DIE
DEUTSCHEN
VOLKSLIEDER
VOM DOKTOR
FAUST
Alexander Tille
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THE ZARNCKE LIBRARY
COIXECTED BY FRIEDRICH ZARNCKE
THE GIFT OF
*09UHam Sage
1893
DIE DEUTSCHEN VOLKSLIEDER
VOM
DOKTOR FAUST.
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INAUGUR AL - DISSERTATION
ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE,
DEK
PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT
DER
UNIVERSITÄT LEIPZIG
VORGELEGT
VON
?ro»z. ALEXANDER TILLE
AUS LAUENSTEIN.
HALLE a. S.
DRUCK VON EHRHARDT KARRAS.
1890.
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137
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THE ZARNCKE LIBRARY
COLLECTED BY FRIEDRICH ZARNCKE
THE GIFT OF
William 3-L Sage
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DIE DEUTSCHEN VOLKSLIEDER
VOM
DOKTOR FAUST,
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IN AUGUR AL - DISSERTATION
ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE,
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PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT
DEK
UNIVERSITÄT LEIPZIG
VORGELEGT
VON
*U*z. ALEXANDER TILLE
aus lauenstkin!
HALLE a. S.
DKUCK VON EHRHARDT KARRAS.
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Diese Abhandlung bildet den ersten Teil einer Arbeit unter gleichem Titel,
welche der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig vollständig
vorgelegen hat und gleichzeitig im Verlag von Max Niemeyer in Halle
erscheint.
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Einleitung.
Wie die Volksschauspiele vom Doktor Faust so sind auch die
deutschen Faustvolkslieder weit weniger wegen einer besonderen
litterarischen Bedeutung als um des Stoffes willen, den sie behandeln,
ein würdiger Gegenstand der Forschung. Aber auch den Volks-
schauspielen sind sie keineswegs als ebenbürtig an die Seite zu
stellen; denn sie können sich nicht wie diese rühmen, über zwei
und ein halbes Jahrhundert im deutschen Volke lebendig geblieben
zu sein, und sind überdies, wenigstens zum guten Teil, von jenen
abhängig. Jedenfalls rechtfertigt es allein ihr Stoff, wenn ihnen die
folgende Einzeluntersuchung gewidmet wird. Sind sie doch nicht
ohne Belang für die Entwickelungsgeschichte der Faustsage. Einige
von ihnen bedeuten eine gewisse Weiterbilduug derselben und haben
auch ohne Zweifel Anregungen gegeben, welche im Volksschauspiel
noch lange fortgewirkt haben. Die grosse Problemverschiebung, in
welcher im ganzen die Fortbildung der Sage besteht, spiegelt sich
in ihnen deutlicher wieder als im Puppenspiele, das mit seiner
Fragestellung durchaus auf dem Boden des sechzehnten Jahrhunderts
stehen geblieben ist. Das eine der epischen Lieder (III) hat sich
weit über die Schranken erhoben, welche die Anschauungswelt des
sechzehnten Jahrhunderts der Behandlung des Stoffes gezogen hatte,
wenn es auch noch nicht entfernt an Goethes Auffassung heranreicht.
Obgleich noch niemals als Gegenstand einer besonderen Unter-
suchung unter die Lupe genommen, sind einige der heute bekannten
zwölf deutschen Volkslieder vom Doktor Faust doch schon mehr-
fach gelegentlich behandelt worden. Ihre erste Erwähnung in der
gelehrten Litteratur ist fast ein Jahrhundert alt. Sie stammt aus
dem Jahre 1792. Damals erschien in dem von „Sicgmund Frey-
herrn von Bibra" herausgegebenen „Journal von und für Deutsch-
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land", Stück 8 Nr. 3, 8 657—671 ein Aufsatz „Uebcr die ver-
schiedenen poetischen Behandlungen der Nationallegende vom Doktor
Faust in deutscher Sprache", der auf S. 1041 noch eine kleine
Fortsetzung erfuhr. Peter in seiner „Litteratur der Faustsage"
2. Aufl. 1850, Nr. 325 schreibt den Aufsatz dem Herausgeber selbst
zu. Dies scheint aber nur eine Vermutung zu sein. In dem Auf-
satze heisst es S. 663: „6. Zu der Zeit, als extemporirte Burlesken
auf dem deutschen Theater herrschten, als Haupt- und Staatsactioncu
die Stelle der Trauerspiele vertraten, (das heisst, in Ober- und
Niedersachsen vom Ende des vorigen Jahrhunderts bis 1737, im
südlichen Deutschland noch länger; so gab noch 1746 die Schnchische
Gesellschaft zu Maynz ein extemporirtes Stück vom Faust, siehe
Theaterjournal für Deutschland I, 64 in Wien zum Theil bis 1769)
war Faust sehr oft der Inhalt einer tragischen Posse, die den Pöbel
vornehmlich durch die darinnen auftretenden Teufel unterhielt. Ein
Gesang daraus, der zum Volkslied ward, fieng an:
„Fauste, Fauste, du must sterben!
Fauste, deine Zeit ist aus!"
Der Verfasser dieser immerhin anerkennenswerten Arbeit hatte olfen-
bar selbst für dieselbe gesammelt. Ein episches Faustlied, deren
es damals, wie wir sehen werden, bereits mehrere gab, war ihm
dabei nicht zu Gesicht gekommen. Sagt er doch S. 671: „Aus
obigem Verzeichnisse der, in deutscher Sprache erschienenen, dich-
terischen Bearbeitungen von Faust's Geschichte erhellt, dass sie
häufig in der Form der Romane und des Drama's, aber noch nie
als Romanze und Ballade bearbeitet worden . . ."
Ein ganzes Faustlied (II) gaben zuerst Arnim und Brentano
in „Des Knaben Wunderhorn" Heidelberg 1806 als „Doktor Faust,
Fliegendes Blatt aus Cöln" heraus. Hier findet es sich Bd. 1, S. 214.
Noch in demselben Jahre besprach es Goethe im 2. Jahrgang der
Jenaischen Allgemeinen Litteratur-Zeitung Nr. 18, Spalte 141 vom
21. Januar d. J., wo er die einzelnen Gedichte des Bandes je mit
einem kurzen und meist treffenden Worte kennzeichnete. Zu dem
Faustlied bemerkte er: „Tiefe und gründliche Motive, könnten viel-
leicht besser dargestellt seyn."
Das Lied selbst ist seitdem überaus häufig abgedruckt worden.
Eiue Zusammenstellung vieler Orte, wo es zn finden ist, giebt Engel,
Faustschriften S. 136.
Wissenschaftlich beschäftigte sich mit diesem Licdc zuerst Emil
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Sommer 1845 in seiner bekannten für die ganze folgende Faust-
forschung grundlegenden Arbeit in der Encyclopädie von Erscli und
Gruber, Erste Serie, Bd. 42, S. 110. Hier heisst es: „Unabhängig
vom Volksbuche sind dagegen die weit naiveren, milderen Er-
zählungen, welche ein als fliegendes Blatt in Cöln gedrucktes Ge-
dicht und die schon berührte niederländische Sage enthält." Dann
giebt er eine Inhaltsangabe und fügt daran einige kritische Be-
merkungen über die mangelhafte Ueberlieferung, in der er einige
Lücken vermutet. Endlieh zieht er noch eine Reihe anderer Sagen
zur Vergleichung heran.
Eine ausführlichere Analyse des Inhalts gab 1847 Heinrich
D üntzer in seiner „Sage von Dr. Johannes Faust" Kloster V, S. 223
bis 229. In seinen weiteren Bemerkungen darüber thut er wie in
dem ganzen Buche nicht viel mehr, als dass er Sommer ausschreibt.
Auf die Frage der vierzeiligen Gliederung ist Düntzer später, in
seinem Commentar zu Goethes Faust 4. Aufl. 1882, S. 10, noch ein-
mal zurückgekommen, ohne ihrer Lösung jedoch näher zu treten.
Wenn er hier behauptet, die Darstellung sei „mit frischem Hnmor
in echt volkstümlicher Weise durchgeführt," so trägt er wohl etwas
in das Lied hinein, was in ihm nicht zu finden ist.
Mit ebensowenig Glück versuchte sich Adalbert Rudolf in
Herrigs Archiv 39. Jahrg., 74. Bd., 1885, S. 115 an dem Wnnder-
hornliede. Er hilft sich sehr einfach, indem er an drei Stellen ein-
zeilige und an vier Stellen zweizeilige Lücken annimmt, also 3 -\-8
d. h. 1 1 Verse zusetzt. So gewinnt er 96 Zeilen und 24 Strophen.
Die Teilung in Strophen ist durchgängig willkürlich und wenn der
Verfasser meint, „das meiste ist unbestreitbar," so deutet das auf
ein sehr geringes Urteilsvermögen. Er kennt aber auch nicht ein-
mal das nächstliegende Material. So sind ihm sowohl Erks Vari-
anten des Wunderhornliedes (Birlinger und Crccelins, Wunderhorn
1, 539), die, als er schrieb, 11 Jahre gedruckt waren, als auch die
Neudrucke des längeren Liedes „Hört ihr Christen, mit Verlangen"
in der Germania 26 und in Schlossars Steierischen Volksliedern,
die damals 4 Jahre im Druck vorlagen, unbekannt gewesen. Seine
tiefsinnigen Schlussbemerkungen verstehe ich nicht.
1878 behandelte Wilhelm Creizenach in seinem immer noch
trefflichen „Versnch einer Geschichte des Volksschanspiels vom
Doktor Faust" die bis dahin bekannten deutschen Volkslieder von
Faust an zwei Stellen, S. 130/31 und 189/90. Er hat zuerst die
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Arien des Volksschauspiels herangezogen, von denen gleich weiter
die Hede sein wird, und die auf vier Seiten zusammengedrängten
Bemerkungen über die Faustlieder sind ohne Zweifel das beste und
gründlichste, was bis jetzt darüber gesehrieben worden ist. Sie
werden im folgenden wiederholt heranzuziehen sein. Ich bemerke
gleich liier, dass ich mich in den Siegeln durchaus ihm anschliesse.
Näher auf die Lieder einzugehen, lag ausserhalb der Grenzen, welche
Creizenach seiner Untersuchung gezogen hatte.
Namentlich das Wunderhornlied ist seitdem noch so manches
Mal der Gegenstand wissenschaftlicher und unwissenschaftlicher Be-
handlung gewesen. Ich sehe von der zwecklosen Zusammenstellung
dieser Stellen, bei denen das Unkraut den Weizen weitaus tiber-
wuchert, hier ab. Auf die Arbeiten, bei denen es sich lohnt, wird
an den betreffenden Stellen einzugehen sein.
Ein neuer Ausblick auf die Geschichte der deutschen Faust-
volkslieder eröffnete sich, als Anton Schlossar in seinen „Deutschen
Volksliedern aus Steiermark", Innsbruck 1881, ein längeres Faust-
lied veröffentlichte und Adalbert Jeitteles in demselben Jahre Ger-
mania Bd. 26, S. 353 einen weiteren Druck desselben Liedes mit-
teilte, zu denen dann Karl Engel Faustschriften 1885, Nr. 290 und
292 zwei neue Drucke desselben Liedes und drei andere Faust-
liedcr (291; 290 b , S. 122 = 292", S. 132; 474) fügte.
Anderweitiges reichliches Material für unseren Zweck ergiebt
das Volksschauspiel, worauf bereits Creizenach hinwies. Wie aus
dem bereits oben erwähnten Aufsatze im Journal von und für
Deutschland hervorgeht, ist ein Lied daraus zum wirklichen Volks-
lied geworden, das Lied „Fauste, Fauste, du musst sterben!" Das-
selbe ist von dem Liede „Fauste, jene Himmelsgaben" ausdrücklich
bezeugt; denn es erscheint auf einigen fliegenden Blattdrucken zu-
gleich mit dem längeren Liede „Hört, ihr Christen, mit Verlangen",
das Schlossar-Jeitteles-Engel mitteilen. Ein weiteres Lied, das uns
in Kr, dem Kral Neschen Faust S. 184 begegnet, ist aus dem Wunder-
hornliede, dem längeren Liede „Hört, ihr Christen, mit Verlangen",
und dem Liede „Fauste, jene Himmelsgaben" zusammengesetzt. Es
beginnt „Doctor Faust, du sollst dich bekehren". Das Lied „Fauste,
was ist dein Beginnen", das zuerst auf einem Neuberschen Zettel
vom 7 Juli 1738 erscheint, wurde durch die Neuber'sche und durch
die Schröder'schc Truppe verbreitet, und sein Druck auf dem Theater-
zettel konnte leicht dazu dienen, es in das Gedächtnis des Volkes
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übergehen zu lassen. Ausser den Faustspielen, die schon Crcizctiach
und Engel (Bühnengeschichte des Faust) kannten, und den seitdem
in Einzeldrucken erschienenen wurden mir durch die Güte des Herrn
Dr. med. Art hur Kollmann in Leipzig noch zehn weitere sämtlich
noch ungedruckte Bearbeitungen des Volksschauspiels vom Dr. Faust
zugänglich, die sich handschriftlich in seinem Privatbesitze befinden.
Ich nenne sie vorläufig Kollm. A — K. Ueber ihre Geschichte und
ihre Eigenart wird der Besitzer selbst in den nächsten Zeit, unter
Benutzung derselben Siegel, weitergehende Aufschlüsse geben.
Im Ganzen kenne ich aus Volksschauspielen neun selbständige,
strophisch gegliederte Versgruppen ernsten Inhalts, die in deutlicher
Beziehung zu Faust's Schicksalen stellen und sich dadurch von den
willkürlich eingelegten Liedern, an denen namentlich G, der Gcissel-
brechtsche Text, reich ist, unterscheiden. Drei derselben sind aus-
drücklich auch als Volkslieder bezeugt und bei einem vierten war
das Vorkommen als solches höchst wahrscheinlich. Wir haben also
wohl ein Recht, auch die übrigen fünf kleinen Lieder, selbst auf
die Gefahr hin, dass sie niemals Volkslieder im engeren Sinne ge-
wesen sein sollten, hier heranzuziehen. Die Alexandriner sind
selbstverständlich ausgeschlossen; denn sie sind weder selbständige
Dichtungen (denn sie setzen nur die Prosa des Textes fort), noch
siud sie meist strophisch gegliedert. Ueberdies sind sie von Crei-
zenach schon ausreichend behandelt worden.
Ein Stück in L (S. 63) (Boneschkyscher Faust), das doch zu
sehr seine gelehrte Entstehung an der Stirn trägt und sich Kollm. A
Bl. 58 b und 59 H , sowie Kollm. B Bl. 80 b wiederfindet, rechne ich
nicht unter die Volkslieder. Es beginnt:
Dort wo des Abends Purpurflaniinen wehen,
Da ist — ha Fluch! — der Hölle Feuerthor! —
Hamm (S. 78, Anm. 40) schreibt die elf Fünfheber einem „versi-
ficierenden Spätling" zu. Wie mir Herr Dr. Kollmann nachzuweisen
die Güte hatte, ist diese Stelle aus dem Klingemann'schen Faust,
Leipzig, Brockhaus, 1815, S. 43, entlehnt. Die Verse haben bei
der Herübernahme nur unwesentliche Veränderungen erfahren.
Das Textbuch „Arien aus dem allegorischen Drama Johann
Faust von der Moser i sehen Gesellschaft abgesungen," Nürnberg
1777 (Neudruck in der 2. Aull, des „Allegorischen Dramas", heraus-
gegeben von K. Engel, Schwartz, Oldenburg) enthält nichts Hierher-
gehöriges. Ebensowenig die vierbändige Sammlung „Tcutschc Arien"
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von Joseph von Kurz auf der Wiener llofbibliothck, neue Signatur
12706 — 9, auf die schon Creizenach S. 121, Anm. 2 aufmerksam
machte. Mein Freund Rudolf Schlösser hatte die Güte, sie bei
seinem Aufenthalt in Wien auf Faustarien durchzusehen.
Dass sonst aus den Schätzen grösserer Bibliotheken in der
nächsten Zeit Faustlieder ans Licht gezogen werden sollten, ist
kaum zu erwarten, da sich, wie ich durch Anfragen festgestellt
habe, weder auf den Universitätsbibliotheken zu Göttingen, Graz,
Heidelberg, Leipzig, München, Wien, noch auf den Stadtbibliotheken
und Archiven zu Augsburg, Cöln, Dresden, Leipzig, Nürnberg, Steycr,
Ulm, noch auf den Uofbibliotheken zu Berlin, Dresden, München,
Weimar und Wien solche finden. Auch die k. k. Bibliotheca publica
zu Linz a. Donau und das von dem Oberlehrer J. Krainz begründete
Lokalmuseum zu Eisenerz in Steiermark, das reich an fliegenden
Blattdrucken ist, besitzen kein fliegendes Blatt vom Dr. Faust. Ohne
Erfolg gewesen sind nur die Anfragen bei dem Museum Francisco
Carolinuni in Linz, das in jeder Beziehung reich ist an Schätzen
aus der Vergangenheit Oberösterreichs, und bei der Firma Krausslich
in Urfahr-Linz, die seit geraumer Zeit Deutschösterreich mit fliegenden
Blättern versorgt.
Im Ganzen sind mir zwölf Faustlieder bekannt geworden, die
sich in vier epische und in acht lyrische trennen. Ich gebe zu-
nächst eine Uebersicht über dieselben, welche auch die mannig-
faltige Ueberlieferung mit verzeichnet, und führe im folgenden jedes
Lied und jede Fassung unter der Ziffer und dem Buchstaben an,
die es hier bei der Namengebung als Siegel erhält.
a) Die epischen Faustlieder.
I.
Hört, ihr Christen mit Verlangen
Das Lied trägt den Titel (Neue) Ausführliche Beschreibung u. s. w.
und umfasst 21 Strophen zu je 8 Zeilen. Von demselben sind bis
jetzt vier Drucke, sämtlich fliegende Blätter, bekannt geworden,
welche neugedruckt sind:
A Engel, Faustschriften Nr. 290.
B Germania 26, S. 353, mitgeteilt von Adalbert Jeittcles.
C Engel, Faustschriften Nr. 292.
1) Schlossar, Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Nr. 315.
S. 318.
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IL
Hört, ihr Christen mit Verlangen
Das Lied trägt den Titel: Die unglückliche Gehorsamkeit des
Doctor Faust, und wurde zuerst im Wunderhorn I, 214 nach einem
fliegenden Blatte (angeblich aus Cöln) mitgeteilt. In den land-
läufigen Drucken hat es 90 beziehentlich 92 Zeilen. Der Abdruck
bei Engel, Faustschriften Nr. 293 ist ungenau und enthält willkür-
liche Aendcrungen. Es ist mit I verwant.
Zu I und II gehört:
Kr Acht Zeilen aus dem Liede IX. Kralikscher Faust, Deutsche
Puppenspiele. Wien 1885. S. 184.
