartig geformt. (Fig. 212.)
1 1 63 ersehen wir zum erstenmal die Steigbügel an Ketten hängend.
In dieser Form bleibt der Sattel bis ungefähr 1160, doch noch 1181
sehen wir in einem Siegel einen Reiter ohne Sattel nur auf langer
fliegender Decke sitzend.
Von ungefähr 1 1 70 an ändert sich der Rückteil des Sattels
wesentlich, ersichtlich in dem Bestreben, dem Reiter einen sichereren
Sitz zu bieten. Während der vordere Sattelbogen sich nach dem
Fig. 211.
Fig. 211. Gesattelter Hcugst aus der Tapete zu Bayeux.
1 1 . Jahrhundert, Ende.
Rist zu aufrollt, wird der hmtere hoch und breit und erhält zu den
Seiten Ausbauchungen (Krippen). Es ist das die älteste Form des
Krippensattcls, der bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahr-
hunderts im Gebrauch steht. (Fig. 213 und 214.)
Schon in einem Siegel des Baudouin Grafen von Guines von
12 35 (Fig. 215) sehen wir die flache Rückseite des hinteren Sattel-
bogens mit dem Blason des Eigners bemalt, eine Sitte, die sich bis
ins 14. Jahrhundert hinein erhielt. (Fig. 216.) Im Laufe des
1 3. Jahrhundert* wird der vordere Sattelbogen allmählich niedriger und
schrumpft zu einem Knopfe zusammen. (Fig. 217.) Die Befestigung
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IO. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
100
ist derart, dafs sich die nachbarlichen Gurten unter der Brust des
Pferdes kreuzen. Die Steigbügel erhalten eine vollkommen dreieckige
Form.
Bis 1360 tritt die seitliche Ausbauchung der Krippe immer
charakteristischer hervor und wird anfäng-
lich zu einem vorstehenden Lappen, später
zu einer Schiene, die soweit nach vorn
reicht, dafs man nicht begreifen kann,
wie der Reiter mit den Schenkeln sich
zwischen Krippe und dem vorderen Sattel-
bogen durchzwängen konnte. (Fig. 2 1 8.)
Von 1350 etwa an wird der vordere
Sattelbogen allmählich wieder höher (Fig.
219), und es wird damit das Bestreben
merkbar, durch denselben auch den Bauch
und die Schenkel des Reiters besser zu
schützen; es ist dies die Form des aus-
gebildeten Krippensattels (Fig. 220),
welcher um 1520 verschwindet. An Luxus-
sätteln des 14. Jahrhunderts sind diese
sonst so ausgesprochenen Formen nur
angedeutet. (Fig. 221.) Nun erscheint der schwere Kürifs-
sattel mit breitem Sitzblatte, hohen Vorder- und Hinterbogen und
Fig. 212.
Fig. 21 2. Aragon es i scher
Steigbügel des 13. Jahrhun-
derts. Mauresker Einflufs.
meria Real tu Madrid.
Ar-
Fig. 213. Aus dem Rcitcrsicgcl des Philipp d 'Alsace , Grafen
von Flandern. 11 70. Nach Domay, Le costume au moyen-Age d'apres
les sceaux.
Fig. 214. Aus dem Reitersiegel des Pierre de Courtenay
von 1184. Nach Demay.
rechteckig geformten Seitenblättern. Eine Eigentümlichkeit dieser
Sättel sind die nächst dem hinteren Bogen angebrachten Schenkel-
wülste, welche dazu dienten, die Schenkel des Reiters festzuhalten.
Der Übergang vom Krippen- in den schweren Kürifssattel charakte-
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200
I. Die Schutzwaffen
risiert sich in der in Fig. 222 gegebenen Form von 1523. Die
Sattelbogen werden an den äufseren Seiten mit Eisenblech belegt,
deren Flächen häufig mit ornamentalen Dessins verziert werden. Die
Befestigung wird durch zwei von einander entfernte Gurten bewirkt.
Mit dem Auftreten dieser Sattelformen fällt auch die Veränderung
Fig. 215. Fig. 216.
Fig. 215. Aus dein Rcitersiegcl des Haudoin, Grafen von
Guines, von 1235. Nach Douay.
. Fig. 216. Aus dein Reitersiegcl des Louis, Grafen von Nevers,
von 131 5. Nach Demay.
des Mannsharnisches und die Einführung der übertrieben breiten
Eisenschuhe, der „Bärenfüfse", zusammen; dadurch erhalten die Steig-
bügel ebenfalls eine übermäfsige Breite. 1 Fig. 22.3) Um 15 10 er-
Kig. 217.
Fig. 217. Aragonesischcr Sattel des König«? Jakob I. von
Aragonien (1206— 1276). Arnieria Real zu Madrid.
scheinen die geschlossenen Steigbügel, sie kamen aus Italien und
hatten anfänglich den Zweck , beim welschen Gestech über das Dill
den Vorfufs vor der Planke zu sichern. In diesem Falle hatten sie
auch die Form von Schuhen, Bügelschuhe, ital. staffe a gabbia
io. Das Pferdezeug und der l'ferdeharnisch.
201
(Fig. 224); später wurde der Vorfufs nur durch ein Gitter aus Eisen-
spangen geschützt, um im Falle eines Sturzes nicht mit dem Fufse
im Bügel hängen zu bleiben. Hans Kreutzbcrger nennt sie in seinem
Fig. 218.
Fig. 21S. l'ferd mit Krippensattel 'und Hinterzeug mit
HEngeriemen nach einem Fresko in der Kirche zu Velemer in Ungarn
von 1378, darstellend die Anbetung der Könige. Mitteilungen der k. k.
C.-Kommission für Kunst und historische Denkmale in Wien, Jahrg. 1874.
interessanten Werke über Zäume und Pferdegebisse von 1572 sonder- *
barerweise Fraucnsteigbügel.
Fig. 219.
Fig. 219. Krip pensattel von einem schweren Roiszeuge des
Kaisers Maximilian [, 15. Jahrhundert 2. Hälfte.
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202
I. Die Schutzwaffen.
Sowie die Sättel schwerer und plumper werden, ebenso wird
der Brustriemen stärker. An der Vorderseite erhält er, was übrigens
vereinzelt schon im 15. Jahrhundert und früher vor Augen tritt, eine
buckeiförmige Metallplatte, welche meist verziert wird. Erst im
16. Jahrhundert finden wir Beispiele der Anwendung von Schwanz-
riemen, die durch die Schwere des Sattels bedingt waren.
Der Sattel wie das gesamte Pferdezeug war durch das ganze
Mittelalter ein beliebter Gegenstand für eine reiche künstlerische Aus-
stattung. Bestimmte Beweise hiervon haben wir im Psalterium aureum
von St. Gallen um 800, nähere Beschreibungen in den Dichtungen
Fig 220.
Fig. 220. Krippensattel aus der ehemaligen Sammlung Meyrick.
15. Jahrhundert Anfang.
des 12. Jahrhunderts, wie im Nibelungenlied, wo der mit Steinen aus
India besetzten Sättel gedacht wird. Im 13. und 14. Jahrhundert
bezeugen bereits Dokumente, mit welchem bedeutenden Aufwände
von Kunst die Sättel ausgestattet wurden.*) .Im öffentlichen Verkehre
*) Rechnung des Hofsattlers Geffroy lc Breton für den Connctable von Frank-
reich Kaoul Comte d'Eu (1336—1319):
,,Für Monseigneur einen prächtigen Kennsattcl, die Bogen vorn* und hinten
mit verschlungenen Verzierungen von Silber, in Form von Röhren beschlagen und
an den Ecken dieser Verzierungen Einfassungen und in der Mitte dieser Bogen
ein Liebesgott, in Goldstoff gekleidet, nach dem Leben gebildet, die Hände und
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io. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
203
waren je nach dem Stande des Reiters Krippensättel beliebt, welche
entweder vollständig mit Elfenbeinplatten in flachen Reliefs belegt
waren oder doch teilweise Einlagen von Elfenbein in Holz besafsen.
Fig. 221.
Fig. 221. Jagdsattel mit Überzug von rotem Lcder, gestickter,
kreisrunder Satteldecke und metallenen Steigbügeln. Sudfranzösisch.
14. lahrhundert.
• ■
Von diesen Sätteln, welche, ganz ohne Sitzkissen, gewissermafsen nur
der Kopf von Elfenbein und die Flügel von Goldschmiedearbeit. Er hält eine
Holle von Email in der Hand und sitzt auf einer Rasenbank von Samt, bei dem
einen dieser Liebesgötter befindet sich ein Schäfer, bei dem anderen eine Schäferin,
beide sind in Goldstoff gekleidet, Köpfe und Hände sind aus Elfenbein und auf
dem genannten Wiesenplan sieht man Schafe aus Elfenbein, welche weiden, und
dabei einen Hund von Elfenbein. Der genannte Wioscnplan ist auf das schönste mit
funkelnden Blumen bestreut. XLV. L. p."
Demay, G., Lc costume au moyen-age d'apres les secaux. Paris 1880.
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204
I. Die Schutzwaffen.
das Gestelle darstellen, haben sich noch wenige Exemplare in den
Museen erhalten, von welchen das älteste aus dem Ende des
14. Jahrhunderts stammt (Fig. 225.) Die Mehrzahl derselben ist
französisch oder burgundisch, einige besitzen aber auch niederdeutsche
Bandinschriften. Die Steigbüge) jener spätesten Periode des Krippen-
sattels haben eine eigentümliche Form. Sie sind trapezförmig, sehr
schmal, mit Riemenblechen und besitzen eine schief gegen auswärts
gerichtete breite Trittplatte. (Fig. 226.)
Die Kürifssättcl des 1 6. Jahrhunderts erhalten auf den Beschlägen
Fig. 222.
Fig. 222. Schwerer K ilrifssatte 1 , blank mit schwarz geätzten
Strichen, des Otto Heinrich, Pfalzgrafen am Rhein. Deutsche Arbeit
von 1523.
der Bögen dekorative Auszierungcn gleich jenen, welche wir bei den
Harnischen beschrieben haben, die reichsten, welche aus Mailand und
Spanien bezogen wurden, Verzierungen in Treibarbeit in Verbindung
mit Tausia. Es kommt häufig vor, dafs der Sattel in Zeichnung und
Technik mit dem Harnische im Einklänge verziert ist, somit zur
Harnischgarnitur gehört. Ein Beispiel rindet sich in der grofsen
Harnischgarnitur Kaiser Ferdinands I. in der Hof-Waffensamm-
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io. Das Pferdezeug und der Pferdcharnisch. 205
lung in Wien, zu welcher jener Rofsharnisch gehört, der gegenwärtig
im Zeughause zu Berlin bewahrt wird.
Etwa um die Mitte des 1 7. Jahrhunderts erhalten die Sättel für
den bürgerlichen Gebrauch, namentlich für ein prunkvolleres Auftreten
eine wesentlich geänderte Form. Die hohen Bögen verschwinden
allmählich und machen gepolsterten, reich mit Samt oder Seide über-
zogenen Kissen Platz, die Schenkel wülste entfallen ganz, der Sitz
wird flacher, das Sitzkissen erhält Verzierungen in Stepparbeit und
Auszierungen in Soutache. Der Sattel wird wieder erheblich kleiner,
ebenso die Satteldecke, welche jedoch immer noch der Gegenstand
einer reichen Auszicrung bleibt. Die ersten Muster dieser Formen
gelangten aus Spanien nach Frankreich und Deutschland. Der Kriegs-
sattel aber behält in jener Zeit im wesentlichen die alte Form der
Kürifssättel, namentlich in der schweren Reiterei; nur verliert er, in-
Fig 223. Kig. 224.
Fig. 223.* Steigbügel zu einem schweren Rofszeuge. Um 1510.
Fig. 224. Geschlossener Steigbügel von einem Prunksattel
aus der Zeit Kaiser Max im* Ii ans II.
folge der Ausbildung der Reitkunst, die Schenkelwülste. Leichte
Reiterei bedient sich aber schon spanischer Sättel.
In keinem Gegenstande der kriegerischen Ausrüstung macht sich
der Gegensatz der Anschauungen zwischen dem Orient und dem
Occident drastischer geltend, als in der Ausrüstung des Pferdes. Hatte
sich im Occident dem Naturell, der Taktik entsprechend die Pferde-
rüstung immer schwerfälliger herausgebildet, so sehen wir dieselbe im
Oriente leicht und dem Baue des Pferdes angemessener. Die Taktik
der Orientalen beruhte immer auf Beweglichkeit und Ausdauer, mehr
auf der moralischen Wirkung, als auf jener des physischen Anpralles.
Sage wie Geschichte belehren uns, dafs der Araber im Kampfe sich
in der Regel nicht der Hengste, sondern der Stuten bediente. Die so
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I. Die Schutzwaffen.
zu Tage tretende Vorliebe für ein fügsameres, treues, in längeren
Anstrengungen ausdauernderes Reittier ergab sich aus dem beweg-
licheren Naturell des Arabers, der Gestaltung seines heimischen Bodens
und der darauf beruhenden eigenartigen Kampfweise. In den Kreuz-
zügen erhielten die westlichen Europäer zum erstenmal Gelegenheit,
die Taktik wie die Ausrüstung der Araber zu beobachten, und scheinen
manches bei jenen Gebräuchliche sich zu nutze gemacht zu haben.
Gewisse, im östlichen Europa ansässige Nationen, die Tartaren, Russen,
, Polen, die Stämme des byzantinischen Reiches, die Ungarn, ja bis zu
einem gewissen Grade selbst die Böhmen standen in Beziehung auf die
Formen der kriegerischen Ausrüstung seit den ältesten Zeiten unter
dem Einflüsse des Orientes.
Fig. 225.
Fig. 223. l'runksattcl, mit Elfenbein belebt und tuit figuralen
Reliefs reich ausgestattet. Die Darstellungen beziehen sich auf die
St. Georgslegende. 14. Jahrhundert, Ende. Nationalmuscurn zu
Von Polen und Ungarn aus fand die orientalische Art der
Pferderüstung zuerst in Deutschland Eingang; in Österreich leiten die
ersten deutlichen Spuren davon ins 14. Jahrhundert zurück; im
16. Jahrhundert linden wir Zäumungen ungarischer Art bereits in
Die orientalischen Sättel unterscheiden sich von den deutschen
durch den Bau der Gestelle. Der deutsche Sattel liegt vollständig
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JO. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
207
auf dem Rücken des Pferdes auf, der orientalische mit breiten Schienen
auf den Rippen des Pferdes, während das Rückgrat vollständig frei
bleibt. Bei der Lage des Sattels ist eine reiche Unterlage von Filz
oder Wolle unerläfslich, wenn das Pferd nicht gedrückt werden soll.
Fig. 226.
Fig. 226. Vorder- und Seitenansicht eines rechtsseitigen Steig-
bügels, zu einem Krippensattel gehörig, aus durchbrochenem Eisen.
15. Jahrhundert, Mitte.
Im hohen Ansehen im 15. und 16. Jahrhundert standen ihrer
ausgezeichneten Lederarbeit wegen die spanischen Sattel. Man unter-
Fig. 227.
Fig. 227. Maurischer Sattel (liarda) mit reichgesticktcr,
samtener Decke. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte. Armeria Real zu Madrid.
schied damals die Sättel der christlichen Bevölkerung, die gallegas,
von den Kriegssätteln der Mauren, die man bar das nannte. Die
vorzüglichsten Werkstätten der gallegas waren in Galizien, jene der
maurischen Sättel in Cordova und Granada. Die barda besafs einen
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203
I. Die Schutzwaflen.
in stumpfe Spitze aufstrebenden Vorderbogen und den allen arabischen
Sätteln gemeinsamen hohen, runden Hinterbogen. (Fig. 227.)
Der arabische Sattel ist ein niederer Bocksattel, klein, mit
Fig. 228.
Fig. 228. Arabischer Sattel. Die Vorder- und Hinterstege
sind in feiner Lackmalerei geziert, die Seitenblätter sind von Lcder, mit
Goldfarbe in orientalischem Ornament bemalt, die Unterlage ist aus
dickem, braunen Filz. Beutestück aus dem Feldzuge von 1556 gegen
die Türken.
Fig 229.
Fig. 227. Sattel mit silbernen und vergoldeten Stegbeschlägen
und Bezug aus rotem Samt, zur sogenannten „türkischen Rüstung" ge-
hörig, welche der kaiserliche Feldhauptmann Lazarus Schwcndi
(1522 — 1584)' dem Erzherzog Ferdinand von Tirol verehrte. Beule-
stück aus dem Feldzuge von 1566.
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IO. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
209
schmalem aber hohen, mit Metall beschlagenen vorderen Bogen, der
in einen hoch aufgesetzten Knopf endet; der Sitz ist kurz und schmal,
der hintere Bogen ist abgerundet und meist hoch gestellt. (Fig. 228.)
Der Sattel der vornehmen Araber und Türken ist immer mit einer
reichgestickten Decke (apäji) belegt. Der Bau, ebenso wie die
stilistische Ausstattung des türkischen Sattels ist ähnlich dem
arabischen, nur in den hängenden Sattelblättern, die an den tartarischen
Sattel erinnern, findet sich ein Unterschied. (Fig. 229.)
Der tartarische, auch raoskowitische Sattel des 15. Jahr-
Fig. 230.
Fig. 230. Tartarischer, auch altrussischer Sattel mit Bezug
aus grünem Damast. Die Stege sind mit Fischhaut (Squalus cetrina)
belegt. Die Seitenblätter von Rindsledcr sind mit orientalischen Dessins
bemalt. Beutestück aus dem Feldzuge von 1556.
hunderts ist ein sehr hoch gestellter Bock mit hohen Bögen, dicken
Kissen und seitlich angebundenen Sattelblättern. (Fig. 230 und 231.)
Der alte ungar ische Sattel, vom Ende des 1 5. Jahrhunderts,
wie er uns in prächtigen Exemplaren aus dem Besitze Maximilians I.
vor Augen gelangt, ist in seiner Bauart ein Mittelding zwischen dem
Ho che im, Waffenkunde. '4
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210
l. Die Schutzwaffen.
deutschen und arabischen Sattel. Kr ist weniger hoch gestellt, der
Vorderbogen ist schmal, flach, oberhalb aber hoch, vorgebogen und
seitlich zusammengedrückt. Der Sitz ist derart gebildet, dafs er von
der Höhe des hinteren Bogens bis nach vorne in schiefer Richtung
läuft. Der hintere Bogen ist ähnlich dem arabischen, nur bedeutend
breiter. (Fig. 232.) Ungarische Sättel wurden im 16. Jahrhundert
Fiß- 231-
Fig. 231. Tscherkcssischer Sattel mit eisernen Steigbügeln
und Bezug von rotem Maroquin mit Silberstickerei. Die Stege, von ge-
schwärztem Eisen, sind mit Silbertausia geziert. 18. Jahrhundert. Kaiser-
liches Waffcnmuscum zu Zarskoe Selo.
Gc
io. Das Pferdeteug irnd der Pferdeharnisch. Hl
van •deutschen Reitern häufig benutzt, -wie denn überhaupt die An-
eignung ungarischer und polnischer Formen bis in die neueste Zeit
stattgefunden hat, ja sogar die alte türkische Sitte, die Pferde mit
mennigroter Farbe zu bemalen, wurde noch am Ende des 16. Jahr-
hunderts in Deutchland nachgeahmt. Die später als ungarische be-
nannten Sättel leiten sich in ihren Formen nicht so sein- von den
arten ungarischen, als van den mosfcowitischen und polnischen Book-
sättebi her, wie ein Vergleich mit den hier dargestellten Abbildungen
von Originalen des 16. Jahrhunderts auf den ersten Blick erkennen
läfst. Eine Eigentum hchkeit aller orientalischen Sättel des 16. Jahr-
Fig. 232.
Fig. 232. Ungarischer Sattel aus dem Besitze Kaiser
Maximilians I. Sattel und Decke sind aus rotem Leder und mit Gold-
farben im orientalischen Stile bemalt. 16. Jahrhundert, Anfang.
hunderts bildet die an der linken Seite, unterhalb des Sattelblattes
angebrachte scheidenförmige Öffnung für den „ Panzerstecher der
damit zur Pferderüstung gehörte, wie der Säbel oder das Schwert zur
Mannesrüstung. Derlei Einrichtungen finden sich auch zuweilen an
deutschen Kürifssätteln in der Periode der Türkenkriege der 2. Hälfte
des 16. Jahrhunderts.
Bemerkenswert erscheint ein Zubehör zur altorientalischen Pferde-
14*
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212
L Die Schußwaffen.
rüstung dadurch, dafs dasselbe zur Taktik der Reiterei des Ostens
einen deutlichen Beleg bietet: es ist dies die Hand pauke (türk.
tabl), welche an der rechten Seite am Vorderbogen des Sattels an-
gebunden wurde. Die Handpauke finden wir in allen orientalischen
Heeren, auch unter den Tartaren und Polen, im Gebrauch, nur im
ungarischen konnte der Verfasser bisher kein älteres Beispiel ihrer
Verwendung finden. Der Kessel ist gewöhnlich von geschlagenem
Kupfer oder Bronze. Unterhalb verläuft sich derselbe in eine stumpfe
Spitze, an welcher ein Öhr angenietet ist. An diesem Öhr sowohl
als auch am oberen Rande ist die Pauke mit Lederriemen an den
Sattel geschnürt. Der Durchmesser des Schlagfelles überschritt selten
25 cm. _Um dasselbe vor Nässe zu schützen, wurde es im Marsche
Fig. 233.
Fig. 233. Türkische Handpauke. Der Kessel ist aus Kupfer
und vergoldet, der Deckel von Metall, mit schwarzem Leder überzogen
und mit Goldfarben bemalt. Dabei der Schlägel. Beutestück aus dem
Feldzuge von 1556.
mit einem Überzug aus Rindsleder ausgestattet. Viele Reiter be-
haupteten, ihre Pauken seien mit Menschenhaut überzogen, deren
Ton angeblich eine unwiderstehliche Wirkung auf den Feind üben
sollte. (Fig. 233.)
In der That war die Handpauke ein ganz vorzügliches Mittel
zur Erhöhung der moralischen Wirkung beim Angriffe gegen Truppen,
die zum erstenmal orientalischer Reiterei gegenüberstanden. Der
ganze mächtige Haufe rückte in allmählich schärfer werdender Gangart
unter fortwährendem Schlagen auf die Handpauken an den Gegner;
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io. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
213
erst auf kurze Distanz von demselben wurden die Säbel gezogen und
geschwangen und unter Allahrufen in den Feind eingedrungen.
Bevor wir uns wieder der europäischen Pferderüstung zuwenden,
sei noch einer eigenen Form von Steigbügeln an orientalischen
Sätteln gedacht. Wie wir aus einigen gegebenen Beispielen ersehen,
Fig. 234. Fig. 235.
Fig. 234. Steigbügel von Holz und roh bemalt, zu dem tar-
tariseben Sattel Fig. 228 gehörig.
Fig- 235. Altungarischer Steigbügel aus verzinntem Eisen.
waren im Oriente die verschiedensten Bügelformcn und selbst solche
von Holz (Fig. 234) in Gebrauch, die mehr oder weniger den euro-
päischen gleichen. Solche nennt man im Türkischen üzengi (Fig. 235);
Fig. 236.
Fig. 236. Arabischer Steigbügel von Silber. 16. Jahr-
hundert, Mitte.
der Araber der Wüste jedoch, dessen Füfse nur von weichen Schuhen
aus Ziegenleder bedeckt waren, bediente sich von alters her einer
eigenen Art von Bügeln, in welchen der Fufs vollständig ruhte. Diese
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214 I. Die Schurz waffen.
Steigbügel wurden später auch voa den Türken benutzt, von. welchen
sie unter den Europäern den Namen türkische Steigbügel (tttrk.
sim-rikab) erhielten Weder der Araber noch der Türke trug in der
Regel Sporen, die Hilfen wurden durch die Steigbügel derart ge-
geben , dafs die inneren Ecken der Trittbleche in die Weichen des
Pferdes gedrückt wurden. Derlei Steigbügel finden sich noch heute
an Prunksätteln in der Türkei. Die Führung silberner Steigbügel war
nur den höchsten Würdenträgern gestattet. (Fig. 236 und 237.)
Unter den Mauren in Afrika und Spanien hatte diese letztere Form
nie eine allgemeine Anwendung gefunden.
Soviel wir aus den Siegeln des Mittelalters entnehmen können,
Fiß- 237.
F"g- *37- Türkischer Steigbügel Ton vergoldetem Eisen.
17 Jahrhundert.
tritt am Beginne des 13. Jahrhunderts das Streben zu Tage, das «
Pferd vor der Waffe des Gegneis durch eine Bedeckung aus einem
widerstandsfähigen Materiale zu schützen. Diese Bedeckungen,
Par sehen (housses) genannt, bestanden aus dickem Leder, Elenhaut
oder auch Rindsledcr, ähnlich dem Mannsharnisch mit eisernen
Scheiben, Ringen und Plättchen besetzt, welche angenietet waren; oft
finden sie sich besonders bei Vornehmen auch ohne diesen- Belag
und mit den Wappenfiguren des Eigners bemalt In derselben Zeit
tragen die Pferde der Vornehmeren Parschen von an Lederetreifen
gefädelten Ringen, später auch von Maschenpanzerzeug. Es sind dies
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IO. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch. 215
dieselben Deckstoffe, welche man für den Haubert und die Brünne
rerwcmlete.
Die Bedeckung war, bis zu den Sprunggelenken reichend, eine
vollständige, so dafs nur die Nüstern bis zum Gebifs unbedeckt
blieben und zwei Löcher dem Pferde das Sehen gestatteten. Die
ältesten Parschen waren ungeteilt und reichten in einem Stücke vom
Kopf bis zur Kruppe, an den Flanken waren sie bogenförmig ausge-
scl mitten, um den Sporen Raum zu lassen. Diese unbequeme Form
wurde aber bald geändert und die Parsche in zwei Teile geteilt, jene
des Vorderteiles: Vorbug oder Fürbug und jene des Hinterteiles:
Fig. 238.
Fif. 23S. Reiter im Haubert uud Brunne, mit an Lederstreifen
befestigten Ringen verstärkt. Das Pferd, mit Parsche aus gleichem
Stoffe und darüber gelegter Lederdecke, ist mit einem schweren Rofs-
kopfe ausgestattet. Elfenbeinstatuette, im Besitze des Rev. J. Eagles.
14. Jahrhundert, Ende. Nach Hcwitt.
Gelicger; dabei blieben die Flanken unterhalb des Sattels ohne Be-
deckung.
In Siegeln um 1220 erscheinen die Parschen in ihrer ganzen
Ausdehnung derart bemalt, dafs sich die Blasons des Eigners vorn
und rückwärts wiederholen. Die erste Veränderung der Parschen form
bestand darin, dafs der Fürbug bedeutend abgekürzt wurde, da der
schwere Stoff das Pferd im Sprunge behinderte. Fast gleichzeitig mit
den Lederparschen treten jene aus Panzerzeug auf, aber anfänglich
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216
L Die Schutzwaffen.
nur als Bedeckung des Vorderteiles, weil die ältesten Panzerzeuge
noch zu schwer waren. Erst im 14. Jahrhundert findet man Parschen
aus Panzerzeug, welche das Pferd vollständig bedeckten. (Fig. 238.)
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wird es Gebrauch, die
Parschen, vorzüglich jene aus Panzerzeug, mit Decken aus Seide oder
feiner Leinwand zu überdecken, welche wie die Lederparschen mit
sich repetierenden Blasons bemalt waren. Diese Art steht im Ein-
klänge mit der Art, die Mannsharnische von einem langen, ärmellosen
Kleide, dem „Waffenhemd", bedeckt zu tragen, die in den Kreuz-
zügen ihr Entstehen fand. (Fig. 149 )
Von ca. 1267 an findet sich auf dem Kopfe des Pferdes eine
dem Zimier des Mannshelmes gleichende Ausschmückung, entweder
nur aus Straufsfcdern oder mit Wappenfiguren: Hirschgestängen,
Wappentieren, Ungeheuern u. dgl.
Vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des 15. Jahrhunderts finden
wir die Pferdezeuge. Brustriemen, Sättel, das Gelieger, oft auch das
Kopfgestell, mit Schellen geziert. Es steht diese Sitte mit der Tracht
des Mannes in Beziehung, die ebenfalls mit Schellen geziert wurde.
In der oben angedeuteten Form blieben die Parschen aus Leder
oder Panzerzeug als allgemeiner Schutz des Pferdes im Kriege bis
gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts. Um diese Zeit beginnt die
Epoche der vollständigen Plattenharnische; man suchte nun auch
den Streithengst durch Eisenplatten zu schützen; damit erscheint der
sogenannte „Rofsharnisch". Die Vervollständigung desselben nahm
einen langen Zeitraum in Anspruch. Das erste Stück des Harnisches,
die Rofsstirne, tritt zuerst um 1300 auf; erst um 1360 wird der
Hals mit geschobenen Platten bedeckt, dabei blieb es durch nahezu
ein ganzes Jahrhundert. Erst um 1400 kommt als neues Stück des
Rofsharnisches der sogenannte Fürbug und wenig später das letzte,
das Gelieger, hinzu.
Der Rofsharnisch ist entweder ein schwerer oder leichter,
je nach seinem Gewichte, ein voller (Tonnenharnisch) oder ein
durchbrochener, je nachdem die Bedeckung durch Eisenplatten
vollständig den Pferdekörper umhüllt oder nur aus einzelnen Platten
und Schienen besteht, welche den Pferdekörper nur teilweise be-
decken.
Noch vor jener Periode, in welcher der Rofsharnisch vollständig
ausgebildet ist, tritt der Rofskopf, welcher den Pferdekopf bis an den
Hals gleich einer Larve vollkommen einhüllt, auf. Wir bringen hier
ein Beispiel vom Ende des 14. Jahrhunderts an einer Elfenbeinskulptur,
an welcher wir auch die Form einer Parsche ersehen und zu deren
Lederdecke wir uns nur ein geraaltes heraldisches Muster hinzuzu-
denken haben. (Fig. 238.)
Ein schwerer Rofsharnisch besteht aus folgenden einzelnen Teilen :
Der Rofskopf bedeckt den Kopf des Pferdes rückwärts und bis zu den
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io. Das Pferdeieug und der Pferdeharnisch
217
Nüstern vollständig. Die Ohren stecken in röhrenartigen Muscheln,
die weiten Augenlöchcr, zumeist von Augendächern bedeckt,
sind entweder offen oder mit buckeiförmig vortretenden Gittern be-
deckt. (Fig. 239.) Auf der Stirne ist entweder ein Stachel ange-
bracht oder ein Wappenschild aufgenietet. An den festen Teil schliefst
sich oberhalb eine breite Folge, die mit dem Halsstück (, Kanz') in
Verbindung steht. Der Kanz deckt entweder nur den Kamm allein,
dann ist er mittelst geschienter Riemen an den Hals gebunden, oder
F'ß- 239-
Fig. 239. Schwerer Rofskopf, von einem MaximUiansharnische,
mit vergitterten Augenlöchern. Deutsch, um 1515.
er deckt den Hals in breiten Geschüben vollständig (.ganzer Kanz');
immer aber ist er mit der letzten Folge an den Sattel geschnallt.
Dicht daran schliefst sich, die Brust deckend, der Fürbug, aus
einem Stück bestehend und gleichfalls durch starke Riemen an den
Vorderbogen des Sattels befestigt. Zu den Seiten befinden sich
häufig buckeiförmige Auftreibungen, die sogenannten Streifbuckel.
Der vordere Teil wird häufig verziert und zur Darstellung von Wappen
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218
I. Die Schutzwaflen.
oder Devisen des Eigners benutzt.. Der Rückenteil des Pferdes wird
durch das Gelieger bedeckt, welches am Rücktet! des Sattels an-
geschnalft wh*d. Man unterscheidet hier die Seitenteile. Taschen
vom Kruppteile. Ist das Gelieger ein volles, dann ist der Pferde-
schweif meist unterhalb desselben; ist dasselbe rückwärts geteilt, dann
ist er aufserhalb und aufgebunden. Auf dem höchsten Punkte des
Geliegers, etwa oberhalb des letzten Brustwirbels wird häufig ein ge-
stielter Knopf aufgesetzt, der nur eine dekorative Bedeutung hat.
Li
t
4»-j
Fig. 240.
Fig. Z38. Schwerer Rofsharnisch Fcrd inands, Herzogs
von Alba, gefertigt »on Dvsiderrus Colman zu Augsburg I55T. Aus
einem Bildcodex: Musterbuch eines augsburgischen Atzmalers in der
königl. öffentl. Bibliothek zu Stuttgart Cod. mil. 24.
Die Zngelrkmen werden durch geschobene Platten, Zügelbleche,
verstärkt, die Weichen oder Flanken bleiben in der Reget unbedeckt
(Fig. 240.)
Ein derart geharnischtes Tier wird ein geliegertes Rofe ge-
genannt; leichtere Harnische wurden anfänglich weniger für das Feld,
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IO. Das Fferdeaeng und der Pferdeharnisch.
als für den gewöhnlichen Gebrauch und bei festlichen Gelegenheiten
Bei solchen ist der Kopf nur durch eine ganze Rofsstirne ge-
deckt (Fig. 241), welche nicht über die Genaschen reichte; der
Kanz deckte nur den Kamm, der Fürbug
war schmäler und das GeUeger bestand
oberhalb nur aus Schienen, an welchen seitlich
breite Taschen hingen, (Fig. 242.)
Um 15 15 bestand die Einrichtung in
den Kürisser-Regimentern, dafs die Kürisser
auf schwer geliegerten, die reisigen Knechte
aber auf leicht geliegerten Hengsten ritten.
Auch wenn das Rofs ungeliegert war,
pflegte man an die Stirn desselben eine halbe
Rofsstirne zu schnallen, die nur bis zu den
Augen reichte und das Nasenbein bis zur
Hälfte deckte. (Fig. 243.) Selbst die Esel
und Maultiere des Trains wurden mit Eisen-
stirnen ausgerüstet, eine solche Eselstirae ßndet
sich in der Sammlung Fr. Thill in Wien.
Versuche des Plattners Lorenz Hehn-
schmied in Augsburg um 1480, das Streitrofs
vollständig am Bauche und bis an die Fes-
seln der Hufe zu decken, fanden der Schwie-
rigkeit der Fertigung halber keine allgemeine
Nachahmung. *)
Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts
treten für Zwecke der Repräsentation bei
Festlichkeiten Pferdezeuge von besonderer Rofsstim" mit Betriebe-
Ausstattung und Zierlichkeit, sogenannte Ca- «en Verzierungen auf ge-
perationen, auf, von welchen selbst die aus ^U^™/XLctTrcIi
Plättchen und Partikeln von Blech gebildeten zu Ma^d
nicht eigentlich unter die Pferdeharnische zu
reihen sind. Sie sind zumeist in schönem Dessin durchbrochen. ' Die
einzelnen beweglich verbundenen Blechstücke sind mit Samt oder
Seide überzogen, oft gestickt oder mit Soutachierungcn in Gold oder
Silber geziert (Fig. 244).
Eine charakteristische Beigabe zu den italienischen Caperationen
ist in dem Schweifbunde zu sehen, der in einer ledernen, oft
auch mit Samt überzogenen Hülse besteht, die um den Pferdeschweif
Fig. »41.
Fig. 241. Leichte
•) In einem kleinen Ölbilde von 1480 in den k. k. knusthistorischen Samm-
lungen zu Wien ist der Harnischmeister des Erzherzogs Maximilian, Junker Albrecht,
auf einem derartig in geschlossenem Gelieger geharnischten Pferde reitend darge-
stellt. Leber., Wiens bürgert. Zeughaus. Jahrbuch d. k. k. kunsthist. Museen,
VIII. Band.
220
I. Die Schutzwaffen.
gelegt und sodann mit Seidenschnüren zugeschnürt wird. Sein Zweck
war, den Schweif von den Exkrementen rein zu erhalten. (Fig. 245.)
Gewöhnlich ist derlei Pferdezeugen des 16. Jahrhunderts noch ein
Ring für den Streitkolben an der linken, und die Hülse für den
Schaft eines Fähnleins an der rechten Seite beigegeben.
Solche Caperationen gelangten vorzugsweise von Mailand aus
nach Deutschland und Frankreich. Doch auch Parschen von Leder
und Panzerzeug kommen bis ans Ende des 16. Jahrhunderts noch
zur Anwendung. Karl V. benutzte solche häufig und auch Erzherzog
Fig. 242.
Fig. 242. Reicher Kofsharnisch mit den getriebeneu Dar-
stellungen der Thaten Samsons und Herkules. Die mit Samt unter-
legten, durchbrochenen Folgen sind reich mit Goldätzung geziert und
mit Fransen und Quasten besetzt. Der geharnischte Reiter zeigt das
Bildnis Kaiser Maximilians L Der Helmschmuck, ein Pfauenstofs,
wurde weggelassen. Die Abbildung wurde einem Bildcodex aus der
gräfl. Thunschen Fidcikommifsbibliothek auf Schlofs Tetschen in
Böhmen entnommen, welcher sich als das Musterbuch eines Augs-
burger Plattncrs darstellt. Um 1510.
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IO. Das Pferdeicug und der Pferdeharaisch.
Karl von Steyermark besafs eine ganz besonders reich ausgestattete.
Eine Parsche aus Nashornhaut vom Anfange des 16. Jahrhunderts,
ganz in der Form eines eisernen Geliegers, hat sich noch erhalten
und findet sich in der Armeria Reale zu Turin. (B. 2.) Lederparschen,
mit Ringen benäht, aus dem Besitze des Erzherzogs Ferdinand von
Tirol, sind noch zur Stunde in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien
vorhanden. Solche Parschen späterer Zeit kennzeichnen sich dadurch,
dafs sie aus vielen einzelnen Teilen bestehen und so kurz geschnitten
sind, dafs sie die Beine des Tieres vollständig unbedeckt lassen.
Mit dem Beginne des 17. Jahr-
hunderts verschwinden die Pferdehar-
nische allmählich aus den Heeren der-
art, dafs man die einzelnen Teile aufser
Gebrauch setzt, zuerst das schwere Ge-
lieger, dann den Kanz, den Fürbug,
endlich bei den Kürassieren auch die
Rofsstime. Von der ganzen Beklei-
dung des Pferdes blieb nichts übrig,
als der Brust- und Schweifriemen, bei
schweren Pferden noch ein Gelieger-
zeug aus Riemen, das den Hinterteil
vollständig umfafste. Leichte Pferde
trugen am Brustriemen und an der
Kruppe ein Zeug aus schmalen Häng-
riemen, eine uralte Sitte, die aus dem
Orient stammt und direkt von den
Ungarn angenommen wurde.
Im 18. Jahrhundert war die Sattel-
decke, Echabraque, ein Hauptgegen-
stand der Verzierung, bei den Deut-
schen mehr rechtwinkelig geschnitten, bei den Ungarn nach rück-
wärts im spitzen Winkel endigend. Man findet sie in allen Farben,
meist aus Samt oder Tuch gefertigt und aufs reichste mit Gold und
Silberstickereien geziert.
Der Gebrauch, das Pferd durch geschlagenes Eisen zu
schützen, ist im Orient weit älter als in Europa, aber niemals hatten
die Orientalen sich soweit verirrt, Pferdeharnische zu benutzen, welche
der Kraft des Pferdes nicht entsprechen und die Beweglichkeit des-
selben beeinträchtigt hätten. Rofsstirnen arabischer Herkunft treten
uns in Sammlungen schon aus dem 16. Jahrhundert herrüberragend
vor Augen, ihr Gebrauch reicht jedoch, wie erwähnt, viel weiter in
die Jahrhunderte hinauf. Bemerkenswert ist ihre elegante Form und
stilvolle Ausschmückung. (Fig. 246). Auch solche Formen, welche
unter die Rofsköpfe zu reihen sind, finden sich noch aus älterer Zeit,
sie unterscheiden sich von den europäischen vorteilhaft durch ihre
Fig. 243-
Fig. 243. Halbe Rofs-
stirn, sogenannte Klcpperstirn,
von einer Harnischgarnitur König
Ferdinands I. mit geätzten und
vergoldeten Rändern. Auf dem
Stirnschildchen findet sich der
österreichische Bindenschild und
die Jahreszahl 1549. Deutsche,
vermutlich Augsburger Arbeit.
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I. Die Schutzwaffen.
Geschmeidigkeit und Nachgiebigkeit. (Fig. 247.). Der übrige Teil
des orientalischen Pferdehamisches (türkisch Gejm) besteht zumeist
aus kleineren, dünnen, meist reich in Gold gezierten Platten, welche
unter sich durch Streifen aus Maschenpanzer verbunden sind. Häufig
besitzt derselbe eine Unterlage aus gewebten Stoffen, Damast u. dgL
Fig. 244-
Fig. 244. Prunkhamisch und Caperation des Erzherzogs
Ferdinand von Tirol in getriebener Arbeit mit reichen Verzierungen
in Tausia. Gefertigt 1560 von dem Waffenschmiede Giovanni Battista
Scrabaglio in Mailand. Aus einem gleichzeitigen Bildcodex in den
kunsthist. Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses in Wien.
oder wenigstens eine Verbrämung aus kostbaren Stoffen. Orientalische
Pferdehamische wurden noch am Beginne des 18. Jahrhunderts in
den Kriegen verwendet.
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IO. Das Pferdezeug und der Pferdeharnisch.
Fig. 245-
Fig. 246.
Fig. 245. Schweifbund von der Caperation des Erzherzogs
Ferdinand ton Tirol. Fig. «44. 1560.
Fig. 246. Persische Rofsstirn mit geätzten und vergoldeten
Verzierungen und Inschriften. Musco Poldi-Pezxoli in Mailand.
Fig. 247.
Fig. 247. Arabischer Rofskopf, aus sechs Platten bestehend,
welche durch Streifen aus Panzergeflecht verbunden sind. Museo Poldi-
Pczzoli in Mailand.
XX. Der Sporn.
Unter den Kriegsgeräten hat der Sporn mit dem Aufnehmen
des feudalen Wesens eine über seine praktische Bestimmung
hinausgehende Bedeutung als Zeichen der ritterlichen Würde erlangt,
das nur demjenigen zu tragen zustand, der Recht und Pflicht hatte,
im Sattel zu sitzen, gegenüber dem Hörigen und Unfreien, der im
Heere zu Fufs diente.
Der Sporn, wenn auch bereits bekannt, scheint zu den Zeiten
der Karolinger noch nicht allgemein üblich gewesen zu sein, wenigstens
finden wir ihn in den Miniaturen aus jener Zeit, wie im Codex
aureus, noch nicht in Gebrauch. Wenn man jedoch bisher ange-
nommen hatte, dafs die Sporen, welche an-
fänglich mit zugespitzten, stachelförmigen Hälsen
erschienen, erst im 14. Jahrhundert Rädchen
erhielten, so hat dagegen ein schon 163g zu
Mailand in dem Grabe Bernhards, des Königs
von Italien, (gest. 811) gemachter Fund das
Gegenteil bewiesen, indem man in selbem bereits
ein Paar Sporen aus Messing mit kleinen Räd-
chen an den Hälsen gefunden hatte. Das war
aber zweifelsohne nur eine vereinzelte Ausnahme
gewesen. Denn alle bildlichen Zeugen vereinigen
sich dahin, dafs die ersten mit kurzen, spitzen
Hälsen ausgestatteten Sporen unter den späteren
Karolingern allgemein in Gebrauch kamen und
dafs erst um das Ende des 13. Jahrhunderts,
anfänglich bei Vornehmen, Sporen mit Rädern
üblich werden. Sporen mit Stachelhälsen wer-
Fig. 248. Steig- den bei den Franzosen Elsterschnäbel, becs de
bügel und Sporn eines geai, genannt und erschienen unter dieser Be-
französischen Befehls- zejchnung noch 1335, während in dem grofsen
habers. Nach Malereien . • , Tt V> j .r tv A * • u
in einem Manuscripte der Reitersiegel Herzog Rudolfs IV. von Österreich
2. Hälfte des ii. Jahr- von ca. 1 3 58 dieser Fürst bereits Sporen mit
hunderte in der National- grofsen , bizarr geformten Rädern an den Füfsen
bibliothek zu Paris. Nach trägt.
Jacquemin. ^..^ ^[erj-maj jes Alters eines Stachelspornes
giebt, wenn nicht stilistisc he Formen einen näheren Anhalt bieten, allein
die Richtung der Bügel und deren Riemenöhre. Die Bügel erscheinen im
1 1. Jahrhundert noch gcradelaufend oder nur wenig gebogen mit ein-
fachen, roh gebildeten Ohren, während sie schon im Anfange des
12. Jahrhunderts nach aufwärts geschwungen sind, damit die Hälse
im Gehen nicht auf den Boden schleppen. (Fig, 248.) Damit im
Zusammenhange steht das Bestreben, die Hälse nach aufwärts zu
Fig. 248.
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II. Der Sporn.
biegen. (Fig. 249, 250.) In jener Periode, als man noch die Füfse
mit Panzerzeug schützte, besafsen die Sporen zuweilen besondere
Formen. Man nietete nämlich den Stachel in eine Scheibe von
Eisenblech, welche nach de'r Form der Ferse ausgetrieben, mit Löchern
versehen und mittelst dieser durch starke Hanfladen oder Leder-
streifen an die Ringe des Panzerzeuges befestigt wurde. Ein solcher
Fig. 249. Fig. 250.
Fig. 249. Sporn aus dem Grabe des Königs Bela III. von
Ungarn (gest. Ii 96) zu Stuhlweifsenburg. Nach einer Zeichnung in den
Mitteilungen der k. k. C.-Kommission, Bd. II.
Fig. 250. Sporn aus dem Grabe Kasimirs des Grofsen
(gest. 1370) in der Kathedrale zu Krakau. Nach einer Zeichnung in
den Mitteilungen der k. k. C.-Kommission, Bd. 15.
Sporn wird in der Sammlung W. H. Riggs bewahrt. (Fig. 251.)
Im 9. Jahrhundert sitzt der Stachel noch ohne Hals auf dem Bügel,
im 10. Jahrhundert erscheint er gegliedert und von da an giebt
Fig. 251. Fig. 252.
Fig. 251. Stachelsporn. Der Hals ist auf eine Eisenschiene
genietet, welche durchlöchert, mittelst Tiersehnen auf den Fersenteil der
Eisenhose genäht wurde. 13. Jahrhundert, Anfang. Aus der Sammlung
W. H. Riggs. Nach Viollct-le-Duc.
Fig. 252. Sporn mit nach abwärts gerichtetem Halse, in Tausia
geziert. Italienisch. 16. Jahrhundert, Ende. Museum zu Zarskoe-Selo.
zuweilen der Stil der Gliederung einen sicheren Anhaltspunkt für das
Alter des Sporns.
Im 13. Jahrhundert erhält der Bügel oberhalb des Halses einen
kleinen Ansatz zu dem Zwecke, um zu verhüten, dafs der Hals
Boeheim, Waffenkunde 1$
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22 Ü
I. Die Schutzwaffen.
beim Gebrauche nach aufwärts gegen die Achillessehne schlage. Diese
Form erhält sich mit einigen Veränderungen bis ins 1 6. Jahrhundert
hinein.
Schon in der i. Hälfte des 12. Jahrhunderts wird es unter
den Vornehmen Sitte, die Sporen zu vergolden und selbst mit Emails
auszustatten, wie überhaupt, was die künstlerische Gestaltung und
Auszierung betrifft, der Sporn bis ins 17. Jahrhundert als ein von
der Kunst reich ausgestatteter Gegenstand erscheint.
In älterer Zeit und bis etwa ins 14. Jahrhundert ist der Sporn
bei den Orientalen nicht selten, er erscheint als gerader, ziemlich
Fig- 253.
Fig. 253. Sporn von geschnittenem Eisen, teilweise vergoldet.
Italienisch. 16. Jahrhundert.
langer Stachel mit kugelförmigen Ansätzen am Halse und selbst mit
kleinen Scheibchen. Namentlich steht er bei den Mauren in Ge-
brauch. Bei den östlichen arabischen und türkischen Völkern kommt
er seltener vor, weil die breiten Steigbügel denselben ersetzen.
Fig. 254.
Fig. 254. Gotischer Sporn aus geschnittenem Eisen, teilweise
durchbrochen gearbeitet und verzinnt. 15. Jahrhundert, Ende.
Die Länge des Halses ist für den Gebrauch keineswegs gleich-
giltig. Je länger der Hals, desto weniger kommt der Reiter bei der
Spornhilfe aus der Anlehnung der Waden. Auch die Sattelform hat
auf die Länge des Halses Einflufs, besonders aber die Bekleidung
des Beines vom 13. Jahrhundert an. Aus dieser Ursache benötigten
schon die mit Panzerbeinkleidern Gerüsteten des 13. Jahrhunderts
noch mehr aber die mit Beinschienen ausgestatteten Reiter des 15.
und dem Anfange des 16. Jahrhunderts, Sporen mit sehr langen
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Ii. Der Sporn.
227
Hälsen, weil die Kniebuckel eine nur beschränkte Bewegung des
Unterschenkels gestatteten. Später, als das Beinzeug beweglicher ge-
staltet wurde, und als man sich häufig nur halber Harnische bediente,
wurden die Sporenhälse wieder kurz, ja in Italien sitzen die Räder
oft knapp an den Bügeln und sind die Hälse nicht selten nach ab-
wärts gerichtet (Fig. 252 und 253.) Die beweglichen Spomräder
erscheinen vom 14. Jahrhundert an in den verschiedensten, vom
Kunststile der Zeit beeinflufsten Formen, ebenso häufig als am Rande
gezackte Scheiben wie als Sterne, Von der Zahl der Spitzen an
letzteren auf das Alter des Sporns schliefsen zu wollen, würde zu
Irrungen führen. Man findet in der Zahl der Spitzen gerade im 14.
Jahrhundert die gröfsten Verschiedenheiten. Von der Mitte des 15.
Jahrhunderts am Ausgange der gotischen Kunstperiode findet sich
häufig der Stern mit 6 dünnen Spitzen, er ist für die Zeit charakte-
ristisch. (Fig. 254.) In Burgund wird es unter Karl dem Kühnen
Sitte, an den Spornhälsen bewegliche Buchstaben als Anhängsel zu
Fig. 255.
Fig. 255. Sporn aus durchbrochenem Eisen und gehauenen Ver-
zierungen. Auf dem Stege liest man die Inschrift: „pomny na mye
ma myla wyerna pany" (Gedenke mein, meine liebe, getreue Gattin).
Auf dem Beschläge des Schnallcnriemens erblickt man ein gekröntes
gotisches Monogramm, das bisher nicht gedeutet ist. Um 1450.
tragen, welche in ihrem Zusammenhalte irgend einen Spruch, eine
Devise oder religiöse Anrufung darstellten. Diese Mode leitet sich
von einer älteren her, an den Spornhälsen Schellen zu tragen.
Von der Mitte des 14. Jahrhunderts ab finden sich an den
Bügelenden im Scharnier laufende Riemenöhre, deren Anfänge und
allmähliche Ausbildung man schon vom 13. Jahrhuudert an verfolgen
kann. Vom 1 5. Jahrhundert erscheinen die Sporen mit durchbroche-
nen Dessins in schöner Zeichnung, auch das hatte seine praktische
Ursache: um sie leichter zu machen. (Fig. 255.)
Von der Mitte des 15. Jahrhunderts an steht nicht selten der
Sporn unmittelbar mit dem Eisenschuh an der Ferse derart in Ver-
bindung, dafs der Hals ohne Bügel an das Fersenblech genietet ist.
An den meisten derartigen Harnischen in den Museen und Samm-
«5*
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228
I. Die SchutzwafTen.
lungen sind die Sporen weggebrochen, aber die noch sichtbaren Niet-
löcher zeigen ihr einstiges Vorhandensein an.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde in den meisten Fällen der
Sporn unter dem Eisenschuh an Riemen befestigt Das Beinzeug
besitzt zu diesem Zwecke an der Ferse tiefe Ausschnitte, aus welchen
der Spornhals hervorragt. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts
trifft man die unterschiedlichsten Arten des Anlegens der Sporen
am geharnischten Fufs, auch oberhalb des Eisenschuhes angeschnallte
Sporen zählen nicht zu den Seltenheiten.
Fig. 256.
Fig. 256. Sporn aus Eisen mit drei vertikal übereinander stehen-
den gezahnten Rädern. Polnisch. 17. Jahrhundert. Museum iu
Zarskoe-Selo.
Die Beriemung des Spornes bestand aus dem unter der Sohle
durchlaufenden Stegriemen und den über den Rist laufenden
Schnallenriemen. Im 15. Jahrhundert begegnet man auch doppel-
Fig. 257.
Fig. 257. Schwerer Kutschenreitersporn von Messing mit
drei Hälsen und sternförmigen Rädern. Deutsch. 17. Jahrhundert.
ten Stegriemen, oder selbst doppelten Kettchen mit Trittspangen, weil
Lederriemen leicht abgetreten wurden.
Ein charakteristisches Merkmal für das Alter der Sporen geben
die Formen der Riemenöhre. Die ältesten Exemplare haben an den
Bügelenden nur ein Öhr, an welches mittelst Ringen mit dem Steg-
riemen auch der Schnallenriemen befestigt wurde. Vom 13. Jahr-
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II. Der Sporn.
229
hundert an kommen bereits zwei Öhre vor, die übereinander, häufiger
aber hintereinander stehen. Das vordere diente immer für den Steg-
riemen. Im 15. Jahrhundert bildete man die Riemenansätze mittelst
Beschlägen, die in Scharnieren laufen. Für den Stegriemen wird ein
eigener Ansatz an den Bügel gebildet, der öfter zur Bügelrichtung
im Winkel gebrochen erscheint.
Im 17. Jahrhundert kamen bei den Moskowitern und Polen
Sporen mit 2 bis 3 Rädem vor, die Formen sind meist plump und
unschön. Den Reitern erschienen sie jedoch martialisch und sie be-
dienten sich daher derselben mit Vorliebe. (Fig. 256.)
Als man allgemein anfing, den Sporn auf der gewöhnlichen
Fufsbekleidung aus Leder zu tragen, wurde der Schnallenriemen über
den Rist breiter gemacht, um ein schmerzendes Drücken des Fufses
zu verhüten. Aus gleicher Ursache erhalten im 17. Jahrhundert die
Schnallenriemen vierseitig geschnittene Auflager aus starkem Leder,
durch welche sie hindurchlaufen. Diese Art der Beriemung hat sich
auch noch bis in die neueste Zeit erhalten.
In den Sammlungen finden sich zuweilen äufserst bizarr gestaltete
Sporen, zumeist aus Messing mit zwei und selbst auch drei Haben
mit mächtigen Rädern. Derlei Formen dienten nie für den Gebrauch
im Kriege, es sind sogenannte Kutschenreitersporen, welche an
den schweren Kutscherstiefeln angeschnallt getragen wurden, die dem
Reiter eine nur sehr beschränkte Bewegung mit den Füfsen ge-
statteten. Solche Sporen wirkten schon bei einer nur geringen An-
lehnung des Fufses an die Weichen des Pferdes. (Fig. 257.)
I
Die Handwerkszeichen der Plattnerfamilie Missaglia.
Relief im Hofe des Hauses derselben in der Via degli Spadari zu Mailand.
Um 1380.
II. Die Angriffswaffen.
A. Die blanken Waffen.
L Das Schwert.
as Schwert ist ein ehrwürdiges Vermächtnis aus dem Altertum,
seine Erfindung reicht weit über unsere geschichtliche Kenntnis
zurück; wir haben es jedoch hier nur mit seinen ersten Formen im
Mittelalter zu thun und mit den Wandlungen, welche dieselben bis
in die Neuzeit erfahren haben.
Wir verstehen unter der Bezeichnung Schwert im allgemeinen
eine Blankwaffe, welche mit gerader, ein- oder zweischneidiger, spitziger
oder abgestumpfter Klinge zum Hieb oder Hieb und Stich am Griffe
derart geführt wird, daß der Daumen am Ansatz der Klinge, ^ler
kleine Finger am Knaufe ruht.
Strenge genommen gehörten somit alle geraden Klingen mit
säbelartiger Montierung, wie die französischen Reitersäbel zum Stöfs
oder die sogenannten Pallasche, die polnische Karabela hierher; ihre
ganz verschiedene Montierung aber reiht sie zu den Säbeln, mit
denen sie in der Ausstattung übereinkommen.
Ohne die späteren Beigaben am Griffe, deren wir am betreffen-
den Orte gedenken, zu berücksichtigen, unterscheiden wir den Knauf,
das Griffholz und die Parierstange. Die Klinge, mit einem
schmalen Fortsatze aus weicherem Eisen, der sogenannten Angel,
vom Griffe gehalten, ist entweder einschneidig messerförmig oder
zweischneidig, mit abgerundetem oder spitzem Ende. Sie ist, wenn
wir ihren Querschnitt ins Auge fassen, flach, kolbig oder mit Grat,
mit Hohlschliff oder mit mehreren schmäleren Rinnen, sogenannten
Blutrinnen ausgestattet. Der Hohlschliff hat immer den Zweck,
die Klinge im Gewichte zu erleichtern.
Man mufs in der Beurteilung der Waffenformen immer festhalten,
dafs deren Entwickelung nicht von einem territorialen Punkte aus-
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
gegangen ist, sondern gewissermafsen von zwei Zentren, deren als
Grenzen des Einflusses gedachte Kreislinien sich berühren und oft
überkreuzen. So ist es auch in der Ausbildung der Schwertformen,
es stehen sich da zwei voneinander unabhängige kulturelle Bewe-
gungen gegenüber, von denen die eine ihren Anstofs in der römi-
schen Antike, die andere vom Oriente her erhalten hatte.
Die erstere ist von einer absterbenden Kultur ausgegangen, sie
ist einfach, selbst schwerfallig und führt erst nach Jahrhunderten zu
einer feineren Durchbildung. Die letztere ist das Ergebnis eines
mächtigen Aufstrebens und gelangt in überraschend kurzer Zeit zu
Fig. 258. Fig. 259.
Fig. 258. Kurzschwert, parazonium, gallischen Ursprungs aus
vormerowingischer Zeit. Gefunden bei Sesto-Calende. Archäol. Museum
der Akademie in Mailand. Nach Viollet-le-Duc.
Fig. 259. Formen des Sax ältester Zeit. Nach Beck, Geschichte
des Eisens.
einer aufserordentlichen Entwickelung, mit der sie zu verschiedenen
Perioden den ganzen Occident beeinflufst.
Wenn wir zur Beurteilung der Schwertformen zunächst die der
Klinge ins Auge fassen, so müssen wir vorerst bemerken, dafs sie
von der Ausbildung der Technik wesentlich abhängig war. Wir
finden demnach in den Händen der Völker am Ausgange der an-
232
II. Die Angriff s waffen.
tiken Periode durchweg nur das Kurzschwert, das in mancher Be-
ziehung dem Parazonium der Alten ähnlich ist. (Fig. 258.) Von
Italien und Spanien bis in den Norden hinauf finden sich die
Schwerter, welche Gräbern des 4. und 5. Jahrhunderts entstammen,
mit kurzen Klingen von ganz ähnlichen Formen, eine Beobachtung,
die sich auch auf die Griffe erstreckt. Die durchschnittlich 45 cm,
lange, meist kolbige, zweischneidige Klinge verbreitert sich gegen
Fig. 260. Fig. 261. Fig. 262.
Fig. 260. Langsax. Nach Beck, Geschichte des Eisens.
Fig. 261. Scramasax. Nach Beck, Geschichte des Eisens.
Fig. 262. Fränkisches Kurzschwert (Scramasax). Die ein-
schneidige Klinge mifst 34 cm. Länge und 7 cm. Breite. Der 17.25 cm.
lange Griff ist nahezu ganz zerstört. Die Lederscheide besitzt an der
Schneideseite eine Verbreiterung, von der aus das Schwert an dem
Gürtel befestigt wurde. Grabfund vor dem Burgthore in Andernach.
Rhein. Provinzialmuseum in Bonn. Nach C. Koenen, in den Jahr-
büchern des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande 18S8.
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A. Blanke Waffen, i. Das Schwert.
233
das 2. Drittel der Länge, um die Hiebwucht zu vergröfsern und
läuft spitz gegen das Ende zu.
Unter den Germanen, die das Schwert im gewöhnlichen Sinne
erst von den Römern übernahmen, war anfanglich nur das Messer
(sax, altd. sahs, angels. seax) zum Hausgebrauch bekannt, das später
auch im Kampfe dienen mufste. (Fig. 259.) Es hatte ursprünglich
eine gebogene Klinge, erst später formte man diese geradelaufend.
Zweifelsohne wurde es im Gefechte auch geworfen. Die Krieger
erachteten jedoch diese Waffe als zu wenig ihren Kräften entspre-
chend; sobald ihnen nur ein Schmied ein gröfseres Stück erzeugen
konnte, regte sich der Wunsch nach einer längeren und schwereren
Klinge. So entstand der Langsax mit einschneidiger, 3.5 bis 4
cm. Breite und 40 bis 60 cm. Länge. (Fig. 260.) Seine Form
hat sich mit einigen Veränderungen in den Waidmessern erhalten.
Auch der Langsax erschien dem Germanen zu leicht und wenig
wirksam, der unausgesetzt nach einer gewichtigeren Waffe verlangte.
Aus diesem Streben erwuchs das einschneidige schwere Kurz-
schwert, der Scramasax. Seine Klinge von 6.5 cm. Breite und
44 bis 76 cm. Länge hatte einen Rücken von 6 bis 8 mm. Breite,
Dimensionen, die der Waffe eine ungemeine Wucht geben mufsten.
Der Scramasax wurde darum auch an einem langen Griffe mit
beiden Händen geführt (Fig. 261 und 262.) Das Kurzschwert im
Beowulf wird Breitsax genannt, es scheint damit jedoch ein Scra-
masax bezeichnet zu sein. Eigentümlich ist den Klingen des
Scramasax eine tiefe Blutrinne, die nahe dem Rücken entlang läuft Die
Form des Scramasax finden wir noch im 9. und selbst im 10. Jahr-
hundert in Bildwerken, welche auf byzantinische Herkunft weisen,
wie am Porphyrrelief an der Markuskirche in Venedig (Fig. 263,)
und in einem Dyptichon im Domschatze zu Halberstadt.
Das einschneidige Hauschwert hatte unter den Germanen selbst
sich herausgestaltet das gestählte zweischneidige lange Schwert, so
früh es auch bei ihnen Eingang gefunden hatte, übernahmen sie von
fremden Völkern, wenngleich sein Name spatha nordischen Ur-
sprungs ist In den Händen der Germanen erwuchs dasselbe zu
gröfserer Länge und Schwere. In den ältesten Perioden seines Vor-
kommens konnte nur der Wohlhabende eine so mühsam gefertigte
teure Waffe sich verschaffen; das blieb bis in jene Zeit als unter
den Germanen der Wohlhabende vornehm, der Arme gering wurde.
Bereits unter den Merowingem war das Schwert nur eine Waffe des
Vornehmen, und das ganze Mittelalter hindurch galt dasselbe aus-
schliefslich als ritterliche Waffe.
Unter den Merowingem trug die Masse des Fufsvolkes neben
anderen Waffen, wie der firamea, einer Art Wurfspiefs, und der
francisca, einer Wurfhake, den deutschen Scramasax. In der
Reiterei führte nur der Vornehme ein Schwert deren zweischneidige
234
II. Die Angriffswaffen.
Fig. 263. Fig. 264. Fig. 265.
Fig. 263. Schwert aus dem Porpbyrreiief, ein sich umarmendes
Fürstenpaar darstellend, vor der Markuskirche in Venedig. Das Relief,
angeblich aus Ptolomais hergebracht, ist wohl byzantinisch. 10. Jahrh.
Fig. 264. Schwert samt Scheide aus dem Grabe des Königs
Chilperich (gest. 584) stammend, in seiner jetzigen fachmäfsigen Zu-
sammenstellung. Knauf, Parierstange und Scheidenbeschläge sind von
Gold, mit rotem Zellenemail geziert. Die Klinge mifst 48 cm. Musee
du Louvre.
Fig 265. Fränkisches Schwert mit eisenbeschlagenem Griffe.
Klingenlängc 8$ cm. Grabfund von Kirchberg bei Andernach. Rhein.
Provinzialmuseum in Bonn. C. Koencn in den Jahrbüchern des Ver-
eins von Altcrtumsfreundcn im Rheinlande 1888.
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A. Blanke Waffen. I. Das Sehwert.
235
flache Klinge aber, um vom Pferde aus besser wirken zu können,
eine Länge von 60 bis 70 cra. hatte. Diese Reiterschwerter der
Merowinger, von denen sich noch einige Exemplare in der Sammlung
des Louvre, im germanischen Museum, zu Mainz u. a. O. erhalten
haben, ist als Urform des späteren Reiterschwertes zu betrachten.
Eigentümlich ist den Reiterschwertern dieser Periode (um 580)
der quer stehende, knebeiförmige Knauf, das kurze Griffholz und die
kurze gerade Parierstange. Das Scheidenbeschläge mit Mundbeschläge,
Mittelbeschläge und Ortband läfst orientalische Einflüsse erkennen,
die sich auch, wie an dem bekannten Schwerte Chilperichs (f 584) im
Louvre, in der Form und Technik der Verzierungen aussprechen.
(Fig 264.)
Ein Beleg für den steten Einflufs des Orientes ist das Schreiben
Theoderichs des Grofsen an seinen Schwager den König der Van-
dalen Thrasamund (um 520), worin derselbe für eine Sendung von
Waffen, deren Klingen blank wie der Spiegel gefertigt und mit
schönen Vertiefungen, wie kräuselndem Gewürm, geziert waren, seinen
Dank ausspricht.*) Das waren ohne Zweifel Arbeiten maurischer
Werkstätten von der Nordküste Afrikas, und wir erhalten hier die
erste Kunde von einer Damaszierung der Klingen. Auch noch später
werden „wurmbunte" Klingen von Dichtern gepriesen. Aus dem
Funde in einem longobardischen Fürstengrabe von Civezzano,**) der
dem 8. Jahrhundert angehören dürfte, erweist sich, dafs auch in
dieser Völkerschaft das lange Schwert Eingang gefunden hatte; die
beiden Klingen sind breit, flach, haben eine durchschnittliche Länge
von 75 cm. und enden in stumpfer Spitze, die kurzen Griffe aber
zeigen römische Formen.
Was die Grifflform anbelangt, so finden wir neben den be-
schriebenen eine besondere, die sich unzweifelhaft aus ältester Zeit
herschreibt und ebensowohl bei den nordischen, als den germanischen
und fränkischen Völkern angetroffen wird. Diese Griffe sind häufig
aus Bronze gebildet, sehr kurz, die Handlage besitzt quere Gliede-
rungen, der untere Teil schliefst mit einer Scheibe ab. Schwerter
mit derlei Griffen scheinen in den damaligen Heeren allgemein ge-
führt worden zu sein. Der Übergang von dieser Form zur Form der
Griffe mit kleinen Parierstangen scheint erst im 8. Jahrhundert ein-
getreten zu sein. (Fig. 265.)
Vom 6. bis zum 7. Jahrhundert hatte die Klingenfabrikation im
Occident einen bedeutenden Aufschwung genommen; es erweist sich
dies in der ausgezeichneten Güte des Stahles und der vorzüglichen
Arbeit der aufgefundenen Klingen jener Zeit, die schon mit ganz
regelrecht geformten Hohlschliffen ausgestattet sind. (Fig. 266.) Es
*) Cassiod., Variar. Hb. V. Epist. 1. Gay V. Glossaire archeol. Alemellc
•) Ferdinandeum in Innsbruck.
230
II. Die Angriffswaffen.
1
Ii
Fig. 266.
Fig. 267.
V
Fig. 268.
F i g. 266. Schwert aus karolingischer Zeit mit silberbeschlagenem
Griffe und silberner oval gebildeter Parierstahgc. Die Klinge besitzt
einen der ganzen Länge nach laufenden Hohlschliff. Sammlung Graf
Nieuwerkerke. Nach Viollet-le-Duc.
Fig. 267. Schwert mit Scheide und Gehänge. Von einer
Miniatur aus der Bibel Karls des Kahlen (860—875). Nach Jac-
quemin.
Fig. 268. Das Schwert des heiligen Stephan, Königs
Ungarn. Der Knauf und die kreisrunde, oben abgeplattete Scheibe
Elfenbein zeigen früh romanisch»^ Laubwerk. Die flache, 109 cm lange
Klinge läfst noch Spuren einer Inschrift erkennen. Anfang des Ii. Jahr-
hundert. Schatz von St. Veit in Prag.
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A. Blanke Waffen. I, Das Schwert.
237
ist bemerkenswert, dafs die gröfste Menge der Klingen vom 5. bis
ins 7. Jahrhundert mit abgerundeten Enden erscheint, ein Beweis,
wie wenig Wert man in der Streitweise auf den Stich gelegt hat.
Die Griffe des 7. Jahrhunderts sind noch auffallend kurz, kaum für
die Faust ausreichend, mit Knäufen, welche bereits in die Form einer
aufrecht stehenden halben Scheibe übergehen, und geraden kurzen
Parierstangen. Die Klingen messen in der Länge bis zu 85 cm. und
darüber. So stellen sie sich nicht allein im Psalterium aureum und
anderen Handschriften des 8. Jahrhunderts, sondern auch in Origi-
Fig. 269. a. Fig. 270. b.
Fig. 269. Schwert eines französischen Befehlshabers aus einer
Miniatur in einem Codex der 2. Hafte des II. Jahrhunderts in der
Nationalbibliothek in Paris. Nach Jacquetnin.
Fig. 270 a. b. Schwertformen aus dem Teppich von Bayeux.
Ende des Ii. Jahrhunderts.
nalen dar. (Fig. 267.) Im allgemeinen erscheint das Schwert an-
fänglich nur als ein Werkzeug zum Verletzen und nicht auch als
ein solches, um sich vor der Verletzung des Gegners zu schützen.
Darum besitzen die ältesten Schwerter nur Griffe ohne oder mit
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238 . II. Die Angriffswaffen.
nur sehr kurzen Parierstangen ja die ältesten haben an dieser
Stelle nur Scheiben oder Knäufe. (Fig. 268.) Erst mit der Ent-
wickelung der Fechtkunst wurde bei der Form des Griffes auf den
Faustschutz Bedacht genommen. Die Fechtkunst kam aber erst in den
ersten Kreuzzügen in Aufnahme; auch sie ist orientalischen Ursprungs.
Die innere Festigimg des germanisch-gallischen Staatswesens
unter Karl dem Grofsen wirkte ungemein fördernd auf die Entwickc-
lung der Künste und Handwerke; dazu trug nicht wenig der stetig
zunehmende Verkehr mit dem Oriente bei. Dieser Einflufs macht
sich, wie überhaupt in der Kunsttechnik, auch in der Klingenfabri-
kation deutlich kennbar. Aus Syrien wanderten die ebenso geschickten
wie emsigen Kunsthandwerker, darunter die Klingenschmiede, nach
Europa und begannen anfänglich an den Küsten Siziliens und Spaniens
eine reich sich lohnende Thätigkeit. Dieser Thatsache ist es zuzu-
schreiben, dafs wir bereits am Ende des 8. Jahrhunderts Klingen von
einer so kunstvollen Ausführung erblicken, wie sie in christlichen
Ländern selbst bis ins 15. Jahrhundert nicht übertroffen wurde. Wir
finden in der Miniatur einer Handschrift der Nationalbibliothek in
Paris aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts in den Händen eines
fränkischen Befehlshabers ein Schwert mit kelchförmigcm Knaufe, ge-
rader Parierstange und einer sehr langen Klinge, welche einen bis
ans Ende reichenden Hohlschliff besitzt. Innerhalb dieses bemerkt
man Linien und Punkte angedeutet, welche vermuten lassen, dafs
mit ihnen bereits Durchlöcherungen, sogenannte „Giftzüge" (alemelles
ä fenetres) dargestellt sind; wie uns solche bisher nur in maurischen
Klingen des 14. Jahrhunderts vor Augen kommen. (Fig. 269.) Im
Teppich von Bayeux erscheinen die Schwertklingen von
>*v verschiedener Länge, übermäfsig lang bei Vornehmen,
*"\ \ etwa 60 cm. bei Geringeren und Fufsstreitern , meist
1 I spitz. Die Knäufe sind in Form einer halben Scheibe,
p ' ' 1 die Griffe besitzen kurze, gerade Parierstangen und ein
' auffallend kurzes Griffholz. (Fig. 270 a und b, 271.)
Wenig später treffen wir schon mit dem scheibenförmigen
Knauf die etwas nach abwärts gebogene Parierstange.
(Fig. 272, 273, 274, 275.) Der Knauf in seiner scheiben-
G St Vom förmi&en Gestalt hatte nicnt allein die Bestimmung, das
Schwerte Ausgleiten der Hand zu verhindern, sondern auch dem
eines Nor- Gewichte der langen Klinge ein Gegengewicht zu bieten,
manen aus Aus dieser Ursache werden auch die Knäufe in späterer
dem Teppich ^eit jramer massiver und schwerer. Im 12. Jahrhundert
Ende des macht sich eine strengere Scheidung des Reiter-
11. Jahrh. Schwertes von jenem des Fufsgängers merkbar, insoweit
man dem Fufsknechte überhaupt das Führen eines
Schwertes, das nur als eine Waffe des Adligen, desRitters angesehen
wurde, zugestand. Selbst in Italien, wo doch das Fufsvolk überhaupt nicht
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
239
so sehr mifsachtet wurde, führte dieses im 12. Jahrhundert nur Spiefse.
Diese Ausrüstung ohne Schwert erhält sich in der venetianischen
Miliz bis ins 13. Jahrhundert Vom Ende des 13. Jahrhunderts er-
scheinen auf den Klingen Marken, welche mit einfachen Gravierungen
versehen sind, in welche Gold oder Silber eingeschlagen wurde, die
einfachste Art von Tausia.
Ein Beispiel aus der Zeit des Überganges vom II, ins 12.
Jahrhundert bietet uns das sogenannte Schwert des heiligen Mauritius,
Fig. 272. Fig. 273.
Fig. 272. Schwert Kaiser Heinrichs IL des Heiligen (gest.
1024), aus dessem Missalc vormals im Domschatze zu Bamberg. Kgl.
Bibliothek in München. Nach Hefner, Trachten I, 2.
Fig. 273- Schwert Wilhelms II. des Rothen Königs von Eng-
land (1087 — 1100). Aus einer Miniatur der Bibel von Canterbury.
Bibliothek S. Gcncvicve. Nach Jacquemin Iconographie.
in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien, das trotz seiner sagen-
haften Zueignung doch erst der Zeit Konrads III. (1093, folgte 1 138,
starb 1152) angehört. Die federkräftige Klinge mit Hohlschliff trägt
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240 IL Die Angriffswaffen.
das Jerusalemer Kreuz in Silber tauschiert. Der Griff aus vergol-
detem Silber mit pilzförmigem Knauf besitzt lateinische Inschriften.
Das Zeremonienschwert der deutschen Throninsignien ebendaselbst
wurde unter Heinrich VI. (i 165, folgte 11 90, starb 1 197) in Sizilien
Fig. 274. Fig. 275.
Fig. 274' Schwert Gottfrieds I., Herzogs der Nonnandie.
Nach einer Emailplattc von ca. Ii 50 im Museum zu Mans. Gazette des
Beaux-Arts. 1886.
F i 275. Kriegsmann mit Schwert nach einer Miniatur in
einer Handschrift vom Ende des 12. Jahrhunderts. Königl. Bibliothek
im Haag. Nach Van der Kellen.
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Fig. 276. Das Zeremonienschwert der deutschen Kron-
insignien, gefertigt unter Kaiser Heinrich VL (1 165 — 1197). Mau-
rische Arbeit aus Sizilien. Der Knauf ist jüngere Arbeit des 14. Jahr-
hunderts. K. u. K. Schatzkammer zu Wien. Nach Leitner.
Fig. 277. Zweihändiges Schwert mit Ledergriff und Fassung
von Eisen aus dem 14. Jahrhundert. Auf der noch älteren Klinge
von 151.5 cm. Länge liest man in Majuskeln des 15. Jahrhunderts:
„Genannt Herr Dietrich von Berns schwert."
Boeheim. Waffenkuode. l6
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242 IL Die Angriffswaffen.
gefertigt. Seine federkräftige Klinge mit flachem Hohlschliff trägt
das Kreuzzeichen in Goldtausia. Griff und Parierstange sind in Email
geziert, der Knauf ist jüngere Arbeit der Zeit Karls IV. Die pracht-
volle, mit emaillierten Goldblechen und Lotperlen gezierte Scheide ist
genau so gefertigt, wie der Mönch von St. Gallen schildert.*)
(Fig. 276.)
Im 13. Jahrhundert erscheinen die Klingen bereits mit oft
längeren Inschriften in gotischen oder lateinischen Majuskeln, ein-
graviert oder auch in Tausia, aber auch schon mit ins Gesenk ge-
schlagenen Marken, durch welche der Meister bezeichnet wird. Die
Inschriften enthalten entweder fromme Sprüche, sogenannte Waffen-
segen oder kabbalistische Anrufungen, welche besonders auf Passauer
Klingen häufig angetroffen werden. Oft gibt die Reihe der Buch-
staben gar keinen Sinn und erscheint als eine willkürliche Zusammen-
stellung von Buchstaben. Die häufig auf Klingen des 13. und 14.
Jahrhunderts vorkommenden Buchstaben S. S. bedeuten Sacrificium
Sanctum.
Seit der Zeit der Karolinger erhielt das Schwert eine hohe Be-
deutung für den freien Mann. Man betrachtete es als einen Gegen-
stand der Verehrung, verlieh ihm Namen wie einem lebendigen Wesen
und umkleidete es mit dem Zauber der Romantik. So hiefs
Rolands Schwert, das der Schmied Madelger von Regensburg fertigte,
„Durandel" (Durenda Durindane). Karls des Grofsen Schwert hiefs
„Joyuse", das Turpins „Almance", das Ganelons „Mulagir", das
Schwert des Mohrenkönigs Paligans hiefs „Preciose", das cles Wilhelm
von Oranse ebenfalls Shoyuse (Joyeuse). Siegfrieds Schwert hiefs
bekanntlich „Balmung". In der Artussage finden wir gleichfalls mit
Namen belegte Schwerter. Voran steht „Caliburn", das Schwert des
Königs Artus, gefertigt auf der Insel Avalon, wo die Fee Morgane
hauste; es kam der Sage nach in den Besitz des Richard Löwenherz.
Um seinen Wert für den christlichen Sinn zu erhöhen, wurden
in die Knäufe Reliquien von Heiligen gefafst; diese fromme Sitte
erhielt sich bis ins 14. Jahrhundert. Nicht die Christen allein, auch
die Araber widmeten ihren Schwertern eine hohe Verehrung, und es
waren besonders die Mauren, welche dem Kultus des Schwertes im
hohen Grade huldigten.
Die Verehrung des Schwertes bei den Arabern datiert ohne
Zweifel noch aus vorraohammedanischer Zeit Den gröfsten Reich-
tum des Propheten bildeten nach den arabischen Schriftstellern seine
*; „Das Schwert wurde erstiieh von einer Scheide (von Holz), dann durch
Leder, drittens durch sehr weifses, mit hellem Wachs gestärktes Linnen so um-
geben, dafs es mit seinem in der Mitte glänzenden Kreuzchen zum Verderben der
Heiden dauerhaft erhalten werde." Monach. St. Gall. I. 34. Leitner, Die her-
vorragendsten Kunstwerke der kaiserl. Schatxkammer zu Wien.
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
243
10 Schwerter, unter denen als das berühmteste der „Dsulfakar" ( der
Durchbohrer) gepriesen wird. Nach Albufeda soll es Mohammed in der
Schlacht bei Bedr von Mombas al Heyjahi, dem Sohne des Alsaha-
mitam, erbeutet haben. Alle 10 Schwerter führten Namen, der Dsul-
Fig. 278. Fig. 279.
Fig. 278. Schwert des Deutschordensritters Konrad von
Thüringen, Landgrafen von Hessen, auf dessem Grabsteine von
1241. Nach Jacquemin, Ikonographie.
Fig. 279. Venezianisches Stadtschwert. Die 78 cm. lange
Klinge mit demNamen des Königs C oloman von Ungarn (1094 — 1 1 14)
gehört dem 14. Jahrhundert an. Der Griff von Elfenbein, in Form des
Ainkhurns (Narwall) geschnitten, mit vergoldetem Metallknauf von orien-
talisierender Form. Fassung 15. Jahrhundert, Ende.
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II. Die Angriffswaffen.
fakar lief sonderbar in 2 Spitzen aus, wie er auch allgemein abge-
bildet wird. Später wird seiner durch ein allgemein gebräuchliches
Schriftzeichen y erwähnt
Im Laufe des 12. Jahrhunderts ersteht in Deutschland der Ge-
brauch, die scheibefh förmigen Knäufe mit Wappen (Fig. 277), in
Italien und Frankreich, mit Inschriften oder Namen zu verzieren; er
erhält sich bis ins 15. Jahrhundert.
Am Ende des 1 2 Jahrhunderts verlängert sich an Reiterschwertern
das Griftholz allmählich. (Fig. 278.) Die Schwierigkeit, eine längere
Klinge von 80 bis 90 cm. mit einer Hand zu regieren, führte
zu der Notwendigkeit, auch zuweilen die zweite zu Hilfe zu nehmen;
damit entstehen die Griffe „zu anderthalb Hand". Diese Form,
Fig. 280. Fig. 281.
Fig. 280. Schwert mit Griff aus grün gefärbtem Horn, in Stift-
technik geziert. Die Klinge von 91 cm. Länge besitzt den sogenannten
Kettenring. Am Ansätze erblickt man Verzierungen in Goldschmclz
alla sanguigna, darin das Wappen der Hohenembs Die Scheide aus
gcprcfstcm Leder besitzt eine Besteckscheide für ein Messer. Mitte des
14. Jahrhunderts. Italienisch, Nach Hefner, Trachten II, 166.
Fig. 281. Reiterschwert mit Parierringen und Faustschutz-
spangen nach italienischer Art. Die Klinge von 108 cm. Länge ist
mit gehauenen Verzierungen ausgestattet. Deutsch. Um I53°-
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert. 245 ^
im 13. Jahrhundert noch vereinzelt auftretend, wird im 14. unter
den Adligen allgemeiner und zur charakteristischen Form des ritter-
Fig. 282 Fig. 283 Fig. 284.
Fig. 282. Gemeines R eiterschwert mit einfachem Faust-
schutzbügel und Kreuzspangen. Die 112 cm. lange Klinge wie die
Fassung sind Mailänder Arbeit. Waffe der KUrisser des Kurfürsten
Albrecht von Bayern, wie der auf der Klinge ins Gesenk geschla-
gene Rautenschild erweist. Um 1540.
Fig. 283. Gemeines leichtes Reiterschwert mit einfachem
Parierring und Daumenring. Länge der Bresciancr Klinge 107 cm.
Italienisch. Um 15 10.
Fig. 284. Italienisches Reiterschwert mit lappcnförmigem
Knaufe und schneckenförmig eingebogenen Parierstangen. 15 Jahr-
hundert, Ende.
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IL Die Angriffswaffen.
liehen Schwertes. Bis in diese Zeit waren längere Schwerter auch
ohne Scheiden getragen und blofs mit Riemen umwickelt. In Frank-
reich trug der Adlige zwei Schwerter, das eine lange am Sattelbogen
rechts, das andere kürzere am Gürtel an der linken Seite. Um die
Mitte des 13. Jahrhunderts traten zuerst jene Klingen auf, welche,
mit scharfem Grat versehen, von der Angel bis zum Ende spitz zu-
laufen. Sie dienten in der Regel für den Kampf zu Fufs, wurden
aber später, besonders in Italien, auch zu Pferde getragen; ihre spitze
Form zeigt bereits an, dafs man sich ihrer nicht allein für den Hieb,
sondern auch für den Stich nach den Zwischenräumen des Panzer-
zeuges, nach unbedeckten oder weniger verwahrten Stellen des
Körpers bediente. Die Schwertscheiden jener Zeit sind von Holz
mit meist getriebenen Metallbeschlagen. Die immer mehr zunehmende
Verbesserung des Harnisches war Ursache, dafs im 14. Jahrhundert
auch die Klingen eine bedeutendere Stärke erhielten, um im Hiebe
auch entsprechende Wirkung zu erreichen. Man findet denn auch
an den Klingen der eigentlichen Armeewaffen jener Zeit den Hohl-
schliff seltener und die gratige Klinge allgemein, die, um nicht ein
übermäfsiges Gewicht zu erhalten, von der Angel an spitz zuläuft.
Für Luxuswaffen und solche, die im gewöhnlichen Verkehre getragen
wurden, waren für die Form der Klingen immer andere Bedürfhisse
ausschlaggebend. Sie waren in der Regel kurz, für den Nahkampf
berechnet, leicht, um nicht unbequem zu werden; so entwickelt sich
am Beginne des 14. Jahrhunderts in Italien und Spanien gegenüber
dem eigentlichen Kriegsschwert „die Hauswehre", deren sich in
Städten der Adlige, der Bürger, auf dem Lande der Bauer bedient.
(Fig. 279, 280.)
Bis ins 14. Jahrhundert war deutsche Art in der kriegerischen
Ausrüstung mafsgebend; so war auch die in Deutschland übliche
Form für das Schwert in Frankreich und England allenthalben an-
zutreffen. Von dieser Zeit an beginnt im Waffenwesen der italienische
Eintlufs mächtiger zu werden. Er begann mit der Ausbildung der
Fechtkunst in Venedig, Bologna und Florenz, die sehr bald darauf
auch in Frankreich und Deutschland Eingang fand. Die allenthalben
auf dem Kontinent herumziehenden Adepten italienischer Fecht-
schulen, die Marcusbrüder, Fechtbrüder, hatten anfänglich einen nicht
unbedeutenden Einflufs auf die allmähliche Umgestaltung der Form
der Schwerter. Um 1350 finden wir bereits Fechtmeister unter der
Bezeichnung gladiatores in den deutschen Städten, 1380 Fechtschulen
(Vechtstatt) und die Meister werden Fechter genannt Kaiser Frie-
drich III. verlieh ihnen 1487 ein Privilegium, als „Meistern des
Schwertes". Ernste Schaustellungen wurden „Bluet-Rüer-Fechten"
genannt Herumziehende Meister hiefsen Freifechter. Im 17. Jahr-
hundert treten die Federfechter auf, welche statt des Schwertes den
Degen handhabten.
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A. Blanke Waffen. I. Da» Schwert
247
In Frankreich, wo die Waffenfabrikation ganz in den Händen
der Italiener lag, brauchte man im 14. Jahrhundert allgemein
Schwerter mit kurzen, spitzigen, grätigen Klingen und Griffen, welche
mit beiden Händen geführt und grofsenteils in Bordeaux erzeugt,
daher bordelaises genannt wurden; daneben erhielt sich das lange
deutsche Reiterschwert, Kürifs schwer t, dessen Griff aber überall
Formen Wandlungen unterlag, die den italienischen Geschmack verraten.
(Fig. 281, 282, 283, 284.) So erscheinen nun die lappig gebildeten
Knäufe, die gebogenen, attisch gegliederten Parierstangen und Beschläg-
formen an Scheiden, die bereits der Frührenaissance angehören.
(Fig. 285.)
In der Klingenfabrikation, in der bisher der Orient dominierte,
streiten nun Toledo, Passau und Brescia um den Vorrang. Zwei dieser
Zentren der Waffenschmiedekunst leiteten ihren Ursprung in die vor-
geschichtliche Zeit zurück. Toledo verdankte seinen späteren hohen
Ruhm den Mauren, Passau, eine Waffenstätte aus nachrömischer Zeit,
erhob sich später durch deutschen KunsUieifs zur ersten Stätte der
Kunstindustrie. Brescia, das schon den Etruskern Waffen schmiedete,
stand in der späteren Römerzeit bezüglich seiner Waffenerzeugung unter
einem Decurio armamentarii, dem auch die Werkstätten von Friaul,
Steyermark und Kärnten unterstellt waren und von welchen aus die
Legionen am Rhein, an der Donau, in Pannonien mit Waffen versehen
wurden. Im 13. Jahrhundert aber entwickelte sich Brescia bedeutend,
so dafs es mit staunenswertem Erfolge um den Preis des Vorranges
in die Bahn treten konnte.
Wenngleich, wie wir gesehen haben, das Schwert schon im 7.
Jahrhunderte und früher ein beliebter Gegenstand der künstlerischen
Ausstattung gewesen ist, so blieb diese doch nur auf einzelne Stücke
beschrankt, die Masse der übrigen erscheint in Ansehung der Fassung
auch da insgemein roh und plump, wo ausgezeichnete Klingen sorg-
fältigere Behandlung verdient hätten. Erst im 14. Jahrhundert, durch
italienischen Einflufs gefördert, erhalten die Griffe eine leichtere und
durchgebildete Form. Die Knäufe erscheinen in mannigfachen und
gefälligeren Formen, das Griffholz wird nun mit Leder oder Stoff
überzogen oder mit Draht umwunden, ja oft mit Seidenschnüren
netzartig umstrickt. Die Parierstangen werden nun nicht selten ge-
schweift gebildet. Gegen das Ende des Jahrhunderts zeigen sich in
Spanien die ersten kleinen Anfänge zur Erzielung eines besseren
Schutzes der Faust durch Beigabe des Faustschutzbügels (Eselshuf,
pas d'äne) der später, im 16. und 17. Jahrhundert, in Italien und
Spanien zu so übertriebener Ausgestaltung gelangte. Die Schwert-
scheide von Leder erhält Beschläge von Metall, das Ortband er-
scheint zuweilen in Form einer Zwinge. Nie findet sich ein Mund-
blech, welches damals nur an orientalischen Scheiden vorkam. Um
die Klinge vor Nässe zu schützen, wird der Oberrand der Scheide-
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II. Die Angriffswaffen.
mündung häufig im Eck geschnitten, wie wir aus Fig. 286 ersehen.
Schmale Riemen verbinden die Schwertscheide mit dem Gürtel, sie
bilden das Gehänge von Leder, welches für gewöhnlich nie Beschläge
erhält, oft nicht einmal mit einer Schnalle versehen wird. Die Be-
festigung des Schwertes an den Körper war anfänglich sehr einfach
und wurde durch einen breiten Lederriemen vermittelt, der an einem
Ende schmal geschnitten und durch Spalten am anderen Ende
Fig. 285. Fig. 286. Fig. 287.
Fig. 285. Prunkschwert Philipps des Schönen, Königs von
Castilien (1478 — 1506) aus vergoldetem Messing, teils durchbrochen
gearbeitet und auf rotem Sammt aufgelegt. Die 74 cm lange, spitz
zulaufende Klinge ist mit vergoldeten Gravierungen ausgestattet, in
welchen Wappen und Embleme des Papstes Julius II. (della Rovere,
gest. 15 13) erscheinen. Romische Arbeit vom Anfange des 16. Jahr-
hunderts.
Fig. 286. Schwert in der Scheide und mit Gehänge des
Schwanenritters in der Minnesinger- Handschrift der Nationalbibliothek
in Paris. Mitte des 14. Jahrhunderts. Nach Jacquemin, Ikono-
graphie.
Fig. 287. Schwert eines Kriegers mit Scheide und Gehänge
aus der Zeit König Johanns I. von Frankreich (1350 — 1364). Aus
einem Basrelief an der Kirche St. Leu in Paris, Erste Form der
Schleifengehängc. Italienischer Einflufs. Nach Jacquemin.
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert. 249
gesteckt und verknüpft wurde. Diese Befestigung war so unbequem
und umständlich, dafs die Krieger beim Nichtgebrauche das Schwert
mit dem um die Scheide gewickelten Riemen in der Hand trugen. Als
im 13. Jahrhundert die tiefen Waffengürtel (dupsing) in Gebrauch
kamen, wurde das Schwert an Ringen an diesem Gürtel getragen
und bei der tiefen Stellung desselben an den Lenden zu Fufs rück-
wärts am Boden nachgeschleppt Eine praktischere Befestigung des
Leibriemens durch Schnallen oder Haken, der Schwertscheide durch
Schleifen wird erst im 14. Jahrhundert allgemeiner. (Fig. 287.) Vom
Anfange des 16. Jahrhunderts datieren die aus Italien gekommenen
Taschen, in denen die Schwertscheide ruht Um die Mitte des
Jahrhunderts bestehen diese Taschen aus 3 und bis zu 6 schmalen
Riemen, die geschnallt sind und an einem Haken am Gürtel hängen.
Ein schmaler Riemen läuft von der Tasche gegen die Mitte des
Leibes an den Gürtel, um das Schlenkern zu verhindern. (Fig. 326.)
So bleiben die Schwertgehänge bis gegen die Mitte des 1 7. Jahrhunderts,
um welche Zeit die französische Art des Tragens über die rechte Schulter
üblich wird. In dieser Art behalten die Taschen anfänglich noch
die alte Form. Gegen das Ende des Jahrhunderts erscheint die
Seiten waffe mittelst der sogenannten Steckkuppel um die Mitte des
Leibes geschnallt
Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich allmählich die Überzeugung
herausbildet, dafs das Schwert für den Hieb allein auf die Pan-
zerung des Gegners eine nur geringe Wirkung hatte; infolge dessen,
wie wir gesehen haben, die Klingen spitz zulaufend gestaltet werden,
um sie auch für den Stich gebrauchen zu können. Bei der äufserst
soliden Fertigung des Lentners im 14. Jahrhundert, der an den
Achseln, am unteren Brustteile, den Armgelenken etc. bald durch
Platten verstärkt wurde, genügte auch diese Umbildung nicht mehr,
die Klingen waren zu breit und auch zu biegsam, um zwischen den
Geschieben in den Körper eindringen zu können. Das führte am
Ende des 14. Jahrhunderts zur Einführung der Bohrschwerter
(perswerte, auch pratspiefse genannt) (Fig. 288), welche in der Form
langer Pfriemen mit drei- oder vierseitigem Querschnitte und stumpfen
Kanten nur für den Stöfs zu gebrauchen waren. Die Spitzen dieser
Klingen haben in der Regel eine ungemeine Härte. Aus den Bohr-
schwertern, welche schwer zu regieren waren, bildete sich im 1 6. Jahr-
hundert eine ähnliche leichtere Schwertgattung heraus: der Panzer-
stecher, der im westlichen Europa in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verschwand, um den von Spanien aus in die
Mode gekommenen Stöfs degen Platz zu machen. In dieser Periode
schien es als würde die Stichwaffe die Hiebwaffe völlig verdrängen,
ja italienische Fufstruppen führten um 1 560 neben den noch üblichen
Schlachtschwertern (Z weihändern, Bidenhandern) auch zweihändige
Stecher von oft riesenhafter Länge. In der Türkei, in Ungarn und
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Fig. 288. Fig. 289.
Fig. 288. Pörschwcrt mit kantig geschliffener Klinge (gotischer Einrlufs). Der
Griff ist mit Leder überzogen; die Parierstangen sind verstümmelt. Um 1500. Deutsch.
Fig. 289. Schwert zu anderthalb Hand des Kaisers Maximilians I. Die
92 cm. lange italienische Klinge, noch dem 14. Jahrhundert angehorig, wurde später
mit dem Bindenschild in Goldschmelz geziert. Der Griff von Horn mit vergoldeten
Metallbeschlägen und mit blechbeschlagencr Tasche. Die Scheide von Leder hat
vergoldete Beschläge ungarischer Form
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
251
Polen, wo noch bis ins 18. Jahrhundert Maschenpanzer getragen wurden,
führte ein Teil der Reiterei Panzerstecher, welche, an der linken Seite
des Sattels zwischen den Taschen eingesteckt, einen Teil der Pferde-
rüstung bildeten. Aufserdem führte der Reiter seinen Säbel.
Wie rasch auch am Beginne des 15. Jahrhunderts infolge
spanischer und italienischer Einflüsse die Formen der Schwertgriffe
wie der Klingen sich umbildeten, die deutsche Ritterschaft hielt doch
anfanglich zähe fest an der Form des alten Kürifsschwertes mit langem
Griffe zu anderthalb Hand ohne Bügel und langer, mäfsig breiter
Klinge, wie sie sich in der Spätgotik herausstilisiert hatte. (Fig. 289.)
Die Griffe zeigen häufig eine eminente Technik im Eisenschnitt mit
wirkungsvollen dekorativen Ziermitteln, wie Mosaik, Email, Schmelz,
Gravierung. Auch der Gold- und Silberschmied, der Elfenbein-
schneider etc. nimmt allmählich häufiger Anteil an der Ausstattung des
Schwertes. Eine besondere Eigentümlichkeit an Reiterschwertern sind
die sogenannten Taschen, zweilappig geschnittene, in der Mitte
durchlöcherte Lederstücke, welche auf den Griff bis zur Parierstange
herab derart gesteckt wurden, dafs die Lappen beiderseits über den
Klingenansatz reichten. Die äufseren Lappen wurden häufig mit Messing-
nägeln geziert und wohl auch mit solchem Blech beschlagen. Der
Zweck dieser Taschen war, die Angel der Klinge vor Nässe und
damit vor Rost besser zu schützen. (Fig. 289.) Diese Lappen treten
schon um 1350 auf, und man findet sie noch an Schwertern des 16.
Jahrhunderts. Die Klingen werden vielfältig graviert, mit Gold, Silber,
Kupfer oder Messing eingelegt (tauschiert) und am Ansatz vergoldet.
Die Markierung der Werkstätten durch eingehauene oder ins Gesenk
geschlagene Zeichen wird allgemein üblich, und ausnahmsweise treffen
wir auch schon Namen oder doch Monogramme von Waffenschmieden
auf denselben. Eine der ältesten Klingenmarken, die schon im 14.
Jahrhundert bekannt war, ist der sogenannte „Wolf", das Zeichen
der Passauer Werkstätten, welches bis in den Orient durch Jahr-
hunderte eine grofse Berühmtheit erlangte, leider aber auch vielfach ge-
fälscht wurde") (Fig. 290). Ins Gesenk geschlagene Meistermarken führten
*) Es wird gegenüber den vielfach irrigen Ansichten über das Wolfszeichen
nicht Überflüssig erscheinen, über selbes einige Aufschlüsse zu geben. Der Wolf leitet
sich von dem Passauer Wappenschilde ab, welches aus einem aufrecht stehenden
Wolfe in Silber im roten Felde besteht. Eine Stelle in einer alten Passauer
Chronik, welche uns Leber in seinem Werke: „Das kaiserl. Zeughaus zu Wien"
mitteüt, berichtet, dafs die Passauer Klingenschmiede das Wolfszeichen 1349 durch
Albrecht den Lahmen erhalten hätten. Das stimmt nur insofern, als wir thatsächlich
keine älteren Wolfszeichen aufweisen können, aber zur Bezeichnung der Klinge
mit dem Wappen des Erzeugungsortes bedurfte es wohl keiner landesherrlichen
Begabung. Andere Werkstätten, die Solinger voran, haben sich unrecht-
mäfsigerweisc später gleichfalls dieses Zeichens bedient. Die auf den Klingen
eingehauene Gestalt des Wolfes ist für Passaucr Klingen charakteristisch und
unschwer von Fälschungen zu unterscheiden. Klingen von bischöflichen Werk-
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252
II. Die Angriffswaffan.
zuerst die Toledaner Werkstätten, ihnen folgten jene zu Brescia,
endlich die Nürnberger. Passau entschlofs sich erst spät zu ihrer
Einfuhrung. Um 1500 kommt die Tauschierung von Meisterzeichen
nur mehr ausnahmsweise bei Solinger Klingen vor.
Wir wenden uns nun der orientalischen
Klingenerzeugung zu, welche das ganze Mittel-
alter hindurch vielfach fördernden Einflufs auf
die occidentale Produktion gewonnen hat. In
der frühesten Zeit des Islams werden die indischen
Schwertklingen und jene von Yemen gerühmt,
später in den Kreuzzügen jene aus Syrien und
von Damaskus. Diese alten Industrien gingen
im 15. Jahrhundert sehr zurück, dafür hoben
sich jene in Ägypten, Marokko und Spanien;
letztere Orte hatten, wie wir bereits bemerkten,
schon zur Zeit der Vandalenherrschaft eine her-
vorragende Bedeutung. Vom 9. Jahrhundert
an kamen die Klingen aus schwarzem Stahl von
Fig. 290. Formen Khorassan mit Recht zu hohem Ansehen. Die
von Passauer Wolfs- Klingenfabrikation Toledos fand ihr Entstehen
"i;CMesnsinrc.!ngcleg\ "hon ™ ***** Mittelalter durch die Mauren.
14. und 15. Jahrhundert. Abderhaman II. gestaltete die dortige Industrie
vollständig um (822 — 852), ein Unternehmen,
welches von ungemeinem Erfolg begleitet war. Neben Toledo glänzten
in der Klingenerzeugung in Spanien im späteren Mittelalter Almeria,
Murcia, Granada, vor allem aber Sevilla, im 15. Jahrhundert auch
Valencia, Saragossa, Barcelona und Cuelar in der Provinz Segovia.
Wir kennen keine spanisch -maurischen Waffen von höherem
Alter als dem 15. Jahrhundert. Die schönsten besitzen die Armeria
Real (Fig. 291) und die Sammlung des Marquis von Villasecca in
Madrid, in letzterer bewahrt man die Waffen Boabdils. Unter den
berühmten Meistern spanischer Klingenindustrie, welche wir am Schlüsse
anführen, ragt der Maure Julian del Rey hervor. Er war vor 1492
noch Boabdils Dienstmann, nahm später das Christentum an und
erfreute sich der hohen Gunst seines Taufpaten, des Königs Ferdi-
führen aufser dem Wolf noch das pedum, den bischöflichen Krummstab.
Im 14. Jahrhundert, wenn nicht schon früher, wufsten die Passauer Klingen-
schmiede ihre Arbeiten mit mystischem Nimbus zu umgeben. Ihre Klingen, angeb-
lich unter geheimnisvollen Zeremonien gearbeitet, sollten nicht nur eine stets
tödliche Wirkung haben , sondern auch den Träger unverwundbar machen. Dazu
mufsten allerlei Sprüche, teils religiösen, teils kabbalistischen Inhalts dienen, welche
auf den Klingen eingegraben wurden. Ganz analoge Verhältnisse in Bezug auf
schlaue Benutzung des Aberglaubens finden sich bei den Waffenschmieden Indiens,
Chinas und Japans. Selbst den Türken waren Wolfsklingen und ihre geheime
Kraft nicht unbekannt, und die für derlei mystische Vorspiegelungen empfänglichen
italienischen Kriegsleute schätzten Wolfsklingen ungemein hoch.
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Fig. 291. Fig. 292. Fig. 293.
Fig. 291. Maarisches Schwert. Aus dem Besitze des Don
Juan d'Austria, aber aus dem 15. Jahrhundert stammend. Armeria
Real in Madrid, nach Laurent.
Fig. 292. Reiterschwert zu anderthalb Hand mit Parier-
ringen und gegliedertem Griffholz. 15. Jahrhundert Ende. Italienisch.
Fig. 293. Prunkschwert, bekannt unter der Bezeichnung „mit
dem Mascaron" mit einfachem Faustschutzbügel und aufgebogenem
Griffbilgel. Italienische Arbeit. Die schöne Klinge mit Giftzügen in
3 Reihen ist spanisch und trägt das Zeichen des berühmten Klingen-
schmiedes Sebastian Hernandez in Toledo.
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254
11. Die Angriffswaffcn.
nand des Katholischen. Als seine Marke ist eine einem Hündchen
ähnliche Figur angesehen, daher auch deren Name „perillo", aber
selbst unter spanischen Archäologen im Fache regt sich darüber ein
Zweifel, und man neigt sich jetzt der Ansicht zu, dafs mit diesem
Zeichen nicht jenes Julians allein, sondern ein allgemeines, ähnlich
dem Passauer Wolf, ausgedrückt sei. Julian arbeitete anfangs in
Granada, dann in Saragossa, zuletzt aber in Toledo, zu dessen Ruhm
er ausserordentlich beigetragen hatte.
Die japanische Klingenindustrie, welche heute durch den Druck
der modernen Fabriksthätigkeit ihrem Ende entgegengeht, hat eine
ungemein rühmliche Vergangenheit hinter sich. Wir sind in der Lage,
sie in ihren besten Meistern fast bis an den Beginn unserer Zeit-
rechnung zu verfolgen. Japanische Klingen gelangten von uralter Zeit
her ohne eigentliche Montierung in die Hände des Bestellers. Das
zweihändige Langschwert Katänä, das Kurzschwert Wakisaschi, end-
lich der Panzerstecher Ken wurden in einer Scheide von weifsem
Holze aus dem Stamme des Kiri verwahrt übergeben, auch die Angel
steckte in einer hölzernen Hülse. Nach Entfernung zweier Holznägel
konnte die Angel von der Hülse befreit und das auf ihr befindliche
Schwertfegerzeichen betrachtet werden. Die Fassung liefs sich
jeder Eigentümer nach seinen individuellen Ansichten fertigen. Das
gehörte nicht mehr zur Aufgabe des Schwertfegers. Was man in
Japan mit Schwert bezeichnet, ordnet sich fachlich unter die Krumm-
schwerter.
Mit der Verfeinerung des Kriegswesens wurde auch die Hand-
habung des Schwertes mehr durchgebildet; man beschränkte sich nicht
mehr auf ein blindes Dreinschlagen, um den Gegner ausgiebig zu
verletzen, sondern suchte auch in der Form und Führung das Mittel
zu finden, sich vor den Hieben des Gegners zu schützen. Dieses
Bestreben führte zunächst auf eine Veränderung der Schwertgriffe.
Bei den ältesten Formen derselben trennt nur ein knaufartiger Ansatz die
Faust von der Klinge, sodafs die Faust in ganz ungenügender Weise
gegen den Hieb geschützt ist. Einen besseren Schutz boten dann
zwar die Parierstangen, die anfänglich nur kurz gebildet sind und erst
später sich verlängern. Allein auch die Parierstange erschien bald un-
genügend; man verbreiterte deshalb die Deckung und bildete die Faust-
schutzbügel, anfänglich an der Aufsenseite, später auch nach beiden
Seiten.
Das Griffholz an Reiterschwertern entglitt zu leichtt der noch
von einem ungefingerten Eisenhandschuh (Hentze) bedeckten Hand;
man verjüngte und gliederte den Griff, um ihn in der ungelenken
Hand besser zu fühlen. (Fig. 292.) Zunächst traten dann in Italien
zum Schutze der Fingerlage die Griffbügel auf. Sie wachsen an-
fänglich aus der Parierstange heraus und stehen mit dem Knaufe
oberhalb nicht in Verbindung. Erst um 1560 sind sie vollständig
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A. Blanke Waffen, i. Da» Schwert. 255
geschlossen. (Fig. 293.) Erst gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts
kamen, von Italien her angeregt, Schwerter mit doppelten Faust-
schutzbügeln in Gebrauch, ein Bügel unter dem anderen, damit die
aufgefangenen Hiebe nicht bis zur Faust dringen konnten. Bald
darauf suchte man durch einfache und doppelte Korbbügel
(Spangenkörbe) auch die Knöchel zu schützen. Die ersten derartigen
Korbgriffe kamen aus Spanien, eine besondere Ausbildung erhielten
sie aber in Mailand. In gröfseren Massen wurden sie anfänglich in
Brescia, später aber auch allenthalben in Deutschland erzeugt.
Stichblätter kommen an Schwertern seltener zur Anwendung und
selbst dann nur bei italienischen. Im Oriente sind vorzugsweise bei
bei Panzerstechern scheibenförmige Stichblätter beliebt.
Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts kommt uns in vielen
Sammlungen eine Gattung von Schwertern vor Augen, die man
Schweinschwerter nennt Wie es ihr Name schon anzeigt, dienten
sie für die Eberjagd und verdanken ihr Entstehen dem Altmeister
auf dem Gebiete des Jagdwesens, Kaiser Maximilian I. Diese
Schweinschwerter haben gewöhnlich den Reiterschwertern ähnliche
Griffe, die Klingen aber sind bis etwa drei Viertel der Länge stab-
ähnlich, ohne Schneiden; erst von da verbreitern sie sich und bilden
schneidige Spitzen, an deren oberen Enden häufig eiserne Knebel
eingeschraubt sind, damit die Klinge nicht zu weit in den Rachen
des Keilers dringen und dem Jäger gefährlich werden könne. Derlei
Schweinschwerter wurden bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts
in Deutschland und Spanien viel erzeugt; von da an verschwinden
sie, da sie den Schweinspiefs doch nie ersetzten. (Fig. 294. 295.)
Bis gegen das Ende des Mittelalters ist ein Unterschied zwischen
den auf der Jagd und den im Felde geführten Schwertern nicht
merkbar. Aus Miniaturen ist nur so viel zu konstatieren, dafs gegen
Bären, Eber, Luchse u. dergl. in der Regel längere, in allen übrigen
Fällen, insbesondere bei der Falkenjagd, mit Vorliebe kurze, spitze
italienische Schwerter getragen wurden. Erst um 1470 wird es in
Burgund Mode, zur Jagd sich längerer, besonders geformter Schwerter
„Gjaidsch werter" zu bedienen. Jagdschwerter aus der Zeit des
Kaisers Maximilian I. besitzen den gewöhnlichen Griff von Schwer-
tern zu anderthalb Hand, ohne Faustschutzbügel nach deutscher
Art Zuweilen hat der Knauf eine schnabelähnliche Form. Die
Klinge ist immer einschneidig von durchschnittlich 85 cm. Länge.
Charakteristisch ist dem Jagdschwerte die an der äufseren Seite der
Scheide angebrachte sogenannte Besteckscheide, in welcher in der
Regel wenigstens ein Aufbruch-, ein Zerwirkmesser und ein Pfriemen
zum Auslösen der Fufssehnen steckte. Besteckscheiden finden sich
vom 14. Jahrhundert an auch häufig an Scheiden von Kriegsschwer-
tern; diese enthalten *ui der Mehrzahl Efsbestecke. Diese Form erlitt
am Beginne des 16. Jahrhundert durch italienischen Emflufs eine
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256 II. Die Angriffswaffen.
baldige Umbildung, dadurch, dafe die Klingen immer kürzer und
leichter werden. Endlich gestalten sie sich zum Jagdmesser des
1 7. Jahrhunderts und zum Hirschfänger (Standhauer) um. (Fig. 296.)
Fig. 294. Fig. 295.
Fig. 294. Schweinschwert mit geätztem und vergoldetem Griffe,
geschnürtem Griffholz und ScheidenhUlse Die 85.7 cm. lange Klinge
ohne Knebel hat Kinnen, in welchen Mariengebete in vergoldeter
Ätzung ersichtlich sind. 16. Jahrhundert, Anfang.
Fig. 295. Schweinschwert. Der Griff von Eisen mit Parier-
ri ugen ist in der Handlage mit schachbrettförmig«» Einlagen von H0I2
und Bein geziert. Die Klinge besitzt einen abschraubbaren Knebel.
Aus dem Besitze Kaiser Maximilians I. Deutsch. Um 15 10.
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Fig. 296.
Fig. 296. Hirsch fän gor samt Gehänge
mit Kufhorn, Leitschnur für den Hund und Wild-
schnüren für kleines Fcdenvild. Die Eisenteile sind
zierlich geschnitten und teils vergoldet. Der
Hirschfänger ist über die Schulter am Bandclier
von grünem Sammt zu tragen. 17. Jahrhundert,
2. Hälfte.
Boebcim, Waffenkunde.
253
II. Die Angriffs waffcn.
Wir haben zuvor bemerkt, clafs sich am Beginne des 14. Jahr-
hunderts und zuerst in Ländern eines regeren gesellschaftlichen Ver-
kehrs eine Form von Schwertern herausbildete die ihr Entstehen in
der Sorge um die persönliche Sicherheit im gemeinen Leben gefunden
hatte. Derlei Schwerter, Haus- auch Bauernwehren genannt, waren,
als für den Nahkampf berechnet, meist sehr kurz. Bauernwehren bilden
in ihrer Klingenform schon einen Übergang zum Säbel. In dem von
Parteien zerrissenen Italien tritt im i4.Jahrh. eine derartige Hauswehre
Fig. 297. Fig. 298.
Fig. 297. Ochsenzunge (Anelace) mit geschnittenem Griffe von
vergoldetem Messing, der mit Halbedelsteinen besetzt ist. Auf der
Klinge erblickt man in vergoldeter Ätzung die Gestalt des Herkules.
Auf dieser und dorn Scheidenbeschläge auch das französische Wappen,
umgeben von Trophäen. 16. Jahrhundert, Ende. Zeit Heinrichs IV.
Kais. Waffensammlung zu Zarskoc-Sclo.
Fig. 298. Ansatz einer Schwertklinge mit einfachen Gift-
zügen und den eingeschlagenen Marken des Juan Martincz in Toledo.
16. Jahrhundert, Ende.
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A. Blanko Waffen, i. Das Schwert.
259
auf, die man Ochsenzungen, (anelace, langue de boeuf, auch pistos)
benennt. Diese Wehre, eine Nachbildung des spätantiken parazoniums,
erscheint zuerst in Venedig und Florenz und verbreitet sich in ihrer
charakteristischen Form ungemein rasch über Italien, Frankreich, Burgund,
spater findet man sie zahlreich unter den Bürgern der deutschen
Reichsstädte. Im 1 5. Jahrhundert ist Verona eine Hauptfabrikations-
stätte der Ochsenzungen; dort und in Venedig erscheinen sie auch
Fig. 299. Fig. 300.
Fig. 299. Landsknechtschwert des kais. Feldobersten Ul-
rich von Schedenberg (ca. 1487 — 1558). Der Griff von Messing
ist vergoldet. Die Lederscheide enthält ein Besteck für 8 Messer und
einen Pfriem. Auf den Griffen der ersteren sind Minnesprüche graviert.
Deutsch. Um 1520.
Fig. 300. Italieni scher Haudegen, sogenannte „schiavona" mit
doppeltem eisernem Korbe und Daumenring. Übergang zum Säbel-
griffe. Die Brescianer Klinge ohne Ansatz mifst 85 cm. Die I^eder-
scheide mit eisernem Ortband ohne Mundblcch zeigt ungarische
Formen.
.7*
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260
II. Die AngriflswafTen.
unter der Bezeichnung „cinque dea" (cinque dita), von der Breite der
Klinge hergeleitet, die an der Angel genau die Handbreite besafs.
(Fig. 2970
Ihr Knauf ist scheibenförmig mit dem Griff aus einem Stücke,
die gestutzten Parierstangen sind bogenförmig nach abwärts gebogen,
die übermäfsig breite, selten über 35 cm. lange Klinge mit
Hohlschliffen läuft geradlinig spitzig zu. So bildet die Ochsenzunge
gewissermafsen einen Übergang zum Dolch. Man findet sie in der
einfachsten und plumpsten wie in der zierlichsten und reichsten Form.
Am Ende des 15. Jahrhunderts kommen uns zuweilen Klingen-
formen vor Augen, welche ihr Entstehen mehr einer phantastischen
Anschauung als praktischen Erwägungen verdanken; es sind dies
die geflammten Klingen, im Vereine mit ihrer Fassung auch
Flammberge genannt. Auch der Gebrauch von geflammten Klingen
stammt übrigens nicht erst aus dem 1 5. Jahrhundert. Ein mit
solcher Klinge ausgestattetes eisernes Kurzschwert wurde 1885 in
einem prähistorischen Grabe bei Mönchsbruch in Hessen gefunden.*)
Eine nur oberflächliche Betrachtung wird zur Überzeugung führen,
dafs eine solche Klingenform keineswegs als eine Verbesserung zu be-
trachten ist; nichtsdestoweniger erhält sich deren Gebrauch bis in
das 17. Jahrhundert. In den Landsknechtheeren Karls V. finden
wir die geflammten Klingen mit Vorliebe angewendet, besonders häufig
an Zweihändern. Die Doppelsöldner, welche solche Klingen führten,
erachteten sie für martialischer.
Mit dem Auftreten der doppelten Faustschutzbügel trat eine
kleine Neuerung in der Klingenkonstruktion ins Leben. Der Teil
der Klinge von der Parierstange bis zum unteren Faustschutzbügel
erwies sich für den Hieb unbrauchbar, man verlängerte deshalb die
Angel so weit, dafs die Klinge selbst erst unmittelbar am unteren
Bügel ansetzte. Der bis zur Parirstange reichende Teil der Angel
..Ansatz" wurde mit Vorliebe als Stelle für die Klingenschmied- und
Beschaumarken benutzt. Die ersten so gebildeten Klingen kamen
am Beginne des 16. Jahrhunderts aus Spanien, später werden solche
allenthalben erzeugt, besonders in Mailand, Brescia und Belluno.
(Fig. 298.) Bei Schwertern ist die Klinge mit Ansatz nicht allgemein
gebräuchlich, wohl aber, wie wir ersehen werden, bei Degen.
In der Bewaffnung des Fufsvolkes der meisten Heere im 15. und
16. Jahrhundert nimmt das Schwert nicht die erste Stelle ein. Bei
den Schweizern, Franzosen und Deutschen ist die Stangen waffe immer
von hervorragender Bedeutung; nur die Italiener und die Spanier
machen da eine Ausnahme. In seltenen Fällen gerieten die Heer-
haufen so enge aneinander, dafs die Stangenwaffe nicht mehr in
*) Zcntralblattcr des hist. Vereins für das Grofshcrzogtuin Hessen 1855, 4.
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A. Blanke Waffen, i. Das Schwert.
261
Verwendung bleiben konnte; für diese ausnahmsweisen Fälle des
Nahkampfes (Handgemenges) führten Italiener und Franzosen kurze
Schwerter mit zuweilen säbelförmigen Klingen, die Schweizer schwere
Hiebmesser oder „kurze Wehren", sogenannte „Schweizerdegen."
In den Landsknechtheeren hatte sich am Beginne des 16. Jahr-
hunderts für diese Waffe eine besondere Form das „Landsknecht-
schwert" herausgebildet. Dasselbe besafs einen kurzen Handgriff
mit fächerförmig ausgebreitetem Knaufe, die langen Parierstangen
waren horizontal S-förmig gebogen und mit kleinen Knäufen besetzt.
Zuweilen setzt sich an diese ein Griffbügel an. Die breiten, nur etwa
50 bis 54 cm. langen Klingen waren meist abgestumpft, die Leder-
scheiden trifft man nicht selten mit Besteckscheiden ausgestattet.
(Fig. 299.) Der Landsknecht führte dieses Schwert in der Magen-
gegend in einem Gürtel, an welchem rückwärts an der rechten Seite
der Dolch befestigt wurde. Um 1570 verändert sich die Form der
Griffe des Landsknechtschwertes. Ungefähr von 1590 an vervielfältigen
sich die Schwertformen im kaiserlichen Heere unter dem italienischen
Einflüsse, die Klingen werden länger, die Griffe erhalten Körbe aus
durchbrochenem Blech. Eine Schwertform, welche in dem meist aus
dalmatinischen Slawen gebildeten venezianischen Fufsvolke, den
schiavoni, auftritt und darum auch „schiavona" genannt wurde,
gelangt durch den Handel aus Brescia und Seravalle um 1580
zu einer ungemeinen Verbreitung in anderen Heeren. Mit längeren
Klingen versehen, wird die Schiavona auch bei der Reiterei und unter
Ferdinand II. selbst bei den Kürassieren eingeführt. (Fig. 299.)
In den Landsknechtregimentern begegnen wir einer charakte-
ristischen Waffe, dem Zweihänder oder Bidenhander, Schlacht-
schwert, welche, von ungemeiner Gröfse und Schwere, in der Hand
eines Fufssoldaten eine nicht unbedeutende Gewandtheit zu ihrer
Führung voraussetzte. Das Schlachtschwert als Waffe des Fufsknech-
tes hatte seinen Ursprung bei den Schweizern gefunden, welche sich
desselben in ihren Kriegen im 14. Jahrhundert bedienten. Sie ver-
standen es, sich mit demselben derart in Respekt zu setzen, dafs
man, um ebenbürtig zu erscheinen, dasselbe auch in anderen Ländern
einführte. Die ältesten dieser riesigen Schwerter — Meyrick setzt ihr
erstes Auftreten um das Ende der Regierung Heinrichs V., also um
1420, — gehören noch dem 15. Jahrhundert an. In den Regimen-
tern der Landsknechte erhalten sie eine typische Form. Die ein
oder zweimal gekerbten Griffe haben eine Länge von durchschnitt-
lich 120 cm. Die Parierstangen von Eisen, zuweilen hübsch aus-
geschmückt, sind an den Enden schneckenförmig abgebogen und
besitzen beiderseits starke, einfache Faustbügel, nicht selten auch Stich-
blätter dazwischen. Die älteren haben noch keine Parierhaken, jene
seitlich ausladenden hakenförmigen Ansätze, welche zum Auffangen
der Hiebe dienten. Zweihänder wurden selten oder nie mit Scheiden
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Fig. 301.
Fig. 301. Gemeiner Zw einander (Bidenhander, Schlacht-
schwert. Epce a deux mains) mit geflammter Klinge von 127 cm. Länge,
belcdcrtem Ansatz und Parierhaken. Der Griff ist mit Plüsch über-
zogen und mit Wollfransen verbrämt (aufgeputzt). Die Fassung: Knauf,
Parierstange und Parierringe sind aus geschmiedetem, ungefeiltem Eisen.
Deutsch. Um 1570.
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
268
versehen, sondern mit unverwahrter Klinge auf der Schulter getragen,
zu welchem Zwecke die Klinge von den Parierhaken bis zum Griffe
mit Leder überzogen war. (Fig. 301.)
Das Regiment hatte nur eine beschränkte Zahl von mit Schlacht-
schwertern ausgerüsteten Landsknechten. Diese mufsten sich mit einem
Zeugnisse eines „Meisters vom langen Schwert" über ihre Geübtheit
in der Führung der Waffe ausweisen, bezogen dafür aber doppelten
Sold. Diesen erprobten Leuten war zunächst der Schutz der Fahne
und des Obersten anvertraut. Von dem Werte jener Waffe hatten
Fig. 302. Fig. .-,03.
Fig. 302. Schwert eines venezianischen Bog enschützen
mit GriffbUgel, einseitiger Parierstange und Parierhaken. Eisen. Klingen-
längc 70 cm. Arbeit von SeravalU um 1520. Arsenal in Venedig.
Fig. 303. Italienisches Fufsknechtschwert mit GriffbUgel
und Parierspangen von Eisen. Klingcnlänge 78 cm. Die Klinge ist
Arbeit des Andrea Ferreira in Belluno um 1530. Arsenal in Venedig.
die Kriegsleute und auch die Schriftsteller der Zeit zwar eine hohe
Meinung, doch blieb deren Leistung infolge ihrer schwierigen Führung
im Gewühle des Kampfes immer hinter den Erwartungen zurück.
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204
II. Die Angriffswaffen.
Demungeachtet bildeten die martialisch aussehenden Schlachtschwert-
rotten bis ans Ende des 16. Jahrhunderts den Stolz des Regimentes.
Durch die Schweizer fand das Schlachtschwert auch in Italien einigen
Eingang und zwar, wie wir bereits bemerkten, in der Form zwei-
händiger Stecher.
Das Kürifsschwert, noch unter Kaiser Maximilian I. von der
beschriebenen einfachen Form, verändert sich in der geworbenen
Reiterei mit ungemeiner Raschheit, die Griffe erhalten Faustschutz,
die Klingen werden leichter und schmäler; die italienischen Formen
rinden in den deutschen Heeren Eingang, weil die Friauler und Bres-
cianer Werkstätten allein dem Massenbedarf zu entsprechen im stände
waren. Diese fabriksmäfsige Erzeugung war die erste Veranlassung
zu einer gleichförmigen Bewaffnung der Truppe (Fig. 302, 303). In der
französischen Reiterei treten nach 1550 die Korbgriffe auf, welche
bis an den Schwertknauf reichten und aus Schlagblech durchbrochen
gearbeitet waren. Sie wurden meist von Italienern in Südfrankreich
erzeugt. Eine besondere Schwertform mit langem Griffholz für andert-
halb Hand, geraden, nach abwärts gerichteten Parierstangen und
schmaler, zweischneidiger, etwa 90 cm. langer, spitzer Klinge tritt
uns in den schottisch - englischen Heeren vor Augen , wo sie
claymore, auch glaymore genannt wird. Im späten Mittelalter in
Aufnahme gekommen, verliert sie sich schon am Beginne des 1 7. Jahr-
hunderts. Der Umstand, dafs um diese Zeit die schottischen Reiter
mit einer der schiavona ähnlichen Waffe ausgerüstet wurden, welche
sie, nebenher bemerkt, noch gegenwärtig tragen, hat zu einer Verwech-
selung des claymore mit der schiavona Veranlassung gegeben. Die
schiavona der Schotten besitzt einen schweren, durchbrochenen Ktfrb
aus Blech, der innen mit Leder ausgefüttert ist (Fig. 304 a und b.)
Um 1520, der Epoche der Verallgemeinerung des Krieges, gewahren
wir das Bestreben, die Klinge der Schwerter zu anderen, als dem
ursprünglichen Zwecke, zu benützen. So finden wir schon um etwa
1520 einschneidige Reiterschwerter mit als Säge gestaltetem Rücken,
der zum Holzsägen verwendbar war. Andere haben an beiden Seiten
einen Kalender eingeätzt, Kalenderschwerter; wieder andere be-
sitzen kreisförmige Hohlschliffe verschiedener Form. Man benutzte
sie angeblich, um in der Nacht im Rosenkranzgebete durch das Tast-
gefühl die Anzahl der Paternoster zu bestimmen; man nennt sie
Schwerter mit Paternosterklingen.
In Italien und Frankreich kommen gegen die Mitte des 15. Jahr-
hunderts in den Fufstruppen Kurzschwerter in Aufnahme, deren
Klingen mit jenen der späteren deutschen Landsknechte einige Ähn-
lichkeit haben (Fig. 305), deren Griffe aber anders gefafst waren
und die auch in anderer Art am Körper getragen wurden. An
diesen Kurzschwertern treten häufig die Griff bügel auf; doch finden
sich auch Griffe ohne diese mit S-förmig horizontal gebogenen Parier-
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A. Blanke Waffen. I. Das Schwert.
265
Stangen. Weniger bei den Genuesen, als bei den Venezianern bilden
sich besondere Formen von Kurzschwertern für die Seesoldaten heraus.
Sie haben insgemein breite nicht viel über 60 cm. lange, flache
Klingen. An den Griffen tritt zum Schutz der Hand das halbe
Stichblatt auf. Diese Form erhält sich mit unwesentlichen Ände-
rungen bis ins 1 8. Jahrhundert, ja ähnliche findet man noch heute an
den Wänden der Batterien unserer Kriegsschiffe.
a. Fig. 304. b.
Fig« 3°4- Schottische Schwerter.
a. Claymore mit eisernem Griffe. 16. Jahrhundert.
b. Schottisches Reiterschwert mit eisernem Griffe. 18. Jahr-
hundert. Nach Drumond, Scotish Weapons.
Es ist hier an der Zeit, der sogenannten Richtschwerter zu
9 gedenken, welche, wenn sie auch nicht zu kriegerischem Gebrauch
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266 II, Die Angriffswaffen.
dienten, doch ins Waffenfach gehören und in Sammlungen nicht selten
angetroffen werden. Die ältesten Schwerter der Art, welche wir kennen,
datieren vom Ende des 13. Jahrhunderts und stammen von städtischen
Gemeinschaften, wo zuerst eine geregeltere Rechtspflege Platz ge-
griffen hatte. Ihre Betrachtung erweist, dafs von jener Zeit bis ins
18. Jahrhundert die Formen der Klingen gleich geblieben sind.
(Fig. 306). Die Richtschwertklinge ist in ihrer ganzen Länge sehr
breit, flach, kolbig, unterhalb meist flach abgerundet. In der Nähe
Fig. 305. Fig. 306.
Fig. 3°5- Italienisches Fufskncchtschwcrt mit Griff-
bügcl und einfachem Parierring. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte.
Fig. 306. Richtschwert. Der Griff ist aus Messing, die
kurzen Parierstangen sind mit Schellen besetzt. Auf dem Griffe ist
nebst anderen Gestalten die heiL Katharina mit der Jahrzahl 1401 in
roher Gravierung dargestellt. Ebenso finden sich auf der Klinge Galgen
und Rad eingehauen. Deutsch.
des Endes findet sich zuweilen ein Loch, welches vorerst dazu diente,
das Schwert an der Wand aufzuhängen. Nach Berichten einiger
Fachschriftstellcr benutzten die Scharfrichter dieses Loch, um eine
Bleikugel hineinzupressen und dann flach zu schlagen, um die Hieb-
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A. Blanke Waffen, i. Das Schwert.
267
wucht zu vergröfsem. Dieser Gebrauch könnte sich aber erst aus dem
17. Jahrhundert herschreiben. Ältere Autoren berichten von Richt-
schwertklingen, welche im Inneren einen hohlen Raum besafsen, der
zur Hälfte mit Quecksilber angefüllt war. Beim Hiebe strömte das
Quecksilber mit Gewalt gegen die Spitze und steigerte die Wucht um
ein Bedeutendes. Dem Verfasser ist unter zahllosen Rieh tsch wertem
auch nicht ein einziges derartiges unter die Hand gekommen. Es
dürfte sich auch hier nur um vereinzelte Versuche gehandelt haben.*)
Die Griffe haben in der Regel nur eine Länge für zwei eng aneinander
geprefste Fäuste, kurze Parierstangen, welche bei den ältesten Exem-
plaren zuweilen mit Schellen besetzt sind. Wenn das Richtschwert
eine Scheide besafs, was nicht immer der Fall war, dann war diese
in der Regel mit einem Besteck ausgestattet, welches 2 bis 3 Messer
enthielt, die bei besonderen Hinrichtungsarten dienten.
Wie nahezu bei allen Angriffswaffen kamen in der zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts auch bei Schwertern und Haudegen Schiefs-
vorrichtungen vor. Sie sind, je nachdem deren Läufe an nur einer
oder beiden Klingenflachseiten angeordnet sind, einfach oder doppelt,
die Radschlösser liegen meist unterhalb oder zunächst des Ansatzes.
