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Full text of "Die Gottespest"

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Harvard College 
Library 




! FHOM THE FL>Ü GlVKiN BV 

I R0B1:KT PARKER CLAPP 

CLASS OF 18T9 
FOR BOOKS ON ECONOHICS 



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HARVARD COLLEGE LIBRARY 
CLAPP FUND 



✓ 




INTERNATIONALE 

BIBUOTHE 

Erscheint jeden Monat, x6 Seiten stark. 
Adresse: JOHN MÜLLER, W William Street New York. 

Bntwed a« the Neir Yodc PoBt-Offic* as Secosd Cbwa Mail Matmr. 



Juni 1887. 



f Per Jahr 80 Cents. 
lEliiWinSCenti. 



Gottespest 

(Zwölfte vermehrte und verbesserte Auflage J. 

0 

Unter allen GeisteskrankheiteD, welche ''der Mensch iu seineni 
dunkleiK DiangaP^ ^^ch systematisch in den Schädel impfte, ist die 
Gottespest di& allerscheuslicbste. 

^"\Q Alles eine Geschichte hat, so ist auch diese Seuche nicht 
ohne Historie, nur schade, dass es mit der Kntwlckelunj^ vom Unsinn 
zum Verstand, "wie sie im Allgemeinen aus dem Historismus ott 
gefolgert wird, bei dieser Art Geschichte ganz gewaltig hapert Der 
alte Zeus und sein Doppelgänger, der Jupiter »das waren noch 
ganz ai^stänchgo, fidele, wir möchten sagen gewlsscTTnapscn aufge- 
klärte Kerie, verghchen mit den jünjrsten Drillingssprossen am 
Stammbaum© der Götterei, welche ßieh, hei Licht besehen, an Bru- 
talität tmd Grausamkeit getrost mit Pitzlipntzll messen könnten. 

Wir wollen übrigens mit den pensionirten oder abgesetzten 

Göttern überhaupt nicht rechten, denn die richten keinen Schaden 
mehr an. Die noch aratirenden Wolkenschieber und Höllen- Terro- 
risten des HhniHcls aber wollen wir dafür desto respectloser kriti- 
ären, blamiren tmd abfuhren. 

Die Christen haben einen dreilaltigen Gottj ihre Vorfahren die 
Jnden, begnügten sich mit einem einfältigen« Sonst sind beide 

Gatttmgen eine recht heitere Gesellschaft. „Altes uiul neues Testa- 
ment" bilden für sie die Quellen aller Weisheit ; daher nuiss man 
diese "heiligen Schriften" wohl oder übel lesen wenn man sie 
durchschauen und verlachen lernen will. 

Greifen wir nur die Geschichte" dieser Gottheiten heraus, so 
genOgt das eigentlich schon zur Charakteristik des Ganzen vollkom- 
men. In kurzem Abriss ist die Sache nämlich die : 



»Im An&ng schuf Gott Himmel und ^de." Er befand sich mit- 
hin zunächst im allgemeinen Xichts, wo es allerdings nüchtern 
genug ausgesehen haben mag, um sich als Gott^ darin zu langweilen. 



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2 Int£hnatio>'al£ Bibliothek. "So, 3. 

ITnd da es für einen Gott eine Kleinigkeit ist, aus Klchts Weltea 
hervor zu zaubern, T^le ungefähr ein Taschenspieler Hühnereier 
oder Silberthaler aus den Aermeiu schüttelt, so "schuf" er "Him- 
mel und Erde." Sx>äte r drechselte er "Suuue, Mond uud Sterne" 
zarecht. Gewisse Ketzer, so man Astronomen nennt, haben zwar 
langst festgestellt^ dass die Erde weder Mittelpunkt des Univer- 
sums ist, noch je gewesen sein kann, noch überhaupt zu existircai 
Yemiochte, bevor die Sonue, um welche sie sich dreht, da war. 
Diese Leute luibeu nachgewiesen, dass es ein reiner Blödsinn ist, 
von Sonne, Mond mid Sternen'' tmd dam^ von der Erde zu 
reden, als ob dieselbe, verglichen mit Ersteren, etwas ganz Spe- 
zielles und TJebergewichtiges wäre. Bie haben es längst jedem 
Schulbuben eingepaukt, dass dio Sonne auch nur ein Steni, die Erde 
aber ein Trabant der Souuo, der Mond sozusagen ein üutertrabaut 
der Brde ist, nicht minder, dass die Erde, verglichen mit dem Welt- 
ganzen, weit entfernt, eine hervorragende Rolle zu spielen, umge- 
kehrt kaum wie ein Sonnenstäubchen sich ausnimmt. 

'Wüs hat sich ein Gott um Astronomie zu kümmern ? Er maeht, 
was er will und pfeift auf Wissensehaft uud Logik. Aus diesem 
Grunde hat er auch nach seiner Erdeufabrikatiou zuerst das Licht 
und hernach die Sonne gemacht. Selbst ein Hottentotte kann 
heutzutage einsehen, dass ohne Sonne auf der Erde kein Licht sein 
kann ; aber Gott — hm I der ist ja kein Hottontott. . 

Aber hören wir weiter ! Die "Schöpfung" war no weit ganz ge- 
lungen, aber es war immer noch kein rechtes ''Leben in der Bude." 
Der Schöpfer wollte sich auch amusireu. Daher machte er endüch 
Menschen. Er wich dabei merkwürdiger Weise ganz von semer 
zuvor angewandten Praxis ab. Statt diese "Schöpfung** durch ein ^ 
einfaches *'Es werde!'* zu bewerkstelligen, machte er ungemein 
viele Umstände beim "Schaffen." Er nahm einen ganz prosaischen 
Lehmkloss zur Hand, modeUlrte daraus "nach seinem EbenWlde" 
eine ilaunsfigur und 'n)Iie3 derselben eine Seele ein." Da aber Crott 
allweise, gütig, gerecht, kurzum dio Liebenswürdigkeit selber ist, 
so leuchtete ihm ein, dass dieser Adam, wie er sein Fabrikat nannte, 
sich aileia ungemein langweilen dürfte. (Vielleicht erinnerte er 
sich dabei an sein vormaliges langweiliges Basem im Nichts). Und 
so erzeugte er denn eine ganz nette, reizende Eva. Hier hatte ihm 
indessen offenbar dio Erfahnnig gelehrt, dass dio Bearbeitung von 
Lehmklössen el)en doch für einen Gott ein gar zu um'eiuhches Ge- 
schält sei, weshalb er eine neue Fabrikationsmethode in Anwendung 
brachte. Er riss dem Adam eine Bippe aus nnd verwandelte die- 
selbe — Gesch\\indigkeit ist keine Hexerei, am allerwenigsten itbr 
einen Gott — in ein niedliches Frauenzimmer. Ob die herausge- 
nommene ßippo Adams 8i)äter wieder ersetzt wurde, oder ob nach 
der stattgehabten Operation Adam als emseitiger Mensch herum 
laufen musste^ davon schweigt des Sängers Höflichkeit* 

Die moderne Katurwissenschaft hat festgestellt, dass sich Thiere 
und Pflanzen im Laufe von Millionen von Jahren aus einfachen Ur- 
scbleimgebilden in den mannigMtigsten Abzweigungen bis zu Uiren 



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KO. 3. IKTERKATIOXALE BlBLlOTHfiE. , 3 

jetzigcu Formen entwickelt haben. Sie hat ferner festgestellt, dass 
der Mensch nichts weiter ist, als das vollkommenste Produkt dieser 
Entwiokelimgy imd dass er idebt nur vor so und so vielen Jahrtau- 
senden auch im engeren Sinne des Wortes ein sehr thierisolies Aus- 
sehen hatte und keine Sprache besass, sondern auch, dass er — jede 
aDdcro Annahme schliesst sich von selbst aus ^ aus niedrigeren 
Thierartea hervorgegangen sein muss. (Unsere nächste Brosclifire 
— iro.4 der "Internationalen Bibliothek" — wird sich noit diesem 
Thema, dem Darwinismus eingehender beschäftigen). 

