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Full text of "Jahrbuch für Philosophie und spekulative Theologie"

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Jahrbuch  für 

Philosophie 
und 

speiculative 
Theologie 


J 


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Jahrbuch  .  

FÜR  k^^2C( 

PHILOSOPHIE 

UND 

SPEKULATIVE  THEOLOGIE 

Hekausqeqbbbn 

UKTSR 

MITWIRKUNG  VON  FACHGELEHRTEN 

Db.  fiBNSI  Ü0MH£B, 

O.  0.  PBOrBMOB  AX  DBB  UNIVRB81TÄT  IN  BBB8LAV. 

VI.  JAHRGANG. 
6 


PADERBORN. 

DkacK  oiTD  Veblaq  ton  Ferdinand  SchOninob. 

1892.  f 

Zwdpiiederlassungea :  MtUwter  i.  W..  Osnabrttck  und  Miim. 


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Inhalt  des  seelisten  Bandea 


Abhandlnnren. 

tt,  de  Au^eüs  -  Stella;  Syllabus  Pü  Pontiftois  Noni  in 
unf%'ersa  re  pJulosophica  iuxta  moiitem  8.  Thomae 
AqumatiB  recentiumque  ])hiloHophoriiin  .    .    77.    246.  4Ö2 

E.   Ccimmer:   De  Christo  Bncharistico  266 

TJl.  Esser,  U.  Pr. :  Die  Lehr«  des  hl.  Thomas  bezüglich 
der  Mögliolikeit  einer  ewigen  Weltschöpf  img.  (Fort- 
aetzunff.   Vgl.  V.  12^.  808)   .    .    .    17G.  3% 

Ii,  Feldner.  o.  Pr.  '.  Das  Verhftltnis  der  Wesenheit  zu  dem 
Dasiein  in  den  geschaifenen  Dingen  nach  der  Liehre 
dm  hL  TbomM  Ton  Aqiün.  (Forta«tnag.  Ygl.  II,  638. 
III,  l.  IV,  61.  V,  72.  195)   28.  208.   827.  886 

|}.  Feldner,  O.  Pr.:  Die  Orandprinoipien  der  Natavphilo* 

■ophie  299 

6.  F«ldll8r,  O.  Pr.:  Bioiitlcstelliiiiff«a  der  Anaiehten  dee 

neueeten  XommeiiMtors  de«  bL  Thomas  toh  AQvin  448 

IL  f^losSBOr:  Zar  BeUglonephüoBepliie  1.  160 

M.  0l88818f :  Sur  Theorie  deeBewnllrteetaie  im  allgemeineii 

und  derWillewIMheit  im  beeonderea  221 

IL  (}l088Ver:  IMe  FhUoeophie  dee  bL  Tbomae  ron  Aquin. 

Gegen  Vroheobajiuner  867 

M.  01i88Ber:  OewiOiheit  oder  Bypofheee  in  der  l^rage  der 

Bebwingung— blen  der  priematieoben  Iteben  .  .  .  810 
IL  €il088ier:  A^^logetisehe  Tendenaen  nnd  Biebtungen. 

(FortselSMg.   Vgl.  IV,  889.  V,  16.  166.  267)   418 

6.  tirapp:  BeürigeBnrQeeeblohtedOTnenerenPbfloeopbie. 

(Fortsetzang.   Vgl.  IV,  470.  V,  86.  210)   272.  481 

B.  KadeHlVftk:  Kennen  unsere  Begriill»  auf  Wahrheit  An- 

spraeb  naehemt  64 

P.  Mahn:  Die  Xjstlk  des  Angelus  Silesiua  472 

A.  Fartmnn :  DieQjratemattk  In  deni^uaestiones  diqmtatae 

dee  hl.  Thomas  von  Aquin  48.  127 


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iV  Inhalt  des  sechsten  Bandes. 


Litterarische  Besprechungen. 

Seite 


Cl.  Bäiiniker:  Baumann,  Geschichte  der  Philosophie  nach  Ideen- 

«rrhalt  und  Beweisen  S87 

M.  Glossner  :   H.  Sc  b  mi  d  k  u  uz.    Analytische  nud  syntlietische 

Phantabjp;  Von  Jer  Abstraktion  99 

F.  Zitscher,  Der  Sobstan/liegriff  100 

W.  Kooch,  Der  Begrift  der  Wahrnehninng  101 

E.  Dornet  de  Vorpes,  ('au^>t'  efHcit^ntp  et  cause  finale  .    .  102 

Schell:  Katholische  Dogmatik.  2.  Bd  369 

R.  Glund,  Ord.  Praed.:  C.  M.  Schneider.  Die  katholische  Wahr- 
heit 9.  und  10.  Bd  378 

A.  K5niflr:  Gloatz,  Sic  et  nou.   Die  Probleme  der  christlichen 

Glaubens-  und  Sittenlehre  377 

C«  M.  Schneider:  Kleffler.  La  rosiSii  ietice  natnrellr  et  In  coii- 

science  religieuse  103 

Ballauf,  Die  Grundlehren  der  Psycbologrie  105 

Marquardt,  De  fundamentis  principii  illius  retiexi  ,Lex 

dubia  üQü  obligaf  117 

Marbach,  Die  Psychologie  des  F.  Lactantins  118 

Baut/,  (iruiidy.üge  der  katli.  Dngtnutik  120 

Waffelaert,  Confcssarius  rite  instrnctus  ad  impugnandam 

blasphemiam  121 

König:  Der  katli.  Priester  vor  1500  Jahren  ....  12! 
Berichte.  J.  l  ebinger:  Cl.  Baeumker,  Beiträge  ztir  Geschichte 
der  Philosophie  des  Mittelalters.    Von  Hamroerstein. 

Gotte^-Beweise  .'lOfi 

Sit^uiigsberieht  der  St.  Thomas-Akademie  in  Luzern  von  Kanonikus 

Prof.  Dr.  N.  Kaufmann  123 

Zcitmhriftenschau  12n.    252     :^80.  508 

»ue  Bttcher  und  deren  Besprechungen  .    .    .    12>).    253.    381.  509 


Dmckfehlerberiehtiirupr« 
8.  268  Zeile  8  von  oben  lies:  panis  vinique. 


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ZUR  RELIGIONSPHILOSOPUIE.  ^ 
Von  Db.  M.  GLüSSNHR. 


1,  Das  propheiieche  Wort  Simeons,  Christus  sei  iTf>'*tzt 
zum  Falle  und  zur  Erhebuüg  vieler  (Luc.  2,  bewahrheitet 
aicb  zu  allen  Zeiten  nicht  allein  im  Leben,  sondern  auch  in  der 
WiMexMcbmft.  Die  Philosophie  kann  an  Chriatas,  dem  Eckstein 
der  Weltgeschichte»  nicht  gleichgiltig  voribergeheo,  de  mofe  sich 
für  oder  gegen  ihn  entaoheiden.  Daher  das  lebhafte  Intereaae 
an  religionephilosopbiachen  und  apologetischen  Untersuchungen, 
das  r^ich  auch  in  unsern  Tagen,  in  welchen  der  Kampf  für  und 
wider  Christus  lebhafter  al-*  je  entbrannt  i^t ,  durch  zahlreiche 
litterariöche  Erscheinungen  von  verschieden«:!!  philosophischen 
Standpunkten  kundgibt.  Wir  greittsn  aus  der  Fülle  derselben 
zwei  Werke  heraus,  denen  eine  breite  wissenschaftliche  Grund- 
lage nnd  der  moderne  philoaophieche  Standpunkt  gemeinsam  ist, 
die  sich  aber  wesentlich  durch  ihre  Stellungnahme  zum  Gbristen- 
tome  nntencheiden,  indem  sie  sich  das  eine  kritisch  und  negativ, 
das  andere  apologetisch  und  positiv  zu  Religion  und  Christentum 
verhalten.  Erschwert  könnte  unsere  Aufgabe  durch  den  Umstand 
erscheinen,  daf«i  die  eine  der  angedeuteteu  S»  iiriften  nur  erst 
zum  Teile  vorliegt,  während  die  andere  sich  als  ein  nach  dem 
Tode  des  Verfassers  herausgegebenes  Werk  in  einer  Form  dar- 
stallt,  die  der  lettten  ToUendenden  Hand  entbehrt  Da  indes 
die  Mängel  der  Form  in  der  religionsphilosophischen  Schrift 
Valkes  den  Inhalt,  soweit  es  sich  um  klare  und  vollständige 
Darlegung  der  Anschauungen  des  Verfassers  handelt,  nicht  be- 
einträchtigen, in  der  uns  vorliegenden  Darstellung  der  Anthro- 
pologie Wfbfrs  aber  die  (rrundlinien  «piner  ( Iesamtaut'taf^«^ng■ 
bestimml  genug  zu  Tage  treten,  so  k  Kiiu  n  jene  Umstände  eio 
wesentliches  Hindernis  für  unser  Urteil  liarüber,  inwieweit  die 
Negation  des  einen  der  genannten  Schriftsteller  begrüodet,  die 

'  Metaphysik.  Eine  vissenschaftliche  Begründung  der  Ootologie 
de«"  ^Christentums  von  Theodor  Weber.  Erster  Band.  £inleitaDg 
uuü  Aiiibropoloi^ie.    Gotha  1888. 

Wilhelm  VatkoR  FI el igionaphiloBophie  oder  sllffemeine 
philosophisoho  Theologie.  .Vach  Vorlesungen  berftuagegeben  von  In'.  Her- 
manu  G.  S.  Preifs.    Ilonn  18B8. 

Jahrbnoh  (Ur  Philosophie  cte.  VI.  1 


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2 


Zm  Religioaapbilosopbie* 


Verteidiguog  des  uoderu  geluogeo  mi,  aicbt  bilden.  Deuo  uuser 
Interesne  koDzentriert  sich  Tor  allem  darauf,  in  welchem  Ver- 
hältnis die  moderoe  vom  Snbjakt  ausgehende  pMlosophisohe 
Grondanftchaaung  ihrer  inneren  Natur  nnd  Tendenz  nach  sn 
Religion  und  ChriHtentam  stehe. 

Um  noch  ein  andere»  Bedenken  zu  beseitigen,  so  kündigt 
^ich  zwar  Webers  Unternehmen  als  Metaphysik,  nicht  als  Religions* 
})hilosophie  an  und  will  wiederholten  Versicheruo^^cn  znt'olge  nieht 
als  letzteres  gelten.  Indes  streift  die^e  Metaphysik  nicht  allein 
überall  religion^philosophische  Probleme,  sondern  berührt  selbst 
die  epecifieeh  ohrntlteben  Lebren  und  Yerfolgt  überdies  mne 
ansgeeproohen  apologetiecbe  Abeichtp  ao  dafe  wir  uns  ftlr  roll- 
kommen  berechtigt  halten,  dieselbe  als  einen  Beitrag  zur  Religiooe- 
Philosophie  su  betrachten  und  von  diesem  Cfesichlspunkt  an 
beurteile  D. 

Weber  legt  grofsen  Wen  auf  die  erkeimtnistheoretische 
Begründung.  Es  gilt,  das  Bewulstsein  des  Menschen  in  seinem 
Werden  zu  belauschen  und  in  allen  seinen  Kiementen  mtx- 
lysieren,  oder  es  gilt  die  Herstellung  einer  in  allen  wesentlichen 
Beaiebnngen  ausgebildeten  Erkenntnistheorie  (S.  420).  Dasselbe 
Oewieht  legt  Vatke  den  erkenntnistheoretiscben  Untersuchungen 
bei,  wie  schon  der  denselben  gewidmete  Umfang  beweist  (Heligions- 
phil.  S.  Ii) — 70).  Der  wesentliche  Unterschied  des  geistigen,  im 
Selbstbowurstsein,  das  auf  den  substanziellen  Grund  der  Er- 
scheinung" zurückgeht,  sich  äufsernden  DenkenB  von  der  sinn- 
lichen, in  der  individuellen  Erscheinung  befang-en  bleibenden  Vor- 
stellung bildet  die  Cirundlage  des  Dualismus  von  Geist  und  JS'atur, 
auf  welchen  .Weber  sich  stUtat,  um  den  Kampf  gegen  den  materisr 
listischen  und  pantheistischen  Monismus  mit  der  begründeten 
Hoffhuug^  auf  Sieg  an&unehmen.  Das  Bewufstsein  ist  ihm  aber 
nicht  allein  Ausgangspunkt,  sondern  auch  Quelle  und  Kenn  alles 
Erkennena.  Damit  ist  der  St-imipunkt  der  raoflornon,  mit  Ab 
schüttehing  jeder  äufsern  Norm  und  Autoritär  im  Subjekte  ihre 
Stellung  nehmenden  Philosophie  gekennzeichnet.  Im  Anschlufs 
an  Günther  erklärt  W^eber  die  philosophische  Forschung  als 
völlig  frei  und  unabhängig.  £r  rühmt  von  jenem  seinem  Ge- 
währsmann, derselbe  sei  durch  und  durch  antieeholastisch.  Die 
Methode  der  Scholastik  sei  ausgesprochen  in  dem  Satse:  philo- 
Sophia  ancilla  theologiae.  Günther  aber  sei  so  gut  als  irgend 
ein  Denker  der  neueren  Zeit  durchaus  auf  dem  Boden  der  freien 
vorausaetzungslosen  For^rhTing-,  seine  Forschung  wurzle  einzig 
und  allein  in  der  Erfahrung,  der  inneren  nnd  äufseren  (Metaphys. 
S.  33). 


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Zor  Religiofiiiphtioiopliie. 


3 


Denselben  Stand])iiiikt  uiiabhäng'ig'er  Forschung"  nimmt  s^elbst- 
verständlich  Vatke  m  Anspruch.  Anspielend  an  denselben  »Satz 
▼on  der  Magdrolle  der  Fhilosopliie  SoTsert  er  eich  dahin,  die 
philosoiihiaohe  Betraohtang  und  damit  dio  Fhfloeopbie  selbst  sei 
weder  Herrin  noch  Magd,  weder  domioa  noeh  aacilla  der  Religion, 
sondeni  beide  Seiten  seien  jede  auf  ihrem  besondem  Standpunkt 
vollkomraen  prleichberechtigt  (Religionsphil.  S.  122).  Bezüglich 
der  l^uelle  nllr^r  Erkenntnis  in  der  trtahrung  aber  spricht  «ich 
Vatke  in  unzweideutiger  Weise  dahin  aus:  „Wir  bezeiclineii 
alles,  was  über  die  Grenzen  einer  wirklichen  Erkenntnis  hinaus- 
liegt, als  transcendent,  während  wir  alles  in  der  Ereobeinung 
sieb  Darstellende  als  immanent  oder  als  oausa  immanens  be- 
aeichneo.  Daher  ist  für  unser  Wusen  die  Seite  des  Unbedingten, 
die  als  Poteni  gefafst  wird,  da»  Transcendente,  d.  h.  immer  nur 
als  YorausBetzung  nnd  durch  einen  Kückschlnrs  vom  Immanenten 
zu  begreifen,  dagegen  seine  im  Prozefs  des  Zeitlichon  nlch  offen- 
barende Heite  Gegenstand  wirklicher  vom  Einzelnen  zum  All- 
gemeinen fortschreitender  Erkenntnis."    (A.  a.  O.   S.  115.) 

Vatke  betrachtet  somit  die  Immanenz  des  „Unbedingten** 
als  eine  netwendige  Folge  des  Standpunkts  der  Brfthrnng.  Hier- 
aus erklart  sieb  sein  Urteil  über  den  SchöpfungsbegrüF.  ,,Da» 
Unbedingte,  welches  wir  zuletzt  in  der  ewig  sich  vermittelnden 
Weise  der  unveränderlichen  Einheit  und  göttlichen  Offenbarung 
get'nnden  haben,  "tf^llt  dar,  was  auf  religiösem  Gebiete  dnrrh 
zwei  Seiten  ausgedrückt  wird,  niimlich  durch  Gott  und  Weit, 
Gott  als  Princi})  oder  Einheit  aller  Principien  des  Seienden, 
Welt  als  harmonisch  gesetzte  Einheit  desselben.  Die  Zusammen- 
fassung beider  Seiten  Mt  notwendig,  weil  das  göttliche  Princip 
nur  da  ist  mittelst  der  Offenbarung  in  der  Welt;  denn  ohne  eine 
weltliche  Vermittelnng  wüfBten  wir  von  Gott  niohte;  aber  auch 
an  und  fUr  sich  gehören  beide  Seiten  ausammen,  kraü  der 
Einheit  des  Idealen  und  Realen,  der  höheren  Einheit  und  der 
Differenz  dr«  begrenzten  Endlichen.  Trennt  man  beide  Seiten, 
was  im  Begnile  ja  möglich  ist.  erscheint  Gott  als  die  Totalität 
der  idealen  Vermittlung,  da  diese  allein  die  Einheit  darstellt 
die  W^elt  dagegen  als  die  reale  Seite,  die  als  Vielheit,  als  ge- 
sfialtenes  Dasehi  auftritt  und  daher  eines  Einheitobandes  bedarf. 
Aber  in  der  Wirklichkeit  ist  diese  Trennung  nicht  gegeben,  und 
auch  die  Anschauung  von  der  Schöpfung  und  einem 
Tor  der  Schöpfung  einsamen  Gott  gehört  nicht  der  Er- 
fahrung an.*  Beide  Seiten  sind  in  der  Wirklichkeit  mit  ein* 
ander  verbanden."    (A.  a.  U.  S.  121  f.) 

>  Von  uns  untsrslriehsn. 


4 


Der  von  .tulHerer  Autorität,  auch  der  der  guttiichea  Offen- 
barung unabhängige  Staadpofikt  deir  Erfahrung  alao  verlangt,  da 
in  dieser  Ideales  nnd  Beales,  Geistiges  und  Materielles  unge- 

trennt  verbunden  sind,  die  Einheit  (TOttes  und  der  Welt  Die 
Vermittlnng  der  Gotteserken ot  nis  durch  die  Welt  ist  demnach 

mehr  als  dies,  nämlich  zug-leinh  real»;  Selbstvermittliing- (rotte« 
durch  die  Welt;  der  Schöpt'ung''begrilf  enthalt  eine  unwahre 
Abstraktion  und  Trennung  desjenigen,  was  in  Wahrheit  vereinigt 
und  eins  ist. 

Diesem  pantheistischen  Resultate  «teht  das  von  Weber  von 
demselben  Standponkt  antoritatsloser  anf  sabjektiTeErlUiraag  sieh 
sttttsender  Forscbnng  ans  abgeleitete  dnalistisoke  Ergebais  an- 
scheinend schroflf  gegeuüber.  Mit  fiecht  wird  von  ihm  gerade  der 
bohöpfangsbegriff  als  Angelpunkt  der  religiösen  Weltanschaunng 
zur  Geltung  gebracht.  Derselbe  Begriff  aber  sei  auch  wis?»en«*chafl- 
lich  gerechtfertigt;  denn  die  durch  das  SelbstbewulstBein  bezeugte 
Existenz  endlicher  Substanzen  sei  mit  der  monistischen  Annahme 
einer  einzigen  Substanz,  die  in  den  endlichen  Gei^iteru  und  in 
der  ^^atnr  aar  Ersoheionng  konme,  nnvereinbar.  Welches  dieser 
entgegengesetaten  Resultate  nnn  kann  den  Anspruch  erhebenp 
das  legitime  Kind  der  modernen,  unabhängigen  nnd  ausschliefs* 
lieh  anf  Erfahrung  begründeten  Wissenschatt  an  sein,  der  Fan- 
theismus Vatkes  oder  der  Dualismuf«  Günthers  nnd  Webers? 
Eine  nähere  Betrachtung'  des  Endresultat»,  zu  welchem  die 
Weberscho  Metaphysik  gelang-L,  nämlich  ihres  GottesbegrifF«, 
mag  uns  hierüber  Aui'scblurä  geben.  Nämlich  getreu  dem  Au8> 
gangspunkte  von  der  Erfahrung  nnd  dem  Bewnfstsein  nimmt 
Weber  wie  Vatke  (Religionspfa.  S.  114)  in  Gott  eine  Ent- 
wioklnng  an,  die  er  allerdings  teUs  als  eine  ewige,  teils  als  eine 
rein  immanente,  durch  den  endlichen  Geist  und  die  Xatur  un- 
vermittelte, zu  begreifen  sucht  „Wenn  daher,  wie  wir  im  zweiten 
Teile  dieses  Werkes  darthun  werden,  der  Denkg-eist  auch  aut 
Gott  den  Gedanken  der  Unbestimmtheit  oder  Inditiercnz  zwar 
übertragen  mufs,  so  ist  nichtsdoatoweniger  diese  in  jenem  that- 
sächlich  doch  niemals  vorhanden  gewesen,  weil  sie  von  Gott 
selbst  ohne  jede  fremde  Mithülfe  durch  absolute  Aktivität  in  die 
absolute  Bestimmtheit  von  Ewigkeit  her  nbergesetst  worden/* 
(Metaphys.  S.  378.) 

Die  Annahme  einer  Entwicklung  in  Gott,  die  von  Günther 
einer  Konstruktion"  de-^  rhristlicheo  Trinitätsgeheimnissen 
verwendet  wird,  ist  die  Klippe,  an  welcher  die  wissenschaftlich«' 
Begründung  der  üiitoiopie  de«»  positiven  Cliristentnras"  voui 
modernen  Staudpuukie,  dem  jene  Annahme  einer  gottlichen  Enl- 


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Zur  Religiou8j^ilo«ophie.  5 


Wicklung  allerdings  nur  zu  8ehr  angemeäsen  ist,  soheitero.  Für 

Weber  dürfle  sich  diese  Klippe  um  so  gefährlicher  erweisen,  als 
seine  Autlas»ung  der  Natur  dem  Panthri^mus  eine  Handhabe 
bietet,  um  den  von  ihm  vertretenen  Dualibmuö  aus  den  Anekeln 
za  lieben.  Weber  nämiich  betrachtet  die  von  ihm  au^euummeucn 
Etoaeikte  deB  oatüriicheo  Seins,  di«  Atonie,  tofls  Svlittansen, 
teils  aber  aaofa  ala  Enoheinungen  einer  einzigen  Subetans.  6e* 
setzt  DUO,  der  Pantbeitt  würde,  aignmeDtieren :  so  veziig  ein 
Widersprocb  darin  liege,  dafe  das  Atom  zugleich  Substanz  und 
Erßcheintingr  sei.  so  wenig  widerspreche  die  im  SelbstbewufBtsein 
sich  bekundende  buhstanziaiitüt  de«  oinzelnen  Geistes  der  mo- 
Distibchen  Annahme  emer  einzigen  Substanz,  der  göttlichen,  zu 
der  sich  die  endlichen  Geister  als  Erscheinungen  verhalten:  so 
würde  sich  hiergegen  von  Webers  Standpunkt  um  so  weniger 
etwaa  Stichhaltiges  Torbringen  laasen»  als  die  Annahme  einer 
Potsnsialitat  in  Gottj  die  im  Begriffe  einer  göttlidien  Eotwioklnng 
notwendig  impliciert  ist,  ein  weiteres  dem  Pantheismus  günstiges 
Element  enthält. 

'2  Xnrhdem  wir  den  Weberschen  Ideeenfrans'  mit  oinem 
die  beiden  Endpunkte  verknüpfenden  Klicke  überschaut  iiaben. 
wollen  wir  sowohl  den  Plan  des  Ganzen  als  auch  die  wichtigsten 
Grundlinien,  beziehungsweise  Grundbegriffe  des  bereitb  zur  Aua- 
fdhrong  gelangten  Teiles  desselben  ins  Auge  ftssen.  —  Der 
Plan  des  ganzen  Werkes,  dessen  Rechtfertigang  in  der  Stnleitaag 
versucht  wird,  umfafst  die  Lehre  Tom  endlichen  und  unendlichen 
Sein  oder  die  Kosmologie  und  Theologie.  Die  Kosmologie  ser* 
r?tllt  wiederum  in  zwei  Teile,  deren  erster  die  Lehre  vom  syn- 
thetibchen  Weltlaktor.  derf'n  7w<»!t('i"  die  von  den  ,, antithetischen" 
Welttaktoren .  dem  Geisterreiche  und  der  Natur,  cuthält.  Die 
Theologie  aber  soll  in  die  beiden  Abteilungen  von  Gott  an  sich 
und  fron  dem  Verhältnisse  Gottes  zur  Welt  sich  gliedern.  Der 
Torliegende  erste  Band  stellt  den  ersten  Teil  der  Kosmologie, 
d.  h.  die  Anthropologie  in  drei  Ünterabtttlongen  dar,  namlioh 
die  Lehre  vom  Geist  oder  der  Seele  des  Menschen  (§  7  — 15), 
vom  Leibe  desselben  (§  IG  —  23)  und  von  der  Einheit  des  Geistes 
und  der  Natur,  der  Seele  und  des  Leibes  im  Menschen  oder 
ihrer  Synthese  (§  24—28). 

In  dieser  Gliederung:  der  Metaphysik  scheint  die  seit  WolfF 
üblich  gewordene  Einteilung  der  sog.  speciellen  Metaphysik  in 
Kosmologie,  Psychologie  nnd  Theologie  hindurch,  Ton  welcher, 
wie  Vatke  richtig  ausführt  (8.  04),  anoh  Kant  Veranlassong 
nahm  cor  Aufstellnng  seiner  bekannten  drei  Ideeen:  Seole,  Welt 
nnd  Gott,    linr  ist  diese  Einteilung  bei  Weber  eigentümlich 


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6 


Zur  ReligioosphiloBophie. 


4 


modiliciert  dnrch  den  GiintherNchon  Dualismus,  der  das  geschatieDe 
Sein  dem  guttlichen  als  absoluieo  (jegen&atz  gegeuubersteilt  und 
jenes  weiterhin  in  die  Gegensätze  dee  geistigen  and  natärliohen 
tSeins,  die  im  Uenaoben  su  einer  „penonliohen"  Einheit  Ter- 
bnnden  sind,  auseinander  treten  laTat  Wir  mömen  ons  hier  mit 
der  Bemerkung  begnügen»  da&  diete  Dreiteilung  einer  vorgeb- 
lichen speciellen  Metaphysik,  so  allgemein  sie  auch  verbreitet 
ist,  doch  dem  wahren  Begriffe  der  Metaphysik  wider*<pricht  und 
ihren  letzten  (irund  auf  die  Verwechslung  des  Rationalen  (wes- 
halü  bei  Wollt"  auch  nicht  von  einer  metaphysischen,  j^ondern 
rationalen  Psychologie  u.  b.  w.  dit;  Iwede  ist)  nüt  doui  Meta- 
physiteben  nartiddUhrt,  in  welcher  die  Piükraophie  aeit  ihrer 
nnnatiirliehen  Spaltung  in  eine  rationalietiache  und  empiriatiache 
Richtung  belangen  blieb. 

Von  den  Grundbegriffen,  die  in  der  vorliegenden  „meta- 
physischen** Anthropologie  zur  Erörterung  gelanjren,  sind  es  vor- 
züglich die  Theorie  des  Bewulstsems  und  damit  im  Zusammen- 
hange der  Begriff  vom  Geiste,  ferner  die  AntTassuug  der  Natur, 
die  Verbindung  von  Leib  und  6oele  im  Menschen,  der  Ursprung 
der  Menaohenaeele  und  der  Kenaohfaeit  ttberhaopt,  die  uniiere 
Aniknerkaamkeit  in  Anspruch  nehmen. 

Als  den  wichtigsten  und  fundamentalsten  funkt  seiner  Auf- 
gabe bezeichnet  der  Verf.  selbst  den  wesentlichen  Unteraohied 
de«  geistigen  und  sinnlichen  Erkennens  im  Menschen,  oder, 
wie  er  sich  ausdrückt,  die  Begründung  eines  Duaü'^inu'^  des  Ge- 
dankenb  und  spricht  den  Wunsch  aus,  dais  diesem  Gegenstände 
vor  uiiem  „Auge  und  Autmerksamkeit"  seiner  „Richter'*  zuge- 
wandt sein  möge  i^Metaphys.  8.  420).  Indem  wir  unserseits 
dieaen  Wunsch  erfüllen  und  zugleich  auch  der  Überzeugung 
Ausdruck  geben,  dafs  ein  solcher  Unterschied  bestehe  und  daraus 
mit  Recht  auf  die  Existenz  immaterieller  Substanzen  zunächst 
mit  Rücksicht  auf  die  menschliche  >Seele  geschlossen  werde,  dürfen 
wir  aber  auch  nicht  verhehlen,  dafs  wir  in  der  Würdigung  der 
Natur  und  Tragweite  jenes  „Dualismus"  sowie  den  >yeiteren 
daraub  gezogenen  Koüöe4uenzen  nicht  durchweg  in  Überein  - 
«itimmuDg  mit  dem  Vf.  uns  beÜnden,  sondern  in  wesentlichen 
Dingen  von  ihm  absuwetcheu  uns  genötigt  sehen. 

3.  Treten  wir  an  den  ersten  Punkt,  die  Analyse  und 
Theorie  des  Bewufstseius  heran!  Hit  Descartea  glaubt 
W.  im  SelbstbewufstBein  den  festen  Fol  su  besitzen,  um  den 
sich  die  flüchti^-en  Erscheinungen  menschh'cher  Ansichten  zu 
Hammeln  vermögen,  und  das  Mittel,  „den  seit  Jahrhunderten  ge- 
walzten «Stein  zum  Stehen  zu  bringen*'  (6.  14).  Er  nimmt  daher 


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Zur  Be1igioQtpbiIo8ophie. 


7 


auch  den  allein  vor  der  Thatsache  des  üeinor  selbt^t  gewissen 
Ich  älille  blehendeu  Zweil'el  des  t'raQ£68it»cUeu  i^iiilo«opheu  gegen 
die  venneintUob  „Biiulasen'*  Angriffe  des  für  die  ohristliche  PhUe- 
0ophie  80  sehr  Terdientee  Dr.  A.  Stöokl  in  Sohuiz  30  Anm.  8). 
Daa  eigene  Bewnllitsein  ist  die  einzige  in  nnd  aoB  tioh  «elbst 
gewieae  Thatsache,  die  dem  MeDdchen  gegeben  ist;  diese  That- 
sache 7A\  crgriioden  und  klarzustellen  ist  daher  der  zu  wandelnde 
Weg,  nicht,  wie  Kant  ni>  int  ,  „eine  Kritik  der  reinen  Vernunft 
in  AuBehuug  allm  Erkeuutui!«se,  ZU  denen  sie  unabhängig  von 
aller  Erfahrung  bireben  mag".    (S.  14.) 

Wie  trotz  Tielfaober  Ausatelluagen  an  den  philosophischen 
Ansiofaten  Desotrtes*  im  einseinen  der  aubjektlTe  Standpunkt 
dieses  Pbiloeophen  gerühmt  und  adoptiert  wird,  so  gilt  dies 
übngODB  auch  von  Kant,  der  daroh  einen  überaus  genialen,  glttck- 
lichen  Griff  in  der  Kritik  des  menschlichen  Erkennens  eine  none 
Grundlage  der  Philosophie  zugewiesen  habe,  die  von  den  Spätem 
verlassen  wurde.  (S.  290.)  Man  müsse  deshalb  zu  Kant  zu- 
rückkehren und  dessen  Kritik  durch  eine  Erkenntnistheorie  des 
Geistes  vervollständigen  (S.  291 J.  Kani^  Xnuk  habe  Berechtigung 
besüglicb  des  ainnliehen  „Denkens",  das  allerdings  in  der  Er- 
scfadnang  beiaagen  bleibe  und  nicht  anm  Wesen  Tordringe.  Das 
ainnliche  müsse  aber,  wie  G-iinther,  ein  zweiter  Kant,  nach- 
gewiesen habe,  vom  selbatbewufsten,  zur  Substanz  vordringenden 
Denken  unterschieden  werden  (S.  190).  Kant  ging  von  einer 
falschen  Unterscheidung  der  Form  vom  Stoft'e  des  Erkenuens  aus 
(!>.  66  ff.)  und  nahm  an,  dals  der  letztere  nur  aus  Erfahrung 
siaiijuie,  die  er  mit  AiiscbauuDg  und  Wahrnehmung  verwechselte, 
and  wurde  dadurch  weiterbin  zur  falschen  Unterscheidung  eines 
doppelten  Selbetbewafstseins,  eines  empirischen  und  apriorischen 
gehlhrt,  um  durch  letsteres  die  Allgemeinheit  und  Notwendigkeit 
der  intellektuellen  Erkenntnis  zu  begrün  d  n  die  er  ans  Erfahrung 
nicht  ableiten  zu  können  glaubte.  (S.  277.) 

Die  Substanzialität  der  Seele  ist  also  nach  W.  GeiiHnstand 
der  Erfahrung,  und  dasselbe  gilt  ihm  von  der  Erkeimniis  der 
KaLKgorieen  iiberhaujit,  ^'achdem  die  Seele  diese  in  sich  erkannt, 
beurteilt  sie  nach  demselben  Mafsstab  alles,  auch  das  aufser  ihr 
vorhandene  Sein.  Daher  gilt  das  Selbstbewnfstaein  als  die  Ge* 
bortsstatte  aller  dem  Menschen  vor  dem  Tiere  eigentümlichen 
geistigen  Erkenntuis  formen  (S.  ^9),  als  die  eine  gemein- 
same (Quelle,  der  alle  dem  Menschen  eigentumlichen  subjektiven 
Erscheinungen  entspringen  und  der  sie  ihre  Möglichkeit  und 
WirkVrhkeii  zu  verdanken  haben  (S.  376),  als  Princij»  und 
Mafbbtab  aller  anderen  Erkenntnisse,  in  welche  B«gionen  der 


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8 


Zur  Kellgiimtpliiloiophto. 


boHtehendeD  Wu  kiichkeit  der  Geist  mit  denselben  sich  auch  hinaus- 
wagen mag  (S.  78),  somit  als  wahre  und  eigentliche  Quelle  der 
VermiDft»  so  dafe  demjenigen,  der  eio  eraohöpfendes  Verständnis 
des  Menschen  besäfee,  über  die  Beschaffenheit  der  Welt  und 
Gottes  nichts  Wesentliches  verborgen  sein  würde  (8.  132). 

Diese  Auffassung  des  Selbstbewurstseins  unterliegt  den  ge- 
wichtigsten Bedenken.  Zweifellos  ^iht  sich  in  ihm  die  geistige 
Natur  der  Seele  kund,  douu  nur  ein  immaterielles  Wesen  ver- 
mag- auf  sich  sselbst  zu  reflektieren  (e  «e  in  se  rigira.  Dante); 
dugegeu  ibt  das  kSelbstbewurätseiu  ^war  eine  Betätigung  der 
Vernnnft>  nicht  aber  die  Quelle  derselben;  denn  Tragweite  nnd 
Umfang  der  Vemuoft  sind  grofeer  als  die  des  Selbstbewufstseins. 
Das  letztere  bezeugt  uns  unmittelbar  nur  die  eigene  Existena, 
gibt  aber  nicht  einmal  unmittelbar  Aufschlufs  über  die  BeschaflSsn* 
heit  des  in  seiner  Thätigkeit  seiner  selbst  bewufsteu  Wesens, 
geschweige  denn  dn^  sie  die  Korm  und  Quelle  aller  objektivf^r 
Erkenntnis  eoihielte.  Wir ■  furchten  daher,  W.  habe  mit  I)  > 
cartes  zwar  einen  den  Angriften  des  Skepticismus  staudhallewaeu 
Punkt,  auf  welchem  er  Fufs  fassen,  keineswegs  aber  das  Mittel 
gefunden,  um  von  ihm  aus  au  weiteren  Erkenntnissen  fortau- 
schretten.  Neben  dem  auf  die  einzelnen  Tbatsachen  der  Bxistenz 
des  eigenen  Ich  und  seiner  Erscheinungen  beschränkten  Selbst- 
bewufstsein  mufs  vielmehr  die  Vernunft  als  selbständige  Er- 
kenritnisquelle ,  ans  der  die  allgemeinen  und  notwendigen  £r- 
keuütüisse  Hielseu.  anerkannt  werde«. 

Hiermit  hteht  aucli  die  Beobar  htung-.  wie  wir  ur^pruDglich 
den  Sub stanzbegrif'f  bilden,  im  Einklang;  denn  dieser  wird 
nicht  aus  dem  Selbstbewufstsein  (8.  70),  sondern  durch  Erfahrung 
ans  der  Objektivität  entnommen,  freilich  nicht  durch  sinnliche 
WahruolimuDg  oder  Erfahrung  in  solch  bescbr&nktem  Sinne,  sondern 
durch  eine  Betbätigung  der  Yemunflt,  die  nicht,  wie  Kant  will, 
apriorisch»^  Formen  aut'Erscheinungen  überträgt,  sondern  in  diesen 
und  als  Grund  derselben  das  \V<>«pti  und  die  Substanz  erfafst. 
Ohne  diese  utufassendert'  Grunaiage  des  Substanzbeg-rifts  in  der 
Vernunft  wiire  das  Finden  des  JSubstau^seins  in  sich  und  da» 
Übertragen  auf  die  Anfsenwelt  eine  subjektive  Thätigkeit  der 
Seele  ohne  allgemeinen  und  ootwendigeo  Charakter  und  ohne  ob- 
jektiren  Wert. 

Eine  objektive  Erkenntnis  wäre  unmöglich ,  wenn  das 
Ich  Princ  ij)  und  Mafs^^tab  uller  Wahrheit  wiire.  da  es  in  diesem 
Falle  allem  ttir  es  Erkennbaren  seinen  eigenen  Stempel  aufprägen 
würde,  eine  Koti>e4ueuz.  die  von  Kant  und  Fichte  (mit  Rück- 
sicht aut  das  apriorincae  Ichj  auch  in  der  Tbat  gezogen  wurde. 


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Zur  Religionsphilosophie. 


9 


Sehen  wir  genauer  zu,  wie  W.  die  Geistigkeit  der  Seele 
zu  gewinnen  sucht,  ho  wird  das  Ungeniigoade  seiner  Bewn&tseins- 
iheorie  noch  dentlirher  7.n  Tace  treten. 

Ungenügend  ini  die  Bestimmung  des  (jeiötöcinB  durch  den 
Begrit!  der  eioheitlicheu  Ganzheit  und  Subetanzialitui  iiu  Gegen- 
ftiUze  zu  der  angeblichen  Zerteilung  und  Zersplitterung  der  Natur- 
enbstanc  in  Atome.  Der  Atomiet  betrachtet  das  Atom  als  eine 
einheitliche  Substanz  und  ein  einheitliches  Ganses.  Werden  wir 
ihm  deshalb  zugeben,  dafs  er  in  diesem  Atom,  so  lange  er  ihm 
nicht  Einfachheit  und  Immaterialität  zuschreibt,  ein  Geintwesen 
besitze?  Die  Annahme  Webers,  die  Atome  seien  Bruchstücke 
und  Erscheinungen  einer  einzigen  .Substanz,  und  aus  diesem 
Grunde  könnten  die  darauf  geschehenden  Einwirkungen  nicht 
zuiu  belbälbewurstbein  führen,  ist  eine  völlig  willkürliche  und 
nur  gemacht*  weil  ohne  sie  der  .»Dualismus^  in  die  Brüche  gehen 
würde.  Wäre  aus  dsm  Selbstbewufetsein  und  der  Erkenntnis 
der  über  die  Erscheinung  hinausgreifenden  Kategorieen  nichts 
anderes  aU  die  einheitliche  Gan7.heit  der  denkenden  Substanz 
zu  ersehlieffieu,  so  würde  e**  um  die  N  ertuidigung  der  Geistig- 
keit und  Unsterblichkeit  der  menschlichen  Seele  »chlecbt  be- 
stellt sein. 

Ebenso  ungenügend  ist  die  Art,  wie  das  Selbstbewui^i^em 
und  die  Erkenntnis  der  Kategorieen  durch  Einwirkung  von  aufsen 
zu  erklären  versucht  wird.  Dieselbe  ist  durch  die  mechanische 
Weise,  wie  die  „einheitliche  und  gancheitliche*'  Substanz  be- 
handelt wird,  geeignet,  dem  Materialismus  in  die  Hände  zu 
arbeiten,  umsomehr  als  der  «Seele,  wie  wir  sehen  werden,  um 
ihre  WrUindung  mit  dem  Leibe  zu  erklären^  Räumlichkeit 
zugeschrieben  wird. 

\  QU  der  Ertahrungsthatsache  ausgehend,  dafs  dab  meu»ch- 
liche  Belbstbewufstsein  nicht  ohne  jegliche  Einwirkung  von  aufsen 
'  die,  wie  W.  zugesteht,  nicht  notwendig  tou  einem  persönlichen, 
selbstbewufsten  Wesen  ausgehen  mnfs  —  zustande  komme,  sucht 
W.  aus  der  durch  die  Kufsere  Einwirkung  hervorgebrachten 
Differenniening  in  Heosptivität  und  Reaktivität  das  Selbstbe- 
wurbtsein  tu  begreifen,  sei  es  dafs  die  Seele  aus  der  Wahr- 
nehuiung  dieser  ihrer  vorgebliciien  (irnivlkräfte  oder  der  in  ihr 
hervorgebrachten  Bewegung  den  Anstois  zum  Solbstbewulstsein 
empfange.  (6.  43  S.)  Die  Hewegung  nämlich  inhäriert  ihr  als 
einer  eioheitlioben  Substans  wie  einem  Princip  und  Subjekt,  so 
da&  die  Wahrnehmung  dor  Bewegung  in  der  Unterscheidung 
des  Prineips  von  der  ihm  inhärierenden  Erscheinung  und  der 


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10 


4 

Zur  ReligiootpbUosophie. 


Beziehung  der  letzteren  auf  das  erstere  als  den  Grand,  d.  b.  im 
SelbstbewulstaeiD  sich  voUpTidet  (S. 

Unverkennbar  sind  die  Lücken  und  Mangel  in  dieser  Ab- 
leitung. Eine  mechanläche  Einwirkung  aul'  ein  Geistwesen  ist 
▼on  vornherein  undenkbar.  Ferner,  wie  soll  eine  solche  in  einem 
Wwes,  von  d^n  wir  weiter  aiohto  wissen,  als  daft  es  SnbsUuis 
ist,  tiberhaupt  VorsteUnng  eraengen?  Die  DifferenziieraBg  in  Re- 
oeptivitfit  und  Reaktivität  wäre  hierzu  nnr  ausreichend,  wenn 
wir  annähmen,  dafs  jedes  Sein  als  s<Aohes  schon  auf  Erkenntnis 
angelegt  sei.  Die  erste  Wahrnehmung  bleibt  sonaoh  unerklärt 
Weiterhin  ist  die  Unterscheidung  von  Erscheinung  und  Princip 
in  einer  solchen  Substanz  tnr  den  Zu^riianer  da.  aber  nicht  tnr 
die  »Substanz  selbst  Man  sagt  uuä,  der  Iciigedauke,  dst^  Selbst- 
bewnfrtsein  des  Geistes  bemhe  anf  einem  in  diesem  vor  sich 
gegangenen  Prosesse,  dareh  welcheif  eine  sweiAobe,  wesenkHob 
verschiedene  Seite  vor  ihm  selbst  enthüllt  und  offenbar  wird 
(S.  324),  nämlich  seines  Erscheinens  und  substanziellen  Seins. 
Jdit  der  Differenziierung  von  Erscheinung  und  Bubstanz  ist 
jedoch  erst  ein  realer  Unterschied,  noch  nirht  aber  ein  solcher 
tür  das  ?Subjekt  gegeben,  v.h  sei  denn,  wie  gesagt,  man  Hohaupte 
die  Einheit  des  Realen  und  idealen.  Auch  das  Atom,  dem  W., 
hierin  von  Günther  abweichend,  8abstanzialität  zuschreibt,  erfahrt 
Sindrttcke  von  aufsen,  auch  in  ihm  findet  die  Oifferenziierung  in 
Substanz  und  Erscheinung  statt,  und  doch  gelangt  es  selbst 
in  den  vollkommensten  Verbindungen  nach  des  Vt's.  Theorie 
nicht  zum  Selbstbewnfstsein. 

Wenn  Weber  hipraiit'  mit  der  bereits  ancreluhrten  Be- 
hauptung antwortet,  das  Atom  sei  zwar  fiuerseilis  bubstanz,  ander- 
seits ab<;r  doch  wieder  Bruchteil  und  Erscheinung  einer  solchen 
und  gelange  daher  nicht  zum  Selbstbewul^tseiD,  so  ist  dies  eben, 
wie  bemerkt  wurde,  eine  unbewiesene  und  willkürliche  Ver- 
sicherang, die  sndem  einen  Widersprach  enthält,  da,  was  Sub- 
stanz ist,  nicht  sugleich  Erscheinung  einer  andern  Substana 
sein  kann. 

Das  Ich  oder  den  Geist  betrachtet  W.  vor  jeder  äufseren 
Einwirkung  und  dadurch  erfolgenden  Ditit  l  <  u/Jierung  als  ein 
Sein  ohne  Vermögen,  ohne  Thätigkeit  nnu  Erschemung.  In 
dieser  Abhängigkeit  von  fremdem  Sein  liegt  die  Üesehränkt- 
heit  desselben  (S.  143  £).  Der  G^ist  des  Menschen  ist  ein 
beschninktes  Realprincip,  weil  er  för  all  sein  Wirken  auf  fremde 
Einwirkung  angewiesen  ist  Aus  der  Beschränktheit  folgt  die 
Bedingtheit.  i)u rch  den  Differenziierungsprozefs  wird  der 
Geist  Ursache  und  Wirkung  zugleich  (S.  14Ö),  daher  sei  der 


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Zur  Eeligioo»pbil<Mopbie. 


11 


Ansdniek  «MIIM  8ai  relativ  berechtigt.  Jedes  Eealprincip  8ei 
caasa  sui,  sofern  das  sui  auf  die  Erscheinung  gedeutet  werde. 
Hierzu  sei  bemerkt,  dafs  der  Sprachgebrauch  den  Ausdruck  c. 
sui  nur  bezüglich  der  freien  Realprincipien  gestatte:  von  Gott 
aber  könnte  lu  dem  ömue,  Uals  das  sui  aul  i^^räciieiuuDg 
■ich  besiehe,  tberbaupt  niehl  aasgesagc  werden»  da  w  ihm  ein 
Gegenaets  von  Sobstans  und  £noheman|f  nicht  angenoDunen 
werden  darf. 

An  die  Untersuchung  äber  die  Beschränktheil  und  Hedingt- 
heit  de*^  Ich  schliefst  sich  ein  Exkurs  über  Form  und  Materie 
an  (S.  löO  ä'.).  Die  aristotelische  Lehre,  dal's  beide  nnp-eworden 
s*jieü,  hat  W,  völlig  mifsversiauden.  Form  und  Matera  n  tmlich 
als  Principien  der  werdeodeu  und  gewordenen  Dinge  können 
allerdings  nicht  schlechthin  enteteben,  wohl  aber  konunt  ihnen 
Entstehen  beaiebnngsweiee  an,  der  llaterie,  indem  aie  in  und 
mit  den  ersten  geschaffenen  Bingen  geschaffen  wurde,  der  Form 
aber  bei  jeder  Bntstehong  eines  Wesens  durch  Umgestaltung 
den  ^>toffes.  Ferner  schliefst  die  von  Aristoteles  gelehrte  Ewig- 
keit der  Materie  nicht  notwendig  die  Annahme  ein,  dafs  sie 
ungeschaffeu,  durch  sich  selbst  sei;  vielmehr  liegt  es  näher, 
Aristoteleb  ao  zu  vcralehen,  dal's  er  die  Materie  als  ewiges  Pro- 
duki  der  6chüpferiscben  und  bewegenden  Thatigkeit  Goltes  be* 
traebtete.  l^och  gröfseres  Unrecht  geschieht  dem  Stagirtten,  wenn 
ihm  die  Lehre  nntersohoben  wird,  dafs  der  menschliche  »o6g 
dem  Wesen  nach  mit  der  Gottl  it  identisch  sei  (A.  a.  0.).  Es 
geht  dies  schon  aus  dem  Grunde  nicht  an,  weil  Aristoteles  den 
göttlichen  vovg  als  reine  Thatigkeit,  den  menschlichen  aber  als 
reine  Potenz,  bestimmt.  Die  Annahme  der  identitäi  des  Aktuellen 
und  i'ou^uzicileii  aber  widerspricht  allen  Principieu  der  aristoteli- 
schen Metaphysik. 

So  mangelhaft  wie  der  Ifachweis  der  Geistigkeit  der 
Mensohenseele,  welche  in  die  gansheitliche  Substanaialitat  des 
selbstbewnfsten  Ich  gesetzt  wird,  ist  der  für  die  Unsterblich- 
keit der  Seele;  diese  nämlich  wird  ebenfalls  aus  der  im  ^^^elbst- 
bewufstseiii  sich  kundgebenden  Ganzheit  und  Ungeteiltheit  ab- 
geleitet («S.  S3  ff.l  Gibt  sich  >\^'nu,  tragen  wir,  nicht  auch  im 
sinnlichen  Bewur^tsein  ,,üaii/ht.!i  und  Ungeteiltheii"  kuud  ? 
Ist  also  auch  die  Tierseele  unsterblich?  Wenn  nicht,  warum 
die  Meosohenseelc,  ohne  dafs  zur  Ganzheit  und  Ungeteiltbeit 
noch  etwas  anderes,  nämlich  die  Einfachheit  nnd  Immaterialitac 
hinzukommt? 

W.  behauptet,  Gott  könne  den  Geist,  den  er  doch  auch 
nach  seiner  eigenen  Lehre  aus  Nichts  schuf,  nicht  Temichten, 


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12 


was  doch  von  der  absoluten  göttlichen  Macht  nicht  gesagt  werden 
kann  (  S.  H7 und  knüpft  hieran  einen  Auställ  gegen  die  tho- 
miatiftche  Auftasbuog  der  iSchöpfung  und  Erhaltung  (S.  170), 
die  nicht  unbeantwortet  bleibün  darf.  Gegen  die  Lehre  namlich, 
die  Erhaltung  sei  eine  fortgesetzte  Schöpfung,  da  ohne  sie  die 
Dinge  in  lifichto  sarttekfiUlen  wttrden,  wird  eingewendet,  sie 
führet  eroBtUch  genommeo,  &am  Pantheisnins,  indem  dae  Ver- 
bSUnift  der  Geschöpfe  zu  (iott  als  das  der  Erscheinung  zum 
Wesen,  der  Wirkung  zar  Ursache  gesetzt  werde.  Das  letztere, 
erwidern  wir,  ist  richtig.  Wir  frage?)  ?iber,  ob  denn  da»  Xov- 
hältnis  der  iiinge  zu  (xott  nicht  notwendig  als  das  der  Wirkung 
zur  Ursache  bestimuii  wird,  wenn  man  diefc.elben  als  von  doli 
geschaü'eu  betrachtet,  wie  dies  ja  auch  \V.  thut?  Dagegen  ist 
es  etwas  ganz  andere»,  die  Dinge  als  Sracheinungen  Gottes 
zu  besUmmen;  das  letctere  ist  Pantheismos,  nicht  das  erstere^ 
Die  Wirkung  einer  Ursache  ist  weder  notwendig  ein  Accidens 
noch  auch  und  zwar  viel  weniger  notwendig  ein  Accidens  der 
wirkenden  Ursache  selbst.  Geradezu  unverantwortlich  aber  is^t 
es,  wenn  W.  den  hl.  Thomas  zum  Pantheisien  ^«tempcit,  weil  er 
sich  des  Ausdrucks  Emanation  bedient  fS.  171).  Wohin  würdeu 
wir  kommen,  wenn  Worte  für  sich  aiieiu,  ohue  Kücksicbt  aut 
den  Sinn  und  Znswnmenhang,  in  welchem  sie  gebraucht  werden, 
schon  genügten,  um  einem  Autor,  dessen  Lehre  überdies  seit 
Jahrhunderten  der  ausdrücklichen  Approbation  der  Kirche  sich 
erfreut,  den  schwersten  Irrtum  aufsnbtirden?  Die  weiteren 
Äufserungen  Webers  über  die  Thomasencyklika  Leos  des  XIII. 
sowie  die  „grandiose,  verhanrrnisvolle  Verirrung".  in  dio  angeb- 
lich ..der  Kurz-  und  Leichtsinn'"  des  Jesuitismus  die  Kirche  ge- 
stürzt Iiai,  entziehen  sich  der  wissenschaftlichen  Dii;>ku8sioD  und 
verdienen  keine  weitere  Beachtung. 

Derselbe  Mangel  an  wissensohaftUcher  Schärfe  zeigt  sich 
in  der  Behandlung  der  SeelenTormögen.  (S.  95  ff.)  Zwar  werden 
die  Widersprüche  der  Her  hart  sehen  Lehre  in  diesem  Punkte 
treffend  nachgewiesen  und  gezeigt,  dafs  die  Vorstellungen  nicht, 
wie  Uerbart  annimmt.  Kräfte  sind;  die  eigene  Ableitung  der 
angeblichen  drei  Seelen  vermögen  —  Vorstellungs-,  Gefühls-  und 
Willensvermogen,  denen  hinwiederum  eine  Zweiheit  vuu  <  igcnt- 
lichen  beelenvermogeii  —  Ueceptivitat  und  itcaktivität  zu  Grunde 
Hegen  soll,  kann  einen  wissenschaftlichen  Wert  nicht  beanspruchen 
(S.  104).  Bpeoiell  ist  die  Annahme,  der  Geist  Terhalte  sich  im 
Erkennen  rein  aktiv,  unhaltbar,  denn  nicht  nur  im  sinnlichen, 
sondern  auch  im  intellektuellen  Vorstellen  verhält  sich  die  Seele 
insofern  raceptiv,  aU  das  Erkennen,  nicht  wie  das  Begehren  und 


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Znr  Religionspbilosophie.  13 


Wolten  durch  eine  Bewegung  zum  Gegenstände,  sondern  durch 
die  (ideelle)  Aut'oahme  der  Form  desselben  zustande  kommt. 

Ans  der  im  iSelbstbewolhtoero  lu  Tage  tretenden  Kausalität 
wird  weiterhin  die  Freiheit  und  Spontaneität  gefolgert  und  da- 
mit die  wahre  Wurzel  der  Willensfreiheit  in  der  Nator  der 
Vernunft,  die  in  der  Erkenntnis  des  Allgemeinen  einen  allum- 
fassenden Mafsstab  do^  ^^eienden  und  Guten  besitzt  und  dem 
ihr  entsprechenden  Be^enreu  (dem  Willen)  darbietet,  verkannt. 
Das  bei  dieser  (Gelegenheit  (8.  178)  dem  Sophisten  Protagoras 
gespendete  Lob  %%'iirde  befremden,  wenn  wir  nicht  bereits  wüfsteo, 
wie  W.  selbst  das  loh  vor  Norm  aller  Erkenntnis  erbebt,  so 
dab  er  sogar  das  Wesen  Gottes  au  erkennen  vorgibt,  indem 
er  die  Bestimmungen  des  selbstbewnibten  loh  auf  Gottes  Wesen 
ftberträgt. 

4.  Vom  Geistbegriff  hinweg  wenden  wir  un«t  dem  Natur- 
begriff des  Verfassers  zu.  Wie  jener  auf  ilas  .Selbstbewufst- 
sein;  oder  wenn  der  Ausdruck  gestattet  ist,  auf  .las  kategoriale 
Denken,  so  ist  dieser  auf  das  sinnliche  Erkennen  oder,  um  mit 
Günther  und  Weber  zu  reden,  auf  das  begriffliche  Denken  ge- 
gründet (8.  191).  W.  hält  swar  an  der  letsteren  Ansdruoks- 
weise  nioht  fest»  da  er  nicht  allein  wie  auob  Günther  dem  Natur- 
princip  die  vollendete  logische  BcgrifTshilduog-  abspricht,  sondwn 
anch  eine  schematische  Begriff'sbildung,  die  zwischen  der  sinn- 
lichen Vorstclhmp'  iind  dem  log-ischen  Begriff  in  >!or  Mitte  liegen 
und  die  höchste  Leistung  des  I^aturerkcnuens  sem  soll,  nicht 
gelten  läfsL  Desuugeachtet  glaubt  er  an  dem  Ausdruck  „Denken'* 
auch  für  die  sinnliche  Wahrnehmung  und  Vorstellung  festhalten 
nnd  seiner  Auffiissnng  des  Gehirns  als  Subjekt  des  Wahmehmens 
sufolge  Ton  einem  Benken  des  Gehirns  reden  au  dürfen.  Wir 
erseheu  hierin  eine  ungerechtfertigte  Abweichung  iFom  Sprach- 
gebrauch, nach  welchem  nur  das  Erkennen  in  Begriffen,  Urteilen 
nnd  Schlüssen  als  ein  Denken  zu  bezeichnen  ist. 

In  der  Bestimmung  des  Wesens  der  Natur  im  (iegensalz 
zum  Geiste  bedient  sich  der  \  f.  des  an  sieh  vollkommen  richtigen 
Gruudäatzes,  dal's  das  Wesen  den  Erscheinungen  entsprechen 
mtae«  unterlfifbt  es  aber,  von  diesem  Gmndsats  die  konsequente 
Anwendung  auf  die  yersehiedenartigen  Erscheinungen  in  der 
Natur  selbst  zu  machen.  Denn  wenn  der  Dualismus  des  selbst- 
bewufsten  und  des  sinnlichen  Erkennens  auf  einen  wesentUohen 
üntorschied  zwischen  Menschen  und  Tier  zn  schliefsen  zwingt, 
warum  nicht  auch  der  '.v^sentliclie  Unterschied  zwischen  den 
Erscheinungen  des  tierischeu  und  denen  des  ptianzlichen  Lobens 
aut  einen  solchen  von  Tier  und  Pflanze,  und  weiterhin  der 


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14 


Zur  ReligiooBphilosophie. 


wesentliche  Unterschied  zwischen  pflanzlichen  und  unorganischen 
Erscheinungen  auf  eine  substanzielle  Verschiedenheit  den  Organi- 
schen vom  Unorganischen?  Statt  dessen  fafst  W,  in  Abhängigkeit 
von  Günther  wie  dieser  von  Hegel  sofort  die  Natur  aU  ein  ein- 
heitliches Bul>8LimzielIes  Ganzes  und  schreibt  diesem  das,  was  nur 
dem  Tiere  zukommt,  die  Fähigkeit  sinnlichen  Erkennens  zu. 

TrotB  dieser  ideftlistiechen  AnfTasBuog  der  Natar  nis  eines 
ihrem  Wesen  nach  allgemeinen  Seins  bekennt  sich  W.  sn 
dem  Dogma  der  atomistiscben  Konstitution  der  Natur,  in  welcher 
es  andere  Bewegungen  alB  mechanische  nicht  gibt.  (8.  193.) 

Eine  allgemeine  in  den  Gattungen  und  Arten  sich  be- 
sonderude  !Natursubi*ianz .  die  in  Atome  auseinandergeht,  und 
Atome,  die  sich  Reibst  als  Subhlanznn  verhalten  (8.  204),  sind 
widerspruchb volle  Autstelluugeo  *,  denn  wab  sich  als  bubstanz 
rerhält  nnd  in  sich  den  realen  Unterschied  von  Snbstana  und 
Brscheinung  ausprägt,  kann  nach  der  eigenen  Theorie  des  Vfs. 
nicht  Erscheinung  einer  Substanz  sein.  Ferner  enthalten  jene 
beiden  Bestimmnngen  Konzessionen,  die  eine  an  den  Materialismus, 
die  andere  an  den  Pantheitimn-,  welche  den  dualistischen  Bau 
des  Vis.  ernstlich  mit  Einsturz  bedrohen.  Wenn  mecbaniRche 
Bewegungen  m  den  Atomen  dcB  (rohirns  Vorstellnngen,  Gefühle 
und  BegehruDgen  zu  erregen  imstande  sind,  so  wird  die  That- 
sache  des  Selhstbewnfstseins  keinen  sichern  Damm  mehr  gegen 
die  materialistische  Überintung  bilden. 

Das  sensible  Nerrensystem  ist  es,  das  Torstellt,  begehrt 
und  fühlt  (S.  261).  Gegen  die  mechanischen  Eindrücke  auf  das 
Gehirn  reagiert  dieses  durch  Vor8tellungon  fS.  2(52),  Was  kann 
doch  der  Materialist  mehr  verlangen?  Freilich  sei,  wie  jenes 
j^chche,  unbegreiflich,  dies  gelte  aber  von  jedem  Geschehen. 

Wir  fragen:  ist  es  nicht  eben  diese  Unbegreit'lichkeit,  aut 
welche  der  Materialist  sich  zurückzieht,  wenn  er  mit  der  Frage 
bedrängt  wird,  wie  mechanische  Bewegung  in  selbstbewnfetes 
Denken  sich  Ubersetie?  Noch  mehr!  Der  Materialist  ist  in  der 
Lage,  in  der  Selbstbewufstseinstheorie  Webers  die  willkommensten 
Waffen  tür  seine  destruktiven  Lehren  zu  finden.  Er  kann 
nämlich  frfiirPTi,  warum  denn  die  Geistsubfitanz  die  in  ihr  er- 
regten Ilt  \s  t'g^uug^en  wahrnehme,  nicht  aber  das  Atom,  olii^leich 
in  diesem  alle  Voraussetzungen  dntVir  ^ew-eben  sind,  namiich 
die  Difierenzüerung  in  Keceptivitat  und  lieaklivität  sowohl  als 
anch  die  in  Sabstans  nnd  Erscheinnng?  Die  Antwort»  die  W. 
hierauf  allein  an  geben  weifs,  ist  klaglich  genug.  Der  Geist 
nehme  seine  Erscheinungen  wahr,  weil  sie  in  ihm  scharf  ana- 
gepragt  sind,  das  Gehirn  aber  nehme  seine  eigenen  Bewegungen 


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Zor  fieliffioiitphiliMophi«.  15 


nicht  wahr,  bunderu  von  ihm  auegeprägte  Erscheiuuugeu,  die 
Bidit  «eine  Bewegungen  nnd  —  die  primAreii  and  iekundSren 
Qualitäten!  (8.  S47  ff.)  Und  fragt  maD,  warum  das  Gebira  die 

£r«cheinnDgen  als  solche,  die  doch  in  allen  müglichen  Formen, 
als  Bewegungen,  als  Wahrnehmungen  und  als  Qualitäten  in  ihm 
nind,  nicht  wahrnehra«.  so  wird  nns  als  Grund  ano-ofrebrrn,  weil 
in  ihm  der  (iegeogatz  von  Sub^^tanz  nnd  Ersehe munt,^  nicht  zur 
vollen  Darstellung'  komme;  dies  aber  deshalb,  vvtjil  div.  Atome 
des  Gehirns  selbst  zwar  «Substauz,  aber  andererseits  auch  Er- 
acbeinong  einer  tob  ilmen  als  aolchen  Terachiedenen  Substanz, 
eben  der  Ifatoranbatans  aeien. 

Mit  dieser  Wendung  aber  springt  Weber  von  dem  einen 
feindlichen  Boden  auf  einen  andern  noch  gefiibrlichereD,  den  des 
FantheiRmtis  über,  um  nun  von  diesem  seinerseits  der  Inkon- 
sequenz JT^^ziehen  zu  wrrHen.  Du  g-ibst  mir,  '^o  wird  der  Pautheist 
argumentieren,  die  Existenz  einer  ailgemeiuen  bubsianz  zu,  zu 
der  sich  die  Gattungen  und  Arten  als  Besondernngen  und  die 
Individuen  als  Erscheinungen  verhalten.  Du  gibst  ferner  zu, 
daTs  diese  allgemeine  Subetans  auf  Erkenntnis  angelegt  sei  und 
in  ihren  ToUkommeneren  Daaeinsformen  wirklich  aar  Erkenntnis 
der  Erscheinungen  und  Individuen  gelange.  Zugleich  aber  leugnest 
du,  dafs  diese  Bubstanz  es  zur  vollen  Selbsterkenotnis,  zur  £r- 
faspnnfT  ihrer  selbst  als  eines  Realgnmdes  bringen,  also  der 
M  tnisnn  s  als  allumfassendes,  das  menschliche  Selbstbewufstsein 
einnchiielsendes  System,  d.  h.  als  Pantheismus  bestehen  könne. 
Dem  Selbstbewul'stsein  nämlich  könne  nur  eine  individuelle,  nicht 
aber  eme  allgemeine  Subetans  au  Grunde  liegen.  Wie  aber, 
wenn  es  sich  mit  den  selbatbewufsten  6-eistem  wie  mit  den 
Atomen  verhielte,  die  JOßh  deiner  Ansicht  Substauaen,  der 
Differenziierung  in  Boceptivitat  und  I'r Aktivität  ilkhig  und  doch 
angleir-h  Knichteile  ein  und  derselben  bubstanz  sind^ 

Ferner  sprichst  du  deiner  allgemeinen  Natursubstanz  das 
begriflliche  Erkennen  ab,  obgleich  du  sie  als  realen  BegritY,  als 
ein  real  Allgemeines  betrachtest  und  dem  Grundsatz  huldigst, 
dafs  die  Perm  der  Erkenntnis  der  Form  des  Wesens  und  iSeins 
entsprechen  miiaae.  Bemerkst  du  dieaen  Widerspruch  nicht? 
Mit  dem  begrifflichen  Erkennen  aber  wirat  du  auch  daa 
kategoriale  der  Natursubstanz  zugestehen  müssen,  denn  die 
Bildung  eines  allgemeinen  Begriffs  kann  nicht  ohne  ein  Über- 
greifen über  die  Erscheinung  ins  Gebiet  des  Wesens  und  des 
Grundes  geschehen. 

Was  die  letzte  Konsequenz  betrifft,  so  hat  «ich  W.  der- 
selben so  weuig  entzogen,  dafs  er  gerade  in  diesem  Punkte  die 


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16 


Znr  EeU|(ioiuplülo8opbie. 


GüDthenohe  Lehre  reyidieren  zn  müiaen  glaubte,  indem  er  den 

Sinnen  weder  eine  eigentliche  Begriffsbildung  noch  anoh  dio 
Bildung  von  allgemeinen  zwiecheo  der  Eiuzelvorstellung  und 
dem  logischen  Begriff  die  Mitte  haltenden  .Schemata :i  (wie  Kant 
uud  (iüntber  solche  aonahmeQ)  zuerkenui  (S.  210  ff.).  Damit 
ist  Weber  der  Wahrheit  allerdings  um  einen  bedeutenden  Schritt 
naher  gekommen,  hat  aber  sngleich  auch  jede  Berechtigung  zur 
Annahme  einer  nrspränglich  einbeitlioben  und  allgemeinen  Natur* 
BUbstanz  verloren:  eine  Annahme,  die  eben  durch  den  Gegensata 
des  „begrift'lichen''  Denkens,  das  die  Signatur  der  allgemeinen 
Naturfä'ih'-taii/  traf;'*^  nnd  des  ,, ideellen'',  das  der  Natur  dos  selbist- 
bewufsten  Oeisies  entspreche,  motiviert  wurde.  Die  inkunsequenz 
Günthers,  der  die  Hegeische  ^Naturphilosophie  adoptierte,  ihre 
Konsequenzen  für  den  menschlichen  Geist  aber  ablehnen  zu 
können  glaubte,  wird  von  W.  noch  dadurch  vereoharft,  dab  er 
die  Snb^Btena  eines  real  AUgemnnen  beibehalt  und  doch  die 
Intelligibilität  und  davon  unzertrennlidhe  InteUektaalität  desselben 
in  Abrede  stellt. 

Der  von  W.  ^»-emachte  Versuch,  seine  Ansicht  von  der 
Substanzialitat  der  Materie  mit  der  Lehre  Günthers,  der  in  ihr 
nur  eine  Erscheinung  sieht,  zu  vereinbaren,  kuiHinL  über  den 
Widerspruch  nicht  hinauä,  dais  derselben  Substanz  zwei  Daseins- 
weisen  zugeschrieben  werden,  die  eine  vor  der  Differenziierang 
in  die  Atome,  die  andere  in  den  Atomen.  Sind  die  letzteren 
Snbstansen,  so  ist  die  allgemeine  Natursubstanz  nur  logischer 
Gattnngsbegriff,  niobt  aber  ein.real  Allgemeines  im  Sinne  Günthers. 

Wi'ber  ißt  mit  Günther  an  und  für  sich  und  abg-esehen 
von  der  nicht  u^lücklichcn  Begründung  in  vollem  Rechte,  wenn 
er  dem  wesentlichen  Unterschied  des  intellektuellen  Hrkennens 
vom  sinnlichen,  andern  Theorieen  z.  B.  auch  der  Baaders  gegen- 
über, dem  der  Geist  zwar  naturfrei,  nicht  aber  natnrlos  ist, 
und  der  Unabhängigkeit  des  Geistes  von  körperlichen  Organen 
im  Denken  und  Wollen  das  Wort  redet.  Indem  er  aber  die 
weiteren  Weseneunterschiede  von  Tier  und  Pflanze  u.  s.  w. 
lengnet  und  in  dieser  Beziehung  einer  materialistischen  Natur- 
philosophie und  pantheistischen  Metaphysik  die  weitgehendsten 
Konzessionen  macht,  stellt  er  den  Dualismus  a  m  (Jeist  und 
Körper  wieder  in  Frage;  denn  wenn  ein  Komplex  von  Aiomen 
ans  dem  Grunde  die  Erscheinungen  des  Lebens  und  Erkennens 
in  sich  zu  erzeugen  vermag,  weil  in  ihm  eine  einheitliche  Sab- 
stanz  zur  Erscheinung  kommt,  so  ist  der  Pantheismus  allein 
konsequent,  wenn  er  diese  einheitliche  Substanz  zur  vollen  Selbst- 
erfassong  d.  i.  zum  Selbstbewufstsein  durchbrechen  läfst,  nachdem 


^ed  by  CjOOQie 


Zur  ReligioDsphilosophie. 


17 


sie  Hchon  in  der  Pflanze  und  noch  mehr  im  Tiere  die  ersten 
Stuten  der  belbstveririneruug^  erreicht  und  somit  an  den  Tag 
gelejit  hat,  daPH  ihr  Veriinn»ernnf,'-  und  Zersplitterung  in  Atome 
uur  aiö  ^iiLlel  der  Öelbbtverinneruug  dieuen, 

Weber  »acht  die  Annahme  einer  einheitlioben  NatnrsubBtanz 
durch  die  Bemerkung  sn  Btülsen,  dafe  ohne  solche  das  tbat* 
sächliche  Anfeinaoderwirken  der  Körper  nicht  stattfinden  konnte 
(S.  366).  Dabei  spricht  er  von  dnem  Anfeioauderwirken  der 
Atome  und  spendet  Zeller  grofses  Lob  wegen  seiner  Lehre,  daf^ 
d'e  Atome  Erscheinnnpen  einer  einheitlichen  Substanz  ncien,  nur 
aei  dies  nicht,  wie  Zt^ller  meine,  die  Gottheit  selbst,  Konderu  die 
ursprünglich  einheitliche,  in  die  Atome  sich  ditterenziierende 
^^atarsubstanz  (S.  389  £P.)-  Nach  dem  Gesagten  verdient  ent- 
weder Zeller  dieses  Lob  nicht,  da  der  Begriff  einer  allgemeioen 
sich  beisondemden  Substanz  ein  üngedanke  ist,  oder  wenn  jenes 
Lob  begröndet  und  der  Begriff  einer  real  altgeinoiiK  n  und  folglich 
actu  intelligiblen  Substanz  haltbar  ist,  so  erscheint  dor  Tadol. 
die  Gottlicit  an  die  Stolle  der  Natursubstanz  g-csetzl  zu  haben, 
nicht  berLthligt,  da  eine  weseutlich  einheitliche  Substanz  in  der 
Erscheinung^  sich  nicht  verlieren  könnte,  »»onderu,  wie  Zeller  mit 
Hegel  annimiul,  schlief»lich  /.um  Selb^lbewurstsein  gelaugeu 
mfifste.  Diese  ^Möglichkeit  eine«  Anfeioanderwirkens  aber  — 
nicht  der  Atome,  ihren  Begriff  emutlich  genommen,  da  solche 
einer  wirklichen  Bewegung  und  Veränderung  unföhig  wären 
sondern  der  Körper  hat  ihren  Grund  scbltelslich  nicht  in  einer 
Wesens-  und  Substanzeinheit  derselben,  sondern  in  der  gemeinsamen 
stofflichen  Grnndlag'c  oder  der  tlio  Körperwelt  umfassenden 
subftanziellen  Potenzi;i!itttt.  Diese  aber  i^t  nicht  pin  Allgeuieinen 
und  Intelligiblcfe,  suudern  an  sich  zwar  bthLiiiimbartr,  jederzeit 
aber  durch  irgend  eine  Form  bestimmter  realer  Weseosbestandteil 
eines  wirklieben  Körpers. 

In  neue  unanftösliche  Schwierigkeiten  Tcrwickelt  sich  W. 
durch  seine  Theorie  von  den  sensiblen  Qualitäten.  Mit 
Locke  betrachtet  er  dieselben  als  subjektiv,  sieht  sich  aber  durch 
die  uns  bekannte  AbUMtung"  dos  Selbstbewufslseins,  um  nicht  di'> 
Ba^is  seines  Dnalisnius  zu  untergraben,  genötigt,  jene  Qiialiläten 
als  Wahrnt  hniun^sbilder  des  (j(»hirns  zu  begreifen,  die  von  seinen 
cigueu  liewegungeu  verschieden  bind.  Das  (jehirn,  feugL  uns  \V., 
stellt  nicht  wie  der  Geist  die  ihm  inhärent  gewordene  Bewegung 
vor,  da  es  sonst  auch  die  Kategorieen  erkennen  würde,  sondern 
ein  Wahrnebmungttbitd,  das  dem  Qaalitsten  kreis  des  atlicierten 
Sinnes  entspricht.  Also  sind  die  sensiblen  Qualitäten  Energieen 
der  öiune?  Ebensowenig;  denn  in  den  Sinnen  findet  sich  nichts 
Jahrbuch  fOr  PbUotoptile  cte.  VI.  « 


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13  Zur  Religionsphilosopbie. 


aulser  Atomen  und  mechanischcD  Bewegungea.  bind  also  die 
ücnsiblen  Qualiuiteo  weder  iie»chaffenheitoQ  der  Dioge  ducIi 
Bewegungea  des  Gehirns,  so  schweboD  sie  völlig  grundlos  in 
der  Luft. 

Die  sensiblen  Qualitäten  werden  anf  ein  äufseres  Objekt 
bezogen  und  zwar  infolge  der  von  anfoen  kommenden  Anregung 

(ö.  207  tt'.).  Wir  (rapcn:  von  wem  werden  sie  nach  anfscn 
bezogen?  Vom  Gehirn!  Eine  Vorstellung'  nach  aufsen  beziehen 
und  das  Sein  von  ihr  ausHugen,  hoifst  dies  niclit  urteilen?  Also 
urteilt  das  Gehirn,  und  es  wird  ihm  eine  logische  Funktion 
zugeschrieben,  die  nach  W.  selbst  nur  dem  selbstbcwursteu 
Geiste  ankommen  kann.  Ferner:  warum  werden  die  vom  Gehirn 
selbsttbätig  (denn  ein  passives  sei  es  sinnliches  oder  geistiges 
Erkenntnisvermögen  betrachtet  W.  als  bare  Cnmöglichkoit;  er- 
zeugten Wahrnehmungsbilder  nach  aufsen  bezogen?  Weil  sie 
von  anfson  anjj-crept  sind.  Wie  steht  es  dann  mit  dem  Schmerze, 
den  Gelühlen,  Ref^ohrnng-en  u.  s.  w.  ?  Warum  werden  sie  nicht 
nach  aufsen  be/,ofz:on,  da  sie  doch  an<^ero^t  werden?  Das  sinn- 
liche W ah rntihuiuugb vermögen  (nicht  das  Gehirn  als  bolche«*  oder 
die  „Bi^imasse"  des  Gebirns,  die  weder  wabmebmen  noch  vor- 
stellen  kann),  das  in  und  mit  seinen  Organen,  den  peripherischen 
nicht  minder  als  den  centralen  thätig  ist,  braucht  seine  Wahr- 
nehmungen nicht  nach  aufsen  zu  beziehen,  sondern  ist  mit  ihnen, 
wenn  wir  so  f^ag-en  sollen,  von  vorneherein  draufsen,  indoni  eben 
nur  Änfseres  wahrgenommen  wird.  An  dieser  ThaisiK-lif  schei- 
tern denn  auch  die  vorgeblich  nnzwoirt'lharien  Er^a-binsso  der 
physiologischen  Forschung,  derzufolge  Licht,  Farbe,  Ton  etwas 
Subjektives  sein  sollen.  Wenn  W.  hierzu  auch  Bchmerz  und 
Lust  rechnet  (S.  228),  so  bedurfte  es  wahritch  keiner  physio- 
logischen Forschung,  um  zn  wissen,  dafs  Grefiihle  dem  Subjekt, 
nicht  riem  Objekt  angehören.  Gerade  der  Umstand  aber,  dafs 
das  Bewnfstsein  genau  unterscheidet  zwischen  dem,  was  ihm' 
angehört  und  wa'^  niclil,  'sollte  den  Philosophen  zur  äufsersten 
Vorsicht  mahaon  und  ihn  abhalten,  die  Stimme  der  Natur  Lügen 
zu  strafen. 

Das  für  Giiuther  (S.  23G  fl'.)  in  Anspruch  genommene 
Verdienst,  die  notwendige  Verbesserung  der  sensoalistisch- 
skoptischen  Erkenntnistheorie  Humes  vorgenommen  zu  haben, 
indem  er  erkannte,  dafs  der  menschliche  Geist  nicht  allein 
Wahrnehmungen  kombiniere,  sondern  in  den  Kategorieen  zu 
ihnen  einen  neuen  Inhalt  hinznhring-e,  können  wir  nach  dem 
früher  Gesagten  nicht  anerkenruMi;  denn  ein  Ii  inzubringen 
von  realen,  dem  Geiste  angchörigcu  Bestimmungen  zur  äufserea 


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19 


WahrnehmuD^,  ein  Übertragen  der  Katcgorioen  des  Ich  auf 
jeglichen  Denkinhalt  bietet  umaowenigor  eine  Garantie  für  die  Ob* 
jcktivitäl  der  nvS  solche  Wfi^-e  entstehenden  Anffa^suna-  der 
Aulsunwelt,  als  jene  Beetiminungea  'nacli  (iüuther)  nur  individuelle 
Wahrnehmunn^en  des  Ich  an  sich  selbst  sind;  in  welcher  Hinsicht, 
wie  cbentalU  bereite  hervorgehoben  wurde,  sogar  Kaut  durch 
«eine  Unterscheidung  des  reioen  vom  eropiriechen  Bewursteein 
gegen  Günther  im  Vorteil  ist  Der  Skepticiemns  Hnmes  aber 
kann  weder  dnrch  den  Apriorlsmns  Kants  noch  dnrch  die  Be- 
-wnibtseinetfaeorie  GÖnthers,  sondern  allein  durch  die  Kineicht 
überwunden  werden,  dafs  die  Vernnnft  den  intolligiblen  Zu- 
sammenhang- der  Dioge  aus  dienen  selbst,  indem  sie  die  Er- 
scheinungen transcendiert,  herauszulesen  imstaude  ist. 

Wie  dem  Geiste,  bo  werden  auch  dem  Leihe  und  überhaupt 
dem  StoÖe  zwei  Grundvermögen,  Keceptivität  und  Aktivität, 
zugeschrieben,  sn  denen  als  angeblich  abgeleitete  Yennögen  die 
des  Vorstellens,  Ftthlens  und  Begehrens  hhiaakonimen.  Die 
letateren  beiden  werden  als  weBentHch  identisch  mit  dem  Vor- 
stellungsvermögen  betrachtet.  Diese  Identität  sei  jedoch  eine 
solche,  welche  die  specitUche  Diversität  nicht  aus-,  sondern  ein- 
schlielse  (8.  261  tT.),  Diese  Theorie  der  Vermögen  kann  nra- 
soweniger  befriedij^'^en,  als  gar  kein  festes  und  klares  Princip  für 
die  Unteri-cheiduDg  derselben  autjgestellt  worden  ist  Iteceptivität 
und  AktiTÜSt  sind  ontologische  ^stimmnngen,  die  einerseits  (als 
Potenzialität  nnd  Aktnaiitüt)  in  das  Wesen  selbst  hineinspielen, 
anderseits  aber  innerhalb  der  wirklichen  Vermögen  sich  geltend 
machen,  indem  Vorstellen,  Begehren  nnd  Fühlen  keineswegs 
Äufserungeu  ein  und  derselben  Aktivität  oder  Reaktivität  sind, 
sondern  das  VorMellungs vermögen  als  roceptivcs,  das  Begehrungs- 
voruiögen  beziehungsweise  als  aktives  Vermögen  sich  kundgibt, 
während  das  Gefühl  als  selbslandiges  Vermögen  überhaupt  nicht 
betrachtet  werden  kann. 

Beaüglich  des  sinnlichen  Begehrens  macht  der  Vf.  Schopen- 
haner  gegenüber  das  Zugeständnis,  es  stehe  nichts  im  Wege,  es 
aU  Wille  zu  bezeichnen,  weil  es,  wie  der  Wille  des  Geistes, 
ein  sei  es  in  der  Form  des  Gelühls  oder  der  Vorstellung  dem 
Bewufstsein  vorschwebendes  Gut  7:u  erreichen  strebe  (S.  1*72), 
Diese  allerdings  nur  den  Spracligebraucli  berührende  Kunzessioii 
kann  ebensowenig  als  die  Bezoichoung  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmuiij^  durch  „Denken"  gebilligt  werden.  Der  gewohuliche 
Sprachgebraach  gestattet  weder  das  eine  noch  das  andere. 
Wenn  wir  aber  den  Ausdruck  „Wollen'*  selbst  über  das  Gebiet 
des  animalischen  Begehrens  hinaus  anwenden  nnd  Ton  einem 


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20 


Zur  Religioosphilosoptiie. 


Regoenwollen  u.  dgl.  reden,  so  iet  sich  jeder  Vernünftige 
bewufst,  dafs  da»  Wort  im  bildlichen,  nicht  im  eigentlichen  Sinne 

genotuiueii  ibt. 

Tiefer  und  in  einer  \ve*«cntlich  irrtütnliclieu  Auifas;<innfr  liop-t 
der  ürund,  wenn  W.  jede  Art  von  Wirksamkeit  Lebeu  ueuui  und 
wnnch  auch  in  dieser  Uinsiefat  Tom  Spracfagebranehe  abweicht 
(S.  2iji>).  Denn  nach  diesem  apreohen  wir  zwar  den  Pflanxen 
noch  Leben  sn,  nicht  aber  den  unorganiachen  Körpern,  es  sei 
denn  wiederum  im  bildlichen  Sinne.  Den  untersten  Grad  des 
Lebens  nämlich  finden  wir  da,  wo  ein  inneres  Bewegungsziel 
vorhanden  ist,  da»  in  der  Sphäre  des  Individuums  und  der 
Gattung  durch  Emührung,  Wachstum  uud  Erzeugung-  verwirk- 
licht wird.  Der  allgemeine  BegriÜ'  des  Lcbous  aber  ist  dt;r  der 
Selbstbewegung,  d.  i.  einer  Bewegung,  die  in  dem  Bewegten 
ihren  Ausgangs-  nnd  Zieipnnkt  hat  Daher  kann  von  einem 
uniTersalen,  Organisches  nnd  Unorganisches  nmfiissenden  Leben 
nur  anf  pantheistischem  oder  (um  uns  eines  Güntberscben  Lieb- 
lingsausdracks  an  bedienen)  semipantheistischem  Standpunkt 
gesprochen  werden 

5.  Geist  und  iS' Ulli  r,  Seele  und  Leib  sind  im  Menschen 
zu  einer  Einheit  verbunden.  E^  ist  dies  eine  durch  das  He- 
wufstHein  bezeugte  uuuuistöfsliche  Tiiatsache.  Welcher  An  aber 
ist  diese  durch  das  ßewurstsein  bezeugte  Einheit?  Ist  sie 
Einheit  des  Wesen»,  der  Snbstans?  Wenn  ja,  wie  ist  eine 
Wesenseinheit  zweier  wesentlich  von  einander  verschiedener 
Substanzen,  von  denen  jede  ihre  besondem  Vermögen  und  Thätig- 
keiten  besitzt,  möglich? 

Die  Einheit  des  BewuTstoseins  weist  auf  eine  Einheit  des 
Wesens  hin,  nicht  aut  irgend  eine  accidentelle  Vereinigung 
fertiger,  iür  sieh  seiender  Substanzen.  Das  eine  ich  führt  die 
körperlichen  Zustände  ebensowohl  anf  sich  zurück  wie  die 
geistigen  Thätigkeiten  des  Denkens  und  Wollen«.  Dieser  That- 
sache  wird  der  Günthor^Webersche  Dualismas  nicht  gerecht  In 
der  Verschiedenheit  der  Tbattgkeiten  liegt  zwar  ein  hinreichender 
Bew^gmnd,  dem  einen  Ich,  dem  einen  ungeteilten  MensoheU' 
wesen  verschiedene  Vermögen,  geistige,  von  Organen  unab- 
hängige, und  sinnliche,  an  Organe  in  ihrer  Thätigkeit  gebundene, 
zu  unterscheiden.  Dagegen  die  letzteren  aut  eine  selbständige, 
mit  dem  selbstbewui'steu  leb  äufserlich  vereinigte  Substanz  zu- 
rückzuführen, dazu  haben  wir  nicht  allein  keinen  zwingenden 
Grrund,  sondern  es  widerspricht  eine  solche  Annahme  direkt  dem 
Zeugnis  des  Bewurstseins.  Der  Wesensuntersohied  des  Geistigen 
und  Körperlichen,  die  Geistigkeit  der  Mensohenseele  gegenüber 


^ed  by  CjOOQie 


Bl 


dar  Materialilat  «ller  fibrigen  Lebeosformen,  mit  andern  Worten 

der  richtig  rerstandone  Dualismus  von  Geist  und  Natur  wird 
dadurch  in  keiner  Weise  gefahrdeL  Denn  in  der  Annahm^  daCl 
©ine  mit  dein  8toffe  zur  Wowonseinheit  verbundene  g-eistige 
Substanz.  es  nach  der  richtig-en  Ansicht  die  menschliche 

Seele  ist,  zugleich  Princip  geistigör  und  öiunliclier  Kräfte  und 
Veriuögea  sei,  liegt  nicht«  Ungereioites  und  Widersprechendes. 
Wir  hatten  demnach  an  der  anbetonateHen  Einheit  des  Menschen* 
Wesens  nnd  dem  wesentlichen  Unterschied  des  Geistigen  nnd 
Körperlichen  anmal  fest 

Allerdings  bedarf  es,  um  die  Einheit  des  Menschen wesens 
richtig  zu  begreifen,  einer  von  der  Günthorschen  völlig  ver- 
schiedenen Auffa'^sunG-  (\<^a  Stoffes.  Betrachtet  man  denselben 
mit  Günther  als  Erächeiuuug  einer  für  sich  vollkommenen  Sub- 
stanz oder  gar  mit  Weber  als  einen  Komplex  von  Atomen,  so 
kann  die  Vereinigung  mit  der  Geistseele  nur  mehr  als  eine 
zoiSlUge  und  änfserliche  gedacht  werden.  Anderseits  aber  würde 
man  dem  pantheistischen  Monismus  verfallen,  wenn  man  den 
Stoff  als  blofse  Bewufstseinserscheinung  eines  geistigen  Wesens 
auffassen  wollte.  Die  richtige  begriffliche  Bestimmung  des 
Stoffe?  wird  demnach  in  der  Mitte  zwi?schon  diesen  beiden 
Extremen  liegen.  Mit  andern  Worten:  der  Stot!  wird  im  Gegen- 
sätze zur  akluierenden  und  bestimmendeu  Form  als  substaaziale 
Potenz  begriffen  werden  müssen. 

Mit  dieser  Bestimmang  iSllt  xngleich  die  bekannte,  auf  die 
Frage,  wie  Seele  und  Leib  aufeinander  wirken,  sich  erhebende 
Schwierigkeit  hinweg,  die  auf  Weber  mit  yerstarkter  Wucht 
drückt,  da  er  das  Aufeinanderwirken  der  Atome  nur  aus  der 
Einheit  der  Substans,  deren  Teiisubstanzen  sie  seien,  au  erklären 
weifö. 

Die  Möglichkeit  der  Vereinigung  von  Leib  und  Seele,  be- 
hauptet W..  ist  in  erster  Linie  darin  begründet,  dafs  beide 
Substanzen  sind  (S.  ÜOb).  Es  haudnlt  sich  aber  nicht  um  eine 
beliebige  Vereinigung,  sondern  dem  Zeugnis  des  Bewufstseins 
zufolge  um  eine  Vereinigung  au  einem  Wesen  und  einer 
Substanz.  Eine  solche  aber  ist  gerade  zwischen  Substanzen, 
d.  h.  solchen  Realitäten,  von  welchen  jede  fUr  sich  vollendete 
Substanz  ist,  nicht  möglich.  Die  Vereinigung  zweier  oder 
mehrerer  derartiger  Substanzen  könnte  nur  eine  aufscrliche  und 
accidentelle  sein,  wie  etwa  die  des  Körpers  und  der  Kleidung, 
des  Schiflers  und  des  Fahrzougb.  Die  Möglichkeit  einer  orga- 
nischen Verbindung  körperlicher  Atome  setzt,  wie  wir  des  öftem 
remahmen,  nach  Webers  Annahme  die  Einheit  der  Natursubstana 


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22 


voraus.  Dieser  Grund  dürfe  jedoch  nicht  für  die  Vereinigung" 
von  Leib  nnd  Seele  augetührt  werden.  Warum  nicht?  Weil 
ia  diesem  Falle  der  Dualismus  ieden  Halt  vcrloru  uud  die  dünne 
Scheidewand,  die  ihn  vom  Mum»mu»  trenol,  zerrissen  würde! 
So  achwftcb  isfc  dieBor  DuaUsmas  begiündet!  Ks  bleibt  daher 
bei  der  ganz  mchUBagenden  BesttmmuDg,  dafe  Leib  und  Seele 
sich  unmittelbar  berühren  uod  aneinander  gefügt  aeien:  eine 
Voratellung,  die  mit  der  Geisligkeit  der  aelbstbewufsten  Seele 
unvereinbar  ist,  da  sie,  wie  W.  auch  ausdrücklich  einräumt,  die 
Räumlichkeit  der  Seele  vorausBetst»  also  den  Daaliamus  von  einer 
andern  Seite  gefährdet. 

Dieser  Punkt,  das  Verhältnis  des  Bewufj^tseins  zur  Aus- 
dehnung, verdient  eine  beöonderc  Beleuchtung,  da  Wober  gegen 
Zeller  bemttht  tat,  an  aeigen,  dab  nicht  jede  JBeivnretseinB- 
eracheinung  eines  raumUcben  Wesens  unmöglich  sei,  sondern 
nur  das  Selbstbowufstsein  (trotzdem  ist  auch  die  selbBtbewufBto 
Seele  räumlich!).  Gleichwohl  dürfte  Zeller  gegen  Weber  inso- 
fern im  Rechte  sein,  als  ein  ausgedehntes  Wesen  als  solchen 
ohne  eine  einheitliclie  und  einigende  beherrschende  Form  aucli 
nicht  zur  elementarsten  Erkenntniäthatie-keit  eich  zu  erheben 
vermöchte.  Ohne  eiue  oiuiieiiliche  Zusamtueutassung  des  Mannig- 
faltigen iBt  eine  Vorstellung  unmöglich.  Wenn  daher  W.  frägt,^ 
ob  die  vielen  Emp^ndungen  des  Atomkomplezes,  die  beispiela- 
weise  von  einem  Menschen  herrühren,  insofern  sie  nach  aufsen 
an  die  Stelle  des  Raumes,  woher  die  Bewegung  ausging,  bezogen 
werden,  nicht  zu  einer  einheitlichen  Vorstellung  zusammenflicfsen 
müssen,  so  antworten  wir  verneinend,  denn  jedes  Atom  würde 
(falls  es  überhaupt  vorstellen  könnte)  nur  den  Teil  des  Gegen- 
standes, der  auf  es  eingewirkt,  vor.stollen,  ein  (Gesamtbild  aber 
küuute  in  keinem  uud  auch  nicht  m  allen  zusammen  zustande 
kommen,  aufeer  etwa  in  dem  Sione,  in  welchem  man  auch  sagen 
könnte,  dafs  zwei  Menschen,  von  denen  der  eine  das  Dach,  der 
andere  die  übrigen  Teile  eines  Hauses  wahrnimmt,  beide  zn> 
samroen  das  Ganae  sehen.  [Nichtsdestoweniger  ist  sinnliche» 
Bewnfstscin  in  einem  materiellen  Wesen  auf  Grund  der  einheit- 
lichen, die  Materie  überragenden  Fonii  möglich,  dagegen  erfordert 
Selbstbewufstsein  eiue  geistige  Substanz,  von  der  aber  eben  darum 
Räumlichkeit  und  mechanische  Bewegung  ausgeschlossen  äiad. 

Da  Weber  der  Seele  direkte  Räumlichkeit  auschreibt,  so 
wirft  er  auch  die  Frage  nach  dem  Sitae  der  Seele  auf  und 
beantwortet  sie  mit  Bücksicht  auf  den  Einflufs,  den  der  Geist 
auf  die  Vorstellungen  ausübe,  die  er  in  die  der  Sinnlichkeit 
selbst  unmögliche  Form  der  Allgemeinheit  bringe,  dahlo,  dafe 


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Zar  Rdigiomphiloiopbio. 


23 


die  Seele  mit  alten  Molekülen«  in  denen  Vorstellongen  n.  b.  w. 
eotetoben,  verbunden  sein  müsse.  Zu  gansten  einer  beschränkten 

Ge>,'enwart  der  8eele  im  Leibe  wird  anob  die  angeblich  keinem 
Zweifel  mehr  nnterliegende  ADnahme  angerufen,  daf«  die  £m- 

pfindnng'en  nicht  in  den  peripherischen  Binnesorgancn ,  sondorn 
im  Ciehirn  zuslando  kommen.  Die  Thatsacho  der  Bezichimi;  der 
Empfindungen  auf  die  tiulsereü  Sinnesorgane  beruhe  auf  unver- 
meidlichen Illusionen,  die  sich  jedocli  keiueewegs  mit  ilelmholtz 
aas  nnbewnfsten  Schlössen  erklären  liefsen.  Unzweifelhaft  be- 
wiesen ist  nach  nnserem  Dafürhalten  in  dieser  Beaiebong  nur 
die  Kotwendigkeit  einer  vitalen  Verbindung  der  peripherischen 
Sinnesnerven  mit  dem  Gehirn,  koineswegs  aber,  dalk  die  Sensation 
nur  im  Gehirn  stattfinde.  lietrachlet  man  die  Seele  als  Wesens- 
form des  Leibes,  so  hut  die  den  Thatsachen  ontsprechendsto 
Vorstellung'  nicht  die  geringste  Scliwierigkeit,  dafs  in  jeder 
äeii$>ation  Centralorgau  und  periphurisclier  Sinn  zumal  in  Thätig- 
kcit  treten.  (Vgl.  J.  B.  Meyer,  Philoa.  ZeiUragen.  2.  Aull. 
S.  184  ff.) 

6.  Gelingt  es  auf  dem  philosophischen  Standpunkt  Webers 

nicht,  die  Vereinigung  von  Leib  und  Seele  im  Menschen  in 
befriedigender  Weise  zu  bestiomien,  so  gilt  dasselbe  von  der 

Auffassung  de»  Verhältnissos  der  g-eistifren  und  sinn- 
lichen Lebenserbciieinungon  in  der  Einheit  des  selbst- 
bewulsten  I«  h.  im  Auschlufs  an  den  thi'ologischen,  einer  völlig  vor- 
öchiedeucu  ideensphäre  angehörigon  Ausdruck  commuoio  idiomatum 
wird  angenommen,  dafb  Leib  und  Seele  (Geist)  jedes  sein  eigenes 
Leben  föhre,  der  Geist  aber  das  Sein  und  Leben  des  Leibes  in  sein 
SelbstbewnlbtBetn  aufnehme.  Wie  jedooh  der  Geist  fremdes  Sein 
und  Leben  in  das  eigene  Selbstbewufstsein  aufnehmen  könne,  bleibt 
völlig  unfafslich,  und  die  Annahme  selbst  eine  unbewiesene  und 
unbeweisbare  Versicherung'.  Freilich  ist  die  Thatsache  gewifs, 
daf»  (las  eine  Ich  Geistiges  und  Sinnliches  von  sie!«  aussagt, 
eben  dipso  Thatsaehe  aber  ist  mit  deui  Güntherschen  Dualismus 
zweier  ."^ubstaDzeu,  von  denen  jede  ihr  eigenes  Sein  und  Leben 
besitzt»  unvereinbar  und  mufs  aus  ihr  im  Gegenteil  geschlossen 
werden,  dafn  dem  Selbstbewufstsein  ein  einheitliches  Sein  und 
Wesen  au  Grunde  liege.  Wir  sagen:  ein  einheitliches,  nicht 
einfaches;  denn  eine  Mehrheit  (Zweiheit)  von  Wesenskonsti« 
tutiven  mufs  allerdings  angenomraen  werden,  wenn  die  Ver- 
schiedenheit der  {geistigen  und  sinniicluin  Vermögen  aua  dem 
einen  Monschenwesen  begreiflich  geniaciit  werden  soll. 

Zur  couimuuicatio  idiomatum  wird  vor  allem  die  Begrilis- 
bildung  gerechnet,  die  darin  gesucht  wird,  dafs  die  individuellen 


24 


Zur  Religion 'Philosophie. 


siDolichen  VorstelluDgen  durch  den  Goißt  in  die  Form  der 
Allgemeinheit,  d.  i.  des  Begriffs  erhoben  werden.  Kine  nähere 
Darleg'ung  der  Mö«^lichkeit  diese»  Vorgangs  bleibt  uns  W. 
schuldig.  Von  seinem  Meister  (iiinther  aber  weicht  er  darin 
ab|  dal's  er  die  Begrifi'äbilduu^  nicht  aut  dan  Ein^ubeu  de» 
(jeifitw  in  Leben  nnd  Bilden  der  Natur  beschränkt,  eondero  in 
ihm  selbst  die  Anla^  cur  Begriffsbildnng  vorhanden  sein  IStst, 
sofern  in  der  Mannigialtigkoit  seiner  Erscheinungen  und  in 
seiner  kreatUrlicheo  Snbatanzialität  Antrieb  und  Aufforderung  zu 
einer  «olchon  geleg'pn  sei.  Durch  diese  Art  von  Fortbildung 
wird  das  ohnehin  lose  Gofüge  des  Gunthorschou  Dualismus  noch 
mehr  gelooktirt.  Dieser  nämlich  wurde  urspriiugiich  auf  deu 
Gegensatz  des  bcgriillichen  und  „ideellun"  Denkens  aufgebaut, 
dem  die  beiden  Healpnocipieo  der  allgemoineD  Natursubstanz 
und  des  indiTidoeUen  selbstbewttfoten  Geistes  entsprechen  sollten. 
Weon  nnn  schon  Günther  selbst  diesem  Standpunkte  nntreu 
wnrde,  indem  er  den  formellen  Gedanken  des  Allgemeinen  nicht 
der  Jsatur,  sondern  nur  dem  Geiste,  sofum  er  den  Gedanken 
der  Natur  gleichsam  zu  Endo  denkt,  vindicicrt,  so  gilt  dies  noch 
mehr  von  Weber,  in  deswen  AuHassung  der  specifisehe  Unter- 
schied des  Natur-  vorn  ( ii-iHttis^j^cdankon  duich  jene  Annahme 
eines  selbständigen  Aiuriebn  zur  Begrid'sbildung  wieder  aut- 
gehoben wird.  Weber  nähert  sieb  dadurch  wieder  der  Scholastik, 
die  alles  menschliche  Denken  im  Elemente  des  Begriffes  sich 
bewegen  laint,  ohne  jedoch  die  letzten  Xonsequenzen  zu  ziehen 
und  namentlich  der  Einsicht  sich  zu  erschliefsen,  dafs  zwischen 
dem  Denken  der  Kategorioen  und  df^in  begri^FliVhcn  kein  Ges^en- 
sal/  bestehe  und  kein  Grund  ^«.'gcbon  h(!i,  (hn  iuf  einen  Uoter- 
-chied  von  Verstand  und  Vornunlt  auf/.ubaucu,  denn  sind  die 
ivategorieen  etwas  anderes  als  höchste  Gattungsbegritle  und  die 
Begriffe  etwas  anderes  als  konkretere  Bestimmungon  der 
Kategor  ieen? 

Wie  die  Verbindong  geistiger  Erkenntnisvermögen  mit 

sinnlichen  in  dem  einen  Ich  auf  Güntberschem  Standpunkt  eine 
befriedigende  Erklärung  nicht  findet,  so  gilt  dasselbe  von  dem 
Widerstreit  des  Geistwillens  mit  deni  sinnlichen  Begehren  und 
lier  Herrschaft  dos  ersleron  über  Hof^ierden  und  (j(d'iihk'.  Denn 
Gefühle,  die  einem  anderen  We^eu  angeliüreu,  kann  das  endliche 
geistige  Ich  niiumcrmehr  als  die  scinigen  sich  zueignen.  Doch 
(»eben  wir  hiervon  ab  und  fragen  wir  bezüglich  eines  weiteren 
hier  einschlägigen  Lehrpnnkts,  ob  denn  Gott,  wie  Weber  und 
die  Güntherianer  annehmen,  zum  Urheber  der  Sünde  giMnucht 
würde,  wenn  er  den  Kampf  zwischen  GeistwiUen  und  sinnlichem 


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Zur  Beligiootphilosopbie. 


25 


Üegebren  unpriisglieh  gewollt,  baraebungs weise  zugelMsen  hatte. 
Wir  halten  eioen  Bolchen  Schluf«  nicht  fdr  cwiDgead,  denn  der 

Widerstreit  der  Konknpiaceuz  gegen  da8  Gesets  des  Geii^tes  ist 
an  Bich  nicht  ^ünde.  Sünde  igt  nur  die  Zustimmung  dos  Willens 
zum  Begehren  wider  das  Gosetz.  Vielmehr  liegt  in  der  von  W. 
selbst  hervorgehobenen  Bitllichen  Aufgabe  des  Geistes,  das 
GelüsUi  des  „NaturwilloDs"  nach  der  Norm  des  Gcsi;t/o8  zu 
beurteilen  (8.  3ö7},  die  Möglieiikoit  einer  reiu  uatürlichen  Oi  duung, 
in  welcher  die  troll kommene  Harmonie  zwischen  dem  Gesetze  des 
Oeistes  nnd  der  Glieder  nicht  nrsprüngUche  Mitgift,  sondern  eine 
anzustrebende  Autgabe  für  den  Menschen  hätte  sein  sollen. 

7.  In  den  beiden  Fragen  nach  dem  Drsprnng  des 
Menschen  nnd  der  Menschheit  befinden  wir  uns  liäiifiger 
in  der  ang-enehmen  Lage,  un-^ort^  I  hfr^instimmung  mit  den  von 
W.  vertretenen  AüüicUten  ausHprechen  zu  k  innen.  Zwar  müssen 
wir  der  von  W.  gegebenen  üegriffsbestiiijiuuug  der  Zeugung, 
die  mit  seinem  Naturbegriff  zusammenhängt  und  womach  Zeugung 
nicht  Hensetsung  des  Gesengten  dem  Sein,  sondern  nur  der 
Form  nach  sein  soll,  unsere  Zustimmung  versagen;  denn  durch 
Zeugung  entstehen  allerdings  neue  Wesen,  zwar  nicht  aus  Nichts, 
Hoodern  aus  der  Potenz  des  Stoffs,  die  durch  die  Kraft  des  Er- 
zeugers und  seiner  Form  ent!«]ir<'( hond  aktuicrt  wird.  Auch  die 
Begründung  des  an  sich  volikomiuen  walireu  iSatzes,  dals  der 
endliche  Geist  nicht  zeugen  könne,  ersclieint  uns  mir»lungen. 
Denn  selbst  der  von  W.  als  entscheidend  betrachtete  Giuud, 
der  erzengte  Geist  könne  in  der  ToUkommenen  Indifferenz,  in 
der  er  sich  thatsachlich  befinde»  nicht  als  totale  Emanation  des 
Erzengers  hervorgehen,  i^^t  hinfällig  nnd  setzt  die  irrtümliche 
Annahme  voraus,  dafs  ein  Hervorgang  eines  Geistes  aus  einem 
yndern  durch  totale  Emanation  überhaupt  möglirli  sei:  eine 
Annahme,  die  wiederum  von  den  Anbangerü  Günthers  ganz 
widerrechtlich  durch  den  theologi<ichen  Hi'gritf  der  trinitarischen 
Zeugung,  die  nichts  weniger  aU  totale  Emanation  oder  Selbst- 
verdoppelung ist,  gestützt  zu  werden  versucht  wird.  Dagegen 
verdient  unsern  ungeteilten  Beifall  die  Art,  wie  die  Einwendung 
L Otzes,  dafs  die  Kreatianer  die  sittliche  nnd  innige  Bedeutung 
des  Verhältnisses  swischec  Eltern  und  Kindern  durch  Annahme 
einer  blofs  körperlichen  Seite  der  Generation  vernichten,  zurück- 
gewiesen wird  (8,  .'i,')»)  ü.).  Ebenso  anerkennenswert  ist  die 
Zurückhaltinii:,  mit  welcher  die  Frage,  wann  die  einzelne  Seele 
geschaffen  werde,   behand(dt  wird.  halt  es   nämlich  für 

möglich  und  wahrscheinlicli,  daU  die  Ei  Schaffung  alsdann  erst 
stattfinde,  wenn  der  lebensfähige  Keim  zum  menschlichen  Leibe 


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Zur  KeligioDspbilotopbie. 


«ich  ausgebildet  habe.  —  Entsteht  die  einzelne  Monschenseelc  durch 
Schüptuug,  80  gilt  die»  um»omehr  von  den  hceien  der  ersten 
Menschen.  Aber  auch  der  menschliche  lioib  darf  ursprüng-lich 
nicht  ulb  I'rodukt  der  ^Nalurverwirklichuog  gedacht,  werden 
(S.  362).  Zudem  wurde  deoMelben  die  Unsterbliolikeit,  wenn 
auch  als  (juade  yerlioken  (S.  364),  als  eine  Gnade  jedoch,  die 
Gott  dem  ursprünglichen  Menschen  nicht  Tei  tragen  konnte,  sondern 
erteilen  mufste.  Dieses  von  Gott  ausgesagte  Mtissea  aber  sohliefoe 
die  Bestimninng  von  anfscn,  den  Zwang  aus,  sei  also  innere 
J^otwondigkoit,  denn  das  göttliche  Wollen  sei  durchweg  mit  sich 
selbst  Iii  llariuonie  und  irei  von  jeder  Veränderlichkeit  (.^.  4u7). 
liiese  Theorie  von  einer  durch  Gnade  und  doch  notwendig  dem 
menscblicben  Leibe  urspriioglich  Terliehenen  Unsterblichkeit  ist 
weder  theologisch  noch  philosophisch  haltbar.  Die  Unveräoder- 
lichkeit  des  göttlichen  Willens  ist  mit  der  Freiheit  desselben 
wohl  vereinbar  und  zwar  mit  einer  Freiheit,  die  nicht  nur  den 
Zwang,  sondern  auch  die  Notwendigkeit  ausschlielst,  soweit  das 
Wirken  Gottes  nach  aufsen  in  Frage  kommt;  denn  frei  besiimmt 
der  göttliche  Wille  den  Grad  der  Vollkommeuheit  der  \\  eil  im 
allgemeinen  und  der  geschaffenen  Geister  im  besondern.  Der 
Begriü  einer  notwendigen  Gnade  aber  cnlhäll  einen  Widerspruch. 
Mit  Unrecht  schliefst  daher  W.  aus  der  Ihataiohliek«!  Sterb- 
lichkeit des  Leibes  auf  den  ursprünglichen  Fall  des  Menschen. 
Wenigalens  ist  auch  in  diesem  Falle  der  Schlufs  ebensowenig 
ein  Bwingender,  als  da  von  der  thatsächlichen  zttgellosen 
Konkupiaeenz  anf  einen  nrsprünglichcn  Zustand  vollkommener 
Herrschaft  dos  Geistes  geschlossen  wurde.  Wir  stoisen  hier 
wiederholt  auf  jone  Ubergritie  in  theologische  Gebiete,  die  der 
GUulherschen  riuiuäophic  und  Theologie  gleich  verhängoisvoll 
geworden  sind. 

Der  Versuch,  dio  Einheit  des  Menschongeschlcchtes 
zu  begründen,  hängt  zu  sehr  mit  den  wiltkürlichen  Voraus* 
Setzungen  der  Günthersohcn  Spekulation  zusammen,  um  auf  all' 
gemeinen  Beifall  rechnen  zu  können.  Don  ersten  Menschen  läfst 
Weber  in  ursprünglicher  geschlechtlicb'  r  Difl'ercnziicriing  und 
im  vollen  Wachstum  ins  Dasein  treten  und  weist  die  Darwin- 
Häckelsche  Entwicklungätheorie  zurück. 

Redet  W.  der  Erschafiung  des  Menschengeschlechtes  das 
Wort^  so  will  er  dagegen  tou  einer  Erschaffung  der  Tiere  und 
Pflanzen  nichts  wissen  und  polemisiert  gegen  die  Unterscheidung 
einer  eigentlichen  und  uneigentlichen  Schöpfung.  Er  bestrettet 
selbst  die  Möglichkeit  einer  Erschaffung  der  Pflanzenwelt,  da 
nur  die  Ii^atursubstanz,  nicht  aber  ihre  Setzungen  den  Terminus 


uiyiii^ed  by 


2or  fieligiouphilotophie. 


27 


göttlicher  Sohöpfangsthlitigkeit  habe  bilden  können.  Diese 
Begründani^  überhebt  nns  einer  eingehenderen  Widerlegung. 
Wir  unterscheiden  die  Möglichkeit  von  der  Thatsache.  That- 
sSchlich  wurde  die  Pflanzenwelt  aus  den  vorhandenen  unorganischen 
Stoffen  hervorgebracht.  Diese  Hervorbringung-  ist  daher  auch 
nicht  Schöpfung  im  strengen  Sinn;  sie  erforderte  aber  mehr  als 
die  allgemeine  göttliche  Älitwirkuug,  ohne  die  keine  geschöpf- 
liche Kraft  sich  betbätigeo  kann;  denn  eie  besog  eich,  wie  man 
«ch  zuweilen  wohl  ansdriiekt,  auf  einen  Knotenpunkt  dea 
Werdens,  war  Hervorbringnng  einer  specifisch  höheren  Daseins- 
fonn,  die  durch  das  Zasamnienwirken  der  der  Pflanzenwelt 
vorausgeschaffonen  iinorganisolien  Katurkraft*^  nicht  erzeugt 
werden  konnte.  In  diesem  bione  kann  und  mul«*  von  einer 
uneigentlichen  Erschaffung  der  Pflanzen  und  Tiere  geredet  werden, 
weil  sie  nicht  in  strengem  Siuue  Schöpfung  oder  Hervorbriuguug 
aoB  Nichts  ist  Insofern  ist  denn  auch  Polemik  sowie  ihre 
speknlative  Grundlage,  die  Annahme  einer  alle  Naturwesen  mit 
Einschlufs  der  Tiere  als  ihre  Teilsnbstaozen  und  Erscheinungen 
setaenden  Natursubstanz,  ohne  jede  Berechtigung. 

Über  den  Gedanken  einer  Entwicklung  in  Gott,  mit  welchem 
W.  den  voriiegcndfTi  ersten  Band  seines  WcrkcH  schliefst,  haben 
wir  uns  bereits  au^g^  -prorh'^n  und  darin  ein  gefahrlichct»  Element 
crKuunt,  dessen  bich  der  i'uiiihuismus  bedienen  dürfte,  um  den 
künstlichen  Dualismus  der  Güutherscheu  Schule  in  den  Grund- 
festen au  erschüttern. 

SchlieMch  sehen  wir  uns  noch  au  der  Bemerkung  genötigt^ 
(lafs  W.  den  einer  „wissenschaftlichen'*  Begründung  der  Ontologie 
des  Christentums  geziemenden  Ton  nicht  durchweg  festzuhalten 
gcwufst  hat,  Bondcrn  f*\oh  wiederholt  zu  gehäHf?igen  Ausfallen 
irecren  die  katholische  Üirche  fortreifsen  liefs.  \V.  (S.  171.  323» 


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DAS  VERHÄLTNIS  DER  WESENHEIT  Zü  DEM 
DASEIN  IN  DEN  GESCHAFFENEN  DINGEN, 

NACH  DER  LEHRE  DES  HL.  THOMAS 

VON  AQÜJN. 

Von  FR.  GUNDISALV  FELDNER, 
Ord.  Praed. 

IIL 

IHe  Richtigkeit  oder  Wahrheit  der  Lehre  dci  hl.  Thomas, 

Es  iflt  schwer  zu  fassen,  was  F.  Limb,  mit  dieser  Unter- 
eclieidiiDg  eigentlich  sagen  will.  Eine  mit  der  Wesenheit  real 
i dentische  Existenz  im  identischen  und  zugleich  formellen 
8inne  einerseits;  andererseits  aber  eine  mit  der  Wesenheit  real 
identische  Ezistena  im  identischen  Sinne,  das  gleicht  jedenfiills 
der  Sprache  eines  Sophismas*  Wenn  wir  recht  verstehen,  und 
wir  bekennen,  dafo  es  uns  schwer  fällt,  ans  diesem  Satce  einen 
Sinn  heransznfinden,  so  meint  der  Herr  Antor,  es  gebe  nnr  eine 
einzige  Existenz,  die  im  formellen  und  materiellen  Sinne 
(ratione  subjecti)  mit  der  Wesenheit  real  identisch  ist  Das  ist 
die  Lehre  des  hl.  Thomas  und  sämtlicher  Thomisten.  Etwas 
aadcres  wurde  nie  ^^elehrt.  In  Gült  allein  sind  Wesoniieit 
und  Exibtcnz  formell  und  niat(;rioll  identisch ;  in  ^len  Kreaturen 
sind  sie  es  nur  materiell  uJor  ratiom;  subjecti  in  quo 
txistontia  est.  Welelier  Thomist  hat  die«  je  bestrillen?  P.  Limb, 
hingegen  betont  in  seiner  Hroschüre  ununterbrochen,  die  Wesen- 
heit sei  real  identisch  mit  der  Existenz.  Die  Existenz  ist  die 
Aktualität  der  "Wesenheit,  und  die  Aktualität  der  Wesenheit  ist 
die  aktuelle  W'esenlu  it ;  also  ist  die  Existenz  die  Wesenheit: 
das  ist  der  ständige  Refrain  des  Herrn  Aators.  Wenn  der  Herr 
Autor  damit  nur  die  materielle  Identität  im  Auge  hat,  warum 
spricht  er  dann  nicht  klarer?  Wir  wiederholen  noch  einmal: 
liie  materielle  Identität  hat  weder  S.  Thomas,  noch  ein  Thomist 


Das  Verhältnis  der  Wesenheit      dem  Dasein  etc. 


je  geleugnet.  Andererseits  aber  steht  der  Satz  des  P.  Limb., 
in  den  Geschöpfen  seien  Wesenheit  und  Existenz  nur  materieU^ 
niohi  formell  ideBtieob,  im  offenen  Widerspräche  mit  dem 
Inhalte  der  gansen  Broschüre.  Denn  dieser  Inhalt  bestreitet» 
dab  die  Existens  in  der  Wesenheit^  als  dem  Sabjekte,  sei.  Sie 
sei  TOB  einem  andern  (ab  alio),  nicht  aber  in  einem  andern  (in 
alio).  Hier  erklärt  der  Herr  Antor,  sie  sei  mit  der  Weeenheit 
materiell  identisch.  Materiell  identisch  istnnn  aber  dasjenige, 
was  in  einem  andern  als  seinem  Subjekte  ist  nad  infolge- 
dessen Ton  diesem  Subjekte  ausgesagt  wird.  Jedes  Prädikat 
mul's  mit  dem  Subjekte,  von  dem  es  ausgesagt  wird,  in  irgeml 
einer  Weise  identisch  sein.  Wie  kann  diu  Existenz  des  Ge- 
schöpfes vou  der  Wesenheit  desselben  ausgesagt  werden,  wenn 
sie  mit  derpelbcn  nicht  formell,  sondern  nur  iuat<;riell  iden- 
tisch ist  und  dennoch  eicii  nicht  in  der  Wesenheit,  als  ihrem 
Subjekte,  findet?  Formell,  gest<iht  P.  Limb.,  sind  Weseniieit 
und  Sein  nur  in  Gott  identisch,  materiell,  rationo  subjecti,  auch 
in  den  Kreatarea.  Wir  sind  vollkommeQ  derselben  Ansicht  wie 
der  Herr  Autor.  Allein,  wie  yerträgt  sich  mit  dieser  Behanp- 
tnog  der  Tirtnelle  Unterschied  swiscben  beiden?  Die  Bzistenz 
soll  in  der  Wesenheit^  als  ihrem  Subjekte,  —  denn  das  besagt 
die  materielle  Identität,  —  und  doch  wiederum  mit  dem  Sub* 
jekte  real  identisch,  d.  b.  das  Subjekt  sein.  Eine  solche  Doktrin 
ist  uns  nicht  verständlich  und  widerspricht  der  allgemeinen 
Lehre  der  Scholastiker  von  der  formellen  und  materiellen 
Identität  Die  reale  Identität  der  Existenz  mit  dem  Subjekte 
selber  ist  ja  nichts  anderes  uis  die  lorraelle  Identität.  Dieser 
entsprechend  i^t  die  Existenz  nicht  iu  der  Wesenheit,  sondern 
ist  diese  letzit  rc  selber. 

Ferner  schreibt  P.  Limb,  au  derbelben  Stelle  —  wir  miisscn 
den  Text  um  seines  Inhaltes  willen,  im  Oriiriiiale  wiedergebt':» 
—  folgendes:  Existentia,  ut  existenlia  uon  paLitur  divcrsitiitcni 
scilicet  abstracto  et  in  ordine  ideali  concepta:  concedo; 
concreto  et  in  ordine  reali  spectata:  nego.  Hinc  S.  Thomas; 
„esse  inqnantum  esse  non  potest  esse  diversum/'  „sicut,  aic 
Ferrariensis,  nec  homo  inqnantum  homo  diversificatur."  Sed 


■30  Das  TerbiltDis  der  Wesenheit  sn  dem  Dssein  etc. 


«xistentia  „ralione  diversaram  nainrarum  in  quibua  est,"  titiqne 
„distinctu  est",  quoniuin  reapse  est  ipsa  natura  in  oidiau  rtali 
posita^  sicnt  et  houio  „diversificatur"  ratione  diversorum  indivi- 
duoriim,  Quia  enim  individna  sunt  „praeter  esse"  hominis, 
inquantura  etst  homo.  ideo  ratione  iudividiioriim  „diversificatur**, 
et  sie  esHc  ,,potest  diversificari,  perg-it  S.  Thomas,  per  aliquod, 
quod  est  praeter  esae,  sicut  esse  iapidis  est  aliud  ab  esse 
hominis",  „propter  aliam  efc  aliam  scilicet  oaturam  bominis  et 
lapidis",  addit  Fcrrariensis.  Sicut  igitur  negari  üon  potest 
^hominem  inquantum  bomo"  est  „diversificari"  per  individna, 
qniboflonm  re  ipsa  idem  est,  ita  negari  nequit,  existentiam  „ratione 
oseeotiae"  „diyersificari"  qnacttm  re  ipsa  idem  est;  qninimo  prae- 
sertim  ob  hano  causam  existentiae  necessario  dtstiogauntur  eadem 
ratione,  qoa  essentiae  distingunntar,  ut  et  homines  eadem  ratione 
distingnuntur,  qua  individna  distinguuntnr.  Ergo  qaia  existentia 
in  rebus  creatis  est  realiter  ipsauet  earnm  essentia,  existentia 
necessario  ronltiplicaturi  non  qnidem  „ratione  snl"  sive  ratione 
ipsius  esso,  quatenus  est  commnne  et  abstractum,  sed  „ratione 
adjuncti"  i.  e.  ratione  t^jiis,  quod  est.  lla  honiu  quoque,  quiu 
in  rebus  ipsi«  est  realiter  Plato  vcl  iSocratcs  ( erte  mnltiplicatur, 
non  quidem  ratione  sui.  quatenus  est  homo  nivc  abstnictum, 
^ed  ratione  individui  i?ive  ejus,  quod  est.  Quod  tjuidem  respon- 
sum  assumtuui  est  ex  citato  S.  Thomae  loco  atque  ex  supradictis 
ad  fatim  liquet. 

Die  abstrakte  Existenz  und  jene  in  der  ideellen  Ordnung 
kennt  keinen  Unterscbied,  wohl  aber  die  konkrete  und  jene  in 
der  realen  Ordnung,  so  lehrt,  meint  also  P.  Limb.,  der  heil. 
l?homas  an  der  Yorhin  von  uns  angeführten  Stelle.  Der  engliscbe 
Lehrer  weist  an  jener  Stelle  nach,  dals  die  Engel,  obgleich 
specifisch  ToUkommene  für  sieh  bestehende  Substansen,  dennoch 
an  Einfachheit  Gott  nicht  gleich  kommen.  Der  Beweis  des 
Doctor  Angelicus  lautet:  die  Engel  kommen  Gott  nicht  gleich, 
denn  sie  sind  ausammengesetst,  weil  in  ihnen  das  Sein  (esse) 
nicht  identisch  ist  mit  der  snbsistenten  Substanz.  Von  welchem 
Sein  spricht  hier  S.  Thomas?  Vom  abf»trakten?  vom  Sein  in 
der  ideellen  Ordnung?    Der  Doctor  Angelicus  s^agt,  das  Sein 


^ed  by  CjOOQie 


Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


31 


sei  in  ihnen  niciit  identisch  mit  dem  „quod  est".  Sind  die 
ÜSngel  vielleicht  zusammengesetzt  aus  der  subsistentcn  Substaoz 
«md  der  abstrakten  Existenz?  Oder  aus  der  Substanz  in  der 
realen  und  dem  Beiti  lu  der  ideellen  Ordnung?  Wenn  S.  Thomas 
bemerkt,  das  Sein  als  solches  sei  Gott  nicht  eigentümlich, 
denn  anch  die  Kreaturen  existieren,  spricht  dann  der  Heilige 
vom  abstrakten  Sein,  oder  von  dem  Sein  in  ordine  reali?  Was  ist 
die  Existenz?  Das  AUervoUkommonst«,  antwortet  S.  Thomas. 
Ist  sie  dies  als  abstrakte  und  in  ordine  ideali?.  Die  konkrete 
Existenz  unterscheidet  sich,  lehrt  P.  Limb.  Allein  wiedemm 
müssen  wir  fragen,  als  Existens  oder  die  Existenz  als  solche? 
Wodurch  unterscheidet  sich  in  der  realen  Ordnnng  und  in 
concreto  das  AllerTollkommenste  vom  AllorvoUkümmunstea? 
Der  hl.  Thomas  sagt  ja  ausdrücklich,  das  Öein  sei  Gott  eigen- 
tümlich, insofern  es  io  ihm  ohne  Beimischung",  ohne  Potcntialitnt 
sich  findet,  in  den  Kreaturen  aber  sei  os  gemischt  mit  einer 
Fotentialität.  Und  es  sind,  wie  schon  ^'csagt,  die  existierenden, 
nicht  die  möglichen  Dinge,  oder  nicht  die  Kreaturen,  bevor  sie 
existieren,  von  denen  der  englische  Lehrer  hier  spricht,  in  dem 
Zustande  der  Möglichkeit  Bind  »ie  nicht  gemischt  mit  dem  Akte, 
dieser  fehlt  ihnen  ja  gerade*  Wie  haben  wir  uns  demnach  diese 
Mischung,  diese  Zusammensetzung  zu  denken?  Etwa  so,  dafs 
die  Existenz  selber  halb  Potenz,  halb  Akt  sei?  Keineswegs. 
Dies  ist  undenkbar,  denn  dem  Sein  kommt  es  seiner  ganzen 
Natur  nach  zu,  Akt,  nicht  aber  Potenz  zu  sein.  Überdies  wäre 
es  dann  nicht  das  AllerTollkommenste  und  könnte  der  Wesenheit 
nicht  die  letzte  Vollkomnenbeit  Terleihen.  Und  doch  vermuten 
wir,  genmfb  der  Theorie  des  P.  Limb,  die  Sache  nicht  anders 
aufzufassen.  Entweder  ist  die  Kreatur  reiner  Akt,  actus  purus; 
oder  es  findet  sich  et  was  im  GeBchöpte  neben  der  Existenz, 
das  sich  als  Potenz  erweist.  Dies  verwirtt  der  Herr  Autor, 
weil  nach  seiner  Ansicht  jeder  sich  selber  widerspricht,  der  eine 
Piibjektive  Potenz  anerkennt.  Folglich  bleibt  nichts  übrig  als 
die  Existenz,  die  halb  Potenz,  halb  Akt  sein  muff.  Zwischen 
actus  purus,  oder  dem  realen  linterschiede  der  Wesenheit  uod 
Existenz,  oder  einem  Monstrum,  das  in  sich  selber  halb  Potenz, 


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Da»  Verbiltnis  der  Wetenlaeit  xa  dem  Dasein  etc. 


halb  Akt  ist,  haben  wir  in  dieser  ADgelegeDheit  unsere  Wahl 
zu  treliun.  i>a  das  erste  immu|;lich,  das  letzte  undenkbar  ist, 
80  folg't,  dafs  das  Hein  als  solches,  das  reale,  konkrete  Sein, 
davon  ist  die  Rede,  in  sich  selber  nicht  verschieden  ist,  wohl 
aber  UDterscbieden  werden  kann  durch  etwaH,  was  aufserhalb 
des  Seins  liegt,  also  real  von  ihm  unterschieden  ist,  nÜmlich 
dnroh  die  Wesenheit  Biese  Wesenheit  ist  die  Potentialität, 
welche  mit  dem  Akte  verbundeii,  alao  dem  Sein  beigemischt 
wird.  Darum  ist  jedes  Geschöpf  ansammeogesetzt  aus  Wesenheit 
und  Existenz.  Darum  unteracfaetdet  sich  das  Sein  in  den  Cre- 
sohöpfen,  weil  es  mit  gröfserer  oder  geringerer  Poteotialität 
gemischt  ist.  Daher  ist  nur  Gott  actus  purus,  denn  in  Gott  ist 
das  Sein  nicht  mit  Potentialität  gemischt»  Gottes  Wesenheit  ist 
nicht  Potenz,  sondern  Akt,  real  ideotisob  mit  dem  Sein.  Daher 
sagen  manche,  bemerkt  der  hl.  Thomas,  Gott  habe  keine 
Wesenheit  Gott  ist  vielmehr  die  Wesenheit,  gleichwie  Er  das 
Sein  ist.  Das  Geschopt  li.u^'egun  liaL  eine  Wesenheit  und  hat 
eine  Existenz.  Folglich  ist  es  zusainraeugesclüt  aus  Wesenheit, 
als  der  Potenz,  und  aus  dem  Sein,  als  dem  Akte.  Die  Existenz 
für  sich  ist  einlach,  sowohl  in  den  aus  Materie  und  Form  be- 
stehenden Dingen,  wie  auch  in  den  snbsistenten  Substanzen. 
Demnach  kann  sie  schon  aus  diesem  (irunde  nicht  halb  Potenz 
und  halb  Akt  sein.  Ein  Einlaches  kann  niemals  kontradiktorische 
Gegensätze,  wie  Potenz  und  Akt  es  thatsachlich  sind,  in  sich 
vereinigen.  Das  eine  kann  nicht  das  andere  konstituieren.  Dies 
würde  aber  in  der  Wirklichkeit  eintreffen,  wären  Wesenheit  nod 
Existenz  der  Kreatur  im  formellen  Sinne  real  identisch,  oder 
es  bestände  de  fiwto  nichts  als  der  actus  purus.  „Dies  ist  nicht 
der  Fall/'  erwidert  uns  P.  Limb.^  ,jegliche  Kreatur  ist  vielmehr 
in  mannigfacher  Weise  zusammengesetzt,  nämlich:  physisch 
aus  dem  Subjekte  und  den  Aceidenzen;  logisch  aus 
Natur  und  Hypostase,  Potenz  und  Akt**  Der  Herr  Autor  Ter- 
gifst,  dafs  diese  Zusammensetzungen  diejeuige  ans  der  Wesenheil 
uud  dem  Seiu ,   uU   zwei  real   uuterschiedeuen  Teilen,  zur 


'  1.  c.  Seite  46. 


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Dm  VerhAltnis  der  Wesenheit  so  dem  Dasein  eCc 


33 


uotweudigen  Voraussetzung,'  haben.  Sind  Wesenheit  und  Kxisteoz 
real  identisch,  so  ist  die  geschaffene  existente  Wesenheit  physisch 
eiutach.  2s un  lautet  ein  Gruudhatz  der  ^Scholastiker:  das  Ein- 
Cache könne  nicht  Subjekt  sein.^  Der  hl.  Thomas  bemerkt 
zu  diesem  Cirundsatze,  er  sei  vollkommen  richtig  in  Bezug  auf  jene 
Form  resp.  Wesenheit,  die  in  jeder  Beziehung  einlach  ist.^  „Der 
Begrifi'  der  Form  steht  im  Gegensatz  zum  Begrifie  des  Subjekten. 
Denn  jede  form  als  solche  ist  Akt;  jedes  Subjekt  aber  verhält 
t^icb  zu  dem,  dessen  Subjekt  ee  is^  wie  die  Ifotenz  zu  dem  Akte. 
Jene  Form  also,  die  nur  Akt  iet,  wie  die  göttliche,  kann  in 
keiner  Weise  Sabjekt  sein  . . .  Die  geistigen  Substanzen  aber, 
obgleich  eubsistente  Formen,  sind  in  der  Potenz,  insofern  sie  ein 
endliches,  beschränktes  Sein  haben."^  ^Wenn  Boethins  Tom 
Subjekte  bezäglioh  irgendeines  beliebigen  Aooidens  spricht  (nnlla 
forma  simplex  potest  esse  snbjeotam),  so  ist  dies  ron  jener  Form 
richtig,  die  derart  einfkoh,  dafssieanch  ihre  eigene  Existenz 
ist  (quod  etiam  est  suum  esse),  wie  Gott  Eine  solche  Einfach- 
heit aber  iindet  sich  weder  in  der  .Seele  noch  im  Engel."  — 
Aus  dieser  Stelle  des  cnglischcu  Lehrers  geht  hervor,  dal's  jode 
andere  Zusammensetzung  sich  auf  die  Zusammensetzung  aus 
Wesenheit  und  Dasein  stüzt.  Sind  diese  beiden  real  idi  ntiRch, 
wie  z.  B.  in  Gott,  «o  kann  die  Wesenheit  niemals  Subjekt  suiu, 
im  Verhältnisse  der  i'otenz  stehen,  lolglich  niemals  irgendeine 
Zusammensetzung  eingehen.  Der  virtuelle  Unterschied  genügt 
nich^  denn  im  nächsten  Artikel  werden  wir  beweisen,  dafs  dieser 
auch  in  Gott  angenommen  werden  mulb.  P.  Limb,  kann  also, 
den  realen  Unterschied  zwischen  Wesenheit  und  Existenz  der 
Kreatur  leugnend,  der  Folgerung  nicht  entgehen,  dafs  die 
Kreatur  dann  actus  purns  sein  mnih,  gleichwie  Gott  actus 
purus  ist  Der  Tirtuelle  Unterschied  ändert  an  der  Sache  nichts, 
denn  in  der  Wirklichkeit,  de  ftcto,  d.  h.  unabhängig  tou  unserm 
Denken  ist  und  bleibt  das  GresckÖpf  actus  purns.  Wer  wider- 

>  1.  p.  q.  50.  a.  2.  obj.  2.  —  de  spirit.  creat.  a.  1.  obj.  1.  —  de 
anima.  a.  6.  obj.  1.  —  1.  dist.  8.  q.  5.  a.  2.  obj.  4.  '  de  spirit.  creat. 
a.  1.  ad  lam.      B  cfr.  de  anima  a.  6.  ad  lum.      *  1.  diät  8.  q.  ö.  a. 

2.  ad  4nm. 

Jaiirüucli  für  Fhilosoiibie  otu.  Vi.  8 


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34  Du  Terhiltnii  der  Wesenhdt  m  d«m  Daseiii  etc. 


spricht  sich  dauü,  derjenige,  der  die  Wesenheit  als  subjoktivo 
PotcDz  verteidigt,  durch  die.  real  unterschieden,  mit  der  Existenz 
ein  Geschöpf  zusaiuiuengePcizt  wird,  oder  derjenige,  der  diese 
subjektive  i'otenz  bestreitet  und  trotzdem  behauptet,  das  Cre- 
Bchöpf  sei  nicht  actus  purus? 

Ferner  schreibt  P.  Limb,  an  der  früher  von  uns  im  Originale 
aagefährten  Stelle,  die  Existenz  sei  unterschieden  „ratione 
diversamm  natnnurom  in  quibus  est,"  denn  sie  sei  in  der  Wirk- 
lichkeit die  Natur  selber,  in  die  reale  Ordnung  gesetst  —  Wie 
harmonieren  die  Begriffe  in  diesem  Satse:  „die  Exiatens  onter- 
scheidet  sich  yennoge  der  Tersebiedenen  Naturen,  in  denen  sie 
ist»  denn  die  Exiatens  ist  die  Natur  selber"?  Kann  denn  etwas 
in  sieb  selber  sein  und  sich  eben  dadurch  unterscheiden,  dafls  es  in 
sieb  selber  ist?  Sine  solebe  Tbeone  ist  der  Philosophie  unbe- 
kannt „Inesse"  bedeutet  immer  und  überall  in  einem  Andern» 
als  dem  Subjekte,  sein,  ausgenommen  es  wftrde  damit  ein  Drittes 
zusammengesetzt.  Wie  soll  also  die  Existenz  in  den  Terscbie- 
denen  Naturen  sein  und  doch  zugleich  diese  Naturen  selber 
ausmachen?^  Zudem  gesteht  der  Herr  Antor  hier  wiederum  zu, 
dafs  die  Existenz  in  den  Naturen  bei,  was  er  friiher  beharrlich 
geleugnet  hat.  —  P.  Limb,  bringt  einen  Vergleich  und  sagt: 
auch  der  Mensch  unterscheidet  sich  vermöge  der  verschiedenen 
Individuen.  Weil  nämlich  die  Individuen  „aufserljalb  des  Seins" 
des  MenscbeD,  insofern  er  Mensch  ist»  sind,  deshalb  unterscheidet 
er  sich  vermöge  der  Individuen,  und  so,  fahrt  S.  Thomas  fort, 
kann  das  Sein  „Tersebieden  werden"  durch  etwas,  was  anlser 
„dem  Sein"  ist,  gleicbwie  das  Sein  des  Steines  ein  anderes  ist 
als  das  Sein  des  Menschen,  namlioh  wegen  der  anderen  Natur 
des  Kensoben  und  Steines,  fugt  Ferrariensis  bei.  Wie  man  also 
nicht  leugnen  kann,  »,da(h  der  Mensch,  insofern  er  Mensch  ist*', 
durch  die  Individuen  „Tersebieden  werde",  mit  denen  er  der 
Sache  nach  identisch  ist,  so  kann  man  auch  nicht  bestreiten, 
dals  die  Szisteas  „vermöge  der  Wesenheit"  sich  unterscheide, 
mit  welcher  sie  jedoch  der  Sache  nach  identtscb  i«t.** 

'  Gott  allein  ist  in  sich  selber,  und  dadurch  unterscheidet  er  sich 
von  allen  Andern.  <^uodl.  7.  a.  1.  ad  l^*". 


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Das  Verb&ltnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  35 


Diesa  Argumentation  beruht  auf  einer  Unrichtigkeit,  näoilich, 
dafs  in  den  (resoböpfen  Wesenheit  und  Suppositum  real  iden- 
tisch seien.  Der  hl.  Thomas  lehrt:^  „In  oreatnris  essentia 
realiter  differt  a  supposito-,  et  ideo  nnllus  actna  proprio  de 
eseentia  praedicatnr  nisi  canaaliter".  Da  8.  Thomas  hier  seine 
Sentens  auf  alle  Geschöpfe  ausgedehnt  wissen  will,  andererseits 
an  vielen  Stellen  behauptet,  im  Engel  seien  Katnr  und  Snppositnm 
nicht  real,  sondern  nur  unserm  Verstände  nach  nnterschieden, 
so  müssen  wir  naher  auf  die  Sache  eingehen.  Bas  Suppositam 
und  die  Natur  können  in  swetlhcher  Weise  betrachtet  werden. 
Zunächst  nur  bezüglich  def  konstitutiven  Principien  beider.  80 
aufgefafst,  lehrt  8.  Thomas  stets,  dafs  in  den  materiellen  Dingen 
Natur  und  "Wesenheit  sich  real  unterscheiden.  Denn  in  diesen 
matcriollen  Dingen  wird  das  Öuppositurn  1  onstituiuiL  und  indi- 
vidualisiert durch  die  singulare  Materie  (ruateria  signata),  die 
jedoch  nicht  zur  Q,uiddität,  Natur  oder  Wesenheit  gehört,  indem 
sie  nicht  in  der  Definition  der  Wesenheit  eingcBchlossen  ist.  Die 
Definition  eines  Dinges  aber  bezeichnet  dessen  Wesenheit  oder 
Natur,  in  den  Engeln  hingegen  wird  das  Suppositum  nicht 
durch  ,,ein  Anderes"  konstituiert,  sondern  die  Wesenheit  selbeTi 
die  Natur  der  Engel  ist  durch  sich  selber  individuell.  Damm 
sind  Wesenheit  und  Suppositum  der  Engel ,  in  der  ersten  Be- 
deutung genommen  y  real  identisch  und  unterscheiden  sich  nur 
unserm  Verstände  nach.  —  Unter  Suppositum  versteht  indessen 
8,  Thomas  noch  etwas  Anderes  als  die  indiTiduellen  kon- 
stitutiven Frincipien.  In  diesem  Sinne  bedeutet  Natur  nur 
dasjenige,  was  durch  die  Definition  ausgedrückt  wird,  das 
Suppositum  erfafet  alles,  was  in  der  Sache  selber  thatsächlieh 
ist*  jyRatio  personae  est,  quod  sit  subsistens  distinotum,  et 
omni 8  eomprehendens,  quae  in  re  sunt  Natura  autem  essen- 
tialia tautum  comprehendit."  Da  nun  im  existenten  Geschöpfe 
vieles  sich  findet,  was  nicht  zur  Wesenheit  gehört,  wie  z.  B. 
die  Existenz,  die  Accidenzen,  so  ist  zwischen  der  Wesenheit 
und  dem  Suppositum  eines  jeden  Geschöpfes  ein  realer  üuter- 


»  1.  dist.  6.  q.  1.  a.  X,     *  cfr.  8.  di«t.  5.  q.  1.  «.  8. 


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36  Das  Verhtiitais  der  Wesenheit  su  dem  Dasein  etc. 


Bcbied.  In  Gott  allein  ist  dieser  Unterschied  nur  gemäfs  unserer 
Auffassung,  oder  virtuell,  denn  Gott  hat  kein  Accidens  und  seine 
jSxisteos  ist  real  identisch  mit  der  Wesenheit  oder  Natur.  Daher 
ist  das  Snppositam  in  dieser  zweiten  Bedentang  in  ihm  real 
identisch  mit  seiner  Wesenheit  In  den  materiellen  Kreaturen 
nntefscheidet  sich  also  das  Snppositnm  von  der  Wesenheit 
doppelt:  nämlich  sachlich  und  dem  Verstände  nach.  Sachlich 
in  Bweifaoher  Weise,  innerlich  und  anfserlich.  Innerlich,  weil 
das  8uppo8itum  etwas  wesentlich  innerlich  in  sich  schliefoty 
die  indiTidualiaierenden  Principien,  die  in  der  Wesenheit  nicht 
enthalten  sind.  Aufserlieh  aber,  weil  das  ouppositum  etwas 
Kealos  äufserlich  in  sich  begreift,  die  Existenz  und  die  andcra 
Accidenzen,  die  nicht  zum  Öujipositum,  in  der  ersten  Bedeutung, 
aber  auch  nicht  zur  Wesenheit  gehören.  .Sie  gehören  jedoch  zum 
Suppositum  im  /.weiten  Sinne.  Überdies  ist  der  Unterschied  gemärs 
unserer  Auft'asHuug  vorhanden.  In  den  Kngoln  unterscheidet  sich 
das  Buppositura  von  der  Wesenheit  nur  zweitacli:  äufserlich  und 
zugleich  real,  innerlich  aber  unserm  Verstände  nach.  Innerlich,  oder 
das  Suppositum  in  erster  Bedeutung  genommen,  ist  real  identisch 
mit  der  Wesenheit,  der  Unterschied  ist  nur  ein  virtueller. 
Äurserlich  hingegen,  oder  das  Suppositum  in  zweiter  Bedeatang 
nnterscheidet  sich  Ton  der  Wesenheit  real,  denn  Existenz  nnd 
Wesenheit,  Ezistens  nnd  Snppositnm  sind  in  jeder  Kreatnr 
real  nnterschieden.  In  Gott  endlich  ist  nur  Ein  Unterschied: 
nnserm  Verstände  nach,  denn  die  göttliche  Katar  ist  durch  sich 
selber  individnell,  wie  die  des  Engels,  nnd  überdies  noch  durch 
sich  selber,  nicht  durch  etwas  Hinzugetiic^tes  existent 

Da  nun  S.  Thomas  einerseits  behauptet,  in  den  Kreaturen 
(also  überhaupt)  sei  das  Snppositnm  von  der  Wesenheit  real 
unterschieden,  andererseits  aber  lehrt,  im  Engel  sei  es  nicht 
real  unterschieden,  so  stehen  uns  nur  zwei  Wege  offen,  um  uns 
Klarheit  zu  verschaffen,  was  er  eremeint  hat.  Entweder  wider- 
spricht sieh  S.  Thomas  fortwahrend,  oder  er  hat  das  Suppositum 
in  der  zweiten  Bedeutung-  im  Auge,  naoilich,  insofern  es  auch 
die  Existenz  und  Accidenzen  in  sich  schliefst.  Ist  aber  das 
Suppositum  in  diesem  Öione  real  unterschieden  Ton  der  Wesen- 


uiyiii^ed  by 


Das  VcrbAltnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  37 


beit  und  dem  Suppositum  io  erster  Bedeatongy  so  ist  die 
Wesenheit  des  Geschöpfes  real  unterschiedea  von  der  Existenz. 
Wir  babea  also  in  dieser  Stelle  des  hl.  Thomae  nicht  blofo  den 
Sinn,  sondern  sogar  das  Wort,  welches  tob  den  Gegnern  im 
ganten  hl.  Thomas  nirgends  sich  finden  Uesen  wilL  In  creatnris 
soppoeitnm  differt  realiter  a  natara. 

33^.  V.  Argument  des  hl.  Thomas:  Die  Wesenheit  der 
Kreatar  ist  real  von  der  Existenz  unterschiedea,  denn  das 
Geschöpf  ist  ein  endliches  beschränktes  Wesen. 

^..Imposihilo  est,  quod  sit  du])lcx  osöo  omoinu  iusiaiiuin. 
Esse  t'nliii,  ({Uüd  üiuniuo  est  infinitum  umncui  periectiunem  ensendi 
comprehendit.  Et  sie  si  dnohiis  talis  adesset  infinitas,  non 
invenirelur  quu  unum  ab  altcro  ditVcrrot.  Esse  autera  snbsistens 
oportet  esse  infinitum,  quia  non  terminatur  aliqvio  recipicnte. 
Jmpossibilo  est  igitar  esse  aliqood  esse  subsisteoa  praeter 
Primum." 

^,Infinitum  quod  se  tenet  ex  parte  formae  non  determinatae 
per  materiam,  habet  rationem  perfectl  lüud  antem,  qaod  est 
maxime  formale  omninm  est  ipsnm  esse  nt  snpra  oslensnm 
est  (q.  4.  e.  1.).  Onm  igitar  esse  Divinnm  non  sit  esse  reoeptnm 
in  aliqno,  sed  ipse  stt  suum  esse  snbsktens,  manifestum  eety 
qnod  Dens  sit  infinitas  et  perfeotns." 

*,,Kx  hoc  ipso  qnod  esse  Bei  est  per  se  snbsistens,  non 
receptnm  in  aliqno,  prent  dieitor  infinitnm,  distinguitnr  ab 
omnibns  aliis  et  alia  remoTontar  ab  eo.  Siont  st  esset 
albedo  sabsistens,  ex  hoc  ipso  quod  non  esset  in  alio,  diflerret 
ab  omni  albedine  existente  in  subjeclo." 

*.,Bed  quia  forma  creata  sie  subsistens  (sc.  non  recepta  in 
materia)  habet  esse,  et  dou  est  snnm  esse,  necenae  est,  quod 
i|»>Km  1  jus  esse  sit  receptum  et  contractuiu  ad  (icterminatam 
naturam.    ündc  nun  l  oLt-yit  eHS»^  infinitum  simplicitor," 

*„Hoc  est  contra  rationem  facti,  quod  esscntia  roi 
sit  ipsum  ejus  esse,  qnia  esse  snbsistens  non  est  esse 


^  2.  coDtr.  Gent  cap.  52.  ratio  3".  ■  1.  p.  q.  7.  a.  1.  *  1,  C 
ad  da».      «  1.  c  a.  2.      •  1.  c.  sd  l<"n. 


uiyiii^Cü  Ly  Google 


38 


Das  TerbiltniB  der  WeaenheU  su  dem  Dweia  ete« 


creatnm.    Unde  contra  rationem  facti  est,  quod  sit  bimpliciter 

inlimLum." 

SjOmnis  creatura  eat  ünita  aimplicitcr,  inquantum  esse 
ejus  aon  est  absolote  subsistens,  sed  limitatnr  ad  naturam  ali- 
quam,  cui  advonit.  SabstaDliae  iramatenales  creatae  sunt 
l'initac  secundum  suum  esse,  sed  infinitae,  secandom 
q^ttod  eanim  formae  non  sunt  receptae  in  alio." 

^„Illud  quod  habet  esse  absolatam,  et  nullo  modo  recep- 
tum  in  aliquo,  imo  ipaemet  est  8uiim  esse,  illod  est  infinitum 
simpliciter.  Et  ideo  essentia  ejus  in  finita  est,  et  bonitas 
ejus,  et  quidquid  aliud  de  eo  dicitur.  Quia  nihil  eonim  limitator 
ad  aliqnid,  sicat  qnod  reoipitar  in  aUqno  Umitatnr  ad  capa- 
oitatem  qns." 

'„Impoasibile  es^  aliqnam  esBentiam  oreatam  esse  infinitam, 
eo  ^aod  eeae  tunm  non  est  absolntnm  et  subsistens,  sed 
reoeptnm  in  aliquo.  8i  enim  esset  esse  absolntnm,  non 
differret  ab  esse  dWino." 

^,Omnis  forma  in  aliqno  reoepta,  tenninatnr  seoandnm 
modum  recipientis.  Unde  cum  esse  dmnnm  non  sit  in  aliqno 
receptum,  quia  ipse  est  ßiium  esse,  secunduin  hoc  esse  ejus 
non  est  finitum-,  et  pro  tanto  dicitur  ejus  esseutia  mfinita.  ' 

Der  englische  Lehrer  Ragt  an  diesen  Stellen  folgendes:  Das 
Sein,  welches  nicht  in  einem  Andern,  als  seinem  Subjekte,  aul'- 
genommen  wird,  ist  unbeschrankt,  ohne  Grenzen,  folglich  unendlich. 
Zwei  Unendliche  kann  es  nicht  geben.  Nun  ist  aber  Gott  un- 
endlich. Daher  mufs  die  Existenz,  das  Bein  der  Geschöpfe  in 
einem  Andern  aufgenommen  sein.  Die  Wesenheit  des 
GesobÖpfes  wird  nicht  in  einem  Andern,  als  dem  SabjektOi  anf* 
genommen;  die£xistenz  hingegen  moOi  aufgenommen  werden 
in  einem  Andern,  widrigenfalls  sie  nnendlioh  wäre:  folglich 
sind  Wesenheit  und  Ezistens  in  den  Geschöpfen  real  anter* 
schieden.  Zn  beweisen  ist  nun  der  erste  8ati,  alle  übrigen  sind 
aus  den  frühem  Argumenten  des  Boctor  Angelicns  klar.  „Ein 

»  1.  c.  q.  50.  a.  2.  ad  4"»».  s  1.  dist  13.  q.  1.  a.  1.  "  1.  c.  a,  2. 
*  de  veritate  q.  2.  a.  2.  ad  6"«».  cfr,  ib.  q.  29.  a.  3  c.  —  de  potentia 
q.  1.  a.  2.  ad  4«Mn. 


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Das  Verhältnis  der  WeseDheit  za  dem  Dasein  etc.  39 


sidit  in  einem  Andern  anfgenommenes  Bein  ist  nnendltch/' 
Kehren  wir  noch  einmal  anrfiok  anf  die  richtige  Begriffs- 
beetimmnng  der  Ezistens,  des  Seine  ttberhanpt  Bas  Sein  ist 
eine  Vollkommenheit,  ist  das  Allenrollkommenste.  Denn  ein 
jegUoh  Bing  wird  ToUkommen  genannt,  insofern  es*  ist  (aotn  est).* 
Die  erste  Materie  ist  deshalb  das  ünToUkommenste,  weil  sie  fttr 
dch  nicht  acta,  sondern  nnr  in  der  Potenz  ist  Bas  Sein  bedentet 
also  Yollkommesheit,  die  höchste  VoUkommenhett  Es  bezeichnet 
folglich  etwas  Unbeschränktes,  Grenzenloses,  mithin  Unendliches. 
Das  Sein,  als  solches,  kann  nicht  verschieden  sein.  So  hat,  wie 
wir  früher  g-esehen,  »S,  Thomas  gelehrt.  Und  in  der  That, 
wodurch  soll  das  Sein,  als  solches,  hu  h  unterscheiden?  Entweder 
durch  eine  neue  Vollkommenheit  oder  durch  eine  Unvoiikommen- 
heit,  ein  Drittes  gibt  es  nicht.  Durch  eine  neue  Vollkommenheit 
kann  es  sich  nicht  unterscheiden;  es  ist  ja  ohnedies  schon  die 
letzte  Vollkommenheit,  eigentlich  an  sich  nichts  als  Yollkom" 
menheit.  Überdies  kann  diese  Vollkommenheit  nichts  ^enes 
annehmen.  Das  Sein  ist  niemals  aufnehmendes,  sondern,  wie 
in  der  Kreatur,  an^nommenes  Fnnoip.  Endlich,  was  könnte 
das  Sein  auch  anfoehmen?  Jedenfalls  etwas  Positives.  Allein 
jedes  FositiTe  wäre  wiederum  das  Sein.  Es  mülhte  also  sich 
selber  anfoehmen,  eine  nene  Vollkommenheit,  die  es  indessen 
eben  selber  ist  Unterscheidet  es  sich  hingegen  durch  eine 
UttTollkomroenheit,  so  kann  diese  nicht  das  Sein  selber,  sondern 
etwas  snm  Sein  Hinzugekommenes,  anfser  ihm  Liegendes,  aber 
mit  ihm  Yerbnndenes  sein.  In  sich  selber  beseichnet  des  Sein 
eine  VoUkoramenheit,  nicht  aber  eine  ünvollkomraenheit  Diese 
Beschruukuu^^  des  Seins,  bemerkt  S.  Thomas  weiter,^  kann  sich 
auf  eine  dreifache  Weise  vollziehen.  Durch  Beitüguuf^  einer 
Differenz,  die  der  Möglichkeit  nach  (potentiai  in  der  Gattung 
eingeschlossen  war;  oder  dadurch,  dafs  die  gemeinsame  Natur 
in  einem  andern  aulgenommen,  und  damit  individuell  wird;  oder 
dadurch,  dafs  ihm  ein  Accidens  hinzugefügt  wird.  Das  Sein 
kann  nicht  beschränkt  werden  duroh  irgendeine  Differenz,  denn 


'  efr.  1.  contr.  Oent.  csp.  28.     *  1.  dist.  8.  q.  4.  a.  1.  ad  2on. 


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40  Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


die  Differenz  mUrste  aufserbalb  des  8eiiis  stehen.  Nichts  aber 
iat  aufaerhalb  des  Seins.  Darum,  erklärt  8.  Thomas,  könne  das 
Sein  niemals  Gattung  bilden.  Ein  Accideus  kann  dem  Seio 
ebenfalls  nicht  beigefugt  werden,  denn  das  Accidens  ist  wiederum 
das  Sein,  folglich  bleibt  nur  das  Dritte  übrig:  das  Sein  wird 
dadurch  besohriuikt,  dafe  es  selber  in  einem  Andern  auf* 
genommen  wird.  Es  wird  besohränkt  je  naob  der  Fähigkeit 
(capaoitas)  des  aufoehmeoden  Subjektes.^  Diesbezüglich  sagt 
der  hL  Thomas:  „Ipsom  esse  absolute  oonsideratnm  infinitnm 
est  Kam  ab  infinitis  et  infinitis  modis  partioipari  possibile  est 
81  igitur  alicujus  esse  sit  finitum,  oportet  qnod  limitetur  esse 
illttd  per  aliquid  aliud,  quod  sit  aliqualiter  causa  illins  esse, 
vel  receptivum  ejus."  —  Wir  haben  also  hier  noch  einen 
l'ernern  Grund,  wodurch  dius  Sein  begrenzt,  beschränkt  werden 
kann,  nüralich:  die  wirivsaiuo  Ursache.  Das  wirksame  oder  das 
autnohniende  Princip,  diese  allein  können  die  Unendlichkeit  des 
Sems  beeinträchtigen. 

Ziehen  wir  nun  ans  diesen  Grundsätzen  die  notwendige 
Schlul'slölgerung.  Kach  P.  Limb,  sind  Wesenheit  und  Existenz 
real  identisch.  Damit  ist  gesagt»  und  der  Herr  Autor  behauptet 
es  auch  fortwährend,  die  Existenz  werde  nicht  in  einem  Andism 
au%enommen.  Dann  ist  sie  zufolge  der  Lehre  des  hl.  Thomas 
und  auch  sufolge  ihrer  eigenen  Deftuition,  als  einer  Vollkommen^ 
heit,  nach  dieser  Richtung  hin  unendlich,  weil  durch  keine  innere 
Ursache  beschrfinkt  Es  kommt  also  nur  die  aufsere,  wirksame 
Ursache  in  Betracht  S.  Thomas  behauptet,  die  Natur  des 
Engels  sei  unbeschrankt,  unendlich,  weil  sie  in  keinem  Sub- 
jekte aufgenommen  wird.  Warum  hat  sie  Gott  nicht 
beschränkt?  Offenbar  deshalb  nicht,  weil  es  in  ihrem  Wesen 
liegt,  diesbezüglich  nicht  beschränkt  zu  sein,  und  Grott  die 
^uLur  oder  Wesenheit  eines  Dinges  nicht  nach  Belieben 
andern  kann.  Weiiu  also  S.  Thomas  lehrt,  das  Sein,  die  Existenz 
fcci  an  und  liir  sich  unbeschränkt,  so  niuls  dies  tu  der  Natur,  im 
Wesen  der  Existenz  begründet  sein.    Es  fehlt  daram  auch  die 

*  cfr.  1.  contr.  Gent.  cap.  43. 


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41 


Beaclirankung  duToh  eine  SuffieFe  UraaDbe.  Daraas  ergibt  eich 
aber  deoa  die  Kotwendigkeit,  dafs  die  Existeiui,  welche  nicht 
in  einem  Andern  angenommen  wird,  nnendlioh  ist 

Bieee  Folgerang  labt  eich  keineswegs  daraus  ableiten,  er- 
widert P.  Limb.^  „Gott  hat  nämliob  ein  nicht  empfangenes 
Sein,  weil  Er  durch  sich  ist;  die  Kreator  hingegen  hat  ein 
erhaltenes,  weil  sie  von  einem  Andern  ist" 

Wir  dürfen  zunächst  nicht  übersehen,  dafa  der  Herr  Autor 
das  Wort  ,,irrcceptum"  und  „receptum"  abtiiaiuls  in  der  Be- 
deutunp^  von  nicht  empfangen'*  und  „empfangen*'  nimmt. 
P.  Limb,  ieuirnet  auch  au  dieser  Stelle  wiederum ,  dal's  div. 
Existenz  der  Kreatur  iu  einem  Andern  aufg-cnomnien  werdo.^ 
Diese  Anschauung'  des  Herrn  Autors  hat  uns  schon  früher  be- 
schäftigt und  wir  haben  deren  Unrichtigkeit  hinreichend  aus 
8.  Thomas  dargethan.  ,,Gott  hat  ein  nicht  empfangenes  Sein, 
weil  Er  durch  sich  ist."  Allein,  warum  ist  Gott  darch  sich 
selber?  Warum  hat  Gutt  nicht  ein  empfangenes  Sein?  Hierüber 
erteilt  F.  Limb,  keinerlei  Anfechlnfs.  Der  englische  Meister  aber 
fuhrt  den  richtigen  Grnnd  an:  weil  Gott,  also  Gottes  Wesenheit, 
seine  eigene  Existens,  mit  dem  Sein  real  identisch  ist  (qnia 
est  snnm  eese).*  „8i  esse  Bei  non  est  sna  essentia,  non  antem 
pars  ejns  esse  potest,  cum  essentia  divina  ait  simplex,  oportet» 
quod  hujosmodi  esse  sit  aliquid  praeter  essentiam  ejus.  Omne 
antem  qnod  conTenit  alicui,  qaod  non  est  de  essentia  ejns, 
conTenit  ei  per  aliqnam  cansam.  £a  enim,  quae  per  se  non 
sunt  unum,  si  conjunguntur,  oportet  per  aliquam  causam 
uniri".  Den  Gegensatz  zu  diesem  göttliehcn,  mclu  empfangeneu 
Sein  bildet  das  kreatürliche.  Dieses  fordert  eine  Ursache,  ist 
mithin  ein  erhaltenes,  ein  von  einem  Andern  verursachtes,  weil 

»  1.  c.  Seite:  4S. 

•  Omnis  creatura  liabet  esse  tiuitum.  Sed  esse  non  receptum 
in  aliquo  oou  est  fiuitum,  imo  est  absolutum.  Ergo  omnis  creatura 
habet  esse  receptum  in  aliquo;  et  ita  oportet  quod  habeat  duo  ad 
minus,  scUicst  esse  et  id  qaod  etss  recipit  (1.  dist  8.  q.  6.  a.  1.  arg. 
Sum  aed  contra). 

*  1.  Gontr.  Gent.  cap.  22.  ratio  8s. 


Dig'itizea  byJfcuogle  , 


42  Das  Verh&ltniB  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


es  nicht  in  der  Wesenheit  des  Geschöpfes  selber,  sondern 
anfserhalb  (praeter)  derselben  liegt,  und  darom  real  von  ihr 
nntersehieden  ist  Das  esse  ab  alio  ist  in  derselben  Weise  dem 
esse  a  se  en4gegengesetit»  wie  das  non  esse  realiter  idem  dem 
esse  realiter  idem.  Ersteres  bat  Letsteres  aar  Voraussetaang. 
Die  Lehre  des  hl.  Thomas  ttber  diesen  Pankt  lafet  keinen 
Zweifel  so. 

F.  Limb,  bemerkt  femer  an  der  Torbin  oitierten  Stelle,  die 
Existenz,   allerdings  die  endliche,  sei  nicht  bleib  ans  siok 

selber  formell  und  innerlich  beschränkt,  weil  sie  diese 
bestiinaitc  Vollkommenheit  besitzt,  hüiidcrn  auch  äufserlich 
nnd  \N' irksam  werde  sie  beschränkt  yoü  ihrer  Ursache,  von 
Gott  nämlich,  der  sie  hervorbringt  gemäfs  einer  bestimmten  Art 
und  \'ollkomtueulie»t. 

Ks  ist  immer  dieselbe  ialsche  Methode.  Der  Herr  Autor 
umgeht  die  eigentliche  Schwierigkeit,  setzt  das  voraus,  was  nur 
auf  Grund  des  realen  Unterschiedes  seine  Richtigkeit  hat,  und 
ai^umentiert  dann  gegen  den  realen  Unterschied.  Hier  haben 
wir  abermals  ein  Beispiel.  „Die  Existenz,  allerdings  die  endliche 
(qnippe finita),  ist  formell  und  innerlich  beschränkt»*'  Wodarob 
ist  denn  die  Existenz  eine  endliehe?  Hierüber  sagt  uns 
P.  Limb,  niobts.  Und  dooh  liegt  in  der  richtigen  Antwort  auf 
diese  Frage  die  Entscheidung.  Kein  Thomist  leugnet^  dafs  die 
endliohe  Existena  formell  und  inner  lieb  beschrankt  sei, 
weil  sie  eine  bestimmte  Vollkommenheit  besitst  Allein  die 
Existens,  als  solche,  hat  keine  bestimmte  Vollkommenheit. 
Das  Bein  als  solches  kennt  keinerlei  Verschiedenheit,  also  auch 
keine  Bestimmung^  (limitatio).  Warum  hat  also  das  end- 
liche Sein  eine  bestimmte  Vollkommenheit?  Violleicht  weil 
es  ein  endliches  bein  iatV  Und  endlich  hinwiederum  ist  es, 
weil  es  eine  bestimmte  (liraitata)  Vollkommenheit  hat.  Diese 
Argumentation  ist  etwas  schwor  verstandlich.  (.)der  soll  das 
Sein  deshalb  eine  bestimmte  Vollkommenheit  haben,  weil  es 
geschaffen  ist  (ab  alio)?     Auch  diese  Annahme  ist  unrichtig, 


>  2.  eontr.  Gent.  csp.  62.  ratio  1*. 


^ed  by  CjOOQie 


Das  Yerbältnis  der  Wesenbeit  zu  dem  Dasein  etc. 


43 


denn,  lehrt  6.  Ihonuw:^  »Dem  Seienden  als  solchem  kommt  es 
nicht  SB,  dafs  es  ein  Ton  einem  andern  Teranaohtee  Sein  habe, 
sonst  v&re  jedes  Seiende  von  einem  andern  verursaeht"  Zndem 
hiefbe  das  die  änfsere  wirksame,  nicht  aber  die  formelle 
innere  Ursache  angeben.  Wir  fingen  aber  zunächst  nach  dem 
formellen  nnd  innern  Fronde  der  Beschrfinkong  des  Beins. 
Wamm  ist  also  das  Sein  des  Geschöpfes  ein  endliches,  und 
warum  hat  es  eine  bestimmte  Yollkommenheit,  mit  einem 
Worte:  worin  haben  wir  den  formellen  nnd  innern  0mnd 
zn  Sachen  y  dafe  das  Sein  der  Kreatnr  nicht  unendlich  ist? 
P.  Limb,  hat  darauf  keine  Antwort  Merkwürdigerweise  gesteht 
der  Ilerr  Autor  dies  ciaigo  Seiten  Rpiiter  offen  ein.  ^Nachdem 
P.  Limb,  hier 2  ruudweg  erklart  hatte,  die  Existenz,  allerdings 
die  endliche,  sei  formell  und  innerlich  beschrutikt ,  weil 
sie  «iiesc  bestimmte  Vollkommenheit  besitzt,  schreibt  der  Herr 
Autor  bald  darauf,'  die  Existenz  werde  vervielfältigt,  also  wohl 
auch  bestimmt,  durch  das  Hervorbringen  oder  das  Setzen  aufser 
seine  Ursachen.  Er  könne  sich,  bemerkt  er  weiter,  einen  andern 
Gmnd  der  Vervielfaltigong  nicht  denken.  £in  innerer 
Grund  sei  dieser  allerdings  nicht  Wie  stimmen  nun  diese 
swei  Sentenzen  nnd  die  auf  Seite  51  äberein?  Noch  dazu 
bemerkt  der  Herr  Autor  an  der  lotsten  Stelle,^  die  Yerviel* 
fSltigang,  also  die  Bestimmnng  der  Kreatur  erhalte  ihre  Be- 
nennung Yon  der  fiufsern  wirksamen  Ursache.  Diese 
Bestimmung  (limitatio)  des  Geschöpfes  ist  demnach  etwas  B.ela* 
tives.  Was  die  Philosophie  zu  dieser  Ansicht  sagt,  brauchen 
wir  nicht  ansdr&cklich  hervorzuheben.  -P.  Limb,  gründet  seine 
Theorie  von  der  formellen  und  innern,  sowie  von  der  änfsern 
und  wirksamen  Beschränkung  dos  Seins  der  Kreaturen  auf  die 
Lehre  des  hl.  Thomas.  Der  Herr  Autor  schreibt  niiiulich:* 
,,8.  Thom^  gibt  für  diese  doppelte  Beschränkung  zwei  Gründe 
an,  die  sich  aber  auf  ein  und  dasselbe  Princip  zurückführen 
lassen.  Das  Sein  Jeder  Kreatur,  lehrt  S.  Thomas,  ist  beschränkt 


*  contr.  Gent.  cap.  62.  ratio  4».  *  1.  c.  Seite:  4B.  *  1.  e. 
Seite:  »7.     «  1.  c.  Seite:  67.      •  1.  c  Seite:  49. 


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44  Das  Verhältnis  der  Wescnlieit  zu  dem  D&seiu  etc. 


(determinutiiin)  anf  eins  g-emäln  «ler  Gattiing-  und  Art.  Einzig  und 
aUtiiu  das  Sein  Ciottes  ist  schlechthin  unendlich.'  Denn  da«  Sein 
jeglicher  Kreatur  ist  eiu  participierteä  und  darum  notwendig 
endliches  nach  Gattung  und  Art  Jedes  Dag  ist  dadurch, 
dafs  OS  das  Sein  bat.  Kein  Ding  also,  dessen  Wesenheit 
nicht  sein  eig-nnes  Dasein  ist»  iet  dnrch  seine  Wesenheit, 
sondern  durch  die  Teilnahme  an  etwas  (participaUone  aliciqas), 
nämlich  an  dem  Sein  (sciHcet  ipsius  esee).  Was  aber  dnreh 
Anteilnahme  ist,  das  kann  nicht  das  erste  Seiende  bilden.* 
Ans  diesem  Gründe  haben  aveh  die  Engel  ein  partioipiertes 
Sein»  weil  elnsig  und  allein  Gottes  Sein  seine  eigene  Wesenheit 
ausmacht'"  So  lauten  die  Texte  des  hl.  Thomas  nach  P.  Limb. 
Nun  sieht  der  Herr  Antor  ans  dem  Dargelegten  folgenden 
Sehlufs:  Weil  also  da«  Sein  jeder  Xreatnr  ein»  nach  Gattnng 
Qod  Art  endliches,  und  Tom  Sein  selber  (dürtle  wohl  das 
erstü  Sein  bedeuten)  erhaltenes  oder  purticipiertes  ist,  darum 
ist  es  nicht  nur  l'urmcll  und  innerlich,  soudern  auch  äul'ser- 
lich  und  wirksam  ein  beschränktes. 

P.  Limb,  hat  durch  diese  Stellen  des  hl.  Thomas  so  tretfend 
seine  eigene  Theorie  widerlegt,  dal's  kein  anderer  Autor  es 
besser  zu  thun  imstande  wäre.  Das  Sein  der  Kreatur  ist  ein 
nach  Gattung  und  Art  endliches.  Lud  warum  dies?  Weil  es 
ein  partioipiertes  ist.  Und  warum  ist  dieses  Sein  ein  partioipiertes? 
Weil  die  Wesenheit  des  Geschöpfes  mit  der  £xistens»  mit  diesem 
Sein  nicht  real  identisch  ist.  (KuUa  igitur  res,  cnjus  essentia 
non  est  sunm  esse,  est  per  essentia m»  sed  partioipatione 
alioujns»  scUioet  ipsins  esse.)  Bas  geschaffene  Sein  ist  also 
dämm  ein  endliches»  weil  es  ein  partioipiertes  ist.  Es  ist  aber 
deshalb  ein  partidpiertes»  weil  es  Ton  der  Wesenheit  sich  real 
nntersoheidet  Der'  Gmnd»  warum  das  Sein  der  Kreatur  ein 
partioipiertes  genannt  wird,  ist  also  dem  Doetor  Angelicus 
nicht  das  Von-  einem  Andem-sein»  wie  P.  Limb,  stets  betont» 
sondern  das  real  Untersohieden-sein.  Mit  welchem  Rechte  der 

»  cfr.  1.  p.  q.  54.  a.  2,  »  cfr,  1.  contr.  Gent.  cap.  22.  •  cfr. 
1.  2.  q.  3.  a.  7. 


Das  Verhtltnis  der  Wewnbeit  sii  dem  Dasein  etc. 


45 


Herr  Autor  seine  Lehre  aus  diesen  Stellen  des  englisoheii 
Meisters  herleiten  will,  vermögen  wir  absolut  nioht  an  begreifen. 
F.  Limb,  sagt  ein^h:  weil  das  Sein  jeder  Kreatnr  ein  nach 
Gattung  und  Art  endliches  ist  —  warnm  es  dies  sei,  hat  der 
Herr  Antor  zn  bemerken  unterlassen  —  und  weil  es  ein  er- 
haltenes (receptum)  und  vom  Sein  selber  participiertes  ist, 
(loshjilb  ist  es  nicht  nur  formell  und  innerlich,  sundcrn  auch 
äui'serlicii  und  wirksam  nin  heHchränktes.  Wir  woUeu  nun 
einstweilen  zugeben,  es  sei  dem  also.  Dann  haben  wir  immerhin 
nur  den  Grund,  warum  dieses  Sein  äulserlich  und  wirkHam 
(efticientor )  ein  beschränkte«  ist.  Allein  uns  interessiert  zuuuchst, 
in  Erlahrung  zu  bringen,  warum  es  forme  11  und  innerlich 
ein  beecbränktes  sei.  Diese  Frage  übergeht  P.  Limb,  ganz  und 
gar  mit  Stillschweigeo.  Die  blofse  Behauptung,  es  Terhalte  sich 
80,  können  wir  nicht  ohne  weiters  als  richtig  hinnehmen.  Es 
hat  sich  aber  aus  der  Untersuchnng,  die  wir  bis  hierher  gepflogen, 
ergeben,  dafii  die  aufsere  und  wirksame  Beschränkung  des 
geschaffenen  Seins  dessen  form  eile  und  innere  zur  notwendigen 
Voraussetsuog  hat  Ist  nämlich  das  Sein  des  Geschöpfes  nicht 
dadurch  beschränkt,  dafs  es  von  der  Wesenheit  aufgenommen 
wird,  d.  h.  also,  ist  dieses  Sein  nicht  real  von  der  Wesenheit 
unterschieden,  so  kennt  es  keine  äufsere  wirksame  beschrankende 
Ursache,  weil  es  ttberhanpt  keine  aufeere  Ursache  hat  (Quidquid 
aliquid  habet  per  suam  quidditatein  nou  habet  ab  alio,  sed  a 
seipso).^  Ferner  bemerkt  der  Ur.vr  Autor,  S.  Tiiwuias  citierend, 
„das  üeschöpf  sei  durch  Anteiiuahme  eines  Andern,  nämlich  des 
Seins  selber."  Was  versteht  ?.  Limb,  unter  diesem  Andern, 
dem  Sein  pelhor  (est  participalione  ali cujus,  scilicet  ipaius 
esse)?  Etwa  die  WcRenheit?  Dann  wäre  der  Sinn  die.^er: 
die  geschati'ene  Wesenheit  existiert  durch  die  Anteilnahme  (par- 
ticipatione)  an  sich  selber?  Das  ist  nicht  recht  verständlich. 
Oder  ist  dieses  Sein,  an  dem  die  Wesenheit  Anteil  hat,  Gott? 
Dann  wäre  Gott  das  participierte  Sein  der  Kreatur.    Das  ist 


<  efr.  2.  oontr.  Qent.  csp.  S2.  ratio  4*:  f,EsB6  ab  alio  caosatnm 
nou  competit  entl  inqnantnm  est  ens," 


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46 


Dm  Verbiltiiis  der  Wetenliett  tu  dm  Datein 


abermals  eine  sehr  bedenkliche  Ansieht.   Folglieh  mufs  dieses 

Andere  (aliquid),  was  die  Wesenheit  durch  Anteilnahme  besitzt, 

etwas  von  der  Wesenheit  selber  und  von  Gott  real  Unterschiedenes 
sein.  Diesca  ist  in  der  That  die  Lehre  des  hl.  Thomas,  und 
P.  Limb,  murd,  indem  er  den  hl.  Thomas  anrutt,  will  er  konse- 
quent sein,  ganz  dasselbe  verteidigen.^ 

Das  Sein  der  Kreatur  isfc  demnach  ein  äufserlich  und 
wirksam  beschränktes,  weil  es  von  der  Wesenheit  real  unter- 
schieden ist»  and  darum  einer  finibem  wirkenden  Ursache  bedarf, 
nra  wirklich  sa  sein. 

P.  Limb,  schreibt  noch  an  derselben  Stelle  folgende  Worte 
des  hl.  Thomas  nieder:  „Alles  Partloipierte  verbSU  sich  aom 
Partictpierenden  wie  dessen  Akt   Wie  sehr  auch  immer  eine 

Form  für  sich  subsistent  ist  (Engel),  so  mulb  sie  doch  an  dem 

Sein  Anteil  haben  (oportet,  quod  participet  esse)  weil  auch  das 
Leben  selber  und  dergleichen,  wie  Dionysius  sagt  (5.  c.  de  div. 
nom.),  an  dem  Sein  Anteil  hat.  Das  participiorte  Sein  aber  wird 
beschränkt  je  nach  der  Fähigkeit  (capacitaa)  des  Participierenden. 
Daher  ist  Gott  allein,  der  sein  eigenes  Dasein  selber  ist, 
der  unendliche  reine  Akt.  In  den  intellektuellen  Substanzen 
hingegen  findet  sich  die  Zusammensetzung  aus  Akt  und  Potenz, 


^  Mao  bsscbte  noch  folgende  Stelle:  »Aliquid  dicitur  determiDatum 

dupliciter.  Primo  ratione  Unitatiouis;  alio  modo  ratione  distinctionis. 
Essentia  autem  divina  non  est  quid  deterniinatum  primo  modo,  sed 
sernn!a  modo,  qnm  forroa  non  limitatur  nisi  ex  hoc,  quod  in  alio 
recipiiur,  cui  niatoiia  commensuratur.  In  essentia  autem  divina  non  est 
aliquid  in  alio  rcceptum,  eo  quod  esse  ejus  est  ipsa  div  ina  natura 
sttbsiitens,  quod  in  nulla  re  alia  contingit.  Nam  quaelibet  res 
alia  habet  esse  receptum  et  big  Hmitatnni.  Et  inde  est,  quod  etsenUa 
divina  ab  omnibns  diitingnihir  per  hoc,  quod  est  in  alio  non  recipi; 
sicut  si  enet  allqna  albedo  existens  non  in  subjecto,  ex  hoc  ipeo 
distingueretur  a  qualibet  albcdiae  io  subjecto  existente,  qnaniTis  in  ratione 
albediais  non  esset  recepta  et  sie  nec  limitata.  Patet  ergo,  quod  essentia 
divina  non  est  aliquid  pcnerali  in  esscndo,  cum  sit  omnibus  aliis 
distincta,  sed  solum  in  causaudo,  quia  id,  quod  est  per  se,  ost  causa 
eorum,  quae  per  se  uou  sunt.  Uude  esse  per  se  subbisteos  ei>i  causa 
omnis  esse  in  alio  reeepti.*  (Qnodl,  7.  a.  1.  ad  Inm.)  efr.  ib.  a.  6. 


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Das  Verhaltaiä  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


47 


oder  ans  der  Form  und  dem  partieipierten  Seiu."^  Dazu 
bemerkt  nun  der  Herr  Autor:  „Da  mit  der  objektiven  Fotenz 
jener  Akt  übereinstimmt,  der  dieser  Fotonz  entspricht,  so  folgt, 
dafs  der  Akt  Ton  der  Art  sein  werde,  von  welcher  dio  Potenz 
ist,  auf  die  er  sich  bezieht.  Von  jener  Art  wird  also  das  par- 
ticipierte  Sein  von  Demjenigen  »ein,  der  das  Sein  selber  ist 
(nlio  Ton  Gott),  Ton  welcher  Art  die  Yorbeigehende  objekÜTe 
Potens  ut  Aagenftcheinlich  wird  also  das  parttoipierte  Sein 
beschränkt  nach  der  Fähigkeit  des  Partieipierenden 
und  der  Seinsakt  ist  notwendig  ein  endlicher.  Da  nun  die  Form 
oder  Wesenheit  des  Engels  nicht  durch  sich  selber  existiert,  nnd 
dämm  nicht  ihr  eigenes  Dasein  ist,  hat  sie  das  Sein  von 
Gott  dnreh  Anteilnahme  und  so  ist  der  Engel  snsammengesetat 
aus  der  Form  und  dem  partieipierten  Sein." 

Kiuig-e  kurze  Bemerkungen  zu  dieser  BeweistÜhrung  des 
P.  Limb,  wurden  vollständig  genügen.  Zunächst  suchen  wir 
abermals  vcrcrebens  nach  dem  innern  formellen  Grunde  der 
Beschränkung  des  i'>eiu8  der  Kreaturen.  Denn  eigentlich  hat 
Gott,  der  das  Sein  selber  ist,  es  also  geordnet,  dafs  das  Sein, 
der  Akt,  mit  der  objektiven  Potenz,  der  Wesenheit  nämlich, 
übereinstimmt»  derselben  entspricht.  Der  Akt  ht  derselben  Art 
(tale  est  esse  participatum)  wie  die  vorausgehende  Potenz  (qualis 
erat  praevia  potentia  objeotiva).  Wenn  das  Bein  sich  nach  der 
objektiven  Potenz  richtet,  dann  mn&te  dies  im  Ideale  so  vor- 
gebildet sein.  Die  ideale  Existena  stimmt  also  mit  der  idealen 
Wesenheit 'tlbereia  Dann  ist  offenbar  in  der  idealen  Ordnung 
die  eine  nicht  real  identisch  mit  der  andern.  Infolgedessen 
kann  sie  es  anch  in  der  realen  Ordnung  nicht  sein.  „Das 
participierte  Sein,  bemerkt  P.  Limb.,  wird  beschrankt  nach  der 
Fähigkeit  des  Partieipierenden.''  Was  haben  wir  uns  unter 
diesem  das  Sein  „Partieipierenden"  zu  denken?  Offenbar  die 
objektive  Potenz,  die  subjektive  bestreitet  P.  Limb.  Dann 
ist  die  existente  Kreatur  zusammengesetzt  aus  der  objektiven 
Putenz,  dem  Möglichen,  und  der  aktuellen  Existenz.  „Der  Engel, 


*  cfr.  1.  p.  q.  76.  s.  5.  ad  4a>n. 


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48  Die  Systematik  in  den  Qtmestlonee  diapataUe  etc. 


lehrt  der  Herr  Autor,  iet  sneamineDgesetst  ans  der  Form  und 
dem  participierten  Sets.*'  Bas  heifst  mit  andern  Worten: 
der  Engel  ist  Kusammengesetzt  ans  dem  Akte,  dem  participierten 

fSein  und  der  Wesenheit,  wie  sie  früher  war.  Allein  das,  was 
nie  t'riiher  war,  inög-lich,  ideal,  ist  sie  jetzt  nicliL  mehr,  ^\'ie 
küuneü  wir  deinauch  im  existierenden  Eugel  Poiauz  und  parti- 
cipiertes  Sein  annehmen,  wenn  die  subjektive  Potenz  vcrworteu 
wird?  Jede  ZusammenRetzung  erweist  sich  dann  als  uuinnglich. 
Auch  clor  UnLcrschird  zwischen  der  niü^lichon  Wesenheit,  in 
der  objektiven  Potenz  nämlich,  und  dem  participierten  Sein  hat 
den  realen  Unterschied  awischen  Wesenhoit  und  Existens  za 
seiner  notwendigen  Voraassetzung.  Nur  weil  diese  beiden  real 
unterschieden  sind,  war  die  Wesenheit  früher  objektiv  möglich. 
Sind  sie  nicht  real  nntersohieden,  so  ist  die  Wesenheit  jeder« 
zeit  notwendig. 

Bas  8ein  der  Kreatur  ist  also  dadaroh  beaohraokt»  dafs  es 
in  der  realen  Wesenheit ,  als  ihrem  entspreohenden  Subjekte, 
an f genommen  worden  ist  Dieses  ist  der  formelle  und 
innere  Grund,  und  nach  diesem  richtet  sich  dann  der  äufsere 
und  wirksame. 

Die  eingehende  Priifhng  der  Beweise  des  englischen  Meisters 

zeigt  uns  demnach,  dafs  die  Lehre,  welche  8.  Thomas  verteidigt, 
nicht  bluTü  nicht  evident  falsch,  sondern  dals  s-ic  überhaupi 
nicht  falsch,  vielmehr  durchaus  begründet  und  richtig  ist. 

 '-HS'-«  

DIE  SYSTEMATIK  IN  DEN  QUAESTIONES 

DISPUTATAE  DES  HL.  THOMAS  VON  AQÜIN. 
Von  Kanonikus  Professor  A.  PÜKTMANN. 


Die  Quaestiones  disputatae^  oder  konnte  man  deutsch  sagten 
„die  gelehrten  Untor8Uchunf:en"  galten  von  jeher  als  das 
gelehrteste  spekulative  Werk  des  hl.  Thouiaä.    6ic  enthalten 

»  In  licii  alten  Ausgaben  gowfthnlich  olnip  Optiszahl,  meist  nach 
den  Kommentaren  zu  den  Sentenzen  des  Petrus  Lombariius  eingefügt, 
oft  aodi  oinseln  ediert. 


^ed  by  CjQQQle 


Die  SjtUmatik  in  den  QuaeBtionea  dispntatoe  ete. 


49 


die  AbhaiidlnngeD :  de  ]K>tentia,  de  malo,  de  spiritoalibiiB  crea- 
tnria,  de  anima,,  de  unione  Verbi  incaraati,  de  virtutibas  and  de 
Teritate.^  Der  Porp  nach  sind  sie  gehatten  wie  die  Kommentare 
SU  den  Sentenzen  nnd  die  Quaestiooes  der  Somma  theol.,  nämlich 
nach  der  wesentlich  aristotel.  Methode  vorgehend:  durch  die 
difBcultatc^  zu  dem  Antoritätsbewcis,  rationellen  Beweis  im 
corpus  articuli  und  der  rti.sponsio  ad  isingula;  aber  nun  das  alles 
viel  weitläufiger  und  eiolärblicher,  oit  mit  zehn,  zwanzig  Ein- 
wänden, deren  vorläufiger  Erledigung  und  Aufbringung  neuer 
SSchwierigkeiten»  mit  viel  sahlreicbero  AntoritStatexten  nnd 
priocipiellen  Erörterongen,  die  <a  Abhandlaogen,  oft  auch  mit 
reichem  dogmen-  und  philosophiegeachichtlichem  Haterial  an- 
wachsen; 80  dafs  man  begreift,  wie  im  Unterschied  dazu  Thomas 
in  der  Einleitung"  zur  Summa  theol.  sagen  kann,  dafs  er  da  nur 
schreibe?  ad  eriuiitiouem  incipientium  mit  Vermeidung  der  multi- 
plicalio  quai'stionum ,  brevitor  ac  dilncido.  Danach  erscheinen 
die  Quaeätiones  disputuUu  als  gciehriu  lielauuntersuchungen 
Über  eitneliie  Fragen  dw  Philoaopbie  und  speknlativen  Theologie 
fiir  Fachgelehrte  nnd  nicht  pro  incipientibne  geachrieben,  die  ala 
solche  weaentlich  auch  beigecogen  werden  milaoen  ala  erklärende 
weitläufigere  ParalielsteUen  zu  den  kUrzem  Anaführungen  in  der 
Summa.  Deslialb  erachtet  man  dieselben  auch  gemeiniglich  als 
Einzelabhandln np:rn  über  die  verschiedensten  Gegenstände,  ohne 
weitern  innern  iogischeu  oder  sysLematischon  Zusammenhang,  und 
in  dieser  Meinung  ging  anfänglich  auch  der  Verfasser  vorliegender 
Arbeit  an  deren  kursorische  Lesung.  Bald  aber  drängte  sich 
ihm  die  Idee  auf,  es  Hege  doch  diesen  Terechiedenen  Unter- 
anchungen  eine  logiache  Finheit,  ein  innerer  Znaammenhang,  eine 
Art  System  an  Grunde.  Es  sprechen  dafilr  aam  Tomeherein 
einige  Wahrscheinlichkeitsgründe. 

L  Wahrscheinlichkc  itsgriinde.  Betracütct  man  nämlich 
zunächst  nur  ganz  obortlächlich  die  Titel  der  verschiedenen 
Quae^^liones ,  so  fallt  sogleich  auf,  daCs  der  Abhandlung  de 
venULe,  weiche  eine  Erkenntuiblehre  im  grofsen  ist,  die  ganze 
Erkenntoiaweiae  Gottes  und  der  Kreaturen  betrachtend,  die 
andere  Abhandlung  de  potentia  entspricht»  welche  im  Unterschied 
an  der  Erkenntnis,  von  .der  göttlichen  Macht  abhandelt,  der 
innergötÜiohen  in  der  Zeugung  des  Logos,  und  der  auf  die 
Kreaturen  bezogenen  in  der  göttlichen  Weltschöpfung,  l'rhaltung 
und  Wunderwirksamkeit.  Nun  müchto  man  nur  noch  vermuten, 
ob  denn  nicht  der  Untersuchung  de  veritate  oder  de  vero  auch 


>  Su  die  Keiheufolgc  in  der  edit.  Vivett  ;  andere  anders. 
jAhrbttcb  nir  Pbilofophle  etc.  VI.  i 


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50 


Dfo  SystooiAtik  in  den  Queitiones  dispntatae  etc. 


eine  solche  de  boao  entopreohey  «o  dafii  dann,  Ton  der  Trinit&t 
auBgehend,  über  Macht»  Weisheit  und  Güte  abgehandelt  wäre. 
In  der  That  beginnt  von  qu.  21  der  Untereuchung  de  veritate 
an  ein  ganz  nener  Gegenstand,  der  nicht  mehr  unter  diesen 
Titel  paföt,  nämlich  de  bono  und  zwar  Mhulich  wie  de  veritate 
vorgehend:  de  bono  in  communi  und  dann  über  die  Güte  und  das 
Woileu  in  Gott,  de  voluotate  JJei  und  hierauf  absteigend  über 
die  Güte  und  Witleiiathfitigkeit  im  Kreatttrlioheik  de  libero  arbitrio, 
de  passioDiboe  eto.  Bedenkt  man  nnn,  was  sich  noch  zeigen 
wird,  dalh  die  jetzigen  Titel  erst  später  hinzugekommen  sind,  so 
mäfste  hier  cp.  21  offenbar  ein  neuer  Titel  stehen,  nämlich  de 
bono  oder  de  voluntate  und  dann  hätte  man  m  vorläufig-  drei 
AbhandluDfT'  Ti,  dio  zusammen  ein  (.xauzos,  ein  System  zu  bilden 
scheinen:  de  potentia,  de  veritate  und  de  voluntate.  —  Ahnlich 
verhalt  cö  sich  mit  der  Untersuchung  de  malo  und  de  virtutibus. 
Obwohl  nämlich  dieselben  in  den  gewöhnlichen  Ausgaben  sehr 
auseinander  stehen,  nämlich  die  entere  an  zweiter,  letatere  an 
runfter  Stelle,  so  gehören  sie  doch  innerlich  susammen.  Ilenn 
beide  gehen  ganz  gleich  vor:  die  eine  handelt  zuerst  ab  de 
virtutibus  in  communi  und  dann  über  die  einzelnen  Tugenden; 
dio  <\rei  g"öttlichen  und  die  vier  Kardinaltugenden;  und  ähnlich 
die  andere  zuerst  de  malo  in  communi  und  dann  über  das  Boso 
im  einzelnen:  die  sieben  IlauptBÜndon.  8o  scheiuen  auch  diese 
zwei  Abhaudluugea  zusamoieu  ein  Ganzes  zu  bilden,  wenn  sie 
auch  nicht  beieinander  stehen,  da  ja  so  wie  so,  wie  bereits 
angedeutet  wurde,  die  Aufeinanderfolge  dieser  Werke  in  den 
verschiedenen  Ausgaben  eine  sehr  Terschiedene  ist.  —  Schwie- 
riger freilich  dürfte  ein  Zusammenhang  zwischen  den  drei  andern 
Werken:  de  spiritualibus  creaturis,  de  anima  und  de  unione 
verbi  incamati  zu  finden  sein,  doch  wird  sich  zeigen,  dnlV^  wie 
«in  roter  Faden  durch  sie  Ein  Grundgedauke  sich  hindurclizielit: 
der  von  der  unio,  von  irgend  einer  Vereinigung,  sei  es  der 
bypostatischen  oder  formalen  oder  logischen.  Und  so  glaubte 
der  Yerfosser  durch  diese  Torl&ufige  Betrachtung  der  Titel,  der 
Anordnung  der  Materien,  einem  groben  einheitlichen  System  auf 
der  Spur  zu  sein,  einem  genialen  höhern  Gedanken,  von  dem 
aus  eine  Unzahl  von  verschiedenen  Wahrheiten  in  absteigender 
Beihc  betrachtet  würden. 

Es  schien  ihm  das  noch  mehr  zur  Wahrscheinlichkeit  sich 
zu  erheben,  wenn  er  die  indoles,  die  ganze  Geistesriohtung  des 
grol'sen  hciiigeu  Lehrers  in  Betracht  zog.  Ks  ist  vielleicht  nie, 
in  der  ganzen  Geschichte  der  Philosophie  seit  Aristoteles,  ein 
einheitlicherer  Denker,  ein  grölserer  Systematiker  aufgetreten, 


^ed  by  dooQle 


Die  Systematik  io  den  Quaostioues  disputatae  etc.  51 


als  der  hl.  Thomas.  Von  höchsten  allgemeinen  Princlpien  aus 
leitet  er  gewühnlich  eine  ganze  Reihe  von  Wahrheiten  ab  (man 
vgl.  7..  B.  nnr,  wie  er  ans  dem  Einen  Gedanken  Dens  actus 
•yurua  die  ganze  Gotteelehre  deduziert).  Ein  Axiom  durchzieht 
«Ib  Kerngedanke  einen  ganzen  Traktat  z.  B.  qaod  inferiora 
regnntar  per  snperiora  die  gewaltige  Abhandlung  do  gabernatione 
mnndi.  Monnmentale  Systeme,  die  nicht  ihresgleiohen  haben, 
ftiod  die  awei  Sammen  und  das  einheitlich  geachlossene,  fast  wie 
ein  Kechnungsexempel  sich  abwickelnde  Compendium  theologiae. 
Wie  sollte  nun  diener  Riesengeist,  der  allcB  von  höchsten  Ge- 
fichtnpunkten  aus  einheitlich  betrachtete,  nicht  auch  bei  seinen 
Q,uaüstionü8  disputatae  einen  einheitlichen  Plan  gehabt  haben, 
wo  schon  die  äufsere  Anlage  darauf  hinzudeuten  bcheint?  Wie,  weuu 
s.  B.  die  drei  Traktate:  de  potentia,  de  Teritate»  de  yoluntate  Yon 
höchstem  Standpunkt,  vom  tnnitariaohen  Leben  Gottes  aus,  Macht, 
Weisheit  und  Liebe  zuer}«t  in  Gott  und  dann  absteigend  in  den 
Kreaturen  betrachten  wollten?  —  Aber  freilich,  dann  sollten 
anch  diese  Abhandlungen  in  einer  Art  geschichtlichen  Zusam- 
menhangs vcrfaföt  sein.  Die  Geschichte  und  Umstände  der 
Abtat»äUDg  sollieu  diese  Vermutungen  bestätigen.  Das  ihun  sie 
aber  wirklich,  wenn  man  die  gelehrten  dissertatione»  criticae^ 
des  P.  de  Bubeis  in  Betracht  zieht. 

IL  Historische  Gr ttn de.  —  In  dem  IL  cap.  der 
Oiasertatio  XL  über  die  Autenticität,  Integrität  etc.  der  Werke 
des  hl.  Thomas  handelt  der  gelehrte  Dominikaner:  de  tempore 
et  loco  der  Abfassung  der  Quaestiones  disputatae.  Nachdem  er 
gezeigt,  dafö  die  zuverlässigsten  Nachrichten  hierüber  lierriihren 
von  Piolomatuis  Lucensis,  einem  Schüler  und  Keisegelahrtcn  des 
hl.  Thomas,  kommt  er  nach  dessen  Mitteilungen  zu  folgendem 
llesuluit:  1)  Vom  Jahre  125ü  au  (unter  dum  Poulihkat 
Alexander  IV.  1254 — 61)  als  nach  Beilegung  des  Kampfes  des 
Wilhelm  de  Sancto  Amore  gegen  die  Kinoriten,  wegen  Zulassung 
derselben  zur  LehrthStigkeit  an  Universitäten,  Thomas  das 
Doktorat  empfkngen  hatte,  las  und  schrieb  er  in  Paris,  wie 
Lucas  sagt:  per  biennium  de  veritate,  nachdem  er  vorher, 
noch  als  Baccalaureus,  den  ersten  Kommentar  zu  den  Sentenzen 
des  Lombarden  ausgearbeitet  hatte.  Es  macht  den  Eindruck, 
als  wollte  der  hl.  Lehrer  mit  diesem  grofsen  Werke  de  veritate 
gleich  im  Anfang  seiner  öffentlichen  Lehrthätigkeit  gleichsam 
das  erkenntnisthteretisohe  Fundament  für  seine  weitem  speku- 
latiTon  Arbeiten  legen.  —  2)  Vom  Jahre  1261  an  (unter  dem 


•  Abgedruckt  im  I.  fid.  der  neuen  römischen  Thomss-Amgabe. 

4" 


Digitizeo  Ly  \^oogle 


52  Die  Systematik  in  den  Quaestioaes  disputatac  etc. 


Fontificat  Urban  IV.  1261  —  <'4)  schrieb  er  dann,  nach  demselben 
Ptolomaens  Lucensis  liulien  im  Auftrag  des  Papstes:  Die 
Kommcuiure  lu  (^uutuor  Evangeiia,  das  Otiiciuiu  Corpori»  Ghrieti, 
und  contra  errores  GraficoniQi,  and  dann  fSkrt  er  föit:  isto 
aatom  tempore,  tenens  Btudinm  Romae,  quasi  totam  Philosophiam, 
eiTe  moralem  sive  Batoralem  exposuit  et  in  «oriptnm  sea  com- 
mentum  redeg-it;  sed  praccipuo  etbicam  et  mathematicam  (lege: 
nietaphysicam)  quodam  singulari  et  novo  modo  tradendi.  Scripsit 
etiam  icmpore  cjusdein  Pontificis  libruuj  „contra  Gentiles"  et 
quaeationeB  de  anima.  80  finden  wir  hier  ein  ferneres  Werk 
der  quaestiones  dispulalae  erwähnt;  und  zwar  eutstand  diese 
psychologische  UntersucbuDg  offenbar  im  Zusammenhang  mit 
jenen  novo  et  eingnlari  modo  gehaltenen  philosophieehen  Vor« 
leanngen  in  Eom.  —  Darauf  unter  Clemens  IV.  (1265-^68) 
be^^nnt  Thomas  die  Ausarbeitung  der  Summa  tfaeologica,  bald  in 
Rom,  bald  in  Perngia,  bald  in  Viterbo  in  den  Schulen  seines 
Ordens  wirkend:  schreibt  aber  daneVten.  wieder  nach  den  Mit- 
teilungen den  Piolomaeus,  und  zwar  nach  dem  Jahre  1265  die 
quaestiones  dit?putatae:  de  spi  ritualibus  crealuris  und  de 
malo  et  virtutibus.  Letztere  werden  ausdrücklich  miteinander 
erw&bnt  und  erscheinen  also  als  ein  susammcngehörigcä  Ganzes, 
obwohl  sie  in  den  Ausgaben  gewöhnlich  auseinander  liegen.  — 
3)  Vom  Jahre  1269—71  ist  Thomas  wieder  in  Paris,  wo  er 
die  Summa  theol.  fortsetzt,  wozu  Ptolomaeus  weiter  bemerkt: 
hoc  etiam  tempore  (sc.  unter  dem  Pontifikat  Gregor  X.  1271  —  76) 
disputavit  quaestiones  de  Potentia  Doi  et  creaturao,  und 
de  Rubels  lügt  bei,  in  Ausle^uii^  von  ähnlichen  Erwähnungen 
bei  üuilelmug  de  Tocco  und  Echatdus:  hinc  demum  conticitiir, 
teriiam  partem  Uuaestionum  (i.  e.  de  potentia)  Parisiis  elucubrasse 
Thomam  ab  anno  1269  cadente  ad  annum  1271*  —  Damit  ist 
Ort  und  Entstehungszeit  aller  Quaest.  disput.  erwähnt  mit  Ans- 
nähme  der  Abhandlung:  de  unione  Verbi  inoarnati. 
De  RubMS  b^erkt  darüber  im  I.  cap.  der  genannten  Dissert: 
dafs  dieselbe  hie  und  da  unter  den  andern  Abhandlungen  ohne 
besondern  Titel  enthakeu  gowe-^tMi  sei  und  dal's  sie  Kciiurd  in 
der  Autzählung  der  ältesten  Manuskripte  ausdrücklich  erwähnt 
und  zwar,  was  wichtig,  uebeu  den  QQ.  de  anima,  de  virtutibus, 
de  unione  Verbi  incamaU,  de  spiritualibus  creaturis.  Danach 
ist  sie  also  auch  höchst  wahrscheinlich  im  Znsammenhang  mit 
diesen  in  Italien  entstanden.  ' 

überblicken  wir  nun  diese  geschichtliche  Abfolge  der  Ent- 
stehung der  einzelnen  Quaestiones  disput.,  so  ist  dieselbe  der 
Annahme  einer  systematischen  Ordnung  günstig.    Wir  haben 


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Die  Systematik  in  den  Quaestiouea  disputatae  etc. 


53 


danach  zwei  Gruppen  von  Werken:  diejenigen,  die  in  Paris  ent- 
standen, und  diejefligen,  die  in  ilalien  abgefafst  wurden.  Nun  ist 
zunächst  klar,  dafs  de  malo  et  virtulibns  ziifiammen  ein  (lanzes 
biiiieo,  wenngleich  aie  iu  den  Ausgaben  weit  aubciuauder  iicguu, 

ind«Di  die  kieinerii  Werke  de  ftoima  eto.  swiaoben  hioeia^ 
gescbobeD  sind;  denn  me  finden  sich  in  den  hietoriecben  Angaben 

immer  zusammen  erwähnt:  de  malo  et  (!)  TirtutEbne  und  Bind 
anch  g^leicbzeitig  nämlich  Tom  Jahre  12()5  an  entstanden,  abge- 
sehen davon,  dafs,  was  hier  in  der  his^torischcn  Begründung'  noch 
nicht  in  Bflraeht  komiut,  sie  auch  iuneilicli  zusammengehören. 
—  Loser  ist  der  Zu«*a!umeiiliaii;j^  btM  den  kleiuuru  QuaeKtinTUis ; 
de  anima,  de  »piritualibut»  crealuri«  und  de  unione  Verbi  incaruati. 
Immerhin  iat  daA  bemerkenswert,  daf»  sie  alle  während  dem 
Aufentbalt  in  Italien  entstanden  und  zwar  zaemt  de  anima  io 
Born»  unter  Urban  IV.,  dluin  de  i^iritnalibna  creaturis  io  Peragia 
oder  \lterbo  unter  Clemens  IV.  und  wahrscheinlich  zuletzt,  weil 
anch  zuletzt  erwähnt,  ebendort  de  unione  Verbi  incarnati.  So 
iHt  wenigstens  ein  zeitlicher  Zusammenhang  da,  Thomas  konnte 
in  Einem  Gedankenziig  si<  ah-^t  fafst  habeti;  und  vielleicht  dafH, 
was  aus  innern  (.Trnnden  sieh  wahrscheinlich  machen  lassen  wird, 
je  das  folgende  Werk  eine  i'orttsetzung  und  höhere  Krönung  den 
Torberigen  dantellt,  de  anima  dnreb  de  apiritnal.  creat.  nnd 
dieses  doicb  de  unione  Verbi.  —  Am  offenbarsten  ist  der  Zn- 
sammenhang  zwischen  den  zwei  grofscn  Werken:  de  Teritate 
und  de  potentia,  wenngleich  hier  die  historische  Aufeinanderfolge 
und  die  Anordnung'  in  den  Ausgaben  dagegen  zu  sprechen 
scheinen,  in  letzrf  ren  steht  nämlich  g*-\v^hnlic'li  die  Abhamllung' 
de  potentia  an  erster,  de  veritalo  sogar  an  letzter  Stelle.  Allein 
wir  haben  schon  gesehen,  dafs  auf  diese  Anordnung  in  den 
Auegaben  nichts  zu  geben  ist,  indem  sie  wechseln  und  nicht 
Ton  Thomas  herstammen.  Zudem  ist  zeitlieh  gerade  umgekehrt 
de  Yeritato  zuerst,  de  potentia  zuletzt  entstanden.  Aber  nun 
möchte  vielleicht  gerade  dieses  zeitlich  weite  Auseinanderliegen 
der  Entstehung  beider  Werke  gegen  ihre  innere  Einheit  und 
Zusammengehörigkeit  (Sprechen.  Und  doch  nicht,  wenn  wir  etwa« 
die  lokal»'  Einheit  dt-r  Kntstehuni:  crwitgen.  Beide  Werkt;  sind 
numlich  in  Paris  cntstatulen,  daa  eine  de  veritate  im  Anfang  der 
ötieotlieheu  Lehrthütigkeit  des  hl.  Thomas  an  der  dortigen 
Unirersität,  das  andere  am  Schlufs  derselben.  Sollte  nun  nicht 
der  grofse  Systematiker  bei  seiner  Rückkunft  nach  Paris  sich 
seiner  dortigen  ersten  jugendlichen  Wirksamkeit  erinnert  und 
mit  einer  gewissen  Wehmut  an  diese  schönen  Tage  zurückgedacht 
haben;  mnfste  damit  nicht  sein  Geist  wieder  da  anknüpfen,  wo 


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54 


Die  Sjttenatik  in  den  Quaettionea  dispotela«  ete. 


er  bei  dem  ersteu  Autuuüiait  uulgeiiört^  mufäte  er  Bich  nicht 
wieder  «i  aein  grofsee  Werk  de  Yeritate  erionm  und  konnte 
er  da  niciit  den  Gedanken  fassen,  w  wftra  von  hohem  Inteteese 
nnd  ein  Absehlnr«  seiner  Jngendarbeit,  wenn  er  in  Ergänzung 

und  Erinnerung  an  jene  nun  aach  das  andere  geistige  Grund- 
vermögen neben  dem  Intellekt,  nämlich  den  Willen,  ähnlich  wie 
jenen  behandeln  würde I  So  wird  dann  die  Einheit  den  Ortes 
und  die  psvBchologische  Einheit  der  Erinnerung  an  alte  frühere 
Zeiten  zu  einem  äufpern  ü runde  der  innern  Einheit  der  Werke, 
die  diese,  wie  sich  sogleich  zeigen  wird,  wirklich  besitzen.  « 
Und  so  erhebt  in  der  That  die  historisebe  Betrachtung  de  loco 
et  tempore  der  Eotstehnug  der  Qoaest  disput  jene  Torlänfige 
Vermutung,  i  s  möchte  in  ihnen  eine  Systematik  enthalt'  n  >ein, 
an  höherer  Wahrscheinlichkeit»  gibt  ihr  einen  äafoem  Anhalts- 
punkt, eine  historische  Unterlage.  Uiul'zwar  lassen  sich  danach 
zwei  Systeme  unterscheiden:  sicher  bilden  ein  Ganzes  df  malo 
et  virtutibus;  ebenfalls  de  veritate  et  potnntia;  nnd  2u^umuJen 
gehören,  wenn  auch  lockerer,  die  drei  andern  Abhandlungün :  de 
anima,  de  spiritualibus  oreaturis  und  de  unione  Verbi  incamati. 
Was  so  SU  hoher  Wahrsofaeinlichkeit  erhoben  ist»  lafst  sieh  aur 
Gewifsheit  steigern  durch  innere  Gründe,  nämlich  durch  die  Dar- 
legung der  Systeme  selbst 

III.  Innere  Gründe;  die  Systematik  der  Quae- 
stiones  disputatae  im  einzelnen.  —  Wenn  nun  im 
Folgenden  die  wirklich  vorliegende  Svsfomatik  der  einzelnen 
Quaest.  disp.  dargelegt  werden  will,  wodurch  dann  aus  innern 
Gründen  unsere  These  «erwiesen  werden  soll,  so  ist  dabei  aller- 
dings einleitend  au  bemerken,  dafs  diese  Systematik  nicht  eine 
so  scharf  und  streng  geschlossene  ist,  wie  etwa  in  der  Öumma 
theoL  oder  gar  im  Compendinm  theologiae;  Tielmehr  sind  die 
Quaest.  disp.  wesentlich  als  das  au  fassen,  was  sie  sind,  als  ge* 
lehrte  I)etailuntprs»nr>hungen,  als  eine  Art  ,,Monofrrnphiccn"  im 
modernen  JSinu,  und  da  sind  denn  gewisse  Digressionen  un- 
answcichlich,  bei  <leiicn  der  systematische  Zusammenhang  jeweilig 
wieder  in  etwas  gestört  wird;  das  schlieCst  aber  nicht  aus,  dafs 
doch  im  groTsen  nnd  ganaen  ein  Werk  ein  grofser  einheitlicher 
Gedanke  durchsieht,  gleichsam  wie  der  rote  Faden  sich  durch 
dasselbe  hindurohaieht,  oder  wie  eine  architektonische  Grund- 
form dasselbe  beherrscht,  die  bei  allen  UnregelmäTsigkeiten  des 
Baues  im  einzelnen,  doch  immer  wieder  hervortritt.  —  Es  soll  nun 
dieser  Nachweis  zuerst  bei  dem  Werke  veraucht  werden,  bei  dem 
die  Einheit  am  wenigsten  er.sichLlieh,  nämlich  bei  den  drei  kleinem 
Abhandlungen:  de  aoima,  de  spiritual.  creat.  und  de  unione  Verbi. 


uiyiii^ed  by 


Die  Systematik  in  den  QoiestioiMs  ditpntatae  ete. 


55 


1.  Die  Qaaastiones  dispatatae:  de  anima,  de  spiri- 
tnalibiiB  creatnria  und  do  unione  Verbi  incarnati.  — 
Geschichtlich  hat  sich  gezeigt,  dafs  das  zuerst  abgetar^tc  derselben: 
de  anima,  das  letzte  dagegen:  de  unione  Verbi  ist;  und  in  dieser 
Reihenfolge;  de  aoima,  de  spiritualib.  creat.  und  de  unione  Verbi 
müsbCQ  sie  doshalb  auch  geordnet  sein,  wenn  auch  die  gewöhnlichen 
Ausgaben  de  spiritnal.  creat.  vorausstellen  und  diesem  de  anima 
folgeo  lassan.  Nnn  aber  wird  sieh  seigen,  daßi  de  anima  die  Seele 
besonders  betrachtet  in  ihrer  Verbindung  mit  dem  Leibe  als  forma 
corporig;  de  spiritualib.  creat.  die  geistigen  Wesen  bes.  die  Bogel 
wieder  in  ihrer  möglichen  Verbindung  mit  körperlichen  Wesen  und 
ob  sie  deren  formae  sein  können;  und  endlich  de  unione  Verbi 
handelt  von  der  höchsten  Verbindung,  nämlich  nicht  nur  einer 
>>eele  oder  eines  reinen  Geiste»  mit  einem  Körper,  sondern  des 
Logos  selbst  mit  der  körperlich-geistigen  menschlicheu  xsatur. 
So  zieht  sich  der  Grundgedanke  von  der  Union,  von  der  Ver- 
einigung eines  höhem  Geistigen  mit  einem  Niedern,  nnd  zwar 
in  einer  Steigerung  von  Mensch^  Engel,  Logos  durch  das  Ganse. 
Betrachten  wir  das  im  einzelnen. 

a)  Die  Quaest.  disput.  de  anima  ist  nicht  etwa  wie  das 
gleichnamige  Werk  von  Aristotelps  eine  vollständige  Psychologie, 
riondern  behandelt  einzig  die,  Frage  über  die  6eele  in  ihrer 
Kinheit  und  V^erbindung  mit  dem  Leib  als  forma  und  dem  ent- 
sprechend dann  umgekehrt  in  ihrer  Trennung  vom  Leib,  also 
alles  betrachtend  unter  dem  einen  Gesichtspunkt  der  Form. 
Vnd  Ewar  handelt  der  ganze  Traktat,  der  in  einer  qnaestio 
unica  enthalten  ist,  in  den  ersten  13  art.  über  die  Verbindung 
der  Seele  mit  dem  Leib  als  forma  corporis  und  von  art.  14  bis 
21  über  den  Znstand  der  vom  Leibe  getrennten  äeele  oder  der 
anima  separata. 

Als  grundlegend  fiir  den  ersten  Punkt  wird  L'-leieh  ein- 
leitend uusgctuhn,  daia  die  k3eele  die  forma  subütauuuiis  oder 
Weeensfonn  des  Leibes  ist»  die  ihm  sein  individaeUes  8ein  das 
hoc  aliquid  Terleiht  art.  1  und  zwar  so  sehr  ist  sie  forma  corporis, 
bestimmt  mit  dem  Leibe  verbunden  zu  sein,  daih  es  zunächst 
gar  nicht  ihre  Au%abe  ist,  getrennt  vom  Körper  als  anima 
separata  7M  existieren,  wenn  sie  auch  niit  d«!in  Intellekt  nicht 
ganz  in  ihn  untergetaucht  ist,  und  einntens  getrennt  von  ihm 
subsi^tieren  kann.  a.  2.  Darum,  weil  die  geistige  Seele  forma 
corporis  ist,  so  ranfs  es  auch  so  viele  geistige  t^eelen  geben  als 
belebte  Körper;  es  gibt  deshalb  nicht  einen  einzigen  inteilectus 
possibilis  oder  eine  TornttnfUge  receptive  Seele  für  die  ganze 
Menschheit,  was  gegen  Averroes  betont  wird;  a.  3.  noch  auch 


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5Ö 


Die  Systematik  in  den  Quaesüones  disputatae  etc. 


einen  cinzi«ren  thiiliguD  abstrahierenden  Verstand  odnr  intellectus 
agens  für  alle,  was  gegen  Avicenua  g-ilt.  a.  4  u.  5.  1hl  aber  so  die 
vernünftijsre  Seele  weftentlich  forma  corporis,  ro  darf  man  in  ihr 
selbst  nicht  wieder  unterscheiden  zwi»cheu  Materie  und  Form; 
a.  6.  weil  dann  die  Form  das  Weeen  und  die  Art  eines  Dinges 
bestimmt,  so  können  offenbar  Engel  und  Menschenseele  nicht 
der  gleichen  Art  angehören,  da  der  englii*che  Geist  gar  nicht 
bestimmt  ist,  Form  zu  sein.  a.  7  and  umgekehrt  ist  der  mensch* 
lifho  Leib  hoRtitural  und  pausend  eingerichtet,  Mnterii;  od«?r  Organ 
der  vern\inttit;on  Seele  zu  sein;  nämlich  durch  die  Sinne,  weU  lie 
dem  Geiste  das  Denkniatcrial  verinilleln.  a.  8.  Und  eben  darum 
besteht  auch  kein  Aliitelgliod  zwisciiuu  Leib  und  Seele,  wie  die 
Trichotomisten  meinen,  sondern  die  geistige  Seele  ist  unmittelbar 
Form  des  Leibes  und  erhält  Ton  diesem  die  £tn?rirknngen. 
a.  9.  Deshalb  ist  auch  die  Seele  in  gewissem  Sinne  in  toto 
corpore  et  qualibet  parte  ejus.  a.  10  RhenAo  sind  die  anima 
rational!»,  sent^ibilis  und  vcgetabilis  nicht  drei  verschiedene  Seelen, 
wie  die  Platoniker  wollten,  sondern  nnr  drei  Seiten  oder  Bc- 
thätigungsformen  der  einen  geistigen  Seelensubstanz;  a.  11  und 
darin  wurzeln  auch  die  verschiedenen  Seelenvermög-en,  die  nach 
den  Objekten  der  Thätigkeilen  unterschieden  werden,  a.  12  u.  13, 
Ist  HO  die  Verbindung  der  Seele  mit  dem  Leibe  als  die  von 
Form  nnd  Materie  bestimmt,  also  als  die  vollkommenste,  die  sich 
in  snsammengcsetzten  Dingen  findet,  so  mufs  nun  allerdings  auf 
der  andern  Seite  betont  werden,  dufs  die  Seele  nicht  so  mit  dem 
Körper  verbunden  ist,  dufs  f^ic  nicdit  auch  nach  ihrer  Trennung 
vom  Leibe  für  f^ich  fortexistieren,  suhsistieien  kcinnte.  Sie  ißt 
unsterblich  a.  14,  und  da  denn  ^eht  der  hl.  Lehrer  auf  die  Be- 
trachtung der  Fragen  betreffs  der  auima  separata  über:  ob  sie, 
obwohl  die  Sinne  ihr  nicht  mehr  das  Denkmaterial  vermitteln, 
doch  denken  könne  a.  15,  ob  sie  in  oder  aulser  der  Verbindung 
mit  dem  Leibe  andere  animae  separatae  erkenne,  was  im  letatern 
Fall  bejaht  wird  a.  16  n.  17,  ob  sie  noch  natürliche  Dinge  er- 
kenne a.  18,  ob  in  ihr  die  sensitiven  Seclenvermögen  fortdauern, 
was  Thomas  (im  Unterschied  z.  H.  von  Dante)  leufj-net  a.  19, 
weshalb  dann  die  weitere  Frage  aulgeworten  wird,  ob  sie  niehts- 
des>towcniger  auch  Konkretes  erkenne  a.  20,  und  wie  sie  von 
einem  körperlichen  Feaer,  dem  sog.  Fegfeuer  leiden  könne  a.  21. 
—  Man  sieht,  die  ganse  Abbandlnng  de  anima  ist  in  der  That, 
wie  einleitend  bemerkt  wurde,  näherhin  eine  Abhandlang  de 
tinione  animae  ad  corpus  und  sogar  der  zweite  Teil  über  die  anima 
«eparata  ist  nur  die  Kelirncito  des  ersten  und  unter  demselben 
formalen  Gesichtspunkt  betrachtet.  Ähnliches  läfat  sich  nun  auch 


^ed  by  CjOOQie 


Bie  Systematik  io  den  Quaestioues  disputatae  etc.  57 


▼on  dem  zweiten  Werke  der  oreten  Grnppe  Dacbweisen,  es  iet 
da  wieder  weaeotlicb  die  Frage  um  die  QDio  der  geistigen 

Kreaturen. 

b)  Die  Quaest.  disput.:  de  s j) i  r 1 1 ii a  1  i b  u  s  creaturis.  — 
(1  quaest.  mit  Ii  urt.)  Unter  spirituales  creaturae  wind  hier 
»owobl  die  reinen  Geister  aln  auch  die  geistige  Seele  ver8tanden. 
Und  über  letztere  werden  wesentlich  wieder  die  gleichen  Fragen 
aufgestellt  wie  im  Torhergebenden  Traktat:  ob  sie  ansammeD- 
gesetat  sei  ans  Materie  und  Form  a.  1  ob  sie  mit  einem  Körper 
verbunden  werden  könne  a.  2  ob,  wie  die  Trichotomisten  meinen, 
dnreb  ein  medium  oder  unmittelbar  a.  3  und  ob  sie  ganz  in 
allen  Teilen  des  Körper«  sei.  a.  4.  —  Von  da  geht  dann  der 
VerfaBser  auf  die  rein  geistigen  Wesen  über  und  tragt:  ob  es 
Quu  auch  geistige  SubBtauzeu  gebe,  die  nicht  mit  einem  Körper 
verbunden  sind;  a.  5  ob  aber  dieselben  vielleicht,  wie  die  Platoniker 
meinten,  als  formae  mit  den  Himmelskörpern  verbünden  werden 
können,  was  negiert  wird  a.  6  wie  überhaupt  keine  geistige  Substana 
mit  einem  andern  Körper  etwa  einem  ätherischeu  als  forma  ver- 
banden sein  könne,  als  mit  einem  solchen,  wie  ihn  der  Mensch  habe, 
weil  nur  ein  solcher  '!<  in  Denken  durch  die  Sinne  das  Material 
zu  subministrieren  vurmüge  a.  7.  Sind  aber  i^o  dii;  Kngel  geictip-o 
Substanzen,  die  nicht  al«  formae  eine  materia  intonuieren,  so 
folgt  daraus,  dafs,  weil  nur  durch  die  Gleichheit  der  Form  ver- 
schiedene Wesen  derselben  Art  angehören,  ein  jeder  Engel 
gleichsam  eine  eigene  specios  Inr  sich  bildet,  a.  8.  —  Und  nnn 
kommt  wieder  die  Sprache  auf  den  Menschen,  offenbar  in  dem 
Zusammenhang :  wenn  also  die  reinen  Geister  in  keiner  Weise 
als  formae  sich  mit  einem  Körper,  auch  nicht  einmal  mit  einem 
ätheriHchen  verbinden,  ob  dann  nicht  vielleicht  doch  eine  höhere 
;:eistig-<?  Substanz  als  intellertn»  possibilis,  a.  S>  oder  agens,  als 
allg-enieine  Menschheitsseele  wenigstens  das  Denken  im  Menschen 
besorge  und  sich  dann  wirklich  irgendwie  mit  dem  menschlichen 
Leibe  ▼ereinige,  a.  10.  Da  beides  abgewiesen  werden  mnfs, 
indem  die  einzelne  Menschenseele  das  ganse  Denken,  durch  Auf- 
nahme der  Phantasmen  und  durch  die  Abstraktioosthätigkcit  etc. 
besorgt,  SO  folgt  dann  aber  für  sie,  dafs  an  ihr  yerscbiedene 
öeelenvermöfj^en  7m  unterscheiden  sind.  a.  11.  — 

Es  koniiut  initrr  dioeiii  Ziisnnimenliang  der  Verlasser  wieder 
auf  ähnliche  Fragen  zurück,  wie  im  vorigen  Traktat,  nml  es 
ergibt  sich  daran»  einerseits,  dafs  allerdings  die  zwei  Arbeiten 
nicht  ein  geschlossenes  System  zusammen  bilden,  sonst  wären 
diese  Wiederholungen  nicht  eingetreten.  Anderseits  lafst  sich 
aber  doch  nicht  leugnen,  dafs  ein  einheitlicher  Gedanke  durch 


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58 


Die  Systematik  in  den  Quaestiooes  disputatae  etc. 


beide  Qnaestionen  sich  hindurch  zieht,  nämlich  der  von  der 
Vcreiniguug'  von  poi'^tiircn  mit  körpfrh'chen  «Subptanzou,  also  der 
vou  der  unio.  AUbh  ward  auch  in  dii n  r  zweiten  Abhandhinfj  unter 
dieser  KückKit  ht  behundelt;  nur,  wahrend  iu  der  ersten  einzig* 
die  Vereinigu  der  Menscbenseeie  mit  dem  Körper  in  Betnoht 
kommt»  wird  hier  die  Frage  weiter  geetelU:  nämlich  wie  kaon 
überhaupt  eine  geistige  Hubstans  mit  einer  körperlichen  Bich 
verbinden,  und  dann  roufste  allerdings  einiges  aus  der  Abhandlung 
repetiert  werden  und  es  verhält  sich  dieser  Traktat  dann  zum 
vorherigen,  wie  das  Allgemeinere  zum  Hesondern,  wie  der 
Gattungs-  zum  Artbogriff.  Und  nun  wird,  abfichliefsend,  über 
das  noch  etwas  llöliero»  und  Allgemeinores  g-estellt,  nämlich 
weuQ  gelragt,  worden  ist:  wie  verbindet  sich  die  ^eü6cheu»eele 
mit  dem  Leib»  wie  können  möglicherweiee  höhere  geistige  Sab- 
stanaen  mit  Körperlichem  sich  Terbinden  (was  im  Sinne  von 
forma  und  intellectus  agens  abgewiesen  wird),  so  kann  man  nnn 
noch  fragen:  wie  konnte  sich  Gott  selbst  mit  dem  Menschen 
verbinden  resp.  iakarnieren  and  darüber  handelt  der  folgende 
Traktat 

c)  Quaetit.  disput.:  de  unioue  \  erbi  incarnati  (qu.  unic. 
5  art.).  —  Es  werden  hier  fünf  Fragen  aufgestellt:  utrum  unio 
Verbi  facta  sit  in  persona,  a.  1;  utrum  in  Christo  sit  una  tantam 
hjpostasis.  a>  2;  utrum  Christus  sit  unum  naiuraliter  yb\  dno. 
a.  3;  utrum  in  Christo  sit  nnnm  tantam  esse»  a.  4;  nnd  utrum 
in  Christo  sit  una  tantom  operatio.  a.  5.  —  Wie  diese  Fragen 
beantwortet  werden,  kann  dem  Theologen  nicht  zweifelhaft  sein : 
dafs  die  unio  in  Christus  eine  hypostatische,  dafs  in  ihm  deshalb 
nur  eine  Hypostase,  dafs  darum  die  beiden  Naturen  miteinander, 
wie  Cyrill  von  AK-xandrien  sag^te,  eine  fiwö/c  rpvütxr/,  ein  nnnm 
naiuraliter  (oiehl  ueutraliter,  wie  einige  Ausgaben  faUch  haben), 
ein  einheitliches  Ganzes  unum  tantam  bildeut  das  aber  doch  nadi 
den  awei  ▼erbnndenen  Saturen  awei  Bethätigungs weisen  hat,  ist 
kirchliches  Dogma  und  wird  hier  philosophisch  besonders  mit 
genauer  Begriffsbestimmung  von  persona  und  natura  (cf,  a.  1) 
aufigeführt.  Und  zwar  dies  m  detailliert  und  fiir  sich,  dafs  man 
an  einen  Zusammenhang  mit  den  andern  zwei  Traktaten  kaum 
denken  wird.  Hält  man  aber  den  Titel  unio  mit  dem  (irnnd- 
gedanken  der  vorigen  zwei  Arbeiten  zusammen,  zieht  man  zugleich 
dabei  den  historischen  Znsammenhang  iu  Betracht,  so  ist  es  doch 
zum  mindesten  wahrscheinlich,  dafs  Thomas  hier  cum  AbschluTs 
der  andern  awei  Traktate  «ne  höchste  unio  hinstellen  und 
gleichsam  seigen  wollte:  bei  der  geheimnisvollen  Beziehung  von 
Geist  nnd  Körper  tritt  eine  Verbindung  als  unio  formalis  ein 


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59 


twiscbeo  MeDSoheneeele  and  Leib;  nicht  eine  solche,  etwa  ala 
intellectiis  agrens  zwischen  reinen  Geistern  und  Menschenwelt: 
wohl  aber  die  horhste  nnio  bypoHtatira  zwinchen  Loffos  und 
Menscheunatur,  wodurch  die  vollkonmienstc^  X'erbindung  von 
Kreatur  und  Gottheit  erbracht  wird,  ho  dafs  dadurch,  wie  der 
hL  Lehrer  an  anderer  Stelle  tiofsinaig  ausführt:  perficitur  per 
hoc  qoodammodo  totins  operie  divioi  nniTersitaBf  dum  homo,  qui 
est  nltiino  ereatas,  cireulo  qnodam  in  mnm  redit  priDoipinm,  ipei 
reram  fHinoipio  per  opus  incaroationis  nnitne.  CompODd.  theoL 
cp.  208.  - 

Dafs  aber  hier  so  weitlänfig-  über  die  mögliche  oder  iinniög"- 
iicbe  Union  geistiger  oder  göttlicher  Substanz  mit  der  Mnterie 
abgehiindfcit  wird,  mag  darin  seinen  Gnind  haben,  dal»  der 
Gruudirrtum  des  Avbrroi»mu8,  der  damaligen  i'alächeu  Zeit- 
Philosophie,  gerade  darin  lag»  dafs  er  in  paotheietisolier  Weise 
einerseits  eine  üoeahl  Ton  Verbindangen  höherer  und  niederer 
Emanationen  Gottes  mit  Natur  und  Menschen  annahm,  anderseits 
dann  aber  doch  die  Möglichkeit  der  unio  hypostatica  in  der 
Inkarnation  verwarf.  Unser  Traktatencyklus  ist  eine  tiefgehende, 
nicht  polemisch  vorgehende,  aber  positiv  beweisende  Widerlegung 
dieser  Ansicht.  Ist  dabei  immerhin  daö  System  mehr  verhüllt 
und  nur  io  diesem  Grundgedanken  gelegen,  so  tritt  ein  solches 
dentUch  hervor  in  den  zwei  Abbandinngen  de  virtutibos  und 
de  malo. 

2.  Die  Qnaeetiones  dispntatae:  de  virtntibiis  and 

de  malo.  —  Die  zwei  Abhandlungen  stehen  wieder  in  den 
gewöhnlichen  Ausgaben  nicht  beieinander,  sondern  zuerst  de  malo 
oric!)  den  (]nnf^tione8  de  potentia  und  dann,  weit  davon  entfernt, 
nach  den  soeben  behandelten  kleinern  quaestiones  und  vor  de 
Verität©  die  de  virtutibus,  ho  dal's  damit  der  Zusaramenhaug 
uübegreiflicherweiso  zcrribhen  wird.  In  der  edit.  Vives  (Bd.  14) 
sind  daan  dann  noch  die  einaelneo  Quaestiones  de  ▼irtutibus  als 
ebensoviele  qnaestiones  unicae  mit  gleicbmäfeigen  Titeln  hin- 
gestellt^  als  ob  sie  so  yiele  kleinere  opascnla  waren,  die  weiter 
nicht  zusammenhangen.  Dagegen  wissen  wir  nun  aber  aus  der 
Geschichte  (vgl.  oben  die  dissert.  critic.  des  de  Rubels),  dafs 
beide  Abhandlungen  y,nsan)niengohören :  denn  immer  werden  sie 
ZU-tianimen  erwähnt:  de  malo  et  (1)  virtutibuH;  ebenso  sind  sie 
ofi»?nbar  nacheinander  in  Italien  entstanden  und  zwar  vermutlich 
zuerst  de  malo,  weil  immer  zuerst  aufgezählt  und  wohl  auch 
praktisch  anm  Gebranch  der  Pönitentiare  anerst  gewünscht, 
dem  dann  das  andere  de  virtntibns  der  Vollständigkeit  wegen 
beigefdgt,  aber  wahrscheinlich,  weil  weniger  zum  praktischen 


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60  Die  Systematik  in  den  Quacstiones  dispotatae  etc. 


Gebrauch  bostimrat,  kürzer  gehalten  wurde.  Logisch  nelbst- 
verf^tfindlich  {j:ehÖrt  de  virtutibus  so  gewils  voraus,  als  das  Ponitive 
vor  dem  jS'egativen  nteht,  und  so  "wollen  wir  auch  im  iblgeDdcn 
die  zwei  Werke  inhaltlich  betrachten.  Es  wird  sich  dabei  zeigen, 
dafs  sie  xnsammen  ein  kurzes  Compendim  der  Moral  darstellen 
und  zwar  nach  der  ganz  gleichen  Anlage:  indem  snerst  de 
virtutibus  in  communi,  dann  von  den  drei  göttlichen  Tugenden 
und  den  vier  Kardinaltugenden  im  besondem  abgehandelt  wird; 
ebenso  im  andern  Traktat  zuerst  de  raalo  in  communi  ('de  causa 
nuili  etc.)  und  dann  von  den  sieben  Hauptsiiuden  iru  besondem, 
so  daf^  hier  der  Beweis  aus  iDDern  Griindcn  für  das  övsteiu 
ohne  weiters  klar  liegt. 

a)  Die  Quaei^t  disput:  de  yirtutibns.  —  Dieser  Traktat 
besteht  ans  fänf  quaestiones:  qn.  1  de  virtutibus  in  commnni; 
qn.  2  de  caritate;  qu.  3  de  correctione  fratema;  qu.  4  de  spe; 
qu.  5  de  virtutibus  cardinalibus.  Offenbar  liegt  nun  hier  die 
Systematik  darin,  dafs,  wie  in  der  Summa  Iheol.,  zuerst 
über  die  Tugenden  im  allgemeinen  abfrehandelt  wird,  daun  im 
besonderu;  und  zwar  zuerst  über  die  drei  göttliche«;  vorab  über 
die  Liebe  als  die  Form  aller  Tugenden,  speciell  die  Liebe  üottep, 
dann  über  die  Liebe  des  Nächsten,  insbesondere  in  der  Form 
der  correctio  fratema;  hierauf  wird  die  Hoffnuog  behandelt; 
dagegen  fallt  auf,  dafs  der  Glaube  nicht  aufgeführt  wird;  das 
Wahrscheinlichste  ist,  dafs  Thomaa  diese  quaestio  absichtlich 
ausgelassen  bat,  weil  er  bereits  darüber  eine  quacst.  disput 
geschrieben  hatte,  nämlich  qn.  14  in  de  veritate  und  sich  hier 
nicht  melir  wiederholen  wollte.  Nach  deu  drei  ^'■öttlichen 
Tugenden  kuiutnen  die  Kardinallujrendeu  zur  Hehaudlun|j: .  so 
(iaiH  die  iüot  QuueslioueH  ein  zu^amuieugütichlo.sseueä  ^laozes 
bilden.  —  Es  würde  nun  au  weit  fähren,  die  einzelnen  Artikel 
im  besondem  su  betrachten,  doch  dürfte  es  von  Interesse  sein, 
deren  innern  lo^schen  Gedankenzusammenhang  zu  skizzieren, 
indem  sich  daraus  zugleich  ergibt,  wie  die  quaesL  disp.  Parallel- 
steilen  zu  den  betrcfTtMiden  Partiecn  der  Summa  tlieol.  bilden, 
dieselben  ergänzen  und  zu  deren  Erklärung;  herang*ezogen  werden 
müssen.  —  In  der  .Xbhancilung  de  virtut.  in  rouimuui  wird 
zunächst  gezeigt,  dafs  die  Tugend  ein  habitus,  nicht  nur  ein 
guter  Akt  ist  a.  1,  welchen  habitus  der  hl.  .\ugustiDUs  richtig 
so  definiert:  ,»virtus  est  bona  qualitas  meotis,  qua  recto  vivitur, 
qua  nemo  male  utitnr,  et  quam  Deus  in  nobis  sine  nobis  operatur'* 
(sc  in  virtut.  infusis)  a.  2.  Als  habitus  hat  die  Tugend  die 
einzelnen  Seelenpotenzcn  zu  Trägern  a.  3,  insbesondere  die 
irascible  und  concnpiscible  Potenz  a.  4,  während  alle  Tugenden 


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Die  Systematik  in  den  Qaaestioues  disputatae  etc. 


61 


zuletzt  im  Willen  wurzeln  a.  5.  Insofern  die  Tugend  ein  liabitus 
iiii.  kann  man  auch  von  intellektuellen,  nicht  nur  moralischen 
Tugenden  (Tüchtigkeiten)  sprechen  und  zwar  gibt  es  solche  für 
die  praktische  a.  6,  und  theoretische  Vernnnil  a.  7.  Die  Anlage 
iür  die  Tugend  liegt  in  der  Natur,  allein  sie  mufs  durch  das 
meoscbliche  Zotbun  angewöhnt  werden  a.'8,  was  durch  wieder- 
holte 8etsan(p  des  gnten  Aktes  geschieht,  a.  9.  Es  gibt  aber 
auch  von  Gott  eingegossene  Tugenden,  die  vermehrt  werden 
können  a.  11.  AU  diese  Tugenden  nun  werden  passend  eingeteilt 
in  die  drei  p:öttlichen  und  die  vier  Kardinaltnirendcn  a.  12,  und 
da>*  Wesen  der  letzlern  setzen  die  Alten  richlifi^  in  ein  gewisses 
Mittel  zwischen  dem  Zuviel  und  dem  Zuwenig-  a.  13.^ 

Unter  deu  eingegosbenon  oder  göttlichen  Tugenden  uuu  ist 
die  erste  die  Liebe  Gottes  (qu.  unio.  de  caritate).  8te  ist 
etwas  von  (iott  durch  Gnade  im  Menschen  Bewirktes,  nicht  etwa 
der  hl.  Geist  selbst  a.  1,  und  bildet  geradeso  die  Form  aller 
Tugend,  insofern  jede  gute  Thätigkeit  nur  wahrhaft  tugendhaft 
und  gut  i^t,  insofern  sie  in  letzter  Intention  durch  die  Liebe 
auf  Gott  }i!Ti  geordnet  ist  a  3.  Deswegen  schliefet  auch  die 
i*chwere  ^?nndü  die  Liebe  Goiies  auR,  weil  durch  sie  eine  Tren- 
nung von  Gott  eintritt,  durch  Dahingabe  Gottes  an  ein  endliches 
Gut  a.  G,  dagegen  schliefst  die  Liebe  Gottes  die  Liebe  zur 
Kreatur  nicht  aus,  sondern  ein,  insofern  sie  um  Gottes  Willen 
und  nach  Gottes  Willen  geliebt  wird,  doch  ist  das  spedfische 
Objekt  der  christlichen  ^'ächstenliebc  die  veruüullige  Kreatur, 
weil  nur  diese  mit  uns  in  der  Vereinigung  mit  Gott  auch  end- 
g'ültig  vereinigt  werden  knnn  a.  7;  weil  t^ich  dann  (Jottes  Abbild 
auch  im  Feinde  lindet,  ist  auch  dieser  um  Gottes  AVillcu  zu  lieben, 
in  bosonderiT  Weise  aber  nur  ex  consilio.  a.  8.  Dabei  besteht 
eine  Ordnung  der  Liebe,  so  zwar,  dafs  die  JSächsteu  auch  zu- 
nächst Gegenstand  der  christlichen  Liebe  sind.  a.  S^.  Die  voll* 
kommene  Ifachstenliebe  jedoch  ist  Rat,  nicht  Pflicht,  und  soll 
bes.  durch  die  Stände  der  Vollkomffinheit  spec.  den  Episkopat 
ausgeübt  werden  a.  11.  —  Zur  christlichen  Nächstenliebe  gehört 
dann  auch,  wo  nötig,  die  corrcctio  fraterna  (qu.  unic.)  a.  1.  Doch 
ist  auch  hierbei  eine  Ordnung-  der  Pflicht  vorhanden,  i^o  zwar, 
daff»  !7i  erster  Linie  dazu  die  Vorgesetzten  gehalten  sind.  a.  2.  — 

Die  zweite  der  götti.  Tugenden  ist  die  Hoffnung  (qxi.  un. 
de  spe).  Sie  ist  eine  wirkliche  und  besondere  Tugend,  deren 
Fomak>bjekt  die  göttliche  GHIte,  das  Materialobjekt  aber  die 
ewige  SeUgkeit  ist.  a.  1.   Sie  setzt  die  Liebe  voraus  a.  3  und 


«  ef.  8.  tb.  L  ]I  qu,  66  ff. 


62         Die  Syitenatik  in  den  Qnaettioncft  ditpautte  ete. 


ündet  sich  nur  in  statu  viae.  a.  4.  —  Logisch  und  theologisch 
vor  Hoffnung  und  Liebe  steht  die  dritte  der  göttlichen  Tugenden, 
der  Glaube;  wantm  Über  deneelben  an  dieser  Stelle  nicht  ab- 
gebändelt  wird,  wurde  bereits  angedeutet.  Bystematiscb  müfiite 

er  unbedingt  in  diesem  Zusammenhang  zur  ^Sprache  kommen, 
allein,  weil  der  hl.  Lehrer  darüber  weitläufiger  abbandelt  in  den 

quaest.  disput.  de  verltate,  so  scheint  hier  absichtlich  dieser 
Gegeu&tand  übürg'angcn  worden  zu  sein  Au  diu  g'öttl.  Tugenden 
reihen  sich  an  die  «og.  Kardiuiiltiig-enden  und  darüber  handelt 
endlich  noch  die  letzte  quaest.  unic.  de  virLuLibu»  cardiDälibus. 

£8  werden  dieselben  richtig  untersobieden  in:  Xlngheit,  Gereeli* 
tigkeitp  Starkmut  und  Mafsigung  a.  1,  sie  stehen  mileinander  in 
einem  innem  Zusammenhang,  so  dafs,  wer  die  cino  im  wahren 
Sinne  besitzt,  die  andern  auch  irgendwie  besitzen  mufs  a.  2, 

woraus  sich  eine  gewisse  aequalitas  virtutum  ergibt  a.  3,  weil 
dann  die  Kardinaltugeudon  die  Grundbestimmungeii  der  sittlichen 
Tüchtigkeit  ausmachen,  so  bleiben  sie  auch  in  irgeudwelcher 
Weise  in  patria.  a.  4.  —  Hiermit  schlielst  Thomas  die  Abhand- 
lung de  virtutibus;  dafs  dieselbe  eine  einheitliche  systematische 
Abhandlung  ist»  ergibt  sich  aus  dieser  kurzen  Überoidit  und  ans 
der  Analogie  mit  dem  Sioralsjstem  der  Summa,  das  wesentlich 
diesem  gleicht,  dagegen  ist  dort  das  Ganze  weiter  ausgeführt, 
während  hier,  ganz  den  quaest.  disput.  entsprechend,  einzelne 
Punkte  weitläufiger  besprochen  sind.  Gleichsam  die  uegative 
Seite  dieses  Traktates  bildet  der  folgende  de  malo  und  gehört 
eben  deshalb  systematisch  hierher. 

b)  Die  Quaest.  disput.:  de  malo.  —  Es  zählt  derselbe  rori- 
laufend  16  quaestiones  und  ist  im  ganzen  viel  gewaltiger  angelegt 
als  der  vorhergehende;  ob  vielleicht  deshalb,  weil  dazumal  be* 
sonders  auch  noch  die  tische  Lehre  vom  Bosen  gegen  das 
dualistische  Albigensertam  zu  überwinden  war,  mag  dahingestellt 
sein.  In  grofsen  Zügen  wird  abgehandelt  über  das  Böse  Vibcr- 
hnT]]it  qu.  1,  das  moralisch  Hose  im  besondern  qu.  2,  dessen 
aiiseiiige  Ursache  qu.  3,  insbesonders  die  Ursiinde  qu.  4  u.  5, 
dessen  Imputubilität  qu.  6  u.  7,  und  dann  von  deu  einzelnen 
Hauptsünden  qu.  8^16,  wo  das  Ganze  beschlossen  wird  mit 
einem  Hinblik  auf  das  eigentliche  Reich  des  Bosen:  de  daemonibus. 
qu.  16.  —  Qq.  1  bietet»  wie  bereits  angedeutet,  die  eigentliche 
metaphysische  Begrifl»bestimmung  von  Bob.  Das  Böse  ist  nicht 
eine  Substanz,  was  gegen  den  Dualismus  betont  wird  a.  I, 
sondern  der  Mangel  an  etwas,  das  da  sein  sollte,  und  hat  inso- 
fern immer  ein  bonum  als  Träger  üd«!r  Subjekt  a.  2,  wie  dieses 
auch  die  accidentelie  Ursache  des  Bösen  ist.  a.  3.    Es  wird 


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Die  SystwnaÜk  in  den  Quaestiones  dJspntotae  etc. 


63 


passend  eingeteilt  in  ein  malum  poenae  et  culpae,  d.  i.  Übel  und 
äünde  a.  4,  und  vou  letzterer  ist  nun  im  beeonderü  zu  haQdeln. 
Die  Sünde  qn.  2  ist  ein  freigewolltee  Böse«,  wo  aber  die  Kootro« 
▼erae  aufgeworfen  wird,  ob  es  niobt  indifferente  Handlungen  gebe 

a.  4-~~6;  sie  wird  speciflscli  geändert  durch  die  circuiuBtantiae 
äpeciem  mutantes  a.  7  ff.,  als  Böees  ist  auch  sie  wie  das  Natur- 
übel ein  Defekt  an  der  Natur  a.  11,  aber  ni<>m:il8  wird  dadurch, 
was  wieder  gegen  den  Dualismus  betont  wird,  die  ganze  Katur 
korrumpiert  a.  12. 

Zur  tiefern  WesenbbeHiirnmuug  eines  GegeuHtaudes  gehört 
Tor  allem  die  Untersnohung  des  Grundes,  und  davon  bandeln 
qiiae.  3  de  oansa  peecati  und  qoae.  4  u.  5  de  pecoato  originali. 
Es  wird  20  dem  Zweck  nntersncht^  inwiefern  Gott  Ursache  der 
Sflnde  genannt  werden  könne:  nur  im  permissiven  Sinne  qu.  3. 
a.  1  u.  2  (wichtig  für  die  Lehre  von  der  praemotio  physica: 
utrum  actio  poccati  sit  a  Deo);  inwiefern  der  böse  Feind  Ursache 
der  Sünde  sei:  a.  3 — 6  soUicitierend  nicht  aber  zwingend; 
inwiefern  ignorantia  a.  6  —  9,  infiruiitaa  a.  9  —  12,  roalitiaa.  12 — 15 
die  büude  vcrächulde,  vermehre  oder  vermindere.  Gleichsam 
eine  Art  Ifaturgrund  der  Sünde  ist  die  Erbsfüide,  darum  hierüber 
qa.  4t  n.  5,  und  swar  qn.  4  über  das  Wesen  der  Erbsande, 
qn.  5  über  die  Folgen  derselben.  —  Endlich  gehört  zur  allge- 
meinen Wesensbestimmung  der  Sünde  die  Untersuchung  nach 
deren  Impntabil  ität.  Diese*  aber  wnrzclt  in  der  WuhltVelhoit, 
darum  hierüber  weitliiufig  q'i.  r>  de  libero  arbitrio,  wor;iiit"  die 
Schwere  der  öünde  näher  bestimmt  werden  kann  qu.  7,  de  pecoato 
veniali  resp.  mortalL 

Hiermit  ist  die  allgemeine  Abhandlung  über  die  Sünde  ab- 
geschlossen; offenbar  aber  entspricht  diesäbe  systematisch  der 
quaest  de  virtntibna  in  commnni  in  dem  pandlelen  vorigen 
Traktat  Und  wie  nun  dort  hieranf  folgt  die  Betrachtung  der 
sieben  Haupttugenden  im  besondern,  nämlich  der  drei  göttlichen 
und  der  vier  Kardinaltugenden,  ro  auch  hif»r  die  Behandlung  der 
sieben  Hauptsünden,  was  gleichsam  den  zweiten  Teil  desGan/pri 
bildet.  Die  Analogie  zwischen  beiden  Traktaten  ist  dadurcii  su 
uuflalleud,  dafö  schon  daraus  sich  zur  Evidenz  ergibt,  dafs  sie 
ansammen  gehören  und  Ein  System  bilden.  Qnae.  8  begründet  die 
Bicbtigkeit  der  Einteilung  der  Hanptsünden  in  die  sieben:  inanis 
gloria,  invidia,  aeidia,  ira,  avaritia,  gnla,  luxuria,  indem  ans  ihnen, 
wie  aus  sieben  Sündenwurzeln,  alle  andern  Sünden  stammen,  weshalb 
sie  eben  Hauptsünden  genannt  werden,  auch  weil  sie  den  psychischen 
passiones  der  irascibilitas  und  concupisoibilituR  cTit^prechen.  Von 
qa.  9 — 16  werden  dann  diese  Hauptsünden  im  einzelnen  betrachtet. 


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64      Können  unsere  Begriffe  aof  Wahrheit  Ansprach  machen? 


Die  ganze  Abhandlung  aber  wird  beschlossen  mit  einer 
Betoacbtnng  des  Böeen  gleichsam  Tom  höchsten  nnd  lettten 
Standpnnkte  aus,  nämlich  qu.  16  de  daemombus,  ihrem  ersten 

Sändenfall  a.  1 — 4»  dessen  Folgen  für  sie  a.  5  —  7,  und  fortan 
für  die  Menschen,  durch  die  dämoniscbeD  Inrestationen  a.  7 — 12. 
Ks  ist  dies  der  denkbar  gewalt^g^te  Abschlufs  der  Betrachtung' 
des  mysterium  iuiquitatis,  der  d'w  lotzieu  uud  tiefsten  Blicke  iu 
das  Kuich  der  Finsternis  thnn  läfsL.  ]Jie  zwei  Traktate  aber 
de  malo  et  virtutibus  bildeu  zubammeu  eiuc  eiuheitlicb  bystematisch 
geordnete  Moral,  die  wegen  des  ebenso  einfachen  als  eigenartigen 
Aufbaaes  und  der  Tiel&chen  DetailausfÜbrungen  auch  jetzt  noch 
die  Aufmerksamkeit  der  christlichen  Ethiker  erwecken  dürfken. 


KÖNNEN  UNSERE  BEGRIFFE  AUF  WAURUEIT 
ANSPRUCH  MACHEN? 

Von  Db.  EUG.  KADERAVEK. 

Eßtsprechen  uuberen  Bögriffen  Gegenstände  an 
sich  nnd  iu  der  Wirklichkeit?  Um  dieso  Frage  zu  beant- 
woriüii,  können  wir  vom  allgemeinen  und  wirklichen  Zweifel 
nicht  ausgehen.  Denn  wir  hätten  keinen  Boden,  aul  welchem 
wir  stehen  könnten;  wir  mUfsten,  um  forschen  zu  können,  uns 
der  durch  den  Zweifel  gänzlich  in  Frage  gestellten  Begriffe 
bedienen;  wir  wären  Richter  der  Wahrheit,  diese  wäre  unserem 
Richtersprncbe  unterworfen  und  mufsten  warten,  ob  wir  sie  an« 
erkennen  oder  nicht  Dem  gegenttber  ist  su  bemerken,  daCi  der 
Geist  des  Jleoschen  die  Wahrheit  nicht  schafft,  sondern  findet, 
daTs  er  sie  nicht  beherrsch^  sondern  vielmehr  unter  ihrer  Herr- 
Schaft  steht;  ehe  er  weüh,  was  sie  ist,  offenbart  sie  sieh  ihm 
und  erzeugt  in  ihm  die  Erkenntnis,  dafo  sie  ist.  Damm  ist  der 
allgemeine  nnd  wirkliche  Zweifel  verwerflich.  Dafs  es  also 
Dinge  an  sich  gibt,  dafs  sie  sich  dem  Menschen  offen- 
barcu,  dalö  ci-  .sit)  zu.  erkenutsu  imstande  ist  uud  auch 
wirklich  erkeaut,  kann  nicht  bezweifelt  werden.  Der 


^ed  by  CjOOQie 


Können  unsere  Begriffe  auf  Wahrheit  Anspruch  machen?  o.> 


Mensch  ist  eich  der  NötipiDg  bewiifet,  die  AufRenwelt  für  vahr 
zu  halten.  Er  kann  sich  swttr  diesem  Bewufstsein  dadurch  ent- 
ziehen, dafe  er  aof  das,  was  unabhängic^  von  aller  Forschung  in 
^bm  ist  und  g«eobiebt>  niobt  aebtet,  sondern  alle  seine  Anfmerk- 
tamkeit  der  Forsobnng  anwendet;  dämm  kann  er  eiob  dnrob 
Grübelei  in  einen  wirklicben  Zweifel  an  dem  Dasein  der  Dinge 
anfser  ibm  hineinarbeiten.  Jedoch  gelingt  es  ibro  nur  auf 
Augenblicke.  Denn  das  Bewnibtsein  der  Nötigung  wird  stets 
▼on  neuem  sidi  ibm  aufdringen  und  seinen  absoluten  und  wirk- 
lieben Zweifel  an  dem  Dasein  der  Dinge  an  sieb  ibm  als 
unerlaubt  und  unmöglich  darstellen.  Damit  ist  aber  die  Sache 
noch  uichl  abgelhau.  Der  keusch  hat  oiu  :hm  nutürlichos 
Bedürfnis,  was  er  erkennt,  durch  Fürschung  auf  die 
letzten  Gründe  aurückzu  führen.  DemgemäPs  hoü  lüiher 
untersucht  werden,  warnm  und  wie  unseren  Bogriften 
Dinge  an  fiich  entsprechen.  Die  Antwort  wird  über  den 
Wert  unserer  BegritVc  entscheiden.  » 

£be  wir  die  Begriffe  zum  Gegenstande  der  Untersuchung 
macben,  ist  es  notwendig,  die  sinnlichen  Vorstellungen  einer 
näheren  Kritik  zu  unterwerfen.  Was  aber  die  Begriffe  anbelangt, 
so  kommt  bei  ihnen  die  Erkenntnis  der  Wesenheiten  der  Dinge 
und  swar  der  allgemeinen  Wesenheiten  in  Betracht  Deshalb 
serfSllt  diese  Abhandlung  in  swei  Abschnitte: 

1.  Warum  und  wie  erkennen  wir  in  den  sinn* 
liehen  Vorstellungen  die  Erscheinungen  der  wirk- 
lioben  Dinge? 

2.  Warum  und  wie  erkennen  wir  in  den  Begriffen 
die  allgemeinen  Wesenheiten  der  wirklichen  Dinge? 

1. 

Die  Veriniitrl i;ng  der  daukton  und  unmitlelbaren  Wuhr- 
nehmnng  einer  Aulfienwelt  erfolgt  nicht  nur  Ton  Beilen  des 
Subjekte«,  sondern  auch  von  8(?iten  der  Auisenwelt,  so 
dafii  wir  zwei  Principicn,  ein  matcriales  und  ein  formales, 
anerkennen  müssen,  welche  zur  Uervorbringung  eines  Wahr- 
nebmungsaktes  zusammenwirken;  der  Charakter  als  vitale 
Jahrbaeta  Itti  PUloiophte  «te.  VI.  » 


66      Könnon  aiwero  Begriffe  aaf  Wahrheit  Anapruch  macheo? 


Eikunntnis  flielnt  dem  Akte  von  soiten  der  orkennendeu  Fähigkeit 
zu,  während  sein  Charakter  aU  Daratellung-  des  Ubjcklcfl  vom 
Obiektti  herrührt.  Wir  wollen  uns  hier  mit  der  zweiten  Ver- 
raitteluug  besehöüig-en  nnd  fVa<,'en,  worin  din  von  anfsen  kommendep^ 
Bewegungen,  welche  diese  Verraittoluog  auBmachen,  ihren  Grund 
haben.  Die  Antwort  lautet:  Ganz  gewiPn  in  einer  wirklich 
exiälierenden  Aufsenwelt.  Dann  aber  Bind  die  Vorstellungen 
kein  leerer  Schein,  sondern  Zeichen,  die  uns  von  einer 
wirklich  existierenden  Aufsenwelt  die  zaTerlässigete  und 
genaueste  li^achricht  geben.  Es  besitzt  zwar  der  qualitative 
Inhalt  nnserer  Wahrnehmungen  mit  mechanischen  Bewegungen 
nicht  die  mindeste  Ähnlichkeit;  jedoch  dürfen  wir  daraus  nicht 
schliefsen,  dafs  die  Vorstellungen  blofae  Symbole  der  Aufsenwelt 
sind.  Denn  unsere  Erklärungen  müssen  eich  nach  den  That- 
sacben  richteni  nnd  eine  Thatsache  ist  es,  dafs  die  Sinneswahr^ 
nehmung  uns  formell  darstellt,  was  ist  oder  geschieht.  Somit 
ist  die  sinnliche  Vorstellung  nicht  blofs  ein  Zeichen,  wie 
die  ^Schrill,  sondern  auch  ein  wahres  Abbild  aufserer 
Diügü.  DalV>  iiiiu  die  Dinge  der  Aulkcuwelt  wirklicii  so  sind, 
wie  der  fürmclle  AVahrnehranngsinhalt  uns  dieselben  darsteÜL, 
davon  können  wir  uii«  aul'  Ibljurende  \\'eise  überzeugen: 

Die  Natur  bezweckt  in  dem  mechanischen  Prozesse  etwas 
Bestimmtes.  Dieses  Bestimmte  ist  der  normale  Erfolg  des 
Prozesses.  Dieser  normale  Erfolg  ist  die  unabweisbare  Über>* 
Zeugung,  dafs  die  Dinge  wirklich  so  sind,  wie  sie  uns  durch 
den  formellen  Wahrnehmnngsinbalt  unter  normalen  Verhältnissen 
zum  Bewufstsein  gebracht  werden.  Eine  falsche  unabweisbare 
Überzeugung  aller  Menschen  kann  aber  von  der  Natur  nicht 
bezweckt  werden. 

Anormale  Verhältnisse  können  zwar  zum  Irrtnme  Veran- 
lassung geben;  jedoch  wir  vermögen  dieselben  von  normalen  zu 
unterscheiden  nnd  unseren  Irrtum  zu  berichtigen.  Es  gibt  vier 
Hanptquellen  der  Irrtümer:  Die  Verwechselung  und  Vermischung 
der  Wahrnehmung  mit  der  Empfindung,  die  Beschränktheit 
dessen,  was  uns  von  der  AufBcnwclt  zum  Bcwulstsein  komuieu 
soll,  der  beschrauktü  ivreis  der  Bedingungen,  unter  denen  wir 


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Können  untere  Begriffe  nnf  Wahrheit  Anspruch  naehen?  67 


jene  Kenntois  erbaUen  sollen,  die  uranfan^Uche  UnToUkommenheit 
and  Bildsamkeit  unserer  aDgeborenen  WahroebmungsiahigkeiteD. 
Folglich  will  uns  die  Natur  nicht  belttgen;  accidentell  kann  sie 
Irrtümer  Teranlassen»  welche  wir,  wie  die  Erfahruog  lehrt,  er^ 
kennen  und  berichtigen.  Schliefalich  nehmen  wir  auch  an,  dafs 
die  iS'aiur  uqs  von  vorüberein,  nicht  blols  uccidcntell  tausclii. 
Daraus  m ulkten  wir  achliefsen,  dafö  Gott,  der  Urheber  der  Welt, 
die  Dinge  und  uns  schlecht  und  unharuioiiibch  erschaffen  hat, 
dafs  er  entweder  die  Welt  nicht  besser  machen  konnte  oder 
iiDB  täuschen  wollte.  Vor  diesen  Konsequenzen  schaudert  die 
menschliche  Vernunft. 

Was  bis  jetst  gesagt  worden  ist»  gilt  von  jenen  körperlichen 
Eigenschaften,  welche  nur  durch  eines  Sinn  zur  Wahrnehmung 
gebracht  werden  können  (scnsibilia  propria).  Anders  verhält  es 
sich  mit  körperlichen  Eigenschaften  und  Erscheiniingswesen, 
welche  nicht  ausschliefblich  an  einen  Sinn  gebunden  sind 
(sensibilia  commnnia).  Da  kann  ein  Irrtum  eintreten,  wenn 
z.  B.  die  Gröfse  eines  Dinges  blob  mit  den  Augen  wahrgenommen 
und  beurteilt  wird.  Die  Schuld  aber  trifft  nicht  die  Natur, 
sondern  den  unbesonnen  wahrnehmenden  Menschen.  Dieser 
Irrtum  kann  leicht  behoben  werden.  Auch  dann  können  wir 
irren,  wenn  wir  unter  den  Erscheinungen  etwas  anderes  rer- 
iiiuten,  als  ihnen  in  der  AV irklichkeit  zu  Grunde  liegt;  denn  es 
gibt  Jjiugc,  welche  dem  Aufsern  nach  einander  iihnlich  sind. 
Jedoch  ist  es  auch  hier  dem  Meusohou  möglich,  den  Irrtum  zu 
vermeiden. 

Von  welcher  Art  ist  aber  das  wahre  Abbild  auCserer  Dinge, 
für  welches  wir  die  sinnliche  Vorstellung  mit  Recht  halten?  Da 
keine  wirkliche  Ähnlichkeit  zwischen  der  Vorstellung  und  dem 
vorgestellten  Dinge  obwaltet,  so  müssen  wir  die  Natur  des 
Abbildes  aus  dem  Zwecke  beurteilen,  wozu  es  da  ist;  es 
dient  dasu,  die  erkennende  Jf'ähigkeit  au  determinieren,  auf  dafs 
diese  das  aufsere  Objekt  unmittelbar  sich  darstellen  könne;  es 
beetebt  in  einer  Konformität  des  Mittels  aum  Zwecke,  so 
dafo  swischen  dem  änfsern  Objekte  und  dem  Erkennt- 
nisakt eine  Übereinstimmung  in  der  Darstellung,  nicht 

6' 


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69       Köimeu  uasere  begriffe  auf  Wahrheit  Aasprach  machen? 


aber  in  der  NaLur  obwaltet  Die  Ähnlichkeit  darl  also  nicht 
in  dem  physikalischen  Eindruck  gesucht  werden,  welchen  die 
änfaeren  Dinge  nach  den  mechanischen  Gesetzen  hervorbringen^ 
flODdern  sie  afßoiert  die  erkennende  Thätigkeit,  welche  in  ihr 
als  ihrem  Produkte  ausläutt.  In  dem  Organ  knüpft  «eh  an  die 
meohaniaohe  Einwirkung  eines  Anftendinges  eine  teleologiaohe. 
Inaofem  nämlich  der  Kerr  materiell  Ui,  emptSngt  er  einen 
materiellen  Eindruck  and  tritt  nach  dem  Grade  der  von  anben 
konmienden  Irritation  in  einen  entsprechenden  ExdUitionflsastand 
fiber.  Weil  er  aber  anfeerdem  ein  lebendiges,  mit  Erkenntnis^ 
krait  ansgerttstetes  Organ  igt,  so  wird  er  an  einer  Titalen  pnd 
psychischen  Thätigkeit  angeregt,  durch  welche  die  Erkenntnis- 
der  Aufsenwelt  zustande  kommt.  80  tritt  das  Mechanische 
als  Mittel  hinter  den  Zweck  zurück,  der  Zweck  steht 
im  Vordergrunde.  Die  mechanische  Erklärung  reicht  nichi 
hin,  und  die  teleologische,  welche  zu  derselben  hinzutritt,  hindert 
den  Physiologcu  durchaus  nicht,  den  mecbaDischen  Prozefo  in 
den  I*iervea  zu  studieren. 

Dafs  die  Teleologie  wirklich  und  objektiv,  kcia 
blofs  subjektives,  psychologisches  Gebilde  ist,  beweist  die  Meta- 
physik a  posteriori  aus  unleugbaren  Thatsaohen.  Es  sind  sowohl 
die  Bestandteile  der  Welt  zweck-  und  planmäfsig  an  einander 
disponiert»  als  auch  die  ITatnrkrafte  in  ihrer  Wirksamkeit  ttberall 
auf  bestimmte  Zwecke  hingerichtet  mit  der  Bestimmung,  dafs  sia 
dieselben  durch  ihre  Wirksamkeit  realisieren  sollen. 

In  unserem  Falle  besteht  die  Teleologie  darin,  dafe  einer* 
seits  die  mechanischen  Wirkungen,  welche  an  unsere  Sinne 
anschlagen,  keine  bleiben  Wirkungen  sinnlos  waltender  Kräfte 
sind,  sondern  auch  darum  geschehen,  dafs  sie  in  unseren  von 
der  Seele  belebten  Organen  die  Erkenntnis  der  Dinge  hervor- 
rufen, dar»  anderseits  unsere  Organe  dazu  eingerichtet  und 
bestimmt  sind,  infolge  jener  Wirkungen  auf  ihre  eigene  Weise 
thatig  zu  sein  und  den  Gegenstand,  von  welchem  jene  Wirkungen 
herrühren,  erkenntnismäfsig  darzustellen.  Ist  es  denn  vcrnuntt- 
widrig,  aus  guten  Gründen  zu  behaupten,  daTs,  da  die  Dinge  ni 
den  göttlichen  Ideen  ihren  Ursprung  haben,  sie  darauf  angelegt 


^ed  by  dooQle 


Können  unsere  Begriffe  auf  W&brbeit  Anspruch  macheu  ?  69 


«ind  wahrgenommen  sn  werden,  dafs  sie  nm  ihrer  Thäfcigkeit 
willen  existieren,  um  tteh  selber  nach  aafsen  mögliohBt  za  ver- 
braten und  auf  Anderes  verändernd  einzuwirken,  nm  Anderes  sich 
xa  Teiihnliohen  und  die  eigenen  jBigenfiobaften  anderen  Dingen 
ndtanteilen,  dafii  die  Dinge,  welche  Gegenstand  dieser  Wirkungen 
sind,  als  Antwort  eine  ihnen  eigene  Tha%keit  entfUten? 

Anoh  widerstreitet  der  auseinandeigesetstea  Theorie  daroh- 
•ans  nicht  die  Behauptung  der  Physiker,  dafo  die  Farben,  formell 
genommen,  Eigeasebaften  des  laobtes  sind,  welches  Ton  der 
Sonne  als  Lichtquelle  auf  die  Körper  föllt;  denn  dabei  bleibt  es 
sicher,  dafs  die  Dinge  selbst^  welche  rot  oder  grün  erscheioen, 
-die  bestimmte  Ligenschaft  besitzen,  welche  sie  im  SonnüüliGht,6 
rot  oder  grün  erscheinen  läfst,  und  dafs  die  Farben  nach  ihrer 
materiellen  Seite  aufser  uns  bleibende  Eigenschaften  der 
Korper  sind  und  an  den  Körpern  wirklich  «ichtbar  werden. 
Ahnliches  läist  sich  auch  vom  Schalle  sagen,  in  welchem  durch 
das  Gehör  die  Art  und  Weiae  eines  (jeachehens  zum  Bewafsl» 
.  sein  gebracht  wird. 

2. 

Während  wir  durch  die  Sinne  in  sinnlichen  Vorstellungen 
BrBcheinungen  der  wirklichen  Dinge  wahrnehmen,  sind  wir  dnroh 
den  Verstand  imstande,  die  Wesenheiten  der  wirklichen  Dinge,  die 
iäubjekte  der  Erscheinungen  in  Begriffen  su  erkennen.  Von  den 
Wesenheiten  bilden  wir  allgein«ne  Begriffe,  die  sogenannten 
üniTersalien,  weil  wir  die  Dinge  nur  yermittelst  ihrer  Ersohei- 
nnngen  erkennen  und  ihre  Wesenheiten  yoti  den  Erscheinungen 
abstrahieren;  wenn  stuiL  Ulsscu  unser  Versuud  die  Wesenheit, 
wie  das  Aulto  die  Erschein uugen  anschauen  könnte,  so  würden 
wir  sowohl  die  wesentliche  Beschaffenheit  als  auch  das  wesent- 
liche Sein  der  Dinge  an  sich  erkennen  und  sie  auch  nach  diesem 
Wesentlichen  in  ihrer  Einzelheit  unterscheiden. 

En  entsieht  nun  die  Erage,  ob  die  Allgemeinheit  der 
Begriffe  den  Wesenheiten  der  Dinge  zukommt. 

Das  Allgemeine  ist  das  Eine,  das  geeignet  ist,  in  Vielen  su 
«ein.    Dafs  die  ÜniTersalien  existieren,  ist  durchaus  nicht  su 


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70      Kdnaen  unsere  Begriffe  aat  Wahrheit  Anspruch  machen? 


bezweifeln;  es  ist  nur  die  Frage,  wo  und  wie  sie  existieren. 
Darauf  antworten  uns  die  NomioaUsteD,  die  übertriebenen  Bealieten 
und  die  gemäTsic^n  Realisten. 

Indem  die  Nominalisten  die  Begriffe  nar  als  Breobeinnngea 
dee  Geifitee,  ohne  ihre  Beiiehnng  auf  die  Oegenat&nde  gebörig 
2U  würdigen,  betraoHten,  sind  sie  der  Meinung,  dafe  das  Allge- 
meine nur  entweder  in  den  Worten  oder  in  den  Begriffen 
existiert  Die  übertriebenen  Realisten  berileksiehtigen  bin- 
wiederum  niebt  die  Bescbaffenbeity  welcbe  unsere  Begriffe  dnrcb 
die  Natnr  des  denkenden  Geistes  erbalteu ;  nach  ihnen  sind  also 
die  allgemeinen  Begriffe  als  solche,  in  ihrer  Allgeraeinheit  ge- 
nommen, objektiv  real.  Die  gemafsigLen  Itoaliston  stelica 
zuletzt  den  Grundsatz  auf,  dals  durch  die  Erkenntnis  von  dem 
Erkennenden  und  dem  Erkannten  in  dem  Ki  k^  nnenden  ein  Bild 
des  Erkannten  nach  Weise  des  Erkennenden  gezeugt  wird; 
folglich  ist  das  Allgemeine  seinem  Grunde  nach  in  den  Dingen, 
seinem  formalen  Sein  nach  im  Geiste.  Aus  der  Vergleichung 
dieser  drei  Ansichten  geht  hervor,  dafs  die  zwei  ersten  einander 
widcrRprcchen,  während  die  dritte  den  Mittelweg  einschlägt. 