Ihre Brauchbarkeit im Gefechte kann nur gering gewesen sein. Mit
Vorliebe wurden derlei Schiefsschwerter bei Festlichkeiten, Turnieren
u. dergl. verwendet, wo sie zur Vermehrung des Geräusches trefflich
dienten. In dem 1560 zu Wrien erschienenen sogenannten „Turnier-
buche" des Hans Francolin jun., die Beschreibung der von Kaiser
Ferdinand I. in diesem Jahre veranstalteten Festlichkeiten enthaltend,
ist auf Tafel IV von Hans Lautensack ein Geharnischter zu Pferde
dargestellt, der während des Plankengestcchs sein Schiefsschwert
schwingend entladet.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts sehen wir die deutsche
Reiterei mit Schwertern, welche auffällig kurze, breite Klingen besitzen,
während die Italiener Korbschwerter mit langen Klingen tragen, die
einen Übergang zum Haudegen darstellen. Ganz im Gegenteile
gefällt sich nun das Fufsvolk in Haudegen mit übermäfsig langen
*) Die ineisten Richtschwerter weisen figuralc Dessins und Inschriften auf,
welche sich auf deren traurige Bestimmung bezichen. So führen viele Galgen und
Rad, den Tod Christi, die schmerzhafte Mutter Gottes, die heilige Katharina etc.
auf den Klingen. Nicht selten erscheint der Name des Scharfrichters mit einer
Jahreszahl, dann bezügliche Bibelsprüche und moralisierende Verse, wie:
,,\Venn ich das schwert thu erheben,
Wünsch ich dem sünder das ewige leben,
Führ ich mit macht den todesstreich
Kommt er von stund ins himmelreich."
oder .
„Wer findt eh's verloren wird,
Wer kauft eh's feil wird,
Der stirbt ch er alt wird." u. dergl.
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2G8
II. Die Angriffswaffen.
Klingen. In der Verzierung der Klingen tritt mit dem Beginne des
16. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Änderung insofern ein, als
die neue Erfindung der Ätzkunst nun auch hier als Ziermittel zur
Verwendung gelangte, während wir vor diesem Zeitpunkte nur
gravierten Klingen begegnen. Von Italien her kam das Bläuen der
Klingen und das Verzieren durch Goldschmelz in Aufnahme. Auch
das Violett- und Rotanlaufen der Klinge kommt
in Aufnahme, nicht minder die ein- oder auf-
geschlagene Tausia. Im 30jährigen Kriege er-
!. scheinen die kaiserlichen Reiter mit mäfsig langen
Schwertern, deren Griffe n ! Ähnlichkeit mit den
;«R schiavonas besitzen. Nach dem Schlüsse des
iilfll deutschen Krieges beim Beginne der Türkenkriege
tritt ungarischer Einflufs immer merkbarer auf;
er erstreckt sich bald auf alle westlichen Heere.
Nun nimmt die deutsche Reiterei eine Warle
mit gerader Klinge und säbelartiger Fassung an,
die direkt von dem alten ungarischen Säbel ab-
stammt. In dieser Form findet sie auch in dem
französischen Heere Eingang. Die säbelartige
Fassung charakterisiert sich besonders durch das
nach vorn gebogene Griflholz, welches rückwärts
mit einem Beschläge, der sogenannten „Kappe",
verstärkt ist Die übrigen Bestandteile sind die
Parierstange, das Stichblatt, bei älteren Exem-
plaren an der inneren Seite auch der Daumen-
ring, endlich der GrifTbügel, dieser oft in Ver-
bindung mit einem Korbe. Das Fufsvolk erhält
um jene Zeit eine Waffe, deren Fassung ein
französisches Muster darstellt; es ist eine kurze
Klinge mit dem Griffe des noch heute üblichen
Degens; mit diesen Umwandlungen verschwand
das Schwert in seiner alten charakteristischen Ge-
stalt aus den Heeren.
In der ältesten Zeit bedienten sich die Inder,
Perser und Araber des Schwertes mit gerader
Wurfspiefs samt Leder- Klinge, wie im Occident. Ein Unterschied bestand
scheide. Die Klinge ist blofs in der Form des Griffes und der deko-
rativen Ausstattung. (Fig. 307.) Diese Griff-
formen fanden im Verlaufe der Zeit in den asia-
tischen Ländern eine andere Ausgestaltung als im
Westen, wie in Sizilien, an der afrikanischen Küste
und im maurischen Spanien, und der Gegensatz ist selbst in stilistischer
Hinsicht nicht unbedeutend. Im frühen Mittelalter tritt unter den
Turkmanen das Krumschwert auf, das vom 9. Jahrhundert an die
Fig. 307.
Fig. 307. Persi
sches Schwert mit
aus feinem Chorassan-
stahl. Ältere Form,
die an solche des 16.
Jahrh. sich anreiht.
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krumiuschwert und der Säbel.
2G9
allgemeine Waffe des Orientalen bildete. Nur die Mauren hingen bis
ins 1 5. Jahrhundert hinein zähe an der alten Form. (Fig. 291.) Von
der Zeit Harun-al- Raschids, also vom Anfang des 9. Jahrhunderts
an kommen die Klingen von Khorassan zur Geltung, anfangs im
Oriente, später unter den Vornehmen der gesamten Welt. Noch bis
ins 16. Jahrhundert kommen von dort über Venedig und Genua
Massen von Khorassanklingen in den Handel. Sic haben einen
dunkelgrauen Ton und sind mit Verzierungen in Gold- und Silber-
tausia ausgestattet, in welchen Kraniche oder andere Vögel einge-
streut erscheinen. Vom 17. Jahrhundert an werden in dem Westen
Europas nur noch Säbelklingen aus Damaskus bezogen. Über die
orientalische Kunst des Damaszirens werden wir später Näheres be-
merken.
2. Das Krummschwert und der Säbel.
Die krumme einschneidige Klinge ist vom Gesichtspunkte des
Gebrauches als ein wesentlicher Fortschritt in der Kriegstechnik an-
zusehen und ihr erstes Auftreten in Westeuropa schon im frühen
Mittelalter läfst ein eingehendes Studium der Wirkung der Waffe in
jener Zeit erkennen Das Schwert mit gerader Klinge hatte beim
Hiebe selbst bei grofser Kraftanwendung zwar eine zerschmetternde
Wirkung auf feste Körper; auf weiche Teile wie Fleisch partien treffend,
war aber die Eindringungsfähigkeit auffällig gering. Die krumme
Klinge dagegen wirkt nicht allein senkrecht auf den Treffpunkt, also
nur hackend, sondern infolge der Krümmung der Schneide und der
Hiebbewegung auch nach der Richtung der Klinge, somit schneidend,
wodurch die Eindringungsfähigkeit erheblich sich steigert.
Das krumme Schwert, avAvav.rtQ (acinaces), war von der ältesten
Zeit an die Nationalwaffe der Perser. Erst im 3. Jahrhundert, unter
den Sassaniden fand das gerade Schwert der Griechen dort Eingang.
Darius Codomanus führte unter grofsem Widerstande des Volkes
diese Neuerung ein, aus der die Chaldäer den Sturz des Perserreiches
weissagten. Ungeachtet der häufigen Berührungen mit dem Oriente,
namentlich von den Kreuzzügen an, hatte das Krummschwert in den
Ritterschaften des westlichen Europas das ganze Mittelalter hindurch
wenig Eingang gefunden, und die Ursache dürfte wohl darin zu
suchen sein, dafs im occidentalcn Gebiete wenigstens gegen die
Schutzwaffen auf eine mehr zerschmetternde Wirkung der Klinge
Wert gelegt werden mufste. Immerhin treffen wir in Miniaturen aus der
Zeit des 3. Kreuzzuges Ritter, die mit Krummschwertern bewaffnet sind.
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270
II. Die AngriflswaJTen.
Vom 4. Jahrhunderte an, zuerst in Italien, später auch unter
den Franken, wird das kurze Krummschwert eine beliebte Waffe des
Fufsvolkes, das, wie wir wissen, immer mit weniger widerstandsfähigen
Schutzwaffen ausgerüstet war. In Frankreich tritt es um die Mitte
des 13. Jahrhunderts unter der Bezeichnung fauch on als messer-
artige Waffe mit gegen die Spitze zu sich verbreitender und dort vom
Rücken aus schräg abgeschnittener Klinge, also in vollkommen orien-
talischer Form auf. Unter diesem Namen, der unzweifelhaft sich von
dem Worte faux, „Sense", ableitet, erscheint diese Waffe bis gegen
das Ende des 14. Jahrhunderts. Von da an erscheint sie mit etwas
längerer und mehr bizarr geformter Klinge als bazelairc, später
badelaire. Sie erhielt sich bis ins 17. Jahrhundert, wenngleich sie
immer als Messer angesehen und immer weniger beachtet wurde.
Sehr schwere, einschneidige und nur an der Spitze auch am
Rücken zugeschliffene krumme Hiebwaffen nannte man in England
und Frankreich Craqucmarts. Sie erscheinen neben den badelaire s
im 14. Jahrhundert und werden vorzugsweise von Seesoldaten geführt.
Eine Abart derselben mit mehr gekrümmter, an der Spitze sich ver-
breitender und am Rücken eckig eingezogener Klinge wird im späten
Mittelalter malchus genannt. Das kurze Krummschwert mit messer-
artiger Klinge war unter verschiedenen Bezeichnungen bis ans Ende
des 16. Jahrhunderts die gemeine deutsche Bauernwehre; als solche
wird es im 14. und 15. Jahrhundert unter dem Fufsvolke in ganz
Deutschland bis in den Norden hinauf angetroffen. Im 14. Jahr-
hundert erscheint dasselbe auch häufig mit dem Faustschilde, wie
wir an dem schönen Kreuzigungsbilde des Gerard David in der
Berliner Galerie (573) und in einem solchen der Kunstsammlung im
Stifte Klostcrncuburg ersehen. (Fig. 202 )
Eine eigene Art von Krummschwertern wurde um die Mitte des
16. Jahrhunderts von den venezianischen Secsoldaten geführt: das
sogenannte Sägeschwert, dessen Klinge von 45 cm. Länge an
der Scheide gezähnt gebildet war und unterhalb gebogen in die
Spitze lief. Der Griff besafs nur Parierstange mit anlaufendem Griff-
bügel und kurzen Parierknebel. In den gemeiniglich nur kurz an-
dauernden Entergefechten mochte die Form einige Vorteile besitzen,
da schon ein schwacher, ungcziclter Hieb einen Mann aufser Gefecht
setzen konnte. Alle diese Schwerter wurden in Belluneser Werk-
stätten gefertigt. (Fig. 308.)
Die ältesten asiatischen Krummschwerter treten unter dem Namen
seymitar auf, vermutlich eine Ableitung von dem persischen
chimichir, schemschir, was schlechtweg Schwert bedeutet; im
Munde der Franzosen verwandelte sich diese Bezeichnung in sauve-
terre und eimeterre. Mit dem fauchon ist der Seymitar nicht
zu verwechseln, da dessen Klinge bei 70 cm. Länge mafs, somit
immer langer und gestreckter war. Im Türkischen heilst das Krumm-
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A. Blanke Waffen 2. Das Krummschwert und der Säbel. 271
schwert mit nicht sehr gekrümmter Klinge seif; jenes mit stark
gekrümmter, also säbelartiger Klinge kilidsch.
Die Abbildungen der Krummschwerter in den Miniaturen sind
bezüglich der Klingenformen häufig übertrieben. Diese Übertreibung
setzt sich bis in die Renaissanceepoche fort. Man findet in den
Stichen Burgkmairs, Jost Amans und anderer gleichzeitiger Meister
ganz ungeheuerliche Formen, die nie existierten.
Fig. 308. Fig. 309
Fig. 305. Venezianisches Marineschwert mit sägeförmiger
Klingenschneide. Der Eisengriff besitzt Parierstangen , aufgebogenen
Parierknebel und Griffbügel. Um 15 15.
Fig. 306. Courtclas (coltellagio) mit Griff aus geschnittenem
Eisen , vergoldet und in Goldtausia geziert. Die schwere Klinge ist
gleichfalls mit geschnittenen und in Gold und Silber tauschiertem Band-
.»rnament ausgestattet. Italienisch um 1565.
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Fig. 310.
Fig. 310. Zweihändiges Fechtschwert mit krummer Klinge
welche noch dem 14. Jahrhundert angehört, mit eingeschlagenen romani-
sierenden Ornamenten ; sie trägt den Passauer Wolf. Deutsch, Fassung
vom Anfange des 1 5. Jahrhunderts. Das Schwert ist dem Fürsten von
Albanien Georg Castriota (1403 — 1467) zugeschrieben.
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel. 273
In Italien, namentlich in den Freistaaten Venedig und Genua,
-welche, friedlich oder feindlich, in einer ununterbrochenen Berührung
mit dem Oriente standen, ja welche selbst orientalische Völker-
schaften beherrschten, finden wir das Krummschwert unter der Be-
Fig. 311. Fig. 312.
Fig. 311. Dusägge aus Eisen, roh geschmiedet. 15. Jahr-
hundert.
Fig. 312. Türkischer Säbel des Grafeu Niclas Zrinyi,
Banns von Croatien (gefallen 1566). Beispiel eines türkischen Säbels
älterer Form mit kurzem Griff und langen Parierstangen mit rauten-
förmigem Mitteleisen. Der Griff mit Kappe von vergoldetem Silber,
auf welcher das Zrinyische Wappen graviert ist, zeigt oberhalb ein
Loch für die Handschnur. Die Scheide, von schwarzem Samt, ist mit
Kuppelringen versehen, welche dazu dienten, die Waffe um die Leibes-
mitte zu tragen. Um 1540.
Koeheim, Waffenkunde. 18
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274
II. Die Angriffswaffcn.
Zeichnung coltelaccio, cortelas, d. i. grofses Messer (Fig. 309),
in ihren Heeren bis ins Mittelalter hinauf vertreten. In Deutsch-
land erscheint es unter der korrumpierten Bezeichnung Kordelatsch
oder Kordalätsch. Venedig ist im Fache der Waffen bis ins
17. Jahrhundert als die rege Vermittlerin zwischen dem Oriente und
dem Occidente anzusehen. Aus diesem Umstände erklärt sich die
Aufnahme des coltelaccio als Waffe in den venezianischen Fecht-
schulen der Markusbrüder im 14. Jahrhundert, und wir treffen sie
da nicht nur einhändig, sondern später auch zweihändig. Der
schnabelförmig endende Griff und der muschelförmige Ansatz (Parier-
knebel) an der Parierstange kennzeichnet die orientalische Herkunft
dieser Fechtschwerter vollends. (Fig. 310.) Im 15. Jahrhundert
wurde dieses Krummschwert eine beliebte Waffe der deutschen Städte-
bürger, die immer die anhänglichsten Schüler der wandernden italie-
nischen Fechtschulen gewesen waren. Für den Gebrauch im Feld-
kriege sehen wir den coltelaccio unter den im venezianischen, im
päpstlichen und später auch im französischen Heere in Albanien ge-
worbenen Stradioten schon im 15. Jahrhundert. In der italieni-
schen Reiterausrüstung um 15 70 erscheint der coltelaccio im Vereine
mit der spada, dem Schwerte. In den Heeren der Nationen an
den Grenzen des Orients, wie jener Ungarns, Polens, des mosko-
witischen Reiches war von der ältesten Zeit an der orientalische
Einflufs in der Bewaffnung dem occidentalen weit überwiegend, ja
in der Form der Krummschwerter und der späteren Säbel ist die
türkisch-arabische Form von der ungarischen sehr schwer zu unter-
scheiden, nur die moskowitischen und polnischen Säbel lassen einige
kleine Unterschiede erkennen. Der orientalische Einflufs ist auch an
einer europäischen Waffe des 15. Jahrhunderts, der 'sogenannten
Dusägge, zu erkennen. Diese Dusägge ist nichts anderes als ein
rohes Stück Eisen, krumm in die Spitze laufend, mit breitem Rücken
und stumpfer Schneide; am unteren Ende ist ein längliches Loch
ausgesägt, welches als Handhabe dadurch dient, dafs die vier Finger
in dasselbe hineingreifen.
Man hat bisher den Ursprung des Namens Dusägge in Böhmen
gesucht; derselbe könnte sich aber auch von dem altdeutschen
„tusic", stumpf, oder von dem ebenfalls altdeutschen „twoseax" her-
leiten, welches soviel als Doppelmesser bedeutet. Für die erstere
Annahme spricht, dafs diese plumpe Waffe seltener als Kriegswaffe,
hauptsächlich aber auf Fechtschulen gebraucht wurde. (Fig. 311.)
So schwierig es sonst ist, an stilistischen Merkmalen einen orien-
talischen Gegenstand auf sein Alter hin zu beurteilen, so macht doch
darin der türkische Säbel eine Ausnahme, der der sonstigen Starrheit
aller Lebensformen entgegen, vom 15. Jahrhundert an eine ununter-
brochene Formcnumbildung erkennen läfst. So sehen wir den tür-
kischen Säbel des 16. Jahrhunderts ohne Knauf, während jener des
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel.
275
17. Jahrhunderts in einem schneckenförmig ausladenden Knopf endet;
die Klingen, anfänglich nur wenig, später übermäfsig gekrümmt, ge-
Fig. 3 «3- F»g. 3M.
Fig. 313. Indischer Säbel. Der Griff von Eisen ist mit Orna-
menten in Goldtausia nahezu völlig bedeckt. Die Klinge mit scharfen,
unterbrochenen Hohlschliffen besitzt der Länge nach einen Schlitz, in
dessen Führungskanten Perlen eingeschmiedet sind, welche sich nach
auf- und abwärts bewegen. Sammlung des regierenden Fürsten Johan a
zu Liechtenstein.
Fig. 314. Türkischer Säbel späterer Föhn mit in einen kugel-
förmigen Knauf auslaufendem, mit schwarzem Bein belegtem Griffe.
18. Jahrhundert.
18*
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276
IL Die Angriffswaffen.
stalten sich allmählich mehr bogenförmig und werden zuweilen aufser-
ordentlich schmal.
m
Fig. 315-
Fig. 316
Fig. 315. Persischer Säbel mit Griff aus
Elfenbein aus dem Besitz des Schahs Sultan Hussein
(regierte 1700 — 1722). Die schöne tausch ierteDamask-
klinge ist Arbeit des Waffenschmiedes Essedulah in
Ispahan.
Fig. 316. Persischer Säbel mit Griff von
Elfenbein, mit Halbedelsteinen besetzt. Moderne
Arbeit.
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krunimschwert und der Säbel. 277
Der ältere Griff an orientalischen Krumraschwertern ist für uns
auch darum wichtig, weil aus ihm sich allmählich der heutige Säbel-
griff herausgebildet hat. Speziell ist es die am oberen Griffende
sitzende „Kappe", welche ein charakteristisches Merkmal darstellt, wfc
nicht minder die nach auf- und abwärts gerichteten Ansätze an der
Parierstange (Mitteleisen). Die Kappe breitete sich später über den
Rücken des Griffes aus, dadurch wurde der moderne Griff in seiner
heutigen Gestalt gebildet. Die vordere Parierstange fiel weg und
wurde durch den Griffbügel ersetzt. Die Ansätze aber finden wir
noch an Infanteriesäbeln vom Anfange unseres Jahrhunderts. Voll-
ständig von den Orientalen ist die heute übliche Tragart an der
Schleppkuppel abgenommen, welche schon im 1 5. Jahrhundert, wenn
nicht früher im Oriente gebräuchlich war. Der Säbel Zrinyis (Fig. 312)
gibt hierzu einen deutlichen Beleg.
Bemerkenswert ist an orientalischen Krummschwertern der Ab-
gang des Griffbügels, ungeachtet er sich an arabischen Schwertern
findet. An ungarischen Säbeln ist derselbe durch eine Kette (Bügel-
kette) ersetzt, die eigentlich nutzlos ist Häufig ist die Kappe durch-
löchert und durch die Öffnung eine Schnur gezogen, die, da sie im
Gefechte um die Hand gewunden wurde, einen praktischen Nutzen
gewährte. Auch diese Handschnur fand in Europa Nachahmung.
Wiewohl die Eisenindustrie von Damaskus vom 15. Jahrhundert
an im merklichen Rückgange begriffen war, so gelang es ihr doch
noch, die persischen Klingen vom westorientalischen Markte nahezu
zu verdrängen, so dafs um 1550 Khorassanklingen nur über Griechen-
land und Venedig einen Weg fanden. Vom 1 6. Jahrhundert an be-
schränkten sich die Damaszener Werkstätten hauptsächlich nur auf
die Erzeugung von Säbel- und Dolchklingen und überschwemmten
damit den ganzen Orient. Die Damaszener arbeiteten ebenso die
gemeinste Ware wie Klingen von ausgezeichneter Güte. Für die
Erzeugung der letzteren hatten sie ein übrigens aus Indien stammen-
des Verfahren, welches sie lange als Geheimnis bewahrten und nur an
ihre Söhne selbst vererbten; aus diesem Verfahren erstand der seit dem
16. Jahrhundert so berühmt gewordene Damaszenerstahl, dessen
hoher Wert sich später nicht nur für Klingen, sondern auch für Gewehr-
läufe darstellte. Dieser Stahl, über dessen Herstellung wir an be-
treffender Stelle noch näher sprechen, ist schon äufserlich durch eine
gewässerte, von Streifen oder Spirallinien bedeckte Oberfläche kenn-
bar, wurde aber schon im vorigen Jahrhundert und wird bis heute,
namentlich in Frankreich, vielfach nachgeahmt Von etwa sieben
besonderen Arten nennen wir nur die charakteristischsten: den
Banddamast mit streifigen Linien und den so geschätzten, nebenher
gesagt aber weit leichter zu erzeugenden Rosendamast mit spiralen
Linienformen.
Die orientalischen Klingen der Krummschwerter und Säbel haben
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Fig. 318.
Fig. 317. Polnische Karabela mit Griffbelag
aus Schildpatt und in Silber montiert. 17. Jahrh.
Fig. 318. Japanisches Schwert (katana)
mit geschnürtem Griff und hölzerner, mit Lack be-
malter Scheide. Moderne Arbeit.
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A. Blanke Waffen. 2. Das Krummschwert und der Säbel. 279
mit allem Recht stets einen hohen Ruhm genossen. Besonders waren
es die indischen Klingen, welche in der Güte sowohl als auch in ihrer
Auszierung Staunen erregten. Wir finden solche in einer Ausstat-
tung, deren Fertigungsart uns geradezu unerklärlich ist. So die
indische Säbelklinge (Fig. 313), in deren rinnenartig -der Länge nach
laufendem Spalt eine Reihe Perlen gefafst ist. Wie mufsten diese
eingefügt sein, ohne dafs auch nur eine verletzt wurde? Auch an
Handscharklingen aus Damaskus ist die Einfügung und Fassung von
Korallen oder Türkisen zu bewundern.
Die Formenvarianten orientalischer Säbel finden allgemeine An-
deutungen in den Figuren 314, 315, 316 und 317.
Die Scheiden der orientalischen Kruramschwerter zeigen eine
von den europäischen wesentlich unterschiedene Form schon durch
die eigenartigen Beschläge. Bei ihnen tritt zuerst das Mundblech
auf, das Ortband reicht an der vorderen, der Schneidekante weit
hinauf zum Schutze vor dem Steigbügel. Die Ringbeschläge bestehen
aus 2 bis 3, oft aber auch 5 bis 6 schmalen Spangen. Bei Säbel-
scheiden für sehr gekrümmte Klingen ist die schmale Rückenfläche
zunächst der Mündung derart eingerichtet, dafs diese sich beim Her-
ausziehen der Klinge federartig öffnet Die Scheide selbst ist mit
den mannigfachsten Materialien überzogen, meist mit Chagrinleder,
aber auch mit Damaststoffen oder mit rauher oder abgeschliffener
Fischhaut u. dgl. Die praktisch ausgestattete orientalische Scheide
wurde schon im 15. Jahrhundert, wenn nicht gar früher, in Europa
nachgeahmt, wir treffen sie nicht selten bei Schwertern im östlichen
Deutschland, zahlreich aber in Ungarn und den dort angrenzenden
Ländern.
In den arabisch-türkischen Ländern bildete sich, veranlafst durch
die Streitweise, seit dem 16. Jahrhundert eine Waffenform heraus,
welche, soweit hierher gehörig, in der Dimension und der Form der
Klinge zwischen dem Säbel und dem Dolchmesser in der Mitte
steht; es ist dies der Khandschar, gemeiniglich Handschar ge-
nannt. Der grofse Handschar hat eine zweifach gebogene, in eine
Spitze auslaufende Klinge. Die Schneide ist anfänglich leicht
konkav, gegen das Ende zu konvex gekrümmt. Der kleine
Handschar, gewöhnlich auch Yatagan genannt, stammt in dieser
Form aus Ostindien; seine Klinge ist messcrartig spitz und leicht ge-
krümmt. Der Griff des Handschars ist eigentümlich. Ursprünglich
bestand er aus dem Ende eines Röhrenknochens, aus welcher Urform
sich später jener charakteristische zweilappige Knauf (pommeau ä
oreilles) herausgebildet hat. Der Griff besitzt keine Parierstange.
Die meist sehr reich in Tausia gezierte und mit orientalischen In-
schriften, Koransprüchen u. dgl. ausgestattete Klinge steht mittelst einer
Zwinge mit dem Griffe in Verbindung. Die Scheide, gewöhnlich von
einem stark ovalen Querschnitte, hat einen Bezug von Leder, Stoffen,
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280
II. Die Angriffswaffen.
1 Fig. 319.
Fig. 319. Türkischer
Handschar mit Griff aus
Wallrofshorn , mit Silber
montiert und mit geschnit-
tenen Korallen besetzt. Aus
dem Besitze des Fürsten
MiloschObrenowitsch.
Modern.
auch wohl von Silberblech, welches in ge-
prefster Arbeit reich geziert ist. Handschars wer-
den im Gürtel auf der Brust getragen. (Fig. 3 1 9.)
Es war ohne Zweifel eine Folge der Über-
zeugung von dem Vorteile gekrümmter Klingen,
dafs das Krummschwert um die 2, Hälfte des
1 6. Jahrhunderts sich über den ganzen euro-
päischen Kontinent verbreitete. Zu jener Zeit
führten es die schweren Reiter der Holländer,
welche ihrer Waffe halber gefürchtet waren.
Am Ende des 17. Jahrhunderts erfährt das
Krummschwert allenthalben in Bezug auf die
Fassung und GrinTorm eine Wandlung, durch
welche es eigentlich zum Säbel wird. Das
Wort stammt aus dem slawischen sabla, die
Form aber aus Ungarn, woher das westliche
Europa schon seit Jahrhunderten unterschied-
liche Waffenformen sich aneignete. Aber erst
in den französischen und deutschen Heeren er-
hält der Griff jene Ausbildung, wie er noch
zur Stunde uns vor Augen tritt. Der Griff
des Säbels charakterisiert sich speziell durch
das Rückenbeschläge am Griffholze. Sieht
man an ungarischen Säbeln noch — meist
S-förmig gekrümmte — Parierstangen, so fehlen
sie bei jenen in den westlichen Heeren gänz-
lich und sind durch Stichblätter mit Griffbügel
oder Körben aus gegossenem Messing oder aus
Eisen ersetzt. Säbel mit wenig gekrümmter
oder gerader Klinge wurden im Gegensatze
zu den mehr gekrümmten der Husaren im öster-
reichischen und preufsischen Heere Palasche
genannt.
In der Auszierung der europäischen Klingen
findet sich ebenso der Geschmack wie der
Zeitgeist scharf ausgeprägt Im 16. Jahrhundert
ist in den geätzten Verzierungen durch die
Schönheit und Korrektheit des Ornamentes
der Geist der Renaissance waltend. Später
im 17. Jahrhundert nimmt die künstlerische
Fähigkeit stetig ab und in die Darstellungen
mengt sich nicht selten der rohe Soldatenwitz.
In den Türkenkriegen werden häufig Sonne
und Mond, dann eine aus Wolken ragende,
mit einem Krummschwert bewehrte Hand,
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A. Blanke Waffen. 3. Der Degen. 281
türkische Reiter u. dergl. ziemlich roh dargestellt. Häufig finden sich
Klingen mit der Bezeichnung FRINGIA, sie gehörten zu den
gesuchtesten und wurden in Ungarn mit hohen Preisen bezahlt
Diese Klingen sind steirischer Herkunft, die Buchstaben bedeuten:
FRIDERICUS (III.) REX (Hungariae) IN GERMANIA IMPERATOR
AUGUSTUS. Bei ihrer Beliebtheit wurden sie vielfach gefälscht und
absichtlich oder unabsichtlich oft die Buchstaben etwas verändert in
FRINA; FRIMIA u. dergl. Auf Klingen der ungarischen Husaren
des 18. Jahrhunderts rindet sich häufig der deutsche Reichsadler und
die Devise Vivat Maria Theresia. Dieselben , gleichfalls steirischer
Arbeit, wurden selbst von den Türken geschätzt, aber auch andere
Devisen, wie Vivat Franciscus (Rakotzy) oder Vivat Pandur u. dergl.
erinnern an ungarische Geschichtsmomente.
Zu den Krummschwertern ist, wie bereits bemerkt, das japa-
nische Schwert zu zählen. Man unterscheidet bei selbem den
Griff Touka, und die Scheide Saya. (Fig. 318.) An dem scheiben-
förmigen Stichblatt befinden sich oft Löcher in welchen das Schwert-
messer Ko-dzuka und die Schwertnadel K6-gai sich befand. Die
Klingenmarken sind an der Angel angebracht und erst zu erblicken,
wenn man von dem Griffholz die Querstifte entfernt, wonach die
Klinge sich leicht herausziehen läfst. Die besten Klingen Masamunes
stammen aus dem Jahre 1326.*)
3. Der Degen.
Der Degen, eigentlich nur eine Abart des Schwertes, unter-
scheidet sich von diesem blofs durch die schmälere, mehr auf den
Stich als auf den Hieb berechnete Klinge. Der Name ist wie bei
der Glaive und anderen Waffen eine Übertragung von einer anderen
Stichwaffe, die im Verlaufe der Zeit eine geänderte Benennung erhielt.
Schon vom 12. Jahrhundert an erscheint in Deutschland der von
den Adligen getragene lange Dolch unter der Bezeichnung ,,dcgen",
wie ja noch heute der Dolch im Französischen dague, im Italienischen
und im Spanischen daga benannt wird. Da in keiner Sprache der
westlichen Nationen aufser der deutschen für diese Art Waffen, die
Spezialform des Stofsdegens, fr. estoc, ital. stoeco, ausgenommen, eine
besondere Bezeichnung existiert und dieselbe allenthalben als Schwert
benannt wird, so ist nur anzunehmen, dafs die Deutschen, welche
*) Ein ausführliches Werk Über alle japanischen Waffen ist Zenkea-Kojitson
von Kiku-du Yo-sai aus Kioto. 20 Bände mit Illustrationen.
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282
II. Die Angriffswaffen.
diese Waffe erst am Beginne des 16. Jahrhunderts, und zwar aus
Spanien erhielten, mit ihr auch eine provinzielle Bezeichnung,
dagon, langer Dolch, in ihre Sprache herübernahmen, da die ersten
Degen in der That .keine besonders langen Klingen besafsen, und
es damals oft schwer zu sagen war, was noch als langer Dolch und
was als Schwert bezeichnet werden sollte. Wenn auch der Degen
durch die Kavaliere Karls V. und Ferdinands I. nach Deutschland
kam, so ist doch die Entstehung dieser leichten Blankwaffe in jenem
Lande zu suchen, in welchem die Fechtkunst ihre ersten Anfänge
hatte, in Italien; denn keine Waffe ist in ihrer Form so sehr auf die
Geschicklichkeit in der Führung angewiesen wie der Degen. Aus
dieser Ursache sehen wir auch auf den Faustschutz beim Degen weit
mehr Sorgfalt verwendet als beim Schwerte, ja Spanien, Italien, später
auch die Niederlande und Frankreich rivalisieren im 16. und 17.
Jahrhundert in ebenso komplizierten als raffiniert konstruierten Formen
zur Erzielung eines ausgiebigen Faustschutzes. Die ersten GriflTormen
im 15. Jahrhundert stellen sich als Spangengriffe dar, mit langen,
geraden Parierstangen anfänglich mit nur aufsen liegendem (einfachen),
später mit beiderseits angeordnetem Parierringe. Später kamen die
Faustschutzbügel (pas d'äne) hinzu, welche, wie bereits erwähnt,
tief herabreichten, um die Faust in der Parade mehr zu sichern.
Mit diesen in Verbindung treten die Spangenkörbe auf mit oft
bizarren Formen. Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts und an-
fänglich nur bei italienischen Hofdegen erscheinen die Griffbügel,
mit diesen zugleich die sogenannten Stichblätter, welche wir ein-
seitig, öfter aber zweiseitig antreffen; sie sind mehr in Italien in
Gebrauch. In allen diesen oft voneinander abweichenden Formen
bekundet sich immer von sehen des Verfcrtigers eine sorgsame Be-
rechnung der Eventualitäten im Einzelgefechte.
Die GriflTormen an Degen des 16. und 17. Jahrhunderts sind
so mannigfaltig, einzelne dabei so kompliziert, dafs es wünschenswert
erscheinen mufs, die häufigst vorkommenden derselben hier anzuführen
und deren einzelne Teile zu benennen: 1. Degen mit einfacher
Parierstange. — 2. Degen mit Parierbügeln (zwei nach abwärts gegen
die Klinge zu gerichtete gebogene Spangen; der Übergang zum Faust-
schutzbügel). — 3. Degen mit einseitigem oder zweiseitigem Parier-
ringe (ein an der äufseren oder an beiden Seiten an Mitteleisen
befindlicher Ring, der bestimmt ist, den Hieb an der Parierstange auf-
zufangen). — 4. Degen mit einseitigem oder zweiseitigem Faustschutz-
bügel. (Er entsteht eigentlich nur aus einer Verbindung der Parier-
bügel durch eine gebogene Spange, die eigentlich den Zweck hat, den
Hieb noch in angemessener Entfernung von der Faust parieren zu
können.) Fig. 320. — 5. Degen mit ein- oder zweiseitigem doppelten
Faustschutzbügel (eigentlich ein Faustschutzbügel vor dem anderen,
die Form kommt seltener vor Augen.) — 6. Degen mit Griffbügel.
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A. Blanke Waffen. 3. Der Degen.
283
— 7. Degen mit Griffbügel und Spangen (der Übergang zum Korb).
— 8. Degen mit Faustschutzbügel und Spangen (eine S-förmig ge-
bogene Spange, gewöhnlich nur äufsere, die von der Parierstange quer
zum Faustschutzbügel herabreicht). — 9. Degen mit Faustschutz und
einem oder zwei Parierknebeln (ein oder zwei Fortsätze, die, von der
Parierstange oder vom Faustschutz etwas aufwärts gebogen, nach vome
zu reichen. Sie dienen zum Schutz der Knöchel; die Form ist
Fig. 320.
Fig. 320. Degen aus geschnittenem Eisen, teilweise vergoldet
und tauschiert. Der Griff enthält Parierstange, Parierbügel, einfache
Faustschutzbügel und geschweiften Griffbügel. Kais. Waffcnsammlung
zu Zarskoe-Selo.
ursprünglich mailändisch). (Fig. 321, 322.) — 10. Degen mit Stich-
blatt im Parierring (einfachste Vorkehrung, um sich gegen den Stich
zu schützen). (Fig. 323). — It. Degen mit Stichblatt am Faustschutz-
bügel (ein meist durchbrochenes eiförmiges Blechstück, das am unteren
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281
II. Die Angriffswaffen.
Teile des Bügels haftet und nach aufwärts reicht (ihre Bestimmung ist,
den Stich schon in gewisser Entfernung von der Hand aufzunehmen).
— 12. Degen mit halbem oder ganzem Korbe (entweder Spangenkorb,
durchbrochenem Korb aus Blech oder Drahtkorb. Man unterscheidet
den runden, tellerartigen Korb, vom Scheibenkorb und vom ge-
schwungenen). Zieht man nun die Kombinationen dieser einzelnen
Vorrichtungen in Rechnung, so kann man sich nur nach dem hier
gegebenen Schema die zahllosen Varianten in den Griff formen
vorstellen.
Fig. i^l.
Fig. 321. Degen Karls V. aus geschnittenem Eisen mit Ver-
zierungen in Goldtausia. Die flache Klinge ist in Hochätzung ausge-
stattet und enthält den Kalender des Jahres 1530, ferner die Inschrift
„Carolus Romanorum Semper vltra 1 530. Ambrosio Gemlich de Mo-
naco etc." Der Griff besteht aus geschwungenen Parierstangen als
Übergang zum Griffbügel, Parierbügeln und einem Parierknebel.
Der Degen erscheint am Beginne des 15. Jahrhunderts zuerst
an spanischen und einigen italienischen Fürstenhöfen, wo er über-
haupt den Dolch ersetzte; weit spater, im 16. Jahrhundert, taucht
er als Haudegen unter den leichten spanischen und italienischen
Reitergeschwadern auf. Hier erhalt er auch eine oft übertriebene
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A. Blanke Waffen. 3. Der Degen.
285
Klingenlänge. Ist die Klinge des Degens einschneidig und nur an
der Spitze zweischneidig, dann bezeichnet man sie als Haudegen-
klinge; ist sie zwei-, drei- oder vierschneidig, als Stofsdegen-
klinge. In einer Herausforderung des Hans von Degenfeld (1464)
erscheint die Bezeichnung „pratspiefs"; damit ist nicht eigentlich
ein Degen, sondern ein Pörschwert gemeint
Degen mit breiteren zweischneidigen Klingen werden zuweilen,
wiewohl fachwidrig, als Haudegen bezeichnet. Sind die Klingen sehr
schmal, pfriemenartig und nicht sehr oder gar nicht federkräftig, dann
3"- Fig. 323.
Fig. 322. Degen aus geschnittenem Eisen und reich vergoldet.
Der Griff besteht aus einer gebogenen, in den Griffbügel übergehenden
Parierstange, Parierbügeln und zwei Parierknebeln. Italienisch. 16. Jahr-
hundert, 2. Hälfte. Kgl. hisL Museum in Dresden.
Fig- 323. Degen aus geschnittenem Eisen. Der Griff besitzt ein
Stich blatt im Parierring und zwei Parierknebel. Italienisch. 16. Jahr-
hundert, 2. Hälfte. Kgl. hist. Museum in Dresden.
nannte man sie Stecherklingen; sehr biegsame aber Rappicr-
kl ingen, besonders dann, wenn sie in breite Körbe gefafst waren.
Mit der Bezeichnung stoeco verstand der Italiener anfangs nur
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2S6
II. Die Angriffswaffen.
jene Stecher oder Stofsdegen, deren Klingen vollständig unbiegsam
waren, im Gegensatze zur puma, womit eine biegsame Klinge be-
zeichnet wurde. Diese letztere Bezeichnung übertrug sich auch in
die deutsche Sprache, indem man professionelle Degenfechter
Feder fechter nannte. In späterer Zeit erhielt das italienische Wort
stoeco, wie das französische estoc einen etwas erweiterten Begriff
dadurch, dafs er sich nun auf alle Degenformen ausdehnte. Um 1560
wird das Tragen von Degen auch im Fufsvolke Sitte. Im ganzen
südlichen Europa wird nun der Degen zur Kavalierswaffe, nebenher
zum unzertrennbaren Begleiter für alle Glücksritter, Abenteurer und
Raufbolde. In dieser Sphäre erhält er eine charakteristische Form
als Raufdegen mit kurzer Handhabe, halbkugelförmigem, durch-
brochenem Blechkorbe und Parierstange. Derlei Sorten kamen in
der Mehrzahl aus Sevilla und Brescia. (Fig. 324.) Beim Fechten
bediente man sich dabei auch des sogenannten Parierdolches der
Linkhand, welcher, in der linken Hand geführt, hauptsächlich zum
Parieren des gegnerischen Ausfalles diente.*) Einen solchen Dolch
werden wir an entsprechender Stelle beschreiben. Aus dem Rauf-
degen entwickelte sich jene erst im spanischen Stiergefechte gebrauchte
Waffe, der sogenannte Matadordegen, mit langer, unbiegsamer
Stecherklinge, kurzem Griff, langer Parierstange und mit rotem Stoff
umwickeltem Griffbügel, der bei dieser Volksbelustigung in ganz gleicher
Form noch heute gebraucht wird.
Abgesehen von diesen besonderen praktischen Verwendungen
wurde der Degen schliefslich ein Zubehör der Hoftracht und verlor
in dieser Eigenschaft allgemach seine Bedeutung als Waffe. Er wird
zum Attribut einer Würde, zu einem äufseren Abzeichen für eine im
Staate hervorragende Rangsklasse und ist in seiner Ausstattung als
Zierstück nur noch vom kunstgeschichtlichen Gesichtspunkte aus zu
würdigen.
Beim Degen des 16. Jahrhunderts mit herabreichendem Faust-
schutzbügel (Fig. 325) besitzt die Angel eine derartige Länge, dafs
sie noch bis an das Ende der Bügelringe hervorragt. Dieser sicht-
bare Teil- Ansatz, wird, wie wir schon im Abschnitte „Das Schwert"
bemerkten, dazu verwendet, um die Marken der Meister und die
Zeichen der behördlichen Beschau darauf einzuschlagen. An diesem
Punkte ist somit der Degen bezüglich seiner Herkunft vorerst zu be-
trachten. Die besten Degenklingen kamen in jener Zeit aus Toledo,
Sevilla, Mailand, Serfavalle, Brescia und aus Solingen. Die
behördlichen, sowie die hervorragendsten Marken der Meister werden
wir am Schlüsse dieses Werkes zur Kenntnis bringen. Je geringer der
Querschnitt einer Klinge ist, desto mehr Sorgfalt ist bezüglich ihrer
*) In Ermangelnng eines Parierdolches umwickelte der Spanier im Zweikampfe
auch wohl die linke Hand mit dem Mantel und vollführte mit dieser die Paraden.
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A. Blanke Waffen. 3. Der Degen.
287
Brauchbarkeit auf die Fertigung zu legen. Toledaner Klingen standen
darin anfänglich in bedeutendem Rufe, sie wurden, um ihre unüber-
treffliche Elastizität zu demonstrieren, auch kreisförmig eingebogen in
den Handel gebracht Am Ende des Jahrhunderts hatten aber die
Belluneser und Brescianer Werkstätten ihre Rivalen in der Güte der
Klingen erreicht, ja teils überflügelt, denn diese erzeugten nun Klingen
von vollständiger Güte, dabei aber von so fabelhaft geringem Ge-
wichte, als seien sie von Holz gefertigt. Die berühmten Belluneser
Schwertfeger Ferrara versendeten um 1560 ihre Klingen gleichfalls
in eingebogenem Zustande.
Berühmt sind die Degenklingen mit Giftzügen geworden, in welchen
Fig- 324« Fechttiegen. Der Griff aus geschnittenem und durch-
brochenem Eisen besitzt lange Parierstangen, Griffbtigel und einen vullen
(schalenförmigen) Korb. 17. Jahrhundert. Italienisch.
zuerst die Mauren, später die Spanier ihre ungemeine Geschicklichkeit im
Schmieden des Eisens bewiesen.*) Wir haben bereits erwähnt, dafs
schon im Ii. Jahrhundert sich deutliche Spuren von dem Bestreben
zeigen, die Klinge dadurch zu erleichtern, dafs man sie durchlöcherte;
nun aber wurde diese Kunst mit einer Geschicklichkeit weitergebildet,
die alles Staunen erregt, denn nun werden die Klingen mit tiefen
*) Die Behauptung, dafs diese Durchlöcherungen dazu dienten, um einen
Giftstoff, in welchen die Klinge getaucht wurde, in dieser aufzunehmen und wirk-
sam zu erhalten, ist, wenigstens für den Kriegsgebrauch, nirgends zu erweisen.
Überhaupt gehören die meisten Erzählungen von vergifteten Klingen ins Gebiet
der Romantik.
Di
268
II. Die Angriffswaffen.
Rinnen und hohen scharfen Rippen ausgestattet und nicht nur letztere,
sondern auch nach der Quere die Rinnen unzählige Male derart durch-
löchert, dafs die Klinge selbst von allen Seiten betrachtet durch-
sichtig erscheint. Auch diese eminente Fertigkeit hatten die Mai-
länder und Brescianer den Spaniern bald abgelauscht, sie fertigten
schon um 1560 die kunstreichsten Giftzugklingen. In dieser
Kunsttechnik treten auch häufig Dolchklingen auf. Schon auf den
ältesten Degenklingen findet man und zwar meist in den Blutrinnen die
Namen der Meister in einer ganz eigenen lateinischen Majuskelschrift
eingeschlagen, die für den Ungeübten oft schwer oder gar nicht zu
325.
f^g 325. Degen mit Griff aus geschnittenem Eisen, teilweise
vergoldet. Letzterer besteht aus geraden Parierstangen, aus einem vom
Parierring aufgeschwungenen Griffbügel und doppeltem Faustschutzbügel
(pas d'äne).
lesen ist, um so mehr als Verwechselungen von Buchstaben nicht selten
vorkommen. Der dekorative Abschlufs von derlei Klingeninschriften,
zumeist eine ankerähnliche Figur darstellend, wird häufig, aber irrig
als Marke des Meisters angesehen. Nebst den Meisternamen finden
sich auch Sinnsprüche wie: IN DIO • SPERAVI, VI VE LE • ROY
u. dergl. Auf späteren französischen Klingen des 17. Jahrhundert
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A. Blanke Waffen. 3. Der Degen.
'289
lesen wir häufig den Mahnspruch: „Ne nie tirez pas sans raison, ne
me reraettez pas sans honneur4'. etc.
Als Zierwaffe ist der Degen stets der beliebteste Gegenstand für
eine künstlerische Ausschmückung gewesen, und es haben sich da
noch Beispiele erhalten, welche zu den bedeutendsten Werken des
Kunsthandwerks zählen.
Bedeutende Künstler und Kunsthandwerker lieferten Zeichnungen
Fig. 326. Fig. 327.
Fig. 326. Kleiner Hofdegen mit Griff aus Bergkristall. Die
Fassung aus vergoldetem Silber ist mit Edelsteinen besetzt. 17. Jahr-
hundert.
Fig> 327. Kleiner Hofdegen, auch als Zierwaffe auf der Jagd
gebraucht. Der Griff ist mit Perlmutter belegt, die Fassung ist aus
vergoldeter Bronze, die Klinge zeigt feine Ätzungen. Französisch.
17. Jahrhundert.
Bocbcim, Waffenkunde I o.
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290 II. Die Angriflswaflen.
für Degen, so Hans Mielich, Polidoro da Caravaggio, der Lothringer
Pierre Woöiriot u. a. Von letzterem ist eine Serie aus gezeichneter
Kupfertafeln 1555 erschienen.
Herrlich ausgestattete Degengriffe in Eisenschnitt, mit Email und
Tausia geziert, lieferte Spanien, die schönsten aber Mailand und
Florenz.
Noch am Ende des 17. Jahrhunderts erblicken wir Hofdegen
mit Griffen in geschnittener Eisenarbeit von hoher künstlerischer
Ausführung (Fig. 326, 327). Mittlerweile aber hatte sich, von Frank-
Fig. 328.
Fig. 328. Degenkuppel mit Tasche aus gesticktem Samt und
Beschlägen aus vergoldetem Eisen. 16. Jahrhundert, Ende. Kgl. hist.
Museum in Dresden.
reich ausgehend, eine Schablone herausgebildet, die nun in allen
Ländern sich verbreitete. Sie ist allerdings einfach genug, es ist der
moderne Degengriff aus gegossenem Messing mit eiförmigen Stich-
blättern und Griffbügel.
Im 18. Jahrhundert, in welchem sich alles verzierlichte, treten
uns die Hofdegen aus geschliffenem Blankstahl vor Augen. Simple
Facettierung ohne jeden Kunstwert, die relativ hübschesten erzeugte
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
291
man in Paris. In dieser Form und als blau angelaufener Trauer-
degen lebt sich heute diese Waffe aus. Der Degen gleich dem
Schwerte wurde im 16. Jahrhundert an einem
schmalen Riemen um die Mitte des Leibes ge-
tragen, von welchem an der rechten Seite, an
einem Ringe befestigt, eine dreiseitige sogenannte
„Tasche" herabhing, die aus einer Anzahl von
Riemen und Schnallen bestand, in welcher die
Waffe steckte. Ein weiterer schmaler Riemen lief
vorne von der Tasche gegen den Leibriemen, so
dafs die Waffe in einer schiefen Lage hing. Erst im
1 7. Jahrhundert kamen die Bandeliere auf, welche
über die rechte Achsel getragen wurden; die Waffe
stak anfanglich in einer ganz ähnlichen, mit dem
breiten Bandelierriemen verbundenen Tasche.
(Fig. 328.)
Im Oriente hat der Degen zu keiner Zeit
Eingang gefunden. Aus dem alten Pörschwert
des 14. und 1 5. Jahrhunderts, das die Bestimmung
hatte, die Maschen des Panzerhemdes zu durch-
stofsen, entwickelte sich der Panzer stech er mit
pfriemenförmiger aber sehr langer Klinge, der ge-
wissermafsen als der Vorläufer des allerdings weit
leichteren Degens zu betrachten ist. Selbständig
entwickelt sich der orientalische Panzerstecher
(Fig. 329), der sich hauptsächlich durch seine
Fassung unterscheidet, sonst aber die gleiche Be-
stimmung hatte. Der orientalische Panzerstecher,
den wir bei den Arabern, Persem und Türken
bis ins 17. Jahrhundert antreffen, war immer ein
Bestandteil der Pferderüstung und wurde auch
hinter dem linken Sattelblatte versorgt. Aufserdem
führte der Mann den Säbel.
PI
4. Der Dolch.
Der Dolch (franz. poignard, dague, engl, dagger,
ital. pugnale, von dem lateinischen pugione her-
kommend), in seiner deutschen Bezeichnung von
dem lateinischen dolequinus abgeleitet, ist eine
Blankwaffe mit kurzer Klinge, lediglich auf den
Stöfs berechnet. Er kommt seit seinem ersten
II
Fig. 329.
Fig. 329. Orien-
talischer Panrer-
stecher mit Fassung
aus vergoldetem Mes-
sing und mit Nephrit-
steinen besetzt. Kais.
WarTensammlung zu
Zarskoe - Selo.
19*
292
II. Die Angriffswaffen.
Auftreten, welches wir, nach den vorhandenen Funden zu urteilen, bis in
die Steinzeit setzen müssen, in allen Nationen unter verschiedenen und
wechselnden Bezeichnungen vor. Im Deutschen wahrscheinlich vom
fränkischen daga hergeleitet unter dem Namen Degen bis ins 16.
Jahrhundert. In der Erinnerung an die alten Gottesgerichte erhielt
er im 14. Jahrhundert den Namen gnadgott, eine Übersetzung des
italienischen misericordia. Erst im 16. Jahrhundert finden wir in
Deutschland diese Waffe als „Dolch" angesprochen. Unter dem
Fig- 330.
Fig. 330. Dolch, sogenannter ,, Gnadgott", mit Griff aus schwarzem
Horn. Die vierseitige, hohlgeschliffenc Klinge ist mit gravierten Ara-
besken gestiert. Die schadhafte Scheide aus geprefstem Leder besitzt
zwei Besteckscheiden für ein Schnitzmesser und einen Pfriem. Deutsch.
1 5. Jahrhundert.
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
293
Einflüsse der spateren Italiener werden die dortigen Bezeichnungen
teils übersetzt, teils in der fremden Bezeichnung auch in Deutsch-
land und Frankreich fiblich.
In den nördlichen Ländern bildete sich der Dolch aus dem
gewöhnlichen Messer heraus, das sich auch für den Streit von selbst
als zweckentsprechend darbot So ist der Sax der Germanen nichts
als eine Art breites Messer gewesen, das, allgemach sich verlängernd
und schwerer werdend, zum Langsax und zum Scramasax gedieh,
die schon den Charakter des Schwertes annahmen und ihrer Form
nach auch anders gehandhabt wurden.
Der Dolch ist eine Waffe für den Nahkampf und seiner Wir-
Fig. 33*- Fig. 332.
Fig. 331. Dolch von einem Grabsteine. Deutsch. 2. Hälfte
des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorxeit.
Fig. 332. Dolch samt Scheide von einem Grabsteine im Kloster
Zimmern, unweit Nördlingen. Deutsch. Ende des 13. Jahrhunderts.
Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
kung nach für eine kurze, rasche Entscheidung berechnet, nicht selten
wurde er unter Anwendung von Hinterlist gebraucht Im Mittelalter
erscheint er als Hilfewaffe, um den bereits durch eine andere Waffe
kampfunfähig gewordenen Gegner vollends zu töten, somit das
Kampfziel ganz zu erreichen. Aus dieser Bestimmung erstanden die
Bezeichnungen misericordia und gnadgott für die Waffe und im
Deutschen das Wort „Gnadenstofs" für deren Gebrauch. Mit dem
Dolche wurde es möglich, zwischen die Fugen des Harnisches
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204
II. Die AngriflswafFen.
(Hauberts, Lentners) einzudringen und selbst die Maschen des Panzer-
hemdes zu durchstofsen. (Fig. 330.)
Im Gegensatze zu allen übrigen Blankwaffen wird der Dolch in
der Regel derart in der Hand geführt, dafs der kleine Finger an der
Parierstange oder dem Ansatz, der Daumen am Knaufe liegt.
Stand der Dolch auch, wie erwähnt, von den ältesten Zeiten in
den nordischen Ländern und im Oriente in Gebrauch, eine syste-
matische Verwendung desselben als bestimmtes Ausrüstungsstück
erhielt er erst im 13. Jahrhundert, von welcher Zeit an zunächst die
Vornehmeren, neben dem Schwerte auch den Dolch führten. Von
da an wird dieser eine allgemeine Kriegswaffe, während er vorher
Fig- 333- Grabrelicf in Bronze des Sir Nicolaus D agworth
at Bückling in der Kirche zu Norfolk. Der Dolch hingt an der
rechten Seite des Dupsing. 1401. Nach Hewitt.
Fig. 334. Grabrelief in Bronze des Sir John Wylcotcs in
der Kirche zu Great Tew in Oxfordshire von 1410. Der Dupsing an
den Bauchreifen dient als Träger des Schwertes und des Dolches. Nach
Hewitt.
durch Jahrhunderte nur in einzelnen Fällen als solche gedient haben
mochte. Er wird an der rechten Seite an einer Kette hängend getragen,
welche oberhalb an der rechten Brustseite befestigt ist, um die Waffe
im Handgemenge nicht zu verlieren. (Fig. 331, 332.) Nicht immer
wird er mit einer Scheide getragen, besonders dann nicht, wenn die
Kette am Knaufe befestigt ist Von der Zeit an, in welcher von
Kg- 333-
F'g- 334-
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
295
den Feudalen jener breite Gürtel an den Lenden getragen wird, der
gewissermafsen- als ein Würdenzeichen ritterlichen Stammes anzusehen
war, und der im Deutschen „dupsing" genannt
wird, um 1340, wird der Dolch an diesem
hängend getragen (Fig. 333.334)- Im 15. Jahr-
hundert tragen ihn die Ritter anfänglich an
der rechten Seite der Bauchreifen, wo er an
starken eisernen Ringen hängt; später an der-
selben Seite am Gürtel hängend. In den Städten
ist es Gebrauch, den Dolch, um das Herum-
schlenkem desselben zu vermeiden, in Ver-
bindung mit der üblichen Ledertasche zu
tragen (Fig. 335); so in Deutschland und
Burgund fast ausnahmslos. Vom 14. Jahr-
hundert an ist der Dolch in Italien der un-
zertrennliche Begleiter des Mannes, er trägt
ihn an der rechten Seite oder auch vor der
Mitte des Leibes an einem Riemen herab-
hängend. Von Spanien aus verbreitet sich
am Ende des 15. Jahrhunderts der Gebrauch,
den Dolch am Rücken mit dem Griffe nach
abwärts gerichtet zu tragen, eine Mode, die
auch von den deutschen Landsknechten und
den Schweizern angenommen wird.
Der Form der Klingen nach unterscheidet
«ich der lange von jenen kleinen Dolchen mit
kurzen Klingen, die namentlich von Italien
aus Mode werden und in Dimensionen vor
Augen treten, die sie mehr als Spielzeug und
Gegenstand der Koketterie erscheinen lassen,
wie die Damendolche, die stiletti und fussetti.
In den Querschnitten der Klingen finden sich
alle denkbaren Formen ; sie erscheinen ebenso-
wohl kreisrund als drei- und vierschneidig,
blattförmig mit Grat und gerippt mit Blut-
rinnen, Giftzügen und komplizierten Hohl-
schliffen. Die ältesten Dolche, welche in
nordischen Ländern in der Erde gefunden
werden, haben gröfstenteils breite, blatt-
förmige, kolbige Klingen. (Fig. 336.) Dolche
mit einschneidigen, somit messerartig geformten
Klingen werden gemeiniglich Dolchmesser Mitte des 14. Jahrh. Die
(couteaux) genannt (Fig. 337, 338.) Die Kunst 9.e8?lt, träßt, &m, DuPsinß
j irrt v 1 j l 4 • u a x\ 1 1. d e Ledertasche, hinter wel-
des Klingenschmieds hat sich an den Dolch- chcrdcrDolch st'ecUt. Nach
klingen nicht minder bewährt, als an jenen jacquemin.
\
Fiß- 335- Grabbild
eines Grafen in der Kathe-
dralkirche zu Neuch&tel.
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296
II. Die Angriffs waffen.
der übrigen Blankwaffen; so finden wir solche mit Giftzügen von ganz
außerordentlicher Feinheit in der Ausführung. Vorzugsweise war die
Dolchklinge im Oriente der Gegenstand einer minutiösen und kunst-
reichen Ausführung, die in einzelnen Fällen an das Wunderbare
streift.
Aus Indien kommen die damaszierten Klingen, die bei kräftiger
Textur ganz schwarz erscheinen; von da und aus Persien die in
Tausia verzierten; bei diesen finden sich auch Tierfiguren in Silber
und Gold mit Zuhilfenahme des Niello eingestreut. Aus Damaskus,
Bagdad und von den syrischen Küsten stammen jene schönen Dolch-
klingen aus damasziertem Stahle mit Flachreliefs und auch aufgeschla-
gener Tausia an den Ansätzen, in welche zuweilen kleine Korallen
gefafst sind, eine Zierart, die wir häufig auch an
j| Handschars und Yatagans treffen. (Fig. 339, 340.)
|3 Eine staunenswerte Technik aber bekunden jene
I 4 indischen Klingen, welche dem Grat entlang geschlitzt
J/L, sind und in deren Schlitzöflhung eine Reihe kost-
barer Perlen derart eingeschmiedet erscheinen, dafs
sie beiderseitig sichtbar sind. Diese wunderbare
Technik findet sich auch an Säbelklingen ver-
treten. Wir haben die Abbildung einer solchen
am betreffenden Orte gebracht. Im Occident ist
gemeiniglich nur der Dolch mit gerader Klinge im
Gebrauche, nicht selten auch das einschneidige
Dolchmesser, welches in Frankreich im 15. Jahr-
hundert von dem Fufsvolke geführt wurde, davon
ihr Name coustilliers stammt. Vom 15. Jahrhundert
an finden wir Dolche mit geflammten Klingen.
Eine besondere Verwendung hatten die Degen -
13 cm. lang" Grab- brecher, welche am Beginne des 1 6. Jahrhunderts
fund vom Kirchberg aus Spanien sich verbreiten. Ihre Klingen besitzen
bei Andernach. Pro- an einer Seite tiefe, zahnförmige Einschnitte. An
den vorderen Enden der Zähne befinden sich kleinere
bewegliche Zähne, welche zwar das Eindringen
der gegnerischen Klinge in den Einschnitt, nicht aber deren Zurück-
ziehen gestatten. (Fig. 341.) Die Dolche des 14. und 15. Jahr-
hunderts besitzen zumeist drei- oder vierschneidige, starke Klingen.
Die Scheiden jener Zeit sind aus Elfenbein oder aus Holz gefertigt
oder mit Leder überzogen, welche häufig in schönen gotischen
Dessins getrieben oder geprefst sind; an vielen findet sich ein
Besteck für ein kleines Messer, daneben auch wohl für einen Pfriemen.
Auf reichgezierte Dolche wurde im ganzen Mittelalter ein besonderer
Wert gelegt. (Fig. 342, 343.) Landsknechtdolche zeigen lange,
schmale aber starke Klingen. Die Griffe wie die Scheiden sind häufig,
wenn auch nur roh mit Elfenbein- oder Hirschhorneinlagen geziert.
Fig. 336.
Fig. 336. Frän-
kische Dolch-
klinge von
vinzial- Museum in
Bonn.
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch,
297
m
Iii
F»g- 337-
Fig- 338.
Fig. 337- Einschneidiger Dolch. Der Griff von Bronze mit
Auflagen von emailliertem Silber und der Inschrift: VICES.DVRANT.
Im Grunde der Seine gefundeu. Anfang des 14. Jahrhunderts. Fran-
zösisch. Sammlung Refsmann, nach Gay, Glossaire.
F'g- 338. Dolchmesser in der Fassung eines Degens. Der
Griff von Bein, geästet, besitzt am Knauf eine Scheibe und ein ähnliches
Stichblatt. Die messerfonnige Klinge ist am Ansätze etwas graviert
und vergoldet. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte. Fassung deutsch, Klinge
italienisch.
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298
II. Die Angriffswaffen.
(Fig. 344, 345.) In Italien werden zuerst die kleinen Dolche ge-
tragen. Man findet solche von feinster Arbeit bereits im 14. Jahr-
hundert Im 14. und 15. Jahrhundert genossen die in Bordeaux
erzeugten, burgalaise oder bordelaise genannten, kleinen Dolche
grofsen Ruf. Sic besafsen jedoch kaum andere, als die gewöhnlichen
italienischen Formen. Eine eigene Art von Dolchen mit dreiseitigen
Klingen, sehr langen Griffen und kreisrunden Parierringen war im
Fig. 339- Fiß- 340.
F'ß- 339- Türkischer Dolch mit krummer Klinge mit Fassung
aus vergoldetem Silber von ungarischer Arbeit. Bez. 1543.
Fig. 340. Gerader orientalischer Dolch mit Griff aus
Elfenbein, das mit Türkisen und Rubinen besetzt ist. Die Klinge be-
sitzt Giftzüge.
15. Jahrhundert als Sieneser bekannt. In grofsen Massen für den
venezianischen Markt wurden die Dolche in Belluno, für den fran-
zösischen in Brescia erzeugt. Aus jenem Orte gelangen die so-
genannten fussetti nach Venedig, bei denen eine numerierte Grad-
einteilung auf den Klingen eingeschlagen ist. Es sind die Waffen
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
290
der venezianischen Marine -Bombardiere; die Gradeinteilung soll ein
Kalibermafs darstellen, ist aber nur fingiert. Durch diese Beigabe
erschien die Waffe als artilleristisches Werkzeug, und die Bombardiere
konnten damit in Venedig, in welcher Stadt niemand bewaffnet
gehen durfte, unbeanstandet paradieren. Im 16. Jahrhundert kommt
in Spanien zuerst eine Fechtmethode im Zweikampfe in Aufnahme,
Fig. 341. Fig. 342.
E'g- 34*- Degenbrecher mit 12 Zähnen. Das Gefafs ist von
Eisen. Nach Meyrik. 16. Jahrhundert, Ende.
Fig. 342. Dolch mit Griff und Scheide aus geschnitztem Elfen-
bein und mit Silberbeschlägen. Unter den Ornamenten erblickt man
das Wappen der westfälischen Familie von Graes. Archiv der Stadt
Coesfeld in Westfalen. Nach Hefner, Trachten etc.
nach welcher der Fechtdegen (espada de matador) in der Rechten
zum Ausfalle, der Dolch aber mit der Spitze nach abwärts zur Parade
geführt wird. Dolche der Art erscheinen unter dem Namen mano izquierda
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300
II. Die Angriffswaffen.
(linke Hand) und unterscheiden sich von anderen durch eine rappier«
artige Klinge, kurzen Handgriff, lange Parierstange, besonders aber
durch ihren dreiseitigen, zuweilen durchbrochenen Korb an der
äufseren Seite. Von der Mitte des Jahrhunderts werden sie zahl-
reich auch in Italien erzeugt (Fig. 346.)
Wie bei Stangen waffen, so kommen auch bei Dolchen die so-
Fig. 343- Fig. 344.
Fig- 343> Langer Dolch mit Griff und Stichblatt aus Berg-
kristall mit schön ziselierten Beschlägen aus vergoldetem Silber. Die
geschliffene Klinge enthält Inschriften in vergoldeter Gravierung. Bur-
gundisch um 1480.
Fig- 344. Landsknechtdolch. Griff und Scheide mit Besteck
von Birnholz mit rohen figuralen Einlagen in Bein. Deutsch um
1540.
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
801
genannten Springklingen in Verwendung. Von den beiden Seiten
des Blattes trennen sich zwei Teile ab, welche, unterhalb in Schar-
nieren befestigt, durch einen Druck auf einen am Griffe befindlichen
Knopf, von Federkraft getrieben, nach auswärts schnellen. Der Zweck
der Springklingen war, die Wunde zu erweitem. Nach vollfuhrtem
Stöfs wurde an der Feder gedrückt und die Klinge in geöffnetem
Zustande rasch aus der Wunde gezogen. Derlei Dolche treten schon
V
Fig. 345- F'K- 346.
F«g- 345- Reiterdolch mit Griff aus Eisen, langen Parier-
stangen und einfachem Parierring. Italienisch um 1560.
Fig. 346. Fechtdolch, sogenannte „Linkehand", mit Korb
aus zierlich durchbrochenem Eisen. Italienisch um 1580. Siehe den
zugehörigen Fechtdegen (Fig. 324).
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreich in Italien auf.
(Fig. 3470
Im Oriente ist der Dolch (päle) vom frühen Mittelalter her so-
wohl mit gerader, als gekrümmter Klinge in Gebrauch gewesen.
Persische Dolche erscheinen in der Mehrzahl mit geraden, breiten,
302
II. Die Angriffswaffen.
blattförmigen Klingen. (Fig. 348.) Der türkische Dolch besitzt eine
krumme Klinge, ebenso der arabische; aus Yemen kommen auch
Dolche mit geflammten Klingen. Besondere Formen zeigen die
indischen und malaiischen Dolche (Krifs), welche gleichfalls in der
Mehrzahl stark gekrümmte Klingen besitzen, mit Ausnahme jener,
welche unter der Bezeichnung Hindu Khuttar bekannt sind und
kurze, breite, fast dreieckig geformte Klingen, dabei aber gabelförmige
Metallgriffe besitzen und ganz eigenartig gehandhabt werden. (Fig. 349,
350» 350-
Fig. 347-
Fig. 348.
Fig. 349
Fig. 347- Dolch mit Springklinge. Der Griff ist aus ge-
schnittenem Eisen und vergoldet. 16. Jahrhundert, 2. Hilfte. Königl.
hist. Museum in Dresden.
Fig. 348. Dolch mit Elfenbeingriff. An der gestutzten
Parierstange erblickt man eine arabische Inschrift in Goldeinlage. Die
geschnittene Klinge zeigt Ornamente im Flachrelief. Die Scheide aus
schwarzem Sammt mit getriebenen Blechbcschlägcn in vergoldetem
Silber. Persisch-arabisch. Sammlung* des regierenden Fürsten Johann
von und zu Liechtenstein.
Fig 349- Malaiischer Krifs. Der Griff, aus Holz geschnitzt
und bemalt, stellt einen sich den Bauch aufschlitzenden Menscher» dar.
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
303
Ebenso wie bei den Schwertern finden wir auch an den Dolchen
die mannigfachsten GrifiTormen. Die ältesten Dolche besitzen ent-
weder gar keine oder nur kurze Parierstangen, dafür aber starke
Stichblätter, erst im 14. Jahrhundert bildet man die Griffe den
Schwertern ähnlich, anfänglich mit kurzen, abwärts gerichteten, später
mit oft langen, geraden Parierstangen und einfachen oder doppelten
Parierringen, welch letztere zuweilen irrig als Daumenringe bezeichnet
werden. Aus den Maureskenstaaten kommen jene zweiflügeligen
Knäufe (pommeaux ä oreilles), die wir an Handschars erblicken, auch
an Dolchen in Italien und Frankreich in Aufnahme, wo sie noch
bis ins 16. Jahrhundert erzeugt werden. (Fig. 352.)
Es verlohnt sich der Mühe, zu beobachten, wie der Griff an
orientalischen Dolchen aus den rohesten Formen .heraus in gleichen
f ig- 35°« Indischer Khuttar mit Griff aus Bronze und blatt-
förmiger geschliffener Klinge. Kaiserl. Waffensammlung zu Zarskoc-
Selo.
Fig. 351- Indischer Khuttar mit Griff aus Messing mit dop-
pelter mit gehauenen Ornamenten verzierter Klinge. Kaiscrl. Waffen-
saramlung zu Zarskoe-Selo.
Typen bis zur reichsten Ausstattung sich durchbildet und entwickelt.
So der Griff am gemeinen türkischen Dolch aus einem Stücke ein-
gekerbtem Holz, der maurische aus einem Röhrenknochen, der indische
aus einem Bambusrohre u. a.
Bei den orientalischen Dolchen haben Griffe und Scheiden
gemeiniglich eine übereinstimmende oder doch einander ähnliche
dekorative Ausstattung, und die von altersher hohe Entwicklung
der dekorativen Kunst im Oriente macht es begreiflich, dafs
Fig. 35°
Fig. 3Si-
804
II. Die Angriffswaffen.
Fig. 352. Dolch mit
Griff in aufgeschlagener
Goldtansia u. zweiflüge-
ligem Knauf (a oreilles).
Klinge in Tausia, mit
Inschriften geziert. Mau-
risch I9<jahrh. Samml.
des Marquis de Villa-
hierzu die mannigfachsten Stoffe benutzt wurden.
Zu Griffen verwendet man häufig Elfenbein oder
den Zahn des Narwals, des sogenannten Einhorn-
fisches, weiters auch Rhinozeroshorn. Die Schei-
den erhalten Überzüge von gewebten Stoffen,
Leder, Schlangenhaut, Fischhaut, die geschliffen
und ungeschliffen zur Anwendung kommt. Am
häufigsten finden sich an Dolchscheiden Über-
züge aus dünnem, vergoldeten Silberblech mit
geprefsten Ornamenten, die häufig, doch nicht
immer, mit Emails geziert sind: eine alte, aus
Byzanz stammende Technik. Ein ungemein
häufig im Oriente angewendetes Ziermittel bildet
der Besatz mit Edelsteinen. Wir finden unter
diesen aufser anderen und weit kostbareren vor-
wiegend den gTünlichen, orientalischen Türkis und
den Granat vertreten. Bei der Beurteilung des
Steinschmuckes ist zu bemerken, dafs die ge-
fafsten Edelsteine im Oriente mit den seltensten
Ausnahmen nicht geschliffen, „gemugelt", vor-
kommen. Selbst in unseren Ländern beginnt
der brillantierte Schliff erst am Ende des
1 7. Jahrhunderts allgemeiner zu werden. Brillan-
tierte Steine an orientalischen Objekten, vor dem
18. Jahrhundert datierend, sind daher zum min-
desten als spätere Beigaben anzusehen; an euro-
päischen Waffen treten sie nicht vor 1650 auf.
In den occidentalen Ländern verliert sich
der Dolch mit der Militarisierung des Heerwesens
als der Taktik nicht entsprechend. Nur in der
italienischen und speziell venetianischen Artillerie
wird er noch im 18. Jahrhundert getragen. In
der Marine bildet der Dolch noch heute einen
Gegenstand der Ausrüstung als vorteilhafte Waffe
im Nahkampfe am Bord und in dem meist sehr
kurz währenden Entergefechte. Unter den starren
Lebensformen des Orients hat sich der Dolch
wenigstens bei den Bewohnern und den irregu-
lären Truppen noch bis heute erhalten; er tritt
aber in neuester Zeit meist nur noch in der Form
des Dolchmessers auf, das dem modernen Revolver
in dem Leibgurt zugesellt erscheint. Die alten
orientalischen Waffen verschwinden allgemach vor
den wirksameren der Europäer, nicht lange mehr
und sie gehören lediglich der Kunstgeschichte an.
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B. Die Stangenwaffen.
L Der Spiels.
Der Spiefs (franz. epieu, engl, spit, ital. spiedo, lancia, asta,
!at espietus, spedus, lancea), beim Gebrauche zu Pferde auch Speer
genannt, die einfachste Stangenwaffe, ist in seiner ältesten Form ein
Vermächtnis aus dem Altertume, und auch seine taktische Verwendung
unterscheidet sich bis ins 12. Jahrhundert in nichts von jener in der
antiken Zeit Der Spiefs erscheint am Beginne des Mittelalters bei
allen und auch den barbarischen Völkern als eine dünnschäftige Stofs-
waffe mit langer und schmaler Stofsklinge. Der Reiter wie der zu
Fufs Streitende gebrauchen ihn in zwei gleichen Formen, die sich
nur durch die Länge des Schaftes unterscheiden: ab Spiefs oder
Speer mit einer Schaftlänge von 3'/2 bis 4 m. und als Wurfspie fs
(ger, pilum) mit einer Schaftlänge von 2 bis 21/* m.
Am Ausgange der antiken Zeit kam die Spiefswaffe durch den
Einflufs der Römer auch unter jenen Völkern allenthalben in Gebrauch,
welche sie früher nicht führten. Unter den Germanen ist sie
die älteste und allgemeine Waffe und steigt später so sehr in der
Achtung, dafs nur dem freien Manne ihre Führung gestattet war;
diese Schätzung des Spiefses erhielt sich bis ins 9. Jahrhundert. Ebenso
war in den Heeren der Merowinger der Spiefs die allgemeine Waffe.
Das „scaftlegi", das Niederlegen des Speeres, war gleichbedeutend
mit Frieden halten. Unter den Galliern findet sich neben dem Bogen
noch eine Art von Wurfspiefsen , „mataris", welche aus freier Hand
geworfen wurden, nebenher eine andere, „cateja", die mittelst Riemen
geschleudert wurde. Unter den vielen Spiefsformen mit verschiedenen
Namen erscheinen zwei, welche in den meisten Ländern des Nordens
verbreitet waren, und beide sind Wurfspiefse. In Britannien und an
den Küsten des Stillen Ozeans scheint zuerst, aus römischen Vor-
bildern erwachsen, der Ango in Aufnahme gekommen zu sein. Der-
selbe ist ein kleiner, schmaler Spiefs mit fast meterlanger, dünner Dille,
deren Schaft, rückwärts stärker werdend, in einer Reihe von Knöpfen
endet. Das Spiefsblatt des Ango ist immer bärtig, d. h. es besitzt
beiderseits Widerhaken. Der Ango hat sich, und fast in gleicher
Gestalt, im nördlichen Europa als „Harpune", wenn auch nur noch
zum Jagdzweck dienend, erhalten. Unter den Germanen trugen die
Freien die Framea, einen dem Ango ähnlichen, doch mit blatt-
förmigem Spiefseisen versehenen Wurfspiefs, der jedoch später nicht
selten auch für den Nahkampf diente, was beim Ango nie der Fall
war. (Fig. 353, 354, 355.) Es ist bezeichnend, dafs auch der
Wurfspiefs der Reiter und sein Gebrauch auf orientalischen Ursprung
zurückweist. Wenn wir z. B. die Schilderung des Prokop von Cae-
Boebeim. Waffcnkundc. 20
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II. Die Angriffswaffen.
30»3
sarea über die Schlacht bei Busta Gallorum (6. Jahrhundert) lesen,
bei welcher Totilas, der König der Goten, dem Feinde seine Künste
im Spielswerfen zeigte, so weist dies auf speziell orientalische Kriegs-
F«g. 353-
Fig- 354-
F>g- 353- Fränkisches Spiefseisen (framea). Klingenlänge
49 cm. Grabfund vom Kirchberg bei Andernach. Rhein. Provinzial-
muscum in Bonn. Nach C. Koenen, Jahrbücher des Vereins von Alter-
tumsfreunden im Rheinlande 1888.
Fig. 354- Bärtiges Spiefseisen von einem Ango. 9. Jahr-
hundert.
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B. Die Stangenwaflen. i. Der Spiefs.
Übungen, die sich bei den Arabern und Indern noch bis heute er-
halten haben.
Berühmt als sichere Speerwerfer waren die longobardischen Reiter,
ebenso war der Wurfspieß oder Wurfspeer eine gefürchtete Waffe
der Franken im 5. und 6. Jahrhundert; nicht minder wird davon be-
richtet, dafs die Goten und Vandalen in dieser Wurfwaffe sehr geübt
waren. *)
Nicht früher als ün 8. Jahrhundert begegnen wir einer weiteren
Wurfspiefsgattung, dem Dard (Darde, dart, algier). Es war dies
Fig. 355- Fig. 356.
Fig. 355* Wurfsp ief str&ger mit Handschild. Miniatur aus
einer Bibel aus der Wende des 9. und 10. Jahrhunderts in der Biblio-
thek Mazarin. Nach Jacquemin, Ikonographie.
Fig. 356. Wurfsp iefstrÄger. Miniatur aus einer Bibel der
W ende des 9. ins IO. Jahrhundert in der Bibliothek Mazarin. Nach
Jacquemin, Ikonographie.
eine leichte Spiefssorte mit flacher, scharfer Spiefsklinge und mit rück-
wärts in der Art eines Pfeiles befiedertem Schafte. Es ist nun kein
Zweifel, dafs sich der Name von dem arabischen „djerid" ableitet,
was ebenfalls Wurfspiefs bedeutet, und wahrscheinlich, dafs der Dard
*) Gregor von Tours IE. IO, V. 26, VII. 29 etc.
20 *
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308
II. Die Angriffs waffen.
unter den Karolingern in den Kämpfen mit den Mauren in Spanien
von diesen übernommen wurde, wie das auch aus der zuweilen vor-
kommenden Bezeichnung „algier" zu vermuten ist. Von den Dards
(darz) geschieht auch erst im Rolandsliede Erwähnung. Es spricht
zwar der normanische Poet Wilhelm Guiart 1302 von „dars"; damals
und überhaupt vom 12. Jahrhundert an war der Name indes auf den
gemeinen Fulsknechtspiefs übertragen und hat sich in dieser Bedeu-
tung bis ins 17. Jahrhundert erhalten. Man findet die Bezeichnung
Tardaeisen in den Inventaren der Zeughäuser bis 1647.*) (Fig. 356.)
£1
Fig- 357-
Fig. 358.
Fig. 357* Di« Lanze des heiligen Mauritius (getötet 286)
in der Schatzkammer des österreichischen Kaiserhauses zu Wien. Ohne
die späteren Durchbrechungen der Klinge gezeichnet. Nach Leitner.
Fl"g« 358- Spiefseisenformen aus dem psaltcrium aureum vom
Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Rahn, Psalt. aur.
In der Hand des Fufsstreiters und für den Nahkampf mufste
naturgemäfs der Spiefs stärker in Schaft und Eisen werden; zuerst
merken wir diese Zunahme bei den Germanen.
Vom 9. Jahrhundert an tritt uns zuerst eine Spielsform ent-
*) Vergl. „Die Waffen des Landeszeughauses zu Graz" von F. G. v. M.
iSSo.
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spiefs. 809
gegen, die wir der Gestalt des Spiefseisens wegen den Knebelspie fs
in seiner ältesten Gestaltung nennen möchten.
Für die älteste Form dieser Spielseisen haben wir Vorbilder in
mehreren erhaltenen Exemplaren, von solchen, welche teilweise als
kirchliche Reliquien zu Rom, Bordeaux, Malmesbury u. a. Orten be-
Fig. 359- Fig. 360.
Fig. 359- Die Lanze, genannt des heiligen Mauritius, im Schatze
der Kathedrale zu Krakau. 9. Jahrhundert.
Fig. 360. Spiefs und Rundschild. Aus einer Miniatur der
Bibel Karls des Kahlen (860—875) im Museum des Louvre zu
Paris. Nach Jacquemin.
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310
H. Die AngriffswarTen.
wahrt werden; von besonderer Wichtigkeit erscheint ein erhaltenes
Spiefseisen, welches, wenn es auch vielleicht nicht jenes hohe Alter
besitzt, das ihm die Tradition beigelegt hat, doch als entschieden
ältestes Beispiel eines Spiefseisens des Mittelalters zu erkennen ist:
die sogenannte Lanze (lancea) des heiligen Mauritius in der Schatz-
kammer des österreichischen Kaiserhauses zu Wien.*) Entkleiden wir
diese heilige Lanze des Beiwerkes, mit welchem sie frommer Sinn
und die Sorge um ihre Erhaltung ausgestattet hatte und das für uns
Fig. 361. Fig. 362. Fig. 363.
Fig. 361. Spiefseisen mit Gold und Silber eingelegt darauf
das Zeichen des Kreuzes. Grabfund bei Ulm. Nach Beck, Geschichte
des Eisens.
Fig. 362. Spiefscisenformen aus dem Teppich tu Bayeux
vom Ende des II. Jahrhunderts.
Eig. 363. Fränkischer Spiefs mit einem Stück des mit Silber
beschlagenen Schaftes. Das Spiefsblatt besitzt einen stark vortretenden
Grat. Länge des Spiefseisens 22 an. Grabfund vom Kirchberg bei
Andernach. Rhein. Provinzialmuseum in Bonn. Nach C. Koenen.
von nebensächlicher Bedeutung ist, so erscheint uns ein langes, blatt-
förmiges Spiefseisen mit schwachem Grat auf langem, cylindrischen
*) Über deren Geschichte und gegenwärtigen Zustand vergl. Quirin Leitner,
„Die vorzüglichsten Kunstwerke der Schatzkammer des österr. Kaiserhauses".
Wien.
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B. Die Stangcnwatü-n. I. Der Spiefs.
311
Stiele, an dessen unterem Ende zwei flache, unten konkav geschnittene
Knebelarme angeschweifst sind. Dicht an diesen sitzt eine kurze
Dille (douille). (Fig. 357.) Sie besitzt nun allerdings nicht die Form
der römischen Lanzen, wenigstens entdecken wir unter den antiken
Funden kein ähnliches Exemplar, aber wir erkennen hier in den
Details des Knebels das Vorbild für die mittelalterlichen Knebelspiefse
bis ins 15. Jahrhundert herab. Wir sehen in diesen Spiefseisen die
eigentliche Form desselben, die uns in den ältesten Miniaturen, wie
im Psalterium aureum nur durch flüchtige Linien angedeutet wird.
(Fig. 358.) Ein zweites, nur etwas jüngeres originales Exemplar dieser
Spielseisenform aus der Kathedrale zu Krakau sehen wir in Fig. 359.
Im 9. Jahrhundert beginnen die Formen des Spiefseisens noch
mannigfaltiger zu werden, wir treffen sie bereits rautenförmig, wie in
der Bibel Karls des Kahlen (860 — 875) im Museum des Louvre,
und bemerken das Bestreben, dasselbe mit bunten Bändern zu zieren.
Ist der Knebel, der Knopf (nodus), dazu da, um ein zu tiefes Ein-
dringen der Klinge in den Körper zu verhindern, wodurch das
Zurückziehen der Waffe oft ganz verhindert wird, so war das bunte
Bändchen, der Wimpel, bestimmt, den Träger des Spiefses im Kampf-
gewirre die Richtung der Waffe leichter erkennen zu lassen (Fig. 360).
Im 10. Jahrhunderte ändern sich die Spiefsformen wenig und viel-
leicht nur dadurch, dafs sie nun um etwas stärker in Eisen und Schaft
werden. (Fig. 361.) Im 1 1 . Jahrhunderte treten bei den Normanen
wie bei den Sachsen neue Spiefseisenformen auf; es erscheint die
lange, lanzettförmige Spiefsklinge mit Knopf und erheblich stärkerem
Schafte, weiters die bärtige Spiefsklinge, letztere im Teppich von
Bayeux in grofser Anzahl, daneben aber auch die alten Formen.
(Fig. 362.J Diese Klingenform ist auf orientalische Vorbilder zurück-
zuführen und verdankt ihre Einführung bei den Normanen wahr-
scheinlich Harald III. Die Verzierung der dünnen Spiefsschäfte ist
schon an Funden wahrnehmbar, die dem 8. Jahrhundert angehören.
Die Technik ist der orientalischen sehr verwandt und besteht meist
in einem dünnen Belage von Silber oder einer dichten Besetzung
mit Silberstiften. Vom 11. Jahrhundert kommt diese Technik allge-
mach in Abnahme. (Fig. 363.) Vorn Altertume an ist der Spiefs
gewissermafsen der eigentliche Träger der Fahnen und Fähnchen; in
der Epoche des ausgebildeten Rittertums zeigt der Spiefs durch die
Beigabe des Fahnenblattes, dessen Gröfse und Auszierung den Rang
und das Geschlecht des Trägers an. (Fig. 364.)
Um die Mitte des 12. Jahrhunderts, in jener Epoche, in welcher
die Erfahrungen aus den Kreuzzügen greifbare Gestalt angenommen
hatten, verändert sich die Form der Stangenwaffe und damit auch
die Art ihres Gebrauches.
Zunächst verschwindet der Wurfspiefs allmählich aus den Heeren
der Deutschen und Franzosen, nur die Italiener, von Natur aus an-
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312
IT. Die Aagnffswaffen.
stellig und handgewandter, führten ihn noch häufig und nicht ohne
Erfolg. Bei der eigentlichen Hauptwaffe, der Reiterei, die immer
mehr als einzig mafsgebend im Streite angesehen wurde, war man
bemüht, die Wirkung des Spiefses zu erhöhen. Das führte zur Ver-
längerung und Verstärkung der Schäfte. Hatten sie bis dahin am
Stammende durchschnittlich nur eine Stärke von 3,3 cm. und eine
durchschnittliche Länge von höchstens 4 m., so führte man sie nun
bei einem Durchmesser von ca. 4,5 cm. in einer Länge bis zu 5 m.
Die Spiefseisen erhalten mannigfache Formen, die Spiefsklingen wer-
den lang und spitzig und besitzen längere Dillen. Die mit dieser
Umgestaltung verbundene ansehnliche Vermehrung des Gewichtes
veranlafste zunächst eine Veränderung in der Handhabung. Führte
der Reiter früher den Spiefs in freier, erhobener Hand, wie noch
Fig. 364.
Fig. 364. Reiter gcfc cht aus einem Manuskript des 13. Jahr-
hunderts nach Van der Kellen.
heute der Beduine, so zwang ihn jetzt die Schwere der Stange, sie
unter den Arm zu zwängen und, den Oberkörper anstemmend, den
Stöfs auszuführen.
Noch weit bedeutender war die Veränderung, welche die
StangenwafTe im Verlaufe des 12. Jahrhunderts im Fufsvolke erhielt.
Der alte Spiefs, für Reiter und Fufsknecht gleich geformt, erwies sich
für diesen als zu gebrechlich und wegen seiner Länge in der
Handhabung unsicher. Man verstärkte darum den Schaft auf 4,75
bis selbst 5 cm. und verkürzte ihn so bedeutend, dafs er nur wenig
eine Mannslänge überragte. (Fig. 365.) Damit bildete sich die Ur-
form des sogenannten „gemeinen Spiefses", der mit unwesentlichen
Varianten bis ins 17. Jahrhundert herein im Gebrauch geblieben ist.
Das Bestreben, die Handsamkcit des Schaftes zu erhöhen, führte noch
im 12. Jahrhundert zu neuen Kombinationen. Man suchte das Spiefseisen
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spiefs.
313
derart zu gestalten, dafs es nicht allein für den Stöfs, sondern auch
für Hieb und Schlag dienen konnte; man versah es mit Haken, um
den feindlichen Mann aus der Fronte hervorzuziehen. Aus diesen
Kombinationen entstanden allmählich die Glefen, die Helmbarten und
alle übrigen Stangenwaffenformen.
An diesen Stangenwaffen des Fufsvolkes treten zuerst die soge-
nannten Schaft federn auf, bandartige Fortsetzungen der Dille von
Eisen bis zum Drittel oder der Hälfte des Schaftes, in welchem sie
eingelassen und mit Nägeln befestigt sind. Sie sind dazu bestimmt,
Fig. 365. Spiefsträgcr mit Faustschild. Aus einem Manu-
skripte von 1294 in der Nationalbibliothek in Paris. Nach Jacquemin,
Ikonographie.
das Abbrechen oder Abhauen des Schaftes zu hindern. Die allge-
meine Form des knechtischen Spiefses blieb bis ins 15. Jahrhundert
herein die gleiche; nur macht sich erneut, etwa von der Mitte des
14. Jahrhunderts an, ein von Italien ausgehendes allgemeines Streben
bemerkbar, die Waffe zu verzieren. So sehen wir von dieser Zeit an
mannigfach ausgestattete Spiefse. Die Klingen von PrunkwafTen für
Fig. 365.
r
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314
II. Die Angriffswaffen.
Befehlshaber, Trabanten etc. erhalten feine Gravierungen und oft
auch Vergoldungen, die auf chemischem Wege mit Quecksilberamalgam
hergestellt wurden. Schäfte erhalten unterschiedliche Auszierungen ;
sie werden mit Stoffen überzogen und mit metallenen, oft vergoldeten
Nägeln besetzt. Zuweilen wird die Oberfläche kreuzweise mit Leder-
streifen oder Goldborten überlegt und diese mit Nägeln befestigt.
Später, im 16. Jahrhundert, wird zunächst an der Dille eine Quaste
befestigt und der Schaft in der Höhe der „Handlage" mit Samt be-
legt, der an den Rändern mit Fransen besetzt ist Am unteren Ende
wird ein Beschlag, die sogenannte Spiefshose, angebracht, der unter-
halb zuweilen spitzig ausläuft.
Fig- 367. Schweres Knebelspiefseisen. Waffe der Tra-
banten des Herzogs Friedrich IV. späteren Kaisers. Graviert mit
Spuren von Vergoldung und mit der Inschrift: „dux federic. dux
austrie". 15. Jahrhundert, Anfang.
Seit dem Beginne des 1 6. Jahrhunderts nimmt die Freude an prunk-
vollen und schönen Waffen allenthalben überhand. Die Klingen er-
halten reiche Verzierungen in Goldätzung, Tausia etc., nicht selten
auch in kunstvollem Eisenschnitt. Etwa von der Hälfte des Jahr-
hunderts an erscheinen die „gerippten" oder „gepickten" Schäfte.
Fig. 366. Fig. 367.
Fig. 366. Gemeines Reisspicfseisen.
15. Jahrhundert
2. Hälfte.
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spiefs.
315
Das Verfahren zu ihrer Erzeugung ist eigentümlich. Der als Schaft
bestimmte Stamm wird, ehe er abgeschnitten wird, zur Frühlingszeit
von der Rinde befreit, sodann werden in die Oberfläche mittelst
eines spitzen Messers nach beliebiger Ordnung tiefe Einschnitte ge-
macht und darauf der Stamm leicht eingebunden. Nach einiger Zeit
schwellen diese eingeschnittenen Stellen auf und bilden daselbst
Fig. 368. Fig. 369.
Fig. 368. Gemeiner Ahlspiefs mit 83 cm. langer Stofsklingc
und dem eingeschlagenen Stempel der Stadt Wien. Roh gearbeitet
Deutsch um 1470.
Fig. 369* Arabischer Rciterspiefs mit orientalischen Gra-
vierungen und in gehauener Technik geziert. Im Besitze des Ver-
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316
IL Die AngrifiswafTen.
scharfe, warzenförmige Erhöhungen. Sind diese in wünschenswertem
Grade vorgeschritten, so wird der Stamm abgeschnitten und, bevor
er verwendet wird, gut ausgetrocknet Besonders fein zu zierende
Schäfte werden nicht blofs einfach eingestochen, sondern mittelst
scharfer MeÜsel, welche einfache Figuren, wie Lilien, Sterne etc., ent-
halten, eingepickt. Dem Verfahren selbst liegt die Absicht zu Grunde,
den Schaft derart rauh zu machen, dafs er nicht so leicht der Faust
entgleiten kann.
Von den Spiefseisenformen des 15. Jahrhunderts, welche wir in
den nebenstehenden Figuren bringen, sind zu bemerken der gemeine
Reisspiefs (Fig. 366), der Knebelspiefs, eigentlich ein Fufs-
knechtspiefs (Fig. 367), der sein Vorbild in jenem des 8. Jahrhun-
derts findet, nur weit gewichtiger und plumper ist, und der Ahlspiefs,
eine Waffe, die zuerst in der Schweiz und Hochburgund auftritt,
später aber mit Vorliebe von den Böhmen gefuhrt wird. (Fig. 368.)
Orientalische Fufsstreiter des Mittelalters führten Spiefse mit
schwachen, aber in der Regel langen Schäften, die leichten, roh ge-
fertigten Spiefseisen sind teils pfriemenartig, teils bärtig, d. i. mit
Widerhaken versehen.
Reiter führten, wie noch heute, die lange Lanze mit dünnen,
kaum 15 mm. starken und 4 bis 4,5 m. langen Schäften. Am Dillen-
halsc finden sich herausgestemmte, nach abwärts gerichtete Zacken,
um welche verschiedenfarbige Schnüre aus Kameelhaaren gewunden
sind. (Fig. 369.)
Ein dünnschäftiger, aber kürzerer, höchstens 3 m. langer Reiter-
spiefs mit langer Stofsklinge, welcher im 15. Jahrhundert bei den
Türken zuerst allgemeiner wird, führt den Namen Copie. (Fig. 370.)
Zweifelsohne war diese Spiefsgattung und unter dieser Bezeichnung
schon seit Jahrhunderten unter den Völkern des oströmischen Reiches
geführt. Der Name stammt aus dem griechischen xOTrig, was zur
Zeit eine Hiebwaffe asiatischer Völker bedeutete, später aber auf alle
Waffen ausgedehnt wurde. Unter dem Namen Copie erscheint sie
auch im 16. Jahrhundert in Italien, Spanien und in den türkisch-
slavischen Ländern. In der Türkei wird die Sipähi- (Reiter-) Lanze
„sünü" benannt.
Bei allen Völkern Asiens kommt die lange und dünnschäfuge
Reiterlanze in Verwendung. Die Schäfte bestehen aus Holzarten,
welche in den betreffenden Landstrichen eben häufiger vorkommen,
nicht selten aus Rohr vom Pfefferstrauch, vom Bambus u. dgl.
(Fig. 371 und Fig. 372). Der Orientale schätzt vorzugsweise einen
leichten Spiefs, daher es nicht selten vorkommt, dafs Spiefsstangen mit
aller Kunstfertigkeit durchbohrt und damit hohl gebildet werden. Die
zumeist sehr langen, schmalen Spiefseisen sind häufig reich verziert,
die Hälse stilvoll gegliedert. Die Orientalen haben von der ältesten
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(
0
Fig. 370.
Fig. 371. Fig. 372.
Fig. 370. Türkische Copic mit silbernem, innen
hohlen, 2.50 m. langen, gemuteten Schafte. 16. Jahrh.
Fig. 371. Tscherkessischer Spiefs mit 3.16 m.
langem Schafte aus Pfefferrohr mit geschnittenem Wurzel-
knollen am unteren Ende. 17. Jahrhundert (?). Waffen-
museum zu Zarskoe - Sclo. Nach Gille.
Fig. 372. Turkmanischer Spiefs mit 4.74 m.
langem Schafte aus Bambusrohr und nieliiertem Spiefseisen.
17. Jahrh. (?). Waffenmuseum zu Zarskoe -Selo. Nach Gille.
i
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Fig. 373- Fig. 374-
Fig. 373- Spiefs mit 7.6 cm. langer Klinge aus geschnittenem und in Gold
tauschiertem Eisen und 2.28 m. langem, reichgeziertem Schafte des Tu man Bey,
letzten Sultans der Mameluken in Ägypten (getötet 1517). An der mit Gold ver-
zierten Schnur mit schwerer Quaste befindet sich eine goldene Kapsel , in welcher
einst ein auf kleine Blattchcn geschriebener Koran eingeschlossen war. Waffen-
sammlung zu Zarskoe-Selo. Nach Gillc.
Fig. 374- Landsknecht spiefs, Totallänge 4.5 m. Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Deutsch.
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B. Die Stangen warfen, l. Der Spicfs.
319
Zeit an der Form wie der Auszierung des Spiefses das peinlichste
Augenmerk zugewendet Nicht nur die Lanze selbst wurde vom Waffen-
schmied reich mit Ornamenten in Tausia, Niello und Vergoldung
ausgestattet, der Besitzer selber behängte sie auch mit Geflechten und
Quasten aus Yakwolle und Seide. Vorzüglich liebte man Wurfspiefse,
„djerid" ähnlich auszustatten. In ältester Zeit bildete die Spende
einer Lanze das Zeichen höchster Gunst des Sultans, und immer das
wertvollste Geschenk. Vornehme Araber und Türken trugen an den
Spiefsen goldene Schnüre mit langen Quasten, an welchen in einer
platten Kapsel ein auf kleinen Blättchen geschriebener Koran einge-
schlossen war. (Fig. 373.)
Im 16. Jahrhundert finden wir den Spiefs, teils in neuen Formen,
als vorzüglichste Stofswaffe in den Landsknechtheeren. Die Taktik
der Landsknechte erforderte eine langschäftige, aber dabei leichte
Waffe, welche dazu bestimmt war, den ersten Stöfs auf den Feind
auszuführen. Für den Nahkampf war das kurze Schwert bestimmt
Dieser Kampfweise entsprechend erhielt die überwiegend gröfste Menge
der Leute eines Fähnleins den Landsknechtspie fs, die sogenannte
„Pinne" (korrumpiert aus dem mittelalterlichen pennon). Die Spiefse
der Landsknechte, die man mit den späteren Piken des 17. Jahr-
hunderts nicht verwechseln darf, hatten ein blattförmiges Spiefseisen
mit kurzen Schaftfedem; ihr Schaft von durchschnittlich 4.5 m. Länge,
war in der Mitte stärker als an den Enden. (Fig. 374.)*) Ihre
Formen finden sich in vollster Deutlichkeit auf vielen Blättern der
Zeugbücher Maximilians I. von 15 14 wiedergegeben, welche Nie.
Glockendon zugeschrieben werden. Das Vorbild des Landsknecht-
spiefses ist in den Spiefsen der Schweizer zu finden. In den Händen
dieser Truppe war aber seine Form und seine Führung eine andere.
Noch im 1 5. Jahrh. war er nicht länger als etwas über 3 m. Im Lands-
knechtheere wuchs er zu einer Länge von 4.5 — 5 m. an und wurde so
geführt, dafs der Mann kaum mehr als einen Meter Schaft hinter sich
hatte. Die Schweizer ergriffen beim Vorrücken den Spiefs mehr in
der Mitte. Die ein höheres Kommando führenden Personen eines
Landsknechtkörpers führten, mehr als Zeichen ihrer Würde, einen
kurzschäftigen, leichten Spiefs mit blattförmigem Eisen. So sehen wir
sie abgebildet in den Holzschnitten von Nicolaus Meldemann, Hans
Guldenmund, David de Necker und Hieronymus Formschneider,
welche uns die Landsknechte um 1529 wiedergeben. Als Zeichen
der Würde führten den leichten Spiefs mit kürzerem, dünnen Schafte
die höchsten Personen. So erscheint Karl V. in dem bekannten Ge-
*) Die in den verschiedenen Waffenmuseen, wie im Musie d'Artülerie in Paris
befindlichen, als Landsknechtspiefse bezeichneten Stangenwaffen sind gemeine Piken
des 17. Jahrhunderts. Wirkliche Landsknechtspiefse sind äufserst selten. In an-
sehnlicherer Menge finden sie sich noch im Museum iu Salzburg.
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II. Die Angriffswaffen.
mälde von Tizian in der Galerie in Madrid dargestellt.*) Wir haben
dabei kaum nötig, zu bemerken, dafs diese Sitte nichts anderes als
das Zurückgreifen in eine frühere Zeit ist, in welcher der Spiefs als
das Würdenzeichen der Höchsten erschien.
Eine eigenartige Spielswaffe wird noch in den älteren Lands-
knechtheeren geführt, der Wurf spiefs, das „Schefflin", auch Archegaie,
Zagaye. Das Schefflin besitzt ein langes, geripptes, aber innen hohl
gebildetes, daher überaus leichtes Spiefseisen mit kurzer Dille, welches
an einem dünnen, ca. 1.70 m. langen Schafte befestigt ist; letzterer
wurde mit Leinwand oder auch mit feinem Leder überzogen und be-
malt. Am hinteren Schaftende sieht man in Abbildungen Befiede-
rungen ähnlich wie bei Pfeilen. (Fig. 375 und 376.)
Der Name leitet sich von javelin, javelot, auch gabelo ab, das
vielleicht im germanischen „ger" seine Wurzel hat. Mit ihm begegnen
wir einer weiteren Wurfspiefsgattung, deren Gebrauch ins frühe Mittel-
alter zurückreicht. Wir finden den javelin bereits im Rolandsliede,
ebenso in der Dichtung: „La conquete de Jerusalem", wo es heilst:
„Et eil as gavclos commencent ä lanchir" VI, v. 5377 ff.
Im Jahre 1320 werden die javelots unter den verbotenen Waffen
angeführt. In London bildeten die „javelin - men" die Eskorte des
Sheriffs, wenn er zu Hofe ritt Die letzten javelots sollen nach Hewitt
in einem Harleian- Manuskripte (4374) von ca. 1480 abgebildet sein; das
ist, wie wir ersehen haben, irrig, da sie noch in den Zeugbüchern
Maximilians I. vom Jahre 15 14 figurieren und bis ca. 1520 noch von
den deutschen Landsknechten geführt wurden.
Bei der allmählichen Umbildung der Landsknechtfähnlein in anders
organisierte Fufsknechtregimenter erlitt auch die Bewaffnung und da-
mit auch die Gefechtsweise eine Änderung. Die Stofswaffe, der lange
Spiefs, blieb aber mit unwesentlichen Veränderungen in der Form
nach wie vor die vorzüglichste Waffe des Fufsknechtes ; nur verliert
sie ihren Namen und wird nun Pike genannt. Diese Bezeichnung,
aus dem französischen „pique" von piquer, „stechen", erscheint schon
in den spanischen Heeren Karls V. unter der Bezeichnung picas und
kam durch die Niederländer in die übrigen Heere; sie erhält sich bis
zu ihrem Verschwinden im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts,
der Zeit der Einführung des Spundbajonetts. In dem Absätze,
welcher die Bewaffnung in ihrer Totalität behandelt, haben wir den
Piqueur oder „Pikenier", wie er in deutschen Regimentern genannt
wurde, vor Augen gestellt. In dieser Periode führt ähnlich wie in
den Landsknechtheeren der Unteroffizier (Feldweibel, Profofs, Rott-
*) Derlei leichte Spicfse von der Form der Wurfspiefse wurden von den
Herren meist auf der Jagd, sonst bei festlichen Anlässen, selten aber im vollen
Harnische geführt. Auch Karl V. erscheint auf dem obenerwähnten Gemälde von
J548 nur im halben Harnisch.
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spiefs.
321
meister) die Helmbarte, der Offizier aber vom Obersten bis zum
Leutnant herab statt des Spießes die Partisane. Die Pike bestand
aus einem kleinen, rautenförmigen Spiefseisen mit kurzer Dille und
Schaftfedern, deren Schaft, meist aus Erlenholz, schwarz gebeizt, war
cvlindrisch. Die Länge derselben betrug bei den Deutschen, Schwei-
zern und Niederländern 4.194 — 5.1 1, bei den Franzosen aber nur
3.914— 4.194 m. (Fig. 377.)
In der Artillerie führten die Stuckknechte mit ihren Handlangern
neben gewöhnlichen Bandhacken auch gemeine Spiefse, die Büchsen-
Fig. 375- Kg. 376. Fig. 377.
F»g- 375- Grofscs Schcfflinciscn , innen hohl gebildet.
16. Jahrhundert, Anfang.
Fig. 376. Kleines Sehe ffli ne i sen , innen hohl gebildet.
16. Jahrhundert.
Fig. 377- Gemeiner Pikenicrspiefs. Totallängc 5. 11 m.
17. Jahrhundert. Deutsch.
Bo eh ei in, Waffenkunde. 21
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322
II. Die AngrilTswaflen.
meister aber sogenannte Luntenspiefse mit einer Vorrichtung zum
Einzwängen der Lunte. Wir bringen hier diese Gattung, die halb
Fi«. 37»- Fig. 379.
Fig. 378. Gemeiner Stuckknechtspiers. Italienisch. 17. Jahr-
hundert.
Fi«- 379- Gemeiner Luntenspiefs. 18. Jahrhundert.
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spiefs.
Waffe, halb Gerät ist, nach Originalen in Abbildungen. (Fig. 378,
379» 38o.)
Trabanten führten an den meisten Höfen Stangen waffen, nicht
Fig. 380.
Fig. 380. Reichverzierter Luntenspiefs eines Btichsen-
meisters Ton Eisen und Messing. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte. Waffen-
sammlung im Stifte Klosterneuburg.
Fig. 381. Geätzter Trabantcnspicfs mit einseitigem Parier-
haken mit den Devisen des Herzogs Victor Amadeus von Savoyen
(gest. 1637). Sammlung Bazzcro in Mailand.
Fig. 382. Trabantenspiefs mit Parierhaken und spießförmigem
Knebel. Ital. 16. Jahrh., Ende. Wafiensamml. in Zarskoe-Selo. Nach Gille.
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B. Die Stangenwaffen, i. Der Spicfs.
325
selten auch gemeine Spiefse, die in der Regel reich verziert waren
und oft mannigfache, seitsame Formen aufwiesen. Besonders an
italienischen Höfen waltete da die Phantasie uneingeschränkt, wie aus
zwei Beispielen (Fig. 381 und Fig. 382) ersehen werden kann.
In der Reiterei macht sich vom 14. Jahrhundert immer mehr
das Streben geltend, den Schaft besonders gegen das Stammende hin
zu verstärken. Schon um 1 360 tritt der Versuch auf, die den Schaft
haltende Faust durch eine flache Scheibe aus* Blech vor Verletzungen
Kg- 383.
Fig. 383. Unterer Teil eines Spiefsschaftes mit daran
befestigter geätzter Brcchschcibe. Deutsch. Um 1560.
zu sichern. Diese Beigabe genügte nicht, man bildete sie darum
trichterförmig mit ausgeschweiften Flächen. So entstand die Brech-
scheibe (Fig. 383.) Die Stärke des Hinterschaftes zwang zu einer
Schwächung in der Handlage, woraus jene Form entstand, die bei
den gewöhnlichen Reiterspiefsen wie bei den Tumierspiefsen allent-
halben zu erblicken ist und welche sich traditionell bei den Schäften
der Reiterstandarten bis ins späte 18. Jahrhundert erhalten hat. Es
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Fig. 384. Fig. 3S5. Fig. 386. Fig. 387.
Fig. 384. Kanälierter Spicfsschaft. Deutsch. Um 1570.
Fig. 385. Spitze eines Reisspiefses mit dem Fuchsschweif
geziert. Um 1480.
Fig. 386. Rcisspiefs ohne Brechscheibe, mit den Ringen aus
Stahlkugeln am Handgriffe. 15. Jahrhundert. Nach Viollet-le Duc.
Fig. 387. Spitze und Handgriff mit den Ringen aus Stahlkugeln,
vergröfsert. Punkt a bezeichnet die Stelle, wo der Rüsthaken zu liegen kommt
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B. Die Stangenwaffcn. i. Der Spiefs.
327
ist die charakteristische Form des sogenannten Reisspiefses, d. i.
der Spiefs des Reisigen, des Reiters, im Gegensatze zum knech-
tischen Spiefs, d. i. der Spiefs des Fufsknechtes, später des Lands-
knechts und Pikeniers.
Im 15. Jahrhundert, in dessen Laufe die Starke der Reisspiefse
stetig zugenommen hatte, trat, veranlafst durch die Zunahme ihres
Gewichtes, eine Reaktion ein; der Spiefsschaft wird zwar am Durch-
messer nicht geringer gebildet, er erhält aber Kanälierungen (Fig. 384)
von zuweilen bedeutender Tiefe; dadurch wurde er auch für das
Auge gefälliger. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurde es Sitte, das
Spiefseisen an seinem unteren Ende mit einem Fuchsschweife zu ver-
zieren. Wir sehen diese Mode in A. Dürers schönem Stiche: „Ritter,
Fig. 388.
Fig. 388. Spanischer Reiter, aus Springstecken gebildet.
18. Jahrhundert. Landeszeughaus in Graz.
Tod und Teufel", wie auch in den für die Kunde des Waffenwesens
jener Zeit aufserordentlich wichtigen Zeugbüchern Maximilians I.
(Fig. 385O
Die Reisspiefse, in deutschen Ländern auch „Schürzer" genannt,
welche eine durchschnittliche Länge von 3.5 m. besafsen, wurden
beim Angriffe in horizontale Lage gebracht und derart auf den Rüst-
haken des Harnisches gelegt, dafs dieser in den schwächeren Teil
des Schaftes, der Handlage, zunächst hinter der Hand des Reiters
zu stehen kam. Diese Position hatte ihre Nachteile darin, dafs bei
328
II. Die Angriflswaffen.
einem ausgeführten Stofse die Spiefsstange zurückprallte und dem
Reisigen die Faust zwischen der Einkerbung des Handgriffes oder
der Brechscheibe und dem eigenen Rüsthaken einquetschte; dabei
wurde nicht selten die Stange aus dem Haken ausgehoben. Um
dieses zu verhindern, wurde der Handgriff mit einem breiten Ringe
umgeben, der aus 4 — 5 Reihen von durchlöcherten Stahlkugeln be-
stand, die auf Draht geheftet waren. Der Rüsthaken erhielt eine
Umhüllung von weichem Holz oder Blei. Beim Gebrauch ergriff
der Reisige den Ring mit der Faust und legte die Stange derart ein,
dafs der Rüsthaken knapp hinter dem Ringe safs. Beim Stofse
drückten sich die Stahlkugeln fest in die Umhüllung des Hakens ein
und bildeten mit dieser einen Körper. (Fig. 386 und 387.)*) Kommt
der Reisspiefs im 15. Jahrhundert häufiger ohne Brechscheibe vor, so
linden wir ihn mit solcher in der Ritterschaft wie bei den Kürissera
des 1 6. Jahrhunderts fast ausnahmslos und zuweilen selbst an Fahnen-
und Fähnleinschäften.
Gegen das Ende des 1 6. Jahrhunderts, jener Epoche, in welcher
die Erfahrungen in den Kriegen der Niederlande sich allenthalben
geltend machten, verlor der Reisspiefs mehr und mehr an Bedeutung.
Dazu kamen noch die Einflüsse der italienischen Kriegslehren, in-
sofern man in Italien von jeher eine schwere Ausrüstung des Reiters
und die darauf fufsende Taktik als ungünstig ansah. Alle diese
Einwirkungen führten zu dem Bestreben, die Beweglichkeit der Reiterei
zu fördern. Schon in der ersten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts entstanden
die Arkebusiere oder reitenden Schützen, die Dragoner (Drachen),
die geeignet waren, ebenso zu Fufs als zu Pferde zu fechten und
deshalb in den Heeren immer zahlreicher wurden, während die Kürisser,
welche noch den Reisspiefs führten, sich allmählich verminderten. Nun
erschienen auch die Kürassiere zu schwerfällig, und zur Förderung ihrer
Beweglichkeit entledigte man sie des schweren Reisspiefscs. Damit kam
das Reiterschwert, der Haudegen, in der Reiterei wieder zu Ehren.
Nur bei den Ungarn und Polen, die nach den Traditionen des Orientes
wie im gesamten Leben auch in der Kriegskunst stets konservativ er-
scheinen, blieb die leichte orientalische Lanze unter der, fachlich
genommen, unrichtigen Bezeichnung Pike bis ins 18. Jahrhundert, bei
den Polen selbst bis zur Gegenwart eine beliebte Reiterwaffe.
In der deutschen und französischen Reiterei werden die Harnische
von ca. 15 So an nicht mehr mit Rüsthaken ausgestattet. Nur einzelne
*) Bclleval, M. R., Du costume militaire des Francis en 1446. Noten 58
bis 63 nach zwei anonymen Manuskripten, das eine in der Bibliotheque nationale,
das andere im Besitze Mr. Bellcvals. Dem Verfasser, welchem diese Einrichtung
zwar ganz entsprechend erscheint, ist nie ein Exemplar eines derartigen Ringes vor
Augen gekommen ; auch in der deutschen Litteratur der Zeit verlautet nichts dar-
über. Es scheint demnach, dafs dieselbe nur in Frankreich gebräuchlich war und
dafs man das Rückprallen der Stange in Deutschland durch eiserne Bandringe zu
verhindern trachtete.
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B. Die Stangenwaffen. I. Der Spicfs.
329
Ritter und Standesherren trugen, alter Sitte
huldigend, noch mit Vorliebe an ihren ritter-
lichen Harnischen den längst nicht mehr in
Gebrauch stehenden Rüsthaken. Um 1580
legte die Reiterei den Reisspiefs, hundert-
zwanzig Jahre darauf, nach 1700, das Fufs-
volk die Pike ab; damit aber war der Spiefs
in seiner charakteristischen Form noch immer
nicht ganz aus den Heeren verschwunden. Schon
in den niederländischen Befreiungskriegen ent-
stand der S pringstecken; er bestand aus einer
dünnen, etwa 2 ra. langen Stange, welche an
beiden Enden mit einfachen, pfriemenartigen,
eisernen Spitzen versehen war. Er wurde in
dem von vielen Kanälen durchschnittenen Lande
besonders von den Schützen zum Übersetzen
dieser Terrainhindernisse gebraucht. Nebenher
lief auch das Bestreben, dieses spiefsartige
Werkzeug als Auflager für die Büchse beim
Zielen zu gebrauchen, wozu in der Mitte des
Schaftes ein eiserner Haken angebracht wurde.
Derlei Springstecken, Scharfschützenlanzen
genannt, kommen in verschiedenen Formen bis
ans Ende des 18. Jahrhunderts vor.
In Österreich erhielt in den Türkenkriegen
am Ende des 1 7. Jahrhunderts der Springstecken
noch eine andere Aufgabe; er diente zur Bil-
dung der „spanischen Reiter", für welche
die Hauptbalken auf eigenen Wagen im Train
mitgeführt wurden. Der spanische Reiter, welcher
zum Schutze vor Überfällen durch Reiterei
diente, bestand aus einem vierkantigen Haupt-
balken (Leib), welcher auf geringe Entfernungen
wechselweise durchlöchert war. In diese Löcher
wurden nun die von den Infanteristen getragenen
Springstecken, hiersonderbarerWeise „Schweins-
federn" genannt, gesteckt, so dafs eine Art
Bockgestelle entstand. Nach dem Reglement
von 1720 wurden im kaiserlichen Heere die
Springstöcke nur noch von den Fähnrichen ge-
führt. (Fig. 388.)
Eine besondere Aufgabe hat der Spiefs spiefs mit geätzter und
schon seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd vergoldcterVerzicrung und
u • tt originaler Ausstattung am
nach dem Bären und dem Wildschwein. Er Schafte. Historisches Mu-
wird da Bärenspiefs, Sau- oder Schweinspiefs seum in Dresden.
1
ff
mm
Fig. 389. Schwein-
330
II. Die Angriffswaffen.
genannt und diente, um das Wild anrennen zu lassen. Diesem ge-
fährlichen Gebrauche entsprechend war er auch kräftig ausgestattet,
um die Wucht des anrennenden Wildes auszuhalten und dabei nicht
zu zerbrechen. Die Klinge war breit, blattförmig und sehr scharf
und spitz. Spätere Exemplare haben einen Knebel an der Dille, der
mit starken Lederriemchen angeschnürt ist. Dieser Knebel bezweckte,
ein tieferes Eindringen der Klinge als bis zur Dille zu verhindern.
Der überaus starke Schaft von 2 m. Länge war meistenteils mit
schmalen Lederriemen umwickelt und mit Nieten besetzt, um das
Ausgleiten der Fäuste zu verhindern. Vom 16. Jahrhundert an kamen
auch Schweinspiefse mit Schiefsvorrichtungen in Gebrauch, die den
Zweck hatten, den EfTekt zu sichern, falls beim Stofsen das Ziel
mehr oder minder verfehlt wurde. Die Bärenspiefse verschwinden
bereits im 1 5. Jahrhundert, die Schweinspiefse erhalten sich noch bis
ins 17., bei einigen Höfen selbst bis ins 18. Jahrhundert. Sie sind
noch heute Inventarstücke fürstlicher Jagdkammern. (Fig. 389.)
2. Die Helmbarte.
Der Name dieser sinnreichsten Stangenwaffe ist von Helm
(Halm, Stange, Stiel) und Barte (Beil) herzuleiten. Als deutschen
Ursprungs wird in fremden Sprachen ihr Name durchwegs verstümmelt.
Sie heifst franz. hallebarde, engl, halbert, lat hellemparta, ital.
allabarda. Erst im 16. und 17. Jahrhundert wurde durch Rücküber-
setzung die alte Benennung in Hellebarte verunstaltet
Nach den Forschungen, welche Quirin von Leitner*) über den
Ursprung der Helmbarten angestellt hat, findet schon im letzten
Viertel des 13. Jahrhunderts in der mittelhochdeutschen gereimten
Erzählung: „Herzog Ernst*' die Helmbarte Erwähnung und in „Ludwig
dem Kreuzfahrer", also zu Anfang des 14. Jahrhunderts wird sie
genau beschrieben In ausgesprochenster Form führten sie schon die
Schweizer bei Morgarten 13 15 wie bei Sempach 1386.
Diese Waffe ist somit zu einer Zeit entstanden, als man schon
begaim, die einzelne Teile der Rüstung im Kriege durch etwas
gröfscre Platten zu verstarken. Es zeigt sich auch hier das fort-
gesetzte Streben, dem neuen defensiven mit dem entsprechenden offen-
siven Mittel zu begegnen; denn war Stich und Hieb des Schwertes
nicht im stände, dem Plattenharnische wirksam zu begegnen, so ver-
mochte das wohl der wuchtige Schlag eines Beiles mit langem Stiele.
*) Quirin Leitner, Die Waffensanimlung des österreichischen Kaiserhauses im
k u. k. Artillerie -Museum in Wien. Wien 1866 -1870.
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B. Die Stangenwaffen. 2. Die Helmbarte.
33
Die ältesten Helmbarten, welche wir kennen und welche sich
teils noch in Originalien erhalten haben, teils in Bildwerken vor Augen
liegen, besitzen noch die auf das Trennen und Zertrümmern der
Harnischteile berechnete kräftige Form. So sehen wir eine Helmbarte
in der Hand eines Gensdarmen aus der Zeit König Johanns I.
(!35° — 1364) in einem Basrelief der Kirche St. Leu in Paris, welche
statt des Hakens mit einem Hammer versehen ist. (Fig. 390.)
Allmählich aber, wahrscheinlich infolge der Verbesserung der Hand-
Fig. 390.
F«g- 39°- Kriegsmann mit Helmbarte aus der Zeit König
Johanns I. in einem Basrelief der Kirche St Leu in Paris. H.Jahr-
hundert. Nach Jacquemin.
feuerwafle, erleiden die Helmbarten Umänderungen, welche erkennen
lassen, dafs ihre ursprüngliche Bestimmung in den Hintergrund ge-
treten ist, und dafs ihr Hauptwert nur noch in ihrer Eigenschaft als
Stofswaffe liegt, wobei der sogenannte Haken als eine zuweilen vor-
teilhafte Beigabe erscheinen mochte.
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882
II. Die AngriflTswafTen.
Thatsächlich bildet in der Regel die Beilform und die Form
und Richtung der Beilschneide das sicherste Anzeichen des Alters
dieser Waffe; ohne uns mit langen Beschreibungen aufzuhalten, weisen
wir auf die hier folgenden, nach dem Alter gereihten Abbildungen,
nach welchen die allmähliche Umwandlung der Form bis ins 1 7. Jahr-
hundert deutlich zu ersehen ist (Fig. 391a bis 1.)
Die Helmbarte in ihrer ältesten und ursprünglichen Form ist,
wie erwähnt, deutschen Ursprungs; sie bildete im 14. und 15. Jahr-
hundert die gemeine Waffe des Fufsknechts; erst mit der Umände-
a. 1). c.
F'ß. 39».
Fig. 391. Die deutsche Helmbarte in ihrer Formcntwicke-
lung vom 15. Jahrhundert.
a. Deutsche Helmbartc um 1480.
b. Tirolischc Helmbarte, bezeichnet 1490.
c. Helmbartc aus der Zeit Maximilians L Um 1500.
rang der Bewaffnung am Ende des 15. Jahrhunderts, als der Lands-
knecht den langen Spiefs erhielt, führten sie nur bestimmte, in der
Führung erprobte Kricgsleute und Unteroffiziere; so war sie für
lange Zeit die Waffe des „Weibels".
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B. Die Staugen waffen. 2. Die Helmbarte.
338
Während die Helmbarte sich durch das ganze 16. Jahrhundert
im Gebrauch erhält, verschwindet sie im 17. Jahrhundert nahezu
vollständig aus den Heeren. Im 18. Jahrhundert führte der Unter-
offizier der Infanterie eine kleinere Helmbarte, das sogenannte „Unter-
offizierskurzgewehr".
In Italien und Frankreich wurde unter der Bezeichnung Helm-
barte (hallebarde, allabarda) eine Stangenwaffc geführt, welche der
deutschen Form sehr unähnlich ist, also eigentlich kaum in diese
d.
Fig 39'.
d. Helinbarte aus der Zeit Maximilians I. Um 1510.
e. Bairischc Holmbarte. Um 1 5 1 5.
Gattung zu reihen wäre; derlei Formen werden demnach gemeiniglich
durch die Bezeichnung Deutsche oder Italienische Helmbartc
unterschieden.
Unabhängig von ihrer Verwendung im Kriege erscheint die
Helmbarte als Waffe der Leibgarden der Regenten, am deutschen
Hofe der „Trabanten"; so finden wir sie bereits in einem Holz-
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334
II. Die Angriffswaffen.
schnitte des von Hieronymus Formschneider herausgegebenen Werkes
von 1539, welches den Zug wider die Türken 1532 beschreibt. Hier
erscheint sie bei der Heerschau, welche Karl V. über die Reichs-
truppen hielt.
In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts waren die Schweizer am
französischen Hofe mit Helmbarten ausgerüstet.
Wie die deutsche Helmbarte im Verlaufe der Zeit für ihre ur-
f. g. h.
Fig. 39i.
f. Geätzte Trabant enhclmbartc aus der Zeit Ferdinands I.
mit dem Reichsadler, den Buchstaben K. F. (Kaiser Ferdi-
nand) und der Jahrzahl 1563.
g. Gemeine Helmbartc aus der Zeit Ferdinands I.
h. Geätzte Helmbarte eines Weibels um 1570.
sprüngliche Bestimmung immer untauglicher wird, so erhalten die
Beile und Haken unter dem Einflüsse der Kunstströmung in der
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B. Die Stangenwaffen. 2. Die Helmbarte. 335
Renaissanceepoche ideale, barocke Formen. Am Ende des 16. Jahr-
hunderts erscheinen die Spiefsklingen pfriemenartig und in übertriebenen
Längen, während die übrigen Klingenteile ganz zusammenschrumpfen.
k. 1.
F«g- 39'.
i. Geätzte Helmbarte, niederländisch. Ende des l6. Jahr-
hunderts. Sammlung Neyt. Nach Vanvinkeroy, L'art a
l'exposition de Bruxelles.
k. Geätzte Trabantenhelmbarte mit dem Namenszuge Kaiser
Ferdinands II. und mit dessen Wahlspruch: „Legitime cer
tantibus". 17. Jahrhundert
l Geätzte Trabantenhelmbarte aus der Zeit Kaiser Leo-
polds L 1660.
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336 II. Die Angriffswaffen.
Einige charakteristische Proben, darunter auch Nachahmungen deutscher
Formen aus italienischen Werkstätten, bringen wir in nebenstehenden
Figuren 392 a — i. Helmbarten deutscher Form mit durchbrochenen
a. b.
Fig. 392.
Fig. 392. Deutsche Helmbartenfor mcn.
a. Helmbarte mit durchbrochenem Beile und Haken, soge-
nannte „niederländische Helmbartc". 16. Jahrhundert, Ende.
b. Ilclmbarte mit durchbrochenem Beile und Haken und langer
Stofsklinge. Niederländisch. 17. Jahrhundert, Anfang.
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B. Die Stangenwaffen. 2. Die Helmbarte.
337
c.
Fig. 392-
c. Helm harte mit durchlöchertem Beile und Haken. Nieder-
ländisch. 17. Jahrhundert, Anfang Sammlung Van Zuylcn.
Nach Vanvinkeroy.
d. Helmbartc mit durchbrochenem Beile und Haken und ori-
ginaler Quaste (Aufputz). 17. Jahrhundert. Sammlung Delpier.
Nach Vanvinkeroy.
Boche im, Waffenkunde. 22
/ -r 1 HS
1: |silVEK3lTV
338
EL Die Angriffs waffcn.
Beilen und Haken wurden im Friaulschen in Seravalle und in Brescia
gefertigt, die meisten kamen aber aus den Niederlanden, vorzüglich
aus Lüttich und Antwerpen.
Die italienische Helmbarte hatte ungeachtet ihrer der
deutschen ganz unähnlichen Form, wie aus der in beistehenden
c f- g.
Fig. 392.
e. Holmbartc deutscher Form, aber italienischer Arbeit 1 7. Jahr-
hundert.
f. Hclmbarte mir gabelförmiger Stofsklingc und Hammer
Italienisch. 17. Jahrhundert.
g. Helm harte mit Beil und Haken von barocken Formen.
Italienisch. 17. Jahrhundert.
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B. Die Stangenwafien. 2. Die Helmbarte.
Figuren 393 a — e gegebenen Entwickelung zu ersehen ist, mit der
deutschen doch eine und dieselbe Urform gemein, sie hatte im Verlaufe
Fig. 392.
i.
h. Geätzte Hcluibarte der Patrizicrfaniilie Weiser. 17. Jahr-
hundert.
i. Geätzte Helmbartc mit doppeltem Beile. Die Klinge be-
steht aus 3 Teilen. 17. Jahrhundert.
22*
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F'g- 393- Formcnentwickelung
der italienischen Helmbarte.
a. Itali enischellelmbarte aus
der Mitte des 15. Jahrhunderts.
Ehemalige Samml. L. Meyrick.
b. Italienische Trabantcn-
helmbartc vom Ende des 15.
Jahrh. Ehemalige Sammlung
L. Meyrick.
c. ItalienischeHelmbarte aus
der I. Hälfte des 16. Jahrh.
d. Itali enischellelmbarte
der Mitte des 16. Jahrhunderts.
e. Italienische Hclmbartc
vom Ende des 15. Jahrhunderts.
Sic trägt die alte Mailänder
Marke, den ,, Skorpion". Samm-
lung von \V. H. Riggs. Nach
Viollet-le-Duc.
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B. Die Stangenwaffen. 2. Die Hclmbarte.
841
sich nur anders herausgestaltet Wir sehen sie schon in dem Flügelaltar des
Nicolo Semitecolo aus der Mitte des 14. Jahrhunderts in der Akademie
zu Venedig (S. I, 20) mit aller Deutlichkeit abgebildet. Im 15. und
in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts ist sie in Italien, Frankreich
und der Schweiz die allgemeine Waffe des Fufsknechts. Ihre Be-
stimmung war, mit Spitze und Haken die vom Harnische unbedeckten
Körperteile des Mannes zu verletzen, mit dem sichelförmigen Klingen-
ansatze aber den Gegner an sich zu ziehen.
Fig. 394- Fig. 395.
Fig. 394- Deutsche Helrabarte mit sichelförmiger Klinge,
16. Jahrhundert, Ende. Fürstl. Hohenzollern-Museum zu Sigmaringen.
Fig. 395. Schweizerische Helmbarte mit der Stofskliuge
am Beile. Übergangsform von der Helmbarte zur Streitaxt. 16. Jahr-
hundert, Anfang. Landeszeughaus zu Graz.
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342 II. Die Angriffswaflen.
Die Italicner liebten lange Schäfte an ihren Stangenwaffen; so
ist die durchschnittliche Länge der Schäfte an italienischen Helm-
barten 2.14 m.
Spezialformen ersehen wir in den Figuren 394 und 395, erstere
ist deutscher, letztere italienischer Herkunft, beide sind nur Umbildungen
von älteren Formen.
3. Die Glefe und die Couse.
Die Glefe (vouge), irrig auch „Streitsense" und „Breschmesser'
genannt, besteht aus einer langen, messerförmigen Klinge, welche an
einer langen Stange mittels Dille und Schaftfedern befestigt ist. Am
unteren Ende befinden sich spitze Ansätze, sogenannte „Parier-
haken", ähnlich jenen an der italienischen Helmbartc, und am
Fig. 396.
Fig. 396. Italienische Soldaten des 14. Jahrhunderts aus
einem Manuskript der Ambrosianischen Bibliothek. Nach Jacquemin.
Rücken entweder eine gerade, vorstehende Spitze, gleichfalls zum Auf-
fangen der Hiebe, oder aber ein nach aufwärts gestellter Haken,
sogenannter „Klingenfänger".
Einen mit einer Glefe bewaffneten italienischen Kriegsknecht
erblickt man schon in einem Manuskript des 14. Jahrhunderts in der
Ambrosianischen Bibliothek (Fig. 396)*); gegen das Ende dieses Jahr-
*) Jacquemin Raphael, Ikonographie du costume. Paris 1863.
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B. Die Stangenwaffen. 3. Die Glefe und die Couse. 343
hunderte nahm ihre Verwendung stetig zu. Im 1 5. Jahrh. ist sie all-
gemein die Waffe des Fufsknechts und in Burgund selbst des Armrust-
schützen. Karl der Kühne verlangte für jene drei Soldaten, welche
von je 50 Feuerstellen durch die Ortschaften gestellt werden mufsten,
dafs wenigstens einer derselben, wenn nicht zwei, mit Schwert, Dolch
und einer Vouge erscheinen solle.
Noch am Ende des 15. Jahrhunderte nannte man jede einer
Fig. 397-
F'g- 397- Vic italienischen Glefen in ihrer Formenentwicke-
lung im 16. Jahrhundert.
a. Italienische Glefe vom Anfange des 16. Jahrhunderts
Nach Mcyrick.
b. Italienische Glefe aus der I. Hälfte des 16. Jahrhunderts.
Nach Mcyrick.
c. Glefe der Trabanten des Rektors der Republik Ragusa von
ca. 1540. Nach Meyrick.
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344 II. Die Angriffswafien.
Lehenschaft zugehörige Zahl von Fufsknechten „Glefen" nach ihrer
Waffe. Aus einer Anzahl solcher Glefen wurden die ersten knech-
tischen Fähnlein gebildet.
d. e. f.
