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Full text of "Heidelbergische afterw. Heidelberger Jahrbücher der Literatur"

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H£ID£LB£RG£R 


JAHRBÜCHER 


DER 


LITERATUR. 


SECHS  DUO  ZWANZIGSTER  JAHRGANG. 


ZWEITE  HÄLFTE. 
Juljf   bis  December. 


HEIDELBERG. 

In  der  Universitäte- Buchhandlung  Ton  C.  F.  WINTER. 

188S. 


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N^40.   HBIDBLB.  JAHRa  0.  UTERATUa  1881. 


Jpoka^^behe  GUere  und  neue  Erwartungen  auf  dfe 
Jakre  1880  6»  1886^  Beurikeaung. 

Kein  Theil  der  Bibeierklärung  beweist  auffallendejp 
als  die  Apokalypse,  wie  unsicher  der  seligmacheofle 
Glaube  an  GoU  und  göttliche  Dinge  seyn  wQrde,  weaa 
er  voD  der  Audwtog  historischer  Ueberlieferongen  ab- 
hängen rnüfste.  Wie  viele  unläugbar  GatwoHenden  unter 
den  Bibelerklärern  suchten  hier  Weg  und  Ziel,  Bahn 
und  Richtung.  Und  doch :  wie  weit  und  immer  weiter 
divergent  von  einander  sind  die  Linien  geworden,  auf 
denen  ihre  Auslegung  fortschreitet,  während  an  der 
Redlichkeit  ihres  Porschens  und  auch  grofsentheils  an 
dem  Mars  ihrer  \  orkenntnisse  nicht  zu  zweifeln  ist. 

Eine  Zeitlang  freilich  wurde  es  flElr  das  entschiedenste 
Zeichen  des  Unglaubens  ausgeschrieen,  wenn  kritisch- 
historische  Gelehrte,  seit  Joh.  Sal.  Semler,  über- 
haupt darauf  aufmerksam  machen,  dafs  die  protestan- 
tischen Kirchenlehrer  zwar  mit  Recht  behaupteten  :  das 
Urchristenthum  sey  nicht  aus  späterer,  unstäter  Tradi- 
tion, sondern  nur  aus  der  Samralu  ng  der  acht  urchrisi- 
lichen  Scbrifbn  (s  dem  Kanon)  «u  erkennen!  dafs 
aber  cb^n  diese  Vorsteher  der  Kirchen,  welche  zu  dem 
Urchristenthum  reiner  zurüc  k/ugchen  den  Vorsatz  haben, 
doch  bis  in  die  Mitte  des  18ten  Jahrhunderts  herab  nicht 
dnmai  die  erste  Vorfrage  genug  untersucht  hätten ,  näm- 
Kdi:  welche  Schriften  mit  vollem  Recht  ffir  ächt 
urchrietfich  erkannt  und  nach  genügenden  GrOn-*' 
den  in  den  Kanon  aufgenommen  worden  seyen.  Es  galt 
besonders  für  heterodoxen  Unglauben,  wenn  Zweifels- 
gründe ,  warum  die  Johanneische  Apokalypse  a)  nicht 
apoetoliaeh  ,  fr)  nicht  von  sp&teren  Zeiten  erklSrbar,  und 
c)  niciit  als  geschichtlich  erfllllt  un  erkennen  sey,  immer 
mehr  in's  Licht  gestellt  wurden. 

XXVI.  Jahrg.  1.  Heft.  40 


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116  A|Mludy|^i«ciie  firwartaagflii 

Jetzt  eniHidi,  da  den  sachkundigeii  Uoteraichungeo,  . 
wie  es  seyn  soll ,  einige  Decenoieii  hindurch ohne  eine 

HlnderuDg  von  der  (vermeintlich)  episkopalischen  Kir- 
chen^evvalt,  die  Laufbahn  zum  Ziel  der  Wahrheit  (d.i.  der 
überwiegenden  Ueherzeugung)  frei  gelassen  worden  war, 
zeigt  sich  das  Resultat  soweit  vorgerückt,  dafs  (s.  unsere 
deswegen  ensf&hrl(che  Reeension  im  Heft  4.  und  ö.), 
ein  echtungswürdiger  Theolog ,  welcher  grgen  atlePer'- 
thien  sich  mit  Umsicht  in  der  Mitte  zu  halten  sucht, 
nicht  nur  ausspricht,  sondern  auch  mit  vieler  Ruhe  und 
Sachlienntnils  nach  allen  Seiten  die  Beweise  dafUr  con- 
oentrirt,  dafs  die  Apoitalypse  a)  nichtapostolisch,  fr)  nicht 
auf  spStere  Erfolge  hinausdeutend,  und  e)  factiseh  nicht- 
erfüllt ist,  dennoch  aber  d)  da  sie,  im  KirchenkanoQ 
stehend,  den  Kirchen  genossen  bekannt  seyn  und  bleiben 
mufs,  auch  ftir  dieselbe  ausgelegt  und  anwendbar  ge- 
macht werden  soll.  Unstreitig  wird  sie  demnach  den 
Nichtgelebrten  anders  nicht|  als  so,  wie  die  Kritik  der 
Nicht«Heterodoxie  sie  endlich  erltennen  mufs«  nach  jener 
ihrer  eigenthümlichen  Beschaflenheit  kirchlich  zu  er- 
Jilären  und  anzuwenden  seyn?? 

Je  weiter  nun  diese  ailuiählich  zum  Ziel  fuhrende 
Linie  sich  rei^hts  hin  gewendet  hat,  desto  weiter  diver- 
girivon  ihr  die  gewifs  noch  bei  den  aUerineisten  .Kir- 
chengenossen fortdauernde  (in  ihr  religiöses Bewufstseyn 
recht  tief  aufgenomniene  und  eingesenkte)  Behauptung, 
;  dsfs  die  Apokalypse  ächtapostolisch,  dafs  sie 
geschichtlich,  besonders  antipapistiscb«  wup- 
derToil  erfftltt,  und  noch  in  weitere  Erfül- 
lungen hinaus  leuchtend  und  wahrsagend  sey. 

Da  wir  von  jener  nicht  nur  für  die  Aufgeklärten  er-> 
wiesenen,  sondern  auch  allmahlig  in  die  Orthodoxie 
übergehenden  kritischen  Usberzeugung  in  Bezug  auf  die 
LüQke'sche  Einleitung  im  4t  und  5.  Heft  dieser  Jabr-> 
bficher  Bericht  erstattet,  und  daran  auch  durob  aiM*- 
f&hrliche  Darlegung  unserer  Anrieht  gerne  einen  eigenen 
Antheil  genommen  haben,  so  ist  es  der  Muhe  werth  und 
wird  auf  der  andern  Seite  für  die  Sache  der  \V4bfheit 


! 

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.  j 


förderlich  seyn,  gleich  unpni  theii«:ch  den  Gesichtspunkt 
darzustellen,  auf  welchem  gegenwärtig  die  an  Wahr- 
sagung glaubige  Apokalyptik  «ch  noch  m  er* 
halten  bemfihft 

.    Meist  nehmen  die  kritisch  Denkendeu  oder  Denk- 

glaubigen  gar  zu  wenig  Notiz  von  der  immer  wt  itersieh 
von  ihnen  alj lenkenden  Divei genzlinie  des  mirakulosen 
Prophezeihung.«iglaubens,  welcher  doch  wahrscheinlich 
fiir  jetzt  noch  unter  denen  Kirchenmitgliedern ,  die  nicht| 
vom  Unglaublichen  bereits  allzusehr  abgestofsen ,  in  töI- 
Ilgen  Indifferentismtts  Qbergegangen  sind,  vorherrschend 
ist.  Und  doch  kann  die  Berücksichtigung  dieser  Wir- 
kungen des  Wunderglaubens  in  der  Bibelauslegung,,  man- 
cherlei wichtige  Betrachtungen  veranlassen.  Man  frage 
sich  z.  B.,  ob  der  Gemeindelehrer  sich  Ton  der  Menge 
leiten  lassen  sollte^?  oder  vielmehr  (mit  redlicher  Vor- 
sicht) die  Menge  auf  das  Richtigere  hinzuleiten  habe? 
Das  heifst:  Man  frage,  ob  etwa  Der,  welcher  Astro- 
nomie, SO  gut  er  sie  versteht,  lehren  soll,  dadurch  ge- 
bunden seyn  solle,  dafs  uns  allen  dennoch  die  Sonne  m 
ianfen  scheint?  Man  frage  etwa  ferner:  ob  eine  seit 
vielen  Jahrhunderten  aus  der  idbltchen  und  frommen 
Absicht,  sich  (Um  AiUichristliclien  entgegenzusetzen, 
sehr  verbreitete  Deutungsart  eben  deswegen,  weil  sie 
mit  dem  religiösen  Bewufslsej^n  Vieler  gleich- 
sam identifidrt  ist,  dadurch  einen  traditionellen  Vorzog 
hab«?  und  dergl.  m. 

Um  die  Sache  und  ihren  Werth  durch  sich  selbst 
klar  zu  machen,  wollen  wir  zu  authentischen  Erklärungen 
dieser  dem  Supernaturaüsmus  unstreitig  angemessensten 
Apokalyptik  fibergehen.  Da  gerade  jetzt  und  1886.  die 
bedeutendsten  Erfüllungen  eintreten  sollten »  so. wären 
vrir  dem  irrefragabelsten  Beweis  fftr  den  Weissagungs- 
beweis en<liich  recht  nahe  gerückt.  Ks  ist  der  Mühe 
Werth,  zu  fragten:  was  hatte  man,  wie  supernaturali- 
stiscb  ausgerechnet I  zu  erwarten?  und  wie  sucht  man 
ounmehr5  da  die  ausgerechneten  Erfftlinngen  kaum  in 
einigon  Pnnkten  zntreflfen,  bereils  provisorisch  vrieder 


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neue  VertagongeD  und  Fristen  fBr  diese  miraknlose  Aus* 
legungswelse  vorzubereiten? 

Kunse,  sinnreiche  Andeutungen  hierüber  sind  zu 
Pehmen  ans  swei  kleinen  Schriften  eines  mir  unbelcannten 
Verfs..,  aus  welchen  ich  das  Wesentliche)  soviel  möglich, 

wörtlich  zuhammeiiziehe : 

[1.]  D§r  9ier9ehni0  0«lo6er  1888.  Siuttgaris  hei  Loßund  und 
Sohn,  Ge§ekrkben  den  14.  Aug,  1SS2. 

„Nach  der  Berechnung  des  seligen  J.  A.  Ben  gel 
^s.  dessen  Lebensbeschreibung^)  vpn  Burk  S.  277.)  soll 
den  14.  Oct  in Erflillung  gehen,  was Ofienb. IT, 

18.  18.  geweissagt  ist  Der  Sinn  der  Stelle  sey  nach 
dem  Grundtext  wohl  so  zu  fassen:  Zehen  Könige,  welche 
vorher  nicht  Koni(»e  waren,  werden  in  Einer  Stunde 
mit  dem  Thier  (also  zu  gleicher  Zeit  mit  dem  sich  wieder 
erhebenden  Menschen  der  Sünde)  eine  königliche  Gewalt 
empfangen,  einstimmig  die  Oberherrlichkeil  desseiben 
anerkennen,  und  sich  zu  seinen  Zwecken  gebrauchen 
lassen.**  —  Nach  der  Bengerschen  Rechnung  wäre  der 
uns  bereits  unmittelbar  gegenwartige  Zeitzustand  auf 
folgende  Weise  bestinunt: 

a)  Das  Weissagen  der  zwei  Zeugen  dauert 
12(iO  gewöhnliche  Tage,  zwischen  den 

Jahren   1830  —  1834. 

6)  Die  letzte  Zertretung  Jerusalems  dauert 

42  gewöhnliche  Monate,  zwischen  1830—1834. 
e)  Das  Aufsteigen  des  Thiers  ans  dem  Ab» 
grund,  das  bei  seiner  Ankunft,  als  ein  in 
Einer  Stunde  sehr  mächtig  gewordenes 
Thier,  höchlich  bewundert  wird,  etwa  - 
im  Jahr   .   •  1830« 


JMsM  tiel  aatheatiacbeft  von  dem  ^irwardig«!!  VerbraitAr  i«r 
Kritik  Neoen  Testamcnta ,  und  phiiologijrcli  mnitemiftrsigen 
Sdioliaiteii  denelben  aiifbewaiifeQde  —  Religaiensanmlnag  enl- 
hjilt  io  Tlcle  gediegen  valire  Anseproclie  und  Lebenecrfoliran'- 
gen ,  dafb  eie  fdr  den  Torartheilsfieieren  fast  noch  aniiehender 
■eyn  bann,  als  fdr  den  BetchrftnbtdenbMidea«  Pt. 


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I 


nach  Beng^el,  Osiaoder,  Wurm,  Burk  u.  A.  629 

d)  Das  Thier  nimmt  seinen  Thron  auf  den 
sieben  Bergen ,  wo  es  eine  „kleine  Zeit" 
bleiben  mufs   1881  —  1832. 

e)  Die  einstflndtge  Macht  der  sehen  Könige 
Cap.  11,  12.  dauert  Eine  prophetische 
Stunde,  d.  i.  acht  Tage    vom  14.  bis  22.  Oct.  1832. 

»Alle  diese  Ereignisse  hätten  nnn  bereits  anfangen,  znm 
Theil  auch  schon  geschehen  seyn  mfissen ,  wenn  Bengel 

Recht  hätte.  Dafs  das  nicht  der  Fall  ist,  bedarf  (auch 
für  Die,  welche  nicht  zum  voraus,  sonrVern  nur  durch 
hangreifliche  Erfahrungen  klug  werden)  keines  Beweises. 

Daher  wankte  dem  Verf.  schon  im  August  1882,  auch 

die  Richtigkeit  der  Zahl  1836,  indem  jener  „Fürsten  * 
Congrefs,"  den  man  aus  Apok.  17^  13.  auf  den  14.  Oct. 
1832.  berechnet  hatte,  nicht  mehr  zu  erwarten  war. 
Dem  ileswegeo  zu  befürchtenden  Unglauben  zuvorkom- 
neud,  unternimmt  der  Ver£  jetzt  sogar  ^,  einen  biblischen 
Beweis  dafs  das  Jahr  183ft  nicht  das  Jahr  der  Zukunft  - 
Chri^iti  seyn  kann,  und  somit  auch  auf  den  14.  Oct. 
1832.  nicht  zu  zählen  war.  Er  rückt  mit  einem  Mal  — 
vorsichtig  und  .entschlossen  genug  —  alles  Erwartete 
and  sogar  fast  inspirationsartig  Ausgerechnete ,  hinaus  in 
eine  unbestimmbare  Weite  der  Zukunft,  die  er  aber 
doch  eher  nahe  als  weit  entfernt  zu  ahnen  scheint 

„Matth.  24.  und  Mark.  13.  rede  Jesus  nur  in  den 
2  ersten  Versen  von  der  Zerstörung  Jerusalems,  und 
derjenige  Abschnitt  des  24.  Cap.  im  Matthäus,  in  dem 
der  15te  Vers  vorkommt,  müsse  von  der  letzten  (!)' 
Zeit  verstanden  werden,  da  unmittelbar  vorher  V.  14. 
sage,  dafs  das  Evangelium  zuvor  gepredigt 
werden  müsse  allen  Völkern.'' 

Daher  macht  sich  der  Verf.  zum  1&.  Vers,  der  sich 

auf  den  Propheten  Daniel  beruft,  eine Uebersetzung 
Qod  Ausdeutung,  die  das  glaubige  Erwarten  mit  einem 
Male  in  das  — Grenzenlose  der  Zukunft  versetzt.  DerSinp 
der  Danielitischen  Stelle  9,  24 — 2T.  sey  so  zu  fassen:  * 
])8iibea9ig  Juhrwoehen  (vou  rieben  Jahren)  sind  „ab-* 


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IM  Apakaljptiifehe  Enratliiiifea 

r  • 

*  I 

schnittsweise''  bestimmt  über  dein  Volk  und  über 
deine  heilige  Stadt  (Jerusalem),  mit  deren  Beendigung 
alles  längst  verheifsene  Heil  deinem  Volke  zu  Theii  werden 
urird.  Vod  diesen  verlnufen  T  und  2  und  60  (al^. 
im  Ganzen  68)  bis  som  Tede  dea  Messias.  Nachher 
wird  ein  mächtiges  Volk  (dieRdmer)  komnien,  und  die 
Stadt  und  das  Heiligthum  zerstören,  und  sie  werden  bis 
zum  Ende  verwüstet  sejn.  In  der  letzten  (!)  Jahr- 
woche  aber  wird  Gott  Seioeo  Bund  mit  Einer  Auzahl 
Seines  Volks  erneuern  (sie  werden  den  Tempel  wieder 
bauen,  und  in  demselben  wieder  Opfer  bringen).  In 
der  Mitte  der  T  Jahre  aber  wird  das  Opfern  auf- 
hören; der  Antichrist  wird  sein  Bild  vor  dem  Tempel 
aufstellen,  und  diese  Entheiligung  des  Ortes  wird  bis 

an  8  Ende  währen/' 

i 

Die  70  Wochen,  folgert  nun  der  Verf.,  werden  also 
in  3  Abschnitte  getheilt:  in  7,  2  und  60  und  Eine. 
Zwischen  diesen  Abschnitten  aber  yerfliefseii 
Zeiten,  die  nicht  gerechnet  werden^  snd  da*^ 
mentlich  «wischen  der  68sten  nnd  TOslen 
Jahrwoche  laufen  18  Jahrhunderte  ab,  die 
bei  der  prophetischen  Rechnung  gar  nicht 
in  Anschlag  kommen  (!),  weil  während  derselbeo 
▼on  der  Kreueigung,  Christi,  vnd  b^nders  von  der 
Zerstörung  Jernsalem|>in,  die  Judenschaft  nicht  mehr 
als  ein  Volk  Gottes,  und  ihre  Stadt  nicht  mehr  als  eine 
heilige  Stadt  zu  betrachten  ist,  die  tO  Wochen  aber  nur 
auf  „das  Voll^  und  die  heilige  Stadt"  sich  bezieheo 
können."  Somit  wäre  die  lOste  Woche  noch' 
snriich,  und  begreift  die  letzten  t  Jahre  Tor 
dem  Ende  der  g e o;enwirtigen  Weltverfassung 
in  sich.  Denn  die  löste  Woche  müsse  sich  auf  eine 
i-eit  beziehen,  in  welcher  wieder  von  einem  Volk  Gottes 
nnd  einer  heiligen  Stadt  die  Rede  se^n  kann« 

Jetzt,  da  die  langgeglaubte  Ausrechnung  durch  den 
Erfolg  sich  ergeben  sollte,  und  da  sie  sieh  nicht  er« 
probte,  jetat  also,  da  die,  welche  endlieb  das  Laafer^ 


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harrte  erleben  sollten,  um  sonst  g^ewartet  und  ge- 
glaubt zuhaben,  handgreiflich  lernen  mufsten,  werden 
endlieh  gegen  die  ßerechnung  selbst  beachtungswerthe 
Benerkaogeft  mitgetheilt,  denen  nichts  fehlt,  als  dsfs 
sie  dem  wonderbegierigen  Zeitidter  schon  Hingst  hätten' 
entgegengestellt  werden  sollen ,  da  sie  längst  zum  voraus, 
ohne  die  leidige  Widerlegung  aus  dem  Erfolg  erleben 
ZV  müssen,  leicht  zu  machen  gewesen  wäreii» 

S.  4.  bekennt  der  Verf.  nunmehr:  ^Oline  genö- 
geinlen  Grund  behauptete  Bengel ,  dafs  die  Wehdauer 
auf  lllH'^/g  Jahre  festgesetzt  sej,  und  ebenso.,  dals  di« 
beiden  Jahrtausende  der  Gebundenheit  des  Satans  und 
der  Regierung  der  Heiligen  nach  einander  ablaufen« 
'  Isdem  er  die  2000  Jahre  Von  hinten  herein  von  den 
Tltl^^  Jahren  abzog,  kam  Er  auf  das  Jahr  5717^  Jahr 
der  Welt  oder  auf  das  Jahr  1836.  nach  Christi 
Geburt.  Da  sich  aber  dieses  Jahr  zum  Ablaufstemiia 
desNon  -Cbronus,  der  wenigen  Zeit"  und  der  ?ierthalb 
Zeilen  eo  gut  schickte,  so  war  es  nlitlirlich,  dafs  Ihm 
diese  Zahl  richtig  wur<le,  obgleich  die  Richtigkeit  der 
Anfangstermine  für  diese  Perioden  auch  nicht  hinlänglich 
erwiesen  ist.** 

„Suchen  wir  eine  Restätigung  der  Bengel'schen  Rech- 
nung in  der  Geschichte,  so  treffen  wir  auf  das  berühmte 
Jahr  1809^  dessen  Ereignisse  ( Iväpoleons  Decrete  gegen 
die  weitiicbe  Herrschaft  der  römischen  Hierarchie  über 
den  Staat  Ton  Rom)  eine  so  auffallende  Erf&Hung  seiner 
Voraussagungea  zu  enthalten  schienen,  Und  jenem  Rech- 
nungssystem bei  Vielen  neuen  Credit  erwarben.  Man 
erinnre  sich  aber  (dies  erinnert  jetzt  der  Verf.),  dafs 
fiengel  schon  bei  der  ersten  Auflage  seiner  Erklärten 
Offenbarung'*  ungewifs  gewesen:  ob  die  666. Jahre  von 
deiki  Jahre  1148.  bis  1810.  oder  von  101t.  bis  lt44.  M 
rechnen  seyen?  und  dafs  Er  auch  in  der  2ten  Auflage, 
al^das  Jahr  1T40.  ohne  auffallende  ^  eränderung  vorüber- 
gegangen war,  über  den  Anfangstermin  der  666  Jahre 
ebana»  wibesteBit  aieh  ausspricht!  (s.  BrkL  Offenb« 


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6d2  Ajpokalji^tische  Erwartungen 

III.  Aufl.  S.  1071.  und  1083.)    Man  darf  also  —  wie 
der  Verf.  jetzt  einsieht  —  nicht  zuviel  Werth  a«f  die 
Jahrzahl  1809*  legeo;  um  fio  utfeniger,  ab  es  auge»-  . 
echelnitch  ist,  dafs  die  Macht  des  Pabstthnms  In  der 

2tea  Hälfte  des  ISten  Jahrhunderts  bereits  gebrochen 
"war,  und  die  Ereignisse  des  Jahrs  1809.  nur  eioen 
vorübergehenden  Moment  in  der  Periode  des  Nichtsejna, 
darstellten,  also  mehr  eine  Offenbarung  seiner  bereits 
eingetretenen  Schwäche,  als /die  Schwfichnng  aeiner 
Macht  selbst  bewirkten.  Vielmehr  ist  es  nnn  dem  Verf. 
das  Wahrscheiniichsfe ,  dafs  die  Zeil  des  Thiers  von 
1073.  bis  1T40.  laufe ,  in  welch  letzterem  Jahre  daa 
Pabstthum  sichtbar  genug  zu  sinl^en  anfing. 

Psj'chologisch  ist ,  nach  allem  diesem  ,  nichts  merk-  ' 
würdiger,  als  durch  eine  zweite  Flugschrift 
desselben  Verfs*  zusehen,  wie  die  Glaubigen,  da 
man  sie  so  eben  von  einem ,  endlich  durch  das  Erlebte 
unyermeidllch  gehobenen ,  Irrthnm  befreit  (oder:  erldst) 
werden  läfst  und  lassen  nuifs,  sogleich  wieder  auf  einen 
neuen,  und  was  das  schlimmste  ist,  auf  einen  viel  we- 
niger, übersehbaren,  nämlich  auf  einen  bis  in  die  unbe- 
stimmbare Zeitferne  hinaus  gedehnten  Irrweg  festglattbi|^ 
eingeleitet  werden  sollen. 