Die ÜTaturwissenschaft lässt mitMii Gott mit seiner selbst ver« 

kündeten Menschenmacherei nl« einen ganz albernen Aufschneider 
erscheinen. Aber was nützt das Alles ! Gott lässt mit sich nicht 
spassen. Ob seine Erzählungen wissenschaftUch klingen, oder sich 
-wie alberner Quatsch anhöre, er MLehlt^ dass man daran glaube, 
widrigenfölls er es geschehen lässt, dass Einen der Teufel (sein Kon- 
kurrent) holt, was sehr unangenehm sein soll In der Hölle herrscht 
ja ]iic]it. nur beständiges Heulen und Zähneklappern, sondern es 
brenüü auch ein ewiges Feuer, es nagt ein unermüdlicher Wurm 
und es sthikt ganz heiDos nach Pech und Schwefel. Alledem soll 
ein Mensch ohne Leih ausgesetzt werden. Es schmort sein Fleisch, 
das er nicht bei sich hat; er klappert mit den längst an'^npfallmen 
Zähnen; er heult o/me Hals und Lunge; seinein Staub zerlallcnen 
Knochen benagt der Wurm ; er riecht ohne Isq&q — und das Aiies 
ew^Uch, Ehie Teftenfelte Geschichte ! 

Gott ist überhaupt, wie er in seiner selbstverfassten Chronik, 
der Bibel, ganz offenherzig mlttheilt, ungemein launig und rach- 
gierig — geradezu eüi Husterdespot 

Kaum waren Adam und Ya-ü gemacht, so verstand es sich für 
ihn von selbst, dass dieses Pack regiert werden müsse; deshalb 
erliess er ein Strafgesetzbuch. Dasselbe lautete katbegorisch : 
Ihr soUt nicht essen vom Baume der Erkenntniss / Seitdem hat 
auch noch nie irgendwo ein gekrönter oder ungekrönter Tyrann 
existu*ty welcher nicht den Y^ern dieses Diktat zugeschleudert 
hätte. 

Adam und Eva respektirten cUeses Verbot nicht. Dafür wurden 
sie ausgewiesen und zu lebenslänglicher und auch auf ihre Nach- 
kommen für alle Zeiten zu übertragender harter Arbeit verdonnert. 
Der Eva wurden ausserdem noch die ^'bürgerlichen Ehrenrechte" 
aberkannt, indem sie als Magd Adams deklarirt wurde; dem sie zu 
gehorchen habe. Unter göttlicher Polizeiaufsicht standen sie ohne- 
hin schon. Wahrhaftig^ so weit hat es selbst Lehmami im Schuh- 
- riegeln der Menschen nodi nicht gebracht 

Die Strenge Gottes gegen die Menschen nützte indessen gar 
nichts, vielmehr ärgerten ihn dieselben, je stärker sie sich yermehr- 
ten, desto schmälilicher. Und wie rasch diese Vermehnmp: von 
Statten ging, das konnte mau schon bei der Geschichte von Judn 
und Abel merken. Als der Letztere von seinem Bruder todtgeschla- 
gen worden, ging Kala "in ein ftemdes Land'' und nahm Bich eui 



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Weib. Woher das "ü-emde Land'' mit den dort zu findendem 
Weibern plötzücli kam, hob liebe Gott ftelHidi idoht notiit, waft' 
bei Beiner. daimdigen ixbeitsüberbüidiing nicht zu verwundern ist. 

Endlich war das ]£aaa voU. Oott beschloss, die ganze Mensch- 
heit durch Wasser zu vertilgen. Nur ein paar Leute nalim er aus, 
um (^s nochmals zu probiren; unglückli(*herweise hatte er sich, 
aller Weisheit ungeachtet, aber schon wieder einmal vorgriüen, 
denn Noa^ der Cbik der Geretteten, entpuppte sich bald als. ein 
grosser Süffel, mit dem seine Sohne Allotria trieben. Was konnte 
aus solch' einer verlotterten Familie Gutes entstehen? 

Wieder breitete sich die Menschheit aus; wieder ent^viekelte sich 
dieselbe zu jenen "ßabenäsem" imd "öündengimpeln", von denen 
das bekannte Heklenburger Gesan^^buch so viel Böses zu berichten 
weiss. Gott hätte bersten mü- m vor himmlischem Zorne, zumal 
alle seine exemplarischen Lokalzüchti^runf^en, wie Austilgung 
ganzer Städte durch Pech und Schwefel, rein ^'für die Katz" warem 
So entschloss er sich, das ganze Gesindel mit Stumpf imd Stiel aus- 
zdiotten, als ehi höchst sonderbares Ereigniss ihn wieder milder 
stimmte. Andern&lls wäte es langst tun die Henscbheit geschehen. • 

Eines Tages tauchte nämlich ein gewisser 'heiliger Geist* 
. auf. Es ging demselben, wie dem "Oliidehen aus der Fremde'* — : 
Niemand wusste, woher er kam. Der liibelschreiher (nämlich Gott) 
sagt nur, er selber sei der heihge Geist. Man hat es also vorläuiig 
mit einer zweieiiügen Gottheit zu thnn. Jener ''heilige G^st^ kam ' 
auf den Einfall, in der Ge lalt eines Täuberichs mit einem obskuren 
Frauenzimmer Namens Maria eine T^ol anntschaft anzuknüpfen. Er 
"überschattete" in einer süssen Stunde die Auserwählte seines 
Herzens, und siehe da, sie gebar ein Knäblein, was indessen, wie 
Gott in der Bibel ausdrücklich betont, ihrer Jungfräulichkeit durch* 
aus keinen Abbruch that. Der früher bemerkte Gott nannte sicji 
nun Gott Vater, versiclierte jedoch gleichzeitifr, dass er nicht niu* 
mit dem "heiligen Geist", sondern auch mit Gottes Sohn vollständig 
identisch sei. Man denke I Der Vater war sein eigener Sohn, der 
Sohn sein eigener Yater, Bdde Kusammen ausserdem noch '^etliger 
Geist". So gestaltete sich die "heilige Dreifaltigkeit." 

Und nun, armes Mensehenhim, halte Stand, denn was jetzt ^ 
folgt, könnte ein Pferd umbringen ! Wir wissen, dass Gott Vater ' 
besciüossen hatte, das Menschenpack zu frikajssiren. Das that dem 
Gott Sohn ungemdn Idd. Er (bekanntlich gleichzeitig Gott Tater) 
nahm die ganze Schuld der Menschen auf sich und Hess sich, um 
. sein^ Vater (bekanntlich gleichzeitig Gott Sohn) in seiner Käserei 
zu beschwichtigen, von jenem zu erl{>seuden Gesindel zu Tode 
sciiüiden — natürhch nicht ohne nachLrägüch wieder frisch uiid 
ftoh in den ffimmel zu fiihrBQ. Diese Aufopferung des Sohnes (der* 
* Eins ist mit dem Vater) machte dem Tatar (der Eins ist mit aem « 
Sohn) einen solchen Höllenspasa, dass er sofort eine allgemeine 
Amnestie erliess, welche zirnt Theil noch heute in Kraft ist. 

Das ist der "geschichtliche*' Theil der "heiügen Schrift". Man , 
siehi^ der BlQdänn Ist dick genug aufgetragen, um Deru'enigep, der i 



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NO. 3. INTEBKATIONALE BlBUOIHEE. & 

bereits idiotisirt genug ist, ihn zu yerdauen, empfänglich fOr irgend 
einen Wahnwitz zu macheu. 