Fig. 397-
d. Glcfc der Leibwache des Dogen von Venedig Francesco
Vcnieri (i 554 — 1556). Nach Meyrick.
c. Venezianische Glefe von ca. 1550. Nach Meyrick.
f. Französische Glefe aus der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. Nach Meyrick.
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B. Die Stangenwaffen. 3. Die Glefe und die Couse. 345
In der I. Hälfte des 16. Jahrhunderts bildete die Glefe in
eigenartiger Form die allgemeine Waffe des sächsischen Fufsvolkes.
Nach der folgenschweren Schlacht bei Mühlberg 1547 lasen die Kaiser-
Fig. 398. Fig. 399. Fig. 400.
Fig. 398. Kursächsischc Glefe aus der Zeit Augusts L mit
dein kurfürstlichen Wappen reich geätzt und vergoldet, und der In-
schrift: „Die Hoffnung hat mich offt ernerdt, sonst hätt mich Vnfal
lengst verzert."
F>g- 399- Hartschiercouse aus der Regierungszeit des Erz-
herzogs Ferdinand, späteren Kaisers, von ca. 1530.
Fig. 400. Blanke Cousc mit Helmbartenhaken. Arbeit des
Peter Schreckeisen in Neukirchen in Steiermark von 1581 Landes-
zeughaus in Graz.
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346 IL Die Angriffswaffen.
liehen enorme Mengen dieser Waffe auf dem Schlachtfelde auf. Einige
von diesen werden noch gegenwärtig in der k. k. Hof-Waffensamm-
lung zu Wien bewahrt. Die ältesten Glefcn waren ebenso für den
Stich wie für den Hieb zu gebrauchen; später scheint man sie ihrer
verhältnismäfsig weniger zweckmäfsigen Form wegen abgelegt zu haben,
. Fig. 401. Fig. 4°2-
Fig. 401. Trabantencouse vom Hofe Kaiser Rudolfs II., in
Schwarzätzung geziert mit dem Namenszuge des Kaisers, dem Wappen,
der Devise ADSIT und der Jahrzahl 1577.
Fig. 402. Trabantencousc vom Hofe Kaiser Leopolds I., in
Schwarzätzung geziert mit dem Namenszuge des Kaisers und der Jahr-
zahl 1666.
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B. Die StangenwafFen. 3. Die Glefe und die Couse.
347
desungeachtet behielt man sie an verschiedenen Höfen als Trabanten-
waffe bis ins vorige Jahrhundert bei. Dies ist die Ursache, dafs wir •
in den Sammlungen so häufig reich mittelst Goldätzung gezierten
Glefen begegnen.
Die Glefe als Trabantenwaffe finden wir im 15. und 16. Jahr-
hundert an nahezu allen italienischen Höfen, besonders in Florenz,
Mantua und Venedig, aber auch zeitweilig am französischen Hofe.
(Fig. 397a — f.) Es ist bemerkenswert, wie in dieser Verwendung
die Glefe sich allgemach umbildet, die Eignung für den Stöfs ver-
liert und überhaupt zum reich, ausgestatteten Spielzeug herabsinkt.
Besonders am venetianischen Hofe, wo sie von der slavischen Leib-
garde der Dogen geführt wurde, erhält sie eine imposante, aber über-
triebene Gestalt. Sie erscheint hier als breites, rückwärts gekrümmtes
Messer, an dessen Rücken sich ein reich konturierter Ansatz be-
findet. Ein übermäfsig langer Schaft von über 2.50 m. Länge war
darauf berechnet, die Wirkung für das Auge zu erhöhen. Am säch-
sischen Hofe wurde die Glefe in einer eigenartigen Gestalt schon im
16. Jahrhundert als Trabantenwaffe geführt. Sie unterscheidet sich
von der italienischen und französischen dadurch, dafs das beilartig
geformte, gekrümmte Messer mittels Naben an dem Schafte befestigt
ist. Ein stark gekrümmter, unterhalb geschärfter Haken sitzt auf der
Hirnseite des Schaftes, welcher etwas unterhalb in der Faustlage mit
einer Handschutzscheibe versehen ist Alle derartige Glefen sind reich
in Gold geätzt und tragen das kursächsische Wappen. Ihre Schaft-
lange beträgt durchschnittlich 146 cm. (Fig. 398.)
Im 17. Jahrhundert, in welchem sie auch am polnischen Hofe
von der dortigen Leibwache geführt wurde, erhielt diese Stangen-
waffe den Namen Kosa, von Couse (couteaux) abgeleitet.
Die Couse (guisarme) besitzt eine messerförmige Klinge, welche
mittelst einer Dille auf den Schaft gesteckt und mit demselben durch
lange, eiserne Schaftfedern und Nägel verbunden ist. In einzelnen
Fällen findet sich am Schafte unterhalb der Dille eine Handschutz-
scheibe. Aus ihrer Form ist zu ersehen, dafs die Couse weniger für
den Stich als für den Hieb zu gebrauchen ist und dafs sie sich
von der Glefe nur unwesentlich unterscheidet. Die Couse tritt, aller-
dings in einer noch rohen und plumpen Form, im 14. Jahrhundert
zuerst bei den Schweizern auf und war darauf berechnet, mittels
wuchtiger Hiebe die Harnische der Gegner, namentlich den Lentner,
zu durchdringen. Schon am Beginne des 1 5. Jahrhunderts findet
man sie in Frankreich und sie gelangt nach der Schlacht bei St. Jacob
zu solcher Beliebtheit, dafs die Schweizer bei Hofe mit solcher be-
waffnet wurden. So erscheinen sie in einer gleichzeitigen Miniatur
des Jean Foucquet der Sammlung Brentano in Frankfurt, darstellend
das lit de justice Karls VII. zu Vendöme 1458. Ein weiteres Bei-
spiel ihres Gebrauches findet sich in einem Manuskripte des Jouvencel
»
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318
II. Die Angriffswaffen.
aus dem 15. Jahrhundert in der Nationalbibliothek zu Paris. Am
Beginne des 16. Jahrhunderts wird die Couse auch in Spanien eine
Waffe der Leibgarden Philipps L, der seine Hartschiere damit aus-
rüstete, und seit dieser Zeit erscheint sie ununterbrochen an den
habsburgischen und mehreren deutschen Höfen. (Fig. 399.) Eine
der alteren Abbildungen der Couse als Hartschierwaffe sehen wir
in dem Freskogemälde des Domenico Brusasorci in der Casa Ridolfi
zu Verona, darstellend den feierlichen Einzug Karls V. und Klemens' VII.
in Bologna 1530, welches auch von Lukas Cranach in Kupfer ge-
stochen ist. Die Waffensammlung des kaiserl. Hauses zu Wien bewahrt
noch Exemplare von Cousen aller Kaiser von Ferdinand I. bis auf Josef II.
und auch einiger regierender Erzherzöge. (Fig. 400, 401, 402.)
Josef II. (gest. 1790) war der letzte Kaiser, in dessem Hofstaate die
Cousen getragen wurden. Gegenwärtig fuhren sie noch die bayrischen
Hartschiere.
4. Die Runka und die Partisane.
Die Runka (ronsard, ranseur, roncie, Wolfseisen) unterscheidet
sich von dem gemeinen Spiefs nur durch die am unteren Klingenende
zunächst der Dille befindlichen, seitlich abstehenden, halbmondförmig
nach aufwärts gerichteten Ohren. Sie erscheint als FufsknechtwafTe
auf Gemälden des 15. Jahrhunderts, ist aber gewifs weit älter. Die
Runka wurde mehr in den spanischen und italienischen Heeren ge-
führt, von welchen sie erst die Deutschen übernahmen, doch ist sie
bei letzteren nie in grofser Anzahl in Gebrauch gestanden. Bestimmte
Angaben über die Benennung und die Handhabung der Runka ver-
lauten am Beginne des 16. Jahrhunderts.*)
Als Kriegswaffe erhält sich die Runka bis an die 2. Hälfte
des 16. Jahrhunderts, bisweilen unter bizarren Formen und nicht
selten mit weit abstehenden, beiderseits geschärften Ohren, durch
welche man einen gewaltsamen Durchbruch der Fronte zu erschweren
beabsichtigte. (Fig. 403 a — d.)
In der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts ist sie auch die Waffe
einer Leibgarde, wahrscheinlich Karls V. In der Waffensammlung
des kaiserlichen Hauses zu Wien, wie in der Armeria Real zu Madrid
werden ganz gleichartig geformte Runkas bewahrt, welche ersichtlich
einer Leibgarde angehört haben. Ihre Klingen, reich geätzt und
vergoldet, die Schäfte mit Samt überzogen, sind so eingerichtet, dafs
) Monti Pietro, Exercitiorura atque artis militaris collcctanca. Mediolani 1 509.
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F'g- 403-
Fig. 403. Formen der Runka vom Anfange bis um die Mitte
des 16. Jahrhunderts.
a. R'unka aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts.
b. Runka mit weitabstehenden und geschärften Ohren aus derselben Zeit.
c. Runka in Form einer Kriegs- oder Stunngabel.
d. Runka aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Italienisch.
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A
Fig. 4©5-
Fig. 406.
Fig. 404. Reichgeätzte und teils vergoldete
Runka mit, zusammenzuschiebenden Ohren. Der 1.78 m.
lange viereckige Schaft ist zweimal im Scharnier umzu-
legen. Um 1530. Spanisch.
Fig. 405. Partisane mit behackten Ohren. 15. Jahr-
hundert, Ende.
F i g. 400. Venetianische Partisane mit gerippter
Stofsklinge und Verzierungen in Goldätzung. 16. Jahr-
hundert, I. Hälfte.
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Fig. 407. Fig. 408. Fiy. 409.
Fig. 407. Geätzte Partisane der kurbairischen Leibwache des
Kurfürsten Ferdinand Maria 1677. K. Waffensamml. zu Zarskoe - Sclo.
Fig. 408. Österreichische Oberstenpartisane aus der Zeit
Kaiser Karls VI.
Fig. 409. Preufsische Offizierpartisane aus der Zeit
König Friedrichs II. Kais. u. königl. Heeresmuseum in Wien.
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352
IL Die Angriffswafien.
die Ohren in Scharnieren zusammenzuschieben, die Schäfte aber in
der Hälfte umzulegen, somit zu verkürzen waren, damit die Verpackung
erleichtert wurde..*) (Fig. 404).
Die Partisanen**) sind eigentlich nichts anderes als Runkas
mit kürzer gebildeten Ohren. Ihre ausgesprochene Form dürfte sich
kaum über das 16. Jahrhundert verfolgen lassen, doch findet man
sie in den späteren Landsknechtheeren als Stangenwaffe der Offiziere
stark im Gebrauch. Sie bleibt auch noch im 1 7. Jahrhundert in Deutsch-
land und in den Niederlanden eine beliebte Waffe und wird allgemach
zur Waffe der Oberoffiziere. Im 18. Jahrhundert führte eine Gattung
kleiner Partisanen, Sponton***) genannt, in den deutschen Heeren
der Oberst und Oberst- Inhaber, der Oberstleutnant, der Hauptmann
und der Leutnant, letzterer ohne Quaste. Um das Jahr 1770 wurden
sie allenthalben abgelegt.
Die ältesten Partisanen besitzen noch breite und lange Spiefs-
eisen (Fig. 405, 406); später werden diese allmählich kleiner. Als
Waffen der Leibgarden an einigen deutschen, namentlich am bayrischen
und sächsischen Hofe erhalten die Klingen eine reiche dekorative
Ausschmückung in Eisenschnitt und Goldätzung. (Fig. 407.) In
Sachsen führte sie die kurfürstliche und später königliche Schweizer-
garde bis zu deren Auflösung 1 8 1 4 und die polnische Nobelgarde. In
ihrer Verwendung im Heere sind sie weniger Waffen als Würdenzeichen,
welcher Eigenschaft entsprechend sie auch verziert sind. (Fig. 408, 409.)
Partisanen, genau den älteren sächsischen nachgebildet, führten auch
die Tempelwachen in einigen ostindischen Staaten im 1 8. Jahrhundert.
Dergleichen Stücke, die Kurfürst August von Sachsen 1 77 1 gekauft
hatte und welche reich in Eisenschnitt verziert sind, werden noch gegen-
wartig im k. historischen Museum zu Dresden bewahrt.
*) Die Hartschiere wie die Trabanten dienten auf den Reisen der Kaiser zu
Pferde mit der Ausrüstung von reisigen Knechten , wenn auch in reicher Aus-
stattung, im Hof lager jedoch mit der Stangenwaffc, welche ihnen auf der Reise im
Gepäckwagen mitgeführt wurde.
**) Der Versuch , die Bezeichnung Partisane von dem französischen pertuis,
Loch herzuleiten, ist unstichhaltig. Die Bezeichnung Partisan für Parteigänger ist
vermutlich von der Waffe abzuleiten, wie man im 15. und 16. Jahrhundert ge-
meiniglich die Anzahl der Streitbaren nach der Zahl der Helme, Spiefse etc. zu be-
zeichnen pflegte.
***) Der Name leitet sich von Spiefs, lat. espietus, spedus, spentum, direkt
vom Spetum der Frilhrcnaissance her.
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5- Das Spetum, der Hakenspiefs, die Kriegsgabel
und die Sturmsense.
Unter den besonderen Formen der Stangenwaffen ist zunächst
des Spetums zu erwähnen. Das Spetum, auch „Friaulerspiefs" ge-
nannt, wodurch seine Herkunft genügend bezeichnet ist, besteht aus
einer langen Spiefsklinge, an deren unterem Ende nächst der Dille
Ohren angebracht sind, welche mehr oder weniger einen seitab und
rückwärts gebogenen Haken bilden. Die ältesten Spetums stammen
aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, sie verschwinden am Beginne
des 16. Jahrhunderts. Ihr Name leitet sich, wie bereits bemerkt, von
dem lateinischen Worte spendum, Spiefs, her. (Fig. 410, 411, 412.)
Eine schon am Beginne des 14. Jahrhunderts unter den italie-
nischen Kriegsbanden erscheinende Stangenwaffe ist der Hakenspiefs.
An sich ist er eigentlich nichts anderes, als ein Spetum mit einseitigem
Ohre. Der Haken ist dazu bestimmt, den Feind zu erfassen und an
sich zu ziehen. Hakenspiefse rinden sich noch häufig im 15. Jahr-
hundert bei den Italienern und Schweizern, weniger bei den Franzosen
und Deutschen.
Einen Kriegsmann, mit dem Hakenspiefs bewaffnet (Hakenspiefser),
sehen wir auf Fig. 395 des Abschnittes Glefe, Seite 342.
In Italien, dem Lande, in welchem wir vom 14. Jahrhundert die
mannigfachsten Handwaffen antreffen, erscheint auch zuerst die eigen-
tümlich geformte Kriegsgabel. Sie besteht gewöhnlich aus zwei,
seltener drei gabelartig gestalteten, zugespitzten Zinken aus schwachem
Stangeneisen, welche von einer Dille auslaufen. Diese Kriegsgabeln,
welche für ihren Zweck, den Lentner zu durchbohren, doch zu schwach
gestaltet waren, wurden gleichwohl bis ins 15. Jahrhundert häufig an-
getroffen, namentlich in Scharen, die für ihre Bewaffnung selbst zu sorgen
hatten. Im 16. Jahrhundert kommen sie nur noch in Italien vor.
(Fig. 41 3-)
In England tritt schon im 12. Jahrhundert eine Waffe auf, welche
eigentlich in die Gattung der Sturmsensen gehört, in den verschie-
denen Werken aber teils zu den Glefen gezählt, teils guisarme ge-
nannt wird.*) Ihre Klinge besteht aus einer an einer Dille aufsitzen-
*) Viollet-le-Duc in seinem sonst sehr anerkennenswerten Dictionnaire du
Mobilier francais, Bd. 5, pag. 492 benennt sie mit Anführung von alten Beleg-
stellen guisarmc. Diese Annahme ist , wie der verdienstvolle Autor selbst durch-
blicken läfst, irrig, da nirgends aus einem Bilde konstatiert wird, dafs diese Form
in Frankreich vorgekommen ist, während ihr Gebrauch in England nachgewiesen
ist. Im Gegenteile scheint die Guisarme des 12. Jahrhunderts eine Waffe gewesen
zu sein, welche, zwischen Glefe und Couse stehend, eigentlich ein Messer dar-
stellte, welches oben in eine pfriemenartige Spitze auslief (Glaive- guisarme).
Boehcim, Waffenkunde. 23
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354 II. Die Angriffswaffen.
den Sense, an deren Rücken, von einem Ansätze auslaufend, ein
langes, pfriemenartiges Spiefseisen angebracht ist.
Die in Fig. 414 dargestellte Waffe gehört jedoch bereits ins
14. Jahrhundert und hat auf dem Festlande eine wenig ausgedehnte
Verwendung gefunden.
Fig. 410. Fig. 411. Fig. 412.
Fig. 410. Spetum (Friaulerspiefs) vom Ende des 15. Jahr-
hunderts.
Fig. 411. Spetum vom Anfange des 16. Jahrhunderts.
Fig. 412. Spetum vom Anfange des 16. Jahrhunderts. —
Italienisch.
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B. Die Stangcnwaflen. 5. Das Spetum, der Hakenspicfs etc. 355
Die Kriegs- oder Sturmsensen besitzen eine flache, ge-
krümmte, säbelähnliche Klinge, welche am konvexen Rande verstärkt
oder gleich den Sensen am Rücken umgebogen, am konkaven Teile
aber geschärft ist.
Die Kriegssensen erscheinen in gröfseren Mengen als Kriegs-
waffen zuerst in den Bauernunruhen Tirols in der 1. Hälfte des
16. Jahrhunderts, in geringerer Zahl dürften sie in den Burgunder-
kriegen von den Schweizern geführt worden sein. Die Kriegssense,
Fig. 413. Fig. 414.
F'g- 4*3* Kricgsgabel mir doppeltem Beile (Barte). 16. Jahr-
hundert. Sammlung Poldi-Pezxoli in Mailand.
Fig. 414. Sturmsense (guisarme genannt). 14. Jahrhundert.
Sammlung W. H. Riggs.
eine Bauernwaffe, ist für den Stöfs ganz ungeeignet und für den Hieb
weniger wirksam, als man gemeiniglich annimmt. Dennoch hat diese
Waffe, weil sie dem Begriffsvermögen des Bauern am nächsten lag,
in allen Empörungskriegen eine allgemeine Anwendung gefunden,
23*
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35G
II. Die Angriffswaffen.
besonders in dem Bauernkriege am Anfange des 16. Jahrhunderts,
dem Aufstande der Tiroler 1703, 1805 und 1809, endlich in den
polnischen Aufständen von 1830 und 1848.
Während der Belagerung Wiens durch die Türken 1683 ver-
wendeten die Verteidiger eine eigene Art von Sturmsensen, die
sich im Kampfe in der Bresche gut bewährte. Eine solche Sense
bestand aus einer 90 cm. langen, flachen Spiefsklinge an einem
kurzen Schafte. Knapp vor der Dille breiteten sich beiderseits konkav
nach aufwärts gerichtete sensenähnliche Klingen aus, deren Spitzen
80 cm. von der Spiefsklinge abstanden. Etwa in der Mitte dieser
Sensenklingen waren viereckige Löcher angebracht, die bezweckten,
die Klingen mit den beiden benachbarten Sturmsensen durch Bolzen
verbinden zu können, so dafs die ganze Reihe derselben gewisser-
mafsen nur eine einzige Waffe darstellte. (Fig. 412.) Beim Gebrauche
Fig. 415-
F'ß- 4!5> Sturmsensen in ihrer Zusammenstellung für den An-
griff. 1683. K. u. k. Heeresmuseum in Wien.
wurde die nötige Anzahl von Sturmsensen zusammengestellt und
mittelst Federbolzen verbunden. So viele Soldaten, als Platz fanden,
ergriffen die Schäfte und rückten mit dieser Maschine dem anstürmen-
den Feinde entgegen.*) Die Anwendung eines ähnlichen Systems war
damals nicht neu. Schon Maximilian I. führte in seinen Zeughäusern
sogenannte Streitkarren, welche mit Spiefsen, Sensen und selbst mit
Hakenbüchsen bewehrt waren.
Im 18. Jahrhundert führte die Mannschaft der Kriegsflottille an
der unteren Donau, die sogenannten Czaikisten, Sturmsensen auf ihren
Schiffen, um das Entern zu verhindern.
•) Diese häufig in Anwendung gebrachte Waffe wurde dem Feinde zuletzt
so furchtbar, dafs er sich über diese „schlechte Kriegsmanier" bitter beklagte.
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C. Die Schlagwaffen.
i. Der Streitkolben.
Die Urform des Streitkolbens (mace, macue, macuete, tinel, —
engl, mace, lat. macia, ital. mazza, Span, maza, hcrrada) bildet die
älteste und einfachste Waffe des Menschen, die Keule, und es ist
eine sonderbare Berührung der Gegensätze, dafs eine Waffe, der sich
ursprünglich nur die barbarischen Völker bedienten, im frühesten
Mittelalter bereits zu hohem Ansehen gelangt und ganz besonders
von hervorragenden Personen geführt, den Keim bildet, aus dem der
Fig. 416. Fig. 417.
Fig. 416. Herzog Wilhelm der Eroberer in der Schlacht
bei Hastings mit dem Baculus. Partie aus dem Teppich von Baycux.
Ii. Jahrhundert, Ende.
Fig. 417. Flüchtender Engländer mit einem Streitkolbcn
bewaffnet. Partie aus dem Teppich von Baycux. 1 1. Jahrhundert, Ende.
Feldherrnstab sich entwickelte. Wir sehen am Teppich von Bayeux
den Bischof Odo sowie auch Herzog Wilhelm mit dem Baculus in
den Händen in der Schlacht bei Hastings. Dieser Baculus ist eine
lange etwa 70 — 80 cm. lange Keule, die vorne in der Form eines
358
II. Die Angriffswaffen.
Tieres roh zugeschnitzt zu sein scheint. (Fig. 416.) Unter den
flüchtenden Engländern aber erblicken wir Leute, welche eine Art
Streitkolben führen, die aus einem rosettenartigen Kopf an einem
etwa 50 cm. langen Stiele bestehen, der ziemlich gewichtig sein
mufs, da sie ihn auf der Schulter tragen. (Fig. 417.) Wie sehr
diese einfache und gewifs wirksame Waffe unter den Tüchtigsten
Ansehen genofs, ersehen wir in dem französischen Roman der Alis-
cans aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, in welchem der Held
Rainvars selbst ein Schwert, das ihm geboten wird, verschmäht und
mit seinem 15 Fuis langen Streitkolben (tinel) die Sarazenen be-
kämpft. Die Abbildung eines mit einem einfachen rohen Streit-
kolben bewehrten Kriegers bringt Viollet-le-Duc aus dem Manuskript
des Tristan von ungefähr 1250.*)
Der Streitkolben war weniger eine Waffe des gemeinen Fufs-
Fig. 418. Fufsknccht in Haubert, Brünne und Waffenhernd
gekleidet und mit Schild und Baculus bewaffnet. Randzeichnung aus
dem Codex Balduini Treviensis von ca. 1340.
Fig. 419. Streitkolben aus Bronze, unweit Tarnow aus der
Erde gegraben. 12. Jahrhundert. Sammlung Rogawski.
volkes als der Bauern, weshalb wir ihn auch in allen Empörungs-
kriegen finden. In der Reiterei ist er vom 14. Jahrhundert an eine
aufserordentlich verbreitete Waffe, die geradezu unentbehrlich für den
Reiter erschien. Mit dem Streitkolben, dem Streithammer und der
Streitaxt war der Reiter im Stande, den Helm seines Gegners zu
zertrümmern oder den Haubert soweit zu trennen, dafs die Schwert-
klinge einen Eingang finden konnte, ja, ein Schlag mit dem Kolben
konnte den bestgeharnischten Arm entzweibrechen; davor schützten
*) Dict. du mob. francais. Art. Masse.
Fig. 418.
Fig. 419-
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C. Die Schlagwaffcn. I. Der Streitkolben.
359
den feindlichen Reiter selbst die Schulterschilde nicht; nur der
Schild konnte eine Zeit lang den Hieben widerstehen. Bis ins 15.
Jahrhundert kommt der Streitkolben in seiner rohesten Form als
Bacillus im Fufsvolke vor. (Fig. 418.) Um nicht nur durch den
rohen Schlag allein zu wirken, sondern auch in den Stoff des Hau-
berts einzudringen, versah man schon um 1280 den Kopf des Streit-
Fig. 420. Fig. 421. Fig. 422.
Fig. 420. Streitkolben von Eisen mit Stiel von Holz. Aus
dem Manuskript der Nationalbibliothek zu Paris: Ii romans d'Alixandre
von ungefähr 1280. Französisch. Nach Viollet-le-Duc, Dictionnaire.
Fig. 421. Streitkolben von Eisen, cylindrisch mit Schlag-
blättern und Stacheln. Musec des fouilles des chateaux de Pierrefonds.
Ende des 14. Jahrhunderts. Nach Viollet-le-Duc, Dictionnaire.
Fig. 422. Morgenstern von Eisen mit hölzernem geästeten
Stiele. 15. Jahrhundert. Königl. Zeughaus in Berlin. Nach Hiltl.
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360
II. Die Angriffswaffen.
kolbens mit stumpfen Stacheln. Derlei Formen benannte der Söldner-
witz Morgensterne. (Fig. 419.) Ein nicht über einen Meter
langer Stiel, der unterhalb mit starken Handriemen ausgestattet
war, wurde in einen zylindrischen oder kugelförmigen Körper aus
Metall, Blei oder Eisen eingelassen, der mit Stacheln besetzt war.
Diese Metallköpfe hatten im Detail verschiedene Formen; am besten
bewährten sich die zylindrischen Köpfe, welche am Ende des 14.
Jahrhunderts fast ausnahmslos verwendet wurden, weil ihre Treff-
Fig. 423- F>ß. 424-
Fig. 423. Schwerer Strcitkolbcn mit prismatischem, mit
Stacheln besitzten Kopfe. Der Stiel ist mit Stoff überzogen und mit
Nägeln besetzt. Italienisch. 15. Jahrhundert. Königl. Zeughaus in
Berlin. Nach Hiltl.
Fig. 424. S treitko Iben mit birnförmigem, hölzernem Kopfe und
mit langen, eisernen Stacheln besetzt. Deutsch. Bauernwaffe. 15. Jahr-
hundert. Königl. Zeughaus in Berlin.
fläche bedeutend gröfser war und der Kopf durch eiserne Federn
sicherer mit dem Stiele sich verbinden liefs. (Fig. 420, 421, 422,
423, 424.) Am Beginne des 15. Jahrhunderts bildet sich in der
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C. Die Schlagwaflen. i. Der Streitkolben. 3G1
Reiterei eine ganz eigene Art von Streitkolben heraus, die unter
dem Namen „Kürifsbengel" oder auch Faustkolben bekannt ist.
II
Fig. 425.
Fig. 426.
Fig. 427.
Fig. 425. Streitkolben des Kaisers Friedrich III. in der
Form des gemeinen deutschen Kürifsbengcls aus vergoldetem Messing
in feiner gotischer Gliederung. Länge 65 cm. Deutsch. 15- Jahrh, Mitte.
Fig. 426. Streitkolben mit acht Schlagblättern von Eisen,
teilweise vergoldet. Italienisch. 16. Jahrhundert. Königl. Zeughaus
in Berlin. Nach Hiltl.
Fig. 427. Türkischer Streitkolbcn aus vergoldetem Silber
und mit Edelsteinen besetzt. 17. Jahrhundert.
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302
II. Die Angriffswaffen.
Schon im 1 4. Jahrhundert war zuweilen der Kolben mit sogenannten
Schlagblättern, welche radial aus dem Körper hervorragten, aus-
gestattet (quadrelle); nun bildete sich diese Art in gotischen Formen
vollends durch, und wir sehen, dafs auch der Schaft von Eisen ge-
bildet ist, was der Waffe ein bedeutendes Gewicht giebt. Diese Ver-
änderung bedeutet nichts anderes, als dem widerstandsfähigen Platten-
harnische, der zu jener Zeit aus einzelnen Teilen zusammengesetzt zu
werden pflegte, eine entsprechende Angriffswaffe entgegenzustellen. Den
Kürifsbengel führte der einzelne Adelige zu Rofs mit grofser Vorliebe,
sie erschien ihm vornehmer als die Streitaxt der Söldner, umsomehr
als es längst Sitte geworden war, dafs Befehlshaber den Streitkolben
führten und mächtige Herrscher, ja die Kaiser selbst, sich eines dem
Streitkolben ähnlichen Gegenstandes als Würdenzeichen, des Szepters,
bedienten. (Fig. 425.) Am Beginne des 16. Jahrhunderts ist unsere
Waffe allenthalben im Gebrauche und bleibt es bis etwa um 1540;
von da an wird sie seltener im Heere, sie schrumpft ein, gleich der
Helmbarte; gleich dieser hatte sie sich von dem Zeitpunkt an über-
lebt, wo die Faustrohre in der Reiterei allgemeiner in Aufnahme
kamen. Einzelne Reiter führten den Kolben gleichwohl noch lange
am Sattel, und Würdenträger erschienen bis ins 1 7. Jahrhundert nicht
ohne den Kolben in der Hand. Dieser Umstand war auch zunächst
Ursache, dafs die Kunst diese Waffe mit prächtigem Zierat versah,
dafs wir schön ausgestattete Kolben nicht selten antreffen. Es haben
da die Italiener und vorzugsweise die Mailänder hervorragende
Leistungen aufzuweisen. (Fig. 426.)
In Frankreich wurde der Streitkolben im Laufe der Zeit noch mehr
als in anderen Ländern zum blofsen Zeichen einer Würde. Zur Zeit
Heinrichs IV. führten die Thürhüter in Paris, die sogenannten
Schweizer, ebenso die Thürhüter in den Kirchen Streitkolben, mehr
als Würdezeichen wie als Waffe. Im Volke hiefsen sie „sergants mas-
siers". Später erhielten die letzteren Helmbarten, die ersteren aber
behielten den Kolben, und aus diesem hat sich der heutige Portier-
stock herausgebildet.
Bei den Orientalen scheint der Streitkolben als eine ursprüng-
lich tartarische Waffe schon vor dem 13. Jahrhundert in Aufnahme
gekommen zu sein; er hatte sich gegen die wohlgerüsteten Reiter
gut bewährt. Joinville berichtet in seiner Histoire de Saint Louis
an mehreren Stellen davon, dafs die Türken mit Streitkolben be-
waffnet erschienen. Die meisten türkischen Streitkolben (tschumäk,
güry, der birnförmige: topüz) sind ganz von Metall und besitzen
kugel- oder birnförmige Köpfe. (Fig. 427.) Doch finden sich auch
solche mit Schlagblättcrn, die aber immer dem orientalischen Stile
entsprechend contourirt sind. Von den Türken und Tartaren
nahmen sie die Ungarn auf, und auch bei den Kroaten und Böhmen
finden wir sie in orientalisierenden Formen schon im 1 5. Jahrhundert.
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C. Die Schlagwaffcn. 2. Der Streithammer, Faust- und Reiterhammer. 363
Kein adeliger Ungar erschien noch im 16. Jahrhundert anders als
mit dem Streitkolben im Gürtel bei Hofe. In Ungarn und besonders in
Polen ist der Streitkolben noch bis ins 18. Jahrhundert in Gebrauch
geblieben; er bildete zuletzt das Würdenzeichen des Offiziers bis zum
Heerführer hinauf; noch heute aber erblicken wir den Kolbenträger
in dem „Massiere des Vatican".
2. Der Streithammer, Faust- und Reiterhammer.
Der Hammer ist die älteste deutsche Waffe, die frühesten Volks-
sagen legen ihn in die Faust der vornehmsten Gottheit. Im Laufe
der Jahrhunderte lernte der Germane von benachbarten Völkern andere
kunstreicher gefertigte Waffen kennen und gebrauchen; der Hammer
aber wurde nie vollständig abgelegt; im Gegenteile, er gelangte im
Mittelalter erneuert zu ausgedehnter Anwendung. Die Deutschen
namentlich führten ihn bis ins 11. Jahrhundert, seine allgemeinere
Einfuhrung besonders in der Reiterei fällt jedoch erst ins 13. Jahr-
hundert. Vertraute der Reiter bisher nur auf Schwert und Spiefs,
der Fursknecht auf Bogen, Armrust, Spiefs und Schwert, so erw iesen
sich diese Waffen gegen einen wohlgerüsteten Gegner doch als un-
zureichend; der Schlag aber eines schweren Hammers, eines Kolbens,
einer Axt mufste nicht allein einen Haubert, einen Lentner und
selbst einen Plattenharnisch zertrümmern, er konnte den Körper
des Gegners bei guter Führung auch bis zur Kampfunfähigkeit er-
schüttern. So ähnlich der Hammer mit dem Kolben in Form und
Gebrauch auch erscheinen mag, so hat er doch darin einen Vorzug,
dafs er schwerer ist, mehr Vorgewicht besitzt und bei guter, kräftiger
Führung immer wirksamer als jener ist
Für den Fufsknecht wurde der Streithammer (marteau d'armes,
maillotin, cassetete, engl, polehammer, lat. molleus, ital. martello, span.
hachuela de mano, martillo) vom 14. Jahrhundert an um so nötiger,
je mehr die Anwendung von Eisenplatten zum Schutze des Körpers
allgemeiner wurde. Ja diese Waffe gelangte unter bestimmten Kor-
porationen zu einer besonderen Beliebtheit. So führten die Pariser
Bürger während des Aufruhrs 138 1 schlägelförmige Hämmer von
Blei an langen Holzstielen (mailles) und machten sich damit sehr
gefürchtet. (Fig. 428.) Bekannt ist der schon seit 1367 bestehende
Schläglerbund der schwäbischen Ritterschaft, der sogenannten
Martinsvögel, dessen Zweck war, sich gegen den Kaiser und die
Reichsstädte zur Wehr zu setzen. In ihren Reihen erscheint der
Hammer zuerst als Reiterwaffe.
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361
II. Die Angriffswafien.
Die ältesten von den Fufsknechtcn geführten Streithämmer ent-
sprachen der obenbemerkten Absicht allerdings noch wenig; das
Hammereisen, der Stachel waren zu kurz. Doch fügte man bald ein
Spierseisen dazu und versah sie an den Seiten mit Spitzen. So er-
schienen schon die französischen Fufsknechte um die Mitte des 14.
Jahrhunderts mit solch verbesserten Streithämmern (picois) bewaffnet.
(Fig. 429.)
Fast zu gleicher Zeit treten im Fufsvolke verschiedene Formen
Fig. 428. Fig. 429. Fig. 430-
Fig. 428. Gemeiner Kriegsschlägcl von Blei mit eisernen
Schaftfedern und ca. 150 cm. langem Stiele von Holz. Französisch, aus
einem Titus Livius der Nationalbibliothek in Paris von ca. 1395. Nach
Viollet-le-Duc.
Fig. 429. Streithammer (picois). Französisch. Aus einem
Titus Livius der Nationalbibliothek in Paris von ca. 1350. Nach
Viollet-le-Duc.
F»g- 43°- Luzerner Hammer mit Schnabel und Spiefseisen.
14. Jahrhundert, Ende. Nach Müller-Mothes, Arch. Lexikon.
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C. Die Schlagwaffen. 2. Der Streithammer, Faust- und Reiterhammer 365
von Streithämmern auf, welche ermessen lassen, wie angelegentlich
man sich mit der Verbesserung derselben befafste. Zunächst ging
man davon ab, sie aus Blei zu fertigen, da dies im Gebrauche seine
Form veränderte; man machte sie aus Eisen und gab dem Hammer
eine Gestalt und Gliederung der Art, dafs ihn der Mann im Ge-
fechte auch dauernd gebrauchen konnte. In dieser Umbildung er-
scheint er auch an der Stangenwaffe, zunächst an Hclmbarten, deren
Fig. 431. Fig. 432.
Fig. 431. Streithatnmer (Papagei) mit eisernem Stiele und
äufserst feinen mattierten Verzierungen. Italienisch. Um 1560.
Fig. 432. Fausthammer eines Rottmeisters eines Kürisser-Regi-
mentes unter Maximilian L, mit 48 cm. langem Stachel und 115 cm.
langem Holzstiele mit Faustriemen. Deutsch. Um 1510.
Brauchbarkeit dadurch verstärkt wurde. So entstehen die sogenannten
Luzerner Hämmer, auch Falkenschnäbel genannt, eine nur vom
Fufsvolke gebrauchte Waffe mit langem Schafte und von etwa
14 Kilogramm Gewicht. (Fig. 430.) Die Sorge um Verbesserung
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866
II. Die Angriffswaflen.
der Wirkung der Schlagwaffen erklärt sich durch die immer mehr
sich vervollständigenden Plattenharnische gegen die Mitte des 14.
Jahrhunderts.
Dieselbe Absicht führte den Reiter freilich erst später dahin, sich im
Gefechte eines kurzstieligen Hammers zu bedienen. Der Adel wehrte
sich lange gegen die mifsachtete Waffe der Städtebürger, der Pfeffer-
säcke und der rohen Bauern; aber die Notwendigkeit liefs keine
Wahl und zwang ihn dazu, sich mit ihr zu
befreunden. So kam es, dafs schon um die
Mitte des 15. Jahrh. der Streithammer, nun
Faust- oder Reiterhammer (marteau d'armes
de ca valier, engl, horsman-hammer) genannt,
von der Reiterei allenthalben geführt wurde.
Die Deutschen und Franzosen führten ihn
am Sattelknopfe, die Italiener trugen ihn
am Gürtel; ihre Fausthämmer sind deshalb
durchweg mit Gürtelhaken ausgestattet. Ge-
wisse Formen dieser Fausthämmer führten
wegen der Ähnlichkeit des Hammereisens mit
einem Vogelschnabel den Namen Papagey.
(Fig. 431.) In der 2. Hälfte des 15. Jahrh.
wird es Sitte, die Fausthämmer zu Pferde der-
art in der Rechten zu tragen, dafs der untere
Teil des Stieles auf dem Rande des Unter-
diechlings aufruhte, und das Hammereisen
als Handgriff diente. In den Kürifserregiraen-
tern Maximilians I. trugen die Rottmeister
Fausthämmer mit übermäfsig langen Stacheln,
zugleich als Waffe und Würdenzeichen. Dieser
Gebrauch erhielt sich bis in die ersten Jahre
der Regierung Ferdinands I. (Fig. 432.) In
den italienischen Reiterregimentern wurden von
jedem Mann bis zum Obersten hinauf im
16. Jahrhundert kleine Fausthämmer mit
eisernen Stielen geführt, welche an den Gürteln
F>g- 433- getragen wurden. (Fig. 433.) Einer besonderen
Fig. 433 Kleiner Eigenheit müssen wir noch erwähnen, der im
Reit er ha ramer des Her- 15. Jahrh. auftretenden Sitte, die Schlagfläche
/.ogsvonUrbino, Francesco des Hammers mit diamantförmigen Spitzen und
Maria von Rovere - Monte- , . , ^. . . »r
ffltre 11491 — 1538) von verschiedenartigen Figuren, ja selbst Mono-
Eist-n. Italienisch. Um 1580. grammen auszustatten. Entstanden in der
Absicht den Schlag gefährlicher zu machen,
führte die Sitte zur plumpen Rennomisterei mit der Begründung, die
Hand des Helden an den Leichen der Gefallenen wiederzuerkennen.
Mit der allgemeineren Einführung der Faustrohrc kam der Faust-
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C. Die Schlagwaffen. 3. Die Streitaxt.
3G7
hammer allenthalben aufser Gebrauch. Vereinzelt kommt er noch
im 17. Jahrhundert bei den ungarischen Truppen vor, wo er sich
noch bis zur Einführung des Bajoncts erhalt. Er erscheint in dieser
Zeit und bis zuletzt als eine Art Gehstock (Czakan) und diente in Ungarn
häufig als Waffe auf Reisen zur Abwehr gegen räuberische Überfälle.
3. Die Streitaxt.
Unter den Funden der Stein-, der ältesten Bronzeperiode bildet
die Streitaxt (franz. hache d'armes, engl, battle-axe, pole-axe, ital.
azza, span. hacha de armas, lat. acha, polaxis, rastieucium, bipennis)
einen so häufig vor Augen tretenden und bemerkenswerten Gegen-
stand, dafs wir deren Alter am weitesten in die prähistorische Zeit
rücken können. Wo wir aber ihre Spur finden, da weisen die Um-
stände in den meisten Fällen darauf hin, dafs sie bei den nor-
dischen Völkern zuerst Verwendung im Kriege gefunden hat. Schon
auf der Trajanssäule erblicken wir die Streitaxt in den Händen der
fechtenden Barbaren und in den ältesten Gräbern aus der Zeit der
Merowinger, wie u. a. jenen von Parfondeval (Dep. de 1'Eaulne) fand
sich fast ausnahmslos neben dem Scramasax die Francisca, jene
kurzstielige, unserer gemeinen Holzhaueraxt ähnliche Waffe, die sc hon
im 5. Jahrhundert unter den Galliern zur Nationalwaffe geworden
war, wie uns schon Sidonius Apollinaris und Procopius von Caesarea
berichten.
Von diesen unanfechtbaren Zeugen abgesehen finden wir sie in
Abbildungen aus dem frühen Mittelalter bis ins 1 1. Jahrhundert dar-
gestellt. In dem oft erwähnten Teppich von Bayeux erscheint sie
in einer so vollständigen Deutlichkeit als Waffe des englischen Fufs-
volkes, dafs wir selbst die Kampfweise daraus zu entnehmen im stände
sind. (Fig. 434.) War unter den Merowingern die kleine Streitaxt,
Francisca, eine Wurfwaffe, welche 10—12 m. vom Feinde entfernt
in dessen Reihen flog, so erscheint hier die langstielige Axt mit kon-
vexer Beilschneide als Hiebwaffe, mit der das Fufsvolk zuerst in die
feindliche Front eindrang. Nach dem mit den Äxten bewirkten Ein-
brüche folgten erst die schild tragenden Streiter, um mit den langen
Wurfspiefsen und Schwertern den Erfolg zu vermehren. (Fig. 435.)
Ist die Streitaxt ihrem Ursprünge nach eine Waffe des Fufs-
volkes gewesen, so führte die unzureichende Wirkung des Spiefses und
des Reiterschwertes auf den immer widerstandsfähiger werdenden
Harnisch allmählich dahin, dafs auch die Reiterei sich derselben bediente.
Diese Umwandlung in der Bewaffnung wird schon im 1. Kreuzzuge
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863
II. Die Angriffswaffen.
bemerkbar und es ist nicht unmöglich, dafs das Vorbild hierzu von
den Orientalen gegeben worden ist, unter welchen wir schon sehr
früh die Reiteraxt antreffen.
Eine ausschlaggebende Bedeutung hat aber die Streitaxt nur als
Waffe des Fufsvolkes und bei den Völkern des Nordens erhalten.
Es spricht sich dieses schon in den eigenartigen Formen aus, die
bei bestimmten Völkern auftreten, so die Lochaberaxt bei dem
schottischen Bergvolke (Fig. 436), die dünische, schwedische, die
Schweizer -Axt, jene der Polen und Russen etc.
Fig. 434-
Fig- 434. Englischer Fufskänipfer mit der Streitaxt.
Aus dem Teppich von Bayeux. II. Jahrhundert, Ende.
Gerade zu jenem Zeitpunkte, als man anfing, dem gemeinen
Spiels eine erweiterte Verwendung durch Beigabe von Beil und Haken
zu geben und denselben zur Helmbartc gestaltete, am Beginne des
13. Jahrhunderts, begann man auch die Streitaxt am Rücken mit
einem hammerartigen Ansätze, einem spitzigen Stachel oder einem
schnabelförmigen Haken zu versehen; am Ende des 14. Jahrhunderts
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C. Die Schlag «raffen. 3. Die Streitaxt.
3G9
fügte man eine Stofsklinge hinzu. In dieser Art verschmelzen sich
die Formen, so dafs es manchmal schwierig ist, die Waffe nach
ihrer Form zu rubrizieren, weil sie dem einen wie dem anderen Formen-
bereiche mit fast gleicher Berechtigung zuzuweisen ist So ist die
Streitaxt, welche in Flandern am Ende des 13. Jahrhunderts vom
Fufsvolke geführt wurde und die der Söldnerwitz „Godendag" be-
nannte, eine Bezeichnung, die sicher auf eine niederdeutsche Her-
kunft schliefsen läfst, eine Waffe, die in ihrer Form nahe an die
F'g- 435-
Fig- 435. Angreifende englische Fufskämpfcr mit Streit-
axt und Wurfspicfscn. Aus dem Teppich von Baycux. It. Jahr-
hundert, Ende.
Helmbarte streift, wenngleich wir sie ihrer Beilform und ihres Ge-
brauches halber unter die Streitäxte reihen müssen. (Fig. 437 a u. b.)
Diese Form, jedoch stets ohne Stofsklingen, findet man im 15. und
16. Jahrhundert bei allen Nationen des Nordens von Schweden bis
Boche im, Waffenkunde 24
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370
IL Die Angriffswaflen.
nach Rufsland verbreitet. (Fig. 438 u. 439.) Solche Streitäxte führten
ebenso die Trabanten der schwedischen Reichsstatthalter Sture und
des Königs Gustav Wasa, wie wir an den Fresken der Grabkapelle
tlcs letzteren in der Kathedrale zu Upsala sehen; sie waren auch bis
ans Ende des 1 7. Jahrhunderts die Waffe der Strelitzen, bei welchen
sie den Namen „Berdiche" führten, ein vermutlich von dem deutschen
Worte „Barte" abgeleiteter Ausdruck. (Fig. 440.) In einer besonderen,
der türkischen ähnlichen Form des Beiles wird die Streitaxt in Ungarn
zur persönlichen Sicherheit des einzelnen Bürgers geführt, und es ist
Fig. 436. Fig. 437-
Fig. 436. Lochaberaxt. 15. Jahrhundert. Ehemalige Samm-
lung Mcyrick.
Fig. 437 » und b. Gudenda nach der gereimten Beschreibung
in dem Fechtbuche des Guillaume Guiart von 1298. Nach einer Zeich-
nung von Viollet-le-Duc.
dort seit Jahrhunderten Sitte geworden, zu Pferde ein „gereisiges
Beil" (Griesbeil: Buzogany, im Türkischen Bozdoghan) am Sattel
hängend zu tragen, zu Fufs aber ein solches als Stock zu benutzen.
Streitäxte mit reich geätzten Beilen führten auch die ungarischen
Trabanten des Königs Ferdinand I. um 1530 (Fig. 441), und auch
Karl III. von Spanien, nachmals Kaiser Karl VI., besafs in Spanien
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C. Die Schlagwaffen. 3. Die Streitaxt.
871
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372
II. Die Angriffswaffen.
Fig. 440. Fig. 441.
Fig. 440. Schwere Trabanten-Streitaxt (berdiche) mit
70 cm. langem Beile. 15. Jahrhundert, Ende. Kais. Waffenmuseum zu
Zarskoe" - Sclo.
Fig. 441. Streithackc (gereisiges Beil) der ungarischen Tra-
banten Ferdinands I. mit dem habsburgischen Wappen und dem Vliefs-
orden in Schwarzätzung geziert. Deutsche, vielleicht Augsburger Arbeit
Um 1530. Im Besitze der Stadtgemeinde Mährisch - Neustadt.
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C. Die Schlagwaffcn. 3. Die Streitaxt.
373
eine ungarische Leibwache, welche mit Streitbeilen mit reichen Silber-
beschlägen bewaffnet war. Die schwere, mit zwei Händen zu führende
Axt wurde von den Reitern im Mittelalter nur in besonderen Fällen
und nie allgemein gefuhrt Ein vereinzeltes Beispiel findet sich in
einer Miniatur der Nationalbibliothek zu Paris von c. 1250: Le Roman
de la table ronde.
Im 15. Jahrhundert führten ebensowohl die schwer geharnischten
Fig. 442.
Fig. 442. Deutsche Streithacke der Kürisser unter Maxi-
milian I. Um 1500. Der Stiel wurde im 16. Jahrhundert erneuert.
adligen Reiter, wie deren reisige Knechte, später die deutschen
Kürisser und die französischen Gens d'armes eine Art Beile, deren
Form darauf berechnet war, zunächst den Harnisch des Gegners zu
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374
II. Die Angriffswaffcn.
zertrümmern, weshalb sie keine scharfe Schneide hatten, sondern
bei ansehnlicher Stärke und Schwere keilartig gebildet waren. Diese
Fi* 443- Fig. 444.
F>g- 443- Streithacke der Trabanten des Kurfürsten August I.
von Sachsen (1 553 — 1586). Heil und Handgriff von Eisen sind in
Schwarzätzung, ersteres mit dem kursächsischen und dem dänischen
Wappen geziert. Stiellängc 73 cm. Königl. hist. Museum in Dresden.
Fig. 444. Polnische Streithacke mit sogenanntem „bärtigen"
Beile und rohen Verzierungen auf der Klinge. Der 83 an. lange Stiel
besitzt einen silbernen Handgriff mit Aftcrkugel italienischer Form.
17. Jahrhundert, Anfang. KönigL hist. Museum in Dresden.
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C. Die Schlagwaffen. 3. Die Streitaxt.
375
Streitäxte besafsen kurze, meist nicht viel über 60 cm. lange Stiele
und wurden an starken Riemen über den Sattel hängend geführt
(Fig. 442.) Vornehme bedienten sich statt der Äxte lieber der Streit-
Fig. 445- Fiß- 446.
Fig. 445- Streithacke des Ruprecht von der Pfalz (gest. 1504)
von italienischer Form , jedoch deutscher Arbeit. Das Beil ist stern-
förmig durchbrochen. Sämtliche Eisenteile sind mit figuralen Ver-
zierungen in Goldschmelz auf gebläutem Grunde geziert. Der Hand-
griff besitzt einen Überzug von Leder. Um 1500.
Fig. 446. Italienische Streithacke mit Giirtclhakcn in Silber
tauschiert und mit figuralen Emblemen in Goldätzung ausgestattet. Um
«530.
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376 II. Die Angriflswaffen.
häramer; der Streitkolben aber, im Oriente weit allgemeiner im Ge-
brauch, bildete im Abendlande ein besonderes Würdezeichen.
(Fig. 443 u. 444.)
Italienische Reiteräxte sind vom 14. Jahrhundert an schmal und
leicht; die meisten besitzen metallene Schäfte und als charakteristisches
Merkmal am Mitteleisen einen Haken, da sie dort nicht am Sattel-
bogen, sondern am Gürtel getragen wurden. Italienische Äxte be-
sitzen häufig eigene, mit Handschutzscheiben ausgestattete Handgriffe.
(Fig. 445 u. 446.)
Es ist bemerkenswert, dafs wir schon am Beginne des 13. Jahr-
hunderts die Beile mit breiter Verstählung antreffen, ein Umstand, der
bei den langen Beilschneiden der Lochaber- wie der schwedischen
und russischen Äxte einen Begriff von der hohen Ausbildung des
Waffenschmiedhandwerks gibt.
Am verbreitetsten unter dem Fufsvolke in Frankreich, Deutsch-
land und der Schweiz war jene breite Streitaxt, deren Beil am unteren
Ende der Verstärkung wegen entweder mittels einer Schnürung, oder
mittelst Schrauben mit dem Schafte in Verbindung stand. Der Schaft
selbst ist gewöhnlich mit 2 Ringen ausgestattet, an die ein Riemen
geschnallt wurde. Auf dem Marsche trug sie der Mann am Rücken. Das
Bestreben, die Wucht des Hiebes zu verstärken, führte im Ii. Jahr-
hundert schon zu einer bedeutenden Verlängerung der Schäfte; da-
durch und durch Beigabe von Stofsklinge und Haken wird das Streit-
beil zu einer Art Helmbarte. Solcher langschäftiger Streitäxte be-
dienten sich selbst Personen des Ritterstandes im Kampfe zu Fufs.
Eine sehr interessante Waffe der Art bewahrt die reiche Sammlung
W. H. Riggs ; sie findet sich abgebildet in Viollet-le-Duc, Dictionnaire
du mobilier francais, VI. Band, pag. 1 7. Sic besitzt statt des Hakens
einen Hammer mit diamantierter Schlagfläche und darauf die Spott-
inschrift: „de bon V". (Fig. 447.) In der 2. Hälfte des 16. Jahr-
hunderts sehen wir auch bei dieser Waffe die Absicht auftauchen,
durch Beigabc eines Feuerrohres eine Fernwirkung zu erzielen. Derlei
Streitäxte mit Schiefsvorrichtungen wurden um 1 5 70 zahlreich in Nürn-
berg und in Brescia erzeugt, sie sind meist von reicher künstlerischer
Ausstattung in Ätzung und Tausia. Es ist dies überhaupt jene Periode,
in welcher die Waffen in reicherer Verzierung auftreten. Abgesehen
von der Ausstattung der Klingen werden auch die Schäfte mit reichen
Stoffen und Netzwerk überzogen und mit feiner Gold- und Sciden-
passamenterie besetzt. Eine besondere Gattung von Äxten, halb
Waffe, halb Zeichen des Handwerks, bilden die Bergmannsbarten,
deren Form auf die polnischen Streitäxte zurückzuführen ist ; sie
werden noch zur Stunde von den Bergleuten bei festlichen Aufzügen
getragen. Aufser Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und Rufsland
gehört auch Sachsen zu den Ländern, in denen bis ans Ende des
16. Jahrhunderts die Streithacke als Trabantenwaffe geführt wird.
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Fig. 447. Fig. 448.
Fig. 44 7. Streithacke für Fufsknechte mit Stofsklinge und I lammer
mit diamantierter Schlagfläche, dazwischen eine Inschrift. 15. Jahr-
hundert, Anfang. Sammlung W. H. Riggs. Nach Viollct-le-Duc.
Fig. 448. Streitaxt des Sultans der Mameluken in Ägypten
Muhammed Ben Kaitbai (gest. 1499). Das Beil mit Schellenringen zeigt in
durchbrochener Arbeit eine kufische Inschrift mit dem Namen des Eigen-
tümers. Sowohl das Beil als der hohle eiserne Schaft sind in Goldtausia
geziert.
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378
II. Die Angriffswaffen.
Im Oriente ist das Streitbeil (Teber-zen) zweifelsohne weit vor
Mohammed geführt worden. Das Beil erscheint entweder in Form
eines Halbmondes mit fast kreisrunder, konvexer Beilschneide, mit
konkaven Seitenwänden oder mit vollständig geradelaufendem Ober-
rande, sehr selten aber unterhalb abgekappt (bärtig), sondern fast
immer spitzig zulaufend. Vornehme führten Äxte mit Schellen ge-
ziert, um in der Schlacht Aufmerksamkeit zu erregen. Wir bringen
Fig. 449. Fig. 450. Fig. 451.
F»K- 449. Streitaxt des letzten Sultans der Mameluken in
Ägypten Tu man Bai (getötet 1517). Das Beil zeigt in geschnittener
Arbeit eine Hasenjagd zu Pferde. Alle Eisenteile sind in Goldtausia
geziert. Kais. Waffcnsammlung in Zarskoe - Selo.
Fig. 450. Arabisches Doppelbeil mit Stofsklinge. 17. Jahr-
hundert, Ende. Kais, und königl. Heeresmuseum in Wien.
Fig. 451. Streitbeil aus Syenit Montczumas II., Inkas von
Mexiko (getutet 1520). Das Beil ist mit feinen Wollfadcn an den
langen Holzstiel befestigt.
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C. Die Schlagwaffen. 4. Handwaffen mit Schiefsvorrichtungen. 379
von beiden charakteristischen Formen Exemplare, welche von her-
vorragenden historischen Personen herrühren. (Fig. 448 und 449.)
Unterbefehlshaber der türkischen Reiterei führten im 17. Jahrhundert
Streitäxte mit zwei- oder dreifachen Beilen, die fast jenen auf den
antiken Darstellungen der Amazonenkämpfe gleichen, aber in zwei
verschiedenen Formen vorkommen; die aus drei Beilen bestehenden
erscheinen öfter mit Tausia geziert, weshalb zu vermuten ist, dafs
sie höheren Truppenführem angehörten. (Fig. 450.)
Ein altmexikanisches Streitbeil sehen wir in der folgenden Figur
(Fig- 45 1.)
4. Handwaffen mit Schiefsvorrichtungen.
Nahezu alle Hand Waffenformen, ja, Überhaupt alle Handwaffen
kommen etwa von der Mitte des 1 6. Jahrhunderts an zuweilen in Ver-
bindung mit Schiefsvorrichtungen vor. Bei Stangenwaffen findet sich
selten nur eine an solchen angebracht, weit häufiger deren zwei an den
entgegengesetzten Seiten der Spiefsblättcr. Die Wahrnehmung, dafs
derlei kombinierte Waffen fast ausnahmslos reich verziert erscheinen,
beweist, dafs dieselben im Kriege selbst keine oder nur vereinzelt
Anwendung gefunden haben, und dafs wir in ihnen nur Trabanten-
waffen vor Augen haben. Bei einem Hoflager mufsten derlei Aus-
rüstungen zweifelsohne von grofsem Vorteile für den Wachtdienst
sein, da der Mann damit nicht nur eine ausgiebige Stöfs-, be-
ziehungsweise Hiebwaffe besafs, sondern auch in der Lage war, durch
einen abgefeuerten Schufs zu verletzen und die Gefahr rasch zur
Kenntnis zu bringen. Am Beginne des 17. Jahrhunderts ver-
schwinden diese kombinierten Trabanten waffen fast plötzlich. (Fig. 452,
453.) Bald nach der Einführung des Radschlosses erscheinen auch
die Schweinspiefse mit Schiefsvorrichtungen ausgestattet Hier hatten
die letzteren eine besondere fachliche Bestimmung, und derlei Waffen
erhalten sich auch noch bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts.
(Fig- 4540
Bei Trabantenspiefsen, Partisanen, Helmbarten etc. finden sich
die Schiefsvorrichtungen paarweise an den Flachseiten der Klinge
angeordnet. Zwei in der Regel nicht über 20 cm. lange Läufe sind
auf entsprechend hohen Stegen in der rückwärtigen Hälfte der Spiefs-
klinge angeschweifst, welch letztere statt gerippt zumeist in der Mitte
rinnenartig gebildet ist, um den Flug des Geschosses nicht zu
hindern. Die Radschlösser befinden sich entweder an den beiden
Seiten oder zunächst hinter dem Laufe. Die Abfeuerung geschieht
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380
II. Die Angriffswaffen.
Fig. 452. Fig. 453-
Fig. 450. Spiefs mit Springklinge und einfacher Schiefsvorrich-
tung. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte. Deutsch.
Fig. 451. Trabantenhel mbartc mit doppelter Schiefsvor
richtung. Reich in Schwarzätzung geziert. 16. Jahrh., 2. Hälfte. Deutsch.
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C. Die Schlagwaffen. 4. Handwaffen mit Schicfs Vorrichtungen. 381
Fig. 454- Fig. 455-
Fig. 454. S ch wc inspiefs mit doppelter Schiefsvorrichtung. Das
breite Spiefsblatt ist reich geschnitten und vergoldet. 17. Jahrhundert,
Mitte.
Fig. 45. Reiterschwert mit Parierring, einfachem Faustschuü-
bügel und einfacher Schiefsvorrichtung. Fassung von gebläutem Eisen.
16. Jahrhundert, I. Hälfte.
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388
II. Die Angriffswaffen.
Fig. 456. Haudegen. Der Griff von geschnittenem Eisen ist
reich vergoldet. An der in Schwarzätzung gezierten Klinge findet sich
eine einfache Schiefsvorrichtung. 16. Jahrhundert, Mitte. Königl. hist.
Museum in Dresden.
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C. Die Schlagwaffen. 4. Handwaffen mit Schiefsvorrichtungen. 383
mittels eines längs des Schaftes in einer verdeckten Nut laufenden
Drahtes vom letzten Drittel des Schaftes aus.
Nicht selten ist auch mit der Schiefsvorrichtung ein Spring-
Fig. 457-
Fig. 458.
F'g> 457- Streithacke mit Schiefsvorrichtung italienischer Form.
Der Stiel bildet den Lauf, dessen Spitze beim Gebrauche abzuschrauben
ist. Alle Eisenteile sind reich in Schwarzätzung geziert. 16. Jahr-
hundert, 2. Hälfte. Königl. bist. Museum zu Dresden.
Fig. 458. Streithacke italienischer Form mit Schiefsvorrichtung.
Der Stiel, an der Mündung abschraubbar, dient als Lauf. Alle Eisen-
teile der Hacke sind in Schwarzätzung geziert. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte.
Königl. hist. Museum in Dresden.
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Fig. 459-
Fig. 460.
Fig. 459. Kleine Reiterhacke, sogenanntes „Schiefshackel*4
mit einfacher Schiefsvorrichtung. Der faustrohrähnliche Schaft ist üi
Bein eingelegt- Russisch-polnisch. 16. Jahrhundert, 2. Hälfte. Kais.
Waffenmuseum in Zarskoe-Selo.
Fig. 460. Strcitkolhen mit vierfacher Schiefsvorrichtung, soge-
nannter „Wcihwasser-sprenger1'. Der Schaft wie der Kolben sind von
Holz mit rohen Einladen in Bein geziert. Letzterer besitzt eiserne Be-
schläge mit Stacheln. Wenn der obere Deckel des Kolbens durch
einen Federdruck geöffnet wird, zeigen sich vier Feuerrohre, welche, am
unteren Kolbenende von Schubern gedeckt, ihre Zündungs- und Ent-
ladungsvorrichtungon besitzen. Englisch? 16. Jahrhundert, Ende.
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D. Die Fern waffen. I. Die Schleuder.
385
klingensystem in Verbindung, welches jedoch immer einen für sich
wirkenden Mechanismus besitzt, der gleichfalls vom letzten Drittel des
Schaftes aus gehandhabt wird.
Glefen und Cousen besitzen in der Regel nur eine einfache
Schiefsvorrichtung. Der Lauf befindet sich hier am Rücken der
Klinge und ist aus diesem Grunde zuweilen auch etwas länger; das
Radschlofs steht dann gewöhnlich an der rechten Klingenseite.
Über Schiefsvorrichtungen an Schwertern und Haudegen haben
wir am betreffenden Orte gesprochen, wir fügen hier nur gelegentlich
einige Beispiele an. (Fig. 455, 456.)
Ebenso wie bei Stangenwaffen und Hiebwaffen erscheinen Schiefs-
vorrichtungen an Schlagwaffen des 16. und 17. Jahrhunderts, beson-
ders häufig bei Streithacken. Wir bringen hier einige Beispiele von
solchen. (Fig. 457, 458, 459.)
Eine eigene Form von Waffen ist der sogenannte Weihwasser-
sprenger, ein hölzerner Streitkolben, in dessen innen hohl gebildetem
Kolbcnteile mehrere Feuerrohre sich befinden, welche vom Schafte aus
abgefeuert werden. Seinen Ursprung scheint er in England gefunden
zu haben, wenigstens kommen solche Waffen meist in englischen
Sammlungen, sehr wenige in Frankreich und Deutschland vor. Die
ältesten gehören der Mitte des 16. Jahrhunderts an. (Fig. 460.)
D. Die Fern waffen.
x. Die Schleuder.
Die Thatsache, dafs wir die Schleuder als Kriegswaffe tausend
Jahre vor unserer Zeitrechnung im Buch der Könige antreffen, läfst
uns ihr Auftreten schon im frühesten Mittelalter begreiflich erscheinen.
Die Einfachheit dieser Waffe ist ein genügender Grund, ihre An-
wendung bei allen Völkern, vielleicht nur die Germanen und die Völker-
schaften des Nordens ausgenommen, vorauszusetzen. Die Erwerbung
von 444 Stück römischen Schleuderbleies durch das Berliner Museum
1875 gab Anlafs, auch die Anwendung der Schleuder im Mittelalter
einem näheren Studium zu unterziehen.
Die Schleuder (franB. fronde, altfranz. fonde, engl, slinger, ital.
fromba, span. honda) war im Mittelalter von den Kreuzzügen an bis
ins 1 5. Jahrhundert eine häufig angewendete Waffe, besonders der Berg-
bewohner Helvetiens, nicht minder der Italiener, selbst des Flach-
landes. Sie war nie eine Waffe der Vornehmen, sondern stets nur
Boebeim, Waffenkunde. 2 5
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38G
II. Die Angriffswaffen.
der niederen Volksklassen bis zu den Zeiten der französischen Reli-
gionskriege herab.
In dem oft berührten Teppich von Bayeux finden wir einen
Schleuderer auf der Jagd, wie er eben ein Geschofs von der Schlinge
gebracht hat. Die Darstellung, so einfach sie auch gegeben ist, läfst
an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. (Fig. 461.)
Fig. 461.
Fig. 461. Schleuderer nach einer Darstellung auf der unteren
Randleiste des Teppichs von Bayeux. II. Jahrhundert, Ende.
Im 13. Jahrhundert wurde der Schleuderer gemeiniglich mit dem
Namen „eslingur" (engl, slinger) bezeichnet. Damals stand die Schleuder
als Hand- und Stockschleuder (gibet), welch letztere wir in einer Bibel
Fig. 462.
Fig. 462. Handschleuder.
des 10. Jahrhunderts in der Nationalbibliothek in Paris abgebildet
antreffen, längst allgemein im französischen Heere in Anwendung. Die
Stockschleuder scheint im 1 3. Jahrh. vorzüglich im Seekriege und bei
Belagerungen in Anwendung gekommen zu sein. Die Handschleuder
bestand aus einer einfachen Schlinge, welche in der Mitte eine hohl
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D. Die Fernwaffen. I. Die Schleuder.
387
gebildete Schale aus Leder besals, in welche der Stein oder das Blei
gelegt wurde. (Fig. 462.) Beim Gebrauche schwang der Schleuderer
die Schlinge zwei- bis dreimal rasch im Kreise herum und liefs im
geeigneten Augenblicke das eine Ende der Schlinge aus der Hand
gleiten, wie wir ans der Figur ersehen. Beim Gebrauche der Stock-
schleuder mufste sich im Schwünge das eine Ende von einem am
Ende des Stockes angebrachten Haken abheben, was nur durch be-
sondere Geschicklichkeit erzielt werden konnte Immerhin war die
Stockschleuder in der Hand eines geübten Mannes eine fürchterliche
Waffe. (Fig. 463.) Ihre unläugbaren Vorzüge wurden noch im
17. Jahrhundert erkannt, da sie häufig zum Schleudern von Hand-
granaten benutzt wurde. Ebenso wie Bogenschützen wurden „Schleuderer"
noch im 14. Jahrhundert bei allen Heeren geworben, die aus ihrer
Kunst ein Gewerbe machten, unansehnliches und wohl auch im Äufseren
Fig. 463.
F»g- 463. Gruppen von Bewaffneten, darunter einer mit
einer Armrust, der andere mit einer Stockschleuder. Miniatur aus
einem Manuskripte des Matheus Paris, 13. Jahrhundert, in der Biblio-
thek des Bcnct College in Cambridge. Nach Hewitt. *
herabgekommenes, dabei sehr schlecht diszipliniertes Volk. Sie begleiteten
auch die Ritterschaft Kaiser Heinrichs VII. nach Italien. (Fig. 464.)
Im 15. Jahrhundert mehren sich die Berichte von einer Ver-
wendung der Schleuder durch eigene, für den Zweck bestimmte
Söldner. In dem zusammengerafften Heere, welches Johann von
Capistran nach Belgrad führte, war sie die vorzüglichste Femwaffe.
In dem Rufe, die gewandtesten Schleuderer zu besitzen, standen die
spanischen Heere, die sich für diesen Zweck der Bewohner der
balearischen Inseln bedienten. Die Leistungsfähigkeit eines balearischen
oder kretischen Schleuderers war so grofs, dafs er auf 120 — 160
Schritte mit Sicherheit ' seinen Mann traf. Einige Anzeichen deuten
2S*
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388
II. Die Angriffs waffen.
darauf hin, dafs auch Mathias Corvinus, der ja altrömische Krieg-
führung sorgfältigst nachahmte, in seinem Heere Schleuderer führte;
so wird in der kostbaren Sammlung des Grafen Hans Wilczek ein
kleines Schleuderblei bewahrt, dessen Prägung neben einem undeut-
lichen Wappen das Wort „Mathias" erkennen läfstr
Die Schleuderbleie des Mittelalters besitzen gleich denen des
Altertums eine dattelähnliche Form, doch sind die meisten nicht ge-
gossen, sondern aus Bleistücken zugehämmert. Wie diese tragen viele
unter ihnen mehrmals übereinander geschlagene Stempel mit In-
schriften, die aber nicht wie bei römischen Schleuderbleien trotzige
Anrufungen an den Feind, wie: „Nimm", „ifs", „dir" etc., sondern
meistens Namen von Personen und Städten, wie „Milano", „Biztom",
„Hotelin" u. a. bezeichnen (Fig. 465). Bis jetzt wurden blofs deutsche
hundert, Mitte. Nach Inner.
F'g« 4^5- Schleudcrblci, aus Schlössern in der Umgebung von
Treviso stammend. 15. Jahrhundert, Anfang.
und norditalienische Schleuderbleie gefunden. In anderen Ländern
ist die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand noch wenig rege. Die
gröfste Zahl der entdeckten Schleuderbleie ist in dem Besitze des
Grafen Hans Wilczek in Wien, der sie auf seinem Schlosse Seebarn
bewahrt; sie stammen aus Schlössern in der Nähe von Treviso.
Einen Beweis dafür, dafs die Schleuder auch in den Streithaufen
Kaiser Friedrichs III. in Verwendung kam, finden wir in dem In-
ventar des Wiener Zeughauses von 15 19, in welchem als im „Ziller-
hof4' befindlich 32 Schleudern angeführt werden.*) Sie waren zweifels-
ohne dort seit vielen Jahrzehnten gelagert, ohne mehr Ausrüstungs-
stücke zu bilden.
*) Reichs -Finanzarchiv, Fasz. 31.
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2. Der Bogen.
•
Der Ursprung des Bogens (franz. arc, engl, bow, ital. und span.
arco, lat arcus) reicht weit in die vorhistorischen Perioden zurück,
wie wir aus den Steinfunden ersehen, unter welchen die Pfeilspitzen
nicht selten sind. Wir begegnen demnach auch dieser einfachen und,
wie wir vorausbemerken, vorzüglichen Waffe schon in den ältesten
bildlichen Darstellungen des Mittelalters. Diese Thatsache ist allent-
halben bekannt, nur mufs dazu bemerkt werden, dafs in der grofeen
Veränderung der Taktik, welche die Völkerwanderung herbeiführte,
der Bogen eine erhöhte Bedeutung erlangte. In den wilden Heer-
haufen der von Osten herdrängenden Völker wurden die Bogenschützen
zum Schutze der Flügel und zur Einleitung des Gefechtes verwendet
Ihnen folgten die geschlossenen Körper des mit Schild und Speer
bewaffneten Fufsvolkes, den Kern des Ganzen aber bildete die Reiterei,
sie war die ausschlaggebende Waffe. Das war eine vollständige Um-
änderung altrömischer Taktik, aber es war auch damals nicht das
erste Mal, dafs eine allgemeine Veränderung in der Streitweise durch
die ungebildetsten Völker herbeigeführt wurde.
Es ist ein Beweis von einer gewissen Durchbildung des Kriegs-
wesens, dafs wir schon inmitten der Periode der Völkerwanderung
den Bogen in der Verwendung zu Pferd und zu Fufs antreffen und
dafs wir die Vorteile dieser Waffe bewundernswert ausgenützt finden.
In dem reitenden Bogenschützen ist der erste leichte Reiter zu er-
blicken; als solcher steht er im vollen Gegensatze zu den Anschau-
ungen des feudalen Adels, der jeden Leichtgerüsteten für unebenbürtig
hielt. Daraus ist auch die Mifsachtung zu erklären, die der Bogen-
schütze in der französischen Ritterschaft fand.
Im Vergleich der Wirkung zu der Einfachheit der Herstellung
erscheint der Bogen als die vorteilhafteste Waffe: eine Rute, ein
biegsamer Stab aus Holz oder Horn, dessen äufserste Enden mit
einer Schnur, der „Sehne", verbunden sind, welche angespannt die
Schnellkraft des Stabes oder „Bogens" so weit in Anspruch nimmt,
um damit einen leichten Pfeil auf 200, ja selbst 250 Schritte mit
aller Treffsicherheit abzuschnellen, darin liegt die ganze Mechanik
dieser Waffe, die den Ruhm der erfolgreichsten Verwendung in Jahr-
hunderten in Anspruch nehmen darf.
Das flaschen förmige Goldgefäfs aus dem Funde von Nagy-Szent-
Mikl6s, dem sogenannten Schatz des Attila, welches aus dem 5. Jahr-
hundert datiert, zeigt ein Relief, in welchem ein sarmatischer Reiter
dargestellt ist, der, nach rückwärts gewendet, im Begriffe ist, einen
Pfeil von einem kleinen Bogen abzuschnellen, vielleicht, wenn man
vom Altertum absieht, die älteste Darstellung eines Bogenschützen,
die uns erhalten ist. (Fig. 466.)
390
II. Die Angriffswaffen.
Ungeachtet seiner Wichtigkeit im Gefechte war der Bogen des
Fufsstreiters doch nur eine Waffe der niederen Klassen; so finden wir
die Bogenschützen im Teppich von Bayeux als ein besonderes Korps,
nach der Methode der Ikonographie, das minder Bedeutsame nur
anzudeuten, kleiner dargestellt. Ihr Anführer ist im Harnisch, die
Schützen aber sind leicht gekleidet und mit etwa 1.50 m. langen
Bogen bewaffnet; die Formen der Köcher sind deutlich dargestellt.
(Fig. 467.) Bogenschützen zu Pferde gehörten schon einer höheren
Gesellschaftsklasse an, wie wir aus Miniaturen in einem Manuskripte
aus der 2. Hälfte des Ii. Jahrhunderts ersehen, in welchen selbst
ein König, den Bogen abschnellend, dargestellt ist. (Fig. 468.) Join-
ville bestätigt, dafs der Bogen in den Kreuzzügen bei den Orientalen
im Gebrauch war. In Frankreich wurde die Waffe von den Lehens-
Fig. 466. Sarmatischer Bogenschütze zu Pferd. Relief aus
dem Goldfunde von Nagy Szent-Miklös. 5. Jahrhundert.
herren mifsachtet und unterdrückt; dafür wurde sie in Brabant und
in England gepflegt und dort wurden die ersten regulären Bogen-
schützenkorps errichtet, die ihrer aufserordentlichen Ausbildung halber
berühmt waren. Der englische oder schottische Bogenschütze war
verachtet, der nicht in der Minute 10 — 12 Pfeile abschiefsen konnte
und dabei sein mehrere Hundert Schritte entferntes Ziel auch nur
einmal verfehlt hätte. Während im 13. Jahrhundert der Bogen in
Deutschland und selbst in Italien allgemein in den Heeren geführt
wurde, entschlofs man sich in Frankreich erst 1356 nach der
Schlacht bei Poitiers, eigene Bogenschützenkompanien aufzustellen,
Fig. 466.
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D. Die Fernwaffen. 2. Der Bogen.
391
und wiewohl sich schon um 1300 berittene Bogenschützen freiwillig
ins Heer stellten, so wurden doch erst 1450 ständige Bogen-
schützen zu Pferd in Frankreich üblich. (Fig. 469.)
Fig. 467.
Fig. 467. Bogenschütze mit daneben gestelltem Pfeilköcher.
Aus der Tapete von Bayeux. Ii. Jahrhundert, Ende.
In betreff der Form und Wirksamkeit war im Mittelalter der
englische Bogen stets als ein unübertreffliches Muster angesehen. Die
französischen Bogen hatten im 15. Jahrhundert nur eine Länge von
Fig. 468.
Fig. 468. Französischer König, dargestellt zu Pferde, einen
Bogen abschnellend. Aus einem Manuskript aus der 2. Hälfte des
II. Jahrhunderts der Nationalbibliothek in Paris. Nach Jaquemin.
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392
II. Die Angriffswaffen.
etwas über 130 cm., während die englischen stets bis über 2 m. Länge
mafsen; ihr Material war das Holz der Eibe oder des Ahorns, die
Pfeillänge betrug nicht ganz 1 m.; die Sehne bestand aus gedrehtem
Hanf oder Seide. Die vorzügliche Brauchbarkeit englischer Bögen be-
ruhte darauf, dafs die Spannkraft des Bogens in seiner ganzen Länge
ausgenutzt wurde, dafs sie somit eine gröfsere Spannhöhe gestatteten;
von letzterer war, nebenher bemerkt, die Länge der Pfeile abhängig.
Gleich dem Schlcuderer und dem Armrustschützen war auch der
Bogenschütze überall leichter als alle übrigen Truppen ausgerüstet.
Im 15. Jahrhundert trug der Bogner zu Fufs die Brigantine, den
Fig. 469.
Fig. 467. Berittener Bogenschütze aus einer Miniatur der
französischen Handschrift Histoire universelle. Um 13 10. Nach Hewitt.
Korazin oder ein leichtes Panzerhemd. Die Ausrüstung für die Hand-
habung war sehr einfach und bestand in England in einer eisernen
Schiene, welche an den linken Unterarm zum Schutze vor der längs
desselben schnellenden Sehne mittelst Schnüren befestigt wurde
(Fig. 470), und in einem starken Lederhandschuh für die linke Hand,
über deren Zeigefingerknöchei weg der Pfeil streifte. In Europa
hat sich der Bogen als Waffe für den Krieg bei den Engländern am
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D. Die Fern waffcn. 2. Der Bogen.
398
längsten — bis ins 1 7. Jahrhundert — erhalten. Bei ihrer staunenswerten
Geschicklichkeit blickten die Bogenschützen mit Verachtung auf die
Büchsenschützen mit ihren schwerfälligen Feuerrohren, die bei Regen-
wetter oft ganz unbrauchbar wurden und auch sonst .an Treffsicher-
heit noch vieles zu wünschen übrig liefsen. Kaiser Maximilian I.,
der für alles im Leben und insbesondere für das Kriegswesen in
anderen Ländern ein achtsames Auge hatte und in den Niederlanden
persönlich von den Vorzügen des Handbogens sich überzeugen konnte,
organisierte eigene Abteilungen, die er mit englischen Bögen bewaff-
nete. In den Zeughäusern zu Innsbruck und Wien wurden noch 1500
erhebliche Mengen dieser Bögen aufbewahrt; sie^
sind in Maximilians Zeugbüchern in der wünschens-
wertesten Genauigkeit abgebildet. (Fig. 471.) Wie
dort selbst das geringfügigste Kriegsgerät mit aller
Sorgfalt abgemalt ist, so finden wir darin auch
die zugehörigen Köcher abgebildet, welche nach
altem deutschen Gebrauch mit langhaarigem Pelz-
werk überzogen waren. (Fig. 472.) Man nannte
dieselben „Rauchköcher". Bogen aus Stahl,
wie sie im 15. und bis ins 16. Jahrhundert die
Italiener führten, wurden in besonderer Güte in
Seravalle, Brescia und Mailand gearbeitet. In
Deutschland wurden stählerne Bogen nur sehr
vereinzelt geführt, daher auch in gröfseren Mengen
kaum erzeugt.
Im 15. und 16. Jahrhundert pflegten jene
christlichen Nationen, welche im Oriente ihre
Wohnsitze aufgeschlagen hatten, mit den dortigen
Völkern häufiger in Verkehr kamen, sich der
orientalischen Streitweise anzubequemen; so führen
im 15. Jahrhundert die Johanniter zu Rhodus,
die christlichen Griechen, die slavischen Völker
an der albanesischen und dalmatinischen Küste
ebenso die Venetianer Bogen und Pfeile, die
vollständig den arabischen nachgebildet waren,
letzteren legte man einen grofsen Wert auf die Leistung der Bogen-
schützen im Gefechte und vermehrte dieselben stetig. Über die Aus-
rüstung der venetianischen Bogenschützen um die Wende des
15. Jahrhunderts belehren uns die Gemälde des Gian Bellini und
des Vittore Carpaccio in der Academia zu Venedig. (Fig. 473.)
Für den Gebrauch des Bogens im Oriente besitzen wir für die
älteren Zeiträume nur äufserst wenige bildliche Belege. Zwar findet
sich der Bogen in persischen Miniaturen ziemlich häufig abgebildet,
allein es sind daraus keine Details zu entnehmen. Erst im Anfang
des 15. Jahrhunderts finden sich einige spärliche Nachrichten in
Fig. 470.
Fig. 470. Schiene
flir den linken Unterann
eines Bogenschützen von
Eisen mit schwarzgeäU*
ten Verzierungen. Engl.
Um 1570. Ehemalige
Sammlung Meyrick.
Besonders bei den
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394 II. Die Angriffswaffen.
Manuskripten, welche darauf schliefsen lassen, dafs die Formen wie
der Gebrauch des Bogens im Oriente sich von jeher gleich geblieben
Fig. 471.
Fig. 471. Landsknecht mit englischem Handbogen. Aas
den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian I. Zeug Tirol. Um
1510«
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D. Die Fernwaffen. 2. Der Bogen.
395
sind. Erst am Anfange des 1 6. Jahrhunderts werden die Beschreibungen
in Büchern deutlicher und eingehender, es kommen aber aus dieser Zeit
auch schon Originale vor, welche ein vollkommeneres Studium gestatten.
Der Bogen der Araber unterschied sich von jenen der asiatischen
Türken durch seine gröfsere Länge, er ähnelte mehr jenen der Griechen,
der Tartaren und Wallachen. Die Kretenser führten Bogen von
zweierlei Materiale und Herkunft, jene aus
Sphagia waren aus Steinbockhorn, während
die aus Candia kommenden aus BüfFelhorn
gefertigt wurden. Die türkischen Bogen
waren bedeutend kleiner, stärker aufge-
bogen und gekrümmt und steif besehnt
Die Pfeillängen waren eigentümlicherweise
bei den türkischen wie bei den arabischen
Bogen ziemlich gleich. Der grofse Bogen
heifst im türkischen perwäne kemän,
d. i. Schmetterling, der kleinere jaj.
Alle orientalischen Bogen wurden ohne
Armschienen und Handschuhe gehandhabt,
im Gegensatze zu den von occidentalen
Nationen geführten hölzernen Bogen, die
bei gröfserer Länge leicht nach der Seite
schnellten. Als Auflager für den Pfeil be-
dienten sich die Orientalen eines Ringes,
der oberhalb ein kleines Zäpfchen hatte
und am linken Daumen getragen wurde.
Diese Ringe waren je nach dem Ver-
mögen der Eigner aus Ochsenhorn, Elfen-
bein, Silber oder Gold, tauschiert und selbst
mit kostbaren Steinen besetzt. Das war
im 16. Jahrhundert, woher uns die Kunde
klingt, keine neue Mode, sondern ein Ge-
brauch von alters her.*)
T _ ,. , ' « . I ig. 472. Kocher für Hand-
ln den kaiserlichen Sammlungen zu bogenpfeile mit Pekwcrk über-
Wien wird eine ansehnliche Zahl orienta- zogen. Sogenannter „Rauch-
lischer Bogen bewahrt, welche aus der köcher". Zur Ausrüstung der
Kriegsbeute der Feldzüge von 1556 und kaiserlichen Bogenschützen ge-
7?V . , t- j hörig. Aus den Zeugbüchern
1566 stammen und an Erzherzog Ferdinand des Kaisers Maximilian I.
von Tirol gelangten. Aus dieser Sammlung Zeug Tirol. Um 1510.
bringen wir hier einen gröfseren, arabischen
oder tartarischen Bogen, sowie einen kleinen, türkischen. Diese beiden
Beispiele dürften genügen, um den Unterschied in ihrer Konstruktion
wahrzunehmen. (Fig. 474 und 475.)
Fig. 472
•) Belon, Singularit& 1553. I. 2. Kap. 89. Gaye V. Gloss. archeol. Are.
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396
II. Die Angriffswaffen.
Es ist aus den beiden Figuren 474 und 475 deutlich ersichtlich,
welcher wesentliche Unterschied zwischen einem europäischen und
einem orientalischen Bogen bezüglich der Konstruktion besteht.
Betrachten wir den unbesehnten türkischen Bogen (Fig. 475), so finden
wir denselben stark nach aufwärts gekrümmt. Wird die Sehne ange-
legt, so mufs der Bogen stark nach abwärts bis a' gezogen werden,
Fig. 473-
Fig. 473' Venetianischer Bogenschütze aus einem Gemälde
des Vittore Carpaccio von 1493 in der Galeric der Akademie zu
Venedig. (Saal VIII, 27.) Nach Jacquemin.
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D. Die Kernwaffen. 2. Der Bogen.
397
wodurch seine Spannkraft bereits in Verwendung genommen wird. Wird
nun überdies die Sehne zum Abschnellen des Pfeiles angezogen, so
tritt eine noch vermehrte Abbiegung des Bogens bis a" ein, wodurch
seine relative Festigkeit einen Moment lang aufs äufserste in Anspruch
genommen wird. Nur durch die ramnirteste Ausnützung des Materiales
liefs sich eine so bedeutende Aufzughöhe erzielen, und dadurch er-
klärt sich auch die nahezu unglaubliche Leistungsfähigkeit der orien-
talischen Bogen bezüglich ihrer Tragweite und Treffsicherheit
Fig. 474-
Fig. 474. Ära bischer Bogen ohne Sehne mit feinen Arabesken
in Gold auf grünem Lackgrunde, in allen Teilen bemalt Kriegsbeute
aus einem der türkischen Feldzüge 1550 oder 1566.
Selbst die einfachsten orientalischen Bogen sind meist an den •
oberen Seiten und an den Handgriffen mit feiner Lackmalerei in
oft reizenden Zeichnungen verziert; jene der Vornehmeren aber er-
regen durch ihre reiche Ausstattung in Goldmalerei auf farbigem
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39S
II. Die Angriffswaffen.
Grunde unsere volle Bewunderung. Die Sehne orientalischer Bogen
(jaj kirischi) besteht aus fünf bis sechs starken Fäden aus Schaf-
wolle, welche dicht mit gedrehten Seidenfaden von verschiedener
Farbe übersponnen sind.
Die Pfeile der Normanen, der Engländer wie der Franzosen
des 1 1 . Jahrhunderts waren der Länge der Bogen entsprechend von
einer Länge nicht über 70 cm., anscheinend mit Federposen befiedert
und besafsen bärtige oder auch lanzettförmige Spitzen mit kleinen
Knöpfen am Ansätze.
Fig. 475-
Fig. 475- Türkischer Bogen aus Büffelhorn mit feinen Gold-
arabesken auf rotem Lackgrunde, an der Oberseite und am Handgriffe
bemalt. Kriegsbeute aus einem der türkischen Feldzüge 1556 oder
1 566. Derselbe ist zwar unbesehnt, hier aber in der Stellung des Bogens
besehnt und zum Abschnellen gespannt dargestellt.
Die Pfeile der englischen, französischen und deutschen Bogen
des 15. Jahrh. und der Folgezeit hatten eine durchschnittliche Länge
von 110 cm. bei 1.5 — 1.8 cm. Querschnitt. Sie waren für den
Kriegsgebrauch gemeiniglich mit Pergament befiedert, das mit grellen
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D. Die Kernwaffen. 2. Der Bogen
399
Farben bemalt wurde; die Spitzen waren lanzettförmig mit kurzen
Dillen. Über die Lage des Schwerpunktes konnte der Verfasser
keine Versuche anstellen, indem ihm noch kein originaler Pfeil eines
deutschen oder englischen Bogens in Sammlungen vor Augen ge-
kommen ist Schwerlich dürfte sich auch noch ein echtes Exemplar
finden. Selbst die Sammlung Meyrick besafsen nur Pfeilspitzen.
Orientalische Pfeile (tir) besitzen eine Länge von durschschnitt-
lich 75 cm. bei einer Stärke von nur selten über 7 mm. Die Be-
F'ß. 476. Fig. 477-
Fig. 476. Pfeilformen orientalisch, a. Tartarischer Pfeil. —
b. Türkischer Pfeil mit Befiederung, der Schaft mit feiner Lackmalerei
geziert. — c. d. e. Arabische Pfeile. — f. Türkischer Pfeil. — a. bis e.
16. Jahrhudert, Mitte. — f. 17. Jahrhundert, Ende.
Fig- 477- Tartarischer Pfeilköcher, um den Leib zu schnallen
von Rehleder mit Applikationen von farbigem Ziegenleder und mit ver-
goldeten Beschlägen. 16. Jahrhundert, Mitte.
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400
II. Die AngrifTswaffcn.
fiederung ist in der Regel dreireihig und besteht aus Vogelfedern
verschiedener Arten; die Spitzen sind äufserst fein und sitzen häufig
im Dorn auf dem Schafte, der dann am oberen Ende fein geschnürt
und zuweilen mit äufserst dünnem Bast überklebt ist. Einige Sorten
besitzen knapp unter der Spitze ungemein feine, kaum i mm. breite
Ringe aus Metall. Am rückwärtigen Ende ist bei reicher ausge-
statteten Pfeilen ein kleines Füfschen von Elfenbein angesetzt, welches
am Ende einen kleinen Ausschnitt hat, in welchen beim Spannen
die Sehne eingelegt wird. Gemeine Pfeile entbehren zwar eines
solchen Ansatzes aus Bein, sie besitzen aber alle sorgfältig gefertigte
Sehnenausschnitte. Der Schwerpunkt befindet sich gewöhnlich nur
a. Fig. 478. b.
Fig. 476. Türkische Köcher, a. Bogenköcher. — b. Pfeil-
köcher, beide von grÜDem Korduanleder mit Stickerei in Silber und
farbiger Seide und mit in kaltem Email gezierten Beschlägen. Der
Bogenköcher ist über die Achsel zu hängen, der Pfeilköcher um den
Leib geschnallt zu tragen. 16. Jahrhundert, Mitte.
•
wenige Centimeter über der Hälfte gegen die Spitze zu. Nahezu jeder
der vorhandenen orientalischen Pfeile ist in schönen Mustern geziert, die
zumeist in Lackmalerei mit Vergoldung hergestellt sind; seltener finden
sich Einlagen, noch seltener Schnitzereien. (Fig. 476 a bis f.)
Der Orientale verwahrte seinen Bogen ebenfalls in einem Köcher;
man unterscheidet demnach Bogenköcher (kemändän) und Pfeil -
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D. Die Kernwaffen. 3. Die Armrust.
401
köcher (tirkesch). Diese Behältnisse boten den orientalischen Kunst-
handwerkern reiche Gelegenheit zur stilvollen Verzierung der Aufsen-
flächen derselben. Man findet auch in Köchern
des 15. Jahrhunderts staunenswerte Proben orien-
talischer Kunst, besonders in Lederarbeit und
Stickerei von wunderbar schöner Zeichnung.
(Fig. 477 und 478a undb.) Köcher des ^.Jahr-
hunderts bezeugen schon deutlich den Verfall der
orientalischen Kunsttechnik, die bei aller hübscher
Zeichnung das billigere Mittel des Gold- oder
Silberbeschlages zu Hilfe nimmt, um eine ent-
sprechende Wirkung zu erzielen. In den euro-
päischen Heeren wurde der Bogen nie im Köcher
geführt. Bei Regenwetter wurde in der Regel
nur die Sehne in einer Tasche verwahrt. Die
Pfeile jedoch steckten in langen kegelförmigen
oder auch prismatischen Behältnissen von Holz,
die entweder geschnitzt oder mit Pergament über-
zogen und bemalt waren (Fig. 479). Es finden
sich wie im Florentinisclien auch zuweilen flache
Köcher, die mit den orientalischen einige Ähn-
lichkeit hatten. (Fig. 473.)
i
i1
3. Die Armrust.
Das mechanische Prinzip, auf welchem die
Konstruktion der Armrust (franz. arbalete, engl,
cross-bow, arbalist, ital. balestra, span. ballesta,
lat. arcubalista, arbalista) beruht, leitet sich von
jener der Katapulte der Alten ab, wie sie
Vitruv in seinem Werke: „De architectura"
ziemlich deutlich beschrieben hat. Es erübrigte
nur, das Prinzip der schweren Belagerungsmaschine
in einer leichten Handwaffe zu verwerten, und
das ist, wie neuere Forschungen ergeben haben,
noch vor Ausgang der antiken Periode gelungen;
denn schon Vegetius spricht in seiner „Epitome
institutionum rei militaris" (um 385) von der
„arcubalista" nicht als von einer schweren
Maschine, sondern von einer Handwaffe leichter
Truppen, wie von einem allgemein bekannten
Boeheim, Waffenkunde.
Fig. 479-
Fig- 479- Köcher
der venetianischen
Bogenschützen, von
Holz geschnitzt mit ver-
goldeten Arabesken auf
rotem Grunde. 16. Jahr-
hundert, I.Hälfte. Kais.
Waffenmuscum in Zars-
koe-Selo.
26
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402
II. Die Angriffswaflen.
Gegenstande. In zwei Basreliefs im Museum zu Puy, welche zweifel-
los noch vor das 4. Jahrhundert zu setzen sind, ist die Armrust in
ihrer charakteristischen Form deutlich zu erkennen. Das eine ist an
einer Halbsäule (cippe) gefunden in Solignac-sur- Loire, welches wir
in Fig. 480 nach Gay darstellen;*) das andere rindet sich auf dem
Fragment eines Frieses, aus den Trümmern einer
Villa bei Puy herrührend.
Der deutsche Name setzt sich aus den Worten
„Arm" und „Rüstung" zusammen und bedeutete
somit ursprünglich eine „Armrüstung". Mit dieser
Bezeichnung „armrust" erscheint sie schon im
12. Jahrhundert. Am Ende des 15. Jahrhunderts
unterlag das Wort Armrust einer neuen Schreibart,
die dem m ein b anfügte, wie u. a. bei räumblich,
Fig. 480. Saumb, Beheimb, ziemblich; damit verwandelte sich
Fig 480. Relief ^cr Name unserer Waffe in „Armbrust". Nachdem
auf einem Säulen- diese unschönen Silbenansätze in unserer modernen
schafte, gefunden in Sprache allenthalben ausgemerzt sind , findet sich
Sohgnac sur Loire, jjg^ Grund, einen solchen vereinzelt zu belassen.
Glo^sanV ^ ^an *st darum au^ die ursprüngliche und richtige
Schreibart wieder zurückgegangen.
Vom 5. bis ins 10. Jahrhundert versiegen die Nachrichten über
die Armrust gänzlich, so dafs es scheint, als sei dies in jener Periode
wenn nicht vollständig in Vergessenheit, doch seltener in Verwendung
gekommen. Und in der That ei scheint sie erst wieder in einer
Miniatur eines lateinischen Manuskriptes aus der Zeit Ludwigs IV.,
des Ultramariners, um 937. In der Miniatur einer Bibel vom Aus-
gange des 10. Jahrhunderts aus der Abtei von St. Germain, jetzt in
der Nationalbibliothek zu Paris, sehen wir zwei Schützen zu Fufs,
welche deutlich gezeichnete Armrüste gegen die Wälle von Tyrus
abschiefsen. (Fig. 481.) Die gelehrte Tochter des byzantinischen
Kaisers Alexius, Anna Komnena (1083 — 1 148), erwähnt in ihrem
Werke „Annae Comnenae Alexiados XIX libri" bei der Beschreibung
des 1. Kreuzzuges einer neuen Art Bogen, die sie „tzagrac" nennt,
mit den Worten: „Die Tzagra ist ein Bogen, den wir nicht kannten — "
Es scheint daraus hervorzugehen, dafs die Armrust, im Osten noch
unbekannt, eine im weströmischen Reiche erfundene und nur in
Westeuropa bekannte und angewendete Waffe gewesen ist.
Erst im 12. Jahrhundert fand die Armrust eine allgemeine und
starke Verbreitung, vorzüglich in England und Frankreich; das 2.
Konzil vom Lateran 1139 verbot ihren Gebrauch als einen mörderischen
unter Christen und gestattete ihn nur gegen Ungläubige; desunge-
*) Zuerst besprochen von M. Ayrnard 1831. Vcrgl. Gay, V., Glossaire archco-
logique unter arbalete.
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Arnirust.
403
achtet führten sie um 1190 die Fufstruppen König Richards I.
von England, und Philipp August von Frankreich errichtete um
dieselbe Zeit die ersten Armrustschützen-Kompanien zu Fufs und zu
Pferd, was Veranlassung gab, dafs Innocenz III. das Verbot des
Konzils erneuerte. Trotz dieser strengen Verbote kam die Waffe
doch zu hoher Bedeutung; der Befehlshaber der Armrustschützen
führte den Titel „Grandmaitre de l'arbaleterie" und wurde später
unter die Marschälle von Frankreich eingereiht.
In Deutschland war die Arnirust im 12. Jahrhundert häufig in
Gebrauch. Zwei Zeugen, fast aus der gleichen Zeit, finden sich da,
um ihr Bestehen zu beweisen: die im Dom zu Braunschweig unter
Heinrich dem Löwen ausgeführten Wandmalereien und die Stelle in
Fig. 481.
Fig. 481. Darstellung der Belagerung von Tyrus. Miniatur
einer Bibel vom Ausgange des 10. Jahrhunderts in der Nationalbibliothek
zu Paris. Nach Louandre, Les arts soraptuaires.
der „Eneit" des Heinrich von Veldeke, worin sie zuerst „Arni-
rust" genannt wird.
In der deutschen Ritterschaft war die Armrust vom Anbeginne
als eine heimtückische, somit unritterliche Waffe angesehen und ver-
schmäht; nur das Bürgertum in den Städten bediente sich ihrer
mit Vorliebe in der Absicht, die Kraftverhältnisse gegenüber dem
Landadel auszugleichen. In den deutschen und niederländischen
Städten, vornehmlich in jenen der Hansa, bildeten sich frühzeitig
sogenannte Schützengilden unter dem Schutze des heiligen Sebastian,
des heiligen Moriz und anderer Patrone. Schon im 13. Jahrhundert
wird die Armrust allgemeine Jagdwaffe wie früher die Schleuder und
der Bogen; und sie behält als solche ihre Beliebtheit noch lange, als
26*
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Fig. 482.
Fig. 483.
Fig. 482. Jagdarmrust Ludwigs XII. von Frankreich mit
geätztem und vergoldetem Stahlbogen. An der Säule von Ahornholz
finden sich ornamentale Einlagen im Bein, die gemalten Wappen von
Frankreich und Mailand, ferner in Rcliefcinlagen der Orden des Stachel-
schweins (porc-£pic) und die heraldische Figur aus dem Wappen der
Anna von Bretagne, das Hermelinschwänzchen, in einem Herz,
weiters das Zeichen der Witwenschaft, die cordeliere. Die Nufs ist
freischwebend, die Sehne ist abgängig. Französisch. Um 1490.
Fig. 483. Ansicht der Verankerung des Bogens und der
Abzugvorrichtung an der Armrust Ludwigs XII. Fig. 482 in geome-
trischer Darstellung.
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D. Die Fern waffen. 3. Die Armrust.
40b
das Feuergewehr schon langst einen hohen Grad von Ausbildung
erhalten hatte, zunächst aus der Ursache, weil sie beim Abzüge das
Wild nicht verscheuchte und keinen Rauch erzeugte. Und dennoch
war die Armrust gegen den Bogen nur bedingungsweise von Vorteil.
Die Schnellkraft war zwar weit bedeutender, die Trefllähigkeit gröfser,
aber der gewandte Bogenschütze war im stände, im Zeiträume einer
Minute sieben Pfeile zu verschiefsen, während der beste Armrust-
schütze in derselben Zeit nur zwei Bolzen von der Rinne zu bringen
im stände war.
Im 14. Jahrhundert ist der Armrustschütze der unzertrennliche
Gefährte des Pavesenträgers, ja ersterer selbst wird in Frankreich
mit einer leichten Pavese ausgerüstet Als die Plattenharnische in
Aufnahme kamen, lehnte der Armrustschütze das ungefüge neue
Waffenkleid ab, das ihn in der Handhabung der Waffe nur hinderte;
dafür erhielt er in Deutschland den mit Eisenscheibchen besetzten
Lederkoller, in Frankreich und Italien aber den Korazin, oder die
Brigantine de demi-epreuve. Die Fertigung der Armrüste hat ihre
höchste Ausbildung im 15. und 16. Jahrhundert in Spanien, den
Niederlanden und in Deutschland gefunden. Die besten Stahlbogen
wurden aus Italien bezogen, die feinsten und dauerhaftesten Sehnen
kamen aus Antwerpen. Die gewandtesten Armrustschützen waren im
14. und 15. Jahrhundert die Genuesen. Ein Schütze von selben
führte nur 12 Bolzen, von denen bis 200 Schritte keiner sein Ziel
verfehlen durfte.
Die Armrust besteht aus der Säule, urbner, dem Bogen, arc,
der Sehne, corde, und der Spann- und Abzugsvorrichtung.
Man unterscheidet ihren Dimensionen nach Standarmrüste
und Handarmrüste, erstere halten die Mitte zwischen der Belagerungs-
maschine und der Handwaffe.
Nach der Art des Spannens unterscheidet man die Armrust für
Handspannung, arbalete ä main, die Flaschenzugarmrust, arbalete
ä tour oder a moufle, die Windenarmrust, arbalete ä cric oder ä
cranequin, endlich die Geifsfufsarmrust, arbalete a pied-de-biche.
Nach der Art der Geschosse benennen wir jene, welche Bolzen,
(quarels, viretons) schiefsen, schlechtweg Arm rüste, wenn sie stählerne
Bogen besitzen, auch Stahle, Stahel, jene, welche metallene, steinerne
oder, wie auf der Jagd, auch Lehmkugeln schiefsen, Ball äster; von
diesen unterscheidet sich am Ende des 16. Jahrhunderts noch eine
leichtere Gattung, die Schnepper.
Das Material für den Bogen ist Holz, das aber seiner geringen
Federkraft wegen nur bei gemeinen Waffen in Gebrauch kam, Stahl
und Horn. Stählerne Bogen hatten ungeachtet der grüfsten Schnell-
kraft doch den Nachteil, dafs sie bei grofser Kälte leicht entzwei-
brachen; man bediente sich daher, namentlich im Winter, mit Vor-
liebe der Bogen aus mehrfachen Lagen von Ochsenhorn, welche mit
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406
II. Die Angriffswaflen.
feinem Bast belegt und mit Pergament überzogen wurden, um den
schädlichen Einflute der Witterung auf die Schnellkraft des Bogens
hintanzuhalten.
Die sichere Verbindung des Bogens mit der Säule, eine wesent-
liche Bedingung für den Gebrauch der Armrust, erfolgte ursprünglich
mitteist Tauwerk oder Lederriemen, welche in dichter Schnürung nicht
nur Säule und Bogen umfafsten, sondern noch einen ringförmigen
eisernen Bügel festhielten, welcher, wie wir sogleich sehen werden, in
älterer Zeit zum Spannen der Armrust nötig war, später nur einen
Ziergegenstand bildete. Am Ende des 15. Jahrhunderts erscheinen
in Spanien und Italien zuerst die sogenannten Verankerungen,
welche in zwei an der Seite der Säule befestigten eisernen Schienen
bestanden, welche oberhalb viereckig gelocht waren. Durch diese
Öffnungen wurde der Bogen eingeschoben und mittelst Keilen be-
festigt. Bei Jagdarmrüsten mit schwachen Bogen laufen letztere zu-
weilen auch durch eine Öffnung in der Säule.
Zunächst an der Verankerung an der unteren Seite der Säule
ist zuweilen ein eiserner Haken angeschraubt, welcher dazu diente, die
Armrust beim Nichtgebrauche an dem Gürtel oder am Sattel
hängend zu tragen. (Fig. 483 G.) In der Seitenansicht steht der
Bogen immer derart schief zur Säule, dafs die auf den Querschnitt
D (Fig. 483) geführte Kapitallinie N L genau die Sehnenlage der
Nufs trifft. An dem von uns gewählten Beispiele sind die beiden Schienen-
fortsätzc B rückwärts in E nicht an die Säule geschraubt, sondern es
wurde gerade dieser Punkt zu der Verkeilung benutzt, durch welche
der Bogen mit der Säule verbunden ist An anderen Exemplaren
erscheint diese oberhalb in C. .
Stahlbogen, welche selbst bei geringer Dicke eine verhältnis-
mäßig grofse Schnellkraft besitzen, bedurften keiner bedeutenden Auf-
zugdimension; anders war es bei Holz- oder Hombogen, da mufste
die Spannkraft bis auf das möglichste ausgenutzt werden. Solche
Bogen sind auch derart gebildet, dafs sie, ehe noch die Sehne an
ihnen befestigt wird, eine gegen die Säule zu konvexe Richtung haben.
(Fig. 484.) Wird die Sehne angelegt, dann ist der Bogen eigentlich
zur guten Hälfte schon gespannt. Die Aufzugdimension ist somit
eine doppelte, von der konvexen Stellung in die gerade und von da
in die konkave. Die Sehnen leiden daher bei Holzbogen ungleich mehr.
Die weitgehendsten Veränderungen von der einfachsten Art bis
zur sinnreichsten hat die Abzugsvorrichtung erfahren, wiewohl sich
nahezu alle auf das ursprüngliche System zurückführen lassen.
Die älteste Vorrichtung beschreiben wir in folgendem: Genau
auf dem Punkte der Aufzugshöhe wurde ein Scheibchen aus Bein
oder Hirschhorn an der oberen Fläche der Säule derart eingelassen,
dafs dasselbe etwas hervorragte und in der Einkerbung sich nur in
der Richtung der Rundung bewegen konnte. Diese Scheibe, Nufs,
D. Die FcrnwaflTen. 3. Die Armnist.
407
noix, H (Fig. 483) genannt, besafs an der einen Seite einen Aus-
schnitt für die Sehne, an der entgegengesetzten eine Einkerbung,
„Rast", in welche der Abzugbügel eingriff. Bei alteren Armrüsten,
wie bei unserem Exemplare, hatte die Nufs keine Wellenführung,
Fig. 484.
Fig. 484. Schwere Standarmrust mit Hornbogen und Spann-
vorrichtung für eine deutsche Winde. Die I.IO m. lange Säule besitzt
eine einfache Ahzugs Vorrichtung, die Nufs läuft im Faden (a). Der I m.
lange Hornbogen ist mit Pergament überzogen und bemalt. Am Unter-
teile zeigt sich das Wappen des steirischen Ritters Andreas Baum-
kircher (enthauptet 1471). Um 1450.
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4 OH
II. Die AngrirTswaffen.
Fig. 485.
Fig. 485. Spanische Armrust mit geätztem und vergoldetem
Stahlbogen des Kaisers Maximilian I. Die rot lackierte Säule ist
mit den Sinnsprüchen des Kaisers in Goldlettern geziert. Die Nufs ist
freischwebend, der Aufzug erfolgt mit deutscher Winde. Der Abzug
ist mittelst eines Hebels (c) zu sperren. Um 1500.
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D. Die Fernwafien. 3. Die Armrust.
409
man bezeichnet sie dann als „frei schwebend". Um die Mitte des
15. Jahrhunderts erhalt sie eine Art Führung, so dafs sie um eine
Schnürung aus Bindfaden sich bewegte. (Fig. 484 a.) Man erkennt
dieselbe auf den ersten Blick, weil diese Schnürung aufserhalb um
die Säule läuft. In diesem Falle bezeichnet
man die Nufs als „im Faden laufend".
Der Abzug geschieht mittels eines
langen Bügels R, welcher einen zwei-
armigen Hebel darstellt, der in M um eine
Welle sich bewegt; der kürzere Arm greift
in die Nufsrast, eine Feder S drückt auf
den längeren Hebelsarm, um denselben in
der gespannten Lage zu erhalten. Bei
älteren Armrüsten fehlt diese Feder, der
Schütze mufste daher beim Spannen die
Nufs in den Bügel vorher einstellen, die
Rast war in diesem Falle zur Sicherung
vor einem vorzeitigen Abgehen (Lassen)
tiefer eingekerbt
Eine weitere Verbesserung am Abzüge
datiert aus der Zeit Kaiser Maximilians L
um 1500, der, wie wir aus dem Theuer-
dank (p. 44) wissen, durch das unver-
mutete „Lassen" eines gespannten Stahles
in Gefahr kam. Sie besteht in einem Sperr-
hebel c (Fig. 485), welcher den Abzugbügel
so lange festhält, bis dieser gebraucht wird,
in welchem Falle der Sperrhebel einfach
im Scharnier nach aufwärts geschlagen wird.
Nach erfolgtem Spannen wurde der
„Bolzen", (in alten Inventaren auch „Haus-
pfeil" genannt), knapp vor der Nufs auf-
gelegt. An vielen Armrüsten, besonders
nichtdeutschen, war zu diesem Zwecke
an der oberen Fläche der Säule eine
Rinne vorhanden, in welche der Bolzen
gelegt wurde. Deutsche Armrüste besitzen
gewöhnlich keine Rinne, sondern zeigen
am Bolzenlager einen glatten, ebenen Bein-
belag. Der Bolzen wurde in diesem Falle
von einem „Bolzenklemmer" aus Horn gehalten, der etwas rück-
wärts von der Nufs angeschraubt war.*) Damit der Klemmer beim
Fig. 486.
Fig. 4S6. Ansicht eines
aufgelegten Bolzens mit
Anwendung des Klemmer».
•) Diese Bolzenklemmer fehlen an den meisten in den Museen bewahrten
Armrüsten, doch ist an allen der Punkt leicht zu erkennen, wo dieselben befestigt
4
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410
II. Die Angriffswaffen.
Spannen nicht hinderlich werde, wurde er nach der linken Seite ge-
dreht. (Fig. 486 c.)
Indem wir uns dahin wenden, die verschiedenen Spannvor-
richtungen möglichst unter Zugrundelegung von Beispielen an noch
vorhandenen Originalen zu beschreiben, bemerken wir, dafs alle in
den Sammlungen noch bewahrten Armrüste einer Zeit entstammen,
in der die Schleuder- und Schnellwaffen durch die erhöhte Wirkung
der Feuerwaffen bereits in den Hintergrund gedrängt waren; die
ältesten Armrüste reichen nur bis in die Hälfte des 15. Jahrhunderts
hinan.
Bis ins 12. Jahrhundert spannten die Armrustschützen ihre Bogen
noch ohne mechanische Hilfsmittel mit den beiden Händen. Auf
diese Kraft mutete die Stärke derselben eingerichtet werden. Dieser
einfachsten Art folgte im 14. Jahrhundert eine nur wenig kom-
pliziertere mittels des Spann hakens, (crochet); sie erhielt sich
bis an den Beginn des 15. Jahrhunderts. Dieser Spannhaken, am
abgebogenen Ende in zwei Arme sich spaltend, war
Van einem breiten, starken Riemen befestigt, welchen
v der Schütze um die Lenden geschnallt trug, so dafs
er vorne herabhing. Zum Spannen wurde die Ann-
rust verkehrt und mit der oberen Seite gegen den
Schützen gewendet auf den Boden gestellt, der
Schütze trat mit einem Fufse in den bügeiförmigen
Ring, etrier, legte den Haken in die Sehne ein
und spannte diese in der Weise, dafs er mit der
vollen Kraft seines Körpers sich aus der gebückten
lg" 4 7" Stellung aufrichtete, bis die Sehne in die Nufs ein-
Fig. 487. Spann- klappte; dabei mufste er den Abzugbügel nach vor-
haken vom Ende wärts drücken, damit der Fortsatz in die Rast zu
maliXtsa^m1lanEhtu Hegen kam* EÜ1 solcher Spannhaken hatte sich
PkrSfoiids1" "Jfach nocn ^ der ehemaligen Sammlung von Pierrefonds
Viollet-lc-Duc. erhalten und dürfte gegenwärtig im Musee d' Artil-
lerie zu Paris zu finden sein. (Fig. 487.)
Diese Art des Spannens war allerdings weit vorteilhafter, als
jene mit den blofsen Händen. Der Schütze konnte von den Lenden
aus eine bedeutendere Last nach aufwärts ziehen. Damit konnte der
Bogen entsprechend stärker und kräftiger gemacht werden, was gleich-
bedeutend War mit dem Erreichen einer gröfseren Tragfähigkeit
Aber die stetig zunehmende Bedeutung der Femwaffe drängte
nach fortwährender Vergröfserung ihrer Wirkung; man sah sich ge-
nötigt, die Bogen kräftiger zu machen, um ihre Spannkraft aufs höchste
auszunutzen; da reichte die Körperkraft allein zu ihrer Handhabung
nicht mehr hin, man mufste daher mechanische Mittel zu Hilfe nehmen,
um die Kraft zu erhöhen.
Eines der ältesten dieser Mittel zum Spannen der Armrustbogen
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust. 411
ist die Winde; man nannte sie die englische. Damit ist das Land
ihrer ersten Verwendung für diesen Zweck bezeichnet. Die eng-
Fig. 48S.
Fig. 48S. Die in Fig. 482 dargestellte Armrust mit angelegter
englischer Winde. Die Eisenteile der letzteren sind vergoldet, die
Beseilung ist original.
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412
II. Die Angriffswaffen.
Ii sehe Winde (Fig. 488) ist eigentlich nichts anderes als ein ge-
wöhnlicher Flaschenzug mit zwei, seltener drei Radern (Rollen); da-
durch erzielte man die doppelte, beziehungsweise dreifache Leistungs-
fähigkeit. Die Anwendung des Mechanismus auf die Armrust ist, wie
wir an dem Beispiele einer zweirädrigen Winde (Fig. 489) ersehen.
Fig. 489. Fig. 490. Fig. 491.
Fig. 489. Mechanismus der in Fig. 488 dargestellten" englischen
Winde in geometrischer Larstellung.
Fig. 490. Eiserne Armrustwind c, sogenannte „deutsche
Winde" für die Jagd mit eisernem Windenbügcl (Windfaden). Um
1560.
Fig. 491. Mechanismus einer deutschen Winde, zu einer
Armrust aus dem Besitze des Erzherzogs Karl von Steiermark ge-
hörig. Bezeichnet 1 563.
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
413
eine einfache. Die beiden oberen Radgehäuse B besitzen oberhalb
Spannhaken, an dem unteren Fortsat» in C ist die Leine befestigt.
Das untere Radgehäuse steht mit einer Hülse D in Verbindung, in
welche beim Gebrauche das Ende der Säule eingelassen wird; an
ihren beiden Seiten laufen die Räder G. Der Aufzug erfolgt mittels
der Welle F und zweier Kurbeln KK'. Ein Haken I dient dazu, die
Winde beim Nichtgebrauche auf dem Marsche etc. an den Gürtel
zu hängen. (Fig. 488 und 489.)
Deutsche Armrüste mit Stahl- oder Horn bogen wurden schon
am Ende des 14. Jahrhunderts mit der sogenannten „deutschen
Winde" (Fig. 490) gespannt, und diese Art erschien so einfach und
praktisch, dafs sie gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts auch aufser-
halb des römischen Reiches Eingang fand. Mit der deutschen Winde
ausgerüstete Armrustschützen nannte man in Frankreich cranequi-
nieurs.
Der Mechanismus einer Zahnstangenwinde ist äufserst einfach:
Um eine Welle A (Fig. 491) läuft ein Drilling, dessen Triebstöcke
C in die Zahnstange eingreifen. Mit der Welle bewegt sich ein Zahn-
rad, in welches eine Schraube ohne Ende D eingreift, die mit der
Kurbel H in Verbindung steht*) Die Zahnstange besitzt oberhalb
eine Krappe, um die Sehne zu erfassen; unterhalb in M ist gemeinig-
lich ein Haken angebracht, um die Winde an den Gürtel hängen
zu können. Der Haken fehlt an unserem Exemplare, wurde aber in
der Zeichnung hinzugefügt. Der Radmechanismus ist von einem Ge-
häuse eingeschlossen, das rückwärts einen Bügel L besitzt, in welchen
ein aus starken Hanfschnüren gefertigter Ring „Wind faden" einge-
schlungen wurde.
Zum Spannen der Armrust wurde der Windfaden von rückwärts
über die Säule bis an den Knebel vorgeschoben, welcher den Wider-
halt bildete; sodann wurden die Krappen der Zahnstange in die
Sehne eingelegt und die Winde mit der Kurbel aufgezogen.*) (Fig. 492.)
Zwischen 1550 und 1560 treten von Nürnberg und Augsburg
aus die ersten Armrüste mit Stechermechanismen auf, welche nament-
lich für das Zielschiefsen und selbst für die Jagd sich überaus vor-
teilhaft erwiesen. Diese deutschen Stahle mit Stecher fanden so
allgemeinen Beifall, dals sie in grofser Anzahl in alle Länder ausge-
führt wurden. Daher fehlen Armrüste mit solch feineren Abzug-
mechanismen in keiner grösseren Waffensammlung.
•) Häufig greift der Triebstock in das Zahnrad und dieses erst in die Zahn-
stange; dann liegt das Gehäuse beim Spannen oberhalb der Armrust, während es
bei der oben beschriebenen an der rechten Seite der Säule zu stehen kommt, die
Kurbel aber in der gleichen Richtung sich bewegt.
*) In der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses in Wien wird auch eine
Balläster bewahrt, bei welcher die Zahnstange in der Säule eingelassen ist und
der Mechanismus mittels eines Schlüssels aufgezogen wird.
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414
II. Die Angriffswaffen.
Äufserlich ist eine solche Armrust zunächst an dem weit stärkeren
Querschnitte der Säule erkennbar. Gerade unterhalb der Nufs findet
sich eine Bohrung, in schiefer Richtung nach abwärts laufend, dahinter
ist ein eingesetztes flaches Eisenstück merkbar, welches mit einem
Fig. 492.
Fig. 492. Jagdartnrust, sogenannter „Pürschstahel", mit eingelegter
und zum Spannen bereiter Winde. Der obere Zapfen läfst erkennen,
dafs die Armrust auch für eine Gaisfufsspannung eingerichtet ist. Mit
einigen Verbesserungen nach Delaunay. Les archers.
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D. Die Fernwaflen. 3. Die Armrust.
415
Schieber festzustellen ist An der oberen Seite, etwas hinter der
Nufs, erblickt man eine zweite Bohrung, welche aber senkrecht nach
abwärts läuft Der einer Abzugstange ähnliche Bügel hat hier keinen
weiteren Zweck, als jenen einer Handhabe und des Schutzes des
Stechers, der in einem Scharniere laufend, auch umgelegt werden
kann.
Fig. 493-
Fig. 493. Stech mechanismus von einer Jagdarmrust von ca.
1560 im Durchschnitt.
Wir bringen hier die geometrische Zeichnung eines solchen Stech-
schlosses in Fig. 493, welche sich teilweise selbst erklärt. Zum Aufzu-
ziehen desselben wurde mittels eines kleinen Bolzens in X der Hebel B
in den Zahn des Hebels L gedrückt, sodann der Reiber p vorgedreht
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
417
Nun erfolgte das Spannen der Armrust mit der deutschen Winde.
War die Sehne K in der Nufs, dann wurde der Bolzen in R hinein-
gesteckt und die Stange D in den Züngelarm E hineingedrückt; damit
war, wenn der Reibcr p wieder weggeschoben wurde, der Stecher
. zum Abzug bereit.
Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts und selbst noch früher
findet man die deutschen Armrüste an den Abzugstangen und nächst
der Verankerung mit Stoffen überzogen und mit Fransen besetzt.
Gegen das 1 7. Jahrhundert hin werden auch die Bogen mit kurzen
Seiden- und Goldquasten geziert; man benannte eine derartige Aus-
stattung in Deutschland den „Aufputz".
Für Armrüste mit Bogen von geringerer Kraft*) war der Geifs-
fufs immer die einfachste und damit angemessenste Spannmaschine.
Er stellt eigentlich nichts anderes als einen einarmigen Hebel dar.
Der Stützpunkt desselben ist (Fig. 494) in dem Knebel E, der hier
bedeutend näher an der Nufs sich befindet als bei der Windenann-
rust. Der Aufzug erfolgte von den in Scharnieren beweglichen
Krappen C D aus durch den Ann A, an dessen oberem Ende ein
beweglicher Haken sich befand, an welchem der Geifsfufs im Gürtel
getragen werden konnte.
Dieses System des Geifsfufses führte, besonders bei Bailästern
mit welchen keine Bolzen, sondern Kugeln geschossen wurden,
schon am Beginne des 16. Jahrhunderts zu der Einrichtung der
„Säulenhebel" (arbalete ä jalet), welche mit der Säule in Ver-
bindung einen Bestandteil derselben bildete. (Fig. 495 ) Es gibt
unterschiedliche Formen von derlei Säulenhebeln, in besonderer Rück-
sicht darauf, ob der Spannapparat ober- oder unterhalb der Säule
liegt. Wir beschreiben hier die charakteristischsten Konstruktionen,
nach denen Varianten sich leicht richtig beurteilen lassen.
Spanische Bailästern besitzen eine sehr sinnreich konstruierte
Spann- und Abzugvorrichtung. Sie besteht in einem langen Hebel-
arme A (Fig. 496), welcher in die Säule eingelassen ist und rück-
wärts in D gesperrt werden kann. An der Welle e ist das Ende
des Armes mit Zähnen versehen, in welche ein Sperrhebel g greift,
um ein Zurückschlagen des Armes beim Spannen zu verhindern.
Der bewegliche Arm B, welcher beim Aufheben des Armes A
sich vorschiebt und die Sehne selbstthätig ergreift, enthält auch die
*) Für Armrilste von schwächeren Bogen kam auch eine Spannmaschine in
Anwendung, welche in einer kleinen Welle bestand, über welche ein Riemen ge-
wunden war, an dessen Ende eine eiserne Krappe sich befand Diese Welle mit
Zahnrad und Sperrhaken wurde mittels eines Schlüssels gedreht. Die Leistung
einer solchen Vorrichtung kann nur sehr gering gewesen sein, weshalb wir ihrer
nur nebenher gedenken. Eine solche Spannmaschine an einer Armrust ist, wie
V. Gay in seinem Glossaire bemerkt, in einem Manuskripte der Bibliothek zu
Besancon von 1400 dargestellt.
Bocheim, Waffenkunde. 27
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Fig. 495- F'g- 496-
Fig. 495. Spanische Ballästcr mit geätztem und vergoldetem
Bogen und derlei Montierung aus dem Besitze des Kaisers Maxi-
milian I. Die Säule ist hellrot lackiert, mit Ornamenten in Maler-
gold und dem burgundischen Wappen geziert. Der Säulenhebel mit
dem Absehen (Stuhl) ist halb aufgezogen. Arbeit ganz ähnlich jener
des Pueblas in Madrid. Um 15 10.
Fig. 496. Ansicht des Spann- und Abzugorganismus der
in Fig. 495 dargestellten Ballästcr in geometrischer Projektion.
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
419
Nufs d, welche beim Niederlegen des Hebels die Sehne anspannt.
Der Abzug erfolgt mit der linken Hand durch einen Druck des
Daumens auf den Hebel b.
In dieser in Fig. 495 vor Augen liegenden Waffe erblicken
wir eine der ältesten Bailästerformen mit deren Einrichtungen. Die
Balläster diente nicht für den direkten Schufs, sondern für den wenn
auch sehr flachen Bogenschufs; diesem Zwecke entsprechend war
auch die Zielvorrichtung eingerichtet. Sie besteht aus einem beweg-
lichen, oben eingekerbten Aufsatze, „Stuhl" genannt (C), knapp hinter
der Nufs, ferner aus einer vorne am Bogen befindlichen Zielgabel,
„Schiff'1, d. Beide Säulchen der letzteren waren oberhalb durch
einen Faden oder auch eine dünne Drahtspange verbunden, in deren
Mitte eine kleine schwarze Kugel befestigt war, welche als Kom diente.
Diese Einrichtung fehlt an unserem Exemplare, ebenso die Sehne, die
aus awei getrennten Strängen bestand, welche nur zunächst den Bogen
enden verbunden, sonst aber durch zwei Stäbchen aus Elfenbein aus-
einandergehalten (gespannelt) wurden. Der Teil, welcher von der
Nufs aufgenommen wurde, bildete eine Art Sack, in welchen die
Kugel zwischen Schnüren leicht eingeklemmt wurde. (Fig. 497.)
Der Schufs oder Wurf aus einer Balläster war unsicher, dennoch
erhielt sich dieselbe lediglich als Jagdwaffe das ganze 1 6. Jahrhundert
in stets gleicher Beliebtheit, weil sie viele Geschicklichkeit im Ab-
schätzen der Distanzen erforderte. Wir finden sie in Jost Amans
Abbildungen zu den „Adeligen Weydwerken" 1582 häufig gezeichnet.
Die hervorragende Stellung, welche sich die Spanier im 1 5. Jahr-
hundert in der Fertigung von Armrüsten und Bailästern errungen
hatten, überdauerte noch einige Jahrzehnte das Ende der maurischen
Herrschaft. Noch Ferdinand I. liefs seine Armrüste 1523 in Sara-
gossa und Barbastro fertigen.
Wesentliche Abweichungen in der Form und mechanischen Kon-
struktion gegenüber den spanischen weisen die „italienischen Bailästern"
auf, welche man zum Unterschiede von ersteren „Schnepper" be-
nennt. (Fig. 498.) Sie werden entweder mit der Hand allein oder
mit Hülfe einer eisernen Krappe (Fig. 499) gespannt, welche zwei
Haken und dahinter einen langen Bügel oder seitliche Handgriffe
besitzt, in welche man mit beiden Händen eingreifen konnte. Die
Abzugvorrichtung ist unter allen die einfachste. Die ältesten der-
artigen Schnepper treten um 1550 auf.
Die bedeutendste Änderung, in der sich der italienische Schnepper
von anderen unterscheidet, ist durch die krumme Form der Säule
zwischen Nufs und Bogen zu erblicken, zweifelsohne dazu dienend, die
Linke vor dem Schnellen der Sehne zu schützen. Der Querschnitt der
Säule ist gering und wird gegen das Ende zu noch geringer, wo sie
mit einem gedrehten Kopf abschliefst. Der Abzugmechanismus be-
steht in zwei Hebeln; der vordere, ein zweiarmiger, an welchem der
27*
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Fig. 497. Ballästcr mit in der Säule eingelassenem Spann-
mechanismus, der in einer Zahnstange besteht, die mittelst einer Kurbel
am Kolben bewegt wird. Das Objekt besitzt die vollständige Be-
nennung, zweiteilig, gespannelt und mit Kugelsack. Die vordere Ziel-
gabcl (Schiff) ist verbogen. Um 15S0.
Fig. 498. Italienischer Schnepper für die Vogeljagd. Die
Eisenteile sind poliert und in Goldtausia geziert. Die Säule ist ge-
schnitzt. Um 1590,
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust. 421
Haken für die Sehne befindlich ist, wird rückwärts niedergedrückt
und am hinteren Ende durch ein Häkchen gehalten, welches das
vordere Ende eines Winkelhebels bildet, der mit der Abzugstange in
Verbindung ist. Wird diese nach aufwärts gedrückt, so schlägt der
vordere, vom Häkchen befreite Hebel durch die Kraft der Sehne
nach aufwärts und letztere verläfst den Haken. Besehnung und Ziel-
vorrichtung sind die gleichen, wie bei der spanischen Balläster. Diese
italienischen Schnepper waren in der 2. Hälfte des 16. und am
Anfange des 17. Jahrhunderts für die Feldjagd eine äufserst beliebte
Fernwaffe. In den Blättern des Johann Stradan, namentlich in der
Serie „Venatio", gestochen von Raphael Sadeler, und jener von 1578,
welche Cosmus von Medici gewidmet und von Philipp Galle gestochen
ist, finden sich derartige Schnepper oft und genauestens abgebildet.
Eine besondere Art von Schneppern, die vielfach als „deutsche"
bezeichnet werden, werden in nicht geringer Zahl auch in Italien,
besonders in Brescia, erzeugt und von dort in den Handel gebracht.
Fig. 499.
Fig. 499. Krappe zum Spannen einer Balläster mit Gürtelhaken.
Um 1580.
Sie unterscheiden sich von allen sonstigen Armrustgattungen dadurch,
cjafs auch die Säule von Eisen gefertigt ist. Am rückwärtigen
Ende befindet sich ein breites Backenstück aus Holz. Derlei Schnepper
finden sich in allen Gröfsen von jener einer gewöhnlichen Armrust
bis zur kleinsten Dimension von nur 35 cm. Säulenlänge herab, wie
sie bei Armrüsten üblich war, die auf der Jagd zu Pferde geführt
wurden. (Fig. 500.) Sie führen gemeiniglich den Säulenhebel nach
Art der spanischen, denen sie auch augenscheinlich nachgebildet sind.
Eine gewisse äufsere Ähnlichkeit mit diesen deutschen Schneppern hat
eine Gattung italienischer Schnepper am Ende des 16. Jahrhunderts.
Auch diese besitzen eiserne Säulen, welche aber wie die vorbeschriebenen
abgebogen sind und runde, hölzerne Backenstücke besitzen; die meisten
aber führen keine Säulenhebel, sondern werden mit der Hand oder
dem Krappen gespannt.
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422
II. Die Angriffswaffen.
Um 1530 erscheinen in Italien winzig kleine Armrüste, welche
man unter den Kleidern trug. Sie wurden von den Regierungen mit
strengen Verboten belegt. Der Senat von Venedig setzte auf ihren
Besitz 1542 schwere Strafe. Schöne Exemplare dieser Art bewahrt
das Museo civico (Correr) in Venedig.
Fig. 500.
Fig. 500. Kleiner deutscher Schnepper von Eisen mit höl-
zernem Kolben. Die Bcsehnung ist original. Waffensammluug im
Stifte Klosterneuenburg.
Gegen das Ende des 16. Jahrhunderts, wo die Überzeugung von
dem Werte der Feuerwaffe auch für den Jagdzweck mächtiger wird,
kommen Balläster in Aufnahrae, welche mit Feuerrohren in Verbindung
sind, in Italien „balestrino-pistola" genannt. Es sind hier im allge-
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D. Die Fernwaffen. 3. Die Armrust.
423
memca zwei verschiedene konstruktive Systeme zu unterscheiden. Be-
isitzt die Ballilster den Säulenhcbel oberhalb der Säule, dann ist das
Fig. 501. Fig. 502.
Fig. 501. Dali äster in Verbindung mit einem Feuerrohre.
Deutsche, vielleicht augsburgische Arbeit. Um 1580. Aus dem Be-
sitze des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.
Fig. 502 Spann- und Abzugmechanismus für den Bogen
und Abfcuerung für das Rohr der in Fig. 501 dargestellten Balläster
mit Schiefsvorrichtung.