Unter  dem  Titel: 

[2.}    JJaa  Jahr  18^6.    f^on  dem  Verfasser  der  Schrift :     Der  vier» 
wknte  Oetob«r  18S2."  Stuttgart,  bei  LofiMmd  u.  Sohn.  188$.  8. 

wird  seit  dem  Nov.  1832.  freimüthig  erklart:  „Der  vier- 
zehnte October  ist  vorüber,  und  seit  demselben  Zeit 
genug,  um  uns  Nachricht  zu  bringen ,  wenn  der  von 
Bengel  auf  diesen  Tag  vorausgesagte  „Ffir8ten-*Con<^ 
grefs**  (=  der  10  Homer,  Apok.  IT,  12.)  an  irgend 
einem  Orte  wirklich  gehalten  worden  wäre !  Durch  daa 
Unterbleiben  desselben  erhält  die  Bengel'sche  Zeit- 
bestimmung einen  Stöfs,  von  dem  sie  sich,  der  Natur 
der  Sache  nach,  auch  im  Jahre  1836.  nicht  wird  erholen 
kdnnen.   Aber,  sagt  Er,  soll  denn  nun  das  ganze  apoka^ 


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Back  BmgAf  M«id«r,  Worai«  BmIe  n.  M 

Ij^lilisehe.  System  des  sei.  Ben  gel  als  unbrauchbar 
Terworfen  werden,  weil  es  erwiesen  ist,  da fs  seine  Be- 
rechnungen auf  das  Jahr  1836.  keinen  Grund  haben  f 

Veciifttea  wiU  daher  der  Ver£,  dafii  nicht  nament"* 
Üdi  die  erklärtesten  Anhänger  der  B engerechen  Rech- 

wmg  im  Unwillen  über  ihre  Enttäuschung  das 
Wahre  (?)  mit  dem  F'a Ischen  wegwerfen.  Er  besteht 
(larauf,  dafs,  was  die  Zahl  666.  betrifft,  welche  den 
Schlüssel  zur  ganzen  apokalyptischen  Zeitrechnung  Ben- 
gek  bildet,  gegen  seine  Anfiassung  derselben  nichts  Ge* 
frändetes  sich  einwenden  lasse.  Denn  die  Zahl  desThleres 
OÜenb.  13,  18.  könne  sich,  weil  im  ganzen  Capitel  sonst 
keine  Zahl  vorkömmt,  nur  auf  die  V.  5.  vorkommenden 
42  Monate  beziehen.  Da  aber  nach  der  allein  pas- 
senden (??)9  fast  von  allen  protestantisehen ,  und  selbst 
von  katholischen,  Kirchenlehrern  angenommenen.  Avale* 
gung  durch  das  Thier  das  Pabstthum  bezeichnet 
wird,  so  passe  kein  anderes  Wort  als  Subjekt  zu  dieser 
Zahl,  wie  das  Wort  Jahre. '^).  Wenn  nun  der  Auf- 


*)  Die  eaiidiiedleMte  Widerlegung  der  Grondlagen  alles  apoka- 
lyptischen Reohnene  gebt  ave  swei  Bemerkungen  hervor : 

1)  Die  Zahl  666  als  Zahl  dee  Thlefe  ist  nach  Apok.  13,  17. 
nicht  elae  Zahl  der  Jahre,  eoadern  eiae  Zahl  des  Namens 
des  Thiere.  Daa  Mfatt  da«  Thier  hat  nach  der  myAeritea 
Andeutung  des  Apokaljrptikera  r-  einen  Namen»  den  Er  nicht 
angeben  will«  de*  aher  aae  Zahlhnehatahea  bestehe ,  die  in- 
•ammengerechnet  (wie  man  oft  dergleichen  Zablhnehetahea  an« 
eammen  su  ifiblea  pflegt)  der  Zahl  666  gleich  eeyen.  Vecgl. 
dteee-  Jahrbücher  Hell  4.  S.  3öS. 

l).BedeQtet  Chroaos  wie  Immer,  auch  in  der  Apokal. 
nicht  .eine  bestimmte  Zeitperiode,  sondern  Zelt  uherhanpt. 
Dien  bat  «chon  Storr  bd  Apok.  2,  Sl.  aagedentet  nnd  dadurch 
in  einem  kleinen  Notchen  all  jenem  Rechnen  seine  Basis  ge- 
aommen.  Ich  sage:  Storr,  der  ebenfalls  ehrwürdig  fromme, 
nnd  tiefgelehrte,  an  welchen  hier  um  so  mehr  gedachl  werden 
aolite ,  weil  auch  Er  in  seiner  Apologie  der  Offenbarung  dieaa 
nieht  andere  an  retten  wnfiite,  als  durch  die  Annahme,  dalb 
dna  Meiate  erst  in  ferner  Zukunft  erfolgen  werde.  Ich 
machte  Ihm,  meinen  nnrervergefsllohen  Iichrer,  schon  vor 
10  Jahren'  dle  'Bemerknng,  dafs  doch  Apok.  9, 26.  die  Meoschea, 


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sohlofii  im  18ten  Vs  blos  den  42  Monaten  gelten  sollte: 
so  wäre  es  hinreichend  gewesen ,  zii  sagen ,  sie  seyen 
gleich  66(i  Jahren;  wenn  man  aber  [die Zeit?  nicht:  den 
Namen?]  rechneo  und  also  die  Länge  des  einzelnen  Mo* 
nats  suchen  soll ,  so  lasse  sich  davon  kein  Zweck  eioaebeo^ 
als  um  einen  Maftstab  für  die  Berechnung  anderer  pro» 
phetischer  Zahlen  in  der  Apokalypse  zu  finden.  Nur  hei 
dieser  Voraussetzung  hätten  die  Worte  im  Anfang  des 
18ien  Verses:  —  „Hier  ist  Weisheit"  —  einen  Sinn^ 
Soweit  also  habe  Bengel  Recht.  Wenn  uns  aber  die 
Apokalypse  selbst  einen  Fingerseig  gebe,  wie  die  42 
Monate  und  fihnliche  Zeitbeslimmnogcu ,  die  nach  dem 
Zusammenhang  nicht  eigentlich  zu  nehmen  sind,  be-  . 
rechnet  werden  können:  so  lasse  sie  dagegen  wohl  ab- 
sichtlich die  Ausdrücke  Zeit  (hairoa)  und  Periode 
(chronos)  unbestimmt  ,  ob  gleich  nach  Offenb.  6,  11. 
10,  6.  12,  14.  gemessene  Zeitläufe  vörausgeseizt 
werden  müssen ,  für  welche  uns  aber  der  Mafs- 
Stab  fehle. 

^Wenn  aber  demnach  Ben  gel  auf  die  Zeltrechnnog 

in  der  Apokalypse  ein  viel  zu  grofses  Gewicht  gelegt 
hat,  so  folge  dennoch  daraus  nicht,  dafs  mit  i\em  Ein- 
sturz seines  Rech n ungs Systems  auch  sein  ganzes  Er- 
klärungssystem fallen  müsse.  Seine  Auslegung  aey 
bei  weitem  in  den  meisten  Punkten  Ton<  seiner  Rechnung 
unabhSngig,  wie  man  aus  der  neuesten  „Erklärung  der 
Offenbarung  Johannis,  von  August  Oslander,  Pfarrer 
in  Münklingen  u.  s.  w.  Sulzbach,  1831/'  sehen  könne, 
die  sich  auf  Bengels  Rechuungen  nicht  einlasse,  wäh* 
rend  sie  mit  aeiuer  Auslegnug  der  Begebenheiten  grd(h- 
tentheiis  einTerstanden  sey.  Nach  dem  Verf.  sollen  dem- 
nach die  auf  1836.  verkündeten  Ereignisse  dennoch 


dM»  spifete  Schidktale  aogMlttatat  wlvaa,  alt  Abmattet  W 
■chrieben  wurden ,  leliwerUcli  abef  Je  «ine  Zeit  beSuneD  aficlitey 
wo  die  Heidenvölker  gegen  die  enlüviftefe  Bfenge  der  Gbrieteo« 
(und  'eeibil  der  Hahnainiedaner)  ubemtichtig  gewoidea  eeya 
bonatea*        ^  Fe. 


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gewif«  «itttrefffln,  wenn  'sif»  f^leleli  nicht  in  cliesem, 
sondern  in  einem  aiiileru  Jahre  kommen.    Das,  was 
g-eschehen  soll,  sey  wichtiger  zu  wifisen»  als  zu  wisseB^ 
waan  es  geschebea  weriie* 

Und  was  ist  es  denn  nun  liauptsächlich,  was  jetzt 
als  supernaturaie  Entdeckung-  in  einem  unabseh- 
baren Prospect,  als  Glaubensaufgabe,  zu  erharren  sejn 
soll?  WunderTolie  Dinge!  Abgesehenr  von  Zeit* 
bestimmangen ,  sagt  S.  9,  mOsseo  [ja:  mflssen!]  uach 
einer  richtigen  Briilfirang  der  Apokalypse  —  in  Verbin- 
dung'  mit  den  übrigen  Weis^^agungen  des  A.  ii.  N.  T.  — 
folgende  Ereignisse  früher  oder  später  ein- 
treffen: 

,,Eine  Anzahl  gläubiger  Israeliten  (!)  muFs 
Erlaubnifs  bekommen,  einen  Tempel  in  Jerusalem  zu 
bauen ^  und  wird  den  jüdischen  Gottesdienst,  so- 
weit er  sich  mit  christlicher  Er  kenn  tnifs  ver-* 
trigty  in  demselben  einrichleo.  Dies  wird  unter  Aa- 
f&hrung  der  beiden  Zeugen  geschehen,  welche  zu  dem 
Eodü  vom  Himmel  herabkommen.  fVor  nicht  langer 
Zeit,  wollte  man  wissen,  daPs  die  fQr  die  endlose  \leh- 
ruog  unserer  StaatsschuldenJast  so  wohlthätige,  israeli- 
tische Geidmacht  £uropa*s  auch  mit  Coustantinopel  io 
Yerhiltoisse  zu  treten  suche  und  sich  Anweisungen  auf 
das  heilige  Land  der  Väter  ausbedin^en  werde.  Jetzt 
wären  bereits  wieder  andere  Pläne  auf  Mehemed  Ali 
von  Aegypten,  den  nunmehrigen  Erbpachter  des  ara- 
bisch-mohamedischen  Staats,  zu  richten  9  welcher  hof- 
fentlich der  christlichen  Civilisation  auch  Palästina 
dflnen  wird«  Def  goldene  Schldssel  dffnet  iberall,  zu 
Rom,  zu  Stambul,  zu  Kairo.] 

„Ungefähr  zu  gleicher  Zeit  mii  den  swei  Zeugen 
erhebt  sich,"  so  flbtt  der  Verf.  fort^  „au«  dem  Ab- 
grunde der  Mensch  der  Sünde,  welcher  alsbald 
grofse  Macht  and  Anhang  gewinut  und  das  „Pabst- 
thum^  wieder  emporbringt.  Denn  dafs  unter  dem  Thier 
aus  dem  Meere  clas  Pabstthum  zu  verstehen  so^,  müsse 


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CM  AfoMyftbelw  Cnrartungcn'  ' 

(meint  itDSer  Ungenaflnter)  jedem  Uubefangcnen  ein-  ' 
leuchten,  da  es  keine  andere  Macht  in  der  Geschichte 
gebe,  auf  weiche  alle  Merkmaie  so  genau  pafsteo.  Schon 
der  heilige  Berohard  sage  (Epist.  125.):  ^Dte  Pälwte 
fibllten  Diener  Christi  se^n;  sie  dienen  aber  dem  Anti- 
christ. Es  ist  nichts  mehr  übrig,  als  dafs  der  Mensch 
der  Sünde  offenbar  werde;  ja  das  Thier  aus  der 
Offenbarung  V Johannis  sitzt  bereits  auf  dem 
Stuhle  Petri.*'  Dasselbe  habe  zu  gleicher  Zeit  der 
berühmte  AbtJoachim  unter  Cl  emens  IIL  den  Kfinigen 
▼on  Franlireich  und  England  ausgelegt  Unter  Bo- 
nifaz  VIII.  war  diese  Erklärung  beinahe  allgemein;  und  '■ 
Frankreich  liefs  gegen  den  Pabst  eine  Münze  mit  der 
Umschrift  schlagen :  „  Per  dam  BabyLonia  nomen!* 

„Eben  Der  „Mensch  der  Sünde"  [horresco  refe-  \ 

rem]  wertle  alsdann  den  pMbstlichen  Stüh!  selbst  be-  '\ 

Steigen,  das  Pabstthum  aber  stürzen  und  sich  sogar  für  ) 
den  Messias  eriilären ,  demnach  als  entschiedener  Anti« 

dirist  anftrelen«**  1 

Nicht     genug!  „Jerusalem  mnfs  erweitert,  feine  ^ 

Einwohnerzahl  bis  auf  70,000  vermehrt  werden.  In  den  ' 
—  der  letzten  grofsen  Entscheidung  vorangehenden  42 

Monaten  aber  wird  die  Stadt  bis  auf  das  Innere  des  ' 

Tempels  in  der  Gewalt  des  auticbristlichen  Heeres  und  ^ 


*}  Der  Verf.  hat  Minen  Wahrsagangen  aelbet  dae  Motto  vorgetotats 
IWn«  «Ii«  /atli  mpmt  Conandra  futunt 
Ora  DH  JvMtu  ^  no*  ««^iiani  credita  TVncrtt. 

Nor  darin,  dafe  eio  non  «n^iiain  trtdita  sejrn  wurden»  bat 
Er  vahrsclieinlicli  nicht  "wahrgfeMigt.  Je  unglanhlleher,  deet» 
eher  geglaubt  I  Dies  iet  immer  die  Loiung  der  Hehreren.  Dan 
Vnglanbliche  in  glauben  heilet  einige  Willeaeanetrenguog. 
Dieee  >  me|nt  man  dann ,  mnt»  doch  Gott  belohnen  und  nAe  Oot- 
teidionst  anerkennen.  Und  äberhanpt  iet  liqgendwae  tot  doaa 
Denhen  nom  To  taue  lu  glauben  (d*  h.  ane  VerCiouen  für* 
wahniulialten)  otwao  eo  angeaehmeo,  die  Iieero  dee  Gemfitiia 
ohne  Hdhe  autfnllendeiy  daAi  die  Oenhtragen  ee  hoffentlieh  nie 
aufgeiion  vetdea.  JPr. 


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Mwh  Bdfel»  OaMlw»  Warn,  Datk  o.  A.  ütV 

Volkes  sejn.    Die  prophetiflche  Wirksninkeit  der  beidan 

Zeugen  gehe  von  dem  Innern  des  Tempels  (zu 
Jerttsalem)  aus,  in  welches  sie  sich  mit  ihren  Anhängern 
«irilckgezogen  haben. 

„Von  allem  börgerlichen  Verkehr  werden  Diejenige 
*  ausgeschlossen,  welche  nicht  das  Mahlzeichen  des 
.Thier es  an  sich  tragen.  Die  röniische  Kirche  aber 
verde  von  den  zehen  Königen  TerwBsCet  nod  vertilgt 
Der  Antichrist  sammelt  sein  Heer  am  Ende  der  42  Monate 
in  Syrien,  um  eine  von  Morgen  und  Mitter- 
nacht (?)  gegen  ihn  heranrückende  Heeresmacht  zu 
bekämpfen.  Die  beiden  Zeugen  fallen  in  seine  Gewalt,  « 
«erden  getödtet  und  stehen  wieder  auf.  Das  Erdbebep 
und  der  grofse  Hagel  (Offenb.  11.  und  16.),  die  Brnene-» 
ruDg  des  Himmel  und  der  Erden  (2Petr.  3.)  erfolgen. 
Der  Herr  kommt.  Er  vernichtet  das  Heer  des  Anti- 
christs  (welcher  mit  dem  falschen  Propheten  lebendig 
in  den  Feuerpfuhl  geworfen  wird),  läfst  den  Satan  auf 
1000  Jahre  in  den  Abgrund  verschliefsen,  und  erhebt 
dieTodten  aus  der  ersten  Auferstehung,  zu  welcher 
•  Ue  Glaubigen  gelangen,  sammt  den  lebendig 
Verwandelten  zu  sich  in  den  Himmel.  Ein  Frie- 
densreich  wird  auf  der  Erde  gegründet.  Jerusaleni 
lad  der  Tempel  werden  nach  dem  Plane  Ezechiele 
ausgebaut.  Jerusalem  wird  die  Hauptstadt  der 
Welt  Nachdem  durch  die  letssten  Zorngerichte  Gottes 
g^egen  6O0  Millionen  Menschen  umgekommen  sind,  so 
wird  nun  von  Jerusalem  aus  durch  die  bekehrten 
Jaden  (!)  unter  dem  noch  übrigen  Drittheil  des  Men* 
flchengeschlechts  das  Evangelium  verkflndigt.  Alle  Heiden 
bekehren  sich  und  die  Erde  wird  voll  Erkenntnifb  des 
Herrn  u.  s.  w.** 

Aufidrficklich  will  der  Verf.  bemerkt  haben,  deb  an 
diesem  Friedensreich,   das  eunichst   für  die 

«luden  (!)  bestimmt  ist,  die  in  der  letzten  Zeit  leben- 
den glaubigen  Christen  nach  der  Schrift  keinen  An- 
tkeil  haben  werden.   Dieiifd  werden  entweder  unter 


I 


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dtm  Sehwerte  des  Antichri«l9  vmkemmen,  onler,  weon 

sie  den  Tag  Christi  erleben ,  lebendig  verwandelt  werden.** 

Quaef  Qualiaf  mdchte  man  ausrufen«  Seiten- 
blicke auf  das  so  eben  sich  ^Gestaltende  neue  Araberreich 
in  Syrien  u.^.  w.  sch(  inea  schon  auf  die  neuen  Voraus- 
aagungen  Kinflufs  gehabt  zu  haben.  Besonders  <He  Ju- 
denechaft  mag  ihm  Dank  zollen.  Wird  Ihr  Jerusalem 
künftige  Weltstadt,  so  kann  man  nicht  schnell  genug  sie 
emancipiren  und  in  unsere  niedere  und  obere  Regierungs-^ 
behorden  aufnehmen.  Nach  dem  neuen  Offenbarer  aber 
ist  daran,  dafs  alles,  was  er  so  fand,  im  Allgemeinen  in 
der  angegebenen  Ordnung,  in  der  letzten  Zeit  ge- 
achehen  werde,  nach  den  Weissagungen  der  Scbrtüt, 
sobald  diese,  wie  es  dem  Worte  Gottes  gebührt,  genau 

fenommen  werden,  gar  nicht  2«  eweifeln.  Und  warum? 
ntwort:  1)  Weil  theils  durch  Missionäre,  iheils  durch 
Bibeln  die  Nachricht  von  Christo  bereits  in  alle  Welt- 
theiie  gedrungen  sey.  [Gegenfragen :  Wie  viele  MilKonen 
haben  in  18  Jahrliunderten  und  jetzt  Jmmer  noch  von 
Jesus- als  Christus  kein  Wort  gehört f  Weit  mehr,  die 
nichts  davon  hörten,  als  umgekehrt.  Und  von  denen, 
welche  auf  diesen  We^en  Etwas  von  Jesus  hörten,  wie 
nur  wenige  können  das  Aechturchristliche,  wie  viele 
müssen  nur  das  Dogmatische  verschiedener  Kirchen  als 
die  Hauptsache  gehört  haben!] 

2)  Der  Abfal  l  (nach  2  Tbess.  2 ,  3.  vgl.  Matth. 24, 
10—12.  23.  24.  27—39.)  sey  noch  in  keiner  Zeit  zo 
einer  solchen  Höhe  gestieg^en,  und  das  Volksleben  so 

davon  durchdrungen  worden,  wie  in  der  unsrigen.  [Und 
doch  sind  die  Länder,  welche  wir  am  besten  kennen, 
'Selbst  nicht  im  Praktischen  der  Religion,  noch  weniger 
aber  im  Theoretischen  weniger  christlich,  als  in  dea 
nichstvorhergegangenen  Jahrhunderten !]  Der  philoso* 
phische  Schein,  mit  welchem  In  neuerer  Zeit  der  Un-^ 
glaube  In  der  pantheistischen  Form  so  manche 
Gemüther  verblende,  sey  um  so  gefahrlicher,  weil  der 
Pantheismus  nicht  nur  alle  wahre  Philosophie,  sondern 


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Med  ' allen  Glpubep,  wbMr  dem  an  die  lAkge^  ja  Golt 
'  selbst  vernichte )  und  somit  das  Wahrbeitsgefuhl  ganz 

untergrabe.  Wo  aber  dieses  fehlt,  da  haix^  der  falsche 
Prophet  leichte  Arbeit.  Der  Einpörurigsgeist  hänge 
mit  diesem  Abfall  genau  zusammen.  Uebrigens  werde 
das  neu  auflebende  Pabstthum  mit  andern  Waffen  streiten, 
lis  an  Gregor  s  VII.  und  Innocenz  III.  Zeiten ;  —  and 
wie  verführerijich  die  Aufsenseite  eines  Pabstthums  wer- 
den könne,  sey  an  den  Set.  Simonis ten  zu  ersehen. 
Dafs  das  Pabstthum  von  seinen  Anmafsungen  noch  nichts 
vergeben  habe,  da(^  es  nnr  auf  einen  günstigen  Zell* 
punict  warte,  um  seine  Ansprüche  wieder  geltend  zu 
mschen;  daf¥  die  Jesuiten  bereit  seyen,  mit  erneuertem 
Eifer  ihm  ihre  Dienste  anzubieten;  dafs  es  auch  unter 
den  Grofsen  noch  manciien  Gönner  zähle,  habe  die  Ge- 
schichte der  neuesten  Zeit  hinlänglich  bewiesen.  Wenn 
es  nun  mit  einer  wohlgerilsteten  politischen  Macht  in 
Verbindong  trite,  wenn  es  Versprechotigen  machte,  dliB 
dem  fleischlichen  Sinn  der  Zeitgenossen  angemessen  wä« 
ren:  was  sollte  seiner  Erneuerung  und  Wiederherstel- 
lung im  Wege  stehen?  Dafs  es  immer  noch  Christen 
giebt,  welche  es  zweifelhaft  machen  wollen,  ob  unsere 
Zeit  die  letzte  sey,  dies  werde  nur  ein  Beweis  mehr 
dafür ;  denn  es  zeige ,  dafs  die  klugen  Jnngfraoen  schlafen. 
Nun  sollten  nur  nicht  auch  die,  welche  bisher  noch  ge~ 
nacht  haben,  schläfrig  werden," 

So  die  neueste  Apokalyptik.    Wir  ergänzen  diesen 
Udberblick,  indem  wir  aus  einer  dritten  Flugschrift: 

[i.]  Ueber  die  Beweisgründe  für  Benf*cU  apokalyptische  Zeitreeh" 
nung  mit  besonderer  Beziehung  auf  die  Erwartungen  im  Jahre 
1836.    Fon  J.  F.  Wurm,  Pro/,  in  Stuttgart.   iituUgart  1832. 

tlie  Hauptpunkte  der  Bengelischen  Berechnung-  für 
die  Apokaljrpvie  überhaupt  und  besonders  ffir  das  Jahr 
1830.  nebst  deren  gründlicher  Prüfung  um  so  mehr  bei- 
fügen, fia  Dr.  i«ficke  auf  diese  Oeutnngsweise,  seinem 
Plan  gemifs,  am  wenigsten  Rücksicht  genommen  hat, 


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Mi  Apok.Erwwl«if6Dnicli  Bengel»  Manier«  WimtB«tk«*A. 