Hieriu'T* ^^eliürt vor Allem die Lelire von der "Belohnung und 
Bestrafimg des ^leiLschen im sogeiiamiten "Jenseits". Längst ist ' . 
es Wissenschaf tlicli erwiesen worden, dass es ein vom Körper .un- 
abhängiges Seelenlehen nicht gibt, dass das, was die Beligions- 
sch^vin(ile^ "Seele'^ nennen, nichts weiter ist, wie das Denl^orr^au 
(Hirn), welches durch die lebendigen Sinnesorgane Eindrücke em- 
pfängt imd auf Grund derselben sich iJethätigt, und dass mithin 
• * im AugenbUcke des körperlichen Absterhens auch diese Eegung 
anhören muss. Was kümmern sich aber die Todfeinde des mensch- 
lichen Verstandes um die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschmigf 
Geratie so viel, als nötbig ist, dieselben nicht ins Volk dringen zu 
lassen. 

So predigen sie denn das ''ewige Lebei^' der menschlichen 
''Seele**. Wehe der«elbpn im "Jenseits," wenn der Leib, worin sie 

"diesse its ' gesteckt, • Strafgesetze "Gottes" nicht pünktlich 
respektiitel Wie ims diese Lcnito uäuilick versichern, ist ihr "all- 
. * ^ gütiger, allgerechter, allbarmhcrzigcr, gnädiger etc. etc. Gott" eine 
mtra-Schnüfifelnase, welche sich um jeden Pfiffeiiing ^nes jeden 
Einz( Ii ( Ti bekümmert und jeden "Fehltritt,*^ den ein Mensch macht, ^ 
in seine Allern eitsakten einträgt. Dabei ist er ein ganz absonder- 
• lieber Kauz. AViuuvnd er wüns* lit, dass neugeborene Kinder unter 
Gefahr des Schnupfens ihm zu Elireu mit kaltem Wasser begossen 
(getauft) werden; während er einen Heidenspass hat, wenn un- 
zählige Glaubensschafe in ihren kirchhchen Ställen ihn litaneien- 
massig anblöken, oder wenn ihm die Eifrigsten seines Anhangs ohne • 
IJnterlass fronnne Katzenmusiken darbringen imd ihn um. alle mög- 
lichen und unmöglichen Dingo anbetteln (beteu)j während er sich ♦ 
in blutige Kriege mischt und als "Schlachtengott'' sich von den 
Siegern anposaimen und beweihräuchern lässt, wird er fuchsteufels- 
wild, wenn Jemand an seinem Dasein zweifelt, falls er Katholik ist, 
an Freitagen Fleisch isst oder nicht fleissig per Ohrenbeichte seine 
"Sünden" losscheuert, faUs er Protestant Ist, nicht die den 
Katholiken empfohlenen Heiligenknochen, Kuttergotteslappen 
und Bilder verachtet, oder wenn er überliaupt nicht mit bock- 
ledernen Mienen, verdrehten Augen, gekrümmtem Bücken und • 
gefalteten Händen in der Welt umher duselt. . . . 

. Stirbt so ehi Hensch in "verstocktem" Zustande, so wird ihm 
ytm "lieben Gott'' eine Strafe zudiktirt, gegen welche alle Hiebe 
mit Knuten und neunsrliT; änzigen Katzen, alle Zuchthaus-Qualen und 
Verbannungs-Leiden, alle Empfindungen der Terdanmiten auf dem. 
Sjöhaiiotie, alle Foltern und Martern, die je ein irdischer Tyrann er- 
sonnen haben mag, nur angenohme Kitzeleien stod. Dieser «Gottf* 
' überbietet an bestialischer Cfrausarakeit Alles, was auf der Erde . 
Kanaüleuses passircn ' "'nute. Sein Zuchthaus hei s st JTölle, die wir* 
bereite l^euueu. sein Henker ist der Teufel, seiiite Strafen dauern 
ewig. Kr gewählt höchstens lür lejichte Fälle näch längerer , Zeit 
Be^adigung, vorausgesetzt, dass der betreffen&e Deliqum als 
Xa^lik gestorben ist. Für einen Solchen hat, er nämlich 'unter 

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Internationalb ßiBUOTHEK.. 



No. 3.- 



Umständen das,, Fegefeuer" vorgeseheu, -welches sich von der "Hölle" 
ungefähr so unterscheidet, wie in Preussen diis Getangniss vom 
Zuchthaus ; es ist nur für yerhältnissmässig kurzzeitige Insassen 
eingerichtet und hat etwas leichtere Disciplin. Immerhin brennt 
ee auch im Fegefeuer ganz "gottstraflich''. Sogetuumte'Todsundeu'' 
werden indessen nie mit Fegefeuer, sondern stets nur mit Hölle 
p^eahndet. Hierher gehört z. B. „Gotteslästerung," begangen durch 
Wort, Schrift und Gredanken. Gott duldet also in .dieser Beziehung 
nicht nur weder Press-, noch Bedefreiheit, sondern er trifft auch 
schon die unausgesprochenen Gedanken. Ueberbietet er somit 
schon an und für sich an Rüppelhaftigkeit selbst die schuftigsten 
Despoten aller Liindcr und Zeiten, so thut er dies weit mehr noch 
hinsichtüch der Art und Dauer öcmer Strafmittel. Dieser Croti int 
also das denkbar ewtseUtUehste Scheusal, 

Sein Verhalten ist um so Infamer, als er von sich behaupten 
lässt, dass die ganze Welt und namentlich auch die Menschheit in 
all' ihrem Thun und Lassen durch seine "göttliche Vorsehung" 
reguUrt wird. Er malträtirt also die Menschen für Handlungen, 
deren Urheber er selber ist ! Wie liebenswürdig sind gegenftber 
diesem Ungeheuer die l^yrannen der Erde aus vergangener und 
gegenwärtiger Zeit ! 

Gelallt es Gott aber, einen Menschen nach seinen Begriffen! gut 
leben und sterben zu lassen, so — maiträUrt er ihn erst recht. 
Denn der versprochene "Himmel" ist, wenn man ihn genau betrach- 
tet, noch ein viel heilloserer Platz, als die Hölle. Man hat da gar 
keine Bedürlhisse, sondern ist inuner befriedigt, ohne dass joein 
Verlangen nach irgend einer Sache der Befriedigung voraus ginge. 
Da aber ohne Yerlangen und Erlangen gar kern Oenass denkbar 
Isty SO ist das Dasein im Kbnmel genusslos. Man ist da ewig 
im Anschauen Gottes vershnken ; es wird immer auf den nämlichen 
Harfen dieselbe Melodie gespielt; man singt fortwährend das ''neue 
Lied, das schöne Lied," wenn auch nicht "von dem vei'soff'nen 
Nagel8chmied'\ so doch kaum Anr^nderes. Das ist die höchste 
Potenz der Langweiligkeit. Der Aufenthalt Vsa einer IsoUrzelle wäre 
entschieden vorzuziehen. 

Kein Wunder, dass Diejenigen, ^velche reich und mächtig genug 
sind, das Paradies uui Krden zu gemeähen, uuter sich mit Heine 

lachend ausrufen: 

"Den Himmel überlassen wir \l - 

Den Engeln und den Spatzen." • ' 

Und doch sind es gerade die Reichen xmd Mächtigen, welche 
den Gottesblödsinn und die BeUgionsduselei hegen und pflegen. 
Bs gehört das entschieden zum Geschäft. 

Ja, es ist für die herrschenden und ausbeutenden Klassen 
geradezu Lebensfrage^ ob das Volk religiös versimpelt wird oder 
nicht. Mit dem Beligionswalmsimi steht und fällt ihre Macht. 