III.
Der Doktor Faust, der war ein Mann
Sein Titel lautet: Doktor Faust. Es enthält 14 Strophen zu
je 8 Zeilen. Von ihm ist bis jetzt ein Druck bekannt geworden,
wozu noch eine allerdings unsichere Nachricht von einem zweiten
kommt.
A Engel, Faustschriften Nr. 291.
(B) ehemals im Besitze des Antiquars Prandel in Wien (?), jetzt
verschollen.
IV.
0 Faust, o Faust, o Faust.
Kralikscher Faust Akt 4, S. 192. 8 zweizeilige Strophen, also
16 Zeilen.
b) Die lyrischen Faustlieder.
V.
Fauste, jene Himmelsgabcn
4 Strophen zu je 8 Zeilen. Das Lied ist in sechzehn teils aller-
dings sehr bruchstückhaften Fassungen und einem Prosarest erhalten.
Drei sicher bezeugte, aber nicht mehr erreichbare Drucke führe ich
mit auf, klammere ihre Siegel jedoch ein. Die vorliegenden Fassungen
ordnen sich in drei Gruppen.
a) 4 Strophen ohne Gegenstrophe:
(A) auf demselben fliegenden Blatte mit I A. Jetzt abge-
rissen und verloren.
(B) (?) auf demselben fliegenden Blatte mit I B, wenngleich
sich Herr Dr. Jeitteles nicht mehr sicher zu entsinnen
vermag, ob es sich hier fand.
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C auf demselben fließenden Blatte wie 1 C. Engel, Faust-
Schriften Nr. 292 b , S. 132.
(I)) auf demselben fliegenden Blatte wie I D.
a Engel, Faustschriften Nr. 290 b , S. 122, handschriftlich
nachgetragen auf ein dem Blatte I A zugesetztes
Blatt Schreibpapier.
ß) 3 oder weniger Strophen mit Gegenstrophe:
Wj Handschrift der Grossherzoglichen Bibliothek in Wei-
mar, Nr. 8 und 11 der Sammlung von Volksstücken.
3 Str. und 1 Gcgcnstr.
W10 Handschrift Nr. 10 derselben Sammlung. 3 Str. und
1 Gcgcnstr.
\V n und W10 vereinigte Schade bei Herausgabe
des Weimarer Puppenspiels „Faust". Weimarisches
Jahrbuch V. Das Lied steht hier 3. Aufzug. 3. Auf-
tritt. S. 295.
S Strassburger Puppenspiel IV, 2. Kloster V. 872. 1 Str.
und l Gcgcnstr.
G Geissclbrechtschcs Puppenspiel III, 1. Kloster V. 7156
Trümmer der Gegenstrophe.
y) Reste von Strophen, bei denen das ehemalige Vorhandensein
der Gegenstrophe zweifelhaft sein kann:
Kr Zwei Zeilen des Liedes IX aus dem Kralik'schen Faust.
S. 184.
L Prosarestc aus zwei Strophen in dem Boneschky'schen
(Leipziger) Faust. Leipzig 1850. Herausgegeben von
Dr. Wilhelm Hamm. S. 58.
Kollm. I. Bl. 33 b .
Ein Engel erscheint: (Faust betet; gleich darauf briugt Meph. die Helena.)
Faust, Faust, wach auf aus deinem Sündenschlaf,
ermuntre dich, verlornes Schaf,
du bist doch als Mensch geboren,
und willst so schändlich sein verloren?
heute noch vermagst du dass Bttndniss zu zerreissen,
desshalb komm und folge mir.
Kollm. II. Bl. 39 b (4, 2).
Ein Genius, Faust schlafend.
Faust, Faust! Wehe deiner armen Seele! Rette dich!
Du bist verloren
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9
Wie, bist du nicht als Mensch geboren
und willst dich diesem höllischen Geiste aufopfern?
Kollm. B. HL 75«.
Faust! Faust! wach auf von deinem Sündensehl afe —
Was hast du unternommen
Bist du nicht als Mensch geboren?
Kollm. E. HL 5 b .
Faust! Faust! bekehre dich
deine arme Seele dauert mich.
Kollm. F. Bl. 12 b = Kollm. C. Bl. 13*.
Genius :
0 weh Fauste,
deine arme Seele dauert mich.
Kollm. F. Bl. 40 b = Kollm. C. Bl. 44 a und 44 b .
(4. Akt. Zimmer.) Engel inwendig:
Faust, lass ab von deinem Sündcnlcbcn
es ist hohe Zeit
es kommt heran die Ewigkeit,
dir deinen Lohn zu geben,
es ist heut dein letzter Tag.
drum lass ab von deinem Sündenleben.
Vielleicht gehört auch hierher:
Kollm. K. Bl. 4 a .
Faust, Faust, blicke noch cinmahl zurück.
mit schaudervollcm Blick.
erkenst du mich noch nicht.
noch ist Zeit und Rettung vor Dich.
VI.
Fauste, was ist dein Beginnen
3 Strophen zu je sechs Zeilen.
N Neuberscher Zettel vom 7. Juli 1738. Engel, Faust-
schriften Nr. 474. S. 189.
Seh Schröder'scher Zettel vom 2. August 1742. Schnorrs
Archiv 13. S. 408 (1885).
Kollm. K. Bl. 3 a (?).
Faust, was wilst du beginnen,
zurück von deinem Vorhaben!
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10
VII
Fauste, Fauste, du must sterben
Länge unbekannt. Zweizeiliges Citat im Journal von und für
Deutschland. 1792. Stuck 8. Nr. 3. S. 663.
Kollm. (J. Bl. 45 b .
Eine Schrift erscheint an der Wand:
Faust deine Zeit ist aus.
L. S. 69.
Auerhahn :
Kaspar deine Zeit ist aus,
Du musst mit mir ins Höllenhaus.
Kollm. A. Hl. 62» == L. 8. 69.
Kollm. II. Iii. 47 b (4, 9).
Auerhahn :
Kaspar, nun bin ich da, deine Zeit ist aus,
du musst mit mir ins Höllenhaus.
Kollm. I. Iii. 37*
Auerhahn (zu Kaspar):
Nun deine Zeit ist aus,
du musst mit mir ins Höllenhaus.
VIII.
Faust, ich werde vom Höchsten geschickt
6 Zeilen oder 3 Reimpaare. Berliner Faust (B). Haupts Zeit-
schrift 31, S. 137.
B 1
Variante bei Lübke HZ 31, 137. Anm. 1.
»I!
III
IX.
Doctor Faust, du sollst dich bekehren
Zwei vierzeilige und eine zweizeilige Strophe. Deutsche Puppen-
spiele. Herausgegeben von Kralik und Winter. S. 184.
X.
Kollm. I. Bl. 19 l ».
Mephisto :
Schweig! damit dich Niemand warnt,
das Höllennetz hat dich umgarnt,
schon trägst du knirschend unsere Ketten,
nichts kann vom tiefen Fall dich retten.
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11
XL
Zuvor in Purpurklcidor-Pracht
W, 8 i Weimarer Handschrift Nr. 8 und 1 1. Weimarer Faust.
5. Aufzug. Weim. Jahrb. V, S. 321.
W 10 Weimarer Handschrift Nr. 10.
Beide Handschriftüberliefeningen haben 4 Strophen zu je 4
Zeilen, an die sich freier noch eine weitere vierzeilige Strophe an-
schliesst.
S 4 Strophen zu je 4 Zeilen. Strassburger Puppenspiel.
Kl. V. 878. V. Aufzug. 2. Auftritt.
(jJ Prosarest des Liedes. Geissclbrecht'sches Puppenspiel
4, 3. Kl. V. S. 774.
Kollm. E. Bl. 61 b derselbe Rest wie G.
XII.
Verfluchte Lust der bösen Welt
0 Wiepkingschcr Faust. Oldenburg 1879. Herausgegeben
von Engel. S. 55. 14 Zeilen.
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Erster
Die epischen Faustlieder.
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I.
a) Die Ueberlieferung.
In seinen „Deutschen Volksliedern aus Steiermark" giebt Anton
Schlossar S. 433 an, das Lied I sei früher in Steiermark häufiger
gewesen. Trotz zahlreicher Anfragen an gelehrte Freunde der
österreichischen Volkslitteratur ist es mir jedoch nicht gelungen, zu
den 4 bereits wieder abgedruckten fliegenden Blättern, welche dieses
Lied enthalten, einen weiteren Druck aufzufinden. Im Gegenteil
haben sich sogar zwei der bekannt gewordenen Blätter, B und I),
als neuerdings verschollen herausgestellt.
Ich behandle zunächst die Ueberlieferung von I, indem ich die
vier Drucke ABCD einzeln bespreche.
A. Engel, Faustschriften Nr. 290. S. 118.
Ein fliegendes Blatt in Kleinoktav, ohne Ort und Jahr er-
schienen. Es befindet sich gegenwärtig im Besitz des Majors Bode
in Soran, der die Güte hatte, es mir einige Zeit zur Benutzung zu
überlassen. Er erhielt es von dem um die Sammlung volkstüm-
licher Drucke und Theaternachrichten hochverdienten Wiener Gast-
wirt Franz Haydinger. Ein weiteres Exemplar dieses Druckes ist
nicht bekannt. Es ist 15,9 cm hoch und 10,6 cm breit. Der untere
Rand ist jedoch, wie deutlich sichtbar ist, neu beschnitten. Also
war es einst etwas höher. Der Druck ist 13,7 cm hoch nnd 8,1 cm
breit. Ursprünglich bestand das Blatt aus einem halben Bogen,
also ans 4 Oktavblättern ohne Seitenzahlen.*) Davon ist das letzte
*) Das fliegende Blatt I A ist, soweit es im Druck erhalten, auf An-
regung seines jetzigen Besitzers photographisch vervielfältigt worden.
Die 4 Bilder S. 1«, 2 h + ^ und 3»» sind bei dem Photographen
Dom zig in Sorau käuflich zu haben. Leider ist das erste der sonst wohl-
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Blatt verloren gegangen. An seiner Stelle ist ein Oktavblatt dünnen,
weissen, rauhen Papiers angefügt, das mit einem schmalen Rand-
streifen auf Bl. l ft festgeklebt ist. Bl. 2 und 3, welche noch zu-
sammenhängen, sind längs der Bruchstelle auswendig mit einem
Streifen desselben dünnen, weissen, rauhen Papiers beklebt, welcher
also auf 2" und 3 b befestigt ist. Dieses neu entstandene Blatt
nenne ich 6*.
Zwischen dem alten Bl. 3 und dem neu entstandenen Bl. 6 1 ist
ein Viertelbogen glattes, starkes, etwas ins Gelbliche scheinendes
weisses Papier eingeschoben worden, der ebenfalls in 8° zusammen-
gebrochen und mit einem Händchen seiner letzten Seite auf Bl. 6 ,n
festgeklebt ist. Sein erstes Blatt nenne ich 4 l und sein zweites 5 1 .
Das Ganze ist neu geheftet und findet sich mit I C als erstem, III A
als zweitem, also selbst als dritter Druck in einem besonderen Um-
schlage, der die Aufschrift trägt: „Drei Volks-Faustliedcr« befestigt.
Diese Zusammenstellung ist erst durch den Major Bode erfolgt, wie
auch die Aufschrift des Umschlags von seiner Hand ist.
Obgleich an den Rändern mehrfach beschädigt und ausgebessert,
so sind doch die drei noch vorhandenen Oktavblätter des Originals
im ganzen gut erhalten. Kein Buchstabe ist weggerissen oder un-
leserlich geworden. Das Papier sieht heute braun aus; ehedem war
es wohl von gelblich-grauer Farbe. Es hat keine andersfarbigen
Fasern und auch kein Wasserzeichen, ist jedoch der Quere und der
Länge nach gerieft. Die Längsriefen sind 2,38 cm von einander
entfernt und nur sehr schwer zu erkennen.
Bl. 1* enthält Titel und Titelbild. Der Titel lautet:
Eine neue ausführliche
Beschreibung /
Des weit- und wohl-bckannten
auch Welt-berühmten
Johann Doctor Paust
Von Anhalt geboren,
Meister der höllischen Geister / wie er
gelungenen Bilder etwas vcrgrösscrt und sind die übrigen drei Bilder um
ein Drittel der Originalgrüsse verkleinert. Da die Lettern namentlich
durch die starke Verkleinerung ein vollständig anderes und zwar jüngeres
Gepräge bekommen haben, so sind die Photographien angethan, bei der
Altersbestimmung irre zu leiten. Das Original ersetzen sie für wissen-
schaftliche Zwecke keinesfalls.
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17
sich mit den zwey Geistern auf 24. Jahr ver-
schrieben hat, wie er deren 40000. citirt hat, unter
diesen nicht mehr als zwey waren / welche ihm Tag nnd
Nacht treu gedienet haben / und alles / was er erdenckt / und
haben wolte / musten sie ihm bringen / ja keine Feder genug-
sam beschreiben kan / wie er auf dieser Welt die höllische Gei-
ster geschoren hat / wie solches ferner im Pragerischen
Comödi-Lied zu vernehmen sevn wird.
Darunter findet sich ein Holzschnitt in einem gradlinigen
Rahmen von 4,15 cm Höhe und 5,26 cm Breite. Links auf dem
Bilde steht ein Mann in Bauerntracht, rechts ein Pferd mit dem
Kopfe nach ihm zugewendet, zwischen beiden ein zweiter Mann in
vornehmer Kleidung, der dem ersten das Pferd verkaufen zu wollen
scheint. Allem Anschein nach haben wir eine Darstellung des Auf-
trittes vor uns: „D. Faustus betreugt einen Rosstäuscher" (Spiesssches
Faustbuch A. Kap. 39). Da dieses Schwankes in dem Liede jedoch
keineswegs gedacht wird, so kann es zweifelhaft erscheinen, ob
dieser Holzschnitt eigens für das vorliegende fliegende Blatt ange-
fertigt worden oder nur anderswoher entlehnt ist. Aus der Art des
Holzschnittes ist auf ein höheres Alter desselben, als dem Drucke
zukommt, nicht zu schliessen, da er sich bei weitem nicht so genau
zeitlich festlegen lässt, wie dies bei dem Drucke der Fall ist.
Unter dem Holzschnitt steht:
Aus der Wälischen Sprach in die Teutsche überse-
tzet / auch gantz neu / und noch niemahlen in
Druck ausgangen.
Bl. l b hat oben eine schmale Kopfleiste. Darunter steht:
Das Erste:
1.
Dann beginnt das Lied: HOert ihr Christen mit Verlangen/
Nur bei der ersten Strophe ist die Ziffer übergedruckt, bei
allen übrigen steht sie auf der ersten Textzeile.
Bl. l b geht bis Str. 4. alles was sein Hertz begehrt.
5. Wann
2 a , 5 Wann er auf der Post that reiten /
bis 9. dass er sich aufführen kan /
Ge-
2 b , 9 Geschmuck von Diemand /
bis 13. bey GOtt hast du kein Pardon. , . _
14. Fau-
2
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i8
3 a , 14 Faustus thät starck disputiren /
bis 18. thät den Fanstnm schärft* be-
fra-
3 b , 18 fragen / ob er sein Puncten nocli b'ständig ist /
bis 21. und von den Teuffein ewig gequälet seyn.
Das
Hiermit endigt das im Druck erhaltene, und es beginnt der
handschriftliche Nachtrag, welcher offenbar nach einem anderen
Blatte angefertigt ist, welches dasselbe enthielt. Auf die Vorlage
der Abschrift wird unter V. ausführlicher zurückzukommen sein.
Auf Bl. 4 lab und 5 ,a ist nämlich von einer kräftigen Hand,
welche jedoch eine andere ist als die der Bleistiftvermerke, das
lyrische Faustlied V und die Faustanekdote eingetragen, die Engel
beide Faustschriften S. 122/23 wiedergiebt. Auf Bl. 4*« oben steht:
Das Zweyte.
1. Fauste, jene Himmelsgaben u. s. w.
Die Seite geht bis Str. 4: sonst wird dich.
S. 4 lb enthält dann Str. 4: der Himmel strafen bis Ende von
IV. Dann folgt eine neue Ucberschrift: Anecdote von ihm.
Darauf beginnt die Anekdote: Faustus befahl dem Geist Mevesto-
philus bis: solle kei ne menschliche Hand nicht aufmachen,
S. 5 U enthält oben nur die Worte: bis Faustus solches befihlt.
darunter ist ein Schnörkel.
(ß
■
S. 5 ,b ist leer.
Auf S. 6 U steht oben mit Blei:
Das Zweyte
4 Strophen
darunter ein Strich.
Anekdote von ihm
und auf S. 6 |b gleichfalls oben und ursprünglich auch mit Blei und
von derselben Handschrift:
Wunderhorn (Neue Ausg.)
I, 73 (Alte Ausg.)
I, 494—214.
Die Worte auf S. 6 ,b sind jedoch vom Major Bode mit Tinte nach-
gezogen worden, vermutlich weil sie sehr undeutlich waren. Ver-
mutlich sind dabei ein paar Fehler untergelaufen, die gleich zu er-
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19
wähnen sein werden. Unter diesen Angaben steht mit Tinte von
Bodes Hand der Vermerk:
Diese Bemerkung ist wahrscheinlich von dem
früheren Besitzer, Franz Haydinger in Wien
in Blei gemacht worden.
In der ersten Ausgabe des Wunderhorns, Heidelberg 1806 findet
sich das Lied II, auf welches hier Bezug genommen wird I, 214.
Eine neue Ausgabe, in der dasselbe I, 73 steht, habe ich nicht er-
mitteln können. Soll es vielleicht heissen: Neue Ausg. 1873? In
diesem Jahre erschien die von Ludwig Eck besorgte Ausgabe bei
Grote in Berlin. Auch auf S. 494 steht das Lied in keiner der
bekannten Ausgaben, wohl aber auf S. 194 in der Ausgabe, die
1845/46 in Charlottenburg erschien. Demnach läge auch hier eine
Verlesung vor. Will man das letztere Versehen gelten lassen, so
fiele der Vermerk nach 1845, erkennt man auch das erstere an,
nach 1873. Ich stehe nicht an, beide für wahrscheinlich zu halten,
und somit den Vermerk nach 1873 zu setzen, zumal sich das Lied
dann noch mehrere Jahre in Haydingers Besitz befand.
Dass das ursprüngliche Bl. (4 ab ) wenigstens zum Teil bedruckt
war, ist sicher. Mit Bl. 3 b geht Lied I zuende. Unten auf S. 3 1 '
findet sich aber noch ein Das. Da Lied I überschrieben ist: Das
Erste, so kann kaum ein Zweifel bestehen, dass nun Das Zweyte
folgte. Diese Annahme wird noch bestätigt durch folgendes. Wir
werden sehen, dass die Drucke BCD von I nicht von einander,
sondern allesamt aus A abgeleitet sind. Da sie mit A mehrere
ganz auffällige Fehler gemein haben und auch im Ganzen nahe zu
ihm stimmen, so ist es schwerlich erlaubt, Mittelglieder anzunehmen.