424
II. Die Angriffswaffen.
Feuerrohr unterhalb derselben und das Radschlofs an der rechten
Seite, im entgegengesetzten Falle oberhalb mit dem Radschlofs an
der linken Seite.
Die erstere Gattung bringt unter anderem Meyrick; sie ist die
verbreitetste und darum auch bekanntere, von der letzteren, weit
seltener vorkommenden bringen wir ein Beispiel in einer reich gezierten
deutschen Balläster mit Kugelschale von ca. 1580 aus der Waffen-
sammlung des kaiserlichen Hauses in Wien. Fig. 501 zeigt uns die
Ansicht der Balläster mit ihren schön gezeichneten Elfenbeineinlagen
in der aus Birnholz gefertigten Säule und der äufseren Form ihrer
mechanischen Ausstattung. Fig. 502 erklärt uns in geometrischer
Projektion den Radmechanismus des Feuergewehres und teils auch
den Spannmechanismus des Stahlbogens. Durch das Zurückschlagen
des Hebels F wird die Stange q vorgetrieben und entweder die
obere Platte mit der Nufs bis zur Schale vorgeschoben oder nur das
Zahnrad h gespannt; sodann wird der Hebel wieder geschlossen und
damit auch die Nufs e in die Spannung zurückgezogen. Der Hahn
d, welcher beim Nichtgebrauche seitwärts zu drehen ist, führt hier
bereits einen Schlag auf das gleichzeitig rotierende Rad. Beim Ab-
züge des Feuerrohres drückt das Züngel r auf den Hebel p, dieser
löst eine Schlagfeder und damit auch den Hebel R, wodurch das
Zahnrad wieder zurückrotiert. (Fig. 503.) Das Feuerrohr ist beim
Nichtgebrauche durch eine Schraube n zu schliefscn.
Unter den Geschossen der Armrüste, den Bolzen, Haus-
pfeil en, französisch Carreaux, Dondaines, Garrots, Traits, Bougons,
Matras, Pilettes etc., unterscheidet man die für den Krieg von den
für die Jagd bestimmten. Jene sind einfach und meist von roher
Fertigung, doch immer mit sorgfältiger Beachtung der Gewichts- und
Schwerpunktsverhältnisse; diese, in der Regel von besserem Materiale,
feinerer Ausführung, erscheinen in einer Unzahl der verschiedensten
Formen.
Der Bolzen besteht aus der Spitze, dem sogenannten Eisen,
dem Schafte oder Zain; die Schäfte sind mit oder ohne „Federn"
ausgestattet. Die Form und Schwere des Bolzens beruhte immer
auf einer sorgfältigen Berechnung. Die Zainlänge war abhängig von
der Aufzugsdimension der Armrust, das Gewicht von der Kraft des
Bogens. Für die Tragweite des Bolzens die richtige Lage des Schwer-
punktes ein wichtiges Erfordernis war. Bei kurzen Bolzen bis zu
35 cm. Zainlänge liegt der Schwerpunkt in der Regel genau am
Ende des 1. Drittels von der Spitze gerechnet, bei längeren ge-
wöhnlich am Ende des 1. Viertels. Der Schwerpunkt wurde an jedem
Stücke geprüft und durch Beschneiden des hinteren Zainendes ab-
gepafst. Man wird die meisten Bolzen für den Kriegsgebrauch am
rückwärtigen Ende zugeschnitten antreffen. Gemeine Bolzen besitzen
gewöhnlich roh zugeschmiedete Eisen von vierseitigem Querschnitte,
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D. Die FernwalTen. 3. Die Armrust.
425
die entweder mit der Dille am Zain sitzen oder im Dorn des letzteren
eingelassen sind. In diesem Falle ist der Zain oberhalb mit starkem
Faden gebunden, um ein Aussprengen desselben durch den Dorn
zu verhindern. (Fig. 504 a und b.)
Fiß- 503.
F'g« 503. Die in Fig. 501 dargestellte Balläster in isometrischer
Projektion mit geöffnetem Säulenhebel und gespanntem Hahn.
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42*5
II. Die Angriffswaffen.
Über den Nutzen einer Befiederung waren die Ansichten zu
jeder Zeit geteilt ; man findet darum häufig nichtbefiederte Bolzen,
ja sehr schwere haben in der Regel keine „Federn". Das Material,
aus welchem die Federn gefertigt wurden, war verschieden; bei ge-
meinen Stücken für den Krieg bestanden sie aus rohen Holzspanen.
In der Schweiz und in Tirol war Leder sehr beliebt. In Frankreich
Fig. 504. Gemeine Armrustbolzen für den Feldgebrauch.
a. Gemeiner Hauspfeil mit gerade laufenden hölzernen Federn
mit 33.5 cm. langem Zain
b. Gemeiner Haus p feil mit am Dorn aufsitzendem Eisen ohne
Federn mit 35 cm. langem Zain.
Tirolisch. 15. Jahrhundert.
Fig- 5°5- Brandbolzco,
a. Brandbolzen mit hölzernen bemalten Federn und bärtiger
Spitze. 15. Jahrhundert.
b. Brandbolzen nach einer Zeichnung in den Zeugbüchern
Kaiser Maximilians I. mit einseitig bärtiger Spitze.
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D. Die Fcrnwaficn. 3. Die Armrust
427
Pergament, desselben Stoffes bedienten sich in den Hussitenkriegen
auch die Böhmen. Für die Jagd pflegten Vornehme Bolzen mit Be-
fiederungen aus dünnen Plättchen von Elfenbein oder auch aus
Posen von Schwanenfedern zu verwenden.
Die Richtung der Federn war entweder geradelaufend oder im
„Drall", das ist in einem Winkel bis zu etwa 1.5 Graden zur Zain-
richtung. Durch die schiefe Richtung der Federn zum Schafte ent-
e
Fig. 5o6. Bolzenformen für die Jagd.
a. Spitzbolzen ohne Befiederung. 16. Jahrhundert.
b. Spitzbolzen mit Spur von Befiederung aus Schwanenfedern
im Drall. 16. Jahrhundert.
c Spitzbolzen, ähnlich dem vorigen. 16. Jahrhundert,
d. Kronbolzen, ohne Befiederung. 15. Jahrhundert.
c. Schneidebolzen, mailändisch. Ende des 15. Jahrhunderts.
stand eine drehende, bohrende Bewegung im Fluge, welche bei Stich-
bolzen die Treffsicherheit erhöhte. Die Franzosen, die derart ge-
staltete Bolzen schon im 14. Jahrhundert anwendeten, nennen sie
„viretons".
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428
II. Die Angriflswaffen.
Eine besondere Gattung unter den Bolzen für den Gebrauch
im Kriege bildeten die Brandpfeile (fleches incendiaires, falariques).
Sic waren mit Brandballen ausgerüstet und besafsen Spitzen mit
Widerhaken (totes barbelces), um das Haftenbleiben an dem anzu-
zündenden Gegenstande zu sichern. (Fig. 505a und b.)
Waren für den Krieg die Formen für die Bolzen im allgemeinen
wenig unterschieden, so war für den Gebrauch auf der Jagd gerade
das Gegenteil der Fall. Je nach der Gröfse und Gattung des Wildes
kommen hier die mannigfaltigsten Spitzeneisenformen vor. Ihrer Ge-
stalt nach unterscheiden wir Stichbolzen (Fig. 506a, 507a) mit
spitzigen Eisen, leichte für gröfsercs Federwild, schwere und scharfe
aüsschliefslich für Haarwild und zur Bärenjagd.
Bolzenspitzen mit Widerhaken (Fig. 507 b) kamen bei Brand-
pfeilen, sonst aber selbst im frühen Mittelalter für Krieg und Jagd
wenig in Verwendung. Man führte sie in Spanien, wo sie durch die
b.
c.
Fig. 507.
d.
Fig. 507- Formen von Bolzeneisen.
a. Stichbolzeneisen.
b. Grofses bärtiges Eisen.
c. Schneidebolzeneisen.
d. Gabelbolzencisen.
Königliches Zeughaus in Berlin.
Mauren in die christlichen Heere gekommen waren; auch in England
wurden zahlreichere bärtige Spitzen ausgegraben, sonst kommen derlei
Formen gemeiniglich nur bei Bogenpfeilen vor. Schlag- oder Prell -
bolzen (matras) mit ganz flachen, platten oder abgerundeten Eisen
waren dazu bestimmt, das Wild statt es zu töten, blofs zu betäuben,
damit das kostbare Fell nicht verletzt und, falls das Wild nicht zu-
sammenbrach, der kostbaren Bolzen nicht verloren wurde Daraus ergibt
D. Die Fernwaffen. 3. Die Aruirust 429
sich schon ihre Verwendung für kleineres Haarwild. *) Eine Abart
der Prellbolzen bildeten die Kronbolzen. (Fig. 50öd.) Diese meist
sehr schweren Geschosse dienten vorzugsweise auf der Jagd nach
Adlem und Geiern. Gabelbolzen (Fig. 507 d), welche wir wieder-
holt im Theuerdank dargestellt finden, waren ihrer kräftigen Wirkung
wegen auf der Gemsjagd beliebt; ihr Flug aber war unsicher, da sie
sich nicht selten überschlugen. Endlich erwähnen wir noch der
Schneidebolzen (Fig. 506 e). Solche mit breiten, halbmond-
förmigen Eisen, „mads" (Fig. 507c) genannt, verwendete man bei
der Jagd auf Hochwild, leichte Schneidebolzen vorzugsweise auf der
Enten- („ Antvogel"-) Jagd, da sie im Fluge nur ein ganz geringes
Fig. 508. Fig. 509. Fig. 510.
Fig. 508. Gemeiner Bolzenköcher aus geprefstem Leder.
Nach Viollet-le-Duc.
Fig. 509. Gemeiner Bolzenköcher aus Holz, mit Schweins-
haut Überzogen und mit geprefstem Kalbleder besetzt. 15. Jahrhundert.
Fig. 510. Bolzenköcher für die Jagd von Holz, mit Schweins-
haut überzogen. Der Deckel und der Besatz sind aus Leder, mit
Gürtelriemen. 15. Jahrhundert.
Geräusch erzeugten. Schlicfslich wäre zu bemerken, dafs einige Arten
feinerer Jagdbolzen zunächst der Spitze kleine eiserne Warzen besitzen,
die als Absehkorn beim Zielen dienten. (Fig. 506 b und c.)
Die Behältnisse für die Bolzen, „Köcher", wurden, wenn auch
*) Kurze Bolzen mit dicken, birnformigen Spitzen verwendete man in den
Schützengesellschaften beim sogenannten Papagei- oder Vogelschiefsen.
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430
II. Die Angriffswaffen.
nicht selten von Metall, doch der gröfsten Mehrzahl nach aus Holz
gefertigt und mit Leder oder Haut überzogen. In Deutschland war
es Sitte, wie die Schilde an der oberen Seite, auch die Köcher mit
Pelzwerk zu überziehen; derlei Köcher werden „Rauchköcher"
benannt. Die älteste bis jetzt bekannte Form eines Köchers erblickt
man in einem Basrelief des 4. Jahrhunderts (Fig. 480). Wie man
daraus erkennen kann, haben sich die Formen in den späteren Jahr-
hunderten im allgemeinen nur unwesentlich geändert. Die für dieses
Gerät charakteristischsten Formen bringen wir in nebenstehenden
Figuren. (Fig. 508, 509, 510.)
4. Die Feuerwaffen.
Wie wir in der Darstellung der Entwickelung des Waffenwesens
(S. Seite 13) bereits auseinandergesetzt haben, währte es Jahrhunderte,
bis die seit langer Zeit bekannte Sprengkraft des Schiefspulvers für
Kriegszwecke ausgenutzt wurde und der gegen das Feuergewehr ge-
richtete tiefe Widerwille des Kriegers, der bislang mit seiner Körper-
kraft und seiner Gewandtheit für sich selbst wie ein Held einstand,
durch die Macht der Thatsachen überwunden worden war.
Die Entdeckung der explosiven Kraft des Pulvers hatte zunächst
keine Bewunderer gefunden und die Kunde von ihr sich scheu in
in die Gelehrtenstubcn, in die Mönchszellen zurückgezogen, wo sie
als Geheimnis der Alchimisten bis um die Mitte des 1 3. Jahrhunderts
bewahrt blieb. Es ist bezeichnend, dafs es kein abendländisches Volk
war, dafs das Schiefspulver in Europa zuerst für Kriegszwecke ver-
wendete, sondern ein asiatisches: die Tartaren, deren Begriffe vom
Heldentum wesentlich anders als die abendländischen geartet waren.
Im Gefühl ihrer Schwäche sahen sie sich veranlafst, das Mifsverhältnis
der Kräfte durch eine wesentliche Verstärkung der Waffenwirkung
auszugleichen und gaben so, ohne es zu wollen, den Anstofs zu dem
ungeheuren Umschwünge in der Kriegführung, der noch zur Stunde
nicht an seinem Zielpunkte angelangt ist. Genau dieselbe widerwillige
Empfindung hatte einst der Bogen und später die Armrust zu über-
winden gehabt; auch sie stehen im Widerspruche mit dem Begriffe des
persönlichen Heldentums, der bei dem Adel des Mittelalters geltenden
Ritterlichkeit. Indes waren die Vorzüge der neuen Kampfmittel für
den Schwachen, ebenso wie für den Eroberer zu verführerisch, als
dafs nicht allmählich die alten Grundsätze preisgegeben worden wären,
wenn es galt, die Existenz zu retten oder einem feindlichen Nachbar
den eigenen Willen aufzuzwingen.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
431
Man führt als eins der frühesten Beispiele der Anwendung von
Geschützen den Krieg von Chioggia (1381) an. Nun kennen wir
aber ein Senatsdekret von Venedig von 1324, also weit vor diesem
Kriege datierend, mit welchem die Regierung den Gonfaloniere und
die 12 Vertrauensmänner beauftragt, cannoni und „eiserne" Kugeln
zur Verteidigung der Stadt anfertigen zu lassen.*)
Die technische Entwickelung der Feuerwaffe in ihren ersten Stadien
ist bis jetzt noch nicht genügend festgestellt , doch' deuten die kurzen
Angaben der Chronisten darauf hin, dafs die ersten Feuerwaffen als
schwerfällige Maschinen auftraten, die den Bewegungen des Heeres
im Kriege nur langsam und mit vielen Anstrengungen zu folgen
vermochten, also als Positionswaffen anzusehen waren.
Wir unterscheiden in der Waffenlehre zweierlei Kategorien von
Feuerwaffen. Das Geschütz, welches auf dem Boden ruhend, von
Menschen- oder Pferdekräften bewegt wird, und die Handfeuer-
waffe, welche von einem Schützen allein getragen und bedient wird.
Aus den Nachrichten der Chronisten ergibt sich, dafs erst all-
gemach mit der Entwickelung der Technik und Kriegskunst die Feuer-
waffe beweglicher, handsamer, leichter gemacht wurde, bis man dahin
gelangte, ihre Bewegung und Bedienung auch der Kraft eines ein-
zelnen Kriegers zuzumuten. Dieser Weg wurde aber, als sich die
Erfindung endlich Bahn gebrochen hatte, in verhältnismäfsig schneller
Zeit zurückgelegt. Die erste Nachricht vom Gebrauche des Schiefs-
pulvers durch die Tartaren unter Babu Chan bei Liegnitz gegen die
Polen und Schlesier fällt in das Jahr 1241; und schon um 1320
besafs jede gröfsere Stadt Geschütze, um 1350 selbst gegossene.
Um 1360 finden wir bereits ,,spannenlange" Handbüchsen, ja 1380
solche von Bronze gegossen. Die ersten Geschütze waren aus Eisen,
über den Dorn geschmiedet und bestanden aus mehreren Lagen. Die
erste Lage bestand aus einer mäfsig dicken Eisenplatte, welche um
den Dorn gebogen und zu einer Röhre verschweifst wurde; dann kam
gewöhnlich darüber eine der Länge nach angeordnete Lage Lang-
schienen, welche mittels einer Reihe von in glühendem Zustande
darübergezogenen Ringen gehalten wurden. 60 schwerfällig die
ersten Geschütze auch waren, so besafsen sie doch nur eine mäfsige
Gröfse. Erst am Ende des 14. Jahrhunderts suchte man sich in der
Ausdehnung der Rohre zu überbieten. Es ist eine noch ungelöste
Frage, ob die ersten Geschütze schon für den direkten Schufs ge-
dient haben; es klingt wahrscheinlicher, dafs sie anfänglich nur für
den Wurf eingerichtet waren. Das Gcschofsmaterial bestand in den ersten
Zeiten aus natürlichen grofsen Feldsteinen, später, um die Mitte des
14. Jahrhunderts, bediente man sich kugelförmig zugemeifselter Bruch-
*) Gelcich, G., Die Erzgiefscr der Republik Ragiisa. Mitt. der k. k. Zentr.-
Konunission, 1890.
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432
II. Die Angriffswaffen.
steine, für kleinere Kaliber auch eiserner Kugeln, die natürlich nicht
gegossen, sondern geschmiedet waren. Mit diesem Zeitpunkte erst
beginnt eine wenn auch anfangs noch systemlose Bestimmung der
Lichtendimension des Rohres, des Kalibers, üblich zu werden.
(Fig. $11.)
Obwohl die erste Nachricht von ihrer Verwendung aus dem
Osten Europas zu uns dringt, nahm die Feuerwaffe dennoch ihren
Weg über den Kontinent von Spanien aus, wo sie in bereits ent-
wickelterer Form und allgemeiner bei den Mauren in Gebrauch war.
Langsam verbreitete sie sich über Frankreich und England, wo die
Traditionen der Ritterschaft noch zu lebhaft waren, aber rasch über
Italien, das, bewohnt von einer Handel treibenden Nation, den
Utilitätsprinzipien zugänglicher erschien.
Fig. 511.
Fig. 511. Bombarde, sogenanntes Hauptstück, von Eisen, ge-
nannt die „tolle Grete", in Gent. 14. Jahrhundert. Nach Müllcr-Mothes,
Archäol. Wörterbuch.
Um 1360 erhält das grofse Geschütz eine bestimmte Bezeichnung.
Bisher hatten die Feuergeschütze vielerlei willkürlich gewählte Namen,
als Feuermaschinen u. dgl. In den Rechnungen von Valenciennes
vom Jahre 1363 werden die Stadtgeschütze bombardes de la
vi 11 6 benannt. Unzweifelhaft stammt der Name aus Italien und
hat seine Ableitung von dem griechischen Worte „bombos" {ß6futiog),
was soviel als Brummer bedeutet. Den Namen Bombarden be-
halten sie in Frankreich, Spanien, Italien und den Niederlanden bis
ans Ende des 15. Jahrhunderts; nur in Deutschland ist von der
ältesten Zeit an die Bezeichnung Büchse üblich, die mit verschie-
denen Variationen selbst noch bis ins 17. Jahrhundert wenigstens als
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I). Kernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
433
allgemeinen Begriff beibehalten wird. Kleinere Bombarden erscheinen
in Frankreich unter dem Namen bombardclles, aber schon um
1300 auch als canons, ein Wort, das sich gewifs von canne, Rohr,
ableitet und ursprünglich sich auf alle kleineren Kaliber bis zur Hand-
feuerwaffe bezog. Für das schwere Wurfgeschütz, den Mörser,
kommt am Ende des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung mortier in
Aufnahme.
Der Name Artillerie erscheint in Burgund und Frankreich schon
im 14. Jahrhundert für das Geschützwesen, gleichviel ob hierbei
Wurfmaschinen oder Pulvergeschütze in Gebrauch kamen. Allgemeiner
wird der Ausdruck erst im 1 5. Jahrhundert, nach Deutschland gelangt
er verstümmelt in vermutlich unrichtiger Ableitung von arco, der
Bogen. Bogen- und Armnistmacher erscheinen unter der Bezeichnung
Fig. 512. Belagerungsgeschütz in Stellung, mit Blende.
14. Jahrhundert. Nach Froissard.
Artilleurs (Künstler), so Jean l'Artilleur, der Bogenmacher in Brüssel
1400. Später wurde das gesamte Schiefswesen unter dem Begriffe
Artillerie zusammengefaßt, schliefslich aber dieser Begriff nur auf das
Geschützwesen allein bezogen. Alle übrigen Bezeichnungen im
Deutschen, wie Arkelei, Arcolei etc., beruhen auf schlechter Schreib-
weise und Verkrüppelung dieses Wortes.
Schon um 1305 geschieht der „Kanone von Metall" in Italien
Erwähnung, doch treten in Deutschland gegossene Geschütze von
gröfserem Kaliber in bedeutenderer Zahl erst am Ende des 14. Jahr-
hunderts auf. Diese waren nicht gebohrt, d. h. das Rohr ging
Boche im, Waffenkunde. 28
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4:u
II. Die Angriffswaffen.
vollkommen fertig aus dem Gusse hervor. Mit Zunahme der Fertig-
keit bemühte man sich, immer gröfsere Geschütze zu giefsen; so ent-
standen die gröfsten, „Hauptstücke" genannten Geschütze. Daneben
aber wurden noch bis ans Ende des 1 5. Jahrhunderts Geschütze von
geringerem Kaliber und gröfserer Rohrlänge aus Eisen geschmiedet
Die den Hauptbüchsen in der Gröfse zunächst stehenden Ge-
schütze wurden Hetzen, Scharfmetzen (scharpffmetzen) genannt. Der
rohe Söldnerwitz personifizierte die plumpe Waffe und verglich sie
mit einem weiblichen Wesen. Der Ideengang dabei ist spezifisch
oberdeutsch. Die Bezeichnung selbst aber dürfte sich aus dem Ita-
lienischen „ mezza -bombarda" herleiten.
Wie uns die vorhandenen alten Feuerwerksbücher belehren, war
im 14. Jahrhundert bereits das Streben nach Verbesserung des Ge-
schützwesens in technisch - konstruktiver Beziehung, wie nach der
pyrotechnischen Seite hin nicht geringer als heutzutage inmitten des
Zeitalters der Erfindungen. Von allem Anfange an jagte ein Projekt
das andere, suchte der eine Büchsenmeister den anderen zu über-
Fig. 5 «3-
Fig- 5 '3- Viertelbüchse in Lade und Bank. 15. Jahrhundert.
Nach Dolleczek, Geschichte der österr. Artillerie.
bieten. Dadurch entstanden in den verschiedenen Ländern die
mannigfachsten und auch sonderbarsten Geschützformen, so dafs es
schwierig wird, in das Chaos ein System zu bringen, um so mehr, als
diese unter zahllosen Namen auftauchen.
Die Bombarde oder „pumhart", wie sie zuerst in deutschen
Ländern genannt wurde, entbehrte anfänglich jeglicher Lafettierung. Sie
wurde einfach auf schwere Kanthölzer gelagert, nach Möglichkeit ge-
richtet und nach langwierigem Laden abgefeuert. Dabei stellte sich
der bedeutende Ü beistand des Rückstofses heraus, der meist das Rohr
gänzlich aus seinem Lager warf. Man suchte ihn zwar durch rück-
wärts in die Erde gegrabene starke Balken zu beheben, aber das ge-
lang nur in geringem Mafse, da, wie auch die Nürnberger Chronik
berichtet, diese Balken (Preller) alle 3 bis 4 Tage erneuert werden
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D. Die Kernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
435
mufsten. Einzelne ßüchsenraeister versenkten das Rohr darum bis
zur Hälfte des Querschnittes in die Erde. Bei Belagerungen wurde
das Rohr den Augen des Feindes durch eine Bretterwand (Schirm)
entzogen, die erst beim Schusse aufgezogen wurde.
(F>g- 512.)
Erst im Anfange des 15. Jahrhunderts wird das
Rohr in einem ausgehöhlten Balken (Lade) gelagert, der
rückwärts einen schräg nach abwärts gerichteten Fort-
satz besafs, um den Rückstofs nach abwärts zu lenken.
Vorne war der Balken auf einen niederen Bock (Bank)
gelagert. Das war der erste Schritt zur Bildung der
Lafette mit dem schief nach abwärts gerichtetem Protz-
stocke, der mit seinem rückwärtigen Ende auf dem
Boden ruht (Fig. 513). Im 17. Jahrhundert waren
die Rohre noch sehr niedrig gelagert und die Protz-
stöcke hatten bei geringem Lafettenwinkel eine grofse
Länge. Nach ihrer Konstruktion unterscheidet man
Wandlafetten von Blocklafetten. Erstere bestehen
aus zwei parallelen Wänden, welche durch Riegel ver-
bunden sind; letztere aus einem keilförmig, rückwärts
verlaufenden Holzklötze. Die Wandlafette entstand
aus der sogenannten Gabellafette; sie wird bereits von
Martin Merz um 1490 angewendet und ist speziell
in Deutschland in Gebrauch gestanden, während in
Frankreich und Italien vorzugsweise die Blocklafette
zur Anwendung gelangte. Auf den Galeeren ruhte das
gröbere Geschütz in Laden, die auf vier Blockrädern
sich bewegten. Hier wurde der Rückstofs durch die
Hemmseile gemildert, die an den Ringen der Bord-
wände befestigt waren. Kleinere Rohre ruhten in Gabeln,
sogenannten „Drehbassen". Für die Lafettierung der
Marine war in den meisten Staaten das venetianische
System mafsgebend.
Die ersten Geschütze bestanden, wie erwähnt, aus
Schmiedeeisen, aber schon in der 1. Hälfte des 14. Jahr-
hunderts begann man sie aus Bronze zu giefsen. 1346
fertigte der Zinngiefser Peter von Brügge zu Turnay
ein kleines Bronzegeschütz für zweipfündige Bleikugeln,
1370 (1372?) Peter von Aarau zu Augsburg
20 Bronzegeschütze. In Venedig wurde der Geschütz -
gufs 1376 durch einen Deutschen eingeführt. Die
dortige Giefserei war lange Zeit die einzige in Italien.*)
Der Wurf oder das Schleudern von Steinhagel
Fig. 514. Lot-
büchse (Schiffs-
schlange) aus ge-
schmiedetem
Eisen, 15. Jahrh.
K u. k. Heeres-
museum in Wien.
*) Gelcich l c.
2S'
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486
11. Die Allgriffswaffen.
erschien bald zu unsicher und effektarm; man suchte die Bombarde
kleiner herzu stellen, um weniger Steine, aber mit mehr Sicherheit zu
werfen; dadurch entstand die Haufnitz, ein handsames Geschütz,
das noch in den Burgunderkriegen mit Vorteil verwendet wurde.*)
Eine wünschenswerte Trefffähigkeit wurde aber erst erreicht, als man
anfing, Stein- oder Eisenkugeln aus Rohren zu schiefsen, welche in der
Rohrwandung einen nur geringen Spielraum fanden. Hand in Hand mit
dieser Verbesserung ging das Bestreben, die Rohre zu verlängern in
dem Glauben, dafs die Tragweite mit deren Verlängerung zunehme.
Damit tritt eine neue Geschützgattung auf, die sogenannte Schlange,
in Frankreich couleuvrine, in Italien serpentina, in Spanien culebrina
genannt. Sic erschien schon um 1400; aus der kleineren Art wurden
auch Bleikugeln geschossen. (Fig. 514.) Waren die Bombarden als
das schwere Geschütz zu betrachten, so bildeten die Schlangen in
verschiedenen Gröfsen das leichte Feldgeschütz; mit ihnen gelangte
der direkte Schufs zur Geltung, man fand sie sehr brauchbar und
erzeugte sie darum auch in so kleinen Dimensionen, dafs sie von
einem Manne getragen und bedient werden konnten. Diese Art
nannte man Handschlangen, und sie sind im Hinblicke auf ihren
allgemeinen Gebrauch als die ersten Handfeuerwaffen des Fufsvolke*
zu betrachten. Schon um 1420 treffen wir die Schlange als kleines
Feldgeschütz, als Hinterlader mit einer einzulegenden Ladekammer,
welche rückwärts verkeilt wurde.
Die Schlangen sind zumeist aus Eisen und mit aufgezogenen
Ringen verstärkt, nur kleine Handschlangen wurden im 15. Jahrhun-
dert in Bronze gegossen. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts er-
scheinen gegossene Schlangengcschütze; die schönsten stammen aus
Venedig.**)
Zum Angriffe auf feste Plätze erwiesen sich auch die Bombarden
und Hauptbüchsen zu schwach, der Steinhagel erwies sich als zer-
streut und darum wenig wirksam. Man suchte die Triebkraft zu ver-
gröfsern und die Steinladung zu vermehren. Aus diesem Streben ent-
stand der Mörser mit weitem Flug und kleiner angeschmiedeter
Kammer. Der älteste und grülste dieser Gattung, der grofse „pum-
hart" von Steyr von etwa 1380, befindet sich im k. u. k. Heeres-
museum zu Wien. (Fig. 515.)
Aus dieser übersichtlichen Darstellung ist zu ersehen, dafs
*) Der Name deutet auf slavischen Ursprung ; es ist damit die erneut wieder
auftretende Behauptung, dafs die ersten Haufnitzen im Heere der Hussiten ange-
wendet wurden, von vieler Wahrscheinlichkeit begleitet. Thatsächlich stammt der
Ruhm Böhmens, die geschicktesten Artilleristen zu besitzen, aus den Hussiten-
kriegen her.
**) Aus dem italienischen Serpentinelle entstand im 16. Jahrhundert in den
deutschen Heeren das Wort Scharlentindl , was gleichfalls kleine Schlange, eine
sogenannte Viertelschlange, bezeichnet.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen. 437
um 1450 bereits die Elemente für ein geordnetes Geschützsystem
vorhanden waren, wie sie sich aus der Praxis von selbst ergaben.
Eine Regelung des Geschützwesens erfolgte erst am Beginne des
16. Jahrhunderts, sie nahm ihre Wege gleichzeitig von Deutschland
und von Italien aus.
Die ältesten Feuerwerksbücher, die zahlreich unter den alten
Büchsenmeistern in Abschriften verbreitet waren, beschäftigen sich
gelegentlich mit Vorrichtungen, eine gröfsere Feuergeschwindigkeit zu
erzielen. Viele der vorgeschlagenen Mittel sind unausführbare Projekte,
wie das Ellenbogengeschütz u. a. Doch findet man auch zahlreiche
anwendbare Konstruktionen, die auch gewifs praktisch verwertet wurden r
dazu sind die auf drehbaren Scheiben ruhenden kurzen Rohre, die
zwei- und dreifachen Rohre, die auf vertikalen Rädern angeordneten
Polier u. a. zu zählen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts treten
die Orgclgeschütze auf, die noch unter Kaiser Maximilian I. in den
Fig. 5 '5-
F*g« 5 'S- Der grofse Steinmörser von geschmiedetem Eisen
mit 88.2 cm. Durchmesser, bekannt unter dem Namen: „Der grofse
Purnhart von Steyr*'. Um 1350. K. u. k. Heeresmuseum in Wien.
Nach Dolleczek.
Zeughäusern vorrätig sind. Ein solches Orgelgeschütz (Totenorgel)
besitzt 40 Rohre, die auf einem zweiräderigen Karren bewegt werden.
(Fig. 516.) Später ist die Zahl und Anordnung der Rohre bei gleichem
System verschieden, sie sind entweder in der Reihe oder in Bündeln
gruppiert. Die Abfeuerung geschieht entweder mit gemeinsamer Zünd-
pfanne oder mittelst der Lunte einzeln. Ihre Verwendung war immer
eine beschränkte und wurde im 15. Jahrhundert ganz richtig be-
urteilt. In einem Kodex von 1488 heifst es: „und man sol sy prau-
chen vnter die thor und wo der feyndt zum stürm liefen mag, auch
4:?8
II. Die Angriffswaffen.
in der Wagenburg seindt sy nutz". — Das System der „Orgel", so
verführerisch für alle Projektenmacher, hat auch durch vier Jahrhun-
derte ununterbrochen in verschiedenen Formen bis zur Mitrailleuse
herab seinen Weg gemacht — es kann nicht leben und nicht sterben.
Die Lafettierung ( Systeme d'afiut) war bis ans Ende des 15. Jahr-
hunderts kompliziert und ungemein schwerfällig. Die Rohre ruhten,
wie bereits bemerkt, zur Hälfte ihrer Stärke in ausgehöhlten Balken,
sogenannten Laden (chantiers), welche, auf den Achsen schwerer Räder
liegend, eine nur geringe Elevation gestatteten. An der Haumitz, einem
kurzen Wurfgeschütze, war die Lade schon etwas beweglicher einge-
richtet. Der Umstand, dafs das Rohr beim Schusse aus seiner Lage
Fig. 516
Fig. 516. Vierzigläufiges Hagclstück. 15. Jahrhundert.
Aus den Zeugbüchern Maximilians I. von 1 5 1 4.
in der Lade gestofsen wurde, führte um 1450 zu der Beigabe von
vier sogenannten Schildzapfen, welche in die Lade eingelassen
wurden und so eine Bewegung des Rohres verhinderten. Die gröfste
Zahl der älteren Hauptbüchsen Kaiser Maximilians ist noch mit solchen
(doppelten) Schildzapfen versehen. (Fig. 517.) Aufser den hölzernen
Lafetten finden sich im Verlaufe des ganzen 15. Jahrhunderts in der
Marine wie in Landpositionen kleinere Schlangen meist mit Hinter-
ladung, welche auf eisernen drehbaren Gabeln, sogenannten Dreh-
bassen, ruhen. Erst um 1490 stofsen wir auf Geschütze mit einfachen
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D. Die Fcrowaffen. 4. Die Feuerwaffen.
480
Schildzapfen, die ungefähr in der Mitte des Rohres stehen und
eine Welle bilden, um welche bewegt das Rohr auf die einfachste
Art eleviert werden konnte. Diese an sich einfache Einrichtung kann
zu den wichtigsten Verbesserungen im Artilleriewesen gezählt werden.
Die Erfindung der einfachen Schildzapfen soll unter Karl VIII. von
Frankreich im Lager von Pont d'arche gemacht worden sein.
Der gröfste Übelstand im Geschützwesen bestand noch am Ende
des 15. Jahrhunderts in der ganz systemlosen Vielgestaltigkeit der
Rohre, die nicht nur eine Beurteilung der Leistung verhinderte, son-
dern auch grofse Schwierigkeit für den Munitionsersatz herbeiführte.
In Italien, namentlich in Venedig und Genua, auch in Frankreich
suchte man diesem Übelstande abzuhelfen, der Erfolg blieb aber
hinter den Erwartungen zurück. Später nahm Kaiser Maximilian (um
1498) eine eingreifende Reorganisation seines Geschützwesens vor;
sein System, dessen Durchbildung von dem Hauszeugmeister Bartolo-
meus Freysleben herrührt, ist in seinen von uns öfter erwähnten
Zeugbüchern niedergelegt. So scharfsinnig es auch erschien, so
Fig. 5 »7-
Fig. 517. Hauptbüchse in Bronze gegossen und mit doppeltem
Schildzapfen ausgestattet, genannt ,,die wohlgcstimbt Lauerpfeiff". Nach
einem Modell in der Waffensammlung des k. Hauses zu Wien. 1 5. Jahr-
hundert. Innsbrucker Giefsstätte.
wurde es doch durch die am Beginne des 16. Jahrhunderts herein-
brechende gänzliche Umgestaltung des gesamten Kriegswesens und
der Kriegführung rasch überholt. Nach den Zeugbüchern zählte
man in den Zeughäusern des Kaisers Maximilian folgende Geschütz-
gattungen: Hauptstücke (Bombarden, von welchen viele aus anderen
Ländern stammten und erobert waren), Scharfmetzen (Fig. 518),
Basilisken, Vierteilbüchsen, Singerinen, grofse Schlangen,
(Fig. 519.) Feld- oder Mittelschlangen, Haufnitzen, Falkonet-
lein (Fig. 520.) (kleines Geschütz, welches von einem Pferde in der
Gabel geführt wurde), Kammerschlangen (Hinterlader auf Dreh-
basse), endlich eine kleinere Geschützgattung, welche Dorndrell
(tornarello) und auch Terrasbüchse (von dem spanischen terasca,
teraxa, Schlange) genannt wird. Unter den Mörsern, welche ver-
schiedenartige Gröfsen und Formen besafsen, werden Haupt- (Fig. 52 1)
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440
II. Die Angriffswaffen.
und kleine Mörser (Lerchlein) mit sternförmiger Bohrung (um das
Auflodern der aus ihn geworfenen Feuerwerkskörper zu befördern).
Kalibermafse sind nicht angegeben, sie lassen sich aus den Aquarellen
nur ungefähr schätzen.
Unter Kaiser Maximilian begann man auch die Geschütze zu
bohren, aber das war anfänglich noch eine mühsame und unverläfs-
liche Arbeit mittels schwerer Handbohrer, die im „Gangspill" bei
ungenauer Führung liefen. Man verbesserte daran im 16. Jahrhundert
vieles, doch wurden nach wie vor viele Geschütze mit der Seele ge-
gossen. Erst am Beginne des 18. Jahrhunderts erfand J. Maritz in
Bern die Kanonendrehmühle, eine mechanische Einrichtung, die eine
genau zentrale Bohrung lieferte. Unter Kaiser Karl V. bildete sich
zuerst ein bestimmtes und brauchbares Geschützsystem, das Kaliber-
system, aus, das mit geringen Abweichungen auch von Frankreich
und von den bedeutenderen italienischen Staaten angenommen wurde.
Fig. 5i*.
Fig. 518. Scharfmetze in Blocklafette. 15. Jahrhundert. Aus
den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug: Österr. Land.
Der Erfinder des Kalibersystems, das auf dem Verhältnisse des Boh-
rungs - Durchmessers zum Steingewicht der Kugel beruhte, war der
Vikar der St. Sebaldskirche zu Nürnberg Georg Hartmann (1489
bis 1564), der Schöpfer des darauf fufsenden Geschützsystems
aber der geniale Stuckgicfser Gregor Löffler. Auch dieses neuere
System behielt die Bezeichnungen der Geschütze im allgemeinen (nach
den sogenannten drei Geschlechtern: Kanonen, Schlangen und Falken)
bei, es regelte nur die Gewichtsverhältnisse. Der Park Karls V. be-
stand aus 40- und I2pfündigen Kanonen, 24-, 12- und 6 pfundigen
Schlangen und 6 %- und 3pfündigen Falken. Das Kugelgewicht
war auf Stein berechnet und wurde auch dann beibehalten, als um
1520 bereits allenthalben eiserne Kugeln, anfänglich geschmiedet,
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
441
später gegossen zur Verwendung gelangten.*) Die 40pfündigen Ka-
nonen wurden gemeinlich Kartaunen benannt, eine Bezeichnung,
die sich von dem italienischen Quartana — richtiger Quarantana —
herschreibt. Ebenso wurden die Schlangen als „ganze", „halbe" und
„Viertelschlangen", letztere auch als Scharfetindlein bezeichnet.
Die kleine Falkengattung benannte man Falkonet e.
Die italienischen Artillerien besafsen noch 1480 einen ungemein
vielgestaltigen Geschützpark, darunter folgende Gattungen: die Born-
barde zu 300, den Mortier (Mörser) zu 2 — 300, die Co-
muna zu 50, die Cortana zu 60 — 100, die Passa volante zu
16**), den Basilisk zu 20,***) die Cerbatana zu 2 — 3, endlich
die Espingarde zu 10 — 15t) Pfund nach dem Gewicht des
Materiales.
In Frankreich wurde das System um 1550 auf das äufserste
vereinfacht. Der Feldpark bestand damals aus Canons zu 33,
Grande couleuvrines zu 15, Couleuvrines batardes zu 7, Cou-
1
Fig. 519.
Fig. 519. Grofse Schlange in sogenannter Burgunderlafette.
15. Jahrhundert. Aus den Zeugbüchern Maximilians I.
leuvrines moyennes zu 2, Faucons zu 1 Pfund und Fauconneaus
zu 14 Unzen Steingewicht. Man sieht, das französische System näherte
sich am meisten dem deutschen, nur war im allgemeinen das Kaliber
weit leichter, seitdem um 1540 die Basilisken zu 66 franz. Pfunden
und die schweren Serpentines ausgeschieden wurden.
Dazwischen gab es aber noch immer eine ungeheuere Menge
*) Das heifst, jede eiserne Kugel wird mit jenem Gewichte benannt, welches
eise gleich grofse, steinerne Kugel wiegt. Man nennt das Nürnbergcr-oder Stein-
gewicht, es war in Deutschland noch bis c 1860 in Anwendung.
**) Eiserne, mit Blei umgossenq Kugeln.
***) Kugeln von Bronze oder Eisen.
+) Stein.
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142 n. Die Angriffswaffen.
von Geschützarten namentlich in Frankreich und Italien; wie in der
Marine die Cardinales, Berches. In den Landheeren die Cour-
tans, Boites, Veugliaires, Crapaudeaus, Flageollets, Cerba-
tanas (aus dem Spanischen: Blasrohr), Emerillons, Mouches und
hundert andere Arten, denen oft nur der Soldatenwitz einen Namen
' verlieh.
Eigentümlich ist der vom 14. Jahrhundert sich herschreibende
Gebrauch, die Geschütze mit Namen zu benennen. In Deutschland
zuerst wahrnehmbar, erklärt er sich aus der urgermanischen Neigung
der Krieger, die Waffe zu personifizieren und als lebendiges Wesen
aufzufassen. So finden wir deutschen Geschützen des 15. und 16. Jahr-
hunderts die sonderbarsten Namen beigelegt, wie der Purlepaus,
der Schnurrhindurch, die Lauerpfeiff, die Buhlerin, der gestreifte
Löw u. dgl. Nicht selten treten auch unflätige Namen zu Tage.
Diese Benennungen verschwinden in Deutschland erst um 17 10. In
Frankreich war eine Namenverleihung bei Geschützen nicht immer
Fig. 520.
Fig. 520. Falkonetlein in sogenannter Gabcllafctte. 15. Jahr-
hundert. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug österr. Land.
in Gebrauch. Unter Ludwig XII. findet sich ausnahmslos nur das
Stachelschwein (porc-epic, das Sinnbild des Königs), unter Franz I.
der Salamander u. s. w. Die spätere französische Artillerie hatte
zwar auch Benennungen für Geschütze, wie Tinvincible, le monstrueux,
l'aigle, le dragon u. dgl., diese hatten aber weniger eine allegorische
Bedeutung, als vielmehr einen praktischen Zweck. In Italien, wo
sich vom 14. Jahrhundert an meist von der Mythologie hergenommene
Namen für Geschütze finden, steht dieser Brauch mit dem Geiste der
Zeit, der alles zu antikisieren suchte, im Zusammenhange.
Das Pulver wurde anfänglich in Mehlform hergestellt, wie sie sich
aus dem Gemenge der pulverisierten Substanzen ergab. Erst um die
Mitte des 15. Jahrhunderts begann man es zu körnen und, wie aus
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
443
urkundlichen Mitteilungen hervorgeht, einen Unterschied zwischen
Stuck- (Geschütz-) und Büchsen- (Gewehr-)pulver zu machen. Die Ab-
feuerung wurde anfanglich mittelst eines glühenden Kohlenstückes be-
wirkt, welches auf die schalenförmige Aushöhlung am Zündloche
(Pfanne) gelegt wurde. Später füllte man die Zündlochschale mit Pulver
und entzündete dieses mittelst Eisenstangen, welche an einem Ende
glühend gemacht wurden. Erst am Ende des 14. Jahrhunderts kam
der Feuerschwamm (Polyporus fomentarius und Polyporus igniarius)
auch Moder verschiedener Holzarten, wie z. B. der Buche für diesen
Zweck in Gebrauch; der Name „Schwamm" erhielt sich, auf die Strick-
Fig. 521.
Fig. 521. Hängender Hauptmörscr von Bronze. 15. Jahr-
hundert. Aus den Zeugbüchern Maximilians L
lunte angewendet, noch bis ins 16. Jahrhundert herein. Etwa um
1420 wurde die sogenannte Lunte (mechc) erfunden, die aus einem
fingerdicken Hanfstricke bestand, welcher mit Bleizucker gebeizt wurde
und damit die Fähigkeit erhielt, wenn angezündet, fortzuglimmen.
Die Mörser (mortier), anfänglich von bedeutender Gröfse und für
das Werfen von Lagen grofser Feldsteine berechnet, werden im Verlaufe
des 15. Jahrhunderts merklich kleiner. Die Kammer, zur Aufnahme
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444 II. Die Angriflswaflen.
der Pulverladung anfänglich zu klein, kam nun zum vorderen Teile
(Flug) in ein besseres Verhältnis. Man bediente sich ihrer zum Werfen
von Steinkugeln, aber auch von Kugeln aus Lehm, welche mit Brand-
und Sprengsatz gefüllt und gitterartig mit Eisendraht umstrickt waren.
Zum Werfen von Feuerwerkskörpern bediente man sich am Anfange
des 16. Jahrhunderts kleinerer Mörser (Lerchlein), die sternförmig
gebohrt waren. Das hatte den Zweck, dem im Rohre angezün-
deten Körper Luft zuzuführen, damit der Brandsatz nicht verlösche.
Im niederländischen Kriege des 16. Jahrhunderts erscheinen zuerst
die kleinen Mörser für 7 pfundige Hohlkugeln; sie bewährten sich vor-
züglich ihrer Handsamkeit wegen im Laufgraben. Später erscheinen
sie unter der Bezeichnung Coehornscher Mörser, weil dieser nieder-
ländische General sie seit 1688 vielfach anwendete.
Vom 14. Jahrhundert an kommen uns Berichte zu von der
Anwendung lederner Geschütze. Diese Neuerung beruhte vermutlich
auf der Elastizität des Materiale« und dessen geringem Gewicht. Der
kleine lederne Mörser im Arsenal zu Venedig soll 1379 und 138a
unter Vittorio Pisani und Carlo Zeno (?) vor Chioggia gebraucht
worden sein. Eine kleine Lederkanone aus dem 16. Jahrhundert
mit dem Wappen der Medici wird in der Sammlung Modena in
Wien bewahrt. Bekannt ist, dafs die aufrührerischen Salzburger ihren
Landesherrn, den Erzbischof Matthäus Lang, 1525 mit aus dickem
Leder gefertigten Kanonen auf dessen Feste Hohensalzburg belagerten.
In der schwedischen Armee wurden Lederkanonen 1626 durch den
englischen Baronet Robert Scot eingeführt, der mit 200 Mann in
Gustav Adolfs Dienste getreten war. Sie wurden aber, da sie sich
in der Schlacht bei Leipzig schlecht bewährten, 1631 wieder ab-
geschafft. Die jüngste Lederkanone befindet sich im k. k. Heeres-
museum zu Wien. Sie soll 1702 als Geschenk der Stadt Augsburg
an König Josef I. gekommen sein. Sie ist ihrer Konstruktion nach
nur ein Schaustück.
Zum Schlüsse sei noch einer artilleristischen Sprengmaschine,
der Petarde, gedacht; auch sie entstand im 16. Jahrhundert und
zwar in den Niederlanden. Ihr Zweck ist, Festungsthore, Palisaden-
wände und andere Abschlüsse aufzusprengen. Sie besteht aus einem
in Metall gegossenen Kessel, der mit seiner Mündung auf eine
quadratförmige Bohle (Madrillbrett) aufgeschraubt ist Die Entzündungs-
vorrichtung befindet sich am Boden des Kessels. Die Petarde wurde
vor dem Gebrauche mit einem eigens gemischten (hartreifsenden)
Pulver geladen. Der Petardier hatte zwei Gehilfen, welche die Petarde
trugen, er näherte sich dem zu sprengenden Thore und schlug oder
schraubte einen schweren Haken an einen der Flügel. Auf diesen
wurde die Petarde, an deren Madrillbrett sich zu dem Ende ein
Ring befand, gehängt und unverweilt angezündet wurde. Die Petarde
wurde bereits 1570, von den Hugenotten bei St. Emilion verwendet,
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
445
< ine der ruhmvollsten Verwendungen fand sie bei der Einnahme von
Raab 1598.
Die Handfeuerwaffe wird schon 1364 erwähnt. Die Stadt
Perugia liefs 500 spannenlange Büchsen anfertigen, die man in
der Hand führen konnte und deren Geschosse jeden Harnisch
(Lentner) durchdrangen.*) 138 1 stellte der Rat zu Augsburg zum
Kriege gegen den fränkischen und schwäbischen Adel 30 Büchsen-
schützen. 1388 zählte auch die Stadt Nürnberg bereits 48 Schützen,
welche die Handbüchse gut handzuhaben vermochten, und 1399 wurden
bei der Belagerung des Schlosses Tannenberg in Hessen Faust- .
büchsen verwendet.
Die ersten vom Fufsvolke benutzten Feuerrohre bildeten einen
Übergang vom Geschütz zum Handgewehre. Sie wurden von zwei
Männern bedient und ihrer Schwere wegen auf leichten Rädergestellen
Fig 522. Scopitus, nach Paulus Sanctius (Bibl. Richelieu). 1460.
Aus Gay, Glossaire archeologique.
geführt. An ihnen findet sich schon die erste Spur einer Schäftung
insofern, als das Rohr an einer langen Stange befestigt war. An
dieser Stange hielt der eine Mann das Rohr in der Richtung, während
der andere abfeuerte.
So wenig die ersten Handbüchsen im Gefechte leisteten, so un-
sicher ihr Schufs war, so mochte man sich ihrer doch nicht entäufsern,
in der Hoffnung, sie allgemach zu verbessern. Diese Hoffnung be-
währte sich auch, denn im Verlaufe des 15. Jahrhunderts jagte eine
sinnreiche Verbesserung die andere.
•) Höver, Geschichte der Kriegskunst.
o
Fig. 522.
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Fig. 523. Fig. 524.
F'ß« 523- Gemeine Hakenbüchse mit gebohrtem Bronzclauf
und ZUndpfanne. Das Schlofs, inkomplett, war ursprünglich ein Lunten-
schnapphahnschlofs. Die Entladung erfolgt vom Drücker g, wodurch
der Stift e zurücktritt und den Schnapphahn frei macht. Gesamtlänge
160 cm. Deutsch. Das Rohr trägt die Nürnberger Marke. Um ^520.
Fig. 524. Standbüchse mit 123 cm. langem Messinglaufe und
Visierrohr. Der Schaft ist zum Anlegen an die Schulter rückwärts horn-
artig gebildet. An der Stelle der Pfanne ist ein Feuerschirm aus Leder
angebracht. Italienisch, um 151 5.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
447
Um 1460 führte der italienische leichte Reiter, später auch der
französische ein spannelanges Rohr (scopitus), welches rückwärts in
eine Stange auslief, die mit einem Ringe endete. Der Reiter trug
diese Hand- oder Knall büchse an einem Riemen um den Hals
. und legte sie zum Schusse auf eine Gabel auf, welche an dem vorderen
Sattelbogen befestigt war. Diese Scopiti (davon das spätere Wort
Escopette für kurze Reitergewehre) blieben in Frankreich mit allerlei
Verbesserungen sehr lange in Verwendung, und aus ihnen ist das
spätere Faustrohr entstanden. Von dem Gebrauche, sie an die Harnisch -
brüst anzusetzen, erhielten sie die Bezeichnung petrinal (von poitrine).
Diese kleinen Reiterbüchsen wurden mit der Lunte abgefeuert (Fig. 522).
Ein grofser Übelstand bei den ersten Feuerrohren war ungemein
starker Rückprall ; man versuchte daher diesen auf einen anderen festen
Gegenstand zu übertragen und versah zu diesem Zwecke das Rohr an
seiner Mündung unterhalb mit einem starken Ansätze (Haken), der beim
Schusse an eine Mauer oder einen Pflock angelegt wurde. Von diesem
Haken stammt ohne Zweifel die spätere Bezeichnung Hakenbüchse.*)
Einen Gegenstand emsiger Sorge bildete die zur Handhabung des Rohres
unentbehrliche Schäftung. Die ersten Feuerrohre besafsen keinen Holz-
schaft, sondern endeten rückwärts in einem stangenartigen Fortsatz
(Schwanz). Später wurde an das Bodenstück ein spitzer Dorn an-
geschweifst, welcher in ein längliches, prismatisches Holzstück (Kolben)
eingelassen wurde. Erst gegen 1470 erhält das Rohr einen (ganzen)
Schaft, in dessen Rinne es eingelagert erscheint. Bei diesen
ersten ganzen Schäften waren der Kolben gerade gestaltet und das
Rohr in der ausgehöhlten Rinne mit Stiften befestigt. Diese älteste
Form ist das Vorbild des späteren deutschen Schaftes (Fig. 523).
In Italien und Frankreich finden sich mannigfache andere Formen,
namentlich in der Partie am Kolben; da erscheinen ringförmige Kolben,
solche, welche hakenähnlich enden, um die Schulter daran zu stem-
men (Fig. 524), endlich auch nach abwärts abgebogene. Alle diese
Änderungen führen später zu bestimmten nationalen Schaftformen, die
wir später erwähnen werden.
Bei der primitiven Abfeuerungsart aus freier Hand (Fig. 525)
war ein Zielen nur sehr schwer möglich, da das Auge dem Schwamm
oder der Lunte folgen mufste; man sann demnach auf ein Mittel, die
Zündung auf mechanischem Wege zu bewirken. Aus diesem Streben
entwickeln sich bald nach 1420 die ersten Anfänge des Lunten-
schlosses. Das älteste bestand aus einem zweiarmigen Hebel, an
dessen vorderem Ende der Feuerschwamm in eine Spalte eingezwängt
wurde. Ein Druck auf den unteren Hebelarm mit einem Finger
*) Und nicht von dem hakenförmigen Hahn am Luntenschlosse, denn die
Bezeichnung „areubusari" kommt schon weit vor Erfindung des Luntenschlosses,
1417, in den Komcntarien des Fr. Carpezani, vor. Vergl. Gay, Glossaire, pag. 73.
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448
II. Die Angrifiswarfen.
veranlafste das Senken des oberen, wobei der Schwamm auf die
Pfanne fiel.*) Das hatte noch seine grofsen Übelstände, da beim
Abfeuern der Schwamm oder die Lunte durch das abbrennende Zünd-
kraut häufig ausgeblasen wurde. Man verband nun den Hebel mit einer
Druckfeder, Stangenfeder, wodurch der Hebel, Hahn, Luntenhahn .
(fr. chien, ital. cane, span. gatillo) nach der Entzündung des Krautes
wieder in seine vorige Lage zurückgeschoben wurde. Das war das erste
Schwammschlofs oder „Schwammengelafs", wie es im 15. Jahrhundert
benannt wurde. (Fig. 526.) Um 1530 tritt an diesem Schlofsmecha-
nismus eine neue wichtige Verbesserung auf durch den Verschlufs
der Pfanne mit einem drehbaren Schuber, dem Pfannendeckel.
(Fig. 527, 528.) Zwischen 1480 und 1500 entwickelt sich das
Luntenschlofs in der Weise weiter, dafs nun der Hahn mit einer
Fig. 5*5-
*»g- 525- Rohrschütze, sein Feuerrohr mit einer Lunte ab-
schickend. Nach einer Handschrift der Univ. -Bibliothek zu Göttingen
von 1405.
zweiten gegenwirkenden Feder (Schlagfccler) ausgestattet wird.
Nach Auslösen der Stangenfeder klappte nun der Hahn mit einem
Schlage auf die Pfanne. Derlei Schlösser, die übrigens nicht allge-
gemein in Aufnahme kamen und auch im 17. Jahrhundert nahezu
ganz verschwanden, nannte man Schnapphähne (Fig. 52g), und von
diesen übertrug sich der Name auf das marodierende, allweg raubende
Gesindel, auf abgedankte Kriegsknechte in der 2. Hälfte des 16. Jahr-
*) In den Zeugbüchern Maximilians I. findet sich und zwar im Teile von
OsterwiU in Krain der Schwamm und die Art und Weise abgebildet, wie er mit
dem Messer geschnitten wird. Es findet sich aber auf anderen Abbildungen auch
die Stricklunte als Zündungsmittel verwendet.
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D. Die Kernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
449
hunderte , die mit ihren Waffen im Lande herumzogen. In der
neueren Waffenwissenschaft nennt man sie, zum Unterschiede von den
späteren spanischen und niederländischen Schnapphahnschlössern,
Luntenschnapphahnschlösser.
I
Fig. 526.
Fig. 527.
Fig. 526. Handbüchse mit Schwammschlofs. Dabei der eisen»
beschlagene hölzerne Ladestock und etliche Stücke zugeschnittenen
Holzschwammcs. Um 1500. Aus den Zeugbüchern Maximilians I.
Fig. 527. Luntensch lofs mit Abzugstange und Pfannendeckel.
Italienisch. Um 1530.
Bocheim, Waffenkunde. 29
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450
II. Die AngriffswatTcn.
Am Beginne des 16. Jahrhunderts, nach allgemeiner Annahme
15 15, erscheint das Radschlofs. Die Angaben der Schriftsteller
über den Erfinder desselben sind sehr zweifelhaft. Das System im
' J
Fig. 528. Fig. 529.
Fig. 528. Handbüchsc. Der Bronzelauf besitzt ein Absehen,
der deutsche Schaft besteht aus Lindeuholz, der leider verstümmelte
Luntenhahn wird durch einen Druck des Daumens auf eine Feder be-
wegt. Deutsch um 15 10.
Fig. 529. Luntensch napphahnschlofs mit Züngelabzug. Die
Auslösung geschieht vom Schwanz des Hahnes durch Zurücktreten eines
Stiftes. Italienisch. Um 1500.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen. 451
allgemeinen ist aller Wahrscheinlichkeit nach in Nürnberg erdacht.
Wir werden aber später sehen, dafs seine konstruktiven Anfänge schon
in früherer Zeit vorhanden waren. Sicher hat das Radschlofs seine
Fig. 530.
Fig. 53°- Deutsches Kadschlofs mit durchbrochener Rad-
decke; die Hahnfeder läuft um das Rad. Die Pfanne ist durch den
Druck auf eine Feder zu öffnen. Das Schlofs besitzt eine Züngelsperre,
die durch die Schlofsplatte greift. 16. Jahrhundert, 1. Hälfte.
Fig. 53 1-
Fig. 531. Deutsches Radschlofs mit ungedecktem Rade und
auf die geöffnete Pfanne niedergedrücktem Hahne. 16. Jahrhundert,
Ende. •
Entstehung durch eine fortschreitende praktische Verwertung des uralten
Feuerstahles gefunden.*) In seiner vollen Ausbildung besteht es
*) Das Steinfeuerzeug, Stahl, Feuereisen, Schlagcisen , bildet ein Symbol des
1429 gestifteten Vliesordens.
29*
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452
IL Die AngriffswaffcD.
aus einem flachen, am Rande nach der Richtung der Peripherie
mehrmals eingekerbten Rade, welches mittels einer Welle an der
Schlofsplatte befestigt ist und mit dem Rande oberhalb in die Pfanne
eingreift.
Mittels eines Schlüssels wird der Mechanismus des Rades derart
gespannt, dafs das Rad um drei Viertel seiner Peripherie auf-
gezogen ist. Beim Abfeuern wird der Hahn, in dessem oberen Teile
ein Stück Schwefelkies (pyrit) geschraubt ist, derart auf die Pfanne
niedergedrückt, dafs der Kies auf dem Rande des Rades aufsitzt.
Infolge des Auslösens der Spannung durch das Züngel rotiert das Rad
wieder rasch zurück, wobei die durch die Reibung an dem Kies ent-
stehenden Funken das Zündkraut entzünden (Fig. 530 und 531). In
den ersten Stadien der Aufnahme des Rcibungsprinzipes zur Zündung
ist das Rad noch nicht im Mechanismus vertreten, die Reibung wurde
Lopez in Madrid. 18. Jahrhundert, Anfang.
anfänglich durch eine kleine, rauh gefeilte Stange erzeugt, welche zu-
erst mit der Hand geschoben, später mittels Federkraft bewegt wurde.
Noch im 1 7. Jahrhundert kommen die Büchsenmacher in ihren Kon-
struktionen hier und da vom Wellen- auf das Stangensystem wieder
zurück.
So sinnreich das Radschlofs erscheint, für den Gebrauch im
Kriege war es seiner vielen Mängel wegen nur bedingungsweise von
Vorteil. Seine Mängel bestanden vor allem darin, dafs der Mechanismus
zu kompliziert war, das Rad durch den Pulverrückstand leicht ver-
schmandete und das Gewehr versagte. Bei der Reiterei erwies sich
das Radschlofs jedoch als wesentlicher Fortschritt, und selbst beim
Fufsvolke wurde seine Brauchbarkeit bei nächtlichen Überfällen all-
"j
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen. 453
gemein anerkannt. Für die allgemeine Bewaffnung des Fufsvolkes
erhält sich aber das Luntenschlofs unverändert bis ans Ende des
1 7. Jahrhunderts, doch führten in der Regel vom Ende des 16. Jahr-
hunderts an von den Musketieren einer Kompagnie etwa 10 Mann
die Radschlofsmuskete.
Mit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts kommt, und zwar zuerst
in den spanischen Heeren, eine Gattung von Gewehrschlössern in Ver-
wendung, welche als das Urbild des späteren Flintenschlosses anzu-
sehen ist, das spanische Schnapphahnschlofs. Dasselbe besitzt
im wesentlichen bereits die Mechanik des Flintenschlosses, nur fehlt
ihm die Nufs mit ihren Rasten, und der gröfste Teil des Mechanis-
mus liegt an der Aufsenseite. Der Hahn, dessen Vorbild im alten
Luntenschnapphahn gefunden werden kann, schlägt hier mit seinem
Schwefelkies auf den sogenannten Batteriedcckel, welcher insofern
Fig« 533. Flintenschlofs mit Schnapphahnbatterie von
einer Pistole. Arbeit des Büchsenmachers Armand Bongarde in Düssel-
dorf. Um 1680.
sinnreich eingerichtet ist, als er zugleich die Pfanne schliefst. Beim
Abzüge streift der Stein die Schlagfläche des Batteriedeckels,
welcher dadurch nach aufwärts schlägt und die Pfanne öffnet. Durch
die Reibung des Steines an der Schlagfläche entwickeln sich Funken,
welche herabfallend das Pulver der Pfanne entzünden. (Fig. 532.)
Diese Schlofskonstruktion findet sich bis ins 18. Jahrhundert herein
häufig an Gewehren (tüfenk) orientalischer Herkunft.*)
*) Im 17. Jahrhuudert bezogen die Türken ihre Gewehrschlösser in grofsen
Mengen aus Europa und den Vertrieb besorgten mit grofsem Gewinn griechische
und venetianische Kaufleute.
Fig. 533-
464
II. Die AngriffswafFen.
Das niederländische Schnapphahnschlofs entstand ohne
Zweifel aus dem spanischen und beruht auf dem gleichen System.
Es besitzt den Vorteil, dafs der Mechanismus an der inneren Seite
des Schlofsbleches angebracht ist, den Nachteil, dafs die Batterie die
Aufgabe des Verschlusses der Pfanne nicht besorgt, sondern blos aus
einem an einem Stiele sitzenden Schlageisen, Schnapphahnbatterie,
besteht. (Fig. 533.)
Es wäre hier noch einer besonderen mechanischen Einrichtung,
des Stechschlosses, zu erwähnen, welches jedoch keineswegs ein
selbständiger Mechanismus, sondern eine Vorrichtung ist, die sich bei
allen Schlofsgattungen anwenden läfst, um den Abzug am Züngel
Fig- 534.
Fig. 534. Landsknechte eine Hakenbüchse auf zerleg-
barem^ Bocke abfeuernd. Aus den Zeugbüchern Maximilians I.
Zeug: Östcir. Land. Um 15 14.
leichter zu gestalten. Wir haben früher bei den Armrüsten gesehen,
dafs bei diesen ein Stechschlofsmechanismus schon um 1550 zur An-
wendung gekommen ist. Um dieselbe Zeit trifft man auf verschie-
dene Vorrichtungen gleicher Tendenz an Zielgewehren aus Nürnberg
und anderen deutschen Städten.
Die Handfeuerwaffe trat bis Ende des 15. Jahrhunderts, wenn
wir die kleinen Knallbüchsen des 14. Jahrhunderts als nur vereinzelt
im Gebrauche aufser Berücksichtigung lassen wollen, allgemeiner in
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
455
zwei Gattungen auf: als Haken und Doppel haken.*) Dieser,
fast 2 m. lang und bis nahe an 30 Kilogramm schwer, mit Kugeln
bis 116 Gramm, wurde auf Böcke aufgelegt und so abgefeuert; zu
seiner Bedienung waren zwei Mann erforderlich. (Fig. 534.) Der
gemeine Haken oder die Hakenbüchse besafs eine Länge von einem
Meter und darüber, ein Gewicht von ca. 15 Kilogramm und schofs
Kugeln von 39.9 Gramm Gewicht
Um 1499 rüstete Maximilian I. einen Teil der Landsknechte
als Büchsenschützen aus und versah sie mit Handbüchsen, welche
bei allerdings sehr geringer Länge eine grofse Leichtigkeit, ja ein
geringeres Gewicht als die späteren Musketen besafsem Man findet
unter diesen Handbüchsen, welche uneigentlich auch Halbhaken
genannt wurden, bereits metallene Rohre, welche gebohrt sind.**) Alle
diese Büchsengattungen besafsen bis 15 10 noch Luntenhähne, welche
durch einen Druck mit einem Finger auf eine Feder regiert wurden.
Viele sind unter ihnen links geschäftet. Die Schäfte waren bereits
um 1470 zur Aufnahme eines hölzernen, an beiden Enden mit Eisen-
blech beschlagenen Ladestockes eingerichtet. (Fig. 535.)
Aber dieses System hatte seine grofsen Nachteile, die schweren
Rohre waren bei ihrem Gewichte und bei der Notwendigkeit, deren
Haken beim Schusse an irgend einen Gegenstand anzulehnen, zu ab-
hängig vom Boden. Schon Maximilian I. empfand diesen Nachteil
lebhaft und war deshalb bemüht, ihn wenigstens zu mildern. Er
liefs darum seine Böcke für Bock- und gemeine Haken zerlegbar
einrichten. Wir bringen einen solchen Bock in Fig. 534. Er bestand
aus vier Teilen, von welchen je zwei von einem Mann getragen
wurden. Sie liefsen sich in der gewählten Stellung in einer Minute
zusammensetzen. Die Handrohre hatten eine so geringe Wirkung,
dafs ihre Geschosse auf geringe Distanzen nicht einmal einen Harnisch
durchbohrten.
Da erscheint um 1520 zuerst in Spanien eine neue Feuerwaffe,
welche beide Nachteile aufhob, die Muskete (mousquete, moschetta).
Sie besafs einen etwas längeren Lauf, so dafs das ganze Gewehr un-
gefähr 1.5 Meter Länge mafs. Der Lauf war von geringerer Wand-
stärke und besafs keinen Haken. (Fig. 536.) Die Muskete wurde
beim Schusse auf einen Gabelstock, Gewehrgabel, aufgelegt, ihre
Bedienung war weniger umständlich, da der Musketier (mousquetaire,
moschettiere) beim Laden das nötige Pulverquantum aus der höl-
zernen Patronenhülse entnahm, während der Hakenschütze sein Pulver
aus einem ledernen Pulversacke entnehmen mufste.
Durch diese wichtige Verbesserung wurde der Schütze unab-
*) Letzterer nach den Zeugbüchern des Kaisers Maximilian Haken auf Böcken
genannt.
**) „Gegossen und geporet recht" heifst es in den Zeugbüchern des Kaisers
Maximilian I.
45»i
II. Die Angriffs waffen.
hängig vom Boden, er konnte den Bewegungen der Truppe folgen,
und erst jetzt konnte ein Feuergefecht in zerstreuter Ordnung einge-
leitet werden. Dieser Fähigkeit, allorts aufzutreten und dem Feind an
den Leib zu rücken, wird die Waffe wohl ihren Namen zu verdanken
haben, indem die Musketiere mit den in Spanien so lästigen Fliegen,
„mosquitos", verglichen wurden. Viele Bezeichnungen im Kriegswesen
F>g. 535-
F>g- 535- Landsknecht eine Handbüchse abfeuernd.
Die Flasche für das Zündkraut wird auf dem Rücken getragen. Aus
den Zeugbüchern Maximilians L Zeug Üsterr. Land. Um 15 14.
verdanken ja ihren Ursprung dem Söldnerwitze. Von Spanien ge-
langte die Muskete rasch nach Frankreich und den Niederlanden, am
spätesten nach Deutschland. In betreff ihrer Konstruktion ist zu be-
Fig. 536. Fig. 537- Fig- 538-
Fig. 536. Muskete mit Luntenschlofs, daran ein verschiebbarer
PfannendcckcL Der Schaft ist reich mit Bein und Perlmutter eingelegt.
Dabei die Gewehrgabel. Um 1620.
F»g- 537« Trombon mit französischem Kolben und spanischem
Schnapphahnschlofs. 17. Jahrhundert, Ende.
Fig. 538. Tschinkc mit reichen Einlagen im Schafte. l7jahrh.,Mitte.
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458
IL Die Angriffswaffen
merken, dafs bei ihr zuerst und allgemein das vollständige Lunten-
schlofs mit Stangenabzug zu sehen ist.
Die leichte Reiterei führte anfänglich nur Faustrohre mit Rad-
schlössern, deren geringe Wirkung Veranlassung gab, die Rohre immer
mehr zu verlängern; dadurch entstand eine Art kurzer und leichter
Reitergewehre mit Radschlössern, die man gleichfalls Hakenbüchsen
(Arkebusen) benannte, wiewohl sie sich von den eigentlichen Haken-
büchsen des Fufsvolkes in allem unterschieden. 1589 kommt im
französischen Heere für diese Reitergewehre der Name carabine
auf, den sie auch bis in die Neuzeit in fast allen Heeren behalten
haben. Die ersten Arkebusierkompanien (zu Pferde) treten in
Italien auf. Die niederländischen und deutschen Reiter führten ihre
Gewehre an Riemen (Bandclieren), welche über der linken Schulter ge-
tragen wurden; man nannte sie darum auch allenthalben Bandelier-
reiter.
In dem spanischen Heere sind unter Karl V. um 1530 einzelne
Schützen mit kurzen aber schweren Handbüchsen ausgerüstet, deren
Läufe an der Mündung trichterartig erweitert sind. Sie erscheinen
in der Mündung entweder kreisrund oder auch queroval und wurden
nach ihrer einer Trompete (trompa) ähnlichen Form Tromblons oder
Trombons genannt. Um 1570 führten sie die Venezianer auf den
Galeeren, und um dieselbe Zeit wird eine leichte Gattung von Trom-
bons bei der italienischen leichten Reiterei eingeführt, wozu der un-
sichere Schufs zu Pferde die Veranlassung gegeben haben mochte.
Vereinzelt kommen Trombons noch im 17. Jahrhundert vor. Sic
wurden mit gehacktem Blei geladen und hatten auf kurze Distanzen
ziemliche Wirkung. (Fig. 537.)
Mit der rasch sich vollziehenden mechanischen Verbesserung des
Feuergewehres wurde auch dessen Verwendung vielseitiger, und den
verschiedenen Verwendungsarten gemäfs bildeten sich bestimmte Typen
heraus. Den ersten Anstofs nicht nur zu wichtigen Verbesserungen,
sondern auch zur Bildung gewisser besonderer Formen für bestimmte
Zwecke gab die Jagd, einen weiteren das in deutschen und nieder-
ländischen Städten schon am Ende des 15. Jährhunderts in Aufnahme
gekommene Zielschiefscn. Im Verlaufe des 1 6. Jahrhunderts kommen
zahlreiche Gewehrtypen in Aufnahme, die früher ganz unbekannt
waren. Zunächst trennen sich die Formen des Krieges von jenen
der Jagd und des Zielschiefsens ab. Es bildet sich die Pürsch-
büchse, die Scheibenbüchse und diese verteilen sich wieder in
zahlreiche Spezialtypen, von denen wir nur die charakteristischsten
hier anführen können. Von Nürnberg und Augsburg aus gelangen
die ersten Bockgewehre in Gebrauch; Doppelläufe, welche über-
einander liegend angeordnet sind, etwas später die Doppellauf-
büchsen mit nebeneinander liegenden Läufen. Diese Anordnung
war Veranlassung zu komplizierten Radschlofssystemen , den zwei-,
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
459
dreifachen Radschlössern (Doppelschlössern) u. dgl. Besonders frucht-
bar an neuen Systemen war die Periode der letzten zwei Jahrzehnte,
des 16. und das 17. Jahrhundert Nach 1550 erscheint plötzlich
eine Gattung von Gewehren von sehr geringem Kaliber und stark
abgesenktem, zierlichen Kolben, der meist in Einlegetechnik reich ver-
ziert ist. Sie erscheinen unter den Namen Teschinkas, Tschinken,
Teschinger Büchsen und dienten für die Vogeljagd. (Fig. 538.)
Ihre Herkunft ist noch unermittelt, doch weist ihr Ursprung auf ein
slavisches Land im Nordosten Europas, worauf auch ihr Name hin-
zielt, denn teska bedeutet im Tschechoslavischen so viel wie Pulversack.
Die meisten dieser Tschinken besitzen Radschlösser, deren Mechanik
an der Aufsenseite liegt, was wohl eine Folge der geringen Dimension
des Mittelschafts sein mag. Diese Konstruktion, welche übrigens
Fig- 539-
Fig- 539- Radschlofs mit Rauch fang. Das Rad mit seinem
Mechanismus liegt im Innern der Schlofsplatte. Der Rauchfang ist im
Scharnier nach vorne umzulegen. Arbeit des Büchsenmachers Christian
Baier. Um 1640.
schon unter den ältesten Radschlössern angetroffen wird, kommt
in den alten Inventarien der kgl. Gewehrgalerie zu Dresden unter '
der Bezeichnung kurländische vor, was abermals wieder nach
dem Nordosten weist.*) Die älteste Tschinke, welche dem Verfasser
*) Nicht selten werden die Tschinken irrigerweise türkische Gewehre genannt,
vielleicht aus der Ursache, weil die Zeichnungen der Schaftcinlagen einen ganz
fremdartigen, rustikalen Stil erkennen lassen, der dem in den Kunststilen weniger
Bewanderten als orientalisch erschien. Im weiteren Sinne ist diese Empfindung
nicht unrichtig, denn slavische Stilform en, wo sie entschiedener hervortreten, lassen
ganz deutlich ihre orientalische Herkunft erkennen.
460
II. Die Angriffswaffen.
bekannt geworden ist, befindet sich in der Rüstkammer zu Emden;
sie trägt die Jahreszahl 1558.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts treffen wir kurzläufige Jagd-
gewehre, welchen ihre eigentümliche Schlofskonstruktion den Namen
Rauch fanggewehre gegeben hat. Die Besonderheit besteht darin,
dafs auf der Pfanne eine Röhre, Rauchfang, aufgesetzt wird. Sie
dienten vorzüglich zur Entenjagd und der Rauchfang hatte den
Zweck, dem scheuen Wild das Aufblitzen des Zündkrautes zu verbergen.
Fig. 540. Fig. 541.
Fig. 540. Muskete mit Luntcnschlofs und altem spanischen
Kolben (culatta castellana). Der Schaft ist mit Beineinlagen geziert.
Der Lauf ist Nürnberger Arbeit. Um 1560.
Fig. 541. Muskete mit verbeintem Schaft und italienischem
Kolben. Radschlofs in Verbindung mit einem Luntenhahn. Be-
zeichnet 1571. Deutsch.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
461
Sie kommen hauptsächlich nur in österreichischen Sammlungen vor.
(Fig. 5390
Schon vor der Mitte des 16. Jahrhunderts und zuerst an Faust-
rohren, kommen jene Systeme vor, welche wir heute als Revolver
benennen; sie gehören eigentlich ;hrer Konstruktion nach in die
Wender Systeme. Sie entwickeln sich im 17. Jahrhundert zu
grofser Vollkommenheit und kranken nur an der ungeeigneten Zün-
dungsmethode. 'Aus diesem Umstände erklärt sich die Erscheinung,
dafs alle diese Systeme nur vereinzelt auftreten und sogar gänzlich
verschwinden. Die Armeria Reale in Turin bewahrt eine Revolver-
pistole mit den Emblemen und dem Wahlspruch Karls V.: „Plus
ultra". Es ist die älteste Feuerwaffe dieser Konstruktionen, welche
bekannt ist
Bis zum Auftreten des französischen Flintenschlosses, um 1650,
hatte die Form der Schäfte und besonders jene der Kolben ver-
schiedene charakteristische Wandlungen durchgemacht, und es haben
hierzu alle Nationen beigetragen. Wir haben bereits gesehen, dafs
aus den ältesten klotzähnlichen geraden Schäften der sogenannte
„deutsche Schaft" mit geradem, zuweilen auch sich rückwärts
etwas verjüngenden Kolben hervorgegangen ist. Am Anfange des
16. Jahrhunderts tragen die spanischen, später auch die niederlän-
dischen und französischen Hakenschützen Gewehre mit nach abwärts
gebogenen Kolben (culata castellana). (Fig. 540.) Später kommen
aus Italien Gewehre mit geraden, rückwärts in einer Schnecke
endigenden Kolben (Fig. 541); sie werden auch in Deutschland viel-
fach nachgeahmt. Alle diese Kolbenformen erlaubten aber nicht das
Ansetzen an die Achsel. Da treten um 1560, vermutlich aus Italien
kommend, die alten Musketenkolben auf, welche bereits einen
etwas abwärts gebogenen Kolbenhals und ein Lager für den rechten
Daumen (Daumengriff) besitzen, ferner rückwärts abgeplattet sind,
um ein Anlegen an die Achsel zu erlauben. (Fig. 542, 543.) Diese
Kolbenform wird nun um 1570 die allgemeine in allen Heeren, sie
erhält sich bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts, bei einigen nor-
dischen Heeren noch länger. Die Verbindung des Laufes mit dem
Schafte erfolgte von der ältesten Zeit an mittels Stiften, welche quer
durch den Vorderschaft gesteckt wurden. Die Verbindung beider
durch sogenannte Laufringe, die gegen das Ende des 16. Jahrhun-
derts zuerst bei orientalischen Gewehren bemerkt wird, kommt in
Westeuropa erst um die Mitte des Jahrhunderts, anfänglich in Italien,
später auch in Frankreich und den Niederlanden in Aufnahme.
Hier wäre weiter noch der Gewehre zum Schiefsen von Brand-
zeug oder auch von Handgranaten, der sogenannten Katzenköpfe,
zu gedenken. Ihr Lauf ist meistens aus Bronze gefertigt und ge-
meiniglich von einer 30 Zentimeter nicht überschreitenden Länge.
Ihre Bohrung hat einen Durchmesser von 6 — 7 Zentimeter, Schaft
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II. Die Angriffswaffen.
und Schlofs besitzen ganz die Form einer Muskete. Ihre erste An-
wendung fanden sie im niederländischen Freiheitskriege in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie wurden im Festungskriege noch im
17. und 18. Jahrhundert verwendet (Fig. 544.)
ttg. 542. F'g- 543- Fig. 54+.
Fig. 542. Radschlofsmuskete mit italienischem Kolben. Das
Schlofs besitzt noch einen Lunten hahn. Italienisch. Um 1620.
Fig. 543. Radschlofsmuskete mit italienischem Kolben. Über-
gang zum französischen Kolben. Brescianer Arbeit des Antonio Fran-
cini. Um 1600.
Fig- 544- Gewehr mit Radschlofs zum Schiefsen von Brand-
zeug, sogenannter „Katzcnkopf. Der Lauf ist in Metall gegossen und
besitzt Kammerbohrung. Deutsch. Um 1620.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.
403
Werfen wir, bevor wir uns zur Periode des Flintenschlosses
wenden, die einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Feuer-
gewehrwesens bildet, einen Blick auf die Entwickelung der Feuerwaffe
im Oriente.
In der Türkei machte, wenngleich die Erfindung des Schiefspul vers
ihren Weg gerade vom Orient aus über die Tartarei und Arabien
nach Europa angetreten hatte, die Aufnahme des Feuergeschützes nur
langsame Fortschritte, ja im 15. Jahrhundert mufsten sich die Türken
noch deutscher, italienischer und griechischer Büchsenmeister und
Stuckgiefser bedienen. Das Hauptaugenmerk war im Oriente stets
auf die Vergröfserung des Effektes gerichtet; daher entstanden auch
die riesigen Geschützungetüme, mit welchen die Türken auf ihren
Eroberungszügen auftraten und ihre Festungen ausrüsteten. Erst im
17. Jahrhundert suchten sie, aber immer mit fremder Hilfe,, europäische
Geschützsysteme einzuführen, in ziemlicher Regellosigkeit und vom kaiser-
lichen zum französischen schwankend. Die Bedienung der Büchsen-
meister (toptschi) liefs, obwohl an diese Unsummen verschwendet
wurden, vieles zu wünschen übrig. So schlecht es im türkischen
Heere mit dem Geschützwesen bestellt war, ebenso ausgezeichnet
gegenüber dem Occident war die Handfeuerwaffe entwickelt. Das hatte
seine Ursachen in der Tüchtigkeit des Schmiedehandwerkes, durch
welche es möglich wurde, den Hauptbestandteil des Gewehres, den
Lauf, in Form und Güte weit besser als im Occidente zu erzeugen.
Schon im 16. Jahrhundert hatten die Orientalen die besten damas-
zierten Läufe, und auch in der Auszierung übertreffen sie an Geschmack
und eminenter Technik weit ihre westlichen Nachbarn. Wir finden
den Eisenschnitt, die Tausia in Gold und Silber, nebenher häufig auch
Einlagen mit Steinen und Korallen. Allerdings waren im allgemeinen
türkische Gewehre noch schwer und plump, aber einzelne Einrich-
tungen daran beweisen eine staunenswerte Kenntnis der ballistischen
Grundsätze. So erblicken wir an Läufen des 16. Jahrhunderts feste
Visieraufsätze, die auf genauer Berechnung beruhen; ihre Bohrungen
sind tadellos.
In betreff der Schlofskonstruktionen kann man, von vereinzelten
Anwendungen abgesehen, sagen, dafs sie das Radschlors nahezu ganz
ignoriert haben, und von dem Luntenschlosse unmittelbar auf das spa-
nische, beziehungsweise türkische Schnapphahnschlols übergegangen
sind. Mit letzterem waren sie auch im 17. Jahrhundert den Muske-
tieren mit ihren Luntengewehren weit überlegen.
Wir gelangen nun zu einer überaus wichtigen Periode in der Ge-
schichte des Feuergewehres, jener des Flintenschlosses. Wir
stofsen in Fachschriften noch zuweilen auf die Nachricht, dafs der
französische Geniegeneral Vauban (1633— 1707) der Erfinder des
Flintenschlosses gewesen sei. Das ist schon darum unrichtig, weil das
Flintenschlofs in seiner vollen Ausbildung schon 1648 von Pariser
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464
II. Die Angriffswaffen.
Büchsenmachern gefertigt wurde, in welchem Jahre Vauban gerade
15 Jahre zählte. Die Veranlassung zu dieser irrigen Angabe wird
wohl gewesen sein, dafs Vauban das mit einem Luntenhahn versehene
Flintenschlofs in der französischen Armee allgemein einführte, was
freilich erst 1692 geschah, während das Regiment Royal - fuseliers
schon seit 1671 bestand.
Schon bei den alten Schnapphahnschlössern hatte man an Stelle
des Schwefelkieses vielfach den Feuerstein (Flint, quarz pyromache)
verwendet, der wegen seiner gröfseren Festigkeit seinem Zwecke
besser entsprach. Von ihm erhielt das Flintenschlofs den Namen.*)
Die bearbeiteten Feuersteine dürften anfänglich aus den Nieder-
landen gekommen sein. Die ersten Flinten dagegen, als Luxus-
gewehre nur für den Jagdgebrauch bestimmt, wurden in Paris erzeugt,
und wenn man schon nach einem Erfinder derselben, beziehungsweise
einem Verbesserer des Schnapphahnschlosses suchen wollte, müfste
man über die Thätigkeit der um 1648 dort wirkenden Arquebusiers
genauere Forschungen anstellen. Thatsache ist, dafs uns der Pariser
Philippe Cordier d'Aubeville (1635 — 1665) in seinen gestochenen
Blättern und zwar in jenen von 1654 bereits die Abbildung eines
Flintenschlosses bringt**)
Wir sind aber im stände, auf ein noch älteres im Originale vor-
handenes Flintenschlofs hinzuweisen. In den kunsthistorischen Samm-
lungen in Wien befindet sich ein kleines, leichtes Reitergewehr mit
messingenem Rohre und geschwärztem Schafte (Fig. 545), an dessen
Flintcnschlosse alle Teile im Innern angeordnet sind; die Schlofsplatte
ist von Messing und graviert, der Hahn und die Batterie sind von
poliertem Eisen. Am Laufe lesen wir: „Felix Werder Tiguri Inventor
1652." Wir hätten also mit dem Züricher Meister den Fertiger der
ältesten Flinte vor uns; ob auch den Erfinder des Flintenschlosses,
das steht noch in Frage, denn die Bezeichnung Inventor bezieht sich
gewifs nur auf die Fertigung, nicht speziell auf die Schlofskonstruktion.
Weiter läfst die ausgebildete Form des Hahnes erkennen, dafs das
System bereits einen gewissen Entwickelungsgrad überschritten haben
*) NN 'im man den Mechanismus des alten spanischen und niederländischen
Schnapphahuschlosscs betrachtet, so unterliegt es keinem Zweifel, dafs die Spanier
und die Araber ebenso wie die Niederländer statt des Schwefelkieses sich längst
nebenher des Feuersteines bei ihren Schnapphahngewehren bedienten. Die Spanier
und Araber fanden hierzu vorzügliches Material an der Nordküste Afrikas und die
Niederländer verstanden sich trefflich auf die Bearbeitung harter Stoffe, sie werden
auch den harten Quarz für den Zweck zuzurichten gewufst haben. Die Bearbeitung
des Feuersteines war doch nur eine vergessene Kunst, vergessen, weil man ihrer
nicht bedurfte.
**) Vergleiche über die Entwickclung der französischen Büchscnmacherci die
Abhandlung des Verfassers in den Blättern für Kunstgewerbe, Wien, Waldheim,
1886, Heft VII u. VIII: „Die Luxusgewehrfabrikation in Frankreich im 17. und
18. Jahrhundert".
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen. 465
mochte. Jedenfalls liefert uns das kleine Gewehr einen wertvollen
Beitrag zur Geschichte des Flintenschlosses.
Die Einführung des französischen Schlosses hatte unmittelbar
eine völlige Veränderung der bisherigen Gewehrform, zunächst des
Schaftes im Gefolge, der sich nunmehr dem neuen, weit konziseren
Mechanismus anbequemen mufste. Der Kolben wurde in der Hand-
lage schwächer gemacht; dadurch entstand der Kolbenhals, der Kolben
selbst wurde noch mehr abgebogen und zum Anschlage bequemer
eingerichtet. Wir unterscheiden diese Form, welche sich im wesent-
lichen noch bis jetzt erhalten hat, von den übrigen älteren durch die
Bezeichnung französischer Kolben. (Fig. 546.) In seine Detail-
konstruktion wurde auch die deutsche Kolbenlade herübergenommen,
eine Aushöhlung an der Aufsenseite des Kolbens, die den Zweck hatte,
F'g- 545-
Fig. 545. Schlofs einer kleinen Reiterflinte von Messing
mit eisernem Hahne. Arbeit des Felix Werder in Zürich. 1652. Eines
der ältesten vorhandenen Flintenschlösser.
die Requisiten (Kugelbohrer, Wischer, Patronenzieher) aufzunehmen
und welche mittels des Ladeschubers geschlossen wurde.
Die ausgezeichnete Geschicklichkeit indischer und arabischer Lauf-
schmiede führte die Erzeugung von langen und dünnen Läufen herbei,
die ihrer grofsen Leichtigkeit wegen, und weil man selben eine be-
deutende Treffsicherheit zuschrieb, namentlich unter den Beduinen-
stämmen, allgemeine Verbreitung fanden und teuer bezahlt wurden.
Die mit derlei Läufen ausgestatteten Gewehre besitzen Schäfte mit
abgebogenen, am Ende flach gedrückten Kolben und kleine Schnapp-
hahn-, spätere auch Flintenschlösser. Sie kommen jetzt mehr und
mehr in Abnahme, da auch die Wüstensöhne den Wert der modernen
Hinterlader schätzen lernen.
Boeheim, Waffenkunde. 30
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466 II. Die Angriffswaffen.
Fig. 546. Fig. 547. Fig. 548.
F>H- 546. Flinte mit Lauf von Lazarino Cominazzo reich in
Eisen geschnitten, mit französischem Kolben. Um 1700.
Fig. 547. Japanisches Gewehr in braun lackiertem Schafte
mit Luntenschlofs. 18. Jahrhundert. Kgl. historisches Museum in Dresden.
Fig. 548. Indisches Gewehr mit Luntenschlofs, aus Lahore
stammend. Kaiscrl. Waffensammlung zu Zarskoe-Selo. Nach Gille.
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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen 467
Orientalische Gewehrformen ersehen wir in den folgenden Figuren
—551.
Fig. 55°-
Fig. 55'.
Fig. 549-
F i g. 549. Montenegrinisches Gewehr mit türkischem
Schnapphahnschlofs und reichen Metalleinlagen im Schafte.
Kaiserl. Waffcnsammlung zu Zarskoe-Selo. Nach Gille.
Fig. 550. Türkisches Gewehr mit türkischem Schnapp-
hahnschlofs und reich in Elfenbein eingelegtem Schafte.
17. Jahrhundert.
Fig. 55 1. Türkische Flinte mit in Messing einge-
legtem Schafte. 18. Jahrhundert.
30*
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468
II. Die Angriflswaffen.
Gegen das Ende des 17. Jahrh. finden wir in Albanien und
Montenegro eine eigentümliche Gewehrform, die sich im 18. Jahrh. über
die Länder der europäischen Türkei rasch verbreitet, das sogenannte
Arnautengewehr (Djeferdari) (Fig. 549.) Es besitzt einen sehr
langen, dünnen Lauf und eine eigenartige Schäftung, die meist mit
silbernen Beschlägen, Einlagen und mit Stein- oder Korallenfassungen ge-
ziert ist Die ältesten haben noch Schnapphahnschlösser, die des 1 8. Jahrh.
bereits gute Flintenschlösser. Sie sind im Landvolke noch heute im Ge-
brauch, verschwinden aber vor den modernen Gewehrsystemen sichtlich.
Das Flintenschlofs gestattete in seiner einfachen Konstruktion die
Anwendung verschiedener Systeme zur Erzielung eines rascheren
Feuers. Es entstanden damit zahlreiche Hinterlade- und selbst
Magazinsystemc, denn auch diese sind eine Erfindung dieser Periode.
Schon bald nach dem ersten Auftreten des Feuergewehres macht
sich zunächst beim Jagdgewehre das Verlangen nach künstlerischem
Schmucke geltend. Italien ging dabei wieder voran, in den anderen
Ländern geht der Anstofs dabei von den Höfen, zunächst jenen von
Burgund und Frankreich aus. Noch bis ins 16. Jahrh. werden verzierte
Luntengewehre „altfränkische" genannt. In Italien verzierte man die
Eisenteile mit Gravierungen und Vergoldungen, seltener die Schafte
mit Schnitzwerk. In Burgund werden diese mit Samt überzogen und
mit zierlichen vergoldeten Silbernägeln besetzt.
In Deutschland kommt schon am Anfange des 16. Jahrh. eine
ganz eigenartige Verzierungsweise in Aufnahme, die sich, von den
stilistischen Wandlungen abgesehen, bis ans Ende des 1 7. Jahrhunderts
erhält: die Elfenbein-, Hirschhorn-, Holz-, später auch Perlmutter-
und Metalleinlagen (Intarsia). Die Einlegearbeit der deutschen Schäfter
war in Zeichnung und Technik unübertroffen.
Dagegen treffen wir vom Beginne des 16. Jahrhunderts an an
mailändischen und florentiner Ziergewehren den Eisenschnitt und die
Tausia; spater, um 1560, leisten auch die Brescianer Archibusieri
Staunenswertes im Eisenschnitt und von etwa 1590 an auch in zier-
lichen Einlagen von Eisen. Vom Jahre 1650 an tritt in der künst-
lerischen Ausschmückung von Gewehren Frankreich, voran Paris,
alles verdunkelnd in die Bahn. Die Eisenschnitte und Relief-
ziseluren der Franzosen überragen an Zeichnung und graziöser
Durchführung weit die der älteren Italiener. Dasselbe gilt von der
Gravierung und den Metalleinlagcn. Die letzten Radschlofsgewehre,
welche in Deutschland erzeugt werden, zeichnen sich noch durch
originelle Schnitzarbeiten an den Schäften und brillante, von geübten
Stechern herrührende Gravuren aus. Die neue Generation von 1680
an arbeitete ihre Flinten ganz nach französischen Vorbildern, aber
viele der jüngeren Krüftc übertrafen ihre Meister. In der Gegenwart
ist nur noch von fabriksmäfsiger Präzision der Gewehre, nicht aber
von ihrer künstlerischen Gestaltung mehr zu reden.
5. Der Gewehrlauf.
Wie die Betrachtung der ältesten Gewehrläufe lehrt, haben diese
einen schwierigen Weg bis zu ihrer vollendeten Ausbildung durch-
gemacht. Zwar war man schon im 14. Jahrhundert im stände, Läufe
aus Bronze zu giefsen; diese aber hatten nur eine sehr geringe Länge,
weil man das Bohren nicht verstand und der Lauf mit seiner inneren
Höhlung gegossen werden mufste. Das schliefslich unerläfsliche
Nachbohren sticfs schon auf Schwierigkeiten.
Das Bedürfnis, längere Läufe zu besitzen und die bedeutenden
Kosten bronzener Läufe zu ersparen, führte darauf, die Läufe aus
Eisen zu erzeugen. Dies geschah, indem man platte Eisenstücke
über den Dorn schmiedete und so an beiden Enden offene Röhren
erhielt; der Stofsboden wurde dadurch hergestellt, dafs man in das
glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil trieb. Das
Zündloch war anfangs an der oberen Seite; im Verlaufe des 15. Jahr-
hunderts rückt es allmählich mehr gegen die rechte Rohrwand hin,
wo zuletzt, um das Zündkraut aufschütten zu können, aus dem Block
selbst eine Schale herausgeschmiedet wird, die zuletzt die Form einer
Zündpfanne annimmt. Derlei Läufe sind in der Regel prismatisch
gebildet Eine Visiervorrichtung ist bei gemeinen Rohren erst um die
Mitte des Jahrhunderts zu entdecken.*) Gegen das Ende des 15. Jahr-
hunderts begegnet man dem ersten Versuche, das Rohr durch eine
Schraube, die sogenannte Schwanzschraube, zu schliefsen. Diese
Erfindung ist als eine namhafte Verbesserung anzusehen. Nun konnte
das Innere des Rohres besser gereinigt werden, der Verschlufs wurde
zugleich sicherer, und es ergab sich aufserdem der Vorteil, dafs man
mittels eines Fortsatzes den Lauf in eine sichere Verbindung mit dem
Schafte bringen konnte. Sehr früh nahm man darauf Bedacht, den
Lauf an der Mündung zu verstärken, vermutlich weil in manchen
Fällen die Schweifsnaht beim Schusse entzweirifs. Solche Verstärkungen
rinden sich noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Eine Ver-
besserung von ungemeiner Wichtigkeit führte die am Anfange des
16. Jahrhunderts in Spanien oder Italien gemachte Erfindung herbei,
die Läufe zu bohren. Nun konnte der Lauf aus besserem Eisen
gefertigt und an den Aufsenflächen regelrecht gezogen werden; die
Bohrung erfolgte durch eine Führung an den Aufsenwänden. Manche An-
zeichen deuten darauf hin, dafs die Araber schon vor den Europäern
ihre Gewchrläufe gebohrt hatten. Im Laufe des 16. Jahrh. nahm die
Fertigkeit des Bohrens in so hohem Grade zu, dafs um 1570 schon
*) In der Waffensamnilung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei Wien findet
sich eine bedeutende Anzahl geschmiedeter Rohre vom Anfang des 15. Jahrhunderts
bis ins 16. Jahrhundert datierend, an welcher wertvollen Kollektion die allmähliche
Verbesserung ganz deutlich zu verfolgen ist.
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470
II. Die Angriffswaffen.
äufserst dünne Läufe von staunenswerter Länge angefertigt werden
konnten. Die Waffensaramlung des kaiserl. Hauses in Wien bewahrt
ein Radschlofsgewehr von ca. 1590, dessen Lauf 1.95 m. Länge bei
19 mm. Bohrung miCst; noch bewundernswerter ist ein Gewehrlauf
derselben Sammlung von der enormen Länge von 257.5 cm. und
einer Bohrung von nur 14 mm.*) Er datiert von etwa 1620. In
der Verbesserung des Laufes mufs überhaupt der erste Anstofs zum
Auftreten der Muskete gesucht werden, denn erst jetzt mäfsigte sich
das Gewicht des Gewehres und konnte von der Beigabe des Hakens
abgegangen werden. Schon die ältesten Musketen besitzen gebohrte
Läufe.
Vereinzelt treten Visiervorrichtungen bereits an Läufen der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts auf. In den ersten Jahrzehnten des
16. Jahrhunderts treffen wir schon allgemein das Korn und an Stelle
unseres heutigen Absehens ein Visierrohr. Dieses beweist, dafs
über die Flugbahn des Geschosses zu jener Zeit noch eine bedeutende
Unklarheit herrschte und man sich dieselbe weit rasanter dachte, als
sie in Wirklichkeit ist. Bei Bailästern und Schneppern erlangte man
weit rascher eine praktische Erfahrung über die Flugbahn der Kugel
und nutzte sie auch vollständig aus. Bemerkenswert ist darum der
Mangel jeder Aufsatzvorrichtung an Feuergewehren. Selbst als
die Grundsätze der Ballistik allgemein bekannt wurden, fand bei
der beschränkten Schufsweite der Visieraufsatz an Kriegsgewehren
nur geringe Anwendung. Um so bemerkenswerter ist es, dafs wir
solche schon an orientalischen Läufen des 1 7. Jahrhunderts antreffen.
Sie sind feststehend aus dem Laufe selbst gefeilt und besitzen in ver-
tikaler Reihe laufende Durchlöcherungen, welche den Distanzen ent-
sprechen. Es scheinen uns auch auf diesem Gebiete die Morgen-
länder vorangeschritten zu sein. (Fig. 552.)
In Nürnberg scheinen, und zwar zunächst nur für den Zweck des
Zielschiefsens, die ersten gezogenen Läufe gefertigt worden zu sein.
Der Zeitpunkt dieser Erfindung wird noch etwas vor der Mitte des
16. Jahrhunderts anzunehmen sein. Die ersten derartigen Rohre hatten
noch geradelaufende Züge, die natürlich wenig mehr leisteten, als
nicht gezogene Rohre mit Anwendung von Pafskugeln. Um 1560
erhalten die Züge eine spirale Führung im Rohrinneren, wodurch sich
erst ihr Nutzen bewähren konnte. In Beziehung auf den Quer-
schnitt der Züge wie auf deren Führung findet man die verschiedensten
Formen, ein Beweis unausgesetzten und eifrigsten Strebens nach Ver-
besserung. Am Ende des 16. Jahrhunderts fertigte der Augsburger
*) Sie trägt den Namen Hans Friedrich von Dicpendalh. Das aber ist noch
nicht die äufserste Leistung in diesem Fache, der Waffenschmied Petrini berichtet
in seinem wertvollen Manuskripte von 1642 (Bibl. Magüabecch.) von einem Maestro
Maffei in Pistoja, der 10 Ellen lange, allerdings sehr schwere Läufe hergestellt hatte.
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D. Die Fernwaffen. 5. Der Gewehrlauf.
471
Augustin Kotter (gest. nach 1635) die ersten sogenannten Haar-
züge. (Fig. 553 c.) Für den Kriegsgebrauch wurden anfanglich
Fig. 552- Fig. 553- Fig. 554-
Fig. 552. Türkischer Lauf mit feststehendem Aufsatz und
Visierlöchern. 17. Jahrhundert.
Fig. 553. Querschnitte von gezogenen Rohren.
a. Der Keilzug.
b. Der prismatische Zug.
c. Der Haarzug.
Fig. 554. Wendergewehr mit fünf mit der Trommel in Ver-
bindung stehenden Pfannen und Batteriedeckeln. Halber Schaft mit
französischem Kolben. 18. Jahrhundert.
472
II. Die Angriflswaffcn.
gezogene Gewehre nur äufserst selten, und vielleicht nur bei der Ver-
teidigung von festen Platzen verwendet. Im 18. Jahrhundert werden
bereits ganze Abteilungen von Schützen mit solchen versehen. Am
Ende des 1 6. Jahrhunderts gewannen die Brescianer Werkstätten. einen
bedeutenden Ruf durch ihre ausgezeichnet gearbeiteten Gewehr- und
Pistolenläufe. Die hervorragendsten Meister, wie Francino, die
Cominazzi forderten für ihre Läufe, die sie wie etwa heute ein
Reifszeug oder einen Goldschmuck in Lederetuis an die Büchsen-
macher fast von ganz Europa versendeten, geradezu horrende Preise.
Unwillig, aber doch nicht ohne Erfolg hatten sie sich der Erzeugung
gezogener Läufe zugewendet, darin klüger als die Spanier, die dadurch,
dafs sie nur glatte Läufe erzeugten, den Niedergang des Fabrikations-
zweiges herbeiführten.
Eine besondere Einrichtung des Laufes hat im Verlaufe des
1 6. Jahrhunderts mannigfache Verbesserung erfahren, die Zündloch -
bohrung, deren Dimension, Form und Richtung fortwährend verändert
wurde. Ein grofser Übelstand war das sogenannte Ausbrennen des
Zündloches, welches dadurch immer gröfser wurde. Um demselben
abzuhelfen, setzten die spanischen Meister am Ende des 17. Jahr-
hunderts sogenannte Zündkerne aus reinem Gold ein. Man findet
sie an spanischen und zuweilen auch an französischen Jagdgewehren
noch bis ans Ende des 18. Jahrhunderts. Im vorigen Jahrhundert
bilden sich je nach der Bestimmung verschiedene Formen und Be-
nennungen heraus. Der gezogene Lauf für das Scheibenschiefsen
und für die Pürschjagd, der glatte Lauf für den Zweck des
Krieges und für die Feldjagd. Dazu treten nun die Kombinationen,
wie der Doppellauf aus 2 nebeneinander liegenden aneinander ge-
schweifsten Läufen für die Feldjagd, der Bocklauf aus einem Stücke
mit zwei übereinander angeordneten Bohrungen, von welchen häufig
•4ic eine gezogen, die andere glatt ist, meist für die Pürschjagd.
Sehr lange, glatte Läufe dienten für die Jagd auf Wasserwild, daher
ihr Name Entenläufe. Endlich kommen noch die Wender-
gewehre in Betracht, welche in den mannigfachsten Konstruktionen
vor Augen treten. Sie dienen nur für Jagdzwecke. Manche besitzen
3 — 5 drehbare Läufe mit ebenso vielen gleichzeitig umlaufenden
Zündpfannen und Batteriedeckeln. Die wenigsten sind als zweckmässig
zu betrachten. (Fig. 554.)
Zum Schlüsse haben wir noch bezüglich der Einrichtung der
Läufe für die Hinterladung einiges zu bemerken. Die älteste Hinter-
ladevorrichtung um 1550 ist jene mit aushebbarer Kammer, ganz
nach dem bei den Geschützen des 15. Jahrhunderts üblichen Systeme.
Sie scheinen besonders für den Reiter Wert gehabt zu haben, der
eine Anzahl geladener Kammern mit sich führen konnte, um sie in
den Laderaum des Laufes einzulegen. Das System findet sich nur
bei Faustrohren. Erst im 1 7. Jahrhundert tritt ein System auf, ähnlich
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D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschlofs. 473
dem Lefoucheux-System, mit nach abwärts zu legendem Kolben, bald
darauf ein anderes mit Schrauben verschlufs. Im 18. Jahrhundert häufen
sich die Hinterladeprojekte experimentierender Büchsenmacher, und
man findet in ihren Konstruktionen nahezu alle heutigen Systeme
wenigstens in ihren mechanischen Prinzipien vertreten. In dieser
Periode erscheinen auch die ersten Magazingewehre, von denen die
meisten vom Kolbenschuh aus versorgt werden.
Das Erkennen der Herkunft eines Laufes ist zuweilen schwierig,
und es erfordert jedenfalls viele Übung, um die kleinen Formeneigen-
tümlichkeiten der verschiedenen Werkstätten sich in das Gedächtnis
zu prägen. Vor etwa 1520 finden sich keine sicheren Beschauraarken,
um die Herkunft zu konstatieren, und auch nach dieser Zeit finden
sich solche nur von wenigen deutschen Orten. Die älteste Marke
einer Beschau durch die Behörde findet sich an Nürnberger Läufen.
Diese ist anfänglich ein N, später, von etwa 1570 an, stellt sie
das bekannte geteilte Nürnberger Wappen dar. In Augsburg .wird
der „Stadtpyr" ins Gesenk geschlagen. Spanische Läufe erhalten
erst im 17. Jahrhundert Beschaumarken, die in eingestempelten Lilien
bestehen; solche finden sich im 18. Jahrh. auch an neapolitanischen.
Charakteristisch sind die spanischen Meisterstempel, welche im Grunde
vergoldet werden. Als die Fabriken zu Suhl der alten Grafschaft
Henneberg in Aufnahme kamen, führten sie eine kleine Marke mit
dem Worte SVL.
Mailänder Läufe führen eine Zeitlang ein Kreuz die Brescianer
erscheinen ohne Beschaumarke und werden nur nach Meisternamen
oder Monogrammen beurteilt, ebenso die steierischen und jene von
Ferlach in Kärnten.
6. Das Gewehrschlofs.
Bis ins 15. Jahrhundert erfolgte die Zündung des Gewehres, wie
wir wissen, mittelst der Hand durch Auflegen eines brennenden
Stückes Holzschwamm oder einer Stricklunte. Als das Zündloch an
der Seite der Rohrwand angebracht wurde, fügte man die Pfanne
hinzu. Das Bedürfnis, während des Zielens abfeuern zu können,
gab Veranlassung zur Bildung des Luntenhahnes und des Lunten-
schlosses.
Man kann bei der ersten Anwendung mechanischer Hilfsmittel
zur Abfeuerung von einem Luntenschlofs nicht sprechen, da der
ganze Apparat in nichts als einem Stängelchen bestand, welches am
Schafte mit einem Stifte befestigt war. Vorne war ein Spalt an-
gebracht, in welchen der Schwamm oder die Lunte gezwängt wurde.
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474
II. Die Angriflswaffen.
Die Zündung erfolgte durch Fingerführung, wobei der Hahn durch
seine eigene Schwere auf die Pfanne klappte. In diesem Entwicke-
lungsstadium finden wir den Zündmechanismus noch an den Hand-
büchsen in den Zeugbüchern Maximilians I.
In der nächsten Zeit bildete man den Hahn als zweiarmigen
Hebel, wobei der hintere Arm das Bewegen desselben erleichterte.
Gerade diese Konstruktion führte später auf den Abzug durch das
Züngel. Eine wichtige Beigabe war die Stangenfeder, wodurch sich
die Hahnbewegung regelte; damit verband man eine sogenannte Ab-
zugstange, ähnlich wie bei den Armrüsten. Hahn, Feder und Ab«
Zugstange bildeten nun bereits ein mechanisches System, das mittels
der Schlofsplatte, die anfänglich nur aus einem langen, bandförmigen
Blechstreifen bestand, zusammengefafst wurde. So entstand das
erste Luntenschlofs. Das Züngel erscheint bei feineren Gewehren
schon im 16. Jahrhundert, bei Kriegsgewehren bleibt bis ans Ende
des -17. Jahrhunderts vielfältig noch die Abzugstange in Gebrauch.
Fig. 555-
Fig- 555- Die sogenannte Mönchsbüchse. Orientalisch.
Kgl. hist. Museum in» Dresden. Nach Thierbach, Handfeuerwaffen I,
Fig. 51.
Die Vorrichtung am Hahne zur Aufnahme des Zündmittels bestand
entweder in einem Spalt, dessen beide Lippen später, um die Lunte
fester einzuklemmen, mit einer Schraube versehen wurden, oder
in einem vorne angebrachten Röhrchen, durch welches die Lunte ge-
zogen wurde. Der Übelstand, dafs bei Regenwetter das Zündpulver
nafs und somit unbrauchbar wurde, veranlasste die Beigabe des so-
genannten Pfannenschiebers, der auch noch im Radschlofssystem
beibehalten ist
Ein weiterer mechanischer Fortschritt war der Luntenschnapp-
hahn; er erforderte bereits eine doppelte Federwirkung durch die
Schlagfeder einer- und die Stangenfeder andererseits, die zumeist durch
Zurückziehen eines Stiftes die Schlagfeder auslöste. Die Erfindung, wie-
wohl sie später zur Konstruktion des Schnapphahn- und Flintenschlosses
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D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschlofs.
475
führte, bewährte sich für die Luntenzündung nicht, da der Hahn
während des Entzündens auf die Pfanne gesenkt J^lieb und das auf-
sprühende Zündpulver häufig die Lunte ausblies.
Wie erwähnt, nimmt man allgemein an, dafs das Radschlofs um
1515 in Nürnberg erfunden worden sei; das mag in Bezug auf die
Konstruktion im allgemeinen seine Richtigkeit haben, nicht aber in
Bezug auf die Abfeuerung durch das Reiben des Schwefelkieses an
einer rauhen Eisenfläche. Wir sehen den Beweis in der sogenannten
Mönchsbüchse im königl. historischen Museum zu Dresden, die
spätestens ins 1 5. Jahrhundert zu setzen ist. Der Lauf aber zeigt am
vorderen Ende Verzierungen in offenbar arabischem Stile, und es
weist dieser Umstand von neuem darauf hin, dafs wir die wichtigsten
Erfindungen den Orientalen zu danken haben. (Fig. 555 )
In der Detailkonstruktion des Radschlosses kommen seit seinem
ersten Auftreten bis zu seinem Verschwinden die mannigfachsten Ver-
schiedenheiten vor, und jede einzelne Veränderung läfst, wenn wir
genauer zusehen, einen bestimmten Grund, eine Verbesserung wahr-
nehmen. Betrachten wir vorerst das Rad. Die ältesten Rädei liegen am
Mechanismus unbeschützt zu Tage; das offene Rad aber wurde leicht
beschmutzt, verstaubt, was auf seine Bewegung einen widrigen Einflufs
üben mufste. Bei Regenwetter wurde es nafs, wodurch die Funken-
bildung gestört wurde. Man versah demnach das Rad mit einer
schalenförmigen Decke, die zuweilen auch durchbrochen gebildet
wurde, was freilich auch die Absicht wieder vereitelte. Diese Rad-
decke wird mit Vorliebe ein Gegenstand der Verzierung, sie ist meist
aus Metall und vergoldet und zeigt die hübschesten Dessins in Gra-
vierung oder Ätzung. Man unterscheidet darum zunächst Radschlössef
mit offenem und solche mit gedecktem Rade. Im Verlaufe des
16. Jahrhunderts treffen wir bezüglich der Lage des Rades auf die
mannigfachsten Konstruktionen; nicht selten finden wir das Rad an
der Innenseite, eine Anordnung, die viele Nachteile im Gefolge hatte.
Zur Feststellung des Rades diente ein Achslager, eine Art Studel,
und nicht selten findet man, dafs die Hahnfeder rings um die untere
Hälfte des Rades geführt ist. Bei den ältesten Konstruktionen voll-
führt beim Abzüge das Rad eine ganze Umdrehung. Bei den späteren
macht das Rad nur eine halbe und selbst nur eine Viertelumdrehung.
Sehr bald nach Erfindung des Radschlosses stellt sich zur Sicherung
gegen unzeitiges Losgehen des Gewehres eine Sperrvorrichtung ein,
die an der rückwärtigen Seite angebracht ist. Es gibt vielerlei
Sperrsysterae ; das einfachste und am öftesten vorkommende ist jenes,
wo der Fufs des Abzuges verlängert ist und mit seinem Ende aus
einer Durchfeilung der Schlofsplatte hervorragt. Ein Scharnierhebel
kann mit seiner Kopffiäche derart vor die vordere Seite des Fufses
gelegt werden, dafs der Abzug unbeweglich wird. Die ältesten Rad-
schlösser haben noch Pfannenschieber, welche mit dem Daumen auf-
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47Ü
IL Die Angrifiswaffcn.
zuschieben sind; die späteren, vornehmlich jene an Jagdgewehren,
besitzen schon Pfajinenschieber, welche, durch den Druck auf einen
Knopf von einer Feder (Deckelfeder) im Innern bewegt, rasch sich
öffnen lassen.
Unter den Radschlössern bildet das kurländische eine eigene
Art. Vermutlich ist es überhaupt das älteste Radschlofs. Seine
Eigentümlichkeit besteht darin, dafs Schlagfeder mit Rad und Kette
nach aufsen zu gelegen ist; über beide Teile ist die Studel im Bogen
geführt. Der Hahn mit einer besonderen Feder liegt vor der Pfanne.
Die Stangenfeder wirkt inwendig von unten auf den vorderen Ami
der Stange. (Fig. 556.)
Eine besondere Konstruktion zeigen die sogenannten Selbst-
spanner. Während jedes gewöhnliche Radschlofs mit einem Schlüssel,
dem zu diesem Zwecke an die Welle des Rades gesteckten Rad-
Fig. 556.
Fig. 556. Kurländisches, sogenanntes Tschinkenrad-
schlofs. 17. Jahrhundert, Anfang.
schlofs Schlüssel, gespannt wird, erfolgt bei den Selbstspannern das
Spannen durch die Bewegung, die der Hahn beim Niederlegen auf
die Pfanne macht, so dafs die Mitführung eines eigenen Schlüssels
entbehrlich wird.
Die Konstruktionen dieser Art sind so mannigfaltig, dafs es zu
weit führen würde, selbst die gebräuchlichsten hier anzuführen. Der
aufmerksame Liebhaber wird im vorkommenden Falle leicht eine
solche Kombination entdecken und ihr System sich klar machen.
Die Form des Hahnes hat im Verlaufe der Zeit Veränderungen
erfahren, so dafs es möglich ist, wenigstens die späteren auf den
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D. Die Fcmwaffen. 6. Das Gcwehrschlofs.
477
ersten Blick hin von rJen älteren zu unterscheiden. Die ältesten
Hähne sind sehr einfach und bestehen nur aus einem dünnen, ge-
drehten oder vierkantig gefeilten Stiele, die Hahnlippen sind schmal
und eckig gebildet, der Hebel ist kurz oder fehlt wohl auch ganz.
Später ist der Hahn mehr geschwungen, der Stiel wird breiter, der
Hebel strebt in hohem Bogen nach aufwärts und bildet auch einen
Ring. Zuletzt werden die Hähne breit und plump mit allerlei Ein-
feilungen versehen. Immer aber sind sie und zuweilen selbst meister-
haft graviert. Viele und namhafte Kupferstecher, vorzüglich Augs-
burger, haben sich in der Gravierung und Auszierung von Rad-
schlössern versucht.
Italienische Radschlösser, besonders die von Brescia und Gar-
Fig. 557-
F"g- 557- Radschlofs mit zwei Hähnen und ei ner Pfanne.
Brcscianer Arbeit. 17. Jahrhundert.
done , sind meist sehr zierlich gebildet und die Hähne zeigen oft
phantastische Formen: Drachen, Schlangen etc., ein Beweis für die
ausgezeichnete künstlerische Schulung der Verfertiger.
Bei den älteren Radschlofsgewehren neigt sich der Hahn gegen
die Mündung zu, später hat er fast ausnahmslos eine entgegengesetzte
Bewegung. Das geringe Vertrauen, welches man allweg dem Rad-
schlosse entgegenbrachte, führte zu verschiedenen Kombinationen,
denen die Absicht zu Grunde liegt, falls das Schlofs versagte, den
Schützen nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Bis ins 1 7. Jahr-
hundert hinein wird darum, namentlich bei Kriegsgewehren, dem
478
II. Die Angriffswaffen.
Radschlofs ein Luntenhahn beigegeben. Bei Jagdgewehren kommen
häufig Radschlösser mit 2 Hähnen vor, welche abwechselnd auf die
Pfanne gelegt werden können. (Fig. 557.) Diese Vorsicht entsprach
kaum dem Zwecke vollständig, da die meisten Versager ihre Ursache
in dem verschmandeten Rade hatten. Die Umständlichkeit, das Rad
nach jedem Schusse wieder aufziehen zu müssen, veranlafste schon
um 1570 zu verschiedenen Versuchen, ein Schlofs zusammenzustellen,
welches bei einmaligem Spannen mehrere Schüsse abzugeben gestattet
Die hierauf abzielenden Systeme sind ungemein mannigfaltig
Eine Eigentümlichkeit an Rad- und Flintenschlofsgewehren findet
sich in den sog. Doppelschlössern. (Fig. 558.) Zwei oder auch
drei Schlösser liegen voreinander und jedes besitzt seine eigene Pfanne
mit Zündloch. Diese Konstruktion ging aus der Absicht hervor, nicht
für jeden einzelnen Schufs neu laden zu müssen. So wurden nun
2 — 3 Patronen je nach der Schlofszahl übereinander geladen und
Fig. 558.
S58- Doppclschlofs einer Flinte mit zwei Pfannen.
Um 1680.
zwischen jede Ladung ein starker Pfropf gelagert. Die Einrichtung
kann nicht als eine vorteilhafte angesehen werden.
Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an streben die deutschen
Werkstätten eifrig nach Verbesserung des Radschlosses, das man mit
allem Rechte als „deutsches Schlofs" bezeichnet. Es gab keinen
Büchsenmacher, der nicht sein eigenes System gehabt hätte. Wir finden
darum auch an Radschlössern bis ins 17. Jahrhundert die mannig-
fachsten Varianten, von denen nicht wenige sich als sehr sinnreich
zu erkennen geben; freilich treffen wir auch nicht selten sonderbare
Verirrungen. (Fig. 559.) Die Gewehrschlofssammlung der k. k. Hof-
Wafiensammlung in Wien ist in dieser Beziehung sehr lehrreich, sie
enthält u. a. ein monströses Radschlofs von nicht weniger als 44 cm.
Schlofsplattenlänge und 3.8 kg. Gewicht, eine bedenkliche Verirrung
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I). Die Feruwaflen. 6. Das Gcwehrschlofs.
479
eines Meisters. Als ob zur Entzündung einer gröfseren Quantität
Pulver mehr und stärkere Funken nötig wären als zur Entzündung
einer kleineren.
Indem wir zur Besprechung der Sehn apphahnsy st eme schreiten,
bemerken wir, dafs es rätselhaft ist, warum das spanische Schnapp-
hahnschi ofs, das sicher so alt als das Radschlofs ist, sich nicht
gleich diesem allgemein verbreitete. Bei allen konstruktiven Mängeln
war der Vorteil des Systems gegenüber jenem des Radschlosses so
in die Augen springend, dafs wir über die lange Dauer des Gebrauches
von Lunten- und Radschlössern nur staunen können. Wir nennen
die älteste Schnapphahnkonstruktion eine spanische, weil sie von Spanien
her sich langsam über Frankreich und die Niederlande verbreitete.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dafs sie von den Mauren herge-
Fig- 559-
Fig. 559. Radschlofs mit Spanner von einem Jagdgewehr
des Augustinus Kotttr, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung
ist von Wilhtlm Weyer in Wien. Späteste Form des Kadschlosscs.
Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.
kommen ist; denn sie wird weit häufiger an arabischen und türkischen
als an europäischen Gewehren des iö. Jahrhundeits angetroffen.
(Fig. 560.) In verschiedenen Werken wird sie auch türkisches
Schnapp hahnschlofs benannt. Wahrscheinlich aber ist sie eine
maurisch-arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 1 5. Jahrhunderts.
Bei diesen Schlössern befindet sich das Federsystem an der
äufseren Seite der Schlofsplatte, und das ist unstreitig ein Nachteil.
Nirgends ist eine Nufskonstruktion vorhanden, die schlagende Bewegung
erfolgt vielmehr durch den Druck der Schlagfedcr auf einen Hahn-
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480
II. Angri ff s waffen.
fortsatz. Der Abzug wird durch Zurückziehen eines Stiftes bewirkt, der
durch die Schlofsplatte greift und den Hahn in gespannter Lage
erhält. Die wichtigste und genialste Einrichtung besteht aber in der
Verbindung des Pfannendeckels mit der Schlagfläche (Batterie), wo-
durch sich die Pfanne in dem Augenblicke öffnet, wo der Schlag
erfolgt.*) Es ist daher ganz unbegreiflich, warum die niederländischen
Meister, welche das spanische Schnapphahnschlofs um 1560 über-
nahmen und weiterbildeten, gerade dessen vorteilhafteste Einrichtung,
den Batteriedeckel (von battere, schlagen), verwarfen, den alten
Pfannenschieber des Radschlosses beibehielten und auf die soge-
nannte Schnapphahnbatterie verfielen, welche in einem Schlagcisen
bestand, das auf einem Stiele angeordnet war.**) Diese Schnapp-
Fig. 560.
Fig. 560. Spanisches Schnapphahnschlofs von Francisco
Lopez in Madrid. 18. Jahrhundert.
hahnbatterie wird von den Franzosen und Niederländern an den
Flintenschlössern noch um 1680 angewendet. (Fig. 533.) Eine un-
leugbare Verbesserung besitzt das niederländische Schnapphahnschlofs
darin, dafs der Federmechanismus nach innen zu gelegen ist. An
einigen sind schon Versuche bemerkbar, die zum Flintenschlofssystem
überleiten. Auch der Hahn nähert sich in seiner Form bereits dem
späteren Flintenhahn. Es ist bemerkenswert, dafs wir schon an türkischen
*) Solange noch der Schwefelkies angewendet wurde, mufstc die Schlagfläche
mit nach abwärts laufenden Rifflungen zur Schonung des Steines versehen wer-
den; beim Feuersteine war diese Vorsicht nicht mehr nötig.
**) Die Ursache wird wohl sein, dafs die niederländischen Büchsenmacher ru
sehr unter dem Einflüsse der deutschen standen und von dem aufschnellenden
Pfannenschuber des Radschlosses eine zu hohe Meinung hatten.
Google
D. Die Fernwaffen. 6. Das Gewehrschlofs.
481
Schnapphahngewehren vom Anfange des 17. Jahrhunderts die Hahn-
sperre (Sperrhaken) antreffen. Wir sehen auch hier wieder, dafs die
besten Einrichtungen weit älter sind, als man bisher angenommen hat
und auf den Orient zurückgehen.
Schliefslich sei erwähnt, dafs das älteste bekannte niederländische
Schnapphahnschlofs im historischen Museum in Dresden die Jahres-
zahl 1598 trägt.
Das französische Flintenschlofs kann als eine der wichtigsten
Verbesserungen im Gewehrwesen betrachtet werden. Es war damit
ein System geschaffen, welches allen Anforderungen an eine sichere
und rasche Entladung entsprach, und dennoch begegnete es in den
konservativen Militärkreisen in Frankreich einem nicht zu bannenden
Fig. 561. Flintenschlofs mit reicher Auszierung in Eisenschnitt,
zur Flinte Fig. 544 gehörig. Um 1700.
Mifstrauen. Bis ans Ende des 17. Jahrhunderts blieb der Lunten-
hahn noch an den Schlössern der Füscliergewehre.
Am Flintenschlosse liegt mit Ausnahme des Hahnes, der
Pfanne, dem Batteriedeckel und der Deckelfeder der Mecha-
nismus, bestehend in der Nufs, der Stangenfeder, der Schlag-
feder, der Studel und der Stange im Innern der Schlofsplatte.
Die ältesten französischen Flintenschlösser besafsen , wie erwähnt,
noch die alte Schnapphahnbatterie, was als ein Beweis erscheint,
dafs der französische Erfinder des Flintenschlosses das niederländische
Schnapphahnschlofs zum Vorbild genommen hatte. Der Pfannen-
schuber wird noch mittels Drücker geöffnet. Diese Umständlichkeit
Boeheim, "Waffenkunde. 31
\
Fig. 561.
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482
II. Die AngrifTswaffen.
wufsten die Pariser Meister dadurch zu beseitigen, dafs sie den Pfannen-
schuber mit dem Hahne durch ein Gestänge verbanden, sodafs sich
ersterer beim Aufziehen öffnet. Eine charakteristische und wesent-
liche Neuerung ist in der Nufs mit ihren beiden Rasten zu sehen;
sie gewinnt aber nach vielen Studien erst die zweckentsprechende
Form. Bis etwa 1660 trifft man noch häufig geriffelte Schlagflächen
für Schwefelkies, von da an nur noch platte. Um dieselbe Zeit ver-
schwinden auch die Schnapphahnbatterien, die sich unverdtenterweise
so lange im Gebrauche erhielten. Von dem Entstehen des Flintcnschlosses
an datiert ein riesiger Aufschwung der französischen Büchsenmacher-
werkstfttten unter dem Schutze, welchen ihnen namentlich Cölbe rt ge-
währte. Die Arbeiten sind aber auch von einer Schönheit und Ele-
ganz, welche alle Bewunderung verdienen. Auf die Ausschmückung
der Schlösser wie der Läufe nahmen die ersten Künstler Frankreichs
im Fache der Dekoration, wie Lebrun, Berain, Brisseville und
viele andere, Einflufs. (Fig. 561.) Nach und nach erst bequemten sich
die deutschen Büchsenmacher dazu, von ihrem geliebten Radschlosse
zu lassen und Flintenschlösscr zu erzeugen; bei ihrer ausgezeichneten
fachlichen Schulung gelang es ihnen aber im 18. Jahrhundert rasch
den Franzosen und Belgiern empfindlichste Konkurrenz zu machen,
ja einzelne, wie Ulrich Münz in Braunschweig, S. Hauschka in
Wolfenbüttel, Andreas Kuchenreuter in Regensburg, L. Becher
in Karlsbad, Georg Keiser in Wien u. a., übertrafen bald die Fran-
zosen in der Schönheit und Güte ihrer Arbeiten.
Die Einfachheit und konzise Zusammenstellung des Mechanismus
gestattete ohne Schwierigkeit die Umwandlung des Flintenschlosses
in ein Stechschlofs. Stechschlösser linden sich schon am Beginne
des 18. Jahrhunderts in nahezu derselben Form wie ein Jahrhundert
spater.
7. Das Faustrohr und die Pistole.
Wir haben bereits früher erwähnt, dafs das kurzläufige Faust-
rohr, die spatere Pistole, aus den Knallbüchsen des 14. Jahrhunderts
hervorgegangen ist, die die Reiter, auf dem Sattelbogen von einer
Gabel gestützt, abfeuerten. Diese Knallbüchsen besafsen rückwärts einen
stangenartigen Fortsatz, welcher beim Anschlage an die Brustplatte
angestemmt wurde. Aus diesen plumpen und schweren Büchsen ent-
standen, nachdem es gelungen war, die Laufstärke zu ermäfsigen, die
l'etrinals, welche zwar noch immer an die Brust angestemmt werden
mufsten, doch keiner Gabelstütze mehr bedurften. Diese Petrinals be-
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D. Die Fernwaffen. 7. Das Faustrohr und die Pistole. 483
sitzen schon einen Holzschaft, welcher geradelaufend als ein Fortsatz
des Laufes anzusehen ist und zur Verstärkung dicht mit Nägeln besetzt
wurde. Sie wurden mit der Lunte abgeschossen, was für den Reiter
ungemein schwierig und selbst gefährlich war. Um 1530 erscheinen
in Deutschland die ersten Faustrohre, welche mit der ausgestreckten
Hand abgefeuert werden; ihr erstes Auftreten hatte eine nicht un-
bedeutende Umwandlung in der Bewaffnung des Reisigen zur Folge.
Das Faustrohr erwies sich nämlich als eine ganz vorzügliche Waffe
für den Nahkampf, es machte die Schlagwaffen, wie Kolben, Hämmer
und Streithaken, entbehrlich, weshalb diese auch allgemach aus der
Reiterei verschwanden. Nur in den orientalischen Ländern, in Ungarn,
Polen und Rufsland etc., deren Bewohner mit ungemeiner Zähigkeit
an den überlieferten kriegerischen Einrichtungen hingen, blieb die
Schlagwaffe noch bis über das 17. Jahrhundert hinaus im Ge-
brauche. In den Heeren Süd- und Westeuropas aber legten die
Führer und Rottmeister ihre Kolben und Hämmer ab, die in letzter
Zeit ohnehin nur noch die Bedeutung von Würdezeichen hatten.
Dafür erhielt nun jeder reisige Mann zwei Faustrohre, welche am
vorderen Sattelbogen in Hulftern geführt wurden. Diese Faustrohre
hatten eine ungleiche Länge, das kürzere, gewöhnlich Fäustling oder
Puffer genannt, war nur für ganz geringe Distanzen brauchbar; es
diente auch nur im Handgemenge, wo es nicht selten auch nach
Entladung den Dienst eines Streitkolbens verrichtete; das längere, das
eigentliche Faustrohr, konnte auf 50 — 80 Schritte eine ansehnliche
Wirkung ausüben. Bei dieser Waffe erwies sich das Radschlofs als
ungemein vorteilhaft, da der Reiter sich zum Abfeuern nur einer
Hand zu bedienen brauchte.
Die ältesten Faustrohre mit Radschlössern bildeten sich, was die
Form des Schaftes betrifft, aus den petrinals heraus; sie haben einen
noch geraden oder nur wenig nach abwärts gesenkten Kolben (Hand-
griff), an dessen Ende eine kugelförmige Verstärkung, die sogenannte
Afterkugcl, sich befindet. Gegen 1560 senkt sich der Handgriff
an deutschen Faustrohren immer mehr nach abwärts, so dafs
dieser mit der Laufrichtung einen Winkel von 50 — 60 0 bildet.
(Fig. 562) Von Spanien aus kamen um 1550 Handgriffformen in
Aufnahme, welche geschweift gebildet und nach rückwärts schmal
zugeschnitten sind. Die Italiener bildeten ihre Formen den Deutschen
ähnlich, nur ist der Handgriff weit länger und schlanker, geradelaufentl
und endet mit einer eiförmigen Afterkugel oder mit geschweifter Ver-
stärkung. (Fig. 563.) Ähnliche Formen werden von 1580 an viel-
fach auch in Deutschland und den Niederlanden erzeugt. Ziel-
vorrichtungen finden sich sehr selten, ebenso gezogene Läufe. Sehr
früh begegnet man der Sperrvorrichtung an den Radschlössern. Das
Bestreben, die Arbeit des Ladens möglichst zu erleichtern, hatte schon
um 1540 dahin geführt, Faustrohre mit Hinterladeeinrichtung zu
3t*
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484
II. Die Angriffswaffen.
fertigen. Die ältesten bekannten beruhen auf dem System der auszu-
hebenden Kammer mit seitlichem Scharnier verschlufs. Um 1560 kamen
sehr zierliche Doppelfaustrohre oder Doppelfauster in Gebrauch.