Nominalisten  sind:  1.  die  Btotker,  welcbe  dafür  halten,  dafs 
nur  das  £inaelne  reale  Existena  habe  nnd  das  Allgemeine  nor  als 
sabjektiyer  Gedanke  in  ans  sei;  2.  die  Skeptiker  und  Bmpiriker 
des  Altertnnis  nnd  der  Nenaeit;  d.  Eunomins  nnd  andere  Arianer» 
welche  behaupteten,  dafs  die  ?eraohiedenen  Begriffe,  durch  welche 
wir  das  göttliche  Wesen  denken,  dnrohans  keinen  Grund  im 
Gegenstände,  sondern  nnr  in  unserer  Denkweise  haben  nnd,  wie 
verschiedene,  eine  und  dieselbe  Sache  bedeutende  Namen  nur  mannig- 
faltige Zeichen  eines  Gegenstandes  sind;  4.  Roscellin  (II.  Jahrh.), 
welcher,  wie  man  vermutet,  lehrte,  dafn  die  allgemeinen  Begriße 
blols  allgemeine  Namen  sind,  womit  wir  eine  Gesamtheit  von  Dingen 
beneuneu,  dafs  alle  Untersclicidung,  welche  wir  an  den  Dingen 
vornehmen,  blofs  eine  Unterscheidung  im  Denken  sei,  da  in  der 
Objektivität  uns  nur  geschlossene  Einheiten  gcgenuberlreten ; 
Abälard  (12.  Jahrh.),  Ockam,  Durand,  Buridan  (14.  Jahrb.),  Biel 
(15.  Jahrb.);  die  einen  sahen  das  Allgemeine  in  blofsen  Worten, 
die  anderen  in  Begriffen;  daher  Nominalismus  im  engeren  Sinne 


^ed  by  CjOOQie 


Können  omMre  Btgriffo  naf  W«brh«it  Anaproch  maeben?  71 


und  ConoeptnaUftiniiB;  5.  die  Kanteche  Schule,  welche  sieh  von  dem 
mtttelaiCerUchen  KommaUsmns  haapteSohlioh  nnr  dadareh  «nter- 
scbetdett  dafs  sie  beetimmter  und  Bcharfsinoiger  naohsaweisen 
sacht,  weshalb  nosere  Begriffe  und  das  anf  ihnen  ruhende  Denken 
nur  als  BrscheinuD^  in  uns  Geltung  haben  und  in  den  Dingen 
mit  Dichten  eine  ihnen  entsprechende  Natur  und  Wesenheit 
YorausRclzen  soUnn,  diils  sie  aber  zweitens  auch  vor  der 
Folgerung,  zu  der  diese  Behauptung  nötigt,  sich  nicht  scheut, 
sondern  geradezu  erklart,  es  ^cho  kein  Erkennen  über  die  Er- 
fahrung'- hinaus  und  Iblglich  keine  MotaphvBik,  dafs  sie  also 
konsequent  und  sr honung-sloB  alle  Folg-ernuf^en  aus  dora  Nomi- 
nalismus  ^ieht,  während  die  mittelalterlichen  Nominalistcn  den 
phiiosophischon  Nihilismus,  welchem  Kant  huldigt,  nicht  gelten 
lassen  wollten.  Kants  Anhänger  ist  in  dieser  Hinsicht  Herbart, 
indem  er  folgender  Meinung  ist:  Allgemeine  Begriffe,  in  denen 
wir  so  völlig  oingeschiossen  sind,  dafe  es  ganz  unmöglich  ist, 
aus  ihoeu  herauszugehen,  sind  nur  Totalvorstellongeu,  Koste 
eines  vielmals  wiederholten  Vorstellens,  deren  sich  jeder  gana 
UBwillkQrlich  bedient,  nur  Abbreviaturen  der  Auffassung,  nur 
Hilfsmittel  des  Denkens,  welche  ftir  sich  keine  Bedeutung  haben, 
sondern  durch  ihre  Beaiehung  auf  das  Einaelne  eine  Bedeutung 
erhalten;  das  Allgemeine  als  solches  liegt  also  gar  uicht  in 
der  Sphäre  des  GewuPsten;  diese»  ist  das  Einzelne,  Individuelle, 
auf  welches  «ich  d.is  Allgemeine  bezieht,  ho  dafs  das  letztere 
für  jedcu  nur  iusol'eru  Bedeutung  hat,  al«  er  in  dem  individuoll 
Gegebenen  die  Gegenstände  nachweisen  kann,  von  welchen  er 
«!en  allgemeinen  Begriff  anwendet:  die  Aüg^e.nieinheli  ist  rein 
subjektiv,  im  Kmzelncn  s(»lh«t  {««t  nichts  dergleichen. 

Lbertriebene  oder  trau  sc  en  dentale  Realisten  sind:  1.  die 
Platoniker  des  Altertums,  welche  meinten,  dafs,  wenn  wir  all- 
gemeine EcgrifTe  denken,  wir  universale  und  für  sich  bestehende 
Formen,  Ideen  schauen;  2,  Skotus  Erigena  im  9.  Jahrhundert; 
Wilhelm  von  Ohampeaux  im  12.  Jahrhundert,  welcher  lehrte, 
dafs  jeder  allgemeine  Begriff  ganz  in  jedem  der  Individuen» 
welche  von  ihm  befofst  werden,  wesentlich  sei,  dafs  dem  Wesen 
nach  unter  den  Individuen  derselben  Art  kein  Unterschied  sei, 


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72      Kuoaea  amere  Begriffe  auf  Wahrheit  Aosprucb  machea? 


sondern  ihre  Verschiedenheit  nur  auf  der  Menge  der  AcoU 
duntien  beruhe;  Gilbert  von  Porree,  Amalrich  von  Chartres, 
David  von  Dinanto.  'i.  Die  Scotisten  und  Formalisten  im  14. 
Jahrhandert»  welobe  behaapfeeten,  dafo  »  wakrend  nach  der 
Lehre  der  Flatoniker  auTaer  den  Binseldiogen  die  Idee  oder 
Weeenheit  derselben  ala  ein  Allgemeinea  in  der  Wirklichkeit  da 
ist,  —  a)  in  den  Einseldingen  selber  die  Wesenheit  als  das 
Allgemeine  in  dem  fiesondern  da  ist»  b)  dalb  die  formale  Einheit^ 
die  Einheit  der  Wesenheit,  welche  jedes  Ding  dadurch  hat^  dafs 
es  in  ihm  eine  bestimmte  Natur  gibt,  a!»  jene  ansusehen  ist, 
durch  welche  die  Dinge  allgemein  sind,  c)  daf«  die  Individuen 
sich  von  einander  nur  durch  Accidentien  unterscheiden.  4,  Die 
Pantheisteu,  nach  welchen  das  Besondere  nur  eine  Erscheinung 
des  Allgemeinen,  des  Göttlichen  ist;  die  im  Formalismus  fiufserst 
koDbe^uüüten  Identitätsphilosophen  der  iS'euzeit,  nach  welchen 
Gott  die  Einlieit  des  Allijean  inen  und  Besonderen  ist  und  sich 
in  die  Natur  oder  sichtbaren  Geist  und  in  den  Geist  oder  an- 
sichtbare l^atnr  differenziert.  5.  Die  Ontologen,  welche  behaupten, 
dafa  dem  menschlichen  Geist  eine  auf  unmittelbarer  Anschauung 
des  göttlichen  Seins  beruhende  Idee  Gottes  innewohnt,  dafs  alle 
anderweitige  intellektuelle  Erkenntnis  durch  diese  Idee  Gottes 
in  uns  bedingt  ist,  da  Gott  als  das  absolute  allgemeine  Sein  alle 
Ideen  der  Dinge  in  sich  sohlieist,  dafs  die  sinnliche  Erfahrung 
uns  bleib  Teranlafst,  uns  in  unserer  Sohannng  gerade  jener  Idee 
in  Gott  zuzuwenden,  welche  dem  jeweiligen  Gegenstande  der 
Erfahmng  entspricht 

Gegenüber  diesen  zwei  Extremen,  dem  Nomioalismus  und 
dem  übertriebenen  Realismus,  bestand  und  besteht  der  gemäfbigte 
Realismus,  welcher  miL  der  ullgcmc  i;i  inenschlichon  Auffassung' 
übereinstimmt  und  dahin  lautet,  dai«  uu«  Allgemeine  seinem 
Grunde  nach  in  den  Dingen,  seinem  torraalen  Sein  nach  im  Geiste 
ist.  Er  wurde  von  Aristoteles  wissenschaftlich  begründet,  von 
den  hl.  Vätern  festgehalten,  von  den  meisten  und  namhaftesten 
Scholastikern,  besonders  aber  vom  hl.  Thomas  v.  Aquin,  aus- 
gebildet Bei  ihrem  Entstehen  überwand  die  Scholastik  sowohl 
den  stoischen  Nominalismns,  den  Koscellin  zu  verbreiten  suchte. 


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KöDoen  untere  Begriffe  auf  Wahrheit  Anspruch  machen?  73 


den  platonischen  Kealismas,  zu  dem  Gilbert  von  Porrde  sich 
huMigt  Im  12.  nod  13.  Jahrhunderte  ist  der  märsige  und 
"  echte  Re«lwmiu  die  allein  herrschende  Lehre.  Im  14.  Jahr* 
handelte  treten  die  alten  Irrtümer  in  veränderter  Gestalt  wieder 
nnf;  sie  konnten  wohl  Unmho  nnd  Streitigkeiten  stiften,  aber 
wa  keinem  bedentenden  Anhange,  geschweige  denn  tur  Herr- 
schaft in  den  theologischen  Schalen  gelangen.  Gegenüber  dem 
Nominalismns,  fdr  welchen  kein  Scholastiker  von  Bedentong 
Partei  nahm,  nnd  dem  Fonnalisrons  der  Scotisten  war  nnd  blieb 
der  Realismns  des  hl.  Thomas  an  allen  Zeiten  die  in  den  katho- 
lischen Schalen  gewöhnliche  Lehre,  nnd  dem  Nominalismus  ist 
80  wenig,  als  dem  Formalismus  je  gelungen,  ihn  zu  verdrfiog^cn; 
denn  sie  fürchtetea  sich  vor  dem  Skepticismug,  zu  dorn  der 
NominalismuB  führt,  und  vor  dem  Pantheismus,  der  aus  dem 
Formulismus  hervorgebt.  Seit  dera  1(5,  Jahrhunderte  gibt  es  unter 
den  katholischen  Scholastikern  keine  Nominalisten,  und  nur  wenige 
Formalisten,  die  überdies  ihre  Lehre  wesentlich  gemildert  haben. 

Was  sollen  wir  von  diesen  drei  Ansichten  halten?  Die 
gemeinsame  Quelle  des  skeptischen  Nominalismus  und  des 
platonischen  ftealismos  finden  wir  in  der  irrigen  Ansicht,  dafs 
unser  £rkennen  nur  dann  Wahrheit  habe,  wenn  die  Dinge  in 
nns  seien,  wie  sie  in  sich  sind.  Dagegen  stellen  die  maftigen 
Bealisten  den  aristotelischen  Grondsata  anf,  dafs  durch  die  Er- 
kenntnis vom  Erkennenden  und  Erkannten  in  dem  Erkennenden 
ein  Bild  des  Erkannten  nach  Weise  des  Erkennenden 
gezeugt  wird.  Insbesondere  fehlen  die  Nominalisten  darin,  daft 
sie  die  B^grifife  einseitig  nor  als  Erscheinnngen  des  Geistes, 
ohne  ihre  Beziehung  anf  den  Gegenstand  betrachten;  die  Uber- 
triebeuen  Realisten  darin,  dafs  sie  die  Beschaffenheit,  welche 
unsere  Begriffe  durch  die  Xatm  des  Geistes,  der  sie  hervor- 
bringt, erhalten,  nicht  berücksichtigen  und  das  reale  Sein,  das 
die  Dinge  m  sich  haben,  dem  idealen,  das  sie  im  fM  Miionden 
Geiste  erhalten,  gleichsetzen.  Allein  die  gemärsigtcu  Ueali^teii 
überwinden  in  dem  citierten  ahstoteüschen  Grundsatze  beide 
Einseitigkeiten. 

Gegen  die  Nominaiisten,  welche  die  Allgemeinheit 


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74      Können  unsere  Begriffe  auf  Wahrheit  Anspruch  machen? 


blofs  in  die  Worte  vorlegen,  ist  folgendes  einsuwenden : 
1.  Worte  sind  Zeichen  der  Begriffe.  Also  können  sie  nicht 
allgemein  sein,  wenn  aacb  die  Begriffe,  derpn  Zeichen  sie  sind, 
nicht  allgemein  sind;  denn  es  vfire  etwas  im  Zeichen  als  solchem» 
was  nicht  in  der  bezeichneten  Sache  wäre.  2.  Wenn  das  Wort 
deshalb  allgemein  wird,  weil  es  nach  nnd  nach  auf  mehrere 
Individnen  beaogen  wird,  so  wird  es  nnr  so  viele  Individnen 
bezeichnen,  als  uns  in  der  Wirklichkeit  bekannt  geworden* 
Jedoch  beaeichnen  wir  dorch  ein  allgemeines  Wort  nicht  nnr 
bereits  bekannte,  sondern  überhaupt  alle  daseiende,  ja  sogar 
auch  nur  mögliche  Individnen  einer  Art.  Also  kann  es  nicht 
blofs  allgemeine  Worte  gobeu.  3.  (jciragi,  warum,  wenn  wir 
ein  neues  Individuum  derselben  Art  antreffen,  wir  es  durch 
dasselbe  Wort  bezeichnen,  antwortet  der  Xomiualist:  Weil  es 
anderen  ähnlicii  zu  sein  scheint  Jedoch  können  wir  diese 
Ähnlichkeit  nicht  erkennen,  wenn  nicht  durch  einen  allgemeinen 
BogriÜ.  Also  erfordert  die  Anwendung  desselben  Wortes  zum 
TorauH  einen  allgemeinen  Begriff. 

Die  Nominalisten,  welche  die  Allgemeinheit  blofs  In 
die  Begriffe  verlegen,  kJinnen  auf  diese  Weise  widerlegt 
werden:  1.  Wie  die  Worte  Zeichen  der  Begriffe  sind,  so  sind 
die  Begriffe  Zeichen  der  Dinge.  Aber  ein  Zeichen  als  solches 
kann  nichts  haben,  wenn  es  nicht  auf  irgend  eine  Weise  im 
bezeichneten  Dinge  ist  Also  mufo  auch  die  Allgemeinheit  eben 
darum,  weil  sie  in  den  Begriffen  ist^  auf  irgend  eine  Weise  auch 
in  den  Bingen  sein»  Welche  Weise  es  ist,  werden  wir  später 
erfahren.  2.  Die  Wissenschaft  ist  eine  Wissenschaft  über  die 
Diuge,  nicht  über  die  Begriffe.  Jedoch  ist  das  Allgemeine  der 
eigentliche  Gegenstand  der  Wissenschaft.  Also  müssen  auch  die 
Dinge  irgendwie  uligemein  sein.  3.  Die  ^'o  min  allsten  geben  zu, 
dafs  wir  Individuen  wahrnehmen,  welche  unter  einander  überein- 
stimmen, dal'ji  wir  denselben  BegriÜ'  darum  auf  mehrere  Individuen 
anwenden  können,  weil  wir  in  ihnen  eine  Ähnlichkeit  entdecken. 
Nun  aber  könnte  diese  gegenseitige  Ähnlichkeit  der  Individuen 
von  uns  nicht  erfaTst  vTerden,  wenn  wir  in  ihnen  nicht  selbst 
etwas  bemerkten,  was  an  sich  betrachtet  auf  gleiche  Weise  in 


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Können  unsere  Begriffe  anf  Wahrheit  Anspruch  machen?  75- 


allen  sich  vorfindet.  Darin  aber  besteht  das  Allgemeine.  Also 
miifß  da»  Allgemeine  irgendwie  in  den  Dingen  sein. 

Auch  der  übertriebene  oder  transcendentale  Realie* 
mae  ist  Terfeblt,  Denn  1.  was  anitor  dem  Geiste  existiert,  ist 
bestimmt;  nnn  ist  aber  das  Allgemeine  als  solches  nioht  bestimmt» 
Folglich  existiert  das  Allgemeine  als  solches  nicht  anlher  dem 
Geiste.  Die  übertriebenen  Realisten  müssen  also,  wenn  sie 
konsequent  sein  wollen,  den  Unterschied  awischen  dem  Bestimmten 
oder  dem  IndiTidmim  und  dem  Unbestimmten  oder  Allgemeinen 
anfheben;  sie  müssen  das  Individnnm  in  dem  Allgemeinen  anf- 
g-ehen  lassen,  das  Individuum  leufjncn.  2.  Wir  denken  alles 
als  überhaupt  seiend;  der  Hegriff  das  überhaupt  Seienden 
ist  aber  der  allgemeinnte  und  bildet  die  allgemeinste  Einheit 
aller  besonderen  BegriiTe.  Folglich  mui's  es  nach  dem  über- 
trieben ti  Realismus  in  der  Objektivität  ein  allf^^emeinos,  uii  sich 
ganz  und  gar  unbestimmtes  Sein  geben,  welches  durch  eine  ihm 
selbst  immanente  Tbätigkeit  zu  den  besonderen  Beinsstufen  sieb 
nach  und  nach  determiniert  und  endlich  unter  gewif^scn  Accidentien 
znr  indiTidnellen  Erscheinung  tritt.  Es  ist  aber  anmittelbar  erident,. 
daJb  eine  solche  Ansicht  falsch  ist. 

Wenn  nnn  der  Nominalismns  nnd  der  übertriebene  Realismns- 
nnhaltbar  sind,  so  mnfs  jeüe  Ansicht  wahr  sein»  welche  dies» 
swei  Extreme  yermeidet  nnd  den  Mittelweg  einschlägt  Und  dies 
thnt  der  gern äfs igte  Realismus,  welcher  behaoptetr  dafs  das 
Allgemeine  nicht  blofs  in  den  Worten  nnd  Begriffen,  sondern  ancb 
in  den  Dingen  ist,  dalb  es  aber  anders  in  den  Begriffen,  anders 
in  den  Dingen  ist.  In  der  objektiTon  Wirklichkeit  der  Dingo 
erscheint  der  Inhalt  des  Allgemeinbegriffes  individualisiert  und 
vervieliHlugL;  im  Denken  hat  das  All^euieine  seine  abstrakte 
Form.  Es  ist  seinem  Grunde  nach  In  den  Dinpren,  seinem 
fornialcn  Sein  nach  im  Geiste.  Wir  unterscheiden  also  in 
dem  Aligemeinen  die  Sache  selber  von  ihrer  All^'-emeinheit.  Die 
Sache,  welcher  die  Allgemeinheit  zukommt,  ist  in  den  Dingen, 
nämlich  ihre  !Natur  oder  Wesenheit;  die  Allgemeinheit  aber  ist 
zwar  ihrem  Grunde  nach  in  eben  dieser  Xatur  enthalten,  aber  sie 
besteht  als  solche  doch  nnr  durch  die  Betrachtung  des  Geistes» 


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76      Können  nnsere  Begriffe  anf  Wahrheit  Aospruch  macheii? 


Worin  liegt  aber  der  Grund,  weshalb  die  Dinge  all- 
gemein sind?  Wir  müssen  den  nächsten  und  letzten  Grund 
unterscheiden.  Der  nächste  ist  die  Möglichkeit  der  Verviel- 
fältigung. Es  werden  nämlich  Dinge  derselben  Art  nicht  dadurch 
vervielfältiget,  dafä  ein  der  Zahl  nach  selbes  Wesen  unter  ver- 
^hiedeoen  Individualitäten  da  zu  sein  anfängt,  sondern  dadurch, 
•dafs  mehrere  Dinge  entstehen,  welche  sich  in  der  Wesenheit 
vollkommen  gleich,  der  Individualitiit  nach  aber  verschieden  sind. 
£8  wird  also  die  Weienheit  ebenso  wohl  die  IndiTidaalitat 
TervielfSItigfey  und  die  Dinge  haben  nicht  eine,  sondern  nur 
einerlei  WesenheiL  In  der  Wirklichkeit  bilden  demnach  Diage 
■derselben  Art  eine  reale  Vielheit^  die  swar  unter  sich  jenes  Ver- 
hältnis der  Einerleiheit^  aber  nicht  das  der  Einheit  haben.  Diese 
bekommen  sie  erst  im  erkennenden  Geiste,  weil  dieser  wegen 
jener  Binerleiheit  des  Wesens  sie  in  einem  Begriffe  snsammen- 
fafflt.  Kh  gibt  also  in  den  Dingen  eine  doppelte  Einheit,  die 
Einheit  der  Wesenheit,  welche  die  formale  genauiiL  wird,  und 
■die  Einheit  des  Daseins,  die  mit  der  individuellen  zusammentäilt. 
Die  dorn  Allgemeinen  eigenlümliche  Einheit  hat  zwar  in  der 
BeschafTenheit  der  Dinge  ihren  Grund;  aber  wirklich  oder  voll- 
endet wird  sie  nur  durch  den  erkennenden  Geist. 

Der  letzte  Grund,  weshalb  die  Dinge  allgemein  sind,  ist 
•die  Geschöpf  lieh  keit  der  Dinge.  Denn  ihre  Katur  ist  allgemein, 
weil  sie  vervielfältigt  werden  kann;  sie  kann  aber  nur  deshalb 
Tervielfältigt  werden,  weil  die  individuelle  Eigentämlichkeit  der 
Dinge  nicht  ihr  Wesen  selber  ist;  dämm  ist  aber  ihre  Individnalität 
-von  ihrer  Wesenheit  Terschieden»  weil  es  auch  ihr  Sein  ist,  und 
■eben  deshalb  dieses  em  safSlliges,  bedingtes,  gesohöpfliohes  ist 

Folglich  ist  der  allgemeine  Charakter  der  Dinge  in  ihrer 
Wesenheit  tief  begründet. 

So  sichert  einerseits  der  gemtUbtgte  Realismus  das  selbstan* 
dige,  in  sich  abgeschlossene  Sein  des  Individuums ;  anderseits 
waiirt  er  die  Realität  des  Allgemeinen. 

Was  in  dieser  Abhandlung  gesagt  worden  ist,  ist  ein  Reweis 
4arür,  dafs  unsere  Begriffe  auf  Wahrheit  Anspruch  machen  können. 


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SYLLABUS  PII  POXTIFK  IS  XOXI  IN  UNIVERSA  RE 
PHILOSOPHICA  iüXTA  M£NT£M  S.  THOMAE 
AQUINATIS  RECENTIUMQUE  PHILOSOPHORUM 

per  Prof.  Dr.  Guileluium  De  Angelis-Steila  NeapoliUQuni 

evolutus. 


Übi  primniD  Byllabnt  Pii  IX  typit  fait  «ditns,  aliqaa  ad 
rem  dissorere  mihi  in  mentem  vesit.    later  tot  dieeimilia,  illfr 

ad  philosopliiam  spcctantia  eleg-i,  uti  qiiao  meis  stiidiis  mcoquo 
ingenio  favcrent.  In  (juo  opere  persolveudo,  Auntii  Sig-norcllii, 
celeberrirai  philoäophi  conHiHo.  Philippi  l'elusi  a  ISecreüs,  (jieri 
quotidiana  ioBtantia,  ac  pracsertim  Archiepiscopi  Riarii-Sfortiae 
munificeDtissima  solertia,  qui  mihi  suam  patefecit  bibliothocam, 
quo  lurgius  in  opus  praediotmn  incnmberen»  fni  adintas.  Igitar 
pene  omnes  meae  aetatis  phUosophos  perlegi»  eoademqne  profunde 
coDsului,  ut  mea  scripta,  nisi  perfecta,  tarnen  prae  viribus  digesta 
viderentnr.  In  S.  Thomam  primo  incubni,  qui  in  tenebris  spleo- 
dida  fax,  in  dubiis  rebus  dnx  oronibus  adfuit;  illins  philofophiara 
per  inultOB  annos  edidici,  juvenesquo  edocui,  et  merilo  ejus 
(ioctiinas  raaximi  t'eci,  uti  qui  meam  excoluerat  adoloscentiam, 
uiea  luipieret  scripta.  Utiuam  Aquioatis  praecepta  aseecutus 
eaaem,  id  mihi  gaudio,  poBteriB  oommodo  forot!  Sod  iam  omnia 
parata  erant,  jamqne  onnota  pablicam  Inoem  Tirara  animo  gan- 
debam.  Ife  misemml  Mirabitia  annt  conailia  Dei}  Domna  mea 
opnlenta,  claria  maioribus  orta,  repente  omnem  rem  familiärem 
amisit,  omnibnj'qnc  fuit  divitiia  exnta,  mihiqne  Tita  maximo 
mocrore  fracta  vivenda.  Ad  hoc  niatro  orbaUis,  qua  nulla  imilior 
sub  8oIe  molior  Ti;<ta,  no)>!ii  j^enerc  edita.  ac  luulto  iiiagis  j^raostanti 
ingenio  praedita  iuiL,  plurimis  auuis  ejuhuiodi  iacluram  compluravi, 
et  quoties  recordor»  rix  tacrimis  abstineo.  Uis  vitae  tempestatibnB» 
niüla  spes,  nnllnm  anxilium,  nnlla  tos  amica,  quae  me  tot 
tantiaqne  malis  überaret  Tandem  anrora  emicoit,  dies  optata 
adfuit»  Dena  e  oaelo  prospexit»  et  mnltis  post  annis  opus  lucem 
videt.  Sed  mco  Archiepiscopo  Gulielrao  Sanfelic  io  gratiam 
refnram,  ptudia  toto  roriatti  forit,  ingcnia  omni  cura  tiietur  et 
optime  de  <  lf>ro  ac  populo  est  meritus.  Igitur  aniraadvertite  et 
iaTete.   Cumsque  catholici  iuterest  suam  fidem  et  verbo  et  opere 


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78     Syllabua  Pii  Pontificis  Noni  in  imivena  re  pbilosophica  etc. 


paaconim  bui»  bciiptib  vindicare.  Ilinc  mua  8eutenüa  KeligioDem 
dcfendere,  eiueque  eigua  latiuä  ioferre,  quam  plurimos  hoetes  ad 
Christi  OTÜe  comparare,  foit  Res  erit  de  philoKophia,  de  qua 
qnisqae  loqoitur,  qaamque  omnea  excolant^  sed  noa  uti  coiqne 
i  <  las;  et  eaepisBiinc  scicDtiae  erroribaa  refertae  dant  operam; 
ideo  ad  verum  coleadum  eingulos  me  reYOcatunini  spero.  Utrum 
lueum  propositnm  sim  assecutus  noscio,  scripta  ostendent;  an 
argumeuta  (.^uibus  ular  siüt  ürraissima,  sub  iudice  Iis,  veritas 
<'om)irübabil.  lutcroa  raag-nopere  mea  refert  officio  dilig'entiesirae 
itbum  perruucluiu,  alque  oiunia,  i^ualiueumque  biut,  Deo,  Deiparae 
hunüllimia  preotbua  commeodare.  Vos  tarnen  lubenti  animo  hoc 
jnenm  opus  ezctpiaUs,  ecriptori  faveatis  rogo.  Valete. 

Kullmn  anpremoni;  sapientissimiim,  providentis- 
simumqae  Numen  exsistit,  ab  hac  rerum  umTeraitale 
distinctum,  et  Dous  idciii  est  ac  rerum  natura  Pt 
idcirco  immulationibiis  obiioxiiis,  Deiiscpic  reipna  iil 
in  liuininc  cl  mundo,  atque  oiiiniu  Dens  sunt,  et 
ipciittistmam  Dei  habeat  »ubstantiam;  uc  uua  eademque 
res  eat  Deua  cam  mundo,  et  proinde  Spiritus  oum 
materia,  uecefwitaa  cum  liberiate,  yerum  oum  falao, 
boDum  cum  male,  et  instum  cum  iniuBto. 

Alloc  Maxima  quidcm,  9.  Junii  18G2. 

rhilosophiae  systemata,  quae  saeculo  undevicesimo  vitam 
habuerunt,  ad  cclectismiira,  mysticisrauni,  rationaHsmuin,  panlhcis- 
mum  revocai-j  milii  vidünLur.  Ratio  autem,  l'uiuiumeiuuin,  oiunium 
systematum  couclusio  nulli  uiiquaiu  dubium,  quin  ia  ])auLlieismo 
roponantur.  Methodis  enim  Gassendi  et  Condillaciiii  malerialibmum 
olentibua  abaolutia,  aetaa  piocellae  instar  tenebroaum  caelum 
luatrantia  adfntnra  erat,  quae  hominia  mentem  cum  Oeo  una 
eademque  ratione  misceret.  Haec  quidem  in  eclectismo  Royer* 
Collard,  auglici  scriptoris  reperitur,  penea  Gallos  queque, 
Victoria  Cousinii  opcru,  liiit  jtert'ecta,  quare  scientiae  nuncium 
dare,  historiam  colere  oporLebat.  Sed  Cousinii  eclectismus  tandem 
in  Pantheismum  transiit.  Ipse  enim  instituit  rationis  analysim, 
in  qua  recensitis  quae  ad  intinilum  et  linitum  spectant,  bas  sen- 
tentiaa  non  unam  ab  altera  gigni,  sed  unnm  idemque  eaae  Tindicat. 
Ad  hoc  omnia  rationia  humanae  elementa  rationi  divioae  tribui» 
quasi  ipsius  integralea  partes,  aaserit.  Unitaa  enim,  apud 
Cousinium,  absqne  multiplioitate  coocipi  nequit;  neque  unitaa 
individua  in  se  permanens,  ac  non  continno  oxtra  sc  ovoh-ens 
esse  potest  Idera  de  1)öo  ac  cobmo^'-ouia  jjantlif^isticas  uobis 
sententias  exhibet.  Dei  enim  vita,  inquit,  est  reposita  in  motu, 
quo  ab  uuo  ad  varium  transit,  et  invicem  a  vario  ad  unum 


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Syllabus  Pii  Pootificis  Noni  in  uoiversa  ro  pbilosophtca  etc.  71) 


redit.  Praeteren  T)e\\s  mnndi  est  causa  necessuria,  et  Ipse  ex 
86  in  opera  sna.  loiub  iu  se  periiiaiieus,  trausit.  >ionne  igitur 
pHutlieismus  lu  mutuo  trauäilu  JJei  in  muudum  cousibtit?  Eius- 
modi  Conshin  pantheismos,  ecleotismi  gratia  renovatus,  magis 
magisqao  Jonffroy  et  Damiron»  Michelet»  Lerminier»  Goizot  opera 
fait  eTolutns.  Hia  de  eolectiemo  diotie,  qaod  ad  Galliae  mysti- 
ciamom  attinet,  notam  item  pantheisticam  incurrit.  Henricus 
CDim  a  Saint-Sinion  ejusmodi  doctrinas  de  Deo  ac  mundo  edocebat: 
Deu8  unus  est,  inquiebat,  Ij^se  est  oraiiia,  quae  redticiintiir  in 
Daum.  Manifestat  autem  se  duplicitcr,  »piritus  et  materiae 
instar,  uti  intelligentiam  et  vim  ee  ostendit.  Quare  Dens  homo 
est  in  rebus  finitis,  amor  est  Bei  simiiitudioe,  sub  diversa  specie, 
quaei  BpiritOB  et  materia,  inielUgentta  et  yIs  ee  evolvit.  Einsmodi 
doctrina  pantheistioas  quidem  aenteDtias  de  familia,  aocietate, 
deque  universa  religione  tenet.  Quae  omnia  Petras  Leroux, 
Carolus  Fourier,  ac  demam  La-Mennais  suis  scriptis  perBolvemnt, 
eisque  eupremam  vicem  attulerunt.  Quod  aJ  rationalistnum  att;ti»'l 
ulterius  non  est  tcnii)iis  tcrendum.  Namijue  hI  ratio  humaua 
cuiuscumque  veri  CBt  invontrix  et  arbitra,  ratiunis  diviDae  cmanatio 
est  per&picicndaj  bed  ubeiiuii  de  iiac  re  iu  abbuidiä  pantheismi 
acholüs  agemuB.  Jam  vero  si  UDivena  pbilosophiae  scientia, 
paulisper  a  CathoHciB  dootrioia  reoedeoB,  in  pantheisiiiuiii  toit 
dilapsa,  merito  ad  Petri  aedem  apectabat,  acieutiain  in  Bnblinie 
attoilere,  sophiamata  detegere,  remedia  opportuna  comparare. 
Hinc  Pius  IX,  praecellens  imaj^o  in  maximo  pontificatu,  Alice. 
Maxima  quidem,  [).  Junii  18G2,  anathcmate  multavit:  Nullum 
Bupreiiiiiui  etc.  uti  »upra  dixi.  Noe  e.v^o  revereuliae  gratia  in 
Petri  cathedram,  cum  Petro  vcritatem  comprobamus.  S.  Thoma 
Aqninate  tarnen  pasaim  utemur,  qui  a  Paulo  Y  iure  meruit 
adpellari  Bplendidisaimas  oatbolioae  Fidet  athleta,  cuiaa  Bcriptomm 
clypeo  Eccleaia  militaaa  baereticorum  tela  felidter  elidit  In 
India  qoi  bene  perpendit  vetuetiora  panthcismi  monumenta 
repperit.  Kx  codicibus  eiiini  Yedantibus  intelligitur  Brahma 
esse  solnrn,  caetera  ludibria;  Brahma  tantura  realitatis  dote, 
rcliqua  pliantasTiiatis  spccio  poliri;  IpKumessii  uti  araneam  aeternam, 
quae  ereatiuiiis  tclam  e  smu  suo  contiuuo  educit,  et  invicem  in 
ae  reducitj  sive  uti  molem  argillaceam,  cuius  tormae  hiiul  singula 
creata;  sive  ooeanom,  cniuB  fluotua  est  mnndua  unirenaB. 
Dioitur  quidem  Brabma  bis  evolntioniboa  Mayam  aiye  maieriam, 
dein  Trimoartim  ez  Vionoo  et  Siva  compositum  genuiBae;  Brahma 
autem  copulans  se  Mayae  originem  typis  duobus  Mahabouta,  pro 
spiritibus,  ac  Pradjopati,  pro  materia,  dedisse  dieitur.  In  Graccia 
autem,  et  rectiua  iöami,  Pytbagoras  pantbeiamum  primua  iavexit. 


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1 

80      Syllabas  Pii  PoDtilicis  Noni  in  unirersa  re  philosopbica  etc. 

Menas  enim,  aiebat,  Diadem  gignit,  Dias  Yero  ac  Menas  Triadem 
creant.  Qiiae  doctrina  clariua  significat  unura  in  multiplex 
tranbt'ormari,  multiplex  autom,  nempe  univcräum  rerum  naiuram, 
diTionm  unnm  resoindere.  Qaae  omnia  diffotias,  popularram 
Fytbagoraa  ergo,  Tiroei  Locrensis  atqoe  OoelU  LncaneDaia,  fiierant 
evoluta.  Ad  hoo  schola  eleatica  ortum  babnit»  qua  Xenophaoea 
floruit,  qui  e  prinoipio  De  nibilo  nihil  fit  dedooebat»  oihil  posse 
ab  alio  produci,  omnia  unum  idemqno  esse.  Accedit  autem 
Parmeiiidos  iuxta  illud:  Quod  co^^it  it  atque  cogitatur,  postea 
Zeno  ac  Melissus  Samiiis  eadeai  vindicarunt,  Scd  cum 
Alexaudriau  Ptolomei  bibliüthecas,  studia  excoieodi  causa,  iosti- 
toiseent,  noirersa  Graecorum  scientia  iavenes  crudiendos  imbuiU 
Igitur  Jttdaei,  Gnostioi,  Keoplatonioi  euas  academias  paotheisiDiim 
olentes  oondideniDt  Gnosüd  eDÜn  uDitarH  UDum  ae  primnia 
principiuro  admiscrunt,  de  qao  aubstantia  sive  apiritnalia  aive 
materialis  manabat,  uti  Apelles,  Valentinus,  Carpocrates,  Epbi- 
phaniiis  adsernerunt.  Daalistae  vero  duplicem  siibstanliam 
opinabautur,  de  qua  cetera  tluebant,  sed  in  hoc  omnos  con- 
venicbant,  quod  BvS-oq,  primum  ens,  Almrn  gignat,  qui  cum 
patre  ignoto  UXrjQOjfia,  tkcloretu  istius  mundi  visibilis  At/fiiov^y**^' 
procreet  Uis  rebus  qaidemTabalaJadaeorum  est aceenienda,  nempe 
dootriDamm  orieataliam  ayatema  cnm  illis  8aori  Teztua  interciaia^ 
qaae  omnia  emanatismum  Tindioant:  uti  apud  De*Gerandum  videri 
poteat  ^eapiatonismus  autem,  Piotino,  Froolo,  Jamblioo  ac 
Porphyrie  ducibus,  docebat  unnra  esse  principiura  fineraque 
cuiusque  rei,  omnia  existentia  in  le  nua  esse  vel  illa  exui,  uti 
plus  minusve  ad  unura  accedunt;  (pia  rationo  Deum,  hominem, 
mundum  per  inadem  unitatis,  iulelligeutiae  animae  invicem 
oomparabat  Saeonlis  yero  mediae  aetatia,  Carole  H.  optime  d& 
Boientiia  nierito,  Sootua  Erigona  in  opere:  De  dmatone  natnrae^ 
pantbcismum  renovaTit.  Ipte  enim  natoram  in  qaataor  genera 
distribuit.  Primum  naturam  creantemi  altorum  oreatam,  tertinoi 
creatam  qiiac  non  creat,  quartum  noc  creantem  nequc  croatara 
naturuni  complectitur.  Drin  imivrrsa  rcriuu  natura,  tlummis 
instar,  quod  in  rivulos  sitiusij  ie  delabitur,  a  Del  natiira  minirae 
differt.  Huius  systematis  populäres  Amoury  de  Ohartres,  Aimuricus 
CarnoteDsi«,  David  de  Dinando  fuerunt  Öaeculo  autem  XIV 
Frater  Echarius  post  Sootnm  Erigenam  mysticismum  pantheiamo 
▼aide  affinem  excolnit  Myeticiamua  enim  est  üla  philosophandi 
methodaa,  qnae  perfecta  rernm  cognitionem  menti  humanao  ineaee 
ex  quadam  mystica,  sive  arcaoa  eins  cum  Deo  coniunctione 
adserit.  Saecula  dein  XVI  Jornanua  Brunns  in  opere:  Deila 
causa,  prinoipio  ed  uno  dofendit  Deum  esse  omnia  aive  extantia 


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Sy Ilabus  Pii  FonUficis  Noni  in  univcrsa  re  philosophica  etc.  Sl 


»ive  possibilia,  com  oronia  in  se  coraplectatur;  Tpsuni  esse  rerum 
esseütiam  causaraque:  nno  verbo  rationera  divinam  in  universo 
ifiäuit'e&lai'i.  Sueeulo  tandem  XVll  lienedictuä  Öpiuoza,  cogui- 
ttonem  sabstaotiae  ab  Ontologia  Desoartes  mutaaiiB,  docnit,  nnam 
eete  aabstantiam  iofinitis  attribotis  pollentemy  qnae  se  per 
extenaoaem  et  iotelligentiam  evotvit;  nndo  spiritas  et  materia 
provnniunt:  nam  aliarum  subBtaDtiarum  prodnctio  repngnat.  Hie 
de  historia  dictip,  ad  veritatnm  vindicandam  transeamiis  oportet, 
üniversa  panlheistanim  doctriua  ad  unum  principiuiu  categoricuia 
potest  reduci;  ad  >*nb«tantinp  unitatem,  ciusquc  cum  rebus  nni- 
ver&iö  ideDtitaleuj,  ad  uiuiüpIiciB  et  varii,  finiti  atque  intioiti 
negationem,  ut  uoam  et  identioam  substanUam  adstruant,  revocari 
lioet  Yenim  eoimTero  unitaa  et  identttaa  aabstantiae  Talde 
ratioai  opponitur.  Saae,  seeuDdam  pantheiami  fautore«,  omaes 
hommes  sunt  uoiim  intelligenB,  et  qnoaiam  TolODtas  iDtellectum 
conseqaitnr,  sunt  unum  volens;  inde  unum  est  ena  intollectu  et 
voluDtate  praeditum.  Intellectioncs  vero  hnnilnumqtio  volitionog 
sunt  diversae,  alter  enim  intelligit  (^uae  uou  ego,  ego  intelli^'^o 
(juae  non  alter,  hinc  patet  non  posse  hominesesse  unum  intelligeuß 
et  uoum  voleoä.  8.  TbomaH,  1^  q.  79.  art.  V  ioquit;  iDtellectus 
agens  est  aicut  Inmeo,  non  autem  eat  idem  lamen  in  diversia 
illnminatia,  ergo  non  eat  idem  inteUoctas  in  diTerais  hominibus. 
Yeritaa  haius  quaestionia  ex  hia  dependet  8i  enim  intellectua 
non  easet  aliquid  animae^  aed  esaet  qnaedam  sabstantia  eeparata, 
anü8  BBset  intellectns  omnium  homlnum.  öi  vero  intellectus  pit 
aliquid  animae,  ut  quaedam  virtus  ipsiiis,  neoesHe  est  dicere,  quod 
sint  plures  intellectns,  secundnra  pluraliiuimn  animarum,  quae 
muluplicuDiur  secuDdum  muiuplicalionein  homiDum.  Ad  hoc 
diff«rentiae,  qnae  diveraaa  rernm  apeewa  conatitnant,  oppositae 
ittter  se  annt,  uti  extenaio  et  cogitatio.  Admisaa  igitur  unica 
Bobstantia,  in  bao  ana  diverai  nodi  foturi  eaaent;  atqui  nihil  hoe 
eat  absurdiu»;  ergo  unica  substantia  in  omnibus,  quae  intelligat 
et  velit,  baudconcipi  potest.  Panthcistan  tamon,  ad  hoc  cavendum, 
M«*«erTinf,  ülnd  unicum  ens  indeterrninaUim  et  illiniitatura  esse, 
sed  seipsnm  circumscribere,  cum  in  qualibet  lormarum  modum 
vivendi  accipiat.  Contra  iliud  unicum  ens  vei  realisBimum  vel 
idealis&imnm  concipitur.  Si  prirao  modo  habetur,  in  singulia 
formia  ratio  entia  cironniBcripta  ad  illnd  ena  conolpienda  eatet: 
hoc  poaito,  realitas  abaolata  minueretor,  qnod  certe  repugnat, 
cum  unaquaequc  evolutio,  hoc  ipso,  OBset  entis  primi  realisBimi 
negatio.  Si  altero  modo  putatur,  tum  idem  subiectum  immetatum 
esset  ac  finibue  definitnm,  qnod  est  contradictoriiira  in  uno 
eodemque  subiecto  concipere.  Hoc  enim  admisso  principio, 
jAhrbueh  fttr  PhllMophie  ete.  VI.  6 


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.  83    Syllabns  PH  Pootiftels  Noni  in  aoirem  re  pbilosopliie»  €te. 


Duu8  noD  esset  negative  indctermiuatus  dicendus,  aempe  quod 
eiu8  esMDtia  ab  alio  non  recipitur,  sed  privative  tatitam,  videlioet 
cam  Dens  acta  hoc  vel  illnd  ene  oon  ait,  natura  antem  ita  eat 

coraparatus,  ot  hoc  Tel  ilhid  cna  sit.  Quo  nihil  imperfectlus  in 
Deo  concipi  potest.  S.  BonaTentnra  inqnit:  Eiusmodi  infinitam 
privative  dcnotat  pcrfectionis  pr!v?\t,ionem.  Et  S.  Thomas  de 
Ver.  q.  11  docet:  Deim  dicitur  infinitus  negative,  qnia  scilicet 
eius  csflentia  ])or  aliquid  non  limitatur.  Omni«  enim  forma  in 
aliquQ  recepla,  terininatur  iuxta  modum  recipientis,  unde  cum 
£§86  diTiniim  non  sit  in  aliquo  receptom,  quia  Ipae  est  annm 
esse,  secundam  hoc  Ssse  snnm  non  est  finitnro,  et  pro  tanto 
Eius  esaentia  dicitur  infinita.  Acoedit  qnod,  admissa  bac  unica 
Bubstantia,  quae  in  divina  eubstantia  conststit,  Bei  cognitio 
foedissima  fieret.  S.  Thomas  ait:  Si  Dens  est  esse  omnium,  non 
magiö  dicetur  v^rnr  Laj)is  est  cns,  quam  Lapis  est  Deus. 
Praeterea  Dens  ti m  rsHet  inimitus,  quia  vcl  ex  rerura  fmitimarum 
coUectione  cxurgeret,  vel  esset  indefinitUH,  quod  sine  fine  se 
explicet;  et  lainon  utrumque  Infiniti  notioni  repugnat.  Ad  rem 
Fenelon  scribit:  Non  ai  rinviene  nella  totaUti  degU  esseri  finiti 
l'immutabiliti,  Tunita,  la  perfesione  suprema»  belle  oaratteristiclio 
deir  infinito.  Imperoccbe  qnesto  tutto,  che  et  si  Tnole  spacciare 
per  il  vero  infinito  non  e  un  fantasma  «n  essere  astratto: 
raa  non  e  ne  altro  puo  easero,  tuorch^  la  collezione  dolle  parti. 
qui  udi  se  le  parti  si  ranovono,  il  tutto  devc  egualmente  mnoversi. 
Ora  im  tutto  ranj^^iantcsi  non  pu?>  mai  adequare  l'idea,  chi- 
ubbiamo  dclT  inftnito.  2seque  Deus  sanclissimus  csuel,  aum 
omnia  facinora,  quae  in  mundo  patrantur,  essent  Deo  conscribenda. 
omnia  vitia  aacra  fcrent  8aint-8imon  hac  in  re  sie  loquitnr: 
11  male  per  Tuorao  non  lo  c  gia  in  se  ntesso,  percbö  al  pnnto 
di  veduta  deU*  Infinito  tutto  e  baue,  perche  tutto  c  uno.  Demum 
Deus  ex  repug-nantibus  qualitutibus  constaret;  esnct  cnim  cxtensu» 
et  co^itans,  corporcus  et  eimplex,  ünitus  ot  infinitus,  perlectuR 
et  iiuj)ortofttiR,  roalis  et  uIo-aWü,  atqni  nil  hoc  est  absurdius 
in  Deo;  ergo  nou  polcHL  unica  coucipi  substantia,  u  qua  universa 
rernm  natura  maoet.  Sed  adTersarii  instant:  8i  plures  substantiae 
darentor  praeter  infinitam,  quibosdam  dotibns  Ipsae  poUerent, 
quae  uoicae  substantiae  deessent:  ita  Spinosa  in  definitiono 
substantiae.  Sed  negatur  suppositum.  Perfectiones  eoim  dnplioiti 
sunt  generis.  Nonnullac  sunt  simpliciter  simplices,  quae  iuxta 
S.  Anseirai  verba:  In  unoquoquc  melius  e«t  esse  quam  non  esse, 
nuUnm  praeselerentcs  delodum,  uli  vita,  sapieniia.  Aliao  anteni 
qualiLales  defectnni  iuciudunt,  et  dicuntur  secundura  quid:  e. 
gratia,  moveri,  raliocinari.    His  antehabitis,  perfectiones  primae 


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SjUabas  Pii  Pontilicis  Noni  in  unifen»  re  phUoMpUcA  etc.  63 


«peciei  iürmaliler  in  Deo  coDtiDeutur,  Bed  Becundum  uui  notioDeiUi 

noD  BeeondiuD  %iiod  oreatom  haemt  Ad  ran  S.  Thomas 
1*  Sea.  d.  11  q.  1*  aoribit:  Qaidqaid  est  entitatis  et  bonitatia 
in  creatoris,  totam  est  a  Creatore;  imperfeetio  autem  non  est  ab 
Ipso,  sed  aocidit  ex  parte  creataramniy  in  qnantnm  sant  ex  oihilo. 

Unde  oportet  quod  nobllitates  omnium  croaturarum  inveniantur  in 
Deo  nobilissimo  modo,  et  sine  aliqua  impert'ectione.  Perffctlones 
vero  secundum  quid  emiaeDter  in  Deo  contioentur,  unde  Augustinus 
ajebat:  Omnia  possunt  dici  de  Deo,  nihil  digoe  dicilur  de  Deo. 
Nihil  lattns  b&c  inopia.  Quaeris  coDgruum  nomen,  non  invenis; 
iioaeiis  quoquo  modo  dicerot  omnia  invenis.  Perfectiones  ergo 
creataranim  absolnto  modo  inTeniantor  in  Deo,  non  nno  eodemqne 
aecnndnm  Pantheistas,  neque  perfectio  aliqua  est  in  creaturis, 
i^uae  infinita  ratione  non  inveniatur  in  Deo.  Sed  ad  alterum 
principiuin,  ad  negationem  nempe  realitatis  Universi,  gradnm 
lacimus.  Vedantisiae  in  rebus  finitis  ludibrinm  conspioiaiiL; 
Elcalae  contradicliones,  Neoplatonici  realitatem  ideis  taaLuiu  ad- 
e>cribuDt,  quas  dicunt  in  supremo  uno  inesse;  Erigeua,  Bruoub 
omnia  componta  realitate  orbari  adserunt  Demnm  Germaniae 
transcendentales  Kantisna  philosophia  ezoulti,  in  mnltiplioi,  nempe 
ia  universo  ta  ^patpoutva  (omperiunt  Hoc  vero  principium 
experientiae  repngoat  Ex  intima  enim  experientta  nil  oertins 
est,  quam  esae  in  nobis  subiectum  cogitanp,  quod  porrsona  et 
conscientia  adeo  sibi  propria  pollct,  ut  alteri  communican  neqiu  at, 
quiu  dof-tniatur.  8i  onim  mcae  cogitationcs  et  aÜcctub  iiuei 
vana^  iallacebquü  liiuöiones  admittantur,  illico  luea  conscientiä 
eraoescit;  ex  experientia  igitur  edocemur  nostrum  ro  fy^ 
aliqnid  realiter  existens,  ab  iUa  nnica  sabstantia  distinotnm.  Ad 
hoo  quotidie  experimnr  aliqnid  existere  quod  nobis  non  inhaeret, 
tarnen  in  nos  agit,  aliqnaodo  sine  nobis,  quandoqne  contra  nos; 
ergo  alia  in  univcrRO  existunt  a  nobis  distincta.  Quod  autem 
hacc  omnia  sint  substantiae,  patet,  quia  illud  quod  in  alio  est. 
vi  substantia  non  est,  agere  non  potest,  nisi  per  illud  quod  est, 
ucmpe  per  ßubstantiaro.  Multiplex  igitur  et  finitum,  quouiam 
agit,  realitate  pollet,  et  est  ab  unica  substantia  dislinctum. 
Lsibnitz  enim  in  opere:  De  primae  philosophiae  emendatione  et 
notiooe  snbstantiae,  scribit:  La  forza  operante  ed  attiva  &  ad 
ogni  sostansa  inerente,  di  tal  che  non  pnö  stare  an  momento 
Kolo,  scnza  che  operi;  e  cio  e  Tero  &i  rapporto  alle  sostanze 
dette  corporali,  come  a  quelle  fpirituali.  Ma  uel  mondo  evvi 
un'  infinita  di  azioui,  diiinjuc  evvi  ancora  un'  iüfinitit  di  sostanze. 
Hoc  autcni  Kantii  juincijiium  ])ermulta  incurrit  irioomraoda.  Et- 
cnim  becundum  Fichte  ^airo^ti'Otf  univeräi  ontur  au  actu  quodam 


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^4    SjlUbm  Pii  PooUfidft  Noni  in  univern  re  pbilosopUeft  etc. 


libero  siibiecti  cogilantis;  atqni  ignoti  nalla  capido;  ▼olnota«  ergo 
noD  polest  flecti  ad  hanc  illnsioDem  coDoipieodam,  niBi  in  ideis 
intellectas  illa  nniversi  procedat.  Tantum  abest  igitur  ut  actna 

qnidem  libnr  crcator  repraesentationis  mnndi  visibilis  es8e  possit, 
ut  pnfius  hanc  prn*  oinitem  cxqnirat;  quare  Universum  non  allqni  i 
phaeDomenicuai  sed  reale  esse  mlertur.  Demum  si  noBtrum  ego, 
munduB  exterior,  ea  quae in  nostro  auimo  ac  mundo  fiuut,  pbaenomena 
essent,  non  minus  focdaDei  cognitio  exurgeret.  ^'amqne  cum  in  iilu 
hypothe»!  nuUum,  praetor  Deaniy  sit  anbiectum  cogitans,  illanonea 
tlla«,  nonnni  in  Beam  oadere  poBsunt;  Dons  ergo  perfeetiBBiroua 
illuatoni  se  enbicerct,  quo  nihil  abanrdiue.  His  praemiBsis,  ita 
argumentum  conficimus:  8i  finitnm,  multiplex,  univerea  rerum 
natura  realiter  sunt:  certe  non  una  est  substantia,  scd  quot  in 
universo  conspiciuniur.  Nequc  vero  dicundum  est,  qnod  notio 
cntis  simpliciter  Deo  plonissimc  couveniat,  ideo  D'  u-^  unioa 
öubätaotia,  cetera  sine  illusiones,  uam  S.  TliomuB  1*^  tien.  dm. 
dooet:  Aliquid  potest  dioi  proprium  alioni«  Tel  quia  ipBi  ita  con« 
▼enit,  nt  null!  alü  snbiecto  convemre  posait  (at  cum  dicitur 
proprium  hominis  esse  risibile,  quia  nolli  alü  extianeo  a  natura 
humana  oonvenit),  \e\  quia  illud,  quod  de  BuMeoto  praedicatur^ 
et  si  aliis  subiectis  quoque  convcniat,  tarnen  eo  modo,  quo  ipsi 
convenit,  nulli  alü  Mibiocto  convenit  (ut  cum  dicitur  hoc  proprium 
esne  aurum,  quia  uou  habet  admixtionem  alterius  metalli).  Jan> 
vero  de  substautia  Dei  idem  ac  de  Esse  eius  diccndum  est;  nam 
quemadmodum  Esse  est  proprium  Dei,  non  quod  res  creatae  nou 
Bint  entia,  Bed  eo  quod  esae  illo  modo,  quo  est  in  Deo,  nuHi 
oreatae  naturae  oonvenit;  ita  Beua  propria  BubatauUa  dicitur^ 
non  quod  roB  creuta  non  sit  substantia,  aed  quia  cum  nihil 
aliud  recipiat  productionem  substantiae,  secundum  quod  dicitur 
de  Ipso,  ideo  propter  diversum  modum  praedioaodi,  non  dicitur 
'^ubatantia  de  Deo  et  creaturis  univore  sed  analogice.  Sed 
videamus  quidem  corollaria,  quae  e  pantheiBrao  couficquuntur. 
Hoc  systema  tendit  ad  scepticismum;  bi  enim  l'acta  iDviocibili 
couBfuentia  inter  fallacoB  iliuBionea  adseribuntur;  ei  univeraua 
totuBy  cuiuB  realitas  negari  neqnit»  inter  pfaaenomena  adnumeratnr, 
humana  mens  de  sniB  viribuB  merito  diffidens,  in  scepticismum 
labitnr.  Pantheismus  autem  ad  fanatismom  dncit.  Ratio  enim 
humana  juxta  Pauthei^^ta^',  est  subümior  illius  unioae  substantiae 
r-volfitio.  ndeo  ul  illi  vitanti,  iiitelii^ontiam,  iibertatem  assignet; 
neni]>c  III  verum  natura  homo  est  Dens,  perque  hominem  Dous 
Buam  vUam  vivit.  Iliuc  illud  Michelet  saepius  a  novatoribus 
repetitam:  11  pensiero  diTioo  altro  non  e,  che  Tidea  del  popolo. 
Hino  VinoentiuB  Gioberti  (genti,  modi  e  ooUo)  merito  inferebat: 


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Sylltbut  PU  Potttiflcii  Koni  in  nnitrena  ra  pbU4»opfa!ca  €te.  85 


Da  Lutero  fino  al  di  &o»tri,  la  deifieaaioiie  detl*  uomo  fit  Toggetto 
finale  di  ogot  inaoTazione  filosofiea  e  religioaa.  Oome  Amedeo 
Fichte  tatti  rinDOTareao  ia  modo  spesso  senza  saperlo,  raotica 
•nggestione  del  aerpeate:  Eristis  aicat  DiL    Ducit  tertio  ad 

rationalisrmim.  ^^i  ^»miiia  sunt  iinius  Ideae  evolutiones,  quae 
praesertira  per  huininam  ratiouem  evolvitur,  dediicitnr,  quod 
omnia,  (}iiae  r;itioQis  or  iinem  pratHcr^rodianLur,  tamquaui  advvarov 
^iot  traduceoda;  ideo  auL  m}  ätena  dogmata  prorsus  siüt  deoeganda, 
ant  iaxia  rationia  ▼ires  explicanda.  Barnch  Spiaoza  in  Saori» 
Biblüs  aibil  agoovit,  quod  vires  homanae  ratioDiB  praetergrede- 
retnr,  et  si  quid  supra  repperit^  in  nnmero  mythonim  recenauit 
Amadeus  Fichte  sooüque  de  Trinitatis  mysterio  oolloquentea 
aiebant,  Absolutum  in  ubbtracto  esso  Patreiu.  in  concreto  Filium, 
<im  suimet  conscieDtiam  haben'^  dal  S.  iSanctum.  De  Incarnatione 
vero  inrjuiebant,  comparitioneiu  Absoluti  idealis  in  humanitate 
Incarnationem  esse.  Uegel  uutcm  docebat:  II  fatto  invisibitc 
del  processo  eteroo  deüa  vita  divina,  la  quäle  penotraudo  uel 
finito  resta  iri  ancora  finita.  Vonno  haeo  omnia  de  mysteriis 
ao  veri«  auperaatnralibna  comprobant  pantheismum  ad  tationalis- 
mnm  dnoere?  Pantbeietae  antem  ad  athcistnum  viam  sterount. 
Saue  Dens  ad  anam  existentiam  neceaaario  requirit,  quod  sit 
pertectissimns  non  contradictorius,  neque  aliquid  abstractnm  >  itara 
recipiens  ab  evolntionibuR  Universi,  at(|iii  id  pautlieistae  adtirinant, 
i'Vf^o  per  eos  idea  conlradictoria  Dei  existentiam  doncgat,  at<n',e 
alheismum  profitetur.  i^aotheismus  quidem  auimarum  imuiui- 
lalitatem  negat  Fantore«  enim  Hegeiii  ot  bcbelliogü  arbitrantur, 
ita  animas  ab  nniea  aubatantia  absorptnm  iri,  nt  auam  existentiam 
amittant  Fonrieriatae,  Üanaimoniani  metempaychoain  defendonty 
quae  certe  metbodus  aniinae  immortalitati  opponitar.  Pantheistae 
etiam  libertatem  humanam  dirunnt.  Omnia  oiiim  ex  tatali  ne- 
cessitate  eveninnt,  omnia  necessario  evolviintur;  nulluni  ergo 
discrimen  adest  mter  vilium  et  virtutcm,  bouuiu  et  malum,  cum 
omnia  ad  unum  reducantur.  En  verba  klaret,  Baggio  sul  Panteismo: 
Ti  raccbeta  pure,  o  uomo  agitato  dai  rimordi,  tutto  e  nocessario, 
perehd  aconaarti?  Aceuaa  in  cambio  ii  conoorao  delle  cagioni, 
eonfeaaa  non  aver  tn  fatto  altro  cbo  obbedire  alla  tua  natura. 
Innassi  allo  spettacolo  di  tutti  gli  errori,  delitti  e  sceUeratesze, 
il  panteista  ripeteru:  tutto  e  buonO|  percbe  tutto  e  Dio.  Amara 
derisione,  assnrda  e  dosolante  dottrina.  che  il  sollievo  del  pianto 
nega  all  intblice  cd  il  rimorso  al  dulitlo.  Unod  Bi  ita  s»»  res 
habet,  praestat  tliesim  couticrre  cum  illa  Pii  IX  quaerimonia  contra 
hujusQiodi  erroreiu:  Quo  nihil  demeuüuH,  nihil  magis  impium,  nihil 
contra  ipaam  rattonem  repngaantina  excogitari  unqnam  poteat. 


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1)6    SyUabtM  Pii  PoalificU  Koni  in  oiiiTers»  re  phUMophie»  etc. 


l>e  Germamkie  panihMtmo, 

Kondum  di«6  adent»  qua  pantheisma«  biatoriam,  scientiaiii» 

literas,  arte«  moderaretur.  Sed  (jermania  primum  specimen  huins 
detectionis  a  vero  l'utura  erat  Gallia  enim  licet  inl'ectn  dnetrinis 
pautheiäticis,  abhorrebat  tuiuen  a  tut  tantisque  erroribus  viadi- 
candis;  sed  in  Italia  benigoo  vultu  Germaniae  doctrinae  fueruot 
exceptae.  Namqae  academiao,  gymoosia,  theatra  pantbeUmam 
redoleiity  uti  qni  bumanitatis  prog^reaam  aiqne  cnUui  reapondeat 
Igitnr,  nt  omaia  de  pantbeiamo  aiot  completa,  Gerraaniae  ayate* 
mata  aggrediar.  Sane  Ancillon,  saggio  di  filosofia»  tuit  opinatna 
Germaniae  transcendentales,  doctrinis  JCantiaDis  imbutoa,  plu& 
aequo  ülas  evolvisse:  igfitur  abs  re  non  orit  incoptnm  a  Kantio 
aggredi.  Emanuel  Kaotius  duo  in  humaDa  cognitionc  animadvertit : 
subiecttim  enim  et  obiectum.  "Primnra  est  forma  iiusiranim 
cognitionuiü ,  alteruiu  est  malena,  Obiectum  uobia  solum  in- 
taitiones  pbaeDoiiieDioaa  exbibet,  aubieotam  Teio  per  aaas  nottonea^ 
illia  intnitioDibaa  Titam»  proprietatea  voitatia,  neoeaaitatia,  uni- 
Yersitatis  tribuit  Hidc  in  aoatria  cogoitionibaa  aliqutd  eotitatta 
eaae  debet^  mens  tarnen  introapioere  tantnm  pbaenomena  dcbet, 
quippc  cog-nitionis  alac  ad  animnm  snblevandnm  extra  facta  haud 
sulticiunt.  Quod  si  cognitio  id  andere  velit,  in  «iio  anirao  quasdum 
ideas  absolutas  rcpperit,  nti  Doi,  universi,  spiritus,  quae  nostraui 
cognitionciH  Hl üderantur.  Ex  quibus  facillimo  desumitur,  obiectum 
comparari  pio  subiecti  arbitrio,  ipsum  qnoque  causas  et  substantia» 
omnea  creare.  Amadena  Ficbte  ita  de  ano  fycD  loquitor:  Sub- 
iectam  co^tana  tantum  exiatit»  quod  fona  et  origo  eniuaqoe 
realitatis  exiatit;  unde  aola  propoaitio  evidentiae  immediatae 
enunciatur:  To  lyci  par  toi  kym.  Ad  cognitionem  vero  rov  iym 
oportet,  ut  animu»  ab  otnni'buf*  rebna  circumstantibu»  abstrahat. 
In  hac  abstractione  mtuemur  x6  t'/aj,  quod  nondum  absolute  est 
ac  rcalitate  pollet,  «ed  in  co8:nitionc  oportet  obiectum  cogiluium 
cum  »ubiecto  cogitante  idenuiicari.  in  hac  idenulale  zd  iycj 
conatitatt  originem  enräaoamque  rei.  En  primigemns  actaa  rov 
lyaj  pnri,  ex  quo  conaeqoitar  eyolntio  nniTerai,  aen  zov  fyw  non 
pari;  qoae  quidem  evohitio  inter  pbaenomena  tantam  eat  coUo- 
canda.  Fridericna  Scbelling  contra  omnem  realitatem  aobiecto 
denegavit,  et  unam  existentiam,  aetcrnam,  immntabilem  esse  ad- 
mi&it,  in  qua  purum  verum  consistit.  Ad  cogoitionem  huiu« 
abBoUitae  existentiae  oportet,  ut  homo  ad  omuia  indiÜerens  actum 
purum  liberumque  eliciat,  minime  tarnen  conscientiae  teatimonio 
obnoxium,  quo  eziatentiam  absolutam  iotuetur,  quae  eat  Deu»^ 
principium  nniiatia  ao  bcatitndinia.  Uuod  ai  imperfecte  Dens 
Tideatnr  deficientia  intuitna,  id  eTonit,  qaia  bomo  nondum  a  rebna 


uiyiii^ed  by 


dyllabus  Tii  PoDtificis  Kooi  in  uuiversa  re  pbiiosophiua  etc.  67 


circumstantibus  est  omnino  abstractus.  In  hac  intuitione  cogniiio 
idem  est  cum  exitit^mtia.  Xani  cum  psse  absolutuui  sit  uniias 
perfecta,  et  necessai  lu  maDiieBtaadum,  opus  cüt  ut  alii  coDsucietur, 
ii6mpe  hnmanae  co^nitiooL  Per  Iiaao  identiteton  esse  absolntmii 
pcoprietates  miiltiplicia  et  varü  induit  Hegel  demom,  per  vwam 
idealieniDm  tmaaceodeDteleiD  docnit  nnnm  ease  ens  onm  cogita- 
tione  ideoticum,  quod  est  neque  subiectum  neque  obiectum,  sed 
cogitatio  seu  Idca,  vel  proprius  Idca-Ens,  quae  quidem  in  se  est 
absoluta  et  indcterminata,  sed  deüoitur  in  suis  evolutionibus. 
Haec  Idea-Ens,  inquit,  dnpüci  attributo  ornatur,  extensione  et 
cogitatione,  per  t^usie  attributa  est  item  spiritus  el  materia,  eäse 
et  Idea,  Deus  et  mandus,  itixta  illud:  Üuidquid  est  ideale  est 
reale,  et  quidquid  reale  eat  ideale,  liomenta  vero  ad  bas  evo* 
lationes  eomplendas  triplioia  assigDat  In  primiB  esse  indnit  se 
qnalitatibus  abstractis,  et  eiit  epocha  logica;  dein  in  mundo 
apparet,  et  erit  natura,  postea  evolutiones  prosequitur,  et  erit 
Spiritus.  Ad  eiusmodi  esse  intuenduin  oportet  abstrahi  ab 
extensione  et  cogitatione,  priniani  rcducendo  ad  invisibile 
punctum,  sc'cundain  ad  notionem  mdistinotam.  Iiis  expositis, 
ad  veritatcin  traoseamus  oportet.  Omnibut»  Gcrmauiae  pantheistis 
est  illud  Neoplatonioorum  principiom,  ideas  noetras  a  rebus  non 
dtstingui»  et  subjectum  oogitans  atqne  objecturo  cegitatum  unum 
idemque  esse.  Iffos  falsitatem  buius  principii  ( um  8.  Thema  com» 
probamus.  Ipse  enim  (con.  gen.  Ub.  IV  c  II)  ita  urgumentatnr. 
Inlellectio  in  primis  non  est  eadem  cum  rc  iiitellccla,  qiiia  mens 
non  solum  intelligit  rem,  eed  per  lacultatem  in  seipsam  rodeundi 
qua  pollct,  intellipit  intellectionem  rei,  ex  quo  fit,  ut  nou  solum 
scieuliae  rorum  existaut,  sed  etiam  scientia  cognitionis  rerum 
confioi  possit.  Seoundo  intelleotio  distioguitur  ab  intellectu,  sive 
a  «objecto  oognoscente,  qoia  si  intellectus  idem  esset  cum  in- 
telleotiooe,  ipse  nuoquam  in  poteatia,  sed  Semper  In  actu  foret 
Uoc  est  Semper  cognosceret  quidquid  cognoscit,  nequo  unqaam 
novas  cognitioncs  adquircret,  quod  certe  absouum.  Tertio  in- 
tcllectus  a  rc  intellecta  discriminatur,  quippe  quod  res  intellccla 
oät  principium,  per  quod  eam  auima  intelligit.  Quare  Balmes 
/FilosoHa  fondamenlale)  scribebat:  Haec  distinctio  intcr  subiectum 
et  rem  cogaitam  apparet,  cum  mens  seipsam  suasque  actiones 
Qognoscat;  ipsa  enim  se  diyersa  ratione  affeotam  cognoscit,  et 
se,  tamquam  obieotom  eognitum,  sibi  tamquam  subiecto  cogooscentis 
opponit.  Sed  ad  Fichte  gradum  specialem  facimus.  Hic  etsi 
»ibi  magis  coastare  videatur,  tarnen  non  minora  incommoda 
offendil.  Principium  to  tyo>  purum,  ex  cuius  actione  libcra 
omnia  creari  obiecta   commcmoraty   monstruosa  quaedam  est 


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88     SyWttbiis  Pü  Pootificis  Nooi  io  umTersa  re  pbilosophica  etc. 


chituaera.  Revera  mens  no^-tra,  ope  iinivcrsae  abslractioni.s  ad 
iy(0  puri  conceptioueni  ancendit;  alqui  abstractio  siut;  subiect«« 
nun  potcHt  coaiicj,  quod  iÜaai  cooficiat,  et  obiectum  circa  quod 
versetur;  ergo  puri  xov  iyco  conceptio  oriri  dod  polest,  nisi 
sttbiecli  et  obiecti  realitas  praestltaatar.  Atqai,  iuzta  Fichte, 
haec  sunt  amavenda;  ergo  intuitio  rov  fym  oriri  nequit  ex  anioii 
abatractione.  Ad  hoc  actus  libore  Toleadi  exoriri  Dequit  sioo 
aliqiio  pracvio  obiceto,  in  quod  voluntas  feratur;  ergo  taatum 
abcsi,  ut  über  actus  voliintatis  ait  repraesentationum  causa,  ut 
siue  aiiqua  praevia  reprae^eulatione  exercen  nequeat.  Hoc 
principiuui  ad  idcalisraum  tendit;  nam  reaiis  exist^ntia  totius 
tioiveri^i  pcuitus  denegatur,  contra  iiiud  quod  expcrieotia  odocel; 
atqui  boe  idealiamum  dioit^  ergo,  poaita  realt  eziateiiüa  reram, 
poDitur  cognitio.  Ad  eceptieismQm  inclinat  Licet  eaim  in 
egcisiiio  absolatoy  ego  ait  niiica  realitas»  fona  cuioscainque  rei. 
concluditur  tarnen  Bpiritum  non  esse  ncque  me  esse  t6  ^/o>; 
atqiii  pubincti  co<,'itantis  deneg'ata  realitate,  omiiis  |M>v;i;niudatur 
«fienlia.  cr^'-o  hoc  sysUmia  in  sceptifisinuru  labuur.  Kinod  ad 
Scht  Uin^'-  ailiiu.'f.  int<;llceHjali8  iliä  iüluitio,  tjua  ad  absoliitum 
eouteiuplanduiu  ahburgimus,  conscientiae  tesltmouio  miniuie  Bub- 
iicitur;  atqui  cognitio,  quae  oonsdentiaa  testimonio  non  sabeat, 
neque  detegi  oeqoe  existere  potest»  ergo  commeotitia  est  eius* 
modi  Absoluti  iotuitto.  luxta  Scbelliog,  absolatum  est  ens  a 
coDcretis  rebus  penitu»  abstractam,  tarnen  fons  et  origo  totia« 
realliati«;;  ergo  contundit  ordincm  roalcm  cum  ideali,  abatractum 
cum  concreto:  eo  raagis  quod  absolutum  id  g^enns  est  Deos: 
ergo  Deus  mnot  idcalissirous  et  concreüsäimus,  quo  nihil  deteriue. 
>Sche]ling  autem  statuit  Ens  absolutuui  necestsario  mauirestandum. 
alioquin  personalitate  careret;  Universum  ergo  inferendum  est 
Deo  Titam,  pcrscnam  et  exiateDtiam  tribuere.  Philosopbaadi 
ordinem  perverit;  uod  enim  a  Deo  ad  res  creataa  descendimus, 
8cd  potius  a  robiiH  creatt-  l  !  Deam  assurgimus.  Contra  autem 
Hegelium:  Idea  absoluta  priadpium  est  oaiuscumquo  cognitionis; 
atqni  idoa  non  potost  haben,  nisi  obicctum  ali'juod  spectct,  cum 
ipsa  »iL  reinacsentatio  alicuius  rei;  erj^o  Idoa  absoluta  non  potest 
esse  priücipium  totius  cognitionis.  Ad  iioc  Idea-Ens  pollet  et 
extensiono  et  cogitatione,  per  quae  atlribuia  Heipsuiu  cvolvit; 
atqui  hase  attributa  setpsa  destruunt,  cum  aliquod  extensum  non 
possit  cogitare,  et  vieiesim  aliqood  cogitans  non  possit  esae 
extensum;  ergo  haec  idea  est  aliquod  coatradictorium;  eo  magis 
quod  eiusmodi  Idea-Ens  sit  Dens;  ergo  non  solom  Dens  esset 
aüqnod  contradictoriura,  sed  etiaai  cx  rcnim  finitimaniin  collcc- 
tioue  exurgeret:  quod,  iuxta  Fenelon,  est  absurdissimum*  Demum 


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Sjrllabul  Pü  Poatifieii  Noni  io  noirorsa  re  Philosophie«  etc.  89 


ordiaem  idealem  cum  reall  confuodtt:  quippc  aliud  e»t  idea,  aliad 
realitas;  si  unam  idemque  sunt,  nullum  esset  discrimen  inter 
aabiectuin  cogitans  et  rem  cogitatatn.  His  de  Biogolia  expoatUSy 
oportet  ut  Dei  notionem  iuxta  hos  philosophos  praebeainus.  Penes 
Fichte:  Dens  est  rh  lyoi  purum,  qiiod  soipsum  creat,  et  quod 
vice  quadam  »«am  pra*  e]«'r  tioDem  luit  exorsiis:  ila  enim  ioquitur: 
De  Crcatione  Dei.  Dens  autem,  Fichte  mquit,  est  nostrae  nientis 
ludibriiim :  iyu  purum  euim  et  non  purum  huut  quaedam  pliae- 
nomeQü.  Penes  Schelling:  Deus  est  aiiqiud  potentiale  coQliQUO 
eToWeDSy  ut  ad  actum  perveniat;  unde  illa  blasphamia:  Gott  ist 
im  Werdeo:  Bous  est  in  fieri.  Alibi  eoim  dizit:  Deum  esse 
priTationem  abaolntam,  aen  memm  nihil;  quare  Okeu  Deum 
fflaganm  nihil  appellaTit  Penes  Hegel:  Absolatum,  aut  Idea-Ens 
est  aliqnod  privative  indeterminatum;  Deus  ergo  esset  aliquod 
imperfectum,  oam  privatio  imperfectionem  designat;  quapropter 
conclu>'it  Ideam  Ens  esse  nihil  ;  ergo  lieus  esset  cns  non  ens. 
Si  Idea-Ens  est  nihil,  Deus  idco  esset  nihil,  hinc  Wilmius  monnit 
Deum  oriri  ab  actione;  vacui  super  vacuum  et  nihili  super  uihilum. 
Attameo,  doceote  Harchov  de  Penohen  (Storia  della  Filosofia 
tedesca)  Germaniae  pantheiätae  6ua  nystemata  coaptarunt  reli- 
Ipioni,  politicae,  aoientüs»  artibus;  proinde  operae  prettnm  est 
comprobare,  ntrnm  pantheiamua  humane  progressui  respendeat. 
Ipsi  enim  dicnnt  primaevam  hominia  reli^ionem  eaae  feticiamum, 
dein  Brabmismum,  postea  Paräismnm,  dein  Aegyptiorum  cultum, 
Judaiamum,  postremo  Christianismum,  quem  velunt  sublimiorem 
actum  Spiritus  in  rc  theologica;  quia  revelatio  non  luit  actus 
longinqni  Dei,  sed  per  dogmata  Trinitatis,  Incarnationis,  Deus 
nobis  valde  appiopinquavit.  His  enim  positis,  ita  argumenta 
praebemus.  Iuxta  Germaniae  pautheistas,  Christianisrans  est  valde 
hominum  progreöüui  accomüdatu»,  quippe  revelatio  abboluti  eöt 
dintnrna  ac  contioua;  atqui  christiaDismus  perfeotisaime  paotheismo 
«dveraatur.  Quia  enim  denegabit  chriatiantamum  emanatiamo  atque 
pantheiamo  opponi?  Quia  enim  dicet  Pentateucum,  Prophetaa, 
bagiographos,  postremo  Novum  teetamentum  suspicionem  uUam 
pantbeismi  praebere?  Si  enim  idem  est  Deus  in  Lege,  in  Prophetis, 
in  novo  Foedere,  nos  pro  omnibn»  illud  Gencseos  afTercmus:  In 
principio  rroavit  Deus  caelum  et  terram:  hebraico  idiomate: 
Bereich il  bara  Elohim  et  hascharaaün)  weei  haarez;  in  (juo  te'^ti- 
monio  Deus  omuino  distinguitur  a  »iia  creatura,  uetjue  oiusdcm 
öubstantiae  horainom  esse  emanationem  comprobat.  Id  quidem 
streuue  autiqua  Syuagoga  atque  historia  Josephi  coiupiobavil; 
id  qnidem  Joannea  in  suo  evangelio  est  testatua:  In  principio 
erat  Verbum,  et  Verbum  erat  apnd  Deum,  et  Dena  erat  Vorbum; 


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!H)     Syllabos  Pii  Toutificit  Noni  in  unirersa  re  pbilosopbicA  etc. 


hoc  erat  in  principio,  oninia  per  ip»um  facta  sunt:  graece  kxol^s, 
creata  sunt.  Erjro  si  Christianisinus  hominiira  ruhr.l  respondet, 
sequitnr  panthcismum  non  esse  coraparatum  ad  homines  excolendos. 
Ad  hoc  ai  pantheiBnius  socictati  aptetur,  non  minora  ubstucula 
ofiendit  Difficillimum  est  enim  pautheiBtis  libertatem  cum  aucto- 
ritate,  iure  atque  olflciis  componere-,  et  ipse  LeroQX  diffiealtatem 
hnios  problematis  confitetor.  Kam  si  omsia  tnnt  Absolttti  evth 
lotiones,  plus  minoBTC  «e  manifestantis;  qoooiam  in  re  publica 
magis  id  ^nns  eToIuUones  babentur,  necesse  erit  oivem  absorptum 
iri  a  «statu,  atque  hinc  iura  imraetata  roanare,  ideoqne  illas  utopias^ 
renovari,  quac  saeculo  XVllI  socictat^'m  peKsuiudoderuDt,  et 
sanguinc  conspersere,  Haec  omnia  possunt  in  SSansimonismo  civil! 
videri,  at(]ue  iu  doctrinib  politicis  Hegel,  uti  docet  Lormiuier;, 
aooidtaa  ergo,  iiosttis  Germaniae  paDtheistarom  doctmis,  dirne- 
retnr.  Si  autem  pantheiamuB  eiuamodi  aoientiis  aptetar,  maximum 
detrimentum  humano  progreBsui  aifert  8i  enim  acienlia  est  per> 
nobilis  absolati  evolatio,  Mqnitnr  acienUa«  dogmata  esse  divina, 
omniaque  qiiac  ennt  snpra  Kcientiam  vel  illi  contradiciint,  omnino 
esse  deneganda.  Igitur  invorecundus  Strauss  mysticismus, 
ratioiialisniUB  novatorum  unmoderatur,  erit  honore  afficiendus, 
quo  nihil  absurdiu»  atque  deterius.  Adde  quod  paotheistao  veri- 
taÜB  progressum  profitentur,  adeo  ut  quod  hodio  Tcrum,  cras  sit 
falsuffi,  quod  hodie  falenin,  cras  veram:  quod  idem  est  ao  sdeotiae 
omne  certitndinia  critorinm  auferre,  noqae  principia  qnaedani 
immutabilia  constituere;  atqui  hoc  scepticismum  iadicat;  ergo 
Pantheismus  in  doctrinis  scientificis  ad  scepticismum  tendit.  >Si 
deraum  pantheiVinus  artes  excolat,  malum  deterrimnm  proveniet. 
Ars  euim,  pantheistaruni  sontentia,  est  divina  nianilestatio:  artitex 
enimvero  in  opcre  condcndo  a  superis  illustratur;  lu-uiniie  a?>, 
dumiuodo  vivis  coloribus  ideaiu  praecouceptam  siguiiicul,  uuihem 
moduin  excedit,  Dalli  roensnrae  «nbiicitur,  ideoque  imago,  licet 
tbedissimay  Tivide  idcam  spectans,  erit  sacra.  Qaae  inverccnodial 
Knac  patet  qua  de  causa  imagines  torpisBimae  solemotter  circum- 
ferantnr  ac  benigno  visu  excipiantnr.  Qaae  cam  tta  Be  habeant» 
transcendentalcs  complcmcntum  jnrium,  scientiam  autonomam, 
reiigioncni  üniversitariam  somniati  t'iieruut;  putarunt  'juiucm 
artes,  veluü  sol  tenebras  longiKsime  viucil,  öic  esse  ctiereudas. 
Fourieristae  quidem  maxiuia  nobis  fuerunt  auspicati.  Jso6  autem 
cum  mala  pessima  GalHae  saDsimonismi,  Stranss  my thismi  periclitati 
foerimuB,  philosophiam  thomiBtioam  Tindicamus,  proinde  religioaia 
tuta  principia  toeinnr. 


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SjIIabol  PH  Pooiifleit  Nosi  io  unimsa  re  pbilosopbiea  otc  S)l 


HumaDa  ruliu,  uuiio  proreus  Dei  retfipectti  habito, 
xinicns  est  vert  et  falsi,  boni  et  mali  arbiter,  sibi  ipsi 
est  lex  et  natnralibas  sais  viribita  ad  bominnm  ac 
populoram  bonam  earandani  snfficit 

Alloc.  Mazina  qoiden,  9.  Jnnü  1862. 
Omnes  veritates  ex  nativa  humanae  rationis  vi 
dcrivant;   hinc  ratio  est  princeps  norma,  qua  homo 
cognitiooem  onuiium  cuiuscamque  i^eaeris  veritatum 
assequi  postiit  ac  debeat. 

Epitt  encycl.:  (^^li  pluribus,  9.  Novembris  1840. 
Epist.  encycl. :  Sineulari  quidero,  17.  Martii  1866. 
Alloc.  Maxi'ma  quiaem,  9.  Junii  1862. 

Ante    oiuöia,    ab   historia    huius   rei    ordiamur  oportet. 
Froiajroras  Abderites  enim  asserebat,  iuxta  Heracliti  doctiinam, 
quod  Dihil  staret,  scd  oinaia,  HumioiB  instar,  proÜuereul,  DuUa 
eaaet  immobilia  eaaenUa,  nulla  absoluta  et  QnivenaHB  veritas,  sed 
taotam  relatSyar  omnis  scieDtia  oompiebenaio  oaturae  immutabflia 
non  esaety  sed  aenaos  ex  motu  corpomm  exortua»  ideoqae  cnrasqne 
hominis  sensus  aut  opinio  unica  omnis  veritatiH  regula  est.  Haeo 
qudem  opinio,  quod  veritas  noa  ab  inteilectn  divino,  sed  humana 
procederet,   a  Democrito   etiara    et  Epicuro   habita  tult;  qui 
edocebant  oninem  8ci>ntiam  ex  atomis  temerc  vaganlibn«?  pro- 
cedere.    Hobbes  ettam  in  eamdein  eoncossit  senteuliam,  (^uippo 
dixit,  originem  omnium  cogitatioimm  t  s-o  sensnm,  nuüam  anirai 
conceptioaem,  quae  non  t'ueril  ante  geniia  in  öensu  vel  tota  simui 
▼el  per  partes;  imaginationem,  intellectuin,  reminiscentiam,  et 
pntdenttam,  quod  ad  rationem  apectat»  esse  compatationem  sive 
additionem  et  anbtractionem  oominum   generalittm ,  qnae  ad 
sigoifieatiaDeiii  nostramm  eoaoeptiODnm  recipinotar.  Caiiearäa 
ad  rem  aiebat:  ^i  hoc  ita  est,  ratiocinatio  a  nomiaibiis  procedet, 
nomina  ab  imaginatione,  et  imaginatio  ab  organorum  motu.  Mena 
ideo  nil  aliud  erat,  nisi  molus  in  qtiibusdara  partibus  corporis ; 
ex  quibus  patet  oranera  veritatcm   desumi  a  sensu  et  ratione, 
nuUo  Dei  respectu  habito.    Ad  hanc  sententinni  access^it  auctor 
historiac  naturalis,  dicens  nmnem  veram  cognitionem  esse  sensum, 
omuem  scicntiam  esse  exporieDLiam,  idea»  abstractas  principia 
cognitionia  dod  esse,  neque  in  illia  quidquam  reponi,  praeter 
templum  errori  sacrum.  Bemum  Garteaiua  non  omnem  abaolutam 
Terilatem  denegaTit,  tarnen  omnia  vera  a  De!  arbitrio  manare 
asseruit.    Hia  ita  de  historia  praestitutis,  ordo  quaerit  nt  a 
definitione  incipiamus.    Com  Augnstino  veritas  deüniri  poteat^ 
qna  ostenditur  id  quod  est;  cum  Hilario:  verum  est  declarationem 
aut  mar^ifpstationeni  esse:  item  cum  Augustino:  veritas  est  summa 
similitudo  principit,  quae  sino  uUa  dissimiiitudiae  est;  cum  Anselme; 


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H2     SylUkus  Pii  Pontificis  Noai  in  UDi?er&a  re  phiiosopbica  etc. 


veritas  est  reotitado  sola  menie  perceptibilis;  com  Avicenna: 

veritas  cuiusque  rci  est  proprietas  sui  esse,  qnod  stabilitam 
«8t  ei;  demum  cum  Boetio:  veritas  est  adacquatio  rei  et 
intcllcctu^.  Ex  quibus  d^  iinitionibus  patet  veritatem  in  hoc 
consis^tere .  uempe  in  inteliectu ,  secundum  quod  apprehendit 
rem  ui  e^i,  v,i  io  re,  secundum  quod  habet  esse  coutbrmabile 
intellectai.  Aquinas  aiebat  (q.  XVI  art  1*^):  Cam  verum  sit  in 
iotollecto»  secandom  quod  oonformatar  rei  intellectae,  neeease  eat 
•quod  ratio  Yori  ab  intellectit  ad  rem  intolleotam  dorivetar,  nt 
ree  etiam  iotellecta  vora  dicatnr,  aeoandam  quod  habet  aliqnem 
ordinem  ad  intellcctum.  Aquinas  autom  atebat  hoc  maxime  in- 
veniri  in  Deo  (q.  XVI  art.  \'):  Eaae  eins  aon  solum  eat  oonforme 
suo  intellcctiii,  sod  otiani  est  ipsura  suum  iutelligere,  et  simm 
intelligcre  est  measura  et  causa  omnin  altcriiis  esse,  et  omnis 
altcritis  intelleclus,  et  ipse  ebt  suum  esse  et  inteUigere.  Unde 
sequitur  quod  noii  solum  in  ipso  sit  veritas,  sed  quod  ipse  8it 
8umiuu  et  lueosura  omuium  veritaLuiu.  Adde,  si  veritas  eat 
«ecundum  quod  rea  habet  ordinem  ad  iotellectam,  seqaitur  qnod 
unaquaeque  roa  yera  absolute  dicatur,  secandam  ordmem  ad 
intellectam,  a  qoo  depeadet  AqninaSy  q.  XVI  art  aiebat: 
Ke«  intellecta  ad  mtellectum  aliqnem  potest  ordiaem  habere  vel 
per  se  vel  per  accidens.  Per  se  quidem  habet  ordinem  ad 
intellectum,  a  quo  depeodet  secundum  snum  esse;  per  accidens 
autem  ad  intellectum,  a  qno  cog-niscibllis  est;  sicut  si  dicaraua, 
quod  domus  comparatur  ad  intellectum  artiticis  per  so,  per  accidens 
auLeui  comparatur  ad  intellectum  altcrius  a  (juo  non  dependet 
Judicium  autem  de  re,  non  sumitur  secuuduiu  id,  quod  inest  ei 
per.  se;  unde  unaquaeque  res  dicitur  vera  absolute,  secundum 
ordinem  ad  iotellectum  a  quo  dependet;  atqai  rea  natnralea 
dependent  ab  intellecta  divino,  aecundnm  qnod  aaaeqnuntor 
similitndinem  apecierum,  qnae  annt  in  mente  divLna;  dioitnr  enim 
vem«  lapia,  qni  assequitur  propriam  lapidis  naturam,  secnndnm 
praeconceptionem  intellectus  divini,  ergo  intellectna  divinue  eat 
mensura  cuiuscumquc  vcritati».  Accedit,  (juod  unumqnodquc  in 
<juantum  habet  de  esse,  tantum  est  coguoscibile.  Aquinas,  ibidem 
art.  III  ad  2.,  Non  ens,  licet  non  habet  in  sc  unde  cognoscatur, 
tarnen  cog-uoscitur,  in  quaiitum  intelleclus  tacit  illnd  cognoscibile; 
unde  verum  lundatur  in  eute,  in  quaulmn  non  ens  eat  quoddam 
«ns  ratioui»,  apprehensum  scilicet  a  ratione.  Omnia  enim  suum 
esse  a  Deo  partieipant  per  creationem;  ergo  et  a  Deo  qnidem 
«nam  partieipant  yeritatem,  ideoqne  Dena  est  canaa  et  menanra 
■cuiuaqne  veritatis.  Aqninas  ad  rem,  ibidem  art  VI:  Cum  veritas 
per  prius  eit  in  intellecto,  et  poBterins  in  rebus,  secundum  quod 


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Syllabus  Pii  Pontifids  Noni  in  onirersa  re  pbilosophic«  etc. 


ordioantur  ad  iotellectum  divinum,  hinc  st  loquamur  de  veritute 
proQt  e&t  in  iutellectu,  secundum  propriain  rationem,  in  nuilti» 
intellectibiis  creatis  sunt  multao  veritateB.   Si  vero  loquamur  do 
▼eritate,  Mcovdum  qood  6»t  in  reboe,  «ie  oinne»  suat  Terae  noa 
prima  Teritatey  cnl  QDamqnodqne  assimilatnr  Becundum  saam 
Teritaiem.   Et  sie  licet  plvros  aint  esBeatiae  vel  fonnae  rerom, 
tarnen  nna  et  Terita»  divini  intellectue,  Beenndam  quam  omne» 
ree  denominaatiir  verae.  Adde,  veritatia  proprietates  luculeoter 
viudicapt  Doarn  opsc  mensuram  et  cansara  veri.    Vcritas  enim 
coDcipitur  ut  intimta,  idquc  vel  sola  geometria,  quae  circa  figiiras 
et  abstractos  extensioDiB  modos  occupatiir.  »atis  declarat.  lutioitae 
quippe  figiiraruni  sunt  species,    et  inliiiitae  cuiufilibet  figurae 
proprietates  et  ügururuui  mter  bo  ratioue».    Ad  hoc  vurita»  est 
aetema.   Qnis  enim  flibi  persuadebit,  ante  Euclidem,  Archimedem 
oeteroBqne  geometrasi  propoaitiones,  quamm  veritatem  detezerant» 
▼eraa  non  fnisBe,  ant  ftaisse  ad  Teritatem  Tel  fateitatem  in* 
difierentes?   Igitnr  erant  Terae,  anteqaam  detegerentnr ,  neqne 
tempus  ullum  concipi  potest»  qno  figurae  geometricae,  triaogulum 
exempli  gratia,  certam  formam  nou  baberent,  vel  relatio  certa 
non  esset  inter  trianguli  latera,  quae  cum  omni  tempore  exstiterit 
et  demonstrari  potuerit,  a  geomotriB  non  creata  sed  detecta  fuit. 
Verität  est  res  universalis.    Essentiae  enim  rerum  earnmque 
rationes,  etiarosi  in  mcntibus  existant,  Hand  tamen  ullo  modo 
commutantur,  sed  in  omnibus  unins  modi  eiusdemque  generit» 
anat   Quemadmodnm  nnnm  enmdemqne  Tnltum  infinita  Bpecnla 
refenmty  nniua  boHb  imaginem  innnmeri  ocnli  ehnul  eonftpicinnt; 
nnam  eamdemqne  Tocem  mille  aun»  andinnt;  ita  inftaita  men- 
tinm  mnltitado  nnam  eamdemque  andit  vocem  Bempiteroi  verbi, 
easdem  rernm  immntabilea  fonnaa  videt,  eadem  aetema  Ince 
illustratur,  cuius  radü  in  mnndum  Universum  spiritualem,  non 
secus  ac  öolares  in  lolura  orbem  corporeum,  diü'unduntur.  V'eritas 
est  res  necessaria  et  immutabilis,  scilicet  perpetuo  et  constanter 
eaiitrn.   quae  eicut  uunquara  esse  coopit,  ita  nunquam  esse  aut 
eodem  modo  csso  dobinit.    Fuc  omnes  geometrae  peroant,  non 
idoirco  geometricae  rationes  peribnnt;  universus  mundus  evanesoat^ 
et  omnea  qnae  in  eo  ennt  intelligentiae  oocidant;  impoBBibile 
tamen  eiit,  rationee,  qnae  nnnc  ab  iUis  intelligentüa  dare  et 
evidenter  percipinntur,  salvae  incolnmeeqne  non  permaneanL 
Nnllum  igitur  dubium,   quin  yeritatem   conoipiamuB,  ut  quid 
aetemnm,  infinitam,  universale,  necessarinra  et  immutabiie.  Ex 
bis  antcm  patet  veritatero  bis  dotibus  praeditam,  esse  modnm 
m<  litis  necessariae,  inmiutabilis  et  aeteniac,  ideoque  in  Deo  con- 
sistere.    Nam  quidquid  reale  et  positivum  est,  vel  substantia 


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Syliabus  Pii  Pontificis  Noni  in  unirem  re  Philosophie«  etc. 


vel  subfttantiae  est  modo«;  ergo  veritas  iDfioita,  immntabUis, 
aeterna,  necessaria  vel  snbataatia  vel  aliouina  aabstaotiae  modus 

C8S0  dcbet.  Haec  autcm  Rubstantia,  quaecumqiie  est,  pariter 
intioita.  imruutabilis,  aeterna,  necessaria  sit  oportet,  eiusdem 
nempe  generis,  cains  est  veritas,  quao  in  ipsa  innititur.  Verum 
lepu^-oat  omniuo,  quod  substantia  finita,  contingens,  j)articulan8, 
uiuubiliä  hit  tundameDtum  mudi  infioiti,  aeterui,  immutabiliä, 
necesaarii;  6t  eDim  duUo  modo  potest  aeteronm  in  tempoTineo  iDnitf, 
infiDitum  in  fioito,  uniTersale  in  partioalari,  oeceMarimn  in  con* 
tingente;  proinde  Dens  soIub  est  noica  veri  mensnra.  Ad  boo 
•1  praedietae  Teritatea  eeseDt  Bubatantiae  finitae,  oontingentea, 
mutabiles,  eammqne  modi;  posita  ipsamm  destructione,  veritates 
quoque  periturac  essent.  KxttTjcta  onim  lucc  pcrcunt  colores: 
destructo  corpore,  Tnotns  nr orit.  Sed  veritas  nulla  ratione 
inlerire  potest;  ventaa  ergü  meutern  iuüoitam  .supponit,  suipaius 
mensuram  causamquo.  Praeterca  omnis  res  est  vera,  quia  habet 
fonnam  propriam  naturae  suae;  ideoque  intellcctus,  in  quantum 
€8t  cognoscensi  dicitur  rexm,  eecnndnm  qnod  per  aiiniUtadinem 
rei  cognitae,  indicat  de  oonformitate  rei  ad  propriam  naturam 
et  formaiD.  Res  autero  habent  propriaa  formaa  ab  aeternis 
archotjpia  atquc  diTiois  exemplaribus,  quae  in  rcrum  oreatione 
ad  actnm  reducuntur;  ergo  intellectus  apprehendil  verit;iN^ra. 
<luaiulo  res  iiUellectni  divino  couiparut,  in  quo  rernm  excmplaria 
conti nentur;  idcirco  inteilectus  divinum  ml,  a  quo  vcritale»  pro- 
cedunt  Veritas  dein  in  rerum  essentiis  innititur,  hinc  ad 
absolute  illam  cognoäceuuaui,  oportet  iDqulrere  uou  quod  rei  sit 
accidentale,  sed  quod  etaentiale.  Jam  vero  8.  Tbomaa,  de  yerit 
qq.  die.  IV,  docet:  Veritas  quae  dicitur  de  rebus  in  oomparatione 
ad  intellectum  bumanum,  est  rebus  qnodammodo  aoeidentale; 
quia  posito,  quod  inteilectus  humanus  non  esset,  nee  esse  posset, 
adhuc  res  in  Bua  easentia  permanerent;  sed  veritas,  quae  dicitur 
de  eis  in  comparatione  ad  intellectum  divinum,  eis  inscparabiliter 
communicatnr.  Non  enim  mibsistere  possnnt,  nisi  per  intellectum 
divinum  ea8  in  esse  producentem;  ergo  inteilectus  hnraanns  tunc 
verum  apprehendit,  »ecundum  quod  iudicat  de  rebus  luicllectui 
diTino  respondentibus.  Per  prius  enim  inest  rei  Teritas  per 
comparationem  ad  intellectum  divinum  quam  bumanum;  cum  ad 
intellectum  divinum  comparetnr  quasi  ad  causam,  ad  bumanum 
autem,  quasi  ad  cffectum,  in  quantum  inteilectus  a  rebus  seien- 
tiani  accipit.  Hanc  quidem  doctrinam  luculenter  Taparellius 
expressit:  Chi  mi  assiciira  che  i  miei  giudisii  intorno  all'  ordine, 
siano  conformi  ai  giudizü  del  ^upremo  Fattore?  Mc  uo  n'^sicura 
la  natura  stessa  del  mio  intelletto;    imperocche  che  cosa  e 


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SylUbttS  Pü  Pontifici«  Noni  in  noi?eraa  re  phUosopbica  etc.  95 


intellettoV  e  la  naturale  tendenza  ai  vero,  ogm  intellotto  dunque 
ha   una  direzione  contbrme,  giacche  nno  v.  ii  vero,  duiique  la 
direzionc  dcl  mio  intellelto  e  coalörmü  u  quella  dell*  intelletto 
divioo;  altrimenti  il  mio  intelletto,  tendenza  al  vero,  tondorebbo 
al   non  Tero,  il  che  aarebbe  coDtradittorio.     Potra  danqae 
traTiare  il  mio,  porobi  limitako»  ma  per  Datnra  egU  ^  noimo 
cot  divino,       pnb  noa  essere  senaa  anatarani.  Legittima 
^  dunque  la  illazione,  con  cui  dalle  mie  nozioni  ragionevoli  iH' 
feiisco  i  decreti  divini,  e  ripugna  che  V  Äutore  deir  univerao 
abbia  volnto  ein,  in  che  io  cooobco  disordinc.    Intclloctus  t>rL^o 
DOster  in  veri   nrf|ui8itione  intellecttii  divino  est  rontbrin  in  iiis. 
^'eque  dicere   valel,  quod,  absquü  Dei  notione,  nonnuUii  sunt 
Vera,  quae  Semper  in  8ui  uotionc  consistnnt;  uti  ratio  circuli  et 
quadrati.    I>eu8  enim  el'ticere  nequit  circulum  ghsq  quadralum 
▼ei  eontra.    Sed  adTenarioa  fallit;   hoe  enim  probat  renim 
-eaeeatias  a  Bei  Tolantate  non  pendSre,  non  iam  habere  ease 
isdependenter  a  Deo.  TapareUins  ad  rem,  nota  XXVII,  inqnlt: 
Per  pooo  che  io  vi  rifletta,  trovo  che  Tessere  del  quadrato 
dipende  necewariamente  daU*  essere  divino.    Infatti  quando  io 
dico:  il  qnadrato  e  non  rotondo,  attribuisco  al  quadrato  iin  essere, 
ed  essere  ünito,  perche  cscludo  ii  rotondo,  vhe  A  pur  ancho  csso 
un  essere.    Or  Tessere  tlnito  e  quello  che  piirtecipa  dell'  essere 
assolnto;    dunque  il  quadrato  parteoipa  IcHsere  infinito,  pero 
dipende  da  lui,  come  ogni  derivato  dipendo  dal  principio,  da  cui 
deriva  ....  Quindi  so  si  pretende,  che  il  quadrato,  pur  quanto 
Die  non  esiatesse,  avrebbe  da      un  principio  di  easere,  per  eoi 
ripngoerebbe  al  rotondo»  qneato  ö  nn  ammettare,  oUre  a  Bio, 
qaalohe  altro  Eaaere  etemo  e  neceaaario;  dippiu  ö  nn  realizzare 
delle  astrazioni  di  noatra  mente;  giacch^,  coroe  nota  il  Sig. 
i^aUoppi,  che  cosa  e  mai  possibilita  interna,  impoaaibilita  iotema, 
noces^ita  intorna,  se  non  il  potcr«,  rimj)otcnza,  la  nccessita,  in 
cui   una  mente        trovn   di   congiunj^ere  certi   ternaiui?  Son 
dunque  astrazioni  della  meute  codeste,  e  se  voi  supponete  per 
un  uiomento,  che  uiuna  raente  esista,  cessera  ogni  potcnza,  ogni 
impoteui^a,  ogni  necessita.     Ma  siccome  ripugna  che  cebäi  di 
«alstere  la  Hente  iofinita,  perciö  ripugna  che  ceaai  di  eaietere 
in  eaaa  la  interna  poaaibilita  delle  coae.   Dal  che  ai  vede  non 
eolamente,  che  tntte  le  veriti  neceaaarie  dipendouo  da  Bio,  ma 
anche  in  qual  modo  eaae  ne  dipendono.   Si  vede  cio  h  prima  che 
i'esaere  delle  verita  neceaaarie  dipende  dall*  Essere  divino,  da 
cui  partecipano  Tessere  loro  liroitato;  secondo  che  la  loro  attualita 
eterna   dipende  daiV  Intelligenza   divina,    in   cui    ab  aeterno 
«uasistono.    Cum  vero  huc  perveoerimua,  plaoet  nonnulla  aub- 


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96     Syllibns  PH  Pontificit  Noni  in  universft  re  pbilosophica  etc. 


jüngere  de  modo,  quo  noBtra  mene  se  habet  quoad  veri  notitiaiD. 
8.  Thomas  brevi  omnia  complectitnr:  Sciendnm  qnod  ree  aliter 
comparatar  ad  intellectnm  praticnm,  aliter  ad  speculadonem* 
Intelteetiis  eaim  praticus  causat  res,  uodü  est  meoeoratio  rerum» 

qaae  per  ipsum  tinnt;  sed  intellectns  specuiativus,  qnia  accipit 
a  rebns,  est  quodammodo  motus  ab  ip«is  rebus,  et  ita  res  raen- 
snraut  ipsura.  Ex  quo  patet,  quod  res  naturale»,  ex  quibua 
ioteilectuB  nobler  scieDtiani  accipit,  mensurant  intellectum  nostrum^ 
sed  mensuraDtur  ab  intellectu  divino,  in  quo  sunt  oronia  creata, 
•icut  omnia  aiüfidata  in  intellecto  arttfieit.  Sic  ergo  iotellectiia 
divinns  est  mevenraDs  noo  meDsaratna,  res  aatem  nataraUa 
mensnraDS  et  menaDrata,  ied  intelleotos  noster  est  mensaratna» 
non  mcnsurana  qoidem  res  naturales,  sed  artificiales  tanium.  His 
demonstratis,  consequitur,  si  Deus  est  veri  falsique  mcnsnra,  esse 
quidem  boni  et  raali  arbitrum;  nam  boniim  a  vero  vim  habet  uti 
roalum  a  l'alt^o;  consequitur  quidem  rationein  uon  csso  Kihl  ipsi 
legem,  et  eulficere  suis  Daturalibns  viribus  ad  bonurn  liuuiinura 
curandum;  etenim  ratio  a  Deo  le^em  accipit,  cum  lex  aliquid 
▼eritatas  sit^  eamqoe  hominibas  applioat  Sed  praeatat  pauca  de 
absurdis  cousequentiia  hnias  systematis  persequi.  Haeo  enim 
thesis  ponit  res  noa  procedere  ab  aliqao  intellectu  per  oreationem^ 
sed  tantum  a  casu;  qua  doctrina  nihil  absurdins.  Aquinaa 
scribebat:  antiqui  philosopbi  species  rerum  naturalium  non  duce- 
bant  procedere  ab  aliqno  intellectu,  sed  eas  provenire  a  casu. 
Et  quia  considcrabant,  quod  verum  importat  comparationem  ad 
intellecturu,  cogebantur  veritatem  rerum  constiluere  in  ordine  ad 
intellectum  nostrum.  Qua  de  re  ratio  non  est  princeps  uorma, 
qua  homo  cognitionem  omoiiim  ouiuscomquo  generis  veritatam 
assequi  possit.  Adde  hoc  systema  dnoit  ad  omnia  absnrda 
cohonestanda.  8i  enim  inxta  Protagoram:  Qaod  alicul  videtar 
est  Terum;  procnl  dubio  seqnitnr  errorem  et  quaeque  alia  absurda 
sab  qnadam  veri  ratione  a  siiia  cultohbns  eomprebeadi;  igitur 
omnia  abHurda  et  contradietoria  cuiuf^que  generis  essent  vera. 
Praeterea  ideaiismum  novatores  vindicant,  Klenim  ni  veritas 
rerum,  secundum  quod  habent  ordinem  ad  iutellectum  divinum, 
illarum  existentiara  nobis  patet'acit;  quia,  iuxta  S.  Thomam, 
unumquodque  in  quautum  habet  de  esse,  in  tantum  est  cognos« 
cibile;  seqaitur,  si  rerum  Teritaa  tantom  in  noatra  mente  esset» 
et  rernm  quoque  existentia  fotura  esset:  quod  certe  idealismum 
dicit  Hoc  systenui  quidem  ad  sensismnm  desoendit.  Si  enim» 
inxta  Heracliti  doctrinam»  omnia  continuo  flaxu  agitantur,  et 
sensus  solus  has  perennes  rerum  vicissitudines  comprehendit, 
ideo  cogoitioois  criterium  est  cuiuscumque  sensus;  et  ex  bisioria 


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Syllabus  Pii  Poutificis  Noni  in  univeraa  re  philosophica  etc.  97 


iotelUgimnt  omoet  prae&tos  pbilosopboB  in  Bensismum  devenisBc. 
Qoare  in  nostram  fenm  sententiam  coocesserant  pbilosopbiy  qui 

in  antiqtjis  sapientinm  nomen  menierunt;  uti  Plato,  coius  rocntem 
»ic  exprcssit  Cicero:  Essentiaa  Plalo  negat  gig'ui,  Rcd  8rTnp(;r 
esse,  el  ratione  et  iotelligcntia  contineri.  Aristottileä  quidcm  hoc 
idem  docuit:  Formam  neu  Bpeciem  rei  nemo  facit,  nec  ea  gene- 
ratiir  ullo  modo.  iJcamm  Tuliius  dö  legibus  loquens  idem 
vindicavit.  Ad  rem  Aagnstinae  aiebat:  Omne  verum  ab  illo  est, 
qai  ait:  Ego  sttin  Teritas  ....  (^aisqne  bonns  Ternsqoe 
Chmtiaaiw,  Domini  sm  esM  intelligat,  ubicnmque  inTenerit» 
veritatem.  S.  Anselmus,  Dialogns  de  Yeritate,  AUgister:  An 
pntas  aliqnid  esse  aliquaado  aat  alienbi,  qnod  aon  Bit  ia  Bomnia 
▼eritate,  et  quod  inde  son  accessen't,  qnod  est  in  quantum  est, 
a«t  quod  ])OHBit  aliud  esse,  quwm  qnod  'ün  rst?  —  Dlscipnlus:  Non 
est  putandum.  —  Magister:  (aiuidquid  igitur  vcie  est,  io  quaQtum 
\\or  e«*t,  quod  ibi  est.  Discipolus:  Absolute  concludere  potes, 
4uia  uiüue  quod  est,  vere  est,  quoniam  non  est  aliud,  quam  ibi 
est  —  Magister:  £^t  igitur  veritas  in  omnibus,  quae  sunt 
eaBentia,  quia  hac  Baut,  quia  in  aamma  veritate  Bant  Igitar  ot 
noB  qnidem  cam  BjUabo  Pii  IX  conclndimuB  rationem  non  eoBO 
uaicnm  veri  et  falsi  boni  et  mali  arbitrnm,  neqne  esse  prinoipem 
normam  oognitioms  otnninm  cninaque  generis  veritatum. 

Neganda  eet  omnie  Dei  actio  in  bomlaeB  et 
mnadum. 

AUoc.  Maxima  quidom,  9.  Junii  1862. 
Uti  nobis  mos  est,  huius  tractatus  ordiuem  ab  historia  inci- 
p;amu8  oportet.  Hylozoitae,  uti  Thaies,  Anaximene«,  Anaximander, 
contendebant  inateriam  muudi  esse  aeternum,  atque  ingenita  vi 
pollere,  qua  omnis  varietas  rerum  muodauarum  est  effecta. 
Atondoi  yero,  nti  OemoeritaB,  EpiearaB^  Leucippos,  senBernnt 
particnlas  materiae  Bemper  eztitiBBe,  et  ex  illarain  fortuita  eon- 
enrsLone  mnndum  cbbo  effectom.  Plate,  uti  testatur  Martin  opero 
Le  Tim^y  ex  bac  absurda  re  abbonrens,  statnit  Detira  oondidiBee 
materiam  neque  interminatam  neque  oboattcam,  sed  ordinem  in 
materia  choalica  statuisse,  co  qnod  corpora  elementaria  primo  ex 
SB  dif»crrvit,  dein  ita  composuit,  ut  harmonia  mundi  eihiigeret. 
Altera  senteatia  est  eorum,  qui  contendunt  rounduni  ila  extitisse, 
uti  in  praesentia  conspieitur,  uti  Arihiotele»,  sicuti  videtur  in 
opere  Julii  Siniüü,  de  Deo  Aristotelis,  qui  docuit:  Douiu  neque 
materiae,  ex  qua  mundus  constat»  nec  ordinis,  qui  inter  res  est 
materialee,  aactorem  foisBe,  eed  ita  in  qnodam  mnndi  puncto 
conBiBtere,  ui,  cum  omnia  moveat,  omnium  Bit  peoituB  igaaruB. 
Tertia  eet  Banctomm  Patrunii  quam  S.  Tbomaa  prosequitur,  ntl 
Jbilirlraeh  Ki  Phltotoplito  «to.  VI.  7 


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98     Syllabus  l'ii  Poutiticis  Soni  in  universa  re  philosopbica  etc. 


Clemens  Alexandrinus,  Dionysius  Älexandrinus ,  Mnxiraus, 
S.  Basilius,  S.  Augustinus  senserunt  Hi  euim  vindicant  niundum 
non  eHöü  ab  aeterno,  sed  a  Deo  factum  in  tempore  et  ex  uihilo, 
ßcilicet  uon  ex  aliijuu  materia  praeiacenti,  atque  cum  mundo 
teiupus  quoque  suum  habuisBe  priocipium.  Quarta  demum  a 
neoplatomois  reperta  foit,  qui,  nt  diserepaatei  Bententias  inler 
86  Boeiarent»  dooaerant  niiindnm  esse  aeternum,  sed  a  Deo  ab 
aeterno  creatnm.  Philosopiii  recentiores  autem,  qui  religionem 
cbristiaDam  sant  profeasi»  prae  Tlribns  defeoderunt  miindam  a 
Deo  esse  creatum  in  tempore,  sed  in  ratione  reddenda  non  omnes 
convenerunt.  Carte>»ins  enira,  Des  principe«  do  la  Philosophie, 
creationem  mnndi  cum  aLumorum  doctrina  <  omponere  cupiens, 
dixit  niuntlüiu  fuisse  conflatum  ex  atnmoruui  coocursione,  sed 
Deum  esse  auctorem  et  maleijae  et  mutus.  Alü  vero  repellentos 
christianism!  Teiitatem  aeseraeraat  vel  mmidam  extilisM  qaaUs 
niroc  est,  uti  anctor  da  Syst^e  de  1a  natore»  atqoe  HelTetias, 
rBsprit  de  la  loi,  vel  sensim  fbisse  efformatam  ex  ▼!  materiae 
maeta»  ati  Beshnerus,  antiqna  systemata  in  medium  reoenaentes. 
Inter  has  sententias  medium  locnm  habait,  quae  statuit  mnndum 
a  Deo  fuisse  ab  ueternitate  creatnm,  uti  Orig-encs  alüque  a 
8.  Lactantio  connncmorati.  Media  vero  aetate  Echan;  atque 
inter  recentes  iiobinet,  Voltaire,  Saisset,  Henriens  Martin, 
Essai  de  la  philosophie  religieuse,  eamdem  sententiam  vindi- 
oaraa^  tamea  ee  expediernat  üla  ratione,  qnod  aeternitas  muadi 
noa  esset  permisoeDda  aeternitati  Dei,  quippe  prioia  erat  solom 
relatiTa,  seennda  absoluta.  Oeniqae  Baeehneras,  aliique  Ger- 
maniae  materialistae  teneat  nallam  aliam  vim  existere,  nisi 
qaae  materiae  inhaereat;  quare  colitgant  mundam  9Z  vi  ipai 
materiae  iasita  evolatam.  (Seqoitor.) 


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LITTERARISCHE  BESPRECHUNGEN. 

1.  Analytisehe  und  synthetische  Phantasie.    Voa  Dr.  Hans 

Schmidkunz.    Halle  a.  d.  S.,  Pfeffer.  1881). 

2.  Von  der  Abstraktion»   Von  demaelben  Verfasser.  Halle 

o.  8.  w.  188y. 

3.  Der  Snbstanzbe^riff.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik 

der  philosophischen  Grundvorstellungen.  Von  Dr.  Ferdinand 

Zit'^chor.    1.  ITo.ff.    Leipzig,  Fock.  1881). 

4.  Der  Be^'ritr  dei'  Waln-nehnjung.    Eine  Stndie  znr  P^vcbo- 

logio  und  Krkcnntniätheorie  Ton  Dr.  Wilhelm  £  noch.  Ham- 
burg, Carly.  1890. 

5.  Cause  et'ftciente  et  cause  finale  par  E.  Dornet  de  Vorj^^e^. 

Extrait  des  annale»  de  philosophio  chrolienne.    Parin  l<58i'. 

1.  Ohne  in  eine  Untersnchiing  über  das  Verhältnis  von  Phantasie  und 
Tentaod  nntor  sieh  wie  snm  8«b5nen  und  Ästhetischen  einsngehen,  vielnwhr 

oinfiich  <hn  ..modernen"  BotrrifTdor  Phantasie  und  ,,das,  was  wir  produktive 
Einbildungskraft  (S.  8)  nennen"  voraussetzend,  behandelt  <lie  erste  nntor  (hn 
vorliegenden  Schriften  die  verschiedenen  „Bewegungsrichtungen'*  der  i'iiau- 
tssie  im  kfinstleriichen  Schaffen  ondGeniofsen  und  führt  sie  auf  Analysis 
nnd  Sjnthesis  zuniek.  Der  GeiTTi^^trui  l  wird  in  einer  mehr  ^ikizzenhaften^ 
sber  vielseitigen  und  anregenden  Weiso  unter  Anführung  zahlreicher  Aus- 
spffidM  von  Dichtem,  KSnstlem  und  Ästhetikern  zuerst  im  besondern, 
d.h.  im  engem,  ästhetischen  Ernse  dargestellt  (S.  1—20),  dsnn  anknüpfend 
an  die  aristotelische  Tifhro  von  einem  mohrfachon  nQorepov  auf  einer 
breiteren  Grundlage,  indem  aucii  die  „aUgeineinen  Verhältnisse  aufserhaib 
dse  KnnstbesirkM,  welche  fOr  die  ästhetischen  Behauptungen  (des  Vfs.)  als 
Analogieen  aufgestellt  werden  können"  (S.  31),  in  Betracht  gezogen  werden. 
Als  s'ilfhe  worden  erörtert:  Realprund  und  Krkonntniagrund,  Dctluktion 
und  Induktion ,  Einzelnes  und  Allgeraeiucs,  atuilvtischo  und  synthetische 
UrteBo  n.  s.  w.  Der  Vf.  ist  sich  indes  der  nahen  Berührung  des  Analo- 
pisrhen  mit  '\'~rn  Aquivolcen  bewufst  und  lobt  den  Aristoteles,  dor  die  in 


ksit  inn  Nsehdrock  hervergohoben  hsbe,  während  sidi  die  neuere  Philosophie 
ziemlich  rflcksichtalos  gegen  solche  Verschiedenbsiten  verhalte  (S.  21).  Im 
dritten  und  vierten  Teile  geht  der  Verfasser  auf  das  Verfahren  der 
schaffenden  (8.  33— 59)  wie  der  geniefscnden  Phantasie  (S..54— 70)  näher 
im,  Die  flbrigen  Teile  der  Schrift  verbrsiten  sich  flber  Ähnlichkeit  und 
Verschiedenheit  der  ästheti?rh"n  Analysis  und  Synthesis  mit  den  gleich- 
namigen Verfahrungswei.sen  der  theoretischen  Vernunft  (..Beziehung  zur 
Erkenntnis")  und  mit  den  schaffenden  Thätigkeiten  der  Natur"  sowie  über 
die  Frage  nach  dem  Werte.  Der  Vf.  räumt  der  anslytischen  Methode  mit 
Rücksicht  auf  Ordnung,  Anschauliehkeit,  Zusammenhang,  auf  Verst  in  Inis, 
Reichtum  der  Association^  und  Wahrheit  den  Vorzug  ein,  schlieist  aber 
mit  dem  Ooetheschen  Worte,  dsfo  nur  Analyse  und  Synthess  snismmen, 
wie  Aus-  und  Einatmen,  das  Leben  der  Kunst  möglich  machen  (S  lÖS). 

Wir  halten  es  ffir  fiberflüssig,  ansdn'icklich  zu  bemerken,  dafs  wir  den 
erkenntnistheoretischen  Staodpunkt  und  die  psychologischen  Voraussetzungen 


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100 


Littcrarische  Besprechungen. 


des  Vfs.  nicht  teilen.  Sympathisch  aber  berührt  nns  dio  nürksicht,  welche 
auf  die  aristoteiiscbon  Tbeorieen  über  Kunst  und  künstlerisches  Schaffen 
genommen  ist  (vgl.  S.  49.  S.  102).  Alles  in  allem  genommen  enthält  die 
oebrift  einen  nützlichen  Beitrag  zur  angewandten  Methodik. 

2.  Eine  interessante  Studie  über  das  Wi'scn  der  Abstraktion  (S.  3 
—2^)  und  die  Grenzen  von  konkret  und  abstrakt  (ä.  25—42).  Im  ersten 
Teile  eoiner  Abhendlong  eadit  der  Yf.  ein  gemeinsamee,  die  mediiedeiien 
Weisen  der  Abstraktion  zugamraenfassendos  Merkmal  und  glaubt  daeeelbe 
weder  in  dem  negativen  des  Weglasscns  (dor  aristotelischen  dtpaiptatg) 
noch  in  der  Verallgomeinerung,  sondern  in  dor  psychischen  und  logischen 
„Yeret&rknng**,  durch  die  das  Absehen  und  Weglassen  erst  ermöglicht 
werde,  zu  finden.  Diesi-s  Element  dor  VerRtärkting  darf  nach  dem  Vf. 
weder  einfach  der  Auf  merk  sa  tu  k  ei  t  gleichgesetzt  werden,  noch  bedeutet 
es  eine  IdofiwLitensitfttssteiprung;  vielmehr  liege  eine  Neu bildang  Tor. 
„An  Stelle  der  roten  Dinge  m  der  Natur  schaffen  wir  un.sor  Geistespndakt 

—  die  abstrakte  R5te,  und  sind  durch  nichts  behindert,  dasselbe  gegen 
alle  Einmischungen  abzugrenzen."  (8.  17.)  Im  Abstrakten  ist,  was  im 
Konkreten  nebeneftdilieb,  vertwrgen,  impUdt  war,  m  den  Voideigmnd  |pe> 
treten,  offen,  entwickelt,  explicit  fiowordon.  (S.  19.)  Die  Sprache  bestätig© 
dieses  Resultat  durch  dio  Aussrheidung  der  konkreten  »ind  abstrakten 
NamoD,  die  Bezeichnungen  von  Gegenstand  und  Attribut.  „Wie  wir  seiner- 
lelt  geaehen  haben,  dafs  diese  logische  Verstärkong  niebt  dine  eine  gleich- 
zeitii^o  nejrierende  Thätifjkrit  vor  sieh  ^'elion  kann,  so  erfahren  wir  es  auch 
hier;  die  Kosten  jener  Verstärkung  der  Mitbezeichnung  zur  Bezeichnung 
mvft  die  ursprüngliche  onmitteibare  Beceidmnng  tragen,  der  Gegenatud 
des  konkreten  Namens.  1^  weicht  seinem  Attribut.  Die  Seele  hat  extensiv 
verloren,  was  sie  intensiv  gewann."  (S.  37.)  —  Dafs  indes  der  Verf.  sein 
Trobleu)  nicht  in  der  ganzen  Tiefe  erifafst,  scheint  er  selbst  mit  den  Wortea 
einsogeetehen :  „Wir  Urnen  bei  weiterer  Yerfolgang  dieeea.Problema  tief 
in  das^'anz  nah  verwandte  von  Materie  u nd  F o rm  hinein."  (S.  34.) 
Ein  tieferes  Eindringen  fuhrt  zur  Erkenntnis,  dafs  die  wnhro  Natur  der 
Abstraktion  in  der  Vergeistigung  des  Sinnlichen,  alsu  in  der  Erhebung  des 
Materiellen  in  eine  höhere  Sphäre,  d.  h.  aus  der  potenziellen  in  die  aktuelle 
Intelligibilität  besteht.  Eine  solche  findet  statt,  sowohl  wenn  wir  die 
Eigenschaft  für  sich  in  Unterscheidung  von  ihrem  Träger,  als  auch  wenn 
wir  das  IndiTidonm  durch  einen  aUganeinen  Begriff  anffassen.  Je  nndi 
der  stufenweisen  Vergeistigung  oder  Entsinnlichung  worden  dann  auch  die 
Grade  der  Abstraktion  zu  bestimmen  sein.  —  Erfreulich  ist  die  Art,  wie 
der  Vf.  auf  die  grofsen  Scholastiker,  besonders  den  hL  Thomas  von  Aquin, 
XUekaiclit  nimmt;  eine  tiefor  «ndringende  Untersudinng  würde  ihn,  wie 
wir  nicht  zweifeln,  mit  der  Abstrakt!. «nstheorie  des  genannten  Donker» 
inniger  befreunden  und  auch  zu  einem  besseren  Verständnis  der  aristotelischen 
Auffassung  der  Abstraktion  ffihren. 

3.  In  den  landläufigen  Vorurteilen  über  die  Scholastik  ist  dagegm 
der  Verfasser  des  Schriftclit  ns  über  den  Sultstanzbegri  f  t  befangen,  wenn 
er  von  einer  Wüste  der  Schoh^tik  realistischer  oder  nomnialistischer  Ten- 
dcnx  spriebt,  in  welchen  das  grofre,  tou  den  Elenten  au%eworfene  ProMem 
vom  Sein  des  Einen  und  Vielen  überhaupt  nicht  mehr  verstanden  wordea 
sei.  Sogar  der  nif^taiiJiysischt«  Trieb  des  Verstandes,  der  im  unaufhörlichen 
Wechsel  der  Erschcinungou  das  Beharrende,  das  Identische,  das  Seiende, 
das  wahrhaft  Wirkliche  suchte  und  su  dief^em  Zwecke  den  Seinsbegriff 
formulierte,  scheine  in  der  öden  unfruchtbaren  Wortkräraerei  erloschen.  Dio 
Scholastik  sei  nie  darüber  ins  Keine  gekommen,  ob  gewisse  Worte,  wie 
z.  B.  genus,  spedes,  proprium,  aoddens  u.  s.  w.  für  blolse  Worte  oder  tflr 

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Litterarische  Besprechungen. 


101 


Realitäti^n  .  Wesenheiten,  Substanzen  zu  halten  seien.  (S.  11.  12)  Den 
Beweis  für  dimo  Behauptungen  bleibt  der  Vf.  schuldig;  wir  können  ihn 
übrigenB  dahin  belehren,  dafs  die  klassische  Scholastik  über  den  letzten 
Pankt  vollkommen  im  reinen  war  imd  die  üniversalien  (i^enus  a.  8.  w.) 
weder  als  Worte  noch  als  Keulitäten,  sondern  als  in  der  Wirklidikeit  wohl- 
begrüQdete  Verstandesgebilde  ^zweite  Intentionen}  betrachtet,  eine  Auffassung, 
für  die  der  Verf.,  dem  die  platoiiisobe  und  anetotelisehe  Ootologie  ein 
T.Labyrinth"  ist,  lUlerdinga  kaum  ein  Verständnis  besitzen  dürfte.  —  Wenn 
der  Vf.  trotz  sein?«  eloatischen  Standpunktes  seine  Er5rtorun<»on  an  die 
empiriatischen  Theorieen  Loekes  anknüpft,  so  motiviert  er  dies  mit  der 
„epochomacheoden  Bedeutung''  dee  LocKeschen  Versuchs  über  den  mensch* 
liehen  Vrr^t  nid,  in  welchem  zum  ersten  Male  (?)  dieses  Werkzeug  des 
Denkens  zum  Gegenstand  der  Untersuchung  gemacht  und  die  psychologische 
Analyao,  die  in  Kant  ihren  Abschlufs  gefunden  habe,  eröffnet  worden  eei. 
(8.  1.)  Substanz  iat  ihm  ein  ,,8elh8tgenug8ames,  autonomes,  absolutes 
Ding*';  da  er  aber  nur  „Kräfte"  und  einen  allgemeinen  Kau^nhusammen- 
hang  oder  vielmehr  die  allgemeine  Form  der  Kausalität  als  «ias  wahrhaft 
Seiende  anerkennt,  so  entbehrt  nach  seiner  Ansidit  der  Snbstanzb^^ff 
nherhaiipt  der  objektiven  Realität.  Der  Begriff  der  f^ciKtij^en  Substanz  löst 
sich  ihm  in  das  Solbstbewtifstsein  als  dem  ..einheitiicli  idealen  Ueziehungs- 
punkt  aller  Vorstellungen,  dem  subjektiven  Mittel-  und  Schwerpunkt  unserer 
Vorstellungswelt",  der  Begriff  der  körperlichen  Substanz  in  den  „rein  for^ 
malen  Begriff  von  einem  letzten  Gnmde  der  Dinge"  überhaupt  auf  (S.  69*. 
Geistiges  und  körperliches  Sein  aber  sind  ihm  dasselbe,  da  angeblich  in 
beideii  die  glichen  Kräfte  nnd  Gesetze  walten.  —  Den  Beweis  fttr  seine 
AoffMamig  MSheint  der  ^'  rf.  in  den  Verlegenheiten  und  Widersprüchen  zu 
suf^hen .  in  welclie  T,o('ko  durch  den  Substanzbegriff  und  seine  Anwendung 
auf  die  empirischeu  Dinge  geführt  wurde.  Uiergegen  aber  ist  zu  erinnern, 
dars  soldie  Verlegenheiten  und  Wideraprftehe  nur  dann  entstehen,  wenn 
man  entweder,  wie  Locke,  nacli  einein  sinnlich-einiiirischon  Ursprung  des 
Substanzhc^rriiTs  sucht,  oder,  wie  der  Vf.,  einen  SubstanzbegrilT  xu  Grunde 
legt,  mit  welchem  entweder  das  Dasein  von  Subätanzon  überhaupt  oder 
wenigstens  verlndeiUdier,  dem  entstehen  und  VerReben  ontenroffener 
Snbatansen  unvereinbar  ht. 

4«  Die  an  vierter  Stolle  angeführte  „Studio"  über  dio  Wahrneh- 
mang  entfallt  in  fier  Kapiteln  eine  von  Scharfsinn  nnd  Kenntnis  der 
neueren  Littcratur  aongende  Erörterung  des  Bogriffs  der  Wahronhraung 
sowohl  im  allgemoinen  a1'^  aueh  nach  seinem  Verhältnis  zu  d  u  Be^'riff'en 
dar  Erkenntnis,  Vorstuliuug,  Anschauung,  Erinnerung,  Emptiudung,  ins- 
besondere aber  des  Denkens  (8.  4l~91),  endlich  des  Geftthls  nnd  Willens. 
Die  Absicht  des  Vf.s  geht  dahin,  den  Anteil,  den  die  verschiedenen  Seelen- 
funktionen  (ura  den  heutzutage  so  vielfaeh  bestrittenen  Begriff  von  Seelen- 
Yermögon  zu  umgehen)  an  der  Waiirnehmung  nach  des  Vf.s  Ansicht  haben, 
aufzuzeigen  und  so  den  Unterschied  derselben  von  Empfindung,  Erinnerung 
und  Denken,  ja  selbst  von  Gefühl  und  Willen  als  cinr  n  tliofsenden  zu 
erweisen.  Thatsächlich  also  4Üant  die  Schrift  dem  Bestreben,  dem  Monis- 
mus auf  psychologischem  Gebiete  Vorschnb  su  Msten.  —  Soweit  es  sieh 
um  den  Anteil  der  Erinnerung  und  des  Deokeas  an  der  Wahrnehmung 
handelt,  vermag  der  Verfasser  soincn  Erörterungen  einen  Schein  von  Wahi^ 
heit  zu  geben,  der  seinen  Grund  in  der  Zweideutigkeit  des  Wortes  Wahr- 
nehmung hat.  Die  Sprache  nimlich  gestettet  uns  nicht  blofs  zu  sagen, 
ich  nehme  Rotes.  Hartes,  Weiches  u.  s.  w.,  sondern  nirh,  ich  nehme  einen 
Stern,  eine  Wiese,  eine  Uhr,  einen  Menschen  wahr.  An  der  letztem  Art 
Ton  Wahrnehmung  haben  zweifellos  Erinnerung  und  Donken  wesentlichen 


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102 


Anteil.  Der  Trugsclilufs  imn,  dessen  sich  Physiolo^rim  uinl  Philo?r>pbpa 
häufig  schuldig  machen,  lie^'t  darin,  dafs  sie  die  in  Bezug  auf  Walirn  li- 
DiOQg  im  letstano  8inoe  richtige  AufTassan^  auf  die  erste,  allem  Erinnern 
und  Denken  Torarif^i  hrndo  Erfassung  in  livi  luellor  Sinncsobjekte  (Farben, 
Töoe  u.  s.  w.)  anHenden.  Begünstigt  wird  dieses  Bophisma  durch  das 
bemeh«nde,  wiewohl  der  natfirUehen  Überaeugung  widerspndMode  Yor- 
urtoil,  dafn  die  Empfindung  subjektiver  Zustände  aller  objektiven  Erkenntnis 
(Wahmohmung)  voranpeho.  dafs  ilso  einer  die  letztere  be^irnindenden 
„Objektivatiou"  bedürfe,  die  dann  als  Work  des  urtoileudeu  oder  schlie- 
ftecden  Denkens,  der  Spontaneität,  schliefslich  des  Willens  hingestellt  wird. 
—  Zur  BegründuriL'  imsnrr-  TVtr-il-  fü  nn  f!i  ■  sophistische  Art,  wie  Wahr- 
nehmaog  und  Eriuuerung  cmauder  geuäbcrt  uud  fast  identiti^iert  »erden 
in  der  BemOTkung,  das  gegenwärtige  Objekt  Bolirumpfe  fast  (!)  zu 
nichts  zusammen,  wenn  es  nicht  reichlich  mit  Erinnerungsinhalton  ausge- 
stattet werde  (8.  t>2).  Die  Stutzen  der  sophistischen  Dialektik  des  Verf. 
bilden  teils  der  Mangel  eines  festen  Princips  behufs  Unterscheidung  der 
Seelenfunktionon  und  Seelenvermögen  (man  vgl.  was  S.  94  über  das  Gefühl 
gesagt  ^vird\  t  ilg  Homonymieen  (na  h  Aristoteles  die  Quelle  zahlreicher 
Irrtümer)  wie  die  gleiche  Bcseiobnung  des  Tastsions  und  der  Affekte  durch 
Geftthl  (8.  95).  —  Henrorgebobon  Terdient  fo  werden,  dsfe  der  Yerfasser, 
obgleich  der  Psycholofrie  Brentanos  (in  ihrem  späteren,  empirischen  Stadium, 
d.  h.  der  Schrift:  Psychuloj^e  vom  empirischen  Standpunkt)  nicht  un- 
sympathisch gegenüberstehend,  doch  an  seiner  vorfehlten  Theorie  des  Urteils 
eine  im  allgemeinen  trelTende  Kritik  übt  (S.  81  ff.). 

ö.  Der  hervttrru'f'n  ff  franzfisischo  Motaphysiker  E.  Dornet  doTorfjes 
bietet  uns  eine  eingehende,  durch  Scharfsinn  und  Grelehrsamkeit  aus^ezeich- 
Bete  Abhandlnng  (Iber  dfo  wirkende  imd  finale  Unaehe,  die  sieb  den 
Freunden  dos  Jahrbachs  durch  ihren  Anschlufs  an  Aristoteles  und  den 
hl.  Thomas  empfiehlt  und,  so  viel  an  ihr  lie;,'t,  beweist,  wie  die  peri patetische 
Philosophie  über  die  nationalen  (iegensätze  in  der  Philosophie  zu  erheben 
geeignet  ist.  Die  inhaltsreiche  Schrift  zerfällt  in  sechs  Kapitel.  Das  crate 
handelt  iin  illjremeinen  über  Begriffe,  universelle  Wahrheiten  und  Axiome. 
Das  zweite  Kapitel  erörtert  au^übrlich  das  Kausaiitätsprincip  in  dor  Be- 
aebrinkung  auf  die  wiricende  Ursache.  Dieses  Princip  nnteradieidet  aidi 
von  dem  in  neuerer  Zeit  fonnnlierten  priticipium  rationis  sufficientls,  das 
nicht  klarer  ist,  als  jenes,  und  selbst  (ios  HoweiRes  bedarf  (p.  33).  Das 
Princip  der  Kausalität  resultiert  aus  dem  Begriffe  der  Thätigkeit,  dessen 
wir  in  innerer  Erfahrung  gewife  eind.  Kein  Thon  ohne  Subjekt;  das  Subjekt 
aber,  das  Princij)  des  Thuns  ist,  heifst  Ursache,  wenn  es  sich  um  eüi 
Wirken  nach  auTsen  handelt;  die  hierdurch  entstehende  Wirkung  wird  als 
BoldM  dnrcb  die  Nenbeit,  die  Tbatsache  der  Verftndorung  erkannt. 
— -  Die  Veriinilerlichkoit  der  Dinge,  denen  das  Sein  nicht  wesentlich,  son- 
d"rn  zufällig  ist,  führt  zur  notwendigen  Annahme  einer  höchsten,  göttlichen 
kuusalit&t  (Kapit.  3).  Diese  wird  nach  ihrem  Dasein,  nicht  nach  ihrem 
Wesen  erkannt;  nnter  den  Beweisen  ffir  jene«  ist  der  teleologiaehe  der 
populärste,  der  atis  der  KaiisaUerlvnüpfung  geschöpfte  der  strengste  nnd 
fruchtbarste  (p.  69).  Dem  von  der  Bewegung  entnommenen,  auf  den  un- 
bewegten Beweger  schliefsenden  hat  dor  hl.  Thomas  die  vorzüglichste  Form 
gegeben ,  }]id<  in  er  gerade  auf  sein  Ziel  losgeht.  Treffend  ist  die  Kritik 
des  Anselmschen  Arguments.  Den  späteren  Versuchen  jffiigonüber ,  dem 
letzteren  durch  eine  eingeborene  Gottesideo  eine  feste  Grundlage  zu  geben, 
bewandert  der  Yf.  die  Besonnenheit  der  grofeen  SdiolastilEer,  denen  ea  co 
wenig  als  einem  Malebranche  an  geistigem  Schwung  in  Besng  auf  göttliche 


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1U3 


Din^  fohUr.  rlie  sich  aber  nirbt  verleiten  liefsen,  Geffthla  «a  die  Stalle 
der  Vornunft  und  Wissenschaft  zu  setzen  (L.  c). 

Im  vierten  Kapitel  wird  gegen  Leibnitz  und  Malebranche  die  wirk- 
liebe  Aktivität  nnd  Kaosalität  der  geschaffenen  Dinge  nachgewiesen.  Die 
kartösianische  Beweguni!sthoorie,  die  von  P.  S^rrhi  in  seiner  Studio  ühor 
die  Einheit  der  NAturkrufie  ihre  voilBtändige  i:intwickelung  erhielt,  bedarf 
«iiiAr  wwentlidMQ  Umgestaltung.  Di«  arototetiMhe  ZorficUttbrnnir  der 
Bewegung  auf  ein  Unbewegtes  in  einer  tiflfeo,  fast  mathematischen  Erörte- 
rung ist  allen  m  empfehlen,  die  wie  P.  Se<'chi  es  für  absurd  halten,  dafs 
Bewegung  in  der  Materie  eiueu  anderen  Grund  als  wieder  Bew^ung  iiube 
(p.  79).  Bewegung  ist  nicht  Zustand,  sondern  Übergang,  Veränderung; 
ihre  Erhaltuni^  bedarf  der  fortdauernden  wirkenden  Ursache,  ist  ohne  aktive 
Kraft  in  den  Körpern  nicht  zu  erklären  (p.  81  f.).  —  In  Wirklichkeit  ist 
swsT  alles  bestimmt,  determiniert;  gleichwohl  besteht  nicht  abaolnte  Not» 
wandi^eit,  sondern  nur  bedingungsweise.  Das  ZusaramantnÜBD  der  grobaii 
Kaasalreihcn  I  r^flarf  der  Determination.  Die  Naturureachen  mfisscn  ent- 
weder, um  wirken  zu  können,  einen  AnstoXia  von  auTson  erhalten,  oder 
vwlnngen  wenigstens  einm  Stoff,  einen  G<^renstinid  fttr  ihre  KrsftilaCwning. 
Der  Vf.  führt  uns  durch  die  rerschiedenen  Gattungen  geschöpflicher  Kau- 
salität hindurch  bis  hinauf  zur  Willensfreiheit,  die  or  mit  Recht  als  aktive 
Indifferenz  begreift,  deren  Wurzeln  in  der  objektiven  Indifferenz  der  parti- 
koliren  Gfltar  nnd  der  aabjektiTm  der  Salbatbestinuntingsmseht  des  Wulens 
liegen. 

Das  sechste  oder  Schlufska^itcl  enthält  eine  kurze  Betrachtung  der 
Finalursache ,  die  in  den  Intelligenzen  als  Zwockthätigkeit,  in  den 
übrigen  Wesen  als  Zielstrebigkeit  sich  äufsert  und  dunr  mit  Recht 
▼on  Ari<;toteIes  unter  die  ersten  und  wesentlichen  Bedingungen  des  Seins 
geiahlt  wird  (p.  1  1—136). 

Wenn  wir  aneb  Punkte  von  nicht  nntefgeordneter  Bedeutung  hervor- 
heben sollen ,  in  denen  wir  von  der  Ansicht  des  Vf.  abweichen ,  so  ist  es 
unter  anderen  die  Bezeichnung^  der  scholastisr-hon  Theorie  von  Materie  und 
Form  als  einer  Hypothe*»©,  die  einseitige  Begrundunf^  des  Kausalitäts- 
prindps  durch  innere  Erfahrung,  vor  allem  aber  die  Auflassung  des  mensch- 
liehen Intellekts  fines  aktiven  Verm5f]fenf? ,  dessen  Thäti^keit  nur  der 
Anregung  und  Geieg<4uheit  der  Sinne  bedürfe,  um  die  Idee  des  i:>eins  (die 
durch  die  YarataadMthitigkeit  unmittelbar  repräsentiert  werde)  zur  Ffllle 
der  Ideeen  sn  gestalten.  Auch  halten  wir  die  Bemerkungen  über  die 
eingebomen  SinnesenrrL'ieen  der  modernen  Wissenschaft  nicht  für  /.iitrefTend. 
Überschwenglich  und  mifsverst&ndlich  ist  die  Bezeichnung  der  Geschöpfe 
als  von  Oott  gedaehter  und  durdi  Denken  gefestigter  (verkörperter,  qu  il« 
Solidifie)  Modi  und  Fif^uren. 

Die  geistvolle,  wenn  ixnrh  f«ntolniT|5<.y]en  Naehkliinj^on ,  wie  uns 

scheint,  nicht  ganz  freie,  im  güuzen  auf  der  soliden  üasis  kirchluher 
Wissenschaft  sich  bewegende  Studie  sclilielkt  mit  eiaem  begeisterten  Rück- 
blick auf  die  alles  mit  ihrer  CrSgenwart  durcbdiingende  nnd  belebende 
abaolute  göttliche  Kausalität. 

Ingolstadt  Dr.  M.  Qlofsner. 

Menrl  Kleffler:  La  eoDseienee  nainrelle  et  la  conseience 
r^lif^ease.  Paris,  Fischbacher;  Gendrs,  Stapelmohr.  1890. 

Der  VorfuRser  dieser  Ahhandhinj,'  steht  nieht  auf  dem  Buden  der 
fibematnrliehen  Offenharung.  Er  will  gegenüber  den  Ansj>rü<-hen  <ler  Reli- 
gion die  Itechtti  des  persönlichen  oder  natürlichen  Gewissen«  waliren  und 


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104 


liittenriKlie  Betprechangra. 


dem  Privatarteil  es  anheimstellen,  über  die  Dogmen  und  über  das  Geaetx 
Gottes  zu  richten.  „Der  Glaube  in  Chmtof  war  Instinkt  da  fei  1I9 
J.  Ch.  fut  instinctive),  der  in  den  Aposteln  Ergebnis  der  Belehrung 
(doctrinaire),  der  des  Mittelaitors  war  auf  Dogmen  gegründet«  dm  in  der 
N«iiseit  wird  mehrmid  nMiir  d^rTernanft  «ngepafst  {ratiosmil«),  d«r 
wahre  Glauhe  aber  niufs  <ler  logische  (loj^quo)  d.  h.  er  nnifs  durch  die 
Vernunft  klar  formuliert  uo<I  durch  das  Gewissen  bestätigt  sein  (nottement 
formnlee  par  la  raison  et  coufirmee  par  la  eonscienco).  Die  letzte  Art  von 
Glauben  allein  kann  die  Versöhnung  herbeiführen  mit  dem  Instinktglauben 
Christi  und  kann  ihn  vprvoll ständigen,  ohne  den  Sinn« zu  ändern"  (S.  7). 
Diese  Ideeen  werden  in  7  Abschnitten  entwickelt.  Sie  sind  betitelt:  Die 
Einleitung,  wo  der  Verf.  mdnen  Stendponkt  klarlegt;^  des  allgemeine 
Gewissen  fla  ronscienco  universelle'i :  —  das  l(i»?i6che  Gewissen;  —  Fata- 
lismus und  Freiheit;  —  das  Gewissen  und  das  Evanfjeliiun;  —  mein  Heil; 
wo  gezeigt  wird,  daf^  «las  Gewissen  es  nicht  gestattet,  das  Heil  der 
Menschen  von  einem  aufterhnlb  befindlielien  Plincip  abhängig  sa  maohen; 
—  das  Gute  und  Böse:  —  Znjsaramenfassunj;  und  Schlufs. 

Der  Verf.  spricht  furtwährcnd  von  der  Vernunft  und  iliren  unaataat« 
baten  Beteten.  Nan,  es  taetet  diaee  Beeilte  niemand  an,  wie  eben  der 
Verf.  und  jene  wissenschaftl.  Richtung,  weh  her  er  an^eliört.  Am  wenigsten 
denkt  der  christliche  Glaube  daran,  die  Vernunft  zu  liKcnj^en  oder  ^nr  derselben 
ihr  Göbiet  stroitig  zu  machen.  Der  Verf.  würde  dies  leicht  erkannt  haben, 
wenn  er  nicht  immer  unbestimmt  von  der  Vernunft  gesprochen  hätte. 
Unsere,  die  menschliche  Vernunft,  ist  eben  nicht  die  Vernunft  schlecht- 
hin. Wir  unterschreiben  es  ohne  alles  Bedenken,  wenn  der  Vernunft  nicht 
xugemntet  werden  soll,  die  Biehtsehnnr  ihroe  Wirkens  aoAerhalb  ihrer 
s«lljst  zu  finden,  oder  wenn  der  Glaube  am  Ende,  das  religiöse  Gewissen, 
zusaininenfalh^n  soll  mit  dem  Wissen  oder  dem  natfirlichen  Re'wu fstsein. 
Aber  damit  ist  nicht  genagt,  dai's  unsere  Vernunft  nicht  naturgetnüis 
und  nach  ihrer  eigenen  Beetimmung  eine  B/^pel  fflr  das  Erkennen  anlker» 
halb  ihrer  >e!bst  finde. 

Oder  ist  denn  unsere  Vernunft  die  Vemuuft?  Wäre  dies  der  Fall,  so 
mttftte  sie  als  im  hödisten  Grade  ToUkmnmen  dastehen,  so  twar,  dafe  in  ihrem 
Boreiche  eine  höhere  Vollkommenheit  ausgeschlossen  sein  würde.  Dies  aber 
wird  durch  die  panzo  Geschichte  des  mensehl.  Forschens  bereits  f^eleu|]fTiet :  es 
ist  gar  nicht  mitwondig,  auf  das  Woson  unserer  Veniunft  und  den  ihr  eigens 
entsprerhciulen  Krlienntnis(;e;;en8tand  einzugehen.  Was  heute  „als  das 
endliclie  Erj^ebnis  wissenschaftl.  Forschung"  betrachtet  wird,  das  verwirft 
man  morgen  und  erklärt«  man  stehe  hier  vor  einem  Uätsol,  dessen  Lösung 
der  Zukunft  Torbebalten  sei  Niemand  spricht  ja  so  gern  von  dem  „steten 
Fortschritte  wissenschaftlicher  Entwicklung,  dessen  Ende  nio])t  abznsehen 
sei",  wie  der  Verf.  und  dessen  Kichtnnp.  Was  aber  unvollkommen  und 
noch  weiter  entwicklungsfähig  ist,  dies  bedarf  im  entsprechenden  liereicbe 
der  Existenz  von  etwas  Vollkommenem  und  der  Ent^ricklung  Unfähigem. 
Gäbe  es  kein  Licht,  zu  dessen  Wesen  es  jjehört,  hell  zu  sein  und  das 
deshalb  inimor  und  im  höchsten  Grade  heil  ist,  von  dem  alle  Helligkeit 
abhängt,  so  gäbe  es  kein  mdir  oder  minder  bell  erienebtetes  Zimmer,  das 
noch  immer  heller  werden  kann.  Gäbe  es  keinen  ^let\schen,  dessen  Natnr 
nämlich  es  ist,  Mensch  zu  sein,  so  würde  man  nicht  von  Menschlichem 
sprechen,  was  ia  im  selben  Grade  mohr  oder  minder  menschlich  ist,  als 
es  dem  Wesen  „Mensch**  nahesteht.  Trägt  etwas  nicht  dies  in  seinem  Wesen 
eingeschlossen,  dafs  es  das  Sein  der  Existenz  hat,  sondern  kann  es,  von 
seinem  Wesen  aus  betrachtet,  sein  oder  nicht  sein,  so  mois  es  Sein  em* 
pfangen  Ton  aufsen  her,  nämlich  von  jenem  Sein,  dessen  Natar  oder  Wesen 


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105 


e>  ist,  zu  existieren  und  dn^  deshalb  nicht  andora  Tentandon  Verden  kann, 
aU  daXiB  es  Sein  liat  oder  vielmehr  das  Sein  ist. 

Nim  •beoso;  fcum  miBeie  Yeniiinft  bald  meibr  bald  weniger,  bald  gar 
nieht  «iton'  n,  so  bttteht  notwendig  ein*  Vernunft,  lioron  Wesen  es  ist, 

immer  und  alles  %n  erkennen.  Denn  w^e  jot^t  erkennt  und  jetzt  nicht, 
dessen  Wesen  ist  es  nicht,  den  ersten  Grund  oder  Anstois  für  das  £r- 
kmineii  in  sich  an  baben,  aonat  wfirde  aa.  aowie  ea  ja  aeia  Waaan  immer 
behält,  immer  auch  den  Grand  Itlr  alles  Erkennen  in  sich  hahen,  denn  es 
w;iro  oben  selbst  dieser  Grund  für  das  Erkennen:  ist  ja  doch  jegliches 
Ding  das,  wovon  es  das  Wesen  in  sich  hat.  FulgUch  mufs  unsere  Ver- 
niinfk,  dia  bald  erkennt  und  bald  nicht,  bald  daa  erkennt,  bald  jenea  und 
sonach  e«?  nicht  in  sich  hat,  immer  und  die  ganze  Wahrheit  zu  erkennen, 
von  auTscn  her  bestimmt  werden  für  das  Erkennen.  Es  mufs  eine  Vernunft 
bestehen,  die  durdiaoa  nnd  dam  ganzen  Weaan  nach  Vemonft  tat,  die 
Tollea  Erkennen  ist  und  somit  aach  aelber  als  der  erste  mafsgebende  Gegen- 
stand lies  ei?"nnn  Erkennens  dasteht.  Unsere  Vernunft  selber  also  in  ihrer 
allseitigen  Abhängigkeit  zeigt  notwendig  auf  den  BosUtud  einer  unendlich 
aalbstindigen,  gans  nnd  gar  voHkomroenoD,  nnd  swnr  dem  anverftnderlichen 
Wegt'n  r  i  !i  vollkommenen  Vernunft,  von  welcher  nn  erator  Stolle  die 
Erleuchtung  aller  andern  Vernunft  abhingt. 

Bei  dieser  ewigen  Venrnnft,  die  altein  als  die  Vernunft  bezeichnet 
werden  kann,  weil  ihr  Erkennen  ein  völlig  unbeschränktes  ist  und  allea 
andere  Erkennen  vernrBacht,  pribt  es  keine  Geschi  '  l'  tilieit  von  (riauben  nnd 
Wissen.  In  ihr  ist  alles  oder  vielmehr  sie  ist  alles  U  issen.  Sie  ist  ihre  eigene 
Regd.  Dieaem  Wiaaen  der  Urrernonft,  alao  Gottoa,  ist  alter  Glanbe  unter- 
geordnet. Aber  unsere  Vernunft,  eben  weil  erfahrun-^'sgemäfs  unvoll- 
kommen, streht  nach  VoUendnn«;,  und  diese  kann  ihr  nur  worden  vermittelst 
dee  Eintiu&soö  der  Urvernunft.  Da  besteht  also  ein  Unterschied  von  Glauben 
und  Wiaaen,  inaoweit  beim  Glauben  der  Grund  <les  Erkennens  einzig  in 
der  ürvernnnft  bleibt,  von  wo  die  Erleuchtung  kommt;  beim  Wissen  aber 
der  Grund,  warum  es  so  iat  und  nicht  andere,  in  unserer  Vernunft  aelber 
ist.  Und  natürlich  steht  dn  der  Glaube  bSber  ala  daa  Wiaaen .  weil  ein 
Erkennen  um  so  höher  iat,  je  höbttr  sein  Grund  ist.  Der  Glaube  ist  daa 
denkbar  höcJiste  Erkennen  für  un^^f^r«^  Vernunft,  weil  sein  bestimmender 
und  maCagebender  Grund  der  denkbar  höchste  ist,  soweit  nämlich  der 
nntfliliche  Bereildi  daa  Erkennena  in  Betraeht  kommt.  In  Chriatoa  war 
der  Glaube  Wissen,  weil  Christus,  als  Gott  st-iner  Person  nacli,  die  Urver- 
nunft selber  ist;  und  de.<ihalb  erscheint  seine  Lehre  v.  n  voraheroin  vernflich- 
tcnd  für  unsere  Vernunft;  im  selben  Mafso,  wie  unsere  Vernunft  von  Natur 
verpflichtet  ist,  nach  der  eigenen  Vervollkommnung  zu  streben. 

Das  Genisst'u  i>t  ein  ,,all^'omoine8  (universelle)'*,  insofern  die  Grund- 
sätze betrachtet  werden,  nach  denen  der  einzelne  sein  Wissen  auf  das 
praktische  Hand^  nnwendet;  ea  iat  dn  peraOnlidiea,  inaoweit  jeder  dfeae 
Anwendung  maebt  unter  aeinen  peraönlirhen,  völlig  bestimmten  Umatänden 
nnd  Verhätniaaen,  nnter  aeiner  eigenaton  Verantwortunor 

Dr.  C.  M.  Schneider. 

JDr.  Ludivig  BaUattf:  Die  Grandlebren  der  Psychologie 
vnd  ilire  Anwendnuj^  anf  die  Lehre  von  der  Erkenntnis, 

2,  sehr  vermehrte  Aufl.    Göthen,  O.  Schulze,  18^0. 

Dieses  Werk  beabsiehtiii^t  zuvorderst,  die  L<->!er  in  die  He  r b ar tschen 
pavchol()giacbea  Forschungen  einzuführen,  se  duis  sie  in  den  Stand  gesetzt 
aeMn,  noch  <Ue  achwieri^ren  Unterauohuugeu  diesea  Piiiloaophen  an  vez^ 


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106 


litttnumehd  Becpnchnngcn. 


stehen.  Ei  will  aber  indem  jenen,  die  nicht  in  der  Lnge  sind,  sich  ein- 
gobender  mit  der  Psychologie  zu  beschäftigen,  einen  gewissen  AbschloTs 
für  ihre  psychologischen  Kenntnisse  bieten.  Der  Herr  Verfasser  ist  Schulmann 
und  wendet  sich  doshalb  vorzugsweise  an  seiue  „Kollegon,  diu  aus  dem 
Yolksschullebrerstande  mit  einge6cblo8aan*^  Di«  Beurteilung,  welche  Har^ 
hart  findet,  wird  eich  im  grafien  Gänsen  «nch  auf  Ballaofa  Grandiebrai 
auwenden  lassen. 

Mao  mag  nnn  über  das  eigene  philo«.  Irrstem  Hartmanns  denken,  wie 

man  will,  —  wir  sind  gcwifs  die  letzten,  die  sich  demselben  anschließen 
niöfhten,  —  in  der  Kritik  der  anderen  Systeme  trifft  er  gewöhnlieh  das 
Kichtigc.  Und  so  vorsagen  wir  auch  nicht  seine  Berechtigung  dorn  Urteile, 
das  er  über  Herbart  fällt  und  das  sieh  in  die  Worte  zusisrnnienfassen 
läfst:  „ErM  I  i I ' II  Ir>  l>iirftigkeit  an  spekulativem  Lie^'i  n^-'half*  \ind 
„ängstliche  kieinkiämerei.  die  den  Schein  der  Kxaktheit  erwecken  will*' 
(Gesamm.  Anfs&tze  8.  563).  „Herbart  baV%  so  HarUnann  weitm',  „dies 
erkennen  wir  gern  an,  im  einzelnen  gewisse  borechtigto  Seiten  zur  Geltung 
gebracht,  die  vorher  vernachlässigt  waren.  Gefrenüber  der  inhaUIii  hon  Ästhetik 
dos  Idealismus  betonte  er  die  Notwendigkeit  der  Betrachtung  der  auf  die 
rein  formalen  Verhältnisse  bezüglichen  ästhotisclien  Urteile.  Aber  indem 
er  die  gesamte  Schönheit  der  Natur  und  Kunst  zu  einem  vürn-j:  inhalts- 
leeren Formalen  machen  wollte,  verirrte  or  sich  in  eiuo  zehnmal  ärgere 
Einseitigkeit,  als  die  Vermu^llssigung  der  fehl  formalen  Veriiiltnisae  von 
Seiten  der  iilealistischen  Ästhetik  gewesen  war.  Gegenüber  der  Vernunft- 
rooral  Kants  und  der  Gefühlsmoral  der  Schotten  stellte  er  den  sittlichen 
Geschmack  im  weiteren  Sinne  als  etlüsches  Princip  auf.  Indem  er  aber 
die  Bedeutung  aller  flbrigcn  ethischen  Principien  verkannte  und  dem  Ge- 
schmack anstatt  einer  relativen  eine  absolute  Berechtigung  zuschrieb,  schuf 
er  eine  Karikatur  der  £thik.  In  der  Psychologie  bekämpfte  or  mit  Recht 
die  Vielheit  der  Kantschen  8?elenverm(^n,  obwold  er  ntA  sowohl  in  dieser 
Einheitstendenz  mit  Fichte ,  Sclielling  und  Hegel  auf  gleichem  Wege  be- 
fand, als  auch  mit  Hegel  den  Fehler  teilte,  den  Willen  in  seiner  ursprfing- 
liehen  und  der  des  Vorstellcns  mindestens  koordinierten  Bedeutung  zu 
verkennen  und  aus  dem  Prozefs  der  Vorstellungen  als  Besultat  ableiten  tn 
wollen.  Si  hlimmer  als  dies  aber  war,  dafs  er  ^am  in  die  von  K:.u)t  uhrv- 
wundeuo  rationale  Psychologie  und  in  die  metaphysische  Einfachheit  ihres 
Ssolenwesens  surGflkfiel  una  da(h  «r  ans  dieser  Voranssetcung  die  ESnfsdi- 
beit  der  p&ychisehen  Funktion  In  jedem  Augenblicke  folgern  zu  müssen 
glaubte ,  was  mit  der  Erfahrung  in  auffälligem  Widerspruche  steht.  Der 
auf  ganz  unhaltbaren  Voraussetzungen  errichtete  mathematische  Teil  semer 
Psychologie  ist  der  sddagendste  Beweis  für  das  vorangestellte  allgemeine 
Urteil  über  Merbart." 

Man  kann  ia  gegen  Einzelheiten  in  diesem  Urteil  manches  einwenden, 
wie  X.  B.,  dafs  Uartmann  die  Art  und  WeiM,  wie  Herbart  die  Einfaitbbeit 
der  psychischen  Funktion«!  nimmt,  nicht  genau  wiodeigegoben  habe.  Aber 
die  eifjenf»earteto  Stellung,  welche  Herbart  mit  seinem  Sy.t;tem  in  der 
doutscbtjn  Philosophie  einnimmt,  hat  der  Philosoph  des  Uubewuisteu  unsere 
Erachtens  richtig  gekennzeichnet.  Es  wäre  nun  verfehlt,  zu  meinen,  dafe 
Ballauf  sich  mechanisch  ntier  sklavisch  anlehne.  Er  stellt  allerdings  keine 
eignen  Grundprincipion  und  keine  eigene  Metbode  auf.  Aber  er  verkennt 
in  keiner  Weise,  dafs  mit  dem  Herbartschen  Fundamente  für  psychologisohe 
Forschungen  keineswegs  <!;is  h  tztc  Wort  gesprochen  ist.  Üarin  liegt  die 
Bedeutung  der  Ballauf>t  ht  u  Arheit.  Der  Verf.  ist  gewohnt,  selbständig 
zu  denken,  das  verrät  jede  Zeile  seines  Buches.  Er  täuscht  sicli  nicht 
fiber  den  Charakter  der  eigenen  Bogabung.   Zur  Auffindung  eines  ganx 


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neuen  Sjatenis  findet  er  sich  nicht  f,'edgnet.  Aber  er  versteht  es  sehr 
gut,  den  MaCsAtab  seiner  persönlichen  Bcobachtunj^en,  der  Ergebnisse  aus 
d«r  modernen  Naturwissenschaft  und  des  vorurteilsfreien  Denkens  philo 
sophischer  Gröfsen  an  die  Horbartsche  Philosophie  oder  besser  an  deren 
Besultate  kritiscli  anzulegen.  Man  lernt  aus  dorn  Buche,  wie  viel  den 
Uorbartscbea  jPrincipieu  noch  fehlt,  um  geeiicnet  zu  sein,  dais  sie  alle 
Thatsaelieii  des  Seelenlebsns  erklErm  mlor  aaeh  nur  genttg<enden  Anftebltif« 
geben  über  das  Wesen  der  Seele.  Dor  nHchterne  Emst  in  seinem  Forschen, 
seine  grofse  Bclesenheit  in  der  entsprechenden  Littoratur,  eine  feine  Beob- 
achtungsgabe, vorurteilsfreies  kritisches  Urt«il,  verbunden  mit  der  Abwesen- 
heit jeglicher  Anniafsung  und  mit  dnar  klaven,  dorehnditigen  Darstellun^s- 
^aU,  iH-fäLi^'oii  den  Verfasser,  dem  Leser  zu  zeigen,  ein  wie  frrofses  Fohl 
für  die  psychologische  Forschung  die  moderne  Philosophie  noch  zurück- 
erlassen  hat  &  sind  venig  Punkte  im  ganzen  Buche,  weiche  für  den 
Verfasser  durchaus  unzweifelhaft  feststehen.  Fast  übonll  macht  er  mit 
lobenswerter  Offenheit  auf  tlie  Schwieri>,'keiten  aufmerksam,  welche  mit 
einer  betr.  Behauptung  verbunden  sind.  Er  will  nur  vorarbeiten  für  einen 
grofiwn  Umachwang  in  den  psychol.  Untcrsaehangon,  den  er  ron  einer 
naiven  Zukunft  erwartet.    Diesen  Zweck  hat  er  sicher  erroiclit. 

Der  Verf.  ist,  wie  bereits  bemerkt.  Schulmann.  Es  ist  ja  bekannt, 
wie  gerade  Herbart  als  Grundlage  für  die  moderne  wisscnsch.  Pädagogik 
angesehen  wird.  Dies  veranlafst  uns,  in  unserer  kriti<tchen  Bcsprochuug 
eingehender  zu  werden  und  zumal  an  einigen  der  HerJmrtschen  Prin*  i|.ion 
Stt  prüfen,  ob  denn  dieses  philos.  Syst^  in  der  Tbat  einer  gesunden 
Entwicklimg  der  pädagogischen  Wissenschaft  dienen  kann.  Damit  derLsser 
weifs,  woran  er  sei,  stellen  wir  von  vornlioroin  unsere  Ansicht  folgenderniafsen 
fest.  Die  Einzelheiten  im  Herbartschon  System,  welche  naeh  Hartraanns 
spüitischer  Ausdrucksweise  ,,nur  trockene  Schulmeisterseelen  befriedigen 
köimen,  mögen  sich  soldie  aaeh  hie  und  da  anf  das  Katheder  ▼erirren**, 
l'f  ^tr  itcn  wir  nicht,  obf^leieh  wir  denselben  nicht  den  liolien  wissonsch. 
Wert  beimessen,  wie  dies  Ballauf  thut.  Wir  behaupten  aber,  dafs  die 
Prindpien  Herbarts  für  die  wissenschaftliche  Päda^^ogik,  zum  mindesten, 
keinen  Wert  haben,  wenn  uicht  verderblich  sind.  Möge  man  dazu 
fibergehen,  die,  sojjpn  wir  einmal  so.  mathematischen  Schenuita  Herbarts  an 
die  Principien  der  Alten  anzuknüpfen,  deren  hauptsächlicher  Vertreter  Thomas 
ist;  dacn  werden  andb  die  Horbartechen  Bestimmungen,  die  alle  Sufser- 
liehen  Einzelheiton  der  psychol.  Erscheinungen  regeln  wollen,  Wissenschaft!. 
AVert  erhalten.  Nur  eben  dann  erlangen  solche  Einzelheiten  wi?«?enschaftl. 
Bedeutung,  wenn  sie  als  Anwendungen  aus  allgemeinen  Principien  sich 
ergeben. 

Zuerst  aber  ski/.zieren  wir  den  Inhalt  des  Bnliaufschen  Buchns.  Der 
Stoff  wird  in  7  Abschnitten  verarbeitet.  Der  erste  behandelt  die  Vorstel- 
lungen and  deren  (iegenstände:  das  Selbstbewufstsein.  das  Ich,  die  Trennung 
?on  der  Aufsenwclt,  den  Begriff  der  Seele  und  der  Fsycbologie.  Der 
zweite  Abschnitt  hat  zum  Gej^enstande  die  Leuf^nung  von  eigengearteten 
Seelenvorro(»geu.  Der  dritte  Abschnitt  schildert  den  Vorstellungsverlauf 
und  seine  Ergebnisse  im  allgemeinen :  also  die  sinnlichen  Wahmebraungen, 
die  einfachen  Emptindungen,  die  Erinnerungsbilder,  ihr  Auftauchen,  ihr 
Verschwinden,  dio  Bildnu^r  von  VorstelIunp:^roihnn,  von  Vorstellungsmasser. 
die  Verschmekunj,'  des  Gleichen,  Ctefdiile,  Bestrebungen,  die  Möglichkeit 
des  itufsercn  Handelns,  <iie  Mitwirkung  der  leiblichen  (ilieder  und  die 
AfTekto.  Dt  r  vierte  Abschnitt  ist  «b  r  Entstehung  der  Vorstellungen  von 
Kaum  und  Zeit  gewidmet.  Der  fünfte  geht  über  zum  Denken,  insoweit 
dieses  die  sinnlicbeo  Vorstellungen  verarbeitet.   Es  kommt  da  sur  Sprache 


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108 


Litterariacbe  Bogpreckungea. 


<lie  Natur  der  freien»  dor  allgemeinen  Vorstellungen,  der  B^riffe  und 
ürlefl«,  der.  Begriff  vom  Sein,  von  üfMushe  und  Wirkung,  vom  MSgliclieii, 

Wirklieben,  Notwendigen,  die  Zahlenlehre,  Gröfsenlehro ,  die  Geometrie, 
Mechanik,  Wissen,  Ahnen,  Glauben  und  zuletzt  der  Verstand  und  wie  ron 
Verstandosbildung  die  Bede  sein  kann.  Der  innere  Sinn,  die  Apperzoptionv 
das  Empfinden,  Wollen.  Handeln,  Leiden«  Vernunft,  Freiheit,  SelbstbcwnA^ 
sein,  Ideeenbilduiif^  findet  seine  Stelle  im  sechsten  Abschnitto.  Der  siebente 
endlich  bespricht  allgemeinere  Fragen,  wie  Idealismus,  Materialiunus,  dM 
Eigenschafton  und  den  Wosenteharaktor  eines  Atoms,  die  Einheit  und  den 
Sitz  der  Seele,  die  Verbindung  des  Seelenlebens  mit  dou  loiMichon  Tbätig- 
keiten,  Ermfidiing,  Schlaf,  Unstcrbliehkf>it.  Den  Schlwfs  bildet  die  Ergän* 
zuug  Uur  Ueberzeugiing  von  der  ii^inhoit  und  Eitifitchlieit  der  Seolo  durch 
den  Glauben  und  die  Widerlegung  der  Ijotieaehen  Einwflrfe  g^en  die 
diesbezii^Uchon  Ansichten  Herbiirts. 

Wollen  wir  nun  die  thomistischon  Grundprinoipien ,  welche  hier  in 
Frage  kommen,  korz  vorlegen,  so  ist  natnigeniin  das  erste  jenes,  welches 
für  das  Erkennen  als  mafsgebend  betrachtet  werden  mufs.  Thomas  lormo- 
lieft  03  mit  den  Worten  des  Aristotolos  und  überhaupt  aller  alten  Philo- 
sophen: „Das  tliatsächlich  Erkennende  ist  das  tbatsäciüich  Gekannte'*; 
int^igens  actu  est  intellectnm  in  actu.  Wir  können  wohl  sagen,  dab  auch 
<lie  moderno  Philosopliie  die  Einheit  des  Erkenneoden  und  Erkannten  als 
Grundlage  des  Erkenneas  festhält,  so  dafs  dieses  Princip  an  sich  allge- 
meine Oeltnng  hat.  Ea  kommt  nur  darauf  an«  su  erklären,  wie  soleha 
Einheit,  welche  fitr  das  Erkennen  erfordcrlidl  ist,  von  Thomms  ■ufgefaf^t 
wird.  Die  Schwicrißkoit  nämlich  beginnt,  wenn  dargelegt  werden  soll,  in 
welcher  Weise  das,  was  aulsen  ist,  eine  Einheil  wordo  mit  dem  Erkennen- 
den, also  in  denjenigen,  der  erkennt,  eintrete.  Bei  Herbart  ist  hier  das 
subjektive  AufT;isspn  durchnus  mafsj^ebend.  ..Wir  versetzen  das  Gesehene'*, 
so  heifst  es  bei  Ballauf  oft,  „unbedingt  nach  aufsen".  VVodurch?  Durch 
Angewohnheit  Es  soll  dadnrdi  dorn  Idealismus,  der  sich  um  das  Einzeino, 
Besondere  gar  nicht  kümmert^  vorgebeugt  werden. 

Thomas  geht  einerseits  so  weit  wie  kaum  ein  anderes  phil.  Svst/»ni  in 
der  AuiTa^äung  der  Einheit.  Die  letztere  ist  für  ihn  eine  vollständig 
unbedingte,  insofern  das,  was  im  Erkennbaren  madit,  dafa  es  erkennlMir 
ist,  durchaus  das  Eine,  Selbe  ist  im  Erkennenden,  was  da  macht,  dafs 
dieser  das  bestimmt  Vorliegende  erkennt.  Andererseits  aber  trennt  or  auch 
80  streng  wie  kein  anderes  Sjstom  die  Aufsenwelt  als  das  Erkennbare  vom 
Erkeunen<leu.  insofern  das  wirklich  bestehende  Sein,  welches  erkannt  wird, 
uirJit  das  wirklich  bestehende  einzelne  Sein  des  Erkennendnn  sein  kann. 

Erläutern  wir  dies  aui  vernnnf  tigen  Erkennen.  Wir  betonen  jedoch 
vorerst  ausdrücklich,  dafs  der  Gmndsats  derselbe  bleibt  ffir  alles  Er- 
kennen, aucli  für  das  sinnliche:  Das,  was  aufsen  macht,  daf^;  etwas  sicht- 
bar, hörbar  etc.  ist,  dieses  Eine,  Selbe,  nicht  etwa  blofs  ein  einfaches  Bild 
oder  ein  Abgians  davon  macht  im  Sehenden,  HSrenden,  dals  dieser  hört 
oder  sieht.  In  der  That!  \\'as  wird  denn  so  recht  eigentlich  vernünftig 
erkannt?  Darin  sind  auch  alle  finit?.  Nämlich  das  Allgemeine  im  Dingo 
ist  Gegenätand  dor  vernünftigen  Erkenntnis.  Ist  nun  das  Ding,  welches 
da  vorliegt,  in  seinem  Wirklichsein  etwas  Allgemdoes?  Es  ist,  gemftfs 
seinem  Wirklichscin.  ^escliiedon  von  ;tl!<  tn  anderen;  rv^;  ist  nichts  von  dem, 
was  andere  Dingo  sind;  es  hat  seine  ei^gene,  wie  auch  immor  beschaffene 
Sdbständigkeit:  also  das,  was  im  einzänen  Apfel  z.  B.  macht,  dafs  von 
ihm  der  allgemeine  Gattungsbegriff  ..Apfel"  ausgesagt  wird  und  dafs  der 
einzeino  Apfel  snmit  Sein  hat  nnd  ein  Glied  des  All  ist;  dies  ist  nicht 
dasselbe,  wie  das,  was  diesen  selben  einzelnen  Apfel  zu  einem  wirklich 


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Litterariacbe  Besprechungen.  10^ 


bestehenden  macht.  Denn  nach  der  ersten  Anffassung  ist  **t  eins  mit  allen 
andern  Äpfeln,  und  nach  der  zweiten  ist  er  geschieden  von  allen  aadeni. 

Wenn  also,  wie  dies  alle  sagen,  der  Gegenstand  Temfinftiger  Kemitiua 
das  AUjfeineine  ist,  ro  bedeutet  die«  im  gepebrn.-n  Fnllo  nicnts  andere«, 
aia  da^  der  einzelne  Apfel  nur  insofern  von  der  Vernunft  erkannt  wird, 
■1b  «r  ia  sieb  das  Iwt,  was  die  ürsadie  iat  doa  Qemeinmtnen  mit  allen 
aadern  Äpfeln  und  vermittelst  dessen  dio  Ursache  des  Gemeinsamen  mit 
allen  Dingon.  Der  einzelne  Apful  ist  zwar  direkt  Ge^'cnstand  des  Erken- 
nens,  aber  einzig  unter  der  Form  und  dem  Gesiditspunkte  dieses  aUgemeinen 
MomeiiU;  wie  auch  dns  Aoge  direkt  den  alobtb«nn  «inidnen  Gegenstand 
siebt,  aber  mti^r  der  Fonn  t  .>lchtbann  nnd  nicht  ioaoweit  dieeef  aelbe 
GefMiatnnd  hürbax  oder  fühlbar  ist, 

Aneh  darin  sind  nlle  einig,  dafe  man  dieses  Moment,  wodardi  im 
Dinge  das  All<,'emeino,  als  Grundlage  der  AuBsage  des  Gattungsbegriffs, 
herj»estellt  wird,  dio  Substanz,  das  Wesen  oder  die  Natur  nennt« 
Diese  Substanz  also  im  einzelnen  Dinge,  das  Wesen,  die  Natur  oder  dio 
allgenicino  Gattungdbroi  ffir  das  etnielne  WirUidiaein  ist  all  eine  lelbe, 
nicht  durch  irgend  welches  Bild  oder  irfr^n  l  ^vrlnhen  Ab-jjlanz,  im  Erken- 
nenden und  heifat  da,  insoweit  sie  die  Vernunft  für  den  wirklichen  einzelnen 
Erkrantnisakt  formt,  Idee.  £s  besteht  Mer  keine  Glmcbheit,  keine  Ähn- 
lichkeit, sondern  absoluteste,  unbedingteste  Einheit  oder  Einselbigkeit. 
Eine  Gleichheit  oder  Ähnlichkeit  besteht  zwischen  dem  aufsen  befindlichen 
W'irkiiuhsein,  dem  Einzeldinge,  in  weichem  die  Substanz  die  Zugehörigkeit 
aar  betr.  allgemnnen  Gattung  herstellt,  auf  der  ein«i  Seite  nnd  dem  einaelnen 
Brkenntnisakt  innerhalb  des  Erkennenden,  in  welchem  Akte  die  Idee  die 
allgemeine  Form  ist,  dio  auf  das  Einzeidiag  aufsen  richtet  und  deshalb  ein 
eaee  intentionale  (in  aliquid  tendore,  auf  etwaa  sidi  richten)  hat,  auf  der 
andern  Seite.  Danach  kann  auch,  d.  h,  mitÜftckalcht  anf  das  Einzeln- Wirkliche 
auf  beiden  Seiten,  von  einem  Bilde  pegprochen  werden,  insofern  der  wirkliche 
£rkeontnisakt  ein  Bild  ist  des  einzeln  aufsen  Bestehenden.  Aber  was  das 
allgemeine  Moment  aafaen  nnd  innen  anbelangt,  waa  da  an6en  an  einem  der 
allgemeinen  (Jaltung  entsprechenden  Sein  fonnt  und  innen  zu  tindii  ent« 
Bprechcnden  Erkenntnisakte,  dies  ist  durchaus  ein  und  dasselbe;  nur  dafa 
ee  aufsen  formt  gem&fs  dem  Stoffe,  der  das  Sein  der  Gattung  im  einzelnen 
tragen  soll,  und  innen  gemUa  don  Vernunftverraögen ,  das  erkennen  soll; 
wie  die  eine  selbe  Form  dessen,  der  sich  im  Spiegel  beschaut,  im  Spiegel 
ist  und  auÜBen,  nur  ist  sie  im  Spiegel  gemäis  der  Eigenheit  des  ülasea 
«nd  anAen  gemila  dem  8dn  des  Bebauenden. 

Wird  gefranst,  wie  denn  die  Substanz  aufsen  znj?leich  tlio  Idee  innen 
sein  kann,  so  ist  die  Antwort  sehr  leicht.  Was  aufsen  dio  Dingo  scheidet, 
was  überhaupt  macht,  dafs  das  eine  Ding  nicht  das  andere  ist,  dies  ist 
das  Wirklichsoin,  dio  Einzelexistenz.  Diese  aber  ist  nicht  im  Erkennenden. 
Dor  Apfel  bleibt  seinem  Wirklichsein  nach  Apfel.  Dio  VerL'unft  wird  nicht 
der  einzelne  Apfel,  der  einzelne  Stein,  der  einzelne  Stern,  den  sie  erkennt. 
Aber  wodurch  dieser  Apfel  eine  ist  nüt  den  tanaend  andern  nnd  nodi  eins 
sein  kann  mit  endlos  tausenden  andern  .\pfoln;  wodurch  dieser  Stein,  tlie.ser 
Stern  eins  ist  mit  endlos  vielen  andern  Sternen  oder  Sternen;  durch  das 
allgemeine  Gattungssein,  also  durch  dio  zum  Apfel-,  Stein-,  Stemsoin  he« 
stimmende  Form  ist  er  auch  eins  mit  dem  Erkennenden.  Dieeo  Sttbatan- 
tielle  Wesensform  ist  weder  das  einzelne  Wirklichsein,  son?;t  ^'aho  es  nur 
einen  Apfel,  nur  einen  Stein,  nur  einen  Stern,  wie  es  nur  eine  solche 
Gattungsform  gibt;  noeh  Tvrieiht  tS»  das  einsdne  WiAliehsein,  sonst  würden 
endlos  viele  Apfel,  Steine,  Sterne  bestehen,  da  ja  von  Seiten  der  (lattungs- 
form  dem  nichts  entgegensteht,  dafs  sie  in  endlos  vielen  Einzeldingen  sein 


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110 


littefiriMha  Bfipra&ungcn. 


kann.  Diese  zum  Gattanggseiu  be&timmeudo  Weransforro  ist  eben  not* 
wendig  im  Stande  eines  Verm5gens  für  daa  wirUicbe  Sein  der  Existenz. 
Von  ihr  allein  aus  ist  es  ni'  Iit  ^  ils  inr)t,'lich.  dnfs  ein  f^nt sprechendes  EinzoMing 
existiert  Sie  sohliefot  in  üch  ein  das  Nichts  für  die  einselne  Wirklich- 
keit, Insoweit  «le  eben  nicht  notwendifc  mit  dieaer  vorbanden  ist.  Die 
Wirklichkeit  kommt  von  wo  anders  her.  Ist  aber  die  Substanz  oder  ge- 
nauer diese  boRtimmonflc  Wesensform  indiffen-nt  ffcgen  den  einzelnen  wirk- 
lichen Bestand,  kann  sie  ebenso  gut  unter  t>ulchen  bestimmten  einzelnen 
Yerhiltniaeen  sein  wie  nnter  andern,  so  steht  dem  nicht  das  mindeste  ent- 
^gon,  dafs  sie  ebenso  gut  in  der  Vernunft,  j^omSfs  deren  Wesenscharakter, 
zum  einzelnen  Erkenntnisakte  fomt,  wie  sie  aufsen  gemäTs  dem  Wesens* 
Charakter  des  betr.  Stoffes  >nm  wirklieben  einzelnen  Apfel-,  Stein-,  Stemaein 
formt.  Ähnlich  ist  ja  mach  dto  eine  selbe  königliche  Macht  im  Könige, 
wie  in  den  beliebig  za  verviclfältijfenden  H  Zimten.  Aber  im  Kr^niape  ist  sie 
gemäi's  ihrer  Fülle,  in  den  Beamten  je  iiac-li  deren  Stufe;  sie  ist  überall 
je  nach  der  Beschaffenheit  deejenigen,  der  sie  trägt  Das  eine  selbe  Ge- 
wicht macht,  dafs  difse  Wapschale  hinanf-  und  jene  herab<^eht.  Warum? 
Das  Gewicht  bildet  blofs  die  Möglichkeit,  das  Vermögen  für  das  wirkliche 
Heraufgolien  da  und  das  wirkliche  Herabgehen  dort  DaOs  hier  diese 
Wirklichkeit  im  einzelnen  besteht»  dort  jene,  dies  IiAngt  ?on  der  Terfassang 
der  beiden  Wagsrhalen  ab. 

Wir  können  noch  weiter  gehen.  Wer  über  diesen  Erkenntnisgrundsatz, 
wie  ihn  Thomas  aaffa(irt,  mit  Emst  nachdenkt,  wird  finden,  dab  derselbe 
weit  f^cniipf  ist,  um  das  positiv  Wahre  in  allon  modernen  Systemen  in  sich 
zu  enthalten.  Wir  haben  oben  gesagt,  das  einzelne  Wirklichsein  könne 
nicht  ▼on  der  bestimmenden,  allgemeinen  Wesensform  im  Dinge  verursacht 
werden,  sehon  weil  diese  ganz  gleichgültig  dagegen  ist,  hier  oder  dort,  In 
dieser  oder  jener  Zahl  der  Wirklichkeit  nach,  nnter  solchen  oder  anderen 
einzelnen  Umständen  zu  sein.  Nun  ist  aber  dieses  einzelne  Wirklichscin 
der  direltte  oder  materielle  Gegenstand  des  Temanltigen  Erkennens,  insoweit 
nämlich  das  Wirklichscin  erkannt  wird  unter  iler  Form  1  r  unter  deni 
Mafse  des  allgemeinen  oder  des  substantiellen  Vermögens  im  Dinge.  Ich 
erkenne  nämlich  den  einzelnen  Menschen  nicht  vermittelst  der  Vernunft, 
insofem  er  6  oder  7  Fufs  hoch  ist,  insofern  er  am  3.  oder  4.  Mai  geboren 
ward  u.  8.  w.,  dies  alles  hat  keinen  Grund  in  der  inneren  Substanz  oder 
im  Wesen  „Mensch'S  Ich  erkenne  vermittelst  der  Vernunft  vielmehr,  warum 
er  einen  Körper,  warum  er  Sinne,  warum  er  FrMheit  n.  dgl.  hat;  dies  hat 
seinen  bestimmenden  Grund  nämlich  in  der  Gatlunf^sform  Mensch".  Was 
also  erkennt  die  Vernunft  am  Ende  direkt  als  ihren  (materialen)  Gegen- 
stand? Das,  was  nicht  von  der  bestimmenden  Richtung  der  Vernunft 
abhängt;  das,  was  nicht  die  in  ihr  bestimmende  Form  ist. 

Drücken  wir  uns  ganz  bestimmt  ans.  m  ist  <lcr  direkte  Gf^nstand 
unserer  erkennenden  Vernunft,  soweit  die  in  ihr  bestimmende  Form  allein 
in  Betraeht  kommt,  daa  Niohtsein,  das,  was  vom  Gharalcter  des  allgO' 
meinen  Gattungsseins  nicht  berührt  wird;  das  Einzelne,  Wirkliche  hat 
vor  der  erkennenden  Vernunft  vielmehr  ein  Nic-htsein  wie  ein  Sein,  insoweit 
es  nicht  geregelt  wird  durch  den  EinÜufs  der  Gattung.  Die  Aufsen- 
weit  existiert  nach  diesem  Erltennen,  wenn  es  anf  sich  selbst  beschränkt 
wird,  nicht;  und  deshalb  kann  ich  auch  bei  meinem  vern'infti'_"^n  Krkcnnen 
vom  Einzelnen,  Wirklichen  absehen.  Dafs  etwas  in  |X):iitiver  Wirklichkeit 
anfser  mir  existiert,  diese  Erkenntnis  ist  eine  nnmittelbar  den  Sinnen 
gedankte  und  erst  mittellmr  der  Vernunft.  Damit  die  positive  Wirklichkeit 
aufsen  ein  direkter  Gegenstatid  vernünftiger  Erkenntnis  werde,  bedarf  ca 
zuerst  eines  vermittelnden  Schluases  auf  die  wirkende,  allgemeine  Ursache 


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III 


de«  äoinä,  iinil  iu  dieser  Ursache  ist  die  Vernunft  dann  nicht  mehr  blolses 
Yensögen,  sondern  Wesenheit,  Thatsächlichkeit,  Einzelsein  selber. 

Darntn  beginnt  TbomM  seine  Beweise  tBr  das  Dasein  Gottes  mit  (ieiu 
sensit  ronstat,  aliqnri  fnnvfri.  Durch  vernunftg«?mäfsoii  SrbUifs  f^plan^'t 
er  von  dem  positiven  \V  irkUchseinf  soweit  es  der  tiinn  wahruimnit,  zu  dem 
positiven  WirkUcbssio,  welebss  Tcm  sieh  ans  O^panstand  der  Vernunft  ist 
Es  ist  dies  an  orster  Stelle  jenes  Wirklichsein.  welches  Wesenheit  und 
deshalb  Allgemeinheit  ist:  Gott.  Von  Gott  erkennt  die  Vernunft  dann 
nur,  dafs  Er  ist.  Denn  für  eine  Vernunft,  deren  natürlicher  Gegenstand 
*  das  Allgemeine  ist,  was  nicht  einzt'lno  Wirklichkeit,  sondern  vielmehr 
gleichgültig  dagegen  ist.  kann  nicht  natürlicher  Ge^'enstand  sein  jenes 
Allgemeine,  was  notwendig  als  Thataachliclikeit  oder  einzelnes  Wirkliohsein 
dasteht  An  xweiter  Steife  iet  dasjenige  posfÜTe  Wirkliehsein  Gegenstand 
der  VornunftorVonntnis.  welches  nur  unter  Gottes  verursachender  Kraft 
U'steht;  wie»  thatsächlich  Sichtbares  nur  dadurch  dies  ist,  daff?  es  vom 
Lichte  berührt  ist.  So  ist  das  Wirklichsein,  als  Gegenstand  unserer  ver- 
nünftigen Erkenntnis  unter  der  Form  des  AUgemmnen,  mit  Rücksicht  auf 
dieso  Form  selber,  also  mit  Rücksicht  auf  (h'e  allgemeine  Idee  in  der  Ver- 
nunft, vielmehr  ein  Niclitsein.  Es  wird  zu  etwas  Positivom  erst,  wenn  es 
belogen  wird  anf  die  rerarsachende  Kraft  des  ersten  Urgrundes. 

In  dieser  Weise  aufp'fafst  hodeiitet  der  an  die  Spitze  gestellte  Er- 
kenntnisgrumlsatz  die  richtige  Mitte  zwischen  einseitigem  Idealismus  und 
beschranktüiu  Realismus.  Es  wird  das  Aursenboündliche  thatsächlich  ge* 
kwiDt.  Denn  die  innere  Richtschnur  für  das  Erkennen  ist  eben  die  Rieht- 
schivir  auch  aufscn  für  das  Sein  genüifs  dem  (ilattnngsbegrifTe  und  weiter  geht 
unser  vemfioftiges  Erkennen  nicht  Andererseits  aber  ist  das  Erkennen 
durcbaos  etwas  Inneriidies,  innerhalb  der  Veninnft  sich  Yoll^hendes. 
Denn  nur  in  dem  Mafse  erkennt  die  Vernunft,  als  aie  in  sich  betliätigt  ist 
durch  die  Idee,  d.  h.  durch  die  Wesensfonu  für  das  Sein.  Was  aber  kann 
dem  Auge  innerlicher  sein  als  das  Lichtbild,  durcli  welches  es  sieht;  was 
kann  dem  Holze  innerlicher  sein  als  das,  wodurch  es  Holz  ist  und  nicht 
Stein;  nns  kann  dem  beleuchteten  Zimmer  innerlicher  sein  wie  das  Liclif ' 
Tiiomas  gibt  hier  noch  einen  weiteren  Fingerzeig,  um  die  Bedeutung  des 
InnerlldiMi  beim  Erkennen  eindringlieh  Tonol^n.  Nicht  wird,  so  sagt 
er  des  öfteren,  die  Verimnft  eins  mit  der  Idee  oder  der  Substanz  aufsen, 
wie  der  Leib  eins  winl  mit  der  Seele,  wo  ein  Drittes  entsteht»  was  weder 
Leib  noch  Seele  ist.    Nein,  die  Vernunft  eelLer  erkennt. 

Die  Voroonft  unterscheidet  sich  Ton  der  Ide^;,  wie  ein  Vermögen  sich 
unterscheidet  von  seiner  Bethätigung;  wie  z  B.  eine  Violine,  «lio  niclit 
gespielt  wird,  sich  unterscheidet  von  derselben  Violine,  wann  sie  gespielt 
wild.  Die  ganae  Yemnnlt  wird  mm  Gegronatande,  den  aie  erkennt,  d.  h. 
dessen  Wesennform  in  ihr  als  zur  Thätigkeit  bestimmende  waltet.  Die 
Vernunft  im  Gärtner  wird  in  diesem  Bereiche,  im  intentionalen  oder  i'li^alen, 
zur  Pflanze  und  er  erkennt  alles  andere  in  seiner  Eigouscliaft  als  Gärtner 
nur  insoweit  dieses  Andere  Besiebung  hat  inr  Pflanze.  Niemals  kann  sonach 
die  Vernunfl  /«ri  (legenstäntlc  nrkennen .  sie  seien  denn  iu  einer  idealen 
JEUnheit  miteinander  verbunden;  denn  sie  wird  ganz  zu  dem,  durch  dessen 
F^rm  sie  bethfttigt  wird.  Der  Girtner  beeorgt  die  Pflanse,  wie  wenn  er 
selber  Pflanze  wäre;  der  Musiker  besorgt  sein  Instrument,  als  ob  er  selber 
dieses  wSre;  der  Leiter  von  Menschen  soll  sie  leiten,  will  er  anders  der 
eigenen  Vernunft  folgen,  als  ob  das  Beste  derselben  sein  eigenes  wäre  und 
iure  Anla^  seine  eigenen. 

Das  ist  ein  fruchtbarer  Grundsatz  für  die  Pädagogik,  der  aber  nur 
ans  der  tbomistischeo  Aufifassung  von  der  durch  das  Erkennen  geforderten 


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11$ 


lättvrtrisehe  BMpmthiuigian. 


Einheit  ffiflften  kann.    Denn  danach  vennittelt  eben  daa  Srkennen  dno 

Eintritt  der  aufsen  bestehenden  Verhältnisse  in  uns,  so  dafs  >,'onati  das 
Eine,  Selbe  in  uns  mafs^bend  wird,  was  in  diesen  Verhältuissen  als  Maf« 
und  Richtdcbnur  dasteht.  Fulgt  man  dem  Herbartschen  Svstoai,  so  muCs 
der  hirleate  Sabjektiviamus  folj^en.  Die  Begriffe  werden  dann  von  nna 
nach  auf^^on  vorsetzt;  dio  sintilichen  Vorstellungen  sind  unser  eigenstes 
und  alleinig«'»  Erzeugnis,  danach  allein  können  wir  Terfahroo;  was  aaÜBea 
fttr  Anlagen,  für  Bedßrfniaae  heateben,  gelangt  nicht  tu  nnaerer  Kenntnin; 
was  wir  uns  vorstellen,  das  venetien  wir  nach  anfsen.  Leider  herradien 
solche  Ansichten  als  raafs^'obende  in  der  modernen  Schulleitung.  BQreau- 
kratiscber  Zwang  ersetzt  die  Anbequemung  an  die  Bedürfnisse  der  Kinder : 
„So  denke  ich  mir  den  mmachlichen  Gent,  alao  mnfe  er  so  aon*':  aUe 
Einflüsse  von  aufsen,  die  solche  Anschauiinf^  ändern  lionnten,  gelten  als 
nicht  vürhumlei).  Man  stellt  sich  ein  (Jefü^e  der  nienschliehon  Fäbigkeitea 
her  und  da  hinein  miisäcn  nun  allo  Grundsätze  für  die  Heiehrung  und 
Erziehung  eingezwängt  werden.  Es  gibt  keine  Seelenvermö^eu ,  wird  laut 
verkündet.  Also  sind  alle  Kinlnr  m n  J^ntur  einander  gleich,  denn  die 
menschliche  Seele  ist  ja  in  allen  dieselbe.  Die  menschliche  Gattung,  welche 
dnrcfa  die  Seele  eben  hergestellt  wird,  iat  ja  in  allen  Monaeben  dieaelbo. 
Flaio  iat  nicht  mehr  und  nicht  minder  Mensch  wie  Thersitea;  Cfisar  nicht 
mehr  und  nicht  minder  wie  ein  gewöhnlicher  Soldat;  das  kleine  Kind  von 
einem  Tage  hat  als  Mensch  genau  dieselben  £ecbte  wie  der  erfahrene  Greis. 

Die  Teracliiedenen  Grade  von  SeetenvermSgen  machen  die  yeraehiedenbeit 
unt<  r  il 'ti  Menschen  aus.  Aber,  so  wird  j,'eßa»,'t,  Seelenvermögen  <^bt  es  rir  ht  * 
„Nur  Seele  existiert  und  diese  hat  in  allen  Menschen  denselben  Sitz,  nämlich  in 
einem  Punkte  des  Gehirns."  Also  gibt  es  auch  von  den  Menschen  selber  aus 
keine  Verschiedenheit,  ansgenommen  höchstens  eine  solche,  die  von  anlben, 
▼on  den  Umständen,  von  der  Anf^ewülinim^'  kommt.  Deshalb  kann  man 
getroet  scbabionisieren  in  der  Schule,  I'läne  für  ^iwv/.b  grofse  Eeiche  auf- 
•teilen,  nach  denen  man  nm  8  Uhr  dies,  um  9  Uhr  jenes,  nm  10  Uhr  wieder 
anderes  vornimmt;  beileibe  darf  man  nicht  etwa  da  ein  paar  Minuten 
zusetzen  und  dort  absetzen.  Alles  nach  der  Schablone,  wie  sie  ein  An- 
hänger Herbarts  für  sich  ausgedacht,  der  da  meint,  allo  Menschen  mülsteri 
dnrebaua  aein,  wie  er  uch  die  Einrichtung  der  menscbl.  Natur  roratellt.  ,,Br 
versetzt  eben",  weil  er  die  regierende  Gewalt  hat,  ,,.<?eine  Vorstellung  nach 
aufsen",  mag  darüber  auch  der  Zweck  der  Schule  durchaus  vereitelt  werden. 
Es  kann  kein  gröfserea  Verderben  für  Schulen  gedacht  werden,  als  solcho 
Ansichten,  wonach  die  übrigen  Menschen  blofs  Maschinen  sind,  tia  leitenden 
Principien  zu  machen  für  <\v'  Erziehnng  Ton  Weaen,  die  von  der  Natar 
selber  mit  Ereiheit  begabt  worilen. 

Und  worin  Infoert  sich  dieee  Freiheit  bereita  beim  Kinde?  Darin,  dafa 
es  dem  Eintlusso  Gottes  untersteht,  der  allein  freie  Wesen,  dem  Vermögen 
der  Freiheit  gemäfs,  zu  ihrem  jedesmaligen  Zwecke  geleiten  kann.  Freisein 
heilst:  nicht  un  natürliche  beschränkte  Ursachen  gebunden  sein.  Das  Her- 
bartache  System  will  die  Erziehung  freier  Wesen  binden  an  die  eigenen 
subjektiven,  willkürlichen  Vorstellungen,  die  dann  wieder  am  En(ie  mit 
mathematischer  Genauigkeit  von  unkontrollierbaren  Vorgängen  im  einzelnen 
Individuum  abhängen.  Willkür  besteht  da  blofs  mit  Rücksicht  auf  die 
andern,  die  geleitet  werden  sollen;  nicht  mit  Rücksicht  auf -die  leitende 
Person  selber.  Für  den  Quell  aller  wahren  Freiheit,  der  allein,  diesem 
höchsten  Vorzuge  gemäfs,  joden  nach  dessen  Weise  führen  kann,  hat  das 
Herbartache  Syatem  keinen  Fiats.  Religion  iat  in  deroaelben  GeffihI,  nicht 
frei  von  der  Vernunft  <,'otraf;enü  Unterwürfigkeit  unter  die  höchste  Vernunft. 
Der  Glaulie  dient  beim  Herbartachea  Syatem  nur  dazu,  Lücken  zu  stopfen 


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littflvaiisebe  fietpracbungeii, 


113 


Dsd  Widoniprfiehe  zu  verhüllen;  er  ht  nicht  das  einzig  würdige  Thor  für 
Mae  der  menschlichen  Natur  voll  entsprechende  Erziehung. 

Wir  haben  r^hnlb  oben  nicht  ohne  Absiclit  f-rwähnt,  wie  gemäfs  der 
ihomiatitohen  Auäaüsung  daa  natürliche  £rkeiiueii  notwendig  auf  Gott 
Migt,  wir  mSditcii  aagen,  mit  d«n  ertten  Beginne  an.  Da«  Wirkliche 
wird  ja  direkt  erkannt.  Wirklich  aber  ißt  etwas  nur,  insowoit  es  unter 
der  wirkenden  üraächiichkeit  der  reinsten  Wirklichkeit  steht,  die  nichts  ist 
als  thataächlichea  £rkenneu,  Gott  selbst  nämüch.  Da  ist  das  Thor  weit 
offen,  ao  wdt  «w  WirklidiM  «xiatiert,  für  den  Zutritt  Gottes.  Da  werden 
die  Eindrücke  von  aafsen  her  an  erster  .Strll.v  geregelt  durch  (Jott,  den 
Ur^ofiU  aller  It'reiheit  Wer  von  Gott  alao.  ak  der  erütieitenden  iücht- 
•dmur,  M  der  EnMiiing  ud  beun  ünteniehte  «bneht,  der  titht  eben  ab 
von  der  natürlichen,  objektiven  Lage  der  Dinge  und  stellt  an  die  Stelle 
der  lebendig  einfliefsenden  Freiheit  den  kalten  Zwang,  der  da  für  den 
Unterricht  dor  Kinder  eben  soi<he  Schablonen  formt,  wie  für  das  Abfeuern 
f<m  Flinten  und  Kanonen. 

2.  Dif  Selbsterkenntnis?,  das  S e  1 V)  s  t be w u f e  t  -  e  i  n  .  das  Ich  macht 
im  Herbaitachen  Öjsteme  viele  Schwiongkciteu  und  kann  am  Ende  gar  niclit 
fliUirt  werden.  DieToransaetzung  uärnli«  h,  Ton  der  dk»  betr.  Untemehnngen 
auggehen,  ist  falsch.  Deshalb  kann  auch  das  Ergebnis  kein  befriedigendea 
sein.  Da?  Ich  wird  nicht  unmittelbar  gowufst  oder  erkannt,  sondern  vermittelst 
der  eigt)Utru  Ihuijgkeit  und  denmach  vermittelst  der  Gegenstände,  auf  welche 
die  dieebeifigliehe  Tbiitigkeit  sich  richtet  So  lautet  ein  weiteree  Princsp 
de«  Amiinaten.  Ich  kann  mein  eigenes  leb  f  r?t  dadurch  erkennen,  dal's 
ich  tiberhaupt  etwas  erkenne.  Und  ich  kann  nur  erkennen,  wenn  ich  einen 
wlmiobareD  Gegenstand  ror  mir  habe.  Ich  untereoheide  loidi  ah  handelnde 
Person  von  anderen  dadnrdi,  d&fa  mein  Erkennen  zu  mir  zurftckkehrt, 
nachdem  ee  sich  auf  etwas  anderes  gerichtet  hat.  Ich  erkenne  dann  mich  als 
handelnden  oder  erkennenden  und  das  andere  als  daa  Gekannte.  Ks  ist 
faljich,  ron  einer  „Spaltung  des  Idi**  an  anreeben,  iniowtit  ich  erkenne, 
dals  ich  nii  ht  bin  das,  was  ich  erkrnnc.  Es  ist  auch  falsch,  von  einem 
fonnellen  Gegensatze,  wie  zwischen  Schwarz  und  Weifs,  zu  sprechen  beim 
Ul  und  Nieht-Idi,  so  dafe  alles  andere  nur  das  Nicht-Ich  wäre  und  nur 
eeweit  erkannt  würde;  wie  Fichte  das  thut.  Ich  erkenne  nicht  zuerst,  dafs 
ich  erk^ne.  also  mein  Ich,  und  dann,  dafs  anderes  besteht.  Gerade  umgekehrt 
erkenne  ich  zuerst  änderet  und  auf  Grand  dessen  erkenne  ich  meine  eigene 
Tbatigkeit.  Illee  tirat  die  tifiiohe  Erfahrong  dar  nnd  ebeoeo  keount  ea 
Jem  Weeenscliarakter  der  menschlichen  Natur  zu.  Das  Kind  erkennt  vor- 
6rst  vieles  andere,  ehe  es  weils,  dal's  es  überhaupt  erkennt;  es  spricht 
nent  Ton  sich  in  der  dritten  l'erson ,  nümlich  wie  eü  gehurt ,  dal's  die 
andern  ea  Munen,  ehe  ee  dain  ttbogeliti  an  eagen:  Ich  will  daa;  Ich 
Irage  das. 

Dmu  Wesenächarakter  dor  meneohlichen  Natur  aber  kommt  es  zu,  wie 
vir  eben  geeehen,  dafe  sie,  an  dch  betrachtet,  nicht  foa  Tomherein  einsehie 

Wirklichkeit  eei;  sonst  gäbe  es  ja  nur  einen  wirklichen  Menschen,  wie  es 
nur  eine  menschliche  Natur  iriht.  Die  menschliche  Natur  an  sich  ist  nur 
■n  Vermögen  für  daa  6mu  im  euuuhita  Menschen,  ein  Vurniogen,  welchem 
dnealbe  buibt  in  allen  einietaien  Menschen  und  der  Grund  ist,  dafs  vom 
Menschen  ausgesagt  wird,  er  sei  Mensch.  Also  ist  auch  daa  Ich  kein>s 
99fa  thatsächüches  Selbstbewui'staein  oder,  wie  auch  immer,  etwas  thal- 
■lulidi  CMwantea,  eondem         der  eonitigen  menedilichen  Natnr  bedarf 

der  Beth&tigung  durch  Erkenntnisakte,  wenn  es  auch,  als  berechtigtea 
Vtmiugen  für  lias  Selbstbewufstsein,  mit  der  menschlic  hen  Natur  zu  sein 
MgioDt.    Im  Kinde  besteht  das  Ich,  aber  es  ist  noch  nicht  bethätigt. 

iahKfeoeb  nr  Phlleio»hie  eie.  VI.  $ 


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littenriadi«  Bespreehungan. 


Dosfaalb  erfitttt  sich  anoh  das  Kind  aller  Bedite,  die  mit  «mr  freien 

Persönlichkeit  verbondon  sind,  wie  z.  B.  des  Recbtee,  eriien  so  köiUMi, 

trot7.dem  es  seine  Freiheit  noch  nicht  beth.itii^^^n  kann. 

Weit  ontfernt.  dafa  ia  dein  Ich  eine  SpalLuiig  uder  cIq  GogeiuaU  äei. 
inaofem  ich  erkenne,  was  ich  nicht  bin.  oder  erkenne,  dafs  ich  nicht  tbätig 
bin,  besteht  zwischen  lifm  ei^enr'n  Irh  ,  ;\!-:  drm  vi  B'^tli  iti^jedrl.'u.  und 
dem  Nicht-Itih,  uämiich  tien  andern  Cii^enatäudea  die  Beziehung  wie 
switdien  YervoUlEoiiminungsrähigeiii  iiit4  VerroUkommiieDdeni.  Dadnroh,  daJk 
and  insoweit  ich  anderes  erkenne,  alw  insoweit  meine  Vernunft  durch  die 
Idee  bethätifjt  wird,  erkenne  ich, 'wie  viel  ich  erkennen  kann,  wie  umfassend 
alao  mein  Ich  igt.  Dan  Ich,  als  Vermögen  für  freies  Selbstbevvurst&ein  iii 
mir,  ist  der  Entwicklung  nnxugiUiglich,  es  ist  in  indivisibili,  es  ist  gleichwie 
die  menschliche  Natur  immer  dasselbe.  Aber  dahi  leb,  als  bothätisrtes 
Selbstbewufstsein,  kann  noch  weiter  entwickelt  werden  durch  zahlreichere 
and  eindringlichere  Erkanntnisakte.  leb  kann  immer  mehr  sehen,  sIb  wie 
grobes  Feld  der  Thätigkeit  mir  meiner  Natur  nach  otTeu  steht  und  SMiadi 
kann  die  Gröfse  des  in  mir  befindlichen  Vermögens  für  das  Sein  und 
Erkennen  immer  offener  vor  mir  U^n.  BewuXster  oder  unbewufster  kana 
mir  etwas  ssin,  je  nachdem  die  Kenntnis  davon  mehr  oder  minder  msia 
Erkenntnisverinoi^en  durchdringt  und  ich  mir  diese  meine  Kenntnis  zum 
(jregenataude  meines  Erkonntnisaktes  maohe.  Nur  da,  wo  das  Sein  selber 
und  das  Wesen  Erkenntnisakt,  wo  also  nidits  erkannt  werden  kann,  wie 
das  ttgenc  Sein  oder  was  unter  der  Terarsacheoden  Kraft  desselben  steht 
und  soweit  es  darunter  steht;  nur  da,  einzig  also  in  Gott,  i-t  4as  Erkennen 
des  eigenen  Ich  ein  unmittelbares,  d.  h.  nicht  durch  das  hrkenneu  vou 
etwas  andorm  vermitteltee. 

\iu  li  dieses  Princip  Herbarts  —  und  in  dieser  oder  jener  Modifikation 
der  ganzen  modernen  Philosophie  —  vom  unmittelbaren  Erkennen  des  eigenen 
Ich  bringt,  denen  die  es  vertreten  froUich  unbewufst,  verderbliche  Frfichte  in 
der  modernen  PAdagogik  hervor.  Das  Erst-  oder  unmittelbar  Erkannte  mufs 
ja  das  Mafs  und  die  Kichtschnur  sein  für  alles  nachher  Erkannte,  wie 
das  Licht,  was  da  an  oriter  Stelle  und  unmittelbar  Gegenstand  des  Sehens 
ist,  das  Mah  and  die  Sjohtsdinar  ist  fftr  das  Sehen  von  allsm  tthngsn. 
Somit  wird  das  Irh  in  den  leitenden  Mittelpunkt  von  allem  Erkennen  ein- 
gerückt, was  ja  auch  nichts  anderes  ist  wie  eine  Folge  aus  dem  vorher 
behandelten  Princip,  aus  der  einseitigen  Subjektivität  nämlich  der  Vor- 
stellungen und  Begriffo.  Oer  Mensch  betrachtet  sich  gemäfs  diesen  Ideeen. 
als  uh  er  Outt  w:ire,  dessen  Ich  illoin,  wil  reine  Thatsichiichkeit  und 
sonach  reine  Kraft,  aUe  andere  Kenutuis  Guttcs  miüit. 

Die  moderne  Pidago^k  stellt  viAt  an  die  Spitze  das  Wohl  der  Jugend, 
sonderji  solbsürlitip  einseitige  Bestrebungen.  Da  soll  die  Sehulo  oiner  poli- 
tischen Partoirichtung  dienen,  dort  der  Gormanisierung  oder  Kussitizierung 
oder  sonst  einer  Sprache,  dort  wieder  der  Lioblingsansicht  eines  Schnlrats  oder 
eines  Ministers.  Kemunorationon,  höhere  Stellungen,  Furcht  vor  Tadel  und 
Alinli<lies  sind  die  Motive,  weHhaib  man  sieh  beinahe  um  nichts  anderes 
kümmert,  als  dalls  die  Jugend  einen  gewissen  Firnis  von  Phrasen  und  aus- 
wendig gdemten  Formeln  erhftlt,mit4Mmman  glftnion  kann^wihiend  das  Hers 
leer  bleibt  und,  hinausgeworfen  in  den  Strudel  der  Welt,  sich  m  daa  Erste. 
Beste  hält,  was  ihm  begegnet.  Gep^en  jenes  Ich,  von  dem  allein  jedes  andere 
Ich  bethätigt  und  gefestigt  werden  kann,  schliefsen  Priucipien ,  wie  die 
Uerbartsehen,  ab;  sie  kennen  als  Ictztgiltige  Instanz  nur  das  eigene  Ich, 
dem  alles  andero  dienen  mufs.  Deshalb  koiin-  n  Sclutl 'n,  welche  narh  der- 
gleichen pädagogischen  Principien  geleitet  worden,  Gutt  und  die  KeUgion 
nur  all  MekenhlliiMr  oder  als  Proonkt  der  Heofihelei,  nieht  aber  als  dsn 


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littonuMi«  Betpnchttngeo. 


115 


Born,  ans  dem  innete  Kraft  und  inneres  Leben  in  die  jugendlichen  Herzen 
fltrtmt. 

3.  Vorn  unf  t  und  Sinn  stehen,  nach  allen  Meinungen,  beim  Mensciien  in 
einem  innigen  WechseherbältnUse.  Es  handelt  sich  nur  darum,  zu  bestimmen, 
weldMT  Alt  dietM  T«fliftltiii8  lel  HeilMft  nimmt  bloft,  wie  im  Grande 

genommen  die  ganze  moderne  Philosophia,  einen  graduellen  Unterschied 
an.  l)if*  Vernunft  ist  ihm  ein  wtitcr  fntwick'^lter  Sinn  und  der  Sinn  if-t 
ihm  eine  etwas  weniger  ausgebildete  Veriiuntithatigkeit.  Er  kennt  keine 
andara  Weise,  allgemeine  Begriffe  zu  gewinnen,  aU  die  Induktion.  Dar 
Sinn  vergleicht  weniger  -inzelne  Fälle  und  kuinmt  somit  nicht  zu  einer 
schiechtbm  amfasaenden  Allgemeinheit.  Die  Vernunft  vergleicht  mehrere 
«deher  «iaialnar  Fälle,  kann  aber  ebenfalls  nie  gewifs  sein,  dafs  sie  zu  einer 
wirklidiaa  Allgemeinheit  gelangt  ist;  es  könnten  doch  noch  Besonderheiten 
vorkommen,  die  sich  in  die  betr.  Allgemeinheit  des  aufgefafsten  Begriflfes 
nicht  einfügen.  Aua  dieser  Behandlung  von  Sinn  und  Vernunft  folgt  von 
teibat,  dnfb  Herbart  rieh  die  Yemflnraga  Tfaätigiceit  aus  der  sinnlichen 
entwickeln  läfst,  sie  gewissermafson  über  dieselbe  aufbaut.  Die  sinnliche 
ist,  sozusagen ,  der  Quell,  die  Ternünftige  der  aus  dem  Quell  gewordene 
Strom. 

So  ist  m  nicht  bei  Thoma».   Da  nntersdieidet  sich  die  Thfttigkeit  dar 

Sinne  ihrem  ganzen  Wpsen  nach  von  jener  der  Vprmtnft,  die  letztere  h;ingt  in 
ihrem  Tbäti|^u  in  keiner  Weise  ab  von  den  Siuuen.  Sowie  der  tiegen- 
itand  auf  beiden  Seiten  ek  eigener,  besonderer  iai,  der  da  erkannt  irinl, 
bd  der  Vernunft  das  Wesen  oder  das  Moment  des  Allgemeinen  und  bei  den 
Sinnen  das  Bt'??^  tkUto  oder  Einzelne  mit  seinen  charakterigti.^clun  Kigen- 
schaften  des  hörbaren,  Sichtbaren,  Duftenden,  Schmackhaften,  i-uhlbaren; 
10  ist  aaeh  die  ThStif^keit  anf  beiden  Seiten  eine  eigene,  baaondeie,  diesem 
Gegenstan<le  ent-j  r  liende.  Die  Sinne  nehmen  von  Natur  ihren  Gegenstand 
fof  und  die  Vernunft  empfängt  mit  Naturnotwendigkeit  und  als  Voraus- 
setzung aller  ihrer  Tiiiitigkeit  oder  vielmehr  als  deren  lirun<llage,  freilich 
sich  selber  unbewufst,  das  Wesen  oder  dio  Substanz  der  Dinge  in  sieh. 
Sowir-  .la-  Wpsrri  in  pin<nrj  Dinu'n  niflit  ein  Ergebnis  von  dessen  Kigensrhaften 
ist,  sondern  vieimehr  denselben  zu  Grunde  liegt;  äbuUoh  ist  die  Tbäligkeit 
der  Yenianlt  kein  Ergebnis  derjenigen  der  ffinne,  sondern  vidmefar  bestritt 
die  latatere  nm  der  vernünftigen  Thätigkeit  willen. 

Die  eigentliche  Thätigkeit  der  Vernunft  nämlich  hat  den  Zweck,  die 
Substanz  oder  die  Wesenheit  im  vorliegenden  Dingo,  welche,  unbewufst,  mit 
Natnrnolwendii^t,  losgeldst  dnrdi  dsa  praktiMdisQ  Verstand,  den  intel- 
lectns  {»racticus,  von  der  Wirklichkeit  o(ler  «Uii  Einzelheiten,  welche  sie 
anfsen  begleiten .  sich  in  ihr,  in  <ior  ^'erIlu^ft  nämlich,  bt-foi  l-  t,  -iieser 
gegenw&rttg  zu  halten.  Es  existiert  ja  keine  allgemeine  Gattuug  al»  all- 
gemeine, sie  mufs  in  rinera  Eioteldinge  sein.  Und  so  kann  sie  auch  nieht, 
da  eben  dio  Dinge  so  erkannt  worden  aollf^n  wio  sie  siml,  vernünftig  erkannt 
werden,  aufser  sie,  die  Gattung,  erscheine  in  einem  Einzelsein  und  unter 
den  fänsrifsAllliiisasB  d«r  Wiiftlicblnit  Dia  liebt  wird  nidit  geaeben, 
sei  dem  dab  ea  anf  einen  besonderen,  einzelnen  Gegenstand  falle.  Und 
ähnlich  wird  die  Gattangsform ,  die  Substanz,  nicht  erkannt,  es  f*ei  denn 
»10  werde  wiedergestraMt  von  Einzelheiten,  wie  solche  sie  in  der  W  irklich- 
Hit  begleiten. 

Dazu  nun  dient  die  Thätigkeit  der  Sinne.  Dio  Idee,  als  die  das  Erkennen 
bestimmende  Fonn,  ist  in  der  Vornuntt  kr;ilt  naturuotwendigon.  nnlicwnfsten 
Wirkens.  Aber  da  sie  ganz  und  gar  allgemein  und  sonach  nicht  im  mindesten 
ftrdieExisteni  bestimnit  ist,  da  sie  auch  wesentlich  Form,  nämlich  formende 
Sobstans  anfsen  ist  nnd  nicbt  für  sieb  allein,  ohne  eiaselne  Wirklichkeit, 

«• 


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116 


LittoisfiMhe  B«t]in«lraiifeii* 


betteht,  so  kann  sie  nur  erkannt  werden,  wenn  sie  inmitten  der  Einiti^ 
heiten  <\o^  wirkliclion  Bestandes  ah  formende  vorstellt  wird.  Di»'  Sinne 
stellen  ein  Bii(i  dieser  Einzelheiten,  also  der  besonderen  stofflichen ^Vl^kilchkeit 
her.  ünd  darin  wird  nun  der  Yenranft  dfie  «i|^eiM,  in  ihr  rcrborigwie  Idee 
jjefr-n^värtig.  DieSinn»  alsoäimi  ftirdas  menschliche  vernünftige  Erkennen  not- 
wendig, einzig  Tom  Gegenstände  aus,  ex  parte  objecti,  nicht  vom  Thätig- 
tein  selber  ans»  ex  parte  agentis.  Sie  helfen  nicht  der  Verounlt,  daft  sie 
ihn  epealfieehe  ThEtigKdt  entwickeln  könne;  sie  sind  nicht  ex  parte  elip 
cientis  actum.  Sie  vertreten  die  Stelle  desjoni^n,  der  dem  Lesenden  das 
Buch  vorhält.  Dadurch  erlangt  der  Lesende  nicht  im  mindesten  die 
Fähigkeit,  wonach  er  lesen  kano.  Vermag  er  nicht  in  leeeo«  eo  kann  kein 
RiK'h  ihm  helfon,  welches  man  ihm  vorhölt.  ünd  doch,  will  er  lesen,  so  mufs 
er  ein  Buch  haben.  Nacii  dieser  Seite  hin  ist  letzteres  durchaus  notwendig. 
Nur  jene  Temnnft  also  bedarf  keiner  Sinne  oder  ähnlicher  Mittel,  daitä 
die  der  Gegenstand  im  einielnen  voigehalten  wird,  vermittelst  deren  a&a 
dar:  Gei-;tiK'(*  lesen  k«ui,  die  da  seibat  ihr  eigener  Gegenstand,  ihiem  gaoseii 
Wesen  nach,  ist. 

So  bleibt  die  Vemnaft  dnvefaana  selbstfadig  in  ihrer  Thitigkeit  nnd 

trotzdem  bleibt  ihre  Verbindnnj'  mit  den  Sinnen  eine  nat  irlii  ^io,  sowie  es 
natürlich  ist,  dafs  die  Vernunft  die  allgemeinen  Wesenheiten  in  den  Wirk- 
lichkeiten der  siditbaren  Welt  liest.  Es  kann  allerdings  noch  andere  Mittd 
geben,  als  die  Sinne,  um  das  Buch  herzustellen,  in  welchem  die  mengchliche 
Vernunft  die  geistige  Wahrheit  liest.  Aber  im  Kf>r»;iche  der  Natur  ist  sie  an 
die  Sinne  zu  diesem  Zwecke  gewiesen.  \S  it  sind  mit  den  Herbartechen 
Beehnungen  Aber  den  mathematisch  genau  gcregeltMi  Ein€afe  der  AoAen- 
weit  auf  die  sinnlichen  Vorstellnn<j^en  einverstanden.  Wir  möclit' d  I  iria  sogar 
noch  weiter  gehen.  Aber  wenn  dann  Herbart  auch  auf  die  Vernunft  mit  ihren 
Anschauungen  aus  diesen  Rechnungen  schliefst,  als  ob  diese  Anschauungen 
nur  ein  Ertrebnis  wären  des  Einflusses  von  Seiten  der  Anfsenwelt,  so  irrt  er.  Br 
vor<,Mrst  (i  inn  (fnrchaus  der  freien  SpHt-^tfindifikeit  der  Vernunft,  die  allerdinj»! 
nicht  darin  besteht,  von  den  Einhussen  und  Bestimmungen  der  Anfsenwelt 
ganz  und  gar  unabhingig  an  seui,  soll  sie  doch  die  INnge  erkennen,  wie  sie  in 
(ler  Wirklichkeit  sind.  Aber  diese  Selliständii^keit  im  Thiitii^.sein  der  Vernunft 
Ptniiubt  sich  dagegen,  von  jenen  Einflüssen  mascliinenmäfsig  abhan^^  zu 
sein,  welche  auf  die  Sinne  wirken.  Die  Vernunft  liat  eben  einen  eigenen 
Gegenstand  ihrer  Kenntnis  und  dieser  kommt  nicht  atif  dem  Wege  der  . 
Sinne  in  sie:  er  hat  seinen  eifjonen  Weg,  wie  das  I  i  lit  seinen  eiirenen 
Weg  hat  in  das  Auge,  der  Ton  in  das  Gehör.  Wie  vielmehr  die  Jugen- 
sdiaften  eines  Dinges,  die  Gegonstinde  der  sinnlidien  Kmintnia,  ihre 
Richtschnur  zu  erblicken  haben  im  Wesen  dieses  selben  Dinges,  dem 
Tre^enstande  der  vemfinfti^jen  Kenntnis,  so  ist  die  letztere,  M-eit  entfernt, 
in  sklavischer  Abhängigkeit  von  den  sinnlicheu  Vorstellungen  ^u  stehen, 
vielniehr  berufen,  diese  sinnliehen  Vorstelinngen  ana  eigener  I^ft,  gegebenen 
Falles,  zu  berichtigen. 

Auch  hier  lükt  sich  leicht  auf  die  pädagogische  VerderbUcbkeit  des 
Herbartacfaen  Princlps  Aber  das  Verhiltma  von  l^n  und  Vemnnft  hin* 
weisen.  Man  rühmt  sehr  die  Methode  des  .\nschauung8unterrichts.  Die 
Methode  ist  ja  sehr  richtig,  wenn  ihr  mit  Mafs  «refnlgt  wird.  Legt  man  aber 
auf  dieselbe,  ah  auf  die  einzige  I>)8ung  aller  Schwierigkeiten  beim  Unter- 
richten, als  auf  die  einzig  Thfire  für  das  Eindringen  von  Licht  in  die 
Vernunft  des  Kindep,  C  ^vidit,  so  erscheint  sie  im  höchsten  Grade  verderb- 
lich. Denn  sie  führt  dtiun  zu  einer  Mechanik  des  Unterriohtous,  die  sowohl 
in  den  Kindern  hloAe  Automaten  sieht,  als  anoh  den  Lehier  nur  nach 
auisea  blicken  IfiCrt  als  auf  die  Richtschnur  heim  Unterridbtsn.  Wenn 


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littenrisdie  BMpnehangm, 


117 


«noh  Herburt  „in  der  Seele  aelber  niehte  fcMUit,  was  rein  aas  rieh  solhat 
«inen  neuen  T.ebeosinhalt  schaffen,  was  eine  neue  F^lj^p  von  Zuständen  rein 
aas  sieh  reibst  beginnen  könnte*';  —  so  hindwt  dies  nioht,  daCs  in  der 
WiiUiehkeit  deVAniiiiift  in  ridi  die  tligeowliiflii  Meaen  selbstiiMiig  eneugt, 
welche  dami  kfiffc  der  Mitarbeit  der  Sinne  im  Gegenstande,  wie  solchw, 
gemäfs  seinem  wirklichen  Einzelbestande,  durch  die  Phantasie  vorgehalten 
wird,  sich  selbst  das  in  ihr  rohende  geistige  Vermögen  vergegenwärtigt. 
Wenn  mwA  Ml  eelber  im  Anfuige  unbewiiftt,  hat  das  Sud  dodi  eine  tob 
den  Sinnen  unabhängige,  selbständige  Richtschnur  in  sich,  nach  welcher 
das  ;iufsorIich  Geschaute  aufgenommen  vrird.  Die.^e  Selbständigkeit  in  der 
Verarbeitring  des  durch  die  Anschauung  Gebutenen  macht,  dafs  kein  Kiud 
in  dorselUen  Weise  wie  das  andere  von  der  Methode  des  Lehrers  profitiert. 
Solche  Verschiedenheit  zu  beachten,  ist  geradp  die  Hauj  tarlieit  des  Lehrers. 
Herbart  aber  leugnet  eben  die  Grundlage,  auf  der  eine  derartige  Ver- 
■eUedenheit  erwichst:  die  selbständige  Aoffassnng  von  selten  des  vernünf- 
tigen G  eistet).  Auch  von  dieser  Seite  her  ist  die  Schablone  das  LosungA- 
wort  für  das  ünterrichten  nach  Herbartschen  Principien.  Eine  Abrichtaog 
der  Kinder  kann  da  verbürgt  werden,  kein  Fortschritt  ihres  Geistes. 

Wir  Iwrahren  blofo  noeli  folgende  Ponkte  im  Horbartsdieii  Lehrrrstem,  die 
aber  nichts  als  Folgemngen  sind  ans  den  bisher  dargelegten  Grundprim  ipien. 
Herbart  l^nenet  Soelenvermogen ;  —  und  am  Ende  stellt  er  in  Wirklii'hkeit 
so  viele  auf,  wie  Nerven  oder  Nervenfasern  sind.  Denn  die  Seele  sit/.t  für 
ilm  an  einem  Punkte  des  Gehirns.  Also  nur  vermittelst  der  Nerven  und 
deren  Bestandteilen  kann  sio  r!i;unndungen  aufnehmen;  sie  ist  ja  nicht 
s.  B.  im  Fnfse,  der  Kälte  emptiudet  Diese  selbe  menschliche  Seele  ist 
bald  etwas  Geistiges,  badd  ist  sie  die  Empfindungen  selber,  bald  ist  (S.  76) 
Seele  und  Lrib  wie  Kolbeuttange  und  Schwungrad  bei  der  Dampfmaschine. 
Sie  ist  imr  graduell  rerschieden  von  der  Tiersoelo  und  hat  mit  dieser  die 
gleiche  Unsterblichkeit;  es  können  alle  Seelen  nach  der  Trennung  vom 
Lsibe  wieder  ra  Boliinaterial  filr  beliebige  Tenrendung  wercton. 

Wir  geben  dem  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  recht,  woim  er 
sehr  oft  b^^i  <»*^inen  Darlegungen  Zweifel  ansdrückt,  ob  denn  dies  der  wirkliche 
Weg  zur  Wahrheit  sei.  Dies  bezeugt  seine  geistige  Unabhängigkeit  uud  zu- 
gMeh,  wie  die  Herbartschen  Prindpien  ihm  doch  nicht  das  unverrückbare  Ideal 
einer  Grundbjrp  f-:ir  pRyr]ir>l(>ni^:'  --^ind.  Jlit  ?niner  Geistes^ffh! rfo  wäre  er  viel 
weiter  gekommen,  wenn  er  seine  Forschungen  auf  das  Fundament  der  Alten 
aufgebant  hätte.  Wir  sind  zudem  durchaus  nicht  der  Bfeinung,  die  ver- 
derblichen Folgen  für  die  Volksschulen,  die  wir  eben  angedeutet,  träten 
fkberall  ein,  wo  (Irr  Lehrer  die  Herbartschen  Principien  als  Grundsätze  für 
die  Pädagogik  aammmt.  Die  Natur  der  Dinge  ist  eben  starker  als  alle 
Tbeorie  ond  fetbieCet  in  der  Pnuds  Anwendungen,  die  man  tbeoretisch 
machen  möchte.  Die  Herbartschen  Principien  nun  sind,  im  Gegensatze  zu 
denen  des  heil.  Thomas,  durchaus  gegen  die  Natur  der  Dinge;  rie  sind 
zumal  gegen  die  Natur  der  menschlichen  Seele. 


Pro/.  />r.  Julius  Marquardt:  De  fiiudamentis  prin- 
dpü  illiu  reiflxi:  Lex  MIm  mom  obligat.  Brambergae 
1889. 

Den  index  lectionum  der  theologischen  Lehranstalt  zu  Braunsberg  für 
das  Winterssfflester  von  1689  leitet  eine  Abbandlnng  ein  flbev  das  Orand* 
princip  des  Prob.ibilismus :  lex  dubia  non  obligat.  Der  Verf.  (ibergeht  den 
Haaptpankt  der  Frage.    Nicht  danun  handelt  es  sich  nämlich,  daTs  ein 


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118 


Litteransehe  Bespreciiangeii. 


Gesetz,  welches  nicht  hinlänglich  gekannt  wird,  keine  uubtidingt  verpflich- 
tende Kraft  hat,  sondern  diee  steht  in  Frage,  ob,  im  Falle  mehrere  Irründe 
sprechen  fttr  die  Existenz  des  Gesetzes  als  für  die  Nichtexistenz,  dann  der 
Mensch  gegen  das  'lefi'^tz  handeln  ilarf.  Und  da  hätt»'  (h^r  Vorfa^ser  diV 
Entacheiduflg  uu  hl.  Alpboosua  geluaden,  der  von  den  i^liatLÜ>teD  ja  uberaua 
hoefa  erhoben  irird.  Im  raonle  8;jrstMiis  heiliit  es :  OofOdai  opinio,  qnaa  ttet 
pro  lege,  videatar  certe  probabilior,  ipsam  omnino  sectiui  tenemur;  nee 
possiimus  tunc  o|»po«iitam.  <juao  stat  pro  lihortate,  sm]>lecti.  Ratio,  qui* 
ftd  licite  operaudum  debemus  in  rebus  dubua  veriiatem  inmiirere  et  se^ui. 
At  ttbi  veiitu  ol«»  ioTeiiiri  iwqnit,  tenemur  implecti  edtem  opinionem 
illam  quae  propius  ad  veritatem  acocdit,  quae  est  opinio  proba- 
bilior. .  .  .  Äd  licite  operandum  non  sufäcit  sola  probabilitas  .  .  .  ^ 
unde  in  praefata  dissertatione  f  als  um  reputavi  effiatum  illnd  oommime 
inter  Probabilistas,  nimirum:  iQui  probabiliter  agit»  prudenter  agit*. 

Es  ist  dies  eb^-n  uich  ein  Gosot/,  dafä  die  menscliliche  Freiheit  eine 
Temünftige  ist  und  somit  dem  Urteile  der  Yemunlt  zu  folgen  bat  Di» 
Vernunft  nun  vermiUelt  den  Grand  fClr  das  moralieefae  Handeln;  wie  weit 
demnach  «twas  begründet  erscheinet,  soweit  ist  es  vernünftig.  Wo  also  mehr 
Grunde  sind  für  dio  eine  Seite,  wie  für  die  c^eijenüberstohende,  ist  C8 
grundlos,  ieuteiür,  im  Gegensätze  zur  ersteren,  auzubängeu.  Dieses  GdseUb 
ist  kein  zweifelhaften. 

Der  \rerfas8er  fülirt  zudem  den  hl.  Thomas  an,  indem  er  dessen  Texte 
80  aus  dem  Zusammenhange  losreifBt,  dals  der  Sinn  verändert  wird.  Th. 

allerdings  (17  de  verit.  3):  NuUus  ligatur  jper  praeceptum  aliquod 
nisi  mediante  soientia  üUus  praecepti;  aber  er  fügt  liinzu  —  und  diea- 
wird,  wie  nach  ausdrücklicher  Übereinkunft,  von  allen  probaMlistischea 
Autoren  ausgelassen  ~  nisi  quatenus  teuetur  scire  praeceptum, 
und  wie  dies  zn  verstehen,  ertrllrt  er  im  Verfolge  des  Artäela.  Danaeh- 
hat  nämlich  Patutius  ganz,  recht  und  Sylvins  i'S.  10  und  11)  widerspricht 
ihm  durchaus  nicht,  wenn  er  sa^'t;  T/e;_'es  divinas  ab  aeterno  promulgatas 
fuisse  et  u.sque  ab  aeterno  obiigandi  httbuisse  virtutom  (Kraftl,  priusquani 
creatorae  legem  audireut  et  cognoscerant.  Von  vornherein  nämlich  ver- 
j/fli  ht  "n  die  Gesetze  Gottes,  die  hier  gemeint  sind.  Sobald  der  31«  i]>  h 
zum  Gebrauche  seiner  Vernunft  kommt,  ist  er  nämlich  verpflichtet  (teuetur)^ 
dieselben  zu  kennen,  sowie  er  verpflichtet  ist.  nach  seinem  mit  der  Natar 
und  somit  von  Gott  gegebenen  letzten  Zwecke  zu  streben  und  darüber 
nachzudenken.  Patutius  also  spricht  von  „virtute",  während  Sylvia.>  be- 
tont, daXa  die  erwähnten  Gesetz  actualiter  nicht  binden  von  Ewigkeit^ 
SSe  kjlinnen  ja  ganz  wohl  die  Kraft  haben,  sa  binden,  von  Ewigkeit;  aber 
sie  binden  that.saclilich  erst,  wenn  jener  existiert,  der  gebunden  werden, 
soll.  Der  Verfasser  würde  jedenfalls  zu  einem  andern  Resultate  gekommen 
sein,  wuuigsteus  mit  Eücksicht  auf  Thomas,  vvuuu  or  nicht  der  Gewuhuheil 
der  Probabilisten  gefolgt  wSie^  blolii  kune,  ans  dem  Zuaammenhange  ge- 
rissene Stellen  anzuführen,  anstatt  dem  Zusammenhange  selber  zu  folgen.. 
Im  Angelicus  findet  sich  kein  Artikel,  den  im  Zusammenhange  die  Proba- 
bilisten, auch  nur  von  ferne,  für  sich  anführen  könnten. 

Ür*  Friedrich  Marbach:  Die  Psycholo/^ie  des  Firmianns 
Lactautins.  Ein  Beitrag  zur  (üescliiclite  der  Psyclitilogie« 

Halle,  Pfeffer, 

Wir  haben  hier  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Losung  von  Schwierig 
keiicu  au8  der  Psychologie  vor  uns,  soweit  die  Geschichte  der  diesbezüg« 
liehen  Forschungen  solche  Lösang  erleichtern  kann.  Der  Beitrag  ist  uob 


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littanritohe  BeipnehiiiigcD. 


119 


m  wcrtroUer,  als  er  sich  von  der  Verquick  ting  dee  Lehre  des  Lactanz  mit 
dan  oft  höchst  konfusen  Ansichten  der  modernen  Wissenschaft  über  di»- 

men'jfhlichf»  Seele  freiliSlt.  Es  worden  objektiv  die  einzelnen  Meinungen 
des  tferuhmten  Rhetors  aus  dessen  Öchriften  vorgelegt  und  damit  der 
prakÜMlw  Btuvis  gefilhrt.  wie  MHigf  das  Chrittentnin  SIfentlich,  mit  aller 
mujjlichen  Beatiramtheit ,  Stellunf?  nahm  für  die  Wahrhoiton,  welche  die 
t>lofse  natürliche  Vernunft  w!ss<>nschaftlich  beii^ründen  k;uni  und  dio  deshalb 
bereits  vor  Christus  von  einzelnen  Philosophen,  wenn  ain  h  unvollkommen^ 
^'«fanden  Warden.  Kboib  war  dM  Christentum  alaHoli^Mon  vom  römi.'^chen 
Weltreiche  anerkannt,  wurde  nach  den  verschiedensten  Seiton  hiix 
dargethan,  daüs  der  geoffenbarte  Glaube  der  innigste  Freund  ist  alles  des 
CMitm  and  Wahren,  was  in  d«B  nenaehL  Ftotchungen  lioh  findet 

Nach  einer  Einleitung,  die  von  diesem  Gesichtspunkte  ausgeht,  be> 
handelt  im  er^^ten  Teile  der  Verfnsser  die  Realität,  die  Substanz,  die  Ent- 
stehung, die  Einheit,  den  Sita  und  die  Thätigkeit  der  Seele,  <Ue  Sinoes- 
phrsiologie,  Sprachtfaeorie  and  Erkenntniaffthigkeit  dea  Heoedien.  Au» 
»iieser  einfach  n  Aufzählung  ist  bereits  zu  ersahen,  wie  reichhaltij^  die 
Ausbeute  ist,  welche  in  den  <las  Sein  der  Seele  betreffenden  Fraj^en  der 
Verf.  gemacht  hat.  Wenn  er  Zweifel  zu  haben  scheint,  ob  Lac. tanz  nicht 
in  der  That  die  Seele  fiir  etwas  Körprliches  gehalten  habe,  oder  wenn  er 
darauf  hindcntet,  daf^  der  betr.  KirchonHchriftsteller  mit  sich  seibor  in 
diesem  Punkte  noch  nicht  einig  geweaen  sei,  so  möchten  wir  betonen,  daTs 
b«l  den  Alten  oorpnt  fiberbanpt  sehr  oft  für  Snbetanx,  für  etwts  In  sich 
SelhatindigM  genommen  wird,  nicht  gerade  immer  im  Migeren  Sinne  für 
etwas  Ansgedehntes.  Dahin  gebort  die  bekannte  FrRf?e  Tertullinns:  ,,Wer 
leugnet,  dafs  Gott  ein  Körper  sei",  quis  neget,  Deum  esse  corpus?  £s  ist 
j»naeii  der  ganzen  Lehre  TettnlUana  gar  nieht  daran  in  «weifein,  daft  er,  mit 
allen  Obrigen  Vätern,  Gott  für  l  iiuMi  rrinen  Geist  gehalten  hat.  T^'nd  so  werden 
auch  körperliche  Eigenheiten,  wie  dunn,  dicht,  oft  von  der  Seele  im  über- 
tragenen Sinne  ausgesagte  ^Vu8  die  Einheit  und  den  Sitz  der  Seele  an- 
belangt, so  hat  der  Verf.  übersehen,  dafs  Laetana,  i^eieliwie  die  gesamten 
Vater,  unterscheidet  zwischen  der  Substanz  —  anima  —  oder  dem  Wesen 
der  Seele  und  deren  Vermögen.  Die  Vermögen  haben,  je  nach  ihrer  Thätig- 
feeH,  eineD  veteehiedeBen  m  In  den  Tereraiedenen  Oi^nen.  Die  Bnhctanx^ 
der  Seele  tet  überall  im  Körper  ganz.  Das  Vemunftvermögen  oder  der 
Geist  —  mens  —  hat  seinen  Sitz  im  Gehirne,  wie  Lactanz  raeint.  nicht 
weil  ee,  dem  Wesen  seiner  Thätigkeit  nach,  an  den  Ort  gebunden  wäre^ 
aondeni  weil  die  Phantnaiebilder  ihm  den  Gegenstand  aeiner  Thätigkeit 
vorhalten,  kraft  <\pron  es  das  Allgemeine  oder  die  Ideeen  abstrahiert  von 
d«i  einzelnen  im  Stoffe  befindlichen  Wirklichkeiten.  Interessant  ist,  wio 
der  Verfasser  die  Stellen  hervorhebt,  in  denen  Jjactanz  die  Erschaffung 
Mder  einzelnen  Seele  von  selten  Gottes  betont.  Man  sieht,  wie  mit  Besag 
darauf  «iie  An^ii^htf^n  fl^s  Origenes  ber^it-^  in  ilcr  Kirche  tibenviindon  waren.. 
Wir  möchten  jedoch  nicht  so  allgemein  i;ehaupten,  ein  grofser  Teil  der 
KiieheiiYiter  m  dem  Kreatinniemna  entgegen.  Von  eigentliehen ,  an- 
erkannten Kirchenv&tern  könnte  hier  nur  Auguatin  in  Betracht  kommen. 
Dieser  aber  behauptet  nicht  den  Generatianismus,  sondern  betont  blofs  die 
Schwierigkeiten,  welche  der  Kreatianismua  den  Verteidigern  der  Erbsünde 
kietet;  er  wül  aieh  aber  weder  für  die  dno  noch  für  die  andere  Smte  ent- 
scheiden. —  Spricht  Lactanz  von  der  Bewegune  ier  S^le,  su  ist  dieser 
Ausdruck  im  weiteren  Sinne  zu  verstehen;  wie  nämlich  Aristoteles  und 
nach  ihm  Thomas  sagt,  dafs  intelligere  ebenfalls  quoddam  moveri  sei.  in 
dem  Sinne,  dafs  die  Vernunft  in  Thätigkeit  tritt,  nachdem  sie  im  Vermögen 
dalär,  also  nidit  thätig,  war.  Daa  inteliigoro  oder  geistige  Veratehen  wird 


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120 


Litt^rarisolie  B«>spreohungen. 


<b  ah  actus  perfeeti  bezeichnet  und  die  »toffli'  h-^  B'^wpErnn^r  vrn  Ort  ru 
Ort  als  actus  imperfecti,  insofern  nämlich  die  Vernuuft  ih&üu  ist,  um  su 
leiten  oder  zu  bestimmen  und  zu  rollenden,  der  Stoff  aber  bewegt  wird» 
nm  foo  aoTsen  her  j^eloitet  und  bestimmt  zu  werden. 

Der  zweite  TmI  bespricht  das  Handeln  der  Seele  und  dab«  den  Wert- 
unterschied zwischen  Beeie  und  Körper,  die  Wilien^freiheit,  den  Unterschied 
«wis4diwi  Menaeli  nnd  Her,  di*  Affskte  Im  allgemeinen,  den  Zom,  die  Un> 
Bterblichkeit  und  doron  Beweisgründe ,  mit  denen  Lactanz  den  Lucrez 
widerlegt.  £s  dürfte  hier  noch  mehr  wie  im  ernten  Teile  betont  werden, 
dafö  Lactanz  kein  dogmatischer  oder  philosophischer  Autor  ist.  der  den 
Ziredc  litt,  sehwierige  Punkte  aus  der  Philosophie  oder  Dogmatik  vorzu- 
legen und  7U  erläntr^rn  Lactanz  schreibt  für  die  grofse  Öffentlichkeit. 
8ein  Zweck  ist  vorzugsweise  ein  apologetischer.  Duidi  eine  glänzende 
rhetoTiaeh«  Form  sacht  er  die  cbristHebe  Wahrheit  ancib  fftr  Ungläubige 
freniofsbar  zu  raadien.  Es  kann  da  ^anz  wohl  vorkommen,  dal's  vor  der 
strengen  theulogischon  Kritik  manclie  seiner  Ausdmckswei&en  oieht  zu  be- 
«tehen  vermag,  wenn  sie  auch,  richtig  und  zumal  nach  der  damaligen 
AnffMeangr  erlllrt,  einen  angemMeenen  Sinn  lalasaen. 

Idc,  Jos.  liautz:  Omndzü^e  der  kath.  Dogmatik.  Zweiter 
Teil:  1)  Die  Lehre  vou  Gott  dem  SehOpfer;  2)  die  Lelire 
von  Gott  dem  Erlöser.    Mainz,  Kirchheim;  206  S. 

Es  ist  viel  enthalten  auf  verhältrüämäi'si^  wenigen  Seiten.  Aber  man 
kann  nicht  sagen,  dafs  unter  der  knappen  Form  dis  Korrektheit  des  Inhalte 
leidft.  Wnr  die  kathnlische  Lehre  nach  ihren  verschiedenen  Snit^n  hin 
klar  hingestellt,  positiv  begründet  und  die  £inwände  dagegen  kurz  und 
bündig  zurückgewieeen  aelim  will,  dem  iet  mit  dieeeo  „Grandtfigen**  ge- 
dient. Ein  eingehenderes  Studium  kann  sich  j^auz  wohl  daran  anschlieräen ; 
denn  der  Verfasser  verzeichnet  mit  Sorgfalt  und  guter  Auswahl  die  ein- 
«clilagliche  lättentur.  Tiefere  spekulative  Erurterungou  darf  man  freilich 
nicht  hier  surhon:  der  Verfasser  schliefst  sie  bereits  durch  den  Titel  an«. 
Die  Lelif"  v. n  (J.tt  Ai^m  Schöpfer  behandelt  der  Verf.  in  vier  Abteilungen. 
Dieselben  liaben  den  Titel:  Die  ächöufung  im  allgemeinen,  die  Werke  dei 
fidiöpfung  im  beeoiMteren,  die  gOtil.  vorsehnng,  die  Sfinde  in  der  Menedien* 
weit.  Es  kommen  also  da  zur  Sprache  die  Freiheit  der  Woltschöpfung, 
<lie  Zeitlichkeit  der  Welt,  das  biblisrhc  Sechstagowcrk  mit  Znrfickweisung 
des  Darwinismus,  die  Entstehung  der  menschlichen  So^de,  der  UuUjrschied 
«wilohen  Natürlichem  und  Übernatürlichem,  die  Ur-Gerechtigkeit  im  Pan* 
diese,  der  Siin  l' ufall  der  Engol,  die  Erl)siinde  und  im  Anschlüsse  daran 
-die  unbefleckte  Empfängnis.  Im  zweiten  Teile  wird  die  Lehre  vom  Erlöser : 
den  beiden  Nataren  und  ihrer  hypoetatteehen  Einigung  behandelt  tmd  im 
Anschlüsse  daran  das  Werk  des  Erlösers ,  die  Erlösung  im  allgemeinen  und 
das  dreifache  Amt  Christi,  besprochen.  Keine  der  zahlreichen  an  dieee 
Punkte  sich  anschliefsenden  Kontroversen  ist  unberücksichtigt  gelassen.  Die 
Leime  von  der  Cr-Gerochtigkelt,  der  Erbsande  und  der  nnbefleekten  Em* 
pfänpnia  hätte  an  Klarheit  und  innerem  Zusammenhange  noch  gewonnen, 
wenn  sich  der  Verf.  streng  an  Thomas  gehalten  haben  würde«  der  bekannt- 
Uoh,  mit  allen  alten  Sdiolaatikem,  annimmt,  das  Weeen  der  Ür-Qeieehtig- 
keit  habe  sich  im  Bereiche  der  natürl.  Kräfte  gehalten,  ihr  Ursprung 
aber  sei  «in  übernatürlicher,  nämlich  die  heiligmachende  »rn  idc  in  Adam, 
und  danacii  sei  die  Ur-Gerechtigkeit  selber  etwas  ÜbematuriicUes,  aliquid 
«npematttzale,  wenn  anoh  ihrer  Substanz  nach  keine  gmtia. 


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Idttonriicli»  BMpittchaiigeiL 


121 


«T«  WaffeUnati  CenfeuariM  rii«  iutttafiis  id  im- 
pVfniaidan  ^UlSttkaniiail.  Brngis,  Yandenberghe-Denattz, 
1889. 

Mit  der  logischen  Schärfe,  reichen  Beleseaheit  und  der  gereiften, 
ernsten  Urteilskraft,  welcho  den  Vnrfasjjor  auRzeirhner,  b«^kärapft  in  diesem 
Schriftchen  der  rühmlichst  bekannte  Moralist  zu  Brusge  die  äüode  der 
Gotteslästerung,  indeni  er  dem  Beiohtrater  die  wahre  Benweie  dieeer  Sttade 
lehrt,  sowie  die  Art  und  Wpirp  ihrer  Pethätiganp.  und  ihm  «lie  Itesten 
Mittel  an^bt,  mit  den  verschiodenon  Klaaeen  der  Gotteelästerer  zu  deren 
fihite  im  Bfiidititahle  zu  verkehren.  Es  handelt  sich  hier  um  eine  wahre, 
leider  immer  weiter  um  sieh  greifende  moralisuhe  Pest  Und  nicht  am 
wenigsten  befördern  jene  Boiohtvritor  diese  Pest,  die,  weil  die  Sünde  der  Oottes- 
lieteruDg  eben  so  bautig  und  gowohnheitsmälsig  begangen  wird,  nelber  nadi 
«ad  tuiflii  aicli  die  Schwefe  denelbeD  ^rbefyen  und  nicit  mit  dem  gehörigeD 
Ernste  dagegen  auftreten.  Leider  helfen  darin  iminche  Moralbücher. 
Mögen  recht  viele  BeicJitväter  dieses  Schriftchea  letien.  Keiner  wird  ea 
vhne  Nutzra  für  seine  Seele  aus  der  Hand  legen. 

JPr.  Arthur  Könifh  Professor  der  Theologie:  DeP  katho- 
lische Priester  vor  1500  Jahren.  Priester  und  Priesiertum 

nach  der  Dar8tellun<;  des  h.  Hieronymus.  Breslau,  Adcrholz. 

Verübende  Schrift  ist  der  fast  unveränderte  Abdruek  einer  Reihe  von 
Artikeln,  die  im  „Schlesischen  Pastoralblatt"  voröflfeutlicht  \vurden.  Wir 
wflnediteo,  dala  sie  in  jedee  Frieeter»  Hände  käme,  so  belehrend  und 
herzerwMmtpnd  ist  sie.  Es  kann  «^ar  niclit  fehlen,  dals  dnr  Priostr-r,  welcher 
diese  Stellen  aus  Hieronymus,  wie  sie  der  Verfasser  verätauduisvoil  gemäXs 
den  prieeterHdica  ObUeflienheiten  mlteinaiider  veriranden  hat,  nieht  nnr 
lie.'t.  sondern  tief  betrachtet,  vun  heiliger  Begeisterung  für  seinen  erhabenen 
Beruf  erfüllt  wird.  Wir  sauren,  man  soUe  diese  Stellen  betrachten.  Wir 
heben  damit  nur  hervor,  was  mit  den  da  augeführten  Worten  des  heiligen 
Kirchenlehrers  wie  etwas  SelbstverständlidieB  verbunden  ist.  Man  kann 
eben  keine  der  vor^elcf^ten  Stellen  lesen,  ohne  unuillkürlioh  in  da^  '■i.r'?ne 
Herz  zu  greifen.  Vergleiche  anzustellen  und  entsprechende  Vorsatze  zu  tapsen. 

Man  eprioht  henteiitei^  viel  ▼om  verderolichen  EinfliiBae  dee  Stute- 
kirolientums  und  fordert  die  unbeschränkte  Freiheit  der  Kirche.  Gewifs 
mit  vollem  Recht.  Aber  worin  besteht  die  or«to  Bedingung,  um  diesem 
Kinlinsfte  vorzubeugen,  ohne  welcho  keinerlei  Kuinpf  gegen  solches  unbe- 
rechti<:T  ~  I  jnimschen  des  Staates  in  kirchliche  Verhältnisse  etwas  nützeu 
kann?  Der  Priester  achte  sieh  selb.^t.  Er  halte  seine  priosterliche  Würde 
für  zu  grofs,  als  dafs  er  bei  staatlichen  Behörden  um  eine  gute  Pfründe 
oder  dne  höhere  Stellang  betteln  gehe;  dednrdt  eetct  er  den  von  Gott  ihm 
fibertragenen  Stand  der  Verachtung  aus.  Deshalb  betonte  Leo  XIII.  in 
seinem  Briefe  an  den  Erzbischof  von  K5ln,  iri  w<  li  lioni  er  aussprach,  er 
hätte  die  Anzeigepflicht,  unter  noch  zu  besUmmuuUen  Modalitäten,  dem 
Steete  zu^'egt-tndeo  nnd  so  den  editns  zum  Frieden  geOffnet;  der  Papst, 
:i:rr'ri  v.ir.  K  t  nt'^,  es  seien  ja  nun  <lie  Priesterseminare  wieder  offen,  in 
wei(;hem  die  Kandidaten  des  Priestertums  mit  echt  prieeterlichem  Geiate 
•rflint  werden  htenen. 

I>eo  Xni.  wies  damit  auf  den  Anteil  hin,  den  jeder  Priester  dadurch, 
dafs  er  seine  Würde  achtet  und  damit  dem  echt  kathol.  Geiste  cfenür^t,  an 
der  Paraljsiemng  alles  unberechtigten  Einflusses  von  selten  des  Staates 
nehown  Junn.  Sei  jeder  Friester,  im  Bewafetiein  der  Aoserwihlung  von 


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122 


L?tteraris«"he  Bes]irecbnngcn. 


oben  her,  dio  ihm  zu  teil  i^owordcn,  innerli<-h  unabhlngig;  dMUi  Itt  dtOi 
sog.  Staatskircbentiime  (ior  GifUahn  auegebrocbea. 

Wir  müssen  je<les  Extrem  vermeiden.  Das  eine  ist  so  gefährlich  wie 
das  andere.  Bis  hinauf  zur  Wahl  der  orstea  Diakone  bat  die  Kirehe  stets 
©inen  gewissen  Anteil  an  der  Auswahl  ihrer  spedellen  Diener  den  Laien 
bewilligt.  Die  Art  und  Weise  dieses  Anteils  ward,  je  nach  den  Uib- 
•tfinden,  frai  bettimiiit  von  der  bOdbsten  kirdilidien  Obri^'k^it  Nie  bat  die 
Kirche  gewollt,  dafs  ihr  Priestertum  eine  vom  Volke  ab^jeschlossene  Kaste 
sei,  die  sieh  rein  aus  sich  ergänze.  Das  finden  wir  wohl  bei  vielen  Sekten ; 
jedoch  nie  bei  der  Kirche  Gottes.  Diese  will  im  besten  Sinne  des  Worte« 
eine  Volks-,  eine  katholische  Kirche  sehi,  wo  dte  OlAufaigen  folgen  den 
einmal  aufgestellten  Priestern,  diese  il  r,  wie  Augustin  in  seiner  Rej^l 
sagt,  „in  ihrem  Herzen  zu  Füfsen  liegen  den  Gläubigen''  und  deren  Bestes 
allein  zur  mafs^febenden  Richtschnur  ihres  Handelns  machen.  Das  besondere 
Priestertum  in  der  Ivircho  dient  dem  Allgemeinen ,  kraft  dessen  jeder 
Gläubige  sich  selbst,  nämlich  seinen  Besitz,  seinen  Körper  und  seinen  Willen, 
geistiger  Woiso  aufopfert  dem  Allmächtigen.  Dies  ist  dio  heilige  £inheit, 
welche  die  Kraft  der  Kirch«  bildet  Viecher  Priester  am  vorsfiglicbttMi 
un<l  am  eifri»,'sten  dient  dem  Besten  der  ihm  anvertrauten  Seelen  und  des 
l^anzi^ri  fhrisllichen  Volkes,  der  wird  seiner  Würde  und,  Mtsen  wir  dam, 
geiiuT  iiurdö,  am  ersten  gerecht  werden. 

Diese  Gedanken  wurden  unwillkürlicli  in  unaerm  Innern  lebendig,  als 
wir  in  dieser  neuen,  p-isterliebenden  Schrift  des  Horm  Verfassers  die  Worte 
lasen,  mit  welchen  üieronymus  die  Erhabenheit  der  priesterlichen  Würde, 
die  Wichtigkeit  nnd  den  weiten  ümfang  der  dasn  erfonlerlea  Vorbereitung, 
die  dem  Priester  nötigen  Tugenden  und  die  hocherhabenen,  schwerai 
liegenheiton  des  priestorlichen  Amtes  schildert.  Die  Bildunj?^  cles  HeraaiMI 
durch  die  schwersten  Tugenden  ist  da  niuht  minder  crheibcht  wie  dfo 
Bildung  des  Verstandet  durch  alle  Arten  von  Wiisensdiaft  lUn  darf 
beim  I'rifster  niebt  fragen,  was  ist  ihm  notwendig;  .nan  miifs  da  vielmehr 
fra{,'en,  w;is  ist  ihm  nicht  notwendig.  Profan  Wissenschaft  j^'ozienit  sich 
iVir  den  Priester  ebenso  gut  wie  die  eigentl.  theologisoho  Wissenschaft. 

Der  Verfasser  charakterisiert  kurz,  aber  treffend  dio  Frage  nach  dem 
Kutzi  11  ler  heidnischen  Autoren  tiir  (I  mi  Trii  ster.  Dies  steht  ja  nicht  in 
Frage,  ob  (iberhaupt  <lie  sog.  klassischen  Autoren  gelesen  werden  sollen. 
Wer  die«  bestreiten  wollte,  wftrde  ddi  mit  dem  ganzen  ehrietl.  Altertum 
nnd  mit  der  ganzen  Scholastik,  den  Aquinateft  an  der  Spitze,  in  Widern 
Spruch  setzen.  Aber  dies  ist  verkehrt,  dafs  man  die  klassiseljen  Autoren 
zur  Grundlage  aller  weiteren  Entwicklung  im  Schüler  macheu  wüL  Das 
Chriatentnm  soll  danach  erst  sidi  aafbaaen  aof  der  sog.  klassisehen  Rüdung. 
Wollte  man  der  Weisung  folgen,  die  der  hl.  Hieronymus  gibt  und  zuerst 
das  Herz  und  den  Verstand  des  Knaben  stufonweiso  durch  di->  Wahrlieiten 
der  heil.  Schriften  bilden,  wie  dies  von  unserm  XirchenleLirei  6.  22  ge- 
schildert wird,  so  wiirde  daa  Stodinm  dos  klassischen  Altertums  vielmehr  den 
Gesichtspunkt  les  Scbfilers  erweitern,  als  dafs  es  denselben  j'  t^t  -ft  beengt 
und  ihn  von  der  Wertschätzung  der  Übernatürlichen  Offenbarung  abzieht. 
Der  Sebikler  wttrde  den  Sinn  auifassen,  welcher  den  mjthologiiehen  IdNML 
des  Altertums,  gemäb  dessen  ernstesten  Vertretern  selbttr,  iattSunHint,  w&lii«nd 
er  jetzt  oft  genug  nur  das  Läppische  und  T'^nreine  ui  selbigNi  behilt  ttnd 
allmählich  sein  eigenes  Uorz  dadurch  verdirbt. 

Es  ist  vellständiii^  Terfebli.  unreifen  Kindern  als  Geistesnahning  Ideeen, 
dio  sich  im  Ovid  ..der  auch  im  Horner  <AeT  Virgil  finden,  z'i  bieten;  es 
mlUste  d'»n!i  damit  zum  mindesten  Hand  in  Hand  'j-'^h'Mi,  und  zwar  niif 
Seiten  ein  und  denselben  Lehrers,  die  ernste  unu  an^iehentle  i:.infithruug  m 


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Sttzungüberidit  der  St  ThomaB-Akademie. 


123 


die  Rchöoea  Wahrheiten  des  Chhätentums,  wie  solche  in  den  h.  Schriften 
nad  in  il«o  Büchern  der  Väter  sich  find«.   Oegen  das  klaaaia^  Heidon- 
tum,  welches  so  viel    fnuhtbare  Ideeeo,  einzig  mit  Hilfo  der  natttri.  Vor 
nanft,  erkannt  hat  und  in  gewähltester,  unerreicht  dastehender  Form  vor- 

iat  niemand«  der  von  wahrhaft  katholischem  Geiste  erfüllt  i«t.  Aber 
gwen  das  verdorbene  Heidentum,  gegen  welches  die  ersten  Leuchten 
selber  der  heidnisr^h'  n  Wnsenschaft  und  Kunst  gekämpft  li.iben,  mufa  sieh 
lader  Cbnat  und  jegUcher,  der  den  fortscbritt  des  Menschengesohiedits 
liebt,  mit  aller  Eiäft  wenden.  Diews  verdorben»  Heidentan  beateht  daiio, 
dafä  man  den  Menschen  abschliefsen  will  gegen  alles  Höhere,  Geistige;  und 
besonders  heutzutage  besteht  es  darin,  dafs  man  die  sogen,  klassischen 
Autoren  mit  aller  Gewalt  in  Gegensatz  bringt  zum  Christentum  und  somit 
aum  wenifcsten  die  gröfsto  Indiffereuz  gegen  die  Olfenbamng  ans  ihnen 
schöpft,  w  ilii  *  ri  l  loch  in  Waiirlieit  die  I>ehren  dieser  letzti^ren  die  Samen* 
kömer  der  natürlichen  Vernunft  nur  befruchten  können  und  zu  höherem 
Leben  befähigen. 

Hiavonymus  leUMr  war  ja  in  der  ganzen  klassischen  Litteratur.  wie 
kanm  je  einer,  bewandert  Aber  i)un  diente  sie,  um  desto  höht>r  zu  schätzen 
die  Weisheit  Christi,  wdoh«  berufen  war,  der  schönen  form  der  Alten  erst 
iluwi  «ogeoieeaenen,  den  ICenioliengeiat  beeeligonden  Inhalt  zu  gehen. 

£a  wäre  sehr  zu  wünschen,  dafs  solche  Aussprüche  über  das  katholische 
Pri«®terarat  und  dessen  erhabene  Obliegenheiten  auch  aus  andern  Vfitern 
gesammelt  würden.  Derartige  Arlnnten  wurden  geeignet  sein,  jenen  Geist 
echt  priesterlicher  Opferwilligkeit  und  innerlicher  Unabhängigkeit  wieder  zn 
entzünden,  welcher  in  den  Jahrhunderten  der  grofsen  christliche:!  V  t^r 
so  Btouuenawertes  laistete.  Der  Herr  Verf.  hat  sich  durch  seine  Schrift 
Anapmeh  aof  Dankbarkeit  ron  selten  eines  jeden  Priesters  erworben. 

noiatoif,  Commeni,  Kieia  Sehleiden. 


SiUugsbericbt  der  St.  TlieHas-Akadeaie  in  Luxem.  1889 
und  ibm 


Das  genannte  Institut  hielt  im  Jahre  1339  sielten  Sit/.iiii;:en :  drei 
öffentlirho.  vr.  1- fieia  nicht  nur  die  Aktiv-,  sondern  auch  die  P  is-iv-Afir.'li  ler 


an  denen  nur  die  Aktirmi^lieder  sich  beteiligen.  Die  erste  dffentliehe 
Bitzung  fand  im  grofeen  Saale  des  Priesterseminars  statt  den  12.  März. 
An  derselben  hielt  der  Hochw.  Herr  Vice-Präses  Portmann,  Prof.  theol..  einen 
Vortrag  über  „Freiheit  und  Toleranz"  nach  den  Grundsätzen  der  EncjkUka 
Panst  Lee  Xm.  „de  lihertate  hwnana*'  (vd.  KathoL  8ehw«lMr>Blitter  1880. 
2.  Heft  .  —  In  der  zweiten  öffentlichen  Sitzung,  den  18.  Juni,  hielt  Hoehw. 
Herr  Pfarrer  Bieri  von  Komoos  einen  Vortra*^  über  ..  h'f  ^V^ltsf■h^•pfung  aus 
Xichts  nach  der  Lehre  des  hl.  Thomas".  (S.  cout.  Guat.  i.  il.  c  15.  lü.) 
fir  aaigte  dahei,  wie  der  hl.  Lehrer  die  Irrtümer  des  modernen  iMaterialia» 
mu8  zum  roraus  wid*  rli  -t  hat  (vd.  KathoL  Schwz.-Bl.  1890.  1.  Heft).  — 
Hieran  sohlofs  sich  eiu  Vortrag  vom  Hochw.  Herrn  Präses  N.  Kaufmann, 
Pkiof.  philoa.,  fiber  Giordano  Bruno,  sem  Leben  und  seine  Lriire.  DerVor> 
tragende  wies  nach,  dafs  die  Lehre  des  von  d^  Freidenkem  gefeiorten 
Bruno  eine  Verbindung  des  materialistiscben  Hylozoismus  mit  pantbeisti!^eher 
Afteimjrstik  enthalt,  und  der  tiefere  Grund  der  Bruno-Feier  in  Kom  darin  zu 
sadien  ist,  dab  derNolaiMr  als  YorUnfer  dea  modernen  Monismoa  hetnohtet 
wird.  „Viß  moniitiiefae  Wisseoichaft  in  Dentsehlasd  erkennt  im  Pantheismna 


Ur.  C.  M,  Schneider. 


124  Sitzungabeiidit  dei  St.  TliODi«>>Aka(l«niiei 


G.  BmiKMi  die  antizipierte  modernfl  Naturphilosophie",  so  schrieb  dar 
bekannte  Danvinianer  Professor  Hiickel  an  das  romische  Festkomitee,  an 
dessen  Spitze  der  Materialist  Moleschott  stand  ivd.  Xatb.  ächwz.-Bi  1889. 
8.  H«Ai).  —  "bk  dar  diittao  Mfenflidian  Sitiung,  den  96.  November,  spradi  der 
HcM.hw.  Herr  Sekretär  Thürinp,  Prof.  theo!.,  über  „das  Autoiititaprincip  in 
der  meneclilichen  Ciesellschaft".  fS.  th.  II.  II.  Qu.  104  u.  105  Kr  zeigte, 
wie  wichtig  die  Betonung  des  Äutuiitätsprincipa  gegenüber  den  modernen 
Umsturztheorieen  der  Sozialdemokraten  ist.  —  Ferner  trug  der  Hodiw.  Herr 
Pf  irrnr  GfOtcr  von  Ballwil  vor  Aber  „die  MonOetotiatik  und  ihr«  Bedeu- 
tung iür  die  bozialethik**. 

la  den  Sitsmigeb  der  AktiTmitglieder  wurde  der  Dii|ratetioii  Ober  daa 
jeweilen  vorgetragene  Thema  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt,  während 
in  den  öffentliehen  Sitzungen  in  der  Rorrel  keine  Diskussionen  frebilteo 
werden.  In  der  Sitzung  vom  2ö.  Januar  referierte  Herr  Portmanu  über 
die  Encyklika  Leo  XHL  ,J>e  Ubertate  hnmana" ;  er  zeigte  dabei,  wie  sehr 
die  T/'hren  Aquinaten  vom  Oberbaupte  der  Kirche  in  diesf  r  hrrrlif  hf^n 
Kundgebung  des  nhilosophisch  und  theologiaGh  hoohgelnldeten  Pap6tes 
berfldEeieht^t  weraen.  Den  8.  Apifl  leferfeite  Herr  Thfiäng  In  Fettaeteoag 
der  letztjähngon  Erörterungen  in  betreff  der  Anthropologie  des  hl.  Thomas 
über  dessen  Lehre  von  den  menschlichen  Seelen  vermögen  inj  all^'emeinen 
^.  th.  1.  i^u.  77  u.  7ÖJ.  —  Den  29.  Oktober  hielt  Herr  Portinann  einen 
Vortrag  ftber  daa  System  in  den  Quaestiones  disputatae  dee  hl.  Thomas. 
Dieser  Vortrriir.  'Icn  der  Verfasser  in  erweiterter  Form  in  dieser  Zeitschrift 
zu  veröffentlichen  gedenkt,  wird  ohne  Zweifel  anr^n  zum  Studium  des 
bedentnngevolien  Werkea,  diu  oft  weniger  berCkikrieht^  wird  ala  dS»  beMen 
Summen  des  hl.  Lehrers.  —  Endlich  in  der  Sitzung  vom  27.  November 
sprach  Herr  X.  Kaufmann  über  den  Positivismus  des  französischen  Phi- 
losophen August  Comte.  (Veröffentlicht  in  den  Kathol.  Schweizer-Bl&ttem 
1880.  2.  Hft.) 