Nun folgen aber wenigstens in C und D noch einmal Das zweyte
(Fauste, jene Himmelsgaben) und sodann eine Türkische Historie.
Also ist es wenigstens wahrscheinlich, dass beide Stücke sich auch
in A fanden. Allerdings ist ja die Ergänzung eines fliegenden
Blattes, das nur I und V enthielt, durch ein weiteres, welches ausser
diesen beiden noch die türkische Historie aufwies, denkbar, aber
gewiss sehr wenig wahrscheinlich.
Für LiedV und die /Türkische Historie' hatte der Druck IA
nur ein einziges Blatt Raum, und es kann zweifelhaft erscheinen,
ob bei dem weiten und grossen Druck des Liedes I beide Stücke
auf diesem Platz fanden, also ob es überhaupt möglich war, dass
das Blatt IA auch die Türkische Historie enthielt.
2*
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20
Da anzunehmen ist, dass für die beiden weiteren Stücke, falls
sie beide vorhanden waren, auch dieselben Lettern benutzt worden
sind wie für I, so lässt sich die Raumberechnung ziemlich genau
vornehmen. Bl. 2 a , 2 b haben je 27, 3 a und 3 b 26 Zeilen, das
untergedruckte Wort, welches auf die nächste Seite übergreift, nicht
mit gerechnet, l b hat nur 24 Textzeilen, da bei ihm Kopfleiste,
die Ueberschrift Das Erste und die Ziffer 1. über der ersten Strophe
etwa 3 Zeilen Kaum in Anspruch nehmen. Für (4 a ) sind diese
3 Zeilen ebenfalls in Anrechnung zu bringen. Die Vollzeile ent-
hält durchschnittlich 35 Buchstaben ohne die Satzteilzeichen. Der
Text VC würde demnach 27 Zeilen erfordern, also noch 3 Zeilen
der Seite (4 b ). Die Ueberschrift der folgenden Anekdote, die nach
I C und I D wohl sicher als Türkische Historie anzusetzen ist, füllt
dann eine weitere Zeile, so dass von den 27 auf (4 b ) anzunehmenden
Zeilen noch 23 für deren Text bleiben. In C füllt dieselbe nur
21 und mit den Lettern von A würde sie sogar nur 19 bis 20
brauchen. Es blieben demnach sogar noch 3 Zeilen übrig, welche
eine Schmuckleiste über der Anekdote ermöglicht haben würden,
obgleich man ja nicht wissen kann, ob sich eine solche dort fand,
da die Anekdote keine neue Seite begann. Der Kaum gestattete
das Vorhandensein der Türkischen Historie auf A also sehr wohl.
S. 123 seiner Faustschriften giebt Engel an „die handschrift-
liche Ergänzung des zweiten Liedes und die der Anekdote scheint
von dem früheren Besitzer, Franz Haydinger in Wien zeilengetreu
angefertigt zu sein." Davon kann keine Rede sein. Die Abschrift
schreibt die Zeilen einfach gleichmässig voll und setzt in dem Liede
Va nur am Strophenende ab. In der Anekdote, die übrigens eine
völlig andere Zeilenabteilung hat als der Engeische Druck, der
hier ebenfalls die Zeilen völlig ausfüllt, findet sich nur der Absatz,
den Engel angiebt. Dass auf dem Titel der Schrägstrich mit dem
Komma als Satzteilzeichen wechselt, ist Engel entgangen. Abge-
sehen von diesen Dingen finden sich in dem „buchstabengetreuen"
Abdruck Engels, der „auch in der Zeileneinteilung" genau sein soll,
31 Abweichungen vom Original, von denen allerdings ein grosser
Teil nur Interpunktionsfehler sind, während andere, wie die falsche
Lesung von w für W und d für D in Va und die Auflösung von
und aus u. der Handschrift mehrfach wiederkehren. Indessen kommen
auch Versehen von Bedeutung vor. Ich stelle die Fehler zunächst
richtig.
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21
Lied L
1*.
Z. 9 1. 40000. citirt st. 40000 citirt
10 1. Tag nad st. Tag uud
l b .
Str. 4, 1 1. Sommer / in st, Sommer in
4, 2 1. seyn st. sein
2*.
5, 7 1. verlangen st. Verlangen
7, 3 1. diesen st. diesem
8, 1 1. Geister / er st. Geister er
2".
U, 1 1. ('harfreytag st. Charfreitag
3*
16, 2 1. fort / und st. fort und (der Strich ist im Original
undeutlich)
17, 7 1. dazumahlen st. dazumalcn
18, 2 1. Crucifix st. Crncifix
18, 3 1. Faustum st. Faust um
3 b .
19, 2 L Kust Stuck st. Kunst Stuck
2h 5 1. Stucken st. Stücken
Lied V.
4i».
1, 2 1. seyn st. sein
1, 6 1 Wilst st. wilst
1, 8 1. Wann st. wann
2, 3 1. Willst st. willst
2, 7 1. Wann st. wann
4, 3 1. Deinen st. deinen
4 ib
4, 6 1. Waffen st. waffen
4, 7 1. Dich st. dich
4, 8 1. Deine st. deine
Die d D, w W der hs sind allerdings nicht auf den ersten Blick
zu unterscheiden, indessen nach genauer Vcrgleichung der kleinen
und grossen Buchstaben sehr wohl mit Sicherheit zu trenneu.
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22
Die „Anecdote von ihm".
Abgesehen von der Ueberschrift druckt Engel dieselbe in 16 Zeilen..
In der handschriftlichen Aufzeichnung steht sie auf 23. In Engels
Druck ist zu lesen:
Z. 1 u. dem st. und dem
4 u. sein st. und sein
6 u. in st. und in
7 an Hals st. an den Hals
13 u. Band st. und Band
13 u. in st. und in
14 u. Band st. und Band
14 Vorhängschlrtsser st. Vorhangschlösser.
Auf S. l a giebt das Lied an, es sei „Aus der Wälischen Sprach
in die Teutsche übersetzet." In dem Texte findet sich aber auch
nicht die leiseste Spur des Anklangs an eine Wälische Sprache.
Es ist demnach anzunehmen, dass diese Angabe nur zum Zwecke
der Reklame gemacht ist und also jeder wirklichen Grundlage ent-
behrt. Ob das Lied wirklich gantz neu / und noch niemahlen in
Druck ausgangen ist, wird weiter zu untersuchen sein.
Jetzt hat uns zunächst die örtliche und zeitliche Festlegung
des Druckes A zu beschäftigen.
In dem Drucke finden sich eine Reihe mundartlicher Fremd-
wörter. 8, 7 crystiren ist nach G wb. 5, 1310 = klystieren und zwar
die bairisch-österreichische Form dieses Wortes, wie auch Schmeller,
Bair. wb. 1, 1384, angiebt.
2, 8. Favoritl mit silbenbildendem 1 ist gleichfalls nur in
Süddeutschland gebräuchlich.
Diese Worte würden aber dafür, dass A ein bairisch - öster-
reichischer Druck ist, schwerlich beweisend sein können, da sie ja
schon in der Vorlage enthalten gewesen sein können, wenn eine
solche vorhanden war. Aber die Heimat des Druckes ist gleichwohl
sicher Oberdeutschland. Dies folgt schon aus der häufigen Elidierung
des e in der Vorsilbe ge: 2, 3 Gwalt, 5, 2 geschorn; ferner des
u (e) in z' Regensburg (5, 6) u. a. m. Ueberdies deuten die Reime
an : Pardon (13,6:8) und schon : an (19,2:4) auf die bairisch-
österreichische Mundart, wo an wie ein nasaliertes o lautet (vgl.
Schmeller, Bair. wb. 2, 8). Eben dahin weist auch der Gebrauch
von Passion als m (19, 1: der Passion), der noch heute z. B. in
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23
Oberammergau und überhaupt im Bairisch-Oesterreichischen üblich
ist (vgl. Schindler l 2 , 409).
Unumgelautete Formen wie Stuck (19, 2), Stucken (21, 5),
Schrecken (21, 4) stimmen trefflich dazu. Auch die Form Comödi
in Comödi-Lied (Titel Z. 15) und in Comedi-Sachen (6, 1) ist ober-
deutsch (vgl. Gr wb. unter Komödie). Die Form Comedi (6, 1)
deutet vielleicht auf die Nähe der italienischen Grenze, jenseits
derer das Wort ja comedia lautet. Indessen hat ja auch das Fran-
zösische hier e.
Darauf, dass nicht Baiern sondern Oesterreich die Heimat des
Druckes ist, könnte man aus der Beziehung auf eine , Pragerische '
Faustkomödic schliessen wollen. Doch ist demgegenüber daran zu
erinnern, dass man auch sehr gut ein auswärts von einer bekannten
Prager Truppe gegebenes Fauststück als eine Pragerische Comödi
bezeichnen konnte.
Eine nähere Bestimmung liefert die Form Modi in Modi-Kleyder
(9, 1). Nach Gr wb. Mode 2. ist die Form Modi (f.) tirolerisch.
Das Bairische kennt sie nicht. Demnach stammte der Druck aus
Tirol. Die angrenzenden Kronländer möchte ich jedoch dabei nicht
ausgeschlossen haben, obgleich sich, wie die Quellenuutersuchung
zeigen wird, noch ein weiterer Berührungspunkt mit Tirol ergiebt.
Die Form Modi ist wohl ebenfalls durch italienischen Einfluss zu er-
klären. —
Dass A in Oesterreich (Wien) wieder auftauchte, spricht gleich-
falls für dies als seine Heimat.
Nach der örtlichen Festlegung des Druckes hat uns die zeit-
liche zu beschäftigen.
Karl Engel meint (Faustschriften S. 123), die kleine Flugschrift
scheine nach Papier und Druck „zu Ende des 17. oder zu Anfang
des 18. Jahrhunderts erschienen zu sein." Dagegen ist nichts ein-
zuwenden. Vielleicht ist es jedoch möglich, die Druckzeit noch
etwas genauer zu bestimmen.
Das Rosstäuscherbild auf dem Titel lässt sich nicht genau
zeitlich bestimmen, da seine Linienführung sehr roh ist und die
Trachten zu allgemein gehalten sind, als dass man in ihnen eine
enger begrenzte Mode herauszuerkennen vermöchte. 1650 — 1750
ist der Spielraum, innerhalb dessen seine Entstehung möglich ist.
Ebenso liefert die Beziehung auf ein Pragerisches Comödi-Lied
keinen Anhalt, auf das noch mehrmals zurückzukommen sein wird.
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24
Denn einmal ist es ja durchaus nicht ganz sicher, ob die Aufführung
wirklich in Prag stattfand, und sodann ist bereits 1651 ein Faust-
spiel in Prag belegt. Es ist sicher anzunehmen, dass dergleichen
in den nächsten hundert Jahren dort das Lampenlicht der Bretter-
welt noch mehrmals erblickt haben. Dass unter dem Pragerischcn
Comödi-Lied einzig Lied V, die Arie: Fauste, jene Himraelsgaben,
zu verstehen sein kann, die auf unserem Blatte ja sicher einstens
vorhanden war, werden wir unter V des näheren sehen. Die Be-
merkung bezieht sich demnach nicht auf das Scheren der Teufel ins-
besondere, sondern auf das ganze Vorrausgehende, und ist nur sehr
nachlässig angeknüpft.
Weiter enthält der Text die Worte mit den zwey Geistern.
Hier erscheint die alte neutrale Form zwei bereits für das m zween.
Förmlich anerkannt für die Schriftsprache als für alle drei Ge-
schlechter gültig wurde diese Form erst 1748 durch Gottsched. An
einen Einthiss von dieser Seite her ist jedoch nicht zu denken. Im
bair. österr. ist die Verschiedenheit der drei Geschlechter bei zween
schon früher beseitigt worden. Das durchdringende war die aus
dem n zwei mundartlich entstandene Form zwoa. Das vorliegende
zwey denke ich mir aus dieser Form unter Einfinss des schrift-
sprachlichen zwei entstanden, von dem der Tiroler kaum wusstc,
dass es n sei.
Auf etwa spätestens den Anfang des achtzehnten Jahrhunderts
deutet auch die Form Wälisch des Titels. Bald kommt nur noch
wälseh, später welsch vor.
Eine sichere obere Grenze ergiebt folgender Umstand.
Str. 21, 7 kommt Luxenburg vor. Gemeint ist der Marschall
Francois Henry Duc de Montmorency, Duc de Luxembourg, der im
Kufe der Zauberei stand und 1695 starb (Engel, Faustschr. S. 700).
Da er im Liede bereits in der Hölle erscheint, so ist damit das
Jahr 1695 als oberes Grenzjahr sicher festgelegt. Ja man darf die
Grenze wohl noch etwas herabziehen; denn es ist schwerlich zu
glauben, dass der Marschall unmittelbar nach seinem Tode in die
Volkssage übergegangen sein sollte. Der älteste Druck des Buches
vom Marschall von Luxenburg stammt aus dem Jahre 1702. Da-
mals erschien in Cölln: Des Duc de Luxenburgs, Gewesenen König-
lichen Frantzösischen Generals und Hof-Marschalls Verbündniss, So
er mit dem Satan gemacht. (Engel 2621). Noch 1702 und 1703
erschienen weitere Flugschriften über diesen Stoff (Engel 2622 und
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2623). Darnach dürfte man die obere Grenze mit grosser Wahr-
scheinlichkeit bis 1702 herabrücken.
Im Jahre 1733 brachte dann zuerst ein Volksbuch den Namen
Fausts mit dem des Luxenburgers zusammen; es sind die Gepräche
im Reiche derer Todten u. s w., die Engel als N 230 aufführt. An
sich ist es nicht unwahrscheinlich, dass in diesem Buche die An-
regung für das Lied zu suchen sei, Luxenburgs Namen neben den
Fausts zu stellen. Erscheinen doch in dem Liede beide miteinander
in der Hölle sitzend. Nötig ist jedoch die Annahme einer solchen
Beeinflussung keinesfalls.
Etwas Bestimmteres für die Datierung ergiebt folgende Aeusser-
lichkeit.
In dem Druck A herrscht, wie bereits S. 20 bemerkt, noch
durchgängig der Schrägstrich (/) als Satzteilzeichen. Das Komma (,)
fehlt in dem Liede selbst noch vollständig. Auf dem Titel findet
es sich jedoch bereits an drei Stellen, nämlich nach
Von Anhalt gebohren,
verschrieben hat,
citirt hat,
Die beiden letzten Kommata stehen auf derselben Zeile (9), das
erste auf Zeile 6. Zeile 6 scheint, da sie freier steht, etwas grösser
gedruckt als Zeile 9, welche sehr dicht an 8 und 10 grenzt. Die
genaue Ausmessung und Vcrgleichung der Buchstaben lehrt jedoch,
dass die Lettern beider Zeilen dieselben sind. Wir haben es also
mit demselben Satz Lettern zu thun, zu dem Kommata als Inter-
punktionszeichen gehörten.
Während nun die Antiquadrucke, welche anfangs ausser dem
Tunkte kein Satztcilzeichen kennen, im sechzehnten Jahrhundert das
uns allein geläufige Kommma (,) annehmen, führen die Fraktur-
drucke etwa seit derselben Zeit als kleinste Interpunktion ganz dem
Komma der Antiqua entsprechend den Schrägstrich (/). Wo im
deutschen Text lateinische Citate stehen, haben diese ohne Aus-
nahme das Satzteilzeichen der Antiqua, also das Komma.
Das erste Komma in einem Frakturdruck, welches ich gefunden
habe, fällt in das Jahr 1709.
Gottlieb Cobers „Bussfertiger Zöllner zu Hause und im Tempel"
Leipzig, Christian Frühauf 1714 hat bereits ohne Ausnahme Komma.
Gleichzeitig und noch später finden sich in reicher Anzahl
Drucke, welche noch völlig den schrägen Strich verwenden. Jahr
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26
für Jahr werden dieselben jedoch seltener, und um 1720 hat das
Komma den Schrägstrich aus der gelehrten Litteratur bereits voll-
ständig verdrängt. Auch für die Zeit, bis dahin, während welcher
Komma und Strich auch auf diesem Boden noch um die Oberherr-
schaft kämpfen, lassen sich gewisse Regeln über ihr Vorkommen
aufstellen.
Der Strich hält sich am längsten auf dem Titelblatt, in den
Kapitel- und Teilüberschriften und in dem kleineren Drucke der
Anmerkungen und eingestreuten Strophen, also in den weniger häufig
benutzten Lettersätzen, die eben ihres geringeren Gebrauches wegen
weniger oft erneuert wurden. Hie und da tritt das Komma auch
in Büchern, die sonst noch durchgängig den Strich haben, ganz ver-
einzelt unter den grösseren Lettern der Titel auf. In diesem Falle
ist dann anzunehmen, dass diese zufällig abgenutzt waren, als Letter-
sätze in Fraktur mit Komma aufkamen, und somit eher neubeschafft
wurden als die gewöhnlichen Textlettern.
In der Druckerei des Waisenhauses in Halle fällt die völlige
Beseitigung des Schrägstriches in das Jahr 1721.
An sich läge die Vermutung nahe, dass der Uebergang zum
Komma in verschiedenen Gegenden verschieden sei. Es ist mir
jedoch nicht gelungen, dieselbe irgendwie bestätigt zu finden. Da
die Letterngiessereien ja nicht allzu häufig waren, würde sich auch
eine ziemlich gleichzeitig auftretende Herrschaft des Komma un-
schwer erklären lassen.
In der nicht gelehrten, volkstümlichen Litteratur erhält sich
der Schrägstrich noch bis 1732, was ja leicht dadurch zu erklären
ist, dass kleine Druckereien ihre Lettern nicht so leicht mit der
Mode wechseln.
In dem Faustliede IA giebt es nun bereits in einem bestimmten
mittelgrossen Letternsatze das Komma. Also kann es nicht vor
1709 gedruckt sein, wo wir das erste Komma in einem Fraktur-
drncke nachwiesen. Da aber aucli nicht anzunehmen ist, dass das
Komma in Frakturlettersätzen gleich nach seinem Aufkommen auch
schon in einer so kleinen Tiroler Druckerei vorhanden gewesen
sein sollte, wie dieselbe doch nach dem ganzen Aeusseren des
Blattes A zu denken ist. so darf man die obere Grenze getrost noch
bis etwa 1715 hernnterrücken. In dem Drucke A herrscht aber
noch durchaus der Strich. Der letzte volle Druck der Art, den
ich kenne, fällt 1731 oder bald nachher. Das Jahr 1735 wäre
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demnach als unteres Grenzjahr zu betrachten. In engere Grenzen
als die Jahre 1715—1735 getraue ich mir auf grund des vor-
liegenden Materials den Druck A nicht einzuschliessen, ich glaube
aber auch nicht, dass man dieselben weiter ziehen darf.