Die ersten gelangen aus Italien nach Deutschland. Die Laufe stehen
getrennt übereinander und berühren sich an den Mündungen; an
jeder Seite befindet sich ein Radschlofs, der Handgriff läuft gerade,
so dafs das Faustrohr für den zweiten Schufs nur gewendet zu werden
braucht. (Fig. 564.) Um 1580, wenn nicht schon früher, kommen
Fig. 562. Fig. 563. Fig. 564.
Fig. 562. Kurzes Faustrohr, sogenaunter „Puffer", mit in Bein
eingelegtem deutschen Schafte, mit Aftcrkugel. Nürnberger Arbeit, mit
dem Zeichen der Traube. Um 1560.
Fig. 563. Langes Faustrohr mit dreifachem Radschlofs; die
Räder sind gedeckt, die vordere Radsperre ist geöffnet dargestellt. Der
Schaft von Nufsholz ist unterhalb mit graviertem Elfenbein belegt.
Italienisch, vermutlich brescianisch, ohne Zeichen, Um 1560.
Fig. 564. Doppelfaustrohr mit übereinander stehenden, 51 cm.
langen Läufen und zwei Radschlosscrn, der Schaft ist reich mit Elfen-
bein und Perlmutter eingelegt. Italienisch. Um 1570.
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Fig. 565. Fig. 566.
Fig- 565. Revolverfaustrohr mit Radschlofs und sechs-
schüssiger Trommel. Letztere ist mit durchbrochenen Mcssingauflagen
geziert, in welchen der böhmische Löwe dargestellt ist. Deutsch. Um 1590.
Fig. 566. Reiter pistole mit geschnittenem Laufe und Schlosse
und mit Silber eingelegtem Schafte. Arbeit von La Marre in Paris. Um 1 730.
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4S6
II. Die Angriffswaffen.
die ersten Revolver-Faustrohre in Aufnahme, die meisten sind
mit 6 schüssiger Trommel ausgestattet. Welcher Nation die sinnreiche
Erfindung zuzuschreiben ist, kann nicht angegeben werden; die dem
Verfasser vor Augen gekommenen besitzen zwar italienische Formen
in der Schäftung, sind aber durchweg von deutscher Hand, viele in
Nürnberg gefertigt. (Fig. 565.)
Im Verlaufe des dreifsigjährigcn Krieges verändert sich die
Schaftform des Faustrohres dadurch, dafs die Afterkugel verschwindet,
der Handgriff etwas geschwungen gebildet wird und in einer
mäfsigen, mit Metall beschlagenen Verstärkung endet. Von etwa 1650
an machen sich französische Einflüsse in der Formengebung immer
stärker geltend, ihnen verdankt die gegenwärtige Form ihre Entstehung
und von jener Zeit wird auch der Name Pistole immer häufiger
und schliefslich allgemein. Dafs der Name von Pistoja herrühre,
ist ebensowenig begründet als die Herleitung des Wortes Bajonett
von Bajonne.*) Der Spanier bezeichnet mit pistoresa, wahrscheinlich
von piston hergeleitet, jede kurze, handsame Waffe, so auch den
kurzen Dolch, der Italiener mit pistolesa einen kurzen Säbel; "es dürfte
sich sonach, wie so häufig in den Bezeichnungen von Waffen, der
Name von einem Vergleiche mit einem anderen ähnlichen Gegen-
stande herleiten.
Im 18. Jahrhundert scheiden sich nach dem Gebrauchszweck drei
Pistolengattungen ab: die Reiterpistole (Fig. 566) für das Feld
mit langem Laufe und kleinem Kaliber, die Jagdpistole mit grofsem
Kaliber, zuweilen auch mit Trombonlauf für Schrotladung, weiters die
Scheibenpistole mit kleinem Kaliber, Stechschlofs und nicht selten
auch gezogenem Laufe. Die Ducllpistole besitzt in der Regel die
Form der Reiterpistole. In dieser Periode erscheinen die Doppel -
pistolen, die ersten werden in Frankreich erzeugt. Die Vorteile
des Flintenschlosses wurden für die Pistole rasch ausgenutzt und auch
die Hahnsperre sehen wir häufig angewendet. Speziellen Bedürfnissen
dienten die kleinen Pistolen, Terzerole, pistole.se genannt, endlich
die sogenannten Taschenpuffer, welche nur mehr als eine Art
Spielzeug anzusehen sind. Das Flintenschlofs gestattete bei Pistolen
nicht nur die Anwendung von Wendersystemen mit 3 — 4 Läufen,
sondern auch das Revolversystem.
Das Faustrohr wurde unmittelbar nach seiner Einführung zur
Lieblingswaffe des adligen Reiters, der ein Paar derselben stets bei
seinen Ritten mit sich führte. Die gewöhnlichen Faustrohre wurden,
wie noch heute, am vorderen Sattelbogen in Ilulftern geführt, die
meist mit Samt überzogen waren. Im 17. und 18. Jahrhundert
*) Man mufs im allgemeinen die landläufigen Herleitungen der Bezeichnungen
im Waffenwesen mit Vorsicht aufnehmen. Nahezu alle laufen auf Lautähnlichkeiten
hinaus, die im Übrigen jeder historischen Grundlage entbehren.
D. Die Fermvaflen. 7. Das Faustrohr und die Pistole,
487
wurden diese Hulftern mit grofsen Überschlägen (Taschen) versehen,
welche mit Emblemen, Namenszügen etc. geziert und mit Fransen
besetzt wurden. Lange Faustrohre, die in ihrer Gröfse eine Cber-
gangsform zur Arkebuse und zum Karabiner darstellen, wurden auch
auf der rechten Seite am rückwärtigen Sattelbogen in schweren Hulftern
geführt.
Als Reiterwaflc des Adligen wurde das Faustrohr schon in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein beliebter Gegenstand künst-
lerischer Auszierung, und es haben darin die Deutschen durch ihre
aufserordentlich feinen und schönen Elfenbeineinlagen, die Italiener
durch ihre prächtigen Eisenschnitte, sowie durch ihre wunderbaren
Dekorationen in Tausia sich einen Namen zu machen gewufst.
Im 18. Jahrhundert, der Periode des Flintenschlosses, tritt die
Schaftdekoration mehr in den Hintergrund, dafür werden Läufe und
Schlösser, sowie die Beschläge mit Vorliebe verziert, und wir treffen
da auf ausgezeichnete Schnittarbeiten, wie auch auf Gravierungen, die
sich in manchen Fällen als Kunstwerke darstellen. Die Gold- und
Schwarzätzung, die einst einer so grofsen Beliebtheit sich erfreute,
wird immer seltener und verschwindet endlich ganz. Die Schäfte
erhalten nur noch selten Metalleinlagen oder sind in seichter Aus-
führung geschnitzt; im übrigen wurden sie in der natürlichen Holz-
farbe belassen oder dunkel gebeizt.
In den orientalischen Ländern wird die Pistole im 16. Jahrhun-
dert nur von den Vornehmsten geführt, allgemeiner kommt sie erst
im 1 7. Jahrhundert in Aufnahme, kommt aber dann zu so hohem
Weite, dafs sie mit dem Handschar der unzertrennliche Begleiter
jedes Mannes wird. Im Oriente ist die Pistole nicht wie in den
westlichen Ländern ein Gegenstand der Pferdeausrüstung, sie wird
nie in Hulftern, sondern stets im Gürtel des Mannes getragen. Die
Rohre sind ungemein dünn und von kleinem Kaliber, die meist euro-
päischen Schlösser klein, die Schäftung ist in den meisten Fällen mit
Metall beschlagen und oft mit edlen Steinen geziert. Nur die älteren
orientalischen Pistolen zeichnen sich durch Kunstwert aus, die neueren
sind zwar reich, ja überladen, in ihrer stilistischen Behandlung lassen
sie jedoch viel zu wünschen übrig.
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8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente
und Geräte.
Die in der ältesten Zeit bei den Feuerwaffen dienenden Gerät-
schaften waren keineswegs gleichartig. Das Geschützwesen entwickelte
sich anfänglich in den Heeren für sich, damit entstanden unterschied-
liche Gerätschaften, von vielen einzelnen unabhängig voneinander
erdacht, die freilich allesamt Ähnlichkeiten aufweisen. Als die Ge-
schütze noch ohne Lafetten, auf Kanthölzern liegend, abgefeuert
wurden, war die gemeine Bandhacke das vorzüglichste Werkzeug des
Stuckknechtes; daneben wurde die Ladeschaufel (Fig. 567) ge-
führt, mittelst welcher das Pulver in das Rohr geschüttet wurde,
weiters der Wischer, der Ladestock, die Hebebäume, Geifs-
füfse, auch Beifser genannt, der Büchsenmeister trug den Lunten -
stock, eine Art Spiefs, von dessen Klinge seitlich Arme ausliefen,
an welchen die Luntenstricke aufgewunden wurden. Der Luntenstock
bildete auch zugleich das Zeichen der Würde eines Meisters.
(Fig. 37g, 380, 568.) Schon in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts wird
zum Richten der Wurfgeschütze ein einfacher Quadrant benutzt,
wie wir aus einem Kodex von ca. 1440 in der Bibliothek der kunst-
historischen Sammlungen in Wien ersehen.
In dem Mafse als die Geschütze eine solidere und gleichmäfsigere
Lafettierung erhielten, wird auch das Gerät einfacher und fachgemäfser ;
die Hacke verschwindet im Feldkriege gänzlich, dafür entstehen sehr
sinnreich erdachte und leicht fortzubewegende Hebezeuge u. dgL
Als um 1680 allgemach die Patronen eingeführt wurden, kamen
auch die Ladeschaufeln aufser Gebrauch. Nun wird die Hand-
habung eine subtilere, der einzelne Stuckknecht wird mit feineren
Instrumenten zur Bedienung ausgerüstet. Der Mann erhalt ein so-
genanntes Besteck, welches aufser Kaliberstab und Besteckmesser,
auch Raumnadel, Bohrpfriemen, Feile und Zirkel enthält. Ähnliche Aus-
rüstungen, wenn auch einfacher, führten schon die italienischen Ar-
tilleristen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zum Bestimmen
der Kraft des Pulvers erfand man im 1 7. Jahrhundert sehr sinnreiche
Instrumente, Pulverproben genannt. Es gibt davon unterschied-
liche mechanische Systeme, das beste jener Zeit ist die sogenannte
Stangen probe, nach Furtenbach 1642, von welcher ein Exemplar
sich in den kaiserlichen Sammlungen zu Wien befindet. (Fig. 569, 570.)
Ebenso wie beim Geschütz bediente man sich in der ältesten
Zeit auch bei Handfeuerwaffen gewisser Hilfs Werkzeuge, je nach
individuellen Bedürfnisse. Erst in der letzten Zeit des 14. Jahrhun-
derts macht sich in Italien ein von den Machthabern ausgehendes
Streben bemerkbar, Gleichartigkzit in die Ausrüstung des Büchsen-
schützen mit Gerätschaften zu bringen. Die älteste Ausrüstung eines
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D. Die Fernwaffen. 8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente. 489
Scopitus zu Pferde (Fig. 522) war einfach genug, sie bestand in einem
eisernen Ladestock, einer Gabel zum Auflegen der Knallbüchse auf den
Sattelbogen, einem ledernen Pulversack und einem Kugelbeutel. Der
gemeine Büchsenschütze zu Fufs um 1400 trieb einen Pflock in die
Erde, auf den er sein Rohr auflegte. (Fig. 525.) Aber schon um 1420
finden wir die Gewehrgabel in Anwendung, die sich jedoch bald
wieder verlor. Gegen die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, als die
Plattenharnische allgemein wurden, glaubte man nur durch Gewehre
von schwerem Kaliber dieser jederzeit überschätzten Schutzwaffe ent-
Fig. 567. Fig. 568. Fig. 569.
F»£- 567. Ladeschaufel. Kopie aus den Zeugbüchern Maxi-
milians I.
Fig. 568. Preufsisches Artillerie-Kurzgewehr mit Lunten
träger. 1720 — 1740. Kgl. Zeughaus in Berlin.
Fig. 569. Pulverprobe, sogenannte „ Stangeuprobe ", nach
Furteubach. 1642.
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4Ü0
II. Die AngrirTswafTeti.
gcgenwirk.cn zu können. So entstanden die Hockbüchsen; sie wurden
von zwei Mann bedient, von denen der eine den Bock, der andere
die Büchse zu befördern hatte. (Fig. 534.)
In den Landsknechtheeren der ältesten Periode, von 1490 — 1520,
erblicken wir zum ersten Male die Pulverflasche, und zwar bei allen
I Jandbüchsenschützen in ziemlich gleichartigen Formen. Sie ist scheiben-
Fig. 570.
Fig. 570. Pulverprobe mit Hebel und Zahnrad. L'm 1750.
förmig, mifst nicht über 10 cm. im Durchmesser, hat ein Ausgufsrohr
und wird an einer Schnur auf dem Rücken getragen, wogegen vorne
an der Brust aber ein kleines Hörnchen für das Zündkraut hing.
(Fig. 535.) Diese scheibenförmige Gestalt behalten die Pulverflaschen
für den Kriegs- und Jagdiiebrauch bis ans Ende des 1 8. Jahrhunderts.
(Fig. 571, 5/2.)
F'g- 57«.
Fig. 5 7 1 • Klein.« Pul vor f läse he mit Pulversperre aus Horn
mit Silberbeschlägen. In den Gehäusen befindet sich einerseits eine Uhr,
anderseits ein Kompafs. Sächsische Arbeit. Um 1580. Sammlung
der Frau Gräfin Zicrutin in lilauda in Mühren.
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D. Die Fernwaffen. 8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente. 491
Um 1510 wird auch bereits der Kugel bohre r und der Kratzer,
um Ladungen aus dem Rohre zu ziehen, angewendet, wie wir aus den
Zeugbüchern Maximilians I. ersehen. Mit der Zunahme der Fertigkeit
im Schiefsen wurden die Pulverflaschen allgemach gröfser, so dafs sie in
den deutschen Heeren in der angegebenen scheibenförmigen Gestalt um
1560 schon einen Durchmesser von 15 cm. erreichten. Die Italiener
brachten um 1580 die ersten kantig geformten Pulverflaschen auf den
niederländischen Kriegsschauplatz. Diese sind trapezförmig mit ge-
schweiften Seitenrändern gestaltet, bei einer Dicke von ca. 6 — 7 cm.
Der Körper ist aus Holz gearbeitet und mit durchbrochenem Eisen be-
schlagen. Er wird mit Schnüren und Quasten ausgestattet, rückwärts an
der rechten Hüfte getragen, während ein ganz gleich geformtes, nur weit
Fig. 57*-
Fig. 572. Kleine Pulverflaschc von Elfenbein mit Pulver-
sperre und lichtblauen Quasten. In der Mitte der Scheibe sind beider-
seits Medaillons in Silber eingelassen. An der einen Seite erblickt man
das Reliefbild Ernst Rüdigers von Starhemberg, des Verteidigers
von Wien 1683, an der anderen Seile eine Ansicht dieser Stadt. Um
1690.
kleineres Fläschchen für das Zündkraut an derselben Seite vorne an-
gebracht ist. (Fig. 573, 574.) In den nordischen Ländern ahmte
man diese Flaschen häufig nach, auch änderte man in einigen Ländern
die Formen. So erscheinen nicht selten Flaschen in Form eines ab-
gestutzten Kegels, rückwärts aber abgeplattet; das Ausgufsrohr bleibt
dabei unverändert. In Italien kommen sie in verschiedenem Material,
namentlich in schöner Ledertechnik, vor. (Fig. 575, 576.) Mit
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492
II. Die Angriffswaften.
der Muskete zugleich tritt die Gewehrgabel auf, welche als ein
charakteristisches Attribut des Musketiers bis ans Ende des 1 7. Jahr-
hunderts im Gebrauch bleibt. (Fig. 577.) Für die Niederlande ist
Fig. 573-
Fig- 573- Musketier-Pulverflaschc mit Kedcrspen-c, von durch-
brochenem Eisen mit Unterlagen aus gelbem Samt und grünen Quasten.
Italienisch. Um 1570.
das Pul verhorn charakteristisch. (Fig. 578.) Es kam von dort
aus auch anderwärts in Gebrauch und besteht aus einem flach-
Fig. 574.
Fig. 574. Flasche für das Zündkraut in gleicher Ausstat-
tung wie Fig. 573.
geprefsten Kuhhom; das breite Ende, mit Blech geschlossen, bildet
den Boden, während an dem dünneren Ende eine Röhre, das Aus-
gufsrohr mit Pul versperre, angebracht ist.
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D. Die Kernwaffen. 8. Die bei den Feuerwaffen dienenden Instrumente. 493
mit in Lcder geprefsten Verzierungen. Um 1580.
F'ß- 576. Fig. 577.
Fig. 576. Pulvcrflasche aus geprefstem Lcder, mit Eisenblech
montiert. Italienisch. Um 1570.
Fiß« 577« Gewchrgabel aus dem Besitze des Erzherzogs
Leopold V. von Tirol (1586— 1632), der Schaft ist reich mit Elfen-
bein belegt, oberhalb zeigt sich die Darstellung des guten Hirten mit
dem Schrifttext: „Ego sum pastor bonusu. Deutsch. Um 1628.
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404
II. Die Angriffswaffen.
Das Pulverhorn wurde gemeiniglich an einer Schnur über die
Schulter oder, wie bei den niederländischen Reitern, am sogenannten
Flaschenhangsel am Leibriemen getragen. Dieses bestand aus
einem Stück Leder, an welchem die Pulverflasche, der Spanner und
der Kugelbeutel befestigt waren. Das Behältnis für das Zündkraut
Fig. 579. Fig. 580.
F'g- 579- Patronbüchse eines kaiserlichen Arkebusiers fiir
13 Patronen von Eisen, blank, mit Schwarzätzung geziert. Deutsch.
Cm 1570.
Fig. 5 So. Patronen band elier eines Musketiers mit Kugelbeutel
und Zündkrautflasche. Nach Schön, Geschichte der Handfeuerwaffen,
Tafel 10.
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D. Die Fernwaffen. 8. Die hei den Feuerwaffen dienenden Instrumente. 405
ist in jener Periode, am Beginne des 17. Jahrhunderts, verschieden.
J.'lger tragen mit Vorliebe ein aus der Gabel eines Hirschgestilnges
gebildetes FUischchen. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, als bei
den leichten Reitern und vornehmlich den Arkebusieren, die Patrone
in Verwendung kommt, führten diese sog. Patronbüchsen, die an
die Leibgürtel geschnallt wurden. Gemeine Reiter im kaiserlichen
Heere trugen darin 10 — 15 Patronen (Fig. 570), bei Vornehmen waren
sie in der Regel kleiner und oft reich geziert. Sie sind von Eisen-
blech, oft mit Ätzungen ausgestattet; ihre üufsere Form erinnert an
den BolzenkOcher, nur sind sie weit niedrige! .
Fig. 581. Fig. 582. Fig. 583 Fig. 584.
Fig. 58t. Preufsischer Luntenberger, nach einem Ölgemälde
im kgl. Zeughaus in Berlin. Um 1720.
Fig. 582. Radschlofsspanncr in Verbindung mit einem
Schraubenschlüssel von geschnittenem Eisen, teils vergoldet, zu einem
Jagdgewehre Kaiser Rudolfs II. gehörig. Augsburger Arbeit. Um
1605.
Fig. 583. Radschlofsspanncr in Verbindung mit einem Pulver-
mafse. Gebläutes Kisen. Deutsch. 17. Jahrhundert.
Fig. 584. Pulverhorn für das Ziindkraut, ohne Pulversperre,
von Horn mit Beschlag aus graviertem Messing, an selbem findet sich ein
Spannschlüsselloch. Deutsch. 17. Jahrhundert.
Im 17. Jahrhundert ist die deutsche scheibenförmige Puiver-
flasche noch hie und da in Gebrauch, und zwar meistens von Holz
und gedreht. Bei den östlichen Völkern, in der europäischen Türkei,
in den polnischen und ungarischen Nationalheeren bediente sich der
49(3
II. Die Angriffswaffen.
gemeine Mann häufig des sogenannten Flaschenkürbis, der an der
Mündung mit einer primitiven Ausgufsröhre versehen wurde.
Die Pulverflasche litt an dem Übelstande, dafs der Schütze die
für einen Schufs erforderliche Pul vermenge nicht genau abzumessen
im stände war und meist zu viel Pulver in das Rohr brachte.
Um diesem Übelstande abzuhelfen, rüstete man den Musketier mit
einer Anzahl (n — 12) hölzernen, gedrehten Patronenhülsen aus,
in welchen die genau für den Schufs abgemessene Quantität Pulver
vorhanden war. Diese Patronenhülsen wurden mittels geflochtener
Lederriemchen an einen mäfsig breiten Riemen gehängt, der über der
linken Schulter getragen wurde. (Fig. 580.) An diesem Riemen
(Bändel ier, bandouliere) hing auch ein Beutel für Kugeln und
Fig- 585.
Fig. 583. Flasche nhangscl zur Bewahrung der Kugeln im
Beutel, der Zündkrautflasche und des Spanners. Nach Schön, Geschichte
der Handfeuerwaffen, Taf. 14.
Wisch zeug und die Zündkrautflasche, überdies wickelte man noch
einen Luntenvorrat darum. Diese Bandelicre scheinen zuerst in
Sachsen am Ende des 16. Jahrhunderts aufgekommen zu sein; am
Beginne des 17. findet man sie bereits in den meisten Heeren, in
Italien am spätesten. Obwohl sie den beabsichtigten Zweck erfüllten,
besafsen sie doch den Nachteil, dafs, wenn der Mann in Bewegung
war, die Patronhülsen ein klapperndes Geräusch verursachten, was iu
Fallen von beabsichtigter Überrumpelung den Anmarsch einer Truppe
leicht verriet.
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E. Das Bajonett. 497
•
Mit der Einführung der Papierpatrone am Ende des 17. Jahr-
hunderts legt das Fufsvolk das Bandelier ab und erhält statt dessen
die anfänglich an der rechten Seite, später am Rücken getragene
Patrontasche.*) Die Zündkrautflasche erhält sich aber noch länger,
bis die Einrichtung an der Patrone getroffen wird, wonach das Zünd-
pulver einen Teil ihrer Füllung bildet. Bei den Schützen, Jägern etc., der
sogenannten leichten Infanterie, welche mit gezogenen Gewehren,
Kammerbüchsen oder sogenannten Stutzen (gezogenen kurzen Gewehren)
ausgerüstet waren, war die Zündkrautflasche noch bis in die 2. Hälfte
unseres Jahrhunderts in Gebrauch.
Die Unbequemlichkeit für den Musketier, die an beiden Enden
angezündete Lunte stets zwischen den Fingern halten zu müssen, gab
schon im 17. Jahrhundert Veranlassung zur Einführung von soge-
nannten Luntenb ergern. Sie werden aus Eisen- oder Messingblech
in Form eines Cy linders gemacht, welcher oben mit einem kegel-
förmigen oder flachen Deckel geschlossen wurde. Dieses Behältnis
war an seiner ganzen Oberfläche durchlöchert; es wurde an dem
Patrontaschenriemen an der Brust getragen. Im 18. Jahrhundert
führten es noch die Grenadiere als die letzten Infanteriesoldaten,
welche sich der Lunte bedienten. (Fig. 581.)
Ein dem Radschlofsgewehre eigentümliches Gerät ist der Rad-
schlofsspanner (Fig. 582, 583, 584), eine Art Schlüssel, mittelst
welchem das Rad aufgezogen wurde. Der Spanner wird von den
Reitern um die Wende des 16. Jahrhunderts am sogenannten Flaschen-
hangsel, -oder an einem Riemen am Gürtel getragen. (Fig. 585.)
E. Das Bajonett.
Man kann das Bajonett nicht schlechtweg zum Zubehör einer
Handfeuerwaffe rechnen, es ist eine Beigabe, durch welche das Ge-
wehr gewissermafsen seine Bestimmung verändert und zur Stofswaffe
wird. Wir haben gesehen, dafs man schon seit dem Anfange des
16. Jahrhunderts, ja in beschränkterer Ausdehnung schon seit dem
14. Jahrhhundert darauf Bedacht nimmt, die Waffe gleichzeitig für
Stöfs und Hieb, bez. für den Schufs verwendbar zu machen. Man
*) Die allgemeine Einführung der Papierpatrone und der Patrontasche ist um
das Jahr 1670 zu setzen. In dem sehr interessanten Werke des Francesco Mazzioli
Precetti militari, Bologna 1673, erscheinen bereits die Pikeniere mit einer im Degen-
gurt steckenden Steinschlofspistole und mit einer kleinen Patrontasche ausgerüstet.
Der Verfasser schlägt auch für die Musketiere Patrontaschen mit 12 blechernen
Hülsen und in diesen Papierpatronen mit aufgebundener Kugel vor.
Boche im, Waffenkunde. 32
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498
II. Die Angriffswaffen.
sah das höchste Ziel in einer Universal -Waffe, die jede Art der An-
wendung gestattete.
Gegen das Ende des 1 6. Jahrhunderts, in den Kriegen der Nieder-
lande, ändert sich allmählich die Fechtweise, das Feuergefecht ent-
wickelt sich in den gröfseren Heeren mehr und mehr und die Taktik
streift vollends ihre mittelalterlichen Traditionen ab. Mit der Be-
deutung des Feuers kommt das Gewehr zu überwiegender Geltung.
Fig. 586. a. Fig. 587. b.
Fig. 586. Schweinspie fs in Form eines Spundbajonetts mit
Messingfassung und hölzernem Spunde. 17. Jahrhundert, Ende.
Fig. 587. Spundbajonette.
a. Spundbajonett mit Stichblatt. 17. Jahrhundert. Ehe-
malige Sammlung L. Meyrick.
b. Spundbajonett. 17. Jahrhundert. Englisch. Ehemalige
Sammlung L. Meyrick.
Aber für den Ansturm auf den Gegner konnte man einer Stofswaffe
doch nicht entraten; so blieb die Pike neben der Muskete noch bei-
nahe ein Jahrhundert eine unentbehrliche Waffe.
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E. Das Bajonett.
499
Nach einem noch vorhandenen Schreiben eines gewissen Hot-
mann an Jacob Kapell us zu Sedan vom Jahre 1575*) zu schliefsen,
mufs das Bajonett schon damals als Waffe bekannt gewesen sein, da
in dem Schreiben von einem vergoldeten Dolche gesprochen wird,
Fig. 588. Fig. 589.
Fig. 588. Französisches Dillen-Bajonett vom Jahre 1724.
Nach Schön, Geschichte der Handfeuerwaffen, Taf. XVIII.
F»g- 589. Französisches Haubajonett, sogenannter „Yatagan",
System Delvigne, vom Jahre 1840. Nach Thierbach.
„den man Bajonett nenne". Zum mindesten bestand zu jener Zeit
das Wort, wahrscheinlich aber anch schon die heutige Verwendung
•) Archiv für Geschichte etc. 1828. pag. 70.
32*
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500
II. Die Angrifiswafien.
der mit ihm bezeichneten Waffe, da die ältesten Bajonette eben nichts
anderes als lange Dolche waren, deren Griffholz man in die Mündung
des Laufes steckte und damit das Gewehr zur Stofswaffe umgestaltete.
Schon in diesem Stadium der Entwickelung ist das Schicksal der
Pike entschieden, sie wird überflüssig und verschwindet aus den
Heeren.
Aus dem Wortlaute des erwähnten Schreibens läfst sich aber
schliefsen, dafs anfänglich die Bezeichnung Bajonett eine vermutlich
in Bajonne erzeugte Dolchform bedeutete und erst später der Ähn-
lichkeit des Gegenstandes wegen auf den Gewehrspiefs übertragen
wurde.
Oberst M. Thierbach bemerkt in seinem trefflichen Werke über
die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen,*) das Bajonett
sei wahrscheinlich zuerst bei der Jagd zur Anwendung gekommen.
Diese Vermutung hat manches für sich, denn in der Waffensammlung
des kais. Hauses in Wien wird thatsächlich ein in den Lauf zu steckendes
Bajonett (Spundbajonett) bewahrt, dessen Klinge ein vollständiges
„Schweinsblatt4' darstellt (Fig. 586.) Es gehört dem Ende des
17. Jahrhunderts an. Aber die Idee, aus der Schiefswaffe in der hier
bezeichneten Art eine Stichwaffe zu machen und diese auch im
Kriege zu verwenden, trat doch schon weit früher auf. So werden
in der obengenannten Sammlung auch zwei lange Faustrohre, etwa
von 1580 datierend, bewahrt, die an der Stelle des Ladestockes
eine Nut aufweisen, aus welcher eine spitze, pfrieraenartige Klinge sich
herausziehen und mittels einer Sperrfeder feststellen läfst. Das sind
die frühesten Anfänge des Bajonettes. (Fig. 587a und b.)
Die erste Erwähnung des Bajonettes, als ein „zu den Musqueden
gehöriges Messer", findet sich in den Akten des Hauptzeughauses zu
Dresden im Jahre 1669.
Der Nachteil der Spundbajonette, die man erst vom Gewehre
hcrabnehmen mufste, um mit diesem auch schiefsen zu können,
führte zu Versuchen, die Klinge etwas seitwärts vom Laufe zu stellen
und die Verbindung durch eine Hülse (Dille) zu bewirken. Die
ersten derartigen Bajonette besitzen nicht nur Spunde, sondern auch
Dillen, welche aufgeschlitzt sind und den Lauf federnd umklammem.
Um die Klinge aus der Kugelbahn zu bringen und somit auch bei
aufgestecktem Bajonette feuern zu können, wurde sie mit dem so-
sogenannten Halse versehen und seitwärts gestellt (Fig. 588.) Diese
Art der Befestigung liefs vieles zu wünschen übrig, da nicht selten
die Bajonette beim Feuern herabfielen und im Handgemenge leicht
herabgezogen werden konnten. Erst um 1 740 wurde in Frankreich
eine solidere Befestigung dadurch erzielt, dals die Dille einen einge-
*) Thierbach, M. , Die geschichtliche Entwickelung der Handfeuerwaffen.
Dresden 1886.
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F. Die Fahne und das Feldspicl.
5Ö1
feilten, „gebrochenen Gang" erhielt, der seine Führung durch das
Visierkorn oder einen an den Lauf geschweifste Narbe erhielt. Auf-
gesteckt wurde es durch eine Feder gehalten.
Die ersten Bajonettklingen waren gerade, in Form eines kurzen
Schwertes, nicht selten für den Gebrauch im Lager auch gezahnt.
Später, im 18. und bis ins 1 9. Jahrhundert, werden sie immer kürzer
und messerförmig. Im 18. Jahrhundert besafs die sächsische Infanterie
auch Bajonette mit Säbelgriffen , welche seitwärts an den Lauf
befestigt wurden. Von Frankreich aus gelangten die dreikantigen,
pfriemenartig gebildeten Bajonette in die anderen Heere; sie wurden
auch in Lüttich, der grofsen Kriegswaffen -Werkstätte, in Massen er-
zeugt Später erhielt die Klinge bei etwas zunehmender Länge einen
vierseitigen Querschnitt mit konkaven Flächen. Der sogenannte Ba-
jonetthals wird am Anfange des 19. Jahrhunderts cylindrisch und
abgebogen, die Klinge erhält zur Sicherung vor der den Lauf ver-
lassenden Kugel eine geringe Neigung nach der Seite. Erst um 1 840
finden sich die ersten Haubajonette ohne Dillen, ähnlich den alten
sächsischen, aber mit yataganähnlichen Klingen nach dem System
Delvigne, mit denen zuerst die Chasseurs d'Orleans ausgerüstet wurden.
(Fig. 589.)
F. Die Fahne und das Feldspiel.
Der Gebrauch von Fahnen in den Heeren reicht bis nahezu an
die Grenzen unserer geschichtlichen Kenntnifs zurück.*) Die Fahnen
und Feldzeichen hatten nicht allein einen praktischen Zweck als
weithin sichtbare Vereinigungspunkte und als Ausgangspunkte des Be-
fehles, sondern auch eine moralische Bedeutung, indem durch sie das
Heer oder der Heerteil in seiner Streitbarkeit gekennzeichnet wird.
Nach beiden Richtungen hin haben die Fahnen und Feldzeichen be-
reits im Altertume gedient. In ihren äufserlichen Formen, wie in ihrer
Bedeutung sind sie auf die das Erbe Roms antretenden und alle
übrigen nordischen Völker übergegangen. Eine Art kleiner Reiter-
fahnen, ähnlich wie die späteren Lehensfahnen, führten schon die
sarmatischen Krieger in der Zeit der Völkerwanderung im 5. Jahr-
hundert, wie wir an dem Bilde des Reiters auf einem Gefäfse im
Goldfunde von Szent Miklos (Fig. 133) ersehen; sie war viereckig
und oberhalb in zwei Wimpel geschnitten. Genauer betrachtet ist
die Form des Fahnenblattes schon vollkommen jene der viele Jahr-
*) „Die Kinder Israel sollen vor der Hütte des Stifts umher sich lagern, ein
jeglicher unter seinem Panier und Zeichen." 4. Buch Moses, Kap. 2, 2.
IL Die Angriffswaffen.
hunderte späteren Lehensfahnen, die in einem Wimpel ausliefen, der
lang und spitz geschnitten war. Unterhalb setzte sich das Blatt
gerade abgeschnitten fort. Niemand wird die Ähnlichkeit der in den
Figuren 133 und 596 dargestellten Fahnenblätter verkennen, wenn
sich auch in ersterer zwei Wimpel zeigen. Auch die mohamme-
danischen Völker bedienten sich von ihrem ersten Auftreten an
ähnlicher Feldzeichen, doch haben diese in der Folge manche
Fig. 59 1. Fig. 592.
Fig. 59°* Reiterfahne aus dem Psalteriom aureum von St.'
Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Kahn.
Fig. 591. Heinrich von Metz mit derOriflamme nach dem
Glasgemälde in der Kathedrale zu Chartres. 13. Jahrhundert. Nach
Müller -Mothes, Arch. Lexikon.
Fig. 592. Drache als Feldzeichen. Nach dem Relief auf
der Columna Trajana. 2. Jahrhundert.
Formeneigentümlichkeiten von den Byzantinern und selbst von den
Heeren der Kreuzfahrer angenommen.
Eines der ältesten Beispiele der Verwendung von Heerfahnen
am Ausgange der antiken Zeit bilden die Fahnen Theodorichs des
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
503
Grofsen und seines Gegners Odoaker, Ende des 5. Jahrhunderts.
Erstere war weife und golden, letztere schwarz, golden und grün. Beide
waren über und über mit grofsen Schellen behängt, ein Umstand,
der die Absicht erkennen läfet, den Standpunkt und die aufrechte
Stellung der Fahne auch durchs Ohr wahrnehmbar zu machen. Bis
in die späteste Zeit waren die Feldfahnen in der That nicht allein
von den verläfslichsten zu ihrem Schutze bestimmten Kriegern, sondern
auch von Spielleuten umgeben.
Bis ins 9. Jahrhundert bestand die Fahne aus einem Stücke Stoff,
welches, ähnlich dem römischen vexillum, an einen Querstab geheftet,
mit Schnüren an einer Spiefsstange (Fahnenstock) befestigt war.
Fig. 593. Fȧ- 594-
Fiß- 593- Drache als Reiter-Feldzeichen. Aus einer Mi-
niatur im Psalterium aureum von St. Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts.
Nach Rahn.
Fig. 594. Drache als Feldzeichen. Aus der Tapete von
Bayeux. Ende des 1 1 . Jahrhunderts.
So erscheint auch die Fahne Karls des Grofsen auf einem Mosaik
im Lateran. Erst unter dem byzantinischen Kaiser, Leo V., wurde
das Fahnenblatt unmittelbar an den Stock befestigt.
Im Psalterium aureum von St. Gallen erblicken wir die Fahne
nur ein einziges Mal; sie erscheint hier in roter Farbe, in 3 Wimpel
geschnitten und mit grofsen Ringen an den Schaft befestigt (Fig. 590.)
Bedeutsam ragt in der Geschichte die Kriegsfahne der Könige von
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II. Die Angriffswaffen.
Frankreich, die OrÜlamme (auri flamma), hervor, die von 1124 — 1415
dem französischen Heere voranflatterte. Sie war ursprünglich die
Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten labarum
Konstantins und bestand aus einem Blatte von roter Seide, welches
unterhalb in 5 Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war.
So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu
Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen
Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich
die Formen der Fahnen nach Gröfse und Bedeutung. Zur Haupt-
fahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich
die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche
Fig. 595-
Fig- 595- Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der
Tapete von Bayeux. Ende des Ii. Jahrhunderts.
alle seit dem 1 1 . Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich
trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein
Heerbanner von Seide mit dem weifsen Kreuze im roten Felde voran-
getragen.
Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bilde
des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit
dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrh.
bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England
und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der
carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
505
welchem die Fahne an einem aufrecht stehenden Mastbaume ange-
heftet war. Dieser Wagen, der gewissermafsen die Streitmacht und
ihre volle Kampffähigkeit symbolisierte, war stets von einer auserlesenen
Schar von Kriegern und von der Feldmusik begleitet.
Bereits zur Kaiserzeit Roms treffen wir auf Feldzeichen für
einzelne kleinere Heerteile, die ihrer sonderbaren und bizarren Form
wegen auffallen. Es sind dies bemalte und vergoldete plastische
Figuren in Form von Drachen, welche auf langen Stangen getragen
wurden. Das Abbild eines solchen Drachens erscheint schon auf
der Trajanssäule , wo es von dakischen Abteilungen geführt wird.
Diese Drachen haben sich als Feldzeichen Jahrhunderte lang in den
Fig. 596. Fig. 597.
Fig. 596. Lehenfahne mit angefügtem Wimpel. 13. Jahr-
hundert.
Fig. 597- Herzog Leopold der Tugendhafte (x 157 — 1194)
mit der Lehenfahne auf einem Siegel im Archive des Stiftes Heiligen-
kreuz. Nach Sava.
Heeren erhalten, denn wir finden sie noch im Psalterium aureum und
auch noch in der Tapete von Bayeux,*) also noch bis ans Ende des
11. Jahrhunderts. (Fig. 592, 593, 594, 595.) Derlei Drachenbilder
führten nach Widukinds Res gestae Saxonicae auch im 10. Jahr-
*) In den Darstellnngen der genannten Stickerei kommen bereits Reiterabtei-
lungen mit verschiedenartig gestalteten Fähnlein vor.
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506
II. Die Angrinswaffen
hundert die heidnischen Sachsen im Felde, und auch das Rolands-
lied erwähnt der mit Gold und Edelsteinen besetzten Drachen der
Heiden im Gegensatze zu den christlichen Fahnen, auf welchen reli-
giöse Embleme dargestellt waren.*)
Die Formen der späteren Lehensfahnen waren verschieden. Vom
13. Jahrh. an besafsen sie u. a, die in Fig. 596 angegebene, die immer
ausgespannt erscheint, um das Lehen in dem Blason des Blattes rascher
erkennen zu lassen. Am häufigsten aber finden wir die an die Ori-
flamme erinnernde Form vom 1 1. Jahrh. an in Siegeln bis ins 12. Jahrh.,
wo das Blatt in 2 — 4 Wimpel ausflattert (Fig. 597.) Die Ritterfahnen,
Fähnlein, sind meist klein, quadratförmig oder rechteckig, im letzteren
Fig. 598.
Fig. 598. König Ottokar von Böhmen als Herzog von
Österreich (1230— 1278) mit der Rennfahne, auf einem Siegel im k. k.
Staatsarchive zu Wien. Nach Sava.
Falle mit einer langen Seite an die Stange geheftet. (Fig. 598.)
Später entstand dafür die Bezeichnung Rennfahne, die noch bis in
die Zeit Maximilians I. für sie gebräuchlich war. Sie finden sich
auch nicht selten, namentlich in Frankreich und in Burgund, im
13. und 14. Jahrhundert mit steifem Blatte und unterscheiden sich
zuerst durch die Farbe allein, später auch durch den heraldischen
*) Vergl. die Ausgabe von Ekkehards Casus St. Galli (Mitt. z. vaterländ.
Geschichte, herausgegeben vom histor. Verein von St. Gallen durch G. Meyer von
Kronau, St. Gallen 1877, pag. 140, No. 488).
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
507
Blason. Nicht selten besafsen sie eine dreiseitige Form, man nannte
sie dann pennons (Federn, ihrer schwachen Schäfte halber, Fig. 599).
Wir bringen zum Vergleiche eine deutsche Rennfahne, sie gehörte
dem Ritter Döring von Eptingen und wurde auf dem Schlachtfelde
von Sempach 1386 erbeutet (Fig. 600.) Sie ist mit Applikations-
stickerei geziert und stammt aus dem Zeughause zu Luzern.
Einfache, wenn auch ritterbürtige Dienstmannen und Vasallen
führten statt des Rennfahnleins oft nur ein farbiges Wimpel, dessen
Blatt schmal und lang gezogen in eine Spitze geschnitten endete. Für
die Fahnenspitzen hat sich das ganze Mittelalter hindurch keine
bestimmte Form herausgebildet, man trifft daher in den verschiedenen
Fig. 599-
Fig. 599. Louis L von Bourbon (1339— 1384) mit dem Pennon
auf einem Siegel im Archive zu Paris.
Heeren die mannigfachsten Spiefseisenformen; die Stangen oder Schäfte
aus Holz blieben bis ins 15. Jahrhundert cylindrisch mit geringem
Querschnitte. Erst um 1400, als man anfing, die Spiefse in Rüst-
haken einzulegen, welche auf der Plattenbrust befestigt wurden, gab
man auch den Fahnenschäften die für das Einlegen berechnete Form
und versah sie zuweilen auch mit eisernen Brechscheiben.
Mit der Einführung geworbener Heere veränderte sich unter
Maximilian I. und Ludwig XII. die innere Organisation des gesamten
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508
II. Die AngTiflswaffen.
Kriegswesens, wodurch auch die Fahnen in ihrer Form und Ver-
teilung wesentliche Änderungen erfuhren. Die Reiterei, die alten
Traditionen bewahrend, blieb den alten Formen mit Zähigkeit zuge-
than. Das Regiment, bestehend aus adligen Kürissern und aus Rei-
sigen, wurde in 3 — 4 Abteilungen, Fahnen genannt, geteilt Vor
jeder Fahne ritt deren Hauptmann mit dem Rennfähnrich (cornet),
der die Rennfahne trug. Bei den Fufstruppen, den Landsknechten,
Schweizern etc., hatte sich eine eigene Organisation entwickelt. Das
Regiment führte die Hauptfahne und jedes seiner einzelnen Ab-
teilungen kleinere Fahnen, Fähnlein genannt; dem Heerführer wurde
das Banner vorangetragen. Bei den Fufsregimentern, welche in jener
Fig. 600.
Fig. 600. Rennfähnlein des Ritters D ö r i n g von Eptingen,
gefunden auf dem Schlachtfelde von Scmpach. 1386.
Zeit, ihre Wichtigkeit fühlend, sehr zu Übertreibungen geneigt waren,
waren alle Fahnen von einer manchmal staunenswerten Dimension,
was die Ausdehnung des Blattes betrifft; dafür war die Stange so
kurz, dafs sie unterhalb nur soweit hervorragte, dafs der Fähnrich im
stände war, sie mit beiden Händen anzufassen. Sie zu tragen und im
Gefechte zu schwingen, war eine längere Einübung unerläfslich. Jede
Fahne war von einer Schar auserlesener Landsknechte umgeben, welche
mit mächtigen zweihändigen Schwertern, Bidenhandern , Schlacht-
schwerter genannt, bewaffnet waren. Ihnen zunächst schritten die
Trommler und Pfeifer, das sogenannte Feldspiel. (Fig. 601.)
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F. Die Fahne und das Fcldspiel.
509
In den türkischen Heeren waren in jener Zeit die organisato-
rischen Einrichtungen so vielgestaltet, dafs wir in den Formen und
der Verteilung der Fahnen und Feldzeichen wesentliche Unterschiede
bemerken. Ohne auf die vielen Formen von Fahnen und Feldzeichen
hier einzugehen, welche unter den Hilfsvölkern der osmanischen Reichs-
Fig. 60 1.
Fig. 601. Landsknecht als Fahnenträger. Nach Jac. Köbel
Wappen des heil. Rom. Reichs (Bartsch IX, 157). Zweite Ausgabe
des Sigm. Feyerabend 1579, Holzschnitt von c. 1 5 1 5.
macht gebräuchlich gewesen sind, beschränken wir uns auf die Be-
schreibung jener, welche in den Truppen des Hauptheeres selbst vom
15. bis ins 18. Jahrhundert geführt wurden.
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510
II. Die Angriffswaffen.
'Alem, im Volksmunde Blutfahne genannt, ist das Banner des
Heerführers. Das Fahnenblatt von rotem Damast, meist 4.5 m. lang
und 3 m. breit, unten spitz zulaufend, hängt an einer Querstange in
der Art eines vexillum. In dem Stoffe rinden sich religiöse Spruche
und Symbole in Gold eingewebt: zunächst das Glaubensbekenntnis,
dann einzelne Verse der 48. Sure des Korans (Sure des Sieges),
ferner ein Abrifs der Rachehand des im Jahre 660 v. Chr. ermor-
deten Kalifen Ali und dessen mit zwei Klingen ausgestatteten Schwertes
des Dsü-l-fakär, d. i. „des mit Rückenwirbeln begabten Schwertes
Mohammeds". Seltener finden sich Sprüche aus der 61. Sure des
Korans darauf.*) Eines der schönsten Exemplare ist das 'Alem des
Seraskiers Suleiman Pascha, welches vom Herzoge Karl von Lothringen
in der Schlacht bei Hamzabeg in der Nähe von Ofen am 22. Juli
1684 erbeutet wurde.
Sandschak, die Fahne des Statthalters einer Provinz, ist ähnlich
dem 'Alem, nur verhältnismäfsig kleiner, einfacher geschmückt und
auf dem Blatte sind zumeist nur ein oder zwei Verse der Sure des
Sieges ersichtlich.
Bairak ist die Fahne der leichten Reiterei, der Deli, d. i. der
Tollen oder närrischen Wagehälse, aus Freiwilligen bestehend, die in
Asien angeworben wurden. Sie ist zumeist dreieckig, aus roter, auch
gelber Leinwand gefertigt; die Buchstaben der Inschriften sind in
rotem oder weifsem Filztuch ausgeschnitten und roh aufgenäht, ebenso
die Rachehand Alis und der Dsu-l-'fakar.
Tüg, der Rofsschweif, besteht aus einer cvlindrischen , innen
hohl gebildeten, daher ungemein leichten Stange aus weichem Holze,
welche mit orientalischen Ornamenten bemalt ist Am oberen Ende
befindet sich ein meist aus Metall getriebener Knauf, zuweilen auch
ein Halbmond aufgesetzt. Unterhalb desselben ist ein entweder offener
oder in Zöpfen geflochtener Rofshaarschweif befestigt, dessen Haare
verschieden in Blau, Rot und Schwarz gefärbt sind. Zunächst an
dem Rofsschweif ist die Stange mit einem Gewebe von Rofc- und
Kamelhaaren überzogen, die in mehreren Farben zuweilen sehr schöne
Dessins zeigen. Die in Fig. 602 und 603 abgebildeten Rofsschweife
stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden von Erz-
herzog Ferdinand von Tirol vermutlich im Feldzuge 1556 erobert.
Der Rofsschweif war kein Feldzeichen gleich den Fahnen,
sondern das Zeichen einer Würde. Drei Rofsschweife führten die
Pascha von dem Range eines Vezirs, deren zwei die Beglerbeg oder
Statthalter, einen Rofsschweif führte der Sandschakbeg, d. i. Distrikts-
gouverneur. Die Tüg wurden von Silihdaren (Waffenträgern) getragen,
welche man in diesem Falle tügdschi (Rofsschweifträger) nannte.
*) Alle Benennungen orientalischer Waffen und Kriegsgcrate nach Prof. Dr.
J. Karabaczcks Angaben im Katalog der histor. Ausstellung der Stadt Wien 1SS3.
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
Fig. 602. Fig. 603.
Fig. 602. Rofsschwcif mit offenem Haarbusch. Die innere
hohle, 3.50 m. hohe Stange ist bemalt, der obere Teil mit einem Ge-
webe aus Rofshaaren überzogen. Trophäe aus dem Feldzuge von 15 56
in Ungarn.
Fig« 6°3« Rofsschwcif mit geflochtenem Haarbusch. Oberhalb
des letzteren ist die 3.64 m. hohe Stange mit einem Gewebe aus Rofs-
haaren überzogen. An der Spitze befindet sich ein in Metall getriebener
vergoldeter Knauf. Trophäe aus dem Feldzuge von 1556 in Ungarn.
512
II. Die Angriffswaffen.
Im dreifsigjährigen Kriege veränderten sich in den occidentalen
Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern
wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Renn-
fähnlein kam bald gänzlich aufser Gebrauch. In den Fufsknecht-
regimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne,
zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht
mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter,
im Gegensatze zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist
Später kamen auch Schützen dazu.
Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen
zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeu-
tend ermäfsigt.
Eine Spezialität bildeten die sogenannten „Adler", die Fahnen
und Standarten der französischen Armee unter Napoleon L
Das Feld spiel, das, wie wir gesehen haben, schon vom Alter-
tume an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen auftritt,
hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegs-
wesens bedeutende Änderungen erfahren, es ist, man kann sagen,
stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen
Durchbildung gelangt, und sowohl der Orient als auch der Occi-
dent hat hierzu das Seinige beigetragen.
Das Feldspiel hat im Heere verschiedene Aufgaben zu erfüllen:
es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung
der Gemüter beim Marsche; endlich finden wir es auch, namentlich
in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im
Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal.
Das älteste Instrument, dem wir in den occidentalen Heeren in
der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das Horn. Es tritt,
aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern,
viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das
unter der Bezeichnung Posaune schon im Buche Josua (Kap. 6, V.
4 und 2 o) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter
gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den
Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Natur-
gegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des
14. Jahrhunderts.
Schon am Beginne des Mittelalters verwandelte sich das Horn
in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm
besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings,
und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und
bestand nur aus einer geraden Röhre mit darangefügter Schallöffnung
nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
513
ist ihre Form bereits weit komplizierter; ihr Rohr ist zweimal gebogen
und wir finden in jener Zeit zuerst ein Stück Stoff daran ange-
bunden, die „Trompetenfahne", auf welches die Embleme des Heer-
führers oder Lehensmannes gemalt oder gestickt sind. (Fig. 605.)
Diese Trompetenfahnen erhalten sich in den Heeren bis ins 18. Jahr-
hundert. Erst gegen die 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheinen
die Trompeten in der in Fig. 606 dargestellten Form, in welcher sie
sich im wesentlichen bis auf den heutigen Tag erhalten haben.
Zu den am häufigsten angewendeten Instrumenten in den Heeren
gehört die Pauke und die Trommel. Bei beiden wird der Ton
dadurch, dafs man mit einem Holzstück, dem Schlägel, auf ein ge-
spanntes Kalbfell schlägt. So alt auch diese Instrumente sind, so
finden wir keine Andeutung, die darauf schliefsen läfst, dafs ihre Ver-
wendung in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters eine allgemeine
Fig. 604. Trompete aus einer Miniatur einer Apokalypse des
13. Jahrhunderts, ehemals in der Sammlung ß. Delcssert. Nach Viollct-
le-I)uc.
Fig. 605. Trompete mit Fahne aus einem Manuskripte der
Bibliothek zu Troyes. Nach Viollet-le- Duc.
gewesen ist. Der Umstand, dafs diese Schlaginstrumente in allen ihren
Formen als Tamburin, Pauke, grofse und kleine Trommel in den
Manuskripten des 12. Jahrhunderts zahlreich abgebildet sind, scheint
ein Beweis, dafs die Occidentalen sie von den Orientalen in den
Kreuzzügen übernommen haben.
Im 12. Jahrhundert tritt neben dem Sumber oder Paukenschläger
bereits der Holibläser oder Pfeifer auf und seit dieser Zeit und bis
zur Gegenwart bilden bei der Reiterei Pauke und Trompete, bei den
Fufssoldaten Trommel und Pfeife gemeinsam das Feldspiel. In dieser
Zusammenstellung finden wir sie auch bei den Franzosen und Bur-
gundern im 15. Jahrhundert.
Bocheira, Waffenkuode. 33
Fig. 604.
Fig. 605.
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514
IL Die Angriflswaffen.
In den Landsknechtheeren sehen wir das Feldspiel mit grofser
Wichtigkeit behandelt. Dort bildete sich das Trommelschlagen
zu einer eigenen Kunst aus und es erscheinen zum erstenmal die
einfachen und hübschen Pfeifenmelodien, die sich teilweise noch bis
heute erhalten haben.
Die Trommel der Landsknechtstruppe war ein noch ziemlich
ungeschlachter Gegenstand. Die beiden Fellreife waren von be-
deutendem Durchmesser, der eigentliche Körper der Trommel, der
„Sarg", war von Holz und nach den Wappenfarben des Obersten
oder den Landesfarben angestrichen. In der Reiterei führten in der
Fig. 606.
Fig. 606. Trompete aus dem Turnierbuch des Königs Rene\
15. Jahrhundert. Nach Viollet-lc-Duc.
Regel im 16. Jahrhundert nur die Kürassiere neben den Trompeten
auch Pauken, und wir sehen diese letzteren Instrumente schon damals
mit reich gestickten Stoffen, „Paukendecken", behängt, die in ahnlicher
Form noch bis ins 18. Jahrhundert üblich gewesen sind. (Fig 607.)
Im türkischen Heere waren Pauken und Trommeln schon der
lärmenden Kampfweise wegen von grofser Bedeutung, ja in der Reiterei
hatte im 16. Jahrhundert und vermutlich schon weit früher jetler
einzelne Mann eine kleine Handpauke (tabl) zur rechten Seite an
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F. Die Fahne und das Feldspiel.
515
den Sattelknopf gebunden, welche sowohl beim Marsche, vorzüglich
aber beim Anreiten an den Feind geschlagen wurde. Erst in nächster
Nähe des Angriffszieles wurden unter Geschrei die Säbel gezogen.
Diese Handpauken finden wir bis ins 17. Jahrhundert auch in
den moskowitischen, polnischen und ungarischen Reitertruppen, wie
denn diese Nationen ihre kriegerische Ausrüstung durch Jahrhunderte .
nach orientalischen Mustern zusammenstellten. In Fig. 233 sehen wir
eine türkische Handpauke, die Lazarus Schwendi 1556 erbeutet hatte.
Im dreifsigj ährigen Kriege werden die Trommeln des Fufsvolkes
kleiner im Durchmesser, dafür aber länger und bleiben so bis ins
18. Jahrhundert.
Fig. 607.
Fig. 607. Bedeckte Pauke eines österreichischen Kürassier-
Regiments. Die Paukendecke von grünem Damast mit schwerer Rand-
verzierung in Goldstickerei. In der Mitte der kaiserliche Adler mit den
Wappen von Habsburg- Lothringen im Herzschilde. Um 1750. K. u. k.
Heeresmuseum in Wien.
Die sogenannten grofsen Trommeln bei der Feldmusik waren bei
den Janitscharen schon im 17. Jahrhundert im Gebrauch, durch kroa-
tische Regimenter kamen sie 1743 in die österreichische Armee und
von hier in alle übrigen. Mit ihnen zugleich die Handbecken,
„Tschinellen", die ein untrennbares Anhängsel der Trommeln bilden.
Schon ein Jahrhundert früher und wieder nach türkischen Vor-
bildern gesellte sich zur Trommel und Pfeife des Fufsvolkes das so-
33*
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516
IL Die Angriflswaffen.
genannte „Schellenspiel", das aus einem etwa 1 1ji m. langem Stocke
bestand, der oberhalb mit Schellen und Glöckchen behangen war und
durch einen leichten Schlag mit der Hand im Takte der Musik ge-
spielt wurde. Von diesen Schellenspielen haben sich nur sehr wenige
noch erhalten. Ein Exemplar aus dem Beginne des 17. Jahrhunderts
wird in der Waffensammlung im kaiserlichen Schlosse zu Ambras bei
Innsbruck bewahrt (15 14), ein anderes aus der 1. Hälfte unseres
Fig. 608.
Fig. 608. Vollständiges Kompanie-Feldspiel aus Jacob
Sutors künstlichem Fechtbuch, 1612.
Jahrhunderts findet sich im k. u. k. Heeresmuseum zu Wien. Fig.
608 zeigt uns ein vollständiges „Spiel", aus Trommler, Pfeifer und
Schellenmann bestehend, nach einem Holzschnitte in Jacob Sutors
von Baden künstlichem Fechtbuch von 161 2.
Endlich ist noch eines besonderen Instrumentes zu erwähnen,
welches, als Feldspiel seit alter Zeit in Übung, noch bis in die Gegen-
wart sich erhalten hat, die „Sackpfeife" der hochschottischen Truppen.
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III. Die Turnierwaffen.
Was wir heute unter dem Worte „Turnier" verstehen, deckt nicht
vollständig den in früherer Zeit mit dem Worte verbundenen
Begriff, ja im Laufe der Jahrhunderte ist unter der Bezeichnung „Turnier"
nicht immer ein und derselbe Vorgang verstanden worden.
Unter der Bezeichnung Turnier (turney) verstehen wir allgemein
einen Waffengang im Frieden, ein Kampfspiel. Genau genommen
umfafst der Ausdruck aber ebensowohl einen Ernstkampf zwischen
einzelnen, ein sogenanntes „Gottesgericht", als auch einen ritterlichen
Waffengang zwischen Zweien nach bestimmten Regeln, in dem es
nicht so sehr darauf ankam, den Gegner zu gefährden, als vielmehr
die eigene Geschicklichkeit in der Führung der Waffe vor Augen zu
stellen. Immerhin empfiehlt es sich, der Verständlichkeit halber, für die
genannten Waffengänge die generelle Bezeichnung „Turnier" beizu-
behalten, wenn sie auch der Fachsprache nach nur ganz bestimmten
Übungen zukam.
Die Germania des Tacitus, das Beowulflied und die beiden
Edda enthalten die ältesten Andeutungen über die Liebhaberei der
Deutschen für Scheinkämpfe, ja es scheint sogar aus den Be-
merkungen des Tacitus (Kap. 24) hervorzugehen, dafs die römischen
Kaiser durch diese Leidenschaft der Deutschen zur Einführung der
Gladiatorenkämpfe veranlafst wurden.
Auf diese altgermanische Streitlust geht auch der Ursprung der
Kampfspiele im Mittelalter zurück. Neithart, der Neffe Karls des
Grofsen, erzählt (Lib. III.), wie 844 das Gefolge Ludwigs des Deutschen
und seines Bruders Karl sich in gleiche Scharen teilte und ein Schein-
gefecht lieferte, wobei auch die beiden Prinzen an der Spitze von
jungen Leuten selbst sich in den Streit mischten. Gottfried von
Preuillv (gest. 1066) scheint der erste gewesen zu sein, der für
dieses Kampfspiel zwischen zwei Haufen eigene Regeln aufgestellt
hat. Anfänglich war dafür die Bezeichnung Buhurt üblich, während
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518
III. Die Turnierwaffen.
der Name „Turnier", von tourner, tornare, erst im 12. Jahr-
hundert, und zwar für das Kampfspiel in Scharen bei den Franzosen
auftritt und sich von ihnen auf andere Nationen überträgt. Dieser
Umstand erklärt, dafs von dieser Zeit an die ursprünglichen deutschen
Fachausdrücke im Turnierwesen verschwinden und französische, später
italienische dafür üblich werden. Wie das Turnier deutschen Ur-
sprungs ist, ebenso waren es die Deutschen, die bei der Weiterbildung
desselben in Bezug auf die Manier und Ausrüstung den Ton an-
gaben.
Nicht im Gegensatze zu dem, was allgemein unter „Turnier4*
verstanden wird, sondern als bestimmte Einzelform ist das „Gestech"
(joute, von juxta, treffen) anzusehen, bei welchem nur zwei Gegner
in die Bahn traten, um ihre Geschicklichkeit in der Handhabung der
Waffen an den Tag zu legen.
Sicher war das Gestech, wie überhaupt alle Turnierarten nur
eingerichtet, um die adlige Jugend in der Handhabung der Waffen
und des Pferdes zu üben. In der ältesten Zeit findet sich keine
Spur eines Kampfpreises oder materiellen Dankes für den Sieger;
es genügte diesem vollkommen, den Beweis seiner Tüchtigkeit er-
bracht zu haben. Später, im 13. Jahrhundert, als sich in der Ritter-
schaft das Bestreben nach Vornehmheit und feiner Sitte mehr und
mehr geltend machte und die Verehrung des weiblichen Geschlechtes
den Adligen zur Pflicht wurde, bildete die Anerkennung, der Dank
der Dame, den höchsten Preis für den Sieger. Mit dieser Wendung
im Zusammenhange steht eine bis zum Übermafs reifende Ausbildung
des Zeremoniells, dessen Ausübung von eigenen Fachmännern, den
Herolden, gehandhabt wurde.
In den ersten zwanzig Teilen des Nibelungenliedes finden sich
in Bezug auf das Turnier zahlreiche Bemerkungen, die sich noch aus
der ursprünglichen Fassung des Gedichtes erhalten haben müssen:
denn im 13. Jahrhundert, in welches man allgemein die jetzige Be-
arbeitung des nordischen Epos setzt, hatten die Turniergebräuche
bereits eine Ausbildung erfahren, von der in den Schilderungen der
Turniere im Nibelungenliede noch nichts zu finden ist. Diese Wahr-
nehmung wird bestätigt, wenn man jene Schilderungen mit dem fast
gleichzeitigen „Frauendienst" vergleicht. So begegnen wir dort nirgend*
der Bezeichnung „turnay", die wir im „Frauendienst" häufig lesen
können; wir finden darin längst veraltete Sitten, wie das Abreichen
von Kleidern an den Sieger (X, 4841 — 4842), femer sehen wir die
Verehrung des weiblichen Geschlechtes weitaus nicht so entwickelt,
wie in den höfischen Gedichten des 13. Jahrhunderts.
Zum richtigen Verständnisse des Turnierwesens ist die Kenntnis
der Ausrüstung und der Streitweise, wenn wir sie so nennen wollen,
unerläfslich. Diese Kenntnis ist freilich um so schwieriger zu erlangen,
als sich die äufseren Formen des Kampfspiels bei den verschiedenen
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III. Die Turnierwaffen.
519
Nationen und im Laufe der Zeiten beträchtlich veränderten und sich
ins Unglaubliche vervielfältigten. So war am Ende des II. Jahrhun-
derts das Anrennen der Gegner mit der unter dem Arme gehaltenen
Spiefsstange noch nicht allgemein im Gebrauche. Der Teppich von
Bayeux zeigt uns vielmehr, wie die Kavaliere ihre langen, dünn-
schäftigen Spiefse beinahe alle mit erhobenem Arme, wie die Alten
den Wurfspiefs, das pilum, führen.
Bis ins 14. Jahrhundert blieb die Ausrüstung und Bewaffnung
im Turniere dieselbe wie im Kriege. Im Nibelungenliede spricht sich
der Dichter darüber bei der Beschreibung des Wettkampfes mit
Brunhild aus. Ein Waffenhemd von Seide (dem pfellil aus Libyen,
sicherer wohl aus Spanien), eine feste Brünne, darüber die Eisenplatten,
die „stahelzein", genäht. Die Helme werden aufgebunden. Ein
Schild, von Gold berandet, stark und breit; der „schildvezzel", Schild-
rieraen, war mit Steinen besetzt. Wenn wir in der Erzählung von
dem unter dem Buckel drei Handbreiten dicken Schilde lesen, den
vier der Kämmerer kaum zu tragen vermochten, so läfst uns dieses
nur auf das Bestreben schliefsen, die Schilde zu verstärken, die sich
gegen den Hieb und besonders gegen den Stöfs zu schwach erwiesen.
Wiederholt wird von durchstofsenen Schilden, und von solchen ge-
sprochen, in denen die Spiefs- oder Speerschäfte stecken geblieben
waren. Zu den Stofswaffen sind der Speer und der „ger" oder
Wurfspiefs zu zählen. Die Sättel waren mit Steinen besetzt und mit
goldenen Schellen behangen. Alle diese Merkmale deuten eher
auf die Mitte des 12., als den Beginn des 13. Jahrhunderts, denn
zu jenem Zeiträume waren die Schilde bereits an der Schulter be-
festigt, und man bediente sich nicht mehr des Wurfspiefses, sondern
ausnahmslos der Speere. Die Schäfte waren zu schwach, um mit
ihnen beim Anrennen den Gegner hinter das Rofs zu setzen; man
liest darum in den älteren Teilen des Nibelungenliedes nirgends einen
solchen Fall, wohl aber, dafs die Schafttrümraer wie Spreu in die
Luft flogen. Erst in dem jüngeren Teile, der XXVI. Aventiure, wird
gelegentlich der Erzählung des Kampfes zwischen Gelpfrat und
Hagen erwähnt, dafs letzterer hinter das Rofs gesetzt worden, ersterer
vom Pferde gefallen sei. Dabei lesen wir die bemerkenswerten
Verse:
„Wer in die ros behielte,
Daz ist mir vubechant".
Wir sehen aus dieser Stelle, wie alt die Gepflogenheit ist, in den
Turnieren eigene Leute zur Seite zu haben, deren Aufgabe es war,
die Pferde aufzuhalten und den aus dem Sattel gehobenen Reitern
behende beizuspringen, um die Wucht des Falles zu mäfsigen. Diese
wichtige Hilfeleistung, mit der vom 15. Jahrhundert an eigene ge-
schulte Leute, die „Grieswärtel" betraut waren, wird gleichwohl in den
Turnierbüchern gern verhehlt Ohne sie wären die Gesteche und
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520
III. Die Turnierwaffen.
Rennen des 15. und 16. Jahrhunderts weit gefahr- und opfervoller
gewesen.
Mehr fachlich entwickelt erscheint das Turnier im „Frauen-
dienst" des Ulrich von Lichtenstein, der uns als eine vorzügliche
Quelle für diese ritterlichen Spiele dienen kann. Hier unterscheiden
wir den WarTengang zu zweien, den „tyost" oder das Gestech, von
dem „buhurt", dem „turnay" im engeren Sinne, bei dem die
Gegner in zahlreichen Scharen in die Bahn traten.
Die Ausrüstung und Bewaffnung unterscheidet sich nur sehr ge-
ring von der im Kriege üblichen. Der Wappenrock ist wie die Decke
des Pferdes (parsen) von Leder, beide wohl auch mit Samt von
einerlei Farbe überzogen und mit Schildchen von Eisenblech besetzt.
Halsberg, „spaldenier" (espalderium), der auch bis über die Achseln
reichte, und Beinkleider, „isenhosen", bestanden aus Panzerzeug. Der
Schild von dreieckiger Form scheint etwas kürzer als der im Kriege
verwendete gewesen zu sein. Der schwere Topf heim wird erst nach
vollendeter Wappnung mit seidenen Schnüren aufgebunden. Die
Speere haben bereits kleine Brechscheiben, die dort „speerscheiben"
genannt werden.
Im Tyost zu Tarvis traten Reinprecht von Mureck und
Ulrich von Lichtenstein in die Bahn, jener schlug seinen Speer unter
den Arm — das war die gebräuchliche Art — dieser setzte ihn tief am
Schenkel, „an den diech", an.
Am Beginne des 13. Jahrhunderts ist bereits das Ziel des Waffen-
spieles geändert und bestimmter ausgesprochen. Die Absicht auf
beiden Seiten ist, entweder den Speer kunstgerecht an dem an der
linken Schulter hangenden Schilde zu verstechen, so dafs der Schaft
beim Anrennen zersplitterte, oder den Gegner hinter das Rofs zu
setzen. Für beide Gegner war es im ersten Falle selbstverständlich,
dafs sie den mäfsigen Stöfs „auszusitzen" im stände waren, d. h. nicht
vom Pferde fielen. Für diesen Fall wurde die Stellung zum Anreiten
nahe, der „puneiz" (von poser, ponere, stellen) kurz genommen.
In dem anderen Falle, wo der Stecher die Absicht hat, den Gegner
seine Kraft und Geschicklichkeit fühlen zu lassen oder ihn zu be-
schämen, nahm er seine Stellung entfernter, ,,den puneiz lanc", und
warf ihn mit kunstgerechtem Stofse hinter das Rofs, wobei natürlich
beide Speere gleichfalls zerschellten. Es ist hieraus zu ersehen, dafs
die Speere seit dem 12. Jahrhundert allmählich stärker wurden.
Immerhin aber besafsen sie noch einen 6.5 cm. nicht überschreitenden
Durchmesser und blieben damit so handsam und leicht, dafs sie ohne
Auflager (Rüsthaken) angesetzt werden konnten. Die Knechte Ul-
richs von Lichtenstein führten beim festlichen Einritte jeder 3
zusammengebundene Speere in der Hand.
Wir unterscheiden im 13. Jahrhundert bereits zweierlei Turniere,
das Wanderturnier und das ausgeschriebene. Jenes ist ein zu-
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III. Die Tumierwaffen.
521
fälliges oder absichtliches Begegnen zweier Ritter auf dem Wege, wo-
bei es ohne einiges Speerverstechen nicht abging. Der eine setzte
sich am Wege und forderte den anderen meist unter schwulstigen
Reden und ruhmredigen Worten zum ritterlichen Kampfe auf; er
erscheint hier als der Aventurier. Der andere mufste sich ihm
stellen, als Mantenador. Auf dem Wege hinter Clemun hatte der
Ritter Mathie sein Zelt vor Ulrichs Weg geschlagen, um ihn vor der
Weiterreise zum Stechen aufzufordern ; da mafs er sich mit 1 1 Rittern,
und die Trümmer, „trumzen", der Speere und etliche Schilde lagen
auf der Erde. Das häufig grofse Gedränge des Trosses und des
herbeigeeilten Volkes bewog Ulrich, den Ring des Turnieres abzu-
stecken. Die Ecken eines Rechteckes wurden durch vier in die Erde
gesteckte Paniere bezeichnet, die Linien dazwischen durch 200 Speere
mit Fähnlein in der Farbe von Ulrichs Schild bezeichnet. An
den kurzen Seiten befand sich in der Mitte je ein Eingang, durch
Fig. 609.
Fig. 609. Abbildung eines Gcsteches. Aus dem Codex
Balduini Trevirensis von c. 1330.
welchen niemand reiten durfte, der nicht zum tyost bereit war. Das
war damals eine Neuerung, für die man Ulrich sehr erkenntlich war.
Dieses Wegelagern im Stile des Stegreifritters währte bis ans Ende
des 14. Jahrhunderts, in Deutschland sogar noch bis ins 16. Jahr-
hundert, und es lag in der Natur dieser Zufallsgesteche, dafs bei
ihnen nur solche Waffen benutzt wurden, die auch im Felde ge-
bräuchlich waren, so z. B. die Brusttartschen aus Holz, deren wir
bei Beschreibung der Feldharnische des 15. Jahrhunderts gedacht
haben. Sie bildeten gleichfalls ein wichtiges Ausrüstungsstück. Vergl.
Fig. 187 und 194. (Fig. 609.)
Das ausgeschriebene Turnier wurde, wie es der Name schon
bezeichnet, infolge einer Einladung, die an die Ritterschaft erging,
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522 III. Die Turnierwaffen.
auf einem bestimmten Platze abgehalten. Schon viele Monate vor
dem anberaumten Tage durchzogen Sendlinge oft weit entfernte Länder
und überbrachten vorzugsweise an berühmte Turniergenossen die Auf-
forderung, bei dem ritterlichen Wettkampfe nicht zu fehlen.
Diesen allgemeinen Charakter behielten die Turniere bis gegen
das Ende des 14. Jahrhunderts und die Ausrüstung folgte genau allen
Wandlungen, welche sich bis dahin im Kriege merkbar machen. Erst
um 1350 oder doch wenig früher beginnen die Formen der Aus-
Fig 610. Turnierschwert. Aus dem Livre des toumoirs des
Königs Rene. 15. Jahrhundert. Nach Jacquemin.
Fig. 611. Turnicrkolbcn. Aus dem Livre des tournoirs des
Königs Rene. 15. Jahrhundert. Nach Jacquemin.
rüstung zum Turnier von jener im Kriege sich zu unterscheiden.
Diese Erscheinung erklärt sich daraus, dafs man, um im Turniere
kühn und tapfer zu erscheinen, allgemach auf Mittel sann, den Effekt
Fig. 610.
Fig. 611.
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III. Die Turnierwaffen.
523
für das Auge des Zuschauers zu erhöhen. Wir werden im Verlaufe
unserer Darstellung Gelegenheit erhalten, diesem Streben Schritt für
Schritt zu folgen.
Schon im Verlaufe des 14. Jahrhunderts hatte der Buhurt, nun
Turnier genannt, besonders in Südfrankreich und Italien eine Ver-
änderung dadurch erfahren, dafs die Gegner in der Regel nur einen
Speer verstachen und dann zu stumpfen Schwertern griffen, mit denen
sie sich unter lautem Geschrei, in Deutschland unter dem Rufe:
„Wicha herre, wicha wich!", anfielen, bis eine Partei, von den Streichen
des Gegners erschüttert, sich oft unter Rücklassung von ritterlich Ge-
fangenen für überwunden erklärte.
In Deutschland kam vom Beginne des 1 5. Jahrhunderts an das
sogenannte Kolbenturnier zu Rofs in Gebrauch, das immer nur
zwischen zwei Gegnern ausgetragen wurde. Die Waffen in diesem
Gange bestanden aus stumpfen, aber schweren Schwertern (Fig. 610)
und Kolben. Letzterer, aus hartem Holz gefertigt, hatte eine durch-
schnittliche Länge von 80 cm. Die Handhabe besafs insgemein
einen kugelförmigen Knauf und statt einer Parierstange eine Scheibe
aus Eisenblech oder einen Nodus (Fig. 611). Der Kolben selbst hatte
einen polygonen Querschnitt und verstärkte sich allmählich gegen
das Ende zu.
Diese mächtig wirkenden Waffen waren die nächste Veranlassung
zu einer Veränderung der Helmform beim Turnier zu Rofs, da ein
Schlag mit solchen auf den alten Topfhelm, welcher auf dem Scheitel
aufsafs oder doch mit diesem in Berührung stand, lebensgefährlich
werden konnte. Der neue Helm wurde kugelförmig gebaut, und war so
umfangreich, dafs ihn der Kopf des Mannes nirgends berührte und ledig-
lich auf den Schultern und der Brust aufsafs; desungeachtet wurde der
Kopf des Trägers durch eine dick mit Werg gefütterte Haube, ,,har-
naschkappe", geschützt Zum erstenmal finden wir jetzt die Teile
am Halse und im Nacken eingezogen. Derlei Kugelhelme kommen
in unterschiedlichen Detailformen vor, sehr gebräuchlich waren die
Helme, die aus einem starken Eisengerippe bestanden, worüber ein
Überzug von starkem, gesottenem Rindsleder kam. An der Stelle
des Gesichtes war der Helm offen und dieser Teil durch ein starkes
Gitter aus Eisen und Draht geschützt. Das ganze Scheitelstück war
mit Leinwand überzogen, mit Kreidegrund bedeckt und mit der
Wappenfigur des Eigners in Temperafarben bemalt. Der Hals sowie
der Bart- und Rückenteil bestand aus Eisenblech. Die Befestigung
an der Brust sowie am Rücken, an dem Lentner oder an dem Platten-
harnisch wurde durch Eisenbünder bewirkt, die in entsprechende
Naben eingefügt wurden. Ebenso wie der Topfhelm des 12. und
13. Jahrhunderts, so war auch der Kugclhclm mit einer Helmzier am
Scheitel, dem sogenannten „Zimier", ausgestattet. Die Formen dieser
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524
III. Die Turnierwaflen.
Helmzieren wechselten nach dem Geschmack oder der Laune des
Eigners. Zuweilen finden sich darin in vollplastischer Ausführung die
Wappenfiguren der Eigner wiedergegeben, oft aber eine andere bizarre
Figur, nicht selten Anspielungen an eine geliebte Dame, und selbst
Andenken von solchen, wie Tücher, Handschuhe, Schleier u. dgl.,
werden an den Zimieren angebracht So findet man denn an allen
noch vorhandenen alten Helmen Vorrichtungen zur Befestigung von
Helmzieren, die in einer Röhre oder einem eisernen Stabe bestehen.
Die Anfertigung der Zimiere, der Lederparschen für die Pferde, der
ledernen Rofsköpfe, Rofsstirnen, der Schilde u. dgl., die alle insgemein
bemalt waren, gehörte in den Bereich des Schilterhandwerks. (Fig. 6 1 2
Fig. 6 12.
Fig. 612. Turnierhelm für das Kolbenturnier zu Rofs, bestehend
aus einem Eisengestell, welches mit gesottenem Leder überzogen und in
Temperatechnik bemalt ist. Der vordere Teil ist mit einem Gitter von
Eisenspangen und Draht geschützt. Um 1480. Sammlung Mayerfisch
in Sigmaringen. Nach Suttner, Der Helm.
und 613.) Auch hier zeigt sich das Streben nach Erhöhung des
Effektes, insofern es beim Kolbenturnier vorzugsweise darauf abge-
sehen war, dem Gegner das Zimier vom Helme zu schlagen.
Eine andere Art von Kugelhelmen für das Kolbenturnier bestand
aus geschlagenem Eisen, mit ahnlicher Form des Scheitelstückes aber
mit breitem aufschlächtigem Visier; zuweilen mit bauchig vorgetriebenem
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III. Die Turnierwaffen.
525
Gitter. Derlei blanke Helme wurden zum Schutze vor den Sonnen-
strahlen in der Regel mit Helmdecken getragen, welche unterhalb des
Zimiers befestigt, über den Rücken herabfielen. Diese Helmdecken,
schon im 13. Jahrhundert an den Kübelhelmen häufig in Gebrauch,
waren von Seide oder feiner Leinwand in den Farben des Wappens
des Trägers gehalten und meist an den Rändern ausgezackt (gezaddelt).
Der Brustharnisch, anfänglich von starkem, gesottenen Rindsleder,
mit Nägeln besetzt, als Lentner, hatte beim Kolbenturnier einen starken
eisernen Ring an jeder Seite. An dem linken wurde das stumpfe
Schwert, an dem rechten der Kolben mit starken Hanfschnüren be-
festigt. Später, als der Plattenharnisch in Aufnahme kam, um 1440
Fig. 613.
Fig. 613. Turnierhelm für das Kolbenturnier zu Rofs, ähnlich
dem vorigen, mit röhrenartiger Vorrichtung zur Befestigung des Zimiers.
Um 1480.
pflegte man das Brust- und Rückenstück der Transpiration wegen zu
durchlöchern. An Brust und Rücken schlössen sich vorne die ge-
schobenen Bauchreifen und rückwärts ein kurzer Schurz an. Das
Arrazeug hatte, je nachdem es von Leder oder Eisenblech gefertigt
war, eine verschiedene Form. Von Leder wurden die Achseln kugel-
förmig gestaltet und diese ebenso wie die" Armröhren und Kacheln
durch starke aufgenähte Hanfstricke verstärkt. Die Handschuhe aus
schwerem Rindsleder waren nicht gefingert (Hentzen) und meist der
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526
1IL Die Turnierwaflen.
linke an der Oberseite der Hand wie am Stülp mittelst angebundener
eiserner Scheiben geschützt. Diese waren das Vorbild für die Stiel-
scheiben, die an den Handschuhen der Harnische vom Ende des
15. Jahrhunderts auftreten.
Ging dem Kolbenturnier ein Spiefsbrechen voraus, was nicht
selten vorkam, dann wurde an die linke Seite der Stechschild gehängt
und der Riemen lief über die rechte Schulter und unter dem linken
Arm durch. Die Schildform war verschieden, meist dreieckig, später
aber auch viereckig, konkav gebildet, mit schneckenförmig aufgerollten
Rändern, zumeist heraldisch bemalt oder mit Stoff überzogen. Je
nach Bedürfnis waren sie aus Holz, das mit Leder überzogen wurde,
oder aus Eisenblech gefertigt.
Über dem Harnisch trug der Turnierende häufig ein Hamisch-
röckchen (harnaschhemt) von Seide oder feiner Leinwand in den
Farben des Wappens, oft auch mit den wechselnden Figuren desselben.
Die Beine wurden anfänglich mit Panzerwerk (Mufszeug) geschützt,
die Kniee im 14. Jahrhundert gleich den spitzen Schuhen mit Eisen-
blech. Später bestand der Beinschutz aus Diechlingen, Kniebuckeln,
Beinröhren und Spitzschuhen von Eisen.
Auch die Pferderüstung zeigte im Turnier einige Abweichungen
von jener im Kriege. Schon für das Kolbenturnier und vermutlich
da zuerst, erhielten die Sättel ein erhöhtes Sitzblatt So entstanden
die sogenannten „Sättel im hohen Zeug", damit verfolgte man
die Absicht, dafs der Reiter in der Handhabung der Waffe durch das
Pferd nicht gehindert war. (Fig. 614.) Die Konstruktion des
Sattels war eine derartige, dafs der Reiter nahezu in den Bügeln
stand. Der mit Eisen beschlagene Vordersteg reichte zum Schutze
der Lenden des Reiters sehr hoch hinauf und verbreitete sich
auch stark nach seit- und abwärts. An dem oberen Rande be-
fand sich ein starker eiserner Bügel, um beim Ausfalle dem Reiter
für die linke Hand einen Anhalt zu bieten. Der Hintersteg fehlte
bei derartigen Sätteln zumeist gänzlich, doch umschlofs ein eisernes
Band den» Körper des Reiters derart, dafs dieser nicht vom Pferde
fallen konnte. Der übrige Teil der Pferderüstung war gleich der im
Kriege üblichen, wie wir sie bereits beschrieben haben, nur wäre zu
bemerken, dafs das Pferd stets mit einer Parsche aus schwerem Rinds-
leder bedeckt war; darüber wurde eine Decke gelegt, die auch über
den Sattclsteg reichte und gemeiniglich ganz gleich dem Harnisch-
röckchen mit heraldischen Emblemen ausgestattet war. Das Kolben-
turnier zu Rofs kam am Ende des 15. Jahrhunderte aufser Übung.
(Fig. 615.)
Schon im frühen Mittelalter kommt neben den beschriebenen
Turnierarten unter ganz ähnlichen Zeremonien eine andere vor, die
von diesen wesentlich absticht. Man nannte sie „Kämpfen", später
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III. Die Turnierwaffen.
527
im 15. Jahrhundert mit etwas mehr Emphase „den alten deutschen
Fufskampf". Der Ursprung dieses Fufskampfs zu zweien ist in
den uralten Ordalien der Deutschen, den Gottesurteilen, zu suchen,
bei denen der Unterliegende sein Schicksal mit dem Leben bezahlte.
Bei den späteren Kämpfen dieser Art kam allmählich die religiöse
Grundlage abhanden, sie wandelten sich zu WarTenspielen um, bei
denen die Absicht nicht mehr allein auf die Vernichtung des Gegners
gerichtet war , der Siegespreis vielmehr in der Anerkennung der
WarTentüchtigkeit oder in der Gunst einer Dame gesucht wurde.
Fig. 614.
Fig. 614. Turniersattel im hohen Zeug, für das Kolbenturnicr
zu Rofs. 15. Jahrhundert, 2. Hälfte. Germanisches Nationalmuseum
zu Nürnberg. Nach Leitner, Freidal.
In der That scheint das Zurückgreifen auf eine uralte Sitte, wie sie
der „Kampf", der Zweikampf zu Fufs, im Mittelalter darstellt, keinen
anderen Zweck gehabt zu haben, als das Waffenspiel mannigfaltiger zu
gestalten Bei der hohen Achtung, die man in der Ritterschaft vor
allen alten Gebräuchen hegte, wurde auch der Fufskampf vom Be-
ginne an mit außerordentlicher Wichtigkeit behandelt und strenge
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528
III. Die Turnierwaffen.
Gesetze dafür aufgestellt. Die ganz verschiedene Kampfweise führte
auch zunächst zu einer wesentlichen Veränderung der Schutzwaffe,
aus der sich allmählich die Form des Kampfharnisches heraus-
bildete.
Bei dem Aufkommen dieser Übung scheinen die alten Fecht-
meister, die Markusbrüder, auf die Ausrüstung wie auf das Zeremo-
niell und die Fechtweise einigen Einflufs geübt zu haben, darauf deuten
manche Ähnlichkeiten, die sich in den alten Fechtbüchern wieder-
Fig. 615.
Fig. 615. Herzog Georg von Bayern-Landshut auf dem
Kolhenturnier zu Heidelberg am 18. August 1482. Aus Hans
Burgkmayrs 'furnierbuch. Aquarell von ca. 1554. Im Besitze des
Fürsten von Hohcnzollern - Sigmaringen. Nach Hefner.
finden; man ist aber von diesen Förmlichkeiten später abgegangen,
um praktischere Einrichtungen an die Stelle zu setzen.
In der Abbildung eines Fufskampfes in der Manesseschen Hand-
schrift in Zürich, die um das Jahr 1300 entstand, sehen wir zwei
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III. Die Turnierwaffen.
520
Kämpfer, die ihre Sache in Gegenwart von Damen austragen, die
mit den Händen Beifall klatschen. Für uns ist hier nur Tracht und
Bewaffnung bemerkenswert. Was die Tracht betrifft, so ist das lange
Hemd (später über den Harnisch getragen) als Gewand des Kämpfers
vom frühen Mittelalter an traditionell; es verliert sich erst gegen die
Mitte des 1 5. Jahrhunderts. Die Waffe beider Streitenden ist das stumpfe
Fig. 616.
Fig. 616. Der Minnesänger Wilhelm von Scharfenberg
kämpfend. Aus der Manessischen Bilderhandschrift. Um 1 300. Nach
Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
Schwert, wir finden hier auch ein altes Beispiel der Verwendung von
sogenannten „Faustschilden". (Fig. 616.)
Wesentliche Verschiedenheiten in Tracht und Ausrüstung ge-
wahren wir in einem vom Anfange des 15. Jahrhunderts stammenden
Boebeim, Waffenkunde. 34
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530
III. Die Turnierwaffen.
Bildkodex der Bibliotheque nationale zu Paris, betitelt: Ceremonies
des gages de bataille;*) hier tragen die beiden Kämpfer den voll-
ständigen Plattenharnisch mit einem Helme von kugelförmiger Gestalt
und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd
mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die
bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die
Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspiefs mit zwei runden
Scheiben am Griffe und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)
Gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung
für den alten deutschen Fufskampf eine bedeutende Veränderung.
Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus
dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, son-
dern auch mit Kolben, Ahlspiefsen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen
Spiefsen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst
Fig. 617.
Fig. 617. Ritter im Fufskampf mit Ahlspiefsen. Aus dem
Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille" der Nationalbibliothek
zu Paris vom Anfange des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie mi-
litaire etc.
mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete
Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermäfsig
grofs, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken ange-
schraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die
Absicht erkennbar, zu verhindern, dafs der Helm mit dem Kopfe des
Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Er-
schütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust
ist einmal geschoben, an sie schliefst sich unterhalb ein vielfach ge-
*) Lacroix, P., Vie militairc et religieuse au Moyen-dge. Paris 1873, p. 167.
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III. Die Turnierwaffen.
531
schobener Schurz, sogenannter „Kampfschurz", der nahezu bis an die
Kniee reicht Die Achseln sind geschoben und reichen zum Schutze
der Achselhöhlen bis zur Brustmitte. Das Armzeug ist das gewöhn-
liche der gleichzeitigen Harnische; ebenso sind die Handschuhe mit
spitz geschnittenen Stulpen der Form der Hentzen jener Zeit ent-
sprechend. Das Fufszeug zeigt gleichfalls keine besonderen Formen,
doch reichen die Diechlinge weit über den Schenkel hinauf, die Knie-
beugen sind meist mittelst Folgen geschlossen und die natürlich un-
bespornten Schuhe, welche für sich angezogen werden, erscheinen
schon um 1480, kolbig, gleich den späteren Kuhmäulern oder Bären-
füfsen. So erblicken wir den Kampfhamisch des burgundischen Ritters,
Rates und Kämmerers Herzog Karls des Kühnen, Claude de
Vaudrey, worin derselbe auf dem Turnier zu Worms 1495 von
Kaiser Maximilian I. besiegt wurde. (Fig. 618.) Die Darstellung des
Kampfes mit Fausthämmern ist im Fr ey dal*) enthalten. Aus dieser
ist ersichtlich, dafs über den Harnisch noch ein Röckchen aus Stoff
gezogen wurde. Um den unteren Teil des Schurzes kam häufig das
alte Zeichen der Ritterwürde, der breite Waffengürtel, den wir schon
an der ritterlichen Tracht des 14. Jahrhunderts finden. Eine Be-
trachtung der Form des Harnisches führt weiter zu der Überzeugung,
dafs dem Träger in den Armen eine nur beschränkte Bewegung ge-
stattet war, offenbar um die Gefahr zu mäfsigen, ohne den Effekt
für das Auge viel zu beeinträchtigen.
Zu den Handwaffen des Fufskampfes zählte zunächst der Faust -
schild. Wir sehen einen solchen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts
in Fig. 619. Er hat einen Durchmesser von 32 cm., der Rand ist
aufgeworfen. Etwas innerhalb des letzteren läuft ein eiserner Reif
rings um den Schild, der freistehend nur an starken, stiftähnlichen
Stielen auf dem Schildblatte aufsitzt. Es ist dies ein sogenannter
Klingen länger, seine Bestimmung war, falls es gelang, die Spitze des
Ahlspiefses oder der Schwertklinge in den Zwischenraum des Reifes
zu bringen, diese durch eine Handbewegung einzuklemmen und fest-
zuhalten. An derlei Faustschilden finden sich oft auch 3 — 6 und
mehr konzentrisch angeordnete Reifen. Der Schildnabel ist hoch aufge-
trieben und mit aufgelegten Verzierungen gotischen Stiles ausgestattet. Im
Inneren findet sich ein starker Bügel (A.) zur freien Führung mit der
linken Faust, am Oberrande ein langer Haken (B.), mit dem der
Schild am Schwertgehänge getragen werden konnte. (Fig. 619.)
Neben dem Faustschilde wurden auch in Kämpfen, bei denen
nicht Stangenwaffen geführt wurden, schwere Holzschilde (Pavesen)
und sogenannte Handtartschen gebraucht, welche gleichfalls aus Holz
mit Leinwand überzogen und gleich den ersteren bemalt waren.
*) Bildkodex in der Bibliothek der kunsthist. Sammlungen des kais. Hauses
zu Wien. Quirin v. Leitner, Freydal. Des Kaisers Maximilians L Turniere
und Mummereien. Wien, 1880— 1882.
34*
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532
III. Die Turnierwaffen.
Im 16. Jahrhundert kam der deutsche Fufskampf allmählich
aufser Übung. Dafür kam das weit wirkungsvollere Fufsturnier in
Fig. 6i8.
Fig. 618. Harnisch für den deutschen Fufskampf des
burgundischen Kämmerers Claude de Vaudrey, in welchen gerüstet
derselbe mit Kaiser Maximilian I. am Reichstage zu Worms 1495 sich
mafs. Um 1590. Nach Leitner, Freidal.
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III. Die Turnierwaffen.
533
Aufnahme und zu grofser Beliebtheit, das mit den alten Buhurts
einige Ähnlichkeit dadurch hat, dafs auch hier in Gruppen turniert
wurde; die Gruppen waren aber durch Schranken getrennt. Bei der
schwärmerischen Verehrung jedoch, welche die alten Gebräuche in den
Adelskreisen genossen, fanden Angehörige des hohen Adels es auch in
jener Zeit ihrer Würde angemessen, wenigstens einen Kampfharnisch zu
besitzen, um sich bei einer etwaigen Herausforderung zum Kampfe stellen
zu können. Etwa vom Jahre 1510 an begannen die Plattner die Har-
nische in ganzen Garnituren so einzurichten, dafs einen und denselben
Harnisch durch Veränderung mittelst Wechselstücken ebenso für das
Feld, wie für das Turnier verwendet werden konnte, und um 1560
kam man so weit, dafs ein und derselbe Harnisch auch für den Fufs-
kampf zu verwenden war. Viele Kampf hämische, darunter jener des
Albrecht Achilles, Markgrafen von Brandenburg, Karls V.,
a. Fig. 619. b.
Fig. 619. Faustschild von Eisen mit einfachem Klingenfan ger.
Italienisch. 15. Jahrhundert.
a. Obere Ansicht.
b. Durchschnitt nach der Mitte.
Ferdinands I. und des Erzherzogs Ferdinand von Tirol sind
noch vorhanden. Monarchen bedienten sich der imposanten Kampf-
harnische auch bei Gelegenheit von Festlichkeiten, wie denn auch
Maximilian I. wiederholt in solchen Harnisch gekleidet in H. Burg-
mayrs Holzschnitten erscheint. In diesem Falle benutzte man sie
selbst zu Pferde, zu welchem Zwecke der Kampfschurtz vorne und rück-
wärts bogenförmig ausgeschnitten wurde.
Die Form dieser spätesten Kampf hämische ist, abgesehen von
ihren besonderen Eigentümlichkeiten, des Kampfschurzes, der gescho-
benen breiten Achseln, des fehlenden Rüsthakens, ganz den gewöhn-
lichen gleichzeitigen Harnischen nachgebildet. Häufig finden wir den
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534
III. Die Turnierwaffen.
burgundischen Helm, „der im kragen umbget", nicht selten auch den
an die Brust geschraubten Helm (Fig. 620), aber in einer dem Kopfe
des Trägers angepafsten Gröfse. Sowohl die Armbeugen als die
Kniekehlen sind mit Folgen geschlossen. Verstärkungsstücke kommen
gewöhnlich nur an den Achseln vor. (Fig. 621.)
Wie erwähnt, war die Ausrüstung für das Gestech ursprünglich
dieselbe wie im Kriege. Erst im 14. Jahrhundert bemerkt man einige
Vorkehrungen, namentlich an den Helmen und Schilden (Tartscben),
die auf den besonderen Zweck des Turniers deuten. Eine solche
besondere Ausstattung sehen wir in dem sogenannten Pranckher Helm
Fig. 620.
Fig. 620. Geschlossener Helm zu einem Harnisch für den
deutschen Fufskampf, blank mit geätzten und vergoldeten Strichen und
Emblemen. Deutsche, vielleicht Augsburger Arbeit um 1560. Armeria
Reale zu Turin.
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Fig. 622), der an der linken
Seite der Helmwand durch Filz und eine darübergenietete Eisen-
platte verstärkt ist.
Vom Beginne des 15. Jahrhunderts an erfuhr der Harnisch für
das Gestech eine vollständige Umänderung. Die Sorge Air die Sicher-
heit des Stechers (stickers), das Streben nach äufserlicher Wirkung
und Erhöhung des Effektes waren die nächsten Anlässe dazu, sich
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III. Die Turnierwaffen.
535
zum Gesteche nicht mehr der Kriegshamische, sondern besonderer
schwerer Harnische zu bedienen, die man unter der allgemeinen Be-
zeichnung „Stechzeuge" begreift. Diese Umwandlung erfolgte jedoch
Fig. 621.
Fig. 621. Harnisch für den deutschen Fufskampf späterer
Form mit burgundischem Helm, geschlossenem Arm- und Beinzeug. Aus
der Harnischgarnitur des Erzherzogs Ferdinand von Tirol von 1 547
(siehe Fig. 169).
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5J6
III. Die Turnierwaflen.
nicht bei allen Nationen zu gleicher Zeit und in gleicher Weise, wenn
auch die Formen im allgemeinen Ähnlichkeiten aufweisen. In der
Hauptsache werden zwei charakteristische Typen unterschieden: das
deutsche und italienische Stechzeug. Der weniger bedeutenden
Varianten werden wir später gedenken.
Das sogenannte deutsche Stechzeug (Fig. 623 und 624) besteht
aus folgenden Teilen: Der Stechhelm hat annähernd die Form der
alten Kübelhelme, mit hohen Wänden und ziemlich flachem Scheitel-
Fig. 622.
Fig. 622. Topf heim eines Angehörigen der steirischen Familie
Franckh, von Eisen mit linksseitiger Verstärkung der Helm wand für das
Gestech. Deutsch, 14. Jahrhundert, Mitte. Das Zimier, aus Leder und
vergoldet, ist etwas jünger und stammt aus dem Anfange des 15. Jahr-
hunderts.
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III. Die Turnierwaffen
Fig. 623.
Fig. 623. Deutsches Stechzeug mit aufgebundener Stech-
tartsche des Kaisers Maximilian I. Blank, gekehlt mit gotisch
durchbrochenen Rändern. Der gotisch durchbrochen gearbeitete Luft-
geber an der rechten Helmwand ist von italienischer Form. Deutsch.
Um 1490. Vorderseite.
538
III. Die Turnierwaffen.
stücke, an der vorderen Seite strebt die Hclmwand vor und bildet
den Rand des Sehspaltes. Sowohl am Scheitelstücke, als auch am
Oberrande der Wände finden sich, paarweise angeordnet, mit Messing
Fig. 624.
Fig. 624. Dasselbe Stechzeug von der Rückseite. Bemerkens-
wert sind die sorgfältig gearbeitete Hclmzagelschraube , der Rasthaken
als Gcgenhalt für das Stangenende, endlich der faltig gebildete Gesäfs-
schürz, das Schwänze!.
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III. Die Turnierwaffen.
589
gefütterte Löcher; jene dienen zur Befestigung der Helmzier, diese
zum Anziehen der Lederriemchen der Harnischkappe. Die kurze,
einmal geschobene Brust ist nur vorne und an der linken Seite
bauchig gestaltet, an der rechten Seite bildet sie der Stangenführung
halber eine flache Wand. Der Rücken hat meist die gewöhnliche Form.
Der Helm wird an die Brust entweder mit drei Schrauben oder mit
Kloben befestigt; am Rücken erfolgt die Verbindung durch eine
vertikal stehende Schraube, die Helmzagelschraube. An der
rechtsseitigen Brustwand ist eine schwere Eisenschiene angeschraubt,
deren vorderes Ende an den Rüsthaken stöfct; ihr rückwärtiges
Ende ist nach abwärts gekrümmt und bildet dort den Rasthaken
als Widerlager für die Stechstange. An der rechten Brustseite finden
sich zwei Löcher, zuweilen auch ein starker Ring, durch den die
Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Stechtartsche an die
Brust gebunden wird. Ein birnförmiges Holzstück, durch das die
Stricke gezogen wurden, bildet für die Tartsche die Unterlage. An
die Brust schliefst sich ein Geschiebe, Magenblech genannt, mit
diesem stehen die Bauchreifen in Verbindung, deren Fortsetzung die
geschobenen oder auch steifen Beintaschen bilden. An den Rücken,
dessen Armlöcher weit ausgeschnitten sind, schliefst sich ein Fortsatz
aus Eisenblech, das „Schwänzel" genannt, auf dem beim Gesteche
der Rückteil des Stechzeuges am Sattel aufruht. Die Achseln haften
an den eisernen Bändern der Brust in Federbolzen, sie besitzen zu-
meist vorne nur sehr kleine oder gar keine, rückwärts aber sehr grofse
Flüge. Die Achselhöhlen werden durch manchmal übermäfsig grofse
Schwebescheiben gedeckt, welche an Lederriemen hängen. An
dem rechten Unterarmzeug findet sich zum Schutze der Armbeuge
zuweilen eine breite Stauche, ebenso auch am steifen Unterarm -
zeug der Zügelhand, die in einer Hentze endet. Auf der rechten
Achsel erblickt man öfter einen stielartigen Ansatz; er dient als Halt-
punkt, wenn die Stange beim Eintritt zum Gestech auf der Schulter
getragen wird.
Noch sei bemerkt, dafs zu dem Stechzeuge in der Regel steife,
faltige Schöfschen aus Stoff getragen wurden, welche oft mit künst-
lichen Stickereien geziert waren.
Das Stechzeug ist um so älter, je steiler seine Helm wände laufen,
und um so jünger, je mehr sie sich enger an den Hals ziehen.
Zur Stechzeugausrüstung gehören die Stechtartsche, und die
Stechstange.
Die Stechtartsche, oberhalb rechteckig, unterhalb abgerundet
und etwas nach vorwärts geschweift, breit ca. 40 cm., hoch ca. 35 cm.,
ist aus hartem Holz mit einem Belage von viereckigen, mosaikartig
aneinander gereihten und mit Bolzen angehefteten Plättchen von
Hirschhorn, seltener von Bein gefertigt. Diese Plättchen sollten das
Brechen der Tartsche beim Stofse verhindern. Über das Ganze
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540
III. Die Turnierwaffen.
kommt ein Überzug von geschwärztem Kalbleder. In der Mitte be-
finden sich zwei Löcher, durch die die Hanfstricke gezogen werden,
mit denen die Tartsche an die Brust gebunden ist Beim Gestech
ist die Tartsche mit einem Stoff überdeckt, der in der Regel mit
denselben Farben und dem gleichen Muster wie die Decke des Pferdes
geziert ist (Fig. 625.)
Die Stechstange, von weichem Holze in einer durchschnitt-
lichen Länge von 370 cm. und einer Stärke von ca. 9 cm., trägt an
der Spitze den Krön ig oder das Krönlein. Dieser besteht aus
einer kurzen Hülse, aus der 3 — 4 Spitzen hervorragen. (Fig. 626.)
Nach unten ist die Stange schwächer zugeschnitten und mit einem
1 1
T J
•
ü
^ VvM
1 • J
Fig. 625.
Fig. 626.
Fig. 625. Leichte Stechtartsche. Der LcderUberzug ist ent-
fernt gedacht. 15. Jahrhundert, Ende.
Fig. 626. Schwerer Krön ig für das deutsche Gestech. 15. Jahr-
hundert, Ende.
eisernen Ringe (b) versehen, an den die von rückwärts eingeschobene
Brechscheibe (c) mit Schrauben befestigt wurde. (Fig. 627.)
Aufser den genannten Stücken sind noch zur Ausrüstung zu
zählen: die Harnischkappe, aus doppeltem mit Werg gefütterten
und abgesteppten Zwilch, der an den Rändern noch durch Riemen
verstärkt wird. Die Lederriemchen wurden durch die Löcher des
Helmes gezogen imd an diesem aufsen angebunden. (Fig. 628.)
Aufserdem bringen wir noch die Form eines alten Schrauben«
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III. Die Turnierwaffen.
541
i
Fig. 627.
Fig. 628.
Fig. 628. Harnischkappe als Unter-
lage für den Stcchhelm. 15. Jahrhundert.
Fig. 629.
Fig. 627. Stechstange mit Krönig und Brechscheibe. 15. Jahr-
hundert.
Fig. 629. Schraubenschlüssel für Stech- und Rennzeuge.
15. Jahrhundert.
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542
III. Die Turnierwaffen.
schlüsseis (Fig. 629), eines zum Anlegen des Zeuges notwendigen
Werkzeuges. Endlich, um alles zu erschöpfen, erwähnen wir noch
der Sporen. Diese haben für das Gestech, wie für das Rennen im
„Zeug-' einerlei Form; sie sind aus Eisen gefertigt und zuweilen an
den Aufsenseiten mit Messing überzogen (vennessingt). Die bis 20 an.
langen Hälse, mit den nicht sehr breiten Stegen in gleicher Rich-
tung laufend, sind für diese Waffe charakteristisch. Diese Form ge-
stattete die Anwendung (Hilfe) ohne viele Bewegung des Unter-
schenkels, durch die das Gleichgewicht des Reiters im Sattel hätte
gestört werden können.
Das italienische Stechzeug, das für das sogenannte „welsche
Gestech" berechnete, dessen Gestaltung wir noch zu schildern
haben, weist einige bemerkenswerte Veränderungen auf. Zu-
nächst ist der Stechhelm vorne und rückwärts an Naben befestigt.
Der Oberrand der Helm wände ist zuweilen durch eine umlaufende
Eisenspange verstärkt. An der rechten Helmwand findet sich eine
breite, vierseitige, mit einem Thürchen zu schliefsende Öffnung. Es
ist das Helmfenster, das dazu dient, dem Stecher frische Luft zuzu-
führen.
Die Brust zeigt keine Abflachung an der rechten Seite, sondern
ist eine volle Kugelbrust. In der Regel ist sie mit feinem Damast
überzogen, der mit heraldischen Emblemen in Stickerei geziert ist
An der rechten Seite findet sich ein schwerer Ring zum Anschnüren
der in diesem Falle viereckigen Tartsche. An der rechten Seite der
Brust am Unterrande findet sich ein täschchenartiger Ansatz von
Leder, der mit Stoff überzogen ist. Er dient zum Aufsetzen der
Stechstange beim Einritt, welch letztere weit leichter ist, als jene beim
deutschen Gestech. Die Brust hat an der rechten Seite einen schweren
Rüsthaken, der an Kloben befestigt ist, aber keinen Rasthaken. Der
Rücken, gleichfalls mit Stoff überzogen, ist wie bei dem deutschen
Stechzeug in den Armlöchern stark ausgeschnitten. Die geschobenen
Achseln haben keine Vorder- und Hinterflüge, sondern erscheinen
als Spangröls. Das rechte Arrazeug ist ähnlich dem deutschen,
das linke ist nicht steif, sondern beweglich. Als Beispiel geben wir
das welsche Stechzeug aus der Armeria Real zu Madrid, das
irrig Karl V. zugeschrieben wird. (Fig. 630.)
Das französische Stechzeug jener Periode ist dem italienischen
ähnlich, nur ist der Helm sehr niedrig. Seine Befestigung wird vorne
mittels Kloben, rückwärts durch Riemen bewirkt, die über einige im
Nacken angebrachte Stifte geschlungen werden.
Das englische Stechzeug hat in Bezug auf Helm- und Brust-
formen grofse Ähnlichkeit mit den älteren Feld- und Turnierharnischen
des 14. Jahrhunderts, wie denn überhaupt in England die Umbildung
der Waffenformen sich weit langsamer vollzieht als anderswo.
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III. Die Turnierwaffen.
543
Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine
neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als
das Gestech: das Rennen.*)
Schon aus dem oberflächlichen Vergleiche des Stech- mit dem
Rennzeuge ist zu ersehen, dafs, wie jenes sich aus den alten Har-
nischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von
den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt,
ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint.
Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet
der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit
Schspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten
(Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück be-
festigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher
zur Befestigung des einfacheren Hclmschmuckes, der beim Rennhut
leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn
bestand. Die Brust ist im allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst-
und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter „Bart"
aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt.
An das Magenblech schliefsen sich die Bauch reifen und an diese
die Rennschöfse, die meist geschoben sind. Der Rücken ist ge-
wöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief
ausgeschnitten, dafs er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint.
Am Unterrande des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel
angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deut-
schen Stechzeuge.
Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Renn-
zeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit
halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen
des Rennens näher ins Auge fassen.
Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören:
Die Renntartsche. (Fig. 633.) Sie ist von Holz, an den Rän-
*) Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters de» Markgrafen Albrccht
Achilles von Brandmburg , Ludwig von Eyb , Glauben schenken , so hatte dieser
einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er
sagt in Bezug darauf: „er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geöffnet das rennen mit
dem spieff, denn das vor im selten (sie!) gebraucht was, der hat mit einem seiner
diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit groffer
versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften
dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der Stegen
uff der platten über die achsell, darauff der heim sein ruh hat. Auch die anzug
uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die lieffen
nach, dadurch die stucker hart gestoffen wurden." (Jul. v. Minutoli. Das kais.
Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 51 1.) In diesem
Werke finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nach-
weislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 1 5. Jahrh. neben
Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.
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544 UL Die Turnierwaffen.
dem unterhalb mit Eisenblech verstärkt und mit geschwärztem Kalb-
leder überzogen. Um bequem an die Rennbrust befestigt werden zu
können, schmiegt sie sich in ihrer Form ganz der Form der Brust
und linken Schulter an und ist nur am Unterrande etwas nach vor-
wärts gebogen. Ihre Gröfee ist, je nach der Art ihrer Verwendung,
verschieden. Im Schweif- oder Bundrennen reicht sie nur bis
an den Hals, während sie beim Anzogenrennen sich# bis zum
Fig. 630.
Fig. 630. Italienisches Stechzeug, sogenanntes Welsches
Zeug, aus der Harnischkammer Karls V. Das Bruststück ist mit genue-
sischem Brokat überzogen, das Zeug, sonst blank, teilweise vergoldet.
Arbeit des 15. Jahrhunderts, das Armzeug gehört dem 16. Jahrhundert
an. Das Zeug gehörte wahrscheinlich Ferdinand dem Katholischen
Armeria Real zu Madrid.
Sehspalt des Rennhutes erstreckt. Bei allen Rennen, wo die Stech-
tartsche beim Stofse nicht mit einem „Geschäft" verschen ist, erscheint
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m. Die Turnierwaffen.
545
sie in der Regel mit Stoff von der Farbe und mit den Emblemen
der Rofsdecke überzogen.
Die Rennstange, gemeiniglich leichter als die Stechstange, ist
von weichem Holze, sie besitzt bei einer Länge von etwa 380 cm.
Fig. 631.
Fig. 631. Rennzeug zum Anzogenrennen mit aufgeschraubter
Renntartschc. 15. Jahrhundert, Ende. Vordere Ansicht.
eine Stärke von 7 cm., was einem Gewichte von ca. 14 kg. entspricht.
An dem oberen Ende ist das Scharfe isen angebracht, das aus einer
Boeheim, Waffenkunde. 35
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546 III. Die Turnierwaffcn.
Hülse besteht, auf der eine kurze Spitze sitzt. Die gebrauclüichsten
Formen geben wir in Fig. 634 a — d wieder. Die übrigen Bestand-
teile sind denen der Stechstange gleich; nur wird statt der Brech-
scheibe der sogenannte Brechschild (Garbeisen, Fig. 635 a und b)
Fig. 632.
Fig. 632. Das in Fig. 631 abgebildete Reunzeug. Rückcn-
ansicht.
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III. Die Turnierwaffen.
547
an die Stange geschraubt. Dieser Brechschild hat eine gröfsere Aus-
dehnung und eine Form, der gemäfs er bei eingelegter Stange den
ganzen Arm des Renners bis an dessen rechte Schulter deckt. Der
Brechschild und mit diesem die Stange wird mittels eines Hakens
regiert, der innerhalb desselben angenietet ist und den der Renner
bei eingelegter Stange mit der Rechten ergreift. (Fig. 636.)
Die Harnisch kappe, ähnlich jener am Stechzeuge, wurde auf
den Kopf geschnallt und darüber der Rennhut aufgesetzt, der mit
kleinen Riemchen an jene aufscrhalb festgebunden wurde.
Bei den meisten Renngattungen trug der Renner an der rechten,
oft auch an beiden Händen sogenannte Stutzen aus Eisenblech zum
Schutze des Handgelenkes. (Fig. 637.)
Fig. 633.
Fiß- 633- Renntartsche filr das Schweif- oder Scharfrennen
von Holz, mit Leder Überzogen und mit Eisenplatten verstärkt. 15. Jahr-
hundert, Ende.
Zu den älteren Turniergattungen , die im 15. und am Beginne
des 16. Jahrhunderts üblich waren, gehört das „Tiirnier" im engeren
Sinne, das auch als „Feldturnier" bezeichnet wird. Diese Übung
leitet sich, nach manchen Ähnlichkeiten zu schliefsen, von dem alten
Buhurt ab. Im allgemeinen stimmt sie mit diesem darin überein,
dafs die Parteien in Gruppen und zu Pferde auf die Bahn treten
und weicht nur in Bezug auf die im Laufe der Zeit stark veränderte
Harnischtracht von ihm ab. Zum Feldturnier wurde der gewöhnliche
35*
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548
III. Die Tarnierwaffen.
Feldharnisch verwendet, der nur eine geringe Veränderung darin
zeigt, dafs an die Brust ein steifer Bart geschraubt wird, der nach
oben bis an den Sehspalt reicht. Aufserdem wurden je nach dem
Belieben des Turnierenden Verstärkungsstücke, eine linke Doppelachsel,
ein Doppelkinn oder ein Garde-bras aufgeschraubt. Der Turnier hämisch
ist daran zu erkennen, dafs der Oberrand der Brust des aufzuschrauben-
den Bartes halber keine Wulst hat und in dessen Nähe 2 — 3 Schrauben-
löcher sich finden. Die Bewaffnung bildete der Turnierspiefs; er war
ganz ähnlich dem Reisspiefs, nur etwas kürzer und stärker, und seine
Spitze war dem Scharfeisen ähnlich, nur dünner und schlanker ge-
bildet. (Fig. 638 a— d.)
Für manche Turniergattungen wurde der gewöhnliche, für das
Feld gebräuchliche Rofsharnisch, „das stählin geliger", benutzt. Für
a. b. c. d.
Fiß- 634.
Fig. 634. a — d. Scharfeisenformen.
einzelne Arten, namentlich für das Stechen und Rennen im „Zeug",
kam eine besondere Pferderüstung in Anwendung.
Er war für beide Gattungen im wesentlichen gleich, nur in den
Sattelformen verschieden. Das Kopfgestell, „haubtgstiel", war das
denkbar einfachste * und bestand nur aus rohen Hanfbändem. In
der Regel war das Rofs mit der Stange gezäumt, deren Gebifs jedoch
gebrochen war (Fig. 639); die Zügelriemen erhielten Behänge, in Stoff
und Farbe übereinstimmend mit der Decke. " Über das Pferd wurde
die lederne Pars che gelegt, die Hals und Widerrist deckte; darüber
kam die Rofsdecke aus Leinwand, die auch den Hals und den Kopf
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III. Die Turnierwafien.
540
des Rosses bis zu den Nüstern einhüllte. Auf den Vorderteil des
Kopfes wurde sodann die Blendstirne (Fig. 640), aus starkem Eisen-
blech, geschnallt, die, ohne Augenlöcher, die Augen des Rosses voll-
ständig deckte, „blendt und thört", wie #der Fachausdruck lautete.
Das Blenden des Rosses war eine Vorsicht, um beim Anrennen das
Stutzigwerden oder Ausbrechen des Tieres zu verhindern, da andern-
falls ein sicheres Treffen des Zielpunktes unmöglich geworden wäre.
Das älteste Beispiel einer geblendeten Rofsstirne findet G. Demay in
einem Siegel Johannes' L von Lothringen von 1367.*)
Im folgenden beschreiben wir die vollständigen Ausrüstungen zu
den verschiedenen Gattungen des Gesteches, des Rennens und
des Turniers, wobei wir des besseren Verständnisses halber den
jeweilig beabsichtigten Effekt ins Auge fassen wollen.
a- Fig. 635. b.
Fig. °35- Brechschild zu einem Rennzeuge, blank und gekehlt.
a. Vorderseite.
b. Rück- oder innere Seite mit dem Griffhaken.
Das deutsche Gestech teilt sich im allgemeinen in drei ver-
schiedene Hauptgattungen; in das Gestech im hohen Zeug, in
das gemeindeutsche Gestech und in das Gestech im Bein-
harnisch.
Im Gestech im hohen Zeug bedient sich der Stecher des
beschriebenen Stechzeuges. Die Beine sind ungeharnischt, die Füfse
stecken in schweren, vorne und an den Knöcheln stark gepolsterten,
•) G. Demay, Le costume au moyen-age d'apres les secaux. Paris, 1880.
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550
III. Die Turnierwaffen.
niedrigen Lederschuhen, die auch im Rennen und überall dort benutzt
werden, wo ein Beinharnisch nicht in Verwendung kommt. Das
wesentlichste Merkmal bildet in dieser Gestechsart der bereits beim
Kolbcnturnier erwähnte Sattel, das hohe Zeug, dessen Sitz um ein
Bedeutendes höher liegt, als bei allen übrigen Sattelformen. Der von
Fig. 636.
Fig. 636. Rennstange mit daran befestigtem Brechschilde.
Seitenansicht.
Holz gefertigte und öfter mit Eisen beschlagene Vorderbogen reicht
weit über die Brust hinauf und deckt beiderseits die Beine vollständig.
Ein starkes Eisenband, am Vordersteg befestigt, umschliefst den Körper
des Reiters derart, dafs dem Herabfallen vom Rosse vollständig vor-
Fig. 637.
Fig. 637. Handstutze für den rechten Unterarm eines Renners.
Etwas geöffnet dargestellt.
gebeugt ist. (Fig. 641.) Bei einigen dieser Sättel besitzt der oben
in die Spitze laufende vordere Sattelbogen an den Seiten grofse Hand-
haben zum Anhalten, falls der Stecher durch den Stöfs aus dem
Gleichgewichte kam. Derlei Exemplare finden sich im Germanischen
Museum zu Nürnberg, im fürstl. Hohenzollem'schen Museum zu Sig-
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III. Die Turnierwaffen.
551
maringen, im Zeughause zu Schaffhausen und im Tower zu London.
Das Rofs trügt die Lederparsche, darüber die bemalte Decke, die über
die Beine des Reiters und über den Vordersteg des Sattels gelegt
wird. Der Fürbug der Parsche ist an den Vordersteg angeschnallt.
a. b. c. d.
Fig. 638.
Fig. 638. a — d. Turnierspiefseisen.
Das Rofs ist geblendet. Im hohen Zeuggestech konnte es sich nur
darum handeln, die Stangen an den Stech tartschen zu brechen, da
ein Fällen des Gegners durch die Sattelform ausgeschlossen war.
Fig. 639.
Fig. 639. Reitstange mit messingenen, gebuckelten Scheiben, zu
einer Turnierausrüstung gehörig. 15. Jahrhundert.
Das gemeindeutsche Gestech. Der Reiter trägt das Stech-
zeug, die Beine sind unbewehrt, das Rofs trägt den sogenannten
Stechsattel ohne Rücklehne (Fig. 642), ferner von der Parsche nur
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III. Die Turnierwaflen.
den hinteren Teil (Gelieger). Vorne an der Brust des Pferdes wurde
in dem Stechen nach den Vorschriften Maximilians I. zum besseren
Schutze eine Art Kissen befestigt, ein eigentümlich gestaltetes,
von grober Leinwand gefertigtes und mit Stroh gefülltes Polster, dessen
beide Flügel an den Vordersteg des Sattels geschnallt wurden. (Fig. 643.)
Über das ganze Pferd wurde sodann die bemalte Decke gelegt
(Fig. 644.)
Bei dieser Gestechsart war es die Aufgabe, den Gegner durch
einen gelungenen Stöfs auf die Stechtartsche abzustofsen.
Fig. 640. Geblendete Rofsstirne mit dem habsburgischen
Wappen aus dem Besitze des Königs Ferdinand I. Arbeit des Augs-
burger Plattners Lorenz Helmschmidt. Um 1510.
Das Gestech im Bein ha misch unterscheidet sich, wie "schon
die Bezeichnung ergibt, von den übrigen dadurch, dafs die Stecher
auch an den Beinen vollständig geharnischt auf die Bahn traten.
In der Ausrüstung des Pferdes kommen Varianten vor, insofern
es zuweilen mit dem Kürifssattel mit Rücklehne, meist aber mit dem
Stechsattel ausgerüstet erscheint In dem einen Falle konnte es sich
Fig. 640.
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r
III. Die Turnierwaffen. 553
nur um ein Stangenbrechen, in dem anderen mufste es sich auch
um ein Abstofsen handeln.
Das alte welsche Gestech. Der Reiter ist mit dem welschen,
häufig aber auch mit einem deutschen Stechzeug ausgerüstet, die
Fig. 641.
Fig. 641. Kaiser Maximilian L im deutschen Gestech
im hohen Zeug mit Graf Johann von Werdenberg. Miniatur aus
dem Freidal. Nach Lcitner, Freidal, Tafel 9S.
Beine sind gehamischt, werden aber nicht selten auch unbewehrt an-
getroffen. Das Rofs trägt den Kürifssattel mit Rücklehne, ferner die
Parsche und die bemalte Decke. Der Kopf des Pferdes ist nicht
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554
III. Die Tumierwaffen.
immer geblendet, sondern öfter auch mit einem Rofskopf mit ver-
gitterten Augenlöchern ausgerüstet. (Fig. 239.)
Das welsche Gestech unterscheidet sich von allen übrigen da-
durch, dafs die beiden Gegner durch eine Schranke aus Holz, Dill
(Diele), pallia, getrennt sind. Die beiden Gegner reiten einander ent-
gegen, so dafs ihre linken Seiten der Schranke zugekehrt sind. (Fig.
645.) Die Absicht war in dem welschen Gestech nur darauf gerichtet,
die in diesem Falle bedeutend schwächere eigene Stange auf der
Tartsche des Gegners zu zerbrechen.
Fig. 642.
Fig. 642. Stechsatte 1. Anfang des 16. Jahrhunderts.
„Ich hab das pest gethan, wann ich hab viii stechholz zer-
stossen," schreibt am 4. Februar 1478 Maximilian L an Sigmund von
Prüschenk.
Noch einer Spezialität der Gesteche müssen wir Erwähnung thun,
die in Österreich und dem östlichen Deutschland um 1550 sehr be-
liebt war, und in welchem das Waffenspiel nahe an die Mummereien
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III. Die Turnierwaffen.
555
des Mittelalters streift, des ungarischen Turniers. Merken wir
schon im Frauendienst, dafs die Sucht, sich zu maskieren nach ita-
lienischer Sitte, im 13. Jahrhundert bis zur Geschmacklosigkeit über-
handgenommen hatte, so sehen wir, wie der Hang zum Theatra-
lischen im Waffenspiele auch in den folgenden Zeiten lebendig ist.
Auf die Bewaffnung haben diese aufgeputzten Turniere wenig Einflufs
gehabt. Nur auf den ungarischen Turnieren, die um 1550 Erzherzog
Ferdinand von Tirol in Böhmen, und Kurfürst August I. in Dresden
veranstaltete, werden statt der Stechtartschen ungarische Tartschen be-
nutzt, daneben ungarische Säbel, die nur als Zierde dienten, aber
Fig. 643.
Fig. 643. Stechkissen aus dem Besitze des Kaisers Maximilians I.
15. Jahrhundert, Ende. Im kais. Schlosse Ambras bei Innsbruck auf-
gefunden.
auch eine Art Sporen, die „ungarischen" genannt, von übertriebener
Gröfse und Schwere. (Fig. 646.)
Hatte das Gestech noch so viel ehrwürdiges an sich, dafs sich
kein Turniergenofs wesentliche Abänderungen an seinen althergebrachten
Regeln erlaubte, so war das bei der jüngeren Turnierart des Rennens
ganz anders, ja hier suchte man zur Erhöhung des Vergnügens, je
nach Laune und Gefallen, Ausrüstung und Gebrauch zu verändern.
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556
III. Die Turnierwaffen.
Es finden sich daher an den verschiedenen Höfen eine solche Menge
von Varianten, dafs ihre vollständige Aufzählung einen bedeutenden
Raum in Anspruch nehmen würde, ohne doch die Verständlichkeit
im geringsten zu fördern. Wir beschränken uns demnach nur auf
die Erklärung der Ausrüstung und Technik jener Rennen, welche
sich in dem besten Turnierbuche jener Zeit finden, im Freidal.
Nach diesem für das deutsche Turnierwesen um 1480 mafs-
gebenden Kodex teilt sich das Rennen in folgende einzelne Arten:
1. Das Geschiftrennen, und dieses wieder in das Geschift-
tartschen- und das Geschiftscheibenrennen,
2. das Scharf- oder Schweifrennen,
3. das Bundrennen,
4. das Anzogcnrennen,
5. das Krönl (-rennen), endlich
6. das Feldrennen.*)
Das Geschift rennen. Der Renner ist mit dem Rennzeug aus-
gerüstet. Unter dem Rennzeug wird meistenteils ein stark wattiertes
Wams getragen, dessen gepolsterte Ärmel das Armzeug ersetzen. Die
Beine sind zuweilen geharnischt, öfter auch ohne Beinzeug, dann aber
sind sie an den Oberschenkeln durch sogenannte Streift ansehen
(Fig. 647) oder durch Dilgen (Fig. 648) geschützt, die an Riemen
über den Sattel hängen. Die Sättel sind sehr klein und haben weder
Vorder- noch Hintersteg. (Fig. 649.) Das Rofs trägt die lederne
Parsche, der Kopf ist geblendet.
Beim Geschifttartschenrennen erzielte ein gelungener Stöfs
auf die Renntartsche die Wirkung, dafs diese von der Brust sich
Kiste und mit einer Anzahl von eisernen, keilartig geformten Stücken,
„Schiftkeilen", über den Kopf des Renners weg in die Luft flog.
Diese Wirkung wurde durch einen Federmechanismus hervorgebracht,
der auf der Rennbrustmitte angebracht war. Vor der Renntartsche
befand sich eine Metallscheibe, die mittels eines starken Domes, der,
durch eine Durchlöcherung der Tartsche reichend, mit dem Mecha-
nismus dahinter in Verbindung stand. Zwischen der Tartsche
und der Maschine wurden nun konzentrisch die Schiftkeile derart
eingeprefst, dafs diese durch den Druck, den sie auf die Tartsche
ausübten, den Federmechanismus anspannten, und dieser zugleich die
Keile in ihrer Pressung erhielt Wurde durch den Stöfs der Renn-
stange die Federspannung aufgehoben, dann schleuderten zwei an den
Enden mit Rädlein versehene Hebelarme die Tartsche nach aufwärts
und drei kleinere Hebel befreiten die gespannten Schiftkeile aus ihrer
*) In dem bedeutend später gefertigten Turnierbuch Maximilians L, das von
dem jüngeren H. Burgmayr herrührt, findet sich noch das Pfannenrennen. Das
Anzogcnrennen mit wollenen Kränzen (auf den Häuptern) und das welsch
Rennen in dem Armetin.
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III. Die Turnierwaffen
557
Lage, worauf sie auseinanderprallten. Wir ersehen aus der Beschrei-
bung, dafs alles darauf berechnet war, den Effekt möglichst zu steigern.
Die einzige vorhandene Abbildung eines solchen Mechanismus
findet sich in einem Bildcodex des Armeria zu Madrid von ca. 1544.
Im Geschiftscheibenrennen war der Effekt ein ähnlicher,
der Mechanismus aber ein einfacherer. Hier war über der Rennbrust
und deren Maschine eine grofse Scheibe aus Eisenblech gelegt, die
Fig. 644-
Fig. 644. Stecher im gemein -deutschen Gestech nach Angaben
des Kaisers Maximilian I.
über die ganze Brust reichte und diese mittelst der Keile gespannt.
Beim Auslösen durch den Stöfs blieb die Scheibe an der Brust haften;
nur die Keile, zum Teil durch Federkraft getrieben, flogen, von der
Spannung befreit, nach allen Richtungen in die Luft. Ein Mecha-
nismus für das Geschiftscheibenrennen hat sich in einem allerdings
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558
III. Die Turnierwaffen.
nicht mehr ganz vollständigen Exemplare in den kais. Sammlungen
zu Wien erhalten, wir bringen selben hier in einer Skizze. (Fig. 650.)
Bei beiden unter Geschiftrennen verstandenen Turniergattungen
war die Absicht vornehmlich darauf gerichtet, den Mechanismus
wirken zu sehen, „sollen tartschen haben, das die trümmer in die
hoch springen," heifst es im Triumph Maximilians I. Aber es war
auch, falls der Renner einen stärkeren Stöfs erhielt, dem er nicht
mehr standhalten konnte („besitzen konnte") auf das „Abrennen"
abgesehen.
stech über das Dill (pallia) mit Graf Engelbrecht von Nassau. Miniatur
aus dem Freidal. Nach Leitner, Freidal, Tafel 2.
Das Schweif- oder Scharfrennen. Der Renner ist im Renn-
zeug, ohne Arm- oder Beinzeug. Dieses wird nur selten und aus-
nahmsweise getragen. Das geblendete Pferd trägt über der Parsche
die Decke.
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III. Die Turnierwaffen
550
Im Schweifrennen soll die aus den Haken gehobene Tartsche
ohne Beihilfe eines Mechanismus herabfallen und der Gegner dabei
„abgerannt" werden. (Fig. 651.)
Das Bundrennen. Bei dieser Rennart, welche zu den gefähr-
lichsten gehörte, wurde das Rennzeug mit einer sogenannten Bund-
F"ig. 646.
Fig. 616. Sporn zum ungarischen Turnier. 16. Jahr-
hundert, Mitte.
rennbrust getragen, auf der ein Mechanismus angebracht war, der bei
gelungenem Stofse die darüber gelegte Renntartsche über den Kopf
Fig. 647.
Fig. 647. Streift artsche für den Schutz der Oherschenkel beim
Rennen. 15. Jahrhundert, Ende.
des Renners hinweg in die Luft schleuderte. Da hier der Renner
unter der Tartsche keinen eisernen Bart trug, so konnte eine geringe
Unregclmäfsigkeit leicht Gefahr bringen. Die Tartsche glitt beim Ab-
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560
III. Die Turnierwaffen.
springen mit dem oberen Teile über zwei Spangen (Krippen) hinweg,
die von der Rennbrust bis an den Rand des Rennhutes reichten.
Im Weiskunig heifst es: Er (Maximilian) hat auch under den pundten
vilmal gerennt, da im treffen baid schilt in die höch Sprüngen, das
dann lustig ist zu sehen, Aber sorgklich zu thun." In den kaiserl.
Sammlungen zu Wien findet sich noch ein Mechanismus für das
Bundrennen, der aber gleichfalls nicht mehr vollständig ist.
Anzogenrennen. Der Renner erschien im Rennzeug ohne
Arm- und Beinzeug auf der Bahn. Das geblendete Rofs trug über
der Parsche die Decke. Im Anzogenrennen ist die Tartsche an die
Fig. 648. Fig 649.
Fig. 648. Rechtsseitige Dilge für den Schutz des Ober-
schenkels beim Rennen. 15. Jahrhundert, Ende.
Fig. 649. Kleiner Rennsattel, sogenannter „silla rasa".
15. Jahrhundert, Ende.
Rennbrust ein- oder zweimal fest angeschraubt („anzogen"). Eis war
dabei darauf abgesehen, die Stangen zu brechen und den Gegner
abzurennen. (Fig. 652.)
Das „Krönlrenncn" ist nur eine Variante des vorigen, um
Abwec hselung in die Unterhaltung zu bringen. Bei diesem trat ein
Gegner im Stechzeug einem solchen im Rennzeug entgegen, die Rofs-
rüstung war die in jeder Art übliche; der eine führte eine Renn-
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III. Die Turnierwaffen.