Im  Jahro  1890  wurden  acht  Sitzungen  Imlton :  Irri  öffentliche  und 
f{lnf  der  Aktiv-Mitglieder.  In  der  ersten  öffentlichen  iSitzung,  den  11.  Mära, 
apraflli  Herr  Portmann  Aber  „den  höchstro  Abschlofs  der  menaoUiehen 
^kenntnis  nach  der  Lehre  des  hL  Thomas".  (S.  theol.  L  Qu.  88.)  —  In 
der  zweiten  Sitzung,  den  17.  Juni,  sprach  Hochw.  Herr  Seminarregens 
Segesser,  Prof.  theol,  über  „die  Bestimmung  des  Menschen*',  „de  fine 
houinb"  (8.  ÜieoL  L  H.  Qa.  1—6);  Herr  Qrlter  trug  sodann  die  Fort- 
=rt?ung  seiner  Arli^^it  fiber  die  Moralstatistik  vor.  —  In  d-'-r  flritt^n  5ffont- 
lichen  Sitzung,  den  18.  November,  führte  Herr  Thünng  die  Lehre  des 
Aquinaten  fiMr  die  Willensfreiheit  vor  „de  libero  arbitrio".  (S.  theol.  I. 
Qu.  88.  ef.  I.  II.  Qu.  10.)  £r  widerWte  dabei  auch  die  Einwürle  modemer 
Gegner,  —  Sodann  referierte  Herr  N.  Kaufmann  über  die  Sitxnng  der 
philosophischen  Sektion  der  Görres-Gesellschaft  zu  Augsburg,  den  8.  Sept 
1890,  oeeondera  Uber  Beinen  Vortrag  „daa  Ksnaalitfttaprindp  vnd  aeue 
Bedouturii;  in  der  Philosophie".  (Wird  Im  philoe.  Jabrbndi  dar  GSnea- 
Gesellschaft  veröffentlicht  werden.) 

In  den  Sitzungen  der  Aktiv-Mitglieder  wurden  folgende  Themata  be- 
handelt: In  der  Sitzung  Tom  81.  Januar  trug  Herr  Thttring  vor  über  die 
intellektiven  Vermögen  der  menschlichen  Se^'Te  „de  potmitiis  intellectivis" 
(S.  tbeoL  L  Qu.  79);  den  28.  Februar  sprach  Herr  Ii.  Kaufmann  über  die 
Thitigkeiten  dee  Intellektee  (8.  theol.  f.  Qn-  84  ff.)  vnd  referierle  dabei 
über  seine  Kontroverse  in  botreff  der  thoraistischen  Erkenntnislehre  mit 
Pfan-f  r  Isnikrahe  (v<l.  Philo«  Jahrbuch  der  G.-G.).  —  Den  17.  Juli  führte 
Herr  Piarrer  Grüter  ein  Bild  vor  von  der  Kanzelberedsamkeit  des  be- 
itthmten  Predigen  in  der  Notre  Dane  in  Fiuia,  F.  Meneabr«  0.  P.;  er 


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ZeiUcbriftenBebftii. 


Migte,  wie  sehr  dieser  ICanzelredoer  die  Lehre  des  hl.  Thomas  in  seinen 
Yintitigm  bsrÜdEiiditigt.  —  Dm  9B.  Oktober  wurde  im  AnscblaA  an  einen 

bezüglichen  Vortrag  des  Herrn  Thürint,'  disputiert  über  die  Lehre  dea 
A<|uinateTi  mn  der  Willensfreiheit.  —  Endlich  den  16.  Dezember  gab  Herr 
jt'yrtiiiaiiii  iui  Anschlufs  an  seinen  früheren  Vortrag  über  die  Quaest.  disput. 
ein  gpeeielles  Beferat  über  die  Quaest.  „da  Veritate". 

Möge  die  St.  Thonias-Akademif  in  Luzem,  welche  zwar  in  hrsi  hndenen 
VerhiÜtiüssen  wirkt,  aber,  wie  der  Leser  aas  dem  obstebeuden  Bericht  ent- 
mihmaii  kann,  eine  dellwwiifate^  wiesenaehafUiehe  Tbätigkeit  entfaltet^ 
onter  dem  hohen  Ftotehtofat  der  tixdilicbea  Lehraotorftftt  atettfort  beafefloa 
gedeihen. 

Lazern,  im  Dezember  1890. 

N.  Kaufmann,  OinoQ. 
Pfof.  pbiloa^,  d.  2.  FrfiM«. 


Z£iTSCHRIFT£NSCHAU. 

Zeitooluriften  für  Philosophie  and  spekulative  Theologie. 

Annales  de  pMlosophie  chreticntie.  CXXI,  6.  u.  6.  Heft,  CXXIT, 
1.  Ueft  1891.  M.  m-hert:  La  mütaphysique  de  V  inconscieut  401.  Ch. 
Charaux:  L' Angelus  43(K  Ackermann:  La  notion  de  liberte  chez  les 
gnnds  plülosophes;  —  chez  8.  Thomas  et  les  scolaatiquee  (Fortsetzong; 
Tgl.  Y,  510  diopp!;  Jalirb.)  448.  Am.  Frauchi:  Le  rritirisme  et  la  scienoe 
moderne  497.  Ih.  DesdomU:  La  oontradiction  radicaie  du  detenninisme 
584.  X.  €M'Lapruiii€:  I*  pldloMphie  et  le  temps  pvteent  686.  A.  Sar- 
6ms;  Des  sjmboles  mathematiquM  qae  Ton  pourrait  employer  en  logique 
553.  CXXn,  58.  P.  Derennea:  La  dirision  des  facnltV's  de  Täme  d'apres 
les  scolastiques  567.  A.  Ackermann:  Les  facultes  de  i  ame  chez  les  andens 
et  chez  les  modenies  6M.  Dornet  äe  Vorqea:  La  peroeption  et  la  psycho- 
logio  thcraisto:  des  sens  externes;  de  la  vue  6.  Van  den  Gheyn:  La 
dehnition  de  la  reUgion  d'apres  S.  Thomas  36.  G.  Lechcdas:  La  geomethe 
des  espaces  u  parametre  posiüf  75.  Mgr.  d'Huht ;  Besome  des  Conferences 
de  Netre-Dame:  Lee  fondements  de  la  moralite  80. 

IMttis  Thomas.  Vol.  IV.  (Annus  XI)  11.  —  14.  fasciculus  1891 
P.  de  Grooi:  De  auctoritate  S.  Thomae  Aqu.  161.  193.  A.  ItoUlU:  Com- 
mentiria  in  quaeationee  D.  Ühomae  8.  tbeoL  ni  qn.  1—96  (Foraetinng; 
Tgl.  Y,  510  a.  a.  0.)  165.  196.  J.  S.  Chabot:  Commentaria  in  quaestiones 
D.  Thomae  S.  theol.  I  <|u  27—43  (Fortsetzung;  TgL  V,  610  a.  a.  0.)  169. 
201.  J.  It.  P.:  Quarta  via  6.  Ihomae  ad  demonsfarandam  Dei  existenUam 
(Fortsetniag;  Y,  510  a.  a.  0.)  172.  J.  B.:  De  ünraaeolata  B.  M. 
Virguüs  oonceptione  (Fortsetzung;  vgl.  Y,  5ln  n  a.  0.)  174.  21)5.  Semeria: 
Analjsis  actus  fidei  iuxta  Ö.  Thomam  et  iuxta  recentiores  theologos  (Fort- 
setzung; Tgl.  V,  510  a.  a.  0.)  182.  208.  Ermoni:  Commentarium  in 
Oposculum  S.  Thomae  Aqu.  De  Terbo  (Fortsetzung;  Tgl.  Y,  510  a.  a.  0.)  177. 
Vinati:  Belationum  df^finitio  ft  (livi'»io  ad  meutern  S.  Thomae  1R5.  Krmom: 
Existentia  dei  et  philo6ophu6  christianus  214.  Becundus  conventus  oecu« 
memeiia  doetoram  cathonconim  218.  Bphemaiidom  peitnetantiom  de  ze 
phüoeopbica  ac  tbtologim  annna  reoeniio  222. 


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126 


Neuo  Bttcher  und  derra  fiMpredkungmi. 


PUloMpblsehes  Jahrbuch.  IV.  Band  2.  Heft  1881.  Kaufmann: 
Das  Kaii8alitSte|Mrino{p  trad  tein»  Bedratnng  fSr  die  Pblloeophie  (S<^iiCi; 

vgl.  V,  511  a.  a.  0.)  106.  GutberUt:  Der  Kampf  um  die  Willeuafreiheit 
(Schlufa:  virl  X,  255  a.  a  0.)  119.  Wölfl:  Lotees  Metapbjraik  138.  ThM: 
Das  FuQdamcuUiiprineip  aller  Wisseuschaftan  161. 

B.  Aus  Zeitoohriften  yermitchten  Inhaltes. 

Stimmen  aus  Mnria-Laaeli.  XL,  3.  H^ft  Granärrath:  HhA  oa- 
<iugmatischo  Cliristaitimi  tSchlufs;  vgl.  V,  511  a.  a.  0.)  274. 

Theolo(ri»olie  Qnartelaehrift.  LXXIII.  i.  Heft  1891.  Schanz:  Dia 
Kirche  und  die  Bakramcnte  3.  Koch:  Die  Auktorität  det  hi.  Augoatia  lO 
der  Lehre  von  der  Guade  und  Prädeatiuatiou  95. 


NEUE  BÜCHER  UND  DEREN  BESPRECHÜNOEN. 

Alavx:  Le  problkna  religio  ux  aa  XIXe  siMe;  bespr.  hi  den  ÄntuUea 

de  philos.  ehret.  121,  696. 

BMnmker:  Das  Problem  der  Materie  in  der  griechischen  Philosophie 
(vgl.  Y,  öli  a.  a.  0.);  bespr.  vou  Adlhocli  im  Phüos.  Jahrbuch  4»  172; 
von  Offner  fai  der  Litt.  Bmtdtchau  17,  76  (Schliifr). 

Baninanii:  Geschichte  dor  riii!  '^nphio  nach  Tdt'Oon<i:ohall  und  BetreiMo. 
ixOth)  l'^W;  bespr.  von  Braig  ini  rhüo<.  Jahrbuclt  4,  163. 

Dul[>ante:  Coii4>6ndiuin  theologiae  <logmaticae  specialis.  Trient  1^90; 
besprochen  ▼on  Morgott  in  der  Litt.  JRund$duM  17,  108;  im  AuifutHnm 
Vlll. 

Dörholt;  Die  Lehre  von  der  Geuugthuung  Christi  (fgL  Y,  511  a.  a.  0.) ; 
liespr.  TOD  Seiler  in  der  Litt.  Bundsehau  17,  139;  im  .^«^lutMiiia  Tin,  44. 

Klbel:  Tlieologia  moralis.  Pad«it»oni  1881;  betpr.  In  der  Litt,  Bund' 
aeftau  17,  143:  im  Attgustinus  VIIT,  34. 

Lehmkuhl:  Theologia  moralis.  6.  Aufl.  Freiburg  ld90;  benpr.  im 
Auffustinus  VlII,  42. 

Lorenzell!:  Philosophii>  thr^oretioae  institutiones  seciünl'ini  doctritias 
Ari'itotilis  t  t  8.  Thomae  tntditae.  Bomae  1890;  beaprochea  im  Dism 
Thomas  4,  190. 

NaTiUe:  Le  libn  aridtie;  be8|v.  iu  doi  A$malw  de  pMloa.  eftrft. 

121,  477 

iNavUle:  La  acience  et  ie  materialisme.  Paris  1891;  bespr.  in  deo 
Annale»  de  phitoe.  t^it.  121,  699. 

Pesch:  Gott  und  Götter,  fieibuig  1890;  beepr.  von  Gutberiet  im 

Fkt'/os.  Jahrbuch  4,  185. 

Preyer:  Wissenschaftliche  Briefe  von  Gustav  Theodor  Fechuer  und 
W.  Prever.   Leipzig  1890;  bespr.  von  Pfeiffer  im  FhitOB.  Jährbnek  4,  168. 

Schuler:  Dor  Materialismus.  BerUu  1890;  beepr.  tob  Perser  in  den 
Stimmen  aus  Maria-Laach  40,  343. 

Vau  den  Oheyn:  La  religion,  son  origine  et  sa  defiuition.  Gand  1891 ; 
beepr.  in  den  Annalea  de  phÜos.  ehret.  121,  602. 

Werner:  Der  Paulinism  des  Irenaus.  Marburg  1889;  beepr.  TOU 
Funk  in  der  Theol.  Quartatuchriß  73,  151, 


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DIE  SYSTEMATIK  IN  DEN  QUAKSTIOXKS 
DISPUTATAE  DES  HL.  THOMAS  VON  AQÜIN. 
Von  Kanonikus  Professor  A.  PORTMANK. 

■et  

3.  Die  Quaest.  disput.:  de  veritate  uud  de  potciiLiu- 
—  Das  ausgesprochenftte  und  grofsartigste  System  der  quaest. 
disput  bilden  nnbedlogt  die  zwei»  auch  extensiv  gröfsten  Ab- 
handlnngen  de  ▼eritate  nnd  de  potentia.  Die  geschichtHche 
Betrachtnog  hat  gezeigt,  dafs  die  erntere  im  Anfang  der  öffent- 
lichen Lehrthätigkeit  des  Heiligen  in  Parie,  die  letztere  am 
Schlufs  der^lben  eben  dort  entstanden  ist  tind  gleichsam  die 
logische  Ergänzung  der  erstem  bildet;  ebenso  daA»  von  cp.  21 
de  verilalo  an  ein  panz,  neuer  Abschnitt  de  bono  beginnt,  der 
nicht  mehr  unter  deu  allgemeinen  Titel  pafst.  iJaruus  schlössen 
wir,  dafs  unter  den  zwei  Aufschriften  de  veritate  et  potentia 
eigentlich  drei  Abhandlungen  enthalten  sind:  de  veritate,  de 
bonitate  oder  volantate  nnd  de  potentia ,  welche  von  cp.  8  de 
potentia  an  geschlossen  werden  mit  einer  Betrachtung  der 
Trinität,  die  die  drei  Potenzen:  Macht,  Weisheit  und  Güte  in 
urhildlichcr  Vollkommenheit  und  persönlich  darfitellt.  Eine  über- 
sichlliche  Darlegung  beweißt  nun  auch  au8  Innern  Gründen  die 
svHtcmatijiiche  Zusammengehörigkeit  der  drei  Traktate.  Logisch, 
nämlich  unter  dem  ( jesichtspnnkt  der  trinitarischen  Urbildlichkeit 
würde  dabei  in  erster  Linie  in  Betracht  kommen:  de  potentia, 
weil  die  Uaeht  dem  Vater  appropriiert  wird,  allein  methodische 
Gründe  lassen  nns  hier  besser  historisch  vorgehen,  um  zn  sehen, 
wie  das  gante  System  ans  dem  ersten  Ansatz,  sich  ergänzend, 
heranswächst  nnd  so  kommt  zuerst  in  Betracht: 

a)  Die  qunost.  disput. :  de  veritate.  Wie  bereits  be- 
merkt, geht  die  Abhandlung  de  veritate  eij^ontlich  nur  bis  zu  qu.  21 
onler  besagtem  Titel,  von  wo  an  dann  de  bono  beginnt;  nur  bis 
hierher  wollen  wir  daher  auch  hier  den  (jegenntand  betrachten. 
Und  da  zeigt  sich  denn,  dafs  dieser  Traktat  vielleicht  die  uni* 
ver8t3ste  Brkenntnislehre  ist,  die  jemals  geschrieben  wnrde,  die 
in  gewaltigen  Konturen  die  ganze  Erkenntnisthatigkett  von  den 
höchsten  bis  zn  den  niedrigsten  Intelligenzen  in  absteigender 
Beihe  zeichnet:  in  Gott^  seinen  Ideen^  dem  Logos  der  Providenz 

Jfthrlmdi  Ar  PUloMpM«  «t«.  VI.  I 


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12Ö 


Die  Systematik  in  den  ^uaestiooes  disputatae  etc. 


und  FrädestinatioD,  qu.  1-^8;   in  den  Engeln  und  ihren  ab- 

«tcigendon  Erleuchtung'en  und  Lokationen,  qn.  8  u.  J);  ira  Manschen 
und  zwar  nach  seiner  iintiirlichen  und  ubernatiirlichen  Erkenntnis- 
weise  und  gegenseitigen  Heiehrung:  in  Vernunft,  Glauben,  Ekf*ia>e, 
uratändliclier  und  jenseitiger  Erkenntnis,  qu.  10  —  20;  und  endlich 
in  der  MeuKchheit  Christi,  in  welcher  sich  wieder  alle  abbteigend 
betrachtete  Erkenntnis  der  Kreaturen  in  höchster  Einheit  sammieU 
und  mit  dem  Ausgangspunkt,  der  göttlichen,  hypostatiaoh  verbindet, 
qu.  30.  Dies  in  kurzen  Zügen  die  grofsartige  Konzeption  dee  Ganzen. 

Eingeleitet  wird  daaeelbe  durch  eine  Abhandlung  über  die 
Wahrheit  im  allgemeinen,  de  "veritate,  qu.  1.  Es  wird  der 
Begriif  der  Wahrheit  bestimmt:  sie  ist  nicht  schlechthin  identisch 
mit  dem  Sein,  sondern  bezeichnet  eine  Beziehung  dazu,  nämlich 
die  adaeciualio  rei  cum  iulellectu  od.  intcllectus  cum  re  (sub- 
jektive und  objeklivo  Wahrheit),  a.  1.  Man  kann  nun  die  ilioge 
zunächst  auf  da»  göttliche  Denken  beziehen.  Insofern  sie  alle 
in  Gottes  Geist  ideell  vorgebildet  sind,  ist  die  Wahrheit  primär 
in  ihm,  die  göttlichen  Ideen  sind  das  Mafe  aller  Wahrheit^  die 
Dinge  emd  nur  ineofem  wahr,  als  sie  ihnen  entsprechen»  and 
die  menschliche  Wahrheit  ist  erst  eine  sekundäre,  aus  den  in 
den  göttlichen  Ideen  begründeten  Dingen  entnommene,  a.  2.  Sie 
besteht  wesentlich  in  dem  richtigen  Urteil,  a.  3;  darum  gibt  es 
in  Mott  cig-entllcli  nur  Kino  Wahrheit,  im  mensclilichen  Intellekte 
t?oviele  als  richtige  Urteile,  a.  4;  die  \Vahrhf>it  der  Dinge  ist  auch 
in  Goltes  Ideen  eine  ewige,  dagegen  in  dem  menschlichen  Denken 
eine  zeitliche  und  veränderliche;  in  den  Dingen  selbst  liegt  etwas 
Ewiges,  ihr  begriffliches  Wetien,  und  etwas  Zeitliches,  die  kou- 
tingente  Veränderlichkeit,  a.  5  u.  6.  Endlich,  da  alle  Wahrheit 
der  Dinge  in  Gott  begründet  ist^  stammt  auch  alle  Wahrheit  von 
ihm;  in  der  subjektiven  Aufbahme  derselben  dagegen  in  den 
menschlichen  Geist,  ist  zwar  kein  Irrtum  im  Sinneneindruk,  wohl 
aber  in  dem  falschen  Urteil  des  Geistes,  a.  8 — 12.  Nach  dieser 
Begriffsbestimmung  der  Wahrheit  von  höchsten  Gesichtspunkten 
aus  werden  nun  die  verschiedenen  Erkcnntniaweison  der  Wahr- 
heit näher  untersucht;  zunächst  die  tJ^iHtliche. 

a)  Von  der  göttlichen  Eriienntnis,  de  scientia  Dei  handeln 
qu.  2  —  'S.  In  kühnem  Gedankenflnge  crheiit  sich  hier  der  heiiisje 
Lehrer  ^u.  den  höchsten  Ahnungen  des  absoluteu  Erkeuncnb  und 
betrachtet  dasselbe  zunächst  an  und  tur  sich,  qu.  2,  dann  in  der 
göttlichen  Ideenwelt,  qa.  3,  die  ausgesprochen  ist  in  dem  Logos, 
qo.  4,  und  endlich  in  den  Plänen  der  Vorsehung,  qu.  5,  und 
Prädestination,  qu.  (>,  die  gleichsam  niedergeschrieben  ist  in  dem 
Uber  Titae,  qu.  7.   Auch  nur  ein  flüchtiger  Überblick  über  den 


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Die  Syitematik  in  to  Quaettiones  dispaUtie  etc. 


129 


Inhalt  dieser  Quästlonen  zeigt  die  Reichhaltigkeit  und  die  lo- 
gische Vollständigkeit  der  grandiosen  Untersnchnng. 

In  qn.  3  de  scientia  Dei  wird  einleitend  gezeigt,  dafs  das 
göttliche  Erkennen  real  eins  ist  mit  seinem  Wesen  und  dämm 
ehenso  absolat  und  uneDdlich  wie  dieses,  a.  1.  Dann  aber  fragt 
-es  sich  nach  seinem  Objekt;  und  dieses  iet  zuerst  Gott  selbst, 
die  göttliche  Selbsterkenntnis,  a.  2,  dann  das  Xreatürliche,  a.  3, 
und  nun  wird  nachg^cwiesen,  he^^ondprn  gegen  die  Avorroisten, 
dafs  (Jolt  auch  die  einzcluen  eigentlichst  erkennt,  a.  4 

u.  5,  und  nicht  nur  das,  sondern  auch  alle  bloPsen  Möglichkeiten, 
a.  7 — 11,  beijouders  dann  auch  die  zukünftig  freien  Handlungen 
der  Geschöpfe,  a.  12  n.  13,  und  das  Bdse,  a.  15,  was  eben  von 
den  Averroisten  geleugnet  wurde. 

Als  im  Welfsohöpfer  mufs  in  Gottes  Erkenntnis  besonders 
die  Erkenntnis  oder  der  Plan  der  Weltdinge  gelegen  sein,  die 
Betrachtung  dessen  fährt  r.n  einer  christlichen  Ideenlehre. 
Qu.  3  behandelt  dieselbe  viel  weitläufiger  als  die  parallele  qn,  15 
der  ^5.  theol.  Sie  umfarst  8  art,  wie  jene  nur  3,  insbesondere 
wird  die  gegen  ditj  platonische  Ideenlehre  wichtige  Frage  näher 
untersucht,  ob  die  Ideen  sich  decken  mit  den  Gattung«  und 
Artbegrilfen  oder  ob  sie  auch  auf  die  accidcntia  und  siugularia 
gehen  und  wird  letzteres  bejaht,  a.  7  u.  8.  —  Biese  göttliche 
Selbsterkenntnis  nnd  Ideenwelt  wird  nan  ausgeproohen  im  Logos, 
und  so  kommt  in  diesem  Znsammenbang  die  Logoslehre  zur 
Sprache,  qn.  4.  Es  wird  EunScbst  entwickelt,  wie  die  göttliche 
Etkenntnis  zu  einem  persönlichen  Ausdruck  gelangt,  a*  1 — 4; 
beson  !ers  schön  und  tiefsinnig  aber  ist  die  Ausführung,  welche 
die  Logoslehre  unmittelbar  mit  der  Tdcenlrhro  kombiniert:  wie 
T^Smlich  der  Vater  im  Logos  den  Begritl  oder  d  (  Idee  jeglicher 
Kreatur  aussprir-ht,  a.  4  wie  die  Dinge  deshalb  sogar  wahrer 
im  Logos  al8  in  sich  selbst  sind,  a.  (),  und  so  in  ihm  gleichsam 
Leben  und  geistigen,  ewigen  BtjbLand  habeu,  a.  8.  — 

Wird  die  göttliche  Erkenntnis  kombiniert  zugleich  mit  dem 
Willen,  so  entsteht  daraus  die  Vorsehung  nnd  Prädestination, 
woTon  <(tt.  5—8.  Die  Lehre  von  der  Providenz,  qn.  5,  wird  hier 
nicht  in  der  Ausdehnung  gelehrt  wie  in  dem  gewaltig  konzipierten 
Traktat:  de  gnbernatione  rerum  der  Summ,  theol.  Doch  werden 
immerhin  einzelne  Punkte  genauer  als  dort  untersucht,  besonders 
wie  sich  die  Vorsehung  auch  auf  die  vrrnunftloaMn  Wo^en  aus- 
dehne und  die  Defekte  in  ihnen  keine  Instanz  gegen  jene  bilden, 
a.  3 — 5,  f»pec.  (>.  Dabei  kommt  wie  in  der  Summ,  der  Gedanke 
zur  AustÜhrung,  dafs  Gott  teilweise  uumuieibur  die  Plane  seiner 
Vorsehung  austührt,  teils  mittelbar,  besonders  durch  die  Engel 


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130 


Die  Systematik  in  den  Quaestiones  disputatae  etc. 


und  dies  insbesondere  auch  rücksicbtlich  der  körperlichen  Krea* 
turen,  a.  S — 10.  —  Die  Yorsehung  bezüglich  des  ewigen  Heiles- 

der  vernünftigen  Kreaturen  wird  Prädestination  genannt  und 
daYon  handeln  qu.  ()  u.  7.  Auch  diese  Abhandlung  «timmt  so 
ziemlich  mit  der  gleichnamigen  in  der  8amm.  theol.  I  qu.  2^ 
u.  24,  nur  bietet  die  Betrachtung  des  liber  vitae  hier  8  wie  dort 
3  art.  und  wird  iusbesonders  das  AppropriatioDsverbältniä  dem- 
selben Kum  Logos  näher  untersucht.  ^  8o  wird  also  in  den 
QQ.  2 — 8  die  Wahrheit  und  Erkenntnis  snnacbst  von  höchsten 
Gesichtspunkten  ans  in  Gott  selbst  nnd  nach  all  ihren  Beaiehnngen 
betrachtet:  als  scientia  theoretica  in  der  göttlichen  Selbsterkenntnis 
und  als  practica  in  der  Providenz  und  Prädestination.  Von  da 
steigt  nun  der  hl.  Lehrer  hinab  za  der  Betrachtung  der  geschöpf- 
lichen Wahrheit  und  Erkenntnis,  und  zwar  zunächst  der  obersten 
und  höchsten  in  den  Engeln. 

ß)  Die  Abhandlung  de  cognitione  angelorum  umlalöt  qu.  S- 
u.  9  und  gliedert  sich  in  eine  Betrachtung  der  englischen  Erkenntnis 
an  und  für  sich,  qu.  8,  und  der  Milteiluog  der  Erkeuntais  an  andere^ 
qu.  9.  —  Was  den  erstem  Fnnkt  anbeuifit,  so  werden  wesentlich 
die  gleichen  Fragen  anfgestellt  wie  in  der  S.  theoL,  nnr  ist  hier 
die  Abhandhing  über  die  Gotteserkenntnts  eine  viel  eingehendere 
als  dort  Es  bestimmt  nämlich  der  hl.  Lehrer  die  Erkenntnis 
der  Engel  näher  nach  ihrem  Objekt:  als  Erkenntnis  dessen» 
was  über  dem  Engel,  Gott;  dessen,  was  in  ihm,  die  Selbst- 
erkenntnis; und  dessen,  was  unter  ihm  ist,  Mensch  und  Natur. 
Über  ihm  erkennt  der  Engel  Gott,  a.  1 — 6,  aber  durch  seine  hlofs 
natürlichen  Erkenntuiskräfte  schaut  er  nicht  eem  Wesen,  soudtirn 
erkennt  ihn  nur  analog,  a.  1.  Das  Wesen  Gottes  erkennt  aucli 
der  reine  Geist  wie  die  Seligen  nur  durch  das  lumen  gloriae, 
ohne  es  jedoch  anch  so  jemals  ganz  an  begreifen,  a^  2  n.  S;  in 
dieser  Gottesschan  erkennt  nnn  der  Engel  auch  die  Ideen  der 
Dinge  nnd  darch  sie  mittelbar  die  Dinge  selbst,  aber  nicht  alle,, 
sondern  nach  Mafsgabe  der  mehr  oder  weniger  vollkommenen 
Gotteserkenntnis,  a.  4  u.  5.  —  Die  Selbsterkenntois  des  reinen 
Geistes  ist  eine  Selbstdurchschauung  seiner  einfachen  Goisr'^ub- 
stanz,  a.  6  u.  7 ;  die  materiellen  Dinge  aber  erkennt  er  durch 
anerschaffene  Ideen,  und  da  kommt  denn  die  Theorie  von  den 
anerschaffenen  Ideen  der  Engel  zur  Entwicklung,  ähnlich  wie  in 
der  Summe,  a.  ö — 12.  Mit  der  Aubtuhiuijg,  dafs  die  Geister  bei 
aller  Vollkommenheit  ihrer  Erkenntnis  doch  nicht  das  Zukünftige 
nnd  die  innem  Gedanken  des  Menschen  erkennen»  a.  12  n.  13, 
wird  die  Grense  derselben  angegeben.  Die  ganze  Untersnchnng^ 
wird  geschlossen  mit  der  Bestimmung  der  angustinischen  Ans- 


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Die  Systematik  in  den  Quaestiones  disputatae  etc.  131 


•drücke  cognitio  matntina  und  vespertina,  *!.  i.  die  englische  Er- 
keDQtnis  der  Dini^e  dwch  die  behau  der  göttlichen  Ideen  oder 
duich  die  eigeuen  ideen,  a.  16. 

Der  leitende  tiefsinnige  (jedanke  über  die  illuminatio  und 
iocutio  au^eioi'uuj,  qu.  ist  der  wie  in  der  buuiLue,  dai'ä  eine 
Erleuehtang  imiiMr  nar  von  oben  naoh  unten  ausgeht,  aUo  Ton 
■den  hohem  Eogelkreieen  auf  die  niedern,  die  dadurch  auch  eine 
purgatio  ab  ignorantia  erfahren,  a.  1—7  u.  of.  S.  theoL  L  qu.  106. 
—  V^on  der  Betrachtung  der  Erkenntnis  der  Engel  steigt  der 
■englieohe  Lehrer  hinab  zu  der  nächetniedem,  nämlich  derjenigen 
•des  Menschen. 

y)  De  cog-nitione  humana  handeln  qu.  10  —  20.    Es  ist 
eine  vollständige  philosophisch  tlieologische  Erkonntnislehre,  aber 
auch   da  wieder  nach  absteigender  Ordnung  angelegt:  indem 
zuerst  die  Erkenntnis  betrachtet  wird,  die  au  die  nächsthöhere 
der  Engel  angrenzt:  de  mento,  qu.  10,  und  die  Mitteilung  der- 
-eelbeii  an  Niederere  analog  der  locutio  angelor.:  de  roagistro, 
qu.  11;  dann  deren  hbernatürliohe  Erhebung  in  der  prophetia, 
-qu*  12 f  dem  raptns,  qu.  13,  und  dem  fldes,  qu«  14»  hierauf,  wieder 
abeteigend,  die  ratio  inferior,  qu.  15,  die  synderesis,  qu.  16,  und 
eonacientia,  qu.  17,  und  endlich,  noch  auf  die  andern  Erkonntnis- 
weisen  des  Men«irhen  vor-  und  rückwärts  schauend :   de  cogni- 
tione  primi  hominis,  qu.  1     und  de  cognitioue  auima^^  po'-t  mortem, 
€}U.  in.     Es  if^t  das  eine  so  grolsartige  Konzeption  drs  ganzen 
(iegenstandes,  gleichsam  auf  deduktivem  Wege  abw.uu  steigend, 
daib  wohl  keine  gewaltiger  aut'gclai^ie  und  uuiversaler  gedachte 
Erkenntnislebre  aufzuweisen  «ein  dürfte. 

Mit  der  Abhandlong  de  mente  tod  der  Vernunft^  qu.  10, 
■knUpft,  wie  bemerkt,  Thomas  unmittelbar  an  die  vorher  betrach- 
tete oognitio  angelor.  an,  indem  nach  seiner  Ansicht  es  in  der 
Natur  so  geordnet  ist,  dafs  das  Höchste  der  nächslniedern  species 
der  Kreaturen  in  einer  höchsten  Analogie  an  das  Niederste  der 
nächsthöhcrn  species  anstreift  (cf.  qu.  15  a.  1).  Und  so  ist  ihm 
der  mens  das  höchste  im  menschlichen  (jeiste,  ilhid  quod  e8t 
uUibsimum  in  virtutc  ipsius,  a,  1,  darum  aber  doch  nicht,  wie 
später  gezeigt  wird  (ibid.  qu.  15),  eine  von  der  ratio  spezifisch 
verschiedene  öeeleupottiuz  oder  gar  im  pseudomystischen  Sinn 
«liquid  divinum,  sondern  das  Vermögen  der  ruhenden,  oder  nach 
Analogie  der  intuitiven  Erkenntnis  der  Engel,  der  kontemplativen 
Betrachtung  der  höchsten  Wahrheiten  nach  dem  sohliefsenden 
induktiven  Aufstieg  der  ratio.  Er  ist  insofern  nicht  die  Seelen- 
sobstanz,  sondern  deren  höchste  Potenz,  a.  1,  welche,  weil  man 
ein  sinnliches  und  geistiges  Gedächtnis  unterscheiden  mufs,  auch 


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132 


Die  Systematik  in  den  Qaaestioiies  ditpotatae  etc. 


ihre  habitue  iu  sich  autbewahrt,  a.  2  u.  3.  Es  wird  nun  d&!> 
Objekt  der  Verannflerkenntnie  beatimint»  rfickabhfllcti  deeeen^ 
wae  unter  ihr  ist,  das  Materielle,  was  in  ihr  iat»  die  8elbat> 

erkenntnis,  a.  8.  u.  9,  und  was  über  Ihr  ist,  die  Gotteeerkenntiii». 
Weil  die  AbetraktioD  den  Menaoben  vom  Sinnlicben  auBgehl^  eo^ 
mufB  sie  auch  Materielles  erkennen,  a.  4  u.  6,  aber  dasselbe  nur 
durch  die  binne  und  Vorstellung  konkret,  von  sich  aus  aber 
abstrakt  auffassen,  a.  5.  Weil  dann  der  men«  oder  die  Ver- 
nuDt't  die  höchste  Seelenpoieiiz  ist,  so  mufs  iu  ihr»^r  höchsten 
BetbauguQg,  aläo  im  Gottesgedaoken,  vor  allem  ein  Abbild  der 
Trinit&t  gelegen  aein,  a.  7,  und  mit  ihrem  Auge,  obwohl  ea  dnreb 
die  Sünde  verdunkelt  ist  (a.  9.  c  6),  vermag  der  Mensch  zwar 
nicht  Gott  zu  achauen,  a.  11,  aber  doch  mit  Gewiübhett  eeine 
Exiatens  zn  beweisen,  a.  12,  dagegen  uicht  die  Dreiheit  der  gött- 
lichen Personen»  a.  13.  ^  Wie  nun  die  Erlenohtungen  der  hohem 
Eng^cl  durch  illurainatio  und  locutio  an  die  niedern  mitg'eteilt 
werden  können,  so  können  die  Engel  selbst  wieder  belehrend 
ant'  den  Menschen  und  der  aktuell  die  Weisheil  bei»it£eude 
Mensch  aui  den  andern,  der  dieselbe  erst  potentiell  besitzt,  als- 
Lehrer  erleuchtend  einwirken.  In  diesem  Zusammenhang  wird 
dämm,  qu.  11,  de  magistro  abgehandelt^  eine  Qoaeatio,  welch» 
mehr  noch  als  die  parallele  der  8.  theol.  I.  qu.  117  a.  1  manche 
interessante  pSdagogische  Gesichtspunkte  eröffnet. 

Immerhin  vermag  aber  doch  alle  kreatiirlichc  Beiehrang  den 
Menschen  nicht  über  eine  blofs  natürliche  Erkenntnis  zu  erheben; 
das  vermag  nur  Gott  durch  seine  höhere  Erleuchtung  in  Pro- 
phetie,  raptus,  und  hdcs  und  so  wird  dann  in  dicBom  Gedanken- 
gang die  höhere,  übernatürliche  Erkenntnis  de«  Menschen 
betrachtet.  Und  zwar  vurub:  de  prophetia,  qu.  1:^.  Die  Pro- 
phelie  ist  nächst  dem  raptns  die  höchste  Erlenohtuug,  die  der 
Mensch  hienieden  erhalten  kann;  welche  gleichsam  die  Mitte 
hält  swiachen  der  Tisio  beatiftca  in  den  Seligen  und  der  gewöhn- 
liehen  Glaubensgnade,  die  aber  selbst  wieder  verschiedene  Grade 
hat.  Als  mehr  in  die  Theologie  gehörend  wird  der  Gegenstand 
im  allgemeinen  weitläufiger  in  der  Summa  behandelt,  (cf.  II.  II. 
qu.  171  — 175),  doch  werden  einzelne  spezielle  höchst  interessante 
Fragen  hier  einläfslicher  besprochen,  wie:  ob  es  auch  eine  nalür 
liehe  Disposition  zur  Trophetio  gebe,  h.  3  u.  4,  was  abgewiesen 
wird;  ob  der  Prophet  im  Spiegel  der  Ewigkeit  schaue,  a.  6,  in- 
wiefern der  menschliehe  Geist  durch  Erleuchtung  der  Sngel  anr 
Aufnahme  des  göttlichen  prophetischen  Lichtes  disponiert  werde» 
a.  8,  und  je  nach  dem  Vorherrschen  des  letztem  der  prophe- 
tische Znstand  ein  vollkommener  sei  and  dgl.  a.  7 — 14;  — 


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Die  Systematik  iu  deu  Quaestiones  disputaiae  etc. 


13a 


Hüher  noch  als  in  der  Proplietie  ist  die  übernatürliche  Erleuchtung 
im  raptu8,  in  der  „Entrück nn^",  qu.  13,  a.  1  —  5.  Im  Begriff 
„EntrückuDg"  liegt  die  abstraciio  a  senBibuB  und  die  momentane 
visio  beaUfica.  Nach  2  Cor.  12.  2  hatte  dioBc  der  hl.  Paulus, 
und  es  ist  nicht  konYenient  für  ihn,  den  VdlkerapoBtel,  dies  nicht 
anzanehmen,  wo  schon  etwas  Ähnliches  yom  grdJsten  Propheten 
des  Alten  Bundes«  Moses,  angenommen  werden  muls,  nach  Nnm, 
12.  8.  —  Der  gewöhnliche  Grad  der  übernatürlichen  Erleucbtung- 
endlich  ist  der  Glaube.  Die  Untersuchung  de  fide  qu.  14  be- 
hrindelt,  wie  das  flir  eine  Erkenntnislehre  entsprechend  ist,  hier 
mehr  uur  die  psychologische  und  noetische  Seite  des  Gegen- 
standes und  entspricht  insofern  besonderB  der  qu.  1,  2  u.  4, 
der  gleichnamigen  Abhandlung  iu  der  S.  th.  iL  IL,  wu  aauebeu 
dann  mehr  noch  die  theologischen  und  moralischen  Fragen  zur 
Betraobtnng  kommen.  Dagegen  sind  dann  die  psychologischen 
Fragen  hier  am  so  weltlänfiger  nnd  einlSfilieher  besprochen :  Es 
wird  die  Definition,  credere  est  cum  asseusu  cogitare,  begründet^ 
a.  1,  die  Bestimmung  des  Glaubens  Uebr.  11,  1  fides  est  sub* 
•>taijtia  rcnim  sperandarum,  argumentum  non  apparf^ntium  speku- 
lativ gerechtfertigt,  a.  2,  die  Scelcnpotunz ,  die  Trägerin  des 
Glaubens  ist,  bestimmt,  a.  4,  die  Freiheit  desselbeu  verteidigt 
a  3,  diu  Frage  über  lebendigen  und  toten  Glauben  lichtvoll 
erörtert,  a.  5,  G  u.  7,  bei  der  Bestimmung  des  Objektes  des 
Glaubens,  a.  8,  besonders  auch  die  Kontroverse  disputiert  utmm 
fides  possit  esse  de  rebus  soitis,  was  Thomas  negiert,  a.  9,  und 
endlich  wird  die  Notwendigkeit  des  Glaubens  sum  Heile,  und 
zwar  eines  mehr  oder  weniger  cxpliciten,  bewiesen,  a.  10  u.  11^ 
wo  dann  auch  die  tröstliche  Entwicklung  vorkommt,  dafs  Gottes 
Vorsehung  jedem  Menschen,  auch  dem  Heiden,  die  notwendigen 
Stücke  des  Glaubens  vermittle  vel  per  internam  inspiralionem, 
vel  per  ali([uem  fidei  prae<licatüreni,  et",  a.  11  ad.  1.  Der  Glaube 
aber  ist  durch  ailc  Zeiten  derwelbe:  die  wahre  Keligion  in  der 
▼or-  und  nachchristUohen  Zeit,  die  nur  in  der  Zahl  der  Offen- 
barungen nnd  deren  Definitionen  gewachsen,  sich  aber  nicht 
innerlich  Terandert  hat,  a.  12. 

Nachdem  so  die  übernatürliche  Erleuchtung  nnd  Ergänzung 
des  höchsten  intellektiven  Teiles  des  Menschen,  des  mens,  er- 
örtert ist,  steigt  der  hl.  Thema«*  zur  Betrachtung  des  niedcrn 
Teiles  des  Intellektes,  nämlich  des  Verstandes  hinab  in  der 
qu.  15  de  superiori  et  inferiori  ratione.  Er  fuhrt  aber  da  e"leich 
aug,  waä  gegen  alle  Fseudomystik  wichtig  ist,  dai's  au  und  lur  bich 
Verstand  und  Vernunft  nicht  verschiedene  Seelenvermögen,  sondern 
nur  Terschiedene  Bethätigungen  derselben  Potenz  sind,  insofern 


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134  Die  Systematik  in  den  Quaestioaes  disputatae  etc. 


man  nämlich  das  abstrakte  Denken  und  Sohlleftien  Veretand,  die 

kontemplative  Betrachtung  der  xu  höchst  erschlossenen  Wahr- 
heiten oder  (las  höchste  Schlieftien  und  Denken  Vernunft  nennt, 
a.  1  11.  2.  In  diesem  Ziisurarnenhaug  wird  dann  die  Entwicklung- 
des  Erkenntnisprozesses  geschildert  und  besonders  im  Verhältnis 
zu  Engel  und  ^atur  der  Gedanke  ausgeführt,  dafä  im  Meubcheo 
die  Erkeuutnis  der  Dinge  über  und  unter  ihm  sei:  per  modum 
cognoacentit.  Weil  nun  bo  der  Verstand  mehr  auf  das  Irdische 
und  damit  auch  auf  die  praktische  Thätigkeit  geht,  so  kommt 
deswegen  wohl  hier  auch  die  Frage  auf  die  moralische  Impa> 
tabiiität  der  iotellektiven  Thätigkeit,  a.  3,  utrum  in  ratione  supe- 
riori  vel  inferiori  possit  esse  peccatnm  etc.,  a.  4  u.  5;  und  das 
leitet  dann  konsequent  über  zu  der  Abhandlung-:  de  syndi-resi 
et  ci»nscientia,  indem  »ich  hier  eine  Krkenutnisthätigkeit  rück- 
aichUith  der  ojierabilia  gleitend  nmeht. 

Die  Synderesis  qu.  lü  oder  das  moralische  liewuletseiu 
ist  der  habitus  der  obersten  moralischen  Prinzipien,  anal<^  dem 
habitas  der  oberBten  Denkgesetze.  Zu  beiden  gelangt  der  Mensch 
mit  einer  gewissen  Unmätelbarkeit,  nicht  so  fast  durch  diskur* 
sives  Denken,  und  hat  insofern,  wie  mit  dem  mens,  wieder  etwas 
an  die  nächsthöhere  Erkenntnisstufe  der  Engel  analog  Angren- 
zendes: „CS  hat  die  Menschenseeio  in  dem,  was  in  ihr  das  Höchste 
ist,  etwas,  womit  sie  an-riLift  an  das,  was  sonst  der  Eogelsuatur 
eigen  ist,  dafs  sie  mim  lieh  einiges  unmittelbar  und  ohne  Unter- 
suchung erkennt"  und  dahin  gcliörl  eben  auch  die  Erkenutui» 
von  Gut  und  Bös,  a.  1.  Und  wie  es  io  den  obersten  Denk* 
Prinzipien  keinen  Irrtum  geben  kann,  sondern  erst  in  deren 
Anwendung,  so  ist  auch  in  der  Sjnderesis  keine  Sünde,  sie  zieht 
immer  zum  Guten  et  remurmurat  malo,  widerstrebt  dem  Bösen. 
Sie  ist  insofern  eines  jener  welterhaltenden  und  ordnenden 
Prinzipe,  die  ein  Reflex  der  unabänderlichen  lex  aetcrna  sind 
und  in  der  so  selbst  etwas  Ewiges  liegt,  a.  2.  Sic  kann  darum 
auch  niemals  im  Menschen  ganz,  ausgelÖHclit  oder  veriilgt  werden 
a.  3.  —  Diu  Auwendung  der  obersten  moralischen  Prinzipien 
auf  den  einzelnen  Fall  aber  besorgt  das  Gewissen.  De  consci- 
entia  handelt  darum  qu.  17.  In  ihm  kann  nun  allerdings  ein 
Irrtum  eintreten,  wie  auch  die  Denkgesetze  im  Schlüsse  falsch 
angewendet  werden  können,  aber  auch  die  scientia  erronea  Ist 
bindend,  a.  1—5. 

Nachdem  im  Bisherigen  die  Erkenntnis  des  Menschen  be- 
stimmt worden  ist,  wie  sie  sich  verhält  itn  gegenwärtigen  Zu?;tand, 
erübrigt  noch,  dii  sL'lbt!  zu  bestimmen  in  wesentlich  verschiedeneu 
Zuständen^  und  das  ist  vor  dem  jetzigeu  der  Urständ,  und  nach 


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Die  Systematik  in  den  Quaestioacs  dispuutae  etc. 


135 


dem  jr  tzigöD  der  ZuBtaod  der  abgeschiedenen  Seelen.  Von  ersterm 
haadelt:  qu.  18  de  cognitione  primi  hominiä  in  statu 
innocentiae.    Nun  ist  gewifs,  dafs  die  Erkenntois  dos  ersten 
Men^chell  eine  vollkommenere  war,  als  die  des  jetzt  geborenen; 
und  zwar  eine  vollkoinmenere  übernatürliche  wegen  der  hohem 
(juadenerieuchtung;  uud  eine  vollkommenere  nalürliclic  wegeu  der 
Stellung^  Adams  als  Erzieher  der  Menschheit   Immerhin  hat  er 
aber  doch  nicht  das  Wesen  Gottes  geschaut,  a.      sondern  er 
mtttste  ihn  nach  seiner  natürlichen  Erkenntnis,  wie  auch  wir  darch 
die  Kreaturen  erkennen,  doch  hatte  er  daneben  nooh  eine  höhere 
Ootteserkenntnis  durch  Inspiration,  die  sich  aber  nicht  zur  visio 
beatifica  steigerte,  a.  2,  insofern  fand  sich  in  ihm  auch  der  Glaube, 
a.  .3.    Alb  Erzieher  der  Menscliheit  dann  niuPste  er  von  dem  eine 
aktuelle  Erkenntnis  besitzen,  zu  was  er  die  Menschheit  erziehen 
sollte,  alf»o  immerhin  ein(j  explicite  Erkenntnis  von  dem,  was  in 
den   I)enki)rinzi})iru  im]>licile  enthalten  ist,   dagegen  nicht  von 
tlem  „was  mau  aus  den  ersten  i'nnzipien  nicht  erschliefsen  ivauu, 
2.  B,  die  zukünftig  freien  Handlungen",  a.  4.    Die  Engel  ver- 
mochte Adam,  wie  Thomas  sagt  ut  mihi  videtur,  nicht  sn  schauen, 
a.  5,  dagegen,  weil  im  Urständ  keine  corrnptio  bestehen  konnte, 
durfte  in  seinem  Intellekt  keine  falsitas,  kein  Irrtum,  was  eine 
corruptio  des  Intellektes  ist,  bestehen,  und  die  Verführuog  mufs 
also  bei  ihm  vom  Willen  den  Anfang  genommen  haben  und  dann 
erst  die  Tfinsehung  auf  den  Intellekt  übergegangen  sein.  a.  C. 
Die   Kitulrr  Adams  würden   anrh  im  niolit  gefallenen  Zu^trind 
der  alluiaiilichen  Aktualisierung  der  Erkenntnis  durch  Erziehung 
bedürftig  gewc!<en  .sLia,  a.  7  u.  b.  — 

Der  urständlichen  Erkenntnis,  als  der  vor  dem  jetzigen 
Zustand  y  steht  gleichsam  entgegeu  die  nach  der  jetzigen  Er- 
kenntnisweise, also  die  Erkenntnis  der  abgeschtedeoen  Seele. 
Davon  handelt  darum  die  folgende  qu.  19  de  cognitione 
animao  post  mortem.  Weil  diese  nicht  mehr  mit  dem  Körper 
verbunden  ist,  dieser  aber  dem  Denken  durch  die  Phantasmen 
oder  Vorstellungsbilder  gleichsam  die  Materie  subministriert,  so 
möchte  man  meinen,  sie  könne  nicht  mehr  erkennend  thatig  sein. 
Allein  die  Menschenseele  als  forma  subsistens  hat  etwas  mit  den 
niodern  Katurforraen  und  etwas  mit  den  Engeln  gemein,  und 
ätwar  nach  ihrem  Abscheid  mehr  mit  den  Engeln.  Darum  ge- 
staltet sich  dann  auch  ihre  Erkenntnis  analog  der  der  Engel: 
und  vollzieht  sich  deshalb  einerseits  mit  den  beibehaltenen  species 
intelligibiles,  und  anderseits  durch  von  Gott  eingeprägte  Ideen, 
a.  1,  durch  welch  letztere  besonders  sie  auch  Einzelnes,  Konkretes 
an  erkennen  vermsg.  a.  2. 


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Die  SyeteniAtik  in  den  Quaeitiones  ditpoUtte  etc. 


ö)  JE^achdem  so  m  absteigender  Ordnun^f  die  Erkenn^nie  der 
Kreaturen  betrachtet  worden  ist,  wird  zorn  Scblufs  gleichsam 
noch  einmal  alles  zosammengefiirBt  und  wie  in  einen  Brennpunkt 
gesammelt  in  der  Betrachtung  der  Erkenntnis  der  menschlichen 
^atur  Christi:  de  seien tia  animae  Christi,  qu.  20.  Es  ist 
darunter  selbstverständlich  nur  zu  verstehen  die  Erkenntnis  Christi, 
insotern  er  Mensch  ist,  nicht  eoine  AllwisscDheit  als  fiott,  also 
die  ErkenulDirt  der  vernünftigen  Seele  Christi.  Eine  solclic  Er- 
kenntnis im  Unterschied  von  der  göttlichen  im  ubur  anzunehmen^ 
weil  in  ihm  neben  der  vollen  göttlioben  aoch  die  vollständige 
menschliche  Katnr  mit  Leib  und  Seele  und  ihren  Betbätigungs- 
weisen  ansuoehmen  ist»  a.  1.  Diese  menschliche  Seele  Christi 
war  nun  aber  von  dem  ersten  Moment  der  Inkarnation  an  nicht 
nur  mit  allen  natürlichen  Gaben,  sondern  auch  mit  aller  Fülle 
der  übcrnatiirlif  hen  (inaden  ansgestattet.  Deslialb  befand  sie  sich 
Hchou  hienieden  in  statu  viae  in  der  Anschauung  (jottes.  Und 
so  kam  Christus  eine  doppelte  Krkenntuisweise  auch  als  Mensch 
zu,  eine  natürliche  und  eine  übernatürliche,  und  zwar  stand  die 
übernatürliche  höber  als  die  Gaben  der  prophetia,  dos  raptus  und 
fides,  und  die  natürliche  hoher  als  die  Adams  als  Ersiehers  der 
Menschheit  Durch  die  übernatürliche  Tollkommene  Erleuchtung 
schaute  und  schaut  die  Seele  Christi  habituell  den  Logos,  a.  2. 
Mit  der  natürlichen  Erkenntnis,  deren  Vollendung  nach  einigen 
darin  bestände,  „dafs  in  der  «Seele  die  Anordnung  des  ganzen 
Kosmos  abgebildet  wäre*',  hatte  Christus  „eine  Wissenschaft  (tlinch 
göttlic!ip  Kingielsung  renp.  anerschaffener  Ideen),  die  voUkomLuener 
war  ais  die  im  paradiesischen  Urständ  und  sogar  als  die  der 
Engel  nach  ihrer  natürlichen  Erkenntnis,"  a.  3.  In  der  Anschauung 
des  Logos  schaut  dann  die  Seele  Christi  nach  ihrer  ttbernatUr- 
liehen  Erkenntnisweise  auch  die  Ideen  der  Dinge  im  Logo»,  „deshalb 
erkennt  sie  in  ihm  alles  Gegenwärtige,  Vergangene  und  Zukünf* 
tige'',  a.  4,  dagegen,  weil  selbst  die  Seele  Christi  etwas  End- 
liches ist,  erfafst  sie  nicht  alle  unendlichen  Möglichkeiten  der 
göttlichen  Ideen  und  ihrer  Abbildlichkeiten  und  erkennt  darum 
auch  nicht  alles,  was  Gott  erschaffen  und  wirken  konnte,  a.  5. 
Und  auch  mit  der  natürlichen  Erkenntnis  reicht  zwar  die  Natur 
Christi  soweit  als  überliaupt  die  jSatur  reichen  kann,  aber  nicht 
zum  Unendlichen,  und  zum  Übernatürlichen  nur  durch  die  ge- 
^\  schilderte  Gnadenerlouohtung  und  soweit  als  diese  reicht,  a.  6.  — 
Und  so  erscheint  die  Erkenntnis  der  menschlichen  Seele  Christi  ah 
der  Inbegriff  aller  kreatürlichen  Erkenntnis,  sowohl  der  Engel 
als  der  Menschen,  sowohl  der  natürlichen  als  der  übernatürlichen, 
die  selbst  wieder  zurückbiegt  wie  in  einem  Zirkel  in  den  Ur> 


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Die  Systematik  in  den  Quaestioaes  disputatae  etc.  137 


BpriiQg  aÜPH  Wissens,  in  (iott,  durch  die  hypostatiscbe  Union  mit 

dem  Logus. 

Die  g-anzc.  Erkenntnis  der  Kreatnren  aber  alellL  sich  nach 
den  AusfuiiruDgcu  den  gewakig  augclegicu  Iraktutes  dar:  als 
nichto  andere«^  denn  als  ein  kreatftrUoher  Ausflufs  des  göttlichen 
Lichtes  der  Erkenatnis^  der,  gleichsam  als  ein  ^leihendes  Licht 
der  Gottheit'',  in  absteigender  Beihe  in  immer  geringerer,  be- 
schränkterer, diffenzierterer  und  das  Kiedero  vom  Höhern  er- 
leuchteter Weise  wirkt,  bis  er  sich  wieder  in  Eins  sammelt  im 
MUurokosmos  Christus. 

h')  Die  quaent    disput.:  d o  voliint;itc  (resp.  bonitate). 
—  Nacbdom  im  \  üilicrgehenden  die  Erkenntnis  in  ihrer 
licheD  Urbildlichkeit  und  io  ihrer  kreaiurlichen  Nuchbiltilicükcil 
und  natürlichen  sowie  übernatürlichen  Verzweigung  dargestellt 
worden  ist,  geht  der  hl.  Lehrer  mit  t^u.  21  auf  ein  ganz  neues 
Thema  Über,  das  mit  de  Tcritate  gar  nichts  au  schaffen  hat, 
sondern  das  Yon  dem  andern  geistigen  Grandvermögen,  dem  Willen, 
und  Bwar  in  seiner  Eigenschaft  als  Streben  nach  dem  Guten 
abhandelt  und  das  wir  deshalb  aas  innem  nnd  ans  historischen 
Gründen  als  einen  eigenen  Traktat  von  dem  de  reritate  aus- 
schieden.   Da,  WIR  sich  früher  g'ezeigt  hat,  die  allgemeinen  Titel 
erst  später  über  die  (Jiifi»\st.  disput.  gesteilt  worden  sind,  und 
sich  der  de  verifato  uilcubar  von  qu.  21  an  als  unzutreffend  er- 
weist, 80  lu  huiüü  wir  uns  die  Freiheit,  mit  gleichem  oder  mit 
besserm  KechL  als  diu  Frühem  dieser  Abhandlung  eine  eigene 
Überschrift  zu  geben,  und  zwar  analog  zu  de  veritate :  de  volun- 
tate  oder  de  bonitate.  Die  Anlage  des  Ganzen  ist  auch  innerlich 
gaas  analog  der  de  veritate:  £s  wird  zuerst  der  Begriff  von 
Gut  und  dem  Strebevermögen  oder  Willen  festgestellt,  qn.  21 
0.  22;  dann  der  Wille  in  Gott  betrachtet,  qu.  23,  hierauf  dessen 
^eRchüpfliches  Nachbild  im  Menschen,  und  zwar  vorab  in  seiner 
natürlichen  Ausstattung,  nach  seiner  höhern  gcisti^'-en  Seite,  qu,  24. 
und  nach  seiner  nifHern  sinnlichen  ISeite,  de  sensualitate,  qu.  25, 
and  de  passionibu^,  qu.  20;  dann  dessen  übernatürliche  Erhebung, 
qn.  27,  de  gratia  und  Heilung,  qu.  28,  de  justificatione  impii; 
die  Abhaudlung  wird  auch  hier  gebchlossen  aiil  der  hocUbtcn 
kreatfirlichen  Zusammenfassung  der  Willensthätigkeit  in  Christus, 
qn.  29,  de  gratia  Christi  — 

Wie  im  Traktat  de  Tcritate  zuerst  der  Begriff  „wahr"  fest- 
gestellt wurde,  weil  die  Erkenntnis  auf  das  Wahre  geht,  so  also 
auch  hier  einleitend  der  Begriif  „gut'':  qu.  21,  de  bono  (in 
commnni),  indem  das  Objekt  des  Willens  das  Gute  ist.  Es  ent- 
spricht die  Quaest.  der  gleichnamigen  qu.  5  der  S.  theol.,  nur 


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138 


Die  Syttematik  In  den  QuaetUones  disputaUe  etc. 


duls  hier  einige  Fragen  geRtcllt  werden,  die  dort  nicht,  vrie  z.  B. 
ätatt  wie  dort:  utrum  bouuiu  sit  prius  4uaai  euä,  bu  hier:  utrum 
bonam  secundum  ratioaem  eit  prius  quam  verum,  vielleicht  gerade 
aus  dem  ayatematiacben  Grande,  am  damit  die  Abhaadlangp  de 
bonitate  anmitteibaier  an  die  de  veritate  ansofttgen.  Aaob  wird 
hier»  der  ganzen  deduktiven  Entwicklung  von  höchsten  Gesichts- 
pankten  ans  entsprechend,  alles  Gute  als  ein  Abglanz  des  Ur- 
^ntrn  dargestellt:  utnim  omnia  sJnt  bona  bonitate  prima,  a.  4. 
—  im  einzelnen  wird  die  Hegrirt'sbestimmung  de«^  (^nton  nach 
althergebrachter  Weiae  und  ähnlic  h  wie  in  d.  8.  tneol.  gegeben: 
Gut  ist  an  und  tür  sich  eins  mit  Sein,  nur  dals  der  BegritF  gut 
noch  eine  Relation  zu  Sein  hinzufügt,  nämlich  das  „erstrebens* 
wert  aein",  bonam  est  ens  inqaantam  est  appettbile  »vel  respectam 
perfeotivi",  a.  1 ;  insofern  sind  sie  Wechaelbegrilfe,  oonvertantar, 
a.  2,  weil  das  „Erstrebenswerte"  die  Erkenntnis  voraassetzt»  so  ist 
41och  ngnt*'  begrifflich  später  als  verum,  a.  3,  lerner  weil  Sein 
und  Gut  sich  decken,  so  ist  alles  gut,  insofern  es  Sein  hat,  nnd 
durch  sein  eigenes  Sein,  nicht  etwa,  w^'e  der  Pantheismus  meint, 
durch  das  allgemeine  göttliche  Sein,  wohl  aber  dnrch  Nachbildung 
•desselben,  a.  4  u.  5,  speziell  besteht  das  bonum  creaturae  in 
luodo,  »pecie  et  ordine.  a.  ().  (cl'.  S.  ih.  qu.  5  a.  5). 

Indem  so  das  Gute  als  ein  ens  inquantnm  est  appetibile 
hingestellt  wird,  (Uhrt  dies  nun  über  an  der  Betrachtung  des 
-dem  Guten  entsprechenden  Vermögens.  Wie  dem  verum  die 
ficientia,  so  entspricht  dem  bonam  derappetitus  boni,der  voluntas 
eder  das  Strebe  vermögen;  davon  qa.  22.  Schön  und  tiefsinnig 
wird  gezeigt,  dafs  alles  irgendwie  nach  dem  Gnten  strebt  und 
darum  auc  h  indirekt  aber  nicht  direkt  alles  nach  Golt,  a.  1  u.  2, 
dagi'gen  eine  «  igcutliehe  Willensthatigkeit  im  strengen  Sinne 
tiudet  feicii  nur  in  den  vcrnüntiigeu  Wesen;  und  so  wird  dann 
im  folgenden  über  die  Willensfreiheit  abgehandelt,  und  zwar: 
-a.  3  u.  4  über  den  üoterscbied  von  Willen  und-  Intellekt,  von 
höberm  und  niederm  Strebevermögen;  a.  5— 7  ilber  die  Freiheit 
iles  Willens;  a.  8  über  den  physischen  Einflufs  Gottes  auf  den 
Willen;  a.  über  den  moralischen  EiDflnfs  der  Kreatur  auf  den- 
selben; a.  10 — 12  über  das  Verhältnis  von  Intellekt  und  Willen 
nach  ihrer  Würdigkeit  nnd  gegenseitigen  Abhängigkeit;  a.  13 — 15 
über  die  verschiedenen  liethatigungen  des  Willens  :  iiitentio,  electio, 
vuluüLas  directa  et  indirecta.  En  sind  dicb  Fra^^i n,  die  zum  Teil 
weilläufiger  iu  der  S.  theol.  1.  qu.  80—83  und  I.  il.  t|u.  ü — 17 
behandelt  werden,  wozu  sich  aber  in  den  quaest  disp.  wertvolle 
Farullel:<tülleo  finden. 

Nachdem  so  das  StreboTermögen,  das  dem  Guten  entopricht 


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Die  Systematik  in  den  Qjaeitiones  diiputatae  etc.  139 


wie  das  Erkenntnisvermögen  dem  Wahren,  bestimmt  ist,  wird 
nun  die  WiUenstbätigkeit,  ähnlich  wie  früher  die  Erkenntnis,  ab- 
eteig^end  vom  höchsten,  betrachtet,  also  zuerst  in  Gott:  qu.  2^ 
de  voluntate  Dei.    Weil  nun  das  btreben  um  so  freier  ist, 
je  mehr  es  in  einer  g:ei8tigen  Substanz  wurzelt,  um  so  unfreier 
je  meVir  ea  im  Körperlichen  uüd  Konkroteu  gebunden  ist,  und 
weil    die  Freiheit  des  Willens  weseutlich  die  Geistigkeit  der 
Subatanz  zur  Voranssetzung  bat,  so  mafä  Gott  Willen,  und 
swar  als  das  allergeistigste  Wesen,  anch  den  aUerfreieeten  Willen 
habeo»  a  1.  üicht  an  sieh,  wohl  aber  in  seinen  Wirkungen  anf 
die  Kreatur  kann  man  dann  an  ihm  unterscheiden  einen  voluntas 
antecedens  und  conseqnens,  und  einen  Tolnntas  bcneplaciti  und 
si^i,  d.  i.  die  Willensäufserung,  a.  2  u.  3.  —  Mit  dieser  Unter- 
grheMnng  ist  bereits  das  Verhältnis  des  göttlichen  Willens  zur 
Kreatur  angedeutet,  und  da  denn  wird  des  nähern  ausgeführt, 
dafH   der  Wille  Gottes  in  seiner  Tbiitigkeit  auf  die  Schöpfung 
durchaus  frei  ist,  a.  4,  dafs  er  auch  wegen  seiner  1  liveiauder- 
Uchkeit  die  Freiheit  der  Kreaturen  liiclil  aufhebt,  a.  b.   V  ergleicht 
man  nmgekehrl  den  geschöpf liehen  Willen  mit  dem  gdtkliohen» 
so  hat  er  för  seine  Biohtigkeit  oder  Gerechtigkeit  sein  31  afs  und 
Vorbild  im  göttUehen,  rnnfs  sieh  aber  unter  der  Leitung  der 
sekundären  Kegel,  der  Vernunft»  demselben  frei  konformieren, 
a.  6—8. 

Damit  ist  nun  die  Uberleitung  gewonnen  zur  Betrachtung 
des  kreatürlichcn  Willens.  Entsprechend  der  Abhandln nfr  de 
veritate  niiü'stf  mm  auch  hier  zuerst  der  Wille  der  Engel  zur 
Bc.«pref linn^-;  koiiincn.  Gerade  da  aber  zeigt  sich,  dafs  die 
AbhuudiüDg  de  voiuoiate  mehr  nur  eine  nachträgliche  Ergänzung 
zu  de  veritate  und  darum  kürzer  gehalten  ist,  weil  dieser  Funkt 
übergangen  und  gleich  znr  Untersuchung  Über  den  menschlichen 
Willen  fortgeschritten  wird:  qu.  24  de  libero  arbitrlo.  Kaoh* 
dem  in  qu.  22  über  das  Strebeyermögen  im  allgemeinen  und 
dessen  Binteilnng  und  Relationen  abgehaadelt  worden,  wird  nnn 
hier  die  Anwendung  aufs  einzelne  gemacht  und  g^ezeigt,  dafs  wie 
in  Gott  Willen  und  zwar  freier  Wille  sich  findet,  so  auch  im 
Menschen,  in  diesem  aber  ein  höheres  und  niederes  Strebever- 
niögen.  Von  ersterem,  dem  freien  Willen,  handelt  diese  Quaestio, 
von  letzterem  die  folgenden  zwei.  Zuerst  wird  der  Beweis  für 
die  menschliche  Willensfreiheit  geleistet  und  dieselbe  verglichen 
nach  unten  mit  dem  Strebeyermögen  der  vemunftlosen  Wesen 
und  nach  oben  mit  der  noch  ToUkommenern  des  absoluten  Geistes, 
Gotti  a  1~4;  dann  wird  das  Vermögen  näher  bestimmt,  in 
welchem  die  Willensfreiheit  wurzelt»  a.  4 — 7.    Ein  Vermögen 


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140         Die  Systematik  io  den  Quaestiones  disputatae  etc. 


kann  einen  habitus  zur  guten  oder  bösen  Bethätigung  sich  an* 

eignen,  darum  davon  ira  folg'cndcn.  Weil  nun  der  kreatnrliche 
Wille  als  f-olciier  konting'ent  und  deli.'klibel  ist,  f^o  ist  boi  ilim 
tiicbt  Ua«  Siindif^en können  ausgeschlosäen  wie  bei  Gott,  a.  7,  und 
80  ^v^rd  dann  untcrsucbt,  wie  ein  guter  habitua  durch  natürliche 
und  übernatürliche  Mittel  gowonnon,  a.  8  —  10,  wie  aber  auch  ein 
böser  babitns,  aber  hienieden  nicht  eine  Notwendigkeit  snm  Sttn- 
digen  angeeignet  werden  kann,  a.  10 — 12,  woraus  sich  auch  er- 
^bt,  inwiefern  die  Gnade  snm  Enthalten  von  Bosen,  a.  12 — 14, 
nnd  zum  Ausüben  des  Guten  notwendig  int,  a.  11  u.  15. 

Von  dem  f:reiRti{]::pn  Slrobevcrmögen  oder  dorn  freien  Willen 
ist  verschieden  und  tieter  stehend  das  Binnlichf  StrfHpvprmögen, 
die  vis  appetitiva  eeusibilis.  und  davon  handeln,  wieder  ubsteigand, 
qu.  2t)  u.  20  de  sensnalitate  et  passionibus.  Die  sensualitÄ» 
geht  aut  da»  äinolich  Angenehme,  das  delectabile,  und  inbol'ern  Kon- 
krete, während  der  geistige  Wille  auf  das  bonnm  als  solches  geht; 
insofern  steht  sie  tiefer  als  die  Willensfreiheit»  aber  hoher  als 
die  Naturnotwendigkeit;  nnd  man  nnterseheidet  an  ihr  eine  dop* 
pelto  Seite,  die  concupi'^cibiUtas,  d.  i.  da»  schlcchthinnige  Streben 
nach  einem  sinnlichen  Gute,  und  die  irascibilitas,  d.  i.  der  Wider- 
stand gegen  dem  erstrebten  Gut  im  Weg-c  stehende  Hindernisse, 
a.  1—4.  Da«  sinnliche  Strebnvermögeu  macht  sich  vorretlexiv 
^reitend,  darum,  solang-t;  es  dem  Urteil  der  Vernunft  vorausgeiit, 
kann  in  seiner  unrichtigen  Bethätigung  uur  eine  lülHtliche  Schuld 
liegen,  anders  dagegen  bei  vollem  Bewnfsteein  der  Venranft; 
dagegen  besteht  infblge  derTTrsände  eine  corruptio,  ein  krankhafter 
Znstand  in  der  Sinnlichkeit,  der  ohne  Wunder  hienieden  nie 
ganz  geheilt  wird,  a.  4—7.  —  Der  sensualitas  entsprechen  in 
der  Seele  gewisse  passiones,  Leidenschaften,  qu.  25,  day  ist  eine 
Abhängig"keit  nnd  Verändeningr  der  Zuständlichkeiten  des  Leibe? 
von  der  Seele  und  umgekehrt,  weil  diese  forma  und  motor 
corporis  ist;  a.  1 — 4.  Und  zwar  untorscheideL  man  besonders 
vier  Leidenschaften:  HoHoung  und  Furcht,  welche  der  Irascibi- 
litüt,  und  Freude  und  Trauer,  welche  der  Concupiscibilität  ent- 
sprechen, a.  4^6.  Von  der  Vernunft  beherrscht  und  recht  geleitet 
sind  die  Leidenschaften  als  solche  noch  nichts  Böses,  sondern 
sogar  etwas  Gutes,  die  unter  Umstfiaden  selbst  ein  höheres  Ver- 
dienst zur  Folge  haben,  a.  6—8,  weswegen  sie  sieh  in  ihrer 
inkorrupten  Gestalt  auch  in  Christus  finden,  a.  8 — 10. 

Wie  im  Traktat  de  verilate  gezeig-t  wurde,  dafs  die  natür- 
liche Erkenntnis  übernatürlich  erhoben  wird  durch  prophetia, 
raptus  und  fides;  so  wird  nun  auch  hier  die  übernatürliche  Er- 
hebung des  Willens  geschildert.    Es  geschieht  dieselbe  durch  die 


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Die  Syatenwlik  in  den  QtiaoBtionei  diapnUtae  etc. 


Ul 


Gnade,  und  so  kommt  in  diesem  Znaammenhang  die  Abhandlung 
de  gratia,  qu.  27  n.  28.  £b  hat  aber  die  Gnade  auf  den  Willen 
eine  doppelte  Wirkung,  eine  positive  und  eine  negative:  die  Heili- 
gung und  die  Rechtfertigung-,  und  so  liarvlelt  denn  qu.  27  de  gratia 
Hanctificante  und  qu.  28  de  justificatione  impii.  —  In  den  Aus- 
gaben ist  qu.  27  nnr  de  «2;ratia  betitelt;  es  sollte  aber  streug 
genoininen  beifseu:  de  grutia  banctihcauto  odur  grulum  tkciente, 
denn  nnr  von  dieser,  also  von  der  positiyen  Seite  der  Gnaden- 
wirksamkeit handelt  die  Quaestio.  Es  wird  gezei^^i,  wie  die 
Gnade  eine  übernatürliche  Zugabe  zu  den  natürlichen  Gütern 
in  der  Seele  de»  Begnadigten,  aliquid  creatum,  gleichsam  der 
Same  der  einstigen  Verklärung;  und  nicht  uur  die  Gunst  Gottes 
ist,  a.  1,  es  wird  die  Kontroverse  berührt,  inwiefern  Gnade  und 
Liebe  Gottes  dasselbe  seioo,  a.  2,  es  wird  als  alleinige  causa 
«fiiciens  der  Gnade  Gott  hingestellt,  a.  3,  während  die  ordent- 
liche causa  in^trumentalis  derselben  die  Sakramente  sind,  a.  4, 
endlich  wird  das  Subjekt  der  Gnade  näher  bestimmt  und  als  solches 
die  ganze  Seelensnbstanz  bezeichnet  (cf.  Scotist  Kontroverse), 
a.  5 — 7.  —  Die  negative  Wirksamkeit  der  Gnade  int  die  Sünden- 
nachlassung  oder  die  Rechtfertigung.  De  justificatione  impit 
handelt  darum  qu.  28.  Es  ist  die  Quaestio  ein  kurzer  Abrife 
der  Rechtfertigungslehro:  Wesen  der  Rechtfertigung,  a.  1  u.  2, 
Vorbereitung  zur  Rechtfertigung,  a.  3  — 6,  Verhältnis  von  Recht- 
fertigung und  Gnadeneingiefsung,  n.  C^~\\  wo  besonders  der  Ge- 
danke ausgeführt  wird,  dafs  logisch  und  kausal  das  Frühere  die 
Eingieikung  der  heiligmachenden  Guade  ist,  woraus  dann  die 
SündennachlasBung  tblgt. 

Den  Traktat  sdiliefst  die  Abhandlung:  de  gratia  Christi, 
qu.  38.  Es  entspricht  das  wieder  der  systematischen  Anordnung 
der  quaest.  de  veritate.  Wie  dort  in  absteigender  Ordnung  gezeigt 
wurde,  wie  die  göttliche  Erkenntnis  kreatürlich  nachgebildet 
wird  und  dann  alle  geschöpfliche  Erkenntnis  in  Christus  sieh 
NviediT  gleichsam  wie  in  rincm  P)i(niupunkt  Hammelt  und  am 
volikoninienslen  darstellt:  so  wurde  hier  im  Bisherigen  ausg-efuhrt, 
wie  die  göttliche  Willensthätigkeit  im  kreatürlichen  ^Streben,  ins- 
besondere im  freien  Willen  seine  geschöpf  liehe  Nachbildung  findet, 
und  zwar  am  höchsten  in  dessen  übernatürlicher  Erhebung  durch 
die  Gnade;  und  nun  wird  wiederum  abscbliefsend  nachgewiesen, 
Nvie  der  Inbegriff  aller  Gnade  für  sich  und  die  Menschheit  sich 
in  Christus  findet,  so  dafs  er,  auch  unter  dieser  Rücksicht  be« 
trachtet,  nicht  nur  in  der  Erkenntnis,  nach  seiner  menschlichen 
Natur  der  Abschluls  der  Schöpfung  ist,  in  w*elchem  sich  die  in  den 
vielen  Kreaturen  zerstreuten  Strahlen  der  göttlichen  Abbildlicbkeit 


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142 


Die  S^stemalik  in  deu  Quaestiooes  disputatae  etc. 


wiederum  in  Eins  sammeln.  Im  einzelnen  wird  zuerst  srezeigt, 
daf«  in  Christus  seiner  menschlir'heTi  Natur  nach  wegen  der 
hypoRtatischen  Union  mit  dem  Loi^os,  sich  die  Fülle  der  habi- 
tuellen (TQadc  findet,  so  dais  er  durum  schon  in  statu  viae  die 
visio  beatiiica  besafs,  a.  1 — 4;  dann  wird  Christus  betrachtet  als 
Haupt  der  Kirche,  und  ausgeföhrt»  wie  diese  Gnadenfiille  nicht  nor 
für  ihn  persÖDlicb  gegeben  ist»  sondern  Ton  ihm  als  dem  Haupte 
nun  auch  hiniiberflutet  in  seinen  mystischen  Leib,  die  Kirche; 
a.  4  — 6,  und  endlich  wird  dargethan,  dafs  Christus  wegen  dieser 
seiner  Gnadenfiille  und  hypostatischen  Union  unendlich  verdienst- 
liche "Werke  vollbring'an  und,  weil  Haupt  der  Kirche,  sie  stellvertre- 
tend für  die  Sünden  der  ^lenschheit  Crotl  autopfern  konnte,  a.  (5 — 8. 

So  wird  auch  diese  Abhandlung  de  voluntale  wieder  in 
universalster  Weise  durch  die  Darstellung  der  höchsten  Keg-na- 
digung  des  Willens  in  Christus  abgeschlossen  und  es  erübrige 
nan  nnr  noch,  die  andere  Seite  dea  Willens,  die  Macht,  in  ihrer 
gottlichen  Urbildlichkeit  im  Vater  and  ihrer  kreatürlichen  Kach- 
bildung zu  betrachten;  dieses  aber  thut  der  letste  Traktat  der 
quaest.  dispute :  de  potentia. 

c)  Die  quaesi.  disput:  de  potentia.  —  Nach  den  histo- 
rischen Ausführungen  sind  die  quaest.  disput.  de  potentia  der 
Zeit  nach  '/ulotzt  entstanden,  nämlich  innert  den  Jahren  12G9 — 71 
zu  Paris,  während  «ie  in  den  Ausgaben  gewöhnlich  an  erf?ter 
Stelle  stehen.  Aus  der  zeitlich  spätem  Entstehung  schlössen  wir, 
dafs  sie  als  eine  Art  beabsichtigter  Ergänzung  zu  den  quaest. 
de  veritate  zu  fassen  sind,  und  das  ergibt  sich  nun  auch  aus 
einer  Betrachtung  ihres  Inhaltes  und  Gedankenganges.  —  Die 
swei  Grundyermögen  des  Geistes,  des  göttlichen  sowohl  wie  dea 
kreatürlichen,  sind  Erkenntnis  und  Willen,  und  davon  handelten 
die  Traktate:  de  veritate  und  de  voluntate.  Der  Wille  aber  hat 
eine  doppelte  Seite:  er  ist  einerseits  Strebe  vermögen,  Streben 
nach  einem  Gute,  und  dieses  behand(?lten  die  qunpsr  •  de  volun- 
tate; er  i-st  aber  anderseits  auch  Macht,  Kraft,  Thatkrafi,  Scliöpfer- 
und  Schallensmacht;  und  es  ist  das  eine  ebenso  wichtige  Seite 
desselben;  er  ist  nicht  nur  voluntas,  sondern  auch  potentia;  im 
Krealiirlicheu  könnte  man  vielleicht  sagen:  ersterem  entspricht 
besonders  die  Concnpiecibilität,  letsterem  die  Irascibilität;  im 
Göttlichen  sehen  wir  das  erste  besonders  dargestellt  in  der 
Liebesthatigkeit  der  Bauchung  des  hl  Geistes;  das  zweite  in 
der  Zeugungs-  und  Schöpfermacht  des  Täters.  Von  letzteren^ 
muffte  also  noch  abgehandelt  werden,  wenn  die  grofsen  Traktate 
de  veritate  und  voluntate  ihre  vollständige  logische  Ergänzung 
finden  sollten,  und  das  Ganze  mufate  schiiefsen  mit  einer  urbild*- 


V 


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Die  Systematik  in  den  Qnaestiones  disputatae  etc. 


143 


liehen  BegrtioduDg  der  drei  kreatürlichen  Seelenpotenzen  in  der 
Trinität  selbst:  in  der  Macht  des  Vatere,  der  Weisheit  des  Sohnes 
und  der  Liebe  des  hl.  Geistee.  Diesen  Absoblufs  aber  bietet  in 
der  Tbat  der  Traktat:  de  potentia. 

In  10  4uaost.  wird  darin  nämlich  abgehandelt:  zunächst  von 
der  Macht  resp.  Allmacht  Gottes  im  allgemeinen,  qu.  1,  de  potentia 
Dei;  dann  von  der  innergöttlicbcn  Zeugungsmacht,  qu.  2,  de  po- 
tentia generativa  in  diyinis  und  von  der  göttl.  8ohöpfermacht 
nach  anfaen,  qn.  S,  de  creatione,  und,  qn.  4,  de  ereatione  materiae 
in  formis;  dann  von  der  Allmacht  in  der  Welterhaltung,  qn.  5,  de 
conservatione  rerum  in  esse  a  Deo;  und  in  der  Wnnderwirksam- 
keit,  qu.  6,  de  miraculis;  das  Ganze  aber  wird  abgeschlossen  und 
gekrönt  mit  einem  Abrifs  der  Tnnitätslehre,  qn.  7,  de  divinae 
essentiae  simplicitate,  qu.  8  de  relationibiis  in  divinis,  qu.  i>  de 
peröooie  divinis  und  qu.  10  de  processioDe  divinarum  personarum. 

In  qu.  1  de  potentia  wird  wieder  zuerst,  wie  in  den  andern 
zwei  Abhandiungen  der  Begriff  von  verum  und  bonum,  so  hier 
der  von  potentia  festgestellt,  aber,  wie  durch  den  ganzen  Traktat 
allen  bedeutend  kürzer,  woraus  man  den  ergänzenden  Charakter 
deeeelben  abnehmen  kann.  „Die  potentia  liegt  Tor  allem  in  dem 
Wirken,  in  der  operatio:  weil  nun  Gott  reine  Wirklichkeit  oder 
forma,  so  mufs  ihm;  vor  allem  potentia  zukommen/'  a.  1,  und 
zwar  ist  seine  Macht  eine  unendliche  oder  Allmacht,  die  nicht 
ihre  Grenzen,  sondern  nur  ihre  Bestimmung  hat  an  dem  logisch 
und  metaj>hysisch  ]\!ö^'^l:rhi  n,  a.  2 — 7.  —  Am  höchsten  und  voll- 
kommensiun  bcthätigt  sich  nun,  um  vom  Allgemeinen  zum  Ein- 
zelnen überzugehen,  diese  göttliche  Wirksamkeit  in  der  inner- 
göttlichen Zeugungsmacht,  qu.  2,  de  potentia  generativa  in  divinis. 
»In  der  Natur  einer  jeden  Wirksamkeit  liegt  es  n&mlich,  so  viel 
als  möglich  sich  andern  mitzuteilen,  auf  anderes  ttberzugehen; 
die  gotUiche  Natur  aber  ist  reinste  Wirklichkeit,  und  so  kommt 
ihr  auch  die  Selbstmitteilung  am  Yollkommensten  zu,"  diese  aber 
iHt  durch  Zeugung,  a.  1.  Nachdem  nun  diese  geistige  Zeugung 
theologisch  näher  bestimmt,  a.  2  —  5,  und  als  die  vollkommenste 
Frucht   der  göttlichen  Wirksamkeit  uud  Allmacht  hingestellt 
worden  ist,  a.  5,  so  wird  dieselbe  selbst  wieder  als  der  Grund 
nnd  das  Vorbild  der  göttlichen  8chöptermacht  dargestellt,  a.  G, 
und  damit  der  Ubergang  gewunuen  zu: 

qu.  3  de  creatione.  „Die  Schöpfung  ist  die  erste  Wirkung 
der  göttlichen  Allmacht"  heifst  es  gleich  einleitend  zu  dieser 
Qoaestio,  und  wird  damit  das  Folgende  als  „Wirkung"  der  gött- 
lichen Macht  hingestellt  In  19  art.  wird  abgehandelt  über  die 
Schöpfung  aus  Nichte,  als  eine  ausschUefsliche  Wirkung  Gottes 

Jabrbach  fBr  Phtlowphle  etc.  VI.  9 


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14:4         Die  Systematik  in  den  Quaestioues  disputatae  etc. 


a.  1 — 7,  über  das  Verhältnis  von  Schöplung  und  Entstehung  der 
Dinge  spec.  den  Ursprung  der  Seele  (Kreatianismus),  a.  7 — 13, 
(wo  auch  a.  7  die  göttl.  AllwirkHümkeit  behandelt  wirdO:  endlich 
über  die  ioi  Mittelalter  viel  kpntrovertierte  Frage  von  der  Zeit- 
lichkeit der  WeltsohöpfliDg»  a.  13 — 19.  Die  folgende  qu.  4  de 
creatione  materiae  informiB  mit  2  art  ist  nur  als  eine  Ergänzung 
zur  TerbergeheDden  sa  fassen,  womit  nur  um  so  energischer  aller 
Dualismus  und  Hylosoismns  zurückgewiesen  wird.  Erscheint  so 
die  Schöpfung  als  die  erste  „Wirkung*'  der  göttlioben  Maohl 
nach  aufsen,  so  die  Erhaltung:  der  Dinge  als  die  zweite. 

Die  iTÖttliche  Weltcrhaltung  ist  gleichsam  eine  fortgesetzte 
Weltschuplung  und  deshalb  eben  eine  fernere  Bethätig^ang  der 
göttlichen  AUoiacht.  Qu.  5  de  conservatione  rerum  in  ei»ae 
bestimmt  dieselbe  nsher,  und  swar,  a.  1— 5,  positiv  und  negativ: 
die  Erhaltung»  die  aus  der  Kontingens  der  Weltdioge  gefolgert 
wird;  und  die  AnnihUationi  die  nnr  die  Kehrseite  der  Erhaltnng 
ist,  darum  auch  nur  Gott  sukommen  kann,  aus  teleologischen 
Gründen  aber  nicht  angewendet  wird.  Von  a.  5 — 10  wird  daoa 
gefragt,  ob  die  Welterhaltuug  auch  ihr  Ende  habe,  wenigstens 
rücksichtlich  lies  motus  coeli,  der  nach  aristotelischer  Auffassung 
ewig  und  von  dorn  überhaupt  alle  Generation  und  Korniption 
im  Sinnlichen  abhängig  wäre;  und  da  denn  kommt  gleichsam 
die  Kehrseite  der  Frage  über  die  Zeitlichkeit  der  Weltschöpfuag 
in  Betracht:  nfimlicb,  ob  dss  Ende  der  Welt  ex  ratione  bewiesen 
werden  könne,  und  auch  hier  neigt  sich  Thomas  der  Ansicht  an, 
dalk  wir  dSS  mehr  nur  aus  dem  Glauben  wissen,  magis  fide 
tenetnr;  eine  Meinung,  welche  die  moderne  Natarwissensohafk 
kanm  mehr  teilen  würde. 

Die  letzte  unralttolbare  und  ausschlipfsliche  Thätigkeit  der 
göttlichen  Allmacht  im  Kreatürlichen  ist  die  Wunder  Wirksamkeit, 
und  davon  handelt  noch  qu.  (5  de  miraculis.  Es  wird  Äuuachst 
der  Bügriff  dot>  Wunders  teätgestcUt:  es  ist  eine  unmittelbare 
Wirkung  der  göttlichen  Allmacht  in  der  ^'atur.  die  von  dem 
gesetsmäfAigea  Natnrlanf  abgeht,  a.  1 — 3.  Deshalb  können  Krea- 
turen, Engel  oder  Heiligte  in  eigener  Kraft  nicht  Wunder  wirken, 
sondern  nur  auf  Gebet  hin,  orando,  a.  3;  potestatiye  aber,  d.  L 
ohne  Gebet  auf  eigenen  Befehl  hin,  durch  die  Gnadengabe  der 
Wnnderwirksamkeit.  wodurch  der  göttliche  Befehl  über  die  Xatur 
durch  sie  an  die  Natur  vermittelt  wird,  gleichsam  wie  das  Sonnen- 
licht durch  die  erleuchtetB  Lufi  an  die  Erde,  ,,und  es  ist  da^ 
nicht  zu  verwundern,  da  ja  umgekehrt  (iutt  auch  die  Natur  ia 

<  Eine  der  wichtigsten  Stellen  in  der  Kontrorerss  Aber  die  prse* 

motio  physica. 


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Die  Sytteoatik  io  den  Qnaeetioae«  diapatilM  etc. 


145 


den  SakrUDenten  snm  iDstrament  der  Gnadenmitteilnng  an  den 
Menschen  gebraachen  kann,"  a.  4.  Noch  weniger  als  die  gaten 
GeSsler  Yennögen  die  Dämonen  in  eigener  Kraft  eigentlioke  Wunder 
zn  wirken,  auch  benatzt  sie  Gott  nicht  als  Werkzeuge  seiner 

Wunderwirk«?imkf>it  wie  die  Engel  und  Heili<j'en;  dafr»'gen  ver- 
mögen sie  wo^^Lii  ihrer  höhern  natürliclien  Kratt  lu    ier  Natur 
Wirkungen  hervorzubringen,  durch  Bchnelie  Veränderung  oder 
durch  Sinnentäuschung,  die  dein  oberflächlichen  Blick  des  Menschen 
als  Wunder  erscheinen  könnten,  es  aber  in  Wirklichkeit  üjcht 
sind,  sondern  nur  Kunststücke,  artes  oder  signa»  a.  5.  (Hier  wird 
nton  anok  mit  dem  snsammenhängend  ein  Exkurs  eingesohaltet 
über  die  Frage,  inwiefern  Geister,  gute  oder  böse,  Körper  an- 
nehmen und  darin  bandeln  können  oder  nicht,  a.  6 — 9.)  Die 
gaine  Abhandlang  aber  wird  geschlossen  mit  der  Untersuchung 
über  die  Disposition  zum  Wunderwirken  resp.  zu  dämonischem 
Blendwerk.   Die  Guten  disponiert  ein  fester  Glaube  zum  Wnndpr- 
wirken.  insoTfM'n  auf  denselben  hin  eher  jene  Guadt  ii;j^ai)e  der 
BetehlsvermiLthing-  an  die  Natur  verliehen  wird  und  bte  mäch- 
tiger und  unabhängiger  über  der  !Natur  dastehen,  a,  iK  Die 
Bösen  aber  vermögen  durch  magische  Künste  zwar  nicht  die 
D&nonen  an  awingea  und  sieb  dienstbar  an  machen;  das  können 
nur  der  Natur  naob  über  ihnen  stehende,  also  Gott  und  höhere 
Dämonen,  wohl  aber  sieben  sie  sie  damit  an,  weil  ihnen  solche 
Zaubereien  angenehm  sind  und  sie  sioh  gerne  darein  mischen,  a.  10. 

Damit  ist  die  Abhandlung  de  potentia  abgeschlossen.  Ent- 
sprechend den  zwei  andern  Traktaten:  de  veritate  und  de  "voluntate 
VTHren  nun  auch  hier  noch  die  geschopt  lichen  Abbilder  der  gölt- 
liehen Macht  wie  dort  der  Weisheit  und  des  Willens  zu  be- 
trachten. Thomas  übergeht  die»,  um  mit  qu.  7 — lÜ  sogleich, 
wiö  sich  zeigen  wird,  zu  einem  gemeinsamen  Abschluis  aller 
drei  Abhandlungen  durch  die  Trinitätslehre  überzugeben.  Auch 
daraus  ergibt  sich  der  blofs  ergänzende  und  darum  kfiraer  ge- 
haltene Charakter  der  qaaest  de  potentia.  Es  ist  su  bedauern, 
dafs  diese  Ausführungen  sich  hier  nicht  mehr  finden,  es  konnte 
dadurch  der  Traktat  mit  dem  de  veritate  an  Grofsartigkoit  wett* 
eifern;  doch  läfst  sich  durch  die  Analogie  mit  jenem  immerhin 
das  Schema  für  diesen  einigermafscn  ahnen  und  andeuten.  In 
absteigender  Reihe  würde  otl'enbar  zunächst  in  Betracht  komnion 
die  Macht  und  Kraft  der  Engel,  die  ja  nach  der  Bibel  besonders 
als  die  potentes  virtute  erscheinen,  und  deren  Mitwirkung  bei 
der  göttlichen  Welt^chöpt'uug  und  Üegieruug.  iJauu  tblgte  die 
Betrachtung,  der  Nachbildung  der  göttlichen  Alaoht  in  der  Mensch* 
heil   Als  Nachbild  der  Macht  überhaupt  würde  sich  hier  dar- 


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146         Die  Syatematik  in  Ueo  i^uaestiooes  diBputaUe  etc. 


stelien  dio  potcstas  voluntatls  als  solche;  Bpezteli  ale  Imitation 
der  potestas  geuerativa  in  divinis  (qu.  2)  ,,alle  Vaterschaft  im 
Himmel  und  auf  Erden"  Eph.  3.  15,  insbesoadere  die  übernatür- 
liche in  der  Regeneration  durch  die  Gnade:  ein  Schatten  der 
guttlichen  Schöptermacht  wäre  die  arg,  die  Kunslthutigkcii  ues 
ilentehen,  uad  ODdlich  ein  aoh waches  Abbild  der  göttKehen  Welt- 
erbaltung  und  Regierung  die  Herncberthatigkeit  im  Irdiaohen; 
in  der  Wnnderwiricaftinkeii  aber,  wovon  der  Soblufe  der  qo.  6 
nooh  explicite  abhandelt,  greifl  Gott  selbst  mit  seiner  Allmaebt 
in  die  Menschheit  ein  und  erhebt  den  Wunderthäter  als  sein 
Werkzeug  zum  höchsten  Nachbild  seiner  Macht,  wo  dann  wieder 
ChriHtu8  als  der  Inbegriff  krcatürlichcr  Macht  spec.  aU  der  höchste 
Wunderthäter  hingestelii  werden  koante. 

Kaohdem  mit  qu.  6  die  Ausführungen  de  potentia  abgeschlossen 
Bind,  mnra  es  jedermann  auf  den  ersten  Bliek  auffallen,  wie  non 
Ton  qu.  7  an  bis  an  Ende  anf  einen  Gegenstand  übergegangen 

wird,  der  mit  der  „göttlichen  Macht"  gar  nichts  gemein  hat  Da 
wird  abgehandelt  qu.  7  de  divinae  ossentiae  simplicitate,  qu.  8 

de  relationibus  in  divinis,  qu.  0  de  persoois  divinis,  qu.  10  de 
processione  divinarum  perBonarura.  Off'^nbar  gehe  n  diese  Dinge 
logisch  nicht  mehr  unter  den  Titel  de  iiulentia,  sowenig  aU  früher 
die  de  voluntate  unter  den  de  veritate,  und  man  hätte  somit 
auch  hier  scheinbar  das  volle  iiecht,  dafür  eine  eigene  Überschritt 
an  wählen,  etwa:  de  simplicitate  divinae  esseatiae  et  de  plnra- 
litate  personamm.  —  Allein,  die  Sache  etwas  naher  besehen, 
steht  doch  dieser  Abschlnf«  der  qnaest  disput  in  einem  viel 
nähern  innerlichen  Bezug  zu  dem  Vorhergehenden  als  man,  ober* 
flächlich  betrachtet,  meinen  möchte;  nur  darf  man  nicht  diese 
quaestiones  nur  als  einen  Alischlufs  der  quaest.  de  potentia  f\iSf5en, 
sondern  als  einen  solchen  aller  drei  Traktetc:  de  veritato,  de 
voluntate  und  de  potentia,  gleichsam  als  eine  Krönung  des  grofsen 
ganzen  Werkes. 

£s  erhellt  das  aas  Folgendem:  Offenbar  ist  der  hl.  Lehrer 
in  den  drei  Abfaandlnngen  tob  drei  Eigenschaften  Gottes  ana- 
gegangen, dio  mit  der  Trinitat  in  näohster  appropriativer  Be- 
ziehnng  stehen:  von  der  Allmacht,  Weisheit  und  Willen  resp. 
Liebe,  und  hat  dann  auf  deduktivem,  absteigendem  Wege  geseigt, 
wie  sich  diese  Eigenschaften  im  Kreatürlichi  n  bethätigen  resp. 
geschöpflich  nachgebildet  werden.  Was  war  nun  logisch  nfiher 
gelegen,  als,  nachdem  gleiciisam  die  prisiuatische  Strahlenbrechung 
dieser  Eigenschaften  im  Geschöpflichea  nachgewiesen  war,  diese 
Strahlen  wieder  in  Eins  zu  fassen  und  zu  zeigen,  wie  sie  in 


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Die  Systematik  in  den  Quaestiones  disputatae  etc.  147 


der  gotUichen  Einfachheit  als  wie  in  ihrem  Brennpunkt  zusammen- 
laufen und  in  der  Trinität  ihr  höchstes  Urbild,  ihren  Prototypus 
finden?  So  möchten  wir  dicsß  letzten  Tier  Quaest.  nicht  so  fast 
als  einen  Absehluf^  der  qiiarst.  de  potentia  lassen,  denn  vielmehr 
als  eioeü  solchen  aller  drei  Abhandlungen:  de  veritate,  de  volun- 
tate  und  de  potentia.  Kiue  kurze  Barateliung  des  Inhaltes  der- 
selben Wild  das  beslätigeo. 

Die  Qnaeat  7  de  divinae  ewentiae  slmpHeitate  mil  ihren 
11  art.  serfallt  in  drei  Teile.   Art.  1 — 4  beBtimmt  scblechtbin 
die  Einfachheit  dos  göttlichen  Wesens;  art  4 — 8  föhren  ans, 
dafa  in  Gott  bonum,  jastnm  et  sapiens  real  eins  seien;  während 
art  6 — 11  die  Beziehungen  dieses  göttlichen  einfachen  Wesens 
zu   den  Kreaturen   bestimmen.    Sogleich  mufs  nun  auflallen, 
warum  gerade  für  diese  drei  Ei^^enschaften,  das  bonura  justura 
et  sapiens,  die  reale  Einheit  nachg-e wiesen  wird.    Es  entsprechen 
nämlich  diese  drei  Eigenschalieu  den  bisherigen  drei  Trakt  Ueu: 
das  sapiens  dem  de  veritato,  das  bonum  dem  de  vuiuutuiu  und 
das  justum  dem  de  potentia.    Es  wollen  also  damit  diese  im 
Vorhergehenden  vereinseli  betrachteten  Eigenschaften  wieder  in 
Eine  snsammengefaOit  werden,  und  wahrend  früher  deren  Ah- 
bildlichkeit  in  den  Kreaturen  nachgewiesen  wurde,  so  wird  nun 
hier  von  art  8  an  abstrakt  und  prioci^ell  das  Verhältnis,  die 
rclatio  der  drei  Eigenschaften  zum  Ereatürlichen  festgestellt  Dafs 
die  Quaest.  de  simplicitate  divinao  cssentiac  gerade  so  angeordnet 
ist  und  nicht  anders,  wie  etwa  in  der  8umm.  theol.  I  qu.  11, 
dürfte  wohl  deutlich  beweisen,  dafs  dieselbe  mit  Rücksicht  auf 
das  Vorhergehende  und  nicht  abstrakt  und  abgesehen  davon 
geschrieben  wurde. 

In  dem  ^chlufoartikel  der  qu.  7  werden  die  relatiooes  ad 
ereatnras  als  solche  temporales  genannt  An  diesen  Gedanken 
knüpft  die  folgende  qn.  8  an  und  handelt  von  den  relationes, 
qoae  dicantur  de  Deo  ab  aeterno.  Es  sind  dieselben  gleichsam 
das  Urbild  jener  zeitlichen  zu  den  Kreaturen.  Sie  sind  real 
von  einander  unterschieden  und  haben  eben  deshalb  die  Drei- 
persönlicbkeit  der  (jottheit  zur  notwendigen  Konsequenz,  a.  3 
u.  4,  —  Von  diesen  Personen  hrindelt  darum  qu.  de  ^lersonis 
diviiH!^.  ii-s  wird  zunächst  der  rersonenbegriff  genau  lestgestellt; 
das  Verhältnis  von  Person  und  Substanz,  a.  1,  der  Begritrvon  Person 
im  Luterächied  zu  jSutur,  u.  2,  und  dann  die  Anwendung  auf  die 
Trinität  gemacht  nnd  gezeigt,  dafs  infolge  der  realen  Verschieden- 
heit der  Relationen  eine  Mehrpersönlichkeit  in  Gott  aogenommen 
werden  mnfs,  a.  3— 5,  die  richtig  mit  Zahlenbegriffen  und  zwar 
mit  der  Dreiaahl  näher  bestimmt  wird,  a.  5 — 9.  —  Diese  Drei- 


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148 


Die  Systematik  ia  den  i^uaeütioues  disputatae  etc. 


persönlichkeit  und  die  reale  Verschiedenheit  der  Kelationea  ia 
Gott  bat  aber  t>elböt  wieder  ihren  tietera  Grund  in  den  sog. 
Proceesiones  oder  Produkten  von  Erkenntnis  und  Liebe,  und  davoa 
handelt  endlich  noch  qu.  10  de  processione  divinarum  personamm« 
Anch  hier  wird  merst  der  Begriff  Ton  proeeMio  bestimmti  a.  1, 
daan  gesei§^  wie  göttl.  Erkenntnis  ond  Liebe  swei  innere  gei- 
stige Produkte  haben,  a.  2,  vrie  sich  prooessio  und  relatio  zu 
einander  Terhalton,  a.  3,  und  dann  besonders  noch  den  Griechen 
gegenüber  das  filioque  im  Ansgang*  des  hl.  Geistes  bewiesen, 
und  gezeigt,  dafs,  wenn  man  dasselbo  aufgeben  würde,  man  auch 
nicht  mehr  den  Pcrsonenuuterschied  von  Geist  und  6ohn  ieet> 
halten  könnte,  a.  4  u.  5.  — 

In  kurzen  Umribbcn  wird  in  dieser  W  eise  hier  eine  Trioi- 
tätslehre  snm  Scblosee  geboten  und  dieselbe  logieoh  nnmittelbar 
angeschlossen  an  das  Vorhergehende  durch  die  Zutammenstellang 
der  Begriffe  Yon  relationes  temporales  und  aetoroales.  6o  wenig 
nun  auch  im  Binaelnen  der  qnaest.  de  trinitato  auf  den  Zusammen- 
hang mit  den  quaest.  de  potentia  et  veritate  Bezug  genommen 
wird  und  joder  artic.  eine  Abhandlnn-r  Inr  sich  zu  sein  scheint, 
so  ist  doch  durch  jene  Zusammenstellung  der  ewigen  und  zeit- 
lichen Holationon  (iottes  das  Ganze  als  solches  mit  dem  Vorigen 
verbunden  und  im  Zusammenhang  gedacht.  Es  werden  die  zeit- 
lichen Relationen  durch  die  ewigen  begründet  und  die  Weisheit, 
Crüte  und  Macht  als  suhöehst  abgeschlossen  dargestellt  in  den 
ewigen  Produkten  der  göttlichen  Erkenntnis  und  Liebe.  Damit 
aber  ist  der  großartigste  Absohl ufs  der  quaest.  disput.  de  veri» 
täte  et  potentia  gewonnen,  der  sich  denken  läfst.  Gleichsam  wie 
in  einem  gotischen  Dome  die  drei  Grundformen  Kreuz,  Spitz- 
bogen und  IStrebepteiier  unzähligcmal  durch  den  ganzen  Bau 
durchgeführt  und  variiert  sind  und  alles  zuletzt  gipfelt  und  zu- 
sauimeuUiuft  in  der  Kreuzblume:  so  ist  in  diesen  drei  gewaliigeu 
Traktaten  gezeigt,  wie  die  drei  göttlicheu  Grundeigeuscbafteu : 
Allmacht»  Weisheit  und  Liebe  in  absteigender  Reihe  im  6e- 
schöpflichen  immer  mannigfaltiger  nachgebildet  werden,  in  dem 
göttlichen  Wesen  aber  in  absoluter  Einfachheit  bestehen  und 
hi  r  in  ihrer  unendlichen  Vollkommenheit  und  fruchtbaren  Über- 
lülle  zu  den  persönlichen  Produkten  der  Weisheit  und  Liebe  in 
Logos  und  im  hl.  Geiste  führen.  So  erscheint  dann  die  Trinität 
als  der  höchste  Abschhifs  und  das  ewige  Urbild  der  drei  kreatür- 
licheu  Gruudvermögeu  und  höchsten  Bethätigungsweisen  des 
Renschen:  Macht,  Weisheit  und  Liebe. 


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Die  Systematik  ia  üeu  (^uaeätioues  disputatae  etc.  149 


Durch  die  bisherige  Analyse  der  quaest.  diep.  des  hl.  Thomas 
dürfte  sich  nun  auch  aus  innern,  nicht  nur  aus  Wahrs^fhelnlich- 
keits-   und  äufsern  historischen   Gründen   ergeben  habnn,  clafs 
wirklich  in  diesen  scheinbar  lose  aneinander  gereihten  Ahhaud- 
luDgeii  ein  einhtiitlicher  Grundgcdunke  herrscht,  der  sie  zu  drei 
einbeitlicheo  Systemen  znaammenfu^  i ,  am  wenigsten  hervortretend 
in  den  quaest  diepat:  de  anina»  de  epirtnalibna  creatoris  und 
da  aoione  Verbt  incarnati,  wo  der  Gedanke  von  der  nnio  das 
bindende  Moment  ist;  klar  nnd  dentlieb  in  den  quaest.:  de  vir* 
tutibna  ei  malo,  die  ein  kurzes  Kompendium  der  Moral  bieten; 
grandios  nnd  in  der  höchsten  Einheit  abschliefsend  in  den  quaest.: 
de  veritate  et  potentia.    Es  hat  diese  kurze  Übersicht  zugleich 
auch  bewiesen,  dafs  die  Quaest.  disp.  ein  reiches  Material  für 
Parallelstellen  zti  der  Summ,  theol.  bieten,  EinzcltVa^cn  viel  weit- 
läufiger ausführen  und  so  für  da»  iSiudium  des  hl.  Thomas  nicht 
ungangen  werden  können.    Darob  die  zwei  Eigennehaften  der 
„Unteraoebongen'*  aber:  die  minutiöse  Detailarbeit  und  die  ein- 
beitliebe  großartige  Anffassang  ersoheint  der  englische  Lehrer 
ebensowohl  als  der  gröfste  Gelehrte  wie  als  der  gröfste  Syste- 
matiker  seiner  Zeit  und  hat,  unter  dieser  Rücksicht  betrachtet, 
eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den  g^rofsen  Malern  des  Mittelalters, 
wie  mit  einem  Giotto  und  Orrairna,  die  einerseits  mit  einer  fast  . 
j)einlichen  Genauigkeit  alle  kleinHten  Details  ihrer  Werke  au»tiilirlen 
und  aiiderbeitii  in  ihren  grofsen  cyklischeu  i)ar;^i:cllungen  diese 
Details  zu  einem  gewaltigen,  Himmel  und  Erde,  Heils-  und  Welt- 
gesohiehte  nmfossenden  Gassen  snsammenfilgten.  Halt  man  end- 
lich die  Systeme  der  Qnaeationes  aosammen  mit  den  andern  der 
Snmro.  theol.,  der  Somm.  pbilof>.,  des  Compendium  theol.  und 
des  thomist.  „Kateebismns**,  so  beobachtet  man,  dafs  besonders 
zwei  Grundgedanken  die  systematische  Weltauffassnng:  des  enp:- 
li«rhen  Lehrers  beherrscht  haben:  entweder  alles  /u  betrachleu 
imier  der  Rücksicht  der  Trinilät:  so  im  Katechiöums,  Kompendium 
und  den  (^uaestioues;  oder  aber  unter  der  Rücksicht  der  Tri- 
nität  und  Cbritiiologie:  von  Gott,  durch  Citristu»,  zu  Gott,  so  in 
der  6nmm,  tbeol.  und  pbikie.    Höchte  nnsere  Zeit  bei  ihrer 
weitgebenden  Detailforschung  in  der  Wissenschaft  an  dieser  ge- 
waltigen Systematik  des  Aquinaten  lernen,  oenerdings  das  Viele 
nad  Einaelne  zu  einem  einheitlichen  Ganzen  znsammenznfögen, 
von  einem  einheitlichen  höhern  Gesichtspunkte  ans  zu  betrachten, 
der  auch  jetzt  noch  kein  anderer  sein  kann  als  der  des  hl.  Thomas: 
der  des  ohristiichea  Lehrbegriües. 


-9— <{ig>—  


ZUR  RELIGIONSPHILOSOPHIE.  * 

Von  Dr.  M.  GLOSSNER. 


Im  Gegeusatz  zu  Webers  Dualismiu  vertritt  die  BeUgions- 
Philosophie  Vatke»  den  Standpunkt  des  paDtheistischen  Monismus. 
Trotz  gelegentlicher  Folemik  gegen  Uegel  vermag  sie  doch  die 
Abhäng'ig'keit  von  dem  ^'ewakig-on  Logiker  do«  Pantheismus  nicht 
zu  verleugnen.  Ea  ist  daher  auch  die  vorg-ebiiche  vollständige 
Voraussetzungslosigkeit  und  Freiheit  von  jeder  Autorität  und 
Tradition  leerer  Schein ;  denn  es  wird  nicht  blola  ein  Gegebenes, 
aU  zu  durchdringendes  und  zu  bcgreituodcs  Material  der  religions- 
philosophischen  Forscliang  (S.  1  f.),  soDdern  ein  beatimmter  philo* 
sophiseher  Standpunkt  vorausgesetzt,  der  an  den  Antor  daicb 
»^Tradition"  gekommen  ist^  und  an  dem  er  wie  an  einer  nnan- 
tastbaren  „Autorität"  festhält 

Zwar  sucht  Y.  seinen  philosophischen  Standpunkt  zu  recht- 
fertigen und  der  gesamte  erste  Teil  der  umfangreichen  Schrift 
ist  diesem  Versuche  gewidmet.  Wie  nämlich  Weber  seine 
dualistische  Rechtfertigung  des  Christentums,  bü  baut  auch  V. 
seine  monistische  Auffassung  und  Kritik  der  ileligion  im  allge- 
meinen und  des  Christentums  im  besondern  auf  der  Grundlage 
einer  bestimmten  Erkenntnistheorie  auf.  Als  die  richtige 
Erkenntnistheorie  aber  gilt  ihm  eben  nur  die  aonlstisehe.  Die 
Hauptdifferens  aller  pfailophiachen  Sjateme  und  unmittelbar  aller 
Religionen  liege  in  der  verschiedenen  Darstellung  des  Verhalt' 
nisses  des  Idealen  und  Realen.  Der  SchöpfungsbegrifT  sei  nicht 
philosophisch»  denn  die  l*hilosophie  habe  niebt  mit  Wundem  su 
thun.  Allgemein  (?)  verstehe  man  unter  real  das  Auscinander- 
seiende,  im  Raum  Erscheinende.  Reales  und  Ideales  aber  seien 
untrennbar,  nach  dem  Tode  uiiisse  die  Seele  wenigatens  einen 
neuen  Leib  haben,  ,,da  eine  nackte  Soole  auch  in  der  Religion 
nicht  denkbar  ist".  Am  nächsten  sei  daher  öchelling  der  Wahr- 
heit gekommen,  sofern  er  bestrebt  war,  Ideales  und  Reales  so 
zu  fassen,  dalk  eines  das  andere  als  Ifoment  an  sich  hat.  (8.  24.) 
Geistiges  und  Materielles,  Form  und  Stoff  sind  sonach  im  Frinoip 

>  Wilhelm  Vatkes  Religionsphilosophie.  —  Religionsphilosopbie 
von  Dr.  L.  W.  E.  Rauwenhoff,  weilaiu!  Professor  in  Leiden.  Übersetit 
und  herausgegeb.  von  Dr.  Hanne.  lödU.  Vgl.  Pfl  ei  derer,  die  religions- 
pbiloiophtscben  Werke  von  Rauwenhoff  und  Marthiean.  Jahrbttcher 
fOr  protettantigcke  Theologi«:  1888.  1.  Heft  S.  1  ff. 


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Zur  Beligiostphilotoplile. 


151 


ein  und  daaselbew  Wenn  man  in  der  Vorskallun^  Gottes  in  ganz 
Abstrakter  Auffassung  ein  Ideales  (d.  b.  nach  unserem  Sprach* 
gebrauch  ein  reines  Geistwesen)  sehen  wolle,  ro  spreche  dagegen 
der  lebendig»  Zusammenhang  Gottes  mit  der  Welt;  die  Erfahrung 

gebe  UHR  ein  solches  abstrakt  göttliches  Wesen  nicht,  erfahrunga- 
mafsig  kennen  wir  Gottes  Offenbarung-  in  der  Welt.  (S,  30.)  Diese 
Äufserungen  lauten  charakteristisch  genug:.  Nur  Erlahrnnpscr- 
kennen  ist  reales  Erkennen  und  gibt  über  Dasein  und  W  i  kli  !i 
keit  Aufschiufs.  2s  uu  haben  wir  weder  von  reinem  (juisLseiu 
noch  von  einer  Schöpfung  aus  Nichts  Erfahrungs-,  d.  i.  intaitiTC 
Erkenntnis,  also  wird  durch  keinen  dieser  beiden  Begriffe  etwas 
real  Denkbares  erkannt  Diese  der  nenereu  Philosophie  eigen- 
tümlichen ,«PrincipieD''  gelten  als  ausgemachte  Wahrheiten  und 
bilden  die  leitende  Norm  für  die  folgende  erkenntnistheoretische 
l>arstellnug,  die  wir  in  den  flüchtigsten  Umrissen  kenn- 
Zffichncn  wollen.  Die  tntersuchting  zcrtalll'  in  empirische  Psy- 
cholojjfic  und  metaphysische  Principienlehro.  Obg-leich  dor  Vrf. 
die  Wahrnehmung  von  der  Vorstellung,  mit  d<;r  man  sie  von 
Carte.sius  bis  Kant  vermischt  habe,  unterscheidet,  so  tafst  er 
dach  da.s  Wahruehmeu  als  getrübtes  Vursiellen  aut'  und  stellt 
sich  auch  hierin  auf  die  Seite  des  philosophischen  Rationalismus. 
Bewurstsein  ist  Selbstrermittlung  eines  Aligemeinen  durch  ein 
Besonderes.  Denken  und  Erkennen  sind  Tcrschieden»  Anschauung 
ist  der  eigentliche  Ausgangspunkt  bei  allem  Erkennen. 

Die  metaphysische  Erklärung-  des  Erkenntnisprocesses  um- 
fafot  den  Grund  des  Bewufstseins,  das  Verhältnis  des  Uewufst- 
seins  in  der  Sinnenlhiitigkeit  zur  objektiven  Welt,  Raum  und 
Zeit,  die  Kategorien,  schlicfslicli  die  Zusammenfassung  des  Ganzen 
als  Inhalt  der  sich  selbst  vermittelnden  Vernunft.  V. 
bekämpll  den  kritisch  skeptischen  Idealismus,  gibt  aber  zu,  dafs 
die  iiJinne  das  Objekt  assimiliereud  (wie  Ahuliches  im  Verdauung»» 
procefs  geschieht)  verSndem,  dagegen  unterscheide  der  Verstand 
Subjekt  und  Objekt  und  erkenne  nicht  nur  die  Erscheinung, 
sondern  auch  das  Ansicb.  Man  könnte  fragen,  ob  nicht  im 
Etenken  der  Gegenstand  ebenfalls  verändert  werde,  und  wenn 
nicht,  wie  wir  darüber  Gewifsheit  haben  können?  V.  entgeht 
auch  in  der  That  nicht  dem  Idealismus,  denn  die  sich  selbst 
▼ermittelnde  Vernunft  ist  keineswegs  das  Ansich  der  Dinge. 

neircii  Kant  werdeu  die  Begritllichkeit  und  Objektivität  von 
Raum  11  n  1  Zeit,  fcovvie  die  Objektivität  der  Kategorien  verteidigt. 
Treffend  in  geschichtlicher  Beziehung  ist  die  Bemerkung,  Kant 
habe  Wolffs  Einteilung  der  Metaphysik  —  Seele,  W^elt  und 
Gott  au  „Ideen**  erhoben. 


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Zar  Eeligionsphllosophie. 


An  die  Darstellung  der  Erkenntnislehrc  schliefst  sich 
zweiter  At  bohuitt  der  Vorbereitung  eine  ßynlhetische  Eütwickluog 
der  Principien  alles  Seins  und  alles  Wissens-  Drei  üntersuchun- 
gen  »iüd  darin  eingeschloesen  1.  über  die  einfachen  Principien, 
2.  die  konkreten  Dinge  und  ihr  g^genseitigee  Verhältnis,  3.  die 
höheren  Einheiten.  Die  einfachen  Principien  sind  das  Sein 
und  die  Existens  mit  ihren  Formen  Quantität,  Qualität,  Bewegung, 
£xietierende8  Sein  hesteht  nur  in  Abhängigkeit  von  denkenden 
Weben-,  Bewegung  aber  findet  sich  auch  im  absoluten  Sein,  denn 
auch  dieses  raufs  in  den  Procefs  der  Entwicklung",  hUo  der  Ver- 
änderung eintreten.  Die  konkreten  Dinge  kommen  nach  den 
Kategorien  von  Substanz,  Ursache  nnd  Wechselwirkung  in  Be- 
tracht; keine  Substanz  ohne  Accidenzen,  weshalb  die  höchste 
Einheit  nicht  (mit  Spinoza)  aU  Substanz  begritlen  werden  könne. 
Vom  Standpunkt  der  Kausalität  und  Wechselwirkung  sei  ein 
allgemeiner  notwendiger,  jeden  Zn&U  ausschliefsender  Znsammen* 
bang  ansanehmen,  wiewohl  der  höhere  Standpnnkt  der  folgenden 
ITntersoohnng  die  Begriffe  des  Zwecks  nnd  der  Freiheit  fordere. 
Die  höheren  Einheitsfbrmen  nämlich  seien:  Zweckbestimmung, 
die  Thätigkeit  der  Universalien  und  die  Einheit  des  Unbedingten. 

Di  '  Telf'olog'ie  des  Verfassers  ist  die  pantheistische,  die 
sich  weigert,  den  letzten  Schritt  in  dies^er  Richtung  zu  thun, 
nämlich  auf  eine  selbstbowufste,  zwecksetzeudc  Intelligenz  über 
der  Natur  zu  schliefsen;  denn  nnbewnfste,  immanente  Zweck- 
ihuii^koit,  wie  sie  den  Organismen  zukumint  uud  auch  im 
tierischen  Instinkte  sich  ünfeert,  kann  ohne  ein  sie  begründendes 
swecksetsendes  Denken  nnd  dieses  nicht  ohne  Bewufstsein  be- 
gfriffen  werden.  —  Dagegen  nimmt  der  Verfasser  mit  Recht  an, 
dafs  das  ganze  Universum  zweckmäfsig  gestaltet  sein  müsse, 
da  die  zweckmäfsige  Entwicklung  der  Organismen  vom  Vor- 
handensein geeigneter  Mittel  abhängig  ist.  Aufserdem  aber 
führt  zu  derselben  Auffassung  der  Begrifi  der  wesentlichen 
Form,  iintf^r  den  auch  die  unorganischen  Körper  fallen  und  den 
V.  st'lhst  mit  dem  ZwuckbegriÖ'  in  Beziehung  setzt.  Die  Zweck- 
bestimmung nämlich  ist  ihm  allgemein  der  abstrakte  Aufdruck 
der  höhereu  Einheit  als  Form:  ein  Vermiiiuis,  das  zur  Betrach- 
tung der  Universalien  fährt  Das  Allgemeine  existiere  awar 
nicht  für  sich,  sondern  Ycrbunden  und  vereint  mit  dem  Beson* 
deren,  somit  als  das  Ideale  in  den  Dingen,  das  mit  dem  Realen 
den  umfassendsten  Begriff  bilde.  Die  Objektivität  der  Univer* 
salten  gebe  sich  darin  kund,  dafs  das  ideale  Priocip  das  ord- 
nende und  gestaltende  ist,  durch  welches  erst  ein  bestimmter 
Gang  der  Katur  und  höhere  G-esetzmäfäigkeit  vermittelt  ist. 


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Zur  Religioiupbilosopbie. 


153 


(S.  98.)  Es  gebe  aber  keioen  allgemeiDen  übergreifenden  Be^ 
griff,  aUo  auch  nicht  eino  solcho  Idee,  und  das  Unbedingte  sei 
aus  diesem  Grunde  in  ilpn  Universalicn  nicht  zu  tinden. 

Heg-el  finde  das  Unendliche  in  der  einfachen  Kategorie 
des  Seiendtm  zwar  zu  trüb,  aber  doch  im  ganzen  richtig.  „Un- 
endlich ist,  wat>  in  seiner  Unterscheidung  von  anderem  kein 
wirklich  Begreazendee  gegenüber  hat»  sondern  im  anderen  eine 
JBraoheinttng  seiner  selbst  findet"  (8. 99.)  G-egen  diese  monistische 
Beatimmung  des  ünendUchen  ist  sn  erinnern,  dafs  eine  endliche 
Erscheinung  des  Unendlichen  eine  8elbstbegrenzung  bedeuten 
'Würde,  die  unmöglich  ist.  Ist  dagegen  das  Endliehe  schöpferisches 
Produkt  des  Unendlichen,  so  kann  nicht  gesagt  werden,  dafo  es 
durch  ein  ihm  Geir*'Ti überstehendes  bet^ren/t  wnrde. 

In  der  Bestimmung  des  Unendlichen  verwirft  \'.  den  Stand- 
punkt der  iSubstanz  (iipinoza).  der  Kausalität  (Schleiermacher), 
den  er  mit  dem  kosmologischen  den  ThcismuH  verwechselt,  der 
zwecksetzenden  Vernunft,  weil  eigentlich  die  Teleologie  (als 
Scblufo  anf  eine  BwecksetMude  Intel  1  ige  uz)  eine  blofse  Form 
zum  Prineip  erhebe  und  eine  Intelligens  ohne  Materie  überhaupt 
nicht  denkbar  seL  Diese  letztere  Behauptung  entspricht  aller- 
dings dem  monistischen  Standpunkt  der  Identität  des  Idealen 
und  Realen,  nicht  aber  der  Wahrheit;  denn  im  Gegenteil  ist 
die  Intelligenz  nur  als  immaterielle  Substanz  denkbar. 

Auch  die  Hegelöchen  Bestimmungen  der  höchsten  Einheit 
als  absolute  Iduu  und  abHoluter  Geist  befriedigen  V.  nicht,  denn 
dies  seien  lauter  endliche  BestimmuDgen,  Da»  Unbedingte  sei 
ewige,  iiber&chweogliche  Potenz.  Jjiese  aber  sei  nicht  ais  Aktus 
ZU  denken,  da  jeder  Aktus  eine  Veränderung  voraussetze.  Es 
seien  daher  swei  Standpunkte  notwendig.  Der  eine  fasse  das 
Unbedingte  als  uuTeranderliche  Einheit,  der  andere  mit  demselben 
Recht  als  Evolution.  „In  der  That  ist  Evolution  ond  Potensialitat 
in  ewiger  Weise  verbunden,  und  beides  geeint  bildet  erst  den 
bestimmten  Begriff  des  Unbedingten."  Bewufstsein  ist  nicht 
höchste  Konzentration,  sondern  nur  Erscheinung  dt;«^  Unbedingten. 
(Tloichwohl  spricht  V.  von  unbedingter  Freiheit  des  Willens  im 
Unbediugtun,  sofern  dieses  selbst  alle  Bedingungen  seines  Daseins 
und  sich  selbst  alle  Schranken  setzt.  „Ks  ist  dieser  Punkt  fder 
sich  selbst  vermittelnden  Einheit;  eb^u  nur  theoretisch  zu  be- 
stimmen, nie  zu  durchleben,  weil  überschwenglich  und  unbegreif- 
bar."  (8.  ISl.)  Gleichwohl  Yerwirfk  V.  den  Sohöpfungsbegriff 
gerade  aus  dem  Grunde,  weil  er  nicht  erfahren  werden  kann» 
nicht  zu  durcblebeo  ist.  Die  richtige  Konsequenz  wäre  der 
Fositivismus.   Der  Verfasser  sieht  dieselbe  nicht  und  bleibt  so 


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154 


zwischen  Hegel  und  den  Positivisten  In  einer  nnhaltbaren  llitte 
schwebend. 

Das  Resullat  des  ersten  Teiles  ist  nach  seiner  negatifen 

Seite  die  LeiignuDg  eines  überweltUcheo,  persÖDlichen  Schöpfors 
der  Welt,  nach  seiner  positiven  ein  Pantheismus  der  Immaneaa 

im  strecg^sten  Sinne,  denn  was  wir  von  Gott  erkennen,  ist  nur 
seine  Erscheinung',  seine  owigc  Evolution.  Ein  zweiter  Teil 
wäre  nun  eigentlich  übertiiissig-;  denn  gibt  es  keinen  Gott,  den 
ich  anbeten  kann  und  dessen  Willen  ich  mich  unterwerfen  uiuls, 
so  ist  die  Religion  Täuschung  und  kein  ernsllicher  Gegonätand 
der  Wissenschatt.  Doch  der  Vrf.  schreibt  eine  ßeligtonsphilosophie: 
folglich  mnfs  ein  sweiter  Teil  folgeo»  der  von  der  Religion  handelt. 

Die  Darstellung  der  Religion  und  Theologie  serf&llt  in 
einen  theoretischen  nnd  geschichtlichen  Teil.  Jener  handelt  rem 
Wesen  der  Religion,  das  auf  Grand  der  tbatsÄchlichen  Religionen 
zu  bestimmen  gesucht  wird.  Der  allgemeine  Begriff  der  Keligioa 
ist  nach  V.  nicht  von  den  niedersten,  sondern  von  den  höheren 
Formen  zu  abstrahieren.  Die  Religion  ist  ein  geistiger  Proze/s, 
eine  innere  Veriniltluug  des  eudliciien  und  unendlichen  Geiates, 
iht  uretisch  betrachtet  als  Manifestation,  denn  die  WeUbetrachtuDg 
kauu  dou  üedauküu  (joUes  nicht  geben,  und  nur  durch  Gott 
kann  man  von  Gott  wissen,  praktisch  als  Aufnahme  des  gött' 
liehen  Princlps  in  den  Willen  nnd  die  Gesinnnog.  In  der 
Religion  ist  also  a)  das  Moment  der  Manifestation.  Manifeatiersn- 
des  Princip  nnd  Objekt,  dem  manifestiert  wird,  sind  im  Akt  der 
Manifestation  eins,  eines  (Gott)  ist  nicht  ohne  das  andere 
(Menschengeist).  Der  menschliche  Geist  nimmt  eine  äufserc 
Manifestation  nie  unmittelbar,  sondern  nur  durch  SelbstmanifestatioQ 
auf,  und  jeder  einzelne  ist  nur  ^~ih\'j,  von  aufsen  emptangene 
Ulieubarung  kraft  der  im  iSelbstbevvufstsein  vollzogenen  Mani- 
festation sich  anzueignen. 

^ach  der  praktischen  ISeite  (Aufnahme  des  göttlichen  Trin- 
cips  in  die  G-esinonng)  tritt  der  nnendliche  Wille  dem  endJichen 
als  gebieterisch  gegenüber,  die  Autonomie  wird  gleichwohl  nicht 
aufgehoben»  weil  das  Göttliche  im  Menschen  das  Gesetz  gibt 

Es  bedarf  kaum  eines  näheren  Nachweises,  daÜi  diese 
Auffassung  der  Religion  das  Wesen  derselben  zerstört;  deno 
ist  Gott  und  Mensch  eins,  so  betet  der  Mensch  in  Gott  sich 
selbst  an,  wie  er  nach  der  praktischen  Seite  sich  selbst  das 
Gesetz  gibt.  Soll  also  auf  diesem  Standpunkt  nofh  ein  Kuli 
bestehen,  so  kann  es  nur  der  der  liumanilät  sein;  denn  die 
höchste  uns  zugäugliche  Manifestation  des  Göttlichen  ist  der 
Mensch. 


Dil 


Zur  Heligioaspbilosophie. 


155 


Anstatt  dem  Verl*,  auf  seinem  nächsten  Wege,  der  Dar> 
Stellung  der  Religion  in  ihren  psychologischen  Erscheinungs- 
formen des  Gefühls,  der  Anschauung  (Vorstellung,  Denken)  und 
(Ich  WillenR  zu  folgen,  wenden  wir  uns,  um  das  Bild  der  .nifser- 
balb  der  kaLiroiischen  Kirche  augenblicklich  herrschenden  religiuiib- 
philosophischen  KiciiLuDgun  zu  vervoUhLandigen,  dem  sorgtältig 
gosohriebencn  und  in  seiner  Art  vorzüglichen  Werke  des  nieder- 
lüDdiachon  Gelehrton  Ranwenhoff  zu,  der  in  einem  ühnliolien 
VerbfUtnia  au  Kant»  wie  Yatke  an  Hegel  ateht  Zwar  ist  der 
KationalismuB»  der  weder  vom  Bupernaturalismue  noeh  auch  von 
einer  Schöpfung  aus  ^^ichts  etwas  wissen  will,  beiden  gemein- 
sam; dagegen  spricht  sich  Eanwenhoff  Über  die  Erkennbarkeit 
des  letzten  Grandes  der  Dinge  mit  jener  skeptischen  Reserve 
aua,  welche  die  kritische  iSchule  kennzeichnet. 

Die  Religionsphilosophie  RauwenhüÜ's  zerfällt  in  drei  Teile 
und  behandelt  1.  den  Ursprung  und  die  Entwicklung,  2. 
\\  esen  und  itecht,  3.  die  Erscheinung  der  lleligion  und 
dea  religiösen  Glanbens.  Obgleich  der  Yrf.  einen  bestimmten 
erkenntnistheoretischen  Standpunkt  einnimmt,  so  gelangt  derselbe 
doch  nichty  wie  bei  Vatke,  an  eioer  besonderen  systematischen 
Daratellnng,  sondern  nur  zo  gelegentlicher  Aussprache,  bleibt 
also  Voraussetzung,  die  indes  aua  dem  Inhalt  dea  Werkes  un- 
schwer sich  abstrahieren  läfst. 

Dem  kritischen  Standpunkt  R.'s,  der  eine  objektive  Gottes- 
erkenntnis ausschliefst,  entspricht  der  subjektiN-e  Mafsstab,  der 
bei  der  Untersuchung  über  den  Ursprung  der  Religion  ange- 
wendet wird.  Vorauezusetzon  sei,  dafs,  was  überhaupt  als  Re- 
ligion anerkannt  werden  soll,  von  derselben  Art  sein  müsse,  wie 
das»  was  uoa  als  Keligion  gilt.  Wie  der  Embryo  aus  dem  er- 
wachsenen Organismus,  so  seien  die  ersten  Regungen  der  Beligion 
nach  der  entwickelten  Form  su  beurteilen.  Die  Beligion  dürfe 
weder  aua  einer  aupemataralistisch  verstandenen  göttlichen  Offen- 
barung, noch  ans  einem  ursprünglichen  keimhaften  Gottesbewufst- 
sein,  noch  aus  dem  Kausalitätstrieb  abgeleitet  werden;  das  letztere 
nicht,  weil  in  dieser  Erkläraug  der  Gruod,  warum  ^'ir  höhere 
31  ächte  verehren,  nicht  angegeben,  und  die  Religion  uls  Ver- 
staudessache aurgetufst  werde,  da  sie  doch  zuvor  Sache  des 
Gemüts  und  der  in  seinem  Interesse  gestaltenden  Piiantasie  sei. 
Die  von  Feuerbach  und  anderen  gegebene  Erklärung  aber  aus 
einem  Konflikt  dea  Selbatgefdhls  mit  dem  l^otgefdhT  könnte  es 
nur  SU  dem  Versuche  bringen,  höhere  Mächte  im  Kampf  mit 
der  Natur  au  Bundesgenossen  au  gewinnen,  oder  auch  au  pro- 
metheischem  Trotae  dem  Urheber  der  Naturordnung  gegenüber, 


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15G 


Zur  Religionsphilosopbie. 


nicht  aber  7ur  "Religion,  die  Verehrung-  übersinnlicher  Macht  ist. 
Der  Ursprung  der  Religion  müsse  vielmehr  in  dem  fTeliihl  der 
Achtung,  das  Bowohl  Dankbarkeit  als  Ehrfurcht  und  Furcht  seia 
konnte,  und  das  man  nicht  zu  bcharl  bestimmen  wollen  darf, 
geäuchl  werden.  DietieH  Gefühl  wurde  zuerst  im  Verbal tniä  zu 
höher  »tebeiideii  Mensdieii  geweckt  und  daoD  auf  Neturweien 
liberiragen,  die  ala  lebeodige  Wesen  vorgeetellt  wurden.  Ib 
der  Aobtung  aber  Hegt  ein  eiUUobes  Moment  Der  Anfimg  der 
Religion  fallt  also  zusammen  mit  der  ersten  Entwicklung  de« 
Sittlichen  im  Menschen.  Religion  bringt  zum  Sittlichen  die  Vo^ 
Stellung  einer  iibcrpinnlichen  Macht  hinzu,  ist  aber  nicht  eine 
Frage  der  Weltanschautinn-.  wie  ISaturismus  und  Aniraisnui»», 
sondern  eine  Frage  der  peraoulichen  Beziehung  zu  einer  iu  aer 
Welt  vorausgesetzten  Macht,  die  deshalb  in  jeder  Weltanschau- 
ung, die  eigentlich  materialistische  ausgenommen,  vorkommen 
kann.   (6.  67.) 

Betraebtet  man  die  Religion  nnd  den  religiösen  Glanben 
in  ihrer  Entwicklung,  so  erscheint  dieselbe  nach  R.  von  zwot 
Faktoren  abhängig:  1.  der  Ausbreitung  der  Natorerkenntm«. 
die  Rolange  mit  der  Religion  vereinbar  ist,  als  wenigstens  die 
Möglichkeit  des  Glaubens  an  eine  übersinnl : '  Macht, 
sei  OS  auch  nur  eine  objektive  sittliche  Ordnung  (deuu  mit  einem 
blolsen  Rittliehen  Ideal  vermag  allerdings  Religion  nicht  zu  be- 
stehen) anerkannt  wird^  2.  der  iortsch reitenden  siulichen  Eni- 
wicklnng,  die  ihre  Kabrang  ans  den  viel  sablreioberea  eittliehen 
Uotiven  des  persönlichen,  Familien»  nnd  socialen  Lebens  sieht; 
denn  die  staatHch-poHtischen  Verhältnisse  sind  snnacbst  rechtliohe 
und  werden  zu  sittlichen  vielmehr  durch  Einwirkung  der  „na- 
tUrlicben  Pflichten",  „Gesellschaft  und  Staat  sind  an  und  für 
sich  nur  Rechtsverhältnisse,  keine  sittlichen  Verbindungen." 
(S.  89.)  Das  Sittliche  kann  nicht  in  (legeueatz  zur  Religion 
treten,  das  sittliche  Ideal  nicht  über  den  Willen  Gottes  gestellt 
werden,  weil  der  Einflufs  der  iioheren  Sittlichkeit  notwendig 
die  religiöse  Vorstellung  umgestaltet.  „Das  sich  läuternde  sitt* 
liehe  Bewußiisein  setat  sich  fortwährend  in  Yeredeltes  Gotfeesbe- 
wnCstsein  um.'*  (S.  91.)  In  dieser  Entwicklung  wird  dem  ger^ 
manischen  Geiste  eine  ganz  besondere  Bolle  in  dem  Sinne  zu- 
geschrieben, dafs  er  in  der  Anwendung  des  religiösen  Prinoips 
noch  über  das  Christentum  hinausgehe,  die  Religion  weniger 
iranscendent  als  Verehrung  des  Unendlichen,  denn  als  Heiligung 
des  Eniilichen  auflassend.  Wie  man  sieht,  gestattet  der  ..etliische" 
Staudpunkt  des  ,. germanischen"  Religionsphilosophen  eine  biß 
an  die  äufbersten  Grenzen  gehende  VertlücUtiguug  des  Gottes- 


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Zur  Religionsphiiosophie. 


157 


begriff«,  den  er  doch  als  „übersionliche  Macht",  die  den  Gegen* 
stand  der  religiösen  Verohrnng"  bildet,  nicht  ganz  entbehren 
kann  und  will.  Doch  enthalten  wir  uns  noch  einen  Augenblick 
der  Kritik  und  vernehmen  wir  noch,  wie  d»'r  Vrl'.  über  die  „Ent- 
wicklungsgesetze" der  Religion  und  des  religiösen  Glaubens  sich 
äursert.  Er  iiudct,  dal»  iluo  Krkenntnis  und  FebUitelluDg  eine 
besondere  Schwierigkeit  darbiete ;  die  bisherigen  Versuche  hätten 
nicht  weiter  aU  zur  Anfetellung  yon  Gesetsen  geführt^  die  der 
^stigen  EntwioklQDg  überhaupt  zakommeo.  Gleichwohl  träten 
drei  EigeDtiimlichkeiten  der  Religion  dentlieh  erkennbar  henror, 
die  götlUohe  Autorität,  die  sie  für  sich  beanspruche»  die  Be- 
deutung der  Persönlichkeit  und  der  Kultus,  der,  urspröngUoh 
ein  Ausdruck  des  Glaubens,  allmählich,  wenn  das  allgemeine 
J^'üblen  und  Denken  sieh  ihm  entfremdet»  zu  einem  Hindernis 
dee  Fortschritts  werde. 

Werfen  wir  auf  die  im  Obigen  skizzierte  Auffassung  des 
Ursprungs  und  der  Emwicklung  der  lleiigioo  eiueu  kritischen 
Blick,  so  können  wir  dem  bekannten  deutschen  Religionsphilo- 
eopbon  Pfleiderer  nicht  beistimmen,  wenn  er  zwar  die  positive 
Seite  derselben  bestreitet,  soweit  die  Religion  nicht  allein  ttber> 
haupt  aus  dem  „Vemunftgefübl  der  Pietiit",  sondern  aus  dem 
sittlichen  Bewufstsein  abgeleitet  werde,  die  negative  Seite  aber 
als  richtig  zugesteht.  (Jahrb.  für  protest.  Theologie  1888, 
Heft  1.)  Denn  es  kann  weder  der  wirkliche  O^^prnng  der  that- 
sachlicheo  Religion  aus  göttlicher  Olleubarung,  noch  auch  die 
Möglichkeit  einer  natürliche n  Iveliglon  durch  Anwendung  des 
Kau-^alitätsprinrips  auf  die  Thaisuchen  der  äufseron  und  inneren 
Eilahruug  ma  i'ug  betitritteu  werden.  Was  das  letztere  betrifft, 
•0  ist  allerdings  die  Religion  nicht  blofse  Yerstandessaohe,  son- 
dern vor  allem  auch  Sache  des  Willens  und  selbst  des  Geükhls, 
aber  Wille  und  Gefühl  setzen  die  Erkenntnis  Gottes  voraus  und 
diese  ist  absolut  gesprochen,  auf  dem  Wege  der  Kausalität  er- 
reichbar. Was  aber  die  thataächliche  Religion  betrifft,  so  weisen 
ja  gerade  die  zugestandenen  aus  der  Geschichte  abstrahierten 
«ogenannten  Eigcntümlir-hkeiten  der  R"l!irion,  der  Anspruch  auf 
göttliche  .\utorität  und  die  Bedeutung  der  PersÖülichkeit  auf 
einen  positiven  Ursprung  der  Religionen  aus  göltliclier  Otlenbarung 
hin.  Das  Zeugnis  der  Geschichte  stimmt  hiermit  übereiu,  denu 
je  weiter  wir  die  religiösen  Vorstellungen  der  historischen  Völker, 
die  hier  allein  in  Betracht  kommen  können,  zurttckverfolgen,  desto 
wahrer  und  lauterer  treten  sie  uns  entgegen.  Die  religiösen 
Vorstellungen  der  Semiten,  Indogermanen,  Ägypter,  Chinesen 
gleichen  konvergierenden  Strahlen,  die  auf  den  Punkt  einer 


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158 


Zur  Beligioiupbüosophie. 


gemeiiisamen  moootbeifttiBehen  UrraligioQ  sarttokweiBeii,  too  dem 
sie  ausgegangen  siod,  um  in  Ihrer  wetteren  Bntwicklnog  statt 
sich  zu  Ter?oUkommnen,  vielmehr  in  Onalismiu,  Polytheismaa 
and  Hjrthologie  aoBzulaufeo. 

Die  eigene  positive  Erklärung,  die  Rauweohoff  vom  Ur- 
sprung der  Religion  gibt,  ist  begrifflich  und  historisch  gleich 
unhaltbar.  JSicht  die  reineren  sittlichen  Begriffe  fuhren  zu  ge- 
läuterten Vorstellungen  von  Gott,  sondern  umgekehrt.  Es  sei 
hier  nur  an  d^n  Buddhinmus  eriuncrt,  dem  iL  eine  hohe  biiüiche 
Bedeutung  beimifat)  der  aber  jenen  veredeladen  Einflafe  auf  die 
religiösen  BegrifTe,  die  man  nach  R.s  Theorie  von  ihm  erwarten 
mnfete,  nicht  ausgeübt  hat.  Auch  PAeiderer  ist  der  Ansicht, 
dafs  „sittliche  Idealbegriffe"  nicht  Voraussetzung,  sondern  Folge 
religiösen  Götterglaubens"  seien.  Um  auch  die  Auffassung  diesm 
Ileiigiünsphilosophen,  der  in  dem  modernen  Chorus  den  theoso- 
phischen  oder,  wie  andere  siigren  würden,  panentheistischcn  Stand- 
punkt vortritt,  beizutligon,  so  erkliirt  er  da^  , .religiöse  Ehrl'urchts- 
gofiihl'*  aus  einer  Vurbioduug  dos  Aiitgctulas  mit  dem  Abhängig- 
keitsgefühl iu  ihrer  Beziehung  auf  die  übermenschlichen  Wesen 
der  primitiven  Kataranscbauungi  jenes  sei  Qnelle  aller  socialen 
Verpflichtnngsgefiihle  geworden.  Obrigens  könnten  Religion  und 
sittliches  Gefühl  als  natürliche  Gottesoffenbamng  gedacht  werden, 
worin  „sich  unser  Gebundensein  an  die  weltordneude  Vernunft 
des  göttlichen  Willens  unmittelbarder  Menschheit  fühlbar  machte." 
(Jahrbiichcr  n.  s.  w.  8.  7.)  I>ie  Ansicht,  Gesellschaft  und  Staat 
seien  an  sich  nicht  sittliche,  «(inderü  nur  rechtliche  Y^erbindungen, 
sei  positivistisch  und  zu  verwarfen,  denn  Staat  und  Recht  lassen 
sich  uiciit  aus  Utiiitutsgruuden  ableiten:  eine  Keiuerkung,  die 
wir  nur  billigen  können,  so  sehr  auch  die  sonstige  Auffassung 
Fileiderersy  seine  Fassung  des  Offenbarangsbcgriffs  nicht  ausge> 
nommen,  gegen  unsere  tfberzengnngen  verstöfst 

Wie  Vatke  betrachtet  auch  Ranwenhoff  die  Religion  in 
den  drei  psychologischen  Erscheinungsformen  des  Verstandes» 
Gemütes  und  Willens,  denen  als  ebensovielo  Entartungen  der 
Intellektualismus,  Mysticisrmis  und  Moralismus  entgegenstehen. 
Kach  R.  ist  der  lutellektiialisinus  teils  rationalistisch,  teils  or- 
thodox, jener  verkenue  die  gemülliche  Seite  der  Religion,  könne 
aber  um  so  nützlicher  für  die  Belebung  des  Sittlichen  sein,  dieser 
aber  lege  ttbermafsiges  Gewicht  auf  den  Inhalt  des  Glanbens, 
wodurch  das  Thun  beeinträchtigt  werde  (S.  110).  —  Als  eigent- 
liche Sphäre  der  Religion  betrachtet  R.  das  Gemntsleben.  GefUhl 
sei  etwas  rein  Formelles,  das  der  Bestimmung  durch  ein  hinzu» 
tretendes  Objekt  bedürfe;  demnach  sei  das  religiöse  Gefühl  eio 


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Zar  Religionsphiloaopbie.  15Ü 


BewegtwerdeD  dee  lonein  durch  etwas  Übersinnliches;  einseitig 
snr  Geltuiig  gebracht,  gestalte  es  sich  zum  Mysticismas,  zn  dessen 
allgemeinsten  Merkmalen  das  Streben  nach  unmittelbarer  Ver- 
einiguntr  mit  dem  Gegenstände  der  Verehrung  g-ehöre,  woher 
die  Neigung-  der  ilyHtiker  zu  panthcistischer  WellaDschauuug.  — 
Die  einseitige  Herrschaft  des  Willeus  im  lieligiösen  ist  Moralis 
raus,  für  die  wahre  Religion  verhängnisvoll,  weil  bic  diu  uuiu 
mystica,  den  Gemüt^drang  nach  inniger  Beziehung  zu  Gott  und 
damit  die  grobe  Triebkraft  Terkeent»  um  die  Sttttiohkeit  Uber 
die  Legalitat  binanaaiihebeii»  doch  der  Beligion  nicht  in  dem- 
selben Grade  gefiUirlioh,  wie  Intellektnalismas  nnd  Mystioiamns. 
(3.  207.) 

Diesen  psychologischen  Formen  reihen  sich  die  theolo- 
gischen, d.  h.  die  verschiedenen  Vorstellungen  von  der  Gottheit 
an,  die  i^o^vohl  iur  die  Klassifikation  als  besonders  für  die  Dar- 
ßtelhing  der  Entwicklungstormen  der  Keligion  einen  Exponenten 
"Von  hervorrag-ondor  Wichtigkeit  bilden.  Über  die  religiösen 
Vorbtellungeu  des  primitiven  JdeDschen  sind  nacli  Kuuwenhoti', 
der  sich  in  diesem  Punkte  gans  Ton  den  Prinoipien  der  Dar- 
winistischen EntwicUnngstheorie  leiten  lafst»  nnr  Vennntnngen 
*aofiBnsteUen:  um  einige  psychologische  Wahrseheinlichkeit  an 
erreichen,  brauchen  wir  nur  niedrig  genug  zu  denken,  um  an- 
nehmen zu  können,  dafs  er  wirklich  damit  begonnen.  Auf  sol- 
cher Grundlage  behauptet  R.,  daß»  „die  Entstehung  der  Religion 
auR  dem  Zn«amracntrefFen  der  naturistischen  und  aniTnistischon 
NaturLiiis!  hauung  mit  drm  Entstehen  etwelcher  sittlicher  Ge- 
mütsbewegung im  Monsi  hen  erklärt  werden  mueüe."  fS,  130.) 
Das  Ursprüngliche  ist  wohl  Henotheismus,  d.  h.  Verehrung  eines 
Gegenstandes  ohne  Polytheismus;  dieser  mi^  entätaodeu  sein 
durch  Erweiterung  des  Gesichtskreises  des  Eioaelnen  oder  durch 
Znsammenfhssung  der  tou  mehreren  verehrten  Gottheiten.  — 
In  der  letstea  Bemerkung  liegt  eine  gewisse  Wahrheit  Die 
Geschichte  aber  lehrt  uns,  dafs  der  Monotheismus  an  der  Wiego 
der  Menschheit  stand,  und  diese  infolge  des  sittlichen  Verfalles 
in  Polytheisrnns  verfiei  Der  „Henotheismus''  aber  ist  ein  un- 
haltbarer Begriff. 

Strenggenommen  nicht  eine  theologische  Eorm,  sondern 
philosophische  Weltaaschaunni^  ist  nach  R.  der  Pantheismus^. 
Man  kann  tragen,  ob  mit  dem  Pantbeisuius  auch  Religion  be- 
stehen könne.  „Gähnt  hier  so  fragt  R.  anläfslich  des  Mysti- 
cismus  des  Angelus  Silesius  —  nicht  der  Abgrund  des  Atheis- 
mus, an  dessen  Bande  die  pantheistische  Mystik  sorgloe  spielt?'* 
Die  Schwierigkeit  sei  nichts  wie  es  eine  pantheistisohe  Mystik 

Jahrlmob  flr  PhllMopfcl«  «tc.  VI.  11 


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160  Zar  Beligionapbilosopbie. 


gebe,  denn  diese  erkläre  sich  aus  Überreizung  des  Gefühls  als 
pathologische  Erscheinung,  wobei  religiöse  Motiv»^  mitwirkBam 
söicn:  sondern  die  Schwierigkeit  liege  in  dor  Frage,  ob  mit 
dem  Monismus  Religion,  die  den  (ifgensatz  von  <ioU  und  Mensch 
voraussetze,  bestehen  könne,  un  1  t.ie  steigere  sich  dadurch,  dafe 
die  moderne  Wissenschaft  ihre  Eriuige  gerade  ihren  uioDiötibchea 
YoraaaMtsungea  ta  ▼erdankeo  glaube.  (8.  150.)  Der  Vrf.  JSTst 
die  Frage  an  diesem  Orte  ungelösl.  Seine  Antwort  aber  geht 
dahin,  da&  der  Religion  die  Oberaeogmig  Ton  einer  objektiTaQ 
stttHoben  Weltordnung  genüge.  Wir  werden  hieraof  snrüok- 
kommen  müssen. 

Der  Monotheismus  —  führt  R.  weiterhin  aus  —  mufs  vom 
Hrnf^theisiuus  unterschieden  werden,  womit  viel  Mifsverstand 
weggeräumt  werde.  Jener  aber  sei  entweder  kosmologischer 
Monotheismus,  richtiger  Monarchianismus,  wenu  ein  Gott  über 
die  Viülheit  der  Götter  erhoben  werde,  oder  ethischer  Mono- 
theismus (Religion  der  Propheten,  die  nach  B.  den  früheren 
henotheistiaehen  JehoTaknltoa  in  dieeem  Sinne  umbildeten),  mit 
welchem  die  Menechheit  den  Weg  einaohlog,  anf  dem  sie  die 
Religion  aur  höchsten  Entwicklung  bringen  konnte  im  Christen- 
tum, das  „Weltreligion  im  Sinne  eines  christlichen  Universalia-* 
mus"  ist  Das  Bedürlois  des  n  li^-iösen  Gefühls  befriedige  aber 
nicht  die  deistische  Autfa«^*nng-  des  Monotheismii«,  fwomit  R  den 
Glauben  an  einen  ühorweltlichen  fSchÖpfer,  also  gerade  den  wahroa 
christlichen  Theismurt  meint),  sondern  der  Theismus,  d.  h.  die 
Verbindung  der  Transcendenz  und  Immanenz,  die  jedoch  nur 
als  negative  Bestimmungen  zu  nehmen  seien  und  zwar,  was  die 
Theorie  betrifft»  von  einem  blofe  h3rpothetiBchen  Charakter.  Der 
Vrt  seigt  sich,  wie  wir  sehen,  gegenüber  den  fersehiedenen 
Auffassungen  des  Christentums  sehr  weithenig,  nur  gegen  daa 
Christentum,  wie  es  sich  selbst  gibt,  das  supernaturaUsüsehe 
des  sich  offenbarondeo  persönlichen  Schöpfers  exk!ut>iv. 

Ebenso  exklusiv  gegen  den  Schöpfungsbegriff  verhält  eich 
auch  Vatke  Er  wendet  si^^h  flogen  die  Vorstellung  einer  zeit- 
lichen Schoptung-  aus  dem  Grunde,  weil  die  ewig  waltenden 
göttlichen  Lein  nsituichte  unmöglich  vor  einer  solchen  zeitlichen 
Schöpfung  geruht  haben  könnten.  (S.  162. j  Dieser  Kiuwaud 
hätte  Gewicht,  wenn  die  Schöpfung  statt  als  das  freie  und  zeit- 
liche Produkt  einer  ewigen  Allmacht  als  Wirkung  eines  Ter- 
änderliehen  und  in  die  Zeit  fallenden  Thuns  begriffen  wfirde. 
Der  Gedanke  einer  solchen  Macht  übersteigt  swar  unser  ge- 
samtes Wahrnehmen  und  Vorstellen,  rnnfs  aber  angenommen 
werden,  wenn  wir  nicht  den  Widerapritohen  des  Fantheismus 


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Zur  Religionsphilosophie. 


161 


verfallen  wollen.  —  AU  erete  Erschein ung^Bform  der  Keligion 
betrachtet  auch  Vatke  das  GeHihl,  wiewohl  er  den  Inhalt  des- 
selben aus  der  Intelligenz  stammen  läfat.  Im  Gefühl  schliefst 
tiich  das  bubjekt  mit  seinem  Inhalt  in  ein«  zusammen;  „das 
(itfuhl  setzt  seinen  Inhalt  als  das  die  gauz;e  g^eistigo  innere 
Öpituic  Durchdringende,  nicht  als  objektive,  sondern  als  unmittel- 
bar subjeklive,  zusammengeschlossene  einheitliche  Bestimmiheit.'* 
Ware  diese  Bestimmung  des  Gefühls  riohtig,  so  könnte  es  ent- 
weder ein  religiöses  Gerdbl  überhaupt  niobt  geben»  oder  es 
mürste,  wenn  es  ein  solches  gäbe,  dasselbe  als  die  übentengendste 
Bestätigung  des  Pantheismus  gelten.  Mit  keinem  Worte  ist  wohl 
mehr  Mifshranoh  getrieben  worden,  als  mit  dem  Worte  (lerühl. 
Wir  haben  an  dicsnm  Orte  keine  Theorie  des  (ielühls  zu  geben. 
Es  genügt,  zu  bemerken,  dafs  das  Gefühl  nicht  ein  selbständiges 
Vermögen,  sondern  eine  Beelenstimmung  ist,  die  nicht  biofs  vom 
Begebren,  beziehungsweise  Wollen  unzertrennlich,  sondern  als 
Zustand  desselben  an  begreifen  ist  und  daher  ebenso  wie  alles 
Begehrea  nnd  Wollen  ein  wenn  auch  noch  so  nnklares  Vorstellen 
sur  notwendigen  Voranssetiang  bat.  Daher  kann  kein  Fühlen 
den  Namen  religiös  beanspruchen,  das  nicht  anf  einer  Vorstellung 
des  Göttlichen  als  eines  vom  Fühlenden  Verschiedenen  beruht. 

Der  Abschnitt  über  die  Religion  „im  Elomento  des  Den- 
kens" in  V.s  Religionsphilosophie  enthält  eine  Kritik  der  lie- 
weise  für  Gottes  Dasein.  Charakteristisch  ist  die  Art,  wie  diese 
Argumente  von  den  drei  Autoreu,  mit  denen  wir  nns  beschäi- 
tigen,  behandelt  werden.  Auf  die  Stellung,  die  Banwenhoff  nnd 
Pfleiderer  an  denselben  einnehmen,  werden  wir  ausführlicher  an 
reden  kommen.  Hier  handelt  es  sich  am  eine  veigleiohende 
KebeneinanderstelluDg.  Von  der  Annahme  eines  Unterschiedes 
Ton  Denken  und  Erkennen  ausgehend,  stellt  R.  die  Beweis- 
barkeit dp^  Daseins  Gottes  in  Abrede,  weil  Wirklichkeit  nur 
durch  Erkennen,  nicht  durch  Denken  erreicht  werden  könne, 
erkannt  aber  werde  nur  durch  W^ahruehmnng,  die  immer  sinn- 
lich isL  V.  dagegen  behauptet  vom  Hegelschcn  Standpunkte 
der  Identität  des  Denkens  und  Erkennens,  die  ihm  zugleich 
Binheit  des  Denkens  nnd  Seins  ist,  diese  Beweisbarkeit»  be* 
wiesen  aber  werde  nur  ein  immanenter  Gott»  der  Gott  des 
Pantheismns.  Pfleiderer  endlich  setzt  an  die  Stelle  jener  Iden* 
tität  die  Wesenseinheit  von  Gott  und  Menschen  und  glaubt  auf 
Grund  derselben  einen  dem  Menschen  wesensähnlichen,  der  Welt 
teils  immanenten,  teils  sie  transcendierenden  Gott  erschUeisen 
zu  können. 

Vatke  also  nimmt  wie  Hegel  die  Argumente  für  Gottes 


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163 


Zar  BeligtODspbilosophie. 


1 


Dasein  in  Schutz;  gegen  Jakobi  insbesondere  bemerkt  er,  dafs 
er  die  Beweiskrafl  derselben  mit  recht  anbedeutenden  Grändea 
bestritten  habe,  nämlich  weil  das  Unbedingte  nicht  aus  dem  Be- 
dinr^t(?ii  geiolgert  werden,  also  dadurch  bedinget  sein  könne :  es 
handiti  »ich  aber  nur  um  ein  Bcdingtseiu  für  das  dihkurnive 
Denken:  was  vollkoniuien  zutrifft.  Dagegen  ist  er  der  Meinung, 
jene  Argumonte  bewieäen  nicht,  was  man  ehedem  damit  beweisen 
wollte,  eine  traDscendeDte  Gottheit,  Boodem  ein  immaneotes  Un- 
bediD§fte8.  Obgleich  er  an  Hegel  tadelt»  dafii  er,  den  Wert  der 
Be^ffe  ttberaohätsend,  das  ontologiaobe  Argument  fürdaahocliate 
gehalten,  geht  er  doch  selbst  von  dem  nämlichen  Argumenta 
ans,  das  allein  nicht  blofs  die  Notwendigkeit  des  Unbedingten, 
wie  angeblich  die  übrigen  Beweise,  sondern  die  Realität  des- 
selben beweise.  Der  Sinn,  der  diesem  Argumente  untergoleg-t 
wird,  ist,  wie  bei  Hegel,  der  pantheistische.  „So  liegt  also  in 
der  Manifestation  Gottes,  welche  das  Wibsiin  von  ihm  und  seine 
Existenz  umt'afst,  der  tiefere  öinn  dos  outoiogischeu  Beweises, 
das  freilich  Anselm  auch  nicht  einmal  ahnte.  Es  ist  ein  Beweis 
des  göttlichen  und  menschlichen  Geistee  in  ihrer  Vermittelung/* 
(8.  186.) 

Sicherlich  hatte  der  hl.  Anselm  von  den  kttnftigen  Schick- 
salen seines  Argumentes  keine  Ahnung.  Es  spiegelt  sich  darin 
die  Geschichte  der  modernen  Verirmng^n.  Deskartes  schlieCst 
aus  dera  vermeintlich  klaren  und  anschwnlichen  (intuitiven)  Be- 
griff' Gattes  auf  das  Dasein;  Kant  acceptiert  die  Voranssctznng" 
insiftern.  lU  nach  seiner  Aleinung,  wenn  ein  Beweis  für  Gottes 
Dasein  geluhrt  werden  könnte,  dies  nur  auf  dem  ontologischen 
Wege  möglich  wäre,  nämlich  durch  ein  uuuiitleibatcs  Ergrüiieu 
des  Daseins  durah  den  Gedanken,  bestreitet  aber  das  Zutreibn 
dieser  Voraussetaang.  Hegel  endlich  nimmt  das  Argument  io 
dem  Sinne  wieder  auf,  dals  in  der  That  der  Gedanke  unmittel- 
bar das  Sein  ▼erblirge,  weil  der  Begriflf  das  wahrhaft  Seiende 
sei.  —  Bemerkenswert  ist  V.8  Urteil  über  die  Kantsche  Fassung 
des  moralischen  Beweises:  er  findet  sie  schwach  und  angebildet, 
mehr  hnho  dio  ältere  Form  desselben  für  sich,  aber  auch  dieso 
müsse  onloiof^isch,  d.  h.  immanent  vorstanden  werden. 

An  die  Kritik  der  Gottesbeweise  reiht  sich  bei  V.  dio 
Darstellung  der  verschiedenen  Formen  der  religiösen  und  theolo- 
gischen Erkenntnis.  Er  unterscheidet  zwei  abweichende  Rich- 
tungen, nach  der  einen,  metaphysischen,  liegen  Atheismus,  Ban- 
theismus, Oeismu^  Theismus,  nach  der  anderen,  n&nlich  der 
Seite  des  Verhältnisses  der  Vernunft  zu  Gott  —  Rationalismus 
und  Supernaturalismns.   Der  Theismus  hat  nach  V.  vor  dem 


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Zur  Keligioflsphilosophie. 


163 


DeismiiB  die  immuente  Thätigkeit  Gotten  Torava^  ist  aber  eben 
cor  für  den  populären  Standpunkt  Die  Tbeosopbie  ist  Speku- 
la tiyer  Ration alismüs,  in  der  inadäquaten  Weise  der  Phantasie 
and  des  Gefühls  gefarst. 

In    dem  Abschnitt«,   der  dio  KeligioD  im  Elemente  des 
Willens   behandelt,   ist  es  der  Begriff  des  Bösen,  der  unsere 
Aufmerksamkeit  aui  sich  zieht.    Der  Standpunkt  der  „Autonomie^* 
gestattet  nicht,  in  der  Übertretung  des  Gesekaes^  dem  UngehoiBam 
gegen  den  göttlieben  Willen  das  Wesen  der  Sünde  «t  erblioken. 
Vielmehr  wird  die  Sünde  nnd  das  Boss  im  Verhalten  des  Be- 
sondern    zum  Allgemeinen  gesucht    Gnt  ist  jede  Thätigkeit, 
welche  die  harmoniBche  Gliederung  des  menschlichen  Geistes  in 
dor  Gemeinschaft  fördert,  das  ihr  Entgegengesetzte  ist  böse.  Wie 
nahe  lieirt  da  der  Gedunko,  dafs  das  Gesetz  des  Staates  als 
der  absoluten  Form  „der  harmonischen  Gliederung  des  mensch- 
lichen Geistes  in  der  GomcinschatV  bestimmt,  was  gut  und  was 
böse  ist !  Wie  nahe  berühren  sich  Hegel  und  Hobbes,  Paniheis- 
mus   und  Materialismus  auch  in  den  Fragen  der  Moral  nnd 
Politik  I  —  Die  Harmonie  der  moralisohen  Persönliohkeit  wird 
geietat  in  die  ünterwerftiDg  nater  die  sittliohe  Weltordnnng,  in 
der  der  Geist  nur  seine  eigene  Katar  erkennt^  also  sich  selbst 
bestimmt  —  Gott  gegentlber  ist  der  Mensch  frei,  weil  ihm  Gott 
nicht  wie  ein  hökerm  Wesen  gegenübersteht»  sondern  sich  als 
immanentes  Princip  verhalt  durch   die  der  menschlichen  Natur 
mitgeteilte  Seite  des  Unbedingten,  die  dfMi  höhere  Wesen  des 
Menschen  selbst  ist.    —    Wir  brauchen  kaum  zu  sagen,  dafs 
diese  Bestimmungen  nicht  die  Keligioa,  sondern  die  „Irrreligion 
im  Elemente  des  Willens"  bedeuieu. 

Intellekt  und  Wille  einigen  sich  zur  harmonischen  Beligio- 
«tit  in  der  Frömmigkeit.  Hiervon  bandelt  der  Absebnitt: 
daa  religiöse  Selbstbewafstsein  als  Einheit  oder  die  wirkliobe 
Beligion  als  Frömmigkeit  Die  Tersobiedenen  Breobeimingen  des 
privaten  wie  öffentlichen  religiösen  Lebens  kommen  hier  aur 
Sprache,  die  Erörterung  aber  bietet  kein  anderes  Interesse,  als 
die  Art  und  Weise,  wie  die  Äurseningen  der  Frömmigkeit  und 
die  Formen  des  Knltus  ihrrs  wahren  Gehaltes  entleert  und  in 
die  Formeln  des  pant heistischen  feysteme  gekleidet  werden.  Ein 
Beispiel  mögn  genuinen.  Als  solche«  diene  dio  Bestimmung  des 
Glaubens.  Der  Glaube  ist  „nichts  anderes  aia  die  sich  einfach 
in  sieh  aelbet  Termittelnde  Frömmigkeit,  die  anf  sich  bembende, 
einftohe  fromme  Gesinnung/'  (S.  845.)  —  Die  Vollendang  des 
religiösen  Lebens  ist  in  der  Idee  des  Beiebes  Gottes  ausgesprochen. 
Wae  macht  ans  dieser  Idee  die  pantbeistisobe  Weltansohaanng? 


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104  Zur  KeUgiougphilosophte. 


Daa  ewige  Beieli  GoUeB  gewiont  einen  „konkreten  Hintergrund''» 

wenn  „man  nnsor  Sonnensystem  nur  für  ein  Moment  im  All,  in 
der  Zeit  fTcwonlcn  und  in  der  Zeit  vergehend,  aber  nnondhch 
viele  Sc iincnsyeteme  ebenfalls  für  Offenbarungsstättcn  des  GeisteV* 
hält;  d  rin  las  Ewipe  ist  nur  im  Zeitlichen  offenbar,  Seele  und 
Leibiiciikeii  bildcu  die  Basis  des  Ueistigeo.  Was  die  persöolicbe 
Unsterbliobkeit  betrifft,  so  hört  hier  ein  eigentliches  Wiaaen  aof; 
„religiös  aber  ist  die  Formel :  der  Geist  ist  in  Gott»  womit  eben 
die  endliche  Individaalitat  anfgehoben  ist,  der  Geist  aber  för 
die  ideale  Totalität  erhalten  wird/'  (S.  28ü.) 

Bevor  wir  auf  den  sweiten,  besonderen  Teil  des  Vatkeschea 
Werkes  eingehen,  wenden  wir  uns  zu  Rauwenhoff  zurück,  der 
d«'r  Fra^e  vom  „Wesen  und  Recht*'  der  Religion  einen  der 
umtangreichsten  und  sorgfaltigjiten  Abschnitte  seines  Werkes 
widmet.  Der  Gedankengang  entfaltet  sieb  ungefähr  in  folgender 
Weise : 

Das  Recht  des  religiösen  Glaubens  ist  nicht  von  dem  Nach- 
weis der  objektiven  Wahrheit  des  Gottesglaobens  abhangig  za 
machen,  sondern  nach  dem  liafiwtab  der  Wertsobatsaog,  worauf 
die  Yerehrong  der  fibersinnlichen  Macht  beruht,  an  beurteilen. 
Das  unbedingte  Pflichtbewufstsein  ist  Grundlage  des  religiösen 
Glaubens.  Gegen  die  objektive  Bedeutung  dieses  Bewnfstseins 
kann  die  von  Kant  und  Fichte  bewiesene  Falschheit  des  Dog-- 
n(ati»iti\i8  nicht  als  lastLuiz  angeführt  worden;  denn  obgleich  wir 
zunächst  nur  Bewulstscinsthatsachen  erkennen  und  daher  all  unser 
Erfahren  und  Wissen  auf  dem  (ilauben  an  die  Übereinstimmung 
unserer  YorsteUuugen  mit  der  vorausgesetzten  Wirklichkeit  bo- 
mbt^ anf  dem  Vertranen  anf  das  Geseta  unseres  Gastes,  das 
sieh  mit  Notwendigkeit  geltend  macht,  so  kann  doch  die  Be- 
rechtigung dieses  Glanbens  nicht  bestritten  werden,  wenn  man 
nicht  an  der  Möglichkeit  aller  Erkenntnis  absolut  verzweifeln 
will  Der  ans  der  Subjektivität  des  Pflichtbewnfstseins  ent- 
nommene Einwand  ist  also  nicht  berechtigt.  Ebensowenig  aber 
ist  die  Berufung  auf  die  Wülkürlichkeit  der  Werturteile  statt- 
haft; denn  ist  diese  bezüglich  des  sinnlich  Angenehmen  und 
Unangenehmen  nicht  zu  leugnen,  so  läfst  sie  sich  schon  weniger 
vom  Ästhetischen  behaupten,  vollends  aber  ist  das  sittliche  Urteil 
(freilich  nur  nach  seiner  formellen  Seite,  die  Pflicht  um  ihrer 
selbst  willen  au  thun)  ein  schlechthin  Notwendiges,  ans  snfSlligeo 
ITrsachen  (Vererbung,  Gewohnheit)  nicht  an  Erklärendes.  „Wenn 
die  einaige  Erklärung,  die  dem  gegenübersteht,  die  des  Srolu- 
tionismns,  sich  nicht  hinreichend  erweist,  dann  ist  man  wohl 
genötigt,  ans  dem  Faktum  des  Pflichtbewnfstseins  auf  eine  darin 


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Zur  Keligioosphilosopbie. 


165 


»ich  offeubarcT^  le  Bittliche  Anlage  des  Menscbeo  zu  schUersen.*' 
(S.  21  ü.)  Das  unbedingte  Pllichtgefühl  aber,  das  sich  als  ein 
(lesetz  üDserer  Natur  geltend  macht,  an  welches  wir  ebenso 
^laubeu  muäsen,  wiean  unser  VVahrnehmungt»-  und  Denkvermögen, 
erforden  eme  lolche  BeBohftffeDheit  der  Welt,  dars  dieses  darin 
beetehen  kaoo.  Wir  masBee  daran  glaaben:  ein  Glaube,  der 
Postulat  heifot,  weil  er  „das  wirktidie  Sein  des  Postulierten 
enthält"  Der  Glaube  an  eine  sittliche  Weltordnnng  ist  also 
eine  Forderung,  ein  Postulat  des  unbcdingteu  Pflichtbewiifstseins, 
und  zwar  das  einzige  Postulat.  Kant  täuschte  sich  also  darin, 
dufs  er  auch  das  Dasein  Gottes,  die  nienHchlicho  Froiheil  und 
die  Unsterblichkeit  der  Seele  als  Forderungen  des  rrtichlbewulst- 
öcins  betrachtete  und  dafür  Glauben  postulierte.  In  jenem  Glauben 
an  eine  sittliche  Weltorduuug  liegt  dan  Wesen  der  Religion. 

An  diesen  Ausführungen  Rauwenhoffs  übt  Pfleiderer  eine 
wohlbereohtigte,  aber  niobt  geuug  umfassende  Kritik.  Über  den 
fandamentalen,  erkenntnistbeoretiseben  Irrtom,  dafs  allem  £r* 
koDiien  des  Wirklieben  ein  Glanben  und  Vertrauen  an  Grunde 
^ege»  geht  Pfl.  mit  einem  Stillschweigen  hinweg,  das,  wie  es 
scheint,  als  Zustimmung  zu  deuten  ist.  Seinerseits  aber  vermirst 
er  die  klare  Bestimmung  des  rhetorischen  BegrifTii  der  sittlichen 
Weltordnung",  die  thatsachlicli  bestehende  sei  nicht  Gegenstand 
religiösen  Ghiubuns,  als  ideale  gefafst  aber  sei  sie  subjektiv, 
nicht  aber  ohjekuve  übersinnliche  Macht.  Ks  helfe  auch  nichts,  wenn 
mit  dein  Begriff  der  sittlichen  Weltordnung  der  de»  öutengesetzes 
vertauscht  und  dieser  an  einem  allgemeinen  Katar  und  Geist 
omfaasenden  erweitert  werde.  Mit  alledem  sei  der  Positirismus 
nicht  an  überwinden.  Die  Ordnung  sei  Produkt  einer  Macht, 
niobt  selbst  die  postulierte  übersinnliche  Macht»  die  auch  nach 
Ranw.  Gegenstand  religiösen  Glaubens  sein  solle.  Denken  wir 
uns  aber  die  übersinnliche  Macht  als  ordnendes  Wesen,  so  haben 
wir  „Gott"  gedacht.    (Jahrb.  u.  s.  w.  B.  l.*^  f.) 

An  die  Erklärung  des  religiösen  Glaubens  schliefst  Kauw. 
die  Rechilertigung  desselben  an,  die  in  der  Verteifligung  der 
Teleologie  besteht,  wobei  aber  der  Schlufs  von  dei  Zweckmafsig* 
keit  auf  eine  zwecksetzende  Ursache  als  nicht  konkludent  ver- 
worfen wird.  R,  bleibt  bei  der  allem  Setenden  als  organisieren- 
der Faktor  innewohnenden  Petena  stehen.  Aus  diesem  Ab- 
schnitte möge  eine  uns  speoiell  interessierende  Äaberang  tiber 
den  SujiematnraUsmns  hervorgehoben  werden.  Die  Geschichte 
des  Supematuralismus,  meint  sei  seit  der  Renaissance  eine 
Leidensgeschicbto,  auf  der  einon  Soitn  stehe  der  Kalholicismns, 
der  den  Supernaturalismus  immer  mehr  zu  belesügen  und  ab- 


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166  Zur  Balii^ontpUloiopliie. 


zurundeo  uuche,  was  er  übrigens  mit  zunehineader  Aufopterung' 
der  Frömmigkeit  und  Wahrheit  (die  Begittndang  für  diese  Be- 
haaptnog  bleibt  E.  eohnldig)  beaaklt  hilbe,  während  der  Pro- 
teetantitmiu  durch  sein  eigenes  Prinoip  immer  weiter  eef  der 
schiefen  Ebene  fortgeirieben  werde»  nnbewafiit  geschäftig,  das 
System,  da8  er  nicht  preisgeben  will,  zu  onterminieren.  (S.  273.) 

Der  dritte  Teil  des  Rauwenboffschen  Werkes  handelt  von 
den  ErscheinuDgen  der  Religion  in  Dogmen  und  Kulthandlungen. 
Das  Resultat  der  Kritik  des  Gottesbegriffs  ist  ein  ne^atires,  die 
objektive  Reulität  deHselbeo,  das  Dasein  Gottes  kaou  nach  R. 
nicht  wissenHchaftlirth  bewicHen,  §  1  A,  auoh  nicht  durch  philo- 
sophische Spükulatiou  bestätigt  werden  (B),  die  Glaabensvor- 
stellongen,  den  Gottesbegriff  eingeschlossen,  sind  Tielmebr  Er- 
eignisse  der  dichtenden  Phantasie  (D). 

Die  Kritik,  die  K.  an  den  Argumenten  fiir  das  Dasein 
Gottes  ttbty  richtet  sich  gegen  die  Fassung,  in  welcher  sie  tod 
Pflei derer  vorgotragen  werden.  Die  von  letzterem  hiergegen 
versuchte  Verteidigung  kann  nicht  als  durchweg  glücklich  be- 
zeichnet werden.  Die  Kantschen  Vorurteile,  in  die  auch  Pfl. 
verwickelt  ist,  heinraen  wie  schwere  Ketten  seine  Schritte.  Zu- 
nächst wird  bemerkt,  dafs  von  der  Philosophie  nicht  mathema- 
tisclie  und  natu rwissenschattliche  Beweise  verlangt  werden  dürfen, 
sondern  nur  der  Nachweis  der  zur  Annahme  einer  Hypothese 
bestimmenden  Vernunftgründe  (Jahrb.  a.  a.  O.  8.  16).  Was 
den  kosmologisohen  Beweis  betrilft,  so  würde  der  Sohlnlb  toq 
einer  Vielheit  Ton  Kräften  und  Wirkungen  auf  einen  einheit- 
lichen Realgrund,  wie  er  von  PH.  gefalkt  wird,  allerdings,  wie 
Bauw.  einwendet,  nur  die  Existenz  einer  welttmmanenten  Snb- 
staijz  Kpf^Tünden,  nicht  aber  die  Existenz  Gottes,  wie  der  religiöse 
Glaube  sie  fordert.  Den  Ausganp-spunkt  bilden  aber  nicht  end- 
liche Wirkungen  und  Kräfte,  zu  denen  die  iSuhntanz  gesucht 
wird,  sondern  die  endlichen,  veränderlichen  und  zufailigen  Wesen, 
die  eine  von  ihnen  verschiedeue  Ursache,  also  einen  über-  und 
aufoerweltlichen  Gott  yoraassetaen:  ein  „tfber"  und  „Aufser", 
das  fireilich  nicht  sinnlich  genommen,  aber  auch  nicht,  wie  TOn 
Pfl.  geschieht,  durch  eine  paoentheiBtische  AufEassung  Ülusoriseh 
gemacht  werden  darf.  —  Die  Bemerkungen  Pfleiderers  Uber 
die  Berechtigung  des  teleologischen  Beweisgangs  sind  zwar  nach 
ihrem  speciellen  Inhalt  begründet,  werden  aber  wieder  ihrer 
besten  Kraft  beraubt  durch  die  Zurückführung  der  Objektivität 
des  Erkennen»  auf  einen  Parall»^lisraus  der  subjektiven  und  ob- 
jektiven Ordnung.  —  Mit  Recht  wird  inbesondere  gegen  den 
Einwand  RauwcnhofTs,  durch  Annahme  göttlicher  Zwecke  werde 


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Zur  ReligiuQätihilosopbie.  167 


Gott  vermenschlicht,  geltend  gemacht,  ilafH  es  zwischen  den  von 
R.  behatiptt  tcQ  Extremen,  entweder  auf  die  Analogie  der  njensch- 
lichen  Zw  tickthätigkeit  zu  verzichten,   oder  Gott  auf  die  Linie 
des  Menschen  herabzuäetzon,  ein  Mittleres  gebe,  nämlich  die 
göttliche  Zwecktbätigkeit  nicht  aU  eine  deliberative,  sondern 
als  eine  ininitiTe  bu  denken.   Nor  yertnigt  lieh  mit  der  An- 
nahme einer  bewnfiiteo»  sweokselsenden  Intelligens  nicht  der  von 
Pfl.  einf^enommene  Standpunkt  einer  Injmanens,  mit  welcher  er 
vergeblich  die  Transcendenz  sn  Terbinden  sacbt,  da  auf  diesem 
i^taDdptiakt  Immanenz  und  Tranaoendena  wie  Bealität  nnd  Idea> 
Utät  eich  verhalten  würden. 

Durch  die,  auch  von  PH.  aiit  i  kannte  Kantscho  Lehre,  dafs 
Wirkhchkt  ii  nur  erfahrt  n  wt  r  lcn  k  inne,  von  K.  in  die  Enge 
getrieben,   spricht  Pfl.  von   uinfi    imUüibaren   Erlahrung  durch 
Öcblüsee  und  meiut,  dalb  es  in  einem  gewissen  binne  eine  £r* 
fahmng  Ton  Gott  gebe.   Hier  zeigt  sieh  die  ganse  Unhaltbarkeit 
de«  Pfl.sohen  Staadpnnkte  der  an  Terbindenden  Immaaens  nnd 
Tianeoendens;  denn  sofern  Gott  immanent  ist  und  gewissem 
tSinne"  erfahren  wird,  ist  er  nioht  wahrhaft  Gott  (wir  reden 
vom  Standpunkt  Ffl«B),  sofern  er  aber  transcendent  und  wahr- 
hatt  Gott  ist,  kann  er  nur  erschlossen,  also  (vom  Standpunkt 
Pfl  «)   nicht  wahrhaft  erkannt  werden.    Mit  Recht  rügt  R  die 
lakonBcquenz  PH.h   der   vom  Sittengesctz   auf   einen  Urheber, 
also  eine  letzte  Ursache  schliefst,  obgleich  er  dem  koaiuologischen 
Argument  einen  solcheu  Schlufs  nicht  gttstatten  will. 

Der  erkenntnistbeoretiscbe  Irrtum,  dafs  die  Objektivität 
der  Erkenntnis  nicht  dnreh  das  unmittelbare  oder  mittelbare  Be- 
ftlimmtwerden  des  Subjektes  durch  das  Objekt»  sondern  durch 
den  Farallelismus  der  Ordnung  des  Brkennens  mit  der  Ord* 
unng  des  Seins  garantiert  werde,  tritt  recht  scharf  in  der  Art 
hervor,  wie  Pfl.  das  ontologische  Argument  behandelt.  Ausgehend 
Ton  der    (Vatkcs   Ansicht    cntjjegrengesetzten)   Annahme,  daff^ 
diPHCH   Ar^jument  die  Notwendigkeit   den  Daseins  Gottes  be- 
weise, behauptet  Fti.,  der  Nerv  desselben  liege  in  der  Überein- 
stimmung- unseres  notwendigen  Denkens   mit   dem  wirklichen 
^in.    Kant»  Kritik  habe  zu  dem  Resultate  geführt,  dafs  die 
Gesetze  unseres  Denkens  nioht  ans  der  Erfohrung  stammen  und 
doch  mit  dieser  susammenstimmen:  eine  Thatsache,  die  sich  nur 
tut  der  unserem  Denken  und  dem  Weltdssein  gemeinsam  au 
Grunde  liegenden  Einheit  von  Denken  und  Sein  erkläre.  Nicht 
gane  mit  Unrecht  urteilt  Rauw.  von  dieser  Fassung,  da(^  sie 
mit  dem  wirklichen  ontologischen  Argument  nichts  als  den  Namen 
gemeinsam  habe.    Dieses  sucht  aus  dem  Begriffe  Gottes  das 


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168  Zur  BeligloDtphilotopbie. 


Dasein  va  folgern,  eetst  also  Torana,  dafa  dumh  Denken  objek- 
tives  Sein  erkannt  werde ;  der  Irrtnra  deaaelben  aber  liegt  diu-in, 
dafo  ein  Gottesbogriff  aufgestellt  wird,  der  allerdings  das  Dasein 
UB^lioierl»  dessen  innere  Möglichkeit  und  Realität  aber  nicht 

erwiesen  ist.  Ist  das  Dasein  eines  denkbaren  Höchsten  ander- 
weili^r  t'eslgcHtellt,  so  folgt  freilich  die  Notwendigkeit  dircies 
Daseins;  das  ontalogische  Argunieut  setzt  also  das  zu  Tif wei- 
sende voraus  und  macht  &ich  einer  petitio  principii  schuldig. 

Gröfsere  Zugeständnisse  gegenüber  dem  theoretischen  Hechte 
dea  GotteagUnbena  macht»  wie  anch  Ffl.  hervorhebt»  B.  in  dem 
Absohnitte  über  die  Gottesvoratellnag  (S.  522  f.),  inaofem  er 
einräumt»  dafs  teleologisches  Wirken  dem  Ursprung  nach  we- 
nigstens för  uns  nnr  durch  die  Beziehung  auf  eine  bewuföte 
Intelligenz  denkbar  sei.  Zwar  versäumt  R  nicht,  fnach  Pfl.s 
Ausdruck)  Vor^»o^|P•o  zu  treffen,  um  sich  durch  die  Uebauptnnir, 
das  Hiiiiibi  i  ;^'chen  zu  einer  göttlichen  Intelligenz  und  eiueoi 
göttlicheü  Willen  beruhe  auf  dem  Drang  der  Phantasie,  auf 
seiueu  hkepticmmus  zurückzuzieheuj  hiergegen  aber  lege  seine 
eigene  Oaratellong,  dennfolge  jener  Drang  yielmehr  ein  nnab- 
weialiohea  Bedttrfnia  des  Denkens  iat»  Verwahrung  ein. 

Weiterhin  sucht  R.  naehsuwetaen»  dafs  eine  BesUmmang 
dea  Wesens  Gottes  durch  die  Attribute  der  Ewigkeit,  Heiligkeit 
und  Liebe  nicht  zulässig  »ei,  selbst  wenn  das  Dasein  Gottes 
wissenschaftlich  sichergestellt  werden  könnte,  denn  Ewigkeit  sei 
ein  negativer  liegiilf,  Heiligkeit  und  Liebe  aber  könnten  ohne 
Anthroj)omorphi8raii8  nicht  auf  Gott  übertragen  werden.  —  Auch 
diese  Positionen  sucht  PH.  zu  verteidigen,  jedoch,  was  die  Ewig- 
keit betrifft,  keineswegs  mit  Glück,  denn  indem  er  in  das  gölt^ 
Hohe  Bewufatsein  ßuceession  hineintragt»  serstört  er  die  Unver- 
anderliobkeit  Gottes  und  hebt  damit,  wie  R.  seigt  und  wohl 
Ton  selbst  einleuchtet,  den  Begriff  der  Ewigkeit  auf.  Dagegen 
weist  er  den  Angrilf  K.s  auf  die  göttliche  Heiligkeit,  deren 
Begriff  er  mit  Sittlichkeit  im  Sinne  von  Pflichtgemäraheit  ver- 
wechselt, die  Ciott  allerdings  nicht  zukommen  kann,  siegreich 
zurück.  Seine  Bemerkungen  aber  über  die  göttliche  Liebe  sind 
durch  seinen  panentheistischen  Standpunkt,  auf  welchem  Wesens- 
einheit  und  reales  Wechselverhuituis  zwischen  Uott  und  Menschen  . 
angenommen  wird,  getrttbt 

Ala  Kern  des  Vorsehongsglaubens  beliraohtet  B..  den  Glau- 
ben an  eine  sittliche  Weltordnong,  in  deren  Dienst  aller  Kausal- 
zusammenhang stehe,  und  hSlt  deahalb  eine  Theodicee  für  UO« 
nötig.  Derselbe  Glaube  bilde  auch  die  Grundlage  des  Erlösungs- 
glaubens.  Sünde  und  Erlösungsbewufstaein  seien  nichts  anderes 


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169 


ais  das  Hewufstseiu  eines  gewissen  in  uns  vorhandenen  \  erh  ilt- 
nisseB  von  Wirklichkeit  und  Ideal,  und  aller  Erlösangsglaubo 
Vertrauen  auf  die  stet«  tortst  hrt  lende  Verwirklichnn^  des  Ideals 
in  UD8.  Der  Glaube  endlich  au  emc  persönliche  Fortdauer  nach 
dem  Tode  entbilte  anfter  dem  animisiitchen  ein  religiöses  Moment, 
namlicb  die  Hoffnong  anf  VerwirkUcbuog  des  sittliclieD  Ideals. 
Für  diese  sei  eine  psyoboto^selie  Voraussetenng  anzttnebmen, 
die  jedoch  nur  Produkt  religiÖBor  Bichtang,  nicht  philosophiRcher 
BeweiefÜhruDg  eei.  Doch  laäse  sich  als  Grund  der  Vemüofitg- 
keit  des  Unsterblichkeitsglaubens  der  Gedanke  ang-cbcn,  dafs 
die  sittliche  Persönlichkeit,  in  welcher  das  Sittliche  zur  vollen 
Herrschaft  gelangt  i»t,  nicht  durch  einen  physischen  Procef« 
vernichtet  werde. 

Der  letzte  AbHchuiU  des  K.achen  Werkes  behandelt  den 
Kultus  und  die  religiöse  Gemeinschaft  Der  einseitig  ethische 
Standpunkt  des  YrC,  dem  die  Gottheit  eigentlich  nur  die  dich- 
terische Personifikation  der  sittlichen  Weltordnnng  ist,  macht 
ihm  insbesondere  jedes  Verständnis  des  katholischen  Kultus  un* 
mSglicb.  Der  Kultus  ist  ihm  aussohlicfslich  Produkt  der  Phan- 
tasie, anschaulich  gemachter  Glaube,  der  sich  der  Zucht  des 
Denkens  entzieht  Gleichwohl  nimmt  der  Vrf.  vom  religiösen 
Standpunkt  das  Bittgebet  in  Schutz  Den  specifischen  Charakter 
der  religiösen  Gemeinschalt  sucht  er  in  der  Einheit  der  Glau- 
bensüberzeugung und  dem  Verlangen,  nach  dieser  Uberzeugung 
das  Leben  zu  gestalten.  Die  naturgemäCseste  Form  der  religiösen 
Gemeinschaft  sei  die  örtliche,  natttrlich  gewordene,  selbständige 
Gemeinde.  Vom  (supematuralistischen)  Kirchenbegriff  urteilt  der 
Yff.»  daTs  ihm  der  sittliche  Charakter  fehle»  daher  seine  Änderung: 
Wehe  der  Religion  wegen  der  Kirche,  und  das  Schlnfswort :  die 
Kirche  hat  ausgedient»  die  Gemeinde  kann  au  ihrem  Bechte 
kommen. 

Wir  verlassen  Rauwenhotf  mit  dem  Eindnick,  dafs  sein 
von  Kant  beherrschtes  Denken  in  der  Auffassung  der  Religion 
selbst  noch  hinter  dem  Königsberger  Philosophen  ziii  uckbleibt 
und  die  groläen  geschichtlichen  Thatsachen  der  Religion,  des 
Christentums  und  der  Kirche  als  ungelöste  Rätsel  suräckläfst 
Die  Absicht»  durch  einen  sweiten»  historischen  Teil  das  Werk 
abBUBChliefsen»  hat  der  Tod  vereitelt  —  Wir  wenden  nns  au 
Vatke  znrhck,  der  uns  eine  Geschichte  der  Religion  und  au« 
gleich  den  Beweis  gibt»  dafs  der  naturalistische  Pantheismus 
jene  Bätsel  zwar  an  zerhauen»  nicht  aber  zu  lösen  vermag. 

„Nach  synthetischer  Erkenntnis  a  priori",  jener  von  Kant 
eingeführten  Erkenntnisweise»  die  sich  unter  den  Händen  seiner 


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170 


Zur  ReligioDspbiloäophie. 


Narlifolg:er  zur  Konstruktion  a  priori,  der  mit  Recht  verrufenen 
,,ß*'i:[  lilsromantik"  gestaltete,  lafetV.,  dem  Zeugnis  der  Ofeschichte 
zum  Trotz,  die  Menschheit  von  unten  auf  aus  einem  Zustand 
tierischer  Roheit  zur  Freiheit  und  Geistigkeit  eich  entwickeln, 
zu  welchem  Behuf  das  Alter  der  Menschheit  auf  ein  paar  Hundert- 
tausende geschatst  wird.  Als  ente  Stufe  in  der  religiösen 
Entwicklnogf  wird  die  Natorreligion  und  iwar  sonschst  der 
FetiftchUmns  der  sog.  Naturrölker  aogenonmien.  Über  dieses 
binauB  beseichne  einen  Fortschritt  sowohl  die  chinesische  Reli* 
gion  als  auch  die  altarische  Moral,  die  nicht  mehr  darcbwe§^ 
als  Naturreligionen  gewortet  werden  dürfen.  Die  chine«'«eh<» 
Religion  Hei  reine  Verslandesroligion,  die  Taolehre  aber  inohr 
ein  Fortschritt  der  Philosophie  als  der  Religion.  Die  chiueaiiche 
iSittlichkeit  ist  wesentlich  VerHtandesberechnung.  (Über  die 
chinesische  iieligiou  vgl.  man  V.  v.  iStraufs  u.  Tornoy,  der  all- 
cbinesische  Monotb^nms  8.  9  iF.) 

Vom  BrabmanisobsD  System  urteilt  Y.,  es  sei  oiebt  Mo- 
notheismus. Brabm  ist  Qrsprttngtiob  Agni  Brabmanaspsti,  Herr 
des  Gebetes,  dann  Produkt  des  Gebetes,  der  böebsten  Abstrak- 
tion, mit  dem  Gedanken  des  Betenden  eins.  —  Der  Baddbismiis 
entstand  aus  der  Negation  der  brahmanischen  Anschauungsweise 
und  ist  nicht  Gottlosijrkeit,  fla  il;ts  Looro,  woraus  die  Welt  wird, 
das  vom  Geiste  erlafste  reine  ^ein  ist.  Der  Buddhismus  bleibt 
in  der  Form  der  Substanz,  erreicht  nicht  die  des  Geistes  (8. 
360  f.).  Der  Religion  der  iranischen  Völker  sei  eine  einfachere 
Naturanschauung  vorangegangen,  der  Dualismus  des  Ahuramazda 
and  Angromainyus  ein  rein  praktiscber,  das  beide  umfassende 
Frinoip  aber,  die  Zrvaua  Akanua,  sei  reioe  Abstraktioa.  Die 
persische  Religion  gilt  V.  als  die  erste  tou  weltgeschichtlicher 
Bedeutung,  durch  ihren  von  ihm  behaupteten  Einflofs  auf  Juden- 
tum und  Christentum. 

Von  den  arischen  Religionen  geht  V.  den  sewitischfn 
sogenannten  Naturrelitrioren  über.  Die  Semiten  werden  durch 
das  Vorherrsciien  des  \  erstandes  charakterisiert.  Im  Einzelnen 
siehe  die  babylonische  durch  ihr  astronomisches  System  höher, 
dagegen  sonst  tiefer  als  die  erauisehe  Teieoiogie.  Bei  werde  uIh 
Lebenssnbstanz  gefafst  und  daher  Hylitta,  ursprünglich  Erdgöttin, 
als  weibliches  Princip  ihm  beigesellt  Der  mittelsemitische 
Melkartb  wird  mit  Simson  susammeogestellt  und  als  Baal  — 
der  Sonnengott  --  erklärt.  Die  ägyptisobe  Beligton  sei  noch 
ein  ungelöstes  Problem,  für  die  religiöse  Gesamtanscbauung  seien 
wir  noch  immer  auf  die  klassischen  Quellen  angewiesen;  Osiris 
sei  Sonne,  Isis  Erde,  nicht  Mond.    V.  verkennt,  wie  man  sieht» 


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Zar  fieligioDsphilotophie. 


171 


die  xweifellMen  Spuren  einer  der  geschleclifliclieB  Differenxüemng 
and  HerabsiehuDg  des  GöttlicheD  in  den  Natnrprocefs  voran- 
gehenden reineren  Anffaeenng.  —  Auf  eine  solche  weist  auch, 
wie  ana  V.s  DarstelluDg  Belbst  erbelit,  die  griechische  Religion 
hin,  in  welcher  V.  die  relicriö^e  Entwicklung  auf  die  höhere 
Stufe  „des  onHli<^hen  Geistes  und  der  geistigen  Suhjekti^itHt'' 
sich  erheben  lalst.  Der  Polytheismus  ist  hier  sekundär,  die 
spatere  Frucht  der  Mythentnliiiing ;  die  Götterwelt  Hesiods  und 
Uoroers  Ergebnis  reÜekuereuder  und  dichteriBcher  AnschauungB» 
weiee.  Wie  die  arische  in  Indien,  so  stellt  die  griechische 
Religion  ein  ürwesen,  Gott  scbleohtbin,  an  die  Spitse^  das  nicht 
in  den  Proeefs  des  Endlichen  eingeht.  —  In  der  römischen 
Baügion,  die  durch  GeiBterglanbe  und  Mangel  an  Mythen  sich 
charakterisiert,  präge  sich  die  praktische  Richtung  des  römischen 
Geistos  aas.  Für  die  —  vom  Vrf.  als  das  Ursprüngliche  nach 
,,Principien  a  priori"  fingierte  — -  römische  Naturreligion  sei  man 
auf  Schlüsse  auö  der  allgemeinen  Analogie  der  religiösen 
üiDt Wicklung,  angewiesen.  Der  allgeraeioen  Form  de»  Welt- 
reichs gibt  auch  nach  V.  erst  das  (JuristeDtum  tiefen,  unend- 
lichen Gehalt 

Nicht  daa£rste,  sondern  die  höchste  Vollendnng  ist  nach 
d*  Yrt  der  Menotheismns.  Von  der  eranischen  Liohtreligion 
ausgehend  habe  er  sich  snerst  in  einem  kleinen  Kreise  eines 
anbedentsnden  Volkes  entwickelt.  £r  sei  teils  aus  vorhandenen 
Elementen,  teils  durch  absolute  Krhebuog  des  Geistes»  and  da 
der  Geist  darin  sein  eigenes  Wesen  ergreife,  durch 
Offenbarung  Gottes  entstanden.  (S.  485.)  Die  geschichtliche 
Darstellung,  die  der  Vrf.  auf  Grun  l  der  um  jede  Tradition  un- 
bekümmerten destniktiven  Bibclkriiik  ^\hi,  verkehrt  die  (Ji  lnung 
lex  ei  prophotae  in  daa  Gegenleii;  der  i'eutateuch  ibt  apaier  als 
die  prophetischen  Bücher:  so  verlangt  es  die  innere  Entwicklung 
dea  Geistes.  Y.  Yermifst  im  alten  Testamente  die  rein  ideale 
Anfiassnng  des  Geistes,  die  sich  übrigens  auch  bei  den  alten 
Philosophen  nicht  finde;  Aristoteles  lasse  den  Geist  von  anfsen 
in  den  Leib  kommen.  Gott  erscheine  in  der  Schrift  als  über- 
weltlicher  Geist  im  Liohtgewand  nach  seiner  Transcendenz,  nach 
seiner  Tmmanpnz  aber  als  bewegender  Geist.  (Woher  dann  das 
Verbot,  von  (jott  ein  Bild  zu  machen?  —  Aristoteles  aber  liilst 
die  menbcliiiche  Seele  von  aufsen  in  den  Leib  kommen,  gerade 
weil  sie  wehren  ihrer  Immaterialität  nicht  auf  dem  Wege  der 
Zeugung  tiuibielien  iiann.)  In  der  Schöpfuugbgeschichte  Ündet 
V.  siohi  Gesohiohte,  Bondem  „Beligionsanschaanng",  was  im 
Grande  ein  verblümter  Aasdmck  für  Mythe  ist   Ben  Abschnitt 


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172  Zur  ReligionsphUosopbic. 


über  das  Christentum  (S.  51  (>  if.)  eröffiiet  ©in  unwürdiger  Aus- 
lall g't^ji^en  die  katholische  Religion,  dessen  verletzender  Ton 
gegen  den  sonstigen  wiHseuschattlicheu  Charakter  dieser  „Reli- 
gionsphiloBophie"  grell  abbtichL  (Ähnliches  S.  314  uud  35b.) 
Charakter  und  Entstehung  des  Christentumä  vverdeu  so  erklärt; 
Grundprincip  derselben  ist  die  Idee  der  Mensohwerduog  Gottes, 
die  am  Ende  dee  bis  dahin  gewesenen  Weltlanfe  eintritt  snr 
Erlösung  ans  der  Gewalt  des  Böeen;  es  stehe  also  der  arische 
Dualisrnns  mit  der  ErAcheinnug  Gottes  anf  Erden  im  genauesten 
Znsammenhang.  Das  Christentum  habe  praktisch  begonnen  mit 
der  Vorbereitung  auf  eine  Umgestaltung  des  Gottesreiches,  woraus 
sich  erst  die  Umgestaltung  der  Lehre  als  Gebot  der  Notwendig- 
keit ergeben  habe.  Die  aprioribtische  Konstruktion  des  Christen- 
tums (das  nicht  aus  einer  pantheistisch  gemeinten  Idee  der 
Menschwerdung  Gottoä,  sondern  ans  der  gottmonschlichen  Per- 
son Christi  begriffen  werden  will),  wird  darch  eine  sersetaende 
Kritik  der  Quellen  des  Christentums  geatfltst  Da  die  Briefe 
des  Apostels  Paulus  (die  in  die  Jahre  52—61  verlegt  werden) 
in  schroffem  Widerspruch  mit  der  obigen  Annahme  stehen  und  I 
das  wunderbare  Wesen  Christi  darin  vorausgesetzt  wird,  fo  I 
verlangt  die  vom  Vrf.  geübte  Logik  des  Unglaubens,  dals  die 
vorgebliche  Umgestaltung  der  Lehre  in  der  kurzen  Zeit  vor  der 
Thäligkeit  Pauli  vor  sich  gegangen  sei.  j 

Über  die  hypothetische  evangelische  Urschrift  sowie  diu 
Unterscheidung  der  beiden  Riobtnngen,  der  petrinischen  und 
paulinisohen  (die  durch  das  Zugeständnis,  dars  sie  in  keiner 
Schrift  sur  reinen  DaisteUung  gelange,  wieder  hinfällig  gemaobt 
wird)  gehen  wir  mit  dieser  Andeutung  hinweg.  Aus  den  vo^ 
handenen  Quellen,  gesteht  V.,  sei  der  Ursprung  des  Christen- 
tums schwer  zu  ergründen ;  anerkannt  sei,  dafs  Christus  die 
Logosidee  auf  seine  Person  nicht  anwandte,  nls  Messias  habe  er 
eich  erst  bei  seiiieai  Einzüge  in  die  HauptstaUi  kuüdgegehen,  in 
frühere  Reden  sei  erst  nachtraglich  die  messianischc  Beziehung 
hineingetragen  worden.  Dem  wirklichen  Verlan f  gegenüber  (den 
V.  und  die  Kritik  der  Hegelsohen  Schule  wohl  besser  kennt  als 
der  Lieblingsjünger  des  Herrn)  stellte  sich  Johannes  am  un- 
günstigsten. Gleichwohl  wir  !  seine  geistige  Erhabenheit  ge- 
rühmt —  Die  Behauptungen  V.s  richten  sich  durch  ihre  Willkür 
von  selbst.  Johannes,  der  Apostel,  i^t  »'ntweder  nicht  der  V^er- 
fasser  des  vierten  Evangeliums  —  iaon  erhebt  sich  die  Frage, 
ob  08  dem  einstimmigen  Zeugnis  dea  Altertums  uud  dem  Selbst- 
zeugnis des  Evangeliums  zum  Trotz  ein  anderer  sein  kunne?  —  ! 
oder  Johannes,  wenn  es  erlaubt  ist,  Göttliches  mit  MenschHohem  ; 


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Zur  Religioiitpliilosopbie. 


173 


cn  TergteioheD,  der  Platon  des  christlicben  Sokrates,  ist  ein 
Yerriiokter  Schwärmer,  wenn  mobt  ein  freoher  Betrüger.  V. 
gleitet  leichtfertig  ttber  alte  diese  Sohwierigkeiten  hinweg. 

Die  Brsobeinnngen  des  Auferstandenen  gelten  V.  als  Visi- 
onen der  Jünger,  die  sie  hatten,  als  gie  sich  wieder  ihrem  ein- 
fachen Gewerbe  hingaben.  —  V.  gibt  sich  alle  Mühe,  die  (Tott- 
iieit  Christi  und  den  Peraonunterschied  in  Gott  ans  dor  S(  Ii  ritt 
hinwegzudeuten,  seine  eigene  Darstelluug'  aber  zeigt,  dals  bei 
Faiiliis  und  Johannes  über  die  Gottheit  Christi  nicht  hinwegzu- 
komnaen  sei.  Wo  es  nicht  mehr  angeht,  zu  leugnen,  wird  die 
Hegelwhe  Ontersoheidiing  yod  Aosobaanng  und  Begriff  an  Hilfe 
gemfen.  —  Das  Verhältnis  Christi  sum  ßeist  wird  in  das  des 
IndiTidoellen  anm  Allgemeinen  umgedeutet,  Christus  habe  sterben 
müssen,  damit  der  Geist  komme;  nicht  der  historische  Christus, 
sondern  der  Geist,  Gott  als  immanenter,  sei  Gegenstand  der 
Anbetung.  (Biblisch  ist  allein  die  Lehre,  dafs  die  Sendung"  des 
Geitites  die  Verklärung,  nicht  aber  die  Vernichtung  der 
Individualität  Christi  voraussetzt.)  Bei  Paulus  erscheine  der  hl. 
Geist  aU  die  höhere  Form  des  ScIH^Umjav lübiseinB,  1  Cor.  2, 
d — 12  liege  „otfenbar  die  EiuiieiL  des  iiu  Menschen  vvirkeuden 
höchsten  Princips  mit  demselben  Princip  ausgesprochen,  welches 
in  Gott  das  Belbstbewnfstsein  bildet'*  (8.  557.)  Die  Einheit 
sei  jedoch  nur  in  der  Form  der  Vorstellung  gegeben. 

y.  Termag  sich  die  Oberweltlichkeit  Gottes  nur  räumlich 
2n  denken  und  wendet  daher  gegen  die  Unterscheidung  imma- 
nenter nnd  transcendenter  Beziehungen  in  Gott  ein,  Gott  sei 
Idee  also  nicht  im  Räume.  (S.  559.)  -=  SrhliefHlich  wird 
als  Kern  der  biblischen  Lehre  von  der  Person  (  iinsti  und  der 
Trinität  bezeichnet:  die  lebeudige  Gotlesidee  als  geistiger  Lebens- 
procefs,  alles  andere  seien  Elemente  der  Anschauung,  die  kirch- 
liche Entwicklung  aber  habe  sich  durch  falsche  Verstandeskoü' 
•eqnensen  von  der  einfachen  lebendigen  Tiefe  der  biblischen 
Ansehanong  entfernt,  (S.  566.) 

In  demselben  Geiste  und  nach  der  nämlichen,  d.  h.  ratio» 
naliskisch-spekulativen  und  pantheisüschen  Methode  wie  die  Per- 
son wird  auch  das  Werk  Christi  behandelt  und  gedeutet.  Die 
Vorstellung  von  einer  stellvertretenden  Sühne  sei  deutero  jesa- 
janisch,  der  Knecht  Gottes  eine  Personifikation  der  frommen 
Theokratie  (!).  Die  Ktellverlretende  (ienugthuung  sei  von  den 
Vätern  raythologisf  h,  von  Auselm  juridisch,  erst  von  Öocin  rich- 
tig, d.  i.  ULiorahscli  gedeutet.  AU  bchlufsurteil  über  die  biblische 
Theologie  der  iBrlösung  ergibt  sich  V.  folgendes:  es  sei  „nicht 
zu  Terkennen,  dafs  darin  aofserordentlioh  tief  geistige  Elemente, 


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174 


Zar  ReligioDsphilosophie. 


aber  daneben  doch  anoh  ytele  teÜB  nnTermittelte,  eobroffe  Ge- 
gensätze, teils  sinnliob  angeflcbante  und  ungeistige  Züge  gegeben 
Bind.**  (&  575.)  Diese  angeblich  ungeistigen  Züge  aber  existieren 

nur  in  der  Phantasie  des  „spekulativen"  Rcü^ionsphilosophen, 
der  allen  Krnetes  der  Schrift,  z.  B.  die  .Aorstf  ilung'*  imputiert, 
das  Paradies  sei  eiue  Abteilung  des  Hades,  nur  durch  eine  Klnft 
von  der  (iehenna  getrennt.  Und  der  Öchol's  Abrahams  ist  dana 
wüiii  auch  wörtlich  zu  neiimcul 

In  der  Eotwioklnng  der  chrktUofaen  Bellgion  nach  der 
Lehre  nnd  socialen  Gestalt  werden  drei  Abschnitte  nntersohie- 
den;  der  erste  umfafst  das  Urehristentnm  mit  seinem  Hanpt- 
wendepnnkte,  der  Christianisierung  des  Staates,  sowie  die  Zeit 
bis  zum  Beginn  des  Mittelalters,  dieses  bildet  das  zweite  Haaptp 
Stadium.  Endlich  die  dritte  und  herrlichste  Periode  des  Christen- 
tumö  hefrinnt  mit  der  Reformation.  „Die  gegenwärtige  Zeit  freier 
wissenschaftlicher  Erkenutnis  ist  in  Beziehung:  auf  die  Eutwiek- 
lung  des  Christentums  die  vollendetaLe."  (S.  5iS0.)  Bekanu il n  h 
hat  StraufM,  Vatkes  Gesinnuugsgenosse,  gefragt:  Sind  wir  uoch 
Christen?  und  darauf  im  Namen  der  modernen  „Kultor"  mit 
Nein  geantwortet  V.  sieht  es  Yor,  die  Maske  des  Christentoma 
noch  länger  bu  tragen,  nnd  was  andere  als  »»Selbstsersetaitn^ 
des  (protestantischen)  Cbristentnms"  hinstellen,  als  dessen  höchste 
Bläte  zu  feiern. 

AU  allgemeines  Resultat  der  kirchlichen  Lehrentwicklung 
wird  angegeben,  dafs  die  einfache  Lehre  des  (Mnistentums  nicht 
wissenschaftlich  (d.  h  im  Geiste  Hfprelsrhrr  Spekulation ),  son- 
dern durch  Verstandesspekulationen  lortg^ebildct  worden  und  in- 
foige dessen  der  unaufgelöste  Widerspruch  entslaudeu  und  aU 
Mysterium  verehrt  worden  sei.  (S.  58*).)  Um  den  Geist,  der  diö 
sahireichen  Einwände,  die  V.  gegen  die  Kirchenlehre  erhebt, 
beseelt^  beurteilen  sa  können,  föhren  wir  nur  eine  Probe  an. 
Gegen  die  Unterscheidung  innerer  nnd  änfserer  Besiebongen, 
▼on  welchen  die  letsteren  gemeinsam  sind,  sofern  die  drei  Per- 
sonen als  eine  Wesenheit  und  Nator  nach  aufsen  wirken,  wird 
geltend  gemacht,  das  opus  ad  intra  sei  ja  die  Einheit  uud  opus 
ad  extra  nichts  als  die  Ditferenz  (S.  ÖÖÖj :  eine  Bemerkung,  die 
den  Hegeischen  BegnÜ  von  der  sich  selbst  verwirklichendeTi 
und  in  die  Vielheit  eingehenden  Einheit  zum  Mafsstab  der  Jvir- 
chenlehre  machL  —  Von  gleicher  Art  sind  die  Kinwondungea 
gegen  die  Lehrentwicklung  des  Dogmas  der  Inkarnation.  Wenn 
Christus  als  ToUständiger  ICensch  und  wahrer  Gh>tt  bestimmt 
wird,  so  hiefse  das  Gott  auf  die  eine  und  den  Menschen  auf  die 
andere  Seite  stellen,  als  ob  der  Mensch  ohne  Gott  ToUkommen 


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Zur  Religioniphilosophie. 


175 


und  Gott  ohne  den  Menschen  real  sein  könne  (8.  595). 
In  ChristaB  itit  naob  V.  die  Person  oder  das  entwickelte  Selbst- 
bewafetsein  (?)  von  der  potenziellen  Basis  im  Logos  zu  noter- 

scheiden,  der  Person  kommen  also  die  Eig^enschaften  des  Log"09, 
Allmacht  u.  h,  w.  nicht  zu.  Christus  ist  demnach  für  \'.  nur  eia 
hervorrag^euder  .Mouach.  „Der  Unterechied  Christi  uad  der 
GläubigcD  bef^toht  altein  in  der  historischen  Priorität  Christi,  in 
dem  AusgezuiciiDeteD  seiner  Persönlichkeit,  iu  dem  Urbpruag- 
liGhen  seines  Gektesbewnfrtseiiis  und  in  dem  Gewaltigen  seiner 
geistigen-  Einwirkung  anf  alle  späteren  Zeiten,  Dnroh  diese 
Anffaftsnng  Tom  Gottmenschen  hat  sich  V.  das  Verständnis  der 
Lehre  von  Gnade  nnd  Freiheit  sowie  von  der  Kirche  gänzlich 
muneglieh  gemacht;  die  Kirche  sei  als  Heilsanstalt  infolge  des 
grofsen  nnd  nachhaltigen  Eindrucks  gestiflet  worden,  den  die 
Erscheinung  Christi,  eeine  GröT-e  im  Leiden  hervorgebracht.  Die 
Neuschöpfung  geschehe  ^\  lrksa^l  durch  die  göttliche  Substanz, 
im  einzelnen,  durch  die  (jcnieinschalt,  die  ihren  Ausgangspunkt 
in  Christo  und  seinem  Tode  habe,  werde  sie  angeregt.  —  Für 
die  siebtbare  Kirche,  ihre  Allgeroeinheit,  Einheit,  Heiligkeit  zeigt 
Y.  kein  Verständnis^  wiewchl  er  engesteht^  dafo  der  8taat  der 
Kirohe  als  der  Trägerin  und  fiescbtttserin  der  eoht  christlichen 
Gesinnnng  hednrfe,  ohne  welche  kein  Staat  wahrhalt  gesnad  nnd 
krSftig  sich  entwickle.  (8.  632.)  Fiir  die  innere  Sphäre  fordert 
er  ToUe  Selbständigkeit  der  Kirche.  —  Den  protestantiBchen 
Begriff  der  sichtbaren  Kirche  sucht  V.  vergeblich  von  seinen 
inneren  Widersprüchen  zu  befreien.  Die  himmlische  Kirche  ist 
ihm  nichts  weiter  als  die  höhere  göttliche  Verklärung  der  Welt 
Die  Schrift  dürfe  nicht  ferner  als  bindende  !Norra  geltend  ge- 
macht werden,  eiu  neue»  Evangelium  des  Geistes  sei  es  daher 
auch,  wonach  die  Gebildeten  der  neuereu  Zeit  sich  sehnen.  Wie 
fitr  die  wirkliche  Kirche  Christi  hat  V.  auch  keinen  Sinn  fiir 
die  ehristliche  Vollkommenheit»  fiir  Colibat  nnd  Mönehtnm,  oV 
gleich  er  zugibt,  dafo  diese  Richtung  bei  den  vortrefflichsten 
Xannem  gefunden  werde.  (S.  637.) 

Das  umfassende  und  an  Details  überreiche,  zugleich  aber 
vielfach  aphoriBti«»ohe.  der  letzten  vollendenden  Hand  entbehrende 
religiös-philosophische  Werk  schliefst  mit  der  Darstellung  des 
Mohammedanis  Iii  US  (S.  640  ff.),  der  nach  einer  früher  (S.  307) 
gegebenen  Charaktori-tik  in  der  „abstrakt«  ^>ton  und  sinnlichsten" 
Weise,  aber  ohue  eigeiuliche  Onginalitttl  die  Einheit  üüUes  fest- 
gehalten nnd  die  Immanenz  Gottes  bis  auf  eine  ungenügende 
Form  aufgehoben  habe. 

Wenn  wir  das  Bild,  das  sich  Tor  unseren  Augen  tou  dem 

JslirlNwli  ittr  FUlofopU«  sie.  Yf.  it 


176    Lehre  d.  Iii.  Tiiuiuag  üb.  d.  Möglichkeit  einer  ewigeu  Weltscböpfung. 


^^^egenwnrtig-Rn  Stande  der  auf  modernen  i'riacipien  beruhenden 
Halipi  in-^])hilo8üphie  entrollte,  mit  einem  prüfenden  Blicke  über- 
schauen, »o  i»l  ea  zunächst  der  Mangel  an  Origtualität,  der  uns 
auflTäUt  Wir  erhalten  auch  hier  den  Bindmck,  dafs  der  Kreis- 
lauf der  modemeii  phUosophiaetien  BnkwioUung  geaehloMen  »t 
Kant»  Hegel,  Sohelliiig  —  KritioismaSy  Pantiieisniiiey  Theoeophit- 
mus  mÜHsen  abwechselnd  den  Schlttasel  darbieten,  der  die  Rktsel 
der  Keligion  nnd  des  Christentums  erschliefsen  soll.  Eine  weitere 
Überzeng-nng  aber  drängt  sich  auf,  dafs  keines  jener  Systeme 
den  genannten  iz:rofsen  Thatsachen  gfrcrht  zu  werden  vermai^: 
Gründe  genug-,  um  uns  in  dem  Bestrehen  zu  bestärkea,  die 
Philosophie  auf  soiulereu  GruDdlageD,  als  der  moderne  Gedanke 
bietet,  aufs  neue  aufzubauen. 


DIE  LEHRE  DES  HL.  THOMAS  BEZOGLIGH  DER 
MÖGLICHKEIT  EINER  EWIGEN  WELTSCHÖPFÜNG. 

Von  Fr,  THOMAS  ESSER.  Ord  Pracd. 

HL 

Von  dem  Begriff  der  bewirkenden  oder  hervor^ 
bringenden  Ursache  ftna  wurde  yeraacht,  die  UnmögUcbkeit 
einer  anfangelos  eraobaffenen  Welt  darzuthun,  ioaofem  ee  scheint, 

dafs  dieselbe  notwendig  ihrer  Wirkung  vorangehen  müsse.  Es 
wurde  jedoch  bereit«  früher  auf  den  Unterschied  zwischen  ali- 
mählich  und  Bofort  eintretenden  Wirkungen  hingewiesen. 
Handelt  es  sich  um  eine  Hervorbringung  der  eröteren,  so  inufs 
allerdings  die  wirkende  Ursache  vom  Beginn  des  Werdenspro- 
zesses an  vorhanden  und  thütig  sein :  sie  geht  also  notwendig  dem 
scbliefslichon  Eintreten  der  beabaiohtigten  Wirkung  der  Zeit  nach 
▼orans.  £rfolgt  aber  das  Eintreten  einer  Wirkung  sogleich, 
so  ist  es  nicht  unbedingt  notwendig,  dafs  die  Uraaehe  der 
Dauer  nach  ftüher  da  sei:  Licht  und  Leuchten  a.  B.  sind  an- 
gleich.  Die  schopfenache  Thätigkett  Gottes  aber  setst  ihre  Wir^ 
knng  sogleich;  y,unde  dicunt—  nämlich  dieVerteid^r  der  Mög- 
lichkeit einer  ewigen  WdtaohÖpfnng  —  quod  non  sequitur  ex 


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Verhältnis  zwischen  Ursache  und  Wirkung. 


177 


neoesBitate,  ei  Dem  est  euita  Mtiva  mmidi,  quod  ut  prior 
oMtndo  dnratunie.'*  (811111.  theoL  Icnl  oiL  ad  1;  Contr*  Gent 
loa  Ott  ad  1.) 

mAiioIi  diese  Begrttndniig  kann  —  80  sagt  Herr  Froh- 
«chammer  (S.  527  f.)  —  nicht  als  etiehhaltig  gelteu,  ja  mufo 
für  den  theistischeii  Standpunkt  sogar  als  bedenklieh  erscheinen. 
AUerding.s  gibi  es  Verhältnisse,  bei  welchen  L'i'üache  und  Wirkung- 
gleichzeitig'  ^^ind,  allein  da  sind  sie  denn  zugleich  gewissermatsen 
identisch  oder  so  wesentlich  miteinander  verbunden,  dafs  nicht 
ein  Kausalitäts-,  sondern  vielmehr  ein  Inhüronz-  oder  Konsubstan- 
tialität« -Verhältnis  gegeben  ist.  Dies  Verhältnis  findet  in  der 
That  auch  bei  dem  Gleichnis  statt,  das  Thomas  zur  Verdeut- 
liehung  beibringt  Das  Licht  nämlich  als  Ursache,  und  das  Leuch- 
tan  als  Wirkang  sind  freilich  gleiohaaitig,  allaiD  nnr  daram,  weil 
beides  notwendig  znsammengehört  nnd  das  eine  ohne  das  andere 
gar  nicht  gedacht  werden  kann;  denn  das  Wesen  des  Lichtes 
als  solches  besteht  eben  im  Leuchten,  nnd  wo  dies  nicht  statt- 
findet, kann  auch  von  einem  Liebte  nicht  die  Bede  sein.  Das 
Oleichnis  wlirde  also  nnr  dann  anf  das  VerhSItnis  Gottes  zur 
Schöpfung  anwendbar  sein,  wenn  Gott  und  Welt  in  einem  not- 
wendigen, wesentlichen  Zusammenhange  stundcu,  so  dals  Gott 
ohne  die  Welt  gar  nicht  gedacht  werden  könnte,  wie  etwa  pan- 
theiöüsche  und  halbpantheistischc  Aultässungcn  annr-hmen."^ 

Es  hält  nicht  schwer,  zu  zeigen,  dafs  diese  Ausführung  auf 
^ioem  MifsTerständnis  beruht.  Das  Tom  hl.  Thomas  angeführte 
Beispiel  ist  kein  „Gleichnis",  sondern  ein  Vergleich,  und  der 
Vergleichungepnnkt  liegt  einsig  und  allein  in  dem  Zugleich- 
«ein  von  Wirkung  nnd  Ursache.  Das  ist  der  Zweck,  für  wel- 
4shen  der  Vergleich  angeföhrt  wird:  an  neigen ,  dafs  es  eine 
Ursache  geben  kann,  die  mit  ihrer  Wirkung  gleichseitig  ist. 
Der  beigebrachte  Fall  ist  ein  Beispiel,  in  welchem  das  Be- 
hauptete unleugbar  sutrifft.  Da  nun  aber  „ab  esse  ad  posse 
▼alet  flla^o",  so  ist  mit  dem  einen  Fall  die  ganze  Behauptung 
unwiderleglich  bewiesen.    Wenn  Fruhbchamuier  albu  den  Ver- 

*  Gerade  so  heüjt  es  bei  Krause  1.  c,  p.  19  n.  3. 

12« 


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178  Lehre    U.  Thomti  flib.  d.  Möglichliftit  eber  ewigen  WdttehOpfung. 


gleich  auf  die  Art  und  Weise  ansdehnt,  wie  aiis  der  anere- 
führten  Ursacbo  die  Wirkung  hervorgeht,  so  geht  er  über  das 
TOS)  hl.  Thomas  Behauptete  bioans.^  Was  der  Aqainate  sagt,  ist 
auseehUefsUch  dieses:  Zorn  Wesen  der  Unache  gebort  es  nicht, 
es  ist  mithin  Hiebt  absolut  notwendig»  dab  dieUnaobe  ibrar 
Wirkung  seitlich  Toran^ebe.  Und  dafo  dieses  bewiesen  ist^  kaan 
Frobscbammer  selbst  niobt  leugnen.  Denn  er  sagt:  MAllerdiaga 
gibt  es  Verbültnisse,  bei  welchen  Ursache  und  Wirkang  gieich* 
zeitig  sind"  —  beispielsweise:  „Das  Licht  als  Ursache  und  das 
Leuchlen  als  WirkuDg  sind  gleichzeitig."  Ist  das  yegebüu,  daiiii 
ist  der  vom  hl.  Tbomae  als  zu  beweisen  aul'gestellte  Satz  unan- 
tastluir,  (irii'ö  nämlich  eine  aut'augrtloHe  SchÖpfuDg'  auf  Grund  de» 
BegrilTs  der  bewirkenden  Ursache  nicht  als  unmöglich  be- 
wiesen werden  kann.  Weiter  gehen  seine  Behauptungen  nicht» 
Um  Wabracbeinlicbkeit  oder  Unwahrscbeinlichkeit,  Konveniens. 
oder  InkottTenieas  handelt  es  neb  ihm  niobt,  sondern  ledigUeh 
nm  innere  Möglichkeit  oderWiderspmcbslosigkeit  Übrigens  hatte 
aneb  die  bloise£rwSgang,  daCi  Gott  nicht  in  demselben  8inae 
(nnivoee)  wie  die  OescbÖpfe  Ursache  ist»  Herrn  Frobscbammer 


1  Allerdings  kann  man,  wenn  man  einen  andern  Zweck  im  Auge  hat^ 
auch  diesen  Vergleichungsponkt  heranziehen.  Das  that  der  hl.  Auga- 
stinni  nad  andere  Tftter,  wenn  sie  in  dem  Gebsimnls  der  aHerbeiUgtten 
DteilbltiglEeit  das  VerbUtnis  des  Sohnes  snm  Vater  (gegen  die  Arianer) 
wa  erkliren  soeben.  So  sagt  s.  B.  6t^  AogosCln:  |»Qaoniodo,  inqult  sli* 
qsis,  sslenras  (Pater  gennit)  aeterattsi  (Filism)?  Qnomodo  flaama  tem* 
poralis  genemt  hMsm  temporalem.  Coaeva  est  aatcm  flsmma  gsnanuis 
lud  qoam  genorat,  nec  praecedit  tempore  flamma  generans  lucem  gencK 
ratftm,  sed  ex  quo  incipit  flamma,  cx  illo  incipit  lux.  Da  mihi  flammam 
sine  luce,  et  do  tibi  Deum  Patrem  sine  Fiüo"  (In  Jtiau.  Evang.  cap.  3. 
tract.  20  n.  8).  —  Und  wiederum:  „Ipse  Arius  dixisse  fertur:  Si  filius 
est,  natus  est;  si  natus  est,  erat  tcmpus,  quando  non  erat  ühm;  nou 
intelligenä  eliam  natum  esse  Deo  sempiternum  esse,  ut  sit  coaeternus 
Patri  Filius,  sicot  spleedor  qui  gignitnr  ab  igne  atqne  diffssdltnr,  eoaems 
est  illi,  et  esset  coseleroas»  si  esset  igsis  aeternss*  (l>e  THoit.  üb.  6 
cap.  1  n.  IX  Aber  such  bei  diesem  Oebraach  des  sng^bbrten  Ver- 
gteiebes  erklftrt  der  Bischof  too  Bippo  sosdrOcklicb:  nHabeat  ista  simi* 
litudinem,  non  babent  omnimodam  seqaslitatem*  (Serm«  117  [De  verb. 
Evaog.  Josn.  c.  1].  n.  18). 


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Das  Licht  ist  wahre  Ursache  des  LMdMeai. 


179 


abhaltoD  Mllmi,  tob  dem,  was  bei  geiobilpfliclieii  TTrseohen  der 
¥wX\  imt,  sn  eoUieben,  daft  dasnelbe  bei  Gott  als  Umohe  sich 
•beneo  Terhalle.  - 

Übrigens  könneTi  wir  mit  dem  b1.  Aug-nstinns  aaoh  einen 
andern  Vergleich  (=  Beispiel)  anfuhren,  dar  mit  dem  obigen 
aut'  g-anz  gleicher  Stufe  steht,  und  aut  den  der  Vorwurf  des 
Xerrn  Frohsohammer  gar  nicht  angeweudet  werden  kann.  Dioser 
Vergleich  ist  vom  Spiegel  der  Wasserfläche  hergenommen.  Dafs 
das  Wasser  die  äber  oder  an  ihm  befindUohen  Gegenstände  wieder* 
•piegel^  aetsi  der  heiligte  Angnstinoa  als  aas  der  Brftdiraiig  be> 
kannt  Toraoa:  „Ponamae  eigo  aliqnid  aatam  eaper  aqaam,  Telat 
Tiigaltam  aot  herbam,  noaae  cum  imagine  saa  naioitar?  Kox 
nt  incipit  exiafcere^  indpit  eom  illo  exietere  imago  ejas:  aon  prae- 
eedit  naeoendo  Imaginem  avam  . . et  taoien  imago  ab  iUo^  ooa 
illnd  ab  imagiae.   Kaioitür  ergo  onm  inagine  soa,  et  simnl  esse 
incipiunt  virg^ultum  et  imago  ejus.    ISum^uid  non  latcris,  imagi- 
nem  e««e  de  illo  virguito  genitum?  ...    Si  Semper  virgullum, 
Semper  et  imago  de  virgulto"  (Serm.  117  [De  verb.  Evang.  Joan. 

1]  D.  12).  Hier  kann  niemand  behaupten,  dafs  „das  eine  ohne 
das  andere  gar  nicht  gcdaoht  werden  kann",  und  dafs  das  Wesea 
der  Pflanze  darin  bestehe.  Im  Wasser  wiederzuscheinen.  Eben- 
•oweDig  legt  sieh  also  eine  paatheistiBche  oder  halbpantheistiBehe 
Aaflkseong  nahe. 

Damit  köaaten  wir  ans  der  ICflbe  überheben,  andere  Ein- 
wendnngen  gegen  die  Tom  hl.  Thomas  beispielshalber  aoge- 
Ahrten  Fälle  (Lieht  nnd  Lenohten,  Fener  und  Wfirme)  sn  be- 
rücksichtigen. Indessen  wollen  wir  zum  Überflufs,  bevor  wir 
weiter  gehen,  noch  einige  derselben  erwähnen.  —  Der  Kard. 
Toletus  leugnet,  dafs  es  Bich  in  den  gegebenen  Beispielen  um 
ein  wahres  Verhältnis  von  Ursache  und  Wirkung  bandele.  Er 
ssgt:  ,,Ultima  dispositio  ignis,  qnae  indooitar  onm  forma  ignis, 
mm  est  effectns  ab  illa  forma,  sed  ah  eo,  qnod  gfeneFat(seil.  igaem); 
fttmtliter  Testiginm  simnl  onm  pede  isoipiens  aon  fit  a  pede,  sed 
ab  eo  qai  pedem  feoit;  et  eodem  modo  de  sola  et  Inmine  di- 
oeadnm*  (loe.  cii  Venet  1586  fol.  219  a  t).  —  Also  das  Lenohten 
mid  WSrmea  als  Wirknng  soll  nicht  anf  das  Lioht  nnd  Fener 


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180  Ldm  d.  kL  Thomu  «K  4.  UOgUekkiil  aioer  evigteii  Wetctehöpfuif , 


als  üraaehe  zurttckgefilhri  werden,  Bondeni  auf  Stahl  und  Fener- 
etein,  die  den  zündenden  t  iiüken  geschlagen!  Das  nennt  Nazarius 
(loc.  cit)  manifeste  faleum.    Mag  mau  liumlicli  auch  Leuchtea 
und  Wärmen  alö  Eigentümlichkeiten  des  Lichtes  und  Feuers 
autiaaseD,  ho  kann  man  docli  nicht  umhin,  dieselben  als  von  der 
Wesensform  beider  verursacht  zu  denken:  „Proprium  cnim 
non  68t  de  essentia  rei,  sed  ex  principiis  eseenttalibus  speciei 
causatur"  (S.  Thom.  1.  q.  77  a.  1  ad  5 ;  of.  a.  6  ad  2  et  3). 
In  dem  Einwurf  liegl  mithin  eine  Verwechielnng  von  neoheler 
nnd  eigentUeher  Uieaohe  mit  der  entferntem  und  miltelheien 
TJrMohe.  Ee  iet  eine  fakohe  Anwendung  dee  Gmndeatne:  „canea 
eansae  eat  etiam  oanaa  cansati.''   Bai»  waa  Ton  der  Weieneform 
herrtthrt^  wird  der  Ursache  zugesohrieben,  welcher  die  Weeene* 
form  ihr  Dasein  Terdankt   Aber  kann  wohl  derjenige,  der  mir 
einen  Spiegel  vorhält,  im  wahren  und  eigentlichen  Sinne  als  die 
Ursache  meines  Hüdes  im  Spiegel  bezeichnet  werden?  Oder  iai 
es  das  Erdreich,  welches  die  Pflanze  am  Each  horvoibring-t,  das 
zugleich  deren  Wiedel  spif'fj^tdD  im  Wasser  verurHaf  iii  ?  Allerdings 
setzt  die  Pflanze,  um  ihr  Spiegelbild  hervorbringen  zu  können, 
zweierlei  voraus»  nämlich  erstens  das  Erdreich,  in  welchem  sie 
das  Dasein  empfSngt,  und  zweitens  die  Wasserfläche,  welche  ihren 
Eindruck  in  sich  aufnimmt  nnd  wiedergibt   Das  ist  aber  nicht 
der  Fall,  weil  aie  (besttglioh  dei  Wiederapiegelnt)  Uraache  iat^ 
sondern  nur,  weil  aie  eine  so  be  ach  äffe  ne  Ursache  iet,  nSm- 
lieh  eine  aolche,  welche  ihr  Sein  nicht  ans  aich  hat»  und  deren 
Wirksamkeit  einen  yorliegenden  Stoff  Toranesetat   Setae  also 
eine  Ursache,  die  aus  eich  iet,  und  deren  Wirken  Schaffen  ist 
(Gott),  und  es  ist  kein  Grund  abzusehen,  weshalb  dieselbe  nicht 
von  Ewigkeit  ihre  Wirkung  hervorbringen  könne.  —  Wenn  es 
darum  wahr  ist,  \s  as  Kard.  ToletuR  sagt,  dafs  d^  „argumentum 
püiits^imum"  für  die  Ansicht  vou  der  Unmöglichkeit  einer  ewig 
erschaflenen  Weit  darin  liegt,  „quia  est  inintcUigibile,  causam 
etBcientem  veram  coaeternam  cum  eifectu  faoere",  so  hat  dieselbe 
in  der  Ihat  eine  schwache  Grandlage. 

Bezüglich  der  Fufsspur  und  des  Fufsee  findet  eich  die 
gleiche  Einwendung  auch  bei  Frohschammer  (a.  a.  0.)  und 


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lieht  und  I^eoobten  smd  gleichzeitig. 


181 


bei  Krause  (L  o.  n.  5):  „Bestände  dies  Verhältnis  ewig,  wäre 
es  anfaagsloe^  so  wäre  es  kein  KanuUTerh&liiuSy  aondera  ein  ein- 
faohea  Seine YerhiltniB(Mwnples  eeeendi  ▼le'':Kran8e)wie  das  der 
ttebeneinander  liegenden  Stanbntome,  da  niemals  die  FufiBspnr 
▼om  PnAe  heireigebreolit  worden  wfire,  sondern  iminer  nur  be- 
stünde." —  Von  einer  Fnfsspar  reden,  die  nicht  vom  Fnfse 
wäre,  scheint  nns  eine  contmdiotio  in  terminis  zu  sein.  Der 
hl.  ÜöDaveatura,  dcti  man  iü  UDserer  l^rage  gcni  gug-en  deu 
hl.  Thomas  aufspielt,  bat  gegen  diesen  Vergleich  der  Plau  niker 
nichts  eiuzuwendeu  s.  oben  S.  375).  Ebensowenig  der  Iii.  Au- 
guetinos,  der  ihn  zuerst  mitteilt  (s.  oben  b.  1^8).  Übrigens  geben 
wir  gern  zu,  dais  die  vom  hl.  Thomas  gebrauohten  Veigleiohe 
viel  zutreffender  gewählt  sind. 

liooh  müssen  wir  eine  auf  Grand  des  Fortschritts  der 
VTissensehaft  gemachte  Nörgelei  an  dem  Vergleich  Tom  Licht 
und  Lenchten  henrorheben.  Herr  Langen  tastet  nämlich  sogar 
diesen  Veigiuiofa  als  solohen  an:  „Dab  der  hier  Torkommende 
Vergleieh  mit  dem  Liohte  auf  einer  onriohtigen  Vorstellnng  be- 
ruh i,  braucht  wohl  kaum  bemüikt  eu  werden".'  Ahnlich  sa^t 
Herr  Krause  (1.  c.  p.  19  n.  3):  „Hujus  nostrae  actatis  seieiiiia 
physica  negat,  lucem  et  iiluminaLianem  nnius  tt  mpuris  csso**. 
Herrn  rrohschammer,  der  doch  überall  so  wacker  l'iir  die  „mo- 
derne Wissensohaft"  eintritt,  kommt  an  der  Dichtigkeit  des  von 
HL  Thomas  gebrauchten  Vergleiches  an  sich  gar  kein  Zweifel, 
„denn  dss  Wesen  des  Lichtes  als  solches  besteht  eben  im  Lench- 
ten"; ^dns  eine  kann  ohne  das  andere  gar  nicht  gedacht  werden**. 
Und  wirklich  ist  die  i,nnrichtige  Vorstellnng*'  nicht  auf  Seiten 
des  Aquinaten  an  finden.  Wahrscheinlich  dachten  die  genannten 
beiden  Schriftsteller  in  ihrem  Eifer,  mit  dem  Fortschritt  der 
Wissenschaft  gleichen  Schritt  zu  halten,  an  die  Zeit,  welche  die 
Verbreitung  oder  Fortpflanzung  der  Lichtstrahlen  erfordert. 
Davon  redet  der  hl.  Thomas  aber  nicht.  Allerdings  braucht  z.  B. 
das  Sonnenlicht  8  Minuten  und  13  bekunden,  bis  es  zur  Erde 
gelangt;  das  schliefst  aber  keineswegs  aus,  dafs  Licht  and  Leaohten 

*  ThiHBSB  von  Aqoin  von  der  phflss.  HOgUehkelt  einer  ewigen  Welt- 
sehApfung.  Enpsa  1665.  8.  6  Ann.  8. 


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188  Lftbre  d.  U.  Thonit  4ft.  4  MAgUeUnil  «iiiif  efrlgm  WetfiehOpfoiif . 


mn  sich  gleichzeitig  sind;  noch  lenket  die  neuzeitliche  Physik» 
dafs  beide  notwendig  und  daher  unzertrennlich  mit  einander  ver- 
bunden  sind.  „Caeterum  —  so  fügt  Herr  Krause  (n.  4^1  hinzu 
—  qiiae  bodie  est  naturae  oogDitio,  loci»  percepfcio  posterior  est 
locis  existentia.  (Von  lucis  peroeptio  ist,  wi«  gesagt,  beiiD 
bL  TbomM  keine  Bede.)  Actio  Mlim  prodootiTa,  qiwe  compre- 
bendit  orefttionem,  boc  babet  prepriuii,  ot  tettdtt  »d  nm  eliqnam 
procreasdem,  qnte  extra  oaneam  g%m  et  ooUooari  debeat  (Alio 
Sobaffeo»  oder  vielmebr  die  actio  qaae  eomprehendit  creatioaeiD, 
beifet  „te ädere  ad  rem  aliqnam  procreandam";  es  ist  siebt  das 
procreare  selbst!  üad  swiscben  dem  Akt  des  Bchaffisas  xaA  dem 
y^extra  causam  gigni  et  coDocari"  mnfs  —  wahrseheiolich  (ttr  das 
tendere  —  Zeit  verlauleu!)  Qnapropter  causa  et  effectus  nun- 
quam  possunt  coincidere,  nihil  refert,  utrum  actio  feit  insLantanea, 
an  per  motmu  fiat".  —  Wenn  helbst  wirklich  in  den  vom  eng- 
lischen Lehrer  gebrauchten  Vergleichen  Ursachf»  und  Wirkung 
nicht  schlechthin  gleichzeitig  wären  (was  man  bezüglich  des 
ans  dem  hl.  Augustinus  angeführten  Beispiels  wohl  zugeben  mnCi), 
so  würde  das  doch  der  Beweiskraft  der  Vergleiche  aicht  den 
genngsten  Sintrag  thnn.  Denn  die  Venögerang  des  Eintritts 
der  Wirkung  hatte  dann  in  Yerbaltaissen  ihren  Grand,  welche 
in  dem  yergliohenen  Falle  niobt  statfffinden.  Da6  sidi  nSm- 
lieh  awischen  den  SohSpfer  nad  sein  Gemacht  m  überwindende 
Schwierigkeiten  einschöben,  oder  dafii  die  von  Gott  ansgebenden 
Geschöpfe  eines  Mediums  bedürften,  nm  wirklich  an  werden»  ist 
ga,r  nicht  denk  bar.  Auch  in  dieser  Beziehung  dürfte  also  nicht 
vergessen  werden,  dafs  Gott  und  die  Geschöpfe  nicht  univoce 
Ursachen  sind. 

Herr  Froh.schammcr  geht  indesKen  noch  weiter  und  leugnet 
überhaupt,  dafs  die  Bchöpfong  in  instanti  geschehen  sei.  „Dafs 
die  Schöpfung  als  ein  instantaner  Akt  an  denken,  ist  selbst  niobt 
bewiesen,  im  Gegenteil  alles,  was  die  notiere  Naturforschung  in 
dieser  Besiehnng  erkannt  bat,  deutet  daraaf  hin,  dafs  durchgängig 
in  der  Weltbildong  das  Gesets  der  Allmahlichkeit  geherrsobt 
hat  .  .  .  Es  konnte  also  wohl  gedacht  werden,  dafs  auch  beim 
ersten  Entstehen  der  Welt  dem  Stoffe  ebenso  wie  der  Form  nach 


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Die  Scköpfoog  ist  eine  ugenblidcliche  Wirkung. 


183 


AUrnftblicb  stattfand ,  oo  dab  ea  iwar  keines  seitliehen  Hin* 
vmd  fierberafens  Ten  Seiten  des  herrerbringenden  Scbdpfers  be- 
durfte,  wohl  aber  des  lekticben  Terlanfes  Ton  selten  der  wer- 
dienden  Sohöpfaag  selbet  ^  sehen  in  Bemg  anf  ibr  stoffliehes 
8ein  und  Werden,  das  ja  zndein  gar  nicht  ohne  alle  Form  ge- 
dacht werden  kann.  In  dietiem  Falle  ial  daua  die  Zeit  dem 
Schoptiing^^akte  selbst  fichon  immanent.  Und  raan  kann  nicht 
wohl  sagten,  das  Stoilliche  jedeut'a]!»  luulste  au^^eTihlicklicb  ganz 
sein  oder  nicht  sein,  ein  Mittleres  sei  nicht  möglich:  denn  da  bei 
dem  Vollkommenen,  z.  B.  dem  Organischen,  bei  der  Entwickelnng 
TOB  einem  Mehr  oder  Minder  die  Rede  sein  kann,  da  es  faktisch 
eo  atatlftadet»  so  kann  dies  wohl  aneh  bei  der  Bildung  des  Un- 
▼oUkomnenen,  des  bleib  SteffUoben  nicht  als  unbedingt  iinm$glieh 
aasgeechlossen  werden'*  (8.  $28  f.). 

Es  bedarf  kanm  der  nShem  Früfoag,  nm  die  Ungereimtheit 
dieser  Bntgegnnng  cn  erkennen.  Von  dem  Begriff  der 
Schöpfung  ist  die  Augonbl  icklichkoil  des  Werdens 
durchaus  unzertrennbar.  Wenn  Frohschammer  meint,  der 
hl,  Thomas  folgere  diese  Angenblicklichkeit  des  Entstehens  ans 
dem  Umstände,  dafe  es  „keines  zeitlichen  Hin-  und  Herberatens 
von  Seiten  des  hervorbringenden  Schöpfers  bedarfie**,  so  ist  das 
wohl  kanm  die  riebtige  AufTassung  dessen,  was  der  Aqninate 
lehrt.  An  der  Ton  FrohBcbammer  berührten  Stelle  (0[niso.  de 
aetemit  mnndi)  erklärt  er  lediglioh  den  ünterschted  swisehen 
aUmfiblieh  nnd  sofort  eintretenden  Wirkungen.  Balb  die  Scböpfiing 
eine  Ursache  sei,  welche  ihre  Wirkung  eofort  und  nicht  in  allmah* 
lieber  Entwickelnng  hervorbringe,  beweist  er  daselbst  durobaus 
nicht,  sondern  setzt  es  als  selbstverständlich  und  einleuchtend 
voraus.  Die  biofse  Erklärung  der  Verschiedenheit  genügt  ihm, 
um  zu  schliefsen:  „Ergo  non  repugnat  —  mehr  behauptet  er  ja 
nicht  als:  es  ist  innerlich  nicht  unmöglich,  es  liegt  kein  Wider- 
spruch darin  —  ai  poaator  causa  prodacens  subito,  non  prae- 
cedere  dnratione  cansatum  suum".  Wenn  er  nun  fortführt:  „"Hto 
potest  huic  rationi  obviari,  quia  Dens  est  causa  agens  per  to- 
lontatem^'  —  eo  besieht  sich  das  nicht  auf  den  Untersats  des 
Bjllogtsmus  Or^^B^  Um»  est  cauea  produoens  effectum  sunm  non 


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184   Lehre  d.  hL  Thomas  üb.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  Wellschöpfung. 


per  motiim,  »ed  subito"),  aondem  auf  den  angeführten  ächlufiK 
Batc  GfBrgo  non  repugnat  .  .  /*).  Wäre  nämlich  Überi^gnu^ 
Bötig,  80  rnüfste  diese  dem  Sntoohlafs  notwendig  zeitlich  vonuh 
gehen.  Wir  hfitten  daoD  ja  swei  auf  einander  feigende  Akte. 
Mitbin  könnte  in  diesem  Falle  die  Soböpifiing,  trotanleni  Handlung 
nnd  Wirkung  (oreatie  actiye  et  paseiTe  snmpta)  sngleioh  wiiren, 
nicht  ewig  sein.  Diesen  Einwurf  macht  der  Heilige  mit  der  Be- 
merkung hinfSlUg,  dafs  es  in  Oett  eben  kein  Überlegen  nach  Art 
nnentschloesener  und  der  Beratong  bedtirftiger  Menschen  gibt, 
dafs  vielmehr  in  ihm  Wollen  und  Ausführen  ein  und  dasselbe 
sind.  —  Dals  aber  Schöpfen  mit  di  in  augenblicklichen  Setzen 
einer  Wirkung  (der  »Schöpfung  im  pabsiven  binne,  des  Geschöpfes) 
gicichbüdeutend  ist,  geht  daraus  hervor,  dafs  es  das  Hcrvor- 
bringeo  desÖeins  aus  Nichts  ist.  Oder  ist  es  kein  Widersinn, 
sich  das  Sein  ans  dem  liichtsein  entwickeln  an  lassen?  Die 
Entwicklung  mulh  doch  einen  Anfang  haben,  einen  terminns  a 
qno,  nnd  soll  dieser  terminns  das  Nichts  sein?  Das  ist  gegen 
den  altgemein  als  einleuchtend  angenommenen  Sata,  dalh  Ma 
Nichts  Nichte  wird.  In  dem  Augenblick,  wo  etwas  wird  da 
wo  vorher  (sive  tempore  sive  natura  prius)  nichts  war,  haben 
wir  ScböpiuQ^.  So  unTollkommen  also  auch  das  nneret  ins  Da- 
sein gerufene  Sein  —  wenn  man  will,  als  Samen  nnd  Anbag 
einer  langen  Entwickelung  —  sein  mag,  immerhin  ist  seine  Her- 
vurbriiif^^uug  üinc  augenblickliche.  Und  in  dieser  Hervorbringiiug 
ist  der  ganze  fcchupfungsakt  beschlossen  und  abgeschlossen.  Die 
etwa  folgende  Entwickeliniß-  ist  nicht  mehr  Schöpfung.  Das  ist 
so  evident,  dafn  Frohschammor  in  merkwiirdigem  Widerspruch 
mit  sich  selbst  nur  wenige  Zeilen  nach  der  oben  cillerteo  Stelle 
sagt,  im  Schöpfungsakt  sei  das  Nichts  sogleich  über- 
wunden au  denken.  Deshalb  war  es  bei  den  Scholastikern 
ausgemachter  Grundsata,  dafo  die  Schöpftmg  nicht  unter  die  Ver- 
finderungen  gerechnet  werden  könne.  (Vgl.  S.  Thom.  1.  q. 
45  a.  d.)  Was  sollte  auch  das  sein,  was  awischen  dem  Nichts 
nnd  dem  Sein  in  der  Mitte  ISge?  Veränderung  und  Entwicke- 
Inag  ist  ja  ein  Dnrchg  a  n  ^  durch  Zwischenstufen.  Welche  Zwischen- 
stufe aber  könnte  es  geben  awischen  Sein  und  Nichtsein  ?  Wenn 


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Dm  Scb^pAnifsakte  ist  die  Zeit  aiebt  immaoent.  ' 


FrohMhammer  neiiit,  man  könne  nicht  wohl  tagen,  da» 
Stoffliehe  muffte  angenblioklieh  ganz  sein  oder  niohi> 

sein,   ein  Mittleres  sei  nicht  mögliob,  so  ist  das  eine 
offenbare  Zweidentigkeit,    Die  Äquivokation  liegt  in  dem  Aus- 
druck „ganz  sein".     Dieser   kann   zweierlei  bedeuten,  nämlich 
erstens:  überhaupt  sein  (Gegensatz;  nicht  sein)  und  in  diesem 
dinne  ist  es,  wie  gesagt,  ein  Widersinn,  zwischen  „ganz  sein'*- 
nad  y^aichtMin"  ein  MittlereB  ansnnehmen.   In  diesem  Sinne  aber 
mnfa  der  Anedmok  genommen  werden,  wenn  Ton  Sehöpfhng 
die  Rede  ist,  welche  eben  in  der  Setsang  des  Beins  besteht 
Frobaohammer  dagegen  nimmt  den  Ausdruck  in  einem  andern 
Sinne,  namltcb  gleichbedeutend  mit:  toII kommen  sein  (Gegen- 
satz: unvollkommen,  unentwickelt,  iingelbrmt  eeinj;  und  so  ist 
es  klar,  dafs  zwischen  „ganz  («=»  vollkommen)  -sein"  und  ,, nicht- 
Sein"  tuwas  in  der  Mitte  liegt,  nämlich  die  Entwickelung  des 
etwa  keimartig  Geschatl'enen.  Aber  diese  Entwickelung  ist  eben 
nicht  Schöpfung.    Geschaffen  wäre  in  diesem  Falle  nur  jenes 
keimartige  Sein,  nnd  dieses  wäre  notwendig  augenblicklich 
(und  gans)  da  gewesen,  wo  Torhor  nichts  war. 

Auf  das>  was  Frohaohammer  sonst  noch  in  demselben  Zu* 
sammenbange  sagt,  mUseen  wir  Tentichten  weiter  dnsngeheiu 
Nur  noch  ein  Wort  über  seine  Behauptung,  dafs  die  Zeit  dem 
SchöpluDgsakLc  selbst  schon  iiumanünt  sei.^  Das  ist 
nicht  an  dem.  Der  8chöptiing-8akt  ist  gerade  so  ewig  wie  der 
SchÖpfnngswi lle,  und  beide  sind  gleichowig  mit  dera  Schöpfer 
selbst.  „Kovitas  divini  eifectus  non  demonstrat  novitatem  actionis 
in  Deo,  cum  actio  sna  sit  sna  eseentia".  „Nihil  prohibet  dicere 
actionem  Dei  ab  aeterno  fnisse,  effeotum  autem  ejus 
non  ab  aeterno,  sed  tvnc  cum  ab  aeterno  disposuit*'.  „Nam 


Kbeeso  bsdenkHeh  ist  der  von  BoYillns  (sls  dritter)  angefahrte 
Beweis:  «Com  duplex  alt  divina  opsiatio,  qaaedam  qoidsiB  natoralis  et 
eootnbstaatialis,  alia  Tero  incooinbttantiatis  et  Toinntaria:  iUan  solani 
isteniitate,  iitam  Tero  tempore  aut  aero  volomns  este  metiendan.  Dl- 
Tinus  enim  aresniia  et  interior  Processus  aeternas,  exterior  vero  tom- 
|»OffaUs  aut  acTiternus".  Alto  die  göttliche  Handlung  selbst  soll  seitlich 
•efai  und  die  Zeit  oder  das  aevun  als  MaA  salasienl 


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186    Lehre  d.  hL  Thomas  fib.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  Wduchöptusg. 


«ab  volantato  diyina  cadit  dod  solum  qiiod  ijnt  effectns  mt,  aed 
qnod  tane  mi  Hoo  igitor  ToUtiuii  qnod  est:  tnno  crestnm 
«■60  —  BOn  retardfttery  qnia  tano  inoeptt  emtora  mab,  quando 
Dens  ftb  aefcemo  dispotnit"  (B.  Thom.  Contr.  Grat  )ib.  2  eqpi  3$). 

Herr  Langen  (a.  a.  0.  &  6  £)  weist  den  hier  in  Rede 
stehenden  Einwarf,  dafs  Gott  als  Ursache  der  Welt  derselben 
der  Dauer  nach  vorangehen  müsse,  samt  dessen  Widerlegung-, 
als  philosophisch  unzulässig"  gänzlich  ab.  ..Sobald  ich  frage,  ob 
Gott  Tor  der  Welt  sei,  habe  ich  einen  Zeitbegritf  auf  ihn  über- 
tragen, was  unzulässig  ist/'  —  Das  dürfte  wohl  kanin  so  sein. 
Wir  können  vielmehr  in  der  aus  der  Offenbarnng  uns  be- 
kannten Sohöpflingalehre  gar  nicht  nmhin,  an  behaupten,  dafh  Oott 
▼er  der  Welt  ist.  Der  hL  Thomas  sagt  schleehthin:  ,,Deiis  est 
prior  mnndi  doradone*'  (1.  q.  46  a.  1  ad  8).  Daa  heifot  aber 
dnrohans  nicht,  den  Zeitbegriff  in  Gott  selbst  hineintragen,  noch 
auch  Zeit  vor  der  Zeit  annehmen.  Was  damit  gemeint  ist,  sagt 
der  Aquinate  dBuilich:  „to  prins  non  desigDat  prioritatem  tem- 
poris,  sed  aeternitatis.  Vel  dicendum,  quod  designat  aetemitatem 
(offenbar  ein  bchreibt'ehler  iur  prioritatem)  temporis  imagiaati 
et  non  realiter  ezistentis:  sicut  cum  dicimus:  supra  ooelom  nihil 
est  TO  snpra  designat  locum  imaginatam  tantnm,  seonndnm 
^nod  possibile  est 'imaginari  dimensionibus  ooelestts  corporis  di- 
mensioacs  alias  saperaddi".  Was  Langen  an  seiner  rerkehrtea 
AnfiEhssong  bringt,  ist  das  HifsTerständnis  aweier  Fnakte,  nämlich: 

1.  des  gegenseitigen  Verhältnisses  von  Zeit  und  Ewigkeit^  nnd 

2.  des  eigentlichen  Wesens  des  „göttlichen  Wirkens"  nach  aufseo. 
Er  sagt:  „Es  ist  hier  wohl  ins  Auge  zn  ia^sen,  dafs  wahrend 
das  endliche  Wesen  und  Wirken  der  Zeit  angehört,  das  gottliche 
Wesen  und  Wirken  ein  ewiges  ist;  Zeit  und  Bwigkeit  aber  Be* 
griffe  sind  ,  die  in  keinem  Verhältnis  zu  einander  stehen".  — 
Dals  Zeit  und  Ewigkeit  in  irgend  euiem  Verhältnis  an  einander 
stehen,  ergibt  sich  wohl  schon  daraus,  daft  beide  in  einem  ge- 
meinschaftlichen genns,  der  D  auer,  übereinkommen,  wenngieich 
sie  zwei  Torschiedene  Arten  Ton  Daoer  sind.  Des  nahem  liegt 
ihr  gegenseitiges  Verhältnis  darin,  dafs  Zeit  und  Ewigkeit,  trotz 
ihrer  Verschiedenheit^  zugleich  bestehen  (coexibiuut).    Der  hl. 


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Gott  war  im  vollen  Sinne  vor  der  Schöpfung. 


187 


ThomM  «rkUkrt  diese  „proporfcio  aeternitatii  ad  totam  tempom 
dnntionem^  folgendeniiAbeB :  „Cdih  eaae  aetenii  rnrnqnani  defi- 
oat,  ootlibet  tompori  Tel  iaetaati  temporia  praeaeatiatiter  aden 
aeteraitaa .  *  •  Qnidqaid  igitar  ia  qaaeunqne  parte  temporia  eat^ 
coexiatit  aeterao,  quasi  praeaena  eldem,  etei  respecta  alteriaa 
parti«  temporo  sit  praeteritum  et  futonmi"  (Coutr.  Gent  lib.  1 
cap.  GG).  Also  „Dci  aeLernitaö  omuia  lempora  includil,  üou  (^uod 
ipse  varietur  per  praesens,  praeteritum  et  tiiturum"  (1.  q.  10 
a,  2  ad  4);  oder  „Aetemitas  tota  simul  existens  ambii  tolura 
lempus;  unde  omnia  quae  sunt  in  tempore,  sunt  Dco  ab  aeterno 
praeaotttta"  (1.  q.  14  a.  13).  Wie  wir  also  mit  philosophischer 
Genauigkeit  aagen:  Gott  war  Yor  einem  Jahrhundert,  so  müsaen 
wir  aaeh  sagen:  Gott  war,  bevor  die  Welt  war.  „Ab  aeterno 
ordinata  som,  et  ex  aattqais»  anteqaam  terra  fieret**  (ProT. 
23V  ^  n^^^  nnd  „boTor"  drttekt  nnr  den  Standpunkt  des 
Spreeheaden  ana,  in  keiner  Weise  aber  Zeit  anf  selten  Gottes. 
£a  wird  damit  seine  nnToriinderliebe  und  nnbesokrüakte  Daner 
beieiehnet,  die  sieh  iiber  alle  verSoderliche  und  beschrinkte 
Daner,  nod  darüber  htnans,  erstreckt:  „praeseottallter  totnm  tem- 
poris  decursum  attingit  et  transcendit"  (Quaest.  disp.  De 
Poitjütia  q.  1  a.  5  ad  2).  Deebalb  sagt  der  hl.  Augustinus 
von  der  unverauderlichen  Natur  Gottes,  dafa,  obgleich  sie  „non 
recipiat  fnit  et  erit,  snd  tantuiii  fjst.  .  ,  tarnen  propter  muta- 
bilitatem  lemporum  in  quibus  versatur  nostra  mortaiitas  et  nostra 
nrotabilitas,  non  mendaciter  dicimos,  et  fuit  (Doos),  et  erit»  et 
est  Fnit  in  praeteritis,  est  in  praesentibus,  erit  in  fbtoris. 
Fnit,  qnia  nnnqnam  defuit;  erit,  qaia  nnnqnam  deerit,  est^ 
qnia  aemper  est  (Traet  39  in  Evang.  S.  Joan.  n.  5).   Gott  ist 

^  Auf  GruDd  eioes  ähnlichen  biblischen  Anspruches  läCst  der  hl. 
Augustinns  die  Manich&er  wegen  des  hier  in  Rede  stehenden  Irrtums  hart 
an:  »Dieaat  ergo  vobis,  quid  dizstit  Apostolos  Faalns:  .Agaitiooem  Tsri- 
taüs  qoae  est  sseondom  pietatsn  Dei  in  spem  Titas  asternae,  qasm  pro- 
nlstt  non  neadtz  Doos  ante  tempore  aeteraa'  (1.  Tit.  1,3).  Aetsma 
snim  tsmpora  quid  ante  m  habere  potaemnt?  Hoc  ergo  cogaotur  ex> 
ponere,  ut  intelligaut  se  non  iatelligere,  cum  temere  volunt  reprehendere 
qtiod  diligcnter  qnaerere  debaerunt"  (De  Oeneti  contr.  Manicb.  lib.  1 
cap.  2  n.  3). 


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lÖä   Lehre  ±  hl.  Thomas  Qb.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  Weltschöpf ung. 


also  thatsäoblich  vor  der  Welt.  ,,Nec  ta  (Dem)  —  wie  dmelbe 
hL  Ao§^tiiiiiB  andenwo  erklärt  -»tempore  tempora  praecedti; 
«lioqnin  non  omnia  tempora  piaeoederae;  eed  praeoedie  omnia  prae* 
terita  oelsitiidiiie  Semper  praesentii  aetemitatis"  (Coofess.  üb.  11 
cap.  18  II.  16). 

Ebeneowenig  ni  der  Bina  aatrefiead,  in  welobem  Langea 
(mit  Kahtt)  bebanptet,  daa  götfiiche  Wesen  nad  Wirken  sei  ein 
ewiges.  Das  ist  die  Kehrseite  des  vorher  gegen  Frohsohammer 
Gesagten.  Für  die  hier  in  Kede  stehende  Frago  ist  das  gött- 
liche Wirken  in  sich  (entitative)  zu  imLerscheiden  von  der 
durch  dasselbe  zu  setzenden  Wirkung  (termiDative). 
was  Gott  nach  fisinem  ewigen,  unveräuderlicheo  Willensentschlufs 
hervorbringt,  tritt  ein  zu  der  von  ihm  gewollten  Zeit  —  wie  os 
bei  den  täglich  ei^chaÜcnen  Monschenseelen  offenkundig  ist.  Der 
terminus  des  göttlichen  Willens  ist  also  gerade  so  zeitlich,  wie 
die  von  ihm  hervorgebrachte  Wirkung  (die  creatio  passive  sumpta) 
selbst  Besüglieh  seiner  Wirkungen  naoh  anfsen  gebort  demnaoh 
das  gottUohe  Wirken,  sofern  wir  anf  das  Eintreten  seiner  Werke 
sehen^  der  Zeit  nnd  nioht  der  Ewigkeit  an.  Mit  vollem  Keohte 
würden  wir  also  s.  B.  sagen:  Gott  hat  heute  eine  Mensoben- 
seele  erschaffen;  Gott  hat  heute  ein  Wnnder  gewirkt  n.  s.  w« 
Nieht  als  ob  das  Wirken  selbst  erst  heute  stattgefunden  hatte, 
soudorn  weil  das  Gewirkte  erst  heute  eingetreten  ist.  Mit 
demselben  liechte,  sowohl  theologisch  wie  philosophisch  genau, 
sagen  wir  also  auch:  Gott  hat  die  Welt  im  Anfang  erschaifen, 
und  er  selbst  war,  bevor  er  die  Welt  schuf. 

ä.  Aus  der  oigentürnücheD  Natur  der  hier  in  üede  stehen* 
den  Hervorbringung  selbst  hat  man  einen  Beweis  gegen  die 
Möglichkeit  einer  Schöpfung  von  Ewigkeit  herzuleiten  versucht, 
insofern  Sehaffen  ein  Hervorbringen  ans  l^ichts  ist^  welches  — 
sagt  man  —  als  gleichbedentend  mit  nach  dem  Nichts  au  ver^ 
stehen  ist  —  Der  hl,  Thomas  antwortet  in  aller  Kttrae:  Aller* 
dings  hat  jener  Ansdrock  unter  Voraussets nng  der  Offen- 
barung diese  Tragweite;  an  sich  jedoch  awingt  er  ktineswegs 
SU  jenem  Verständnis,  da  vom  Standpunkt  des  blofben  Denkens 
der  Begriff  ausKichts  seine  volle  Bedeutung  behalt,  wenn  er 


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»A«t  nichtt**  Mbi  «n  sieb  blofs:.  .nicht  ans  etwas*'.  iÖU 


«Itt  9,11  ieht  aas  etwas"  Tentanden  wird.  So  aber  schliefiit  der 
▲nadrnok,  wie  bereit»  frtther  gesagt,  nicht  notwendig  ein,  dafe 

das  Nichts  dem  Sein  vorangegangen  sei  (Sum.  theol.  1.  c.  ad  2; 
Contr.  Gent.  1,  c.  a  l  2).  „TuLüst  enim  dici,  sicut  et  Avicenna 
dtcit;  (jiiod  non  esse  ])raecedat  esse  rei  —  non  duratione,  sed 
natara;  quia  Tidelicet,  si  ipsa  sibi  relinqueretur,  nihil  esset,  esse  vero 
eolum  ab  alio  habet.  Quod  enim  estnatnm  alicni  inesse  ex  seipso, 
nainraliter  prius  eompetit  ei  eo  qnod  non  est  ei  natom  inesse  nisi  ab 
«Uo'^  lUthin  »^non  oportet»  ex  ipsa  ratione  productionis»  eed 
«  Teritate  qnam  fides  snpponit»  quod  prins  non  foerint  (oreatn- 
raeX     postea  in  esse  prodierinf'  (De  Potentia  l  e.  ad  7). 

Diese  Widerlegung  scheint  dem  Herrn  Frohsehammer  „anf 
einem  tiefen  Mangel  der  tbomistischon  Wissenschaft,  auf  einer 
wißsenschatUich  nicht  zu  rechtfertigenden,  iubbcbondere  durch 
neuere  XaturtbrKchung  widerlegten  AulTaRsunf»-  der  Natur  der 
ScbopiuDg  zu  beruhen.  Im  Wesen  der  Jvreatur  soll  sich  ein 
Prins  nnd  Posterius  secundom  ordinem  naturae  unterscheiden 
lassen,  jenes  soll  das  sein,  was  dem  Dinge  dnroh  sich  eigen  ist, 
dieses  da^enige,  was  es  anderswoher  hat*  Ans  nnd  dnrch  sich 
eelbst  habe  nnn  die  Kreatnr  nichts,  da  sie  alt  ihr  Sein  dnroh 
Gott  habe,  nnd  demnach  sei  das  Prins  der  Kreatnr  secnndnm 
ordinem  natarae  das  Nichtsein,  das  Nichts.  Man  sieht  wohl  so- 
gleich, dafs  dies  ein  übernötigtes  Räsonnement  ist,  das  sich  selbst 
aufhebt.  Ist  einmal  von  der  Kreatur  die  Rede,  so  ist  schon 
vorausgesetzt,  dafs  sie  selbst  ist,  und  dal's  ihr  eig-enstes  Wenen 
das  Bein,  nicht  das  Nichts  ist  Weun  also  einmal  davon  die 
Rede  ist^  was  die  Kreatur  hat  und  yon  sich  hat,  so  ist  dasWesen 
schon  als  seiend  und  positiT  gesetst»  nicht  als  Nichts,  denn  ist 
das  eigenste  Wesen  derselben  das  Nichts,  so  kann  davon  eben 
anch  gar  keine  Bede  sein.  Ist  das  Snbjekt  aufgehoben,  so  kann 
man  ihm  anch  gar  keine  Prädikate  mehr  anschreiben,  weder  po- 
sitiTo  noch  negati?o,  und  anch  von  einem  Prins  nnd  Poeterins 
kann  keine  Rede  mehr  sein.  Es  ist  also  nicht  möglicii,  als  das 
Natürliche  der  Kreatur  das  Nichts  zu  bezeichnen,  da  sie  viel- 
mehr erst  als  Kreatur,  als  Geschaffenes  natürlich  ist"  (S.  531  \ 
An  die  in  „der  Thomisüschen  Wissenschaft"  gelehrte  Yer- 


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1^0  Lehre  d.  hU  Thomas  flb.  d.  Möglichkeit  eioer  ewigen  Weltschöpfung» 


SOhiddenheitdodWesens  eines  Dinges  Yonaeioem  Dasein  scheint 
Herr  Frohschammer  nicht  gedacht  za  haben,  als  er  die  vorstehen- 
den  Worte  niedenobrieb.  ,Jet  einmal  Ton  der  Krenfenr  die  Rede» 
so  Ist  aohon  Tormnagesetsl,  dnfii  sie  eelbel  ist^  —  i.  h«  ext* 
■tierti  Von  anderen,  alt  den  Jetst  wirklioh  Torhandenen  G©- 
•ohSpfen  kann  iob  also  nksbi  reden?  Und  der  Begriff,  daa  Wesen 
,,Oesoh5pf'  ist  ein  Niobts?  Doofa  wir  bSren  nocb  stanneoawerteie 
Dinge.  „Der  Kreatnr  eigenstes  Wesen  ist  das  Sein,  niobt  das 
Nichts".  Also  zwischen  Sein  (=  Exi stieren)  und  Kichts  gibt 
es  kein  lliuleres?  Das  ideale  Sein,  das  Mögliche,  weiches  so- 
wohl in  der  Idee  und  Macht  Gottes  als  io  unserer  Erkenntnis 
wirklich  ist,  ist  tlir  Frohschammer  nicht  vorlianden.  Und  das 
Existieren  ist  der  Kreatur  eigenstes  Wesen?  bie  existiert  al^o 
vermöge  ihres  Wesens;  sie  hat  das  Sein  aas  sich;  das  Existieren 
'ist  ihr  wesentlich,  also  notwendig,  also  unverlierbar!  Ist  da» 
die  Anffaasnng  der  „nenem  Katorwissenscbaft"  von  der  Katnr  de» 
Oescböpfbe?  Aber  ihr  anm  Trots  nnd  ebne  tn  fUrabten,  von  ihr 
wideilegt  an  werden,  sagen  wir:  nnn  nnd  nimmer  ist  da» 
eigenste  Wesen  der  Kreatnr  das  Sein.  Aber  ebensowenig 
ist  „das  eigensteWesea  derselben  das  Kiehts".  Wenigslens  wird 
so  etwas  niobt  in  der  „Tbomistisoben  Wissensebaiti^  gelebrt  Wa» 
der  englische  Lehrer  sagt,  ist  einzig  und  allein  dieses:  „ponitnr, 
(juod  natura  ejus  (seil,  creaiuraej  est  talis,  quod  esset  nihil,  si 
sibi  reliuqueretur".  Das  hcifst  doch  nicht:  das  Wesen  oder  die 
Natur  der  Kreatur  ist  das  Nichts;  vielmehr  ist  der  Sinn  dieser: 
Die  Natur  oder  das  Wesen  oder  dor  Beg:riff  des  Uoschöpfesi 
schliefst  das  aktuale  Sein  nicht  ein,  m.  a.  W.:  Wesen  und  Da- 
sein sind  im  Geschöpf  zwei  verschiedene  Dinge,  oder  noch  an- 
ders ausgedrückt:  Geschöpf  sein  heilst,  das  Sein  (Existieren) 
Ton  einem  andern  baben  (Bsse  non  babet  ereatnr»  nisi  ab  aüo). 
Ans  sieb  also  nnd  ebne  sebÖpfeHscb  bervorbringende  Ursaobe 
wäre  es  in  der  Weltwirk liobkeit  nichts  (sibi  antem  reliota 
in  se  eonsiderata  nibil  est).  Unde  —  so  schlieftt  der  Aquinate 
—  prins  natnraliter  inest  sibi  nihil  quam  esse,  d*  b.  natnrgemSft 
oder  seinem  Wesen  nach  kommt  dem  Geschöpf  eher  das  Niobts 
(nämlich  in  der  Urdnung  der  aktuuleu  Wirklichkeit  oder  der 


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Unterschied  zwischeu  idealem  u.  realem  Sein  des  Geschöpfes.  191 


änfserB  Jb^atar)  als  das  Basein  zo.  Das  inest  bezieht  aich  also 
nioht  «af  die  existierende  Kreatur,  wie  Frohschammer  vor- 
aussetzt, sondern  aof  den  Begriff,  das  Wesen  (nataraliter)  de» 
Oeschöpfea.  Und  daa  Niohts  ist  oicht^  wie  Frohaohammer  meinV 
der  Gegenaats  sn  Sein,  sondern  ui  Baaein,  m.  a.W.  es  drttokt 
den  Mangel  des  Seins  in  der  uns  umgebenden  WeltwirUichkeit^ 
nioht  aber  den  in  der  idealen  Ordnung  ans.  ,rErgo  oportet,  ^uod 
seoundum  naturam  suam  esset  non  ens,  nisi  a  Beo  esse  heberet'* 
(In  II  Seni  Bist  1  q«  1  a.  5  ad  3).  In  dem  Wesen  des  G-e- 
Rchöpfes  ibt  also  das  aktuale  Sein  nicht  beschlossen;  aus  sich 
würde  es  dieses  nicht  haben;  iial  ua  dabbcibe,  so  ist  es  nur  von 
Ooii.^  Wa8  kann  also  Veriänglichea  darin  liegen,  wenn  gesagt 
wird:  „prius  inest  unicuique  naturaliter  quod  convonit 
«ibi  in  sc,  quam  quod  solum  ex  alio  habet?"  Es  ist  Iblg- 
lich  ein  doppelter  Fehler,  welcher  sich  durch  diese  liemorkuDgen 
Frohschammers  hindurchzieht:  ein  Verkennen  des  Unterschiedes 
awisohen  Wesen  und  BaseiUi  und  ein  Kicht verstehen  des  Unter- 
sohiedes  swisohen  tempore  und  natura  prius.  Beides  susammen 
findet  sieh  in  dem  Sata  anagedrückt:  ^Ist  das  Subjekt  aulge* 
heben,  so  kann  man  ihm  auoh  gar  keine  Prädikate  ausohreibea 
.  .  .  und  auch  von  einem  prius  und  posterius  kann  keine  Bede 
mehr  sein".  Bie  Worte :  „Ist  das  Subjekt  an%ehoben'S  können 
in  dem  Zusammenhange,  in  welchem  sie  gebraucht  werden,  lo- 
gisch nur  hoifson:  handelt  es  «ich  um  die  ^satur  (das  Wesen) 
eines  nicht  existierenden  Subjektes.  Bei  Frohschammer  je- 
doch drücken  sie  das  Isichts  aus.  ISimm  das  aktuale  Dasein 
von  den  Geschöpfen  fort,  und  es  bleibt  nach  ihm  das  Nichts 
librig.    Von  dem  .Lichta  aber  kann  nichts  ausgesagt  werden. 