Je mehr der Mensch an derBeligion hängt, desto mehr ghiubt er. 
Je mehr er glaubt» desto weniger weiss er. Je weniger er weiss» 
desto dümmer ist er. Je dümmer er ist» desto leichter kann er 
regiert werden 1 



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No. d. iNTEXHATIOlrALE BIBLIOTHEK. 7 

Dieser Gedankengang war denl^rtannen aller Länder und &iten 
geläufig; daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde. 

Gelegentliche Streit^keiten zwischen diesen beiden Sorten Ton 
:?.renschenfeinden waren sozusagen nur häuslicher Hader um die 
Obergewalt. Jeder Pfaff' weiss, dass er finsixcsiiiolt bat, 8o bald 
die "oberen Zehntausend" ihm nicht mehr uaicr die Arme greifen. 
Jedem Beichen und Hächtigen Ist es kein OehelmnisSy dass der 
Mensch nur dann geknechtet und ausgebeutet werden kiann, wenn 
die Sichwarzkünstler irgend einer Kirche es fertij? bringen, genügen- 
den Sklaveusiim in die Herzen der Yolksmasscn zu pflanzen, den- 
selben die Erde als ein Jammerthal" erscheiueu zu lassen, ihueu 
das ''göttliche'' Diktat: ''Seid unterthan der Obrigkeit P einzu- 
trichtern und sie mit einer angeblichen Extrawurst, welche nach 
dem Tnde im unbekannten Wolkenkukuksheim gebraten werden soll, 
abzuspeisen. 

Der Er^'esuit WinäJiorst liess einmal im deutschen Reichstag 
in der Hitze des Gefechtes deutUch genug erkennen, ine die 
Schwindler und Gauner der Welt über diesen Punkt denken. 

"Wenn im Volke der Glaube zerstört "wird — sagte er — kann 

es das viele Elend nicht mehr ertragen und rebellirt/'^ das 

war deuthch und hätte Jeden Arbeiter zum Kachdenken anregen 
sollen, würde ihn auch stutdg gemacht haben, wenn — ja wenn 
nicht so Yielo relijj^ios zu vemagelt wären, um noch im Stande zu 
sein, mit i\prmalen OJuren zu hüren und einfache Dinf^e zu begreifen. 

Umsonst haben die Pfiffen — das heisst: die schwarzen 
Gensdarmen des Despotismus ^ sich nicht stets so ungeheuer 
abgemüht, den Rückgang des reh^oseu Wesens aufimhalten, 
obwohl sie selbst bekanntlich uuter sich vor Lachen bersten 
möchten ob des Blödsinns, den sie gegen gute Bezahlung predigen. 

Jahrtausende hindurch haben diese Gehimverhuuzer einfach 
ein Schreckensr^giment geführt, ohne welches die religiöse Toll- 
häuslerel langst ein Ende genommen hätte. Galgen und Schwert, 
Kerker und Ketten, Gift und Dolch, Meuehcl- nnd Justizmord — 
das "waren ihre Mittel zur Aufrechtcrhaltnng dieses Wahnsinns, der 
ein ewiger SchandÜeck in der Geschiclite der Menschheii bleiben 
wird. Hunderttausende sind auf Scheiterhaufen langsam "im ITameu 
Gottes^' geröstet worden, weil sie es gewagt, den biblischen Mist 
stinkend zu finden. Millionen von Menschen wurden gezwungen, 
sich in langwierigen Kriegen die Köpfe gegenseitig einzuschlagen, 
ganze Länder zu verwüsten und nach Mord und Brand die Pest zu 
erzeugen — nur damit die Religion erhidten blieb. Die raffinirtesten 
Foltern wurden seitens der Pfaffen und ihrer Helfershelfer er- 
sonnen, wenn es galt. Diejenigen, welche vor Gott keine Furcht 
mehr hatten, durch irdische Teufeleien neuerdings in Religiosität 
hinein zu sehrecken. 

Man nennt ehien Keuschen einen Verbrecher, der Anderen 
Hände odrr Füsse verstfimmrlt. Wie soll man Jone bezeichnen, 
welche das Hirn zu Grunde richten, und, wenn ihnen das nicht 
gehngen will, den ganzen Körper mit ausgesuchter Grausamkeit 
ZoU fOr ZoU verderbenf 



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IKTERKATIOKALE BiBLIOTESK. 



No.3. 



Wohl ist es wahr: Diesa Strolehe können heute ihr göttliches 
B&nditengcwerbe uicht mehr in der althergebrachten Weise treiben, 

•wenn auch Gottesliistcningsprozesso und dgl. immer noch vor- 
kommen; dafür haben sie sirh aber desto mehr auf Familien- 
schleicherei, auf Weiberbeeiuäussuug, auf Kindorfang und Miss- 
branch der Schule geworfen. Ihre Heuohelei bat eher zu- als 
abgenommen. Selbst der Presse haben sie sich in einem sehr liolKm 
Grade bemäehtigt, seitdem sie l)einerkten, dass sie nicht mehr im 
Stande seien, die Buchdruckerei als solche i^ieder aus der Welt 
zu schaffen. 

«Wo ein PfaflT hintritt, wächst 10 Jahre lang kein Gras mehr," 
lautet ein altes Sprüchwort. Das heisst mit anderen Worten; Ein 
Mensch, der einmal den Pfaffen unter den Klauen perathen ist, hat 
aufgehört gedanklich fruchtbar zu sein. Seine Gehirnmasrhinerie 
stockt, statt derselben kriechen religiöse Maden und götthche 
Würmer in aeinem ScMdel umher. Er gleicht einem Sohafe, das 
die Drehkrankheit hat. 

Diese Unglücklichen sind um ihreh eigenen Lebenszweck he- 

tro.ü:en und, was noch schlimmer ist, bilden den prrossen Tross im 
Gefolge der Widersacher von Wissenschaft und Aufklärung!, von 
Bevolutiou und Freiheit. Wo es immer gilt, neue Ketten für die 
]f enschheit zu schmieden t sie sind bereit, In stumpfsinnigem Unver- 
stand wie besessen daraut loszuhämmeru. Wenn gegen die fort- 
gehreiteude Entwickehni.i;- der Diii^u> Hindernisr-e in den We<T gewälzt 
werden sollen. l>iese Hottentotten werten sich nöthigenfails in 
ihrer ganzen breiten Masse dem Strome der Zeit entgegen. Weuu 
man sich daher anschickt, diese Geisteskranken zu kuriren, so 
thnt man nicht nur ein gutes Werk den Betreffenden g( ^!ünüi>er, 
sondern man steht auch im Begrifife, einen Krebsschaden auszu- 
brennen, au welchem das ganze Volk leidet, und der schliesslich 
unbedingt total ausgetilgt werden muss, weuu die Welt endlieh eine 
Stätte für Menschen werden soll, statt, wie bisher, ein Spielplatz für 
Götter und Teufel, welche mit uns Schindluder treiben. 

Heraus also mit der Beligion ans den Köpfen und nieder mit 
den Pfaiien ! Die Letzteren i>fiegen zu sagen, der Zweck heili«,'e das 
Nüttel. Woldan ! Wenden wir diesen Grundsatz endlich auch gegen 
am an ! Uuser Zweck ist die Befreiung der Menschheit aus jeglicher 
Sldaverei, aus dem Joche sozialer Knechtschaft, wie aus den Fesseln 
politischer Tyrannei, nicht n ander, ja vor Allem, au.s dem Banne 
Pf>lyrjr,-;er Fiasterniss. Jedes Mittel zur Erreichung dieses hohen 
Zieles niuss von allen wahren Menschenfreunden für recht erkannt 
und bei jeder sicli darbieteudeu Gelegeuheit iu Anwendung ge- 
bracht werden. 