B. Jeitteles, Germania Nr. 26. S. 353.
Den Druck B erhielt Adalbert Jeitteles vor etwa 20 Jahren
in Graz. Nach genommener Abschrift gab er das Original zurück.
Die Abschrift selbst ist ihm, wie er mir freundlichst mitteilt, ver-
loren gegangen, und er weiss sich auch nicht mehr zu erinnern,
von wem er das Blatt ehedem geliehen hatte. Dasselbe ist also
als verschollen zu betrachten. An seiner Stelle ist der Abdruck
zu benutzen, den Jeitteles in der Germania 26, 353 giebt, wenn
derselbe natürlich das Original auch nicht ersetzen kann. Den
wechselnden Schreibungen nach scheint er jedoch getreu angefertigt
zu sein. Nur ss und 0 wird nicht geschieden. Einzelne Fehler
sind natürlich nicht ausgeschlossen.*)
Da Jeitteles zu dem Abdruck nur sehr weniges über die äussere
Beschaffenheit des fliegenden Blattes, dessen Inhalt er wiedergab,
bemerkt hat, so fehlen alle näheren Nachrichten darüber. Nur das
ist seinen Angaben zu entnehmen, dass B auf einem fliegenden
Blatte in Oktav, ohne Ort und Jahr stand. Der Titel lautete, so-
weit ihn Jeitteles angiebt: Ein neue ausführliche Beschreibung des
weit und wohlbekannten, auch weltberühmten Johann Doctor Faust . . .
Aus der wälischen Sprach in die Teutsche übersetzet, auch gantz
neu und noch niemahlen in Druck ausgangen.
Ob das Titelblatt einen Holzschnitt hatte, und welchen, ob dem
Liede I noch das Lied V und diesem die Türkische Historie folgte,
wie die Seitenverteilung, die Art des Papiers und der Lettern sowie
die Druckweise war, ob das Blatt vier oder mehr Blätter aufwies
und ähnliche Dinge, müssen dahingestellt bleiben. Das Einzige,
dessen sich Herr Dr. Jeitteles noch zu erinnern glaubt, ist, dass die
einzelnen Verse im Druck nicht abgesetzt waren.
*) Herr Dr. Jeitteles glaubte sich zu erinnern, dass er das Blatt mit
anderen Drucken zusammen von den Freiin Fanny von Thinnfeld in Deutsch-
Feistritz nächst Peggau in Steiermark erhalten habe. Auf meine dies-
bezügliche Anfrage teilt mir diese Dame jedoch freundlichst mit, dass ein
Irrtum vorliegen müsse, da sie niemals ein Faustlied besessen habe.
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28
Es ist also, ohne d.iss wir jene wichtigen Umstände kennen,
die zeitliche und örtliche Festlegung zu versuchen.
Die Heimat des Druckes ist ohne Zweifel Oesterreich. Die
mundartlichen Wörter, welche schon unter A S. 22/23 aufgeführt sind
und sich hier wiederfinden, können für die Druckstättc nichts be-
weisen. Wohl aber die mundartlichen Formen, welche ganz dieselben
sind wie in A. Wäre der Druck ein norddeutscher oder auch nur
etwa ein schwäbischer, so würden sie keinesfalls so genau beibe-
halten worden sein. Comedi-Sachen (6, 1); Modi-Kleyder (9, 1); der
Passion (19, 1); Schrocken (21, 4); Stucken (21, 5); gschwinde (2, 5);
gschorn (4, 2); z' Regensburg (4, 6) finden sich auch hier.
Gefunden wurde das Lied im Herzen von Steiermark, in Graz,
und wir werden kaum irre gehen, wenn wir es ebenfalls in den
Westen Deutsch-Oesterreichs, nach Tirol, Salzburg, Steiermark oder
Kärnthen setzen. Enger möchte ich die Grenze deswegen nicht
ziehen, weil die einzige Form, auf die sich bei A die Vermutung,
dass Tirol die Druckstätte sei, stützt (Modi in Modi-Kleyder
(9, 1), vgl. S. 23), sich bei einem Abdruck z. B. in Steiermark leicht
erhalten konnte; und dass wir es mit einem solchen zu thun haben,
wird die Untersuchung über das Abhängigkeitsverhältnis der Drucke
IABCD zeigen.
Dass das Lied noch ins vorige Jahrhundert gehört, lehrt schon
ein flüchtiger Blick auf die Rechtschreibung. Den einzigen ge-
naueren Massstab, an dem man den Druck B messen kann, ist A.
Die Sprachformen von B sind keinesfalls jüngere als in A,
wohl aber ist die Rechtschreibung die einer etwas späteren Zeit.
Einmal hat B durchweg weniger scharfe Konsonanten als A und
sodann fehlen bei ihm auch andere, A eigene Altertümlichkeiten.
Ich gebe zunächst Belege für den ersten Punkt, indem ich die be-
treffenden Worte beider Drucke einfach neben einander stelle.
A
B
1, 3 thut
tut
2, 6 Gedancken
Gedanken
6, 6 dass
das
6, 8 Wcrck
Werk
9, 6 Türckey
Türkei
15, 1 Seuftze
Seufze
15, 4 gethan
getan
15, 5 Klafiter
Klafter
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A
B
15, 8 bestimmtes
bestirntes
15, 8 Orth
Ort
16, 7 gedenck
gedenkt
16, 8 Orth
Ort
18, 8 Hauss
Haus
20, 8 Hauss
Haus
21, 2 Teuffei
Teufel
Dafür, dass diese Abweichungen feste Regeln bedeuten, zeugt der
Umstand, dass mehrere Worte (Gedancken, gedenck, Orth, Hauss)
mehrere Male gleichgeschrieben vorkommen. Diesen 15 Fällen
gegenüber steht, dass B zweimal (9, 4 und 19, 8) kann hat, wo A
kan druckt. Dies hat jedoch nichts zu bedeuten, da die Form kann
offenbar nur auf dem Einflüsse des pl. beruht. Wir haben keinen
Grund, diesen Abweichungen eine lautliche Bedeutung beizumessen,
sondern haben es wohl allein mit einer festen Eigenart der Recht-
schreibung zu thun.
Weitere Abweichungen sind dann:
A
2, 5 G'schwinde (praed. nomen)
10, 8 Sonnen-klar
11, 1 Charfreytag
9, 6 Türckey
Titel Z. 3 weit- und wohl-bekannten
4 Welt-berühmten
Als Altertümlichkeiten in A, B gegenüber, sind wohl auch zu
betrachten:
B
gschwinde
sonnenklar
Charfreitag
Türkei
weit und wohlbekannten
weltberühmten
14, 5 GOttes
17, 6 am H. Creutz
18, 7 GOtt
20, 1 Heil. Nahmen
20, 5 Heil. Nahmen JEsu
20, 7 GOtt
Gottes
am heiligen Creutz
Gott
heiligen Nahmen
heiligen Nahmen Jesu
Gott
obgleich diese Abkürzungen, beziehentlich Hervorhebungen durch
zwei grosse Buchstaben, auch noch viel später vorkommen.
Zur Charakterisierung von B sei gleich hier noch bemerkt, dass
dieser Druck 16, 2: 2 hundert; 16, 3: 3 Elen; 7, 1: 9 Uhr; 21, 5:
100 druckt, während A in diesen Fällen: zweihundert, drey-Elen,
neun Uhr, hundert schreibt.
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30
Bei den Anführungen ans B ist allerdings zu beachten, dass
sie sich nicht auf den Originaldruck stützen; indessen sind sie durch
ihre bedeutende Anzahl wohl beweisend. B ist notwendig jünger als
A. Es fragt sich nur, wie viel. In den achtziger oder neunziger
Jahren des achtzehnten Jahrhunderts ist, wie wir aus I C und aus
III sehen werden, die Hechtschreibung in Steiermark bereits ein
gutes Stück weiter entwickelt. B steht in der Rechtschreibung ent-
schieden A näher als C. Demnach würde ich es etwa in die Jahre
1750 — 1760 setzen, was natürlich nur eine ungefähre Datierung
sein kann.
C. Engel, Faustschriften Nr. 292. S. 128.
Der Druck C des Liedes I findet sich auf einem fliegenden
Blatte in Oktav, welches sich im Besitze des Majors a D. Julius
Bode in Sorau befindet, welcher es mir gütigst einige Zeit zur Be-
nutzung überliess. Ein weiteres Exemplar desselben Druckes ist
bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden. Das Blatt besteht aus
einem halben Bogen oder aus vier Oktavblättern. Dieselben haben
keine Seitenzahlen und sind trefflich erhalten. Das Papier ist stark,
von grauer Farbe, mit bläulichen Fasern durchzogen und hat kein
Wasserzeichen. Schmale aber deutliche Querriefen durchziehen es,
und die ebenfalls gut erkennbaren Längsriefen sind 2,5 cm von ein-
ander entfernt. Das Blatt ist jetzt 16,8 cm hoch und 10,4 cm breit.
Einst war es jedoch über einen cm höher. Dies ergiebt sich daraus,
dass das innere Doppelblatt oben scharf über dem Druck beschnitten
ist und unten einen 2,7 cm breiten Rand hat. Das äussere Doppel-
blatt verteilt den Rand oben und unten ziemlich gleich. Die beiden
Doppelblätter sind neu geheftet und mit IA und III in demselben
Umschlag befestigt (vgl. S. 16).
S. l n trägt den Titel:
Ausführliche
Beschreibung
des
weit- und wohl bekannten, auch
weltberühmten
Johann Doktor Faust
von Anhalt geboren,
Meister der höllischen Geister.
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Darunter beiludet sieh ein Holzschnitt, dessen Rahmen 0,8 cm hoch
und 5,1 cm breit ist. Er stellt eine Spielerscene dar. Dieselbe
spielt augenscheinlich in einem Wirtshauszimmer. Hechts ist ein
Fenster mit Butzenscheiben, links davon ein Kleiderrechen an der
Wand, an dem eine Geige und ein Bierkrug hängen. Weiter links
folgen dann dichte Schattenstriche, die zunächst eine Biegung der
Wand und dann Wolken oder Hauch darstellen. Vor diesem Hinter-
grunde steht ein viereckiger Holztisch. An demselben sitzen drei
Kartenspieler. Der mittelste von ihnen, wohl auf einer Bank, unter
dem Kleiderrechen, der rechte und der linke hingegen auf Holz-
stühlen. Auf dem Tische liegen Karten und steht ein Glas. Der
rechte hält seine Karten in der Hand und sieht nach dem linken
hinüber. Der mittlere hat seine Karten auf den Tisch gelegt und
trinkt eben aus einem grossen Deckelkruge. Der rechte und der
mittlere tragen Hüte. Der linke ist barhäuptig und blickt ruhig
in seine Karten. Da packt ihn von hinten der Teufel an, der
Hörner, Flügel und lange aufwärts ragende Ohren trägt. Vielleicht
sind die bereits erwähnten fraglichen Wolken Rauch, den er mit
sich bringt. Wenigstens befinden sie sich hinter ihm. Der Holz-
schnitt ist sehr grob, die Linien sind sehr stark und das Cliche
scheint fast von einer wenig geübten Hand geschnitten zu sein.
Unter dem Bilde steht eine (70.) in Klammer. Unter dieser
ist ein Döppelstrich. Darunter steht:
Steyr, gedruckt bey Joseph Greis.
Die Seiteneinteilung, welche Engel nicht angiebt, ist folgende:
Bl. l b : Oben Kopfleiste aus Ranken mit Hasen, Kaninchen und
Vögeln. Darunter steht:
Das erste Lied.
1.
Darauf beginnt das Lied selbst. Bei den folgenden
Strophen ist die Strophennummer stets der ersten Text-
zeile vorgedruckt. Verse setzt der Druck nicht ab,
wohl aber beginnt jede Strophe eine neue Zeile. Bl. l b
geht bis: auch was in dem (4, 5).
Bl. 2 n : Winter gewachsen, (4, 5)
bis: Geschmuck und Dia- (9, 5).
Bl. 2 b : mant, schönste Sachen, (9, 5)
bis: sein Verstand (14, 3).
Bl. 3 a : thät er verlieren, (14, 3)
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bis: weder um sein himmlisch Haus (18, 8).
BL 3 b : 19. Wie der Passion vollendet, (19, 1)
bis V: du bist ja ein Mensch geboren, (1, 5).
Bl. 4 U : willst so schändlich seyn verloren, (1,6)
bis Türkische Historie: Hochzeit zu führen, Fau- (Z. 4).
Bl. 4 b : stus kam an, macht sich lustig, (Z. 5)
bis Ende: bis Faustus solches befiehlt. (Z. 21).
Darunter, den Rest des Bl. 4 b ausfüllend, ein Korb mit Blumen.
In dem Engeischen Abdruck sind 28 Ungenauigkeiten zu be-
richtigen :
Lied I.
Bl. 1\
2, 7 1. Auerhahn st. Auerhan
2, 7/8 ist die Zeilenverteilung:
wie die Winde, der sein
Favoritl ist.
statt, wie Engel druckt:
wie die Winde,
der sein Favoritl ist.
3, 8 1. wird. st. wird,
4, 2/3 1. seyn, müsstens st. seyn müsstens
BL 2 a .
9, 1 1. köstlich st. köstliche
Bl. 2 b .
9, 6 1. Tükev st. Türkey
11, 1 1. Charfreytag st. Charfreitag
11, 2/3 1. angelangt, zu st. angelangt zu
11, 4 1. Kreuze8-Stamm, für st. Kreuzes-Stamm für
11, 8 1. du st. Du
Bl. 3*.
16, 1 1. Auerhahn st. Auerhan
16, 3 1. Leinwand st. Leinewand
17, 7 1. dazumahlen st. daznmalen
18, 5/6 ist die Zeilenabteilung:
drauf gleich
sagen, mahl du
statt, wie Engel angicbt:
drauf gleich sagen,
mahl du
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Bl. 3\
19, 2 1. Kunststück st. Kunstück
19, 4/5 1. an; er st an, er
20, 5/6/7 ist die Zeilenabteilung:
Nahmen Jesu ehren, sprich diesen andäch-
tig aus
statt, wie Engel teilt:
Nahmen Jesu ehren,
sprich diesen andäch-
tig aus
20, 7/8 1. erhören, bis st. erhören bist
20, 8 L bis st. bist
21, 3 1. abhohlen st. abholen
21, 3/4 1. abhohlen, Faustus st. abholen. Faustus
21, 7 1. Luxenberg st. Luxenburg
Lied V.
1, 4 1. heilen, lindern st. heilen lindern
Bl. 4 n .
2, 3 1. Jenen lassen, der st. Jenen, der
3, 3 1. niUfsen st. müssen
3, 6 l. Hollen st. Höllen
4, 3 1. falllen st. fallen
Türkische Historie.
Bl. 4 b .
Z. 10 1. Tabakspfeifen st. Tabackspfeifen
Gedruckt ist das Blatt, wie es selbst angiebt, in Steyr an der
Enns, also in dem heutigen Oberösterreich, dicht an der Grenze
Steiermarks, nur wenige Meilen nördlich von dem ebenfalls an der
Enns gelegenen Admont, wo Schlossar den Druck I) fand Damals
war Steyr noch bairisch. Und nicht nur seinen Geburtsort, auch
seine Wiege giebt es an: die Joseph Greissche Druckerei.
Leider steht auf dem Drucke, der wohl ewig jung bleiben
sollte, keine Jahreszahl. Die Druckzeit ist also nach anderen An-
haltspunkten zu ermitteln.
Einen solchen Anhaltspunkt könnte vielleicht das Titelbild
bieten. Ob dasselbe für das vorliegende Blatt eigens geschnitten
ist, muss solange dahingestellt bleiben, bis es sich vielleicht einmal
3
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in einem älteren Drucke wiederfindet. In näherer Beziehung zu
dem Liede steht das Bild nicht, da das Kartenspiel in diesem über-
haupt nicht vorkommt, und auch bei Gelegenheit der Schilderung
von Fausts Tode kein Wort fällt, das auf etwas Aehnliches deutete.
Ob der Teufel dem linken Kartenspieler, der doch wenigstens im
Kopfe des Druckers offenbar als Faust gedacht ist, einen Brief vor-
hält (Str. 21, 2: da kam der Teufel mit einem Brief), kann man
nicht sehen, da seine linke Hand von Fausts Körper verdeckt ist,
während er diesen mit der Rechten am Rücken packt. Indessen ist
anzunehmen, dass der Holzschneider den Brief schon sichtbar ge-
macht hätte, wenn er überhaupt darauf gekommen wäre, dem Teufel
einen solchen in die Hand zu geben.
An eine der seit etwa dem Jahre 1600 so beliebten Dar-
stellungen von Spielern durch Caravaggio, die Schule der Caracci
und die verschiedenen Holländer klingt das Bild nicht an. Die
Spieler mahnen weder an Caravaggios halbe Banditen, noch an die
„Römischen Soldaten in der Wachtstube" noch auch an die gut-
mütigen Gesichter der Spieler auf den holländischen Bildern. Doch
könnte wohl eins dieser Bilder den Anstoss zum Entwürfe des Holz-
schnittes gegeben haben. Der Teufel mit dem ihm umgebenden
Rauch ist soviel schlechter und undeutlicher geschnitten als das
Uebrige, dass selbst eine spätere Einfügung seiner Gestalt in den
Rahmen des Bildes nicht undenkbar wäre. Auch die meisten der
bekannten Spielerbilder haben ja meistens ausser den drei Spielern
noch eine vierte Person, welche oft dem einen Spieler rückwärts
in die Karten schaut und dem gegenübersitzenden verräterische
Zeichen giebt.
Wie mir Herr Dr. Max Lehrs am Königlichen Kupferstich-
kabinet in Dresden mitzuteilen die Güte hatte, gehört der Schnitt
den Trachten nach sicher ins achtzehnte Jahrhundert. Eine genauere
Datierung lässt sich aus ihm selbst nicht gewinnen. Einen Beitrag
zur zeitlichen Festlegung liefert der Holzschnitt also nicht. Eine
Durchsicht der im achtzehnten Jahrhundert in Steier erschienenen
illustrierten Werke könnte vielleicht noch etwas Näheres ergeben.
Leider standen mir nicht die nötigen Mittel zu geböte, eine solche
selbst vorzunehmen.
Engere Grenzen für die Zeit, in welcher C gedruckt sein kann,
ergiebt folgendes. Nach den Angaben des Steirer Buchhändlers
Franz Sandbök, welche dieser im Herbst 1876 dem Major Bode
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I
machte, hat die Joseph Greissche Druckerei am Ende des acht-
zehnten und am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts bestanden.