>  Es  ist  ein  himmelweiter  Untersehied  swisefaen  den  beiden  6e* 
hauptoofsn:  Creatnrae  ez  se  conTsnit  non  esssnnd:Creatnrae 

non  ex  BS  sonvenit  esse.  Das  LetatMTS  wQrde  bloft  heiftsa,  die 
£iiiteDz  komme  dem  Geschöpf  nicht  vi  essentiae  suae,  sondern  nur  von 

sehen  einer  äufsern  Ursache  r.n,  m.  a.W.  dasselbe  sei  ein  ens  al>  alio. 
Das  Krslcre  aber  Jfiffsp:  das  Geschöpf  ist  einWesen,  welches  das  Exis- 
tieren ausschliefst,  welches  also  in  kölner  \\ Ok",  auch  nicht  durch  eine 
äuTsere  Ursache,  zur  Existenz  gelangen  kann;  das  Dasein  ist  mit  seiner 
Natur  unvereinbar. 

JahtM  flfar  mioMphto  tta.  Tl.  It 


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1 93   Lehr«    hl.  Thomas  ab.  d.  Möglichkeit  einer  ewigenWeltsehÖpfiuif. 


Hier  ist  Frohschararacr  offenbar  im  Widrrsiiruch  mit  dem  g-e- 
ftunden  MenftcbeDYerstande.  Oder  äadet  es  Dicht  jeder  eialeach- 
tend,  wenn  gesagt  wird,  die  Teile  eeieii  der  Natur  (oder  dem 
Begriff)  nach  früher  al»  da»  ans  ihnen  sneanmengeselate Game? 
Und  doch  wird  hier,  wenigateos  wenn  ea  aich  am  ein  organi- 
ach  es  Gansea  handelt,  daa  „frtther  Mtn**  Ton  nicht  extatiereadea 
Snbjeton  (also  dem  „Kichts*')  anagesagt!  Oder  —  nm  auf  mn 
Mher  gebrauchtes  Beispiel  zorttcksokommen  —  ist  die  Sonne 
nicht  der  Natur  nach  t'rühcr  üU  das  Leuelittiu  uud  Warmen? 
Hier  wird  dus  „triihcr  sein"  von  der  nicht  leuchtenden,  also  von 
der  nicht  existierenden  Sonne  ansgesagt.  Damit  ist  jeder  ein- 
verstanden ;  nur  f  robschammer  würde  sagen :  Ist  einmal  too  der 
Sonne  die  Rede,  so  ist  schon  vorausgesetzt,  dafs  sie  ist  nnd 
leuchtet,  also  kann  von  einem  frtther  oder  spater  mit  Bezog  aaf 
ihr  Sein  nnd  Lenchten  keine  Bede  sein.  Bafs  dieses  ein  „über- 
nötigtea  Rasonnement'*  ist,  liegt  aaf  der  Hand. 

In  einem  Artikel  ttber  „die  Frage  über  Beweiabarkeit  oder 
Unbeweisbar keit  des  Anfangs  der  Welt  in  der  Sobolastik"  im 
Katholik  (1861.  Erste  Hälfte  S.  060)  wiid  zugegeben,  daff* 
das  „ex  nihilo"  zunüchöt  und  in  eröter  Linie  von  der  Leugnnnfr 
eines  vorliegenden  Stoffes  zu  verstehen  ist.  „Allein  — -  so  wird 
dann  fortgefahren  —  dies  ist  denn  doch,  wenigstens  ia  sekun- 
därerWeise,  ebenfalls  in  dem  Ausdruck  „ex  nihilo"  ausgesprochen, 
dalh,  bevor  Gott  die  Weh  schuf,  nichts  anfser  ihm  vorhanden 
war,  woraus  er  sie  hfitte  erschaffen  kennen.  Bs  mufs  also  doch 
dem  Sein  des  Gescböpflicheo  oder  vielmehr  dem  Eintritte  dieses 
Seins  ins  Dasein  ein  sohlechthimges  Nichts  vorausgedacht  und 
vorausgesetzt  werden.  Und  zwar  kann  dieses  prius  des  Nichts 
vor  dem  ISein  kein  hlofaes  priu.s  secundum  naturam  sein; 
denn  in  diesem  Falle  rnüfste  da»  Nichts,  wie  Albert  der  Grofse 
mit  Recht  «agt,  ein  konstitutives  Princip  der  Natur  des  Geschöpf- 
lichen selbst  sein,  was  nicht  leicht  zulässig  erscheinen  dürfte, 
selbst  wenn  man  die  Sache  so  auffafst,  wie  Thomas  es  gethan. 
Denn  wenn  man  auch  sugeben  mufs,  dafs  das  geschöpfliche  Sein, 
falls  es  sich  selbst  überlassen  würde,  nichts  sein,  d.  h.  ins 
Nichts  zurückkehren  würde,  so  kann  man  deshalb  doch  nicht 


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Das  Nichts  ist  kein  Sems-Frincip  der  Geschöpfe. 


193 


ragen,  daTs  du  liiohto  du  konstitatiTes  Frinoip  des  goschöpf- 
lielieB  SeioB  sei  Es  btoibfe  somit  niohto  anderes  ttbr%,  als  jenes 
prins  des  Kiohts  Tor  dem  8ein  als  ein  prins  seenndnm  du* 
rattonera  snftnfassen,  d.  b.  die  Zeit,  resp.  das  eiste  ^^etst*' 

der  Zeit,  a  parte  ante  durch  ein  schlechtiniges  Nichts  begränzt 
sein  zn  labten,  f?o  zwar,  dafs  dieses  Nichts  dann  durch  den  Ein- 
tritt ins  Dasein,  womit  auch  die  Zeit  in  der  Wirkhchkeit  auf- 
trat,  negiert  werde  .  . 

Die  einzige  Begründung  dieser  Darlegung  scheint  uns  in  der 
mit  „denn"  eingeleiteten  Äafserung  des  sei.  Albertus  Hagaus 
«Q  liegen.  Wir  müssen  nns  dieselbe  daram  in  ibrem  wabren 
und  Tollen  Sinne  Teiigegemrirtigen.  An  der  frfiber  von  nns 
angeffibrten  Stelle  (Snm.  tbeol.  p.  II  iract,  1  qnaest  4  membr.  2 
art  5  partic.  1  qnaest  ineid.  2)  sncbt  der  grofse  Albert  der 
Unterscheidung  zwischen  prioritas  naturae  und  prioriiaä  dura- 
tionis  auszuweichen,  um  darzuthun,  dafs  das  „ex  nihilo"  not- 
\vendi»r  als  „post  nihiium"  zu  verstehen  sei.  Zu  diesem  Be- 
hüte sagt  er:  Was  der  Natur  nach  einem  Ding  vorangeht,  kann 
nur  eines  seiner  natürlichen  Principien  sein,  also  etwas,  das  in 
dem  Ding  selbst  wirklich  ist,  und  das  als  zn  ihm  gehörig  Ton 
ihm  ausgesagt  wird*  Wenn  also  bebanptet  wird»  das  Nichts 
sei  der  Natnr  nach  fHiber  als  das  Geschöpf»  so  mnibte  das  Nichts 
-ein  natürliches  Prinoip  des  Geschöpfes»  etwas  in  ibm  Befindliches 
und  zu  ihm  Gehöriges  sein.  Das  ist  aber  ganz  undenkbar. 
Wird  demnach  gesagt,  das  Geschöpf  werde  ex  nihilo,  so  muls 
das  ex  eine  zeitliche  Autein  uidoitolge,  und  nicht  eine  blofse 
Beziehung  der  Gedanken  btHicuton, 

Bei  der  Zerlegung  diebur  Bewei&iuluruQg  halten  wir  uns 
nicht  bei  der  Frage  auf»  ob  die  Fassung  des  „prius  natura^'  im 
Obersats  nicht  etwa  au  enge  ist»  da  das  fehlerhafte  derselben 
«OS  einem  andern  Grunde  sofort  in  die  Augen  fSllt  Bs  Hegt 
nämlich  in  ihr  eine  Verwechselung  Ton  Werdens-Principien  mit 
Seins-Principien.  Bekanntlich  fiibrt  die  peripatetische  Schule 
unter  den  Werdens  -  Principien  der  auf  dem  natürlichen  Wege 
(d.  h.  durch  generatio)  entstehenden  Dinge  die  privat io  an, 
und  doch  ist  es  nie  jemanden  in  den  Öinn  gekommen»  zu  sagen, 


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194   Lehre  d.  U.  Thomat  flln  d.  M ög lielikelt  einer  ewigen  WdUchöpfuog. 


die  privatio  sei  in  den  gewordenen  Diügen  und  werde  von 
ihnen  ausgesagt  Das  ist  nicht  möglich,  weil  es  sich  ja  nicht 
am  ein  Ding»  etwas  wirklich  Bestehendes  handelt.  In  derselben 
Weise  nun,  wie  die  privatio  sich  zu  dem  natürlichen  Werden 
der  Dinge  verbäli,  verhält  aioh  das  liiohto  eu  den  dordi  Er- 
schaffang  enteteheaden  Dingen»  Es  kann,  wenn  man  will,  ala 
ein  Werdene-Prinoip,  nicht  aber  als  ein  Seina-Prinoip  der- 
selben  beseiohnet  werden.  Ist  es  aber  ein  soldies,  so  folgt  niob:^ 
was  der  sei.  Albertus  folgert^  nämlich»  dab  es  in  den  Oesohöpfen 
sein  müsse  und  zu  diesen  als  ein  Wesensbestandteil  gebore.^ 

Gerade  durch  ihre  Behauptung,  dafs  in  dem  Begriff  der 
iichöptuiig  die  Worte  „aus  ^SiciiU"  gleichbedeuieud  seien  mit 
„nach  ^i'iehts"  bereiten  sich  unsere  Gegner,  wohl  ohne  eich  dessen 
zu  versehen,  unlösliche  Schwierigkeiten.  Was  ht-ilsi  denn  das: 
„nach  dem  Nichts"?  Etwa  dafs  vor  der  fcichöpfung  das  Ivicht* 
dagewesen  sei?  Aber  dasein  kann  nur  ein  Etwas.  Oder 
soll  es  die  Dauer  des  JNiohtseins  («iprins  secandam  duratio^ 
nem'*)  ansdrttcken?  Aber  auch  danern  kann  nnr  ein  Etwas, 
nicht  das  Nichts.  Überhaupt  können  wir  von  dem  Nichte  keine 
Eigenschaften  oder  Tluitigkeiten  aussagen  —  auch  ,,begrensen" 
kann  es  nicht — ;  das  Einzige,  was  wir  Ton  ihm  wisseni  ist  eben, 
dafb  es  Nichts,  d.  h.  die  Abwesenheit  irgend  eines  Seins,  ist* 
Soll  also  das  Nichts  dem  geschaffenen  Sein  to ran  gegangen 
sein?  Aber  wenn  ihm  nichts  vorangegangen  ist,  so  ist  es  offen- 
bar immer  gewesen.  Nichtö  war  Irulior  aib  das  geschafiene  Seiu^ 
also  kann  der  Begriff  des  Nach  auf  die  Schöpfung  gar  nicht 
angewendet  werden.  Keine  irgendwie  mit  ihr  gleichwertige  Dauer 
war  vor  der  Weltzeit.  Sagen,  Gott  habe  die  Welt  tausend  Jahre 
irüher  ersohait'en  können,  hiefBe  etwas  TiiÖnclites  behaupten. 

1  Vgl  Isidoras  de  Iiolanii,  In  Averrolttas  de  aetemitate 
mondi  Ubrl  qoatnor  (completi  anno  1518),  Ub.  lY  in  fia.  fislmant  1680 
f.  SO  a  t. 

»  Aus  dem  oben  Gesagten  ist  hinlänglich  klar,  dafs  „Niclits"  hier 
im  Gegensatz  zum  realen  Dasein  genommen  wird.  Wir  wiederholen  dieses, 
um  einer  etwaigen  Unterscheidung  zwischen  idealer  und  realer  (Zeit-) 
Dauer  vorzubeugen.  Ks  ist  von  selbst  klar,  dafs  diese  Unterscheidung 
uns  Aber  ein  priui  in  Gedanken  nicht  hioausbringen  wflrds» 


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Sehwierigkeit,  den  Anfang  der  Welt  in  erklftren. 


195 


Oder  bildet  man  eich  etwa  nach  Art  der  MaBicbaer  ein,  dab 
awiachen  der  Ewigkeit  und  der  SohÖpfong»  oder  Ton  Ewigkeit 
bis  vom  „Anflrag"  nnendtiobe  ZettlSafe  rerflossen  seien?  Wie 

unterscheiden  sich  denn  achliefslich  diese  beiden  Sätze :  „von 
Env ;fr k(;it  her"  und  „im  Antauge"?  —  Aus  diesem  In  gaiif.';  gibt 
t'B  keinen  andern  Ausweg  als  durch  Znn'ickg-ehcn  auf  las  Ver- 
hältnis der  Ewigkeit  Gottes  zur  Dauer  der  Wi  ltdluge,  wie  wir 
es  oben  erklärten.  DieseB  wird  Bich  uns  aber  kaum  aus  der 
Philosophie  allein  ergeben.  Nur  die  mit  der  Offenbamog  be- 
kannte Philosophie  kann  hier  sicher  gehen.  Damm  sagt  der 
hl.  Thomas  mit  Beobt»  dals  unter  Voraossetsaiig  der  Offen- 
bar n  Dg  die  Worte  „aus  Nichts"  gleichbedeutend  seien  mit  „nach 
Ifiehta",  nicht  aber  ans  sich.  Habe  ich  einmal  ans  der  OfFenba- 
rang  die  Gewiflbheit:  ,Ja  prinoipio  crearit  Dens  coelam  et  ter- 
ram",  dann  kann  ich  auf  jenen  Höhen  des  Denkens  nnd  Sinnens 
Toranschreiten,  ohne  vom  Schwindel  erfiifst  sn  werden.  Das 
Philosophieren  allein  wird  mich  nicht  zum  Ziele  führen. 

Diese  Schwierigkeit,  sich,  Jiclbst  unter  Annahme  der  Oß'eu- 
harung,  einen  klaren  BegritT  von  „Anfang"  zu  machen,  erklärt 
CS  wohl,  warum  manche  im  Lauf  der  Geschichte  ulaie  Bedenken 
die  Thatftache  der  Schöptung  annahmen,  aber  an  der  Frage 
nach  dem  „wann"  und  an  der  Antwort:  »im  Anfange"  schei- 
terten. Wie  bereits  angedeutet»  waren  diese  Worte,  dem  Zeugnis 
des  hl.  Angnstinns  zufolge,  den  MaDichäern  gana  unTerstsndlich. 
,,Si  in  prinoipio  aliqoo  temporis  fecit  Dens  coelam  et  terram  — 
so  fragten  sie  ^  quid  agebat,  anteqnam  faceret  coelam  et  terram? 
Et  quid  ei  subito  placait  facere  quod  nunqaam  antea  fecerat  per 
tempora  aetema?^^  Das  war  wohl  der  Grund,  weshalb  der 
hl.  Aagostinns  die  Worte  ,,in  principio"  viel  lieber  auf  Christas 
deutete,  als  von  der  Zeit  verstand.  „Uis  respondemufl.  De  um 
in  prinoipio  fecisse  coelum  et  terram  —  non  ui  prinoipio 
temporifl.  sed  in  Christo,  cum  Verbum  esset  apud  Patrem  per 
qnod  facta  et  in  quo  facta  suntomnia...  »Sed  etsi  in  priacipio 
temporis  Deum  t'ecisse  coelum  et  terram  oredamus»  debemos 

>  S.  Ang,  De  Oenesi  contr.  Msntch.  lib.  1  csp.2  n.8i  —  cf.  Coa- 
fess.  lib.  11  csp.  10.  12.  90. 


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196   Lehre  d.  hl.  Thoraas  üb.  d.  Möglichkeit  eioer  ewigeu  vveltschöpfung. 


utiqne  intelligcre  quod  ante  piinoipiiim  temporis  hob  «rat  tem- 
pns  .  .  (Ibid.). 

la  äbnliober  Weite  wie  die  Maniehäer  irrte  anoh  Origenes^ 
indem  er  lehrte,  die  Welt  könne  keinen  An&ng  gehabt  bähen, 
▼i^mehr  rntteee  die  Vemnnft  annehmen ,  es  seien  immer  Ge- 
schöpfe dagewesen,  da  Gott  sonst  nicht  immer  Herr  geweeen 
wäre:  „Qoemadmodum  pater  non  poteet  eaee  qnis,  «i  fiUns  non 
sit,  neque  dominiie  qnis  esse  poteet  eine  posseseiooe,  sine  servo: 
ita  ne  omnipotena  qnidem  Deu»  dici  polest,  &[  non  sint  in  quo« 
exerceat  potentatum;  et  ideo,  ut  omnipotena  oatendatur  Deui», 
omniu  subsistere  necesHe  est.  Nam  öi  quis  est,  qui  velit  vel 
saernla  aliqua  vel  spatia  transisse,  vol  quodcunqu©  alind  nomi- 
narc  vult,  cum  nonduiu  facta  essent  quae  facta  sunt:  ainc  dubio 
hoc  OBtendet,  qaod  in  Ulis  saecnlis  yel  spatiis  omaipotens  non 
erat  Dens,  et  postmodnm  omnipotens  factos  est,  ex  qao  habere 
coepit  in  qnos  ageret  potentatum;  et  per  hoo  videbitur  profeotnm 
qoendam  aooepisae  . .  •  Qnod  si  nnnqnam  est»  quando  non  om- 
aipotens fnerity  neoessario  snbsistere  oportet  etiam  ea  per  qnae 
omnipotens  dicitnr,  et  semper  habnerit  in  qnibas  exercnerit  po- 
tentatum ,  . 

Origenea  hatte  diese  Lehre  in  der  Bchnle  des  Apostaten 
Ammonins  Sakkas  eingesogen,  von  dem  anch  deesen  Anhänger 

und  ^Nachfolger,  die  Neuplatcniker,  «iic.Tclbe  iibiiikamuü.^ 

Diese  wenigen  geBchichLlichen  Thataachen  genügen,  um  diu 
Behauptung  Stockls^  zu  widerlegen,  die  Frage  nach  der  Er- 
schaffniicr  als  solcher  sei  ungleich  schwieriger  als  die  nach  dem 
Wann  der  Erachaflung  oder  dem  Anfang  der  Welt.  Alle  ge- 
nannten nehmen  nämlich  die  Schöpfung  der  Welt  von  selten 
Gottes  unbeanstandet  an»  aber  einen  Anfang  der  geschaffenen 

'  De  Princip.  IIb.  1  eap.  2  n.  10.  —  VgL  Methodlas  von  Olyn- 
pos,  Es  librorde  creatis  {nepl  ytvQf «fr)  excerpta  (HigDc,  Patrol. 
grsec  t.  18  col.  834  ff.)  q.  Haetlns,  Origeniaaa,  IIb.  9.  qoasat.  12  d.  4 

(Coton.  1665,  p.  165). 

'  Vgl.  ZacliariasMitylenes,  DisputAliodemandi  opificio (Migne 
Patrol.  graec.  t.  65  col.  1011  ff.). 

'  ^Die  thomistifiche  Lehre  vom  Weltautang  iu  ihrem  geschieht!.  Zu- 
bammenbaDge".    Katholik.  Juiirg.  löS'ö.  I.  451  f. 


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Irrtümer  bezüglich  des  Anfangs  der  Schöpfung. 


197 


Welt  ▼ermoohtsD  sie  nicht  sn  Tentahen.  Da  wo  der  hl.  Angur 
•tum«  die  beioiohDeton  Iirtttmer  gefliasenWoh  bekämpft»  tngt  er 
gftns  dieMlbe  Lehre  ver  wie  der  hL  ThonuMi  den  SVkki  hier 
bekämpft  Ton  doojenigco,  welehe  deshalb  von  einer  ewigen 
Welt  reden,  weil  sie  die  Schöpfung  lengnen,  sagt  er:  sie  reden 
UnvuniuulV  „Qui  hoc  dicunt,  si  munduiu  aeternuui  sioe  ullo 
iailio,  et  ideo  ncc  a  Ueo  i'actum  videri  volunt,  nimis  aversi  sunt 
a  veritate,  et  letali  morbo  impietatis  insaniunt.  Exceptis  cnini 
prop!ujti(  is  vocibuu,  mundiiB  ipse  ordinatisäima  »uä  luutabilitate 
et  luobilitate,  et  viaibiliuio  ouiuium  pulcherrima  specie  quodara- 
modo  teoitus  et  ÜMtom  se  esae,  et  noonisi  a  Deo  ioeflfabiliter 
atqne  invisibiUter  magno,  et  ineffabiliter  et  inTisibiliter  pulohro 
fieri  ae  potniaae  praolamat^  Von  denjenigen  dagegen,  „qui  a 
Deo  qnidem  faotnm  fiifentnr,  non  tarnen  eura  Tolnnt  temporia  ha- 
bere, aed  anae  creationia  initium'',  sagt  er  nioht,  da&  aie  etwaa 
Unmdgliehea  nnd  ünTernünftigea  behaapten,  vielmehr  ancht  er 
aie  auf  Umwegen  an  widerlegen.^  —  Einer  der  Gründe,  weahalb 
Slockl  daa Gegenteil  behauptet,  dafa  ea  nämlich  minder  aohwie- 
rig  sei,  den  Anfang  der  Welt,  als  deren  Erschaffung  zu 
eikcnueii,  ist  dieser:  „da  ja  zu  jenem  Hchon  der  Charakter  der 
Zeitlichkeit,  der  der  Welt  eigen  ist,  uns  hiuieitet".  Allein  diese 
Worte  enthalten  eine  petitio  principii.  ZeitUchkeiL  ist  nichts 
anderes  alö  da«  Dauern  von  Veränderuug-en.  Was  hier  in  Frage 
ateht^  ist  diesem :  ob  diese  Dauer  notwendig  einen  Antaog  haben 
miiaae.  Das  wird  aber  hier  als  selbstToratändlich  vorausgesetat 
nJe  Tondaria  bien  aa?oir,  aagt  Leibnita,  commenC  on  pent  demon- 
trer  qne  tonte  ancoeaaion  renferme  nn  premier  ioataDt".  Und 
wiederum:  „La  auite  dea  choaea  eat  toujouia  contingente,  aoit 
qa'il  7  ait  en  an  commencement  on  non".'  —  Stöokl  aagt  weiter: 
„Zum  Begriff  der  SehöpftiDg  aoa  nichta  hat  aioh  keiner  der  an* 
tiken  Philoaophen  vollkommen  erhoben;  den  Anfang  der  Welt 
dagegen  hat  Plato  gelehrt*'.  (Logisch  mttfiite  es  wohl  heifoen: 
„V  o  i  l  k  0  w  m  e  u  gelehrt".)  —  Hiergegen  ist  zunächst  za  bemerken, 

<  De  civit.  Dei  Hb.  11  cap.  4  n.  2.  —  Vgl.  8.  Thonas,  Osler  An- 
ÜUirung  des  hl.  Augustinus  1.  q.  16  a.  2  ad  1. 

'  Lettres  k  Bourguet.  Oeuvres  ed.  Dateos.  II  337  ff. 


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li^S    Lehre  d.  hl.  Thomas  üb.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  Weltachöpfimg. 


tl&fe  Plato  eine  ewige  Materie  annahm,^  dafs  also,  auch  wenn 
«r  für  die  BUdong  der  Welt  ans  dieser  Materie  einen  An- 
teng  forderte,  dieser  Anfang  dnrebans  ▼ersohieden  ist  von 
dem  Anfong,  der  für  nns  in  Frage  steht  Unsere  Frage  tat 
diese:  Mnfs  jedes  ons  ab  alio  (alles  Geschaffisne  ist  näm- 
lich ab  alio  nnd  nicht  a  s e),  was  inmier  es  sei»  notwendig 
nach  jenem  aliad  sein.  Von  dieser  Frage  können  wir  die  pla> 
tonische  Materie  nicht  ausschliefsen.  —  Dann  aber  ist  es  auch 
zweifelhaft,  ob  Plato  überhaupt  einen  Anfang  der  Welt  ge- 
lehrt habe,  A  pule  jus  sagt  von  ihm:  ,,Hunc  quidem  mundum 
nunc  sine  initio  esse  dicit,  alias  originem  habere  natunique 
esse.  Nulhim  autem  ejus  exordium  atque  initium  esse,  ideo 
qaod  Semper  fnerit;  natlTum  vero  videri,  quod  ex  bis  rebus  to- 
Üüs  substanlia  et  natura  constet,  quae  Tinscendi  sortitae  sunt 
qnalitatem"  (De  dogmate  flatonis  1.  578).  Und  Marsilins 
Ficinas  (Compend.  in  Timaenm  cap.  13)  schreibt:  „Bi 
interroget,  nnroquid  apnd  Platooem  mnndns  fiierit  sempitemiis, 
respondeo  equidem,  interpretibns  Severo,  et  Attico,  et  Plntarcho, 
aliisque,  nt  Frocnlns  narrst,  multis»  non  faisse  Semper;  sed  tnter- 
prettbas  Crantore,  Plotino,  Porphjrio»  Jamblicho,  Procnlo  et  ple* 
risque  alüs,  Semper  quidem  ftiisse,  et  fbisse  Semper  a  Deo,  immo 
fluxisse.  Deum  enim  scraper  esse  ajunt,  mundum  vero  fieri 
«emper  et  Huerc;  ac  pi  initio  tempori«  carentem  consideraveris, 
ingenitum  dici  mundum,  sin  autem  perpetuum  a  Deo  ejus  effluxum, 
assidue  genitura  :  ncquc  minus  ex  Deo  penderc,  si  dependerii  pende- 
atqne  semper,  quam  si  aliquando  coeperit  dependere,  vel  desinat". 

Wir  machten  vorher  auf  die  Schwierigkeiten  aufmerksam, 
die  sich  unseren  Gegnern  daraus  ergeben,  dafs  sie  vom  Stand- 
punkt des  bloisen  Denkens  ans  fordern,  das  Nichts  müsse  nicht 
blofs  der  Natnr,  sondern  anch  der  Daner  nach  dem  Sein  Toran- 

<  Auf  Grund  dsiaen  gehen  Braeker,  Bitter  (Geseh.  derchristl. 
Philos.  I.  301  ff.)  u.  a.  sogsr  soweit  su  sagen,  dafs  einige  griechitdie 

Väter  ilio  Lehre  Piatos  von  einor  nngeschaffenen  Materie  angenommen 
hätten.  enfgcgengesetzte  Lohre  der  Väter  s.  bei(Baltus),  Defense 
des  SS.  Tel  (>s  accuses  de  Platoniame,  Paris  1711.  lir.  3.  chap.  9  und  U 
(p.  319  ff.  und  334  ff). 


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Verdrehung  des  Standpunktes. 


199 


gehen.  Könnte  es  wohl  etwas  Kindlicheres  geben,  als  ans  die 
Lösung  dieser  Sohwierigkeiten  znsohieben  zu  wollen?  Man  tränt 
in  der  Tbat  kanm  seinen  Augen»  wenn  man  bei  P.  Stentrop 
(Das  Bogma  Ton  der  seitliehen  Weltschöpfung .  gegenüber  der 
oat&rliehen  Erkenntnis.  Innsbruck  1970.  S.  51)  liest:  »»Sehen 
denn  diese  Gelehrten  nicht,  dafs  dieses  Zugeständnis"  — (so  nennt 
er  unsere  Unterscheidung  zwischen  prius  naturü  und  prius  du- 
ratione)  „eben  den  Satz  enthält,  dem  sie  auszuweiciiea  wünschen, 
nämlich  es  sei  dem  Ueschoptc  we?icntlich ,  einen  AnCaii^^  suineß 
Seins  zu  haben?  Oder  verlangen  sie  etwa  zum  Anlange  des 
Heim,  dafs  das  Nicht-Sein  dem  Bein  der  Dauer  nach  voraut'gehe?" 
(JSor  sechs  Zeilen  vorher  hat  er  gesagt,  dafs  wir  auf  Grund 
jener  Unterscheidung  leugnen,  dafs  „gefordert  werden  könne» 
daih  das  Nicht -Sein  dem  Sein  auch  der  Dauer  nach  vorauf- 
gehe";  und  jetzt  fragt  er  uns»  ob  wir  diese  Ton  uns  abgewiesene 
Forderung  s  teile nl  Er  bekämpft  uns,  weil  wir  im  Begriff  des 
Geschöpfes  einen  Anfang  nicht  eingeschlossen  finden ;  und 
4ooh  fragt  er  uns»  ob  wir  zum  Anfange  des  Seins  Torlangen, 
dafs  etc.!)  „Dann  wäre  ja  der  Anfang  unmöglich  nnd  Anfangs- 
losigkeit  notwendig.  Denn  abgesehen  ihivou,  dafs  es  sinnlos  ist, 
von  einer  Dauer  des  ^\icht- Seins  zu  spruchen,  kann  es  oÜ'cubar 
vor  dem  Dasein  irgend  eines  Geschöpfes  keine  reale  zeitliche 
Dauer  geben,  nnd  somit  kann  das  Nicht-Sein  der  Welt  durch 
keine  reale  zeitlicho  Dauer  von  ihrem  Sein  getrennt  sein.  Wäre 
es  also  zum  Anfange  der  Welt  notwendig,  daüs  ihr  Nicht-Sein 
ihrem  Sein  der  Daner  nach  voraufginge"  (was  wir»  wie  ge- 
sagt>  leugnen»  und  unsere  Gegner  behaupten)»  „so  wäre  der 
Anfang  der  Welt  unmöglich.  Und  das  werden  doch  jene  nicht 
behaupten  wollen»  die  uns  in  dieser  Frage  widersprechen  zu 
müssen  glauben"  (Nein,  der  hl.  Thomas»  dem  P.  Stentrop  hier 
widersprechen  zu  müssen  glaubt,  behauptet  das  nicbi  Aber 
wie  er  selbst  seiner  Folgerung,  für  deren  logische  Richtigkeit 
wir  nieht  eiuzustchen  haben,  entgeht,  ist  seine  Sache).  „Es 
bleibt  ihnen  also  nichts  anderes  übrig,  als  den  Satz  zuzugeben, 
es  sei  dem  Geschöpf  wcrtuntlich,  einen  Anfang  seines  Seins  zu 
haben»  und  tblgiich  könne  es  nicht  anfangslos  sejpi''  (Vorher  hat 


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200   Lehre  d.  hL  TbouM  fib.  d.  MOgliehlMit  einer  ewigenWeltteliöpfuDg. 


©r  gefolgert,  „der  AniaDg  der  Welt  wäre  unmöglich".  Aua 
der  Unzuläösigkeit  dieser  Behauptung  folgert  er  nun:  das  Ge- 
schöpf mufü  einen  Anfang  haben,  es  ist  ihm  wesentlich,  aa- 
zufaogeD.  Nach  den  Regeln  der  Logik  folgt  aber  aas  der  Leug- 
nuDg  der  Unmöglichkeit  einer  BehauptuDg  nur  deren  Mög* 
Uohkeit;  ?.  Stentrop  aber  leitet  frischweg  dorenNotwendigkeit 
daraoi  ab.  Etwa  «o:  £•  ist  nnaiiUiBsig  wa  bebanpten:  ^^LaohoD 
ist  für  deo  Meoaehen  nvraögliob"»  alao  folgt:  „LaAben  iat  für 
den  Hensehan  notwendig^;  ar  mafa  laohen;  et  ist  ihm  we- 
Ben  tu  oh,  au  laohen). 

Von  dieser  Dialektik  liefert  F.  8toatriip  ana  noch  weitere 
Proben:  „Bw  Sata:  das  Niobt^in  des  Gesoböpfes  geht  seinen 
Sein  der  Natur  nach  Toranf,  besagt  nicht  allein  und  nicht  zu- 
erst, dafs  wir  diib  üeBchÖpf  als  nicht -seiend  denken  kurmen, 
oder  dafs  wir  dasselbe  als  nicht-seiend  denken  müfsten,  wuuu  wir 
diu  JitiliDgung-  »eines  Seins  als  nicht  gesetzt  betracbteu  würden, 
sondern  es  besagt  zuerst,  dafs  wir  mit  objektiver  in  der  Natur 
der  Sache  gegründeter  Notwendigkeit  als  das  erste  des  Ge- 
schöpfes nicht  das  Sein,  sondern  das  Nicht-Sein  zu  denken  haben'^ 
(N.  B.y  als  das  erste  zu  denken  haben;  die  Aufeinanderfolge 
liegt  nur  in  unseren  Gedanken;  ea  handelt  sioh  um  ein  natnii 
priuSy  nicht  ein  duratione  prius).  „Oboigehen  wir  die  Fragoiy  oh 
da,  wo  als  das  erste''  (natura,  nicht  duratione)  „nicht  das  Sein, 
sondern  das  Nicht-Sein  au  denken  ist,  Anfangslosigkeit  denkbar 
sei,  weil  ja  die  Antwort  auf  diese  Frage  für  jeden  denkenden 
Geist  auf  der  Hand  liegt"  (sicherlich  wird  jeder  denkende  Geist 
die  Frage  bejahen);  „auf  etwa^  anderes  Uiöchtcn  wir  hiuweisou, 
das  unsere  ganze  AufmerKftüujkuii  verdient.  Das  Nicht-Sciu  des 
Geschöpfes  ist  nur  >>'«'£rHtion  des  Wirklicii-öcins,  nicht  aber  Ne- 
gation des  Möglich-beiüs ;  uii  Gegenteile  bei  und  mit  dem  Nicht- 
Sein  des  Geschöpfes  mufs  die  Afürmation  des  Jlöglich  •  Seiiw 
bestehen,  da  das  Sein-Können  unerläTsUche  Bedingung  des  Seins 
ist  Folglich  -verändern  wir  unsern  Satz  nicht  wesentlich, 
wenn  wir  anstatt  des  Nicht-Seins  des  Geschöpfes  sein  MögUch- 
Sein  setsend  dieses  als  das  Erste"  (aber  doch  nur  natura; 
sollte  es  heirsen  duratione,  so  läge  darin  eine  petitio  principii) 


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VcnradIwIiiBf  dar  piioritM  iifttiirae  mit  der  ptiofiiM  temporif.  201 


^luMtoUeo,  das  wir  vom  Geschöpf  sa  deoken  haben.  Da  nrnt,. 
wie  wir  oben  bemerkteo,  die  Notwendigkeit  dieaes  Denkens 

ihren  Grund  nicht  im  Subjekt,  sondern  im  Objekt  hat,  und 
da  Bomit,  was  diesem  Denken  entspricht,   nicht  von  der  bub- 
jektivität  ins  Objekt  hineingetragen  wird,  bunderü  im  Objekt 
iiegt  uud  mit  ihm  gegeben  ist,  eo  haben  wir  in  dem  Sein  des 
Geschöples  eine  oioht  nur  thatsächliohe,  sondern  auch  eine  unter 
jeder  liücksicht  weaentUche  Beziehung  auf  sein  Möglich -Sein 
alfl  sein  Erstes  anzuerkennen.  Wer  ▼ermag  aber  nun  ein  ^Sein, 
dem  eine  derartige  Beziebnng  wesentlich  ist,  als  ein  anfaagaloeea 
sa  denken?"  (Antwort:  jeder  denkende  Geist»  anmal  wenn  er 
bedenkt,  dafs  die  Högliohkeit  des  Geschöpfes  in  keinerWeise 
,4ni  Objekt"  begründet  ist,  dafs  sie  yielmehr  ein  Etwas  ledig- 
lich und  ausschliefslicii  in  der  Macht  Gottes  und  iu  unserer  Ei- 
kenntnis  ist)  „Ein  anlangsloses  Sein  ihL  meinem  EcgriÜe  nach 
jenes,  welches  so  ist,  dai's  es  nicht  früher  sein  konnte;  ein  Sein 
hingegen,  das  auf  sein  Möglich-Sein  als  sein  Erstes  bezogen  ist,, 
ist  seinem  Begriff  nach  jenes,  welches  so  ist,  dafs  es  stets  früher 
aein  konnte"  (Welcher  salto  mortalel  Also  der  Begriff  des 
MögUcb-Seins  ist  gleichbedentend  mit  dem  Begriff  des  Früher- 
aein-könnena?  Knn  und  nimmer.    Möglich-sein  ist  entgegen^ 
gesetst  sn  Notwendig-sein  oder  Ans-sich-sein,  sohlie&t  aber  in 
keiner  W^eisc  irgend  eine  Zeilbeziehung  (früher)  ein.    Nur  weil 
bei  unserm  Gegner  unvermerkt  der  BegrilT  „sein  Erstes"  aus 
tiinem  prius  natura  in  ein  jinus  duratione  übergcgaD^'cii  ist, 
konnte  er  einen  solchen  Schluls  s&ieheo.    Weichen  andern  zu- 
lässigen Sinn  kann  man  aber  mit  der  Redensart  „dafs  das  Ge> 
schöpf  auf  sein  Möglich-Sein  als  sein  £rstes  bezogen  ist",  ver- 
binden, als  diesen:  Dem  Geschöpf  ist  das  Sein  nicht  wesentlich, 
also  mnlb  es  eine  Uisacbe  geben,  von  deren  Mächtigkeit  (potentia 
snbjectiTa  et  activa)  das  Geschöpf  sein  Dasein  hat  Die  auf  selten 
des  Geschöpfes  selbst  entsprechende  Möglichkeit  ist  nichts  an*^ 
aerti»  als  non  repugnantia.    Sie  ist  nichts  Reales,  das  zeit- 
lich vor  dem  daseienden  Geschöpf  da  ist.    2^ur  in  der  ^acht 
Gottes  und  in  unserer  Erkenntnis  ist  sie  etwas  Wirkliches).  „Und 
diese  Begriffe  werden  wir  doch  wohl,  so  lange  die  Denkgesotze 


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Lehre  d.  hl.  Thomas  Ql>.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  WelUchöpfoog. 


noch  irgend  eine  Geltung  haben,  nicht  als  identische  betrachten 
können^'  (80  lange  die  Denkgesetze  beobachtet  werden,  wird 
man  gegen  eine  solche  Verdrehung  der  Begriffe  sich  Terwabren). 

Bafe  solche  Gegner  in  der  Lehre  des  hl.  Thomas  „nichts 
«l8  Widersprüche«  (S.  50)  und  „offenbare  Ungereimtheit**  (8.53) 
sehen»  ist  offenbar  die  beste  Empfehlnng  derselben.  Aber  pro- 
testieren mttssen  wir,  wenn  P.  Stentrnp  (8.  50)  glaubt,  „dala 
aneh  unsere  Gegner  die  Widersprüche  sahen;  gesteht  doch  selbst 
der  hl.  Thomas  (1.  q.  45  a.  2  ad  3),  dafs  die  Schöpfang  eine 
Beziehung  des  Geschöpfes  cum  8chSpfer  cnro  quadam  noTitate 
essendi  einschiiefse!"  In  dem  geraeinten  art.  3  ad  8  redet  der 
hl.  Thomas  von  [der  Schöpfung ,  wie  sie  der  (Jiicabai  ung  zu- 
folge w  irklich  iät,  nicht  von  der  hier  in  Hede  stehenden  mög- 
lichen Schöpfung. 

Wir  berührten  schon  oben  in  Kürze  die  Bedenken  gegen 
die  ^röLjliobkeit  einer  von  Ewigkeit  erschaffenen  Welt,  die  ans 
dem  Umstände  herkommen  könnten,  dafs  die  Schöpfung  ein  auf 
Erkenntnis  beruhender  Willensakt  Gottes  ist 

Dem  Anaxagoras  wird  die  Meinung  zugeschrieben,  daft 
der  Henrorbringung  der  Welt  als  einem  auf  Intelligent  beru- 
henden Akt  ein  Entwurf  oder  ein  Plan  habe  Toraufgehen  müssen, 
wie  ja  auch  jeder  andern  Handlung  eines  mit  Intelligenz  han- 
delnden Wesens  eine  Idee  als  Prineip  zu  Grunde  liegen  müsse. 
—  pjnein  Heiden  kaun  niau  eine  solche  uullirü})oniorphistische 
AnffasKung  des  göttlichen  Intellektes  leicht  naehBehen.  Dieselbe 
findet  sich  aber  anch  bei  Christen.  Der  vierte  von  Bovillus 
in  unserer  Frage  vorg^ebrachto  lieweisgrund  lautet  nämlich:  „Tm- 
pUcat  contradictiooem  creaturam  esse  ab  aeterno,  et  eam  esse, 
ereaturam.  Nam  creatnra,  ut  faujusmodi,  est  opus  et  opificium 
creatoris»  divisum  et  separatum  ab  ipsius  oreatoris  aubstantia,  et 
neqnaqnam  ex  illa,  sed  ex  nihilo  et  non  ente  ab  eo  productum. 
Atqui  omne  opus  cum  a  mente  prodeat  sui  Opificis,  debet  ipeius 
Opificis  mens  et  voluntaria  operis  causa,  ipso  suo  opere  tarn 
substantia  quam  duratlone  eise  eminentior  et  prior:  quemadmodum 
humanam  meutern,  ounotarura  suarum  notionnm  opificem,  dicimus 


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Gott  braucht  vor  dem  Schaffen  jiicbt  zw  überlegen,  20^ 


natura  et  duratione  OQDOtie  sali  notionibus  66«e  priorem,  et  ali> 
qiiamdiu  siibeistere  iDanem  et  yaeaam,  postea  Tero  eaDdem  anapte 
indiutria  Tarüs  speoiebvs  propria  replere  et  exor&are  aorinia. 
8ic  et  ditina  mens  dioenda  est  aliquamdin,  nt  ab  aeterno  ei 
toto  primo  aero  enbstitisse  aola,  tanqvam  exteriore  creatararmn 
opere  inan»  et  yacna,  qnae  demnm  vitro  omata  partnrivit  Et 
sicuL  qui  dixerit  aliquam  notionem  ac  speciem  incsse  iiumanae 
menti  a  natura,  negat  illam  esSB  liunia-nae  mentiH  opificiura;  ita 
t;t  qui  bünserit  aliVimni  creatiirara  auL  eese,  aut  potuisse  tieri  ab 
aeterno,  ncgat  eandem  creatu^aiu  esm  divinae  mentis  opua". 

Handelte  ea  sich  hier,  bei  der  Schöpfung,  um  einen  In» 
tellekty  dessen  Tbätigkeit  sieb  in  diakuraiver  Weiae  vollzöge» 
dessen  Oberlegen  in  Planen  und  Bereohnen  Zeit  in  Ansprach 
nähme,  so  möchte  dieses  Argument  einige  Kraft  haben;  hier 
aber  —  »non  de  neoessitate  conoludit".  Der  göttliche  Intellekt 
antersoheidet  sich  eben  hierin  wesentlich  vom  menschlichen,  dafs 
er  mit  eiiiüm  einzigen^  Blick  alles  Erkennbare,  Priücipieu  wie 
Folgerungen,  Ursachen  wie  Wirkungen,  Möglichkeit  wie  Wirk- 
lichkeit, Zweck  und  Mittel,  in  der  voUkomrueüsltiu  Weise  durch- 
schaut (1.  q.  46  a.  2  ad  3).  Za  dem  „quemadmodum  —  sie" 
des  BoYillns  antworten  wir  also  in  echolastischer  Form:  nego 
paritatem.  Daau  ist  die  Äufserung  „diTina  mens  dicendaest 
aU^aamdin  snbstitisse  •  .  .  sola''  sehr  bedenklich. 

Viel  starker  könnte  man  das  vorstehende  Argument  von 
selten  des  Willens  Gottes  darstellen,  indem  man  dartbate,  da& 
jedem  Willensakt  die  Indiiferenz  zu  handeln  oder  nicht  an  han- 
deln, 80  oder  anders  zu  handeln  voraulgehcu  inülate.^  —  Aber 
gerade  von  diesem  (jceichispunkto  aus  zeigt  sich  uns  am  deut- 
lichsten der  Unterschied  zwischen  dem  prius  natura  und  dem 
prins  tempore,  den  wir  oben  betonten.  Dafs  nämlich  in  Gott 
ein  seitliches  Kacbeinander  der  Indifferena  und  des  Wollens  na- 

1  So  meint  u.  a.  'Marsilius  de  Ingben  (Tn  II  Sent  dist.  1  q  1 
a,  2):  ,,Quoniam  rausa  naturalis  non  est  uecesse,  quod  tempore  jtrae 
cedat  effectum  buum,  ut  patct  iu  splendore  solis,  qui  est  in  podem  inetauti 
cam  ipso  8ole  a  qtio  proccdit;  caeterom  causa  quae  opcratur  per  iiber- 
tstem  necease  est  tempore  praecedat  &uum  eiTectum". 


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204   Lelira  d.  M.  ThamM  AK  d.  M^lf chkeit  einer  ewJgaiiWeltfehdpftiiif . 


möglich  ist,  liegt  auf  der  Hand:  alle  seine  WilleosüntscbUisse 
sind,  wie  alles  übrige  in  ihm,  ewig.  Die  Indifferenz  in  boii  be- 
steht also  darin,  dafs  er  in  jenem  prins  naturn,  welches  wir 
seiner  EntschlielHung  vorauf  denken,  nicht  iwit  ^saturnotwendig- 
keit  auf  eines,  sei  es  das  Schaffen  oder  das  l«ichc-8chaÖ'en,  da» 
ÖO-  oder  Anders-schaffeo ,  angewiesen  ist,  sondern  aus  aiob 
tmentsehieden  in  Bezug  auf  beidee  iat  Die  Entscheidung  zu 
«inem  ane  ihnen  kann  also  nicht  tob  seiner  Katnr  als  aotoher 
herkommen,  sondern  nnr  von  ihr,  insoweit  sie  sieh  selbst 
bestimmt,  d.  h.  Ton  der  freiea  Wahl  seines  Willens.  Diese 
EntBobeidong  oder  dieser  Entsohlnlh  ist  indessen,  wie  Torher  ge- 
engt, ebenso  ewig  wie  die  Natnr  Gottes  selbst 

Dagegen  lte(^  sich  jedoch  in  folgender  Weise  utreiten. 
Die  Freiheit  des  Schöpferaktes  ertorden  uoiwendig,  dafs  Gott 
die  Welt  auch  habe  nicht- schaffen  können.  Wenn  aber  Gott 
von  Ewigkeit  gescliutlen  hätte,  liefne  sich  dieses  nicht  aufrecht 
halten.  Man  könnte  nicht  sagen:  er  habe  nicht-schatien  können, 
bevor  er  thatsachlioh  schuf,  denn  damit  würde  man  ja  Zeit  ¥or 
der  Weltschöpfung  sugeben,  diese  also  als  ewige  preisgeben. 
Man  könnte  ebensowenig  sagen:  er  habe  nicht-scbaffen  können, 
als  er  sehof.  Denn  unter  der  Voranssetsnng,  dafs  Gott  schafft, 
kann  er  nicht  nichfe-sohaffen.  Jedes  Ding  ist  ja,  insoweit  es  ist, 
notwendig.  Wenn  es  ist,  und  solange  es  ist,  kann  es  nicht  an- 
gleicb  nichtrsein.  Endlich  lielhe  sich  anch  nicht  sagen:  Gott 
habe  nicht-scbaffen  können,  nachdem  er  einmal  geschaffen  hatte, 
denn  das  hiefse  ja  Unmögliches  möglich,  nämlich  etwas  Ge- 
schehenes ungeschehen  machen.  —  Diese  Ausfiihrung  enthält  ein 
ganzes  Nest  von  Unrichtigkeiten  oder  Mifsverständnissen.  Un- 
zweifelhaft erfordert  die  Freiheit  eines  Aktes  die  Möglichkeit 
des  Gegenteils,  also  hier  in  Gott  die  Möglichkeit  nicht  zu  schaffen. 
Diese  Möglichkeit  bliebe  aber  in  Gott  ungeschmälert,  auch  wenu 
er  von  Ewigkeit  geschaffen  hätte  ^ie  wäre  vorhanden  gewesen 
vor  der  Schöpfung  —  nicht  der  Zeit,  sondern  der  Natur  nach, 
insofern  die  Schöpfung  jiioht  der  Katnr,  sondern  dem  Willen 
Gottes  entstammte,  also  nicht  notwendig,  sondern  firet  wäre,  mit- 
hin, wenn  Gott  nioht  gewollt  hStte,  nicht  erfolgt  wäre.  —  Anch 


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UneoUchiedenbeit  u.  Wollen  fallen  io  GoU  uiclit  au&eiuauder.  20d 


mit  der  Scböpiuog  besteht  diese  Möglichkeit,  nicht  zu  schaffen, 
fort,  zwar  nicht  in  sensu  composito,  als  wena  Gott  beides  zu- 
gieioh  könote:  ichaffiBa  and  nieht-schaffen,  sondern  in  sensu  di- 
▼iao,  ioBofem  er,  anob  wenn  er  eines  thut,  doch  die  MegUobl^eit 
<Nler  Fähigkeit  bewahrt,  geiondert  das  andere  an  tbnn.  Die 
ünmdgUehkeift»  beides  angleich  an  thnn»  liegt  vielmehr  auf 
«eitea  der  Wirkung  als  der  Ursaobe,  insofern  dss  Gesets  des 
Widerspmcbes  es  vnmögliob  macht,  dafs  beides  zugleich  werde. 
Die  Ursache  dagegen  TerblUt  sich  als  könnend  nntersohiedslcs 
zu  dem  einen  wie  zu  dem  andern.  Die  Aaswahl  des  einen  ist 
also  eine  A 11  8Ü  b  u  ng,  aber  keineswegs  eine  Ve  r  n  i  chtu  n  g  der 
Freiheit.  Der  Auswahl  lolgt  allerdings  auf  Seiten  des  Ausge- 
wählten hypothetische  Notwendigkeit.^  Dafs  eine  solche  Not- 
wendigkeit aber  nicht  mit  der  i?>eiheit  in  Widerspruch  steht, 
dieselbe  nicht  ausschliefst,  ist  klar.  —  In  dem  angeführten  Sinne 
(in  sensu  diviso)  besteht  die  Freiheit  Gottes  auch  fort  nacb 
der  erfoigten  bchöpfong,  nicht  so  (in  sensu  oomposito)^  dafs  er 
die  geschehene  Brschaffong  nngesofaehen  machen  könnte :  sondern 
ao>  dafs  die  lüicktschöpfang,  an  sich  ond  absolut  betrachtet^  stets 
in  seiner  Gewalt  nnd  Freiheit  gestanden,  und  dafs  nor  ein  freier 
Willensentschlnb  ihn  snm  Gegenteil  bestimmte. 

Gregorios  von  Eimini*  —  schon  der  dritte  von  uns 
angeführte  grofse  Scholastiker  aus  dem  Augustiner- Orden,  der 
in  dieser  Frage  völlig  mit  dem  hl.  Thomas  übereinstimmt  — 
«agt  in  der  BoHinwortung  des  vorstehenden  Kiiiwurf'os ;  man 
könni  la  derselben  Weise  ebensogut  eine  Ketzerei  beweisen, 
näiuhch,  dafs  Gott  niemanden  vonKwigkeit  vorherbestimmt  (prae* 
destiniert)  habe.  Hätte  er  nämlich  jemanden  vorherbestimmt  — 
so  könnte  man  in  dieser  trügerischen  Öpitsfindigkeit  darthnn 

*■  Kseh  den  Orandssts:  „i|&iimqiio4qae,  dum  eit,  neeeiis  est 
csss"  —  bitte  die  Welt  also,  aneh  wenn  sie  alt  vwig  sogenonmien  warde, 
aar  bedioguDgsweissKotwsodjgksit  gehabt,  nämlich  nur  unter  der  Vorani- 
Setzung  des  von  Gott .«ap&ngenen  Seins.   Das  Empfangen  des  Seiai 

wSre  also  der  Natur  nach  (nicht  der  Zeit  nach)  dem  Haben  des 
Seins  Toratif^ogan^rn    Nur  darcb  einen  Triij^i^chiurs  lieCie  Sich  allO  SOS 
der  Ewigkeit  der  ^^  pit  ihre  Notwendigkeit  herleiten. 
*  In  II  S«nt.  üist.  1  q.  3  a.  1. 


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Dm  Verhiltnia  d«r  WeMoheit  lO  Htm  DMem  He. 


—  80  könute  dieses  nicht  anders  als  notwcucli^^  geschehen 
sein:  das  aber  kann  oftenbar  nicht  zugegeben  werden.  Die  Not- 
wendigkeit der  YorherbcstimEQUDg  aber  würde  sich  mit  derf»elben 
Leichtigkeit  ergeben,  wie  die  Notwendigkeit  der  ewig  erschatienen 
Welt:  Gott  hätte  ja  nicht  niobt-vorherbesUmmen  können,  ala  er 
vorherbestimmte;  ebensowenig  vorher  oder  nachher;  elao  war 
die  Vorherbeetimmaog  notwendig.  —  Damit  ist  der  vorstehend 
widerlegte  Einwnrf  vollends  ad  absurdnm  geführt  Gngorina 
Arinlnensis  macht  aber  anch  noch  auf  die  nnrtchiige  Yorstellnng 
anfinerksam,  die  ihm  an  Grande  liegt.  Man  bildet  sich  nämlich 
ein,  die  Ersohaffong  habe  in  einem  bestimmten  Zeitpunkt^  einem 
Augenblick,  stattgefunden.  Nor  so  nSmlich  kann  man  reden  Ton 
Etwas,  das  in  oder  vor  oder  nach  jenem  Augenblick  der  Fall 
gewe&i'D  wäre. 

Das  ist  der  Fehler,  in  den  die  G-egoer  des  hl.  Thomas 
in  (lit'Sür  Frag-e  am  luiuligHten  fallen,  dafs  sie  von  der  aU  8ell>s>t- 
vcrstäudlich  aut'goi'afston  Annahme  ausgehen,  die  bohöptung  der 
Welt  habe  einmal,  in  einem  bestimmten  Augenblick, 
in  einem  ersten  „Jetzt**  stattgefanden,  während  dieses  doch 
erst  an  beweisen  wäre,  da  es  sich  um  die  Widerlegung  der  An- 
nahme einer  Ton  Ewigkeit  geschaffenen  Welt  handdt 

DAS  VERHÄLTNIS  DER  WESENHEIT  ZU  DEM 
DASEIN  IN  DEN  GESCHAFFENEN  DINGEN, 
NACH  DER  LEHRE  DES  HL.  THOMAS 

VON  AQUIN. 
Von  FR.  GUKDISALV  FELDNER, 

Ord.  Fraed. 

III.' 

JM0  £0dmiitung  diesen  renle^i  Unterschiede»  im  Jjehrt^sUm 

des  englischen  Meisters, 

Es  erscheint  befremdend,  dafs  der  hl.  Thomas  in  seinen 
Werken  so  oft  über  den  realen  Unterschied  swischen  der 
Wesenheit  und  dem  Dasein  des  Geschöpfs  spricht  Mehrere 


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Das  Verhftltuia  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  207 


Stellmi,  in  denen  dor  Docter  ADgelicna  ex  profesao  über  dieae 
Wahrheit  sieh  iaÜMrt^  hahen  wir  bereits  kennen  sn  temen  6e* 
legenheit  geftiadeo.  Ko6k  grofoer  indessen  ist  die  Anzahl  jener, 
in  denen  8.  Thomas  andere  Fragen  erörternd,  aach  diese  be- 
rührt. Schua  diese  Thatsache  alluin  beweist,  dafs  dem  englischen 
Lehrer  ganz  besonders  am  Herzen  liegt,  den  realen  Unter- 
schied auföcr  allen  Zweifel  zu  stellen.  Dieser  Unterschied  mafs 
folglich  ia  den  Augen  des  hl.  Thomas  seine  tiefe  Begründung 
nnd  grofso  BedeatuDg  haben. 

Und  in  der  That  verhält  es  sieh  so.  Der  hL  Thomas 
will  nSmlieb  dnroh  diesen  realen  Untersofaied  in  den  Kreatnreo 
den  liaehweis  liefern,  dafb  Gott  in  jeder  Besiehnng  Ten  den 
Gesehöpfea  sieh  untersoheide,  indem  seine  Wesenheit  real  iden- 
tisch ist  mit  seinem  Dasein,  nnd  dafs  auf  Grnnd  dieser  realen 
IdenUlal  in  Uott  auch  allü^  audcre,  was  wir  vou  ihm  uubsagen, 
mit  den  Kreaturen  nichts  gemGinsam  habe,  vielmehr  über 
allem  Geschaffenen  stehe.  Schlagen  wir  den  Index  der  Summa 
contra  gentes  aui',  so  werden  wir  manche  sonderbare  Fragen 
finden,  z.  B.  ob  in  Gott  eine  passiTO  Potenz,  also  ein  aufnehmen- 
des Prineip  sei?  ob  Gott  materiell,  oder  ob  er  ein  Körper  sei? 
Ob  er  das  formelle  Sein  für  alles,  oder  doeh  wenigstens  die 
Porm  eines  Körpers  bilde  eto.  An  mehreren  Stellen  spricht 
er  Ton  Gelehrten,  die  den  Versuch  wagten,  Gott  mit  den  Erea- 
torstt  resp.  mit  der  Welt  zu  identifizieren,  oder  wenigstens  auf 
il^eüd  eine  Weise  in  eine  substanzielle  Verbindung  zu  bringen. 
So  erklart  er  unter  andern:^  Der  Irrtum  einiger  alten  Philosophen 
bestand  darin,  dafs  sie  behaupteten.  Gott  sei  von  derselben  We- 
senheit wie  die  Dinge.  Sie  lehrten  nämlich,  alles  sei  schlechthin 
eins  (nnnm  simpliciter)  und  untersoheide  sich  höchstens  nur  ent- 
sprechend der  Ansicht  des  Parmenides,  gemais  unserer  sensitiTen 
Auffasanng.  Diesen  alten  Plulosophen  folgten  auch  einige  neuere 
wie  David  von  Dinant  Dieser  teilte  die  Dinge  in  drei  Teile 
sie:  in  Körper,  Seelen  und  ewige  getrennte  Substanzen.  Das 

1  2.  dist.  17.  q.  1.  a.  1. 

JahrbMh  IBr  FhUofophl«  eto.  VI.  u 


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^8        Das  Verfa&liois  der  WeMolwit  la  dem  Oaa«fn  etc. 


erste  Unteilbare,  woraus  die  Körper  konstituierl  werden,  nannte 
er;  „vXrj";  das  erste  Lnteilbare,  wodurch  die  Seelen  konstituiert 
werden:  „vovg"  oder  Verstand;  das  erete  Unteilbare  io  den 
ewigen  Substanzen:  „Gott".  Allein  diese  drei  aeten  ein  und 
daeaelbe.  Darana  folge  dann,  dATa  allea  der  Weaenheit  nach 
Eins  aei.  Andere  dagegen  irrten  etwas  weniger,  indem  «e  be- 
haupteten, Gott  sei  Kwar  nicht  die  Wesenheit  aller  Dinge,  wohl 
aber  der  intellektiTen  Sabatansen.  Dieser  Irrtum  hatte 
den  Anaxagoraa  snm  Urheber,  der  einen  aklea  bewegenden  Ter- 
atand  annahm.^  Einige  sagten,  dnroh  armselige  Gründe  bewo- 
gen, Gott  sei  ron  der  Substanz  eines  jeden  Dinges.  Andere 
behaupteten,  er  sei  die  erste  2klaterie  (David  von  Dinant),"  wieder 
andere,  er  sei  die  Form  jedes  Dinges. 

Es  ist  eelbstverständlich,  dafs  8,  Thomas  solchen  Irrlehren 
gegenüber  mit  dem  cranzen  Gewichte  seiner  Autorität  die  Rechte 
und  Eigenschaften  Gottos  verteidigt  hat.  Gott  darf  nicht  so 
besohaffea,  also  geartet  sein  wie  die  Kreaturen.  Gott  nimmt 
weder  etwaa  auf,  noch  kann  seine  Wesenheit  in  einem  andern 
aufgenommen  werden,  denn  er  ist  das  Sein. 

Unsere  Ansicht  geht  demnach  dahin,  dalb  jene  Autoren, 
die  der  Frage  ttber  den  realen,  oder  virtuellen  Unterschied  der 
Wesenheit  und  Ezisteni  in  den  Geschöpfen  keine,  oder  doch 
nur  eine  geringe  Bedeutnag  beilegen,  die  Tiefe  der  Wahrheit 
des  realen  Unterschiedes  nicht  erfhfst  und  dämm  die  Tragweite 
derselben  unterschützt  haben.  Selbst  Dominicus  Solo,  welcher 
der  Trage,  ob  real,  oder  nicht  real  unterschieden,  keine  allza- 
groise  Bedeutung  zuschreibt,  betont  nichtsdestoweniger,  daran 
müsse  unter  allen  Umsliinden  lestgehalten  werden,  dafs  Gott 
▼on  der  Kreatur  sich  unterscheide,  indem  das  Sein  Gottes 
dessen  Wesenheit  ausmacht,  was  bei  den  Geschöpfen  nicht 
der  Fall  ist  Examinieren  wir  die  Stelle  des  Soto  genau,  so 
werden  wir  finden,  dafs  auch  er  fSkt  den  realen,  niemals  för 
den  Tirtuellen  Unterschied  eintritt  Von  geringer  Bedeutung 
ist  ihm  nur,  ob  dieser  Unterschied  als  real  sicut  res  a  re,  oder 


«  de  veritate.  9.  31.  a.  i.,  l.  c  Gent.  cap.  17,  20,  26,  27. 


Dis  Veriialtuiä  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  ^09 


sicot  res  a  modo  gefafst  werde.^  IndesBea  ist  letzterer  ebeafaila 
real,  nicht  Tirtaell. 

Die  Frage»  ob  in  den  Geschöpfen  die  Weseobeit  sich  TOm 
DMein  real  oder  Tirtaell  nntorsobeide,  iet  ia  der  Tbat  toh  böehater 
ond  enteehaidender  Bodentang,  E§  bandelt  aioh  bier,  ao  haben 
wir  in  unserem  ersten  Artikel  gesagt,  nm  die  Bekampfiing  des 
Pantbeiamns  oder  Monismus»  Dieser  reale  üntersobied 
bildet  die  Scheidewand  awiaoben  Gott  und  den  GesebÖpfon. 
Darom  wird  der  englisebe  Lebrer  nicht  mide  tu  erklSren: 
„essentia  Dei  est  esse  ejus";  „Dens  est  suum  esse";  .,Deu8  est 
per  üuam  essentiam";  „esse  convenit  Deo  essentiaiiier".  Das 
Gegenteil  lehrt  S.  Thoraas  von  den  Geschöpfen,  und  er  weist 
ununterbrochen  darauf  hin,  dafs  dies  bei  keiner  Kreatur  sich 
anders  verhalte,  wie  vollkommen  sie  auch  sonst  sein  möge.  Ebenso 
gewifs  ist  die  andere  Tbatsacho,  dafa  die  Thomieten  diese  Frage 
ernst  anfgefafst  haben.  In  kürzem  oder  läogem  Traktaten  be- 
leocbtea  und  prüfen  aie  die  Argumente  dca  engUsohen  Meisters 
nach  jeder  Bicbtnng  bin*  Capreolua,  der  Fürst  der  Tbomisten 
s.  B.  bat  bierüber  eilf  Blfitter  in  Grolsquart  njedergescbrieben, 
und  die  Zahl  der  Einwurfe  gegen  den  realen  ünterscbied  be- 
trägt daselbst  nicbt  weniger  als  40.  Ebenso  ausfttbrlicb  beban- 
debi  diese  Frage  Cajetan  im  Kommentar  über  das  Opusoulum 
de  ente  et  essentia.  Sie  haben  hierin  nur  das  Beispiel  des 
eoglischen  Meisters  nachgeahuiL.  P.  L.  bemerkt  in  der  Vorrede 
zu  seiner  Broschüre,  dafs  die  Frage  weder  au  und  für  sich,  noch 
im  Lehrsystera  des  hl.  Thomas  von  irgend  einer  gröfsern  Trag- 
weite sei.  Gleichwohl  hat  der  Herr  Autor  diese  Frage  auf  71 
leiten  untersucht^  und,  wie  er  selber  erklärt,  sich  bestrebt,  die 
akademisebe  Jugend  mit  der  Lehre  dea  Doctor  Angelious  bekannt 


*  Die  Stelle  lautet :  Neu  est  rei  tasti  nomenti  haae  diatlnctioaem 
aut  coacedere  aut  negare :   dunmodo  non  negetur  differentia  biter  nos 

et  Deum,  quod  esse  sit  de  essentia  Dei,  et  non  sit  de  psseatia 
creaturar».  Sfcut  qui  nei^aTerft  sessionein  distingui  a  sedecte  nihil 
magnnm  nepabit,  dummodo  Tum  roncedat,  sedere  esse  de  psseutia  ho- 
minis. Haue  rnim  antiqui  appcilabant  distioctionem  realem  et  forte 
docte.  (.üb.  proedit.  de  substantia  q.  1..) 

14* 


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210 


Dm  VerlUlltiiis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


in  machen.  So  ganz  ohne  Bedeatamg  scheint  also  die  Saobe 
dem  Henm  Autor  selber  niobt  m  sein.  AUerdingi  gibt  et 
pbiloaophiao^e  Lefarbttober,  die  nniere  Fnge  kaam  borftbren. 
Einige  Zeilen  im  Kleindntok,  eher  eine  Anmerkung  nie  eine 
eigentliche  Erörterung,  du  ist  alles,  was  sieh  in  Schriften  dieser 
Art  Torfiodet.  Diese  ErscheinnDg  stiebt  siemiteb  stark  ab  ge- 
geDÜbcr  dem  Vürgehen  des  englischen  Meistere,  vind  wir  be- 
fürchten darum  nicht  ohne  Grund,  dafs  den  genannten  Autoren 
die  Frage  nicht  hinreichend  klar  geworden  ist. 

Wir  wollen  in  diesem  Artikel  nachzuweisen  versBcbeSy 
dafs  der  hL  Thomas  aus  dem  realen  Unterschiede  zwischen 
der  geschaffenen  Wesenheit  und  Ezisteas  auf  die  reale  Xdeiir 
tität  der  göttlichen  Wesenheit  und  Bzistatts  sehliebt»  und  ge- 
rade hierin  den  absoluten  allseitigen  ünterschied  Gottes  von 
den  Kreaturen  findet 

A.    Gott,  seinem  Wesen  und  Sein  nach,  durchaus 
unterschieden  von  den  Geschöpfen: 

Hanptbeweis:  In  der  Kreatur  sind  Wesenheit  und  Existenz  real 
unterschieden,  in  Gott  sind  sie  real  identisch* 
32«  a)  Argument:  Gottes  Käme  lautet:  ,Aui  est"  Dies 

ist  der  Ihm  „eigentümliche"  Name. 
„Quarta  ratio  potest  sumi  ex  verbis  Ayieennae  in  huoo 
modum:  Quod,  cum  in  omni  quod  est  sit  considerare  quiddi- 
tatem  suam,  per  quam  subsistit  in  natura  determinata,  et  esse 
«imm,  per  qnod  dicitur  de  eo  quod  esl  in  actn,  hoc  nomen  res 
imponitur  rei  a  quidditate  sua,  secundum  Avioennam;  hoc  nomeo 
qni  est  Tel  ens  imponitur  ab  ipso  actu  essendi.  Cum  autem 
ita  si^  quod  in  qualibet  re  creata  essen tia  sua  dif ferst  s 
suo  esse,  res  illa  proprio  denominatur  a  quidditste  sus,  st 
non  ab  actu  essendi»  sicut  homo  ab  humanitate.  In  Deo 
autem  ipsum  esse  suum  est  sua  quidditas.  Et  ideo  nomes, 
quod  snmitnr  ab  esse,  proprio  nomiuat  ipsum,  et  est  propriuin 
nomen  ejus:  sicut  proprium  nomen  hominis  quod  sumitur  a  quid- 
ditste sua."* 


'  1.  diät.  ö.  q.  1.  a.  1. 


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Dm  Yerb&ltiu»  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


211 


Der  Gnmd,  wanuii  Gott  den  Namen:  „Q,^  ^*  ist 
alfo  dem  hl.  ThomM  die  reale  Identität  swieohen  Gottes  We- 
senheit nnd  Dasein.  Weil  diese  beiden  real  identisoh  tind> 
wird  die  Benennung  nicht  Ton  der  Wesenheit,  sondern  Tom 
Sein  heigenonmien.  In  Folge  dieser  Identit&t  ist  der  Name: 
„Qni  est**  Gott  eigentttmlioh,  d.  h.  er  kommt  Gott  allein  und 
ansschliefslicb  zu,  keinesweg»  aber  irgend  einem  Geschöpft!. 
Dagegen  läfet  sich  nun  tblg'endes  einwenden :  Waa  eincyn  Wesen 
„eijsrentüralich"  ist,  das  kommt  diesem  allein  zu.  Das  Sein  aber 
ist  üiehl  Gott  allein  eigen,  denn  die  Kreaturen  sind  ebenfalls, 
haben  auch  das  Sein.  Dieser  ISchwierigkeit  begegnet  Ö.  Thomas 
mit  den  Worten:^  wenn  man  sagt,  etwas  komme  einem  Wesen 
„oigentümlich"  %n,  so  kann  man  dieses  im  doppelten  Sinne  ver- 
stehen* Will  man  mit  dem  Ausdrucke:  ,^gentilmlioh"  alles 
Fremde  von  der  Natur  des  Subjektes  ausschlieCben,  wie  wenn 
man  s.  B.  sagt,  das  nstbile  sei  dem  Menschen  »»eigentflmlieh'*, 
weil  es  nur  dem  Hensehen,  keiner  andern  als  der  menschlichen 
Natur  inkommt»  so  darf  man  diesbesttglich  nicht  behaupten,  das 
Sein  sei  Gott  „eigenttimlioh".  Denn  nicht  blofo  Gott,  auch  die 
Kreaturen  sind  oder  existieren.  Will  man  dagegen  mit  der 
Bezeichnung:  „eigentümlich''  ailes  Fremde  von  der  Natur  des 
Praedikates  fernhalten,  wie  wenn  man  z.  B.  sagt,  dieses  sei  eigen- 
tümliches (eigentliches)  Gold,  weil  ihm  kein  anderes  Metall  bei- 
gemischt ist,  so  ist  in  dieser  Auffassung  das  Bein  Gott  „eigen- 
tiUnlicb".  Dem  göttlichen  Sein  ist  nämlich  nichts  beigemischt, 
weder  ein  Mangel,  noch  eine  Privation,  noch  eine  Potentialität 
Das  Sein  der  Kreatur  hingegen  hat  eine  Beimischung.  Bigen- 
tttmlich  und  wahr  sind  identisch,  denn  wahres  Gold  nennen  wir 
daqenige»  dem  nichts  anderes  beigemischt  wird«  Diese  Ant- 
wort dee  englischen  Lehrers  beweist  abermals,  dab  Gott  aus 
dem  Grunde  „Deijenige,  der  ist*'  genannt  wird,  weil  seine 
Exiztens  real  identisch  ist  mit  der  Wesenheit.  Denn  nur  in 
diesem  Falle  wird  dem  Sein  nichts  anderes  —  Fremdes,  extra- 
neum  nennt  es  B.  Thomas  —  beigemischt,  findet  sich  m  Gull 


*  1.  e.  ad  lom. 


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212         Das  Terb&ltais  der  Weseoheit  sa  dem  Davcin  etc. 


keine  PoteotiaUtät.  Das  genule  Gegenteil  haben  wir  bei  den 
Geschöpfen  ininneliineii.  Beren  Sein  ist  niolit  real  identisch, 
Sendern  real  nntefBChieden  von  der  Wesenheit  Damm  ist 
ihrem  Sein  eine  Petentialität  heigemischtt  deshalb  ist  der  ihnen 
y^igentOmliche''  Name  nicht  das  Sein  oder  Tom  Sein  heigeleitet» 
sondern  von  der  Wesenheit.  Der  den  Geschöpfen  „eigentüm- 
liche" Name  drfickt  mithin  die  Wesenheit  ohne  das  Sein  ans. 

Aus  dieser  Beweisführung  des  engliecben  Lehrers  folgt 
also  bestimmt  und  klar,  dafs  der  reale  Untergcbied  zwischen 
der  Wesenheit  und  Existenz  des  Geschöpfes  den  direkten  Ge- 
gensatz bildet  zu  dem  Wesen  und  Dasein  Gottes.  Gott  i^L  sein 
eigenes  Dasein  und  dies  ist  Ihm  „eigentümlich''.  In  der  Kreatur 
sind  Wesenheit  und  Existenz  real  nntersohiedeo,  und  dies  ist 
dem  Geschöpfe  ,|eigentttmlioh".  Was  besagen  nun  jene  Worte: 
„in  qoalibet  re  creata  essentia  sna  düTert  a  sno  esse?"  Etwa 
dieses,  dafii  die  Kreatnr  ihr  Sein  von  einem  andern  habe? 
Davon  sagt  S.  Thomas  nicht  ein  Wort.  Was  bedentet  dann 
der  Gegensate  an  diesen  Worten:  jjn  Deo  ipsnm  snnm  esse 
est  sna  essentia?"  Vielleicht  soyiel  als  Gott  sei  durch  sich  (a 
se),  nicht  Ton  einem  andern?  Dieser  AuflEassnng  bedient  sich 
der  Doctor  Angelicus,  soweit  uns  bekannt,  niemals  in  irgeud 
einem  seiner  Werke.  Dann  folgt  aber  zur  Evidenz,  dula  jene 
Worte  den  innersten  formellen  Grund  augeben,  nämlich: 
das  Sein  Gottes  sei  real  identisch  mit  seiner  Wesenheit.  Dar- 
aus erst  ergibt  sich  die  zweite  Wahrheit,  Gott  sei  durch  sich 
selber^  nicht  durch  ein  Anderes.  Man  darf  also  in  der  Unter- 
suchung nicht  dabei  stehen  bleiben,  dab  man  sagt:  Gott  sei 
ein  (ttr  und  durch  sich  selber  Seiendes^  und  darüber  hinaus 
habe  man  keine  weitere  Frage  au  stellen  und  auch  keine  mehr 
au  beantworten.  Kein,  wir  müssen  bis  sum  letaten  Grunde  Tor- 
dringen.  Warum  ist  denn  Gott  ein  (ttr  und  durch  sich  Seien- 
des? Wdl  er  seine  eigene  Existens,  weil  diese  letstere  mit 
Ihm  real  identisch  ist  Damm  heifst  Gott  das  Sein,  ist  Br  nur 
das  Sein.^  Das  uuigekehrte  Verhältnis  greift  in  den  Geschöpieu 

*  cfr.  de  ente  et  essentia  cap.  ö. 


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Das  Verhältnis  der  Weseuheit  zu  dem  Daseiu  etc.  213 


Platz;  denn  in  den  Kreaturen  sind  Wesenheit  und  Dasein  real 
unterschieden.  Der  hl.  Thomas  beruft  »loh  hier  nicht  darauf, 
dftCi  die  Kreaturen  von  einem  andern  seien  (entia  ab  alio), 
eondem  darauf,  dafs  die  Wesenheit  von  der  Kziatens  sich  real 
nnteiecheide.  Dieser  Grand  ist  dem  Dootor  Angelioos  mafs- 
gebend  difttr»  daCh  die  Xfeator  nach  der  Wesenheit»  nioht  aber 
aach  dem  Sein  neigentilffllioh"  benannt  verde.  Es  wird  schwer 
geiingeni  ohne  Gewalt  eine  andere  Auslegung  den  Worten  des 
engUsehen  Heisters  angedeihen  an  lassen.  Wir  bestreiten  selbst^ 
▼erstandlich  nicht,  dafs  Gott  „ein  Seiendes  durch  Sich/'  die 
Kreatur  hingegen  ,,ein  iSeicudeij  durch  ciu  Andere.-:»"  ^^euannt 
"werden  kuuüe.  Was  "wir  behaupten  ist:  da(s  dieses  nicht  den 
formellen  innersten  Grund  davon  bilde.  Dieser  Grund  ist 
vielmehr  der  vom  hl.  Thomas  hier  angeführte.  Die  Philosophie 
muXs  die  innersten,  letzten  Gründe  klarlegen,  sonst  wird 
sie  ihrer  gro&en  erliabenen  Aufgabe  nioht  gerecht.  Wenn  nun 
8.  Thomas  von  diesem,  in  den  Geschöpfen  realen  Unterschiede 
ans  den  wichtigen  Sdünfo  sieht  auf  die  reale  Identität  des 
Wesens  und  Daseins  Gottes,  wie  kann  man  dann  behaupten,  diese 
Frage,  ob  real  oder  virtuell  unterschieden,  habe  keineswegs  ein 
Interesse  von  Belang?  Soll  es  ittr  die  Philosophie,  die  erste 
und  höchste  der  menschlichen  Wissenschaften  von  keiner  grolhen 
Bedeutung  sein,  ob  in  ihr  die  entfernten  oder  aber  die  letzten 
und  LiciäLeu  Grunde  iiireu  yuUl-u  Aufdruck  finden?  Wir  be- 
zweifeln sehr,  dafs  eine  derartige  Ansicht  im  Ernste  viele  Ver- 
treter linden  könne.  Allein  hier  handelt  es  sich  nicht  um  die 
tiefsten  Gründe  über  die  geschati'eueu  Wesen,  sondern  um  den 
innersten  Grund,  warum  Gott  seines  gleichen  nicht  kennt,  mit 
den  Kreaturen  keine  Gemeinsamkeit  hat  Die  nämliche  Ansicht 
vertritt  8.  Thomas  an  einer  andern  Stelle,  und  zwar  mit  der> 
selben  Begrttndnng.  Was  wir  eitleren,  betrifft  eben&lls  den 
Namen  Gottes.  ^„Hoc  nomen:  ,»qm  est^  tripHcl  ratione  est 
mazime  propriom  nomen  Dei.  Frimo  qaidem.  propter  sni  signi- 
ficationem.  Non  enim  significat  formam  altqaam,  sed  ipsum 


>  1.  p.  q.  13.  a.  11. 


214 


Du  Verbiltnlt  der  WeMnheit  so  dem  Dtiein  ele. 


esse.  Lüde  cum  esse  Dci  sit  ipsa  ejus  esseuiia,  et  hoc 
culli  alii  conveniat,  ut  eupra  ostensum  est  q.  3.  a.  4.,  mani- 
festum est,  quod  inter  alia  nomma  hoc  maxime  proprie  nomiiiat 
Deum.  Unuraquodque  enim  denorainatnr  a  sua  forma.  — 
Secundo  proptei*  ejus  universalitatem.  dituolibet  enim  alio  no- 
mine determinator  aUqais  modus  substantiae  rei.  Sed  hoc  Domen: 
„Qai  eaV*  nallum  modum  cssendi  detennisat»  sed  se  habet  in- 
detenninate  ad  omnes.  £t  ideo  nomisat  ipsvm  pela^s  snb- 
Btantiaa  infinitam.^  —  Tertio  ex  ejus  eoneignifioatioBe.  Sigm- 
fioat  enim  eeee  in  praeeenti.  Et  hoc  maxime  proprie  de  Deo 
dicitur,  etijas  eeee  aoa  novit  praeteritam  vel  fatamm.'' 

Ea  aeigt  sich  auch  hier  ganz  dentUoh,  dafe  der  Dootor 
ADgeh'ciis  seine  Beweisführung  anf  den  realen  Unterschied 
zwischen  der  Wesenheit  und  Existenz  aufbaut  uud  dauu  weitere 
Schlüsse  zieht  Das  „Qui  est"  bezeichnet  nicht  eine  Eorm,  son- 
dern dm  Sein,  die  Existenz.  Jedes  Wesen  wird  aber  von  Beiaer 
Form  benannt.  In  Gott  ist  das  Sein  real  identisch  mit  der 
Form  oder  Wesenheit,  ist  also  nichts  anderes  als  die  Form  sel- 
ber. Darum  wird  Gott  vom  Sein  benannt.  Diese  Benennvng 
ist  Ihm  am  allermeisten  „eigentümlich",  weil  in  keiner  Krea- 
tur die  Wesenheit  real  identteoh  iat  mit  dem  Bein. 
Ben  dritten  Beweis  hat  B.  Thomaa  sohon  in  dem  von  uns  Tor- 
hin  angeführten  Bache  Uber  die  Bentenaen  berflhrt.  Daselbst 
sagt  nSmlich  der  Doctor  Angelicns»  dea  Argumenten  vom  hl. 
Hieronymus  erwähnend:  „Jenes  Ding  wird  TOllkommen  genannt, 
welches  nichts  außerhalb  seiner  selbst  hat.  Unser  Sein  hat 
etwas  aufserhalb  seiner  selbst,  dcnvi  es  fehlt  ihm  etwas,  utim- 
licb  das,  was  schon  vorüber  ist,  und  das,  was  in  Zakunfl  sein 
wird.  In  Gott  findet  sich  dieser  Mangel  nicht,  denn  Er  kennt 
weder  Verganpfüheit  noch  Zukunft.  Sein  Dasein  ist  folglich  in 
jeder  Beziehung  ein  vollkommenes.  Darum  kommt  Gott  das 
Sein  „eigentümlich"  zn.^  Wir  wollen  nicht  länger  bei  diesem 
Beweise  des  hl.  Thomas  Terweflen.   Boviel  geht  jedoch  iweifets* 


*  efr.  de  potentia  q.  10*  a.  1.  ad  9"«.  *  efir.  de  veritate  q.  21. 
a.  4.  ad  7»». 


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Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  '2lb 


olune  «Qch  ans  dieMm  Aignmeote  honror,  dafa  vir  zwischen 
Wesenheit  aad  Exitteas  des  GeschÖpfee  eiaea  realea  üater- 
adued  eetiea  milMea.  Der  eaglieche  Lehrer  sagt  aieht,  dafe  ia 
Bezug  aaf  die  Wetten heit  etwas  vergangen  oder  zukünftig 

sei,  sonÜLtn  es  gilt  dies  iu  ßetreff  des  Seins.    Unser  Sein  ha*". 
Bolange  an  dauert  und  wiru  noch  in  Zukunft  von  dieser  oder 
jener  Dauer  sein.    Man  kann  also  nicht  safren,    die  Welt  war 
UQgetäbr  8000  Jahre  lang  Welt  und  wird  noch  so  und  90 
viele  Jahre  lang  Welt  sein.    Die  Wesenheit  selber,  als  solche, 
uaterliegt  nicht  der  Zeit.   Allein  das  Seia,  die  Existeas 
der  Kreatarea  aaterliegt  der  Zeit,  die  Weseaheit  selber  aar 
hinaichtlioh  der  Exiafeeas,  die  sie  besitzt.   Gottes  Seia  hiagegea 
wird  aar  beieiohaet  ia  der  Gegeawart  der  Ewigkeit,  dena 
deaeea  Sein  kennt  weder  Vergangenes  noch  Zukünftiges.  Das 
dritte  Argument  des  hl.  Thomas  ist  es  jedoch  nicht,   wus  uns 
hier  beschädigt,  sondern  das  erste  lenkt  unsere  Aufmerksamkeit 
auf  sich.    Die  Gott    eigentümliche"  Epncnnung  wird  vom  Hein, 
nicht  von  der  Wesenheit  hergenommen,  weil  das  Sein  Gottes 
adt  seiner  Wesenheit  real  identisch  ist.    Das  Sein  ist  also  in 
Gott  anoh  das  koastiiative  Friazip,  die  Form  der  Weseaheit^ 
ist  die  Weeaaheit  seiher.   Bei  dea  Gesohöpfea  iat  dieses  aioht 
der  Fall   Damm  heaeaaea  wir  die  Geschöpfe  gemäfo  ihrer 
Wesenheit  aieht  aber  aaoh  ihrer  Bxisteas. 

Die  Benennung  eines  Dinges  folgt  unserer  Kenntnis  von 
demselben.^  Nun  erkennen  wir  Gott  nicht,  wie  er  iu  sich  ist, 
wie  beschaffen  die  Wesenheit,  von  ^velcher  Gott,  wie  jedes  an- 
dere Ding,  benannt  wird,  in  sicii  seiher  ist.  Damm  können  wir 
Gott  auch  nicht  mit  jeaem  Namen  benennen,  der  seiner  Wesen- 
heit vollkommen  eatspricht.  Deaaoch  müssen  wir  irgend  eiaea 
Itimea  aaswtUilea.  Da  aan  alle  aadera  Namea  eia  bestiauates 
aad  partikalares  8eia  beteichaea,  dieaea  sie  unserem  Zwecke 
sehr  aavoUkommea.  Oer  Name:  „Der  ist"  (Qai  est)  bedeutet 
absolates,  aioht  daroh  Beigabe  eiaes  Aadera  beschrSaktes  Beia. 
Mit  Recht  bemerkt  daher  Danmsceaas,  dieser  Name  beseichae 


»  1.  p.  q.  13.  a.  3. 


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216 


Das  Verbaltuis  der  Weseoheit  2u  dem  Da:sem  etc. 


nicht,  was  Gott  ist,  soodcrn  er  bedeute  ein  uterloses  Meer  der 
SubstanSy  das  keine  Grenzen  hat  Indessen  stellt  auch  dieser 
Name  das  ^tlLiobe  Sein  nor  sehr  nnTollkonunen  dar,  weil  er 
von  den  Kroatnren  hergenommen»  abstrahiert  iat  Die  Geeohö{»fe 
vergegenwfirdgen  Gott  mangelhaft.  Der  Käme  »Qni  est"  be- 
aeiohnet  das  göttliohe  Sein  ebea&lla  sehr  nnyoUkommeD,  weil 
er  dasselbe  angibt  nach  Art  eines  Konkreten  und  Zasammeoge- 
setaten.  Allein  mit  den  andern  Namen  gelingt  es  ans  noch 
weniger,  Gottes  Sein  begrifffich  so  bestimmen.  Sagen  wir 
z.  E.,  Gott  sei  der  Weise,  so  linden  sich  in  dieser  Bezeichnung 
zwei  Unvollkommen  luMten.  Die  eine  ist  auf  Seite  des  konkretea 
beins  selber,  v»io  nie  bich  au(  h  iru  Namen:  ,,Qui  est"  offenbart, 
die  zweite  ist  auf  Seite  deö  eigentlichen  BegriÜt  h.  Weisheit". 
Denn  die  krcatürliche  Weisheit  erreicht  nicht  das  Wesen  der 
göttlichen.  Weil  also  alle  andern  Namen  noch  weniger  ans- 
sagen,  was  Gott  ist^  als  der  Name:  ,,Qni  est*',  deshalb  ist  dieser 
Gott  angemessener  und  «»etgentttmlicher**.  Gehen  wir  daher 
daran,  von  Gott  uns  einen  Begriff  la  bilden,  so  denken  wir  uns 
alles  Körperliche  nnd  Geistige,  wie  es  in  den  Kreaturen  tot* 
banden  ist^  tob  Gott  hinweg,  und  es  bleibt  in  unserer  Auffiuaung 
nichts  als  die  Esistem,  das  „qui  est'^  Dies  ist  aber  etwa« 
nemlich  Konfuses.  Wir  mttssen  folglieh  noch  weiter  Toran- 
schreiten,  nnd  auch  die  Existenz,  wie  die  Geschöpfe  sie 
besitzen,  vou  (moLl  negieren.^ 

Ans  der  Art  und  Weise,  wie  der  englische  Lehrer  hier 
argumentiert,  lässt  sich  ohne  bchw^ei  igkeit  ein  richtiger  bchluFs 
ziehen  auf  die  Bedeutung,  welche  der  Doctor  Angelious  dem 
realen  Unterschiede  zwischen  Wesenheit  und  Dasein  der  Kre> 
aturen  beilegt  Wir  wollen  Gott  kennen  lernen,  und  swar  Gotl» 
wie  wir  Ihn  unter  diesem  Begriffe  ihssea.  Nicht  einen  mate- 
rialtstischen  oder  pantheistischen,  einen  mit  der  Welt  ▼erwaoh* 
senen,  in  die  Materie  unlergetanohten,  oder  duroh  nnsem  Ver- 
stand erst  herroigebracbten,  oder  auch  einen  sieh  selber  her- 
Torbringenden  Gott  wollen  wir  kennen  lernen  nnd  betrachten. 


>  cfr.  1.  dist.  8  q.  1.  a.  1.  ad  Sum  uod  4u>u. 


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Dm  VerbAltnis  der  Wesenheit  za  dem  Dasein  etc.  217 


Kein,  Gott  mah  g&iitHoh  nntenohiedeii,  rnnfe  anderer  Art 
vein  als  die  Geschöpfe.  Da  nnn  nnser  Denken  hier  auf  Erden 
nieht  ein  intnitiTes  ist»  sondern  in  abstrakten  Begriffen  sieh  be- 
wegt, so  ist  der  Weg  zur  Erforschung  des  göttlichen  Wesens 

von  selber  vorgezeichnet.    Em  dreifacher  Weg,  lehrt  S.  Thoraas, 
führt  uns  zu  der  in  tliesciu  Leben  uub  möglichen  Kenntniß  der 
W^esenheit  Gottes.^    Zunächst  müssen  wir  alle  UnToUkommeu- 
heiten,  die  wir  in  den  Geschöpfen  finden,  von  Gott  fernhalten* 
Dann  alle  Vollkommenheiten,  in  deren  Besitce  wir  die  Kreaturen 
sehen,  Gott  ansohreibea.   Die  erste  and  wichtigste  ans  allen, 
dem  Werte,  der  Bedentaog  mu^h,  ist  aber,  wie  der  englisohe 
Lehrer  gans  mit  Baoht  hervorhebt,  das  Sein,  die  Existons.  Die 
Bxietons  ist  das  AllerToIlkommensto.   Indessen  würde  anch  das 
8ein  der  Geschöpfe  uns  keinen  genauen  Begriff  Ton  Gottes  We- 
seüheil    beizubringen  imfetande  bcm,   denn  dietieö  Sein,  mit  der 
Existenz  Gottes  verglichen,  ist  ein  sehr  unvollkommenes  Abbild, 
in  der  Kreatur  ist  es  real  Ton  der  Wesenheit  unterschieden, 
in  Gott  aber  real  identisch.   Der  Schinfs  Ton  der  Kreatur 
anf  Gott  ist  dämm  nur  ein  analoger. 

Über  dieses  analoge  Verhältnis  der  Kreatur  sn  Gott 
änfbert  sieh  8.  Thomas  in  folgender  Weise:*  »"iimik  kann  an- 
nriigUch  etwas  von  Gott  nnd  den  Geschöpfen  im  nnivoken  Sinne 
anseagea.  Denn  so  oft  eine  Wirkong  der  Kraft  der  wirkenden 
Ursache  nicht  frleichkommt,  nimmt  sie  die  Ähnlichkeit  de^ 
Agens  nicht  in  der  nainUchen  Art  auf,  sondern  bleibt  dahinter 
zurück.  Was  in  der  ^^  irkung-  g-eteilt  und  vervielfahig-L  eröcheint, 
das  enthält  die  Ursache  m  einfacher  Weise  und  auf  dieselbe 
Art.  Alle  kreatürlichen  Vollkommenheiton,'[die  in  den  Geschöpfen 
geteilt  nnd  TerrieUEltigt  sich  Torftnden,  existieren  in  Gott  geeint 
nnd  einlach.  Sagen  wir  nun  irgend  eine  Vollkommenheit  von 
der  Kreatnr  ans,  so  beaeichnet  der  Käme  jene  Vollkommenheit 
als  eine  solche,  die  dem  Wesen  nach  Toa  andern  nntersehieden 
ist   Wird  s.  B.  der  Name:  „weise"  vom  Mensoben  ausgesagt, 


>  contr.  Gent.  csp.  14.    '  1.  p,     18.  a.  5.  c.  —  1.  contr.  Gent, 
m^  82.  ratio  1«. 


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218 


Das  Verhftltnia  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


so  bezeichnen  wir  damit  eine  von  der  Wegenheit,  oder  Potenz, 
oder  Existenz  des  Menschen  anterMbiedene  Vollkommenheit. 
Damit  umschroibt  und  umfafst  gleichsam  dieser  Kanie  die  da- 
darch  beiaicfaneto  Baohd.  Dies  i«t  jedoch  in  Besag  auf  Gott 
niobt  der  Fall.  In  Gott  bleibt  die  beseiebiiete  Saohe  nmimlklbt 
und  sie  übertrifft  die  BeseicbBaog  durob  den  Kamen.  ^  Daran« 
folgt,  dafs  z.  B.  der  Name:  „weise*^  niobt  in  derselben  Beden* 
tung  von  Gott  nnd  dem  Menseben  ausgesagt  werden  kann.  Bas 
Nämliche  gilt  von  andern  Aussagen.  Man  kann  also  nichts  nnivok, 
d.  h.  dem  Namen  und  Begriffe  nach  Gleiches-  von  Gott  und 
der  Kreatur  aussagen.  Selbst  der  Begriff  Bubstanz  z.  B.  kann 
von  Gott  nicht  „eigentlich"  ausgesagt  werden.  Denn  der  Narae 
Substanz"  ht  vom  Ünterstchen  (Bubfitando)  hergeleitet.  Fhcr  iies 
bezeichnet  die  Substanz  eine  Quiddität,  die  von  ihrem  Sein 
real  untersohioden  ist  (quae  est  aliud  ab  esse  ejus).  Dieses 
(io  Substanz  nnd  Accidens)  ist  daher  die  Einteilung  des  ge* 
sohaffenen  Beienden.  Nimmt  man  jedoob  die  Snbstans  in  einem 
weitem  Sinne,  so  kann  mnn  Gott  eine  Snbstans  nennen.  Sie 
ilberragt  indessen  alle  geschaffenen  Snbstaaaen  in  Betreff  der 
Vollkommenkeit»  die  der  Snbstans  ankommt»  dafs  sie  namlioh 
nicht  in  einem  andern  ist  nnd  dergleichen  mehr.  In  Gott  wird 
darum  durch  das  Prädikat  und  Subjekt  real  gans  dasselbe  ans- 
gesagt  wie  überhaupt  in  allen,  was  wir  von  Gott  behaupten, 
liarum  herrscht  überall  nur  Analogie.*  Geraäfs  des  univoken 
Begriffes  darf  man  Homit  nichts  von  Gott  und  den  Geschöpfen 
aussagen.  Da  man  nämlich  in  der  Sache  zwei  Dinge  in  Betracht 
ziehen  mufs,  nämlich  die  Natur  oder  Quiddität  des  Dinges  und 
ihr  Dasein,  so  ist  es  notwendig,  dafs  in  allen  begriHlichou  Glei- 
chen (nulTOcis)  eine  Gemeinsamkeit  dem  Begriffe  der  Natnr, 
nicht  aber  dem  Sein  nach  platagraife.  Eine  Existenz  ist  nnr 
in  einer  Sache.  Daher  ist  das  Verhältnis  der  menschlichen 
Natnr  (bnmanitatis)  bezüglich  des  Seins  in  zwei  Wesen  nicht 
ein  nnd  dasselbe.   So  oft  also  das  Sein  selber  die  dnrch  den 


»  1.  p.  q.  4.  a.  3,  —  1.  c.  q.  3.  a.  2.  —  q.  13.  a.  2.    «  1,  p.  q. 
13.  a.  5.  —  ib.  a.  10.    »  cfr.  dist.  8.  q.  4.  a.  2.  ad  1«»". 


^  kj  i^uo  uy  Google 


Dfts  VerbäUois  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


219 


NaoMD  bezeichnete  Form  bildet,  kommt  ea  nicht  im  univoken 
Siime  sn.  Damm  wird  auch  Seiendee  (eiie)  nicht  «nivok  aue- 
gesagt  Weil  aan  allea»  waa  immer  wir  tob  Gott  aiusagen, 
•ei  es  lifatar  oder  Form,  das  Dasein  selber  ausmacht  —  weshalb 
anoh  maaohe  Philosophen  sagen,  Er  sei  ein  Seiendes  nicht. in  der 
Wesenheit,  ein  Wissendes  nieht  dnrch  die  Wissenschaft  n.  s.  w. 
nnr  damit  man  Torstehe^  dafii  Sr  selbst  nicht  ein  Anderes  als 
sein  Dasein  bilde  etc.  —  deshalb  kann  man  nichts  yon  Gott 
uud  den  Geschöpfen  in  univoker  Weise  aussagen.  ^  Wollten 
wir  auch  aunehmcD,  dai's  die  g'eschafienen  Dinge  ganz  dieselbe 
Form  erhalten,  wie  die  hervorbriDgeudo  Ursache  sie  besitzt,  es 
wäre  dennoch  eine  univoke  Aussage  nicht  möglich,  denn  sie 
hätten  diese  Form  nicht  in  Gemäi'sbeit  der  nämlichen  beinsweise. 
In  Gott  existiert  nichts,  was  nicht  sein  Dasein,  also  mit  ihm 
real  identisch  wire.  Dies  trifft  bei  den  Geschöpfen  nicht  zu.' 
Wie  sehr  daher  anch  eine  Kreatur  Gott  nachahmt»  sie  bringt 
es  doch  nie  dahin,  dafa  Gott  und  ihr  etwaa  anf  dieselbe  Art 
ankomme.  Alles  daa,  waa  verschiedenen  Dingen  «nem  und 
deoBaelben  Begriffs  nach  anteil  wird^  ist  ihnen  gemeinsam  ver- 
möge  des  Begriifos  der  Snbstana  oder  QnidditfiL  Sie  nnd  aber 
Terscbieden  in  Bezug  anf  das  Sein.*  Was  indessen  in  Gott  sieh 
tinde^  das  ist  sein  eigenes  Dasein.  Gleichwie  z.  B.  die  Wesen- 
heit in  Gott  idcntiech  int  mit  dem  Dasein,  ebenso  ist  auch  die 
Wib&enschalt  in  ilim  identisch  mit  dem  Wissend-sein.  Gleichwie 
also  das  Sein,  wclcht^s  jeder  Sache  ei^^cü  ist,  keinem  andern  mit- 
geteilt werden  kann,  ebenso  ist  es  unmöglich,  dafs  eine  Kre&tur 
dahin  gelange,  etwas  in  derselben  Weise  zu  besitzen  wie  Gott. 
Und  ebensowenig  ist  es  möglich,  dafii  aie  dasselbe  Dasein  er- 
halte. £twaa  Ähnliches  können  wir  anoh  bei  den  Geschöpfen 
wahrnehmen.  Wfiie  s.  B.  in  Petras  der  Mensch  nicht  nnter- 
schieden  Tom  Daaein  dea  Menschen,  so  kdnnte  man  niemala 
den  ICenschen  von  Petras  nnd  Panlna  nniYok  anssagen»  denn 
sie  besaben  ein  Terschiedenes  Sein.^  Grott  Ycrhält  sich  gana 


»  cir.  1.  üist.  35.  q.  1.  a.  4.  c     '  cfr.  1.  contr.  Gent.  cap.  32. 
ratio  2*-   '  cfr.  de  potentia  q.  7.  a.  7.  c.   *  cfr.  de  veritate  q.  2.  a.  11. 


220         Dti  Ytfliiltiiia  d«r  WeMobdt  sa  dem  Diwin  eta 


anders  /um  iSem  als  irgend  ein  (ieschöpf.  Denn  Er  ist  sein 
cigenos  Da^ioin,  was  man  von  keiner  Kreatur  behaupten  kann. 
Darum  wird  auch  daa  Rein  von  (jott  xmd  der  Kreatur  nie  uni- 
Tok  ausgesagt,  noch  weniger  etwas  anderes,  was  man  aussagen 
könnte.  Das  erste  von  allen,  was  man  aussagt,  ist  dae  8eia. 
Zeigt  sich  nun  schon  im  ersten  eine  Versohiedenheit,  so  mnb 
es  aeeh  in  allen  andern  der  Fall  sein.^  Dens  man  darf  niobt 
▼eigessen,  dafs  jene  DingB,  indsfaen  der  Saiasmodna  yerschie- 
den  isti  nioht  In  einem  gemeinsamen  Sein,  wie  der  Katnrphiki- 
soph  des  Sein  Teisteht»  ÜbeTeinkommen.  Anden  Yerhalt  es  sieh 
mit  dem  Sein,  welches  der  Logiker  im  Ange  bat*  UniTOO 
kennen  also  die  Aussagen  yon  Gott  nnd  den  Geschöpfen  nioht 
genommen  werden,  weil  die  Definition  dessen,  was  von  der 
Kreatur  ausgesagt  wird,  sich  nicht  deckt  mit  der  Definiiiüu 
dessen,  was  man  von  Gott  aussagt.  Die  UniToken  müssen  aber 
in  dernelben  Definition  übereinkommen.^ 

Aus  dieser  Boweislührung  des  englischen  Lehrers  ist  er- 
sichtlich, welche  Tragweite  der  Doctor  Angeiicus  dem  realen 
Unterschiede  zwischen  der  Wesenheit  und  dem  Dasein  der  Ge- 
schöpfe beimiist  Das  Sein  der  Kreatnr  hat  mit  dem  göttliohea 
Sein  nnr  eine,  und  swar  sehr  schwache,  sehr  nnToUkommene 
Ähnlichkeit.  Wir  wissen  von  Gott  weder,  was  Er  Ist,^  d.  h.  wir 
können  weder  seine  Wesenheit,  noch  sein  Dasein,  wie  es  in 
sieb  besohafien  ist  Diese  Wesenheit  und  dieses  Sein  sind 
Gott  „eigentümlich".*  Die  Art  der  Beseichnung  in  den  Ans- 
sagen,  die  wir  über  die  Dinge  machen,  folgt  unserer  Anfiassungs- 
weiso.  Die  Aussagen  bezeichnen  die  Konzeption  von  den  Dingen, 
die  wir  begreifen,  wie  Aristoteles  bemerkt  Unser  Verstand  faUt  nun 
das  Sein  in  der  Weine  auf,  wif»  er  es  in  den  GeRchöplen,  woraus 
er  seine  Kenntnisse  schöpft,  tiudet.  In  den  Geschöpfen  ist  aber 
das  Sein  nioht  snbsistent,  sondern  es  inhäriert.  Und  doch 
bat  unsere  Vernunft  geftinden,  dafs  es  ein  subsistentes  Sein 

'  cfr.  de  potentia  q.  7.  a.  7.  '  cfr.  1.  c.  ad  1««".  "  ffr.  Compend. 
Theol.  cap.  27.  '  cfr.  1.  p.  q.  3.  a.  4.  ad 2"".  —  i.  coutr.  bunt.  cap.  12. 
—  ib.  8.  GSp.  89.  —  de  potent  7.  a  2.  ad  *  de  Teritats  q.  21. 

a.  4.  ad  7v». 


Zur  Theorie  des  Bewulsueius  im  AUgemeioen  etc.  221 


gibt  Obgleich  Bon  das  Wort:  Sein  naoh  Art  dee  Konkreten 
beseicbnet^  so  aohtot  unser  Veratand  doch  nichts  wenn  er  Gott 
das  Sein  beilegt»  anf  diesen  Modos  der  Beaeiohnnng,  eoadem 
anf  das»  was  dantit  beseichnet  wird.^  Wenn  wir  also  rem  Sein 
der  Kreatur,  dem  Vollkommeneten*  in  den  GeaebopfeD,  anf  das 
Sein  Gottes  schlieiben,  dessen  Besebaffenbeit  erforseben  wollen, 
80  dürfen  wir  nicht  bei  dem  Sein  des  TorzÜgliohsten  Geschöpfes 
fitehen  bleiben.  Das  Sein  Gottes  ist  gau^  audcicr  Gattung 
und  Art.  Ja,  es  ist  über  alle  Gattungen  und  Arten.  Der 
Öchlul»  ipI  darum  nur  ein  analoger  und  sagt  mehr,  was  Gott 
nicht       als  was  er  ist. 

 >-«S>-<  

ZUR  THEORIE  DES  BEWUSSTSEINS  IM  ALLGEMEINEN 
UND  DER  WILLENStREIHEiT  LVl  BESONDEREN.  ^ 

Ton  Db.  M.  glossner. 

Unter  den  Thatsaclieo  des  Bewulstseins  ist  es  die  Freiheit  in  unseren 
NftDdlangeo,  die  vor  allen  soderen  dureb  ihre  «rissensdisfltliebe  Bedentung 

un  l  ihr  prakti-rhes  Interesse  die  Aufmerksamkeit  des  Forsclifrs  und  den 
.-»cbarfsinn  des  Moralisten  und  Apologeten  in  Anspruch  nimmt.  So  mächtig 
aämiich  auch  das  Bewulstsein  freier  Selbstbestimmung  in  unseren  über- 
legten Hsndlangen  sich  geltend  macht,  oDd  obgleich  Freiheit  die  Gruod- 
Im^'c  df'9  gesamten  individurllen  nnfl  «^ocinlrn  siftHchoii  Lebens  bildet, 
&a  geataUet  sich  doch  dieselbe  Freilieit  zum  wisseuscbatUichen  Problem, 
■olMdd  sie  lu  gewisien  Wskrheiten,  id  es  der  physiksliscben  und  psycho- 
logischen, sei  es  der  metaphysischen  Ordnung  in  Beziehung  gesetzt  wird. 
In  der  letzteren  Beziehung  igt  es  die  Erkenntnis  Abhängigkeit,  in 
welcher  alles  Gescbatfeue  im  Sein  wie  in  der  Thutigktit  von  (iott,  der 
ersten  und  allumfassenden  Ursache,  gedacht  werden  mufs.  Mit  dieser 
Abhftnirigkeit  »cheitit  rinn  wirkliche  freie  Sclbstbestimmiinjr  nicht  zusammen 
bestehen  zu  könueo.  Freiheit  —  so  scheint  es  —  bedeutet  soviel  als 
Unsbh&Dgigkeit;  SellNtbestimnioDf  scblieftt  so  wird  tob  Tielen  be- 
hauptet —  das  Bestimmtwerden  durch  irgend  eine  andere  auch  die 
b^tchste  Unscbe  aus.  Wie  bekannt,  geben  die  theologischen  Schulen  in 


*  de  potent,  q.  7.  a.  2.  ad  Tum.   «  1.  c.  ad  9"«». 

*  Fr.  OttndlialT  F'«>ldn«»r,  O.  P.  Die  Lehre  de»  M.  Tliomas  von  .\qniij 
über  die  Wiliensfreilieit  der  vcrnünHij^fn  Wosi-n  (Jrae  1>-;mi.  —  Henri  BerKSon, 
Ewai  sor  les  donnees  inimMlates  de  la  conMlence,  Paria  ie89.  -  U.  Bcrgvon. 
Quid  Aristotelefl  de  loco  senMril.  Paria  ISN.  —  Or.  J.  Wolff,  das  BewaMsem  «nd 
•eia  Ol^t.  BerUn  1S8S. 


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222 


Zur  Theorie  des  BewaXBtsoins  im  Aii^umeineu  etc. 


der  Behaodluog  und  Lftsuag  dieses  ProUleois  verscbiedeoe  Wege,  lü  der 
engeren  tbonistiBchen  Sehnte  wird  der  göttliche  Btnfludi  mf  den  freien 

Akt  der  geschaffenen  Intelligenzen  als  Voransbewegung  (praemotio,  prae- 

determioatio)  des  Willens  zur  Selbstbestimmung  Ruf?efafst,  ein  zweifellos 
ffenialer  Gedanke,  vorausgesetzt,  dafs  er  sicli  ohne  Widerspruch  durch- 
fuhren l&Tst. 

1.  !'  Fi' hin  er,  der  sich  in  seiner  neuesten  Schrift  über  die 
Wlllensfreiheii  der  veroOnfiigea  Wesen  nach  der  Lehre  des  hl.  Thomas 
anft  neue  nie  einen  giUndUehen  Kenner  der  Sdiriflen  dee  «igKsdken  Ldirem 

erweist,  führt  den  eben  angegebenen  Grundgedanken  des  tbomistischea 
Systems  in  dem  Sinne  aus,  dafs  der  geschaffene  Wiüo  als  ein  in  gewissem 
Sinne  passives  Yermögeu,  aus  dem  Zustand  der  Passivität  und  Poten- 
zialit&t  in  den  der  Aktualität  tthergefllhrt  «erden  niflise,  nm  die  Thlliff- 
keit,  die  von  einem  aktiullrn  Princip,  vom  Vermögen  im  Akte,  aasgeht, 
SU  Selxen.  Zu  diesem  Zwecke  untersucht  der  Verfasser  zuerst  die  Natur 
dei  Willens,  sowie  das  Wesen  und  die  Orondlage  der  Freiheit.  In  der 
Definitiou  des  Willens  bildet  das  Genus  die  Neigung  za  einem  (von  der 
Vernunft)  vorgestellten  Objekt;  die  Differens  aber  liegt  darin,  dafs  der 
Wille  diese  Neigung  sich  selbst  gibt  oder  bestimmt.  Auf  diese  Selbst- 
bettimnung  legt  der  englische  Lehrer  das  Haoptgewieht,  besteht  aber 
andererseits  obrnso  rntsrhiodcn  auf  der  praomotio  pbysira  (S.  12).  Der 
Wille,  obwohl  eiu  weseotiicU  geistiges  Vermögen,  ist  doch  nicht  an  sich 
Veninnft,  sondern  der  Vernunft  teilhaft,  sofern  er  von  ilir  geleitet  wird 
nnd  ihr  gehorcht.  Objekt  des  Willens  ist  eine  Sache  nie  Qot,  sofern  sie 
als  solches  durch  das  Erkenntnisvermögen  dem  Wülen  vorgestellt  wird. 
Im  Objekte  hat  das  Wollen  des  Guten  im  Aligemeinen  seinen  Grund. 
Dm  Objekt,  das  erkennte  Out  bewegt  den  Wilwn  nor  objeictiv,  speei* 
ficierend,  nicht  subjektiv,  selbst  Gott  als  dem  Wiüpn  diirrli  das  Erkennt» 
nisvermögea  vorgeitelltes  Gut  bewegt  denselben  nur  objektiv,  nicht  sub» 
jektiv,  da  er  hienieden  nicht  seinem  Wesen  nach  erkannt  wird  (S.  12  ff.). 
Durch  das  Wollen  des  Guten  im  Allgemeinen  ist  die  Natur  des  Willens 
bestimmt:  der  Wille  will  das  Gute  im  Allgemeinen  notwendig.  Diese 
Notwendigkeit  betrifft  jedoch  nur  das  Objekt  und  es  ist  nach  dem  Wort- 
lint  des  eoglisdien  Leiirers  nldit  nn  eine  snbjidttive  NotwendiirW^  (qnoid 
exercitium  actus)  zu  df■nl^pn.  Hinsichtlich  des  Aktes  ist  der  Wille  jeder- 
zeit frei;  in  dieser  Beziehung  ist  von  einer  Notwendigkeit  überhaupt  nicht 
die  Rede.  Diese  Lehre  ist  entscheidend  für  die  ganze  Frage  und  bietet 
den  Scblussel  zur  Vereinbnrang  von  physischer  Vemoshewegoag  and 
Freiheit  (S.  30). 

Die  Lehre  des  hl.  Thomas  von  der  Naturnotwendigkeit  des  Willens 
iit  in  den  twei  Sitsen  ausgesprochen :  1.  die  Notwendigkeit  boi^t  sidi 

auf  kein  in  der  Wirklichki  it  vorhandenes  Gut,  selbst  Gott  wird  hienieden 
nicht  mit  Notwendigkeit  gewollt;  das  notwendig  gewollte  Gut  im  Allge- 
meinen ist  daher  nicht  objectum  quod,  sondern  ratio  volendi.  2.  Qnoad 
exereitium  actus  ist  der  Wille  vollkommen  frei  selbst  im  WoÜen  der 
Glürksoüpkeit,  Der  Verf.  bestreitet  daher  die  Ansicht,  dafs  Gott  den 
Willen  subjektiv  (per  modum  agentis)  zum  i/uten  im  Allgemeinen  bew^e. 
Wäre  dies  der  Fall,  so  wOrde  der  Wille  immer  acta  wollen  nnd  könnte 
nur  durch  Gewalt  von  diesem  aktuellen  W^ollen  (der  Glückseligkeit)  ah« 
go7.ogen  werden;  nach  dem  hl.  Thomas  aber  will  der  Wille  nicht  immer 
actu  das  höchste  Gut. 

Eine  natürliche  und  notwendige  ist  die  Neigung  zum  Objekte  nnr 
formaliter,  nicht  materinliter,  sofern  jedes  Gut,  das  begehrt  wird,  ratione 
boni  begehrt  wird,  kein  üut  aber  materiell  als  dieses  Gut,  denn  hienieden 


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Zar  Theorie  des  Bevrafittemi  im  AUgemeineo  etc. 


223 


kann  der  Mensch  seine  Glflckselipkcit  in  den  versclnodensten  Gütern 
tucbeo.  —  Die  natürlicbe  Notweudigkeit  verstöfüt  also  uicbt  gegen  die 
Fnibeit  and  die  Behauptung  ihrer  UoTeremtiarkeiC  darf  nicht  mit  dem 
Hinweis  aof  Jansenius  als  unzulässig  liingestellt  werden.  (Diese  Beiner- 
kacg  ist  richtig;  denn  d'w.  natürliche  Notwendigkeit  bildet  ja  das  Fun- 
dament der  Freiheit;  dagegcu  darf  die  Freiheit  nicht  formell  als 
Freibeil  vom  Zwange  bestimmt  werden,  wesbälb  es  Tadel  verdienen 
wnrdp,  wenn  man  die  Vereinbarkeit  ron  XotwendipVeit  utkI  Frpiln^it 
ohne  jede  Biaschr&nkung  behaupten  und  die  pbyäica  praemotio, 
damit  verteidigen  wollte,  dafe  tie  dem  Willen  keinen  Zwang  aoferlege.) 
S.  24  ff.  Freiheit  bezeiclinet  nicht  einen  Habitus,  auch  nicht  Toten/ 
und  Habitus  in  eins  zusammeegefafs!,  sondern  eine  Potenz  absolut  ge- 
nonmieu.  hie  ist  nichts  anderes  alo  (ias  geistige  Strebevermögen  in  Be- 
aieiiang  lur  Vernunft  (S  bbi  Der  Wille  ist  Sitz,  Subjekt,  die  Vernunft 
"Wurzel,  Ursache  der  Freiheit.  „Im  Wollt'n  als  Pntfn:'.  nls  gfistigem 
Vermögen  der  Seele  liegt  formell  die  Freiheit  der  vernünftigen  Wesen/ 
8.  62.  Um  das  innerste  Wesen  der  Willensfreiheit  au  erkennen,  ist  die 
aktive  und  passive  Potenz  zu  unterscheiden.  Der  Wille  ist  in  doppelter 
Hinsicht  passiv,  sofern  er  zuerst  in  Potenz  ist  und  in  den  Akt  übergeben 
laufs,  um  thiitig  zu  Sein,  nnd  sofern  seine  Thätigkcit  in  ihm  aufgenommen 
and  er  dorcb  sie  vervollkommnet  wird.  Die  Autwort  auf  die  Frage, 
welche  Indtffereos  dem  Willen  wesentlich  sei,  läf^t  sich  in  folgenden 
Sitzen  geben:  1.  die  objektive  und  zwar  aktive  Indiiferenz  ist  für  die 
Freiheit  der  geistigen  Wesen  absolut  notwendig ;  2.  znr  Freiheit,  an  and 
für  sieh  genommen,  gehört  nicht,  dafs  der  Wille,  objektiv  oder  subjektiv 
passiv  oder  privativ  inriiffercnt  sei,  die  rein  aktive  und  positive 
Jndifferenz  reicht  dafür  volikommeu  hin.  S.  69.  I^ie  aktive  Potenz  ver- 
bilt  sieli  der  Thitigkeit  als  einem  Aeddens  gegenQber  passiv,  weil  sie 
Subjekt  ist,  d  m  dii  srs  A  ridpns  inhäriert.  „Aus  dieser  Lehre  folgt 
mit  strengster  otweudigkeit,  dafs  in  den  Geschöpfen  zum 
Unterschiede  von  Gott  die  aktive  Potenz  und  der  Akt  oder 
die  Thitigkeit  sieh  real  unterscheiden."  —  3.  Die  eigentliche 
und  formelle  Indifferen?:,  durch  welche  die  Freiheit  konstituiert  wird,  ist 
die  aktive;  in  den  Geschöpfen  ist  jedoch  diese  aktive  Indifferenz  mit  einer 
Potenatalttit  oder  passiven  Potent  verhooden.  In  diesem  passiven  Zo- 
Stande  kann  die  Freiheit  des  "Willens  nicht  ihren  formellen  Grund  haben; 
dieser  liegt  vielmehr  in  einer  besondern  HeschatTenbeit  der  aktiven 
Potenz,  des  Willens  in  actu,  der  seine  Thätigkcit  aus  selbsteigener  Be> 
stinmong  ansaht  oder  unterl&fst.  (S.  75.)  4.  Die  aktive  Indifferenz,  die 
per  se  konstitutives  l'rincip  der  Freiheit  ist,  bezieht  sich  oi^rrntlich  nur 
auf  die  Thitigkeit,  den  Akt  (indifferentia  exercitii),  nicht  auf  den  Uegen- 
ttand  (indÜf.  specilleationis)  8.  77.  6.  Die  aktive  Indifferens  in  Bezug  auf 
die  Thitigkeit  schliefst  per  aeddens  die  Indifferenz  hinsichtlich  der  Ob- 
jekte ein  und  hangt  f  lM-nso  per  accidens  dsvon  nb  DiV  letztere  ist  die 
erste,  entfernte  (iruiuilage,  radix  libertaiis,  nicht  aber  luruiell  und  we- 
teatlieh  die  Freiheit.  8.  81.  Die  praemotio  physica  erhebt  den  Willen 
»TIS  (IfTTi  Zust^iul  der  Potenzialität  in  den  der  Aktualität,  beeintrichtigt 
also  die  Freiheit  nicht,  da  diese  formell  dem  Willen  in  actu  zukommt, 
der  infolge  der  gOttUchen  Toransbewegung  zwar  nnfehlbar,  aber  selbst- 
tbitiff  die  Thitigkeit  setzt.  8.  83  Objekt  der  Wahlfreiheit  ist  alles, 
was  durch  das  Wollen  des  Endziels  und  des  Guten  Oberhaupt  nicht  be» 
ftimmt  ist,  also  die  Mittel  zum  Endziel,  die  Tbatigkeit  selbst  (als  ein 
partikalires  Out)  endlich  die  Hinordnang  sam  Endaiel,  Indem  der  Wille 
Hiebt  allein  nach  dem  wahren,  sondern  attch  nach  dem  Scheiagute  streben 
Jahrbuch  Ittr  PhllMophie  etc.  VI.  15 


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22i 


Zur  iheorie  des  BewuisUeiog  im  Allgemeinen  etc. 


kaoo.  Im  Weien  der  Freiheit  aber  ist  so  wenig  die  Mtelicbkii^  du 
BMe  ta  woHeo^  ah  dfe  UnabbAogigkeit  eingetehlMBen.  Denn  vat  dba 

Letztere  betrifft,  so  ist  nicht  alles,  was  Priooip  ist,  erstes  Princip, 
Tielmehr  voUzipht  sich  die  freie  Selbstbestimmung  des  endlichen  Willens 
nar  unter  dem  Einäufs  der  göttlichen  Vorausbeweguag,  die  im  Sinne  des 
hl.  Thomas  keinniregs  in  einer  ootwendigea  tubjektivm  Bettimmiiiig  des 

Willens  zum  Guten  im  All^renieinen  zu  suchen  ist.  S.  109  ff. 

Haben  wir  bisher  im  ersten  Kapitel  an  der  kundigen  Hand  des 
Verf.  die  Lebre  des  bl.  Thomas  Aber  den  Willen  als  Potenz  keasea 
gelernt,  so  fflhrt  uns  das  zweite  Kapitel  in  die  Bestlmmuogen  Ober  die 

Thatißkpü  des  Willens  ein.  Dio  üntersnchnni^  erstreckt  sich  Aber 
den  WilicQsakt  und  das  Verhakuis  der  Tbätigkeit  zu  ihrem  Priocip, 
uro  dareh  dfe  Erkenntnis,  dafls  nar  der  Wille  im  Akt  Prindp  der  Thft- 

tigkrit  ri.  dem  dritten  Kapitel,  das  ex  profpssn  vom  Einflufi  Gottes  auf 
den  kreatUrlicben  Willen  handelt,  die  (Jrundlasre  zu  unterbreiieo.  Der 
Wille  ist Thätigkeitsprincip  als  wirklicher  Wille  —  voluntas  iu  acta;  um 
aber  dies  zu  sein,  mufs  er  aus  dem  Zustande  der  Fassirittt  und  Potea- 
zialität  in  den  dor  Aktualität  und  Aktivität  nh^rgeführt  werden.  Diese 
Überfahrung,  in  welcher  sich  der  Wille  passiv  verhält,  ist  das  Werk  der 
praeraotio  physica,  die  deshalb  zwar  nicht  xettlieb,  wohl  aber  nrsacUidi 
dnr  Tbätigkeit  des  freien  Willens  vorangeht.  Dagegen  verhält  sich  der 
Wille  iu  actu  nicht  mehr  rein  passiv,  sondern  ist  selbstthatig.  wenn  auch 
in  kausaler  Abhängigkeit  vom  göttlichen  Kiuflufs,  der  jedoch  in  diesem 
Betracht  zum  concnrsus  simultaDens  wird,  sofern  er  nicht  mehr  allein, 
sondern  mit  dem  Willen  xnsammen  wirkt.  In  dieser  Auffassung  ist  die 
allgemein  anerkannte  Wahrheit  wirklich  zur  Geltung  gebracht,  <Ufs  alles 
Sem  and  alle  VoUkommeDhett  des  Geseböpfes  ans  Gott  stammt,  wftbrend 
nach  der  Theorie  des  blofa  simultanen  Konkurses  vielmehr  umgekehrt  der 
göttliche  Einflufs  selbst  durcl!  die  t,'H«rbApflirhp  Thätigkeit  eine  formelle 
und  vervollkommnende  Üestimmung  erfahren  wurde.  Aber  auch  die  ge- 
schöpfliche Freiheit  bleibt  aufrecht,  denn  an  die  göttliche  Vorausbewegung 
ist  die  Tbätigkeit  zwar  unfehlbar,  aber  nicht  notwendig  geknüpft,  da  die 
Potenz  des  Gegenteils  vorhanden  bleibt  und  so  wenig  aufgehoben  wird, 
als  dies  geschähe,  wenn  der  Wille  dnreh  sieh  selbst  aus  dem  Zustande 
der  passiven  Indifferenz  zur  Aktualität  sich  erheben  würde.  Ha  das  Ge- 
schöpf nicht  l  irrnfll  zwar  und  bestimmend,  wohl  aber  stofflich  in  die 
göttliche  Aktion  eiazufliefsen  und  ihre  naturgem&fse  Wirkung  zu  vereiteln 
▼ermag,  so  kann  die  SQnde  in  keiner  Weise  Oott  sugeredinet  werden, 
und  bietet  üliprh:iiipt  in  diosrr  Hinsicht  das  thomistischr  System  dor 
Thcodicee  keine  gröfseren  Schwierigkeiten,  als  die  entgegenstehende  der 
rein  simultanen  Mitwirkung.    (S.  145 — 271.) 

Unumwunden  mufs  anerkannt  werden,  dafs  dem  scharfsinnigen  und 
schlagfertigen  Verf.  die  Widerlegung  der  Ansicht,  dafs  die  göttliche 
Vorausbewegung  im  Sinne  des  englischen  Lehrers  sich  auf  das  notwen* 
dige  und  natQrlicbe  Wollen  des  Oaten  im  Allgemoineo  besefarinke,  toII- 
komriT^;!  gelungen  ist.  Man  hat  sich  hierfdr  mit  Unrecht  auf  1.  2.  qu. 
y  art.  (j  ad  3  berufen.  In  dieser  Stelle  liegt  nicht,  was  man  in  ihr  zu 
finden  glaubte,  dafs  Gott  den  Willen  nur  zum  WoUeu  im  Allgemeineu 
bewege.  Ks  ist  hier  von  der  verschiedenen  Art  und  Weise  die  Rede, 
wie  Gott  im  Reiche  der  Xatnr  tin  !  der  Gnade  wirkt.  Deus  movet 
voluntatcm  hominis  sicut  universalis  motor,  ad  universale  objectam  vo- 
luntatis,  quod  est  bonnm,  et  sine  hae  nniversali  motione  homo  non 
potest  aliquid  velle;  sed  homo  per  rationem  determinat  se  ad  volendum 
hoc  vel  illud,  quod  est  rere  bonnm  rel  apparens  bonnm.  Sed  tarnen 


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Zur  Theorie  des  BewuTstseiDS  im  Allgemeinen  etc. 


225 


iflterdum  specialiter  Dens  movet  aliquos  ad  aliquid  determinate  volendum, 
qjiod  est  bonum,  sicnt  in  bis  quos  movet  per  gratiaro,  nt  infrn  direttir. 
l>fta  universale  darf  ia  diesem  Texte,  soiern  es  von  Gott  ausgesagt  wird, 
sieht  in  dem  Sinne  dea  nnifmnle  io  praedicando*  sondern  mnA  in  dem 
dos  un.  in  ransnnrjo  crnnmmfn  worden,    d'ott  howegt,  will  der  englische 
Lehrer  sagea,  in  der  natürlichen  Ordnung  innerhalb  der  Spb&re  des  aiU 
gemeinen,  natürlichen,  des  Vcrnuuft-Gutes,  an  welchem  jedes  partikuläre 
Gnt  participiert  and  zwar  so,  dafs  der  ge8chö))fUebe  Wille  seiner  Natur 
entsprechend  sich  selbst  hetbätigt,  frei  unter  den  vprschipdenon  zu  dem 
Endziel  wenigstens  anscheinend  nicht  im  uotweodigea  Zusammenhang 
»tehenden  Gütern  w&hlt.  Dagegen  in  der  abematOrlicnen  Ordnung  bewegt 
er  zu  einem  speziellen,  d.  i.  übernatarlichen  Onto^  fne  es  seiner  speziellen 
Liebe  entspricht.  Ks  ist  sonach  die  Bestimmung  zu  den  einzelnen  Akten 
in  der  natürlichen  Ordnung  nicht  ausgeschlossen,  sondern  nnr  gesagt, 
diüi  Oott  in  dieser  Ordnung  den  Willen  genilfii  dem  nilgemeinen,  d.  i 
in  aller  natOrlichen  Willensthätigkeit  gewollten  Gute,  dem  bonum  ratio- 
nale im  Unterschiede  vom  flheruatürlichen  Gute  bewegt.    Es  entspricht 
daher  sowohl  der  Lehre  des  hl.  Thomas  als  auch  der  Wahrheit,  wenn 
der  Verf.  der  göttllelien  Kansalltftt  einen  bewegenden  und  bestimmenden 
Eiuflufs  auf  die  einzelnen  Akte  des  Willens  zuschreibt.    Ein  f  ilrber 
Kiotluia  kann  die  F'reüirit  nicht  schädigen,   da  sie  wesentlich  nicht  iu 
der  passiven  Indifferen;;;;,  über  welche  die  praetnotio  physica  den  Willen 
empcurhebt,  sondern  in  der  aktiven  Indifferenz  besteht.  Gleichwohl  bleiben, 
wie  es  bei  einem  Problem  von  solcher  Tiefe  und  Weite  r:;tür]irh  erscheint, 
sowohl  bezüglich  der  Lehre  des  hl.  Thomas  als  der  Sache  selbst  Schwie- 
rigkeiten bestehen,  die  eine  weitere  PrAfnng  und  Untersuchung  erheischen. 
Dahin  gchdrt  die  Frage,  wie  der  Wille  in  actu  und  der  thatige  Wille 
sieh  verhalten,  ob  denn  der  Wille  in  actu  real  von  der  Thiitigkeit  des 
Willens  sich  unterscheide  und  nicht  vielmehr  der  Wille  eben  in  der 
Tb&tigkeit  Wille  in  aeto  sei.  (Vgl.  2  dist.  89  qu.  1  art.  1.)  Femer,  wenn 
der  Wille,  sofern  er  durch  die  praemotio  aktuiert  wird,  sich  passiv  ver- 
hält, die  bestimmte  1  hätigkeir  nhpv  unfehlbar  ans  dem  Willen  in  actu 
hervorgeht,  wie  ist  diese  gleichwohl  ein  Werk  freier  Selbstbestimmung? 
Eodlieh  lehrt  der  hl.  Thomas,  daA  der  Wille  vom  Wollen  des  findswMäs 
zum  Wollen  des  Mittels  sich  bewegt,  so  dafs  es  scheint,  dafs  der  Wille 
im  Ubergange  von  der  Potenz  in  den  Akt  keineswepn  nur  passiv,  sondern 
aktiv  sich  verhält.  —  Wir  halten  nun  allerdings  dafür,  dafs  diese  Fragen, 
soweit  es  die  Natur  des  Geftenstandes  erlaubt,  in  Übereinstimmung  mit 
den  vom  Verf.  darf^elegten  Lebren  des  hl.  Thoraas  beantwortet  werden 
kdonen,  und  erinnern  zu  diesem  Zwecke  nur  au  die  zwischen  Suarez  und 
der  Tbomistenschule  ventilierte  Kontroverse,  ob  es  möglich  sei,  dafs  ein 
auf  einem  indifferenten  Urteil  bernbender  Akt  der  inneren  Nötigung 
uoterliegcu  könne.  Die  Thomisten  verneinen  diese  Frage  mit  Mfcht  und 
bezeichnen  damit  den  Punkt,  in  welchem  die  Kechtfertignng  der  prae- 
nietio  phys.  gesnebt  werden  mufii.  Diese  nflmitch  Iftfst  die  eigentliche 
Wurzel  der  Freiheit,  die  in  dem  znflUligon  und  als  solchen  erkannten 
oder     (genommenen  Vt  rhältnis  der  Mittel  zum  Zwecke  liegt,  unangetastet 
liQü  bezieht  sich  ausscbiiefslich  auf  die  Hebung  der  der  geschOpfUchen 
Ffeiheit  anhaftenden  Unvollkommenheit,  d.  i.  der  Potena'alitit  und  Passi- 
^'ität,  ohne  deren  Überwindung  eine  Bethätigung  der  freien  Wahl  unmög- 
lich ist.  —  Die  Schroffheit,  die  man  in  der  Darstellung,  die  der  Verf. 
von  der  thouiistischeu  Lcbre  gibt,  finden  wollte,  ist  nur  scheinbar  und 
erklirt  sich  daraus,  dafs  jede  firOrterung  eine  fortschreitende  ist  und 
die  ia  Betradit  kommenden,  die  volle  Ansicht  der  Sache  nur  in  ihrer 


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226 


Zur  Theorie  des  bewufstseins  im  Allgemeiaen  etc. 


Verbindnnc:  CDthakoiden  Momente  nicht  /mnal  za  geben  venna;^'  Wie 
i»chüD  angedeutet,  lat  aiifser  dem  p^ysischeii  das  moralische,  ideale  Ver- 
halten der  Seele  im  Akt  der  freien  Seibstbestiminang  ins  Aoge  zu  fasseo. 
Wie  Gott  die  Mittel  ztim  Zwecke  frei  wS'thlf,  jpdocli  nhno  rpalen  Über- 
gang vom  JNichtwoUen  zum  Wollen,  so  wabit  auch  der  Wille  frei,  jedoch 
indem  er  von  der  üotbfttigkeit  sor  Thitifkeit  ftbergeht:  ein  Übergang, 
den  er  nur  in  Kraft  göttlicher  Vorausbewegung  vollzieht.  Um  die  ge- 
schöpflirbe  Freiheit  m  verstehen,  tnfissen  wir  auf  die  göttliche  rekurrieren, 
unbekUaimert  um  den  h.inwaud,  dies  heilae  das  Bekannte  und  Käber- 
liegende  durch  das  Fernere  und  Unbekannte  erklären  wollen.  Wie 
Aristoteles  [Pol.  IV  (VII)  IJ  iu  der  Bestimmung  der  Glückseligkeit  und 
ihres  Uotertchiedes  vom  Glack  sich  auf  das  Zeugnis  der  Gottheit  beruft, 
so  aind  wir  befugt,  us  der  Freiheit  des  absolot  akCoalen  göttliebeB 
Willeiii,  in  welchem  ein  realer  Übergang  aus  der  Potenz  in  den  Akt 
nicht  statttindet.  anf  die  Freiheit  des  geschöpflichen  Willens  unter  dem 
Einflufs  der  praemotio  pliysica  zu  schliefsen,  deren  Ziel  und  Effekt  dabin 
gehen,  den  Willen  m  freier  Selbatbestimmnng  in  Bezug  auf  alle  partika- 
Iflren  Güter  zu  rrliohen.  Wir  haben  aber  aufser  der  Ordnung  der  c. 
efüciens  die  der  c.  ünalis  zu  beachten.  In  beiden  Ordnungen  der  Ursachen 
ist  Gott  fflr  den  geschaffenen  Willen  die  höchste  und  darin  liegt  die 
Oewibr  seiner  Freiheit.  Indem  der  Wille  gerade  unter  dem  Eioflof« 
der  physischen  Vormisbewegung  und  durch  sie  beffihipt,  frei  zwischen 
den  partikulareu  Gütern  wählt,  ist  die  Vorausbewegung  wahrbaU,  was 
sie  dem  Sinne  der  Tbemlsten  und  des  Meisters  sellwt  gemäfs  sein  soll, 
einr  N'oransbewegiing  zur  St  Ibstbeweguug  und  Selbslbeätimmung,  und 
der  freie  Akt  eine  selbatthätige  Bewegung  des  Willens  vom  Wollen  des 
Zweckes  (des  höchsten  Gutes)  zum  Wollen  der  Mittel. 

2,  Die  in  P.  Feldners  Schrift  nachgewiesene  Notwendigkeit  der  prae- 
motio pliysicft,  um  die  gescbopfliche  Freiheit  über  den  /n^^tand  der 
Passivität  uud  Potenzialität  zu  erheben,  erfährt  eine  merkwürdige,  wenn 
«ich  keuDieswegs  intendierte  Reebtfert^og  dareb  die  Abhindlung  Berg- 
sons  —  Essai  sur  les  donuces  immediates  de  la  conscieiice 
Paris  lööSi  — ,  deren  ilauptiuhalt  und  eigentlicher  Zweck  die  Verteidigung 
der  Willensfreibeil  gegen  den  physischen  Determinismus  der  Materialisten 
ondden  psychologischen  dt>r  Associationstheorie  bildet.  Als  Grund^'e  iauke 
dieser  Schrift  nämlirli  Irif^t  sich  ancrtdicn,  dafs  der  Mensch  nur  insofern 
frei  sei,  als  er  unabhängig  von  Kaum  und  Zeit,  oder  wie  wir  sagen 
kftnnen,  von  Passivität  and  Potensialittt  sich  betbitift  Bergson  ist  mit 
den  Gegnern  der  Deterministen  nicht  einverstanden,  sondern  wandelt  seine 
eigenen  Wege,  die  an  Kaut  und  die  Verteidiger  der  sog.  intelligiblen 
Freiheit  erinnern.  Freiheit  ist  nach  Ii.  nicht  das  Vermögen,  zwischen 
gkkik  nöKlfeben  Th&tigkeiten  zu  wählen,  sondern  zu  handeln,  wie  es  der 
iT^nerstpn  Statur  und  Tendenz  drs  Ich,  der  individuellen  Persönlirhkeit 
entspricht.  »Wir  sind  frei,  wenn  unsere  Akte  aus  unserer  ungeteilten 
PersOnUebkeit  hervorgehen,  wenn  sie  diese  cnm  Ausdruck  bringen,  wenn 
sie  zu  ihr  im  Verhältnis  jener  undefinierbaren  Ähnlichkeit  stehen,  die 
man  zuweilen  xwischen  dem  Künstler  und  seinem  Werke  gewahrt.  Hier- 
gegen wird  liiun  ohne  Grund  anführen,  dafa  wir  in  diesem  Falle  nur  dem 
allmächtigen  Einflufs  unseres  Charakters  nachgeben.  Denn  unser  Cht* 
rakter  sind  wiederum  wir  selbst;  es  wäre  aber  kindisch,  schliefsen  zn 
wollen,  das  eine  übe  auf  das  andere  einen  Druck  aus,  weil  es  uns  gehel, 
die  Person  in  swei  Teile  tn  serspalten,  in  des  Ich,  das  flBblt  oder  denkt, 
und  das  Ich,  das  handelt  .  .  .  Mit  einem  Worte,  kommt  man  übereio, 
jeden  Akt  frei  zu  neaoea,  der  aus  dem  Ich  uud  dem  leb  allein  hervor- 


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Zar  Theorie  des  Bewuittseina  im  Allgemeinen  etc. 


gebt,  so  ist  (irr  Met,  der  das  Gepr&ge  unserer  Persönlichkeit  trägt,  wahr- 
hmfi  frei;  deDQ  unser  Ich  allein  wird  den  Anspruch  der  Vaterschaft 
dmrmn  erhebea.''  (p.  131.) 

Um  diese  Auffassung  aufrecht  zu  erhalten,  vollzieht  B.  mit  Kant 
<l^n  Kaiserschnitt  an  den  Daten  des  Bewurstseins  und  unterscheidet  einen 
doppelten  Anblick  (aspect)  des  Ich:  ein  fundauieuiaies  Ich,  das  den  Be- 
dingungen der  emplriscliea,  aeUliehen  Dauer  entrQckt  ist,  in 
welchem  sich  alle  (Jefflhle,  Gedanken  u.  s.  w.  dynamisch  durchdringen, 
und  ein  schalteobafies  in  die  nac]t  Analogie  des  äufseren  Raumes  als 
boDoiogenes  Medium  gedachte  Zeit  projiciertes  Ich.  (S.  96.)  „  Dieses  tun- 
dament«le  leb,  wie  ea  ein  noTwAndertea  Bewofstsein  wabraehmen  wQrde, 
wieder  zu  finden,  bedarf  es  r inpr  kräftigen  Anstrengung  der  Analyse,  um 
mit  ihrer  Hilfe  die  inneren  und  lel)endigen  psychologischen  Thatsacheu 
losgetrennt  von  ihrem  in  einem  homogenen  Kaum  zuerst  gebrochenen 
dann  festgewordenen  Bilde  hinzustellen.  Mit  andern  Worten:  unsere 
Wahrnohmungen,  Kmj'tindTingen,  Gedanken.  Willensrecrnnirrn  hiotpn  sich 
unter  einem  doppelten  Anblick  dar:  der  eine  klar,  bestimmt,  aber  unper- 
tönlich,  der  ander«  verworren,  unendlich  beweglich  und  unaussprechlich, 
mü  sieh  die  Sprtebe  teioer  nieht  bemächtigen  und  ihn  ihrer  zeitlichen 
Form  nicht  anpassen  kann,  ohne  seine  Bewegliclikeit  zum  Stillstand  und 
ihn  ins  Bereich  des  Allgemeinen  zu  bringen"  (seiner  indifiduellen  ächat- 
tiening  aa  entkleiden)  S.  97. 

Den  Weg  zu  diesem  Ziele  sucht  sich  der  Verf  durch  die  Unter- 
scheidung zweier  Formen  der  Vielfachheit  (Multiplicität)  und  zweier 
Formen  der  Daner  zu  bahnen,  unter  deren  Einfiufs  jede  Thatsache  des 
Bewofecaeim  ▼ertebiedene  OesUtIt  and  Anseben  annebme,  „je  oaebdeoi 
man  sie  im  Schofse  einer  bestimmten  oder  verworrenen  Multiplicitüt,  in 
der  qualitativen  Zeit,  in  der  sie  entsteht,  oder  in  der  quantitativen  Zeit, 
iu  die  sie  projiciert  wird,  betrachtet."    (A.  a.  0.) 

Dem  dritten  Kapitel,  das  das  eigentliche  Thema  der  Schrift  be* 
handelt,  werden  zu  diesem  Zwecke  zwei  vorbereite  n  Ir  Kapitel  voran- 
gestellt. Das  erste  (S.  1— 5Ö)  behandelt  die  Intensität  der  psycholo- 
gischen Zustände,  das  zweite  (§  57—105)  ihre  Multiplicität  und  den 
Begriff  der  Daner.  Das  erste  Kapitel  enthält  äufserst  scharfsinnige 
Untersuchungen  ührr  das  Intrr;sive  und  Extensive,  Ober  die  tiefer  liegenden 
GefQhle.  über  Muskelanstreugung,  Über  ^affektive  und  repräsentative 
Enpfinonngen*  -~  des  Tones,  Dmckes  und  Gewichtes,  des  Lichtes,  endlieli 
über  Psychophysik.  Um  auf  einige  Einzelbeiten  einzugeben,  so  bemQbt 
sich  der  Verf.  zunächst  den  Begriff  der  intensiven  Gröfse  zu  eliminieren 
und  ihn  teils  auf  qualitativ-psychische,  teils  auf  quantitativ-r&umliche 
Bestimmoogen  aorOeksafftbren.  Der  Ausgang  wird  von  der  Frage  ge- 
nommen, ob  die  herrschende  Ansicht,  dafs  rein  innere  Zustände  durch 
Intensit&tsgrade  sich  unterscheiden,  die  vielleicht  (wie  die  Psychophysiker 
in  der  Tbat  annehmen)  sogar  gemessen,  numerisch  bestimmt  werden 
kftnneo,  richtig  sei.  Der  Verf.  ersiebt  bierin  einen  sehr  dankten  Pnnkt 
end  ein  viel  schwierigeres  Probl'-m  als  gewöhnlich  angenommen  wird, 
(p.  1.)  Man  kann  fflr  den  Hegrilf  der  ^.Intensität"  zwei  Krkliirungen 
suchen,  die  i'ilc  entspricht  der  gewöhnlichen  Annahme,  dafs  B.  eine 
Sensation  aus  aktuellen  Graden  der  Intensität  sich  zusammensetzt,  also 
der  höhere  Grad  nicht  erreicht  wOrde,  ohne  dafs  die  niederen  Grade 
aktuell  durchmessen  wären.  Diese  Ansicht  bewege  sich  in  einem  circulus 
yitiosns;  denn  sie  setxe  voraus,  dafs  der  intensive  Grad  die  minder 
intensiven  enthält,  dufs  sie  sich  also  wie  Zahlen  und  extensive  Gröfsen 
verbalten,  die  sich  aufeinaDderlegen  lassen  und  so  meftbtr  sind. 


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228 


Zur  Theorie  des  BewuCsUeins  im  AUgemeineo  etc. 


würde  sich  datm  nur  fragen,  wie  man  die  Zu-  nnd  Ahnabme  erkennen 
könne,  d.  h.  man  stQnde  wieder  vor  der  urspruogttcbeu  Frage,  ob  die 
Intensit&t  eine  Gröfse  sei.  Die  swelte  Erklirong,  wornach  di«  iBtCDsitlt 
zwar  eine  Gröfse,  jedoch  von  eigener  Art  ist  und  von  der  rxtmsiven 
GrOfse  sich  dadurch  unterscheidet,  dafa  sie  nicht  gemessen  werden  kann, 
umgehe  die  Schwierigkeit,  statt  sie  an  lösen;  denn  wo  ein  Mehr  imd 
Minder  vorhuiden  ist,  da  könne  mid  mQste  nach  einem  gemeinsamen 
MaTse  gesucht  werden.  Nun  könne  man  sich  dip  intpnsivp  (;röf*t>  unter 
dem  Bilde  einer  virtuellen  Ausdehnung,  gleichsam  eines  komprimierten 
Raunes  vorstelleii.  Aaf  dlmem  Weg»  gelange  man  saniehat  tu  dm 
Versuche,  die  Intensit&t  nach  il-^r  Zafil  und  (Iröf^r  der  objektiven  Ur- 
sachen zu  bestimmen.  Wie  sollen  aber  auf  demseihon  Wege  die  Inten- 
sitäten rein  innerer  Zustände  bestimmt  werden,  die  ganz  allein  von  uns 
und  nicht  von  einer  äufseren  Unaebe  aosgehen?  Überdies  reden  wir  in 
der  bestimmtesten  Weise  von  grftfsorpr  und  geringerer  Intensität,  wenn 
wir  innere  Zustände  ohne  jede  Rücksicht  auf  die  äufsere  Ursache  uq- 
mittelbar  vergleichen,  t.  B.  den  Sebnera,  den  uns  daa  AaareüiMn  eines 
Zahnes  und  den  uns  das  eines  Haares  verursacht.  Zwar  könnte  die  Er- 
klärung aus  der  UrÖfse  der  äufsereu  Ursachen  in  dem  Sinne  der  neueren 
Theorie,  dal'a  alle  sensiblen  Qualitäten  auf  elementaren  Bewehrungen  be- 
roh^,  foT^ebildet  and  angenommen  werden,  dafs  wir  bei  Sehätzunn;  der 
Intensitäten  von  einem  unbf stimmtrn  Vorgefühl  jener  „nT^rhrmischen" 
Arbeit  geleitet  werden.  Uiergegeu  aber  sei  zu  erinnern,  dafs  uus  in  dor 
Sensation  nidit  die  etwa  so  Grande  liegeoden  molekAhirea  Bewegungen 
gegeben  sind,  und  dafs  wir  vielmehr  von  der  Intensität  der  Sensation  auf 
die  Grf^Tse  der  Arbeit  schliefsen,  so  dafs  die  Frage  wiederkoUrt  warum 
wir  voii  eiuer  höheren  Intensität  sagen,  sie  sei  grofser  als  die  andere. 
(S.  1-5.) 

Der  Verf.  sucht  nun  im  weiteren  sowohl  an  den  sog.  ticfcrt  n  ^h- 
fnhlen  als  auch  an  der  äufsereu  Anstrengung  und  den  dazwischen  liegenden 
Zostinden  der  Seele  an  zeigen,  dtfs  die  Annahme  venebiedener  Intensi- 
täten qualitativ  gleicher  Zustände  auf  einer  TäuschttOg  beruhe,  die  ent* 
weder  aus  der  damit  verbundenen  gröfseren  oder  geringeren  räumlichen 
(organischen)  Ausbreitung  oder  aus  der  Verwechslung  um  der  Multiplicität 
einfacher  Zastinde,  die  das  ßewnfstaein  nicht  klar  unterscheidet,  entsteht 
(S.  5-23.)  Wie  verhält  es  sich  aber  rr.it  den  einfachen  Empfindungen? 
Auf  diese  dOrfte  die  erstere  Erkläruugsart  Anwendung  finden.  Wir 
schätzen  die  Intensität  eines  Schmerzes  nach  dem  Interesse,  den  ein 
gröfserer  oder  kleinerer  Teil  des  Organes  daran  nimmt.  (S.  27.)  Reprft» 
sentative  Empfindungen  aber  messen  wir  nach  der  Gröfse  des  pfav^isrhen 
Eindrucks.  Wir  assuciiereu  mit  einer  gewissen  Qualität  der  Wirkung 
eine  gewisse  Quantität  der  Ursache.  Bei  Dmek  nnd  Gewicht  ist  es  nicht 
das  Wachstum  der  Empfindung,  sondern  die  Empfindung  des  Wachsturas, 
deren  wir  uns  bewulst  sind.  Gewohnt,  die  Farben  der  Dinge  für  unver- 
änderlich zu  halten,  deuten  wir  die  durch  Veränderung  der  Lichtquellen 
entstandenen  qualitativen  Unterschiede  quantitativ,  d.  b.  als  Intensität. 
Darnach  i)egreift  man  den  Simi  Irr  ])hntoTnetrischen  Experimente.  — 
Die  rsychophvsik  beruht  auf  dem  unbeweisbaren  Postulat,  daiä  die  Sen- 
sationen, welche  Irontinnierlich  wachsenden  objektiven  Lichtpunkten  ent- 
sprechen, durch  quantitative  Differenzen  unterschieden  seien.  Den  Gegneru 
der  Psyrhophysik  aber,  die  Intensitäten  annehmen  und  ihrr<  ^!pfsbarkeit 
bestreiten,  ist  zu  sagen,  dafs  Sensationen  entweder  reine  Qualiiateu  ohne 
Intensit&t  sind,  odar  daft,  wenn  es  intensive  Gröfsen  gibt,  dieselben 
meftbar  sein  müssen.  (8.  34—56 )  Diese  Bemerkung  weist  indes  selbst 


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Zur  Theorie  des  BewufsUeins  im  Aiigemeinea  etc. 


229 


auf  den  Irrtum  bin,  in  dem  der  Verf.  befangen  ist.  Die  iuteositäi  kauu 
gerade  deihilb  wdl  lie  niclit  e&tenBtfe,  tmm  lixtmtlh  Gt^iw  ist,  uur 
indirekt,  Mi  es  naeh  der  Dmcbe  oder  nach  der  Wtrkttng,  gemesaeo 
werden. 

Das  zweite  Kapitel  baodelt  vou  der  Multiplicitftt  der  psycbiicheu 
ZutlBde,  anf  di«  nach  des  Verfassers  Ansicht  der  Begriff  der  Zahl 

ksise  Anwendung  tindnt ,  weil  iu  jf  Jer  Zahl  Ausdehnung  impliciert 
ist  —  toute  idi'e  claire  du  nombre  impiique  uoe  visiou  daos  l'  cspace 
(p.  60).  Aus  diesem  Gründe  sei  Ündurcbdringlichkeit  nicht  blofs  eine 
phjrsische,  erfahrungsm&fsige  Eigenschaft  der  Körper,  sondern  eine  logische 
S'otwcndij^keit,  dif  ?if  !t  aus  der  Nanir  der  Zweiheit  and  Zahl,  doren 
Üegritf  das  Nebeueiuauiier  im  Kaum  eiu&cbliefst,  ergibt.  Daher  sei  das 
Klement,  das  die  Zeit  aflblbar  (sscAbar)  macht,  ans  dem  Raum  in  sie 
c-iupodruiigen.  und  nifisse  die  Zeit  von  der  D:iuer,  die  kein  räumliches 
Kiement  entijail,  unterschieden  werden.  —  Die  Bedeutung  der  Idealit&t 
des  Raumes  sei  übertrieben  worden.  Kant  verwerfe  die  Auffassung  dts 
Raiimea  als  blofse  Abstraktion,  lasse  aber  demselben  soviel  Realität  als 
der  SeFisntidTi  selbst.  Übrigens  sei  die  von  Kant  gegebene  Lösuug  spittleni 
uicht  eruiitUcfa  bestritten  worden.  Auch  die  Lokalzeichentheorie  müsse 
itraaomehr  der  Aktivität  des  Geistes,  der  das  als  qualitative  HeterogeDeitftt 
Gegebeue  unter  der  Form  der  Homogeneität  wahrnimmt,  einräumen,  je 
mehr  sie  die  Verschiedenheit  der  Eindrücke  auf  die  Net/haut  durch  zwei 
Punkte  einer  homogeneu  Oberfläche  betone.  (S.  72.)  \oin  Ilaume,  der 
ursprOnglichen  Form  eines  homogenen  Mediums  dringe  die  Coocepüoa 
♦  iru's  solchen  in  die  Vorstellung  der  Dauer  und  ergebe  die  Zeit.  Aus 
diesem  ürunde  seien  nicht  zwei  Formen  der  Homogeneität  auaunehmeo, 
oodi  veniger  kOnoe  der  Raum  auf  die  Zeit  surflckgefAbrt  werden,  wie 
die  schottische  Schule  versuchte,  denn  der  Gedanke  einer  reversiblen 
Reihe  in  der  Zeit  involviere  bereits  die  Vorstellung  des  Raumes.  Die 
.vierte  Dimension'^  der  Zeit  entspriugc  aus  dem  gegenseitigen  Verhältnis 
der  iufsereo  Bewegung,  in  welcher  keine  Dauer,  und  der  inneren  Succes- 
sion,  die  ohne  wahres  Auseinandersein  ist,  Dauer  und  lU  wepung  sind 
Synthesen  des  Geistes  und  nicht  Dinge  (p.  90).  —  Eine  doppelte  äucces* 
sion  ist  zu  unterscheiden,  die  rein  psychische  in  den  Bewurstseinsznständen 
an  sich,  und  die  seitliche  fOr  die  Vorstellung  des  Subjekts  in  einem 
homogenen  Medium  vorgehende.  Dem  unmittelbaren  Hewuftssein  stellt 
sich  die  Dauer  als  ein  Qualitatives,  nicht  ais  (Quantität  dar  und  bewahrt 
diese  Form,  solange  sie  nicht  einer  symbolischen,  von  der  Ausdehnung 
genommenen  Form  weicht.  Die  psychologische  Analyse  entdeckt  hinter 
dem  Ich  mit  genau  unterschiedenen  Zustanden  ein  Ich,  in  welchem  die 
Succession  Verschmelzung  und  Organisation  bedeutet. 

An  dieser  Theorie  von  Zahl,  Zeit,  Bewegung  und  Raum  haben  wir 
auszusetzen,  dafs  der  Hanm,  '^tatt  auf  Quantität  und  Ort  zurückgeführt 
zu  werden,  als  Form  autgetaist  wird,  die  nur  durch  subjektive  Synthesis 
in  die  Wirklichkeit  hineinspielt.  Das  menschliche  Handeln  ist  keineswegs, 
wie  der  Verf.  will,  von  rriumlichen  und  zeitlichen  Bedingungen  an  sich 
vollkommen  unabhängig.  Wir  wissen  aber,  dafs  jene  Auffassung  der 
Theorie  des  Verf.  vou  der  Freiheit  die  ürumllage  schaffen  soll.  —  Was 
dagegen  Zahl,  Zeit  und  Bewegung  betrifft,  so  geben  wir  zu,  daA  in  Zahl 
und  Zeit  (der  „iriliFrhen"  nämlich,  oder  der  durch  die  Bewegung  der 
Himmelskörper  gemessenen)  ein  quantitatives  Element  enthalten  ist,  das 
ans  der  Bewegung  stammt,  tofem  diese  Ortsverftnderung  ist.  Denn  Zeit 
ist  Zahl  der  Bewegung  nach  dem  Früher  und  Später,  Zahl  aber  entsteht 
dnieh  Unterbrechung  der  KontinnitAt,  ist  also  diskrete  Qoantitilt,  weshalb 


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230 


Zur  ibeorie  des  Bewufgtseios  im  Allgemeioea  etc. 


das  Eiemect  der  Zahl,  die  nuiueriscbe  Eioheit  von  der  traosceodeoUlea 
(ontologischen)  zu  anterscheideo  tet. 

Folgeu  wir  indes  dem  weiteren  Gedankengange  des  Verf.,  der  mit 
Hilfe  seiner  IV**! immun jjpn  von  Succession  und  Zeit  den  DcterminisTn  is 
uberwinden  zu  können  glaubt.  Die  Einwürfe  gegen  die  Freiheit  beruh^a 
auf  einem  felichen  Begriff  von  der  MoUiplieität  der  Bewofttseinsthataachen. 
Betrachte  man  zuerst  den  physischen  ÜeterminisirtK,  so  verliere  die  re-n 
kinetische  Erklärung  der  physischen  Erscheinungen  von  Tag  su  Tag  ao 
Boden.  Die  jüngsten  Experimente  Hirns  besOglieh  der  Gaae  legen  nm 
nahe,  da  Ts  die  Wärme  noch  etwas  anderes  als  Bewegung  der  Moleküle 
ist.  Die  Undulationstlieorie  nnd  die  Hypothese  vom  Lichtäther  scheinen 
unvereinbar  mit  der  liegelniafsigkeit  der  Planetenbewegung  und  den 
Phänomenen  der  Teilang  des  Lichtes.  Die  Frage  der  Elasticitit  der 
Atonip  orrpc'n  srll  ~t  nach  den  glänzenden  Hypothesen  William  Thomsooa 
unüberstc'igliche  Schwierigkeiten.  Endlich  sei  nichts  problematischer  ala 
die  Existenz  des  Atoms  selbst  Nach  den  immer  zahlreicheren  Eigen* 
sehaften,  mit  denen  man  es  bereichern  mufste,  zu  urteilen,  möchte  man 
geneigt  sein,  im  Atom  nicht  etwas  Wiikliche.«,  sondern  den  materialisierten 
Niederschlag  der  mechanischen  Erklärungen  zu  ersehen.  Zwar  scheine 
das  Gesetz  der  Erhaltung  der  Kraft,  unabhängig  von  atomiatisehen  Vor- 
stellnngen,  die  Determination  dor  Hewufstseinsphllnomenp  nach  sich  zu 
zieLen.  Ks  frage  sich  aber,  welche  Ausdehnung  diesem  Gesetze  zu  geben 
sei.  In  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  scheine  es  nicht  einmal  auf  alle 
pkysikalisch«cliemiBeben  Erscheinungen  anwendbar.  Ferner  wenn  die 
Molekülarbewf^pnng:  mit  einem  Nichts  von  Bewnfstsein  Sensation  schaffen 
könne,  könnte  dann  nicht  auch  umgekehrt  Rewufstaein  Bewegung  schaffen 
aus  einem  Niehta  von  kinetischer  oder  potenzieller  Energie? 

Wenden  wir  nns  dem  psychisclien  Determinismns  oder  der  Assncia- 
tion^thcorie  zu,  so  besteht  ihr  l'nreclit  darin,  daf'j  sie  zuerst  das  quali- 
tative Element  des  zu  vollbrinj^enden  Aktes  eliminiert  und  nur  was 
geometrisch  und  unpersönlich  daran  ist,  beibehält.  Frei  ist  nicht,  was 
unabhängig  auf  der  Oherfl.lchn  der  Seele  treibt,  wie  z.  U.  die  Thätig- 
keiten  im  hypnotischen  Zustand,  sondern  was  sich  mit  dem  fundamentalen 
Ich  identificiert.  Daher  «ind  die  wahrhaft  freien  Akte  selten.  Frei  ist, 
was  ans  dem  Ich  allein  stammt  und  mit  ihm  verschmilzt.  Der  Irrtum 
des  Deterministen  und  die  Illusion  des  Verteidigers  der  Freiheit  bestehen 
gleichniafsig  darin,  dafs  sie  vou  Überlegung  und  Wahl  redend  und  einen 
geometrischen  Symbolismus  unter  einer  Art  von  Wortkrystallisation  ver- 
hülle! 1.  1<  n  Vorgang  der  Deliberation  und  des  Entschlusses  in  ein  dem 
Raum  homogenes  Medium  —  die  Zeit  —  verlegen,  wodurch  er  deu  Ge- 
setzen mechanischer  Kansalität  verflUU.  Der  Wählende  bat  zwei  Wege 
vor  sich;  dafs  er  den  einen  mit  Ausschlufs  des  anderen  einschlägt,  mufs 
schon  im  Ausgangspunkte  bestimmt  sein,  also  besteht  keine  Freiheit: 
dies  ist  die  Argumentation  des  Deterministen.  Dagegen  wendet  der  Ver* 
teidiger  der  Freiheit  ein:  dieselbe  besteht  trotzdem,  weil  mir  das  Be- 
wnfstsein sagt,  dafs  ich  ebenso  gut  einen  nndern  und  entgegengesetzten 
Weg  einschlagen  konnte.  Der  Verf.  glaubt  den  Streit  zu  schlichten,  in* 
dem  er  den  ganzen  Vorgang  der  nach  Analogie  des  Ranmes  vorgestellten 
Zeit  entrückt.  „Die  zwei  Fragen.-  wenn  die  zwei  Partieen  gleich  möglich 
waren,  wie  fand  eine  Wahl  statt?  wenn  nur  eine  davon  möglich  war, 
warum  hielt  man  sich  für  frei?  laufen  immer  auf  diese  hinaus;  ist  die 
Zeit  Raum?'* 

Wie  werden  wir  uns  zur  Frage  stellen?  Allerdings  kann  von  den 
beiden  Fällen  der  Alternative,  dem  Entweder-Oder  immer  nur  der  eine 


I 


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Zur  Theorie  des  Bewafstseins  im  Allgemeinen  etc.  231 


realisiert  vrerdpii,  und  es  ist  eine  Absurdifät.  wpnn  ein  Autor  neuesten 
Datums  (v.  Kelde>rg.  das  Gefühl  als  Fundament  der  Weltordnunp)  als 
freies  Haodelo  nur  eiu  solches  gelten  lafst,  das  im  selben  Momente  ge- 
•etst  ond  tofgehoben  wird.  Die  Freiheit  kann  daher  auch  nicht  sora* 
flauen  experimentell  festgestellt  w^rrlrn  Sir-  i];irf  ubpr  anrh  weder  einem 
Mechanismus  der  Association  von  Vorstellungen  überantwortet  noch  in 
einem  Ober  Überlegung  und  Wahl  erhabenen  fundamentalen  oder  reioen 
Ich  gesacbt  werden,  BOiidero  ruht  in  einem  höheren,  geistigen  Vermögen 
der  Seele,  das  sich  «war  unter  materiellen  I^i  liii^rnpfTf^rt.  aber  auch  zu- 
gleich, wie  wir  sahen,  unter  dem  erhebenden  und  btrireienden  Kintlurs 
Qoites,  des  erstes  nnd  absolut  Freien,  «eil  Aktaalen  nad  Immtteriellen, 
bethfttigt.  — 

Drr  Drt-  rmiriist  j;:ibt  indes,  fUlirt  der  Verf.  fort,  seine  Sache  nocli 
nicht  verloren,  Ent^e^not  mau  ilini,  die  vollzocene  Handiung  erscheine 
zwar  als  notwendig,  weil  sie  unter  den  Hedingungt^n  des  Hauroes  sich 
darstelle,  betrachte  man  sie  aber  als  eine  zukünftige,  so  sei  sie  zufällig 
und  frei:  so  rfkurriert  er  auf  eine  Intelligenz,  die  den  zukünftigen 
Erfol?  als  einen  notwendig  eintretenden  voraussehen  würde.  Dieser  Wen- 
dung begegnet  der  Verf.  mit  der  Bemerkung,  dafs  eine  solche  Intelligenz, 
um  die  £ot8cheidung  sicher  vorauszuwissen,  an  die  Stelle  des  handelnden 
Willens  selbst  treten,  die  Zukunft  also  für  sie  in  Ge^'enwart  sich  ver- 
wandein mOXste,  da  ans  dem  Charakter  des  üandelnden  nur  eine  wahr- 
lebehiKehe  Erkenntnis  gesebflpft  werden  liOnnte,  die  Kenntnis  aller  ein- 
fiiefsenden  Umstände  aber  einer  Identificierung  mit  dem  Handelnden  gleich- 
kommen würde.  ^T'm  eino  Kmj  findung  adäquat  771  prliätzen,  rnnfste  man 
alle  ihre  Phasen  uurciigcmacht  und  dieselbe  Dauer  augenommen  haben. 
Wenn  man  also  frigt,  ob  eine  snkOnltige  Handlasfr  Torantgeseben  werden 
könne,  idenlificiert  man.  ohne  es  zu  merken,  die  Zeit,  die  in  den  exakten 
Wissenschaften  in  Frage  kommt,  und  die  sich  auf  eine  Zahl  reducieren 
läfst,  mit  der  reellen  Dauer,  die  anscheinend  Quantität,  in  Wahrheit 
aber  Qonlilit  ist,  und  die  man  nicht  nm  einen  Augenblick  verkQnien 
kann,  ohne  die  sie  erfQllenden  Thatsachen  zu  m od ifi eieren."  (p.  150.) 

Die  Deterministen  ziehen  sich  scliliefslich  auf  das  Kausalprincip 
zurück.  Daher  ist  dieses  ihr  Princip  selbst  anzugreifen.  Mit  der  Frei- 
heit nnYereittbar  ist  dieses  Princip  in  der  Fassung,  die  ibm  durch  die 

kartesianische  Fiiysik  und  die  Philosophie  Spinozas  gegeben  worden  ist, 
und  der  die  T  n  li  nz  innewohnt,  die  Successionsverhültnisse  in  solrho  der 
loh&reuz  zu  verwandeln.  Die  Pr&formation  der  Wirkung  in  der  Ursache 
wird  in  dieser  AnflTassung  anter  einer  natbematiscben  Form,  sls  Identitftt. 

vorgestellt.  Näher  unserem  (»eiste  aber  liegt  eine  andere  Auffassung 
jener  l'raformation,  derzufolge  sin  nach  einem  vom  unmittelbaren  Be- 
wufätsciu  genommenen  Bilde  als  Übergang  von  der  Vorstellung  durch 
eine  Anstrengung  (effort)  zur  Verwirklichung  gedacht  wird.  Hier  erscheint 
iVie  Wirkung  in  der  Ursache  nur  als  ein  Mögliches,  als  eine  verworrene 
Vorstellung,  auf  welche  die  entsprechende  Aktion  vielleicht  auch  nicht 
folgt.  Beide  Auffassungen  sind  mit  der  Freiheit  vereinbar,  die  erstere 
bedingungsweise,  falls  der  wesentliche  Unterschied  des  physischen  Gc- 
^^chchens  und  dos  psychischen  Tlin  lolns  im  Auge  behalten  wird,  die 
letztere  da  si<^  di.'  Koutiugenz  ni  die  Natur  selbst  einflihrt. 

Wir  glauben  weder  die  eine  kartesianisch-spinozistische  noch 
such  ganz  die  andere  (leibni^scbe)  Auffassung  billigen  zu  können.  Der 

Kausalzusammenhang  beruht  weder  auf  einem  Princip  mathematischer 
IdeoUt&t  noch  auf  einer  im  Princip  selbst  liegenden  Zufälligkeit.  Sieht 


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232 


Zur  Theorie  dea  BewafsUeins  im  AligemeiacQ  etc. 


man  von  den  Bcsonderhcüeo  physischen  und  psycbischen  Wirkens  ab, 
so  lle^t  im  Kausalprincip  nur  dies,  dafs  jede  Wirkung  notwendig  eine 
Ursache  hat,  nicht  aber  dafs  die  Ursache  ihre  Wirkung  notwendig  lier- 
vorbringt.  Es  k&nu  demnach  notwendige  und  freie  Ursaclxr'n  ;jpl)en.  Das 
Freie  aber  ist  nicht  identisch  mit  dem  Kontingenten,  \^iewobl  ea  cor 
XontiDgens  (dei  Objekte  der  freien  HtodJung)  in  notwendiger  Korraln^ 
tion  steht. 

TTnspf  schliei'siiches  Urteil  fll)er  die  geistroichon  Rü-onnf-mf^nt«;  Borg- 
sons  gebt  dahin,  dafs  sie  unter  dem  Zeichen  des  schrolien  Üuaiismus  von 
Physischem  und  Psychischem  stehen,  der  die  Philosophie  Deseartes' 
charakterisiert  und  in  anderer  Ferra  im  System  Kants  wiederkehrt  Denn 
auch  Kant  ühpilicfert  wie  Descartes  die  (phänomenale)  Körperwell  ganz 
und  gar  dor  Matlirmatik  und  dem  mechanisch-aufgefafsten  ^us&Iprincip, 
wenigstens  soweit  es  sich  um  die  konstitutiven,  nicht  um  regolntive  Prin- 
cipien  IianJelt.  WiUireiiii  aber  bei  Kant  durch  di"  ^ AnsrhaMtmn'sform'^ 
der  Zeit,  die  dem  Kaum  analog  gedacht  und  mit  diesem  dem  mechanischen 
Princip  überantwortet  wird,  der  Mechanismus  in  die  psychische  Welt 
hiueinspielt  und  dadurch  die  Freiheit  genötigt  wird,  sich  in  die  unerkenn- 
bare Spltäre  des  Ansich  zu  flüchten,  sucht  Bergaon  die  Region  der  Freiheit 
als  Sphäre  der  reinen  Succession,  in  der  die  <^ualit&teD  sich  nicht  bestimmen, 
sondern  durchdringen,  worin  also  im  Gmnde  «bis  Oesets  der  Kaosalittt 
abrreiert  ist,  zu  fassen.  In  dieser  Auflfassung  ist  aber  eber"'o  wie  bei 
Kant  der  Begriff  und  die  Thatsache  eines  freien  Handelns  innerhalb  der 
und  auf  die  Körperwelt  aufgehoben.  Das  Ich  ist  frei,  swar  nicht  ah  blofses 
Nounienon,  aber  doch  nur,  sofern  es  von  jeder  Beziehung  zur  Körperwdt 
losgelöst  ist.  Worin  liegt  der  Fehler  dieser  Theorie?  Eben  in  jenem 
Dualismus.  Auch  in  der  physischen  Welt  herrscht  nicht  ausschlicfslich 
der  Mechanismus  nnd  die  mechanische  in  die  mathematische  Fonnel  xo 
fassende  Kansalität.  Die  Natur  ist  ein  Reich  der  Formen  und  individu- 
ellen Wesen,  denen  der  Mechanismus  nur  als  Mittel  der  Verwirklichung 
dient.  Daher  findet  sich  in  der  Natur  nicht  ausschliefslich  Notweudigkeit, 
sondern  auch  Kontingenz,  und  gestaltet  sie  sich  auf  diese  Art  smn  pas* 
senden  Schauplatz  für  das  Handeln  vernünftiger  und  freier  Wesen. 

Noch  weniger  iat  die  „Natur**,  das  „Physische"  im  Menseben  selbst 
ein  absolutes  Hindernis  dcü  freien  Ilaiuiclns;  zwar  nicht  frei,  ist  es  der 
Vernunft  und  Freiheit  teilhaft,  sofern  Vernunft  uud  Freiheit  die  Herr- 
achatt  darüber  führen.  Die  höchste  Gewähr  der  Freiheit  aber  liegt,  wie 
wir  sahen,  in  der  Kraft  und  dem  wirksamen  Beistand,  den  sie  aus  Gott, 
der  Quelle  der  Freiheit  und  ihrem  Endsiel  sehdpft. 

8.  Das  Problem  des  Ranmes,  das  in  den  üntersnchangen  der  eben 

vorpefü'irtnn  Schrift  cir  r  tief  eingreifende  Rolle  spielt,  hat  derselbe  Ver- 
fasser zum  Gegenstand  eiuer  besoudern,  sehr  verdienstvollen  Abhandlun;^ 
gemacht  unter  dem  Titel:  Quid  Aristoteles  de  loco  senser  it.  Lut. 
Par.  IdSi).  Dero  Standpunkt,  den  der  Verf.  in  der  Theorie  des  Bewufstseins 
einnimmt,  getreu,  g:lanht  derselbe,  dafs  die  Schwierigkeiten,  auf  welche 
Aristoteles  bei  seiner  Untersuchung  des  Raumbegriffs  stiefs,  allein  durch 
die  Kantsche  ünterseheidong  der  Form  nnd  der  Materie,  sofern  sie  mehr 
der  Erkenntnis  selbst  als  den  erkannten  Dingen  angehören,  überwunden 
werden  können,  und  tindet  darin  einen  Kntschuldigungsgrui  <)  filr  den 
Stagiriten,  dal'-»  diese  Unterscheidung  neueren  Datums  sei  und  tast  von 
gestern  datiere  (S.  78).  Jene  Schwierigkeiten  aber  enthielten  den  Grund, 
warum  Aristoteles,  den  Kaum  umgehend,  den  Ort  in  den  Vordergrund 
stellte  (S.  1).   Kr  fafste  nämlich  den  Raum  als  Ort,  in  welchem  die 


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Zor  Theorie  des  BewvfiiUeini  im  AUgemeiaeii  etc. 


233 


Dinge  sind  und  sieb  bewegen,  wifareod  die  Neueren  mit  Kant  die  Er- 

kenDtiiis  in  Form  und  Inhalt  scheiden  und  daher  dio  Qualitäten  (den 
uiaunigt&ltigen  Inhalt  der  Rmpfiodung  und  Wahrnebinung)  für  raumlos 
halten  uod  nicht  nur  die  Dinge  in  wiame,  sondern  nneh  den  Raam  in 

den   Dingen  sein  lassen.    Indem  die  Ausdehnung  von  den  physischen 
Qualitäten  geschieden  wurde,  mnfste  nicht  blofs  ein  Wf>hnort  für  die 
Körper,  sondern  auch  ein  Ort  für  die  Qualitäten,  durch  welche  sie  eine 
Aasdehnung  erlaogteOf  gesucht  werden,  woraus  hervorgebt,  dafs  es  sich 
für  die  Neueren  nicht  mehr  um  den  Ort,  sundern  um  den  Raum  handle. 
Der  Raum  im  modernen  Sinne  als  eine  Form,  die  sich  mit  der  Materie, 
d.  b.  den  sensiblen  Qualitäten  verbindet,  trägt  daher,  auch  wenn  alles  in 
einer  endlich«!  Welt  erfallt  ist,  dun  Charakter  des  Vet  ren  und  Unend- 
Itcben,    "^dft'rn  er  r:'trr;!irh  mir  als  ?^(»rm    liotrachtet  wird.    Eine  Folpe 
dieses  Kaumbegntti»  ibi  die  Möglichkeit  leerer  H&ume,  die  zwar  kerne 
physische,  wohl  aber  eine  mathemstisehe  Existens  besitsen  wOrden,  nim* 
lieh  in  einer  vom  Stoffe  getrennten  Form.  Aristoteles  aber  wurde  durch 
Sän  oietaphysisches  Princip,  dafs  alles  Sein  nach  Qualität  und  Quantität 
bestimmt  und  auch  thätig  sei,  gehindert,  dies  zuzugeben.    Dazu  kommt 
ein  Tfillig  versehiedener  physikalischer  Standpunkt.  Wihrend  die  moderne 
Auffassung  ilie  Hewegung  rein  mechanisch  und  mathematisch  hehandelt. 
nahm  Aristotrk^  r|ualitativ«'  T-nterschiede  in  der  Hewegung  selbst  und 
ihrem  Ziele,  üeiu  Urte  au  uud  erhielt  üo  statt  des  Kaumes»  nach  Gröfse 
und  Qualität  bestimmte  Orte.  Der  aristotelische  Ort  existiert  nicht  vor 
den  Körpern  UV-^  Ii* um.  den  sie  einnehmen),  sondern  entspringt  vielmehr 
ans  der  Ordnung  uud  Disposition  der  Körper. 

Die  aristotelische  Auffassung  des  Ortes  wurde  durch  die  Leibnizscbe 
Monadologie  in  den  Begriff  des  Raumes  übergeleitet.    Nach  Leibnia 
resultiert  der  Raum  aus  der  Disposition  der  Elemente  wie  nnrh 
Aristoteles  aus  der  natUriicben  Ordnung  und  Verwandtschaft  der  Körper 
der  Ort.  Leibnia  lOste  den  kontinuierlichen  Zusammenhang  des  Körpers, 
in  welchem  die  Teile  nur  der  Potena  nach  vorhanden  uod  nur  potenziell 
im  Orte  sind,  in  ein  Aggregat  von  Monaden  auf,  deren  Menge  in  ein 
verworrenes  Bild  der  Ausdehnung  zusammendiei'st,  wie  unsichtbare  Wasser- 
tropfen tu  fiirbigen  Wolken  sich  susammenballen.   „Wenn  wir  die  ari- 
stotelische Unterscheidung  von  Akt  und  Potenz,  soweit  sie  sich  auf  den 
Ort  bezieht,  hin  wegnehmen,  so  zeig^  ?^ich  sogleich  die  Verwandtschaft  des 
Gries  mit  der  Ausdehnung,  und  wir  haben  nicht  mehr  mit  Aristoteles, 
sondern  mit  Leibniz  zu  thnn."  (8.  77.)  Mit  jener  Ünterscheidnng  (des 
.Aktuellen  und  roten/irllrn)  fallt  auch  die  aristotelische  Lösung  der  Frage 
einer  uuendlichen  J'eilharkeit  der  Körper;  es  fcch«Mnt  dann  der  Vernunft 
gemafser,  daf^i  die  Ausdehnung  weniger  aus  den  Teilen  seihst  als  aus  dem 
Verhältnis  derselben  zu  einander  entsteht.  (Ebd.)  Wie  also  der  Ort  aus 
der  Disposition  der  Körper,  so  wird  die  Ausdehnung  aus  der  Zusammen- 
setzung der  Teile  entstehen,  uod  wir  werden  nicht  weit  von  Leibniz  entfernt 
sein,  der  unausgedehnte  Teile  annahm^  in  dem  kontinuierlichen  und  un- 
endlich teilbaren  Bilde  der  Ausdehnung  aber  nur  einen  verworrenen 
Schein  erhlickto,  ilcr  ans  der  Vielheit  tinteilbarer  und  unkörperlicher 
l:Uemente  entspringt.  In  der  Unterscheidung  von  Akt  und  Potenz  liegt 
der  Knoten  der  aristotelischen  Lehre,  sofern  sie  den  Ort  von  der  Ans- 
dehnung  trennt. 

Aristoteles  wQrdc  unserem  .\utor  zufolge  Tadel  verdienen,  wenn  er 
sich  der  Frage,  die  er  durch  seine  Theorie  vom  Orte  wegzuschaffen 
suchte,  (d.  i.  der  Schwierigkeiten  des  ahsointeu  Raumbegriffs)  nicht  he- 
wubt  gewesen  wäre.  Er  ahnte  aber  die  Schwierigkeiten  voraus,  die  aus 


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234         Zur  Theorie  des  Bewufatseias  im  Allgemeiaea  etc. 


uoscrcm  freiea  uad  (voa  aller  Materie  und  Qualit&t)  losgelögten  Kaume 
eatspringen,  und  hielt  %\€  für  onfiberwindlich.  Er  ▼ollte  den  von  Lencipp 
uod  Demokrit  vorzeitig  emancipierten  Raum  ia  der  Weise  anf  dea  Körper 
reduciereo,  dafs  an  die  Stellp  de?  Raumes  dor  Ort,  an  die  Stelle  des  nn- 
«ndlicbea  Schauplatzes  der  Heweguog  das  Eiogeschlos^easeia  begreuzter 
DiDge  in  begreuzten  Diogeo  trat  Durch  dieten  Kunttgriff  begrab  er, 
wenu  man  so  safu  n  soll,  nicht  bloib  den  Raum  in  den  KOrpeni,  tosdom 
auch  die  Krago  selbst. 

Dies  iät  im  weseotlicheo  das  Resultat  der  Schrift  Bergsoas.  Wenn 
wir  seine  geschichtliche  Ski7:ze  weiter  verfolgen,  so  mufste  die  Leibnizscbe 
Auffassung  notwendig  zu  der  Alternative  fuhren,  dafs  der  vermeintliche 
Schein  eiuer  koniinuierlicbea  iiorperwelt  entweder  in  einem  >viiklicben 
leeren  nnd  abtolnten  Räume,  oder  fn  einer  8tth>ktivott  Anedmunngsweite 
begründet  sei.  Das  Erstere  ist  die  Lehre  der  neueren  Atomisten,  flassendi 
an  der  Spitze,  das  Letztere  die  Kants.  Das  Kntwickluiipsziel  dor  Kantseben 
Ansicht  aber  ist  der  Idealismus,  d.  b.  die  Leugnuug  der  Existenz  einer 
Körperwelt  in  einem  noch  schrofferen  Sinne,  als  wir  sie  bereits  hei 
Leibniz  finden:  d  rn  tri't  Vei  diesem  die  Ansdehnung  immerhin  rf  rli 
Schein  wirklicher  Webea,  also  in  einem  gewissen  Sinne  als  etwas  Uhjek- 
tives  anf,  so  werden  in  dem  nachkintschen  Idealismas  jene  Wesen  und 
der  Schein  der  Ausdehnung  zumal  in  das  vorstellende  Subjekt  hineingezogen 
und  als  immanentes  Produkt  einer  unendlichen  Erkenntnis-  und  Willens- 
thätigkeit  betrachtet.  —  Wenn  der  Verf.  selbst  das  Kesultat  seiner  For- 
schuagen  Ober  die  aristotelische  Lehre  Vom  Ort  und  seinem  Verhältnis 
zum  Räume  fflr  ein  dem  Stagiriten  nnpiinsf'>e"^  b&lt,  so  sin-^  ^vir  der  ent- 

Spgengesetzten  Ansicht;  denn  was  wir  als  deu  ivern  derselben  betrachten 
Arfen,  dafs  Aristoteles  durch  seine  Definition  des  Ortes,  ohne  in  die 
sp&tere  subjektive  Auffassung  zu  verfallen,  die  Schwierigkeiten  des  absc- 
Ittten  RaumbegrilFs  vermied,  spricht  zu  Gunsten  der  aristotelischen  Theorie, 
in  welcher  mit  Recht  genau  uaterschiedea  wird,  was  die  Neueren  im 
Begriff  des  nRanms"  xasammenwerfen ,  Ausdehnung,  Ort,  Lage:  eine 
Verwirrung,  die  zur  idealistischen  Auffassung  Kants  und  den  Irrtümern 
des  ehemaligen  rationalistischen  und  gegenwärtigen  positivisUacben  Pha> 
nomenalisrans  führte. 

In  der  Darstellung  der  aristotelischen  Lehre  vom  Orte  le?t  der 
Verf.  zuerst  die  Gründe  dar,  durch  welche  Aristoteles  die  Existenz  des 
Ortes  zu  beweisen  sucht  (I).  Hierauf  folgt  die  Erörterung  der  Schwierig- 
keiten des  Orts-  nnd  Ranmbegriffs  (II),  denen  der  Grandgedanke  gemein- 
sam  ist,  dafs  der  Ort  etwas  tür  sich  Bestehendes  sei,  was  Aristoteles 
durchaus  nicht  zugibt.  —  Nachdem  ferner  gezeigt  ist,  dafs  der  Ort  weder 
der  Körper  selbst  noch  ein  Bestandteil  oder  eine  F^igenschaft  desselben, 
noch  ein  nach  Entfernung  des  Körpers  entstandenes  Leeres  BCi 
gelaugt  die  bekannte  aristdtelische  Definition  des  Ortes  als  der  unbewegf- 
lieben  Grenze  des  Knthaitenden  oder  Umgebenden  (IV.  V.  VI)  zur  Dar- 
stellung. Bezüglich  der  Bestimmung  des  „Umgebenden*  gibt  der  Verf. 
den  aristotelischen  Gedanken  mit  den  Worli n  :r  !er:  Mouilis  res  in  re 
mohilt  si  moveainr,  baec  autem  contineatur  in  niohili  tertia,  mobiles 
roobilium  rerum  terminos  halerous,  per  quos  si  progrediendo  transierimas, 
terminnm  quem  prtmum  in  itinere  nostro  reperiemus  esse  immobilem,  eum 
vere  locum  esse  statnemus  fp.  49).  I'as  Streben  muh  dem  nntürlichpH 
Orte  ist  oicbt  als  Anziehung  zu  erklären,  sondern  so  zu  verstehen,  dafs 
die  Erde  im  Wasser  a1«  ihrem  natflrlichen  Orte  ruht,  in  einem  andern 
Hlt'mtnte  aber  sich  bewegt.  Jedes  Element  setzt  sich  zu  den  übrigen 
gleichsam  von  selbst  in  jenes  Verhältnis,  das  seiuer  Stellung  zum  Ganzen 


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Zur  Theorie  des  Bewufstseias  im  AlljTfmoiuen  etc.  235 


uad  dem  Nutzen  desselben  entspricht.  In  voürm  Sinne  des  Wortes  ist 
der  allumfasseude  Himmel  Ort.  Jenseits  des  Hinimeis  aber  kann  weder 
ein  Ort  noch  ein  Körper  seiu;  denn  da  durch  die  Elemente  die  Toteuz 
der  Materie  voIlBtftadig  tktaiert  ist,  bo  würden  dti  jenteics  des  Himmels 
befindlichen  Elemente  ihrem  natürlichen  Orte  in  unserer  Welt  zustreben, 
und  es  w&re  demoach  do<A  nur  eine,  nämlich  diese  bestimmte  gegeu- 
virtige  Welt.  IntereBBftnt  ist  die  Lösung  der  Schwierigkeit  (Vll  u.  VlII), 
dftfe  nach  Aristoteles  die  Elemente  und  der  Himmel,  der  uoiTemle  Ort, 
seihst  iu  Bewegung  sind.  Der  Himmel  ist  unbewegt  ah  Gaiizps.  bewegt 
micb  8emea  Teilea.  Während  nämlich  in  der  geradlinigen  Bewegung  die 
Teile  durch  das  Ganse,  ist  io  der  Kreisbewegung  das  Ganze  durch  die 
Teile  bewegt.  Die  Elemente  aber,  obgleich  beweglich  und  bewegt,  ver- 
bal tpn  sich  insofern  ähnlich  wie  der  Himmel,  als  sie  gewissermafsen  durch 
Yerwaudtschaft  ein  Ganzes,  bildend,  nach  den  Teilen  —  in  einander  über- 
gehend —  sich  bewegen.  Ahnlicbes  gilt  vom  Körper  bezflglieh  des  ersten 
oder  närhsten  Ortes,  indem  snine  Bewegung  eine  Kreisbewefjung  erzeugt, 
die  sich  innerhalb  einer  unbewegten  Grenze  vollzieht,  so  dafs  auch  der 
erste  Ort  uicht  „durch  das  Entweichen  des  einge^chlo^eneu  Dinges, 
sondern  durch  die  Gegenwart  des  innerhalb  derselboi  Oiensen  bewegten 
Kreises  zu  den  Ehren  des  Ortes  gelangt'*.    S.  71, 

4.  Als  ein  durch  äuiseren  Umfang,  eine  breite  Erfuhrungsgrundlage 
und  Bcbarfsinnige  Krörterangen  im. .einzelnen  bedentendes  Werk  erscheint 
die  Schrift  von  Dr.  J.  Wolff:  Uber  das  Bewufstsein  und  sein 
Objekt.  Berlin  1889.  Als  das  Problem,  das  den  rirs'pnRtanrl  meiner 
Untersuchung  bilden  soll,  bezeichnet  Wold  das  formal  psvchische  Element, 
«was  Mn  jedem  Vorgang  des  Erscheinens,  des  Psychiscbwerdens,  an  der 
eisfiichen  Perception  wie  an  der  Betrachtung  des  Wcltganzen  und  der 
Reaktion  darauf,  formal  betrachtet,  ürbestandteil  ist.**  (S.  14.1  Als 
solches  gilt  aber  das  Bewufstsein,  dessen  „mysteriöser  Begriff  freilich 
einen  Aristoteles  and  dessen  grofsem  Nachfolger  im  M.  A.  Thomas  Ton 
Aquiu  noch  fehlte"  (S.  24),  und  das  sich  durch  ein  Interessiertsein,  Be- 
fangensein. F'"iirf't\vas-sein.  Inaiisi)ru(  hgennmnien-seiti  cliarakterisiert,  jedoch 
nur  in  den  Eiü^iflakten  der  Denk-,  üefuhls-  und  Willensformeu  Dasein 
hat.  Bewnfstsein  ist  Gattungsb^riff  der  psychischen  Phänomene  und  steht 
vollkommen  ehenbtlrtij  tla,  wenn  nicht  mit  dem  Begriff  des  Seins  ilher- 
haupi,  so  doch  mit  dem  des  aktual  Existierenden.  Mit  diesem  ist  ihm 
geroeinsam,  dafs  sich  keine  Differenz  angeben  läfst,  die  nicht  selbst  wieder 
unter  den  Begriff  des  Bewuf^tseins  fiele.  Ist  das  Bewufstsein  Gattungs* 
begriff  der  psychischen  Akte,  so  kann  es  nicht  als  cinf  sei  es  abtrennbare 
oder  untrennbare  Qualität  dieser  Akte  aufgefafst  werden  (S.  42  ff.).  Mit 
der  Intensität  ändert  sich  nicht  notwendig  die  Farbe  u.  dgl;  dagegen 
mit  dem  Bewufstsein  des  Hungers  der  Hunger  selbst.  Zeugnis  gibt  auch 
die  Sprache  als  Ausdruck  der  Volksphilosophie;  man  sagt  wohl,  die  Farbe 
hat  Intensität,  nicht  aber  das  Emptinden  hat  Bewufstsein,  sondern  die 
Sede  hat  Bewnlstsein.  „Es  ist  also  das  innigere  Verhältnis  der  Gattung 
«1  den  Arten"  (S.  -IG) 

Wir  müssen  gestehen,  dafs  uns  die  Argumente  des  Verf.  nicht  zu 
überzeugen  vermochten.  Dafs  iu  allen  psychischen  ^im  engeren  Sinne  mit 
Ansschluls  des  Vegetativen)  Akten  eine  ideale  Beziehung  auf  ein  Objekt 
enthalten  sei,  erkannte  man  längst,  unterschied  aber  mit  Hecht  rine 
zweilache  derartige  Beziehung,  erstens  des  idealen  Innewohnens  (durch  die 
Form,  das  Bild),  zweitens  der  idealen  Bewegung  zu  dem  Gegenstande, 
und  nahm  dementi>i>rechend  swei  Arten  von  Seelenvermögen,  apprebensive 
und  appetitive  (affektive)  an.   BewuTstsein  aber  betrachtete  man  alB  eine 


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236  Zur  Theorie  des  BewuX:iueioä  im  AllgemeiDea  etc. 


Funktion  der  apprcbeu&iveo  Vormögen,  als  ein  Erfassen  des  Krfas&eQi, 
(I.  b.  als  eine  Apprehension  der  psychischen  Akte,  mftf  en.  diese  nun  ap- 
preliensive  oder  appetitito  Akte  Mio.  Der  Verf.  ist  sich  des  Widerspruchs 
Mgfin  diese  ATifTtis«;nnp;  liewuT^t  und  erhebt  FPÜ'st  don  Einwand,  daf* 
In  den  Strebeakten  kein  Selbsterfasseu  statttiodf,  glaubt  sieb  aber  ieichi 
dimit  tbfindifn  sa  kAnneo,  indem  er  ttatt  MErfaisen*  ein  «ndercs  Wort: 
,dA8  luteressiertsein"  setzt:  „Verraten  wir  nar,  dafs  wir  gegen  eine  (ui> 
passende  (!)  Vorstellunj?  von  Bewufstsetii  kämpfen;  denn  i!;is  ist  ja  immer 
der  Fehler,  dai«  man  Bewufstsein  fflr  einen  Erkeootnisakt  halt  .  .  .  Be- 
wofttsein  de«  FOblena,  Wollena  ist  niebt  reflektierendes  Wissen  nai  dtt 
Fahlen  und  Wollen,  sondern  Fühlen  des  Fühlens,  Wollen  des  Wolleas 
in  einem  Akte,  mit  einer  allgemeinen  Ausdrucksweise  nloteressieriseia 
am  Interessiertsein"  (8.  94). 

Gleichwohl  vermag  sich  der  Verf.  dieser  von  ihm  bekimpften  Alf- 
f  '-siini,'^  ( J:ifs  BewuTstsein  Erkennrn  des  Erkennens,  Köhlens.  Beprehrcn«; 
sei)  &ü  wenig  zu  eutxieben,  dai^»  er  üie  in  seiner  Widerlegung  der  Au- 
nähme  unbewufster  psychischer  Ph&nomene  stillschweigend  Qberall  Toraai* 
setst,  was  ihm  allerdings  insofern  nahe  lag,  als  er  den  realen  Unter- 
schied der  Seelenvrrni?'f2Tn  in  Abrede  stellt  und  jeden  psychisflien  Akt  in 
untrennbarer  Weise  aU  »ineu  solchen  des  £rkennens,  Fühlens  und  Woüeoi 
sagleieh  «ifliifst.  Mach  des  Verf.  Ansieht  ist  jeder  psychische  Akt  in- 
atchst  Erkenotnisakt  und  als  solcher  unmittelbar  sich  selbst  erfassend ; 
da  er  nun  znma!  auch  Akt  des  Füblens  und  Wollens  ist,  so  erfafst  er 
sich  selbstTcrstaudlicb  auch  nach  dteseu  beiden  Seiten  seines  einheitlichen 
Seins  nnd  von  einem  anbewofsten  psychischen  Akte  kann  deshalb  weüer 
keine  Rede  sein.  —  Olme  uns  in  eine  Widerlegung  duser  Lehren  ein- 
zulasseu,  weisen  wir  nur  auf  den  Irrtum  )iin.  iJrr  tnis  ds  r  AT'nahmp  einer 
direkten,  unmittelbaren  Selbsterfassuug  zuuachst  des  Lrkeunttusaktes  zu 
Grande  su  liegen  scheint.  Wir  glauben  den  FundAnentalirrtum  der  Be- 
V  ufstseiusilieorie  des  Verf.  in  der  Ansicht  suchen  zu  müssen,  dafs  scbon  in 
der  Sensation,  der  ersten  und  ursprOnglichsten  Erkenntnistbatigkeit  nicht 
ciu  uufäeres  Objekt,  saudern  eine  Bcwufätseinsthatsacbe  erfafst  oder  wahr- 
genommen wird.  Zwar  spricht  der  Verf.  von  einem  Aufaereo  Objekt,  dsi 
mit  dem  psychischen  Akt  gleich  ursprOnirUrh  erfafst  wird  meint  aber 
damit  nicht  ein  reales,  körperliches,  sondern  ein  phänomenales  Objekt, 
d.  h.  den  psychischen  Akt  selbst,  sofern  er  ein  Objekt  repräsentiert,  oder, 
wie  der  Verf.  sich  ausdrückt,  auf  ein  reales  Objekt  „hinweist".  „I^ 
unmittelbare  Bewufstsein  zeigt,  und  zwar  nrsprflnpllch,  nicht  nur  innere 
Fh&nomene,  oder  besser  gesagt,  und  ich  setze  diese  Verbesserung  ab- 
sichtlich SU  dem  tehlechteren  Aoadrack  hinto,  nicht  nor  Phinomene  als 
innere,  sondern  gleichzeitig  andere  als  ftuf^ere;  dafs  beide  Phänomene 
der  Seele  sind,  also  in  dem  Sinne  innere,  bleibt  df\bei  unangefocliten." 
S.  IIb.  Die  objektive  Bestimmtheit  des  Aktes  «.ücholastisch  ausgedrückt: 
die  speeies)  wird  hier  mit  dem  Objekte  selbst  verwechselt  DadoKh 
allein  wird  es  ermöglirf  t,  dem  Alctn  zwei  Objekte  zumal  zuzuweisen:  den 
Akt  selbst  und  das  im  Akt  Frscheiucnde,  den  Spiegel  gleichsam  und  das 
bpiegelbild.  Das  uufsere  Objekt  des  Verf.  ist  nicht  der  Koiper  selbst, 
sondern  sein  intentionalcs  Sein  in  der  Seele,  dns  allerdings  nur  in  unser* 
trennlicher  Einheit  mit  dem  Akte  selbst  erkannt  werden  kann,  während 
nach  unserer  .Auflassung,  in  welcher  der  körperliche  üegcnstaud  (die 
sensible  Qualit&t)  selbst  und  als  erstes  erfafst  wird,  die  Erkenntnis  da 
Aktes  nur  durch  eine  Art  von  Zurückbeugung,  durch  einen  weiteres 
refl«sen  Akt  (genauer,  loweit  es  sich  um  das  sinnliche  Bewofotsein  handelt), 


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Zar  ThMii«      Bewufstseins  im  AUgtm«iiiea  efec  237 


darch  den  gleich zeiUfen  Akt  einet  taderen  (inneren)  SeelttiTermOgeni 
n  Stande  kr-unnn. 

Mit  der  Auuabine,  dafs  der  uräprQngliche  LrkeuiituiMgegensUod  die 
Objekts vorttellu Dg,  nicht  das  von  ihr  verschiedeue  reale  Objekt 

selbst  biUip,  stellt  sich  Irr  Vi  rf.  principiell  auf  den  Boden  der  sobjek- 
timtischen  modernen  Philosophie.  Hiermit  ist  die  Quelle  verschiedener 
fär  uus  uoaAQehmbarer  Lehren  bezeichnet,  die  wir  im  weiteren  Fortgang 
kennen  lernen  werden. 

In  seinem  hh  -/.n  piner  gewissen  Grense  wohl  berechtigten  Kampfe 
f^en  das  Unbewuläte  (4.  Kap.  S.  100  ff.)  schieüst  der  Vert.  weit  über 
das  Ziel  hinaas,  indem  er  nicht  allein  schlechthin  nnbewnihte  psychische 
Akte  und  Zustände  leugnet»  sondern  auch  das  habituelle  Bewufstsein 
in  Abrede  stellt.  Denn  wenn  wir  aiirh  unbedingt  einrftrimen.  <\nl'-i  jeder 
psychische  Zustand  actu  bewulät  werUeu  könne,  so  lalbt  sich  doch  durch 
nidite  beweisen,  daft  er  schon  als  solcher  notwendig  acta  bewoftt  sei; 
vielmehr  weist  die  Thatsacbe  des  Gedächtnisses  auf  das  Gegenteil  hin. 
Vergehens  bemüht  sich  der  Verf..  das  Gedächtnis  aus  materiellen 
Spuren  im  Gehirn  zu  erklären;  denn  abgesehen  vom  intellektuellen  Ge- 
diehtnie  ereebeint  es  als  nnmftglieh«  dafs  sinnüche  Vorstellongen  dnreh 
materielle  Zustande  des  Gehirns  aurijewahrt  und  wieder  hervorgerufen 
werden,  es  sei  denn  man  rüume  dem  Materialismus  gi  rade/u  ein,  dafs  die 
Vorstellung  nichts  weiter  als  materielle  Gebirnbewegung  sei.  Die  Wen- 
dung, durch  welche  der  Verf.  diesem  Einwand  zu  entgehen  sucht,  enthüt 
die  l'irhtTiii^  cinrs  unbekannten  jjhysisrh  ii  Geschehens  und  legt  aufser- 
dem  eineu  weiteren  wanden  Punkt  in  tieiucr  Seelenlehre  hlofs,  nämlich 
das  Verhftltnis  der  Seele  zum  Leibe,  worauf  wir  spSter  zu  reden  kommen. 
»Aber  wir  sprechen  ja  von  materiellen  Spuren  nur  in  dem  Sinne,  dab 
das,  was  nnn  in  den  Crntraltpilnn  hiriht,  irgend  eine  im?  Allbekannte 
Form  physischen  Geschehens  iät,  dals  also  nicht  nur  das  Subjekt,  sondern 
auch  jene  eegemuwte  Spor  etwas  Materielles  ist,  die  psychischer  Znstand 
nar  dnrrh  ein  anderes  Subjekt,  die  Psyche  wird"  (S.  213). 

Im  einzelnen  enthalten  die  \Viderlegunci»n  des  Unbewufsten  manches 
Beachtenswerte.   Überzeugend  ist  der  Nachweis,  da£s  bei  Schätzungen 
Ton  GrOfsen  and  Entfemangen  nicht  unbewofste  Schlosse,  sondern  Asso- 
ciation en  im  Spiele  sind.    Dagegen  kann  es  nicht  gebilligt  werden,  wenn 
der  Anschein  erweckt  wird,  als  ob  bei  aufmerksamem  Sehen  statt  des  am 
Orte  vermuteten  wirklichen  Objektes  wenigstens  teilweise  ein  f  liawtusic- 
bild  geeebant  wOrde.  Interessent  ist  die  Untersuchung,  ob  minimale  Reize 
unbewufst  wahrgenommen  werden.    Mit  Hecht  nimmt  'irr  Verf.  an.  dafs 
eine  Wahrnelimung  solcher  Heize  überhaupt  nicht  statttiude.   Wir  gehen 
weiter  und  sagen,  dafs  es  weder  eine  Wahrnehmung  minimaler  Reize 
noch  minimale  Reize  selbst  gebe,  vielmehr  jeder  sinnliche  Eindruck  wirkt 
als  ein  Ganzes  und  wird  als  ein  Ganz»"^  wahrgenommen,  —  Dnl^  Drnrk 
und  Wärme  den  veranlassenden  Ursachen  nach  nur  quantitativ  verschiedeu 
«eien,  wird  keineswegs  in  der  vom  Verf.  behanpteten  Allgemeinheit  an- 
genommen (8.  144).    Ferner  ist  durch  keine  Analogie  glaubhaft  la 
machen,  dafs  einfache  Elemente  wirkliche  Ausdehnung  hervorbringen. 
In  einer  an  den  vom  Verf.  hochgeschätzten  Lotze  erinnernden  Weise 
wird  CO  erklftren  versacht,  wie  die  Seele  Teranlafet  werde,  iufsere  Be- 
wegungen durch  ganz  heterogene  Formen,  wie  Farben  und  Töne  vorzu- 
stellen.   „Das  ist  der  richtige  Vorgang,  dafs  das  Subjekt  a  jenes  b  ver- 
anlsfst,  in  sich  den  iihnlicben  Zustand  selbst  zu  erzeugen,  wie  ihn  a  hat. 
Ber  eneofte  Znstand  wivd  ein  der  Art  nach  gleicher  sein  bei  homogenen 
Bingen,  also  wenn  nnivoke  Ursachen  wirken.*  Die  Seele  aber  als  iqaivoke 


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238         Die  Theorie  des  Bewur&toeinB  im  Allgemeiuen  etc. 


Ursache  werde  veraulai'st,  in  der  An  ihrer  Formeu  die  materielle  Speeles 
zu  reproduciereo  (S.  160).  Wir  fragen,  was  damit  gesagt  sein  solle:  in 
der  Art  ihrer  B'ormen?  Die  Formen  der  Seele  sind  Wahrnehmen,  Vor- 
stellen, Fnhlrn,  Ho{Tr>)jren,  nicht  Farben  und  Töne.  Diese  bilden  d(»n 
Inhalt  des  Wahruehmens  u.  s.  w.  £s  handelt  sich  aber  nicht  um  die 
Formen  der  Reprodnktton,  eondem  an  den  Inhalt,  mn  Parben  nnd  TOO0. 
Woher  stammt  dieser,  wenn  er  ^veder  mit  den  Formeu  des  Subjekts  noch 
mit  denen  des  Objekts  (der  materiellen  Liewepung)  etwas  Gemeinsames 
bat?    Auf  diese  FrAge  bleibt  der  Verf.  die  Autwurt  schuldig. 

Das  iol^rende  (6.)  Kapitel  ist  dem  Beweise  der  Existent  einei 
wufstseinssubjekts  gewidmet.  Mit  Qberzeugenden  Üründen  werden  ver- 
schiedene Theorieeu,  die  das  Ich  als  blofscn  Namen,  als  Empüudtuigs- 
oder  GediebtniBTorstelloag,  nie  Relation,  als  Produkt  der  sieh  Terket- 
tendcu  Vorstellungen,  als  Qualität  oder  Modus  des  Aktes  auffassen, 
zurückgewiesen.  Lopiscli  betrachtet  trage  zwar  das  Ich  seinen  Grun!^  in 
bich  selbst,  dies  genüge  aber  nicht,  es  werde  eine  metaphysische  Ursache 
erfordert,  da  sich  eine  reine  Erscheinung  des  Denkens  nicht  ^rorstellen 
lissp;  tlas  Ich  müsse  das  Reale  sein,  wodurch  so  etwas  v^'n-  ürkf  nntni? 
entsteht.  Auch  von  einer  andern  Seite,  wenn  man  das  Ich  aU  Wechsel- 
wirkung betrachte,  folge  dies;  denn  eine  lolebe  erfordere  ein  sieh  selbst 
Wirkeudes  (?),  Reales;  der  Versuch  des  „wohlverdienten  und  hochver- 
ehrten Pliilosophen*  (I.Otze),  der  Schwierigkeil,  sich  selbst  tragende 
Verliaitaisäe  zu  denken,  durch  die  Bemerkung  zu  entgehen,  wir  wüXeten 
eben  nicht  anzugeben,  wie  die  Welt  gemacht  würde,  verlange  Vendekt« 
Idstung  auf  die  Denkpesetze  (S.  220). 

Wir  können  selbstverständlich  es  dem  Verl.  nicht  wehren^  wenn  er 
auf  weiten  Umwegen  auf  das  Ziel  lossteuert,  das  imdi  nnaerer  Ansicht 
auf  geradem  Wege  erreichbar  ist.  Hat  man  doch  nicht  unrichtig  gesagt, 
nicht  immer  sei  die  gerade  Linie  die  kQrzf  <;te:  noch  weniger  aber  \kUt 
sich  behaupten,  daTs  der  gerade  Wog  immer  zum  Ziele  führe,  da  er 
durch  Hindernisse  versperrt  sein  kann.  Fflr  den  Verf.  ist  ^n  solcbes 
Hinderuis,  das  ihn  abhält,  den  geraden  Weg  zu  gehen,  thatsächlich  vor- 
handen. Es  besteht  darin,  dafs  er  alles  Bewufstseiu,  alles  Erkennen  für 
phänomenal  h&lt.  In  der  sinnlichen  Wahrnehmung  wird  daher  seiner 
Anaaebt  «ifolce  twar  ein  äufseres,  nicht  aber  ein  reales  Objekt  wahr- 
genommen,  oder  mit  andern  Worten :  wir  stellen  ein  inneres  Phänomen 
als  ein  ftolkeres  vor.  Dieses  ^innerlich''  äuf^ere  Objekt  weist  auf  ein 
wirklich  äuü^eres  bin,  das  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  durdi  einen  Sehlnfi 
von  der  Wirkiiii^r  auf  die  Ursache  erkannt  werden  kann.  Denigemfif> 
kauu  der  Vort.  auch  das  Ichbewufstseio  nur  als  ein  phänomenales  auf- 
fassen und  bedarf  daher  des  weitläufigsten  von  ihm  aufgewendeten  Ap- 
parates, um  etwas  zu  beweisen,  was  nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  eines 
Beweises  nicht  bedarf.  Führt  nun  aber  der  vom  Verf.  rinrrrsrlila^^en'^ 
Weg  wirklich  zum  Ziel?  Ist  der  Beweis  eines  realen  Bewuiitseins&ubjektä 
von  ihm  erbracht?  Wir  fttrcbten,  das  mtehte  trots  des  aufgebotenen 
Scharfsinns  nicht  der  Fall  sein.  Und  zwar  werden  wir  in  unserem 
Zweifel  gerade  durch  die  scheinbar  sehr  wertvollen  Resultate  der  Unter- 
suchung bestärkt.  Wir  erfahren  nicht  allein,  dafs  eiu  reales,  suhstan- 
siellea  Subjekt  besteht,  sondern  dafs  dieses  Subjekt  eins  und  einfach 
sei.  Die*^e  Einfachheit  des  Bewur^tseinssubjekts  ist  es,  was  uns 
Bedenken  einüölst  und  die  Frage  nahelegt,  ob  in  den  versachteu  Nach- 
weis nicht  irgend  eine  Tintchung  sich  eingeschlicben  habe.  Man  spricht 
von  Bewufstsein  und  Bewurütseinssubjekt.  Wir  verlangen  aber,  dafs  man 
switchen  ainnlichem  und  inteUektueliem  BewulSstsein,  «wischen  dem  Be> 


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Die  Theorie  des  Bewufstseins  im  Allgemeinen  etc.  ^39 


wuTstsein  obue  Zusatz  uud  dem  Selbstbew  ufstKpin  untmcbeide:  Von 
welchem  rpdet  der  Verfasser?  Im  bisherigen  war  überall  nur  vom  sinn- 
hcheo  Üewuistseia  die  Kede.    Läfst  sich  nun  der  Beweis  erbringen,  dafs 
das  Subjekt  des  sinnlichen  Bewufstseins  einfach  8eiV   Wir  halten  das 
Oppontejl  für  vahr.    Kann  das  sinnlich  bewul^te  Subjekt  eine  einfache 
bubst&us  sein,  wenn,  wie  der  Verf.  im  weiteren  annimmt^  der  Leib  mit* 
empfindendes  Princip  ist?  Aus  der  Yerbinduug  von  Leib  and  Seele,  von 
körperlichem  Organ  und  Wahrnehmungsvermögen  resultiert  ein  einheit- 
lich os,  keineswegs  aber  ein  einfacheB  Princip  der  Erkenntnis  und  des 
Bewulätseius.   Man  wird  uns  erinnern,  daTs  es  nicht  allein  am  irgend 
aiii  BewiifetseiD,  tondera  ma  das  Ich,  den  Mittelpunkt  aller  psychisdien 
Pti&nomene  sieb  handle.    Out!   Damit  aber  weist  man  auf  eine  weitere 
empfin'lliche  Lücke  der  vorliegenden  Bewufstseinstheorie  hin,  nämlich  die 
m&Qgeiade  Unterscheidung  des  sinnliehen  Bewulistseins  vom  iiülbstbewuXiBt- 
tein.   Vom  leb,  dem  Triger  des  SellMtbewofotseint  behaupten  aneb  wir 
nicht  blofs  Einheit,  sondern  auch  Einfachheit;  denn  nur  ein  einfaches, 
d.  i.  immsterielleB,  preisfiges  Wesen  ist  des  Selbst hewuCstsoins  fähig.  Die 
GrOnde  aber,  die  uns  hierbei  bestimmen,  liegen  nicht  in  der  Art  und 
Weiae,  wie  das  Ich  erscbeint,  in  der  Form  eines  einfachen  Mittelpunktes, 
!u  wpVhfm,  wie  im  Cenlruin  eines  Kreises  dir  liadien,  dif  jisychischea 
i'hauoineue  zuaammen  laufen  und  sich  durchdringen,  sondern  sind  anders- 
wo zu  suchen.    Gegen  den  Grundsatz  zwar,  das  Ich  sei  an  sich  so,  wie 
es  erscheint,  ist  nichts  einzuwenden,  wenn  es  in  dem  Sinne  verstanden 
wird,    daf->  Jie  Art  und  Weise  des  Wirkens  dem  Srin  nntspreche,  also 
den  Rflckschlui's  auf  das  Sein  gestatte.    Und  et)eti  auf  Grund  dieses 
Principe  Bcblieften  wir,  dafa  ein  Wesen,  denen  Thätigkeit  auf  tieb  selbst 
reflektiert,  einfach,  d.  L  immateriell  sein  müsse,  ohne  jedoch  deshalb  eine 
Vielheit  der  Verirtöflren  auszuschh'efsen.  —  Den  Schlüssen  des  Verf.s  aber 
von  dem  phänomenalen  Ich  auf  das  reale  Ich  dürfte  eine  Vorstellung 
▼om  erstem  an  Gmnde  liegen,  die  den  von  ihn  mit  Recht  bekimpften  An> 
schauungen  verwandt  ist.  Man  stellt  sich  das  Ich  unter  dem  mathematischen 
Hilde  einps  Punktes  vor  und  trägt  dann  die  Eigenschaft  der  Einfachheit 
vom  phauomenaleu  auf  das  reale  Ich,  den  Träger  des  bewufstseins  über. 
(Vgl.  S.  285.)  —  Was  vom  Selbstbewofbtsein  gilt,  darf  jedecb  nicht  aof 
das  Bcwur-stsfin  ttberhanpt  Obertragen  werdnn.     Dem  Tiere  darf  Be- 
wnfstsein  nicht  abgesprochen  werden.    Werden  wir  ihm  deshalb  Selbst- 
bewufstsein  auschreibeu?   Als  Träger  des  tierischen  Bewufstseins,  das 
ein  rein  sinnHcbes  ist,  kann  nieht  ein  einfaches,  geistiges  Wesen  ange- 
iiomincü  werden.   Dasselbe  gilt  vom  inimittelharen  Trä::^rr  des  sinnlichen 
Bewufstseins  im  Menschen,  dem  sensitiven  Seelenvermögen,  das  in  allen 
üinen  Verzweigungen  nicht  als  ein  rein  geistiges,  immaterielles,  sondern 
als  organisches  Vermögen  zu  denken  ist. 

Der  (TnTnd<^atz,  da«?  reale  Ich  sei  so,  wie  es  erscheint,  ist  noch 
einem  andern  Mifsverständiiis  ausgesetzt.  £r  kann  nämlich  in  dem  Sinne 
verstanden  werden,  daft  das  Beirafttsein  nnmittelbar  die  BeschalFenbeit 
seines  Trägers  ofifenbart,  dafs  wir  also  durch  das  Selbstbewufstsein  nicht 
allein  unserer  Existenz,  sondern  auch  der  einfachen,  geistigen  Natur  der 
Seele  uns  bewufst  seien.  Eine  solche  Annahme  ist  unbegründeL  Im 
Selbstbewufstsein  erfassen  wir  nns  als  daseiend,  sofern  sich  eben  das 
Dasein  in  der  von  anfaen  angeregten  Thätigkeit  bekundet;  denn  die  Spde 
i%t  in  dieser  Thätigkeit  sich  selbst  unmittelbar  präsent  als  deren  Pnncip: 
ihre  eigene  Beschaffenheit  aber  erkennt  »ie  nur  durch  eine  auf  die  Thä- 
tigkeit gerichtete  Reflexion,  durch  Schlafsfolgerungen  des  Verstandes 
geoifs  dem  Grundsatze,  dafs  das  Wesen  nach  der  Xh&tigkeit  so  henrteilen 
Jahrboeh  flir  FbUosopbie  cto.  VI.  IS 


240        Die  Theorie  dei  BewufttseioB  in  AUgeiii«tae&  etc. 


sei.  Weun  also  der  Verf.  die  Existenz  des  BewuTstseia&tragers  dank 
Schlulsfolgieninf ,  die  BeBebaiTeiilieit  denelben  «her  namittdlitr  dafeh  dit 

Zeugnis  des  Buwiifstseins  erkannt  werden  läfst,  so  dürfte  das  umgekehrte 
Verhältnis  der  Ausdruck  der  Wahrheit  sein,  nämlich,  da(s  das  DaseiD 
des  (realen)  Subjekts  aus  dem  Bcwufstsein  unmittelbar,  die  BeschaffeD- 
heit  deuelben  nur  durch  Schlufsfolgernng  erlcaiuit  werde. 

Wenn  die  Substanz  der  Seele,  wie  der  Verf.  annimmt,  das  scblecht- 
bin  Unbewul'ste  ist,  so  läfst  sicli  nicht  ahs(^hf»n,  warnm  die  von  ihm 
augeweuiiete  Methode,  um  ihr  Dasein  zu  erkennen,  ui  die&em  Falle  Ztt 
einem  eicbercren  Reaialtate  fahren  soll,  als  in  jenem  der  ErfcennUiii  des 
den  äufseren  Phänomenen  zu  Grin  dp  lipprnden  Realen;  vom  leltteren 
nämlich  sollen  wir  keine  sichere,  souderu  nur  eine  wahrscheinliche  £r* 
kenntnis  gewinnen  können.  (S.  Schiufa  des  12.  Kap.)  Die  vorgebrschtea 
Argumente  sind  denn  auch  keineswegs  geeignet,  anf  allgemeine  Asfr- 
kennnncr  rocbnen  zu  dürfen  Gegen  das  Argument  aus  der  Kontinuität  j 
des  Bewulütseiui),  die  nur  durch  die  Substanz  des  leb  bergesteiit  werue 
<WM  wchlieh  allerdings  richtig  ist)  kOnnte  die  Einwendung  erliotei 
werden,  dafs  es  Bewufstseinsformen  geben  könne,  die  wie  vom  Raum  so 
auch  von  der  Zeit  unabhäugig  seien.  Der  sclmn  oben  j/enannte  Schrift- 
steller (v.  Feldeggj  behauptet  dies  vom  Gelahle.  AUdauu  wäre  eioe 
BewuDitMinakontinaitftt  ohne  ein  realeSt  Babstuislenet  Ich  möglich.  Wie 
will  der  Verf.  von  seinem  Standpunkt,  dem  zufolge  jeder  psychische  Zu- 
starit!  solcher  liewafst  ist,  abgesehen  von  seinem  Erkanntwerdes« 
«lie&en  Einwand  widerlegen? 

Wir  sahen,  dafs  nach  des  Vttf.'e  Ansicht  ein  Ausgedehntes  uekt 
Träcer  des  Bewufstscins  sein  könne.  Derselbe  wirft  sich  nun  vom  scho- 
lastischen Staudpunkt  ein:  die  Theorie,  dafs  jedes  Ding  eins  sei  durch 
seine  Form,  könne  in  dem  Ausgedehnten  eine  wirkliche  substanzteUe 
Einheit  finden  und  es  cum  Träger  des  Bewnfstseins  machen,  und  ant* 
Worte*  hierauf:  „man  gebe  acht  dabei;  für  diese  Theorie  ist  eben  jVnc 
einfache  Form  Sul^ekt,  nicht  die  Elemente,  welche  sie  verknüpft.  Wir 
können  diese  Erklärung  und  Entschuldigung  nicht  gelten  lasien.  Die 
„einfache  Form"  ist  nach  scholastischer  Auffassung  Träger  des  Selbst- 
bewufstseins,  dapregco  ist  das  „Zusammengesetzte**,  wie  bereits  bemerkt 
wurde,  Träger  des  sinnlichen  Bewufstseins.  Die  Möglichkeit  eines  eia- 
heitlicnen  und  doch  nicht  einfachen  Subjeltte  kann  f&r  das  sinnliche  B«' 
wufstsein  nicht  bestritten  werden.  Denn  dieses  ist  der  Gattung  nacb 
vom  siimürhi  II  Wahrnehmen  nicht  verschiedpti.  Für  das  letzter»'  a^fr 
mufs  geradezu  ein  zusammengesetztes,  weuu  auch  durch  die  Form  tu: 
suhstansiellen  Einheit  gestaltetes  Sul^ektals  notwendig  gefordert  werden; 
denn  nur  in  einem  solchen  kömifn  zusammengesetzte  Kiudrdcke  anfjte- 
nommen  und  zu  eiuem  einheitlichen  Ganzen  verknüpft  werden.  Det 
wahre  Grund,  warum  der  Verf.  nicht  nur  ein  einheitliches,  sondern  eis 
crinfaches  Bewufstseiussubjekt  annimmt,  liegt  darin,  dafs  er  das  Bewuf&t- 
*-f'in  überhaupt  als  S(>!)isterfMSS!iTif^  rlenkf,  dio  freiMrh  nur  in  rinetn  ein- 
lachen Träger  stattüudeu  könnte,  da  sie  ohne  lietiej&iou,  deren  em  za- 
eammoigeaetstet  Wesen  nnfthig  ist,  nicht  an  stände  kommen  könnte. 

Die  beiden  folgenden  (6.  u.  7.)  Kapitel  behandeln  daa  Olyekt  des 
Bewufsf «leins.  Vom  inneren  wird  das  änfsere  (als  äufseres  angeschaute) 
Objekt  unterschieden  und  die  Ursprünglichkeit  des  letzteren  uacbgewieseu. 
Das  rein  innere  Objekt  besteht  in  den  drei  psychischen  ilnffa«iun|i- 
weisen  des  Urteilens  (einfachen  Anerkennens),  Fühlens  und  Wollens  in 
einem  und  demselben  Aktp,  indem  jone  drei  Weisen  der  Thatipkeit  der  i 
Seele  oder  der  mentalen  luexisteuz  nur  verschiedene  Zustande  und  Modi 


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Zur  Theorie  des  BewoditMiof  im  AligemeiiieD  etc. 


241 


einM  und  desselben  Ph&nomeos  seien  (S.  322).  Wie  der  Verf.  zu  dieser 
Thporio  trolanüt,  ist  narh  dem  Bisherigen  nicht  schwer  pinztisohrn  Das 
sich  in  jeUem  Akt  erlassende  einfache  BewaIgUeins8ub|ekt  kann  gleich- 
seHif  eb»  nar  einen  Akt  heben,  da  in  ihm  real  venelifedene  Vermöfen 
nicht  Torhanden  sind.  Die  Dreiheit  der  psychischen  Funktionen  aber  hat 
der  Verf.  einfach  aus  der  hprrscheoden  Ansicht  aiifpenommen.  Die  An- 
uabme  dnea  sinnlichen  Urteils  endlich  als  einfacher  Anerkennung  erklürt 
stdbi  danus,  dab  der  Verf.  zunächst  nur  eine  tabjektive  Bevafatielna- 
thatsnchc  wahrgenommm  wrr  lrn  isfst,  die  erst  durch  ein  instiiiktlfes 
Urteil  —  einfache  Anerkeanung  zur  objektiven  WahrnehmunfT  wird. 

Schreibt  mau,  wio  wir  es  ihuu,  der  Seele  eine  Mehrheit  real  ver- 
schiedener Vermögen  ztt,  ao  liegt  keine  Schwierigkeit  darin,  dafs  sie 
gleich/citii!  mehrere  Akte  setze.  Auf  diese  Art  erklären  vir  die  That- 
aache,  dafs  wir  gleichzeitig  mit  der  Wahrnehmung  uns  derselben  auch 
bewnfst  sind,  obgleich  der  BewofttaeinBakt  vom  Akte  der  Wahrnehmung 
Terschieden  ist  und  nicht  deto  äufseren,  aondern  einem  ioneren  Sinne 
angehört.  Der  Vprf.  beruft  sich  für  seinen  psychischen  Monismus  auf 
die  Analogie  der  Bewegung  mit  den  uuabtrenubareu  Zust&oden  der 
Richtung  und  Intensität.  Voratellen  und  Begehren  (Wollen)  Terhalten 
sich  aber  vielmehr  wie  zwei  verschiedene  Arten  der  Bewegung,  nicht  wie 
Bewegung  und  Modus  der  Bewegung.  —  Die  für  die  bekannte  Dreiteilung 
(die  sich  dem  Verf.  im  Grunde  zu  einer  Vierteilung  von  Vorstellung, 
urteil,  Ffihlen  and  Wollen  gestaltet)  rerauchten  Beweise  sind  nicht  flber- 
aeugend.  Wenn  z.  B.  das  Gefnhl  als  Wertschätzung  bezeichnet  wirl  so 
kann  die  bchatzun?  auf  den  Krkouitniswert  (diP  Wahrheit)  oder  den 
Besitze&wert  (das  Gute)  bezogen  werden;  in  dem  einen  Falle  wird  es 
snm  Urteil,  in  dem  anderen  sum  Streben  (dem  Wollen)  gehören.  Kbenso 
wenig  entscheidet,  was  Über  die  Mischung  der  Urteile,  Gefühle  und 
Strebun^en  g»'sagt  ist;  im  „Psychisch-Intentionalen*^  gibt  es  Uberhaupt 
nicht  Mischungen,  sondern  nnr  Verbindungen.  Im  Heimweh  z.  B.  ist  die 
Freude  der  Krinnerung  an  die  Heimat  mit  der  Trauer  über  die  Ent- 
behrung dervplhen  verbunden,  nicht  aber  za  einem  Dritten,  daa  weder 
Freude  noch  Trauer  w&re,  gemischt. 

Die  «alte^  Lehre,  daa  ftofsere  Objekt  sei  nicht  Zustand  der  Seele, 
sondern  wirklicher  Gegenstand,  findet  Verf.  etwas  unverständlich,  sie 
gebe  in  einem  Satze  das  zu,  was  sie  leugne  (8.  334).  Diese  „alte"  Lehre 
unterscheidet  eben  zwischen  dem  Gegenstande,  den,  und  dem  Mittel 
(der  Speeles  oder  Intentionalen  Bestimmtheit  des  Subjekts) ,  durch 
welches  wahrgenommen  wird.  Das  Letztere  ist  selbstverständlich  im 
bubjekt,  nicht  so  das  Krstere.  Übrigens  ist  <iirsn  Lehre  ewig  alt  und 
ewig  neu;  denn  sie  bildet  die  allgemeine  Überzeugung,  der  der  Verf.  seihst 
huldigt,  sobald  er  die  Feder  und  den  Philosophenmantel  ablegt.  Oder 
behandelt  er  etwa  die  Speise  z.  B.  als  „äufseres"  Dhjekt  in  seinem  Sintie 
und  dem  des  modernen  Idealismus  als  ein  Phänomen  von  einer  besoudern 
Art  des  Phttnomenseins,  als  inneres  jedoch  ftnfserlich  angeschautes  Phä- 
nomen? Den  Widerspruch,  in  den  man  die  Seele  dadurch  rerwickelt, 
dafs  man  sie  ihren  eigenen  Ziibtand  als  ein  Äufseres  anschauen  läfst, 
sucht  man  durch  den  ^Hinweis"  auf  ein  2>iichtich  zu  lösen.  Also  doch 
ein  Nichtich!  Warum  darf  dann  nicht  sofort  jenes  ,ftnAere*  Objekt  selbst 
dieses  Nkhtich,  genauer  eine  wirkliche  Qualit&t  desselben  sein?  Soll  es 
doch  sogar  na  Nichtphänomen  repräsentieren!  (S.  335.)  Ich  frage: 
ist  denn  nicht  eben  dies  die  »alte,  etwas  unverständliche'^  Lehre,  dafs 
das  Brkenntnisbild  etwas  anderes  als  es  selbst  ist,  repriaentiert, 
allerdings  nicht  ein  ,yNicbtphtnomen*,  aber  auch  nicht  ein  inneres 


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242         Zur  Theorie  des  BewufstseiQs  im  AUgemeLaea  etc. 


subjektives  Pb&nomeD,  sondern  ein  äoiseres  objektives  Phänomen,  niinlkh 
dl«  objektire  Emhcinung,  Qualitit  eioes  Körpers?   Nor  «ndeoten 

soll  jenes  Phänomen  ein  von  ihm  Verschied eues!  Das  wäre  also  etwa 
Herbarts  Hinwei-^iinpr  des  Scheines  auf  ein  Sein.  Glaubt  man  denn  das 
jenseitige  Sein,  ^Uis  man  nicht  direkt  erreichen  zu  künuco  zugibt,  auf 
solchem  Umwege  «  irLichen  zu  könoeD? 

Der  vom  Verf.  versurhte  Krfuhrangsbeweis  ffir  snnp  Annahme, 
äufseres  und  inneres  Objekt  seieo  in  einem  Bewuiütsein  vereinigt,  ist 
miftlungen,  well  er  tnf  einer  Verwechslaog  der  Oleicbieitigkeit  mit  der 
realen  Einheit  beruht.  Unter  solchen  Umständen  fehlt  natfirlich  dem 
Verf.  das  Verständnis  für  die  Lehre  des  hl.  Thomas  von  <ter  Priorit&l 
der  Erkenntnis  des  Objektes  vor  der  des  Aktes  (ä.  339). 

Nichts  beweist  mehr  die  Falschheit  d^  rom  Verf.  TertteCenen 
psvclmld^'ischpn  Mimi'saius,  als  iltf  s.  355  erwähnten  Thatsachcr;  uvA 
gegeUeueu  Erklärungen,  denn  wenn  Uefühle  eine  von  der  der  Vorstellung, 
der  sie  zugehöreu,  so  gtoxiieh  ▼ertcbiedene  Intensität  haben  können,  daTs 
sie  durch  Association  andere  und  zwar  solche  Vorstellnngen  benrorrufeo, 
die  in  einem  anscheinend  natürlicheren  Verhältnis  zu  ihnen  stehen,  als 
dies  bezüglich  ihres  ursprünglichen  objektiven  Elements  der  Fall  ist,  so 
ksan  doch  nnmOglieh  der  OefOhlsakt  nft  dem  VorsteUoiigsakt  ein  nnd 
derselbe  sein.  Di  ■  Erklärnnp  ärr  pinPcJilägigen  Thatsachen  durch  Asso- 
ciation ist  richtig,  wenn  aber  ein  derartiges  Mifsverhältnis  zwischen  Vor> 
Stellung  und  Gefühl  statthaben  katin,  dafs  durch  Association  das  Gleich- 
gewicht zwischen  dem  Intensireren  Gefühl  und  der  schwächeren  Vor» 
Stellung  hergestellt  werden  mufs,  so  fnl^t  nicht  allein,  dafs  Gefühl  nnd 
Vorstellung  verschieden  sind,  sondern  auch,  dals  im  Gefühl  ein  leibliches 
Element  eine  Rolle  spielt,  aaft  also  Subjekt  des  Oelllhles  ulelit  die  ein- 
fichi'  Substanz  der  Seele  sein  kann. 

Sind  wir  bisher  in  der  Ansicht  festgehalten  worden,  dafs  das  psy- 
chische Subjekt  eine  einfache  Substanz  sei,  so  scheint  mit  dem  8.  Kapitel 
„Von  den  Leibesempfindnngen*  ein  Scenenwechsel  vor  sich  zu  gehen.  Es 
sind  die  Leih  es  etil  ]i  fi  n  düngen ,  in  welchen  die  Bewur^tii  insbestandteile, 
Akt  als  inneres  Tbänomenf  Objekt  als  äufseres  in  eiu  , merkwürdig  enges* 
VerUUtiiis  treten  (S.  876).  Jn  ihnen  ist  der  Leib  empflndeodes  Subjekt  imd 
empfundenes  Objekt,  und  nur  auf  Grund  dieser  Empfindungen  ist  ein  Kontakt 
mit  äufseren  Objekten,  eiue  Wuhrncbmung  von  hingen,  die  von  unserem 
Leibe  verschieden  sind,  einer  räumlichen  Krscht^muugswelt  aufserhalb  der 
Seele  möglich.  Diese  Wendung  ist  insoweit  mit  Befriedigung  anfzunehmen, 
bIs  durrh  sie  die  Theorie  den  wirkliclien  Thatsachen  und  der  natürlichen 
Cberzeu^uug  sich  nähert,  wornach  der  Sitz  der  Empfindung  nicht  aus- 
schlieftlicb  im  Gentium,  sondern  naeb  in  der  Peripherie,  ämlieb  dort, 
wo  f,ie  lokalisiert  wird,  zu  suchen  ist.  Der  Verf.  nimmt  daher  nicht  eine 
punktuelle  Gegenwart  der  Seele  im  Leibe,  sondern  eine  Art  von  Besee- 
lung des  ganzen  Nervensystems  au,  eiue  Aufi'assung,  die  der  Wahrheit 
nftber  kommt,  obwohl  sie  ans  nicht  genügt,  da  wir  die  Seele  nicht  allein 
als  Grund  des  sensitiven,  sondern  anch  Ir?  vepi-'tativen  Lebens  betrachten. 
Wir  sagten:  eine  Art  von  Beseelung  uud  deuteten  damit  bereits  einen 
Pnnkt  an,  der  in  der  Theorie  der  Ijeibesempfindungen  Bedenken  erregt. 
Denn  der  Verf.  spricht  zwar  von  einer  substansieuen  Einheit  von  Leib 
nnd  Seele,  bringt  es  aber  doch,  wie  es  scheint,  nur  zu  einer  dynamischen 
Verbindung,  zu  einer  Kraftdurchdringung,  einer  Art  vou  communicatio 
idiomstom,  infolge  deren  der  Leib  sum  mitempfindenden  Prindp  erhoben, 
die  Sn  lc  aber  (der  zur  Ermöglichung  eines  solrhon  Verko1it>  virtuelle 
Ausdehnung  zugeschrieben  wird)  zur  Wahrnehmung  körperlicher  (objek- 


^  kj  i^uo  uy  Google 


243 


tiver)  Ph&nomene  befähigt,  also  gh'irhaam  das  Objektivp  zn  einem  8uh- 
jekiiveo  und  das  Subjektive  zu  einem  Ühjektivea  gemacht  wird.  Wir 
witwB  nicht,  ob  wir  den  Oedaokeii  des  Verf.'t  vollkoniiDen  wfedergegebeo; 

soviel  aber  steht  fest,  dafs  die  AufTassuug  desselben  von  jener,  welche 
die  Seele  ah  substanzielle  Form  des  Leibes  bestimmt,  wesentlich  ver- 

sciuedeu  i:it. 

FasMO  wir  die  sog.  Leibesempfindungen  selbst  int  Auge,  so  erhebt 
sich  dis  Frage,  wie  wir  die  Ansicht,  dafs  der  Leib  Mitsubjekt  der  Em- 

pfindnng  sei  mit  der  I.phrc  von  der  Einfachheit  des  selbstbewufsten  Sub- 
jekts vereinbaren  soUeu.  Ist  es  aber  die  Öeele  allein,  die  infolge  eines 
virtuellen  Kontnktes  die  Zustände  des  Leibes  empfindet,  so  TerhI't  sieh 

der  Leib  wie  jede  andere  fremde  Substanz  sur  Seele  und  von  besonderen 

Leibes^mptindongen,  die  /'wischen  inneren  und  äufaeren  Empfindungen 
in  der  Mitte  liegen,  kauu  kf^ine  Rede  sein.  Der  Begrifif  der  Leibes- 
empflndoog  in  der  vom  Verf.  ihm  gegebenen  Anffassong  sebeint  nns  nn- 

hallbar  und  verfehlt  und  die  in  Anspruch  genommenen  Tl  atsat  lirn  einer 
atderweitigen  Erklärung  bedürftig.  Wenn  die  Einteilung  der  rh&oomene 
iu  physische  und  psychische  erschöufeud  sein  soll,  so  können  die  soge- 
nannten Leibesempfindungen  nvr  solche  der  ersteren  oder  letzteren  Art 
zum  Objekte  haln  n.  Sind  sie  von  der  erstem  Art,  z.  B.  Empfiodunj'  von 
Druck,  W&rme,  Kälte,  so  empfindet  ein  Teil  des  Leibes  sinnliche  Quali- 
täten eines  andern  Teiles,  und  die  betreffenden  empfindenden  Teile  ver- 
halten sich  nicht  anders  zum  empfindenden  Priucip  als  fremde  Rdrper. 
Bilden  aber  dit'  Hljcktr  (Irr  Eniptiniinncr  yi'^yrhisrbr  Akte  (richtipfr  Akte 
des  sinnlichen  Wahroehmena,  Begehrens),  su  hadeu  wir  vor  uns  Zustände 
eines  inneren  Sinnes,  des  sensns  commnnis  der  Alten,  durch  den  wir 
unserer  Wahrnehmungen  und  sinnlichen  Gefühle  uns  bewuf^tt  werden. 
Diespf  innere  Sinn  ist  es,  durch  d^n  wir  der  wesenbaften  Verbindung 
mit  dem  ganzen  Leibe  und  allen  seinen  (Jrgaueu  uns  bewuist  siud  und 
ihn  von  jedem  fremden  Körper  unterscheiden;  denn  die  Organe,  mit  denen 
wir  sehen,  hören,  tasten,  sind  unsere  Organe,  sind  im  vollen  Sioue  des 
Wortes  Teile  unseres  Selbst.  Auf  diesen  ijuipren  Sinn,  den  sensus  com- 
niuoiS)  dessen  Verzweigungen  gleichsam  üic  aufsercn  Sinue  bilden,  läfst 
sieh  weitaus  die  Mehrzahl  der  „Leibesempfindungen**  des  Verf.s  lurtkdc- 
fflhren.  Diesrr  innere  Sinn  ist  jedoch  nicht,  wie  der  Verf.  vr  n  seinem 
Leibessinn  annimmt,  die  Bedingung  aller  objektiven  Wahrnehmung, 
vielmehr  ist  seine  eigene  Üeth&tigung  durch  äufsere  Wahrnehmung  bedingt. 

Weitere  Annahmen  des  Verf.s,  wie  die  apriorische  Rnumwnlimeh- 

mung,  d.  h.  die  Wnhrnehmung  der  eigenen  R&umlichkeit  des  wahrneh" 

mentlen  Priucips,  um  mittels  derselben  das  äufsere  01>jekt  als  ein  räum- 
liches wahrzunehmen,  fallen  damit  von  selbst  Dafs  das  sinnlich  wahr- 
nehmende  Princip  ausgedehnt  im  Räume  sein  mfisse,  steht  uns  anfter 

Zweifel;  denn  nur  unter  dieser  Bedingung  vermag  es  räumliche  Eindrflcke 
snfzunehmen.  Hieraus  aber  folgt  keineswegs,  daf*«  es  zuerst  seine  eigene 
Kaumlichkeit  erfassen  müsse,  um  die  fremde  wahrnehmeu  zu  können; 
dt  nn  die  Wahrnehmung  gesehiebt  nicht  dadnrch,  dalk  Riumlichkeit  real 

im  Wahrnehmenden  ist,  sondern  dadurch,  dafs  sie  intentional  in  ihm  ist; 
in  der  letzteren  Weis''  ali-r  manifestiert  sich  mittels  des  materiellen 
Kontaktes  den  biunen  zuuachst  das  äufsere  Objekt  nicht  aber  ihre  eigene 
Beichaifenheit. 

Das  nennte  Kapitel  ^Üher  die  Raumanschauung  in  unserem  Leibe'' 
PTithält  den  Versuch,  eine  ursprüngliche,  allgemniiio  imd  unbestimmte 
Kaumanschauung  in  der  Lcibesperception  nachzuweiseu,  aus  der  sich  die 


i44        Zur  Theorie  des  Bewiafiitsdu  im  Allgemeinen  etc. 


Gleichheit  der  einzeinen  Stonesrumne  ^fdr  Auge,  Tastsiuu  u.  s.  w.) 
erldäre,  und  welche  die  Ornndlege  fQr  die  sentiblea  Qnnlititen  bilde. 

Dafs  heterogPDC  Sinnesqualit&teo  dieselbe  Haumfirschauung  zur 
Darstollting  briugeu,  erklärt  sich  nach  unserer  Ansicht  daraus,  daft  der 
Rnani  (Quantit&t,  Ort,  Zahl)  al«  leDiibile  eommiine  von  den  mtchfedeneo 
Sinnen  zugleicli  mit  den  cigentümliclien  Siiincs<»!ijekteii  wahrgenouimeo 
wird,  der  olijektive  Kaum  aber  überall  und  für  jeden  Sinn  derselbe  ist. 

Im  folgenden  (10.)  Kapitel  sieht  sich  der  Verf.  genötigt,  seioe  Be- 
1  i  iuptung,  dafi  dieInnerl«ibosempfinduDgen  dif*  Grundlage  fQr  die  &u£ier6a 
W  jIirTu  hmungen  bilt^on,  auf  die  mechanisr^bt-  Qualität  citiznscbränkfn  und 
zuzugestehen,  daTu  dies  bezüglich  der  übrigen  Qualitäten  nicht  der  Fall 
sei.  Damit  ist  in  die  Gesaatansehannng  des  Verf.8  eine  breite  Bresche 
gelegt  und  zugleich  zugestanden,  dafs  die  QualitJkten  der  höheren  Sinne 
von  seinem  Standpnnkt  schlechterdings  nicht  erkl&rt  werden  können. 
Denn  da  Farbeu  und  Töne  u.  8.  w.  einerseits  mit  den  äuf^eren  Veran- 
lassungen (den  Bewegungen  des  realen  Objekts)  nichts  gemeinsam  haben 
sollen,  anderseits  aber  auch  den  iunereu  psychischen  PhAuomenrn  ;  Vor- 
stellen, Fahlen,  Wollen)  als  ein  UrsnrQngliches  und  Heterogenes  gegen- 
flberstehen,  so  ist  man  einfach  anner  stände,  von  ihnen  irgend  eine 
Rechenschaft  zn  geben.  Sie  entspringen  dem  Nichts,  ohne  dafi  eiaie 
Schöpferkraft  vorhanden  wire,  die  einen  solchen  Ursprung  sn  reefatfto'' 
tigen  vermöchte. 

Das  elfte  Kapitel  beschftftigt  sich  mit  dem  begrifft iehenluhaU 

rlf  s  B.^wuf3t8ein<^.  i)erselbe  gebort  nncli  des  Verf.s  der  Lockeschen  ver- 
wandten Ansicht  der  Reflexion,  eiuer  höheren  fiewufstscinsforro  an,  die 
an  die  Stelle  des  Intellekts  iu  der  gewöhnlichen  Auffassung  oder  an  die 
dt>s  Kantschen  transcendentalen  Ich  tritt.  Die  TorzOglichsten  uud  ur- 
sprünglichsten Begriffe  gelten  als  aus  der  iunercn  Frfabruug  abgeleitet. 
So  soll  das  Kausalprincip  bereits  im  ursprünglichen  Üewur:it8ein  empfanden 
und  daraus  mit  Ijeichtigkeit  durch  Rineiion  erhotien  werden,  denn  der 
primäre  Akt  sei  nach  allen  seinen  Teilen  reflex  bewufst;  in  erster  Linie 
aber  sei  es  die  subjektive  Seite  des  Hewufstseins,  die  den  Inhalt  der 
Reflexion  bilde,  den  sie  alsbald  auf  das  äufsere  Objekt  übertrage  (S.  580), 
gleichwie  im  Sinnlichen  die  Erkenntnis  der  Aufsenwelt  durch  die  Inner- 
leibescmpfindnng  vermittelt  ist.  —  Von  der  Leichtigkfit  unt]  rr?i>rün;cr- 
lichkeit  der  Selbsterkenntnis  spricht  der  Verf.  in  eioer  Weise,  wie  die 
T'ythagorSer  ron  der  Sphftrenmnsik;  wegen  der  rar  Gewohnheit  gewor^ 
denen  Vertrantbeit  mit  ihr  vernachlässigen  wir  sie.  —  Die  Reflexion 
schafft  keinen  Inhalt;  er  liegt  bereits  aktuell  vor  im  primären  Hewufstseiu, 
Wie  kommen  wir  aber  dann  zu  allgemeiuen  und  notwendigen  Urteilen, 
die  keine  Erfahrunj:  als  solche  gewähren  kann?  Indem  Kant  die  ün- 
möglifhkeit  einsah,  auf  Irm  Wege  Lorkcs  aus  der  Reflexion  oder  inneren 
Erfahrung  solche  Urteile  zu  erklären,  setzte  er  an  deren  Stelle  dag 
transcendentale  Ich  und  die  snbjektiTen  Vemnnftformen ,  da  ihm  die 
wahre  Natur  der  Abstraktion  unbekannt  blieb,  obgleich  er  die  Unfähigkeit 
der  Lockeschen  erkannte.  Auch  die  Abstraktion  des  Verf  s  ist  nicht  die 
dff  alten  Schule,  des  Aristoteles  uud  der  klassischen  Scholastik.  Zwar 
soll  sie  solche  Teile  ausscheiden,  die  der  Sinnenerkenntnis  fßr  sich 
unbrkaTint  wnrrn  'S.  TiOO ) ;  ihr  Procefi  gebt  aber  nicht  so  vor  sich,  daf-i 
zuerst  eine  i*'uuktioo  thätig  wäre,  die  das  Material,  das  Objekt  8cha£ft 
und  dann  naehher  eine  kime,  die  die  Erkenntnis  tomthme,  vielmehr 
ist  jeder  Reflexions-  (Ab8traktions)-akt  zugleich  ein  Urteilsakt  (S.  691). 
Durch  diese  spontane,  natürliche  Ab<itraktion  werden  die  ursprünglichsten, 
durch  künstliche  die  übrigen  liegriffe  gewonnen.  —  Diese  Unterscheidung 


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245 


bestHtTjrt  <^f\s  Urteil,  das  wir  soeben  ühor  die  Abstraktioustlionrir  dp«? 
Verf.s  getälU  babea.  Durcb  Vergleicbuog  („kQustlicbe'^  Abstraktiou) 
kllren  md  Terdeotlicbra  wir  die  «egriife.  Die  Art  aber,  wie  wir  sie 
gewinnen,  also  der  Vorgang  der  Abstraktion  ist  für  alle  ein  und  derselbe 
nnd  zwar  allerdings  eiue  gewisse  NeuscbafTimtr  aus  sinnlidieni  Material 
durch  die  Kraft  und  das  Licht  des  wirkeudeti  Verstandes. 

Das  letzte  (zwölfte)  Kapitel  handelt  von  der  Wahrhaftigkeit  des 
Bewur>t8eins  bezüglich  seines  Objektes.  Wie  sie  ihren  Ursprung  in  in- 
nerer £r£aliraDg  babeo,  ao  seböpfeu  nach  des  Verfa.  Ansicht  die  höchsten 
VeniirafUaioiBe  loeh  ihre  Gewiftbeit  und  Sieherheit  aae  innerer  Erfiibrong. 
Die  unzweifelhafte  Gewifsheit  der  inneren  Erfahrungsthatsachen  reicht 
jedoch  nicht  aus,  um  d^r  Allgfincinhcit  und  Notwendigkeit  der  Vernunft- 
axiome die  feste  Gruuüiage  zu  bieten.  Die  vom  Verf.  gegebene  Bestim» 
mnng  dea  Sinnet  des  Kausalprineipt  scheint  nna  awnr  richtig;  es  ist  aber 
in  diesem  Sinne  nicht  durch  innere  Krfaliriinp,  soudrn.  durch  das  Licht 
der  Vernunft  verbürgt.  Die  Evideuz,  auf  welche  der  Verf.  zuletzt  sieb 
bemft,  ist  in  den  Vernuoftaxiomen  nicht  die  des  Bewofstseins,  nicht  die 
Art,  wie  die  Bewufstseinsphänomene  der  Seele  sich  darstellen  (S.  617). 

Der  Verf.  stellt  folgende  Skala  der  (iewifsheit  auf:  der  mit  sich 
selbst  identische  Akt  ist  absolut  sicher;  das  äubjekt  ist  durch  die  not> 
wendige  Xerreintion  mit  dem  Akt  gesichert,  das  ftoftere,  d.  i.  er* 
scheinende  Ohjekt  i  t  mit  einer  der  Vf-rbindung  mit  dem  Akte  ent- 
sprechenden bicherheit  garantiert;  dagegon  nicht  das  äufsere  Objekt  im 
Sinne  eines  realen,  wirklich  vorbandeneu  Gegenstandes;  denn  die  Sinne 
erfassen  nnr  Phänomen*»,  Objekte,  die  solche  in  ihnen  nnd  für  sie  sind, 
die  aber  wirklich  auf  auf^ierhall)  <]rr  Seele  vorhandene  Ohjfkte  hin- 
weisen. Von  der  Aufsenwelt  haben  wir  kein  Wissen,  wir  glauben  an 
•ie.  Dies  da«  tebliefsUche  Resultat,  nachdem  wir  dem  Verf.  durch  das 
Gcstrüpfie  mühevoller  und  subtiler  Unterbuchungen  mehr  als  sechshundert 
Seiten  hindtirch  gefolgt  sind.  Statt  jeder  weiteren  Bemerkunir  srhliefsen 
wir  mit  der  1  rage,  üb  jene  „alte"  Ausicht,  die  der  Verf.  j,etwa3  uuver- 
Bt&ndlicb  findet",  dafs  in  der  Sinnenerkenntnis  das  unmittelbar  erkannte 
f>f;i.lcT  nicht  das  Bild,  die  Tntr>ntior,  der  iflral"  Kepräbentant  —  oder 
weicbeu  Ausdrucks  man  immer  sich  bedienen  mag  — ,  sondern  der  reale 
Qegenstaod  —  der  ROrper  nneb  seinen  wahrDebmbnren  Eigenachafteu 
—  sei,  nicht  doch  den  Vorzug  vor  den  modernen  idealistischen  Vorur- 
teilen verdiene?  In  jedem  Falle  steht  sie  in  Harmonie  mit  der  Stimme 
der  Natur  und  bewahrt  uns  vor  einer  der  verhängnisvollsten  tbeoretlHchen 
Verimingen,  dns  Ich  in  eine  Traumwelt  einzuspinnen,  die  ihm,  je  weiter 
es  forscht,  um  mit  Hchelling  an  reden,  die  Wirklichkeit  in  immer  weitere 
Ferne  rückt. 


SYLLABUS  PH  PONTIFICIS  NONI  IN  UNIVERSA  RE 
PHILOSOPHICA  lUXTA  M£NT£M  S.  THOMAE 
AQUINATIS  RECENTIUMQUE  PHDLOSOPHORUM 

per  Prof.  Dr.  Guilelmum  De  Angelis-Stella  Neapolitanum 

evolutus. 


Deducunt  vero  mundum  sensim  elformatum  fuisse,  proinde 
notionem  crcationis  usso  prorsus  absurdam,  quia  creatio  viadicat 
vim  extra  mundum  positam  et  ab  oiooi  materia  sejanctam.  finarratia 
Bententiii^  philoBophorum  de  hac  gravissima  quaestione,  Iheoriam 
creaiiouib,  quam  fides  catbolica  uos  edocet,  ot  scbolastici  iuxta 
patres  defendoraoty  rationi  nnioe  oonrenire  Tindioemna  oportet. 
Kt  in  primis  ntimur  argumentia  indireotia.  Sana,  nt  origo  nrandi 
explioetar,  dice&dnm,  Tel  quod  muadaB  ait  aeternos  ratione  ma- 
teriae  sive  ratioae  formae;  red  qnod  materia  ait  aeteroa,  et  Dens 
formam  in  tempore  sit  clarg-itus;  vcl  quod  muadus  sit  Dei  ema- 
natio;  vel  deniqne  a  üeo  sit  e  nihilo  eductus,  et  in  ordinem 
redactus;  atqui  hariiin  scntontianim  priores  falsae  sunt  diccndae: 
erg"0  ultima  est  vindicanda  vora.  Equidem  utraque  hypothesis 
de  materia  »ivo  iat'urmi  sive  forma  praedita,  quod  ua  mgeaita 
omnino  repuguat.  Si  enim  materia  esaet  tnfeota,  certe  neceaai- 
tate  auae  natorae  ezisteret,  ideo  et  imiaatabilia  quoqoe  eaaet 
Qaidqaid  oerte  non  eat  ab  alio»  est  ingenitum,  adlicet  es  ae; 
neque  mediam  aliquod  inter  haec  duo  potest  excogitari:  üti 
8.  AugustiDQB»  &  Oyriilaa  Alexandriaaa»  8.  Anselmue  vindicamot 
Quod  autem  est  ex  se,  necessitate  suae  naturae  existit,  atque 
est  iramiitabilc;  ergo  materia  aeterna  esset  immutabilis;  atqui  ex 
adversarioriiin  cont'esHiont;  hoc  dici  neqnit;  ert;o  materia  non 
est  vindicanda  aeterna.  Ex  quo  vidon  iure  auliquos  patres  philo- 
sopbis  defeQöoribuü  ueternitatis  auilenao  objecisse,  quod  ipsi 
materiam  Deo  aeqaalem  facerent,  ac  deos  binos  permiBcerents 
ita  Theopbilaa«  Athenagoraai  Hetbodina,  Ambrosina,  ao  aignanter 
TertaUiaoQB,  qui  Hermogeni  ita  reapondebat:  Qnis  enim  aiina 
Dei  census  qnam  aetemitaa?  quis  aliua  aeternitatis  statu s  qaam  ' 
Semper  fuissc  et  futuram  esae  ex  praerogativa  nullius  initii  atque 
finis.  Ita  Hermogenes  dn08  deos  infert:  materiam  parem  Deo; 
certe  adaequabitur  Deo  materia,  cum  aeterna  censetur.  öecunda 


^  kj  i^uo  uy  Google 


Syllabas  PH  Poottficis  Noni  in  uniTem  re  phiiosopbica  etc.  247 


▼ero  mtentia  ita  oppu^natar:  8i  materia  informie  non  eaael  a 
Deo  facta,  nil  certe  Dens  in  ipsam  agere  potuisset    Nam  ut 

Deus  hnic  informi  raateriae  formam  largitus  fuisnet,  ipsa  Deo 
frnt  siibiicienda  ad  tnrraam  recipiendani;  atqui  raateria  quae  est 
iagecita  non  potest  pn »venire  ab  aliqua  causa  antciriori,  neque 
nlli  cansae  exteriori  »ubiici;  ergo  materia  iutbrmis  nuUa  ratione 
concipi  poteöt  Sic  argumentatus  fuit  S.  Juatiniis  in  Phitoncm, 
et  Tertallianus  in  Hermogenem,  his  verbis:  Egu  prima  et  Ego 
ante  omnia,  et  Ego  a  quo  omnia,  pare»  foimns  .  .  .  sine  anctore, 
eine  Deo.  Qnte  tue  Deo  subneit  oontemporali  ooetaneo?  Praeterea 
ai  materia  OMet  iogenita»  nihil  ex  ea  fieii  potoieset  Etenim  Sd 
qnod  est  iogvsoittim,  nuUam  admittit  matationem;  atqui  nihil  ex 
eo,  quod  est  incapax  mntationis,  fieri  potest  Namqae  illud  ex 
quo  aliqiiid  fit,  mutatar  in  id  quod  fit;  ergo  eoneludebat  Lactan- 
tius:  Materia  si  facta  non  cBt,  nn  fieri  ex  ea  quidqnani  qtiidem 
polest.  I>'"nique  cnm  Drun  infmita  polleat  pot'mtin,  certe  non 
est  putandum  in  creatione  mutidi  materia  praeexistenti  eguisse, 
sicuti  caeteri  opifices  in  suis  operis  peragendis.  S.  Thomas, 
1*  p.  q.  XLV  art.  II:  Respondoo  dicendum,  quod  nun  «olum 
oportet  considerare  emauationem  alicuiua  entis  parlicularid  ab 
aliqno  partioulari  ageute,  sed  etiam  emanationem  totius  entis  a 
causa  unirerealt,  quae  est  Deus.  Et  haue  qnidem  emanationem 
desigaamns  nomine  creationis.  Quod  antem  prooedit  secundom 
emanationem  partieularem,  non  praesupponitur  emanationi,  sicut 
si  generatnr  homo,  non  fuit  prius  homo,  sed  homo  fViit  ex  non 
homine.  ünde  si  oonsideretur  emanatio  totius  entis  universalis 
a  primo  principio,  impossibile  eHt,  qnod  aliqnod  ens  praesuppo- 
natnr  huic  emauationi.  Idem  auleni  est  nihil,  t|nnd  nnllum  ens. 
Sicut  igitur  ^^eneratio  liominis  est  ex  non  euLc,  quod  est  non 
homo;  ita  creutio  qiiac  est  emanatio  totius  esse,  est  ex  non  ente, 
quod  est  nihil.  Ita  argumentatus  est  Athanasius  adversus  Pla- 
tonem,  8.  Greguriu;»  ^Wssenus,  Ambrobius,  Augustinus  ac  Ber- 
nardus,  qui  ita  loquitur:  Frnstra  phitosophi  materiam  quaerunt, 
non  eguit  materia  Dens.  Non  enim  offleinam  quaesivit,  non 
artifioem.  Ipse  per  se,  in  so  omnia  fecii  Quare  de  nihilo  nequit 
uoqoam  aliqnid  fieri.  Quod  si  repugnat  materiam,  quoonmqae 
modo  coneipiatar,  ingenitam  esse,  repugnat  quidem  ingenttas  dari 
atomos,  qnippe  et  ipsae,  licet  insecabiles,  sunt  materiae  partes. 
•  Sed  licet  dentur  atomi  ing-cnitac,  certe  evenire  non  potuit,  quod 
et  sing'alae  rcn  et  iinivcrsa  mundi  compages  elliceretur.  Certe 
ex  adhuc  dictis,  quod  est  ingcnituiu  nuUam  patilur  rnutulionom  ; 
ergo  si  atomi  tbrtjnt  ingenilae,  esbent  qindem  immutabilcs,  ideoquc 
nihil  de  ipsis  etformari  potoisset.    Kquidem  res  corporeas  non 


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248    Syliabus  Pii  Pontificis  Noni  in  uuiversa  re  philosopbica  etc. 


possc  efformari  ox  atomis,  praeter  Lactantium ,  damus  vadem 
iS.  Augustinum :  Si  concesseris  est»e  :itomos,  coucesseriis  etiatu 
cODCursu  fortuito  seipsas  pcllere  et  agitare,  nura  et  illis  fas  est 
concedere,  ut  inter  se  atomi  Ibrtnito  concurrent»^»*  rem  aliquam 
ita  coDticianty  ut  eam  iurmä  mudiüceDt,  Rgurä  deieimiueot,  aequa- 
Utata  potiant,  oolore  iHuttnot^  amms  vegetent  A  fortiori  idem 
dicaiur  de  rebus  ratione  ntentibus:  ita  LMtantios:  Patemiis  artna 
et  08Ba  et  nerYos  et  Bangniaem  de  atomis  posse  ooncresoere. 
Soqnid  sensas,  cogitatio,  memoria,  meos,  ingenmm,  qaibiis  sea- 
sibus  ooagmeDtari  possunt?  Quomodo  ergo  sine  ratione  cöeuntia 
efficere  possnnt  aliqnid  rationale?  erf?'>  nefpie  aliquid  materiale 
neque  aliquid  spintuale  ab  atnniis  concurrentibus  ettici  potuit. 
Quod  8i  nulla  ex  rebus  mundanis  atomi  eiTormaruDt,  a  tbrtiori 
loLaiu  inundi  compagem  coagmentare  neqniverunt.  Ouncta  eoim 
quae  in  mundo  eunt,  perfectissimo  fioium  nexu  coDtiaentur;  ergo 
abaurdam  est,  tarn  mtram  ordinem  atqne  rerum  barmoniam  for- 
tnito  atomomm  coocnrsu  adscila  fvisse.  Lactaotias  aiebat:  Qno 
igitiir  consilto,  qna  ratione  de  confaBo  acervo  se  atomi  congre- 
gavernnt,  ut  ex  aliis  terrae  inferius  conglobarentur,  caelum 
deeuper  tenderetur,  tanta  sidemm  varictate  distinctum,  ut  nihil 
uuquara  ornatins  possit  cxcogitari.  Tanta  ergo  qui  videat  et 
talia,  potest  existimare  nullo  cffecta  esse  con^iüo,  nulla  Provi- 
dentia, nulla  ratione  divina,  sed  ex  atomis  hubiilibuf*  concreta 
Gsae  lau  La  miracula.  Nonne  prodigio  Bimile  est,  aut  uatum  eäse 
hominem  qui  haec  diceret,  aut  extitisse  qui  crederet?  Sed 
praestat  demonstrationi  indirectae  etiam  directam  soperaddere. 
Res,  qnae  in  mnodo  exstant»  non  ex  se  sant,  ergo  sunt  ab  alio; 
atqni  hoc  aliud  non  est  nisi  Bens,  ergo  res  creatae  sunt  solnm 
a  Deo.  Eqnidem  illad,  a  quo  res  snmant  suam  esse,  oportet 
ut  ßit  ens  a  seipso,  nempe  per  suam  essentiara  exiatens;  hoc 
aiitcm  ens  per  esscntiam  est  Deus,  quare  Augnstinu«  aiebat: 
hjummum  est  illud  bonum,  cuiuH  participatione  sunt  bona  caetera; 
ergo  reH  creatae  sunt  a  Deo.  Koliquum  est  ut  demonstremus, 
quomodo  res  a  Deo  esse  suum  iuibeaot.  Dici  non  potest  Deum 
ex  materia  praexistenti  res  condere.  Etenim  causae  naturales 
materiam  ezpostalant,  tamqnam  snbieotnm»  e  quo  effeotam  pro* 
dncunt,  qnia  non  prodnennt  ens  simpUoiter,  sed  dumtazat  transmn* 
tant  ens;  atqni  Dens  non  solnm  transmutat  ens»  qnod  aliqno  modo 
iam  existity  sed  ens  simpHciter  produdt;  cum  enim  totam  entts 
pcrfectionem  in  sc  contincat,  ab  co  originem  omnia  entia  et 
proinde  ipsa  materin.  quae  et  quoddam  ens  est,  habent;  ergo 
Deus  noü  iadiguit  materia  ad  res  creandas,  sed  illas  e  nihilo 
eduxit.  Praeterea,  iuxta  S.  Augustinum  contra  Flatonicos,  etiamsi 


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SylUbus  Pii  Poatificia  Noni  ia  unirersa  re  pbilosophica  etc. 