561
stange, der andere einen Krönig. Die Absicht war auf das Brechen
der Stangen wie auf das Fällen des Gegners gerichtet.
Das Feldrennen. Der Renner erschien im Rennzeug mit Arm-
und Beinzeug (wie im Feld) auf der Bahn. Das Rofs, nicht immer
geblendet, trug einen Kürifssattel und die lederne Parsche. Hier war
es blofs auf das Brechen der Stangen abgesehen. Zum Schlüsse der
Turniere „im Zeug" bringen wir in Fig. 653 a und b Abbildungen
der bei selben angewendeten Sporen.
Im Feldturnier, in welchem die Gegner in zahlreichen, geord-
neten Reihen einander gegenübertraten, sollte ein vollkommener Reiter-
angriff wie im Felde dargestellt werden. Hierzu erschien jeder Reiter
im gewöhnlichen ganzen Feldharnisch auf geharnischtem (geliegertem)
Fig. 650. Bruststück mit Federmechanismus zum Geschift-
scheibenrennen. Die Maschine ist insofern inkomplett, als nur der Aus-
löseapparat der gespannten Tartsche hier vorhanden ist. 15. Jahr-
hundert, Ende.
Rosse mit dem gemeinen Reisspiefs in der Hand. Der Vorgang
wird nicht überall in gleicher Weise geschildert. In vielen Fällen war
nur ein Spiefsbrechen beabsichtigt; dann erschienen die Renner ohne
Schwert. Oft folgte aber nach gebrochenen Spiefsstangen ein Angriff
mit dem Schwerte. Ja in einem Feldturnier, das im Turnierbuche
Herzog Wilhelms IV. von Bayern abgebildet ist, erschienen die Renner
mit je zwei Schwertern.
*
Boche im, Waffenkunde. 36
Fig. 650.
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562
III. Die Turtfierwaffen.
Obwohl das jüngste unter den vorher beschriebenen Turniergat-
tuDgen, kann das Fufsturnier, da es noch unter Kaiser Maximilian
in Aufnahme kam, unter die älteren gerechnet werden. Die Gegner
erschienen in gewöhnlichen Feldhamischen , jedoch meistenteils ohne
Beinzeug, mit gewöhnlichen Reisspiefsen bewaffnet, in grofser Zahl auf
der Bahn und bekämpften sich über eine hölzerne Schranke hinweg,
um an ihren Gegnern die Stangen zu brechen. Diese wurden hierbei
mit beiden Händen in der Art der Landsknechte geführt. Jedem
Turnierer war gestattet, fünf bis sechs Stangen zu brechen. Es wurde
Fig. 651.
Fig. 651. Sigmund von Wclspcrg im Scharfrennen, ge-
halten am Weifsen Sonntage 1497 zu Innsbruck. Aus Hans Burgkraayrs
des Jüngern Turnierbuche von ca. 1 554. Im Besitze des Fürsten von
Hohenzollern- Sigmaringen. Nach Hefncr.
strenge darüber gewacht, dafs kein Gegner unterhalb der Beintaschen
getroffen wurde. In der Regel wurde später jedes Stechen oder Rennen
durch ein lebhaftes Fufsturnier eingeleitet, um den Stechern oder
Rennern Zeit zur Rüstung zu gewähren. Dann erst- wurde die
Bahn geräumt und das eigentliche Ritterspiel zu Rois nahm seinen
Anfang.
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III. Die Turnierwaffen.
563
Wenn es auch gegen die Mitte des 1 6. Jahrhunderts noch immer
einige tüchtige Männer gab, welche das Stechen oder Rennen „im
Zeug" als eine ehrwürdige und die einzig wahre ritterliche Übung
ansahen und pflegten, so kam doch das alte Turnierzeug allmählich
aufser Gebrauch. Der im Zeitalter der Renaissance überhandnehmende
Einflufs der Italiener, die von jeher den plumpen Formen des deut-
schen Turniers abhold waren und nur widerwillig eine Zeitlang der
Strömung aber immer in gemildeteren Formen folgten, machte sich
nun auch im Turnierwesen mit aller Macht geltend. Daher kam es
Fig. 652.
Fig. 652. Herzog Wilhelm IV. von Bayern im „Anzogen
rennen", gehalten Mittwoch nach St. Paulstag 1 5 1 2. Aus dem Turnier-
buch Herzog Wilhelms IV. von Bayern. Nach Schlichtegroll.
auch, dafs das deutsche Turnier allgemach verdrängt und ausnahmslos
durch italienische Formen ersetzt wurde. So blieben um die Mitte
des 16. Jahrhunderts eigentlich nur zwei Arten in Übung, das Frei-
turnier, auch „Freirennen" genannt, und das Gestech über das
36 •
564
III. Die Turnierwaffcn.
Dill, „alla pallia", womit die Planke bezeichnet wurde, welche die
Gegner trennte.
Für das Freiturnier war immer nur der gewöhnliche Feldharnisch,
mit einigen Verstärkungsstücken, in Gebrauch. Für das Gestech über
das Dill, für das, wie wir bemerkt haben, anfanglich die Stechzeuge
üblich waren, wurden allmählich leichtere derartige Zeuge gefertigt,
bis diese endlich in die Form der Feldharnische übergingen. Um
1550 unterscheidet sich der Harnisch zum „neuen" Gestech
über das Dill vom Feldharnisch dadurch, dafs an jenem das Brust-
stück keinen wulstartigen Oberrand hat und dafs an das Bruststück
der neue Stechhelm angeschraubt wird, der in seinem Äufseren nur
noch leichte Spuren seiner Abstammung aufweist und mehr dem ge-
schlossenen Helm eines Feldharnisches ähnlich sieht.
1.
Fig. 653.
Fig- 653. Turniersporen.
a. Sporn zum Stech- und Kennzeug mit 21 cm. langen Hälsen.
b. Sporn zum Stech- und Rennzeug mit 17 cm. langen Hälsen.
Beide 15. Jahrhundert, Ende.
War der Harnisch selbst von den Feldharnischen kaum zu
unterscheiden, so wurde er doch unter der Hand der deutschen
Plattner, die ihn mit schweren Verstärkungsstücken versahen, zu
einer plumpen Masse, die deren Träger noch weit beschwerlicher fiel
als das schwerste Stechzeug, weil sich deren Gewicht nicht wie dort
direkt aufs Rofs übertrug, sondern zum gröfsten Teile auf dessen
Körper lastete. (Fig. 654.)
Ein kolossales und gewichtiges Verstärkungsstück bildete die
Doppelachsel, die sich über die ganze Schulter, den Oberarm, den
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III. Die Turnierwaffen.
565
Oberteil der Brust und über die linke Wandseite des Helmes er-
streckte. Ein weiteres, nicht minder plumpes Stück war das steife
linke Armzeug, das mit der Hentze in Verbindung stand, sich über
den linken Ellenbogen verbreitete und dort eine riesige Stauche bil-
dete. (Fig. 655, 656 und 657.)
Edelleute, die italienische Turniere mit Augen gesehen hatten,
wendeten sich bald von der schweren deutschen Ausrüstung ab und
bedienten sich der gewöhnlichen Feldharnische in weit leichterer Aus-
stattung und Verstärkung, wie solche in Italien in Aufnahme gekom-
men waren.
Fig. 654.
Fig. 654. Herr Andreas Welser im welschen Gestech
Über das Dill auf dem Hochzeitsturnier zu Augsburg am 9. Jänner 1 553.
Aus Hans Burgkmayrs des Jüngern Turnierbuch von ca. 1554. Nach Hefner.
Diese Harnische, für das Realgestech oder Plankengestech
kamen um 1540 in Deutschland in Übung.*) Sie erschienen in
*) Nach einer „neuen furm", bemerkt der Hofplattner Ferdinands I. zu Inns-
bruck, Jörg Seusenhofer, in seiner Rechnung über einen dem Erzherzog Ferdinand
von Tirol 1547 gelieferten Harnisch.
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5G6
III. Die TuraicrwafTen.
der Regel in nachstehender Zusammenstellung. Auf dem Haupte ist
der burgundische Helm, seltener bereits der neue Stechhelm, mit links-
seitiger Visierverstärkung üblich. An die linke Achsel wird eine so-
Fiß- 655.
ig« 655. Blanker Harnisch für das neue welsche Gcstcch
über das Dill des Karl Schurff von Schünwert (gest. um X628). Inns-
brucker Arbeit um 1580.
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III. Die Turnierwaffen.
5G7
genannte Stechtartsche (Fig. 658) aus Eisenblech geschraubt, die
sich bis an die Brustmitte erstreckt und unterhalb etwas aufgebogen
ist. Sie bildet das Ziel der Stechstange und ist mit starken Eisen-
Fig. 656. Fig. 657.
Fig. 656. Steifer Bart zu einem Harnische filr das neue welsche
Gestech über das Dill. Italienische Form. Museum zu Zarskoe-Selo.
Fig. 657. Linksseitige Achselverstärkung zu einem säch-
sischen Stechharnische mit angeschraubtem Haken.
Fig. 658.
Fig. 658. Tartsche für das Realgestech mit schwarz geätzten
Verzierungen in den Rautenfeldern. Deutsch. Um 1550.
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568
III. Die Turnierwaffen.
Stäben belegt, die sich gitterartig kreuzen. Diese Verstäbung sollte
verhüten, dafs der Krönig von der Tartsche abglitte. (Fig. 659.)
Weitere Verstärkungen bildet ein Stechmäusel (garde-bras) und eine
Verdoppelung der linken Beintasche. Der gesamte Harnisch bot den
Anblick der Leichtigkeit; nur staken die Füfse zum Schutze vor Ver-
letzungen an der Planke in manchmal plumpen und schweren Eisen -
schuhen, die über die Hamischschuhe angelegt wurden. (Fig. 660.)
Fig. 659.
Fig. 659. Harnisch für das Realgestech, getrieben und mit
geätzten und vergoldeten Verzierungen, aus der Jugendzeit Kaiser Karls V.
Arbeit des Plattners Koloman Helmschmied in Augsburg 1 516. Armeria
Real in Madrid.
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III. Die Turnierwaflen. 569
*
Bald nach der Mitte des 16. Jahrhunderts finden wir, und vor-
züglich am sächsischen Hofe, eine eigene Art Turnierhamische, die
als ein Formengemisch vom alten Stech- und vom Rennzeuge er-
scheinen. Ihrer Hauptform nach Stechharnische für das Gestech über
das Dill, besitzen sie hinwieder Rennhüte, die, damit sie nicht vom
Kopfe abgestofsen werden können, mit dem Rücken durch ein Ge-
stänge verbunden sind. Derlei Zeuge, die in Dresden und einigen
Museen im nördlichen Deutschland noch zahlreich zu finden sind,
dürften der Erfindung eines Plattners am Hofe Kurfürst Augusts I.
ihr Dasein verdanken; sie scheinen eine Zeitlang sehr beliebt gewesen
zu sein. Wir benennen sie zur Unterscheidung sächsische Tur-
nierharnische. (Fig. 661 a und b.)
Der Harnisch für das Realgestech ist als der letzte Turnier-
hämisch zu betrachten. Als auch dieser um 1590 aufser Gebrauch
kam, blieben in den nächsten Jahrzehnten nur noch die Freiturniere
Fig. 660.
Fig. 660. Schwerer Doppelschuh zum Schutze vor der Planke,
einem Lederschuh ähnlich gebildet. Italienisch. Um 1570. Museo
Poldi-Pezzoli in Mailand.
und die sogenannten Scharmützel, die ein Bild des Krieges dar-
stellen sollten, in Übung. Aus Italien kam sodann ein anderes ritter-
liches Spiel, das nur wie eine abgeblafste Erinnerung an das alte
Turnier erscheint, das Ringelrennen (corso all' annello). Es be-
stand darin, dafs die phantastisch aufgeputzten Kavaliere mit langen
Rennstangen (Fig. 662) nach einem an einem erhöhten Punkte an
einem Faden aufgehängten Ringe stachen. Im Stallgebäude zu
Dresden sieht man noch heute die zierlichen bronzenen Säulen,
zwischen welchen die Ringe an Schnüren aufgehängt wurden. Als
um 1700 auch dieses Spiel aufser Übung kam, klang das alte Tumier
des Mittelalters in den Rofsballetten aus.
Lediglich um irrigen Auffassungen zu begegnen, erwähnen wir
zum Schlüsse noch der sogenannten Quintana, franz. quintaine,
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570
III. Die Tumierwafien.
I
engl, quintain. Das Quintanrennen ist keine Turnierform in unserem
Sinne, sondern nur eine Vorübung zum Stechen oder Rennen; ab
solche bietet es keine Eigentümlichkeiten in der Bewaffnung. Es war
lediglich ein Spiel, bei welchem ein Reiter mit dem Spiefs mitten auf
den Schild eines auf einem Pfahl gestellten Gliedermannes treffen
mufste. Dieser Gliedermann war um den genannten Pfahl drehbar;
an dessen ausgestreckten rechten Arme hing ein mit Sand gefüllter
Leinensack. Gelang es dem an der linken Seite des Gliedermannes
a. Fig. 66 1. b.
Fig. 661. Sächsischer Turnierharnisch, blank ohne Ver-
zierungen, mit Rennhut, Hart und Achselverstärkung.
a. Ansicht von der linken Seite.
b. Ansicht von der rechten Seite.
in Galopp anreitenden Kavalier die Mitte des Schildes zu treffen,
dann zerbrach der Lanzenschaft und die Quintana war gemacht.
Fehlte er aber nur um ein geringes, so drehte sich der Gliedermarin
um den Pfahl und der angehängte schwere Sack legte sich im
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III. Die Turnierwaffen. 571
Schwünge unsanft auf seinen Rücken: ein Ereignis, das immer zu
ungemeiner Heiterkeit der Zuschauerkreise Anlafs gab. Die Quintana
ist schon im 12. Jahrhundert nachweisbar und wahrscheinlich zuerst
in Frankreich aufgekommen; in England war sie noch am Ende des
16. Jahrhunderts in Übung. Noch Shakespeare erwähnt ihrer, wenn
auch nur als einer besonderen ritterlichen Übung. Im 1 7. Jahrhundert
trat an Stelle der Quintana das Caroussel, bei welchem Türken-
oder Mohrenköpfe aus Pappe oder Holz von aufgestellten Pfählen
heruntergestochen wurden.
Fig. 662.
Fig. 662. Ringelrenneisen. 17. Jahrhundert, Anfang.
Das Wappen der Schwertfcger Venedigs.
Relief an dem Hause 662 in der Spaderia dort.
14. Jahrhundert, Ende.
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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler
von Waffen.
X. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes
der Waffen.
Das Erkennen der Echtheit einer Waffe ist eine der schwierigsten
Aufgaben für den Sammler, es erfordert nebst einer tüchtigen
Kenntnis der Geschichte ein ungemeines Formenstudium, eine grofse
Geläufigkeit in der Bestimmung der zahllosen Stilvarianten und eine
nicht geringe Kenntnis der alten technischen Herstellungsarten. Dabei
mufs dem Beurteiler ein sicheres Auge zu Gebote stehen, ein Vor-
zug, dessen sich nicht jeder erfreut, der die obigen Bedingungen er-
füllen zu können vermeint. Wenn es nun auch keinem Zweifel
unterliegt, dafs die fortwährende praktische Übung die Fähigkeit zu
einem klaren und richtigen Urteile herbeifuhren kann, so gibt es doch
viele Leute, die dessenungeachtet nie zur vollen Sicherheit in der
Beurteilung alter Gegenstände gelangen, weil ihnen die natürliche Be-
gabung hierzu mangelt. Der Sammler selbst besitzt in der Regel eine
mehr kulturgeschichtliche als fachliche Bildung, die ihn zwar einiger-
mafsen unterstützt, aber doch nicht das sichere Auge gewinnen läfst,
das der Händler, der oft ganz ungebildet ist und sich von einem un-
bewufsten Gefühle leiten läfst, sich auf Grund jahrelanger Beschäf-
tigung mit alten Kunsterzeugnissen anzueignen weifs. Häufig sehen
sich beide betrogen; der Sammler hat in solchem Falle das Falsum
meist auf dem Halse, während der Händler sich desselben auf gute
Manier zu entledigen weifs. In jedem Jahre werden Unsummen für
wertlose Fälschungen verschleudert, und zwar oft von Leuten, die sich
nicht wenig auf ihr Verständnis zu gute thun. Ähnlich verhält es
sich mit der Beurteilung des Preises eines Gegenstandes, sofern es
nicht um den Preis an sich als pretium affectionis, sondern um sein
Verhältnis zu der Seltenheit oder den Kunstwert sich handelt. Der rich-
tige Mafsstab für den Preisansatz auf unserem Gebiete mangelt allent-
halben. So kann noch heute ein geschulter Sammler das wertvollste
uigiuz
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I. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
573
Stück für wenige Goldstücke erwerben, während für gar viele Gegen-
stände von höchst mäfsigem Werte geradezu ungeheure Summen ver-
langt und leider auch bezahlt werden.
Zum Besten der Menschenklasse, die das Fälscherhandwerk treibt,
ist zu sagen, dafs die meisten ihrer Glieder durch das Publikum selbst
auf die unsittliche Bahn gedrängt wurden. Die überwiegend gröfste
Zahl der Käufer nimmt die beste, schönste Imitation alter Kunst-
werke nur dann, wenn sie für „alt" ausgegeben wird. Was will dann
der Erzeuger machen? Über dieses mifsliche Verhältnis haben dem
Verfasser schon viele talentvolle Kunstarbeiter ihr Leid geklagt. Ein
sicheres Mittel, um sich durch die Beteuerungen von der Echtheit
eines Gegenstandes nicht irre leiten zu lassen, bleibt immer die
Gegenfrage: ob der Verkäufer geneigt sei, die Echtheit schriftlich zu
bescheinigen.
Es kann nicht die Aufgabe des Verfassers sein, die zur Beur-
teilung der Echtheit und des Wertes einer Waffe unbedingt nötigen
Disziplinen ins Auge zu fassen. Der aufmerksame Leser wird in den
anderen Kapiteln dieses Buches zahlreiche Anhaltspunkte finden, die
seine Kenntnis des Gegenstandes für diesen Zweck unterstützen; wohl
aber wird es dem Bedürfnisse des Publikums entsprechen, jene Grund-
sätze anzuführen, die, auf der Kenntnis des Gegenstandes fufsend,
maßgebend bleiben müssen, um das Echte vom Falschen unterscheiden
zu lernen, um eine rationellere Basis für den Wert des einzelnen
Stückes zu schaffen und so der heutigen Zerfahrenheit in der Wert-
bestimmung zu steuern.
Beginnen wir mit der Beurteilung der Echtheit eines Gegen-
standes als der ersten Bedingung für dessen Wert, so müssen wir
vorweg den Kardinalsatz aufstellen, dafs jeder angebotene Gegenstand,
der mit den heutigen Mitteln nicht um den geforderten Preis zu
fertigen ist, die Vermutung der Echtheit für sich hat. Dies ist ganz
einfach daraus zu erklären, dafs derjenige, der zu dem Mittel der
Fälschung greift, viel mehr, als mit ehrlicher Arbeit möglich ist, ver-
dienen will. Wenn das nicht erreichbar ist, lohnt sich der redliche
Erwerb besser als der betrügerische. Ist der Preis im Verhältnisse
zum Werte der Arbeit höher, dann treten alle Mafsregeln der Vor-
sicht in ihre Rechte, und es sind dann allerdings unzählige Umstände
zu berücksichtigen, um den Fälscherkniffen auf die Spur zu kommen,
von denen wir nur die bemerkenswertesten hier anführen können.
Vorerst mufs die allgemeine Form zum angegebenen Zeitalter
stimmen ; das ist bei Zuschreibung an bestimmte historische Personen
oder Thatsachen von besonderer Wichtigkeit. Beigaben dekorativer
Natur, Inschriften, Wappen müssen in Form und Technik unver-
dächtig erscheinen, denn oft wird derlei nachträglich selbst an echten
Stücken hinzugefügt, um den Wert zu erhöhen. Jedes Zeitalter hat
seinen eigenen Stil in Schrift und Bild und seine eigene Technik.
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574
IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
Bei Inschriften, Versen u. dgl. ist wohl zu beachten, dafs jede Zeit-
periode ihre eigene Ausdrucksform, ihre poetische Richtung besitzt
Gewisse Sinnsprüche gehören bestimmten Zeitaltem an, und gerade
da wird von den Fälschern am häufigsten gefehlt, die gewöhnlich
bessere Kunstarbeiter als Philologen und Kulturhistoriker sind. Gar
manche Fälschung ist schon durch das einfache Lesen der Inschrift
zu entdecken; man hat dann gar nicht nötig, sich in weitere Unter-
suchungen einzulassen.
Was die allgemeine Form betrifft, so ist es auch dem talent-
vollsten Fälscher 'nicht so leicht, den Kenner zu täuschen; denn oft
verrät die Linie einer Kante, die an echten Stücken mit einer ge-
wissen Empfindung und nach handwerksmäßiger Regel geführt ist
die moderne, ungebildete Hand. Unwillkürlich verleitet die mensch-
liche Natur den Fälscher dazu, es regelmässiger zu machen als die
Alten und der Vorzug wird dann zum Verräter. In Bezug auf Platten-
harnische ist zuvörderst zu bemerken, dafs der alte Hämisch aus
Schlagblcch gearbeitet ist, das aus einem Frischeisenstücke anfänglich
mittels Fallhämmer zu Platten geschlagen, später aber mit flachen
Handhämmem in teils glühendem, teils heifsem Zustande in die be-
absichtigte Form gebracht wurde. Es müssen daher an der nicht
geglätteten Rückseite die Haramerspuren sichtbar sein. Das moderne
Walzblech ist an seinen rinnenartigen Streifen leicht zu erkennen, und
eine Untersuchung mit dem Vergröfserungsglase klärt schnell darüber
auf, ob etwa stärkeres Walzblech blofs mit dem Hammer überarbeitet
wurde, um als Schlagblech zu erscheinen.
Die schwierigste und wenigstlohnende Arbeit für den Fälscher
ist die Brust des Harnisches, die nicht so sehr als Blechstück, sondern
als getriebene Eisenplatte erscheinen soll, besonders aber der Helm
des 16. Jahrh., dessen genaue Herstellung in alter Technik den Lohn
auf ein Minimum herabdrücken würde. Man findet demnach häufig alte
Helme und Bruststücke, die durch Neuhinzufügung aller übrigen Teile
zu einem ganzen Harnisch ergänzt wurden. Eine solche Spekulation
verlohnt sich in der Regel, ist aber leicht zu entdecken, sobald man
einzelne Stücke auf die Farbe des Eisens hin vergleicht. Wenn auch
alles andere sachgemäfs erscheinen sollte, so bilden meist die Nieten
den Verräter, die früher durch Handarbeit und nun durch Maschinen-
arbeit hergestellt werden, die augenblicklich zu erkennen ist. In Paris
befinden sich einige Werkstätten, die Harnische von, oberflächlich
betrachtet, tadelloser Form erzeugen, aber ihre Helme sind Blech-
helme, ihre Bruststücke Blechbrüste. So teuer sie sie sich auch be-
zahlen lassen, sie würden bei Fertigung nach alter Art und in voller
Stärke des Metalls ihre Rechnung nicht finden.
Alte Helme müssen in ihren Konturen den handwerksmäfsigen
Formen der Zeit entsprechen; das ist eine schwierige Aufgabe für
den Falscher. Von etwa 1530 an werden die Kämme immer höher
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I. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
575
und mit dem Scheitelsttick zugleich aus einem Stücke getrieben.
Wie teuer mülste heute der Helm verkauft werdeiL um, so hergestellt,
die Arbeit zu lohnen? Man versucht daher ^Änselben aus zwei
Hälften zu fertigen, die an den Kammrändern sorgfältig zusammen-
geschweifst werden. Derlei Kniffe sind durch sorgfältige Beobachtung
des Innern aufzudecken. Von ca. 1580 an kommen übrigens wirk-
lich Helme vor, die aus zwei Hälften gefertigt sind, so z. B. bestehen
die bekannten Mortons mit den Lilien (Fig. 51) durchweg aus zwei
Teilen. Erschiene endlich an einem Harnische auch alles ohne Verdacht,
dann scheitert die Absicht des Fälschers zuletzt an der Wiedergabe
der Vorstöfse und der Beriemung. Alter Samt und alte Seide ist in
Farbe und Textur dem Kenner geläufig, und die Fertigung des
heutigen Alaunleders ist von der alten sehr verschieden.
Wie an der Bronze die Patina, so wird am Eisen der Rost als
ein Kennzeichen des Alters angesehen, Grund genug für den Fälscher,
dieses Mittelchen bei solchen „grünen" Kauflustigen zu benutzen, die
nicht wissen, dafs das durchaus kein Beweis ist, da es eiserne
Gegenstände von 400- und mehrjährigem Alter genug gibt, die nicht
die geringste Rostspur zeigen. Aber der Rost mufs daran sein; darum
wird zu Salzsäure, Schwefelsäure und anderen Ätzmitteln gegriffen.-
Jeder auf derlei Kundschaft spekulierende Antiquitätenhändler hat zu
diesem Zwecke sein eigenes probates Rezept. Der eine hängt den
betreffenden Gegenstand in den Schornstein, der andere gräbt ihn
in die Erde; der Rost ist ja ein gefälliger Gast, er kommt sicher.
Verdächtig in Bezug auf sein Alter ist aller Rost, der eine lebhaft
rote Farbe hat und sich mit dem Finger wegreiben läfst, ebenso
solcher, der nicht in den Vertiefungen, Brüchen etc. sitzt, sondern
an den flachen, offenen Stellen.
An alten Harnischbestandteilen finden sich häufig Beschädigungen,
welche durch die Waffen Wirkung, durch Stürse und Quetschungen
herbeigeführt sind. Derlei Schäden ahmt der Fälscher mit Vorliebe
an seiner Arbeit nach in der Meinung, diese um so weniger ver-
dächtig zu machen. Da ist denn sorgfältig zu erwägen, ob solche
Beschädigungen an dem Orte, wo sie sich finden, auch wirklich vor-
gekommen sein können; oft trifft man Mulden und Wannen dort an,
wo eine Beschädigung schlechterdings unmöglich ist, z. B. an ver-
tieften Stellen, während die Erhebungen in der Nähe ganz unversehrt
erscheinen. Besonders auf die Ränder richte man das Augenmerk.
Bei echten Gegenständen sind sie immer nur an bestimmten Stellen
durch den Gebrauch abgenützt oder durch Angriffswaffen beschädigt.
Verlegungen und Brüche, die durch Fall herbeigeführt sind, können
nur an Punkten auftreten, welche nach der Form des Gegenstandes
beim Fallen auf den harten Boden treffen. Der Verfasser bekam
jüngst einen Topfhelm zur Ansicht, der am Scheitelstücke von dem
dicksten Eisen rückwärts eine tiefe Grube aufwies, während die weit
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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
schwächeren Helmwände und deren Unterränder, die sonst wohl in
verletztem Zustande vorkommen, vollkommen unversehrt waren. Diese
mit dem ersten Blicke erzielte Beobachtung erregte den Verdacht
einer Fälschung, die sich auch bei weiterer sorgfältiger Untersuchung
durch Kunstfehler im Innern und nicht zum wenigsten durch die un-
mittelbare Herkunft des Stückes sattsam bestätigte.
Indes wagt es der Fälscher nur dem blöden Neuling einen voll-
ständig neugearbeiteten Harnisch als echt und alt anzubieten. Er
greift deshalb lieber zu einem Stück altem Eisen, das er durch Er-
gänzung fehlender Teile und durch Dekorationsmittel wertvoll zu
machen weifs. So ist es ein häufig ausgeführter Kniff, dafs ein alter,
glatter Harnisch in Schwarz-, ja selbst vergoldeter Ätzung verziert
wird. Wer das Mifsverhältnis zwischen der Arbeit an einem gewöhn-
lichen Harnisch und seinem frischen Zierat nicht sofort herausfühlt,
der thut gut, den Stil in der Ornamentation und die Technik einer
Prüfung zu unterziehen. Zur Beurteilung des Stils ist kunstwissen-
schaftliches Studium unentbehrlich. Der Fälscher kopiert oft gute
alte Muster: ein Grund zu weiterer Vorsicht. Das Alter der Technik
ist nicht so schwer zu erkennen. Es kommt uns dabei die Unwissen-
heit des modernen Arbeiters zu Hilfe. Die alten Ätzmaler bedienten
sich nämlich nie oder nur selten eiserner Stifte oder Griffel, um die
Zeichnung in den Ätzgrund einzuritzen, sondern hölzerner und beinerner.
Die moderne Arbeit kennzeichnet sich demnach fast immer durch
feine, wie mit Nadeln gekratzte Striche ohne Kraft und Schwung.
Der Hochätzung weicht der Fälscher meist sorgfältig aus. Der alte
Ätzkünstler besafs zudem in der Bereitung des Ätzwassers eine
staunenswerte Sicherheit. Die Ätzung erscheint in der Regel im
Vergleich zu der gefälschten eher stärker als schwächer. Moderne
Arbeiten sind oft zwei- bis dreimal nachgeätzt. Dieser Kniff, alte,
glatte Harnische mit Ätzungen auszustatten, gibt einer grofsen Anzahl
Leuten reichliches Brot. Derlei Fälschungen betreibt man in Paris,
Nürnberg, München und Stuttgart. Sehr schlechte Leistungen derart
kommen aus Venedig; trotzdem finden sie Absatz in Griechenland
und der Levante. Vergoldung ist unschwer als neue Arbeit zu er-
kennen. Ist sie nur schwach aufgetragen, um als alt zu erscheinen,
dann erscheint sie ungleich; ist sie stark, gleich der alten, dann läfst
sie sich nicht vom Falscher so unverdächtig abreiben, dafs man nicht
die Spuren dieser Arbeit fände.
Aus Spanien, Frankreich und Italien kommen Fälschungen in
Gold- und Silbertausia vor, die einen Nichtkenner leicht zu täuschen
im stände sind, zumal da sie in der That in der Regel sorgfältig und
fleifsig ausgeführt sind. Wir übergehen die Beobachtungspunkte, die
auch bei der Ätzung mafsgebend sind, und halten uns unmittelbar
an die Technik. Der Goldpartikel, der von den alten Tausiatoren
in den Grund der Gravierung eingeschlagen wurde, wurde aus einem
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I. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
577
flachen Stücke Gold mit dem Grabstichel herausgehoben, er war daher
nur kurz und hatte einen eckigen Querschnitt. Moderne Arbeiten
sind mit gezogenem Golddraht geschlagen, die einzelnen Teile sind
länger und heben sich bei nur einiger Nachhilfe leicht aus dem
Grunde heraus. Unter dem Vergröfserungsglase ist zu erkennen, wie
wenig der cylindrische Draht mit dem Grunde in Verbindung steht.
Der Verfasser hat davon einige drastische Beispiele vor Augen ge-
habt. Das Schwierigste aber für den Fälscher ist, dem Eisen den
grauen Ton zu verleihen, der für orientalische und Mailänder Tausia-
Arbciten, für welche die Fälschungen in der Regel gelten sollen,
charakteristisch ist. Die Fälscher begnügen sich auch gewöhnlich mit
einer Bläuung oder einer rötlichen Färbung alla sanguigna, die häufig
fleckig geraten ist. Die am wenigsten Geübten schwärzen das Stück
durch Einlegen in heifse Asche.
Ein ergiebiges Feld für Fälscherkünste bieten getriebene Ar-
beiten und überhaupt Reliefdarstellungen in Metall. Der ungemein
vorgeschrittene Stand der Technik in heutiger Zeit stellt in dieser
Hinsicht technische Hilfsmittel zur Verfügung, die das Original mit
aller Treue wiedergeben. Für getriebene Arbeiten in Eisen wird der
Gufs in Weicheisen, sogenannter Weichgufs, häufig angewendet, der
selbst Nacharbeit mit dem Ziseliermeifsel gestattet. Das Erzeugnis
verrät sich freilich bei der ersten Probe durch sein im Verhältnis
zur Masse übermäfsiges Gewicht. Ferner ist der Gufs an den
scharfen Kanten leicht zu erkennen, so dafs es wunder nehmen mufs,
wenn Personen auf diese Weise thatsächlich getäuscht wurden.
Schwieriger ist es, galvanoplastische Kopien von Originalen zu unter-
scheiden, besonders, wenn die Umstände es nicht gestatten, die Rück-
seiten der Reliefs zu untersuchen. Kann die Rückseite betrachtet
werden, dann ist es ein Leichtes, die galvanische Ablagerung festzu-
stellen; denn die Oberfläche ist in diesem Falle grieslich gestaltet und
von Warzen bedeckt, die nur schwer ganz zu entfernen sind. Ist
man lediglich auf die Prüfung der oberen Relieffläche angewiesen, dann
kommt in Betracht, dafs das galvanisch abgelagerte Metall einen
grofsen Härtegrad und eine gewisse Sprödigkeit besitzt und dafs es
sich in den vorspringenden Stellen immer dichter ablagert als in den
tiefer gelegenen. GrirTbestandteile und silberne Beschläge von orien-
talischen Säbeln u. dgl. werden sehr häufig nachgegossen, und selbst
Emails werden nachzuahmen versucht. Im transluziden Email ist
eine Täuschung schwierig, weil das alte gewöhnlich nicht sehr rein
und meist getrübt ist. Opake Flüsse in Weifs lassen sich leichter
darstellen; die alten zeigen aber oft winzig kleine Blasenspuren, die
an neueren fehlen. Altes Email, das ausgebrochen ist, läfst sich be-
kanntlich nicht mehr im Feuer ersetzen, der Arbeiter mufs hier so-
genanntes kaltes Email zu Hilfe nehmen, eine harzige Masse, die in
mäfsig heifsem Zustande in die Zellen eingestrichen wird. Derlei
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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
Restaurationen erkennt man schon mit dem freien Auge. Im Oriente
und in Rufsland gibt man sich auch oft Mühe, altes Niello darzu-
stellen, das aber in den meisten Fällen durch eine zu grofse Regel-
mäfsigkeit der Zeichnung auffällt; dann ist auch gewöhnlich dasNigellum
bei den heutigen Mitteln gleichmäfsiger verschmolzen und überhaupt
zu tief im Tone.
Alter Anstrich in Ölfarbe unterscheidet sich durch sein Ansehen
von jüngerem und erweist sich als reiner Leinölanstrich. Dicker
Lack mit Zusätzen von Harzen wurde erst im 18. Jahrhundert an-
gewendet.
In betreff der Echtheit von Stein fassungen haben wir bereits
Gelegenheit gehabt, unsere Bemerkungen zu machen. Die Kunst,
Edelsteine in Facetten zu schleifen, drang erst am Ende des vorigen
Jahrhunderts in die orientalischen Länder,*) und man findet selbst an
modernen Arbeiten aus dem Orient rfoch gemugehe Edelsteine. Ob-
zwar schon 1385 Diamantpolierer in Nürnberg genannt werden und
1456 Ludwig von Bcrquen die Kunst erfand, den Diamant mit
seinem eigenen Pulver zu schleifen, so ist es doch bekannt, dafs
Kardinal Mazarin um 1650 die ersten Diamanten in Brillantenform
schleifen liefs, und geschliffene Edelsteine allgemeiner erst am Ende
des 17. Jahrhunderts auftraten.
In neuester Zeit gelangen häufig gefälschte Schwert- und Säbel-
griffe, Scheiden etc. in den Handel, die mit graviertem Nephrit
( Beilstein, i'unamastein) besetzt sind. Die Fälscher benutzen die all-
gemein verbreitete Meinung, dafs Nephrit in rohen Stücken in Europa
nicht in den Handel komme. Aber dieser Halbedelstein, der schon
im Altertume bekannt war und im Mittelalter im Oriente häufig als
Verzicrungsmittel für Waffen diente, wurde schon in der 1. Hälfte
des vorigen Jahrhunderts von Joh. Forster nach Europa gebracht und
seither vorwiegend zu Fälschungen benutzt. Bei der Beurteilung von
derartig verzierten Waffen können lediglich die Formen und die Art
der Bearbeitung des Steines den Ausschlag geben.
Bei Beurteilung von Schnitzarbeiten in Beziehung auf ihr Alter
und ihre Echtheit entscheiden in erster Linie die von dem Geschmack
der Zeit bedingten stilistischen Eigentümlichkeiten. Bei Elfenbein-
arbeiten zeigen sich immer Spuren des Werkzeuges, das in neuerer
Zeit ein anderes ist, als ehedem verwendet wurde. Die Alten ver-
wendeten die Feile nur sehr wenig und begnügten sich mit hobel-
*) Auch die Fassung der Edelstein'* kam aus dem Oriente. Schon im frühesten
Mittelalter kamen E delsteine in regelmäfsigen Körpern geschliffen und auch durch-
löchert vor. Das Verfahren beschreibt uns Theophilus in seiner „Schedula diver-
sarura artium". Einfache FacettenschlitTe und selbst dublierte Edelsteine treten schon
im 1 5. Jahrhunderl auf, immerhin aber vereinzelt und so selten, dafs wir in vor-
kommenden Fällen sehr zur Vorsicht raten. In Brillantcnforin und als Tafelsteine
üadeu wir sie häufig in den Goldschrmedeblättem des Virgil Solis u. a.
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I. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
579
artigen Werkzeugen und Messern, deren Spuren man verfolgen kann.
Bei Polychrornierungen ist zu beachten, dafs die Alten Pflanzenfarben
verwendeten. Auch Holzschnitzereien sind von ähnlichen Gesichts-
punkten zu beurteilen. Es ist ein bestimmter Ausspruch über deren
Alter vom kunsttechnischem Standpunkte um so schwieriger, als die
Imitatoren, die ihr Geschäft in Deutschland fabriksmäfsig betreiben,
hierzu altes, wurmstichiges Holz verwenden, das sie zu diesem Zwecke
überall zusammenkaufen.*) Ungeachtet aller Finesse aber kann selbst
der Holzwurm zum Verräter werden, wenn man nur einige Beobach-
tungsgabe besitzt. Der Holzwurm bohrt eben nicht über Schnitzwerk
hinweg, stellenweise in freier Luft darüberschreitend. Er geht nicht
nach abwärts und quer immer auf längere Distanzen. Fälschung von
Bohrlöchern und Gängen ist endlich doch gar zu leicht zu ent-
decken.
Bei Blankwaffen ist die Zusammenstoppelung verschiedener fremder
Teile zu einem Ganzen am häufigsten anzutreffen, und hierbei machen
sich nicht nur die Händler, sondern auch die Sammler der Fälschung
schuldig. Gar mancher besitzt eine seiner Ansicht nach gute Klinge
und strebt darnach, einen Griff oder eine Scheide dazu zu erhalten,
ob beide nun zusammengehören oder nicht. In solchem Falle ent-
scheidet ebenso der stilistische wie der historische Faktor. Die
wenigsten wissen den Wert und das Alter einer Klinge zu beurteilen,
und legen das gröfste Gewicht auf deren Biegsamkeit, während in
einzelnen Fällen gerade die Unbiegsamkeit für die Güte und die
Zugehörigkeit der Klinge mafsgebend ist. Auch sind nur wenige im
stände, von der Form der Klinge auf deren Meister zu schliefsen,
also den Punkt zu treffen, von dem zunächst der Wert einer Klinge
abhängt. Daher kommt es, dafs fast allgemein das Alter einer Klinge
nicht richtig geschätzt wird und diese durch Mifsverstand mit einer
Fassung in Verbindung kommt, die durchaus nicht zu ihr pafst. In
dieser Beziehung kommen die ungeheuerlichsten Irrtümer vor.
An Gewehren treten fachwidrige und verständnislose Reparaturen
und Ergänzungen am häufigsten auf, und es fehlt auch hier nicht an
ganz sinnlosen Zusammenstoppelungen von alten und neuen Stücken.
Eingelegte Technik an Schälten wird am seltensten gefälscht und je
feiner sie ist, desto seltener. Das kostet Mühe und Zeit und ver-
lohnt sich nicht.
Desungeachtet hat der Verfasser im Laufe seiner Wirksamkeit
zahlreiche eingelegte Gewehrschäfte getroffen, die sowohl in den Ein-
lagen ergänzt, also ausgebessert, als auch ganz neu gefertigt waren,
um für alt ausgegeben zu werden, somit vollständige Fälschungen
•) Der Antiquitätenhändler Spenge 1 in München produzierte auf der Kunst-
und Kunstgewerbe-Ausstellung in München 1876 Holz von alten Deckenbalken,
welche ihm als Material für Imitationen älterer Schnitzwerke dienten. Ein seltener
Fall von Aufrichtigkeit.
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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
darstellten. Aber derlei Nachahmungen sind in ihrer technischen
Ausführung weit von den alten Arbeiten verschieden. Dem Fälscher
von heute fehlt zu seinem Werke die Zeit und auch die Geschick-
lichkeit, seine Partikel so präzise zu schneiden, dafs nach deren Ein-
fügung nicht der geringste Zwischenraum bleibt. Der durch ungenaue
Arbeit sich ergebende Zwischenraum wird dann mit Kitt ausgefüllt;
bei Verwendung von schwarz gebeiztem Holz wird der Kitt mit
Kohlenstaub gemengt. Man halte den Gegenstand gegen das Licht
und man wird die matten Rander sehen, denn der Kitt nimmt
nie den Fettglanz des Holzes an, und wenn ihm durch eine Bei- (
mengung von Graphit Glanz verliehen wird, so bekommt er ein
graues Ansehen. Man untersuche auch die Gravierungen in den
Elfenbeinpartikeln, und man wird sie in den meisten Fällen mit
modernem Öllack eingerieben finden, der sein Fett den Rändern
mitteilt.*)
Schliefslich raten wir denjenigen Sammlern und Liebhabern, welche
zu ihrer Fachkenntnis und ihrem Blicke kein volles Zutrauen besitzen,
sich angelegentlichst über die berüchtigsten Stätten der Fälschung alter
Kunstgegenständc zu unterrichten. Man kann auch auf diesem ein-
fachen Wege auf die richtige Spur kommen. Ist man über die ver-
dächtigsten Werkstätten im Klaren, dann stelle man bei Gelegenheit
eines Angebotes ein wohlgeordnetes Verhör an, das sich auf den
Nachweis der Herkunft zuspitzt. Es ist oft ergötzlich zu sehen, wie
sich der einen Betrug beabsichtigende Händler in die unglaublichste«
Widersprüche verwickelt. Eis fehlt da wie vor Gericht nicht an
geheimnisvollen Unbekannten, an hohen Persönlichkeiten, die den
Gegenstand aus Not veräufsern, aber nicht genannt werden dürfen,
an leisen Hindeutungen, dafs das Stück aus einer grofsen — aber
immer sehr fernen — Sammlung stamme u. dgl. Schliefslich löst
sich der von der Lüge geschürzte Knoten, sobald ein Ort genannt
wird, von welchem das Stück zunächst hergekommen ist; mit diesen,
ist man auf realem Boden, von welchem aus man sicher weite:
schreiten kann. Nach und nach kommt auch ein Name zum Vor-
schein, aus dem man entweder unmittelbar einen Schlufs ziehen oder
über den man durch Erkundigungen sich bald Auskunft verschaffen
*) Wir empfehlen demjenigen, welcher sich über die Praktiken der zahlreichen
Betrüger im Gebiete alter Kunst weiter unterrichten will, das BUchlein „Le Tru-
quage" von Paul Eudel. Der Verfasser hat sich viele Mühe gegeben und e-
steht ihm auch eine ziemlich grofsc Erfahrung zur Seite. Erheblichere Mängel
besitzt das Puch nur nach der kunsttechnischen Seite hin, insofern der Autor übe:
gewisse Verfahrensatton ersichtlich im Unklaren ist. Nichtsdestoweniger wird
der I^escr manch beachtenswerten Wink finden. Noch empfehlenswerter ist die
deutsche Ausgabe des Werkes: ,,Die Fälscherkünstc", Leipzig 1S85, deren Heraus-
geber, Br. Bucher, den Autor des Original Werkes an fachlichen Kenntnissen über
bietet und auch anmerkungsweisc häutig Anlafs genommen hat, irrige Anschau-
ungen zu berichtigen und über schwierige Fragen Auskunft zu geben.
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I. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
581
kann. Einige Sammler üben die Vorsicht, sich den angebotenen
Gegenstand auf kurze Zeit zu erbitten, um ihn von erprobten Kennern
untersuchen zu lassen. Dagegen pflegen sich die Händler sanft zu
wehren, indem sie vorgeben, das Stück nicht aus den Händen lassen
zu können; andere wagen es auf das gute Glück hin, in der Hoff-
nung, dafs auch der Kenner sich täuschen läfst. Legen doch kleine
Händler sehr häufig Museumsbeamten gut ausgeführte Fälschungen
zur Beurteilung vor, um möglicherweise ein günstiges Urteil zu er-
langen und auf dieses gestützt, dem Kunden gegenüber mit Sichei-
heit auftreten zu können.
Was nun die Beurteilung des Wertes einer Waffe, bei der wir
die Echtheit voraussetzen, anlangt, so kommt in erster Linie der
historische Wert, ihre verbürgten Beziehungen zu einer historischen
Person oder einer historischen Thatsache in Frage; dann folgt die
Frage nach dem Meister, nach der Seltenheit "des Stückes an sich,
nach dem Kunstwert der Arbeit, endlich nach dessen Vollständigkeit.
Was nicht unter einem der hier erwähnten Gesichtspunkte Interesse
bietet, ist Ware von geringem Wert, die zwar als instruktives Material
in öffentlichen Sammlungen nicht fehlen darf, aber nur im Zusammen-
hange mit anderem eine waffengeschichtliche Bedeutung besitzt. Die
hier angeführten Gesichtspunkte sollten ebensowohl für den Händler
wie für den Käufer bei der Beurteilung des Preises allein mafsgebend
sein. Das ist indes nicht der Fall, weil unsere geschichtlichen Kennt-
nisse zur Stunde noch zu mangelhaft sind, um für eine angemessene
Normierung der Preise in allen Fällen einen festen Anhalt zu bieten.
Bei der Lückenhaftigkeit unserer kunstgeschichtlichen Erkenntnis
läfst sich eine Waffe nur in wenigen Fällen auf ihren Meister hin
schätzen, überhaupt wird ihr Wert meist unterschätzt. Dem Verfasser
erscheint zum Beispiel ein einfacher Haudegen mit einer zugehörigen
Klinge des Spaniers Alonso de Sahagun oder des Italieners Andrea
Ferraro wertvoller als der zierlichste — ohne Marke; ein Harnisch
mit dem Zeichen des Augsburger Matthäus Frauenbrifs weit kost-
barer als einer des gleichzeitigen Nürnbergers Mert Rotschmied; eine
Arkebuse mit einem Laufe von dem älteren Brescianer Lazaro
Cominazzo viel begehrenswerter als eine selbst künstlerisch schöner
ausgestattete seines jüngeren Landsmannes Giovanni Francino u. s. w.
Die Kenntnis der Meister und ihrer Marken ist im Verkehre noch
nicht ins Konzept aufgenommen worden, weshalb die Grundlage für
die Wertbestimmung noch ganz unsicher erscheint. Vielleicht tragen
unsere Ausführungen und die am Schlüsse gegebene Liste der Namen
und Marken von Waffenschmieden, deren Zusammenstellung zumeist
auf dem eigenen Studium des Verf. beruht, dazu bei, einen sichereren
Mafsstab für den Wert alter Waffen zu schaffen.
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2. Die Aufstellung der Waffen
Die Anordnung von Waffensammlungen mufs sich nach dem Zwecke
richten, welchem sie zu dienen haben. Sind sie in den Händen des
Staates, einer Provinz, einer Gemeinde oder überhaupt öffentlich, dann
mufs die Art der Anordnung der Gegenstände dem Bedürfnisse nach
Belehrung strenge entsprechen. Da hat der Dilettantismus oder das
Streben nach dekorativer Wirkung, mit der so häufig die Unkenntnis
bemäntelt wird, kein Wort mitzureden. Die Vorführung mufs derart
sein, dafs sie den historischen Gedanken festhält, die Entwickelung
des Waffenwesens demonstriert und so nicht nur Material zur Er-
läuterung der politischen, sondern auch der Kulturgeschichte über-
haupt bietet. Die Anordnung mufs also eine chronologische sein,
„beginnend mit dem ältesten Stücke und endigend mit dem
jüngsten". Öffentliche Sammlungen, welche nach anderen Gesichts-
punkten geordnet sind, entsprechen nicht dem wissenschaftlichen
Zwecke, und unter Umständen erscheint eine mehr auf „Bewunderung"
als „Belehrung" abzielende Gruppierung als eine unverantwortliche
Vergeudung des öffentlichen Gutes, der baldmöglichst Schranken ge-
setzt werden sollten.
Halten wir den Gedanken einer strenge chronologisch -synchro-
nistischen Reihung fest, dann gelangt unversehens der einfachste
Gegenstand als ergänzender Teil zu gleicher Wichtigkeit mit den an
sich wertvollsten und seltensten Stücken. Dadurch ergibt sich von
selbst, dafs jedes Stück zwar in fachgemäfser Zusammenstellung er-
scheinen, aber aufser dekorativer Verbindung mit anderen bleiben mufs.
Im nachfolgenden geben wir einige Regeln für die Aufstellung
einer dem erwähnten Grundsatze entsprechenden Waffensammlung.
Ganze Plattenharnische sind auf Figurinen (Gestellen) anzu-
bringen, welche in einfachster Form zu fertigen sind. Man vermeide
es, geschnitzte oder wächserne Gesichter oder Hände beizugeben, die
der Sammlung den Charakter eines Wachsfiguren - Kabinettes geben
würde. Ebenso ist es zweckwidrig, Harnische auf hölzerne Pferde
zu setzen, wodurch die Sättel der Ansicht entzogen werden und vor
der Zeit zu Grunde gehen. Pferdeharnische werden auf Gestelle auf-
gelegt, ebenso halbe Mannsharnische auf Kreuzgestelle gehängt. Kein
Harnisch darf mit einer Angriffs- oder anderen Schutzwaffe in Ver-
bindung vorgeführt werden. Derlei Zusammenstellungen führen nur
zu irrigen Anschauungen und verleiten unwillkürlich zur Erzielung von
theatralischen Effekten. Ein Harnisch ist eben nur ein Harnisch, und
es darf niemand einfallen, sich bei dessen Anblicke einen in Eisen
gekleideten Menschen, etwa einen alten Helden mit gezücktem
Schwerte u. dgl. zu denken. Das ist eine romantische Spielerei. Die
ihrem historischen Werte oder ihrer Form nach interessantesten An-
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2. Die Aufstellung der Waffen.
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griffswaffen sind dem Auge nahezurücken, daher auf am Boden
ruhenden Gestellen anzubringen. Duplikate und sonst minder bedeut-
same Stücke, Schwerter, Degen, Stangenwaffen mit nicht vollkommen
erhaltenen Schäften u. dgl. können dagegen, im Falle es an Platz
mangelt, auf Waffenbretter " gruppiert, an den Wänden zur Ansicht
gelangen; doch soll jedes Stück so angebracht sein, dafs es im Be-
dürfnisfalle leicht und schnell herabgenommen werden kann. Fahnen
müssen vollkommen entfaltet an den Wänden oder in den Saalmitten
hängend angebracht werden. Alle Drapierungen sind zu vermeiden.
Gegenstände von geringen Dimensionen, aber von an sich bedeuten-
derem Kunstwerte, von gröfserer Seltenheit und solche subtilerer Struktur
sind in Glaskästen zur Schau zu stellen, die, freistehend, den Gegen-
stand von allen Seiten zu betrachten gestatten. Sie müssen immer
so gestellt werden, dafs das Licht von den Fenstern nicht diametral
auf die Glasscheiben fällt
Diese Forderungen sind unabweislich an Staats- und öffentliche
Sammlungen zu stellen; ein anderes ist es aber bei privaten Kollek-
tionen. Bei diesen entfällt selbstverständlich jede Forderung, denn jeder
hat das Recht, seinen Besitz nach seinen eigenen Anschauungen zu
ordnen. Wir hätteD demnach die Pflicht, an dem Privatbesitze
stumm vorüberzugehen. Wenn wir dennoch über die Ordnung privater
Waffcnsammlungen uns einige Winke zu geben erlauben, so sind wir
dazu aus dem Grunde veranlagt, dafs eine nicht geringe Anzahl von
Besitzern wertvoller Sammlungen, die diese, von humansten Gefühlen
beseelt, dem Publikum eröffnet haben, nicht abgeneigt sind, ihre
eigenen Anschauungen mit dem Bedürfnis der Belehrung in thunlichsten
Finklang zu bringen. Zudem haben wir die Überzeugung gewonnen,
dafs fast jeder Sammler von Waffen sachgemäfsen Urteilen über die
Art der Aufstellung gerne das Ohr leiht, sei es auch nur, um einzelne
Winke zu beherzigen und sich nach ihnen zu richten.
Jeder einzelne Sammler pflegt nach bestimmten Richtungen zu
sammeln, und so trägt jede private Waffensammlung ihren eigenen
Charakter an sich. Die grofse Masse privater Sammler gellt lediglich
von der Absicht aus, mit älteren Waffenstücken dekorative Effekte zu
erreichen. In dieses Streben mengen sich oft dunkle, romantische
Empfindungen, mit welchen man sich in eine vergangene Zeit hinein-
träumt, als Gegensatz zu der schal erscheinenden Gegenwart. Das
sind freilich Passionen, mit denen wir hier nicht zu rechnen haben
und denen gegenüber wir nur Andeutungen geben können, wie ihnen
nachzugehen wäre, ohne dem Gegenstande selbst, der Waffe, Gewalt
anzuthun. Vor allem vermeide man es strenge, mit Harnischen andere
Waffen in Verbindung zu bringen, welche weder aus derselben Zeit
stammen, noch zum Gegenstande stimmen. So sieht man z. B. häufig
Zweihänder in die Handschuhe von Reiterharnischen geklemmt, die,
wie wir gesehen haben, nur von gemeinen Knechten zu Fufs gc-
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IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
führt wurden. Oft hängt an den Hüften eines Turnierharnisches des
1 6. Jahrhunderts ein zierlicher italienischer Stadtdegen mit doppeltem
Eselshuf, oder es ist einem schweren Stechzeuge eine Helmbarte in
die steifen Hentzen gedrückt. Derlei Widersprüchen und Anachro-
nismen begegnen wir in Hülle und Fülle. Ganz unzweckmäfsig ist
es ferner, in verschwenderischer Weise kostbare Waffen, zu sogenannten
Trophäen gruppiert, hoch an die Wände zu nageln, da man mit
den prunklosestcn Stücken genau dieselbe Wirkung erzielen kann.
Unten an die Wände gestellt, auf Tische oder Kästen gelegt, erfüllen
sie weit besser den beabsichtigten Zweck. Fahnen mit in Falten
herabhängenden Blättern aufzustellen, sollte vermieden werden. Sie
müssen, wie es schon in alten Zeiten geschah, mit horizontalen
Schäften an das Gewölbe gehängt werden, so dafs die Blätter glatt
herabfallen. Turnierzeug ist immer von den Feldwaffen und womög-
lich räumlich zu trennen, ebenso die Jagd- und Zielwaffen, wie auch
orientalische Gegenstände, da diese einem besonderen Kulturgebiet
angehören.
Ein wichtiges Kapitel im Sammelwesen betrifft die Ergänzungen
von unvollständigen Stücken. In öffentlichen Sammlungen ist jede
Ergänzung dieser Art unstatthaft. Man kann, statt ein schadhaftes
Stück zu ergänzen, lieber ein gutes Bild, selbst eine Imitation vor
Augen stellen, auch den Gebrauch desselben bildlich darstellen; das
schadhafte Original mufs aber bleiben, wie es ist, weil in den meisten
Fällen jede moderne Zuthat einer Schädigung desselben gleichkommt.
Bei Sammlern ist das Streben, etwas Vollständiges zu besitzen, freilich
zu grofs, als dafs nicht allenthalben solche Ergänzungen vorkämen,
die das Auge des Kenners doch nicht täuschen. Was kann man da
nicht alles sehen! Harnische werden mittels Papiermache oder Blech
vervollständigt, Stangen an Spiefsen und Helrabarten neu gemacht,
Löcher in Fahnenblättern werden mit Stoff überklebt und roh mit
Farben überklext. In Schwert- und Degengriffe werden Eisenstücke
eingestofsen, die aus der Entfernung als schöne Klingen erscheinen
.sollen. Nicht selten wird aus zwei unvollständigen Stücken ein ganzes
gemacht, und der Eigentümer hat eine Herzensfreude über das ver-
meintlich gelungene Werk. Von solchem Vorgehen möchten wir
dringend abraten. Der Eigentümer denkt oft nicht daran, welchen
Schaden er eines besseren dekorativen Eindruckes wegen einer wert-
vollen, wenn auch unvollständigen Waffe zufügt. Da ist es ratsamer,
um wenige hundert Mark die ganz trefflich ausgeführten Abgüsse von
Zierwaffen des Stolbergschen Eisenwerks in Ilsenburg oder gute
galvanoplastische Kopien von Haas in Wien etc. zu kaufen, die für
eine Dekoration vollauf ihre Dienste thun.
Manche Schlofsherrcn besitzen auf ihren Stammsitzen zahlreiche
Waffenstücke, die nicht bei Antiquaren und Trödlern zusammengekauft,
sondern seit Jahrhunderten von Generation auf Generation vererbt
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3. Einige Worte über die Erhaltung der Waffen.
worden sind. Bei derlei Materiale fordert es die Pietät, es in Ehren
und unverletzt zu erhalten. Aber gerade diese Pietät führt oft zu
den empfindlichsten Schädigungen kostbarster Sammlungen, denn hier
waltet oft uneingeschränkt der sicher zerstörende Rost, der Grünspan
und die Fäule. Häufig in feuchten Gewölben untergebracht, gehen
die schönsten Stücke ihrem Verderben weit vor der Zeit entgegen»
Gerade für solche Sammlungen würde sich eine Übersiedelung in
lichte, trockene Räume und eine chronologische Aufstellung empfehlen,
denn die Pietät äufsert sich nicht allein in der substanziellen Bewah-
rung, sondern in der Fürsorge für die Erhaltung und in einer ebenso
würdigen als zweckmäfsigcn Aufstellung. Derlei Arbeiten lassen sich
auch auf mehrere Jahre verteilen. Auch in diesem Falle mufs man
von dem Gedanken absehen, statt Harnischen geharnischte Männer,
statt Rofszeugen geliegerte Pferde u. s. w. vor Augen stellen zu
wollen. Das kostet viel Geld und lenkt die Aufmerksamkeit von dem
eigentlichen Gegenstande ab, der gar oft nicht unbedeutenden Wert
besitzt und mit der Geschichte des Schlosses, in dem er sich befindet,
in engen Beziehungen steht.
Wer aber nur wenige, aber künstlerisch wertvolle, schöne und
seltene Stücke besitzt, der verzichte darauf, sie vereint aufzustellen
oder gar zu gruppieren. Der lege sie, wenn die Gegenstände es
erlauben, auf Tische, Etageren und Kommoden in seinen Wohn-
zimmern, stelle Harnische an geeigneten Punkten auf dem Boden
auf, breite Fahnen gleich Arazzis an die Wände; da werden sie zum
Schmucke der Räume beitragen und* der Bewunderung des kunst-
verständigen Fachmannes, welcher als Gast eintritt, nicht entgehen.
3. Einige Worte über die Erhaltung der Waffen.
Zur Erhaltung der WafTen in einem Stande, welcher einen vor-
zeitigen Ruin ausschliefst, ist in erster Linie die Räumlichkeit in Er-
wägung zu ziehen, in der sie aufbewahrt werden. Das Hauptmatcrial,
aus welchem die Waffen bestehen, ist das Eisen, aber oft ein mangel-
haft ausgeschlacktes, unreines und mit anderen Mineralien versetztes,
namentlich schwefeliges Eisen. Darum ist die Wahl des Lokales
mit besonderer Vorsicht vorzunehmen. Selbstverständlich ist es,
dafs der Raum vollkommen trocken sein mufs und womöglich nicht
an der Sonnenseite gelegen ist. Überdies ist aber unerläfslich, dafs
die äufsere Temperatur nicht unmittelbar auf das Innere zu wirken
vermag. Das ist besonders im Frühjahre von Wichtigkeit, wenn die
ersten wärmeren, sonnigen Tage beginnen; da ist Sorge zu tragen,
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586
IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
dafs die innere kalte Luft sich nur allmählich und so langsam als
möglich erwärme, weil der plötzlich eindringende warme Luftstrom
sich im Augenblick kondensiert.
Hat man dieser Hauptbedingung genügt, sodafs sich der für
die Aufbewahrung von Waffen bestimmte Raum in einer möglichst
gleichen Temperatur im Winter wie im Sommer erhält, dann werden
die darin aufgestellten, ursprünglich gut gereinigten Waffen stets in
klaglosem Zustande bleiben, und man wird nur in längeren Zeiträumen
einmal eine eingehende Durchsicht vorzunehmen haben, um die durch
die natürliche Feuchtigkeit der Wände etwa entstandenen Rostansätze,
die sich oft nur durch winzige, braune Pünktchen ankündigen, durch
Befeuchten mit öl zu entfernen. Dabei mufs der Grundsatz beobachtet
werden, dem Rost schon im ersten Entstehen zu begegnen.
Eine zweite unerläfsliche Bedingung zur rostfreien Erhaltung der
Waffen ist, dafs das Berühren derselben mit den blofsen Händen
möglichst vermieden und dafs eine Waffe, die berührt wurde, nach-
traglich mit einem trockenen, weichen Tuche abgewischt wird. Es
bedarf wohl keiner Erwähnung, dafs man es vermeiden mufs, Waffen -
Sammlungen in feuchten Kleidern zu betreten oder die Fufsböden
mit Wasser zu reinigen.
Man hat schon im 17. Jahrhundert die Gegenstände der Rüst-
kammern mit dünnem Firnis überzogen, um sie rostfrei zu erhalten.
Das gibt dem Eisen aber ein häfsliches Ansehen, ohne viel zu nützen.
Ebenso ist das Einfetten des Eisens eher schädlich, weil jedes Fett
nach einiger Zeit ranzig wird und Säuren bildet, die gerade das
Entstehen des Rostes befördern. In einem gleichmäfsig temperierten
Räume kann man das Eisen ohne jeden Überzug lassen.
Jeder neuübernommene Gegenstand mufs bezüglich seines Zu-
standes auf das genaueste untersucht und darf nicht früher in die
Sammlung eingereiht werden, als bis er vollständig rostfrei gemacht
worden ist.
Das Befreien des Eisens von Rost ist, wenn es in angemessener
Weise und ohne Schädigung des Materiales vorgenommen werden soll,
keine ganz einfache Sache, es erfordert aufserordentliche Sorgfalt und
vor allem Geduld. Was oft in Jahrhunderten sich entwickelt hat,
soll man nicht in Minuten vom Platze schaffen wollen. Vorerst ist
zu beurteilen, ob das Oxyd bereits den Körper und bis zu welchem
Grade angegriffen hat, oder ob es^ in nur geringem Grade schädigend
die Oberfläche deckt. Jeder Rost mufs aber unbedingt entfernt
werden, hätte er auch noch so zerstörend auf das Material gewirkt.
Das Mittel, um Eisen von Rost zu befreien, ist einfach und all-
gemein bekannt, weniger die Methode. Man befeuchtet die Roststelle
stark mit frischem, reinen Öl, ohne im mindesten zu reiben oder
gar sich des Schmirgels zu bedienen. Jeder Rost löst sich in Öl all-
mählich auf; es ist darum nichts weiter zu thun, als das aufgetragene
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3. Einige Worte über die Erhaltung der Waffen.
587
Öl nach einigen Tagen einfach wegzuwischen, frisches aufzutragen
und damit so lange geduldig fortzufahren, bis die rotbraune Kruste
vollständig aufgelöst und entfernt ist. Zeigen sich unterhalb schwarze
Flecken, wie sie zuweilen in Vertiefungen vorkommen, so ist das nicht
mehr Rost, sondern das Bild des Schadens selbst, den das Oxyd
verursacht hatte. Derlei Flecken sind nur dadurch zu entfernen, dafs
man die Stelle mit Schmirgelpapier behandelt; aber es ist, bevor man
zu diesem den Körper selbst angreifenden Mittel schreitet, wohl zu
erwägen, ob der Gegenstand nicht dadurch in seinem archäologischen
oder seinem Kunstwerte für immer geschädigt wird.
Klingen sind in der Regel leicht zu reinigen, schwieriger ist dies
bei Schilden, welche innen Fütterungen haben, die, damit die Innen-
seite gereinigt werden kann, abgenietet werden müssen; am aller-
schwierigsten aber bei Harnischen, weil dem Roste zwischen den
Folgen schwer beizukommen ist, so dafs im äufsersten Falle nichts
übrigbleibt als sie zu zerlegen und neue Lederstreifen (Geschiebleder)
einzufügen. Besitzer gröfserer Sammlungen werden daher wohlthun,
stets einige Pakete Nieten mit gelben und weifsen Köpfen und ver-
schiedener Gröfse im Vorrate zu halten, weil nicht selten Nieten an
stark beschädigten Harnischen, besonders wenn sie ursprünglich stark
angezogen waren, bei Temperaturwechsel ausspringen.
An glatten, unverzierten Flächen kann man sich zum Entfernen
des Rostes unbedenklich des Steinöls, Petroleums, bedienen, nur nicht
an Stellen, die mit Schwarzätzung verziert sind, weil Petroleum das
in den Vertiefungen liegende Schwarzlot angreift. Selbst bei Behand-
lung mit gewöhnlichem Baumöl ist in diesem Falle aufserordentliche
Vorsicht geboten, damit das Schwarzlot nicht herausgelaugt wird.
Jeder blanke Harnisch mufs in tadellos reinem Zustande erscheinen,
er mufs auf das reinste geputzt oder, wie der alte Fachausdruck
lautet, „gewischt" sein. Dieses Wischen der Harnische erfordert
eine eigene Übung. Gute Harnisch wischer waren schon seit dem
Aufkommen der Plattenharnische sehr gesucht. An einem gut ge-
wischten Harnische müssen die Putzstriche in vollständig paralleler
Richtung laufen und dürfen sich nirgends kreuzen. Sehr schwache
und durch vieles unverständiges Putzen dem Ruine nahegeführte
Harnische läfst man lieber ungewischt und reinigt sie blofs mit ge-
wöhnlicher Seife. Übereifrige Diener vergehen sich nicht selten so
weit, Harnische, Schilde, Schwertgriffe, Läufe etc. zu polieren. Man
untersage ihnen dieses strenge. Ein derart mifshandelter Gegenstand
ist nicht das halbe Geld mehr wert.
Rostflecke auf gebläutem, d. i. blau angelaufenem, geschwärztem,
d. i. in heifser Asche gebranntem, und gebräuntem (brüniertem) Eisen
sind nicht zu entfernen, ohne die Färbung mehr oder weniger zu be-
schädigen. Man mufs entweder die betreffende Stelle blank lassen
oder die Färbung des gesamten Gegenstandes entfernen und durch
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5S8
IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
eine neue ersetzen. Bei archäologischen Gegenständen ist aber ein
dahingehender Entschlufs stets bedenklich, weil sie unbedingt an
Wert dadurch einbüfsen; denn jede nachträgliche Färbung ist dem
Fach manne leicht kenntlich. •
Das Innere der Gewehrläufe wird untersucht, indem man ein
scheibenförmiges, glänzend poliertes Plättchen von Stahl, „Spiegel",
in den Grund des Laufes gleiten läfst und dann diesen gegen das
Licht hält. Der Reflex des Spiegels erhellt die Laufwandungen so
vollständig, dafs man jede rostige Stelle sofort erkennen kann.
Mit Ausnahme des Goldes unterliegen alle für unsere Zwecke in
Betracht kommende Metalle der Oxydation. Diese ist zweifacher Art ;
die eine ist vorteilhaft und wirkt konservierend, die andere ist un-
bedingt schädlich und mufs hintangehalten werden.
Bronze nimmt, je nach ihrer Zusammensetzung, durch die Ein-
wirkung des Sauerstoffes der Luft an der Oberfläche allmählich eine
andere Färbung an, indem sich halbkohlensaures Kupferoxydhydrat
entwickelt; sie wird erst bräunlich und erhält später, ohne die Glätte
einzubüfsen, eine tiefgrünliche Farbe. Diese feine Kruste, die gegen
die zerstörende Einwirkung der Witterung schützt, ist die schon im
Altertume gepriesene patina antiqua. Gegenstände, welche auf natür-
lichem Wege diese Patina erhalten haben, werden von Kennern stets
mit Interesse, unter Umständen selbst mit hoher Bewunderung be-
trachtet. Man soll, um die Patinabildung nicht zu stören, einen
Bronzegegenstand nie mit Tüchern abwischen, sondern lediglich mit
einem Haarpinsel oder Flederwisch vom Staube befreien.
Etwas anderes ist es mit einem Oxyd, das sich an einzelnen
Stellen, vornehmlich in scharfen Vertiefungen ansetzt, sich von da
immer weiter verbreitet und den Gegenstand allmählich zerstört. Es
ist im Gegensätze zur Patina von hellgrüner, dem Schweinfurter Grün
ähnlicher Farbe und hat ein kalkähnliches Aussehen; dieses essig-
saure Kupferoxyd, der sogenannte „Grünspan", mufs entfernt werden,
wenn man den Gegenstand erhalten will.
Diesem Feinde unterliegen auch andere Metalle, wie Kupfer und
Messing gleich allen Kupferlcgierungen. Auch hier ist das Ol das
beste Mittel zur Entfernung des Schadens. Am sichersten und
schnellsten würde freilich Essig oder Weinsteinsäure wirken, beide
würden das Oxyd augenblicklich entfernen; aber selbst bei sorglichster
Reinigung der Stellen würden die Säuren die Ursache zu neuem
Oxydansatze werden. Somit ist nur Baum- oder Steinöl zu empfehlen;
wenn es nötig ist, hilft man mit kleinen Holzstückchen nach, um die
Kruste aufzulockern.
Silber verliert durch den Zutritt des Schwefelwasserstoffes in der
Luft im Oxydul den Glanz und verändert seine Farbe ins Tiefgraue,
zuweilen ins Bräunliche. Den grauen Farbton nennt man „Altsilber".
Diese Kruste, so sehr sie auch die künstlerische Wirkung eines
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3. Einige Worte über die Erhaltung der Waffen.
589
Gegenstandes beeinträchtigt, hat den Vorzug, dafs sie gleich der
Bronzepatina konservierend wirkt, sie darf daher nicht entfernt werden.
Bräunliche Färbungen nimmt man in der Regel weg, indem man den
Gegenstand mit Seife leicht einreibt und diese nach einigen Stunden
mit frischem Wasser wieder wegwäscht
Organische Stoffe, wie Holz, Horn, Bein etc., bedürfen zu ihrer
Erhaltung frischer Luft, die aber nicht feucht sein darf. Bei Stücken
von Holz wird nasse Fäulung wohl kaum vorkommen, wohl aber die
sog. Trockenfäule, welche den Stoff in eine mehlige Substanz auf-
löst. Hier hilft kein anderes Mittel, als dafs man den Gegenstand
mit Substanzen tränkt, die fäulniswidrig sind, wie konzentrierte Salz-
sole, Meerwasser, Alaun u. dgl. Man hüte sich aber, den Gegen-
stand etwa mit kieselsaurem Natron, dem sogenannten Wasserglas,
zu überziehen, weil gerade der Mangel an Luft die Trockenfäule ver-
ursacht und Wasserglas den Zutritt der Luft nahezu aufhebt.
Ein gefährlicher Feind gewisser Holzarten, besonders harziger,
ist der Holzwurm, von dem in Sammlungen gewöhnlich nur eine Art,
der sogenannte Nagebohrer (Anobium striatum), vorkommt. Um ihn
zu vernichten, tränke man die Bohrlöcher mit Benzin; dann verklebe
man sie mit Wachs, um beobachten zu können, ob sich später noch neue
Löcher bilden, in welchem Falle man das Mittel wiederholt. Auch
in Horn zeigen sich nicht selten kleine Bohrkäfer; man tötet sie leicht
mit Terpentinöl.
Das Elfenbein hat die üble Eigenschaft, dafs es im Verlaufe der
Zeit eine bräunliche Farbe annimmt; man hilft dem am sichersten
und ohne Schaden ab, wenn man den betreffenden Gegenstand unter
einem Glassturz oder zwischen geschlossenen Fenstern dem Sonnen-
lichte aussetzt, wodurch die Oberfläche sich nach und nach wieder
vollständig bleicht. Ein anderes, etwas schärferes Mittel ist das Be-
feuchten mit Seifenwasser oder Benzin und nachträgliches Reinigen
der Flüchen mit Kalkstaub, der mit weichen Bürsten darübergerieben
wird. Durch das Alter gelb gewordenes Elfenbein befeuchtet man
auch mit rektifiziertem Terpentinöl und setzt es dann längere Zeit der
Sonne aus. Will die gelbliche Färbung nicht weichen, dann wäre
die Anwendung flüssiger, schwefeliger Säure am Platze; sie ist aber
als letztes und schärfstes Mittel nur im Notfalle und nur mit aller
Vorsicht zu gebrauchen.
Das Schwierigste ist die Erhaltung textiler Gegenstände, Sattel-
überzüge, Fütterungen, Fahnen u. dgl. Solche aus Wolle und Leinen
besitzen einen argen Feind in der sogenannten Kleidermotte (Tinea
sarcitella), die nur durch Einstäuben mit Arsenik oder dem bekannten
Insektenpulver auszurotten ist. Stete Lüftung ist sehr zu empfehlen,
ebenso ist starke Sonnen- oder Ofenwärme der Brut dieser Insekten
schädlich.
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590
IV. Bemerkungen für Freunde und Sammler von Waffen.
Fahnen, namentlich bemalte, dürfen nie in kleine Falten gelegt
werden, weil jeder scharfe Bug leicht Bruch erzeugt. Das Restau-
rieren der Fahnenblätter durch Steppen ist nur bei kleinen Schäden
anzuwenden. Ausbesserungen grofser Löcher durch Applikationen
sind unstatthaft. In einigen Sammlungen werden derlei Abgänge an
dem Stoff durch ein Gitter aus gleichfarbigen Seidenfäden von ctw..
0.5 cm. messenden Quadraten ausgefüllt. Löcher an Sattel Polsterungen
werden durch Unterlegen eines reinen Seidenstoffes oder besser durch
Leder soweit ausgefüllt, dafs die Füllung nicht herausfallen kann.
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V, Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
ls die gewaltige Bewegung der östlichen Völker nach dem Westen
</~~\_ und Süden Europas im 9. Jahrhundert ihr Ende nahm, lag
der gesamte Kontinent im Banne des Barbarismus. Die antike Kultur
war zurückgegangen, eingeschrumpft; was noch davon geblieben,
fand bei den fremden Eroberern mit ihren unklaren Erinnerungen
an die einstige Gröfse des Römerreiches nur nach der äufserlichcn
Seite hin eine Wertschätzung. Aber mit der festen Niederlassung der
Eroberer begann aus der eigenen Volkskraft heraus, unterstützt von
den vorhandenen autochthonen Elementen, eine neue Kultur fast aus
den rohesten Anfängen heraus emporzukeimen, die trotz unausgesetzter
Störungen langsam aber stetig zum kräftigen Baume erwuchs. Der Weg
vom Barbarismus zur Gesittung war auch hier genau derselbe wie
allenthalben, wo immer ein Volk nach geistiger Entwickelung ringt.
Auch hier tritt das Streben nach Sicherheit des Lebens und des Be-
sitzes naturgemäfs der Sehnsucht nach Behaglichkeit, nach einer feineren
Gestaltung des Lebens voran, und die lautesten Forderungen sind auf
die Vervollkommnung der Waffe gerichtet.
Wenn wir den Weg, den Kunst und Technik im Waffenwesen
von ihrem Wiedererstehen am Beginne des Mittelalters genommen
haben, verfolgen, so dürfen wir nicht aufser acht lassen, dafs die neu
in Europa eingedrungenen Völker von noch ziemlich lebhaften Tradi-
tionen aus dem Kulturgebicte des Orients erfüllt waren, dafs sie in
Gebieten sich sefshaft machten, in denen einesteils die antike Kultur
nicht gänzlich ausgestorben andernteils eine noch unentwickelte zwar,
aber in sich selbst geschlossene Kultur vorhanden war, die in den
Resten der autochthonen Bevölkerung wurzelte. Wenn wir diese wich-
tigen Umstände uns stets vor Augen halten, dann erst werden wir
mit klarerem Blicke jene Wandlungen verstehen, welche die Technik
im Waffenwesen und jenes versöhnende Element darin erfahren hat,
das nach der Schönheit zielt.
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592 V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Der Waffenschmied ist ein Eisenarbeiter, von seiner Fähigkeit,
das harte Metall zu bearbeiten und zu formen, hängt die Güte der
Waffe ab. Schon in antiker Zeit war darin der Orientale, vor allem
der Inder, den westlichen Nationen weit überlegen und ist es ge-
blieben bis auf die Gegenwart; denn noch heute ist man mit dem
riesigsten Aufwände von Mitteln in Europa nicht im stände, eine Klinge
von der Güte einer indischen, persischen oder japanesischen herzustellen
Von der Zubereitung des Eisens im Oriente in älterer Zeit i>t
man nur ungenügend unterrichtet. In Europa war die Zubereitung
des Eisens lange Zeit «'iufserst primitiv. Das uralte Pochen in Mörsern
und das Sieben hatte sich vom Altcrtume her bis ins Mittelalter fort-
vererbt, und erst 15 19 wurde zu Joachimsthal im Erzgebirge das
erste nasse Pochwerk angelegt. In der Frühzeit des Mittelalters bot
dem Waffenschmiede die Fertigung der Schwertklinge die gröfsten
Schwierigkeiten, daher man guten Schwertern schwärmerische Ver-
ehrung widmete und ihnen nicht selten auch wunderbare Kräfte bei-
mafs. Der alte Haubert, die Brünne und auch der spätere Lentner
wurde nur aus kleinen Eisenstückchen und geschmiedetem Draht ge-
bildet, die Schilde aus mehreren Blechstücken zusammengesetzt, die
untereinander vernietet waren; selbst der Helm bestand aus mehreren
verschweifsten Stücken, aber eine Klinge, zumal von gröfsercr Länge,
zu fertigen, das gehörte bei den hohen Ansprüchen an die Leistungs-
fähigkeit zu den schwierigsten Aufgaben , und daraus erklärt sich,
dafs die ersten Waffenschmiede ihr Verfahren mit dem Schleier tiefsten
Geheimnisses zu umgeben trachteten. In grolscn Mengen sendeten
die sarazenischen Werkstatten Siziliens, die maurischen Spaniens vom
9, Jahrhundert an ihre unübertrefflichen Klingen nach Europa. Später,
im 1 I.Jahrhundert entwickelte sich eine namhafte Einfuhr aus Damaskus
über Byzanz nach Venedig, ebenso aus Indien nach Genua.
Eine außerordentliche Geschicklichkeit und ungemeine Vorsicht
und Geduld erforderte das Schmieden einer Schwertklinge, das Ver-
schweifsen* des eigentlichen Kerns aus weichem Eisen mit den äufseren
Partien an den Schneiden aus feinstem Stahl. Diese schwierige, nur
mit dem Handhammer ausgeübte Technik war aus dem Oriente ge-
kommen.
Die Keltiberer und viele andere Gebirgsvölker fertigten ihre
Klingen, indem sie Eisenplatten in feuchte Erde vergruben und sie
so lange darin liegen liersen, bis der Rost die schwächeren, schlech-
teren Teile ausgefressen hatte. Aus den festesten, übriggebliebenen
Teilen schmiedeten sie dann ihre Schwerter, die zu den vortrefflichsten
gehörten. Das Verfahren ist nicht unglaubwürdig, denn wir wissen,
dafs der Rost weit weniger den Stahl als das Eisen ergreift; je un-
reiner dieses ist, desto eher wird es verzehrt, so dafs die besten
Partien übrigbleiben. Die Japaner beobachteten ein ganz ähnliche-
Verfahren.
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V. Kunst und Technik im Wafienschmicdwesen.
5M
In Japan gehörte der Schwertfeger zu den vornehmsten Hand-
werkern; sein Stand legte ihm und seinen Angehörigen grofse Ver-
pflichtungen auf, vor allem in Reinheit der Sitten und Übung der
Mildthätigkcit. Das Schwert wurde in reich geschmückter Werkstätte
vollendet, wobei der Meister in seiner vollen Amtstracht im Beisein
seiner Familie und seines Auftraggebers das Werk vollbrachte. Vor
noch nicht 20 Jahren galt der Verkauf einer Klinge als ein schmäh-
licher Handel, und ein Mann der Kriegerkaste, der Samurai, hätte
sich eher töten lassen, als sein Schwert zu veräufsern. Schwertklingen
hervorragender Meister wurden mit 5-, selbst 6000 Gulden bezahlt.
Wir bringen am betreffenden Orte eine Liste der hervorragendsten
japanesischen Schwertfeger vom 1. bis ins 17. Jahrhundert.
Zu den Anforderungen an eine gute Klinge zählte nicht allein
die Güte des Eisens, sondern auch die Schärfe und Korrektheit des
Schliffes und dessen feine Polierung. Die Technik des Schleifens ist
ohne Zweifel von den Orientalen zu uns gekommen; sie wurde aber
schon im 8. Jahrhundert in Europa mit staunenswerter Kunst geübt.
Das Schleifen erfolgte auf sogenannten Schleifmühlen, somit auf voll-
ständig mechanischem Wege mit Benutzung der Wasserkraft. Nur so
sind die wunderbar regelmäfsigen Hohlschliffe mit schnurgeraden oder
kreisförmigen, scharfen Kanten zu erklären. Zur höchsten Stufe der
Vollkommenheit' brachten es im 14. Jahrhundert die Mailände'r. In
der Via Mulino delle armi am Kanal bei der Porta Ticinese reihte
sich damals Mühle an Mühle, und hier fertigte man jene vielgesuchten
Klingen mit unterbrochenen Hohlschliffen, Paternosterklingen u. dgl.
noch im 17. Jahrhundert.
Vom Ende des 11. Jahrhunderts werden den Waffenschmieden
auch für die Schutzwaffe bedeutendere Aufgaben gestellt. Zunächst
wurde das Scheitelstück des Helmes aus einem Stücke erzeugt, eine
Technik, die im Oriente schon seit Jahrhunderten mit grofser Ge-
schicklichkeit geübt wurde. Ein entsprechend dickes, scheibenförmiges
Eisenstück mufste dazu in rot glühendem Zustande mittels schwerer
Fallhämmer vorerst in eine schalenförmige Form gebracht werden;
dann erst wurde das Stück mit Meifsel und Hammer feiner ausge-
arbeitet. Wie wir bei dem Abschnitte: „Der Helm" erwähnten, wurde
das „Treiben" der Helme im 16. Jahrhundert mit solchem Geschick
betrieben, dafs nicht nur das Schcitelstück, sondern aus diesem auch
der in der späteren Zeit, um 1580, oft 12 Centimeter hohe Kamm
herausgetrieben wurde — als Handarbeit eine unglaubliche Leistung.
Schon am Beginne des 11. Jahrhunderts wurden die italienischen
Rundschilde aus einem Stück erzeugt, eine Leistung, die weniger für
die Treibarbeit, als bei der Gröfse des Gegenstandes für die vorge-
schrittene Eisenbercitung spricht. Mit der Entwickelung dieser Treib-
technik bildete sich eine angesehene Gilde, die der „Helmschmiede",
die erst gegen das Ende des 15. Jahrhunderts allmählich in jene der
Boeheim, Waffenkundc. 38
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
„Plattner" aufging, welche sich mit der Erzeugung ganzer Platten-
harnische befafsten. Aus dem 12. Jahrhundert dringt eine Kunde
zu uns, wonach Pavia in der Erzeugung von Helmen berühmt war.
Die dortige Helmindustrie ist aber weit alter und ragt bereits aus
römischer Zeit ins Mittelalter hinein. Bedeutende Aufgaben werden
um 1560 den italienischen Plattnern in der Fertigung der jüngsten
Harnische (nicht Zeuge) zum Gestech über das Dill gestellt, an denen
einzelne Verstärkungsstücke kolossale Dimensionen haben.
Eine nicht minder in Achtung stehende Gilde bildeten vom
frühen Mittelalter her die Brunner (pruner) oder Sarwürcher (sarburher),
die Verfertiger der Panzer aus verschiedenartigen Ringgeflechten. Sie
entstand mit dem Auftreten des Harnisches aus auf Lederriemen ge-
zogenen Ringen; als diese abkamen, fertigten sie das sogenannte
Panzer- oder Mufszeug, das spätere Panzerhemd. Die Ringe des
Panzerhemdes wurden aus geschmiedeten, platt gearbeiteten, draht-
ühnlichen Stücken erzeugt, die auf kaltem Wege durch Nietung zu
Ringen gebildet wurden. In den älteren Panzerhemden des 14. und
1 5. Jahrhunderts ist je ein Ring geschweifst, der andere kalt genietet.
Später werden die Ringe durchaus nur genietet. Gezogener Draht
wird auch im 16. Jahrhundert zu Panzerhemden oder Kragen nie
verwendet. Um 1570 kamen die Panzerhemden ganz aufser Gebrauch,
damit verschwindet ein einst hochbedeutender Handwerkszweig.
Vom Oriente her gelangt am Ende des 15. Jahrhunderts eine
Art der Verarbeitung- des Eisens, welche sich an der Oberfläche des-
selben durch eine gewässerte Textur kenntlich macht, in das Abend-
land; es ist die sogenannte Damaszierung: die Erzeugung des
Damaststahles. Der Name leitet sich von der Stadt Damaskus
her, wo diese Art der Eisenbereitung, namentlich für Klingen, schon
im Altertume betrieben wurde. Der Ursprung des Verfahrens ist
aber von den südlichen Abhängen des Himalaja, von jener ältesten
Eisenstätte der Welt, herzuleiten. Wir besitzen noch heute alte
indische Schwert- und Dolchklingen von ausgezeichnetem Stahle
gleicher Zubereitung. Damaszierte (wurmbunte) Klingen werden schon
im 6. Jahrhundert erwähnt, stammten aber zweifellos aus orientalischen
Werkstätten.
Die eigentümliche Textur des echten Damaststahles ist keine
äufserliche Dekorierung, sie erstreckt sich nicht allein auf die Ober-
fläche, sondern auf die ganze Masse. Die Textur entsteht durch eine
innere Kristallisation, die die halb geschmolzenen Stahlpartikel bei ihrer
langsamen Erstarrung erleiden. Wir dürfen sie demnach nicht zu
den Dekorationen des Eisens zählen und auch nicht, wie es oft ge-
schieht, mit wirklich nur äufserlich auftretenden Dekorationen, wie
„imitierter Damast", „Mattätzung" oder gar „Tausa", „Niello" etc., ver-
wechseln.
Das Verfahren zur Bereitung des Damast- oder Wutzstahles ist
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
595
bis jetzt noch nicht völlig aufgeklärt, doch ist man schon seit 40
Jahren durch die Versuche Clouets, Crivellis, Breants und vor allem
Anossows so weit gekommen, dafs man ihn sehr täuschend nachzuahmen
weifs. Im allgemeinen besteht Damaststahl in einer Verschweifsung
mehrerer kohlenstoffreicher Stahlplatten oder von Drähten verschiedener
Sorten bei äufserst langsamer Abkühlung. Aus der Art der vorherigen
Drehung und Bewegung dieser Partikel entstehen die verschiedenen
Formen. Die eigentümliche Textur tritt durch eine Behandlung mit
Säuren hervor, welche die verschiedenen Eisenpartikel auch verschieden
angreifen.
Im Oriente unterscheidet man den Scham, den in Damaskus
erzeugten aber minderwertigen Bulat (Büläd, was im Arabischen
schlechtweg Stahl bedeutet), den Taban, Karataban (schwarzen
Taban), Khorassan,Karakhorassan (schwarzen Khorassan), G y n d y ,
Kumgyndy und Nciris. Wir unterscheiden hauptsächlich den ge-
wässerten Damast, Banddamast (Tabandamast), das schraubenförmig
gewundene Muster, den Rosendamast, endlich den seltener vor-
kommenden Mosaikdamast, der verschiedene sich wiederholende
Muster ersichtlich werden läfst. Imitierter Damast wird durch Ätzung
an der Oberfläche erzeugt und ist bei einiger Aufmerksamkeit leicht
zu erkennen.
Bei Plattenharnischen wurde im 1 5. Jahrhundert ein grofses Ge-
wicht auf das Härten der Bruststücke gelegt, und man war darin
namentlich in Mailand unstreitig sehr weit gekommen. Um 1480
scheint das Verfahren in Vergessenheit geraten zu sein, denn Maxi-
milian I. bemühte sich eifrigst, es wieder zu entdecken, was ihm denn,
wie es heifst, auch gelang.
Welche Werkzeuge der Plattner zu seiner Arbeit verwendete, ist
aus einigen Verlassenschaftsinventaren des 16. Jahrhunderts bekannt.
In welcher Art man den Harnisch bearbeitete, bevor er in der
Schleifmühle geschliffen und gewischt und damit glänzend gemacht
wurde, darüber belehrt uns der Jugendharnisch Karls V. von 151 1,
den wir in Fig. 165, Seite 154, in Abbildung gebracht haben. Der-
selbe ist nie vollendet und nur hammer fertig geworden, so dafs
man an ihm jede Spur des Hammers und Meifscls deutlich erkennen
kann.
Bevor wir zu den künstlerischen Dekorationsarten übergehen,
erwähnen wir noch flüchtig der verschiedenen Arten der Färbung des
Eisens. Wollen wir von dem Anstrich mit Farben absehen, so führen
wir vorerst das Blauanlaufen desselben an. Es erfolgte in Muffeln
auf Holzkohlenfeuer und wurde besonders in Italien mit solchem Ge-
schick geübt, dafs nicht nur die gröfsten Stücke in gleicher Färbung
erscheinen, sondern auch alle Farbnüancen im Prozesse festgehalten
werden konnten. Beliebt war das Violett und besonders das Rot
(alla sanguigna). Das Verfahren, das man anwandte, um dem Eisen
38*
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V. Kunst und Technik im Waffenschmied wesen.
einen feinen grauen Ton zu geben, in welchem die hervorragendsten
tauschierten Mailänder Harnische und auch gleichzeitige arabische
SchutzwafTen erscheinen, ist noch nicht wieder entdeckt worden. Be-
kannt ist das Schwarzanlaufen, das durch Einsetzen in heifse Asche
bewirkt wird, das heute häufig angewendete Brünieren kommt in
Mailand schon um 1530 zur Anwendung.
Die zum Schmuck der Waffen angewendeten Mittel sind so
zahlreich und mannigfaltig, dafs sie alle zu beschreiben den Rahmen
unseres Werkes weit überschreiten würden. Wir müssen uns daher
darauf beschranken, diejenigen einer Besprechung zu unterziehen,
welche allgemeiner vorkommen, und solche, über welche irrige An-
schauungen herrschen.
Als die alten dekorativen Verfahren, welche aus dem Oriente
über Bvzanz im frühen Mittelalter ins Abendland gekommen waren,
wie das Email, die Auflagen von getriebenem Goldblech etc., in Ab-
nahme kamen, entstanden allgemach, zuerst in Italien, allerlei andere
wirksame Techniken, welche, wenn auch anfänglich nur roh und un-
geschickt geübt, doch mit der Zeit zu bewundernswerter Ausbildung
gelangten. Es gibt kein Gebiet -des Kunsthandwerks, welches an den
Arbeiter mehr und mannigfachere Anforderungen stellte als die Waffen-
schmiedekunst. Die Beurteilung der künstlerischen Ausschmückung
der Waffen erfordert damit auch die umfassendste Kenntnis der
kunsttechnischen Mittel und Verfahrungsarten.
An Harnischen, Schilden u. dgl. kommt um die Mitte des 15.
Jahrhunderts in Italien die Gravierung in Anwendung, seit 1480
schon häufig in Verbindung mit der Vergoldung. Diese Vergoldung
war eine chemische mit Goldamalgam, dessen Quecksilberzusatz
durch Erhitzen zum Verflüchtigen gebracht wurde. Alle Vergoldungen
an Schutzwaffen, Klingen u. dgl. wurden durch diese Feuervergol-
dung hergestellt. Bei der primitiven Behandlungsart war sie für den
Arbeiter, der Quecksilberdünste wegen, nicht gefahrlos. Mailänder
Harnische des Figino, um 1560, weisen eine ungemein starke und
schöne Vergoldung auf.
Um das Ende des 15. Jahrhunderts werden Harnische, Schilde
u. dgl. durch verzierte Berandungen, Striche und Embleme in Ätzung
geziert. Das Verfahren in jener Periode ist zwar im allgemeinen,
aber nicht in seinen Einzelheiten bekannt, und moderne Fälschungen
sind noch immer leicht erkennbar. Wir unterscheiden die Hoch-
ätzung von der Tielätzung, je nachdem der dargestellte Gegen-
stand erhaben bleibt und nur der Grund vertieft ist oder umgekehrt.
Im ersten Falle stellt der dargestellte Gegenstand ein sehr flaches
Relief dar, im zweiten nähert sich die Darstellung der Kupferstich-
technik. Nach der koloristischen Wirkung unterscheiden wir die
Schwarzätzung und die vergoldete Ätzung. Bei jener werden
die eingeätzten Vertiefungen mit einer Mengung von Schwarzlot und
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
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ranzigem Öl eingerieben und sodann das Stück der Hitze ausgesetzt,
so dafs das Öl sich verflüchtigt und das Schwarzlot sich mit dem
Ätzgrunde verbindet. Bei der vergoldeten Ätzung, die nicht selten
mit der Schwarzätzung im Vereine auftritt, ist das Verfahren dasselbe
wie bei der Vergoldung von Gravierungen.
Im allgemeinen bemerkt, bestand das Ätzverfahren darin, dafs
auf die zu behandelnde Eisen- oder Stahlfläche eine Paste, deren
Hauptbestandteile Wachs, Asphalt und Baumharz waren, für die aber
jeder Ätzmaler sein besonderes Rezept hatte, in . erwärmtem Zustande
dünn aufgetragen, sodann die Zeichnung, nachdem sie leicht aufge-
paust worden war, mit einem Griffel aus Holz, Bein, auch Stahl oder
auch mit der Borste des Stachelschweines derart ausgeführt wurde,
dafs die Striche die Wachsschicht bis auf das Metall durchdrangen.
Darauf wurde mit Wachs ein erhöhter Rand gebildet und das Ätz-
wasser über die Fläche gegossen. Dieses Ätzwasser bestand in einer
Mischung von Essigsäure, Scheidewasser und Alkohol. Auch in
Bezug auf dieses bewahrte jeder einzelne Meister das Geheimnis der
Mischung. Bei dieser kam es vorzüglich auf grofse Schärfe an, wäh-
rend es von der Erfahrung abhing, wann das Ätzwasser zu entfernen
war, um die Säure nicht zu tief in den Stahl einfressen zu lassen
oder keine zu schwache Zeichnung zu erhalten. Zum Nachätzen
entschlofs man sich nur ungern, wenn die Zeichnung nicht gleich mit
der wünschenswerten Schärfe hervortrat.
An deutschen Harnischen kamen am Anfange des 16. Jahr-
hunderts ganz eigentümliche künstlerische Behandlungsarten in An-
wendung. Wir erwähnen da zunächst der Malerei auf gebläutem
Metall. Das Verfahren ist höchst einfach. Die gebläute Fläche
wird mit Wachs überzogen und wie beim Radieren der Kupferstiche
die Zeichnung mittelst hölzerner Griffel eingedrückt, bis das Metall
zum Vorschein kommt. Ein momentanes Eintauchen des fertigen
Stückes in scharfen Essig genügt, um die Bläuung von den vom
Wachs freien Stellen zu entfernen. Wird nun der Ätzgrund durch
Terpentin entfernt, so erscheint die Zeichnung blank im gebläuten
Grunde. Auf gebläutem Eisen wird nicht selten auch die Zeichnung
ausgeschabt. Wir begegnen derartigen Arbeiten noch im 17. Jahr-
hundert.
Ein anderes Verfahren, die Verzierung in Goldschmelz, be-
steht im Gegensätze zu seiner Benennung eigentlich aus einer Art
Plattierung mit Blattgold. Das zu verzierende Stück wird sehr rein
metallisch hergestellt und bis zu dem Punkte erhitzt, dafs es anfängt,
farbig anzulaufen. Dann wird ein Stück Blattgold aufgelegt und mit
dem Polierstahl bearbeitet, wodurch es sich dann mit dem Grunde
innig verbindet. Manche schöne Augsburger Harnische finden wir
(um 15 10) in dieser Art verziert.
Uralt ist die Verzierung der Metallflächen in Niello. Wie
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V. Kunst uud Technik im Wafienschmiedwescn.
Brinkmann bemerkt,*) spricht schon Plinius von ähnlicher ägyp-
tischer Arbeit, nicht minder beschreibt dieses Verfahren der Presbyter
Theophilus in seiner Diversarum artium schedula III, 27 schon
völlig so, ja noch eingehender als Cell ini in seinen Traktaten. Man
versteht unter Nielloarbeit eine eingravierte Zeichnung auf einer Gold-,
Silber- oder anderen Metallfläche, welche mit einer dunklen schwefe-
ligen Metallmasse, dem nigellum der Alten, ausgefüllt ist. Die
Technik wird noch heute in den grofsen Zentren der Kunstindustrie
und, wenn auch in minderer Gediegenheit, in Tula bei Moskau be-
trieben. Das nigellum besteht in einer Mischung von Silber, Kupfer
und Blei in reinstem Zustande im Verhältnisse wie 1 zu 2 zu 3.
Die Wirkung dieses dunkelgrauen Metalls in entsprechender Zeich-
nung auf blankem Grunde ist eine äufserst ansprechende und vor-
nehme. Die Technik ist ohne Zweifel auf dem Wege über den
Orient, wo sie noch heute, wie z. B. in Persien, betrieben wird, nach
Italien und von da schon im frühesten Mittelalter durch Mönche
nach Deutschland gekommen. Ihre Anwendung findet sie meist an
Schwertgriffen und Scheiden, überhaupt an Handwaffen, selten an
Schutzwaffen. Nur im Oriente finden wir auch Helme und Panzer
mit Nielloverzierungen. In Europa sind es im Mittelalter vorzüglich
nur die Italiener, welche sich der Niellotechnik bedienen; im 16. Jahr-
hundert kommt sie stark in Abnahme.
Wir wenden uns nun zu einer anderen Ziertechnik, welche durch
ihr gleichfalls hohes Alter, wie durch ihre ungemeine Wirksamkeit
hohe Beachtung verdient, die Tausia. Die Tausia, Tauschier-
arbeit, italienisch und lateinisch tausia, tarsia, englisch empaistic
work, besteht in der Einlage von Gold oder Silber in Eisen oder
Stahl. Sie wird von mehreren Schriftstellern Damaszierung genannt,
eine Benennung, die, wenn auch in Fraukreith seit Jahrhunderten in
Gebrauch, doch unrichtig ist und heute nur zu Verwirrungen Anlafs
gibt. In Italien erscheint sie im 16. Jahrhundert unter den Bezeich-
nungen als Lavoro all' Azzimina oder alla Gemina, welche beide sich
aus dem Arabischen herleiten. Die Technik ist im Abendlande schon
in antiker Zeit bekannt gewesen und an Ringen, Fibeln, Schliefsen
u. dgl. vielfach angewendet worden. Auch unter den Germanen war
sie nicht unbekannt und unter den Merowingem, die doch eine origi-
nale Kunst nicht besafsen, wurde sie häufig und mit ungemeinem
Geschick ausgeübt. Später geriet sie im Abendlande in Vergessenheit
und wurde nur von Indern, Persern und Arabern gepflegt, von welch'
letzteren sie die Spanier und Italiener wieder erlernten. Vom An-
fange des 16. Jahrhunderts an wurde sie besonders in Toledo, Florenz
und Mailand mit aufserordentlichem Erfolge betrieben, aus welchen
Städten tauschierte Waffen über ganz Europa sich verbreiteten und
*) Cell ini, Tractat., S. 162.
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V. Kunst und Technik im Waffcnschmicdwescn.
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allenthalben Bewunderung erregten. Das Verfahren besteht darin,
dafs ein beliebiges Ornament mittelst des Grabstichels in eine eiserne
Platte graviert, und in die gemachten Vertiefungen Gold oder Silber
in kleinen Partikeln mittelst kleiner flacher Hämmer eingeschlagen
wird. Ein Untergraben der Schnitte, das, wie einige meinen, zur
besseren Befestigung der Einlagen erforderlich sei, findet bei diesem
Verfahren nicht statt, da die fertige Platte spüter erhitzt wird, wobei
sich die Einlage innig mit der Unterlage verbindet. Man unter-
scheidet zweierlei Arten von Tauschierarbeit, die eingeschlagene,
wobei die Einlage in einer Ebene mit der Platte erscheint, und die
aufgeschlagene, bei welcher die Einlagepartikel über die Bildflüche
hervorragen und somit ein flaches Relief darstellen. Letztere, welche
besonders in Spanien vorkommt, ist bedeutend schwieriger, da die
vorstehenden Einlagekörper eine Nacharbeit erforderten, während bei
der eingeschlagenen Tausia die Flächen einfach abgeschliffen und
poliert wurden, ehe man das Eisen der grauen oder blauen Färbung
unterzog. Es ist zu beachten, dafs die Tausia sich immer nur auf
verhältnismäfsig schmale Linien und Partien von geringer Ausdehnung
beschränkt , während die Vergoldung gröfserer Flächen mit Blattgold
erfolgt, das mit dem Polierstahl geglättet wird.
In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts kommt eine dekorative
Technik in Aufnahme, die auf dem Gebiet des Waffenwesens voll-
ständig neu erscheint, die Treibarbeit in Eisen, das „repousse".
Zwar wurde die Treibarbeit in Gold schon von unterschiedlichen
Völkern, selbst im hohen Norden, in der Bronzezeit geübt (Minuterie,
Grosserie), in der Glanzzeit von Byzanz bildete sie einen Hauptteil
der kunstindustriellen Technik, später treten auch Treibarbeiten in
Silber an Helmen, Schilden etc. bei barbarischen, von antiker Kultur
beeinflufsten Völkern auf, aber die Härte des Eisens hatte bisher
stets ein Hindernis für die plastische Gestaltung- desselben durch
Treibarbeit gebildet. Erst mit der Ausbildung der Plattenharnische
steigerte sich die Gewandtheit der Waffenschmiede in der Treibarbeit
im Eisen derart, dafs diese auch zu feineren Kunstarbeiten dien-
lich wurde.
Treibarbeit im engeren Sinne nennt man die Darstellung eines
Reliefbildes in einer eisernen Platte (Schlagblech) mittelst verschieden-
artiger Hämmer und Punzen. Die Technik ist namentlich in Eisen
schwierig, weil der Gegenstand je nach Bedürfnis in mehr oder weniger
erhitztem Zustande bearbeitet werden mufs. Die Arbeit beginnt stets
an der Rückseite durch das Austreiben der allgemeinen plastischen
Form, die feinere Ausgestaltung erfolgt sodann teils von der Vorder-,
teils von der Rückseite; daher auch die französische Bezeichnung
repousser, entgegentreiben. Die berühmtesten Treibarbeiten wiesen
Mailand, Florenz und Augsburg auf.
Eine andere Technik, die mit der Treibarbeit viele Ähnlichkeit
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
hat, ist der Eisenschnitt. Besteht erstere in der künstlerischen
Bearbeitung des Eisenbleches, so ist es hier ein massives Stück, dessen
künstlerische Form durch dieselben Werkzeuge, mit Zuhilfenahme von
Grabsticheln und Schneideeisen hervorgebracht wird. Bei anderem
Metalle wird die gleiche Technik ebenfalls als Schneidearbeit bezeichnet.
Auch hier steht im 16. Jahrhundert wieder Italien allen übrigen
Ländern weit voran. Im 17. Jahrhundert finden sich aber schon
französische und deutsche Meister, welche die Italiener in der Schön-
heit der Arbeit übertreffen. Der Natur des bearbeiteten Gegenstandes
nach tritt die Treibarbeit hauptsächlich bei Schutzwaffen auf, welche
aus Schlagblech gefertigt sind, während der Eisen- oder Metallschnitt
bei Schwert-, Degen- und Dolchgriffen, Gewehrschlössern, Läufen,
Steigbügeln, Gebissen u. dgl. in Anwendung kommt. Sowohl die
Treibarbeit, wie der Eisenschnitt erscheinen namentlich in Mailand,
Florenz, Venedig, später auch in Augsburg und München sehr häufig
in Verbindung mit Tausia und Vergoldung. Dieser Zusammenwirkung
verdanken wir die herrlichen Harnische, Schilde und Helme, welche
wir noch heute in den reicheren Waffensammlungen bewundern.
In Spanien finden wir an Harnischen, Schilden u. dgl. am An-
fange des 17. Jahrhunderts eine Punzenarbeit im Verein mit Ver-
goldung, wobei die Ornamente wenig motiviert erscheinen, so dafs
das Ganze einer Inkrustation vergleichbar ist; diese Technik bezeichnet
bereits deutlich den Verfall kunsttechnischer Darstellungskraft
In der Dekoration des Metalles tritt das Email schon im frühen
Mittelalter auf und wird, wie im Arbeitsgebiete des Goldschmiedes,
auch in jenem der Waffen vielfach angewendet. Auch hier verfolgen
wir dasselbe in allen seinen Entwickelungsstadien vom Email cloi-
sonne bis zum malerisch durchgebildeten Emailgemälde. So in den
frühesten Epochen das Zellenemail, vorzüglich an Schwertern und
Schilden, das Grubenemail an Sätteln und an Pferdezeugen, ebenso
das durchsichtige Reliefemail, das später auch für Schwert- und
Degengefäfse als ScheidenbeschUtge vielfach in Anwendung gelangt,
und namentlich in Frankreich (Limoges) und in Italien (Florenz) geübt
wird. Das Maleremail kommt vorzüglich im 17. Jahrhundert an
Schäften von Prunkgewehren, Pulverhörnern u. dgl. zur Anwendung.
Elfenbein, geschnitzt oder graviert, wird in älterer Zeit vor-
wiegend zu Sattelbelegen, Schwert- und Dolchgefäfsen , in späterer
auch zu Gewehrschäften, Pulverhörnern verwendet. Die Schnitz-
arbeit besorgten die Bildschnitzer, deren viele für den Schmuck von
Waffen thätig waren. Ein eigenes Kunstfach betrieben die Elfen-
beingraveure, deren Technik eine besondere Gewandtheit erforderte,
da ein reines Durchtrennen der Fasern quer auf die Richtung der-
selben nicht geringe Schwierigkeiten bietet. Darum wurden auch
kleinere Arbeiten auf der Hirnfläche des Elfenbeines ausgeführt.
Nach vollendeter Gravierung wurde dieselbe mit schwarzer oder an-
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V. Kunst und Technik im Waffenschmicdwesen.
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derer Farbe eingerieben, die Fläche leicht abgeschabt und poliert,
so dafs allein die Zeichnung farbig erschien. Einlegearbeiten in
Elfenbeingrund wurden selten gemacht und auch dann nicht in feineren
Mustern.
Weit leichter ist das Holz für Zierarbeiten zu behandeln, und
Holzschnitzereien finden sich denn auch sehr häufig an Waffenstücken.
Auch dieses ist ein vorzügliches und wirksames Material für die
Schnitzkunst, zu welcher es häufig verwendet erscheint. Bewunderns-
werter und wirksamer ist aber die Einlegetechnik, die Tarsia oder
Intarsia, in der vorwiegend die Italiener, später auch die Deutschen
Unübertreffliches geleistet haben. Es ist erstaunlich, wie mannig-
faltig sich die Wirkung dieser Technik je nach der Wahl und der
Zusammenstellung des Materiales darstellt und was für verschiedene
koloristische Wirkungen damit erzielt werden können. In den Grund,
den hier immer das Holz bildet, werden Partikel von anderen Holz-
arten, häufiger aber Elfenbein, Hirschhorn, später auch Perlmutter,
Schildpatt und selbst Metall derart eingefügt, dafs sie in gleicher
Ebene mit der Grundoberfläche liegen. Elfenbein und Horn wird
nicht selten zierlich graviert. In vielen Fällen kommen verschiedene
dieser Einlegematerialien im Vereine zur Anwendung. Das vorzüg-
lichste Augenmerk hat der Arbeiter darauf zu legen, dafs die Teile
sich derart scharf in den Grund einfügen, dafs nicht der geringste
merkbare Zwischenraum entsteht. Ausbesserungen in der Art, dafs
die klaffenden Fugen mit Kitt ausgefüllt worden, sind augenblicklich
zu erkennen, wenn man den Gegenstand gegen das Licht hält, weil
der Kitt nie die Glätte des Materiales annimmt und stets matt er-
scheint
Es gibt Arbeiten ähnlicher Art von etwa 1560, meist an Gewehr-
und Faustrohrschäften vorkommend, welche aussehen, als ob sie in
schwarzgebeiztes Holz eingelegt seien, aber von einer so staunens-
werten Feinheit in der Zeichnung sind, dafs ihre Herstellung in dieser
Art Technik kaum zu begreifen ist. Den eigentlichen Grundstoff an
derlei Intarsien bildet in der That nicht das Holz, sondern eine
Asphaltmasse, in welche die Elfenbeinartikel eingeprefst erscheinen.
Wie sich nach genauerer Untersuchung ergibt, sind in die schwarze
Asphaltmasse, die in erwärmtem Zustande aufgetragen war, die Elfenbein-
stücke hineingedrückt worden. Nach der Erkaltung mufs die Fläche
glatt geschabt, leicht geglättet, endlich die Gravierung des Elfenbeins
vorgenommen worden sein. In dieser Technik ausgeführte Schäfte
finden sich in mehreren grofsen Sammlungen, wo sie aber bisher
nirgends beachtet wurden. Der Verfasser hat sie nur immer bei
deutschen Stücken angetroffen.
Aus dem früheren Mittelalter haben sich nur wenige Waffen-
stücke bis in die Gegenwart herein erhalten, welche unter die Werke
der Kunst zu reihen sind. Diese wenigen Zeugen aber in Verbin-
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
dung mit zahlreichen Belegstellen in Chroniken und Handschriften
lassen uns erkennen, wie auch in einer Periode, in welcher die kul-
turellen Kräfte sich erst wieder sammelten, die Freude an schönen
Waffen in den Kreisen der Vornehmen sich regte und viele Kunst-
arbeiter beschäftigt waren, das ernste Werkzeug des Krieges kunstvoll
und reich zu gestalten.
Wir haben im Verlaufe unserer Darstellung unterschiedliche
Proben von reich geschmückten Waffen vom Beginne des Mittelalters
bis an dessen Ende in Skizzen gebracht, wir haben wiederholt Ge-
legenheit genommen, charakteristische Stellen aus Handschriften zu
citieren, in welchen kostbare Waffenstücke erwähnt werden ; wenn
wir aber nach Meistern forschen, welche hervorragend in der Erzeu-
gung kunstvoller Waffen thätig gewesen sind, dann finden wir nur
etliche Namen etwa vom Ende des 13. Jahrhunderts an, viele schon
zweifelhaft dadurch, dafs sie in Gedichten erwähnt werden, wertlos,
weil wir sie in keine Beziehung zu bestimmten Thatsachen bringen
können. Im Mittelalter ging der Meister in seinem Werke auf, an
ihn erinnert nur selten eine Marke, deren Bedeutung auch im Laufe
der Jahrhunderte in Vergessenheit geriet, fast nie ein Name, und
auch dieser besitzt meist keinen kunsthistorischen Wert.
Erst mit der Renaissance in Italien im 14. Jahrhundert änderte
sich das Verhältnis, in Welchem der Meister bis dahin zu seinem
Werke stand; er tritt anspruchsvoller und damit greifbarer hervor.
Es mehren sich die Zeichen, die das Werk seiner Hand bezeugen;
immer häufiger nennen sich die Künstler auf ihren Werken, in keiner
anderen Absicht, als des eigenen Ruhmes und der eigenen Ehre halber.
Die. nördlichen Länder waren noch lange unter dem Banne der
Anschauungen des Mittelalters, als in Italien die Meister der Kunst
mit Selbstbewufstsein sich ihrer Werke rühmten. In den Städten
Norditaliens erschallen Namen von Kunstarbeitern, deren Bedeutung
wir nun schon ermessen können durch glaubwürdige Berichte über
ihre Leistungen, ja durch manche ihrer Werke selbst, die sich glück-
licherweise noch erhalten haben.
Florenz, die Stadt der Goldschmiede, wird in den Aufschreibungen
zuerst als Erzeugungsort prunkvoller Waffen gerühmt. Am Beginne
des 15. Jahrhunderts verbreitet sich die Erzeugung derselben nach
Mailand und Brescia, in welchen Orten schon seit dem 13. Jahrhun-
dert das Waffenhandwerk blühte, dann auch nach Bologna und Rom.
Betrachten wir den Gang der Entwickelung der Waffenerzeugung
Italiens im allgemeinen, so müssen wir mit Brescia als der ältesten
Stätte derselben in Italien, deren Entstehen noch in die antike Zeit
zurückreicht, beginnen. Die natürliche Bedingung des Entstehens
und Gedeihens der Brescianer Waffenindustrie war die Nähe der
eisenreichen Berge des Monte Prealba und des Monte Conche bis
Gardone und Caino hinauf, und nicht minder die wasserreichen Ge-
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
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rinne der Melle und Garza. Bis ins 16. Jahrhundert beschäftigten
sich die Werke nur mit der Erzeugung von Klingen und Spiefseisen,
von da an und mit grofsem Erfolge mit der Fertigung von Feuer-
waffen. In ersterer hat sich PietroCaino einen unsterblichen Namen
gemacht, in letzterer haben Cominazzo, Vater und Sohn. Lazarino
und Giovanni Francino nicht weniger Ruhm erworben. Schon
im 13. Jahrhundert erwarb sich Brescia durch seine grofsartige Pro-
duktivität den Beinamen l'armata.
Vergessen ist heute die einst so grofsartige Stätte der Waffen-
erzeugung von Belluno und Seravalle im Friaulischen , von welcher
die Republik Venedig bis ins 1 6. Jahrhundert ihre sämtlichen Waffen
bezog. Noch Maximilian I. liefs einen grofsen Teil seiner Kürisser
und Landsknechte mit Waffen aus dem Friaul ausrüsten, und schon
früher erwarben Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Siegmund von
Tirol dortselbst Waffen für ihre Söldnerhaufen. An sie erinnert noch
eine Waffe: der sogenannte Friaulerspiefs, das Spetum. Aus Belluno
stammen die unerklärlich leichten Klingen, welche im 16. Jahrhundert
so sehr beliebt waren und die auch noch heute von Kennern hoch
geschätzt werden. Sie sind eine Erfindung des Vittore Camelio,
der dafür 1509 vom Senate zu Venedig ein Privilegium auf fünf
Jahre erhielt. Noch um 1740 fertigt man in Belluno Pistolen, die
ein Gewicht haben, als wären sie aus weichem Holz gearbeitet.*)
Berühmte Klingen aus Friaul tragen die Bezeichnung „Jesus-Maria"
und „Angone". Von den vielen ausgezeichneten Meistern haben
besonders die Brüder Andrea und Giandonato Ferarra aus Fon-
zaso bei Belluno ihre Namen rühmlichst auf die Nachwelt gebracht.
Florenz war, gleichwie Venedig, nicht die Stätte einer Waffen-
erzeugung im grofsen Stile, wie etwa Brescia, bedeutend aber für
Prunkwaffen. Es ist anzunehmen, dafs auf die Entwürfe für den
Zierat die grofsen Bildhauer des Quattrocento, wie Donatello — von
dem es übrigens erwiesen ist — Benedetto da Majano u. a. Einflufs
gehabt haben. Man irrt jedoch, wenn man Benvenuto Cellini unter
die Waffenschmiede rechnet. Er selbst spricht weder in seiner Vita
noch in seinen Trattati davon, dafs er Waffen gefertigt hätte; nur
nebenher ist einmal bei ihm von Dolchscheiden die Rede. Aller-
dings mögen Schüler von ihm sich später der Waffenerzeugung zuge-
wendet haben.
Die Kunst der Waffenschmiede von Florenz steht vollkommen
unter dem Einflüsse der grofsen Ornamentisten Italiens, voran Ra-
phaels. Vermittelt wurden die phantasievollen Arabesken und Gro-
tesken, welche den Kunstarbeitem als Vorbilder dienten, durch zahl-
lose Stiche im Verlage von zumeist römischen Kunsthändlern, so des
Lafreri, des Rossi (Rubeis) u. a. Durch diese Blätter gelangte auch
*) Urban i de Gheltof, Les arts industriels ä Venise etc. Venisc 1885.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
der italienische Ornamentstil nach Deutschland und den Niederlanden,
in welch beiden Ländern alsbald massenhaft ähnliche Stiche er-
schienen, in denen die erhaltenen Vorbilder dem nationalen Ge-
schmacke entsprechend variiert sind; so dafs wir von da an von
niederländischem und deutschem Ornamentstil sprechen können.
Florenz hat im 16. Jahrhundert hochbedeutende Meister in
unserem Fache aufzuweisen. So Gasparo Mola, Pifanio Piripe
genannt Tacito, den Franzosen Guglielmo Lemaitre, Aluigi
Lani u. s. \v., welche sämtlich nicht allein ausgezeichnete Treibarbeiter
(Ziseleure), sondern auch Tausiatoren gewesen sind. Petrini nennt
uns in seinem Manuskripte über die Waffenschmiede auch einen ge-
wissen Repa als unübertrefflich in diesem Fache.*)
Man kann mit allem Rechte sagen, dafs in der Waffenerzeugung
vom Fabrikat für den gemeinen Gebrauch bis zu dessen höchster
künstlerischer Ausführung vom 13. Jahrhundert an Mailand den ersten
Rang eingenommen hat. Der Ruf seiner Erzeugnisse drang weit über
Europa hinaus und seine Harnische und anderen Waffen fanden Ab-
satz ebenso an der westafrikanischen Küste wie in Ägypten bis nach
Arabien und Persien. Die Herrscher Englands und Frankreichs be-
mühten sich, mailändische Waffenschmiede ins Land zu ziehen, um
die so hoch entwickelte Industrie bei sich heimisch zu machen, so
Heinrich IV. von England. Karl VI. von Frankreich errichtete eine
Kolonie in. Lyon, Ludwig XL in Paris, Karl VIII. in Bordeaux.
Auch Kaiser Maximilian I. berief zwei vorzügliche Meister, die Me-
rate, nach Arbois in Flandern.
Wir kennen bereits namhafte Mailänder Meister im 13. Jahr-
hundert; ihre Weltbedeutung in der .Waffenerzeugung erlangte die
Stadt aber erst, als aus ihren Mauern die ersten vollständigen Platten -
hämische für Rofs und Mann in die Welt gesendet wurden. Mit
diesem Zeitpunkt nahm die Industrie einen Aufschwung, der ohne
Beispiel dasteht; der Mailänder Harnisch wurde in Form und Güte
sprichwörtlich in der Welt, um das Ausgezeichnetste zu bezeichnen.
Den hervorragendsten Anteil an diesem grofsartigen Ergebnisse
hatte Petrolo da Missaglia aus der Familie Nigroli. Nach seinem
Tode am Anfange des 1 5. Jahrhunderts übernahm sein Sohn Tomaso
die Führung mit steigendem Erfolge. Als Tomaso um 1468 starb,
hinter! iefs er seinem Sohne Antonio eine der gTofsartigsten Werk-
stätten der Welt, eine Faktorei von riesiger Leistungsfähigkeit, Die
Stadt Mailand liefs dem venezianischen Gesandten Giorgio Contarini,
der auf seiner Reise nach Deutschland 1492 diese Stadt berührte,
auch die Werkstätte der Missaglia als eine hervorragende Sehens-
*) Petrini, Antonio, Arte fabrilc ovvero Armeria universale dove si conten-
fjono tutta la qualitä e natura del ferro ecc. 1642. Manuskript der Bibl. Maglia-
becchiana. (Cl XIX, 16.) Mitgeteilt in E. Plön, Benvenuto Cellini.
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V. Kunst und Technik im Wafienschmicdwcsen
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Würdigkeit zeigen, und Contarini erschöpfte sich in der Bewunderung
über deren Grüfse und Leistungsfähigkeit,*) Das Rohmaterial ent-
nahmen die Mailänder Werkstätten aus den nahe gelegenen Minen
von Valassina, Valsassina, bei Premana etc.**)
Nicht geringer wie in der einfachen Gebrauchsware gestalteten
sich die Erfolge in der Fertigung von Prunkwaffen, ja Mailand über-
traf darin nicht nur das kunstreiche Florenz, sondern auch die wett-
eifernden spanischen Werkstätten. Die Thätigkeit der Mailänder in
der Kunstarbeit erstreckte sich vorwiegend auf fein ziselierte Schwert-
und Degengriffe, tauschierte Spiefseisen, ferner aber auf die herrlich
getriebenen und tauschierten Harnische, die in ihrem mattgrauen
Tone und der reichen Goldzier eine Spezialität bildeten, die. nir-
gends übertroffen wurde.
Wenn man die Reihe der Mailänder Kunstarbeiter überblickt,
welche auf dem Waffengebiete im 16. Jahrhundert beschäftigt waren,
so staunt man über die grofse Zahl derselben, ja es ist nahezu un-
erklärlich, woher alle diese Kräfte genommen wurden, wenn man be-
denkt, dafs zahlreiche Mailänder Meister in anderen italienischen
Städten, ja in Frankreich und England arbeiteten und es fast keinen
Hof gab, an welchem nicht ein Mailänder „Wehrvergolder" ange-
stellt war.
Von den, wie erwähnt, ungemein zahlreichen Meistern nennen
wir nur die hervorragendsten, wie Pietro Cantoni, die Brüder
Nigroli, Bartolomeo Campi, Lucio Piccinino, Giovanni
Battista Serabaglio, von welchen Werke teils in Madrid, teils in
Wien sich befinden; ferner Giovanni Pietro Figino, Antonio
Romero, Bartolomeo Piat'ti, Martino genannt il Ghinello.
Andere nennen wir unter den Waffenschmieden am Schlüsse dieses
Werkes.
Die Entwürfe zu den Zeichnungen entnahmen die Mailänder
sowohl aus den Ornamentstichen, als auch aus Handzeichnungen des
Caradosso, des Agostino Busti und nicht minder des Giovanni
Battista Mantuano (Ghisi, auch Bertano genannt), der selbst in
anbetracht des prachtvollen Schildes, den er mit eigener Hand fertigte,
unter die bedeutendsten Treibarbeiter zu zählen ist.
Wie wir bereits erwähnten, besafs Mailand zahlreiche und vor-
zügliche Werkstätten zur Erzeugung von Klingen. Diese ahmten die
spanischen Klingen mit Giftzügen in staunenswerter Weise nach.
Speziell in der Klingenschleiferei sind die Mailänder als unerreicht
anzusehen. Die berühmtesten Klingenschmiede waren Antonio
Piccinino und dessen Sohn Federigo.
*) Itincrario di Germania. Mscrpt. Bibliotcca Trivulziana.
**) Vergl. hierüber des Verfassers Abhandlung: „Werke Mailänder Waffen-
schmiede in den kais. Sammlungen". Jahrbuch d. kunsthist. Sammlungen des
kais. Hauses Bd. IX, p. 375.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwes«n.
Der zur Zeit ungemein grofse Bedarf, sowie das grofse Talent
der Italiener für Handfertigkeiten waren Ursache, dafs neben der
genannten noch zahlreiche Waffenwerkstätten in kleinen Städten ent-
standen, von denen einige grofse Bedeutung erlangten. So jene in
Lucca, der alten Eisenindustriestätte, in Neapel, in Pistoja, wo be-
sonders Gewehrläufe erzeugt wurden. Hervorragend in diesem Fa-
brikationszweige sind Maffia und Bastiano da Pistoja, von welchem
man noch hier und da Arbeiten antrifft. Von bemerkenswerten Waffen-
künstlern anderer Orte seien noch hervorgehoben Geronimo Spacini
in Bologna, Caremolo in Mantua, Serafino Bresciano in Brescia.
Schon vom Beginne des 16. Jahrhunderts an sammelten sich
zahlreiche Waffenschmiede in Rom, welche namentlich unter Julius II.
imd Leo X. auch eine nicht gering zu schätzende künstlerische
Thätigkeit entfalteten. Die Leistungen lassen sich an vielen ausge-
zeichnet schönen Waffen, wie unter anderen an den geweihten
Schwertern ermessen, welche die Päpste an Könige und Fürsten zu
verschenken pflegten.
Die Waffenkünstler Italiens standen mitten im Kreise der grofsen
Künstler der Renaissance, der Humanisten und Poeten und unmittel-
bar unter ihrem belebenden Einflüsse ; nicht so die Kunstwaffenschmiede
Spaniens, deren Erzeugnisse gleichwohl in Technik und Dekoration
hervorragten. An den schönen Prunkwaffen Spaniens haften keine
Namen von Kunstheroen wie in Italien, das spanische Kunstleben, an
sich mehr ausgeglichen, gab auch dem Kunsthandwerk ein gleich-
förmigeres Gepräge, aus welchem nur Reminiszenzen an den maurischen
Stil und starke Anklänge an die Italiener, speziell die Mailänder zu
entnehmen sind.
Die spanische Waffenindustrie konzentrierte sich vom Mittelalter
an. wie nahezu überall, um die Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten
Materiales, des Eisens, und da sehen wir drei Gebiete hervorragen,
jenes den Tajo entlang, von den Bergen von Toledo bis zu den Ab-
hängen des Gebirges der Sierra de S. Memede, jenes an der Küste
des Golfes von Biscaja, von Guipuzcoa bis in die Ebene von Leon
herab. Endlich das Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete, süd-
lich bis Almeria reichend. Erstercs hatte als Hauptindustrieort Toledo,
das zweite Bilbao, Mondragon und Sahagun, das dritte Albacete und
Almeria. Isolierter von den Gewinnungsstätten lag ein hervorragender
I ndustrieort : Sevilla.
Waren die beiden südlichen Orte, Toledo und Albacete, durch die
Kunstfertigkeit der Mauren zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so stellt
Bilbao sich als der Vorort einer Waffenfabrikation dar, die ihre Ur-
anfänge noch unter den Iberern sucht und die selbst von den Römern
und Galliern geschont wurde. Die Erzeugung war aber lange von
primitivster Art und blieb seit ältester Zeit die gleiche. Im Gebiet
von Murcia machten sich die Mauren nach ihrem Übertritte nach
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
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Spanien zuerst sefshaft. AI Makkari berichtet in seiner Geschichte der
mohammedanischen Herrschaft in Spanien, dafs im Königreiche Murcia
die berühmtesten Fabriken von Panzerhemden, Kunstharnischen und
mit Gold eingelegten Stahlrüstungen bestanden.*) Mit dem Vorrücken
der Araber breitete sich die Industrie Ittngs des Tajo aus. Leider
sind uns aus jener Zeit nur wenig Daten geblieben, doch wissen wir,
dafs Abderhaman II. (822 — 852) die dortige Waffen fabrikation refor-
mierte und dafs AI Hakem II. um 965 dem Könige Don Sancho von
Leon ein reiches Geschenk mit Toledaner Arbeiten machte. Näher
tritt uns die Industrie von Toledo erst, als das Gebiet unter christ-
liche Herrschaft gelangt war (1402). Da hören wir von dem Neu-
begründer derselben Julian del Rey, der, ein Maure und Dienstmann
Boabdils, nach dessen Gefangennahme den christlichen Glauben an-
nahm. Ferdinand der Katholische soll sein Taufpate gewesen sein.
Julian, der mit dem maurischen "Waffenschmied Reduan identisch sein
dürfte, führte als Zeichen ein vierfüfsiges Tier, vermutlich eine Nach-
ahmung des Passauer Wolfes, in dem die Spanier ein Hündchen,
, perillo" , erblickten. Die berühmtesten Klingenschmiede Spaniens
gehören desungeachtet erst der 2. Hälfte des 16. und 17. Jahrhun-
derts an; so Juan Martinez aus der Familie Menchaca in Lissa-
bon, später in Sevilla und Madrid, um 15 öo, Juan de la Horta
um 1545, Juan de Alman (Alcmania?) um 1550, Miguel Cantero
um 1564, Lupus Aguado um 1567, Alonso de Sahagun
der Ältere um 1570, der Jüngere, Luis, um 1620, Hortuno de
Aguirre um 1604, die beiden Francesco Ruiz, Vater und Sohn,
1580 — 161 7, Thomas de Ayala, der Fertiger der hochberühmten
,, Thomasklingen" um 1625, endlich die beiden Sebastian Hernandez,
Vater und Sohn, welche gleichfalls dem 17. Jahrhundert angehören.
Bald danach ging diese Industrie so rasch zurück, dafs sich beispiels-
weise bemerkt, unter Karl III. 1760 nicht ein einziger Klingenschmied
fand, dem die Leitung der vom Staate neugegründeten Toledaner
Klingenfabrik anzuvertrauen gewesen wäre. Endlich übergab man sie
dem 70jährigen LuisCalisto, dem die Wiedererstehung der Industrie
zu danken ist.
Die Fabrikation der Feuergewehre kam erst am Ende des
16. Jahrhunderts in Spanien in Aufnahme, die ersten Läufe wurden
noch aus Deutschland bezogen.**) Im Verlaufe des Jahrhunderts und
bis etwa 1780 gelangte sie zu ungemein rascher Entwickelung. Wir
werden am Schlüsse die Namen der besten Büchsenmacher verzeichnen.
Die Ursache des späteren Rückganges dieser Industrie lag darin, dafs
die Spanier sich der Forderung gezogener Laufe nicht anbequemen
*) Riano, J., The industrial Arts in Spain. London 1879.
**) Martinez de Espinar Alonso, Arte de Ballesteria y Monteria. Madrid
1644.
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608
V. Kunst und Technik im Waffenschmied wesen.
wollten und damit den Markt allgemach verloren. Melchior Alvarez
um 1780 war der erste, der gezogene und Doppelläufe verfertigte.
Erwähnen wir noch der ausgezeichneten Panzerhemden, welche
weit und breit versendet wurden, der vorzüglichen Sattelfabrikation
in Galizien und Cordova, ferner, der angesehenen Fabrikation von
Armrüsten in Saragossa, so haben wir in kurzen Zügen die technische
WafTenindustric Spaniens geschildert.