Wie weit sie in das achtzehnte Jahrhundert zurückreicht, liess sich
leider nicht ermitteln. 1827 wurde das Geschäft getrennt in eine
Buchdruckerei, deren Besitzer die Haasschen Erben sind, und in die
Buchhandlung von Franz Sandbök. Eine Durchsuchung der Druckerei
zu diesem Zwecke ist ohne Ergebnis gewesen, und auch im Stadt-
archiv ist nichts zu ermitteln gewesen, da sich dasselbe nach Sand-
böks Angabe in solcher Unordnung befindet, „dass ein Mann Monate
lang erst Ordnung schaffen mtisste, um einen Ueberblick zu ge-
winnen." *) Vielleicht ist also daher doch noch einmal ein weiterer
Aufschluss zu erwarten.
In derselben Druckerei mit IC ist das fliegende Blatt gedruckt,
welches das Lied III enthält. Unter III ist gezeigt, dass dieser
Druck sich völlig unabhängig hiervon in die Grenzen 1794 — 1800
einschliessen lässt, und mit Hilfe dieser Zahlen lässt sich auch die
Druckzeit von IC näher bestimmen.
Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass der Druck IC
jünger sei, als der Druck III. Denn er trägt unter seinem Holz-
schnitt die Nummer (70), während III an derselben Stelle die
Nummer (69) aufweist. Diese Zahlen sind offenbar die laufenden
Nummern der bei Greis erschienenen fliegenden Blattdrucke. Alle
anderen Umstände sprechen jedoch schlagend dafür, dass IC älter
ist als Hl.
Das Papier von IC ist älter als das von III. Die Farbe (grau
mit feinen bläulichen Fasern) ist bei beiden gleich, aber das von
I C ist stärker und rauher. Die Längsriefen sind bei beiden Papieren
2,5 cm von einander entfernt. Dass das Papier von IC kein Wasser-
zeichen hat, während III ein solches aufweist, beweist nichts für
das Alter. Da beide Lieder uns übrigens nur einen halben Bogen
darbieten, und jeder Bogen das Wasserzeichen nur einmal trug, so
kann das Papier von IC sehr wohl auch ein Wasserzeichen gehabt
haben.
Die Lettern von IC sind grösser und älter als die von III,
wenigstens im allgemeinen. Denn III ist nicht ganz mit demselben
Satze gedruckt. Die letzten Zeilen auf Bl. 2 a , 3 a und 3 b weisen
*) Auf erneute Anfrage erhalte ich von Herrn Official und Archivar
Felix Worring denselben Bescheid.
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grösseren Druck auf und zwar einen Druck, der genau gleich dem
Satze von IC ist, d. Ii. beim Druck von III griff man aushilfsweise,
wohl um den Setzrahmen scharf auszufüllen, zu älteren grösseren
Lettern.
Dazu kommt weiterhin, dass IC noch die einzelnen Verse nicht
absetzt, während III dies bereits thut.
Endlich ist auch die Rechtschreibung von I C eine sicher ältere,
als in III. Wie wir im weiteren sehen werden, ist I C der Abdruck
eines weit älteren Originals, und daraus würden sich mancherlei
Altertümlichkeiten in seiner Schreibweise erklären lassen. Es giebt
jedoch auch solche, bei denen das nicht der Fall ist.
IC schreibt: Steyr, gedruckt bey Joseph Greis.
III dagegen: Steyr, gedruckt bei Joseph Greis.
Die in I C vorkommendnn vier bey sind alle mit y geschrieben. III
dagegen hat neben vier mit y auch schon zwei mit i.
Danach kann kein Zweifel mehr sein, dass der Druck I C älter
ist als der Druck III. Für die Titelnummern 70 und 69 ist eine
Erklärung zu suchen, und dieselbe ist unter III gegeben.
Da die Rechtschreibung von IC jedoch keineswegs so bedeutend
älter ist, als die von III, so wird IC höchstens etwa 10 bis 15
Jahre älter sein. Dafür, dass es jünger als AB ist, führe ich nur
an: 1,2 AB GrauO, C Graus; 1,3 AB eytle, C eitle; 1, 8 AB
WeiO, C Weis; 2, 1 AB Viertzig, C Aierzig; 2, 2 AB Peyn, C Pein;
4, 2 AB frembden, C fremden. Diese Beispiele Hessen sich be-
liebig vermehren.
Auch in den Wortformen ist C bedeutend jünger als AB.
Desgleichen weist C in Kasusformen und Geschlecht durchweg
das spätere auf:
5, 3 beeder
6, 1 Comedi-Sachen
7, 6 kunt
9, 1 Modi-Kleyder
15, 1 nit
20, 2 nit
17, 3 Mevestophilus
18, 1 fieng
20, 1 Titul
21, 8 gequälet
AB
C
beyden
Komödie-Sachen
könnt'
Mode-Kleider
nicht
nicht
Mevistophilu8
fing
Titel
gequält
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AB
C
1, 7 mit grossen Fleiß
2, 7 wie der Winde
6, 5 in dem Luft
3, 3 etlich tausend
15, 8 bestimmtes Orth
mit großem Fleiß
wie die Winde
in der Luft
etliche tausend
bestimmten Ort (das Fehlen
des t ist wohl nur Druckfehler).
(B bestirntes Ort)
Auf Grund dieser Beobachtungen möchte ich den Druck in die
Jahre 1780—1794 setzen.
D. Schlossar, Deutsche Volkslieder aus Steiermark Nr. 315. S. 348.
Schlossars Abdruck ist gemacht nach einem fliegenden Blatte,
das er aus Admont an der Enns in Nordsteiermark erhielt. Darauf
und nicht auf den Druckort, der unbekannt ist, bezieht sich seine
Bemerkung: „Flieg. Blattdruck aus Admont" (a. a. 0. S. 433). Das
Blatt umfasste 4 Bl. und war vermutlich in Oktav. Das Original
ist verschollen. Wie Herr Dr. Schlossar, Bibliothekar an der Uni-
versitätsbibliothek in Graz, mir freundlichst mitteilt, hat er es nach
genommener Abschrift zurückgegeben und kann sich nicht entsinnen,
von wem er es entliehen hatte. Da er auch über die Einzelheiten
seiner äusseren Beschaffenheit nichts mehr weiss, als was er in
seinem Buche S. 433 angiebt, so sind wir einzig auf das dort Ge-
botene angewiesen. Daraus ist zu entnehmen, dass das Blatt ohne
Orts- und Jahresangabe erschienen ist, ausser ID noch ein kürzeres
Lied „Fauste, jene Himmelsgaben" (V) enthielt und dass diesem
noch eine „Türkische Historie" folgte. Der Titel lautet nach Schlossar :
„Ausführliche Beschreibung des weit und wohlbekannten, auch
weltberühmten Johann Doktor Faust von Anhalt gebohren, Meister
der höllischen Geister, wie er sich mit den zwei Geistern auf 24
Jahr verschrieben hat, wie er deren 40.000 citiret, welche ihm Tag
und Nacht treu gedienet haben, und alles, was er erdenkt, und
haben wollt, mußten sie ihm bringen, ja keine Feder genugsam be-
schreiben kann, wie er auf dieser Welt die höllischen Geister ge-
schworen hat, wie solches ferner im Pragerischen Comödi-Lied zu
vernehmen sein wird."
Unter dem Titel findet sich ein Holzschnitt. Was derselbe dar-
stellt, giebt der Herausgeber leider nicht an. Darunter steht: Ge-
druckt in diesem Jahr.
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lieber die Art des Druckes, Seitenverteilung, Strophen- und
Versabteilung ist nichts bekannt.
Wie mir Herr Dr. Schlossar mitteilt, giebt sein Abdruck die
Rechtschreibung des Urdruckes wieder. Der Neudruck macht mit
seinen wechselnden Schreibungen, der Unterscheidung von 0 und ss,
dem Festhalten handgreiflicher Fehler und der Beibehaltung sinn-
loser Interpunktion durchaus den Eindruck einer getreuen Wieder-
gabe. Einzelne Versehen oder Druckfehler wären dadurch natürlich
nicht ausgeschlossen.
Da der Druck D in den mundartlichen Formen in keiner Weise
von den älteren Drucken abweicht, so ist auf diesem Wege sein
Druckort nicht zu bestimmen. Da Schlossar jedoch angiebt, das
Lied sei früher in Steiermark häufiger gewesen, und da das Blatt D
in Admont aufgetaucht ist, so wird man wohl sagen dürfen, dass
aller Wahrscheinlichkeit nach Steiermark seine Wiege sei. Dass
der Kreis, in dem es gedruckt sein kann, nicht weiter zu ziehen
ist als das Oberösterreichisch - Steirische reicht, beweist folgender
Umstand.
Wie schon in C ist auch in D 5, 2 g'schorn in g'schworn ver-
wandelt worden. Beide Aenderungen in gleichem Sinne können»
wie sich zeigen wird, nur unabhängig von einander vorgenommen
worden sein. Bei D ist dieselbe Aenderung auch auf dem Titel
eingetreten (die höllischen Geister geschworen hat). Hier liegt
offenbar eine Anähnlichung an das vb beschwören vor. Die-
selbe erklärte sich aber nur daraus, dass der Setzer die Form ge-
schoren nicht mehr verstanden haben könnte. Im Oberösterreichisch-
Steirischen ist nun das vb scheren im Sinne von necken, quälen,
peinigen thatsächlich verloren gegangen und durch das Fremdwort
segieren ersetzt worden, welches heute allein üblich ist. Wien
kennt scheren in diesem Sinne noch (vgl. Loritza, Neues Idiotikon
Viennense, Wien 1847, S. 113). Niederösterreich wäre demnach
als Druckort auszuschliessen. Ob in Tirol scheren im Sinne von
quälen noch üblich ist, ist mir nicht möglich gewesen, festzustellen.
Das Bairische kennt das Wort scheren im Sinne von peinigen*) nicht.
Das einzige Mittel zur zeitlichen Festlegung des Druckes bietet,
da das Original verschollen ist, die Rechtschreibung.
*) Schmeller 2,451 verzeichnet nur sich scheren, als sich abmühen.
Auch für scheren (Haar abschneiden) ist heute im Bairischen halbieren bei
weitem üblicher.
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Im Allgemeinen ist die Rechtschreibung und namentlich die
Form der Worte eine ältere als in C. Bei näherem Zusehen ergiebt
sich jedoch, dass in allen diesen Fällen einfach die Form der älteren
Drucke festgehalten ist, während sonst kein Druck so viel geändert
hat wie D. Weit jünger als C muss der Druck D schon deswegen
sein, weil er ausser in dem Fremdwort crystiren kein einziges y
mehr aufweist, auch nicht in bei, sein (vb), sei, Charfreitag und
ähnlichen Wörtern, wo das y sich sonst am längsten hält. Eine
Dativform dem kennt der Druck nicht mehr. Dieselbe ist (offenbar
lautgesetzlich) mit dem Accusativ den zusammengefallen. Wann
dies in den österreichischen Mundarten eingetreten ist, vermag ich
nicht zu sagen, jedenfalls aber schon in früherer Zeit. Auch sind
zahlreiche Fehler den früheren Drucken gegenüber berichtigt, so
der Reimfehler 3, 5 — 8, von dem im folgenden noch mehrfach die
Rede sein wird. Entscheidend für die späte Druckzeit ist nur das
völlige Fehlen des y. Ich stehe daher nicht an, den Druck etwa
um 1830 zu setzen. Ihn genauer zu datieren, vermag ich nicht.
Mit Hilfe des Originals würde es jedoch wohl möglich sein.
b) Das Verwantschaftsverhältnis der Drucke I
ABCD.
Die Abweichungen der vier Drucke des Liedes I unter ein-
ander sind im allgemeinen sehr untergeordneter Art. Am selbst-
ständigsten geht noch D vor. Aber Veränderungen ganzer Verse,
Umstellungen von Versen oder gar Strophen finden sich auch hier
nicht. Die Varianten, welche sich finden, beziehen sich lediglich
auf einzelne Worte, mögen diese nun nur mit anderer Rechtschreibung
wiedergegeben oder auch formell umgestaltet, oder endlich gar durch
andere ersetzt, beziehentlich ausgelassen sein. Aber auch dieser
letztere Fall ist schon verhältnismässig selten. Eine Untersuchung,
die es sich zur Aufgabe macht, das Verwantschaftsverhältnis der
vier Drucke zu ermitteln, muss daher schon sehr ins einzelne gehen,
zumal bei einem litterarischen Denkmal von 168 Versen naturgemäss
die Abweichungen auch sehr wenig zahlreich sind.
Zeitlich am nächsten stehen sich die Drucke A und B, und
diese sind als die ältesten auch zunächst ins Ange zu fassen.
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a) A und B.
Die Drucke A und B müssen notwendigerweise sehr nahe mit
einander verwant sein. Nicht nur, dass sich ihre Rechtschreibung
auch da, wo sie nicht allgemein üblich ist, sehr nahe steht: sie
haben auch handgreifliche Seltsamkeiten mit einander gemein.
Hierher rechne ich z. B.
5, 4 die Schreibung Weeg zu Pflastern (vb).
5, 2 : 4 gschorn : auserkohren
1 4, 2 in der Luft, während sonst beide Drucke Luft durch-
aus als m brauchen.
17, 2 : 4 Wind : seynd
19, 6 sagt nichts das ihm was mangirt /
Wie wir S. 41 — 42 sahen, ist A sicher älter als B, kann also
auf keinen Fall aus demselben abgeleitet sein. Es ist also einer
der drei im allgemeinen möglichen Fälle von vornherein ausge-
schlossen, und es ist die Frage zu stellen: stammt B aus A, oder
ist für beide eine gemeinsame Quelle anzunehmen? Bei dem ausser-
ordentlich nahen Zusammenstimmen beider Drucke wird man sich
bedenken müssen, den letzteren der beiden noch übrigen Fälle an-
zunehmen, solange nicht etwas ganz Bestimmtes dafür spricht.
Als wesentliche Abweichungen kann ich nur folgende fünf be-
zeichnen:
Diese fünf Stellen sind nunmehr im Textzusammenhang zu be-
trachten :
a) 3, 5 — 8 ist die einzige Stelle des Gedichtes, an welcher das
Schema der Langzeilenreime durchbrochen ist. In A lauten die in-
betracht kommenden Reimzeilen:
Da die Reime in dem ganzen Gedichte übergreifen und sich
durchgängig bis auf wenige leicht zu verbessernde Ausnahmen
A
B
a) 3, 6 aufgeführt
b) 6, 8 biß das Werck
c) 9, 2 es sey
d) 13, 3 voller Wunden
e) 19, 5 dieses
aufgeführet
dass das Werk
es seyn
voll Wunden
diess
wo er sich nicht hat lustiret /
wie ein Fürst sich aufgeführt
die Geister grausam exercirt /
wie man hier vernehmen wird.
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klingende Zäsurausgänge finden, so ist nur die Besserung von exercirt
in exerciret vorzunehmen, und die Sache ist in völliger Ordnung.
B dagegen hat:
Wo er sich nicht hat lustiret
Wie ein Fürst sich aufgeftlhret,
Die Geister grausam exercirt,
Wie man hier vernehmen wird.
Hier ist, um Ordnung zu schaffen, eine doppelte Veränderung
nötig. Es ist nämlich einmal geführet in geführt und sodann exercirt
in exerciret zu bessern. Jeitteles, der sonst auch dann Aenderungen
eintreten lässt, wo es gar nicht nötig wäre, hat diese Verkehrung
des Reimverhältnisses nicht einmal bemerkt. Was die Verwirrung
stiftete, liegt auf der Hand : die viermaligen Reimworte auf irt und
iret. Wer eben die Zeile gelesen hatte:
wo er sich nicht hat lustiret,
konnte sich im folgenden leicht versucht fühlen, geführt in geführet
zu ändern. Hatte er auf diese Weise ein Reimpaar geschaffen, so
konnte er unwillkürlich leicht ein zweites sich daran anschliesscn
lassen und auch exercirt : wird reimen.
Es ist wohl unmöglich, dass jemand, der, aus der Vorlage B
abdruckend, für geftihret das richtige geführt wieder einsetzte, also
sich des verführenden Gleichklanges bewusst wurde, dann nicht auch
exercirt in exerciret gebessert haben sollte: d. h. A kann auf keinen
Fall aus B abgedruckt sein, was wir bereits wissen. Für die Wahl
einer der beiden anderen Möglichkeiten ist dieser Punkt nicht ent-
scheidend. Druckte B aus A ab, so konnte es ebenso gut zu seinem
Fehler kommen, als wenn es mit A aus derselben Vorlage abdruckte.
Wenn eine solche anzunehmen wäre, so brauchte man für sie keines-
wegs notwendig den A und B gemeinsamen Fehler anzunehmen;
denn die Reimverwirrung wird durch die thatsächlichen Verhältnisse
so an die Hand gegeben, dass man ruhig an zweimaliges unabhängiges
Entstehen derselben glauben kann.
b) 6, 7-8 hat A:
er liß keinen Geist von dannen /
biß das Werck sich endt allzeit.
hingegen B:
er Hess keinen Geist von dannen,
Dass das Werk sich endt allzeit.
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Besonders schon ist keins dieser beiden Verspaare, allzeit ist
in beiden ein Flickwort, das bei dem vb. enden keinen Sinn
hat. Was das ursprüngliche ist, biß oder Dass, ist nicht ohne
weiteres zu entscheiden. Indessen liegt auf der Hand, dass aus
biß das Wcrck, infolge des auf die coni. folgenden artic. das, leicht
ein dass das Werck entstehen konnte. Wie man darauf verfallen
sein sollte, dass in biß zu ändern, ist schwerer einzusehen. Ein
Beweismoment ergiebt auch dieser Punkt nicht. Was Jeitteles meint,
wenn er in der Anmerkung angiebt, V 6, 8 habe negativen Sinn,
ist mir unerfindlich.
c) Str. 9, 1 heisst es in A:
Gold / Silber / köstlich Modi-Kleyder /
es sey in was vor einen Land/
müsten ihm bringe gleich die Geister/
B druckt dafür es seyn. Das sieht aus, als ob das Auge des
Setzers beim Abdruck von B aus A auf das folgende in abgeirrt
wäre. Aber der Drucker, der gleich dem Verfasser des Liedes in
seiner vorliegenden Gestalt mit den Geheimnissen der Satzfügekunst
nicht sonderlich vertraut war, kann ebenso gut an den vorher-
gehenden pl. gedacht haben.
d) 13, 3 druckt A:
voller Blut und voller Wunden/
B dagegen hat gegen das Versmass:
voller Blut und voll Wunden
voll Wunden neben voller Blut ist unter allen Umständen auffällig.