Deus  muttdam  ex  maleria  iDformi  condiderit,  ipsam  quidem  e 

nihilo  evocavit  Namquc  omninra  bonorum  auctor  est  Dens;  atqui 
boniun  non  Bolum  est  id,  qiiod  l'ortiKim  habet,  9,pA  etiam  quod 
est  capax  recipiendi  tormam;  ergo  »psa  capacitas  est  nonnuUum 
ens;  ergo  m  Dens  condidit  mundum  ex  materia  inibrmi,  haec 
etiam  a  Deo  üxordium  habuit  ^ed  haec  omnia,  ^uibuö  Oeum 
eme  causam  mnndl  «ireotricein  probaTimna,  tarnen  non  probaot 
Deom  6886  eaa8aiD  materialdm  ao  formalem  mundi.  Primi  erroris 
David  de  Binando  anctor  fuit;  secandam  AlmericnB  Oarnotensis, 
ud  penes  S.  Thomam  poleat  yideri,  inetaaiavit.  Ad  hos  erroras 
repeilendos  S.  Thomae  arguroentis  qaidein  utimar.  Causa  efTootrix 
rei  nl'Vnin«  si  ronvenit  in  specie  cnm  re  quam  efficit,  ab  ea 
tarnen  numero  dislingnitur;  qnia  aliquid  esse  causam  sui  ipsius 
repiiL'^nat,  iiti  homo  rjni  homiuoiii  gigüit;  alius  est  enini  homo 
qui  gignil^  uUuä  huiuo  qui  gignitur.  Cum  causa  uuteiii  inaLenaii 
causa  cffectrix  ne  specie  quidnm  convenit,  quia  causa  materialis 
denoiat  aliqoid  quod  est  in  potentia,  oanaa  effectrix  aliquid  qaod 
est  in  acta;  proinde  Dens,  oausa  effeotrix  mnndi,  non  pottiü 
neqne  cansa  materialis  neqne  formalia  ilUos  esse.  Equidem  cum 
Deus  sit  caosa  mundi  infinite  inteUigeoB,  res  mundanas  e  nihilo 
ednxit  secandam  exemplaria  earum,  quae  in  se  habuit.  S.  Thomas, 
T.  I"  I).  q.  XLV  docebat:  Manifestum  e«t  ea  qnae  naturfilitf^r 
tiuiii.  dtitenninatas  formas  conseqni,  Ilacc  autem  toriuariim  de- 
terminatio  oportet,  quod  reducatur  hicut  in  priinum  {)rincij)iiim 
in  diviuam  Sapicotiam,  quae  ordinem  univcräi  oxcogitavit»  qui 
io  rerom  distinctione  consistiL  £t  ideo  oportet  dicere,  quod  in 
dtTina  Sapientia  sunt  rationes  omnium  rerura,  qaaa  snpra  diximns 
ideas.  Qnamobrem  Patres  Origenes,  Ensebins,  Augustinus  distin- 
gnebant  mundnm  intelligibilem  in  mente  Dei  existentem  a  mundo 
adspectabilL  Et  8.  Ansei mus  animadvertebat:  Qnare  cum  ea 
quae  facta  sunt  darum  sit  nihil  fuisse,  antequam  fierent;  quantnra 
ad  hoc,  qnia  non  prout  quod  nunc  sunt,  nec  erat,  ex  quo  fierent; 
non  tarnen  nihil  erant  quantum  ad  rationt-m  tacientis,  per  quam 
tiert^üC.  His  dictis  ad  complendas  Rentcntias,  quod  muudus  sit 
ex  aliqua  materia  praejacoote  vel  chaotica,  vel  proröuö  dciermi- 
nata;  opus  est  ut  explieemus  illud  effatam:  ex  nihilo  nihil  fit, 
quo  adversarii  abutuntur,  quodquo  a  Xenophane  primo  fuit  in> 
Tectnm.  8ane  cum  nihilom  non  existat,  absurdum  est,  nihilum 
etat»  Tel  oaosam  etfictentem  vel  oausam  materialem  altouins  rei; 
quare  si  illnd  effiitum  alterutro  sensu  sumatur,  verum  est,  aiento 
B.  Bonaventura.  Cum  dieitur  ex  nihilo  aliquod  fieri,  potest  in- 
telligi  dupliciter:  aut  tnat^-rialiter,  ut  ex  ferro  cultcllti'»,  aut 
causaliter,  ut  ex  patre  üUud,  aut  ordinaiiter,  uti  de  mane  ht 


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250    Sylialms  Pii  PoDtificis  NoDt  in  uni versa  re  philosophier  etc. 


raeridies.  Primis  dnobus  modis  verum  est  ex  nihilo  nihil  fieri, 
tertio  modo  verum  est  aecundum  uaturam.  £x  quibus  laciie 
pateäcit,  creationem,  cum  sit  productio  rei  in  esse  secuadom 
totam  Buam  substautiam,  posse  dupüciter  productionem  e  nihilo 
appellari  :  primo,  quia  illud  quod  creatur,  Don  fit  ex  aliqua  ma- 
teria  praejacenti ;  «eonndo,  qaia  ratoquam  dt  oreatio,  erat  oihfliioi. 
Priori  ratione  negator  rem  oreatam  ordinem  habere  ad  qaam- 
Ubet  materiam  praejacentem.  Altera  Tero  ratione  asseritar  rem 
oreatam  ordinem  habere  ad  aihilum,  qaatemiB  illa  euapte  natura 
est  post  uihilum,  nti  ex  mane  fit  meridics.  Eiusmodi  autem 
produclio  rei  in  esse  secnndum  totam  substantiam  nuUi  causae 
iinitae  convenire  potest;  quia  omniR  causa  finita  determinata 
virtute  pollot,  et  dctnrminatam  poF^tulut  limtautiam.  Verum  inter 
et»6e  et  uiUii  iutiuiUi  udest  dibtautiaj  ergo  oiQuis  causa  fini^i  in 
raa  actione  neeesnario  reqnirit  non  nihil,  sed  aliqnod  eese  prae- 
ezietene.  Ex  qnibos  ooncladitnr  ejnsmodi  prodnotionem  canaae 
infittitae  oonvenire.  Deo  eoim,  nti  cansae  primae,  primae  effectas» 
id  est  esse  eimplidter,  convenit;  atqni  esse,  quod  in  creafcione 
produoitar,  est  eBMe  dmpliciter,  quare  S.  Thomas  aiebat:  eoae 
autem  «impliciter  per  creationem  cansatur,  quae  nihil  pracsup- 
ponit,  quia  r.r>n  potest  aliquid  praeexiäterc,  quod  sit  extra  eus 
simpliciter;  ergo  Dens  de  nihilo  absoluto  inundura  condidit. 
Devictis  sententiis,  quae  asfiernnt  mundum  ex  informi  niateria 
effectum,  item  quae  teneut  mundum  t'uisse  qualis  nunc  videiur; 
Tindicata  autem  sententia,  quae  tenet  mandnm  a  Deo  per  crea- 
tionem prodässe,  supereet  nt  in  Keoplatonioos  dimtcemns,  qni 
aesemot  mandnm  ab  aeterno  fnisse  creatnm  neoessario,  ob  ne- 
ceesitatem  cansae  creantis.  Quae  quidem  controversia  est  maximi 
momenti;  quia  nonnulli  increduli  atque  rationalistae  pantbeiBmum 
disftimulare  cupientcs,  creationem  mundi  haud  negant,  sed  duo 
paiitheinmi  coroliaria  amplectnntur,  quae  cum  creatione  pugnant, 
nempe  infinitatem  atque  actcrnitatom  inundi.  Heic  tameu  ad- 
monemus  uos  uou  disserere  de  celcbri  quaestioau,  au  mundus 
ab  aeterno  creari  potuerit»  diu  agitata  inter  schoiasticos  antiquos 
reeentioresque,  ac  praetipue  Scotistas,  aoriter  a  S.  Thoma  de- 
fensa,  sed  potins  loqni  de  facto:  ntmm  mundns  necessario  ab 
aeterno  fuerit  a  Deo  creatus.  His  positis,  sie  argnmentamur: 
I^uili  phiiosopho  Christiane  licet  dubitare,  quin  Deus  ronndnm  io 
tempore  creaverit;  nam  ex  Scripturarum  testimonii»  praesertim 
intclligitur.  e  Genesi  in  primis,  atque  ab  Innocentio  III  c.  Fir- 
mitor  coüciln  Lateranensis  f'uit  definitum.  ^5cd  quoniam  philo- 
Hophi,  quibuscum  conseriiuus,  revelationcm  divinani  vcl  aperte 
deäpiciuut,  vel  si  aduiillerc  tiimulaat,  maiu  liiam  lutelligunt,  ideo 


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SylUbus  Pii  Pontificis  Noui  in  uoiveraa  re  philosophica  etc.  ^51 


demoDstTamue  sc  r esse  non  ftusMy  rauDdom  ab  aeterno  eroari, 
pmnde  dogma  oaiholioam  de  temporanea  mandi  daratione  null» 
argnmentis  poBse  oppagoari.    S.  Thomas  sie  directe  ad  rem 
noötram  argumeDtatnr,  cont  g.  lib.  II  c.  31  :  Rx  efficiente  nansa 
sequitur,  quod  effectuui  necoHse  ^*!t  esse  ex  hoc,  (jUüd  agentem 
necesse  sit  agere;  per  actioueru  euim  agentis,  etiectus  a  causa 
efficiente  dependet.    Si  igitiir  ageutem  non  necesse  est  aprere  ad 
productioneui  ctieclus,  nee  effectua  necesse  est  übnüluie.  Dens 
aatem  non  agit  ex  aliqaa  neceasitate  ad  oreaturarum  produc- 
tioDem  .  .  .  noD  est  igitar  abtolate  aeoeaaa  ereataram  ease^  na- 
oeaeitate  dependante  a  oanaa  efficiente.  Qnod  argnmentani  totam 
anam  yim  ex  eo  peidpit,  qnod  Deua  non  eat  cania  neoeeaaria, 
sed  libera  mnadi,  qnia  aicnt  poterat  a  creatione  mnndi  abBtinere, 
ita  illam  in  tempore  oreare  potuerit:  Qnod  ita  ae  res  babeat> 
ita  cum  Aquinate  diBserimuB:  Si  Dens  est  causa  necessaria  raundi» 
id  ex  alterutro  capite  proveniat  oportet,  vel  quod  illtim  producat 
ex  necesnitate  naturae,  non  iain  ex  volnntate,  vel  quod  producat 
ex  volnntate  necessaria  non  libera.     6cd   ueutrum  dici  polest ; 
non   primum,  quia  est  comperta    pantheiRmi    conclusio,  (juare 
Döctor  ait:  Deus  cum  sit  esscntia  sua  intelligens,  per  lutei- 
lectnm  agit    Intellectna  antem  non  agit  aliquem  effectum,  nini 
mediante  Tolnotate,  oaina  obieotom  eat  bonnm  intellectnm,  quod, 
nti  finia,  movet  agentem.   Dana  igitar  per  Tolnatatem  agit»  non 
per  neeeaaitatem  natnrae.   Nec  altemm  polest  probari;  Aqninas 
cnim  acribit:  Voluntas  non  ex  necessitate  fertur  in  ea,  quae  sunt 
ad  finem,  ai  fioie  sine  bis  eaae  pomit.  Cum  igitur  divina  Bonitas 
sine  alüs  esse  possit,  quin  immo  neo  per  alia  illi  aliquid  augeatur, 
nulla  inest  in  Eo  neceBsita^*,   nt  alia  velit  eo  quod  j^nam  velit 
bonitatf-m.    Ad  Thomam  quidem  iiddimus  S.  AmbrnsitirLi,  m  opere 
Hexaemeron:  Plerique,  qui  coaeternum  Deo  uiuuduiu  esse  volunt, 
asseriint   ilium  etiam  sna  bponte  subsiBtere;   at  quamvis  ejus 
causam  Deum  esse  fateantur,  tarnen  causam  volunt   uoa  ex 
▼olantate  et  dispositione  sua,  sed  ita  ut  causa  umbrae  est  corpus. 
Adbaeret  enim  nmbra  corpori,  et  fblgor  Inmini,  natnrali  potins 
Boeietate,  quam  ▼olnntate  arbitra.    Unc  accednnt  argumenta  e 
traditione  deaompta.   Omnea  antiqni  philoaophi,  teste  ipso  Aristo- 
tele  aeternitatis  mnndi  aasertore,  quamdam  originem  mundo  tri- 
bnemnt    Quae  quidem  communis  opinio  non  ope  contemplationis 
natnrae  fuit  ab  eis  inventa,  scd  ex  traditione  accepta;  namque 
agitur  de  re,  quae  mentes  philosophorum  mirum  in  modnm  vexa- 
verit     Quare   Genuensis  scribebat:    Quaecumque  patet  tellus, 
omnique  tempore  vetusta,  neque  usquam  interrupta  traditione/ 
perauasum  fuit  homines  atque  hunc  globum  aliquam  habuisse 


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252   SylUbus  Pii  Poatificia  Noni  ia  universA  re  pbilosopbica  etc. 


originem.  Haue  voritatem  veterrimi  populi  Aegyptii,  PboenicMt 
Judaei,  Persae,  Chaldaei,  Aethiopes,  ?5cytae,  ThraceB,  Jones, 
Graeci,  Etnis^oi  aliiqne  aH  occidentem  solem  vergontes,  senserunt 
Id  Jndae,  Siammsi  h,  Sinenses  antiqui  recentesque,  id  Peruviani, 
^exicaai,  totu^que  bovus  mundua  acerrime  voliierunt.  Alterum 
argumeDtum  ex  liiRtoria  sacra  et  profana  colligitur.  Namquo 
omnibufl  est  compertum,  ea  (^uae  historiae  scnptoi^s  gentium 
memoriae  prodideront»  eitra  narrationam  mosaioam  eTeniese,  <^iias 
et  68t  aatiqtitssima,  et,  propter  hmnaaae  ftdet  moaiunenta,  omnea 
fidem  mer«tar.   LucretioB  enim  oeoinit: 

Praatorea,  ai  nolla  fnlt  genitatia  origo 
Terrai  et  caeli,  semperqae  aeterna  fuere, 
Cur  auj^ra  bellom  thebaniim  et  faoera  Trojae, 
Kon  alias  alii  qtioque  res  cecinere  poetae? 
Quo  tot  larta  viriim  tolies  cecidere.  iiec  unqaam 
Aeiernift  famae  monumcutis  inaita  äorent? 


ZElTbCHÜii  IKiSbCHAü. 
A.  ZaitaohTlften  fflr  Philoeophle  und  apekulatlve  Theologia. 

Aonales  de  phllosophie  ehrttlenne.  CXXU,  2.-5.  Heft  1891. 
P.  VaUet:  L'h6r6dit6  113.  Ch.  Hütt:  Coup  d'oeil  sur  le  vocabulaire 
philosopbiquc  contemporaiD  128.  Dornet  de  Vorncs :  La  percr{)tion  et  Ia 
j,«!vTlio!of!tp  thonr^tf  (Forts.  vgl.  VI.  12-")  ds.  Jahrb.)  I3b.  3l-$7.  F.  />m. 
iiuesmy:  l^es  preuveä  de  rexisteace  de  liieu  reduites  ä  uae  preure  uniqae 
161.  Ä.  Bardmg;  Det  Symbole«  math^matiqnes  quePon  poarrait  employcr 
cu  logique  (Schlafs;  vgl.  VI,  126  a.  a.  0.)  183.  Encyclique  de  S.  S.  Lion 
XIII  sur  Ia  rondition  des  ouvriera  212.  Mqr.  D.  Mercier:  Lea  deux 
critiques  de  Kaut  269.  A.  Uavard:  La  tb^orie  de  Tevideace  d'aprei 
lletcartes  288.  Ch,  Braig:  La  mattöre  900.  468.  Mouret  et  G.  Leekeku: 
Force  et  Masse  325.  J.  Gardnir:  Los  prircipes  de  Ia  raison  pure  3G1. 
C.  C.  Charnitx:  La  civiü^niion  et  la  Tcn^^'e  3<i9.  Tif  Broglie:  Les  vices 
logiques  du  livre  I  de  la  guometric  classique  387.  J^.  Maisonneute:  La 
psycbologie  phvßiologique  406.  A.  Farfea:  Theorie  de  la  perceptioB 
immediate  d'apios  Aristotr  et  S.  Tlinüias  44L  L.Jouviti:  he  stiitiment 
moral;  —  le  uecessaire  et  le  coutiugcut  487.  P.Hagey:  La  pbilosopbie 
et  le  temps  präsent  512.  —  Revue  des  livres.    Revue  des  Revues. 

Dims  Tbonas.  Vol.  IV.  (Annas  XU]  15—16  Fascicalos.  1891.  PM 
Oroot:  De  auctoritate  Aristotflis  22^k  Moy.  JiotrUi:  ('ommcntaria  in  quAC- 
stionea  D.  1  homae  S.  tbeoi.  HL  qu.  1—26  (Forts,  vgl.  VI,  125  a.  a.  0.)  230. 
«T.  B.  Chäbot:  Commentaria  m  quaettiones  D.  Tnonite  S.  theol.  L  qo. 
27—43  (Forts,  vgl.  VI,  125  a.  a.  0.)  233.  K  Ermoin:  Existentia  I»ei 
et  pbilosopbus  christianus  (Korts.  vgl.  VI,  125  a.a.O.)  235.  J.  B.:  De 
immaculata  B.  M.  Virginia  cooceptiune  (Forts,  vgl.  VI,  125  a.  a.  0.)  210. 


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Neue  Bücher  uud  deren  Besprechungen.  ^53 


J*  Sewfn'a .  Analysis  actus  fidei  iuxta  S.  Tb<mm  et  iuxta  reeentiom 
theoloKos  (Korts.  vgl.  VI.  125  4.  a.  0.)  242. 

PhüoMphlflekee  Jahrbneli.  IV.  Bd.  8.  Heft  1891.  Linsmder: 
KntLAlt  die  chemisch  •  physikalische  Atointhcorio  WidersprQciie?  241. 
Bäumker:  Noch  einmal  zu  Platons  Timätia  p.  51  E-p  Tv2  U.  256.  Frr/r: 
Das  Gesetz  von  der  Erhaltung  des  Lebens  260.  Grup^:  Die  logiseben 
GftBge  des  Denkens  270.  GuiberlH:  Wondts  STStem  der  Philosophie  281. 

Zeitsehrift  fttr  exakte  FhUosophie.  XVJII.  Bd.  3.  Heft  1891. 
^4.  Tliüo :  Ülier  das  zweite  Ruch  der  allgemeinen  praktischen  Philosophie 
Herbaits  241.  St.  Vdovan:  Die  psychologische  Begründung  der  elemen» 
taren  Denktbiltigkeiten  im  Kähmen  der  Herbartscheo  WeebselwirkiiDg 
der  Vorstelluogen  272. 

B.  Aus  Zeitschriften  vermisohten  Inhaltes. 

Jahrbücher  fttr  protest.  Tluologrie.  XVII  Bd.  2—3.  Heft  1891. 
M.  Sejfdä:  Erkenntnis  und  Glaube  bei  Kattan  (ForU.  vgl.  V,  511  a.  a.  0.)  161. 
^leiaerer:  Die  Theologie  der  Ritschlschen  Schule  nach  ihrer  religions- 
pltilosophischon  Grundlage  821. 

Theologische  Qnartalschrift.  LXXllI,  2.  Heft  1891.  ÄV/t .  Die 
Auktoriiät  des  h).  August iu  in  der  Lehre  von  der  Gnade  und  Prädesti- 
natioB  (Scblafa;  vgl.  VI,  126  a.  L  0.)  287. 

Stimmen  aus  Maria-Laach.  XLI,  1.  Heft  1891.  Peseft;  Die  Okono* 
mischen  Lehren  des  üdarxschen  äozialismas  23. 


lüEUE  BÜCÜEK  UND  D£K£^^  B£&PR£0HU:N6£N. 

BSumker:  Das  Prol  lf  in  der  Materie  in  der  griecb.  Philosopln'e  (vgl. 
VI,  126  diosos  Jahrb.);  bespr.  von  Thüo,  Z.  f.  exaUe  Fhilos.  18,  330. 

BonnliölTer:  Kpiktet  u.  die  btoa,  Siutt{;art  ISUO;  bespr.  v,  Thilo, 
ZeiUchr.  f.  ex.  Phil.  18,  338. 

Carri^re:  i>i'^  sittliche  Weltordsuiig,  Leipaig  IQ^l',  bespr.  t.  Gut- 
beriet,  FhiloK  Jahrb.  4,  312. 

Goeonnier:  I/ömc  humaine,  exfstenee  et  nature,  Paris  1890;  bespr. 
V.  Barberis,  Ditsua  Thomas  4,  248. 

Dochemin:  Expliration  naturelle  de  Tattractioil  nniTerselle,  Paris 
1891;  bespr.  v.  Ann.  de  phil.  diret.  122,  436. 

Ihdlh^Brai^:  Apologie  des  Christentoms,  Freiburg  1889;  bespr. 
V.  Gtnndtrath,  Stimmen  aus  Maria-Laach  41,  94. 

Enoeh:  Der  Begriff  der  Wa}iraehmung,  Hamburg  1890;  bespr.  t. 
Ehrenbergerj  Zeüschr.  f.  ex.  Flui.  18,  308. 

Eriundt:  Mechanismos  ti.  Teleologio,  Leipzig  1890;  bespr.  t.  GtiU 
baUt,  Phil.  Jahih.  4,  302. 

Feldner:  Die  Lehre  des  hl.  Thomas  v.  Aquin  über  dio  Willensfreiheit 
(Vgl.  ^^  36:5);  bespr.  v.  ^^chanz,  TheoL  Quai talachrift.  '*3,  336;  v.  Glofisner^ 
Im.  hundschau  17,  229. 

Fischer:  Gnindrifs  der  Philosophie  als  ßestimmungslehre,  Wie^mdm 
1890 ;  bespr.  v.  Ehrenbergtr,  Z.  f.  ex.  Phil  18,  305, 

Groos:  Die  reine  Vemimftwissenschaft,  Heidelberg  1889;  bespr.  v. 
TkOo,  Z.  f.  ex.  Phil.  18,  312. 

Härtel:  Patristische  Studien  au  Tertallian,  Wien  1890;  bespr.  T. 
Funk,  Theol.  QuartaUchr,  73,  312. 


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I 


254 


Nene  BOeher  mid  denn  Beq^rechnogeB. 


Jaliibueh  für  i^nlos.  u.  ^pekul.  TLeolog.    V,  3.  Heft;  be&pr.  ?. 
Schanz,  Theol.  Quartalschr.  7S,  3  IG. 

Körner:  Uie  Seele  und  ihre  XbAtigkAiteo,  Leipsiff  1880;  betpr.  T.  I 
Flügel,  Z.  f.  ex.  Fhdos.  18,  296, 

KrmaBe:  Die  Lehre  des  hl.  BonaveDtara  aber  die  Natur  der  ]ü}rper* 
lieben  u.  geistigea  Wesen  u.  ihr  VerbftlUiis  mm  Thomiunat;  beipr»  t. 

Oiossner,  Lit.  J^un'hrJi.  17,  235. 

Ludwig:  bpaziergänge  eines  Wahrbeitsaucbers  ins  Heich  der  Mjrttik, 
Leipzig  1890;  bespr.     Quiherkt,  Phäo$,  JekHmA  4»  807. 

lAiVmi  Die  Methode  der  Eiüt«i)iiDff  bei  PlatOD,  Halle  1888;  betp. 
V.  Thüo,  Z.  f,  ex.  Philos.  309. 

Mach:  Die  Willensfreiheit  des  Menschen,  Paderborn  1887;  bespr. 
8t^n»,  Thenl.  Quartahdir,  78,  840. 

Maiisbarb:  D.  Thomac  Aq.  de  voluntate  etappetitusensitifododlllll, 
Paderboru  1Ö89;  bespr.  v.  Glossner,  TM.  Rnnd/tchnH  17, 


MUnsterberg :  Die  Associatiua  succe&sivcr  Voratelluugeii,  Leiptig 
1880:  bespr.  v.  Männel,  f.  ex,  Philos.  18,  301. 

Pawllckl:  Die  (Ipschicbte  der  pricrh.  Philosophie  von  Thaies  bis 
Aristoteles,  Krakau  1690;  bespr.  v.  liubczynski,  Phüos.  Jahrbuch  4,  31& 

Peseh:  Der  Oottesbegriff  in  den  heidnischen  Religionen  des  Alter* 
tnms.  —  Der  Gottesbegriff  in  den  beidnischen  Beligionen  der  Neuzeit.  — 
Gott  u.  Götter,  Freiburg  1886,  68,  90|  bespr.  ▼.  Braig,  ZAL  JSmdtdimt 
17,  176 

Peeeb:  Inttitotiones  logtcale*,  Freibarg  1860—90;  bespr.  GUsmetf 
LU.  Üundschau  17,  193. 

S<'hmld:  Erkenntntslehre.  Freiburg  hospr.  v.  Schanz,  Ikeoi 

(Quartalschr.  73,  341;  v.  Gutberkt^  LU.  iiutuUchau  17,  172,  208. 

Sehnldt:  Das  Gewissen,  Leipzig  1889;  bespr.  v.  Keppler,  TM. 
Quartahchr.  73,  3'24. 

Sehneid:  Xaturphilosopbic  (vgl.  V.  384);  bespr.  Ann.  de  pkäot. 
chnl.  122,  194;  von  Kaufmann  lu  der  LU.  Mundadiau  17,  270. 

Schneider:  Das  andere  Leben,  Paderborn  1880;  bespr.  SAm» 
LU,  Bundschau  17,  )68. 

Stein:  Antike  und  mittelalterige  Vorläufer  des  Okkasiooalissiiii, 
Berlin  1889;  bespr.      Thüo,  Zeitschr.  f.  ex.  PhUos.  18,  309. 

StSlzle:  Abalards  1121  zu  Soissons  verurteilter  tractatus  de  uultate 
et  trinitale  divlna,  Froihurp:  IS'M;  hospr.  v.  ÜT-h.  fJt.  Rundsch.  17,  198. 

Walde:  Die  Giückseligkettsleiire  der  Ethik  des  Spinoza;  bespr.  t. 
ThOo,  ZeUtehr,  f.  e»,  Phiht.  18,  844. 

WeUT:  Das  Bewufstseiu  und  sein  Objekt  (Tgl.  Y.  512);  bespr.  v. 
Scham,  Jheol,  QuatiäMur,  76,  662. 


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DE  CHRISTO  £UCHARISTICO 


Scripsit  ERNESTUS  COMMER. 

Mirabilis  ipso,  qui  mirabilia  äolus  efficit:  uam  pntua  rerum 
causa  Deus  secretiKsimus  est. 

Cuius  Liaturam  nemo  nm  iuce  divina  coUustratus  unquam 
perspicere  valet,  eiuB  mysteria  äiientium  potius  caroune  deoet, 
cum  aecretom  regis  absoondere  bonam  ait 

Saorameota  chriatiana  aaora  aeoreta  aaat:  intellecto  diffioile 
Bommi  regia  aecretam  aanotlsaimaiD,  qnod  fortiter  eat  oredeodum, 
ni  adoretnr  amore^  tlmoreqne  qnaereadnoi,  nt  pietate  oredatiir. 

Rebaa  arcania  obacaritaa  oonvenit,  qaa  dmnae  probantor: 
quo  magia  interras  agit,  eo  magis  abditur  mnndi  craator»  cuina 
ipsae  tenebrae  luminiö  patrem  tegunt  veste. 

Christus  taalae  molia  opus^  qnod  Incarnutio  fuit,  Eu(  huri- 
ßliae  sacraraento  pereecutus  est:  quo  Filiu«  diviuns*  inhumana- 
tionis  Opera  plns  intendit  ac  latias  extendit,  et  iu  terra  quem 
fitaa  enraam  ooafeceraty  miro  modo  repetit,  et  Eachariationa  ex- 
areat  ana  mnaera,  qui  aoatra  portavit  locamataa  oaera. 

Andax  igitur  bqmBitio  rei  dmaiaaimae  ait  oportet  ac  aapplez, 
Qt  Intoea  oealia  hamilibna  fortina  splendeat  e  fide. 

L  . 

1.  Illustris  ostensio  gloriae  divinats,  cuius  gratia  Verbum 
oamem  euiupserat,  per  Eucharisticum  Christum  niaior  est  effecta. 

Est  ornuis  in  Deo  ratio  boni,  cuius  natura  tm^e  diffundit  ab- 
solute. Itaque  qui  äais  ultimus  ex  sua  boni  täte  causaque  prima 
simul  oritur  efUciens,  propriam  qooqae  peraonam  creato  auo  ter- 
minaado  dedit.  Eocbariaticaa  antem  Cbriataa  noane  re  vera 
filioa  prvidigna,  qai  noa  patria  tantam  bona,  sed  ipaam  bomtatem 
piofiidit? 

JabrlMieh  flir  PUloiopbl«  ete.  Tl«  17 


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256 


De  Cbriito  EoeluiriBtieo. 


Ijivinitas  occultaudo  ae  manifestatur,  cuius  Eucbaristia  ve- 
stigiuTü  clarifisimum  videtur. 

£temm  aummam  bonum  diviDum,  cum  iuDditus  a  materia 
Uberrimum  sit,  naximuB  actus  iotelligeiidi  penitaa  eat  Sed  Cbri- 
stne  Enchariations  eaaentia  divina  praeditna  eadem  aomet  arcanam 
praebet,  qui  neo  videtar  nao  tangitnr,  sed  praeaena  aub  toi» 
abaentia  aubatantiae  corporeaa  apeciebna  modo  per  intelleotiim 
cogDoscitar  elatnm  fide  coeleati. 

Dens  opHmoa  e«t  ipse  aninn  anbsistena  esse,  qaod  fine  eat«L 
Cuiu8  inliniliouis  quoque  vestig-ium  lumditur:  nam  Chvi^Lum,  qai  j 
plennm  totiuä  ordiDis  est  supra  Daturam  totam  constituti,  coDtinet 
Eucharistia. 

lafioita  divinitaa  aequit  immatari:  aec  Christas  ipse  cod- 
▼eraione  paais  et  vioi,  qua  eacraroentum  cooficitar,  nWo  modo 
tranaformatar.   Sei  intmutabilia  interiora  domtia  illumiDat:  et  Eo-  , 
chariatioiia,  qni  tranaaubstantiatioDe  bonitatem  aaam  nobisean 
commiinicavit»  ad  nos  appropinqnana  hob  fit  alius.  I 

Atqne  Dens  Immobil is,  qoem  mens  noiformem  preheodit,  ' 

aeternas  est.    Nec  qnt  ooram  sab  speoiebus  adest  eine  niotiiv 

,        .  .         .  ....  -  I 

fiubstantiam  siiam  vanat:  cuius  praesentia  capiL  luiiiüiii  tinemqoe 

solie  ab  accidentibus,  beri  hodieque  nemper  idem  per  saeouU  j 

manet. 

I 

£tiain  acieatia  summa  puris^irni  spiritas  actionis  divio^ 
aignia,  qnae  coacludnatiir  in  Eacbaristia,  nobia  inaigniter  demon- 
atrator. 

Quae  patet  ia  corporis  divini  ooDsecratioae,  qaod  de  Viigiae  | 
aumptam  paratnr  ibi:  pania  enim  ▼iaiqoo  totae  anbataatiae  verbi  \ 
poteatate  malaotiir  in  Cbriati  oorpaa  et  aaDgaiaem,  qaae  aaat  in 
ipsa  diviaaVerbi  sobststentia;  sed  qnae  corpns  illnd  cireinnsiavt 

aensibusquc  Dostris  percipiuutur,  accideutia  paois   vioique  non 
desinnnt  eose. 

Eiusdem  qnoqne  Bcientiiic  vis  in  posscssione  corporis  illiuN 
qaod  sab  paucidsinia  panis  specie  cootinetur,  maxime  splendet: 
adest  enim  totum  Christi  corpus  ibt  conToratone^  sanguis  antem 
mro  nexi,  sed  anima  coniunctione,  nec  non  unione  divinitas  ipML 
Qnod  nnuro  corpna  idemque  plaribna  eat  in  locia,  plnribns  is 


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De  Christo  EndiAriBiico*  257 


hoatiis,  plnribus  in  proportionibiis.  Ao  licet  sit  in  pinrimis  et 
locis  et  hostiis  et  partibne»  tarnen  in  partes  non  dividitnr,  »ed 
in  ee  manet  integrnm  totam  coniunctum. 

Qnae  aapientia  Salomonia  mazimi  perceptione  corporis  ilUna 
a  comedendbn«  apparet:  corpna  enim  Domioi  ne  minuitur  quidem, 
dum  uiuiidilur. 

Sed  intellectnm  divinum  voluntas  sequitur,  de  cuins  araoro 
Inumphat  Eucharistia.  Christus  enim  scipeum  suaque  cuncta  lar- 
gis^ime  tribuit:  diligeuB  ingreditar  oa  dilecii:  ot  omces  siot  unum, 
nntrit  omnea  eemet  ipso,  paoemqne  anmmam  coneiliat^  donana  ipae 
donnmqne.  St  dolorea  anoa  et  aeerbam  mortem  memoranda  post 
«•  nobia  relioquena  exinanivit  se,  qni  mitis  est  et  bnmllis  corde, 
nt  eolnm  dilectomm  bonnm  procuraret  Cnina  etiam  earitaa  in- 
stitiam  liberalitatem  miaericordiam  demonatravit  erga  miaeros  et 
iofeliccB  hominefl,  in  lecto  flacrato  dormit,  sed  cor  eius  vigilat 

Et  scirnus,  in  inaiius  ci  dudisse  Falrfm  cuncta,  qui  per  Eu- 
cbaristiara  virtutera  manifestaret  omaipoLealeiü. 

Infinito  Deo  nulla  mcnäura  par  est:  cuiu»  enim  vis  nuilis 
limitibüs  coarctatar,  est  abique.  Sed  bniuana  Christi  natura  pos- 
sidet  immenaitatia  partem:  ezaistit  enim  totna  £ucbari8ticua  totia 
in  apeciebua  et  in  aingnlia  eamm  partibne  innnmerabiiibna  qnoqne 
nee  non  indiTidnis,  nt  band  diviana  pinrimia  remotiaaimiaqne  looia 
aaaiatere  qneat  et»  nbiqne  ai  conaecrari  poaaet,  etiam  poneretnr 
nbiqne. 

Itaque  Christue  rernm  salns  Incarnationin  artificiam  eaera- 
mento  huo  »cqnitiir,  quo  res  attributas  Deo  uubilissima«  oston  lt um 
extendit  eius  g-loriain  clarissiino,  divinum  bonitatem  ditlü!?ilem 
complevit,  et  mediis  in  rebus  creatis,  qua«  eduxerat  ex  nihilo, 
aol  Eucharisticus  pulcherrimo  resplendet. 

2.  Sed  idem  Cbristoa  Euchariatiooa  ipae,  qnod  perfecit,  opna 
Incamationia  intendit  ultra. 

Incamatna  enim,  qni  aplendor  gloriae  aignnmqne  ratum  anb- 
•taatiae  PatriB  eat»  eine  est  imago,  eui  pnriflaimo  motna  non  com- 
petit  Ipeo  Dens  absque  divinitatia  mntatione  ihctna  bomo:  aed 
in  asBumpta  natura  plures  mutationes  l'iiero.  Ex  integro  nec 
noo  in  tempore  Verbam  caro  lucuim,  quod  est  a  Deo  factum. 


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2&8 


De  Cbriito  EttdiArittieo, 


lugantiir  4iinl(!üj  extreraa,  vinculo  tarnen  nullo,  sed  hoiniuis  et 
Dei  reapse  üt  baec  unio.  Euoharisticus  vero  Christus  etiam  nunc 
mutatur:  Dam  consecratione  novam  praesentiae  modimiy  qao  mar 
giB  mutaretar,  sibt  prodaxit  Catas  bamaoitaa  ip«a  qnidem»  qualis 
pati  nequit,  est  in  saoraineiito,  s«d  omnes  ibi  matationes  Mbit» 
quae  cum  stata  ooograunt  iaTiolabüh  aam  oam  panü  et  Tini 
speciabQB,  quiba«  mofcus  iabaeret»  Chrotas  moretar  et  ad  aegroa 
reficiendos  manibna  aliesia  fertar. 

Incaraationia  caosa  oonatat  ipae  dapUet  tantam  nafeara:  aed 
alia  dtio  nacrameiiti  anat»  natnra  corporia  Cbriati  neo  aon  earam, 
(j[ua6  mittati  paniB  crant,  accideDtium. 

Verbum  i\t  caro,  nec  convertitnr  in  caroem,  sed  idem,  qaod 
erat,  mancuH  per  uniprcnam  perBonain  secnm  caraem  coUigat,  et 
manet  i actum,  quod  uon  erat,  nec  desistit  esse,  quod  erat.  Pani» 
autero  caro  Christi  corpusque  fit  eius  nec  manet,  qnod  erat,  sed 
in  Christi  corpus  et  oaniem  vere  converaiM  eat:  itaqae  £MStaa  id 
est»  quod  non  erat,  attamen  desiit  esse,  qaod  erat. 

Corporatum  Verbam,  quod  hominis  utimmqae  natoram  cor- 
pore nec  non  anima  apiritali  oompositam  feoit  nnam  com  persona 
diviaa»  oreataram  remm  reparavit  nniToraitatem.  Sed  onmipo- 
tentis  opifids  artifieio  creatae  naturae  corporam  pania  Tiniqne 
totae  Tertantor  in  Christi  corporis  et  sangoinis  sabstantias,  qoae 
iam  snbsistnnt  in  divina  Verb!  snbstantia,  onm  Christas  bomo  ina> 
teriatus  sola  Filii  divini  persona  sii;  nec  solum  compositum  panis 
illins  ipsum,  sed  utraque  pars  eiu«  ita  vertitur,  ut  omnia  desinant 
esse,  quaniquam  non  redignntur  in  nihilum,  lamvero  Chntsius 
hae  mutaliune  non  producitur  absolute  quidem,  sed  tarnen  re 
Vera  fit  ex  intcgro,  quia  novo  modo,  quo  substaatia  corporis 
instar  spirittiB  habet,  hic  oonstituitar. 

Christus  igitur  oorporatns  homo  caroque  factaa  eat:  £aoha- 
ristieos  inanimam  qnoqae  nataram  materia  laotam  coaTeraione 
iota  miraqne  reddidit  diTam. 

Atqne  per  mysteriam  prias  acddentia  aiagnlaria  bamaaae 
natarae  oam  persona  Dei  aant  anita  diyinaqae  gandent  existentia: 
per  alteram  Tcro  saoramentom,  licet  acoidentia  panis  et  Yvai  non 
cessent  esse,  tarnen  haeo  ita  cnm  Deo  conianguntur,  ut  £ucha« 


^  kj  i^uo  uy  Google 


D«  Chritto  Bochtrigtieo. 


rislfeani  prieranteni  yere  conUneant.   Itaque  noro  modo  prin» 

noii  Ui^itato  Christus  rebus  cum  luiDimiti,  quae  non  sunt,  sed  po- 
liuH  insuDt  in  altera  tantum  re,  Bponte  saa  duris  vinculis  cod- 
«tringitur. 

Priore  sacramento  cuncta  natura  Serratoris  humana  fit  di- 
viDft»  »ed  integra  »alva  vereque  remaiiet  humaua:  sed  altera 
oonversioDB  eolae  siibstaDtiae  oorpomro  penitiu  in  aliud  tranaennt 
ao  desinant  esse,  quanim  prorans  aocideDtia  sennbnB  peroipienda 
penaaneDt  integrae  aalvae  veraeqoe  apeoies  perditoram  oorporom 
aenanaqoe  noatroa  affioere  pergnnt 

Incar&ati  Chriati  persona  oomponitnr  ex  dnpUci  natura,  aed 
Bncbariationa  cum  corporeie  acddentibna  nnitnr  nova  praeooniia: 
qnae  oompoaitio  rebus  ex  disaimilioribns  fere  maioria  bumititatta 
atqne  demiBmonis  quid  indicat. 

liicarnaii  Verbi  Balutaris  huniaüiias  est  iustrumoniuui,  quo 
divinitas  agit,  (juidquid  mirabilium  t'acit,  et  quaecumque  valorifi 
infiniti  producit  opera.  8ed  per  EncharisLicam  conversionera  rai- 
Dima  corporis  uaturaÜB  accideotia,  quae  romanseruDt,  digoa  sunt, 
qnibus  et  lacaroataa  ip»e  divioaque  maieakas  eins  iaatrameotie 
atatur»  Qoare  speciea  Cbriatam  contiDentea,  qnae  Balaberrimos 
offootaa  aapicientibos  et  iangenUbns  re  Ter«  praeatant»  adorari 
cnlto  divino  fas  est:  nam  de  qoo  Tirlna  exit^  «na  vel  fimbriam 
veatimenti  tetigiase  aat  est  ad  salntem  aperandam. 

Verbnm  Patria  divinum  yerbo  Virginia  obediena  bnmano 
caro  fit;  nam  Virgo  melias  ominata:  fiat,  inquit,  mibi  secandnm 
Terbnm  tonm,  qnae  «nbito  virgo  mater  est  de  Spiritn  Sanoto 
faetaa  Dixit  aeternum  Verbum  priu»  fiat,  et  cuncta  de  nihilo 
creata  sunt:  quod  idera  tempore  Vir^iuie  ülius  ex  integro  lactum. 
Priraus  ipse  pastor  almus  verbum  consccratioTiis  lo(  iiius  sibi  prae- 
sens iterum  f'actus  est  EucbaristM  uh,  nuum  corpus  in  manibas 
talit,  aluit  se  semetipso  vere,  qui  verbo  qaoqae  aacerdotia  aab- 
ditaa  in  sacramentum  proteuuB  venit 

Tantä  Verbi  dignitas  et  amplitudo,  qnod  oreando  rem  sacram 
ani  corporis  inbnmanationis  ardnvm  aegotinm  coanimmat  perfioit 
peraeqnitor. 


260 


De  Cbriito  Euclutristieo. 


3.  Qtti  plus  InoaroationU  iDtendic,  oonditor  Enoharistic» 
extendit  ad  plares  quoqae  miracnloD  Blapeiidam. 

Semel  enim  pro  nobit  omnibn«  incaraatos  atqae  passns  «at: 

Kucharisticus  autem  loties  cum  »ingulis  omnibus  lugatur,  qaotiei» 
sacramentuüi  bujuunt,  qui  vcre  portaiu   n  corpore  Chrisliim. 

IncarnatUH  hoiiiinuui  naturam  communem  secum  coniunxerat 
tactuB  hoino  siugularis:  singulos  homines  Eucharistiou»  »ecum 
oopulat  homo  factua  uoiverHus,  vindex  generis  totioa. 

Ad  alteriua  eniin  penonam  venit,  quam  aibi  nexu.  corporis 
obligavit»  ut  usam  rem  moralia  ordiaia  arcta  coDanelndine  crearet 
ex  86  dileotoqae. 

Haec  amioitia  perfeeta,  quo  Dihil  iDtimiaa  excogitari  poteat: 
ipsB  ae  auis  dbum  mentia  corporoum  praebet,  quo  religioae  an- 
meotia  aDimum  divnm  conatituat  et  myattoum  oononbiiim  coa- 
iuDgat.  Quisquis  igitar  Enchariaticiini  Chriatam  peioepit»  eCfidtor 
Christus  alter, 

Sed  cum  salutis  uuctor  suis  8e  colligaverit,  ii  quoque,  qui 
parlicipoB  eius  fueruot,  inter  se  phis  plusqne  vinculis  düectionis 
tbrti88imis  iiniuntiir.  In  inultos  igitur  ipae  crescit  atque  corpus 
»ibi  Dovum  parat,  cuius  nienibra  veri  ChrisLiani  formaüLur.  Et 
caias  vivum  corpus^  quod  comeditar,  aou  miauitar,  taioea  divua 
comea  membria  minaitur,  qaae  corpua  etaa  edere  negliganty 
getur  Tero,  dun  mandltur  a  fidelibaa  aervia. 

Fru^fera  vitia  Ettcbaristioa,  qaa  Dei  viTa  fertar  Ecdesia. 

Unna  Dana  et  unaa  idemqne  Christiie»  qni  ciboa  uaoa  nornm 
ooipua  animat,  ad  qnod  fonnandotn  oorporatna  est  et  Bacbari* 
aücna  extendiiur.  Cniua  aummae  locietatia  gratia  Dana  Aomo 
res  olim  geataa  in  terra  hoyo  Tivendi  genere  per  eaeeola  rapetii 
stabil!  namine  Concors. 

liaque  qui  rerum  priucipium  finisque,  medium  quoque  cuucU- 
runi,  quas  unigenitus  Dei  Filius  in  unum  redegit. 

II. 

Humaoa  Christi  Tita  septem  partiboa  distiactis,  octava  qua- 
rum  Tita  Tidetur  aetema,  qoasi  Septem  sacramentia  absoiTitur. 
Qui  conceptQs  in  matria  sinn  commoratns  eat^  tum  natua  aequaevam 


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De  Christo  Eueburlttico. 


nobis  infaniiam  «aoravit,  deiiide  Nasaretbi  cum  familia  sola«  ab- 

sconditua,  tum  prodiiL  in  publicum,  porro  passus  eat  et  ad  inferoü 
quuque  degceudit,  et  cxisiens  a  mortois  ad  asceusionis  usquo 
triumphum  man^it  m  terra. 

1.  Cntus  divinita«  est  de  coelo,  naturam  sumpsit  hnmanam 
corruptione  purgaudam.  Corpus  igilur  humanum  de  inatoria  lor- 
matam  foit,  ut  ipea  natura  per  aseamptiooem  curaretur.  Qoi 
vero  de  coelo  terrena  oepit  accidentia,  panem  viniiiDqiie  eibl  cum 
formit  eoroin  proprüs  et  inkimia  e  materia  tfanssubetaattavit. 

Qtti  QDDditione  naiarae  fuerat  in  utero  corporis  femiuei,  sed 
aVirgine  supra  conditioaem  oonceptus  erat»  idem  naiuraÜbus  in 
aeeidentibuB  saoramentii  quod  verbo  supra  conditionem  naturae 
perfieitur,  ooram  sistitur. 

Cuins  corporis  concepitonem  tota  Trinitas  peregit,  eius  Eu- 
chariwtita  quoque  consecraLio  totius  TriDitatis  elficientift  oj)U8  est; 
sed  I)ei  Vatrift  virtuft,  quao  ChriBtus  est  Filius  Dei,  per  sanctum 
bp<nLum,  qui  Filii  Spiritus  ip8e,  tbrmavit  sibi  corpus  humanum, 
quod  ubHumpüit,  idemque  Fatrin  Filius  pauem,  quem  vertit  in 
suum  corpus  Eucban^üciiiu,  per  Spiritum  iSanolum  cousecrat 

Ipsa  vero  corporis  Domini  conformatio  sine  mora  fnit  uno 
cODceptionis  nomento  purfecta:  panis  autem  vinique  conversio 
Terbia  ooosecrationis  prolatia  statim  tota  perfioitnr  nullo  labentis 
temporia  motu. 

Verbum  Bei  per  animam  corpus  assumpsit,  sed  animam  per 
intelleotutn;  quare  corpus  Christi  iam  primo  momento  conceptus 
anima  rationali  toium  fiiit  asimatum.  Conyersionis  autem  totius 
primo  momento  iam  snbstaotiae  panis  et  vioi  transeuot  in  Christi 

corpua  tjt  sanguinem  ■  quo  facto  reliuquuijLur  acciatsüLia,  quae 
^acramenti  lantum  gratia  ratiouoque  cum  Verbo  componuntur. 

Caro  Christi  conccpta  nimul  erat  aasumptaque  peuitus  a 
Verbo:  corpora,  quibus  utimur  ad  sacramentum  conticiendam, 
simul  etiam  conTeriuniur  ac  per  boo  omnino  cum  Verbo  iugantur. 

Quae  quidem  Christi  conceptio  corpommqne  traossubstan- 
tiatio  Vera  miraoula  totiua  naturae  Tires  auperantia  sunt  effeota. 

£i  primam  vitam  post  oonceptionem  Dei  Filius  homo  per> 
feetus  atque  beatus  in  tenebris  ventris  matemi  d^t,  nec  yelatns 


De  Christo  EuebBristieo. 

Kucharisticus  in  gremio  «pecieram  caliginoso  vivere  nobUcuiu 
recueavit. 

Mater  pueruluin  sub  corde  gereos  omni  lesÜDaüonö  prope- 
ravit  ad  £iiaab6th  in  montana»  at  tpsa  Balulato  Christas  illomi- 
narct  praecursorem  noodum  natnm,  et  exitHans  Uetitia  ceciait: 
magoificat  aaima  mea  Domianm.  Et  lomima  aetenii  mioittei 
aaotorem  certae  «alntift  Eaeharisticuni  favente  Bei  geaitrioe  feit 
ad  illamiDandoB  eos,  qui  sedebant  in  tonebris  et  in  mnbra  morti«, 
ut  Domionm  com  matre  magni  fttciant 

Quae  mater  expectabat  summo  cum  desiderio  partum,  ut 
sibi  fiiii  facies  ostcnderetnr,  cni  »uiuendo  pü])uln8  christiasus,  Dt 
eiu8  vultu  satietur,  de8idfi-iiis  praestolatur  quoLidie. 

2.  lufäDtis  aetatem  primaevam  Christus  Eucharistioas  rediit- 
tegravit  sedalo. 

ITain  vare  natus  «ae  laesione  doloreque  matris  yiigiB» 
praeBto  qaoqne  Baoramento  fit  nnllo  de  coelia  egredieoB  mots. 

Betblemae  genitriois  aWam  reliqoit»  qoia  domuB  paaiB  oppidoD 
dioel»atnr:  ipse  vero  se  panem  ▼{▼um,  qui  de  coelo  deBceodtl, 
et  dizit  et  feoit. 

In  oppidulo  peregre  natus,  qui  per  huraanitatera,  quam  suani 
lecit,  in  aliena  natura  generatus  erat,  et  in  aram  prodiit  humileiu 
sub  aliena  specio  latus. 

Idem  ClirihtuH  bomo  nobilis  abiens  in  regionem  longinquani 
pauper  egebat  io  deversorio,  nt  mansiones  in  domo  Fatris  sm 
nobis  iDaltBB  praepararet:  egeoB  amoriB  EaohariBticas  iogreditor 
iD  devenoriam  noatraaii  nt  in  nobis  sib!  cum  Patre  oondtt 
aeternam  nanBionem. 

HiemiB  asperitatam  selegit,  nt  pner  reoene  natoB  earniB  af* 
flictationem  pro  nobis  pateretnr:  qui  frigore  cordinm  DOBtrorom 
vehementiuH  aduritur  Eucharisticua,  ut  inilammet  ea  suae  oari> 
tatis  igne. 

Pusiius  in  jiranbüpio,  quo  pabula  gregibus  suppeditaotur,  io 
altaris  tabula  pascua  suis  ovibus  ministratur. 

Omuipotens  Sermo  faotuB  infons  Bine  sermooe  oabaos  in 
cnnia  flevit:  io  aris  Verbam  caro  faotom  aine  motu  oorporis  ac 
Bine  Yooe  rnrana  iaoet  impotena. 


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De  Chriilo  EuebartotioK 


263 


Qni  diYinitatem  reooDdidit  in  praesepio,  Tel  bomanitaiem 
McrameDto  celatam  reliquit 

Ibi  iam  oomprehendeDB  aniroa  divinitatis  esncDtiam  Hciüntia- 
que  plenus  occultavit.  cuacta:  pati  viucique  nescius  ac  beatisBimas 
bio  nihil  oBleodit  gloriae,  in  quam  sumniam  venit. 

Filins  Virg-inis  in  Hede  napientiae  lactens  mundum  provi- 
dcntaa  regit,  qui  pro  gratiis  distribuendia  ia  Eucbariatioo  aolio 
nuUris  Qtilur  aapieokia. 

Ibi  loaeph,  qoi  propina  aocedit  ad  vioero  Patris,  nutritiua 
corporis  adest,  qaoiii  patronam  nyatici  ani  oorporia  idem  Doroinna 
conatiiuit  Enohariaticiis. 

Adoratom  Deom  oatnm  gloriati  auot  angeli,  qoi  miniatraoteB 
Eoohariatieom  ciromnataiit,  et  cui  eoli  regi  aerrioDt,  eine  aaora- 
menU  Tigilee  eaatodioot 

Obriati  primna  adveaiaa  ad  omnium  aalntein  fide  parandam 
debnit  occultus  esse:  sed  et  alter  adventue  Eucharieticuw  decuit 
dandestinus  ad  meritiiiu  fidei  pronioveDdum. 

Selectis  aut»  m  npectatoribus,  per  quos  ad  alion  devüüiret, 
pner  natus  manifebiandus  erat,  qui  fidis  quoque  testibu»,  ut  reli- 
quorum  fides  roborotur,  Euobahaticua  paodiuir  miraculis. 

£t  ortus  oatensi  muUiingea  arbitri  auot  ex  omoibus  homimuu 
condikiooiboa  elecii,  qui  aalutem  per  Eocbariaticam  Christi  prae- 
eentiaiD  ad  omoia  mortaliom  geoera  penreotDram  praedioereni. 

Paatorea  qatdem  aimplices  Tileaqne  lodaeorum  primidae  fliere, 
qnoa  adTootiini  regia  ab  angelia  edoceri  ooDgroit:  magl  vero 
aapieotea  potenteaqne  gentium  primitiae  atella  dnoe  veoorunt  ex 
orientaKboa  terrae  partibna,  nt  orientem  enpra  natnram  aolem  con- 
aalotarent  fideliter. 

lllos  apobtoli  saucLisöimi  geutium  pastore»  et  plurimi  doctoreft 
Ecciesiae,  quibue  arcanu  ChriHti  revelautur,  ßccuti  sunt:  iKtorunj 
vestigia  reges  ot  prinoipeb  numen  Eucbarittttcuu)  veueraute»  ser- 
Tare  pio  »olent. 

Adoraverunt  illi  confeeeione  Mei  naium,  quo«  martyrea 
Encbariatiae  fidem  profitentes  aequaverunt  iroitamine  celebri: 
qoae  nranera  tria  contolerant  iati,  diligentor  ab  Eecleaia  myatieo 
freqnentantnr  more. 


264 


De  Chriilo  Eucharittico. 


Aurum  uata  regi,  thus  iocarnaU)  Deo»  myrrha  patieDti  lie- 
paraloris  haoianitati  saot  oblata. 

Prirnnm  quidem  munus  eapieDtiae  virtutisqne  com  Üiesaaris 
regom  regi  colendo  tribuitar  Eacbamtieo;  «ed  alterom  crebria 
cnm  precibos  offert  reoondito  Deo  sacrameDti  religio;  terünzn 
▼eio  GhrisU)  confernnt  in  cruce  peDdenti,  qai  eaaram  caeüe  or- 
Dandum  moribuB  faeiunt  absqoe  crnore. 

Olim  quae  manera  synagogu  ferebat,  luiuen,  quod  omen  fidm 
oensetur,  et  odorcä  acccusos,  quibus  amor  notatur,  et  panem, 
qao  spes  »ig-natur,  a  magis  iubtaiuata  8unt:  qui  pro  lumJno  cor- 
poreo  dtideruut  aurum  eapientiuu  pleDiom  iadicium^  thu»  vero 
signam  caritatis  peruaneDtis  variare  dou  debueruat,  sed  myrrham 
epM  causa  fortioris  ex  poenitentia  tactae  oumalaTerant.  Ei  aoio 
qaideiD  solemiiie  ritue  £ucbaristiam  oelebrat,  quae  mereatia 
amiimi  nominie  adoletur  thure  mascnlo  ooUtorqae  etillata  de  oor> 
dibna  contritie  myrrha. 

Magoa  ad  praeaepe  iidus  addoxerat  tneolitam:  »pleodoie 
fidei  magistro  duceqae  Stella  loaris  Maria  fideliasima  cultorea 
EuchariBticam  Dominum  quauruut  in  cclla. 

InuoceDtisbimus  autem  parvus  circumcisuö  esi  eliubu  san- 
guino  primo,  qui  somitur  a  fidelibas  et  a  salvandis  bibitur 
epiritu. 

Etiam  Domioe  Jeea,  quo  duloiue  nihil  hominibuSi  nihil  apud 
Deum  Potentine,  nnnonpatue  est»  qui  saoramento  salTUt  omnee. 

Deo  puerulus  oxhibitue  in  templo,  qnl  templum  elbi  Deoqoe 
maiuB  oonetruxit  oblatns  coneeoratione^ 

Ab  Herode  cum  matre  per  looa  deserta  fogit  ad  Acgyptioe 
impios,  cuius  Ecclesia  recondeos  KuchariHticum  Dominum  pre- 
mitur  a  diabolo,  sed  qua  terra  patet,  diliuuditur,  ui  ad  Jülariae 
üUum  convonatur  impias  orbis. 

Et  remao8it  puer  Jesus  annoa  duodecim  natus  Hicrosolymia, 
quem  pareotes  in  templo  sedentem  medios  int  er  doctorea  inve* 
nemnt  post  triduum.  Qui  eum  dixisset,  in  bis  esse  se,  quaa 
Patrie  sui  eint»  oportere,  remansit  Euchariettciis  in  Ecolesia  Dei 
reperiendue  inter  medios  eios  dootores,  qnoe  de  mysterio  eno  fecit 
certiores. 


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De  Christo  Euebtrittieo.  ft^b 


3.  DoBcendit  ankern  cum  parentibas  Kasarethum,  qaibns  sab- 

ditus,  ut  proficoret,  vitam  privatum  per  uuuos  octodeciui  duxil. 
Et  mater  eius  oiunia,  quae  locutus  erat,  verba  couservabat  tu 
cordü.  Qua«  tertia  ]uirs  abscondiia  vitao  Jesu  resumitur  Eu- 
charistia:  quasi  privatus  cuim  per  saecuia  reoonditur  hic  proti- 
ciens  apud  bouiues  aetate  mandi  gratiaqne.  Qualis  ctiain  ino- 
ratur  in  aede  matria  Laaretaoa,  quam  düexit  uaice:  nam  Verbom, 
qaod  ibi  caro  factum,  matri  snbditam  portonU  doq  desUtit  per- 
petrare. 

Qui  silentio  Kasarethi  solos  oravit  manibusque  labomit 
pareDtibmi  obediens,  solus  quoque  tranqmllis  silentiis  Eacbaristicis 

pro  nobis  precatur  et  alliciendo  peecalorcrt  aleudoque  laborat 
obediens  pareutum  votis,  ut  absconditae  cum  Christo  vitae  fami- 
liaris  in  Deo  capiumiiH  excniphim. 

4.  bcd  Christus  anoo  trigesimo  vitam  pubUcam  ttuscipieDS, 
coias  breve  spatiam  complevit  operibus  immortalibas,  a  Joanne 
bapiisatns  ea,  qaae  sant  Dovae  legis,  ieioDua  et  tentatns  io- 
choavit,  primnm  tone  orsna  doeere  neo  non  praedioare,  Similiter 
Enohariatieas  cum  baptiaatis  ieiaois  et  tentatis  asaidoiasime  ver- 
sator.  lledius  eaim  yestram  atetit,  qoem  tos  nesoitis,  Agoua 
Dei,  qnt  tollit  peccata  mandi,  perfioiens  le^^em  novam. 

In  mimduiu  vemt,  ut  tuHtimonio  vcrltati  perbibito  Hbcraret 
hüuiiueä  a  peccatls,  qnare  familiariter  iis  utebatur,  ut  acccssus 
ad  Dcum  per  ipsum  j)atüret.  Js'equü  solitariara  tantuin  vitam 
traduxit  Eucharistious,  sed  ruguuiu  Dei  praedicaos  io  publicum 
processit,  qaocum  publicani  quoque  peocatoresque  disoambebanU 
Neqne  vitam  auateram  maloit  agere,  aed  adoptaos  ipse  eoosu- 
etadinem  nesttae  conaimilem,  faotas  omoibaa  omnia,  pastor  ad 
OTea  perditaa  misaus,  nt  acoederent  ad  eum,  dedit  hominibus 
fidaciam. 

Christam  in  terra  quidem  paupcr  TiTendi  modas  officio  prae- 

dicationie  cougiuus  dccuit,  ut  nos  illiu»  inopia  divites  essemus, 
cuius  sola  divinitate  corrigerctur  orbis  ttnruium.  Qui  pauper 
Eucharisticus  pulcritudmo,  maiestato  yloria  relictiH  documenta  vo- 
luatariao  paupertatis,  quae  maximac  videtur  humiUtatis  iadicium, 
sab  yilibua  apeciebus  dedit  praeato. 


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De  Cbriato  Eucbamtico. 


Omnia  legis  saoratae  pneeepta  oapeMiTit,  ut  aactor  ipse 
legem  yeterem  conenmmarat  in  se,  reliqnoe  autem  eerritio  libe- 
rarety  qai  ne  summo  qnidem  sacramento  eonfieieado  neo  non  ad* 
miniBtiando  praecepia  ritoa  doti  salataria  aoWit 

Etiam  miraoula  dootor  ezcelleatissioras  edidit,  ut  Beoa  in 
eo  gratia  non  adopiioDis  quidem  eed  nnionis  esse  raaaifestaretor, 
et  ut  doctrina  divina  confirmaretur ,  quam  roaximo  sacramenti 
prodig;io  probavit,  imo  supcravit.  Snd  initium  signorum  fecit 
IcsuH  nutu  raatrifi  in  Canae  nnptiis  aqua  versa  melius  in  viaum, 
cum  maius  sui  corporis  praenutu^ii aret  ostentum. 

5.  ChristuB  passus  est  pro  nobm,  Tobis  reiinquens  oxeroplum. 
Cuius  labores  duri,  qoos  pertulit,  efe  iaiqui  oasus  et  aoerk»a  sors 
Eaoharistia  quoqae  stnpeodo  miroque  modo  reaomantur. 

Eteaim  ligno  se  sinens  afÜgi  restitait  id,  quod  primas  pa- 
rens  contra  mandatnm  Bei  capiena  pomam  ▼atitl  Ugni  anatoleiat, 
et  obediens  ad  mortem  Fatri  ftotna  EncbaristiQam  ftuctam  Tel 
dnlciasimam  crncis  ex  arbore  carpstt 

Uui  positas  aram  saper  cnieotam  de  Kgnis  fiMitam,  qualis 
odoribos  holoeaastomm  Toteram  maltis  fumabat  olim,  eolo  cari- 
tatis  igoe  combustus  est  eodom,  quo  »acrificiura  euum  cooBum- 
matur  adhuc  incruentum.  Sed  qui  sublimia  in  crucem  celsam 
snblatus  est,  Eticharisticiis  ad  se  trahit  euncta.  Nam  mors  Do- 
raini  verum  »aenTiciiiiu,  quod  sine  sanguinis  effumone  repetendum. 
Nccom  vero  Christi,  qua  separalur  aniraa  corpore,  separatio  cor- 
poris et  saaguinis  Eucharistici  conseqaeas  yim  verborom  saoromm 
rei  memoria  rcpraesentat 

GaiuB  divinitas  patientis  ne  morte  qaidem  diseriminatar  ab 
anima  neo  corpore  neo  aangaine,  sicnt  nee  diTinitas  neo  aaima 
relioqait  Eucbariaticum  corpus  atque  eangainem. 

In  mortis  anlein  tridao  Christas  neu  erat  homo,  qai  pote- 
state  Yerborum  consecrante  conetitnitur  non  bomo,  sed  solnm 
corpas  et  sangats  solus,  qnae  nee  viva  nec  mortua,  sed  aibii 
uisi  morum  corpus  mcrusque  saoguis  Domini  praesentia  sunt. 

Tum  sepelierunt  eum  ,  sicut  mos  est  Judaeis  scpclire:  sed 
cut  consepelimur  ia  mortem,  sepultus  est  accidontibus  Eucba- 
cisticis. 


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De  Christo  fincharistico. 


267 


Involvenint  Bindone  munda  corpus  Jesu:  lintco  mundo 
corpus  operitur  Eucbaristicum,  quod  para  potius  Buacipitur  mente. 

In  borio  sepultos  est,  qui  morte  »opuUaraque  saa  noa  a 
morte  libera?ii,  qua  mnltabarnnr  io  horto  parentia  Adae,  naao 
sntem  doroiieiis  in  horto  roperitnr  Eucharisttco. 

Habitatione  mortis  alieoa  reoonditas,  qni  pro  salute  camns 
est  aliomm,  residet  Eaeharisttoiis  aedihos  in  alienis. 

In  Tita  qni  domo  oarait^  etiam  post  mortem  panper  in  alieno 
sepnlero  ponitnr  et  nndns  a  Josepho  cooperitur:  qnem  panperem 
nndomque  snb  aliena  speote  compleetnntar  amatores  Snobari- 
&»ticura. 

In  noNti  iuonnmento  positiiB  exciRO  de  petra,  qui  novissimo 
quoque  cuiumittitur,  quod  miniater  ope  coosecrationia  e  dura  cor- 
porutn  mat«^ria  pic  sculpsit. 

Cuiuä  advolvilur  ostio  moautoeati  aaxum  magnum:  nam 
praeter  Ettohanstionm  sponsnm  nihil  in  pectns  nostrom  licet  pe- 
netrare. 

Oportet  igitur  omnia,  qnae  eirca  oorpns  Jesu  sunt,  esse 
mnnda  nova  magnaqne. 

I^eo  Domini  corpas  aoima  cassnm  pnWeri  sordido  miseeri 
potnit,  qnod  ad  Tirtotem  divinam  monstrandam  non  est  oormp- 
tnm:  enios  ne  resolotis  qnidom  speoiebns  £noharist!cum  oorpns 
nec  pntrescit  neqne  cineri  miscetur. 

G.  Tandem  Christus  ad  inlerua  loca  descendit  et  sanguinc 
testamenti  Hui  äuos  du  carcere  vinctos  cmisiu  Cuius  anima  nec 
gencrc  luolus  eo,  quo  Corpora,  sc  i  jxjtiiis  quo  spiritus  puri  rao- 
veutur,  ad  inieroB  desilüt,  eiuH  qiiO(^ue  corpua  ^iorioauni  Qullo 
>        genere  motus  io  sacrameotum  deiabitur. 

Ipse  vero  Obristns  in  sepulcro  totas  et  in  inferna  quoque 
sede  totns  erat  et  nbiqae,  qui  totns  in  saeramento,  imo  totns  in 
panis  atqne  totns  in  vini  speoiebns. 

8ed  cnm  partes  infimas  terrae  penetraaseti  statim  piornm 
cnpida  salntis  agmina  Ince  gloriae  perfndit^  qni  corporis  sni  pia- 
cnlo  Inentes  animas  igoe  pargatorio  sohit 

7.  Traditns  propter  delicta  noetra  resnrrezit  propter  insti- 
ficationem  nostram.   A  mortnis  exstitit  et  per  quadragiota  dies 


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368 


adhuc  cum  suis  mansit:  revocatus  Eocliaristu  us  novo  praesentiae 
feuere  dux  itineris  per  loca  riescrta  cum  |K)pnlo  sno  manebit  ad 
saeoulorum  finem. 

Cuius  corpus  et  auiraa  viribus  uaturae  creatae  propriis  ite- 
rum  sccum  coninngi  non  potoeroot,  eed  divioilate  aaa  potins 
Cbrwtus  ad  vitam  revocandus  erat  Qood  corpas  per  nnitam 
aeoQiD  diTinitatem  rmiimpait  aoimain»  quam  deposnerat,  et  anima 
pariter  oorpna»  qood  dimieerat  Itaqoe  Chriitna  ipae  aoae  resnr- 
reotloDia  stapandad  cauaa»  qni  coiiTenioneiD  noa  mioai  mirabilem 
panie  ia  proprium  oorpua  et  eaagninem  viribus  suis  divinia  ita 
prodacit,  ut,  quae  oonaeorantur,  corpus  et  sangnis  se  praeaentia 
mutuo  petaut. 

Quod  Christi  corpus  post  resurrectionem  luit  verum  corpus 
eiuhdem  naturae,  cuius  prius  fuerat,  et  integrum  gloriosum  cum 
ipsifl  qiioquo  vulneruiu  sacrorum  ciealricibu»  oxstitit:  quod  idem 
vigens  exhibetur  fiucbaristicum  nobiaque  cooservatur. 

Iii. 

Homo  Christus  Jesus  unieus  inter  horoioes  et  Deom  medialor 
est  ipse  via  veritas  vita:  nam  quibus  doaa  Dei  distribuit  et  leges 
dedit,  et  pro  quibus  de  Tisceribus  suis  satiafeoit,  ipse  rex  et 
doctor  et  pontifex  torbas  mortalea  cum  Deo  coniunxit 

1.  ünctus  enim  nexu  cum  Verbo  Dei  mirabili,  qnocum  vere 
Teoit  in  unam  persooam,  regnabit  iu  domo  Jacob  in  aetemum. 
Qui  Christus  Eucharisticus  idem  reliqnos  omnea  ▼ems  superaTtt 
impenitor. 

In  quem  Deus,  quidquid  potestatis  atquo  di^nitatis  hominis 
natura  capere  potest,  ample  contulit,  Eucharisticus  ipso,  quam 
sauguine  suo  l'undavcraL  Ecclcsiam  rej^it  et  ah  hostibus  tuetur. 

Justus  et  clemeoB  iu  regno  praeest,  cuius  memhra  vitali 
gratiae  divioao  rore  rigat,  qui  verus  in  mundo  Deus  abscon- 
ditus  regoat  Nam  sacrosauota  transsnbstaDtiatione  dominator 
rerom  summua  probatur  atque  aecnm  consortes  fideies  in  sode- 
tatem  pacificam,  cuius  ipae  snmmum  bonum,  fida  congregat  manu. 

Qui  commnnione  sui  corporis  ao  sanguinis  vivi  coenatoo  ho- 
mines,  in  quibus  ipse  caput  Tivom  Titamque  prodncena  baeret. 


269 


iu  diva  inaioriH  sui  corporis  m*  lubra  vn  tit  Quo  fncto  divina 
virtuB  angotnr,  Chrhtns  allus  crcHcit,  divmitas  ad  sanctos  ho- 
mioes  extenditar,  et  hooore  Dens  nnn»  trinusque  oolitur  Bumnio. 
Kam  famiiia  ereatoris  reconoiliata  per  Eacharisticom  regem  com 
Patte,  eaiua  olim  patrimoDittm  prodiga  diaaipaverat  ipsa,  Spiritu 
qooqae  aanctiasiino  misso  repletar  leoitttr  pacatnr. 

Itaque  Christas  Jesus  Bnoharistiens  rex  est  et  aogetornm 
svoram»  qmbas  gaadio  Yisas  esoa  faotns  est»  et  ▼etemm  quoqae 
patmu»  qQibns  idem  panis  spei  fnerat,  qni  redemptos  sataiat 
▼nltn. 

Q,ai  rex  est  apostolornm  suorum,  pro  quibus  amicis  eifaderat 
animam,  ut  fundamenta  rog-ni  pcronnifl  «uper  Eucharisticum  lapi- 
dem  iaoerent  tortPH  in  bollo  constiiuii  terrae  principe«,  in  quam 
SOOUti  cxiit  ponim  praonunliaDa  hiborern  niaximnm  Del. 

Et  idem  rex  iDartyrnm,  qui  vitam  muüdi  coulempserunt, 
oorpora  sua  propter  Deum  tradidemot  ad  sopplioia  pro  Christi 
nomine  morientes,  et  in  amore  fraterno  perstitemnt:  una  Semper 
mens  omnibos  fait  et  nna  fides,  et  nno  pane  fortitndinis  omnes 
roborati  snnt 

Qni  rex  EncbaristicDs  coDfeesomm  servornm  bonorum  fide- 
linmqae  laodatnr,  qnos  insios  per  vias  rectas  osteoso  regno  Dei 
dednxit 

Virgionm  qnoque  eponsamm  sapientiam  et  prodenliiim  rex 

generoBQs:  in  quibu«  enim  Dens,  cam  rigilantes  iovenerit,  soliom 

öibi  posuit,  eaa  pcperit  Eiicharistictira  vinum. 

Et  rex  magnuH  oiUDinm  sanctoniin,  quorura  viam  novit  ipse, 
cnius  calicem  bibcrunt  amici  iJei  facti :  üam  populut»  est  appro- 
pinqiians  ad  eum:  quae  gloria  sanctis  omnibus,  qui  fratres  con- 
sortes  te  ooofitentar  coooordibus  aoimis,  o  beata  Triaitas,  o  nna 
divinitaA. 

Ut  antem  rex  in  regno  plaoida  prosperitate  iavetor,  ad  din- 
tnmitatem  dominatioaia  expedit,  ei  credi  nee  non  enm  dib'gi: 
aed  nemo  maiore  princeps  amore  dignas,  qaam  qni  faotas  Eu- 
oharistieos  adeat^  nee  magis  oai  creditur  qaam  vero  veraciqne 
Deo,  qui  sola  Ade  oogooscitar  regnm  rex  omainm  praesens. 

£t  amor  Euoharistioos,  qni  taata  passns  est,  orbari  spooso 


270  De  Chritto  EiwfaArittieo. 


800  enara  non  patitnr  Eoolesiam:  nec  nauta  diTiniw  abest  a 

Petri  nave. 

2.  Houiines  illi,  qui  viderant,  Jesum  muliiplicaUs  panibuä 
Biguum  fecisse,  dixeraot:  hic  est  vere  propheta,  qui  venturus  e»t 
ia  mundum. 

Itaque  qui  pastor  udus  generali  refoctione  popuU  fidelia,  idem 
magister  unu8  immittendo  cogoittonem. 

Neo  qai  docere  debuit  omnes  et  illamiaare,  TemiD  doout 
aliud  a  te,  aed  aemet  ipsam  Teritaüa  pLeDuin. 

Qiiod  Vorbum  Patrts  bomo  faotnm  noa  omne  Ternm  verbo 
docait,  imo  dooet  axemplo  factum  neo  fiotmn  aanotitati«  examplar 
ipaum. 

Eudiariaticna  igitor  doctor,  qui  lux  muudi  foit,  ut  omnam 
Bei  Tolontatem  demonatraret,  ipsiua  Baorameuti  miraoulia  nniua 

trioique  Dei  vestigia  luslravit. 

Quod  opuö  idem  diviuae  polontiao  philodophiam  quoquü  na- 
taraleni  lucide  declarat,  declaraUui  probat,  probatam  perficit^  et 
aciem  doeiliH  ingeDti  supcrat  atqiie  cogaitiooem  lueoUa  ädelis 
ipsam  Bupra  oaturam  fortiter  eievat 

Cbriatus  enim  aoa  £aobariatioo8  docuit,  ab  accidentibaa  lai 
subBtantiam  diflfere,  qua»  remaaeant  altera  aublata,  nee  Tim  ae* 
paratis  eia  inferri, 

Edooet  tum,  quaramoauque  rerum  mutationem  Dei  potentiam 
non  exoedere,  qui,  qnidquid  rei  oraataa  ait,  in  aliud  mntare 
poaait. 

Inatroit  deinde  signo  oouTeraioiiis  mirao^  naturam  oerporum 

duabus  substantiae  partibus  coii)])oni,  quibns  invicem  coniunctis 

uuuiü  corpus  naturale  lial  uou  ma^aum  vel  parvum  quidem,  sed 
aptum  iiiaguitud im  nec  non  epcns  eadem.  Quid  extensa  magni- 
tudo  Sit,  ac  quoiuodu  ceLeris  ifi  qualitatibus  öubiciatur,  etiani 
traditur,  cum  corpus  verum  JDomioi  sacramcDlo  praesto  sit  ex- 
teosum,  quod  tarnen  in  loco  apatii,  quod  eo  repleatur,  aon  ex- 
siatat. 

f  raeceptor  Bnobariaticua  etiam  rerum  maximum  demoostrat 
otdinem  diTimiua  inditnm  mnndo^  out  praeeat  ipae,  qui  fecit»  neo 
anbeat»  qui  vel  agere  praeter  illnm  potia  videtur. 


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271 


Fhiloeopbns  antem  dmntssinraSy  qoi  res  natarales  facÜB 
mysticis  deolaravit,  et  moreB  ancU>ritate  sumina  praeoepit  et 
«nnotas  Tirtntes  exemplo  coDfimaTit  hnmilitatiB  et  demiwlonis, 
caritatis  et  misericordiae,  institiae  prudentiae  pietatis  et  religionis. 

Bed  qui,  qao  nos  erudiret,  opus  arto  ma^stra  maximus  in< 
venil,  ipse  mentes  mLciiLirt  lUumiüaL  euruiu,  qui  sacramento  suo 
öupplieitor  utuDtiir:  in  quo  speculo  cultoree  Eucharistiri  ('hristi 
Deum  cogDOBcerc  perdoceutur ,  ut  eum,  cuius  ipai  specuia  facti 
mnt,  ita  post  vitam  mortui  em,  sioat  est  ipae,  specalaterea  im* 
mortalea  videaat  et  beate  Yiyant  onm  pace. 

3.  Etiam  sacerdos  ia  aetenraiD  seonndam  Melchisedeeh  regis 
ordinem  ChriBtas  creditar  creatoa.  Omnis  eaim  gratiae  dmnae 
capat  est  Ipse,  catas  samnram  ins  poatifieiam  plenis  in  gratiis 
coDsistit,  Qui  pontitex  fiUurorum  bonorum  per  proprium  sangui- 
nem  äemel  iutroivit  in  eaocta,  ('hrititus  est  una  victiiaa  propter 
«iiogulare  pretiura  nostrfie  redemptioniH. 

Fidelis  igitur  sacerdos  venit»  ut  voluatatem  Fatris  t'aceret, 
dedit  se  pro  mundi  vita,  Deam  Tero,  oai  rigore  iustitiae  satis- 
fecerat,  per  sacrifioium  nobis  propitinm  reddidit  £t  ioge  saori- 
ficiam,  siae  quo  nalla  religio,  flamea  Euoharisticua  ikoit  Inte- 
riori  vero  nota  meatibns  iraprossa»  qua  diviae  coltoi  maaeipaatur, 
reliqui  sacricolao  partem  captnnt  illius  saoerdotii:  quo  munere 
destiuantiir.  uL  uiiDiHterio,  quoLiub  voluerint,  consecrationeni  faciaut. 

(Jhrif?iuö  autem  ■^)rincep8  offert  in  propria  Hjuicie  wacruiii, 
qui  sub  sacramenti  speciebus  res  vat  oblata.  Qui  cuasecraliooe 
aoa  destraitur  aec  mutatur,  sed  victima  ponitur  et  oßertur:  sed 
eamptioae  sacrum  eoDSummatur,  qua  Christas  sub  speciebus  ooa> 
tentus  et  immutatur  et  ia  saerameato  desiait  esse. 

Quo  sacTo  piaeulum  crucis  comxaezaoratar,  eo  quidem  aos- 
ffiettpsi  Beo  Triao  perficimur  aeteraum  muaus.  Nam  taatae 
sauctiiutis  haec  ara  Christi,  ut  in  ea  Spiritus  Dei  sauctus  et  dona 
po})uli  8ui  sanctificct  et  coruiu  corda,  qui  Chriatum  sumunt  Eu- 
charisticum.  eomiLer  emuudet. 

Itaque  per  Eucbaristicam  sacerdotem,  quos  expiavit,  etiam 
conBummantur,  ut  homiaes  Dei  aec  aoa  ia  ipso  Christo  maiores 
hooiixies  efficiaatnr. 

J$MnA  Ar  Fhllotopliie  ele.  Vh  is 


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272  Beitrage  zur  Geschichte  der  iieuereu  Philosophie. 


Ave  rex  Eucharistice,  salye  magister  uoice»  pontifex  esto- 
nobis  in  omne  tempus  aalutatas. 

'  Te  diUgimi»,  impemtorom  te  facimiw,  ImiUri  te  Tolanw 
onmes. 

Ta  pater,  amious,  tu  vero  princepe,  Bolnt  dig^ua  et  forti» 
et  msttts  et  boons  Jeans.  Jo  ta  boIus  paeter  almna  alens  aüoe 
tao  oorporeu 

Ta  generia  humaiii  aingalaria  amor  et  ingena  dealderiam. 

Exemplam  militiae  tn  quidem,  qoi  praemiam  qaoqae  ykslD- 
rum;  imo  tu  nostra  victritwi.         iimaclum  vincis. 

Tuere  nos,  tuere  reiupublicatn;  nam  bcnu  tibi  committimns» 
quos  aule  serviisti,  quo«  nemo  praeter  -te  soluui  valet  saWare. 

Mirabilis  enim,  qui  solus  mirabilia  facit  ChristuB,  unibri- 
terum  Bacrameotum  coadidit>  quo  sol  Eacharisticus  radio«  hu- 
manitatis  divioae,  oe  niroia  oorusceDt,  snaviter  temperat. 

Aat  in  ambraonlia  eiua,  quem  deaideraveram,  aedi,  coioa  mihi 
ooeleatia  fraotaa  eat  dnloia. 

Ergo  non  ampliua  in  tenebria  et  io  umbra  mortis  capti»  aed 
tUostrati  potins  hoc  orto  aole  com  viatoribaa  in  itinere  frogem 
Titae  comedimaa,  ut  Tictorea  in  patria  cum  beatia  angelia  Ticturi 
lamine  fraaronr  ipso. 

Qiiod  admirandum  creditur,  est  mirabile  credita;  non  est  et 
laudis  abunde,  quod  non  percipitur  mente:  sed  oia^is  miruin  nihil 
omnipotenti  Deo. 

 »p<^(^^  

BEITRÄGE  ZUR  GKSCICHTE  DER  NEUEREN 

PHILOSOPHIE. 

Von  Db.  G.  GRUPP. 

4.  Her  hart. 

1.  In  Band  V  dieses  Jahrbuches  S.  223  ff.  haben  wir  aus- 
einandergesetzt, wie  Herbart  die  ratiüualislischen  Momlprincipien. 
welche  Kant  alle  verwarf,  zu  einem  zusammenstimmenden  Ganzen 
verband.    Er  stellte  das  Princip   der  Gerechtigkeit  (Hobbes^ 


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Beiträge  stir  Qcsehiehte  der  neueren  Philosophie. 


273 


GrottQ»),  den  Wohl woUena  (Smith),  deryollkomiiioBheit(Wolf)»  der 
HÜtUohen  Freiheit  (Fichte)  neben- und  übereinander  und  bestimmte 

ihre  gegenKeitigen  Verbältniese  nicht  nach  logischen,  Bondern  nach 
nRlli»  tischen  Gesichtspunkten  der  Ordnnnfr.  Die  Art  und  Weise, 
wif  er  jene  Principion  in  ÜHtluitische  Foiravorhältnisse  umzu- 
wandeln weifs,  ißt  seiir  ^-onial,  aber  im  (irnndc  genommen  ebenso 
vcrreblt,  wie  seine  Verwandlung  dos  Geiöteslebeim  in  einen  ma- 
thematischer Berechnung  zugänglichen  Mechanismus. 

Aaf  pädagogiflcbem  Gebiete  hat  die  Herbart»ohe  Philo- 
sophie Erfolge  erreicht,  wie  sie  keinem  neueren  System  zu  teil 
wurde.  Bio  Terdankt  dies  nicht  so  fast  dem  Umstände,  dafs  sie 
d<;r  £rziehung  und  dem  Unterrichte  den  denkbar  gröfsten  Eiu- 
dufH  auf  Anschauung  und  Charakter  zuschreibt,  als  vielmehr  der 
eing-eliendcn  Liebe,  mit  der  «ich  lleibart  den  pädagogischen 
Fragen  widmete.  Dadurch  hat  er  viel  nachhaltif^er  als  sein  Lehrer 
Fichte  gewirkt,  der  zwar  auch  dvs  Erziehung'-  den  höchsteu  Wert 
Seilest«,  aber  in  seiner  Unkenntnis  und  Mil'saehtung  der  realen 
Eiuzelheilcn  und  der  beschränkten  Ziele,  welche  die  Wirklichkeil 
erträgt,  phantastische  Forderungen  und  Hoffouugeu  aussprach. 

Unter  den  von  Uerbart  aufgestellten  Eniehungsprincipien 
greife  ich  als  besonders  wichtig  eins  heraus,  nämlich  die  Viel- 
seitigkeit der  Interessen,  welches  den  Unterricht  erwecken 
soll.  Dieses  Princip  serlegt  sich  in  zwei,  in  Vielseitigkeit  und 
Teilnahme.  Der  Lehrer  soll  vor  allem  Ttiilnahmc  erwecken. 
Es  haudcdt  sich  weder  in  niederen  nncli  in  liiifu-ren  Schulen 
darum,  dul8  ein  bestimmtes  Qnnntum  des  Wiböuus  erzielt  wird; 
viel  wichliper  ist  dieWeckung-  geistig^er  Strebsamkeit,  einer  von 
Lust  und  Liebe  crtuUteu  Teilnahme  au  den  geistigen  Gütern., 
von  denen  ein  jeglicher  Unterricht  nur  eine  gewisse  Vorahnung 
geben  kann.  Freilich  das  Examen  am  Schlüsse  eines  jeden 
höheren  und  niederen  Unterrichtskursus  macht  es  begreiflich, 
dafs  Lehrer  und  Methode  zu  quUlerischer  Stofferfullnng  zusammen- 
wirken, hei  dem  Schüler  die  Aktivität  lähmen  und  leblose  Pas* 
sivität  erzeugen.  Die  Folge  dieser  anerzogenen  Passivität  ist 
geistige  Teilnahmslosigkeit,  Htnraptsinn  und  Unbildung  und  die 
Folge  der  Unbildung  Intoleranz  und  Ungerechtigkeit  gegen 
höhere  Debtrebungen.  Freilieli  droht  dieHi»  Gefahr  auch  dann 
noch,  wenn  lebbat'te  Teilnahme  ohne  Vielhuitigkeit  der  Teilnahme 
erzeugt  wird.  Wo  warmes  Interesse  für  einen  bestimmten  Zweig 
des  geistigen  Iiohens  geweckt  wurde,  pflegt  sich  dieses  mit  einem 
beschränkten  Gebiet  zu  begnügen  und  das  ist  ja  auch  notwendig 
und  nützlich,  sofern  nur  nicht  die  Toleranz  und  der  achtende 
Sinn  für  andere  Gebiete  verloren  geht   Das  Detailinteresse  und 

IS» 


274         Beiträge  zur  Geschichte  der  neueren  Philoiophie. 


dio  beschrankte  Meisterschaft  mufs  über  in  einer  gewissen  Viel« 
seiügkeit  des  Interesses  und  Wissens  ein  Gleichgewicht  fioden, 
sonst  wird  selbst  der  Meister  auf  einem  gewissen  Gebiet  ein 
Barbar  für  andere  Gebiete,  und  wird  intoleraot,  exklusiv  nud 
einseitig.  Eiue  gewisse  V  i  c  1  t?e  i  tigk  ei  t  des  Interesses  ist,  daher 
ebenso  notwendig-,  wie  Teilnahme  überhaupt.  Wer  nicht  eine 
gewibse  Vielseitigkeil  und  Üeweglichkeit  des  (xeistes  bewahrt, 
die  auch  für  Neues  und  Abweicheude«  zugiiuglieh  ist,  dem  fehlt 
das»  iutereääe  au  allem,  wa8  über  seinen  beBcbiänklen  Gesichw- 
punkt  hinausgeht,  er  wird  ungerecht  gegen  andere  und  geneigt 
za  hlinden  Yorarteileii.  Wie  viel  Hab  und  Streit,  Abneigung 
nnd  MirBganst  erwächst  daraus,  dafs  die  Menschen  sich  so  nii> 
gern  in  die  Anschanung  und  Lage  anderer  versetzen!  Wie  stok 
und  hochmütig  sieht  jene  Sotfisanee  auf  alles  hermb,  was  atli8e^ 
halb  ihres  Kreises  steht!  Und  doch  wie  leicht  ist  jeder  ge- 
neigt dazu! 

Es  ist  nun  freilich  ein  schon  theoretisch  schwer  za  lösendes 
und  ein  noch  schw^iorigeres  praktisches  Problem,  wie  das  Inter- 
esse zu  wecken  und  zu  erhalten  ist.  Die  Homiletik  und  Rhe- 
torik gibt  dem  Redner  die  Auweisni^;: ,  wenn  er  anziehen  und 
für  seine  Ideen  gewinnen  wolle,  inüs>e  er  lebendig,  mannigfaltig 
und  schön  d:ir«tellen,  alles  Abstiakle  veranschaulichen  und  überall 
die  dem  (jemiite  z ugängliche  Seite  aufdecken.  Ähnliches 
gilt  auch  vom  LutcrrichL,  mehr  noch  aU  ächönc  Darstellung 
wird  man  Anschaulichkeit  nnd  WKrme  fordern  dürfen.  Wo  kein 
Zusammenhang  mit  den  lebendigen  Bediirfnissen  des  Herzens  her- 
gestellt ist,  wird  man  Tergebens  Aufmerksamkeit  und  Teilnahme 
erwarten  und  erzwingen  wollen. 

Uerbart  gibt  einen  andern  Weg  an,  als  den  eben  ange- 
deuteten. Eine  methodische  Analyse  und  darauffolgende  Synthese 
soll  Licht  und  Klarheit  über  den  gegebenen  Stoff  verbreiten  und, 
was  besonders  wichtig  ist,  eine  nach  verschiedenen  Richtungen 
auslaufende  Verknüpfung*  soll  den  Stüft*  in  einen  systematischen 
Zusammenhang  einreihen.  Es  war  besonders  Ziller,  der  diese 
Seite  der  Herbartscheu  Lehre  weiter  ausbildete.  Der  gesamte 
Unterricht  wird  von  diesem  um  Bystemaiische  Alittelpuukle  gre- 
reiht,  und  auf  diese  Weise  soll  die  besiehende  Zersplitterung  im 
i'riucipe  beseitigt  werden.  Diese  Mittelpunkte  müssen  einesteils 
das  volle  Interesse,  welches  der  Unterricht  erfordert,  erregen 
und  wachhalten  und  andernteils  einen  logisdien  Zusammenhang 
und  Fortgang  ermöglichen.  Man  begreift  leicht,  dafe  nur  schwer 
sich  solche  Mittelpunkte  finden  lassen,  welche  Anziehungskraft 
und  Weite  genug  haben ,  um  auch  die  entlegensten  Teile  des 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie.  275 


g'leichzeiti^  zn  erteilenden  Unterrichtes  in  lebendiger,  log-ischer 
und  gemülliclier  Beziehung  zu  erhalten.  Wenn  je  ein  Stoff  hiezu 
befähigt  ist,  m  kann  es  nur  ein  religiöser  Hein:  das  erkannte 
Ziller  wohl  und  gab  denhalb  z.  B.  den  sechs  letzten  Jahren  des 
Volksachulanterrichtes  je  eine  Periode  der  Oü'enbarungs-  oder 
Heitflgeschichte  zum  Mittelpunkt.  80  bat  das  dritte  Schuljahr 
die  Patriarcbenseit,  das  yierte  die  Richter-,  das  fünfte  die  Königs* 
seit,  das  sechste  die  LebeDsgescbichte  Jesn»  das  siebente  die 
Apostelgesohichte,  das  achte  die  Reformationsgescbichte  (!)  und  den 
Katechismus  zuro  Ausgangs-  nnd  Zielpunkt  dos  gesamten  Unter- 
lichtes.  Diesen  Stufen  voraus  geht  das  Märchen  im  ersten  und 
Robinson  im  zweiten  Schnljaiir.  Ziller  hat  diese  AiiMnanderfolge 
der  Unterriclii^fT*'g©D8täDde  gewählt,  um  schon  in  der  \  olksschulo 
den  kullurgeHchichtlichen  Gang  der  Menschheit  anzudeuten;  denn 
nach  einer  weitverbreiteten  Voraussetzung  mufs  der  individuelle 
Bildungsgang  den  groben  Bildungsgang  der  Menschheit  rekapi- 
tolleren.  Wir  lassen  es  dahingestellt^  ob  es  mit  dieser  Ansicht 
seine  Richtigkeit  habe;  auch  abgesehen  davon  fordern  die  Anf- 
stellnsgen  Zillers  an  maanigffscher  Kritik  heraus. 

Wir  stiramStt  vollstindig  mit  Pfarrer  Herp:er  oberein,  dessen  Schrift* 
uns  zur  Besprechung  vorliegt,  wenn  er  die  Märchen  und  Robinsonaden 
aas  der  Selm i«^  verliannt  wissen  w?l!  mul  wenn  er  tlor  alten  Metliode  einer 
snccessiven,  immer  volleren  Darbietung  der  gesamten  hiblischon  (tescliichte 
das  Wort  redet.  Dem  Kinde  gibt  man  nur  den  l'mrifd  und  den  Keim, 
um  erst  mit  der  Reife  der  Jahro  den  volleren  Gehalt  und  das  tiefe  Ver- 
stAndois  zu  ertehlieCieo.  Berger  bat  ganz  recht,  wenn  er  sagt,  das  Kind 
bsse  die  hiblisehs  Oeschiehte  gans  „kindlich  naiv"  auf.  Nur  so  leicht 
ttbertrift  man  in  dieiem  Alter  auf  die  hoben  und  erhabenen  Gestalten 
der  hl.  Getehichte  die  bescbHUikten  Erfahrungen  ood  Anichaonogen  des 
kindlichen  Gesichtskreises;  einer  späteren  £otwicklungs8tafe  erscheinen 
sie  daher  leicht  als  dürftige,  ärmliche  und  kleinliche  Vorstellnngen ,  die 
dem  Intercssp  entschwinden,  wenn  sie  nicht  mit  ticf«^rem  Hi  !,:\l'r  n  fiiüt 
werden.  Mit  Reelit  sagt  Ber/ij^er:  „Von  1  t  kindlic  Ii  luiivf n  zu  der  männ- 
lich-verständigen Auffassunpr  der  ewigen  lleilswalirheiten  müssen  die  Kinder 
aber  mit  p&dagogischeui  lakt  bin  ubergeleitet  werden,  sonst  kommt  eine 
Zeit,  wo  sie  religiösen  SchiflTbnich  leiden^  wo  sie  mit  der  Aufseren  Schale, 
die  ihnen  unbedenland  erscheint,  den  kostbaren  religiöien  Kern  als  leere 
Spren,  slt  tote  Schlacke  von  sich  werfen,  wie  das  im  ipitern  Lebensslter 
so  oft  getebieht." 

An  der  Kritik  Bergers  vermiise  ich  einen  Punkt,  ich  meine  damit 


'  Über  die  Herbart*Ztllersrhon  Grundsätze  in  ihrer  Anwendung  auf 
den  Keligionsunterricht.  Altenburg.  Dietz  1888. 


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276 


Beitrige  nir  Geschichte  der  Beaeren  Philoiophie. 


weniger  die  Behmidlmig  der  Refermationsgeticbtchta  im  achten  ScLuijabr, 
die  nnn  wohl  nnch  auf  protettantiieheni  Standponkt  fttgüeh  dorcb  die 
Getchtchte  der  Blflteieit  des  Mittelalters  etc.  ersetsen  darf,  sondern  viel* 
mehr  die  Zillersche  Zurflcksetsoog  des  l&teebismnsimlerrkhtes.  leb  bin 

freilich  auch  der  Ansicht,  dsfs  der  abstrakte,  den  Schüler  leicht  ermQ- 
den«lc  und  dem  tieftTn  Sinn  nach  häufig  ODTerstaniltMio  Katecbismusinbalt 
«liircli  die  Oft'enbarnnpsgrsphichto  mehr  erpänzt  und  organisch  fff-lüt 
wordp,  als  es  liiiutif;  crp«rhicht.  Ich  habe  schon  an  einem  an  lr'.  ;i  ' 'rto 
i.Ma?a/.in  für  l'ädngogiJ^  l88s  S.  170)  betont,  dafs  inan  die  Eigen  schalten 
(jottcs  konkret  an  und  auü  bihliächen  EreignisiiiMi  entwicktiln  solle,  und 
dabei  gesagt:  „Wm  die  systematische  Darstellong  des  Katechismas  dem 
Verstand  disknrsiv  entfalten  rnnfii,  das  ist  in  dem  plastischen  Gemild« 
der  Historie  als  Ganzes  vereint,  nnd  mehr  als  dnreh  einselne  Siise,  welche 
das  Gante  serteilen,  wird  der  jugendliche  Geist  dorcb  die  Intuition  den 
Ganzen  bestimmt.  Man  kenn  daher  nie  genug  die  erhabenen  Bilder  der 
Offenbarung? grschichte  vor  Augen  rflcken,  aus  denen  doch  all  unser 
systpniaf iHclies  Wissen  geflossen  ist.  Wie  ans  der  Per<5on  Christi,  fo 
wurden  aus  den  Otfenharungen  und  Worten  (»(»tf«;  erst  die  d(»gmatischen 
Säl/.e  abireleitet  ,  die  der  Katerhisrans  in  luice  gibt/"  AlU'in  damit  ist 
nicht  gemeint,  man  müsse  den  Katechismus  in  das  letzte  Siliiiljahr  ver- 
tlrängen.  Schon  von  Anfang  an  soll  vielmehr  der  dogmatische  (iebait 
entwickelt  werden ,  ja  die  Quintessenz  des  Katechismus  (der  Glaube  an 
Gott,  Christus  und  seine  Kirche)  mufs  dem  gansen  Religionsunterricht  so 
Grunde  gelegt  werden,  wie  es  s.  B.  in  den  musterbaften  Kinderkitechesen 
von  Mey  geschieht  Was  gessgt  werden  wollte,  war  nur  das,  man  solle 
In  der  von  der  Pädagogik  verlangten  Weise  immer  von  der  Anschau  nng 
ausgehen  und  zu  ihr  xurAckkehren,  wenn  es  sich  um  abstrakte 
Verhältnisse  bandle. 

JS,  Schopenhauer, 

Kant  hatte  das  Weltphäuouiüu  idealistisch  erklärt,  alles  Be- 
griffliche der  Erscheinungen,  8ubstanz  und  Accidenz,  Eigen- 
schaflen,  Gestalt  und  Grüfte,  Form  und  Zweck,  Einheit  des 
Ganzen  und  Vielheit  der  Teile,  sn  enbjektiven  Deokformen  er- 
klärt, aber  immer  noch  ein  unbekanniea  nnd  nnbestimmbareB  Ding 
an  Rieb  übrig  gelassen.  Seine  Nachfolger  haben  nun  auch  mit 
diesem  nnbekannteo  Ding  an  sich  aufgeräumt  und  die  ganze 
Welt  aus  apriorischen  Begriffen  erklärt,  wie  Fichte  und  Hegel. 
Aber  ihr  VorÄuch  widerstrebte  all"n  r«»!il!Htisch  gesinnten  Geistern 
und  es  erhob  sich  aufs  neue  die  Fra<j^o,  was  das  Ding-  an  sich 
sei.  In  der  vorkantischon  Zeit  hätten  auf  «licso  Frage  die  einen 
geantwortet:  teil«  Materie,  teils  Geist,  die  audoru:  entweder 
Materie  oder  Geist.    Die  Materialisten  erklärten  alles  au:»  der 


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Beitrftge  zar  Oescbichte  der  neaeren  Philosophie.  277 


MateriOi  die  Leibnitzianer  aus  dem  Geist;  die  gesunde  Philosophie 
nahm  awei  Piiocipien  snr  Hand,  Materie  und  Geist.  Aof  Kaoti- 
-'•hf!in  Boden  war  schon  'lurch  die  Fragestellung':  was  ist  di\9. 
i)ing  an  sich,  welches  «^nwnhl  den  rauterielleu  als  geistig'en 
Kr^rheinungen  zu  (i runde  hegi,  ein  Ilualismus  ansg-esehlGösen 
ynd  OS  handelte  sich  nur  um  eine  Bestiruiniing  dieses  unbekannten 
X  in  einem  Sinne,  welcher  nowohl  die  Erklärung  der  materiellen 
«U  der  geistigen  PhSnomeoe  Baliefik  Siiie  salohe  BeiiimmuDg 
vennchte  nun  SchopenhaoeT.  £r  wollte  das  Ding  an  siob  weder 
«Is  etwas  HaterieUes  noch  als  etwas  rein  Geistiges  gelten  lassen 
und  von  ihm  ebenso  sehr  die  Dunkelheit,  Unselbständigkeit  und 
Änfserlichkeit  der  materiellen,  als  die  Helle,  Bewnfstheit  und 
Innerlichkeit  »ies  Lieistit^eji  abwehren.  Das  Ding'  an  sich  follte 
etwas  Mittleres,  gleichsam  in  der  Indifferenz  zwisch«Mi  (jeist  und 
Materie  Schwebendes  sein  und  als  dieses  Mittlere  bot  »ich  ihm 
der  Wille.  Dies  ist  die  ^rofse  Entdeckung  Schupenhauens. 
sStreng  genommen  hitlte  sich  nun  Schopenhauer  mit  diesem  oiu- 
tiushen  Dafe  begnügen  sollen,  er  hätte  über  den  Willen  nichts 
weiter  aussagen  diirfen,  da  ja  auf  ihn  als  Ding  an  sich  die  nnr 
lür  die  Erscheinnngswelt  geltenden  Kategorieen  keine  Anwendung 
finden.  Allein  wir  erfahren  doch  Veiscbiedenes  äber  diesen 
Weitwillen. 

1.  Der  Weltwille  ist  ähnlich,  wie  die  Substanz  Spinozas  eins  in 
•-i^h  und  das  Kine  in  Allem,  er  uffenbart  sich,  um  in  der  .Sj)rache  Spi- 
nozas weiterzufahren,  in  den  zwei  Attributen  Materie  und  V'orstel- 
luDg  mit  ihren  unzähligen  Modi«.  Aber  alle  diese  differenten  Modi, 
alle  Vereinzelung  als  Ding  und  Subjekt,  alle  ludividualisierun^ 
ist  nii^t  nnr,  wie  bei  Spinoza,  ein  Toriibergehender,  aber  immer 
noch  realer  tf  odns,  sondern  überhaupt  unwahr  und  nichtig,  weil 
alles  in  Zeit  und  Raum  Erscheinende  unwahr  ist  Zeit  und  Baum 
gilt  nur  für  die  Welt  der  „Erscheinungen'*,  nicht  für  das  Ding 
an  sich.  Hier  ist  alles  räum-  und  zeitlos  und  es  gibt 
'.reder  ein  Xt-ben-  noch  ein  Nacheinander.  Die  Erschei- 
nungsweh mit  ihrer  Vielheit  von  Klemonten,  Momenten,  ihrenj 
Neben-  und  Nacheinander  verdankt  einem  eigentumlichen  Zauber 
ihre  Entstehung,  nämlich  der  „Magie  des  Willens'':  sie  ist  der 
täuschende  Schleier  der  Magie,  eitler  Schein  und  irug. 

2.  In  der  Welt  der  Ersoheinuogeo  herrscht  ohne  Ausnahme 
das  Geseti  der  Kausalität,  in  der  wahren  Wirkliohkeitssphäre 
aber  herrscht  die  Freiheit  Der  Wille  ist  frei,  und  in  frmer 
Selbstbestiromung  setst  sich  der  Einzelne  als  hyperempirisches 
Subjekt  sein  Dasein  und  seinen  Charakter,  von  dem  er  nun 
an  all  seinem  empirischen  Wollen  unTerbrüchlich  bestimmt  ist 


I 


278        Beitrtce  snr  6«ieluditc  d«r  mmmn  PUlowphie. 


3.  Der  Wille  i«t  dunkel,  blind  und  intellektlos.  In 
purem  Unyeretand  »etzl  er  die  Weit,  die  deshalb  auch  die  aller- 
scblechteste  ist. 

Die  voraustcheudeu  Behauptungen  werden  also  gerechtfertigt: 

1.  Von  allen  Kategorieen  hat  alleiii  die  Kausalit&t  reale  GUtigkeiC 
Ikn  Giltigkeit  erfahre  ich  ao  fldr  Mifatt,  mm  ieh  auf  te 
iiiBerliebeii  6adaiik«ii  and  Enttehlob  efaer  Arm*  und  Fobboiragiiiig  das 
infterllehe  Bild  diMcr  Bewegoog  ao  meiiMm  KOrper  folgen  sehe.  Rftek- 
wirttgehend  kann  icli  nun  mit  Anwendung  dea  eben  als  wahr  erkumteo 
XanialgüeCiet  tob  der  Wirkong  (a.  B.  Armbewegnng)  aof  die  Ursache: 
den  Willen  schliefsen.  Die  Aktion  meinet  Leibes  erkenne  ich  also  als 
die  Aktion  meines  Willens,  der  Leib  selbst  ist  objektivierter 
Wille  (?).  Wie  die  sinnliche  Erscheinung  des  Körpers,  ist  anch  dip 
sinnliche  Erschf^inung  der  Natnr  als  Objekti¥ierung  eines 
Willens  zu  erklären. 

2.  Schon  Kant  hatte  behauptet,  jede  Handlung  sei  durch  den  Cha- 
rakter und  das  stärkste  Motiv  unbedingt  best  im  tut,  andererseits  aber 
fühle  sieh  jeder  verantwortlich  dnfur  und  lialte  sich  schuldig  auch  för 
seinen  Charakter.  Schuldig  künne  man  sich  aber  nur  für  das  fühlen^  was 
man  frei  erw&hlte;  da  nnn  aber  diese  Freiheit  aof  empirieeheni  Bodea 
Bloh  nicht  finde,  lo  ktane  sie  nnr  dem  hyperemp irischen  Beden 
angehören,  wo  das  Ding  an  sich  so  snchen-  ist  Von  hier  ans  liegt 
die  Folgerung  Sehopenhaneis  nahe,  dab  im  Gebiet  des  Ding  an  si<^ 
die  Freiheit  eine  grofse  Bolle  spielt  üm  so  wtllkoaunener  nnlirte  eise 
solche  Folgerung  sein,  als  der  Wille  —  das  Schopenhauersche  Ding  an 
sich  —  als  freiheitsfahige  Kraft  sich  geeignet  darstellte,  eine  solche 
Folgerung  auf  sich  beziehen  an  lassen. 

Der  Ausflufs  der  hyperempirischen  Selbstentscheidung  ist  bei  Kant 
das  Sittengesetz,  bei  Schopenhauer  der  mehr  realistisch  gefafste  Cha- 
rakter \Vi>  wir  nn^*  (Ins  hypprerapirischo  Subjekt  näher  zu  denken 
haben,  crfalireii  wir  weder  bei  diesem  norli  \n-\  jeuem  und  bei  letzterem 
vermissen  wir  das  um  so  .Tiehr,  als  v-ir  doch  alles  Individuelle  iu  dem 
entscheidenden  Subjekte  fern  denken  uuiäsen. 

8.  DaÜB  der  Wcltwille  blind  sei,  wird  aus  den  physischen  und 
morafisehen  WeltObeln  bewiesen.  Die  Erde  ist  ein  Jammerthal,  Lsito 
das  Wesen  des  Lebens  und  Schmers  die  OrondstimBnng  des  OefUhles* 
Alles  Sein  ist  mit  dem  egoistischen  Triebe  der  Selbsterhaltnng  erfUU, 
und  besonders  stark  seigt  sich  dieser  Egoismus  im  Menschen.  Mit  grellen 
Farben  schildert  Schopenhauer,  wie  das  ganie  mensebliehe  Leben  mit 
dieser  einen  Triebfeder  erfDilt  ist  und  der  Neid,  die  Bosheit,  die  Falscfa- 
heit,  die  Begehrlichkeit  und  Eitelkeit  das  ganze  Wesen  des  Menschen 
ausmacht.  Ein  Macchiavelli,  La  Rochefoucauld,  La  ßruydre  sind  dabei 
jeine  Autoritäten,  er  Obertrifft  sie  aber  alle  noch  durch  die  Energie  einer 


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Beitrig«  war  Getehieble  der  oenerai  Fbfloiophie. 


27^ 


tystanutiidMa  ZiittmniciifiMSiPig  und  aiaMitigoii  Komaqaeiis,  dnrdi  d«» 
G«matfutoil  und  die  lebeodige  Stimmiuig,  welche  aeinea  Beobeebtnogeo 
einen  eigenartigen  Reiz  gaben. 

Der  Weltwille  bringt  durch  eine  eigenttimliche  „Magie"  dei^ 
Schein  einer  ränmUoh- zeitlichen,  aus  einer  Vielheit  einander 
bediDgender  Dinge  und  Zustände  bestehenden  Welt  hervor.  Ala 
gleichbedentenden  Ansdruck  wählt  S^chopenhauer  auch  die  Formel: 
I>er  Wille  „objektiviert  nich**.  iJamit  ist  nicht  gemeint,  der  sub- 
jektive Wille  «fhatfe  sich  eine  reale  objektive  Welt  als  Ausdruck 
seines  "Wesens,  sondern  eigentlich  gerade  umgekehrt,  der  reak^ 
\\  lUe  „subjektiviere  sich",  d.  h.  er  übersetze  sich  in  die  Sijhare 
des  Intellektä,  der  subjektiven  Anschauung.  Objektiv  bekommt 
bai  Schopenhauer  jenen  geradezu  umgekehrten  Sinn,  welchen, 
das  Wort  bei  den  iScholaatikem  und  auoh  bei  Garteaina  hatte. 
Hichl  ala  ob  er  etwa  dnrch  daa  Stnditun  dieaer  Philoeophen  anl^ 
seine  Verwendnngaart  gekommen  wäre,  vielmehr  Ist  diese  die 
Folge  jenes  bekannten  Sataea,  den  er  an  die  Spitze  seines  Hanptp 
Werkes  („Die  Welt  als  Wille  und  Vorstellung")  stellt:  „Es  gibt 
kein  Objekt  ohne  Subjekt  und  kein  Subjekt  ohne  Objekt"  Beide» 
ist  mit  einander  unlöslich  verknüpft,  und  daher  gibt  ea  auoh  keinen. 
Willen  ohne  Vorstellung. 

Wille  und  Intellekt  sind  von  jeher  mit  einander  verknüpft 
und  das  eine  bildet  das  Gegengewicht  zum  andern.  Der  Wille 
übernotzt  sich  immer  in  der  Sprache  und  Form  des  Intellekte» 
und  „objektiviert  sich"  zunächst  in  den  Ideen,  die  wir  im  Sinne 
Piatos  aU  die  Musterbilder  gleichartiger  Dinge  anzuHchen  haben^ 
Diese  Objcklivation  iu  Ideen  ist  stufen-  oder  gradartig  zu  denken. 
Die  unterste  Stufe  iat  die  anorganiaehe  Materie,  dann  kommen, 
die  Organismen  und  suletat  der  Mensch  mit  seinem  hellen  Be- 
wulbtsein.  Die  YerTielfaltigung,  Vereinaelong  und  räum- 
lich seratreute  Anaohauung  der  Ideen  —  z.  B.  die  An- 
schauung einer  Eiche  an  verschiedenen  Orten  —  ist  Sache  dea 
Tutel lektes  und  vermittelt  sich  hier  durch  die  Anscbauungs-  und 
Denkforroen,  die  dem  Intellekte  eigen  sind  und  ihn  veranlassen, 
das  Eine  in  Arten,  Teile  und  Eigenschatlen  aufzulösen. 

Die  Ideen  sind  zeit^  nad  raomlos,  auch  sind  wir  bei  ihrer  Betrachtung 
frei  von  dem  die  wahre  Erkenntnis  trübenden  Eintliif-^  des  Kausalitäts- 
gesetzes, wir  fragen  weder  nach  dpm  Wo  wml  ^^anll  noch  nach  des^ 
Warum  und  Wozu,  sondern  nm  iiarh  dem  Was  des  Dinges. 

T)f»r  Intellekt  soll  sich  nun  von  der  Vielheit  zerstreuter 
Beispiele  zur  Einheit  der  Ide*^  zurückwenden  und  erheben.  Die 
Betrachtung'  der  Ideen  erhebt  uns  nach  Seh.  in  einen  willenlosen 
und  damit  schmemtreien  Zustand  und  begrüudet  die  ästhetische 


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290         Beitr&ge  zar  Geschichte  der  neueren  Philosophie. 


Stlmmiiiig;  Sache  der  Kanst  ist  es,  diesen  Zastand  durch  Dar- 
etellnng  der  Ideen  zu  erzengea. 

Man  sollte  nun  denken,  je  mehr  sich  der  lotellekl  zu  deo 
Ideen  erhebt  mid  jn  mehr  er  H<ch  von  dem  leidenerzengenden 
Willen  losringt,  ein  desto  glückh'  hcrea  Befinden  müfHte  die  gei- 
stige Bildung  herbeiführen,  wie  es  denn  auch  Aneicht  des  Aristo- 
teles war,  im  Denken  liege  die  Seligkeit.  Allein  umgekehrt 
behauptet  Schopenhauer,  mit  der  Höhe  der  Intelligenz  wachi^e 
das  Leiden,  nicht  nur  durchseliaue  maa  besser  die  Dichtigkeit 
alles  menscbUcbeQ  Strebens,  die  Illusion  der  Triebe  und  die 
Selbsttaaschang  der  Hoifnung,  soDdem  man  werde  äaoh  leideoi* 
fähiger,  empflndlioher  nnd  feioföhleiider  far  deo  Sobmen,  was 
aUerdiDgs  physiologisch  begründet  ist 

Das  Verhältnis  des  Intellektes  zum  Willen  bei  8oh.  ist  über' 
haupt  unklar.  Einerseits  ist  das  Denken  ein  Objektivationsphänomen 
des  einen  weltdnroh waltenden  Willens,  also  der  Wurzel  nach  ein« 
mit  ihm,  andererseits  aber  erhebt  es  sich  in  selbständige  willens- 
feind liehe  Stellung,  ohne  norh  wahre  Realität  oder  Substanz 
zu  werden.  Der  Intellekt  erkennt  in  steigendem  Mafse  die 
Thorheit  des  Lebenstriebes,  wtmdet  sicli  c-egen  den  Willen  zum 
Leben,  tötet  ihn  und  zieht  sich  damit  selbst  den  Boden  unter 
den  Fiifsen  hin  wog. 

Scliopenlmuer  versteigt  sich  m  der  nur  dem  konsequenten  Tdeali?mn« 
verst&ndlichen  Behauptung,  die  Menschen  brauchten  nur  einmalig  deu 
Trieb  zum  Leben  zu  verneinen,  um  dem  Weltprozeis  ein  rasche»  Eude 
isn  bereiten.  Wie  leicht  sieh  so  etwas  behaupten  l&&t,  da  man  doel 
nicht  sa  befürchten  braucht,  dafii  das  Experiment  einmal  aageüslk 
werde  l 

Der  Weltproaefs  nähme  so  durch  den  Intellekt  sein  Ende, 
wie  er  durch  den  Willen  seinen  An&ng  fand.  Streng  genommen 
dürfte  nach  Voraussetzung  des  Systems  weder  von  einem  An&sg 

nocli  Ende  die  Rede  sein,  da  Subjekt  und  Objekt,  Vorstellaog 
und  Wille  unlösbar  miteinander  Terknüpit  sind,  und  bei  eioeoi 
Weltprozefs  weder  nach  einem  Woher  noch  nach  einem  Wohin 
gefragt  werden  darf. 

Über  Schopenhauer  liegen  uns  zwei  Schriften  vor,  die  eine  von 
Haacke,^  die  andere  von  Küfsncr.  Beide  haben  ihro  eigentümlichen  Vor- 
züge neben  hervorstechenden  Schattenseiten.  Ilaacke  sucht  ohne  kritische 
Stellungnahme  das  System  objektiv  zu  begreifen  nnd  ans  dem  iuteUek- 
tuellen  und  moralischen  Charakter  seines  Urhebers  zu  erklären. 

^  Der  innere  Gedaukenzusammeuhaug  des  Schopenhauerächen  Sy  stems. 
fiuDslau  1688. 


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Bdtrftge  rar  Geschichte  der  neneren  PhQosophie.  2^1 


Der  ecbarfe  Oegeetats  twischen  WüIpb  und  loteltekt,  wie  ihn 
das  System  Schopenhauers  seigt,  ist  ohne  Zweifel  ebenso  in  dem  Cha- 
rakter deaeelben  begrOndet,  wie  sein  Pessimismus.  8ch.  fOblte  swei  Mftehte 

in  sich,  die  stets  im  Widerspruch  lagen,  einen  durchaus  egoistischen, 
genufssQ  cht  igen  und  unbezähmbaren  Willen  und  einen  bellen  intuitiven 
Verstand,  dor  sicli  über  die  Genieinlieit  der  Triclu»  rrliob  und  das  Scliöne 
und  Gute  /um  Inhnk  hatte.  Dieser  Gegensatz  drang  auch  in  die  utbiscben 
Ansichten  ein  und  veranlafstn  di»»  schrotic  Trennung  zwischen  dem  un- 
sittlichen Egoismus  uud  dem  aitrnistisclien  Mit|2;et"iihl  mit  dem  Nächsten, 
w  eiches  nach  den  pessimistischen  Voraussei /.untren  des  Systems  naherhin 
als  Mitleid  bestimmt  wird.  Nicht  die  wcrkthuiigf  Liehe,  das  ]>tal<ttschc 
Wohlwollen,  sondern  eine  rein  theoretische  Tugend  soll  den  Menschen 
aam  sittHcheo  machen  f 

laicht  ganz  in  dem  gleichen  Sinne  und  Grade ,  wie  der 
Gegensatz  von  Intellekt  und  Wille  läfet  eioh  die  peseimistieche 
StiiDmnngdea  Syetomaaue  einer  angeborenen  Charaktereigenschaft 
Schopenhauers  erklären.  Besalsen  wir  auch  nicht  die  Itachrtchten 
seiner  Freunde,  eo  enthielten  doch  seine  eigenen  Schriften  Andeu* 
tuDgeu  genug  über  die  Quelle  seiner  weUschnierzlichen  Stimmung. 
•Selten  hat  ein  Mensch  seiner  Natur  so  wenig  Zügel  angelegt,  ohne 
•Scheu  und  Rücksicht  auf  die  Meinung  anderer  den  Brutalen  gespielt, 
seinen  Hochmut  und  seine  McnMchenveriK'btung:  zur  Schau  getragen, 
wie  Schopenhauer.  8ein  Begehren  und  btrtiben,  die  Erwartungen 
und  Ansprüche,  die  er  ans  Leben  stellte,  waren  zu  liocli  gespannt 
und  marölos,  als  daf?«  sie  ihre  Berriedigung  goliinden  liätu-n.  In- 
to]e:edes8en  waren  die  Enttäunchungen,  die  er  machen  mutsie,  so 
zahlreich  und  grofs,  der  Rückschlag,  deu  dus  Leben  cieiii  kecken 
Mute  gab,  so  heftig,  dafs  die  Seele  für  immer  verstimmt  blieb. 

Ein  christliches  GemQt  hätte  aus  dem  Jammer  und  der  Öde  dieser 
Welt  sich  anfein  jenseitiges  Gebiet  geflOchtet  und  dort  den  Trost  gesucht, 
den  es  hier  nicht  fand.  Das  Christentum  ist  ganz  damit  einverstanden, 
dafo  diese  Erde  ein  Jammerthal  isl^  und  es  baot  auf  dieser  Wahrheit  die 
Groadforderung  der  Oottesliebe.  Es  bediente  sich  seit  Jahrhunderten 
jener  Erfinde  gegen  die  naive  OenofiMocbt  des  weklieh  gesinnten  Pan- 
tbeismos,  welche  Schopenhauer  und  Hartmann  zum  Teil  mit  unbewufster 
Anlehnung  an  homiletische  Gedankengänge  ins  Feld  führen.  Dafs  alle 
iidischen  GQtcr,  weder  Reichtum  noch  Genufs  und  Ehre  den  Menschen 
befriedi«ren,  ist  eine  alte  Wahrheit,  von  der  alle  Kanzeln  widerlialleu. 
Es  gibt  auch  einen  chri«tlirhen  Weltschmerz,  wenn  man  so  sapen  darf, 
eine  christliche  Traurigkeit  und  Melancholie.  Dalnips  proist  sie  mit 
i,'laüzen<lor  Schilderung:  ,, Kennt  ihr  die  christliche  i  raungkeit,  Jii  sos 
t-Tuste  1  erhabene  Gefühl,  das  sich  auf  der  Stirne  des  Gläubigen  wie 
eine  schmerzliche  Erinnerung  eines  orlauchtcn  Verbauuicu  abspiegelt,  das 


282         Beitrftge  zar  Geeobicbte  der  ueuereo  Philosophie. 


die  Freuden  des  Lobens  mit  dor  Hindcutnnfr  anf  das  (rrnh  müfsigt,  das 
mit  den  'Strahlen  der  Hoffnung  lias  Jiniikel  der  iirwtt  prhfllt,  dfe««»  so 
oatürlicbe  und  tröstliche,  so  grofse  uiul  ernste  Traurigkeit,  die  den  Glanx 
und  die  Herrlichkeiten  der  Welt  ais  vergänglichen  Wahn  von  sich  stöfst. 
—  Unsere  Seele  besitzt  die  Eigenschaften  eines  Verbannten:  sie  wird 
nar  von  Oegotttladeii  Mgezogen,  welche  snr  Tranrigkcit  ttfttiBeii,  md 
■elbet  wenn  sie  tob  imaichender  Freude  begleitet  siod,  muCi  ihnen  em 
mkhlbereehneter  OegenstU  einen  Sehein  von  Thmrlgkeit  Terleihen.  Wenn 
die  Sebtaheit  nicht  auf  ihren  besanbernditen  Reis  ▼erstehten  will,  malt 
ihren  Augen  eine  Thrine  des  Grams  enttolllen,  auf  ihrer  Stirn  ein  Ge- 
danke des  Kummers  rucken,  ihro  Wangen  unter  einer  schmerzlichen 
Eriiiiu  rtinp  erbleichen."  Die  r)iristlirhp  Trauer  ist  aber  ein*»  Trauer  zum 
Leben ,  nicht  zum  Tode,  wie  bpi  Schopenhauer;  sie  spannt  unsere  Hoffnung 
and  regt  unser  Streben,  anstatt  es  zu  lähmen  und  allen  frohen  Ausblick 
zu  eat;^iehen. 

Dafs  die  gegebene  Erklärung  des  äcbopenhauerschea  Pessi* 
misrnns  nafereffend  sei,  beweist  die  eyetemitische  BegrilnduDg 
dieser  Lebensansicht  Schopenhaner  fttbrt  alle  Obel  der  Welt 
auf  eine  Inkongraens  swisohen  unserer  Natar  nnd  der  Wirklieb- 

keit,  zwischen  den  eubjektiven  Bestrebungen,  idealen  Wünschen 
und  Erwartungen  und  den  objektiven  Weltlagen  zurück,  Kttfsoar^ 
Ikfet  die  diesbezüglichen  Ausführungen  kurz  und  gut  so  zusammen: 

.,Da8  Verhältnis,  in  welchem  der  Mensch  demnach  zu  der  ihm  nm- 
gebenden  Natur  steht,  »md  aus  dorn  alle  Übel  rntspriugen,  ist  in  phy- 
sischer Hinsicht  das  der  lukougrueu/.  seiner  j  i  vbisrhen  Konstitutiou  mit 
seiner  Umgcbuug;  in  ethischer  Hinsicht  das  der  Inkongruenz  seiner  sitt- 
lichen Kraft  mit  dem  mittelbar  oder  unmittelbar  ans  seiner  Umgebung 
and  seinen  Beiidiangen  zu  ihr  entstammeBden  UnlnstgefiOihle;  in  intellek* 
tneller  Hinsicht  die  Inkongraens  seiner  reseptiven  Sinnlichkeit  nnd  spon- 
tanen Vemnnft*An1agen  mit  der  Unendlichkeit  der  Objekte  seiner  StnneS' 
nnd  Vernunftthätigkeit." 

In  einem  idealen  Zustande  würde  die  Natur  weder  unsere 
Gesundheit  schädigen  noch  mit  Mühe  sich  die  Nahrung  abringen 
lassen,  Genufs  und  Ehre  würden  von  «elbst  dem  Menschen  zu- 
fallen und  ira  Geistesleben  würde  weder  Zeit  und  Raum  das 
wahre  Wesen  der  Dinge  vorhüllen  und  das  EnUerute  verdunkeln 
noch  die  Enge  de»  Bewurätseins  den  Gesichtskreis  beschränken. 
Hier  besäfsen  wir  die  Wahrheit  intnitiT  und  wir  brauchten  nicht 
▼on  einem  Ding  zum  andern  überzugehn. 

Es  ist  nun  allerdings  KflAner  beisnstimmen,  wenn  er  diesen  idenlen 
Traum  aerstOrt  nnd  als  unmöglich  darstellt  Wie  er  richtig  betont,  liegt 

1  Kritik  des  Pessimismos»  Versach  einer  Theodicee.  Halle,  Pfeffer  1888. 


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Beitr&ge  zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie.  283 


io  der  Not  und  im  sittlichfn  Kniniife  ein  notwendiges  Element  memcb- 
lieber  Bildung,  mit  dessen  VerscIi  wii^U  n  ein  trauriger,  unfruchtbarer  und 
leMospi  t^uietismus  die  Gesellsrl  att  eiiuikii  \>,  (ii  de.  „Dir  Idee  der  Sitt- 
lichkeit setzet  die  der  l^reibeil  und  des  Bewuistseins  voraus,  sowie  die 
TbatMchlichkeit  des  bösen  Triebes;  wo  aber  die  Möglichkeit  der  Sünde 
■aufgehoben,  sei  es  durch  Aufbebung  des  äufseren  Anlasses  (üolust),  sei 
et  dei  ianefeD  Triebes,  da  gibt  es  aneli  keine  sittlichen  Hnndlnngen  als 
4ie  aos^relbeit  entspringende  Übervindong  des  BOsen/* 

Andererseits  aber  besireifeln  wir,  ob  in  allen  Stfieken  die  Kritik 
Knfsners  berechti^'t  ist.  Der  erträumte  Ideal^iustand  des  Mensdien  und 
der  Gesellschaft  ist  nicht  durchaus  chimärischf  fttr  ein  transcendentes 
«icbiet  mQssen  wir  dessen  volle  Berech tiptintr  aufrecht  erhalten:  Die 
llottnung  ist  hier  kein  leerer  Wahn.  In  ein«  m  jenseitigen  Zustande  ist 
€s  nicht  undenkbar,  wie  ivul'sner  es  aus  darstellt,  dafs  zugleich  die  um- 
fassendste Objektenreibc  mit  gleichbleibender  Deutlichkeit  vor  Augen 
stände,  und  die  Unmöglichkeit,  nicht  mehr  sQndigen  zu  köuueu,  würde 
SO  wenig,  wie  bei  Gott»  eine  Kinbnfse  der  Freiheit  bedeuten.  JSin  solehes 
Leben  wftre  kein  bewoAtloses  Scheindasein.  Sowohl  das  Wahre  des 
Pessinlsnins  als  des  Optimismus  wftre  besser  saro  Ausdruck  gelangt, 
wenn  Kfl^ner  zwischen  dem  immanenten  und  transcendcnten  Gesichts- 
punkt unterschieden  hätte,  wenn  er  ein  höheres  sittliches  Ziel  als  ,,die 
Idee  der  fortwährenden  Entfaltung  und  Steigerung  aller  Kräfte  des 
Menschen"  und  einen  höheren  Ko'jritV  vm  der  Religion  als  den  „des 
Ausdruckes  der  idealen  Natur  des  Meuscheu"  üu  Grunde  gelegt  hätte. 

Die  Darstellungswciie  Küfsners  ist  etwas  geschraubt  und  bleibt  wie 
bei  Haacke  weit  zurück  hinter  der  Klarheit  des  Philosophen,  mit  dem 
aich  beide  liescbäftigen. 

6.  Latze, 

Unter  den  akatholisoheo  Philoeophen  der  nenesten  Zeit  wählt 
Lotse  zu  den  ansprechendsten  EncbeinuDgen.  Er  teilt  nicht 
den  anmafBendcn  Stola  der  Torauegebenden,  alles  und  besser 
wissenden  Philoi^ophnn^eneration,  sondern  war  bescheiden  in 
meinen  Ansprüchen  und  Zielen,  von  positiverer  Natur,  ein  ernster 
Forschor  und  Denker,  der  die  Aulsteiluug^cn  der  Vorzeit  nicht 
ohne  weiteres  beiseite  warf.  Oileich  Trcndelonburg  und  Ulrici 
verhielt  er  sich  nicht  gleich  von  Aiiiuu|^  uu  ablehnend  gegen 
alle  traditionellen  Anschauungen  und  wenn  er  im  letaten  Er- 
gebnis zu  wenig  annehmbaren  Aufstellungen  gelangt,  so  bleibt 
doch  Bein  pbiloeopbiechea  Schaffen  reich  an  anregenden  Unter* 
auchnngen  und  aufklärenden  Ideen.  Koch  mächdger,  ale  durch 
seine  konservative  Tendena  und  seinen  Gedankenreichtum  zieht 
Lotse  durch  den  Zauber  seiner  Sprache  an.  An  Glana^  Farben- 


Beiträge  sor  Qesebicbte  der  neaeren  Fhiloaophie. 


reichtam  nnd  Voroebnibeit  der  Daretellang  wird  er  yoq  keinem 
neneren  Philoeophen  übertroffen;  Ed.  von  HartmanB,  dessen  Söhrift 
Ober  Lotes  wir  zu  besprecben  haben,  reicht  kanm  an  ihn  heran, 
80  sehr  er  sich  bemüht,  ihn  in  Schatten  zu  st^^Ilen  nnd  ihn  zn 
ironisieren.  Zwar  ist  der  Stil  Lotzes  das  gerade  Gegenteil  von 
Einfachheit  und  geradliniger  Entwicklung.  Schon  änfserlich  er- 
weist sich  sein  Bau  als  ziemlich  verwickelt,  i^der  iSatz  ist  eine 
raehrgliedrign  Periode  und  kauiu  fehlt  einiuai  ein  Relativsatz; 
in  der  Regel  um^chlierst  eine  Periode  mehrere  Relativsätze  und 
bewegt  »ich  oft  durch  die  überrasciiendsiea  Wendungen,  ge^n 
deren  Kride  zu  wir  häuüg  in  spannende  Erwartung  gerateu.  wie 
bic  Wühl  ausgehen.  Aber  immer  ühertritft  er  die  Erwartung 
durch  die  vollendete  Eleganz  der  Lösung.  Schoo  in  einem  ein- 
zelnen 8atK  erweckt  seine  Darstellnog  doreb  Adjektive  nnd 
Relative  alle  luöglichen  Nebengedanken  und  noch  mebr  pflegt 
eine  längere  Ansllihrnng  über  einen  Gegenstand  so  viele  Seiten- 
Perspektiven  zu  eröffnen,  dafs  wir  uns  nie  in  einem  Paukte  ver- 
lieren und  überall  im  Mittelpunkt  der  Weltbctiachtung  fioden. 
Es  scheint,  als  wolle  Lotse  auch  für  die  philosophische  Darstellung 
und  Erkenntnis  zur  Wabrhett  machen,  was  er  im  Sinne  des 
Leibnitz  von  den  Weltatonien  pagt,  ein  jedes  Atom  widerspiegle 
das  Universum.  So  widerspiegelt  auch  hei  ihm  jedes  EleiucDi 
der  Entwicklung  die  ganze  Weltanschauung  nnd  wir  bleiben 
immer  aut  der  Höhe  universeller  Betrachtung. 

Durch  eiurn  last  zu  uugemessenen  (lebrauch  von  abstrakten 
Substantiven  weil's  Lolze  auch  eiulaclien  Waln üeiteu  ein  akademisch, 
vornehme«  Gewand  zu  geben.  In  abstrakten  Substantiven  und 
Prädikaten  verdichtet  er  eine  reiche  Fülle  konkreter  lohaltlich- 
keit  und  wandelt  dann  auf  der  Höhe  von  Abstraktion  an  Ab- 
straktion, jeder  Thatsache  dnrch  alle  möglichen  Wendungen  nnd 
Spiegelungen  folgeod  nnd  jeden  Gedanken  durch  alle  möglichen 
Voranssetznngen  und  Folgen  entfaltend.  Wenn  dann  unsere 
Aufmerksamkeit  ermüdet»  weifs  er  durch  gelegentliche  sympa- 
tische  Beziehungen  nnd  subjektive  Btreiflichter  das  Interesse  ta 
erregen  und  die  Gedanken  wach  zu  erhalten. 

Alle  diese  Stlleigentümlichkciten  zeigt  die  sogleich  folgendo- 
erke im  t u  1  s t  Ii  e 0  re  t i  sc  h  e  Auseinandersetzung,  die  wir  zugleich, 
als  Einleitung  den  spätem  Entwicklungen  vorausschicken. 

Nachdem  Lot/.e  gesagt  hat,  eine  frühere  Zeit  hn}>v  dem  'n'ist  einen 
angebureneii  Hesiiz  verschiedener  apriorischer  Ideen  willkürlich  zuge- 
sprochen, lährt  er  fort:  „Die  WiUkürlichkeit  solcher  Ansichten  hat  der 
erste  AntVchwung  unserer  nationalen  l'hilosophie  [Kant]  durch  die  An- 
uahmc  begrenzt,  dafs  allerdiags  wohl  dem  menschlichen  Geiste  eine 


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Beiträge  zur  GescLicbte  der  neueren  Philosophie. 


Mehrheit  angeborener  Idppn  zukomme,  aber  nicht  solcher  Ideen,  welche 
irgend  eine  Tbatsache  ruler  (  inen  einzelnen  Ziif?  des  Woltbaurs  rntlnillen, 
sondern  nur  solcher,  weiche  die  allgCDieiueu  ik m teiliiiigsgruijde  aus- 
drücken, nach  denen  unser  Denken  jeden  noch  zu  erwartenden  möglichen 
Gehalt  der  Wahrnehmung  auffassen  und  verarbeiten  uiufä.  Aller  Inhalt 
nnserar  Gedankea  konme  nns  nittelbAr  oder  oamittetbsr  von  dnr  Er» 
f«bniog,  aber  nicht  ebenso  die  Regeln,  nneb  denen  wir  beslebeod,  rer- 
glcicbend,  atteilend  und  folgernd  diesen  Inhalt  rerbinden  und  trennen, 
von  einem  zu  dem  andern  Obergehen.  Ihre  Quelle  sei  nicht  aufser  uns 
zu  suchen;  das  OefOhl  der  notwendigen  und  UDauslöslicben  Giltigkeit, 
mit  dem  sie  «nserm  Bewnfsisein  sich  nnfdrftngen,  liflrge  nns  vielmehr 
daffir,  (lafs  sie  von  (]»'rn  abstainnu'n,  von  dem  wir  uns  nie  trennen  i<Onncn, 
▼ou  der  eigenen  Xatur  näoiiich  unseres  geistitren  Wesens.  AnsKerüstet 
mit  diesen  Weisen  der  Auffassung  ssteiieu  wir  d(>r  Mannigfaltigkeit  der 
Kindräcke  gegenüber,  welche  die  Aufieuwelt  iu  uns  veranlafst  hat;  durch 
ihre  Anwendung  erst  wird  die  tbatsAchlicb  vorhandene  Snmnie  der  innem 
Zostinde  für  ons  Erkenntnis.  So  bringen  wir,  nns  eingeboren,  die  an- 
sebavliehen  Formen  des  Raumes  und  der  Zeit  jenen  Eindrftcken  entgegen, 
deren  gegenseitige  ?erfa&ltnit>se  sieh  nun  für  nns  in  das  Naeh*  und  Kcben* 
einander  der  sinnlichen  £r8Gbeinttng<iwelt  verwandeln,  so  treten  wir  mit 
'ier  nnalnveisbariMi  Voraussetzung,  dafs;  alle  Wirklichkeit  auf  der  (iriincl- 
iage  beharrlicher  Subsfanzeii  beruhen  müsse,  nn  welche  sich  ahhungig 
und  unselbständig  die  wandelbaren  Kigensrhait'  n  kmipfcn,  mit  der  Ge- 
wifsheit  ferner,  dafs  jedes  Ereignis  durch  einen  Ki  iiiu  lilicheii  Zusammen- 
hang  als  Wirkung  an  äeiue  Vui  angäuge  gebundt  n  sei :  mit  dieber  uui» 
eingebormen  Zuversicht  treten  wir  nur  Beobachtung  des  gegebenen  Inhalts 
htnao  nad  verwandeln  seine  Wahrnehmung,  indem  wir  diese  Grundsätze 
unserer  Benrteiluui;  auf  ihn  anwenden,  in  die  Erlrenntnis  eines  durch 
innerlichen  Zusammenhang  in  sich  abgeschlossenen  Weliganaen.'* 

Es  wftre  miTmrstftndlich,  wollte  man  bei  Lotzc  einen  Ähnlichen 
Idealismus  voraussetzen,  wie  er  sich  etwa  bei  den  Neukantianern  findet. 
Dio  Erfahrung  erhalt  vielmehr  ihr  volles  Recht.  Zum  Heweise  diene 
folgende  Erwägung  (Mikrokosmus  11,  S.  2'.)r>h  Was  frühere  I'hilosophen 
aofscr  den  obengenannten  Kat<'gorieen  utul  Anschauungsformen  noch  an 
apriorischen  Ideen  und  selbülversläudlicheu  Axiumeu  anführten,  wird 
selten  „mit  der  vollen  Klarheit  einer  nicht  anders  sein  Icftuneuden  Wahr- 
heit  sieh  aufdringen'*,  vieles  hat  nur  eine  mittelbare  Gewiftheit  und 
entspringt  dem  Zwange  der  allgemeinen  Formen  der  erfshrbaren  Wirk* 
lichkeit,  wdcfaa  nns  daran  ,,gew«hnt,  fttr  selbstverstindlicfa  und  notwendig 
so  halten,  was  wir  thatsftchlich  überall  wiederkehren  sehen".  Dahin 
gehört  z.  B.  „die  Vorstellung  von  der  notwendigen  Beständigkeit  der 
Masse  und  der  Unvcrgänglichkeit  des  Stoffes".  Endlich  gibt  es  cthisch- 
asthetische  Voraussetzungen,  welche  nicht  ausdrücken,  was  nicht  ander» 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  neaeren  Philosophie. 


sein  könnte,  sondern  etwas,  was  sein  sollte,  z.  B.  die  „Sehnsucht 
Dach  einer  höchsten  Eiulieit  der  Welt".  Streng  axiomatisch  sind  nur  die 
Deokgesetze  (Ideutitäts*  und  ivau^alitaiüge^tz).  Nun  ii>t  es  aber  nicht 
„d«r  OeiM  als  niner,  fon  dtr  Erfftlirttiig  noeh  imiMfIdirtor,  dos  wir 
4i6id  Vorauasetaoogeii  iiaterer  BeartaUung  der  Dinge  wie  fertig  mui 
mitgegebene  Werkieage  Terdanken,  als  bitte  er  sie  als  Ergebnis  einer 
Sonkordans  swischen  allen  den  Forderungen  seiner  intelligenten,  &8the- 
tisebea  und  sittlicben  Katar  gestiftet;  vielmehr  die  wirklichen  Erfsb* 
mngen  selbst  sind  es  erst,  die  den  Geist  reizen,  allmählich  sein  Wesen 
isa  entfalten  und  im  Kampf  mit  den  Dinj^en  sich  die  Kampfweiser. 
bilden,  die  er  bfdarf.  Alle  jene  Systeme,  die  da  geglaubt  haben,  dec 
Inhalt  der  dciikiiutweudigen  Wahrheit  als  einf  altgeaclilosscne  vollstiindige 
iteihe  gleich  ursprünglicher  Erkenntnisse  darstellen  zu  können,  haben  in 
der  Tbat  nelmebr  Reflexionen  von  sehr  verschiedenem  Datnm  gesammelt, 
<die  der  menschliche  Geist  im  geschicbtliebeo  Lauf  seiner  Bildung  an  den 
Stoff  der  Anbem  Wabrnehmang  nnd  an  die  Schicksale  des  Lebens  sa 
knttpfen  gel^t  bat,  und  unter  denen  nur  wenige  Ornndsfttse  sidi  finden, 
die  sieb  als  ursprünglich  ihm  angehftrige  Wahrheiten  bezeichnen  lassen."' 
Im  folgenden  g^eben  wir  eine  kurze  Übersiobt  über  die 
Naturphilo80phie,  Psychologie  und  McUiihysik  Lotzcs,  im  voraus 
HefHorkend,  dafs  seine  naturphilosophischen  und  metaphysischen 
idoen  viel  weniger  der  Ancrkennaag  wert  sindy  als  seine  psycho- 
logischen Untersuchungen. 

a)  Itotaea  Naturphilosophie. 

Im  Bereich  der  Katorphilosophte  huldigt  Lotse  einer  impo- 
nierenden meobanischen  Weltauffassung  und  verwirft  för  das 

vegetabilische  und  animalische  Leben  die  Annahme  einer  Lebens- 
kraft oder  einer  über  der  Stoffverbindung  schwebenden  substan- 
tiellen Form.  Die  organischen"  Stoffe  hangen  mechanisch  /.u- 
»ammen  und  kein  höheres  Rand  umschliefst  und  keine  Krall 
bestimmt  und  erhält  den  Slüllwechsel  und  da«  Wachstum.  Der 
organische  Bildungsprozel's  wird  nicht  „durch  eioe  über  ihnen 
schwebende  Idee,  sondern  darob  die  bestimmte  Anordnung  der 
Wechselwirkungen  uDterbalten  werden,  die  awiscben  allen  ein- 
seinen  Teilen  Tormoge  ihrer  bestimmten  Lagerung  gegen  einander 
obwalten". 

„Anstatt  eines  Bandes,  das  adt  oberflichlieben  Windungen  die  game 

Untilblbarkeit  der  Teile  umschliefst,  finden  wir  daher  unz&hlige  B&nder, 
die  je  zwei  einzelne  Elemente  des  Körpers  verknüpfen,  und  diese  Bänder 
sind  nichts  als  die  eifrenen  Krilfte  der  Elemente  selbst,  die  es  weder 
bedürfen,  von  irgend  einem  höheren  Gebote  zu  der  Wirkung  erweckt  2u 


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Beitrig»  snr  Oeiehiehte  dar  neaeren  Philoiophie.  267 


wttrdeu,  die  ihrer  Natur  eigeutOmUch  ist,  noch  es  ertragen  wOrdeo,  zu 
etoer  andern  erregt  zn  werden,  die  ihr  widenpriclit/* 

Ausdrücklich  vergleicht  Lotze  den  lebendigen  Körper  mit 
einer  Maschine,  freilich  um  gleich  von  Anfang'  an  den  grofsen 
Unterschied  zwiscbeu  dem  Üau  der  JSaiur  und  dem  der  Kunst 
hervorzubeboD.  Bei  der  Maschine  sind  ea  feste,  starre  ond  ud- 
darehdringHebe  Hassen,  ,,Kra(te  zweiter  Hand",  auf  deren  Vn- 
yarSnderlicbkoit  gerade  die  Sicherheit  der  Leistung  beraht» 
und  daoii  aiod  diese  Maasen  äufserliob,  nicht  daroh  lebendige 
innerlicbe  Ansiehang  verbunden,  ao  scharfsinnig  ihre  Verflechtung 
gedacht  ist.  Im  lebendigen  Körper  aber  entfaltet  jede»  Atom 
„sich  bildend,  anrückbildend  und  verändernd"  gegen  seine  Nach- 
barn die  ganze  Fülle  jener  Kräfte,  die  ihm  eigen  sind;  ein 
ununterbrochener  Flufs  von  WecliMchvirkungen  vermittelt  den 
yydorcbdringenden"  (organischen)  Zusauimenbang  des  Ganzen. 

„Die  unablässige,  nicht  auf  einzelne  Momente  stofsweise  verteilte 
Wechselwirkung  aller  Glieder  bringt  jenen  schönen  8rhein  der  Weichheit 
und  anmutiger  Milde  der  Entwicklung  hervor,  mit  dem  alles  Lclicndigt'  dem 
gespenstigen  Unzusammenhang  in  den  Bewegungen  künstlicher  Automaten 
tiegreich  gegenübersteht." 

Bas  organiFcho  Loben  äufeert  sieb  a)  in  gleichförmigen  und 
h)  periodlscli  wiederkehronden  Bewegungen  (Atemholen,  Hlutlanf, 
Darmbewegungen)  und  c)  in  fortschreitenden  Entwicklungen  durch 
eine  Stut'eureihe  vorauBbestimrator  Zustände  und  rhyihniischer 
Zurückkehr  zum  Aulung^zuhtanil,  \\h'  man  ^^s  iH-soudcrs  Hc-hüu 
am  Sprossen  und  Blühen  der  Pliau^eu  bemeiki'n  kann.  Ahnliche 
Bewegungstormen,  meint  Lotze,  sehen  wir  nun  den  Planeleulauf 
eiohalleu,  und  es  könute  ir-ioh  Irugcu,  ob  hicIi  das  Problem  des 
Lebens  nicht  dorcb  Vergleich  mit  dem  Planetensystem  erhellen 
Itefse.  Die  Planeten  siod  nicht  ao  äufserlicb,  wie  eine  Maschine 
verbunden  und  bedürfen  keines  fremden  Antriebes.  Allein  sie  sind 
nur  durch  das  Oesetz  der  Schwere  und  nicht  chemisch  ver- 
bunden. Bie  Sörperkrafte  wirken  nur  in  ihre  nächste  Kähe  durch 
ehemisGlic  Verwandtschaft  und  dadurch  ist  der  Körper  sowohl 
nach  aufsen  als  nach  innen  gegen  unberechenbare 
Fernwirkungen  geschützt 

«)  „Wflren  alle  Teile  des  lebendigen  Kdrpers  unmittelbsr  so  durch 

Wechselwirkungen  verbunden,  da(b  jede  kleine  YerAndeniog  des  einen 
ihren  Wiederball  Ober  die  Gesamtheit  der  übrigen  verbreiten  mOf«te, 
so  würde  hieriu  eine  reiche  Quelle  unendlicher  Störungen  für  das  Ganse 
liffrrn.  die  ebenso  nmf Angliche  Veranstattuagen  sn  ihrer  Ausgleichung 
forderten." 

JalirlMeb  (Br  Philosophie  etc.  VI.  i« 


288         Beiträge  tnr  Gescbichte  der  oeaeren  Pliilotopliie. 


ff)  „Die  geringe  Bstfernung«  in  welcher  die  ebemiiche  Verwandtsebift 
tmd  die  Kohieioa  der  KArper  ibre  WirkBamkeit  ▼erliereo,  onigibt  den 
KOrper  mit  einer  2one  von  Oleichgilti^keit,  während  dieselben  Kiifte 
seine  eigenen  sich  berfihrenden  Teile  mlchtig  gemg  snsammenhnlteo, 

um  selbst  der  wirklich  andringenden  Gewalt  Widerstand  zn  leisten. 
Während  daher  das  lockere  GefOge  eines  Stemensjstems  mit  einer  be- 
wnndemswQrdigen  Empfindlichkeit  die  Veränderungen  des  übrigou  Weltalls 
in  seinen  eigenen  Verilndprann:cn  abspicffcln  wördc,  kehrt  der  leliendigf 
Körper  liierin  von  derberer  \.itur,  auch  uaeh  preisen  Schwankungen  in 
ilie  frühere  Lage  seinrr  Teile  zurück  und  bietet  uns  dadnrrh  Aov  Ar^blick 
(  iner  sich  gleichbleibe udea  und  doch  nicht  starren,  sondern  bewegHchen 
Gestalt.'* 

Diese  Un vergleichlicbkeit  des  organischen  Lebens  mit  mecha- 
nischen Vorgängen  auch  der  cntwickeltBten  Art  scheint  nun  doch 
i«r  das  Yorhandeiis*  In  einer  den  Stoliwechsel  leitenden  und  ge- 
Htallenden  Kraft  in  irgendwelcher  Form  notwendig  zn  sprechen, 
um  so  mehr  als  die  Erklärung  des  Entstehens  und  \  ergehen» 
der  Organismen  der  mechanischen  Theorie  fast  unüberwindliche 
Scbwierigkeiten  bereitet  AHein  auch  diese  SchwierigkeiteD  eueht 
Lotze,  einer  im  Herzensgründe  ihm  doch  fremden  Weltanscbanang 
allzu  wohlwollend  und  allzu  diensteifrig  aus  dem  Wege  zu  luumeii. 
Einen  ersten  Keim  (ein  Protoplasma)  vorausgesetzt  sei  es  nicbt 
so  undenkbar,  dafs  sich  dieser  durch  Spaltung  vermehrt^  wie  es 
ja  empirisch  bei  eintuchen  Organismen  noch  immer  vorkomme^ 
und  seine  (xlieder  in  irgendwelcher  geometrischer  Riehtong  ent- 
weder in  Axen-  oder  Strahlenforra  verteilt  hätte.  Sobald  einmal 
eine  Mannigfaltigkeit  von  Stoffen  irgendwelche  Gleichgowichts- 
lago  angenommen  habe,  neien  die  neu  hinzutretenden  Stoffe  durch 
die  feste  Lage  der  einzelnen  Teile  gebunden  und  müssen  sich 
dem  Gesetze  des  Ganzen  fügen. 

..Nicht  überall  setzt  sich  sclinn  an  den  Krystall  der  neue  Nieder- 
schlag des  gleichen  Stoffes  an,  sondern  die  Krälte  des  schon  Gebildeten 
aeichnen  den  spätem  Teilen  Ort  und  Form  ihrer  AnlifFPrtin)?  vor  und 
erhalten  im  Waciihtum  clie  ursprüngliche  Gestalt  oder  doch  das  arsprüt^- 
liche  fJesetz  ihrer  Bildung  " 

Dafs  durch  zufalligen  Zusammentritt  von  Atomen  ein  halt- 
bares und  lebensfähiges  Gebilde  entstehe,  sehe  unwahrscheinlicher 
aus,  üh  es  in  Wirklichkeit  sei.  Wenn  man  mit  Hilfe  der  ^^'^(hr- 
Kcheinlichkeitsrechnung  die  anniilierndc  Unmöglichkeit  eines  solcheo 
Geschehens  erweisen  wolle,  berücksichtige  mau  nicht,  da(>  von 
selbst  alle  jene  Stoffkombinationeu  weglalien,  welche  lebens- 
unfähige Gebilde  ergeben.    Eine  solche  Ausscheidung  bewirke 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  ueuereu  i'hiloBophie.  289 


dcT  Natiirlauf  von  selbst,  wie  er  ja  aaoh  überail  auf  Auslese 
-des  üesten  und  Xräfligsten  dringe. 

Um  das  Zerfallen  de«  Körpers  zu  erklaren,  wenn  der  Tod 
eintritt,  bedürie  man  nicht  der  Annahme  einer  entweichenden 
LebenHkiiiit,  die  nunmehr  die  StoH'e  ihrem  selbsteig'enen  Walten 
^nd  Wirkon  überläfst  und  aufhört,  eiu  „Zügel"  zu  sein,  der  sie 
in  di»  bestimmte  lebenerhaltende  Riohtaog  zwang.  Die  Ursache 
des  Zerfalls  liege  in  einer  Abnntsang  oder  Zersetzung  eines  Teiles 
des  lebendigen  Körpers,  welchem  der  übrige  Körper  nicht  mehr 
genügenden  Widerstend  entgegensetzen  könne.  Wenn  der  gesunden 
Elemente  noch  genug  vorbanden  sind,  nm  die  lebendige  Bewegung 
der  Safte  zn  erhalten,  das  Unbrauchbare  zu  entfernen  und  die 
Zellen  neu  zu  bilden,  bedürfe  es  keiner  heilenden  Lebens- 
kraft und  wenn  einmal  die  lebendige  Bewegung  aufhöre,  erkläre 
sich  die  allgemeine  Zersetzung  durch  den  t'reiwirkenden  Chemismus 
der  »ich  üherlassenen  Elemente. 

Ist  nun  dadurch  wirklieh  das  Problem  des  Lebens  gelöst? 
Ich  brauche  diese  Frage  nicht  zn  verueiuen,  denn  diet?e  Ant- 
wort schwebt  jedem  auf  der  Zunge.  Die  Entstehung  des  ersten 
iCeinics  vermag  Lotze  Koweni^  /u  erklären,  wie  Du  Bois-Reymond, 
und  damit  hat  er  auch  da»  orgauiscbe  Leben  niclit  erklärt.  Lotze 
erkennt  dies  anoh  an;  er  weifs  wohl»  dafo  das  Leben  aus  einer 
höhem  Quelle  fliefst  als  aus  dem  Sichdrängen  und  Biohstorsen, 
der  Verbindung  und  Mischung  der  8toffe.  Nicht  nur  unter- 
scheidet er  klar  und  deutlich  zwischen  dem  änfeem  Mechanismus 
und  dem  iooern  im  letzten  Grunde  unableitbaren  und  nicht 
analysierbaren  Leben,  sondern  weist  auch  dem  Mechanismus  eine 
ganz  untergeordnete  dienende  BtoUung  an.  Doch  ehe  wir  darauf 
eingehen,  müssen  wir  einen  Blick  auf  Lotzes  Psychologie  werfen. 

b)  Lotze.s  Psychologie. 

1.  Kei  der  Hochachtung  Lotzes  für  den  MechaniBmuB  und 
vollends  bei  seiner  Hoehachtung  vor  Herbarts  Psychologie  ist 
es  doj)pelt  anerkennenswert,  wenn  er  auf  dorn  Gebiet  der  Seelen- 
lebre  alle  mechanische  Auffassung  von  Aniang  au  abweist.  So- 
wohl gegen  Kant  ab  ^^egen  Herbart  beweist  er  den  substantielleu 
Charakter  der  Seele,  welche  in  einer  Vielheit  von  Thätigkeiten 
ihre  Identität  bewahrt.  Die  Binheit  des  Selbstbewufstseins,  welches 
als  »»denkendes  Ich"  alle  ihre  Denkakte  begleitet  und  zusammen- 
faßt, ist  keine  blofse  Erscheinung,  wie  Kant  will,  und  die 
Idee  dieser  Einheit  hat  keine  blofs  regulative,  sondern  auch 
konstitutive  Bedeutung.  Wenn  ich  mir  auch  nur  als  eins  er- 
scheine, so  ist  schon  die  Thatsache,  dafs  ich  mir  erscheine, 

19» 


9 

290        Biftrige  sar  Geielilehte  dar  Maertn  Philmopbie. 


genügend,  um  aul  deu  eiuen  Grund  zu  schliefsen,  welcher  Er- 
schoinuDgsobjekt  und  Erscheinungssubjekt  zusammenfafst  ,^icht 
danaf  kommt  es  an»  als  was  ein  Wesen  sieh  selbst  erscheist; 
kann  es  nberhanpt  sieh  seihst»  oder  kann  anderes  ihm  erscheinss^ 
so  mnlb  es  notwendig  in  einer  vollkommenen  Unteilbarkeit  setner 
Natnr  als  Eines  das  Mannigfache  des  Scheins  «noammeafiasea 
können." 

Die  mechanische  Auffassung  mischte  das  SeeieBphänomes 
auf  äbniichem  Wege  entstehen  lassen,  wie  eine  Hesultanteo- 
Wirkung.  Aus  zwei  Bewegungen  entstehe  nach  dem  bekaanteo 
Lehrsatze  der  physischen  Mechanik  eine  verbindende  dritte  und 
so  Hci  es  auch  in  der  Seele,  nur  dafn  zu  ihrer  Bildung  eiae 
gröfsere  Alanuiglaltigkeit  von  Bewegung  erfordert  werde.  Allein 
dieser  Vergleich  übersieht,  dafs  zwei  Kräfte  sich  nur  in  einem 
schon  vitrhandeuoii  Körper  als  Durchschnittspunkt  einijren 
kÖDDen,  aber  nicht  eiuun  äolcheu  Eiuiieiibpüukt  erst  schaifäo. 
Ebenso  unmöglich  ist  es,  mit  Herbart  das  Bewufstseio  so» 
dem  Vorstellungsmechanismus,  ans  besonderen  HelUgkeitsgrades 
der  Vorstellungen  au  erklären,  djae  Summe  besonders  bslier 
Vorstellungen  fUr  sich  ist  noch  keineswegs  jene  Einheit,  welcbfr 
die  VorstelluGgen  als  ihre  weifs  und  behandelt. 

Herbart  verselbständigt  die  Vorstellungen  und  raacbt  die 
Seele  zum  blofäcn  Schauplatz  —  nicht  einmal  sum  Zuschauen  — . 
sum  blofsen  Rahmen  —  nicht  einmal  zum  tragenden  niiJ  bd> 
dingenden  Boden  — ,  innerhalb  dessen  sich  die  Vorstellungen 
bewegen  und  die«  im  Widerspruch  mit  seiner  rinindaniKihrae. 
wouach  die  VorHiellungen  die  äSelHf^tprliaituDgen  der  »Seele  gegen 
fremde  üealicn  darstellen,  also  doch  ein  Leiden  und  Wirken  der 
Seele  voraussetzen.  Allein  die  «Seele  soll  nun  einmal  eine  einlache 
vcrändernngs-  und  leideuslose  C^ualitüt  sein,  weil  nur  so  ihre 
£iülieii  ^^ewahrt  werde.  Als  ob  die  Einheit  eines  W^esens  eine 
Mannigfaltigkeit  Terschiedener  ZustSnde  und  Thatigkeitea  aus- 
schlösse! Hit  Becht  sagt  dagegen  Lotae,  es  sei  gerade  das 
Wesen  der  Seele  sich  au  entwickeln  und  sie  sei  eher  als  eins 
Idee  au  definieren,  welche  ihren  Inhalt  durch  verschiedene  Foriaen 
der  Entwicklung  aweckvoll  entfaltet  und  eine  Vielheit  von  Mo- 
menten zu  einer  sinnvollen  Harmonie  verbindet,  denn  als  eise 
starre  Substanz  oder  Qualität.  Nur  ein  planloses  Anderswerden 
sei  durch  diese  Idee  und  das  in  ihr  enthaltene  Gesetz  der  Ent- 
wicklung ausgeschlossen.  Freilich  greifen  die  äufsern  Eindrücke 
niffit  in  systematischer  Orduuug  in  sie  ein  und  die  durch  diese 
Eindrücke!  heding-ten  Rückwirkungen  der  Seele  buien  nicht  durch 
aus  folgerecht.  Allein  abgesehen  von  der  Frage,  ob  jene  Eindrücke 


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Beitr&ge  zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie.  ^1 


zuialliE,'-  seien,  liege  sfhnii  Ordnung-  genug-  darin,  dal»  die  Denk- 
gesetze den  Wahrnehiiiiüjgsiühalt  in  einen  lestbestimmten  !o- 
gischeo  Zusammenhang  briageo,  in  welchem  das  Maonigtaitige 
und  Veränderliehe  der  ErRcheinungswelt  «ich  nach  den  Gesichte- 
pankten  des  Gleichen  und  Ähnlichen  (Identität),  Abhängigen  und 
Bedingten  (Kausalität)  verteilt.  Gerade  das  »ei  der  8ina  der 
TieWerhasdelton  und  rätselhaften  Bnge  des  Bewnfetseins, 
-dab  nicht  alles  Md|fliche  sogleich  die  Auftnerksamkeit  fesseln 
kann,  sondern  dafs  eine  beaiehungsreiohe  Zasammenordnuag  und 
Verhindnng  nötig  ist  Die  Enge  des  Bewofotseins  hange  weder 
▼on  den  Helligkeitsgraden  der  Vorstellangen  noch  von  ihrer 
Kontrarietat  ab,  wie  Herbart  will.  Ein  ganz  intensiver  Eindruck 
kann  unbewnfst  bleiben,  wenn  die  Aufmerksamkeit  irgendwo 
anders  hingerichtet  ist,  also  der  Eindruck  nicht  etwa  durch  eine 
intensivere  Vorstellung,  Rondern  die  den  nötigen  Helligkeitsgrad 
erst  verleihende  Aut'jnerksamkeit  „gehemmt"  ist.  Die  Hf'lüjr- 
keitsgrade  sind  nicht  so  verschieden  und  bei  echenbar,  wie  es  die 
Seelenmechiinik  Herbarts  voraussetzt.  Eine  Vorstellung  ist  ent- 
weder klar  oder  nicht,  klar  aber  ist  sie  nicht  durch  ein  mehr 
oder  weoiger  intensives,  sondern  ein  extensives  Wissen  um  sie, 
eine  hinreicbeode  Vollständigkeit  ihres  Inhaltes  und  0£fenliegen 
aller  ihrer  Teile  nnd  Beziehungen.  —  Ferner  sohltefst  eine  Vor* 
Stellung  nicht  notwendig  die  ihr  konträr  entgegengesetste  aus» 
Tielmehr  liegen  sich  die  konträren  Begriffe  weife  und  schwars, 
grofs  und  kleine  positiv  und  negativ  viel  näher,  als  A  und  ein 
beliebiges  non  A  und  ziehen  sich  deshalb  sogar  an. 

Wichtiger  für  die  Erklärung  der  Bewurstseinshello  ist  der 
Wert  einer  Vorstellung,  der  Wert,  den  nicht  etwa  die  Vor- 
stellung an  sich  hat,  sondern  den  ihr  unser  Interesse  gibt. 
Allein  ausschlaggebend  ist  das  subjektive  Interesse  nicht,  nur 
tur  die  tierischs  Aufmerksamkeit  bietet  es  einen  genügenden 
Grund,  der  Wert  aber  vermag  einen  ausgedehnteren  Gesichts- 
kreiü  zu  umspannen,  sofern  alles  von  demselben  logischen  Ge- 
setzeskreis umspannt  wird.  Wohl  ordnet  auch  die  lierische 
^le  die  Eindrücke  nach  zeitlichen  und  räumlichen  Gesichts- 
punkten, fafet  das  Ähnliche  ausammea  und  erwartet  vom  Ahn- 
ttchen  Ähnliches,  nur  dafs  diesen  seelischen  Gebilden  das  feste 
4jepriige  mathematischer  und  gesetalicher  Kotwendigkeit  fehlt 

3.  Gans  in  scholastischem  6ion  betont  Lotze  den  Untere 
^hied  eines  höhern  und  niedern  Erkennens  und  findet 
das  Auszeichnende  der  höhern  AUgemeinvorstellungen,  Begriffe 
genannt,  in  dem  Nebengedanken  einer  „gesetsgebenden  Regel, 
durch  welche  die  einseinen  Zilge  des  Allgemeinen  nicht  nur  als 


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Btttrftge  tnr  Geicbidite  der  nenerwi  Philoiopliie. 


eine  thatsürh liehe  Vurknüpfung:,  die  iu  vielen  Eioaelneu  >ic^ 
wiederholt,  soiidcro  aU  ein  zueamniengehÖrigea  Ganzes  ersehe iceu, 
in  ihrer  Verbindung  durch  den  unteilbaren  6inn  des  Weüen* 
Terbürgl,  dessen  Bild  sie  sind.  Es  kommt  wenig  darauf  an» 
wie  auBgebildet  unser  Wimn  am  den  Grand  and  die  BedeataQg 
dieser  Zasammengehörigkeit  ist;  dafs  sie  überfaaopt  Yon  ans 
gefühlt  wird,  and  dafs  wir  die  blofiie  Summe  vereinigter  Merk- 
male, welche  uns  der  Vorstellangelauf  an  sich  bietet^  in  dea 
Gedanken  eines  Ganzen  verwandeln,  scheidet  hinliioglich  unsere 
Anffassung  von  dem  blolsen  Bilde  selbst  Diese  Verwsadlnng 
aber  vollzieht  beständig  auch  das  ungeübteste  Denken,  wenn  es 
einen  Namen  der  Sjuache  ausspricht:  noch  mehr,  wenn  es  dem 
Namen  den  Artikel  vnranschickt  und  das  Waln  <r»niommene  ab 
irgen(i  ein  Das  bezeichnet,  hat  es  schon  kr;itti;j:  ^enu^  unti  un- 
verkennbar diese  Vereinigung  der  /.uöammen^estelllen  Züge  de* 
Bildes  in  den  Gedanken  eines  innerlich  unteilbaren  (ianzen  vor* 
genomiuen." 

Eine  einlache  sinnliche  Wahrnehmung  liudel,  dais  die  Gegen- 
stände bald  diese  Eigenschaften  haben  und  Thätigkeit  ausüben 
und  bald  eine  andere,  daher  liegt  der  Ifedanke  nahe,  das  Griis 
der  Baume,  das  Schreien  der  Tiere  etc.  etc.  Ton  dieaen  Wesen 
abautrennen  und  bei  Gelegenheit  wieder  za  verbinden.  „Solcbe 
Trennungen  und  Verbindungen  der  Vorstellungen  sind  das,  was 
wir  denkend  in  der  Form  de»  Urteils  ausdrücken,  aber  wir 
sagen  im  Urteile  mehr,  als  sie  selbst  enthielten.  Indem  wir 
vom  Baume  sagen,  er  sei  grün,  lassen  wir  ihn  unter  der  Jr'orm 
eines  selbständigen  Dinges,  an  dem  die  Farbe  in  jener  Weise 
veränderlich  und  abhängig  hafte,  in  welcher  überhaupt  Eip  ri- 
■^chafteii  ihn-n  Trägern  zukommen.  Dieses  mitgedachte  N'erhtliiii» 
zwischen  Ihn^  und  Eigenschaft  ist  der  Grund,  aul  welchen  wir 
jene  eigeniumiiche  \'erknüpfiing  unserer  Vorstellungen  zurück- 
führen." Ebenso  wenn  wir  das  Urteil  uussprecheu :  ein  Körper 
stöfst  uns,  so  enthält  „dieses  Urteil  mehr  als  die  blofse  W^ieder- 
holung  der  Thatsacbe,  dafe  beide  Eindrücke  sich  in  uns  sa 
folgen  pflegten.  Indem  es  den  Körper  als  die  thätige  Ursache» 
den  Stöfs  als  die  Wirkung  beaeichn«it,  führt  es  das  Zusammen- 
sein auch  dmser  Verbindung  der  Vonteilungen  auf  einen  inneren 
Grund  ihrer  Zusammengehörigkeit  rechtfertigend  zurück." 

Ebenso  erbebe  sich  der  ächlufs  über  die  einfache  Erwar- 
tung, Hoffnung  und  Belurchtung  durch  den  Nebengedanken  eioei^ 
allgemeinen  Gesetzes,  einer  Notwendigkeit,  welche  den  Mittel 
uit;  dem  Ober-  und  ünterbegrüf  verknüptl. 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  aeuereu  Philosophie. 


293 


Über  die  Denkgesotze  gibt  .MikrokosmuB  11,  S,  l^'JÖ  lY. 
und  über  die  Detinitiori  eine«  Hegriffs  durch  (jalluDg  und 
artbüdendc  Merkmale  (diilcrcnLia  »pecitica)  11,  S.  2851  Ö".  und 
147  f.  selir  anregende  Erörterungen,  von  denen  hier  einige 
BracLbUicke  folgen. 

a)  Jeder,  heifst  es  II,  302,  wird  den  Satz  der  ideuiUut  dahiu  deuten, 
daiä  a  stets  a,  blau  stets  blau,  ein  Ding  stets  dieses  Oiog  bleiben  werde, 
qnd  1BMI  verde  in  dieser  tdentItttSToratellaDg  aicht  beirrt,  wenn  dieses 
Oisg  sieli  Andere,  bald  nibe,  bald  wiilce,  bldbe  oder  verwelke.  Sobald 
nim  aber  die  beginnende  Reflexion  der  WidersprOebe .  bewnüit  werde, 
welcbe  bierin  liegen,  gerate  sie  niebt  selten  [gemeint  ist  Herbsrt]  in  den 
entgegengesetsten  Febler.  „Sie  sncbt  in  dem  allgemeinen  Satse  Auf- 
klärung aber  die  Natnr  der  Diage,  die  nicht  in  ihm  liegen,  sondern  nnr 
durch  eine  vorsichtige  und  ri(*htige  Anwendung  aus  ihm  /u  gewinnen 
sind.  Dann  möchte  sie  alle  Möglichkeit  des  Werdens,  der  Veränderung, 
des  Haudcliis  als  widersprechend  lenpnpn;  n\:<  ob  der  Satz  d^r  Identität 
verböte,  dais  etwas  werde,  oder  Vpränderliclics  da  sei,  da  er  doch  nur 
behauptet,  dafs  Werdendes,  so  1  ui^r  es  werde,  nur  werde  und  uiclit  sei, 
Veränderliches  aber  für  unveränderlich  zu  halten  nicht  angehe,  (ileich 
unausgebildct  sind  unsere  Vorstellungen  von  dem  ursächlichen  Zusammen- 
hange. Bald  dehueu  sie  sich  zu  dem  widersinnigen  Gedanken,  dal's  alles, 
aidtt  nnr  die  Ver&odening  des  Bestehenden,  sondern  auch  das  ursprOng- 
liehe  Bestehen  Ursachen  bedOrfe  nnd  diese  ins  Endlose  hinaus  deren 
neoe;  bald  Iftnft  nebenher  die  VorstellQng  eines  Zufalles,  der  einseinen 
gestattet,  nrsacblos  an  geschehen.  Wo  wir  sieber  zn  sein  glauben,  keine 
innere  Eegsamkeit  Toraussetsen  sn  dürfen,  da  suchen  wir  JLu&ere  Orftnde 
der  Veränderung;  wo  wir  jene  Regsamkeit  vermoten  können,  suchen  wir 
gsr  keine,  sondern  dann  scheint  das  Geschehene  sich  vod  selbst  zu  ver- 
stehen. Und  da  uns  das  Innere  der  Dinge  hinlänglich  unbcluuuit  ist, 
so  können  wir  uns  dieser  letztern  Freiheit  fast  überall  bedienen.  Die 
grofse  Menge  der  intransitiven  und  der  reflexiven  Zeitwörter  ist  ein 
sprerfiender  Beleg  ffir  die  Aushildungshobe  unserer  gewolinli'  lien  Kausal- 
begriffe;  die  Pflanze  wächst  iiu  l  die  Wolken  ziehen,  es  wird  kalt,  die  Luft 
bewegt  sich  und  die  Nebel  senlien  sich." 

b)  „Jede  Definiuun,  die  das  un mittelbar  Gegebene  durch  seai 
innerliches  Bilduugsgesetz  zu  bestimmen  :>ucht,  schiebt  nur,  wenn  sie 
Sttf  die  allgemein»  Art  oder  Gattung  zurückgeht,  den  grölsereu  Teil  der 
anssofUirendeii  Arbeit  als  einen  schon  aosgeltthrten  sur  Seite*  Sie  beruft 
sich  darauf,  der  aatfirliche  Mechanismus  des  VorstelloogSTerlaofes  werde 
m  jedem  Bewußtsein  Terstftadliche  und  anschauliche  Bilder  dieses  All- 
gemeineren bereits  erseugt  haben,  von  denen  sie  nun  ausgehen  will,  um 
dorch  Hinzufflgung  der  letsten  unterscheidenden  Merkmale  das  specielle 
Bild  des  besondern  Inhaltes  sn  Tollenden,  von  dem  die  Rede  sei,  eigentlich 


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294        Beitrige  tar  Oetebiehte  der  neaeran  PhttotopUe. 


jedes  der  allgemeioeo  Merkmale  des  ersteren  einer  besoodereii  uad  eigen- 
tamliebeD  Modifikation  bedürfen,  am  als  Merkmal  des  letzteren  auftreten 
sti  können.  Aber  aniUtt  dieser  eelbit  fttr  die  Witaeucbftll  usefflUlbaroi 
Aufgabe  matt  sowohl  die  logische  Definition  als  der  gaaeine  Gebrsscib 
des  Denkens  sieh  bsgofigen,  einen  oder  wenige  ebarakteristisebe  Zfigt 
des  Menschen  bervonnheben,  die  ihn  von  andern  Arten  der  Tiere  nntar- 
scbeiden,  die  Yerbindnng  dieses  Zuges  aber  mit  den  fibrigen  Eigensebaftsa 
bleibt  ebenso  sehr  einem  nnVIaren  Gesamteindmck  fiberlassen,  wie  die 
Bedeutung  des  höheren  Begriffes,  Tom  Tiere,  orsprangUch  einen  solchen 
Olierlassen  blieb." 

In  der  syätematischea  Weltbetrachtung  gelangen  wir  dazu, 
die  vorhandene  MannifrfaUigkeit  unter  immer  höher  und  höher 
liegendo  Be^^ritfc  fM^zuordnün,  wir  steilen  Natnrreiche,  Klasgen. 
rialtung-e.n,  Gesclileciiter,  Familien  und  Arten  auf.  Daa  (jrund- 
verliältni«  ist  die  (lattuug  uod  die  Art.  Zu  der  Aunabme  einer 
Art-  oder  (lattunc-^natur  veranlalst  unn  das  gleichartige  Verhalten 
verschiedener  Kiii/.elweseD,  welche  unter  diesem  Gesichtspunkt 
wenigstens  zu  einem  gemeinsamen  Kreise  gehören,  so  verschieden 
sie  sonst  sind.  Dieser  Gattnngseharakter  wird  bestiminter,  je 
äbnlicher  sioh  die  Dinge  sind  nnd  unbestimmter,  je  ferner  sie 
aicb  stehen,  Tier  nnd  Mensch  2.  B.  verbindet  der  animalische 
Charakter,  Mensch  nnd  Mensch  aber  schon  eine  bestimmtere 
Gattang.  Dieses  durch  die  Logik  gebotene  Verfahren  nun  Ter- 
leitet  nns  leicht  zu  taisohen  Xonsequenzen.  Wir  suchen  in  den 
mehr  oder  wenigen  verwandten  Dingen  ein  mehr  oder  weniger 
Allgemeines,  eine  Form  oder  einen  „Stoff,  der  durch  specifi-^ch 
gestaltete  Bedingungen  gerade  zu  diesem  oder  jenem  Ihog  sich 
gestaltete.  Die  weniger  allgemeine,  die  boHtimmt'^rc  Form  ist 
die  nähere  (^specili^che)  Determination  eines  allgeiüeiuereu,  das 
sich  zuletzt  zu  dem  allgemeinsten  und  iuhaltsärruBten  Begriff 
eines  schlechthinigen  Seins  verflüchtigt.  Dieses  allgemeine  Sein 
nun  erscheine,  meint  Lotze,  gleich  dem  rohen  Marmorblock,  aus 
dessen  stoffg^bender  Festigkeit  später  hinzukommende  Bedin- 
gungen konkretere  CrestaUen  erzeugen.  Boht  nominalis tisch 
meint  Lotze,  nicht  das  Allgemeine  sei  vorher  nnd  werde  dm 
znm  Einzelnen  bestimm^  sondern  nur  das  Binzeine  aei,  nnd  (Übrt 
dies  besonders  hinsichtlich  der  Seele  näher  ans.  Die  Seelen 
sind  „ursprünglich  verschiedene  Wesen  nnd  besitzen  neben  der 
Ähnlichkeit,  sich  in  gleichartigen  Formen  des  Aasdrucks  zu  be- 
wegen, eine  unbegrenzte  Unähnlichkeit  des  Inhaltes,  for 
welchen  sie  diese  Arten  der  Aufserung  benutzen." 

^Unanfhaltsara  fÄlU  diese  schiefe  Vorstellungsweise  von  einer  noch 
unbestimmten  Substanz  dahin»  die  wie  ein  aUgemeines  Gerinnongsmittel 


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Beiträge  zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie. 


395 


vorangehe,  um  den  später  kommenden  Inlialt,  welcher  er  auch  sein  möge, 
zu  haltbarem  Dasein  zu  verdichten;  wir  müssen  zu  der  Anerkennung 
icaruckkebren,  dals  eben  unmittelbar  der  lebendige  Inhalt  selbst  es  ist, 
der  durch  seine  eigene  specifische  Natur  die  Fähigkeit  des  Wirken»  und 
Leidens,  die  Eigenschaft  der  Sebetantialltlt  gewinnt,  nnd  der  dann  für 
ein  nnbehnteames  Denken  den  Sehein  gibt,  als  verdanke  er  diese  Form 
4h  Daseins  niehi  sieh  selbst,  sondern  einem  in  ihm  liegenden  Ken 
aOgeneiner  Sabstani.*' 

Dem  psychologisehen  Problem  in  Lotxeseher  Form  tritt  eine  Schrift 
niher,  die  wir  mit  Freude  snr  Anseige  bringen.  Es  sind  »Die  ewigen 
Ratsei*,  Vortrage  von  Rnd.  Wiehert,  Oberstlieutenant  s.  D.  (Halle, 
RSsirer  18S9.  112  8.  8«).  Es  ist  sehr  erfrenlieh,  wenn  Minner,  welche 

kein  Zwang  des  Berufes  zu  philosophischen  Studien  antreibt,  metaphjr* 
siichen  Problemen  ihre  Aufmerksamkeit  und  Beobachtung  schenken.  Die 
eigentQmlicbe  Auffassungs-  und  Betrachtungsweise,  die  sie  sich  innerhalb 
ihres  Berufes  erworben  haben,  kann  dem  philosophischen  Studium  nuT 
«rspriefslich  sein,  dip  Opsicht'^ punkte  werden  bereichert  und  die  Beleuch- 
tung eine  eigenartig  irische  und  neue  sein.  Kine  solche  Krscheinunsf  ist 
doppelt  erfreulich,  wenn  sich  ein  entschiedenes  Talent  mit  hesclieideueia 
Bewufstsein  veiLiudet.  Denn  nur  gar  zu  liaufig  schmeicheln  sich  solche, 
die  Dilettauteu  iu  der  Philosophie  sind  und  es  bleiheu,  mit  einer  ein- 
gebildeten Weisheit  nnd  Kiogheit  sonder  gleichen,  sie  verrennen  sich 
leicht  in  einseitige  Orondsiue,  ▼erbohren  sich  in  LiebHngsideeu,  werden 
intolerant,  gegen  andere  Ansiebten  nnd  Systeme  ungerecht,  und  vertieren 
die  notwendige  Bescheidenheit,  welche  jedem  von  selbst  sich  nahe  legt, 
der  die  widersprechenden  HOgltchkeiten  verschiedener  LOenngen  schwie- 
riger Probleme  vor  den  Augen  sah.  IVichert  ist  nicht  so  rasch  fertig, 
und  ohne  Eklektiker  an  werden,  weifs  er  von  verschiedenen  Seiten  sich 
Aufklärung  und  Anregung  zu  verschuffen.  Dazu  kommt  die  gute  Form 
seiner  Darstellung.  Mit  seltener  Klarheit  und  Durchsichtigkeit  der  Aus- 
führung verhin  lot  sich  in  seinen  Vorträgen  eine  einfache,  aber  ansiehende 
Schönheit  der  Sjiraclie  und  ein  gemessenes  TIrteil. 

Wiehert  gesteht  selbst,  dafs  er  sirh  Lotze  zum  Führer  erwählt 
hübt,  er  beweist  sich  aber  als  völlig  6eU)standigcu  Schüler  Loi/.es.  In 
manchen  Fragen  scliliefst  er  sich  Wundt,  Liebmann,  Helmholtz,  Ulrici  an. 
Freilich  berübreu  diese  Frageu  nur  die  Peripherie  der  Kemanscbauung, 
ffie  im  Grunde  Lotzesch  ist.  Wiebert  stimmt  mit  Lotae  fiberein  in  jenen 
eigsntamlicben  Lehren,  daft  die  Atome  beseelt  sind  nnd  die  Wechsel- 
'Wirkung  der  Atome  nur  auf  dem  Eintergmnd  einer  umfassenden  intelli- 
genten Welteinheit  verständlich  ist  (Occasionalismus).  Mit  Lotseschen 
Orflnden  kftmpft  er  gegen  den  Wnndtschen  Seelenmaterialismus,  flberhanpt 
^egen  die  monistische  Verbindung  psychischen  und  physischen  Seins. 
Wenn  der  moderne  Monismus  ein  und  dasselbe  Substrat  als  Trftger 


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^dö         Beitrage  sur  Geachiehte  der  netteren  Philosophie. 


mteileUer  und  seeliBeber  Fanktioneo  erkennt  und  die  Selbstbewvbtieiii 
MM  einer  Aneinnnderreibong  und  Verbindung  konatenter  Torstellongai 
und  Empfindungen  erklärt,  so  widerspricht  dem  Wiehert  mit  den  oben 

berührten  ArsynrnenftMi  Lotzes,  1.  weil  zwei  oder  drei  Bewegtingsimpals«». 
sofern  sie  uicht  juütilich  geeint,  sondern  aiifser  einander  sind,  wohl  sich 
zu  einer  dritten  Resultanten  verliindeii  liefsen,  in  dieser  aber  ver- 
schwinden,  während  die  psychischen  Prozesse,  z.  Ii.  die  Vorstelloiigea 
von  gr&D  und  rot,  ungemieeht  sich  erhalten,  obwohl  ein  Bewnfttada  sie 
mnfefot,  2.  settte  eine  solche  materielle  Beiv  egungskombination  ein  Objekt 
▼(»ans,  in  weleheoi  sieb  vorher  zerstreute  Bewegungen  ▼ereinigen  lassen. 
DalSi  sich  3.  die  Seele  Oberhaupt  erscheine  —  diese  Beflexioa,  üm- 
biegnng  d^r  SeelenthAtigkeit  —  und  dafs  sie  zwei  Vorstellungen  m 
unterscheiden  verniöge,  beweise  ihre  Einheit. 

Wir  wollen  hier  die  Gründe  dos  hl.  Thomas  für  die  Seeleneinheit 
zur  Vergleichung  anführen.  Schon  vor  Thomas,  beziehungsweise  vor 
Aristoteles  war  die  Soeleaeinhfil  gefährdet  und  nur  nnbedeutende  Nuancen 
unterscheiden  die  alten  Bestreiter  der  Einheit  von  den  modtTuen.  lilän 
sagte  1.  wie  Wundt:  nur  Gleiches  kann  (Gleiches  hewegcn,  der  Körper  den 
Korper,  die  Warme  die  Wärme  u.  s.  w.,  nicht  aber  eine  immaterielle 
Seele  den  materiellen  Leib  9.  75, 1).  2.  Nur  Gleiches  kann  Gldche» 
erkennen,  die  Seele  mnU  gewissermafsen  alles  sein.  Stein,  Feuer,  Baum 
n.  s.  w.,  um  diese  Dinge  au  erkennen  ([,  9.  81,  2),  endlich  S.  die  Sede 
setat  sich  aus  einer  intellektiven,  animalischen  und  vegetativen  EinseK 
seele  zusammen  (Flato  s.  I,  1).  76,  3,  contra  g.  II,  58).  Hierauf  erwidert 
nun  der  hl.  Thomas:  1.  Das  Materielle  ist  aus  sich  bewegungs-  und 
leblos  und  empfängt  das  Leben  erst  von  immateriellen  Principien.  Leben 
zeigt  sich  vornehmlich  im  Krkennen  und  Bewegen  (cofrnitio  et  motust 
—  ein  bedeutsames  /ugc&tiindnis  -  ,  dieses  Lehen  ^eht  iiu  Körper  vun 
der  Seele,  in  der  ganzen  Naiur  von  Gott  aus  (I,  9.  7ö,  1).  2.  Wenn  die 
Seele  ein  Ding  uftre,  wftrde  sie  wohl  dieses,  aber  nichts  anderes  erkennen, 
wie  wenn  meine  Zunge  sauer  infisiert  ist,  nichts  Sllfses  empfindet  (1.  c. 
art.  3).  Enthftit  die  Seele  aber  die  Dinge  oder  ihre  Ähnlichkeiten  in 
sich  selbst,  dann  bedarf  sie  der  ftuberen  Objekte  nicht  mehr  (I,  A4,  2), 
Wohl  moCi  die  Seele  gewiss  er  mafsen  alles  werden,  nicht  aber  sein^ 
sie  mnfs  potentiell  auf  die  Ähnlichkeiten  der  Dinge  angelegt  sein  (oportet 
quod  Sit  in  potentia  ad  rerum  corporearum  similitiidine';>  (Jerade  darin 
besteht  die  Natur  des  Immateriellen  in  höherem  .'üiniic,  dal's  es  in  der 
Einheit  seinesWesens  alles  umfallt  und  dafs  es  di-  I iiim;iterip!le  au  den 
Dingen,  ihre  belebende  Form  in  sich  abbildet.  Je  imiauLenelier  und  selb- 
ständiger (1, 75, 2  u.  3)  etwas  ist,  desto  mehr  erkennt  es  und  wird  es  erkannt 
(1,84, 2).  Allein  auch  in  den  niedem  Stufen  des  Immateriellen  befaHit  8.  die 
Form  die  Teile  in  einer  wirklichen  Einheit,  su  einem  einheitlichen  Sein. 
Nun  heiliit  es  aber  ab  eodem  habet  altquid  esse  et  unitatem.  Daum  enim 


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Beitrage  xur  Geeehicbte  der  oeneren  Philosophie.  29T 


consequitur  ad  eus  (coutra  geDt.  II,  58).  Wenn  der  Kuipi^r  von  der 
anima  intcUectiva  belebt  wird,  mufs  er  also  vou  ihr  auch  die  Eiubeic 
erlialten,  beständeü  aber  verschiedene  Öeeleu  uebeueiuaudcr,  daou  würde 
die  Binfaeit  mrriweu  (1.  c).  Uaa  erinnert  sich  bei  dieser  Argumeouttion 
en  die  GrOnde,  welche  man  tOtt  die  Einheit  Gottes  in  der  Welt  and  dee 
Regeoten  In  der  Geseilscbaft  anflQhrt.  4.  Nachdem  der  hl.  Thomas  noch 
hnTz  die  zwei  entgegengeseuten  Mdgliehiceiten  beseitigt  hat«  daA  die 
hfihercB  Seelen  (aoima  sensitiva  und  intellectiTt)  je  als  Accideuen  mr 
niedern  hinzutreteo  oder  daA  die  höhere  Seele  den  Körper  ond  die- 
niedem  Seeleu  als  lostrument  gebrauche,  bringt  er  den  beachteaswerte» 
Hauptgrund,  deu  auch  Dante  in  seiner  diviua  comedia  anfahrt  (pnrg.  IV^ 
1.  10),  nämlich  ein  Akt  hemme  in  der  Seele  den  andern,  deshalb  müssen 
die  Thätij/keilcn  von  einem  Friacip  ausgeben.  Über  diesen  Punkt  hat 
sich  Dr.  Fteifor  isi  diesem  Jahrbuch  III.  473  eingehend  verbreitet. 

^V^  uil  wii  r)\\n  mit  den  eben  aog^eluhrten  Heweisen  des 
hl.  Thomas  li.cjcmgen  Lutzes  und  Wicherls  vergloichcn,  sehen 
wir,  dafb  hier  eiu  neues  Moment  in  der  mathematiöch-mecha- 
nisoben  Betrachtung  mitspielt.  Die  Müglichkeit  eines- 
mechaniächeu  Verhaltens  der  Seele  und  ihrer  Thaiigi%.ciLea  wird 
«ch&rfer  inaAuge  gefafst  Diese  Betrachtung  begegnet  ans  noch- 
male  boi  der  Behandlang  der  Freiheit  (S.  96).  Hier  helfet  ee^ 
hei  mechanieohea  Impulaen  kommen  diese  alle  zugleich  im  Be* 
aultat  xur  Wirkung,  während  der  Wille  einen  bestimmten  Impule 
anawähle. 

Wiehert  betont  mit  Kecht  ätets  ,)die  Inkomme nsurabilität 
der  mechanischen  und  psychischen  Gesetze'',  die  Yersobieden- 
heit  und  den  Gegensatz  des  materiellen  nnd  geistigen  Seins,, 
welchen  der  Monismus  verwischt. 

Wir  wollen  hier  nicht  näher  auf  die  Frage  eingehen,  ob 
sich  Wiehert  hiermit  nicht  über  Loti^e  erhob  uud  aus  seinem 
AntichauuDgskreis  zu  Guobten  eines  enlschiedeneu  Dualismus  sich 
entferne,  sondern  nur  seine  Begründung'  der  Freiheit  aulühren. 
"Wer  deu  Meuschengeiöt  gleich  einem  Xörperatom  mechuuiseh 
bestimmt  sein  läfst,  macht  den  Menschen,  meint  Wiehert,  zu 
einem  Antomaten,  za  einem  Rädchen  in  der  Weltmaeebine;  mit 
Reoht  keifst  das  Wiehert  eine  grauenerregendd  Welt- 
anschauung, welche  die  Geschichte  „zu  einem  Spiel  mit 
Puppen*'  herabwürdigt,  ohne  dalh  abzosehen  wäre,  zu  wessen 
Belustigung. 

Die  Deterministen  berufen  sich  wohl  auf  die  unumstöfsliche 
und  ausnahmlose  Giltigkeit  des  Kausalitätsgesetses,  Mit  Recht 
iialt  dem  Wuchert  entgegen,  dafs  eine  noch  sicherere  Instanz,, 
als  die  Denkgeaetze  der  Identität  und  Kaaealität,  das  Selbst- 


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äd8         Beilrig«  sor  Otieliielite  der  nenereo  PhUotoplue. 


iMWubtaeiii  8ei,  welche«  nns  ein  eittliohes  SoUeo  und  Kennen 
lehrt.  Wenn  nns  eine  innere  Stioiine  snmft:  „dn  flollst  das  Gute 
tbnn  und  dae  BÖr'^  ]  ist^en*',  so  ist  anefa  an  erwarten,  daCi  wir 

dicfier  Stiraine  Fol^e  leiKtcn  könnon  und  dafs  dorn  Solion  ein 
Können  ent8j)richt.  Wir  können  das  Gute  und  Ideale  erstreben 
und  verwirklichen  roin  um  Heiner  selbst  willen,  ohne  daCs  ein 
meohaDiRcb  uöLigeader  Niitzlichkeitsgedanko  dazwischen  träte. 
Wir  sind  in  unserem  Wollen  nicht  abhängig  von  der  grölseren 
oder  geringeren  iStärke  motivierender  Verstellungen,  sondern  wir 
selbst  können  einer  Verstellung  in  fVeier  Wahl  einen  Wert  bd* 
legen,  den  sie  an  sieh  nicht  hat»  besonders  ist  dies  notwendig, 
-wo  die  Tiel  feineren  nnd  aärteren  Mottle  höherer  Sittlichkeit 
brutalen  Naturtrieben  gegenüberstehen.  Ganz  treffend  erinnert 
Wiehert  an  das  analoge  Verhältnis  unserer  Aufmerksamkeit  zu 
den  sieh  um  die  Bewufstseinsoh welle  drängenden  Vorsteliungen 
(siebe  oben  S.  2ifl). 

„Kin  Unterschied  zwischen  starken  und  srh wachen  Mutiven  ist 
ebenso  sinnlos,  wie  einer  zwischen  starken  und  srhwac  heo  VorstelhingeD. 
Die  YorstelluDg  des  Doimers  ist  nicht  stärker,  als  die  des  Flötentou, 
die  des  SonnenliehtM  niebt  stftrfcer,  als  die  dss  Mondscheines.  Ebeaie 
ist  dss  Motiv  sn  einer  Reiss  nm  die  Welt  nicht  st&rker,  als  das  xo  einem 
%asiergang,  oder  dai  Motiv,  jemand  nmsnbringen,  nicht  stftrksr,  als  das, 
ihm  ds«  Leben  sa  retten.* 

Man  könnte  nun  freilich  hier  einwenden,  dafs  der  Wert^ 
den  die  Seele  einem  zwar  schwächeren,  aber  höheren  MotiTe 
verleiht,  der  Ausdruck  einer  höheron  WertHchätznng  und  zarteren 
(ietuhle;^,  damit  :iVter  einer  höher  bestimmt";)  Tuid  l'eiuer  ver- 
anlagten beelcanalur  sei.  Die  Natur  aber  koone  »ich  niemand 
«elhst  g-eben.  Ohne  duH  (iewieht  diese«  Kinwandeft  vuUsiändig 
heben  zu  wollen,  möchte  der  UeCerent  auf  einen  Versuch  auf- 
merksam machen,  den  er  an  einem  anderen  Orte  gegen  diesen 
Einwand  gemacht  bat. 

„Die  Scholastik,  habe  ich  im  Phil.  Jahrb.  II,  187  ansgefOhrt,  sieht 
die  Wursel  der  Willensfreiheit  in  der  lodiffierens  des  VernnnftorteQe.  Der 
Verstand  steht  allen  möglichen  Willensobjekten  in  gleicher  Weise  gegen- 
flber  und  bevorzugt  an  sich  keines  derselben.  So  ist  es  dem  Willen  frei> 
gestellt,  sich  zn  was  immer  für  einer  Tlultigkeit  bin  zu  bewej^en. 

Gegenüber  dieser  Fassunf?  könnte  man  den  Einwand  erheben,  da^ 
allenlitigs  der  Intellekt  sich  zu  allein  in  pleicher  Weise  verhalte,  allein 
eine  I'iifsrheiduug  erfolge  doch  nicht  willkürlich,  vielmehr  folf^e  der  Wille 
dem  ätHrkpren  Gewicht.  Wenn  ich  mich  nicht  t&usche,  läf^t  üich  diesem 
Einwand  entgehen,  wenn  man  die  Freiheit  tiefer  anf  den  Willen,  becw. 
die  Seelennattir  selbst  sttrflckfhhrt.  Ich  finde  fftr  diese  Vertieftang  einen 


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Die  GnmdpriocipieD  der  Natiir|ftbUosophie.  29^ 


Ankuüpfuügspunkt  in  S.  Th,  I,  qu.  19,  a.  1.  In  dpr  hier  gegebenen  Be- 
stimmung des  Willens  scheint  uns  ein  tiefer  Sinn  zu  ruhen.  Die  Seele 
kann  sieb  zur  Form  von  allem  machen.  Gott,  die  Gesellschaft,  die 
VtAm  und  SimiUdikeit  kamt  die  intellekliitle  Form  werden,  neek  der 
rie  strebt.  Mu  kann  die  Seele  die  reine  MOgliobkeit  wie  Goti  die 
reine  Wirklichkeit  nennen  und  bieranf  die  Freiheit  begrOnden.  Freillcb 
um  den  Torwnrf  za  beseitigen,  dadurch  werde  die  Seele  mit  der  Materie 
auf  eine  Stufe  gestellt,  mufa  sogleich  beigefOgt  werden,  daXk  die  Seele 
augleieb  auf  alles  und  zwar  nach  der  richtigen  Ordnung  angelegt  and 
Ungeordnet  ist,  dafs  sie  die  Keime  und  Samen  der  Formen  enthält,  zu 
denen  sie  sich  bildet.  Daraus  erklärt  sich  denn  erst  die  volle  Freiheit. 
Wenn  nämlich  der  Wille  sich  für  niedere  Güter  entschieden  hat,  reagiert 
dagegen  das  höhere  Bewufstsein  oder  die  höhere  Anlaye.  Gegenüber 
^f^m  ruhen  Drang  der  niedern  Triehe  spricht  die  Vernunft  mit  den  schwer- 
wiegendsten (jruiuieu  für  die  feineren  Triebe,  und  zwischen  beiden  hat 
der  Mensch  die  Wahl." 


DIE  GRÜNDPRINCIPIEN  DER  NATURPHILOSOPHIE* 

Von  FK.  GUNDISALV  FELDNHR, 
Ord.  Fraed. 



1.  Das  ch.  mische  Atom  und  die  Molekel.  Rode  bei  dem  Antritt 
des  Rektorats  dtr  Königlichen  Uuiversii&t  2U  Breslau,  gehalten  von 
Dr.  Theodor  Poleck. 

2.  Naturphilosophie  im  Geiste  des  hl.  Thomas  von  Aquin,  von 
Dr.  Mathias  Schneid,  bischöfl.  Iiyceooui-Kektor  und  Seminar-Bi^ena 
in  Eichstätt.   3.  Aufl. 

8.  Die  Seelenfrage  mit  Rücksicht  auf  die  neuern  Wandlungen  ge- 
wisser naturwissenschaftlicher  Begriffe,  von  0.  Flügel.   2.  Aufl. 

4  T>ir'  katholische  Wahrheit  o  1  r  11^  ilieologische  Summa  des  heil. 
Thomas  von  Aquin,  deutsch  wiedergegeiieu  von  Dr.  Oeslaus  Maria 
Schneider,  Elfter  Band.  Supplemeotarische  Abhandlung  zum  8.  Teile 
der  Summa:  Die  Natur  und  die  Gnade  oder  die  hl.  Kirche  Gottes. 

Ei^  ist  Oberaus  erfreulich,  dafs  die  Goh^hrten  der  Neuzeit  si  'h  'viedcr 
bestreben,  aus  dem  reichen,  sorglältig  aubereiteten  Materiale  ein  grofsea 
einheitliches  Oebfttide  aufimrichteik  iJki  Einheit  macht  stark,  verleiht 
Bestand.  Ganz  besotidHrs  aber  liegt  alles  an  der  Kinheit  des  Funda- 
mentes, soll  (Ihs  Gehiiude  von  Dauer  sein.  Die  Naturjdiilosüphie  nun 
erbebt  Anspruch  auf  den  Namen  und  Rang  eiucr  Wissensciiai  i.  Darum 
forscht  sie  nach  dem  tiefsten  innersten  Wesen  der  Natur,  fragt  sie  nach 
den  konstitutiven  Grundprindpien,  deckt  sie  die  letzten  Ursachen  dieser 
Natur  auf.  Gestatst  auf  diese  unerschatterlichen  Fundamente  baut  sie 


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300  Die  GroDdprineipieii  der  Kitiif]ihiU»iopbie. 


dann  weiter,  briogt  sie  Einheit  in  die  zerstreut  umherliegeuden  Steioe. 
fügt  sie  alles  zu  eiiH m  herrlichen  Ganzen  zoaunmeo.  Nun  erst  stellt 
sie  sich  uns  vor  als  die  Wissenschaft  der  Natur.  Natnrwissen'^rhaftea 
sind  mehrere,  wie  schon  der  Name  andeutet,  aber  es  gibt  blofs  eiae 
Wissenschaft  der  Natur.  In  ihr  sind  die  vielen  andern  geeint  Auf  ihm 
<3nindprindpien  rohen  die  andern,  erbalCeD  sie  alle  Festigkeit  oad 
Bestand. 

Sehen  wir  nun,  wie  die  vier  vorhingenaonten  Autoren  die  Unmd- 
prindpien  der  Katur  aafTassen,  aas  welchea  Oniadbestandteilen  sidi  nsdi 
ihnen  die  Natur  zusammensetzt. 

Dr.  Poleck  stellt  sich  die  Sache  vor  wie  folp^t:  den  Weg.  anf 
welchem  wir  zur  Erkenntnis  des  innersten  Wesens  der  Natur  gelanges, 
beseichnet  ons  das  Experiment.  Die  Herrsdiafit  der  Wage  entsebetdet. 
(S.  I.)  Es  mufs  zunächst  unterschieden  werden  zwischen  chemischen 
Elementen  und  chemischen  Verbindungen.  Erstere  sind  Körper  mit 
-einer  Summe  von  unvertilgbaren  Eigenschaften,  welche  bis  jetzt  aller 
Anstrengung  spotten,  sie  in  ungleichartige  Teile  zn  serlegea.  Che- 
mische Verbindungen  charakterisieren  sich  durch  die  ÜnTerinderiichkett 
ihrer  Eigenschaften  und  ihrer  Zusammensetzung^.    fS.  2) 

Der  Körper  ist  nicht  em  zusammenhängendes  Ganzes,  sondeco 
besteht  atis  nnter  sich  gleichartigen,  sehr  kleinen,  nicht  weiter  teil- 
baren Massenteilchen,  Atomen,  welche  durch  Zwischenräume  von  ein- 
ander getrennt,  sich  gegenseitig  anziehen.  Diese  Atome  haben  vpr- 
schied enes  Gewicht.  Die  in  chemische  Wechselwirkung  tretenden 
Körper  darchdringen  sich  nicht  Bei  der  chemischen  Verbindong  gebt 
an  Stoff  nichts  verloren.  Das  (lewicht  der  entstandenen  Verbindung  ist 
«gleich  der  Summe  der  Gewichte  ihrer  Bestandteile.  Für  den  Chemiker 
ist  der  Stull  unzerstörbar.  Die  Atome  selber  kann  man  nicht  sehen,  aach 
nicht  einseln  aaf  die  Wage  legen. 

Die  Wärme  ist  r>eweKung  materieller  Teile.  EIm-dso  herulien  Magne- 
tismus. Klektrizitüt  auf  Bewegungserscheinungen.  Gleiche  Kaumteile  der 
verschiedenen  Gase  enthalten  eine  gleiche  .Anzahl  materieller  Teile, 
Hassenteilehen,  moleculae  genannt.  (S.  6.)  Im  Gassustande  werden  die 
^rT^^eiiteilchen.  Mtdekel.  dem  Kinflufs  der  peß:enseitif?en  Anziehun?  fast 
L-ai).'  p]\t7opeu.  Sie  bewegen  sich  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit 
gradliuig  iurt  und  pralleu  wie  zwei  volUtandig  elasti&che  Bälle  bei  ihren 
gegenseitigen  Zusammenstoft,  oder  von  den  Wänden  des  einscbUefstndcg 
Oetrifses  zurück  und  setzen  ihren  Wcj  in  entgegengesetzter  Riclitunp 
fort,  ohne  an  der  (iröf-jp  ihrer  Bewegung  etwas  einzuhüfsen.  Die  Aggregat* 
zustände  der  Kurper  buid  nur  eine  Funktion  der  Gröl'jie  der  Wärme- 
bewegung  ihrer  Massenteilchen.   (S.  7.) 

Während  aber  die  Molekel  des  Wapserstoffes  in  sich  materiell 
irleicbartig  ist,  nur  aus  Wasser  besteht,  enthalten  die  Molokel  des 
Wassers  der  Kohlensäure,  des  Chloroforms  u.  s.w.  noch  kleinere  Teile, 
die  Gewichte  der  sie  snsammensetzenden  Elemente.  Durch  die  cbemiscbe 
Anr\]v?p  luit  man  diese  Gewichte  gefunden.  Die  Erfahrung  hat  ans 
ilie  kleinsten  Gewiclitsmengen  der  ehemischen  Elemente  in  der  Molekel 
einer  chemischen  Verbindung  kenneu  gelehrt,  wir  nennen  sie  das  Atom- 
Ifewicht  des  Elements.   (S.  1.) 

Wir  sind  so  auf  streng  induktivem  Wege  zu  dem  BrnrllT  !e? 
chemischen  Atoms  und  der  Molekel,  den  chemischen  Bausteinen  des 
Weltalls  gelangt.  Ihre  Gewichte  sind  keine  blofsen  Abstraktioneo, 
sondern  auf  dem  Wege  des  Experiments  gefondenct  durch  die  Wage 
greifiiare  OrOAen. 


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Die  Grondprincipien  der  Natnrphttosophie.  301 


Aus  den  Atomen  bauea  sieb  die  Mulekei  auf.  Die  Molekel  der 
«hemiflctaen  Yerbiodungen  sind  ungleichartig  in  ihrer  stoffliehen 

Beschaffenheit,  jene  der  chemischen  Elemente  gleichartig.  Dem 

Opsptzp  der  allgemeinen  Anziphnn^r  folpond.  lagere  sich  auch  gleich- 
artige Atome  aneinander,  bilden  so  Ute  Molekel  der  chemischen  Kiemeute 
und  Destiminen  darch  ihre  An  saht  in  der  Molekel  die  Efgensehafteo 

derselben.  So  ist  der  färb-,  geruch-  und  geschmacklose  Sauer- 
stoff d<*r  Substanz  naci-  identisch  mit  dfm  farblosen,  aber  zu  einer 
blauen  FlOssigkeit  verdiciubaren  Gase  von  chlorähnlichem  tieruche  und 
t^leidier  Wirkung,  dem  Ozon.  Die  Eigenschaften  des  weichen,  abfllrbenden 

schwarzen  Graphits  und  des  durchsichtigen  lichtstrahlenden  Diamanten, 
unseres  härtesten  Körpers,  Eigenschaften,  wie  sie  bei  gleichor  stoff- 
licher Beschaffenheit  nicht  verschiedener  gedacht  werden  koonen, 
finden  ihre  Erklftrong  in  der  verschiedenen  Anzahl  und  Lagerung  der 

Atome  in  der  Molekel  dieser  beiden  Formfn  lip^  KohlensloflFs.  Das  Gleiche 

tilt  vom  farblosen,  im  Dunklen  leuchtcmhMi  überaus  giftigen  und 
em  roteu,  im  dunklen   nicht  leuchtenden  und  nicht  giftigen 
Phosphor.   (S.  10.) 

Dir-  >Tf»lekel  ist  die  pb ysikal  isclie  Kinlieit  des  Stoffs,  sie  ist  der 
Träger  all»  r  Bewegungen,  welrltr  wir  Schwere,  Wärme.  laicht,  Elektri- 
zität, Magnetismus,  Schall  neuneu.  Die  Physik  rechnet  n  icbt  mit  Atomen, 
sondern  nur  mit  Molekeln,  man  kann  sie  daher  als  die  Lehre  vom  Gleich- 
gewicht und  dor  Bewepnng  der  Molekrd  bozeicbnen. 

Da«?  Atoru.  die  kleinste  (iewiclitsgröfse  eines  ehpniisciien  i'iii'ments 
ist  die  chemische  Einheit.  Die  Ciiemie  ist  die  Lehre  von  dem  Auf  hau 
/Q  Molekeln.  Man  könnte  ihr  ideales  Ziel  dahin  stecken,  dafs  sie  in 
Zukunft  sicli  zu  der  Lehre  von  dem  Gleiclisewicht  und  der  Hewcfrung 
der  .\tome  in  der  Molekel  gestalten  werde.  Im  Akt  des  chemischen 
Prozesses  werden  die  Atome  frei  und  ordnen  sich  zu  neuen  Molekeln. 
(S.  11.) 

Dieses  Spiel  der  Atome  und  Molekel  bedin/^t  aber  auch  den  Lebens- 
vorgang der  Organismen.  Dieselben  Kiemeute,  welche  wir  in  der  festen 
Erdrinde  finden,  bauen  auch  den  pflanzlichen  uud  tierischen  Organismus 
auf,  desseu  Daseinsbedingungen  in  der  nnaasgesetcten  Wechselwirkung 
mit  seiner  T'mgebnnj?  beruhen. 

Solche  Atome  und  Molekularbewegungen  müssen  wir  auch  in  unserer 
Nerren-  nnd  Gehirnsnbstanz  voraussetzen,  sie  sind  untrennbar  verbunden 
mit  onserem  Empfinden,  und  selbst  di  Arbeit  unseres  Gehirns  kann  oidbt 
ohne  sie  K^'^^<  bt  w  erden.  (S.  12.)  Wir  verdanken  den  Arbeiten  unserer 
auigeieichnoten  Physiker  die  Kenntnisse  der  Gröfse  der  Gasroolekel, 
ihrer  Weglänge,  und  noch  anderer  ihrer  Eigenschaften.  Wir  betreten 
hier  ein  Gebiet,  dessen  GrOfsen  jenseits  der  Grenzen  unserer 
s  i  n  n  I  i  c  h  e  n  W  a  h  r  n  e h  m n  n  er  e  n  1  i  e  e  e  n ,  die  aber  als  Resultate  exakter 
Eorsehung  volle  Realität  beauüpruchen. 

Die  Auffassung  von  Berzelius,  dafs  die  organischen  Substanzen  im 
Organismus  nur  durch  die  Lebenskraft  gebildet  wurden  und  diese  den 
chemisrhen  Gesetzen  mVht  gehorche.  j)atte  rrov  isscrmafsen  diese  Ver- 
bmdungeu  der  gesetzmiSklüigeu  Auffassung  der  unorganischen  Welt  entrückt, 
^hr  bald  aber  wnrde  der  Lebenskraft  eine  Position  nach  der  andern 
entwunden  nnd  in  der  künstlichen  Darstellung  des  Harnstoifs  von  Wöbler 
im  Jahre  182P.  Her  ersten  Synthese  einer  or?nnischen  Verbindnn?,  fiel 
das  letzte  Bollwerk,  welches  diese  Verbindungen  von  der  unorganischen 
^hemie  trennte.  Das  Eadergebnii  dieeer  Kimpfe  war,  dafo  alle  chemiadMii 
verUndnogen,  unorganische  und  organische,  auf  die  Oewiehtigrdfse 


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d02  Di«  Oniiidpriiicipiea  dir  Natorphiloiophie. 


ihrer  Molekel  zarflckgeflBllit  ond  diese  durrh  die  chemische  Formel  eiu* 

gedrückt  wurde,  ferner  die  Überzeugung,  dafs  di.'r  t  hemischp  Prozefs  siek 
nur  dadurch  vollzieht,  dafs  entweder  die  Molekel  sich  einfach  aneinander 
tageni,  der  eeltenere  Fall«  oder  ibre  Atome  aattattichen  und  einieliije 

dersenn  n  diirrh  rhrinisclio  Elem<^ntc  oder  Atomgrnppen  ersetzen.  (S.  18."' 
Und  80  durteu  wir  es  wohl  als  das  Uauptergebnis  dieser  chemischen 
Geistesarbeit  aussprechen,  dafs  jetzt  nicht  mehr  der  Zufall  die  chemische 
Th&tigkeit  beherrscht,  sondern  dafs  ein  ziel bewufetet  Arbeiten  am  Aufb«a 
der  Molekel  an  die  Stelle  pf'treten  ist,  welches  es  nicht  als  eine  Chimäre 
ft&ueht,  dafs  es  ihm  auf  Grund  der  bereits  erreichten  Hesultate  geiiogeiv 
werde,  alle  ehemiacben  Verbindungen,  welche  die  feste  Brdrinde  sowohl, 
wie  auch  die  tierischen  und  pflnu/.licheu  Organisuien  biKien,  dif  Zelle  uad 
ihren  Inhalt,  ohne  V  er  ni  i  1 1 1  u  n    des  Lehensprozesses  aufzubauen. 

Die  Chemie  ißt  aUo  imstande  eiue  lebende  Zelle  herzustellen V  Nicht 
doch,  denn  sagt  der  Autor:  aber  die  besonnene  Naturforschung  erkenof 
auch  hier  scharf  und  tic^tinimt  die  ihr  pesetzte  Grenze;  die  Zelle  bilden, 
den  Stoff  darzustellen,  ist  noch  unendlich  weit  davon  ent- 
fernt, eine  lebende  Zelle  hervorsubringen.  Die  HAgliehkeh» 
einen  solchen  schöpferischen  Akt  zu  vollbringen,  mufs  sie  weit  ron 
sich  weisen.  Wenn  einzelne  Forscher  darüber  hinaus  diese  Mft^licblreit 
als  einstige  Wirklichkeit  tiaumten.  t»ü  müssen  wir  ihueu  Du  Hois-hevmond» 
„Ignorubimus**  entgegenhalten  in  Besag  suf  das  Rfttsel,  »«was  Mntciie 
und  Kraft  ist"  und  wie  sie  zu  denken  vermögen.  Die  Chemie  wird  einer 
von  ihr  hervorgebrachten  Zellenitubstanz  nie  den  prometheischen  i*  unken 
des  Lebens  einhaoeb«*n,  und  sie  ist  auch  nicht  so  vermessen,  diaa 
Überhaupt  je  hoffen  zu  wollen.    (S.  24.) 

Über  die  Kinheit  des  Stofts  äufsert  s^ch  der  Verfasser:  vom  Stand- 
punkt der  exakten  Forschung  erhalt  die  Annahme  eines  einheitlicbea 
Ur Stoffs  eine  hohe  Wsbrsebeinliebkeit«  jedoch  mit  der  interessnatea 
Krtrünzung.  dafs  nicht  jede  Vordiclitunfr  der  Urmaterie  auch  zu  einem 
neuen  Klemeut  fuhren  könne,  sondern  dafs  diese  Verdichtung  der  Oesetat- 
uiäfsigkeit  jener  Reihe  entsprechend  sein  und  ihr  folgen  werde. 

2.  Dr.  Poleck  bekennt  sieh  also  zur  Herrschaft  üer  Wage.  Die- 
Grnndprineipien  der  Vatnr  lassen  hieb  nach  ihm  durch  das  Kxi>eritnont 
finden.  £r  ist  unter  die  Atomistiker  zu  zählen.  DemgegeuUtier  betont 
Dr.  Schneid  mit  Recht,  dafs  die  Grnndprineipien  der  KOrperwelt 
übersinnlicher  Natur  sind.  Die  Pbilosuphie  erforscht  die  Körperweit 
nach  ihren  (Ibersinnlichen  und  letzten  (»rOnden.  W;»>ir*  tid  <](e  Xrttiir- 
wi^senschaft  nur  das  Äufat  rc,  die  Erscheinung,  die  Wirkung  zu  fi  Ki-uuen 
vermag,  und  zwar  nur  insoweit,  als  dieses  Äufsere  den  ^)i^uen  zugänglich 
ist,  peht  die  Naturphilosophie  tiefer;  sie  erforscht  die  Ursachen  der 
Ph&nomenc,  das  Wesen  der  Körper,  ihren  Zweck,  die  letzten  Gründe  ihrer 
hsrmoniscben  Verbindung  cum  Weltgsnzen  (Ein!.  8.  8).  Dieser  Antor 
unterscheidet  einen  dreifachen  Atoinismus  der  neuesten  Zeit:  den  che> 
mischen,  physikalischen  uikI  philosophischen  Atomismu;:.  Per  chemische 
Atomismus  nimmt  eine  .Materie  an,  die  aber  nicht  kontinuierlich  und  eiue 
Bnsnmraenfaftngende  Masse  ist,  sondern  ans  triden  kleinen  Teilen  bestellt. 
Sie  ist  eine  doppelte,  eine  imponderable  oder  uuerwägbare,  oud  eine 
ponderabie  oder  wägbare.  (S.  25.)  Den  letzten  Satz  unterschreibt 
Dr.  Poleck  nicht.  Kr  sagt  nämlich  S.  5  ,,es  war  die  uuaterbliche  That 
des  Heilbronncr  Arztes  Julius  Kobert  Mayer,  welcher  1842  xuerst  die 
gesetzmäfsigen  Bezielumgen  zwischen  Wärfne  u;  d  der  von  ihr  gelei- 
steten Arbeit  erkannte  und  für  die  ürofse  dersellieu  auch  sofort  einen 
Zahlenausdrnck  aufstellte,  welcher  spftter  durch  die  Arbeiten  unserer 


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Die  Grnndpiiiieipieii  der  Nattirphiloiophie. 


•iiBgmieliiMtatMl  Pbytticer  verbetBert,  all  das  mMbuiiscba  Äquivalent 

der  Wärme  bekanut  ist.  Al8  HelnihoUz  weiter  Dachwigs,  dafs  das  Gesetz 
von  der  KrhaUung  dpr  Energie  sich  durch  alle  physikalischen  Erschei- 
nungen bfcütätigi  üudc,  da  verschwanden  der  Wärmestoff  und  mit  ihm 
die  abrigen  InpoDderabilieOf  Etektruitftt«  Magnetiemue  von  der  Witten- 

Schaft lichon  Bühne.  Sie  lösten  sich  s.-iDitlich  in  Hewegung8tMSch»MDuugeu 
materielier  Teile  auf,  wclebe  sich  in  f?leichwertiy«^n  (irölseu  in  einander 
umseizeu,  ao  zwar,  dais  WiLriue  durch  die  von  ihr  geleistete  Arbeit  und 
mgekehrt  diete  durcb  die  von  ibr  eraeugte  Wftnne  genietteu  werden 

Da8  darf  uns  indessen  nicht  irr-'  iiias'hen,  denn  wie  Dr.  Schneid  durch 
viele  Beispiele  oacbweist,  herrschi  unter  den  Verteidigern  der  Atumen- 
lebre  die  denlcbar  grOftte  üneinigkeit.  Bei  jedem  Forteher  erscbeint  das 
Atom  als  etwa^  anderes.  In  der  oainrwisseuschaftlicheu  Disziplin  bat  es 
einen  andern  Wert.  Nach  dem  Cliemiker  sind  die  Aiume  von  verachie« 
dener  Qualität,  nach  dem  Mechaniker  gleicher,  nach  dem  Physiker  bald 
gleicher,  bald  verschiedeuer  Natur;  anders  fafst  sie  der  Phytiolog,  anders 
der  Miueralog  und  wieder  anders  der  Philosoph.  Dem  einen  pfpItDi  sie 
als  hart,  dem  andern  als  elastisch ;  ein  dritter  nimmt  sie  als  einfach  uud 
unausgedebnt,  während  sie  wieder  auderu  sogar  als  beseelt  erscheinen. 
Sie  sind  eben  ein  iHlibmitte),  dat  sieh  jeder  snreebt  tegt,  wie  er  et  et>en 
braucht.   (S.  47.) 

Gehört  deuu  die  Beantwortung  der  Frage  über  die  Grund* 
priucipien  der  Kdrperwelt  überhaupt  der  Naturwissenschaft  au?  Der 
Autor  verneint  et,  und  dies  mit  Grund,  denn  es  bandelt  tiob  um  dat 
Wesen  der  Körper  als  solcher.  Viele  Naturforscher  gehen  dies  auch 
au.  (&.  50.)  Die  vou  Dr.  Foleck  vorhin  erwähnte  Definition  der  Physik 
ud  Chemie  weist  auf  das  K&mbcbe  hin. 

Angenommen  indessen,  die  Atomittiker  bitten  ein  Recht,  in  dieter 
Fraire  ein  Wort  mitzureden,  vermögen  sie  das  Wesen  der  Körper  zu 
erklären?  Nein,  denn  der  Atomismus  enthält  Widersprüche.  Die  ün- 
teilbnriteit  einet  ausgedehnten  Atoms  enthilt  einen  Widerspruch.  fibentO' 
wenig  ist  ein  gegenseitiges  Durchdringen  mi^Ueb,  indem  die  jetaigen  Alo- 
mlsten  die  Impenetrabilität  den  .\romen  als  wesentlich  zukommen  lassen, 
ohne  welche  sie  gar  mchi  m  begreifen  sind.  Ein  teilweises  l>urchdringen 
iit  ebenlbllt  namAglicb.  weil  die  Atome  ja  einfaeh  dnd  und  ant  durch- 
dringlichen  Atomen  nicht  eine  undurchdringliche  Materie  entstehen  kann, 
■"^odann  folgt  aus  der  Atouienlphre  notwendig  die  Annahme  ein^s  leeren 
iUumet  und  einer  actio  in  distans  ohne  irgend  ein  Medium.  VVeder  die 
ehie  Boeh  die  andere  Annahme  entspricht  der  Vernunft.  Um  nicbtt  besser 
Vit  die  Sache,  wenn  man  behauptet,  das  Atom  tei  einfaeh  uml  uoaus* 
eedehnt,  es  sei  eine  immaterielle  Substanz.  Eine  immaterielle  Substaus 
kann  unmöglich  einen  Stoff,  also  eine  Materie  zusammensetzen.  Der 
KArper  ist  aber  doch  gewilli  materiell  und  autgedehnt.  (8.  51—61.) 

Durch  die  Atome  können  die  ehemischen  Eigenidwften  der  Körper 
Dicht  erklärt  werden  "Snch  lien  neuesten  Chemikern  tollen  die  Atome 
Iteine  telbstäudige,  ttesonderte  Existenz  iiaben,  »ondern  nur  uocli  Bestand- 
t«iie  der  Molekflle  bilden.  —  Allein  dat  itt  nicht  möglich,  weil  die  Ateme 
schwer  sind,  Thfttigkeit  betitaen.  ISt  l&st  sich  in  diesem  Syttem 
auch  nicht  erklären,  warum  jene  Atome  am  festesten  sich  mit  einander 
verbinden,  welche  den  am  meisten  entgegengesetzten  Elenieuten  ange- 
boren. Die  Atome  sind  nicht  entgegeugesetatf  sondern  gleichartig. 
Die  Kiemente  aber  entstehen  ans  den  Atomen.  Wo  haben  wir  den  Grnnd 
xa  snchen.  dafs  die  Kiemente  entgegengetetat  tind?  Die  Kobäsionskraft 
Jabrbucli  für  Philotophi«  ete.  VI.  20 

•  •••••    •  •  • 

•  •        •  • 


alleiu  kaDD  diese  Wirkung  unmöglicli  hervT^hrinjr  ri  T  nerklärli-  l  ist 
ferner  die  TbaUache,  dalü  die  gemiscbteu  Korper  sowohl  uater  bicü  als 
auch  von  den  dofacheD  Kdrpero,  ans  denen  sie  skh  gebildet  liabcs, 
total  verscliiodeu  sind.  Im  <^'eini8chten  Körper  treten  ganz  andere  Eigen* 
schafton  und  Kräfto  auf  als  im  einfachen.  Man  vergleiche  das  vorhin 
von  Dr.  Poleck  Gesagte.  Die  Umwandlung  der  Kräfte  der  Liemeute 
in  ihrer  Verbindung  vermag  dies  nicht  zu  bewirken,  denn  die  Wirktingen 
dieser  Verbiii<l'iii!j  kt^nnt'ii  niemals  solche  sein,  die  mit  den  EiKenschaften 
der  vereinigten  Kräfte  im  Gegensatz  stehen,  die  gar  keine  Abnlicbkeit 
haben  mit  den  Propriet&ten  der  Elemente,  deren  VerUndoi^  sie  eein 
sollen.  Und  hei  Körpern,  die  aus  demselben  .Stoff  besteben,  ist  eine 
solche  Umwandlung  der  Kräfte  gar  nicht  mdglich.  Die  verschiedene 
Lagerung  der  Atome  kauu  dies  cheDtatis  nicht  zustande  briageu.  Eine 
andere  Schwieriglceit  bildet  für  die  Atomisteo  das  reale  und  scheinbare 
Volumen  der  Körper,  das  reale  Volumen  der  verschiedenen  Grundstoffe 
und  ihrer  Verbindungen.  Ebeuso  die  Verscbiedcubcit  des  spezifiscben 
Gewichtes  der  Atome;  ferner  die  Kr)'8talItsatioo.   (S.  64—71.) 

Atome  erklären  nicht  die  physiltaliaehen  Eigenschaften  der  Korper. 
Zu  diesen  Eigenschaften  gehören  vor  allem  die  Aggregatzustände.  Die 
lassen  sich  weder  durch  die  gröfsere  und  geringere  Distanz  der  Atome, 
noch  dnrcb  die  verschiedene  MolelrQlarbewegung  erkliren.  Auch  die 
Kohilsiouskraft  läfst  hier  die  Atomistiker  im  Sticho.  denn  o?;  intirsle  vor- 
erst der  Grund  angegeben  werden,  warum  die  Kohäsionskratt  in  deu 
verschiedenen  Körpern  und  iu  ihren  verbchiedeuen  Zuständen,  ja  selbst 
in  den  verschiedenen  Teilen  desselben  Kdrpm  verdcbieden  wirkt.  Die 
.Xtomistiker  vermögen  anrh  nicht  zu  sagen,  warum  diese  Kraft  drn  Atomen 
im  Gaszustande  ganz  verloren  geht  und  ins  Gegenteil  umschlagt.  Hie 
Theorie  von  der  Unver&nderlicbiceit  der  Ansdehnnng  in  den  .Aggregat« 
zuständen,  welche  von  den  Atomistikcru  angenommen  wird,  erweist  sich 
.Tils  in  sirli  unhaltbar.  Denn  e.H  müfste  dann  der  leere  Raum  und  infolge- 
dessen die  actio  lu  distans  verteidigt  werden.  Ist  aber  kein  leerer  Raum, 
sondern  sind  die  Atome  vom  Äther  umgeben,  so  wird  dadnreh  die  Be- 
w^lichkcit  derselbcti  unmöglich  gemacht 

Nicht  geringere  {Schwierigkeit  bietet  deu  Atomistikeru  das  LichL 
Wird  eine  nndnlierende  Bewegung  der  Atheratome  angenommen,  so  be- 
finden sich  unsere  Sinne  besflglich  des  Lichtes,  der  Karben  in  einer 
beständigen  Täuschung.  Woher  kommt  die  Bewegung  des  Äthers?  Welche 
Ursache  bewirlct  eine  verschiedene  Dichtigkeit  dieses  ÄUiers?  Wie 
pflanzt  sieh  das  Licht  fort?  Noch  viel  schwerer  wird  es  fttr  die  Atomen» 
lehre,  die  Bewegung  loi  Kfrper  zu  erklären.  Dir  Anzlehungs-  und 
Abstoisungskraft  können,  weil  gauz  und  gar  entgegc-uge setzt,  nicht 
in  einem  einfachen  Atome  sich  vorfinden.   (S.  71-81.) 

Atome  lassen  sich  nicht  verwerten  sur  Lösung  philosophiadMr 
Fragen.  Atomp  erklären  weder  das  Wesen  der  Körper,  weil  sie  selber 
Körper  sind,  noch  auch  die  Erscheinungen  dieses  Wesens.  Nach  dem 
Atomisrnns  entsteht  nnd  vergeht  nichts,  es  gibt  nnr  eine  nene  Ver- 
Itindung  der  Atome.  Für  ihn  existiert  keine  einheitliche  Substanz  oder 
substantielle,  sondern  nur  eine  accidentelle  Einheit  in  den  Dingen.  Ebenso 
ist  die  Kiniieit  des  liiaiigkeitsprincips  oder  die  Einheit  des  Subjekts, 
welches  thätig  Ist,  ganz  und  gar  unmöglich.  Endlich  gibt  es  in  dieaen 
System  kdiion  wesentlichen  Unterschied  der  verschiedenen  Nntnr^ 
weseu.   (fc>.  81—85.) 

Der  Antor  bekennt  sich  daher  in  der  moipholegiMiheB  oder  an- 
stoteliseh*seholatfcitdM8  KOrperlehre,  die  er  etogeliend  erSttert  (8. 86  —148) 


Die  GruDdpriucipieo  der  NftturphUosephie.  305 


und  mit  soliden  Beweisen  stfltst.  Die  Resultate  der  neaero  Phjsik  und 

Cheinii'  bringt  dn  Verfasser  ganz  gut  in  P^'nklang  mit  deo  nrlndpien 
Am  scholastischen  Körperlehre.    (S.  105  — 240>, 

3.  Der  dritte  der  vorliin  genannten  lierru  Autoren  behandelt,  wie 
scboo  dir  Titel  des  BuchLä  andeutet,  zuDftcbBt  die  Seelenfrage.  Das 
uDserm  Zwecke  liier  Dienende  findet  sieb  unter  der  Überschrift:  »Stoff 
und  Kraft*'. 

Der  Herr  Autor  ist  Atomistiker.  Nach  ihm  besteht  alle  Materie 
aas  letzten,  anzerlegbaren,  unveränderlicliuo ,  einfachen  Wesen:  ans 
Atomeu.  Diese  Atome  besitzen  jedoch  Kräfte.  Sie  sintI  filloin  die  Träger 
aller  Kräfte,  so  dafs  es  also  keine  Kraft  ohne  äto ff  gibt.  (S.  23.) 
Eioe  Kraft  ohne  Tr&ger  bez.  Stoff  ist  ein  in  sich  widersprechender  Ge- 
dnnke.  (S.  65.  71.)  Diese  Kräfte  entstehen  eret  infolge  des  Zusammen- 
wirkens der  Wpsou,  indem  sie  sich  dann  pfEronPoitig  zur  Tliätigkeit  be- 
stimmen. Die  Kraft  darf  überhaupt  nicht  als  ursprüngliches  (ursachloses) 
Besitztom  des  Atoms,  als  eine  Eigenschaft,  die  notwendig  zu  einem 
Wesen  gehört,  gedacht  werden;  daher  man  denn  auch  nicht,  wenn  man 
die  unmittJ'lbarr-  Wirkung  in  dto  Fernt»  vorwirft,  annehmen  darf,  dafs 
eine  dem  Atome  urgprünglicb  iuuewohneude  Kraft  sich  erst  dann  geltend 
mnehe,  wenn  es  andern  bis  cor  BerfUimng  nahe  komme.  Hätten  die 
Atome  gewisse  Kräfte  auch  vor  und  abgesehen  von  aller  BerQhrung, 
?n  hätte  man  in  jodem  Atom  einen  Vorgang,  pin  Geschehen  oder  doch 
den  Trieb  zu  einem  Geschehen  ohne  alle  Ursache.  Ein  ursprüng- 
liches Wirken  and  ein  nrstcUoses  Wirken  ist  hier  dnsselbe.  Der  Wider- 
spruch, welker  !i  einem  GeselHdien  ohne  Ursache  liegt,  ist  auch  vor- 
hanlo?!  wenn  man  den  Atomen  ursprOngliche  oder  ursachlose  KräfK 
zubchreibt.  Das  Gesetz  der  Ursächlichkeit  verlangt  auch  für  die  ein- 
fheheo  Kräfte  der  Atome  ürstcben.  Aber  worin  sollen  diese  liegen? 
Jedenfalls  nicht  wiederum  in  Kräften,  sondern  in  dem  Wesen  selbst. 
Für  das,  was  die  Wesen  ein  fflr  allemal  sind,  bedarf  es  der  Ursache 
nicht,  wohl  aber  für  das,  was  sie  unter  gewissen  Umständen  thun. 
(S.  73.  73.)  —  Ist  eher  die  Rede  von  einem  eigensehnftslosen  oder 
kraftlosen  Wesen,  so  heifst  dies  nicht  ein  qualitätsloses  Wesen. 
Hätte  ein  Atom  nicht  eine  bestimmte  Qualität,  so  wäre  es  kein  Wesen, 
es  wäre  nichts.  Jedes  Atom  mufs  eine  bestimmte  Qualität  haben. 
TH»  Qonlität  kommt  dem  Atom  ursprünglich,  ohne  nlle  Rflckticht  auf 
andere  Wesen  unter  allen  Umständen  als  etwas  Unbedingtes  and 
Unveränderliches  zu;  die  Eigenschaften  entstehen  erat  infolge 
der  Wechselwirkung  der  Atome  unter  einander  und  mit  uu.s,  den 
AniTn&ienden*,  sie  kommen  den  Dingen  nur  unter  gewissen  Umstinden 
als  etwas  Bedingtes  zu.  Die  Stoffe  gewinnen  erst  in  unmittelbarer 
Berührung  mit  einander  Kräfte.  Daher  sind  die  Wesen,  welche  einander 
zur  Tbätigkeit  bestimmen,  nicht  als  qualitativ  gleich  zu  denken, 
sondern  es  mnJh  zwischen  ihnen  eine  ursprüngliche  quelttttiTO  Ver- 
schiedenheit obwalten.  Zur  Wirksamkeit  gehört  ein  qualitativer 
Gegensatz  derjenigen  Elemente,  welche  sich  zur  Thiitigkoit  bestinimeü. 
Die  letzten  Klemeiite  der  Natur  sind  folglich  nicht  alle  von  gleicher 
Qunlitit,  sondern  es  obwalten  zwischen  ihnen  gewisse  qualitative 
Unterschiede.  Die  Thatsache  der  qualitativen  Verschiedenheit  in  der 
Natur  bedarf  keiner  Krklaruni^.  Kiner  P'rkl  iruiig,  d.  h.  piner  Zurflck- 
führung  auf  Ursachen  bedarf  nur  das  ücscheheo,  aber  die  ursprüng- 
lichen Qoalilftten  sind  kein  Geschehen,  sind  je  nicht  zu  verwechseln  mit 
den  sogenannten  Eigenschaften  der  Dinge,  l'ci  den  ursprünglich^ 
Qualitäten  ist  die  Frage  nach  Ursachen  gar  nicht  am  Platze.  (  S.  77.) 

in* 


306  Die  Gruudprincipim  der  N*iurpbilosophie. 


Jede«  in  Wechbelwirkur-j  mit  andern  begriffene  Wosen  oder  Atom  be- 
findet sieb  in  inner u  TliAiigkeitszuttänden.  (S.  80.)  Diese  maonigfachen 
qoftHtttiT  vendiiedmeD  innern  Zostinde  d«r  Atome  mch^n  tidi  otck 
aufsen  hin,  in  rUnmlirlHr  T^^rJehnng,  als  Amidmofi*  oder  AbatoAvBgi* 
kr&ft  geltend.  (6.  86.  9ü.; 

4.  Dr.  Cesl.  Schneider  endlich  bekennt  sich  ebenfalls  zum  System 
von  Stoff  und  Fonn  im  Sinne  des  Aristoteles  und  der  Sdiolnatiicer.  Er 
achreiht  abfr  eine  panj;  besondere,  tiefpreifende  Bedenfnntr  in  der  Er- 
U&rung  der  Natur  dem  Lichte  zu.  Das  Licht  ist  ihm  keine  Be- 
wegung, keine  Athersehwinguug,  sondern  eine  rein  wirlteAde 
Kraft,  welche  Rewegtinji  hervorbringt  und  durch  diese  Be- 
wegung in  den  Atomen  des  Körpers  zu  allererst  Wirme  ver- 
ursacht. Was  wir  Beweguug  des  Licliteü  nennen  uud  als  solches 
beobtcbten,  ist  die  Daner  der  materiellen  Vertndemogen  in  unaerai 
Sehorgan,  welche  vom  I,i>hff  vnrursacht  wird.  fS.  121.1  Das  Lirhr  bat 
einen  ,gei8li|en''  Charakter,  es  besitat  eine  .geistige"  Kraft.  Es  bildet 
das  nädiste  im  betreffenden  stoffKcben  Dinge  selber  liegende  Vermi^gen 
für  das  thatsäehliehe  Sein.  (S.  178.)  Das  Licht  ist  eine  Eigen- 
»chaft.  qualita^.  Es  wirkt  als  allgemeine  K  raft  und  bildet  die  erste 
bewegende  Ursache  der  irdisclien  Entwickhiug  innerhalb  des  Bereiches 
selber  des  Stofflieben.  (S.  184.)  Das  Licht  ist  nichts  als  ein  Wirken, 
ohne  freilich  in  srinem  Wesen  "  ir!  !^ub s trat  oder  Subjekt  einzascliüefsen, 
von  dem  es  getragen  wird.  iS.  185.)  Durch  das  Licht  wird  die  stoff- 
liche Substanz  f&hig  fQr  das  Thätigsein.  Das  Licht  also  ist  das  Dritte, 
was  in  jedem  stonlichen  Geschöpfe  hier  vou  Gott  an  mittelbar  aus- 
geht. Es  geht  als  wirkend  unmittelbar  vmh  (üott  ans.  als  Eigenschaft 
haftet  es  am  Stoffe  und  hat  sonacii  vou  der  betreffenden  stofflichen 
Snbstanx  das  Sein;  sowie  die  substantiale  Form  als  bestimmend  vom 
Schöpfer  unmittelbar  aasgeht,  wenn  sie  aneh  ihr  tragendes  SnlyÄt 

im  Stoffe  hat.    iS.  21i>.  225.^ 

In  einem  spätem  Abschnitte  seines  Büches  kommt  der  Herr  Autor 
abermals  auf  das  Licht  zu  sprechen.  Das  Licht  iät  ihm  wirkende 
Kraft  und  es  letif  hn  t  Es  ist  eine  auf  den  Stoff  hin  wirkf^ndp  Kraft. 
Soweit  das  Licht  als  wirkender  Urimd  eiufliefst,  ist  alle  Bestimmtheit  im 
stoffUehen  Sein  von  dem  Lichte  wie  rein  bestimmbares  Vermftfen.  Ia> 
sofern  es  auf  den  Stoff  einwirkt,  ist  es  immer  die  erstw irkende  und 
bildet  so  die  Voraussetzung  für  das  Wirken  «Her  o1>risfen  stofflichen 
Kräfte.  Sein  Wirken  geht  immer  auf  den  Stotf  als  solchen,  iu  seiner 
Natur  betrachtet,  und  somit  ist  die  ihm  eigens  entsprecliende  Wirkung 
im  Stoffe  immer  das  Übt  r^rt  ben  von  einer  substantialen  Wesenaform  zur 
andern.  Das  Licht  ist  die  erstwirkendc  Kraft,  vor  welcher  aller  Stoff 
nur  bestimmbare  Möglichkeit  ist.  Es  bereitet  vom  Stoffe  aus  vor  den 
Eintritt  der  substantiellen  Wesensform.  Jede  andere  wirkende  Kraft 
hat  etwas  von  der  dem  Lichte  eigenen  Kraft  in  sich,  soweit  es  anf  das 
Thatigseio  ankommt.   (S.  diti  ff.) 

Ilerm  Dr.  Polecks  Arbeit  trftgt,  so  lehrreich  nnd  interesssnt  sie 
sonst  auch  ist,  zum  Problem  einer  Nattirphilosophie  im  eigentlichen  Sinne 
nichts  bei.  Die  Naturphilosophie  beschäftigt  sich  mit  dem  Wesen  der 
Körper,  insotem  sie  Körper  sind  uud  vom  Nichtkörperlichen  sich  unter« 
scheiden.  Wir  fragen  aiso  hier  nach  dem  innersten  Wesen  des 
Körpers.  Das  will  zwar  unser  .^utor  ebenfalls,  indem  er  behauptet,  das 
Experiment  zeife  das  innerste  Wesen  des  Körpers.  Allein  hierin  li^t 
ein  Widerspruch.  Durch  das  Experiment  selber  dringen  wir  niemala 
Iiis  zum  innersten  Wesen  eines  Körpers  vor.  Dieses  letitere  mols 


307 


vielmehr  erst  durch  die  Vrrnunft  erschlossen  werden  Der  Unterschied 
der  Naturphilosophie  uud  Natur wisseoachaft  besieht  eben  dariu,  dai's 
•nMre  •ien  damit  befafst,  das  innerste  Wesen  des  Körpers  eis  soleben 
klar'/alegen.  Mit  den  einzelnen  Körpern  und  ihrer  ZusammeDSPtzung 
d:ic:eG^en  hpsrhäfti<;t  sich  die  letztere.  Hierin  stimmt  !>r,  Poleck  vol!- 
kouiiauu  mit  uns  übereio.  Die  Physik  rechnet  uach  ihm  uicht  tnti 
AtomeD,  sondern  nur  mit  Molekeln.  Nun  sind  eber  die  Atooe,  wie 
der  Herr  Autor  selber  bestätigt,  wirkhVhe  Körper,  besitzen  somit  eben- 
falls innerstes  Wesen,  uach  welchem  wir  friit,Mju  Ist  die  Phj'sik 
weiter  nichts  als  die  Lehre  vom  Gleichgewicht  und  derliewegung 
der  Molekel,  so  sagt  sie  uns  durcheus  niebts  vom  i  nncrsten  Wesen 
dfpf^er  Molekel.  Gleichgewicht  und  Bewegung  sind  nicht  ein  nnd  dasselb."» 
mit  dem  Weseo  der  Molekel.  Das  Gleichgewicht  beruht  auf  der  Quan- 
tität, die  Bewegung  auf  der  Thätigkeit  resp.  dem  Uewegtwerdeu.  Beides 
gehört  in  die  Kategoriedes  Accidens,  keineswegs  eber  in  jene  der  Sofastans, 
wie  das  innerste  Wesen  des  Körpers. 

Gauz  das  Gleiche  mui'ti  vou  der  Chemie  behauptet  werden.  Die 
Chemie  ist  dem  Herrn  Autor  die  Lehre  von  dem  Aufbau  der  Atome  zu 
Molekeln.  Sie  wird  in  der  Znknnft  die  Lehre  werden  von  dem  Gleich- 
gewicht Tind  r}rr  Hf^wt^punp:  Atome  in  der  Molekrl.  Also  auch  dii- 
Chemie  gibt  weder  jetzt,  noch  wird  sie  es  iu  der  Zukunft  thun,  uns 
AnCscblub  ül>er  das  innerste  Wesen  der  Atome  und  der  Siolekehi. 
Und  docb  bildet  sowohl  das  Atom  sogut  wie  die  Molekel  in  Wabrbeit 
einen  Körper.  Weder  das  Experiment  aus  der  Pfiysik,  noch  jenes  au=! 
der  Chemie  bringt  uns  folglich  um  einea  Schritt  vorwärts  in  der  Forschung 
neeb  dem  innersten  Wssen  des  Körpers.  Ks  zeigt  uns  eben  picht 
das  Wesen,  sondern  bloft  die  Accidenzen  des  Körpers.  Wir  möchten 
vor  a^lpTn  gern  wisaoü,  woraus  das  .\tom,  dieser  leibhaftige  Körper, 
seinem  inuersten  Wesen  uach  besteht.  Müssen  wir  das  Atom  einlach 
nennen?  Dann  ist  es  Geist  nnd  nicbt  Kdrper.  Bildet  es  ein  Znsammen- 
gesetztes?  Wie  beiden  dann  dessen  Teile?  Und  sind  dtsse  Teile  eben- 
falls  schon  Korper?  Dann  kehrt  unsere  erste  Frage  wieder:  woraus 
dieser  Körper  besteht? 

Daso  kommen  nocb  andere  Sebwierigkeiten,  die  einer  LOsnng 
dringend  barren*  Kach  der  Ansicht  des  Herrn  Autors  ist  der  Körper 
nicht  ein  zusammenhängendes  Ganzes.  Er  bildet  also  keine  wahre 
£iobeit,  keiu  ens  per  se,  sondern  blols  ein  ens  per  accidens.  Entspricht 
diese  Ansebannng  der  Walirbeit,  was  wir  Qbrigens  bestreiten,  so  ist  auch 
das  Atom,  welches  vom  Herrn  Autor  Körper  genannt  wird,  nicht  ein 
zusamnienhanfjendes  Ganzes.  Dies  steht  aber  im  Widerspruch  mit  der 
BehauptuDg,  dals  die  Atome  nicht  weiter  teilbar  seien.  Das  nicht  weiter 
Teilbare  besitat  die  Eigensebaft  der  Eiafkchheit.  Diese  £igensebaft 
jedoch  kommt  ausschlicfslich  dem  Geiste  zu. 

Ferner  bemerkt  der  Herr  Autor,  die  Atome  könne  man  nicht  sehen, 
auch  nicht  einzeln  abwägen.  Nichtsdestoweniger  haben  sie  eine  durcli 
die  Wage  greifbare  GrOfte.  Weiter  spricht  er  von  einem  Gebiet,  dessen 
Qröfsen  jenseits  der  Grenzen  unserer  sinnlichen  Wahrnehmung 
liegen,  die  aber  trotzdem  als  Resultat  exakter  Forschung  volle 
Realität  beanspruchen.  Ja,  stützt  sich  denn  die  exakte  Forschung  nicht 
auf  unsere  sinnliebe  Wafarnehmongl  Wenn  nicht,  dann  ist  sie  eine 
reine  Spekulation  des  Geistes  ohne  sinnliche  Grundlage,  somit  eine  Wissen- 
schaft, die  alles  a  priori  konstruiert.  Hier  ein  Beispiel.  Die  Atome 
sind  gleichartig.  Ans  diesen  gleichartigen  Atomen  bauen  sich  die 
Molekel  auf.  Die  Molekel  der  chemiscben  Verbindungen  sind  ongleieb' 


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308  Die  GrondiiriDcipiea  der  Nttarpbilosophie. 


«rtif  in  ihrer  stofflichen  Beschaffenheit,  die  der  cheAttchen 

Ünemente  gleichartig.  Wie  kommen  die  Molekel  dazu,  das  eine  Mal 
gleichartig,  das  andere  Mal  uugleicharrig  zu  sein,  während  sie  sich  doch 
aus  durchaus  gleichartigen  Atomen  aufbauen?  Man  nimmt  die  Sache, 
wie  nan  sie  eben  gertde  brtndit.  Eine  Erirtimng  dafllr  wird  weder 

gegeben,  noch  zu  gebon  versucht,  Kin  anderes  Beispiel.  Die  Gase  sintI 
verschieden,  denn  der  Herr  Autor  redet  von  den  verschiedenen  Gasen, 
und  doch  enthalten  alle  eine  gleiche  Anzahl  materieller  Teile.  Wodurch 
nnterscheiden  sie  sieb  dann?  Offenbar  doreh  die  Verschiedenheit 
der  materiellen  Teile  selber.  Allein  wie  kf'ninen  di'^so  Teile  ver*?  rli  icden 
sein,  wenn  sie  alle  aus  gleichen  Atomen  bestehen y  Die  blufse  Ver- 
schiedenheit des  Gewichtes  der  Atome  kann  unmöglich  eine  Ver- 
schiedenheit der  Gase  bei  gleicher  Ansahl  materieller  Teile  bewirken. 

K?  sind  Tv^ch  inaurh  andere  Hinpe,  denen  wir  rindere  Zustimnaan? 
nicht  erteilen  können,  allein  die  Ausdehnung  des  Ueterates  verbietet  uns 
niber  darauf  einanf  ehÜBD.  Das  Eine  steht  jedoch  fest,  dafb  Herr  Dr.  Poleck 
uns  das  innerste  Wesen  det  Körpers  doreh  die  Herrschaft  seiner  Wage 
nicht  gezeigt  hat. 

Ungleich  klarer  und  besser  legt  Herr  Dr.  Schneid  die  Grund- 
priucipien  der  Körper  dar,  indem  er  das  Wesen  des  Körpers  mit 
Aristoteles  und  Thomas  von  A'juin  aus  dem  T'rstofTe  und  der  substan- 
tiellei!  Form  zusflmmfnßesetzt  .-iein  läfat.  Der  Herr  \'ertasser  hat  die 
Unzulauglichkcit  der  Atüoic  für  die  Bestimmung  des  Wesens  der  Körper 
ansfabrlicb  und  treffend  nachgewiesen.  Zufolge  eines  Sataes  auf  S.  105 
mflfste  man  annehmen,  dafs  der  Tlrstotf  und  die  Form  nicht  real 
distinkt  wären.  Sie  sind  aber  in  Wahrheit  als  real  distinkt,  wenn- 
gleich nicht  als  real  getrennt  zu  denken.  Distinkt  und  verschieden 
sind  nicht  ein  und  dasselbe.  Der  Sats:  „Materie  und  Form  vorcinigeD 
sich  so,  dafs  dadurch  efwn*;  Neues,  eine  Substanz  pctsteht.  d.ren  Sein 
vom  Sein  der  Komponenten  verschieden  ist",  bedarf  einer  nahern  £r- 
klirong.  Die  Komponenten  haben  fflr  sich  {tberbaupt  kein  Sein,  das 
Sein  gehört  der  Snbstans,  dem  Kompositum  an.  Während  der  Herr 
Autor  auf  S.  105  die  Form  von  der  Materie  nicht  verschieden  sein 
läfst,  ist  sie  auf  S.  108  und  110  wiederum  real  verschieden.  S.  III 
gesteht  der  Herr  Antor  im  OegautAt  au  8. 106,  dafs  weder  der  Materie 
noch  der  Form  das  Sein  zukomme.  S.  125  bilden  Materie  und  Form 
die  metaphysischen  Bestandteile  des  Körpers,  S.  103  dafre^en  ist  die 
Form  als  konstitutives  Princip  der  physische  Bestandteil  des  Körpers. 
Die  Begriffe:  „ein  anderer",  ^verschieden''  und  ndistinkt**  sind  mehrmals 
an  wenig  aus  einaoder  gehalten.  Vergl.  S.  IM  S.  156  sind  die  Teile 
der  Quantität  ihrem  Sein  nach  von  einander  verschieden.  Das 
Wort:  „Sein"  gebraucht  der  Herr  Antor  öfters  in  einer  miTsverst&ndlichea 
Weise.  So  sagt  er  unter  andern  S.  260,  ^weil  das  Erzeugte  aus  dem 
Erzencer  f^pnomnipn  i^t.  so  folgt,  dafs  dasselbe  mit  seinem  rrheber  im 
Sein  ttbereinkouimen  mul's".  Sein  ohne  weitere  Besttaimung  bedeutet 
aber  nach  8.  Thomas  nad  den  Scbotostikem  so  viel  ah  die  Exialent, 
das  Dasein  eines  Dinges.  Demnach  würde  folgen«  dab  der  Erzenger 
und  das  Erzengte  ein  und  '?i --olbe  Existenz  hatten,  was  natürlich  ganz 
und  gar  unrichtig  ist,  aucii  vom  Herrn  Autor  nicht  gemeint  sein  kann. 

Die  Bebandlang  der  organi sehen  Körperwelt,  sowie  der  ganse 
zweite  Teil  des  Werkes  ist  etwas  zu  gedrängt  ausgefallen.  Wir  haben 
in  di^^ser  Beziehung'  kaum  etwas  mehr  als  eir  ??e\vöhnliches  Lehrbuch 
vor  uns.  Auf  uns  bat  diese  Partie  nicht  den  i:.mdruck  gemacht,  dafs 
sie  «Aber  den  Rahmen  eines  Lebrboches  binansgebt*,  wie  der  Herr 


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Die  «irundpriucipieo  der  Naturphilosophie. 


Verfasser  in  dor  Vorrede  sa^t.  In  der  Saclie  selbst  n  ir-!  il  r^  vorliegende 
Werk  gaoz  sicher  alleu  Interessierten  treffliche  Dienste  leisten. 

Herr  0.  Flüge!  setzt  das  We  sen  der  Kdrper  ebeofaUs  in  die  Atome. 
Das  Atom  betrachtet  er  als  ein  einfaches  Wesen.   Diese  Einfachheit 
wird  indes  vom  Herrn  Autor  wieder  durch  die  Hemorkung  aufgehoben, 
dafs  es  keinen  Stoff  ohne  Kraft  gebe.   Ist  eine  Kraft  ohne  Stoff  ein  in 
sieh  Widerspreebender  DedaDke,  so  gehftrt  die  Kraft  obite  Zweifel  nun 
Wesen   des  Stoffes.    Somit  ist  das  Atom  zusamm  en  gesetzt  aas 
:5toff  und  Kraft.    Oi"  Ansicht  des  Herrn  Autors,  dsfs  die  Kräfte  erst 
infolge  des  Zuaaminenwirküiis  der  Wesen  entstehen,  indem  sie 
sich  gegenseitig  znr  Tbätigkeit  bestimmeo,  entbält  eioen  offenen  Wider> 
Spruch.    Der  btoff  als  solcher  ist  seinem  ganzen  Wesen  nach  trftge. 
Er  kann  folglich  in  keiner  Weise  etwas  zu  einer  Tbätigkeit  bestimmen. 
Der  Stoff  bestimmt  überhaupt  nicht,  vielmehr  wird  er  selber  bestimmt. 
Ebenso  kann  der  Stoff  nur  ansammenwirken  mittelst  der  Krall- 
äufserung  oder  Tbätigkeit.    Wie  soll  er  aber  eine  Kraft  änfsrrn,  thätig 
sein,  wenn  er  selber  keine  Kraft  besitzt,  wenn  diese  erst  entsteht? 
Die  Kraft  niufs  daher  notwendig  zum  Wesen  des  Atoms  geboren, 
damit  ea  dieselbe  ftofsern,  andere  anr  Tb&tigkeit  bestimmen  kann. 
Die  Kraft  als  konstitutives  PriiR-ip  und  die  Kraftäufserung  sind  nicht  ein 
and  daaselb(\    Zur  Bethätigung  der  Kraft  genügt  dieses  konstitutive 
Princip  uichi  einmal.    Dazu  gehören  in  den  Geschöpfen  noch  andere 
Krftfte.   Oer  Herr  Autor  ▼erweebselt  offenbar  die  Kraftftufserung, 
die  Tbätigkeit  der  Kraft  mit  tler  Kraft  selber,  ^\t  nn  er  scbreiLf: 
..UiMten  die  Atome  gewisse  Kräfte  aurh  vor  und  abgesehen  vtu  aller 
Heiubrung,  so  hätte  mau  in  jedem  Atome  einen  Vorgang,  ein  üe- 
schehen,  oder  docb  den  Trieb  zu  einem  Gegebeben  ebne  alle  Ur. 
Sache''.  Die  Kraft,  welche  wir  hier  brauchen,  ist  kousti  f  ii  ti  ve  s  Princip 
der  Wesenheit  des  Afonies     Das  Atom  niufs  vorerst  eine  Wesenhe^ 
kabin,  dann  kann  es  tlia  tig  sein,  dauu  kaon  durch  es  etwas  g  es  che  he^j 
Bemerkt  der  Herr  Aator  femer,  für  das,  was  die  Wesen  ein  fflr  allem 
sin  1,  !ii  (Itirfe  es  der  Ursache  nicht,  so  mfissrn  wir  dies  als  ean/.  nii^ 
gar  uurichiic  bezeichnen.    Für  das,  was  die  Wesen  sind,  bedart  es  der 
Stoff  liebelt  und  der  formellen  Ursache,  und  nach  diesen  beiden 
Ursachen  Aragen  wir  eben,  wenn  wir  die  Körperwelt  untersuchen.  Davon 
sagt  uns  aber  der  Herr  Autor  nichts.    Der  Körper  lje.>telit  zwar  i!a*"h 
ihm  ans  Atomen,  allein  über  die  .^tome  selber  hören  wir  nur  widei- 
^precheiide  Angaben.    Die  Atome  sind  einfache  Wesen,  aber  diese 
einfachen  Wesen  besitsen  wiederum  Kräfte,  die  nicbt  Eigenschaften  des 
Wesens  sind,  nicht  notwendig  zum  Wes'Mi  irehören.  Andererseits 
ist  eine  Kraft  ohne  Stoff  ein  in  sich  widersprechender  Gedanke.  Die 
Kraft  entsteht  erst  durch  das  Zusammenwirken  der  Wesen  und 
dadnrch,  dafs  diese  Wesen  sich  zur  ThftSlglteit  bestimmen! 

Der  Herr  Autor  murijt  einen  Unterschied  zwischen  'Qualität  und 
ivraft.  Was  ibt  nun  diese  Qualit&tV  Was  bewirkt  formell,  dafs  die 
.4tomc  eine  bestimmte  Qualität  besitzen V  Der  Stoff  als  solcher  hat 
keine  bestimmte  Qniüitftt.  Er  bildet  vielmehr  die  Grundlage  für  alle 
möglichen  Körper.  Es  niufs  also  doch  die  Kraft  oder  Fnrm  sein,  die 
ihm  eine  bestimmte  Qualität  verleiht,  ihn  zu  einem  Korper  macht. 
Wir  halten  die  Kraft  oder  Form  dorcbans  nieht  fQr  rine  „Eigensebaft^ 
für  ein  accidens  proprium  des  Stoffes,  sondern  für  einen  wesentlichen 
Hestandteil  des  Körpers  ^totf  ist  uud  bleibt  !'r  '^t  ff  durch  sieb 
selber,  aber  Körper  wird  er  erst  durch  die  Kratt  Kommt  somit  dem 
Stoffe,  dem  Atome  die  bestimmte  QoalitAt  ursprünglich,  obne  alle 


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3 10   Oewifiiheit  od.  Hypolbaw  in  der  Frtfe  der  flebfvingoagnftbten  etc. 


Ritckäiclit  äuf  andere  Wesen  zu,  &u  i^i  ea  schon  die  Kraft,  welche 
formell  bewirkt,  dafs  der  Stoff  eine  bestimmte  Qaalittt  besttst,  dftb 
das  Atom  v\n  KArprr  ist.  I  ns  will  bedünkeo ,  dafs  dfr  Herr  Autor 
sacbltch  ganz  dasselbe  sagt,  was  Aristoteles  und  die  Scholastiker  lehm, 
aber  der  Kraft  oder  Form  den  Namen  Qualit&t  beilegt.  Dafftr  nimmt  er 
dann  Kraft  und  Kraft&ufaerung  oder  wenigstf^ns  die  Kr&fte  als  Kigen* 
schaff *^r.  al«?  nrridpntia  propria  für  ein  und  da88(»lbe  mit  dCfKrAftalA 
Forn)|  als  konstitutives  ^riocip  der  Wesenheit  des  Atome«. 

Die  fiedeotanf ,  weteho  Herr  Dr.  C.  Selweider  dem  Uchte  beilagt, 
scheint  uns  doch  etwas  m  weit  sä  gehen.  Wir  glauben  selber,  dafs  <Us 
Licht  nicht  in  einer  BeMPcnog  bestehe.  Die  Ansicht  ein^s  Faraday, 
sowie  die  Crookeschen  Lichtmühlen  und  (jeii'slerschi^u  Kohren,  welche 
dfe  Lehre  des  Ftraday  «xperioentell  beetitigen,  verdieoen  ohne  Zweifel 
alle  Ht'aclitunjr.  (S.  9*1. i  Aber  wir  vermögen  dem  Hf  rrn  Autnr  dir'm 
nicht  bei/ustimmen .  dal's  er  tifi«?  Licht  sozusagen  dern  Stoße  uaii  der 
Form  als  drittes  konstitutives  Priocip  an  die  Seite  stellt.  Der 
Herr  Autor  selber  8]iricht  sich  nicht  verstindlicb  ßenitg  darflber  aus, 
worin  das  Wesen  des  Lichtas  Pipentlich  liefren  soll.  F'-s  hat  nach  ihm 
einen  „geistigen*'  Charakter,  besitzt  eine  ^.geistige*^  Kraft.  Es  bildet  das 
nächste  im  betreffenden  stofflichen  Dinge  selber  liegende  Ter  mögen 
für  das  thtts&chlicbe  Sein.  Andererseits  aber  bildet  es  wiedenuB 
eine  Eigenschaft,  ulsc  sicher  nicht  das  Ve  r  in  <"  g  e  n  fnr  fhnt- 
sftchliche  Hein.  Ks  wirkt  als  allgemeine  Kralt  und  biidet  die 
erste  bewegende ürtacbe  der  Eatwiektttog  im  StofflieheD.  Bsistnieiita 
nie  ein  Wirken,  also  wiederum  das  Gegenteil  von  Qualität,  indem  ja 
diese  in  Hne  andere  Kategorie  gehört.  Da«?  Licht  schH»»fHt  in  seinem 
Wesen  kein  Substrat  oder  Subjekt  ein.  Eine  Qualität  ohne  Sub- 
strat, ein  Wirken  ebne  Subjekt .  welclies  wirkt!  Kekanntlieb  kann  man 
niemals  ein  Accidens  seinen)  Wesen  nach  definieren,  ohne  das  Subjekt, 
dem  es  angehört,  mitzuhestimmeu.  Durch  das  Licht,  wird  die  stofHiche 
Substanz  fähig  lür  das  Thätigsein.  Wenn  dies,  dann  kann  das  Licht 
nnniVglieii  ein  Wirice n  sein.  CNts  Uclit  geht  als  Drittes  unmittelbar 
von  Gott  ai!^,  «^fwie  at^cli  die  substantirlli  Fonn  als  bestimmpnd 
vom  Schöpfer  uu mittel  bar  ausgeht.  Derlei  Sätze  lassen  sich  mit  der 
Lehre  des  hl.  Thomas  sehr  schwer  Tereinbaren. 

Grat.  P.  Qnodisaiv  Feldner  Ord.  Praed. 


GEWISSHEIT  ODER  HYPOTHESE  IN  DER  FRAGE 
DER  SCHWINGUNGSZAHLEN  DER 

PRISMATISCHEN  FARBEN. 

Von  Dr.  M.  GLOSSNER. 


Ais  icli  von  unaichereo  Graodliigen  der  SohwinguogHzaUleii 
der  prismattscheii  Farbeo  redete  (Jahrbuch,  IV.  Band  S.  231), 
hatte  ich  anaachlieraHch  die  physikalische  Seite  der  Theorie 
im  Aoge,  oämKch  die  Annahme  eines  schwingenden»  Uchttrageodea 


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GcwiXtheit  od.  ByiK>the8e  in  der  Frage  der  Schwingoof  snhlen  etc.  311 


Athen  oder  wie  iininer  man  das  mt  £rlcläriing  der  Liohtersohei- 
nwigeD  ftngenommene  Substrat  oder  Medium  seiineii  möge.  Eb 
handelte  sich  also  und  handelt  sich  in  der  vom  H.  Prof.  Dr. 
Pfeifer  (a.  a.  O.  Bd.  V.  S.  124)  rair  aufgedrängtnn  Kontroverse* 
durchanR  nicht  um  die.  mathematische  Seite  dor  Theorie  oder  um 
die  Genauigkeit  und  Kirhtig-keit  der  Berechnungen.  Es  ist  die» 
schon  in  meiner  Autwort  am  genannten  Orte  (8.  125)  ausdrück- 
lich hervorgehoben.  Überdies  habe  ich  ebenso  ausdrücklich  die 
Verantwortung  für  die  Zahlenangaben  Dr.  SchaslerK  abgelehnt 
(a.  a.  O.  8.  126.  Anm.).  loh  glaube  tber  nicht  allein  diesen 
Saebf  erhalt  konstatieren  sa  mtlsien,  sondern  ancb,  um  mich  gegen 
eine  beharrliohe  VerrUoknng  des  Fragepunktes  sn  verwahren, 
wiederholt  betonen  an  sollen,  dafs  meine  Zweifel  an  den  pbj- 
sikalischen  Grundlagen  der  herrschenden  Auffassung  von  Lioht 
nnd  Farbe  keineswegs  auf  einer  principioll  feindlichen  Stellung 
gegen  die  Undulationstheorie  überhaupt  oder  auf  dem  Standpunkt, 
den  ich  in  der  Philosophie  einnehme,  beruhen.  Aus  diesem 
Grunde  bin  ich  auch  in  der  Lage,  die  luftinuation ,  als  ob  ich 
mich  gegen  das  empirische  Wiss^en  spröde  ab8chli<  ise,  als  eine 
gänzlich  aun  der  Lutt  gegriftene  zurückzuweisen.  Gibt  man  aber 
jenem  Vorwurf  die  allgemeinere  Wendung,  in  welcher  er  sich 
gegen  die  Vertreter  der  sog.  neuscholaatischen  Richtung  wendet, 
dafo  sie  mit  tiefwnnelndem  Mifetranen  den  Katnrwissensobaften 
gegenüberstehen,  so  ist  eine  solche  Bohauptang  teils  falsch,  teils 
aber  ist  eine  reservierte  Haltung  gegen  Disciplinen,  die  nicht 
selten  ihre  Erfahrungen  für  Gesetze  und  ihre  Hypothesen  fnr 
nnanfechtbare  Wahrheiten  ansgeben,  gerechtfertigt  und  wird  auch 
von  anderen  philosophischen  Schulen  geteilt,  die  auf  eine  selb- 
ständige Stellung  der  Philosophie  und  philosophischen  For^ehunL- 
noch  nicht  zu  Gunsten  der  empirischen  Wissenschaften  vcrzuliu 
hahen.  Dem  Gesagten  zutolge  wird  sich  meine  Auseinander- 
setzung mit  H.  Dr.  Pfeifer  auf  zwei  Punkte  zu  richten  und  zu 
beschranken  habeu.  i.  dal's  die  herr>>cheudo  Licht-  uud  Farben- 
tbeorie,  physikalisch  betrachtet,  nicht  eine  vollkommen  abge- 
schlossene nnd  dnrchaus  sichere  Lehre,  sondern  eine  Hypothese 

'  Dafs  PS  H  Dr.  I'f.  um  eine  solche  zn  thtin  war  nnd  nicht  allriii 
darum,  die  Grtinde  meines  Zweifels  an  den  physikalischen  Grundlagen 
4er  herrscheodeo  Liehttbeorie  kennen  tu  lernen,  beweisen  die  wieaer> 
holten  teils  offenen  teils  versteckten  Angriffe  im  pbilos.  Jahrbnch  der 
Görresgesellächaft  nnd  in  den  historisch  -  politischen  Blattern  Bd.  107 
S.  549.  Was  die  Bemerkungen  am  letzteren  Orte  betrift't,  so  können  sie 
nur  anter  der  VoraaMetsonf  eine  Entschuldigung  finden,  dalii  meinem 
Gegner  die  Berichtigung  in  dioscrn  Jahrbuch  Hd.  V.  S.  ^50  damals,  als 
er  jene  Worte  icbrieb,  noch  nicht  bekannt  geworden  war. 


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^  1  ^    (f ewiftheit  od.  Hypothese  iti  der  Frage  der  hchwiuguugS2Ableu  etc. 


bilde,  die  noch  gehr  gewichtige  Schwierigkeiten  aus  dem  Wege 
zu  räumen  hat  und  deshalb  der  Umbildung  föhig"  und  bedürftig 
ist;  2.  dals  in  keinem  Falle  das  Wegen  von  Licht  und  Farbe 
auaachlierslich  in  Bewegungen  und  Zahlenrcrhältnisscn  bcstehf. 

Um  auf  den  ersten  Punkt  einzugehen,  >io  läf^i  sich  aus 
Zeugnissen  hervorrag'ender   und  snlbständig  lienkender  Natnr- 
forscher  selbst  der  ^aciiweis  erbriuguu,  dafs  es  bibher  nicht  eimual 
gelungen  igt,  die  Theorie  von  dem  undulierenden  Äther  in  einer 
widerspruehsfreien  Weise  dDrebzofähren.  Der  hyjKiiheiiscbe 
Cbaraklwr  dieser  Lebre  aber  wird  sogar  in  dem  Gotacbteo  dsr 
Zdtsobrift  „Himmel  und  Erde*',  auf  das  sieb  mein  Gegner  beruft 
und  das  aegebiicb  zu  Gonsten  seiner  Ansiebt  spricbt,  zogeatandsa. 
Dieses  Gntacbten  ist  mit  grofser  Vorsicht  abgefafst  und  weit 
daroD  entfernt,  die  Zuversicht  des  H.  Prof.  Fl',  zu  teilen.  Statt 
geradezu  von  einer  Wellenlinie  zu  reden,  wird  darin  von  einer 
gewissen  mefsbaren  Gröfse,  von  einer  Energie,  die  sich  der  Gröfse 
nach  durch  eine  Wellenlinie  graphisch  darstellen  läfst.  gesprochen, 
von  einer  „Analogie**  ^Icr  Wasser-  und  Schallwellen,  von  welien- 
artig  wechselnden  Zuständen.   Aut?driickli(h  wird  anerkannt,  düU 
die   Annahme,  es  handle  sich  um  elastische  Schwingungen  im 
Äther,  eine  hv})olhetische  sei.     I)ies  aber  und  nichts  anderes  habe 
auch  ich  behaupten  wollen,  wenn  ich  vou  unsicheren  Uruudlageu 
der  Schwing  u  ngszablen  redete.  »Sollte  also  Herr  Pf.  mit  diesem 
Gntacbten  vollkemmen  einmstanden  sein,  so  bestebt  zwisoben 
unseren  Ansiebten  kein  Widerstreit  und  die  vea  ibm  angetungcae 
Kontroverse  löst  sieh  damit,  dafs  er  meinem  Ausdrucke  einen 
Sinn  und  eine  Tragweite  beigemessen,  die  nicht  beabsicbtigt 
waren.  Freilicb  fügt  das  Gutachten  hinzu,  die  hohen  ächwiognngs« 
zahlen  stellten  nicht  den  mindesten  Einwand  dar,  da  sog^ar  die 
Zinken  einer  (Stimmgabel  in  einer  Sekunde  viele  tausendmal  bin- 
und  horschwingen.    Ich  meine  aber,  es  sei  eine  einfache  For- 
d«'r>in;r  der  Logik,   dafs,  wenn  elastiselH-  Schwiujj:un^t>n  (von 
solcher    Art   aber  sind   di(;   der  StimnigaU'  1  un^l    müf^teu  die 
hypütheLiöcheu    Schwingungen    des   Alliers   sein)    eine  Hypo- 
these sind,  daun  auch  die  Schwingungszahlen   nur  hypotheti- 
schen Wert  haben.    Fls   ist  daher  völlig  irrelevant,   wenn  das 
Gutachten  beifügt,  das  Hypothetische  am  Äther  seien  lediglich 
die  Eigcascbaften,  die  eine  spezielle  Theorie  ibm  beilege,  z.  K 
die  Elastizität;  denn  die  Theorie  von  der  Fortpflanzung  de« 
weifsen  wie  farbigen  Lichtes  durch  Billionen  von  Schwingungen 
in  der  Sekunde  setzt  eben  die  Annahme  eines  schwingenden, 
elastischen  Substrates  voraus.  —  Was  die  Bemerkung  m  dem 
Gutachten  betrifft,  der  Urheber  des  Ausdrucks  „blofse  Hypothese*' 


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G^wiüBhaii  od*  Hypothese  in  der  Frage  der  ädtwinguagssabien  etc.  «^1^ 


hätte  ebensogut  „blofae  VermutuDg"  sagen  kÖonen,  so  bt  die- 
aelbe,  soweit  sie  sich  gegen  mich  richten  «oll,  gegenstandslo«, 

dA  i6k  Ton  einer  „blorsen**  Hypothese  nicht  gesprochen  habe, 
noch  weniger  aber  föUt  e»  mir  ein,  die  Uadnlationstheorie  über- 
haupt nnd  als  Ganzes  als  blofse  „Yermatnng"  hinzustellen.  Dafs 
sie  aber  wenigstens  teilweise  das  Stadium  einer  Hypothese  nicht 
überschritten  habe,  wird  in  dem  Gutachten  selbst  mit  den  Worten 
/.ugestanden :  Man  hat  sich  endlich  klar  zu  machen,  Hals  eine 
solche  Theorie  nicht  nur  augenblicklich  den  besten  Ausdruck  tür 
die  verwickelten  Naturerscheinungen  abgibt,  sondern  dal's  sie 
unvergänglich  ist,  in  so  lern  als  jede  künftige  Theorie  zwar  den 
Grundbegriff  der  elaslibchen  Schwingung  durch  einen  andoru  er- 
setzcn  kann,  iui  übrigen  aber  nur  Wort  für  Wort  in  ihre  Sprache 
TO  überaetien  braucht"  (Zeitschrift:  Himmel  und  Erde  Jahrg. 
U.  Heft  12.  589.) 