Jeder religionslose Mensch begeht eine Pflichtvemachlässiguug, 
wenn ertilKlieh und sründli<'h nicht Allesaufbietet, wasiu seinen Kräf- 
ten stellt, die KeliKiiMi zu unterj^n-abeii. Jeder vom Gottesglauben 
Befreite, der es unterliisst, das Ptatieuthum zu bekämpfeu, wo uud 
wenn und wie er nur immer Gelegeuheit dazu hat, ist ein Verrather 
seiner Sache. Also Krieg dem schwarzen Gesindel — , unversdhn- 



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No. 3. lNI£K2iAT10NALB BIBLIOTHEK. 9 

Uchen Krieg bis aufs Messerl Aa(i-eizuDg gegen die Yerfüliier, Auf- 

kliiniiip: für die Verführten ! Lasset uns jedes Mittel des Kampfes 
in unstTo Dieuslc nehmen : Die Geissei des Sixittps, wio die Fackel 
der Wissenschaft j wo Uiestj uicht zureicheu, — gyeif- und fühlbarere 
Argumente I 

Vor Allem hüte man sich, in der Arbeiterbewegung Gottes- 
Phrasen und Keligionfr^efasel schweigend mitauzuhören. So wenig 

in dem Lagur der sozialen Revolution — und was ausserhalb des- 
selben steht, ist eben reaetiouar — monarehische Agitationen oder 
Privateigentbums-Beschöuiguugen Kaum linden können, so wenig 
ist in demselben Platz für göttlichen Blödsinn. Und, wohl gemerkt: 
je "anständiger" Biejemgen erscheinen, welche das verfluchte 
Keligionsblech mit den Arboiterbe?;trebunp:en vermisclien wollen; 
je "besser" deren Ruf ist, desto gefährlicher sind sie. Wer den Got- 
tesschwindel in irgend einer Form predigt, kann nur ein Dummkopf 
oder ein Sehnrke sein. Beide Sorten taugen nichts zur Förderung 
einer Sache, welche nur dann ihr Ziel zu erreichen vermag, wenn 
sie voll \v.v\ ganz auf derHöho wi!=;senschaftlicherErkenntDis8 Steht 
und sich d( r Ehrlichkeit, ihrer Verfechter erfreut. 

OpportLuiiratspolitik ist da nicht bloss vom Tebel ; sie ist ein 
Verbrechen, Liussea die Arbeiter irgend welche Plaüeu sich in ihre 
Angelegenheiten mischen, bo sind sie nicht nur belogen und betro- 
gen, sondern auch alsbald verratben und verkauft. 

So selbstverstfindlioh es ist, dass der Hauptkampf des Prole- 
tariats sieh gegen den Kapitahsmiis zu richten hat und mithin auch 
auf die Zemtörung des Gewaltmechauismus desselben, des Staates, 
abzielen musa, so wenig darf in diesem Kample die Kirche ausser 
Acht gelassen werden. Die Religion muss systematisch im Volke 
untergraben werden, wenn dasselbe zu Verstand kommen soll, ohne 
welchen es nicht die Freiheit erringen kann. 

Für die Dummen, resp. Verdummten, so weit sie noch besserbar 

erscheinen, weife man n. A. folgende Fragen auf: 

W'enn Gott will, dass man ihn kenne, li'ebe und fürchte, warum 
zeigt er a ich nicht t Ist er so gut, wie die Pfaffen sagen, welchen 
Grund hat mau, ihn zu fürchten? Ist er allwissend, weshalb be- 
lästigt man ihn mit seinen Privatangelegenheiten und Gebeten? Ist 
er allgegenwärtig, wo.ii ihm Kirchen bauen! Ist er gerecht, wes- 
halb denkt man denn, er \\ VI In d:o Menschen bestrafen, welche er 
voller Schwächen erschuft Ihun dio Menschen nur aus Gottes Gnade 
Gutes, welchen Grund hatte er dann, sie dafür zu belohnen f Ist er 
alhnächtig, wie köuute er es zulassen, dass wir ihn lästern ? Ist er 
aber iml)egreifiich, "weshalb beschäfti.iren wir uns mit ihm? Ist die 
Keuntniss von Gott nothwendig, weshalb sehwebt er im Dunkel ? 
U. R. w. Vor Bolchen Fragen steht der gläubige Mensch, wie em 
Ochs vor dem Beige. 

Jeder Nachdenkende muss aber zugeben, 6as&nieht ein einmger 

Beweis für die Existenz eines Gottes je erbracht worden ist. Ausser- 
dem liegt nicht die geringste Kothwendigkeit itir die Existenz eines 



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10 INTERKATIOKALE BIBLIOTHEK. NO. 3' 

Gottes vor. 86 wir bereits die Eigenschafteii nsd Begeln der ' 
dei'Natur kennen, ist ein Gott in oder ausserhalb derselben geradezu 
zwecklos, gänzlich übciUüssig und iBithin ganz von selbst binföliig. 
Sem ^^moralischer" Zweck ist nocU nichtiger. 

£s gibt eini grosses Reich, in welchem ein Herrscher regiert, 
dessen yerfabren dea Geist seiner Untertbanen in Unordnung bringt. 
Er will gekannt, geliebt und geehrt sein, und Alles bemüht sich, 
die Begrifle zu verwirren, die man sich von ihm machen kann. Die 
Völker, welche seiner Gewalt imtcrworfen sind, besitzen über den 
Charakter uud die Gesetze ihrea uusichtbareu Bouveräns bloss solche 
Ideen, als ihnen seine Minister mittheilen: diesehingegea geben es 
zu, dass sie selbst keine YorsteUung von Ihrem Meister sich machen 
können, dass sein Wille unerlbrschlich, Pfine Ansichten und Eigen- 
schaften unergründlich sind; so smd seiuö Diener unter sich selbst 
nie einig über die Gebote, die sie von ihm auszugehen vorgeben, 
dessen Organe sie sich nennen; er verkündet dieselben In jeder 
Provinz seines Eeiches verschieden; sie schmähen Bich gegenseitig 
und Emer bescfmldii^'t, den Andern ties Betruges und der Ver- 
fälschung. Die Edikte und Gebote, welche sie zu verkünden beauf- 
tragt zu sein vorgeben, sind dunkel; es smd Räthsel, die von den 
Untertbanen, deuen sie zur Belehrung gegeben sein sollen, nicht 
verstanden und nicht errathcn werden können. Die Gesetze des 
verborgenen Monarchen bedürfen der Erklärungen; doch Jene, die 
sie erkläi'eu, smd nie uuter sich selbst einig} Alles, w as sie von 
ihr^ verborgenen Fürsten erzählen, Ist ein GhacHi von Wider- 
sprüchen ; sie sagen auch nicht ein Wort, das sich nicht auf der 
Stelle als Lüge erweisen liesse. "Man nennt ihn ausserordentlich 
gutj dennoch gibt es auch nicht (']r:i n Menschen, dersich nicht über 
seine Beschlüsse beklagt. Man ucuut ihn unendlich weiso, und iu 
seiner Verwaltung scheint Alles der Verounil; und dem gesunden 
Verstand entgegen zu sein. Man rühmt seine Gerechtigkeit uud die 
Besten seiner Untertbanen sind gewöhnlich die am wenigsten Be- 
günstigten. Man versichert, dasa er Alles sieht, und seine All ltc- 
genwart heilt Vichts. Ef ist, Siigt man, ein Freund der Ordiiuü;,^ 
und in seinem Staate ist Alles in Terwimiog und Unordnung. Er 
thut Alles aussich selbst, aber dieEreignisse entsprechen seitenseinen 
Plänen. Er sieht Alles voraus, aber er weiss nicht was da kommen 
wird. Er lässt sich nicht ungestraft beleidigen und dennoch duldet 
er die Beleidigung eines Jeden. Mau bewundert sein Wissen, die 
VolllEonunenheit seiner Werke, dennoch sind seine Werke unvoll- 
kommen und von kurzer Dauer. Er schiifEt, zerstört und verbessert 
an dem, was er gemacht hat, ohne jo mitseinem Werke zufrieden zu 
sein. Bei allen seinen Unternehmungen sieht ernur auf seinen eigenen 
Buhm, dennoch erreicht er den Zweck, allgemein gerühmt zu sein, 
nicht. Er arbeitet blosan dem Wohlergehen seiner Untertbanen, aber 
denselben mangelt grosstentheils das Nothwendigste. Jene, die er 
am meisten zu begünstigen scheint, sind gewöhnlich am wenigsten 
mit ihrem Schicksal zufrieden : man sieht sie fast Alle stets gegen 
einen Herrn sich auflehnen, dfessen Grösse sie bewundem, dessen 
Weisheit sie rühmen, dessen Güte sie verehren, dessen Oerechtig- 



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NO. 3. IKTBBNATIOKALB BiBUOTHEC. 11 

keit sie fürchten und dessen Gebote sie heiligen, welche sie nie 
befolgen. 