Wenden wir uns schliefslich der Frage zu, was Spanien im
Kunstgebiete geleistet hat, so können wir auf zahlreiche, herrliche
Gebilde verweisen, die namentlich nach der kunsttechnischen Seite zu
würdigen sind. An keinem der Meister, so viele wir auch kennen,
haftet aber ein gleich hoher Ruhm wie an den Italienern, die in innigem
Vereine mit den ersten Gröfsen der Kunst zu schaffen pflegten. Und
dennoch, wenn auch nicht die Meister, die spanische Kunstwaffen-
erzeugung gelangte, durch Spanier selbst überliefert, an den deutschen
und anderen Höfen zu so grofser Beliebtheit, dafs an diesen die
spanischen „Wehrvergolder" mit den italienischen in Wettbewerb
traten.
Man hat die französische Waffenerzeugung vom Mittelalter
bis ins 17. Jahrhundert bisher als unbedeutend dargestellt, vielleicht
weil kein Autor in der Lage war, auf namhaftere Werkstätten und
tüchtigere Meister hinzudeuten. Diese geringe Bewertung entspricht
jedoch nicht den Ergebnissen neuerer Forschung. Für das frühere
Mittelalter läfst schon die verhältnisraäfsig hohe Kultur Südfrankreichs
eine tüchtige Waffenindustrie voraussetzen, wie auch anzunehmen ist
dafs italienische und spanische Kunstfertigkeit ihre Ausläufer in der
Provence gefunden haben. Im 13. Jahrhundert werden die kleinen
Bassinets von Montauban allenthalben getragen, und die Dichter er-
wähnen am Ende des 13. Jahrhunderts mit ungemeinem Lobe der
Harnische von Monsegur, vom Anfange des 14. der Waffen von
Mortemer.*) Im 15. und 16. Jahrhundert fehlt es auch nicht an
Namen bedeutender Waffenschmiede und auch nicht an solchen, die
dem Hofe kunstreichere- Arbeiten zu liefern im stände waren. Wir
erwähnen darunter nur einige, wie Jehan de Bonnes, den Hof-
plattner des Königs Rene um 1450, den Hofplattner Thomassin
Baigneux um 1456, die berühmten Waffenschmiede von Tours,
Jacques Merville um 1510 und S. Rcmy Farant um 1568, die
bedeutenden Tausiatorcn Roquelin Dehoux um 1561, Germain
Pilon um 1550 und den Fertiger der überaus kunstreichen Dolche
Thevenin Martineau.
All diese unleugbar ansehnliche Bcthätigung französischen Kunst-
fleifses genügte weitaus nicht den stolzen Plänen der französischen
Könige, welche dahin gerichtet waren, Frankreich zum ersten Kultur-
*) Gay, V., Glossaire archeologique.
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V. Kunst und Technik im Waffenschtniedwescn.
600
Staate zu machen. In der Erzeugung von Zier- wie von gemeinen
Waffen fühlte sich Frankreich von Mailand noch zu abhängig, darum
die wiederholte Bemühung der Könige vom Ende des 14. Jahr-
hunderts an, berühmte Waffenmeister Mailands ins Land zu ziehen,
um hier eine Schule zu bilden. Es ist dies ganz derselbe Weg, den
die Könige bei den höheren Künsten mit der Schule von Fontainebleau
einschlugen. Einen bedeutenden Aufschwung von 14 10 an nahm die
Schule zu Lyon unter Karl VI., deren bedeutendste Meister die Mai-
länder Martin de Tras 1410 — 1435, der Tausiator Francois
Forcia um 1537 und die Brüder Baptiste und Cäsar Gambeo
1543 — 1549 waren.*) Ludwig XI. machte 1466 erneuerte Anstren-
gungen, um Mailänder Meister an sich zu ziehen. Karl VIII. gründete
1490 au Bordeaux eine neue Ansiedelung von Waffenschmieden, meist
aus Mailändern, unter denen Ambroise Caron zu groCsem Ansehen
und Reichtum kam. Inzwischen war um 1540 die Waffenschmiede-
kunst Deutschlands zu hoher Entwickelung gekommen, und schnell
war Franz I. zur Hand, deutsche, namentlich Tiroler- und Augsburger
Plattner nach Frankreich zu ziehen. Diese Bemühungen der Könige
waren von guten Erfolgen begleitet, denn wir sehen im 16. Jahr-
hundert zahlreiche Franzosen in Spanien, Italien und in Deutschland
als Kunstarbeiter beschäftigt.
Von 1640 an hebt sich Frankreich mächtig in seiner industriellen
Kunst und damit auch in der Erzeugung kunstvoller Waffen, besonders
in Feuergewehren, Degen u. dgl. Es wird darin tonangebend zu
einer Zeit, in welcher die deutsche Kunstindustrie starr zu werden
droht, die italienische und spanische, obwohl sie noch über gewichtige
Namen verfügen, doch ersichtlich sich im Rückgange befinden. Zu
den ersten Meistern zählen die Büchsenmacher Bertrand Pi raube
um 1670, Adrien Reynier, genannt le Hollandois, um 1724 und
Louis Renard, genannt Saint-Malo, um 1643. Allen voran dürfte
der schon früher genannte Philipp Cordier d'Aubigny, 1635 — 1665,
stehen, dessen Arbeiten zu den schönsten der Zeit zählen und der
auch der Erfindung des Flintenschlosses nicht ferne steht.
In den Niederlanden erscheint die Waffenerzeugung bis ans
Ende des 14. Jahrhunderts nicht bedeutender als etwa im nördlichen
Deutschland, doch hatten sich in den vielen Städten daselbst Zünfte
herangebildet, welche als tüchtig und befähigt angesehen werden
konnten. Wie überhaupt alle Künste und Gewerbe unter burgundischer
Herrschaft einen gewaltigen Aufschwung genommen hatten, so kam
auch um 1400 das Waffenhandwerk in den niederländischen Städten,
vom Hofe unterstützt, zu ungemeiner Blüte. Die erste Anregung
gaben die zahlreichen Turniere, die um diese Zeit zu besonderer Be-
•) Rondot, Natalis. Les artistes et les mattres des metiers Tangers ayant
travaille a Lyon. Gazette de Beaux-Arts 1883.
Boeheim, Waffenkunde. 39
610
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
liebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden bur-
gundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künst-
lerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginne des 15. Jahr-
hunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede
kennzeichnet sich dadurch, dafs wir von da an Namen von bedeu-
tenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 Lodequin
Hughes in Brüssel, um 1423 Jehan Wisseron in Brüssel, um
1438 den Hofplattner Massin de Fromont. Um 1462 wirkt der
berühmte Waffenschmied Ambroise Ruphin; um 1468 aber der
Hofplattner Karls des Kühnen, Lancelot de Gindertale, der in
seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in
Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die
Zünfte der Armrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugs-
weise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt
war um 1469 Luc de Muldre.*)
Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgiefserei zu Mecheln
gegründet Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche
Büchsenmeister Hans Poppenrieder grofse Verdienste erwarb. Der
letzte bedeutende Giefser in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760.
Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffen-
schmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rück-
schritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480
war Francis Scroo. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war
in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffen-
schmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und
etablierte sie in Arbois.
Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung
der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Thätigkeit, ihre Be-
deutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man
kann zwar in der 2. Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer
Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber
die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter
jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte.
Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640
erhob sich auch die niederländische, und sie erreichte jene auch in
Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinflufst
von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende
des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk be-
herrschte, örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Be-
ziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Eine
bedeutende Waffenschmiedestätte, besitzt sie in ihrem genetischen
*) L'art ancien a l'Exposition Nationale Beige, public sous la Direction de
Camille de Roddaz, Armureric par E. Vanvinkeroy, Chef de la Scction d'armes au
Musee Royal d'antiquites a Bruxellcs. Bruxclles et Paris 1881.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
tili
Wesen viele Ähnlichkeit mit Passau, denn auch Lüttich, am Zusammen-
flüsse der Ourthc mit der Maas, verdankt seine Bedeutung seinen
bischöflichen Herrschern. War die Eisenindustrie schon vom 9. Jahr-
hundert dort lebhaft betrieben, so hob sie sich als Industrie für Ge-
schütze und Eisenwaffen und besonders Feuergewehren im nieder-
ländischen Befreiungskriege des 16. Jahrhunderts auf eine ungeahnte
Höhe. In jener Zeit diente sie den Spaniern wie den Kaiserlichen
in der Waffenausrüstung. Oftmals versuchten die fremden Herrscher
die dortige Erzeugungsweise bei sich heimisch zu machen und Ar-
beiter an sich zu ziehen. Massenhaft war ihre Leistung für Napoleon I.
1809 — 1814.
England ist, nach der technischen Seite hin betrachtet, vom
Beginne des Mittelalters an als hervorragend in der Waffenerzeugung
zu betrachten. Seit Richard I. bilden sich dort in den Harnischen
und anderen Waffen besondere nationale Formen heraus, was immer
als Zeichen einer gewissen Selbständigkeit des Geschmacks anzusehen
ist. Vom Beginne des 16. Jahrhunderts an förderte die Prunkliebe
des Hofes und der Adligen bis zu einem gewissen Grade auch die
künstlerische Fähigkeit der Londoner Waffenschmiede. Im 17. Jahr-
hundert beginnt eine ausgezeichnete Industrie in Feuergewehren, be-
merkenswert durch tadelloses Metall und bewunderungswürdige Arbeit.
Auf das Festland hat die Waflenindustrie Englands bis ins 1 8. Jahr-
hundert hinein nur zeitweilig und vorübergehend Einflufs gewonnen.
Um Deutschlands Waffenindustrie übersichtlich zu beschreiben,
müssen wir bis ins frühe Mittelalter zurückgreifen, in die Epoche
Karls des Grofsen, in welcher die reich verzierten Schwerter Kölns
im ganzen Reiche grofse Berühmtheit genossen. Soweit wir nach
Waffenstücken und Beschreibungen urteilen können, ist diese älteste
Waffenstätte vom Oriente beeinflufst worden. Sarazenische Arbeiten
von der Nordküste Afrikas, arabische, über Byzanz kommend, hatten
längst ihren Weg nach Deutschland gefunden und wurden dort in ihrer
Technik nachgeahmt, wobei die Goldschmiede vorzugsweise behilflich
waren. Weniger kunstreich als die kölnische und mehr auf die Massen
berechnet war die altberühmte Waffenindustrie Passaus. Nach der
Verlegung des von den Avaren bedrohten Bistums Lorch nach Passau
im 8. Jahrhundert wanderten auch zahlreiche Eisenarbeiter aus den
heutigen nordsteirischen und österreichischen Gebieten mit ihrem
Seelenhirten aus und gründeten in der genannten Stadt eine Industrie,
die rasch zu hoher Entwickelung kam und im ganzen Mittelalter
einen Weltruhm genofs. Die Werkstätten, die zum Teil abhängig
von dem Bischöfe waren, führten in ihren Erzeugnissen, die meist
aus Schwertklingen bestanden, vom 13. Jahrhundert an das Wappen
des Bistums, den „WolP*, und wohl auch den Bischofstab. Das alt-
berühmte Zeichen wurde im späten Mittelalter vielfach gefälscht. Eine
Chronikstelle besagt, dafs Herzog Albrccht im Jahre 1349 die
39*
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612 V. Kunst und Technik im Waffenschmied wesen.
Passauer Werkstätten mit dem Wolfszeichen begabt habe; die Nach-
richt ist aber apokryph. Dagegen ist die Angabe zuverlässig, dafs
Kaiser Karl IV. dem Passauer Messerschmiede Georg Springinklee
für seine Zunft ein Wappen verliehen habe, das in einer Krone be-
stand, in deren Zinken drei blanke Schwerter stecken. In einem
gewissen Kontakte mit Passau stand die Schwertindustrie Regens-
burgs. Im Rolandsliede wird als Verfertiger des Schwertes Rolands
(Durenda) der Schmied Madelger aus Regensburg erwähnt.*) Die
Passauer verstanden es, ihre Erzeugnisse mit abergläubischem Nimbus
zu umgeben. Mit einer Passaucr Klinge konnte man sich „fest", d. i.
unverwundbar machen, wie auch die „Passauer Kunst" eine Unzahl
von Geheimmitteln in sich fafste. Der fromme Schwindel währte bis
zum westfälischen Frieden.
Bis ins 12. Jahrhundert reicht die Waffenindustrie Solingens
zurück. Nach einer Tradition soll sie durch Adolf IV. von Berg
1 147, nach anderer Annahme erst 1290 gleichfalls von dahin einge-
wanderten steirischen Eisenarbeitern gegründet worden sein; ihren
raschen Aufschwung verdankt sie der gewaltigen Bewegung in den
Kreuzzügen. Im 16. Jahrhundert wendeten sich die zahlreichen
Werkstätten vorzüglich der Fabrikation von Degen und Rappieren zu,
in welcher sie heute selbst von den englischen nicht übertroffen werden.
Solinger Degenklingen des 16. und 17. Jahrhunderts haben viele
Ähnlichkeiten mit gleichzeitigen spanischen, wie denn auch erwiesen
ist, dafs viele Solinger Schwertfeger zeitweise in Spanien arbeiteten.
Ein Hauptort der Waffenerzeugung war Suhl in Thüringen; die
dortige Waffenindustrie bestand schon vor 1380 und lieferte ihre
Harnische und Schwerter der Ritterschaft Deutschlands. 1563 be-
gründete der letzte Graf von Henneberg die dortige Feuerwaffen-
industrie im grofsen Stile, die sich bis auf unsere Tage in grofsem
Ansehen erhielt. Die Büchsenmacherfamilie Klett hat an ihrem
Ruhme nicht geringen Anteil.
Mit diesen grofsen Zentren teilten aber auch viele andere
deutsche Städte den Ruhm einer ungemeinen Produktionsfahigkeit auf
dem Gebiete der Waffen. Schon im frühen Mittelalter tritt Nürnberg
in dieser Hinsicht achtunggebietend hervor. Eine der ältesten Nürn-
berger Zünfte ist die Messercrzunft von 1285. lm '4- Jahrhundert,
wo die Nürnberger Werkstätten bereits für die ersten Deutschlands
galten, nimmt die Kunst hier immer mehr Einflufs auf das Hand-
werk. Indes kommt in Bezug auf die künstlerische Ausstattung die
Nürnberger Waffenindustric erst vom Ende des 15. Jahrhunderts zu
vollem Glänze, und wir zählen von da an Meister, deren Namen für
*) Es ist bezeichnend, dafs althochdeutsch madalger, mittelhochdeutsch madelger
die Kreuzwurz (Gentiana cruciata) genannt wurde, die in der nordischen Mythologie
eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Sie erhielt ihren Namen von Madelger, dem
Vater Heimirs. (Grimm, Mythologie.)
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
613
alle Zeiten in der Kunstgeschichte prangen werden, wie die Plattner
Hans Grunewalt, Wilhelm von Worms, Vater und Sohn,
Konrad Lochner, Valentin Siebenbürger, die Büchsengiefser
Sebald Behaim, Andreas Pegnitzer, Vater und Sohn, und viele
andere. Wie in Italien, so waren auch in Deutschland die Be-
ziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer inniger geworden.
War die erste Anregung hierzu auch aus Italien gekommen, die grofse
geistige Kraft der Nation bildete die fremden Elemente doch in staunens-
wert kurzer Zeit nach ihren Anschauungen um, und der grofse deutsche
Meister Albrecht Dürer steht mitten im industriellen Gebiete wie
eine eherne Säule da. Er, der Meister im grofsen Stile, nimmt Ein-
flufs auf die kleinsten Verhältnisse im nationalen Kunstleben; ihm ist
es nicht zu gering, von der Staffelei weg sich an den Tisch zu setzen,
um den Entwurf zu einem Gerät zu machen. Der Kaiser wünscht
15 17 eine Zeichnung zu einem silbernen Hämisch, und er zeichnet
einen solchen in allen Einzelheiten. Er ist von dem berühmten
Colman Helmschmied ausgeführt worden und würde, wäre er uns
erhalten geblieben, in künstlerischer Schönheit von keinem der Welt
übertroflen werden, wie uns einige noch vorhandene Skizzen lehren.
Und wie Dürer, so waren auch seine künstlerischen Zeitgenossen
und Nachfolger für das Waffenwesen mit Erfolg thätig. So sehen wir
im Skizzenbuche des Hans Baidung Grün Musterzeichnungen von
Harnischen; so wissen wir, dafs die beiden Burgk mair am Waffen-
wesen, ebenso wie Albrecht Altdorfe r mit Entwürfen beteiligt
waren. Auf dekorativem Gebiete ragt in der fränkischen Schule
vor allem A. Aldegrever hervor, der der Ornamentik eine
eigene Richtung gab, und welchen bedeutenden Einfiufs haben nicht
der ältere L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis und die,
Goldschmiede Jamnitzer auf die Verzierung der Waffen genommen!
Im Verlaufe des 1 6. Jahrhunderts trat gegen das mächtige Nürn-
berg eine lebenskräftige Rivalin auf: Augsburg. Von alter Zeit her
war hier eine gute, wenn auch nicht tonangebende Waffenwerkstätte,
aber erst die volkstümliche schwäbische Kunst gab den Anstois zu
einer Entwickelung, die Nürnbergs Ruhm bald überholte. Immer
gröfser wurde die Zahl der Plattner der alten Augusta Vindelicorum.
In der vordersten Reihe stehen die Kolman Helmschmied, deren
Thätigkeit sich bis 1440 hinauf verfolgen läfst. Dem ältesten uns be-
kannten Sprossen der Familie, Georg, folgte dessen Sohn Lorenz (gest.
15 16), diesem der berühmte Enkel Koloman (gest. 1532) und diesem
wieder dessen Urenkel Desiderius, der die Leistungen selbst der Italiener
in den Schatten stellte. Weiter sind zu nennen der talentvolle Wilhelm
Seusenhofer aus Innsbruck, Matthäus Frauenbrys, Anton
Pfeffenhauser und zahllose andere. Im Geschützgusse ragt vor
allen der Vorarlberger Gregor Löffler hervor, der Augsburg seiner
prächtigen Geschütze halber sprichwörtlich gemacht hat.
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614
V. Kunst und Technik im Waflenschmiedwesen.
Fragen wir nach den Meistern, welche dem Waffen wesen sein
künstlerisches Gepräge aufgedrückt und die deutsche Waffenschmiede-
. kunst zu ungemeiner Bedeutung erhoben haben , dann stofsen wir
nicht allein auf Maler, sondern auch auf Bildhauer, Goldschmiede und
selbst auf einfache Ätzkünstler. Neben den Nürnbergern und den
beiden Burgkmair ist hier noch Hans Holbein d. j., der, wenn
auch von der Heimat fern, doch ersichtlich grofsen EinfluCs auf
die dekorative Kunst im Waffenwesen Augsburgs gehabt hat Wie
Augsburg später in den Wettbewerb getreten ist, so fand es auch
bereits eine andere Art des Kunstbetriebes vor. Es lernte die Ent-
würfe von Künstlern grofsen Stils allgemach entbehren und fand seine
Ornamentisten in einer Unzahl von Goldschmieden, Emailisten und
Ätzmalern, die, wie Jörg Sorg, Marquart, Christof Lenker,
Schanternell, Attcmstätter, die Ätzmaler Roth und viele andere,
Vorzügliches leisteten. Daneben boten der Industrie die zahlreichen
Ornamentstiche aus dem Weigelschen Verlage und jene aus den
Niederlanden des Hieronymus Cock treffliche Muster. Wir nennen
hier unter anderen Theodor de Bry, Michel le Blon, Cornelis
Floris und Johann Vredeman Vries. Selbst die Benutzung italie-
nischer Vorlagen ist bei Desiderius Kolman nachzuweisen.
Von nicht geringer Bedeutung war der Einflufs einiger Höfe in
Deutschland auf die Entwickelung des Waffenschmiedewesens. In
Bayern errichtete Herzog Albrecht IV. 1492 zu München die Stuck-
giefserei am Glockenbachc, um deren Förderung sich die Familie
Ernst wesentliche Verdienste erwarb. Die Plattnerei war in Lands-
hut heimisch, ihr hervorragendster Meister war Franz Grosschedel.
In Sachsen wirkte von 1460 an die berühmte Stuckgiefserfamilie
• Hilger in Dresden, ebendort waren die Plattner Hans und Sig-
mund Rosenberger berühmt in ihrem Fache, und in Annaberg
stand die Familie der von Speyer in verdientem Ansehen.*)
Diese von den Kunstzentren Deutschlands entfernten Meister
lassen auf dem dekorativen Gebiete den Einflufs einer bestimmten
Schule nicht erkennen. Sie nehmen ihre Vorbilder überall her, selbst
von Franzosen wie Jacques Ducerceau.
Übrigens tauchen Ornamentisten nach und nach in den
kleinsten Städten auf, wo Kunstarbeiten gefertigt wurden. Besonders
zahlreich scheinen sie in München gewesen zu sein, wie u. a. aus
den von Hefner-Alteneck publizierten Handzeichnungen aus dem kgl.
Kupferstichkabinett zu München zu entnehmen ist. Als ein Hauptmeister
der Ornamentik erscheint dabei Hans Mielich, der Entwürfe zu
Harnischen für Franz I. und Heinrich II. von Frankreich lieferte, ferner
ChristofSchwarz aus Ingolstadt, der für einen Harnisch Rudolfs II.
*) Gurlitt, Com., Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner im 16. Jahr-
hundert. Dresden, 1889.
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V. Kunst und Technik im Waffcnschmicdwcscn.
615
Zeichnungen fertigte. Hans Bol und Hans Boksberger sind eben-
falls durch die genannte Veröffentlichung zu verdientem Ansehen
gekommen.
Mit der Einführung des Feuergewehres erstand für Deutschland
ein neues Gebiet der Waffenindustric, auf dem es viele Jahrzehnte
den Ton angab. Namentlich war das deutsche oder Radschlofs eine
Spezialität, in deren Erzeugung selbst die nacheifernden Brescianer
es nicht zu höherer Bedeutung zu bringen vermochten. Eigenartig
und bewundernswert war auch die Einlagetcchnik der deutschen
Schäftcr, mit der diese in der ganzen Welt den höchsten Ruhm er-
warben. Selbst nach der Erfindung des Flintenschlosses hatte Deutsch-
land noch namhafte Meister aufzuweisen, die allerdings den heimischen
Stil verliefsen, wie Armand Bongardc in Düsseldorf, Ulrich Mänz
in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, J. A. Kuchenreuter
in Regensburg u. a. Für die Büchsenmacherei bildete sich damals
eine eigene, den Franzosen nachgebildete Kunstlitteratur ; wir erwähnen
daraus nur der Ausgaben des Peter Schenck in Amsterdam 1692
und des Christof Weigel in Nürnberg.
In den österreichischen Erbländern finden wir eine Waffen-
industrie, die bis in das Altertum und an den Beginn der Eisen-
periode hinaufreicht. Die römischen Schriftsteller, wie Plinius, be-
richten uns von der Güte des norischen Stahles und Tacitus von
der dortselbst rege betriebenen Fabrikation von Waffen. Diese In-
dustrie scheint selbst unter den Wirren der Völkerwanderung nicht
gänzlich zu Grunde gegangen zu sein. Sie stammt keinesfalls von
den Römern, sondern von illyrischen Kelten her; wir schliefsen dies
daraus, dafs diesem Volksstamme der Bergbau eigentümlich war und
dafs der Zug einzelner von den Avaren bedrängter Familien nicht
nach Süden, sondern gerade donauaufwärts ging. Die Eisen-, damit
auch Waffenindustrie Noricums beschränkte sich nicht auf das heutige
Steiermark allein, sie reichte von der Donau bis nach Kärnten und
von der Enns, dem Anisus der Alten, bis an die Abdachung des
Wienerwaldes und an die Raab. Die hier gefertigten Waffen gingen
teils nach Italien und in die pannonischen Landschaften, teils donau-
aufwärts, bis die Passauer Werkstätten das nördliche Gebiet für sich
gewannen. Während der Periode der Kreuzzüge scheint die stei-
rische Waffenindustrie zu grofser Bedeutung und ungemeiner Leistungs-
fähigkeit gekommen zu sein. Es ergibt sich das aus dem mächtig
zunehmenden Selbstbewufstsein der Korporationen und den allent-
halben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert Um diese
Zeit mehren sich auch die Werkstätten in den gröfseren Städten
Böhmens und Ungarns, die den in diesen Ländern nicht unbedeuten-
den Ertrag an Eisen und Stahl verarbeiten.
Im Hussitenkriege gelangten einige Bezirke in Böhmen, welche
schon im frühen Mittelalter als Eisenindustrie treibend genannt werden,
616
V. Kunst und Technik im Waffensehmiedwcsen.
wie Beraun, Kuttenberg etc., zu vorübergehender Bedeutung. Auch
unter König Podiebrad wurden Versuche gemacht, das Land im
Waffenwesen minder abhangig zu machen; sie scheiterten zumeist an
der unüberwindlichen Konkurrenz Passaus.
So grofs die Leistungsfähigkeit der Schmiedewerkstätten im Mittel-
alter auch war, so litten ihre Erzeugnisse doch an dem Gebrechen
der Regellosigkeit der Formen, ein Umstand, der einzelne Herrscher
im 14. Jahrh. veranlafste, auf die Formengebung Einflufs zu nehmen.
Diese durch gesetzliche Vorschriften bewirkte Reform wird freilich
erst im 15. Jahrhundert merkbar. In Tirol ist es Friedrich mit der
leeren Tasche, der eine geregelte einheitliche Bewaffnung seines Kriegs-
volkes anzubahnen versuchte, insofern er den Gcschützgufs zuerst in
eigene Hände nahm. Sein Nachfolger Sigismund setzte die Be-
mühungen eifrig fort. Kr ist als der eigentliche Schupfer der be-
rühmten Stuckgiefserschule anzusehen, die unter Maximilian I. ihre
grofsartige praktische Verwertung fand. Unter Sigismund bildeten
sich Jörg Endorfer, Peter Layminger, Hans Prein, Linhart
Peringer u. a. Die anderen Waffen wurden je nach dem politischen
Verhältnis aus Italien oder aus Passau bezogen. Mit dem Regie-
rungsantritte Maximilians I. trat im gesamten Kriegswesen der öster-
reichischen Erblande und Deutschlands ein ungeheuerer Umschwung
ein. Dieser Herrscher war es, der zuerst ein vollständiges System
der Bewaffnung ins Leben rief und bei dessen Durchführung auf die
Produktion der Erblande eine möglichst weitgehende Rücksicht nahm.
Jetzt trat die Innsbrucker Giefserei tonangebend mit Meistern hervor,
die an Fähigkeit selbst die Augsburger und Nürnberger überragten;
so Hans Seelos, Stefan Godl, Hans Düring, und vor allen
Peter Laymingers berühmter Sohn Gregor Löffler. Nicht allein
für das Geschützwesen, auch für die übrigen Angriffswaffen: Spiefse,
Schwerter, Armrüste, später um 1500 auch für die Handfeuerwaffen
wurden bezüglich ihrer Formen Bestimmungen getroffen, die mit der
neugebildeten Heeresorganisation im Einklänge standen. Spielse und
Schwerter kamen aus Leoben, zum Teil auch aus dem Belluncsischen,
Armrüste aus Tirol und dem Donauthale, Hakenbüchsen aus Mürz-
zuschlag und aus Steyr. Ein bedeutender Nachdruck wurde auf
die Entwickelung des Artilleriezeugwescns gelegt. Unter Kaiser Maxi-
milian I. bildeten die österreichischen Heereseinrichtungen das Muster
für jene aller übrigen Länder, selbst Frankreich nicht ausgenommen.
Maximilian bediente sich zur Durchführung seiner Reformen des
Bartholomäus Freysleben, eines äufserst begabten Mannes, der
als einfacher Schlosser seine Laufbahn begonnen hatte und spater
seines organisatorischen Talentes wegen des Kaisers vollstes Vertrauen
genofs. Die wiederholt erwähnten Zeugbücher Maximilians I., eine
wichtige Quelle zur Kenntnis des Waffenwesens am Beginne des
16. Jahrhunderts, sind unter seiner Leitung entstanden. Als ein von
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
617
dem Kaiser für Waffenentwürfe beschäftigter Künstler wird uns der
Briefmaler Nicolaus Glockendon genannt.
Das österreichische Plattnerwesen hatte, wie die Giefskunst, ihre
Heimstätte in Tirol. Als der vollständige Plattcnharnisch üblich
wurde, arbeitete zu Innsbruck die Plattnerfamilie Treytz; sie lieferte
ausgezeichnete Harnische, die weit und breit begehrt wurden. Die
tirolische Plattnerei scheint aus der mailändischen Schule erwachsen
zu sein. In der Treytzschen Werkstätte bildete sich der mit Recht
berühmte Hans Seusenhofer, der Harnischmeister Maximilians I.
Ihm folgte zu Innsbruck dessen Sohn Jörg Seusenhofer, ein Bruder
Jörgs war der berühmte Wilhelm dieses Namens zu Augsburg, dessen
wir bereits gedacht haben.
Unter Ferdinand I. nahm die Bedeutung der speziell österreichi-
schen Waffenindustrie etwas ab, wenigstens werden für den Bedarf
an Waffen die Industrien in den Reichslanden, wie Augsburg, Passau,
ferner Mailand, Brescia, und selbst in Spanien mehr in Anspruch
genommen. Ungarisch-orientalische Formen beeinflufsten damals mehr
und mehr das deutsche Waffen wesen ; von hier aus gehen sie auch
auf italienische Werkstätten über. Deutsche Ätzmaler, die Zischüggen,
Säbelscheiden etc. mit ihren charakteristischen Renaissanceomamenten
verzierten, versuchen nicht selten auch den orientalischen Stil nach-
zuahmen, was ihnen manchmal wunderbar gelingt. Am Ende des
16. Jahrhunderts und das ganze 1 7. Jahrhundert hindurch sind geätzte
Schwertklingen auch bei Jagdschwertern sehr beliebt gewesen. Im
letzteren Jahrhundert bildete sich für die Klingenätzung eine eigene
bäuerliche Industrie im Algäu, in dem Schwarz- und dem Bregenzer-
walde heraus, die zwar rohe aber äufserst charakteristische Erzeugnisse
zu Tage förderte. Ferdinand I. gründete 1558 die heute noch immer
ansehnliche Feuergewehrindustrie zu Fcrlach in Kärnten. Er berief
hierzu Arbeiter aus den Niederlanden. Das Eisen zur Fertigung der
Läufe wurde aus der nächsten Umgebung bezogen, wie auch die
Bohrungen am Orte selbst vorgenommen wurden Ihre Berühmtheit
verdankt sie den aufserordentlich präzisen Montierungen. Unter Kaiser
Rudolf wurden die italienischen Industriestädte für Waffen sehr in
Anspruch genommen, aber auch Passau arbeitet viel für den Kur-
fürsten Maximilian von Bayern. Von etwa 1600 an hebt sich in den
österreichischen Erblanden die Fabrikation von Feuergewehren. Im
Jahre 1657 gründete Kaiser Ferdinand III. die später zu bedeuten-
dem Ansehen gelangte Feuergewehrfabrik zu Wiener Neustadt, deren
erste Arbeiter gleichfalls Niederländer waren. Sie wurde indes um
1750 wieder aufgegeben. In Tirol, in Böhmen erstehen ausgezeich-
nete Meister für geschnitzte und eingelegte deutsche Schäfte, für Rad-
schlösser etc. Später treten auf diesem Gebiete die Wiener Meister
hervor, die ersichtlich im Kontakte mit den Augsburgern stehen, aber
auch Brescianer Eisenarbeit zu erreichen streben. All diesen Be-
618
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
mühungen macht die Erfindung des Flintenschlosses und die Umge-
staltung des Schaftes nach französischem Muster ein Ende. So wie
im westlichen Deutschland beeilen sich auch die österreichischen Büchsen-
macher, die neuen Gewehrformen nachzuahmen, und nach wenigen
Jahrzehnten, um 1680, arbeiten sie Ziergewehre für die Jagd, Pistolen
und dgl., die den französischen an Güte nicht nachstehen, in der
Zeichnung der Verzierungen aber diese nicht selten übertreffen. Zu
den hervorragendsten Meistern zählen wir S. Hause hka und Neu-
reiter in Prag, L. Becher in Karlsbad, G. Keiser in Wien,
G. Dünkl in Schwatz u. a.
Zum Schlufs wenden wir uns zum Oriente, der ja als die Wiege
der Waffenschraiedekunst anzusehen ist. Von den Schneegebirgen
des Himalaya zogen in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi die
ersten Eisenschmiede in den Pendschab hinab, mächtig breitete sich
in dessen Thälern die Waffen industrie aus und von hier aus gelangte
die Verarbeitung des Eisens zu Waffen nach Hinterindien, Siam,
China, Japan einerseits, nach Persien, Arabien und Phönizien ande-
rerseits. Zur Zeit Alexanders des Grofsen besafs indischer Stahl, der
schon damals als Rohprodukt in den Handel kam, einen ungemein
hohen Wert. Indisches Eisen wird der feinen Politur wegen, die es
annahm, bei den Alten ferrum candidum*) genannt. Die berühmtesten
Klingen lieferte das Gebiet von Bokhara, der Stahl aber gelangte
dahin aus Missore, Lahore, teils auch aus Kutsch und aus den Blauen
Bergen. Die indischen Waffen wurden in grofsen Massen nach
Europa ausgeführt, ein Teil über Adola, das heutige Aden; ein
nicht minder bedeutender ging auf den Markt nach Damaskus.
Nächst Indien ist Persien in der Klingenerzeugung zu hohem Ruhme
gelangt, wiewohl auch hier meist indischer Stahl verarbeitet wurde.
Grofscs Ansehen genossen die Werkstätten von Khorassan, deren
Hauptsitz die Stadt Mesched war, nicht minder geschätzt waren die
Klingen aus Kerman, jene aus Schiras und Ispahan. Im Mittel-
alter wurden auch die Panzer von Samarkand, die Klingen von
He rat mit Auszeichnung genannt.
Für die Waffenerzeugung war seit dem Altertume auch Armenien
ein klassisches Gebiet. Sein Ruhm schreibt sich von einer uralten
Waffenschmiedfamilie her, den Yedi-Kardasch, den sieben Brüdern.**)
Vom Mittelalter an ragen die Werkstätten von Erzerum, Tiflis und
Akhlat durch ihre Erzeugnisse hervor, die selbst bis auf den Markt
von Damaskus zu dringen vermochten.
Die bedeutsamste Stadt in der Geschichte der Waffen ist Da-
maskus am Antilibanon. Die schönste, berühmteste und nach der
Meinung der Orientalen auch die älteste, auf deren Markte die kost-
*) Beck, D. Ludw. Die Geschichte des Eisens. Braunschweig 1884.
*•) Beck, L c.
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I
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. 619
barsten Schätze Indiens und Persiens sich sammelten. Wer ein kost-
bares Schwert erwerben wollte, zog nach Damaskus. Seine Klingen
sind bis zum heutigen Tage sprichwörtlich geworden, und wenn auch
nicht alle dort gekauften Klingen aus dieser Stadt selbst, ja die besten
aus Persien und Tiflis stammten, so zählte man dort doch hochbe-
rühmte Klingenschmiede. Die ersten und reichsten Tausiaarbeiten
kamen aus Indien und Siam, wurden aber, da sie zuerst von dem
ungeheuren Bazar von Damaskus aus in die Welt gelangten, durch-
weg als Damaszenerarbeiten berühmt. In der Periode der Kreuzzüge,
wo ein Massenbedarf an Waffen eingetreten war, entwickelte sich die
quantitative Leistungsfähigkeit der Industrie in Damaskus selbst so
grofsartig, dafs sie die persische und armenische Ware allmählich
völlig verdrängte, obwohl diese die einheimischen Erzeugnisse an
Güte überragten. Wiederholt wurden bei der Eroberung der Stadt
die Eisenarbeiter von den Siegern fortgeführt, so von Nebukadnezar,
und noch am Ende des 14. Jahrhunderts auch von Timur-Leng.
Eigentümlich hat sich die Waffenschmiedekunst unter den Arabern
entwickelt. Die Araber waren vorwiegend ein Wandcrvolk, ihre ein-
zigen Ansiedelungen am Roten Meere aber sind uralt. Schon 3000
v. Chr. erkämpften sie sich die Bergwerke am Sinai, und der dort
sich entwickelnde Bergbau fand eine ungemeine Unterstützung in der
Neigung des Arabers zur Handelsthätigkcit. Vom Sinai, aus Usal,
dem heutigen Sanaa, gelangten die aus feinstem Stahl gearbeiteten
Waffen nach Tyrus und von da nach Europa.
Die arabischen Waffenschmiede waren nirgends sefshaft; sie
wanderten unter den nomadischen Stämmen herum und hatten die
Gewohnheit, dafs sie, an einem Orte angelangt, den Tag ihrer Weiter-
reise nie angaben, weshalb man sich auf ihre Beteuerungen nie ver-
lassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit wurde darum sprichwörtlich.
Die berühmtesten arabischen Schwerter waren die Hanifitischen, von
ihrem Meister Alhanaf-ben-Kais so genannt Auch die Klingen
des Waffenschmiedes Soraidj werden in den Schriften mit grofser
Verehrung erwälint. Nicht weniger berühmt waren die arabischen
Ringpanzer, die nicht selten eigene Namen trugen. Die besten Ring-
panzer kamen aus Soluk in Jemen. Zweifelsohne hat zur Entwicke-
lung der arabischen Waffenschmiedekunst persischer Einflufs beige-
tragen.
Die eigentliche Kunsttechnik der Inder, Perser und Araber er-
streckte sich hauptsächlich auf die Tausia, das Niello und die Schnitzerei.
Die Entwickelung des Stiles war, wie überhaupt im Oriente, durch die
religiösen Satzungen beeinflufst, die ihr einen nur sehr schmalen Weg
übrigließen. Die Inder vermeiden figürliche Darstellungen, unter denen
sie immer nur Göttergestalten verstanden, auf profanen Gegenständen.
Den Arabern verbietet das mohammedanische Gesetz geradezu die
Nachbildung der menschlichen Gestalt und der Tierwelt. Ohne
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Zweifel benutzten die Araber vor Mohammed figürliche Motive zu
dekorativen Zwecken, aber Waffen aus jener fernen Zeit sind nicht
auf uns gekommen. So beschränkte sich der orientalische Motivenschatz
notgedrungen auf das botanische Gebiet. Die stilistische Ausgestaltung
der Pflanzenwelt bei den Arabern hat mit den Uranfängen der Kunst
im Norden Europas, in den altslawischen Gebieten etc. eine über-
raschende Ähnlichkeit. Die Schrift als dekoratives Mittel zu be-
nutzen haben die Araber um das Jahr iooo n. Chr. zuerst begonnen;
nach ihnen versuchten es auch die Perser, die als Schiiten übrigens
an figürlichen Darstellungen keinen Anstofs zu nehmen pflegten.
Ornamente mit eingestreuten Tieren sind daher, wenn nicht ihr Stil
auf andere Gebiete, wie etwa Indien, Siam, China etc., weist, was
leicht zu unterscheiden ist, als persisch zu betrachten, wenn auch
arabische Formen mit unterlaufen. Die Sarazenen, sowie die Mauren
in Sizilien und Spanien haben sich nicht immer strenge an das mo-
hammedanische Gesetz gehalten, denn wir besitzen von ihnen zahl-
reiche ornamentale Gebilde mit Tier- und selbst mit Menschenge-
stalten. Der Löwenhof der Alhambra ist ja für dieses Hinwegsetzen
über religiöse Satzungen ein monumentaler Beweis. Ungemeines Ge-
schick zeigen alle orientalischen Völker in der farbigen Behandlung
des Ornaments; das erlernten von ihnen auch die Byzantiner. Die
übermäfsige Auszierung der Gegenstände mit kostbaren Steinen, die
wir vom 7. Jahrhundert her an arabischen Waffen, später auch
an byzantinischen merken, bedeuten einen Rückgang in der dekora-
tiven Kunst. Vorwiegend wird der Türkis verwendet, der vom Sinai
und aus Persien von Nischapur bei Mesched bezogen wurde.
So geschickt die Chinesen auch in allen Handfertigkeiten sind
und so alt auch ihre Bekanntschaft mit dem Eisen ist, in der Waffen-
fabrikation standen sie immer hinter ihren westlichen Nachbarn, den
Siamesen und Indem, aber auch hinter ihren Brüdern, den Japanern,
zurück. Die ältesten Eisenwerke Chinas waren in Schansi und
Tschilili in der Provinz Ho und in Hai-schan im Südwesten; die
dort bereiteten Stahlsorten wurden zu Schwertern, Spiefseisen und
Messern verarbeitet.
Weit vollkommener ist die Eisen- und Stahlbereitung, sowie die
Waffenindustrie in Japan. Das Eisen wird an verschiedenen Stellen
gewonnen, am meisten da, wo die drei Provinzen Mimesaka, Bitspi
und Bisen zusammenstofsen. Japanesische Klingen sind so vortrefflich
gearbeitet, dafs sie den Damaskklingen zur Seite gestellt werden ; freilich
standen sie auch ungemein hoch im Preise. Die Bereitung des Stahles
wird als Geheimnis gehütet; nach Swedenborg*) schmieden sie Eisen
in Stangen aus, die sie an gewissen sumpfigen Orten in den Boden
eingraben und sie dort so lange liegen lassen, bis sie zum gröfsten
*) Swedcnborgius, De Ferro. 1734. p. 194. — Beck, L c.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
(J21
Teile vom Roste verzehrt sind; dann graben sie sie aus, schmieden
sie von neuem und vergraben sie nochmals. So behandeln sie das
Metall 8 — 10 Jahre, d. h. so lange, bis die minderwertigen Teile fast
gänzlich durch die Salze im Sumpfwasser verzehrt sind. Der übrig-
bleibende Teil ist der reinste Stahl.
Das Handwerk des Schwertfegers gehörte in Japan zu den ge-
achtetsten Gewerben, und selbst Prinzen, wie Idzumi (um 1350)
hielten es nicht unter ihrer Würde, Klingen zu schmieden Die Liste
der berühmten Schwertfeger Japans reicht 800 Jahre hinauf, der
älteste bekannte ist Jukimitzu; seine Klingen werden nur noch
als Weihgeschenke in Tempeln getroffen; der berühmteste aber ist
Masamune (2. Jahrhundert). Klingen dieses Meisters tragen keine
Zeichen. Der Samurai (Krieger), sagte er, der werth sei, seine Klinge
zu besitzen, müsse sie auch ohne Inschrift erkennen.
VI. Die hervorragendsten Waffensammlungen.
1. Das königliehe Zeughaus in Berlin.
o grofsartig und bedeutend die Waffensammlung des königlichen
Zeughauses in Berlin auch ist, so ist sie doch erst eine Schöpfung
jüngster Zeit, erstanden unter dem Eindrucke der grofsen deutschen
Siege als eine Versinnlichung der Gröfse und Kraft der deutschen
Nation und ihrer Thaten in der Geschichte.
Die Waffensammlung des Zeughauses ist weniger vom technischen
als historischen Gesichtspunkte von Bedeutung. Sie dient nur nebenher
zur Beleuchtung der Entwickelung des Waffenwesens, und hat ihren
Hauptwert als Material für die Geschichte des Heeres, denn die
Hauptmenge datiert erst von etwa 1740, die Reihe beginnt mit Er-
innerungsstücken aus dem ersten schlesischen Kriege und endet mit
den Trophäen aus dem letzten Kriege ge*gen Frankreich.
Die Sammlung füllt alle Räume des königlichen Zeughauses an
der Schlofsbrücke , welches bis zum Jahre 1875 teilweise noch dem
praktischen Zwecke der Aufbewahrung des Kriegsmateriales diente.
Das Gebäude selbst, ein Architekturwerk ersten Ranges, wurde be-
kanntlich 1695 von dem Baumeister Nering begonnen, den plastischen
Schmuck verdankt es dem berühmten Schlüter, der vielleicht auch
auf die Gestaltung der Architektur Einflufs hatte. Später wurde
Martin Grünberg mit der Bauleitung betraut, 1705 führte Johann de
Bodt den Bau zu Ende. Erst 1730 wurde das Gebäude voll be-
zogen.
Am 22. März 1875 befahl Kaiser Wilhelm I. dem preufsischen
Staatsministerium, dem Landtage eine Gesetzes vorläge zu unterbreiten
zur Gewährung der Mittel für eine Umgestaltung des Hauses zu einer
Ruhmeshalle in Verbindung mit einer Waffensammlung. Diese Vor-
lage erhielt am 22. März Gesetzeskraft, worauf sogleich mit der Aus-
führung begonnen wurde. In baulicher Hinsicht hat dabei der Ge-
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I. Das königliche Zeughaus in Berlin. 2. Das Musee d'Armures in Brüssel. 623
heirae Regierungsrat Hitzig, in Bezug auf die Neubildung der Samm-
lung aber der damalige Oberstleutnant von Ising und der Geheime
Regierungsrat Weifs sich grofse Verdienste erworben.
Die ganze Sammlung ist auf das obere und untere Geschofs
verteilt. Im oberen Geschofs befinden sich die Sammlungen I. der
morgenlandischen und abendlandischen Waffen, diese vom 15. bis
zum 19. Jahrhundert laufend, 2. die Mustersammlung und 3. die ge-
trennt aufgestellte Sammlung des Prinzen Karl von Preufsen, welche
kauflich erworben wurde. Im unteren Stockwerk sind die Geschütz-
sammlung, die Sammlung des Ingenieurwesens und die der Nach-
bildungen untergebracht.
Die Sammlung zählt rund 8000 Nummern, ohne die des Prinzen
Karl, die an 1883 Stücke umfafst; sie enthält zum grofsen Teile
auch Uniform- und Ausrüstungsstücke, Pläne, Modelle, ferner Gedenk-
stücke, welche nicht eigentlich in das Waffenfach gehören, aber, dem
historischen Charakter der Sammlung entsprechend, hier nicht fehlen
durften.
2. Das Musee d'Armures in Brüssel.
Der Hof der Herzoge von Burgund war im 15. Jahrhundert
durch die Pracht seiner Erscheinung und speziell durch Schönheit,
Zahl und Reichtum seiner Waffen weltberühmt. Anton von Burgund
begann 1406 im Schlosse von Caudenberg zu Brüssel eine Sammlung
alter Waffen, welche später, zur Zeit der Regierung Philipps des Guten
und Karls des Kühnen, unter dem Namen „Königliches Arsenal",
sich glänzend entfaltete, der gröfste Teil dieser Schätze ging aber
leider in den letzten Burgunderkriegen zu Grunde. Während der
Regierung Maximilians I. und Karls V. erhielt das Arsenal royal
wieder reichen Ersatz, so dafs es zu den schönsten und reichhaltig-
sten der Welt gezählt werden konnte. Auch unter der Regierungs-
zeit Albrecht VII. und Isabellas, nicht minder unter Erzherzog Leo-
pold Wilhelm erhielt es neue Bereicherungen. Unter letztgenanntem
gelangte 1653 das berühmte Schwert Chilperichs in das Arsenal, das
aber nach Frankreich gekommen ist und sich nun in Paris befindet.
Nach wiederholtem Ortswechsel gelangte die Sammlung 1773 in
die Rue de la Paille, wo sie in den Wirren des Krieges 1794 bis
auf einen kleinen Rest zu Grunde ging.
Die jetzige Sammlung entstand erst im Jahre 1835; sie enthält
zwar noch Stücke der alten, doch besteht ihr heutiger Reichtum nur
aus einer Reihe glücklicher Erwerbungen, wie u. a. der Sammlung
des Grafen Hompesch, eines Teiles des Inhaltes des Arsenales der
alten Sultane zu Konstantinopel etc. Im Jahre 1847 wurde das ge-
samte Musealwesen neu organisiert, das Musee „Royal d'Antiquites
et d'Armures" gegründet und in dem alten, 1381 erbauten Befesti-
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624 VI. Die hervorragendsten Waffensaramlungen.
gungsturme „la Porte de Hai" untergebracht, der von der alten Be-
festigung Brüssel allein übrig geblieben ist. Die Aufstellung in diesem
Gebäude ist keine günstige, da die Räume durchweg des nötigen
Lichtes entbehren.
Das Museum in Brüssel ist im ganzen ähnlich dem Musee d'Ar-
tillerie in Paris organisiert; es enthält demnach aufser einer ethnolo-
gischen Sammlung noch Musterstücke aus der Gegenwart. In der
Sammlung älterer Waffen sind hochwertvolle Stücke zu verzeichnen,
wie solche nur in den erlesensten Sammlungen angetroffen werden.
Die orientalische Partie ist zwar klein, zählt aber zu den besten und
wertvollsten und wird stets vermehrt.
Das Musee zählt, unter Abrechnung der nicht zu den Waffen
gehörigen Stücke 2400 Nummern.
3. Das königliche historische Museum und die königliche
Gewehrgalerie zu Dresden.
Der Gründer des historischen Museums zu Dresden ist Kurfürst
August I. von Sachsen, der während seiner mehr als dreifsigj ährigen
Regierung (1553 — 1586) eine grofse Menge von Kunstwerken, Rari-
täten, alten Waffen u. dgl. sammelte und 1556 unter der Bezeich-
nung: „Kunst- und Raritätenkammer" im kurfürstlichen Schlosse auf-
stellen liefs. Unter seinem Nachfolger, Christian I., wurde die Samm-
lung in das prachtvolle Stallgebäude übersiedelt, das dieser Fürst 1 586
erbauen liefs. Einen eifrigen Förderer fand sie später an Kurfürst
August II. dem Starken, der ihre Übertragung in das 1 7 1 1 von Pöp-
pelmann erbaute Gebäude des Zwingers veranlafste. Dieser Fürst
war auch det Gründer der königlichen Gewchrgalerie, die sich seit
ihrer Entstehung im königlichen Schlosse befindet. Ihre gegenwärtige
Organisation erhielt die Sammlung unter der Regierung König Antons
im Jahre 1833, wo sie in neun Sälen und langen Galerien ziemlich
nach chronologischer Ordnung im Joanneum aufgestellt wurde. Seit
dieser Zeit führt sie den Titel: „Historisches Museum".
Das Museum enthält nicht allein Waffen und Jagdgeräte, sondern
auch Gerätschaften, Möbel und Geföfse der italienischen und deutschen
Renaissance und geschichtlich interessante Gegenstände, welche mit
dem Waffenwesen nichts gemein haben.
In Ansehung der Waffen allein gehört das historische Museum
zu Dresden zu den kostbarsten und reichhaltigsten Europas. Der
Zeit nach gehen die Gegenstände, wenige Stücke ausgenommen, nicht
über das 16. Jahrhundert zurück, sie bezeugen aber durch ihre Pracht
und ihre Schönheit den hohen Kunstsinn der sächsischen Herrscher
jener Zeit. Die schönsten Erzeugnisse des 17. und dem Anfange
des 18. Jahrhunderts verdankt das Museum dem Sammeleifer Augusts II.
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4. Rüstkammer zu Emden.
625
Manche Stücke werden bestimmten Personen zugeschrieben. Von
diesen Zuschreibungen sind viele durch Belege beglaubigt, andere be-
ruhen zwar nur auf Traditionen, haben aber in Ansehung der ur-
sprünglichen Zugehörigkeit der Stücke zu der kurfürstlichen Sammlung
die Wahrscheinlichkeit für sich. Von grofser Bedeutung ist die Samm-
lung türkischer und persischer Waffen und Kriegsgeräte, die gröfsten-
teils von August II. zusammengebracht wurde. Ihr reiht sich eine
wertvolle ethnologische Sammlung an, die noch fortwährend vermehrt
wird. An älteren, künstlerisch ausgestatteten Sätteln und Pferdezeugen
ist das Museum eines der reichsten der Welt.
Die königliche Gewehrgalerie, 1730 gegründet,*) enthält über
2000 Nummern, die am reichsten ausgestatteten Jagdgewehre sind
vorwiegend französischer und deutscher Arbeit. Sie ist als die reich-
haltigste und instruktivste Sammlung von Feuerwaffen des 18. Jahr-
hunderts zu betrachten.
Bei der Zusammensetzung des historischen Museums ist es
schwierig, den quantitativen Gehalt desselben an speziell dem Waffen-
gebiete angehörenden Gegenständen ziffernmäfsig festzustellen. Der
Gesamtstand betrügt rund 30000 Nummern. Einer übersichtlichen
Schätzung nach dürfte die Zahl der Waffen kaum die Hälfte obiger
Nummernzahl betragen.
4. Die Rüstkammer der Stadt Emden.
Die reichhaltige Waffensammlung der Stadt Emden in Ostfries-
land ist nicht, wie es sonst der Fall zu sein pflegt, aus den ver-
schiedensten Orten zusammengetragen, sondern bildet in ihrem weit-
aus gröfsten Teile den Waffenbesitz, den die Stadt vom Ende des
16. bis in das vorige Jahrhundert angeschafft hatte. Darauf deutet
auch die alte, noch übliche Bezeichnung: „Rüstkammer". Den ur-
sprünglichen Charakter hat sie indes, gleich der Wiener, Grazer etc.,
allgemach verloren und ist eine rein museale Anstalt geworden.
Einzelne schöne Stücke sind im Laufe der Zeit als Geschenke hinzu-
gekommen, doch stammen auch sie aus der Umgebung der Stadt.
Die Emdener Rüstkammer zählt kein Waffenstück, dessen Alter
über das 16. Jahrhundert hinausreicht. Von diesem Zeitpunkt aber
angefangen, bietet sie ein sehr lehrreiches Bild der lokalen Bewaffnung.
Sehr reich ist sie an schönen und interessanten Feuerwaffen.
Die Sammlung ist noch gegenwärtig in den ursprünglich für sie
bestimmten Räumen im oberen Stockwerke des 1576 erbauten Rat-
hauses in einer langen Halle untergebracht und in neuerer Zeit auf
Grund des ältesten Kataloges von 1839 inventiert und neu aufgestellt
worden. Sie zählt an Waffenobjekten rund 2400 Nummern.
*) Seit 1733 ist sie in der königl. Stallgalerie aufgestellt.
Boche im, Waffenkunde. 4°
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626
VI. Die hervorragendsten Waffensammlungcn.
5. Die gräflich Erbachsehe Sammlung im Schlosse zu
Erbach.
In den gräflich Erbachschcn Sammlungen bilden die Kriegs-
und Jagdwaffen besondere Abteilungen ; diese geniefsen wegen ihres
waffentechnischen und künstlerischen Wertes wie auch in anbetracht
der Zahl und Mannigfaltigkeit ihrer Gegenstande einen Weltruf.
Der Gründer der Sammlungen ist der Urgrofsvater des jetzigen
Besitzers, Graf Franz zu Erbach-Erbach, der die Waffensammlung um
1820 aus einer kleinen Rüstkammer bildete, die er im Schlosse vor-
gefunden hatte. Diese ist in dem sogenannten Rittersaal, in der Ge-
wehrkammer und in der Hirschgalerie aufgestellt Die Sammlungen
zählen rund 11 00 Gegenstände, wovon allein 650 Stück auf Jagd-
waffen entfallen.
6. Das Landeszeughaus in Graz.
Ein Zeughaus mit allem seinem Inhalte und seiner unversehrten
Einrichtung aus der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts ist eine Erschei-
nung, die einzig dasteht in der Welt. Schon um deswillen mufs das
Landeszeughaus in Graz das höchste Interesse des Waffenfreundes in
Anspruch nehmen.
Wenngleich anzunehmen ist, dafs das Land in seinem schon
seit dem 14. Jahrhundert und bis zur Stunde an demselben Orte
bestehenden Landhause eine Rüstkammer besafs, so erfahren wir doch
erst 1547 etwas von den darin untergebrachten Waffen. Das gegen-
wärtige Zeughaus mit seinen vier Stockwerken stammt aus dem Jahre
1642, und sein Waffcninhalt wie seine Lagerungseinrichtungen haben
sich seit dem 17. Jahrhundert wunderbar erhalten. Mit Ausnahme
von wenigen Gegenständen, die noch dem 15. Jahrhundert angehören,
besteht der Inhalt aus gemeinen, knechtischen Waffen vom Ende des
16. und aus dem 17. Jahrhundert, aber in ungemein grofser Zahl,
in einer Reichhaltigkeit und einer relativen Vollständigkeit, die
Staunen erregt. Für das Studium des Waffenwesens vom rein
waffentechnischen und historischen Gesichtspunkte ist das Grazer
Zeughaus von hoher Wichtigkeit Der Bestand ist ungemein grofs;
er beziffert sich mit 26000 Stücken, worunter freilich massenhaft
Stücke gleicher Form sich befinden. So zählt es nicht weniger
als 1000 Fufsangcln von einerlei Gestalt und dgl., aber anderseits
auch Formen, die nur hier allein angetroffen werden.
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7. Historische Sammlung in Kopenhagen.
G27
7. Die historische Waffensammlung in Kopenhagen.
Die historische Waffcnsammlung des Zeughauses geht in ihren
Anfängen bis 1604 zurück, in welchem Jahre König Christian IV.
die noch aus der Zeit Friedrichs II. stammenden Waffen in dem
Gebäude der königlichen Bibliothek vereinte und dazu auch die in
einzelnen Städten noch vorhandenen Waffenbestände heranzog. Im
vorigen Jahrhundert wurde die Sammlung an ihren heutigen Ort im
Zeughaus übertragen, wo die Geschütze im Hofe, die übrigen Stücke
in zwei Stockwerken untergebracht sind. Die historische Waffen-
sammlung entspricht auch hier nur teilweise ihrer Bezeichnung, da
sie in ihrer Zusammensetzung und Anordnung mehr eine kriegsge-
schichtliche Sammlung Dänemarks ist, insofern die Waffe nicht um
ihrer selbst willen, sondern als geschichtlicher Zeuge erscheint und
auf deren Entwickelungsgang erst in zweiter Linie Rücksicht genom-
men ist. Dessenungeachtet gehört diese museale Anstalt auch in Be-
ziehung auf das Waffenwesen zu den wertvollsten und lehrreichsten
der Welt. Sie besteht aus der Gcschützsammlung, der Sammlung
der Handfeuerwaffen, der blanken Waffen, der Schutzwaffen, endlich
aus der Sammlung von verschiedenen Ausrüstungsgegenständen, Fahnen,
Feldspiel etc. Die Sammlung zählt rund 3000 Nummern.
8. Die Sammlung von Waffen im Tower zu London.
Die ansehnliche, ebenso kostbare wie seltene Gegenstände ent-
haltende Waffensammlung im Tower zu London diente ursprünglich
rein praktischen Zwecken. Sie ging aus einer Rüstkammer der Könige
und ihrer Dienstleute hervor. Als solche mag sie schon unter Wil-
helm dem Eroberer entstanden sein, der 1078 den ältesten Teil des
Tower, den „White Tower", erbaute. Freilich reicht kein Stück der
heutigen Sammlung mehr in diese Periode hinan. Die früheste Er-
wähnung einer königlichen Rüstkammer finden wir erst unter der
Regierung Eduards VI. 1547.
Diesen Charakter als eine der königlichen Stallmeisterei unter-
stehende Rüstkammer behielt sie bis ans Ende des 17. Jahrhunderts
und erst Karl II. bildete sie zu einem mehr musealen Institut aus,
indem er den Inhalt in dem alten, an den weifsen Tower angebauten
Hors Armoury neu aufstellen liefs, die Gewehrsammlung in dem Small
Armoury mit ihr organisch vereinigte und sie dem Publikum eröffnete.
Im Jahre 1841 verbrannte die Gewehrsammlung, wobei nicht weniger
als 150000 alter Gewehre zu Grunde gingen. In den Jahren 1882
und 1883 wurde das alte Hors Armoury an der Südseite abgebrochen
und damit der alte Turm freigelegt, die Waffen aber wurden in den
40*
G28
VL Die hervorragendsten Waffcnsammlungen.
3. Stock des White Tower übertragen, wo sie nun in dem sogenannten
„Council Chamber" und einem anstofsenden Zimmer aufgestellt sind.
Im Jahre 1885 fand an der von der St. Johannes- Kapelle zur Waffen-
sammlung führenden Treppe die bekannte Dynamitexplosion statt,
welche aber der Sammlung nur geringen Schaden zufügte.
Die Waffensammlung des Towers gehört, wie erwähnt, zu den
reichhaltigsten und wertvollsten, die es gibt. Als museale Anstalt hat
sie durch Llelewin Meyrik ihre Würdigung gefunden, ihre Aufstellung
aber ist noch nach romantischen Anschauungen erfolgt, wie denn auch
nicht hierher gehörige kulturgeschichtliche Objekte, als Folterwerkzeuge
u. dgl., darin aufgenommen sind. Eine grofse Bedeutung besitzt die
Sammlung wegen ihrer zahlreichen Harnische und Waffen aus dem
15. Jahrhundert; aber auch das 16. Jahrhundert ist in schönen und
interessanten Gegenständen vertreten. Nicht minder erwähnenswert
sind die orientalischen Waffen, eine Spezialsammlung, die nur von
der kaiserlichen Sammlung in Tsarskoe-Selo übertroffen wird; ferner
die Sammlung alter Geschütze, die aufserhalb des weifsen Towers
aufgestellt ist.
Über die Anzahl der Stücke sind keine Daten bekannt geworden,
doch dürfte sie sich auf nicht ganz 6000 belaufen, wobei freilich
manches unzugehörige mit unterläuft und auch moderne Waffen in-
begriffen sind. Der Organisator war bemüht, ein Bild der Kriegs-
trachten von der Zeit Eduards I. (1272!) bis auf Jacob II. (1688)
vor Augen zu stellen, eine Idee, die schlechterdings Nachbildungen
nötig machen und zu mancherlei gewaltsamen Zusammenstellungen
führen mufste. Die Zuschreibungen an bestimmte Personen sind nur
von äufseren Merkmalen hergeleitet und deshalb, von dem waffen-
wissenschaftlichen und künstlerischen Werte abgesehen , nicht immer über
jeden Zweifel erhaben. Dem Studium bietet die Sammlung im Tower
ein weites und sehr wenig bebautes Feld, der sorgfältigen Betrachtung
des Liebhabers sollte sie nicht entgehen.
9. Die Armeria Real zu Madrid.
Die Armeria Real ist, gleich der Hof- Waffensammlung zu Wien,
nicht aus einer gewöhnlichen Zeugkammer, sondern aus den Waffen-
kammern habsburgischer Fürsten erwachsen. Ihren Grundstock bilden
die Harnische und Waffen Karls V., von denen ein Teil in Simancas.
ein anderer zu Valladolid bewahrt wurde. Vierzehn der schönsten
Leibharnische mit anderen auserlesenen Waffenstücken hatte der
kranke Kaiser mit sich in das Kloster zu San Yuste genommen.
Im Jahre 1565 ordnete König Philipp IL die Übertragung der
sämtlichen Waffen aus den genannten Orten nach Madrid an und
liefs zu deren Unterbringung gegenüber dem königlichen Palaste, an
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io. Das bayrische Nationalmuscum in München.
629
der Stelle des alten Alcazars durch Gasparo de Vega ein grofses
Gebäude, die Stallmeisterei (las caballerizas) errichten. In der Folge
vergröfserte sich die Armeria durch Waffenstücke der folgenden Herr-
scher und nach und nach wandelte sich die für Kriegszwecke ange-
legte Waffenkammer in ein Museum um.
Wenn wir von der Beraubung, die die Armeria in den Napoleo-
nischen Kriegen erlitten hat, absehen, erhielt sich ihr alter Bestand
bis auf den heutigen Tag. Als ein ehrwürdiges Denkmal der ruhm-
vollen Geschichte Spaniens bildete sie zu allen Zeiten den Stolz der
Nation, und alle Parteien trugen die äufserste Sorge, dafs die kostbare
Sammlung selbst mitten revolutionärer Aufstände nicht geschädigt wurde.
Ungeachtet aller dieser für ihre Erhaltung günstigen Umstände
fiel sie dennoch vor einigen Jahren einer Katastrophe zum Opfer,
die sie der völligen Vernichtung nahe brachte. Am 9. Juli 1884
entstand in dem Gebäude Feuer, das sich mit ungemeiner Schnellig-
keit nach allen Seiten verbreitete. Nur der Geistesgegenwart des ver-
ewigten Königs Alphons XII. war es zu danken, dafs wenigstens ein
erheblicher Teil des Inhaltes gerettet wurde. Er drang in das bren-
nende Gebäude, rettete das nächstbeste Stück und forderte die zahl-
reiche Umgebung auf, das Gleiche zu thun. Mit Enthusiasmus und
Kühnheit folgten die Anwesenden dem königlichen Beispiele.
Die Armeria war und ist noch heute die kostbarste Waffcn-
sammlung in Europa. Sie enthält eine unschätzbare Menge von
Waffen maurischer wie christlicher Herkunft vom 13. bis ins 15.
Jahrhundert, wie eine solche nirgends angetroffen wird. An den
Harnischen und Waffen Karls V. und Philipps II. haben die berühm-
testen Kunstarbeiter Spaniens, Deutschlands und Italiens das Erlesenste
zu schaffen sich bemüht. Der Gesamtbestand hat einen ungemeinen
historischen Wert, und wenn auch viele der historischen Daten, die
an einzelnen Stücken geknüpft werden, nur auf Tradition beruhen,
so dürfte doch eine nähere Durchforschung der Archive von Simancas
eine Fülle von interessanten und wichtigen Belegen zur Geschichte
derselben ans Licht bringen. Einen wichtigen, ja unschätzbaren Be-
leg hierzu, eine Grundlage zum Studium bildet ein vorhandener Bild-
kodex aus dem Beginne der Regierungszeit Philipp II.
Vor dem Brande 1884 zählte die Anneria nicht ganz 2700
Nummern, über ihren gegenwärtigen etwas verminderten Bestand sind
dem Verfasser bisher noch keine authentischen Nachrichten zuge-
kommen.
10. Das bayrische Nationalmuseum in München.
*
Wenn auch der Bestand des bayrischen Nationalmuseums an
Waffen infolge der getroffenen Aufstellung nicht so im Zusammen-
hange vorgeführt wird, wie dies zu wünschen wäre, so ist er doch an
VI. Die hervorragendsten Waflensammlungen.
älteren und wertvollen Stücken reich genug, um der Besichtigung und dem
Studium jedes Geschichtsfreundes angelegentlich empfohlen zu werden.
Das bayrische Nationalmuseum entstand im November 1853 auf
Anregung des Freiherrn von Aretin. Der Bau des Gebäudes, nach
Plänen Ed. Riedels ausgeführt, wurde zum gröfsten Teile aus den
Privatmitteln Königs Maximilian II. bestritten. Der Grundstock der
reichen Sammlungen wurde dadurch gebildet, dafs die ehemaligen
„Vereinigten Sammlungen" zur Bildung des Nationalmuseums aufgelöst
und dafs aus den königlichen Schlössern alles Dienliche herangezogen
wurde. Ansehnliche Beiträge erlüelt das Nationalmuseum durch per-
sönliche Geschenke König Ludwigs L Aufserdem wurde das Museum
noch durch Ankäufe von anderen Sammlungen, wie Ainmiller, Mar-
tinengo, Reider, auch durch Geschenke z. B. von der Universität
Erlangen etc. bedeutend vermehrt Die Waffen sind zwischen ver-
schiedenem Hausrat gruppiert, im zweiten Stockwerk die Stücke vom
13. bis zum 16. Jahrhundert und im dritten die vom 16. Jahrhun-
dert bis zur Neuzeit. Einzelne ganz interessante Stücke sind auch
dekorativ im Stiegenhause aufgestellt.
11. Das königlich bayrische Armeemuseum in München.
Als Schöpfer des heutigen Armeemuseums ist eigentlich Herzog
Maximilian anzusehen, der hinter der Neuen Feste ein Zeughaus
erbauen liefs. Ein Teil desselben diente schon damals zur Aufbe-
wahrung von Trophäen. Im Jahre 1864 nach dem Abbruche des
Zeughauses wurden die Zeugen des Ruhmes des bayrischen Heeres
in das neue, von Gläser erbaute Hauptzeughaus an der Staatsstrafse
nach Dachau übertragen. In dieser Zeit kamen bedeutende Mengen
an Waffen in andere Museen des Landes. Um nun die noch vor-
handene Sammlung in ihrem Bestände und in ihrem historischen
Charakter zu bewahren, fafste der damalige Kriegsminister den Ent-
schlufs, die in den verschiedenen Zeughäusern und bei Militäranstalten
noch vorhandenen alten Stücke mit der genannten zu vereinigen und
aus dem gewonnenen Ganzen ein historisches Museum des bayrischen
Heeres zu bilden. Im Jahre 1879 wurde mit dessen Bildung be-
gonnen und am 25. August 1881 konnte es eröffnet werden.
Das bayrische Armeemuseum ist keine Waffensammlung im gewöhn-
lichen Sinne, sondern umfafst auch andere Gedenkstücke, Gemälde etc.
Nichtsdestoweniger bietet es Kennern und Freunden der Waffenkunde
reiche Gelegenheit zum Studium der Entwickelung des Waffenwesens,
insbesondere für die Zeit des 17. und 1 8. Jahrhunderts. Das Museum
zählt, alle Gegenstände eingerechnet, rund 7000 Nummern.*)
*) Würdinger, J., Das königl. bayr. Armeemuseuni etc. 1882.
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12. Die WafFensaminlung des germanischen Museums zu Nürnberg. 631
12. Die Waffensammlung des germanischen Museums
zu Nürnberg.
Die Waffensammlung bildet nur einen kleinen Teil dieses in
seiner Grofsartigkeit und Vielseitigkeit bewundernswerten kunst- und
kulturhistorischen Museums. Demungeachtet zahlt sie, auch an sich
betrachtet, dank neuerer namhafter Erwerbungen zu den beträchtlichsten
und wertvollsten Europas und enthält Unica von unberechenbarem
Werte.
Die Gründung dieses Museums erfolgte auf der zu Dresden im
Jahre 1852 abgehaltenen Versammlung deutscher Geschichts- und
Altertumsforscher. Der Grundstock bestand aus der Privatsammlung
des Freiherrn Hans von und zu Aufsefs, welcher auch als erster
Direktor dem neuerrichteten Institute vorstand. Die Mittel zur Er-
haltung und Vermehrung werden durch freiwillige Beiträge, sowohl
von seiten der Regierungen, wie von den Fürsten und dem Volke
gewonnen. Als Sitz des Museums war von vornherein Nürnberg be-
stimmt, wo es in den ersten Jahren im Turme des Tiergärtnerthorcs
aufgestellt wurde. Im Jahre 1856 wurde durch käufliche Erwerbung
des Karthäuserklosters dem Museum ein vergröfsertes Heim geschaffen,
das sich jedoch bald wieder als zu beschränkt darstellte, so dafs an
eine Erweiterung gedacht werden mufste. Diese erfolgte durch Er-
werbung und Abtragung des alten gotischen Augustinerklosters, welches
in gleicher Form im Anschlüsse an die Karthause wieder aufgebaut
wurde. Gegenwärtig sind auch die so gewonnenen weiten Räume
für die rasch sich mehrenden Sammlungen zu enge geworden; es
wird darum in nächster Zeit im Anschlüsse an den bisherigen Kom-
plex zu einem Neubaue geschritten werden, für den die erforderliche
Bodenfläche in genügendem Mafse vorhanden ist
Der Grundstock der Waffenabteilung stammt aus der Sammlung
Aufsefs, die 1864 angekauft wurde. Einen bedeutenden Zuwachs
erhielt sie durch eine andere Sammlung, die der Verein der deut-
schen Standesherrn für das Museum käuflich erworben hatte. Seit
dieser Zeit vermehrte sie sich durch zum Teil hochwertvolle Einzel-
stücke. Die letzte auTsergewöhnlich glückliche Bereicherung wurde
der Sammlung im Jahre 1889 durch Ankauf des wertvollsten Teiles
der reichen und unschätzbaren Waffensammlung des Fürsten
Sulkowsky auf Schlofs Feistritz in Niederösterreich zu teil, die am
Ende des vorigen Jahrhunderts durch den Bankier Josef Freiherrn
von Dietrich in Wien gegründet wurde. Mit dieser bedeutenden
Erwerbung, wodurch namentlich die Sammlung von Turnierwaffen
wesentlich gewann, ist die Waffensammlung auf rund 2000 Nummern
angewachsen.
632
VI. Die hervorragendsten Waffcnsammlungen.
13. Das Musee d' Artillerie in Paris.
Das unter den grofsen Waffensammlungen durch Zahl und Wert
seiner Stücke hervorragende Musee d'Artillcrie verdankt seine Ent-
stehung dem Grofsmcistcr der Artillerie, Marschall Duc d'Humicres
1684. Diese erste Sammlung alter Waffen und Kriegsmodelle, die
zur Belehrung junger Artillerieoffiziere dienen sollte, wurde in den
Sälen des Magasin royal in der Bastille aufgestellt. Im Jahre 1755
vermehrte der Generalleutnant de Valliere die Sammlung durch
einige ältere Waffenstücke, die aus verschiedenen Arsenalen in der
Provinz nach Paris geschafft wurden, und ordnete die Aufstellung
eines Inventars an, das noch vorhanden ist.
Auf Veranlassung des berühmten Generals Gribeauval wurde die
Sammlung 1788 in das neuerbaute Musee d' Artillerie in weite und
schöne Säle übertragen. Ihre anfängliche frische Entwicklung wurde
durch die Revolution jäh unterbrochen. Das Gebäude wurde am
14. Juli 1789 vernichtet, die Sammlung aber verschleppt.
Verschiedene Versuche ( 1 79 1 — 1794), eine ähnliche Sammlung
wiederherzustellen, scheiterten anfänglich, doch gelang es nach und
nach bei den wiederholten Waffenrequisitionen, alte Waffen auszu-
scheiden und mit diesen den Grund zu einem neuen Waffenmuseum
zu legen. Mit Senatsdekret vom 4. Frimaire 1796 wurde die Heran-
ziehung aller der Bewahrung wert scheinenden Waffen im Reiche an-
geordnet. Nicht ohne Widerstand gelang die Ausführung dieses De-
kretes. So lieferte Strafsburg seine älteren Waffen erst 1799 aus,
und Bonaparte vermochte der Stadt Sedan gegenüber erst 1804 das
Dekret durchzusetzen. Eine beträchtliche Zahl von Waffen erhielt
das Museum aus dem Schlosse Chantilly. Im Jahre 18 14 wurde die
Sammlung in der Bibliothek des ancien convent aufgestellt und neu
organisiert. Von 181 5 — 1830 erhielt das Musee bedeutende Ver-
mehrungen, um die vorhandenen Lücken auszufüllen. Während der
Julirevolution wurde es trotz des heftigsten Widerstandes der Schweizer
und des Konservators Carpegna am 28. Juli 1830 ausgeleert, indes
sorgte die Pariser Bevölkerung dafür, dafs schon vom folgenden Tage
an ein grofser Teil des Verschleppten zurückgebracht wurde. Das
Fehlende wurde durch Erwerbung der Sammlung des Duc de Reggio
teilweise wieder ergänzt. Im Jahre 1848 und auch 1871 erlitt das
Musee keine Verluste. Napoleon III. schuf 1852 das Musee des
Souverains im Louvre, infolgedessen wurden alle auf die Herrscher sich
beziehenden Waffenstücke , darunter 5 Hämische, dahin abgegeben,
1872 nach Auflösung dieses Museums aber wieder eingereiht Im
Jahre 1879 wurde dem Staate die reiche Waffcnsammlung Napoleons III.
zu Pierrefonds als Eigentum rechtlich zugesprochen und mit dem
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14 Das Musee Cluny in Paris.
C33
Musee d'Artillerie vereinigt.*) Gegenwärtig ist das Musee im vorderen
Trakte des Hotels des Invalides gegen die Esplanade zu im Erdge-
schors und ersten Stockwerke in ziemlich dichter Anordnung auf-
gestellt.
Wie schon aus der Art des Zustandekommens und den Schick-
salen dieses Museums zu entnehmen ist, leidet es an dem Übelstande,
dafs viele Gegenstände, die es besitzt, unvollständig sind. Es ver-
wahrt Waffen aus allen Landern und dennoch ist keine Nation, am
allerwenigsten Frankreich, derart vertreten, dafs man sich ein Bild
von der Eigentümlichkeit ihrer Leistungen verschaffen kann. Die fast
willkürliche Aufstellung trägt auch nicht dazu bei, das Studium zu er-
leichtern. Immerhin besitzt es eine der auserlesensten Sammlungen
antiker Waffen und nächst der Wiener und Nürnberger die reichste
an Turnierwaffen. Das 16. Jahrhundert ist in jeder Hinsicht am
besten vertreten. Bedeutend ist die Sammlung von Feuerwaffen zu
nennen, und zahlreiche Unika bilden die Glanzpunkte der Sammlung.
Für die Zuschreibungen an bestimmte Personen hat man zumeist
kein anderes Beweismittel als äufserliche Anzeichen, Wappen, Devisen
etc.. und die Tradition.
Das Musee d'Artillerie ist keine eigentliche Waffensammlung nach
unseren Begriffen, es enthält aufser Waffen noch ethnographische
Gegenstände, Andenken an den Kriegsruhm Frankreichs, Ehrenzeichen,
Trophäen, moderne Waffen und Modelle, aber auch Darstellungen
der Kriegertracht in Frankreich u. dgl. Sie ist somit mehr eine
kulturgeschichtliche Sammlung auf militärischem Gebiete. Nach Aus-
scheidung aller derjenigen Stücke, welche für das historische Waflen-
wesen keine Bedeutung haben, zählt das Museum nach dem Kataloge
von Penguilly l'Haridon mit Zurechnung bekannt gewordener Neu-
erwerbungen an 5000 Nummern. An Geschützen und Artillerie-
geräten verzeichnet der oben erwähnte Katalog ungefähr 14 19 Stücke.
14. Das Musee Cluny in Paris.
Das alte Hotel Cluny in Paris, 1340 an der Stelle der antiken
Kaiserthermen der alten Lutetia erbaut, enthält eine reiche Sammlung
von Gegenständen der Vergangenheit, und wiewohl die hier bewahrten
Waffen an Zahl nur gering sind und kaum 100 Stück übersteigen,
so sind sie dennoch so bedeutend an historischem und künstlerischem
Werte, dafs wir diese wichtige Anstalt hier nicht übergehen dürfen.
*) Die Sammlung vom Schlofs Pierrefonds wurde von Napoleon III. 1861 ge-
gründet. Sie bestand zum gröfsten Teile aus der angekauften Sammlung des
Fürsten Soltikoff, dann aus gelegentlichen Erwerbungen des Kaisers, endlich aus
Objekten, die dem Musee du Louvrc gehörten, das eine Domäne des Staates ist.
Der Katalog von Penguilly l'Haridon 1867 ist nicht im Buchhandel erschienen.
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G34
VL Die hervorragendsten Waffe nsamnilungen.
Die Sammlung ist im Jahre 1833 durch den als Altertumsforscher
hervorragenden Alexander Du Sommerard (1779 — 1842) ins Leben
gerufen, der die Baulichkeiten des seit der Revolution in Privathände
übergegangenen Konventes käuflich an sich brachte und deren Räume
mit den Resten alten Kunstfleifscs füllte. Nach dessen Tode wurde
das ausgedehnte Gebäude mit den Sammlungen 1843 von dem Staate
angekauft und führt seitdem den offiziellen Titel: „Musee des thermes
et de Phötel de Cluny". Seit jener Zeit wurde die Sammlung teils
durch Ankaufe des Staates, teils durch reiche Legate und Geschenke
Privater erheblich vermehrt.*)
15. Fürstlieh Hohenzollernsches Museum in Sigmaringen.
Das berühmte Hohcnzollernschc Museum, das sich auf alle Ge-
biete der Kunst und des Kunstgewerbes erstreckt, stammt aus dem
alten Familicnbcsitze des fürstlichen Hauses. Seine gegenwärtige
Organisation in sechzehn Abteilungen hat es durch den Fürsten
Karl Anton von Hohenzollern erhalten, durch dessen Kunstliebe
und Sammeleifer es zu einem der wertvollsten Museen gediehen ist.
Ks wurde im Jahre 1867 in einem eigens für den Zweck errichteten
Gebäude eröffnet. Die 11. Abteilung enthält die Waffensammlung.
Sic enthält die seltensten und kunstreichsten Stücke. Bei ihrem hohen
Werte für die Kulturgeschichte und besonders für die Waffen Wissen-
schaft ist es sehr zu bedauern, dafs sie noch nicht katalogisiert ist.
Die Sammlung der Waffen enthält rund 2500 Nummern.
16. Das Museum der Waffen und historischen Kostüme
in Stockholm.
Die ältesten Waffenstücke dieses reichen Museums reichen bis
in die Zeit der ersten Könige aus dem Hause Wasa zurück; die
königliche Garderobe aus jener Zeit wurde leider zerstreut. Erst
unter der Königin Christine wurde mit der Bildung eines Museums
historischer Waffen begonnen. Der Grofskanzler Axel Oxenstierna
fafstc 1633 den P'an zu einem grofsen Museum nach heutiger Alt,
worin die Gedenkstückc an die Siege der schwedischen Herrscher
vor Augen geführt werden solten. Die Absicht blieb unausgeführt,
und die alten Waffenstücke und Trophäen, die Reste der alten
Waffenkammern, blieben im königlichen Palaste, wo sie einen Be-
standteil des Arsenals bildeten. Seit der Mitte des 1 7. Jahrhunderts
wurden die vorhandenen Schätze dem Volke zugänglich gemacht und
*) E. du Sommcrard, Cataloguc du Musee de Cluny. Paris 1877.
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17- Die kaiserliche Waffcnsammlung zu Zarskoe-Selo.
635
seit die Gedenkstücke Gustav Adolfs hinzukamen, bildete das Ka-
binett für Schweden einen Gegenstand besonderer Verehrung. Im
Jahre 1691 wurde die Sammlung, wenn auch immer dem Arsenal
angehörig, in ein Palais übertragen, das ehemals dem Grafen Magnus
Gabriel de la Gardie gehörte, und blieb dort bis 1793, wo dieses
in ein Theater umgewandelt wurde. Von da gelangte sie ins Schlofs
Fredrikshof und zehn Jahre später in eine alte Orangerie des könig-
lichen Gartens. Wenige Jahre darnach wurde der Inhalt der Samm-
lung auf sonderbare Weise zerstreut, die historischen Stücke gelangten
181 7 in die Kirche zu Riddarholmen, die kostbareren Waffen ins
königliche Palais, die Waffen, die bei den Karoussels Gustavs III.
dienten, ins Schlofs zu Gripsholm, anderes in die Magazine des
Theaters etc. Erst 1850 wurde alles wieder in Stockholm gesammelt
und im Palais des Kronprinzen aufgestellt. Seit 1856 war die Samm-
lung so lange in einem gemieteten Privathause untergebracht, bis sie
1865 ins Nationalmuscum übertragen werden konnte. Als dieses den
industriellen Künsten gewidmet wurde, verfügte König Oskar IL
1884 deren Aufstellung im königlichen Palais in dessen Nordwest-
trakte, wo sie im ersten Stocke die Räume der alten königlichen
Bibliothek und eine Galerie, im Zwischenstocke eine andere Galerie
und einen Saal einnimmt, der ehemals das Skulpturenrauseum ent-
hielt. In dieser Aufstellung wurde das Museum am 31. Juli 1885
eröffnet.
Seit der Mitte unseres Jahrhunderts wurde die Sammlung durch
namhafte Legate und Ankäufe vergröfsert, so durch Spenden des
Kämmerers J. O. de Blomstedt 1858, das Legat des Baron
E. M. Willebrand 1859, durch den Ankauf der Sammlung des
Barons G. Fleetwood 1862, ferner durch das Legat Karls XV. 1872,
zumeist aus der Sammlung M. A. L. Sold ins bestehend, die der
König an sich brachte, durch das Legat des Grafen Axel Bielke u. a.
Das Museum, zu den gröfseren Europas zählend, ist reich an
Harnischen und Waffen von kunstvoller und prächtiger Ausführung.
Für die ältere Waffenindustrie Schwedens und Dänemarks ist es eine
reiche Quelle des Studiums. Unerreicht aber steht es in seinen
historischen Kostümen da, die, wenn sie auch nicht speziell in unser
Gebiet fallen, doch ihres ungemeinen Wertes halber hier einer Er-
wähnung verdienen. Das Museum zählt rund 5700 Nummern*)
17. Die kaiserliche Waffensammlung zu Zarskoe-Selo.
Die kaiserliche Waffensammlung ist in einem schlofsähnlichen,
in modern gotischem Stile gehaltenen Gebäude im Garten des kaiser-
lichen Lustschlosses Zarskoe-Selo aufgestellt. Vordem stand auf
*) Nach dem sehr tüchtig gearbeiteten Guide des Consenrators C. A. Ofsbahr.
Stockholm 1889.
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636
VL Die hervorragendsten WafTensammlungen.
der Stelle ein Jagdschlöfschen der Kaiserin Katharina II. in der
Art des Trianon. Kaiser Alexander I. liefs es um 1801 abbrechen
und dafür das gegenwärtige Gebäude zur Unterbringung der zahl-
reichen, von ihm selbst in allen Ländern erkauften und sonst erwor-
benen Waffen errichten. Schon unter Alexander I. nahm der Sammel-
trieb die Richtung auf orientalische Gegenstände, später erweiterte
sich das Programm und ging auch, auf indische und altrussische aus
den jetzigen Gebieten des Reiches aus. Die Sammlung ist den vor-
handenen Räumlichkeiten entsprechend in 6 Abteilungen aufgestellt.
Sie verteilt sich in das Erdgeschofs, die Gewehrkammer, den grofsen
Saal, das türkische Kabinett, das indo - musulmanische und in das
russische Kabinett. Aufserdera enthält noch das Stiegenhaus zahlreiche
Waffenstücke. Die Sammlung bewahrt fast durchgängig in ihrer künst-
lerischen Ausführung auserlesene Stücke; bei der Art der Erwerbung
sind aber auch viele Stücke hinzugekommen, die aus anderen grofsen
Sammlungen stammen; so aus Paris, aus Wien etc. Viele der kost-
barsten Stücke erwarb Kaiser Alexander in Paris und Florenz. Die
orientalische Abteilung ist die reichste und vollständigste der Welt,
und sie wird noch heute nach systematischem Plane vermehrt. Die
Sammlung zählt an 5000 Nummern.
18. Die Armeria Reale zu Turin.
Der Gründer der kostbaren Armeria Reale zu Turin ist Karl
Emanuell. von Savoyen. Gleich Wilhelm V. von Bayern, August I.
von Sachsen, Erzherzog Ferdinand von Tirol war auch dieser kunst-
liebcnde Fürst bestrebt, hervorragende Kunstwerke und Andenken
berühmter Helden zu sammeln. Das Gebäude, worin die Sammlung
früher aufgestellt war, wurde durch Brand zerstört. Dies war die
Veranlassung, dafs sie in das Arsenal übertragen und von dem Grafen
Vittorio di Seissel d'Aix neu geordnet wurde. Ihre Wiedereröff-
nung fand im Frühjahre 1837 statt. Nach Demolierung des alten
Arsenales ordnete König Viktor Emanuel ihre Überführung in den
königlichen Palast an, wo sie in dem östlichen Flügel gegenüber dem
Palazzo Madama in einem grofsen galericartigen und einem etwas
kleineren Saale untergebracht wurde. Die königliche Armeria enthält
viele Stücke, welche nicht strenge ins Waffenfach gehören; so u. a.
zahlreiche Geschenke von Fürsten, Kommunen u. dgl. Der Hauptteil
der Armeria besteht aus so auserlesenen, teils historisch wichtigen,
teils kunstvoll gearbeiteten Waffenstücken, dafs die Sammlung unge-
achtet ihrer geringeren Ausdehnung zu den wertvollsten zu zählen ist.
Sehr reich ist sie an Zierwaffen des 1 6. Jahrhunderts, doch kann sie
sich auch, was ihren Besitz an Stücken aus dem 15. Jahrhundert
anlangt, mit manch gröfserer Sammlung messen. Die Zuschreibungcn
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ig. Die Sammlung des Arsenalcs zu Venedig.
637
an bestimmte Personen begründen sich auf aufsere Merkmale an den
Gegenständen selbst. Gegenwartig wird sie unter der Leitung ihres
Direktors, des Generalleutnants und Senators Conte Raffaele Ca-
dorna, einer Neuaufstellung unterzogen. Die Armeria dürfte an
WafTenstücken etwa 2500 Nummern zählen.
19. Die Sammlung des Arsenales zu Venedig.
Die Sammlung ist im ersten Stockwerke eines nach vorne ge-
legenen Traktes in dem im Jahre 1304 begonnenen Arsenale unter-
gebracht und nimmt einen einzigen aber sehr ausgedehnten Saal ein.
Für den Bedarf des Staates wurden schon im 14. Jahrhundert be-
deutende Vorräte im Arsenale aufgestapelt. Historische Gedenkstückc
aber wurden bis ins 18. Jahrhundert im Dogenpalaste gesammelt.
Somit ist die Sammlung aus einem Zeughause entstanden, dessen
Inhalt freilich im Laufe der Jahrhunderte zum gröfsten Teile verloren
ging, denn, abgesehen von einigen wenigen anderen, gehören die
ältesten Stücke der Sammlung erst der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts,
ein nicht geringer Teil der späteren aber dem 16. Jahrhundert an.
Wenngleich die Bewaffnung der Venezianer von 16. Jahrhundert an
vorzugsweise hier studiert werden kann, so ist die Sammlung gleich-
wohl an Gedenkstücken der reichen Geschichte der Republik verhält-
nismäßig arm. Der gröfste Teil wurde im Taumel der Revolution
1797 geraubt. Zudem gerieten die historischen Traditionen, die an
den Gegenständen haften, unter der militärischen Leitung in Ver-
gessenheit, weshalb die an sich gewifs sehr wertvolle Sammlung mehr
von waffenwissenschaftlicher als von historischer Bedeutung ist. In
künstlerischer und kunsttechnischcr Beziehung sind nur einige, aber
erlesene Stücke hervorzuheben. Ein Katalog existiert nicht. Nach
oberflächlicher Schätzung dürfte die Sammlung an 2000 Nummern
zählen.
20. Die Waffensammlung des kaiserl. Hauses in Wien.
Den Grundstock der Waffensammlung des kaiserlichen Hauses
bilden gewissermafsen die Hinterlassenschaften Maximilians I. (gest.
15 19) und Ferdinands I. (gest 1564.) Nach dem Ableben dieses
Herrschers wurde der gesamte Nachlass an Waffen unter dessen drei
Söhne geteilt. Der Teil Maximilians II. verblieb in Wien im soge-
nannten Salzburgcr Hofe, der später umgebaut und zum kaiserlichen
Zeughaus bestimmt wurde, jener Ferdinands von Tirol gelangte nach
Prag und später nach Innsbruck, bez. in's Schlofs Ambras, jener Karls
von Steiermarck nach Graz. Nach Karls Tode, 1599, fiel dessen Teil
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688
VI. Die hervorragendsten Waffensammlungen.
wieder an die Hauptlinie zurück, wurde aber erst 1765 nach Wien
übertragen. Der ererbte Besitz Ferdinands wurde von diesem in be-
deutendem Mafse durch Sammlung von Waffen berühmter Personen
der vergangenen Zeit und seiner eigenen Zeit vermehrt und damit
eine an historischem und künstlerischem Werte einzig dastehende
Waffcnsammlung geschaffen. Nach dem Hintritte ihres genialen Grün-
ders, 1595, gelangte die Sammlung an dessen ältesten Sohn, Karl
von Burgau, von dem sie durch Kauf in kaiserlichen Privatbesitz
kam. Die Sammlung blieb bis 1806 im Schlosse Ambras, in welchem
Jahre sie der Kriegsereignisse halber nach Wien übergeführt wurde.
Obgleich nun beide Sammlungen sich in Wien befanden, blieben sie
doch bis jetzt räumlich getrennt Die vorher erwähnte kaiserliche
Waffensammlung gelangte vom alten Zeughause 1856 in das neu-
erbaute Artilleriearsenal. Der frühere Besitz des Erzherzogs Ferdi-
nand wurde mit der Bezeichnung Ambraser Sammlung mit den übrigen
Kunstgegenständen dieser Sammlung im unteren Belvedere aufgestellt.
Im Augenblicke ist der ganze museale Kunstbesitz des kaiser-
lichen Hauses in das neuerbautc kunsthistorische Hofmuseum am
Burgring übertragen. Dadurch ist die Vereinigung beider Waffen-
sammlungen, jener des Arsenales mit jener der Ambraser Sammlung,
herbeigeführt worden, und man ist soeben daran, den Gesamtbestand
zu ordnen, eine Aufgabe, die, was die Abteilung der Waffen anbe-
langt, bereits durchgeführt ist
Der hohe Wert dieser zu den hervorragendsten der Welt zäh-
lenden Sammlung besteht nicht allein in ihrem reichen Inhalte an
künstlerisch hervorragenden Gegenständen, nicht in den, waffenwissen-
schaftlich betrachtet, hochinteressanten Formen derselben, sondern in
ihrer historischen Bedeutung insofern, als in ihr eine ungemein grofse
Zahl von Harnischen und Waffen berühmter Personen bewahrt werden.
Die Richtigkeit der betreffenden Zuschreibungen ist durch zahlreiche
Inventare, die bis in das Jahr 1580 hinaufreichen und nicht minder
durch Bildwerke des 16. Jahrhunderts bis zur Evidenz erwiesen.
Die Sammlung enthält hauptsächlich Waffen vom Mittelalter bis
zum Beginne des 30jährigen Krieges; nur die Jagdwaffen reichen bis
zum Anfange unseres Jahrhunderts. Ihr Gesamtstand ist etwas über
5000 Nummern. Einzig in ihrer Art erscheint sie in Bezug auf
Tumierwaffen, darunter zahlreiche Unika; auf diesem kulturwissen-
schaftlichen Gebiete ist sie von einer Reichhaltigkeit und einem For-
menreichtum, der unübertroffen dasteht.
Als eine wichtige Ergänzung dieser einzigen Sammlung ist die
Bibliothek der kunsthistorischen Sammlungen des kaiserlichen Hauses
anzusehen, die kulturhistorisch wichtige Bildhandschriften und Druck-
werke über das Kriegs- und Turnierwesen, die Fecht- und Reitkunst
etc. enthält
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21. Die Waffensammlung der Stadt Wien. 639
2t Die Waffensammlung der Stadt Wien.
Die Waffensammlung der Stadt Wien ging aus der schon seit
dem 15. Jahrh. bestandenen städtischen Rüstkammer hervor, die sich
um 1445 am alten Flcischmarkt bei St Laurenz befand. Im Jahre 1562
erbaute die Stadt ein neues Zeughaus am Hof, das 1732 umgeändert
und nach den Plänen Anton Ospels mit einer neuen Fassade versehen
wurde. Im Jahre 1873 wurde die Sammlung anlüfslich der Welt-
ausstellung durch Kustos Lcitner chronologisch geordnet. In den Jahren
1885 und 1886 veranlafste die Gemeinde deren Übertragung in das
neuerbaute Rathaus und deren organische Einfügung in das historische
Museum der Stadt, dessen IV. Abteilung sie bildet.
Die Sammlung besitzt aufser einer sehr bedeutenden Anzahl von
Setztartschen nicht viele Waffen aus dem 15. und dem Anfange des
16. Jahrhunderts. Ungemein reichhaltig ist sie aber an Stücken aus
der Zeit nach 1540, die zwar von gemeiner Art, aber doch kultur-
geschichtlich äufserst interessant sind. Bemerkenswert ist der Bestand
an türkischen Waffen, Trophäen von 1683, nicht minder die Abtei-
lung, die die Bewaffnung der Bürgerwehr vom 18. Jahrhundert bis
zum Jahre 1848 enthält. Die Sammlung umfafst etwa 1500 Num-
mern.
Aufser den vorerwähnten bedeutenderen öffentlichen Waffensamm-
lungen in Europa zählen wir eine geradezu ungeheuere Zahl von
solchen, die sich im Privatbesitz befinden. In Frankreich sind die
Sammlungen Arosa, Spitzer und W. H. Riggs zu den wertvollsten
zu rechnen; sie geniefsen wegen ihrer unschätzbaren Kunstwaffen einen
Weltruf. In England zählte schon Leber*) um 1840 an 20 Privat-
sammlungen von gröfscrer Bedeutung, so jene von Cristy zu Lon-
don, jene im Schlosse War w ick und die Sammlung Neville in
Andley-End u. v. a. Eine der bedeutendsten ist die Waffensamm-
lung der Königin zu Windsor. In Belgien und den Niederlanden
sind die Sammlungen M. Nuyt, Delpier und Van Zuylen in
Brüssel und die Sammlung J. P. Six in Amsterdam hervorzuheben.
In Italien bezeichnen wir das Museo Filangieri im Palazzo Como
zu Neapel. Die Sammlung Poldi-Pczzoli und Carlo Bazzero
in Mailand und die Sammlung Raoul Richards in Rom, welche
leider vor kurzem unter den Hammer gekommen ist. In Spanien
dürfte die Sammlung des Marquis von Villa-Secca in Madrid als
die hervorragendste anzusehen sein.
Nicht minder ist Deutschland reich an bedeutenden Privatsamm-
lungen. Wir nennen die des Fürsten Fuggcr-Babcnhausen und
von Soeter in Augsburg, des Franz Lipperhcidc in Berlin,
*) Leber, Fr. v., Wiens kais. Zeughaus, 1844.
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640
VI. Die hervorragendsten Waffcnsammlungen.
des Baron Rothschild in Frankfurt a. M., Renne in Konstanz,
Spengel und Hefner- Alteneck in München, Töchtermann in
Freiburg, Wittmann in Geisenheim, Fleischhauer in Col-
mar, Forscher in Hautzenbücher und Lilienthal in Elber-
feld. Die Sammlung im Schlosse Monbijou in Berlin und im
Schlofs Löwenburg auf der Wilhelmshöhe bei Kassel, und Klemm
in Dresden u. v. a. In Schweden ist die durch den Feldmarschall
Gustav Wrangel gegründete Sammlung im Schlosse Skokloster am
Mälarsee zu verzeichnen; sie ist gegenwärtig im Besitze des Grafen
von Brahe. Ferner gedenken wir des Museums von Christiania,
jenes K. Karls XV. in Stockholm, ferner die Sammlung Hammer
ebendaselbst.
In der Schweiz hat fast jede der Kantonhauptstädte seine kleine
aber wertvolle Waffensammlung, namentlich Genf, Luzern, Solo-
thurn, Schaffhausen und das Gymnasium zu Murten. In Russ-
land heben wir noch das Waffenmuseum in Moskau hervor.
In der Österreich-ungarischen Monarchie hat sich noch aus
alter Zeit ein ansehnlicher Besitz an alten Waffen erhalten. Beson-
ders finden sich noch in einzelnen Schlössern Tirols namhafte Samm-
lungen als Reste alter Rüstkammern; zu den wertvollsten zählen die
des Grafen Trapp in Churburg und des Grafen Enzenberg in
Schlofs Tratzberg im Unterinnthale. Aber auch in Böhmen, Öster-
reich und Steiermark finden sich sehr bemerkenswerte Sammlungen,
wie die der Stadt Eger, die des Grafen Breuner in Grafenegg,
und des Grafen H. Wilczek in Seebarn in Niederösterreich, Az
in Linz, Fürst Lobkowitz in Raudnitz u. v. a. Nicht minder
wertvoll sind die Sammlungen des Fürsten Johann Liechtenstein in
Sebenstein und Fcldsberg, jene zu Frauenberg in Böhmen, dem
Fürsten Adolf Schwarzenberg gehörig, des Grafen Attems zu
Graz u. a. Unvergleichlich schöne und kunstreich gearbeitete Waffen
besitzt Baron Nathanael Rothschild in Wien. Einzig in ihrer
Art und reich an kostbaren italienischen Prunkwaffen ist die Samm-
lung Modena in Wien, gegenwärtig im Besitze des Erzherzogs
Franz von Österreich -Este. In Ungarn, wo übrigens ein reicher
Besitz von Waffen, meist aus den Türkenkriegen herrührend, auf zahl-
reichen Schlössern verstreut sich findet, ist die fürstl. Efsterhazysche
Sammlung in Forchtenstein zu den ausgedehntesten und interessan-
testen zu zählen.
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VII. Die Beschau- und Meisterzeichen und die
Namen der Waffenschmiede mit ihren Marken.
In den meisten älteren Stätten des Waffenhandwerkes besafs die
arbeitende Kürperschaft eine feste Organisation im Sinne des
Zunftwesens. Die ältesten derartigen Ordnungen schreiben sich be-
reits vom Beginne des 13. Jahrhunderts her, ihr Ursprung reicht aber
ohne Zweifel noch viel weiter in das Mittelalter zurück. Das Vor-
bild zu einem solchen strammen Zusammenschlufs der Angehörigen
desselben Gewerbes finden wir ebenso in Byzanz wie unter den sara-
zenischen Handwerkern in Sizilien und unter den maurischen in
Spanien. Die grofsen Erfolge der orientalischen Werkstätten forderte
gebieterisch zu einer Nachahmung ihrer allgemeinen Organisation auf.
Die Gesetze, die diese Verbindungen sich auferlegten, betreffen vor
allem die Disziplin der Genossen, sodann die strenge Aufsicht über
das Erzeugnis ihrer Hände. In dieser Hinsicht wurde jedes in der
Genossenschaft gefertigte Stück von gewählten erfahrenen Meistern,
die „Beschaumeister", geprüft und nach entsprechendem Befunde mit
einem vereinbarten Zeichen, „Beschauzeichen", versehen, das bei
Eisenwaren im Mittelalter eingraviert und in Gold oder Messing
tauschiert, später „in das Gesenk" geschlagen wurde. Mit den Formen
dieser Marken haben sich die Forscher noch zu wenig beschäftigt;
doch sind wir in der Lage, eine Anzahl der wichtigsten in dem
nachfolgenden Verzeichnisse zu bringen, bemerken jedoch, dafs im
Laufe der Zeit zwar die allgemeinen Formen, nicht aber die Detail-
formen sich gleich blieben, dafs somit auf Grund dieser Abweichungen
ganz gut auf das Alter des Gegenstandes geschlossen werden kann.
Wir können begreiflicherweise auf derlei Subtilitäten hier nicht
näher eingehen und müssen sie der Beobachtung des einzelnen über-
lassen.
Der Gebrauch, dem handwerklichen Erzeugnisse den Namen oder
ein diesen vertretendes Zeichen des Verfertigers beizufügen, ist dem
Boebcim, Waffenkundc. 41
642
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Altertum fremd, Bezeichnungen dieser Art kommen bei Antiken nur
ganz vereinzelt vor.
Auch das Mittelalter kannte ihn anfangs nicht, was um deswillen
begreiflich ist, weil nach der christlichen Auffassung alles Bestehende
als Werk Gottes erschien. Erst mit dem Erwachen des humanistischen
Geistes im 14. Jahrhundert wagte es der Meister mit dem Ansprüche
an die Schätzung seiner Person und seiner Arbeit hervorzutreten.
In den Passauer Werkstätten hat sich die mittelalterliche Tradition
am längsten erhalten, weshalb nur wenige Namen von den ihr ange-
hörigen Meistern bekannt geworden sind. Waren bis dahin die Ar-
beiten, vorzugsweise die Klingen nur mit dem Stempel der grofsen
Genossenschaften versehen, so gesellt sich diesem nun der Name oder
die Marke des Meisters hinzu. Das Studium dieser Marken ist für
die Waffenkunde und speziell für die richtige Schätzung des Wertes
der Waffe von grofser Wichtigkeit, denn überall, wo wir die Beschaf-
fenheit einer Waffe nicht praktisch erproben können, bietet die
Kenntnis des Meisters den Mafsstab für die Schätzung ihres Wertes,
das gilt auch für das rein Künstlerische und Dekorative.
Es ist leicht begreiflich, dafs berühmte Marken, wie der „Wolf",
der „Bischofstab", der „Mohrenkopf", der „Bischofskopf", einige spa-
nische Marken, so der „Espadero del Rey", „Sahagun", „Toledo",
„Ayala" u. a., nicht minder einige von Italienern, wie Piccinino, Caino,
den Ferarra, endlich den Cominazzi herrührende mehr oder weniger
häufig gefälscht worden sind. Derartige Nachahmungen zu erkennen,
ist nicht immer leicht und lernt sich erst durch langjährige Er- .
fahrung.
Der Begriff der Fälschung ist übrigens, beim Lichte betrachtet,
soweit es sich um Klingen handelt, ausserordentlich dehnbar, und
von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu beurteilen. Bis ins hohe
Mittelalter hinauf diente die Marke als eine Art Reklame, sie erweist
sich deutlich als eine Spekulation auf den guten Glauben des Käufers.
So führten z. B. die sarazenischen Waffenschmiede Siziliens im 9.
Jahrhundert das verhafste Kreuz auf ihren Klingen mit Rücksicht
auf ihre nahezu ausnahmslos christliche Kundschaft in Europa. Diese
zu hohem Ansehen gelangte Marke wurde dann von den italienischen
Werkstätten in ganz gleicher Form bis ins 14. Jahrhundert angewendet.
Sie sahen sich dazu gezwungen, weil jeder Käufer dieses Zeichen
verlangte, und anders bezeichnete Klingen nicht an den Mann zu
bringen waren. Ein ganz ähnlicher Fall spielte sich im Norden ab.
Der Passauer Wolf war zu solchem Ruhrae gelangt, dafs die anderen
Werkstätten im eigenen Geschäftsinteresse sich genötigt sahen, den
Wolf auf ihre Klingen zu setzen, nur um nicht zu Grunde zu gehen.
Thatsache ist, dafs durch jede zur Berühmtheit gelangte Marke der
Vertrieb von Waren mit anderen Marken erschwert wurde, eine mifs-
liche Lage, der sich die Händler dadurch zu erwehren suchten, dafs
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VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
643
sie das berühmt gewordene Zeichen auch auf ihren Waren anbrachten.
Nicht immer ist dabei an eine Fälschung im vollen Sinne des Wortes
zu denken, denn es finden sich zahlreiche Klingen, auf denen der
Meister neben der fremden Marke seinen Namen, seine eigene Marke,
ja nicht selten den Ort der Erzeugung beigefügt hat. Damit erklärt
sich das häufige Vorkommen von Klingen, die den Namen Ferrara,
Piccinino etc., den spanischen Halbmond oder die Marke der Meister
von Sahagun etc. tragen, zum grofsen Teile aber in Deutschland ge-
schmiedet sind. Wie Solingen schon frühzeitig den Wolf unbe-
rechtigt führte, der, nebenher bemerkt, im 15. Jahrhundert gleich-
falls in Spanien gefälscht wurde, so führte es im 16. Jahrhundert
Marken, die mit spanischen auffällige Ähnlichkeit haben. Es war
dies die Zeit, wo die spanischen Werkstätten mit ihren Degenklingen
ganz Europa überfluteten.
In dem folgenden Verzeichnisse bringen wir u. a. auch jene
Marken spanischer Klingenschmiede, die uns durch Iubinal „L'Armeria
Real de Madrid" vermittelt wurden. Der Vergleich mit den wirklichen
Marken hat freilich ergeben, dafs der Zeichner aus Ungeschicklichkeit
nur den allgemeinen Charakter wiederzugeben vermochte und keines-
wegs faksimile darstellte. Wir haben darum in einigen Fällen die
genaueren Faksimilia nach Abdrücken an deren Stelle gesetzt.
Es sei noch bemerkt, dafs die Franzosen vom 17. Jahrhundert
an auf Klingen und Gewehren in der Regel keine Marken führten,
sondern zumeist ihre vollen Namen darauf setzten, und oft auch den
Erzeugungsort beifügten.
Zu dem folgenden Verzeichnisse der Marken und Meister be-
merken wir, dafs der Verfasser es dabei durchaus nicht auf Voll-
ständigkeit gesehen hat. Was ihn bei der Auswahl aus einer mehr
als zehnfachen Zahl leitete, war die Absicht, die ersten und besten
Meister zu kennzeichnen, die ihm vor Augen getreten sind. Diese
Auswahl dürfte für den Zweck dieses Werkes wohl genügen. Unter
den beiläufig 700 Namen, die wir hier bringen, rindet sich mancher,
der bisher unbekannt war oder weniger geachtet dastand.
Manche Meisternamen sind den Archiven entnommen, die meisten
aber geben wir nach den in Sammlungen noch vorhandenen Werken
und haben zur Förderung des Studiums die Orte angeführt, wo sich
solche finden, ohne jedoch darauf auszugehen, den Gegenstand zu
erschöpfen. Der Kürze halber haben wir diese Orte in Chiffren
gegeben, und zwar: Wien W., Paris P„ Madrid Mdr., Turin T„
London L„ Brüssel Br., Berlin BL, Graz G., München Mch.,
Frankfurt a. M. Fr., Dresden Drd., Emden EM Erbach Erb., Sigma-
ringen Sg., Venedig V., Mailand Mld„ Florenz Fl., Ambras A*,
Capo di Monte Cap., Wartburg Wtbg., Kopenhagen Kop., Nürn-
berg N„ Stockholm Stockh. Meister von besonderem Rufe wurden
mit einem Sternchen bezeichnet.
41'
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044
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Mit diesem Hinweise wird man die Gegenstände in den Waffen-
sammlungen aufsuchen müssen und auch zweifelsohne ohne Schwie-
rigkeit finden. Alle Künstler aufzuzählen, die für das Waffenfach
Entwürfe geliefert haben, schien unthunlich, da nahezu alle Meister
des Quattro- und Cinquecento in Italien, und eine sehr grofse An-
zahl von Niederländern und Deutschen dabei in Frage gekommen
wären. Wir haben uns darauf beschränkt, nur jene Ornamentisten
zu nennen, die sich ganz besonders mit Entwürfen für Waffen be-
fafst haben.
1. Deutsohland und die habsburgischen Erbländer.
Aarau, Johann von. Angeblich der
erste bekannte Geschützgiefeer. Augs-
burg, 1375— 1378.
Achen, Johann van, Maler. Köln,
Venedig, Wien, Prag, gest. 1600;
fertigt Entwürfe fttr Waffendeko-
rationen.
Agent, J. F., Klingenschmied. Solingen
um 1712.
•Aldegrever, Heinrich, Maler, Ätzer.
Soest, geb. 1502, gest. 155S, lieferte
Zeichnungen von Waffen.
M
Algyeyer, Martin, Ätzer von Kalender-
klingcn. Solingen, 17. Jahrh. Drd.
A 1 1 e i t n e r , Jacob, KlingcnäUer aus der
Schule der im Bauernstile arbeitenden
Ätzmeister aus dem Algäu, dem
Schwarz- und dem Bregenzerwald.
Um 1668.
Ancinus, Petrus, Klingenschmied. Re-
gensburg, um 1660. P.
*Arbe, Giovanni B., aus der Familie
della Tolle, Büchsengiefser. Ragusa,
gest. 1540. W. N.
Armgerdt, Michael, Büchsenmacher.
Dresden, um 1588. Arbeitet auch in
Leipzig.
Arnold, Friedrich, Büchsengiefser.
Fulda, um 1630.
Appenzeller, auch Appctzeller, Hans.
Büchsengiefser. Innsbruck. Arbeitet
für Maximilian I. und Karl von Bur-
gund 1490- 1499.
Attemstctter, David, Emaillist. Augs-
burg. Arbeitet einiges in Waffen für
K. Rudolf IL, gest. 1617.
Monogramm:
D. A. oder D. A. F.
•Baidung, Hans, genannt Grün, Maler,
Zeichner von Waffenformen. Strafs-
burg, geb. 1470 oder 1476, gest.
«545-
Marke:
ru
nebst der Jahreszahl.
Baur, Wilhelm, Büchsenschäfter. Ell-
wangen, um 1690. Mch.
Bebinckhorn, auch Bebickenhorn und
Bebickhorn, Wolf, Plattner. Dresden.
Kommt aus Kassel, 1577 — 1591.
Drd.
Becher, Hans, Plattner. Nürnberg,
gest. 1589. W. •
Becher, Leopold, Büchsenmacher, Karls-
bad. W. Kop.
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X. Deutschland und die habsburgischen Erbländer.
646
B e h a i m , Sebald, Büchsengiefser. Nürn-
berg, g«t. 1534.
Benninck , Büchsengiefserfamilie.
Lübeck.
♦Albert, Lübeck, Berlin, Kopen-
hagen, gest. 1690. W. Bl. Kop.
Reinhold, Rathgiefser, gest. um
161 7.
Berns, Arnold, Klingenschmied. So-
lingen, 16. Jahrh., Ende. Bl.
Berns, Johannes, Klingenschmied. So-
lingen, 17. Jahrh., Anfang.
Berns, Meves, Klingenschmied. So-
lingen, 17. Jahrh., Anfang. W.
Seine Marke, der Hirsch, nebenst.
©
Bertholt, Nikolaus, Schwertfeger.
Nürnberg, dann in Dresden. Um
1530. Wird später Rüstknecht am
sächsischen Hofe.
Boel, Augustin, Klingenschmied. So-
lingen, um 1550. W.
*Bongarde, Armand, Büchsenmacher,
Eisenschneider. Düsseldorf, um 1700.
P. W. Drd.
Boxberger (auch Bocksberger), Johann,
Maler, Formschncider. Salzburg, Augs-
burg, Landshut, München. Fertigt
Entwürfe für Waffendekorationen.
16. Jahrh., 2. Hälfte.
Brab enter, Heinrich, Klingenschmied.
Solingen, 17. Jahrh., Anfang. Bl.
Brabcnter, Wilhelm, Plattner. So-
lingen? 16. Jahrh., Ende. L.
B ra s , Peter von Meigen, Klingenschmied.
17. Jahrh. W.
Marke:
Brentel, Friedrich, Maler, Zeichner von
PrunkwafTen. Strafsburg, geb. 1580,
gest. 1651.
Bronnaucr, Georg, Ätzmaler. Nürn-
berg, um 16 10. A.
Bry, Theodor de, Goldschmied, Zeichner
von Prunkwaffen, Beschlägen u. dgl.
Frankfurt a. M., geb. 1528, gest. 1598.
Bulff, auch Wulff, Plattner „vecino de
Lancuete". In der Nähe von Lands-
hut. Bisher noch unbekannter Meister,
der vieles und Kunstreiches 1 5 50— 1 55 1
für Philipp II. von Spanien arbeitete.
•Burgkmair, Hans, der Ältere, Maler.
Augsburg, geb. 1473, g«t. «531-
Diente den Kaisern Maximilian L und
Karl V. in der Auszierung der Harnische.
Cloeter, P. und C, Büchsenmacher.
Mannheim, 17. Jahrh. St. Kop.
Dann er, Rudolf, Laufschmied Nürn-
berg, starb um 1625.
*Danner, Wolf, Laufschmied. Nürn-
berg, starb 1552.
Dax, Johann Georg, Büchsenmacher.
München, 18. Jahrh., Anfang. P.W.
Dietrich, Armrustmacher. Wien, u. 1 39 2 .
Dinckelmayer, Joh. Lukas, Büchsen-
giefser, Schriftsteller. Nürnberg, 1590
bis 1608. W.
Dinger, demente, Klingenschmied,
wahrscheinlich ein Solinger, arbeitet
später in Spanien. Sig. demente
Dinger espadero. Mi signal parajo
(an dieser Stelle) Anno 1677. P.
Drechsler, auch Drefsler, Drexler,
Trechsel , Tresseier . hervorragende
Büchsenmacherfamilie.
Balthasar, Büchsenmacher. Dres-
den, um 1580.
*Christof, Bruder des Vorigen,
Büchsenmacher, Mechaniker. Dres-
den, geb. um 1550. Arbeitet bis
ca. 1624. Bezeichnet
CT od. CTMD. od. CTDEM,
endlich auch mit vollem Namen.
64G
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Lorenz, Büchsenmacher, Vater der
Vorigen. Dresden. Erscheint zu-
erst 1558, stirbt ca. 1579.
♦Dürer, Albrecht, Maler, Zeichner von
Waffenfonnen. Nürnberg, geb. 147 1,
gest. 1523. Entwirft 15 1 7 für Maxi-
milian I. Zeichnungen für einen sil-
bernen Harnisch.
Marke bekannt:
Ä
Eberharrt Jacob, Büchsenmacher. Suhl,
um 1590.
Eckehardus, Gold - Waffenschmied.
Deutsch. Sein Name erscheint auf
einem Dolche mit Bronzegriff aus dem
IO. Jahrhundert in der Sammlung H.
Garthe zu Köln.
Ehmcr, auch Eimer, Franz, Tischler
und Büchsenschäfter. Chemnitz, um
1570. Arbeitet für Kurfürst Christian I.
von Sachsen.
Eisenhoit, Anton, Treibarbeiter, geb.
1554. Münster.
Else ss er, Bernhard, Büchsenschäfter.
Innsbruck. Arbeitet 1 574 — 1582 für
den kaiserlichen Hof
Zeichnet E. B. W.
Elsesser, Wigelio, Bruder des Vorigen.
Büchsenschäfter. Innsbruck. Arbeitet
1574 für den kaiserlichen Hof.
•Endorfer, Jörg, Büchscngiefser aus
Augsburg. Innsbruck, 1480 — 1494.
Entzingcr, Johann, Büchsenmacher.
Baden, um 1660. W. P.
Ernst, Büchsenmachcrfamilie. München,
von 1492— 1740 thätig.
Ernst, A.B., Büchsenmacher um,
1730. Mch.
Erttel, Joh. Georg, Büchsenmacher.
Dresden, um 1680. Drd. W.
Es eher, H. Caspar, Büchsenmacher.
Leipzig, um 1660. Kop.
Fehr, Georg, Büchsenmacher. Dresden,
um 1650. Kop.
Feil, Hans, Büchsenmeister und Plattner.
Dresden, 1576— 1 592.
Fichtner, Nikolaus, Büchsenmacher.
Dresden, um 1650. Kop.
•Frauenbreis, Frauenpreifs, Matthäus,
der Altere, Plattner. Augsburg, stirbt
1549, markiert:
19
Mdr.
•Frauenbreis, Matthäus, Sohn des
Vorigen, Plattner. Augsburg, wirkt
von 1549 bis etwa 1575, markiert
gleich seinem Vater. W. Mdr.
Freund, ßüchsenmacherfamilic. Georg
Karl und Christoph Wilhelm. Fürstenau
und München, 18. Jahrh. Arbeiten
viel fÜrdcnErbachschen Hof. P. Erb.
Frey, zahlreiche Büchsengiefserfamilie.
München.
•Martin, Büchsengiefser, gest. 1 605 .
Geralich, Ambrosius, Klingenschmied.
München, um 1530. Arbeitet für
Karl V. W.
Glockendon, Malerfaroilie. Nürnberg.
•Albert, Bruder des Nikolaus, Brief-
maler, Harnischätzer. Seine Marke
findet sich auf einem schön geätzten
Harnische des Konrad von Bemel-
berg von ca. 1532. W.
•Nikolaus, Briefmaler. Ihm werden
die Abbildungen in den Zeug-
büchern Maximilians I. 15 14 zu-
geschrieben.
Godl, Büchsengiefserfamilie. Innsbruck.
Michael, um i486.
•Stephan, Büchsenmeister Erzher-
zogs Sigmund von Tirol 150S — *
1529.
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I. Deutschland und die
G ö b c 1 n , Stephan, Büchsengiefser. Frank-
furt a. M.i um 1522.
Gol, Enrico, Klingenschtnicd. Solingen.
Ist ein Deutscher, der auch in Spanien
arbeitet. Signiert auch ,,Spadero del
Reyu und „En Alcmania fecit", ferner:
,,Mi sinnal Santismo Crucificio". 17.
Jahrh. W. Mdr. P.
Grienwalt, Michael, Büchsenmacher.
Augsburg? Um 1664. Arbeitet für
Ludwig XIV.
G r i e f s e r , Georg, Büchsenschäfter. Augs-
burg? Ist 1567 — 1569 am Hofe Maxi-
milians II. angestellt.
Grofsschedl, Franz, Plattncr. Lands-
hut, um 1568. Arbeitet für den bay-
rischen und tirolischen Hof. Ihm ge-
hört vermutlich die nebenstehende
Marke:
(Siehe auch unter Monogrammisten.)
Grüncwald, Hans, Plattner. Nürn-
berg, starb 1503.
Marke:
0
Gsell, Ägydius, Büchsenmacher. Artz-
berg, um 1650. W. Kop.
Gull, Michael, Büchsenmacher. Deutsch.
17. Jahrh. W.
Guter, Büchsenmacher, Erfinder der
Windbüchse. Nürnberg, um 1560.
Ha Hl, Leopold, Stückgicfscr. Wien,
1716 — 1750. W.
Hamcrl, Josef, Büchsenmacher. Wien,
18. Jahrh. P. W.
Hans, Meister, Plattner. Augsburg, um
1 551. Arbeitet für Philipp II. von
Spanien.
Härtel (Hantel I, Johannes, Graveur.
Deutsch. 17. Jahrh. Graviert Schlofs-
platten. W.
absburgischen Erbländer. 647
Hauer, Anton. Ätzmaler. Nürnberg,
um 1612. W.
*H a u s c h k a , S., Büchsenmacher.Wolfen-
büttel, Prag, um 17 10. Arbeitet für
den kais. Hof. W.
Heintzberger, Konrad, Büchsengiefser.
Frankfurt a. M. , um 1373, Büchsen-
meister der Stadt, gest. vor 1378.
Heishaupt, Daniel , Büchsenmacher.
Ulm, um 1780. P.
Helmschmied, mit dem Familien-
namen Kolman, Plattncrfamilie. Augs-
burg.
•Coloman, geb. 1470, gest. 1532,
arbeitet für den kaiserlichen u.
spanischen Hof.
Marke :
•Dcsiderius, dessen Sohn, arbeitet
für den kaiserlichen und spanischen
Hof, um 1552. Führt die gleiche
Marke wie Coloman.
•Lorenz, 1490, Grofsvater des
Vorigen, Hofplattner Maximi-
lians I., gest. 15 16.
Marke :
a
Henkel, Peter, Ktingenschmied. So-
lingen, um 1624.
Hermann, Valentin, Büchsenschäfter.
Nürnberg, stirbt dort 1598.
Herold, ausgebreitete Kunstgiefser
familie. Nürnberg.
Andreas. Nürnberg, Dresden.
Ba Itasar sen.
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648
VIT. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
•Baltasar jun. Wien, geb. 1625,
gest. 1683. W. P. Bl.
*\Volf Hieronymus, gest. 1693.
Herold, berühmte Büchscnmacher-
familie. Dresden.
Balthasar, um 1690. Kop.
•Christian, um 1670. Drd.
Heumann, Georg, Messerschmied.
Zeichner von Prunkwaffen. Nürnberg,
17. Jahrh., Anfang.
Hey der, Nikolaus, Büchscnschäfter.
Nürnberg, stirbt Anfang des 17. Jahr-
hunderts.
Hilger, ursprünglich Kannegiefscr ge-
nannt, zahlreiche Stückgicfserfamibe.
•Martin I. Freiberg, geb. 1484,
gest. 1544.
Martin II. Freiberg, Graz, Dresden,
geb. 1538, gest. 1601.
•Wolf, Sohn Martins I. Freiberg
und Dresden, geb. 1511, gest.
1577-
Hinterhäusel, Friedrich, Geschütz-
giefser. Nürnberg, gest. 1708.
Hirder, Geschützgiefserfamilie. Nürn-
berg.
•Sebald, Schüler des M. Mertz, s. d.
gest. 1563, in Diensten Friedrichs
von Pfalzbayern.
Hirschvogel, Augustin, Ätzmalcr.
Nürnberg, Wien, geb. Nürnberg I5°3»
gest. Wien 1553. Arbeitet für die Stadt.
Hörl, Hanns, Büchsenschmied. Nürn-
berg, 16. Jahrh., 2. Hälfte.
Zeichen: H. H.
•Holbein, Hans, Maler. Augsburg,
Basel, London, geb. 1498, gest. 1554.
Liefert Zeichnungen für Waffen.
Hopfer, Daniel, Maler, Harnischätzer.
Augsburg. Arbeitet 1566 mit seinem
Bruder Georg für Maximilian II. und
für den spanischen Hof. Stirbt 1 598.
Mdr.
Hopp, Johann. Klingenschmied. So-
lingen, 16. Jahrh., Anfang. — P.
•Horn (Horum), Klemens, Klingen-
schmied. Solingen, 16. Jahrh., An-
fang, lebte noch 1625. W. P. Bl.
Marke: Einhorn, häufig auch der volle
Name mit lat. Sinnsprüchen. Es
kommen aber auch auf seinen Klingen
andere Zeichen vor, wie der „Wolf*4,
„3 tief ins Gesenk geschlagene Mohren-
köpfc", die Brescianer Marke u. a.
Jacobi, Johann, Stuckgiefser. Berlin,
um 1700. P. Bl.
III, Lorenz, Büchsenmacher. Augsburg,
17. Jahrh., 2. Hälfte. P.
Keindt, Johannes, Klingenschmied.
Solingen, 16. Jahrh., I. Hälfte. P.
Keiscr, Caspar, Büchsenmacher. Egcr,
um 1660. W.
•K eiser, Georg, Büchsenmacher. Wien,
geb. 1647, gest. nach 1732. Arbeitet
für den kaiserlichen Hof.
W. Drd. Kop. P.
Keuller, Klemens, Klingenschmied.
Solingen, Ende des 16. Jahrh. Bl.
Kiefufs, Johann, Büchsenmacher, an-
geblich Erfinder des Radschlosses.
Nürnberg, 1517.
Kinig (Chinig, vielleicht König), Ma-
thias, Harnischätzer. Innsbruck, um
1560.
Kirsbaum, Johannes, Klingenschmied.
Solingen, Anfang des 16. Jahrh. Bl.
Klein, Weilm. , Klingenschmied. So-
lingen, 16. Jahrh.
Mch. W. Stockh.
0
Klett, zahlreiche Büchsenmacherfamilie.
Haus in Ottensen, 1610— i6t8.
Bez. H. K. Kop.
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I. Deutschland und die habsburgischen Erbländer. G49
•Stephan und Valentin in Suhl,
um 1586. P. W. Drd.
J. C. in Potsdam, 18. Jahrh., Ende.
Sigmund, um 165c.
Köster, Gerhardus , Büchsengiefscr.
Emden, um 1619. E.
Kopp, Sebald, Büchsengiefscr. Würz-
burg, gest. nach 1683.
*Kotter, Augustinus, genannt Sparr,
Büchsenmacher. Nürnberg, stirbt nach
1635. W. BL E. P. Drd.
Kraus, Hans, Büchsenschäfter. Wien.
Diente 1569 im Hofstaate Maximi-
lians II.
K r e n g e , Hermann , Büchsenschäfter.
Dresden. Stammt aus Wolfenbüttel,
stirbt 1580.
Kuchenreuter, Büchsenmacherfamilie.
Johann Andreas, Regensburg,
18. Jahrh , Anf. P. W. Drd.
Kuchenreuter, Christoph. Regensburg,
18. Jahrh., Anf. Stockh.
Kuler (Woller:-), Klemens, Klingen-
schmied. Solingen, „Clemens Kuler
cn Alemania. Mi sinnal es el navio".
(Siehe auch unter den Monogram-
inisten.) Mdr.
Lamarre, Heinrich (?), Büchsenmacher.
Wien, 19. Jahrh. W. P.
Leuthner, genannt der Pollak, Hans,
Plattner. Dresden. Wird 1551 kur-
fürstlicher Rüstmeister, arbeitet für
den sächsischen , brandenburgischen
und schwedischen Hof bis 1560.
•Lcygebe, Gottfried, Eisenschneider.
Nürnberg, geb. 1 630, gest. 1683. Drd.
Mch.
L ienhart, Paul, Büchsenmacher (Schäf-
ter?). München. Mch. P.
Lobenschrod, Konrad, Klingen-
schmied. Nürnberg, starb um 1592.
•Lochner, Kunz, Eisenschneider, Platt-
ner. Nürnberg, gest. 1567. Arbeitete
für Erzherzog Maximilian v. Österreich.
Seine Marke: ein zum Grimmen ge-
schickter zweischwänziger Löwe in
einem Tartschenschilde.
W. Wtbg. Stockh. Bl. Erb.
♦Sebald, Plattner. Nürnberg,
starb 1550
Löffler, Geschützgiefserfamilie. Inns-
bruck.
Christoph, von und zu Büchsen-
hausen, Sohn des Hans Christoph.
Büchsenmeister Rudolfs II. in
Prag, steht 1 568— 1593 in kaiserl.
Diensten, gest. 1623.
•Gregor, Sohn des Peter, gest.
1565. Innsbruck, Augsburg.
Büchsenmeister Karls V.
*Hans Christoph, Sohn des
Gregor, wirkt auch in Graz. W.
•Peter, genannt Layminger, vom
heil. Kreuz, Bregenz, später Inns-
bruck, Büchsenmeistcr Maximi-
lians 1., gest. um 1520.
Wenzel, Bruder des Vorigen, gest.
1528.
Mänz, Ulrich, Büchsenmacher. Braun-
schweig. Arbeitet für Kaiser Karl VI.
um 1708. W.
Marckwart, Bartholomen , Büchsen-
macher. Augsburg, gest 1552.
Marquart, Martin, Goldschmied, Platt-
ner. Augsburg, um 1568. Arbeitet
für Kaiser Maximilian II.
Matl, auch Mätl, Mathäus, Büchsen-
macher, deutsch, um 1661. P. W
Matzenkopf, Franz, Büchsenmacher,
Graveur. Prag, 17. Jahrh.
Maucher, Christoph, Büchsenschäfter.
Schwäbisch-Gmünd, um 1700.
G50
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
•Mau eher, Johann Michael, Büchsen-
schäfter. Schwäbisch -Gmünd, später
Würzburg, 1670— 1 693. Mch.
Fi
Maucher, Onuphrius, Büchsenschäfter.
Schwäbisch-Gmünd, um 1670.
Mayr, Konrad, Büchsenschäfter. Prag.
Arbeitet 1570 für Maximilian IL
Maystetter, Hans, Plattner. Augs-
burg. Graz. Wird 15 10 von Maxi-
milian I. bestellt.
Meifsncr, Hans, Büchsengiefser. Lands-
hut, 16. Jahrh., I. Hälfte, um 1540.
Mch.
Memmingen, Abraham von, Büchsen-
giefser, Schriftsteller. Memmingen,
um 1414. Sein Feuerwerksbuch das
Vorbild für die vielen Kopien im 15.
Jahrh.
M e n t e 1 , Hans, Büchsenmacher, Ätzmaler.