Wie  diese  „Übevsetznog**  lauten  werde,  müssen  wir  dahin- 
gestellt sein  lassen  nnd  abwarten,  was  etwa  der  Fortschritt  der 
Wissenschaft  bringen  wird.    Einstweilen  aber  scheint  der  Be- 
griff der  elastischen  Schwiugung  noch  derart  für  die  Theorie 
unentbehrlich  zu  sein,  dafs  hervorragende  Physiker  selbst  auf 
die  Gefahr  des  Uiatrriellon  Widorspriichs  hin  daran  testhalten. 
Wenigste  ns  seheinen  uns  die  Ei^enschafteu,  die  sie  dem  schwin- 
^'enden  Substrate  oder  Äther  /.uzuNch reiben  sich  genöti^^t  sehen, 
ötuander  widers]>reciietui  zu  sein.    Xach  Bayma  (The  elemeoti* 
of  molecular   niechanics)  int  der  Äther  ein  Medium,  das  keinen 
Widerstand  leistet,  da  sonst  die  Bewcguu^»jii  der  Planeten  und 
Kometen  im  Laufe  der  Jahrhunderte  eine  merkliche  Veränderung 
erlitteo  haben  würden.    Gleiehwehl  hält  B.  an  der  Slaslioitat 
dieses  Mediums  fest,  ist  aber  der  Meinung,  die  nngeheure  Geschwin- 
digkeit, mit  der  das  Licht  sieb  verbreite,  beweise,  dafs  es  eine 
Elastlcität  gibt,  die  ohne  repnlsive  Elemente  besteht,  weil  jene 
Geschwindigkeit  nur  aus  einer  ungeheuren  Klasticität  erklärlich 
tei  (8.  Buch:  on  luminiftrous  Aether  III.  IVY    Der  Äther  raufs, 
so  sagt  uns  derselbe  Physiker,  um  den  Widerstand  der  atmo- 
sphärischen Lutl  zu  überwinden,  von  unermefslicher  Dichtigkeit 
sein.     Mit   dieser  Eigenschaft  aber   vorbinde  sich  eine  grofse 
Feinheil  (subllety).    Das  »-in'«  scliliel'se  das  andere  nicht  aus: 
denu  greise  Dichtigkeit  k(Miiii,f   von  der  grofson  Nähe  der  M<v 
leküle  oder  Teile.  Feinheit  ak)er  von  der  geringeren  Zahl  der  in 
jedem  Molekiii   euLhaltfnen    Kiemente.    Wäre  der  Äther  eine 
Masse  eiutächer  zu   Molekülen    nicht  verbundener  Elemente, 
SO  würde  er  den  höchsten  Grad  von  Feinheit  erreichen,  wie 
grof«  auch  seine  Dichtigkeit  sein  möchte.    Newton  nehme  an. 


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au    GewUsheit  od.  Hypothese  ia  iler  t  rage  der  ächwinguugiuuiiiiea  eu. 


dafg  die  Dichtig-keit  des  Athors  zu  der  der  Luft  eich  wie 
1  :  700  000  verhalte,  und  alle  Physiker  pflegen  zu  sagen,  dafr 
derÄther  äufserst  dünu  aei,  weil  er  der  Beweg-ung-  der  Himnielb- 
körper  kein  Hindernis  entgegensetze,  liieb  erklare  »ich  jedoch 
(nach  Baymaj  daraus,  dafs  der  Äther  ausschlierslich  attraktiv 
sei.  Die  DiobtigketI  desMlbeii  «ber  mttne  nach  eemer  Bewegung 
beorteiU  werden.  Se  sei  vernttiiftig«  eosnaehmeD,  dafo  die  Atliw- 
mesBeo,  um  frei  durch  die  atmoephäriflohe  Lnft  iii  Tibrieren  and 
über  die  damit  verbaedeneD  Schwierigkeiten  au  triampbiereny 
weit  beträchtlicher  sein  müssen  als  jene  sind,  aof  die  sie  stpCben. 
Dieser  Schlufs  erlange  eine  weitere  Bestätigung,  wenn  man  be- 
achte, dafs  ein  Sonnenlichtstrahl  auf  eincmWege  von  1000  Metern 
keine  wahrnehmbare  Veränderung  eri'ilirt.  obwohl  er  auf  diesem 
Wege  nicht  weniger  als  281  740OU<)()OO  Luftuioleklile  zu  pas- 
sieren habe.  Bayma  fugt  hinzu:  I  do  not  see  how  such  a  fact 
can  be  accuuntcd  for,  if  aether  is  not  immensely  denscr  than 
atmosphaeric  air  (S.  185).  — Wahrlich,  der  Äther  ist  doch,  um 
mit  dem  von  Bayma  angefiibrten  Physiker  GroTe  an  reden  (Cor* 
relation  of  pliysikal  forces»  p.  142),  ein  sehr  bequemes  Medinm 
filr  eine  Hypothese.  Verlangt  die  Hypothese»  um  für  ein  gege- 
benes Phänomen  Bechenschaft  au  geben,  dafs  der  Äther  mehr 
elastisch  sei,  so  wird  behauptet,  er  sei  mehr  elastisch;  wenn 
dichter,  so  wird  gesagt,  er  sei  dichter;  wenn  minder  elastisch, 
so  wird  er  für  weniger  elastisch  erklärt. 

Wie  verworren  die  Vorstellungen  nind,  die  über  den  licht 
tragenden  Äther  bei  den  Physikern  hcii'^ciien,  möge  uns  eine 
andere  Stimme  aus  denneiben  naturwissenschaftlichen  Kreisen 
bezeugen.  In  einer  lb85  erschienenen  Schrill  über  Molekülar- 
physik  schreibt  Dr.  Wittwer:  „Das  Charakteristische  meiner 
Schriften  ist  eine  ToUständige  Umarbeitung  der  Lehre  von  den 
Äther»  der  der  gewöhnlichen  Ansicht  aofolge  nach  ganz  aben* 
tenerlichen  Normen  wirken  soll,  nnd  ich  komme  au  manchen  Er- 
gebnissen» welche  den  allgemein  vi-rbreiteten  Ansichten  geradean 
widersprechen"  (Grundzüge  der  Mulekülarphysik  und  der  mathe- 
matischen Chemie.  S.  III).  Und  weiterhin:  „Seit  dem  Stege 
der  Undulationstheorie  des  Lichtes  über  die  Emissionstheorie. 
also  seit  70  Jahren  gilt  die  Existenz  des  Äthers,  sowie  der  ?5atz, 
jdafs  er  in  der  Konstitution  der  Korper  eine  Hauptrolle  spielt*, 
in  der  Phvbik  :ils  erwiesen.  NicluMli  -towenigor  ignorieren  ihn 
die  sich  ebenfalls  mit  der  KonstituLiun  der  Körper  beschülligen- 
den  Chemiker  vollständig.  Es  ist  allerdings  richtig,  dal's  die 
Chemiker  bei  den  Terworrenen  Ansichten»  welche  die  Physiker 
über  den  Äther  haben»  mit  demselben  nichts  anaufhngen  wissen^ 


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GewiXsbeit  od.  H^potbese  in  Uer  Frage  der  äcbwingUDgmhteo  etc.    '6  \  5 


u.  8.  w.  (A.  a.O.  b.IV.)  ISndUoh  an  einer  dritten  8telle:  „Tiots  dieser 
hohen  Bedeutung  des  Äthers  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafo  seine 
Natnrgesc  hichte  lange  niebt  so  bekannt  ist,  ais  ee  wünschenswert 

wäre,  und  währeml  die  Chemiker  ihn  vollständig  ignorieren,  wird 
er,  man  dart  wohl  »agen,  von  Inr  grofseD  Mehrzahl  der  Physiker 
als  eine  Art  von  nnvermcidlii  hciu  Noli  nie  tangerp  hetracbtet. 
,  .  .  Was  über  di»i  I)ichtigkeilhverhiiltui«se  des  AUiers  in  den 
Hüehern  zu  finden  int,  ist  entweder  gar  nichtn.  oder  die  Angabe» 
dafä  der  Äther  in  den  Körpern  dichter  m'i  als  im  allgemeinen 
Räume,  und  dafs  nich  um  die  Atome  herum  die  Ätherteilchen 
atmoepbarenartig  in  der  Weise  bemmlugero,  dafo  die  den  Atomen 
niheren  Scbicbten  immer  dichter  werden,  wobei  dann  regelmäfsig 
eine  Abbildung  einer  Redtenbacberschen  Dynamide  Yorgefiihrt 
wird,  lob  halte  diese  Annahme  fnr  nnriehtig  und  glaube,  dafo 
der  Äther  in  der  Nähe  der  Atome  weniger  dicht  sei  als 
fern  davon«  Heine  Gründe  beruhen  auf  den  Erscheinungen 
des  Lichtes  .  .  .  Die  Annahme,  der  Äther  sni  in  den  Körpern 
dichter  als  im  allgemeinen  Räume,  war  tlir  die  Molekülarphysik 
von  höchst  nacht(M!io'»*u  Folgen,  denn  wenn  man  von  einer  g-anz 
tatschen  Voran ssri/.ung  ausgeht,  niulH  man  zu  lauler  unrichtigen 
Folgernii-vii  iri  l  iT i^,^«»,  und  das  war  denn  auch  zuletzt  die  Ur- 
sache, dals  die  ganze  Ätherlehre  bei  den  Physikern  so  Bchr  in 
Verruf  geraten  ist.  Man  bedient  !»ich  des  Äthi  rH  zur  Erklärung 
der  Lichterbcheinungen,  weil  er  da  unbeUiugi  oolweadig  ist, 
und,  wenn  er  da  seine  Schaldigkeit  gethao  hat,  wird  er  beiseite 
gestellt**  (A.  a«  O.  8.  3  f.) 

Die  Annahme  eines  elaatiaoben  Mediums,  durob  dessen 
Schwingungen  das  Liobt  im  Weltenraum  sieb  fortpflanst»  ist  im 
gegenwärtigen  Stadium  der  Undulationstheorie,  wie  wir  sahen, 
uneatbebriieb.  Die  Physiker  nennen  dieses  Medium  Äther.  Im 
Äther  aber,  über  dessen  Eigenschaften  die  yerworrensten  Vor- 
stelluDgeu  —  nicht  zuiallig,  sondern  infolge  der  an  ihn  zu  »tel- 
lendon  Anforderungen,  trot?,  ungeheurer  Dichtigkeit  keinen  Wider- 
stand y.n  leinteTj  —  unt.(;r  den  Physikern  herrschen,  lip^rt  dan 
ünsK  her(\  H yjKiiheLiBche  der  Theorie.  Die  PhyHiker  denken  f>wh 
diesen  Äther  als  alle  Körper  durchdringend  und  die  Moleküle 
der  wit|j:haren  Materie  gleichsam  umiluiend,  zuuacbst  um  die  Er- 
scheiüuugen  Uli  durchsichtigen  Körpern  zu  erklären.  Aber  auch 
in  diesem  Funkte  herrscht  keine  allgemeine  Übereinstimmung. 
Bayma  erklÜrt  die  Annahme  des  Äthers  hi  den  festen  Körpern 
aafCrrund  der  elektrischen  und  magnetischen  Erscheinungen  als 
unnetig;  die  Wirme  aber  lasse  sich  aus  den  Vibrationen  der 
eigenen  Molekäle  des  Körpers  erklären.   In  einem  durchsichtigen 


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316    Gewif^heit  od.  Hypothese  in  üer  Krage  der  Schwiaguogsz&blen  etc. 


Körper  pflanze  ^Ich  (las  Licht  nach  allen  Richtuugt^n,  nicht  nilein 
in  deiijenig'en  fort,  in  welchen  die  Molckiilar/.wischenriuine  den 
Weg  troi  lassen  Zwar  laufte  sich  mit  der  Thcjorie  der  aue- 
»chliefslichen  AttruktivjtiAt  de«  Äther»  die  Hypothese  von  einem 
die  Moleküle  der  wägbaren  Körper  nrngebenden  Äther  vereio- 
baren,  während  es  bei  der  gewöbolichen  Annahme,  dafa  der 
Äther  äaflMrat  dttnn  sei,  uaerklarlicb  bleibe,  wie  die  FortflansQDi^ 
des  Lichtes  dareb  einen  Krystall  mittels  der  SohwingiiDgen  des 
Äthers  im  Krystall  geschehen  ki^nne:  gleichwohl  geschehe  die 
Transmission  des  Lichtes  im  durchnichtigen  Körper  nicht  durch 
den  Äther:  denn  sonst  miibte  anch  der  Schnee,  in  welchem  die 
Moleküle  weiter  von  einander  entfernt  sind,  dorchsichtig  sein  wie 
Wasser.  Wenn  man  mch  aber  auf  die  regelraäfsige  Anordnung 
•  inr  Moleküle  in  einem  (lnr(  hniehtigen  Körper  berufe,  fo  erklare 
diese  zwar  die  Fortpflanzung  des  Lichtes  zwischen  den  Molekülen, 
nicht  aber  die  Verbreitung-  desselben  nach  allen  Richtung-en  hin. 

Beachtet  man  die  vorslehendeu  Zeugnisse,  so  wird  man 
Dr.  Commer  (Die  philosophische  Wissenschaft  8.  6il)  beistimnien, 
daih  auch  die  UndnUktionstheorie  Modifikationen  nn  erwarten  habe. 
Versuche  in  dieser  Richtung  liegen  bereits  vor,  der  eine  von 
dem  berühmten  elsaasisohen  Physiker  Hirn  im  Sinne  einer  ge- 
gemäCsigt  dynamistischen,  ein  anderer  von  Zanon(6cienzaItaliana, 
Jahrg.  1885  u.  1886)  Tom  Standpunkt  der  aristotelisch  schola- 
stischen Naturaufl'assuDg. 

Über  die  heri*fichenden  Theorieen  vom  Wesen  des  Lichtes 
und  der  Wärme  spricht  sich  Hirn  in  folgender  Weise  aus:  „In 
der  Hypothese,  die  wir  erörtern,  sind  die  Sternenräurae  von 
einem  Stoffe  erfüllt,  und  um  nicht  einen  vierten  Aggregat- 
BUBtand  der  Körper  zu  urtinden,  ictl  mau  weiterhin  genuligt,  zu 
sagen,  dalb  cUeser  Stoff  ein  Gas  Ton  so  geringer  Dichtigkeit  ist, 
als  man  annehmen  will.  Von  da  wird  man  jedoch  an  den  be- 
fremdendsten Folgerungen  geföhrt. 

1.  Die  Atmesphären  der  Planeten  sind  begrenat  In  der 
ClanainsBchen  Hypothese  und  in  jeder  andern,  welche  die  inneren 
WSmepbänomene  einer  Bewegung  der  Gasteile  zuschreibt,  ist 
die  Grenzschicht  notwendig  von  Molekülen  gebildet,  die  7,ur 
Kuhe  und  folplioh  zur  absoluten  Null  gelang-t  ^ind.  und  zudem 
ist  es  nur  diese  Schicht,  die  aus  ruhenden  Teilen  gebildet  sein  kann. 
Dann  aber  gilt  von  zwei  Dingen  eines:  entweder  haben  die 
iSternenräumc  eine  eigene  Temperatur  oder  sie  sind  in  der  uh- 
solutcn  Aull  — 273°  ungoitthrj.  im  ersten  Falle  sind  die  Mo- 
lekflle  des  Stemengases  in  Bewegung,  und  wir  fragen:  wamm 
teilt  aich  diese  Bewegung  nicht  den  letiten  SchMhlen  der  Pb- 


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üowiftheit  od.  Hypothese  in  der  Frage  der  Sch wioguogmblen  etc.    31 7 


neteoainiosphaFen  mit,  und  wie  köHDen  diese  begrenst  und  schart' 
vom  SteraengaBe  geaohieden  sein?  Im  zweiten  Falle  sind  die 
Moleküle  des  Storoesgases  in  relativer  Ruhe  und  oscillieren  nur 
unter  der  Form  von  Lichtwellon,  sie  aiod  also  ohne  aDBcbeioentie 

gegensiiitige  Abstofsnng;  warnm  fallen  sie  aber  dann  nicht  geg:cn 
die  Himrael«körper ,  oder  wiederum  wie  küimeii  die  Flaneteu- 
atmosphareii  scharf  von  diesem  vorgeblichen  bternengase  ge- 
schieden sein?  iVIau  hat  oiugeweodet,  dafs  dieses  Gas,  weil  es 
den  unendlichen  Kaum  erlüllt,  in  keinem  Sinne  einen  Druck 
ausüben  könne  und  daher  ohne  alles  Gewicht  scheinen  müsse; 
diese  Einwendung j  kaum  erträglich,  wenn  im  Baume  nur  Gas 
existieren  wttrde,  serstiebt  unter  ihrer  eigenen  Absurdität,  wenn 
man  sich  erinnert»  dafe  im  Baume  yerscbiedene  und  mSobtige 
Attraktionscentren  bestehen.  Dieses  Argument  genügt,  um  die 
Hypothese  von  einem  ponderablen  Steroeogaee  zu  Tcrwerfbn. 

2.  Wenn  die  innere  Wärme  der  Gase  nur  eine  gewisse 
Molokülarbewegung  ist,  wenn  das.  was  wir  Druck  der  Gase 
nennen,  nur  aus  dieser  Bewegung  stammt,  so  ist  ein  (jas  nichts 
anderes  als  «mh  teilweise  leerer  und  teilweise  von  den  durch 
die  alleinige  t^th wache  Wirkung  der  Schwerkraft  von  einander 
abhüug-ig  gewordenen  Molekülen  eingenomiuener  Kaum.  Ks  ist 
leicht  zu  beweisen,  dafs  ein  solches  sobou  sehr  schwer  mit  der 
Theorie  der  SolmUwellen  Tereinbaree  Medium  in  keiner  Weise 
mehr  zu  den  ersten  Anforderungen  der  Licht-  und  Wärmewellen 
stimmt.  In  diesen  zwei  Theorieen,  besonders  aber  in  der  zweiten 
ist  man  genötigt  anzunehmen,  dafs  die  Schwingungen  durchaus 
nicht  ans  dem  direkten  Stöfs  der  Atome  gegeneinander  ent< 
springen,  sondern  dafs  die  Atome  durch  repulsiye  und  attraktive 
Fernkräfte  Bolidarisch  von  einander  geworden  sind:  mit  einem 
Wrirtc.  man  ist  genötigt,  dio  Existenz  dieser  dynamischen  Kle- 
nieutt',  denen  mun  entp^thcn  wollte,  anzunehmen,  und  dann  ist 
es  unnötig,  auf  materielle  bchwingungcn  zu  rekurrieren,  um  die 
Wärrocphänoraene  zu  erklären.  tlbcrdieB  weifn  jedermann,  dal» 
der  Ton  sich  um  su  besser  in  den  Gasen  fortpflanzt,  je  dichter 
diese  sind  und  mehr  ponderable  Molekfile  im  selben  Baume  ein- 
scblieften;  der  Ton  erstirbt  im  leeren  Baume  unserer  Luft- 
pumpen.  Licht  und  strahlende  Wärme  dagegen  überschreiten 
diese  Leere  und  zwar  um  so  besser,  je  YoUkommener  sie  ist. 
Mit  andern  Worten ,  das  Licht,  das  durch  ein  hinreichendes  Vo- 
Inmen  von  6m  hindurchgeht,  wird  nach  einem  ganz  anderen 
und  viel  rascheren  Gesetz  geschwächt  als  nach  dem  des  um- 
gekehrten Verhältnisses  des  Quadrates  der  Entfernunpon  und 
erlischt  zuletzt;  die  strahlende  Wärme  verschwindet  ebenso  in 


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318    Gewifsheit  oü.  Hypothese  in  der  Frage  der  ScbwingUDg&SAbleo  etc. 


einer  genügend  ausgedehnten  Ga'^masse  und  erwärmt  sie.  In 
den  ^temenräumen  dagegen  *  riahrt  das  Licht  angeni^cbeinlich 
keine  BpocifiKche  Veränderung  durch  das  Medium,  in  dem  e^ 
«ich  Ibriptiauzt.  Sein  in  diesen  Räumen  volikouimen  gtjrad- 
liniger  Ijang  würde  uub  sonst  zwingen,  ;iüzunehmen,  dafs  da? 
malerielle  Hedium,  wonu  t;»  bich  lorLpiiauztin  soll,  überall  voü 
der  gleichen  Dichtigkeit  sei:  eine  aus  dem  Grunde  schon,  diA 
dieser  Steff  als  ein  ponderabler  gilt,  al>soliit  uDselassige  Hy- 
pothese. 

3.  WeBD  sich  in  den  Steraenroamen  ein  ponderables  Gas- 
medinm  findet,  so  mufs  dasselbe»  so  dttnn  man  es,  ttbrigens  will- 
kürlich, auch  denken  mag,  der  Bewegung  der  Himmelskörper 
einen  WidersUuid  entgegensetzen;  man  weifs,  dafs,  was  die 
Planeten  und  ihre  Satelliten  betrifft»  die  Astronomie  kein  Datum 
gcAvährt,  das  auch  nur  von  ferne  zur  Annahme  des  wirklichen 
Bestehens  eines  solchen  Widerj^taudes  berechti^rt   .   .    .  J'^ie»» 
Bedenken  versiurnnji  vor  tiem  .Studium  der  Komcit  iipLinni  LLL-uc. 
Diese  ui^eiJiuiulictien  Körper  bieten  sich  in  einer  ganz  besouders 
günstigen  Weise   tür  diese  Art  von   Untersuchungen   dar.  Es 
stellt  fest,  daCK  die  Uichtigkeil  dieser  Himmelskörper  aufbcrurdcot- 
lich  gering  und  thi  Vuluineu  ungeheuer  grofs  ist.    Der  relative 
Wert  dieser  Masse  kann  also  niobt  mehr  angeführt  werden,  un 
au  bebanpteii,  dafs  das  angebliche  materielle  Median^  worin  tie 
sieh  bewegt)  auf  sie  wirke,  ohne  dafe  die  Beobacbtnng  uns  ge- 
stattet, sie  wahraunebmen.   Nun  deutet  aber  niebte,  absolst 
niebte  in  dem  ganaen  Umikng  der  Erscheinungen,  die  eie  bieten, 
auf  irgend  etwas  hin,  das  mit  Ueobt  einem  Widerstand  gegen  dn 
Bewegung  zugeschrieben  werden  könnte.    Ein  einziger  unter 
ihnen,  der  Enkcsche  Komet,  gab  zu  dem  Glauben  Veranlassung, 
dafs  in  der  Nähe  der  Sonne  ein  widerstandsfiihiges  Medium  be- 
stehe, und  die  Mehrzahl  der  Astronomen  schienen  nicht  ahgeneigi; 
die  Möglichkeit  eines  derartigen   Hindernisse»  zuzulassen, 
Faye  zeigte,  dafs  dieser  Komet,  weit  entterat  einen  Widerüiaod 
in  der  Richtung  seines  Laufes  zu  orlahren,  eine  gegen  seineo 
radius  vector  gerichtete  Zurückstol'sung  erleidet,  die  aus  der 
Wärmestrahlung  der  Souue  entspringt. 

Mit  «nemWorte:  wir  können  als  definitiv  bewiese« 
betrachten,  dafs  es  keine  undulatoriscbe  Bewegung 
des  Stoffes  selbst  ist,  welche  den  Erscbeinuugen  des  Liebt« 
und  der  strahlenden  Wärme  au  Grunde  liegt**  (G«  A.  Hirn, 
Tb^rie  mecanique  de  la  cbaleur  t.  II.  p.  264 — 268,) 

Ein  strenges  Urteil  lallt  derselbe  Physiker  über  die  moderne 
Ansiebt,  dats  Licht  und  Wärme  nichts  weiter  alsBewegungsformsn 


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GewiTtbeit  od.  H^NitbeBe  in  der  Frage  der  ScbwiDgangisablen  etc.  319 

seien.  „Die  moderne  Lehre,  die  überall  nur  Bewegungsver- 
anderang,  TrttBeformatioii  einer  Art  Ten  Sohwinguog  in  eine  andere 
sieht,  dieee  Lehre  iat  ein  großer  Inrtnm,  der  keinen  Augenblick 
vor  der  strengen  Erfomchang  eines  einsigen  Phänomens  der 
Attraktion  und  Repulsion  zu  bestehen  vermag/*  (A.  a.  O.  S.  977, 
Wiederholt  Spricht  H.  dieses  Urteil  aus  in  der  spatern  Schrift: 
Recherches  experimentalcs  et  analytiques  des  lois  de  l'eooulemeni 
et  du  cboc  des  gaz,  Paris  1886,  angeführt  bei  Bergsoo  :  Essai 
sor  lea  donnecs  immediates  de  la  conscicnce,  Paris  1889  p.  III.) 

In  den  ang-eHihrten  Texten  ist  der  Stoti',  dessen  Bewegungen 
dio  Lichterscheinuii^cii  erklären  sollen,  als  ein  ponderubler  an- 
genommen.   Nach  der  Ansicht  Uirns  ist  aber  auch  ein  im- 
ponderabler  Stoff  nicht  geeignet,  die  Erscheinungen  des  Lichts, 
der  Wärme  u.  s.  \v.  betVicdip:end  zu  erklären.   „So  z.  B.  über- 
setzt die  Theorie  der  LiciuwellcD,  die  an  die  Stelle  der  2^'owtoD- 
«eben  Emissionstheorie  getreten  ist,  und  die  das  Licht  mit  dem 
Sehalle^  mit  einer  oscillierenden  Bewegung  des  Äthers  Tergleieht» 
sieherlich  mit  der  aufhersten  Treue  die  Liohterscheinungen,  und 
wenn  sie  nioht  der  Tollstandige  Ausdruck  der  Wahrheit  ist»  so 
ist  sie  doeh  wenigstens  eine  teilweise  höchst  nützliche  Über* 
Setzung  (traduction)  derselben.   Betrachten  wir  aber  jetzt  die 
wirklich  verwundbare  Seite  dieser  Interpretation.  In  demselben 
Augenblicke,  in  welchem  man  der  überall  verbreiteten  Substanz 
den  wesentlichen  Charakter  des  Stoffes  benimmt,  in  riera  Augen- 
blicke, in  welchem  man  sie  aller  Ma-^^o  entkleidet,  wird  es  un- 
möglich 7M  erklären,  wie  die  Bewegungen  des  Warme-,  Licbt- 
nnd  des  elektrischen  Äthers  unter  gewissen  Bedingungen  den 
materiellen  Atomen  raitjETCteilt  werden  oder  wenigsten«  auf  diese 
in  der  Weise  wirken  kuuucn,  um  ihre  beziehungsweise  Lage  zu 
modifizieren.  Entkleidet  man  z.  B.  den  Wärmeäther  seiner  Masse, 
ifo  ist  es  unmöglich  au  erklaren,  wie  die  Vibrationen  dieses 
ithefs  allein,  wenn  sie  in  einem  Körper  eine  Zunahme  erfahren» 
die  Atome  dieses  Körpers  zu  trennen  yermögen,  indem  sie  äufoere 
und  innere  Hindemisse  überwinden."   (Theorie  mtenique  etc. 
p.  228.) 

»Von  einer  anderen  Seite,  wenn  man  aus  dem  Äther  im 
allgemeinen  nur  ein  feineres  und  dünneres  Princip  als  unsere 
dünnsten  Gase  macht,  lohnt  es  der  Mühe  nicht  mehr,  ihn  radikal 
vom  iStoffe  zu  unterscheiden.  Aufserdem  finrlct  sich  in  dem 
allen  ein  noch  ärgerer  Widerspruch,  Her  diese  ürklarung,  als 
I'Oiire  im  j^auzeu  genommen,  zu  Falle  bringt.  Man  hat  aus  dem 
clektrihcheu,  dem  Licht-,  Wärme- Äther  impouderable  Gasartcii 
gemacht,  d.  h.  Principien,  die  sieh  der  allgemeinen  Attraktion 

Jührbuuh  nir  PbiloNophi«  etc.  VI.  21 


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320   GewiMeit  od.  Hypothese  in  der  Fimge  der  Schwingungssahlen  etc. 


u.  B.  w.  entziehen;  indes  Terlangeii  die  ersten  Anfordemogen 
der  Optik  2.  B.,  dafs  der  Lichtfither  in  den  Körpern  dichtw 
anderswo  und  folglich  einer  Attraktion  nnterworfen  sei.  Hin 
hat  awar  dieser  Konsequenz  sich  zu  entziehen  gesucht,  indem 
man  den  Äther  und  den  8toff  mit  spezifischen  Kräften,  die  von 
einander  nnabhängig  sein  sollen,  ausstattete,  aber  es  wird  auch 
dann  imraög-lich,  7U  erklären,  wie  der  Äther  auf  diesp  ruier  jem* 
Art  sich  and«3rs  als  im  liaume  lokalisiert.  Diese  Erwi^^üngtiu 
bewirkten,  daCi*  fast  alle  neueren  Physiker  die  Hypothese  der 
Existenz  eines  oder  mehrerer  allgemein  verbreiteter  Ätherarten, 
deren  Bewegungeu  den  Erscheinuof^en  des  Lichtes,  der  Wärme 
u.  s.  w.  statt  geben  würden,  fallen  lielscn.  Ich  werde  balii 
zeigen,  dafs  man,  nachdem  man  von  einer  sehr  gerechten  Kritik 
ausging,  sich  in  eine  andere  ganz  ebenso  verwundbare  Lehie 
hineinziehen  liefe,  und  dafs  entschieden  die  Lehre  yon  den  Äther- 
wellen  einfach  ungenügend  ist.  Sie  fehlt  einerseits  dnreh  die 
Terminologie,  die  einer  radikalen  Veränderung  untersogen  werden 
mufs,  andererseits  fehlt  sie,  indem  sie  eine  ganze  Ordnung  von 
Ersobeinungen  im  Schatten  läfst,  nämlich  jene,  deren  Inbegriff 
den  Dynamismus  oder  die  Wissenschaft  tou  den  Kräften  ans* 
macht/'    (A.  a.  0.  S.  221») 

Die  lienatiipTkeit  nnd  Sohärfo  der  neror-hminfTf  n  kann  nach 
demselben  Phy«iker  als  Zeugnis  iür  die  rem  iiu  chanische  Er- 
klärung der  Naturerscheinungen  nicht  angerufen  werden:  ..Denn 
in  ihrer  mathematischen  Anwendung  führt  diese  Lehre  zu  rich- 
tigen (.ileichungeu  aus  dem  sehr  einfachen  Grunde,  weil  sie  von 
einem  ewig  wahren  und  allen  Thatsachen  der  Erfuhrung  vor- 
angehenden Grundsatze  ausgeht,  nämlich  dafs  im  All  keine  Arbeit 
verloren  gehen  kann*  Aber  die  materiellen  Bewegungen,  durch 
welche  diese  Lebre  die  Kräfteerscheinungen  vorstellt,  entsprechen 
der  Wirklichkeit  sowenig,  als  die  Bewegungen  eines  Automaten 
denen  eines  lebendigen  Wesens."   (A.  a.  0.  S.  277.) 

Biese  Zeugnisse  hervorragender  Physiker  dürften  genügen, 
um  den  Leser  in  den  Stand  zu  setzen,  ein  Urteil  darüber  in 
lallen,  ob  ich  berechtigt  war,  jenen  leisen  Zweifel  an  den  physi- 
kalischen Grundlagen  der  herrschenden  Lichttheoric  auszusprechen, 
der  H.  Prot.  Pfeifer  v.u  einem  so  heftigen,  bei  jeder  Gelegeoheii 
gewaltsam  ausbrechenden  Widerspruch  gereizt  hat.  Denn  nicht 
die  Gröfsc  der  Zahlen  war  es,  was  ich  beanstandete,  sondern 
die  realen  Vorgänge,  in  welchen  sie  sich  verkörpern  sollen: 
wiewohl  selbst  Br.  Hertz  in  seinem  bcrühmteu  Vortrag  über 
die  Beziehungen  von  Licht  und  Elektricität  (Tageblatt  der  62.  Ver- 
sammlung deutscher  Naturforscher,  Heidelberg  1890,  S«  144  ff.) 


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(iewifAbeit  od.  Hypothese  in  der  Frage  der  Scbwingungsaihlea  etc.  321 


die  elektrischo  Theorie  des  Lichtes  aus  dem  Grunde  beg:rüf8t, 
weil  niiDmebr  die  OptikWellf n  frewinno,  deren  Liingcn  nach  Deci- 
metern.  Metern.  Kilotneteru  n  ohnen,  wodurch  die  Theorie  den 
Sinoen  lufslit  li.  dem  nutürlichen  Geiste  verständlich  werde.  I  ber 
die  Schwierigkeiten  der  herrschenden  physikalischen  Vorstellun«^' 
von  der  FortpHanzung  des  Lichtes  aber  hat  sich  kaum  jemand 
scharfer  und  aafrichtiger  ansgesprocbea  aU  derselbe  Forscher, 
obgleich  er  die  Wellentbeorie  des  Lichtes,  menschlich  gesprochen, 
(ttr  Gewifsheit  erklürt  „Es  ist  also  gewits,**  so  äafsert  er  sich, 
„dafs  aller  Raum,  TOn  dem  wir  Kunde  haben,  nicht  leer  ist, 
sondern  erlüllt  mit  einem  Steife,  welcher  fähig  ist,  Wellen  au 
schlagen,  dem  Äther.  Aber  so  bestimmt  anch  unsere 
Kenntnis  von  den  geometrischen  Verhältnissen  der  Vor- 
gitnjxe  in  diesem  Stoffe  sind,  so  unklar  sind  noch  unsere 
Vorstellungen  von  der  physikalischen  Natur  dieser  Vor- 
gänge, so  widerspruchsvoll  zum  Teil  unsere  Annahmen  über 
die  Eigenschaften  des  Stoffes  selbst.  Naiv  und  unbefangen  hatte 
man  von  voruherein  die  Wellen  des  Lichts  mit  deucQ  des  Schalles 
tergleicbend  als  elastische  Wellen  angesehen  nnd  behandelt 
Xnn  sind  aber  elastische  Wellen  in  Flüssigkeiten  nnr  in  Form 
Ton  Longitndinalwellen  bekannt  Klastische  Transversalwellen 
in  Flüssigkeiten  sind  nicht  bekannt,  sie  sind  nicht  einmal  mdglioh, 
sie  widerspreclicn  der  Ifatnr  des  flüssigen  Znstandes.  Also  war 
man  zu  der  Bebaoptnng  gezwungen,  der  raumerfÜUende  Äther 
verhalte  sich  wie  ein  fester  Körper.  Betrachtete  man  dann  aber 
'leu  ungestörten  Lauf  der  Gestirne  um!  suchte  pich  Rechensehatl 
von  der  Möglichkeit  derselben  zu  peben,  so  war  wiederum  die 
Behauptung  nicht  zu  umgehen,  der  Über  verhalte  sich  wie  ein«« 
vollkommene  Fliis.'iig'keit.  NebenciuaUiier  bildeten  beide  Beiiauji- 
tuugen  einen  für  denV  erstand  schmerzhaften  Widerspruch, 
welcher  die  schön  entwickelte  Optik  entstellte."   (A.  a.  0.) 

Im  Angesichte  eines  so  gewichtigen  Zeugnisses  iVage  ich 
den  H.  Prof.  der  Philosophie  Dr.  Pfeiffer,  ob  eine  Lichttheorie, 
die  nicht  einmal  von  Widersprüchen  frei  ist,  der  Berechnung 
eine  absolut  sichere  Grundlage  biete,  und  ob  ich  also  berechtigt 
war,Ton  uuMcheren  Grundlagen  der  optischen  Schwingungszahlen 
m  reden.  Denn  nicht  etwa,  wie  Tl.  Pfeiffer  unterstellte,  die 
Berechnung:  einer  gewissen  minimalen  Linie  (der  präsumtiven 
W'ellenlängp  mnd  aus  dieser  fsowMe  aus  der  die  ( ipsohwindipkeit 
des  Lichtes  ausdrückenden  Zahlgröfse)  der  Anzahl  der  hypothe- 
tischcu  .Schwing•un^•en,  sondern  eben  jene  „Vorstellungen  von  der 
pnysikalischen  ^'atur  der  Vorgänge"  bildeten  und  bilden  den 
Gegenstand  meines  Zweifels. 

21* 


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! 

S22  Qewilli1ieitod.Ii>i>otbe8eloderFtageder8eliwiDguDgixalil€ii«te. 


Meine  Bedenken  richten  Ricli  nicht  gegen  die  Undulation>- 
theorie  als  solche,  vielmehr  werde  ich  sie  ohne  Zögern  accer- 
tieren,  wenn  es  ihr  geliugt,  sich  vod  den  Widersprücheo,  an 
denen  sie  noch  laboriert,  frei  za  machen.  Dagegen  werde  ich 
nie  ihre  eineeitig  meohanuche  AnfTamung,  ioAbMoodere  nie  öie 
Anetoht  billigen,  dsik  das  Wesen  dee  Lichtes  nnd  der  Farbea 
ansschliefslich  in  Bewegung  nnd  Zahl  zu  suchen  sei.  Ich  be- 
grttlbe  daher  freudig  joden  Versuch,  aufser  dem  MaterielleD 
und  QnantifcatiTen  in  Licht  und  Farbe  das  Formelle  und  Quali- 
tative zur  Anerkennung  zn  bringen.  Als  ein  solcher  stellt  sich 
eine  Keihe  von  Artikeln  Zanon*^  über  die  ,,Principien  der 
Physik  nach  der  I.ehrc  des  modernen  Hylomorphismus'*  in  der 
Zoitschritit  Öcienza  Italiana  dar.  Wie  die  Dinge  heutzutage 
liegen,  verdient  schon  der  Mut  des  Verfassers  unsere  Acbtung. 
abgesehen  von  der  Sympathie,  die  ihm  durch  unseren  Standpunkt 
gesichert  ist. 

Die  Quellen  der  Absurditäten,  an  denen  ^e  modernen 
Theorieen  leiden,  liegen  in  der  Annahme  einer  Femwirknn^  der 
getrennten  Atome  oder  Moleküle,  die  ttberdies  un?eranderlich 
nnd  trSge  keine  andere  als  mechanische  Energie  haben  sollen. 
Der  reine  Dynamismus  aber  leidet  sowohl  an  der  Absurdität 
einer  actio  in  distans  als  auch  an  der  Annahme  einfacher  (uq- 
ausgedehnter)  Atome,  die  eine  phänomenale  Ausdehnung  erzeugen. 
Auch  eine  emtachsi  Kontinnitiit  alier  Körper  kann  nicht  an- 
genommen werden,  selbst  wenn  man  bic  mit  dem  Princip  der 
ünveränderlichkeit  der  realen  Ausdehnun":  kombinieren  würde, 
weil  in  einer  unget'ormton  Masse  AusstiahluDgen  mit  transver- 
salen Schwingungen  unmöglich  wären  und  auch  die  prismatische 
Zerstreuung  n.  s.  w.  nicht  stattfinden  könnte*  Diese  Fhänomeue 
sowie  die  Kryetallisation  yerlangen  kleinste  sich  berührende  und 
mit  Kräften  begabte  Teile,  denn  bei  blofser  Bernhmng  wäre 
weder  Adhäsion  noch  Kohäsion  möglich.  —  In  der  chemischen 
Mischung  sind  die  Elemente  nicht  aktuell,  sondern  nnr  virtuell 
enthalten;  nur  das  Molekül  besteht  als  homogenes  und  indivi- 
duelles Ganzes;  unverändert  aber  bleibt  die  Quantität  der  Materie 
od*  i  das  Gewicht.  Dalicr  jsi  die  cheiuiftche  Atomtheorie,  in  dem 
Sinne  aulgelarst,  dafs  im  Knmposiium  die  Quantitäten  der  Elemente 
:V)i  tliestehen,  mit  der  scholastischen  Theorie  vereinbar  (Sei.  Ita. 
Jahrg.  1885  II.  S.  107  ii'.).  Mit  Beruluu^  auf  den  von  Hirn 
erbrachten  Nachweis,  dafs  Wärme  nicht  blofse  Bewegung  ist, 
bestimmt  Z.  die  Wärme  als  Qualität  und  (sweiten)  Akt  der 
materiellen  Substanz,  welche  diese  in  der  Bichtung  anf  eine 
Bewegnngstendena  der  Moleknie  konstitoiert.   „Hiefse  es  nicht 


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Gewi  Aheit  od.  By^hne  ia  der  Frage  dec  SebwiogtuigaiAhleD  etc.  323 


in  den  fehlerhaften  Zirkel  TerÜUlen,  daTs  die  Materie  «eh  be- 
weib weil  sie  ia  Bewegung  ifit,  wenn  man  behauptet,  die  ört- 
liche Bewegung  komme  allein  durch  die  örtliche  Bewegung 
desselben  Körpers  in  stände?**   (Jahrg.  1886.  1.   8.  494  ff.) 

Um  die  Lichterscheinungen  zu  erklären,  setzt  Z.  an  dieStelln 
der  fingierten  Vibrationen  der  Äthermasse  BtrahlungeD,  die  nicht 
örtliche  Bewegungen  Ton  Körperteilchen,  sondern  Bewegungen 
oder  „DtirchgTingc'*  von  Qualitäten,  Kräften  oder  Einflüssen,  d,  h. 
von  Aktionen  sind,  die  in  die  ersten  JNloIcküle  der  Körper  ein- 
tiriiigeo  und  in  diesen  ihre  Schwingungen  vollziehen.   (X.  a.  O, 
4Ui>.)    Diühei-  Aiitlassung  ist  mit  der  atomiHtiHcheu  gemeinsam 
der  Eintliil'^  des  ponderablen  Stoffes  auf  die  iStrahlungen;  da- 
^'cgen  geht  nach  ihr  der  Äther  weder  iu  die  KonstiiuLiou  der 
die  Strahlungen  fortpflanzenden  Medien  ein,  noch  gilt  er  als 
nnduHerender  Körper,  der  die  Strahlungen  erzengt.  ,,Die  Medien 
lassen  den  ausgestrahlten  EinfluPs  passieren,  wenn  sie  durch- 
sichtig (diaphan  oder  transparent)  sind  für  das  Licht,  diatherman 
Ihr  die  Wärme.  .  .  .  Nach  Aristoteles  ist  das  wahre  Medinm 
der  Strahlungen  nicht  der  Kör])er,  der  sie  durchpassieren  läfst, 
sondern  jene  Bigeoscbat'i  des  Körpers,  die  beim  Lichte  Transpa- 
renz  genannt  wird  und  tur  die  man  bei  der  Wärme  den  Aus- 
druck  Diathermaneität  u.  s.  w.  gebrauchen  kann.  Gleichwohl 
nennen  wir  Medien  der  Strahlungen  die  durchpassierten  Körper 
selbst»  wollen  aber  hiermit  mit  Aristorole^  sagen,  dafs  es  die 
iingetuhrterj   Eigensciiatten  der  Korper  sind,   welche  diese  ge- 
eignet raachen,  Licht  u.  s.  w.  p;is.sieren  zu  lassen.**    (S.  497.) 
hic  Lndulutionen  der  auRgestrnhlteu  Eiullüsse  können  nicht  eine 
Wellenbewegung  des  Körpcrö  selbst  sein,  der  sie  lortpliduzL, 
mag  dieser  noch  so  fein  sein,  noch  weniger«  wenn  er  dicht,  nnd 
wie  man  sagt,  ponderabel  ist,  weil  der  Äther  die  Wellen  in 
TransTersalschwingungen,  wie  die  Strahlnngen  es  fordern,  nicht 
fortpflanzen  kann,  nnd,  und  weil  die  Geschwindigkeit  der  Fort- 
pflsasnng  in  ponderabeln  Medien  die  der  Transversalschwiognngen 
wäre,  wie  sie  von  diesen  Körpern  fortgepflanzt  werden  können^ 
diese  aber  unvergleichlich  gerioger  ist  als  die  Geschwindigkeit 
der  strahlenden  Einflüsse. 

Eine  Bestätigung  dieser  Ansicht  findet  Z.  in  der  Fresnelschen 
Theorie  der  Kellexioa  und  Ketraktiou  des  Lichtes  an  der  Ober- 
iUclie  de>  (ilases,  deraufol^r  die  Elnsticiti'tt  in  verschiedenen 
Medien  die  gleiche  sein  nlüt^le,  was  weder  vom  Athcr  noch  von 
einem  ponderabeln  Stoffe  angenommen  werden  konnte  und  nur 
von  der  Energie  des  Einffus^en  gelten  kann,  die,  abhängig  vom 
strahlenden  Körper,  in  beiueu  Medien  die  gleiclte  ist.  (A.a.O.  S.50G.) 


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^24   Gewifsbeit  o4.  Hypothese  ia  der  Frage  der  SehviogaiigUEahleii  etc. 

lo  inDigettt  ZuMmmenhang  mit  der  Annicht,  Licht,  Wamie 
u.  II.  w.  seien  nichts  weiter  «Is  Formen  mechanischer  Bewegong, 
Kteht  der  philosophische  and  physiologiscbo  Apriorismus.  Dv 

Xativismus  Jokanni^s  Müllei*6,  der,  wie  Wandt  eiDraumt,  der 
physiologiBcho  Auadmck  der  Kaatschen  Krkenntnislehre  ist  (wie- 
wohl er  den  Zusammenhang  nicht  als  einen  notwendigen  ao- 
crkenuen  will.  S.  Physiolog.  Psychologie  S.  353  der  1.  Auß  », 
ftteht  mit  physiolop^schen  und  itsychologischen  Gesetzen  im  Wider- 
spruch. In  jener  Beziehung  widerspricht  ihm  die  funknoneiia 
Indift'erenz  der  Nerven.  Vom  psychologischen  Stauapunki  aber 
muis  angenommen  werden,  dafs  die  normale  Disposition  d&> 
Sinnes  jede  Qamlität  aus  seiner  Komposition  ausschließie,  die  der 
Gattung  von  Objekten  angehört,  von  welchen  er  angeregt  und 
aktuiert  wird.  Die  sensible  Qualität  kann  folglich  ihren  Ursprung 
nur  im  Objekte  haben,  und  was  man  objektive  Reizformeu 
nennt,  kann  nicht  aussohllersHch  Bewegung,  Undulation  oder 
iSohwinguog  sein.  Der  entgegengesetzten  Ansicht  stehen  selbs; 
i^ewichiige  physikalische  Gründe  entgegen.  Tyndall  -spricht  üich 
über  die  Wärme  sehr  uns^icher  aus  und  verhehlt  sich  die  .Schwierig- 
keit nicht,  der  die  Identifizierung  von  Licht  und  Wanne  begegnet. 
^Starkes  Licht  (  wio  das  des  Mondes)  bleibt  ohne  merklichen  Ein- 
druck von  W  arme,  wie  umj^ekehrt  hohe  Wärmegrade  aul  die 
Pupille  keinen  Lichteindruck  hervorbringen.  Auch  ist  es  nicht 
gestattet,  um  die  formelle  Identität  Ton  Lioht  und  Warme  aal' 
recht  BU  erhalten,  mit  Tyndall  anxunehmen,  dafs  der  optische 
Nerr  nach  Art  einer  musikalischen  Saite  nur  mit  den  SSchwia* 
gungen  des  Lichtes  in  Einklang  stehe  und  gegenüber  anderea 
ungleich  stärkeren,  bei  welchen  dies  nicht  der  Fall  ist,  unem- 
pfindlich bleibe:  eine  Annahme,  die  weder  physiologisch  noch 
])«ychologi8ch  haltbur  ist  und  der  vorauag'esetzten  Identität  von 
Licht  und  AVtirme  selbst  widerspricht.  Da  die  Unterschiede  der 
Wärme,  des  Lichten,  der  Farben  unleu^'^har  vorhanden  .-^iud,  so 
entspricht  es  vielmehr  den  Gesetzen  des  Dtjnkeus,  du;  Ijcwegungs- 
unterschiede  aus  der  Verschiedenheit  der  ^ualilätca,  als  um- 
gekehrt diese  aus  jenen  abzuleiten.  Kin  gewisser  farbiger  Licht- 
strahl erzeigt  sich  wirksam  in  Schwingungen  dieser  Art,  weil  er 
rot  ist»  nicht  aber  ist  er  rot,  weil  er  auf  diese  Weise  wirksam 
isL  Wenn  ein  und  derselbe  Sonnenstrahl  auf  der  Hand  eine 
Wärmeempfindung,  im  Auge  einen  Lichtoindruck  bewirkt,  so 
hindert  nichts,  anzunehmen,  dafs  er  Träger  verschiedener  Qua- 
litäten ist,  von  denen  die  eine  nur  vom  Gesichtssinn,  die  ander« 
nur  Tom  Tastsinn  wahrgenommen  wird,  wie  der  Blinde  von 


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Gewiftiieit  od.  Hjrpoibese  in  der  Fitge  der  SefawingungsMhleD  elc  325 


einem  Körper  die  Geetelti  nieht  aber  togleich  aach  die  Farbe 
wahrnimmt   (Loronsem  io  der  Sc.  Itat.  1886.  I.  207  if.) 

Licht  and  Farben  sind  also  mehr  als  Bewegangstbrmen; 
in  ihnen  ist  ein  formelles,  qualitatives  Klement  als  Konstitutiv 
eingescblosseo.  Die  ^^IssenBchaftlichc  Erkenntnis  von  Licht  und 
Farben  wird  sich  folglich  nicht  auf  die  bchwingungszahlen  be- 
f^chränken  dürfen,  sondern  auch  das  Verhältnis  der  Qualitäten 
ins  Auge  fassen  müssen.  In  dieser  Kichtung  bcg^eg-not  si(  h  die 
Farbenlehre  Goethes  mit  der  Thoorto  flos  Aristoteles  und  der 
•Scholastiker.  Wie  immer  man  übor  ihn»  AuHlühning  im  ein- 
zelnen urteilen  mag,  der  Grundgcdauk»;,  duirt  die  Farben  uuh 
einer  Mischung  konträrer  Gegensätze  —  Licht  und  Dunkel  — 
entopriugtin,  enthält  eine  Wahrheit,  die  sich  trotz  des  voräber* 
gebenden  Widerspruchs  der  Katnrwissenschafb  anfs  neue  Bahn 
brechen  wird.  Wie  aus  einer  neueren  gegen  Goethes  Farben- 
lehre gerichteten  Schrift,  deren  Verfasser  sich  auf  Helmholtz 
stutzt,  hervorgeht,  stammt  dieser  Widerspruch  aus  einer  mathe- 
matisch-mecbanischen  Kichtung,  die  sich  lür  ausschliel'slich  \vi<^sen* 
«chafllich  hält.  Als  Grund  der  angeblichen  Irrtümer  Goethes  in 
der  Farbeuleliru,  deren  Grundgedanke,  die  Farbe  resultiere  aus 
der  Verbindung  des  Lichtes  und  der  Finstt^rniH,  utieubar  un- 
wissenschaftlich sei,  wird  in  dieser  Schrift  (E.  Lange,  über  Goethes 
Farbenlehre  vom  .StaudpuDki  ilcr  Wisseubchartstheorie  und  Ästhetik. 
Berlin  1882)  die  Verschiedenheit  der  Metbode  uugegebcn.  Goethes 
Methode  sei  ausschliefslicb  induktiv,  wie  die  Baeons,  nicht  speku- 
lativ (d.  h.  im  Sinne  des  Verf.  von  Hypothesen  ausgehend,  die 
dann  durch  Experimente  auf  ihre  Wahrheit  geprüft  werdeu),  wie 
die  KewtODs.  In  der  beschreibenden  Naturwissenschaft  sei  es  dem 
Dichter  wirklich  geluDgen,  etwas  Haltbares  zu  leisten,  in  der 
rationellen  dagegen  nicht.  Den  wahren  Grund  seines  abfälligen 
Urteile  aber  verrät  der  Verfasser,  indem  er  als  wirk  lieh  nur 
r.ewcgungsvorgunge  anerkennt  und  alles  übrige  auf  Rechnung  des 
Subjektes  setzt,  während  Goethen  nicht  klar  geworden  sei,  dafs 
jede  Sinneswahrnehmung  in  einen  Hubjekliven  und  ubjektivrjn 
Vorgang  getrennt  werden  miisse.  Der  Gegner  Goethes  hui  indes 
übersehen,  dafs  diese  Bepartitiou  des  Subjektiven  und  Objektiven 
ttieht  in  der  Art  vor  sich  geben  darf,  dafs  auf  der  einen  Seite 
das  QnanUtaUve,  auf  der  aadem  das  Qualitative  zu  stehen 
kommt  Es  ist  vielmehr  Bewufstseinstbatsacbe,  dafs  wir  in  der 
Licht-  und  Farbenqualit&t  einem  objektiven,  keineswegs  einem 
subjektiven  Elemente  gegenüberstehen.  Selbst  unter  der  Vor- 
aussetzung aber,  dafs  den  sensiblen  Qualitäten  nicht  eine  physi- 
kalische, sondern  nur  eine  physiolcgischo  Realität  zukommt,  mit 


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•^26   Gewiftheit  od.  HypotheBe  in  der  Frige  der  SchwiofuoginliiflB  etc. 


andern  Wortoa,  auch  wenn  angeborne  Sinneeenergieeo  nach  Job. 
MttUers  Vorgang  angenommen  werden»  ereohoint  eine  Theorie»  in 
welcher  die  Farben  als  eine  zwischen  konträren  Gegenaalno 

h'egende  Reihe  von  QtiiiUtäton  b<  trachtet  werden»  als  wiseear 
sohatllich  berechtigt  und  notwendig.  Licht  und  Farbe  sind  dann 
wenigstens  für  das  Aug«  vorhanden  und  selbst  in  diesem  Falle 
ist,  wie  ein  neuerer  philosophischer  f>chrif'tsteller  nicht  unrichtig 
sagt,  das  Erkennen  des  Auges  thi^  wahrhaft  uatürliche,  in 
welchem  sich  nicht  blols,  wie  in  deritbysikalischen  und  mechanischen 
l>etrachuiu|^,  der  Buchbtabe,  sondern  gewissermalWea  der  (ieist 
manifestiert  (Frohachammer,  Über  die  Aufgabe  der  ÜTatarphilO' 
Fophie,  S.  26  f.)  An  das  QualitatiTe  in  Licht  and  Farbe  knüpft 
sich  das  künstlerische,  ästhetiache,  ideale  latereMC;  wer  mochte 
aber  leugnen,  dafa  auch  dieses  Gesetsen  unterworfen  ist»  die  einer 
wissenschaftlichen  Behandlang  f&big  sind?  Als  ein  beacbtens* 
wertes  Zeichen  der  Zeit  für  das  erwachende  Bedürfbis,  dieses 
höhere  Interesse  in  der  Licht-  und  Farbentheorie  wieder  zor 
Geltung  zu  bring-en,  ist  es  daher  anzusehen,  wenn  in  einer 
anonymen  Schrift,  df;ren  beispielloser  litterari^cher  Erfolg  aller- 
dings zu  ihrem  inneren  Werte  aufser  Verhiiltuis  steht,  eine  Lanze 
für  Goethes  Farbenleiirr  t-ingelegt  wird.  Die  Energie,  mit  welcher 
der  X'erfasser  der  iSchrift;  lleuilirandt  als  Erzieher,  für  eioe 
künstlerische  Gestaltung  von  Wissenschaft  und  Leben  entgegen 
der  mechanischen  Natura  and  LebensaafTassung  eintritt,  dürfte 
einen  grofeen  Teil  dieses  Erfolges  erklären«  In  dem  Sinne  jener 
Unterscheidnng  des  Sabjekti?en  und  Objektiven  spricht  eich  der 
YerfasHi  r  über  die  Bedeutung  von  Goethes  Farbenlehre  dahio 
aus:  „Wirklich  ist  nicht  xu  leugnen,  dafs  es  neben  sowie  gegen- 
über der  objektiven  Farbenlehre  eine  subjektive  Farbenlehre 
geben  kann  und  dafs  Goethe  dieselbe  in  vielen  Fällen  richtig- 
erkannt  und  L'^b^hrt  hat."  (A.  a.  U.  S.  7Ü  der  2t».  AuH.)  Für 
uns  handelt  es  sich  im  vorliegenden  Falle  nicht  um  eineo 
Gegensatz  des  Objektiven  und  Subjektiven,  sondern  innerhalb 
des  Objektiven  um  die  höhere  Bereehtiguag  des  Q^ualitativeo  vor 
dem  Quantitotiven  nnd  Materiellen.  Als  das  wahre  Moment  in 
der  Farbenlehre  Goethes  aber  gilt  uns  der  schon  von  Aristoteles 
erkannte  konträre  Gegensatz  von  Licht  und  Finsternis,  ans  deren 
Mischung  die  prismatischen  Farben  entspringen. 


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DAS  VERHÄLTNIS  DER  WESENHEIT  ZU  DEM 
DASEIN  IN  DEN  GESCHAFFENEN  DINGEN, 

NACH  DEll  LEHRE  DES  HL.  THOMAS 

VON  AQÜIN. 

Von  fr.  GüNDISALV  FELDNER, 
Ord.  Fned. 

33^  b)  Argument:  Nur  durch  den  realen  ünterechied  in 
der  Kreatur  wird  Gott  genügend  von  den  Geschöpfen 
unterschieden. 

P.  Klentgen*  lehrt,  in  Gott  sei  zwischen  Wesenheit  nnd 
Dasein  weder  ein  realer  noch  nin  virtueller  Unterschied.  Diese 
beiden  Hegrifie  hätten  nämlich,  aul  Gott  angewendet,  nicht  Ver« 
scliiedenes,  sondern  gans  nnd  gar  Identisches  au  ihrem  Inhalte. 
Der  Unterschied  li^e  nnr  In  der  Tersehiedenen  Art  und  Weise 
unserer  Auffassung.  Darum  sei  der  Unterschied  nur  ein  solcher 
in  unserm  Denken,  oder  ein  pnre  mentalis,  ohne  Fundament 
in  der  Sache  selber.  Oasselbe  sagt  F.  Limb.,*  indem  er  P. 
Kleut^en  citiert.  Der  Unterschied  zwischen  Gott  und  der  Kreatur 
bezieht  also,  diesen  beiden  Äntoren  zufolge,  cianu,  dai»  lu  Goti 
weder  eine  reale  noch  eine  virtuelle  Unterscheidung  zwischen 
der  göttlichen  Wet>euheit  und  Existenz  gemacht  werden  kann  ; 
in  den  Geschöpfen  hingegen  ist  ein  virtueller  mit  einem  Fun- 
damente in  der  %>ache  anzunehmen.  Diese  beiden  Autoren  be- 
haupten nun  zwar  nicht  ausdrücklich,  daß»  dieser  Unterschied 
hinreiche,  nm  den  Abstand  Gottes  Ton  der  Kreatur  au  wahren. 
Allein  der  Herr  Becensent  der  Limbouigschen  Broschüre  in  den 
Stimmen  aus  Haria-Laaoh  bebt  dies  ausdrücklich  hervor.  Ans 
der  Theorie  der  genannten  Autoren  folgt  es  übrigens  nkht  we- 
niger klar. 

Demgegenüber  behaupten  wir,  dafs  der  Abstand  Gottes 
von  der  Kreatur  durch  diesen  Unterschied  nicht  genügend  aui- 

«  Inst,  theol.  o.  234.  *  1.  c.  Seite  6. 


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Dm  VerMitnis  d«r  Weaeniieit  zu  deoi  Dasein  etc. 


recht  erhalten  wird,  seihst  wenn  die  Theorie  in  sich  richtig 
wKre.  Der  hl.  Thomes  verteidigt  den  realen  üntersehied  in 
den  Geschöpfen,  nm  den  Abstand  Gottes  von  der  Kreatnr  all- 

beitig  t'cstzuhalteD. 

Man  erinnere  sich,  dafs  wir  früher  den  englischen  Lehrer 
(>agea  hürten,  die  Menschen  wüfstea  nicht,  was  (jott  bei,  noch 
auch,  wie  beschaifen  sein  Dasein,  seine  Existenz.^    Zur  eifent- 
lichen  Kenntnis  eines  Dinges  gelangt  man  nicht  blofs  dureh 
Bejahungen,  sondern  auch  durch  Verneinungen.   Der  Unterschied 
dieser  beiden  Wege  besteht  darin,  dafs  man  durch  Bejahnngea, 
sobald  man  die  Sache  erkennt,  weifs,  was  sie  in  sich  ist  usd 
wie  sie  sich   von   andern   unterscheidet.    Duich  Verneinungen 
weil'b  mau  blol's,   dafs  ein  Ding  sich  von  andern  unterscheidet: 
allein  was  es  in  .sich  ist,  bleibt  verborgen.  Auf  diesem  letzteren 
AVcge  Yoranschreitend  haben  wir  von  Gott  eine  Kenntnis  durch 
die  Beweise  aus  den  Wirkungen.^  Daraus  folgt,  dafs  Uoit  eigent* 
lieh  den  Geschöpfen  durchaus  unähnlich  ist.  Zwischen  Gott  und 
der  Kreatur  gibt  os  keine  solche  Ähnlichkeit,  dafs  beide  in 
einem  Gemeinsamen  übereinkommen,  sondern  auf  Seite  des  Ge> 
Schopfes  besteht  blofs  eine  Nachbildung  oder  ICachahmung.  Darum 
wird  /.\va,r  das  Geschöpf  Gült  uim lieh  genannt,  aber  iiichl  uiu- 
gekehrt.^    Die  Kreatur  ahmt  Gott  nach,  soweit  sie  kann,  sie 
erreicht  ihn  jedoch  nicht  vollkommeD>    Denn  die  Wirkungen, 
die  hinter  ihren  Ursachen  zurückbleiben,  kommen  mit  letzteres 
weder  dem  liamen,  noch  dem  Begriffe  oder  Wesen  nach  übe^ 
ein.   Allerdings  mufs  unter  ihnen  irgend  eine  Ähnlichkeit  vor- 
handen sein.   In  der  Natur  des  Agens  liegt  es,  dafs  es  sich 
selber  Ähnliches  hervorbringe,  weil  jedes  Ding  thätig  ist,  insofern 
es  sich   in  actu  befindet.    Die  Form  oder  Kraft  der  lidlieren 
Ursache  findet  sich  daher  auch  eiuigermafsen  (aii^ualiter)  in  der 
Witkuug.    Allein  sie  ist  in  ihnen  auf  eine  andere  Art  und 
nach  einem  andern  Begriff u.    infolge  dessen  ist  die  Ursache 
eine  analoge.   Die  bonnen warme  bringt  in  den  Dingen  Wanne 

>  cfr.  3.  contr.  Gent.  cap.  69.    '  cfr.  l.  dist.  35.  q.  1.  a.  4.  td 
6um.  G*  fr.  I.  c.  io  corp.  «  ib.  d.  46.  q.  1.  a.  I.  ad  4uiii. 


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Das  Verh&Uiiis  der  Weseabeii  za  dem  Daiein  etc.  32i) 

hervor,  die  der  Kraft  der  Sonne  einigermaTien  abnlich  iet  Die 
Sonne  ist  aber  nicht  in  derselben  Weise  varm  (eadem  rattone) 
wie  die  Dioge.    Darum  ist  sie  einerseits  den  Dingen,  auf  welche 

sie  Ihrcu  Kintlurts  ausübt,  ähnlich;  auiioiftcitü  aber  wieder  un- 
äbnlieli,  woil  diese  ihre  Wirkungen  nicht  auf  ilieselbe  Art  die 
Wärme  hesitzuu,  wie  »ie  in  der  Sonne  ist.  80  verleiht  auch 
Gott  den  Dingen  alle  Voiikomiuenheiten  und  dadurch  hat  Kr  mit 
ihnen  eine  Ähnlichkeit,  zugleich  aber  anoh  eine  Unähnlichkeit.^ 
Ist  das  Agens  nicht  in  derselben  Gattung  wie  die  Wirkung»  so 
hat  die  letztere  noch  weit  weniger  Ähnlichkeit  mit  der  Form 
des  Agens.  Daher  nimmt  sie  weder  nach  demselben  Begriffe 
der  Gattung,  noch  auch  der  Art,  sondern  nur  gemafs  einer  ge- 
wissen  Aoalo^^e  an  der  Ähnlichkeit  des  Agens  teil.  Auf  diese 
Weise  ist  z.  B.  das  Sein  allen  gemeinsam.  In  dieser  An  sind 
alle  Dinge  Gott  ähnlich,  insofern  sie,  als  Seiende,  vom  ersten 
und  allgemeinen  Princip  alles  .Seins  siaiuuieu.'-'  (jolt  ist  über 
jeder  Galtung,  und  er  bildet  das  Princip  derselben.  Das  Ge- 
j*chöpf  ist  Gott  ähnlich  nur  gemäfs  einer  gewissen  Analogie,  in- 
ttolern  Gott  ein  Seiendes  durch  seine  Wesenheit,  die  Kreatur 
aber  ein  solches  durch  Anteilnahme  ist.*  Kiemais  jedoch  darf 
man  eigentlich  sagen,  dafs  Gott  dem  Geschöpfe  ähnlich  sei.* 
Der  Grund  davon  leuchtet  ein.  Zwischen  der  Ursache  und  dem 
Verursachten  kann  man  das  ÄhnlichkeitsverhKItnis  nicht  ohne 
weiteres  umkehren.  Dies  ist  nur  möglich  in  den  koordinierten 
Dingen.  Der  Meuseh  wird  niemals  stnnem  Bilde  ähnlich  ge- 
nannt, sondern  umgekehrt,  das  Bild  ist  ihm  ähnlich,  weil  die 
Form,  nach  welcher  die  Ähnlichkeit  ins  Auge  geläl'st  wird, 
irühur  im  Menschen  als  im  Bilde  vorhanden  ist  Daher  sagen 
wir  nicht,  dal's  Gott  den  Kreaturen  ähnlich  sei 

Die  Ähnlichkeit  der  Kreatur  mit  Gott  bleibt  in  zweifacher 
Besiehung  zurück  hinter  der  Ähnlichkeit  jener  Dinge,  die  im 
univoken  oder  wesensgleichen  Sinne  ausgesagt  werden.  Einmal 

>  efr.  1.  contr.  Gent.  cap.  29.  »  1.  p.  q.  4.  a.  3.  '  1.  c.  ad  2»w. 
etS"'».  *  I.e.  ad4>«ni.  1.  dist.  19.  q.  1.  a.  2«  c.  —  ib,  diit.  35.  q.  1. 
a.  4.  ad  ü"*".  —  ib.  dist.  48,  q.  1.  a.  1.  ad  4"«".  —  1.  contr.  lient.  cap. 
29.  --  de  veritale  q.  2.  a.  11,  aü.  1»"».  —  ib.  q.  23.  a.  7.  ad.  11.  — 


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330  Das  Verbältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Daseio  etc. 


haben  Gott  und  das  Geschöpf  nicht  Anteil  an  einer  und  der- 
selben Form,  wie  zwei  Warme  eine  und  dieselbe  Wärme  be- 
sitsen.  Was  man  Yon  Gott  aussagt»  das  bat  £r  dnroh  seine 
Wesenheit»  die  Kreatur  hingen  durch  Anteilnahme.  Das  Ver- 
hältnis der  Kreatar  zu  Gott  gestaltet  sich  darum  nicht  wie 
zwischen  dem  Warmen  nnd  Würmern,  sondern  wie  zwischeo 
dem  Warmen  und  der  Wärmo,  oder  zwischen  dem,  was  warm, 
und  dem,  was  AViirrae  ist.  Zweitens  erreicht  die  vom  Gos>chopfe 
participierte  Form  nicht  das  Wesen  dessen,  was  Gott  ist,  wie 
z.  B.  die  Wärme  des  Feuers  nicht  das  Wesen  der  Sonnenkraft 
erreicht,  wodurch  die  Wärme  hervorgebracht  wird.  Mehr  und 
weniger  kann  nur  in  einem  dreifkchen  Sinne  verstanden  werdes. 
Zunächst  nur  in  Bezug  auf  die  Quantität  des  Participierteo.  60 
ist  z.  B.  der  Schnee  weifser  als  die  Wand»  weil  die  weifte 
Farbe  vollkommener  im  Schnee  als  an  der  Wand  sich  findet 
Übrigens  kommen  beide  lu  demselben  Legnlle  und  Wesen  der 
Nveil&en  Farbe  überein.  Ein  derartig-er  Unterschied  zwir^chen 
mehr  und  weniger  bewirkt  nicht  eine  Verschiedenheit  m  der 
bpecies  oder  Art.  Zweitens  bedeutet  mehr  oder  weniger,  dafs 
das  eine  Wesen  etwas  durch  Anteilnahme,  das  andere  aber 
durch  seine  Quiddität  hat,  wie  wenn  man  sagen  würde,  die 
Güte  sei  besser  als  das  Gute.  Drittens  endlich,  indem  etwis 
dem  einen  in  vorzüglicherem  Grade  zukommt  (modo  eminentiore) 
als  dem  andern,  wie  z.  B.  der  Sonne  die  Wärme  in  ausgezeich- 
neterer Weise  zukommt  als  dem  Feuer.  In  dieser  zweiten  und 
dritten  Bedeutung-  sagen  wir  mehr  und  weniger  von  Gott  und 
der  Kreatur  aus.  Diese  beideu  hilden  daher  ein  Hindernis  lur 
die  Einheit  der  Art  und  die  nnivoke  oder  wesensgleiche  Aussage.^ 
Diese  Sentenzen  des  englischen  Lehrers  beweisen,  dafs  dem 
Dootor  AngelicuB  der  Abstand  Gottes  von  den  Geschöpfen 
möglichst  grofs  ist  Denn  wenn  wir  alles  das,  was  wir  von 
den  Geschöpfen  aussagen,  von  Gott  auch  negieren  können  in 
betretl"  des  liezeichnungsmodus,-  dann  folgt  von  selber,  wie  grofs 

>  cfr.  de  potentis  q.  7.  a.  7.  ad  3««,  4nw  in  cootrsr.  —  dsos 
ad  20m,  S«»". 

*  1.  contr.  liest  cap.  30. 


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Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc.  331 


der  Abstoud  sein  müsse.  Und  ia  der  Thal  besitst  nach  S.  Thomas 
die  Geschöpf  nur  soviel  Ühnlichkeit  mit  Gott,  dafs  die  Aaseagen, 
die  wir  von  beiden  machen,  nicht  äquivoke,  d.  h.  weder  dem 
Namen,  noch  dem  Begriffs  nach,  übereinstimmen.   Bin  Zeichen, 

wie  gering  eigentlich  diese  Ähnlichkeit,  und  wie  weit  der  Ab- 
stand Gottes  vom  (iesohopte  isL  Sie  ist  eben  noch  genügend, 
um  ans  doch  eine,  wenn  auch  unTollkominene,  Kenntnis  über 
Gott  za  vermitteln,  seine  Existenz  sicher  zu  stellen  und  uns 
Gott  wie  im  Spiegel  schauen  zn  iMien.  Alle  VoUkommenheiten 
der  Geschöpfe  sind  unaureichend,  um  Gottes  Wesen  und  Dasein, 
wie  es  in  sich  ist,  uns  zu  veigegenwärtigen.  Gott  gehört  einer 
gana  andern,  einer  viel  höhern  Ordnung  an  als  die  Kreaturen. 

Nehmen  wir  nun  einmal  die  Theorie  des  P.  L.  als  richtig 
an.    Zwischen   dor  Weaenheii  und   dem  Dasein  der  (ieschöpl« 
ist  nur  ein  virtueller  Untersrhied.    In  der  Wirklichkeit,  u  parte 
rei,  Hind  also  beide  real  identmch.    Welcher  Abstand  ist  dann 
noch  Kwischen  Gottes  Wesenheit  und  der  des  Geschöpfes  a  parte 
rei  oder  in  der  Wirklichkeit?    Beide  sind  real  identisch  mit 
ihrer  Existons.  Wir  sehen  darum  keinerlei  Abstand.  Der  Unter- 
schied wird  nur  gebildet  durch  unsem  Verstand,  hat  seinen 
Grund  nur  in  unserer  Auffassungsweise.   In  Gott  hat  unser 
Verstand  kein  Fundament,  um  zwischen  seiner  Wesenheit  und 
Exiöteuz  eiüc  üuterscheidnng'  zu  machen,  während  in  der  Kreatur 
ein  Fundament  vorhanden  ist.    Allein  es  handelt  »ich  iu  dieser 
l^Vage  nicht  darum,  wie  wir  die  Wesenheit  Gottes  und  die 
Wesenheit  des  Geschöpfes  uns  denken,  sondern  wie  sie  ä  parte 
rei  sind.    Unser  Denken  bewirkt  die  Dinge  nicht,  ändert  an 
denselben  nichts^  ist  vielmehr  von  den  Dingen,  wie  sie  a  parle 
rai  sind,  gans  und  gar  abhängig.   80  oft  wir  die  Dinge  anders 
auflkssen,  alt  sie  in  «Ich  sind,  wird  unser  Denken  nnrichtig.  A 
parte  rei  sind  uImj  beide  Wesenheiten  gleich,  denn  beide  sind 
real  idenLis-  h  mit  ihrem  Dasein.    Wird  demnach  die^e  Theorie 
richtig  anerkannt,  dann  haben  wir  zwischen  Gott  und  der 
Kreatur,  wie  sie  a  parte  rei  sind,  gewifs  mehr  als  eine  blofse 
Analogie.   Die  Ähnlichkeit  beider  ist  so  grofs,  dafs  die  Aus- 
sage nnivok  oder  wesensgleich  wird. 


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33^ 


D«t  VerhftUnit  der  Wesenhoit  xa  dem  Dasein  etc. 


An  dieser  Wahrheit  ändert  sich  auch  nichts,  wenn  mau 
nagt,  die  eine  Wesenheit  sei  durc}i  Kirh,  die  andi-re  durch  eine 
äofHere  Ursache.  Darum  bleibe  immer  der  grofse  Unterschied 
zu  Recht  bestehen.  In  der  Theorie  des  F.  L.  bedeutet  ..durch 
eick  fteiD"  eoviel  als  keine  wirkende,  hervorbringende  Ursache 
haben*  Allein  ob  ein  Ding  eine  wirkende  Ursache  habe  oder 
nicht,  kommt  in  unserer  Angelegenheit  gar  nicht  in  Betracht 
Wie  F.  L.  selber  erklart,  handelt  es  sich  darnm,  ob  die  Wesen> 
heit  eine  formale  Ursache  habe,  d.  h.  ob  ein  existierendes  Wesen 
formell  zugleich  das  sei,  was  existiert,  und  dat»,  wodurch 
existiert,  im  lorraellen  Sinne.  Gottes  Wesenheit  hat  keine  for- 
male Ursache.  In  Gott  gibt  es  nicht  etwaf«,  das,  nach  Art  der 
Form,  der  göttlichen  We&enbeit  da.s  8ein,  die  Existenz,  verleiht 
Damm  ist  in  Gott  das,  was  existiert,  real  identisch  mit  dem, 
wodnrch  es  da  ist  Die  Kreatur  hingegen,  so  lehrt  F.  L.  von 
Zeit  zu  Zeit,  existiert  nicht  „durch  sich'*,  sie  hat  also  etwas  in 
sich,  was,  nächst  der  Form,  der  Wesenheit  des  Geschöpfes  das 
Bein  Yerleibt  Ist  dies  blofs  richtig  gemafs  unserer  Auffassung? 
Oder  trifft  es  in  dem  existierenden  Wesen  selber  zn?  Im  ersten 
Falle  wissen  wir  immer  noch  nicht,  wie  die  geschaffene  existente 
Wesenheit  in  sich  ist.  sondern  einfach  nur,  wie  wir  sie  uns 
denken.  Wo  ist  nun  der  Pnif-^teirt,  ii?n  zu  ertahren,  ub  dieses 
unser  Denken  auch  in  der  That  richtig  oder  uu richtig,  d.  h.  der 
flache  selber  entspricht?  Offenbar  mufs  es  die  Voraussetanng 
sein,  dafs  die  kreatürliche  Wesenheit  mit  der  göttlichen  nicht 
im  univokeu,  sondern  nur  im  analogischen  Sinne  übereinkomme.^ 
Die  Kreatur,  richtiger  gesprochen,  die  Bxistenz  des  Geschöpfes, 
kommt  mit  dem  Sein  Gottes  dem  Kamen  nach  ttberein,  denn, 
bemerkt  S.  Thomas,  das  Sein  als  solches  ist  nicht  verschieden« 
Sind  Wesenheit  und  Exi-icnz  der  Kreatur  real  identisch,  so 
kommen  sie  auch  dem  BegrilfV  oder  dem  Wesen  nach  überein. 
Der  Begrift' von  Gott  besagt,  dais  seine  WeBcnheit  real  identiscli 
ist  mit  der  Existenz.  Au»  diesem  Grunde,  lehrt  der  eng- 
lische Meister,  ist  Gott  ein  Seiendes  „durch  sich".    Aber  auch 

t  Die  andere  Ursache  haben  wir  in  der  ersten  Hftlfte  des  2.  Artikels 
ausfahrlich  bebandelt. 


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L>as  Verhältuiü  der  Weseubeit  zu  dem  Dasein  etc.  333 


im  Geschöpfe  sind  nach  der  Theorie  des  P.  L.  Wesenheit  und 
Existenz  real  identisch.   Darans  folgt,  dafs  sie  anch  dem  Be* 
griffe  nach,  was  die  Sache  betrifft»  nämlich  a  parte  rei,  über- 
einkommen. Damm  mufs  die  Anesage  eine  uniYoke  sein.  Will 
man  btora  die  Folgerungen  bestreiten  und  sagen,  Gottes  Wesen- 
heit sei  „durch  sich  selber",  die  der  Kreatur  „durch  ein  anderes**, 
80  beruht  das  auf  Inkonsequenz.    Ein  Wesen,  dessen  Existenz 
real  identisch  ist  mit  der  Wesenheit,  ist  durch  seine  Quiddität, 
also  ,,durch  sich*^.    Dies  besagt  aber  nicht,  dais  die  W^esenheit 
flieh  selber  hervorgebracht  habe.   Erinnern  wir  uns  noch  einmal 
an  die  Worte  des  P.  Kleotgen:^  „Denken  wir  ans  aber  jenes 
Wesen,  das  durch  kein  anderes  in  die  Wirklichkeit  gesetzt, 
sondern  durch  sich  selbst  ewig  da  ist;  so  mnl's  in  ihm  die 
Wesenheit,  Grnnd  des  Daseins  selber  sein.   Dies  kann  sie  aber 
üicht  in  der  Weise  sein,  in  welcher  sie  in  andern  Wesen  der 
Grund  von  Kräften  und  Erscheinungen  ist,  so  nämlich,  tiain  das 
Dasein   ans  ihr  hervorginge,  und  wie  ihre  eibie  ErBoheinung 
wäre.    Denn  wenn  wir  den  Begriif  des  Daseins  festhalten,  so 
würde  es  purer  ünsinn  sein,  von  einem  Hervorgehen  des  Daseins 
ans  der  Weseoheit  an  reden.    Nur  insofern  also  kann  die 
Wesenheit,  Grnnd  des  Daseins  sein,  als  sie  das  Dasein  ein- 
schliefst, nad  es  folglich  dem,  welcher  durch  sich  ist,  so  eigen- 
tflrolich  ist,  da  «n  fm%  als  es  dem  Menschen  eigentümlich  ist, 
tierisch  zu  sein.    In  dem.  dei  durch  sich  ist,  müssen  demnach 
Wesenheit  und  Dasein  8ciilechthin  Eins  .sein." 

In  dem,  der  durch  sich  ist,  sind  also  Wesenheit  uod  Existenz 
schlechthin  Eins.  Und  warum  dies?  Weil  die  Wesenheit  der 
Grund  des  Daseins  ist  nnd  zwar  in  der  Weise,  dafs  sie  das 
Dasein  einschliefst  Betrachten  wir  nun  die  existente  Kreatur. 
Nach  der  Theorie  des  P.  L.  sind  Wesenheit  und  Existena  in 
ihr  real  identisch.  Sie  sind  also  auch  a  parte  rei  schlechthin 
Kins.  Denn  was  real  identisch  ist  mit  einem  andern,  das  ist 
gewils  mit  ihm  !?chicf:hthin  Eint^.  Sind  beide  real  identisch, 
dann  mnin  diu  W  ebenheu  das  Dasein .einscblieisen.  Wir  können 

*  Phil.  d.  Vorz.  2.  B.  2.  Aufl.  Seite  50.  n.  578. 


334        Dts  VerbiltBis  der  W««enhelt  so  dem  Dmmo  ete. 


uns  keinen  andern  Modus  dcM'  realen  Identität  denken.  Wenn 
aber  das,  dann  ist  die  Wesenheit  der  Cr  rund  des  i^aseins. 
Jenes  Ding  nun,  in  weh  hem  die  Wesenheit,  der  (Jruud  des 
Oaseins  ist,  das  Dasein  einschlietst,  ist  durch  sich.  Folglich 
ist  die  Kreatur,  deren  W^esenheit  real  identisch  ist»  mit  dem 
Dasein  durch  sich  und  nioht  durch  ein  anderes.  Daraus  ergibt 
sich,  daTs  nur  Inkonseqaenz  die  Behanptong  anfttellea  kaao,  is 
den  Geschöpfen  seien  Wesenheit  und  Dasein  real  identisch,  und 
das  Dasein  der  Kreatnr  stamme  troksdem  Ton  einem  anders. 
Snid  Wesenheit  nnd  Dasein  real  identisch,  dann  ist  es  dem 
Menschen  ebenso  notwendig  zu  existieren,  als  es  ihm  notwendig 
ist,  J^ieübcii  zu  sein,  denn  die  konstitutiven  Principien  der  mensich- 
liehen  Wesenhi  ii  fichlielsen  auch  die  Existenz  em,  weil  hie  mit 
ihr  real  identisch  sind.  Die  Aussage  von  Gott  und  den  Krea> 
tnren  ist  darum  nicht  eine  analoge,  sondern  eine  univoke. 
Der  englische  Lehrer  bestreitet  aber  anf  das  entschiedenste, 
dafe  von  Oott  nnd  der  Kreatur  etwas  im  „univoken"  Sinne  au- 
gesagt  werden  könne.  Der  Beweis  dafür  lautet,  wie  wir  gehört 
haben:  ^  „Die  Kreaturen  nehmen  das,  was  in  Gott  einfach  und 
allgemein  ist,  geteilt  und  partiknlfir  anf.  In  Grott  sind 
Wesenheit  und  Existenz  real  einfach  oder  Eins,  somit  müssen 
sie  in  der  Kreatur  «geteilt  sein."  Der  hl.  Thomas  sagt  kein 
Wort  davon,  daf«  wir  uns  diefi  blofs  so  denken,  dafs  es  blof* 
unserer  AutVassungsweise  nach  sich  so  verhalte.  Sein  l>eweis 
hat  Tielmebr  die  Geschöpfe  im  Äuge,  wie  sie  thatsächlioh  sind. 
Daraus  ergibt  sich  also,  dafs  dem  Docl^r  Angelicns  der  reale 
Unterschied  in  den  Geschöpfen  von  sehr  grober  Wichtigkeit  iit 
Dieser  Dntersohied  begründet  eigentlich  den  Abstand  Gottes  tss 
den  Kreaturen.  Ohne  diesen  Unterschied  sind  Gott  und  die 
Geschöpfe  der  Sache  nach  gleich,  der  Unterschied  besteht 
nur  ;ii  unserer  Aiit'fassung,  ähnlich  wie  das  Wärmere  vom  W^armen 
unterschieden  ist.  In  diesem  Falle  wäre  nicht  nur  die  Kreatur 
Gott,  sondern  auch  Gott  der  Kreatur  ähnlich.  Dies  ist  daher 
der  Grund,  warum  Ö.  Thomas  so  oft  des  realen  Unterschiedes 


>  1.  contr.  Gent.  cap.  22.  ratio  1«. 


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* 


D«8  y«rbiUDW  der  WesenheH  so  dem  Daseia  eCe.  3^5 


erwähnt  und  «arnm  er  dann  jedesmal  die  Wesenheit  ond  Exi> 
•tens  Gottes  als  den  Gegensats  sn  der  Wesenheit  des  Geschöpfes 

hinstellt. 

Wir  sagten  vorhin,  der  Ab-uud  zwischen  Gott  und  den 
Geschöpfen  werde  nicht  gehörig:  gewahrt  dadurch,  daf«  man  in 
den  Geschöpfen  zwischen  Wesenheit  und  Dasein  einen  virtuellen 
Unterschied  mit  einem  Fundamente  in  der  Sache  annimmt,  in 
Gott  hingegen  keinen  solchen  Unterschied,  auch  wenn  diese 
letztere  Ansieht  richtig  wSre.  Sie  ist  es  aber  in  der  That  nicht 
Kaeh  der  Lehre  des  hl.  Thomas  mnüs  man  in  Gott  ebenfalls 
swischen  seiner  Wesenheit  and  Existenz  einen  Tirtnellen  Unter- 
schied machen.  Ebenso  haben  wir  daför  ein  Fundament  in  der 
Sache  seiher.  ^,Licet  in  Deo  non  sit  compositio,  ut  in  eo  aliquid 
8ub  alio  intelligi  ])0R8it,  tamen  Kocundum  intellectum  no»trum 
seorsum  accipimu!?  ehse  ejus  et  suhstantiam  ipsius  sub  esse 
ejus  existentem,  ut  huic  subsiatena  dicatur."  An  einer  andern 
Stelle  sagt  S.  Thomas:  ',»Cam  essentia  divina  secnndnm  in- 
tellectam  sit  prios,  qnam  esse  sanm,  et  esse  prins  quam 
aetemitas,  sient  nobile  est  prios  mota,  et  motns  prior  tempore, 
dicetur  ipse  Dens  esse  oansasnae  aeternitatis,  secnndnm  modnm 
intelligendi,  qnamTis  ipsesiisoa  aeternitas  secnndum  rem.^ 
Femer:  *  ,In  Deo  omnia  snnt  nonm  re,  praeter  ingenerationem, 
geuerationeu)  et  processionem,  quae  coostituont  personas  re  di- 
stinctas.  ^'on  autem  oportet,  q und  q  uidquid  praeter  ista 
de  jJeo  dicitur,  sit  unum  ratione."  *,,Es8entia  et  huppo- 
aitum  suDt  m  Deo  idem  re,  oihilominus  tamen  differunt 
ratione  siout  de  attnbutis  dictum  est."  ^„(Deus)  per  saam 
esse  non  tantmn  est»  sed  aiiqnid  est.  Kec  differt  in  eo  ,»qao 
est''  et  „aliqntd  esse'*,  aisi  per  modom  stgniflcaadi,  Tel  ratione 
sicot  supra  dictum  est"  '„Licet  primnm  principinm  sit  nnnm 
Simplex  re,  snnt  tamen  in  eo  plnres  rationes  perfectionnm,  soilicet 
sapientiae,  Titae  et  bujosmodi,  secundum  qnas  diversae  per- 
fectiones  re  differentes  in  creaturis  caunautur." 

•  de  poteutia  q.  9.  a.  3.  ad  Gn«.   •  1.  dist.  19.  q.  2.  a.  1.  ad  1««". 

*  1.  dist.  2.  q.  1.  a.  2.  ad  6um.  *  ).  c.  a.  4.  ad  2an.  »  1.  dist.  8.  qu.  4« 
a.  I.  ad  2"m.    "  1.  dist.  2.  q.  1.  a.  1.  ad  1"««. 

jAhrboeh  (Ur  PhUoaopble  etc.  VI.  ii 


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336         Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 


Es  unterliegt  aber  gar  keineiD  Zweifel,  dab  der  eogtbehe 
Lehrer  aoch  in  Gott  einen  virtaellen  üntenchied  mit  einem 
Fondamente  in  der  8aehe  anerkennt    Sprache  indeeeen  der 

Doctor  Angelicus  an  den  ang^eführteu  Stellen  auch  nicht  aas- 
drttcklich  vom  Unterschiede  zwischen  der  Weeenhcii  und  dem 
Dasein,  so  müfste  er  doch  aus  dem  (jruudsatze,  welchen  der 
Heilige  aufsteht,  notwendig  folgen.  Der  englische  Lehrer  sagt 
nämlich:  ^,In  Gott  ist  Weisheit,  Güte  etc.  und  jedes  von  diesen 
ist  die  göttliche  Wesenheit  selbst  Daher  sind  alle  der  Sache 
nach  Eins.  Weil  aber  jedes  derselben  gemäfh  des  wahrsten 
Begriffes  in  Gott  ist»  der  Begriff  der  Wesenbeit  aber  nicht  der 
Begriff  der  Güte  als  solcher  ist»  deshalb  folgt,  dafs  sie  dem 
Begriffe  nach  sich  nnterscheiden,  nnd  dies  nicht  blofs  Ton 
Seiten  des  Denkenden,  sondern  aus  der  Eig-enliimlichkeit  der 
Sache  selber  (ex  proprietate  ipsius  roi)."  Nun  ist  klar,  dafs 
der  Keg;ritf  der  Wesenheit  als  solcher  vom  Kf^gritfe  *  des  Daseioh 
als  solchem  sich  unterncheidet  Die  Wesenheit  fassen  wir  als 
das,  was  existiert,  das  Dasein  aber  ist  das,  wodurch  die 
Wesenheit  da  ist  Die  Existens  ist  der  formelle  innere  Gmad, 
dafs  die  Wesenbeit  wirklich  da  ist  oder  existiert  Sie  unter- 
scheiden sich  also  nicht  dnroh  nnser  Denken  allein  (non  tantam 
ex  parte  ratiocinantis),  sondern  ans  der  Eigentfimlichkeit  der 
Sache,  mit  andern  Worten,  wir  haben  dafür  ein  Pnndameat 
in  Gott  selber.    Die  Begritio  sind  tolg-lich  nicht  synonym. 

Woher  kommt  es,  dai-^  wir  auch  in  Gott  diesen  virtuellen 
ünleiHchicd  machen  müssen  V  Daruber  gibt  uns  S.  Thomas  cben- 
falU  Auischlufs.  *„Die  Mehrheit  der  Begriffe  über  Gottes  Wesen 
nnd  seine  Eigenschaften  folgt  notwendig  daraus,  dafs  Gott  unsere 
Denkkraft  übersteigt.  Unser  Verstand  ist  nämlich  nntahig,  durch 
einen  Begriff  die  Terschiedehen  Arten  von  YoUkommenheiton  la 
denken.  Znnächst  schöpft  nnser  Verstand  seine  Kenntnisse  ans 
den  Kreaturen,  in  welchen,  gemafs  der  yerschiedenen  Formen» 
▼erschiedene  Arten  Ton  Vollkommenheiten  sich  finden.  Dun 
wird  das  in  Gott  üeeinb€  und  Einfache  in  unserm  Verstände 


^  1.  c.  a.  2.  c.   ^  L  c.  a.  3.  c. 


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Das  YerhftUniB  der  Weieoheit  sa  dem  D«Min  ete. 


337 


ver^ielfKltig't ,  und  dies  selbst  dann,  wenn  wir  die  Kenntnisse 
unmittelbar  von  Gotl  tärliitjileü.    Da  düd  (jütt  i^emal8  einer  und 
derselben  Sache  in  jeder  Weise  vollkomnif  n  löt,  so  kann  unser 
Verstand  nicht  durch  eine  AufTassung  die  ganze  Voll kommenbeit 
begreifen,  folglich  auch  nicht  benennen.    £r  mufs  darum  ver- 
schiedene Begriffe  über  Gott  sich  bilden,  wie  auch  vereohiedene 
Kamen,  mit  welchen  jene  Begriffe  bezeichnet  werden.  Jene 
üamen  sind  jedoch  nicht  eynonyme,  weil  aie  yerschiedene  Be- 
griffe bezeichnen.   Könnte  noser  Verstand  Gott  in  eich  selber 
schauen,  dann  könnte  er  jenem  Begriffe  einen  Namen  zutciicü, 
wie  es  im  Jenaeits  der  Fall  »oin  wird.    Indes  wiirdo  jener  eine 
Name  nicht  eine  Eig-enschaft  allem  bezeichnen,  sondern  auch 
alles  andere  Bezeichnete  in  sich  schliei'sen.     Wollte  nun  der 
Verstand,  Gott  durch  seine  Wesenheit  Behauend,  die  Sache, 
weiche  er  sieht,  namentlich  bexeichnen,  und  mittelst  des  Begriffes, 
den  er  von  der  Sache  hat,  benennen,  ao  miUhte  er  auch  dann 
noch  mehrere  Namen  gebrauchen.   Denn  es  tat  unmöglich,  dafii 
die  Aoffassang  des  geschaffenen  Verstandes  die  ganze  Voll- 
komnieiiiitiit  der  gouliuiiuu  WesenheiL  vergegenwärtigt.  Daher 
würde  er,  eine  8acho  schauend,  von  ihr  mehrere  Begriffe  sich 
bilden  und  mit  yerschiedcuea  Namen  belegen.   Die  Mehrzahl  der 
lilamen  stammt  also  daher,  dafs  Gott  unsern  Verstand  überragt 
Ks  ist  eioeraeita  die  FüUe  seiner  Vollkommenheit»  andereraeita 
die  Unmöglichkeit,  dafa  der  Veratand  diese  FfiUe  begreift.  Daraus 
folgt,  dafa  die  Mehrheit  jener  Begriffe  ihren  G-rnnd  nicht  biofs 
in  nnserm  Verstände  hat,  sondern  auch  in  Gott»  weil  seine  Voll- 
kommenheit jeden  unserer  Begriffe  übersteigt.   Dieser  Mehrzahl 
unserer  Begriffe  entspricht  folglich  etwas  in  der  Seele,  in  Gott, 
nicht  zwar  eine  Mehrheit  der  Sache  selber,  sondern  die  Voll- 
fülle der  Vollkommenheit." 

Wir  hören  also  den  hl.  Thomas  klar  und  deutlich  den 
rirtoellen  Unterschied  com  Fundamente  in  re  in  Bezog  auf 
Gott  Tortragen.  Daa  Atgnment  dea  P*  Eleutgen,  dab  bei  der 
Anoahme  eines  ▼irtoellen  Unterschiedes  die  Wesenheit  wie  eine 
^otene  sich  Terhalte,  beweist  nur,  dafd  kein  realer  Unterschied 
angenommen  werden  dürfe.    Auf  die  Frage,  ob  der  Name: 


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^Person"  yon  Gott  eigentlich  ausgesagt  werden  könne,  aatwortst 
8.  Thomas,  dafa  „man  es  thnn  köone."^  Dagegen  erhebt  er  am 

folgende  Schwierigkeit.  Der  Bcgritl":  „Person"  bchliefbt  ja  in 
»ich,  dald  ein  Wesen  einer  Eigenschaft  iinterHtehe  (substat 
subsistit).  Man  dürfe  aber  eigentlich  nicht  sagen,  dafo  Gott 
irgend  einer  Eigenschaft,  die  in  ihm  ist,  nnterstehc.  Der  eng' 
Hscbe  Lehrer  erwidert,  der  Sache  nach  sei  in  Gott  nichts  noter 
einem  andern,  wohl  aber  gemafs  unserer  Anffasanng,  lasofen 
wir  ihn  als  einer  Eigenschaft,  sei  es  eine  persönliche  oder  eiss 
wesentliche,  nnterstehend  denken.  Weil  jedoch  in  der  Wirfclieh- 
keit  (re)  nichts  in  Gott  anter  einem  andern  ist,  deshalb  eage 
Richard  von  8anct  Victore,  dafs  die  göttlichen  Personen  nicht 
Hubi^i  st  ierou,  soudern  existieren.  Dasselbe  Princip  kooiml 
auch  in  unserer  Frage  zur  Geltung.' 

Ans  der  Lehre  des  hl.  Thomas,  dafn  zwischen  der  Wesenheit 
nnd  Existens  in  Gott  ein  virtueller  Unterschied  angenommes 
werden  müsse,  ergibt  sich  eine  höchst  wichtige  Fotgenmg  be- 
2ilglich  des  realen  Unterschiedes  in  den  Geschöpfen.  Sind 
Wesenheit  nnd  Dasein  in  den  G^ohÖpfen  nnr  Tirtnell  QBte^ 
schieden,  düuu  i»t  der  Abstand  Gottes  von  der  Kreatur  j^ehr 
gering,  lu  beiden  ist  der  Unterschied  ein  virtueller  mit  eioem 
Fundamente  in  der  bache.    Die  Aussage  darum  uoivok,  mobt 

»  1.  di8t.  23  q.  1.  a.  2.  ad  3»"". 

'  An  einer  andern  Stelle  sagt  S.  Thomas:  «Noo  oportet  quod  cne 
eiientiae  divinae  Bit  ad  alind  se  habere.  Quia  illod  esse  in  quo  pittr> 
Ditss  et  essentis  nninntor,  significatur  nt  esse  quod  est  actus  eis  es* 
tiae.  Non  autem  noinntur  in  esse,  quod  significat  definitio  rel 
Dico  igttor,  quod  cum  didtor:  «ad  aliqoid  sunt,  quomm  esse  est  ad  tUirf 
se  habere'*,  intelligitur  esse,  quod  est  qaidditas  rei,  qose  defiaitloM 
significatur,  Quia  ipsa  natura  relationis.  per  quam  constituitor  io  talr 
geoere,  est  ad  aliud  referri,  et  n<m  intelligitur  de  esse,  quod  est  actus 
essentiae.  Hoc  (>niin  esse  habet  relatio  ex  bis,  qnne  causant  ipsaio 
io  snbjpctn,  seciindnrn  quod  esse  iion  referlur  adalind,  sed  ad  snbjectum, 
sicnt  ft  quodlibet  acridens.'  1.  dist.  3'^.  q.  1.  a  l.  —  Das  bein,  die 
Existniz  hat  also  nicht  Hfv.u'iiiuig  zur  wirkenden  l'rsarhe,  sondern 
zum  Subjekte.  Iiie  Kreaturrii  sind  also  nuht  desbalh,  weil  sie 
herviirgf'b  r:ic  lit  wurden,  soudern  weil  daä  Sein  im  Subjekte,  ia 
der  Weseubeit  ist. 


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339 


«nalog.  Es  folgt  aber  noeh  ein  direkterer  Beweis  fHr  den  realen 

Unterschied  in  den  Kreaturen  aus  den  Arg-umenten  dee  heilijjcn 
Tiioiuas.  Der  Doctor  Angelicus  schreibt  irp  ii  iwo: *  „Weil  der 
Begriff  der  Weisheit  vom  Begriffe  der  Gute  m  GoLl  «ich  unter- 
scheidet, deshalb  sind  in  deo  Ueachöpt'eD  die  Weisheit  und  Güte 
nicht  blofs  dem  Verstände  nach,  sondern  auch  der  Sache 
naeh  nntorsohleden.  In  Gott  sind  beide  real  identisch,  in  der 
Kreatnr  hingegen  sind  sie  nicht  gern  üb  unserer  A  äff assnng, 
sondern  real  unterschieden.'*' 

34^  c)  Argument:  Gott  läliit  sich  in  keine  Gattung  ein- 
reihen; jede  Kreatur  aber  steht  unter  der  Gattung 
und  Art,  weil  Wesenheit  uud  Dasein  iu  ihr  real 
unterschieden  sind. 
Eine  notwendige  Folge  diesen  grofseu  AbsLaudes  der  Wenen- 
beit  Gottei»  von  der  Kreatur  und  der  analogen  Aussage  ist  auch 
die,  dafs  Gott  keiner  Gattung  angehört.    Hierüber  schreibt  der 
englische  Lehrer:  >  „Quidquid  est  in  genere  substantiae,  aut  est 
sicnt  generalissimum,  aut  est  sicut  oontentnm  sub  ipso.  8ed  Dens 
non  est  in  genere  substantiae  sicut  generalissimum  quia  praedi- 
cavetur  de  omnibus  substantüs,  nec  etiam  sicut  contontum  sub- 
stantiae, quia  adderet  aliquid,  seilioet  genns  et  ita  non  esset 
divinu  essentia  simplicisBima.     Ergo  Deus  non   est  in  genere 
subita iitiac.    Quidfjuid  est  in  genere,  habet  esse  suum  deter- 
rainatum  ad  iliud  genut».    8ed  ewse  divinum  nullo  modo  lerrai- 
natum  est  ad  aliquud  genus.    (^uinuüo  comprehendit  in  se 
nobilitates  omnium  generum.    Ergo  Deus  non  est  in  genere 

'  1.  dist.  22.  q.  1.  a.  3.  ad         und  1"». 

*  W<»nn  I)r.  liitller  (Progranim  Seite  112)  schreibt,  für  lif  l  esi- 
bteiluiig  der  Lehre  des  hl.  Thomas  sei  der  (iedaukeiuinterschieii  m  (iott 
nicht  ohne  Belang,  so  glauben  wir,  dai'ü  die  Bezeichnung  etwas  zu 
schwach  ausgefallen  ist.  Wir  halten  den  Tirtuelleo  Unterschied  in  Gott 
rar  FeMitelluDg  der  Lehre  des  kl.  Thomas  über  den  realen  Uatertdued 
ia  den  Kreaturen  fttr  sehr  wichtig.  Die  Grflade  dafttr  haben  wir  soeben 
dargelegt.  Der  Herr  Autor  verteidigt  Qbrtgens  mit  der  Seotens  dei  eng* 
Kleben  Lehrers  ebenfalU  den  ▼irtuetlen  Unteriehied  mit  dem  PondameDte 
is  der  Sache  selber. 

>  1.  dist  8.  qu.  4.  a.  2. 


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340        Dm  VerhAltais  der  Wesenheit  sa  dem  DiMin  etc. 


fiobetantifte.  HngoB  antein  ratio  quadruplex  aBsignaUir.  Friipt 
poDitar  in  littera  ex  parte  nominis  sumpta.    Nomen  enim  sab« 

stantiae  impünitur  a  Kubbtando.  Deaa  autem  nulli  substat.  Se- 
cunda  sumitur  ex  rationo  (»jus  qnotl  est  in  prcnere.  Omiie  enim 
hujusoiodi  addit  aliqnid  supra  geaus.  Et  ideo  illud  quod  e«t 
summe  »implex  non  poteat  essB  in  genere.  Tertia  ratio  subti- 
lior  est  Avioennae.  Omne  qaod  est  in  genere,  habet  qaiddi- 
tatem  differ entern  ab  eaae»  eiont  homo.  Hovanitati  enim 
ex  hoo  qnod  eat  hnmanitaa,  non  debetnr  eaae  in  aota. 
Potest  enim  cogitari  hnmanitas  et  tarnen  ignorari  an  atiqnit  hono 
sit.  Et  ratio  hujus  est,  quia  commune,  quod  praedicatur  de  hh, 
qiiae  sunt  in  genere,  praedicat  quidditatem,  com  genos  et 
species  praedicentur  in  eo  quod  quid  est.  Uli  antem  quidditati 
Qon  debetur  esse,  nisi  per  hoc,  qaod  suscepta  eat  in  hoc 
vel  illo.  £t  ideo  qaidditaa  generia  vel  speciei  non  commuai- 
oatnr  eecnndnm  nnnm  eaae  omnibaa,  eed  eolnm  aecnndnm  naam 
rationem  commnnem.  TJnde  conatat,  qnod  eaae  ennm  noa 
eat  qaidditaa  ana.  In  Deo  autem  eaae  annm  est  quidditat 
ana,  aliter  enim  acoideret  quidditati,  et  fta  eaaet  aoqmntos 
sibi  ab  alio,  et  non  haberet  esse  per  essentiara  suam.  Et 
ideo  Deub  non  ])ote8t  esse  in  aliqu*»  griu  rc.  Quarta  causa  est 
ex  periectione  divini  esse,  quae  colUgit  omues  nobilitates  omoiitm 
genenim.    ünde  ad  nullum  genuB  determinatnr." 

Die  gegen  den  Artikel  erhobenen  Sohwiengkeiten  beiot» 
wertet  8»  Thomaa  in  folgender  Weise:  ^  „Gott  ist  achleohthin  nickt 
ein  Aeddens,  man  kann  ihn  jedoch  ao  recht  eigentlich  anch  nidit 
eine  Substanz  nennen.  Der  Name  Substanz  kommt  Tom  ÜBte^ 
stehen  (subsLaiu),  uud  überdies  bezeichnet  Substanz  eine  Quid- 
ditiit,  die  von  ihrem  Dasein  unterschieden  ist.  Im 
weiteren  Sinne  ist  Gott  eine  Substanz,  aber  er  übertrifft  jede 
kreatärliche  Substanz,  so  dafs  die  Aussage  nicht  nnivok,  sondern 
nur  analog  ist  Dies  ist  ein  weiterer  Grand,  warum  Gott  nicht 
einer  Gattung  angehört,  weil  nämlich  von  ihm  und  aodem  nichts 
anivok  auageaagt  wird.   In  jeder  Gattung  mufk  eine  Qnidditit 


>  1.  c.  ad  l«m  und  2u>o. 


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Du  Verhiltius  der  Wwenheit  xu  dem  Otaeia  etc.  341 


beseidiBet  werden,  in  deren  Begriffe  nicht  das  Sein  liegt'* 
Die  hier  Torgetragene  Lehre  wiederholt  S.  Thomas  in  einem 

andern  seiner  Werke.^  Nichts  ist  in  der  Gattung  auf  Grund 
»einer  Existenz,  sondorn  inkraft  seiner  Quiddilät,  denn  das 
8ein  ist  einem  jedem  Dinge  eigentümlich  und  unterscheidet  sich 
vom  Sein  jedes  andern.  Das  Wesen  der  Substanz  hingegen 
kann  ein  gemeinsames  sein.  Dies  ist  der  Grund,  warum  der 
l^hilosoph  behauptet,  das  Seiende  (ens)  könne  nicht  Gattung  sein. 
Nna  ist  aber  Gott  das  Sein  selber.  £r  kann  folglich  nicht  in 
der  Gattung  sich  befinden. 

Femer  mnfs  jedes  Wesen,  das  einer  Gattung  angehört, 
znaammengesetst  sein  aus  Materie  und  Form,  oder  ans  Poteaa 
und  Akt.  In  Gott  kann  dies  nicht  stattfinden.  Darum  ist  er 
iiuih  nicht  in  der  Gattung.*  Die  eiy;eutliche  DeHnition  *l<  i  Sul  stanz, 
auch  wenn  es  die  allgemeinste  Gattung-  wäre,  nml^-te  lauten: 
die  Substanz  ist  jene  Sache,  deren  QuiddiLat  es  zukommt,  nicht 
in  einem  andern  sa  sein.  Diese  Definition  findet  aber  kf  ine 
Anwendung  auf  Gott,  weil  er  keine  Wesenheit  an  Ts  erhalb  des 
Daseins  hat  Gott  ist  nicht  in  der  Gattung,  weil  in  ihm  sich 
nicht  Potens  und  Akt  finden.  Denn  in  allen  Dingen,  die  einer 
Kategorie,  einem  Pradikamente  angehören,  ist  etwas  im  Akte 
ond  etwas  in  der  Potenz.  Damm  ist  dieses  die  allgemeine  Sin* 
teilung  des  Seienden,  weil  sie  in  jeder  Gattung  des  Seienden 
angetroffen  wird  und  ohne  sie  kein  Ding  in  der  GaiLunj^  ist. 
Einer  Gattung-  crehört  also  jenes  Wesen  an,  welchen  aul"  einen 
speciellen  Öeiusmodus  bestimmt  und  eingeschränkt  ist.  Deter- 
miniert wird  aber  die  Potena  durch  den  Akt.  Folglich  ist  all 
dasjenige  in  einer  (lattung,  was  Potens  und  Akt  hat  In 
allen  Wesen  aber,  das  Erste  ausgenommen,  sind  Akt  und  Potena. 
Damm  sind  alle,  anlker  Gott,  in  der  Gattung.'  Hiervon  sind 
auch  die  separierten  Substanzen  nicht  ausgeschlossen,  denn  die 
Wesenheit  derselben  ist  die  Potenz  und  das  Sein  bildet  den 
Akt  Da  im  Engel  nur  die  Wesenheit  und  das  Sein  vorhanden 

■  de  pntentia.  q,  7,  a.  8. 

'  1.  C.  ad  Harn. 

*  Opos  c.  42.  de  geoere  csp.  3.  ~  Compend.  tb.  cap.  12. 


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342         Das  Verhältnis  der  Wesenheit  zu  dem  Dasein  etc. 

sind»  mufs  die  Gattang  und  Art  Toa  der  WeeeDheit  geDomnei 
werden.^  Uiii  dies  zvl  begreifen,  dasn  dient  die  Sentens  dei 
AYicenna.    Di'eBer  Autor  behauptet  nSmlich,  daTs  jene  Dinge 

einer  Gattung  angehören,  deren  Sein  ,,ein  anderes"  ist  als  die 
Wcseiilieit.  Denn  jedes  Ding  dieser  Art  hat  eine  an  sich  be- 
fttiromte  Natur.  Es  kann  daher  vom  Verstandesakte,  der  di« 
Intentionen  von  Gattung  und  Art  tormicrt,  begriffen  werdeu. 
In  Bezug  auf  Gott  vermag  der  Verstand  dies  nicht  zu  thon, 
denn  Gottes  Sein  ist  nicht  „ein  anderes"  als  die  Wesenheit 
Die  getrennten  Sabstannen  sind  also  ebenfiUls  in  der  Gattasg 
der  SnbstanCy  welche  die  erste  Gattung  ausmacht  •  Der  Grand 
davon  ist  darin  zu,  suchen,  dafs  ihr  Sein  ein  anderes  ist 
als  die  Substanz  oder  Qaidditat,  in  sich  jedoch,  nicht  in 
einem  andern."* 

Wir  rürchten  unsere  geehrten  Leser  mit  den  Uitateo  snt 
S.  Thoraan  zu  lang'wcilen.  Indes  glauben  wir,  daf«  es  unbedingt 
notwendig  ist,  die  Lehre  des  hl.  Thomas  aus  seinen  eigeoeo 
Werken  kennen  au  lernen.  Überall  hebt  der  englische  Meister 
denselben  Grund  hervor,  warum  Gott  keiner  Gattung  angehöre, 
nämlich:  weil  in  Gott  Wesenheit  und  Existens  identisch 
sind.  Im  Buche  contra  Gentes'  kehrt  dieser  Grund  dreimsl 
wieder  in  einem  und  demselben  Kapitel.  Gott  ist  weder  in  der 
Gattung  des  Accidens,  noch  in  jener  der  Substanz.  Ersteres  ist 
von  «selber  klar,  letzteres  läfst  sich  leicht  beweisen.  Die  Snbatani, 
welciiu  Gattung  ist,  ist  nicht  das  Dasein  sei  bor.  In  diesem 
Falle  wäre  jede  Substanz  ihr  eigenes  Dasein,  dieses  folglich 
mcht  von  einem  andern  verursacht.  Das  Wesen  der  Gattuog 
findet  sich  in  allen  der  Gattung  unterstehenden  Dingen.  Keine 
Substanz  wäre  somit  yon  einem  andern  Terursacht,  was  nicht 
zugegeben  werden  darf.  Gott  hingegen  ist  sein  eigen  Dasein. 
Er  ist  folglich  nicht  in  irgend  einer  Gattung.  Wae  einer  Gattnog 
angehört,  ist  ▼ersohieden  von  andern  derselben  Gattung  inknft 
des  Daseins  (seenndnm  esse),  sonst  könnte  man  die  Gattnsg 

1  cfr.  1.  r.  cap.  4. 

cfr.  1.  c.  cap.  5. 
^  1.  coutr.  Gent.  cap.  26.  ratio       3»,  4». 


I 


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Ots  Verhittoi«  der  Wesenheit  ta  dem  Dasein  etc.  343 

nicht  von  mehreren  aussagen.  Alle  Dinge  derselben  Gatluüg 
müj*sc'n  aber  in  der  <^uiddität  der  Gattung  iibereinkoimuen,  weil 
die  üattung  quidditativ  (in  qiiod  quid  est)  aii^gcHagt  wird.  Dar- 
aus folgt,  dafs  die  Exihiodz  jedes  einer  irattung  angehörenden 
Dinges  aufserhalb  der  Quiddität  der  Gattung  liegt.  In  Bezug 
auf  Gott  ist  dies  jedoch  ganz  und  gar  untnöglioh.  £r  iat  somit 
mchi  ia  der  Gftttuof^.  Kein  Ding  iat  infolge  aeinea  Daaeina 
in  der  Gattnog,  aondern  aaf  Grand  aeiner  Weaenheit  (per 
rationem  anae  qnidditatis).  Die  Qnidditat  Gottea  aber  ist  das 
Dasein  selber.   Daram  ist  Gott  anoh  nicht  in  der  Gattung. 

Mit  diesen  Argumenten  des  Doctor  Aogelicus  wollen  wir 
unsere  Behaujtiuog  abscliliefaen.  AbermaU  hat  es  »Ich  gezeigt, 
dal'j»  S.  Thomas  überaus  grofpen  Wert  logt  auf  den  realen 
Unterschied  zwischen  der  krealüilichcn  Wesenheit  und  Exi- 
stenz. Ja,  dieser  Unterschied  ist  dem  englischen  Lehrer  ent- 
aoheidend  dafür,  dafe  Gott  nichts  mit  dem  Geacböpfe  gemein 
hat,  anter  keine  Gattung  oder  Art  füllt.  Gottea  Wesenheit  iat 
real  identiach  mit  dem  Daaein:  Br  iat  daram  daa  Sein,  nnr 
daa  Sein.  Lichta  jedoch  iat  in  der  Gattung  oder  Art  durch 
daa  Sein,  sondern  durch  die  Qnidditat  Hingegen  mufa  jedea 
Ding,  das  anter  der  Gattung  der  Substanz  steht,  real  zusammen- 
gesetzt sein.  Denn  das,  was  im  Pradikamente  der  Substanz 
ist.  subbisliert  in  i^einem  Dasein,  und  sein  Dasein  muib  „ein 
anderes"  sein,  als  es  selber  ist.  Wäre  dem  nicht  so,  so  könnte 
es  sich  nicht  durch  das  Sein  unterscheiden  von  jenen  Dingen, 
mit  welchen  es  Termöge  der  Quiddität  übereinkommt  Diea  iat 
aber  notwendig  für  alle,  die  direkt  im  Trädikamente  aind.  Dar- 
ana  folgt,  dab  allea,  waa  direkt  im  Priidikamente  ist,  auaammen- 
geaetst  sein  mufa  wenigatena  aua  dem  Daaein  und  dem  Suppo- 
situm  (quod  eat).'  Hatte  B*  Thomas  nur  den  virtuelien  Unter- 
schied, nicht  den  realen  im  Auge,  so  wäre  nicht  zu  begreifen, 
warum  Gott  keiner  Gattung,  wenigstens  der  Gattung  der  Substanz 
angehören  soll.  Einen  virlueilen  Unterschied  verteidigt  der 
englische  Lehrer  auch  ia  Gott  und  er  hebt  ausdrücklich  hervor, 

i  efr.  de  veritate  qo.  27.  a.  1.  ad  8nm,  wo  das  Wort  real  aus* 
drQcklicb  angegeben  ist. 


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'344        Dia  yerUltntt  dtr  Woienbeit  sa  dem  Dttdn  etc. 


dafs  wir  dtifttr  ein  Fandament  in  Gott  selber  baben.   Gott  ist 

somit  lu  keiner  Gattung,  weil  seine  Wesenheit,  durch  welche 
überhaupt  jedes  Ding  in  der  Gattung  ist,  sich  nicht  real  vot» 
ihrem  Dasein  unterscheidet.  Jegliches  Geschöpf  ist  io  der 
Gattung,  weil  die  Wesenheit  sich  real  von  der  Exiotenz  unter- 
scheidet.  Gott  ist  das  reise  Untere  Sein.  Das  Sein  aber  ii( 
weder  selber  Gattnog,  noch  wird  es  zar  Beseiohnnng  einer 
Gattung  verwendet,  wie  Avioenna  bemerkt  Denn  das,  was  io 
einer  Gattung  flbereinkommt»  kommt  nicht  auch  sngleieb  ta 
einem  Sein  überein,  sondern  in  der  gemeinsamen  Natnr.^  Durch 
„sich  existieren"  ist  darum  nicht  die  Detiuition  der  Substi::^, 
denn  dadurch  wird  nicht  die  Q,uiddität  autgezeigt,  s  iu  lern  das 
Sein  derselben.  Allein  die  Q,uiddität  ist  nicht  ihr  Suiu,  aoiai 
könnte  sie  ja  nicht  die  Gatinng  bilden.  Das  Sein  ist  niemab 
gemeinsam  nach  Art  der  Gattung,  weil  alle,  die  einer  Gattan^ 
angehören,  ihrem  Sein  nach  von  einander  sich  unterscheidsa. 
Die  Definition,  oder  gleichsam  die  Definition  der  Substanz  laatel 
demnaoh:  die  Bubstans  ist  eine  Sache,  welche  das  Sein  erhilt 
(cui  esse  acquiritur)  oder  welcher  das  Sein  gebührt  (cui  debetur) 
als  einer  Wesenheit,  die  nicht  in  einem  andern  ist.*  Sagt  man 
also  von  Gott,  er  sei  von  allen  Kreaturen  generisch  verschieden, 
so  ist  dies  nicht  so  zu  verstehen,  als  wäre  Gott  in  einer  andern 
Gattung,  sondern  so,  dafs  er  durchaus  anfserhalb  jeder  Gattung 
steht^  Daraus  folgt  noch  weiter,  dafs  Gott  auch  nicht  Art  iitr 
oder  Individuum,  oder  dafs  er  eine  Definition  hak  oder  iigesd 
eine  Differens.  Denn  jede  Definition  besteht  aus  der  Qattoag 
nnd  Art.  Man  kann  darum  über  ihn  auch  keinen  Beweis  führen, 
ausgenommen  einen  solchen,  der  aus  den  ^\  irknni^on  abgeleitet 
wird.  Jeder  eigentliche  Beweis,  der  das  W  esrn  angibt  Cpropter 
quid),  hat  die  Definition  aum  Medium.^  Kichtig  gesprochen  dart 
man  daher  auch  nicht  sagen,  Gott  sei  von  allen  andern  DtDgea 

•  cfr.  3.  dist.  11.  q.  1.  a.  2.  ad  2>"". 

'  cfr.  4.  dtsL  12.  q.  1.  a.  1.  q.  1.  ad  2u>n.  de  potentia  qu.  7.  a.  3. 
ad  4"»». 

'  de  potentia  q.  7.  a.  ö.  ad  3""'. 

*  1.  c.  iu  corp. 


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Dai  YerhAltiuB  der  Wetenheit  la  dem  Dasein  etc.  345 


durch  etwas  veröchiedea  (qnod  differt),  sondern  er  sei  durch 
eich  selber  verschieden  (esc  di versus).^ 

35^  d)  Argument:  Gott  allein  ist  einfach;  jede  Kreatur 

hingegen  zusammengeeeiBt  ans   der  Wesenheit 

Hensobbeit  nnd  dem  Dasein. 
Der  hl.  Thomas  stütst  seinen  Beweis,  daih  Gott  keiner 
Gattnng  angehöre,  anf  die  Tbatsaohe,  dafs  Gott  das  Sein  ist, 
nur  das  Sein  (esse  tantuin).  Dieses  reine  lautere  Sein  ist  Gott 
darnm,  weil  das  Sein  in  ihm  mit  keiner  Potentialität  vermischt 
erscheint,  Gott  folglich  in  jeder  Hiosicht  einfach  ist  Der  heil. 
Thomas  lehrt  diesbezügUch  folgendes. 

'^»Necesse  est  enim,  qnod  omnis  substantia  simplex  subsi- 
stens,  vel  ipsa  sit  snnm  esse,  vel  participet  esse.  Substantia 
aatem  simplex,  qn&e  est  ipsam  esse  snbsistens,  non  potest  esse 
nisi  nna,  sicnt  neo  albedo»  si  esset  snbsistens,  posset  esse  nisi 
una.  Omnis  ergo  substantia,  quae  est  post  prtmam  snbstaotiam 
Hiiiiplicem,  participat  esse.  Omne  autem  participans  compoüitur 
ex  participantc  et  partiripato.  et  participans  est  in  pot^ntia 
ad  participatum.  In  omni  ergo  substantia  quantumcunque  sim- 
plici,  post  primam  snbatantiam  simplicem,  est  potentia  essendi'' 
'„Omne  enim,  qnod  non  est  sunm  esse,  participat  esse  a 
oansa  prima»  qnae  est  snnm  esse.'*  „Doratio  omnis  attenditnr 
seenndum  quod  aliqnid  est  in  aotu.  Tamdin  enim  res  darare 
dieitar,  qoarodin  in  actn  est  et  nondnm  est  in  potentia.  Esse 
autem  in  acta  contlügiL  duplicitcr.  Aut  secundum  hoc,  quod 
ac'tQs  ille  est  incompletus  et  poLentiae  permixtus.  ratione  cujus 
nlterius  in  actum  procedit.  Et  talis  actus  est  moiuH.  K»t  enim 
motus  actus  existeotis  in  potentia  secundum  quod  hujusmodi 
ut  dioit  Philosoph.  Aut  secundum  quod  actus  non  est  permixtus 
Potentine,  nec  additionem  recipiens  perfeetionis.  Et  talis  actus 
est  actus  quietus  et  permanens.  Esse  autem  in  tali  actn  oon- 
tiogit  dupliciter.  Vel  ita  qnod  ipsum  esse  actn,  quod  res  habet, 
sit  sibi  acquisitum  ab  alio.    Kl  tnnc  res,  habens  tale  esse, 

»  1.  c.  ad  200». 

'  Pliysic.  8.  21.  psg.  449.  n:  13.  ed.  Hom.  1884. 
^  l.  c.  0.  14. 


r 

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Ö411 


eat  potentialis  respectu  hojtiB  acta«,  quem  tarnen  perfeete 
accepit.  Vel  eaee  aetQ  est  rei  ex  seipBa,  ita  quod  eat  de 
ratione  qaidditatis  snae.  Et  tale  ease  est  etae  dmonm, 
ifi  qoo  DOD  estatiqiKi  poteutialitas  respeotn  hujaa  acttts. 

Sic  igitur  patet,  quod  est  triplux  actus.  Quidam,  cui  non  sub- 
bternitur  aliqua  potentia.  Et  tale  est  esse  divinum  et  operatto 
ejuf».  Et  hiiic  resj)ondet  loco  mensnrau  ai;terüiias.  Est  alins 
actus,  cui  substat  potentia  quaedara,  sed  taoien  est  actus 
oompletus  acqaiaitus  in  potentia  iUa.  Ei  huic  respondet  aeTnm. 
Est  antem  alias,  cui  sttbaternitur  potentiai  et  admiecetar 
•ibi  poteDtia  ad  actum  completam  aeonodam  snoceaaionem,  addi- 
tionem  perfectioaia  reoipieoB.  Et  hnic  reapoodet  tempaa.  Cnot 
igitnr  noicniqne  rei  reapondeat  propria  menanra»  oportet  quod 
aeeondtini  conditioneni  ac^ne  menanrati,  accipiatar  esaentialia 
differentia  ipsius  mensurae."  ul  aiitem  molus  e^t  actus  ipsius 

mobilis.  inqiiantiim  mobile  est;  ita  esse  est  actus  cxistentis, 
inquautuuj  eus  est.  Uudc  quacum^ue  iiiensura  tnensurelur  P5<se 
alicujus  rei,  ipsi  rei  existenti  respondet  nunc  ipsiua  durationis 
quaai  menaura.  Unde  per  nunc  aevi  menauratur  ipsam  exiatens, 
cujna  menanra  eat  aevaiD.  Et  per  dooo  aeternitatia  menaurator 
illud  ena,  oajna  eaae  menaarat  aeternitaa.  Unde  aicnt  ae  habet 
quiUbot  actna  ad  id,  cnjna  eaae  eat  actus,  ita  ae  habet  qnaelibat 
daratio  ad  annm  nunc.  Actos  antem  ille,  qni  menanratar  tem- 
pore, differt  ab  eo,  enjna  eat  actna,  et  aecnndnm  rem,  qoia 
mobile  non  est  raotus:  et  secundum  rationem  successioni-s 
quia  inobüi'  non  habet  substantiam  de  numero  sucessivorum,  sed 
permaneiiüum.  ünde  eodcm  modo  Lempiis  a  nunc  temporis  differt 
dupliciter,  scilicet  secundum  rem,  quia  nunc  non  est  tempus,  et 
aecundnm  ancceaatonia  rationem,  quia  tempua  eat  ancceaaiTnm,  et 
non  nnno  temporia.  Actus  autem  qoi  menanratnr  aevo,  actUoet 
ipanm  esse  aeviterni,  differt  ab  eo,  cnjna  eat  actna,  re  qni  dem, 
aed  non  aeenndam  rationem  sncceaaionia,  qnia  nirumqne  sine  sne» 
cessione  eat  Et  aic  etiaro  intelligenda  est  differentia  aeTi  ad 
nnnc  ejus.    Esse  antem  qnod  mensnratur  aetemitate,  eat 

^  cfr.  1.  dist.  lU.  qu.  2.  a.  1.  c. 


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Dki  Verb&ltflis  der  WeseoheU  zu  dem  DMeio  ete.  347 


idem  re  com  eo,  cujas  «st  aotos,  eed  differt  tantum 
ratione.  Et  ideo  aeternitas  et  nunc  aeterDitatis  non  differunt 
re,  sed  ratione  tantum,  ioquantum  scilicet  ipsa  aetcrnitas  re- 
spirit  ipsnra  divinum  esse,  et  nunc  aeteruitatis  quidditatem 
ipsius  rei,  qiiao  secundum  rem  qod  est  aliud  quam  8uum 
esse,  sed  ratione  tantum."^ 

Es  nimmt  sich  recht  sonderbar  aas,  weon  man  dieae  Stellen 
dea  engliachen  Meiatera  lieat  und  dann  mit  der  Bebanptnng  yer- 
gleiebty  der  hl.  Thomas  habe  nirgends  den  realen  Unterschied 
awischen  der  Wesenheit  nnd  dem  Sein  der  Geschöpfe  Terteidigt; 
man  könne  es  dahingestellt  sein  lassen,  welcher  Ansicht  8.  Thomas 
gewesen  sei!  Indessen  übergehen  wir  diesen  Punkt.  Die  Lehre 
des  DucLor  AngeliouH  hat  uns  schon  hinreichend  bobchäftigt. 
Was  wir  hier  betonen  müssen,  ist,  dul's  8.  Thomas  au»  dem 
realen  Unterschiede  der  kreatürlichen  Wesenheit  von  ihrem 
Dasein  den  groft^en  Abstand  Gottes  tod  den  Geschöpfen  darlegt 
Gottes  Wesenheit  unterscheidet  sich  von  seinem  Dasein  nicht 
real,  sondern  aar  Yirtuell,  oder  unserm  Denken  nach  mit  einem 
Ifnodamente  in  der  Sache  aelber.  Er  tat  also  sein  eigen  Dasein, 
bat  nicht  an  demaelben  Anteil,  dieses  ist  vielmehr  real  identisch 
mit  ihm.  Als  notwendigi;  Folge  davon  ergibt  eich  dann  aeine 
Einfachheit.  Denn  jedes  Ding,  das  an  dem  Sein  Anteil  hat, 
dessen  Wesenheit  vom  Sein  .sich  real  uuu  rscheidet,  ist  zu- 
>*aii iinou^esetzt.*  Die  Weseniieit  befindet  Bich  (kilirr  im  ZuHtando 
der  Totenz  bezüglich  ihres  Daseins.  Etwas  Eiatacherc»  als  Gott 
existiert  weder  in  der  Wirklichkeit,  noch  kann  man  sich  ein 
solches  denken,^  denn  er  ist  lauteres  Sein  ohne  Beimischung 
irgend  einer  Potens.*  £r  empfängt  also  nichts  Öber  seine  Wesen- 
heit hinaus,  denn  seine  Wesenheit  schliefst  jt^gliche  Vollkommenheit 
ein.  Dnrch  sein  absolutes  Dasein  existiert  darum  folglich  Gott 
nicht  blofs,  sondern  er  ist  anch  Etwas.  Das,  wodnrch  er  ist, 
und  das  Etwassein  unterscheidet  sich  darum  nicht  sachlich, 

I  1.  e.  a.  2.  c  efr.  1.  diit.  8.  q.  2.  a.  2.  c. 

*  cfr.  1.  contr.  Oent.  eap.  18. 

*  efr.  contr.  Gent.  csp.  82.  n. 

*  1.  p.  q.  9.  a.  1. 


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348 


Dtm  Vcrhiltnis  der  Weieiiliflit  sn  dem  Diaein  etc. 


sondern  nur  in  Besu^  auf  den  Modos  der  Bexeiclinnag,  oder 
gemSTs  nnserer  Anffaesong.^  Hit  Becht  sagt  darum  8.  Htlariva^ 

Gott  bestehe  nicht  nach  menschlicher  Art  aus  einer  Zusammen- 
setzung, 80  dafs  in  ihm  ein  Anderes  sei  das,  was  ei  hut,  und 
ein  Anderes  der,  welcher  etwas»  hat.'  Sprachlich  richtiger  sagt 
man  von  (iott,  er  sei  das  Daseio,  als,  er  sei  das,  was  ist.  Denn 
er  ist  durch  eeine  Wesenheit»  und  die  Beaeichoaog,  ein  Ding 
sei  das,  was  ist,  kommt,  streng  genommen,  jenen  so,  die  an 
dem  Sein  Anteil  haben.*  Der  Name:  „Der  ist'*  kommt  Gott 
dATorn  „eigentümlioh*'  sn,  weil  das  Sein  in  ihm  sieh  rein  fio4e^ 
flieht  Termischt  ist  mit  einer  Fotens  oder  UnTollkommenheit 

Ans  der  Einfaehheit  des  göttlichen  Seins  ergibt  sieh  die 
weitere  Folgerung,  dafs  auch  jede  andere  Zusammensetzung  in 
üott  verneint  werden  miiis.  Denn,  wie  Botithius  sagt,  kann  eine 
eiotache  Form  nicht  Subjekt  s(-in.  Diese  Sentenz  hat  ihre  volle 
Richtigkeit,  wenn  eine  Form  derart  einfach  ist,  dafs  sie  ihr 
eigen  Dasein  bildet,  demnach  von  ihrer  Existenz  sich  nicht  real 
unterscheidet  Dieses  Verhältnis  besteht  nun  thatsächlich  in 
Gott»  und  swar  ansschUefsUoh  in  ibm.^  Der  Grund  davon  ist 
einleuchtend.  Keiner  Natnr,  oder  Wesenheit  oder  Form  wird 
etwas  Fremdes  beigelttgt  Dasjenige  hingegen,  was  eine  Nator 
hat»  also  der  Träger  dieser  Wesenheit  oder  Natnr  oder  Fom 
kann  etwas  Beigefügtes  in  sich  haben.  Die  humanitas  z.  B.  nimmt 
nichts  in  bich  aul,  wa,a  nicht  zu  ihrem  Wesen  geliurt.  Fügt 
man  zu  der  Definition,  durch  welche  die  Wesenheit  der  Dinge 
bezeichnet  wird,  etwas  hinzu,  oder  liifrtt  man  etwas  davon  weg, 
so  erhält  man»  gleich  wie  bei  den  Zahlen,  eine  andere  Art.  In 
Gott  gibt  es  nun  keinen  realen  Uotersohiei  zwischen  dem  Sub- 
jekte» welches  besitot»  und  dem,  was  es  hat  (nulla  est  diffe- 
rentia  habentis  et  habiti)  oder  swischen  dem»  der  Anleil  hat, 
und  was  er  durch  Anteiluahme  besitst.    Er  selber  ist  seine 

<  1.  dist.  8.  q.  4.  a.  1.  ad  2«".  per  squib  esas  absolatnm  non  taotms 
est,  Bsd  aliqaid  est. 

*  de  potentia.  q.  7.  a.  1.  sed  eoatra. 

'  I.  c.  a.  2.  ad  8oo». 

*  l,  dist.  8.  q.  5.  s.  2  ad  4«». 


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Dtt  YerhAltnit  der  Wewnheit  tu  dem  DAsehi  etc.  349 


Natur  oder  WeBcnheit,  er  selber  sein  Daseio.    Es  kann  ihm 
bomit  nichts  Fremdes  oder  Accidentelles  beig-etugt  werden.  Da- 
durch unterscheidet  sich  aber  Gott  wesentlich  von  der  Kreatur. 
Denn  der  Mensch,  welcher  die  mensohliche  Natur  hat,  kann 
noch  etwas  anderes  besitzen,  was  nicht  zar  Natur  des  Menschen 
gehört,  z.  B.  die  weifse  Farbe  nnd  dergleichen.  Beigefügtes 
dieser  Art  wobot  nicht  der  menschlichen  Natnr  (hnmanttati), 
aondera  dem  Menschen  inne.   Dieser  Unterschied  swischen  dem 
Besitzer  und  dem,  was  er  besitzt,  findet  sich  nnn  in  jedem 
Geschöpfe.    In  der  zuBammengeselz,Leü  ivicaLur  int  dieser  Liiter- 
schied   ein  zweifacher.    Das  Suppositum  oder  Individuum  hat 
die  Natur  der  Art,  z.  B.  der  Mensch  die  menschliche  Natur; 
überdies  aber  hat  es  das  Dasein  (et  iiabet  ulterius  esse), 
denn  der  Mensch  ist  weder  die  humanitas,  noch  sein  eigenes 
Dasein.    Daher  kann  im  Menschen  ein  Accidens  sein,  nicht 
aber  in  der  menschlichen  Natnr  oder  deren  Dasein.  In 
den  einfachen  Snbstanaen  hingegen  ist  nnr  ein  ünfeerschied, 
nämlich  der  zwischen  der  Wesenheit  nnd  dem  Dasein.    In  den 
Engeln  ist  jedes  Suppositum  seine  eigene  Natur,  denn  die  QuiddiUit 
des  Einfachen  ist  das  Einfache  selber,  wie  Aviceuua  bemerkt. 
Allein  dieses  Suppositum  ist  nicht  sein  eigenes  Dasein. 
Daram  ist  die  Qniddit&t  selber  in  ihrem  Dasein  subsistierend 
(est  anbeistens  in  sno  esse).   Daher  kann  in  den  Snbstanaen 
«war  kein  materielles,  wohl  aber  ein  nicht  materielles  Accidens 
seia.^  Da  also  Gott  das  Sein  selber  ist»  kann  er  an  nichts  Anteil 
haben,  was  nicht  das  Sein  selber  wSre.    Denn  das  Sein  kann 
au  Ii K  bis  Anteil  haben,  was  nicht  es  selber  ist,  weil  es  nichts 
Forinelleres  oder  Einfacheres  ^ibt,  als  das  Sein.    Dasjenige,  was 
ist,  kann  noch  an  einem  iernercn  Anteil  haben.'    Das  ist  in 
Wahrheit  cius,  sagt  Eoethius,  in  welchem  es  keine  Zahl  gibt. 
Dies  nnn  finden  wir  in  Gott,  denn  wo  eine  Zosammensetsnng, 
dort  ist  anch  eine  Zahl  Gott  ist  nicht  snaammeDgesetst^  er  ist 
vielmehr  die  Einfachheit  selber.'    Das  Sein  ist  dämm  Gott 

*  de  potcntia  q.  7.  a.  4.  c. 
'  1.  foütr.  Geut.  cap.  23. 

*  de  potent,  qu.  7.  a.  1.  arg.  sed  contr.  2<iin. 


350        Das  Verb&Uflis  der  Wesenheit  sn  dem  Duma  ete. 


g«geattber  nicht  em  ZafalKges,  sondern  die  sabsiitierendd  Wahr- 
heit selber,  wie  8.  Htlarins  bemerkt^   Damm  kann  Gott,  ak 

einfache  Form,  auch  Biemals  Subjekt  sein.  Aus  der  Einfachheit 
bezüglich  der  Wesenheit  und  Existenz  folgt  mit  Notwendigkeit 
die  Einfachheit  in  jeder  an  Ii  i  n  ü.ichtung'.^ 

lu  jedem  anderu  Weseo,  aufser  dem  ersteu,  hiugegen  unter- 
scheidet sich  das,  was  ist,  von  dem,  wodurch  ea  ist,  wie 
Boethius  lehrt.'  Dean  jedes  Ding,  das  yon  Gott  seinen  üntprasg 
hat  nnd  swar  in  der  Verschiedenheit  der  Katar,  erreicht  nicfat 
Gottes  Einfachheit.  Baraas  folgt  indessen  noch  nicht,  daft  et 
ohne  weiteres  sosammengesetzt  sei.  Wir  müssen  daram  eine 
doppelte  Kreatur  unterscheiden.  manche   hat  ein  vollkom- 

ment's  Sein  iu  »leii,  x.  B.  der  Mensch  und  desgleichen.  Geschöpfe 
dieser  Art  stehen  von  (jottew  Einfachheit  in  dem  Mafse  ab,  diSi 
sie  eine  Zosammeosetzuug  aufweisen.  Da  nämlich  in  Gott  alleis 
das  Dasein  mit  der  (^aiddität  identisch  ist,  mufs  in  jeder  Kroatnr, 
aei  sie  eine  körperliche  oder  geistige^  die  Qniddität  oder  Natur 
sich  Torfioden,  nnd  überdies  das  Sein,  wa»  sie  für  eich  (sibi) 
von  Gott  empfängt  (acquiritur),  dessen  Wesenheit  ihr  eigenes 
Dasein  ist.  Auf  diese  Weise  wird  sie  zusammengesetzt  sve 
dem  Sein,  oder  dem,  wodurch  sie  ist,  und  dem,  waB  feie 
ist.  Manch  andere  Kreatur  aber  hat  nicht  das  Sein  in  »ich, 
sondern  blofs  in  emeui  andern,  wie  z.  B.  die  erntu  ^iatene, 
oder  überhaupt  jede  Form,  oder  wie  das  Universelle.  Das  Sein 
kommt  nnr  jenen  Dingen  an,  die  partikulär  in  der  Wirklicbkeii 
sQbsistieren.  Ein  Geschöpf  dieser  Art  ist  ebenfalls  einfach,  nicht 
aber  ansammengesetat  Wollte  man  bebaopten,  dals  es  mchti- 
destoweniger  ensainmengesetct  sei  aus  seiner  Natur  selber  nad 
den  Beziehuugcu,  welche  es  zu   Gull  iiat,  oder  zu  dem,  mit 


*  I.  c.  H       srd  contra. 

'  Iu  nulla  ff  crcata  inveoilur  aliquid  simile  diviaae  siniplicitati. 
Ut  halu'iis  sit  id,  qiuxl  lialuniir.  Hoc  cnim  quod  dirunr,  qnod  in  Deo 
est  idein  hahonb  vi  quoJ  habetur  iotelltgitur  de  Ulis,  qua»  ijabeiitur  {»er 
modum  n-rtim,  tioit  antem  de  illis,  quae  habentur  per  modum  iuten- 
tionum.    1  dUt.  33.  q.  1.  a.  1.  ad  2utn  et  3""). 

*  1.  dist.  8.  q.  5.  a.  1.  arg.  sed  contra. 


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Das  VerbäUnis  der  Wesenheit  zu  dem  Daseia  etc.  351 


welchen  e%  zusammeDgesetzt  ist,  so  würde  die  Frage  wieder- 
kehren über  jene  Beziehaogen^  ob  sie  nämlich  eine  8aohe  (ree) 
seien  oder  nlobt  Bilden  sie  keine  Sache,  dann  machen  nie  keine 
Znsammeoaetsnng  ana.   Sind  aie  Sachen,  dann  können  eie  nicht 
abermals  durch  etwas  anderes,  sondern  dnrch  sich  diese  Be- 
ziehungen haben  (ipsae  non  refemntnr  aliis  habitndinibos,  sed. 
Beipsis).    Denn  daB,  was  durch  sich  eine  Beziehung  ibt,  wird 
nicht  wiederum  durch  eine  andero  Relation  eine  Beziehung  haben. 
Man  mufd  folglich  zu  etwas  kommen,  wag  nicht  zusammen  gesetzt 
ist,  was  jedoch  die  Einfachheit  des  ersten  nicht  erreicht.  Dieser 
Abstand  läCst  sich  ans  swei  Faktoren  ermessen.  Denn  entweder 
ist  es  der  Möglichkeit  nach  (in  ptentia)  teilbar,  oder  per  acci- 
dens.  wie  s.  B.  die  erste  Materie  nnd  Form,  oder  das  Allge- 
meine; oder  es  ist  ansammensetabar  (componibile)  mit  einem 
andern.    Die  göUliche  Einfachheit  lalat  keines  von  beiden  zuj^ 
denn  die  Einfachheit  der  göttlichen  Natur  bringt  es  mit  sich, 
dafs  in  ihr  nur  ein  Sinn  vorhanden  heui  kann,  und  dafs  in  ihr 
das  Sein  sich  mcht  anterscbetdet  von  dem,  was  i^t  (quod  est), 
nnd  dem,  wodurch  sie  ist  (qoo  est).^   In  der  Substana  Gottes 
findet  sich  darum  nichts,  was  nicht  sie  selber  wäre,  gleichsam 
ala  gäbe  es  da  selbst  „eio  anderes",  die  Substanz,  nnd  „ein 
anderes",  was  der  Bnbstans  zuiällt  Was  daselbst  erfaCst  werden 
kann,  ist  Snbstans,  wie  S.  Augustinas  bemerkt.*    Die  Voll- 
kommenheit des  SeiuH  k;i.ua   in  dreifacher  liczichuu^  aulgetafst 
werden,   insoteru  sir-  eine  Privatio  oder  ein  Nichtsein  ausschliefst, 
und  diese  Vollkommenheit  ist  gemeint  (vom  Magist.  Bent.)  im 
Worte:  Wahrheit  oder  J^roprietät.    Oder  es  wird  damit  die 
Potenttalität  ausgeschlossen  und  dies  geschieht  durch  das  Wort: 
UnTeränderlichkeit.  Oder  endlich  diese  Vollkommenheit  beaeichnet 
die  Integrität  des  Seios,  und  diesbeattglich  gebraucht  er  das 
Wort:  Ein&ohheit,  denn  was  immer  in  einem  Einfachen  sich 
findet,  das  ist  sein  eigenes  Dasein  selber.^ 

*  1.  c  in  eorp.  art. 

*  1.  dist.  83.  q.  1.  a.  1.  c. 

«  1.  ditt.  8.  Text  des  lltigislr.  Seot. 
«ml.  diit.  8.  q.  3.  expoB.  Im  part.  text. 
Jabibaeb  flbr  PhilMopU«  ele.  Tl.  ss 


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352        Dm  YerhAltnis  der  Wesenheit  lo  dem  Dasein  ete. 


36*^  e)  Argument :  Der  Wesenheit  Gottes  kann  mao  nichU 
beifügen;  jede  Kreatur  hat  neben  der  Wesenheit  noeh 
Beigpefügtes. 

Wenn  das  Weseo  Gottes  dutchaue  einfach  iet,  folgt  dann 
nicht  mit  Notwendigkeit»  daih  Gott  das  eigentliche,  gemeinsime 
Sein  fUr  allen  andere  bilde?  Ist  dann  das  Verhältnis  der  Ge- 
schöpfe so  Gott  nicht  wie  das  des  PartiicalSren  anm  Allge meinen, 

des  Teiles  /um  Ciaazen,  der  EröuhciüUDg  zum  Wesen?  Keines- 
weg9f  antwortet  uns  der  ongliBchc  Lehrer.  Gott  ist  und  bleibt 
von  jeder  Kreatur  unterschieden  und  zwar  dadurch,  dafs  man 
zu  dem  Sein  Gottes  nichts  hinzufügen  kann. 

^Alia  omnia  nomina  dionnt  esse  determiaatnm  et  particc- 
latum,  sicnt  sapiens  dioit  ali^nid  esse;  sed  hoc  nomen  „qni  est*' 
dicit  esse  absein  tum  et  indeterminatum  per  aliqnid  additam. 
Et  ideo  dioit  Damascenus,  qnod  non  signiüoat  qaid  est  Dens, 
sed  significat  quoddam  pelagus  substantiae  infinitnm,  quasi  non 
determinatuQi.  -Aiiquid  potcbt  esse  dislinctum  dupliciter.  Üdo 
modo  per  aliud  aibi  adju  actum,  »icut  liomo  distinguitur  per 
rationalem  difierentiam  ab  asino;  et  tale  distiuctum  oportet  esse 
finitnm,  quia  illud  adjunctum  determinat  ipsum  ad  aliquid.  Abo 
modo  per  seipsnm,  et  sie  Dens  est  distinotna  ab  omnibus  febns; 
et  hoc  eo  ipso,  qnia  nihil  addi  ei  est  possibile.  'Esse  divinnfli, 
qnod  est  ejns  snbstantia  non  est  esse  oommnne,  sed  est  eaae 
distinetum  a  quolibet  alio  esse,  ünde  per  ipsnm  snnm  esse  Dess 
differt  a  quolibet  alio  ente.  ^Ens  commune  est,  cui  non  fit  ad* 
ditio,  de  cujus  uiiucq  ratione  nou  est,  ut  ei  additio  fieri  non 
posait.  iSed  esse  divinum  c.^t  es'»*^,  oui  aou  fit  additiu,  et  de 
ejus  ratiooe  est,  ut  ei  additio  ücn  non  possit.  ünde  divinum 
esse  non  est  esse  commune.  Sicut  et  animalt  commnnt  non  fit 
additio  in  sna  ratione  rationalis  differentiae.  ^on  tamen  est  de 
ratione  ejns,  qnod  ei  additio  fieri  non  possit.  Hoc  enim  est  ds 
ratione  aoimalia  irrationalis,  qnae  est  speoies  animalis. 

'Sicnt  dicit  Commentator  in  libro  de  cansis,  ipsa  bonitai 

'  1.  dist.  8.  q.  I.  a.  1.  ad  4«"».  »  de  potentia  q.  1.  a.  2.  ad  7am 
^  1.  c.  q.  7.  a.  2.  ad  4um.  «  i.  c.  ad  6««.  »  de  veritate  q.  21.  a.  4. 
ad  9*"". 


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Das  Verh&ltois  der  W&Beuheit  zu  dem  Dasein  etc. 


353 


prima  ex  hoc  ipso  individuatar  et  a  canotiB  aliis  dividitur,  quod 
non  reoipit  aliquam  additionem.   Non  aatem  est  de  ratione 
bonitade  abaolate,  at  reoipiak  addilionem,  vel  non  recipiat  8i 
ealm  esset  de  ratione  ejns,  racipere  additionein,  tnno  qaaelibet 
bonitas  additionem  reoiperet,  et  nnlla  esset  bonitas  pnra.  Simi- 
liter  81  esset  de  ratione  ejus  non  recipere  additionem,  nulla 
bonitas  reciperüt,  et  omnis  bonitas  esset  bonitas  pura,  sicut  de 
ratione  animali»  non  est  nec  rationale,  uec  irratiuuuie.    Et  ideo 
boo  ipsum,  quod  est  non  posse  recipere  additionem^  communicat 
bonitatem  absolutam  et  distinguit  primam  bonitatem,  qnae  est 
bonitas  pnra  ab  aliis  bonitatibns.    Hoc  antem  qnod  non  est 
recipere  additionem,  cum  sit  negatio,  est  ens  rationis,  et  tarnen 
fandatnr  snper  simplieitatem  bonitatis  primae.  ^Deas  est  aliqnid 
determinatnm  in  se;  alias  non  possent  de  ipso  ne^ri  conditiones 
aliorum    entium.    Nec  dicitur   determiuulum    ens,  ^iiia  aliquo 
termino  finilus  sit,  sed  quia  per  excellentiam  sui  esse,  quod  est 
simplicifisimura,  additionem  non  recipiens,  ab  omnibus  aliis 
distinguitur.   ^  Forma  omnino  simpIex,  qnae  est  suum  esse,  sicut 
easentia  diTina,  nnilo  modo  poiest  esse  snbjectum,  sed 
forma  simpliciter  snbsistens,  qnae  non  est  snnm  esse,  ratione 
possibilitatis  quam  babet^  potest  snbjectum  esse.   'In  divinis 
propter  snmmam  simplieitatem  non  est  possibilis  additio.  Et  ideo 
BSC  nntrersale,  nec  partionlare.    ^Id  qood  oommone  est,  per 
addiLiüüeiii  specificatur  vel  individaalur.    Comniuae  vel  univer- 
Balo  sine  additione  esse  non  potest,  sed  siuo  additione  conside- 
ratur.   Non  enim  animal  potest  esse  sine  ratiooali  vel  irrationali 
dilferentia,  quamvis  sine  bis  differentiis  cogptetnr.    Licet  etiam 
cogitetur  universale  absque  additione^  non  tarnen  sine  reoepti- 
bilitate  additionis  est   Nam  si  animali  nnlla  differentia  addi 
poaset,  genas  non  esset   £t  similiter  est  de  omnibns  aliis  nomi- 
nibns.   Divinum  antem  esse  est  absque  additione,  non  solnm 
cogitatione.  sed  etiam  in  rernm  natura.   Et  non  solum  absque 
additione,  sed  etiam  absque  recepiibiiilaie  addiiionis.    Unde  ex 

i  1.  dist  24.  q.  1.  s.  1.  sd  Snn.  •  2.  dist.  8.  q.  1.  s.  1.  ad  6«n. 
'  l>  dist  19«  q.  4.  s.  2.  c.  *■  1.  contr.  Geot  cap.  18.  rstio  6s.  de  potentia 
qtt.  7.  a.  2.  sd 

2a* 


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354        Du  VerbUtnis  der  Weieohelt  sn  dem  Dasein  ele. 


hoc  ipso  quotl  :idditioDem  non  recipit,  nec  recipcre  potest,  magis» 
coDcludi  polest,  quod  Dcus  non  sit  esse  commuoe,  sed  propriam. 
Etenim  ex  hoc  ipso  siium  esse  ab  Omnibus  ah'is  distio^oitDr» 
qnia  nihil  ei  addi  potest.  ünde  Commentator  in  libro  do  cansis 
dioit,  qaod  causa  prima  ex  ipsa  puritate  snae  bonitatis  ab  alils 
disUngnitar  et  quodammodo  individuatar. 

Diese  wenigen  Citate  aus  dem  bl.  Thomas  genügen  toIU 
standig,  um  unsere  Behau ptua^  zu  erh&rten,  dars  der  englische 
Lehrer  den  Untersobted  Gottes  Ton  den  Geschöpfen  auf  die  reale 
Verschiedeuheit  des  Daseins  und  der  Wesenheii  in  den  Krcauren 
basiert.  Immer  und  immer  wieder  lesen  wir  in  S.  Thomas,  Gou 
sei  sein  eigen  Dasein,  d.  h.  in  ihm  seien  Wesenheit  und  Sein 
real  identisch,  darum  könne  man  ihm  nichta  beifügen.  Gott  kann 
nicht  das  Gemeinsame,  das  Allgemeine  sein,  an  welchem  das 
Geschöpf  wie  das  Fartikoiäre  sich  verhalt,  denn^  lehrt  8.  Thomaa» 
das  Allgemeine  oder  Universelle  schliefst  swar  in  seinem  Be- 
griffe  oder  Wesen  das  Partiknlare  nicht  ein,  es  schliefst  das* 
selbe  aber  auch  nicht  ans.  In  diesem  Zustande  ist  jedoch  das 
Allgemeine  nicht  etwas  Wirkliches,  tbatsacblioh  Existierendes. 
Es  ist  vielmehr  ein  von  uns  also  üedachtes.  Wäre  Gott  ein 
Allgemeines  oder  Gemcinhamos  dieser  Art,  so  würde  er  nur  in 
iinsern  Gedanken,  nicht  in  der  W irklichktJiL  (  xi^iicit  D, ^  Sobald 
das  Allgemeine  existiert,  ist  es  in  Wahrheit  ein  in  nviduelles. 
Darum  schliefst  dieses  Allgemeine  die  Fähigkeit  ein,  etwas  an* 
deres  anfonnehmen,  wodurch  es  dann  specifioiert  und  individaa- 
lisiert  wird.  In  Gott  ist  diese  Fähigkeit»  ein  anderes  aa&nnehmeD, 
nicht  vorhanden.  Unmöglich  kann  er  also  das  Allgemeine  der 
Pantheisten  sein.  Der  unendliche  Abstand  von  den  Geschöpfen 
ist  in  Gott  dadurch  begründet,  dafb  er  nicht  auftiimmt>  ja  nicht 
autnehmeu  kaun.^  In  seinem  ganzen  Wesen  liegt  vielmehr  die 
Unmöglichkeit,  dafs  ein  anderes  in  ihm  aufgenommen  werde. 
Daher  ist  Gott  in  sich  zwar  sehr  bestimmt,  aber  nicht  beschränkt. 
Bestimmt  kann  ein  Wesen  in  zweifacher  Weise  genannt  werden, 
entweder  vermöge  der  Beschränkung  oder  infolge  der  Uotei^ 


>  1.  coDtr.  Gent  cap.  26.  ratio  4«.  *  de  veritate  q.  21.  a.  4.  ad  9m. 


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Dia  VerhiHois  der  WeieDbeit  tu  den  Duebi  etc.  355 


scheidntig.  Die  Wesenheit  Gottes  ist  in  letzterer,  nicht  aber 
in  crsterer  Beziehung  bestimmt.  ^  lu  einem  doppelten  Sinne 
nämlich  kann  man  von  einem  Dinge  «agen,  daf«  ef>  kein  Bei- 
g-efügtes  annehme.  Entweder  liegt  es  nchon  im  Begriffe  selber, 
dafs  ihm  nichts  hinzugefügt  werde;  und  so  verhält  es  sich  be- 
siiCflich  der  Wesenheit  Gottes.  Denn  ein  Ding  ist  dann  voll- 
kommen, wenn  ee  nichts  mehr  aufnimmt  Dies  darf  man  indessen 
nicht  als  ein  Gemeinsames  anffassen,  weil  das  Gemeinsame  sich 
im  Besondern  findet,  wo  es  etwas  Uinsugefiigtes  erhält  Man 
kann  es  aber  anch  in  der  Bedentnng  verstehen,  dafh  es  im  Be- 
griffe jenes  Wesens  liege,  weder  dafs  ihm  etwas  beigefügt,  noch 
auch,  dal's  ihm  etwas  nicht  bcigclugt  werde.  Mit  Bezug  auf 
diesen  letzteren  Fijl  ist  das  Gemeinsame  ohne  Beifiig-uui;.  Im 
H«M^riHe  det*  Seienden  nämlich  ist  jene  Redmguiig:  ,,ohüe  Bei- 
iiigung''  nicht  enthalten,  sonst  könnte  ihm  überhaupt  nie  etwas 
beigefügt  werden.  £s  wäre  gegen  das  Wesen  desselben.  Daher 
ist  es  ein  (Temeiosames,  denn  in  seinem  Begriffe  besagt  es  zwar 
aiebt,  dafs  etwas  hinzugefügt  sei,  allein  es  kann  ihm  etwas  bei- 
gelägt werden,  wodurch  es  zum  Besondern  bestimmt  wird.  Vom 
animal,  als  Gemeinsamen,  sagt  man,  dafs  es  ohne  Yernn^ft  sei. 
In  seinem  Begriffe  liegt  weder,  dafe  es  eine  Ternund,  noch,  dafs 
es  keine  habe.  Der  Esel  hingegen  ist  ohne  Veruunt't,  weil  in 
seinem  Begriffe  die  Verneinung  der  Vernunft  eingeschlossen  ist. 
Dadurch  wird  er  gemäl's  der  Differenz  zum  Besondern  bestimmt. 
In  dieser  Weise  ist  auch  das  göttliche  Sein  in  sich  selber 
bestimmt  und  von  allen  andern  getrennt,  denn  ihm  kann  man 
nichts  beifügen.*  In  den  Kreaturen  wird  ein  Ding  auf  eine 
dreilkebe  Art  zu  etwas  bestimmt  Entweder  dnroh  Zugabe  der 
Differenz,  die  dem  Vermögen  nach  in  der  Gattung  enthalten  ist; 
oder  dadurch,  dab  die  gemeinsame  Natur  in  einem  andern  auf- 
genommen und  singulSr  wird;  oder  endlick  dadurch,  dafs  ihm 
ein  Accidens  bcigefiigt  wird,  wodurch  es  existierend,  wissend, 
weifs  etc.  genannt  wird.  Keine  dieser  drei  Arieu  findet  in  Gott 
ihre  Anwendung.  Gott  ist  nicht  etwas  Gemeinsames,  weil  seinWescn 

'  Qnndl.  7.  a.  1. 

'  1.  dtst.  8.  q.  4.  a.  1.  ad  ivm.  1.  p.  q.  3.  a.  4.  ad  1»»^ 


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356        Das  Verliiltaii  der  Wewoheit  m  dem  Duefai  etc. 


yerbietet,  daf«  ihm  etwa«  hinzugegeben  werde.  Seine  l^atur  ist 
auch  nicht  in  einem  andern  uutgenommen,  da  sie  ja  reiner  Akt 
ist.  Endlich  erhält  er  anch  nicht  etwas,  was  auTserlialb  »einer 
Wesenheit  wäre,  denn  seine  Wesenheit  schliefüt  jegliche  Voll* 
kommenheit  in  sich.  jSichtsdestoweniger  ist  Gott  etwas  Be« 
Btimmtea  dadnrob,  dafo  man  von  ihm  jede  Zagabe  oder  Bedingnog 
negieren  mnft.  Ans  diesem  Gmnde  nntorscheidet  er  sich  Toa 
^  allen  Dingen,  die  eine  Zngabe  erhalten  können.  Dnrch  das 
absolute  Sein  existiert  dämm  Gott  nicht  nur»  sondern  er  ist 
dadurch  auch  etwas.  Das,  wodurch  er  existiert,  unterscheidet 
nich  von  dem,  was  er  ist,  nicht  nachlich,  sondern  nur  infolge 
unserer  Bezeichnung  oder  AutTassung.  Die  Sentenz  des  Boethins: 
»»alles,  was  ist,  habe  Anteil  an  dem  Sein,  damit  es  existiere, 
und  an  einem  andern  habe  es  Anteil,  damit  es  etwas  sei,*^ 
hat  ihre  Richtigkeit  nur  mit  Bezug  auf  jene  Dinge,  die  an  dem 
Dasein  Anteil  haben.  Sie  wäre  jedoch  folsch,  wollte  man  sie 
auch  Ton  dem  gelten  lassen,  der  wesentlich  sein  eigenes 
Dasein  ist^  Um  etwas  aufnehmen  sn  können,  dasn  ist  dar 
Zustand  der  Potenz  notwendig,  dufs  die  Substanz,  welch»';  ein 
anderes  aufnimmt,  nach  der  Auluaiime  aus  Potenz  und  Akt  za- 
sammongesetzt  ist.  Dies  darf  jedoch  von  Gott  nicht  behauptet 
werden,  denn  er  ist  reiner  Akt.^  Überdies  würde  Gott  in  diesem 
Falle  eine  Ursache  seiner  selbst  voraussetzen.  Denn  alles,  was 
einem  Dinge  sukommt  und  nicht  au  seiner  Weaeabeit  gehört, 
wird  ihm  durch  irgend  eine  Ursache  zu  teil.  Jene  Dinge,  die 
nicht  per*8e  eins  sind,  müssen,  sobald  sie  verbunden  werdaa, 
dnrch  eine  Ursache  ihre  Einigung  finden.  Gott  aber  kennt  keias 
Ursache,'^  er  selber  ist  vielmehr  die  erste  wirkende  Ursache 
und  zwar  aus  dem  Grunde  (eo  ipso),  weil  er  nur  dan  Sein  ist. 

»  1.  c.  ad  2um.     »  1.  contr.  Gent.  cap.  16.  ratio  1*. 

1.  coDtr.  Gi>nt,  cap.  22.  ratio  3». 
«  opasc.  de  ente  et  essentia  cap.  5. 


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DIE  PHILOSOPHIE  DES  HL.  THOMAS  VON  AQLIN. 

Gegen  Frohflehammer. 

Von  Dk.  M  GLOSSXER. 


I- 

EinleUunffm 

Wenn  eine  TbaUache  geeignet  iet,  unsere  These,  die 
Philosophie  des  hl.  Thomas  sei  die  des  CfarietoBtama  und  der 
Zukunft,  in  die  günstig^ste  Beleuchtung  zu  rücken,^  so  ist  es  der 
Kampf  und  di?»  Kampfes  weise,  die  in  neuester  Zeit  gegen  diesp 
Philosophie  geluhrt  \ind  n:eüht  werden.  Zunächst  ist  schon  der 
Kampt'  ein  bedeulsainert  Zeichen  der  Zeit.  Man  ist  zur  Uber- 
zeugTing  gekommen,  dafs  die  zur  Schau  getragene  Geringsciuitzung 
und  Verachtung  der  Scholastik  und  des  ScholastiKchen  nicht 
mehr  genügt  Mau  langl  an,  sich  mit  ihr  ernstlich  zu  beschäf- 
tigen. Lehrrdeh  ist  auch  die  Weise  des  Kampfes.  Er  spitzt 
sich  zu  einem  Angriff  gegen  die  philosophisebe  Weltanschannng 
dea  Christentums,  des  Christentums  selbst,  wenigstens  des  poai- 
tiTen,  wie  es  sich  selber  gibt,  an,  ja  au  einem  Angriff  auf  die 
positiTe,  anf  die  wirkliche  Religion.  Wenigstens  gilt  dies  von 
dem  neuesten  Gegner  der  Philosophie  des  hl.  Thomas  von 
Aquin.^ 

Indem  wir  von  der  ausführlichen  Kritik,  welche  der 
Münchener  Professor  der  Philosophie  J.  Frohechammer  an  dcr- 
pelben  übt,  zunächst  eine  allö-emeinc  Charakteristik  entA«>  orten, 
haben  wir  allerdings  ein  bedeutendes  subjektives  Element  in 
Betracht  zu  ziehen.  Es  ist  die  aus  persönlichen  Erlebnissen 
stammende  Verbitterung,  die  sich  weniger  gegen  die  Wissen- 
schaft des  A(^uinaten  als  gegen  die  „praktische  Macht,  die  Thomas 
mit  seiner  Philosophie  erlangt  hat^  aeitd^n  er  offisieU  snm  Heer- 
fubrer  der  scholastischen  Streiter  erhoben  ist"  (Vorrede  8.  Y), 
mit  andern  Worten  gegen  die  Hierarchie  und  die  Religioni  sofern 
sie  eine  socialpolitisohe  reale  Ifaoht  ist,  richtet   Aus  dieser 

»  S.  dieses  Jahrbuch  Bd.  II.  S.  137—206. 

'  J.  FrohsGh&miner.    Die  Philosophie  des  Thomss  tob  Aquin. 

i^eipzig  I8e^>. 


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358 


Die  Philosophie  des  hl.  Thomas  von  Aquin. 


Quelle  fliefsen  die  alle«  JMafs  überschreitenden  Anklagen  ^eg^en 
die  positive   Religion,    die   (!;is   Gewisisen  unterdrücke,  jedem 
menschlichen  (jeriihl  Schweigen  auterlege,  da  es  n-^^ireo  (jottes- 
ieinde  keine  GewiHSf»n«prtieht  gebe  und  kein  Menschenrecht  zu 
reepeklit  ren  sein  konoe  (>.  157).    Der  Kampf  des  Münchener 
Professors  gegen  den  hl,  Thouias  ist  also  ein  Kampf  gegen  die 
iiieiarchie,  die  augeblich  im  Bunde  mit  den  unwisseudun  Massen 
die  Wissenschaft  —  nämlich  die  moderne,  freie  —  und  die 
Civil isation  bedroht  (Vorr.  a.  a.  0.).    Wenn  die  Stimme  des 
gläubigen  Volkes  durch  seine  Abgeordneten  eine  Yertretong 
christlicher  Wissenschaft  an  den  höchsten  Lehranstalten  des 
Landes  fordert,  so  sieht  darin  der  Kritiker  des  englischen 
Lehrers  nicht  allein  eine  Beeinträchtigung  der  Freiheit  der 
Wissenschaft,  sondern  auch  eine  Getieihr  för  den  konfessionellen 
Frieden  und  ruft  den  Liberalismus,  den  Fatriotismnn  und  vor 
allem  den  modenu'n  Staat  selbst,  der  die  Wissenschaft  schütze 
und  sich  von  der  Kirche  fernerhin  nicht  mehr  als  Werkzeug 
der  ünterdriieknng   brauchen  lasse,    zu   Bundesgenossen  auf. 
(Vorr.  S.  XIV  if.    S.  lf)7  f.    S.  2ö5.)     Selbst  in  diesen  des 
Mannes  der  Wissenschaft  unwürdigen  Denunziationen  und  Aul- 
rci^uugeu  gibt  sieh  ein  ctuu aktcriätischcs  Merkmal  der  modernen 
Wissenschaft  kund:  es  ist  die  feige  Furcht,  die  dem  schola- 
stischen Gegner  die  gleiche  Luft  nnd  das  gleiche  Licht  mifsgönnt. 
Man  spricht  von  Freiheit  der  Wissenschaft,  meint  aber  im 
Grnnde  das  Monopol  des  Unglaubens  und  nimmt  fnr  diesen  die 
Machunittel  des  Staates  in  Anspruch.   Um  den  hierin  liegenden 
Widerspruch  zu  verhüllen,  klagt  man  die  kirchliche  Wissenschaft 
der  Unfreiheit  an  und  spricht  mit  Geringschätzung  von  jeneOy 
welche  die  höhere  Norm  der  göttlichen  Offenbarung  anerkennen, 
als  wäre  es  eine  von  vornflif^reir»  ausgemachte  ^Sache,  dafs  der 
Glaube  nur  hemmend  und  erdrückend,  nicht  (ordernd   uikI  er- 
hebend auf  die  siiekulative  Forschung  einzuwirken  vermöge. 

Dieser  Taktik  entspricht  es,  dafs  die  miichtig  anschwellende 
Bewegung  zu  gunsten  der  thoraistischcn  Philosoj)hie  als  ein 
künstliches  Frodukt  hierarciiiecher  i'^inwirkung  hingestellt  wird; 
denn,  wenn  das  ganze  Eirchensystem  mit  seiner  Hierarchie  nnd 
seinen  absoluten  Ansprächen  auiVecht  erhalten  werden  solle,  bo 
müsse  die  thomistische  Theorie  wieder  zur  Geltung  und  Durch- 
führung kommen  (B.  157).  Um  dies  in  wirksamer  Weise  sn 
bewerkstelligen,  bediene  man  sick  als  einer  Hauptstütze  der 
ungebildeten  Volksmenge  und  des  politischen  Einflusses,  den  das 
Volk  durch  seine  vom  Liberalismus  errungenen  parlamentarischen 
Hechte  besitze.  (S.  XIV.) 


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Einleitong. 


359 


Diese  Ergüsse  eines  verbitterten  Gemütes  verdienen  keine 
Wiiltirlüguu^,  da  bie  im  Wider8pruchc  mit  otTeukuiidigeo  Tiiat- 
saohen  stehen.  Die  thomietisolie  Bewegung  ist  kein  kliniitUcheB 
Enengnis  und  älter  als  das  päpstliche  Randschreiben  Aeterni 
Patris.  Sie  Terdankt  ihren  Ursprung  nicht  sum  geringsten 
Teile  dem  trostlosen  Zustande  der  Philosophie,  ja  der  Wissen- 
schaft überhaupt^  die  sich  in  den  feindlichen  Gegensatz  ideenloser 
Empirie  und  empirieloser  Spekulation  gespalten  hat.  Nichts 
illustriert  diesen  Vorfall  in  «rrfllon«!-  Weise  als  das  eig'ene 
bystem  de»  modernoii  Kritikers  der  Scholastik.  Die  schöpferische 
"WoltphantaHie  Frohöchammcrs  ist  ein  würdiges  Pendant  zu  dem 
blinden  Weltwillen  der  possimihitst  Ii»  n  Philosophon.  uus. 
Schritt:  Der  moderne  Idealismus.  Muü?.ter  188U.)  Beide  aber 
sind  natürliche  Früchte  subjektivistischer  moderner  Weltan- 
•chanung,  die  ihre  Wurzeln  nicht»  wie  der  Kritiker  meint,  auf 
Angnstin,  sondern  auf  Descartes  zurückfuhrt  Denn  der  grofse 
Kirchenlehrer  erkannte  zwar  in  der  SelbstgewiTsheit  des  loh  ein 
festes  Bollwerk  gegen  den  Skeptizismus,  keineswegs  aber  ein 
höchstes  und  universales  Kriterium  natürlichen  und  übematür* 
liehen  Erkenneos. 

Verdient  nnn  aber  ein  Gog-ner,  dessen  klarer  Blick  «Inrch 
persönliche  Sti;iiiDung  und  theoretische  Vorurteile  zugleich  getrübt 
erscheint,  überhaupt  ernstliche  Beachtung  und  Widerlegung? 
Zwei  Erwägungen  nind  es,  die  uns  bestimmen,  diese  Fraire  zu 
bejahen.  ErßicDs  nämlich  zeichnet  sich  Fr.  trotz  aiicdcui  vor 
anderen  Gegnern  des  hl.  Thomas  durch  ein  genaueres  und 
tieferes  Singehen  in  das  Einzelne  und  Ganze  der  thomistischen 
Lehren  aus.  Zweitens  kann  der  Mttnchener  Kritiker  als  ein 
Bepräaentant  fiir  Tiele  gelten,  da  seine  Einwendungen  durch 
ihr  speciftsch  modernes  Gepräge  zur  Auseinandersetzung  der 
thomistischen  Philosophie  mit  der  modernen  Denkweise  überhaupt 
Veranlassung  bieten;  denn  selbst  das  eigentiiinlicho  System  des 
Kritikers,  in  welcher  die  Phantasie  als  Grundprincip  figuriert, 
woraus  alle  Erscheinungen  in  ^'atur  und  Geist  abgeleitet  werden, 
ist  ein  echt  modernes  Gewächs,  das  in  der  ,,prüiiukiiveu  Ein- 
bildungskraft" der  vorangegangenen  Systeme  wurzelt.  Wir 
haben  hiermit  einen  der  wichtigsten  Differenzpunkte  berühr^  um 
welehen  sich  die  Kontroverse  zwischen  scholastischer  und  neuerer 
Philosophie  bewegt,  nämlich  den  der  YenuiscbuBg  des  Geistigen 
lud  Sinnlichen,  die  entweder«  wenn  zu  gunsten  des  Geistigen  und 
Begrifflichen  geschehend,  den  Intellektualismus,  oder  den  Sen- 
analismns  und  Materialismus  nach  sich  zieht,  sobald  das  Geistige 
dem  Sinnlichen  zum  Opfer  gebracht  wird:  in  allen  Fällen  aber 


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360 


Die  Pbilotopliie  dm  bL  Thomas  von  Aqoia. 


einer  DuiuriiliHlisciieu  und  maiurialiätiscliou  Weltaut»chauuüg  Vor- 
achnb  leistet  (A.  a.  0.  S.  5  ff.)  Wir  werden  ans  deshalb  vor 
allem  der  tbomistiscben  Erkenntnislehre  nnd  swar  soosehat  4er 
Theorie  von  der  sinDlicben  Erkenntnis  ausnwenden  haben,  die 
Fr.  selbst  snni  ersten  Gegenstande  seiner  Darstellung,  besiehrags- 
^ireise  znr  Zielscheibe  seiner  Angriffe  maoht 

n. 

IHe  Theorie  vom  sinnlichen  Krhennen» 

Der  arUtotelisch  -  thomisti selten  Theorie  von  der  tiaiuiiiel- 
baren  sinDlicben  Wahrnehmung  »teilt  F.  das  bedeutsame  Zoiigoiii 
au»,  es  sei  darin  erstens  als  richtig  anzuerkennen,  dafs  jeder  Jjinu 
sein  eigentümliches  Gebiet  oder  Objekt  der  Wahrneiimung  habe, 
zweitens  dafs  dieselben  mehr  oder  minder  Bilder  des  Wab^ 
genommenen  gestalten,  drittens  dafs  auch  die  Objektivitsi  der 
Sinnesfnnktionen  mit  Beeht  nicht  in  Abrede  gestellt  werdea 
könne »  viertens  endlich,  dafs  alles  Erkennen  mit  Sinneswall^ 
nehmang  beginne  und  der  höheren  Thätigkoit  durch  den  Verstand 
das  Material  darbiete.  (S.  20.) 

Hit  diesen  Zugeständnissen  ist  bereite  die  Festigkeit  der 
Grundlagen,  aof  welchen  die  Philosophie  des  hl.  Thomas  auf- 
gebaut ist,  anerkannt:  wir  werden  deshalb  mit  Zuversicht  an 
die  Prüfung  des  Baues  selbst  herantreten  dürfen.  —  Die  Be- 
denken, die  F.  gleichwohl  gegen  die  T-ehre  von  der  sinnlichen 
Wahrnehmung  erbebt,  dal«  nicht  klar  g<'nj;icht  werde,  wie  die 
Sinnenbilder  ohne  Stoff  in  die  Sinne  gelangen  sollen,  da  das 
Stott'lichu  uiciitü  all  die  Seele  abgebe,  andererseits  aber  diese 
Bilder  nicht  Kchou  kuimhat'l  vorhanden  'l\x  sein  scheinen,  diese 
Bedenken,  sage  ich,  beruhen  auf  einem  wiederholt  gerügten 
Vorurteile  der  neueren  Philosophie,  daTs  es  nur  aktnales, 
nicht  potenniales  Bein  gebe.  Die  Sinnenbilder  sind  in  der 
Seele  (genauer:  in  den  Sinnen)  der  Möglichkeit,  nicht  der  Wirk> 
lichkeil  nach:   ?/  '^^  ovxa  xciq  (nämlich  öwdftft)  ioxi 

xdvxa  .  .  .  Tj  6*  alod-TjOiq  ta  alöB-i^a.  Ar  ist  de  .\nima  IlL  8. 
Diese  Möglichkeit  wird  durch  den  kausalen  Einflafs  der  Sinnen' 
Objekte  aktuiert,  nicht  dadurch,  dafs  etwas  von  den  letzteren  in 
die  Seele  über^'«ht,  »ondern  dadurch,  dafs  unter  dem  Einfluf? 
den  aktnali'ii  f^^egenwärügeii  (Objekts  die  Seele  diesem  sich  ver- 
ähulieiiL  und  so  von  der  Möglichkeit  zur  Wirklichkeit,  von  der 
Potenz  in  den  Akt  übergeführt  wird.  Wir  haben  hiermit  eio 
allgemeines  Gesetz,  das  von  jeder  Veränderung,  von  allem 
Werden  gilt,  dessen  Leugnung  die  Realität  des  Kauäuiverhait- 


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Dat  lin&licb«  Erkennen. 


nissc«  überhaupt  in  Frage  stellt,  wie  dies  von  uns  an  einem 
andern  Orte  nachgewiesen  worden  ist.  (Jahresbericht  der  borres- 
gesellschaa  für  1^^83.  S.  32  il) 

Gerade  diese  Theorie  von  einer  Aktuierung  der  Seelen- 
potenz dnrob  die  Sinoenobjekte  wird  von  F.  entschieden  bestritten. 
Seine  Binwendungen  gegen  die  thomistieche  Lehre  von  der 
einnlichen  Erkenntnis  Inntes  im  einzelnen:  1.  Der  Gemeineinn 
habe  keine  eichere  Begrttndang  nnd  biete  manche  Schwierig- 
keiten, denn  wäre  derselbe  rein  passiv,  so  konnte  er  nicht  die 
Einzelnwahrnehmu Ilgen  zu  einer  Gesamtauffassnng  vereinigen, 
vielmehr  mtt&te  steh  der  Gegenstand  selbst  ihm  gegeatiber  als 
das  Aktive  und  Aktuierende  erweisen,  und  die  einzelnen  Sinne 
würden    a!»  überflüs'^i'T   erHcheinen;    das   die  Wahrnehmungen 
Vereinigende  sei  vi«  imeljr  die  eine  JSfele  und  die  Einheit  des 
Bewuratöeins;  2.  bei  der  Hinnlichen  Waluneiininng  Bei  nicht  der 
äufsere  Gegenstand  das  Gestaltende,  sondern  die  Sinne  8<'lbst  auf 
den  äufseren  Reiz  hin;  dies  gelte  wenigstens  von  den  sog.  eekaudären 
Quaiitülen,  weniger  entschieden  (!)  für  die  primären,  woraus 
nbrigeos  nicht  die  Berechtigung  des  subjektiven  Idealismns  folge, 
weil  die  Wahmebmung  zugleich  von  objektiven  Vorgängen  nnd 
Bedingungen  abhängig  sei;  B.  die  thomistisohe  Lehre  sei  nicht 
imstande,  den  Idealismns  zu  Uberwinden,  denn  die  ünterscheidnng 
von  Erkenntnismittel  und  Erkenntnisgegenstand  enthalte  awar 
eine  Ablehnnng,  nicht  aber  eine  Widerlegung  desselben. 

Fassen  wir  zuerst  die  gegen  den  Gemeinsinn  erhobenen 
Einwendungen  ins  Ange,  so  ist  die  Begründung  desselben  voll- 
kommen sicher;   denn  da  wir  thatsächlich  die  Wahrnehmungen 
üei  rinzeluen  Sinne  in  einem  Bewur^tsein  verriniircn,  und  dieses 
Bev.  u [> ix'in  nnr  ein  »innliches,  eine  der  sinnliclieu  Wahrnehmung 
gleichaiuge  Krkenntnis  sein  kann,  so  ist  damit  eben  der  Gemein- 
sinn als  sinnlicht's  Hewufstsein  gegeben.   Von  diesem  aber  mufs 
sowohl  die  subbLunzielle  Einheit  der  Seele  selbst  alb  auch  das 
intellektnelle  Bewafstsein  ontersohieden  werden;  denn  jene  bildet 
die  notwendige  Voranssetsung  jeder  Thatigkeit  der  Seele  nnd 
des  Beseelten,  dieses  aber  gehört  dem  Intellekte  an,  der  sich 
nicht  wie  die  Sinne  organisch,  sondern,  wie  wir  sehen  werden, 
organlos  bethätigt.   F.  verwirft  diese  Unterscheidung  und  pole- 
misiert von  diesem  seinem  Standpunkt  gegen  die  thomistisohe 
.  Unterscheidung.    Die  Entscheidung  wird  also  anderswo,  nämlich 
in  der  richtigen  Bestimmung  des  Verhältnisses  von  Intellekt  und 
Sirnlichkeit  1iep*fm.    —  Was  von  der  Passivität  des  GcmeinftinnR 
gesagt  wird,  beruht  auf  einem  Milsversiändnis  der  thomistischen 
Theorie;  denn  nach  dieser  verhält  sich  kein  Erkenntnisvermögen 


362  Die  Philosophie  des  hl.  Thomu  von  Aqaiii. 


ansschlidfsUeh  passiv,  sonclern  tritt  in  Thfitigkeit  und  TerUUt  nch 
aktiv,  oachdem  es  durch  Einwirkaog  von  aoffien  aus  dem  Znstand 
der  Möglichkeit  in  den  der  Wirklichkeit  ttbergegangeo  ist  Die« 
gilt  anch  vom  Gemeinsinn,  der  allerdinga  dnrob  die  Binwirknng 

der  äufseren  Objekte  zar  Thätigkeit  erregt  wird,  nicht  unmittelbar 
jedoch,  soodero  infolge  der  Thätigkeit  der  einzelnen  iSinne;  denn 
der  GemeioBinn  und  die  einzelnen  Sinne  verhalten  sich  nicht  wie 
getrennte  Vermögen,  sondern  bilden  wurzelhaft  ein  Vermöjren, 
das  sich  in  den  »pecieUen  äinnea  in  ebenso  viele  Zweige  ent- 
faltet.» 

I)<*r  weitere  Einwand,  dafs  die  Sinue  die  (nach  Locke) 
Bekumiaren  QualiUten  selbst  bilden,  beruht  auf  unbewiesenen 
Voraussetzungen,  nämlich  einerseits  auf  der  gegen wänig  fast 
allgemein  herrschenden  Annahme  der  Subjektivität  der  sensiblen 
Qualitäten  (vgl.  dieses  Jahrbuch  Bd.  IV.  &  217  ff.),  andererselto 
anf  der  eigentümlichen  Theorie  Frohecb.s  selbst  von  einer  objektiv 
in  der  Natur,  subjektiv  in  der  Seele  sich  bethätigenden  allge- 
meinen Bildnngsmacht  (Phantasie).  Wir  haben  an  diesem  Orte 
weder  auf  die  eine  noch  die  andere  der  genannten  Annahmen 
einzugehen  und  antworten  nnr  nuf  die  Behauptung,  die  Lehre 
des  hl.  Thomas  vom  sinnlichen  Erkennen  sei  nicht  imstande,  den 
Idealismus  zu  überwinden.  Zunächst  sei  bemerkt,  dafs  selbst 
im  iint^ninstig'steD  Falle  die  thomistische  ^innenlheorie  den  unbe- 
streitbaren Ansprneh  erheben  darf,  die  Objektivität  der  Erkenntnis 
unang'etastet  bestehen  zu  lassen.  Gesetzt  ulso,  es  liege  in  der  thomi- 
stisclien  Unterscheiüu  D^r  von  Erkenntnismittel  und  Erkenntnisgegen- 
Btaud  Lur  eine  Ablehnuiig,  lüt  lit  eine  Widerlegung  des  Idealismus 
(S.  22),  80  könnte  gegen  die  Theorie  des  hl.  Thomas  hieraus 
ein  Vorwurf  umsowoniger  geschöpft  werden,  als  es  vielmehr  die 
Aufgabe  des  Idealismus  wäre,  seine  der  allgemeinon  Ansicht  und 
der  Stimme  der  Natur  selbst  widersprechende  Behauptung»  dals 
,»man  es  mit  Gegenständen  in  Wirklichkeit  nicht  zu  thun  haben 
könne*',  zu  erweisen.  Allerdings,  wenn  man  unter  „Widerlegung 
des  Idealismus"  einen  eigentlichen  Beweis  für  die  Wirklichkeit 
der  Gegenstände  versteht,  so  ist  der  Idealismus  damit  nicht 


*  Unde  oportet  ad  sensuni  commnnem  periinere  diter«tioui8  jadieioni, 

nd  quem  rrfi-rantiir  sicut  ad  conimunem  trrniinuni,  (itnuos  approlit-n- 
t^iones  sonbiiiiin,  a  quo  ctiam  percipiuntiir  actinn»'S  si  nsuum,  hiciit  cum 
aliquis  videt  se  vidcre.  Hoc  tnim  nuu  potest  iieii  |>er  äensaiu  pioprmm. 
qui  non  cognoscit  iiisi  formam  sensibilis  a  quo  imnratstor;  in  qoa 
imTT  n'it'ione  percipitnr  visin,  et  ex  qua  immutalione  sequitur  alia 
i  m  ui u t a t i o  in  sensu  c o m m  u  n i  qui  visionem  percipit.  8.  Th.  I.  qu. 
78  art.  4  ad  2.   Qu.  de  Au.  a.  13. 


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Das  sinnliche  Erkennen. 


363 


widerlegt,   duls  man  konslaliert,  man  habe  eu  ihm  gemäfs  nur 
mit  Vorstellungen,  nicht  mit  Gegenständen  zu  thun.    Indem  man 
aber  konstatiert,  dafs  der  Idealisrans  mit  dem  allj^eiueiDun  und 
notwendifTcn  Rewnfstaeiü,  deoiznloiir«'  wir  es  in  der  Wahrnehmung 
eben  mit,  wirklichen  Gegenständen  z,ü  Uiua  imbun,  in  W ider^pruch 
tritt,  80  liegt  hierin  ein  Moment,  das  einer  Widerlegung  voll* 
kommen  Sqnivaliert   Dem  BiDwaod  des  Idealismos  aber,  daf« 
wir  nor  durch  VorstelloDgen  bq  GegenstaadeD  gelaugen,  also  ea 
unmittelbar  nnr  mit  Vorstellnogen  an  Uraa  haben,  wird  dareh 
die  angeführte  thomiatisohe  Unteneheidnng  ▼ollkommen  genügt, 
wie  denn  auch  Keaere,  z.  B.  Überweg  mit  Üecht  gegen  Berkeley 
dieser  XJnterecheidaog  sich  bedienen.^  Gegenüber  demldeaÜamna 
Ist  das  allgemeine  und  allgemein  anerkannte  Bewtifstsein  im  Bo- 
8itZf*taTid,   lind  f-s  lag^e  dt-m  Ideahsiiius  ob,  den  ütiweis  für  das 
Gegi  nt<  ii    zu  liihren.     Die   Aiitprabe   der   W isseoHchaft  iat  im 
gegebenen   Falle   durch  Aut'stcilung  einer  Theorie  erfüllt,  die 
dieuer  Tbatsache  iierhnung  träfet,  wie  sich   denn   Fr.  selhnt 
«chhefslich   auf  das  gesunde  Bewufötsein    ui.d   Denken  beruit. 
(S.  24.)    Dies  ist  aber  in  der  thomiHtischcn  Philosophie  nicht 
blofe  iDsofero  der  Fall,  als  sie  zwischen  Mittel  uod  Gegeostaod 
dea  Erkennend  nnterscheidet,  soodem  aach  iasofern  die  Reaep- 
tivität  der  Sinne  angenommen  wird.  Denn  nnr  wenn  die  Sinne 
In  der  Wahrnehmung  eich  passiv  nnd  antnehmend  verhalten,  ist 
die  volle  Bürgschaft  filr  die  Objektivität  der  Wabrnebmong,  und 
da  dieae  die  Grundlage  aller  weiteren  nnd  höheren  Erkenntnisse 
bildet,  unseres  Brkennens  überhaupt  gegeben,  nicht  aber  int  dies 
der  Fall,  wenn  die  Wahrnehmnogen  nnr  »ubjektive  Gebilde  auf 
äulsere  Reize  hin  sind.    Gegen  diese  letztere  Annahme,  zu  der 
auch  Fr.  «ich  bekennt,  hätte  der  Idealismus  ein  leiclUfB  spipi. 
Denn  woher,  könnte  er  fragen,  wissen  wir,  flal'ö  dieöe  aubjekUven 
Gebilde  mit  den  äufseren  Objekten  übertMusUinmen?    Wtiun  dann 
überdies  dem  Idealismus  eingeräumt  wird,  dals  eine  solche  Über- 
einstimmung beziiglich  der  sekundäreu  Q,aaiii<ii>  u  uicht  beblehl, 
mit  welchem   Rechte  dürfen  wir  sie  bezüglich  der  primären 
Qualitäten  aanehmen? 

Fragen  wir,  waa  der  Kritiker  Besseres  als  der  heil. 
Thomas  gegen  den  Idealismus  voranbringen  wisse,  so  finden  wir 
statt  einer  befriedigenden  Antwort  die  Anklage,  dafs  gerade 
Piaton  nnd  AriNtoteles,  denen  die  Scholastik  gefolgt  sei,  durch 
ihre  sohroffe  Trennnag  von  Intellekt  und  Sinnlichkeit  den 
Idealismus  vorbereitet  nnd  verschuldet  haben.   Carteaius  sei  in 


>  V.  Ktrchnaon,  Pbiloioph,  Bibliothek,  2S.  Heft,  &  III. 


364 


Die  PbiloBopbie  des  U.  ThomM  von  AqoiD. 


dieser  Richtung  noch  weiter,  am  weitestea  Berkeley  gegaagea. 
Der  h).  Thomas  also  ein  Vorläufer  Beriteleys!  Wenn  nnr  die 
gesohiobtlicben  Daten  mit  den  Aogaben  Fr.s  harmonieren  wftrdea! 
Das  wirkliche  geschiobttiebe  Verhältnis  Ist  ein  Tollig  Ter- 
scbiedenes.  Gartesius  bat  awar  wie  Geist  nnd  Körper  nberhaopty 
so  auch  Mensch  nnd  Tier  inaoferii  schroff  von  einander  irf  trennt, 
als  er  im  lot/.tcren  nur  eine  Maschine  ohne  psychische  Thätigkeit, 
ohne  Empfindung-  und  Reg^ehren,  erblickte.  Dag^eg-cn  hat  er  in 
keiner  Weise  sinnliches  und  intellektuelles  Erkennen  getrennt, 
sondern  vieiraehr  jenes  in  dieses  anfgelöst.  Ist  er  schon  hier- 
durch der  lieirriinder  des  Ideali^Jinus  geworden,  so  noch  aiH 
andern  Gründen,  vor  allem  dadurch,  dais  er  das  Ich  und  seine 
Zustände  —  cogito  —  allein  als  das  ursprüngliche  Objekt  der 
Erkenntnis  betrachtete  nnd  von  da  keine  solide  Brücke  mehr 
an  einer  objektiv  bestehenden  Anlhenwelt  an  finden  wnthte. 
Endlich  griff  er  die  längst  yerlassene  Theorie  Demokrits  von 
der  Habjektivität  der  sensiblen  Qualitäten  wieder  auf,  die  von 
ihm  auf  Locke,  Malebranche  und  Berkeley  überging.  Der 
Letztere  aber,  der  von  einer  Trennung  von  Intellekt  und  Sinn- 
lichkeit überhaupt  nichts  wufste  und  nicht«  wissen  wollte,  da  er 
andere  als  sirtnlieh'^  .,Idprn''  nicht  anerkannte,  leitete  aus  den 
Hubjekliviöliüchen  Ansichten  seiner  modernen  Vorgänger  den 
extremsten  Idealisrons  ab.  Dies  ist  das  wahre  geschichtliche 
Verhältnis,  wie  wir  an  einem  andern  Orte  uachge wiesen 
haben,  ohne  von  irgend  einem  Vertreter  der  modernen  An- 
schannngen  widerlegt  worden  an  sein  (Das  moderne  Prindp 
XL  a.  w.  Begensburg  1880) :  ein  Verhältnis,  das  wir  ans  dnroh 
den  Kritiker  des  englischen  Lehrers  nicht  ins  Gegenteil  ver^ 
kehren  lassen  m> erden! 

Mit  Unrecht  spricht  Fr.  von  einer  schroffen  Trennung  des 
Intellekts  von  der  Sinnlichkeit  bei  Thomas.  Gerade  das,  was 
er  angeblich  selbst  will,  dafs  die  Seelenverraögen  als  ein  Orga- 
nismus ineinander  greifender  Krätte  gefafst  werden,  wovon  der 
Intellekt  nicht  losgelöst  werden  dürfe,  hat  der  englische  Lehrer 
in  der  giunzendsteu  Weise  geleistet,  freilich  nicht  so,  dals  der 
Intellekt  in  die  sinnliche  Erkenntnis  sich  mischt  (wie  Frohscb. 
8.  23  annimmt),  sondern  in  dem  Sinne,  dafo  die  Veratandes- 
krafte,  wie  sich  nns  weiterhin  zeigen  wird,  in  lebendiger 
Wechselwirkung  mit  den  Sinnen  sieb  bethatigen.  Der  Verstand 
ergreift  in  den  nach  Erscheinung  und  Basein  von  den  Sinnen 
antgefafsten  Gegenständen  das  diesen  unzugängliche  ailgemeiDe 
und  notwendige  Wesen  derselben.  In  dieser  Auffassung  ist  der 
Idealismus  ansgeachiossen,  während  in  Frohsch.s  Ansicht  von 


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Dm  aimdiehe  Erkcnoen.  365 


eioer  allgemeinen  BildnngBmacht,  die  in  der  Aurbenwelt  wie  io 
Sinn  nnd  Intellekt  gestaltend  wirkt,  unschwer  einer  der  letzten 
Auaittuler  des  modernen  Idealismus  zu  erkeuueu  i.sc,  wie  wir  in 
der  bereits  angeführten,  von  Fr.  totgeschwiegenen  Schrifl^ 
i&berseageiid  nacbgewieMii  su  haben  glaabes.  Der  reale  Unter» 
aebied  vod  Verelaod  und  SinnHobkeit  aber  mnlb  trots  des 
organiaohen  laeinandergreireiiB  beider  aofrecbt  erhalten  bleiben, 
eolaDge  ihre  Fermalobjekte  weaeatlich  Teraohieden  »ind  nnd  eo- 
lange  die  natürliche  Scheidewand  zwischen  Mensch  nnd  Tier 
beetehen  bleibt»  die  der  Darwinismus,  die  eigentliche  Grundlage 
der  philoBophischen  Phantaetik  Frobschammers,  vergeblich  nieder- 
snreirAen  versucht. 

Von  der  thomistischeD  AutFassung  der  inneren  bione  gibt 
Vr.  ÄU,  dals  sie  im  allgemeinen  den  Tliatsachen  des  psychischen 
Geschehen«  entspreche,  es  trete   aber  in  ihr  der  Mangel  der 
gesamten  Erkenntnistheorie  zu  Tage,  der  eben  in  der  Trennung  dos 
Intellekts  von  der  Sinnlichkeit  bestehe.    ludem  die  Erinnerungs- 
kraft and  die  vis  cogitativa  als  Steigerang  der  niederen  Seelen- 
krafte  betrachtet  würden,  eei  die  Steigerangsföhigkeit  der  letateren 
anerkannt,  mnsee  also  anch  den  Tieren  zugestanden  werden, 
nmeomebr  da  die  Ton  Thomas  selbst  betonte  Bedentnng  des 
Sinnlichen  und  der  Materie  für  das  Geistige  snr  Annahme 
dränge,  dafs  sie  nur  Mittel  seien  für  die  allmähliche  Entwick^ 
lung  des  objektiven  Geistes  zur  subjektiven  Vernunft  oder  zum 
Intellekt.  (S.  26.)  Als  ob  nur  durch  diese  (im  Grunde  Uegelsche, 
von  der  sie  sich  allein  durch  die  vpr'^rbiedene  Ausdrucksweise 
unterscheidet)  Antfassung  der  Natur  der  Zweck  d«^r^rlhen,  dem 
Geiste  zu  dienen,  erreicht  wurde!   Fr.  legt  an  die  thomistische 
Lehre,  statt  sie  an  den  Thatsacheu  zu  prüfen,   den  Mafssiab 
seiner  eigenen  Theorie  an,  die  den  Geist  ans  dem  Naturprozefs 
hervorgehüü  lalsL  uud  die  VVesensuiUerscbiede  dur  iJmge  moni- 
stisch in  eine  allgemeine  Wesenseinheit  auüöst.    (Der  moderne 
Idealismns.  8.  96  ff.)   Der  Schlnlh  aber,  eine  Steigerang  der 
niederen  an  den  höheren  Kr&fton  mttsse  aach  in  der  Katar  im 
groben  möglich  sein  (8.  25),  wenn  sie  innerhalb  der  mensch- 
lichen Natur  sich  ToHziehe,  ist  nicht  konklndent;  denn  nach 
thomistischer  Lehre  entspringt  die  vollkommene  Thätigkeit  des 
niederen  Vermögens  nicht  ans  einer  Steigemng  der  letzteren  ins 


•  Dafs  unsere  Schritt  .,I)cr  moderne  Idealismus"  n.  s.  w.  Fr.  nicht 
unbekannt  geblieben  ist,  wiaseu  wir  hus  einem  absulut  sicbereu  Anzeichen. 
Der  moderne  Originalphilosoph  ziebt  es  indessen  vor,  unsere  Angriffe 
auf  sein  WeltphantsiiesysteD  einfsch  zu  ignorieren,  was  wohl  das  Be* 
quemste  ist. 


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366 


Di6  Philoaophie  det  U.  Thomms  von  Aquin. 


Geistige,  aus  einer  Fortbildang  zu  diesem,  sondern  aas  einer 
8t&rkung,  die  den  niedereo,  siDolichen  Vermögea  durch  ihre 
Yerbindung  mit  den  höheren,  geisUgeo  Vermögen  erwachet 
Der  Xrittker  des  eogliechen  Lehrers  hatte  sonach»  nm  seiaen 
Anatogieaohlnb  au  reohtfertigen,  auerat  den  Nachweis  führen 
müssen»  dafs  der  Geist,  der  Intellekt  auch  der  Natur  im  grofsen 
immanent  sei,  um  durch  seine  Wirksamkeit  das  Unorganische 
anm  Organischen,  dieses  zum  Sinnlichen  und  s.  f.  in  »,ateigeni^. 

Dafs  die  gröFsere  Vollkommenheit  der  inneren  Sinne,  näm- 
lich der  .SchätzuDg-skrail  und  deH  Gedächmisses.  sofern  jene  im 
Menschen  als  partikiiliiro  Vernuiitt  (ratio  parlicuiaris),  dieses  zu- 
gleich als  ErinuerungBvermügeü  bich  belhatigt,  nicht  aU  tioe 
Stcig^erung  ins  Gei»ti^e  gedacht  werden  dtirto,  erhellt  schon 
daraus,  dala  nach  den»  eughschen  Lehrer  bchic  auf  das  Einzelne, 
das  eigentliche  Objekt  der  Sinne,  beschränkt  bleiben.  Ol^leich 
nämlich  die  genannten  Vermögen  aufoer  den  sensihlen  Formen, 
die  Too  den  aufseren  Sinnen  aufgenommen  werden,  gewisse 
^Intentionen'S  des  Vergangenen,  des  ISütalichen,  Schädlichen^ 
anffasseo,  so  geschieht  dies  doch  aor  in  partikntarer  und  indivi- 
dueller Besonderung,  wie  der  hl.  Thomas  ausdrücklich  bemerkt: 
est  enim  (vis  cogitativa  s.  ratio  particalaris)  collatiTa  intcuuonum 
indiTidoaliom,  und  (von  der  Erinnerang  oder  reminiacentia}: 
quasi  Ryllog'isiice  reqnirendo  praeterilorum  mcnioriam  secundam 
indi vid  11  a ! es  inteutiones.  Uber  dir  f^röfsere  Vollkommenheit 
aber,  di»^  diesen  Verraö.,''en  intbl^'  drv  Verbindung^  mit  dem 
Intellekt  zukommt,  bemerkt  derselbe  Lehrer:  quod  illam  emineo- 
tiam  habet  cogitativa  et  memorativa  in  liornine  non  per  id,  quod 
eöt  proprium  scusitivae  partis,  sed  per  aliquam  atliuitatem  et 
propinquitatem  ad  rationem  universalem,  secundum  quandäiu 
refluentiam.   8.  Th.  1  qu.  78  art.  4  o.  et  ad  5. 


X 


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LITTKRARISCUE  B£SPR£0HUN6EN. 


Ctotehiekte  der  Philosophie  nach  Ideengehalt  und  Beweisen. 
Von  Prot;  Dr.  Baumann.   Gotha,  ferthes.  1890. 

IMe  betoiiden  Tflodeos  der  vorliegendeo  Scbrift  ist  schon  dnrefa 

den  Titel  derselben  angedeutet  und  wird  vom  Verfasser  in  der  Vorrede 
dps  weitem  ausgeführt.  ^ Diese  Geschichte  der  Philosophie'',  erkärt  sich 
derselbe  i>.  III,  .ist  m  philosophischer  Absicht  verfalst,  d.  h.  sie  soll  den 
Ideengehalt  and  die  Beweise  derjenigeD  Philosophen  tur  deutlichen  An- 
schauuDg  hringen,  welche  Kigentümtiches  in  der  Philosophie  gebracht 
habeu  und  insofern  imstande  sind,  t»^iH  philosophischen  Sinf  ül»»'rhAnpt 
anzuregen,  teils  die  verschiedenen  Richtungen  mhaltlicher  oder  tormeiler 
Art  heraaszastellen,  welche  In  der  Philosophie  eingetchlagen  wurden  und 
mit  mehr  oder  mimlor  Anwantllunpen  norli  immer  eiuge6ch!ai::cii  worden.* 
„Mein  Gesichtspunkt  war  streng  dieser:  wenn  j(  niand  sich  für  Geschichte 
der  i'hilosophie  philosophisch  interessiert,  wa;»  ist  ihm  aus  dewjeuigen, 
was  bisher  von  solchen  Beetrebangen  da  war,  als  eigentQmlich  in  Inhalt 
und  Form  vorzuführen,  und  zwar  so  vorzuführen,  dafs  Gedankeninhalt 
und  Beweise  möglichst  deutlich  erscheinen  und,  falls  er  Lust  bekommt, 
den  betreffenden  Philosophen  in  seinen  Quellen  selbst  zu  studieren,  er 
zugleich  an  der  gebotenen  Darstellnng  einen  LeitAulen  des  Terstlndnisses 
habe"  (S  IV). 

Die  Absiebt  des  Verfassers  ist  also  nicht,  den  Leser  zur  hii>torischen 
Forschung,  sondern  die,  ibn  zum  sachlichen  Philosophieren  anzuleiten. 
Ohne,  wie  es  kürzlich  \Vindelband  gethan,  den  Versuch  zu  machen,  die 
Anfeinauderfolri:  •  der  Probleme  zum  leitrndrn  Faden  der  Darstellung  zu 
machen  —  ein  Versuch,  der  in  vielen  fallen  zur  einseitigen  Betonung 
untergeordneter,  zur  ZorflclcdrftnguDe  wesentlicher  Momente  führen  mu^ 
—  sucht  er  Qberall  die  Probleme  herauszuarbeiten  und  durch  Angabe 
der  vielfachen  einander  durchkreuzenden  Lösunpeversuche  dem  eigenen 
Denken  des  Lesers  Anregung  zu  geben  und  es  von  der  ScbwerflQssigkeit 
an  befreien.  Tiots  der  terniltnisniftfsigen  Kflrse  des  Buches  ist  dieser 
Versuch  im  ganzen  wohl  gelungen,  da  durch  Ausscheidung  philologischer 
Forschungen  und  snlrhor  Erscheinungen,  die  ein  lilofs  kulturhistorisches 
Interesse  bieten,  tür  liie  Darstellung  des  philosophisch  Wertvollen,  ander- 
weitigen Darstellungen  gegenüber,  ein  beträchtlicher  Raum  frei  wurde. 
IJbrigens  sei  hier  ansdrücklicb  bemerkt,  dab  das  Fernhalten  philologischer 
Untersuchiincfen  von  dorn  Buche  keineswegs  seinen  Grund  in  einer  mangel- 
haften Hückbichtuahnie  auf  dieselben  hat.  Wirklich  durchschlagende 
Resattate  jener  Forschungen  smd  vielmehr  stillschweigend  filr  die  Dar> 
Stellung  benutst.  So  ist  z.  B.  S.  14  das  bekannte  Fragment  des  Phere- 
kydes  von  Syros  mit  Recht  in  dor  von  Diels  (Archiv  für  Gesch.  der 
Philos.  I,  S.  11—15)  nach  den  iiandschrifteu  des  Laertius  Diogenes  ver- 
besserten Gestalt  gegeben. 

Die  Darstellung  selbst  ist  durchweg  sachkundig  und  gründlich.  Ober 
einzelnes  wird  mnn  natürlich  verschiedener  Meinung  sein  können.  So 
.  Jahrbttcb  für  Philosoiihle  eic.  VI.  S4 


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368 


Littenurifleh«  Bespreobungen. 


h&tte  nach  Ansicht  des  Keferenti^n  S.  53  der  durch  Plato  Theaet.  Ibbt, 
l'hfted.  81b  beseugte  Ifftterialismas  des  Antisthenes  nicht  abn^gaa 

werden  sollen,  da  er  ftir  die  Stoiker,  die  in  der  Kthik  -av.  Autisthenes 
Rieh  aii8cbl()'«sen,  auch  hinsichtiich  der  Naturphilosophie  einen  uicht 
UBwichtigen  AQkaüpfuug.spuukt  bot.  AU  ein  historisch  nicht  völlig  be» 
FBcbtigtM  Hineintrairra  Platonischer  Gedanken  in  den  Deismus  de« 
Aristoti'les  er<"hr  inf  os,  wenn  nach  S.  85  dieser  d»nn  tnenscblicLon  Geiste 
/{leichsam  die  Fähigkeit  zuschreiben  soll,  nach  Vorbereitung  durch  die 
Erfahning  mit  nnmittelharer  Evid«os  die  allgemein»»  Gesetze  m  erfotsfD, 
^welche  in  den  Dingen  als  Keime  vorhanden  waren  und  die  unter  An- 
regung des  {,'ötilicli(ii  (roistes,  dem  unser  Oeist  verwandt,  d.  h.  ähnlich 
ist,  vou  Ewigkeit  her  verwirklicht  sind.*'  Zu  dürftig  ist  die  Hehandinag 
der  mittleren  Akademie  S.  135,  deren  genauere  Kenntnis  doch  far  dss 
Studium  vieler  Ciceronianischer  Schriflon  unentbehrlich  ist. 

Anerkennung  verdient  es,  daf-*  Hanniann  aiicli  über  Hatrisiik  und 
Scholastik  eine  Übersicht  geboten  bat.  Seine  Auifassung  vom  Inhalte  des 
Cbristentnms  dedct  sieb  im  gansen  mit  der  Harnacks;  doch  bat  sie  aaf 
die  Darstellung  des  Philosophischen  keinen  sonderlichen  Eintlnfs.  Hei 
der  Darstellung  Justins  treten  S.  164  neben  den  Sätzen,  in  welchen  skh 
eine  wariue  Bewunderung  des  bleibenden  Wahrheitsgehaltes  der  antücCD 
Philosophie  ausspricht,  zu  sehr  die  anderen  für  .lustin  gleich  wesent- 
lichen znrürk,  welche  das  Ungenncf^nde  selliit  der  Piatonischeu  Philo- 
sophie betonen  (z.  ti.  Dial.  c.  Trypb.  c.  4— ö).  Die  Schilderung  des 
Onostieismus  8. 165  abergeht  ganz  den  gnostisehen  Gottesbegriff,  weleber 
an  die  Stelle  des  ens  actualissimum,  der  lauter,  n  r  nerfiio,  in  der  Weise 
der  Neupvthajforeer  und  der  freilieh  ^»»itUch  später*  n  N  ii>Ia.toniker  in  Gott 
eine  Entwicklung  aus  dunklem  Grunde  setzt.  Aucii  liaiie  bei  Uesprechong 
der  gnostiscben  Ethik  (S.  166)  nicht  al»ergang4*n  werden  dtrfen,  daA  den 
Systemen,  welche  durch  die  Lehre  vou  der  rnn^iuln  it  der  Materie  die 
Kerderiing  strenger  Askese  begründen,  doch  auc  h  andere  pegenül«»rsteben 
(Epiphaues,  Valentin  u.  s.  w.),  welche  aus  der  Minderwertigkeit  de« 
Körperlichen  seine  Gleichgültigkeit  folgern  und  so  schliefslich  zu  einem 
rollen  Autinomismus  jjelangen.  Der  Ursprung  der  Schriften  des  Diony- 
sius Pseudü-AreopagitÄ  wird  S.  181  gegen  öüO  augesHtzt;  dem  Kefereuten 
erscheint  die  Ansicht  von  Kranz  Hipler  am  wahrscheinlichsten,  nach  der 
sie  im  btzten  Drittel  des  4.  Jalirli.  entstanden  sind.  Das  Cbristentom 
des  Hoöthius  hätte  S.  183  nicht  in  Zwt  ifcl  gezogeu  werden  sollen.  Wenn  , 
auch  die  Beweiskraft  des  von  L  seuer  herausgegebenen  Anecdoton  Uolderi 
durch  Schepps  (Neues  Archiv  f.  iltere  deutsche  Gfschichtsknnde,  XI, 
S.  125  ff.)  in  Zweifel  gezogen  war,  so  hat  doch  J.  Driisecke  gegen  Scheppi 
deu  Cassiodori>cht'n  Ursprunfj  des  Zeugnisses  aufs  neue  gestAtat  (Zeit- 
schritt  f.  wissenschaftl.  Theologie  XXXI,  S.  44 — 104). 

Die  Darstellnng  der  neuern  Philosophie  bar«t  dadurch  sehr  so 
Übersirlitlichkcit  ein,  dafs  dieselbe  ohne  Gliedernntr  in  rnterabteil untren, 
wie  bolrbo  im  ersten  und  zweiten  Teile  pemacht  sind.  151  Seiten  hindurch 
ununterbrochen  weiter  läuft.  Nur  din  .Seitenftberschrlften  erniOglicheo 
einigermafsen  die  Orientierung.  Es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dafs  diesem 
Maii^tl  in  einer  nnnen  Auflage  abgfdiolfen  würde.  Mit  der  Disposition 
dieses  Abschnittes  kann  ich  mich  nicht  in  allweg  einverstanden  erklärea. 
Ich  halte  es  für  eine  unnatürliche  Auseinanderreifsung,  wenn  a.  B.  Bsr- 
keley  und  Hnme  von  Locke  getrennt  und  erst  nach  den  auch  zeitheb 
spateren  französisclien  Sensualisten  und  Materiali.sten  Helvetius,  La  Mettrie, 
dem  Systeme  de  la  naturc  und  der  Encyclopedie  behandelt  werden.  Auch 
in  Einzelheiten  kann  Widersprach  erhoben  werden.  So  ist  der  Oegeo- 


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LittoruriMhe  Bespreohnngw. 


369 


fttU  zwiscbeo  Hobbes  und  Descartes  S.  240  zu  scbarf  betont.  So  vieles 
tie  Kheidet,  so  koflsnen  sie  doch  such 'in  maoebem  Wichtigen  flbereia. 

Die  Lehre  von  der  Subjektivit.lt  der  Sinncsqiialitätrn  möfje  a!s  Rinzelheit 
nicht  betont  werden.  Aber  die  mechanisclio  Weltanschauuntr,  welclie 
"Von  Uobbes  freilich  auch  auf  die  Psychologie  uud  die  Lehre  vom  Ursprung 
der  mttlich«n  KSrperscbaften  auiigedehnt  wird,  wird  wenigsteiis  fttr  das 
ganze  Gehret  der  sinnf'lIliLM  n  Nntnr  !  rli  auch  von  Descartes  angenommen 
und  erweist  ihr&  Ühcrcinstianuung  in  dem  Forschungsgebiet,  welches  gerade 
jene  Jahr2ebnte  von  den  verschiedensten  Seiten  her  in  Anbau  nahmen. 

Noch  gegen  einen  andern  Gesichtspunkt  in  Baumanna  Darstellung 
möchte  ich  rhirrbL:>\n{;igeii  Widerspruch  erheben.  Ich  meine  seine  kiiltur- 
historiscbeu  Schilderungen  der  Kigenart  der  rerschiedenea  Völker  und 
deren  Einflnfa  anf  ihr  Pbiloiopbieren,  Meiner  Anaieht  nach  findet  aieh 
•dtlM  Tiel  Einieitigea  und  Gekßnstches.  'Einseitig  ist  es  z.  B.,  wenn 
S.  5  ff.  Formensinn  und  heitere  i^'reude  am  nipn«rhlichen  Dasein  als 
-Grundsflge  des  hellenischen  NS^esens  bezeichnet  werden  und  der  Trieb  zu 
subtiler  Begriffiiipaltnng,  der  sieh  n.  a.  so  lebliaft  in  der  Vorliebe  na- 
xnentlich  der  Athener  för  das  Anhören  von  Prozrfsreden  zeigt,  daneben 
nicht  f'it'f^im  «Mvvähnt  wird.  Dafs  die  keltische  Abstammung  von  be- 
stimuiendem  Eintiula  auf  diu  Gedankenwelt  den  Johannes  Scotus  lerugena 
<(8o,  nicht  Erigena,  sollte  der  Mann  nach  den  Handschriften  genannt 
werden:  vgl.  II.  .1  Flofs  in  s-inpr  Aiis-pabe,  Migne,  Patml.  lat.  CXXU. 
S.  XIX)  gewesen  (8. 187),  ist  schwerlich  nachzuweisen.  Oiordano  Bruno  und 
Spinoza  haben  aus  ahnlichen  Prämissen  ähnliche  Folgen  gezogen,  ohne 
doch  eine  Spur  keltischen  Bhitea  in  ihren  Adern  zu  haben.  Ebenso  ist 
mehr  geistreich  als  wahr,  "v  v«  wir  S.  Vi2  über  dpn  rrsy>riinjr  vnn  No- 
miualismus  und  Uealismus  leseu.  „Beide  Richtuugeu  nehmen  teil  am 
germanischen  Orundgefflhi;  der  Nomlnalisnius  vertritt  die  freie  und  kraft- 
Tolle  Persönlichkeit,  der  ReaHamna  den  Zug,  einem  Idealen  zu  dienen." 
Aber  unabhängig  von  allem  „germanischen  (irundgefnhl'*  hat  doch  auch 
die  griechische  Philosophie  deu  gleichen  Gegensatz  von  Nominalismus 
und  Realisrnns  entwickelt,  hei  Antiitbenes  und  Plate,  bei  den  Stoikern 
und  den  Neuplatonikern.  Überhaupt  kann  ich  der  Ableitung  der  Scho- 
Isstik  ans  dem  germanischen  Oeiste  (S.  1R3  ff.l  nicht  7;ustimmen;  Italiener 
und  Franzosen  —  man  denke  an  Anselm,  Abälard,  Thomas  von  Aquin  — 
haben  ebenso  ihren  Anteil  daran,  wie  der  deutsche  Albert  Will  man 
aber  die  Ki;rentnmlicbkeit  anch  d'T  romanischen  VoMa  r  ans  den>  F'influfs 
des  gi'rmaniscben  W«'sens  anf  sie  erklären,  so  kommt  man  schliefslich 
auf  ein  Gebiet,  wo  man  aus  jedem  alleü  machen  kann. 

Die  Darstellung  Baumanns  ist  zwar  nicht  immer  leicht  fliefsend,  aber 
klar,  verständlich  und  sachgemäfs.  Sätze  wir-  S.  ^S:  „Kin  Srbhifs  ist, 
wenn  .  .  oder  S.  177:  „Die  Lehre  von  der  ewigen  bchöpfung  und  der 
Unbegreiflichkeit  des  Unendlichen  stellt  Gott  nach  sich  vor*  sind  ver> 
einselte  Ausnahmen.  Der  Druck  ist  korrekt.  S.  126  war  der  Herana- 
geber des  Sextoa  finplrikos  Bekker,  nicht  Becker,  zu  schreiben 

Breslau.  Clemens  Baeumker. 

Katholische   Do^matik   in  Bcchs   Büchern   von   ])r.  Ih^rmao 
b  oh  eil.  XI.  Baad.  Paderborn,  Ferd.  Sobouiogh.  iÖUO. 

Tiefe  der  Spekulation,  konsequente  systematische  Durchfnhmnp  des 
eingenommenen  philo8ophiscb-tbeolo'_M«''hen  Standpunkts,  ein  reiches  pxp 
Fetisches  Matertal  und  eine  edle,  gev^aiiite,  dem  Gedanken  sich  vollkommeu 

t4* 


370 


iMduBiegmid«  8pridie  bikten  die  V<Nrzflge  aach  da  voriicsaate  Bwätaa 
Bftndes  der  Schellschen  Dogmatik.  —  In  zwei  BQcbern  (d.  3.  u.  4.)  werden 

die  „Theologie  des  dreieinigen  Gottes''  und  die  „Kosmologie  der  Offen- 
barung" behandelt.  Die  tpekolative  Trinitätslehre  des  Verf.  ist  aui  dem 
Begriffe  der  Aeeitit  in  der  AnlÜMsuBg,  die  wir  bd  BeeprechoBg  des 
ersten  Bandes  kennpo  prlornt  halben  (Jahrbuch  Bd.  V.  S.  231  ff.\  auf- 
gebaut. Die  Anoalime,  die  Erkeeniuis  des  Wesens  Gottes  sei  too  der 
des  göttlichen  Dasciuä  unzertrennlich,  tragt  hier  ihre  ersten  —  sagen 
wir  es  aufrichtig  —  verhingiiitvolleii  FiOehte.  Mit  dem  Oedanken,  dBe^ 
christliche  Trinitiltslphre  enthalte  nichts  anderes  als  die  konkrete  Fassimr 
des  YemonftbegriÖs  der  Sei bstverwirklichung  des  ersten  Seins, 
ateih  aieh  die  Sehdlsche  Trinit&tslehre  in  einen  unvetkeeabaren  Ö^gm- 
tftts  mr  traditiiMiellen  Auffassung  der  theologtsehen  Scholen  and  tritt  in 
ein  nach  unserer  Ansicht  hedenkliches  Abhängigkeits-  odpr  wcnitrst*>ns. 
Verwandschaftsverhaltnis  zu  den  Spekulationen  Günthers  uud  Kuhns. 
Zwar  nnterteheidet  ileli  die  Anffaasnog  det  Yerf.  to  ihren  Onatlen  da- 
darch  entschieden  von  der  des  Tübinger  Dogmatikers,  dafs  jeder  Gedaiüce 
einer  Potenzialitat,  eines  vom  Fürsichsein  ferschiedenen  Ansich  von  Gott 
ferne  zu  halten  gesucht  wird;  andererseits  aber  liegt  eben  darin  eine 
Uaffende  Inkonteqaem,  daft  der  Begriff  des  Vernraachent  (im  Knae 
einer  SrMiBtverursarhunf:)  auf  das  göttliche  Sein  angewendet  und  doch 
der  davon  unzertrennliche  (jedanke  eines  Prozesses  uud  Übergangs  vna 
der  Potenz  in  den  Akt  ausgeschlossen  wird.  Die  Eintragung  einer  Bt- 
wegung  aber,  einer  Potenzialit&t  in  Gott  impliziert  einen  entschiedenen 
Abfall  von  der  Reinheit  und  Erhabenheit  des  christlic!irn  Gottesbegrifr> 
und  zieht  fQr  die  Auffassung  des  Christentum!  nnd  seines  &bemat6rlichen 
Gharaktera  die  destniktiTiten  Folgen  naeli  Bich.  Nimmt  man  nimUcb 
eine  gütliche  Selbstverursachung  an,  was,  wie  uns  wenigstens  scheint, 
mit  einem  Geist-  und  Persönlich  w  er  den  Gottes  gleichbedeutend  ist.  so 
wird  der  Gegensatz,  den  das  Dogma  ausscblielislich  nnr  Ton  Person  zu 
Per  ton  anerkennt,  in  daaWeaen  nnd  die  Natur  Oottee  aelbet  hineiB' 
getragen  und  damit  der  Wesensunterschied  zwischen  Gott  und  Geschöpf 
j»efahrdet  und  in  Frage  gestellt.  Der  (Todanke  eines  solchen  Prozesses 
in  Oott  bildet  das  gemeinsame  Merkmal  der  ibeoiogischeu  Spekulationen 
aoAwrbalb  dee  Cliriitentnms  oder  wenigstens  aufserbalb  der  traditionellen 
Lehre,  jinprf.mgen  von  der  Tao-  und  Vedantaphilosopbie  (vgl.  Manc. 
I.  Buch,  V.  12  b!  Selber  dann  durch  des  Geists  Sinnen  hat  er  das  Ei 
entzwei  geteilt,  d.  h.  Gott  ist  Geist  durch  einen  Prozefi  der  Selbst- 
differenziierung,  in  den  zugleich  der  Prozefs  der  WeUbildnng  ▼erBchlungen 
ist)  bis  zu  deu  theosopliischen  Spekulationen  Baaders  und  SehrlHngs. 
Mit  der  gewohnten  Prägnanz  hat  der  hl.  Thomas  diesen  principieUeu 
Unterschied  da,  wo  er  den  Ornnd  angibt,  warum  wir  die  erste  Person 
in  der  Gottheit  nicht  Matter,  sondern  nnr  Vator  nennen,  ausgesprochen: 
quia  intellectus  divinus  con  est  in  potentia,  sed  in  actu  tantum,  ideo  iii 

feneratione  verbi  non  competit  ratio  matris,  sed  patris.  Cont  Gent. 
IV.  c  11  e.  fin.  (Vgl.  dagg.  F.  Hoffmann,  Spekolative  EntwkU. 
der  ewigen  Selbsterzeugung  Gottes  aus  F.  v.  Baaders  Schriften  u.  s.  w. 
S.  23).  Obgleich  der  Verf.  alle  Kraft  aufbietet,  diese  Klippe  zu  ver 
meiden,  so  müssen  wir  doch  der  scholastischen  Exposition  des  i  riniiats- 
geheimnisses,  die  der  Verf.  fthnlidi  wie  Knbn  als  eine  abstrakt-begriff« 
liebe  kennzeichnet,  nicht  allein  ans  dogmatischen,  sondern  auch  aus 
philosophischen  (Erfinden  entschieden  den  Vorzug  gel)en.  i>er  positiv 
gefafste  Begntl  der  Aseit&t,  der  Gedanke  einer  Selbstverursachung  unu 
SelbattenrirkUehong  wideraprickt  dem  ebersten  Onmdsala  dar  Vemnaft; 


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UHbtndnk^  PwpwchcngeB. 


371 


•dten  M  ist  Iii  sieb  selbst  widersprceheiid,  da(ä  da  Wetto  sieh  selbst 

verarsache,  sich  solbst  ins  Dasein  setze.  Sucht  man  aber  diesen  Ge- 
-dankes  dnrcb  die  Erw&guDg  au  statzen,  dafs  der  Negation  des  ab  alio 
esse  eioe  positire  VoUkommeDbeit  io  Qott  entsprechen  mflsse,  so  geben 
irir  difs  swar  au.  betraebten  aber  als  dieses  Positive  eben  das  aas  ver- 

bor5?pnp,  nnbegreif liehe  und  unnennbare  Wesf^n  Qottes  selbst.  Schell 
.zwar  appelliert  untniitelbar  au  da»  Kausaluriocip:  „Würde  die  AsetUU 
nur  negativ  abstrakt  als  ürsaeblosigkeit  geatcbt«  so  wäre  die  Annabme 
(lOttes  auf  Grund  des  Kausalgesetzes  die  I.eagnung  des  Kausalgesetzes 
und  seiner  Wahrheit  für  Gott."  20.)  Wir  erwidern:  Das  Kausal- 
^setz  verlaogtf  da£s  alles,  was  entsteht,  vergeht«  wird,  sich  bew^,  sich 
-rerindert,  eine  Urtaebe  seiaes  Eatsteheas  o.  s.  haben  nOsse,  keiaet- 
wepfs  aber,  dafs  alles,  was  ist,  eine  Ursache  habe  Was  aber  die  theo- 
logische Seifp  der  Frage  betrifft,  so  vermfidrn  die  Thonlnf^m  sr!h?t  das 
Wart:  causa  iu  iWr  Anwendung  auf  «iie  triuitari&cbeii  Au^gauge,  und 
«1er  hl.  Ibomas  will  nicht  einmal  den  Ausdruck:  principiatum  vom  Sohne 
srebrauchen  (!  qn.  33  art.  1  ad  i)  Ofis  Hervorgehen  des  Sohnes  ist  !cpin 
V^erursachtwerden  und  von  eiuem  Widerspruch  zwischen  UervorgauK  und 
Nichtvernrsachtsein  kann  deshalb  keine  Rede  sein.  Dafs  mit  dem  Begriff 
des  VerursachtseiDS  eine  passive  Potenz  in  Oott  eingetragen  wOrde, 
-wnrdr  bemerkt,  und  es  i<^t  rrine  Willkür,  \vf>nr!  der  Ausdruck  nctus 
purus  beibehalten  und  ibai  der  Öinn  einer  freien,  d.  b.  unabhängigen 
tielbstverwirkliehung  unterstellt  wird  (8.  213  n.  an  viel.  and.  Ort  Vgl. 
Ihiersu  SehSzler,  Natur*  und  Übernatnr  S.  437  ff.). 

Um  der  Konsequenz  zu  entgehen,  dafs  die  göttlichen  Personen  nur 
Momente  eines  einpersöolichen  Wesens  seien«  sieht  sich  der  Verf.  ge- 
nötigt, den  Begriff  der  göttlichen  Persdnlichkeit  formell  in  die  Relation 
zn  setzen.  Das  Wesen  der  göttlichen  PersöDlichkeit  beruht  Ibra  nicht 
im  Kürsichseiu,  sondern  im  Füreinande  rsein.  „Die  Dreipersönlicbkeit  ist 
die  Form  der  absoluten  Persönlichkeit;  weil  in  Gott  eine  Dreiheit  von 
Personen  ist,  deren  Leben  der  Urs)Hnii»f  von  einander  und  die  Hingebung 
4in  einander,  ktirznm  das  vollkommenste  Füreinander  int,  deshalb  hat 
Gott  wahrhaft  und  ganz  den  Grund  und  Zweck  seines  Lebens  in  sich  und 
ist  die  vollkommene  Persönlichkeit."  (S.  19.)  Anders  der  englische 
Lehrer:  Persona  diriaa  sigoi6cat  relationem  in  recto  et  ei^sentiam  in 
obliqno;  non  tarnen  reJatinnrm  in  quantum  est  relatio,  scd  in  qnnntnm 
signiücatnr  per  modum  bypostasis  (l  q^.  29  art.  4.  Vgl.  Oonet  Manuale 
tr.  VI.  e.  V  ^  iL  Clyp.  Thom.  disp.  Iv.  srt.  IL  §  II  n.  25).  Die  gött- 
lichen Personen  sind  urei  FQrsichsein,  allerdings  (worin  wir  dem  Ver- 
fa"?spr  hoistimmen)  nicht  als  drei  Selbstbewufstsein,  wohl  aber  als  drei 
unmitteilbare  (relative)  Subsistenzen;  denn  im  Begriff  der  Persönlichkeit 
aoeh  in  seiner  Anwendung  anf  Gott  liegt  wesentlich  die  Inkomninni- 
kabilität,  woraus  sich  ergibt,  dafs  durch  die  Annabme  einer  absoluten 
Subsistenz  in  Gott  keineswegs  eine  vierte  Person  neben  den  drei  rela- 
tiven Personen  statuiert  wird.  Mimmt  man  daher  mit  dem  Verf.  an, 
dab  die  göttlichen  Personen  nnr  im  Fflreinander  Sein,  Leben  ond  ab- 
geschlossenes FQrsichsein  besitzen,  so  hnbrn  wir  in  der  That  nur  eine 
Persönlichkeit  und  aos  dem  Prozefs  der  Seibstverwirklicbung  resultiert 
nur  ciue  Person. 

Nach  scholastiseher  Exposition  sind  die  innergöttliehen  Relationen 
Su^sistenzen  und  Personen,  weil  sie  mit  der  seieiult  n  und  «nb^^i'^tiprenden 
Wesenheit  identisch  sind;  nach  der  Darstellung  des  Verf.  aber  resultiert 
das  Sein  und  die  Subsistenz  Gottes  umgekehrt  ans  den  Ursprüngen  und 
RetaCionen,  denn  das  Sein  Ist  Produkt  einer  Erkenntnis-  und  WiHenstbal* 


372 


Eine  notwendige  Folgerung  ist,  dafs  die  Personen  sieb  wechselweite  Ift 

ihrem  Sein  und  Persönlicbsein  lieilingeu.  Mcclisel weite  auseina:  !(  r  hervor- 
gehen. „So  gibt  jede  l'erson  der  andern  Wirklichkeit  und  Persönlichkeit, 
obgleich  nur  der  Vater  dem  Sohn  das  Wesen  mitteilt."  (S.  106.)  Die 
letstere  Beschrtnkung  ist  dnrch  das  Dogma  gefordert.  Stimmt  sie  aber 
/II  den  PrÄmissen  und  ist  nicht  vielmehr  <!;is  Wi  seu  d&s  Produkt  der 
KrkenntniS'  und  WillensthatV  Oder  was  eoU  der  positive  Begriff  der 
Aseit&t,  der  Selbstverwitklicbung  anders  bedeuten? 

Der  Verf.  lebrt^  dnb  die  Erkenntnisthätigkeit  insofern  sie  Thfttigkeit 
und  Energie  ist,  selbst  schou  WillonsthätiRkeil  sei.  (8.  34. >  Hieraas 
folgt,  dals  Vater  und  Sohn  erst  in  ihrem  relativen  Gegeosatxe  zum  h&L 
Grarte  Dasein  nnd  Snbsittenx  beiitien.  (8. 88  IT.)  Sollte  nnn  nicht  weiter 
geschlossen  werden  müssen,  dafs  der  hl.  (ieist  mit  viel  firöfsercra  Rechte 
als  Prinzip  des  Vaters  tsnd  Soliiies  zu  liezeiclinec  sei,  ais  umgekehrt,  da 
Vater  umi  bohü  erst  der  in  der  Spiration  des  hl.  Geistes  ausgeQbteu 
Willensthätigkeit  ihr  Sein  und  ihre  Snbsistenz  verdanken? 

Die  Trinilätslelirr  S  !iells  ist  von  dem  Gedanken  beherrseht,  Jafs 
das  erste  Sein,  das  güitüche,  das  Erzeugnis  einer  freien  Geistestbat  sei; 
denn  nicht  das  Sein,  sondern  die  That,  lichtes  Erkennen  und  tittliches, 
heiliges  Wollen  seien  das  erste.  «Die  Freiheit  ist  eben  die  Form  der 
absoluten  Einheit  und  zwar  als  aussrlilierslidies  Vorrecht,  .  .  .  weil  es 
ihr  Vorzug  ist,  durch  eigene  Geistesthat  zu  bestehen."  (S.  12.)  „Auch 
die  f^yas  von  Vater  nnd  Sobn  ist  als  g&ttliehe  Tliatsadie  nur  denldiBr 
vermöge  der  ewigen  Willenstliat,  kraft  deren  Gott  existiert,  aus  deren 
heiliger  Innigkeit  und  Kraft  der  hl.  Geist  hervorgeht."  (S.  15  vfrl.  S.  17.) 
„Die  Dreieinigkeit  ist  im  eigentlichen  Sinne  das  Geheimnis  des  Daseins 
tiottes,  der  tinbedingten  Aseitftt  in  anendlicber  WesensflDlle."  ^  40i) 
Die  Prnze.<isi(inen  sind  demnach  die  Bedingungen  des  göttllciien  Daseins; 
nline  sie  kann  die  nottlirit  niclit  als  daseiend  pedaclit  und  hegriffen 
werden,  l'rülea  wir  diese  Ansiclii  zmiachbt  be-iiiglich  ihrer  outulog  lachen 
Voraussetzungen  und  darauf  ilir  Verhältnis  zum  Geheimnis  selbst. 

Schell  beliebt  die  Notwendigkeit  des  güttlirhen  Seins,  sofern  es  nach 
analogischer  Denkweise  begrifflich  dem  Erkennen  und  Wollen  voran- 
gehend gedacht  wird,  eine  blinde  zu  nennen,  indem  er  schreibt:  „Es  iH 
falseb  in  der  blinden  Notwendigkeit  der  Tbatsaebe,  welche  dem  Thun 
vorangeht,  eine  znvprlri<^si!'ere  Xotwendi^keit  zu  sehen,  als  in  der  selb- 
ständigen freien  und  sittlichen  Notwendigkeit  der  Willensthat,  welche  ja 
docb  als  das  Urerste  allem,  was  nar  Thatsaehe  und  nicbt  sugleieb  That 
ist,  vorangehen  mufs.*'  (S.  26.)  Zur  Verteidigung  diesi>r  Ontologie  wird 
bemerkt:  „Es  kOnnte  widersprechend  srheinen,  dafs  das  Sein  durch  Er- 
kennen und  W^uUen  begründet  sein  soll,  allein  ist  es  denn  irgendwie 
Terstindlicher,  wie  Erkenntnis  und  Wille  ans  dein  Snn  bervorgeben 
kann?  Gedachtseiu  und  Gewollt  sein  sind  die  beiden  P'ormen 
lies  Seins.''  (S.  66.)  Diese  Ontologie  stellt  in  voller  Übereinstimmung 
mit  der  des  Ideulismus.  Es  wäre  von  Interesse  zu  veraehmeu,  wie  man 
von  diesem  Standpunkt  die  Lehre  Fichtes  von  der  ursprQnglichen  That- 
handlung,  dieAnnahmen  einer  „snl  si  tiorenden"  Idee,  eines. subsistieremlen* 
Willens,  wie  sie  sich  bei  Hartnianu  und  Schopenhauer  tioden,  zu  wider- 
legen gedenkt.  Wenn  Gedacht-  und  Gewolltsein  die  Formen  des  Seins 
sind,  können  dann  die  Dinge  etwas  anderes  sein  ah  I»  enntnis-  nnd 
Willensakte?  Vielleicht  göttliche  Erkenntnis-  und  Wiilensakle.  aber 
immerhin  Erkenntnis*  und  Willensakte  im  Sinne  des  aufsersten  Idea- 
Uttioa?  Es  klingt  allerdings  tebr  geiitvoU,  stelh  aber  sufleieb  alle 
Begriffe  auf  den  Kopf,  wenn  uns  getagt  wird:  „Der  aelbatftadige  Oeiit 


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littorarisdw  fiMpreehungwi.  373 


iit  dasjenige,  was  er  in  oneDdlicber  Wesen sf olle  ist,  nicht  ändert,  als 
alles  Seiende  kraft  rh  s  Gedaokcus.  jedoch  nicht  kraft  dos  Gedankens 
eines  Höheren,  soudern  kraft  ei(;ener  Deuktiiat.  Dic^e  Dcnkthat  ist  es, 
welche  zum  Personengcgenäalz  yüü  Vater  uud  Hoha,  von  Wesensbiidner 
and  NVesenshild  führt,  insofern  sie  Denkbild  und  WeBeosgestaltung  in 
anendlicher  Vollkommenheit  ist.  Sic  enthält  indes  bereits  als  ideale 
Selbiterdeukung  uud  Weseusgestaltung  die  Üeziebuug  zu  Gott  den  heil. 
Oeiet,  iasofern  sie  nämlich  Dfokthat  ist.  Die  That  gibt  der  Selbst- 
gestaltang  des  unendlichen  Wesens  hinsichtlich  des  idealen  Seins  die 
Bedeutung  einer  ewigen  Tbatsacbe,  der  real  energischen  Existena.** 
(S.  270 

Was  die  Abhängigkeit  des  £rkenuens  und  Wollens  ▼om  Sein  be- 

txifft,  so  scheint  uns  dieselbe  hinreichend  verständlich,  wenn  das  Sein 
als  ein  immaterielles,  geistiges  begriffpii  wird:  dagegen  enthält  ein  das 
Sein  setzendes  Denken  im  absoluten  Sinne  geootnaien  einen  handgreif- 
lichen Widerspruch.  Ebenso  unirerst&ndlich  und  onmOglicb  finden  wir 
ein  Denken,  das  erst  dnrcl»  den  Willen,  von  dem  es  doch  vorausgesetzt 
wird,  sich  zur  Denk  that  gestaltet;  es  liegt  dann  eine  otlVnkundtge  Ver- 
wechslung mit  dem  Idealen,  dem  eske  ohjectivuui,  das  ein  erkeuneudeii 
and  erkennbares  Soiu  voraussetit  and  daher  nicht  Grand  der  Aktiviiit 
und  Aktualität  sein  kann. 

Fragen  wir  weiterbin,  wie  es  bei  dieser  Auffassung  der  Trinität  um 
das  Mysterium  steht?  Die  Antwort  liegt  nahe.  Wenn  das  Wesen 
Gottes  nur  als  Seihst  Verwirklichung  durch  immanente  reale  Beziehungen 
von  Ursache  und  Wirkung  ^eltcht  werden  kann,  und  wenn  die  Trinität 
nur  den  konkreten  Ausdruck  des  Vernunltbegriff;!  der  Aseüät  enthält, 
SO  ist  das  Trinitätsgeheimnis  nach  seiner  inneren  Möglichkeit  und  Not- 
weudigkeit  begritren  und  hört  auf,  im  vcdh»n  Sinne  des  Wortes  Geheimnis 
zu  sein.  Was  die  OfTi-nbaning  hiiizuhringt,  ist  nur  die  Krkenniiiis,  dafs 
die  heiationeu  Personen  seien.  |S.  105.)  Da  ui.s  nun  aber  die  Speku- 
lation aber  die  Trinitftt  dahin  belehrt,  dals  die  Personen  in  Gott  formell 
Relationen  seien  und  das  göttlii-he  Fflrsichsein  aus  dem  Filreinandi  rsein 
der  Personen  resultiere,  s<>  sehen  wir  uns  sehli»  fslich  wieder  mit  den 
schon  durch  die  Vernuufl  erkaiiuteu  Begritl'  der  Selttbivervvirklichuug 
durch  Denken  und  Wollen  zurflckgefQhrt,  mit  andern  Worten,  das  Tri- 
iiitfitsgelieimnis  reduziert  sich  ant  die  (VdrtrrMichel)  Vernunft  Wahrheit 
der  guttiicben  Aseitdt  =  Selbstverwirklichung.  Dasselbe  ergibt  sich,  wenn 
wir  an  die  Lehre  erinnern,  dafa  das  Dasein  Gottes  nicht  ohne  das  Weaeu 
Gottes  erkannt  werden  könne;  dieses  aber  bestehe  in  der  Aseität,  die 
in  der  Trinif.1t  ihren  konkreten  Ausdruck  finde;  nun  erkennen  v  ir  aber 
durch  \ernuntt  das  Dasein  Gottes,  also  auch  die  Dreiheit  der  Relationen 
oder  Personen,  ohne  die  Oott  als  daseiend  nicht  gedacht  werden  kann. 

Die  im  bisherigen  gegen  die  spekulative  Triuitätslehie  des  Verf. 
vorgf lirarliten  I>fdenkt>n  liestätigen  vdllkommen  das  Urteil,  das  wir  bei 
Besprechung  des  ersten  Bandes  über  des  Verf.  Ansicht  von  der  Daseins- 
snr  Wesenserkenntnis  geftUt  haben.  Das  Wesen  Gottes  ist  das  6e- 
heimnis  der  Geheimnisse  für  die  fjatQrliche  wie  in  gewissem  Sinne  selbst 
auch  für  dit'  obprnaiQrliche  Glaubenserkenntnis,  ein  (Jelieiinui'^,  das  nur 
den  Seligen  im  Lichte  der  Uerrlicbkeit  enthüllt  werden  wird.  l>agegen 
das  Dasein  Gottes  ist  für  nns  die  ans  dem  Weltdasein  erschlossene  ur* 
that  Sache.  Diese  Urthatsache  aus  dem  Grunde  aus  einer  l'rthat 
ableiten  wollen,  weil  eine  notwendige  Thatsache  etwas  Unfreies  und 
Blindes  sei,  heilst  das  Geheimnis  des  Wesens  des  ersten  Seins  zu  er- 
grflnden  strehen.  Das  gdttlicha  Sein  ist  aweifellos  in  seinem  Ctefstes 


374 


Grunde  ein  darcbaus  geistiges  und  lichtes;  in  ihm  fallen  Grund  und 
Ziel,  Anfang  nnd  Knde  ?:nsammen.  Hie  endlichen  Kategon><on  d<*r  mit 
Accideotien  behafteten  äuüstaoz,  der  I  hAiigkeit  u.  s.  w.  fioden  aut  dieaet 
Sein  streng  genonawn  ketae  Anweadiuif.  Dt  wir  aber  dock  tob  OoH 

nach  unserer  Weise  reden  wollf  n  und  müssen,  so  werden  wir  v.tn  t  iner 
Denkt  h  äti  jjkei  t  Goftes,  der  (iottheit  redeu,  nicht  abpr  um^'f  kehrt  von 
eiaem  durch  Deukeo-  und  Willenstbätigkeit  gesetzteu  uud  iiervorgeUradtea 
göttlichen  8cin  und  göttlicher  Substanz;  denn  in  dietnai  Pnlle  vQrde« 
wir,  stntt  das  göttliche  Sein  ^infznhellen  ond  zu  eikl&ren,  an  5enip  *^Trlle 
ein  Luding,  den  lebendigen  Widerspruch  setzen.  Iiier  gilt  das  Wart: 
qui  scrutator  est  majestatis,  opprinietur  a  gloria,  d.  h.  wer  sich  TCfwiCgt, 
das  Wesen  Gottei  mit  dem  blofscn  Licht  der  Vernanft,  durcii  Vernunft» 
begriffe  erfassen,  wenn  fiurh  nicht  umfassen  zu  wollen,  verfällt  in  an- 
gereimte  und  widiut^precheode  Vorstellungen.  Eine  solche  aber  ist  der 
Godnnke  einet  Seim,  dts  sich  j^erdeokt",  „ersebaiTt'*  a  dgl.  Will  mm 
im  Erntt  anf  diesen  Gedanken  eingeben,  so  hindert  nichts,  ihn  in  dem 
Sinne  der  neueren  Philosophie  xn  fassen.  Alsdann  ^st  das  sich  selbst 
setzende  Sein  nichts  anderes  als  das  Grundwesen  alles  Endlichen,  das 
Ich  Pichtet,  dat  Subjekt-Objekt  Schelliagt,  der  logitcbe  Begriff  Hpgela, 
das  ewige,  abtointe,  in  tick  telbtt  hegrUndele  Werden,  detten  Inkalt  d«a 
Endliche  hx. 

Der  (iütiesbegriti'  des  Verf.  hat  eine  weitere  Probe  in  der  im  folgenden 
vierten  Bocbe  behandelten  Schöpf uogstheorie  zu  besteben.  Die  zahlreiehe« 
Abweichungen  von  den  hergebrachten  Ansichten  lassen  deutlich  jr^nng 
erkennen,  wie  derselbe  aus  dieser  Prüfung  hervorgeht.  Der  Zweck  des 
Schöpfers  sei  nicht  zu  unterscheiden  von  dem  der  Schöpfung,  denn  ek 
dftrfe  nicht  der  Schein  entstehen,  als  oh  ein  malum  creatnrae  propter 
bonnm  creatoris  zug4'las«;pn  wArde  (S  124):  ein  Bedenken,  ans  welchem, 
wie  uns  scheint,  folgen  wQrde,  daCs  Gott  das  üöse  Überhaupt  nicht  zu- 
lassen könne,  nnd  worauf  wir  antworten,  Gott  könne  das  B6«e  nur  mtiBr 
der  Bedingung  xulassen,  dafs  es  dem  Guten,  d.  h.  zur  Offenbarung  der 
göttlichen  GOte  und  Vollkommenheit  dient.  Ferner:  die  Welt  sei  in 
der  göttlichen  Idee  nicht  vollkommener  als  in  der  Wirklichkeit  (S.  2i2|,  daa 
Übel,  die  Unvollkonmenheit  in  den  geschaffenen  Dingen  atis  dem  Xiebl» 
oder  aus  der  Materie  abzuleiten  und  als  ein  von  Gott  per  accidens  Ge- 
wolltes und  Verursachtes  zu  betrachten,  spi  imrnlji'ssig.  Gott  könne  nichts 
nebenbei  wollen,  der  thumistische  Begntl  der  Materie  sei  ein  duali- 
stischer Überrest;  daraus,  dafii  die  Geschöpfe  aus  Nichts  sind,  folge 
streng  genoinmrn  nichts  (S.  I.'i5);  die  Oeschflpfe  können  mit  der  sitt- 
lichen Ordnung  in  Gegensatz  kommen,  nicht  aber  mit  der  AllursHche, 
das  Üüüe  sei  (wenn  wir  richtig  verstehen)  im  Grunde  nur  das  niedere 
Out  (S.  155  ff.).  Im  gOnstiesten  Falle  erscheint  die  Theodicee  des  Vier» 
fassers,  die  Ober  das  vermeintlich  „unbesiegte"  Böseuirht  hinwegzukommen 
weifs,  als  ein  Schwanken  zwischen  der  Ansicht,  vom  Standpunkte  Gottes 
gebe  es  ftberhaupt  weder  ein  Obel  noch  ein  Böses  nnd  der  gewöhnlichen 
Lehre,  die  die  Rechtfertigung  d-  r  Zulassung  des  Bösen  darin  ersieht^ 
dafs  in  der  Hand  riottrs  auch  das  Höse  dem  Guten  dient.  Der  Hin  eis 
auf  das  ^Stückwerk"  unseres  Erkennens  ist  sehr  am  Platze  und  sollte 
man  sich  daran  besonders  auch  dort  erinnern,  wo  das  Verhältnis  unterer 
Erkenntnis  des  Daseins  Gottes  zur  Wesenserkenntnis  in  Frage  kommt. 

Jene  Abweichungen  in  der  Theorie  der  Schöpfung,  Krhaltung  ond 
Regierung  erkl&ren  sich,  wie  es  scheint,  insgesamt  aus  dem  durch  den 
GottesbegriflT  geforderten  Sehöpftrogsbrgriff  des  Verf.  Wie  der  positire 
Sinn  der  Ateitftt  die  Selbttrerwirklichnng  itt,  to  itt  nach  Ansicht  des 


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littBuriMlw  BMpnebongiQ« 


875 


V«rf,  if r  poshiw  SiiiB  der  Schöpfung  ans  Nichts  die  HertorbriDgang  durch 
•das  Denken  und  Wollen  Gottes.   Nehmen  wir  hinzu,  didi  nach  dem  Verf. 
Denken  und  Wollen  (TTodacht- nnd  OpwoDtsein)  die  Formen  des  Seins  sind, 
SO  haben  wir  folgerichtig  in  den  Dingen  formell  göttliche  Denk-  und  Willens- 
«fcte  so  erkeanen.  In  einer  tolchen  Schöpfung  mnft  freilich  fBr  die  «lM>bere* 
Betrachtung  das  Übel  und  die  Sflnde  verschwinden.   Ob  man  Ober  diese 
Theorie,  in  der  mit  der  thomistischen  „Materie"  auch  aller  „Dualismus" 
SrOBdlich  ansgemenst  ist,  dasselbe  Urteil  fallen  könne,  das  der  Verf.  in 
^freebter  Wfirdifong  Ober  die  thondttiiche  Theorie  toMpriebt,  dtlh  niebte 
so  G^rnndsätzlich  von  Panthrismns  entf»  rnt  s^i,  als  die  fiebre  von  der  in- 
tensiv und  extensiv  alhimfassendcn  Ailwirksamkeit  der  ahsohiten  Freiheit 
^8.  148),  darüber  mo^^^e  der  Leser  entscheiden.    Xur  tineu  i^ingerzeig 
«ollen  wir  geben  nach  der  Richtung,  auf  welche  der  Hegriff  der  gött- 
lieben  Selbsterschaffung  hinweist     f'ie  Wendung,  die  Schöpfung  des 
Kodlichen  sei  von  selten  Gottes  eine  freie,  weil  sich  seine  Schöpfermacbt 
Gerdts  an  tönern  eigenen  Sein  bethatige,  scheint  eine  zweischneidige 
Waffe  zu  sein,  die  sich  gegen  denjenigen  wendet,  der  sie  handhabt 
Denn  ist  das  göttliche  Sein  selbst  ein  OpschaflFene?,  dann  ist  die  Schf^pfung 
der  Dinge  nicht  blofs  frei,  sondern  auch  —  überflüssig:  eine  überflüssige 
Verdopplung,  da  der  Teminue  der  ersten  Schöpfung  ala  ein  Teror* 
sachtes,  gewordenes  Sein  doch  nur  ein  endliches  Sein  sein  kann. 
Und  welchen  Sinn  soll  es  haben,  dafs  die  zweite  Schöpfung  von  der  ersten 
durch  die  Freiheit  sich  unterscheide,  wenn  schon  die  erste  eine  „freie" 
Erkeontnit-  and  Willenstbnt  der  tich  aelbat  ▼enrirklicbenden  Gottheit 
Min  soll? 

Die  Knrif  ]1(  hre  des  Verf.  ist  von  einer  fortlaufenden  Polemik  gegen 
die  der  ihooiibtiscben  Schule,  deren  strenger  Begriff  vom  reinen  Geiste 
*!•  ein  möglicher,  aber  dem  biblt&cheu  Bilde  von  den  Engeln  iakon- 
£!:ruonter  bezeichnet  wird,  durchwoben.  Wollte  man  ahr  r  die  Krklgnintrs- 
-weise  des  Verf.  auf  die  Gotteslehre  anwenden,  so  würde  der  auf^eräte 
Anthropomorphismus  die  Folge  davon  sein.  Die  Ansicht  des  Verf.  vom 
Wesen  und  Leben  eines  reinen  Geiates  hat  jedoch  einen  tieferen,  pliilo- 
tophischen  Grund,  Lämlirh  einen  ausgesprochenen  Dynamismus,  <!er 
4m  materielle  und  geistige  Dasein  einander  so  nahe  rUckt,  dals  ihre 
Grenzen  ineinander  mefsen.  Für  die  angebUchen  „konteaiplativen**  Mo- 
naden des  hl.  Thomas  erhalten  wir  ^praktische  Welibarger",  die  nicht 
aPein  auf  die  Dinge  wirken,  sondern  auch  von  ihnen  leiden:  eine  Auf- 
fassung, die  dem  Verf.  uiu  so  weniger  Schwierigkeiten  bietet,  als  er  ein 
eigentlfchea  Leiden  Oberhaupt  nicht  angibt  und  die  Ansicht  anaapricht, 
dafs  die  Fortschritte  der  Naturwissenschaft  zur  Streichung  der  Kategorie 
des  Leidens  aus  drr  aristotelischen  KutPfrnr  entafel  gefulirt  haben.  Leiden 
sei  nur  etwas  iielalives,  eine  andere  Art  des  Wirkens,  ein  ubhaugiges 
bedingtea  Wirken.  (S.  201  ff.)  Daa  Überströmen  einer  Realität  des  Wir* 
kendon  zum  I^eidenden  sei  ein  metaphysischer  Aberglauben  (S.  232),  eine 
Bemerkung,  die,  nebenbei  gesagt,  weuii  sie  dir>  scholastische  Auffatisung 
des  Leidens  treffen  soll,  auf  einem  völligen  Mifaverstäudais  beruht;  denn 
das  ÜbergefOhrtwerden  von  der  Potenz  in  den  Akt  durch  eine  wiritende 
Ursache,  die  in  eben  dirspr  Beziehur?  im  Akte  ist,  bedeutet  etwas  ganz 
anderes  als  den  Aberglauben  einer  von  der  Ursache  auf  die  Wirkung 
Qberwandernden  Renlitit.  Der  Yerf.  ichent  indea,  nm  die  aeholaBtitdie 
Materie  nnd  die  «reale  Möglichkeit**  mit  der  Wurzel  ausaurotten,  vor 
der  letzten  Kons^^qnenz  nicht  zurück,  die  allen  Kausalzusammenhang 
aufhebt  nnd  ihn  auf  eine  gesetzlich  geordnete  Aufeinanderfolge  der  Lr- 
«eheiniingen,  in  der  jedes  Glied  vertauscht  werden  könnte,  rednaiert:  „Die 


376 


littonuMi»  Betpredmiigeii. 


thalaiebliebe  BedeataDir  der  Nfttoronftehliebiceit  wird  siebt  aufgehoben, 

wenn  sie  als  gesetzmärtiiger  Zusammcnhaog  und  geordnete  AufeiDander- 
folge  von  Dingen  und  Zuständen  kraft  ihrer  inneren  Beschaffenheit  vor- 
standen  wird.  Es  gibt  kein  Leiden,  weiches  nicht  in  sich  betniclitvt^ 
Wirken  wire;  es  gibt  kein  MOgliehei  als  Erklftrangagnuid  des  Wirk- 
licbrn  ,  aondorn  nur  Wirkliches."  (S.  288.)  Nun  gilt  aber  dem  Verf.  aU 
das  eitizifie  reale  Verhältnis  das  Kausalvcrhältnis,  weshalb  er  auch  dif 
von  den  Ihomisten  auf  das  Erkeuuen  der  fc^ngel  iu  seinem  wechselnJea 
Verhalten  SO  den  Dingen  angewendete  Unterscheidung  vom  Priucip  noA 
TermimiH  vrrv/irft;  folglich  besteht  zwischen  den  Geschöpfen  ubcrhaapt 
kein  reales  Verhältnis  und  alle  Keatität  löst  sich  in  daa  einzig  reale 
Verbiltnit  der  Geschöpfe  zu  Gott  auf.  Der  Dynamismus  ist  ToUttiadig; 
die  Dinge  sind  Erkenntnis-  und  Willensakte  Gottes;  Erknnnlsein  und 
Gewolltsein  sind  die  Formen  des  Seins! 

Wie  es  unter  solchen  Uniständen  mit  der  spekulativen^ Authropoiogie 
des  Verf.  bestellt  sei,  bedarf  einer  weiteren  AnsKlbrnng  nicht.  0» 
Definition  des  Vienncr  Konzils  ist  dem  Verf.  keine  Bestätigung  der  niat. 
prima  im  aristotelisch  scholastischen  Sinne.  (S  2ä7.)  Obgleich  aber  dit 
Seele  nicht  im  scholastischen  Sinne  als  VVesensform  zum  Leibe  sich  t-er> 
halte,  so  seien  doeh  die  niederen  Stufen  der  Körperlichkeit  und  SioDlieb> 
keil  in  ihrem  tiefsten  (irunde  vom  Oriste  beseelt.  Wir  fragen  wieV  ds 
sie  doch  vom  (ieiste  nicht  „leidnr  konneu.  Wohl  deshalb,  weil  sie  ia 
ihrem  tiefsten  (irunde  schon  geistig  ^siud? 

Von  der  Übernntilrlichkeit  der  Anschauung  Gottes  gibt  Sch.  foigeniie 
Erkl&rung:  „Die  Ansrli-munfj  (lottrs  ist  ihrem  Wesen  nach  bclilec Itliia 
QbernatÜrlich  oder  über  Kraft,  liedütfuis  und  Wurde  jedes  aucii  noch  $o 
▼ollkoniroen  angelegten  (ieschöpfes  erhaben,  das  heifat  Gott  ist  abgesehea 
von  seiner  freit  n  Selbstbiugabe  für  keinen  geschaffenen  Geist  erkennbar.'' 
Da  nun  uIm  t  (Jott  bereits  in  der  Scbopfunp  sich  frei  nelbst  liinjibt  .ud 
dem  geschuöeuen  Geiste  sich  erkennbar  macht,  so  scheint  alle  Gottes- 
erkenntnis eine  flbernstarlieho  su  sein  und  dies  unsowehr,  lU  nach  dem 
Verf.  die  Erkenntnis  des  Daseins  Gottes  von  der  des  Wesens  meht 
getrennt  werden  kann. 

So  erklärt  sich  denn  auch,  dafs  Sch.  in  der  Lehre  von^der  Km- 
pfhnglichkeit  fflr  die  Gnade  —  potentia  obedientialis  —  wie  die  Äuf»ernofr 
S.  205  zeigt,  nicht  auf  Seite  der  Scholastik  steht.  Die  von  ihm  p  braiicbtc 
T'nters<h«'idnng  von  Ideal  und  Ziel  ist  hiufällig;  denn  ein  h\tn\  hticlit 
umii  weuigstens  zum  Teil  zu  verwirklichen;  kein  VernUnftigf r  wuu  eiuHj 
Stern  zu  seinem  Ideale  machen  wollen. — Wiederum  versickert  man  uns, 
die  patristiscbe  Verhältnisbestimniuug  von  Natur  und  Guado  sei  di<  ti« 
fere,  die  scholastische  sei  juristisch,  und  dies  trotz  der  ungeheoreo 
Kämpfe  gegen  die  reformatorische  Theologie  und  trotz  der  tortgeschritteoeo 
dogmatischen  Eutwidclnngl  Doeh  auch  dieses  Urteil  erklärt  sich  ans 
tieferen  Gründen. 

De  minimis  nou  curat  praetor.  Gieichwobi  möge  erwähnt  werden, 
dafe  es  8. 16  wohl  heilen  sollte:  die  vermeintlich  LelbDitzscbe  Formel; 
man  vgl.  nämlich  Kuhn,  Kath.  Dogmat.  Ii.  IL  8.  6liO  Anm.  1  n.  S.  021. 
Endlich  l)edaitern  wir  die  uuglückürhi^  Erneuerung  einer  veralteten  Kr- 
kläruug  von  Gen.  6, 1  ff.  und  die  uu^eres  Eracbteus  noch  unglücklicher» 
Hotiviernng  derselben. 

München.  Dr.  H.  GloCiner. 


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littwariaolie  Bespiechungen« 


377 


Sic  et  liou.  Die  riobltiUie  der  chriötlichüü  Glaubenjs-  uud  iSitteü- 
lehre.  Wisse uschafUich  erörtert  io  drei  Geeprächeo  von 
Paul  GloatB»  Lic.  theol.  Wittenberg,  Herrose,  1890. 

Das  nJfthrbaeb*  bat  nur  f nsofem  Veraoltttung,  sieb  mit  ▼orgeiiannteiii 

Schrifteben  /u  beschäftigen,  als  dieses  sich  wiedorholt  mit  der  katboliscbeu 
Kirche  und  Lehre  wenig  freundlich  bpschätiigi:  denn  tu  irgendwie  nenuens- 
verten  Hesullaten  oder  zur  Versöhnung  der  im  Protestautismus  beste- 
henden sablreicheo  Gcgeasfttse  gelangen  die  drei  —  oft  iu  ungeheuer« 
laDgen  Perioden  gffnhricn  —  „Oesi)iilche"  ihat&ächlich  nirht.  Schon  der 
erste  (S.  1)  IBZcilcn  lanpe Sa tis.womitda»„wissciischaftlicht'~  Gespräch  über 
„das  Wesen  des  Chriistuuluins"  erAflFuet  wird,  begiüiu  mit  einem  Angriff  auf 
die  katholtaebe  Kirche,  welche  «durch  üufsere  (nicht  auch  innere?)  Einheit 
zu  imponieren  strebt**  |d.  h.  wirklich  imponieiij  —  auf  den  „unfreien,  io 
seinem  Autontätsprtncip  positivistischen  (1?)  Ivatholizisnius'*,  der  freilich 
dem  ffSchreckbaften  Umsichgreifen  einer  der  hObereo  religiösen,  idealen 
uud  sittlieben  Interessen  völlig  ban  i  .  lirinzlpiell  senwalistischen,  egoi> 
stischen  und  atljeiKtischeo  VVflt-  und  Lrben'^tri^chauung"  nicht  Schach 
hieteu  könne.  Üeueidet  der  Herr  Verfasser  buuiii  die  kaiholiscbe  Kirche 
nicht  tim  ihre  imponierenile  Einheit^  so  haben  wir  noch  weniger  Ursache, 
seine  „liebe  evangelische  Kirche  und  Theologie"  nm  die  „Zerfahrenheit 
und  ZiTrisspnheit"  zu  beneiden,  die  er  selbst  als  GefoI«re  ti(»s  Hechtes- 
bezeichnet,  welches  dieselbe  ^deo  einzelneu  zur  Schriltturschung,  zu 
iwrsdnlieher  Heilsaneignong  und  idttHeber«  aber  gesetses*  und  satsuogi^ 
freier  (sic!!^  ljet)eiihfi':Iirung  einr&umt."    Dafs  der  „abendländische  Ka- 
tholizismus"  iiarli   Herrn  Lir.  Gloatz  (S.  5)  der  „fihischen  AulTassung 
des  Christentums  unter  der  Idee  des  Reiches  üoitej»  iu  seiner  Art  gerecht 
geworden"  sein  und  sie  dennoch  Ahierarebisch  korrumpiert  haben**  soll^ 
ersrl  riiit  als  wirklicli  staunenswcrto  I,eisfun}r.    S.  6  liegegneu  wir  der 
oft  gfuug  schon  widerlegten  Behauptung,  dafs  nach  kuthol.  I^ehre  „die 
verdienstliche  Gerechtigkeit  dem  Ciirisien  zugleich  durch  die  göttliche 
Natnrkraft  mittels  der  Stkramente  magisch  eing« .     t  u  werde."    S.  7 
*"rfrilir(Mi  wir  mit  Staunen,  dafs  dctn  disputierenden  Ii.  „am  h  einmal  ein. 
katiioliücber  Pfarrer  gesagt  habe,  David  Ötraufs  hätte  Kccht,  wenn  der 
vnfehlbare  Papst  nicht  wäre**.  Schade,  daft  Herr  B.  den  Nanen  diesen 
grofaen  Theologen  nicht  nennt,  der  gewifs  »chon  in  der  Sexta  das  Prä- 
dikat „ungentlgend**  in  der  Religion  erhalten  bat    .^uf  S.  10  wird  wieder 
einmal  das  Märchen  berichtet,  dafs  die  Protestanten  nach  katholischen  Ao- 
sprflehen  „sehon  dnreb  ihre  Taufe  dem  Papste  verpfl lebtet*  seien.  8.78^ 
heifst  es,  der  Uallebche  Pietismus  sank  „zu  der  von  Luther  überwundenen 
katholischen  und  jesuitischen  Praxis  zielloser  Stei^eruni;  d<*r 
Selbstprafung  (gesperrt  gedruckt  1)  zurück,  welche  von  neuem  die 
Menseben  sor  Heuebelei  oder  Veraweif  long  trieb*.  Dabei  soll  (ebd.)  die 
kaibol.  Kirclie  im  G.  (rriisalz  zu  laither  lehren,  „erst  die  Vollkommenheit 
(sie!)  der  Reue  berechtige  zu  dem  Veriraiion  auf  die  Söndenverfrebung"  und 
die  „wahre  Reue  und  Hufse"  sei  möglieh  auch  oiiue  „Krall  der  Gnade". 
Wir  empfehlen  dem  Herrn  C,  der  in  seiner  Dispntstiou  diese  theologische 
Leistung  zu  Tage  fordert,  ernstlich  das  Studium  der  Canones  der  gpgen 
den  Semipelagianismus  abgehaltenen  2.  Synode  von  Orange  (b2^.  Vgl. 
Densinger,  euchiridion  symbolorum  et  definitionum.    Nr.  147  ff.)  und 
Tridentinum,  soss.  VI.    Denn  es  kann  nie  schaden,  wenn  man  gegen  die 
kaiholiscbe  Lehre  polemisieren  will,  dieselbe  vorher  Innnen  gelernt  aa 
haben. 

Breslau.  Professor  Dr.  Koeuig. 


378 


Die  katholische  Wahrheit  oder  die  tbeoIojEnsche  Sninma  des 
heilif^en  Thomas  von  AquiO)  cleutsch  wiedergegeben  von 
Dr.  Ceslauft  Maria  bchneider.  IX.  und  X.  Band. 
Ke^ensbarg,  Verlags-Anstalt. 

Beide  Bäode  bilUeo  dea  Abscblofs  der  von  Dr.  8ch.  mit  so  vieler 
MAhe  und  Genauigkeit  Teranstalteten  deutschen  Obersetzno^  der  Summa 
des  bl.  Thomas. 

Mit  Recht  bezeichnet  der  (gelehrte  Verfasser  diesen  Teil  U  r  Samros 
als  »den  Weg  zur  Herrlichkeit".  Deoo  io  diesem  Abschnitte  bandelt  der 
beil.  Lehrer  von  den  Mitteln,  die  den  Meoieheii  sn  teinem  wahren  Ziele, 
za  seiner  Bestimmung  hinleiten,  der  fcirlösung  und  den  Sakramenten.  Ist 
an  und  ffir  sich  diese  Materie  fflr  den  Theologen  wie  Oberhaupt  för  jetlen 
Christen  von  gröfster  Wichtigkeit,  so  gewinnt  sie  noch  mebr  Interem- 
in  der  Bebandlungsweise  dea  engliacben  Lehrers. 

Mit  der  ihm  eigenen  Schärfe  und  Gründlichkeit  dringt  er  nicht  nur 
in  die  erhaheusten  (jehfimnissp  ein,  sondern  zieht  auch  die  rriphr  nntfr- 
geordneten  Fragen,  die  mit  den  Geheimnissen  in  Verbindung  stehen,  lo 
den  Bereich  seiner  scharfsinnigen  Erörterungen. 

Und  ohru  hierin  liegt  die  Stärke  des  heil.  Thomas,  dafs  rr  nicht 
nur  ein  Gerippe,  sondern  etwas  Ganzes  schuf,  dai's  er  das  theologische 
Wissen  seiner  Zeit  zum  Abschlösse  brachte,  und  das  Vorgefundene  n 
einem  herlichen  vollendeten  Bau  vereinigte. 

Was  nun  die  III.  pars  aubnlarifTt.  <in  fafst  der  engUKhn  Lehrer  die 
ganze  Materie  unter  drei  Gesicht&puiikteu  zusammen. 

Unter  dem  ersten  behandelt  er  die  Wiederanfriehtung  der  dnreh 
die  SQnde  von  Gott  abgefallenen  Menschheit  durch  Christus;  und  reiht 
hier  die  Geheimnisse  der  Menschwerdung,  der  Empfängnis,  Gehurt,  r.eiden 
und  Tod  Christi,  seine  Oenugtbuung,  Auferstehung  und  Himmeltahrt  an. 