•ie  aber,  doch,  da  aia  so  sehr  ▼erbreitet  ist,  a«ch  an- 
ders überzeugtea  Gelehrlea  nicht  ganz  uubekamit  blei- 
ben darf» 

Eine  grQndlicIie,  aurftthrliche  BeurCheilong  der  Ben~ 

gelischen  Berechnungen  und  Ahnungen  gab  Joli.  Ge. 
Pfeiffer  8chon  1788.  als  „Neuen  Versuch  einer  Anlei- 
tung zuni  sichersten  Verstand  und  Gebrauch  der  Offeub* 
Johaoois,  veovon  Burk  in  Bengels  Leben  S.  323 — 329. 
mit  rflhmlicher  Uopartheilichkeit  einen  Auszug  giebt. 
Aber  das  Unglaublichere  geht  dem  Terstftiidigeren  bei 
den  meisten  Ueberglaubigen  und  Gernestaunenden,  so  ' 
lange  vor,  bis  es  nicht  mehr  zu  halten  ist,  aber  eilends  ' 
mit  einer  andern  Unglaublichkeit  vertauscht  wird.  Jeder 
Aberglaube  hat  schon  zum  voraus  seinen  Ersatsmann« 
Deq  Bengei*8chen  gans  entgegengesetzte  Grundsitze  der 
Zeitbestimmung  enthSlt  eine  1826.  gedruckte,  und  in 
Ernst  GottL  Bengel's  Archiv  für  Theologie  4.  Bd, 
1.  St.  eingerückte  Abhandlung  Ciber  die  richtige  Auffas- 
sungsart der  Apokalj^pse  von  Dr.  St eu  d el ,  Prof.  In  Tü- 
bingen (auch  einem  Abkömmling  Joh.  Aibr«  Bengels. )• 
Dagegen  beruflt  man  sich  darauf,  daft  einiges,  was  i 
ßengel  mit  scliarfem  Seherblick,  den  man  ihm  alier-  i 
dings  nicht  absprechen  kann ,  z.  B.  vom  Aufhören  des  i 
römisch -deutschen  Reichs  bald  nacl|  1800,  von  Auf-» 
hebung  der  geistlichen  Stifter  n.  8.  w.  geahnt  hatte ,  ia 
der  Folge  sich  bestfitigf  habe»  Etwas  gewaltsamer  hat 
man  auf  Napoleon  gedeutet,  was  Bengel  (s.  dasLebea 
▼on  Burk  8.  301.  und  270.)  auch  vermuthete,  dafs  näm^ 
lieh  „der  König  von  Frankreich  einst  noch  Kaiser  (wie 
der  ganze  Zusammenhang  lehrt^  römischer  Kaiser)  wer- 
den dürfte.  . 


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N*.  41,    HEIDELB.  JAHRB.  d.  LITERATUR.  1838. 


Apokalypthehe  äliere  und  neue  Erwariungen  oMff  die 
Jahre  1830. 6»  1988»  fnU  Beurtheäung. 

(  B99  ehluj  s.) 

„Der  Punkt,  von  welchem  Bengel  überall  ausgeht, 
\i'o  es  die  Befestigung  seines  Systems  gilt,  ist  die  Zahl 
des  Thiers.  1)  Die  Zahl  des  Thieres  666.  13,  12. 
druckt  Jahre  aus.  2)  Diese  Jahre  Seyen  nicht  geoau 
flW.  Man  müsse  noch  den  Bruch  ^  eines  Jahres  htn^u-* 
fugen,  weil  es  schicklich  sey,  mit  jenen  666  Jahieu 
noch  eine  andere  Jahrsumnie,  nämlich  die  1000  Jahre 
CZO,  1—4.  zu  verbinden,  indem  erst  in  dieser  V  er* 
binduog  ein  sehr  einfaches  Zahlenverhältnifs,  wie  2  zu  3, 
sich  ausspreche.  Denn  nicht  666,  sondern  666^  ver-* 
hält  sich  zu  9%%%  oder  zu  1060  ^ie  2  sm  8.  —  3)  Die 
in  der  Apokalypse  vorkommende  Zeitbestimmungen,  z.B. 
Eine  Zeit,  eine  halbe  Zeit  u.  s.  w.  lassen  überhaupt 
sich  durch  Zahlen,  ähnlich  den  schon  erwähnten  666^ 
and  999^  ausdrucken ,  oder,  mathematisch  zu  sprechen, 
jene  Zeitbestimmungen  seyen  fortlaufende  Glieder  einer 
arithmetischen  Progression,  in  der  jedes  folgende  Glied 
vom  vorhergehenden  um  III  ^  Jahre  verschieden,  und 
deren  erstes  Glied  III ist. 

Jahr  =  eine  halbe  Zeit,  auch  kleine  Zeit 

genannt.  C.  12,  14.  20^  3. 
2222/^   —   =  Eine  Zeit.  12,  14. 

—  =  Eine  Zeit  und  eine  halbe  Zeit  (eben- 
daselbst.) 

—  =  Ein  halber  Chronna.  6,  11. 
_  =  IMe  Zahl  des  Thiers.  8, 14.  Einerlei 

mit  den  42  (prophetischen)  Monaten« 
13,  5. 

tTIVo  —  =  1  Zeit,  2  Zeiten  und  V2  Zeit.  12,  14. 

^  =  wenige  Zeit.  19,  12 
«VI.  Jahrg.  r  H«ft.  41 


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S4S  ApokaljptlMlM  Cmvimigvii  . 

990^/9  Jahr  ^  oder  1000  Jahre.  20,  1  —  4. 
1111%  —  =  Ein  Chroaus,  oder  Zeilperiode. 

^  6,  11. 

2222^  —  =  ESn  Aood^  oder:  Ewigkeit  von  be<* 

fitimmler  Zeitdauer  14,  6. 
^'^'^V^  —  =  A^^an^       Einen  Jahrtausend,  das 

?    dem  Ende  der  Welt  voi aasgeht,  20, 
1  —  4. 

6477^  ^  ^  Anfietoe;  des  undern  Jahrtausend 

tnittelbar  vor  dem  Ende  der  Weitb 
mV/^  —  a=  End«  dt^r  Welt. 

Wichtig  ist  besonders  der.  Cbr onus,  ein  apoka- 
lyptischer Universal-Zeitmesser,  den  R  in  seinem  Cyklns 
(s.  iinten)  selbst  am  Himmel  wieder  findet.    Auch  eineo 

Nicht- Chronus,  der  kein  ganzer  Chi  onus  seyn  soll, 
hat  B.  aus  10,  6.  abgeleitet.  Er  g-ieht  ihm  1036  Jahre. 
Aber  dieser  Nicht -Chronus  pafst  nicht  zur  Bengei'schen 
Progression  und  ist  kein  Glied  derselben.  Ferner  sagt 
.  davon,  dafs  die  Zahl  666  eine  Anzahl  Jahre  bedeute, 
der  griechische  Text  der  Offenbarung  nichts.  Wahr» 
scheinlich  ist  es,  dafs  ein  anderes  Wort  (als  Subjekt) 
darunter  zu  verstehen  8(  yn  möchte.  Am  \venig:sten  läfst 
sich  der  mit  dem  Text  im  Widerspruch  stehende  Satz 
von  ^  Jahr  übisr  die  606  Ganzen  rechtfertigen.  B.  würde 
wohl  nie  diesen  ungebührlichen  Zusatz  sich  erlaubt  haben, 
wenn  er  ihn  nicht  zur  Zusaminensetzung  einer  nur  durch 
diesen  Zifsatz  möglichen  arithmetischen  Progression  nöthig  ' 
gehabt  hätte. 

Er  fShite  nun  wohl ,  dafs  er  solchen  ohne  Beweis 
vorangestellten  Behauptungen  eine  Stütze  geben  müsse. 
Zur  Beglaubigung  des  darauf  gebauten  Systems  beruft  er 
sich  auf  die  Uebereinstimmung  desselben  mit  der  Ge-^ 
»ehichtel!    Aber  bedenklich  ist,  dafs  er  gerade  in' 
Ansehung  dessen,  worüber  man  mehr  als  über  alles  umh 
d^e^ine  unzweideutige  Zeitbestimmung  hätte  erwaKen 
sollen,  nämlich  über  die  Zahl  und  Währung  des. 
Thiers  fortwähiend  unschlüssig  war,  und  nie  zu  ent- 


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sdicidin  sich  g^etraute,  mtt  welchem  Jahr  die  Macht 
«Ics  Thier  es  aBgetai]g(Mi  habe,  und  mit  welchem  dann 
das  Nichtseyn  desselben  eingeiretea  sey  oder  eiolretea 
verde.  Geschichtlicbe  Unlersuohiiogeo  leileten  ibo  ra 
verachiedene»  Zeilen  auf  ?.erschiedene  sehr  too.  eioandef 
abweichende  Zeitpunkte,  etif  die  Jahre  oach  Chr.  Geb. 
1073,  1077,  1080,  ll4a,  1159.  In  jedem  dieser  Jahre 
kounte  die  Währung^  des  Thiers,  oder  die  überwie- 
gend grofse  Macht  des  Pabslthums  ihrea  Anfang  genom* 
oifD  haben.  Die  Schwierigkeit  wird  Jieiaeswegs  geho- 
ben, wenn  B.^  die  aufTallende  Behauptung  wagt:  .«»der 
Anfang  lasse  sich  erst  aus  dem  Ende  genau  bestimmen.** 
Wenn  erst  der  Eifolg^  erklären  soll,  was  wir  noch  nicht 
erklären  können,  wozu  be<hirfte  es  einer  Voraiissagung? 
Wozu  nützt  sie?  Wenn  nicht  viel  darauf  ankommtf 
ob  man  den  Anfang  ungefähr  80  Jahre  früher  oder  spiter 
setzt,  so  ist  es  kaum  begreiflich,  warum  die  prophe- 
seihte  Dauer  selbst  bis  auf  einzelne  Jahre,  selbst  bis  auf 
5^  Jahre  und  666  g;anze,  so  genau  vürnusl)estimmt  ist. 

Wenn  überhaupt  die  Bengersche  Reihe  über  die  apo- 
kaiypfisctten  Zeiten  den  sichersten  Aufschlufs  giebt,  so  * 
hätte  B.,  um  folgerecht  zu  rerfaiiren,  dieselbe  schon  mit 
im  ersten  Zeiten  lies  Neuen  Testaments  «nfiingen,  bis 
auf  1059.  und  fortfuhren,  und  gesohichflich  dar- 

thun  sollen,  was  sich  Merkwfirdig^es  bei  dem  Ablauf 
jedes  einzelnen  aus  III  Jahren  bestehenden  Gliedes, 
•der  auch  einer  Anzahl  Ton  mehreren  Gliedern  der  ganzen 
Zrilkeito  ereignet  hat. 

Ba  R  die  41  Monde  IS,  &  den  -«06^^  Jahren  4es 
Thieres  gleich  setzt,  und  diese  Monde  fllr  prope« 
tische  hält,  so  ist  nach  seiner  Erklärung  ein  prophe- 
tischer Monat  =  lö-^-^S  gewöhnliche  Jahre,  und  hier- 
nach berechnet  er  die  in  der  Apokalypse  genannten, 
»vischon  die  Jahre  M7  md  fallenden  Tage  und 

Siaudeii.  ikber  Er  nimmt  sogar  ^nen  gedoppeHeu  pro* 
phetisch  -  mystischen  Sinn  der  Worten  Jahr,  Monat «.  s.  w. 
an;  der  eioe  ist  gültig  für  den  Propheten  Daniel,  der 
andere  filr  die  Apcd&al^pse.    Nach  seiner  Berechnung 


iiod  SV^Zeilea»  pri^hetrach  verataDdeo^  saviel  ab  1111 

Jahre  bei  Daniel  12,  7.  und  177^  Jahre  in  der  Ofieo- 
barung.    12,  14. 

Dorch  ein  sonderbares  Mifsrersiindnirs  sprechen 

Manche,  weil  sie  Bengels  Schriften  mit  Zahlen  angefüllt 
sehen,  sog"ar  von  mathematischen  Re weisen,  litirch 
welche  die  Bengel'sche  Zeitrechnung  begründet  sey.  Eia 
Zahlenspiel  aber  ist  keineswegs  ein  nnatheniatischer  Be- 
weis. Der  Mathematiker  gebt  von  erwiesenen  unbe- 
streitbaren Sätzen  und  Gleichungen  aus,  und  kommt  nach 
deren  Verbindung  auf  etwas,  das  zuvor  nicht  erwiesen 
war.  B.  ging  vom  Unerwiesenen ,  ZweifeJhaften  aus. 
Wie  konnte  er  sicheres  damit  finden?  Bs  fehlt  seinem 
chronologischen  System  an  nichts,  als,  sowie  auch  man- 
chem philosophischen,  ao  streng  erwiesenen  Grund-  und 
Vordersätzen. 

Die.  nächste  Frage  Aller  ist  wohl  diese :  Was  hat 
man  denn  nach  B.  im  J.  1886.  und  unmittelbar  nach 

demselben  zu  erwarten?    Grofses  und  Durchgreifendes 
allerdings!    Nach  seiner  Erklärung  soll  in  demselben  vor 
den  Augeu  aller  Welt  buchstäblich  Alles  in  Erfüll uaf 
gehen,  was  19,  11 — 21.  geweissagt  ist.  Christus 
erscheint   Anführer  der  Seinigen  in  einem  furcht- 
baren, siegreich  endenden  Streit  Ternichtet  er  die  zum 
letzten  Widerstreit  versammelten  Schaaren  der  Feinde 
des  Christenthums.    Satan  [so  gewifs  eine  Person,  als 
Christus!]  fällt  dem  Abgrunde  anheim,  Thier  und  fal-* 
scher  Prophet  dem  Feuersee!   Zugleich  mit  dem 
J.  1836,  und  nachdem  durch  die  wichtigen  Ereignisse 
desselben  eine  neue  Ordnung  der  Dinge,  eine  neue  Welt- 
epoche^  sich  vorbereitet  hat,  beginnt  das  Erste  der 
2  Jahrtausende,  die  von  diesem  Zeitpunkte  an  noch 
bis  zum  Ende  der  Weit    rückständig  sind.  Im 
ersten  Jahrtausend  liegt  Satan  gefesselt  im  Abgrund; 
seine  bisher  auf  Erden  auageübte  Macht  ist  gebrochen, 
ob  er  gleich  am  Ende  dieses  Zeitraums  auf  III  %  Jahre 
wieder  loa  wird.    C.  20. 


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nach  Boigd^  OrfMdw,  Wsnn»  Bark  n.  A. 

Mit  diesem  ersten  apokalyptischen  Jahrtaiisenti  ge^ 
wiont  äehtf^sChrislenthiim  immer  mehr  Boden,  und  unter 
dessen  Bekeaoeru  herrscht  eine  aulserordentiiche  Fülle 
des  Geistes;  auch  gesunde,  firnchtbare,  friedliche Zeiteo 
dod  m  erwarten;  der  Luxus,  eitler  Tand  ulid  Pracht, 
und  so  manche  andere  Plage  der  Menschheit  sind  ver- 
schwunden; die  Menschen  leben  länger.    Auch  zwischen 
Fürsten  und  Völkern  hat  ein  neues  schöneres  Verhältnifs 
sich  gebildet.    Die  Zeiten  der  Hevolutionen  sind  vorüber. 
Begenten  und  Obrigkeiten  gehen  mit  Unterthanen,  wie 
mit  ih^en  Brüdern,  um.    (s.  Burk  in  der  Lebensbeschr. 
Bengels  S.29S«)    Wer  möchte  nicht,  ergriffen  von  dieser 
Bengerschen  Schilderung,  solchen  Chiliasmus,  auch 
allgesehen  von  ilw  Frage,  of)  er  in  der  Onfenbarung 
prophezeiht  ist,  nur  recht  bald  und  eifrig  herbeiwün- 
schen! 

Wie  aber  wurde  B.  durch  seine  Berechnungen  so 

bestimmt  auf*  das  J.  1836.  als  Wendepunkt  einer  neuen 
Zeit  geleitet?  Die  Antwort  ist  kurz  diese:  Das  Welt« 
ende  fällt  nun  einmal  in's  Jahr  der  Welt  7111^/^. 
Rechnet  man  2000  Jahre  rückwärts,  so  kommt  man  auf 
das  Jahr  der  Welt  51777/^  oder  in  runder  Zahl  Ö77^ 
IThmittelbar  vor  dem  ersten  Jahre  unserer  gemeinen  Zat- 
rcchnnng  sind  nach  B.  3912  Jahre  der  Welt  verflossen. 
Zieht  man  diese  3042  Jahre  \on  5178  ab,  so  kommt  man 
mit  B.  auf  das  J.  1836,  welches  demnach  einerlei  ist  mit 
dem  Jahr  der  Welt  5178,  in  welchem  Satan  auf  1000 
JaKre  gebunden  wird« 

Wie  sicher  aber  sind  nun  eben  diese  Berechnungen , 
die  B.  gerade  auf  das  J.  1836.  geführt  haben?  Offenbar 
um  nichts  sicherer,  müsseir  wir  antworten,  als  das,  was  - 
dabei  als  entschieden  vorausgesetzt  wird.  Bengei  geht 
dabei  aus  von  —  dreierlei  Voraussetzungen: 
ar)  dafs  bei  dem  Anfang  nnsrer  gewöhnlichen  Zeitrech- 
nung 3942  Jahre  seit  der  SchÖpf\ing  verflossen  waren ; 
h)  dafs  das  J  1'\1V/^  das  letzte  Frdenjahr  sey  und 
c)  dafs  2000  Jahre  vor  dem  Ende  dieser  Welt,  ilemnach 
im  J.  5718,  der  Satan  gefesselt  werde«  —  Kaum  darf 


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der  BditMliter  diese  Vcnratiss^teungen  «nrilbreD,  M  eil* 

tert,  schwankt  und  fallt  das  ganze  Zahlen  -  und  Ahnungs- 
Gtfhäude,  wenn  man  auch  nicht  die  überhaupt  für  unser 
Theoioj^isicen  wichtige  Frage  in  Anlchlag  bringl:  Ob 
deOB  unser  Brdeoplaoet,  der  nicht  einmal  in  UDSerm 
Sonnensystem  mehr  als  ein  Mitteldinge  vorstellt,  gleleh* 
sam  das  Centrum  der  Schöpfung  sey,  mit  welchem  Gott 
g^nz  besonders  in  Beziehung  stehe,  Mensch  werde,  den 
Himmel  (welchen?)  mit  der  Tellus  besonders  verbinde, 
als  Regent  dahin  herabkomme?  u.  s.  w.  Die  Astronomea 
aageii  uns  jetzt,  dafii  es  unübersehbar  viele  Sonnen  und 
Sonnensysteme  gebe.  —  Aber  genug.  Schon  die  Prft* 
fuDg  der  nächsten  Momente  wird  überweisend. 

Das  wahre  Jahr  der  Geburt  Christi  setzt  B. 
4  Jahre  vor  dem  ersten  unsrer  gewöhnlichen  christli- 
chen Zeitrechnung.  Dafs  die  letztere  in  sofern  fehlerliaft 
ist 5  als  sie  2  bis  4  Jahre  zu  wenig  zahlt,  hat  man  schon 
längst  wahrgenommen.  Aber  wie  Tiele  Jahre  es  gemilm 
sind,  um  welche  hie  das  wahre  Jahr  der  Geburt  Christi 
zu  spät  giebt,  dies  mit  Zuverlässigkeit  auszumitteln ,  ist 
eine  noch  nicht  gelöste  Aufgabe.  Wurm  selbst  hat  der** 
gleichen  Versuche  angestellt,  aber  ohne  ein  festes  Re- 
sultat gewonnen  zu  haben,  (s.  Astronomische  Beitrige 
zur  genSherten  Bestimmung  des  Geburts-  und  Todes- 
jahres Jesu,  eingerückt  in  E.G.  Bengels  Archiv  für 
Theologie  II.  Bd.  und:  Nachtrag  zu  di^eo  Beiträgen  iti 
Dr.  K laibers  Studien  I.  Bd.) 

Noch  weniger  ist  das  Jahr  der  Welt  bekannt,  das 
mit  dem  Geburtqahr  Christi  zusammentraf.  Nach  B. 
fiel  das  wahre  Geburtsjahr  Jesu  in  das  J.  der  Weit  3939, 
und  das  erste  Jahr  unsrer  gemeinen  Zeitrechnung  in  das 
J.  der  Welt  3943.  Allein  Uber  eben  diesen  Punkt  wei-»^ 
chen  ältere  und  neuere  Kenner  der  Zeitwissenschaft  um 
viele  Jahrzehende  von  einander  ab.  Wer  das  Jahr  dev 
Welt,  in  welchem  Christus  geboren  ward,  genau  an-» 
geben  will,  müfste  mit  der  alttestaiucntlichea  Zeitrech- 
nung ins  Beine  gekommen  seyn.  Allein  wer  weifs,  ob 
unter  den  Jahreu  bei  Mose  für  jene  frühesten  ZeitM^ 


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öocli  Beacel»  ihUmJlm,  ,Ww,  Burk  ii.  A.  U% 

r  , 

ab  die  Welt  [d.  i  unser  bischen  Hrdeowelft]  noch  in 
ihrer  Kindheit  war,  Monds ^  oder  Sonneiqnhre  W  ver-. 

stehen  sind.   Unser  hebräischer  Text,  der  samaritanischo 
Text,  die  griechische  IJt'bersetzun^  der  üücher  des  A.T^ 
der  jüdische  Geschichtschreiber  Josephus ,  zählen  die 
Jihie  der  Erzväter  oft  um  mehr,  als  hundert  Jahre,  von 
«rnrnder  verschieden;    Auch  pflegten  die  Juden,  wie 
schon  die  Stammtafel  Jesu  hei  Matthftus  lehrt,  absieht* 
lieh  oft  bei  ihren  Geschlechtsregisteru  einige  Genera- 
tionen auszulassen,  und  Lukas  in  seinem  Evangelium  K.3. 
ichiebt,  der  griechischen  Uebersetzung  des  A.  T.  fol* 
geod,  einettCainan  ein,  den  Moses  (IB.  Mos.  K.  II.) 
sieht  hat  u.  s.  w.    Wie  inancherlei  Unsicherheiten  B.  sich 
gelöst  und  sicher  gelöst  zu  habe«  meinte,  sieht,  wer 
sehen  kann,  in  der  schon  angeführttn  Lebensbesohfol- 
buDg.  S.  240 — 254    B.  beruft  sich  auf  die  Stelle  Ha- 
baltuk  a,  2,  wo  er  das  Mittel  der  Jahre,  aber 
gegen  die  wahrscheinlichere  Erliiärunjf  anderer  Exegetea, 
von  der  Mitte  der  Weltdauer  Tor  und  nach  Christus  ver-=' 
Staad.    Und  selbst  nach  seiner  Meinung  liegt  das  wahre 
Geburtsjahr  Christi,  oder  das  J.  der  Welt  3939.  dooh 
nicht  so  genau   in  der   Mitte,    da  nach  B.  die 
Sie  Hälfte  der  Weltdauer  sich  mit  38ia  endigen,  die 
Zeit  des  N.  T.'s  also  um  160  Jahre  ka«er  seyn  soll,  als 
die  lies  A.  T.'s.   Denn  R  sucht  wahrscheinlich  au  ma- 
dien,  dafs  die  Welt  [d.  i.  unsere  jetzige  Tellus-.Periodej 
Dicht  kürzer,  als  1692,  nicht  länger,  als  1880  Jahre 
dauern  könne,  und  bleibt  endlich  bei  1111%  stehen, 
tanu  Terzuglich  aus  dem  Grund ,  weil  er  in  diesem  Jahre 
nicht  nur  ein  Glied  seiner  arithmetischen  Progression 
(das  löste)  fand,  sondern  weil  aus  demselben  zugleich 
die   heilige   Siebenzahl   unverkennbar  hervorleuchtet 
8.  Ordo  temporum  S.  329  und  330.    Wenn  aber  buf 
Brklärnng  der  Oflfenbarung  jene  Progression  nicht  noth- 
wendig  ist,  sa  AUt  auch  die  Ursache  hinweg,  warum 
Bengel  gerade  das  Jahr  UllV/g  gewählt  hat. 