Am besten ist die Form voll wohl durch ein blosses Versehen zu
erklären. Wäre für A und B eine gemeinsame Vorlage anzunehmen,
so könnte in dieser voller oder voll gestanden haben. Im ersten
Falle hätte dann B hier ein Versehen, im zweiten A eine sich von
selbst durch das Versmass bietende Besserung. Beides ist gleich
leicht zu erklären.
e) 19, 5 lautet in A:
er thät dieses wohl betrachten/
wobei er zufällig die Druckzeile beginnt. Wenn B dagegen druckt:
er thät diess wohl betrachten,
so wird dadurch wie bei Fall d) der ganze Fluss des Verses ge-
stört. Dies ist sehr auffällig. Eine Aendcrung von diess in dieses
hätte sehr nahe gelegen, während ein Versehen an dieser Stelle
gewiss immerhin einige Schwierigkeiten macht. Das dem. pron. dieser
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kommt in dem Gedichte 13 mal vor; nur einmal davon wird dise
gedruckt (B 17, 4: Druckfehler). Von den 13 dieser fallen 7 auf
das n. Davon wieder sind 6 richtige dieses und nur einmal, eben
in dem vorliegenden Falle steht diess. Es mag schwer sein, an
dieser Stelle an einen Druckfehler in B zu glauben. Aber ebenso
schwer wird man sich zu der Annahme verstehen, dass ein Setzer,
der 6 mal richtig dieses druckte und selbst an einer Stelle 20, 4
Dieses betracht, mein lieber Christ,
wo ein diess den Vers nur verbessert hätte, einmal anders als aus
Versehen gegen den Verstiuss hätte diess drucken sollen.
Eine Vorlage mit voll und diess erklärt die Fälle d) und e)
ausreichend. A hätte dann in beiden Fällen Verbesseningen ein-
treten lassen. Aber eine Vorlage mit voll und diess wäre selbst
wieder genau so schwer zu erklären wie B. Die Schwierigkeit wäre
demnach nicht gehoben, sondern nur an eine andere Stelle gertickt.
Denn dass wenigstens voll Wunden unmittelbar hinter voller Blut
vom Verfasser des Liedes geschrieben worden sei, wird niemand
behaupten wollen.
Es ist demnach der Entscheid zu treffen, dass auch in den an-
geführten fünf Fällen, welche die einzigen erheblichen Abweichungen
darstellen, keiner ist, der das Verwantschaftsverhältnis von A und
B zwingend entschiede. Da aber B in den oben S. 40 angeführten
fünf seltsamen Fehlern oder Abweichungen vom Gewöhnlichen genau
zu A stimmt und überdies nichts dagegen spricht, dass B aus A
abgeleitet sei, so wird man sich wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit
dafür entscheiden dürfen, eine Ableitung von B aus A anzunehmen.
Wenn die angeführten fünf Stellen auch kein schlagendes Be-
weismoment für das Verhältnis von A zu B ergeben, so werden sie
doch von weiterer Bedeutung für die Frage, ob die beiden anderen
Drucke C und D näher zu A oder zu B gehören, welche jetzt zu-
nächst vorzunehmen sein wird.
ß) AB und CD.
Aus Gründen der Einfachheit empfiehlt es sich, CD betreffs
ihres Verhältnisses zu AB gemeinsam zu behandeln. Für die Punkte
b — c genügt eine einfache Nebeneinanderstellung der Lesearten der
vier Drucke, um klar zu stellen, dass CD durchaus gegen B zu A
stimmen.
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44
AB CD
b) 6, 8 biß das Werck dass das Werk bis das Werk bis das Werk
c) 9, 2 es sey es seyn es sey es sei
d) 13,3 voller Wunden voll Wunden voller Wunden voller Wunden
e) 19, 5 dieses diess dieses dieses
Schwieriger liegen die Verhältnisse bei dem Punkte a). Es ist
dies die bereits S. 40/41 für A und B ausführlich behandelte Reim-
stelle. Auf dieselbe wird hier nochmals kurz einzugehen sein. Ich
gebe zunächst ebenfalls eine Uebersicht der Lesearten der vier
Drucke.
A B C D
lustiret lustiret lustiret lustiret
aufgeführt aufgeführet aufgeführet aufgeführt
exercirt exercirt exerzirt exerciret
wird wird wird wird
Hier gehen die Wege von C und D auseinander. Beide Drucke
sind daher auch getrennt zu behandeln.
Zunächst C.
In der Reimweise stimmt an dieser Stelle C gegen A zu B.
Würde man aber, wenn diese Stelle die einzige wäre, auf die man
eine Vermutung über das Verhältnis der Blätter stützen könnte, sie
als beweiskräftig dafür ansehen können, dass C zu B und nicht zu
A gehöre?
Angenommen, C druckte aus der Vorlage B ab, so war es
nicht verwunderlich, dass es den Reimfehler mit herüber nahm, ohne
sich dessen bewusst zu werden. Hatte es aber A zur Vorlage, so
müsste es unter den thatsächlichen Verhältnissen eher wunder nehmen,
wenn es aufgeführt ohne Aenderung abgedruckt hätte. Denn Auge
und Ohr konnten den Setzer von C ebenso leicht zu einer Aenderung
verleiten, wie den Setzer von B, der bei dem doch höchst wahr-
scheinlichen Abdruck aus A aufgeführt in aufgeführet verwandelt
hatte, und den Setzer von A oder bereits den Aufzeichner von
dessen Vorlage, der exerciret zu exercirt gemacht hatte. Denn
wenngleich ABC exercirt haben, so kann doch sehr wohl in der
Vorlage von A exerciret ganz richtig gestanden haben. Namentlich
auf die Veränderung von aufgeführt in aufgeführet weisen die Ver-
hältnisse aber so hin, dass es nicht im mindesten Schwierigkeiten
macht, anzunehmen, dass zwei Setzer sich vollkommen unabhängig
von einander zu demselben Fehler hätten verleiten lassen.
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Die Stelle a) beweist also keinesfalls etwas gegen die Zu-
gehörigkeit von C zu A. Der Punkt b) giebt vielmehr völlige
Sicherheit, dass C zu A and nicht zu B gehört.
Sodann D.
D hat 3, 7 richtig exercirct, während alle drei anderen Drucke
an dieser Zäsurstelle exercirt (C exerzirt) haben: d. h. der Setzer
von D hat die Reimverwirrung bemerkt und verbessert. Dass er
also auch aufgeführet zu aufgeführt verändert hätte, wenn ihm jene
Form vorgelegen wäre, liegt auf der Hand. Damit ist auch für die
Zugehörigkeit von D zu A jedes Bedenken beseitigt, und dieselbe
ist namentlich auf grund von b) als gesichert anzunehmen.
y) C und D.
C und D gehören wie B zu A und sind gleich diesem aus A
abgeleitet. Dass sie mit B in keinem weiteren Verhältnis stehen,
ist bereits erörtert. Es fragt sich nun, ob C und D nicht vielleicht
zu einander in einem näheren Verwantschaftsgrad stehen.
D kann nicht aus C abgeleitet sein; denn 16, 4 hat D gleich
AB Portugall, während C Lissabon hat. Ueberdies hat D denselben
ausführlichen Titel wie A und B (vgl. S. 16, 27 und 30, 37), während
derselbe in C bedeutend verkürzt ist. Diese Punkte sind völlig
durchschlagend. Von kleineren Dingen, in denen D gegen C zu A
stimmt, und von denen sich noch eine grosse Zahl anführen Hesse,
kann daher abgesehen werden. *
C kann aber auch nicht aus D abgeleitet sein. Dass D jeden-
falls viel jünger ist als C, wurde bereits S. 39 erörtert. Aber auch
aus den Varianten lässt sich der Beweis mit Leichtigkeit erbringen.
Einmal hat C an allen Stellen, wo D das praes. eingeführt hat
(4, 3 müssens; 4, 4 muß; 4, 6 müßens; 6, 2 müßen; 7, 1 müssens;
16, 5 thut), übereinstimmend mit A und B das praet. Ueberdies
hat es Str. 21 in der längeren älteren Fassung, während D be-
deutende Kürzungen hat. Ich setze die ganze Strophe nach C hier-
her und klammere ein, was in D fehlt, ohne dessen Schreibung zu
berücksichtigen. Dazn sei noch bemerkt, dass Str 21 in A den-
selben Wortbestand hat wie C, nur dass Z. 1 thät fehlt und Z. 8
von den Teuffein hat. Auf Abweichungen in der Schreibung oder
Wortform (Z. 5 A würd, C wird) wird hier ebenfalls nicht Rück-
sicht genommen.
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Als Faustus [sein] letzter Tag [thät] ankommen,
da kam der Teufel mit ein[em] Brief,
daß er sein verschriebene Seel wird abholen,
Faustus laut vor Schrecken ruft;
zu viel hundert Stücken, wird sein Leib zerrissen,
sein Seel fuhr [scbnurgrad] in die höllisch[e] Pein,
allwo Faust [und Luxenberg] mtiß[en] ewig sitzen,
und [von Teufel] ewig gequält seyn.
0 und D sind also nicht von einander abhängig, sondern stehen
selbstständig neben einander. Es fragt sich nun weiter: weisen C
und D von A abweichende gemeinsame Züge auf, welche uns be-
rechtigen, zwischen A einerseits und CD andererseits noch ein oder
mehrere ^Mittelglieder anzunehmen? Blosse Uebereinstimmungen in
späterer Rechtschreibung zwischen C und D können dafür natürlich
nicht beweisend sein. Denn auf dieselbe müssen ja beide Drucke
notwendigerweise unabhängig geführt worden sein. So haben C und
D öfter 0 nach langen Vokalen, wo A noch ss hat (vgl. 1, 6 AB
grossen, CD großem[n]). Hierher gehören auch Fälle wie 2, 2 AB
Höllen-Peyn, CD Höllenpein.
Die einzigen Uebereinstimmungen, welche nicht sofort aus der
gemeinsamen Druckzeit erklärbar erscheinen, sind folgende drei:
A C D
5, 2 g'schorn g'schworn g'schworn
5, 4 Weeg zu Pflastern Weg zu pflastern Weg zu pflastern
18, 5 darauf drauf (gegen das drauf
Versmass)
Die erste dieser Aenderungen ist ein offenkundiger Fehler, und
ein solcher gilt, wenn zwei Fassungen eines Literaturdenkmals ihn
gemeinsam haben, mit Recht für beweisend für ihre nähere Zu-
sammengehörigkeit. An dieser Stelle ist jedoch die Sachlage eine
andere (vgl. dazu S. 38 unter D). Die Form geschoren wurde zu
der Zeit, als C und D gedruckt wurde, im Oberösterreichisch-
Steirischen nicht mehr verstanden, während der inf. scheren damals
noch nicht unverständlich gewesen zu sein scheint. Denn 8, 4
haben ihn beide Drucke. Hier kann jedoch das unverständlich ge-
wordene Wort auch nur deshalb beibehalten worden sein, weil eine
passende Ersetzung nicht so leicht zu finden war.
Die zweite Stelle bedeutet nichts als die richtige Ausmerzung
eines Fehlers. Ein von zu abhängiger inf. war beiden Setzern natur-
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gemäss als kleingeschrieben geläufig; desgleichen erschien ihnen die
Form Weeg verbesserungsbedürftig.
Zu 18, 5 ist zu bemerken, dass drauf die heute allein übliche
Form in Oesterreich ist; darauf gehört nur der Schriftsprache an
und findet sich in älteren Drucken weit seltener als in Norddeutsch-
land. Die echte Volksmundart kennt nur die Form aufi; drauf ge-
hört dem Jargon an.
Auch diese drei Punkte, von denen keinem irgendwelche Be-
weiskraft innewohnt, sind also beiseite zu schieben: und es ist der
Entscheid zu treffen, dass die Ueberlieferung von C und D nirgends
zwingend darauf hinweist, dass zwischen ihnen einerseits und A
andererseits noch ein Mittelglied anzunehmen sei.
Der Stammbaum der vier Drucke des Liedes I wäre demnach
folgender:
A
Engel Nr. 290. S. 118
(1715-1735).
« ,
B C D
Jeitteles, Germ. 2ß, 353 Eugel 292. S. 1 28 Schlossar, Steierm.Volksl. N. 3 1 5
1750— 170(1. 1780-1794. 1820—1840.
c) Die Wiederherstellung
des (relativ) ursprünglichen Textes von I. -
Da die Drucke BCD sämtlich aus A abgeleitet sind, so haben
sie für die Besserungen, welche der schon nicht ganz fehlerfreie
Text von A erfordert, keinerlei Bedeutung, und es ist darum im
folgenden überhaupt von ihnen abzusehen. Ob die Fehler in A
erst durch den Setzer des Liedes entstanden sind, oder ob sie sich
vielleicht schon in dessen Vorlage fanden, mochte diese nun eine
schriftliche oder eine gedruckte sein, muss dahingestellt bleiben und
ist für unsern Zweck auch zunächst gleichgiltig. Jedenfalls sind
aber nur solche Stellen zu bessern, bei denen dies unbedingt ge-
boten erscheint.
2, 5 ist der g'schwinde statt der G'schwinde zu lesen, da das
Wort hier praed. nom. ist. Zu der Schreibung G'schwinde scheint
A gekommen zu sein, indem es das adi. als substantivische Appo-
sition, also als eine Art Beinamen fasste. Dies konnte aber leicht
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4S
jemand tinin, der G'schwinde setzte, ehe er den folgenden Vers ge-
lesen hatte.
2, 7 ist wie der Winde, da es keinen Sinn giebt, in wie die
Winde zu ändern. Ursprünglich stand offenbar wie der Wind im
Texte. Das Bedürfnis, die Zäsur klingend ausgehen zu lassen, liess
ein c anfügen, und dabei wurde vergessen, den art. der in die zu ändern.
3, 5 sind die mehrfach behandelten verwirrten Reime (vgl.
S. 40 und 44) in lustiret — aufgeführt — exerciret — wird zu
bessern. Dass .Teitteles diese übersah, wurde bereits angemerkt.
Auf seine anderen Verbesscrungsvorschläge wird am Ende noch ein-
mal zurückzukommen sein.
4, 3 ist wohl mitten in Winter in mitten im Winter zu ver-
wandeln, da nach Gr. wb. mitten in ohne folgenden Artikel nicht
vorkommt.
5, 2 : 4 ist g'schorn : auserkohren in g'schorn : auserkohrn zu
ändern, da die geraden Kurzzeilen sonst stets stumpf reimen (Jeitteles).
5, 4 ist statt den Weeg zu Pflastern nach der gewöhnlichen
Schreibweise den Weg zu pflastern einzusetzen (Jeitteles).
5, 7 ist statt nach verlangen nach Verlangen zu lesen, nach
1, 1 mit Verlangen.
9, 5 ist G'schmuck für Geschmuck zu lesen (nach G'walt 2, 2 u. ä.),
da das Fehlen des Auftaktes, wie sich im folgenden Abschnitt zeigen
wird, durchaus Regel ist. Zu der Schreibung Geschmuck kam A
offenbar nur dadurch, dass Bl. 2 b mit Geschmuck beginnt, und also
die Silbe Ge- auf Bl. 2 a untergedruckt werden musste (Jeitteles).
9, 8 ist für kund kunt er zu lesen, wie schon Jeitteles vor-
geschlagen hat. Läse man kund, fasste das Wort also als adi., so
müsste man V. 7 die Sprachen in der Sprachen verändern. Aber
dann fehlte immer noch zu kund das subi., das doch nur Faust sein
könnte. Im vorausgehenden sind aber die Geister subj. Der Setzer
dachte sich kund jedenfalls etwas unklar als adi.
12, 2 : 4 hat : Welt ist vielleicht hätt : Welt zu lesen, da der
Reim sonst völlig verschwindet und so wenigstens eine erträgliche
Assonanz entsteht. Die Umlautsbezeichnung fehlt ja auch sonst
öfter (vgl. Kust Stuck 19, 2 und Stucken 21, 5). Zunächst ist diese
Besserung jedenfalls vorzunehmen. Das hat an dieser Stelle dürfte
jedoch im folgenden noch seine Erklärung finden. Jedenfalls wird
hierauf noch einmal zurückzukommen sein (Jeitteles).
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12, 6 verlangt der Vers ausgehen st. ausgesehen (.Teitteles).
14, 2 in der Luft ist in in dem Luft zu verändern, da Luft in
dem Licde sonst stets in. ist. Auch dies wird noch zu einer Be-
merkung Anlass bieten.
15, 2 : 4 ist statt Contrafee : ehe Contrafee : eh' zu lesen, da
der Keim der geraden Kurzzcilen stumpf ist (Jeittclcs).
17, 2: 4 Wind : seynd ist in Wind : sind zu bessern (Jeitteles).
20, 2 : 4 nit : Christ ist, da sonst die Form : nicht öfter vor-
kommt, wohl in nicht : Christ zu verändern, so dass wenigstens i +
spirant -f t reimen.
21, 2 : 4 Brief : ruft ist offenbar ans Gründen des Reimes in
Brief : rief zu verbessern (Jeitteles).
Um die ungeraden Kurzzeilcn sämtlich klingend ausgehen zu
lassen, ist noch
2, 1 citiret st. citirt (Jeitteles)
14, 7 begehret st. begehrt (Jeitteles)
16, 1 die Winde st. der Wind
20, 3 Stammen st. Stamm zu lesen (Schindler II, S. 755: seit
1616 kommt Stamm im Bairischen auch sw. vor)
Bei einigen weiteren Stellen kann die Notwendigkeit der
Besserung zweifelhaft sein.
4, 6 : 8 her : begehrt ist möglicherweise in begehr' (coni.!) zu
ändern. Kennt doch A diesen coni. 16,7: was er gedenck. Aller-
dings bleibt daneben l, 2 : 4 Grauss : Faust bestehen.
11, 6 : 8 Geist : erzeigst Hesse sich leicht in Geist : erweist
bessern (C).
10, 8 ist vielleicht sonnen-klar st, Sonnen-klar zu schreiben,
da derartige zusammengesetzte adi. am Anfang des achtzehnten Jahr-
hunderts bereits klein geschrieben wurden.
Endlich wären noch einige Schwankungen der Rechtschreibung
nach der Mehrzahl der Fälle auszugleichen, so verlihren zu ver-
lieren zu machen, dass als art. in das und das als coni. in dass zn
ändern. Doch ist z. B. studieren neben citiren, crystiren aufrecht
zu erhalten, da es sehr früh mit ie erscheint. Hierher gehört auch
Regcnspurg neben Strassburg. Doch ist statt viel mal zn schreiben
vielmahl nach mahlen, daznmahlen, einmahl.
Wenn Jeitteles in den V. 4, 7:
Wein aus Spanien dermassen
ein ans einfügt und schreibt:
4
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50
Wein aus Spanien aus der massen,
also massen als das sing, des subst. Masse fasst, so kann ich mich
damit nicht einverstanden erklären, dermassen ist einfaches adv.
wie 1 1, 1 Übermassen und geht also auf das n. Mass zurück, ss für
den scharfen s-Laut nach langem Vokale ist nur ältere Schreibung.