Prag, um 1650. W. Stockh.
*Mertz, Martin, Büchsengiefser, Schrift-
steller. Amberg, 1425 — 1476 in
Diensten Kurfürst Friedrich des Sieg-
reichen, gest. 1501.
Mielich, auch Muelich, Hans, Zeichner
von Waffen. München, gest. 1572.
Milotta, Büchsenmacher. Dresden, um
1750. Drd. W.
Moral es, Jacob de, Wehrvergolder.
Regensburg. Ein Spanier; wird 1546
am Hofe König Ferdinands I. ange-
stellt.
Morgenroth, Hans, Büchsenmacher.
Nürnberg, um 1600. P
Moum, Hans, Klingenschmied. Solingen,
1600 — 1625, signiert: „Hans Moum
me fecit Solingen. Soli Deo Gloria",
markiert zwei kleine s, aber auch
Müllner, Paulus, Büchsenschäfter.
Nürnberg, stirbt 1598.
Munich, Peter, Klingenschmied. So-
lingen, 16. Jahrh., Ende.
Markiert: Bischofskopf tief ins Ge-
senk geschlagen. Emd. Bl.
PH
Munsten, Andreas. Erscheintauch in
Toledo und Calatayel gearbeitet zu
haben. Siehe unter Spanier Munesten.
Munsten, Peter, Klingenschmied. Bru-
der des Vorigen. Solingen , später in
London, um 1595. Seine Klingen
führen als Zeichen den „wilden Mann",
zuweilen auch den Wolf.
Ulm,
Bl. Sigm. P. Drd. St.
Neidhardt, Wolfgang, Gicfser.
gest. 1598. •
N eron, Lorenz de, SchwertgnrTerzeuger
(Wehrvergolder). Prag. Erscheint im
Hofstaat Rudolfs II. 1568— 158 1.
Neureiter, Johann, Büchsenmacher.
Salzburg, 17. Jahrh. P. W.
*Oberacker, Niklas. Büchsengiefser.
Augsburg, um 1500.
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i. Deutschland und die habsburgischen Erbländer.
651
*Obcrländcr, Johann, Büchsenmacher.
Nürnberg, geb. 1640, gest. 17 14.
Erfinder der Luftbüchsen.
Obresch (Obrist), Heinrich, Plattner,
Panzermacher. Graz, um 1590.
Marke: K
I
Ol ig, Hans, Klingenschmied. Solingen,
um 1640. W.
Paras, Aibcrgh (Albert?), Büchsen-
macher, deutsch, um 1640.
Markiert: A. P.
Pater, Heinrich, Klingenschmied. So-
lingen, um 1580.
Marke:
A
Paulus, Klingenschmied. Solingen, um
1600.
Paulus, M., Büchsenschäfter, Schnitzer.
Elwangen, um 1697. Mch.
Pech, Peter, Büchsenmacher. München,
um 1540. Arbeitet für den spa-
nischen Hof.
♦Pcffe n haus er, auch Pellenhauser,
Pfeffenhauser, Anton, Plattner. Augs-
burg, 1566 — 1594. Arbeitet für den
kaiserlichen, den sächsischen und
spanischen Hof. Md. W. Drd.
Marke:
1*
P e g n i t z e r , Büchsengiefserfamilie, Nürn-
berg.
Andreas, der Ältere. Nürnberg,
geht 1543 nach Culmbach.
•Andreas, der Jüngere. Nürnberg,
gest. 1549.
P e r i n g e r , Büchsengiefserfamilie, Lands-
hut.
♦Erhart, ein Schüler Seb. Hirders
s. d., um 1550. Mch.
Leonhart, um 1566. W.
Pister, Büchsenmacher. Schmalkalden,
18. Jahrh. Erb.
Po et er, Klemens, Klingenschmied. So-
lingen, 17. Jahrh. P.
Polhammer, auch Polhaimer jun., Hans,
Harnischätzer. Innsbruck, 1547— 1564.
W. Bl. P.
Preu, Leonhart, Büchsenschäfter. Nürn-
berg, starb 1596.
Qualek, Martin, Büchsenmacher. Wien,
um 1670. H. W.
Reck (Regk), Georg, Büchsenmacher.
Mannheim, 1782— 1796. 15. P.
Rccknagel, Caspar, Büchsenmacher.
Nürnberg, starb 1632.
Reig, Medardus, Büchsengiefser. Graz,
I 1682 — 1688. W.
Reifser, Hermann, Klingenschmied.
rassau, 17. Jahrh., Anlang.
Richter, Konrad, Plattner. Augsburg,
um 1550. Arbeitet für den kaiserl.
und den tirolischen Hof.
Ringler, Hans, Plattner. Nürnberg,
um 1560. W.
FTR*
Ris, Christoph, Büchsenmacher. Wien,
um 1750. W.
Roch er, Büchsenmacher. Karlsbad, 18.
Jahrh. Stockh. W.
Roen , Franziskus, Büchsengiefser. Glück-
stadt, um 1660. Kop.
Rockenberg er, auch Rosenberger,
Plattncrfamüte. Dresden.
♦Hans wird 1543 Bürger, arbeitet
für die Höfe des Kaisers, der
Rheinpfalz, Sachsen und Meck-
lenburg, erscheint bis 15 70.
•Sigmund wird 1554 Hofplattner,
IS54-I572,
652
VII. Die Beschau* und Meisterzeichen etc.
Roggenberger, Heinrich , Büchsen-
giefser. Passau. Kommt 1436 nach
Augsburg.
Rotschmied, Mart., Plattner. Nürn-
berg, starb 1597. G.
•Rück er, auch Rucker, Ruckarth und
Rückert, Thomas, Schwertfcger, Eisen-
schncider , Mechaniker. Augsburg.
Arbeitet um 1575 für den sächsischen
Hof und für Kaiser Rudolf II. Drd.
Ruef, Franz, Laufschmied. Elwangen,
um 1680. Mch. P.
•Sadeler, Johann, Zeichner von Ge-
schützen.
Sander, Jan, Büchsen- und Armrust-
macher. Hannover, um 1669. P.
Samitsch, Daniel, Büchsenmacher.
Deutsch. Liefert für König Ferdi-
nand I., I544*
S c h e n c k , Peter, Kupferstecher, Zeichner
von Prunkwaffen. Amsterdam , geb.
zu Elberfeld um 1645, g«t- um 1715.
Schcnckh, Johann Caspar, Elfenbein-
schnitzer. Wien. Arbeitet um 1665
viel für den kaiserl. Hof Prunkwaffen
und Jagdgeräte, gest. 1674. W.
S c h i n z c 1 , Elias , Büchsenmacher.
Berlin, um 16 So. Kop. Bl.
Schnee, Hans, Büchsengicfser. Inns-
bruck, Verona, gest. 1 5 1 7.
Schwarz, Christoph, Maler. Ingolstadt.
Hofmaler des Herzogs Wilhelm V.
von Bayern, gest. 1594. Zeichner von
Harnischdekorationen. W.
Schwenck, Johann, Büchsenmacher.
Wiener-Neustadt, 17. Jahrh. Kop.
Seelos, eigentlich Reuter, Büchsen-
giefserfamilie. Innsbruck.
•Hans, arbeitet für E. H. Sigis-
mund und Kaiser Maximilian I.,
um 1480.
Jorg, um 1516.
Seusenhofer, Plattnerfamilie. Inns-
bruck.
♦Hans, wird 1 5 1 5 Wappenmeister in
Innsbruck, geb. 1475, gest. 1555.
♦Jörg, Sohn des Vorigen, arbeitet
für den französischen, spanischen
und den kaiserl. Hof bis Über
1558. W. Bl. P.
Marke ;
•Konrad, arbeitet für Maximilian L,
für Aragonien, Brandenburg etc.,
1502, starb 15 18.
♦Seus enhofer, Wilhelm, Plattncx.
Augsburg gest. 1547.
♦Siebenbürger, Valcnün, Plattncr.
Nürnberg. Wird 1531 Meister, gest.
nach 1547.
W. Bl. Darmst. Erb. P.
Sigm.
Marke:
53
S i e g 1 i n g , Valentin , Büchsenmacher.
Frankfurt a. M., 18. Jahrh. P.
Sigmann, Georg, Goldschmied, Treib-
arbeiter. Deutsch. L.
•Solis, Virgil, Maler, Ornamentist,
Zeichner von Prunkwaffen. Nürnberg,
geb. I$I4» gest- 1562-
Sommer, Johann, Büchsenmacher. Bam-
berg, um 1680.
Sorg, Jörg, Zeichner, Ätzmaler. Augs-
burg. Entwirft seinem Schwager, den
Plattner Coloman Helmschmied, und
dessem Sohn Desidcrius um 1560
Harnische , darunter solche Maximi-
lians II. Mdr. Bl.
I 5
uiguiz
zed by Goog
Ii Deutschland und die
habsburgischen Erbländer. 658
Spazierer, Büchsenmacher. Prag, 18.
Jahrh. P.
Speyer, von, zahlreiche Plattnerfamilie.
Annaberg und Dresden.
♦Peter, der Ältere. Annaberg. Ar-
beitet für den sächsischen, bran-
denburgischen und dänischen Hof
um 1560. Bl.
Marke :
P-V-St,
•Wolf, der Ältere. Annaberg und
Dresden. Arbeitet als sächsischer
Hofplattner auch für den tiro-
lischen Hof, starb 1580.
Springenklee, Georg, Messerer Klin-
genschmied, Passau. Erhält später
von Kaiser Karl IV. ein eigenes
Wappen.
Steigentesch, Georg, Klingenschmied.
Solingen, um 1630. Emd.
St ein weg, Johann, Büchsenmacher.
München, um 1690. Mch.
Stengel, J. C, Graveur. Wien? 16.
Jahrh., Ende. Mch.
Stifter, Hans Christoph,Büchsenmacher.
Prag. Arbeitet um 1660 und bis nach
1684.
Marke: ein Löwe.
Drd. W. Stockh. A. P.
Stockmann, Hans , Büchsenmacher.
Dresden, ca. 1590 — 1621.
Zeichnet: H. S.
Stockmar, J. L. , Büchsenmacher.
Heidersbach bei Suhl, x8. Jahrh.
Drd.
Stockmar, Johann Nikolaus, Büchsen-
macher. Heidersbach, um 1740. Drd.
Stramayr (Strohmayer), Hans, Ätz-
maler. Wien, um 1580. Arbeitet für
Erzherzog Ernst.
Sussebecker, Martin, Büchsenmacher.
Dresden, um 1640. E. Kop.
Sustris, Friedrich, Maler. Amsterdam,
München. Fertigt Entwürfe für Warten -
dekorationen. 17. Jahrh.
Treytz, zahlreiche Plattnerfamilie. Inns-
bruck.
•Adrian, 1469— 1517.
Marke:
Christian, um 1484, stirbt 1517.
Jörg, 1469— 1478.
Konrad, starb vor 1469.
Undeutsch, Hans, Plattner. Dresden,
um 1560.
Veit, Plattner. Nürnberg, Ende des 1$.
Jahrh.
Voigt, Caspar, Geschützgiefscr. Dres-
den, um 1549.
Walt her (von Arles?), Büchsengiefser.
Augsburg. Giefst bereits 1373 daselbst
Büchsen.
Weinhold, Johann Gottfried, Stück-
giefser. Dresden, um 1740. "W.
•Weifs.H, Büchsenmacher. Suhl, 18.
Jahrh. L.
Weng er, Maximilian, Büchsenmacher
und Rohrschmied. Mitte des 17. Jahrh.
Bez. MAX. W. — Stockh.
Werder, Felix, Büchsenmacher. Zürich.
Der Verfertiger des ältesten datierten
Flintenschlosses von 1652. W.
Wetschgi, Andreas, Büchsenmacher.
Augsburg, 18. Jahrh., Mitte.
Kop. W. Stockh.
054
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Wetter, Othmar, Messerschmied, Eisen -
Schneider. München und Dresden.
Arbeitet prächtige Schwert- und Degen-
griffe. Um 1590. Drd.
Marke: W. in Gold eingelegt.
Weyditz, Christoph, Elfenbeinschnitzer.
Augsburg, um 1560. .
Weyer, Franz Wilhelm, Büchsenmacher
aus Nürnberg, später in Wien. Aus-
gezeichneter Graveur. 1 7. Jahrh , An£
P. Emd. Drd.
Wilczinski, Lukas, Klingenschmied.
Posen? um 16 10. Arbeitet Kalender-
schwerter. Bl.
Widerstein, Büchsengiefser Nürn-
berg, 1449 — *470- Giefst die unter
dem Namen die Widersteiner bekannten
Geschütze.
Wildemann, Marx, Büchsenmacher.
Dresden. Arbeitet für den sächsischen
Hof bis 1587.
Winffang siehe Wynsang.
*W i r s b e r g, Peter, Klingenschmied. So-
lingen, Bürgermeister dieser Stadt
1611 — 1617, um 1580.
H. Mch. P. W.
. *Wirsberg, Wilhelm, Klingenschmied.
Solingen, Bürgermeister dieser Stadt
1573, um 1540. Md. P. Drd.
Stockh.
Marke: das halbe Rad.
W i rsb erg, Wolf Ernst, Klingenschmied.
Wien, RUstmeister Kaiser Maximi-
lians II. um 1565.
Woller, Klemens, Klingenschmied. So-
lingen, 17. Jahrh., Ende. W.
Marke: ein Hahn.
Worms, von, Plattnerfamilie. Nürn-
berg.
Wilhelm, der Ältere, starb 1539.
•Wilhelm, der Jüngere, Sohn des
Vorigen, Hofplattner Karls V.
Wundes, Johannes, Klingenschmied.
Solingen. Arbeitet 1 560— 16 10, führt
als Marke den „Königskopf" und den
„Reichsapfel". P. W. btockh.
Wynsang (auch Wynnfang), Hans,
Büchsengiefser. Passau. Liefert für
König Ferdinand I. 1544. W.
Zaruba , Andreas, Büchsenmacher. Salz-
burg, um 1700. P. "W.
Zell n er, Büchsenmacherfamilie. Salz-
burg, Wien.
Cajetan, 18. Jahrh.
Caspar, Wien, 18. Jahrh. W.
Franz X. Salzburg, 18. Jahrh.
Johann Georg, Salzburg, 18.
Jahrh.
Kilian arbeitet in Wien um 1720
für den Erzbischof von Salzburg.
2. England, Schweden, Dänemark.
655
Marcus, Salzburg, 18. Jahrh.,
Anfg.
♦Zilli, Markus, Büchsenmacher, Lauf-
schmied. Memmingen, 1670—1690.
Mch.
Zoller, Melchior, Klingenschmied.
Augsburg, um 1600. Mch.
Z ü n d t ( ?) Matthias. Nach Nagler Monogr.
IV, 1971 Goldschmied, Zeichner von
Prunkwaffen. Nürnberg, 16. Jahrh.,
2. Hälfte. L.
7£*
2. England, Schweden, Dänemark.
Bars, David, Büchsenmacher. Stock-
holm, um 1730. Drd.
Bäte, Büchsenmacher. London, Ende
des 18. Jahrh. P.
Burting, P. , Büchsengiefser. Fossum
Jaernvacrk. Norwegen, um 1690.K0P.
Clark, Büchsenmacher. London, 18.
Jahrh. P.
Dam, Claus, Stückgiefser. Kopenhagen,
um 1620. Kop.
End tf eider, Hans Wolf, Stückgiefser.
Kopenhagen, um 1600. Kop.
Free man, James, Büchsenmacher.
London, 18. Jahrh. Drd.
Froomen, Peter, Büchsenmacher. Jön-
köping. Schweden, 18. Jahrh, Ende.
Stockh.
Kalt hoff, Laasen Matthias, Büchsen-
macher. Dänemark, 1652 — 1679. Kop.
Kalt hoff, Peter, Büchsenmacher.
Dänemark, um 1646. Kop.
Kapell, Heinrich, Büchsenmacher.
Kopenhagen, 17. Jahrh. Stockh.
Koch, Johann, Büchsenmacher und Uhr-
macher. Stockholm, um 1 670. Stockh.
Kohl, Caspar, Klingenschmied. Garp-
strömmen und Wira in Schweden,
17. Jahrh. Stockh.
* K o h 1 .David, Sohn desVorigen, Klingen-
schmied. Wira, Stockholm, geb. 1628,
gest. 1685. Stockh.
Kost er, Assuerus van der Hart, Stück-
giefser. Kopenhagen, um 1680. Kop.
Mard.B., Büchsenmacher. Stockholm?
18. Jahrh., Anf. Stockh.
Mathias von Nürnberg, Stückgiefser.
Kopenhagen, um 1559. Kop.
Metzger, Johann Georg und Michael,
Büchsenmacher. Stockholm, um 1750.
Stockh.
Murdoch, H., Büchsenmacher. Schott-
land, 17. Jahrh. Mdr.
Neid hart, Andreas, Büchsenmacher.
Kopenhagen, 1636 — 1650.
Bez. A. N. — Kop.
Nusbaum, J., Büchsenmacher. Stock-
holm, um 1780. Stockh.
Nusbaum, Matthias Vincenz, Büchsen-
macher. Breslau.
Nusbaum, Moriz Friedrich, Büchsen-
macher. Stockholm, um 1747.
Ostermann, Friedrich, Büchsenmacher.
Kopenhagen, l8.Jahrh., Anf. Stockh.
Marke :
3T
Kosenhell, J., Büchsenmacher. Norr-
telge, Schweden, um 1 790. Stockh.
Rundberg, Gebrüder, Büchsenmacher.
Jönköping, Schweden, später Paris,
18. Jahrh., Ende. Stockh.
S t a r b u s , Peter, Büchsenmacher. Amster-
dam, später in Stockholm, 17. Jahrh.,
Ende. Stockh. Kop.
Stephean, Büchsenmacher. London,
18. Jahrh , Ende. P.
(356
VIL Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
To mm er, Büchsenmacher. Kopenhagen,
1612— 1631. Liefert dem dänischen
Hof. Kop.
Tonner, A., Büchsenschäfter. Kopen-
hagen, um 1610— 1630. Kop.
Wilson, Büchsenmacher. London,
18. Jahrh. Stockh.
Zimmermann, Hans, Büchsenmacher.
Kopenhagen, Ende des 17. Jahrh.
Stockh.
3. Frankreich.
•Aubigny, Philippe Cordier d\ Kupfer-
stecher, Zeichner von Prunkgewehren.
Paris, 1635 — 1665.
Barnabo, Meister, Waffenschmied.
Paris, um 1400.
*Bcrain, Jean, sen , Ornamentist in
Feuerwaffen, Schriftsteller. Paris, geb.
1639, gest. 171 1. P. Stockh.
Bcrain, Jean, jun. , Ornamentist in
Feuerwaffen, Schriftsteller. Paris.
Bcrcan, auch Berquen, Jacques, Stück-
giefser. Lyon, um 1790. Arbeitet
mit seinem Bruder Baltasar. W.
Bereau, Antoine de, Stückgicfser.
Strafsburg, 1714— 1734. W.
Berenger de Falize, Stückgiefser.
Douai, 1694 bis ca. 1730. W. P.
Berenger, J., Stückgicfser. Douai,
1759— 1801. W.
Berg er, richtig Bergier, Pierre, Uhr«
macher und Büchsenmacher. Grenoble,
um 1634. Arbeitet für Ludwig XIV.
Bernard, Schwertfeger. Paris. Zum
schwarzen Kopf an der porte Saint-
Michel. Zeichen zur Sonne. Um
1750.
Binago, Antonio de, Waffenschmied.
Lyon, 1482, gest. zwischen 1494 und
1498.
Bizouard, Büchsenmacher. Marseille,
um 1850. Arbeitet für den Bey von
Tunis. W.
Bourgeois, Büchsenmacher. Lizieux,
um 1690. Arbeitet für Ludwig XIV.
Bautet, Direktor der Waffenmanufaktur
Versailles, um 1800. P. Stockh.
Boutifar, Schwertfeger. Paris, 18.
Jahrh. W.
Brezin, Stückgiefser. Paris, um 1790
bis ca. 18 12. W. P.
•Brisseville, Henry, Schlosser, Zeichner
von Waffen, Fachschriftsteller. Paris,
um 1663.
Cai Hovel, Jean, Büchsenmacher.
Paris? Um 1680. Arbeitet für Lud-
wig XIV.
Caron, Ambroise, aus Mailand, Waffen-
schmied, Plattner. Bordeaux, 16. Jahrh.,
Mitte.
Chateau (Chasteau), Büchsenmacher.
Paris, um 1750. W. D. E.
Chevalier, Nicolaus, Schnitzer. Franz.
Um 1720. W. P.
Col, Büchsenmacher, Paris, Arquebusier
des menus plaisirs du Roi. Um
1754.
C o 1 a s , Nicolas, Büchsenmacher. Paris ?
Um 1690. Arbeitet für Ludwig XIV.
Collombe, De la, Büchsenmacher.
Zeichner, Fachschriftsteller. Paris.
um 1702. P.
Colombo, Laufschmied. Frankreich.
um 1 680.
Cordier, Jean, Graveur von Flinten-
bestandteilcn. Paris, um 1690.
Cormier, Thomas, Armrustmacher.
Angier, um 1465.
Crucy, Stückgiefser. Strafsburg, um
1809. W.
*D' Artein, Jean Baptist c . Chevalier.
Stückgiefser, Fachschriftsteller. Strafs-
burg, 1760—1797. W.
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3. Frankreich.
657
Decaplein, richtig Le Chapclain, J.,
Büchsenmacher. Cherbourg, um 1624.
Arbeitet für Ludwig XIV.
DelaBlettcrie, Büchsenmacher. Paris,
Arquebusier et Archer du Roi et des
Princes. Um 1785. Drd.
Des Chasaux, Büchsenmacher. Paris,
um 1790. Arbeitet für den Konsul
Bonaparte.
De seines, auch De Saintes, Büchsen-
macher. Paris, Arquebusier ordinaire
du Roi. Um x 763. W.
Duclos, Frangois, Büchsenmacher. Paris.
Seit 1636 mit Pierre Boulle, tourneur
et menuisier du roi (vermutlich dem
Grofsvater des berühmten Andre Boulle),
im Louvre etabliert.
Dumesnil, genannt leNormand, Robert,
Armrustmacher. Paris, um 1528.
DttpOmt, Francois, königl. Stückgiefser.
Algier, um 1840.
Dutrevil, Büchsenmacher. Paris, um
1710. Drd.
Forcia, Franzesco, Waffenschmied,
Tausiator. Lyon. Arbeitet für Franz I.
«537-153«-
F r er ejean, Stückgiefser. Pont de Vaux,
um 1780. W.
Gambeo, Künstlerfamilie, Tausiatoren.
Mailand, Lyon, Paris.
Battista arbeitet im Verein mit
seinem Bruder Cesax meist Degen-
griffe. Verlassen 1549 Lyon, um
in die Dienste des Königs zu
treten.
Cesare arbeitet für Heinrich II.
um 1550.
Glerd, H. L.. Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh.
Gor, J., Commissaire general des fon-
deries. Paris, um 1740. P.
Goulet, Jacques de, Büchsenmacher.
Vitre, um 1680. Arbeitet für Lud-
wig XIV.
Goulet, Jean de , des Vorigen Bruder,
Boebeim, Waffenkunde.
Büchsenmacher. Vitre\ um 1680. Ar-
beitet für Ludwig XIV.
Gruche, Büchsenmacher. Paris, An f.
des 18. Jahrh. Arbeitet für K. Karl VI.
W. Kop.
Haber, Büchsenmacher. Nancy. Arbeitet
für Ludwig XIV. um 1690.
Hauch er. Pierre, Armrustmacher. Paris,
um 1488.
*Holandais, le, eigentl.AdrienReynier,
königl. Büchsenmacher, Fachschrift-
steiler, seit 1724 in der Galeric des
Louvre etabliert. Paris. Drd. Kop.
Ein gleichnamiger Sohn, gleichfalls
k. Büchsenmacher im Louvre, stirbt
1743
Beide bezeichnen zuweilen gemein-
schaftlich: Les Holandais.
Jacquard, Antoinc, Büchsenmacher,
Kupferstecher, Zeichner, Poitiers,
1619 — 1650.
Junquyeres, Guitard, Plattner. Bor-
deaux, um 1375.
Keller, Geschützgiefser. Douai, um
1688. W. P.
Lacollombe, Büchsenmacher, Graveur.
Paris, um 1702.
•Languedoc, J., Büchsenmacher. Paris,
,8. jah,h. Sie„, Drd.
Larchier, Guillemin, Büchsengiefser.
Paris, „artilleur du roy", 1396.
•La Roche, Büchsenmacher. Paris,
starb 1769. Arbeitet in der Galerie
des Louvre. Drd. W.
•Le Contc, Büchsenmacher. Paris.
Arbeitet nach Jean Berain s. d.
Stockh.
L6courreur, Francois, Büchsenmacher.
Paris. War anfangs im Louvre etabliert,
seit 1653 im Palais Royal, gest. 1658.
Jean, dessen Sohn, Büchsenmacher.
Paris. Seit 1658 im Palais Royal
etabliert, gest. 1697.
42
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658
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Philipp, dessen Enkel, Büchsen-
macher. Paris. Gleichfalls im
Palais Royal etabliert.
Lcloup, Guillaume, auch Le Loupc,
Armrustmacher. Lyon, 1418— 1421.
Lemoyne, Jehan, Klingenschmied.
Französisch, um 1600. „Maltre de
l'epee couronnee".
Lepage, M. H.. Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh., Mitte. P. W.
Lorraine, le, Büchsenmacher. Valence,
13. Jahrh. Dr'd.
•Marcou, Francois, Büchsenmacher,
Fachschriftsteller. Paris, legi. Büchsen-
macher, geb. 1595, gest. nach 1660.
•Maritz, Stückgiefserfamilie aus Bern.
Der Altere. Strafsburg. Erfinder
der Kanonenbohrmaschinen, um
1710. W. P.
Johann, der Jüngere. Douai,
1730— 1778, später um 1785 im
Haag. W. P. Kop.
M a s s o n , Alexander , Eisenschneider.
Paris, Ende des 17. Jahrh. Stockh.
Masson, Antoine, Eisenschneider.
Orleans, gest. 1684. P.
Mazue, Maxtin, Büchsenmacher. Vitre,
um 161 2. Arquebusier du Roi.
Meissonnier, Aurele. Zeichner von
Waffen. Paris, Hofkünstlcr, gest.
um 1 740.
Merment du Perry, Waffenschmied.
Aix, um 1448.
Mesnil, Robert du, Armrustmacher.
Paris (?), um 1529.
Michelet, Bogenmacher. Nogcnt, um
1400.
Noli, Jehan, Klingenschmied. Tours,
um 1488. Liefert dem Hofe.
Page, Le, Büchsenmacher. Paris, um
1800. Drd. P.
Pelousc, Büchsenmacher, Waffen-
schmied. Paris. Arbeitet für Lud-
wig XV. um 1760.
Perier freres, Stückgiefser. Paris, um
1790. W.
Pessonneau, derÄltere, Büchsenmacher.
Lyon. 18. Jahrh.
Pilon, Germain, Waffenschmied, Tau-
siator. Paris, 16. Jahrh., Mitte. P.
•Piraube, Bertrand, Büchsenmacher.
Paris. Kommt 1670 in die Galerie
des Louvre. W. Drd. L. Stockh.
Winds. Wolw. W.
Prevoteau, Waffenschmied, Schwert-
feger. Paris, um 1790. Fertigt die
Preise für die Volksfeste der Republik.
•Raoult, Büchsenmacher. Versailles,
Lyon, 18. Jahrh. Mch.
•Renard, Louis, genannt Saint-Malo.
Büchsenmacher. Paris. ,, Arquebusier
et garde du cabinet des armes du
Roy". Seit 1643 im Louvre etabliert.
Schüler seines Vaters Pierre.
Renier, H , Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh. P.
Renier, Jean, Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh. P.
Sei i er, Philippe, Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh. P. W. E.
Sc Iii er, G. de, Büchsenmacher. Paris,
18. Jahrh. P.
Simonin, Jean, Büchsenmacher. Lunc-
ville. um 1620 P.
Spinell 1 Nicolö, auch Nicolas de
Florence oder Nicolö di Forzore, Gold-
schmied. Lyon. Arbeitet kostbare
Degengriffe, um 148 5, starb 1499.
Thomas, Claude , Büchsenm acher.
Epinal, um 1620. E
Thomas de Milan, Plattner. Lyon.
Arbeitet für Ludwig XL, 1466— 147 1.
•Thurenne (Thuraine), de, kön. Büch-
senmacher, Fachschriftstellcr. Paris,
um 1660. Liefert dem franz. Hof.
Drd. P.
Bez. zuweilen gemeinschaftlich mit
einem Sohne Les Thuraines. Kop.
Tondeux, Jehan, le, Armrustmacher.
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4. Belgien, Niederlande.
659
Paris? um 1480. Liefert Lud-
wig XL
Tri buchet wird im Parsival als Waffen-
schmied erwähnt.
Villequin, Pierre, Messerer. Paris,
um 1380. Liefert dem König.
Woeiriot, Pierre, auch Pierre Woieriot
de Bouzey, Bildhauer, Zeichner von
Schwert- und Degengefäfsen. Lyon,
geb. 1532.
Bez. P. Woieriot Lotharingus.
4. Belgien, Niederlande.
Alexandre, Jehan, Armrustmacher.
Brüssel, 1520— 1530.
Artilleur 1', Jean, Bogenmacher. Bur-
gund, 1400.
Basse, Julian, Büchsenmacher. Brüssel,
um 1620.
Beugen, Pieter van , Büchsenmacher.
Utrecht, 17. Jahrh. Stockh.
Bol , Hans, Maler. Mecheln, Antwerpen.
Amsterdam, gest. 1583. Fertigt Ent-
würfe für Waffendekorationen.
Breton, Pierre le, Bogenmacher.
Lüttich? um 1538.
B r u g m a n , Hughes , Klingenschmied.
Brüssel, um 1490.
Cant, auch Kant, Cornelis, Büchsen-
macher. Amterdam, 17. Jahrh.
Kop. P.
Ceule, Jean, Büchsenmacher. Utrecht,
17. Jahrh. Kop.
Chastel, Thierry, Plattner. Brüssel.
Hofplattner Philipp des Guten, 1432
I433-
Cornet, du, Plattnerfamilie. Brügge,
Valenciennes.
Baltasar arbeitet in Brügge 1468
bis I470 für den Herzog.
Valentin arbeitet in Valenciennes
als Hofplattner um 14 öS.
Cos t er, Cornelis, Büchsenmacher.
Utrecht, 18. Jahrh. W E.
Ettor (Hector?), Waffenschmied. Flan-
dern. Soll das Radschlofs erfunden
haben. 16. Jahrh.? (Siehe auch
unter Italien Ettore.)
Fourbisseur, Mathieu le, Waffen-
schmied. Brüssel, um 1400.
Fromont, Massin de, Plattner. Brüssel?
Herzogl. Hofplattner, 1438— 1440.
Gheyn, Jacob de, Maler, Ornamentist,
Zeichner von Prunkwaffen. Antwerpen,
geb. 1565, gest. 1615.
*G i a m m o , G. , Büchsenmacher aus
Flandern, arbeitet in England, 16. Jahr-
hundert.
Marke: ein Nagel.
Gindertale, Lancelot de, herzogl. Hof-
plattner. Brüssel, um 1460.
G od, Jehan, Schwertfeger. Brüssel, um
1460.
Hay e , Loysdela^Armrustmacher. Brügge,
um 1440.
Haynau, Gu^rart de, Waffenschmied
Philipps des Guten. Brüssel, um 1444.
Henry le serrurier, Armrustmacher.
Brüssel, um 1304.
Hogvorst, Jehan van, Armrustmacher.
Mechern. Liefert 1501 für Philipp
den Schönen.
Jaghere, Gille de, Klingenschmied.
Gent, um 1540.
La Pierre, Büchsenmacher. Maestricht,
17. Jahrh., Ende. op.
Lebion, auch Le Blon, Michael, Gold-
schmied, Zeichner von Prunkwaffen,
Beschlägen u. dgl. Amsterdam, geb.
1587, gest. 1656.
David, Büchsenmacher. Lüttich, 18.
Jahrh. Stockh.
Lodequin, Hughes, Waffenschmied.
42*
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660
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Brüssel. Liefert 1407— 1409 für Anton
von Brabant.
Mal herbe, Oscar, Büchsenmacher.
Lüttich. Verfertigte Tschinken 18.
Jahrh. Drd.
Mehault, J., Bogcninacher. Arras, um
1419-
Merate, Plattnerfamilie. Mailand- Arbois.
Gabriel tritt mit seinem Bruder
Francesco 1495 m Dienste
Maximilians I., arbeitete bis 1509 in
Arbois in Flandern.
Marke :
Mercier, F., Büchsenmacher. Lüttich,
18. Jahrh. Bl.
Merveilles, Jacques, Plattner. Tours,
um 1510.
Moniot, Vincent de, Plattner. Namur,
gest. um 1632.
Muldrc, Lucas de, Armrustmacher.
Brüssel, um 1469.
Niquet, Claude, Büchsenmacher. Liege,
18. Jahrh. P.
Pentermann, Büchsenmacher. Utrecht,
18. Jahrh., Anfang. E. W.
♦Ruphin, Ambroise, Plattner. Brüssel,
um 1470.
Rycker, Martin de, Spiefsmacher.
Brügge, 1520— 1530. Arbeitete für
Karl V.
St. Catherine, Pieron de, Maler. Lille,
Bogenmaler, um 1355.
•Scroo, Francis, Plattner. Brüssel. Ist
1 480— 1 496 Hofplattner Maximilians I.
Sohl in gen, Pietervan, Büchsenmacher.
Utrecht, um 1760. Drd.
Tanner, M. C. D., Sohn, Büchsen-
macher. Lüttich, um 1760. Liefert
dem hanuov. und braunschweigschen
Hof. P. E.
Tomson & Zoonen, Büchsenmacher.
Rotterdam. Liefern für Napoleon I.
P.
Vestale, Lancelot de, Plattner. Brüssel.
Ist um 1460 Hofplattner.
Voys, Jacques, Plattner. Brüssel Ar-
beitet für Philipp den Schönen.
Marke:
Mdr. W.
Wambaix, Pierre, Plattner. Brüssel.
Arbeitet für Maximilian I. um 1496
Watt, Jehan, Plattner. Brüssel. Ar-
beitet um 1496 für den Herzog.
Wisseron, Jehan, Plattner. Brüssel.
Arbeitet 1423 — 1440 für den Herzog.
Wyk, Jean de, Büchsenmacher. Utrecht.
17. Jahrh. Kop.
5. Italien.
Albergeti, auch Alberghetti, Ge-
schützgiefscrfamilie. Stammt aus
Massa-Fiscalia.
Antonio Orazio, Geschützgiefser
der Republik Venedig, geb. da-
selbst. 17. Jahrh. L.
*Battista, genannt Zuanne, Ge-
schützgiefser. Florenz. Sohn des
Giulio. In Diensten Ferdinands II.
von Toscana. Arbeitet auch mit
Gian da Bologna, 16. Jahrh..
Ende.
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5. Italien.
661
»Giovanni Battista, Geschütz-
giefscr. Venedig. Enkel Sigis-
mondos. 17. Jahrh.
Giulio, Geschützgiefser. Venedig,
16. Jahrh.
*Sigismondo, der Ältere. Ge-
schützgiefser. Venedig. Sohn des
alten Albergcti und 1487 vom
Senate angestellt, arbeitet dort
bis 1524, geht nach Massa-
Fiscalia bei Ferrara, lebte noch
I530-
*Sigismondo, Geschützgiefser.
Venedig. Arbeitete auch in Eng-
land. V.
Albergotti, Francesco, Laufschmied.
Brescia, 17. Jahrh. Zeichnet: F. A.
*B a d i 1 e , Maffeo .Büchsenmacher. Brescia,
17. Jahrh., Ende. P.
Bartolomeo da Cremona, Geschütz-
giefser. Venedig, starb 148 7.
Bastiano da Pistoja, Laufschmied.
Pistoja, 17. Jahrh. Zeichnet: B. P.
Bernard ino d' Antonio di Milano (Mis-
saglia?), Geschützgiefser der Republik
Florenz 1497— 15 12.
*Biancardi, Giov. , Antonio, Plattner.
Mailand. 16. Jahrh.
Boia il, M. , Büchsenmacher. Brescia,
17. Jahrh.
Marke :
eine Bärenpranke mit den Buch-
staben M. B.
Bonisolo, Antonio, Büchsenmacher.
Brescia? 17. Jahrh. P.
Bouquero, StÜckgiefser. Turin, um
1810. P. W.
C a ff i , Lorenzo , Büchsenmacher.
Italien, um 1620. Arbeitet für Lud-
wig XIV.
*Caino , Pietro, Klingenschmied. Mai-
land, 16. Jahrh., Ende. Führte ver-
schiedene Marken und zwar nebst dem
Namen noch dreimal hintereinander
die Buchstaben P. S. M., ferner den
hier gegebenen Stempel:
O
z
<
endlich auch zuweilen einen Mond.
Klingen von ihm werden oft gefälscht.
P. W. Bl. Stockh.
Camelio, Vittore, Waffenschmied. Ve-
nedig, Brescia, um 1500. Erfindet
den leichten Stahl.
*Campi, Bartolomeo, Goldschmied,
Treibarbeiter, Kriegsingenieur. Mai-
land. Gebürtig aus Pesaro, nach an-
deren aus Cremona. Dient der Re-
publik Venedig und dem Herzog
Guidobald II. von Urbino, später
Heinrich II. von Frankreich. Im
Dienste Philipps II. von Spanien unter
Alba, starb er vor Harlem 15 73. Von
ihm ein getriebener Schild, gefertigt
für Karl V. um 1550, bez. B. C. F.
und G. G. — Mdr.
Cani, Ventura, Büchsenmacher. Bres-
cia? um 1630. P.
*Cantoni, Bernardino, Plattner. Mai-
land. Arbeitet für Kaiser Maximi-
lian I. um 1500. — Mdr.
Caravaggio (Caldara), Polidorc de,
Maler. Neapel. Schüler Raphaels,
zeichnete viele Degengriffe um 1530.
*Caremolo di Modrone, Plattner.
662
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Mantua. Arbeitet für den spanischen
und mantuanischen Hof, geb. 1489.
gest. 1543.
*C e n n i , Cosimo , GeschüUgiefser. Flo-
renz. Stand im Dienste Cosimos von
Medici , in Florenz, woselbst er eine
reiche Thitigkeit entfaltete. Einer der
besten GeschÜtzgiefscr, die es gegeben
hat, arbeitet um 1630. FL
»Censori, bedeutende Geschützgiefser-
familie.
A n c h i s e , Sohn des Orazio, geboren
in Bologna, arbeitet in Modena
um 1550.
Giovanni Battista, arbeitet in
Ferra ra um 1630.
Orazio , geboren in Bologna. Rom,
16. Jahrh., 2. Hilfte.
Chiesa, Pompeo della, königl. Plattner,
Treibarbeiter, Tausiator. Mailand.
Arbeitet für den spanischen Hof um
1590. T. W.
Cinalti, der Ältere, Klingenschmied.
Pisa, 16. Jahrh., Ende.
Civo, Bernardo, Plattner. Mailand,
Schüler des Biancardi s. d. Um
1560.
Cominazzo, berühmte Laufschmied-
familic. Brescia, Gardone.
♦Lazarino, der Jüngere, bez. La-
zarino Cominazzo", gest. 1696
zu Gardone. W. Bl. P. Drd.
V. Mdr. Mch. Stockh. E.
Kop.
♦Lazaro, der Alte, bez. „Lazari
Cominaz", um 1620. W.
Cominazzo, Angelo Lazarino, Lauf-
schmied. Gardone, 16. Jahrh. Mdr.
Cominazzo, Bartolo, Laufschmied.
Brescia, um 1804. Mdr.
Conti, Nicolö de, Geschützgiefser. Ve-
nedig, um 1570.
Dcsandri, Juan, Klingenschmied. Bres-
cia? 16. Jahrh. Bezeichnet mit dem
Worte Scacchi. Bl.
Diomede, Büchsenmacher. Brescia,
17. Jahrh. P.
Donatello, Donato di Betto Bardi ge-
nannt. Bildhauer.Goldschmied. Florenz,
geb. 1383, gest. 1466. Fertigt auch
Schwert und Degengriffe. T.
Ettore, Büchsenmacher. Brescia. Nach
Petrini ein Deutscher. Wird seiner
berühmten Radschlösser wegen il gran
Maestro da Brescia genannt. 1 6. Jahrh.,
Ende. Bez. H. T.
Felliciano, Büchsenmacher. Verona.
Nach Petrini ein ausgezeichneter
Meister, führt als Zeichen eine Sonne.
16. Jahrh , Ende.
Feramosca, Caesar, Goldschmied.
Italien. Liefert Karl V. ein reich-
geziertes Schwert. 1524.
5. Italien.
6*3
*Ferrante, Bellino, Treibarbeiter, Tau-
siator. Mailand, um 1570.
♦Ferrara, Andrea, Klingenschmied.
Belluno, geb. um 15 30, gest. nach
1583. W. Drd. P. Stockh.
♦Ferrara, Giandonato, Klingenschmied.
Bruder des Vorigen. Belluno, 1560.
Bez. Zandona.
W. Drd. Bl. Stockh.
*Figino, Giov. Pietro, Tausiator. Mai-
land , um 1 540. Nach Morigia No-
biltä di Milano als Erfinder (!) der
Tauschierkunst bezeichnet.
Francini, Bartolin, Büchsenmacher.
Florenz, 17. Jahrh. War ein Fran-
zose, zeichnet B. F. und einen Phönix
im Schilde.
Francino, berühmte Laufschmied-
familie. Brescia.
Alessandro , 18. Jahrh. Drd.
Claudio, Klingenschmied. Brescia,
17. Jahrh., Anf.
Geronimo, 18. Jahrh. Drd.
*Giovanni. sig. G. F., um 1640.
W. Ambr. Mdr. P.
Furmigano (Formicano ?) , Pietro An-
tonio, Klingenschmied aus Padua, um
1570, der die Marken des Juan Mar-
tinez sen. benützt. W.
Gajardo, Giacomello, Armrustmacher.
Venedig, um 1400
*Gavacciolo, Giovanni Antonio,
Büchsenmacher, Eisenscbneider. Bres-
cia, 17. Jahrh. Schüler der Paratici
(s. d.). Marke anfänglich G. A. G.,
später einen zur Sonne aufblickenden
Adler mit der Umschrift: ,,Sole, Sole
gaudet."
Ghinello, Martino il, Tausiator. Mai-
land, um 1580.
Ghisi, Giov. Battista, genannt Man-
tuano, auch Bertano, Bildhauer, Treib-
arbeiter. Mantua, geb. zu Mantua
!5°3' gest- daselbst 1 5 75. Von ihm
ein berühmter Prunkschild.
Giorgiutti, Giorgio, Klingenschmied.
Belluno, 16. Jahrh.
Guiano, Lorenzo (vielleicht Guaina
und ein Bruder des Anchise d. N. in
Mantua), Plattner. Brescia, um 15 50. P.
Harivel, Stückgiefser. Modena, um
I750. W.
Lani, Gebrüder, Treibarbeiter, Tausia-
Adriano, um 1530.
Aluigi.
Lazarino, siehe Cominazzo.
L a z a r i n o , Lazaro, Laufschmied. Bres-
cia. Sig. : „Zaro Zarino". 17. Jahrh.,
Ende. W. P.
•Lemaitre, Guglielmo , von Geburt
Franzose, genannt ,,il gran Maestro",
Eisenschneider in Waffen. Florenz,
Anf. des 17. Jahrh. Arbeitet für
Cosmos II. von Medici.
Lernie\ Büchsenmacher. Brescia, 18.
Jahrh. W.
Lopez, Francisco , Klingenschmied
Neapel, 16. Jahrh., Ende. K ;
Lotenzoni, Micchele, Büchsenmacher.
Florenz, 18. Jahrh., Anfang. Be-
rühmter Konstrukteur. W. Kop.
Maffeo, Büchsenmacher. Brescia, 17.
Jahrh. P.
♦Maffia, Laufschmied. Pistoja, um 1590.
Berühmt durch seine langen, bis 10
Ellen messenden Läufe. Bez. M. P.
♦March etti, Filippo , Laufschraied.
Brescia, Ende des 1 6. Jahrh. Zeichnet
mit Namen.
Matinni Antanni, Klingenschmied.
Italien, ein Meister Antonio Martini
oder Martino Antani, der um 1550
arbeitet, er führt als Marke den ge-
krönten Mohrenkopf. W.
604
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Mazzaroli, Francesco, der Altere,
Büchscngiefser. Venedig, um 1670.
W. Zarsk. Stockh.
Mazzaroli, Giovanni, der Jüngere,
Büchscngiefser. Venedig, um 1708.
Kop.
Michelagnolo (Viviani), Plattner.
Florenz. Arbeitet für Julian von
Medici. 15. Jahrh., Ende.
Missaglia da, eigentl.Negroli,Waffen-
schmiedfamilie. Mailand.
•Antonio, Sohn des Tomaso, her-
zogl. Hofplattner, gest. nach
1492, führte nachfolgende
Marken :
•Petrajolo, herzogl. Hofplattner.
um 1390.
Marken :
*Tomaso, herzogl. Hofplattner,
gest. wahrscheinlich 1468, führte
ähnliche Marke wie Petrajolo.
Arbeitet für den pfälzischen Hof.
Mitiano, Klingenschmied. Arezzo,
17. Jahrh., Anfang. Seine Klingen
zählten zu den besten Italiens.
*M o 1 a , Gasparo , Goldschmied , Me-
dailleur, Waffenschmied. Mailand,
geb. zu Breglio , arbeitet für den sa-
voyschen und florentinischen Hof,
starb 1640 zu Rom, sig. G. M. F.
FL
M o 1 1 a , Giovanni , Klingenschmied.
Neapel? 16. Jahrh., Mitte. Kop.
*Mutto, Geronimo, Büchsenmacher.
Ital. 18. Jahrh. P.
Mutti, G. J. E., Laufschmied. Italien.
Marke: Giraffe, Sterne u. a. Zeichen.
Drd.
Negroli, Waffenschmiedfamilie. Aus
der Familie der Missaglia. Mailand.
•Francesco arbeitet fürdenkaiserl.
und mantuanischen Hof, ist im
Hofstaate des Kaisers angestellt,
1549 bis 1551 . Mdr.
•Giacomo, des Vorigen Bruder,
Zeichnet wie Philipp mit vollem
Namen. W.
•Philipp, der Vorigen Bruder,
arbeitet für den kaiserl. Hof, für
Frankreich und die Herzoge von
Savoyen und Urbino, meist in Ver-
bindung mit Giacomo, seinem
Bruder, 1530— 1590. Mdr. W.
Neron, Damianus de, Waffenschmied,
Tausiator. Venedig, um 1550. So
dürfte der Meister der Inschrift auf
einem Degen: „DAMIANVS. DE
NERVE" zu deuten sein. W.
Paras, Albergh (Albert), Niederländer.
Nach Petrini bedeutender Klingen-
schmied. Florenz? 16. Jahrh Bez. A. P.
•Paratici, Battistino , Büchsenmacher.
Brcscia. Arbeitete auch in Florenz.
17. Jahrh., Anf.
Marke-
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5. Italien.
605
Parigino, Gian, Büchsenmacher. Flo-
renz, 16. Jahrh., Ende.
Marke:
Lilie, im Schilde daneben G. P.
Patrolaus, Klingenschmied. Italien?
15. Jahrh. Bl.
Pedro di Napoli, Klingenschmied.
Neapel, 16. Jahrh., Ende. Kop.
P e t r i n i , Giuseppe , Waffenschmied.
Florenz, Hofkünstler Cosmos II. von
Medici, 17. Jahrh., 1. Hälfte.
Piatti, Bartolomeo, Tausiator. Mai-
land, um 1560.
*P i c c i n i n o , Waffenschmiedfamilie.
Mailand.
Antonio, Klingenschmied, geb.
1509, gest. 1589.
Jüngere Marke.
W. P. Mch. Mdr. V. Bl. L.
Fredcrigo, des Vorigen Sohn,
Klingenschmied. Arbeitet bis
über 1600.
Marke:
P. Drd. H.
•Piccinino, Lucio, des Vorigen jün-
gerer Bruder, Waffenschmied, Treib-
arbeiter, Tausiator. Mailand. Sohn
des Antonio, arbeitet für Karl V. und
Aless. Farnese, 1550 — 1570. W. Bl.
Z.
Pierus, KÜngenschmied. Rom? um
1446. Arbeitet für Papst Eugen IV.
Sig. ,, Pierus me fece".
Pillizone, eigentlich Pellizoni, Fran-
cesco, genannt il Basso, Tausiator.
Mailand, 16. Jahrh.
*Piripe, später Pifanio (Stefano), Tacito
genannt , Trcibarbeiter. Arbeitet für
den florentinischen Hof und für L'r-
bino um 1550. Zarsk.
Repa, Treibarbeitcr in Waffen. Florenz.
Arbeitet für Guidobald II. von Cr-
bino. Nach Pctrini ein Sohn des
Numa Babilonico. (?)
Pisano, Vittore, Bildhauer, Baumeister.
Pisa, Florenz, Venedig, zeichnet
Geschützmodelle, gest. 1345.
Rivolta, N., Klingenschmied. Mai-
land. Sig.: II Rivolta in Milano alla
Corona.
•Rizzo, Paolo, erscheint auch unter
666
Die Beschau- und
Meisterzeichen etc.
Paolo Azzitnina, Tausiator. Venedig,
um 1580. V.
Romiro, Antonio, Plattner. Mailand,
um 1590. Arbeitet für Alfonso TL
d'Este von Ferrara.
*Serabaglia, Giovanni B., aus der
Familie der Busti, Waffenschmied,
Tausiator. Mailand, um 1 560. Arbeitet
für Erzherzog Ferdinand von Tirol.
Serafino, genannt Bresciano, Waffen-
schmied, Tausiator. Brescia. Arbeitet
für Franz L von Frankreich um 1540.
Sirrico, Pirro (Pietro), Waffenschmied.
Florenz. Arbeitet für Karl V. um
1550.
S p a c i n i , Hieronymus , Treibarbeiter.
Mailand, ein Bologneser. Arbeitet für
Karl V. um 1550.
Turcone, Pompeo, Treibarbeiter. Mai-
land, um 1580.
Valerio, Vincenzo, Tausiator. Rom.
Arbeitet für den mantuanischen Hof
um 1520.
Venasolo, Antonio, Büchsenmacher.
Brescia, 16. Jahrh , Ende. Mdr.
•Verdiani, Rafaele, Büchsenmacher.
Florenz. War nach Pctrini ein Schüler
des Antonio von Mcdici. 17. Jahrh.
Visin, Renaldo de, Armrustmacher.
Asolo, um 1560. V.
Zoppo, Klingenschmied. Pisa, 17. Jahrh.,
Anfang.
6. Spanien. Portugal.
Aguado, Lupus, Sohn des Juan Mutelo,
Klingenschmied. Toledo, San demente,
um 1560. Mdr.
Aguirre, Domingo, Sohn des Nicolas
d. N. des älteren, führte auch dessen
Marken und auch den Phönix.
Aguirre, Hortuno de, Nicolas, der Äl-
tere, Klingenschmied. Toledo, um
1580.
Aguirre, Hortuno de Nicolas, der
Jüngere, Klingenschmied. Toledo,
um 1630. Bl. Mdr. W. Stockh.
Aleado, C, Klingenschmied. Toledo.
Arbeitete auch in Cuella und in Ba-
dajoz, 17. Jahrh., Anf.
Alcazes, Francisco de, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in Madrid,
16. Jahrh., Ende.
Almau, Gil de, wahrscheinlich de Ale-
mania und ein Bruder des Tuan d. X.,
Klingenschmied. Toledo, um 1560.
Führt das gleiche Zeichen mit dem
Letztgenannten.
AI man, Juan de, wahrscheinl. de Ale-
mania, Klingenschmied. Toledo, um
1550. Führt als Marke zwei Sterne:
6. Spanien, Portugal.
667
Arechiga (Achega), Pedro de, Klingen-
schmied. Toledo, 17. Jahrh., Anf.
Er führte nebst dem Toledaner Stem-
pel nebenstehende Marke:
Armenta, Jose" de, Büchsenmacher.
Ciudad de los Angelos (Mexiko), um
1705. Mdr.
Avila, Fabianus de, Tausiator. Spanien,
Hofkünstler Karls V., 1547— 1548.
•Ayala, Thomas, Klingenschmied. To-
ledo, 17. Jahrh., I.Hälfte. Soll von
161 5 — 1625 gearbeitet haben.
W. P. Drd. Bl. T.
Führt nebenstehende Marken:
Azcoitia, Armrustmacher- Familie Ma-
drid? el viejo, um 1550.
Christobal, de, um 1590.
Juan.
Balbastro, Armrustmacher. Monzon
(Aragonien), um 1530.
Ballestcros, Francisco, Stückgiefser.
Madrid, um 1620. Mdr.
B e 1 e n , Juan, Büchsenmacher. Barcelona,
um 1690. Arbeitet für Karl IL
Marke: ein steigender Löwe.
Belön, Juan, Büchsenmacher. Madrid,
um 1680. Mdr.
Bis, Francisco, Büchsenmacher. Madrid,
um 1730. Soll nach Marchesi ein
Deutscher gewesen sein. Mdr.
Marken :
ein Kreuz, ein Reichsapfel, vier
Blätter in Gold eingeschlagen,
ferner :
i
Blanco, Juan, der Ältere, Armrust-
macher. Spanien, um 1550.
•Bustindui, Juan Esteban, Büchsen-
macher. Eibar., um 1800. P.W. Mdr.
Bustindui, Jusepe, Büchsenmacher.
Valencia. W. Marke.
Bustindui, Santos, Büchsenmacher.
Valencia. Mdr.
Calisto, Luis, Klingenschmied. Toledo,
18. Jahrh., Mitte, geb. um 1690. Der
Wiederbegründer der Klingenindustrie
Toledos. 1760.
•Cano. Jose\ Büchsenmacher. Madrid,
I730—I750-
Cantero, Miguel, Klingenschmied. To-
ledo? um 1560. Signiert zuweilen:
„Opus laudat Artificium. Miguel
Cantero". Mdr. Stockh.
©0
Bis, Nicolas, Büchsenmacher. Madrid,
um 1730. Mdr. Drd.
Clamadc, Domingo Sanchez, genannt
el Tigerero, Klingenschmied. Toledo,
668
, VJL Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
um 1590. Führte als Marke eine
Schere :
Michele Sanchez, dessen Bruder,
arbeitet auch in Lissabon. Führt
das gleiche Zeichen.
•Coma, vielleicht Antonio Comas, be-
rühmter spanischer Laufschmied, des-
sen Arbeiten die ersten Büchsenmacher
benützten. 18. Jahrh. Drd.
Corrientes, Dionisio, Klingenschmied.
Toledo.
Corrientes, Domingo, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitet auch in Madrid.
16. Jahrh., Ende.
Domingo, il maestro, der Jüngere,
Klingenschmied. Toledo, 17. Jahrh.
Anfang.
•Esquivel, Diego, Büchsenmacher.
Madrid, um 1720. Mdr.
Marke: ein Hirsch, ein Kreuz und
vier Granatäpfel in Gold ein-
geschl.
Cristobal, Francesco, Stückgiefser.
Malaga.
Christ ob al, Bartolomeo, Stückgiefser.
Malaga. Arbeiten beide für Chr. Co-
lumbus. Ende des 15. Jahrh.
Delaorta, Johannes, auch dela Horta,
Klingenschmied. Spanien, um 1 545-
P.
CS
Ein gleichzeitig wirkender dieses
Namens führt die Marke:
Domingo, il maestro, der Ältere, Klin-
genschmied. Toledo, 16. Jahrh.,
2. Hälfte.
Fernandez, Juan, Annrustmacher.
Spanien 1550. Mdr.
Fernandez, Juan, Büchsenmacher.
Madrid, um 1720. Mdr.
•Fernandez, Caspar, Büchsenmacher.
Salamanca. Einer der besten Meister
arbeitete für König Ferdinand.
Fernandez, G., Laufschmied. Spanien,
18. Jahrh. Drd.
Marke: 1 Pferd und 6 Sterne.
Fernandez, Juan, Laufschmied. Spa-
nien, 18. Jahrh., Ende. Drd. W.
Marke: Adler mit Reichsapfel und
Szepter und 3 Lilien.
Frisleva (Freysleben?), Cristobal, Lauf-
schmied. Ricla, um 1560. Mdr.
Marke: X.
Gaya, Thomas, Klingenschmied. To-
ledo, Anfang des 17. Jahrh. P.
Wahrscheinlich richtiger Thomas
Ayala s. d.
Gonzalo, Simon, Klingenschmied. To-
ledo, um 1617. Führt als Marke ein
G in einem Schilde.
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6 Spanien, Portugal. »
689
Gotnez, Francisco, Klingenschmied.
Toledo, 16. Jahrh., Ende.
Gomez, Jusepe, Sohn des Francisco,
Klingenschmied. Toledo, 17. Jahrh.,
Anfang.
Hera, Jusepe de la, Klingenschmiede.
Toledo. Unter diesem Namen er-
scheinen vier Meister, vom Alten bis
zum Urenkel herab. Die beiden äl-
teren führten als Marke in einem
Schilde ein G, darunter ein S längs
durchstrichen, die beiden jüngeren die
Devise: „La misma".
9
rrnjmcQ
Hernandez, Pedro, Klingenschmied.
Toledo, 17. Jahrh.,;i. Hälfte. P.Drd.
Marken:
#
•He rnandez, Sebastian, der Ältere,
Klingenschmied. Toledo, um 1570.
Mdr. Bl. W. Drd.
Marken:
Sebastian, der Jüngere. Toledo,
um 1630. Arbeitet auch in Sevilla.
Führte als Marke den „wilden
Mann".
W.
Joannes, Klingenschmied. Toledo,
Valenxia, 16. Jahrh., I. Hälfte. Ar-
beitete für Kaiser Karl V. Mdr.
Juan es, genannt der Alte, Klingen-
schmied. Toledo, 16. Jahrh.
Juani, auch Ivanni, Klingenschmied.
Spanien, um 1554. Zeichnet mit dem
Halbmond wie Juan Martine* sen. und
vermutlich identisch mit ihm. W.
Lafra, Adriano de, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in San de-
mente, 16. Jahrh., Ende.
Lazama, Pedro de, Klingenschmied.
Toledo, Sevilla, 16. Jahrh., Mitte.
e®5
w.
Lazonctta, Pedro de, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in Bilbao.
Lechuga, Cristobal, Modelleur von
Geschützen, Fachschriftsteller. Baeza,
16. Jahrh., Ende. Mdr.
•Lopez, Francisco , Büchsenmacher.
Madrid, um 1760. Einer der besten
Meister, arbeitete für Karl III.
670
• VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Marcuarte , Klingenschmiedfamilie.
, Spanien.
Felipe, Bruder des Simon d. j.
Pedro, dessen Bruder, arbeiten für
Philipp III. und IV.
Simon, der Alte, um 1600
Simon, der Junge.
Marke: eine Sichel im Schilde.
Martine;, Juan, der Ältere, Klingen-
schmied. Toledo, Espadero del Rey,
16. Jahrh., Mitte. Devise: „In te
Doroine speravi non." Führt das
Zeichen des Espadero die gekrönte
Lilie, ferner den Halbmond. Die im
Palomares angeführte Marke findet sich
auf keiner seiner Klingen. Mdr. W.
ff
Martin f.*. Juan, der Jüngere, Klingen-
schmied. Toledo, 16. Jahrh., 2. Hälfte.
Devise* „In te Domine speravi."
Mdr. W.
Marti nez, Juan, aus der Familie
Menchaca, Klingenschmied. Toledo,
17. Jahrh., Anf. Arbeitet auch in
Lissabon.
Micerguillo, Büchsenmacher. Madrid,
San demente? 16. Jahrh., 2. Hälfte.
Mdr.
Miguel, Armrustmacher. Saragossa,
um 1533.
Monte del, Pedro, Klingenschmied.
Spanien, Toledo? 18 Jahrh.
Marke : Halbmond. Dl'd.
Munesten, Andreas, Klingenschmied.
Toledo, Calatayel. Scheint mit dem
Deutschen Andreas Munsten, in So-
lingen identisch zu sein, s. d. 17.
Jahrh., Anf.
Munoz, Pedro, genannt U Toledano,
Büchsenmacher. Sevilla, um 1600.
Bez. mit ganzem Namen.
Orengo, Juan, Klingenschmied. Tor-
tosa, 15. Jahrh. Marke unbekannt.
Orozco, Domingo de, Klingenschmied.
Toledo, 16. Jahrh., Ende.
Orozco, Pedro de, Klingenschmied.
Toledo. Vermutlich ein Bruder des
Vorigen. Führt die Marke Domingos
und die nebenstehende
Palacios, Pedro, Büchsenmacher. Spa-
nien, 16. Jahrh., Ende. Mdr.
Pueblas, Armrustmacher. Madrid, um
1 560. L.
Reduan. Waffenschmied Boabdils. To-
ledo, Sevilla? 15. Jahrh., 2. Hälfte.
Mdr.
Wahrscheinlich identisch mit dem
späteren Julian del Rey s. d.
Rey, Julian del, Klingenschmied. Gra-
nada, Saragossa und Toledo. Ein
Maure, nahm um 149 5 das Christen-
tum an, wobei Ferdinand der Katho-
lische sein Taufpate war. Seine Marke
eine einem Hunde ähnliche Figur:
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6. Spanien, Portugal.
wahrscheinlich aber eine Nachahmung
des Passauer „Wolf. Der ursprüng-
liche Name des Julian vor seiner Be-
kehrung war vermutlich Reduan s. d.
Rey soll auch andere als die oben
angegebene Marke geführt haben, u. a.
auch einen Halbmond. Arbeitet später
für Karl V. Mdl\ V.
Rey na, de la, Büchsenmacher. Madrid,
um 1750.
Rios, Alonso de los, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in Cordova,
16. Jahrh., Ende.
Ä
R u i z , Antonio, der Alte, Klingenschmied.
Toledo, Madrid, um 1520.
Ruit, Francisco, der Ältere, Klingen-
schmied. Toledo, um 161 7. Bl. Drd.
f
R uiz, Francesco, der Jüngere, Klingen-
schm ied. Toledo, 17. Jahrh., I.Hälfte.
Stockh.
Rui z, Juan, um 1590-
Ruiz, Sebastian, Rappiermacher Kaiser
Maximilians II. um 1568 — 1570. Geht
in letzterem Jahre nach Spanien zurück.
*Sahagun, Alonso de, der Altere,
Klingenschmied. Toledo, um 157O1
Ende. Die Sahagun führen den Na-
men nach der Stadt im Königreiche
Leon. Marke: ein gekröntes S, zu-
weilen auch den Doppeladler tief im
Gesenk. P. W.
f w
Sahagun, Alonso Luis de, der Jün-
gere. Toledo. Führte ein gekröntes
S ähnlich dem vorigen. W. Stockh.
<vS7?
Sahagun, Luis de, Klingenschmied,
Sohn des älteren Alonso d. N. Toledo.
Führt die Marke des Vaters.
Sahagun, Luis de, Sohn des jüngeren
Alonso d. N. Führt die Marke des
Vaters.
IT
Salado, Juan, Büchsenmacher. Arbei-
tete an verschiedenen Orten, raletzt
in Salamanca, um 1580.
Marke: ein Pferd.
Salcedo, Juan de, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in Valladolid,
16. Jahrh., Ende.
Sutil, Manuel, Büchsenmacher. Madrid,
um 1735. Mdr.
Toro, Juan de, Sohn des Pedro d. N.
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72
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Klingenschmied. Toledo, 17. Jahrh.,
Anfang.
Toro, Pedro de, Klingenschmied. To-
ledo, 16. Jahrh., Ende.
Velmoiite. Pedro del, Klingenschmied.
Toledo. W.
Vclmontc, Luis de, Sohu des Pedro,
Klingenschmied. Toledo, 17. Jahrh.
Führt die Marke seines Vaters.
Ventura, Diego, Büchsenmacher. Ma-
drid, um 1720. W. Drd.
Marke: ein Hund, ein Kreuz und
9 Lilien.
Zabala, Andreas Martinez de Garcia,
genannt Zabala der Junge. Klingen-
schmied. Toledo.
Zabala, Juan Martinez de Garcia, ge-
nannt Zabala der Alte, Klingenschmied.
Toledo, um 15 50.
3t
Zamora, Francisco de, Klingenschmied.
Toledo. Arbeitete auch in Sevilla,
16. Jahrh., Ende.
7. Rufsland und der Orient.
Ali (Abu Abi), Büchsenmacher. Argöl.
18. Jahrh. Zeichnet:
Mdr.
Ali, Waffenschmied. Afrika. Um 1550.
Aristoteles von Bologna, Büchsen-
giefser. Moskau. Um 1460.
Bascat, Ali Mustapha, Büchsenmacher.
Türkei. 18. Jahrh. Mdr.
Essedullah, Klingenschmied. Ispa-
han. Um 1839. W.
Höder, Martin H., Büchsenmacher.
Moskau. Um 1690. E.
Jasatzuna, Klingenschmied. Japan,
Provinz Echiscn. Arbeitete um 1 500
für die Familie Jokugawa, aus welcher
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7. Rufsland und der Orient.
673
der jetzige Kaiser stammt und führt
deren Wappen als Marke.*)
*) Wir verzeichnen hier einige der
berühmtesten und ältesten Klingen-
schmiede Japans, deren Arbeiten sich
in der in ihrer Art einzig da-
stehenden Messersammlung der k. k.
Versuchsanstalt für Eisen- und Stahl-
industrie zu Steyr in Oberösterrcich
finden. Der Gründer und Vorstand
dieser Sammlung, Kustos J. Peter-
mandl, hatte die Güte, uns nicht
allein die Daten über selbe, sondern
auch deren Marken in guten Ab-
drücken zu liefern, für welche kolle-
giale Gefälligkeit wir demselben hier
unseren verbindlichsten Dank sagen.
Die Erwerbungen an japanesischen
Klingen jener Sammlung stammen aus
dem Nachlasse des 1884 verstorbenen
Dr. Albrecht von Roretz, welcher
längere Zeit als Professor und Spital-
arzt in Nangoin bei Kioto angestellt
war. Von diesem Sammler stammen
auch die uns gütigst übermittelten
Daten.
Boeheim, WaffenkundV.
Ismael, Geschützgiesser. Konstanti-
nopel. Um 1201 der Hedschra.
*Jukimitzu, der älteste und berühm-
teste Klingenschmied in Japan, Pro-
vinz Soshin, um 1000 n. Chr., Vater
und Lehrer des berühmten Klingen-
schmiedes Masamune (s. d.). Seine
Klingen, ungemein selten, werden fast
nur mehr in Tempeln als Weihge-
schenke getroffen. Seine Marke
können wir nur in einigen Spuren nach-
weisen, doch können diese noch zum
Vergleiche mit anderen echten seiner
Hand dienen.
fr
Karaihi, Osman, Büchsenmacher, Lauf-
schmied. Türkei. 13. Jahrh. Mdr.
Komai, Tausiator. Tokio in Japan,
16. Jahrh.
Kuniharu, Klingenschmied. Provinz
674
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Janata. Seine Klingen waren sehr
beliebt, er arbeitete auch für den
berühmten Feldherrn Shigeniuri aus
Nagato.
Kütschük, Ali, Laufschmied. Türkei,
18. Jahrh.
Mäsamune, Klingenschmied. Japan,
Provinz Soshin, um Ii 50. Führte
keine Marke. Das Handwerk war
lange Zeit in der Familie vererbt, so
dafs echte Klingen des hier bezeich-
neten ältesten der Familie und be-
rühmtesten nur in der Leichtigkeit
der Klinge und der Feinheit der
Schneide zu erkennen sind. Viele
Fälschungen.
Muramassa, Klingenschmied. Japan,
Provinz Soshin , um 1 300. Seine
Klingen gelten einzelnen Familien als
unglückbringend, so auch der kai- |
serlichen; man betrachtet sie mit aber-
gläubischer Scheu. Der Stahl seiner
Klingen ist eigentümlich dunkel schim
mernd, die Klinge selbst vorzüglich
schneidend.
Sadajuki, Klingenschmied Provinz
J.lmat6 in Japan, um i2oo.
Sadamune, Klingenschmied. Japan.
Provinz Soshin, um 1260. Adoptiv-
sohn und Schüler Masamunes s. d.
Seine Klingen, besonders der Panzer-
stecher ,,ken" sind hoch geschätzt.
Führt auf der Angel keine Marke,
nur auf der Klinge eigentümliche
Zeichen.
8. Monogrammisten.
Sarazenische Marke des 13. Jahr-
hunderts in Goldtausia auf der Klinge
eines Schwertes, welches dem Cid zuge-
schrieben wird. Mdr.
I
Deutsche Klingenschmiedmarke. 14.
Jahrh. W.
Deutsche Klingenschmiedmarken
14 Jahrh. eingehauen. W.
Klingenschmiedzeichen in Messing
tauschiert. 13. Jahrhundert, welches
im 14. und 15. Jahrhundert häufig nach-
geahmt wird. Italienisch. W.
OOO
Unbekannter, vermutlich spanischer
Stechzcugplattner , der für Karl V. um
1520 arbeitet. Mdr.
Unbekannter, vielleicht niederländi-
scher Plattner vom Ende des 15. Jahr-
hunderts. Mdr.
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8 Monogramraisten.
675
Unbekannter spanischer Plattner.
16. Jahrh. Mdr.
Marke am Schwerte des heiligen
Mauritius. Sarazenisch. Anfang des
12. Jahrhunderts. W.
Zeichen der Klingenschmiede von
Lyon (nach Hiltl). 16. Jahrh. Mitte.
Zeichen der Waffenschmiede von
Abbeville.
Beschaumarke der Waffenschmiede
von Augsburg. Der Pinienapfel oder
sogenannte „Stadtpyr".
i-H
Marke auf dem Zeremonienschwerte
des römisch-deutschen Reiches in Gold
tauschiert. 12. Jahrh. Ende. W.
Jhl
Unbekannter Plattner vom Ende des
15. Jahrhunderts. Italienisch, vielleicht
Mailändisch. W. Mdr.
Marke der kgl. Plattnerwerkstätte
zu Arbois in Burgund, errichtet von
Maximilian I. und geleitet von den Mai-
länder Plattnern Gabriel und Francesco
Merate, 1 498— 1509. W.
Die sogenannte Skorpionmarke eines
vielfach thätigen Mailänder Klingen-
schmiedes. Sie erscheint auch mit dem
Buchstaben M. 16. Jahrh. Anfang. W.
Bl Drd.
Unbekannter deutscher vielleicht
Augsburger Plattner vom Anfange des
16. Jahrhunderts, der für Karl V. ar-
beitet. W.
Unbekannter Augsburger Plattner.
Um 1490. W.
43*
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676
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
Beschaumarke der Waffenschmiede
von Nürnberg. Das geteilte Nürnberger
Wappen. 16. Jahrh. Anfang.
D
Klingenschmiedzeichen auf einem
Schwerte Karls IV. Belluneser Meister
des 14. Jahrh. Drd.
Unbekannter deutscher Plattner und
Kimgenschmied. Um 1500, der für
Maximilian I. und Philipp den Schönen
arbeitet. W.
Unbekannter Augsburger Plattner.
Um 1500. W.
Unbekanntes, vermutlich Brescianer
Klingenschmiedzeichen des 16. Jahrh.
W. Drd. Bl. Vdg.
?
Marke vom Schwerte des heiligen
Ferdinand. 13. Jahrh. Mdr
1A
Monogramm eines bedeutenden deut-
schen Atzmalers. Um 1500. W.
Marke am Schwerte Ferdinands des
Katholischen. In Kupfer tauschiert. 15.
Jahrh. Vermutlich Mailändisch. Mdr«.
X
Marke auf Brescianer Klingen. 16.
Jahrh. W. Drd. P. Bl.
+
Beschaumarke der Klingenschmiede
von Mailand. 16. Jahrh. W. Bl. Drd
Mdr.
Häufig vorkommendes italienisches
Klingenschmiedzeichen, mit welchem um
1530 ein Meister für Karl V. thätig ist,
das aber bis ins 17. Jahrhundert auch
von Solinger Meistern geführt wird. W.
Unbekannter Mailänder Klingen-
schmied. 16. Jahrh. W. Drd. Bl.
Vdg. Mdr.
Marke auf mit Valencia bezeichneten
Klingen. 16. Jahrh. Drd.
Unbekannter italienischer Klingen-
schmied. Um 15 10. Bl.
I
Französisches Klingenschmiedzetchea
unter Ludwig XII. 15. Jahrh. Ende.
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8. Monogrammisten.
677
Französischer Klingenschmied. 16.
Jahrh. Bl.
Zeichen der Klingenschmiede von
Rheims (nach Hihi). Bl.
6
f
Französisches Klingenschmiedzeichen
aus der Zeit Franz I. 16. Jahrh. Bl.
Unbekannter italienischer, vielleicht
Mailänder Plattner vom Ende des 15.
Jahrhunderts. W.
Behördliche Beschaumarke von To-
ledo auf Klingen. 16. Jahrh.
Zeichen des Espadero del Rey oder
königlichen Schwertfegers in Spanien.
16. Jahrh.
Die Fischmarke, berühmte türkische
Klingenschmiedmarke.
© ®
Berühmte türkische Klingenschmied -
marken.
.
Berühmte türkische Klingenschmied-
marke.
¥
Häufig auftretendes Zeichen auf alt-
arabischen Klingen, den Psü-l-fakdr dar-
stellend.
Indisch arabische Marken aus Gorka
im Nepaul. Zarsk.
f 9
Unbekannter Augsburger Plattner.
Um 1530. W.
Mailänder Klingenschmied. Um
1 540 W .
+
Mailänder Klingenschmied. Um
1560. W.
678
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen.
Behördliche Beschaumarke auf Klin-
gen von Venedig. 16. Jahrh. Anfang.
W. Vdg.
I
Klingenschmied marke. Italienisch.
Um 1500.
8
Klingenschmiedmarke.
Um 1500.
Italienisch.
87
Heschaumarke der Plattner und Klin-
genschmiede von Wien. 15. u. 16. Jahrh.
W.
Marke auf Landsknecht -Schwert-
klingen. 16. Jahrh. Anfang.
Eingeschlagenes Zeichen auf Schäften
von echtem Ebenholz an Augsburger
Gewehren. 16. Jahrh. Ende.
Unbekannter Atzmaler Deutsch. 16.
Jahrh. Anfang, vielleicht Michael Gemlich.
3
Unbekannter Augsburger Stechzeug-
plattner. 15. Jahrh. Ende.
Unbekannter Augsburger Stechzeug-
plattner. 15. Jahrh. Ende.
mrr
Unbekannter Stcchzeugplattner, viel-
leicht Merate. t5. Jahrh. Ende.
Zeichen auf Mailänder Klingen
16. Jahrh.
Zeichen der Suhler Laufschmiede
17. Jahrh.
Unbekannte Klingenschmiedmarke
vielleicht der Innsbrucker Treytz s. d.
Unbekanntes italienisches Klingen-
schmiedzeichen. 16. Jahrh.
4
Marke von l'istoja auf Gewehrläufen.
18. Jahrh
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8. Monogrammistcn
679
Marke der Werkstätten von Bilbao.
Unbekannter n iederländ ischer Plattner
der für König Philipp IV. von Spanien
arbeitet. 17. Jahrh.
Eingehauene Marke auf Steyr'er
Klingen des 17. Jahrhunderts, die häufig
irrige Schätzungen veranlafst.
Unbekannter Landshuter Stechzcug-
plattner vom Ende des 15. Jahrhunderts,
vielleicht Franz Grofsschedl s. d.
Die Armrust mit dem Marcuslöwen,
Häufig vorkommende geschätzte Marke
eines Belluneser Klingenschmiedes, der
für die Republik Venedig arbeitet.
IE? «
Das Schiff. Geschätzte BeUuneser
Marke auf venezianischen Klingen, die
aber auch, wie wir bemerkt haben, von
Solinger Werkstätten, wie von Clemens
Kuler, nachgeahmt wird.
v
Italienische Marke spanischer Form,
vermutlich Brescianisch. 16. Jahrh.
Der sogenannte kleine Mond. Bres-
cianer Marke des 16. Jahrhunderts.
Die Brille, Oberitalienische Marke
der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts.
%
Unbekannter oberitalienischer Meister
der unter dem spanischen Zeichen der
Espadcro del Rey arbeitet. 17. Jahrh.
m
Unbekannter Meister, vielleicht Juan
dela Ort».
Berühmter Büchsenmacher aus Nürn-
berg, A ' K mit dem Zeichen der Traube.
16. Jahrh.
Berühmter Augsburger Radschlofs*
macherl ' H mit dem Zeichen der Hand.
16. Jahrh.
Berühmter Radschlofsmacher aus
Nürnberg, vielleicht Peter Danncr, mit
dem Zeichen der Hand. 17. Jahrh.
Anfang.
Digitized by Google
880
VII. Die Beschau- und Meisterzeichen etc.
f 6
Unbekannter Klingenschnjied mit
dem Zeichen der Lichtscheere auf dessen
Klingen, auch der Wolf und der Reichs-
apfel in Tausia erscheint.
Deutscher Büchsenmacher mit dem
Zeichen der Schlange von 1562. W. Bi.
*
Mailänder Klingenschmied , dessen
Klingen Damianus dcNeron benützt. W.
Zeichen der königlichen Waffenfabrik
in Neapel unter Karl III. 18. Jahrh.
Marke eines deutschen Meisters, der
den Toledaner Stempel und das Zeichen
des Espadcro del Rcy benützt. 1 7. Jahrh.
Nürnberger Laufschmied vom An-
fange des 17. Jahrhunderts, der ausge-
zeichnete gezogene Rohre fertigt.
Vorzüglicher Büchsenmacher, der
aussergewöhnlich schön gearbeitete Faust-
rohre liefert. Von ihm ein Faustrohr
des sächsischen Generals Teufel von
1556. Bl.
Ansehnlicher Nürnberger Büchsen-
macher vom Ende des 16. Jahrhunderts.
<5
Bedeutender Laufschmied , wahr-
scheinlich aus Augsburg, der auch das
Zeichen des Spornes führt. 16. Jahrh.
Ende. Bl.
Register.
Abzugstange 474.
Achseln 67_, 142.
Achselscheiben 67.
Achselschilde 6jr_, 136,
HL
Acinaces siehe Krumm-
schwert.
Adarga 182, 183.
Adler, französische $12.
Atzmalerei, gefälschte $76.
Ätzkunst Sli 58.
Ätzung, Verfahren SJ, 58,
Ätzung, vergoldete
596.
Afterkugel 483.
Ahlspiefs 315. 316.
Ailettes s. Achselschilde.
Akhlat, Waffenwerkstätten
fiiR
Albrecht Achilles v. Bran-
denburg 9,61.114.110.
533. 54 v
Alcancias 183.
'Alem siehe Blutfahne.
Algäu, Klingenätzer 617,
Algesiras, Schlacht bei 13.
Alicante, Schlacht bei 13.
Alla sanguigna siehe An-
laufen des Eisens.
Allecret s. Landsknecht-
hämisch.
Almeria , Waffenindustrie
Alter der Klingen 579.
Altsilbcr siehe Silberoxyd.
Andreas von Österreich,
Kardinal 1 6 1 .
Anelace s. Ochsenzunge.
Angel an Klingen 25 l
Ango 305, 306.
Angriffswaffen derRömer 2.
Anlaufen des Eisens 595,
596.
Anlegen des Harnisches 25.
Annaberg, Plattnerei 614.
Antiochia, Schlacht bei lo,
Anzogenrenncn 544, 54g,
55°. 56o, 563-
Araber, Fechtweise 8^ LfiL
Arabien, WafTcnschmiedc-
kunst in 619.
Arkebuse 458.
Arkebusiere io^ 5^2, 32S.
Armagnacs 1 1>.
Armenien, Waffenindustrie
Armrust 401.
Armrust bolzen 409, 424,
435, 4lh 427, 428.
Armrustschützen 1 32, 145,
Armrustwinde, deutsche
Armrustwinde , englische
4JLL 4«.
Armschiene fOr Bogen-
schützen 392, 393.
Armschiene, oriental. 85.
Armschild 8Ü.
! Armschild , italienischer
185, [86, iSJL 18^.
Armröhre 6_7_, 74.
Armurc treillie 132.
Armzeug 67^ 1 5 1 .
Annzeug, geschlossenes 7 4.
Arnautengewehr 468.
Artillerie 10^ 21, 413.
Artillerie-Kurzgewehr 489.
Artillerie-Museum Paris
Iii
Attila, Schatz des 123,
'97. 389, 501.
Aufputz an Annrtisten 4 1 7.
Aufsatz 470.
Aufstellung , chronolo-
gische 582.
Aufstellung öffentlicher
Sammlungen 582.
Aufstellung privater Samm-
lungen 583.
Augendach 217.
Augsburg, Waffenindustrie
613.
August L, Kurfürst von
Sachsen 374. 624.
688
Register.
Ausgufsrohr 492.
Avant-Arriere-bras 73.
Avcnturier 521.
Azincourt, Schlacht bei 39.
Azzimina siehe Tausia.
Babu Chan der Tartarcrt'
431«
Baculus siehe Streitkolben.
Badelairc 270.
Bärcnspiefs siehe Schwein-
spiefs.
Bajonett 4.91 498. 499-
Bairäk ;m
Balläster 405, 417, 419.
420.
Balläster mit Feuerrohr
4Ü 415_
Ballistik i£.
Banddamask 595.
Bandelierreiter 458.
Barda 207.
Bart 36, 38, 40. 48, 4&
6l. 149.
Bart, steifer 567.
Basilisk 439, 44 1-
Batteriedeckel 453, 480.
Bauchreifen 99^ U2. 1,5'-
ßayeux, Tapete von 7_, 25,
IÜ 126, 12_L 128,
I19_i Iii LZ4i L2A
211. 238^ an,,
358, 367, 368, 369
186, 390, 391, 505,
Beckenhaube 2JL 34^ 35,
135, 132, L3A I4S-
Beinharnisch 135.
Beinröhre Lü Iii
Beintaschen loo, 142, 145,
LiL
Beinzeug Hl, 136.
Belagerungsgeschütz 433-
Belluno, Waffenindustrie
60.3. 61 6.
Bemelberg , Konrad von
38, 101, 156.
Beowulflied 231.
Beraun , Waffenindustrie
Berche 442-
Berdiche siehe Streitaxt.
Bergmannsbarte 376.
Beriemung der Harnische
Uli
Berlin, Königl. Zeughaus
622,
Bernhard, König von Ita-
lien 224.
Berquen, Ludwig von 578.
Beschädigungen an Waffen
Uli
Beschaumeister 641.
Beechauzeichen 473. 641.
Besteckscheide 2Sg.
Bibel von S. Paolo fuori le
mura 25^ 125, W.
Bibel Karls des Kahlen
?i Iii 236, 3J_L
Bidenhander s. Schlacht-
schwert.
Bilbao, Waffenindustrie
606
Bildcodex von Schlofs
Tetschen 40.
i Birnenhelme 5$.
Blason 136.
Blendstirne 549_> SS».
Bliaud I2Q. 134, no.
Blocklafette 43«j.
Blutfahne 510
Blutrinne 230. 2&S-
Blutrührfechten 246.
Boabdil, König 252.
Bockbüchse, die liL
Bockgewehre 458.
Bocklauf 472.
Bocskay, Stefan 211*
Bogen 389, 300, 39_L
393. 394. 126.
Bogen, orientalischer 393.
I9Ju 3j9jj, 391, 321,
191,
Bogenköcher, oriental.
400, 401.
Bogenschützen , reitende
8, I24j L32, I4i 389_,
395, 39_L 3^1.
Bohren der Läufe 469.
Bohrkäfer 589.
Bohrschwert 219a 250, jflL
Boite 442.
Bolzenklemmer 4<>9.
Bolzenkocher 429. 4^0.
Bombarde 432, 434, 436.
Bordeaux, Waffenschmiede
von 609
Bordelaise 298.
Brandbolzen 426, 428.
Brassard siehe Armzeug.
Brechrand 73-
Brechscheil)e 32s, 540.
Brechschild $46. 549. «SSO.
Brcitsax 233.
Brescia, Waffen Industrie
247. 602, 603.
Bretagne, Reiterei
Brigantine 83^ 84 , 104,
IA1± 4525;
Bruech S7, 14g.
Brünieren des Eisens 596.
Brünne 24, 2«;, 31 , 33,
34. 4L 42.49.67, 120.
LlLi L32_i L14_i L31>
Llli 131. L39_. 140,
141. 164. 177. 2IS.
Brünncr L43j 594-
Brüssel, Musee d'Armures.
Brüssel , Waffenschmiede
von 0 IQ.
Bruststück , geschiftetes
US, lAli
Bruststücke , Härten der
sali
d by Google
Register.
688
Brusttartsche siehe Stech-
tartsche.
Büchse 412.
Büchsenmeister 14
Büchsenschützen 44 5, 4 4S
Bügelschuhe 200.
Buhart 9, £I7_, Sl°± Sü
Bulat
Bundrennbrust 559.
Bandrennen siehe Schweif-
rennen.
Burgunder I_4_, 1 6.
Burgunderlafrrte 441.
Buzogany 370.
Byzanz, Bewaffnung %.
Camisaden iqo.
Caperation 219, 22z.
Carabine 458.
Cardinale 442.
Carroccio 504, 505.
Castclalto, Franz von 50.
Castriota, Georg Skander-
beg 2J2,
Ccrbatana 441, 442.
Chabrias 10.
Chilperich, Konig der
Franken 234. 235.
Chioggia, Krieg von 41 1,
444>
Chronica de gestis Hunga-
rorutn siehe Codex Bal-
duini.
Cinque dea 26a.
Claymore 264, 265.
Codex BalduiniTrevirensis
3». 23i 1& LIZi i^i
I7S, 3i& 388, S2I.
Collconi, Bartolotneo 88.
Comuna 441.
Condottieri 16, 187«
Copie 3J6, 317.
Cortana 441, 442.
Corvinus Matthias, Konig
388.
Couleuvrine 441.
Courtan siehe Cortana.
Courtelas 271, 274.
Couse 346. .147-
Crapaudeau 442.
Craquemarts 27Q.
Crecy, Schlacht bei 13.
Czäkan 167.
Damaskklinge 277.
Damaskstahl 23S , 594,
Damaskus, Waffenindustrie
252, £24j S2Si 618,
610.
Damaszenerklinge 277.
Damaszierung $94-
Dard 107, 308 .
Darius Codomanus 269.
Daudi 145.
Degen 2ÄL.
Degen siehe Gnadgott.
Degenbrechcr 187, 296.
Degengehänge 290.
Deli 184.
Diamantschleifen 578.
Diechling Iii, 112, 1 13,
Uli ÜI2
Dilge 556, S60.
Dill 554, 558.
Dillenbajonett 499, 500.
Djerid siehe Dard.
Dolch 291.
Dolchketten 294.
Dolchmesser 295.
Dolch, orientalischer 29S.
30L 391i 32i 324i
Doppelachsel 76.
Doppelbrust oJJ.
Doppelfaustrohr 484.
Doppelhaken 4^.
Doppellaufbüchsen 4^.
421.
Doppelschlofs 478.
Doppelschuh 569.
Doppelstücke 76,
Domdrell 439.
Drache als Feldzeichen
522, 501, 504, 505.
Dragoner !£, 21, 128.
Drehbasse 4JÜ 438.
Dresden , königl. histor.
Museum 624.
Dscheleng 195, 196.
Dsü-l-fakär 510.
Ducllpistole 4S0.
Dupsing 249^ 224,
235.
Dusslgge 223^ 224.
Ebcrhelme 24, 25.
Echahraque 2_2JL
Echtheit der Waffen S72t
S23i UAi SIS. 526.
Edelsteine, gemugelte 578.
Edelsteine, Schleifen der
518.
Eduard, der schwarze Prinz
138:
Einletten des Eisens 586.
Einlegearbeit, Verfahren
468, 601 . *
Einsätze , bewegliche 8JL
Eisenbereitung im Alter-
tume 592.
Eisenhose 132, 134, 136.
S2Q.
Ebenhut 136, 139, 145.
Eisenkappe 36, 37, ^5.
Eisenschnitt 468.
Eisenschnitt , Verfahren
SQQ. hiXL
Eisenschuh III, 1 18. 119,
156,
Elfenbein , Bleichen des
$82.
Ellenbogenkacheln fij, 24j
76,
684
Register.
Elsterschnabel 224.
Email cloisonne" 600.
Email, gefälschtes 577.
Embs, Jakob von 103, 109,
147.
Emden , Rüstkammer in
62 5.
Emcrillon 442.
England, Eroberung 7_.
Entenlauf 472.
Entcnschnäbel 119.
Erbach, Gräfl. Sammlung
in 626.
Ergänzung von Waffen
576, S84.
Erhaltung der Waffen 585.
Erzerum , Waffenwerk-
stätten 61 8.
Eselshuf siehe Faustschutz-
bügel.
Espadero del Rey, Marke
des 642.
Espingardc 441.
Evangelium des Lothar 25.
Fähnlein 508.
Fälschung, Begriffder 642.
Fälschungen 5J2, 573,574-
Sil 576.
Fäustling 4S3.
Fahne 501, 505.
Fahne, deren Aufstellung
583, SMi 590.
Fahnen , Ausbessern der
580.
Falke I_L 440, 44».
Falkenschnabel 365.
Falkonet 439. 442.
Fauchon 270.
Faucon siehe Falke.
Fafsbrust oj.
Faustbüchsen 445.
Fausthammer siehe Reiter-
hammer.
Faustkolben siehe Kürifs-
bengel.
Faustrohr 482, 483, 484,
485, 486, 487.
Faustschild 170, 190. 191 ■
I92» 5J2i 53».
Faustschild, sarazenischer
184.
Faustschutzbügel 247.253.
282, 283, 284. 28 s,
286, 28A
Fechtdolch 191.
Fechtkunst 238.
Fechtschild 184^ 185.
Fechtschule 246.
Fechtschwert 272.
Federfechtcr 246, iMk
Feh l6o_.
Feldrennen 561 .
Feldspiel 508. 51^
Feldturnier 547, 561.
Ferdinand L_, Kaiser $o_,
68, 2L ß_L 204u 311i
533. S6i 617.
Ferdinand der Katholische
68, 117, 607.
Ferdinand von Tirol, Erz
herzog 44_t 107. 159.
221 , 222_, 223_, 395.
533-
Ferdinand, Karl von Tirol,
Erzherzog 66.
Ferlach , Feuergewehr-
industrie 617.
Feuerschütze 147.
Feuerschwamm 443.
Feuerstein 464.
Feucrvergoldung 596.
Firnissen von Waffen 586.
Flageollet 44^.
Flammberg 2I1SL
Flaschenhangsel 494, 49t».
Flaschenzugannrust 405.
Flinte 466.
Flintenschlofs 463, 464,
465,466,467,468,481.
Flintenschlofs m. Schnapp-
hahnbatterie 453. 454.
Florenz, Waffenindustrie
602, Coj, 604.
Flüge 6JL 70, 71, 73, 142.
Foix, Gaston de o_.
Forster, Joh. 578.
Framea 305, 306.
Franc-archers liL
Francisca 367.
Frankreich , Miettruppen
Franz I., König von Frank-
reich 55, 442, 614.
Frauendienst 518, 520.
Frauensteigbügel siehe ge-
schlossene Steigbügel.
Freiturnier 563, 569.
Freydal 531.
Frcysleben, Bartholomäus,
Zeugmeister 439, 616.
Friaul 247.
Friaulerspiefs s. Spetum.
Friedrich IL 1
Friedrich III., Kaiser 603,
361.
Friedrich der Schöne !£.
Friedrich der Siegreiche,
Pfalzgraf 146, 14 J.
Friesen LCL
Fringiaklinge 281.
Frundsbcrg, Caspar von
20, 8^
Fürbug 215, 216. 217.
Fürfeilen 62,
Fussetto 298, 299.
Fufskampf, alter deutscher
5«6i 5«Zj S**j
53o, 51I2 5J2i
Fufskampf, Waffen beim
53o, 53»-
Fufsknechtharnisch 83.
Fufsturnicr 562.
y Google
Register.
685
Fufsvolk, das 8, 10, u,
12, IS, i6, ai, 175,
177. 178. 341
Gabelbolzen 428, 429.
Gabellafctte 44».
Gagnepin 78.
Gallcga 207.
Galvanoplastik als Fäl-
schungsmittel 577.
Gambeson 134, I3S, L3A
129.-
Gansbaach, Brust mit o_i_
Garbeisen s. Brechschild.
Garde-bras s. Stechmäusel.
Geifsfufsarmrust, 405,416,
41t
Gelieger 3 IS, 216, 2l8.
Gelieger, geschlossenes
Geliegcrtaschen 2 1 S.
Gemina siehe Tausia.
Gensdarmes it^ 1 7.
Ger siehe Wurfspiefs.
Gesäfsrei:en 107, 142.
Geschiftrennen S$6.
Geschiltscheibenrennen
557.
Geschiftscheibenrennen,
Mechanismus zum 557.
Geschifttartschenrennen
Geschlechter, die vier i^.
Geschübe von Leder 62^
86, 8^ IIQ.
Geschübe, eiserne dl*
Geschütz 431.
Geschütze, lederne 444.
Gestech 5 18 1 520, 521,
SMi 55 S-
Gestecharten S49-
Gestech im Bein hämisch
Gestech, gemein-deutsches
S49_i iSli ISA,
SSL
Gestech , welsches , 542 ,
SM- iü S58i
Gestech über das Dill,
neues 563, 564, 565.
Gewehr, indisches 467.
Gewehr, japanisches 466.
Gewehr, türkisches 467.
Gewehrgabel 455 , 492,
Gewehrlauf 460.
Gjaidschwert 255.
Giftzüge 238, 287^
Glaskästen in Sammlungen
58i
Glefe 342.
Glefe, italienische 343.
Glefe, sächsische 34$.
Glefe, venezianische 344.
Glied schirm 100, 101, 153.
Gnadgott 292, 293, 297.
Godendag siehe Streitaxt.
Goldgefäfs von Nagy Sz.
Miklos siehe Attila.
Goldschmelz , Verfahren
liL S9JL
Gonzaga, Friedrich, Mark-
graf von Mantua So.
Gotische Brust 93.
Gottfried 1^ Herzog der
Normandie 240.
Grauanlaufen des Eisens
577, 59JL
Gravieren 596.
Gravierung des Elfenbeins
600. 6ni
Graz, Landeszeughaus in
6_2&
Gregor von Tours 4j 174.
Griesbeil siehe Streitaxt.
Grieswärtel 519.
Griffbügel 254.
Griffhöhe 230.
Grünspan 588.
Gruppierung, fehlerhafte
S84,
Gugel 35.
Guisarme sieheSturmsense.
Gustav Adolf, König 444.
Gyndy, Kumgyndy 595.
Haarzug 471.
Hahnlippe 477«
Haiduken 2Q.
Hai-schan, Schwertindust.
620.
Hakenbüchse 446 , 447,
454, 4Ü
Hakenschützc 147.
Hakenspiefs 353.
Halbhaken 4SS.
Halbkartaune l_7_, 19,
Hallstadtperiodc 23.
Hammerfertig 595,
Handarmrust 405.
Handbüchse 431, 447,
449_i 4SO, 4^ 456,
482,
Handfeuerwaffe 431, 433.
44$.
Handpauke 2 12, 514. SIL
Handschar 279. 2ÜCL.
Handschild 180, i_S_l
Handschlange 436.
Handschleuder 386, 387.
Handschuh 78^ 141.
Handtartsche 531.
Harald III. 8, 124, JIL
Harnisch alleggiato 65.
Harnisch für den Fufs-
kämpf 152, 153.
Harnisch, ganzer
Harnische, geschwärzte
LH.
Harnisch zum neuen Ge-
stech 564, 566.
Harnisch, gotischer 149.
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686
Register.
Harnisch, halber 115.
Harnisch aus Horn 129,
130.
Harnisch, japanischer 167,
ihjL
Harnisch, lederner 141 .
Harnisch , lederstreifiger
130, 13^.
Harnisch, Mailänder 74.
Harnisch , orientalischer
Harnisch, ritterlicher 04
ist
Harnisch , türkisch - ara-
bischer 167.
Harnischbrust 8iL
Harnischgarnitur 1$ 3-
Harnischhemd 142.
Harnischkappe S40, 541,
Harnischkragen 60.
Harnischröckchen 526.
Harnischrücken 106, 151.
Hartmann, Vikar 440.
Harun al Raschid 260.
Haubajonett 499.
Haubert 6jj 139, 131,
'JL L34_, 135-, L3li
119, 145, »77,
Haudegen 285.
Haufnitz 436, 438, 439-
Hauptfahne 508, 509.
Hauptstück 4J4j 439»
Hauswehre siehe Ochsen-
zunge.
Hebebaum 48S.
Hebezeug 488.
Heinrich der Löwe 27.403.
Heinrich II , der Heilige,
Kaiser 233
Heinrich II., König von
Frankreich 614.
Heinrich V., Kaiser 130.
Heinrich VI., Kaiser 240,
Heinrich VII., Römerzug
LL L& Uli
Hc^m von Bronze 23^ 24.
Helm, burgundischer 43^
44: 15»«
Helm, geschlossener 41,
43, 44, 45. 151-
Helm zum Kampf hämisch
£34:
1 Hehn für das Kol benturnier
SUll £M> SIL
Helm von Leder 39.
Helm, normanischer 2^
Helmbarte 330.
Helmbarte, deutsche 332,
ül 334_, lüj 3J6,
HL 339.
Helmbarte , italien. 333,
338, 339. 34Q-
Helmbarte, niederländ.
336, 337, 338.
Helmbarte, schweizerische
3AL
Helmbinde 33, 135, 141.
Helmdecke ja, 134, 525.
Helme, Echtheit der 574,
S7S-
Helmkette 31,32, 134,140.
Hei raschmiede 593.
Helmzagelschraube 539.
Hentze 80^ 82.
Heraldik g, 134.
Hcrat, Klingen von 618.
Hindu Khuttar 302, 303.
Hinterladevorrichtung472 ,
423i 483i 484,
Hirnhauben 5_1_l 5Ai S7-
«iL
Hirschfänger 256, 2S7-
Hochätzung 596.
Hofdegen 289.
Holzwurm 579, 589.
Horn 512.
Hulftcr 48L
Hundsgugel 35, 3A 130^
Husaren 2_L
Hussiten 14.
Jagdmesser 256.
Jagdpistole 486.
Jakob L von Arragonien
31.
Japan, Klingenschmiede in
S93. 620. 621.
Javelot siehe Schefflin.
Jazerin 104, 143, 144^ 145.
Jeni-tscheri 16.
Imitation alter Kunstwerke
573-
Innsbruck , Stückgiefserei
616.
Intarsia s. Einlegearbeit.
Intarsien, gefälschte S79,
58a
Johann Friedrich von Sach-
sen 63.
Joppe, Schlacht bei 10.
Josef L± Kaiser 444.
Ispahan, Klingen von t, is.
Italien, Bewaffnung 6j 22.
Italien , Kriegsverfassung
l&
Italien, Reiterei 15.
Italien, Rittertum (L.
Juan d'Austria, Don '^7.
Kaftan 163.
Kalenderschwert 204, 2S4-
Kaliber 432.
Kalkan siehe türkische
Schilde.
Kallinikos aus Hcliopolis
Kammerschlange 439.
Kampfhandschuh 84.
Kampfharnisch 530, S3».
53 2 * Iii 534. 535-
Kampfschurz 531.
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Register.
«87
Kandare siehe Stange.
Kanone 433, 440.
Kanz 217,
Karl der Grofse 4^ 5^ 124,
12^ 173.343, SQ3.6H.
Karl III , König 607.
Karl IV., Kaiser 243, 612.
Karl V., Kaiser 4^ 54,
ü 83_, 9*. I54i 32o,
260, 284^ 320^ 3J4.
34*L 440, 458, S22i
S4Li S44_, S25a 610,
Karl der Kühne 16, 222.
343, 610.
Karl VII, von Frankreich
16. 40. 347-
Karl von Steycrmark, Erz-
herzog 22JL
Kartaune l_7_, 441.
Katapulte 401.
Katzenkopf 461 . 462.
Keilzug 471-
Keltibercr, Bewaffnung
Kerman, Klingen von 6_liL
Khorassan-Karakhorassan-
Stahl 595.
Khorassanklinge 260,277.
Kiel, Museum 1 jo.
Killdsch 371.
Kinnreff 38, 4L il 4i
Kleidermotte 589.
Klepperstirne 22_l
Klingen, wurmbunte, siehe
Damaskstahl.
KlingenfSnger 189, 342.
SIL
Klosterneuburg , Kunst-
sammlung 140, »41, 191.
Knallbüchse siehe Hand-
büchse.
Knauf 230.
Knebelspiefs 309 , 311.
3>4- 3l6.
Knicbuckel Iii, 134, 142,
Köln, Schwerter von fili.
Kolben 447.
Kolben, deutscher 461.
Kolben, französischer 46s
Kolben, italienischer 461 .
!
Kolbenlade 46 j>.
Kolbenturnier 523. 526,
S28.
Koller 157.
Komnena Anna, Prinzessin
402.
Konrad III., Kaiser 2^9.
Konstantin Pogonatus 1 3.
Konstantinopcl , Belage-
rung 13,
Kopenhagen , historische
Waffensammlung in 627..
Kopfgestell 548.
Korazin 7^ loi IOQ, no,
I4S, I46.
Korbgriff 264. 286. 287.
Korn 470
Kosaken 2 1 .
Krätzer 491.
Krappe 4J9j 41L
Krebs üü.
Kreuzzüge, die 8, 32_, 174.
Kricgsgabel 3^, 355.
Krippensattel 198, 199,
200, 201.
Krifs 302.
Kroaten, Verwendung der
20.
Krönig ">4Q-
Krönlrennen 560.
Kronbolzen 437, 428.
Krummschwert 269.
Kürifsbengel 361.
Kürisser 17, IS7. .338.
KUriissattel 199, 304.
Kürifsschwert 347.
Kugelbohrer 491 ,
Kugelbrust 04, 14$, 151.
. Kugelhelm 3i 3Ä 145.
Kugeln, eiserne 433, 440.
44L
Kugeln, steinerne 43 1 444.
Kuhmäuler 119, ijjl.
Kunsttechnik der Orien-
talen 619,
Kunst und Technik im
Waffenschmiedwesen
Karländisches Gewehr s.
Tschinke.
Kutschenreitersporn 228.
229.
Kuttenberg, Waffenindust.
Lade 43S.
Ladcschaufel 488^ 489.
Ladestock 45S, 488.
Lafette ü 438.
Landshut, Plattnerei 614.
Landsknecht |_8, igl.
Landsknechtdolch 296,
3QO.
Landsknechtharnisch 64^
QO, Igt. 156.
Landsknechtschwert 259,
16 1 .
Landsknechtspiefs 318,
319.
Lang, M., Erzbischof 444-
Langsax 233, 293-
Lanze 308. 309. 3>Q-
Laternenschild 188, 189,
I9Q.
Latz siehe Gliedschirm.
Lauf, gezog. 47Q.47l.472.
Lauf, glatter 472.
Laufspiegel 588.
Laupen, Schlacht bei ll
Lehenfahne 502«
Lentner, 8^ 102, »39,
UP. 141. 145.
688
Register.
Leoben, Werkstätten von
616.
Lerchlein siehe Mörser.
Lichtenstein, Ulrich von
5l8, 521,
Liegnitz, Schlacht bei 11
Linkhand siehe Parier-
dolch.
Lochaberaxt 368, 370. 376.
London, Waffenindustrie
6 1 1 .
Lotbüchse 43 S-
Louvre, Museum 25.
Lucca , Waffenindustrie
boO.
Ludwig der Deutsche o.
Ludwig XII., König 404,
507-
Lüttich , Waffenindüstrie
501, 610. 61 L
Luntenberger 495, 497.
Luntenhahn 473.
Luntenschlofs 447 . 449.
473»
Luntenschnapphahn 449.
Luntenspiefs 322, 323.
Luntenstock 488. 4S9.
Luzernerhammer364, 365.
Lyon , Waffenschmied-
schule von 609.
Madrid, Armeria Real in
Madrillbrett 444.
Mäusel 73. 74. 76. 14».
Magenblech 53^ S4JL
Maglia ghiazzerina siehe
Jazerin.
Mailand, Waffenindüstrie
18, 604, 605.
Malchus 191. 270.
Malerei auf gebläutem
Eisen 597.
Mantenador 521.
Marken der Meister 641,
642, 643.
Markusbrüder 246.
Maschenpanzer 130. 133.
US:
Mataris 305.
Maulkörbe 19s. 197.
Maurische Waffen 620.
Mauritius , Schwert des
heil. 239.
Maximilian L_, Kaiser 9_,
l6_i 18, 37, 4P. 4S, 46,
57 , 6l , 8l , 88, im,
119, 14L LS2i 1S2.301.
220, 2SQ. 264,319,366,
393. 394.408.409.426,
437. 439, 440.4SS.SQ7,
S3i.S33.S37.S38.SSa,
SS3. SS4, SS7. SS8, S9S,
603, 604. 610,616.617.
637.
Maximilian II., Kaiser IS3.
IS8.
Maximiliansharnisch 82,
88, IS2. 1S3-
Mazarin, Kardinal 57S.
Mccheln, Waffenindüstrie
610.
Meister der Waffen fifii
Meisler vom langenSchwert
346. 263.
Merovinger, Bewaffnung S_,
3QS-
Merseburg, Schlacht bei 6.
Mesched, Waffenindüstrie
Metze siehe Scharfmetze.
Misericordia siehe Gnad-
gott
Mönchsbüchse 474, 475.
Mörser l^ 433, 43JL 4JL
440. 441, 441, 4J4_.
Mörser, Coehom'scher 444.
Mohammed 243.
Monslgur, Harnische von
608.
Montauban, Bassinets von
60S.
Morgarten, Schlacht am iL.
Morgenstern 360.
Morions 53, S4, 56. S7-
Moriz von Oranien 66.
Mortemer, Waffen von 60S,
Mortier siehe Mörser.
Mosaikdamask S9S-
Mouche 442.
Mühlsteinkragen 6^.
München, Bayr. National-
museum in 629. 630.
München, kgl. bayrisches
Armeemuseum 630.
München , Stückgiefserei
614.
Murcia, Waffenindüstrie
607.
Muscheln JAi 1 12< l*2-
Muskete 455_» 45^ 4Ü
460, 461.
Nackenschirm 39_, 141.
Näfels, Schlacht bei LI»
Namen der Geschütze 442.
Nasenband 34, 139.
Naseneisen 26.
Neapel , Waffenindustrie *
6o6.
Neiris S9S.
Nephritfassungen S7&.
Nibelungenlied 174. 2Q2,
SI8, 5«9-
Niederlande , Bewaffnung
LS,
Niederlande, Fechtweise
LS:
Niello, gefälschtes S78.
Niello, Verfahren 597, S98.
Nithart 9_.
Norikum, Waffenindustrie
d by Google
Register.
*»S9
Normanen, Kriegskunst Ja
8, 9, 22, 12S, 127,
Iii
Nürnberg, Germanisches
Museum 631.
Nürnberg, Waffenindustrie
LL 612, 613.
Nufs, freischwebende 406.
422-.
Nufs , im Faden laufend
403.
Ochsenzunge 246 , 258,
Ölfarbenanstrich , neuer
Organisation des Waffen-
handwerks 641.
Orgelgeschütz 437, 438.
Oriflamme 504.
Ornamentisten 610, 613.
614. 6l 5.
Otto Heinrich, Pfalzgraf
1 >o. 204.
Oxydation 588.
Palasch
Pallia siehe Dill.
Panzerärmel 65.
Panzerhemd 142, 143, »44
[iL
Panzerkragen l$I.
Panzermacher s. Brünner.
Panzerschuh IIS.
Panzerstecher 2 IL, 249,
2QI.
Panzerstrümpfe 143.
Panzerzeug 34, 132, 526,
S94.
Papagey s. Reiterhammer.
Papierpatrone 4Q7-
Papirius, Konsul L.
Parazonium 23 1, 232,259.
Parierdolch 286, 287. 299,
300, 301.
Ho ehe im, Waffenkunde.
Parierhaken 342.
Parierstange 230.
Paris, Musee d'Artilleric
632, 633.
Paris, Musee Cluny 633,
634.
Parsche 214. 21$ , 2l6.
220, 22_L Si_L Slli
Partisane 3 So, 3SL 3S2.
Passau, Waffenindustrie
247. 351, 611, 615,
Passauer Kunst 6_L2*
Passa volante 441.
Pafskugel 47Q«
Paternosterklinge 264.
Patina antiqua 588.
Patronbüchse 494. 495-
Patronenbandelicr 494,
425i 426.
Patronhülse 4Q6.
Patrontasche 497»
Pauke 5_L3j 514- S_L5_.
Paukendecke $14, 515»
Pavesc 179, 180. 403, S3I.
Pavia.Waffenindustrie S94-
Pendschab, Waffenindust.
Pennon SQ7-
Petarde 444.
Petit e*cu siehe Reiterschild.
Petrinal 447. 482, 483.
Pfanne siehe Zündpfaune.
Pfannendcckel 448.
Pfannenschieber 474.
Pfeife Sü S14.
Pfeifenharnisch 153, I 54-
Pfeil 398.
Pfeilköcher 401.
Pfeilköcher, orientalischer
399. 40Q.
Pfeil, oriental. 399, 400,
Pferdeharnisch 193.
Pferdezeug 193.
Philipp August, König
134.
Philipp Lj der Schöne
König 248.
Philipp II., König von
Spanien Jli 628, 629
Philipp der Gute, Herzog
144, 6.112»
Philipp VI., Graf von Hol-
land IQ7, lrvX
Philipp Emanuel, Herzog
von Savoyen 33.
Pike 320, 321.
Pikenier, I9j Sli ^ LÜi
158.
Pikenierhandschuh 84.
Pikenierharnisch 161. LÜ2»
Pistoja. Waffenindustrie
606.
Pistole 486, 487.
Plankengestech siehe Real-
gestech.
Plattcnbrust 140, ist.
Plattenharnisch l_4_, 136,
144. 1S2. 153, 163,I77.
Plattenharnische, Echtheit
der $24.
Pochwerk, nasses 592.
Pörschwert siehe Bohr-
schwert.
Polen, Kriegsverfassung 2SL
Polieren der Waffen 587.
Polychromicrung, alte 579.
Preise der Waffen §72, $73-
Prudentias, Manuskript des
Iii
Psalterium aureum von St.
Gallen 25_, 124. 171.
I9i I9i 202^ 224. 3J_L
503, 503.
PürschbÜchse 4sS.
Pürschstahl 405, 406. 4 14.
Puffer siehe Fäustling.
Pulverflaschc 4'io. 491,
422, 49J.
Pulverhorn 492. 493, 494
425_-
44
690
Register.
Pulverprobe 488, 489, 490.
Pulversperre 492.
Puneiz 520.
Punzenarbeit üqq.
Quadrant 488.
Quartana siehe Kartaune.
Quintana 569, 57Q-
Raddecke 475.
Radschlofs 450, 4^1, 4^2,
475, 477> 47^ 483.
Radschlofs, kurländisches
476.
Radschlofs mit Rauchfang
Radschlofsschlüssel 476,
495, 422i
Räumlichkeit für WafTcn-
sammlungen S&5, 586.
Rantzau, Heinrich von 64.
Rappier 28g.
Rast 483,
Rasthaken 5_i9_. 543»
Rauchfanggewehr 460.
Rauchköcher 393, 39_£,
Raufdegen 286.
Realgestech 5Jl5j 566.
Realgestech, Harnisch für
das 566, 568.
Regensburg , Schwertin-
dustrie 612.
Reichsbanner, deutsches
504.
Reisspiefs 21i 2Li LSJj
LSZj 3I4j li^i 3*6,
337, 328.
Reiterei 8j IO, IL
Reiterei, leichte 9_, lg.
Reiterfahne 502, 506.
Reiterhammer 366.
Reiterpistole 486.
Reiterschild 116, 177.
Reitstange für Turnier 5SL
Rennen 543.
Rennen, Arten der 556.
Rennfahne 506, 507, So8.
Rennhut 543.
Rennsattel 550-
Rennschöfse 543.
Rennstange 545.
Renntartsche 543 , 544-
542«
Rennzeug 545. «U6. 547-
Revolver 461, 48s. 486.
Richard I. , Löwenherz,
König fOj 134, 611.
Richtschwert 265 , 266,
267.
Ringelrenneisen 5JTL.
Ringelrennen 569.
Ringkragen 66.
Ringpanzer, orientalische
Roggendorf, Wilhelm von
|QL 153, i5S.
Roland, der von Ragusa
140.
Rom, Waffenindustrie 606.
Romantik imSammelwesen
583.
Rosendamask 59$.
Rofsdecke 552.
Rofsharnisch 216, 220.
Rofsharnisch.oriental 222.
Rofskopf 554.
Rofskopf 216. 217.
Rofskopf, arabischer 223.
Rofsschweif 510, 511.
Rofsstirne 216. 219.
Rofsstirne, arabische 221.
Rofsstirne, persische 223.
Rofsstirne, halbe 21Q.
Rost des Eisens ^75, £86,
Rovere-M^ntefeltre, Franz
Maria, Herzog von Ur-
bino 1Q2.
Rudolf IV. von Österreich,
der Stifter 324.
Rüsthaken 96^ 151, 157.
Soi! 5222 543,
Runka 348, 342, 350,
Rundtartschiere IJL *92-
Rupprecht von der Pfabz
TL. «9j 22i 375.
Sackpfeife 516.
Säbel, europäischer 280.
Säbel , orientalische 273,
224_, 2J1a 216, an,
228, 222. 2ÄL
Sägeschwert 270. 271.
Säule, Armrust- 40$.
Säulenhebel 417,418,419.
Salm-Neuburg, Niklas III.
von 92i 109.
Samarkand , Panzer von
Sandschak $lo.
Sanseverino, Robert von
148,
| Saragossa, Armrüste von
608.
Sarazenen 22.
Sarazenische Waffen 6a t,
620.
Sarwürcher siehe Brünner.
Sattel, arabischer 208.
Sattel, maurischer 207.
Sattel, normanischer 10,7.
Sattel, orientalischer 2£>fL
I Sattel, ungarischer 209.
2 1 1.
Sattel, tartarischer 200.
2XL.
Sattel, tscherkessischer 2 io.
Sattel, türkischer 208. 3QQ.
Sattel im hohen Zeug 520.
SIL S*ü 553-
! Sax 231, 232^ 253.
Schabarbeit 597.
d by Googl
Register.
091
Schäftung der Büchsen
4A5j 447-
Schärtlin von Burtenbach,
Sebastian 63.
Schaft, deutscher 447«
Schaft, gepickter $14, 3J5,
Schaft, italienischer 461,
462.
Schaftfedern 313.
Schallern 3_8_. t& 40, 4^
149.
Scham 595.
Schamkapsel iqq.
Schansi, Eisenindustrie
Scharfeisen 545, 548.
Scharfmetze 4 34 ■ 439. 44Q-
Scharf rennen s. Schweif-
rennen.
Scharfschützenlanze siehe
Springstecken.
Scharmützel $69.
Schefflin 320, 321.
Scheibenbttchse 458.
Scheibcnpistole 486.
Schellengürtel 139»
Schellenspiel 516.
Schembartvisier 4_2j ±£i
Schenkelwülste IQ9.
Schiavona 259, 26 1 , 264,
Schiefspulver 13 1 43Q.
431, 4J^
Schiefsvorrichtung, Degen
mit 3_82i 3»S.
Schiefsvorrichtung, Hand-
waffe mit 379.
Schiefsvorrichtung, Helm-
barte mit 379. 380.
Schiefsvorricht., Schwein-
spiefs mit 379, 381.
Schiefsvorricht. , Schwert
mit 2Ö2i 3_8_L 3iL
Schiefsvorrichtung , Spiefs
mit 379. 380.
Schiefsvorrichtung, Streit-
hacke mit 383, 384, 38s-
Schiefsvorrichtung, Streit-
kolben mit 384, 385.
f Schiffsschlange siehe Lot-
büchse.
Schiftung SS,
Schild 163.
Schilde, bemalte ij^ UJ^
178, 179. »8o.
Schild, bretonischer 172.
Schildfessel 519.
Schild der Germanen 169.
Schild, normanischer 172,
173, UAi
Schild, römischer 1 70-
Schild, türkischer 184.
Schild zum Turnier 519,
S2Q. S2i, 534-
Schildbuckel 174.
Schildfessel 170, 174.
Schildnabel 170.
Schildzapfen 438, 439-
Schiras, Klingen von 618.
Schlachtschwcrt 18, 249.
261, 262, 263, 264.
Schläglcrbund 363.
Schlagblatt 362.
Schlagbolzen 428.
Schlagfcder 44S.
Schlange i_7_, io_, 436,
422i 4_40i 44J-
Schleifen der Klingen 593.
Schleuder ßASj 286, 387.
388.
Schlcudcrblei 388.
Schlofsplatte 474, 479-
Schnabelschuhe 139, 14S.
Schnapphahn 448.
Schnapphahnbatterie 480,
481.
Schnapphahnschlofs, nie-
derländ. 454, 464. 480.
Schnapphahnschlofs, span.
4S2.453.464. 479,480.
Schnapphahnschlofs, türk.
479-
Schneidebolzen 428, 429.
Schnepper 405, 419. 42Q,
422.
Schnitzarbeit 600. 60 l .
Schnitzarbeiten, gefälschte
579-
Schöfse 100. 113. 1 14.
LL^i L5_!» Hl;
Schraubenschlüssel zum
Stech - und Rennzeug
54°! 541, 54A-
Schürzer siehe Reisspiefs.
SchUtzenhauben SS. 57«
Schuhkappen 1 17, n8-
Schuppenharnisch 165.
Schuppenwerk 139.
Schw&nzel 539.
SchwamuÄchlofs s.Lunten-
schlofs.
Schwanzriemen 197, 2Q2~
Schwanzschraube 469.
Schwarzätzung 151, S96.
Schwarzenberg , Adolf,
Graf 65.
Schwebescheiben 6±, 68.
142.
Schwefelkies 452.
Schweifbund 219.
Schweifrennen $44, 5>S,
Schweinsfeder 329.
Schweinschwert 255, 2S6.
Schwcinspiefs 329, 330.
Schweizer Fechtweisc 1^
16^ L&.
Schweizerdegen 261.
Schweizerspiefs 319.
Schwendi, Lazarus 72.
Schwert 230.
Schwert zu anderthalb
Hand 244, 2%o.
Schwert, japanisches 281,
254.
44*
ized by Google
002
Register.
Schwerter, orientalische
268, 269.
Schwert mit Schiefsvor-
richtung 267,
Schwertgürtcl s. Dupsing.
Scopitus 445, 447.
Scramasax 232, 233. 29,^.
Scymitar 270.
Segretta in testa 56^ 58.
Selbstspanner 476.
Sempach, Schlacht bei 1 1
Seravalle, Waffenindustrie
603.
Serpentine siehe Schlange.
Setzschild 178, 180. l&l.
Sienescrdolch 298.
Sigmund von TiroL, Erz-
herzog 35^ 68j 8lj 106,
603, 6_i&
Sigismund Li Kaiser 504.
Sigmaringen , F. Hohen-
zollcrnsches Museum in
Silberoxyd 588.
Sinnsprüche auf Waffen
Singerin 439.
Soliman L_. Sultan 85.
Solingen, 'Waffenindustrie
612.
Soluk , Ri n gpanzer von 619.
Sonnenberg, Andreas, Graf
von 29_.
Spaldenier 67^ 22i 53Q.
Spangröls 64^ jl^ 151.
Spanien, Kriegskunst IS,
!&
Spanischer Reiter 32 2 , 325.
Spannhaken 410.
Spatha 233.
Speer 30^, 519, 520.
Sperrvorricht. an Schlös-
sern 475, 481. 483.
Spetum 3i3j 354.
Spicfs 305.
Spicfs, fränkischer 310.
1 Spiefs, gemeiner 311, 312.
Spiefs, normanischer 310,
3"-
Spiefs, orientalischer 315,
312, 3!lL 3»9-
Spiefshose 314.
Sponton siehe Partisane.
Sporn 224, 225.
Sporn , ungarischer 555,
Springklinge 301 ,
380.
Springstecken 329.
Spundbajonett 498, 500.
Stachelsporn 224. 22$.
Stätten der Fälschungen
580.
Stahelzein 128.
Stahl siehe Pürschstahl.
Standarmrust 405, 407.
Standarte £L2,
Standblichsc 446.
Standhauer 256.
Stange 193.
Stangenfeder 448.
Starhemberg , Ernst Rü-
diger 491.
Stauchen oji.
Stcchachseln 77.
Stechermechanismus an
Armrüsten 413, 414,
Stechhelm 536, 538, 539.
Stechkissen 552, 555.
Stechmäusel u± 142, 568.
Stechsattel 554.
Stechschild 526.
Stechschlofs 482.
Stechstange £35^ 540, 541.
j Stechtartsche 521, 539.
S4°i 5J>2i
Stechvorrichtung 4^4.
Stechzeug SÜ ißi 538,
Stechzeug, englisches 542.
Stechzeug , französisches
542.
j Stechzeug, italienisches
Sj6j 542, S44.
Steckkuppel 249.
Stcdinger HL.
Steiermark, Waffenindustr.
Steigbügel l£2i 138, 199.
Steigbügel, arabische 213.
.' Steigbügel , geschlossene
2QO. 2Qy
Steigbügel , tartarische
Uli
Steigbügel, türkische 214.
Steinfassung 57S.
Stc>T , Werkstätten von
Stichbolzen 427, 4-S.
Stielscheibe 4J_, 7JL So^
81. 526.
Stil in den Waffen 573.
Stirnketten 19S.
Stockholm , Museum der
Waffen 634^ 63 5-
Stockschleuder 386, 387.
Stofsdegen 249, 285.
Stofskragen siehe Brech-
rand.
Strcifbuckel 217.
Streifschiene 112.
Streiftartschen 556, 5 59.
Streitaxt 367. 368. 369,
3ZOi 2ZLi 32Ii 221i
374. 375. 376.
Streitaxt, orientalische 322,
3l8i 112.
Streithacke , italienische
375, 376.
Streithammer 363, 364,
Streitkolben 35J_, 358.
359, 360, 361, 362.
Digitized by Google
Register.
693
Streitkolben, orientalische
36 1« 363.
Streitsense siehe Glefe.
Studel 475.
Sturmhauben, deutsche \z_
42j 156.
Sturmhauben, ind. $2, $4-
Sturmhauben, ital. 47,
Sturmhauben , Österreich.
42:
Sturmhauben, polnische
Sturmhauben , ungarische
Uli
Sturmhauben, türkische 49,
5°_i 51» 51i Üi l^Ai
Sturmhauben , tscherkes-
sische ^ 54.
Sturmsense 3JÜ1 3S6.
Sturmwand L&Q.
Stutzen beim Rennzeuge
SIL 552:
Suhl, Waffenindustrie 473,
Tab an, Karataban 595.
Tacitus, Germania u.
Tapulbrust 89,00,94, i^j.
Tartaren, Bewaffnung 20.
Tartsche 176, 181, 182,
184, l£6.
Tartsche, ungarische 182.
183.
Taschen an Schwertgriffen
Taschenpuffer 486.
Tauschierarbeit s. Tausia.
Tausia, aufgeschlagene
S99.
Tausia , eingeschlagene
Tausia, gefälschte 576,
SIL
Tausia , Verfahren 468.
598.
Tcrrasbtlchse 439.
Terzerol 486.
Teufclsschcmbart IS3.
Theodorich derGrofse 235,
241. 503.
Theophilus Presbyter 57S.
Thor, der Donnergott 3.
Thrasamund, König der
Vandalen 235.
Tiefätzung 596.
Tiflis, Waffenwerkstätten
Tirol, Waffenindustrie 61 6^
617.
Toledo, Waffenindustrie
347, 252, 606, 607.
Topfhelm, der io, 12^ 28,
29a iPj 31. Iii üLMi
Laii 13^ L25_i S20,
53A
Torghud Reis, König von
Kairewan 104.
Tours , Waffenschmiede
von 6oS.
Tower , Sammlung von
Waffen im 191, 627.
Trabantenspiefs 3*4, 325.
Trabharnisch ic^ 6jj 76,
LL^i üö, ijj.
Trancheeharnische 53.
Trancheehauben 52.
Trauerdegen 291.
Treibarbeit, gefälschte522.
Treibarbeit, Verfahren599.
Trense 193.
Trockenfäule 589.
Trombon 457, 458.
Trommel 5 »3, SU, 5*5.
Trommel, grofse 515.
Trompette Sj^ 5^3, 514.
Trompcttenfahne 513, 514.
Tschinelle 515.
Tschinke 457, 459, 460.
Tschinkenradschlofs siehe
kurländisches.
Türkei, Bewaffnung 16, 2Q,
Tug siehe Rofsschweif.
Tüghra 163.
Tuilettes 145.
Turin, Armeria Reale in
636, 637.
Turnay siehe Turnier.
Turnier & 517, 518, 5 20.
5Ü
Turnier, ausgeschriebenes
520, 521.
Turnierharnisch , sächs.
56a 570.
Turnierkolben 522, 523.
Turnierplatz 521.
Turnierschwert 522, 523,
512:
Turnierspicfseisen 551.
Turniersporen 542, 564.
Turnier, ungarisches 555.
Tyost S2Q.
Ulanen 2J_,
Ungarische Brust s. Krebs.
Ungarn, Kriegsverfassung
ao.
Unteroffizierskurzgewehr
333.
Valcnciennes , Waffen-
industrie 610.
Vauban, Geniegeneral ^63^
464.
Venedig , Sammlung des
Arsenals in 637.
Verankerung 404, 406.
Verfahren der alten Waffen-
schmiede 592, 593.
Vergoldung, nachträgliche
526.
Verzierungen, nachträg-
liche 576.
Vcugliaire 442.
Viertelbüchse 434. 439.
Virelon s. Armrustbolzen.
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694
Visier 26, 35^ L24, '39-
Visierrohr 47Q-
Visiervorrichtung 469.
Voraugenstcl lung der Waf-
fen 582, 583.
WafTenbretter , Gruppie-
rungen auf 583.
WarTcnhemd siehe Gam-
beson.
Waffensammlungen in
Europa 639, 640.
Wanderturnier 520, $21.
Wandlafette 435.
Wasa, Gustav, König 370.
Weichgufs als Fälschungs-
mittel 577-
Weudergewehr 471, 472.
Wendersystem 461, 471.
Wenzel, König von Böh-
men 33.
Wenzeslaus der Heilige,
Helm 26.
Werkzeuge der Plattner
595-
Wertbestimmung der Waf-
fen 581.
Wert, historischer 58 L
Wien, WarTensammlung
Register.
des kaiserlichen Hauses
in 63J. 638.
Wien , WarTensammlung
der Stadt 639.
Wiener Neustadt, Feuer-
gewehrindustrie 617.
Wigalois 130.
Wikinger 131.
Wilhelm der Eroberer,
Herzog, 12& 357-
Wilhelm II., der Rote,
Kör. ig von England 239.
Wilhelm IV., Herzog von
Bayern & 56^ 563.
Windenarmrust 405 1 4 t 1 ,
Wischen der Harnische
582,
Wischer 488.
Wischzeug 496.
Wolf, der, als Waffen-
schmiedezeichen 251,
252, 6n.
Wolfseisen siehe Runka.
Worms, Turnier zu 531.
Wurfspiefs 301;, 306, 307,
3XL 5»9-
Wutzstahl siehe Damask-
stahl.
Yatagan 279.
Zaddeltracht 142.
Zarskoe-Selo.Kais.WarTen-
Sammlung in 635, 636.
Zellenemail 6oo.
Zeugbücher Maximilians L
IS1. 178. 179, 180,18s.
187,319, 32o>327,393.
426,448, 4JÜ.A8Q. 616.
Zimier 30, 31, 32, 33.
Iii ÜL £2±,
Zischäggen siehe türkische
Sturmhauben.
Zollern, Eitel Friedrich,
Graf von oJJ, 1x0.
Zrinyi, Niklas 273. 277.
Zügelblech 21&>
Zügelketten 104.
Zündkern 472.
Zündkrautflaschc 491.
426.
Zündlochbohrung 472.
Zündpfanne 443.
Züngel 474.
Zug, prismatischer 471.
Zungenspiclungen 19$.
Zweihänder siehe Schlacht-
schwert.
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Berichtigungen.
cite 96,
9. Zeile v. u. ist nach dem Worte Schöfscn einzuschalten: und Gesäfsschurz.
11
96,
7-
»»
11
„ statt Vorderschurr zu setzen: Gesäfsschurz.
*i
97,
6.
»»
>i
„ ist der Zwischensatz, des Verteidigers von Wien 1529, zu
streichen und dafür zu setzen: gest. 1550.
it
99,
9-
1»
n
„ ist statt Desiderius zu setzen: Koloman.
ii
124,
16.
ii
11
,, „ „ der Codex aureus zu setzen: Psalterium aurcum.
it
125.
8.
11
11
„ ,, Codex zu setzen: Psalterium.
11
190,
11.
11
11
0. „ nach dem Worte angezogen einzuschalten: wurden.
1»
197,
IS-
11
11
u. ,, statt Codex zu setzen: Psalterium.
11
213.
7.
n
11
0 „ ,, 228 zu setzen 230.
»1
220,
3-
»•
•1
u. „ „ Thunschen zu setzen: Thun'schen.
1»
224,
10.
»1
11
0. „ „ Codex aureus zu setzen: Psalterium aureum.
•t
255i
15-
t»
i.
„ „ „ Schweinschwerter zu setzen: Schwein- oder Anlauf-
schwertcr.
* »
360
Der Text
der beiden Figuren 423 und 424 ist zu verwechseln.
11
544»
2.
Zeile
▼.
u. ist statt Stechtartsche zu setzen: Renntartsche.
11
548.
In Figur 634 sind Verwechselungen vorgekommen, so ist d ein Turnier-
spiefs und gehört zu Figur 638.
„ 551. In Figur 638 sind b und c Scharfeisen und gehören zu Fig. 548.
„ 640, 13. Zeile v. u. ist nach Linz einzuschalten: gegenwärtig im Museum
Francisco -Carolinuni daselbst.
Druck von Kamm ft Seemann in Leipzig.
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