Der  zweite  Gesichtspunkt  nmfarst  die  Sakramente,  alt  den  aoi  dea 
Leiden  Christi  fliefsenden,  zu  unserem  ewi^^en  lU-üo  notwendigen  Mitteln. 
Nach  einer  alkemeinen  .Abhandlung  aber  die  Sakramente  gebt  er  zu  den 
einzelnen  Sakramenten  über. 

Leider  ist  in  diesem  Teile  bei  dem  90.  Kapitel  „ober  die  Teile  det 
ßufssakramentes  im  allgemeinen",  das  grofsartlge  Werk  des  hl.  LelutfS 
durch  seinen  frohen  Tod  unterbrochen  worden. 

Um  (las  Werk  nicht  unvollendet  su  lassen,  wurden  die  fehlend«! 
Teile  ans  dem  Commentar  des  Heiligen  an  den  Senteosen  des  Lombarden, 
herübergenommen. 

Endlich  wird  unter  dem  dritten  Gesichtspunkt  der  Zustand  der  Seele 
nach  dem  Tode  nnd  die  lotsten  Dinge  erOrtert. 

Was  nun  die  Übersetzung  selbst  anbelangt,  so  isl  dieselbe  mit  grolbsr 
Genauigkeit  und  Gewissenhaftigkeit  gearbeitet. 

Der  gelehrte  Verfasser  schliefst  sich  eng  an  den  heil.  Thomas  an, 
md  der  Leser  hat  eine  wortgetreue  Wiedergabe  des  latefniseheB  Testes 
der  Summa  vor  sich. 

Obwohl  eine  allzu  freie  Ubersetzung  den  Sinn  verstellt,  so  hätte 
doch  im  vorliegenden  Falle  eine  freiere  Übersetzung,  ohne  dem  Sinne 
der  Summa  Eintrag  zu  thun,  Stattinden  können.  An  fielen  Stellen  vlre 
dadurch  das  Ver=T:'\nilnis  (?rlo?chtprt  worden. 

Dsfs  ferner  bei  einem  so  grofsen  Werke  manche  Unvolikommenheiten 
nnterlanfen,  ist  leicht  brareiflicb.  So  ist:  B.  IX.  a  16.  Z.  6  v.  u.  das 
Wort  nHensch*  nosgeblioben,  8. 21.  Z.  6  ?.  o.  ist  nach  ,was  Tom  Maogel 


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Litterarisdie  Besprecbongen. 


37^ 


in  den  Menschen"  anzufügen  „die  Christo  nicht  aDhängei]\  S.  148. 
A.  VIII.  arg.  II.  ist  .magnanimus",  wie  aus  dem  Zusainraeobaug  hervor- 
fehl,  nicht  mit  „hochoerzig",  sondern  „starknilltig'',  za  QbersetMn.  8. 101 
m  corp.  art,  fOr  „phantastischen  Leib",  besser  „Schrinlpib". 

8.  153.  a.  il.  arg.  1.  ist  ntncomooicabtle'*  nicht  mit  nunmitielbar", 
ioiid«rn  „unteilbtr*  in  flbenetten.  S.  409.  a.  III.  ad  1  an  Stelle  «was 
empfangen  etc.  im  reinsten  ßuBeo",  besser  „im  reiosten  Schofje".  8.  415. 
a.  III.  ad  n  für  „die  nach  der  Xaafo  sterben*,  ,di«  nach  der  Tante 
iOndigen*',  zu  iesen. 


emer  B.  X.  8.  Sl.  ar.  IL  arg.  II.  fttr  «die  Mangel  der  Seele  haben", 


naCi  man  lesen  .,dip  Mängel  etc.  heben*. 

b.  157.  a.  U.  arg.  II.  statt  «dals  die  Fom  des  Leibes",  «die  Forss 
des  Brotes*. 

8.  288.  a.  VII.  ad  II.  fOr  «die  H&retiker  können  nicht  gOHig  kon- 
eekrieren",  zu  lesen  „nicht  mit  Hrcht;  i.  e.  ist  unerlaubt  etc.". 

8.  817.  a.  III.  statt  „Zerldeinerung  des  Willens**  besser  „Ycrdemü- 
tffttttg*;  8.  611.  a.  I.  in  corp.  art.  statt  ^venn  der  Mann  Ahnlich  Unzucht 
treibt"*,  ,,wenn  etc.  gleichfalls  Unzucht  treibt*. 

S  Gif;  a  V  ad  II.  fQr  .Su  besteht  hier  eine  nnferbesserlicke  etc.* 
BoTs  man  lesen  »und  desgleichen  etc.* 

8.  66S.  a.  IV.  in  arg.  sed  contra  ist  »sinns  Abrahae"  besser  mit 
«Vorhölle*  als  einfach  „Hölle"  zu  übersetzen. 

Überdies  Ist  in  beiden  Bänden  das  Wort  „geous*  mit  ..Art*  und 
«apedes**  mit  «Gattung*  übersetzt,  was  gegen  den  gewuhulicheu  Ge- 
tenncb  ist 

Bei  einer  neuen  Auflage  wäre  es  wünschenswert,  wenn  der  gelehrte 
Verfasser  einen  Kommentar  zu  dem  Texte  beifügen  würde,  um  die  weniger 
bekannten  Termini,  sowie  einzelne  Definitionen  weiter  zu  erläuiern. 

Dr.  Schneider  hat  durch  die  Obersetzung  der  Summa  ein  grolMS 
Werk  mit  Glück  vollendet,  und  ihm  gehört  das  Vcr<lienst,  als  der  erste 
das  herrliche  Werk  des  englischen  Lehrers  ins  Deutsche  übertragen  und 
CS  weiteren  Kreisen  zug&nglich  gemacht  su  haben.  Nicht  nur  dem  Theo- 
legin  Qod  Philosophen  ist  in  dem  monumentalen  Werke  des  beil.  Thomas 
eine  ungetrübte  Qm  !?o  reichen  Wissens  und  ein  festes  unverrückbares 
Fundament  für  ihre  wissenschaftlichen  Arbeiten  geboten,  sondern  auch 
den  gebildeten  Laien  ist  Gelegenheit  geboten,  sich  durch  eigenes  Studium 
der  Summa  des  englischen  Lehrers  mit  den  darin  für  das  ethische  Leben 
so  notwendigen  rbri<^t]ichen  Grundsätzen  bekannt  au  machen,  um  so  sich 
selbst  und  dem  ^^aciisico  zu  nützen. 

Dieses  nimlieb,  die  Lehre  des  hl.  Thomas  in  weitere  Kreise  su 
vprbrritpn,  um  so  dm  immer  mehr  um  sich  prrifrndeu  materialistischen 
und  rationalibtischt  n  Irrtümern  aut  wissenschalilichem  und  praktischem 
Gebiete  zu  begegLeu,  war  ja  die  Absicht  des  hl.  Vaters  Leo  MII.  in 
seiner  hierauf  bezüglichen  Eucyklica  «Aelerni  Patris'*  fom  4.  Angost  1879. 

I'r.  Sch.  hat  durch  die  t  lerst tztuig  der  Summa  des  englischen 
Lehrers  dieser  Absicht  ain  besten  entsprochen  und  dafür  gebftbret  dem 
grOodlichen  Kenner  und  treuen  Verehrer  des  hl.  Thomas  die  volle  An- 
erkennung. Wir  wünschen  nur,  dafs  die  «katholische  Wahrheit*  ein  Gemein- 
gut  aller  werde. 


Gras. 


Digitizec  ^'^tTögle 


380 


ZoittdirifteMobau. 


ZEITSCHRIFTENSCHAU. 

A.  Zeitsohriften  für  Philosophie  und  spekulative  Theologie. 

Aaiiales  de  philosopbfe  chr6tlenne.  CXXIT  n  Heft  1691.  De 
Srofftie:  EUthim  et  Jabveh  63^.  P.  Vallet:  L'hdrödite  (Fortsetzang,  vgl 
VI,  252  da.  Jahrb.)  569.  E.  Dornet  de  Vorges:  La  perceplioo  et  k 
Psychologie  tbomiste  (Forts.;  \g\.  VI,  252  a.  a.  O.):      ]>e  rinstioct  et 

de  la  raison  particuliere  582.  X  .Jnuriv-  T.p  sfurimenr  mnrnl  fForts.: 
vgl.  VI,  252  a.  a.  0.);  —  La  Däceüsaire  et  le  couiigeut  Uüi.  —  KeTue  des 
Bernes. 

DItos  Thomas.  Vol.  IV.  (Annus  XII)  17—16  F&sciculus.  1881.  .4/ov. 
lioteÜi:  Coramentaria  in  quaestiones  I>.  'l'hnmae  S.  thcnl  III.  qn  1—36 
(Forts,  vgl.  VI,  252  a.  a.  0.)  257.  J.  B.  Chabot:  UommeQtaria  in  qtue< 
stiones  D.  Tbomae  8.  tbeol.  I.  qa.  97—48  (Fort»,  vgl.  VT,  252  a.  a.  0.) 

260.  J.  V.  Qiiaostioncs  circa  quartam  viam  S Thoroae  ad  demonstrandam 
Dei  existentiam  (Forts.;  vpl.  VI,  125  a,  a.  0.)  265.  J.  Vinali:  I  iroffl 
ad  aliquid  sit  univucum  relutiüuiUua  realibus  et  rationis  2()U.  Setoeria: 
Analysit  actns  fidel  iaxta  8.  Thomam  et  iaxta  rpcentiores  theotogoi 
(Forts,  vgl.  VI,  25:?  ».  a.  O.)  270.  V.  Frmntii:  Existentia  Del  et  philo 
aophus  chrislianus  (Forts,  vgl.  VI,  252  a.  a.  0.)  275.  Eoangdi$tta:  De 
nova  editione  operum  S.  Ronaventurae  279.  —  Hihliographia.  J 

IMiHosophlsches  Jahrbueh.  IV.  Hd  *  4.  Heft  1891.  GuihnUi: 
W.  Wundts  System  der  Philosophie  (Schliifs:  vgl.  VI.  2r)8  a.  a.  ü.)  341. 
Jjimnmer:  tieleiicbtuDg  einer  philosophischen  Kritik  (derj.  von  Schoeki) 
der  optiacben  Wellentbeorie  860.  ThiU:  Das  FondamentalpriDcip  alier 
WiaseuschafteD  (SchlufB;  vgl.  VI,  126.  a.  a.  0.)  87d.  Michel:  Die  Kos- 
mologie des  Mosps  Maitnouides  nn  i  des  Thomas  von  Aquino  in  ihren 
gegenseitigen  Beziehungen  387.  Btatg:  Ober  die  philosuphiscbe  Bedea» 
tung  TOD  Schulbflchern  405.  H^.  iiÜMer:  Nocbmala  an  Feldnera  Scbrift:  «Ue 
Lehre  des  hl.  Thomas  von  Aquin  über  die  Willensfreiheit  der  vernünf 
ticren  Wesen".  Jll.  Schneid:  „Enthält  die  chemisch-physikalische  Atom- 
theorie Widersprüche?*  Entgegnung  auf  P.  Linsmeiers  kritische  he- 
nerkungen  480. 


B.  Aus  Zett0(ibrilteii  Termtoohten  Inlialteo. 

Tbeoleyiaebe  Quartalsebrill.  LXXIÜ,  3.  Heft  1891.  Scham:  Die 
Atomistik  nnd  die  cbristlicbe  Naturpbilosophie  412.  Koeh:  Die  AnkUtrilit 
des  bl.  Augustin  in  der  Lebre  tod  der  Gnade  und  Pxftdestinatioii  (Fortt. 
▼gl.  VI,  25.S  a.  a.  0.)  455. 

Stimmen  aus  Maria-Laacb.  XLI,  2.-4.  Heft  1891.  Granderath: 
Kaftans  oeaea  Dogma  168.  266.  Petek:  Die  Philosophie  dea  witeeD- 
sebaftliefaen  Soalalismot  246.  357. 


.  Kj       by  Googl 


Neue  Büchor  utul  Ueren  Besprechungen. 


381 


NEUE  BÜCHER  UND  DEREN  BESPRECHUNGEN. 

Bäamker:  Das  Problem  der  Materie  in  der  griech.  Philosophie  (v^. 
VI,  258  a.  A.  O.):  bespr.  t.  Friek  in  den  SUmmm  au»  M.'L,  41,  212. 

Cathrefn :  MoralphiloBopbie.  Freibarg  1891 ;  betpr.  t.  P.  v,  Hoens- 
hrnich  in  den  Stimmen  mt  M.*L»  41,  451;  tod  Pruner  in  der  LU.  Btmd' 

tidifui  17.  207. 

CheTallier:  De  scieDtia  regimiois  animarum  aaperaaturalis.  Nanzy 
1888;  beipr.  t.  Glottner  in  der  LU.  Eandtehau  17,  258. 

CMei;  Doctrine  pbnosopbiqoe  de  8,  Tbomas  d'Aqaio  retumte 
d'apr^s  le  I)r  Stoeckl.   Paris,  langer  et  CberoOTiB  1890:  betpr.  t.  Jlb. 

Barheris  im  Di  ms  Thomas  IV,  287. 

Didou:  Jesus -Cbriat.  Paris  1891;  bespr.  v.  Tononi  im  JDivut 
Thomas  IV,  28(i. 

DMeilelB:  Pbttosopbia  divina.  Ootte»  Oreieioigkeit  bewiesen  an 
Kraft,  Kaum  und  Zeit.  Krlugen  1889;  bespr.  tod  (nouner  in  der  LU, 

Bundschau  17,  2H0. 

Hardf :  Der  Buddhismus  nach  älteren  PAH- Werken.  Maoater  1890; 
bespr.  V.  Scham  in  der  Theol.  Quartaischr.  73,  517. 

Hamaek:  Lebrbnch  der  Dogmengescbicbte.  Freibnrg  1890;  betpr. 
T.  Sehans  in  der  Theci.  Quartältdir.  78,  509. 

Hilt:  Des  hl.  Gregor  ton  Nyssa  I>phre  vom  Menschen  fv-tpm.itiscli 
dargestellt.  Kölo  1890;  beepr.  v.  Schanz  in  der  ll^eol,  QuurtaUchr^t 
73,  508. 

Hllninier:  Det  bl.  Gregor  von  Nazianx  des  Tbeologen  Lehre  voo 
iler  Gnade.  Kempten  1890;  bespr.  t.  Ehfhard  in  der  Xit.  Mundsthau 

17,  301. 

KIst:  Indisches  und  zwar  Kolipion,  Teinp^»!  und  Fesio  der  Hindu* 
Innsbruck  1890;  bespr.  v.  Scharu  tu  der  Thtcd.  (^uartahchr.  73,  620. 

K(inlg:  Lehrbuch  fQr  den  katholischen  Religionsunterricbt  in  den 
^oberen  KIhssi  h  der  Gymnasien  und  Realsehnleo.  8.  Aofl.  Freibarg  1891; 
bespr.  V.  Büf'fl  im  Augustinus  8,  90. 

Krampf:  Der  Urzustand  des  Mpn?chpn  nach  Gregor  von  Nyssa. 

VV  Ul  zburg  lööU;  bt'spr.  v.  Scliatiz  in  der  Thtul.  i^uartaUchr.  73,  506. 

Ludwig:  Spaziergänge  eines  Wahrheitssuchers  ins  Reich  der  Mystik. 
SeUaf«;  (vgl.  VI,  254  a.  a.  0.);  betpr.  v.  Gtifberlet  im  Philo«.  Jakrhwk 
IV,  451. 

Xanzoni:  De  natura  peccati  deque  eins  remissione  dispatatio  1890; 

bespr.  V.  Leh^tiluhl  in  den  Stiwnien  am  M.-L.  41,  455. 

Oswald:  Die  dogmatische  Theologie.  Paderborn  1887  u.  88;  bespr. 
T.  JToeft  in  der  Theci.  Quartalachr.  78,  498. 

Paszkowski:  Die  Bedentnng  der  theologiaeben  Vorstellungen  fOr 
die  Ethik.    Berlin  1891;  bespr.  v.  GutherUt  im  Philos.  Jahrbuch  IV,  449. 

8ehiesl:  Der  objektive  ünterschied  zwischen  Tod-  und  l&fslicher 
Sünde.  Augsburg  Idm;  bespr.  v.  WirthmuUer  in  der  LU.  Bundschau 
17,  800. 

Schlegel :  Das  Bewnfttsein.  GrundiQge  naturwissenschaftlieber  philo- 
sophischer Deotang.  Stuttgart  1891;  bespr.  v.  Schmid  im  FhSL  Jahrb. 

IV,  439. 


NM«  Baefatf  imd  dam  fiespreckofSB. 


Beluüidt:  Geschichte  der  deutscheo  Verf&ssuDgs frage  wahrend  der 
Befrdmiftliriege  and  des  Wieoer  Koogressea  1812  Mt  101fi.  Stattgait 
IB90;  twtpr.  t.  Cathrtin  im  Philo».  Jahrbuch  IV,  485. 

Straab:  De  objectivitate  coenitionis  huoiaaae.  Freibaif  1888; 
bespr.  T.  Glotsner  ia  der  lAt.  Bundsch,  17,  257. 

Waldeek:  Lehrbuch  der  katholuchen  Religion.  Freiburg  1«^; 
betpr.  Ton  WiUmilbHnk  In  den  SNMMtn  mm  M^-L,  41,  218. 

Weiss:  Apologie  des  Chriiteotttns  vom  Standpunkte  der  Sitte  und 

Kultur.    Freiburg  1888  ff   bespr.  v.  Pesch  in  den 
41,  825;  TOD  Uünkr  ia  der  LH.  Bundfschau  17,  295. 

f.  Wiehert:  Die  ewigen  Weltrfttoel.  Zweite  Serie.  Halle  lö90^ 
betpr.  T.  (haUftfUi  Im  FhSlM,  JMMk  IV,  447. 


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DAS  VERHÄLTNIS  DER  Wli^SENHEIT  ZU  DEM 
DASEIN  IN  DEN  GESCHAFFENEN  DINGEN, 

NACH  DER  LEHRE  DES  UL.  THOMAS 

VON  AQUIN. 

Von  fr.  GUNDISALV  FELDNER, 

Ord.  Praed. 
— r«*- — 

37*  f)  ArgumeDt:  Das  Dasein  Gottes  ist  nicht  in  einem 

andern  aufgenommen;  das  Dasein  der  Kreaturen  hin- 
gegen hl  i  Ii  der  WesenbeiL  dea  üeöchupieö  auf- 
genommen. 

Wir  haben  früher  vernommen,  wie  S.  Thomas  die  Befttim- 
mnng  eines  Wesens  erklärt.  Von  den  drei  Arten  der  ReHtimmang 
lautot  eine:  ein  Ding  werde  auch  dadurch  bestimmt^  dafs  es  in 
einem  andern  Aofnahme  findet    Die  Bestimmnng,  so  lehrt  der 
«n^lische  Meister,  geschieht  anf  Bweifachem  Wege:  entweder 
darob  Bescbraokang;  oder  dnrch  üoterscheidang.   Anf  erstere 
Art  wird  die  göttliche  Wesenheit  nicht  bestimmt,  sondern  nnr 
anf  letztere,  denn  eine  Form  erhalt  nnr  dadurch  eine  Bestimmong, 
dafs  biti  i  n  einem  andern,  nämlich  in  der  entsprechenden  (cora- 
mensnrata)  Materie  auf  genommen  wird.  In  der  Wesenheit  Gottes 
haben  wir  aber  kein  in  einem  andern  Aulgenomraeues,  denn  sein 
Daaeia  ist  die  göttliche  subsistiereade  l^iatar  selber.    Dies  ist 
jedoch  nnr  in  Gott  allein,  in  keinem  andern  Wesen  der  FalL 
Jedes  andere  Wesen  hat  ein  aufgenommenes,  daher  he- 
echraoktes  Sein,    Die  göttliche  Wesenheit  unterscheidet  sich 
dämm  von  allen  andern  Dingen  gerade  dadurch,  dalb  sie  nicht 
in  einem  andern  aufgenommen  wird.   Es  ▼erhalt  sich  bterShn* 
lieh  wie  a.  B.  mit  der  wetlben  Farbe.    Gäbe  es  nämlich  eine 
nicht  lü  einem  Subjekte  existierende  weipHt-  Farho,  so  würde 
sie  sich  gerade  dadurch  von  jeder  andern   im  Subinkto  exi- 
ötierenden  unterHcheiden,  obgh^ich  sie  aln  weifae  Farbe  nicht  auf- 
genommen, und  infolge  dessen  nicht  beschränkt  wäre.^  In  doppelter 

•  Quod.  7.  a.  1. 

Jahrbach  filr  Philosophi«  ete.  VI.  15 


384         Das  Verb&ltBis  der  Wesenheit  tu  dem  DMeio  etc. 


HhMMlit  mtenolMidet  sich  danm  die  fi>Ktliebe  Hitar  de» 
meterieUee  IWtneD.  Zuttüohafc  deriti»  dab  die  matetiellaR  Femaa 
nicht  enlielstiefeB.  Von  diher  komait  es^  dab  die  hroteitie  im 
MeDaehen  niolit  identisoli  ist  mit  dem  ICensoken,  weteher  eob- 

«ifitlert   Die  Gottheit  hingegen  ist  identiBch  mit  Gett,  die  gStl' 

Jichü  Katar  selber  subsistiert  in  sich.    Der  zweite  UnLerbchied 
liegt  dariD,  dafs  keine  geschaffene  Fonu  oder  Naiur  ihr  eigenes 
Dasein  ist.    Gotte«  Daeein  aber  ist  seine  Natur  oder  Qaiddität. 
Darum  lautet  der  ihm  uigentömliobe  Käme;  „Qui  est",  weil  er 
auf  diese  Weise  gleichsam  von  seiner  eigenen  Form  benannt 
wird.  Weil  also  die  Form>  in  diesen  irdischen  Dingen  nicht  IBr 
flieh  raheistiert^  fordert  nie  in  dem»  welchem  sie  mitgeteilt  wird, 
noch  ein  nnderea^  wodurch  sie  oder  die  Kntor  ihre  SnbiletaDn 
erhSlt  Dieaee  andere  ist  die  Haterie»  die  den  matcfieUen  Formea 
nnd  Natnren  untersteht.   Weil  femer  die  materielle  Katnr  oder 
Form  nicht  ihr  Dasein  ist,  erhält  bie  das  Daacüu  dadurch,  dafo 
sie  in  einem  andern  autgenommen  wird.  Daher  hat  sie  notwendigr 
ein  verschiedenes  Dasein,  je  nachdem  sie  in  verschiedenen  i»t. 
Daher  ist  die  menschliche  Natur  (humanitas)  in  Sokratea  und 
Plato  dem  Dasein  nach  keineswegs  eine  (oon  est  una  secnn- 
dam  etae),  obgleich  sie  eine  ist  in  Bezug  auf  ihr  eigentfioliee 
Weaen.   Bei  der  göttlichen  Mitteilong  jedoch  wird  nicht  etwa» 
IfaterieUes  verlangl^  wcdnroh  die  göttliche  Natur  ihre  8abaietona 
erhalte,  denn  diese  Natur  suhsiatiert  für  rieh,  folglich  wird  aie 
nicht  in  einem  andern,  gleichsam  in  der  Materie  anfgenommea. 
Und  Nvei!  diese  Wesenheit  selber  ihr  eigenes  Dasein  ist,  erhält 
sie  das  Dasein  nicht  durch   die  Suppositu,  in  denen   sie  sich 
findet.    Sie  ist  also  durch  ein  und  dasselbe  Dasein  im  Mittei- 
lenden, und  in  dem,  welchem  sie  mitgeteilt  wird.    Darum  bleibt 
sie  auch  in  beiden  numerisch  dieselbe.    Bei  den  Kreaturen  g^bt 
ca  keine  Generatio  ohne  Teilung  der  Wesenheit  oder  Natur  dem 
Daaein  nach,  weil  die  Natur  nicht  ihr  eigenes  Daeein  ist  Daher 
ist  diene  Generatio  mit  einer  UnToUkommeaheit  ▼erhundon*  In 
Gott  ist  diese  Generatio  ohne  diese  UuTollkommenheii^ 


>  de  potentia  q.  2.  a.  1  c  et  ad  7^^. 


.  Kj       by  Google 


Pas  Yerhiltait  dm  Weaeali0it  za  dem  Uaieia  etc. 


Dm  IbnMlItle  toi  aUm  ist  6tm  DMan.  Da  mn  die  gött- 
Mmhm  Dmifia  nkhi  i  m  eiitai  aiidm  aii%inomaieD,  wondim  mIImt 
«■MitiemdM  Dinia  itt»  Biilb  6oU  selber  meadlieh  md  toU- 
hammm  genanat  weidea.^  £r  left  daher  ela  Seieadee  aiokt  dareb 
ein  TOB  Ihm  «elber  aatereebiedeaefl  Dasein.*   Gottes  Daeeia, 

welches  idenliach        mit  seiDer  bubstanz,   bildet  nicht  ein  gc- 
meiDsanießSeio,  sondern  es  ist  von  jedem  findoru  beiu  uuterachiedtJD. 
Darum  nnterBcheidet  »\c]\  Gott  gerades  durch  sein  DiiPi'in  Ktdbtir 
▼ou  jedem  andern  Seiendes.    Denn  weil  kein  andere«  boin  sub- 
sietent  ist,  mnfii  jedes  andere  durch  die  Natar  und  SubstaDi» 
irolche  in  diesem  Sein  subaistierty  indiTidueH  werden.  Daher 
iai  daa  DaaeiB  dea  einea  eia  aaderaa  ab  daa  des  andera,  ist  ja 
dia  Natar  dea  eiaea  alohft  die  dea  aadera.^  In  Gott  eabeistiert 
die    atar  aiobt  dvreb  iigaad  etwas»  an  dem  sie  beetinunt  wHide, 
«•adom  ele  sabsistiert  dnreb  sieb  selber,  and  ibr  Dasein  selber 
ist  enbsistent    Darum  ist  die  Natur  das  Was,  und  das  Dasein 
daBjenige,  in  welchem  sie  gubsistiert.    Daher  sind  in  Gott  da8 
„quud  est"  und  „quo  eat"  durchaus  identisch.^    Deshalb  ist  der 
balz:  „(jtoU  existiert"  eine  in  sich  evidente  Wahrheit.    In  sieh 
evident  nennen  wir  eine  Wahrheit,  wenn  das  Prädikat  im  Be- 
giiiis  des  Subjektes  enthalten  ist,  wie  i.  B.  in  den  datse:  der 
Menacb  iet  eia  aatmal.   Das  aaiaial.  gebort  aam  Begriffe  des 
JfaBMsbaa.   In  dem  Satae:  „Gelft  eziatiert«'  iet  das  Priidibat  mit 
taa  Saljeki  ideatiaeb.^  Mit  Bacbt  lebrt  also  8.  Hilarinip  daa 
Daaaia  bilde  fttr  Gott  niebt  ein  Aeoideas,  sondern  sei  die  sab- 
sistierende  Wahrheit  selber,  denn  das,  was  in  Gott  subsistiert, 
ist  sein  Dasein.^    Aub  diesem  Grunde  i&t  Gült  seiner  Wesenheit 
nach  gut,  mit  andern  Worten:  kommt  das  (Tut»eiri  ihm  durch 
seine  Wesenheit  an.    Gut  heilst  ein  jedes  Ding,  insoiern  es 
ireUkommen  ist    Der  YoUkommenheiten  aber  gibt  es  drei.  Die 
eiale,  insofern  Etwas  ia  eeiaeai  Dasein  koaetitaiert  wird;  die 
aweite  ias  HiabUek  aaf  die  aam  Tollkmaiaeaea  Handln  not- 

»  ctr.  1.  p.  q.  7.  a.  1.  c.  »  1.  dist.  24.  q.  1-  a.  1  ad  1"«".  2.  dist 
3.  q.  1.  a.  2.  de  polentia  q.  7.  a.  2.  c.  »  1.  c.  de  potentia  ad  4am 
tt  5«»  *  1.  dist.  94  q.  1.  a.  1.  c  —  1.  contr.  Gent.  cap.  21.  ralir. 

U  et  2*.        *  1.  p.  q.  2.  a.  1.  c.        *  l.  c.  q.  Ö.  a  4.  arg.  scd  contra. 


386         Das  Verh&ltDis  d«r  Weseabett  ni  dem  Daseto  etc. 


wendigen  Acoidenzen,  die  dem  Wesen  hiuzugefugt  werden; 
dritte  endUoh  in  Rücksicht  aaf  das  Ziei,  welehM  ein  Dia; 
strebt  und  enretoht.  Keine  dieaer  drei  VoUkoniBmlieitea  kouaa 
einem  GeaohÖpfe  gemafa  aeiner  Wesenheit  an.  Dies  ui  h 
Gott  altein  der  Fall,  denn  dessen  Wesenheit  ist  sein  Daaeia,  aai 
zn  ihm  treten  keine  AoofdenEeo  fainsn.  Was  von  andern  Diagsn 
in  accidenteller  Weise  ausgosagt  wird,  das  kommt  ihm  we- 
sentlich zu.  Wenn  anch  jedes  Ding  gut  ist,  insofern  es  du 
Dasein  besrUL,  so  ist  doch  die  Wesenheit  der  Kreatur  nicht  ;br 
Basein  selber.  Daraus  folgt  demnach  nicht,  dafs  die  Kre^tor 
durch  ihre  Wesenhei  t  gat  sei,  denn  die  Güte  des  Geschöpfes 
ist  nicht  dessen  Wesenheit  selber,  sondern  etwas  darüber 
hin  Beigefügtes,  sei  es  nnn  dessen  Dasein,  oder  eine  andsie 
hinsngefUgte  Vollkommenheit,  oder  die  Richtung  nach  dem  Ziels. 
Die  in  der  Weise  darüber  beigeÜigte  Gflte  selber  wird  in  dsr- 
selben  Art  gut  genannt,  wie  sie  tSeieades  heifst  Man  nennt  ais 
aber  ein  Seiendes,  weil  durch  sie  Etwas  ist,  nicht  als  wäre  sis 
«elber  durch  irg-end  ein  anderes.  Sie  wird  uIho  de^iialb  £,'at 
genannt,  w^il  durch  sie  Etwas  gut  ist,  nicht  al»  hätte  sis 
selber  irgend  eine  andere  (iüte,  wodurch  sie  gut  ist.^ 

Es  erweist  sich  also  anch  hier  wiederum,  dafs  8.  Thomss 
den  Uauptnnterschied,  den  eigentlichen  Grund  des  grofsen  Ab- 
standen Gottes  Ton  den  Kreaturen  in  der  realen  Identität  setssr 
Wesenheit  ond  Ezistena  findet  Gott  ist  ein  Seiendes  dnroh 
seine  Wesenheit,  gleichwie  er  die  Güte  dnroh  seine  Wesenheit 
ist  Die  Kreatur  ist  nicht  ein  Elendes  dnroh  ihre  Wesenbstli 
sondern  durch  die  Existenz.  Heide  sind  demnach  real  von  ein- 
ander in  derselben  Weise  unturnchieden  wie  sie  in  Gott  real 
ideiUist  h  sind.  Im  letzten  Cilate  liegt  zugleich  flie  Autwort  aaf 
den  Einwand  des  F.  L.,  dafs  bei  realer  Verschiedenheit  die  Ülxi- 
stenz  abermals  durch  ein  anderes  sich  unterscheiden  müsse. 

db*'  g)  Aignment:  Gott  ist  deshalb  der  Einzige,  weil  in  iha 
Wesenheit  nnd  Dasein  real  identisch  sind. 

In  allen  Dingen  ist  das  Dasein  „ein  anderes"  als  dieWeses- 
heit  oder  Qniddit&t,  ausgenommen  in  demjenigen,  dessen  QniddHit 

*  1.  p.  q.  6.  a.  3.  c  et  ad  2«"",  smn. 


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Dm  Verhältnis  der  Wesenheit  za  dem  Dasein  etc.  387 


ikr  eigeiiee  Dasein  bildet  Sin  Wnaen  dieaer  Art  kann  jedooh 
anr  ab  einaigea  nnd  eniea  exiatierett*  fiine  Hehrheit  wird  be- 
wnrkatelligt  entweder  doreh  Betgabe  einer  DiffiNrena»  wie  a.  B. 
die  Natar  der  Gattung  und  Art;  oder  durch  die  Aüfoahme  der 

Form  iü  verschiedeiieo  MiiteneD,  wie  z.  B.  die  >ia,Lur  der  Arl 
in  verachiedonen  Individuen;  oder  dadurch,  dafs  das  eine  ab- 
strakt, das  andere  aber  in  einein  aufgenommen  ist,  wie  z.  B. 
eine  separat  exiatiereiide  Farbe  vermöge  dieser  separaten  Kxi- 
alnoB  neh  Ten  einer  nicht  separaten  unterscheidet.  Jenes  Wesen 
imiit  daa  nur  Dasein  ist,  nnd  awar  derart»  daf«  das  Dasein  selber 
anbatatiert»  kann  weder  eine  hinangefligte  Differena  noch  auch 
«ine  Materie  erhalten.  Eratorea  nicht,  weil  ea  dann  nicht  daa 
reine  Daaein  wäre,  sondern  ttberdies  noch  irgend  eine  Form  hatte; 
noch  viel  weniger  letetores,  denn  es  wäre  dann  nicht  snbsistont, 
sondern  materiell.  Daraus  ergibt  sich  diu  iiotweudige  Folge, 
dafs  ein  Wesen,  welches  sein  eigenes  Dasein  Liusmucht,  einzig 
scün  mufs.  Mit  eben  dorsclhfu  Notwendigkeit  lolgL  weiter,  dafb 
in  jedem  andern  Weesen,  aui'ser  diesem  einen,  „ein  anderes" 
daa  Dasein,  „ein  anderes"  die  Wesenheit  oder  liater  oder  form 
aain  mafs.^ 

Bine  Form  kann  nXmlich  anf  aweifhche  Weise  Tcrvielfiiltigt 
werden.  Entweder  dnrch  Differenaen,  wie  die  generelle  Form, 
I.  B.  die  Farbe  in  verachiedene  Arten,  oder  dnrch  daa  Snbjekt, 
wie  die  weirte  Farbe.   Jede  Form,  die  nicht  dnrch  Differenaen 

renrielföltigt  werden  kann,  wird,  wenn  sie  in  keinem  8objekte 
existiert,  überhaupt  nicht  vervitihalügL  Diu  Wescuheit  GoUtj'^ 
aber  ist  das  Dasein  selber,  welches  keine  Differenzen  annimmt. 
Da  also  daa  göttliche  Dasein  gleichsam  die  durch  sich  ^luiber 
aabsistierende  Form  ist»  indem  (iott  sein  Dasein  bildet,  kann  es 
unmöglich  mehr  als  eine  göttliche  Wesenheit  geben'  Gäbe  ea 
fliebrere  durch  ihre  Wesenheit  unterschiedene  Götter,  so  rnüfsten 
sie  sich  dnrch  eine  wesentliche  Differena  nnterscheiden,  wie  ea 
bei  Jenen  Diagen  antrifft,  welche  der  Gattung,  Art  oder  Zahl 
nach  aich  nnterscheiden.  Wenn  TcrmÖge  der  Gattung  oder  Art, 

>  opnsc.  de  ente  et  essen tia  cap.  5.  *  Comp.  TheoL  ad  fr. 
Heg.  cap.  15. 


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99S         Dat  Vorh&Unis  der  WeseiÜMit  zu  dem  ÜMeia  etc. 


dann  mttftte  es  getoheben  dirck  irgend  eine  Differenz.  Jene 
Difeieai  aber  gebörfe  entweder  «ur  Güte  oder  tie  geberi  mlii 
dttiL  Gehört  eie  niobt  du«,  d«im  hftfc  Gett,  ü  welobeai  jeM 
Differenz  ist»  ntebt  die  reise  Gttle  und  damai  ist  er  Meb  »iaht 
dtt  kntere  Gut  GebÜrt  sie  aber  der  Gtke  aa,  oad  findet  aie 
sieh  im  andern  nicht,  dann  ist  dasjenige ,  in  weleben  sie  eicb 
nicht  findet,  an  (iiito  nicht  vollkommen.  Gott  mufä  indes  da« 
höchste  Gut,  niuls  lauter  und  vollkümiuen  au  Gute  bem.  Mau 
kann  auch  nicht  f^ag^en,  jene  Ditierenz  sei  in  beiden  der  Art  naob 
identisch  und  blofs  numerisoh  verschieden.  Denn  was  an  einer 
ttD(i  Herselben  Art  gebort,  unterscheidet  sich  nicht  numerieob 
anfser  infolge  einer  Tersebiedenen  Materie,  oder  in  Krsft  niw 
Pofceatialitfii  Daram  ist  aneb  jene  Dtfferena  der  Art  nanb 
tisob,  nnmeriscb  aber  ▼ersobteden.  Bs  mnfs  also  dann  in  G«lt 
etwas  Potentiales  und  somit  ein  besobriinktes  und  Yon  siaeHi 
andern  abhängiges  Sein  sieh  finden.  Dies  zerstöbt  jedeob  geg^ 
den  Begriff  des  ersten  Seienden,^ 

Noch  au8  einem  andern  Grunde  läfst  sich  beweisen,  data 
eft  nur  einen  Gott  geben  könne.  Die  Wesenheit  desaen,  in 
welchem  Wesenheit  und  Dasein  identisch  sind,  kann  ein  Ding 
nicht  durch  Anteilnahme  haben,  ohne  auch  das  Dasein  dnrob 
Anteilnabme  sn  besitsen.  Wann  immer  die  Weaenbeit  einnn 
Dinges  dnrob  Anteilnahme  TerrielfiQtigt  wird,  gesohtebt  dies  ia 
der  Weise,  dafs  die  Wesenbett  dem  Begriffe  naob  ein  nnd  die- 
selbe,  bingegen  dem  Sein  nach  nicht  dieselbe  bleibt  Dara«s 
folgt  die  Unmöglichkeit,  dafo  dasjenige,  dessen  Wesenheit  nnd 
Dasein  ideoLisch  sind,  durch  tjine  Wescnsanteilnahrae  geteilt  oder 
vcrvieiniltip't  werde.  80  verhält  sich  die  iSache  thalbiichlich  in 
Gott,  denn  Hon&t  hätte  er  das  Dasein  von  einem  andern  erhalten. 
Daher  kaun  die  Gottheit  nicht  vervielfältigt  oder  geteilt  werden. 
Folglich  gibt  es  nur  einen  Gott.'  Die  Einfachheit  der  gött< 
lieben  Natur  ist  so  geartet»  dafs  in  ihr  nnr  ein  Dasein  vorbaades 
ist   In  ibr  nntersobeidet  siob  niebt  das  Sein  vom  „qnnd  esl" 


>  1.  dist.  2.  q.  1.  a.  1.  arf.  sed  contra.         '  ib.  2<ub  arg.  sed 

contra,   cfr.  1.  coulr.  geut.  cap.  42. 


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und  y,qQO  est".    Barum  haben  auch  die  drei  göttlichen  PenoM» 
«sr  etB  fiein.^   Auf  dniMie  W«iM  Biinlioh  wird  elwia  «k 
«■dorn  gemeiasim  migwagt  Bnlweder  «aiyok»  aquiTok  odar 
■•aalog.  Von  Gott  «ad  der  Kreatar  kum  omui  akdit»  in  nnivoknr 
Weine  amaagen.    Der  Gmnd  daven  iet  einfneh.  Man  nmb  in 
einem  Wenen  zwei  Dinge  in  Betracht  ziehen,  die  Natur  oder 
Quidditäl  der  Suciie  und  da»  Daaein.   In  aUen  iJingen,  voü  dcuea 
etwas  univok  ausg^esagL  wird,  ranfe  die  GemeiuBanikeit  gemär« 
der  Natur,  nicht  aber  rücksichtlich  des  Daseins  vorhanden  sein. 
Sin  Banttn  iet  auch  nur  in  einer  bache.    Daher  ist  in  awei 
üenachen  die  hnmaniUa  nicht  einem  Dasein  nach.   Wo  inMr 
ako  eine  Form  mit  dem  Sein  aelber  identiach  iai,  da  knaa  aie 
wUki  In  nnivoker  Weise  mehreren  snkemmea.  Ans  diesem  Gmnde 
-wird  anoh  das  Seiende  (ens)  nieht  nnivok  ansgeaagt   Da  nnn 
alles,  was  man  von  Gett  anssagt,  Bei  ea  Natnr  oder  Form,  mit 
•dem  Dasein  identisch  ist,  denn  sein  Dasein  ist  seine  Natur,  kann 
nichts    von  Gott  uiul   der  Kreatur  univok  ausgesagt  werden. 
Manche  Philosoplun  nag'en  darum,  Gott  sei  ein  »Seiendes  nicht 
in  der  Wesenheit,  uiu  Wissender  nicht  durch  die  Wissenschati;  etc.; 
um  anzuzeigen,  dafs  seine  Wesenheit  mit  der  Existena  iden- 
üsoh  sei.* 

Ana  der  Natnr  der  Gesohöpfe  ergibt  sieh  ebenfalls  die  Not- 
wendigkeit eines  einsigen  Gottes.  Die  Natnr  des  Seienden  findet 
sieh  in  allen  Dingen,  mit  dem  Uotenohiede  jedooh,  dafs  sie  in 
amnehen  ▼oUkommener,  in  andern  weniger  ToUkommen  ist  In- 

^Bsen  kommen  die  Dinge  in  Einem  alle  überein,  nämlich  darin, 
dafs  die  Natur  der  Geschöpfe  nicht  das  Dancia  ihI,  wclchoti  sie 
haben,  sonst  wäre  das  Dasein  im  Begriffe  der  Quiddität 
enthalten,  was  falsch  ist  Die  Quiddität  jeder  ikreatur  kann 
man  erkennen,  ohne  su  wissen,  ob  sie  existierL  Öie  müssen 
dämm  das  Sein  von  einem  andern  haben  und  man  mnfa  endiioh 
an  einem  Wesen  kommen,  dessen  Natnr  das  Dasein  selber  isi 
Sin  Fortsehreiten  ins  ünendlidie  ist  nicht  mogUoh.  Dieses  Wesen 
nnn  verleiht  allen  das  Sein,  nnd  es  kann  nnr  eines  sein.*  Die 

<  1.  dist.  33.  q.  1.  a.  1.        >  diät.  86.  9.  1.  a.  4.  c       '  dist.  1. 
<!•  1.  a.  1.  c. 


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390 


Das  Verh&ItQis  der  Wesenheit  £0  dem  Dasein  etc. 


Kreatarea  sind  darum  Abbilder,  aber  auch  nur  Abbilder  Gottes«, 
denn  Gott  ist  das  Dasein  selber,  die  £reaiar  hingegen  ist  nioht 
ilir  Ltamukp  aondeni  sie  wird  Seiendes  geiuiiinty  indem  sie  gleich- 
stm  an  dem  BaMiii  Anteil  bat^  Bas  Varhltttaia  derWeaenhait 
amn  Dasein  ist  also  in  Gott  ein  andere«  als  in  den  Geaehdplen. 
In  Gott  snbsistiert  die  Wesenheit  selber,  folglich  gebührt  ihr 
um  ihrer  selbst  willen  das  Sein,  ja  sie  selber  ist  das  8abaislie> 
rende  Sein.  Daher  unterscheidet  sich  die  Wesenheit  von  der 
Person  (dem  suppositum)  nicht  real.  Das  Sein  der  Wesenheit 
ist  darum  auch  das  Sein  der  Perrton.  Person  (Suppot^itum)  und 
Wesenheit  unterscheiden  sich  jedoch  unserer  Auflassung  nach. 
Obgleich  es  also  nar  ein  Dasein  gibt,  so  kann  man  doch  dieses  Da« 
sein  betrsobten,  entweder  insofern  es  derWeseaheit,  oder  insofeia 
ea  der  Person  angehört,  &ssen  wir  es  im  ersten  FftUe,  dsna 
mofa  man  sagen»  dab  die  hnmanitas  (in  Christo)  nioht  mii  dem. 
göttliohen  Sein  vereinigt  wird.  Daher  ist  sie  nioht  mit  dem 
Vater  geeint  Im  letstem  Falle  aber  ist  sie  mit  dem  göttlichen 
Sein  geeinigt' 

39®  h)  Argument:  wir  vermögen  nicht  auf  natürliche 
Weise  Gotten  ^^'(  Kouhoit,   wie  sie  in  sich  i^t,  zu  er- 
kennen; überdies  reichen    unsere  natürlichen  iüralte 
dazu  nicht  aus,  denn  Gottes  Wesenheit  ist  real 
identiseh  mit  seinem  Dasein. 
Um  ein  Ding  an  erkennen,  ist  nnter  andern  anoh  erfordere 
lieh,  dab  die  an  erkennende  8aohe  sich  nut  nnsenn  Yerataads 
verbinde.    Da  nnsere  Kenntnis  von  Gott  nicht  eine  intaitive^ 
sondern  eine  abstraktive  Ist,  so  kann  sie  nnr  dadnroh  anstände 
kommen,  dafs  eine  Gott  ähnliche  geschaffene  Form  sich  mit 
unserin  \  tu  blande  vereinige.    AUeiu  keine  geschaffene  Form  lai 
Gott  ähnlich,  denn  GolLetj  Wesenheit  ist  sein  Dasein  selber,  was 
keiner  natüriicheu  Form  zukommt.    Unmöglich  kann  also  eine 
geschaffene  Form  die  Ähnlichkeit  der  göttlichen  Wesenheit  bilden 
nnd  dieselbe  dem  Verstände  darstellen.^   Gott  erkennt  sich  selber 
dnroh  seine  Wesenheit^  nicht  dnrch  irgend  eine  Ähnlichkeit  von 

'  2.  dist.  16.  q.  1.  a.  ad  8««.        *  8.  dist  6.  q.  2.  a.  2.  ad  2*». 
•  efr.  1.  p.  q.  13.  s.  2K.  e. 


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Das  Verhaltai4  der  Wesenheit  zu  dem  Daaeia  etc.  391 


nch.    D«r  Verstand  des  EogeU  erkennt  natürlicherweise  (joit 
durch  eine  von  ihm  erhaltene  Ähnlichkeit  ^  Daher  hei&t  ee  im 
Bwhe  über  die  Ursachen,  die  Intelligeai  iriaae  das,  was  aber 
ilv  ist,  indem  sie  Toa  ihm  gesdiaffen  worden.   Damm  hai  sie 
awar  Anteil  an  der  Ähnlichkeit  des  göttliehen  Seins,  aber  naeb 
ihrer  Art   Der  menschliehe  Verstand  gelangt  auf  natürlichem' 
Weg«  zu  dieser  GotteserkeuDtuis  nur  durch  eine  von  den  Kroa- 
tureu   erhaltene  Ähnlichkeit    Wollte  man  diese  dreiiai  he  Er- 
kenntniH  ^'^oraeinvcrBtandlirh  ausdrücken,  bo  mulste  man  tolgenden 
Vergleich   bringen.    Dm  Auge  siebt  das  in  die  Pupille  ein- 
iallende  Licht  nicht  dnrch  irgend  eine  Species,  ein  Abbild  des- 
selben.   In  dieser  Weise  erkennt  Gott  sich  selber.    Wir  sehen 
einen  Alenschen  dnrch  die  Ähnlichkeit^  die  wir  unmittelbar  von. 
ihm  selber  erhalten.   Dies  ist  die  Art,  wie  die  Engel  Grott  er- 
kennen.   Wir  sehen  einen  Henschen  im  Spiegel,  aus  welchem 
das  Bild  des  Menschen  resalttert:  das  ist  die  menschliche  Kenntnis, 
von  Gott^ 

Es  ergibt  sich  also,  dafs  die  reale  IdciiiiLaL  (  loiii  s  mit  suiuem 
Daweii]  da«  liiudorüm  bildet,  HCiue  Wusenlu'iL  ni  .^uh   selber  ZU 
sohauen,  wenn  nicht  Gott  aul  übernatürlichum  Wege  uns 
daan  ▼erhilft  Dies  gilt  nicht  blofs  vom  Menschen,  sondern  audk 
Tom  Engel.    Das  Dasein  des  Engels  ist  real  unterschieden  von. 
seiner  Wesenheit   Letatere  ist  daher  ein  ungenügendes  Medium, 
um  die  Kenntnis  der  göttlichen  Wesenheit  in  sich  su  vermitteln», 
denn  die  göttliche  Substana  ist  ihr  Daseia.^   Gott  ist  nur  Form 
in  der  Gattung  der  erkennbaren  Dinge,  weil  er  die  Wahrheit 
selber  ist,  was  ihm  allein  zukommt  Das  Wahre  folgt  dem  Sein. 
Darum  ist  danjenige  allein  seine  Wahrheit,   wub  scm  eigenet* 
Dasein  ist    Dies  ist  in  Gott  allein  der  Fall.    Die  andern  er- 
kennbaren bubsistenzen  sind  daher  nicht  als  reine  Formen  m 
der  Gattung  des  Erkennbaren,  sondern  sie  haben  die  Form  in. 
einem  Subjekte.  Ein  jedes  derselben  ist  wah  r,  nicht  die  Wahr- 
heit^ gleich  wie  jedes  ein  Seiendes,  nicht  das  Sein  selber  ist*- 

*  cfr.  2.  diät  4.  q  1.  a.  1.  c  ib.  dist  23.  q.  2.  a.  1.  —  de  veritate 
q.  8.  a.  3.  *  cfr.  3.  coutr.  Gent.  cap.  49.  ratio  5«.  •  cfr.  ib. 
cip.  51. 


398         i>«L»  Verhältiiis  der  Wnenheit  sa  dem  I>a8ei]i  etc. 


Noch  aus  einem  andern  Gruode  können  wir  auf  natürliche 
Weifte  Gettos  Wesenheit  niobt  sdiwieiL  Jedes  kreatürlioha  Ma- 
4iaiii  ist  nämliob  betohiinkt»  «uigeeiigt  unter  eh»  Gattvng 
Art  Gott  aber  ist  grenienlo«,  nnbesehrKokt  lofolg»  danaa 
Yarmag  keio  getebaffanes  Hadinm  Gattat  Wawahaii  aa  dam- 
sie  in  sieb  arkanat  wttrda.^  Diaaa  BeaohiinkvBg 
jeder  Kreatnr  leitet  sksb  daher,  dafe  ibr  Daaetn  am  aQ^[^aa0Bi' 
müüt38  uüd  darum  nach  der  Fähig-keit  des  aufnehmenden  Sub- 
jektes BegTODzte«  ist  Von  diesem  GcsichUpunkte  atm  beirachtei, 
folg-t  dtüniiach  dit^  absolute.  Unmöglichkeit,  daf«  eine  Kreatur  obn« 
höhere  übernatürliche  Hilfe  Gottes  Wesenheit  in  sich  erkenne. 
Ferner  bemerkt  S.  Thomas,  die  Denk  kraft  der  Geschöpfe  «ei 
aasnraaaband,  am  Gottes  Wesenheit  in  sich  zn  erkennen.  Dia 
Brkanntaia  entsteht  dadnrob,  dab  das  firkannta  im  Srkanaaadmi 
ist  Diaaea  aber  ist  tm  Srkanaandaa  nach  dam  Mados  daa  Br- 
kennenden.  Folglich  ist  die  Brkenntnis  jedes  Erkannandan 
bemessen  naob  der  Natnr  des  letatoro.  Übersteigt  der  Beias 
modus  einer  erkannten  Bache  den  Modus  der  Natnr  des  Br- 
kenuenden,  bo  ihL  die  Erkenntnis  selber  hoher  aU  die  2satur  den 
£rkennenden.  Der  Seinsmodas  der  Dinge  ist  ein  mehrfache. 
Die  Natur  einiger  Dinge  hat  das  bein  nur  in  der  indiTidaellea 
Materie.  Diese  Dinge  zu  erkennen,  ist  uns  naturgemäliB.  Andere 
Dinge  sind  für  sich  selber  subsistent,  niekt  aber  in  einer  Materie; 
sie  sind  jedoob  niebt  ibr  Dasein,  sandem  sie  haben  daa 
Sein.  In  der  Natnr  dieser  Dinge^  der  Sngel,  liegt  aa,  die  abna 
Materia  existierenden  Wesenheiten  an  erkennen.  Der  Gatt  eigaoa 
Mnsmodna  andtieb  besteht  darin,  dalb  er  das  snbsiafciarende  8sni 
selber  ist.  Dieses  subsistierende  Dasein  za  erkennen,  ist  dam 
g-öulirhöD  Verstaude  alieio  iiaturgcinai'.s  \md  e8  ubersteifft  die 
Daun  liehe  Kraft  jedes  kreatürlichen  Verstandes.  Keine  Kroatar 
ist  ihr  Dasein,  sondern  sie  bat  ein  partidpiertes  Sein.' 

>  efr.  1  p.  q.  18.  a.  8.  xatio  8*.  —  8.  eontr.  Gsnt.  eap.  48.  latis 
8a  et  4«. 

•  efr.  1.  p.  q.  12.  a.  4.  e  —  4.  diit  48.  q.  8.  a  8.  c.  —  de  Tsrilate 
•q.  8  a.  1.     QnodL  7.  a  1. 

 a«ö8^  


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DTE  LEHRE  DES  HL.  THOMAS  BEZÜGLICH  DER 
MÜGLiCilKEIT  EINER  EWIGEN  WELTSCHÖPFüNG. 

Von  Fr.  THOMAS  ESSER,  Ord.  Praed. 


IV. 

lui  V(M'hei'f::eheruien  liabcu  wir  liit^  ap  rioristischen  Beweis- 
Yemuclie  gogea  die  Möglichkeit  eioer  aol&ogaloMOi  Bchöpt'ang, 
welche  der  hl.  Thomas  der  Benicksichti^og  wert  eraebte^  aaf 
ilure  ßtiobhaltigkeit  geprüft  0ie  übrigen  Beweitvaraiiohe,  weleho 
•r  iB  Botnwht  lieht^  sind  apotierioristieoh:  sie  riad  von  den 
GeaoliSpfea,  sei  et  tod  allen  in  ihrem  Verhältnis  an  einander» 
•ei  es  Toa  einsefaien  derselben  in  besonders,  hergenommen. 

IL  ZnnSiebst  seheiiit  bei  Annahme  der  Anfengeloeigkeit  der 
Welt  gefolgert  woidüu  zu  iuübsod,  dafs  wir  es  danu  mit.  cmer 
uneodhchcu  Zahl  von  GoBchöpfen  zu  Üiuu  hätten,  woraus  sich 
mehrfache  Widcrspriic  ho  ergeben  wurrien.  —  Da  den  von  hieraas 
versuchten  Beweisen  insgesamt  der  Begritt  der  Unendiich- 
koit  an  Grande  liegt,  so  dürtta  es  vor  allem  geraten  sein, 
nna  ttber  ihn  völlige  Klarheit  an  yerschnffen.  Belbstverständlioh 
^ftrlbn  wir  diese  Untersnohnng  niobt  weiter  aasdehnen,  als  es 
mm  Veratandnia  and  anr  Liisang  nnseras  Fragepnnktes  erforder- 
iioh  isb 

Dab  es  sich  hier  nicht  nm  die  absolnte  oder  schlecht- 
hin ige  Unendlichkeit  handeln  kann,  ist  einleuchtend:  denn 
dieser  Begriff  ist  ja  gleichbedeutend  mit  iinbehchiänktcr,  grenzen- 
loser Vollkommenheit.  Er  kann  nur  einem  Wesen  zukommen, 
welches  nicht  zu  dieser  oder  jcuor  bestimmten,  d.  h.  abgegrenzten, 
Gattung  oder  Art  der  seienden  Dinge  gehört,  sondern  welches 
das  Sein  schlechthin  ist»  von  dessen  Hatnr  das  Dasein  unser* 
trennlich,  welches  demnach  ana  sich  nnd  notwendig  ist  — 
Gott:  qoi  est;  Ego  snm  qni  snm.  —  Da(h  kein  Geschöpf  in 
dieser  Weise»  d.  h.  dem  Sein  nnd  Wesen  nach,  nnendlich  sem 
kann,  ist  demnach  klar.  Da  aämlich,  wie  der  hl.  Thomas  sagt, 
Jedes  Geschöpf  „habet  esse,  et  non  est  suum  esse,  necesse  est, 
<}uod  ipsum  ejus  esse  sit  receptom  et  contractum  ad  terminatam 


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394    Lehre  d.  hl.  TbonM  flb.|  d.  Möglichkeit  einer  ewigeo  Weluchöpfaog» 


natanm.  Uiide  bod  polest  eate  iofinitum  simplioiier^  (1^7 
a.  2).  Andenwo  drückt  der  eogUiche  Lehrer  dieaee  eo  wami 
„Quantum  ad  rationem  easendl,  mflnitom  aoa  poteet  eaae  am 
illad  in  qno  omnie  essendi  perfeotio  inolnditnr,  qnae  In  diveni» 
infinitis  modie  Tariari  poteet  Bt  hoc  modo  solns  Dens  infinitaa 
est  Becnndum  essen tiaru;  quia  ejns  eesentia  non  limitator  ad 
aliqiiam  dcterminatam  perfectionem,  bud  iu  se  includit  oninem 
modum  pert'ectionis  ad  quem  ratio  eotitatis  se  extendere  ])otL>t; 
et  ideo  ipse  est  iniiuitus  seoandnra  essentiam.  Haec  autem  m- 
finitae  salli  creatarae  competere  poteet:  nam  oi:yo8libet  creatoiae 
esse  est  Umitatnm  ad  perfeotionem  propriae  apeeioL''  (De  Teii» 
täte  q.  29  a.  3.) 

Da  aber  einem  allgemein  anerkannten  Gmndiata  snfolge 
die  Beth&ti^Dg  eines  jeden  Dinges  in  Abhängigkeit  von  oad 
in  Obereineiimmnng  mit  seiner  Wesenabeschafienheit^  der  ihoi 
eigen tömlichen  Natnr,  steht  („agere  seqaitnr  esse*^):  so  kaan^ 
auch  kerne  geschöpi'liche  Fälligkeit  oder  Eige  hhc  hait,  sei 
es  intensiv  oder  extensiv,  unendlich  sein:  sie  kana  ^ich  nicht 
auf  Unendlichem  erstrecken  noch  UnendUchcä  zu  ihrem  eigea- 
tiimliohen  Gegeostaad  haben  (cf.  De  veritate  1.  c.  ad  4).  — 
Davon  machen  nnr  unsere  geistigen  Fähigkeiten  eben  wogen 
ihrer  geistigeo  Hatar  nnd  alinmfiusenden,  nniversellen  Anlagn 
eine  scheinbare  Ansaahme.  Ich  sage:  eine  scheinbare  An»^ 
nähme.  Denn  im  Emst  wird  gewifs  niemand  behanplen  wollen, 
dalh  unsere  geistigen  Kräfte  üoendliobes  TcrmÖgen.  Im  Gegen- 
teil fiihlt  jeder  nur  zn  sehr  anf  jedem  Schritt,  den  er  Torwirta 
thut  im  Gebiet  des  Wissenswerten,  wie  beschränkt  der  Bereich 
unserer  Erkenntnis  und  Einsicht,  und  wie  wenig  vermögend 
unpere  Fasen iigskralt  ist.  Ein  Erkennuiis- Vermögen  aber,  dem 
man  eine  wirklich  unendliche  Kraft  oder  Leistungsfähigkeit 
zuschriebe,  mülsfce  Gott  selbst,  den  Unendlichen,  zu  begreifen, 
d.  h.  allseitig,  erschöpfend,  vollkommen  an  Terstehen  imstande 
sein.  —  Gleichwohl  können  wir  in  einem  gewissen  Sinne 
sagen,  dafs  nnsere  geistige  Erkenntniskraft  sich  anf  Unendliche» 
erstreckt,  insofern  wir  Erkenntnie  nach  Erkenntnis  ohne  Ende 
an  erlangen  vermögen,  nnd  nichts»  waa  natikrlieker  Weise  erkanni 


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Toftnftoin  in  acto.  —  Infinitam  in  potentia. 


3^5 


'Werden  kaoa,  vm  ▼ersoblotsen  itt  üiwerer  Erkeniitiiis  ist  also 
bestiffliob  der  ihr  stigängUchen  €kgenstande  keine  bestimmte 
Orense  geeetit   Indem  wir  ferner  Allgemein-Begriffe,  Gettangs- 

and  Art- Begriffe  erwerben,  erkennen  wir  zagleicb  in  ihnen  un- 
endlich viele  Individuen,  welche  in  dieser  Art  möglich  sind, 
oder  in  welchen  diese  Art  nach  und  nach  verwirklicht  werden 
kann  (of.  1.  q.  86  a.  2;  q.  7  a.  2.  ad  2). 

Hiermit  haben  wir  bereite  einige  Unterscheidongen  im  Be- 
griff des  Unendlichen  berührt,  deren  wir  weiter  nnten  bedürfen 
werden.   Jene  DobeachrSnktbeit  in  der  Bntfaltoog  nnaerer  gei- 
etigen  Fähigkeiten  ist  keine  wirkliche  Unendlichkeit  Sie 
itt  sieht  anders  endlos  als  eine  Tom  Mathematiker  angenommene 
^nnendüche*'  Linie.  Die  Scholastiker  nannten  das  nicht  infinitnm, 
sondern  indefinitum.   Ein  Ende,  eine  Grense  ist  nämlich  that- 
»ächlich  vorhanden,  aber  wir  können  sie   nach  Belieben  hinaus- 
schieben.    Unendlichkeit  bedeutet   aber  nicht  die  unbehümmte 
Lage,  oder  die  beliebig  weite  llmau^schiebung  der  verschieb- 
baren GrensCy  sondern  die  gänzliche  Abwesenheit  einer  Grenze. 
Doch  nennen  wir  fiir  einen  Angenblick  jene  nicht  abgegrenzte 
•Leistangslftbigkeit  nnaeres  Erkenntnisvermögens  Unendlichkeit; 
eo  können  wir  eine  weitere  Unterscheidnng  an  ihrem  Beispiel 
erklären.   Die  nnendliche,  oder  Tielmehr  die  nicht  abgegreaate 
Zahl  Ton  Kenntnissen,  welche  wir  mit  jener  Fähigkeit  erwerben 
kdnoen,  sind  nicht  alle  zn  gleicher  Zeit  yorbanden,  sondern 
werden  alhnählich,  eine  uach  der  andern,  erworben.    Eben  darin 
besteht  nämlich  die  besagte  Unendlichkeit,  dai's  wir  stetig  weiter 
Yoransc breiten   in  unseren  Kenntnissen,   ohne  je   zur  letzten 
möglichen  Kenntnis  an  gelangen.    Das  nannten  die  peripate- 
tischen  Scholastiker  ein  infinitam  in  potentia^  oder  aach 
iafinitnm  syncategerematienm.  Diese  Unendlichkeit  ist  nicht 
eine  Beschaffenheit  oder  Bigentiimlichkeit  eines  selbständig  (oate- 
gorenatice)  Vorhandenen,  eines  bestehenden  Dinges  (ens  in  acta); 
vielmehr  liegt  sie  darin,  dalb  eines  dem  andern  in  nnanfhörlichem, 

'  In  iotellectu  nostro  invenitur  inftnitum  in  potentia,  in  acci- 
pieodo  seil,  nnum  post  aliud:  qm'a  nonquAin  intellertus  noBtsr  tot  in- 
tsUigit,  qum  possit  plnra  intelligere.  8.  Thom.  loc.  cit 


896  Lehre  d.  hl.  ThoBM  <Ü>.  d.  MOflieUnit  •i&er  ewigen  WeltschOpfoog. 


endlo»eiu  Auteioauder  folgen  kann.  Bo  sind  die  Gegenslände 
der  Alimacht  Gottes  unendUoh.  Wir  imterftcheiden  nämlich  die 
Macht  GottM  an  »iek  Ton  dem,  was  sie  ist  rüok»ichili«k. 
ihr«!  Gegen sUadea.  An  sieh  in  die  Meehi  QeMee  ebenie 
nnendlieh  wie  «ein  Weien;  aber  beilkglieli  ihrea  Oeges- 
Standes  bat  sie  eine  gewisse  Grenie,  welebe  iadeewn  niebl 
anf  Seiten  des  Haobenden,  sondern  anf  seitsn  des  in  Haebeadea 
U^i  Gott  kann  nämlich  nicht  etwas  machen,  was  simpliciter, 
wie  wir  üben  sh^l^d,  oder  aeinem  Bein  uiid  Wusea  nach  un- 
endlich wäre-,  warum  nicht?  Weil  e«  einen  Widerspruch  ent- 
hält, dafs  etwas  gemacht  und  doch  unendlich  sei.^  Unend- 
lich ist  ja  ein  Wesen,  welches  sein  Sein  nicht  hat,  »ondeni  ist. 
Ein  schlechthin  unendliches  Ding  sohlierttt  also  den  Begriff  des 
Gemacktaeins  und  der  Maebbarkett  aiM.  ütwas  abeolnt  Unendr 
liebes  wfiie  ja  gleiobwertig  mit  Gett»  ibm  gleieb.  Vea  da» 
Werken  Gottes  ad  intra,  d.  k.  tob  dem,  was  sieh  isneihiHi 
seines  eigenen  dreifaltigeo  Wesens  ToUsiebt^  der  Zeugung  doa 
Sohnes  u.  s.  w.,  ist  hier  nicht  die  Rede  —  obgleich  bier  weU 
der  l/uLerschied  toat^ehalten  werdüu  mul»,  dav  la  der  dogma- 
tischen Formel  auegedriK  kt  ist:  „genitum,  non  factum".  2{acb 
aufaen,  aufscrhalb  Gottes,  ist  ein  vollaul  unendlicheR  Ding  nicht 
maokbar»  also  kann  es  kein  Gegenstand  der  Allmacht  Gottee 
sein.  Aber  Gottes  AUnaobt  naob  sursen  bat  in  anderer  Be- 
ziehung Uneadliebes  mm  Gegenataadt  insoweit  nämtish  als  dar 
Begriff  der  GeseböpfUobkeit  es  aniifot  Und  diese  Unendttebkek 
besteht  darin,  dafii  Gott  immer  mehr  und  immer  Tettkemmaaawn 
Geseböpfe  maoben  kann  —  ebne  Bnde.  Gott  könnte  tägUoh 
neue  Welten  schaffen  —  in  alle  Ewigkeit,  und  doch  wMe  wUk 
seiüü  ^JaciiL  nie  erschöpfen.  Üud  wie  er  über  dor  leblosen  NaU»' 
die  Pflunzeuwelt,  über  der  Pflanzenwelt  das  Tierreich,  über  dem 
Tierreich  den  MeiiHchen,  über  dem  Menschen  die  Kogel  in  ihren 
nenn  Chören  und  in  ihren  uageaablt  Tielen  Arten  gemaobl  bat|^ 

•  Sicut  I>euö,  licet  babcat  poieutiam  infiüiUni,  neu  lamea  polest 
facere  aliquid  non- factum  (hoc  eaim  esset  cootradictoris  ette  timol)  : 
ila  non  poCsst  Cseere  atiqnid  isfiaitan  tinpIMler.  8.  Tbem.  1^7 
a.  2  ad  1. 


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Infinitum  ■ecundum  quid. 


397 


kann  er  über  den  himmlnebeD  Heerecharen  stets  ▼ollkomme- 
aere  Geschöpfe  madMD,  hoher  and  höher  hiiiMif  ins  Badloae» 
ohae  je  wem»  Maoht  la  mdidpfen.  Selbstrerstindüoh  k$iiMB 
'Wir  ait  «merer  beaohnmkfcBDi  auf  der  Bmoea^Wahmehnittn^  nah 
•nlkaaeiidea  Brkeaataia  namfiglicli  aaaklügeb,  woria  eiae  Voll- 
komeabeit»  Toa  der  wir  gar  keiae,  weder  aamiUelbare  aeeh 
niiitelbare,  Erfabrung  haben,  bestehe.  Gleichwohl  Bind  wir  ge- 
DÖligl,  oiüc  äolciiti  uueodiichü  biufenleiter  in  der  Vollkommeu- 
beit  möglicher  Geschöpfe  anzuerkennen.  Darum  ist  der  Opti- 
mismus  so  grundfalgch,  weil  er  der  Macht  Gottes  Grenzen  setzt. 
Der  Gegenstand  der  Alliaaohi  Gottes  ist  also  aneodlich  —  in 
patentia  oder  eyaoategoremaiioe.  Sollte  es  tick  heraus- 
aMea,  daüs  ea  im  Geseköiif  liehen  etwas  gebea  kaaa^  welebee 
OBier  eiaem  gewieeea  Geaiobtepaakte  (lelatiTe  oder  ee- 
oandnm  qaid)  ein  iafiaitam  ia  aotu  wäre  oder  ein  iafiaiUan 
eategonuaatieom,  so  kSoate  sieh  dieses  der  Alboaehi  Getto» 
Bafcfirlich  nicht  entsiehen.  Das  iat  also  die  Frage,  die  wir  jetat 
zu  loueu  habeu. 

Bisher  haben  wir  gesehen,  dafs  es  aufser  Gott  kein  dem 
Weseu  iiod  folglich  dem  Handeln  nach  Unendliches  geben 
kann.  <Es  fragt  sich  aber  aunmahr:  kann  es  etwas  Geschöpf- 
liebes  gebea,  das  nater  einem  gewissen  Gesichtspunkt^ 
ia  der  einoi  oder  aadem  Hiasiobt  naendliob  ist  Den  Gesagtsn 
ailblge  wäre  eiae  solche  üaeadliebkeit  ftr  das  sie  beeitaeada 
Diag  ein  bbilhea  Aoeldens,  etifaa  aa  seiaem  Wesen  Hiaankota- 
aeadse,  eia  blofter  ICodos  eeiaee  8eias.  Uad  bandelte  ea  sieb 
QBi  susammengesetzte  Dinge,  so  wäre  dieselbe  aaeb  sobolastiseben 
Grundäutzen  aui'  neiteu  der  Materie  zu  »uchoD.  Auf  Seiten 
der  Form  kann  es  nämlich,  wie  wir  vorher  sahen,  keine  ün- 
endiichkeit  geben;  denn  die  Form  ist  ja  ciasjeiiige,  welches  don 
Bingen  ihr  eigentnmliGbes  Wesen  verleiht»  und  in  weiohem  daa 
Handeln  wurzelt»  von  soiten  der  Form  könnte  also  nur  eine 
Bobleohtbioige  Uaendliohkeit»  d.  b,  Unendlichkeit  dem  Sein  naob^ 
herkommen.  Bei  der  Frage  nach  einer  beatehnngsweisen  Un- 
endlichkeit sind  wir  also  aanäcbst  auf  die  Materie  aage- 
wieien. 


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»398    Lehre  d.  hl.  Thomas  Qb.  d.  Möglichkeit  einer  ewigen  WelUcböpäiaf. 


Wem  wir  auf  die  materiA  prima  sehen,  «o  kdonon  wir 
Ihr  UnendUohkeit  nichl  abspraehen.  Aber  dieae  üneadliohkait 
ni  meht,  wie  bei  Gotl,  gleiohbedeatend  mit  abeolnter  VeU* 
kommeiiheit»  soodeni  gerade  fimg;ekebrt  mit  dem  Maogel  jegüeber 
Voltkommeoheit,  d.  b.  jeglicher  WirkKcbkeit  (aotns).  8ie  iet  ja 
nichts  anderes  als  die  in  den  Dingen  vorhandene  Möglichkeit 
zum  Äudürsworden.  Sie  iet  also  von  Natur  darauf  angelegt, 
der  Reihe  nach  alle  raög;l!ohen  Formen  an7.u nahmen,  da  sie  atj«* 
sich  selbst  gar  keine  Form  hat.  Bestimmt  mithin  zur  succee- 
fiiven  Aufnahme  aller  möglichen,  also  unendlich  vieler  Formen 
^infioitum  in  potentia),  bat  sie  thataachlioh  (sämliob  ans  eiek) 
keine  von  allen.^  Das  ist  es,  was  die  Alten  privative  ünend* 
liobkeit  nannten.  Im  Stein,  der  seiner  Natnr  nacb  keine  Angvn 
branebt,  ist  deren  Abwesenheit  eine  bloAe  Negation,  im  Henseboa 
dagegen,  der  natnrgemfirs  Augen  haben  mttfiite,  ist  deren  Ab- 
•Wesenheit  eine  Privation.  So  ist  Gott,  dessen  ^atnr  jede 
Begreuzuug  und  Begrenztheit  ansftchliefrtt,  negativ  unendlich: 
die  matcria  primu  Hap-pgen,  deren  Natur  nach  einer  Form  ver- 
langt, um  ein  bestimmtes,  in  sich  abgeschlossenes  und  von  an- 
deren gesondertes  (mitbin  begrenztes)  Sein  sn  erlangen,  eine 
solche  Form  aber  ans  sich  nieht  bat,- ist  privativ  unendliok. 

Bocb  von  der  materia  prima  reden  wir  bier  nicht,  es 
handelt  sieb  nm  die  unter  einer  bestimmten  Form  beetebende 
Materie  oder  nm  körperliche  Dinge.  Das  Eigentümliche  der 
körperlichen  Dinge  ist  die  QnantitSt  Die  QnaatitSt  aber  iai 
entweder  nebeneinander  oder  nacheinander.  Das  Neben- 
einander kann  wieder  doppelter  Natur  sein,  nämlich  zasamuien- 
haogend  (Ausdehnung)  oder  unterbrochen  (Zahl).  Bas 


t  Wir  sagen:  Die  Materie  Mi  die  IMIglichkeli  snr  Anfbahne  na- 
endlich  vieler  Fennen.   Aber  auch  bier  ist  das  nnendUoh  aiebl 

schlechthin,  sondern  nur  beziehungsweise  zu  nehmen,  gerade  so, 

wie  wenn  ich  gajje,  ein  Blork  Mnrnmr  sei  flliifi,  iin(>rd1irh  vielp  Fic;iiren 
in  sich  uufztmclimrn.  Materia  prinia  etiam  secundum  p  o  t  n ;  1  n  m 
non  est  iufiniia  simplicitor,  &ed  Becundum  quid;  quia  eju» 
^otcntia  non  86  extendit  nisi  ad  formas  naturales.  S.  Thom. 
1  q.  7  a.  2  ad  3. 


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Kann  es  aneodlich  viele  Diage  geben? 


399 


Naeheinander  oder  die  AnfeiiiaiideTfolge  (Zeit)  and  dae  Heben* 
einander  in  leltterm  Sinne  kann  anch  Ton  ein&oben»  nieht  lu* 
■ammengeaeUten  Bingen,  alao  Yon  enbeietierenden  Formen,  aas- 
gesagt werden.  Da  dae  Nebeneinander  im  erstem  Siddo,  aiitbin 

die  Frage,  ob  es  eiucu  unt^ndlich  giofsen  oder  unendlicli  kleinen 
Körper  ^eben  köoDe,  für  uohliü  Frage  voa  keinem  Belang  ibt, 
verweiöou  wir  den  freundUciiea  Leser  für  sie  auf  deu  heiligen 
Tbouaa  (1  q.  7.  a.  3),  der  es  als  unmöglich  darthut,  einem  dem 
Wesen  naeh  begrenzten  Körper  nnbegrenste  Auädehnung  bei* 
anlegen.  Wiobtig  jedoeb  für  unsere  Frage  ist  ein  näheres  £tn* 
gehen  auf  die  Zahl  nnd  die  Zelt  Zanäohst  also  —  kann  es 
nnendlioh  Tiele  Dinge  geben? 

Dem  vorher  Gesagten  aofolge  nnterliegt  es  keinem  Zweifel, 
daffl  es  syncategoremattce,  oder  in  potentia,  unter  dem 
GebkcLiihpuukL  der  Vielheit  ein  Unendliche»  gebcu  kunu.  In 
dieser  Wei.so  sind  z.  B.  die  Akte  der  Anbetunf^,  Liebe  u.  s.  w., 
welche  die  iSeiigen  im  Himmel  „per  omnia  saecula  öaeeulorum", 
„eine  üne  dicentes'^  machen  werden,  der  Zahl  nsjoh  uuendlicb. 
laicht  als  wenn  jetzt  oder  jemals  eine  wirklieh  nnendliohe  Zahl 
seleher  Akte  vorhanden  oder  beisammen  waren  —  das  wäre  ein' 
iailnitam  in  acta,  and  ein  solches  kann  ja  nun  und  nimmer 
aoa  der  Addiemng  von  einseinen  Akten  entstehen,  nach  dem 
bekann  ton  Gmadsatz:  „numeras  non  matat  speciem.*'  Dab  aber 
Budlichkeit  und  Unendlichkeit  ntcbt  der  Aosdehnnng  oder  Zahl, 
sonderu  dem  Wesen  nach  verbcUieden  sind,  gebt  aus  deiu 
blofsen  Begriffe  beider  hervor:  dem  Endlichen  ist  es  wesentlich, 
begrenzt  zu  sein,  dem  Unendlichen  dagegen  ist  es  wesentlich, 
aabegrenzt  zu  sein.  Also  kann  aus  dem  eioea  nie  und  unt4>r 
keinea  Umständen  (durch  Vermehrung)  das  andere  werden. 
Aber  in  potentia  gibt  es  nnendlich  viele  solcher  Akte,  iosotern 
wir  warten  oder  sahlen  mögen,  solange  wir  wollen,  and  doch 
nie  aam  letaton  derselben  kommen.  Diese  Akte  folgen  aafein- 
aader  in  endloser  Reihe. 

Kaon  es  aber  anch  eine  unendliche  Vielheit  in  acta  geben? 
Der  hl.  Thomas  bciului  diese  Frage  zunächst  in  den  Quaest 
i>i8p.  De  veritate  4.  2  a.  10.  An  dieser  Stelle  begnügt  er  sich 
jAhrbuch  für  PhilOMphle  etc.  VI.  M 


400   Lehn  d.  hl.  Tbomu  Ab.  d.  Möglichkeit  eiiier  evigm  WelUcböpfuag- 


damit,  die  veraohiedeDen  Änsichten  der  älteren  Philosophen  an- 
suführeD,  ohne  eine  eigene  Entscheidang  zu  gebea.  £•  ist  eine 
rein  Utterir^geachichtlicheAbhaiidlasg.  MUtromaateni/'MMUMftt 
er  dieselbe»  „esse  Min  repognet  infinite  Beoandum  mtionein  vnm 
vel  non,  qnia  ineidenter  hio  motiim  «et,  dlsentieadttin  alias  le- 
linqnatar  ad  praeeeni»"  Offenbar  war  es  ihm  dämm  an  thaa, 
seine  Entscheidung,  die  er  in  der  gleichen  Kiine  hatte  geh« 
können,  in  der  er  die  verschiedenen  Ansichten  der  Alten  Tor- 
führto,  reiflicherer  Erwägung  vorsubehaltcn.  Daiü  < me  ailseitig 
befricdig'onfie  Tiö«ätin«r  dor  Fr;ige  ihre  Sch%vierigkeiteD  habe,  den- 
tdte  er  übrigens  bereits  durch  eine  grundlegende  Unterscheidung 
an:  „Hoc  quod  infinitum  esse  acta  non  possit,  polest  oontingeie 
es  dttobus:  vel  qoia  esse  acta  repognat  infinitio  ex  hoo  ipso 
qnod  infinitnm  est,  Tel  propter  aliqnid  aüad;  sioat  moveri 
repngnat  triangalo  plombeo  non  quia  triangalns,  sed  qsia 
plnmbens.  Si  ergo  infinitnm  actn  esse  possit  secnndam  ret 
natnram  .  .  .,  vel  «i  etiam  non  possit  impediente  altqno  slio 
quam  ipsa  ratione  infinit!:  dico  quod  Dens  pote«t  facero  infiDitnin 
actu  esse.  —  Si  autcra  actu  esse  repugnct  inliuiio  secundnm 
rationem  «iiam.  tunc  Dens  hoc  tacere  nou  {xitest,  sicut  iioii 
potest  facere  homincm  aoimal  irrationale»  quia  hoo  esset  oontri- 
diotoria  esse  simui/' 

Dieselbe  Unterscheidnog  wiederholt  er  in  einer  etwtt 
andern  Fassung  in  seinem  Qnodlib.  9  art  1,  wo  er  sngleidi  dis 
Lösung  derselben  nnd  die  Entscheidung  der  Frage  gibt:  Wena 
es  widerstreitet:  Geschöpf  sein  nnd  nn endlich  sein;  weaa 
folglich  Grott  wegen  dieses  innem  Widerspruches  etwas  üt- 
eudliches  nicht  machcu  kann,  so  rührt  das  entweder  Jaiicr,  dal* 
der  Begriff  der  Gefichöpflich keit  das  Pra  iikaL  „unendlich" 
nicht  zuläfst,  oder  daher,  dafs  die  Bc Hchaffe nheit  der  be- 
stehenden Geschöpfe  Unendlichkeit  ausschliefst.  —  Wie  diess 
DnterscheidUDg  zu  Yerstehen  int,  wird  durch  ein  Beispiel  Tsr- 
anschaulicht  Widerstreitet  es  dem  Pferde,  Temünftig  au  ssui, 
weil  es  ein  Geschöpf  ist,  oder  weil  es  ein  solches  Geschöpf 
ist?  Offenbar  nicht  unter  dem  ersten  Gesichtspunkte,  denn  sout 
könnte  Gott  kein  ▼erattnitiges  Geschöpf  machen;  wohl  ab« 


.  Kj       by  Googl 


Verschiedene  Mciuungeu  alterer  Philosophen  hierüber.  401 


wüBf  dem  andeni  GeeichUpunkte:  and  deshalb  iat  ein  yernttDf- 
t^gM  FCerd  eine  Unmögliohkeit  —  Dieselbe  Uaterscheidm^ 
kaim  aaeh  to  amgedräckt  werden:  Ist  eio  innerer  Widenpmeh 
swisolien  Geeebdpf  and  Unendliohkeit  Torbanden«  ao  kann  der» 
aalbe  entweder  auf  leiten  dea  Geaebdpfea  liegen,  weil  dessen 
BegrüF  mit  ünendliclhkeit  anrertrSglioh  ist;  oder  auf  Seiten  der 
Uncodlich  keit,  weil  ihr  das  esse  in  actu  widerbtreitet. 

Einige  nun,  so  falirt  der  hl.  ThomaR  fort,  behaupten,  Ge- 
schopt lichkeit  nnd  Uuendlicbkeii  tseien  aus  .U  iu  c i  s lern  (.i runde 
uoTereiobar,  weil  sonst  das  Geschöpl  mit  dem  öchüpter  gleich- 
gestellt wtode.  Würde  nämlich  ein  unendliches  Geschöpf  an- 
genommen, 80  möfete  seine  Gleichheit  mit  dem  Schöpfer  des- 
halb behanpket  werden,  weil  ja  ein  Unendliehes  niobt  größer 
ala  ein  anderes  Unendliches  sein  könnte.  —  Diese  Begründung 
aoheint  dem  Aqninaten  nicht  sUehfaaltig  au  sein.  Hätten  wir 
iiSmlich  mit  einem  unendlichen  Geschöpf  su  thnn,  so  wKre  seine 
Unendlichkeit  nur  eine  beziehungsweise:  es  wäre  nur  in  einer 
gewisoeu  Hinsicht,  aber  uicht,  wie  Gott,  schlechthin  unendlich. 
Ein  unendlich  grofser  Körper  7,.  B.  wäre  nur  der  Gröfse  oder 
der  Ausdehnung  nach  unendlich,  während  er  seiner  ^'alur  nach 
eben  ein  bestimmter  Körper,  also  dem  Wesen  und  der  Art  nach 
begrenzt  wäre.  Bei  Gott  ist  aber  gerade  das  Wesen  unendlieh; 
er  ist  in  jeder  Hinsieht  ohne  Grenae. 

Vielleicht  labt  sich  erfolgreicher  ans  dem  andern  Gesichts- 
pnnkt  Torgehen.  Ist  das  wirkliche  Bestehen  der  IMnge,  ihr 
Werden  in  der  Weltwitkliidikeit»  ein  Hindernis  ihrer  Unendlich- 
keit? Läfst  sich  der  Begriff  der  Unendlichkeit  mit  der  Existens 
der  Dinge  vereiuigen?  Manche  von  den  alten  heidnischen  Philo- 
sophen mit  ihren  nnbestimmten  Begritlen  von  dem  ürbpriing-  der 
Dinge  bejahten  diese  Frage.  Sie  sahen  daher  auch  in  einem 
endlosen  Zurückgehen  in  den  Ursachen  keinen  W^idersiun.  Ari- 
stoteles dagegen  tritt  dieser  AnÜMSung  an  yerschiedenen  Stellen 
seiner  Werke  entgegnen. 

Algaael,  Avicenna  u.  a.  geben  mit  Aristoteles  an,  dafo  eine 
unendliohe  Zahl  too  Ursachen  nicht  angenommen  werden  könne, 
wenn  es  aioh  am  ein  Bing  (eine  Wirkung,  ein  Herroigebraobtes) 


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402  Lehre  d.  U.  Th4»aits  ab.  d.  H0f Uehkdt  einer  evig«!  WelCicMpfug. 


handelt,  welches  in  wesentlicher  Abhängigkeit  von  seioen  Ur- 
sachen steht,  weil  dasselbe  ja  son^t  nio  zum  Abschliil»  käme. 
Handelte  ea  sich  dagegen  nicht  um  ein  solches  Abhängigkeit!- 
Verhältnis,  so  sehen  sie  in  einer  unendh'cheo  Zahl  von  Dingen 
und  Ureaohen  keinen  Widerepmoh.  Hier  wird  nleo  eine  Unte^ 
seheidnng  gemacht  swlechen  infinitnm  per  ee  und  infinitam  per 
neoidene.  „Onjne  dietinotionte  InCeUeotne  hino  accipi  poleat: 
quod  onm  infinitam  prineipaliter  in  qnantitnte  inveniatnr  .  . . 
fli  qnantitas  in  qua  infinitnm  eoneistit,  babeat  talem  mnttitodtDem 
cujus  uuaijuaeque  pars  ab  altera  dependeat,  et  coitum  urdmeiü 
habeat,  lU  quod  unaquaeque  pars  illius  muliitudinis  reqniratur 
per  öü,  tunc  intinitum  in  tali  quantitato  consisLena  dicetur  in- 
t'initum  per  ae;  aicut  patet  in  hoo  qood  baoaloa  movetur  & 
manu,  manus  a  laoertia  et  nenris,  qui  moventar  ab  nntma  ^ 
qnod  ai  in  infinitnm  prooednnt»  ut  eoilicet  anima  ab  alio  mofeatnr, 
et  Bio  deineepe  in  infinitnm;  vel  bacnlna  aliqnid  aliud  moveat^  et 
910  deineepe  in  infioitnm:  erit  mnltitndo  iatomm  moventinm  et 
motomm  per  ae  in  finita.  8i  ¥ero  quantitaa  in  qua  ooosiatil, 
resultet  ex  aliqoibne  pluribus  qni  enndem  ordinem  aerrenfc,  et 
quorum  uuiuttrub  doü  re^uiritur  nisi  per  accidens:  Lüne  etil  in- 
l'initum  per  accidens;  nicut  si  aliqniH  faber  cult>3llum  taciat  ad 
cujus  coostitutionem  multis  martellis  iudigeat  ex  hoc  quod  unuspost 
alium  frangitur,  et  unus  succedit  in  loonm  altehus,  ejuedem  ordinem 
teneaa:  ai  talia  mnltitudo  in  infinitnm  excrescat,  dicetur  infinitan 
per  aooidene»  et  non  per  ee;  aooidit  enim  fabrili  operi  nartel- 
k>mm  infinita  mnltitnda  onm  per  nnnm  martellnm,  ei  dnraieti 
aequaliter  poeaet  expleri  aiont  per  infinitoa'*  (of.  Qnaeat  Disp. 
De  Torit  q.  2.  a.  10;  8nm.  tfaeoL  1  q.  7  a.  4).  —  Bin  ioft- 
nitnro  per  se  ist  also  dieser  Auffassang  zufolge  unmöglich,  w«l 
es  nie  zur  Verwirklichung^  oder  besser  zum  Wirkliebwerden 
eines  Dluges  kommen  kano,  zu  welchem  unendlich  viele  Dinge 
der  Reihe  nach  beitragen  mürsten.  Wird  eine  uneodiiche  Reibe 
angenommen,  eo  widerstreitet  es  ihr,  durchlaufen  au  werdeo. 
Handelt  es  sich  jedoch  uro  ein  infinitnm  per  accidens,  um  eine 
unendUohe  Vielheit»  deren  Teile  nicht  von  einander  abhängig  aind, 
eo  aieht  die  erwähnte  An&aanng  keioe  Unmögliokkeit  darin,  dab 


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Vorttnfige  EDttehoitog  des  bl.  Tbomat.  403 


dieselbe  in  acta  bestehe.    Deshalb  bebavptet  und  Terteidigt 

Al^zel  die  wirktiehe  Existenz  von  tmendlioh  Tielen  Menschen- 
Seelen.  Da  er  nämlich  der  AubiciiL  ist,  dafn  da«  Münscheo- 
greschlecht  von  Kwigkeit  bestehe,  und  auch  von  Ewigkeit  Zengang' 
fttattg-eftinden  habe,  ho  niiifs  er,  bei  der  Annahme  der  Unsterblich* 
keit  der  Menschenseelen,  zu  diesem  Schlüsse  kommeo.  Andere 
jedoob,  welche  dieselbe  Unterscheidung  im  Unendlichen  annebineD 
wie  er,  ween  sie  anoh  nicht  mit  ihm  dae  wirkliche  Vorhanden- 
sein von  nnendlioh  Tielen  Bingen  in  der  Weltwirkliehkeit  an- 
nehmen, behaupten  wenigstens  die  innere  HögHohkeit  einer 
anendliehen  Menge,  also  anf  Seiten  Gottes  die  (absolnte)  Maebt, 
eine  solche  zu  schaffen. 

Averroea  dagegen  b  himptet,  dafs  auch  ein  infinitum  per 
accidens  nicht  actu  sein  könne,  dafs  also  das  actu  esse  mit 
dem  Begritt  tie«  üueudiichen  schlechthin  unverträglich  ist. 
Ks  kann  darum,  ihm  zufolge,  blofs  geben  ein  ,,infioitum  in  po* 
tentia,  quod  in  successionc  consistit",  keineswegs  aber  eine 
nnendliobe  Vielheit  wirklich  bestehender,  sagleich  Torhandener 
Dinge  (Be  verit  loo»  ett).  „Bt  hoo  —  so  scblielht  der  heilige 
Thomas  —  Ter  ins  esse  videtur.  Kon  enim  potest  esse  acta 
in  remm  natnra  alii^nid  non  specifioatnm,  ad  diverses  speciss 
indiiferonter  se  habeos.  Quamvis  enim  intelleotns  coneipiat 
animal  iion  »pecificatuiu  rationali  vel  irraiionali  diilcreniia,  non 
tarnen  potest  esse  actu  animal  quod  noa  siL  raLiuuale  vel  irra- 
tionale; unde  secundum  Phüosuphum  nou  est  in  genere  quod 
non  est  in  aliqna  ejus  specie.  Una^oaeque  vero  quantitas  speci- 
ficaiar  per  oertam  tenninatiooem  quantitativ :  sicot  moltitudinis 
speotes  snnt  dno  et  tria,  et  sie  do  aliis;  et  magnitndinis 
Speeles  sunt  bicabitnm  et  trionbitom,  et  bujnsmodi,  Tel  secnndnm 
aliqnam  determinatam  mensnram.  Unde  impossibile  est  sio  in- 
▼eniri  aliqnam  qnaotttatem  in  actu,  quae  non  sit  propriis  ter- 
minis  limitata.  Cum  autem  infinitnm  congruat  quantitati.  t^t  dicatur 
iiiiinitum  per  termini  remotionem,  impossibile  erit  iuilnitüm  esse 
in  actu.  ...  Et  ideo,  sicut  lieu»  non  potest  facere  equum  ratio> 
nalem,  ita  non  potest  facere  ens  actu  esse  intiuitum." 

Bas  scheint  also  dem  hl.  Thomas  der  Wahrheit  näher  zn 


44)4    Lebrc  ü.  kl.  Thomas  üb.  d.  Möglictikelt  eiaer  ewigea  WelttcböpCuag. 

kommen  („yeriu«  ease.  ridetnr'*):  (vott  kann  nicht  etwai 
wirklich  UnendKohes  ins  Dncein  rofen,  m.  n.  W.  wirklich  Bzi- 
stieron  nnd  ünendlich  aetn  dürften  sieh  gn^naeilig  atiMchUeben 
(^mpoBtibile  erit**).  Obgleich  er  celhct  also  diesen  8cblnlb  sickt^ 
RO  erschflint  derielbe  ihm  doch  nicht  als  absoint  nötigend,  folflteh 
hicht  8  0  einleuchtend,  dal»  er  die  gegcoteilige  Bebauptuiig  uu- 
möglich  machte.  In  ÜbereiDsiimDiung  hierniit  sagt  er  in  den 
(3pu«o.  de  aetorn.  iniiTidi  contra  mn  rmn  ran  tes:  ,.Adhac 
uon  est  demooBtratora.  quod  Dens  non  posBit  faccre  ut  niot  ia- 
tinilu  actii/'  Dafs  nämlich  die  Alten  aia  Eesnitat  der  Demon- 
atratio  die  angedeutete  Kvidens  forderten,  iat  frliher  binUuiglieh 
erklart  worden.  Ist  aber  anch  eine  Bolcbe  Evtdena,  welche  joden 
TemnnfUgen  Widergpmch  unmöglich  macht»  nicht  Torfaandea,  so 
swetfelt  docb  der  hL  Tboraaa  nie  an  der  ttbeneugenden  Kmft 
der  angeführten  BegriinduDg-.  Deshalb  sagt  er  auch  in  allen 
Meinen  sputcKm  Schriften  Die  undcic^  aU:  ,,Impoft<»ibile  est  esse 
iiiultitiidin»5m  infinitam  in  actu"  (l  q.  7.  a.  4). 

Kur  aw6  der  Macht  de»  Vornrteils  läfst  e«  sich  erklären, 
dal's  einige  neuere  SchritYsteller  hierin  einen  Widerspruch  er- 
blioken.  AU  ob  die  beiden  Sätae:  „Impossibile  est  .  .  und 
„Haeo  tarnen  inpossibilitaa  non  est  demonatrata*'  sich  gegsa- 
seitig  ansschlSssenl^  Und  anf  einen  solchen  Grund  hin  noohto 
P.  Stentrup  (Das  Dogma  von  der  seitl.  ScbSpfong,  8.  43)  bei- 
nahe „sich  ▼ersucht  ftlhlen'S  dem  hl  Thomas  das  angefiibrta 
Opusculum  de  aeternitate  mnndi  absnsprechenf *  Das 

'  Vgl.  Kruuäe,  Commeuiatio  philos.  jn  17:  „.  .  .  S.  Thums«  its: 
jAdhuc  non  est  demoastratum,  quod  Deus  uon  possH  facere,  ut  srat  ii> 
finita  aetn.*  Possibilem  igitur  censet  esse  aamtniB  acm  infisitsa. 
Demirannr  haec  rerha:  ipse  enim  leenm  pagnat  8.  Thomas,  quam  slfii 
lods  rcmm  aimul  existeatinm  acta  infinitam  mnlthndüieni  abiieit.** 

•  In  dem  leuten  Quarlalheft  (Jao.  1892)  der  Zeitschrift  fSr 
kath.  Theologie  sucht  P.  Stentrup  sich  au  wehren  gegen  „die  Ao»- 
fälle  des  Thomas  E^ser  gegen  unsern  geringen  wissenschaftlichen  Ruf 
Wir  sind  uns  bewulst,  im  Verlauf  unserer  Abliaiiuluug  nicht  ein  einzige! 
Mal  „Ausfälle"  gegen  wissrnsrlmftliche  Gegner  gemacht  zu  haben,  sm 
wenigsten  gegen  den  „geringen  wisseuschafilichen  Ruf  '  des  1'.  Stentrop. 
Der  gute  Ton,  ja  selbst  die  Grammatik,  wurden  uns  z.  B.  davon  «b- 


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Vermeintlicher  Widerspruch  in  seiaeu  Werlceo.  405 


VttrUingeii  einer  mifsliebigeo  Autorität  Iob  m  werden,  gibt  ihm 
mmuk  solchen  Wnnaeb  em.  Wahneheinlieh  ist  es  derselbe  Grand» 
der  nnch  P.  Klent  gen  (Philosophie  der  Voneit,  Bd.  2  n.  980 
&  836)  Pagen  läTst:  ^  w%  sweifelbaft,  ob  diese  Schrift  nidit 
einem  andern  Verfhtser  angehört  *'  Wenigstens  ist  kein  anderer 

gehalten  haben,  jemals  auch  nur  von  „(irrn  Ferdinoml  Stentrnp"  zu  roden, 
wie  der  Beschwerdeführer  es  uns  gegeuuber  in  dem  erwalmten  Anfsat/ 
ree('lina(^itT  ihut.    Damit  ist  Geist  und  Ton  dieser  BeschwerdelühruDg 
hiuiaugiiich  gekeou^eicbnet.    Auf  ihre  Aubiuhruugeu  im  einzelueu  eio- 
angeben,  w&re  verlorene  Mühe.   Wir  fiberlatsen  den  Leaem  das  üneii. 
Nnr  eines  wollen  wir  bemerken,  dafo  dieietbe,  loweit  lie  sachlieh  iat, 
tsn  Tom  bii  hfaiteo  aof  deem  Parslogitmns  berabt,  den,  nidit  wir, 
iondem  lange  Tor  nsa  die  hhl.  AagsttlDua  and  TbooMi  an||edeckt  haben. 
P.  Steatrnp  behan|»tet  S.  166:  » Damit  ein  Sein  anfuigeadea  aei«  genOgt 
es,  dafa  ihm  sein  Nichtsein  der  Natur  nach  voraiifgeho.*'   Aber  worauf 
allea  ankommt,  ist  eben  die  Natur  des  Anfanges.   Vr>n  den  alten  Ver- 
teidigern einer  ewigen  SchftpfunR  sagt  ja  der  hl.  Augustinus  (De  civil. 
Dei  lib.  XF.  c,  4):  „a  Deo  qiiidem  {numdiim)  factum  futontnr.  nou  tarnen 
voluut  ifmiu  ris,  ^od  R !i a e  c r e a t i on iß  initium."    Ein' n  AnianL' neben 
dieselben  also  zu;  al>er  es  gibt  narh  ihnen  für  die  Welt  blofs  ein  pnn- 
cipinm  originis,  aber  nicht  oiu  principium  durationis.    Ks  iat,  also 
vergebliche  Mühe,  wenn  l\  Slentrup  ,seiuo  Geguer  bekämpft,  weil  sie  im 
Begriff  des  Gesebdpfea  einen  Aafang  nicht  eingeiehlossen  finden*.  Ver- 
steht er  aber,  wie  er  es  in  Wirklichkeit  thnt,  nnter  Anfkng  einen  Beginn 
der  Oaner,  ao  setit  er  veraas,  was  an  beweisen  ist  Und  wenn  er  sagt, 
dilii  es  ,ihm  wenigstens  erwiesen  an  ssia  scbeiat,  da£i  aieamad,  der 
sogibt,  das  Nichtsein  der  Geschöpfe  gehe  der  Natur  nach  seinem  8eia 
voran,  lengnea  könne,  dafs  im  Begriff  des  Geschöpfes  ein  Anfang  ein 
geschlossen  sei',  so  sieht  er  einen  Trugschlufs  für  einen  Beweis  an.  Dafs 
in  dem  Sehl u tr  etwa«i  enthalten  ist  fzfitlichcr  Anfanjr),  wa«  in  dem 
Vordersatz    rjicht  (  iitli;ilt('n   i^t  >  n  u  t  n  r fi  prias),  was  also  auch  nicht 
daraus  p;('rii!^r('rt  sMTtlen  kann,  sieht  jeder  ein.  —  Zur  Klärung  des  Be- 
griöts  ler  MogliclikeiL  der  Geschöpfe  verweisen  wir  P.  Stentrup  auf 
den  bl.  iiiomas  1.  q.  46  a.  I:  ^.AnLi^uam  luuudus  esset,  possibile  fuit 
mnndom  esse,  non  quidem  secuoduw  potentiam  passiTam,  quae  est  ma- 
teria,  sed  seeandom  potentiam  activam  Dei;  et  etiam,  secundnm  ^ood 
dicitor  aliqnid  absolote  possibile,  aon  secandnm  aliqnam  potentiam,  sed 
ea  sola  kabitudine  terraiaornm,  qai  sibi  noa  repagnant;**  aad  Coatr.  Oeat. 
IIb.  8.  c.  87:  .Possibile  feit  ens  cnatom  esse  aateqoam  esset,  per  poten* 
tiam  agentis  per  qnam  et  esse  incepit,  vel  propter  hahitudinem  terni' 
Dorum  in  quibns  nulla  repugnantia  invenitnr,  qaod  qaidem  possibile 
secnadom  nnllam  potentiam  dicitar.** 


406   Lehre  d.  hl.  Thomas  üb.  d.  Mdglichkeit  euer  ewigen  Weltscböpfoof . 


Grand,  weder  ionerer  noch  änfserer,  itir  eine  solche  Bebanptaip 
eniofatlieh.  Hütten  die  genamiteii  Aotoren  das  ▼oa  m»  mit- 
geteilte QnedUbet  gekannt,  ao  wflfden  sie  aneli  wohl  detaen 
Bohtbeit  beanstandet  haben.  P.  Feach  (Inotitadonea  Phfloa. 
Natural.  Frib.  1880  p.  454)  sagt  auf  Gnind  dee  angefährtBB 
Opuscnlnm  vom  hl.  Thomas:  ,,priore  tempore  nonnihil  dnbitis 
hac  in  re  haesisse  videtur."  „^i"^'  p*jtiuH  raali«  dicere  —  so 
fügt  er  in  Anm.  hinzu  —  oum  illo  loco  vehementius  dispntantcra 
abreptuin  cRse,  ut  semel  ipsi  ex  ore  fixciderit,  repugnuntiam 
nnmeri  actu  iofioiti  nondum  esse  ,demoastratam' ;  id  qnod  alias 
identidem  negaTeriL**  Dagegen  bemerken  wir»  dafs  der  heilige 
Thomaa  niobt  nur  nicht  identidem,  eondern  auch  nicht  eia 
einaigea  Mal  behauptet  bat,  der  von  ihm  behanpteten  üamdgliob- 
keit  eines  acta  infinitnm  komme  demonatrative  Beweiskraft  au. 
Dafa  dteaelbe  noch  nicht  demonstrativ  bewieaen  aei,  hat  er  hin- 
gegen  nicht  blofs  aemel»  in  der  Hitse  des  Streites  gegen  die 
iiiurmuraulcs,  lallen  lassen,  vielmehr  hat  er  dasselbe  häutig  iq 
Abhandlungen,  die  vorsätzlich  yim  dieser  Frage  handeln,  nieder- 
^'•eschriebon.  Da«  bereits  angeführt e  Quodlibet  ist  durchaus  nicht 
die  einzige  Parallel-Steile,  an  der  er  geatebt»  dafs  die  (Aristote- 
Hache)  Begrttodnng  der  Unmöglichkeit  einer  unendlichen  Viellieit 
ihm  nicht  ala  nötigend  erscheint  In  eeinem  Kommentar  mr 
MeUpbyaik  dea  Aristoteles  (Ub.  11  lect  10)  sagt  er:  „Didit 
(Fhilosophas)  qnod  in  sensibilibns  neu  est  nnmems  infinitna  boc 
modo:  Omnia  nnmems  et  omne  habens  numerum  est  nnmerale 
(d.  h.  jede  gegebene  Zahl  füllt  unter  den  Artbegrilf  Zahl).  Sed 
uuUuiü  numeral  ■  est,  iutiuitum,  quia  niuLcrale  est  pertransibile 
numerando:  ergo  uuUns  numerus  est  infioitus.  Hae  autem  rati- 
one»  fdart  bezieht  sich  mit  auf  einen  vorhergehenden  Grund  (Hr 
die  Unmöglichkeit  eines  uDeodlicben  Körpera)  noo  müt  natu- 
ralea,  quia  non  snmnntnr  ex  principüa  corporis  naturalta,  sed 
ex  qnibusdam  principiis  commnnibns  et  probabilibns,  non  ex 
neoessariis:  quia  qni  poneret  .  .  .  mnltitudinem  infinttomu 
non  poneret  eam  nnmemm,  qnia  nnmems  est  mnltitndo  mensn* 
mta  per  nnnm  .  .  .  nnllum  antem  mensnratum  initnitnm  est** 
Ebenso  sagt  der  englische  Lehrer  in  Oirament  In  Ariat  Fbysie. 


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Sdoe  eodgOltig«  Antwort  Auf  di«  Frage.  407 


Mb,  3  loot.  Hl  ,,86oiiBda  ratio  ostendit,  quod  hob  sit  iDfiaitom 
moltitodine.   Omoe  eoim  namerabile  oontiogit  nnmerari,  et  per 

conseqneoH  nnmerando  transiri.  Omnie  autem  nnmem»  et  onme 
quou  liiibet  numenim,  est  muiierabile.  Erg-o  omae  Iminsmodi 
cx>otiogit  transiri.  —  8i  igitur  aliquis  nnnierus  «ivp  seiiaratiis, 
aive  in  seDüibiiibug  cxisteos,  sit  intioitUB,  sequetur,  quod  postii- 
bile  sib  transire  iDÜDitum:  qnod  eat  impoBsibile.  —  AiteDdendum 
eai  anteiDy  qnod  isiae  rationea  sunt  probabilea,  prooedeotes  ex 
iio  qiiae  oommnoiter  dioantar  (qnod  est  propriom  ayllogiami  dia- 
leotiei,  tagt  er  vorber);  noa  eoim  ex  aoeeaaitate  oonolodtiat: 
qnla  qai  poneret  .  .  .  aliqnam  maltitodioem  esse  infiDitam,  non 
dräeret  eam  eate  amnenioi»  Tel  namemm  habere;  addit  eaini 
Dumcrus  super  iDultitudinero  raiionem  mensuratioDin.  EhI  eniro 
numeru8  multitudo  itienHurata  per  ummi,  et  propter  hoc  nutuuriis 
pooitur  species  quantitatis  disoretae,  doo  autem  multitudo,  sed 
est  de  tranHcendeDtibus.'* 

Gerade  hier  zeigt  sich  an  einem  Beispie)  der  Scharfsinn 
de»  hl.  Thomas,  und  wie  wenig  er  ein  blofaer  Naehtreter  des 
Ariatotelea  ist.  Um  n&mliob  dea  von  ihm  angedeateten  Aaeweg 
absnaehiieiden,  stellt  er  selbat  in  der  Sam.  tbeot.  loo.  eit.  den 
Beweis  des  Aristoteles  In  gana  verfioderter  Form  anf.  Sr 
gebt  nSmlieh  nicht,  wie  dieser,  von  dem  Sata  ans,  dafs  jede 
Vielheit  eine  Zahl  ist,  welche  durch  die  Einheit  gemessen 
wird;  vielmehr  sagt  er:  jede  Vielheit  wird  gemacht  durch  eine 
Einheit,  oder  verdankt  ihr  Sein  einer  Einheit;  und  deshalb  ver- 
hält es  sich  mit  den  Arten  der  Vielheit  wie  mit  den  Arten 
der  Zahl  (Species  multitudinis  sunt  secundom  Speeles  name- 
roram).  Er  unterscheidet  also  iwisohen  der  nnmerisohen  und 
der  ontologisoben  (transoendentalen)  Vielheit,  nnd  baut  seine 
Baweisfiibniag  niobty  wie  Aristoteles,  anf  der  erstem,  sondern 
auf  der  letatem  anf.  Im  ontologisoben  Sinne  aber  ist  jede 
Vielheit,  welcher  Art  sie  auch  sein  möge,  etwas  Einheitliches 
der  Ordnung  nach  (iinitas  ordiuis).  Keine  Vielheit  kann  be- 
stehen, wenn  nicht  nach  Art  einer  Einheit  ünura  et  ens  con- 
verLunttir.  Unter  vielen  Dingen  kann  aber  eine  Einheitlichkeit 
der  Ordnung  nur  hergestellt  werdou,  wenn  Eines  sich  gleichsam 


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40Ö    Lehre  d.  hl  Xhomat  Ob.  d.  Möglichkeit  einer  ewigea  WelUcböpfung. 


ahi  Form  verhalt^  währeDd  die  ▼ielen  ihm  gogenfiber  »iob  ab 
Materie  verbalteo.  Verleiht  aber  jenes  Eine  der  Vielheit  ihre 
Form,  dann  gibt  es  ihnen  eben  damit  anoh  eine  bestimmte  Be- 
grenzung.   Denn  wo  immer  eine  Form,  da  ist  Begrenznng-  des 

beine.  Aber  deshalb  verhält  es  sich  mit  jeder  beetehcndeo 
Vielheit  wie  mit  jeder  wirklichen  Zahl.  Zieho  k  h  nämlich  jene 
fonnverleihoudti  Kiiiheit  ab,  ho  ist  das  Wesen  zerstört;  i'  ti  hahe 
nicht  mehr  dieflelbe  Vielheit  wie  znvor.  Geht  also  der  ^^tagl• 
rite  davon  ans,  dafs  jede  Vielheit  go zählt  ist,  eine  onendliche 
Vielheit  aber  nicht  gezählt  sein  könnte:  so  geht  der  Aqmaate 
▼en  dem  ans,  was  jede  Vielbett  in  ihrem  Wesen  nnd  ihrer  Art 
konstitnierty  und  seigt,  dafs  dieses  keine  Unendlichkeit  snialbl.^ 
Aber  ist  denn  der  Beweis  nicht  wenigstens  in  dieser  Form 
wirklich  demonstrativ?  —  Unter  den  von  Baftes  angeflibrlen 
und  widerlegten  Gründen  für  die  dem  Ergebnis  des  hl.  Tiioma» 
entgegengesützto  Behauptung*  winl  mit  (i  dieses  angeHihrt:  ..Non 
iruplicat  esse  infinitam  mulütudinem  reruu).  .  .  .**  Warum  nicht? 
„Quia  rationcs  D.  Thomae  sunt  ointiiuni  optimae,  et  non  sunt 
demonstratoriae/'  Von  gegnerischer  Seile  wird  ihre  demonstra- 
tive Beweiskraft  also  einfach  geleugnet.  Banea  seinerseits  sagt: 
„nobis  videntnr  demonstrationes."  Und  in  dem  von  ihm  ge- 
führten Beweise  für  die  im  Artikel  dargelegte  Lehre  begnügt 
er  sich  damit  zu  sagen:  „Impossibtle  est,  saltem  secandun 
ordinem  divinae  sapientiae,  fieri  infinitum  seoondnm  .  •  . 
multitudinem.*'  £r  spricht  also  nicht  von  der  potentia  Dei  ab- 
soluta und  der  ihr  entsprechenden  Möglichkeit,  welche  mit 
W  iderspruchslofii  gkeit  gleichbedeutend  ist.  Trotz  der  Gruüde 
des  hl.  Thomas  für  die  Unmöglichkeit  einer  uDcudlichcn  Vielheit 
halten  also  andere  das  Gegenteil.  Von  den  älteren  iScholastikem 
seien  nur  erwähnt  die  beiden  Augustiner- Generäle  Thomma 
von  Strafsbnrg  und  Gregor  von  Kimini,  die  wir  bereila 
früher  anfahrten  als  in  vollem  Einklang  mit  dem  Aquinaten  in 
unserer  Hauptft«ge  stehend.  Von  ihnen  sagt  der  erstero:  „mm 
implioat  contradictionem,  infinitum  magnitudino  (nec  infinitum 

'  Vgl.  Ferraricusis,  Commeut.  in  Ham.  Coutr.  Gent.  üb.  2 
cap.  81. 


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Von  iliBi  «bvdeheade  Bfoinoi^ca.  40Sf 

anltiiadine»  wie  er  qaarte  hinsnfUgt)  per  Det  potentiam  inft* 
nitam  in  esse  produci,  quam  vis  multi  TenerabUes  et  magni  doctores 
oppositum  isinm  iiiuinLur  demonatraru"  (ioe.  cit  art.  4).    Der  letz- 
tere (In  II.  Sent.  1  q.  3  a.  2)  nagt  cinfurh,  ein  infinitura 
ra  acta  sei  nicht  unmöglich.    Gerade  so  sagt  auch  Johannes 
de  B  a  8  a 0 1  i  s  (In  I.  Seilt  dist  43  ^aaeet  unic).    Von  den 
späteren  Scholastikern  führen  wir  nur  einige  an,  welche  bei  den 
geaaiiDten  neueren  SchriflateUem  von  grSftenn  Gewichte  nein 
dürften:  Die  Conimbrioentea  (Pb7aicatib.3  eap.<$);  Vaaqnes 
(ConoiraeDt.  in  L  p.  diap.  26  cd);  Bart  hol.  Amiona  (tract  18 
%,  6);  Arrlaga  (Cora.  philo».  Pfayaic.  dmp.  13  sect  4);  Oviedo 
(Cur»,  phiios.  Physic.  Controv.  17  punct.  5).^   Alle  diese  lehren, 
im  Widerspruch  zum  hl.  Thomaf^,  die  Möglichkeit  einer  unend- 
lichen Vielheit.    Wir  sind  weit  eiutörnt  davon  zu  glauben,  die- 
selben hätten  die  Ciründo  des  Aqaiaaten  irgendwie  entkrättet, 
und  ihre  eigenen  Gründe  reichten  zum  Beweise  ihrer  Behaup« 
tnng  hin.    Aber  soviel  beweist  ihre  Bteilang  sa  dieser  Frage 
jedenfalls,  dafo  die  Behanptang  des  hl.  Thomas:  »die  too  ihm 
gelehrte  nnd  begründete  Unmögliohkeit  einer  nneadliohen  Vielheit 
sei  noch  nicht  demonatrativ  bewieaen'  —  nnr  bei  denjenigen 
Wunder  erregen  kann,  die  vergessen,  dafs  das  Besnltat  einer 
demonstratio  eine  solche  Evidenz  ist,  welcher  niemand,  der 
den  Beweis  versteht,  vernünftiger  Weise  widersprechen  kann. 
—    Deshalb    sag!  weite   der  Kardinal   de  Aguirre  (PliiiuH. 
rational,  tom.  II.  Physic.  Dinp.  21  sect.  l  n.  f>),  bevor  er  in  die 
UnterBuchung  über  diese  Frage  eintritt:  »»Praemitto  rem  hanc 
adeo  diföcilem  esse  pro  ntraqne  parte,  adeoqne  inexploratam,  nt, 
qnamqnam  tot  felicia  hominnm  ingenia  circa  ejus  dispositionem 
virea  snas  exemerint  nsqne  ad  tempns  D.  Thomae,  nnllam 
demonatrattonem  invenerint  ad  probandam  repugnantiam  inÜniti 
in  actu:  nt  ipse  tostator  iogenne  Opnse.  27.   Idemqae  est  de 
Iis  Omnibus  qui  antea  et  postca  scripsere  pro  alterutra  opinionum, 

*■  Von  dea  Neoeren  stellt  n.  a.  Gntberlet  (Die  Methaphyiik, 
Mflnster  1880,  &  116)  die  Tbesls  anf :  „In  dem  Begriff  einer  aktaal 
uncndUcben  Menge  oder  aktuat  oacndlichea  Aaidebonng  läßt  sich  kein 
Widersprach  nachweiten.*' 


410   Lebre  d.  bl.  Tbomas  ab.  d.  M&gUcbkeit  etaer  ewigen  WeltscbApfang, 


Qt  patebit  illoram  mrgamenta  aoonratins  ezpeDdentu  QnamquB 
enim  pleraqne  diffioinima  smt,  anUnm  iHoram  depreheaditor  atti- 
gisse  metas  demonstrationis.  Qaare  saperest,  at  neotra  eamm 
oerta  omaiao  oensert  possit,  sed  illa  solam  probabilior,  qaae  soU- 

dioribns  tundamentis  nitatur."  Damit  ist  dem  P.  Stentrop  du 
Urteil  gegprocben,  der  (a.  a.  0.)  Iriscbweg  Ragt:  ,,Die  weitere 
Bemerkung  des  hl.  Thomas,  die  Unmöglichkeit,  dafs  durch  (i  ttefi 
Allmacht  eiacr  uneDdlicheo  Vielheit  von  Dingen  Danein  vorHcbeo 
werde,  sei  noob  nicht  erwiesen,  glanbeo  wir  fnglich  mit  Schweigen 
ilbergehea  zn  können,  da  wir  die  Beweise  für  diese  Unroöglidi' 
kett  oben  beigebracht  haben."  Der  englische  Lehrer  dafchfee 
bescheidener  Ton  seinen  beweisen.  Obgleich  dieselben  ttber* 
sengend  nnd  sehwerlich  losbar  sind,  sagt  er  doch  aiemals»  dab 
er  dieselben  filr  demonstrativ  im  strengen  Sinne  des  Wortes 
halte.  Das  ist  also  des  Aqninaten  Lehre  bezüglich  der  Möglichkeit 
einer  unendlichen  Zahl. 

Es  bleibt  um  übrig-,  zu  untersnchen,  ob  oh  eine  Unendlicb- 
koit  der  Daner  oder  der  Zeit  nach  geben  könne.  Dafs  es  eine 
endlos  daaernde  Zeit  der  Zukunft  nach  geben  könne  nnd  wirklich 
gebe,  brauchen  wir  gar  nicht  an  beweisen;  wir  können  dieses 
als  sogegeben  Yoranssetsen.  Diese  Unendlichkeit  (anch  Ua- 
Sterblichkeit  oder  Bwigkeit  genannt,  letaleres  in  eiaem 
noob  engern  Sinne  als  dem  früher  erklärten)  ist  ein  iaflnitan 
syncategorematicom,  welches  in  endloser  Anfeinanderfolge  besteht 
Kann  es  aber  anch  der  Vergangenheit  nach  eine  nnendliche, 
d.  h.  unlangslose  Dauer  geben?  Da«  ihL  Kern  und  Stern 
unserer  Frage.  SelbBtverständlich  ziehen  wir  uns  hier  auf  den 
kritischen  Standpunkt  des  hl.  Thomas  zurück,  von  dem  aus  wir 
lediglich  die  Gegengründe  auf  ihre  demonstrative  Bewei^^kraA 
an  prttfen  haben.  Dm  eine  thetiscbe  fiegrttadnng  der  Möglichkeit 
einer  ewigen  Schöpfung  handelt  es  sich  uns  ja  nicht  ^  Vorab 
jedoch  wollen  wir  klar  legen,  wie  unter  der  Annahme  einer 
anfangslosen  Schöpfung  deren  Ewigkeit  gedacht  werden  mala. 
Was  ist  das  Subjekt  dieser  anfangslosen  Daner?  Was  danert 
von  Ewigkeit?  Uber  diesen  Punkt  unserer  Frage  bestehen  die 
nicii^tcn  Mif;« Verständnisse. 

—  »H3^   - 


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APOLOGETISCHE  TENDENZEN  UND 
RICHTUNGEN. 

Von  Kanonikus  Dr.  M.  GLOSSNER. 

Vierter  Artikel  * 

Oker  die  ÄOißiehkeU  and  NoiwendiakeU  dar  giUtUchen 

Offenbarun0» 

Verstehen  wir  unter  göttlicher  Offenbarung  eine  Kand- 
gebnng  Gottee  an  den  Menachengeiat,  aei  ea  belehrender  oder 
^setzgebender  Katar  oder  überhaupt  eine  Mitteilnng  Toa  Wahr- 
heiten (theoretischer  oder  praktischer,  welch*  letztere  tod  den 

erHteren  nur  durch  diü  ,,Auadühuung"  nach  dem  iSat^iü ;  veritas 
extoiiHione  fit  practica  Hich  utiteröcheideQ),  »o  kann  die  Möglich- 
keit tiiuer  bolchen  ILundgebung  oder  OflonlKiruDg  im  allge- 
meioeu  nicht  beatritten  werden,  sobald  die  überzeuguog  von 
der  Existenz  einer  tiberweltUcben  penÖoUcben  Gottheit  als  eine 
objektiv  begründete  featateht. 

80  einlenehtend  diese  Behani»tnng  für  den  eraten  Anblick 
sieh  darstellt^  ao  besteht  gleichwohl  ein  ▼ordern  weitverbreitetea 
System,  daa  jeder  poaitiTein  Offenbarung  feindUch  entgegentritt» 
obgleich  es  die  Persönlichkeit  nnd  Oberweltlichk^t  Gottes  nicht 
in  Abrede  zieht  —  der  Deismus.  Um  den  BtillHchweigenden 
oder  ausdrücklichen  Grundgedauktin  dieses  Sy^teiuH  in  eine 
kurze  Formel  zusammenzufassen,  bedienen  wir  una  der  echola- 
stischen  Unterscheidung  der  poteotia  Dei  abnoluta  und  der 
pot.  D.  ordinata.  Hiobt  alles  nämlich,  was  dnroh  die  gött- 
liche Macht,  absolut  gesprochen,  hervorgebracht  werden  kann, 
entapricht  der  Weiaheit  und  Vollkommenheit  Gottes.  Der  Deis- 
mna  nnn  argvmentiert:  Gott  kann  aioh  offenbaren,  aber  ea 
wideiapriebt  aeiner  Weiaheit  und  Vollkommenheit,  die  Schöpfaog 
in  einer  Weise  hersnstellen,  dafa  aie  der  naehbessemden  Hand 
bedarf.  (Hetlinger,  Fundaroentalth.  S.  137  ff.)  In  dieser  Anf- 
faaanng  genügt  die  bchupluag  sich  selbst;  insbesondere  Hind 
die  verouatugen  Wesen  im  stände,  aus  sich  selbst  im  £rkenoeD 

»  Vgl.  Bd.  V.  8.  Heft  S.  2ö7  ff. 


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412  •  Möglichkeit  der  Oifeubaruog. 

und  geistigen  Leben  überhaupt  dat^  Höchste  zu  erreichen. 
Dieser  Standpunkt  zeigt  indes  alsbald  seine  innere  Inkoa- 
Sequenz  und  ünbaltbarlcelt  BeoD  eine  siob  selbst  gsBttgmde, 
in  ihrer  Entwicklung  und  Zweokbestimmiiiig  absolut  nnabhiagige 
Welt  kann  auch  den  Grund  ihres  Daseins  und  ihrer  wesentlichen 
SinriehtoDg  nicht  aufser  siob  haben.  Mit  andern  Worten:  Oer 
Optimisrnns  der  detsttschen  Weltanschauung  drängt  zur  panthei- 
stischen  Annahme,  dafs  ijoti  die  Dinge  uichi  geschafTen  habe, 
sondern  aus  sich  entfalte,  mit  seinem  Wesen  in  sie  eingebe 
und  in  ihr  aufgehe,  oder  was  dasselbe  ist,  dafs  »lie  Welt  selbst 
göttlich  und  die  Aunahme  eines  über  weltlichen  Gottes  zu  ihrer 
wissenschaftlicheuErklärung  und  Begründung  nicht  erforderlich  sei. 

Im  Übergang  dieser  pantheistisohen  Wendung  der  dei- 
stisoben  Weltanschauung  steht  das  Eantsobe  System.  Kaat 
betrachtet  die  sinnliche  Welt  als  im  Dienste  einer  absoluten 
intelligiblen  Welt  stehend,  welcher  durch  das  seiner  Veraaaft 
innewohnende  sittliche  Streben  —  den  kategorischen  ImperatiT 
—  der  menschliche  Geist  angehört.  Durch  Jas  natürliche 
Sittengesetz  ist  der  Geist  mit  einer  über«inuiichen  Weh  ver- 
knüpft, aber  auch  nur  durch  das  Sittengesetz:  denn  d:e  An- 
nahme eines  persönlichen  Gottes  ist  nur  als  eine  Forderung 
und  innerhalb  der  Schranken  des  natürlichen  Sittengesetaes 
zulässig,  und  die  Keligion  hat  deshalb  eine  Berecht^ung  nur 
,,innerhalb  der  Grensen  der  VemnnfL"  Sollte  daher  auch  ein 
höchstes  Wesen  (nicht  als  Grund  des  Sittengesetns»  da  die 
Vernunft  selbst  gesetzgeberisch  ist,  sondern  als  dessen  Wächter 
und  Vollstrecker)  existieren,  so  würde  nach  Kantsoher  Ansicht 
eine  Oftenbarung  desselben  an  den  Menschengeist  doch  etwas 
Unmögliches  sein,  wcnigHtens  von  Seiten  des  Menschen,  der 
dafür  schlechterdings  kein  Organ  besitzt,  es  sei  denn  eben  den 
kategorischen  Imperativ,  durch  den  allein  der  Geist  sich  über 
die  Sinnlichkeit  erhebt,  der  aber  rein  formal  ist  und  daher 
keineriei  objekttvinbaltliche  Erkenntnis  gewührt  oder  Ter- 
mittelt,  welch'  letalere  Yielmehr  anssebliefslieb  aus  sinnlicher 
Erfohrnng  geschöpft  wird. 

Die  in  diesem  System  behauptete  Absolntheit  der  VerDunft^ 


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Möglichkeit  der  Offeuimruüg.  413 

ordnang  and  Autonomie  des  meoaohlicken  Geistes  konnte  nur, 
wie  die  aof  Kant  folgende  Bntwioklnng  des  philosopiiiaohen 
Gedankens  seigt,  in  einer  pantkeistischen  Weltansekannng  ihren 
AbscklnCs  finden. 

Wir  stehen  jetet  vor  der  Frage,  ob  Yom  pantbetstiscben 
iStaudpunkt  diu  Muglicbkeit  einer  positiven  golUicheü  UÜeu- 
bü.iuug  in  dem  erklärten  Sinoe  einer  Mittailiing'  von  Wahr- 
heiten an  den  menschlichen  Geist  angenommen  werden  könne. 
Ks  BcheiDt  sieb  mit  dieser  Frage  in  ähnlicher,  aber  entgegen- 
gesetzter Weise  an  verhalten,  wie  mit  der  nach  der  Möglichkeit 
der  Oifenbarang  vom  Standpunkt  der  Annakme  oder  des  Glanbens 
an  einen  persönlichen  Gott  Wie  aimliok  der  entsohiedenen 
Bqjabnag  in  jenem  Falle  der  Deismus  entgegentrat»  so  soheint 
im  gsgeifwärtigen  Falle  der  entschiedenen  Verneinung  ein  System 
sieh  hinderlich  in  den  Weg  sn  stellen,  dss  seinem  Wesen  nach 
pautheibÜHch  ist,  nämlich  die  TbeoBophie. 

Um  den  richtigen  Standpunkt  Hir  die  Beantwortung  der 
Frage  zu  tiudeu,  werd<Mi  wir  den  Kegritt"  der  Offenbarung 
und  die  Terschiedenen  isaatei^ungen  derselben  ins  Auge  lassen 
müssen. 

Offenbarung  kann  im  allgemeinen  als  Üitteilung  von  Wahr- 
heiten bestimmt  werden.  Die  mitgeteilton  Wahrheiton  können 
notwendige  und  sufiUlige  oder  geschiohtlieke,  d.  i.  Thatsachen 
sein.  In  beiden  Fällen  ist  die  Mitteilung  eine  ,jideelle'S  d.  k. 
Wahrfaeitsmittetlnng;  denn  auch  die  Tbatsaohen  werden  in  Form 
von  Sätzen,  Wahrheiten  dem  Geiste  mitgeteilt.  Allcidiogs 
können  ThatBachen  auch  in  einem  andern  Sinne,  nämlich  als 
solche,  integrierende  Teile  der  Offenbarung  bilden ;  aber  auch 
in  diesem  Falle  werden  Hie  zu  Offenbarungen  erst  durch 
das  kinsukommcnde  Wort,  gleichsam  die  ideelle  Fassung  der 
Thatoaohe,  wie  dies  selbst  von  der  erhabensten  Thatsache  der 
nbematilrliehen  OlÜBnbarnag,  der  Menschwerdung,  gilt  Her 
ansseichnende  Charakter  der  Offenbarung  ist  demnach  ideelle 
Wahrheitsmitteihing,  und  es  liegt  eine  völlige  Verkennung  des 
Offenbarungsbegriffs  vor,  wenn  Günther  die  ideelle  Seite  der 
Offenbaro^  leugnet  und  diese  gerade  und  ausschUefslich  in  den 


414 


er»t  durch  menschliche  Geistebthätigkeit  io  ideellen  firkenntiii«- 
^balt  umzaaetzenden  ThaUachen  iioden  will. 

Anden  Terbält  es  sich  mit  der  ScböpftiDg,  die  man  wobt 
aooh  ab  eine  göttliche  Offenbarung  beaeicbnet  und  in  einea 
gewiesen,  jedoch  nneigentlichen  Sinne  beieiohnen  kann.  In  der 
Schöpfung  sind  ee  Thatsachen,  die  erat  durch  den  denkenden, 
betrachtenden  Geist  in  (formelle)  Wahrheiten,  in  Brkenntnisie 
umgesetzt  werden  müssen.  Nach  der  Lehre  des  hl.  ThomiM 
besteiiL  libbliulb  das  Wesen  der  ,,l*rophetie"  nicht  in  den  ücuud 
Speeles,  d.  i.  in  den  hiiiDlichen  Wahrnehmungen  oder  den  Vor- 
steilungen  der  EmbiidungHkraft,  Bondern  in  der  Erhöbung  und 
VervoUkommnuog  der  Urteilskraft.  Prophet  —  Organ  der 
Offenbarung  —  ist  nicht  Belsazar,  der  die  schreibende  üand 
gewahrt,  sondern  Daniel,  der  die  Schrift  an  erklären  weif«, 
nicht  Pharao,  der  Ton  bedeutungsToUen  Bindern  und  ihres 
traunnt»  sondern  Joseph,  der  die  TrKume  an  deuten  YersCeht 
„Die  prophetische  Erkenntnis  gehört,  wie  Augustin  sagt,  vorsegs- 
wetse  dem  Geiste  an.  In  der  Brkenntnis  des  menschlidiett 
Gei»Lü8  aber  kommen  zwei  Dinge  in  Betracht,  nämlich  die  Auf- 
nahme oder  V'ergegenwärtigung  der  Dinge  und  das  Urteil  über 
das  Vergegenwärtigte.  Wenn  dem  menschlichen  üeibta  irgend- 
welche  Gegenstände  durch  steilTortretende  Species  und  nach 
der  natürlichen  Ordnung  vergegenwärtigt  werden,  so  musasi 
die  Speeles  auerst  dem  Sinne,  in  aweiter  Linie  der  Binbildnogs* 
kraft,  in  dritter  dem  möglichen  Verstand,  der  infolge  der  Bs' 
lenohtung  durch  den  wirkenden  Verstand  Ton  den  Speciss  dsr 
Phtntasiebilder  (a  spedebus  phantasmatum)  umgeataltet  wird, 
vergegenwärtigt  werden.  In  der  EinbildungHkraft  aber  fiodea 
sich  nicht  nur  die  Forniin  lier  binnliehen  Daigc!,  wie  sie  vom 
Sinne  aufgenommen  werden,  sondern  sie  sind  darin  auf  mauoig- 
faltige  Weise  umgebildet,  sei  es  infolge  körperlicher  Verände- 
rungen wie  bei  Träumenden  und  Wabosionigen  oder  infolge 
der  einwirkenden  und  die  l^haotasmen  aum  Rehufe  des  Denkens 
ordnenden  Vernunft;  denn  ans  der  mannigfhltigen  Kombioatioa 
der  Phantasiebilder  entstehen  verschiedene  Verstandesspecies 
wie  sich  die  Torsohiedeaen  Buchstaben  au  ▼erschiedenen  bedent* 


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415 


«amen  Worten  und  BegriffHforraen  verbinden.    Das  Urteil  des 
menschlichpn  Geistes  aber  gehört  dem  Lichte  des  Verßtaiides 
an.    Die  Gabt;  dur  Prophotie  nun  erhöht  m  dieser  zweifachen 
Kücksicht  die  Vermög^en  des  menschlichen  Geistes,  Koturo  er 
urteilt  nnd  Vorstellungen  aufnimmt.    Kur  in  der  letzteren  Be- 
siebuog  kann  der  meDscblicbe  Unterricht  mit  der  Propbetie 
verglioben  werden;  denn  jener  vermtg  den  Schüler  niobt  inner- 
lieh WBL  erleaohten,  sondern  nur  dnrch  Snfsere  Zeichen  Vor- 
etellnDgen  sa  Termitteln.  —  Von  dieeen  beiden  ist  dns  erste 
(das  Urteil)  in  der  Propbetie  da«  Vors'dgHobere;  denn  dae  Urteil 
voilüudcL    die    Erkenntnis.     Geschieht    daher  jeicandem  von 
Seiten    Gottes    eine    Vergegenwärtigung    von    Dingen  dnrch 
PhaQlasiebilder,    wie   dem   Pharao  nnd   Nabuchodonnsor,  odi-r 
dnrch  körperlicbe  Bilder,  wie  Baltbassar,  so  ist  ein  solcher  nicht 
als  Prophet  anzusehen,  wenn  nicht  sein  Geist  zum  Urteil  er- 
lenebtet wird,  Bondem  eine  eolobe  Ereobeinung  ist  in  der 
Oattnng  des  Prophetieeben  etwas  UnTollkommenee.  .  .  Dagegen 
wfire  einer  Prophet,  wenn  anch  nur  nein  Verstand  znm  Ur^ 
teilen  über  solches  erlencbtet  würde,  was  anderen  in  der  Weise 
der  Vorstellung  ersehienen  ist,  wie  Ton  Joseph  erhellt,  der  die 
Träumf  Pharaos  auslegte.    Jedoch  ist,  wie  Augustin  sagt,  der- 
jcnigo  am  meisten  Prophet,  der  in  beiderlei  Hinsicht  hervorragt, 
nämlich  so,  dafs  er  im  Geiste  die  bedeutsamen  Bilder  körper- 
licher Dinge  sieht  und  sie  mit  durchdringendem  Geistesblicke 
▼ersteht.    £s  werden  aber  von  Seiten  Gottes  im  Geiste  sn- 
weilen  mittels  der  Sinne  von  anfsen  sinnenfallige  Formen  Tor- 
gestellty  wie  Daniel  die  Schrift  an  der  Wand  sah,  cnweilen 
auch  dnrob  Formen  der  Einbildungskraft,  seien  sie  nun  von 
Gott  selbst  eingeprägt  oder  swar  aus  den  Sinnen  stammend 
aber  von  Gott  geordnet,  wie  Jeremias  vom  Norden  her  einen 
siedenden  Kessel  sah,  oder  auch  dadurch,  dals  dtui  Verstände 
selbst  jutelligible  Species  einereprägt  werden,  wie  Salomon  und 
den  Apoätclo.    Das  luteliigible  Licht  aber  wird  zuweilen  dem 
menschlichen  Geiste  von  Gott  eingeprägt^  um  zu  beurteilen, 
was  TOn  anderen  gesehen  wurde,  wie  von  Joseph  gesagt  wird 
und  von  den  ApoBteln  erbellt,  denen  Christus  das  Verständnis 
Jabrbaeb  fSr  PlUlotophl«  ele.  Vf.  t7 


416  Möglichkeit  der  Offenbanuif. 


der  SehriAeii  eröffnete,  oder  aodi  rar  Bearteüoog  deeeen,  wm 
naob  dem  DatfirlieheD  Laofe  der  Dioge  der  Menaeh  erkeasl« 
oder  vm  richtig  ra  benrleilen,  was  ra  timn  ist  80  erhelll, 
dafa  die  prophetische  OffeDbarung  saweilen  durch  blofae  Bin- 

flöffliing  des  Lichtes,  zuweilen  aber  durch  neueingepräg-te  oder 
aüdere  geordnete  iSpecies  gescliieht."    (2.  2.  qu.  173  aru  1). 

lu  ähnlicher  Weise  aufsert  sich  der  englische  Lehrer  au 
einem   anderen   Orte:    „Die  Piuiihi  tie    i«t   ein   gewisses  über- 
natürlicheB  Erkenuen.    Zur  Erkenntnis  aber  werden  zwei  Oioge 
erfordert,  nämlich  die  Aatiiabme  des  Erkannten  und  das  Urleil 
über  das  Aufgenommene.    Zaweilen  also  ist  die  Erkenntnit 
nur  nach  der  Aofnahme,  aoweüen  nnr  nach  dem  Urteile^  ta- 
weilen  nach  beiden  sogleich  flbernaturlich.   Ist  nor  die  Auf- 
nahme eine  ttbematttrÜche,  so  wird  hiemach  nooh  niemand  als 
Prophet  beseiohnet»  wie  Pharao  deshalb  nicht  Prophet  an  nennen 
ist,  weil  er  das  Zeichen  der  aakfloftigen  Pmchtbarkeit  nnd 
Unfruchtbarkeit  unter  den  Gestalten  von  Rindern  und  Ähren 
erkannte.    Wenn  aber  jemand  das  übernatürliche  Urteil  oder 
dieses  und  die  übernatürliche   Aulnahme  zugleich  besitzt,  m 
wird  er  mit  K(;cht  Pro|i}if  i  ^maunl.   Eine  übernatürliche  Aufnahme 
kann  aber  nur  durch  drei  Arten  von  (xesichten  geschehen, 
durch  körperliche  Ansobaaung  .  .     ,  durch   Anschauung  im 
Vorstellungsvermögen,  wie  des  kochenden  Kessels  de^  Jeremiasi 
der  Pterde  und  Berge  des  Zacharias,  nnd  durch  intellektueUc 
Anachanoag,  wenn  dem  Veratand  Dinge,  welche  die  natürliche 
Kraft  übersteigen,  geaeigt  werden*  .  .  .  Der  Intellekt  nimmt 
aber  nnr  dann  auf  Ubernatttrliche  Weise  anf,  wenn  er  die  rein 
geistigen  Bnbstanaen  wesenbaft  sobant  .  .  Unter  den  genannteo 
Weisen  iibematttrlicher  Aufnahme  übersteigt  die  letztere  das 
Mafs  der  Prophetie.  .  .  Die  erste  Art  überiiaiiuliclier  Auinaimiu 
aber  nach  der  körperlichen  IScuauung  liegt  unterhalb  der  prophe- 
tischen Aufnahme.    Die  der  rrophetia  eigenthümliclie  Art  über- 
natürlicher  Aufnahme   ist  demnach    die  Fhantaaieaoschauuog. 
üo  hat  also  jeder  Prophet  entweder  nur  ein  übernatttrltohe» 
Urteil  Yon  dem,  was  von  andern  gesehen  wird  .  .  .  oder  er 
hat  augleich  mit  dem  Urteil  eine  übernatttrliche  Aufnahme 


417 


durch  Phantasiegesiobto  —  yisiones  imaginartae.   Zorn  Zweoko 

des  ttbernatörHchen  Urteils  wird  eine  Stärkung  des  Intellektn, 

niciil  aber  die  liildung  einer  neuen  Öpecies  erlordert,  dagegen 
7.nv  Autuuhmo  der  Phantaaieanschauung-,  sei  es  nun,  daln  iruher 
nicht  vorhandene  Sp*  ciOh  emgopnifTt  wurden,  odnr  dal»  vorher 
vorhandene  von  seilen  Gottes  so  geordnet  und  zusammengesetzt 
werden,  wie  es  der  Bedeutung  der  Dinge  entspricht,  die  dem 
Propheten  gezeigt  werden  soUen/'  Uuaosl»  DUp.  De  Verit.  qtt. 
XII  art  7. 

Diese  AuiFassuiig  des  prophetischen  Lichtee»  das  mit  dem 
Glanbeaslichte  verwandt  ist  and  wie  dieses  swar  in  innerer 
Besehnng  sieht  sum  Lichte  der  jenseitigen  Anschannng  (Inmen 
gloriae),  aber  doch  sich  wesentlich  nod  nicht  bleib  gradnell 
davon  notereoheidet,  lehrt  uns  die  Weise  der  Offenbarung  in 
iuhaltlicher  IJeziehuug  vertslehcu.  JJciin  auch  die  im  streugei» 
Sinne  überuatiii  liehen  Wahrheiten  sind  iu  natürlichen  aber  von 
seilen  Gottes  ceordneteu  Vorötellungon  oder  Speciee  gegeben, 
die  im  Lichte  der  Prophetie  zu  Erkenntnissen  werden  und 
Wahrheiten  auBdrücken,  deren  Erfassung  das  natürliche  Vernunft- 
Termögen  ttbersteigt. 

Ans  dem  Gesagten  ergibt  sieh  die  aunäehstliegende  Ein» 
teilnng  der  Offenbaning  in  die  natürliche  und  ttbernalürliche, 
die  OffeDbamng  dnrch  die  Schöpfung  und  die  Offenbarung  dnroh 
ideelle  Wahrheitsmitteilnng,  von  denen  die  ersten,  wie  bemerkt 
wurde,  nur  im  aneigentliohen  Sinne  als  Offenbarung  beseichnet 
werden  kann.  In  den  angeHlhrten  Texten  unterscheidet  der 
hl,  Thomas  die  unmittelbare  Anschauuntr  und  WesonserkcnntniB 
der  rein  geistigen  Wesen,  insbc^-ojnUre  die  ErkeuuLius  des 
\ineu(ilich  reinen  geistigen  Wesens  Gottes  selbbl  und  die  auf 
Abstraktion  von  mehr  oder  minder  in  die  Materie  versenkten 
oder  mit  ihr  verbundenen  Objekten  beruhende  und  daraus 
gewonnene  Erkenntnis.  Zwischen  beiden  iu  der  Mitte  steht 
die  prophetische  Erkenntnis  als  eine  solche,  die  stofTiich  zwar 
in  Wahrnehmungen  und  VorsteUangen,  dem  formellen  Inhalt 
nach  aber  in  Wahrheiten  besteht^  die  unmittelbar  einem  höheren 
Lichte  entsprungen  und  daher  auch  nur  in  einem  höheren  Lichte 


418  MdgHebkfit  der  OffeniMniiig. 


erkennbftr  tind.    Damelbe  gilt  von  der  G-Ianbenwrkmintiiis. 

Siti  enthält  Wahrheiteu,  diü  aus  einem  höheren  LichUi  etammen, 
aber  in  die  Gestalt  menschlicher  VorstelluDgeü  und  Hegriffe 
g-ekleidel  sind.  Die  Glaubooserkonntnis  Btoht  daher  zur  gött- 
licheD  W  eeeQB8chauaD§^  in  inDercr  BeziebuDg;  iat  aber  selbst 
noch  nicht  Schauang  des  göttlichen  Wesens,  wiewohl  sie  idaella 
Aofsohliiase  ttber  das  gottliobe  Wesen  io  rationaler,  d.  b.  Tom 
Sionlioben,  abgesogener  Form  enthält,  welobe  die  Wahrheit 
ebenso  sehr  Ter  bullt,  wie  sie  dieselbe  andererseits  enthfiUt 
(Hettinger,  a.  a.  0.  8.  133). 

Hiermit  ist  zugleich  das  Wesen  der  überoatürlidben  Offen- 
barung; .Hüwühl  iiü  Unterschiode  von  der  natürlichen  Offenbarong 
als  auch  von  der  zukunliigeo  beseligenden  Anschauung  gekenn- 
aeiobnet. 

Diesen  Erklärungen  und  Einteilungen  gemäTs  können  wir 
nun  die  Frage  nach  der  Möglichkeit  einer  ttbernatäriicben 
Offenbarong  in  konkreterer  Weise  dahin  beantworten,  dafii  ver- 
Bchieden  von  der  natürlichen  nnd  über  aie  erhaben  eine  idsells 
Ordnung  nnd  Offenbamngaweise  möglich  ist,  die  darin  besteht, 
dab  Gott  nach  seinem  Wesen,  seiner  Besobaffenheit  nnd  seinen 
verborgenen  Ratsoblüssen  dem  geschaffenen  Geiste  unmittelbar 
durcii  Mitteilung  von  Wahrheiten  —  also  in  ideeller  Form 
sich  manif^'Rtiprt. 

Wemlen  wir  uns  uunmohr  zu  der  Frage  zurück,  ob  auf 
paotheistiftohem  Standpunkt  eine  iibernatürUche  göttliche  Olfeo- 
bamng  angenommen  werden  könne,  so  scheint,  wie  bemerkt 
wurde,  die  Theoaophie  die  Möglichkeit  einer  solchen  ein* 
raomen  au  können.  Wir  werden  una  awar  sunaohst  darnbsr 
au  rechtfertigen  haben,  dafs  wir  den  theosophiseben  Standpunkt 
als  einen  pantheistischen  bezeichnen.  Wir  Terstehen  unter 
Theosophie  (nach  ihrer  metaphysischen  Seite)  die  Annahme  der 
wesenhatleo  immaneoz  Gottes  in  den  Dingen  und  dem  endlichen 
Geiste  verbunden  mit  persönlicher  Transcendenz.  In  dieser 
Erklärung  liegt  bereits  die  Rechtfertigung  der  Bezeichuung  der 
Theosophie  als  einer  Abart  des  Pantheismus.  Die  Vertretsr  dss 
iheosophtschen  Standpunkts,  wie  a.  B.  Frans  Baader,  Krause  ge* 


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Möglichkeit  der  Offenbarung. 


419 


Btehea  dies  ia  der  HanpiMohe  an,  wean  eie,  wie  der  lelatore 
tbaty  aa  die  Stelle  des  Ansdrackes:  Paatheismas  den  anderen: 
PaaeatheifliBttS  seben. 

Die  paatheistisohe  Formel  namlioh  lavtet:  6oU  ist  in  den 
Dingen.  Die  panentheistisohe:  die  Dinge  sind  in  Gott  Man 
bemerke,  dafö  es  sich  hier  nicht  um  die  Allg'e^enwart  Gottes 
handelt,  dio  anch  der  Thcist  auf  das  eiiUchiedeuate  lesthält. 
Auch  der  Thcist  sagt:  Gott  ist  iu  den  Dingen  und  die 
iJinge  »ind  iu  Gott.  Aber  in  beioem  Munde  liaben  diese 
Worte  einen  völlig  verschiedenea  Sinn.  GoU  ist  in  den  Dingen 
als  ihre  nomittelbare  schöpferische  Seinsquelle,  nicht  aber  als 
der  stoffliche  and  formale  Grund  ihres  Seins.  Dio  Dinge  sind 
in  Gott^  niebt  wie  der  Körper  im  Orte,  oder  das  Aooidens  in 
der  Snbstaas,  soadem  wie  die  Wirkang  in  der  sie  ttberrageaden 
and  beherrsehenden  TTrsaohe^  von  der  sie  naok  allea  Rieb- 
taogen,  in  allea  Beaiebangen  abhängig  ist.  ,|ln  ibm  bewegen 
wir  nns,  leben  wir  nnd  sind  wir."  Dagegen  sind  naob  tbeoso- 
phischor  Aoflassang  die  Dinge  in  Gott^  als  accidentelle  Be- 
stimmnng'en  seines  ^cins.^  Gott  geht  mit  seinem  Wesen  in 
die  Ding^o  ein,  wenn  auch  nicht  in  ihnen  auf,  er  überragt  sie 
aiH  persuniicher,  iiberwcitlicher  GeiHt,  daher  ist  nicht  nur  Gott 
in  den  Dingen,  sondern  die  Dinge  in  Gott. 

Kann  diese  ThcoBopbie,  dieser  Panentheismus,  dieses  System, 
das  Immanens  and  Transoendenz  mit  einander  verbindet  nad, 
wie  man  aas  bentsatage  vielfach  versichert,  die  Interessen  der 
fortgescbritteaen  Wissenscbaft  mit  denen  des  religiösen  Bedttrf- 
Bisses  versöhnt,  eine  übernatttritche  Offenbaraag  als  möglich 
anerkennen?  Dem  ersten  Anschein  nach  allerdings.  Denn 
kommt  dem  „AUwesen"  eine  überragende  Persönlichkeit  sn,  so 
ist,  wie  es  scheint,  ein  Verkehr  von  Person  zu  Person,  ein 


'  Kuba  formuliert  iu  seiner  Schrift:  Juko6i  u.  d.  ¥hü.  bHioer  Zeit 
S.  14,  die  Frage  nach  der  Unsterblichkeit  und  persönlichen  Fortdauer 
des  msasehiicken  Gdstsi  also:  „ob  und  hiwiefcm  die  dem  frmn  Prineip 
im  Hsnsehen  adbirierende  Kigenschsft  der  Persönlichkeit  ein  not» 
wendiges  und  selbstindiges  Aceidens  des  obersten  Piindps  der  Qber8lnn> 
Heben  Welt  sei.** 


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420 


persönliches  VerhSltnis  «wisoben  dem  göttHchen  und  dem  end- 
liohen  Geiste  mög'liob.    Ans  diesem  Verhältnis  enteprmg't,  in 

ihm  besteht  nach  thcosophiacher  Ansicht  die  Religion.  —  Wir 
haben  hier  nicht  zu  uuterenchen.  ob  die  Theosophie,  vom  logischen 
und  metuphysischen  Gesichtspunkt  betrachtet,  ein  baltbare» 
System  nei.  Über  unsere  Meinung  in  dieser  Frage  kann  kein 
Zweifel  bestehen.  Die  Theosophie  nimmt  swisohen  Theismus 
und  Pantheismus  eine  Töllig  unhaUbare  Mitte  ein  und  hebt  sich 
dnrch  innere  Widenprftehe  selbst  auf.  Binsig  die  Frage  ist 
gegenwärtig  an  beantworten,  ob  die  Theosophie  eise  übemattr- 
liehe  Offenbarung  kenne.  Im  theosophischen  System  gibt  es 
und  kann  es  keine  fibernatürliche  Offenbamng  geben.  In  ihm 
ist  der  üntersolüed  den  !NaLüj liehen  und  L beiiiaLurÜchen  aufge- 
hoben. Diüucr  ünteröchiod  bestimmt  »ich  uns  mit  dem  eng- 
lischen Lehrer  dahin.  dali<  die  natürliche  Offenbaning  durch 
die  sinnlich  gegebene  vom  Geiste  erst  ins  Ideale  umzusetzende 
Thatsacbe,  die  übernatürliche  aber  durch  das  Wort,  in  unmittel- 
bar idealer  Form  geschehe.  Diesen  Unterschied  kennt  die 
Theosophie  nicht.  Das  Oöttliohe  kann  sich  nach  theoaophiseher 
Annahme  nicht  anders  als  in  idealer  Form  dem  Geiste  offen- 
baren;  denn  da  nach  dieser  Auifasauog  Gott  selbst  mit  seinem 
idealen  und  geistigen  Wesen  in  Natnr  nnd  Menschengeist 
Hiiiiiaueut  ist,  80  folgt,  dal's  auch  Natur  und  Materie  ihrem 
wahren  Wesen  nach  geifttig,  uicale  Potenzen  oder  die 
erscheinenden  j,'üttUchcn  Ideen  selbHt  sind,  Aul'  diesem  Stand- 
punkt ist  demnach  schou  die  natürliche  Offenbarung  in  der 
Schöpfung  eine  ideale,  Offenbarung  durch  das  Wort,  durch  den 
göttlichen  Logos  in  nnmittelbarer,  nicht  dnrch  die  Thatsaohe 
einer  materiellen  Welt  ▼ermittelten  Weiae.  Dem  menechlidien 
Geiste  strömt  die  Wahrheit  in  der  ihr  angemeesenen  idealen 
Form  nnmittelbar  au.  Jeder  Gedanke,  der  in  ihm  anflenchtet, 
entspringt  ans  einer  einzigen,  unmittelbar  göttlichen  Qaelle  — 
dum  lunersiteu  Wesen  der  Vernunft. 

Unsere  Behauptung  von  der  Unvereinbarkeit  einer  über- 
natürlichen güttlichcü  Uiteoftaiuug  mit  der  Theosophie  wird 
durch  Zengnisse  der  Vortreter  dieses  Standpunktes  bestätigt. 


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Möglichkeit  der  Offcntiarung. 


"Wir  wollen  ans  nicht  aaf  Schleierinacber  berufen,  dem  der 
Gedanke  der  mit  Freiheit  schaffenden  Gottheit  ein  schönes 
8  jmbol  Too  dem  ist,  was  der  Uensoh  sein  toll  und  der  an  ihre 
Stelle  das  Eine  Weltganae  setst  Denn  man  wird  dem  „phi- 
loeophiscbesten"  unter  den  Theologen  kaum  den  theobophiachen 
Standpunkt  »igesCehen.  Wie  dem  indes  auch  sei,  in  jedem 
Falle  kcDDt  er  keine  andere  Offenbarung  Gottes,  d.  i.  (in  seinem 
Sinnfi)  (los  einen  immanenten  Weltgrundes  als  die  Offenbarung 
in  der  Natur  und  vor  nüom  im  Menschengeiste  solbbt.  Um 
aber  doch  dem  theologischen  Sprachgebrauch,  der  die  Offen 
bamng  der  Natar  entgegensetzt,  einigermafscn  gerecht  au 
werden,  erklärt  er  als  eine  solohe  jede  arsprünglicbe  und  neue 
Mitteilung  des  Weltalls  nnd  seines  innersten  Lebens  an  den 
Menschen,  oder  om  sieb  der  Vorstellnng  eines  positiv  geschichtr 
lieben  Bingreifens  der  Gottheit  noch  mehr  ansnn&hem,  nennt  er 
OfTenbaning  die  grofsen  Gesohiohtsthatsachen,  die  der  Entstehung 
ganzer  Religionsgomuinschatten  zu  Grunde  liegen  (Hetlinger 
a.  a.  0.  S.  137).  Es  luuclitet  jedoch  sofort  ein,  dafs  in  dieser 
Auttkbsung  die  ursprünglichen  und  neuen  Mitteilun^^en  sowir 
die  grol'sen  Geschieh tstluitsachen  demselben  immanenten  gui-.Ligcu 
Fond  der  Menschheit  wie  das  religiöse  Loben  überhaupt 
entspringen.  Der  Unterschied  liegt  nnr  darin,  dafs  in  jenen 
Offenbamngeu  die  geistige  Kraft  an  neuen  genialen  Schöpfungen 
sieh  konzentriert. 

Unaweideutig  lautet  das  Zeugnis  eines  neueren  Antors» 
der  zweifellos  den  Standpunkt  der  Verbindung  von  Immanenz 
nnd  Transcendenz  einnimmt  oder,  um  uns  eine»  Gunther'Hchen 
Ausdrucks  üu  bediiiuen,  einen  Persönliehknilspantheismus  lehrt. 
l)ie  bleibende  Wahrheit  ist  nach  0.  Piii  idci  er  in  den  Offen- 
barungen 1er  Propheten  nur  „die  im  Geschichtlichen  entbaltene 
und  durch  das  Geschichtliche  ins  Licht  des  Bewufstseins  er- 
hobene ewige  Idee  selbst.  „Die  Offenbarung,  auch  die  in 
Christus,  ist  nichts  anderes  als  ein  geschichtlicher  Procefs,  in 
welchem  die  dem  menschlichen  Geiste  als  dem  ,yTeilgaoaen" 
aus  dem  göttlichen  Allleben  austromende  Xdeenfdlle  sich  expli- 
eiert"   (Bei  Gutberiet,  Lehrb.  der  Apolog.  Bd.  II,  8.  3  f.) 


4:22  Möglichkeit  der  Otteobamug. 


Dem  FantheismaSy  anoh  dem  theoaophiachen,  ist  demnach 
der  Begriff  eioer  übernatiirHohen  Offenbanuig,  io  welohem  der 
göttliche  Geist  in  einen  pereönlieben  Verkehr  mil  dem  Kenioheii 
tritt  und  ihm  unmittelbar  Ideen  mitteilt,  einflolkti  fremd«  ifBe 
ist  der  grttndUchate  Irrtam,  sa  meinen,  Ideen,  ÜberBeugungeo 
könntea  dem  Menschen  jemals  ohne  seia  eigenes  Zathun  za- 
kommen,  sei  es  nun  als  anji^ehorene  Ausstattung  oder  auch  durch 
momeutüne  Eingiefsung  o  Itr  Einblasung  oder  dergleicheu  aufscrc 
Veranstaltung,  und  wäre  sie  noch  so  wunderbar.''  (  Derselbe  a.  a.  0.> 

Dieser  theoeophische  Pantheismus  schhelafc  sonach  selbst 
jene  Art  von  übernatürlicher  Offenbarong  aas  seinem  Ideen* 
kreise  aus,  welche  die  Theologen  als  eine  der  Art  und 
Weise  nach  übematürliebe  von  der  dem  Wesen  und  der 
8  übst  ans  nach  übernatttrltohen  unterscheiden.  Den  Gegen* 
stand  der  OflTeDbarong  nfimltoh  können  nicht  blofs  Wahrheiten 
bilden,  die  über  die  Fassungskratt  der  menschlichen  Vernunft 
und  selbst  jeder  geschafifenen  Intelligenz  hinausliegen,  M);idern 
auch  solche,  die  zwar  den  Bildungsgrad  gewisser  Perioden  in 
der  geschichtlichen  Entwicklung  der  Menschheit  oder  die 
Fassungskraft  einzelner,  nicht  aber  das  Vermögen  der  Vernunft 
an  und  für  sich  und  schlechthin  übersteigen.  Indem  aber  die 
Theosophie  selbst  den  Begriff  einer  dem  Wesen  nach  natiir- 
liehen,  der  Art  und  Weise  nach  übernatürlichen  Offenbarung 
verwirft,  beweist  sie  nur,  dalb  es  ihr  mit  der  Persönlichkeit 
Gottes  nicht  ernst  ist  oder  wenigstens,  dafs  es  nicht  gelingt, 
den  Gedanken  einer  übergreifenden  Persönlichkeit  eines  imma- 
nenten Weilern  ml  OS  te,sl/.uli;dluü  und  konsequent  durchzufiibreD. 

A'och  ist  die  Auliassung  der  Offenbarung  als  einer  Er- 
ziehung des  Menschengeschlechtes  zu  berühren.  Der  Begriff 
der  Erziehung  iiir  die  göttlichen  Heilszweoke  iat  der  göttlichen 
Offenbarung  selbst  vollkommen  vertraut  Der  Apostel  Paulus 
erklärt,  das  Gesetc  als  einen  xocdn/co/os  $iq  XqiCvqv  (6al. 
3,  24).  Hier  erscheint  jedoch  die  Eraiehung  als  ein  Mittel 
und  Moment  der  Offenbarung.  Dagegen  geht  die  Offenbarung 
in  diesem  Begriffe  nicht  auf.  Behält  man  die  Analogie  der 
menschlicheu  Erziehung   iui  Auge,  so  erhebt  sich  diese  Aul« 


Mdglichkeit  der  OffeDbtniiig. 


423 


fftseang^  der  Offenbaniiig  nicht  ttber  den  Begriff  des  Obernatlkr- 

liehen  der  Art  und  Weise  nach.  Denn  die  Erzieliuug  euLtliUet 
vorhandiiiiß  Anlaj^en  und  Keime,  ohne  als  solche  ^dieselben  zu 
geben.  ijiese  AuiVats^ung'  aber  erheischt  i^^lcichwohl  die  i.nU- 
Bohiedeoo  Geltendmachung  der  Persönlichkeit  (iottes;  denn  der 
Srsieher  wirkt  durch  sein  persÖDliobee  Ansehen  auf  den  Zög- 
ling ein.  Ans  diesem  Grande  Termoohten  weder  der  Tolgäre 
—  detstische  —  noch  der  spekulative  —  pantheistisohe  — 
Bationalismns  selbst  nur  den  Sniehnngsbegriff  rein  festsnhalten, 
sondern  sanken  in  der  Brklfimng  der  OiFenbamng  unter  den- 
selben herab.  Der  Inhalt  der  Offenhanrng  gestaltete  sich  so 
Htatt  zu  einer  Anlicipaüüii  einer  göttlichen  Erziehungsmethode 
vielmehr  zu  einer  Art  von  trüber  Intuition  oder  Vorahnung 
religiÖHf  1  !e^^t(^r  (iemüter,  die  der  rt^Jlcktierenden  Urteilskraft 
voruueilen  und  zu  ihr  teilweise  sich  inkoiniounitorabel  verhalten, 
in  diesem  (eaoterisoheo)  Sinne  sind  wob!  die  Aussprüche 
Fichtes  und  Lessings  au  ▼erstehen,  (Bei  Uettinger  a.  a.  0. 
£3.  149). 

Sacht  man  den  BegrilF  der  Eraiefaung  durch  die  Be- 
tonung des  Prädikats  göttlich  au  Tertiefen,  so  führt  man  ihn 
über  sich  selbst  hinans  und  hebt  ihn  damit  auf;  denn  eine  gött- 
liche Erziehung,  die  den  Zögling  über  seine  Natur  erhebt,  ist 
mehr  als  Erziehung,  und  als  Üffenliatimg  betrachtet  nicht  mehr 
eine  solche,  die  nur  Vernunftwahrlieiten  anticipiort,  souderü  den 
erhöhten  Geistes  vermögen  einen  wesentlich  höheren  Gesichts- 
kreis eröffnet. 

Unsere  Aufmerksamkeit  haben  wir,  nachdem  wir  zwischen 
natiirlicher  und  ttbematärlicher  Offenbarung  und  swischen  Hber- 
natürlicher  Offenbarung  der  Form  nach  und  ttbematttrlicher 
Offenbarung  dem  Wesen  oder  der  Substana  nach  nnterschieden 
haben,  dem  Begriffe  der  letzteren  ansnweoden.  Denn  die 
christliche  Oti'enbarung,  die  tür  uns  vor  alUm  in  Betracht 
kommt,  stellt  sich  als  eine  solche  dar,  nämlich  als  eine  über- 
natürliche der  Substanz  nach,  und  erhebt  den  Annpruch,  die 
geheimnisvolle  verborg^f  ne  Weisheit  Gottes,  die  keiner  von  den 
Fürsten  dieser  Welt  erkannt  hat,  au  lehren  (1  Kor.  $,  7.  1$. 


424 


Loqnimar  Dei  SapienUam  in  mysterio  qoae  abtoondite  e«(  •  .  . 
quam  nemo  principom  hiyvs  saeoali  oogooaoit);  das  Gahaia- 
ois,  daa  kein  Auge  gesehen,  kein  Ohr  gehört,  in  keinea  Mu- 
eohen  Hera  gekommen  nnd  das  nar  der  aelbst  die  Tiefea  der 

Gottheit  erforschende  Geifit  Gottes  offenhart  (L.  c.  0.  10.),  der 
Geist  des  Wortes,  das  aus»  dem  Schofse  Gottes  geborea  ist, 
aus  dem  Schoofso  Gottes,  den  noch  niemand  «gesehen  aofser 
(iüin  cinfrohornm  SuIitu'.  der  allein  au??  der  Fülle  der  geschauten 
Wahrheit  andern  mitzuteilen  vermag.    (1  Joh.  1,  18). 

Von  dieser,  dem  Wesen  nach  nbernatörlichen  Offeaharuog 
^tlt,  was  Yoa  anderer  Seite  hervorirrlioben  worden  ist,  namlidi, 
dafe  wir  Uher  die  Möglichkeit  der  Offenharung  nnr  dnioh 
die  Thateaohe  belehrt  werden,  „Allerdings  ist  die  Idee  dsr 
Offenbarung,  bemerkt  Uettiager  (a.  a.  0.  8.  131),  annfiohst  ani 
der  Idee  der  Religion  im  Znsammenhalt  mit  Br&hrung  nnd 
Geschichte  entsprungen.  Aber  nur  sehr  dürftig,  dnnkel  and 
unvoUkommen  würde  sie  in  uns  sich  entwickelt  haben,  waqs 
wir  nicht  an  der  Wirklichkeit  diij-elben  ein  JMaft»  tut 
liUbere  Beirrifte  hätten."    (Lehrb.  n.  8.  \v.  S.  131). 

Otieubarung  in  dieaem  Sinne  r-nthiiit  (lehciranisfe  und  iöi 
selbst  Geheimnis.  Was  von  der  AiügUchkeit  der  Geheimnisse 
im  allgemeinen  zu  sagen  ist,  dufs  wir  sie  awar  gegen  dsa 
Vorwurf  der  Unmöglichkeit  oder  des  Widerspruchs  gegen  die 
Vernunft  oder  in  sich  selbst  verteidigen,  nicht  aber  ihre  inneie 
Möglichkeit  positiv  beweisen  können,  daaaelbe  mufii  von  der 
Offenbarang  in  dem  apecifisch  christlichen  Sinne  der  Selbit- 
mitteilnog  göttlicher  Wahrheit  nnd  göttlichen  Lebens  gessgt 
werden;  ihre  innere  Möglichkeit  steht  darch  die  Thatsaohe 
fest,  wie  die  Wahrheit  der  Geheimnisse,  die  ihren  Inhalt 
bilden,  durch  da»  Zeuti^nis  des  otienbarenden  Gottes.  Dieselbe 
innere  Miigliciikeit  der  Oflenbarunj;  kann  aber  ebensowenig 
aus  Verauultgründün  positiv  dargelegt  werden,  als  die  innere 
Möglichkeit  z,  B.  der  (ichcimnissn  der  Trinit;iL  und  der  Mensch- 
werdung. Ebensowenig  aber  kann  ihre  Unmöglichkeit  bewiesen, 
vielmehr  können  die  vom  Standpunkt  der  Vcrnunll  vorgebrachtes 
Gri^nde  als  Scheingriinde  enthüllt  und  aor'ücicgewieaen  werden. 


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425 


Die  ihrer  Sobetans  naoh  übernatürliche  Offen barnn^ 
tat  ingteieh  anoh  fibemalürliehe  Lebenaordnung  und  Lebana- 
mitteüuDg,  naeh  dem  Antaproche  des  Apostels  Fetrns  bestehend 

In  der  Teilnahme  am  göttlichen  Leben,  in  dem  consortiam 
divinae  nuturae,  und  sie  int  dies  oben  aU  wesentlich  libornatür- 
liche  Oft© n ba rn n ;  denn  das  höchsto  Leben  des  Geistes  ist 
Erkenntnis,  Wos^üiibanschauung'  Gottes:  Hacr  est  vita  aeterna, 
nt  cogno!«cant  te  nolnm  Denm  verum  et  quem  misisti  Jeaam 
Christum.  Job.  17,  3.  Eine  derartige  Erhebang  des  ge- 
achaffenen  Ueiates  zur  Teilnahme  am  intellektuellen  Leben 
Gottea  kann  unmöglich  durch  irgend  eine  Entwicklung  und 
Anabildung  der  natärlichen  Kräfte  erreicht,  durch  irgend  einen, 
sei  es  auch  ToHkommenaten  Gebrauch  der  in  ihrem  nattlr- 
liehen  Sein  beharrenden  Vermögen  ToUaogen  werden.  Auch 
nicht  die  vollkommenste  Entwicklung  der  Natur,  die  voll" 
koromenste  Entfaltung  der  in  ihr  liegenden  Lebf^nekeimo  ent- 
hielte den  Aiilaiig"  jenes  Lebens,  das  Goti  durch  gnadeuvoUe 
Verbindung  mit  dem  geschaffenen  Gei«te  in  diesem  erweckt. 
jNnr  in  solchem  Sinne  ist  es  zu  verstehen,  wenn  die  Scholastik 
die  Empfänglichkeit  für  das  Göttliche  und  Üebernatiirliche  als 
eine  passive  und  genauer  im  Anschlufse  aa  den  heiligen 
Augustin  als  Empfänglichkeit  des  Gehorsams  —  potentia 
obedientialia  beatimmt,  und  wenn  aie  den  Einflofs  Gottes  in  der 
äbemattfrltchen  Ordnung  der  Gnade  im  Gegenaata  zu  dem  die 
Torhandenen  VermSgen  entfaltenden  und  anregenden  moralischen 
aia  einen  physischen  beieichneL  Keineswegs  aber  soll  mit 
den  angeführten  Ausdrücken  die  „Obematnr''  als  etwas  der 
Natur  änfserlich  Angeheftetes,  für  sie  Gleichgiltigee  nnd  der 
liburnüLurlicho  gouluinj  KiutlulH  als  ein  der  geistigen  >tatur 
unangemessener  pliytukali-^ch  raechanischer  hingestellt  worden, 
wie  Vorurteil  oder  MIC^^am  i -^t  uiil  ms  hi  li;mj>Len  müeiiten. 

Die  Möglichkeit  einer  aiwo  besurnniten  OtVenbarung  und 
Lebensmitteilnng  kann,  wio  gci^agt,  nur  wieder  durch  Offen* 
barnng  erkannt  werden,  denn  Gott  allein  weifs,  was  er  denen 
SU  bereiten  Termag  und  au  bereiten  gewillt  ist»  die  ihn  lieben. 
Bs  ist  aber  ebenso  wahr,  dafs  der  Pantheismus  und  die  Theosophie 


426 


die  Möglichkeit  einer  ttbernatttrliehen  Offenbainng  in  diesem 
Sinne  leugnen  rnftasen.  Denn  naoh  dienen  Systemen  pnrtidpiert 
der  endliche  Geist  bereits  dnreh  seine  Nntur  an  gottliehsni 
Wesen  und  göttlichem  Lehen.   Mag  der  Pantheismus  —  und 

Ähnliches  gilt  von  der  Theosophie  —  das  Verhältois  des  ,,£ad- 
HchcD"  zum  .»Unendlichen"  im  reali«Li8cbeu  oder  idealisliacheii 
Sinne  aulTasstn,  in  allen  Fällen  betrachtet  er  da«  Sein  de^ 
Endliclien  al«  ideuüsch  mit  dem  •rüttlichon  •'^«»in  und  l-^ugnel 
die  bchöptung  aus  nichts,  es  sei  deau  dalt»  er,  an  dem  Aus- 
druck festhaltend,  das  Nichts  im  relaÜTen  Sinne  nimmt  und 
die  Dinge  aus  einem  M^ichts%  ans  einem  dunklen  Grunde, 
einer  passiven  Potena,  einer  „Katur**,  Materie,  einer  Art  von 
Oentrii^igalkraft»  in  Gott  hervorgehen  liUst  Auf  diesem  Stand- 
punkt kann  offenbar  der  endliche  Geist  auf  dem  Wege  stetiger 
Entwicklung  durch  eigene  natürliche  Kraft  oder  in  kraft  der 
unmittelbar  in  setner  Katur  vorhandenen  göttlichen  Lehenekeime 
die  höchste  Stufe  in  der  Erkenntnis  der  Wahrheit  und  in  sitt- 
licher Vollkommenheit  erreichen.  Diese  ])anthei8ti8che  una 
theosophisehe  Irrlohre  ist  es,  die  das  \  .dikanische  Konzil  ir. 
dem  höchst  pntcis  gefalzten  Kanon  vei urteilt:  ..Wenn  jemand 
behauptet,  der  Mensch  könne  zu  der  Erkenntnis  und  Vollkommeu- 
heit,  welche  die  natüriicbe  Uberragt,  nicht  von  seiteo 
Gottes  erhohen  werden,  sondern  er  könne  und  müsse  ans  srah 
selbst  schlieihlich  anm  Besitze  eines  jeden  Wahren  und  Guten 
in  ununterbrochenem  Fortschritt  gelangen,  der  sei  im  Bannet 
De  BeTolatione,  oan.  3.  —  Erinnert  man,  der  Pantbeiamns 
kenne  ttberhaupt  keine  absolute  Wahrheit  und  daher  keine  höchste 
erreiehbare  Stufe  der  Erkenntnis,  so  ist  zu  erwidern,  daTs  die 
Annahme  der  Möglichkeit  einer  unendlichen  Entwicklung  durch 
natürliche  Kraft  und  unendlicher  Annäherung  aa  cm  AbsoluU-^ 
rait  der  Lehre,  der  Mensch  bedürfe  kejuer  iiuüofen  Hilfe,  um  aus 
sich  das  Höchste  zu  erreichen,  gknchbedeuteud  »ei. 

Oh^li  ich  es  daher  den  Anschein  hat,  als  ob  die  Möglich- 
keit iouigster  Wesens-  und  Lebensgemeinschaft  mit  (rott  gerade 
auf  pantheistischem  und  thcosophischem  Boden  zur  Geltung  ge- 
lange,  weshalb  denn  manche  nicht  anstehen,  den  Pantheisinas 


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Möglichkeit  der  Offenbarung. 


das  fHimmte  aller  Systeme  sa  nenneQ  und  von  dem  Patri- 
areben  der  modernen  Paatheisten,  Spioosa  als  dem  frommen 
Barooh  sn  reden,  nnd  obgleioh  andererseits  der  Begriff  einer 
8eliöpfiing  ans  Niehls  swischen  dem  gStUiolien  nnd  geaohaffenen 
Üwn  eine  nnttberbriiekbare  Klnfb  anfsntbnn  sobeint;  so  mnfi> 
doob  bei  lieferer  Erwägang  zugestanden  werden,  dafs  die 
Möglichkeit,  oder,  sugeu  wir  besser,  dio  Nichtunmöglich  keil 
oder  auch  die  Nichtbeweisbarkcit  der  Unmöglichkeit  einer  Teil- 
nahme am  guttlicheo  Leben  duvou  itbhiui^^t,  dafs  der  endliche 
Geist  als  das  Werk  der  aus  Nichts  scbaiieodon  göttlichen  All- 
macht anerkannt  wird.  In  das  Verhältnis  der  KindscbafL 
Gottes  kann  der  endliche  Geist  erhoben  werden,  moht  obgleich, 
aondern  weil  er  von  Natnr,  durah  die  8ohöpibng  ans  Nichts 
nnr  ein  Eneeht  Gottes  Ist. 

Oer  Paotbeismns  nnd  die  Theosophie  erniedrigen  den 
Menschen,  indem  sie  ihn  sn  erhöhen  scheinen;  denn  indem  sie 
die  menschliche  Natur  als  einen  Wesensansflnüi  Gottes  be* 
trachten,  Terendbchen  sie  Gott  selbst  nnd  stellen  einen  Gottes- 
begriff  auf,  der  den  Naturalismun  in  seinem  unmittelbaren  üe- 
t'olgo  hat  und  den  menschliehen  Gei»t  grundButzlich  auf  seine 
in  der  Natur  liegenden  Vermögen  und  Kräfte  beschi  uikt 
Denn  auch  die  Theosophie,  die  von  einer  persönlichen  liebe- 
vollen Färaorge  Gofcte«  spricht,  gesteht  dieser  nur  zvl  und  vermag 
ihr  nichts  anders  snsngestehen,  als  daüs  sie  dem  Ei  zieher  gleich 
die  in  der  Natnr  gelegenen  Keime  Torgeblieh  göttlichen  Lebens 
sa  einem  möglichst  ergiebigen  Gebrauohe  und  fruchtbarer  An- 
wendung ftthre.  Obgleich  also  Tom  Standpunkt  der  Schöpfungs- 
theorie aus  blofeen  Vernunftpnncipien  und  unabbfiagig  von  der 
Thatsaohe  der  Offenbarung  ein  positiver  Beweis  filr  die  HögUoh« 
keit  einer  iibernatttrlicben  nnmittelbaren  Wesen sgtmeinsohaft 
Gottes  mit  dem  geschaffenen  Geiste  nicht  erbracht  werden 
kann,  po  sind  wir  doch  imstande,  die  vom  paTitlici-iisc  h<  ii 
Standpunkte  behauptete  oder  za  folgernde  UuiiinLnicIiki  it  (mtk  r 
solchen  eben  durch  die  Widerlegung  des  i'antheismus  selbst 
SU  widerlogen. 

Ünlengbar  yerwandt  mit  dem  theosophischen  Standpunkt 


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42ö 


ist  der  glanbenspbüosophiaoh«  der  Tfibieger  Sehnle.  Der 
daroh  höbe  Bpeknlative  und  entopreohende  aobriftstoUerieeiie 
Begabung  herrorrageade  Begründer  derielben,  Kuhn,  erkULri 
ansdrttoklicb  die  Yoa  uns  eben  In  ibren  UmriMen  gekeoat* 
seiobnete  Änffassnn^  des  nach  seinem  Wesen  Übernatürlicben 
als  eine  äuT^^ei iicho  uad  gaiäLlose  (Kuhn,  das  Natürliche  and 
Überniti.t luhe  S.  157,  Vgl.  desselben:  Die  christl.  Lehre  ^on 
der  Gnade  6,  X.).  uaclidum  er  sich  die,  Einwirkung  de«  gött- 
iicheu  Geistes  auf  den  geächaifenon  nur  als  eine  moralische, 
niobt  als  eine  physische  in  dem  angegebenen  Sinne  zu  denken 
Yennag.  Er  bezieht  daher  die  Worte  des  Apostels  Petrus  von 
dem  conaortinm  natarae  divinae  anf  die  durch  die  Offenbanmg 
in  nna  eraeugto  pneamaü^che  Geeinnang  (Kath.  Dogoiai.  Bd.  I. 
S.  30)  and  betrachtet  folglich  auch  *den  Glauben  schon,  wiefern  er 
ein  freiwilliges,  d.  h.  „ans  der  gaasen  Persönliehkeit  des  Mensehen, 
insbesondere  ans  seinem  sittlichen  Bewnfiitsein  nnd  Gewissen 
entspringendes  Fürwahrhalten'',  und  weder  ein  anf  der  JBr- 
iuhrung  dessen,  was  wir  sohcu  und  besitzeu,  uocli  aLit'  Verstandes- 
Schlüssen  beruhendes  WiSöcn  i^t,  also  jonen  Glauben,  der  .sonst 
von  Kuhn  selbst  V^ernunftglaube  g«!nannt  wird,  als  einen  bu- 
Hcligenden  (Üogm.  1  S.  625),  was  nur  unter  der  Vorauftset£ung 
zutreffen  würde,  dafs  das  thatsächliche  Endziel  des  Menschen, 
die  Anschauung  Gottes  und  innigste  Hatur«  nnd  Lebensgemein- 
schaft mit  Gott  die  natürliche  Bestimmung  des  Menschen  bilde. 
Denn  obgleich  derselbe  Theologe  —  wenigstens  in  einer 
spateren  Periode  —  das  sweifache  Endtiel  —  das  natürliche 
und  fibernatürliche  nntencheidet,  so  geschieht  dies  doch  nnr 
in  dem  Sinne,  dalb  ein-  nnd  dasselbe  Ziel,  die  sittliche  VerYoll- 
kommnang,  in  Yereohiedenen  Graden  nnd  mit  ▼erschiedenen 
Mitteln  angestrebt  und  erreicliL  werden  könne.  Der  reinere 
Gottesbegriff  und  die  volikotnuKuiüren  Motive  z.  H.,  die  das 
Obrietenturn  dem  sittlichen  JStreben  darbietet,  sind  geeignet,  den 
Geist  auf  eine  höhere  blute  inlellektuelior  und  moralischer 
Vollkommenheit  zu  erheben,  uU  es  aufserbalb  des  Christen- 
tums und  ohne  seinen  sittlich  befreienden  Einflufs  möglich  ist. 
Das  christliche  Geistesleben  ist  demnach  in  dieser  Aaft'assong 


MögUcUrak  der  OfTenbAnng.  429 

mn  ItesiehnogsweiBe  Obernatürliolies.  Die  hÜShm  Stufe  aber 
Betait  die  niedere,  das  UbematürKohe  Endziel  das  aatürliehe 

voraus,  «o  dafa  also  selbst  in  der  gogeinvai  Ligen  Weltordnung" 
das  natnrlichn  Eorlziel  ohne  das  übernatürliche  erreicht  werden 
könnte.  Kuhn  ielirt  daher  weiterliiu  und  in  rieht  L^or  Konse- 
quenz eine  natürliobo,  moraliBcbe  Etoptaaglichkeit  lür  die  üuadey 
wenlgsteDB  bezüglich  des  rrstindes  und  schwankt  bezüglich 
des  erbsttadUoben  Zustande« swUohen  der  A&nabme  der  ünmöglieh- 
keit  irgend  eines  sittliob-guten  Handelns  ebne  die  Gnade  nnd 
der  Mögliebkeit  einer  positiven  Vorbereitung  auf  die  Erlösnnga- 
gnade  dnrob  die  sittliebe  Kraft  der  Natnr  (Sebfisler,  Üene 
Untersnebnngen  8.  50  f.  Oers.  Natnr  nnd  üebematnr  8.  75  ff.) 

Als  Beleg-  für  die  Xuhü'scho  AulVassung  des  Verhiiltnisscs 
Ton  uatiirlichem  und  übernatürlichem  Endziel  rcöge  tolgeade 
Stelle  Raum  tinden.  „Also  der  Mensch  ist  Bchon  durch  die 
göttliche  Schöpfung  zu  einem  ewigen  Leben  in  Gemeiasehatl 
mit  Gott  berufen.  Aber  dieses  ewige  Leben  ist  im  besten 
Falle,  d.  b,  wenn  der  Mensoh  auob  alles  thut,  was  er  kann 
nnd  soll,  noob  ein  nuToUkommenes  nnd  tief  unter  denyenigen 
stehendes,  welches  ihm  an  realisieren  unter  der  Yoraussetsnug 
mögliob  ist,  dafs  ihn  Gott  seiner  besonderen  Liebe  teilhaftig 
machen  will  durch  äbematttrltobe  Offenbarung  und  Gnade. 
Weuu  nun  die  übernatürliche  (inade  (JotlcB  die  natürliche 
Krail  des  Meuscheo  nicht  bei8etLe  setzt,  aufhebt,  überflüssige 
macht,  sondern  voranssetzl  nnd  in  Ans|irneh  nimmt,  so  ist 
auch  das  natürliche  Endziel  durch  das  übernatürliche  nicht  auf 
die  Seite  gesetzt,  negiert,  ausgeschlossen,  sondern  darin  aufgC' 
hoben,  d.  b.  bewahrt  und  auf  eine  höhere  l^tufe  gehoben.  .  .  . 
8o  berechtigt  also  auch  die  Unfeerscheidung  eines  natärltchen 
und  übemstürlicheu  Endziels  ist,  so  darf  man  diese  doch  nicht 
anseinanderreifsen  oder  trennen  und  gegeneinander  yerfestigen, 
sondern  mnfs  sich  ihres  Zusammenhangs  und  Ineinandergreifens 
bewufst  werden.  Kbendeshalh  aber,  weil  sie  nicht  diver- 
gieren, sondern  konvergieren,  ist  es  gestattet,  von  dem  Endziel 
des  MenschoD  im  allgemeinen  zu  reden  und  als  solches  im 
allgemeinen  das  jenseitige  ewige  Leben  in  Gemeinschaft  mit 


430  Möglichkeit  der  Offenburung. 


Gott  doroh  BrkeantiiM  und  Liebe  su  ihm  zu  beieichnen.  (Dit 
Naliirliohe  und  ÜbeniafcILrIiohe  a  133.) 

Hier  wird  non  «war  das  natürliehe  and  fibernatilriiolie 
Endsiel  nnteracbieden,  aber  der  üntenebeidnng  ontspriohl  kein 
Untereohied,  denn  es  ist  dassetbe  ewig>e  Leben  in  Gott, 
worin  das  oiiic  wie  das  andere  bestehen  soll.  Die  entscheiaende 
Frage  aber  iöt  urngan^^en,  die  Frage  nämlich,  ob  die  An- 
Bcliauung  Gotte»  da«  naLürliche  Endziel  bildet  und  ob,  wenn 
dies  der  Fall  wäre,  dieses  Ziel  in  irg-end  einer  \\  eif»e  oder 
irgend  einem  (irade  durch  nalUrliche  Thätigkeit  verwirkücht 
werden  könne.  'Was  das  letztere  betrifft,  so  gibt  es  kanm 
einen  katholischen  Theologen,  der  die  Bfjabnng  der  Frage  mit 
der  hl.  6ohrtft  nnd  dem  kirchlich  definierten  Dogma  vereinbar 
hielte.  Knhn  aber  betrachtet  eben  dieses  that sachliche 
Sndsiel,  das  ewige  Leben  in  Qott»  das  kein  anderes  ist  als  die 
Anschannng  Gottes,  nicht  allein  als  das  natürliche  Bndsiel, 
sondern  anoh  als  ein  dnrch  natürliehe  Kraft  wenigstens  In 
unvollkommenem  Grade  realisierbares  nnd  erreichbares  Ziel. 
Nimmt  aber  Kuhn  eint.rheits  die  ünterscheidiing  der  beiden 
Endziele  in  einem  urgeniin-enden  Sinne,  und  iafst  er  sie  mit 
Unrecht  unter  den  Begriti'  eines  Endziels  zusammen,  so  ist 
andererseits  zu  wonig  gesagt,  dafs  von  einem  Endziele  zn 
reden  gestattet  sei;  indem  vielmehr  nur  von  einem  Endziel 
geredet  werden  darf,  nachdem  einmal  Gott  in  seiner  unbe* 
grenzten  Liebe  den  Menschen  nicht  tn  dem  von  seiner  Datnr 
geforderten,  sondern  sn  einem  höhereo,  nicht  durch  die  Kraft 
der  Katar,  sondern  nnr  mit  Hilfe  der  göttlichen  Gnade  erreich- 
baren Ziele  erhoben  hat 

Besteht  so  nach  Knhn  die  „übernatürliche'*  Erhebong  nicht 
in  einer  VerToHkommnnng  der  menschlichen  Natur,  durch  eine 
gewisse  Applikation  der  göttlichen,  sondern  in  der  EinHüfsuHg 
pneumatischer  Gesinnung,  und  ist  domgcmäfs  die  Einwirkung 
der  Gnade  nicht  eine  physische  (Mitteilung  einer  liohiren 
die  Seele  dem  Wesen  Gottes  verähnlichenden  Seiosiorm),  so 
leistet  diese  Eiotlörsung  vollkommenereif  sittlichen  Strebens 
in  Systeme  Kahns  gleichwohl  dasselbe,  was  nach  der  Ansicht 


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431 


4er  soholastisohea  Theologen  der  von  Kahn  aU  „äufserlich^  und 
HDHiägUcb  htageetellte  ,.physiBohe"  EiDflnHi  bewirkt,  iodem  er 
die  Teilnahme  am  eigenen  göttlichen  Geieteeleben  Termittela 
«oll;  denn  die  böchBte  Blüte  den  sittlichen  Lebens  ist  nach 
Kahn  eine  göttliche  Fracht,  gleichwie  nnd  weil  die  tiefste  Wnrsel 
des  freistes  eine  göttliche  ist  Hit  andern  Worten:  bei  Kahn 
ersclKiot  als  Ergebnis  der  Entwicklung  in  der  Seele  bereits  von 
2^atur  vorhandener  göttlicher  Lebenskeimo  das,  was  sonst  die 
Theologen  und  wir  dürfen  sagen  die  göttliche  Offenbarung  selbst 
-als  freies  Gnadengeschenk,  als  donum  Kujteradditum  betrachten. 
Dafs  diese  Grundanschauung  vom  Übernatürlichen  und  seinem 
Verhältnisse  zum  Natürlichen,  die  eine  theosophische  ist,  das 
Kuhnsche  pbilosophisch^theologisehe  System  durchwaltet^  ist 
leicht  eiaansebeni  wenn  man  es  nnr  Tersteht^  die  serstrenten 
Lehren  snsammensnfassen  nnd  in  einem  gemeinsamen  Brenn- 
punkt an  sammeln. 


BEITRÄGE  ZUR  GESCHICHTE  DER  NEUEREN 

PHILOSOPHIE. 

Von  Dr.  G.  GRUPP. 


Die  MctaphvBik  ist  der  schwächste  Teil  der  Lotzescho:^ 
Philopophie,  so  anregend  manche  Unternuchung  ist,  und  dies 
allein  darum,  weil  Lotzo  ein  lebendiger,  klarer  und  sicherer 
Gottesbegriff  abging.  Auf  der  höchsLeu  Höhe  der  Forschung 
überkam  ihn  eine  ideaUsierende  nnd  pantheisierende  Keigung, 
der  Geist  Fichtes  nnd  Hegels  überwältigte  ihn  in  der  Person 
seines  Terehrten  Lehrers  Weifse.  Während  sein  gaosea  System, 
soweit  wir  es  binher  kennen  lernten,  einem  Pluralismas  in  Herbart> 
Leibnitzscher  Form  und  einem  an sgesproohenen  Dualismus  zwischen 
Gei«t  und  Materie  huldigt,  gcriit  er  in  den  höchsten  meta]»by- 
.sischen  Fragen  in  ein  monistisches  Fahrwa-^^rr.  Dissen  Wider- 
sprach ans  Licht  gezogen  zu  haben,  int  besuiiders  das  Verdienst 
Ed.  V.  Hartmanns,  dessen  Führung  wir  hier  folgen. 

Jabrbach  für  Phllosophi«  etc.  VI.  SS 


o)  Lotzes  Metaphysllc. 


432 


Dip  Schrift  Ilartmauns  tiber  Lotzc'  schliefst  sich  inen  aiidera 
Schriften  an,  in  deuen  er  zeitgenössische  Philosophen  behaudeit,  uu4 
berührt  sich  am  nächsteu  mit  seiner  Abhaudluog  über  Wandt  in  den 
Preufoischen  JahrbQch«ni  1889.  Wundt  and  Lotze  sind  unter  den  loo- 
dernsten  Philoiopheii  diejenigen,  welche  dem  Philosophen  dm  Uoheviiblfla 
(flutnaiin)  tm  iMiateii  Konkiureiis  nadieii  «od  aeiaer  AUeiiiliermbtIt 
«■I  aeiHeii  Abbradi  thm  Nach  ihrer  Übenriodoog  heSt  H.  noch  gi«> 
Aere  Siege  zu  feio'n.  Daraus  erkl&rt  es  siel;,  dafs  er  naelieiMfider  Lotze 
Qod  Wandt  behandelt  und  aber  beide  nicht  viel  Outet  zu  sagen  vei£i. 
Wir  von  unserem  Standpunkt  aus  können  dieser  Anseinandersot^nng  mit 
Uuhc  zusehen,  und  es  ist  uns  am  Sieit  der  einen  oder  au  dem  Partei  nicht 
allzuviel  gelegen.  Besonders  Wundt  steht  uns  nicht  uaber  als  HartmAou, 
und  Lot/e  ist  in  seinen  letzten  Ausichteu  nicht  viel  caipüLlenswerter 
als  Hartmann.  Daher  verfolgen  wir  mit  Interesse  die  scharfsinnigen 
Amfldunmgeii  HartmAiiiig  aher  die  Widerspruche  Letiea.  Hanmum 
klare  Analyie  der  Letieaeben  Anaicbten  ist  nm  lo  willkommeBer«  alt  er 
in  telner  lo  gaai  vartebledeoeii  Art  der  Darttellang  Jenen  Antiebteo  eme 
eigentflmlich  scharfe  Beleuchtung  gibt.  Es  ist  allen,  die  Lotte  kennen^ 
bekannt,  wie  schwer  es  ist,  diesen  beweglichen  Geist  zu  fassen  und  ihn 
feste  Resultate  abzugewinnen.  Man  kann  viel  von  Lotze  lesen,  ehe  mrin 
wfifs,  wa^  er  eigentlich  sagen  will.  Mit  Recht  sagt  H  vtm  ihra,  es  gebe 
bei  ihm  kein  Ja,  zu  dem  sich  nicht  irL(eiuhYo  an  ifrs  i  inmal  ein  Xein 
finde.  Wenn  daher  ein  so  entschiedeaer  und  koni>equiuter,  wcua  auch 
nicht  genug  vorsichtiger  und  umsichtiger  Denker,  wie  Ilartmanu,  I.iOt£e 
bettimnte  Anttagen  gltiehtnm  abnötigt,  so  mag  das,  ahgeaehen  von  der 
kritifehen  Bedentnng,  sogar  an  unterer  Eenntnia  Lotaea  beitragen.  FreiSeh 
gerade  dieae  AbnOUgnng  wird  am  Ende  anm  Sehaden  Lotaea  gertichcn- 
Eine  bettimmte  Entaehddnng  in  einer  Rlehtong  wird  nidit  aeine  gnnse 
Aosicht  darstellen,  und  wenn  dann  damit  anders  —  oft  entgegengeaetit 
—  lautende  Ansichten  an  aoflern  Orten  verfrlichen  werden,  wird  man 
leicht  Widersprüche  entdecken.  H.  kehrt  begreiflicherweise  diese  Widor- 
sprQche  mit  Vergnügen  hervor  und  wird  dadurch  doch  oft  ungerecht,  so 
sehr  der  Schein  für  ihn  spricht. 

Schon  die  Entwickluüg  des  Subbiaaüaliuts-  und  Kausalitäts- 
begriffes  führt  Lotze  zu  eigentümlichen  Folgerungen  und  Wider* 
Bprüohen. 

Den  gewöhnliohenSiibsiantialitStabegriff,  dereinen  ein* 
heitlichen  G-rond  mit  vielen  Krfiften,  Eigenachaften  nnd  Tbi^tigkeiteD 

zusammenreimen  will,  fand  Herbwrt  undenkbar.  Ein  unveränder- 
liches einheitliches  Weaen  kann  nicht  veränderlichen  Zuständen 
nnterliegen  und  einen  nicht  vielen  aein.   Lotse  hält  nnn  dieaer 


*  Lottea  Philotophie,  Leipaig,  Friedrich  1888. 


Beitrage  zur  Geschichte  der  neoeren  Philosophie.  433 


Ansicht  entgegen,  dafe  wir  ans  eigener  Erfahrung  ein  Wesen  mit 
veränderlichen  ZtiHtnnden  kennen,  nämlich  d-is  eicr^ne  Ich  mit 
seinen  ^fchseluden  üetuijlcn  und  Vorstellungen,  in  ähnlicher 
Weise  hätten  wir  nun  nach  Lotze  bei  allen  iibrifrpii.  auch  leblosen, 
Sabstanzen  die  Möglichkeit  veränderlicher  ZusUade  und  Thätifr- 
keiieu  zu  verbtelieii.  Diese  Ähnlichkeit  erstrecke  sich  nicht 
blofs  auf  die  allgemeine  Möglichkeit  eines  Zntammenseiiw  von 
Binheit  und  Vielheit,  sondern  anoh  anf  die  Art  nnd  Weise,  wie 
das  Ding  seine  yersohiedenen  Zost&nde  msainmen&rst^  nnd  Ter- 
lange  die  Annabme  einer  Beseelong  aller  Sabstansen  (Monaden). 
Indem  wir  diesea  Gedanken  zurück  weisen,  können  wir  nur 
billigen,  was  gegen  Herbart  des  weiteren  auageführt  wird.  Um 
Einheit  zu  sein,  brauche  die  Substanz  nicht  notwendig  einfach 
zu  sein,  wie  eine  monoton  sicli  selbst  p^leiche  Qualität,  die  nie- 
mals selbBt  ein  Reales,  sondern  nur  Kigeusclialt  eines  andern 
Realen  sein  könne.  Ein  Eintaches  könne  gar  nicht  Einheit  in 
dem  Sinne  sein,  liain  es  dM  beharrliche  Wesen  eines  Veränder- 
lichen ausmache,  lu  dem  weitern  Vcrlaul  der  Untersuchung 
Terfliichtigt  sich  bei  Lotze  der  Begriff  einer  aasammeniassenden 
nnd  snbstantiellen  Binheit  an  einer  blofien  Form.  Ba  ist  eine 
bleibe  Idee,  in  welcher  der  göttliche  Geist  die  Terschiedenen  Zu- 
stünde  nnd  wechaelnden  Momente  aar  Binheit  eines  icheinbaren 
Dinges  verbindet»  als  Macht  über  die  Zustände  der  Seele  aber 
wird  die  Idee  snm  Gesetz.  Die  substanzielle  Einheit  verwandell^ 
sich  so  zu  „einem  gegliederten  Begriff,  in  welchem  eine 
g^e&ct'/ gebende  Formol  eine  Vielheit  verschiedener  BestiminnTi^on 
zur  Kinheit  zuHumintMiläfst."  Die  Konsequenz  dieser  Anschauung 
wäre  ein  Idealismus  im  8inne  Malebranchis  and  II t  g^eis,  welche 
alle  Realität  nnd  Materialität  in  reine  (jedaukcn  auilöste.  80 
weit  geht  aber  Lul/.e  mtht,  er  liait  daran  lest,  dalä  die  Idee 
eines  Dinges  oder  das  Gesetz  seines  Verhaltens  verwirklicht 
nnd  anf  irgend  eine  Weise  „in  die  Form  wirknngsfühiger  Selb- 
st&ndigkeit  Tersetat  werde,"  m.  a.  W.,  dafs  aar  essentia 
eines  Dinges  die  ezlstentia  hinantrete.  Herbart  nahm  in 
ähnlioher  Verlegenheit  seine  Zuflucht  zu  einer  unbegreiflichen 
Setsnog  oder  Position,  wodnrch  die  Idee  zu  einer  Realität  werde. 
Lotze  glaubt  aber,  dafs  nur  der  göttliche  Wille  dieses  Wunder 
vollziehen  könne,  bemerkt  jedoch  gegenüber  einer  unzarten  Zer- 
pflUokun^  des  Wirklichen  in  essentia  und  existentia,  die  stetige 
Wiiienstunktion  Gottes,  weiche  die  iLealii  iL  (existentia)  des  Dinges 
ansroacbt,  nnd  die  intellektuelle  Anschauungslunkuon,  welche  ihre 
Idee  (eäseutia)  ausmacht,  seien  unzertrennbar  zutiammeugehörige 
Seiten  der  einheitlichen  Thätigkeit  Gottes. 


434          Beitr&gc  zur  Geschichte  der  neaeren  Philosophie. 


Wie  diose  Ausdrücke  zeigen,  sind  die  Dinge  nicht  etwa 
zu  Produkten  göttlicher  Thätigkeit,  sondern  zum  unmitielbanin 
Ausdruck  dieser  Thätigkeit  Reibst,  welche  stetig  fortdauert, 
herabgesunken.  Ao  andern  btellen  freilich  läCst  Lotze  die  Dinge 
Gott  gegenüber  8ell»tBndig  sein,  sie  löaen  «oh  gleichtMi  Tom 
Urgrnnd  ab  und  fönten  anfoer  Gott  Ja  er  UUbt  die  Dinge 
em  80  realer  eeiii,  je  mehr  aie  fiir  eioh  sied,  am  allefreaUtea 
wäre  dann  der  bcwuCste  Geial»  welcher  im  höoheteo  Grade  Ittr 
BicHk  und  niemals  Mittel,  sondem  immer  Selbstzweok  ist. 

Einen  ähnlichen  Widersprach  bietet  die  Erklärung  der  Kau- 
salität. Das  oinc  Mal  erklärt  Lotze  die  Wechselwirkung  sich 
fernstehender  Atome  durch  die  verbin Jonde  Einheit  Gottes,  die 
Wechselwirkung  würde  auf  dem  Zusainmenhang  zwischen  zwei 
Aktionen  Gottes,  deren  Ausdruck  die  Atome  wären,  beruhen, 
ein  andermal  aefareibt  er  den  Atomen  ein  Wiaaen  nm  ihr  gegea- 
seitigea  Verhalten  und  dementspreohendea  zweckmaibigea  Wirken 
an.  Anf  eine  von  diesen  beiden  Arten  glanbt  Lotse  allein  das 
Kausalitätsproblem  zu  lösen. 

Lotze  geht  nämlich  Yon  der  bekannten  Ansicht  ans,  daTs 
alle  Wirkung  anf  Fem  Wirkung  hinauslaufe. 

„Die  Bewp^ungsflbertragong  dnrrh  StoTs  —  so  interpretiert  Hart- 
maim  den  Gedanken  Lotzen  —  Kcbfint  uns  durch  die  sinnliohe  Erfahrung 
gau^  vertraut;  das  Nachdeiikeu  zeigt  aber»  dafs  ohne  die  Dazwiscben- 
kuuft  abstofaender  Kr&fte  gar  kein  verständlicher  Grund  für  die  Über- 
tragung der  Bewegung  ?on  einem  Körper  auf  den  andern  anzugeben  tat 
und  der  Vorgang  logisch  unbegreiflich  bliebe.  Eine  aniiehends  oder 
abitofteude  Krsfitftoftemag  wiederum  ksao  nur  stattfiadon  swiachea  svel 
TOB  einaader  räumlich  getrennten  Punkten,  vlhrend  sie  bei  svtl  sieb 
berührenden,  d.  h.  ineinander&llendett  mathematischen  Punkten  jede 
Möglichkeit,  sich  za  entfalten,  einbflfst.  Zwei  ausgedehnte  Körper,  die 
einander  berühren,  können  also  nicht  in  den  sich  deckenden  Berührtings- 
punktPii.  snnflprn  nur  in  den  sirh  nicht  heruhrenden  materiellen  i^ementcn 
anziehende  oder  abstoisende  Wirkuas^en  entfalten.  ' 

Dies  angenommen  fragt  e»  eich,  wie  kann  eine  Kraft  sich 
von  dem  einen  Ding  oder  Atom  ablösen  und  einem  andern  iiing 
zufallen  und  wie  ist  es  möglich,  dafs  bei  der  Zustandsänderung 
a  des  Atoms  a  eine  Znstandsanderung  ß  dea  fernstehenden 
Atoms  b  eintritt  Auf  letatere  noch  schwierigere  PormuHemng 
läuft  die  erstore  hinaus,  wenn  man  folgendes  bedenkt.  Eine 
Kraft  ist  niemals  ablösbar,  wie  ein  Ding,  wie  ein  Produkt 
oder  eine  Hülle,  in  dieser  Hinsicht  ist  sie  vielmehr  wie  eine 
Eigenschall  des  Dinges,  von  weichem  der  Satz  gilt:  attributa 
Don  aeparantur  a  subatantiis^  aie  ist  ein  Vermögen,  das  wie  ein 


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Beiträge  zur  Gewbiehte  der  nenereo  Philosophie. 


435 


Zustand  an  dem  Ding  haftet  nad  niomals  verselbständigt 
werden  kann.    Gesetzt  aber  anoh,  die  Kräfle  lassen  sich  ver- 

selbständifren,  lassen  Rieh  nbp^rtrag'on,  »o  entstände  dio  Frage, 
wie  könnie  die  Kralt  den  Weg  tiijdeD,  der  von  einem  Atom 
zum  andern  führte  and  wie  ündet  sie  £inla£s  bei  dem  zweiten 
Atom? 

Alle  diese  Schwierigkeiten  vormag  Lotze  nur  zu  lösen, 
indem  er  den  Atomen  ähnlich  wie  Leibnitz  eine  mehr  oder 
weniger  dampfe  Empflndnng  beilege»  Yennöge  deren  sie  auch 
ferne  Vorgänge  wahrnehmen  und  darnach  ihr  Verhalten  einrichten. 
Ja  selbst  diese  Annahme  genügt  ihm  nicht  yöllig,  er  hSU  noch 
eine  Vermittlung  durch  den  Urgmnd  allea  Seins,  das  abtolnte 
Subjekt  für  nötig. 

Wir  können  uns  mit  diesem  Lösungsversnch  nicht  zufrieden 
prnbcii,  sondern  j^lanben,  es  geniig'«  (Ho  Annahme  eines  materiellen, 
aber  imponderabeln  alles  (in  roh  dringenden  ,,Ather8", 
am  die  Wechselwirkung  auch  entlegener  Dinge  zu  erklären. 
Wie  die  neuere  Physik  annimmt,  durchdringt  der  Äther  alle 
Dingo  und  ist  vor  allem  der  Träger  der  Lichterscheinungen, 
aber  auch  als  Vermittler  der  gegenseitigen  Anziehung  und  Ab- 
atolbung  wird  er  TieUhoh  au  Hilfe  genommen.  Wir  möchten  nun 
dessen  Bedeutung  noch  erweitem  und  ihn  aum  Vermittler 
aller  Wachse Iwirkuu gen  überhaupt  machen,  so  yerschieden 
sie  sind.  Der  Äther  pflanzt  die  im  Innem  eines  Dinges  ent* 
standene  Verändern  ng  dnrch  eine  Erschütterung  fort,  die  wahr- 
scheinlich im  umgekehrten  Quadrat  der  Entfernung  abnimmt, 
wie  das  Licht.  Die  Verachiedenartigkeit  der  Verändeninefen  und 
Wirkungen  wird  durch  leise  Modifikationen  dieser  Krschültcrun;^ 
ausgedrückt.  Man  konnte  dies  vielleicht  für  unmöglich  halten, 
allein  man  erinnere  sich,  auf  welch  einfache  Weise  die  iSatiir 
die  Bewegung  des  Äthers,  der  Luit  und  der  sich  berühreodea 
Moleküle  sn  verändern  braucht,  um  so  Terschiedenartige  Farben 
und  Töne,  Wärme-  und  ElektrisitatserscheiDuugen  hervorsurufen, 
wie  sie  uns  bekannt  eind.  Eine  Fernwirkung  im  Sinne  Lutzes 
aber  ist  schon  deshalb  auBsuschliefsen,  weil  auch  die  mensch- 
liche Seele,  80  hoch  organisiert  sie  ist,  Femwirknngen  im  ge- 
meinten Sinne  weder  erleidet  noch  ausübt,  sondern  för  alle 
Wahrnehmungen  und  Empfindungen  der  Vermittlung  durch  sinn- 
liche Mittel  bedarf. 

Die  von  uns  vnrrrrschlagene  Lösung  des  Kausalilätsproblems 
würde  auch  die  Vt  i  ilmung  des  frühem  Dynamismus  mit  dem 
heute  allein  herrjjchcn  len  AtoraiHmiis  herbeiführen  und  zur  Er- 
kenntui»  führen,  dai^  eine  Zerptlückuug  des  2<iaturgauzen  m  eine 


43U         Beiträge  zur  Geschiebte  der  oeaeren  Philosophie. 


äbkontinaierliche  Atomeowelt  und  die  IsoHern  der  Atome 
ebenso  unrichtig  ist,  wie  die  Verschmelznog  aller  Unterschiede 
in  einem  Kräflecontinuum.  Man  boII  die  Welt  nicht  in  lauter 
Stäubchen  zerreiben  und  nicht  zu  einem  Klumpen  zusammen- 
ballen wollen,  und  weder  die  Analogie  t  iues  Stemenhcers  noch 
eines  nnterschiedslosen  Meeres  genügt,  daa  Welträtsel  zu  lösen. 
Beides  muis  vieiraehr  beisammen  sein,  eine  kontinuierliche  Einheit 
und  eine  dinkrete  V^ielheit,  um  den  Zusammenhang  und  die 
Weotmelwirkong  ebenso  zn  erkliren,  wie  den  Untenehied  nnd 
die  Selbetöodigkeit  der  Dinge.  Doch  kehren  wir  wo.  Lotae  inriiek! 

Koch  nnnonehmbarer  ale  Lotaee  Löonng  des  Sabutana-  und 
Kausalitätsbegriffes,  ieteeioe  Behaodlang  des  Baames  nnd  der  Zeit 
Aufserhalb  unseres  Bewufstseins  gibt  es  nach  Lotze  nicht  nnr 
keinen  Raum  in  unBerm  Sinne,  sondern  anch  nicht  einmal  etwas 
Ahnliches  oder  lIomolog'eR.  Die  Dinge  sind  rauralos  und  ihre 
gegenseitigen  lieziehungen  vollziehen  sich  ohne  Raum.  Nur  wir 
sind  es,  wolrhr«  diese  raumlonen  Beziehungen  in  die  Sprache 
unserer  Raum \  orsLellung  übei  seilen.  Die  Atome  sind  übersinn- 
liche Wesen,  welche  mehr  oder  weniger  erregbar  sind,  inteusj?e 
Wirkungen  setzen  und  in  engeren  oder  weitereu  Boziehangen 
und  Verwandtschaftsgraden  stehen  nnd  darnaoh  allein  richtet 
sich  nnsere  Banmanschanung  nnd  Tersinnliobt  die  Beiiehnngen 
der  Atome  in  einem  Neben-  oder  Hintereinander  derselben. 

Ähnliche  Vorstellongen  schweben  Lotze  auch  bei  der  Analjne 
des  Zeitbegriflfes  vor,  auch  hier  müht  er  sich  mit  der  Vorstellaog 
einer  zeitlosen  Entwicklung  des  Inhalts  eines  Atoms  oder  Wesens 
ab.  Seine  Kiitschoidung  streift  hart  an  der  Ansicht  vorbei,  dafo 
es  rein  logische,  beziehungsweise  kausale  Abhangigkeits-  und 
Zusammenhangsverhältnisse  sind,  welche  wir  in  die  Anschaunngs- 
iorra  der  Zeit  übersetzen.  Wenn  er  dennoch  nicht  hei  dieser 
Ansicht  stehen  bleibt  und  das  logische  Verhältnis  von  lirimd 
und  Folge  von  dem  realen  Verhältnis  der  Ursache  zu  ihrer 
Wirkung  unterscheidet,  so  geschieht  es  nnr  mit  einer  gewinen 
Besignation  nnd  Unbefriedigtheit  nnd  in  seiner  BeligionspMiosophie 
kehrt  er  anfs  nene  sn  dem  fallengelassenen  G^anken  sarflck. 

7,  Der  PiksiUvismwt» 

Der  von  England  aus  bei  uns  importierte  Fositivismus  ist 

ein  eigentümlich  skeptisch  modifizierter  Empir!<*m!i3.  Die  mittel- 
bare oder  unmittelbare  Erfahrung  und  die  diiri  h  die  Ertahrung 
gebotenen  aber  innerhalb  ihres  Bereiches  fallenden  Fol l^^o rangen, 
lehrt  dieses  System,  sind  das  allein  Gewisse;  unsicher  aber  und 


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Beiträge  zur  Geschielile  der  oeuerea  Philosophie.  437 

uugewii's  ist  alles  Transcendente  und  zwar  nicht  nur  alles 
Transcendente  im  theologischen,  sondern  auch  im  metajibysischen 
binuti,  keio  bchluls  vermag  hier  eine  Ürucke  vom.  PosiUveu  ^um 
Hyperompiiiaehen  wo.  soblagen  imd  auf  diesam  Gebiete  let  die 
8k^8u  unbedingt  In  ihrem  Kecbt 

Ber  Mheie  Empuritmos  hat  immer  nooli  etwaa  Transcen- 
•dentee  and  lletapbyBisobee  anerkannt»  nnr  Hnme  hat  ganz  die 
Keneeqneaien  dee  moderoon  Positivianne  gezogen  und  alle  meta- 
pby-*isrhon  Begriffe,  wio  Substanz  und  Kausalität,  verworfen. 
."Nicht  nur  das  Innere  der  Ding©  ist  unerkennbar,  eooderD  ihr 
Ansich  überhaupt,  ihre  Realität,  ihr  Sein  und  Wirken,  weil  es 
M-eder  der  mittelbaren  noch  der  unmittelbaren  Erlahnmg  (dem 
Experiment)  ^.ugau^licii  ist.  Die  WisseDsciiall  hat  es  nur  mit 
ErscbeinuDgeo  au  äun  und  aoll  dieee  rationell  bearbeiten.  Die 
I^aturgeeetie  sind  nur  Geeelse  der  Bracheinungeo,  aber  sie  und 
deswegen  um  aichto  unBlcberer,  als  wenn  sie  als  Gesetne  der 
Dinge  selbst  ausgegeben  würden.  Die  Hetaphyaik,  welche  sich 
«rdreistot,  das  Innere  der  Dinge  zu  erforschen  und  Begriffe  wie 
Substanz,  Kraft,  Wirkung"  und  Bewegung'  analysieren  will,  ist 
Äuf  Vermutunfren  und  Phantasieen  angewiesen,  und  der  eine  Meta- 
pbysiker  widerspricht  daher  dem  andern.  Sobald  man  sich  aber 
mit  dem  allein  Sichern  und  Powitiven  be^nii^t,  wie  die  Astro- 
ijumen,  Physiker  und  üiulugeu,  ist  eine  ull^jeiuein  gültige  wider- 
epruchsfreie  Wahrheit  an  erreichen.  Die  Metaphysik  ist  un- 
fruchtbar; erfolg-  und  ergebmsreieb  ist  allein  die  positive 
Forschung. 

Es  braucht  kaum  bemerkt  an  werden,  dafs  mit  An%abe 
der  Metaphysik  der  Philosophie  eigentlich  der  Boden  entzogen 
"wird,  denn  in  der  Metaphysik  gipfelt  ihr  Bestreben,  und  wer  die 
Metaphysik  verwirft,  der  verstümmelt  auch  die  Ethik  und  Psycho- 
logie, ja  auch  die  Logik,  so  sehr  sich  die  Positivisten  uro  die 
Logik  anzunehmen  seheinen.  !Sie  haben  sich  ja  in  der  That 
acblechte  Verdienste  um  die  Logik  erworben.  Nicht  biui's  haben 
sie  alle  deduktiven  Elemente  aus  ihr  beseitigt,  sondern  auoh  die 
Tngweite  des  Schlusses  geschmälert  Der  von  mir  Kausalschlnfs 
genannten  Art  des  Syllogismus^  können  sie  keine  weitgehende 
Bedeutung  zuteilen,  da  es  sonst  möglich  wurde,  auf  etwM  Meta- 
physisches oder  Transcendente»  zu  kommen. 

Trotz  ihres  Namens  haben  die  Positivisten  sich  bisher  nur 
im  2iegativen  stark  gezeigt,  sie  waren  reich  an  skeptischen  Be- 


>  Vgl.  meinen  Aofsats:  „Die  lofiichen  Ginge  des  Denkens*  im 
PhU.  Jahrb.  IV,  271  ff. 


438  lieiträge  zur  Geschichte  der  ueueren  Philosophie. 


(ieokeo,  an  zerstörenden  Gedanken,  aber  arm  und  t^rbwaoh  ivoe 
Aufbauen,  und  ihr  AnHeheu  und  ihren  Einflnfa  verdaoken  sie 
liur  der  geneigten  Stimmung,  die  sie  in  anserem  natarforgcheodeu 
und  oberflächlichen  Zeitalter  bei  den  Vertretern  der  Bogenaonten 
exakten  Wti«eii»ohait«&  fuideii.  Bio  PodtiTiateii  geben  den  etüte- 
gehegfeen  Qedanken  der  experimentierenden,  Bahlen  den,  enm^ 
melnden  und  registrierenden  Gelehrten  Anadmck  und 
•oheinbm  Begründung,  die  um  so  willkommener  war,  als  sie 
von  philosophischer  Seite  selbst  auszugeben  schien.  Wie  oft 
haben  wir  schon  von  Leuten,  die  von  Positivismus  80  wenig 
wnfsten  wie  von  Empirismus,  hören  müssen,  was  hat  euer  Philo- 
sophieren für  einen  Wert?  Ihr  bringt  es  doch  zu  keiuem  Re- 
Buitat  und  werdet  daa  WeUrätsel  doch  nie  lösen!  Die  Ur»acüo 
solcher  Ansmfe  liegt  aber  nicht,  wie  man  glanhen  konnte,  nur 
in  der  Wertloaigkeit  der  Wissenaebaft»  aondem  in  dem  UoTcr- 
mögen,  ihr  an  folgen.  Ea  äigert  manchen,  dnb  andere  mehr 
wissen  wollen,  als  sie,  dafs  aie  tiefer  eingehen  und  sich  höber 
erheben.  Ein  längeres  Vorweilen  auf  abstrakter  Höhe  ist  vieleor 
zu  beschwerlich,  es  ist  ihnen  nicht  möglich,  sich  von  der  pächsten 
Wirklichkeit  zu  eman?:ipicrcn  und  sich  nach  innen  zti  w«  tiden. 
Z«  dieser  Gattung  Menschen  geboren  leider  auch  viele  Oeiehrte 
mit  Seciermesser  und  AktenbÜQdoln,  deren  Verdienste  wir  sonst 
gern  auerkemien.  Ihre  „exakten"  Forschungen  haben  ja  gowil* 
ihren  Wert^  und  die  Philosophen  sind  weit  entfernt,  diesen  Wert 
bestreiten  an  wollen,  allein  aie  sollen  auch  ihrerseits  anerkeoneo, 
dafs  es  etwas  anderes  ist,  an  sammeln,  an  reg^trieren  nnd  aa 
Tergleichen,  und  etwas  anderes  zu  denken  und  auf  den  Höhen 
der  Spekulation  zu  wandeln.  !Nicht  jeder  hat  Neigung  und 
Fähigkeit,  sich  in  Folianten  zu  begruben  und  Jsotizcn  zn  sammeln, 
wie  nicht  jeder  für  die  Retiexion  und  ^Spekulation  geschatfeo  ist. 
Diese  ThatHacho  8o]lto  man  namentlich  auf  der  „positiven"  Seite 
anerkeüiu  n  und  ni  liL  ohue  weiteres  alles  als  Hirngespinst  und 
vage  Veimutuug  unbesehen  verwerien,  was  die  Philosophie 
in  Jahrhunderte  langer  Arbeit  au  Tage  gefördert  hat  Leider 
war  ea  sum  Teil  die  nnheilvolle  Entwicklnng  der  modernen 
Philosophie,  welche  diese  Mifoaohtang  Terschntdet  hat  Sei  Hegel 
und  Konsorten  vermochten  freilich  die  Vertreter  exakter  For* 
schung  keine  ehrliche  WiBsenschaft  zu  entdecken.  Sie  fanden 
bei  den  „Positiven"  ihre  Männer,  hier  fanden  sie  alle  ihre  Vor- 
aussetzungen und  stillen  Gedanken  verlochten.  War  dnt  h  dvr 
Vater  der  Positiven,  A.  Oomtc,  allein  selbständig  und  origmolL 
auf  jenen  posiliveu  Gebieten,  welche  jetzt  als  alleinige  Domäne 
echter  Wissenschait  erklärt  werden.  Im  Gebiete  der  Philosophie 


Mtrig«  snr  GctcUebte  der  nenmi  FUlotophie.  43i^ 


war  Comto^  wenigitens  wie  unser  GewÜmmann  Gräber^  die 
Sache  dantellt^  bloAer  DHettaDt,  ohne  Tiefe  und  Schürfe  de» 
Gedttokena^  wie  er  denn  auch  den  Geraeinsioii  allein  anwendet 
and  anerkennt.  Seine  Gedanken  über  Philosophie  sind  so  platt 
Und  alltäglich,  dazu  in  einer  so  «chlf^chten,  nnfranzöpichen  nnd 
cleg-an/loaen  Sprache  niederg^clc^t,  dafö  es  nur  Engländern  ein- 
ialleü  konnte,  in  ihm  eine  phiiosophiecbe  Gröfae  zu  finden.  Da- 
g-pg-en  entwickelt  er  über  Physik,  Chemie  und  Biologie  einerseits- 
und  über  die  ge»ctiiclitliche  KuLwicklutig  andererseits  auregeode 
Gedanken.  Man  sieht,  dafs  er  hier  eher  zu  Hanse  ist»  als  in 
der  Philosophie. 

Die  llatheniatik  ist  nach  Conto  die  Grondwissenschafb 
sowohl  hinsichtlich  der  Methode  als  hinsichtlich  ihres  Gegen- 
standes, sie  ist  die  Grundquelle  aller  Fosiüyität  Anf  die 
Mathematik  lassen  sich  alle  Erscheinungen  zurückführen,  sei 
es,  dafä  man  ihre  statische  und  dynamische  oder  auch  ihre 
qualitative  Seite  ins  Auirn  tafst  In  der  That  ist  die  Astronomie- 
in  ihrer  durch  Kepler  und  Galilei  begründeten  Form  nur  eine 
angijwandte  Mathematik,  und  ebenso  hat  die  Physik  ihre 
höchsten  Triumphe  in  der  mathematischen  Berechnung  der  ihr 
angebÖrigen  Phänomene  geleiert.  Alle  Qualitäten,  wie  kalt, 
Bohwer,  ihrbig,  werden  in  Bewegungsverhältnisse  aufgelöst,  nnd 
die  Bewegung  selbst  erschlierst  sich  in  der  Mechanik  mathe- 
matischer Botraohtang.  Doch  entspricht  die  Physik  nicht  in 
demselben  Grade  wie  die  Astronomie  dem  positiTcn  Ideale  mathe- 
matischer  Wissensohaftlichkeit,  sie  enthält  noch  viel  zu  viel 
irrationale  Momente,  störende  Faktoren,  wie  Reibung,  Wider- 
stand des  Mittels  n.  s.  f.  Die  Astronomie  steht  logisch  und  sachlicli 
der  Mathematik  am  nächsten,  sie  i'^t  bis  jetzt  nllcin  vollständig 
positiv  fj:e worden  und  bedarf  am  wenigsten  teteologischer  und 
metaphysiischer  Voraussetzungen.  Die  Physik  verleiht  dagegen  dem. 
Menschen  Kräfte,  welche  ihm  Wunder  entbehrlich  raachen. 
Sic  bat  auch  vor  der  Astronomie  eine  Methode  voraus,  nämlich  die 
EzperimentatioD.  Diese  Metbode,  „dieser  Teil  der  universalen 
Logik"  hat  in  der  Physik  ihr  eigentliches  Gebiet.  Sobald  in 
der  Physik  das  Gebiet  des  Experimentes  fiberschritten  wird 


<  Aug.  Comt«,  der  B^grflnder  des  Positfvtentos  v.  Herrn.  Omber^ 

S.  J.,  Freiburg,  ßreisgau  1^9.  Der  Referent  hat  eiuigemal  versucht, 
in  die  eigenen  Worte  Comtes  einzudringen,  wurde  aber  durch  die  un- 
glaubliche Weitschweitigkeit  und  ungenief«bare  Form  dieees  Philosophen 
iiDiner  wieder  abgeschreckt.  Um  so  gröfteren  Anspruch  auf  oDsem  Dank 
hat  Gruber,  drr  die  Cotnteschen  Wrrke  wacker  durchforscht  bat  and  ihre 
Quintessenz  in  übersicbtiicher  und  klarer  Form  bietet. 


410        Beitr&ge  zur  Geschichte  der  aeoereu  Philosophie. 


und  die  tiefere  Fra^^e  nach  dem  Wolior  gestellt  wird,  mufs  sie 
sich  in  unkonlrolierbarc  Hypothcsea  einlasseo^  deren  Wert 
iweit'elhalt  ist  (z.  B.  die  Athertheorie), 

Aq  die  Physik  schliefet  sich  nach  Comte  die  Chemie  und 
Üiologio  an,  und  zwar  uumiltclbur,  ohue  daia  oiu  voigeltlicher 
Unterschied  zwischen  anorganischen  und  organiRcben  Stoffen  eine 
Kluft  in  der  E&twiokluDg  der  Wiaieiiaoluift  bilden  wflrde.  Es  gibt 
|[etnen  Widerstreit  nvieohe^'^der.  lebenden  und  leUosen  Ketnr, 
Yielmebr  beetebt  den  lieben  in  der  barmoniaoben  Weobtel* 
Beziehung  nwiscben  lebendem  Wesen  und  umgebendem  Mittel, 
welches  den  unnotorbrochenen  inoem  Prozefs  der  Neubildung 
und  Zersetzung  ermöglicht.  Auch  zwischen  Tier  und  Mensch 
beHtehi  kein  Unt*»rschied.  Die  Soelenvermögen  sind  im  Gehirn 
begriiudrV  I)er  nionschliche  WiHtinnl  ist  ganz  durch  die  affek- 
tiven Triebe  bestimmt  oder  wie  schon  Condorcet  sagte,  ganz 
vom  Willen  oder  Instinkt  abhaa^Mij:.  Ein  andermal  druckt 
"(jumte  den  gleicheu  Gudaukcu  »o  aus:  „Üic  V  eruuuli  ist  nichts 
anderes  als  ein  ¥eräQderUoher  Instinkt",  and  folgert  daroh  Um- 
etelloDg :  „Der  Inednkt  iet  nicbti  anderee  nie  die  fixierte  Vemanft" 

In  die  Geechiobteptiiloiiophie  warf  Comte  den  ganz  orginellen, 
wenn  anch  einseitig  tÜiertriebenen  Gredanken  hinein,  die  gerne 
-geeehiobtliche  fintwioklnng  lasse  sieh  in  ein  theologisches,  meta- 
physiches  und  positives  iStadium  zerlegen.  Die  theologische 
Weltansicht  sei  für  den  Anfang  der  Kultur  notwendig  gewesen, 
weil  öie  allein  der  Menschheit  den  nötigen  Impuls  und  die 
nötige  Gem<^in»^f'hafL  zu  kultureller  Arbeit  f^'^ogeben  habe,  und 
sie  lasse  sicii  selbst  wieder  in  drei  liaupilurmeu  unterscheiden. 
Die  erste  Form  bilde  der  Fetischismus  mit  seiner  pantheistischen 
Allbeseelung,  die  zweite  der  Polytheismus.  Der  Polyihei»niu& 
habe  sioh  der  Wissenschaft  und  Kunst  sehr  förderlich  erwiesen, 
Jener  indem  seine  ahergläubisohen  Beobaohtnngen  den  Geist  der 
Beobachtnng  überhaupt  erweckten»  nnd  dieser  indem  er  mit  seiner 
Götterwelt  die  Phantasie  ermilte.  Charakteristisch  fnr  den  Folf- 
theismns  sei  die  Sklaverei  und  die  Vennischnng  der  geistlichen  und 
weltlichen  Gewalt.  Erst  die  dritte  Uaoptform  des  theologisohen 
Stadiums,  der  Monotheismus,  habe  die  geistliche  und  weltliche 
Gewalt  g-etronnt  und  die  Sklaven  emancipiert.  In  fioinei 
eigentümlichen  Art  komme  der  MonotheiHmn«  am  reinsten  zum 
Ausdruck  ira  römischen  Katholizismus,  dessen  moralischer  uod 
intellektueller  Wirksamkeit  er  alle  Anerkennung  zollt.  Das 
metaphysische  Stadium  wird  eingeleitet  durch  die  mittel- 
elterlichen  Scholastiker  und  ßechtsgelehrten  und  kam  in  der 
Koformation  num  Dnrohbrach.    Das  eigentliche  Princip  der 


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BeUrifla  sor  Oaiehidite  der  maactt  PUIiitopbi&  441 


Jiefinniattoii  ist  die  Freiheit  der  Vorsohoiig  ned  die  monliaclie 

Freiheit:  „AU  die  Macht  der  religiösen  Überzeugaogeo  za 
«chwacb  geworden  war,  die  Leidenschaften  zn  bändigee,  bat 
-die  Reformation,  sagt  Comte,  das  erlösende  Wort  ge8prochen'^ 
IHe  gerade  ForUetzuo^:  der  R'3tbrination  bildet  dor  Üelsmus, 
•die  Aufklärung'-  und  die  Revolution,  Daneben  entwickelt  sieb 
bereits  da8  positive  Kystom,  donsen  (jrrundlage  Comte  bis  zum 
niitt^slalterlichen  Autsch  wunj;-  der  Industrio  zu  rück  verfolgt*  Doch 
iiul  CS  bciue  eigeuliicho  Eott'altuQg  erst  mit  Beginn  der  ueuen 
Zeit,  mit  Anebildung  dee  Poat-,  Kolonial-  und  Bankwesens  er- 
halten. An  die  Teranderken  WirtaohaftmhiltniMe  aohüolbk  aioh 
«eine  UngeataUang  der  Weltanachanaog  an,  die  jedooh  erst  im 
Werden  begriffen  ist  Za  setner  TeUstftndigen  Darehfilhrnng 
tiedarf  das  positiTe  System  einer  hierarchischen  Organisation, 
•deren  Grnndzüge  Comte  im  Anschlufs  an  kirchliche  und  St 
Simonistische  Ideen  entwirft.  Ich  enthalte  mich  einer  Kritik 
dieser  «^^eschichtsphilosophischen  Konstruktion,  da  muh  meinem 
eben  citirten  Werke  „Öyatera  und  Geschiciitc  doi  Kultur'  zur 
<ienüge  erhellt,  wie  weit  ich  sie  für  richtig  halten  kann  (siehe 
i,  73,  131,  164;  II,  96,  118,  345,  43H,  41)4). 

Das  Hauptwerk  Comtos,  in  dem  er  die^e  Lohro  entwickelt: 
Coors  de  pbilosopbie  positive  war  1835—1841  in  6  Bänden 
ersobienen  nod  fand  nnr  sehr  langsam  Beachtung.  Nach  1941 
Inllt  ein  gewisser  Umsohwang  in  Comte«  G-eistesleben,  leider 
<eine  Wendung  znm  Schlimmem.  Von  seiner  Fran  getrennt  Hefa 
er  sich  in  den  Verkehr  mit  einer  gewissen  Clotilde  de  Vanz 
«ein,  die  auf  ihn  einen  bezaubernden  Eindruck  machte  und  der 
er  nach  ihrem  Tod  als  seiner  „heiligen  Gefahrtin",  seinem  ,,En^el'' 
pine  sch wärme rij*ohe  Verehrung  zollte,  obwohl  ihre  Verbindung 
mir  fin  Jahr  geüiwort  hatte.  Er  bildete  einen  forjohchcn 
üottesdienst  mit  asketischen  und  litur^^i^chen  Forraua  aus. 
■(Jlotilde  wird  in  seiner  Phantasie  zum  Ausdruck  und  Symbol 
seines  Menschheitsideales.  Die  Mooschheit  uämlich,  uicht  Gott 
«oll  nach  C.  in  Zaknnft  den  Mittelpunkt  der  religiösen  GeHihle 
bilden,  nnd  die  Religion  ist  niohts  anders  als  die  dnrch  Liebe 
und  Glanbe  bewirkte  Einheit  der  Menschen.  Die  Menschheit 
Ist  das  grofse  Wesen,  dem  alles  nnterthan  ist,  die  Erde  (der 
preise  Fetisch)  und  der  Weltenraum  (das  grofse  Mittel).  Doch 
wird  ihr  nnr  die  öffentliche  Verehrung  in  den  Kirchen  unmittel- 
bar gewidmet^  der  persönliche  Kult  mnfs  sich  auf  daa  Wetb 

*  Mit  Recht  preist  Comte  das  Mittelalter  wegen  leioer  Verdienste 
um  Inihtstrie  und  Handel,  vgl.  Belege  in  meioeiD  ,fiftii«m  nod  Geschichte 
der  Kultur**  II,  81,  33,  85, 1,  71. 


442 


Beitrige  lor  Getcbichte  der  neueren  i'hilosopbie. 


beziehen,  „in  welchem  die  Sympathie,  die  Quelle  aller  Einheit, 
vorherrscht  Dasaelbe  ist  die  beste  Personifikation  des  GroCsen 
We»en8.*'  Unter  den  verschiedenen  weiblichen  Typen  ist  für 
jeden  die  Mutter,  die  Gattin  und  Tochter  diejenig-e,  durch  deren 
Kalt  das  Gefühl  der  Ehrfurcht  für  die  MenechUeit  genährt 
werden  soll.  Die  nähere  Art  und  Weise  des  poeitiTeii  SqIib» 
beBteht  in  einer  ekelhaften,  oft  an  Wahnwitz  grensenden  Nach- 
äifnng  des  ohristlicben  Knltns.  Wenn  sobon  seine  Anhinger 
ob  solcher  Auschreitungen  einer  überreizten  Phantasie  an  dem 
Vorstande  ihres  Meisters  zn  zweifeln  anfingen,  so  fallt  nne  die 
starke  Dosis  Wahn-  uud  Blödsinn  noch  mehr  auf,  die  er  setnem 
Systeme  zuletzt  beitnf^tc 

Eine  *jigentUche  Uedeiilung  erhielt  Comtes  System  eri>t 
durch  die  bepreisterte  Znstiramung-  Stuart  Mills.  Mill  war  ein 
klarer,  scharlsiiiuiger  Denker,dcm  Dur  die  schöpicnsche  Orginalitat 
und  der  Tiefsinn  gebrach.  Das  Werk  Comtes  kam  Ihm  gende 
reoht  anm  Abschluib  und  sur  Ergänzung  seines  echt  engUsehen 
empirisehen  Denkens.  Haben  doch  die  Bngländer  von  jeher 
einem  verständigen  £mpirismns  gehuldigt,  ohne  deswegen  Ton 
allcQ  Phantastereien  frei  zu  bleiben.  Im  Frauen kitltus  war 
z.  B.  Mill  kein  geringerer  Schw»irmer  als  Corato  und  hat  durcli- 
aus  unpraktische  Vorschläge  zur  Frauenemanicipatioo  gemacht 

In  dio  Fufstapfen  Mills  trat  Herbert  Spencer,  über 
dessen  Philosophie  nns  zwei  prächtige  Schritten  vorliegen, 
nämlich  „die  (jruudlage  der  Spencerschen  Philosophie  Ton 
Gaqnoin"  und  „Spencers  Ansicht  über  das  Verhältnis  der 
Religion  anr  Wissenschaft  Ton  G-ideon  Spicker."  Beide  Schriften 
sind  ebenso  trea  und  gewissenhaft  in  Darlegung  der  Anglichen 
Lehre,  als  scharfsinnig  und  gerecht  in  der  Kritik,  und  wir 
können  beiden  Verfassern  in  allem,  was  Spencer  betrifft,  bei- 
stimmen, wifnvohl  wir  die  idealistischen  Voraussetzungen  dc^ 
einen  und  die  pantbeisÜBch-spinozistiscbe  Anscbaauog  des  andern 
nicht  teilen. 

Das  „System  der  Philosophie"  H.  Spencers  hat  zwei  Ab- 
teilungen, das  Unerkennbare  und  das  Erkennbare.  Zum  Un- 
erkennbaren rechnet  er  alles  Metaphysische  und  zum  Erkenn- 
baren  das  gesamte  Gebiet  des  innem  und  änlbem  Sinnes  oder, 
wie  er  es  nennt,  das  der  schwachen  und  das  der  lebhaften  Knnd* 
gebungen  oder  der  objektiven  und  subjektiTen  Welt,  des  Ich 
und  Nichtich,  so  weit  es  sich  innerhalb  unseres  BewufHt- 
seins  darlegt.  Denn  was  aufserhalb  des  Bewuliitfieio  liegt, 
das  Ding  an  sich,  ist  unerkennbar.  Darin  «^tiuiinL  Spencer  mit 
Kant  überein,  welchen  Comto  nicht  berücksichtigt  hatte. 


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Beiträge  zur  üeschichte  der  neaeren  Fbilotophie. 


443 


Mit  Scbarfttinn  weist  Spencer  die  Widersprüche  der  Meta- 
physiker  und  der  metaphysischen  Begriffe  nach,  des  Raumes 
z.  B.,  der  von  don  einen  uIr  rein  apriorisch,  von  don  andern 
als  dinghatl  aufg-efafst  wird,  ferner  ira  Begriö'  der  Wirkung-  (siehe 
fihen  8,  i'M).  Da^  Verhältnis  der  üewegung  zur  Ruhe  lai  zwei- 
deutig, die  wahrgenommene  Bewegung  ist  nie  die  absolute, 
sondern  eine  relative  und  der  Übergang  von  der  Bowegnng 
zvat  Ruhe  ist  unbegreiflieh.  ünaer  ganxee  Erkonnan  läuft  naob 
Sp.  aaf  ein  biobea  Klaaaifioieran  hiaans,  ein  Verbinden  des 
Gleichen  nnd  Unterecbeiden  des  üagleiohen»  aof  die  An- 
paaaung  innerer  Beziehungen  zn  äufserenBesiehungen 
4ea  Neben-  nnd  Naoheinander  (Koexiatens  nnd  Foigfi), 
m.  a.  W.  unser  £rkennen  ist  relativ. 

Kbcn  so  widerspruchsvoll  seien  die  Ansichten  über  die  Ent- 
«tehung   der    Welt.     Die   einen    sao^eü,  sei  seibstexistent 

(Materialisten)  oder  selbst  erschaüen  (rantheistenj  oder  von 
t.'inem  äufseren  Urheber  erschaffen  (Theisten).  Sowohl  in  Bezug 
auf  die  Materialisten  als  Theiäten  bustreitet  nun  Spencer,  daTs 
«Ine  Belbatexistonz  denkbar  sei.  Man  miirsto  annehmen,  diese 
fixiatenx  hatte  keinen  Anfang  genommen  nnd  achliefse  eine 
unendiiehe  Vergangenheit  ein.  Eine  nnendliehe  Vergangenheit 
aber  aei  unvorateUbar.  Baa  Selbeteziatierende  könne  nicht  be- 
grenat  nnd  daher  weder  a)  TerDreacht  oder  bedingt  noch  b)  selbst 
Uraache  sein.  Nehme  man  aber  etwaa  Uaverursachtes  an,  ao  habe 
man  die  Hypothese  von  der  Verursachung  fallen  gelassen  und 
dem  Ursache  um  Ursache  verlangenden  Kansalitätsdrang  der 
Vernunft  widersprochen.  Am  Kausalreihe  werde  abgeschnitten. 
Das  UnbegreuzLi'  unii  Unbedingte  könne  auch  b)  nicht  Ursache 
eines  andern  seiu,  denn  es  verlange  ein  Sein  aufserhalb  aller 
Beziehaog,  eine  Ursache  aber  bestehe  uur  in  ihrer  Bezieimug  z\i 
üirer  Wirkung.  Dazu  komme,  dafa  beim  Abeolnten  das  Stehen 
anfaerhalb  aller  Beaiehnng  nnd  daa  Treten  in  Beaiehnng  oder  die 
Periode  Tor  der  Welteohöpfung  und  der  Beginn  der  Welt- 
aohöpfang  anaeinander  gedacht  werden  müsse.  Allein  im  ünend- 
liehen  könne  keine  aolohe  Verändemng  eintreten,  es  könne 
nicht  yon  einem  nnTolIkommenen  Zustand  (dem  der  Enhe)  an 
einem  vollkommeneren  (dem  der  Thätigkeit)  übergehen,  und  die 
Einheit  des  Absoluten  wäre  jedenfalls  durchbrochen. 
Endlich  dürfe  das  Unendliche  Glicht  notwendi^jo  Ursache  des 
iiiibchatlenen  sein,  weil  es  sonst  bedingt  wäre,  sondern  die  Ver- 
ursachung müsse  eine  freiwillige  sein.  Freier  Wille  finde  sich 
nur  in  einem  bewuiatea  Wesen,   Bewursteein  aber  setze  die 


444         Beitrage  «ir  Qeschicbte  der  neaereo  Philosophie. 


UnternchelduDg  von  Sabjekt  oad  Objekt  voniUy  was  beim 
Absoluten  nn  denk  bar  sei. 

Mit  Kecht  tadelt  bpickcr  H.  Spencer,  er  trage  in  da*. 
Absolute  einen  empimchen  Zeitbegritf  hinein;  fügen  wir  bei: 
aucii  einen  empirischen  Kaasalilätsbegriff.  Da»  Kwige  über- 
steigt  allerdiiigs  unsern  Verstand  und  lalkt  sich  dardi  nnsere 
ZeitTorsteUnng  nicht  «dsfiiUen  ond  erklären,  allein  die  Logik 
fordert  einmal  diesen  Begriff,  wie  den  des  UnbediogleD  ftber* 
baupt.  Das  Unbedingte  hat  sich  in  der  Scböpfong  nicht  ver- 
ändert, von  Ewigkeit  her  stand  sie  im  Geiste  Gottes  fest,  und  Gott 
verendlicht  sieh  durch  Inbeziehnng'tretr^n  mit  dem  Endlichen  »o 
wenig,  als  wir  uns  durch  Leitung  der  Tiere  vertieren.  Gott  Im 
keine  starre  Bubstanz,  welche  absolut  einfach  sein  milfäte,  um  ihre 
Einheit  zu  bewahren  (siehe  S.  433),  in  ihm  iet  Bewufßt^ein, 
weil  er  stets  im  6obne  die  Welt  der  Ideen  betrachtet.  Auf 
einem  andern  Pankt  ist  die  Kritik  Spencers  glücklich,  imd 
Spicker  nnglttcklicb  in  ihrer  Abwehr.  £tn  Selbaterechaffen  oder 
Selbstentwickeln  im  paatheistischen  Sinne  ist  in  der  That»  wie 
Spencer  sagt,  undenkbar  nnd  unlogisch,  nur  hatte  Spencer  am 
wenigsten  die  Berechtigung,  den  Begriff  solcher  Evolution  an 
verwerfen,  da  er  ihn  selbst  in  seiner  "Naturphilosophie  nnd 
Sociologie  bis  zum  l  bermafs  mi^branobt  und  die  gesamte  Welt 
der  Natur  und  des  Geistes  aus  uiibeBtimmten  Keimen  »ich  ent- 
wickeln liifst,  ohne  eine  höhere  Kraft  zu  gebrauchen,  Aost 
sich  kann  die  Potenz  sich  nicht  zum  Aktos  entwickeln  und 
Spicker  beruft  sich  umsonst  anf  Aristoteles,  nm  ihre  Denkbar- 
keit  bMm  achtlosen  naiven  Leser  einaasohmnggeln«  Bin  Über- 
gang von  Potena  snm  Aktos  setat  immer  eine  bewegende  Ur- 
sache voraus»  nnd  diese  hat  Aristoteles  ttberall,  beim  Univenva, 
wie  beim  Oi^anismus,  anzubringen  gewufst.  Eine  Universal* 
potenz,  den  schlafenden  unbewufsten  oder  halbbewufsten  Gott 
der  Pantheisten,  der  im  Mmsrhen  endlich  vom  Schlafe  aaf- 
erstand,  kennt  ÄriBtoteiea  nicht  —  übrigens  auch  Spicker* 
Meister  Spinoza  nicht  —  und  er  bedarf  auch  nicht  des  Unge- 
dankens einer  Sichselbstübersei^Luug  von  der  Potenz  mm  Aktus. 
Dieser  Ungedanke  wird  dadurch  um  nichts  verständlicher,  dafs 
Spicker  anf  den  menschlichen  Geist  hinweist»  welcher  rein  aus 
sich  es  zu  solch  erhabenen  Werken  bringt»  wie  die  Dicbtongea 
eines  Goethe  oder  die  Haiereien  eines  Rafael  sind.  Spicker 
vergifst,  dafs  der  menschliche  Geist  auch  nach  Spinoza  von 
Gott  stammt,  dafs  er  Jahrhunderte  lang  Zeit  hatte,  die  Xatnr 
und  den  Menschen  zu  erforschen,  deren  (ifhnimnisse  zu  be- 
lauschen, dafs  überdem  jeder  Dichter  und  Künstler  sich  an  den 


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B«iti«g«  sor  GMcJiidite  d«r  MMPen  PbilMopbie.  445> 


ArbeiteB  seiner  Vorg&Bger  Bcbnleii  konnte  nnd  diese«  ein 
Wunder  wäre,  der  mil  diesen  Anregangen  geschwängerte 

gottgegebeoe  Geist  es  nicht  sn  selbständigen  and  ansgebildetea 

Werken  gehracht  hätto.^ 

Im  übrigen  hätte  eich  ispicker  iiioht  einmal  um  dirso 
chimärische  belb^tentwicklung  zu.  bemühen  brauchen,  scheint 
doch  sein  PanthelKmua  nicht  der  gleichen  Art,  wie  der  Hegel» 
odci'  liartmauuä  zu,  sein,  die  sieb  lacherlicher  Mittel  bedienen,, 
um  etwas  aus  Nicbta  entstehen  sa  lassen.*  Er  scheint  ▼ielmehr 
im  Sinne  Spinosas  das  materielle  Sein  als  ein  ewiges  Attribut 
oder  eine  Eigenschaft  der  einen  AlIsnbstanB  sn  fassen  nnd 
ignoriert  S.  23  sogar  die  idealistische  Auffassungs weise  der 
Materie,  wie  wir  sie  in  diesem  Jahrbuohe  V,  S.  216  f.  darge- 
legt haben.  Wir  sind  aber  trotz  Spinoza  und  Hegel  der  An- 
sicht, daffi  sich  die  Welt  nur  durch  bchöpfnng  erkiriren  lasse, 
und  werden  darin  nicht  beirrt  durch  Spickern  Behauptung,  die 
christliche  Schöpiuugslehre  sei  keine  philosophische,  sondern  eine 
religiöse  Betrachtungsweise,  eine  Behauptung,  die  um  so  auf- 
ftUender  ist,  als  Spicker  unmittelbar  zuvor  den  Begriff  einer 
SehÖpfung  aus  nichts  gegen  Spencers  Angriffe  In  Sobutz  ge- 
genommen  bat 

Wenn  Ton  Spencer  alles  Metaphysische  als  unerkennbar 
beseiohnet  wurde,  so  ist  er  doch  nicht  gewillt  das  Unerkenn- 
bare als  nicht  seiend  oder  als  reines  Nichts  zu  betrachten. 
Die  dem  Nichtich  anj^ebörenden  Erscheinungen  oder  die  starken 
Kundgebungen  weisen  nach  ihm  auf  eine  aulserhalb  unsores^ 
BewufaUeiiJS  liegende  Realität  hin,  wie  die  Begrifib  des  Hanmes,. 
der  Bewegung  und  Kratl.  Es  liegt  den  äulsern  Erscheinungen 
wie  den  Begriffen,  mit  denen  wir  sie  bearbeiten  (Raum,  Be- 
wegung etc.)  das  Bing  an  sieb  au  Grunde,  und  zwar  ist  da» 
Bing  an  sich  die  Ürsiwhe  und  das  phänomenale  Sein  die  Wir- 
kung. Das  Ding  an  sich  snobt  Spencer  des  näheren  als  Kraft 
zu  bestimmen  und  entwickelt  ans  ihr  den  Begriff  des  Stoffes- 
und  der  Bewegung  als  ihre  Kundgebnngen,  des  Raumes  und 
der  Zeit  als  die  Bedingungen,  in  welchen  sich  die  Kraft  kund 
gibt.  Die  Krall  selbst  aber  ist  und  bleibt  eine  unbekannte 
Gröl'se,  weil  sie  sich  mit  keiner  bekannten  Gröfse  messen  lüfst. 
Diese  unbekannte  Kraft  oun  wird  von  Spencer  mit  dem  Schlui's- 

>  Vgl.  Uber  dieses  Problem  mehr  in  meinem  ,|Sytteme  nnd  Oesebicbte 
der  Kultur  *  I,  160  iL  (OescbicbtliebeB  Snbstans-  uid  Kansaliatsgeseu) 

und  I,  61  if. 

*  S.  Jahrbuch  V,  218,  wo  ich  die  betreffende  Stelle  Spencers  nach 
Spicker  dtierte. 


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446         Beiträge  cur  Geschichte  der  ueaereo  Philosophie. 


punkt  einer  logischea  Betrachtuog  verknüpft,  welche  darin  be- 
steht, dals  das  oben  charakterisierte  relative  Wissen  und  Er- 
kennen durch  ein  Äbsolutes  ergHozt  werden  mÜB8e,  um  nicht 
illusorisch  zu  worden  und  zuletzt  mit  diesem  Absoluten  in  eins 
geseizt.  iJas  Absolute  sei  aber,  meint  Spencer,  nur  ein  Postulat 
unseres  relativen  Denkens  und  als  absolut  mit  nnsera  relativen 
Begriffen  nicht  zu  fanea  oder  es  sei  noerkennbar»  man  köDoe 
niefata  über  dasselbe  aussagen  als  daCe  es  sei»  nameatlkli 
müsse  der  Gedanke  an  eine  Persönliokkeit  des  Abeolnteo  fem 
bleiben. 

Noch  von  einem  andern  Gesichtspunkt  aus  gelangt  Spencer 
zu  demselben  Resultat.  Eine  Vergleichung-  aller  Relig^iouen 
lehre,  meint  er,  den  gemeinsamen  Zug,  dals  ihnen  die  Welt  ein 
Rätsel  ist  und  dafs  sie  hinter  den  Eracheinung-en  alü  ihre  Ur- 
sache eine  unerforächliche  geheimnisvolle  Macht  voraussetzen. 
Die  Formen  und  Vorstellungen,  in  denen  die  Religionen  diese 
Macht  an  fassen  suchten,  seien  aber  alle  ▼ergänglieb  nad 
veränderlich  gewesen.  So  gpit  wie  die  alte  Mythologie  stellen 
die  christlioheo  Dogmen  Versnobe  dar,  das  Unendliche  nad 
Unaussprechliche  dem  Geiste  zugänglich  zu  nuMhea,  was  im 
Grunde  unmöglich  sei,  alle  Formulierungen  haben  daher  im  Fort- 
echritte der  Zeit  anderen  Formulierungen  weichen  raüssen. 
während  der  unvergängliche  kö-^tliche  Kern,  der  durch  alle 
Formen  sich  hindurchziehende  Gehalt  alle  Wandlungen  de« 
Bewufstaein»  und  Zeitgeistes  überdauert  habe.  Jetzt,  sei  endlich 
die  Zeit  gekommen,  wo  man  alle  diese  Verbuche  als  nutzlos 
aufgeben  und  eine  bessere  Sonderung  vom  Glauben  und  Wissen 
eintreten  lassen  köDue  als  in  der  Vorseit.  Alles  Dogmatisiereo 
sei  ein  Hineinpfuschen  der  Wissenschaft  in  die  Religion.  Wenn 
sich  die  Wissenschaft  ganz  auf  ihr  Gebiet  beschranke  und  je 
mehr  sie  hier  Fortschritte  mache,  desto  grofoer  werde  das  Ge- 
biet des  Unkennbaren  und  damit  der  religiösen  Gcfiihle.  Die 
Wissenschaft  sei  eine  Kng-pl:  ic  mehr  sie  wachse,  desto  mehr 
nehme  auch  der  sie  uiugebeude  und  von  ihr  ausgeschlossene 
Raum  —  das  Unerkennbare  —  zu. 

Spicker  gehl  mit  Spencer  bis  zu  dem  Tunkte,  wo  er  alle 
Formulierungen  der  religiösen  Gefilhle  verwirft,  er  stellt  noh 
au  Spencer,  wie  Kaftan  au  Breyer^  und  glaubt  an  die  Möglich- 
keit neuer  Formulierungen.    Ohne  uns  über  diese  Meinungs- 

1  Vgl.  die  ausgezeichaeton  Abbandlaogen  Langhorsts  aber  „Undog- 
matisches  Cbristeotiim"  und  „Raftans  nenes  Dogma"  in  den  StimnCB 
aus  M.- Laach  188<X91,  dasu  s.  m.  uSystem  nnd  Geschichte  der  Kaltur** 
(II,  i9d  ff.) 


uiLjiiizuü  Dy  Google 


Beitrage  zur  Geachidite  der  neaerea  Philoaopliie.  447 

Teraohi«denbeit  und  Meinungsgleiohheit  länger  aafzahalteD,  gehen 

wir  zn  den  Schluföbemerknng'fin  8]Mckf^rR  über,  welche  anch 
diejeDij^oTi  (iutnioins  sind  ;  beide  betonen  den  Widerspruch,  in 
deo  sich  Spünct'i-  ^olhst  vorsetzt,  wenn  er  von  dem  gegebenen 
BewufstHtiiiiBpliiiüouien  auf  ein  Unerkennbares  schliefst,  da»  aus 
einem  negativen  uomerklicii  zu  einem  pobiliven  iiegnÜe  wird. 
Obwohl  er  niohto  ▼!»  ihm  zu  wiaaen  vorgiebt»  nmCi  er  nnwiUkttr* 
lieh  mehreret  von  ihm  aoMSgen:  njimlioh  dab  die  üiierfceniibare 
«iMolut  imd  Ursache  der  Bneheianngawelt  ist  Weon  ea  aber 
Ursache  der  ErscheinangsweU  ist,  so  mufs  sich  ana  dieser  Welt 
noch  mehr  schUefiiea  lasaen  nach  dem  GraadaaU  oaasa  aeqnat 
effectura.  Ja  man  kann  noch  weiter  gehen,  da  Spencer  so 
unvorsichtig  ist,  d'w.  monHchlichen  Individnen  ah  Mittel  zu  dem 
höheren  Zwecke  des  Absoluten  darzustellen  und  von  jedem  zu 
Terlancen,  dafs  er  sich  al«  eines  jener  zahllosen  Agentien  be- 
trachte, m  weichem  die  unbekannte  Ursache  wirksam  ist,  und  da 
er  ttberdem  die  ▼erecbtedeDen  jEteltgionsforraen  und  Keligions* 
«tofen  als  relativ  wahre  Offenbarungswelaea  dea  Absotaten 
gelten  IlUbt.  Damit  nähert  afoh  Spencer  jenem  wissensstolien 
Fantheismos  eines  Hegel,  Sehetting  nnd  Schleiermacber,  welcher 
das  Absolnte  noch  mehr  sn  erbellen  und  aufzuklären  vorgibt, 
als  die  katholische  Dogmatik.  Die  echt  christliche  Glaubens- 
lehre Hteht  mit  viel  gröfsorer  Scheu  und  Achtung  vor  dem 
(icheimnisse,  sie  betont  unaufhörlich  das  Übervernüntilicho, 
ünbegreiHicho  und  Unanssprechliche  der  christlichen  Wahrheit, 
während  jener  dünkelhafte  Pantheismus,  dem  sich  zuletzt  Spencer 
zuneigt,  dematt-  und  aohtangslos  das  Absolute  zu  sich  heran- 
reifbt.  Spicker  hat  infolge  dieser  nabedacht  entschlüpften 
Herzensneigangen  seines  Autors  Imchtes  Spiel,  er  kann  von  den 
gemachten  Zageatandnissen  aus  leicht  sohlielhen,  dab  nnser 
Olaubc  und  unsere  Vorstellung  von  einem  so  oder  so  ge- 
fitaltet(?n  Absoluten  ein  Ausflufs  oder  Kundgeboog  des  Ab- 
f.olntf>n  selbst  ofler  eine  Art  seiner  Offenbarnr.g  soin  müsse  nnd 
delshalb  einen  wahren  Kern  nicht  bloi's  negativer  sondern  auch 
positiver  Art  oinschlierse  m.  n.  W.  etwas  Erkennbares  und  der 
Vernuuil  Aügemessenes  enthaUe. 

Einen  konsequenteren  und  kritisch  schärferen  Positivismus 
als  Spencer  hat  in  Dentsohland  Laas  Tertreten.  Wir  haben 
nns  ttber  diesen  Laasschen  PositiTismas  1886  in  der , J*ittsmr. 
Randschan"  S.  139  des  ^weitem  aosgesproehen  und  namentlich 
seine  Begründung  verfolgt.  Wir  kommen  hier  auf  Laas  zurück, 
da  auch  Gaquoin  sich  am  Schlüsse  seines  Sobriftchens  mit  ihm 
abgibt.    Nach  Laas  ist  jede  Anaahme  einer  Realität,  sei  es 

jAlubodi  für  Pblloaophie  etc.  VL  i» 


448  RicbtigstellungeD  der  Aosichteo  des  aeoesten  KoAmeaUiorä  etc. 


p«ycholo{2p!8cher  oder  materieller  Art  unbeweisbar  und  üünotig. 
Das  einzig  Reale  ist  der  Bewulstseinsgcgensatz  von  Ich  und 
Nichtich,  oder  die  perpetuierende  Korrelation  von  Subjekt  und 
Objekt.  Damit  fallt  nicht  nur  jedes  Ding  an  »ich,  jedes  Abso- 
lute, sooderB  auch  die  liealität  der  AurDeoweU  uod  eioer 
Sedlsnssbttaiii  nnd  es  bleibt  nur  ei&e  fortwähreoda  PhintMiBar 
gorie  ttbrig,  eine  ScbeiBwelt^  in  der  eiob  das  Objekt  im  Sub- 
jekt und  das  Subjekt  im  Objekt  spiegelt;  ebne  dafs  ein  Etwa» 
hinter  dem  Spiegelbild  stände.  Begründet  wird  diese  närrisobft 
Annahme  hanptoäehUoh  mit  Kants  Kritik  der  reinen  Vemnnft 
und  nebenher  spielt  auch  Haa  alte  8ophi8tentum  eines  Protagora? 
eine  Holle.  Soweit  kommt  mau  ziiriick,  wenn  man  den  ge- 
sunden Pfad  veriaist!  —  Damit  »chlierse  ich  die  Beilrage,  welche' 
infolge  einer  gewissen  Kntmuthigung  und  anderer  Arbeilen  eine 
längere  ünlerbrechuug  eriaiiren  habeu.  BeaciiLung  iiabea  sie 
wenig  gefunden,  obwobl  sie  manobee  Originelle  enthalten,  waht^ 
aeheinlieh  ans  dem  Omnde,  weil  man  diese  neuen  Gedanken 
nioht  mir,  sondern  dem  Autor,  den  lob  gerade  bebaadelie»  au- 
sohrieb  und  weil  die  Beiträge  in  keinem  sichtbaren  Zusammen^ 
bang  mit  den  übrigen  Abhandlangen  standen. 

-  »  OQ"  »  

BIOHTIGST£LLUNG£N  D£R  ANSICHTEN  DES 
NEUESTEN  KOMMENTATORS  DES  HL.  THOMAS 

VON  AQU  IN. 

Von  fr.  GUNDISALV  FELDNER, 

Ord.  Praed. 


im  4.  Heft  des  5.  Bandes  dieser  Zeitschrift  habe  ich  gegeu 
die  Recension  des  hoohw.  Herrn  Dr.  Wilhelm  Esser  über  das  von 
mir  der  Öffentliobkeit  übergebene  Bnoh,  betitelt:  „Die  Willen»- 
.  freibeit  der  yemilnitigen  Wesen  nach  der  Lehre  des  hl.  Thomas"» 
ans  dem  Grande  reagiert,  weil  der  sehr  Torehrto  Herr  Recensent 
mir  mit  der  Behaaptung  gegenüber  getreten  isS^  meine  in  soeben 
genanntem  Bache  niedergelegte  Doktrin  stände  mit  Bezng  auf 
sechs  Packte  im  Widerspruch  mit  der  wirklichen  Lohre  de» 
hl.  Thomas. 


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Richtig:stel}nnßreD  der  Ansichten  des  neuesten  Kommentators  etc.  44U 


Der  verehrte  Herr  ReccnHent  sucht  diese  seine  Behauptong 
im  4.  Hefte  des  4.  Bandes  des  „Philosophttohen  Jahrliurhcs*'  vom 
Jahre  1891  Seite  412  C»  baransgegeben  tob  Herrn  Dr.  Uatberleti 
aufrecht  zu  erhalten. 

Zum  ersten  von  mir  richtig  gestellten  Punkte  meiner  Er- 
widerung^ auf  seine  ReoeosioD  bemerkt  der  sehr  geehrte  Herr 
Gegner  iol^oudc»: 

y^Vorstebende  Bntwicklung  Feldnera  weiet  niobts  anderes 
naeh,  als  dalli  die  potentia  a c 1 1 ▼  a  oder  bandelQsfSbige  Kraft 
noob  in  potentia  wa  einen  weitem  actus,  nainUoh  au  ihrem  nltimnm 
oomplementum  der  actio  ist  »Si^Qt  potentiae  active  respondet 
operatio  vel  actio,  in  qua  completur  potentia  activa,  so 
schreibt  der  hl.  Thoman  (1.  d.  42.  q.  1.  a.  1.  ad  1.),  ita  etiam 
illud,  quod  reHjiondet  potentiae  pasaivae,  qnasi  perfectio  et  com- 
plementiim ,  a«  tu^j  dicitur".  Der  englische  Lehrer  nennt  aber, 
wie  aus  vürBtehenden  Worten  erhellt,  ob  solcher  Poteutialität  die 
potentia  activa,  keineswegs  potentia  passiva,  wie  F.  es  thut. 
Noch  viel  weniger  vergleicht  er  deshalb  diese  potentia  aotiva 
der  materia  prima  und  sagt  etwa  wie  Feldaer:  «»der  Wille  als 
Vermögea,  als  Polens,  ist  seiner  Natnr  nach  ans  nnd  doreh  sich 
selber  ganz  und  gar  passiY.  In  ordine  operative  gleicht  er  dem 
ersten  Stoffe,  der  materia  prima"  (Feldner,  Willensfreiheit  8.  84). 
Wenn  wir  nun  behaupteten,  der  Wille  sei  nicht  eine  rein  pas- 
sive Potenz  (so:  Feldnor  K.  34),  sondern  eirtf  aktive,  so  wollten 
wir  damit  keiuesweg«  alle  Möglichkeit  einer  weitem  Vervoll- 
kommnung'^ dieser  aktiven  Potenz  in  Abrede  stellen,  sondern 
lediglich  uüHern  Willen  lucht  zu  einer  materia  prima  in  ordinc 
operative  stempeln  lassen." 

Anf  die  Torstebende  Sentena  erlanbe  ich  mir  die  Bemerkung 
au  maeben: 

a)  ist  dem  verehrten  Herrn  Gegner  der  Wille  an  und  für  * 

sich  Bo  gut  eine  potentia  passiva,  nicht  aber  activa,  wie  ich 
die  8ache  in  meinem  Buche  aufgefafst  habe.  Hier  ist  der  Be- 
weis daflir.  Der  Herr  Gep-ner  aob reibt  in  seiner  Recension 
S.  412:  „wohl  hat  der  Veirasscr  m  l  uhcrzengender  Bewoiskratt 
dargethan ,  dafs,  da  Thomas  mil  volicm  Rechte  nicht  die 
Kreatnr,  Kundern  Gott  für  das  Hauplageus  erklärt,  und  dat» 
Geschöpf  blofs  als  Werkzeug  in  der  Hand  des  allmäobtigeQ 
SebÖpfers  anerkennt^  eine  gewisse  motio  physioa  des  Geschöpfes 
daroh  den  Schöpfer  bei  jeder  Tb&tigkeit  statthaben  rnnfs. 
Ebenso  swingend  beweist  er,  dafs  diese  motio  wenigstens 
ySatara  et  cansalitate'  der  Thätigkeit  des  Geschöpfes  Yorher- 
gehen  mnik,  und  dämm  ancb  in  diesem  Sinne  ,prae motio 


450  Eichtigstelluogeo  der  Aosicbten  des  oeuesteii  KomtnenUtors  etc. 


pfaysica'  genannt  werden  kanii.  Gaax  richtig  beechreibi  er 
uns  dieselbe  als  die  Überführung  der  zwar  handeloefähigen. 
aber  acta  noch  nicht  handelnden  Kraft  aus  dem  Znstande 
der  Möglichkeit  in  den  Zustand  der  Wirklichkeit  de» 
Handelns.  Schon  hieraus  ergibt  bich  notwendig  die  Unzu- 
läfisigkeit  de»  ^concursus  mere  simultaneus'  Molioas,  mag  man 
ihn  auch  im  Verein  mit  jenen  vielfachen  Variationen  betrachten, 
welche  er  im  Laufe  der  Zeiten  erfthren  hat  Denn  da  diew 
Art  TOD  Einwirkung  Gottes  nicht  das  ThStigkeitsprincip  der 
Kreatur  berührt,  welches  an  sich  blofs  in  der  Möglichkeit 
an  handeln  ist,  so  siebt  man  in  dieser  AnfTassong nicht  leteht 
ein,  wie  überhaupt  eine  Thätigkeit  erfolgen  kann,  ohne  dafs  zuTor 
jenes  Thätigkeitsprinrip  aus  seiner  Möglichkeit  in  die  Wirk- 
lichkeit übergeführt  wird." 

Aus  dieser  Darlegung  des  verchrtea  Herrn  Kritikers  rauls 
ich  vor  allem  drei  Dinge  beHODdera  hervorheben.  Der  Wille, 
nach  dem  Herrn  Gegner  die  aktive  Potenz,  bedarf  einer,  ,moUo 
physica';  diese  motio  physica  mntä  ferner  ,natara  ei  cansalftate* 
der  Thätigkeit  des  Geschöpfes  Torangehen;  der  Witte  ist 
swar  handelnsfahig,  aberactn  noch  nicht  handelnd  elue 
diese  ,rootio  physioa'.  Der  Wille  befindet  sich  ohne  diese  ,Tnotio 
pbysica'  im  Zustande  der  Möglichkeit.  Der  Wille,  das  Thatig- 
keitsprinoip  ist  an  sich  blofs  in  d er  Möglichkeit  zu  handeln. 
AuB  (liest  i  ^ioglichkeit  mu£»  es  in  die  Wirklichkeit  über- 
geluhrt  werden. 

Nehmen  wir  nun  einmal  an,  der  Wille  sei  an  und  für  sich 
potentia  activa,  uicbt  passiva,  wie  verhalten  sich  dann  die 
vorhin  gemachten  Anssprfiohe  des  Herrn  Gegners  inr  Sache? 
Der  Wille  als  aktive  Fotens  ist  naeh  meiner  Ansicht  der  in 
Wirklichkeit  thatige  WiUe.  Aktives  Prindp,  aktive 
*  Potenz  und  agens  in  aotu  sind  fiir  mich  identische  Dinge. 
Ben  Beweis  daför  werde  ich  später  noch  erbringen.  Wenden 
wir  nun  das  vom  Herrn  Kritiker  vorhin  Gesagte  auf  den  Willrr 
als  aktive  Potenz  an.  Nach  ihm  ist  ja  der  Wille  aktive,  mcht 
passive  Potenz.  Der  Wille  braucht  also,  während  er  in  der 
Wirklichkeit  handelt,  eine  ,motio  pby«»ica'.  Diese  motio 
physica  geht  ,natui  u  et  cauualitatc'  der  Thiti^'^keit  des  Willens 
vorher.  Und  diese  motio  physica  überfuhrt  dm  zwar  handelns> 
fähigen,  aberactn  noch  nicht  handelnden  Willen  ans  dem 
Znskaade  der  Möglichkeit  in  den  Znstand  der  Wirklichkeit 
des  Handelns?  Der  Wille  ist  nach  dem  Herrn  Gegner  an 
sich  blofs  in  der  Möglichkeit  zu  handeln,  und  man  sieht 
ttberhanpt  nicht  leicht  ein»  wie  eine  Thätigkeit  erfolgen  kann, 


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BichtigsteUoDgen  der  Anakbleo  des  neaetien  KommeDtators  etc.  ^1 


ohme  dafs  znyor  jenes  ThätigkeiUpriaoip  ans  seiner  Möglich- 
keit in  die  Wirklichkeit  übergeführt  wird.  Der  Wille  ist 
also  an  nich  bloP«  in  der  Möglichkeit  »u  hand^^ln,  und  doch 
bildet  er  eioB  aktive  Potenz,  d.  h.  wie  ich  die  aktive  Potenz 
fasse,  handelt  er  an  «ich  in  Wirklichkeit!! 