13, 4, 5 lauten:
wurd dein Seel im Leib erzittern /
und ein Schröcken kommen an /
Hier setzt Jeitteles zwischen Schröcken und kommen ein dich an.
Das ist nicht notwendig; denn als Objekt kann man recht gut die
Seel in V. 4 ergänzen. Uebrigens müsste der Mundart nach ein
dir stehen; denn C schreibt:
und dir ein Schrecken kommen an,.
16, 8 von gleichen Orth ändert Jeitteles von in vom. Das ist
nicht nötig, denn gleichen steht für die starke Form, die überaus
selten in jener Zeit vorkommt.
20, 3 ober dem Haupt des Creutzes-Stamm[en]
ist die Einfügung von an nach Haupt eine überflüssige Aendcrnng,
da die Inschrift am Haupt (oberen Ende) des Längsbalkens ange-
bracht werden soll. Dass für Stamm die österr.- bair. belegte sw.
Form Stammen : Nahmen einzusetzen ist, bemerkte Jeitteles nicht.
Von einer besonderen Wiedergabe des so verbesserten Textes
von A sehe ich ab; könnte doch derselbe nicht mehr sein als ein
Abdruck von Engel Nr. 290 mit Verbesserung der S. 21 ange-
gebenen Fehler und der Einsetzung der eben besprochenen Richtig-
stellungen. Allenfalls könnte man noch etwas sorgfältiger inter-
pungieren als es der Druck A thut. Eine Nebenstellung der Vari-
anten von BCD hat keinen Wert, da dieselben für die weitere Unter-
suchung ja nicht inbetracht kommen und die bedeutsameren Ab-
weichungen an den betreffenden Stellen bereits angeführt sind.
d) Strophen- und Versbau
des (relativ) ursprünglichen Textes des Liedes I.
Das Lied I besteht aus vierhebigen Kurzversen. Die geraden
Verse gehen stumpf, die ungeraden klingend aus. Die wenigen
Fälle, in denen der regelmässige Wechsel von klingendem und
stumpfem Ausgang durchbrochen ist, sind bereits S. 49 gebessert
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worden. Desgleichen der Fall V. 3, 5—7, wo die Reimverwirrung
eingetreten war.
Im allgemeinen fehlt der Auftakt. Unter 168 Zeilen findet er
sich nur 35 mal. Davon ist er einmal sicher zu beseitigen (9, 5
Geschmnck und Diemand, Seitenwende von 2 a zu 2 b , s. S. 17).
In weiteren fünf Fällen davon kann er zweifelhaft sein:
2, 1 Viertzig tausend Geister er citir[e]t /
7, 5 Seine ß-Scheiben zu Straßburg ließ aufrichten /
14, 6 zeigt ihm am himmlischen Firmament /
16, 3 und ihm drey-ßlen Leinwath bringen /
17, 7 wie er gestorben ist dazumahlen /
Die ersten beiden Fälle lese ich mit Auftakt, also Viertzig tausend
und Schieß-Schelben, weil sonst zwischen der ersten und zweiten
Hebung dreisilbige Senkung entstünde, die ich aus den ersten 20
Strophen nur belegen kann bei 11, 1 Am heil[i]gen Charfreytag,
wo das zweite i in heiligen offenbar nur graphisch ist und wohl
hcilgen gelesen wurde. Die letzten drei Fälle lese ich ohne Auf-
takt und betone also zeigt ihm am himmlischen Firmament; und
ihm drey-ßlen; wie er gestorben ist.
Demnach bleiben noch 31 Auftaktverse übrig; denn da in den
letzten drei Fällen die mathematische Wahrscheinlichkeit für das
Fehlen des Auftaktes 5 mal so gross ist, wie für sein Vorhanden-
sein, so wird man sie sicher als auftaktlos bezeichnen dürfen. Von
den meiner Ansicht nach sicher anzunehmenden 31 Auftaktversen
kommen 7 auf die achtzeilige Strophe 21; 3 auf Str. 9; und 7 auf
Str. 14, 15, 16. Die übrigen 14 finden sich ziemlich regelmässig
verstreut.
Die Senkungen sind im allgemeinen einsilbig. Daneben findet
sich etwa in jeder Strophe durchschnittlich eine zweisilbige Senkung
bis auf Str. 21, die nach dieser Hinsicht gleich näher zu behandeln
sein wird. Die einzige sicher zu beseitigende dreisilbige Senkung
(11, 1) wurde bereits erwähnt.
In Str. 21 finden sich zu den 7 Auftaktversen, von denen zwei
zweisilbigen und einer dreisilbigen Auftakt haben, 9 zweisilbige,
eine dreisilbige (hundert Stucken / würd) und eine viersilbige (Lüxen-
burg müssen ewig) Senkungen.
Auch das Fehlen von Senkungen kommt, wie wohl selten, vor.
9, 7 in aller Welt Land die Sprachen /
9, 8 kund [er] / daß er sicher sey.
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In einigen Füllen lässt sich dieser Missstand durch schwebende
Betonung lösen:
12, 3 kein Mahler ist auf der Welt/
17, 4 daß diese gleich fertig soynd /
In dem Liede verbindet der Keim je zwei Langzcilen zu einem
Verspaar, und zwei Verspaare bilden wiederum eine Strophe. Da
die Kurzzeilen vierhebig sind, so entsteht also der Hildebrandston:
4 x ^ 4 a
4 v « 4 a
4 z ^ 4 b
4 4 b
Keine Keime finden sich verhältnismässig wenige. Unter den
42 Keimen der Langzeilenausgänge finden sich 19 Assonanzen, unter
denen wieder 4 besonders mangelhaft sind:
12, 2 : 4 hat : Welt (hätt)
16, 2 : 4 fort : Stadt
17, 6 : 8 Creutz : fehlst
21, 2 : 4 Brief: ruft (rief)
Ausserdem kommt zweimal rührender Reim vor:
2, 6 : 8 ist : ist
4, 2 : 4 seyn : seyn
Auch die übrigen 21 stumpfen Keime sind zum grössten Teile
nicht rein. Sieht man von dem Reime von Kürze auf Länge ab,
so bleiben wenigstens 16 als rein übrig.
Die groben Assonanzen fort : Stadt in Str. 16 und Creutz : fehlst
in Str. 17, für welche sich keinerlei Besserungen darbieten, sind die
schlechtesten Reimanklänge des Liedes. Sonst ist wenigstens meistens
Vokalgleichheit. Dass 13, 6 : 8 an : Pardon und 19, 2:4 schon : an
jedenfalls als Worte mit mundartlich gleichem Vokal zu betrachten
sind, wurde schon oben S. 22 erwähnt.
Dass Str. 19 mangirt für gebricht eingetreten sein könnte, liegt
sehr nahe.
Schon das einfache Ueberlesen des Liedes zeigt, dass sich in
vielen Fällen Binnenreim einstellt, also der Bruderveitenton vor-
handen ist. In manchen Fällen ist es allerdings zweifelhaft, ob
zwei Worte wirklich als binnenreimend zu betrachten sind. Wenn
man sich indessen erinnert, dass man dem weit weniger ins Ohr
fallenden Binnenreime mindestens dieselben Freiheiten gestatten mnss
wie dem zweifellosen Kndreime, so dürften nicht allzu viele Fälle
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übrig bleiben, in denen selbst der flüchtige Anklang fehlte. Und
die Genauigkeit der Endreime ist doch der einzige richtige Mass-
stab, an dem die Binnenreime gemessen werden können.
Endworte der ungeraden Kurzzeilen, die man nicht einmal mehr
als Kciraanklänge fühlt, giebt es eigentlich nur 7.
2, 1 : 3 citir[e]t : keiner
4, 1 : 3 Sommer : Winter
5, 5 : 7 Donau : Verlangen
10, 5 : 7 sehen : führten
13, 1 : 3 haben : Wunden
14, 5 : 7 Gottes : begehr[e]t
17, 1 : 3 ankommen : Farben.
Ein Paar endigt gleichmässig auf er und hat ausserdem eine
gewisse Sinnentsprechung (Sommer : Winter); drei Paare endigen auf
en. Bei den übrigen 3 findet sich nicht einmal derartiges.
Dieses siebenmalige Fehlen des Hinnenreimes besagt gegenüber
35 Keimen nichts. Der Ton des Gedichtes ist also der Brudcr-
veitenton.
Eine andere Frage ist die, ob die Binnenreime nicht vielleicht
erst später aufgeflickt sind. Dieselbe ist aber nur in Verbindung
mit Betrachtungen über die Vorgeschichte des Liedes I zu ent-
scheiden und kann daher erst in dem folgenden Abschnitt e) ihre
Lösung finden.
e) Die Vorgeschichte des Liedes I.
a) Formelle Spuren einer älteren Gestalt.
Auf dein Titel nennt sich Lied IA: Eine neue ausführliche
Beschreibung / u. s. w. und ebendort giebt es an, es sei gantz neu
und noch niemahlen in Druck ausgangen Aber B, das doch einige
Jahrzehnte jünger und sicher ein Abdruck einer älteren Vorlage,
jedenfalls von A selbst ist, behauptet diese Dinge gleichfalls von
sich. Wir haben daher allen Grund, von vornherein misstrauisch
gegen dergleichen Angaben zu sein. S. 47 — 49 haben wir gesehen,
dass der Text von A zweifellos eine Reihe Verstümmelungen ent-
hält, die sich nur aus einer selbst nicht ganz fehlerlosen Vorlage
erklären lassen. Schon daraus ist zu folgern, dass der Text von
A in seiner vorliegenden Gestalt bereits eine Geschichte hinter sich
hat und nicht Originaldichtung ist.
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Eine schlagende Bestätigung erhält diese Vermutung durch den
Bau der Str. 21, der in mehrfacher Beziehung von dem der übrigen
20 Strophen abweicht. 7 von seinen 8 Zeilen zeigen durchaus
gegen die Kegel Auftakt. 9 zweisilbige, eine dreisilbige und eine
viersilbige Senkungen (vgl. S. 51) geben die völlige Gewissheit, dass
Str. 21 anderen Ursprungs ist. Nimmt man dazu die abweichende
Rechtschreibung (Schrockcn, Stucken) und zweimal Teuffei, während
w sonst das ganze Lied die Schreibung Teufel hat, so kann kein
Zweifel mehr daran sein, dass die Schwellversstrophe 21 nicht von
dem Verfasser der anderen Strophen herrühren kann. Da Str. 20
mit ihrer Ermahnung an den Leser einen völlig genügenden Ab-
schluss bietet, wenn gleich dann Fausts Tod erwähnt bleibt, so ist
Str. 21 zu streichen.
Damit ist aber zugleich der Name des Marschalls von Luxen-
burg gestrichen, der allein eine obere Grenze für die vorliegende
Fassung des Liedes, das Jahr 1695 bez. 1702 (vgl. S. 24/25) ermög-
lichte, und so steht der Annahme einer längeren oder kürzeren Vor-
geschichte des Liedes, die möglicherweise weit in das 17. Jahr-
hundert hinaufreicht, nichts mehr im Wege. Es fragt sich nur, ob
sich in der vorliegenden Fassung selbst noch Spuren einer Be-
arbeitung nachweisen lassen.
Str. 14, 15, 16 waren durch das verhältnismässig häufige Vor-
kommen des Auftaktes auffällig. Wenn wir nun weiter sehen, dass
Str. 14, 2 Luft als f. gebraucht, während es sonst im ganzen Liede
m. ist, so weist das ebenfalls auf eine spätere Einschiebung hin.
14, 2 dem Geistern st. den G. und 14, 3 verlihren st. verlieren sind
wohl blosse Zufälligkeiten.
Vergleichen wir Str. 16, 17, 18 auf die Endworte ihrer un-
geraden Kurzzeilen, so erhalten wir:
16 Wind[e] : bringen bezwingen : bringen
17 ankommen : Farben mahlen : dazumahlen
18 mahlen : befragen sagen : fragen
d. h. die ungeraden Kurzzeilenenden verschiedener Strophenhälften,
ja verschiedener Strophen sind mit einander durch Binnenreime ge-
bunden; noch besonders auffällig ist dabei die Wiederkehr desselben
Wortes (2 bringen, 2 mahlen, 2 fragen). Einmal könnte man wohl
an Zufall glauben, aber dreimal dicht neben einander nimmermehr.
Ein Blick auf die stumpfen Keime derselben Stelle kann den
Verdacht, dass hier irgend eine Verschiebung der ursprünglichen
Sachlage eingetreten sei, nur bestätigen.
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Str. 15 enthält in ihrer zweiten Hälfte den Reim fort : Orth.
Str. 16 arbeitet mit ganz demselben Keimmaterial und sogar in ihren
beiden Hälften. Sie reimt überdies ungeschickter als sämtliche
andere Strophen und leistet sich dabei die Keime:
fort : Stadt, wolt : Orth.
Das Anfangslicd dieser Viererkette reimt auf das Endglied, und
die beiden Zwischenglieder sind öde Ansatzversuche, einen Reim
zustande zu bringen.
Str. 17 hat innerhalb der zweiten Kurzzeile einen Binnenreim,
der zwar sonst in dem Liede nicht ausdrücklich vorkommt, auf den
aber doch mehrere Stellen hinweisen. Dass diese in der That auf-
fällig waren, werden wir des weiteren unter II sehen. Die Zeile
lautet:
war so g'schwind als wie der Wind /
Die zweite Hälfte von Str. 17 bringt, gar den Keim fertig Creutz :
fehlst, der sonst selbst in diesem Liede unerhört ist.
Stellt man neben den Reimtiberlluss der ungeraden Kurzzeilen
die stümperhafte Reimerei der geraden, so wird die Sache doppelt
auffällig. Derselbe Mann wird beide Auffälligkeiten zugleich
schwerlich geschaffen haben Es muss also hier eine Veränderung
eines ursprünglich regelrecht gereimten Textes vorgegangen sein,
bei der die zusammengehörigen stumpfen Reimglieder (fort : Orth)
auseinandergerissen und die klingenden z. T. verdoppelt, z. T. an
falsche Stellen verschoben wurden. Die einzige Hypothese, die
beides genügend erklärt, ist die Annahme, dass die Strophen IG,
17, 18 durch Zcrzerrung einer oder noch wahrscheinlicher zweier
Strophen entstanden sind, bei welcher der Bearbeiter in seiner Reim-
ohnmacht sich bemühte, mit dem vorhandenen Reimmaterial auszu-
kommen, um seinen sicher nicht allzu findigen Kopf nicht beim
Suchen eines neuen Reimwortes überanstrengen zu müssen.
Dass uns in A auch, abgesehen von Anfügung der Str. 21,
eine Bearbeitung vorliegt, ist meiner Meinung nach dadurch schlagend
bewiesen. Zugleich geht daraus hervor, dass die Vorlage dieser
Bearbeitung bereits Binnenreime hatte. Denn fehlten ihr solche, so
konnten dieselben auch nicht durch die Thorheit eines Bearbeiters
in Unordnung geraten.
Aus dem Beobachteten ist zugleich ersichtlich, in welcher Weise
und nach welcher Richtung hin die Bearbeitung vorgenommen worden
ist. Wenigstens für die drei Strophen 16, 17, 18 ist sicher eine
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5(J
Verbreiterung infolge der Bearbeitung anzunehmen. Ob dieselbe
den Umfang des Liedes vergrösserte, oder ob dafür vielleicht andere
Stücke wegfielen, lässt sich allein hieraus schwerlich entscheiden.
Vielleicht sind im folgenden jedoch auch noch hierüber einige Auf-
schlüsse zu gewinnen.
Zunächst gilt es, das Lied A durchzugehen und zuzusehen, ob
sich vielleicht noch an anderen Stelleu ähnliches nachweisen lässt.
Vergleicht man die zweiten Hälften der Strophen 5, G, 7, so
stehen sich folgende Verse gegenüber:
5, 5 — 8 Kögel Scheiben auf der Donau ,'
war z 1 Regenspurg sein gröste Freud /
Fischen / Jagen nach verlangen /
war seine Ergötzlichkeit,
tf, 5 — 8 in dem Luft die Vögel fangen /
daß war auch sein gröste Freud /
er liß keinen Geist von dannen /
biß das Werck sich endt allzeit.
7,5—8 Schicß-Scheiben zu Straßburg ließ aufrichten/
daß er haben kuut sein Freud /
thät oft auf den Teufel schicssen /
daß er viel mal laut aufschreyt.
Dass diese drei Ilalbstrophen und namentlich die ersten beiden
überraschend ähnlich gebaut sind, wird niemand bestreiten wollen.
Ueberdies variieren sie sämtlich den Gedanken des Jagens und
Schiessens, wenn auch die Objekte wechseln. Nimmt man dazu,
dass sie alle drei denselben stumpfen Keim haben (Freud : keit,
Freud : zeit, Freud : schreyt), bei dem dasselbe Wort (Freud) drei-
mal wiederkehrt und sich ebenso dreimal der unreine Reim auf eit
darauf findet, so macht das die ganze Stelle sicher einer Breit-
zerrung verdächtig. Nun ist es ja allerdings sehr wohl möglich,
dass der Verfasser eines Liedes, dem sonst leicht Reime zugebote
stehen, einmal doch nicht gleich einen solchen zur Verfügung hat
und, um sich nicht stören zu lassen, sich selbst ausschreibt. Aber
zweimal hinter einander ist es ihm schon nicht so leicht zuzutrauen.
Dass dies aber an dieser Stelle nicht anzunehmen ist, dafür spricht
noch etwas anderes. Die klingenden Reime sind:
Donau : Verlangen
fangen : dannen
richten : schiessen
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d. h. von einem wirklichen Binnenreim kann in diesen drei Ilalb-
strophen überhaupt nicht die Kede sein. Dagegen reimen zwei der
Keimworte, welche verschiedenen Halbstropheu angehören, sehr schön
auf einander: Verlangen : fangen, und es liegt nahe, sich folgende
Halbstrophe zu konstruieren:
(6, 5—6) In dem Luft die Vögel fangen
das war seine gröste Freud;
(5, 7 — 8) Fischen, Jagen nach Verlangen
war seine Ergötzlichkeit,
Ob dieselbe nun gerade in dieser Fassung im Originallicdc einstens
gestanden hat, dafür möchte ich keinerlei Bürgschaft übernehmen.
Dass jedoch an dieser Stelle eine Verschiebung des Ursprünglichen
und zwar im Sinne einer Verbreiterung stattgefunden hat, das er-
scheint mir zweifellos.