Dieses Beich ist die Welt; dieser Herrscher ist Gott; seine 

Diener siud die Pfaffen, die Unterthanen die Menschen, eine 

adtiöne Gegend! 

Der Gott der Christen speciell ist, ^vie wir gesehen haben, ein 
Gott, der Verheissimgen macht, um sie zu brechen} der Pest und 
Krankheiten über die Menschen konunen lässt, um sie zu heilen. 
Ein Gott, der die Menschen verkommen lässt, um sie zu bessern. Ein 
Gott, der die Menschen nach seinem Ebcnbildo schuf und doch 
rieht der Urheber des Bösen sein soll; der sah, dass alle pciue 
Werke sehr gut Traren, und doch bald wahrnahm, dass sie schlecht 
sind; der es wusste, dkss die Menschen Ton der verbotenen Fmoht 
eesen würden, und dennoch dafür das ganze Menschengeschlecht . 
verdammte. 

Ein Gott, der so schwach ist, um sich vom Teufel überUsten 
zu lassen, so grausam, dass ilmi kein Tyrann der Erde ver- 
glichen werden kann. Das ist der Gott der jüdisch-christlichen 
Gdtterlehre. 

Derselbe ist ein aUweiscr Pfuscher, der die Menschen voll- 
kommen erschuf und sie ducli nicht vollkommen erhalten leonute, 
der den Teufel erschuf und ihn doch nicht zu beheiTScheu vermag, 
ein Allmächtiger y der Millionen Unschuldige verdammte wegen des 
Fehlers Einiger; der durch die Sündflnth alle Menschen vertilgte 
bis auf einige, und ein neues Geschlecht erzeiii; n Iii s, nicht besser 
als das frühere; der einen Himmel machte für Thoren, die nn die 
Evangelien glauben, und eiiio Hülle für die Weisen, die sie ver- 
werfen. — Er ist ein göttlicher Quacksalber, der sich duich den 
heiligen Geist selbsterzeugte ; der sich selbst als Termittler sandte 
2fwiscben sich selbst und Andere; der, verachtet und verhöhnt 
von seinen Feinden, an ein Kre^iz genagelt win^de wie eine Fleder- 
maus an ein Scheunenthor; der sich be<rniben liess, von den Todten 
auferstand, die Hülle besuchte, lebendig in den Himmel fuhr und 
mm seit achzehnhundert Jahren zur rechten Hand sehxer selbst 
sitzt, um zu ricliten die Lebendigen, und die Todten, dann, wenn es 
keine Lebendigen mehr geben wird. Er ist ein schrecklicher 
Tyrann, dessen Geschichte mit Blut geschrieben werden sollte, weil 
sie eine Kehgion des Schreckens ist. Hinweg denn mit der christ- 
lichen Götterlehre; hinweg mit einem Gott, erfunden durdi 
Priester des blutigen Glaubens, die ohne ihr wichtiges Nichts, wo- 
mit sie Alles erklären, nicht länger im Ueberfluss schwelgen, 
nicht länger Demuth predigen und selbst im Glänze leben, nicht 
länger Sanftmuth predigen und Hoehmuth üben, sondern durch die 
Anffllärung in den Abgrund der Vergessenheit geschleudert wer- 
den. Hinweg denn mit der grausamen Dreieinigkeit — dem mör- 
derischen Vater, dem unnatürlichen Sohn, dem wollüstigen Geist 1 
Hinweg mit all den entehrenden I^hantasmen, in deren Kamen 
die Menschen zu elenden Sklaven entwürdigt und durch die All- 
macht der Lüge von den Mühen der Erde auf die Freuden des 



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12 



IKTE&KATIOKALE BIBLIOTHEK. 



No.3. 



Himmels verwiesen werden, Hioweg mit ihuen, die mit ihrem 
geheiligten Wahne der Fluch der. Freiheit und des Glückes sind! 

Gott ist nur ein von ralAnirten Schwindlern erfondenes Ge- 
spenst, Tei*mittel8t weichem die Menschen bisher in Angst erhalten 
\md tyraiinisirt wurden. Aber das Truggebilde zerfli>sst sofort, 
Trenn es imter dem Glase nüchterner Untersuchung betrachtet wird; 
und die betrogenen Massen werden unwillig, auf solche Popanze 
noch länger zu achten, vielm^ fuhren sie den F£Eiffen die Worte 
des Dichters zu Gemüthe: 

' Ein Fluch dem Götzen, zu dem wir gebeten 

In Winterskälte und Hungersnöthen, 

"Wir haben vergebens gehofft und geharrt} 

Er liat uns geäfft, gefoppt und genarrt." 

Sie lassen sich hofftmtlich nicht mehr lange äffen, foppen und 
naneu, sondern steclien eines schonen Tages die Kruzifixe und 
Heiligen in den Ofen, yerwandeln die Monstranzen und Eelche in 
nützliche Geschirre, benützen die Krchen als Konzert-, Theater- 
oder Versammhmgslokalo, oder, falls Fie dazu nichts taugen sollten, 
als Kornspeicher und Pterdeställe, hängen die Pfaffen und Nonnen 
ins Glockenhaus und können blos das Eine nicht begreifen: wieso 
es kam, dass nicht schon längst derartig yer&hren wurde. — 

, Dieser kurze, bimdige und einzig praktikable Prozess wird sich 
natürlich erst im Sturme der kommenden sozialen Revolution voll- > 

ziehen, d. Ii. in dem Augenblicke, wo man auch mit den Komplizen 
der Pfaflheit, den Fürsten, Junkern, Bureaukrateu und Kapitalisten 
Tabula rasa macht, Staat und Geseilschatt aber, gleich der Kirche^ 
mit eiserne Besen gründlich auamisten wkd. 

JOHtf MOST, 

167 WUUam atmet. 



Anü-Syllabus. 

Ton Dr; Hermann Krasser, 



Schon vor fünMgtausend Jahren, wie die Wissenschaft bewies, 

Lebten Menschen auf der Erde — lange vor dem Paradies — 
Eh' die Bibel ward gedichtet, eh' des Schöjifers Werderuf, 
Laut der eig'neu Offenbarung, Himmel, Erd' und Menschen schuC ^ 
Ist die Offenbaiimg richtig, dann beweist sie sonnenklar. 1 
Bass der Mensch schon lange lebte, eh' er noch vorhanaen war, 
Dass der Himmel und ch'e Erde schon Jahrtausende l)estand, 
£h' sie ''Gott der Herr" zu, scliaffea imd zu lenken nöthig £and. 