Da  nun,  um  Alles  kurz  zusammenzufassen,  a)  tia« 
Jahr  der  WeU  3939,  in  %vei(jhes  die  Geburt  Christi  fällen 


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648  Apokaljrpttfche  Erwartungen 

soll,  äufserst  ungewifs  ist,  da  b)  eine  Welldauer  von 
VnV/^  Jahren  folos  auf  willkührlichen  Voraussetzungen 
beruht,  und  da  o)  ebenso  willkuhrlich  ein  Aufeinan* 
derfolgen  von  2  Jahrtausenden  Tor  dem  Bmdm 
der  Welt  zu  Gunsten  das  Jahr  5778  angeoomnien  wird  : 
so  kann  das  J.  Chr.  IS^ü.  unmöglich  richtig  berechnet  - 
eeyn .  indem  man  zu  diesem  Jahre  nur  unter  der  Bedin- 
gung gelangt ,  dafs  es  mit  obigen  3  Funkieu  seine  voll- 
kommene Richtigkeit  habe.  war,  wie  wir  oben  an 
einem  Seisplel  sahen,  über  gewisse  Punkte  seines  Sj- 
Sterns  nicht  immer  mit  sich  selbst  einig.  Aber  wegen 
der  Hauptsache  dessen,  was  im  J.  1830.  geschehen,  was 
vorangehen,  was  nachfolgen  sollte,  war  Er  von  der  Gül- 
tigkeit seiner  Berechnungen  so  sehr  überzeugt,  wie  von 
irgend  einem  Hauptpunkt  seines  Systems.  Und  doch 
trug  er  in  laiiterer  Wahrheitsliebe  kein  Bedenken ,  sich 
(Burk  S.  300.)  auf  folgende  Art  su  erklären:  „Schon 
lange  habe  ich  es  bei  mir  ausgemacht,  dafs  es  mit  meiner 
„Erklärten  OfTenbarimg"  dahin  kommen  werde,  dafs  es 
scheint,  es  sej  alles  aus,  so  dafs  ich  ganz  vernichtet 
werde.  Zuletzt  aber  wird  doch  noch  das  Siegel  auf 
meine  Beweisführung  (?)  gedruckt  werden,  und  sich 
dieselbe  als  Wahrheit  legitimiren.  Sollte  aber  selbst  das 
Jahr  1886.  ohne  merkliche  Veränderung  vorbeistrei- 
chen, so  w^äre  freilich  ein  Hauptfehler  in  meinem  System, 
lind  man  müfste  eineUeberlegung  anstellen,  wo  er  stecke." 
*—  Die  Zeit  drängt;  Bengels  Offenbarungen  über  die  so 
wenig  offenbare  Offenbarung  hat,  wie  Er  selbst  erkennt, 
bald  eine  entscheidende  Probe  zu  bestehen.  Man  hat 
sich  selbst  und  Andern  etwa  Fragen,  wie  die  folgenden 
sind ,  zu  beantworten : 

Wo  und  wer  ist  nunmehr  das  im  J.  1830.  dem  Ab* 
grund  entstiegene,  und  plötzlich  zu  grofser  Macht  ge-- 
^ngte  Thier,  das  1881— 1882.  seinen  Thron  tfuf  den 
Bergen  aufschlug?  Apok.  17,  10.  —  Wo  und  wer 
sind  die  10  verbündeten,  morgen-  und  abend  - ländischen 
Könige,  die  ihre  vereinigte,  nur  Eine  prophetische 
Stunde,  d.  h.  acht  Tage  lang  vom  14—22.  Oct.  1882« 


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nftch  Btti^l,  OtisBder,  WvfM,  Bark  «.  A.  «M0 

ihiieriNle  Macht  —  vielleicht,  wie  R  vermuthet,  auf 

einem  Congrefs  —  dein  Thiere  übertragen  (Apok.  11, 12.) f 
untl  die,  mit  Genehmhaltung  des  Thiers,  Rom,  das 
neiie  BabjU>n ,  im  J.  1833.  verwüsten  ?  —  Welche  Zei- 
chen ttosrer  Zeit  deuten  auf  das  letzte,  zwischen  1832. 
«od  18W«  fallende  Wüten  des  Thiers  aus  dem  Abg  runde 
oder  des  Antichrists,  sowie  auf  eine  gegen  1830 — 1834. 
zu  erwartende  Zertretung  oder  Verheerung  Jerusalems, 
das  um  diese  Zeit  eine  Bevölkerung  von  70,000  Liin woh- 
nern (nach  unsern  Geographen  zählt  es  beiläufig  nur 
halb  M  viele)  und  wieder  einen  Tempel  haben  wird. 
Apok.  11.  

Auf  jeden  Fall  gereicht  es  Bengel*n  zur  Ehre,  auch 
nur 'die  Möglichkeit  eines  Grundfehlers  in  seinem 
System  zugegeben  zuhaben*  Die  Schriften  B.'s,  auf  den 
man  die  Denkart  vieler  seiner  enthusiastischen  Verehrer 

nicht  übertragen  darf,  zeugen  von  einem  sehr  beson- 
nenen, von  fanatischer  sowohl  als  von  süfsüchter,  iie- 
beioder  und  doch  verfoigungssuchtiger  Schwärmerei  weit 
entfernten  Charakter. 

Zu  vollständiger  Beurtheilung  der  Bengelschen  apo- 
kalyptischen Berechnungen,  welche  begreiflicherweise 
einen  übergrofsen  Eindruck  machteo,  weil  die  allerwe- 
nigsten das  Mathematische  und  Astronomische  ^  auch  nur 
nach  den  angenommenen  Voraussetzungen ,  zu  erwägen 
vermögen,  gehört  besonders  noch'  eine  soviel  möglich 
allgemein  veiständliche  Enträthselung  unter  dem  Titel: 

[4.]  J.  B9ng0V$  Cyklui,  odtr  der  ^Btronomiteke  Tkeil 
9on  DßSMen  mpokalyptitckem  Sy^temy  gmemvtntänd" 
IM  darge$teÜt  und  geprüft  von  J.  F.  fTurm.  Prof.  tu  Stuit' 
gart,   Stuitg.  183L  8.  20  dT. 

Diese  Schrift  eines  so  eben  verstorbenen  kenntnifs- 
reichen,  von  Anmafsung  äiifserst  entfernten  Verfs.  ist  bei 
ulier  KÖrze  so  klar  und  aufklärend ,  dafs  sie  Jedem,  der 
lieber  seihst  sehen  als  blos  stautieii  will ,  nicht  genug 
empfohlen  werden  kann.  Sie  giebt,  was  noch  Burk  im 
Leben  BengeU  S.  33<k  vergeblich  gewünscht  hatte. 


• 

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Ich  erinnre  mich  hierbei  noch  an  das  Tielleichl  aaf^ 

ftilieiuläte  Beispiel,  wie  fÜe  subtilsten  iitul  doch  uubalt-» 
barsten  Entdeckungen  alsdann  gemacht  zu  werden  pfle- 
gen, wenn  ein  scharfeinniger;  worlgiaubiger  Mann  ia 
einigen  —  populär  ausgesprochenen  —  Bibelworten  ver* 
hüllle  GeheimnisBe  ahnet «  und  alsdann  alle  seine  Com» 
binationskraft  anwendet,  um,  wie  erhofft,  der  Offenbarer 
dessen  zu  werden,  was  die  Bibel  selbst  nicht  geoffea« 
hart  hat. 

Bei  Luk.  18,  8.  ist  ^Is^Wort  Jesu  aufbewahrt  der 
Ausspruch:  „Wird  übrigens  der  gekommene  Menschen« 
söhn  den  Glauben  finden  auf  der  Erde?**  Durch 

diese  Worte  %vurde  in  jener  Blüthezeit  der  Mathematilc 
als  Freund  von  Barow,  Newton,  Leibnitz,  Bernoulii 
u.  s.  w.  ein  Schottländischer  IVIa thematiker  Johu  Craig 
zu  der  Frage  bewogen:  Wann  denn  der  historische 
Glaube,  welcher  mit  der  Bntferoung  von  seinem  Eni« 
stehungspunkt  sich  vermindert,  allmfihiich  sich  so  sehr 
mindere,  dals  er  dem  Auf  hören  nahe  sej  und  also,  wio 
Jesus  gfesagt  habe,  fast  nicht  mehr  gefunderi  wer- 
den könne? 

Craig  schrieb  1689.  Theolagiae  christianae 
principia  mathematiea.  London,  eine  Schrift, 
die  zwar  1755.  su  Leipzig  wieder  gedruckt,  doch  aber 
weg^n  ihrer  mathematischen  Einkleidung  wenige  bekannt 
worden  ist.  Ein  Hauptpunkt  darin  ist,  daPs  der  Verf.  zu 
berechnen  sucht,  in  welchen  Zeitabstufungen  allmählich 
etwas  einst  historisch- Bezeugtes  durch  die  Zeitferne  so 
verdunkelt  werde,  dafs  seine  Glaublichkeit  sich  beinahe 
in  Null  verliere  und  tnehschlich  nichts  mehr  darauf  ge- 
baut %%'erden  könne?  Die  überraschendste  Rechnungs- 
formeln, durch  welche  Craig  das  all  mahl  ige  Ver- 
schwinden der  historischen  Prpbabilitit  be- 
weisen zu  können  meinte,  sind  1191.  in  einem  Rostooker 
Weihnachtsprogramm  von  Prof.  Becker  deutlich 
dargelegt  und  zugleich  giüiidlich  beurthelU  worden. 
Craig  wurde  dadurch,  wie  er  meinte,  iiia thematisch 
überzeugt,  „Christum  mno  3150.  adjudicmm  mlre^ 


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■ach  Ben^l,  Osiaodrr,  Wvrm,  Burk  m.  A.  991 

mum  veniurum  esse,"  Er  i»chlors  nämlich  aus  der  Stelle 
bei  Lukas:  Christus  oiDf^tte  gerade  alsdano  wieder  kom^ 
Ml,  weno  historischer  Glaube  an  di«  Voraussagiiogfea 
•eim»  Wiederkainiiieiis  fast  oichl  mehr  m  finden  seyn 
virde.  Ilies  aber  sollte ,  nai^  seinem  CalcQliiS)  unii 
J.Christi  3150.  oder  3ir)6.  zu  erwarten  sejo. 

Es  ist  gut^  dergleichen  Verirrun^en  des  Tiefsinos 
sieht  gäns  zn  vergessen,  weil  zu  keiner  Zeil  Warnungen 
gcj^en  ähnliche  bald  speculativ«  bald  exegetisch -trane^ 
Ceodente  Versuche  überflQssig  werden. 

Die  Entstehungsgeschichte  des  Bengel i seh  >  apoka- 
lyptischen Sj^stems  findet  sich  auf  eine  auch  für  den  Psy- 
diologen  sehr  interessente ,  glaubwürdige  Weise  S«  240 
bis  344.  in  der  schon  belobten  Biographie: 

-(&]  9r.  JoA.  Aihr.  B^nftiw^  h^hen  umd  Wirken^  «Iffwl  ita«A 
htmMiryaUihm  Mßierhtifn  Tos  Joh.  Chr.  Fr,  Burk, 
Pforr$r  l^heUßmgtH.  Mit  Bvmgßlt  ßüdmf§»  Zwfitß  Außagn. 
Siuttg.  1882.  m  S.  inS. 

In  langer  Zeit  las  ich  keine  Schrift  mit  gemiscb* 
teren  Empfindnngen.  Neben  ganz  fixirten  Sonderbar"- 
Mien,  eine  fiberwiegende  Fillle  von  praktischem,  durch 

edle  Frömmigkeit  zu  vielem  Wahren  geleiteten  Verstand! 
Maa  könnte  eine  Anthologie  daraus  machen. 

Dr.  Pauluw. 


mi4  B{mM9ktH,  GctfiiraieK  umd  herausgegebm  von  Jüaeph  Ckme 
rtgMrtem  Qkorktnm  von  StäFlorutn*  Erster  Band.  Lins,  MJ09, 
l%iJk  nnif  Sohn.  18S2.  4. 

Aach  unter  dem  besonderen  Titel : 

Mrägo  9ur  Go^ehichU  IL  Friedrich»  do»  i^  iertm*  EriUr  Bd»  Ersten  Hi^fU 

Der  Hr.  Verf.  verspricht,  unter  diesem  Titel  6ine 
fortgesetzte  Äammlung  dessen  herauszugeben,  was  er  in 
Bibliotheken  und  Archiven  zur  Auihellnng  der  österrei- 
cUseheneesohtehte  Dienliches  gefunden  nnd  eupnnimen« 


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<8i       dimel ,  Matffriali«!  snr  ditemleliisdiea  Oetehichter 


getragnen  hat.  Bis  jetzt  ist  aber  nur  dieses  erste  Heft 
erschienen.  Wie  cJer  zweite  Titel  piizeig"!,  beziehen  sich 
die  darin  enthaltenen  Beiträge  alle  auf  die  Geschichte 
Kaiser  Friedrichs  des  Dritten  oder,  wie  ihn  der  d9ter<« 
reichisch^  Patriotismus  zu  nennen  pflegt,  des  Vierteo. 
Es  sind  im  Ganzen  drei,  alie  drei  alter  von  der  Art,  dafe 
jeder,  der  sich  mit  der  Geschichte  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts näher  beschäftigt,  gewils  dem  Hrn.  Vefffc  fiit 
deren  Mittheilung  Dank  wissen  wird. 

Zuerst  hat  Hr.  Chmel  ans  den  Verzeichnissen  des 
Ic.  k.  Archivs-  die  Titel  der  Handschriften  ausgezogen , 
ivelche  irgend  eine  Aufklärting  über  die  Geschichte  der 
Zeit  gewähren  können,  wo  Friedrich  das  Oberhaupt  des 
teutschen  Reiches  war  (1440 — 149«i.).  Er  hat  einen 
grofsen  Theil  dieser  Handschriften  selbst  näher  unter- 
sucht, verglichen  und  excerpirt;  dadurch  hat  er  ihren 
wahren  Inhalt  genauer  kennen  gelernt  und  ist  in  den 
Stand  gesetzt  worden,  das  Veizeichnifs  an  mehreren 
Steilen  zu  verbessern.  Mit  diesen  Verbesserungen  und 
eignen  Bemerkungen  tiieilt  er  uns  nun  den  erwähnten 
Auszug  daraus  mit 

Ohne  Zweifel  ist  es  aber  von  grofsem  Werthe,  dafii' 
die  reichen  Schätze,  welche  jene  Sammlung  versdiltefst, 
immer  bekannter  werden,  damit  dies  die  Geschichtsfor- 
scher veranlafst,  soweit  es  gestattet  wird,  sie  immer  mehr 
zur  Aufhellunng  der  Geschichte  im  Allgemeinen,  der 
teutschen  und  der  österreichischen  ins  Besondere  zd  be- 
nutzen. Daher  halten  wir  es  immer  für  ein  verdienst- 
liches Werk,  den  auf^erordentlichen  Reichthum  jener 
Archive  den  Gelehrten  vor  Augen  zu  legen ,  obgleich 
Pertz  in  dem  Archive  der  Gesellschaft  für  ältere  teutsche 
Geschichtskunde  Bd.  VI.  S.  iOO  u.  ff.  mit  seiner  ge* 
wohnten,  musterhaften  Genauigkeit  und  Gewissenhaftig- 
keit ein  ähnliches  Verzeichnifs  der  für  teutsche  Ge- 
schichte brauchbaren  Handschriften  aus  dem  erwähnten 
Archive  gegeben  hat. . 

Da  diese  trefiliche  Zeitschrift  leider  nicht  die  weite 
Verbreitung  geflmdeo  hat,  welche  die  Reichballigkeil , 


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■MMBtlich  ihrer  leiBtet)^ Bände;  as  flchStcenswe^theti  Bei- 
trägen zur  Quellenkunde  des  teuUchvii  Milteiaiters  ver- 
diente, und  wir  daher  voraussetzen  müssen,  dafs  einem 
grofsen  Theile  der  Leser  dieser  BläUer  Pehzu  Verzeich- 
oifs  nicht  cur  Hand  i8l,  so  erlauben  wir  uns,  mit  einigen 
Worten  auf  die  Reichhaltigkeil  der  dort  und  bei  un-* 
serem  Verf.  Yerzeichneten  Materialien  aufuierlisaai  zu 
machen. 

Sehr  verschiedenartige  Quelleuschriften  finden  sich 
in  jener  Samudung  vereinigt  Den  weniger  wichtigen 
Theil  derselben  bilden  die  Haudschriftea  schriftstelieri« 
scher  Werke;  doch  finden  wir  auch  hier  neben  schon 
bekannten  und  gedruckten  Büchern  noch  viele  unge- 
druckte  und  und  unbenülzte,  dert  n  ütei  zum  1  heil  we- 
nigstens viel  verheifseiJ.  Bei  weitem  der  wichtigere  Theil 
abd  ahpt  die  urkundlichen  Schriften,  welche  in  dem 
Archive  aufbewahrt,  werden.  NatOrlich  ist  hier  der 
Rmchthnm  aufserordentUch  grofs:  bei  der  Menge  von 
Ländern,  welche  dit^  Herrschaft  des  uhterreichischen 
Hauses  nach  und  nach  umfnfste,  deren  urkundliche  Denk- 
mäler gröfstentheils,  entweder  in  der  Urschrift,  oder  in 
genauen  Abschriften  hier  nufbewahrt  werden  —  bei  <ler 
historischen  Wichtigkeit,  welche  theils  das  Hauptland 
der  Monarchie,  theils  einzelne  Nebenländer  Jahrhunderte 
hindurch  besessen  —  bei  der  Sorgfalt,  die  man,  wie 
es  scheint,  für  regehnäfsige  Sammlung  und  sichere  Auf- 
bewahrung ihrer  urkundlichen  Schriften  trug  —  ist  na- 
türttch  ein  fast  uÄerschüpiicher  Schate  TonjBolehea  Denk- 
nilera  früherer  Jahrhunderte  hier  aufgehäuft  worden.; 

Wir  zeichnen  unter  der  grofsenZahl  der  aulgeführten 
Diptomenfascikel  nur  2  Classen  aus,  welciie  von  beson- 
derer geschichtlicher  Bedeutung  sind.  Zuerst  nennen 
wir  diegr^fsen  allgemeinen  Sammlungen  aller  wichtigeren 
UvfciUMie«,  durch  die  iin  Laufe  djcr  Sfeit  die  VerhÜ.tni686 
einudbier  Länder  fies  österreichischen  Staates  festgestelk 
worden  sind.  Solcher  Sanimlunß^en  sind  viele  aufgeführt, 
weiche  theils  die  Urkuitden  im  Originale,  tlieils  in  wört- 
iicbea  Abschriften  e^iihalten  und  oft  durch  eiue  Reihe 


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von  JshrliiNuierteii  uiMNilevbrichefi  IbrtkiiireQ)  also  die 

fest  beglaubigten  Grundlagen  der  gaazea  Geschiclite  ein-»  ' 
zeioer  Länder  enthalten.  ^ 

Hierher  |;ehör4  Yor  Allem  der.  Codex  diplomaiiem 
AmtrmcuSy  die  Sammlung  aller  auf  das  eigf^ntliche 
Oeatcmicli  .sich  besieheiMieo  Urkunden  toh  liM  bis 
in  8  Blndon,  mit  einem  genauen  Register; 

flann  die  Salzburgischen  Kammerbüch  er  oder 
das  Diplomatariimi  der  wichtigsten  Urkunden  des  Erz- 
sttfis  Salsburg,  ia  6  Bäadea,  gieichüadls  mit  eiaetnall^ 
'geni4»inen  Register; 

eben  so  dM  Tyroler  Diploflaatarium,  dienrich-*- 
tigsten  Freibriefe,  Landesverordonogen  und  Verträge  Ar 
Tyrol  enthaltend  ; 

ferner  eine  Copie  der  f&r  die  ganze  europäische  Ge- 
schichte so  unendlich  wichtigen,  in  Venedig  befindlichea- 
Sammlung  der  vorailglichsten  Traktale-der  Republik  Ve» 
pellig,  der  bekannten  Ubri  de"  Pmiii  von  883  bis  Itt«, 
in  7  Bänden;  und  als  Ergänzung  dazu  eine  Abschrift  der 
10  ersten  Theile  der  gleichfalls  in  V  enedig  befindlichen, 
aus  38  Tlieiiea  büstehemlen  Libri  CommemoraU;  (sie 
-enthalten  die  wlchtigstim  diplomatischen  Verhandlungen 
der  R^ublik  ¥oa  1295  bis  118&,  jene  10  Theile  aber 
«nfasssn  die  Zeit  Ton  1295  bis  141t,  berftbren  also  dio 
Regierungszeit  Friedrichs  selbst  nicht  unmittelbar;) 
die  bekannten  Sammlungen  Andreas  Dandulo's,  Uber  albus 
und  Ii6er  biaacus,  die  auch  in  jenem  Archive  aufbot 
wahrt  werden,  fchlon  in  Hrn.  Chmel's  Verceichnils  n%» 
tirlleii,  weil  sie  von  Friedrieh's  Reglern  ngsacit  finl  wm 
S  volle  Jaliriiuoderte  g^rennt  sind;  — < 

endlieh  das  Eisa^äer  Oiplomatarinm  vom  vierzehntea 
bis  zum  sechzehnten  Jahrhundert;  n. s. f. 

Die  «weite  Klasse  von  Urknndsfascikeln,  dm  wir  eti* 
.wihnett,  gnhörl  ansschlieftKoh  der  Zeil« 9  welbhei^dw 
vorliegende  V-emeichntfe  gewidnriet  ist:  es  skid  dioite 
einzelne  gröfsere  Urkunden,  Iheils  Sammlongen  aller  auf 
ein  einzelnes  wichtiges  Rreignifs  bezüglichen  Original- 
sdirifbn.    Fast  für  jedes  der  £reigoi«6e,  welche  ^imüsea 


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fiioflufs  auf  (k'ü  Gang  der  Regierung  Friedrichs  fibl^tit» 
findet  sich  eine  solche  8aininlung  vor:  so  die  Schriften, 
welche  die  Verbiodoog  Friedrichs  mit  Frankreich  gegen 
fiurg^und  betrefTm;  SO  tlle  die^  lürelche  sich  auf  dl« 
HiBdoi  OeslreidM  tnll  Burgund,  iiNibmiKler«  wegen 
Aer  Terfifftiidviiig  von  Bbalk  «od  von  Piirl,  bctstehen; 
so  die  Schriften  über  die  Entlassung  Ladislause  aus 
Friedrichs  Vormundschaft;  —  die  Fripch  nssclilüsse  zwi- 
schen Friedrich,  Maximilian  und  Wiadislaus  voxi  Ungarn 
•nd  Böhmen;  ein  Dipiomaliirium  der  Päbsie  Mariin  V«, 
Bigen  W.,  Nicolaos  V.,  dann  der  Kiasar  Sigiaoiuiul, 
Alöwht  vnd  TVieilrieh ,  die  KirchenTersamnriviif  »i 
Basel  betreffend?:  u.  s.  f. 

Der  wichtigste  von  den  Beitragen,  welche  der  Hr. 
Verf.  diesmal  galiefert,  ist  aber  der  zweite:  nämlicli 
der  Anlang  eines  Repertarium«  der  Urkanden,  die  n 
Auf  belhiBg  der  Geschichte  Friedrichs  vom  Anfange  seiner 
Begierung  in  Oesterreich  1424.  bis  zu  seinem  Tode  14ML 
dienen  können.  In  diesem  Hefte  reicht  dasselbe  er^.i  his 
zum  Jahre  1439,  betrifft  also  nur  Friedrichs  herzogliche 
Regierung.  Die  Einrichtung  dieses  Reperlonums  iai 
ditsdiye,  wie  in  Böhmer's  irefflichen  Regcaten  der  tenl*^ 
sehen  Könige  (Frankinrt  am  Main,  1881.  44e):  in  de? 
•fsten  Columne  eine  fortlaufende  Zahl;  in  der  zweiten 
»lie  Ausstellungszeit ;  in  der  dritten  der  Ausstellung^^ort; 
in  der  vierten  eine  gedrängte  Angabe  des  Inhalts  und 
ssast  etwa  zm  bemerkende  Dinjg;e,  endlich  der  Aufbe*? 
wiininginrt  ilea  Originals,  nad  wenn  daseeibe  aelsan 
gvbnekt  werden,  in  welchem  Werke  der  AMrui^  an 
finden  ist.  So  enthält  dieses  Heft  das  Verzeichnlfs  von 
2M  Urkunden  österreichischer  Archive  in  chronologi- 
scher Ordnung,  welche  Ufknnden  all«  die  Verhäkniase 
Owteiieiohs  oder  seines  RegenlenhaMea  tielreffen  oder^ 
Mia  flies  4iei  cnnigen  Brivatnrknnden  -nicht  4er  Fall  MI4 
nenigstens,  wie  Ihr  Inhalt  zeigt,  Licht  auf  die  Ver« 
liiitnisse  des  Privatlebens  in  diesen  Ländern  während 
jeoer  Zeit  werfen.  Bei  fiem  Stande  der  historischen 
VViasenschaften  in  unserer  Zeit  ist  es  unnötbtg,  ein  Wnst  . 