Noch an einer dritten Stelle sind die Reime geeignet, stutzig
zu machen. Str. 12 lautet:
Faustus thät den Geist befragen/
wie GOtt ausgesehen hat /
darauf thät der Geist ihm sagen /
kein Mahlcr ist auf der Welt /
der das Contrafee kan treffen /
wie GOtt am Creutz ausgesehen hat /
Fauste, du solst das nicht begehren /
deine Heu die ist zu spat.
Iiier ist zunächst auffällig die Wiederholung der Zeile
2 wie GOtt ausgesehen hat /
al> (5 wie GOtt am Creutz ausgesehen hat
zumal dieselbe in der folgenden Strophe Zeile 2 mit kleiner Um-
stellung noch einmal wiederkehrt:
wie Christus hat gesehen aus.
Die stumpfen Keime sind hier:
hat : Welt hat : spat.
Man ist versucht, die beiden mittelsten Keimworte für Schmarotzer
zu halten und sich die Halbstrophe zu bilden:
Faustus thät den Geist befragen
wie GOtt ausgesehen hat,
darauf thät der Geist ihm sagen:
deine Ken, die ist zu spat.
An dieser Stelle ist es jedoch keineswegs so sicher, dass eine Zer-
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zcrrung vorliegt, wie an den beiden anderen, da hier die Bestätigung
durch direktes Zusammenstimmen nicht bei einander stehender
klingender Reime fehlt. Immerhin ist treffen : begehren ein sehr
mangelhafter Keim, und Str. 12 ist die einzige, die Jesus schlecht-
hin als GOtt bezeichnet, während er sonst ausser 20, 5, wo einmal
Jesus steht, immer Christus genannt wird.
Auch sachlich lässt sich gegen 12, 5 — 7 etwas einwenden, was
gleich hier bemerkt sein mag. Bisher hat sich Faust zwar bei
Mevestophilus nach dem Aussehen des Gekreuzigten erkundigt,
aber von einem Bilde ist noch nicht die Rede gewesen. Sagt nun
Mevestophilus:
kein Mahler ist auf der Welt /
der das Contrafee kan treffen /
wie GOtt am Creutz ausgesehen hat /
so bringt er damit Faust erst geradezu auf den Gedauken, sich das
Bild malen zu lassen. Die unmittelbar darauf folgende Zeile:
Fauste, du solst das nicht begehren /
welche inhaltlich sich völlig mit 13, 7 deckt:
bleiben laß du dieses lieber /
hat im Grunde genommen auch wenig Sinn, da Faust ja noch gar
nichts begehrt hat, sondern nur eine Frage gestellt hat. Nach alle-
dem müssen 12, 4 — 7 sehr verdächtig erscheinen.
Anklänge einer Stelle an die andere finden sich auch sonst
noch. So klingt 13, 5—6:
wurd dein Seel im Leib erzittern /
und ein Schröcken kommen an /
stark an 19, 3 — 4 an:
Faustus thät darob erschrocken/
ihm kam Forcht und Schröcken an /
Str. 19 ist das Erschrecken Fausts völlig sinnlos. Da an dieser
Stelle der Reim schon : an erscheint, während 13, 6 : 8 an : Pardon
reimt, könnte man leicht eine Beeinflussung des Verses 19, 4 durch
13, 6 annehmen wollen. Eine solche Annahme steht jedoch auf
sehr schwachen Füssen; denn ein Reim schon : an oder an : Pardon
hat für das Bairisch-Oesterreichische nicht das mindeste Anstössigc
(vgl. S. 22). Möglich ist die Beeinflussung natürlich, aber für mit
irgend welcher Wahrscheinlichkeit erwiesen darf man sie nicht
halten.
Wir sahen mehrfach, dass an den Stellen, wo wir eine ein-
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getretene Reimverwirrung wirklich nachwiesen, sich immer auch sehr
leicht auffällig schlechte Reime beseitigen Hessen. Umgekehrt nun
uhne weiteres aus jedem schlechten Reime zu schliessen, dass an
der Stelle eine Bearbeitung, eine Aenderung vorliege, halte ich
nicht für erlaubt. Zum mindesten müsste erst eine Erweiterung der
Stelle erwiesen werden. Denn es ist doch nicht anzunehmen, dass
der Bearbeiter die Reime mutwillig verschlechterte.
Die Ergebnisse des Abschnittes e) a) sind also folgende:
1. Der ursprüngliche Ton des Liedes I ist der Bruderveiten-
ton und nicht der Hildebrandston.
2. Der Text A ist die erweiternde Bearbeitung eines Liedes
im Bruderveitenton. Ob die Bearbeitung vorhandene Strophen aus-
schied, ist ungewiss.
3. Das ursprüngliche Lied war etwas sorgfältiger gereimt als A,
wenn es immerhin auch Reimungonauigkeitcn enthalten haben mag.
4. Die inhaltliche Entwickelung des ursprünglichen Liedes
war jedenfalls wenigstens von Str. 10 an eine etwas andere als die
von A, denn es ist nicht zu glauben, dass bei Umwälzungen, wie
sie z. B. die den Strophen 15, 16, 17 zugrunde liegenden Strophen
erfuhren, der Inhalt nicht berührt worden sein sollte.
Auf den Inhalt ist sogleich näher einzugehen.
ß) Die Entwickelung der Handlung in A und ihre Mängel.
Das Lied trägt durchaus den Charakter des Volksliedes. Es
setzt eine Reihe von Zügen, sogar die Verschreibung an den Teufel,
als bekannt voraus und überspringt vieles andere minder Bedeutende.
Zu Str. 1 — 9 ist etwas Sachliches nicht zu bemerken. Hier
folgt ein kurzer anekdotenhafter Zug dem andern, und es liegt auf
der Hand, dass hier von einem Bearbeiter leicht ganze Strophen
oder llalbstrophen weggelassen oder zugesetzt werden konnten, ohne
dass eine fühlbare Lücke, beziehentlieh eine zu bunte Anekdoten-
reihe entstand. Dass hier wirklich Erweiterungen stattgefunden
haben, glaubten wir aus den Reim Verhältnissen der zweiten llalb-
strophen von Str. 5, 6, 7 beweisen zu können. Da das Lied in dem
Zuge gipfelt, dass Faust sich von Mevestophilus den Gekreuzigten
malen lässt und sich von Str. 10 an auch einzig mit diesem Zuge
beschäftigt, so ist die bunte längere Einleitung vielleicht nicht ganz
angemessen, indessen lässt sich doch kaum etwas Wesentliches gegen
sie einwenden.
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Anders liegen die Verhältnisse von Str. 10 an, wo die zu-
sammenhängende Erzählung beginnt. Fausts Ende naht, und er
lässt sich, wohl weil sich in ihm die Reue regt, vom Teufel nach
Jerusalem bringen. Am Charfreitag langt er dort an. Das Lied
bringt für die Reise einen ganz nichtigen Grund vor: die unbefriedigte
Neugierde Fausts und bemerkt dazu noch : dieses ist gantz Sonnen-
klar. Aus Str. 19, wo offenbar, wie wir sehen werden, eine Ver-
kehrung der sprechenden Personen eingetreten ist. geht hervor, dass
der Bearbeiter, der dem Liede die Gestalt A gab, sorgfältig den
Gedanken an Reue oder allgemeiner an religiöse Fragen überhaupt
möglichst zu vertuschen suchte, wohl weil ihm diese Dinge in
solchem Zusammenhange anstössig erschienen.
Während Str. 2 von den vierzigtausend zitierten Geistern nur
zwei tauglich waren, ruft Faust zu der Jerusalemreise auf einmal
zweitausend herbei, von denen wir nichts erfahren, als dass sie ge-
schwind wie der Wind sind. Dass Faust nach Jerusalem geht, er-
fahren wir zur Genüge aus Str. 11 und ein Flickvers wie: dieses ist
gantz Sonnen-klar steht in dem Liede ohne Gleichen da. Ich stehe
darum nicht an. Str. 10 für eine Einschiebung zu halten, obwohl
ich mir bewusst bin, dass ich einen thatsächlichen Beweis dafür
nicht zu erbringen vermag; denn die schlechten Binnenreime sehen :
führten sind kein gültiges Beweismoment. Str. 11 geht dann die
Erzählung fort. Dass Mevestophilus dem Faust Mitteilungen über
den Kreuzestod Christi macht, ist auffällig, ebenso wie es seltsam
anmutet, dass derselbe Str. 12 von dem Bilde abrät, ehe jener noch
verlangt hat, dass er es malen solle. Die Art, wie Mevestophilus
dann Faust in Str. 13 zu überzeugen sucht, dass ihn das Bild nur
aufs tiefste entsetzen werde, wirkt gleichfalls etwas komisch. Die
Farben sind in volkstümlicher Weise etwas stark aufgetragen.
Immerhin aber lässt sich aus Str. 13 noch ein gewisser Faden er-
kennen, und mit der Forderung einer Kunstdarstellung darf man
an das Lied nicht herantreten.
Unterbrochen wird die Erzählung jedoch mit Str. 14.
Iiier disputiert Faust auf einmal — man weiss nicht, warum
und worüber — mit den Geistern in der Luft, doch wohl mit denen,
die ihn 11,2,3 nach Jerusalem geführt haben, verliert nebenbei
den Verstand, und am Himmel erscheint zur Abwechselung das ge-
wünschte Bild. Die Teufel drohen ihm im weiteren, ihn ins Meer
fallen zu lassen, während sie sich bis dahin alles geduldig gefallen
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Hessen und er durchaus als ihr unbeschränkter Herr erschien (Str. 8),
und schafien ihn nach Mailand, wo er an sein bestimmtes Orth geht.
Die Luftpartie geschieht aber keineswegs in ganz regelrechten Sätzen,
sondern mit einer etwas geschraubten Wortstellung: sie ihn führten,
sie ihn niederliesscn, worauf ich jedoch keinerlei Nachdruck legen
möchte.
Jetzt wird Ulessus der Auerhahn aufgeboten. Er soll jedoch
weiter nichts thun, als aus Portugall drei Ellen Leinwand und einige
Töpfchen Farbe holen. Mevestophilus wird zum Farbenreiben an-
gestellt — und nach dieser kleinen Abschweifung geht die Erzählung
weiter, jedoch ohne dass das folgende irgend eine Beziehung auf
Str. 14—17, 4 enthielte.
Mevestophilus fügt sich ohne weiteres. Da weiss der Teufel
des Spiessschen Faustbuches seinem Faust die Heirat weit gründlicher
zu verleiten.
Stände zwischen Str. 13 und 17, 5 eine einzige Halbstrophe,
oder höchstens drei Halbstrophen, in denen Faust trotz der Vor-
stellungen des Teufels auf seinem Wunsche beharrte, und etwa
seinen Freund aus der Hölle erinnerte, dass er ihm ja versprochen
habe, alle seine Wünsche zu erfüllen, so wäre es weitaus einfacher
und verständlicher. Die Erscheinung am Himmel gehört mindestens
nicht an diese Stelle. Die Drohung der Teufel, die Fahrt nach
Moyland, das Aufgebot Ulessus des Auerhahns, die Leinwand nnd
die Farben hätte man sich sparen können. Ich kann dies alles für
nichts weiter ansehen, als für zusammenhangloses Beiwerk, für das
Einschiebsel eines Mannes, der die Sache aufbauschen und etwas
abenteuerlicher machen wollte. Dass sein Aufputz diesen Eindruck
wirklich machte, werden wir unter II sehen.
Auch im folgenden ist der logische Fortgang der Handlung
durchbrochen.
Der Teufel macht sich an die saure Arbeit und malt Jesus am
Kreuze. Er will Faust damit übertölpeln, und im Stillen bangt ihm
davor, dass dieser das Fehlen der Inschrift bemerken werde, die
er ja als Teufel herzustellen ausser stände ist. Faust merkt es in-
dessen und hält es ihm vor. Da muss der Teufel, der sonst alles
auf sich genommen hat, eingestehen, dass hier seine Macht ein
Ende habe.
In der vorliegenden Fassung sagt der Teufel selbst zu Faust,
der nichts merkt, oder vielmehr nichts merken will, dass er den
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Titiii und Heil. Nahmen nicht malen könne. Das ist sinnlos und
verlangt eine Aenderung in dem eben angegebenen Sinne. Man
könnte sich Str. 19, 5 — 8 etwa rekonstruieren:
Faustus thät dies wohl betrachten,
sagt dann: aber eins gebricht:
der böse Feind thät zu ihm sagen:
dieses kann ich mahlen nicht.
Daran würde sich dann trefflich Str. 20 anschliessen:
Den Titul und Heil. Nahmen /
kunt der Teufel mahlen ni[ch]t /
ober dem Haupt des Creutzes-Stamm[en] /
dieses betracht mein lieber Christ /
thu den Heil. Nahmen JEsu ehren /
sprich diesen andächtig aus /
wird dich GOtt allzeit anhören /
biß du kommst ins himmlisch Hanfl
Str. 20 mit ihrer gutgemeinten Ermahnung giebt allerdings
einen ganz guten äusseren Abschluss. Aber auch nur einen äusseren.
Fauste Tod wäre dann mit keinem Worte erwähnt. Die Faustsage
aber gipfelte seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gerade
darin. Es ist nicht zu glauben, dass ein episches Fanstlied ge-
schlossen haben sollte, ohne des Todes Fausts Erwähnung zu thun.
Oder sollte das Lied Fausts Seele durch diesen Kunstgriff haben
retten wollen? Es ist ja klar: der Teuffei hat bei der Ausstellung
der Versehreibung Faust offenbar versprechen müssen, ihm alle
Wünsche zu erfüllen, wenn auch unter irgend welchen Einschrän-
kungen, wie sie bereits das Spiesssche Faustbuch und auch das
Puppenspiel kennen. Nun kann er nicht leisten, was Faust von
ihm verlangt. Er selber hat den Vertrag gebrochen. Fausts Seele
ist gerettet. Gegen diese Betrachtungen an sich und ihre Folge-
richtigkeit ist nicht das Mindeste einzuwenden — nur steht davon
in dem Liede kein Wort. Ja, es ist schwerlich anzunehmen, dass
der Verfasser sich überhaupt bis zu der Höhe der freien Ueber-
legung aufzuschwingen vermochte.
Für dieses Lied ist nimmermehr an etwas derartiges zu denken.
Den Gedanken an die Rettung Fausts hat seit der Entstehung
der Sage zuerst Lessing aufgebracht. Dass das Lied wenigstens
den anderen epischen Bearbeitungen der Faustsage gegenüber eine
gewisse Selbstständigkeit hatte, ist keinem Zweifel unterworfen. Die
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Art, wie bis Str. 13 Fauste Verhalten gegen den Teufel dargestellt
wird, kennt sonst die Faustsage nicht. Im Eingang des Gedichts
erinnert Faust» Spiel an das des Kasperle in den Puppenspielen,
der die Geister bloss schiert, weil es ihm Vergnügen macht. Einzig
daneben zu stellen ist die niederländische Fassung der Faustsage,
die Emil Sommer in Ersch und Grubers Encyclopädie I, Bd. 42,
S. 109 — 111 treffend kennzeichnet. Aber hier steht er ihm ernst,
selbstständig und entschlossen gegenüber. Diese Umwandlung ist
wohl der Reue über seine grosse Sünde zuzuschreiben.
Der Gedanke von Fausts Rettung stellt im Grunde genommen
die Sage auf den Kopf, wenn er auch an Vorstellungen anknüpft,
die dem Volke durchaus geläufig waren. Erst Luthers Auffassung
der christlichen Rechtfertignngslehre hatte dem Teufel die Macht
gegeben, die ihm dem sechzehnten Jahrhundert so furchtbar er-
scheinen liess. Durch das Lied aber ginge, wenn jener Gedanke
zuträfe, der mittelalterliche Gedanke von dem dummen Teufel, der
trotz aller Mühsal endlich doch noch um das vielbegehrte Seelchen
geprellt wird.
Das Lied I führt hier nicht weiter. Vielleicht ermöglicht das
Lied II einen weiteren Schritt nach rückwärts. Auch eine Unter-
suchung über etwaige Quellen wird dann erst möglich sein.
Darum hat sich liier zunächst eine genaue Betrachtung von II
anzuschliessen.
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Lebenslauf.
Ich. Franz Alexander Tille, bin am 30. März 1866 als
dritter Sohn des evangelisch lutherischen Pfarrers Franz Louis Tille
und der Frau Mathilde geb. Schulze zu Lauenstein im Erzgebirge
geboren. Bis zu meinem dreizehnten Jahre von meinem Vater unter-
richtet, besuchte ich dann ein Jahr das Progymnasium zu Grimma,
und sechs Jahre die dortige Fürstenschule, die ich Ostern 1886 mit
dem Zeugnis der Reife verliess, um in Leipzig germanische Philo-
logie und Philosophie zu studieren.
In dem ersten Jahre meiner Studienzeit gentigte ich zugleich
meiner Militärpflicht als Einjährig-Freiwilliger.
Vorlesungen habe ich gehört bei den Herren Professoren Arndt,
von Bahder, Biedermann, Brugmann, Heinze, Hildebrand,
Scydel, Springer, Windisch, Wülker, Wundt, Fr. Zarncke,
sowie bei den Herren Privatdozenten Elster, Kögel, Mogk,
Schirmer, Wolff, Wollner.
Ostern 1887 bis Ostern 1889 gehörte ich der mhd. Abteilung
der Hebungen der ausserordentlichen Mitglieder des Königlichen
deutschen Seminars an, davon das letzte Jahr als Senior; Ostern
1888 bis Ostern 1890 der ahd. Abteilung derselben Uebungen, da-
von Herbst 1888 bis Ostern 1890 als Senior. Herbst 1888 bis
Ostern 1890 war ich ordentliches Mitglied des Königlichen deutschen
Seminars.
Sommer 1888 wurden meine Studien für kurze Zeit unter-
brochen, da ich als Abgeordneter der Studentenschaft Leipzigs zur
Feier des achthundertjährigen Stiftungsfestes der Universität Bologna
nach Italien entsant wurde.
Ostern 1888 bis Ostern 1889 gehörte ich dem Vorstand der
Akademischen Lesehalle zn Leipzig an.
Zu besonderem Danke für vielseitige Anregung und Förderung
bin ich Herrn Geheimrat Fr. Zarncke und Herrn Prof. von Bahder
verpflichtet.
Für freundliche Förderung meiner Arbeit durch Beiträge und
Nachweise habe ich ausser Herrn Geheimrat Fr. Zarncke Herrn
Major a.D. Julius Bode in Sorau, Herrn Geheimrat Lujo Brentano
in Leipzig, Herrn Prof. Wilhelm Creizenach in Krakau, Herrn
Kapellmeister Engel in Dresden, Herrn Bibliothekar Dr. Bei nb old
Köliler in Weimar, Herrn Dr. med. Arthur Koll mann in Leipzig,
Herrn Dr. Max Lohrs in Dresden sowie meinem Freunde Kudolf
Schlösser zu danken.
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