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t, 



NO. 3. IimSBKATIONAL& BIBLIOTHEK. 13 

Eh' vom Bäume der Erkemitnias Adam aas !n schnöder Lust, 

Hat die Stenschheit von Jehova sidierlich kein Wort gewusst. 
Gab es Pürsten da und Priester, waren solcho nicht wie jetzt 
Von Jehova eigenhändig auserwätüt und eingesetzt. 
War vielleicht auch gar nicht nöthig — seht euch an den BienensUxab, 
Welcher nebst den Arbeitsbienen immerdar auch Drohnen hat ; 
Seht die menschliche Gesellschaft, wo der eine Earrengaul 
Ziehen muss für zwanzig and're, die zum Karrendienst zu faul ; 
Denkt der Bürger, deuk't der Bauern, die in harter Knf'i htesfrohn 
Millionen steuern müssen für den Glanz von Fürst und iiirou. 
Denkt dazu der steh'nden Heere müss^gen Volks zu Pferd und Fuss, 
Die der Mensch, aur eig'nen Knechtung nothgedrangen füttern muss. 
Denlvt des schwarzen Heeres der Kutten, das zu Gottes Ruhmund Preis 
Um erlog'ne Hiuunelsmanna tauscht der Erde blut'gen Scliweissj 
Denkt des Adels, schnöder Wuch'rer und des grossen Kapitals, 
Denkt des Weibes und der Khider und des HilfepersonalSy 
Die der Eine muss ernähren, weil er eben fieissig ist. 
Obendrein, zum Rasendwerden, muss er noch als guter Christ 
Mästen eine Schaar von Lumpen, Gaunervolk und Tunichtgut, 
Bettler, Schwmdler, Vagabunden, Eäuber, Mörder, DiebesbratI 
Jedem, der zu faul zur Arbeit, baut der brave ünterthan 
Kerker-, Armen-, Sieehenhäuser, muss sio pflegen höchst humaUy 
Während seines eig'nen Jammers keine Seele sich erbarmt. 
Bis er selber wird zum Diebe, weil zum Huugerstod verarmt. 

Also lag's von Olims Zeiten in der menschlichen Natur; 
Wenn die Einen dienstbeflissen dachten an die Arbeit nur, 
Gab r?; Andre, Erzfaullenzer, die, geciuält von Hiingersnoth, 
■ Emsig s[)ekuliren mussten auf des Thät'gen saures Erod. 
Waren solche Lung'rer mächtig, übten sie das Kolbenrecht, 
Sehwangen sich empor zu Herren und der Fleiss^ge ward zum Knecht I 
Waren sio dagegen schwächer, suchten sie mit Hinterlist 
Fremde Ernten zu erschleichen, wie das heut' noch üblich istj 
Durch Sophismen aller Arten pflanzten sie mit frecher Stirn 
Transzendenten Schwindelhafers tolle Saat ins Menscheuhirn, 
Lehrend, dass ein wohlgekochter, unvenrfand'ner Phrasenbrei 
Für das Seelemheil der Menschen unumgänglich nöthig seL 

Also theilen sich von jeher in die Last des Regiments 
Jene beiden Urgewalten ohne himmlischen Assens, 
Hicrarchen, Potentaten, bar des Gottesguadeuthums, 
Herrschten kn^ des autonomen, eig'nen PrlTileglmnBl 
Wie sie ihres Amts gewaltet vor der Embryonenzeit 
Der mosaischen Genese, schwebt in tiefer Dunkelheit. 
Schlimmer war's in keinem Falle, als es später offenbar, 
Laut der bibhschen Geschichte, um die Zeit der "SündÜuth" war. 
Wo des «'Himmels Stellvertreter^ ihre Sünden so gehäuft, 
Dass sie Gott der Herr im Zorne sammt dem Pöbel hat ersiuift. 
Doch Jahrtausend um Jahrtausend ging dahin in raschem Flug, 
Und noch immer keucht der Bauer darbend hinter seinem PÜug, 
Und der Proletar der Städte hungert noch bei allem Fleiss, 
ünd es hungern Weib und ^der, die er nicht zu nähren weiss 



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14 lNT£JLNATI01«AL£ BIBLIOTHEK. NO. 8 

Ton der '^besseren Gesellschaft'' ausgenützt und müdgehetzt, 

Von der öfftnitliclien Meinung'' insultirt und tiefverletzt, 
Geht der Armo ewig trauernd durch der Erde Paradies, 
Stumm verzweif elnd an sich selber, well die Menschheit ihnverstiess. . 
Allen Andern lacht das Leben, lacht der Freiheit volles Glück, 
Ihn allein, den Hofiuungslosen, stösst des Bruders Hand zuruok. 
Von dem reichen Freudeiimahle, welches aller "Welt bescheert, 
Seinen Antheil zu gemessen, wird dem Bettler streng verwehrt. 
Und was hat er denn verschuldet, dass er wie ein räudig Schat^ 
Aüsgestoasen wird von Jenen, die das Qlfick ereilt im Schlaf, 
Die gestützt auf ihren Stammbaum, deduzireu ganz absurd, 
Wie das Menschenrecht datire von dem Zufall der Geburt, 
Die da schwelgen in ererbtem oder in geraubtem Gut, 
D'raiL als Edelstein und Perle klebt des Armen Schweiss und Blut, 
Die in Amt und Wfirden sitzen, wdl ihr Yetter sitzt im Rath 
Oder sonst als Würdenträger glänzt im wurdelosen Staat ? 
Sagt, ihr Keichen und Beglückten, was verbrach d(?r Proletar, 
. Wenn das Weib, das ihn geboren, eure Konkubine war? 
Welcher tiefe Abgrund gähnet zwischen euch und eurem Knecht — 
Seine Weiber, seine Töchter waren euch doch nie zu schlecht! 
Mittelst Geld und glatter Worte, in GenüBsen raHQlnirt, 
Habt ihr in der Armuth Hütten Gift und Schande eiugefohrty 
MittelHt Zölibat der Pfaflfen und Soldatenzölibat 
Fröhnt dem Laster und der "Sünde" der entnervte Christenstaat. 
Und nun wollt ihr den yerdammen^ der verwahrlost und yeraimt^ 
Euren Lüsten fiel zum Opfer, weil sich niemand sein erbarmtT 
Hat der Arme, Unterdrückte hinter der gefurchten Stirn 
Nicht ein gleich entwicklungfilhig, vollgewichtig Menschenhirn? 
Tragt er hinter Schmutz und Lumpen nicht ein Herz, das menschlich 

schlägt, 

Gleich empfiiuglich für das Gute, wie der Glückliche es trägt? 
Doch das habt ihr läogst eirathen, habt von „Menschlichkeit'' 

beseelt, 

SohuP und Kirchen ihm errichtet, um zu geben, was ihm fehlt, 
Aber wollt ihr wirküch helfen, gründlich lindem seine Noth — 
0 verweigert ihm nicht länger des Jahrhimderts geistig Brodl 
Gebt ihm Wahrheit, gebt ihm Wissen, statt dem alten Firlefanz, 
Dass er menschenwürdig blühe im modernen Völkerkranz. 
Schliesst die alten Trödelbuden, die man ^^Bildungsstätten'' nennt, 
W^o das Alter seine Thorheit uns vermacht im Testament; 
Andre S ^nilen braucht das Leben, braucht der neue Geist der Zeit^ 
Soll die S( iiLüe sich erheben aus der alten Dunkelheit. 