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M      CtaMi*  lM«rÜlieii  t«r  «MtmiclilieliMi  CfiAicllMte. 

Aber  die  Wichtigkeit  einer  flolcben  Sammluog  und  über 

die  aufserordentliche  Erleichterung  zu  verlieren,  welche 
gie  der  F'orschiing  gewährt.  Jeder,  der  sich  für  die 
Geschichte  jener  Zelt  iateressirt,  wird  gewifs  mit  uns 
begierig  der  Portsetzung  und  Vollendang  dieses  Werlces 
entgegeosehn ,  YorEQglich  da  seioe  Wichtiglieit  sieh  in 
den  folgenden  Jahren  natQriich  noch  vermehren  muf«^ 
wo  der  Herzog  Friedrich  auf  einen  grüfäeren  SchauplatS 
tritt  oder  vielmehr  gehoben  wird. 

Gleichsym  als  Anhang  schlieist  sich  diesen  beiden 
Att&ätzen  ein  Urlcundenbuch  an,  in  welchem  32  bie 
jetzt  nngedraclcte  Originalschriften  aus  österreichiseketi 
Archiven,  die  in  die  Regierungszeit  Friedrichs  gehören, 
wörtlich  und  diplomatisch  genau  abgedruckt  sind.  Auch 
dies  ist  eine  recht  dankenswerihe  Mittheilun^,  obgleich 
die  einzelnen  abgedruckten  Schriften  von  sehr  verschie* 
denem  Werthe  sind  und  nur  der  liieiuere  Tbeii  von 
ihnen  sich  auf  allgemeine  Verhältnisse  bezieht,  nnd 
daher  zur  Ausmittelung  wichtigerer  geschichtlicher  That* 
Sachen,  zur  Lösung  historischer  Fragen  benOtzt  werden 
kann.  Wer  wollte  aber  fiesvvegen  die  übrigen  Stöcke 
für  werthlos  achten,  ihren  Abdruck  für  unnöthig  halten? 
Giebt  es  ja  doch  Qberlianpt  wohl  nicht  leicht  eine  Sarnm«* 
hing  Ton  Originalschriften  aus  einer  ÜInger  Yergangenen 
Zeit,  die  dem  ächten  Geschichtsforscher  nicht  mannich- 
facheii  Nutzen  und  Genufs  gewährt.  Freilich  dem  ge- 
meinen Sinne  und  dem  iiochtrabenden  Schwätzer  uimI 
selbst  dem  die  Geschichte  nur  in  Bausch  und  Bogen  be» 
handelnden  Universalhistoriker  bleibt  eine  solche  Samm-* 
hing  eine  Anhäufung  Totf  nnbedevteoden  Schreibereien, 
an  denen  man  sich  ohne  Frucht  und  Nutzen  abmuhen 
Wörde,  —  oder  gar  ein  Convolut  von  Erzeugnisscu  einer 
rohen  und  ungebildeten  Zeit,  die  durch  die  Spurj^n  dieser 
ihrer  Bntstehnngsperiode  jeden  Menschen  von  anfge« 
kiftrtem  Verslaode  im  Voraus  zurückschrecken ,  so  wie  sie 
dorch  ihre  geschmacklosen,  schleppenden  Formen  jedem 
feineren,  gebildetereu  Geschmacke  ungeniefsbar,  ja  uner- 
tr%lich  sind. 

fjPtc  Fortsetzung  folgt,} 


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N°.  42.    HBroELB.  JAHRE  o.  LFTERATÜR.  1833. 

Chmet,  Materialien  zur  osterreichkehen  Geschichte^ 

Von  den  kleinen,  aber  geflieg;enen Goldkornchen ,  die 
in  flen  alten,  modernden  Papieren  und  Pergamenten  ver* 
bor|>;en  liegen,  die  sich  nber  freilieh  nur  dem  emsigf 
sirchendea  uncl  tttigetrubt  blickenden  Aoge  entdecken, 
fthnen  Jene  natfirlieh  nichts,  nichts  Ton  dem  GennMe, 
tNireh  den  diese  Kleinigkeiten  dem  8innig;en  Ge^chichtS" 
freunde  himdertfach  fiie  Mühe  und  Anstrengung  ers^etzen, 
die  er  auf  ihr  Aufsuchen  gewendet  hat.  Wem  aber  ch'eser 
Siaa  verliehen  ist,  iler  Sinn  für  die  Erscheinungen! eines 
V6i|[ang6nen  Jahrhunderts,  fÜrZustände  eines yerschwon-» 
denen  Geschlechts,  diese  halb  dem  Verstände,  halb  der 
Babildnngskraflt  an^diörige  FShIgkeit,  sich  deutlich  in 
andere  Zeiten  und  Verhältnisse  hine  inzudenken,  wer  also 
für  den  Germls  wahier  Geschichte  überhaupt  fähig  ist,  — • 
dem  leuchtet  oft  reiner  und  heller  das  8ejn  and  das 
W^en  einer  Zeit  aus  einem  Papierstreifen  herror ,  der 
mit  anwichtigen  Worten  in  ihr  selbst  beschrieben  wnrde^ 
tbaus  den  schönsten  und  glänzendsten  Erzählungen  eines 
Jahrhunderte  späteren  Geschichtschreibers ,  ja  leicht 
Selbst  ungefärbter  und  ungetrübter,  als  aus  den  llarstel- 
luogen  eines  gleichzeitigen  Schriftstellers,  der  seine  Zeit 
mit  einem  bestimmten  Zwecke,  mit  einer  ü!)erlegten  Ab- 
Mi- schilderte»'  Denn  da  auch  dessen  Schildenin^eif 
nttriiiiler  der  Einwirkung  des  überlegenden  Verstandes, 
durch  vielfache  Ahstraction  aus  speciellen  Facten  entstehen 
konnten,  so  fehlt  auch  in  ihnen  die  Unmittelbarkeit  des 
Itebens;  die  Einwirkung  der  Ueberlegung,  der  Eiuilufs 
^  Individualität  verwischt  leicht  auch  in  ihnen  die 
ogSDthllmlichen  Farben  der  geschilderten  Zeit,  —  wäh- 
f«iid  in  den  nicht  für  Schilderung  der  Zeit  bestimmten 
Schriften ,  die  uns  absichtslos  mit  ihren  Sitten  und  Qe* 

XXVi.  Jabig.  r  U£ft.  41^      '  , 


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brättchen  bcikannt  oiacheD,  ihr  Charakter  in  aller  unsiii* 
telbaren  Fülle  und  "Wahrheit,  frei  Ton  Ueberleguiig  uod 
Absicht  hervortritt.    Mag  man  es  immerhin  einen  klein- 
lichen, beschränkten  Sinu  nenneii,  der  sich  an  diesen 
Kleinigkeiten  freut,  oder  woiü  gar  mehr  für  ein  nutz-r 
loses  Spiel  erklären,  als  für  wissenschaftliches  Forschen, 
—  es  ist  eionial  so,  je  specieller,  je  ei|;entbiliiilieher, 
je  individnalislrter  die  Quellen  unserer Gesehichtskenntnifs 
'^sind,  desto  freundlicher  sprechen  sie  uns  an,  desto  mehr 
\%irken  sie  nicht  nur  belehrend  auf  unseren  Verstand, 
sondern  auch  belebend  auf  unsere  Phantasie,  erwärmend 
auf  unser  Gemütb«    Wir  können  es  nicht  Ülugoen ,  gern 
gäben  wir  die  meiisten  Bücher  mit  schön  ansgedachtet 
Anseinandersetsong  der  allgemeinen  Staats-,  Reichs-, 
Kirchen  -  uod  Weit  -  Verhältnisse  für  die  Schriften,  die 
uns  heimisch  machen  in  den  Städten  einer  anderen  Zeit, 
uns  durch  ihre  Gassen  führen.,  zu  den  Käufern  und  Ver<» 
käufers  auf  dem  Markte,  zu  dem  Toben  der  bewegten 
Volksmenge  auf  den  Ptätaeen ,  zu  den  ruhigen  Ueberle- 
gungen  der  hochweisen  Herren  anf  dem  Rathhaiise,  die 
uns  in  die  Kirchen  und  Schulen  geleiten,  dafs  wir  die 
Reden  der  Priester,  die  Fragen  der  liphrer,  die  Dispu- 
tationen der  Weltweisen  und Schrift^elehrten  hören,  die 
uns  in  die  KaSsen  der  Schösser  und  Zöllner,  in  die  L&flen 
der  Kaulleute,  in  die  Werkstätten  der  Handwerker ,  in 
die  Kinder  -  nnd  Wob  n  -  Zimmer  der  Häuser  sehen  lassen , 
kurz  die  uns  im  unmittelbaren  Schauen  Theil  nehmen 
lassen  an  den  Freuden  und  Leiden,  an  der  Gröfse  und 
der  Kleinlichkeit,  an  den  wichtigen  Ereignissen  und  den 
unbedeuteoden  ^Sorgen  einer  längst  vergangenen  Zeit, 
die  ans  so  also  über  die  Beschränktbeil  nnserw  2eit  und 
unserer  LebensverhäUttisse  erheben,  um  uns  f&r  Augen* 
blicke  in  die  eben  so  engen  Schranken  einer  anderen  Zeit, 
anderer  Lebensverhältnisse  zu  verschliefseo ,  damit  wir 
uns  der  bleibenden,  über  das  Zufallige  erhabenen  Ein* 
heit  im  menschlichen  Leben  bewufst  werden,  zujgleicb 
aber  auch  der  unumgänglichen  Nothwendigkeil  nteter 
Beschränkung  des  Allgemeinen  durch  einengende,, 


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Chmel,  Materialien  zur  österreichischen  (icschichte.  6«U^ 


fällige  Formen,  der  Hohlheit  und  Liig-e  alles  ohne  solche 
beschrankende,  iudividualisirende  Foriiieu Gedachten  oder 
Gesprochenen  voo  angeblicher  Allgemeingültigkeit,  — 
ein  Bewufutsey II ,  Aes^n  Bedürfntfs  ja  doch  am  Ende 
■lies  geschichtlichen  Strebens  Ur«>prung  und  Anfang, 
dessen  F'ähig^keit  eben  geschichtlicher  Sinn,  dessen  Be-x 
fiiedi/iriitig  alier  wahren  Geschichte  letzter  und  eitiziger 
*  Zweck  ist. 

Wer  soHle  daher  also  (wenn  ihn  nur  einigermafsen 
(lieser  geschichtliche  Sinn  beleht)  die  Mittheilung  der 
hier  abgedruckten  Üriginalscliritten  des  15ten  Jahrhun- 
derts nictU  für  eine  dankenswerthe  Zugabe  zu  dem  I]uche 
des  Hrn.  Verfs.  halten,  da  auch  sie  ttns  vielfach  in  das 
iDoere  Leben  jener  Zeit  nach  seinen  mannlchßiltigsten 
Beziehungen  und  Verhältnissen  blicken  lassen,  —  wenn 
auch  der  gröfste  Theil  von  ihnen,  wie  bemerkt,  nicht 
gerade  von  grofsein  Nutzen  für  die  Aufklärung  fuctischer  ^ 
Verhältuisse,  für  die  Beantwortung  factischer  Fragen 
seyn  kann.  Doch  geht  auch  dieser  Nutzen  nicht  etwa 
allen  hier  mitgetbeilten  Schriften  ab,  viele  von  ihnen 
beziehen  sich  auf  die  allgemeinen  Verhiftnisse  Sen  dster*  . 
reichischen  Staates  und  seines  Regentenhauses,  und  können 
daher  auch  zur  Aufklärung  der  äulseren  und  allgcmeinea 
Geschichte  Oesterreichs  im  15ten  Jahrhundert  gebraucht 
.  werden. 

Denn  zuerst  finden  wir  mehrere  officielle  Actenstücke, 
durch  welche  die  Schicksale  der  österreichischen  Staaten 
«and  de«  österreichischen  Regentenhauses  iu  jener  Zeit» 
wemgatiu  theil iveise,  bestimml  wurden«  Z.B.: 

No.  16.  ist  eine  Urkunde  Herzog-  Si(>^ismunds  vom 
28.  Februar  1445,  worin  er  für  sich  und  seine  Erben 
tind  Nachfolger  verspricht,  dafs,  wenn  er  zu  seinem  vä- 
^erliehen  Erbe,  der  Grafschaft  Tyrol  könimen  solltc^^ 
«f  Ntohti  ÜMk  wolle  ohne  Wissen  und  Willen  Kitoig 
Medrich's.  No.  26.  Eine  Urkunde  von- demselben  ) 
%Wfin  er,  nachdem  er  in  den  Besitz  vonTyrol  eingesetZJt  • 
Worden,  aaf  alle  weiteren  Ansprüche  an  seine  väterlichen 


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660       Chmel,  Vaterialien  lur  dstofftttehliiiMn  GMcliielite. 

Erbstücke  zu  Gunsten  König  Friedrich  6  und  seiner  Erben 
verzichtet.    (Vom  1).  April  1446.) 

No.^18.  Vertrag  auf  8  Jahre  zwischen  den  Gesandteo 
König  Friedrich 8  in  seinem  Namen,  dem  des  Kdoigs 
Ladislaus,  seines  Mündels,  und  seiner  Erben  einesTheils 
—  nnd  den  Landleulen  ond  StSctten  von  Mähren  andern 
Theils,  abgeschlossen  zu  Znaim  den  lOten  März  1445, 
am  Sonnabend  vor  Pahnj'onnlag'. 
^  No  24.  25  2().  27.  Einiguogea  und  Theilungt-n  zwi- 

schen König  Friedrich,  seinem  Bruder  Albrecht  und 
seinem  Vetter  Sigismund  vom  Jahre  1446. 

No.  31.  Eine  alle  Verhältnisse  des  Landes  umfas- 
sende, sehr  weitläufige  Verahredun^^  der  Tyroler  Stände 
wegen  Verwahung  des  Landes  wjihrend  der  Abwesenheit 
Herzog  Sigismunds. 

No.  6.    Eine  Urkunde  König  Albrechts,  gegeben  zu 
.  Prag  den  14.  October'1488,  wodurch  er  dem  Herzoge 
Friedrich  dem  Jüngeren  den  Blutbann  in  seinem  Lande 
verleiht. 

Hieran  schliefsen  sich  andere  urkuudliche  Schrffteii 
an,  die  zwar  nicht  ofticielle  Aktenstücke  sind,  aber  sich 
doch  auf  allgemeine  politische  Verhältnisse  Oesterreichs 
und  seiner  Regenten  beziehen.  l¥ir  erwähnen  davon 
nur  folgende: 

No.  1.  Schieiben  Herzog  Friedrich  des  Aelteren  an 
Herzog  Albrecht  in  Angele  genheiten  der  Vormundschaft 
über  seinen  Neffen,  Herzog  Friedrich  den  Jungeren , 
vom  4.  December  1434. 

No.  2.  Schreiben  Herzog  Friedrich  des  Jüngeren  an 
Herzog  Albrecht,  seinen  Vetter,  wegen  derselben  Vor- 
mundschaft, vom  10.  December  1434. 

No.  17.  Gedenkzettel  und  Geualtbrief  König  Fried- 
richs an  die  österreichischen  Machtboten  für  die  Ver- 
handlungen über  den  oben  erwähnten  Vertrag  zu  Zoaj^m, 
vom  2ten  März  1445.  Die  Gesandten  siud ,  aufser  dem 
Probste  von  Neuburg  und  6. Rittern,  auch  Andree  hfl- 
*  brand  die  czeit  des  Rats  gesohworn  der  Stat  zu  Wienn 
und  Raiohari  Zettlinger  burger  dasßibs.  ,,$iinderleich 


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I 


CluMi,  Iteleffittiieii  Mr  dtierffeidiitclMii  Ctoflciiidil«.  til 

ifll  SO  merkchB  das  meoiger  zu  Merhem  sunder  Zotpmoh 
sä  dem  lannd  mineDt  cn  habo  der  elleichn  man  Tilleicht 
BecktMeh  nicht  vil  schuldig  ist  IMochtn  die  Rett  dana 

umb^een  das  Si  In  unib  soih  ir  sunder  Zuspruch  bei  dem 
Tag;  nicht  antburtt  tettn  untz  das  der  frid  wurd  beslossu 
■ad  besteet  So  woril  daan  der  fridbrief  yedem  man  wol 
Qiderwetan  wo  Tiid  an  welhem  endnn  er  «ein  zuaprodi 
sa  Recht  oder  zu  mynn  fnrpringn  rnd  Tordern  aolt** 
Thun  konimeQ  aber  doch  viele  Punkte^  die  Privatver- 
hättnisse  betreffen   und  deren   Lösung^  voigeschrieben 
wird.  Im  Vertrag  selbst  aber  wird  bestimmt,  da (s  König 
Frieilrich  4  Männer  und  die  Mähren  4  ernennen  aollen, 
die  sollen  sich  zu  Znaym  versammeln  und  vor  aie  sollen 
alle  Priyatkjagen  aus  dem  einen  Lande  liegen  das  andere 
gebracht  werden,  die  sollen  dann  durch  Stimmenmehrheit 
entscheid  en ;  „wurdn  aber  vnder  den  Achten  vier  gen 
viern  gleich  stossig,*'  so  soll  ein  in  dem  Vertrage  na- 
meotlich  angeführter  Obmann  (Christoph  von  Lichten^ 
'8iain,  oder  Michael  von  Maidburg,  oder  Ulrich  £yn* 
teioger  von  Byntzing)  entscheiden  tt.e.  f. 

No.  19.  enthält :  a)  Vollmacht  an  die  oben  erwähnten 
vier  Schiedsrichter,  einen  neuen  Frieden  von  kürzerer 
Dauer  abzuschliersen ,  weil  der  früher  verabredete  nicht 
ZU  Stande  gekommen  war;  h)  Befreiung  der  Gesandten 
von  der  Verantwortung  für  den  abgeschlossenen  FriO'* 
den;  — ->  ,,Al80  veirbaissen  wir  In  bei  unsern  kunigkleichn 
wertn  das  wir  Si  nll  vier  von  solher  gelubnoss  wegn  vnd 
^^as  Si  in  solihn  frid  machn  gehandelt  haba  ob  Si  icht 
üaruuib  begegnend  wurdn  nach  iinsrer  Rete  Rat  an 
•chadn  haltn  welln  genedigkieich  vnd  vnge u erleich 
c)  ond.d)  Ratification  des  verabredeten  Friedens. 

Hieran  reihen  sich  nun  aber  unter  den  mitgefheilteu 
Sticken  vieie\  die  gleichsam  in  der  Mitte  stehen  swi- 
scheu  den  Schriften,  die  sich  auf  die  allgemeinen  Ver- 
hältnisse des  österreichischen  Staates  i)eziehen  und  daher 
Sur  Aufklärung  seiner  äufaeren  allgemeinen  Geschichte 
gebraucht  werden  können  und- den  Schriften  ,  die,  aufser 
ÜUem  9lisamnienhiin|;e  mit  den  St«at9verb«dtnu»aeu , 


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nur  die  Verhältoiase  des  EiaseUebene  iNur&hren.  Ks  ünA- 
dies  nämlich  Schrifteo ,  die  entweder  mbl  anch  ¥er^ 

hähnisse  des  Staats  betreffen,  aber  innere,  Finanz-, 
Gerichts-,  Verwalttings-Eiririchtungpen,  und  tkdier  keine 
Aufklärung  über  seine  Schicksale  im  Ganzen  und  Ailge* 
meinen^  wohl  aber  über  seine  Lage  im  Innern  geben 
können  9  oder  Schriften ,  welche  sich  auf  die  Angelegen- 
heiten einzelner  Thelle  des  Staats,  einsalner  Gemeinden, 
Corporationen  nnd  dergl.  beziehen,  oder  endlich  solche, 
die  zwar  das  Regenlenhaus  angehen,  aber  nicht  dessen 
äufsere,  politisclie  Stellung,  sondern  die  Privatverhält* 
nisse  seiner  Mitglieder. 

Hierhin  rechnen  wir  e.  B.  die  vielen  g^ericktlichea 
Schreiben,  theils  Herzog  Friedrichs,  theib  der  Richter, 
theiJs  der  Partheien  über  vielerlei ,  verschiedene  Klagen 
und  Rechtsstreite,  welche  reclit  viel  interessante  Beiträge 
über  Sitten,  Einrichtungen  und  Gebräuche,  vorzüglich 
Gerichtsverfassung  und  Rechtsgang  im  löten  JabrhnD«* 
dert  enthalten. 

Wir  erwähnen  davon  niir  No.28,  ein  Schreiben  König 
Friedrlch^s  an  den  Bischof  Leonard  von  Passau,  worin 
er  ihm  verbietet,  über  das  im  Österreichischen  Gebiete 
gelegene  Schlofs  „Pirkchenstain  Gericht  zu  halten. 
(Vom  Jahre  1448.)  Dabei  liegen,  wie. der  Hr.  Verf, 
bemerkt,  im  Archive  1}  ein  Brief  von  densselben  Tage 
^an  die  Gebrüder  Hans  nnd  Ulrich  vonStahfemherg,  wo- 
durch ihnen  verboten  wird,  bei  einem  vom  Bischof  etwa 
doch  gehaltnen  Gerichte  zu  erscheinen  nnd  2)  ein  Brief 
an  die  Herren,  Ritter  und  Knechte,  die  zum  Recht  spre- 
chen gefordert  werden,  mit  dem  Gebote 9  weder  Rächt 
noch  Urtheil  zu  sprechen* 

Nicht  uninteressant  waren  Ref.  auch  2  Stfieke^  die  Uber 
die  damaligen  Geld  >  und  FinansverhSitnisse  einigen  Auf- 
schhifs  geben,  nämlich  No.  28.  und  No.  30.  Ersteres  ist 
der  Anschlag  einer  Prinzessinsteuer  in  Steiermark,  Kärn-* 
then  und  Krain  bei  Vermähiqng  der  Erzherzogin  Katha** 
rina :  „Vernierkht  der  Anskg  der  Stewer  zh  JonkfrawQ 
Katbreyn  vnsers  gnedigisten  herrn  knnig '  Fridreiobs 


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I 


SwesUrr  ttb  ij  Margkg^raf  KariR  Margkhf  rtneii  sa  Padeft 

vod  «B  Spaohaym  gegebn  vnd  gen  Regenspurg  geantt- 
wurtt  igt  worein.  Anno  domini  etc.  Quadragesimo  sexto/* 
„Von  erst  im  lannd  Steyr  auf  dye  Preiaten  Abtf»ssin  vnd 
prjorio  vnd  Juden  vor  dem  perg  vnd  in  dem  perg.*'  Die 
PrfiUteii,  Aebte  und  Aebtissinnen,  Prioren  und  Prio- 
rimieo,  Johanniter  und  Teofschherren  in  Steiermark 
tthien  Easammen  t240  Gidden,  ^^Hye  Jnden  in  Steir 

kernden  vnd  Krajii  vnd  hiedishalb  des  pergs,"  die  zwi- 
schen der  Priorin  zu  ..Studenvcz"  und  den  Teutsch- 
Herren  aufgeführt  werden,  0000  Gulden;  die  Summe 
(kr  ganzen  Steuer  beträgt  46,632  Gulden.  ~  Daa 
mite  (No.  80.)  iat  ein  Preistarif  einiger  von  dem 
Sehnnschreiber-Ambt  anmusCellenden  Urkunden:  ,,Von 
erst  Ladung  vnd  Zeugbrief  daiuon  xij  Pfennige.  Von 
Zeii^^b riefen  Her  Andertaiz^  dauon  v  ]  Pfennige.  Von  Zeug- 
briefen da  Recht  auf  erkannt  wird  auf  Hed  vnd  Widerred 
SB  lohn  xij  Pfennige."  u.  s.  f.  ,,Und  ob  er  solicha  oder 
anders  handelt  das  wider  soliche  Ordnung  w8r,  oder  in 
annder  Wege  sich  nicht  hielt  nach  der  Landleot  willen 
vnd  geuallen,  60  haben  in  (iie  iandlleut  aibeg  abzusezen, 
oder  wpjLT  darinn  machen.** 

Am  interessantesten  waren  Ref.  aber  einige  von  den 
Schriften  dieser  Klasse,  in  welchen  uns  die  Bigenthüm- 
lidikeil  der  Zeit,  in  der  sie  entstanden,  recht  deutlich 
fsr  Angen  gef&hrt  wird.  Wenn  uns  nSmIich  manche 
andere  Erscheinung  jenes  Jahrhunderts  leicht  verleiten 
könnte,  uns  dessen  Verhältnisse  schon  zu  sehr  denen  der 
oeaeren  Zeit  fthntich  zu  denken,  so  tragen  diese  Mit« 
dieilungen  gewifti  dazu  bei,  uns  zu  überzeugen,  daft 
Jene  Zeit,  wenn  sie  auch  an  das  Bude  des  Mittelaltera 
grenzt,  doch  ihm  noch  Tdllig  angehlirt,  so  ganz  tragen 
jeae  Stücke  daü  Gepräge  dieses  Zeitalters. 