Entweder  itst  daa,  worin  der  Herr  Kritiker  mir  rocht  gibt, 
wahr,  and  dann  ist  der  WOle  an  sich  nicht  eine  aktive  Potenz. 
Oder  der  Wille  bildet  ia  der  That  eine  aktive  Potens,  nnd 
dann  ist  das  von  mir  Gesagte  fakob.  Dann  hat  aber  der  Herr 
Kritiker  nicht  wohl  daran  getban,  mir  reobt  an  geben.  Ans 
einem  dieser  beiden  Widerspräche  kommt  er  nnn  einmal  nicht 
heran». 

Dafs  die  Ansicht  dcR  Herrn  Kritiker»,  der  Wille  sei  eine 
aktive  Potenz  im  Gegensatz  za  der  Theorie,  wie  ich  die  aktive 
und  passive  Potenz  verstehe,  mit  der  Lehre  dos  hl.  Thomaa 
nichtä  zu  ihuü  halte,  begreiil  »ich  von  selber.  Passiv  ist  dem 
hL  Thomas  an  und  filr  sieh  alles  das,  was  bewegt  werden 
kann  vnd  bewegt  wird.  Aktiv  hingegen  dasjenige,  was  be^ 
wogt  Knn  wird  aber  der  Wille  bewegt  nnd  awar  von  innen, 
aber  anch  von  anAen.  Von  avlben  wird  er  bewegt  durch  den 
Gegenstand.  1.  p.  q.  105.  a.  4.  —  ib.  q.  106.  a*  —  ib.  q. 
III.  a.  — 12.  q.  y  a  4.  —  ib.  q.  80.  a.  1.— 3.  contr.  Gent, 
c.  88.  und  89.  —  de  veritate  q.  22.  a,  9.  —  de  malo  q.  3. 
a.  3.  —  ib.  q.  6.  Ebenso  wird  er  von  innen  bewegt,  nämlich 
von  Gott.    Man  vergleiche  die  angeführten  Steilen. 

b)  Der  Herr  Gegner  »>agL  weiter,  raeine  Entwicklung  weise 
niobts  aaderea  nach,  als  dafs  die  potentia  activa  oder  handelns' 
fSh ige  Kraft  noch  in  potentia  an  einem  weitem  actus,  nlimlieh 
an  ihrem  ultimum  oomplementiim,  der  actio  ist 

Abgesehen  davon,  dafs  auch  hier  wieder  handelnsffihig 
mit  wirklieh  handelnd  identifiaiert  wird,  macht  mich  der  ver'> 
ehrte  Herr  Gegner  anch  noch  zn  dem  reinsten  Molinisten. 
Im  5.  Bande  des  tommerprhen  Jahrbuches  S.  .303  steht  eine 
von  mir  angeführte  Stelle  aus  P.  Molina,  welche  ganz  das  Näm- 
liche sagt,  wa8  hier  der  Herr  Kritiker  lehrt  Die  aktive 
Potenz,  das  ageus  in  actu  ist  nach  der  Lehre  des  hl.  Thomas 
und  nach  mir  wirkende  Ursache  und  die  actio  bildet  den 
Sffekt  dieser  wirksamen  Ursache.  Weil  aber  die  Tbütigkeit 
des  Willens  eine  actio  immaaens  ist,  so  bleibt  sie  im  Willen 
als  Accidens  und  der  Wille  verhält  sich  diesem  Accidens  gegen- 
über wie  die  Potens.  Nach  dem  Herrn  Kritiker  bildet  nnn 
der  Wille  eine  aktive  Potenz.  Aber  diese  aktive  Potenz 
bedarf  noob  einer  ,motio  pbysioa'.    Warum  dies?    Weil  diese 


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452  Richlig&telluugen  der  Auüichten  des  ueuestea  Kommeutators  etc. 


aktive  Potenz  noch  in  der  Potenz  ist  zu  einem  weitern  actns, 
zur  actio.  Inwiefern  ist  sie  in  der  Potenz  znr  actio?  Als 
wirkende  Ursache  ottenbar  nicht.  Die  wirkeude  Ursache 
verhält  sich  zur  actio  als  ihrer  Wirkung  wie  der  Akt  zur 
Potenz.  Sie  ist  ja  gebeodes,  die  actio  empfangendea  oder 
anfnehmeades  Princip.  Die  aktive  Poteoa  ist  folglich  nar 
in  sofern  noch  in  der  Pete  na  zur  actio,  als  diese  fftr  sie  ein 
AcoideDH  bildet  uod  zwar,  wie  hier,  ein  accidens  immanens. 
Braucht  also  der  Wille  die  ,motio  physica'  anr  in  dieser  Be- 
zinhnn^-,  so  bedarf  er  doiselben  nicht  zur  Hervorbringung 
der  actio,  sondern  blol»  zur  Aulnahmo  und  Inhärenz  diesen 
Accidens.  Ganz  das  Gleiche  sagt  P.  Molina  an  der  oben- 
genannten  Stelle.  Non  est  inlluxus  Doi  in  causam  ca  ratione 
i^ua  ugüus  est  (also  aktive  Potenz),  sed  cum  cautsa  ea  ratione 
qua  agena  est  in  ipsaoimet  ea  Tatiooe  qaa  patiena  eat  atqae 
in  se  anscipit  elFectam.   Bo  P.  Molina. 

Beweist  demnach  meine  Entwicklang  nickt  mehr  nnd  nicht 
weniger  als  dies,  und  ist  der  verehrte  Herr  Kritiker  damit  ein- 
verstanden, was  ich  aus  dem  Ganzen  annehmen  mnfii,  so  bin 
mcht  blofs  ich,  sondern  ist  auch  mein  Herr  Gegner  ein  MoliniRt 
reinsten  Wassers.  Warnm  i>*t  er  aber  dann  im  Anfange  seiner 
ersten  Recension  so  muti^^  R'eg'cn  P.  Moliua  autgetreten? 

Der  verehrte  Herr  Gegner  sagt  aber  in  seiner  ersten 
Kcceusiou  auch  noch  was  anderes  gegen  P.  Molina.  Ks  heil'^t 
nämlich  daselbst  S.  413:  „Kardinal  fhmzeltn  8.  J.  fordert  mit 
Capreolus,  Dominikus  Soto,  Kajetan  nnd  Bannes  und  andern 
eine  vorhergehende  innerliche  Verändernng  des  Agens  dnroh 
Hinan fägnng  neuer  Kraft".  Und  warum  verlangen  die  ge- 
nannten Autoren  eine  vorhergehende  innerliche  Verändernng  des 
Agens  durch  Uinzufügung  neuer  Kratt?  Ist  der  Wille  au 
fsich  aktive  Potenz,  d  h.  in  Wirklichkeit  thäti-r,  wozu  braucht 
er  dann  die  Hinzulugung  einer  neuen  Krall?  Zu  welchem 
Zwei  kt^  bedarf  er  dieser  neuen  Kraft?  Zum  Aulnehmen  der 
actio  otfcnbar  nicht,  denn  dazu  gehoiL  uburliaupt  keine  KraU, 
sondern  eine  Möglichkeit,  eine  Potenz.  Die  Potenz,  das  ge- 
rade Gegenteil  von  Kraft,  bildet  hekanntlieh  das  Prineipfilr 
die  Aufnahme  einer  innerlichen  Kraft  Die  Kraft  wird  Akt  ge- 
nannt, nicht  Potenz.  Wozu  hrancht  also  der  Wille  diese  hin  an- 
gefügte neue  Kraft?  Der  Herr  Gegner  mufs,  will  er  kon- 
sequent sein,  sagen:  der  Wille,  obgleich  aktive  Potenz,  braucht 
diese  hinzug-cfiiprte  neue  Kraft,  weil  er  noch  in  der  Potenz 
sich  befindet  zu  einem  weitern  actus,  niimhch  zu  der  actio. 
Ganz  einverstanden.  Ich  reiche  meinem  Herrn  Gegner  aus  ganzem 


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Biehtigstellungeu  der  AuBicbten  des  neaesten  Kommeoutors  etc.  453 


Herzen  die  Hand  und  begrüfsc  ihn  aufs  lebhafteste  als  echten 
ThomiKtcü.  Möge  ich  hundertmal  unrecht  haben  mit  meiner 
Behauptung,  der  Wille  sei  an  sich  eine  passive  Polenz,  und 
4er  Herr  Gegner  im  Rechte  sein  mit  der  Ansicht,  er  bilde  an 
bich  eine  aktive  Potenz,  das  veracblägt  nicht«.  £8  genügt  voll- 
kommen,  wenn  angenommen  wird,  der  Wille  an  sich  bedürfe 
einer  binsiigefttgteB  aeaen  Kraft,  am  m  baadelD,  weil 
er  Dooh  in  der  Poteas  let  «um  Handeln,  svr  Th&tigkeit 
Kaan  eich  der  Wille  diese  neue  Kraft  selber  hinzufügen?  Offenbar 
sieht,  denn,  sagt  der  Herr  Gegaer,  der  Wille  befindet  eich  an 
eich  in  der  Möglichkeit,  es  mufs  daher  eine  neue  Kraft 
innerlich  hinzugefügt  werden.  Die  hinzugefügte  neue  Kraft 
kann  nichts  anderes  sein  als  jene  ,motio  physica',  die,  ,natura 
••?t  causalitate'  der  Thätigkeit  des  Geschöpfes  vorhergehen  mui't^ 
üud  darum  auch  in  diesem  Sinne  ,praemotio  physica'  genannt 
werden  kann.  Und  diese  ,praemotio  physica'  mufs  nach  dem 
Herrn  Gegner  bei  jeder  TbStigkeit  etattbaben. 

o)  Damm  sehe  iob  wirklieb  niobt  ein,  warum  eieb  der  Herr 
Kritiker  eo  aebr  an  meiner  Anaiobt  eldTst,  der  Wille  aei  an  aieb 
eine  passiTe  Potens.  Das  ist  von  gaoa  untergeordneter  Be- 
deutung. In  der  Sache  sind  wir  ja  einer  Meinung.  Ich  be- 
stehe anch  blofs  auf  jener  dem  Willen  innerlich  hinzugefü  g-ten 
neuen  Kralt,  die  praeniotio  physica  hciTst,  weil  »io  , natura 
«t  cauHalitate*  vorfi «  r<,^eht  und  bei  jeder  Thätigkeit  des 
Willens  statthaben  muia. 

Aber  mein  unglücklicher  Vergleich  des  Willens  mit  der 
materia  prima!  Der  Herr  Kritiker  meint,  er  babe  durob  leine 
Bebanptung,  der  Wille  an  neb  bilde  niobt  eine  rein  pasiiTe, 
sondern  eine  aktive  Fotenit,  ledigüob  nnaem  Willen  niobt  au 
einer  materia  prima  in  ordine  eperativo  stempeln  laaeen 
wollen. 

Znnnchst  bemerke  ich,  dafs  der  verehrtn  Herr  Gegner  in 
meinem  Buche  vergebens  eine  Stelle  suchen  wird,  die  besagt, 
der  Wille  an  sich  verhalte  sich  in  ordine  operativo,  wie  die 
materia  prima  in  ordine  operativo.  Ich  habe  geschrieben, 
der  Wiiic  an  sich  verhalte  sich  in  ordiau  operativo,  wie  die 
materia  prima,  keineswege  aber  wie  die  materia  prima  in  ordine 
operatiYO.  Das  sind  swei  bimmelweit  Tersobiedene  Dinge. 
Die  materia  prima  ist  unfähig  nu  einer  Thätigkeit,  besitst  dasu 
gar  keine  Potens,  wedereine  fundamentale,  radikale  noch 
eine  formelle.  Die  Form  ist  Thätigkeitsprincip,  nicht  der 
StofT.  Meinen  Vergleich  in  dieser  Weific  zu  deuten,  dazu  hat 
•der  verehrte  Herr  U^er  absolut  kein  Recht.     Und  dock 


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454  Biebtigstellangen  der  Aoakhteft  dM  ttMtten  XMMMBlatAn 


geschieht  eö  m  den  vorhin  angezogenen  Worten:  „zu  einer  materia 
prima  in  ordine  operative".  Damit  wird  gesagt,  ich  hätte 
behauptet,  der  Wille  an  aich,  aUo  ohne  pracuiotio  phjBica,  be- 
Bifoe  keine  Fähigkeit  «i  hiadeln,  wie  die  mttsrie  prim 
keine  hnt  Dagc-^  en  molk  iek  allen  Bmitee  Verwahrang  einkgeii. 
Einige  Zeilen  später  korrigiert  nok  der  Herr  Gegner  and  «agi 
richtig,  wie  die  materia  prima  in  ordine  entitatire»  allein 
die  beigefügte  Anmerkung  kommt  wieder  auf  das  frühere  zurück. 
Daselbst  heifst  es:  „damit  Fl.V.  Bnhauptunp.  der  Wille  j:::leiche 
in  ordine  operativo  dem  ersten  »Stoffe,  der  materia  pnma,  uni 
sei  deshalb  gleich  dieser  in  ordino  operative  eine  potenlia 
mere  paRsiva,  richtig"  sei,  wäre  erforderlich,  riafs  der  Wille  an 
aich  weder  piiucipium  radicale  und  remolum  semer  Thiiiigkeii 
sei,  noch  jemals  prinoipinm  formale  nnd  prozimnm  desselben 
werden  könne;  denn  ao  Terhalt  ea  sich  bezüglich  der  materia  prima 
in  ordine  entitatiro  nnd  deabalb  ist  der  erste  StolF  besügliok 
des  Seins  eine  potentta  mere  passiva". 

Der  verehrte  Herr  Gegner  wird  sich  ohne  Zweifel  erinnern^ 
zu  wiederholtenmalen  im  hl.  Thomas  gelesen  zu  haben,  dafs  das- 
jenige, was  mit  einem  andern  verglichen  wird,  mit  diesem  letz  lern 
nicht  in  jeder  Beziehung  übereinzustimmen  brauche,  der-n  sons-t, 
bemerkt  der  englische  Lehrer,  hätten  wir  keine  Ähnlichkeit  mehr, 
süuderu  volle  Identität.  In  welcher  Beziehuug  habe  ich  dem- 
nach den  Willen  an  sieh  mit  der  materia  prima  verglichen? 
Seite  84  meines  Bnehes  heilkt  es:  „der  Wille  kann  alle  mög- 
lieken  Objekte  wollen,  an  einem  bestimmten  ist  er  nicht  hia- 
geordnet  Ebenso  kann  er  viele  Akte  aosttben,  oder  auch  nicht 
ansüben,  aber  zu  keiner  bestimmten  VoUziehnng  oder  Nicbt- 
ToHaiehang  seiner  Thtitigkeit  ist  er  hingeordnet".  Damit  habe 
ich  einen  Pnnkt  der  V^ergleichung  angcg-oben.  Die  materia 
prima  nämlich  ist  an  sich  eine  reale  Potenz,  hat  aber,  für  sich 
betrachtet,  keine  Bestimmung.  Sie  ist  an  sich  zu  keiner  be- 
stimmten Form  hiugeorduet.  Verhält  sich  nun  der  Wille  au 
sich  nicht  so?  Ist  er  an  sich  zu  einem  G-egenstande  bestimmt? 
Femer:  ist  der  Wille  an  sich  fttr  daa  Th&tigsein,  oder  Ar  das 
Unthätigsein  bestimmt?  Dann  wäre  er  in  ereterem  Falle  ob- 
jektiv» in  letstexem  aber  subjektiv  nicht  mehr  frei  Kaan 
man  also  die  Wahl  des  Yergleiohes  eine  gar  so  nnglück liehe 
nennen?  Ein  zweiter  Vergleichungspunkt  von  mir  war  folgender: 
„80  wenic:  die  materia  prima  sich  selber  die  Form  sieben  kann, 
eben  so  wenif^  kann  der  Wille  an  sich  sich  die  Th:iti<^keit 
geben,  sich  aus  dem  Zustande  der  Möglichkeit  io  den  der 
Wirklichkeit  überführen".    Mufs  man  diesen  Vergleich  eben- 


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RklktigsleUungea  der  Aasichieu  deft  neaeiten  Kommentators  etc.  455 


falls  einen  nnglückliohen  nennen?  Kann  vielleicht  der  Willo 
an  sich  »ich  selber  ans  der  Möglichkeit  in  die  Wirklich- 
keit übertühroD?  Keineswegs,  sagt  der  Herr  Kritiker,  dona 
derselbe  bedarf  dazu  einer  innern  Veränderung:,  bedarf  der 
UinKulüguDg  einer  neuen  Kraft.  Und  diese  Krai'i  neunen 
wir  ,motio  phyBica*.  Und  diese  ,motio  phjsica'  geht  »natura  et 
oamtlitftte^  der  ThStigkeit  dee  Geschöpfes  Torsiis  «od  ist 
in  jeder  ThStigkeit  notwendig.  Worin  liegt  nber  dann  die 
so  unglückliche  Wahl  meines  Vergleiches?  0£fenbar  in  der 
zweiten  Hälfte  meines  ersten  Vergleiches.  Ich  habe  nämlich 
daselbst  gesagt:  „ebenso  kann  der  Wille  yiele  Akte  ausüben^ 
oder  nicht  anwnbeD,  aber  zu  keiner  bestimmten  Vollziehung 
oder  iSichtvollziehung  »einer  Thfitigkeit  ist  er  hingeordnet.  Die 
matcria  prima  kann  ailerdingä  mch  die  Form  weder  gebeu^ 
noch  nicht  geben.  Insofern  ist  hierin  ein  grofser  Unterschied 
festzustellen,  aber  wem  in  der  Welt  könnte  es  denn  einfallen,, 
dem  Vergleiche  anch  diese  Bedeutnng  heizulegen,  nachdem  ich 
die  Worte:  bestimmte  YoUsiehnng  oder  KichlTolltiehnng  noch 
eigens  nnterstriohen  habe.  Niemand  kann  folglich  darüber  im 
unklaren  sein ,  worauf  der  Schwerpunkt  gelegt  wnrde  Ton  mir. 
Damit  fallt  die  Torhin  angezogene  Note  des  Herrn  Gegners  in 
ihr  Nichts  zurück.  leh  habe  die  Wahl  meines  nngliicklichen 
Vergleiches  noch  durchaus  nicht  seHn  r  cinf^cschcn,  sondern  ich 
halte  sie  in  dem  Sinne,  in  welchem  ich  sie  gemacht  habe,  heute 
noch  autrecht,  wie  gestern  und  ehedem.  Für  Mii»duuiungen  der 
Art,  wie  sie  hier  vorkommen,  darf  man  mich  darohaos  nicht 
verantwortlich  machen.   Die  stammen  ans  einer  andern  Qnelle. 

d)  Die  Lehre,  dalb  der  Wille  nicht  eine  passive,  sondern 
eine  aktive  Potenz  sei,  ist  nicht  erst  vom  „neaesten Kommentator 
des  hl.  Thomas"  eriunden  worden.  Jahrhunderte  lang  haben 
sich  die  Theologen  darüber  gestritten,  ob  der  Wille  eine  potentia 
passiva  oder  activa  sei.    So  der  Herr  Gegner. 

Ja,  wenn  dem  so  ist,  dafs  darüber  schon  Jahrhunderto  lang 
gestritten  wurde,  dann,  so  denke  ich,  werden  wir  iwei,  der  ver- 
ehrte Herr  Kritiker  und  ich,  die  Frage  auch  nicht  lösen.  Es 
wird  also  das  Vernünfdgste  sein,  dafs  jeder  bei  seiner  Ansicht 
bleibt,  ohne  dafo  wir  nns  gegenseitig  noch  weiter  befehden.  Viel 
wichtiger  ist,  dalb  der  BegriiF  passive  und  aktive  Potena 
genau  fixiert  werde.  Auf  diesem  Wegs,  so  hoffe  ich  mit  aller 
Zuversicht,  werden  wir  nns  am  ein  gnas  Bedeutendes  näher 
rücken.  In  ordine  operative  haben  wir  eine  dreifache  Potenz, 
zu  unterseheiHen.  Die  erste  ist  blofs  aufnehmendes,  leidendes 
Princip,  und  diese  nennen  wir  Stoff,  Materie.    Diese  Potena 


456  Riehtigslelloiigeii  der  Aneiehten  des  neoeiten  Konmentatonele. 


verhält  sich  iit  ordine  operativo  rein  passiv.  Man  vcr 
gleiche  aus  S.  Thomas:  1.  p.  q.  4.  a.  1.  —  3.  d.  14.  q.  1.  a. 
ä.  —  Quodi.  q.  lü.  a.  5.  —  3.  p.  q.  32.  a.  4.  —  2.  d.  18. 

1.  a.  2.  —  ib.  d.  dO.  q.  2.  a.  2.  —  Darum  aageo  wir»  der 
Stoff  eei  an  sich  trüge.  Er  bildet  tomit  ntoht  Tbatigkeits- 
prinoip.  In  dieser  Besiebnng  gleiebt  der  Wille  an  eaeli 
«neb  nicht  dem  Stoffe.  Scbiebt  man  mir  diese  Aneiebt  unter, 
80  kann  ieh  nur  mit  8.  Thomas  sagen :  ,^icot  DamaeceDtis  dia\ 
non  nece«8o  est  omnifariara  et  indelectivo  assimüari  cxcmpla. 
Qucid  coim  est  in  omnibus  simile  idem  uüqae  erit  et  noo 
exemplura.*'    3.  p.  q.  2.  a.  6.  ad  1. 

Eine  zweite  Potenz  ist  die  iSatuikralt.  Die  Kriille  der 
Katurdinge  sind  aktive  Kralle,  dünn  sie  sind  ununterbrochen 
tb&tig  nnd  werden  niobt  vom  Gegenstände  bestimmt  Diese 
fortwährende  Thätigkeit»  nebst  derBestimmnng  an  Einem, 
haben  sie  an  sich  oder  Yon  Natur  ans.  Anf  Gmnd  des  ersten 
Anstofses  durch  Gott  wirken  sie  fort  und  zwar  das  ihnen  Be- 
stimmte, selbstTerständlich  unter  Gottes  Mitwirknng,  unter 
fortdauer  jenes  ersten  AnstoHieß. 

Eine  dritte  Potenz  eßdli'  h  sind  die  Kratte  iin  Menschen, 
zuraal  der  Yerhtand  und  Wiiie.  Diese  sind  nicht  immer  thsitig, 
wie  die  Kratte  der  Natnrdinge,  und  auch  nicht  zu  Einem  be- 
stimmt, wiu  diese.  Sie  mü.sseu  daher  iu  zweifacher  Weise  be- 
stimmt werden:  au  dem  Gegenstande,  und  nur  Thfitigkett; 
an  sich  oder  von  Natnr  ans  sind  sie  weder  au  dem  einen,  noch 
aur  andern  bestimmt  Diese  Bestimmung,  aktiv  gefklbt»  nennt 
B.  Thomas  eine  Bewegung,  passiv  genommen  ein  Bewegtwerdea 
<oder  Leiden  im  weitesten  Sinne  des  Wortes. 

Nun  entsteht  die  Frage:  soll  man  den  Verstand  undWillcD 
-an  sich  aktive  oder  passive  Potenzen  nennen?  Mit  dem  Rtoffe 
verglichen  sind  sie  aktive  Potenzen,  denn  sie  bilden  Principe  der 
Thatigkeit  und  sind  auch  manchmal  thätig,  was  bei  dem  Stoffe 
nicht  zutrifft.  Verglichen  mit  den  Xrailuu  der  ISaturdioge, 
sind  es  passive  Potenzen,  weil  sie  bewegt  werden,  leiden, 
manchmal  ans  der  Botenz  in  den  Akt  ttbergefUhrt  werden, 
was  bei  den  vorgenannten  Kräften  nicht  der  Fall  ist  Diese 
letztem  feilen  niemals  in  den  Znstand  der  Potenz  zurttek.  Was 
mufs  demnach  vom  Willen  gesagt  werden?  Ist  er  an  sich 
eine  aktive,  oder  eine  passive  Potenz?  Unusqniaque  in 
«uo  sensu  abundet.  Ich  nenne  den  Willen  an  sich  eine  passive 
Potenz,  ich  sage  ausdrücklich:  an  sich  oder  seiner  Natur 
nach,  wie  ich  es  auch  im  Buche  gethan  habe.  Denu  nirgeudt 
habe  ich  behauptet,  der  Wille  sei  schlechthin  oder  überhaupt 


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RichtigstelluDgen  der  Ansichten  des  neuesten  Kommentators  etc.  457 


nar  eine  pasHivo  Potenz.  Dabei  ätiiUe  ich  mich  auf  fol^^ttde 
(iründe  ans  den  Werken  des  eug-lischen  Meisters: 

Erstens  sagt  der  hl.  Thomas  vom  Willen,  er  leide,  er 
empfange,  nehme  auf.  Das  aufnehmende  Frincip  ist  aber 
lUHsh  demselben  hl.  ThomaB  ein  passives,  Dicht  ein  aktives. 
Das  aktive  gibt»  teilt  seine  Ähnliobkeit  andern  mit 

Zweitens  lassen  sich  viele  Äosspräohe  des  bL  Thomas  Aber 
die  aktive  und  passive  Potena  kaum  anders  erklären.  80  sagt 
er  z.  B. :  die  Natur  unserer  Sinne  verlangt,  dafs  sie  passive 
Potenzen  seien,  wie  Aristoteles  im  zweiten  Buche  über  di«  Seele 
beweist.  Würden  also  die  Heiligen  bei  der  Auferstehung  ihre 
Sinneethaii^keit  nur  dadurch  auöubon,  dafs  die  Siüue  nur  nach 
aufsen  hin  auBstrahleu,  aber  nicht  auch  aufnehmen,  so  wären 
die  Sinne  nicht  passive,  sondern  aktive  Kräfte.  Diese  Sinne 
geborten  folglich  nicht  derselben  Art  an  wie  jetat  4«  d.  44. 
q.  2.  a.  1.  q.  3.  Damit  tritt  die  an  mich  gerichtete  Frage  des 
Herrn  Kritikers:  „wenn  nnn  aber  aneb  die  vis  visiva  nicht  actn 
thätig  ist,  bort  sie  etwa  deshalb  auf,  eine  potentia  activa  zu 
sein?  wird  sie  etwa  dadurch  eine  potentia  passiva?"  in  das 
richtige  Licht,  Nun  ist  aber  nach  S.  Thom;iH  aiioh  der  Wüle 
ein  aufnehmendes  Princip.  Folglich  nenneich  ihn  nicht  ganz 
mit  Unrecht  an  sich  eine  passive  Potenz. 

Anderswo  heiCstes:  „der  habiUis  ist  niemals  in  der  aktiven 
Potenz,  gondern  blofs  in  der  passiven,  und  dieser  habitus  ist 
veUkommener  als  diese  Polens'',  de  potentia  q.  1.  a.  1.  ad.  4. 
Im  Willen  aber  befinden  sich  wirklich  habitas.  Ferner:  „Die 
passive  Potena  folgt  dem  Seienden  in  der  Potena,  wie  die 
aktive  dem  Seienden  in  actn".  2.  contr.  Gen.  c.  7.  Nun 
gesteht  der  Herr  Gegner  selber,  der  Wille  sei  an  sich  blof« 
in  der  Mög-lichkeit  zu  handeln,  also  doch  wohl  in  der  Potenz. 
„Die  aktive  Potenz  kommt  einem  Dinge  zu,  insorcrn  es  actu 
ist",  ib.  c.  8.  Also  die  aktive  Potenz  in  ordine  operativo 
kommt  einem  Dinge  zu,  insofern  es  actu  handelt.  Odersollen 
wir  diesen  Ausspruch  in  dem  Sinne  vcrHlehun:  insofern  es  actu 
existiert?  Dann  gäbe  es  in  den  Geschöpfen  überhaupt  keine 
passiven,  sondern  nnr  aktive  Potenaen.  Ks  kann  also  nur 
der  erstere  Sinn  der  richtige  sein.  Der  Herr  Gegner  gibt  aber 
zu,  dafs  der  Wille  an  sich  blofs  in  der  Möglichkeit  za 
handeln  sei.  Foglich  ist  er  an  sich  nicht  aktive,  sondern 
passive  Potenz.  ,.Der  "Sinn  ist  erne  paH«:ve  Potenz,  denn  er 
befindet  sich  nicht  in  actu  in  Bezug  auf  alles  das,  aut  was  sich 
seine  Thiitigkeit  durch  die  Natur  der  Potenz  erstreckt.  Es  kann 
nicht  etwas  geben,  was  alle  Farben  actu  besitzt.    Indem  es 


458  JÜdilicttoUiiaiMi^r  AiiiflkleadMiMiMiCMKoaaMDtatoncfe. 


also  vou  den  i'arbeu  ieidet»  wird  eä  lu  acta  gesetzt,  und  iimeil 
ähnlich,  iiiid  erkamit  sie.  Bbeaao  erk^imt  der  Vmtud  «Um 
Seieade.  Keine  Kreatar  jedoch  kenn  in  acta  eein  beiiigtich  de» 
gnnten  Seine»  wefl  dieeee  vnendlich  iet  Biee  kcmmt  hieb  Gelt 
SQ.  Daher  Teimag  keine  Kreatur  zn  erkennen  ohne  einen  Yer» 
stand,  der  passiv  d.  h.  aufnehmend  sich  verhält  Wedw 
der  Sinn  noch  d<^r  intellectns  possibilis  können  foljrÜfh  thätijr 
sein,  wenn  sie  nicht  durch  ihre  Aktiven  vervollkommnet  oder 
bewegt  werden",  3.  d.  14.  q.  1.  a.  1.  qu.  2.  Mnfs  diese  Lehre 
des  englischen  Meisters  nicht  auch  auf  den  Willen  angewendet 
werden?  £s  ist  kaum  uudcra  möglich.  ,,}i>mu  beaLimmte 
Tha^keit  geht  nur  ana  einem  bestimmten  Agena  herror. 
Wae  eich  also  blofs  in  der  Potent  befindet^  ist  nicht  thätig, 
weil  es  sich  Yielen  gegenüber  nnbeatimmt  Terhüt".  1.  d.  4^. 
q.  I.  a.  3.  Nach  dem  Zeugnis  des  Herrn  Kritikers  befindet  sich 
der  Wille  an  eich  blofs  in  der  Möglichkeit  an  handeln. 
Er  ist  also  an  sich  nicht  thnitifr  Wie  nennt  man  aber  ein  Ding, 
das  unihatig  ist?  Ofifenbar  passiv,  gleichwie  wir  sagen: 
die8( m  und  jenem  gegeuuber  verhalte  ich  mich  rein  passiv. 
„Aktiv  OS  Princip  ist  etwas,  insofern  es  acta  und  voll  k  o  m 
sich  erweiat.  Ein  JJiug  leidet  hingegen,  iasofern  es  mangel- 
haft nnd  nn vollkommen  iat  Die  aktive  Potens  bildet  das 
Princip,  anf  ein  Anderes  an  wirken,  die  paasive,  von  einem 
Andern  an  leiden".  1.  p.  q.  25.  a.  1.  Nach  der  Anaicht  des 
Herrn  Gegners  ist  der  Wille  an  eich  blofs  in  der  Möglieb* 
keit  zu  handeln.  Der  Wille  an  sich  mufs  infolgedessen 
mangelha  tt  und  unvollkommen  genannt  werden,  denn  offenbar 
verhalt  er  sich  vollkomraennr  nnd  weniger  man  jirel halt, 
weuD  er  in  der  Wirklichk  e  i  t  handelt.  Ebenso  leidet  der 
Wille  an  sich,  einerseits  vom  Objekte,  andererseits  von  der 
^motio  physica',  die  ,natura  et  causalitate'  der  Thätigkea  des* 
selben  vorhergeht  Wenn  er  aber  leidet,  dann  ist  er  an 
sich  eine  passive,  nicht  eine  aktive  Potena.  „Von  dem,  was 
die  ThStigkeit  des  Agens  anfhimmt,  sagt  man  ebenSUls,  es  habe 
eine  Potenz.  Und  diese  ist  die  passive  Potenz."  1.  d.  42. 
q.  1.  a.  1.  ad.  l.  Der  Wille  nimmt  die  Thätigkeit  des  auf  ihn 
einwirkenden  Objektes  und  den  Einflufs  der  ,motio  pbysics* 
anf.    Folglich  ist  er  an  sich  eine  passive  Potenz. 

Die  Stellen  an«  8.  Thoraas,  welche  der  Herr  Gegner  zu 
meiner  Widerleguug  aaführen  zu  müsHcn  glaubt,  treffen  mich 
somit  nicht  Denu  ans:  1.  p.  q.  82.  4  kanu  nur  g6«cblo6seQ 
werden,  dafs  der  Wille  ilberbavpc  aneh  aktive  Potenz  sei. 
nicht  irf>er,  dafii  er  an  sich  eine  aktive  Potenz  bilde. 


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RichtigsteUttBgen  der  Anflehten  des  neuesten  Kommenteton  etc.  459 


▼eritate  q.  22.  a.  9  bewoist  das  gerade  Gegenteil.  Baselbet 
zeigt  nämlich  8.  Thomas,  inwiefern  der  Wille  bewegt  werden 
könne.  Da  aber  Bewegtwcrdeii  soviel  heifst  als  sich  pasBiY 
verhalten,  leiden,  so  folgt  daraus  das  gerade  Gegenteil.  Die 
zweite  vom  Herrn  Kritiker  angeluhrte  Stelle:  de  veritate  q.  22. 
a.  11.  ad  5  besagt,  dafs  der  Verstand  dou  Willen  objektiv 
regiere,  was  somit  ebenfalls  beweist,  dal's  der  Wille  an  sich 
eine  paesiTe  Poten  ist,  denn  MMist  Jcdnnte  er  nicht  bewegt 
werden.  Dawelbe  gilt  von  den  andern  gegen  mich  In  die 
Sohranken  gerufenen  Kommentatoren  des  hl.  Thomas.  An  sieb 
bildet  der  WiUe  eine  passive  Potena,  «ohlechthin  oder  über- 
haupt mufs  man  ihn  eine  aktive  Potenz  nennen.  Ich  habe  bis 
jetzt  nicht  eine  einzige  Stelle  in  den  Werken  des  hl.  Thomas 
gefunden,  in  welcher  gcsag-t  würde,  dasjenip'e,  was  sich  in  der 
Möglichkeit  oder  Potenz  beiludet,  müsse  man  aktiv  nennen. 
Sollte  der  verehrte  Herr  Kritiker  eine  derartig;  lautende  Stelle 
entdecken,  ««u  wurde  ich  recht  sehr  bitten,  mir  dieselbe  geialligst 
mitteilen  an  wollen.  leb  wäre  dalür  aehr  dankbar,  weil  es  mir 
rein  nur  nm  die  Sache  selber  an  thnn  ist  Bis  dahin  aber  mnb 
ieh  unbedingt  an  der  Lehre  des  hl.  Thomas  festhalten,  welche 
derselbe  in  folgender  Weise  ausspricht:  „es  gibt  eine  aktive 
Potenz,  welcher  der  Akt  enteprtcht,  die  Thätigkeit  nämlich.  Es 
g^ibt  aber  auch  eine  andere  Potenz,  die  pasBive,  weloher  der 
erste  Akt  entspricht,  nämlich  die  Form.  Nichts  aber  leidet, 
aul'ser  auf  Grund  der  passiven  Potenz.  Ebenso  bandelt  nichts, 
aufser  in  Kraft  des  ersten  Aktes,  der  Form,  de  potentia  q.  1. 
a.  1.  Sobald  etwas  von  einem  Anderu  bewegt  wird,  ist  die 
Potena  des  Leidens  und  der  Thätigkeit  nicht  dieselbe  (L  o. 
ad  16).  In  1.  2.  q.  10.  a.  4  heifst  es  allerdings  voluntaa  eat 
actiTum  prinoipium,  allein  es  wird  darin  nicht  gesagt,  der 
Wille  sei  dies  an  sich  oder  von  Katur  ans.  Wenn  er  yen 
üott  bewegt  werden  mufs,  davon  spricht  6.  Thomas  in  diesem 
Artikel,  wenn  er  also  leidet,  so  folgt  seiner  Theorie  gemäfs, 
dafs  der  Wille  an  sich  eine  passive  Potenz  ist.  Aktive 
Potenz  wird  er  durcli  die  doppelte  Bestimmung  resp.  Bcwe^nmg, 
welche  vom  Objekte  und  von  Gott  auhgeht  und  vom  illen  auf- 
genommen wird.  Ob,  und  in  wie  weit  ich  von  der  Lehre  des 
hl.  Thomas  in  diesem  Funkte  abgewichen  bin,  das  mögen  die 
geehrten  Leser  beurteilen. 

e)  Der  Terehrte  Herr  Gegner  sagt,  ich  scheine  au  meiner 
Ansiebt  von  der  rein  passiven  Potentialität  des  Willens  da- 
durch gekommen  an  sein,  dab  ich  in  einem  fort  die  potentia 
activa  mit  dem  agens  in  acta  Terwechsle. 


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460  Riehtigstellungen  der  Aotichten  des  neaeiteo  KommeaUtort  etc. 


Das  lAt  richtig.  Aber  aoch  das  nt  richtig,  data  8w  Thomaa 
da»  Nämliche  Ihn  f.  Was  mgt  der  enfr!i?^che  Lehrer  von  der 
aktiven  Potenz.-'  Der  aktiven  Potenz  entspricht  die  Thiitig- 
keit  oder  actio,  in  welcher  die  aktive  Potenz  kompiet  wird. 
Die  aktive  Potenz  bildet  das  Princip.  aul  ein  Anderes  als  auf 
den  von  ihr  hervorgebrachten  Elleki  wirken  i.  d.  42.  q.  1. 
a.  1.  ad  1  and  3.  Es  gibt  eine  doppelte  Poteos,  die  eine  heilst 
aktive,  und  dieser  entepriebt  der  Akt,  nämlich  die  ThStigkeit» 
die  andere  ist  die  passive  Potena,  welcher  der  erste  Ak^  die 
Form  entspricht  Nichts  aber  leidet  aufaer  auf  Grund  der 
passiven  Potenz.  Ebenso  erweist  sich  nichts  als  tbätig,  aufser 
in  Kraft  des  ersten  Aktes,  der  Form.  De  potentia  q.  1.  a.  1. 
Die  aktive  Potenz  is^t  das  Princip,  auf  ein  Anderes  zu  wirken, 
IQ  sofern  es  ein  Anderes  ist.  Wie  die  passive  Potenz  dem 
Seienden  in  der  Potenz  folg-t,  »o  folp't  die  aktive  auf  das  Seiende 
in  actu,  denn  jedet»  Uiug  handelt  dadurch,  dafü  es  in  actu, 
and  es  leidet  dadaroh,  dars  es  in  der  Potenz  ist  Die  aktive 
Potens  kommt  einem  Dinge  insofern  an,  als  es  acta  ist  2,  contr. 
Gent  e.  7  und  8. 

Welchen  Unterschied  macht  also  der  hi  Thomas  swisobeB 
der  aktiven  Potens  oad  dem  sgens  in  acta?  Keinen ,  wie 
jedermann  sieht. 

Der  Herr  Kritiker  macht  folgende  Unterscheidung:  aktive 
Potenz  nennen  wir  jene,  die  zu  einer  Tbäligkeit  hingeordnet 
ist  Agens  in  actii  dag-eguu  heifst  dasjenige,  welches  zu^^amuieu- 
gesetzt  ist  aus  dum  Dinge,  welches  t  hat  ig  ibt  aub  der  aktiven 
Potenz,  wodurch  es  diese  Thätigkeit  aasübt,  und  aus  der 
Thstigkeit  selber,  welche  durch  diese  Potens  anstände  kommt 
Br  fttgt  noch  bei,  die  potentia  activa  and  dss  agens  in  acta 
seien  dem  hl.  Thomas  himmelweit  von  einander  verschiedese 
Dinge.  Wir  wollen  sehen,  ob  sich  der  Herr  Gegner  in  dieser 
Beziehung  überhaupt  mit  dem  hl.  Thomas  selber  viel  be- 
schäfligt  hat. 

Dem  Herrn  Gregner  bildet  der  Wille  an  sich  ans  dem 
Grunde  eine  aktive  Potenz,  weil  er  zu  einer  Thätigkeit 
hingeordnet  ist.  Was  sagt  aber  IS.  Thomas?  „Der  aktiven 
Potenz  entspricht  die  Thätigkeit,  die  actio".  Kann  man  dies 
vom  Willen  an  sich  behaapten?  Nein,  denn  die  Thätigkeit  ist 
nach  dem  Herrn  Gegner  ein  principiatam,  eio  caasatain 
der  aktiven  Potenz.  Ebenso  befindet  sich  nach  ihm  der  Wille 
ao  sich  blofs  in  der  Möglichkeit  zu  haodelo.  Der  wirk- 
samen Ursache  in  der  Möglichkeit  kann  aber  niemals  die 
Thätigkeit  entsprechen.  Die  Thätigkeit  ist  etwas  in  acta,  nicht 


Richtigstellallgen  der  Ansichten  des  neaesteo  Kommentators  etc.  461 


in  der  Möglichkeit,  in  potentia,  während  der  Wille  an 
siob  blofo  in  der  Möglichkeit  eich  befindet  D«r  Potenz  in 
der  Möglichkeit  entspricht  vielmehr  das  Leiden,  nicht  da* 
Thätig'scin.  Dieser  Potenz  entspricht  nach  der  ausdrücklichen 
Lehre  des  englischen  MtiHtrrs  die  Form  oder  der  erste  Akt. 
Ferner  ist  nichts  thälig"  uulbur  in  Kraft  der  Form,  des  ersten 
Aktes.  ÜeöiLzL  der  VViiic  an  »ich  diesen  ersten  Akt,  die  Form? 
Keineswegs,  denn  sonst  wSre  er  nicht  an  sich  in  der  blofsen 
Möglichkeit  sn  baadein.  Vergebeae  wird  der  Herr  Gegaer 
im  bl.  Thomas  eioe  Stelle  soeben,  in  welcher  gesagt  wird,  das- 
jenige, was  sich  bloth  in  der  Högl  ich keit  befindet,  besitze  eine 
Form.  Was  eine  Vorm  hat,  das  ist  in  acta,  nicht  aber  in  der 
Möglichkeit.  Weiter  wirkt  die  aktive  Potenz  auf  ein  Anderes, 
Vermag  dies  der  Wille  an  sich?  Darchaus  nicht,  sagt  der  ver- 
ehrte Herr  Gegner,  denn  der  Wille  an  sich  befindet  sich  blois 
Jn  der  Mög'lichkeit  zu  handeln.  Zum  thatsächlichen  Wirkou 
bedarf  er  der  ,praemotio  physica'.  Die  aktive  Potenz  folgt  über- 
dies dem  Seienden  in  actn.  Bildet  der  Wille  an  sich  in 
ordine  operatiTO  ein  Setendes  in  aetn?  Kein,  sagt  nas  der  Herr 
Gegner,  er  ist  vielmehr  ein  Seiendes  in  der  Poteas,  denn  er 
besitzt  blofs  die  Möglichkeit  zn  bundein.  Bas  Mögliche  ist 
aber  in  der  Potenz,  nicht  aber  in  acta,  und  die  aktiTe 
Potenz  kommt  einem  Dinge  nach  8.  Thomas  insofern  zn,  als 
es  in  acta  ist.  Die  Hinordnung"  allein  zu  einer  Thätigkeit 
genügt  also  dem  Doctor  Angelicns  durchaus  nicht,  um  den  Willen 
eine  aktive  Potenz  zu  nennen.  Der  Herr  Gegner  hätte  darum 
viel  besser  gethan,  sich  eingehender  mii  dem  hl.  Thoma»  zu  be- 
scbäiUgen,  statt  uns  zu  sagen,  was  P.  Snarez  unter  der  aktiTe» 
Potena  Terstebt,  wenn  er  überhaupt  mir  gegenttber  den  Nach- 
weis erbringen  will,  ich  sei  rom  hl.  Thomas  abgewichen. 

Was  versteht  demnach  der  englische  Meister  unter  der 
potentia  aotiva?  Die  poteatia  passiva  zugleich  mit  einem  Akte, 
einer  Form.  Was  ist  nun  dieser  erste  Akt,  diese  Form?  Damit 
kommen  wir  auf  die  praemotio  physica  zu  spreoben.  Was  haben 
wir  uns  unter  der  praemotio  physica  zu  denken V  Ö.  Thomas 
antwortet: 

virtus  oaturaliB  quae  est  rebus  naturalibus  in  sua  institu- 
üone  coUata,  inest  eis  ut  quaedam  forma  habens  esse  ratnm 
et  firmnm  in  natanu  Sed  id,  quod  a  Oeo  fit  in  re  natnrali,  qne 
aetniiter  agat,  est  nt  intentio  sola,  habens  esse  qnoddam  in- 
oompletnm  per  modnm  qno  oolores  snnt  in  aere  et  virtus  in 
instrnmento  artjftcis.  de  potentia  q.  3.  a.  7.  ad.  7.  Der  Wille 
an  sieh  oder  als  passive  Potenz  ist  also  eine  gewisse  Form» 


^  kj  .1^  .^  i  y  Google 


462  BicbtigsteUuugeo  der  Aoiichten  des  oeuesteo  Kommentaton  etc. 


die  ein  vollständige«  und  feste?'  J^ein  hat.  Allein  dnsjenipfe,  was 
Gott  iQ  diesem  W'illea  bewirkt,  damit  er  thatsachlich 
haDdlo,  ist  etwas  Unvollständiges  dem  Sein  nach,  also  eioe 
Form  mit  einem  vorübergehenden  Sein,  im  Gegensätze  tn 
dem  Willen,  als  passive  Putcu:^  au%elai's^  der  ein  ieatut»  Öexa 
beaitst.  6.  Thomas  nennt  die  praemolio  pbysicn  aneh  eine  Be- 
weguD^,  besiehuDgsweise  ein  Beweg^werden.  In  welohem  Sinne 
«r  dieses  versteke»  sagt  er  nns  selbeor:  „forma  reeepta  in  atiqao 
non  moTet  illnd  in  qne  recipitar.  Bed  ipsum  habere  talem 
formam  est  ipsnm  motum  esse;  sed  moTetar  ab  ezteriori 
agente,  sicut  corpus  qnod  calcfit  per  ignem  non  movetur  a  ealoie 
recepto,  sed  ab  igne.   de  veritate  q.  22.  a.  5.  ad.  8. 

Damit  ist  der  BegriÖ  der  aktiven  Potenz  vom  hl.  Thomas 
selber  genau  angegeben.  Der  Wille  als  passive  Potenz  wird 
voa  Gott  bewegt.  Diese  Beweguag  ml  eme  v or ubergeiiuüd 
im  Willen  aufgenommene  Form,  nnd  dadurch  wird  er  akttTe 
Potens.  Der  passiven  Potena  entspricht  der  erste  Akt,  die 
Form»  In  Kraft  dieses  ersten  Aktes,  der  Form,  ist  der  Wille 
an  sieb  tbätig,  wird  er  aktive  Potenz,  agens  in  actu,  und 
dadurch  formelles,  unmittelbares  Prinoip  der  Tbätigkeit 
Jedes  Ding  handelt  dadurch,  dafs  es  in  actu  ist.  Nur  in  dieser 
Weise  entspricht  ihm  die  Tbätigkeit.  Nnr  in  dieser  W^eise  wirkt 
der  Wille  auf  ein  Anderes,  auf  seine  eigene  Thätigkeit. 

Die  wirkliche  Lehre  des  hl.  Thomas  läfst  sich  kurz  in 
ibigeudü  Punkte  zusammenfassen: 

1^  Die  Kreaturen  sind  nicht  blofli,  d.  b.  sie  sind  nicht 
um  ihrer  Existens  willen  da,  sondern  der  Zweck  ihres  Da- 
seine  Ut  die  Thätigkeit  Die  Thätigkeit  bildet  die 
Vollendung  des  Gesehöpfos.  Damit  lallt  das  System  der  Occi- 
sionalisten. 

2^.  Kein  Geschöpf  ist  unmittelbar  durch  sich  selber,  d.  h. 
durch  seine  WeMcnheit  thätig.  Dies  komrot  blofs  Gott  M. 
Darum  hat  Gott  den  Kreaturen  Fähigkeiten  oder  Potenzen 
g^ebeu,  die  zur  Thätigkt  it  bostiramt  oder  hingeordnet  sind. 

3**.  Diese  Potenzen  sind  au  sick  assiv e  Potenzen,  d.h. 
sie  befinden  sich  an  sich  blofe  in  der  Möglichkeit,  thätig  zn 
sein.  In  der  Wirklichkeit  thätig  an  sein,  befindet  sich  an 
sich  oder  von  Natur  aus  Gott  allein. 

4^.  Den  Potenzen  in  der  Möglichkeit  entspricht  eise 
Thätigkeit  in  der  Möglichkeit.  Und  doch  sind  sie  Toa 
Gott  bestimmt  zu  einer  wirklichen,  nicht  zu  einer  möglichen 
Thätigkeit.  Sie  rnnsoon  also  dahingebracht  werden,  dafs  ihnen 
eine  Thätigkeit  in  der  Wirklichkeit  entspricht,  denn;  omse 


RichtigfiteilQogeo  der  Ansichten  dea  neuesten  Kommentators  etc.  463 


agens  agit  Bibi  simile,  und  die  Thätigkeit  Ist  ein  Produkt,  eio 
£ffekt  in  der  Wirklichkeit  der  wirksamen  Potonzon 

5^.  Folp-lich  müssen  die  Potenzen,  die  an  s  eh  nder  von 
Natur  aus  blolö  iii  der  Möglichkeit  sich  befindeu,  au»  dieser 
Möglichkeit  herausgetührt  werden.  Sie  luusseQ  Potenzen  in 
der  Wirklichkeit  werden,  denn  nur  lo  entspricht  ihnen  eine 
Tliitigkeit  io  der  Wirklichkeit.  Vermögen  diese  Potenm 
eieb  selber  ans  dem  Zustande  der  Ilöglicbkeit  berausin- 
führen?  Keineswegs;  denn  alles,  was  in  der  Möglichkeit  ist, 
omfii  in  die  Wirklichkeit  übergeführt  werden  durch  etwas,  was 
sehen  in  Wirklichkeit  ist.  Dies  gilt  in  ordine  operativo 
prnt,  wie  in  ordine  entitativo.  Wirklichkeit  in  ordine  opera- 
tive hat  an  sich,  wie  gesagt.  Gott  allein.  Er  mul's  folglich 
die  Potenzen  in  die  Wirklichkeit  übertühren. 

6®.  Wie  geschieht  das?  Er  bewegt  sie,  d.  h.  er  teilt  ihnen 
eine  Art  Form  mit,  die  jene  Eigenschaften  besitzt,  welche 
8.  Tbomas  Mber  Ten  ihr  angegeben  hat  Darob  diese  von  Gotfc 
mitgeteille  nnd  ycn  ihnen  anfgenommene  Kraft  oder  Form 
werden  die  an  sich  passiven  Potenzen  aktive  oder  ein  agens 
in  acta,  in  der  Wirklic  hkeit.  Daher  entspricht  ihnen  aneb 
die  Thätigkeit  in  der  Wirklichkeit,  denn  omne  agens  agit 
sibi  simile.  Noch  eine  andere  Gleichheit  ist  vorhanden.  Dio 
Putenzen  Bind  in  diesem  Zustande  zusammengesetzt  aus  der 
Möglichkeit,  v.  eiche  sie  von  Natur  aus  mitbringen  und  au» 
der  aufge D om in e II o  u  Eorm,  also  aun  Potenz  und  Akt:  die 
Thätigkeit  ist  ebenfalls  zusammengesetzt  aus  Potenz  und 
Akt,  ans  der  Wesenbett  nnd  Sxistena. 

7*.  Die  Anfiiahme  dieser  iron  Gott  der  passiven  Polens 
mitgeteilten  Kraft  dnrcb  die  Potens  selber  füllt  mit  der  Tbitig- 
keit  dieser  Potenz  nicht  zeitlich,  sondern  nur  der  ,Natnr  nnd 
Kausalität'  nach  auseinander.  Immerhin  jedoch  müssen  iwei 
real  nntcrschiedene  Dinge  anaeinander  trf'haUcn  werden. 
Bei  der  Aufnahme  Hinser  Kraft  oder  Form  verhält  sich  die 
Potenz  eben  aufnehmeud  oder  pasKiv.  bei  der  Thätigkeit  ist 
die  Potenz  selber  aktiv.  In  operatione  <jua  Deus  operatur 
movendo  naturam,  non  operatur  natura;  sed  ipsa  naturae 
opera^  est  etiam  operatio  Tirtutia  divinae,  siont  operatio  instm- 
mentt  est  per  Tirtntem  agentis  principalis.  de  potentia  q.  8. 
s.  7.  ad.  3.  Oder:  Operatio  enim  alicojns  effectos  non  attribaitnr 
mobili,  sed  moventi.  In  illo  efgo  effeotn,  in  qno  mens  nostra 
est  mota,  et  non  movens,  solus  autem  Dens  mOTOos, 
operatio  Dco  attribuitur.  In  illo  autem  offectu,  in  quo  mens 
no^t^;i  et  movet,  et  movetur,  operatio  noD  solum  attribuitur  Deo, 
Jahrbueli  Ar  PlilloMphI«  ete.  VI.  W 


464:  RtchtigsteUuogea  der  Aiisicbien  des  oeoesten  KommdoutOTg  etc. 


ted  etiam  animae.  1.  2.  q.  III.  a.  2.  Aber  vielleicht  ist  diese 
BewegüDg  dnrch  Gott  identisch  mit  der  Thätigkeit  der 
Potenzen?  Nein,  denn;  licet  motus  sit  communis  actus  moventi*« 
et  nioti,  tarnen  alia  operatio  est  i'acerp  raotum,  et  alia 
reoipere  innttnu.  Undeetduo  praedicameuta  poauatur  facere 
et  p all.  2.  contr.  Gent.  c.  57.  n.  2. 

INMes  ist  in  KfiiM  die  Lehre  des  U.  Thomas.  Deb  diese 
Lehre  himmelweit  von  den  Ansiehten  des  Herrn  Kritiken 
•bwetoht»  liegt  klar  ta  Tage. 

f)  Ich  wollte  in  meiner  Erwiderung  auf  dieEeoension  meinen 
geehrten  Herrn  Gregoer  retten  and  schrieb  deshalb,  dafs  er 
.,Tinum wunden**  anerkenne,  das  aktive  Princip,  die  aktive 
Potenz  oder  das  agens  in  aotn  seien  identische  Begriffe, 
ich  Htiitzto  mich  dabei  auf  di*  voiii  Herrn  Kritiker  aafgestellten 
Prinzipien  und  zog  daraus  dit-  lo^^isch  richtigen  Bchläase. 
Alii  ausdrücklichen  Worten  hütte  der  geehrte  Herr  Gegner 
meine  Ansicht  allerdings  nioht  bestätigt  Im  Torliegenden  Hefte 
legt  er  nnn  gegen  diese  meine  Anfbssang  feierlioh  »»Verwahmog" 
ein.  Nnn  gnt:  wem  nioht  an  raten  ist|  dem  ist  auch  nicht  an 
lielfen.  Der  Herr  Gegner  raufs  es  sich  dann  gefallen  lasseo, 
dafs  ich  ihm  in  einem  fort  Widerspruche  mit  dem  hL  Thomas 
und  mit  sich  selber  nachweise. 

Do.r  Wille  ist  nach  dem  Herrn  Gegner  eine  aktive  Potenz. 
Dann  entspricht  ihm,  gemäfs  der  Lehre  des  hi.  Thomas. 
operatio,  die  actio  in  der  Wirklichkeit.  Wozn  braucht  er  duui: 
noch  die  ,motio  physiua',  die  ,naLura  et  causalitate'  der  ThaLi^- 
keit  Torhergeht?  Die  aktive  Potenz  bedarf  im  Sinne  des 
hl.  Thomas  keiner  »praemotio  physica',  sondern  des  Simnltaa- 
konknrses.  Operatio  natorae  est  etiam  operatio  ¥irtotis 
diTinae.  Der  Wille  befindet  sich  laut  dem  Zeugnisse  des  Herrn 
Gegners  blolk  in  der  Möglichkeit  za  handeln.  Wie  kann  aber 
das  in  ordine  operative  Mö|^liche  aktive  Potenz  sein?  Die 
aktive  PntPTiz  i'^^t  nach  Ö.  Thomas  in  de.r  Wirklichkeit,  nicht 
in  der  Müghchkeit  zu  handeln.  Und  wie  kann  der  Potenz  in 
der  hlol'scn  Möglichkeit  eine  Thätigkeit  in  der  Wirklich- 
keit enibpjcchen ,  wie  8.  Thomas  sie  lehrtV  Ferner  schreibt 
der  Herr  Gegner,  Feldner  habe  gana  richtig  die  praemo^ 
physiea  besohrieben  als:  y,die  ÜberfÜhrang  der  awar  handelns- 
fähigen»  aber  aotu  noch  nicht  handelnden  Kraft  ans  dem 
Znstande  der  Möglichk eit  in  den  Zustand  der  Wirklichkeit 
des  Handelns".  Was  für  eine  aktive  Potens  ist  das,  die  actn 
noch  nicht  handelt,  und  infolge  dessen  erst  übergeführt 
werden  mala  zum  Handeln?  Kach  S.  Thomas  wird  die  aktive 


^  kj  i^uo  uy  Google 


EichiigsteUuugeu  der  Aosichteu  des  neuesteu  Koinnieatators  etc.  '^05 


Potenz  niemals  ü  borge  führt  zum  Handeln.  Dies  g^e»chieht 
mit  der  passiven,  mit  der  Potenz  in  der  Möglichkeit,  was 
der  Herr  Kritiker  selber  zug-eäteht  Die  aktive  Potenz  bringt 
bereits  eine  Wirkung-,  die  operatio  oder  actio  hervor. 

Der  Herr  (jegntjr  «ciireibt  teruer,  der  VViilt;  an  sich,  also 
in  seinem  Sinne  die  aktive  Potenz  braaohe  noch  eine  vorher- 
gehende innerliehe  Verindening  dnreh  Hinsnfügung  nener 
Kraft.  Wo  hat  der  Herr  Gegner  im  hl.  Thohias  je  gelesen,  daA 
die  aktive  Potenz  erstens  einer  Torbergehenden,  sweitena 
einer  innerlichen  Vefändernng»  drittens  einer  nenen  Kraft 
bedürfe?    Doch  genug'  davon. 

g)  Der  Herr  Kritiker  findf»t  in  meiner  .Schrift  auch  noch 
ein  ander^'H  Cnriosum,  nämlich  ein  agens  in  actu,  d.  h.  ..«'in 
in  Wirklichkeit  thätig  Seiendes'^^,  welches  dennoch  keinerlei  Thatig- 
keit  aubübt. 

Sehen  wir  uns  den  Text  in  meinem  Bache  etwas  näher 
an.  S.  81:  „es  wnrde  berail»  dargethan,  dafs  der  Wille,  wenn« 
d^eicb  er  in  aotn  oder  agens  in  aota  isi  sieh  doch  noch  seiner 

eigenen Thätigkeit  gegenüber  passiv  verhält,  weil  diese  Thitig- 
keit  ein  Accidens  ist,  welches  dem  Willen  als  seinon  Sub- 
jekte inhäriert  Insofern  diese  Thätigkeit  Wirkung  oder 
Effekt  dos  Wülfns  ist,  befindet  sich  letzt'Tor  Glicht  in  der 
Potenz  zu  ihr,  verhält  er  nich  ihr  g-ep'f^nüber  nicht  passiv, 
sondern  aktiv.  Er  bildet  vitjiinehr  die  wirksame  Ursache 
dieses  üflekten.  Passiv  ist  der  Wille  nur,  inBoferu  die  Thätig- 
keit ein  Accidens  ist  und  dem  Willen  immanent  iuhärieft." 

Ich  meinemeits  finde  in  der  soeben  gehörten  Bemerkung 
dea  Herrn  Gegners  drei  Onriosa,  niualich:  erstens  belkiht  sieh 
der  Herr  Gegner  mit  Teztfalschnngen;  nweitens  lehrt  er 
»elber  wortwörtlich  das,  was  w  mir  vorwirft;  drittens  kennt  er 
die  Scholastik  nicht  Jedermann  sieht,  inwiefern  ich  den  Willen 
in  actu,  als  agcn«  in  actu  noch  in  der  Potenz  seiend  genannt 
habe.  Nicht  insofern  der  Wille  in  actu  Ursache  der  Thätif,'- 
keit  ist,  befindet  er  sich  noch  in  der  Potenz,  sondern  iu»oieru 
die  Thätigkeit  aU  Accideus  dem  Willen  inhäriert.  Der  Herr 
Gegner  läfst  mich  uhuu  weiters  sagen,  der  Wille  iu  actu  sei 
«in  in  WirUiebkett  thStig  Seiendes^  welohes  dennoch  keinerlei 
Thätigkeit  ansübt**  Gegen  ein  so  eigentümliches  Mittel  im 
Kam^  um  philceophisohe  Fragen  Verwahrungen  einsnlegeu, 
wäre  viel  zu  viel  Ehre  iSIr  den  Gegner. 

Der  Herr  Gegner  sagt  forner,  der  Wille  sei,  obgleich  er 
an  sich  eine  aktive,  nicht  eine  passive  Potenz  bildet,  noch 
in  potentia  zu  einem  weitem  actus,  uämlioh  zur  actio  der 

so* 


46t)  HichtigsteUaDgeo  der  Antichten  des  aeueiten  Koamentetors  etc. 


Thätigkeit.    Nun  haben  wir  gehört,  wis  der  bL  XiioaiM 

unter  aktivor  Potenz  versteht.  Da  also  der  Herr  Gegner  den 
hl.  Thomas  mir  pepeniihcr  vnrtcidi^^en  will,  i^n  folg't  aus  seiner 
ArguuK'ntation  mit  mathematiHcher  Uenauigkeit,  dafs  der  Wille 
in  actu  oder  als  agens  in  actn  „ein  in  VVirklichlteit  thätig 
Seiende»  i»V\  welcheH  deuuoch  keiaerlei  Tbätigkcii  ausübt,  weil 
68  ja  der  Thätigkeit  selber  gegeottber  im  Verfailtaiaee  im 
Potens  ateht.  Findet  endlieh  der  Herr  Kritiker  dariii  ein 
„anderes  Goriosnm'*,  dalb  jedes  Sabjekt  nn  seinem  Aoddens  sich 
wie  die  Pete  na  snm  Akte  rerhalte»  SO  weilb  er  eben  nichts 
von  der  Philosophie. 

h)  Der  H^Tr  Gegner  will  darthun,  dafs  ich  behauptet  hätte, 
erst  dit!  l'otentia  in  actu  wäre  das  Princip  der  Thätigkeit,  und 
führt  zu  diesem  Zwecke  folgende  Stelle  aut»  meinem  Buche  aa: 
,,wer  ^\ht  dem  Willen,  dem  Thätigkeitsvermögen  diesen 
Akt,  die  ExiHtt^ük^,  wodurch  er  in  ordine  operativo  Wirklichkeil 
hat,  Qod  int'olgQ  dessen  Princip,  Ursache  wird?  il  s.  w. 

Nnn  was  ist  denn  ein  ThätigkeitSYcrmdgea?  Ist  das 
kein  Princip?  Von  welchem  Princip  rede  ich  alsc  an  den  aa- 
geführten  Stellen?  Offenbar  TCm  fcrmellen,  unmittelbaren 
Princip.  Ein  ThätigkcitHvermögen,  das  sich  blofs  in  der  Mög- 
lichkeit  zu  handein  befindet,  gleichwie  eine  Ursache,  die 
blofs  in  der  Möglichkeit  otwas  verursacht,  wird  doch 
nicht  im  eig'entlichsten  8inne  Thätigkeitspriucip  re-^p.  Ur- 
sache geoaunt.  Wird  aber  damit  geleng-net,  daft»  es  überhaupt 
ein  Thätigküitäpriocip  resp.  eine  Ursache  sei'? 

Hiermit  schliefoe  ich  den  ersten  Pankt  ab.  Es  ist  ein 
wahres  Glück  inr  den  hl.  Paahie»  dafs  er  nicht  in  nnsem  T^n 
lebt  Denn  hatte  er  jetst  den  Ausspruch  gethan  über  den 
Sehn  Gottes:  „habitn  inventus  est  ut  homo",  es  wäre  ihm  ge- 
rade  so  ergangen  wie  dem  P.  Feldner  mit  dem  Aussprache:  der 
Wille  an  sich  gleiche  der  materia  prima,  der  Wille  an  sich 
bilde  eine  passive,  nicht  aber  eine  aktive  Potenz.  Bezüglich 
der  Honnenung  des  Willens  an  Rieh  habe  ich  früher  bemerkt, 
dal's  jeder  sie  autfasseu  könne,  wie  er  wolle.  Nur  darf  er  sich 
daun  nicht  auf  den  hl.  Tboman  berufen.  VVa»  Ö.  Tiiouias  unter 
aktiver  Potenz  versteht,  habe  ich  im  Vorausgehenden  an  der 
Hand  des  hl.  Thomas  selber  niedergelegt  Genfigte  die  blofce 
Hinordnnng  anr  ThStigkeit,  nm  eine  Potena  in  ordine  operatifo 
an  einer  aktiven  Potenz  au  machen»  so  wäre  die  materia  prima 
in  ordine  entitaÜTO  ebenfalls  eine  aktive  Potena,  denn  aie  ist 
aar  Form  hingeordnet. 


^  kj  i^uo  uy  Google 


iiichti£;8teiluug€fl  der  Aosichten  des  neuesten  Kommentators  etc. 


Die  He^^rlfFübedtinimuiig  des  agens  in  actu  durch  den 
Herrn  Gegner  erweist  sich  als  ganz  and  gar  unrichtig.  Da» 
agenft  in  actu  ist  ihm  eiu  ZusaiDiueDgesetzton  aus  dem  Subjekte, 
welches,  aus  der  Potenz,  wodurch  das  Sultjcki  thütig  ist  und 
aas  der  Thätigkeit  als  der  Wirkuug.  iJem  zuiuige  hätte  der 
■a  aft  ausgcBproolieiM  Grondsats  im  hl  Thomas:  „eia  jedes 
Dia^  861  thätig,  insofern  es  ndi  in  acta  befindet**  keinen  andern 
Sinn  alt  dieien:  ^pin  jedes  Ding  ist  thätig,  insofern  es  ein  Snlh 
jekt  ist,  welches  eine  Potenz  besitzt,  wodurch  es  sich  als  thätig 
zeigt»  nnd  insofern  die  Thätigkeit  ihm  iahäriert**.  Mit  andern 
Worten:  ein  j<MieB  Ding  ist  thätig,  insofern  es  eine  Thätigkeit 
hat  oder  thätig  ist.  Auf  das  Prädikat:  „geistreioh**  liat  diese 
BegiifEsbestimmuug  sicher  keinen  Anspruch. 

II.  Ferner  habe  ich  in  meiner  Erwiderung  dem  Herrn 
Kritiker  gegenüber  nachgcwietieu,  dal»  er  die  Bewegung  des 
Willens  durch  Gott,  resp.  das  Bewegtwerden  desselben  mit  der 
Tblitigkeit  selber  idenUfiziert  Dabei  habe  ich  anf  S.  413 
nnd  416  seiner  Beoension  verwiesen.  Anf  das  antwortet  dqr 
Herr  Gegner  im  vorliegenden  Helle:  „auch  hier  habe  ich  wiederum 
mehrmals  S.  418  und  416  meiner  Kritik  aufmerksam  Wort  fttr 
Wort  durchgelesen,  aber  nichts  von  dem  gefunden,  was  der 
verehrte  Gegner  mir  zusohreihi.  Auf  S.  41(»  wurde  ausdrücklich 
gesagt,  die  motio  divina  im  pan-siven  iimue  hv.\  die  dem  Willen 
von  («Ott  füit'^'-etcilte  IJewegun^-,  welche  in  ihm  bleibt  per  modum 
posBiouif*  traiiHeuüUt»,  so  lauge  er  will  ,uud  iu  deren  Krutt  er 
wilP;  die  nunmehr  vom  bewegten  Willen  als  selbständiges  Princip 
ausgehende  WollensthÜtigkeit  ...  ist  real  idenkisoh  mit 
der  Bewegung,  dnroh  welehe  die  bewegende  erste  Ur- 
•  ache  den  nnthatigen  Willen  in  Thätigkeit  vor- 
aetit  hat." 

a)  Won  will  denn  der  verehrte  Herr  Gegner  eigentlich 
täuschen?  Hält  er  die  Leser  seines  Jahrbuche«  wirklich  flir  ho 
kurzsichtig  und  einfaltig,  dafs  dieselben  den  eklatautcu  Wider- 
spruch nicht  sofort  herausfinden.  Die  Leser  des  ,Jahrbuches* 
mc^en  sich  bei  Herrn  Dr.  Kt»ser  dafür  bedanken.  Ich  behaupte, 
der  Terehrte  Herr  Gegner  identifiziere  das  Bewegtwerden 
dea  WiUena  mit  der  Willensthätigkeit  selber.  Der  Herr 
Gegner  antwortet,  er  habe  dies  in  seiner  Kritik  nirgends  ge< 
fiinden  und  schreibt  genau  fünf  Zeilen  darauf,  die  Ton  mir 
unterstrichenen  Worte  nieder!  In  der  Recension  selbst  sagt  der 
Herr  Gegner  8.  416:  ,Jedoch  machen  wir  darauf  aufmerksam, 
dafs  8i>  (dm  WollpnwtlWitigkeit)  real  id(!nti8ch  (gesperrt!) 
ist  mit  der  Bewegang,  durch  weiche  die  bewegende  erste  Drsache 


4ÖÖ  Jäicbtigatellungeu  der  Ansichteo  des  neoesten  KommeDUton  etc. 


den  UDthätig^n  Willen  in  Thätigkeit  vmetzt  hat''.  Bas  ist  der 
erste  Widerspnich  des  Herrn  Gegners  mit  sich  selber. 

Weiter:  die  Bewegung  bleibt  ina  Willen  per  modutn  pat- 
eioni»  iranseuntis,  »o  lang-e  er  will  und  in  deren  Kraft  er 
will.  Das  heifst  mit  andern  Worten:  diese  Bewegung  bildet 
dieKiiiii,  wodurch  er  will,  wodurch  er  thätig  ist;  aber  die^ 
Kraft,  wodurch  er  thatig  ist,  unterscheidet  sich  nicht  real  voo 
der  Thätigkeit  selber.   Dss  ist  der  sweite  Widersprach. 

Fenier:  Diese  Bewegung  geht  ,Datara  et  caosalitat«'  der 
Tb&tigiceit  vorher.  Allein  sie  ist  real  identisch  nät  der 
Willensthätigkeit.    Das  ist  der  dritte  Widerspruch. 

Überdies:  die  Willensthätigkeit,  die  actio,  verhält  sich  rar 
aktiven  Potenz  wie  das  principiatnm  zu  meinem  Principinm, 
wie  das  causa  Kl  in  zti  seiner  causau  Die  Bewegung  Gotte> 
aber  ruht  ini  Willen,  also  in  der  aktiven  Potenz.  Und  doch 
ist  sie  real  identisch  mit  der  actio.  Die  Ursache  ^ilt  dem- 
nach dem  Herrn  Gegner  alt»  real  identisch  mit  der  Wirkung. 
Das  ist  der  vierte  Widersprach. 

Endlich  sagt  der  Herr  Gegner  aaf  8.  414  des  ▼orliegeodeo 
Heftes,  die  drei  componentia  seien  real  von  einander  anter* 
soh  ieden.  Diese  drei  componentia  sind  nach  ihm:  die  res,  qnae 
a^t,  die  potentia  aotiva»  qna  res  agit,  nnd  die  actio,  qnam  res 
per  potentiam  activam  agit.  Potentia  activa  ist  aber  der  Wille, 
imd  in  ihm  bleibt  die  Bewegung  per  modum  passionis  trans- 
(  uuii^  8.  417  aber  ist  die  Willensthätigkeit,  also  die  actio  real 
id<  niit^eh  mit  der  Bewegung,  welche  im  Willen  bleibt  Da» 
ist  der  tiinile  Widerspruch. 

Was  der  bl  Thonaas  diesbesüglicb  lehrt,  haben  wir  gerade 
firttber  gehört.  Ich  Jutnn  seine  Ansicht»  des  Raumes  wegen,  hier 
nicht  wiederholen.  Aber  geben  wir  sorfick  mnf  die  allgemeineB 
Principien.  Was  ist  die  Bewegang  im  passiven  Sinne?  Daranf 
antwortet  S.  Thomas:  die  Bewegung  im  passiven  Sinne  ist  der 
Akt  desjenigen,  was  in  der  Potenz  existiert  und  insofern  es  in 
der  Potenz  ist.  Phrsicor.  III.  II.  3.  Und  was  verstehen  wir 
unter  actio  oder  Thiitigkeit?  l>iu  actio  ist  der  Akt  des  Agens, 
ib.  III.  V.  2.  Das  Agens  aber  befindet  sich  nicht  in  der  Potenz, 
sondern  iu  actu.  Somit  ist  die  passive  Bewegung  das  gerade 
Gegenteil  von  der  Thätigkeit  Leiden  bedeutet  nichts  anderes, 
als  etwas  vom  Agens  empfangen;  die  actio  dagegen  iat  die 
Thätigkeit»  das  Wirken  des  Agens  aof  ein  Anderes.   L  c  15. 

Der  Herr  Kritiker  bemerkt,  ich  scheine  gar  nicbt  ver 
standen  an  haben,  was  man  unter  motio  divina  im  aktiven  und 
im  passiven  Sinne  verstehen  mttsse;    £r  schreibt,  sagt  der 


V 


RklitigslelliiBgeii  der  AatiditeB  des  neiiestiii  Xonnaitttori  ete.  469 


Herr  Gegner:  „was  ist  die  motio  divina  im  paKaiven  Sinne? 
Der  Herr  Kritiker  hat  trüber  erklärt,  die  mouu  divina  »ei  die 
HinzufögiiDg  neuer  Kraft.  Im  paseiyen  Sinne  mnb  de  somit 
die  Aufnahme  dieeer  neuen  Kraft  fleia.*'  Wir  Terstehen  aber 
unter  motio  divina  aettva  et  passiya  enmpta  etwas  gans 
anderes.  So  schreibt  Kardinal  Massslla:  ^^oreatio  .  .  .  passive 
aceipitiir  nt  aliqnid  ipsius  creatnrae,  quae  creari  didtor".  Ähnüeli 
fassen  wir  auch  die  motio  divina  aktive  auf  pro  actione,  qua 
Deus  movet  res  ad  agendum,  passive  aber  pro  termino  hu  jus 
aotionis  divinac.  fiir  das,  was  diese  Tbätigkeit  Gottes  io  den 
Geschöpfen  hervorbringt 

Der  Herr  Gegner  irrt  üich  sehr.  Ich  verntehe  ganz  gut, 
was  man  unter  der  passiven  Bewegung  sich  zu  denken  hat. 
Dafiir  yersteht  weder  er,  noeb  Kardinal  Hassella  die  passive 
Bewegung.  Das^  was  der  geehrte  Herr  Kritiker  als  terminns 
der  Bewegung  angibt,  ist  nieht  die  Bewegung,  resp.  das 
Bewegtwerden,  sondern  das  Bewegtwordensein.  Ipsum 
habere  talem  formam  est  ipsum  motum  esse,  bat  S.  Thomas, 
wie  wir  früher  gesehen,  auBdrücklioh  erklärt.  Bewegtwe  er^ 
und  Bewegt  w o r  d  c n  s  e  i  n  d arten  [ihcr  i n  keincj'  Weise  i  d  e  n- 
tifiziert  werden.  Dhh  eioe  bedeutet  den  Einfluis  Gottes  auf- 
nehmen, das  andere  ihn  bereits  besitzen. 

Die  6ache  liegt  durum  ganz  underB,  alt»  der  Herr  Gegner 
sie  darstellt.  Kein  Kommentator  hat  je  behauptet,  dafs  die  prae^ 
motie  phjrsioa,  die  Aufnahme  des  göttlichen  Binilusses  auf  den 
Willen  real  identisch  sei  mit  dem  Willensakt«,  mit  der 
Willeasthfitigkeit  selber.  Die  praemotio  physica  aufnehmen 
bedeutet  nun  ganz  dieselbe  wie  die  Bewegung  passiv  ge- 
nommen. Die  strittige  Frage  lautet  folgendermafBen:  die  von 
Gott  mitgeteilte  und  vom  Willen  aufgenommene  Bewegung 
wirkt  auch  bei  der  Tbätigkeit  desselben  mit.  Das  ist  der 
sogenannte  Simultankonkurs,  im  richtigen  Sinne  iiutgefafst.  Ist 
uun  dieser  Öimultankonkurs  real  identisch  mit  der  Willens- 
tbätigkeit  oder  oioht?  Jedermann  sieht,  dafs  es  bimmelweit 
▼erschieden  ist  zu  sagen:  das  Aufnehmen  dieser  Torilbergehettd 
mitgeteilten  Form  oder  die  motio  im  passiven  Sinne  bedeute 
sachlich  ein  und  dasselbe  mit  der  Willensthätigkeit  selber; 
und  ansagen:  diese  angenommene  Form  sei  sachlich  ein  und 
dasselbe  mit  der  Tbätigkeit  Ersteres  mufo  als  durchaus  un- 
richtig bezeichnet  werden,  letztoros  erweipt  sich  insofern  als 
richtig,  dafs  diese  vom  Willen  aufgenommene  Form  das  prin- 
cipiura  formale  der  Tbätigkeit  bildet,  oder,  wie  S.  Thomas 
sagt,  die  Kraft,  wodurch  der  W^ille  handelt.  Jede  Form  aber 


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-4i70  Btelitigatalluiigeii  der  Aaiiekcaa  dm  aflMttao  KoBneatalon  tU. 


intendiert  agere  sibi  simOe.  Bs  handelt  sieh  hier  alio  gsr  nioht 
um  die  pntftive  Bevregaog  des  Willens^  sondern  na  die  akiiTe, 

wo  sich  der  Wille  bereits  selber  bewegt,  eine  Thätigkeit 
ausübt.  Golt  wirkt  aber  aaoh  mit  bei  dieser  Thätigkeit  des 
Willens.  Jetzt  ontHteht  die  Frage:  üben  diese  beiden  Ui^achen 
sachlich  eine  und  dieselbe  Thätigkeit  aus  oder  nicht?  Der 
hl.  Thomas  spricht  ausdrücklich  von  zwei  Momein<  n.  Das  eine 
Qüuut  er  die  applicatio  virtutis  ad  actionem,  vom  andern  sagt 
er,  dafs  ejus  virtute  omnis  alia  virtus  agit  de  potentia  q.  3.  a.  7. 
Diese  beiden  Momente  sind  darohaiis  niebt  saebUcb  ein  nad  das- 
selbe,  denn  waram  aShlt  S.  Thomas  vier  und  nioht  drei  aaf? 
Und  warum  koordiniere  er  alle  mr  gleiehmirsig?  Bei  dem 
ersten  der  zwei  soeben  erwähnten  Momente  greift  die  prae- 
motio  pbysica  Platz,  bei  dem  zweiten  aber  tritt  der  Simultan- 
koüknrB  im  Sinne  des  hl.  Thomas  in  seine  Rechte.  Die  prae- 
motio  phvBica  btisinhi  d,inn  .  dals  die  Thätigkeit.  (i'itt<»'*  im 
Willen  eine  vorüberg^ehend  «.xiHtierende  Form  hervurbr»ug-i,  wo- 
durch der  Wille  aus  der  Möglichkeit  zu  handeln  in  die 
Wirklichkeit  zu  handeln  tritt  Das  ist  die  motio  divina  im 
passiven  Sinne.  Diese  motioim  pftssiyen  Sinne  ist  keinsa- 
wegs  real  identisch  mit  der  Thätigkeit  des  Willeas» 
denn  ihr  terminns  ist  der  Wille»  nioht  die  Thätigkeit  des 
Willens.  Das  sagt  ja  der  Herr  Kritiker  selber  in  seiner  Re- 
ccnsinn  S.  417.  Bei  dieser  passi Ten  fiewegOBg  des  W^illens 
handelt  also  der  Wille  noch  nicht,  sondern  er  kommt  hlofs  in 
die  Wirklichkeit  zu  handeln.  Darum  ^relit  dtetser  Zustand 
«natura  et  causalitate'  dem  wirklichen  H Tindeln  voraus.  Allein 
weil  der  Wille  in  der  W^irklichkeit  zu  haudelu  blolV»  ,uatura  et 
caubalitute'  früher  ist  alä  da»  wirkliche  Uaudein,  so  beginnt 
gleiobzeitig  eine  andere  Bewegung  des  Willens,  nam* 
lieh  ans  der  Wi rkliohkeit  su  handeln  sum  wirklichen 
Handeln.  Jede  Thätigkeit  der  Kreatur  voUaieht  sich  nach 
8.  Thomas  Terraittelst  einer  Bewegung.  Actio  oecundnm  qnod 
est  praedicamentnm  dicit  aliquid  fluens  ab  agente  et  cum 
motu.  1.  d.  8.  (j  4.  a.  3.  ad  3.  Die  Thätigkeit  von  weiten 
Gottes,  also  die  motio  activa  ist  die  nämliche  gebliehen;  nur 
bat  sie  jetzt  einen  andern  terminus,  nämlich  das  wirkliche 
Handeln  des  W^illens.  Aber  die  motio  von  seiten  des  Willens 
ist  eine  andere  geworden.  Anstatt  der  motiu  p  a  &  s  i  v  a  babeu 
wir  jetzt  die  motio  aotiTa  des  Willens  oder  den  Willen  in  der 
Wirklichkeit»  eine  Thätigkeit  setaend.  Ist  nun  diese  motio  activa 
des  Willens  real  identisch  mit  der  Thätigkeit  des  Willens 
felber?  Nein,  denn  die  Thätigkeit  ist  ein  Produkt,  ein  Bffekt 


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Die  Mystik  des  Angelus  Silesiut. 


471 


des  Willens.  3.  p.  q.  19.  a.  1.  KiemaU  kann  dia  wirkende 
Ursache  real  identisch  sein  mit  der  Wirkung. 

Welche  motio  ist  aUo  mit  der  T  hä  t  ig  k  e  i  t  iliI  identisch? 
Die  passiv©  nicht.  Die  aktive  oder  der  Wille  in  der  Wirk 
lichkeit  anch  nicht.  In  welchem  VerhiiltniHse  «teht  der  Wille 
iu  der  Wirklichkeit  der  Bewegung  Gülte»  aktiv  get'ai'st 
besügiieb  der  Thatigkeit  doa  Willeaa?  Haben  wir  eine  oder 
swei  TbStigkeiten  an  nnterficbeiden?  Ea  ist  mir  eine  und 
zu  dieser  verbalt  aieb  der  Wille  wie  daa  quod,  die  motio  divina 
wie  das  qno  agit.  In  ejus  virtote  omne  agens  agit.  Daa  ist 
der  SimuUankonknra  des  hl.  Thomaa.  Von  einer  realen  Iden- 
tität der  Bewegung  überhaupt  kann  man  nur  reden,  wenn  man 
aie  von  »eiten  Uottes  betrachtet. 

I)er  Hen'  Gegner  schreibt  in  seiner  Hecen«!On  S.  417  wört- 
lich folgendes:  ,,svenn  Gott  unsern  \\  illen  bewegt,  so  cmpi'üngt 
jeoer  durch  die  actio  Gottes  eine  Bewegung,  er  gurat  lu 
Bewegung.  Hieraus  ergibt  sich  eine  zweifache  wiobtige  Eigen- 
aobaft  der  motio  oder  praemotio  pasaive  anmpta.  ZnnSohat  Ter^ 
hält  sieb  bei  ibrem  Empfang  der  Wille  rein  pasaiv,  leidend» 
sieht  aktiv  oder  handelnd."  Der  Wille  in  diesem  passiven 
Zustande  ist  also  sioher  niobt  real  identisch  mit  derThätig' 
keit  desselben.  Im  vorliegenden  Hefte  erklärt  der  Herr  Gegner 
^.  414,  die  actio  oder  Thätigkcit  des  Willens  bilde  ein  prin- 
cipiatum,  ein  causatntn  der  aktiven  Potenz,  also  de«  Willens, 
und  trotzdem  hält  er  die  Hehauptnug  anch  in  diesem  Hefte  auf- 
recht, ich  stiiude  im  Gegensatz  zu  dem  hl.  Thomas  mit  meiner 
Ansicht:  die  motio  divina  im  passiven  Sinne  unterscheide  sich 
real  von  der  aetio,  wozu  sie  von  Gott  gegeben  ward.  Über 
einen  aolcben  Vorgang  das  ricbtige  Urteil  an  iiillen,  nberlaaaen 
wir  den  geebrten  Lesern. 


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DIE  MYSTIK  DES  ANGELUS  SILESIUS 
Von  Dr.  PAUL  MAHN. 


Vorbemerkung  des  Herausgebers.  Die  nachfoltreade  TTntersucliung 
des  nichtkatholi scheu  Herrn  Veriasäerb  ist  eiu  Bturag  zur  objek- 
tiven ReurteüuQg  Scbefflers,  weshalb  wir  noter  Verwahnn^ noMm 
kithoUacheD  Steadpnoktei  der  AbbAacUiuig  gern  Bmob  gevibraL 


Litteratar. 

A.  Scorifton  des  Angelus  Silesius. 

1.  Gedichte  aus  <1cn  Jahren  lß4l.  1642.    Bei  HoifiDi.  t.  Fallertlebsa. 

Weim.  J^hrb.  I.  271  ff;  Rosenthal,  S.  1  ff. 
3.  Trostfedient  an  Burgk  1662;  ChriatL  Ehrengedichtoit  dos  Hcrm 

A.  V.  Pranckenherg  1662.  ibid. 

3.  Job.  Scheffler's  GrOodliche  Ursachen  und  Motiven,  warumb  er  voo 
dem  Lutbertumb  abgetretten  und  sich  zu  der  Catholischen  Kirchen  be* 
kannt  babCL  Olnfttt  1668.  Wtadmr  abgedr.  b.  Hib;  im  Amu.  h. 
Lindemaon. 

4.  Cherubinischer  Wauüersmaon.  a)  Wien  1657.  Kntii&lt  5  Bflch» 
Sprache  mit  einen  Anhang  10  Sonetten  und  eine  Vorrede,  b)  Gliti 
1674,  Mit  einem  6.  Buche  vermehrt,  dessen  Anfang  die  erwähnt«Q 
10  Sonette  bilden.  Enthält  dieselbe  Vorrede  wie  a,  nur  am  AaÜMg 
und  Ende  mit  einigen  Zusätzen  vergroi^iert. 

6.  Heilige  Soelenlut  a)1667.  Eatbtit  4  BOeher.  b)  1668.  Mit  ein« 
5.  Buche  vermehrt. 

6.  Sinolicbe  Beschreibung  der  vier  letzten  Dinge.  1676.  (Nicht  die  1. 
Ausg.,  wie  ans  dem  Begiim  der  Vorrede  fom  Cher.  Wand,  v,  1174 
hervorgeht.   S.  Kahlert  8.  37). 

7.  Ecclesiologia  (Sammlung  von  39  Sireitwhriflen  gegen  die  Pfote» 
stauten).   1677.   Vorrede  von  1676. 

8.  Bin  Brief  an  Georg  Betkium,  dat.  28.  Not.  1663.  ünoehnM.  Nachr. 
1714,  S.  79. 

Die  verschiedeoea  Ausgaben  s.  verzeichnet  bei  Kahlert  und  Gödeke, 
Grdr.,  2.  Aufl.,  III.  197  f. 

B.  Schritten  iiber  Angelus  Silesias. 
A.  Schreiber  im  MorgeubUtt  1807.    Nr.  240. 

Gdschel  im  Jahrb.  f.  wiss.  Kritik.  1084  Nr.  41  u.  42.  Auläfslich  der 
Aaswahl  v.  Sprilehen  des  Cher.  Wand,  von  Varahagen— (Bahsl). 

1834. 

Qaup,  die  r6ni.  Kirche,  beleuchtet  in  einem  ihrer  Proieljrten.  i>resd. 
1840. 

Wittmanu,  Ang.  Sil.  als  Konvertite,  a.  mjSL  Dichter  u.  a.  Polemiker 
Eine  Charakteristik.  Mit  AndeutnnfTPn  üb.  wahre  Poesie,  ich« 
Mystik  u.  rechte  Polemik.   Augsburg  iÖ42. 

Schräder,  Angelus  Sil.  n.  s.  Myst  Halle  1666. 

Kahlert.  Ang.  Sil.    Eine  lit.  bist.  Unts    Breslau  1853. 
Besprechung  in  Westminster  Heview.  Okt  1863. 


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Die  Mystik  des  Angelus  Silesius.  473 


lloffm.  V.  Fallersleben  im  Weim.  Jahrb.  1854. 

Scliaster  in  Miedners  Zeltscbr.  f.  d.  bist.  Tbeol.  1857.  üegeu  Schräder. 
BoMntbalt  Eioleftniif  s.  tr.  Aoag.  der  slaitL  po«t  W. 

Rezension  von  Heinr.  Rackert  in  BIfttt.  f.  litt.  ünth.    1864,  439  if. 
Ahrendts,  znr  fiinkitiiiig  in  den  Cher.  Wand.  Prognaini  Ascdienlebea 

1863. 

^  Fniis  Kern,  Job.  Cher.  Wand.   Lps.  1866. 

Renzensionm  von  Reinhart  Zöllner  im  Bl.  f.  1.  Unth.  1857, 

382  ff.  u.  Schaadelen  im  Theoi.-Litt.  BUtt  1867.  873  ff. 
Bib,  die  Konvertiten  teit  der  Reform.    Frburg  1868.    Bd.  VII.  Im 

wesentl.  ein  Abdruck  von  Sch.s  Konversionsschrift. 
Knoblich  in  Zeitschr  des  Vereios  f.  Gesch.  u.  Altert.  äeUetiena  VUI. 

Giebt  einige  Ergänzungen  zu  Scbefflers  Leben. 
Lindenrntto.  Ang.  Sil.  (J.  Beb.),  Bfld  eines  Conirert.,  Oicihtart  n.  Streit« 

thpolopr  n  aus  dem  17.  Jalirh.    Freiburg  1876. 
Treblici.  Ai\\:.  Sil.    Kin  Vortrag,    Hrfslau  1877. 

Die  das  VerhftUnis  Öcbetfier^  zu  Czepko   beruiireudeu  bcbriften 
a.  unten  8.  486. 


Binleitung. 
I. 

Vorliegende  Sdbrift  will  die  Weltanschauung  des  Angelas 
Silesiof  darstellen. 

Ist  das  möglich?  Kann  man  aus  so  vefsdiiedenartigen 
Elementen,  wie  sie  die  8obrii1ten  dieses  Mannes  nns  darbieten, 
eine  GesamtanBchanüng'  hcrannhcben.  von  welcher  man  mit  B<ecbi 
sagen  darf,  dafs  es  diejenig^e  des  Angelus  Silcsiiis  si'eweisen 
sei?  Aus  Bebrüten,  in  denen  sich  zwei  Antchauungsweieen 
HO  einander  ausschliefsoud  gegenüber  zu  stehen  scheinen,  dafs 
man  versucht  bat,  sie  als  von  zwei  verschiedenen  Verlassero 
herrühxend  an  erweisen?^ 

In  seinen  Btreitsebriflen  gegen  die  Protestanten  —  39 
sind  nnter  dem  Titel  Ecclesiologia  gesammelt  —  steht  Schelf- 
)er  auf  durchaus  konfessionellem  Boden  und  vertritt  mit  kampfes- 
froher Begeisternng  seinen  katholischen  Standpunkt;  so  sehr. 


1  Sehiader:  A.  S.  u.  s.  Mystik.  Diese  Hypothese  ist  1853  von 
Kahlcrt  u,  1857  von  Srhuster  widerlegt  werden.  -  Ich  k:irjn  Schräder 
nicht  dann  beistimmen,  dafs  EIccesiol.  u.  Cherub.  Wandersmann  durch- 
aus nichts  Gemeinsames  haben  sollten,  da  sich  allerdings  BerQhmngs- 
punkte  finden,  welche  ich  an  ihrer  Stslle  beibringen  werde.  Dsonoeh 
aber  ist  die  Verschirdrnheit  der  ganzen  Anschauungsweise  immer  noch 
grofs  genug,  u.  Liudemann  hatte  sicherlich  kein  Recht  zu  der  Bezttchti- 
gung,  dalk  Schräder  „die  Sammlnng  der  Bebefflerschen  StreitMhrifMn- 
nicbt  einmal  dnrehblittert  haben  könne.**  (S.  7.) 


yOigiiizcü  üy  Google 


Die  MysUk  des  Aagelas  Silesioa. 


dafs  er  BOgar  die  Potentaten  auffordert,  die  Ketser  mit  den 

Schwerte  niederzuhalten.* 

Dageg"Gn  atmet  in  der  heiligen  Öoelenhist  nnd  dem  Che- 
rubin. Wanderern.,  wie  all©  Darsteller  anerkenaen,  em  dorch- 
UU8  versöhnlicher  Geist.  Mit  ganz  wenigen  Angnahmen  —  und 
auch  da  sehr  milde  —  werden  nirgeods  die  koafessioQeileu 
Unterschiede  betont  Ja,  der  CherabiDisohe  Wandersm.  steht  — 
welohee  nur  die  katholischen  Apologeten  nnd  Schräder  he- 
streiten  —  nicht  mehr  aaf  dem  Boden  des  Ghristentnms. 

Weil  man  nun  diese  H  uden  AnschaauagswMBen,  die  des 
Cher.  W.  u.  die  der  polemiBchea  Schriften,  für  unvereinbar  hiell^ 
andererseits  aber  auch  daran  nicht  zweifeln  konnte,  dafü 
ihrem  Urheber  mit  jeder  von  beiden  durchaus  ernst  gewesen 
sei,  80  kam  man*  (larauf,  h»*ide  Richtungen  dnrch  Annahme 
eines  „psychologischen  Entwicklungsganges  in  SchefFler"  zu  er- 
klären, „vermöge  dessen  derselbe  sich  erst  tu  der  weiteren 
Entwicklung  des  Streites  zam  Zelotismiis  nnd  zur  Proeelytes- 
macherei  steigern  lÜTst"  In  seinen  jüngeren  Jahren  habe 
Innerlichkeit  nnd  Beschanliohkeit  ihn  heherrscbt»  die  im  Cher. 
Wandersm.  und  in  der  Psyche  ihren  höchsten  Ausdruck  er 
halten  hätten;  dann  lasse  jene  kontemplaÜTe  Eicfatung  in  Folge 
dos  Streites  mit  der  protestantischen  Orthodoxie  nach,  um  end- 
lich, nachdem  soine  geistige  Kratt  in  Folge  des  Alters  über 
haupt  ahgcnomiumen  habe,  „Änfserlichkeit  und  derb  sinnliche 
Auffassung''  an  die  Stelle  treten  zu  lassen,  welches  hoHonder» 
durch  sein  leUtes  Werk,  die  „binuliche  Beschreibung  ",  be- 
stätigt werde. 

Was  Bunäcbst  die  „Sinnl.  Beschrbg/'  betrifft»  so  leogneo 
wir  nicht,  dafs  Änfserlichkeit  und  derbe  SinnenfalUgkeit  in  ihr 
Platz  gegriffen  haben.  Aber  wie  Scheffler  selbst  in  der  Yor- 
rade  sagt,  sind  die  grollen  Farben  in  ihr  mit  Absicht  aufge- 
tragen, um  nämlich  auf  „dio  niedrigen  Gemüter"  zu  wirken.  Kr 
selbst  lebte  nach  wie  vor  in  seiner  Innerlichkeit  u.  Beschaulich- 
keit, und  nur,  weil  er  die  HtumitiH  Masse  für  die  Auffassung 
dersen)en  uicht  reif  yktuljte,  trat  er  aut  Augenblicke  aus  ihr 
heraus  und  bot  ihr,  wan  sie  verstand.  Die  Sinul.  Beschrbg. 
ist  deshalb  nach  dieser  Seite  als  ein  Experiment  anzusehen,  eine 
Schrulle,  wenn  man  will,  nienuds  aber  als  beaeiohnend  für  die 
damalige  Denkweise  Schefflers  geltend  an  machea. 

•  Trart  VII.  397.  Besondpr^  tract.  XXXVI:  rtPrechtferti^tir 
Gewissensxwan;,'  oder  Erweifä,  (iais  man  die  Ketzer  zum  wahren  Giaubeo 
sirIngen  könne  u.  solle. 

*  Haopttichlieb  Schuster  1.  c.  S.  466  f. 


Dy  GoOgl 


Die  M^'stik  «lea  Augelus  öüesius.  475 


ÜbtrdifH  aber  liüdeu  »ich  auch  im  Cherub.  Wanderbm.,  dor  ja 
die  Periode  der  Innerlichkeit  repräsentieren  soll,  öfUire  ähnliche 
Stellen.  Be&onderB  die  10  Sonette,  welche  seit  der  2.  Ausgabe 
den  Aolang  des  6.  Buches  bildeD,  aber  schon  der  ersten  von 
1057  ugebängt  waren,  leisten  an  derb  sinnlicher  Auffassung 
kaniD  weniger  als  die  Sinnl.  Besehreibg.^ 

„In  Folge  des  Altera",  wie  Sehoster  femer  bebaaptot» 
kann  die  geistige  Kraft  des  Angelus  sicher  nicht  abgenonunea 
haben,  da  er,  als  er  sterb,  erst  53  Jahre  alt  war. 

Eher  könnte  man  an«  der  Kränklichkeit  seiner  letzten 
Jahre-  aul  eine  Schwät  hun^^  auch  seiner  geistigen  Kräfte 
schliersen.  Aber  gerade  ein  »olcher  Zustand  sebeint  einer  ^ei- 
gODg  zur  Äufserlichkeit  wenig  günstig  zu  sein. 

Zudem  jeduch  Log  sich  bebeffler  mehrere  Jahre  vor  seinem 
Tode  —  wahrsohetnlich  schon  1671*  —  in  das  btift  der  Kreos- 
herren  an  Bt.  llatthias  suriiclc,  ein  Aki,  der  doch  wohl  nicht 
aadera  als  ans  der  Sehnsacht  nach  stiller  Sammlong  an  er- 
klären ist. 

Bchlielblich  aber  geben  wir  su  bedenken,  was  von  einem 

Entwicklungsgänge  zu  halten  sei,  der  „ruhige  und  innerliche 
BeRfhaiihVhkeit"  in  die  Jugend,  „Äufserlichkeit  und  derb  sinn- 
liche Auflassung**  aber  in  das  Alter  verlegt. 

Siud  ;*omit  die  Gründe,  welche  Schuster  lür  seine  Ansicht 
beibringt,  uiehl  süchiialiig,  so  wird,  meinen  wir,  eine  Betrach- 
tang  nachfolgender  Baten  das  Gegenteil  seiner  Behauptung  er- 
geben: dieses  nämlich,  dafs  beide  Anschaanngsweisen»  sowohl 
die  konfessionell-polemische  als  die  mysttseh-philosophische,  wie 
wir  sie  besser  nennen,  an  gleicher  Zeit  unseren  Dichter  be- 
herrschten. 

Aus  dem  Jahre  1652  stammt  das  „Christliche  Ehren- 
gedäohtnis"  auf  den  Tod  seines  Freundes  Fnnckenberg,  das 


*  Z.  Ü.  VI,  4:  Ich  «rar  mit  bUndeo-Wust  verstellt  und  blutig  roth, 

In  Wollust  w&lzt'  ich  mich  wie  eine  Sau  im  Koth, 
Ich  sttak  vor  Eitelkeit. 

"VI,  $  schildert  er  die  Verdammnis  u.  a.: 

Maubt  irstundbadertsfcli  tnan  k-bt  wie  Hund' n  Katzen 
Muu  luufs  sich  ewigUch  mit  allen  Teufeln  kratzen. 
Man  frisset  HQttenraoch,  Pech,  iSchwefel,  Teufelsmist. 
'  In  der  LeicbeDrede    des  Jesuiten  Daniel  8cbwartz  (die  „Ab- 
dankung"; im  Anszug  mitgeteilt  von  H.  v.  Fallersleben,  W»'im.  Jahrb. 
I,  2Ü0  ffj  heifst  es,  dafs  Scheffler  „nach  langer  Lcibs&chwacbheit  mit 
Inng-  Q.  dlirrtOebtigen  Beaehwstden  shgeishrt*  sntiehlafen  sei.  8. 
Toirsde  zur  Ecclesiol.  1676. 

•  Kablert  S.  27. 


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4i6 


Die  Idjsük  des  Angelus  SUesiiu. 


f»chon  ganz  im  Geiste  des  CherTibinisohen  Wandersmannes  abgo- 
l'asöt  ist,  wie  auch  ein  Briet  »Schelflers  aus  demselbeu  Jahre  an 
(xeorg  Betkium^  von  eiDig-en  (iedichlen  berichtet,  in  deueu  „et- 
liche hohe  Termini  und  Modi  zu  reden  ex  Tbeologia  mystica"  vor- 
banden seien.    Derselbe  Brief  erwähnt  „etliche  hoch  iubrünsuge 
dis  Gemttt  itt  Qott  erliebende  Gebete  sne  nntandiiedeiies 
Autorlbm  verdeiitoolitf*,  denen  wegen  de»  dniin  enthaltenen 
^li^lkmmsaaaf^  von  dem  Inlheruohen  Hof-Prediger  sn  Öls  die 
JhuokerlaubniB  versagt  worden.    Sehen  im  folgenden  Jahre, 
16(3,  getohah  der  Übertritt  Schefflers  zur  katholischen  Kirche, 
welchem  noch  nicht  14  Tage  später  eine  Rechtfertigung'  mit 
starker  Polemik  gegen  die  Protestanten  folg'te     1656^  ging-  er 
der  Wallfahrt  nach  Trebnitz  voran,  bei  der  er  sich  mit  grolser 
Demonstration  gegen  seine  früheren  Glanbensgenossen  benahm.* 
Im  selben  Jahre  aber  gab  er  auch  den  Cherubio.  Waudensmaim 
in  Draok^  der,  ebenio  wie  die  Heilige  Seelenlnet^  Ißb'i  ep> 
schien.    1661  trat  er  in  den  Orden  der  frstnun  mlnomm 
Semphiot  YtAm  Francisoi.«   Dann  folgen  1664^74  die  Slieit- 
»ohfiften  gegen  die  Protestanten.    1673   war  wahrscheinlidi 
aehon  die  ^nl.  Beschreibg.  vorfallt.'    Aber  während  dieser 
Jahre  erschienen    1(>68    die    Heil.   Seelenlust   und   1674  der 
Cherub.  Wandersm.  in  2.  Auflanrc,  und  zwar  nicht  als  einfache 
Abdrücke  der  ersten  Ausgaben,  soudorn  die  Hl.  Seelenl.  mit 
einem  5.  nnd  der  Chemb.  Wand,   mit  einem  G.  Buche  ver- 
mehrt, beide  ganz  im  Geiste  der  t'riiheren  geschrieben.^  Ihre 
Abfassangszeit  fallt  daher  zwischen  1657  n.  1668  beziehungs* 

1  Unschuldige  Nachrichten  1714,  S.  79 

•  Joh.  Srh  "s  Qründliche  Ursachen  und  Motiven,  warumb  er  von 
dem  Ltttherthumb  abgetretten  nud  sieb  zu  der  Catholischeo  Kirchea 
bekannt  habe.  OlmOts,  165S.  —  Wieder  abgedrodtt  bei  Rifb.  Im  Aas- 
sage  auch  hui  Lindemann. 

=•  Kahlert  S.  19. 

«  S.  die  Abdankung  Weim.  J.  B.  I,  294. 

•  Die  Vorrede  ist  vom  7.  Heumonathstag  1656  datiert. 

•  Scheffler  war  nnch  eiR:enom  Zeugnis  kein  Jesuit  (Oaup  S.  lf> 
Kahlert  20,  Lindemann  12^  und  155).  Schündelen  frischt  gleichwohl 
diese  anf  Wetsel  berobende  Angabe  wieder  aaf. 

'  Kahlert  S.  27. 

"  Buch  VI       eher.  W.  zeigt  allerdings  grö£iereB  Mafs  und  Milde 

in  dcu  Ausdrflcken;  deuu: 

V,  909  Die  Liebe,  wenn  sie  neu,  braust  wie  ein  junger  Wein, 
■Jo  TTirhr  sin  alt  uud  klar,  je  stiller  wird  sie  sein, 
ond  im  gauzen  kommt  mehr  die  aut  das  praktische  Leben  gerichtete 
Weisheit  des  gereiften  Mannes  zur  Sprache,   (cf.  Kahlert  S.  50)  Die  me- 
taphysischen Grnndanscliauungcn  aber  sind  diesslheB  wie  in  den  frflbttsa 
Bachern.  S.  s.  B.  VI,  128,  ISO,  171—174. 


! 


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477 


weise  IG74,  also  sicherlich  auch  io  die  Zeit  seiner  heltigsten 
Polemik.  Andeineito  aber  zeigen  sieh  8pnren  stark  kon- 
tessioneUer  Färbung  auch  schon  in  der  ersten  Aasgabe  des 
Oherub.  Wandersinannes.^ 

Wenn  man  nun  nicht  annehmen  will,  .SchetlU;r  habe  zwi- 
schen beiden  Anschaaungsweisen  beständig'  —  zuwoilon  sogar 
im  »eibßu  Jahre  —  abgewechselt,  hu  Hcbeint  sich  uue»  au8  diesen 
Daten  mit  Notwendigkeit  zn  ergeben,  dafii  beide  Bichtungen 
^eichieitig  and  in  jedem  Lebensalter  nnsem  Dichter  beherrseliten. 
Wohl  trat  an  Zeiten  die  eine  mehr  heryor  als  die  andere:  aber 
moht^  weil  diese  ihn  dann  allein  eingenommen  hätte«  sondern 
nar,  weil  äuTsere  Umstände  es  gerade  mit  sieh  brachten.  Ans 
dieser  Gleichzeitigkeit  beider  Ansichaunngsweisen  ergeben  sich 
zwei  Mofxlif'hkeiteii :  Entweder  ^chefl'ler  raufs  en  mit  einer  von 
beiden  nicht  ernst  gewesen  sein,  oder  aber  er  mufs  beid*  nicht 
tur  60  widersprechend  gehalten  haben,  wie  sie  den  modernen 
Darstellern  erscheinen. 

Was  die  erste  Möglichkeit  betrifft,  so  sind  alle  Schriften 
des  Ang.  Sil.  mit  einem  solchen  Einsetsen  der  ganzen  PevsSn- 
lichkeit  fiir  die  Sache,  mit  einem  solchen  fiir  sich  selbst  spre- 
chenden Hat  ond  Ernst  der  Überzeugung  geschrieben,  da(h  fast 
keiner  der  spateren  Beurteiler  die  Anfnchkeit  ihres  Verfassers 
in  Zweifel  geaogen  hat*    Die  Verdäohtignngen  gleichseitiger 

>  8.  unten  Kap.  6. 

*  Gervinus'  von  bliadem  Hafo  gegen  den  Konvertiten  diktiertes  Urteil 
kann  als  abcfetban  angesehen  werden  (8.  Kern  S.  13  ff).  —  Kern  (8. 
128  ff)  nimmt  nur  einen  „versteckten  Widerruft  der  späteren  mehr 
kirchlidien  Anaehsmine  Sehefflert,  ausgesproefaen  „in  der  Vorrede  rar 
2.  Ausg."  des  Cher.  Wand.  (1674),  gegen  seine  frühere  Überreugung  an, 
welches  aUo  auf  fite  Srhustersche  .\n8irf)t  hinauslaufen  wflrde.  Aber  die 
cauze  Darlegung  ist  liinfällig,  weil  Kern  sowohl  wie  vor  ihm  Kahlcrt 
27)  ond  nach  ihm  Lindemann  (8.  106,  113)  und  Treblin  (S.  28)  in  der 
merkwürdigen  Konfusion  befangen  waren,  dafs  die  Vorrede  erst  1674 
hinisugefttgt  sei,  während  sie  doch  schon,  von  einigen  anwichtigen  Zu- 
sitaen  im  Anfangs  and  am  Kode  abgesehen,  in  der  l.  Ausgabe  mit  dem 
Datum  „den  7.  Heumonatbstag  1656"  stand.  (S.  das  Nachwort  der 
Sulzbacher  Ausg.  V.  18i0),  —  Treblin,  der  sich  nicht  blofs  auf  diese 
irrige  Annahme  stützt,  tindet  allerdings  in  der  Hl.  Seelenlust,  da  sie 
gleichzeitig  mit  dem  Cher.  Wand,  entstand«!  sei,  „ehie  Akkomodation 
an  die  Anschauuniz  i5f^r  Gemeinde'',  ^da  man  nicht  annehmen  kann,  daf« 
ein  und  derselbe  iMana  bald  Pautheist  und  bald  Tbeist  ist^".  Mit  fer- 
tigen Schlagwörtern  wie  Pantheismus  und  Theismus  kann  man  bei  einem 
Mystiker  alles  beweisen.  Angelus'  Anschauung  läfst  sich  nicht  schlecht- 
hin als  das  eine  oder  das  andere  bezeichnen.  Als  Pantheismn«?  nifht. 
weil  ihm  das  Verhältnis  des  Menschen  zu  Gott  ein  durchaus  persön- 
iiehet  ist,  was  lieh  namentlich  in  der  Ethik  annpdcht;  alt  Tkeiimos 
nicht,  weil  sein  Gott  kobi  eitramnndaner  sondern  immanenter  ist.  Es 


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478 


Die  Mystik  des  Angelus  Silesituu 


protestantiHcher  Gegner  betreff«  »urneTPr  Vorteile,  die  ScbefDer 
durch  Beine  Konversion  erlangt  hutte,  verdienen  bei  der  da 
maU  herrschenden  Erbitterung  beider  KonfeseioiKin  '^i.-^eu  «iu- 
ander  ohnehin  nicht  viel  GlaubAD,  hüben  sich  aber  überdies  als 
Verleumdungen  erwiesen.^  Jedeut'alU  ist,  so  lauge  noch  eine 
andere  Erklirungsweise  möglich  ist,  eioe  VerheiiBl^inig  mim» 
ätandpnaktoa»  hervorgegangen  nun  dem  Bewnfolaein,  dnfii  er 
nieht  enf  dem  Boden  der  Kirche  stehe,  deren  Pkieater  er  wnr. 
unserem  Mystiker  dnrehaoe  nicht  sOBUtranea.  Diese  andere 
£rkiänuigsweiie  aber,  welohe  allein  uns  geeignel  eobeint,  eine 
ungezwimufene  Aufigleichung  der  Gegensätze  in  Schefllers 
Sohril'tcn  herzustellen,  bietet  uns  jene  zweite  sich  ergebende 
Möglichkeit  dar.  Angelus  hat  in  der  Thal  nicht  die  AnBchau- 
ung  »eines  Cherub.  Wand,  derjenigen  der  Ekklesiologie  für 
widersprechend  geiialLeii.  Beide  suchen  denselben  Gegenstand 
XU  denten;  nnr  jedes  anf  andere  Weise.  Die  Betn^htungs&rt 
der  Ekklesiologie,  die  Dogmatik,  redet  für  den  emptriaehen 
Verstand,  der  den  BUek  anf  diese  Brde  geheftet  Mt;  die  des 
eher.  Wand.,  die  Mystik,  för  eine  ganz  verschiedene  Erkenntnia* 
weise,  die  sich  abwendet  Ton  der  Welt  der  Jficecheinangen  und 
im  „behauen*  des  Wesens  der  Dinge  sich  verliert.  Auch  die 
kirchlichen  Formen  sind  Wahrheit,  aber  sii^  sind  ^evris^rrmaf^en 
nur  äufsere  Uestaltungen  des  Götliicheo,  deren  eigentUcben 
Gehalt  und  innerlichste  Deutung  erst  die  mystische  Kontem- 
plation liiidet,  welche  ihm  deshalb  auch  die  vera  ac  viva 
Theologia  ist* 

In  diesem  8inne,  glauben  wir,  bestanden  beide  Siobtongea 
in  Seheffler  neben  einander.  Sohon  dafo  er  die  Uyatik  die 
Tora  ao  Yi?a  Theologia  nennt,  invoMert  die  Annahme  einer 
solchen,  die  vireniger  vera  ac  viva  ist;  nnd  TOr  allem  s^nnt 
uns  seine  durchgeführte  Unterscheidung  zwischen  diskursivem 
und  intuitivem  Erkennen  (8,  unt.  Kap.  4)  zwanp-los  anf  unsere 
Auslegung  hinzulül  i en.  Ja,  er  selbst  bezeichnet  schon  niii  dem 
Beiworte  ,,cherTibii!is(:h !<  hes  er  seinem  Waudcrsraann  gab, 
die  danu  uuihaiLeue  iicuaclitungsweise  im  Unterschiede  von 
dem  gewöhnlichen  Denken  als  eine  solche,  die  „von  der  Klar* 
heit  und  dem  Lieht  des  göttlichen  Verstandes  dnichdrnngen, 

gehört  mit  zu  den  Kennzeichen  aller  Mystik,  dafs  sie  nicht  unter  be- 
stimmte philosophische  Grnndrichtuogen  gebracht  werden  kann,  sondern 
bald  hirr  bald  Ja  ihre  Elemente  heroimiot.  Wir  werden  un?  dahrr  in 
unserer  Darstellung,  so  bequem  sie  auch  sind,  aller  •  ismen  thoalichst 
«nthalten,  und  Ifewr  immer  von  der  Sache  stlhst  redsn, 
>  8.  Kableri  S.  17. 

«  Brief  in  den  Unschuld.  Nachr.  1714. 


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Die  Mystik  det  Angelus  Silesius.  4t7^ 


nun  IQ  sich  selbst  heli  geworden,  anch  alle  iiioge  mit  der 
gouiicheu  Klarheit  in  die8«m  Lichte  anschaut."* 

Wir  jeizi  ^iaubeo  leielti  die  Uovereiobarkeit  beider  Rieh- 
iungen  zu  erkeonen.  8ie  entdeckt  sich  ans  bei  Angelas  selbst 
tehon  in  der  2(eigung,  obrwtliclie  OUnbeineitae  auf  allgemeinete 
philoeephiaehe  larfleksnfilliieD,  sie  s«  veiigdetigen,  ja,  wie  Trab- 
Ud  8.  d8  niclit  mit  Uarecht  aagt»  lu  TerflUebtigea  (a.  mit  Kapw  6). 
Sohefiler  aelbat  jedoch  iat  aich  deo  GegenaatiMa  beider  molit 
bewufst  geworden.' 

Aber,  könnte  man  fragten,  wenn  Angeln«  mit  den  Sprüchen 
des  Cher.  Wund,  völlig  uut  dem  Boden  seiner  Kirche  zu  sieben 
glaobte,  weHhalb  sciineb  er  deuu  zugleich  mit  den  bpruchen 
eine  Vorrede,  in  der  er  Hieb  gegen  „verdammlichen  binn  und  böse 
>leinang**  verwahrt?  bebeint  nicht  gerade  seine  eitrige  Vor* 
teidigung  mtndeateoa  ein  Bewiifiiticln  daTOn  ▼eraaesaeetM«,  dab 
die  Spigramme  niebt  notwendig:  in  kitohlicliem  Sinne  Teiatandon 
Btt  werden  branehfeen,  felgUoh  doppelainnig  aeien?  In  welobem 
Falle  er  dieselben  hätte  unterdrücken  müssen,  wenn  anders  er 
«in  SebrillataUer  hlitte  sein  wollen,  dem  daran  liegt,  dafli  ttber 
seine  wahren  Ansichten  kein  Zweifel  bestehL 

Wir  antworten:  Für  doppelsinnig"  hielt  Schefflcr  seine 
Sprüche  uichl.  Der  in  der  mystisiheu  Theolog-ie  Erfahrene, 
meinte  er  sicherlich,  werde  auch  erkt  uueu,  daU  sie  mit  den 
Satzungen  der  Kirche  in  Einklang  HUrnden.  Daruber  aber 
allerdings  war  er  sich  keinen  Augenblick  im  Unklaren,  data 
bei  der  groben  Masse  gerade  diejenigen  Anschannngen,  weiche 
ihm  aeioe  liebsten,  weil  tiefainnigaten  waren,  kein  VeratiSndnis 
Unden  wUrden,  daib  sie  eben  da  nicht  als  das  erkannt  werden 
würden,  wofür  er  sie  hielt,  nämlich  für  den  eigentlichen  8inn 
und  tiefste  Bedeutung  der  christlichen  Lehre,  sondern  dafs  man 
sie  da  leicht  für  eine  dem  Chriatentnm  abgewandte  Ketaerei 
•ansehen  könnte. 

In  der  That  war  ihm  schon  früher,  wie  huh  dem  U)5ii 
geschriebeuen  Briete  in  den  Unschuld.  Nachr.  hervurgeht,  der 
Vorwurf  gemacht  worden,  dafs  er  ein  heimlicher  Weigelianer^ 

1  Fr.  Schlegels  J)eataag,  Passys  öliweige.  1890,  Nr.  19.  (Bei 
Rosenth.  II,  245). 

>  Er  ist  also  in  dieser  Hinsicht  oicbt  mit  Mtonern  wie  Weisel  oder 
Franckeoherg  /  u  vergleichen,  die.  wie  damals  oft,  alle  kiidilielien  ForsMii 
TSraehteten.  cf.  Kahlprt,  S.  1-8. 

*  Welches  jedoch  nicht  einea  direkten  Aohioger  Weigels  su  be- 
deelea  bnnidit,  loodem  flbefbaapt  „eine  den  Beshtglftubigen  ▼erdichtige 
Person."  S.  Pertz.  zur  Gesch.  der  rayit.  nnd  ascst  Litt.,  In  NiedBSffS 
Ztschr.  f  d.  bist.  Theol.  1Ö67,  8.  6, 

Jahrbuch  für  Philosophie  etc.  VI.  St 


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Die  Hyütik  des  Angelus  Silesius. 


sei.  Ein  Nachklang  davon  zeigt  sich  im  Hallegohen  Universal' 
lexikon  (s.  v.  SchoÜler),  wo  es  heifst,  Cichettler  habe  „Jac. 
BöhmcDs,  Vfil.  WeigeU,  Scliwenkields  und  andrer  Fanatikorum 
Schrii'tea  fleÜHig  gelesen''  und  »ei  „ein  Feind  den  Minialerü  uod 
Verächter  der  Kirchenordnungeu  geworden." 

In  dem  soeben  silierten  Briefo  wiederom  beriolifeet  er,  wie 
oben  bemerkt»  dafe  einigen  von  ihm  ttbenetsten  Gebelen  die 
Dmokerianbnio  versagt  sei,  ,,daiiiit  J.  F.  Gn.  und  die  Priesteii- 
8cbait  sowohl  auf  den  Lenden  al»  in  der  Stadt  nioht  in  Vei^ 
dacht  kommen,  als  ob  man  den  Enthosiasmam  wolle  helfen 
unterstützen."  Schon  vorher  schilt  er  deshalb:  „Ich  sage,  dafs 
unuere  jetzige  i'rediger  rüdes  seynd,  uud  ignari  totius  antiqaae 
Pietatis,  et  jejuni  verae  ac  vivae  Theolo^iae."  Ja,  er  bekennt 
hier,  dais  er  in  Anbeiracht  der  VerälauduiHioHigkeit  des  Hänfene 
mit  Mitteilung  seiner  Ansichten  wohl  nicht  vorsiditig  genug 
geweaen  sei:  »Job  eobene  miob  der  Wahrheit  niebt:  wiewobl 
ich  mich  nnter  dieae  generation  (qvae  pcava  et  adaitera  est) 
etwaa  an  weit  heraosgelassen."^ 

Um  nun  aber  solchen  Lesern,  welche  die  Sprüche  dea 
eher.  Wand,  seiner  Ansicht  nach  leicht  mifsverstehen  konnten^ 
weil  eben  „viele  Schlüsse  von  der  ß^eheimen  Gottheit"  darin  vor- 
kamen, die  „nicht  jedermann  bekannt  seien",  die  Übereinstimmung 
meiner  Spruche  mit  der  chriBtlicben  Lehre,  wenn  man  diese  nur 
recht  verstehe,  darzuthuu,  schrieb  Scheüler  seine  Vorrede.  Aus 
demselben  Grunde  auch  lugte  er  in  der  zweiten  Auflage  von  1674 
einaelnen  Spriieben  Anmerkungen  mit  deraelben  Tendena  binan. 
Lediglich  aiao  der  Mangel  an  Veratandnia  anf  aetten  der 
Leaer^  ist  aaob  seiner  Aaticbt  aobnld  daran,  wenn  er  sieh 
zur  Srklämng  nnd  Interpretation  seiner  Sprilobe  herbeilaasen 


'  Aus  d»>r  MifsBtimmuDg  über  die  Anfeindungen,  welche  er  wegen 
seiner  Aasichten  erfahren  hatte,  scheinen  mir  die  iilpigramroe  I,  265  bi$ 
268  hervorgegangen  so  Min,  In  denen  er  jedem  das  Recht  der  freien 
MeinungsäoIiaeniDg  vindicieren  möchte.  Z.  B. : 
],  266  Ich  wpjfs,  die  Nachti^^all  straft  nicht  des  Kuckucks  Ton, 
I>u  aber,  sing'  ich  uiciit  wie  Du,  sprichst  meinem  iioha. 
*  Ans  dieser  dem  Angelas  allmählich  immer  deutlicher  gewordenen 
Überzeugung  von  der  Unfähigkrit  der  Menge,  die  tieferen  Ideen  des 
Christentums  zu  erfassen,  ist  auch  die  «SinnL  Bescbrbg.  der  4  letzten 
Dinge^  hervorgegangen  (a.  ob.  8.  474),  welche  die  Absiebt  Terfolgt,  „die 
Qemflter  durch  die  teili  erschrftcklicbea  Darstellungen  und  lieblichen 
Anmutungen  zu  einer  heilsfinicn  Erstaunung  und  glückseligen  Verzückung 
zu  bringen."  Es  sei  ihm  wohl  bewuist,  daTs  im  üimmel  weder  Gold 
noch  8uber  oder  dergleichen  wiricUeh  so  finden  lei»  aber  wte  die  bdiige 
Schrift  so  habe  auch  er  sich  dessen  bedient,  am  den  «medrigen  Qe> 
matern"  etwas  ca  geben.  (S.  iCahlert). 


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481 


amA»  nicht  dwa  «ne  tbattliebltch  varliuideM  Hoterodozie  der> 
selben,  die  er  zu  bemänteln  hätte. 

Eine  andere  Frage  ist  es  freilich,  ob  der  in  der  Vorrede 
angestrebte  Beweis  von  der  Kirchlichkeit  der  Sprüche  wirklich 
erbracht  ist.  Es  heif^t  da:  „Weil  abrr  tblg'o.nde  Reime  viel 
seltsame  Paradoxa  oder  widersinnige  Keden,  wie  auch  sehr 
hohe  und  nicht  jederniauu  bekuuute  Schlüsse  von  der  geheimen 
Gottheit,  item  vou  Vureinigung  mit  Gott  oder  göttlichem  Wesen, 
wie  auch  Ton  göttlicher  Gleiohheit  vnd  Veigöttang  oder  Gott- 
werdnng,  and  waa  dergleichen,  in  eich  halten,  welchen  man 
wegen  dier  knrien  Verfuanng  laicht  einen  vetdammliehen  Sinn 
oder  boae  Heinnng  könnte  andichten:  Also  ist  vonnöten,  dich 
deshalb  zuvor  zu  erinnern/'  £a  folgt  dann  seine  mit  Stellen 
der  Mystiker  bewährte  Salviernng,  deren  Inhalt  knrz  der  Ist. 
dafs  er  nicht  glaabe,  die  raenachlicho  Seele  könne  ihre  Geschaffen- 
heit verlieren  und  sich  in  Gott  verwandeln,  sondern  nur  die 
»^würdigte  und  heilige  Seele"  werde  mit  Gott  so  vereinigt, 
dals  sie  ganz  mit  ihm  ..durchdrnngen,  überformt,  vereinigt  und 
eiae  eei."  ,^a,  dafe  sie  zu  solcher  vollkommener  Gleichnis 
Gottes  gelangen  könne,  dafr  sie  eben  da^enige  sei  (ans 
Gnaden),  was  Gott  ist  (Ton  Katar),*  nnd  in  cUesem  Verstände 
recht  nnd  wohl  ein  Licht  in  dem  Lichte»  ein  Wort  in  dem 
Worte  nnd  ein  Gott  in  Gott  (wie  in  den  Reimen  geredet  wird) 
könne  genannt  werden." 

Von  den  katholischen  Bet'endenten  ist  diese  Vorrede  immer 
mit  p^rnlrtcr  Zufriedenheit  angetlihrt  worden,  gleich  als  ob  mau 
nur  aut  sie  hinzudeuten  brauchte,  um  die  Rechtgltiubigkeit  de» 
Angelus  bewieseu  zu  haben.  Völlig  mit  Unrecht,  Denn  wenn 
mau  auch  zugeben  mag,  dafs  sich  die  aul  die  „Vergöttuog ' 
beaüglichen  Sprttohe  mit  Tiel  gutem  Willen  in  kirchlichem 
Sinne  anstegaa  laaaen,  so  sind  doch  im  Gher.  Wand,  viel  gra- 
vierendere Sfitae  enthalten,  die  nicht  gemäCi  den  kirchlichen 
Dogmen  anssndenten  sind.  Von  diesen  aber  schweigt  die  Vor* 
rede.  Sie  redet  nur  von  dem  Eins  werden  mit  Gott»  der  Ver- 
göttung,  aber  nicht  von  dem  Einssein  mit  ihm,  unserem  Ur- 
sprünge und  Wesen  nach,  welches  PantheiHmus  ist.  Auf  diese 
pantheistischen  Vorstellungen,  »owie  auf  noch  andere,  wie  die 
der  Präexistenz,  die  sich  mit  völliger  Deutlichkeit  im  Cher. 

*  Vgl.  d.  Ann.  son  Christi.  Ehrengedicbtnit,  Weim.  J.  B.  I,  38ft, 

Vers  6:  Accipiantur  haec  secuodum  scripturam  (folgoD  Zitäte)  et  seusuti) 
harmonicum  D.  D.  Mvstfcoruin,  qui  est:  qnod  Anima  sanria  in  uniono- 
mysticä  ti&t  id  per  gratiam,  quod  Deus  est  per  2saturam.  cf.  Eccles., 
tmct  XXXV,  8.  DCX. 

31» 


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482  Die  Mystik  des  Aagdtit  Silesias. 


Wand,  ausgesprooben  finden,^  gebt,  wie  gesagt,  die  Vorrede 
gar  nicht  ein,  behandelt  Tielmehr  Sprüche  wie  I,  8  und  96, 
dif»  diirchau»  nichts  weiter  rU  den  offpnkimdf'^^sten  Panlhei^'Tnn'^ 
aussprechen,  als  ob  auch  sie  vdin  Staii(l|>urikie  Her  Verc^nminv: 
au»  zu  erklären  wären.*  —  Deiuuach  wird  mit  dieser  Vorredt- 
nichtA  für  die  Rechtgläubigkeit  des  Angelus  bewiesen. 

Es  erübrigt  noch,  mit  wenigen  Worten  aal  die  Konversion 
Sobemera  eiazugeben,  die  allem  Bisherigen  au  widerapreeheo 
scheiot  Deon  eto  Maon,  der  nicht  aar  allgeoiein  cbriatlielie* 
ttoadera  sogar  koDfessioaelle  üotaracbiede  ao  stark  betoal,  daib 
er  nach  Verwerfung  des  Latbertaios  zur  katholischen  Kirche 
sich  bekennt,  acheint,  da  an  seiner  Bbrlichkeit  bei  dieses 
Schritte  nicht  gezweifelt  werden  kann.  H<^hon  d:imit  jpdrn  K?d- 
wand  >-7i>;on  seine  Kechtgläubigkeit  widerloL^t  ^u  habin.  Aber 
gerade  jener  sein  Hang  zu  mystischer  Spekulation  isi  ^e- 
wesen,  der  seine  Konversion  herbeiführte.  Wir  sahen  ^ohon 
üben,  wie  er,  nucU  im  i'rulestautismus  sleheud,  die  iutheriscbeix 
Prediger  rndea  nennt,  and  fgnari  totius  antiqnae  Pietatis,  et 
jejuoi  Tcrae  ao  Tivae  Tbeologiao;  ja,  whr  wiasea  femer,  dalb 
er  wegen  seines  ^othnsiaamna"  sohea  Beibersien  mit  der 
lotberisohen  Geistlichkeit  gehabt  hatte.  Das  entfremdete  ihn 
dem  über  seinen  höchsten  Gütern  allzu  ängstlich  wachenden 
und  dadurch  engherzig  gewordenen  Protestantismus  jener  Tage 
und  führte  ihn  der  katho1if*chen  Kirche  zu.  Hier  fand  sich  der 
gedankenvolle  Sciiwung  seiner  Mystik  uicht  durch  wohlmeinende 
Eiferer  gehemmt.  Bezeichnend  genu^^  führt  er  in  seiner  Kon- 
verüionbbchrilt  als  einen  seiner  Crtünde  zum  überintt  ^11)  an: 
„Die  freventliche  Verwerfung  der  ihnen  (den  Lehrern  insge- 
mein) ganz  nnbewaraten  geheimen  Knnat  der  Gemeinschaft  mit 
Gott  (Tbeolcgia  mystica),  welche  doch  der  Christen  höchste 
Weisheit  ist**  Wir  können  uns  mit  diesen  Andeutangen  be- 
gnügen, da  dieser  Punkt,  in  dem  auch  nnter  allen  Benrtsilem 


1  8.  uot.  Kap.  6. 

*  Kern  erkennt  aiteh  hier  niebt  das,  worauf  m  sakonat.  Er  sieht 

nicht,  dafs  Scheffl^r  eben  den  Punkt,  der  seine  Heterodoxie  hauptsäch- 
lich prwpi'gt,  den  Pantheismus,  gar  nicht  berührt  hat,  und  bestreitet  Ti'ir> 
die  Kirchiichkeit  der  BVergdttuog",  welche  sich  mit  etwas  Kouuiveoz 
lefdiieh  der  kstholiflelieB  Lehre  anpassen  llAt  (s.  Schändeten«  Tbeol. 
Litt.  Hl  1SG7,  S81  n.  wie  sie  denn  auch  in  der  Eccles.  b&ufiger  vor 
kommt,  z.  ü.  tract.  XXXV,  S.  DCXV  und  DCXXXI.  —  Freilich  reden 
auch  hierin  die  66  Fropositionen  der  gefren  Mölmes  eingesetzten  Inqai- 
sition,  die  mit  Zustimmung  von  Inooceoz  XL  1687  veröffentlicht  wurden« 
eiae  andere  Sprache  (s.  Heppe,  Gesch.  der  quietiit.  Mytt.  in  der  kath. 
K.»  a  278  IT). 


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483 


völlige  Übereinstimmung  herrscht,  schon  von  Kahlert  (15—19) 
lind  Treijliü  (34—41),  von  letzterem  besonder«  treiTeod,  ein- 
^jehend  erörtert  worden  ist,  worauf  wir  hiermit  verweisen.  Die 
katholischen  Darsteller  weichen  nur  darin  von  den  proteHUntischon 
ab,  dais  sie  den  Urund  Air  den  Übertritt  da»  Auj^elus  nicht 
blofs  In  der  VeriufiMriiohaog  des  damaligeii  Latheitnina 
«ooheii,  8<mdem  in  der  latherieoben  Lehre  ilberhaapt,  eioe  An- 
«icJit,  anf  welche  einsngehen  wir  fiir  ebenso  müfsig  balteut  wie 
sie  auszasprecheoy  da  sie  Schefflers  Verhalten  ans  Mehr  er> 
klärt,  als  in  den  damaligen  historischen  Bedingungen  gegeben  ist. 

Wenn  wir  nun,  um  nach  all  diesem  auf  unsere  im  Ein- 
gange gestellte  Frag-e  znrückzukoTnmon,  im  Folgenden  die 
Mystik  de»  AngeluH  •SilesiuB  darstellen,  so  geschiebt  dies  in 
der  That  mit  dem  Anspruch,  in  ihr  seine  vcra  Theologia  d.  h. 
diejenige  Anschauung  dein  Leser  vor  Augen  zu  führen,  welche 
linier  all  den  vereohiedenen  Strömnngen  der  Oberfliehe  ihm 
anf  dem  Gmnde  der  Seele  lag.  Eine  Anschannog,  die  in 
manehen  Punkten  nicht  mit  seiner  Ecelesiologia  nooh  mit  dem 
Christentum  überhaupt  sn  ▼ereinigen  ist,  ohne  dafs  dcch  dies 
dem  Urheber  selbst  zum  deutlichen  Bewufstsein  gekommen  wlire. 

Keifst  aber  nicht  dies  unserem  Dichter  —  gelinde  gesagt 
—  einen  Grad  von  Naivetät  zutrauen,  der  nach  seinen  Lei- 
stungen Helbst  aul  keine  Weise  bei  ihm  vorauszusetzen  ist? 
£b  schtiint  uns,  daf«  man  nur  so  lange  so  fragen  kann,  als 
man  noch  nicht  dan  Kigentiimliche  derartig>er  Naturen  orkaant 
bat,  noch  nicht  eingesehen  hat,  wie  wunderbar  gemischt  in  ihnen 
die  Gegens&tse  oft  neben  einander  liegen.  Verstand  und  Gemiit 
ringen  bei  Bcheffler  um  die  Herrschaft  Während  dieses  mit 
aller  Kraft  an  den  groben  Wahrheiten  des  Christentums  fest- 
hält» die  Ton  der  Kirche  und  ihren  Dogmen  getrennt  zu  denken 
es  weder  vermag  noch  wagt,  strebt  jener,  unabhäi^pig  von 
kirchlicher  Autorität,  Rchiichtern  nur  und  g-leich«ara  in  unbe- 
wachten Augenblicken,  ei^'t^ne  Pfade  freier  «Spekulation  zu  be- 
schreiten. Beides  spielt  fortwahrend  in  einander,  und  sind 
einerseits  seine  theologischen  Anschauungen  nicht  frei  von  Ver- 
tlüchtigungen  der  Lehre/  so  zeigt  andererseits  auch  seine  Bpe- 
knlatbn  die  Schranken,  welche  das  kirchliche  Bekenntnis  ihr 
auferlegt  hat 

*  Leibois:  Mlrstos  snm  Uamit  Angelam  iUoin  sine  nota  Isnilsri  in 
<|Qodam  nuperorum  scrlptorom  nostrse  psrtts.  Ad  Plscctom.  28.  Jan 
1695.   Ed.  Datens  VI,  p.  A6. 


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484 


Wie  ist  Soheaiers  Stallaog  innerhalb  der  deatMhen  Mystik? 
In  der  Vorrede  Bnni  Cher.  Wand,  von  1$56  schreibt  er:  ^Wae 
sonslen  viel  andere  niobt  jedermann  gemeine  Reden  and  Spräche 

anbelangt,  so  hoffe  ieh,  sie  werden  dem  günstigen  Leser,  im 
Fall  er  in  den  Lehrern  der  geheimen  Qotteaweisbeit  bekannt 
i8t,  nicht  alleine  nicht  fremde,  sondern  auch  sehr  lieb  nnd 
angenehm  sein:  ind^ra  er  hier  als  in  einem  kurzen  ßegritt 
wird  iinden,  was  er  bei  ihnen  nach  der  Lünpre  gelesen." 
Scheffler  ist  in  der  That  nicht  für  „einen  onginaloQ  Denker, 
welcher  der  mystischen  ^ontempiaUun  neue  Wege  gewiesen** 
zu  halten  (Kern,  130).  Doch,  obwohl  am  häutigtsten  behauptet 
ist  es,  von  SinselhMten  abgesehen»^  nicht  Jakob  Böhm,  in  dam 
seine  Gedankenwelt  wnrselt.  Angelas  ist  Tielmehr  als  einer 
der  letalen  Ausläufer  der  Schule  Meister  £ckhart8  anzasehen. 
Seine  Grundgedanken  finden  sich  sämtlich  in  der  mittelalter- 
lichen deutschen  Mystik,  und  zwar  am  vollständigsten  bei  M. 
Eckhart  selbst  vorg-ebildet.  Kern'  hat  deshalb  eine  durch- 
gehende Parallele  zwischen  beiden  Denkern  gezogen,  treilich 
nicht,  ohne  wichtige  Punkte  zu  übersehen.  Doch  ist,  wie  auch 
er  nicht  leugnen  will  (Ö.  127),  eine  groftje  Anzahl  —  ja,  ohne 
Zweifel  die  gröfste  —  der  Anschauungen  Schefflers  ebensowohl 
bei  Tanler  and  io  der  dentscbea  TiMologie  sa  finden,  ala  bei 
Eokbart.  Von  den  ihm  seitlich  Näherstehenden  ist  am  be* 
stimmendsten  für  ihn  Weigel*  gewesen.  Ja,  weiterhin  konnte 
man  aus  fast  allen  Mystikern  vor  and  nach  Scheffler,  am 
MolinoB,^  Frau  v.  Goyon,  ans  Frana  Sales  und  der  spa- 
nischen Mystik,  ja,  an«  dem  in  der  Obersetznng  des  Scotup 
Erigena  viel  frelewenen  Aronparrit'f'n  die  sehlai^^eudsien,  oi\  Wort 
für  Wort  überetnstimmendeo  Äuiöerungen  antühren.^    £s  ist 

»  S.  KaliU'rt  S.  48;  auch  uns*«re  Anm.  z.  Kap.  3. 

■■'  Ührigens  hat  schon  vor  Kern  Carriere  in  seiner  phiU.  Wellansch. 
der  Reformzt  1847,  S.  158  f  sehr  bestimmt  darauf  hingewiesen,  da£f 
mehr  ala  die  asdaren  mittelslterlichen  Mystiker  Eckhart  anf  Scbefflsr 
eingewirkt  habe. 

*  8.  die  sehr  snsftabrlicheD  AnssOge  sas  W.'s  Sehrifteo  bei  Ports, 
1.  c.  1867  uud  1859. 

*  Moliiios  hat  achon  Leibniz  mit  Ang.  Sil  vert^lichen,  Coosid.  sar 
la  Doctr.  d'un  espr.  uoiv.  1702.  ed.  Erdinann  p.  17d. 

*  Daher  die  Mystiker  seihst  sich  häufig  unter  einander  zitieren. 
Petrucci  in  sfinpr  Apnloirio  dr*r  Mystik  des  Molinos:  la  contemplÄ7ioQe 
luistira  acquistata,  Itiöl  geht  die  gaoze  Mystik  bis  auf  Dion.  Areop. 
durch,  um  die  Anscbsuongen  des  Molinos  als  von  jenen  allen  schon  vor^ 


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485 


daher  uDmö^lich,  bei  den  einzelnen  Änberangeo  Sohefflers  auf 
eine  bestimmte  Quelle  hinzuweisen,^  wenn  auch  zuzugeben  ist, 
dars  seine  Lehre  mla  Ganses  der  des  Heiaters  Bokhart  am 
nächsten  8tebt.  — 

Wie  aber  verhüllen  sich  Schefflers  Epigramme  zu  Czepkos 
der  Zeit  nach  früheren,  aber  ungedruckt  gebliebenen  Sexcenta 
Monodisticha  Sapientum?^  Beide  Werke  zeigen  in  Inhalt  und 
Form  grofse  ÄfanUelikeit  Als  stöbere  Nac&Tioht  lassen  wir 
nnr,  dafs  Czepko  sowohl  als  Sohoffler  mit  Fvanekenberg  innig 
bofronndet  waren,  nad  erstersr  dorn  lotatersn  seine  Monodtstioha 
zor  Begutachtung  unterbreitet  hatte.  Das  war  1651,  also  svr 
Zeit,  als  Scheffler  in  Öls  als  Leibarzt  des  Herzogs  weilte  und 
häufig  nach  Lndwig-edorf,  dem  nahe  liegenden  Wohnsitz  Francken- 
bergH,  hinausging.  —  Nachdem  Kahlert'*  und  l'aini  '  die  i'rage 
ofieo  gelassen  hatten,  glaubte  sich  Koilmaue,  ohne  neue  That- 
sachen  beizubringen,  berechtigt,  dieselbe  dahin  zu  entBcheiden, 
Scheffler  habe  wahrscheinlich  Czepkos  Manuskript  bei  i^rancken- 
borg  gesehen,  es  sieh  anf  einige  Zeit  erboten,  Exsorpte  daraus 
gomaoht  und  naob  ihnen  geaiHbeitet,  so  dalb  unser  Diobter  als 
eine  Art  Plagiarins  anrasehon  sou* 

Anoh  uns  ist  es  bei  der  unverkennbaren  Ähnlichkeit  beider 
Werke  und  dem  Freundschaftsverhältnis  ihrer  Verfasser  zu 
Franokenberg  nnaweifelhaft,  dalh  Scheffler  die  Monodistioba 


««trsgen  zu  erweisen.  Vgl.  auch  Schopenhauer,  W.  a.  W.  u.  V.  Bd.  II,  Kap. 
48.  —  Wir  haben  es  unterlassen,  in  der  Darstellung  allerlpi  Parallelen 
aus  aDdereu  Mystikern  anzuführen:  jeder,  der  dieselbeu  auch  nur  ober- 
ilidilleh  kennt,  weifs,  dsfs  dies  ein  sehr  «ohlfeileB  Verfahren  wlre. 
.\ucb  einen  Verglpicli  mit  tJobopenbaiior  7u  ziehen,  mit  welchem  in  den 
meisten  Punkten  eine  überetustimmuug  vurhauden  ist,  erschien  uns  nicht 
durch  die  Sache  selbst  gerechtfertigt;  da  nicht  einzusehen  ist,  warum  gerade 
Scbeffler  und  oiebt  ebensogut  irgend  ein  anderer  Mystiker  mit  jenem 
l'büdsnphpn  /nsammenpf stellt  werden  sollte.  Nur,  wo  ein  Verweis  zur 
Verdeutlichung  der  Sache  selbst  beitragen  konnte,  oder  nur  zwischen 
«inim  Myttium,  im  Unterschiede  TOn  anderen,  ÜberdnstlDUiiQng  ststt- 
fsndf  haben  wir  sowohl  Schopenhauer  als  die  Mystiker  herauge/ogen. 

1  auch  Keinliart  Zöllner  io  seiner  Bezeiision  von  Kerns  Boch. 
Bl.  f.  litu  ünlh.  18G7,  282  ff. 

*  Der  gröfste  Teil  ist  jetst  in  den  folgenden  Schriften  vsrfttet* 
licht,    nie  erste  Hälfte  vollst&ndig  bei  Kof^mane 

»  In  FruU'  litt.  Taschb.  S.  189  und  iu  seinem  Aog.  Sil. 

*  In  Wsgners  Arcbir  1878,  S.  198  nnd  in  seinen  Beürigen.  8.  296. 
■  Im  Eorrespondflosblsct  des  Yerelns  f.  Oeseh.  der  evangel.  Kiicbe 

Sebles.  1882,  S.  93. 

*  Denn  etwas  anderes  heifst  es  doch  nicht,  weuu  Koti'm.  im  Emst 
die  Frage  anfvirft.  warum  Cz.  befan  Erscheinen  des  Cher.  Wand,  nidit 
«Lirm  geschlagen**  bebe. 


486 


Die  Mystik      AogAlat  Sileilaa. 


kannte ,  ohne  dals  wir  KoffmaneR  weitere  BchlüBse  mitzamacben 
einen  Grund  sähen.  Wie  iet  deou  das  Verhältnis  de«  Cher. 
Wand,  zu  Czepkos  Werk?  Was  den  Inhalt  der  Sprüche  an- 
geht, so  kann  da  Ton  einem  Binflnlk  dea  letateren  anf  Angokia 
überbaopi  keine  Bede  sein,  da  dieser  naokweiatich  eeine  wj- 
stieehen  Anregaagen  längst  vor  1651  eap&ngen  hat  und  lör 
sfimtliche  Spräche,  die  Koffm.  S.  91  f.  einander  gegenäbersteUl» 
sich  ebenso  schlagende  Parallelen  ans  den  deutschen  Mystikern 
n-nführen  lassen.  A!ro  nur  eine  formelle  Einwirkung"  bliebe 
übrig.  Und  wie  steiiBD  da  beide  zu  einander?  Oboe  Zweifel 
80,  daffi,  WHiui  68  der  Zeit  nach  rnng-hcli  wäre,  man  Czepko 
und  nicht  SchetTler  für  den  Nachahmer  halten  würde.  Wo 
dieser  voll  Xrait  und  Schwung,  da  ist  jeuur  mült  uud  lahm. 
Bei  Seheffler  oft  in  aller  Kttnce  eine  eigentümlicb  schöne  Prag* 
nsnn  den  Anodrooka»^  bei  Czepko  ein  stetes  Herumgehen  um 
daa  eigentUch  IreffMide.  Gerade  die  von  Koffm.  verglichenen 
S]>rii(he  beweisen  das.  Zeigt  Seheffler  selbst  in  den  seiner 
Zeit  zn  gute  zn  haltenden  Wortspielereien  zuweilen  grofiie 
Feinheit  und  wirklichen  Witz,  so  ist  bei  Czepko  nur  die  ganze 
Fadheit  jener  lviehttin(x  7.n  Tioden.  Und:  gerade  in  seinen 
kühnsten  und  eigentümlichsten  GedaDken,  in  denen  der  verständnis- 
volle Leser  ihm  mit  Errttaiioen  über  die  Tiefe  und  Innijrkeit 
«einer  KonteiuplaUou  lolgt,  »teht  Seheffler  allein:  Czepku  hat 
nie  mit  aoloher  Energie  die  Höhen  des  mystischen  Gedankens 
an  erklimmen  vermooht  —  Im  ganien  dasselbe  Bild,  welches 
uns  die  Charaktere  beider  gewähren.  Sobeflner,  In  Halb  ond 
Liebe  gleich  stark,  eine  überaus  mutige  Personlicbkett,  stets 
bereit,  den  (redanken  in  die  That  umsusetseo,  unbesorgt  darum, 
was  der  oder  jener  dazu  sagt,  jedem  sympathisch,  der  es  liebt, 
Farbe  zn  bekennen;  Czepko,  nichts  mehr  aU  Ruhe  und  Ungestört- 
heit liebend,  Btets  auf  der  Strafse  der  meinen  Meinung,  vor- 
sichtig Umschau  haltend  nach  den  Ansichten  anderer,  hoch  be- 
glückt, von  der  (juadeusoune  hoher  Personen  beschienen  zu 
werden.  * 

Bo  glauben  wir  allerdings  annehmen  au  mttssen,  da(b  Seheff- 
ler doroh  die  Monodistieha  angeregt  worden  lst|  seine  myati* 
sehen  Anschauungen  gerade  in  der  Form  ▼Ott  Bpigrammen 
niederzulegen,  sich  auch  gewisser  in  denselben  schon  TOf;ge- 
fundener  Wendungen  und  Ausdrücke  bediente;  allea  daa  aber 


>  „The  Martial  of  mysticism''  nennt  ihn  der  Verf.  des  Artikels: 
German  Myst.  in  the  17.  Cent,  in  Westminster  Keview,  Okt.  1868, 
3  &  Palm,  Beitrage  S.  266,  268,  269,  290. 


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Die  Mystik  des  Aogelus  Silesius.  48r 


unbeschaiiet  Keiner  Originalität,  da  der  Ciier.  Wand,  erst  uls- 
die  Vollendung  des  in  den  AionodiBticha  Gewollten  ersciiemU 
SchefiTler  schuf  Tönig"  spontan  ans  der  Fülle  dos  eigenen  Inneren 
heraus,  wa»  scboa  daraus  liervorgeiit,  dalü  er  nach  eigener  An- 
gabe das  erste  Buch  „io  vier  Tagen  Terfeiiiget",  (s.  unt  8.  491^ 
Anm.  1)  wobei  halb  bewoTst,  halb  nnbefrafst  Manche«  aus  den 
Monodiatioha  ihm  mit  elallofiL 

IlL 

Die  Mystik  des  Ang.  8iL  findet  tiob,  wie  bemerkt,  ^hsi 
anssohliefslioh  im  Cher.  Wand,  niedergelegt  Dieser  wird  (!alier 
die  Hanptquelle  unserer  Darstellung  bilden,  wahrend  die  üb- 
rigen Schritten  nur  insofern  herangezogen  werden,  als  sich  Be- 
stätigurjg-on  aus  ihnen  beibringen  lassen.  Manclie  feine  Be- 
merknnt,'  indesppn  auch  des  Cher.  Wand,  müssen  wir  unbe- 
rucköjchtigi  lassen,  da  es  uns  nicht  auf  eine  Inhaltsangabe 
desselben,  Hondern  auf  eine  Daretteliung  der  phiiosopiiisch  wert- 
vollen Gedanken  in  ihm  ankommt 

Eine  gute  Ausgabe  des  Cher.  Wand.,  geschweige  denn  der 
poetiaehen  Werke  des  Angelus  8ilesius,  gibt  es  bisher  noeb 
nicht.  Unter  den  vorhandenen  die  beste  ist  die  Balzbacher  von 
1829,  wenugleioh  auch  sie  manches  zu  wünschen  übrig  läfst.  ^ 
Gänzlich  unbranchbar  ist  die  Rosenthalsche  Ansgabe,  die  nicht 
nur  den  Begriff:  „poetische  Werke  des  Ang.  Sil."  so  en^  faf-^t. 
dafs  sie  die  äulserst  wichtigen  Vorreden  und  die  Annierkungen 
des  Dichters  zum  <Jher.  Wand,  nicht  mit  abdruckt,  sondern 
deren  Text  auch  mit  geradezu  beispielloser  Leichtfertigkeit 
hergestellt  ist  Das  Buch  wimmelt  von  Druckfehlern  und  völlig 
sinnlosen  Lesarten.* 

Eine  kune  Zusammenstellung  der  Beurteilungen»  die  Soheff- 
ler  seit  Leibnis  bis  auf  unsere  Zeit  erfahren  hat,  gibt  sohon 
Kahlert  Am  ausführlichsten  Kern  (S.  5^16).  Wir  denken 
diese  Übersicht  hier  nicht  zu  wiederholen,  noch,  was  leicht 
wäre,  an  vermehren.   Im  allgemeinen  wollen  wir  nur  hervor- 


*■  Sie  ist  nicht  so  gut,  wie  Kern  (S.  20)  aouimmt.  Z.  B.  I,  83  bat 
sie  „neio'*  statt  „ein**,  I,  2bS  „dnratiflieh«  stsU  „thursttglich«',  III,  99^ 

„üorhzfft"  statt  „Hnchlieit."  Fast  ständig  modernisiert  sie  das  prOD. 
pers.  mit  retlexiver  Hedeutunp  in  das  pron.  reHex.  (z  H.  II,  24). 

*  Schon  Heinr.  KQckert  in  seiner  Rezension  (Bl.  f.  litt.  üuih.  1864, 
439  ff),  Kern  und  Lindemann  ftui'^ern  sich  wenig  anerkeDoead«  —  Gleich- 
woIjI  müssen  wir  narh  dieser  i\usgahe  zitiors^n.  da  sie  am  vorbreitetsten 
und  die  einzige  Gesamtausgabe  ist  Doch  hulieu  wir  in  den  von  uns  an- 
gefahrten SprOebeo  dm  Text  nseb  der  Salib.  Amg.,  welche  die  edit. 
princ.  benutzte  nnd  nach  dem  häufigen  Nachdruck  v.  I67d.  die  allein 
UM  längere  Zeit  zur  Verfflgang  standen,  zn  emendiereo  verweht 


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-488  Die  Mystik  des  Angelus  üilesius* 


heben,  dafs  mehr  aU  billig  der  kirchliche  Staadpankt  dM  Ur^ 
(eil  der  katholischßu  Kritiker  p^ftnibt  h;it. 

Die  Rpihe  der  Monograptiict  n  aber  Angelus  beg^ann  mit 
Gaup  1^)40,  der  c  iooh  nur  eine  Kritik  der  Ekklesiologie  vora 
protestantischen  Sundp unkte  in  durchaus  würdiger  Weise  gab. 
—  Ihm  folgte  1842  der  Katholik  Wittmann,  der  mit  seiner 
Schrift  den  Zweck  verfolgt,  aaf  eeioe  „Terirrten  Brüder  eh 
wirken,  am  iie  wieder  auf  die  rechten  ^ege  und  in  den 
Rettuagshaim  anrilcks&leiten,  in  welchem  die  besten  ihrer  Irr- 
t'ahrtsgenossen  Heil  nnd  Frieden  gefunden  haben."  (B.  III). 
Dafs  Scheffler  guter  Katholik  war,  steht  ihm  fest,  wenngleich 
die  Worte,  mit  denen  er  als  vorsifbtig^er  Mann  seine  Vorrede 
si^hliefst:  „Dafs  ich,  wenn  wider  iuimu  Wissen  irg-end  etwas  in 
<ler  Mystik  de»  Angelus  sich  fhndc,  was  nicht  nach  dem  Sinne 
unserer  heiligen  Kirche  wäre,  da^hulbe  unbedingt  verworfen 
haben  wollte/'  —  wenngleich  diese  Worte  vermuten  lassen, 
dafii  ee  da  hei  Scheffler  dcch  wohl  am  Ende  nicht  gana  ge- 
hener BcL  W/e  Beweiemethode  sind  Behanptnngen.  Die  aneh 
in  ihrer  Polemik  durchaus  unsachlich  gehaltene  Schrift  (a.  B. 
S.  34,  52  f.,  65,  ()8,  80)  1  ifst  kaum  jemals  das  Bestreben  er- 
kennen, mit  alUeitig  erwägendem  Urteile  dem  Gegenstaade 
gerecht  zu  werden. 

1853  erschien  8(  hr;i  It  ib  Buch,  in  der  Hauptsache  e\r]  Vf>r- 
8uch,  Schefiler  und  Angelus  bilesins  als  zwei  verschiedene  Per- 
sonen zu  erweisen  (s.  darüb.  8.  473,  Anni.j.  Er  bestreitet  als  einziger 
unter  den  Protestanten  den  Pantheismus  des  Dichters.  Seine 
karten  Bemerkungen  über  die  Gedankenwelt  Scheftleia  eal- 
balten  gleichwohl  manches  Treffende.  —  Bieber  das  beste  Boefa 
über  Ang.  Sil.  erschien  gleichfalls  1853  iroo  Kahlert^  Er 
legte  zuerst  die  Entwicktungsbedingnngen  für  den  Dichter  dar. 
Auf  seinen  Forschungen  beruhen,  was  das  Tbatsächliche  angeht, 
alle  späteren  Arbeiten;  auch  diese.  Was  den  philosophischen 
(fehalt  des  Cher.  Wand,  botrift't,  80  urteilt  er  im  tranzen  bo- 
t*onueu  und  richtig",  gibt  aber  mit  Absicht  keine  elDgehendc 
Darlegung,  weil  „streng  systematische  Gliederung,  oder  ein 
Versuch,  die  lebensvollen  Umrisse  der  dichterischen  Gedanken 
in  abstrakte  Linien  an  verwandeln,  mehr  schaden  als  nützen** 
^ttrde  (8.  38  i).  Ein  sonderbarer  Gmnd!  Als  ob  dadoreh 
das  Bedürfnis  des  Menschen,  sich  des  aerstrent  Aogeschantea 
cnit  Hülfe  der  Begriffe  als  einer  Einheit  bewofst  va  werden, 
abgefertigt  werden  könnte!  —  Die  Einleitung  Bosenthals  zu 

*  Eine  Besprechung  detaelben  s.  in  Westminster  Rev.,  OkL 


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Die  Mystik  des  Aagelos  Stteshis.  48d 


«einer  Gasamtaiugabe  (1868)  steht  auf  gleicher  H8he  mit 
"Wittmanns  Schrift.  —  Abrendts  1863  spricht  nur  im  allge- 
meinen Ton  Mystik,  ohne  apeaiell  auf  Angelas  zu  kommen.  — 

Der  einzige,  der  bisher  eine  eingehendere  Darstellung  der  An- 
echannng-pn  Schefflers  gegeben  hat,  ist  Kern  (18()6).  Auf  ihn 
kommen  wir  sogleich  zurück.  —  Lindemanns  Buch  (1876) 
bringt  weder  in  den  Thatsachen  noch  Gesichtspunkten  etwas 
l^^eues,  ist  jedoch  von  den  Arbeilen  katholischer  Verfasser  bei 
'weitem  die  TemtändaiaToUste,  zudem  in  renöhalichem  Geiste 
geichrieben.  Seioe  ErklMngen  über  Sohefflera  Panthetamna 
aind  anlSierordenUioh  gewaodea.^  —  In  der  aDapnicbBloBen  Form 
«inea  Vortrags  erschien  .1877  TrebUns  Schrift  (Prot),  die 
manches,  z.  B.  die  Konveraioii,  vaoht  treffend  heraashebt. 

Von  diesen  Büchern  ist,  wie  bemerkt,  dasjenige  Kerns* 
das  einzige,  welches  auf  den  philosophipchen  Gebalt  des  Ober. 
AVand.  genauer  eingeht,  und  also  die  einzige  Vorarbeit  für 
vorliegende  Schrift.  iSie  werden  wir  daher  einer  näheren  Be- 
urleiluxig  untur^ieben,  damit  sich  dasjenige,  worin  sich  unsere 
Arbeit  von  jener  unterscheiden  will  und  damit  ihre  Daaeina- 
berechtigung  heraoaatelle. 

Die  Kemacbe  Oaratellnog  iat  nach  nnaerem  Daittrhalteo 
nicht  geeignet»  eine  richtige  Voratellong  von  der  Weltanichsnnng 
dea  Angelus  zu  geben. 

Bei  Soheffler  soll,  wie  bei  Meister  Eckhart,  „die  ideali- 
stische Doktrin  gemischt  mit  pantheistischen  Vorstellungen" 
auftreten  (6.  57).  Eine  ,,«ondüi'buro  Vermischung",  „die  auch 
bei  seinen  Verehrern  Anstois  gegeben  hat"  fS.  (51),  soll  statt- 
geluudea  haben.  Wir  müssen  gestehen,  dal»  wir  nicht  wissen, 
waa  wir  uns  bei  diesem  Tadel  denken  sollen.  Schliefsen  sich 
denn  Idealtsmua  nnd  Faatheiamaa  aua,  ao  dafii  man,  wenn  beide 
auaammen  Torkommen,  von  einer  Verraiachong  atatt  von  einer 
Vereinigung  reden  mnfiite?  Seheffler  bat  doch  aehr  deutlich 
die  ünteracheidung  der  Erscheinung  vom  Ding  an  sich.  Br  ist 
Idealist,  sobald  er  in  seiner  Betrachtung  vom  anschauenden 
Intellekt  ausgeht;  man  kann  ihn  Pantheisten  nennen,  «obaH  er 
von  dem  ausi^-eht,  was  die  Dinge  etwa  nocii  weiter  als»  Vor- 
stellung sind,  oder  wie  Scheffler  «ich  auadruckt,  wan  sie  ,, wesent- 
lich" sind.  Er  schneidet  die  Welt  gleichsam  von  zwei  ver- 
schiedenea  Enden   an,   die  in  dem   sowohl  anschauenden,  als 

*  S.  107,  110  f.  Zuletzt  heifst  es:  „Und  so  kommen  wir  schliefs- 
lich  auf  die  borazische  Regel  zurück,  dafi  man  Maiero  und  Dichtern, 
die  ja  ohne  Phantasie  nichts  sind,  schon  etwaa  mehr  zogesteben  dArfe.*^ 

*  Bespreehongen  desselben  von  Reiahart  Zftllner  a,  Schdadelea  1.  c. 


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I 


seinem  Wp«^en  nach  Gott  ßeienden  Snbjeiki  ihren  Koinzidenz- 
puokt  haben,  bacho  des  Darstellers  ist  es,  jedes  für  sich  deut- 
lich Torzutuhreo.  Kern  aber  hat  die  bei  seinem  Antor  ang-e- 
nomaieoe  Vermisobung  auch  lu  der  eigenen  Arbeit  ho  sehr  zur 
Anschanung  gebracht,  dafs  er  in  bontem  Daroheinaoder  bald 
▼on  idealiadeehen,  bald  von  pantheUciBchen  VontelliiBgw  radat 
(a.  8.  49»  54— 63)b  Und  wenn  daon  daajeDi'ge,  was  er  für 
PantlieiaiDQs  antgibt»  noeh  Pantheismus  warel  Ab<ir  Kera  bat 
durchweg  nicht  vennoohC»  den  Pantheismus,  das  Einsaein  mit 
Gott  dem  Wesen  nach,  von  der  Ve#|^öttuiig,  dem  Einsw  erden 
mit  ihm  al«  Resultat  der  sittlichen  Loben^führung,  zu  scheiden. 
Beides  ht  ihm  fortwährend  in  einander.  Wo  er  vom  Pantheis- 
mus reden  will  (8.  49,  ö.^  u.  ö.),  hat  er  in  Wahrheit  die  Ver- 
göttung  vor,  und  am  Ende,  wo  die  Vergöiiuug  abgehandelt 
werden  soll  (S.  119;  s.  unt.  Kap.  5),  geraten  ihm  panthei- 
atiiobe  Sprilobe  biaain.  Deabalb  TaraeUai^  es  ihm  anefa  gar- 
niobta,  8.  55  an  iageo,  Saheffler  behaupte  niehl,  »fdaf«  m 
jeder  tfemh  Gott  sei,  iondero  dab  er  es  werden  aüsae,'*  und. 
wir  bitten  es  alao  mit  einem  „werdenden  Pantbeismos'*  zu 
tbnn,  während  er  S.  79,  wo  er  an  Sprüche  gelaagt  ist,  die 
wirkh'ch  fiir  den  Pantheismus  Scheflflers  beweisend  aind,  Ton 
einem  „sehr  entschiedenen  Pantheismus"  redet. 

Ähnlich  erpeht  es  ihm  mit  der  theologia  negativa  und  af- 
Hrmativa,  der  verneinenden  und  bejahenden  Bescliawiing,  wie 
sie  bei  Soheffler  heifsen.  Anstatt  den  Unterschied  zwiHchea 
beiden  feetanbalten  und  in  der  Analegnng  der  8ebeinenobeik 
Sprüche  snr  Anwendung  an  bringen,  gibt  er  ihn,  eben  aii%e- 
geetellt  (S.  71  ff)  nnd  —  freilicb  aebr  aaanlänglicb  —  dnrob 
die  Begriffe  esoterisch  und  exoteriaoh  erklärt  {7tf},  im  Folgen- 
den wieder  auf,  and  hat  es  nun  leicht,  8cbeffler  allerlei  band- 
'Troiflifho  Widcr-^pniohe  nachzuweisen,  die  er  iibrig-en-»  nach 
senicr  A iislt^i;unj^Hart  ebensowohl  in  ein  nnd  demselben  >|»ruche 
als  zwischen  verschiedenen  hätte  finden  können  (s.  die  iSprütlie 
unt.  Kap.  2).  Anstatt  das  Gegebene  als  Gegebenes  hin/unehraen, 
vorläufig  unbekümmert  um  das  Ergebnis,  uud  daon  zu  ver- 
sncben,  anscheinend  Entgegengesetatea  nach  im  Dicbter  seibat 
tiegenden  Prinzipien  an  venoittein,  gibt  er  demselben  die  oder 
die  Gmndansohannng  nnd  nenat  alles  daan  nicht  Paaseode 
Widerspruch,  während  es  doch  nur  ihm  an  der  Fähigkeit 
maogelt,  scheinbare  (Tegenaätse  als  in  Yersobiedeaem  Sinne  ge- 
sagt  an  erfawen.^ 

'  Ceaen  Kerns  SuchsQ  nach  Widertpracbea  aeboa  Scbflndelen  I. 
S.  dort  auch  die  Üekge. 


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491 


Kinseloe  wichtige  Momsote  in  Sohefflers  System  tind 
überhaupt  nicht  erkannt  So:  dafs  die  Erkenntoie  als  Durch- 
-^hauung  des  principium  individuationis  es  iot,  aos  welcher  die 

Liebe  hervorgeht  (s.  unt  Kap.  5  A.).  und  dafs  die  Erkenntnis  des 
Klends  dieser  Welt  als  PessimisujuD  die  Verneinaug  des  Willens 
herbeiführt  (s.  unt.  Kap.  5  B.). 

Auch  die  eigenartige  Sttilhmg  der  Liebe  der  völligen 
AVillenslosigkeit  gegenüber  (uot.  Xüp.  5)  ist  nirgends  augedeutet. 

Über  die  seltsame  Groppierung  einselner  Dioge,  wie:  dals 
-das  Böse  8.  67  aa  die  Bmaaation  aogeechlossen  wird,  wahrend 
<iie  Freiheit  des  Willens  mit  der  Prltdestination  auf  &  99  it 
steht,  wollen  wir  hier  nicht  reden.  Auch  die  vielen  Schief- 
iieiten  im  Ausdruck  und  kleinen  Schul meistertiohkeiten  Scheffler 
'wie  HeiBter  Eckhart  gegenüber^  sollen  hier  unerwähnt  bleiben. 

Die  Exegese  der  Sprüche  ist  von  Kern  oll  sehr  mangel- 
haft ausgeübt  worden.  Manche  beispiele  dafür  sind  nuten  in 
•den  Anmerkungen  beigebracht.  Hier  deshalb  nur  einiges. 
"Ganz  augenfällige  Unrichtigketleu  iu  der  Auslegung  stehen 
z,  E  8.4i^  (Ii,  5)  S.  53  (I,  108  II,  lüö).  Durchaus  „willkflr* 
lieh''  encbeink  Kern  (S.  32): 

IV,  117  Die  Welt  scheint  kogelmnd,  diewetl  sie  soU  Tergebn: 

Geviert  ist,  Gottes  Stadt,  drum  wird  sie  ewig  stebn. 
Die  Bezeichnung  „kugelrund'^  soll  aber  das  Bewegliche,  das 
DahinroUen  nnd  daher  Vergängliche  ausdrücken,  „geviert**  im 
Gegensatz  dasQ  den  Eindruck  des  Festgegrttndeten,  Soliden 
bervorrut'en. ' 


*  Zwei  Bsiipiele  mögen  hier  doeb  Plsts  linden.   S.  107  bespricht 

OT  die  Furdpfuni?  KrkLarte ,  man  solle  »0  weit  in  der  Willeoslosigkeit 
kommen,  üafs  mao  nicht  Vater  noch  Mutter  mehr  liebe,  als  andere 
Meoaebeo,  ja  sogar  bei  Ihreoi  Tode  anbewegten  Herseot  Ueibe.  Das 
ist  für  Kern  ^empörend".  Wir  stehen  nicht  an,  es  erhaben  zu  nennen.  — 
Völlif?  unverständlich  ist  es  iin«,  wenn  Kern  (8.  48)  bei  Gple/^enheit 
von  Sprüchen,  wi^:  der  Meu»ch  niQsse  iu  Erkennen  über  Cherubim 
■  kommen,  von  „hochfliegendent  Stolz**  redet,  oder  wenn  er  iu  folgender 
Stelle  der  Vorrede  <!t"3  Cher.  Wand,  „exaltierten  Stolz"  findet  (S.  26): 
«Diese  Keimen,  gleich  wie  sie  dem  Urheber  iseisteoteiU  ohne  Vor- 
1>edachl  und  mtthsames  Naehtinnen  in  kars«r  Zelt  von  dem  Ursprung 
allss  Gncen  einig  und  allein  gegeboi  worden  aufzusetzen;  also  dsA  er 
auch  das  erste  Buch  in  vier  Tagen  verfertiget  hat;  sollen  auch  so 
bleiben.**  Mit  den  Worten,  dafs  ihm  die  SprQche  von  seinem  Öchöpfer 
eingegeben  seien,  welches  Kern  den  Aslsfii  sn  seinem  Antsprueb  gibt, 
will  Sch.  doch  nur  jeden  Anspruch  auf  Verdi pnst  für  die  eigene  Psnen 
von  sich  abweisen.    Ohne  Zweifei  (;erade  ein  beweis  von  Demut I 

«  Eine  Parallele  finde  ich  Eccl.  VII,  36:  »Der  wahre  Glaube 
stebt  auf  einem  festen  unbeweglichen  Felsen,  der  fiuiehe  aber  aaf  einer 
inmerdar  beweglichen  Kogel" 


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4i)2   Syllabus  Pii  Poolificis  Noni  ia  UDiveru  re  philosophier  etc. 


Gerade  wog-oti  der  epigrammatifichen  Form,  in  der  Schefl- 
ier  seme  Gedankeu  uiedergeiegt  hat,  ist  es  geboten,  die  Exegese 
auf  das  sorgtaltigsbe  za  betreiben.  Demgcmärd  werden  wir 
nichts  für  von  Schetfler  gesagt  au^gebeo,  wa&  wir  uicht  sofort 
aaoh  mit  sicheren  AiuaprttcbeD  beTegeo  konoen,  and  wo  wir, 
etwft  zur  Anafüllang  einer  LiUske,  nne  eigenen  Mitteln  etwa» 
TOrbriogen»  dieses  stets  aneh  eis  solches  kennseicbneo.  Frei- 
lieh  ist  auch  hiermit  eine  Gowäbr  für  völlige  Objektivität  niehi 
gegeben,  da  schon  in  der  Auswahl  der  an  Grande  gelegten 
Sprüche,  die  dem  Judicium  des  jeweiligen  Darstellers  über- 
lassen bleiben  mafii,  ein  starkes  subjektives  Element  euthalten  ist. 


Vorbemerkung:  Die  Anordnung  der  Iblg-enden  Kapitel 
scheint  uus,  als  die  |dem  Gegenstande  nuluriicbe,  im  ailge- 
meinen  keiner  Rechtfertigung  zu  bedürfen.  Nur  Biaa  kSante 
Bedenken  erregen.  Die  Erkenntnistheorie  (Kap.  1  n.  4)  er- 
scheint bei  nns  durch  die  Lehre  vom  Bing  an  steh  (Kap.  i 
und  3)  aus  einander  gerissen.  Aber  das  diskoraiTe  und  intmtife 
Erkennen,  welche  das  4.  Kap.  bilden,  sind  von  Scbeffler  nur 
in  Beziehung  zu  Gott  gedacht  worden  und  setzen  daher  die 
Kenntnis  seines  Gottesbegriffs  voraus,  während  andererseits  das 
intuitive  Erkennen  wegen  seines  engen  Zusammen hauges  mit 
dem  Sittlichen  gut  zur  Ethik  hinüberleitet.  Zu  vermeiden  ist 
dabei  Ireiiich  iiiclil,  dals  schon  ia  Kap.  2  bei  der  „verneinenden 
Beschawang*'  auf  den  Unterschied  des  dsskoiaiTen  und  intnttifen 
Denkens  Beaug  genommen  wird»  welches  aber  ein  geringerer 
Üebelatand  ist^  als  wenn  bei  AnfKgung  des  4  an  daa  1.  Kapitel 
fortwährend  schon  Sohefflers  Anschauungen  über  Gott  voraus- 
gesetat  werden  mttfsten.  (Schlafs  folgt) 


SYLLABUS  Pn  PONTinCIS  NONI  IN  UNIVERSA  RE 

PHILOSOPHICA  lUXTA  MENTHM  S.  THOMAE 
AQUINATIS  Ki:^CENTIUMQUi.  PHILOSOPHORU.M 

per  Prot.  Dr.  Guilelmum  De  Angelis-Stella  Neapolitanutn 

evolutus. 


Uemum  scientiarum  artiumque  initium  progressusque  mundi 

infanti^im  ostendunt  Ante  Hebraeonim  Icgum  lutorem  quis 
germanae   qualiscumque   scientiae   vestigia   patefecit?  Ante 


Syllabus  Pii  i:'oauüci8  Noni  io  uoiversa  re  pbilosopbica  cic.  4cd3 


Thaletem  et  Pythagorara  vix  philosophiae  notio  est  aadita. 
Pietur  ie  atque  ficulplurn«»  artes,  Holum  telicinrihu!^  (iraeciao  tem- 
poribus,  late  longtique  vaiueruut.  Italia  ipsa  politioris  cnltus 
'  primaeva  monumenta  habebat.  cniD  vix  e  barbarico  hIuu  Graccia 
eaput  efferre  iacipiebal,  c[uac  moQuiuenta  cum  in  illis  Etruria» 
iQBitantnr,  in  illam  incidont  epoobam,  qua  bomines  poet  phale» 
gicam  diBpemioaem  primam  Bocietatem  raWerant  At  ai  mund» 
ofettio  MBet  aeterna,  quomodo  fieri  poterat,  ot  homiDum  ingeBitim 
lanto  tamporiB  spatio  proma  incnUain  latent?  ergo  nuadiia  noo 
tiBt  ab  aeterno  eonditus. 

Ex  quo  consequitnr ,  (\\ioi\  valde  inter  antiquos  tuerit  ßiib 
iudice,  utnim  mundi  cteaiio  dociis  patuerit.  No«  cum  S.  Thoma 
ac  Bonaventura  in  Heuientia  suiüuh  creatiouem  illus  laluiBbe, 
quidquid  Plato  in  »uo  Timaeo  adhrmet.  Verum  quücumque  modo 
baec  cootroversia  deilniatur,  contra  Venturam,  dicimus,  hic  non 
iaqiiuri  qnid  sapientea  ethnid  de  mandi  origine  BenBerint,  Bed 
quid  ratio  bnnuuia  de  üla  nobia  pate&oiat-,  qnare  Tindicamna 
Bojentiam  proprio  dictam  de  mnndi  oreatiooe  poaae  adipieoi.  8ane 
cogaitlo  rei  tum  eat  Boientifica,  cum  vx.  mtrinBecis  dotibna  ipaina 
rei  conficitar;  at  contra  cognitio  certa  obtinetur  etiam  ex  prin» 
cipiiß,  quae  non  sunt  intrinseca,  sed  aliundo  decerpta.  Tarn  vcro 
qaoniam  probntio  indirecta  non  ex  principiia  iotimie  rei,  sed  ex 
absardiR  desumitur;  bis  positis,  certa  et  ioconcnssa  cognitio  id 
genuH  de  mundi  creatione  potest  haborl,  quia  tarn  est  certnm 
quod  probatur  verum,  quam  chl  certum  abäurdas  esse  con»equeD- 
tiaa,  ad  qnas  eine  negatio  dndt  Qnoniam  yero  probatioiie  di- 
reota  cogDOBoimiia  principia,  quibus  prodnctio  mnndi  nisi  creatio^ 
ipetna  eese  poBBit;  ideo  argnmentiB  directia  de  ereaiione  Boientiam 
▼eram  adipiacirnnr*  Eqnidem  fbtemnr  rationem  bnmanam  non 
poBBO  actum  creaÜTiim  comprebensive  cognoscore,  nt  non  Bolom 
eins  cxistentiam ,  scd  naturam  intelligat.  Actus  enim  creativna 
ad  Tirtutem  infinitam  pertinet;  contendiraus  tarnen  rationem  hu- 
manam  actum  creativum  inadacquate  po»se  cognosccre,  nempe 
quod  Dcus  mnndum  e  nibüo  effeeerit,  quod  terrainus  creationis- 
Uli  iiuilus,  id  prucui  dubio  ratione  bumaoa  coguoäci  potesL  (Joguilo 
autem  termino  alioniuB  actus,  saliem  exiatentia  ipaina  actna  cog- 
nofld  debet,  quin  infinitaa  ipBiua  aotna  oomprebendatnr.  Qood  ai 
creationia  Bcientia  adipisot  poasomoB»  iure  meritoqne  in  Gtobertinm 
Tindieamns,  de  creatione  a  priori  et  a  poBteriori  demonstrationem 
confici  posse.  Namque  ipse  in  suis  argumenttB,  qaibus  sententiam 
vindicat,  duo  confundit,  videlicet  Deum  esse  mundi  causam, 
atque  mundum  Dei  esse  effectum,  cum  alia  veritate,  Deum  esse 
causam   creatncem  mundi,  et  mundum  esse  per  creationem 


Syllabus  Pii  Fontificis  Nooi  ia  uaifersa  re  (»bUosophica  etc. 


^eDitnin  a  Deo:  qoaa  dno  sunt  laue  omoino  distiDguenda.  AHud 

«at  cnim  qoaerere,  an  Dens  git  mundi  causa,  aliud,  an  sit  eius 
causa  creatrix,  cum  perraiilti  inveniantur,  qiii  Deuni  esse  mundi 
causam  putent,  quin  Deiim  ef^se  causam  crs-ulricem  arbitrentur. 
Proinde  in  dcmoiiütratioae  a  priori,  priimun  eat  osteudendom. 
Dcum  mundi  causam  esse;  qua  pusiu  coguilione,  Beum  caitöaiu 
louodi  oreatricem  esse  facile  ostendi  potest  Item  postquam  Tin- 
dioatnm  sit»  nrnndmii  Bei  eMe  effaotum,  a  posteriori  Ttndicatiir 
mundum  ene  a  Deo  per  creationem  gemtom. 

Potlqoam  ample  locnti  sorntta  de  aekione  Dei  qooad  nuDdiiai, 
necesae  est  loqui  de  actione  Bei  quoad  homioes»  ctarioriboB  verhis 
de  proTideatta. 

Deua  iD  ee  perieotiaeinua,  aullina  indigeoa»  aed  aibi  infiiiite 
auifioieDS,  voluitbaa  suas  perfectioues  ad  extra  effuadere,  omnesque 
creaturas  illarum  participea  fleri,  at  Inda  booae  essent,  quod  ipso 
iiooitas  Hit.  Ad  rem  Aquinas,  !•  q.  XLV  art.  VII  inquit:  In 
■creaturitj  omnibuH  invenitur  repraeaeutatio  Trinitatis  per  modum 
vestigii,  quia  in  quaiibet  ereaiiira  infeniuDtur  aliqua,  qoac  necesse 
est  reducere  in  divinas  peinouaa,  sicut  in  causam.  Quaelibet 
euiiu  creaLura  aubsietit  iu  suo  esse,  et  iiat)et  formam,  per  quaui 
detenoinatur  ad  speciem,  et  habet  ordioem  ad  aliquid  aliud. .  . . 
Beoandum  igitur  quod  est  aliqua  aabataotia  ereata,  repraeaentat 
•caiitam,  et  aic  demonairat  personaai  Patria;  wcttodom  quod 
habet  formam,  repraeaentat  Verbum,  in  quo  anat  dtvina  exem* 
ptaria;  aecundom  quod  habet  ordinem,  rcpraesentat  Spiritiua 
Hanctum,  in  quaotum  est  Amor.  Hanc  doctrinam  viodicaas 
Aiigheriua,  aummua  divinusque  vales,  aiebat:  far,  c  i^: 

Le  cose  tutte  quante 

Hanno  ordine  tra  loro;  e  questo  e  forma, 
Che  l'üuivürso  a  Dio  ta  simigliante. 
Qui  veggion  i'alte  creature  lorma 
Deir  £temo  valore,  il  quäle  e  fine, 
AI  quäle  e  fatta  la  toccata  norma. 

Quod  öi  tantam  creatnris  bouitatem  sit  elargitus,  omni  iure 
homo  ad  Deuro  est  dirigeuiiüs,  cum  suapte  natura  ein»  bonitatero 
(iapientiamquü  ostcudat.  Q,uid  bac  re  dulcius,  quidve  iucuudiuä? 
Verum  enimvero,  apud  Damascenum,  qut  oon  provtdet,  loq  est 
bonua;  nam  et  hominea  et  beatiae  propriomm  foetonim  provi- 
dentiam  habentt  naturali  quodam  inatinctu.  Qni  noa  providet, 
Titnperari  idem  cupit;  ideo  Deua,  am  operia  amantiaaimiu,  gerere 
oaram  volui^  nt  oatenderet  ae  esse  patrem,  bonum,  aapientem; 
atqne  hominea  neeeaaitate  oompulai  atatim  ad  nnmen  divinam 


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Syllabus  i'ii  Poutificis  Noni  in  UDivcrt»u  rc  philusophica  etc.  4tt5 


«e  reoiperent:  et  in  repentinis  pericnli^,  inopinatis  juTtitrltaiioiubuH 
Dei  nomen  invocarcnt.  Sed,  uti  raorm  est,  horniDes  seducti  al- 
•qufi  invicem  sednctoros  omnem  Dei  bonitatem  detrectare  sunt 
auBi;  iidem,  ad  ciiltuni  pessumdandum,  honestatem  repellendam, 
I>ei  providentiam  in  homioM  demegan  lund  dobitaront  Itaqne, 
▼iodicato  mondi  crMtione  per  Deam  eilbcta,  tb6«m  statoimiis, 
•qua  et  hano  ▼eritatem  oomproliaiiiaB,  erroiesqne  hoitiles  retoa- 
dimaa. 

Initiam  vobis  erit  a  8.  Tboma.  Ipie  enim  (s.  c.  gen.  1'6.  c.  1) 

ait:  Nccessc  est  ut  Deus,  qni  est  in  se  nntnraliter  perfectn«»,  et 
oraniburt  entibus  ex  sua  pote«»tate  esee  largitiir,  omnium  eotium 
rector  existat,  a  nnllo  utique  directus;  iiec  est  aliquid,  quod  ab 
ein«  regiroine  excusetur.  sicnt  nec  est  aliquid,  quud  ab  ipso  esse 
aon  Hortiatur.  Est  igitur,  sicut  perfectus  in  essendo  et  causando, 
ita  etiam  et  in  regende  perfectus.  8ed  einadem  legimhiia  eifootoa 
dbenimode  in  rebna  apparet    Qoaedam  lie  a  Deo  prodneta 
snnt»  nt  intelleetum  habentia  eine  «imilitadinem  geraat  et  ima- 
ginem  repraesentent,  nnde  et  ipia  non  solnm  sont  directa,  sed 
et  aeipsa  dirigentia  fecnndam  proprias  aotionea  in  debitum 
finem.  .  .  .  Alia  vero  intellectu  carentia  seipsa  in  eunm  finem 
non  dirigunt,  sed  ab  alio  dirignntur,  qaorum  qunodam,  inoorrup 
tibüia  exi«tentia.  Bicut  in  esso  naturali  pati  non  possunt  delüclum, 
ita  in  pro})ni»  actionibns  ab  ordine  iu  fiuein  eis  praestitutum 
oequaquam  exorbitant,  sed  indeficienter  reginiini  primi  regentis 
snbdnntnr.  .  .  .  Alia  vero,  corrnptibilia  existentia,  natnralia  eate 
patI  poesant  defectam,  qni  tarnen  per  alterina  profectnm  oom' 
pletnr;  nam,  nno  eorrnpto,  aliud  generatnr.    Bt  aimititer  in 
aotionibna  propriis  a  naturali  ordine  defieinnt;  qni  turnen  defectaa 
per  aliqaod  bonam  inde  provenieos  compensatnr.  Ex  quo  apparet 
quod  nec  illa,  quao  ab  ordine  primi  regiminis  exorbitaro  vi  lentnr. 
potcHtatcra  primi  rr^gcntis   evadunt;   nam        hnoc  corruptibilia 
corpor?i,  ?äteut  ab  ipso  Deo  condita  snnt.    ita  potestati  eins  per- 
fecie  subduntur.  —  Sed  contrarios  liabcrnus  Deistas,  Fataliatas, 
Epicureos,  qui,  quarnquam  Deuin  esse  lateotur,  ipsi  tarnen  adimunt 
providontiain.    Omnia  enim  ex  nuturae  impetu,  ac  fatali  necesai- 
täte  ferri  adfirmaot    Stoiei  vero,  et  si  remm  praeoeilentittm 
ooram  Denm  gerere  vindiearent»  tarnen  minimamm  procurationem 
divinitate  indigoam  rebaotor;  qoomm  tententiam  ex  receutioribus 
Cndwortbius  iterum  excitavit.  Bed  ad  inceptnm  redeamns.  Bodtbiaa 
providentiam  divinam  ita  describit :  Divina  ratio  in  summo  omnium 
principe  conptituta,  qua  cnncta  diaponit.     Sanctus  Thomas  vero 
eam  d^jfinit  rationero  ordini«  ronim  in  finem,  quao  oxistat  in  Deo. 
lam  vero  Deus  inflnita  poüct  inteiiigentia,  proinde,  si  mirificain 
Jftbrtacb  fBr  Phitotophie  «to.  VI.  9» 


496  Bylkbui  Fii  Pontiliai  Nesi  in  nnifem  re  philosopliica  «tu 


luuadi  compagum  e  nihilu  cuudidil,  rc6  ^uascumquu  influxu  suo 
OOBtiaenter  anemt,  at^ae  ad  eingulas  operationes  adiuvat  Haoo 
omnia  dod  etn&oe,  sine  oontilio,  et  eam  tameritate  Operator,  aad 
lationia  dttetn  ad  aliqaem  fioom  apootaodo;  ideoque  uiuTena, 
qoae  in  mando  contingunt,  nalla  oxcepu  re,  ex  divina  pendeat 
operatiOBa  Atqni  id  notio  gabernationis  importat,  Deas  ergo 
omoinm  remm  est  gubernator  et  rector.  Ad  hoc  Dei  pradentia 
ac  bonitas  hanc  vcritatem  confirmat.  Prudentis  enim  boniqno 
artifici*«  est,  operum ,  quae  inira  olaboravit  arte,  atque  ad  usus 
illis  maxime  idoneos  g^nuit,  curaiii  solerti^siiuam  g^erere.  ipsaque, 
üx  corum  conditioac,  ad  ilueiu  prauBiilutuui  assct^uendum  l'overe. 
Ergo,  um  Oeum  imprudentiae  et  foritatie  iDumolare  Telünoe, 
quibusque  rebna  coneulere  est  fiktendain«  Smiotiu  Amlnroshift: 
Qjiua  Operator,  inquit»  negligat  operis  eni  eoram?  Qoia  deaeraife 
et  deetitnat,  quod  ipse  condeDdum  patavit?  8i  injuria  est  regen», 
non  est  major  injaria  feeiaee?  otun  aliqnid  non  feoisae  nnll» 
injustitia  sit,  non  curare  quod  feceris,  summa  est  ioclementia. 
8ed  qiiaenam  causa  Deiim  ab  ejusmodi  admiDistratione  deterreret? 
Nnm  (|U(mI  (hvinam  dignitatnm  dedoceat?  Ät  potius  illam  miruui 
in  modura  commendat?  Num  ijuod  non  omoia  eiu»  poientiae  et 
cognitioni  subjiciantur?  At  Dei  scientia  et  potcstas  duIIi»  Ii  nlui»«^ 
coercetur,  sed  ad  omnia  protenditur.  Nam  quod  Deus  provideudo 
aiadam  fatigetar?  At  eat  abaardniD»  onm  Dens  iraUi  labori  ait 
obnoxinSi  aed  nno  TolnnUitia  nntn  omnia  peragat  Badem  Teritaa 
tertio  oomprobatnr  ex  miro  ordine»  quo  mundi  macbina  est  eon- 
stmota  ao  ftemperata.  In  tanta  enim  remm  vicisaitndine,  in  taata 
elementorom  pugna  tam  mirabilis  consensio,  tam  mutuos  nexus 
et  conspiratio,  ac  fere  dixerim ,  tam  admirabilis  concentus  con- 
sisterc  neqnaquam  poaaet»  nisi  adesset  moderator»  cuina  .imperio 
omoia  parcreut. 

Num  opinabimur  navem  sine  gubernatore  ad  portum  appel' 
lere  posse,  urbem,  remoto  omni  duce,  ordine  progredi,  gymna- 
•inm  Tel  domum,  anllo  reotore,  adhno  mauere?  Haeo  omnia 
annt  absarda,  imo  iaTeroaimilia,  ideoque  remm  ereatarom  molea, 
natnria  multiplioibna  ae  diaaentlentiboa  ooagmentata,  ablata  Dei 
Providentia,  atattm  per  ae  in  nihilnm  oorraeret.  Quod  ai  de 
hominibus  actionibusque  bnmanis  loqnamor,  multo  clarior  veritas 
apparebit.  Nequit  enim  concipi  tantum  facinus  de  divina  bonitate, 
ut,  po«tquani  honiinem  procrcaverit,  eique  nobilissimum  linem 
pro|)(ir^uerit,  dcinceps  facti  poeoiteat  adeo,  ut  illum  tbrtunae  ictibiiS 
trudiderit.  Cui  enim  liceret  dicere,  postquam  Deus  legem  iialu- 
ralem  nobis  dederit,  qua  ab  iohonestis  revocamur  et  ad  honesta 
impellimnr,  honeata  liominnm  faefca  a  pravia  non  diaoemi,  neqne 


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Syll&buB  Pii  PonUficia  Noai  iu  uuiversa  re  philoaophica  etc.  497 


ilHs  praemia,  his  poenas  constitui.  —  Ergo  in  pesHum  iret  Dei 
sanctitas.  Ad  hoc  Dei  sapicutia  non  aubsistercL,  si,  in  tiitum 
recepta  hominum  voluntato,  arhitriura  hominis  iut  luoderaretar, 
ut  determinatus  ordo,  quem  praestituit,  clarior  non  niteeceret? 
Tandem  Deus,  ablata  Providentia,  sibi  ipse  dissentiret,  qui  tanta 
onn  illa,  quae  minliDi  bominia  intenitnt,  oomparavit.  Qaia  enlm 
non  admiratnr  bmoaiil  oorporis  atniotaram»  yarietatem,  ueamqae 
singalarinm  partium?  Quid,  ai  oenloa  eonTertamiis  ad  artifido* 
nsBimam  mvadi  fabrioam?  Tot  tantaque  portenta  conspiomiitiir, 
nt  mentem  omnino  obniant  Quid  dioemus  de  tlosrulorum  mul- 
titudine,  ut  illos  peritisRimus  pictor  in  imitando  lahorctV  Quid 
de  tontiilo  firtis  grano,  ant  acino  vinaceo,  aut  Irugum  luinntis- 
simiö  büiüiüibuji,  ut  immanes  trunci  et  rami  et  arbores  Haut? 
Potestno  igitur  credi  vel  concipi  lam  benignura  Numen,  quod 
tarn  profuse  cum  homiue  egerit  iu  iis,  quae  parvi  momenti  sint, 
pristiiiae  dileetioiiie  oblitom  oetera  ood  oavare,  quae  anlmam» 
moroa  fiaemqne  atdagaat?  Ad  rem  Pallavimana  (arte  della  per- 
feaiooe  criBÜana)  ait:  Cbi  non  oi  ripnterebbe  sagrilego  temerario» 
Be  nella  bonta  poeponesse  ad  ogni  aomo  piii  dtwoluto  Tautore 
daU'  Universo,  il  qualo  ba  moitrato  tanto  gras  zelo  dei  nostro 
bene,  fabbricando  alle  anime  nostre  una  stanza  di  ßi  Htupcndo 
lavoro,  quäl'  e  il  corpo  organizzato,  donaDdone  nn  rearae  »i  vasto,  ei 
ricco,  81  copioso,  f^i  dilettevole,  quäl'  »>  tutto  li  giro  terreatre?  Orco- 
noßcesi  che  niuii  uomo  e  cosi  dis^t  luto  e  cosi  disprezzator  dell" 
uuesto,  che  Uiulu  o  quautu,  aimeuu  iu  aiUüi,  non  ami  la  probita 
e  non  abbomini  il  vizio;  e  die  avendo  nn  figUaolo,  nieate  gli 
oaglia  di  vederlo  bene  o  male  coBtnmato»  ohe  non  lo  raffreni 
dallo  aoondo  operare,  oon  daigliene  diioipUna,  e  non  Talletti  al 
ben  fore»  rimeritandolo  con  caresae.  £  vorremo  figurarei  in  Die, 
fönte  di  ogni  bene,  tale  aridezza  di  bont4,  che  riulla  diversifichi 
netl'  amore  Tinnocenza  dalla  scelleraggine,  che  tratti  egualmcote 
gli  ottimi  ed  i  pessimi,  che  avendo  cura,  porcho  venga  a  suo 
dirittu  ogni  noetro  capello,  trascuri  ciö  che  a  uoi  e  il  niaßsimo 
e  il  prestantisBimo,  eecondo  quella  Ktesea  norma,  che  cgli  ci  ha 
Btampato  nel  cuore,  cio  ^  la  vir  tu;  e  che  dopo  avere  Bcntto 
qni  vi  nel  buo  dito  una  legge,  per  cui  divengbiamo  rei  ed  odioei 
a  noi  fiteesi,  qaalora  posponiamo  qnalnToglia  gran  caterya  di  • 
altri  beni  all'  ooesto,  niente  pol  gli  sia  in  grado  o  in  dispetto  ebi 
ne  h  o«8eriratore  OTVero  trasgressore;  ma  laadando  Tnno  irremu- 
nerato,  Taltro  impunito,  uoi  suoi  figliuoli  tanto  amati  e  beneficati 
nel  resto  abbandooi  con  la  bnglia  sul  collo  in  preda  alle  inclina- 
zioni  irntali?  Niuna  setta  piü  abominevole  d'idolatri  ginuBe  a 
tbrmare  cotanto  indegna  dlTioita;  peroccbe  se  quei  torBenoati 

88' 


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4$^8    SyllaUus  Vii  Fuutificis  Noni  ia  uuiveraa  rc  pbilosopbica  etc. 


ascrivevano  ai  loro  nunii  alcuo  vi/io,  i'acf (Ji!i])M<,'navaDo  u  molti 
onesti  e  landevoli  sentimenti ;  r!f>  raai  pervennero  a  rlivisare,  spe- 
cialmentö  nel  inaggior  Dio,  un  aoimo  nnlla  curant«  delle  opere 
virluose,  senza  distinguorle  nelT  atiezioDe  e  nella  retriboziooe 
dalle  malvage.  In  breve  il  piü  irrazionale  degli  aomini  sarebbe 
aimile  a  qnesto  Dio.  TaDdem  qoid  tun  ratam  apnd  omnes  gentes, 
quam  divinae  proTideiitiae  exiatimatioV  Id  oateodit  religio,  qnae 
ab  omoibas  maxime  barbaris  nationibos  exhibetnr;  id  saorificia 
vel  bonorum  conseqaendi  Tel  malorum  avertendi  causa  obtata 
demonstraot;  id  coDscieotiae  stimoli,  quibus  botDioea  ob  flagitia 
aüimis  latenti:!  .trig^untur;  id  in  Hiimrais  periculip  8vipr»^nu  niiminis 
'^poüte  erurapnis  iuvocatio;  id  in  rebu«  advf^rsis  jhcccö  etiusae 
signiticaut.  Quae  cum  explorata  »int,  amplms  nou  moramar,  sed 
ad  Donnullas  difücnltatea  veniaiiius  oportet  Deistao  assernnt,  si 
oiDDia  Dei  Providentia  adminiütiareolur,  nihil  in  mundo  fore 
fortoitom-,  qaod  carte  oxperioDtiae  oontradicit;  ergo  nnlla  est 
Dei  providenua.  Haie  difflcoltati  cum  8.  Tboma  —  Snin.  o. 
goDt  üb.  III.  0.  LXXIV  —  respondenras:  Hultitudo  et  diver- 
8t tos  causamm  ex  ordiae  divioae  proYidentiae  et  dispoeitiooia 
procedit:  suppoeita  antem  oaoaamm  diapotltiooe  oportet  nnam 
alteri  quandoque  concurrere,  per  quam  impediatnr  vel  invRtnr 
ad  snura  etfectum  producendum.  Ex  concursn  antem  duaruiQ 
vel  plurium  cauburum  contingit  aliquod  causaliter  evenire,  dum 
tiüi»  uon  intentuö  ex  concurHU  alicuius  causae  provenit:  »icut  in- 
ventio  debitorib  ab  eu,  4111  ihat  ad  luruiu  euiendi  aliquid  cauaa, 
proTonit  ez  boc,  quod  debitor  etiam  ad  foram  yenit  Non  est 
igitnr  difinae  proTideatiae  coatrarimn,  qaod  Bint  aliqna  fortoita 
et  casualia  in  rebos.  Sed  animadTertere  invat  omnia  creata  in» 
telligeotia  finitom  cognitionem  et  activiutem  habere,  proiade 
multa  posae  eTenire,  qnae  fortuita  dioantnr.  At  Deus,  causa 
abaolula,  cuins  praesentionem  nihil  iinf]uaTn  elabitur,  fortuitos 
nullos  habet  evontus;  quare  si  foriunrnn  nonnullia  rebu«;,  (juae 
praeter  nostram  expectationcm  contingunt,  tribuimus,  id  nequa- 
quam  respectu  «nprerai  ordinatoriH  poHse  proferri  reputamus.  Alii 
vero  aaserunt  reruui  aupreniaium  Dei  provideutiani  eaHe  admit- 
tendam,  sed  minimaram  administratioaem  negandam.  Unic  qui- 
dem  difficultatt  respondeo  cum  S.  Tboma  —  Samma  contra  gentea 
lib.  III.  0.  LXXV  — :  81  Deae  boram  miatmoram  caram  non 
babet,  aut  boc  est  qnia  non  oognoacit  ea,  aut  quia  non  potest, 
aat  quia  non  vuU  rerom  onram  babere.  Kon  poteat  antem  diei, 
quod  Dens  singularia  non  cognoscat,  quia  Dens  omninm  notittam 
habet;  nnc  polest  dici,  quod  Dcus  eoruiu  ciirarn  habere  non  posait, 
quia  oius  potentia  eat  iofioita;  nec  quod  baec  siogulana  gaber- 


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SylUboB  Pii  Pontificia  Noni  in  UDivern  re  pbiloiophica  ele.  4dÜ 


natioiuB  noa  tmt  oapaoia,  qnia  videmo«  ea  guboniart  ratianm  in- 
dnsiria,  ati  patet  in  bommibas;  et  per  Dainialem  iostiDctam,  nti 
in  apibQK  •  .  .  neque  dici  polest,  quod  Deu«  non  vclit  ea  giiber* 
nare,  cum  voluntas  ipsinH  sit  universaliter  omnis  boni.  Bonum 

autem  eorum  qua«  gubernantnr,  in  ordino  g'nbernatioDis  maximo 
consistit.  Qiuiiu  est  djcenduin,  quamvi^^  Ucus  nobilioribus  crea- 
turis  iDteliigcntia  et  volnnUiio  ])iaediti8  peculiarem  curam  lar- 
giatur,  idcirco  res  mioons  moiüeiiLi  ab  eins  providentia  atquo  in- 
tinita  mente  non  eximi.  Sed  adversarii  impensius  urgent,  iu  mundo 
aequam  non  esse  bonoram  diatribntionem,  qaia  firogi  bomhieB 
innameris  calanitatibuB  premantar,  contra  neqnam  divittis  afflonat: 
quod  carte  non  eiaet,  ei  Oei  Providentia  admittereinr.  Respoadeo 
dicendnm  esae  ia  primi»  falsom  probos  in  aeromntSf  maloo  in 
Prosperität»  Torsarl,  quod  »i  saepe  contingat,  contrariiim  tarnen 
fiaepe  intcrvenit.  His  positis,  tum  iustos  cum  improbos  oboediro 
decet,  qtiia  hominnm  frennn  Tialuran  nonfittione  tonetur,  eiiisquo 
vicibus  subicitur,  ideoque  ex  mutabili  ailionum  liberarum  cursu 
raalu  ali  pia  vel  bona  utrisquo  proveniunt.  Quod  m  DeuH  iuRtura 
quodam  iuturtunio  liberaturiis,  impium  älatim  post  Bcelus  patrdLum 
poena  mnltatnras  OBset»  oerte  non  modo  liberlatis  nmiin,  verum 
etiam  rerum  nataraliam  onramn  invertere  daberet,  proinde,  quam- 
vis  id  posset»  legum  generalinm  constantiam  perverteret  Ad  rem 
Le  Maistre  —  Serate  dl  Pietrobnrgo  —  advcrtit:  Convenivate 
obe  male  a  proposito  si  sofiadcava  oontro  la  Frovvidensa  rispetto 
alla  diftlribuzione  dei  bcni  c  dei  mali,  ma  che  lo  scandalo  con- 
Histe  ueir  impunita  degU  acellerati.  lo  non  bo  bo  possiate  ri- 
nunziare  aila  prima  obiezione,  senza  abbandonare  dei  pari  Ia 
seconda,  pcrciocche  so  non  awi  in^iuHtizia  nella  distribuzione 
de^  juuli,  Bopra  qual  luudaiueuto  btabilircto  voi  Ic  doglianzo  della 
virtü?  Non  essendo  retto  ü  mondo,  che  da  leggi  generali,  non 
avete  la  preteasione,  ebe  se  le  fondamenta  dei  terraaso,  sopra 
il  qnale  stiamo  favellando,  per  nn  qnalcbe  sotterraneo  ebollimento 
andassero  in  aria,  foese  Iddio  obbügato  a  sospendere  in  favor 
nOBtro  le  leggi  della  gravita,  per  la  ragione  obe  qnesto  terrasso 
Bostieoe  in  questo  momento  tre  uomini,  i  qii^H  non  Hanno  mai 
coramesRO  uccisioni  n»''  i'nrll :  o  indubitato  che  noi  cudremrao 
e  ci  rimarreiumo  Bchiacciati.  E  so  avvcnisse  il  coDtrario,  ccco 
duoque  un  miracolo.  E  cosi  parlando  di  altri  tatti,  ne  vcrrebbe 
che  ogni  iutaute  ebigeudo  un  miracolo,  »arebbe  quoäto  lo  stato 
ordinario  dei  mondo,  lo  che  e  come  dire,  che  non  piü  potesse 
darai  miraealo,  che  la  eceesione  foese  regola.  11  solo  esporre 
idea  di  tat  fatta  ö  on  confntarle  abbastansa.  Quod  si  iuBtns 
praeoenti  vita  affliotionibas  vexetur,  impius  rebus  seeondis  fmatnr. 


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500   SylUbiis  Pii  Pootificis  Noni  in  antrersa  re  philosophica  etc. 


prodeniia  infinita  Dens  est  usuf»  ODin  perfeotem  praemiorum  ac 
poeDarttm  difttributionem  in  fhtitnim  dütolarii.   Ideoqae  ÜMÜe 

inferimus,  coosentaneiim  virtutis  Btipendiam  temporaneis  commodis 
non  continori.  mm)  altins  oese  petondnm.  Praeclare  AagTi^tinus 
—  de  Civ.  i)ei  I.  1  c.  8  —  Placuit,  ioquit,  divinac  providentiac 
praepararc  iu  postorum  bona  matie.  quibne  non  fruentur  iniusti, 
et  mala  impÜB,  quibus  non  excruciabuntur  buui.  ista  vero  tem- 
poralia  bona  et  mala  utrieqae  volait  esse  communia,  ut  noc  bona 
enpidins  appetantnr,  qoao  mali  qiioque  habere  oeiuneliir,  nee 
male  tarpiter  evitentar,  quibns  et  bont  pleramqee  afftduntor. 
Qood  ei  qui»  impodeotiiie  eaniaa  omnea  diviaae  proTideetiae 
aerotan  vellet,  ia  atolUtiae  aotaia  iaearreret^  ae  illad  Aligfaerii 
iure  audiret: 

Par.  c.  Id.  Or  iu  rhi  se\  clip  vuoi  Modere  a  soraoaa 
Per  g-iudicur  da  lungi  miile  miglia 
(Jon  la  veduta  eorta  d'  una  Hpanua? 
Certo  a  colui  che  teco  s'  assotüglia, 
8e  la  scrittura  sovra  voi  non  fosse, 
Da  dabitar  aarebbe  a  oiarmnglia. 
0  terreat  animaü,  o  neati  groeae! 
La  prima  voloaU,  eh*  k  per  ad  boona 
Da  se,  ch'  e  sommo  ben,  mai  aoa  ai  moaae. 
Cotanto  6  giueto,  quanto  a  lei  oeaenoaa; 
NuUo  creato  bene  a  se  la  tira, 
31a  essa,  radiando,  lui  ca^ona. 

Kevulaiio  e^t  eubiecta  continuo  et  inde&aito  progres- 

sui,  qui  humanae  rationis  progressioni  respondeat 

Eptst.  eDCYcl.  Qai  phirÜNii.  184a. 
Afloe.  Nasiaa  «aideoi.  9.  Jaaff  1888. 

Frotagoras  prior  io  omni  quaestione  pro  parte  yera  et  falsa 
dissorere  gloriabator,  impnlava  HeraoUtt  aeatentüay  qaibaa  ad- 

firroabat  eesentiam  rerum  iu  progressu  consistere,  atqae  esse  et 
non  ev«p  pbnntamae  humanae  tantnm  tribui;  ideoque  opos  ei 
fuit  inlerre,  voruiu  Dou  oftse  neqne  absolute  neqae  essentialiter, 
sed  tantum  relative,  nempe  quod  ai  subiectum,  quare  Tuliiui» 
Protagorae  tribuebat  illud:  Id  cuique  verum  est,  qaod  cuique 
Tideatur,  atque  illud  aphorisma:  ndvxcav  X9W^^^  fitxQW 
üß^QfßJtog  —  Homo  eat  omniom  femm  neaaara.  £  qnibaa  erro- 
ribaa  et  alii  prooeaseruat  Leaaiag  enim  dooebat,  !a  geaera 
bamaoo  Tim  iaftaitam  perfectionis  iaesse ;  hoc  idem  Kastias  atqoe 
Herder  opere:  Id^  aar  la  philosophie  de  rbiatoire  de  Tbama* 
ait^  ▼indtcabant.    ITeram  ScheUing  atqae  Hegel»  Vici  Teatigta 


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SyilAbiii  Pü  PontUleit  Noni  m  oniterM  n  p^lMopkim  etc.  501 


«eotaates,  oonati  taut  proffnum  doetriBam  solnm  metopliynoaiii 
▼iBdkare.  Sie  enim  Sebelling:  Qnoniam  absolutnin  unum  ideiii- 
qne  ett^  >ed  Tarie  se  eYoIveos,  ideo  asiciim  aal  oognitionia  aj- 
stema,  quod  Bub  diventis  formis  apparet.    Ad  rem  Pythagoras, 

Parmem'dcs,  Heraclittm,  Zeno,  Leibnitzius,  Spinoza  aiictore«  inve- 
üiuutur  uoius  systematis  8ub  diverws  formi«  evoluti.  Ifegel  Eiuteru 
opere:  Lezioni  sulla  Pilosofia  della  ötoria  aiebat,  historiam  esso 
evolutiooem  apiritus  universalis  in  miindO}  se  ?arie  manifeslantih 
in  natura,  anima  et  iure.  Gallia  qnidem  eiusmodi  sopbistas  ha- 
hmt  Paaeal  eoim,  BofleaOy  FaateiieUe,  Ferrani  dooebmt:  Onminm 
honiiraiD  •eriam  per  tot  aaeenla  apectaodam  «eao,  lioati  anam 
hamiaem,  qni  tetaper  eat  atqtia  diadt,  adeo  ut  Tateraa  tapiealar, 
ai  adbao  Titam  gararent,  propriis  cogoitionibus,  per  tot  saecula 
depromptas  aliaH  novas  addidissent.  Praeterea  Turgot,  Condorcet, 
Saint  Simon  idera  confirmanint.  Venim  his  omnibus  haud  fuerunt 
<iompertac  leges  iramutabilcs  alqun  iiPcessariae,  quibn«  suhiacet 
mens  humaoa  in  suis  adi^nsceDdis  (o^uitionibus;  quibus  legibus 
inspectis  Victor  CouBioius  philobophiao  historiam  a  priori  con- 
stituere  est  adnixus.  Sed  fet'ellit  eum;  uamque  in  uua  eademquo 
ra  pemueait  pbttoeophiae  hiatoriam  com  ipsa  philoeophia,  eiasqne 
hiatoriani  cam  hamani  genem  histaria  ooaaootaTit»  ideoqae  da- 
daxit  ex  ratioaia  aTolationibna  ad  aaiTerii  gaaerit  atatom  pOMe 
argamentari;  itemqae  intulit,  nti  hominee,  epoeharam  ad8ei*torea> 
sua  iUuBtria  t'acinora  non  sibi  eed  epocbae,  ia  qaa  vitam  Tivabaaty 
Äd«?rribere  siiTit  ooaotf.  ita  philosophos  variomm  tempanim  vcri- 
tatem  detegero,  prout  r  uiusque  temporis  ronditto  ferat.  Demum 
ex  methodi»  ^Scheliingii,  Heg&lii,  Cousinii  rccentiores  (xalliae 
progreseifitae  mnm  syatenia  mint  mutuatt.  Si  enim  orania  phi- 
losophme  dogmalu  buul  \oin,  si  scieutiae  errorus  uoq  suut  in  re 
aed  in  aomiBe,  ai  omaSa  aytemata  aaat  ad  anain  redacenda, 
carte  dioendaoi  qood  hodia  eat  Taram,  oras  &ltam  fore,  proat 
ratio  progretaaaa  inaat  Qaaro  Lenniaiar  et  Lammeaaia  opara: 
Lea  £Yaogile8  docent:  leaam  Cbristani  soieatiae  absolutam 
reliqafna  libartatem,  ideoqae  aoientiam,  perpatno  rationia  laboie 
perpet^io  progredi,  continno  mutari.  Ita  quidem  P.  Lerotix  ac 
louliroy  oj)f»ro:  Coramcnt  las  dogroes  finissent?  disseruerunt,  spi- 
ritura  homiuis  transiro  a  vero  ad  falsnm  et  ab  crrore  ad  verum; 
si  quoddam  aevum  poRsideret  vemm,  pulchrum,  lusturo,  omnino 
ttcieutiaiu,  moralem,  artem  esse  detiuiUiH;  quarc  rerum  varietatem 
ia  idearam  yarietate  oonsiatere.  His  expoeitis  doctriois,  operae 
pratiam  erit  ad  arroraa  damaaadoa  aarmonam  inatitaara.  Praa 
emaibas  petimaa,  vade  aliquid  fatiooein  Tan  deaamat?  Dooaate 
Aqoinate  (1*  p.  q.  XYI  art  1«):   Aatiqui  pbilowpbi  apeaiaa 


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002    6vilai>u8  Pii  PoDtificis  Horn  iu  uoiversa  rc  philosoplitca  etc. 


rerniQ  natiiraliam  non  dioebant  ab  aliquo  i'ntellectii  procedere, 
•^cd  illas  provenire  a  casu.     Et  quia  considciabant,  quod  vernm 
Importal  coniparatioDem  ad  iDteUectum,  cogebautur  veritatem  reriuu 
coDBtituere  in  ordine  ad  intellectum  nostrnm.    In  hoc  errabant; 
uam  verilaä  lerum  nou  cüüblituitur  in  urdiue  ud  uuBtrum  intel- 
leotoniy  Md  ad  intdleetnm  diTiamiit  a  quo  dq^midety  ergo  Deo»^ 
non  ratio  «ola»  wt  von  monnin.  Ad  rem 8.  Tbomaa:  Oain  rmm 
at»  iaqiiit»  m  mteUoetn,  aoonndnm  qnod  oonfbroatar  ni  intol- 
leotae,  nooeiae  eo^  nt  latio  veri  ab  inteUeola  ad  rem  intelloot» 
derivetur,  ut  ?ea  Otiatn  iutellecta  vera  dicatar,  Becundnm  quod 
habet  aliquem  ordinem  ad  intellectum.    Ren  aatem  iotellecta  ad 
intellectuoi  polest  !iabcre  aliquein  ordinem  vel  per  so  vcl  per 
accidens.    Per  »e  quideiu  habet  ordinem  ad  inteiiectum,  a  4U'> 
dependet  secnndura  Huum  oh»«,  per  arcidens  autem  ad  intellectum, 
a  quo  est  coguOBcibili».  —  i'enude  ac  m  dicamus,  quod  domu«^ 
oomparatur  ad  intollootom  aitifioia  per  se,  per  aocidens  avtem 
ad  intelloctam  apeotatorio,  a  quo  non  depeodoL   lodioinm  wo 
de  qnacnmqoe  re  non  eumitar  ex  eo,  quod  in  flla  per  aooidona 
ioeat»  Oed  ex  eo,  quod  per  se  inToniinr;  ideoque  onnmqnodqne 
dicitur  verum  absolute  aeenndom  ordinem  ad  inteUeotnm,  a  quo 
dependet    Inde  fit,  ut  res  artifrciali»  dicatur  vera  quoad  intel- 
lectum Tiostrnm;  atqup    item    res  naturales   sint  verae,  quoad 
assequuntur  similitudinem  speciorum  quae   sunt  in  mentf  Dei. 
Qoare  Doctor  Aqnin:!«*  (Qu.  disput.  de  Verit.  q.  1*)  ooDciudL'bai: 
Patet  quod  reo  uatutales,  e  quibns  iutelleotus  noster  scieutiam 
accipit,  mensurant  iotellectum  nostrum,  sed  sunt  mensuratae  ab 
intelleotn  diTino,  in  qno  snot  omnia  ereata,  aioati  anifldata  in 
mento  artifici«.   Ecgo  intoUeotne  divinns  eot  mensarane  non  man- 
suratos;  res  natnralia  menaaraoa  et  mensnnta;  inteUeotas  noster 
innnsnratus  quoad  res  naturales,  sed  mensurane  res  artifioiates. 
£x  quo  deducimus,  res  naturales  snam  veritatem  a  Deo  desumere, 
non  nntora  ab  intellectu  humano.  Haec  autem  Aquinatis  doctrina 
ab  anüquiB  philosophis  comprobatur.    Plato  enim  (de  leg.  lib.  IV) 
»oribebat:  u  /dv  &tbg  jidvTüw  yQfj/idroop  fitz^f  är  n?/  ud- 
XiOra,  xo/iv  öi  fiäXZov,  tog  <^aöir,  avS-Qmxmv,    Idem  Patres 
vindicarunt:  Eusobius,  Praep.  evang.,  AnBolmus,  Dial.  de  Vero, 
Augustinus,  de  Doetr.  Christ   Hio  enim:  Omne  Tenun,  inquit, 
ab  Ulo  esty  qui  ait:  Bgo  snm  verttaa.   Qnisqnts  bonos  verasqne 
ohristianns  liomini  so!  esse  intelligat,  nbionmqoe  tnTonerit  Tori- 
tatem.   Uis  positis  sio  argamentamnr:  lotellectus  divinus  et  noo 
bumanus  est  rorum  mensura  ideoque  veri;  atqui  Dens  est  im* 
rnntahiliR,  ergo  verum,  quoad  intellectum  divinum  est  immulabile. 
Ad  hoc  in  rebus  quidem  mutabilibus  est  aliquod  elemeotum  im- 


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S^lnit  Pii  Ponkifidi  Koni  in  oaiverM  n  pbilotophica  6tc.  50d 


nmUMle;  atqni  soieiitia  in  hit  «lemeatta  imnutoliilibaB  innititiir, 
ergo  Boientift  in  Miis  vem  est  itnmatabilis.  Qaod  atüoet  ad  maioroni: 
Thomas  expoDensAriatotelis  teatimoDium  (Hb.  IV  Met.)  doeebat  (a. 
q.  XLV):  De  ratiooe  mntafeionta»  qaod  idem  alifeer  se  habest  nonc 

et  priuBy  id  evenit,  quum  qaandoque  sit  idem  in  actu  aliter  se  ha- 
beos  nunc  ot  prioB.  uti  i«  motibus,  eecundum  quantitatcni  et  qwa- 
litatem;  quaodoqnesit  idem  tantam  in  potentia,  uii  id  luutatioDibas 
secandum  subetantiaiu,  cuius  Babieotum  est  materia.  Quam  doctri- 
Dam  de  elemeoU)  immutabili  in  re  mutabili  Doctor  ab  Auguätioo 
deprompsit:  Id  quod  corpus  habet,  oon  est  idipsum,  quia  oon  in  se 
atat  Motator  per  «etatet»  per  matatiosea  looDram  ae  tampomiiiy 
mntatar  per  morboa  ao  defeotaa  oaraalest  non  ergo  in  m  atai. 
Corpora  caeleatia  non  in  ae  stant,  habeni  qnaMam  mntatioae» 
snas  etai  occoltas,  certe  de  ioeia  in  looa  mntantor,  ergo  non  sunt 
idipsnm.  Anima  humana  nec  ipsa  stat.  Quantis  enim  mutatia- 
nibus  et  cof^itationibuB  variatnr.  qnantis  voluptatibufi  iromutatur, 
quantis  cupiditatibus  diverberutur  alque  discinditurl  iSed  in  bis 
mntationibuB  AugiisLinuH  r^ni  iinniutabilem  agnovit.  ^*am(jue  sunt 
ideae  pnucipale»,  türuiuo  quaedam  vel  rationes  rerom  stabiles 
atque  incommatabiles,  quae  formatae  non  sunt,  ideoque  aeternae, 
ae  aemper  oodem  modo  te  babentes,  qnae  in  divina  intelligantia 
oontinentar.  Qaod  ad  minorem  soperioria  argomenti.  Gognitto 
veritatia  reponitnr  in  adaeqoatione  rei  et  iatolleotiia,  qnatenoa 
intelleclDs  dicit  esse  qood  est,  et  non  ene  qaod  non  eat;  efgo 
▼eritas  iunititur  in  essentiis  rernm»  quae  sunt  imroutabiles.  Ad 
rem  S.  Thomas  docebat:  Rernm  immutabilium  sunt  immobiles 
liabitudine«,  sicuti  ^iocrates,  etsi  doü  aemper  sedeat,  tarnen  est 
immutabiliU;r  vurum,  quud,  quando  Bedet ,  in  udo  loco  manet. 
i^üurc  Uli  prohibet,  quomiüus  de  rebub  mobilibuH  immobilem  seien- 
liam  habeamus.  Idem  6.  Doctor  docet:  Polobl  tsliam  de  gcnera* 
bUiboa  et  oorruptibilibas  esse  aliqaa  sdentia,  pnta  naturalis^  non 
seenndom  partieularia,  quae  generattoni  et  corrnpttoni  aabduntar, 
sod  seonndnm  ratioaea  nniTorsalea,  qnae  snnt  in  neeeaaitate  et 
Semper.  Ergo  est  dicendam:  si  scientia  in  immutabiKtate  ooa- 
sistit,  veritates  scieatiae  annt  immutabiiea.  Fraeatat  tarnen  non- 
nullas  absurdas  huius  systcmatrs  nnHoqnentia«  p^essumdare.  lloc 
enim  systema  in  scepticismum  labitur.  ^^amque  procul  dnhio 
€>t,  obit  cta  noD  eodem  modo  a  variis  hominibus  percipi:  iiuiuo 
\i\cm  iioiuty  iliverno  tempore,  diver>5ü  modo  idem  obiectuui  ptjr- 
cipjt;  crgu  »1  verum  cat,  quod  cuique  videtur,  couäequitur  eamdem 
rem  modo  esse  veram,  modo  ftilaam,  Tariomm  kominnm  respecto, 
imo  einadem  hominis;  atqai  id  soeptieismnm  dioit;  ergo  hoe 
ayslema  ad  eiusmodi  docit  errorem.  Ad  remAngustinns  (SoHI.): 


504    Syllabus  Pii  Pontifick  Noni  in  imiversa  t»  ptüioiopluca  etc. 


Yerain  est  id,  ^nod  ie  Ita  habet»  nt  co^itori  Tideetar^  «i  velit 

posBitque  illnd  oognosoere;  ergo  non  erit  verum  id,  quod  nesio 
potest  coo^noscere.  Si  autem  falsum  est,  qnod  aliter  ae  e«^t  vi- 
detur;  quid  si  altcri  videatur  liic  lapis  lapis.  altt  ri  lignum, 
eadem  res  lalaa  et  vera  erit:  quod  certe  nemo  adtirraat.  Oacit 
secundo  ad  üihilisrauro.  Progressistae,  duce  Protagora,  Msenmt 
verum  esse  aolum  subiectivurn.  Animadvertendum  aatem  est, 
-^itod  onmie  cognitio  dno  omkiiiet,  eabSeotaai  eogaeeoene  el  eb- 
ieetwn  oognitom;  ergo  si  oogaitio  ferum  eel  nensora  eama, 
anaqnaeiiae  res  ideo  eril,  qaia  oogaoeoitur,  et  ideo  lenw  es* 
stentia  erit  taatum  relativa,  noa  abeolata;  atqai  id  nihiliamiiB 
-dioit;  ergo  efeo.  Aogaetiava  fem  aoetraia  eoafirroat  (Solil.):  Si 

dicia  nihil  eHse  v^rum,  Tion  times  n«  Reqaatnr,  ut  nihil  ^it  per 
se?  llndr  oniru  lig-miin  «;bt  hoc,  iridc  etiam  verum  lignum  est. 
Nec  fieri  potest,  ut  per  seipeum,  idest  sine  coptiitore,  sit  linnum 
et  non  8it  verum  lignum.  Deniqne.  hoc  systema  ad  pautht^iHmum 
ducit.  Öic  euim  Euaebiut»  argumeuiatur:  Bi^  iuxta  Protagoram, 
aallam  eet  disorimen  iater  pine  ailaasve,  ia  omni  genere  ranui, 
iater  neeessariam  et  coatiDg^aB,  iatar  aataiato  et  praeteraatatala; 
eigo  aaam  fit»  qaod  eat  et  aoa  est  Kam  eTeaire  poteei,  at 
idem  cuique  videatar  eas,  alten  non  eaa.  Dein  s.  Thomas 
(q.  XVI):  Mutabilitas,  iaqait,  veritatis  eet  coiisideranda  ciroa 
intpHectnm.  Cuius  qnidem  veritas  in  hoc  consistit,  qnod  habeat 
conformitatem  ad  re«  intellectas.  Qnae  quidem  contormita?  va- 
riari  poteet  dupliciter,  sicut  et  quaelibet  alia  similitudo  ex  uiu- 
latifuio  alteriiiH  extremi.  Unde  uno  modo  variatur  vcrita«  ex 
parte  luteiieclUH  ex  co,  quod  de  re  eodem  modo  iiabeute, 
aliqnis  aliam  opiaiooem  aecipit,  alio  modo  in  opiniooe,  qaae  eadem 
amaety  res  matatar.  Ex  ntroque  modo  fit  matatio  de  Teia  ia 
falsam.  Si  ergo  sit  aliqais  iatellectos,  ia  qao  aoa  poooit  esse 
alteraatio  opiaioaam,  Tel  cains  acceptionem  res  aliqaa  snbterftigaie 
non  potest,  ia  eo  est  immatabilis  veritas.  Talis  aatem  eat  ia* 
tellectua  divinus,  ut  ex  supcrioribuB  patet;  unde  veritas  divini 
intellcctus  est  immutabilis.  Veritas  autcra  intellectus  nostri  est 
mutabilis,  non  quod  ip^a  s  t  subie(  tum  mutationis,  sod  in  quantum 
intellectus  no«ter  muialur  de  v(;ritato  in  falsitatom;  sie  enim 
luruicie  luutabiles  dici  posaunt;  alqui  progressistae  adiitmanl  veri- 
tatem  esse  subiectam  mntationi;  ergo  etc.  Aooedont  et  alta 
argumeata:  Meas  homaaa  res  cogaosoit  ope  diseaiaas  aoo  ia- 
taitas,  oade  uao  iota  oooli  mialoM  poteet  appreheadere  omaia 
Vera,  aec  idem  veram  oompletissime;  ideoqoe  scientia  poteet 
omaiao  progredi  sive  in  vestigando  novo  vero,  sive  in  perlbota 
BOtitia  von  iam  cogaiti.   Ad  rem  &.  Thomas:  Ad  hoaiiaie  aa- 


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SyUabos  PSi  Pootiiicis  Noni  in  onivarta  re  phlloiophica  etc.  505 


tanm,  iDquit,  pertiDet  ratione  nti  ad  veriUitis  Testigationem. 
KatioDis  autem  ent  praprium  non  statim  apprebendere  Yeritatem, 
«t  ideo  ad  bomioem  pertiaat  paoUatam  in  cognitioae  veritalaa 

proficerc.  Sciontiae  tarnen  progressus  non  debet  esse  continuus, 
potest  enim  aliqiiando  internimpi,  Historia  enim  nobie  testatur, 
iiumanum  genuH  nliqnando  in  barburicm  fuisse  delapsnm.  Id 
Progressifttae  nou  ditlitentur,  sed  agserunt  baec  eRsc  quaedani 
^ccidentia,  quac  occulte  ducunt  u  i  progreesum  iDduüaiLum.  Sed 
ipai  Tideant,  dos  aatem  dicitoos,  quod,  aicnti  bomo  in  sna  aoieotia, 
aiai  tadulam  adbtbeat  ouram,  aoii  solnm  band  progreditar,  Temm 
•etiam  co^iliones  comparalaa  amittii;  ita  quam  plurima  potaoat 
humani  generis  progresaum  impedire.    Ad  rem  confirmandam 

Thomas  aocedit:  £oram,  qaao  bene  ae  babent  ad  aliquid  com- 
prebendendam,  videtur  tcmpus  esse  quasi  adiuTentor  vel  bonus 
cooperator;  non  quidora  quod  tempus  per  so  aliqnid  ad  hoc  opn- 
retur,  sed  «wundum  ea,  quae  in  tempore  agaiuur.  qui»  onim, 
tempore  {»rx cdente ,  dat  operam  inveHtigaudae  veritati,  iuvatur 
«  lempurü  ad  vtsriLaleiii  inveoiendom,  et  quautum  ad  unum  et 
'enmdem  hominem,  qui  postea  videbit  quod  prioa  non  Tiderat;  et 
etlan  qnaninai  ad  diTemai  hominos,  utpote  eom  qnia  intnaator 
•ea»  quae  eunt  a  praeoeaBoribna  iaventa,  iUitqne  aUqutd  noTnm 
anpeiaddit.  Ätque  boc  modo  facta  sunt  additamenta  in  artibna, 
quarom  iaitio  aliqnid  nodicum  foit  inYenturo,  et  postmodom  per 
diverses  pauUatim  processit  in  magna  quantitate,  quia  ad  quem* 
Übet  ])ert?net  superaddero  id,  qnod  deficit  in  consideratione  prae- 
decessoruin.  Si  enim  o  contrario  exercitium  «tndii  praetcrmittatiir, 
tempuH  luägis  est  cau»a  oblivicois,  et  quaatum  ad  nnnm  honiiuem 

quantum  ad  diverses.  Unde  videmnn  mnltaa  scicutiäB,  quac 
apud  antiquos  paullatim  viguerunt,  paullatim,  deficientibua  stadiis, 
in  obli^ionem  abisee.  Stndinm  antem  hiatoriae  mnUnm  confort 
ad  obtinendnm  seientiarum  progrennm.  De  re  hac  aocnrate 
diwernit  Ariatotelea  in  suis  Metaphjaicae  atqne  naturae  libria, 
merito  commendatus  per  A.  lacquea:  Ariatote  considere  oomne 
bistorien  de  la  pbilosopbie.  Patres  vero  atque  scholastici  miram 
operam  uavaruMt.  ut,  Rc^rntatis  vetcribus  philosopbis,  verum  a  falso 
nobilissiiiu  Ii  rcrnorent.  Q,ua  de  re  progressistae ,  sjautis  tra- 
ditionibds  scieatiticis,  coiitendcrunt  raale,  ecientiara  in  omni  gene- 
ratioue  exordiriy  dum  e  contra  viaiu  vero  progrenäui  in  re  prae« 
clndebant. 


BERICHTE. 


MMge  nr  fieseUelite  der  PhUo8opUe  des  MitteUlten. 

Texte  und  ün  te  rsuch  u  n  ge  n .  H  erausgegeben  tob  Dr.  Giemen» 
Baumker.  Bd.  I.  Heft  1.  Dr.  P.  Correns:  Die  dem 
Boethius  fölschlich  zugeschriebene  Abhandlung  des  Domini- 
cüA  Gundisalvi  De  unitate.    Münster  1891.  Ascbendorff. 

Prof,  Baumker  beabsiclitipt  in  daDketi^^werter  Weise.  „Beitri^  aar 
Geschichte  der  Philosophie  des  Mittelalters*'  Ueraus2uge)>eD;  den  B^ea 
derselben  erOffirat  Ckinrene  mit  etner  ediitaenffwerten  Abkeadionf  Aber 
die  bekannte  Schrift  ,De  uuitate'.  ZuD&chst  enthiit  jene  einen  auf  Ver« 
gleich  dreier  Handschriften  der  Pariser  National- Bibliothek  kritisrh  ge- 
sichteten Text  8.3— 11;  sodann  behandelt  bie  ,die  Frage  nach  dem  Ver> 
fesser*  S.  12—38  und  schliefst  mit  Bemerkungen  über  die  tpMIosophie- 
geBcbirhtliche  Stellung  des  Traktates'  S.  30—49.  ,Nacbtr&ge'  endlich 
verzeichnen  die  Lesarten  von  drei  weiteren  Handschriften  ans  der  Wiener 
Hof  bibliothek  besw.  der  MOochener  Hof-  und  Staait-Bibliotbek  S.  50—66. 

Unstreitig  der  wichtigste  Teil  der  Airfiaodluiv  ist  der  mittlere» 
wolcber  die  Frage  nacb  dem  Verfasser  zu  beantworten  sucht.  Die  bis- 
lang bekannt  gewordenen  Handschriften  enthalten  ganz  verschiedene  An* 
gaben;  weftees  die  meisten  and  so  denn  endi  die  Dradte  geben  ale 
solchen  Boethius  au.  Dieser  aber  kann,  wip  ilberzeugeud  daruetban  wird, 
der  Verfasser  nicht  sein;  Stil  und  zum  Teil  auch  der  Inhalt  sprecbeit 
entschieden  dagegen.  Wenn  nun  Boethius  Verfasser  der  Schrift  entschieden 
nicht  ist,  mufs  ei  dann  Dominicus  Gandlsatfi  sein?  Der  Beweis  hierfAr 
ist  meines  Erat  htens  nicht  erbracht  ;  mnn  sagt  8.  H.  30.  den  Dominicos^ 
Gundisalvi  bezeichne  cod.  86  des  C'oilegium  Corpus  Christi  in  Oxford 
ausdrOdtlteb  als  den  Verfissser;  ob  das  ridhtig  ist,  mnlb  ich  dahin  gestdlt 
sein  lassen,  der  blofie  Hinweis  auf  Haureau  und  das  Citat  ans  Göxe  Aber- 
aeugen  nicht;  genauere  Nachrichten  über  die  Oxforder  Handschrift  mOfsten 
stt  Gebote  stehen;  solche  zu  erlangen  war  allerdings,  wie  S.  14  Anm.  l 
bemerkt  wird,  nicht  möglich.  Aber  geseilt,  besagte  Handschrift  bezeichne 
Gundisalvi  als  den  Vorfassir.  so  ist  damit  allein,  da  andere  Haudscbnfteu 
andere  Verfasser  nennen,  nichts  entschieden;  ebenso  wenig  ist  die  Über* 
eiasUmmimg  in  den  Gedanken  allein  entscheidend.  Die  Frage  nach  dem 
Verfasser  ist  daher  meines  Erachtens  bis  anf  weiteres  als  offene  zn  be> 
trachten.  Das  bleibende  Verdienst  der  soeben  besprochenen  Arbeit  aber 
besteht  darin,  dafs  dieselbe  die  Quellen  der  untersuchten  Abhandlung 
übeneugead  nachgewiceen  und  hiermit  die  Abfassnngsaeit  niher,  den  sehr 
nilUgen  Wert  der  Sebrift  aber  endgaltig  bestimmt  bat. 

QattM-Bewdse«   Von  L.  t.  Hamm  er  stein.   Trier,  Panliona- 
Druckerei  1891. 

Nicht  neue  Beweise  fOr  Gottesdasein  will  v.  Hammerstein  liefern^ 
auch  nicht  die  Frage  mitentscheiden  helfen,  Ober  welche  man  jAnj^sthio 
lebhaft  stritt,  nämlich  ob  es  nur  einen  oder  mehrere,  von  einander  un> 
abh&ogige  Beweise  in  der  angegebenen  Richtung  gebe;  also  nicht  ma 
gelehrtes  Buch  erhalten  wir  bicr  aus  d<  r  bew  ährten  Feder  des  verdienst« 
reichen  Priesters,  nichts  desto  weniger  ein  sehr  lehrreiches.  Das- 
selbe verfolgt  den  Zveck,  die  frühere,  bereits  in  6.  Auflage  ersdiienene 
Schrift  „Kdgar  oder  Vom  Atheismus  cur  vollen  Wahrheit"  m  erginsen. 


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Z«itic]irilteiiBohau. 


507 


4as  Duein  Oottes  noeh  eingebeoder  sa  bewtiten,  mh  m  im  , Edgar'  ge- 
schehen; dies  sei  Jesbalh  sehr  zeirgem&rSi  weil  der  Atheismus,  Damentlich 
an  dm  Universitäten,  eine  solche  Vcrbreitoog  erlangt  habe,  dafs  nan 
Yor  allem  ihm  entgegen  treten  muase. 

Dem  aogegeheneo  allgemeinen  and  beeondern  Zwecke  entspricht 
das  Btfittlirho  Riirli  dnrchans.  Dasseihe  triifjt  dir  Form  pitiPS  f?nef- 
wechsels.  Der  evaugeliscbe  Pfarrer  N.  bittet  brieflich  um  einen  stich- 
baltifitn  Beireit  flir  das  Datefn  Qottei.  L.  t.  H.  beseichnet  Ilm  ,bel* 
spieisweise  als  einen  vollständig  durchschlagenden  und  unumstöMicbeD* 
den  kosmolnc^ischen  Beweis.  Nicht  eigentlich  fflr  sich,  sondern  fQr  seinen 
Sohn  wünscht  der  Pfarrer  den  erbetenen  Aulscblufs.  Derselbe  ward 
fliobig  enogen;  auf  den  Oymmisimii  bewahrte  er  seinen  ehristlichen 
Glauben;  aber  da  kam  cHp  Uuiversitrlt.  und  äov  C,]nnhv  litt  SrhifThruch, 
Dafs  es  so  gekommeu,  erklärt  sich  teilweise  vielleicht  aus  dem  Umgänge 
mit  einem  glaubenslosen  Frennde,  den  er  auch  jetzt  mit  in  die  Ferien 
gebracht  hat.  Stndiosas  O.  ist  ohne  CliriateBtiim  anfgewacbfeii,  hat  nie 
an  Gott  geglaubt,  nie  gebetet.  Soll  er  vernflnftiger  Weise  zum  christ- 
lichen Glauben  gelangen,  so  mufs  ihm  vor  allem  das  Dasein  jenes  Oottes, 
deseni  Offrabarnnir  das  Christentnm  bildet,  wlssensefaaftlleh  bewiesen 
werden.  Zu  dem  Zwecke  wird  derselbe  ersucht,  seine  Bedenken  gegen 
die  Beweise  fQr  das  Dasein  Oottes  gettetid  /n  rnnchen.  IMes  thut  der- 
selbe. Gegen  die  bekannten  (lottesbeweise  macht  er  all  die  Bedenkeu 
geltend,  welche  dem  Kriticismus,  Pantheismus  und  Materialismus  gel&ufig 
sind.  Abbringen  von  denselben  isfst  sich  der  Studiosus  nicht.  Der 
Briefwechsel  wird  abgebrochen;  Monate  waren  verflossen,  als  Pfarrer  N. 
eise«  Tages  L.  H.  mitteilte,  dafs  man  Tor  acht  Tageo  den  Stndiosas 
O.  tot  im  Bette  gefunden,  neben  ilun  einen  Revolver,  offenbar  das  Werk- 
zeug seinos  Selbstmordos  Dagegen  habe  der  eigene  Sohn  infolge  des 
Briet  wechseis  den  Glauben  seiner  Kindheit  wiedergefunden,  seitdem  sei 
4u  Leben  4este1ben  ein  viel  geregelteres. 

Dr.  J.  Uebinger. 


ZEITSCHRIFTENSCHAÜ. 

A.  Zeitflohriften  für  Philosophie  und  spekulattve  Theologie. 

Annales  de  Philosophie  chr^tlenne.  GXXIII,  1.— 4.  Heft  1891/92. 
jf.  Dornt t  de  Vorges:  La  percepiion  et  la  psychologie  thomlste  (Forts.; 
vgl.  M.  380  dg.  Jahrb.);  —  De  l'id^e  d'ötre  et  de  rintolligence  5.  162. 
209.  317.  F.  VaUet:  La  prrsonnalif htimainr  '12.  L.  Jourin:  Le  senti- 
raent  moral  (Forts.;  vgl.  VI,  380  a.  a.  ü.};  —  Le  necessaire,  lo  contingent 
et  la  logique  48.  2^.  A,  Aekermann:  De  la  notfon  de  Ubert4  ches  !es 
ancienR  philosophes ;  —  cbez  S.  Thomas  et  les  scolastiqnes  (Forts.;  vgl. 
VI,  125  a.  a.  0.)  73.  145.  De  Broglie:  Des  donnres  synth^tiqnos  natn- 
relles  et  de  leur  emploi  m^tbodique  US.  M.  Hibert:  De  Tidec  de  Dieu 
dans  les  dfalognes  pbilosophiques  de  Voltaire  et  de  M.  Renan  185  24H. 
F,  Dttquesvnij :  üne  prenve  de  IVxistence  de  Dien  dans  le  D«  libero  arliitrio 
de  8.  Augostin  286.  331.  J.  Buüi(^:  £zameQ  des  priocipales  theories 
de  ü  combination  chimique  318. 


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Bims  Tbomiis.  Vol.  lY.  (Annas  XU)  19—20.  FaMMw  laSK 
CSftrd.  Aloysius  Rotel  Ii  f  289.  Ähy.  Roteüi:  CommenUria  in  quae- 

stiones  D.  Thomae  S.  theo!.  III.  qn  1—26  (Forts.;  vgl  VI,  880a.  a.  0.) 
290.  P.  Semeria:  Analysis  actus  üdei  iuxta  S.  Thomam  et  ioxu  recen* 
tioreB  thcologos.  Appendix.  (Portt.  Tgl.  VT,  880  a.  a.  O.)  295.  T.  Oted^r 
ütrara  bnnitas  voluntatis  depentlrat  ex  conformitate  ad  voluntatcm  flivinam, 
300.  Ermoni:  Comnientarium  in  Opusc.  S.  Thomae  Äqu.  De  verbo 
(Forts.;  vgl.  VI,  125  a.  a.  0.)  305.  P.  &:  Crisis  argumenti  propositi  ad 
prabaadam  muodi  finitudinem  309.  J.  Vinnti:  Utruin  dcuomioatio  ex- 
trin?pra  sit  rp!atin  rntinnis  iForts.;  vgl.  VI,  S80  a.  a.  0.)  311.  A,  UnrbtniT 
De  oueribus  ideologicis  professoris  J.  B.  Toroatore  314. 

PhllaaaylitBehca  Jahrtaali.  T.  Bd.  I.  Hafl.  1893.  Pfeifer,- 
Der  ästhetische  Kontrast  in  den  Erscheinungen  des  Krhabenen  1.  Mkhd 
Die  Kosmolofrie  des  Moses  Mairaonides  und  des  Thomas  von  Äquino  ia 
ihren  gegenseitigen  Beziehungen  (Schlufs;  vgl.  VI,  3Ö0  a.  a.  0.)  12.  Wolff: 
LotzM  Metaphysik  (Forts.;  vgl.  VI,  126  a.  a.  0.)  26.  GutberMr 
Ober  Mefsharkeit  psvcl  i^rhrr  Akte  42. 

ZeltBehrift  fttr  exakte  Philosophie.  XVIIL  bd.  4.  Heft.  1891. 
Fekeh:  Der  Kansalit&tshof^nir  bei  Descartes  858. 

Zeitschrift  für  Philosophie  and  philosophisehe  Kritik.  IC.  Bd. 
1.  und  2  Heft  1P9!.  Bender:  Über  das  Wesen  der  Sittlichkeit  iind  den 
natarlichen  Eutwicklungsprozeüs  des  sittlichen  Gedankens  (Forts.;  vgl.  V, 
381  a.  a.  O.)  I.  OUtOer:  Die  Entropie  des  Weltalls  nnd  die  Kantsehen 
Antinomieen  41.  Ihtd.  Seydcl:  Kausalität  und  Teleologie  80.  ^tarck^: 
ÜberWüh.  Beuder's  Keligionsphiluphio  87.  Fr.  Eriuirdt:  Der  Satz  vom 
Gruude  als  Friucip  des  .Schliefsens  129.  lui.  v.  Hartmann:  Transcen» 
dentaler  Realismus  und  Idralismoa  mit  besonderer  Rücksicht  auf  daa 
Kausalproblem  183.  3ratthia,'<  Kapp^-s-  Die  Krkenntnislehre  des  Thomas 
Uobbes  209.  Lud.  Fischer:  Die  Dreherschen  Antinomieeo  233.  Ä.Kuri: 
Die  Selbstaersetzung  der  Yerantwortliehkeitstbeorfe  Ed.  v.  Hartmaan's 
2ii.  Fr.  Jodl:  Jahresbericht  über  Erscbeinuugen  der  aDglo-ameri- 
kaaischen  Litteratar  ans  der  Zeit  von  1888—1889.  257. 


B.  Aua  Zeitooliriften  vermiaohten  Inhaltes. 

Kirelien geschichtliche  Stndlen.  l.  TM  2  Heft  1891.  Sdndek: 
Wolfenbattier  Fragmente.  Analekten  zur  Kirchengeschicbte  des  Mittel- 
alters. 

Jahrbtteber  für  protestantische  Theologie.    ZVIl  Bd.  4.  Heft. 

XVTII.  Bd.  1.  Heft.  1891.  SUck:  Plinius  im  nenen  Testament  545. 
Tausch:  Die  gescbicbtUche  Entwicklung  des  Begriffs  des  Lebens  im  A.  T. 
und  die  Ansitse  der  tieferen  nentestameotliehea  Fasaong  XVIII,  L 
L,  Paul:  Bemerkungen  zu  einigen  AuasprQeheD  Ton  Paul  de  I^gaide 
in  seinen  ^Deutschen  Schriften"  169. 

Btimmen  aus  Maria -Laach.  XLI.  Bd.  5.  Heft.  XLII.  Bd. 
1.  Heft.  1891/99.  Pndi:  Die  Philosophie  des  ,wissenschaftliehen*  Sozialis- 
mus, Schlufs;  (vgl.  VI,  380  a.  a.  0.)  478.  Fie§eh:  Der  Zasammenbrneb  der 
heutigen  (lesellschaft  14. 

Theologische  (^uartalsehrift.  LXXIII.  Bd.  4.  Heft.  1891.  Sdumt: 
Der  Begriff  des  iSakramentes  bei  denV&tern  531  BrM:  Die  Klenens- 
romane  und  der  Primat  der  ritmischen  Kirche  577. 


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Naoo  BOehor  und  deren  Beipredinngen. 


NEUE  BÜGHER  UND  DEREN  BESPRECHUNGEN. 

lUboi:  Manoel  d«  pUloiophiei  t.  II:  Logfqne,  Ontotogie,  Cos- 
nologie.   Lyon  1891;  bespr.  in  den  Annale»  de  philo»,  ehret,  123,  96. 

Atzberger:  Die  christliche  EachatologtV  in  tlrn  Stadien  ihrer  Offen- 
barung im  A.  and  N.  Testamente.  Freiborg  I6li0;  bespr.  von  RösUr  iu 
der  Litt.  Rundschau  18,  7. 

BUumlcpr:  Das  Problem  der  Materie  (vel.  VI,  381  a.  n.  0.);  beapr. 
▼OD  6iebeck  in  der  Zeit$ch.  f.  Phüos.  u.  pH.  Kr.  dd,  271. 

Bteafis  L'Estb^tiqae  d*Aristote  et  de  aea  aaeoeaieors.  Paria  1891; 
beapr.  in  den  Annahs  de  philos.  chrÜ.  123,  100. 

Btfluner:  Ktliische  Essays.  München  1890;  betpr.  Ton  Jäiegier 
in  der  Zeitsvh.  /.  PhxliM.  u.  ph.  Kr.  U9,  IIS. 

8»  BonaTentonu  Opera  ooinim  Tom  V.  Ad  Glarai  Aqoaa  1891; 
beqpr.  vnn  J.  Üarh  in  der  T.ift.  Rumhchati  TP.  10. 

Brandt:  Zur  Entwicklung  der  platonischeu  Lehre  von  den  Seelen* 
teilen.  Leipzig  1B90;  bespr.  vou  Bruns  iu  der  Zeitsch.  f.  Philos.  u.  pli. 
Kr,  99,  287. 

Brentano;  Vom  Ursprung  Bittlirlipr  Krlcenntnis.  Leipzig  1889; 
beapr.  ?ou  WahU  in  der  ZtUschr.  /   i'kUoii.  m.  ph.  Kr.  99,  117. 

GnUaea:  Introdoetion  i  la  um^trie  dea  eapaoea  k  troia  di- 
mensioni.  OnoChier-VilUra  1891;  beepr.  in  den  Amiam  dt  fkiht,  dirä. 
128,  303. 

Carus:  The  Soul  of  Man.  An  investigatjou  of  tbe  facta  of  pla- 
siological  an(i  exi>t>rimontal  psychology.  Chicago  1891;  beepr.  von  Ufer 
in  der  Z'if^r'^r.  f.  tx.  Phnn--fipfur  iP,  .m. 

Catbrein:  Moralphilosopbie.  hine  wissenschaftliche  Untersuchung 
der  eiUUebeo,  einacbltelfalich  der  recbtliehen  Ordnung  (vgl.  VI,  381 
a.  a.  0.);  bespr.  von  OtUberkt  im  PkUot»  /oM.  5,  72;  ron  Sehei^er 
im  Augustinm  9,  8. 

Giemen:  Dio  religionsphiiusophiscbe  Bedeutung  des  stoisch -cbriat' 
liehen  fiudämunismus  in  Jostina  Apologie.  Leipzig  1890;  beepr.  von 
SAnnz  in  der  Theot  Quartahchr.  73,  655. 

Collins :  R^8nmC>  de  la  phiiosophie  d'Herbert  Spencer.  Faria  1891 ; 
bespr.  in  den  Annales  de  philos.  ehret.  123,  101. 

Didiot:  Goars  de  th^ologie  catholique;  —  Logique  surnaturclle 
snbjective.  Paris  1801 ;  bespr.  in  den  Avymh--  de  philon.  chrit.  123, 

Btfrboll:  Die  Lehre  von  der  Oenugtliuuog  übristi  theologisch  dar- 
geetellt  (vg K  VI,  126  a.  a.  O.)  beapr.  von  fTeftans  in  der  Them.  ^ar<a^ 
aeftr.  73.  G52. 

Krsllnger:  /ur  Krkcnntnistheorie  Hitschls.  Züricli  1891;  bespr. 
von  Flügel  iu  der  Zeitadi.  f.  ex.  Philos.  18,  412. 

Fenaades:  Cursas  theologicus  in  uenm  scholnrom  tom.  II.  Matrfki 
1891;  bespr.  von  Vitiati  Im  Dirus  Thomas:  1  319. 

Flacher:  Theorie  der  Gesicbtswahrnehmang.  Lutersuchuugen 
sor  pbyaiologtieben  Faycholngie  und  Erlcenntnlalebre.  Mains  1891; 
beepr.  von  Schwertschlager  im  Philos,  Jahrb.  5,  88. 

Franehi:  ühiTna  criticn.  2.  Del  Sentimento.  Milano  1891; 
bespr.  im  Uivus  Thomas  4,  317. 

FkwBtera:  Etnde  mir  lee  nrguments  de  Zcnon  d'E16e  eontre  le 
monvemfnt.    Paris  1891;  bespr.  von  Pfeifer  im  PhUo'^.  Jnkrh.  5,  '"iV 

Ombcr:  Der  Fositivismus  seit  dem  Tode  A.  Comtes  bis  auf  unsere 
Tage.  Freiburg  1890;  bespr.  in  den  Asmäe»  de  philos.  ehrH.  123,  308. 


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510  Neue  Bflefaer  and  deren  BttpreehnDgen. 


€hrtteiMin:  Dm  VerhSltois  des  Hwruw  von  A^nioo  warn  Jndentw 
und  zur  jadiscben  Littentar.  OAttiogta  1891;  bet|»r.  von  Äitttot^  Um 

PAöo«.  Jahrb,  5,  04. 

Hnke:  Die  Religion  aU  tietstes  Fundament  der  sozialen  Ordnong. 
Aratberf  1891 ;  bogpr.  von  SpoimetikMb§  im  Philos.  Jahrh.  b,  70. 

llelini«::  Dio  vier  Temperamente.  Paderborn  ld88;  beifr.  tob 
Flügel  in  dt« r  Zeitachr.  f.  tx.  PhUos,  18,  448. 

Heitinsky:  Herbartt  Attbetfk  in  ihren  gnindlnffmden  TeHn 
qnellenmärsig  dargestellt.  Hamborg  1891;  beipr.  von  Fl»§d  in  4er 
ZeUfchr.  f.  ex.  Phihft.  18,  446 

Kahl:  Dio  Lcbrc  vom  i'rimat  des  Willens  bei  Aogastiuuti.  Duos 
Scotns  und  Descartes.  Strafsborg  1886;  bespr.  von  8eipi9  in  -der  JStvKtek. 
f,  Phünn.  «.  ph.  Kr.  121 

Kellner:  Cbiouoiogiae  TertulliaDeae  supplementa.  lioua  1890; 
bespr.  ve«  Kviberg  in  der  Litt  Stmdu^au  17,  899. 

,  Ktfnigt  Die  Kntwlclclnng  dos  Kausalproblems  von  Cartesins  bis 
Knnt.    Leipzie  188B;  bespr.  von  Ludewig  im  Philost.  Jahrhurk  5,  f<\. 

Labwitz:  Gesebicbte  der  Atomistik  vom  Mittelalter  bis  Newtou. 
2  Bde.  Hambolg  1891 :  bespr.  too  J?l«ae  in  der  Zeü$eh.  f.  JPMIos.  «. 
ph.  Kr.  99,  80*^ 

JLebmknhl :  Compeudium  theologiae  moralis.  Freiborg  1890;  be^. 
in  Auffii»tmH$  8,  108. 

Leibnitz:  Philoeephische  Schriften,  hrsgeg.  von  Gerhardt.  7.  Bd. 
Berlin  1890:  bpspr.  von  R.  r.  NmiUt-Jtieneck  im  PAi/os.  Ja}ir}>.  5,  f>5 

Lemae:  Die  Principien  der  Kitsr.hlschea  Theologie  and  ihr  Wert. 
Bonn  1881 ;  betpr.  von  FUkgd  in  der  ZeittOkt.  f.  e»,  PhOoB,  18,  41S. 

Llpperhelde:  Thomas  von  Aquino  und  die  Platanische  Ideon!ehrc 
<vgl.  V,  }3S^  a,  »,  0.) ;  bespr.  von  Kaufmann  in  der  LiU.  Rundichau 
17,  370. 

LönenthaT:  Pseudo- Aristoteles  Ober  die  Serie,  eine  psycholoj^ische 
Srhrift  dt's  11.  Jahrhunderts  und  iHrp  Beriebnnpren  zu  Salom^i  iba  Gabirol 
(Avicebron).    Berlin  1891;  bespr.  von  Endrea  im  Philos.  JaUrü,  5,  94. 

Lerenielll:  Philosopbiee  tbeoreticao  institotiooee  seeondon  doefri- 
nas  ArihtoK-Iis  et  F>.  Thom.  Aquiu.  (vgl.  VI,  126  0.  0.  0.),  betpr.  in  den 
Anvah-s  de  fjhilm.  ch,c>.  12S,  SOG, 

Munzonl:  De  natura  peccati  dequc  eius  romissione  dispatatlo.  Lodi 
1890  (v(rl.  VI.  381  a.  a.  0.);  bespr.  von  ^r#nfcoW  im  Philos.  Jahrh.  5,  60. 

Marbach:  Dio  Psyrhologrtt^  des  Firmianns  Lactantins.  Halle  1689; 
bespr.  von  Siebeek  in  der  Zeitsd^  f,  Plnlo$,  u,  ph.  Kr,  99,  280. 

Meiner:  Goethes  Hhisebe  Ansichten.  Neifse  1890:  bespr.  Ton 
Ziegiter  in  der  ZeiUtch.  f.  Phaos.  u.  ph.  Kr.  99,  U2. 

Molsdorf:  Die  Idee  des  Schönen  in  d^r  W»'ltge8taltnng  bpt  Thomas 
von  Aquilin.  Jeua  1891;  bespr.  von  Viriatt  im  Divun  Tlmm$  IV,  820; 
von  GutherUt  im  Philna.  JaJtrbttch  5,  78. 

Nöldecben:  TcrtnIlMn.  Ootba  1890;  bespr.  von  Kelberg  in  der 
Litt.  Jiundsclian  17,  327. 

Oberdorffer:  De  iobabitatlone  Spiritns  Saneti.  1890;  bespr.  von 
Sdiane  in  der  The<^,  Quartahehr.  73,  651. 

<Htemiann:  Die  hanptsÄchlichsten  Irrtümer  der  Herbartschei; 
Psychologie  und  ihre  pädagogischen  Konsequenzen.  Oldenburg  1887: 
bespr.  von  Bereher  in  der  SMißcht,  f.  PMIm.  u.  pk.  Kr.  99,  137. 

Pappenhelm:  D  t  nntfeMithe  HprakÜti^mus  d«*8Skepiik»  r  Arrsidem. 
Berlin  188^;  bespr.  von  Üruns  in  der  Zeüschr,  f,  Phüoi,  u,ph.  Kr.  99,  288. 


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STVDIO  ET  VERECVNDIA 
VERl 


Herausgegeben 


Mitwirkung  von  Fachgelbhrtbk 


Dr.  HRNST  COMMER, 

Ü.  Ö.  PKOVKsaOB  AK  »KB  rNIVtHBITlX  PBBKUA.tr. 


PADERBORN. 

Druck  ohd  Yirlag  ton  Firuwand  SeHflmNOB. 

ZWEIGNIEDHRLASSUMGEN  IN  VÜBBTBE,  08SABBÜCK  UND  MAIMKI 

Digitized  by  Google,.  I 


INHALT 


I.  Das  Verhältnis  der  Wesenheit  za  dem  Dasein  in  deo 

geschaffenen  Dingen  nach  der  Lehre  des  hl.  Thomss 
von  Aquin.    (Forts,  von  VI,  327.)   Von  P.  Magister 

G.  Feldner,  Ord.  Praed.,  Prior  in  Graz  383 

il.  Die  Lehre  des  hl.  Thomas  bezüglich  der  Möglich- 
keit einer  ewigen  Weltschöpfung.  (IV.  Forts,  von 
VI,  176.)  Von  Dr.  Thomas  Esser,  Ord.  Praed.,  Pro- 
fessor nn  der  Univ.  rsiriit  Frciburir  in  der  Schweiz    .    -  }93 

III.  Apologeuiciie  Tcüciizen  und  Ricluungen.  4.  Artikel. 
Über  die  Möglichkeit  und  Notwendigkeit  der  göttlichen 
Offenbarung.  (Fons»  von  V,  257.)  Von  Kanonikus 
Dr.  M.  Glossner  in  München,  Mitglied  der  röm.  Akademie 
des  hl.  Thomas  41t 

rV.  Beiträ^^e  zur  Geschichte  der  neueren  Philosophie. 
Von  Dr.  G.  Grupp,  Fürstl  Bibliothekar  in  Maibingen. 

(Sclilnss.   Forts,  v-^n  A'T.  ?72.)   .  4Jl 

V.  Richtigstcnimn;t n  der  Ansichten  des  neuesten  Kom- 
mentators des  m.  Thomas  von  Aquin.  Von  P.  Magister 
G.  Feldner.  Ord.  Praed  448 

VI.  Die  Myüük  des  Angelus  Silesius.    Von  Dr.  P.  Mahn 

in  Bernau.  (1.)  472 

Vn.  Syllabus  Pii  Pontlficis  Noni  in  nnlveraa  re  pi.ilo- 
sophica  iuxta  mentem  S.  Thomae  Aquinatis  recentiumqne 
philosopliorum  per  Prof.  Dr.  Ouilelmum  De  Angeiis- 
Stella  Neapolitanum  evoluttis.  (III.  Fortsetzung  von 
VI, 

VUI.  Berichte  von  Dr.  Uebinger  in  Knltcncnpcrs.  Baeumker, 
Beiträge  m"-  (^c^chichtc  der  Philosophie  des  Mittelalters. 

Von  Hammerstein,  Goltesbeweise  50^' 

IX.  Zeitschriftenschau  507 

X.  Neue  Bücher  und  deren  Besprechungen     .    .    ,    .  jo^ 


Druclcfehlerberichtigung.  S.  268  Zeile  S  v.  oben  lies:  pajiis  vinique. 

-  -  -  \<, 

Das  JaMseb  fttr  PMosophie  und  spekidatire  TkeaUj^e 

erscheint  in  vierteljährlichen  Heften  von  8  Bogen.  Lex.  8*.  Ptns  ' 
pro  Band  von  vier  Heften  Mk.  12 — . 

Abonnenieuts  übernehmen  alle  Buchhandlungen. 


Bei  der  Eedaktion  sind  lulgende  Schriften  eingegangeü ; 

P«  Vau  Bemmelen :  Le  Xiliilisnu-  scientillque.  IL  Etpace  '—  toaps  ~  nutüre 

—  mouvemeot.  Leide.  Brill  iSoi. 
Wtk  nwBta:  Geschichte  der  chri»tL  Malerei,  ^.  Lief.  Freiburg,  Herder  189a. 
W.  KlUinif :  Über  die  Grundlagen  der  Geometne.  Sep.-Abdr.  aus  dem  Journal 


f  reine  u.  angew.  Mathem.    Bd.  10^  2. 
J.  E.  Kimtxe:  G.  Th.  Fechner  (Mises^.  hin  dcutsclic 


Brettkopf  &  Härtel  1892. 

■)nen  iics 


s  Cickhrtenleben.  Leipzig, 


H.  LaeBimer:  Institutionen  des  Kir  chcnrechts.    2.  Aufl.    Freiburg,  Herder  189a. 
C.  Tsiiscli:  Einleitung  in  die  Philo:>ophit:.   Wien»  Königen  1S92. 
Ki  TwirtewAi:  Idee  itnd  Perception.  ^e  enteiiiitiiisifaeoret.  UDtemjchnng. 
Wien,  KoQegen  1892. 

ZeitBoliTiften. 

A]iMlefiePin«t»liteekr«llMM.XXV.4-^  Augiutbnn.vm,  16-17. 
IX,  1—2.  Correspondenzblatt  fOr  den  kath.  Kieras  Osterreiehs.  X,  23—24. 
XI,  12.  Dirus  Tlioniag.  IV,  21—22.  Jahrhfleber  für  prot.  Tf»*»o]osie.  XVlll,  i. 
Litejnurj  Churchman.  XXXVIl,  25-26.  -\XXV11I,  1-5.  Liiteriiriscüe  Kund- 
•dun.  38,  I.  PhUos.  Jahrhueh  von  Gutberiet.  V,  1*  StiiUMOi  «OB  Ifaxto 
Laach.  ^  2  Zeltaehr.  t  exakte  PhUot.  18,  4.  ZeitMkr.  t  PiffloB.  «• 
philos.  KriUk  99,  2. 

Antiquar.  Kataloge. 

Heinrifh  &  Klcmke  Berlin  N*.  XXIX  Altertumsuisseoschaft.  Jaoohsohu 
4t  Co.  Breslau  N.  109  K.  1  heol.  ^hüoa.  Kerier  Ulm  N.  177  K.  Theol.  >iolte 
Bonn  N.  37  K.  TbeoL  Sehamprcll  Leobschütz  K.  st  K.  Theol  Siebert 
Berlm  N.  aia  Plulos.  Pidag. 

Verlag  voa  iferdinABd  Sciittaingii  m  Pinlef iwni. 

Quaestiones  Selectae 

ez  Tlieologia  Dogmatioa. 

Auetore 

Dr.  Francisco  Schmtd, 

aacrae  Thaolagiaa  Vwtmott  in  Senüaarl«  Bthtloenal. 

VI  et  493  pag.  Firethun  8^  Mk. 

FiroMpeeInmB  tottn«  operlja« 

(loaestio  L  De  multiplid  consideratioae  potentiae  divinae.  duae  stio  II. 
De  relatione  Spiritus  angelici  ad  locura  et  spatium.  Quaestio  III.  De  poena 
igois  in  angeiis  apostatis.  Q,uaestio  IV.  De  natura  lapsa  in  comparatiooe  ad 
oaturam purum.  QuaestioV.  Deessephysicouniooishypostaticae.  Q.uaestioVL 
Qtfo  sensu  fragiUtates  hitntaoae  Christo  necessariae  et  ^po  voluntariae  foeiint 


Die  Lehre  von  der  Q-euugthaung  Christi. 

Theologisch  dargestellt  und  erörtert. 

Von  Dr.  Bernhard  DOrholt 

Mit  kirchlicher  Approbation. 

590  S.   8.   6  Mk. 


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Im  Verlage  der  ÜMliibigialieB  BaehhiilMg  in  Xtait^r  i.  W  ist 

eben  erscluenea  tmd  dordi  jede  Buchhandlung  zu  beatehen: 

Die  Stelluiis:  den  hl.  Thoman  von  Aqulii  zu  der 
unbefleckleu  EuipfHii^iilH  der  Gottesmutter. 

DogmeQgeschichtliche  Abhandlung 

von  Wllh.  Töt>l>o, 

Pri<*sl«r  i!«r  l>io('«M>«  Osnabrück. 
Mit  kirchlicher  G  u  t  h  c  i  i' u  n  g. 
gr.  8.    104  S.    Prds  i  Jt. 


Im  Vertage  von  fMlund  MlMlagh  in  Mfltbm  ist  soeben 

System  und  Gechichte  der  Kultur 

von 

Dr.  G.  Grupp, 

Fiir»ll.  liibiiütlitkar  in  M;4iiiing«iu. 

2  Rande,    gr.  8.     Preis  ./4  lO.cK». 

Inlialt:  I.  Band:  Ideeu  und  («esetze  der  Geschichte.   XV!  und  172  Seiten 

Der  vorstehende  Band  ^ibt  eine  Philosophie  Uci  Oc^uhichic  aui  criip;nschcT 
Grundlage.  Im  ersten  Abschnitt  werden  die  Ideen  der  Geschichte  entwickelt,  im 
zweiten  Abschnitt  d'\c  HcrT:  cl\ift  £;c\Tis  .er  Gesetze  über  den  Verlauf  de  Geschichte 
nachgeu  iesen.  Zum  bciilusse  wtrd  die  Friige  sepriift,  inv^-ietera  die  Gesk;hicbtc 
als  das  Leben  der  Menschheit  gcfalst  wer^n  aanti. 


U.  Band:  OcseMeble  d«r  neuMUlelmi  hdbndumtm  ud  Leleiudalwlie. 

Mit  p  Illustrationen.  XVI  und  521  Seiten. 

In  diesem  /weiten  Bande  uclit  der  Verfasser  dem  i^owohnlichen  und  all- 
täglichen Lehen  des  Volkes  naliezutreten  und  ohne  eine  .spezielle  Kriege-  .'nd 
^^irtscluftsgcbchiclUc.  iiedits-,  Religions-  und  Litteraturgeschichte  zu  schreiben 
oder  sich  in  die  Gesdücbte  eines  einzelnen  Volkes  zu  verlieren,  einen  Überblick 
und  eine  Xusammejifassung  aller  der  bcslimmtc  Zeilen  uuJi  WAl.cr  erfiillcnden. 
Bestrebimgea  2U  geben  und  in  das  iimcrste  Fuhlen  und  Dcukea  de^  Volkes  ein 
zc^nihrea.  Den  Hauptbestandteil  dieses  Bandes  bOdct  daher  die  Sittengeschichte. 
Ein  alphabethisches  Register  am  Schlufs  des  2.  Bandes  erm6glicht 
eine  rasche  Orientierung  über  beide  Bände. 

In  demselben  Verlage  ist  erschienen: 

Ungedruckte  Domiidkaiierbrief e  des  13.  J alirliuxiderts. 

Von  ])v.  H.  Finkc, 

Prnfes.^or  an  der  Akademie  in  MUuttcr. 
i8o  S.    gr.  8.    $  J(. 

K  .... 

Ferner: 

Forschungen  und  Quellen 

Koustanser  Konziela. 
Von  l>r.  Jl.  Fink^. 

Profeaior  an  <lrr  AkAi''  mi'  ir  Müasicr 


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