Ob dereinst des Weltenvaters allbekannter Werderuf 
Jenes Ii oht^ das nicht geleuchtet, an dem zweiten Täge schuf — 
Ob er drauf am vierten Tage Sterne, Sonn' und Hond gemacht, 
Um zu leuchten auf die Ei^e und zu scheiden Tag und Kacht — 
Ob Jehovü, der AUmächt'ge, ruhen musste hiutennäch, 
Weil er iunerhalb der Woche täglich ein'ge Worte sprach — 
Ob mit seiner eignen Bippe sich ein Er^enklos gepaart, 
Dann vom Bäume der Erkenntniss ass und d'rum Ycrstossen waid*— , 



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^0.3. IKTERNATIOKALE BlUUOIEEK. 16 

Ob das Ebenbild des Schöpfers, ob der erste HenschensoliZL 

Zum veniichten Brudermörder -ward im Paradiese schon — 

Ob die Keihenlüliie rieht ip; fpät'rer Genealogie, 

"VVo sie lebten, zcuyLeü, starben, gleichsam wie das liebe Vieh — 

Ob zur Sühne fremder Fehler Abraham das Messer schliß 

Um den eigenen Sohn zu schlachten, opfernd einen Wahnbegriff— 

Ob den Loth die eig'nen Töchter zu berauschen so j^ewiisst, 

Dass sie sich mit ihm besudelt in verbot'ner Fleischeslust — 

Ob iu den famosen Schriften Salomonis Dinge stehn, 

Bieder Anstand strengyerbietet, schwarz auf weissgedrucktzu seh'n. 

Ob am eig'ncu Ilaare zuppelnd hing am Baume Absaloii — 

Ob die Juden schrecklich stahlen, eh^ sie aus Egypten floli'n, 

Und, dieweil den Kaub' dui'ch Moses „Gott" befohlen und gewollt, 

In der Wüste ganz behaglich tanzten nm ein Kalb xon Gold — 

Ob JehoTa, der Gerechte, Pharao'n mit seinem Heer, 

Weil sio flugs den Räubern fo^irteu, hat ersäuft im rothenMeer — 

Ob der Simson die Phihstcr mit dem Eselskiun erschlug — 

Ob Eobekka ihren Spi*üssliug unterrichtet im Betrug, 

Bis er seinen blinden Vater also hinter's Licht gefOhrt, 

Dass er seinen Bruder Esau um die Erstgeburt geschnürt — 

Ob Jchova dmn zum Lohne für das sündifje Geprell 

Ihn ernannt zum Stammesvater seines Volkes Israel — 

Ob die Schwalbe dem Tobias wirkiicii hat ins Aug' gedrucKt — 

Ob der WaMscti den yersohlung'nen Jonas wieder ausgespuckt « 

Ob Maria erst empfangen, dann den Jesussohn gebar, 

TT^nd dal)ei doch eine reine, unbefleckte Jungfrau war — 

Ob sie sich darnach gereinigt, wie es in der Bibel stellt, 

"SVas bei andern Erdenlüchtern im Yerborg nea vor sich gelU — 

Ob der Heiland unsere Sünden so getUgt vor Gottes Thron, 

Dass von allem Fluch gereinigt glcänzt die — Itiquisition — 

Ob er wohl sein erstes Wunder gar so trefflich angebracht, 

Witi ( r den besüü'uen Juden hat aus Wasser Wein gemacht — 

Ob er wirklich Staub genommen in die Hand und drein „gespützt" 

Und dem Blindgeborenen solche Wundersalbe viel genützt — 

Ob die Teufel wirklich fuhren, seinem Willen unterthan, 

In die Gergeneser Säue, die sich dessen nicht versah'n — 

Ob das Weiblein, das zwölf Jahre an der Mutterblutung htt, 

Burch Berührung seines Kleides von der Krankheit wurde quitt — 

Ob der alte Nikodemus mit dem klügelnden Verstand 

Jugend, wie zum Mutterleibo wiederum dio Iiückkehr fand — 

Ob das uns're Kinder lernen, wenn sie kaum im zehnten Jahr — 

Ob sio aUes das begreifen, zweifellos und sonnenklar — 

Ob ein solcher patentirter Adamitennnterricht 

Ihre SittUchkeit beft r lert oder ihr den Nacken bricht— 

Nun, ihr Priester, „Yolkserzieher'', — unbeschadet eurer Huld — 

Dazu braucht^s von unserer Seite übermenschlicher Geduld, 

Bünder Glaube, den ihr fordert als gebührenden Tribut, 

Knn, das wisst ihr selbst am besten, dieser ging ja längst kaput. 

Doch das Schlimmste, was die Schule alten Stils den Kindern bot, 

War die Kreuzigang aes Geistes, war der Denkgesetze Tod. 



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lOTBRNATrOyALB BIBLIOTHEK. 



No. 3. 



Wer die Wahrheit .ioner Mährchen nur zum zehnten Theil geglaubt, 
»Wurde des vcniiuül'gen Denkens für sein Leben lang beraubt; 
Zu geschweigeu jenes Schadens, dass dem Portschritt abgespart, 
So viel Zeit und Geistesarbeit, schlecht benützt, vergeudet Träord. 

Und mit solchem abgelegenen, tollen Tnrath allerwärts 
Wagt ihr heut' noch zu verpesten uns'rer Kinder Geist und Herz t 
Heute, wo ein mächtig Wissen in der Welt emporgeblüht, 
Gleich befruchteiid fOr die Seele, ^e veredelnd das Gemüth? 
Heute, wo der Schriftgelehrte, der die Neuzeit nicht versteht. 
Durch die glanzgcfüllteu Stätten der Kultur als Fremdling gehtt 
Wo der ernste Mann der Arbeit, der dem Fortschritt ferne war, 
In dem schweren Kampf um's Dasein untergeht als Proletart 

Fort mit Eabbala und Traumbuch nächtiger Vergangenheit ; 
Baut vernünftige Menschenschulen dem Geschlecht der neuen Zßtt t- 
Tief bedauern wir die AHpti, die im IiTthum unterthan, 
Nicht die wunderbare Klarheit heutipjer Erkemitniss sah'n. 
Die bei hohen Geistesgabeq, seufzend miter Müh' und Qual, 
Selbst ihr Leben fteudig wagten für der Wahrheit Ideai 
0 wie Win (Ir l sie sich freuen, säh'n sie unserer Tage Glück, 
0 wie blickten sie mit Wehuuith auf die alte Zeit zurückl 
Könnten Sol.i;itt s und Christus aufcrsteh'u in uns'rer Welt, 
Und sie sah n das einsöge Dunkel gar so zauberhaft erhellt, 
Welcher Jubel, welch' Eatzücken, o 'wie tauchten sie sogleich 
• Mit der ganzen Kraft der Seele in das neue Geisterreich! 

Und wir sollten ewig hangen am ererbten Mummenschanz, 
Statt uns sehg zu versenken in der Zeiten Licht und Glanz? 
Und wir sollten rückwärts greifen, Kinder einer grossen Zeit, 
Die so weit das Abgelebte überstrahlt an Herrlichkeit f 
Fort mit allen Rimipelkammern voller Schutt und Moderduft ! 
Mensclilieit, bade deine Schwingen in der frischen Morgenlultl 
Dulde nicht, dass eine Stunde unbeuützt vorübergeht, 
Eh' sie ihre goldnen Saaten auch in deine Brust gesä't I 
Diüde nicht, dass die Minute unverstanden weiter rückt, 
Eh' sie ihi-eu Hohheit^stciTipel auf die Stirne dir gedrückt! 
Dulde nicht, dass deiner Kinder unverdorbner Geisteskraft 
Ferner vorenthalten bleibe die moderne Wissenschaft 1 
Tritt ein FSfflein dir entgegen, mit Kapuze und Tonsur, 
Singend seinen Bibelsegen — sing* du Psalmen der Natur, 
Schlägt er mit dem Kruzifixe, mit Konzil und Krummstab darein» 
Um dich wieder zu bekehren zu den alten Litanei'n, — 
Dann mit Teleskop und Spektrum demontir den armen Wicht, 
Oda: schleuß ihm der Neuzeit Blitz und Dampf ins Angeeicht i 



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