So  z.  B.  No.  4,  welches  uns  wohl  am  meisten  in  die 
verflossenen  Jahrhunderte,  auf  den  Höhepunkt  des  Mittel- 
allers  zurfickführt.  Es  ist  dies  ein  Geleitsbrief  des  vene- 
xiaolschen  Dogen  Franz  Foscari  fftr  Herzog  Friedrich 
Yen  Steiermark  zur  Reise  nach  Jerusalem,  vom  Jährt 

s  .  -  ■  * 

■  * 


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Chwel,  AlatcjriaUm  ^ur  oAtcrreichitcben  Gijecliifilito. 

1436.  Die  gaoze  bewegte  Welt  der  Kreuzzii|re  ^  die 
Gefahr  der  Pilger  auf  der  Reise  uach  dem  heiligen 
Lande,  Richard  Löweoherzs  Gefangennehmuog  ^  aber 
*  auch  cUe  Herrschaft  Venecliga  im  MiUalin«fere  «od  aaf 
den  lofiela  uod  Kfiat^n  des  Morgeolaadea,  die  Erobe- 
rung Konstantinopels  unter  seiner  Leitung,  kurz  alle  die 
bunten  Bilder  des  bttwegten  Mittelalters  aus  den  Jahr- 
hunderten seines  höchsten  Glanzes  steigen  unwider^teh* 
lieh  bei  diesem  Briefe  ?or  unsern  Augen  auf. 

Auf  deoseibeo  Qegensiaod  beziehen  sich  die  lieideB 
Schrifteo  ttoterNo.5:  a)  Pabst  Eageo  IV.  erlaubt  Herzc^ 
Friedrich  dem  Jüngeren  (von  Steiermark),  das  heilige 
Grab  in  Jerusalem  mit  100  Deg^leitern  zu  besucheu  und 
alles  Nothwendige  mit  sich  zu  führen,  y,dummado  iu 
aut  persone  prefaie  ad  partes  Mo»  alias  illa  non 
deferatis  aut  deferri  faciaiia  que  in  pr^fectym  vA 
favorem  hosthm  ßdei  Christiane  redundare  ualeantr 
Ii)  Pabst  Eugen  IV.  gesteht  Herzog  Friedrich  zu,  dafs 
sein  Beichtvater  auf  der  Reise  ihm  die  bereuten  Sünden 
vollkommen  eriasseü  dürfe,  aber  nach  der  Rückkehr 
müssen  Herzog  Friedrich  oder,  wenn  er  stürbe,  seine 
Erben  die  auferlegte  Bufse  thun.  „Et  ne  quod  absU 
propter  hi^usmodi  gratiam  reddaris  proeUmor  ad 
illicita  imposterum  committenda  ^  uolumus  quod  ai  e» 
conßdencta  remissionis  hujusmodi  aliqua  forte  com- 
mit  i  er  es  quoad  illa  predicla  remissio  tibi  nullatenus 
mfjffragetur.  Et  insuper  per  vnum  aanwn  a  tempore 
quo  presetta  noatra  canceeaio  ad  tuam  notitiam  per^ 
uenerit  cQmputandum  singuüe  sexti8  ferO»  impedknentö 
legitimo  cessante  ieiunes!*  Konnte  es  an  diesem  Tage 
nicht  seyn,  so  soll  er  an  einem  anderen  Ersatz  leisten, 
odt^r  im  äufsersten  Falle  sich  vom  Beichtvater  dispensiren 
und  sich  andere  gute  Werke  auflegen  lassen. 

Wenn  uns  diese  Schriften  aber  in  der  Erinnerung  in 
das  Mittelalter  versetzten,  weil  die  schwache  und  klein- 
liche Nachahmung  eines  bnfsfertigen  oder  abentheuernden 
Fürsten  uns  das  Bild  glänzender,  aber  damals  schon 
Iftogst  vergangener  Ereigni^e  vor  die  beeie  rief|  * —  m 


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YfliBeiaeD  No.  11»  18.  and  18.  uns  dagegen,  müten  in  dnt 
Leben  de^  MUtelnllers,  als  das  der  G^enwaii,  hinein, 

nicht  em  Anklang  früliciür  Zeit  ist  es),  der  uns  hier  be- 
rührt, nein,  ist  die  frühere  Zeit  seihst,  die  noch 
fofidauert,  uugeäudert|  wenn  auch  herabf^edrikkt  uad 
TMostahet. 

Ne.  11.  ist  nämlieb  ein  Klagbrief  der  fiOrger  von 
Bttdweis  (vom  15.  Mai  1448.)  an  Pilltgrin  von  Pnohhaim 

über  Hans  von  Stahremberg" ,  der  iiu^hrcrc  ßud weiser  mit 
14  Wagen  voll  Wahren  auf  (leni  Wege  zum  Lin/er  Jahr- 
markt gefangen  hat.  Stahreinberg  soli  die  (iefangenen 
iierausgeben ,  hatte  er  gegen  jlie  Börger  von  Budweiii 
dae  Klage ,  so  wollen  sie  ihm  vor  dem  rdmischen  Kdoige, 
seinen  Mthen  oder  Anwälten  in  Oesterreich  Rede  stehn. 

Nu.  12.  Schreiben  Balthasar  Schellenbergers  zu  Weis- 
SPtiberg  an  Hans  von  8t;ihrembcrg  wegen  derselben  Ge- 
faogeoeu,  vom  O.Juni  1443:  —  ^  den  vom  Bud  weis 
rast  wider  Ratn  wirdt,  snnder  von  dem  ron  Rosenberg, 
das  8jr  die  gefangn  nicht  hdcher  aufs  porgn ,  dann  vmb 
Tausend  Schokch.  dauon  Geniel  mir  woll,  vnd  wollt 
Ewch  das,  auch  Treulich  Ratn  So  von  der  gefangn 
Wega  mit  ew  geredt  wurd,  alls  Ich  veniym  das  beschelin 
Wert],  das  Ir  dann  dar  Inn  nicht  ze  hertt  seyt,  damit 
jeglicher  seinen  frewndt  auff  porgschaft  von  £Sw  bringä 
mag«  Damit  sy  In  kurtz  ob  einander  kirnen,  Dann  vmb 
die  armen  ob  sych  Niemant  darumb  anNemen  wurd ,  da 
.  i^olkn  mein  prüder  vnd  ich  auch  woll  wege  mit  13w 
vindn^  das  die  auch  gelympfleirh  von  Ew  kamen,  Liefier 
Herr  Durch  gotz  willen  Sej'dt  in  den  Sachen  nicht  ze 
hertt,  damit  die  gefangn.  nicht  verwarlasst  werdn  Alle 
ieh  dann  das  zu  gueler  mass  mit  Ew  berett  hab.** 

No.  13.  Schreiben  desselben  In  derselben  Angele- 
genheit, vom  10.  Juni  des  nämlichen  Jahres. 

So  wie  hier  aber  ganz  der  Charakter  des  sinkenden 
Mittelalters  hervortritt,  Faustrecht,  Selbsthülfe,  Geseta- 
lotigkeit,  Schwäche  der  obersten  Gewalt,  die  nicht  ver- 
niag,  die  "streitenden  Partheien  vnr  Unterwerfung  unter 
iWe  Richlersprüche  zu  ^wi  nge  n ,  deren  Einflufs  vielmehr 


TOd  der  freiwiiltgea  Uoterordiwvg  der  Ptirthetea  ab* 
hingt,  so  M  daeselbe  auoh  noch  in  ^oetn  andern  der 

mitgtitheilten  Stücke  der  Fall ,  welches  uns  von  alleiram 
meisten  angesprochen  hat.    Dies  ist  No.  82  ,  da«?  Protokoll 
einer  Rathssitzung  zu  Wien.    Auch  hier  tritt  jener  Cha- 
rakter freier  und  kräftiger  Individualität  hervor,  der  das 
Mittelalter  charakterifilrt,  jener  Mangel  höheren  SchMtzeSf 
der  die  Einzelnen  und  die  Corporationen  auf  eigne  Kraft 
and  Anstrengung  verweist,  auch  hier  erkennen  wir  die 
Zeit  des  Fau«streclites  und  der  Gesetzlosigkeit,  —  aber 
hier  koinint  noch  ein  zweitens  Element  dazu,  was  das 
Anziehende  der  Erscheinung  sehr  erhöht.    Während  wir 
nämlich  dureh  die  Fallgitter  der  Thore  Wiens,  durch 
die  Schiefsscharten  der  Mauern ,  über  die  Zinnen  der 
Thürme  draufsen  auf  dem  offenen  Lande  den  rohen, 
Itriegerischen  Adel  sich  in  ewigen  Kämpfen  und  Fehden 
herumtummeln  sehen,  während  wir  die  ßttrger  selbst  in 
dieses  Kriegslehen  verwickelt  erblicken,  wie  sie,  um  die 
Anmafsungen  feindlicher  Ritter  znrOckzuweisefi«  die  Weh? 
ergreifen,  sich  in  kriegerische  Sehaaren  ordnen  und 
ihre  wohl  befestigten  Thore,  Mauern   und  Thürme  be- 
setzen, —  bemerken  w^ir  im  Innern  der  Stadt  auch  das 
Regen  jenes  Geistes  der  Bttrgerlichkeit ,  aus  dem  die 
neuere  Zeit  hervorging,  in  dem  sie  sich  entwickeUe, 
durch  dessen  Verbreitung  über  alle  Theile  des  Stauta- 
und  Volkslebeäs  sie  ihre  Schdpftingen  vollendete  oder 
vollenden  wird.    Es  ist  das  der  Geist  der  Gewerbslhä- 
tigkeit  ^e^enuber  dem  ritterlichen  Müssiggange,  der  Geist 
der  Friedensliebe  gegenüber  der  ritterlichen  Kanipfbe- 
gierde,  der  Geist  der  Unterordnung  unter  Gesetz  und 
gemeinen  Nutzen  gegenüber  der  stolzen  Unabhängigkeit , 
der  v^ligen  Ungebundtenheil  des  kriegerischen  Grund* 
lierreu.    Dieser  Geist,  dessen  Erblicken,  wie  gesagt, 
schon  die  Ahnung  der  neuen  Zeit  in  uns  erweckt,  in 
engster  Vereinigung  mit  jener  bürgerlichen  Wehrhafti|^- 
keit,  die  uns  das  Mittelalter  keinen  Augenblick  ver- 
gessen läftt,  bietet  das  treueste,  sehdnste  B^d  jener 
Uebergangsperipde  dar,  deren  Charakter  eben  in  jener 

* 


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in  ihr  sich  die  Hände  reichen  und  eine  Weile  verscIuMi- 

zen  neben  einander  fortlaufen.  Darum  also  ist  uns  dieses 
Frolokoll  eine  sehr  aiigenebine ,  mannigfach  erfreulich« 
Gabe  gewesen. 

An  Saud  Paiilstn^  roiiversionis  (25.  Jan.)  waren  näm- 
lich eine  ziemliche  Zahl  von  „Artikchi  '  aufgesetzt  vi  or- 
deji)  über  die  in  einer  folgenden  Rathssitsung  Beschlösse 
gefafsl  werden  sollten.  Dies  geschieht  nun  am  Freitag 
m  Miare  in  einer  Sitzung,  wo  IT  Personen  als  gegen- 
wärtig bemerkt  sind.  Der  Bathsschreiber  aber  zeichnet 
die  .^underrediin«  vjiU  betrachtung"  auf,  „so  die  herreii 
(ies  [iats  VDcl  <iie  genanten  getan  habent/'  Das  Jahr, 
in  weiches  die  Sitzung  fällt,  ist  nicht  angegeben,  aber 
cioe  stürmische,  kriegerische  Zeit  mufs  ea  geivesen  sey n , 
denn  die  meisten  Beschlösse  handeln  von  kriegerischen 
Rüstiinjgfen  dei  Bürgerschaft,  ßefestigung  dur  Stadt  und 
cier^dticheii ,  „von  der  veint  we^en  die  ^tz  gar  starkch 
zu  anger  ligent.'*  Wer  wollte  sich  auch  über  dieses 
kriegerische  Ansehen  der  Zeit  vt'uiidern,  da  das  Protokoll 
doch  wohl  der  Regierung  Friedrich  s  des  Dritten  ange- 
hört, die  durch  des  Königs  Schwache  för  Oesterreich 
zu  einer  fast  ununterbrochenen  Kette  innerer  Unruhen 
und  äiifserer  Kriege  wurde.  Daher  freuen  wir  uns  des 
mannhaften  Käthes,  der  gehörige  Fürsorge  trißt  und  die 
Stadt  durch  ihre  Festungswerke  und  die  Waffen  ihrer 
Bürger  zu  sicher d  sucht,  damit  sie  ritlerlichen  Ueber- 
■noth  und  feindliche  PiQnderungs  -  und  Brobernngslust* 
Ivräftig  zurückweise  und,  ungestört  durch  die  Stürme  der 
Zeit,  in  ihrem  Sch()rs(>  die  Gewerbe  und  Künste  des 
Friedens  hegen  und  püegea  könne,  für  deren  Unter-* 
stÜtaung  und  Förderung  der  hochweise  Rath  nicht  we- 
niger besorgt  ist,  als  für  die  Wehrhaftigkeil  der  Stadt, 
M  wie  er  auch  flir  die  Sicherheit  der  Bürger  gegen 
Feuersgefahr  und  anderen  Schaden  wacht 

Wie  gesagt,  die  Wefarhaftmadiung  der  StodI  blelbi 

Aer  der  Hauptgegenstand  seiner  Fürsorge.  Deswegen 


mm      GhaMl,  MaUrtolim  m  dttcmicMMiM  Chwebiilile. 

Mllen  cuarst  die  Festungiwerke  der  Stadt  io  gehörigeD 

Stand  gesetzt  werden : 

„Item  von  der  Statmaur  vnd  Statturn  zuzerichten  vnd 
Sieg  Tor  ze  machen  etc.  Ist  beredt  das  man  die  Stat* 
maar  pessern  Tod  die  Statturo  zu  det  weer  zuricbteo 
▼nd  darin  haben  solh  Puehsen  Staln,  Phai  Pntver  vnd 

andre  wer  das  man  sich  aus  denselben  Tum  gewern  milg 
wenn  sein  not  wirdet/' 

>  «Aber  auch  die  äufsere  Brücke  soll  nicht  ohne  Schutz 
bleiben ,  damit  der  Pdnd  dort  der  Stadt  nicht  Sehaden 
thun  könne: 

yiUem  so  ist  auch  verlassen  vnd  beredt  das  man 
die  ausser  Prugk  mit  leuten  vnd  Söldnern  sterkchen, 
▼nd  dauor  aufm  Und  Polwerch  darinn  sich  die  leut  wider 
die  veindt  enthalten  mögen,  machen  sol,  vnd  darnmb 
einen  graben  als  darczu  gehört,  von  der  veint  wegen 
die  ^tz  gar  starkch  zu  anger  ligent,  von  den  der  8tat 
gewisse  Warnung  komen  vnd  gesagt  ist,  das  sy  ye  der 
Stat  ain  smach  vnd  schaden  an  der  Prugken  erczliigea 
vnd  bewaisen  mainen,  als  zu  fürchten  ist,  nachdem  vimI 
der  von  liechtenstain  ainen  frid  mit  denselben  veiuMci 
aufgenomen  hat." 

„Item  als  der  egenant  artikei  aufgeschribn  was, 
ward  darnach  zum  Pesten  gedacht  an  das  Paw  des  Pol- 
werchs,  so  mein  herren  vor  angefeogt  vnd  geschifll 
habent  f&rderlich  ze  machen  auf  die  Prngk  .  das  mies 

sol  sein ,  das  man  dem  nachgeen  vnd  zu  end  pringett 
vnd  machen  so!  wie  dann  das  glinget,  darnach  sull  man 
sich  verrer  ricliten  als  man  flas  versteeu  vud  sehen^ 
weIhs  weerlich  notdurft  vnd  gut  sein  wirdet  wLder.#| 
veindt;''  : 

Auch  für  gehörige  Bewehrung  der  F'estungswerkis 
niufs  gesorgt  werden,  deswegen  wurde  oben  schoa  anT 
geordnet,  Puehsen,  Stain,  Phai,  Pulver  vnd  andratldll 
auf  die  Thürme  der  Stadtmauer  zu  schaffen,  «nd  wiSr 
wird  nun  veroidnel,  aiidi  fSr  sehirerie  OeeeUUB-lflp^ 

zu  tragen;         •  •  >'  Sn«».^ 


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OMmI,  Miliriftli««  Sur  itletnkhitclieii  Ctotohi^lil«.  Mi 

„Itemr  yjon  der  grofsen  Pöchsen  wegen  Ist  ver- 
lassen, das  man  die  solt  lassen  mai  lu  fi  etc.  flai^ms  ist 
ytcz  oemilch  beredt  ivordeo,  das  mau  <lie  iilrderlich 
vod  aDuercziehea  soi  lassen  ^lessen ,  als  den  mit  niaSster 
haojiseo  daraus  geredt  ist,  damit  die  Stat  ainen  guten 
lengfhabe,  vnA  die  nyembt  leihen  denn  alatn  der  Stat 
ze  frumen  vnd  notduifien  iiuczen." 

„Item  als  man  vor  geredt  hat  das  man  ainen  ordent- 
lichen guten  Puchsenuiaister  iiaben  sul  etc.  darauf  baben 
meia  herro  Tlioman  von  Passau  zu  ainen  Puchsenmaister 
aa^enoitimen" 

Auf  mehrfache  Weise  wird  aber  ilaneben  auch  f&r 
Anschaffung  kleinerer  Waffenstiicke  gesorgt,  damit  es 
der  Bürgerwelir  nicht  an  ihnen  felile:  theils  werden  sie 
auf  Kosten  der  Stadt  herbei^rschafit : 

^Item  das  die  Stat  im  H  ithaus  haben  sol  Taiisent 
Ttrlschen  vnd  tausend  Spiefs,'" 

theils  auf  Kosten  des  Einzelnen,  der  als  freier  Börger 

bewehrt  sejn,  und  auch,  wo  möglich,  noch  reisiges 
Dieostvolk  mit  sich  bringen  und  für  dessen  Bewehrung 
sorgen  niufs: 

„Item  es  soll  auch  in  jedem  haus  beschaut  werden 
feSistet  harnasch  weerspies,  vnd  wer  des  nicht  hiet, 
der  sol  darum  trachten  das  er  es  hat.** 

„Item  es  sol  auch  ein  veder  der  es  vermag  roskneclitt 
vnd  was  zw  weer  gehurt  liaben  in  seinem  haus  ob  es  zu 
schuideu  kumbt,  das  er  damit  berait  sey.** 

„Item  das  auch  ain  jeder  hauswirt  oder  Inmann  für 
uoh-Yttd  sein  dienstTolkch,  der  nicht  Armbst  nochPiiehsen 
vermag  Tartsohen  vnd  S^Äes  baben  sei  zu  jeder  Persop 
Mn  schuffür  oder  ein  Ejsenhut." 

Vorzüglich  aber  mufs  für  gehörige  Eintheilung  und 
Ordnung  der  Bürgerschaaren  gesorgt  werden,  damit,  wenn 
die  Noth  hereinbricht  und  der  Feind  vor  den  Thoren 
W)heint,  oder  auch,  wenn  im  Indern  der  Stadt  der  Friede 
gMIrt  wird,  schnell  die  ganze  Wehrmannnchaft  zusanw 
•togerufen  werden  könne  und  dann  jeder  seine  Schaar 
UQd  seine  .I^fibrer  bestimmt  und  festgesetzt  vorfinde:  . 


Wn       Obmel ,  Msteriftllen  snr  Aatemidiiiohcii  ^tclifilif e. 

„Item  (las  yeds  Tor  besiinder  seinen  haubtmann 
haben  sol  vnd  yeds  Tor  aiii  g^elögkl,  vnd  yecle  gfassen 
Irn  haubtmaaa  vnd  yeds  Virtail  seineo  haublmano/* 

„Item  ob  icht  ain  geschray  in  der  Stat  tirilril  oder 

sich  erhiib  da  got  vor  sei,  wan  man  die  grofs  glogken 
leütt  das  dann  menigclich  keinen  sol,  die  in  Stuben 
virtail  siczent  an  den  Platz  aiu  Lugegk,  die  in  kerner- 
virtail  siczent  an  den  Newenmarklit  die  in  widmer  virtail 
siczent  an  den  graben  vnd  die  in  Schottnervirtail  siczent 
an  den  Juden  Platz,  vnd  was  dann  die  Christen  haubt- 
leut  yeds  virtails  mit  in  schaffen ,  das  des  gehorsam 
sej^en." 

Aber  nnr  für  den  Dienst  in  der  Noth  kann  der  ^e« 
werbfleifsige  Bürger' seinem  Geschäfte  die  Zeit  abbre* 

eben,  um  gewaffnet  zu  erscheinen;  nicht  zum  steten 
Dienst,  zur  Wache  und  Ausspürung  nahender  Gefahr 
kann  er  verwendet  werden,  auch  fehlt  es  ihm  an  der 
Waffeniibong)  der  Kenntnifs  des  Kriegshandwerks,  der 
Kunde  von  Stärke,  Persönlichkeit,  Stellung  der  Feiadfl^ 
die  dazu  ndthigslnd,  u.  s. f.,  dazu  müssen  Leute  gedun* 
gen  werden,  die  aus  dem  Waffenwerk  wirklich  ein  Hand- 
werk machen  und  für  den  Lohn  der  reichen  Stadt  geru 
in  ihre  Dienste  treten ,  gleichsam  ihr  stehendes  .JUmt 
bilden  und  zu  jenen  Diensten  verwendet  werden ,  wwi 
der  Bürger,  so  kriegsgerüstet  er  auch  seyn  mag, 
gebraucht  werden  kann.  j 

„Item  es  ist  auch  meidung  geschehen  vnd  verlassen 
¥0n  des  Philippko  wegen,  der  vii  kuatschaft  vnd  gilld' 
genheit  der  veint  hat,  vnd  ein  tedger  gesell  zndVfimiilii 
ist,  das  man  dem  au  uettiehen  schreiben  vnd- l^t'tliwiihl« 
sol,  vnd  ob  er  sich  herziehen  vnd  mit  drein  Phe^*den 
ain  gleichen  vnd  zimlichen  Jarsold  nemen  wolt,  alsdann 
vor  auch  daraus  geredt  ist,  so  sol  mau  in  aufnemen  vnd 
halden,  wan  er  der  Stat  iii  den  leuffen,  ak  die  J^tMilli^ 
wol  nute  Tnd:  dloattteli  sehi  nüge."  MMkfs 

Vorzüglich  aber  bedürfen  die  Bürger  eines  geübten 
und.  bewanderten  Anführers.    Aus  ihrer  Milte  gilU4iai 


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Ghaial,  MBtemlien  nmt  ibtemi^ischeii  Geiebidile.  011 

(f«ni  Mangfel  an  Uebung^,  da  nur  selten  iKe  Nofh  tlie 

Bürger  wirkiich  iu  die  Waffen  ruft,  ein  solcher  nicht 
ieicht  hervor,  zudem  soll  er  auch  seine  ganze  Zeit  auf 
das  |krieg.sgeschäft  wende.n ,  was  der  Bürger  aber  aicht 
kann ,  daher  wird  auch  hier  «lieder  gern  ein  angesehener 
Krieger,  gewöhnlich  riUerlichen  Standes,  angenommen^  . 
der  denn  auch  gleich  seine  Gefährten  mitbringt,  und 
so  jeoe  geübtere  Scjlduerschaar  der  Stadt  verstärkt,  sey 
es  nun,  dals  er  iaiinerwälueü<l  in  der  Stadt  üiensttn 
bleibt,  oder,  dafs  er  nur  in  der  Zeit  der  Noib,  für  eineu 
aiisbedungnen  Liohn  zu  Hülfe  steht: 

„*Item  von  des  Ebser  wegen,  ist  beredt,  das  man 
dem  auch  anvercziehen  schreiben  vnd  bitten  sol,  das  er 
sich  her  zu  dem  Rat  füge»  vnd  «las  die  dan  aigentlich 
sich  mit  im  vnderreden,  ob- sy  im  vberkomep  mochten, 
das  er  der  Stat  hie  haubtman  sein  well  vnd  vmb  ein 
gleichs  gelt,  das  der  Stat  zu  geben  sei,  vnd  auf  etMch 
Person  vnd  Pherd  des  der  Rat  mit  Im  aiiiig  mag  werden, 
so  sol  er  zu  ainem  haubtman  der  Stat  werden  aufge - 
oomen  auf  ein  Jar,  wann  sjr  gut  yertrawn  zu  ii;  haben 
nachdem  vnd  er  sich  vor  gegen  den  veindten  gehalten , 
vnd  zn  Zurichtung  der  Stat  wol  wiss  zu  raten.  Ob  er 
sich  aber  in  dem  Sold  nicht  gleich  wo\i  vinden  lassen  ^ 
das  der  Stat  zu  swer  wer,  das  man  in  darnach  auf  ain 
Jar  soll  bestellen ,  als  verr  er  ain  geleichs  gelt  neinen 
woh,  also  wenn  sein  der  Rat  begert,  das  er  der  Stat 
dien  von  haus  vnd  treulichen  anczaigen  vnd  zn  Richten 
'  vnd  allenthalben  bewarn  sull ,  wo  dea  notdnrft  ist,  oder 
sein  wirdet."  ,  * 

.  So  gerüstet  kann  die  Stadt  aber  auch  als  mSeblIgn 
Corporation  nicht  nur  dem  raubsuchtlgen-,  aber  gegen 
die  Stadt  in  seiner  Vereinzelung  ohnmächtigen  Adel  und 
ihren  minder  bevölkerten,  minder  reichen  und  minder 
befestigten  Mitstädten  in  entschiedener  Weise  entgegen- 
treten, sondern  auch  ihrem  Landesherrn  gegenüber  er- 
scheint sie  als  jene  mächtige  Corporation,^  stark  durch 
.^Ihr«  Wehrhaftigkeit  und  durch  die  Freiheit,  ja  fast 


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1 


im      ClMBel,  ilaterittlien  km  ö^itttMkiwu^u  OctclMto. 

▼(Ulige  Unabhängigkeit,  welche  schätzbare  Freibriefe 
ihrer  Regenten  von  Alters  her  ihr  sichern. 

Daher  ftihrt  sie  liei  alJgetneioen  LandesaDgelegen«* 
heilen  eine  entscheidende  Stimme,  und  ihre  Bürger  er- 
teil einen  unter  den  ersten  Notabilitäten  des  Landes,  um 
in  Aulh.i(T  <fes  Königs  einen  I'rieden  mit  seinen  empörten 
Unterlhanen  zu  unterhandeln  (siehe  oben  S.  660.),  und 
ihr  eigner  Landesherr  mrendet  sich  nur  bittweise  an  sie, 
Hin  Schonung  eines  Ton  ihm  Begünstigten  von  der  Stadt 
2U  erhalten.*  Auch  beschliefsl  ein  hochweiser  Rath ,  nur 
theilweise  auf  des  Königs  V^erwendung  einzugehen : 

„Von  ersten  haben  sy  gehört  vnsers  genedigisten 
herrn  des  Kunigs  brief ,  darauf  sind  sy  zu  rat  worden, 
das  man  darumb  dem  hiibmaister  von  vnsers  genedtgen 

herrn  des  künigs  wegen  sol  zu  antwurt  geben  also.  Als 
vnser  gene(iigisler  herr  kunig^  Fridrich  vns  grschriben 
vnd  begert  hat  vnsern  vnwilien  gen  Oswalten  Keicholf 
Valien  zu  lassen,  vnd  ob  wir  des  nicht  meinten  ze  tun, 
das  wir  dann  die  Sachen  auf  seiner  genaden  Wiederkunft, 
angesteen,  vnd  den  Reicholf  dieweii  hie  hanndien  vnd 
wandlen  selten  lassen  etc.  Ist  vnser  antwurt,  das  wir 
die  Sachen  gen  dem  lleicholt  uiciit  iuug<  n  geuallen 
lassen,  wenn  wir  nicht  wissen  was  noch  darinu  mocht 
aufersteen  aber  vnserm  genedigistem  herrn  dem  kunig 
ze  geuallen,  wellen  wir  die  Sachen  auf  seiner  genaden 
Zukunft  vnd  tehreiben  zu  austrag  angensteen  und  dem 
Reicholf  die  zeit  hie  handeln  lassen  nach  notturften, 
vnd  in  vnguten  mit  im  nicht  schaffen  haben,  von  der 
sach  wegen  unz  das  die  Sachen  austragen  wirt  als  vor- 
gemeii  ist,  doch  das  seine  guter  hie  auf  solhen  auatrag 
«nverkfimert  bleiben." 

(Der  J3ef«Aitt/«  folgt.) 


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N*.4&  HEIDELa  JAHRa  B.  UTEBATUR.  1888. 

•i"— —  ■  I  — — — 


Chmel,  Materialien  stur  österreichkchen  Geschichte. 

Doch  sehntet  sie  alle  diese  Macht  ttod  alles  dieses 
Aflsehn  nicht  dagegen,  dafs  in  jeuer  Zeit,  wo  nur  tapfere 
Abwehr  vor  Unrecht  schirmen  konnte,  nicht  eine  kleine, 
gegen  sie  ohnmächtige  Stadt,  die  sich  voo  einem  Wiener  " 
Bürger  verletzt  glauble,  ihr,  oder  wenigstens  diesem 
ihran  Burger,  Fehde  ankOodigt.  Oer  Rath,  obwohl  im 
Gefühle  seiner  Uebermacht  und  daher  mit  ziemlich  stol- 
zen Worten ,  beschiiefst  gleichwohl ,  damit  nicht  das 
Ganze  unter  dem  Streite  eines  Einzelnen  leide,  sich  für 
denselben  zu  Recht  zu  erbieten  und  auf  friedlichem  Wege 
die  Saciie  beizulegen : 

»Item  aof  das  schreiben  so  die  von  Troppau  vnd  irs 
mitburgers  absag  hergetan  vnd  gesant  habent,  voo  Niclas 
Ponhalni  wegen  ist  beredt  das  der  Rat  selber  darinn 
falea  vnd  für  den  Ponhalm  schreiben  vnd  recht  pieten 
sol.  Als  sy  das  ze  tun  bedunltcht  nach  dem  pesten,  als 
Tmb  solhe  Sachen  gepurt  ze  tun ,  vnd  ob  sy  solch  schrei- 
ben abslahen ,  so  sol  man  dan  verrer  Rat  darinn  haben , 
damit  mau  solhes  iiiutwülens  vertragen  werde." 

So  weit  ist  also  Alles  kriegerischen  Ansehens;  die 
gerüstete  Bürgerschaft  als  mächtige,  unabhängige  Cor-* 
poration  jedem  Feinde  Trotz  bietend,  selbst  dem  Lan- 
desberrn  stolz  gegenüber,  Erscheinungen  (wie  wir  oben 
Bchon  bemerkten )  dem  Mittelalter  angehdrig ,  dessen 
letzten  tlahrzehnten  die  Schrift  ihre  Entstehung  dankt. 
Aber  neben  dieser  Erscheinung  kommt  nun  eine  andere,  , 
poz  entgegengesetzter  Art  in  demselben  Bilde  uns  ent- 
gegen. Während  nämlich  in  dem  Staate  des  Mittelalters 
die  Sorge  f&r  das  Wohl  seiner  Angehörigen  fast  nirgends 
bervortritt ,  der  Staat  sich  vielmehr  fast  ganz  auf  den 
(noch  dazu  selir  unvollkommenen)  Rechtsschutz  beschränkt 


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614       Clmiel,  Mat«rlaliMi  nur  tetsmieUMlie«  OMchidile. 

(den  ihm  Jahrhunderte  später  systematißireiulc  Politiker 
wieder  als  einzige  Aufgabe  stellen  wollten)  —  und  der 
Binsekie  sonach  sich  ganz  selbst  überlassen  bleibt,  wi« 
es  dem  Sinne  der  kriegerischen  Gruadbesitzer,  die  «r- 
spr&nglich  den  Staat  allein  bildete,  ganz  ungemessen 
ist,  —  finden  wir  in  den  Stftdien  die  Aufgabe  der  Ge- 
meinheit viel  höher  aufgefafst  und  (versteht  sich ,  un- 
willkührlich)  ihre  wahre  Bestimmung  in  Anwendung 
gebracht,  daf9  sie  ihre  Kräfte  der  Kraft  jedes  Einzelnen, 
iberall,  wo  diese  auf  gute  und  niltzliehe  Zwecke  ge- 
richtet ist ,  aber  zu  deren  Erreichimg  allein  nicht  hin* 
reicht,  als  Ergänzung  biete.    Wir  finden  also  dort  die 
GesamnUheit  und  ihre  Vertreter  mit  dem  Wohle  des 
Einzelnen  beschäftigt,   Schaden  von  ihm  abwendend, 
erworbene  Vortheile  ihm  sichernd ,  den  Weg  zu  Erwer- 
bung noch  mehrerer  ihm  bereitend.    IMe  gesellschaft- 
liche Ordnung  nimmt  also  dort  schon  riel  mehr  das 
Gepräge  der  neuen  Zeit  an,  und  eben  dadurch  bieten  die 
Städte  uns  jenen  reizenden  Gegensatz,  jene  Verschmel- 
zung widerstreitender  Art  und  Sitte,  jene  Verbindung 
durchaus  verschiedener  Zeiten  in  ganzer  Schärfe  und 
Fftlie  dar. 

Auch  in  diesem  Protokolle  vermissen  wir  die  Fürsorge 
des  Wiener  Raths  fiir  das  Wohlbefinden  seiner  Bürger 
nicht  ganz  und,  mitten  unter  den  vielen  Sorgen  für  die 
kriegerische  Kraft  der  Stadt,  erläfst  er  mehre  Verord- 
nungen zur  AbwenduBg  Ton  Feuersgefahr  und  Gebote 
zur  Sicherung  des  Gewerbes  seiner  Bftrger: 

„Item  es  sol  auch  in  jedem  haus  beschaut  werden 
feürstet"  etc. 

„Item  das  man  von  haws  zu  haus  sagen  sol  das  me- 
nigcKch  das  fenr  bewar,  das  nicht  schad  dauon  kcHon.'* 

„Item  das  man  vor  yedem  Tor  fefierhagken  haben 
sol.  Item  das  ein  yeder  da  die  Nerb  an  seim  haus, 
daran  man  keten  legen  sol ,  das  Slos  darczu  haben  sol 
auch  von  haus  zu  haus  besieht  werden.'' 

„Item  es  sol  auch  ain  yeder  hanswirt  in  seinem  haUs 
haben  vir  sohaffl  oder  mer,  vnd  laiter,  vnd  patiag'  mit 


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Chjiiel,  Materialien  zur  dsterreicbischen  Getdiichte.  M 


Wasser,  Tnd  krokcfaen  yndern  dechera  zum  ausstosseu« 
Auch  sollen  ail  Pader  mit  Irm  gesind  frawo  vnd  man 
mit  ira  Padachefllein  vad- tr^mlleiD  zu  lauffen  ob  elii 
fear  aufkam  rnd  daflelbsr  Wasser  zu  tragen  vnd  helffen  zu  ^ 
retten,  desgleichen  sullen  die  maurer  zimmerleut,  Trager, 
kallrager  vnd  ander  ledig  knecht  zu  hilff  komen  vod 
treulich  heiffea  ze  retten  vnd  sollien  leuten  die  zu  hilff 
Tod  reiiuüg  darkomend  ynd  Trewltcfa  rettend  vnd  arbeit^ 
leod  den  eoi  rmh  ir  müe  genug  gieschehen  nach  dt», 
Rats  erchantnurs.** 
Und  eben  so: 

„Item  das  man  der  iadner  vnd  ladaerin  mjnner  haben 
8ol.  wenn  sy  grossen  furchauf  Treiben ,  daraus  der  Stal 
Tewrong  geet,  md  sich  pdse  weiber  Tnd  vil  pfiberel 
bei  in  anfhaltent* 

„Item  voti  den  gastliewsern  vor  den  Torrn  ist  beredt 
das  man  vor  den  Torrn  kaiu  gastum  sol  hahen  vnd  das 
auch  die  iadner  vnd  ladnerio  in  der  Stat  vnd  in  den  vor- 
Bieten  anch  nyemiit  liaiden  nöch  gastnm  darinn  treiben 
Ballen.  Bi  sullen*  auch  all  geest.gieraisig  vnd  vngeralsig 
ze  rossen  vnd  zu  fussen  in  der  Stat  in  den  rechten  offen- 
baren gasthewsero  zu  herberg  sein  vnd  nyudter  an- 
derswa."  etc. 

Zuletiii  kommt  der  Wiener  Rath  anf  die  Frage,  die 
aiieh  in  dhse^en  Staaten  sich  noch  immer  jeder  Einrich-^ 
tuog,  oft  das  Beste  hindernd,  an  den  Fufs  hSngt: 

,^Item  wo  man  das  gelt  nemen  soll,  damit  soliicr  zeug 
der  Stat  ze  nucz  zevvegen  bracht  vnd  gemacht  werde." 
Die  Antwort  auf  diese  schwierigste  aller  Fragen  liat  der 
Herr  Stadtsehreiber  ans  nicht  aufbehalten  und  wir  er« 
bhren  oü^ht,  ivai^  der  hochweise  Rath  über  d)esen  Artikel 
Ür  einen  Besehlnfs  gefafst.  Nor  vorher  haben  wir  schon 
beiläufig  einmal  gehört,  „das  <lie  Stat  yeAz  nicht  geld 
vorhanden  hat."  Daher  finden  wir  auch  mehrere  Be- 
schlösse, dafs  Einrichtungen  unterlassen  o«ler  aufgehobeii- 
werden  sollet ,  die  Kosteit  verursachen ,  damit  die  un- 
ntthigetf  Adl^BlMf  fftr  das  Nothweodige  erspart  we^dite. 


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m      Chmel,  Materialien  aar  drterreieliiiehen  CreMbiiAte. 

„Item  TOD  den  hüttern  an  den  Thoren,  ob  die  ab 

sein  sullen  oder  ob  man  sy  lenger  halten  sul.  Ist  beredt, 
dafs  man  der,  nachdem  vnd  ir  wocbensolt  am  nagsteo 
ausgeen  wirdet,  nicht  leuger  halten  soV^ 

,,Item  von  den  fünfczig  (was?  der  Gegenstand  ist 
wahrscheinlich  durch  einen  Schreibfehler  des  Stadt- 
schreibeas  oder  ein  Versehen  des  Herausgebers  wcg:ge* 
blieben)  wegen  die  man  solt  lassen  machen  als  vor  geord- 
net ist,  daraus  ist  geredt,  das  man  die  yetz  ynderwegea 
lassen  vnd  nicht  machen  soll." 

jyWana  die  Sieg  Tor  ze  machen ,  das  sol  man  vnder- 
wegen  lassen**  tt.s.  f. 

Zuletzt  wird  natürlich  noch  Fürsorge  g-etroffen: 
„Item  wer  in  allen  vorgeschi  ilien  geordneten  stukchen 
nicht  gehorsam  sein  wii^  wie  derselb  zu  püssen  sey. 
Auch  hier  ist  aber  nur  diese  Rubrik  und  nicht  der  dazu 
gehdrige,  wahrscheinlich  sehr  in  das  Einzelne  gehende 
Beschlufs  in  das  Protokoll  aufgenommen. 

Endlich  finden  sich  in  unserer  Sammlung  noch  meh- 
rere Stücke,  die  ganz  dem  Privatleben  angehören,  Kanf- 
briefe,  V^erhandlungen  wegen  Anleihen  u.  dergl.,  wovon 
wir  No.  20.  als  den  kürzesten  unter  allen  gelieferten  Bei* 
trägen  unsern  Lesern  wörtlich  mittheilen  wollen ,  damit 
sie  sich  mit  uns  an  der  Feierlichkeit  ergötzen,  womit 
der  nach  Hofmain en  und  einem  gutem  Stück  Wildprett 
lüsterne  Bischof  sein  kleines  Billetchen,  wie  die  hoch- 
wichtigste Staatsschrift,  beginnt: 

„Dem  Edeltt  vnserm  lieben  frennt  Beinprechto  von 
walsse,  obristem  Marschaich  in  Oesterreich  obristem 
Drugseczem  in  Steier  vnd  haubtman  ob  der  Enns." 

„Leonart  von  gotes  gnaden  Bischoue  zu  Pas- 
saw.  Vnser  freuntschaft  beuor  Edler  lieber  freund,  wir 
schickchen  vhsern  lieben  freundn  deinen  Sunen  zwa; 
Ärmst,  das  Sie  die  zu  irn  kurzweiln  an  dem  Gjaid 
prauchn  vnd  hettn  In  die  langest  gern  gesandt  soltn  wir 
zeitlicher  anhaini  ko'men  »ein,  daz  sy  vnser  mit  aim 
wütpret  ob  Sj  icht  damit  hieto  geschossen,  gedacht 
hetln.   Sunder  bittn  wir  dein  freuntschaft  mit  gffitein- 


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Chmei,  JUaterialieo  zur  gsterreichiscben  Geschichte«  €TI 

fleiis,  ob  du  icht  hofmer  weisest,  die  vns  zuuerkunden 
wern,  daz  da  wns  die  bettest  wieso  lasseo,  wir  echreibeii 
dir  auch  g^ern  ettwas  hofmlr,  so  wissen  wir  dicsmals 

nichts,  dann,  das  vnser  her  herczog  Hainrich,  vnsern 
Herrn  Herczog  Ludweign  gen  Burkhausen  gfurt  hat, 
wie  sich  aber  dieseibq  sacheo  machen  werdO|  wissen 
wir  nicht.'^ 

„Geben  ze  Passafi  an  Montag  Tor  yoser  frawntag 

Naüvitatis  Anno  etc.  xlvjo." 

Eine  danl^enswerthe  Zugabe  zu  dieser  Urkunden* 
Sammlung  sind  auch  die  beiden  im  Anhange  vom  Hrn. 
Pf.  Kurz  mitgetheilten  Stücke,  namentlich  das  zweite, 
eine  Angabe  der  Eiukünfte  der  Erzherzoge  von  Oester- 
reich iu  den  Jahren  1437.  und  1438.  Jh)s  sind  diese  Ein- 
künfte nach  den  einzelnen  Provinzen  zusammengestellt 
und  hier  auch  wieder  auf  die  einzelnen  Städte  und  Aemter 
▼erthellt.  Bei  manchen  Provinzen  sind  sie  auch  nach 
den  verschiedenen  Quellen 5  aus  denen  sie  geflossen,  be- 
sonders angegeben.  Bei  dem  „  Fürstenthuinb  Oester- 
reich" z.B.  zerfallen  die  Steuern,  welche  die  Einkunfle 
bringen,  in  folgende  Klassen: 

1)  „Vngelt."  Dies  macht  für  1438.  zusammen  30,563 
Pfand,  Z  Pfennige.  Dazu  trägt  Wien  9230 Pfund  Pfen« 
nige,  Linz  500  Pfund  bei. 

.  „  Maut  vnd  Zoll."  Zusammen  17,454  Pfund  Pfennige. 
Dazu  trägt  bei:  Wien  1437.  (1434,  wie  im  Buche  steht, 
ist  ein  Druckfehler ,  wie  aus  den  weiter  hinten  folgenden 
ftechnuiigen  hervorgeht)  nur  814  Pfund  Pfennige;  143d. 
sogar  our  078  Pfund  4  Schilling  6  Pfennige ,  so  dafii  ^ 
die  meisten  anderen  Städte  Wien  hierin  weit  ilbertreffen; 
80  bezahlt  Linz  z.  Ii.  4380rfund  5  Schilling  16  Pfennige 
für  1437.  und  3568  Pfund  58  Pfennige  für  1438;  Ge- 
münden 3876  Pfund  3  Schilling  Pleonige;  Stein  3053 
Pfund  3  Schilling  6  Pfennige  für  1137  und  2404  Pfund 
6  Sehilling  23  Pfennige  für  1138  u.  s.  f.  Bemerkens- 
Werth  ist  dabei  die  durchgehende  aufserordentlich  grofse 
Verminderung  des  Zollertrags  iin  Jahr  1138.  gegen  1137, 

■ 


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01b       Clmelt  Materialien  xur  ötierreichitcb«^  Otfc^icbU)« 


die  aaeh  Hr.  Kurz  am  Schlüsse  der  Mittheilung  bemerkt 
bat.  Ob  sie  durch  HerabsetUDg  der  Zölle  oder  aus 
ft^dern  UrsacheD  eiitalaDdeo»  ist  aus  dem  Verzeiebnifc 
oicbt  ersichtlich.  | 

3)  „Vrbar/'  Die  Summe  ist  nicht  angegeben.  Wieo 
trägt  hier  wieder  nur  200  Pt und  PfcMiiiige,  Linz  sogar 
nur  40  Pfund,  aodereOrte  viel  mehr,  aber  wahrscbeiu- 
lieh  sind  bei  ihnen  die  Aemter  mit  dazQ  gerechqet^  deren 
Haoptorte  sie  sind. 

4)  „Zechent  Perckrecht,  Pawwein,  pringen  zu  mitt- 
lem Jarn  bey  hundert  vod  achzig  fueter  mit  sambt  des 
huebschreibers  Weingarten.*^ 

5)  j,Järliche  Steur."  Zusammen  3630  Pfund  Pfen- 
nige, wozu  Wien  allein  2000  Pfund  beiträgt,  Siinz  gar 
nichts. 

Sehr  lehrreich  würde  es  bei  der  Vollständigkeit, 
welche  diese  Verzeichnisse  zu  besitzen  scIh  iueo,  gewifs 
seyn,  die  einzelnen  Angaben  zusammenzuzählen  und  eine 
Gesammtsumme  der  damaligen  Einkünfle  des  dsterret- 
chischen  Regentenhauses  aus  seinen  in  dem  Verzeichnisse 
begrinenen  Staaten  daraus  zu  ziehen,  was  zu  sehr  nüU- 
liehen  V^ergleichungen  Aniafs  geben  könnte^ 

Bei  d^m  vielfachen  Interesse,  was  also  die  meisten 
der  Torliegenden ,  durcbans  orkondlichen  und  aus  den 

besten  Quellen  gescliopften  Mittheilungen  für  die  Ge- 
schichte Oesterreichs  und  für  die  de«  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts überhaupt  haben  —  wünschen  wir,  recht  bald 
ein  zweites  lieft  dieser  „MatefiaUeo  svr  dsterreiohischea 
Geschichte"  ians  dem  Ibst  merschöpftichen  ReichtiMmia 
der  Archhre  und  Bibliotheken  Oesterreichs  anzeigen  z» 
können,  welches,  hoffen  wir,  die  glückliche  Stellung  des 
Hrn.  Vei'fs.  ihm,  recht  bald  zu  geben,  erlauben  wird; 

Mittler. 


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BftfWitei  >  AMonn«  iftymoloffi^m  4e  kl  tag««  VfaBftta  MI 

1)  Ptctr«fiii0tre  cfljfmolo^t^ue  rfe  <a  langue  frangaisc  ou 
Im  moto  99nt  elau^M  par  familks  4jrc.,  par  B.  de  Roquefort, 
Jcadimies  roy.  cfe  Göttinguc,  dvs  Antiquaircs  de  France  et  de 
Normanäie '^r^.  Sjfc;  auieur  du  gtouatre  de  la  langue  tomane,  de 
Ntat  d0  la  pöitie  fran^ai§e  damt  tet  12e  et  IS.  titelet,  pr6cid6  d'une 
4ii90itUt9h»  *W  VEtymohgie  par  J.  J.  Ckamp0Uion^Figem€, 
»  ThUi.  a  1.  7A.  XL  u,  4«a,  1.  TA.  164  &  mit  einer  21fl  Mim 
utitfm9äo^tdßn  Ittftle  oJ^aft.  ifee  mui»  eonfeimt  i^Mif  let  tfeur  vottoam 
de  ee  dietimmaire.   Pari»,  Decourehaut,  rue  d'Erfurtk  JVo.l. 

2j  Voll  st  lin  d  i  tr  es  (?)  f  r  an  z,  -  deut  s  v  h  e  s  ff  ör  t  erbuc  h  in  atif- 
molüg.  üfdnung  ^  bearbeitet  von  C.  F.  i)cyhle.  Stuttg.  E.  Schwei- 
sarbarVs  Verla^shandlung ,  1832.  Ein  Theil  in  8.  XII  (wovon 
firn.  D.'s  V  orrede  4,  die  ans  Hirzel  entlehnte  Abhandlung  übet 
tliv  IVortbildung  1<>  Stilen  einnimmt)  und  5^4  Seiten  {inbegr,  ein 
alph.  Heg.  von  4ti  Seiten,) 

Die^e  beiden  Werke  verhalten  sich  im  Ganzen  wiä 
Vater  und  Soho,  so  dafs  ich  mir  erlauben  werde,  in  der. 
davon  zu  gebenden  Anzeige  und  BeurtheiJung  beide  stets 
zusammenzufassen.  Htrr  De/hle  nämlich  hat,  wie  er 
idMi&ftr  Vorrede  berichieij^  naehdenf  er  sehon  kMi|^  (Y) 
die  AMcht  hegte,  ein  elyiifologl«die«  WMerbucfh  der 
französischen  Sprache  zu  schreiben,  dasindessen  in  Paris 
erschienene  von  Herrn  v.  Roquefort  seiner  Arbeit  ZU 
Grunde  gelegt«  Dürfen  wir  Uns  erlauben,  diesen  Aus- 
druck etwas  2tt  bericbtigeo,  Bö  mßsseu  wir  sagen,  dafi 
Br.  Dü  sein  frans.  Original*)  Mob  iberslrtet  hat,  mit 
Uebergeliung  aller  auf  Etymologie,  G^esebicfhle  u.9.w; 
bezüglichen  Erörterungen,  sowie  mit  willkührlicher  Weg- 
lassung theils  allgemeinerer,  tlteils  speciellerer,  auf  Künste 
U.8.W.  sich  beziehenden  Ausdficbe,  ale  z.B.  abaque, 

^me,  aeomf^ey  acatn^  ii.8.  w.,  welthe  sich  alle  hei 

Hrn. V.R.  vorfinden ;  -so  dafs  es  auf  den  ersten  Augenbliefc 
Bcheiuen  könnte,  als  hätte  sich  Hr.  D.  vielleicht  auf  die^ 


*)  Einige  Verbeflsernng^en  in  der  Unterordnung  abgereebnet,  vöfur 
er  auch  wieder  eigene  Sunden  zu  büfeen  hnt,  indem  er  s.  B. 
V^eulaire  (von  leeu»)  unter  logU.  (v.  A&7o^)  nachträgt,  wäh- 
lend er  das  von  R.  dort  anfgeffihrte  frffoeiilaire  hätte  streichen 
•nd  dies  alles  su  Ueu  stellen  sollen. 


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680  Roquefort,  DictioniMiire  etjrmologiqae  de  U  laogue  Fran^aiie. 

der  gewöhnlichen  Sprache  mehr  angehörendea  Wdritr 
beschränken  ivoUen,  woran  er,  nach  des  Ref.  Ermeaseo^ 
sehr  wobl  gethan  haben  wOrde.    Aliein  Hr.  D.  befolgte  , 

bei  Verwerfung  oder  Aufnahme  jener  speciellern  Aus- 
drücke durchaus  keinen  Plan,  sonst  würden  nicht  2.  13. 
blos  acacia,  coryne,  yiristoloche ,  Di/scrasie,  Dyse- 
sthesie,  Difshemorrh^e,  Ih/shehie  a.8.w.  fehlen,  und 
doch  andre  dieser  Gattung,  z.  B.  acafou,  carBO»d€f 
Dyscmesie,  Dysecee^  dysodie,  dyspepsie,  Dystkynne 
u.  s.  w.  dastehen.  Auf  eine  planrnärbige  Durchfuhrung  in 
dieser  Beziehung  müssen  wir  verzichten  ;  und  es  scheint 
überhaupt  Hn  D*  sich  seine  Aufgabe  nicht  recht  klar 
gestellt  zu  haben.  Jedenfalls  hätte  er  den  sehr  oogeeig- 
neten"  Beisatz  „Tollstiodig  den  er  in  seiner  Vorrede 
p.  5.  ohnehin  gewissermafsen  schon  widerraflt ,  weglassen 
sollen. 

Anders  verhäU  es  sich  nil  Hrn.  Roqneforl,  der 
Torerstanf  dem  Titel  ansdrficklich  bemerkt,  sein  Diction* 

naire  sey  kein  vollständiges,  sodann  sicli  ^ur  Aufgabe 
gesetzt  hat  (s.  S.  X.) ,  den  P'ranzosen  ein  älinliches  Werk 
in  die  Hände  zu  geben,  wie  die  Italiener,  Spanier,  £ng* 
länder,  Deutschen  ( —  er  nennt  blos  das  Wächter  sehe — ) 
bereits  besafsen;  indem  nach  seiner  Aeufeerung  die  mei- 
sten in  dieser  Beziehung  in  Frankreich  früher  erschie- 
nenen Werke  kaum  mehr  als  einzelne  Nachweisungen 
gäben ,  auch  die  Verfasser  sich  bien  des  absurdUe*9 
hätten  zu  Schulden  kommen  lassen  (  —  leider  hat  sich , 
wie  wir  seheu  werden,  auch  Hr.  v.R^  nichts  weni|;er  als 
frei  davon  erhalten  —  ).  Welohe^nenere  Werke  jedoch 
Hr.  V.R.  benutzte,  hat  er  uns  nicht  gesagt;  auch  geht 
ans  d(ini  seinigen  hervor,  dafs  er  z.B.  weder  das  Boi- 
ste'sche  zu  Rathe  zog,*)  noch  viel  weniger  Werke, 
Ton  Burnouf  oder  Klaproths  Asia polyglott a  nebst 
den  dazu  gehörigen  Tabellen  oder  die  Merian'sche  Syo- 


*)  Was  ihm  Jedoch  haam  mfigüeh  war,  ila  ei  in  donieelbett  Jalurt 
mit  dem  eeinigeo  eracbleo. 


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'   und  D»jli1e,*  Fram.-D«atiMslioi  WdfUirbnob.  i61 

^losj^e^)  studierte,  da  sonst  der  ganze  Gang  seiner  Dar- 
Jegungen  ein  andrer  hätte  u  t  i  tlen  müssen.  Auch  sind 
wir  ferwandert,  dafs  Ur.  v.  H.  des  im  J.  1826.  erschie* 
Denen  etymologischen  Wörterbuches  von  Noei  keiner 
Grwähnnng  that;  obwohl  an  dies^  häufig  eher  zq  sehen 
mr,  wie  man  nicht  iu  Werke  ^ehensoll.  Wie  dürftig 
des  Verfs.  Kenntnifs  von  den  in  Deutschland  erschienenen 
hierher  gehörigen  Werken  ist,**)  geht  aus  der  oben 
schon  beigebrachten  Angabe  hervor,  und  wenn  Hr.  v.  R. 
ttkht  ohne  eine  gewisse  SelbstgeÜlligkeit  davon  spricht, 
wie  dies  sein  Boch  eine  consequence  seje ,  des  progris 
faits  dans  tetude  compurätwe  des  langues  en  general 
fit  des  nouvelles  conquifles  Jaites  dans  la  science  et 
la  metaphysi^e  des  langues,  so  wünschten  wir,  er 
kitte  nicht  verschmäht,  die  Leistungen  eines  Adelung, 
Vater  nnd  (wenn  ihn  die  swei  dicken  und  so  abslorsend 
ab  möglich  gedruckten  BSnde  nicht  erschreckt  hfttten) 
unseres  Grammatikers  Grimm  genauer  kennen  zu  lernen, 
um  so  etwas  mit  mehr  Recht  von  sich  prädiciren  zu 
iiöaaeo«  Oder  hätte  er  doch  nur  wenigstens  dasjenige, 
was  seinem  Zwecke  am  allernlohsten  lag,  Weinharts 
Verwandtschaft  der  Sprachen^  Landsh.  1821.  benntxt. 
AHeio  die  Forderung,  von  der  Literatur  und  den  Arbeiten 
der  Deutschen  Notiz  zu  nehmen,  wurde  bekanntlich  früher 


*)  Mimlicb  die  von  Klapjrotk  in^s  Fransdiltche  fibenetite  (mit 
Banerknngen  Sber  die  Wartetn  der  eemltischen  Sprachen» 
worin  er  tu  zeigen  taclitt  dofs  eie  n«r  ane  nvei  Coneonnnten 
und  einem  vermittelnden  und  Endvokale  betlelien).  Parb* 
Sclinlmrt  et  Heideloff.  Leipzig,  Pontiiien,  Michelien  et  Comp. 
1828. 

**)  Nocli  der  bäuCg  felilerhnften  Weise«  wie  die  in  seinem  Lexikon 
angefahrten  deutschen  Wdrter  gedruckt  sind«  scheint  er  uber- 
hnnpi  unsere  deutsehe  Spruche  nicht  sehr  xu  kennen.  Devon 
mdehte,  statt  -nlter  weitem  Beispiele,  folgendes  einen  hinrei- 
chenden Beweis  liefern.  Nachdem  er  unter  dem  Worte  Bern- 
hnrd  sowohl  Bern  die  Stadt,  nie  den  Beruhnrdiner  anfge- 
lihrl  hat,  ffigt  er  noch  die  Anmerkung  beit  on  ne  «anroi'l 
/BWf  uns  fnsulte  plut  gronde  ä  im  oltoimiiMl  fm^m  V&fpdatU 
Bcrnaeller  (sw)  g^rdeur  d'ours. 


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6811  Roquefoffi,  DinlMiaiiatr«  .^tjraiologif  m  d»  \m  Uftgn«  FrenfftiM. 

gar  Hicht  an  die  Franzofleo,  und  wird  aouli  jetzi  mi 
eioigermafsen  an  sie  gemacht,  aaitdem  sie  ihren  Naeh«- 

barn  einige  Aufmerksamkeit  zu  schenken  anßngen.  *)  j 
Nach  diesem  Stande  der  Sachen  inulVi  also  Ref.  frei  be-  ] 
kenoen ,  clafs ,  $o  achtbar  Ura.  v.  R.'s  Ualeraehmen  auch 
an  und  fiQr  sich  ist,  so  Yieie  Entscbnldigung  er  io  ilea 
zum  Vheile  bedentenden  Schwierigkeiten  einer  solchea 
Arbeit  zu  finden  berechtigt  ist,  so  noch  wir  auch  6eiD0 
Gelehrsamkeit  in  maochen  Fachern  der  Literatur  achten 
(wir  denken  hier  besonders  an  «^eio  DicL  de  la  langue 
römane,  3  Thle.  Paris  1808.),  dieses  IMotiotmaite  ety^ 
molog,  dennoch  den  Anforderungen  der  Wissenschaft, 
wie  sie  die  jetzige  Zmt  macht,  flnrchans  nicht  ent» 
spricht,  indem  er  selbst,  obwohl  gegen  das  Verfahren 
der  äUei  n  Schule  eifernd,  sich,  wie  öden  schon  bemerkt, 
allzusehr  noch  von  iiir  abhängig  machte,  ja  ihre  Chi* 
mären  sogar  mit  einigen  neueif  vermehrte«  Wir  ^aben 
somit  aiieh<  vorlinfig  unser  Urtheil  Ober  Hnu  i^eyhle*! 
Buch  ausgesprochen ,  das  jedoch  für  den  Gebrauch  noch 
unzweckftiäfsiger  dadurch  wird,  weil  ihm  alle  etymo* 
logischen,  und  also  vermitteludeo,  Krörterting^en  fehlen, 
wodurch  Manches  sehr  sonderbar,  ja  gatiz  unnatürlich 
ziisanHnengeschoben  erscheint  Dieses  unser  Urtheil  fibor 
Beide  wollen  wir  nun  ausfiihrlicher  begfftnden,  nach« 
dem  wir  eine  kurze  Bemerkung  über  die  französische 
Sprache        vorausgeschickt  haben. 

Die  frühere  Art  nämlich,  dae  Fehl  der  Etymologie 
.  auch  in  dem  französischen  Idiome  zu  bebauen,  war^  dab 
man  das  Meisle  ab^  unmittelbar  herstammead  tou  der 


Wie  mangelhaft  jedoch  di«  Kenninifs  naterer  Literatur  selbat 
z.  B.  bei  einem  Cliaiiipolli«a*Fi||eac  war,  geht  sieinlich 
klar  aaa  dem  berror,  was  er  in  diMev  Beiielinng  ui  aeiner 
Diu*  nar  VEUfm,  p,  XXXI.  vorbringet. 
**)  Man  sehe  gef.  welter  unten  da«  bei  AUeu  BeaMrkte.  . 

Man  sehe  aacfa,  was  H.  Ueiaing'er  in  aeinetn,  dsoi  Bef.  im 
Laufe  aeiner  Arbeit  zugekonnmeaeR ,  Yarglelcheadea  etj- 
naologischen  Wörlerbuche  der  gothtsch- tea toni-  ^ 
8 eben  MaAiiarten,^,  XXXI«  aber dSa FfanaduaelM  beibringt. 


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4 


« 

gfiecbischen,  lateinischen,  celtischen  (und aquitaDischea) 
Spreche  ansah,  die  deutsche  nicht  zu  vergessen.  Diesen 
Grundsatz  ohne  eine  gewisse  Vorsicht  und  Ei nschränkuay 
iflwpnflen,  würde  heifsen,  das  gaDSe  V er häl in ifs  wissen- 
schaftlich amstofeen«  Woll«a  wir  nämlich  auch  hi«r  ah- 
ftrahirea  von  einer  allgemeinen  Verwandtschaft  der 
Sprachen  —  eine  Idee,  die,  so  vitil  und  so  apodiktiscli 
i^ie  a!ich  verworfen  wurde,  keineswegs  aufzugeben  ist  — - 
erleidet  doch  die  /Annahme,  dafs  wenigstens  die  grie* 
diische,  lateinische^)  ynd  deutsche  Sprache  einem  ge- 
nwinsiiBea  Stamme**)  entsprossen  sey,  keinen  Zweifel 
nehr.  Dafs  nun  die  französische  Sprache  unter  ganz 
^esonderm  Einflüsse  einestheils  der  lateinischen,  an- 
(lerntheils  der  germanischen,  und,  jedoch  meist  auf 
beschränktere  Wei^e,  der  gri<echisohen  stand  (aufser 
m  vielleicht  mehiierti  Wörtern  verwandter  Sprachen  ein 
Snecbische»  Zeitwort  z«r  Erklärung;  dienen  nmb^  w«U 
die  ver\\antlteü  Dialekte  es  entweder  nie  hatten  oder 
wenigstens  jetzt  nicht  oiehr  haben),  das  zeigt  uns,  wie 
gesagt,  die  Geschichte.  Oh  die  italienische  ***')  sp&tef 
«s  bedenteod  auf  sie  eiawirkte,  wie  Manche  annehmen 
«dlea,  kdnnten  wir  •hne  Weitere^  zugeben ,  f )  ohne 
<hfc  in  der  Hauptsache  sich  etwas  änderte.  Aufserdenv 


^)  Obwohl  daa  Verhaltnifi  illeter  Sprache  sa  di«tea  Mikni 
bdien  ilir  irerwandtea  Tielleicht  aehwisffiger  sa  bcetimiiiaD  eejn  ^ 
IMS»  wi«  aeaUch  4er  BeceMenl  ▼!»  JAcksU  Sdurlfts  Ur- 
spran^.  dsr  lalsiii.  Spmhe  (s.  weiter  antMi)  m  ilsr  Jea.  Iiit.Zeit« 
vo|L  diesen  Jahse  Ne»  %U  p.  86.  beanerki  hat. 

'*)  Neaerdritgs  scheint  man  haafif^  das  Sanskrit,  »einer  überra- 
•eheoden  Aehnlichiceit  wegen ,  ilafür  nehmen  za  wollen.  Nach 
der  Ansieht  der  Kenner,  s.  B.  eines  Klaproth,  ruht  auch 

diescB  auf  dem  Altpersiachcn. 

**)  Weiche,  eine  Partbie  Fremdlinge  abgerechnet ,  wohl  nichts 
«eyn  durfte,  als.  die  alte  romiiche  Bauernepracbe. 

t)  Aaeh  die  Italien.  Sprache  eeheiot  dem  Reil  nfiehr  SMÜlline  Eia- 
wirfcaag  auf  dis..  Baehtaag  dee  fraaaöa.  Geechnmlu  (cf.  UM 
Art,  pniL  1^  4a.  It».)  oder  nmch»  Spraahfocai  ubf»hBupt, 
als  aaf  die  eigeatllchea  SprachfandanieBte  geanfaert  au  haben. 


4 

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^4  Roquefort,  Dlettonnatre  ^tymologi^ae  de  la  Iftngiie  Fraiifaiee. 

aber  waren  doch  auch  frühere  Landessprachen  da ,  aufser 
der  belg-ischen  (also  einem  Dialekte  des  deutschen)  die 
aquitanische  uad  celtische.  Erstere  jedoch  dürfte  wohl 
mit  letzterer  verwandt  gewesen  seyn  (cf.  Weinh.  p.  3.) , 
obwohl  den  AquitaDiern  gewöhnlich  iberische  Abkonfl 
zu eschrieben  wird.  Ist  es  nan  wahrscheinlich,  dafs 
die  Kelten  (welches  wohl  derselbe  N.^nie  ist  wie  Gallier) 
zu  demselben  grofsen  Volke  gehörten  mit  den  Germa- 
nen,^) so  liönnen  wir  nicht  anders  als  annehmen,  dafs 
neben  der  allerdings  grofsen  Meng«  lateinischer  und 
deutscher^*)  Worter,  neben  manchen,  die  mehr  auf 
griechische  und  italienische  Abkunft  hindeuten,  sich  noch 
eine  beträchtliche  Anzahl  anderer  finden  wird ,  die  eben  so 
gut  für  ursprängüch  gallisch  (oder  aquitanisch)  gelten 
können  als  die  verwandten  deutschen,  griechischen,  ia* 
leintsohen  (und  italienischen)  für  nrsprfingiich  dentsch, 
griechisch,  vnd  lateinisch  gelten  (cf.  Weinh.  p.  90.). 
Werilen  wir  immer  im  Stande  sejn,  hier  Verwandt- 
schaft und  Abstammung  scharf  zu  unterscheiden 
und  zu  bestimmen?  So  oft  wir  dies  vielleicht  auch  nach 
bestimmten  Regeln  nnd  Analogien  können,  immer  wer- 
den wir^s  nicht  Aber  der  Unparfheiische  mag  ent- 
scheiden, welcher  Weg  philosophischer  ist,  ob  der, 
apodiktisch  diesen  oder  jenen  Ausdruck  einer  Sprache 


*)  Man  Tergl.  gef.  Jftkel  germ.  Urepr.  der  lat  Sprache 
p.  10.  D.  «.  w.  der  Eloleltung  ( der  Scharfeinn  aad  die  Gelebf* 
•amfceit  dei  Verfe.  Terdlent  alle  Anerkenniiiig,  wenn  man  auA 
dem  Ten  ihm  aufgettellten  Betnltate  sidit  huldigen  Icano). 
Gelegentlieh  beoMrkl  Ref.,  dafii  Hr.  J«  bereite  einen  Torgänger 
hatte  as  dem  preufe.  Appellationsgerichtsrathe  P.  F.  J.  Maller« 
der  in  eelnem  Buche,  betitelt  die  Ureprache  (die  alle  Aneg* 
ist  mit  einem  neuen  Titel  und  der  Jabreeiahl  1826.  Teraeheo) 
au  «eigen  eocht,  dafa  die  andern  Sprachen  aue  der  dentecben 
genommen  eiod*  Sieht  man  von  der  Unhaltbarkeit  dieeee  Sutsee 
und  manchen  einaelnen  Sonderbarkeiten  ab,  eo  enthält  daaTBuch 
▼iel  Intereaeantee. 

**)  Man  Yergl.  die  vor  dem  Snpplementbande  au  Boquefert^a 
DUt  roHi.  bellndliche  Abhandi.  du  gcnk  ife  la  lai^fHC  fr*  yron 
Augule.  -  * 


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vid  beybie,  Frftoi.-DealMhcs  Worterliacii.        .  it§ 

ab  Qttelle  dieses  oder  jenes  aDdern  in  eioer  andern  auf- 
nstellen  (man  s.  gef.  in  unserer  Ree.  die  Artikel  bahmce, 

houcle,  bougie ,  briser,  brusquc ,  ceremonie  u.  s.  w.), 
oder  dem  Lt' inenden  eine  soviel  als  möglich  freie  Aus- 
siebt über  das  Gebiet  der  Sprache  und  Spractieo  zu 
eröffnen,  ihn  dadurch  gewisseriDafsen  selbst  mit  in  die 
Ufltersachung  hereinzuziehen  und  ihn  in  deö  Stand  zu 
«eisen,  frei  von  Autoritfitsglauben  zu  urtheilen?  Wo 
uDsrer  Sache  weniger  oder  gar  nicht  genügt  wird,  ist 
es  nicht  ihre ,  sondern  ihrer  Wortführer  Schuld.  Nach 
dieser  kleinen  Abschweifung  gehen  wir  nun  zur  Sache 
tdbst  und  unlersucbeo  von  vorn  herein  eine  Reihe  Artikel 
l)'iD  Bezug  auf  die  etymologische  Behandlung,  *)  2)  in 
Bezug  auf  die  Anordnung  ganzer  Wortfamilien. 

Ah&He  teilet  Hr.  V.  R.  ohne  Weiteres  von  apiefula  ab, 
und  es  mag  seyn.  Aber  hat  das  süddeutsche  B  e  i  e  I  i  **) 
nicht  viel  mehr  Verwandtschaft  damit?  JciK  iifalls  hätte 
auf  avictda  (suddeutsch  Vögel i)  und  auf  die  Zeitwörter 
djq(ii9  wehe  (südd.  wein)  verwiesen  Verden 
mlleD.  —  Acherm  kommt  ihm,  nicht  etwa  blös  von 
i'jffiq  (Hr.  v.  R.  schreibt  acheoBf  und  beilinfig  gesagt, 
*He  griechische  Wörter  mit  latein.  Buchstaben),  wie 
Andern  auch,  sondern,  wegen  der  Svibe  ron  auch  zu- 
gleich von  pi&.  Er  dachte  also  nicht  daran,  dafs  doch 
alle  4  Flusse ,  welche  im  Alterthume  diesen  Namen  hatten, 
ilui  niimöglich  aus  dem  von  ihm  angefflhrten  Grunde 
Inbeo  konnten.  Acheron  ist  nichts  weiter  als  Acherusia, 
^croniusy  Acragas,  d.h.  unser  deutsches  Ach  oder 
Bach,  und  alle  bedeuten  Wasser;  wer  noch  mehr 
Fopen  derselben  Wurzel  sehen  will,  vergl.  Fabers 


*)  Wobei  urir  es  —  nach  dem  oben  Beinerlcten  —  Um  mit  dem  • 
Eoqnef örtlichen  Werke  wa  thsn  hellen. 

**)  Wenn  Hr.  Aiigai«  lo  leiiier  Ahh.:  d«  gMe  de  i.  fr.  p.  66. 
ngt,  dies  ny  cdnee  derjeniger  frans.  WSrt«r,  wclehee  am  mei- 
.iten  Weichheit  und  Wehllent  bahe,  dfirfen  die  Schwaben 
■lels  daraaf  seyn,  daf«  eie  dieeenTontng  nUerwenigsten«  theilen. 


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RoqaefMTt,  ]H«if«iiiialr«  iHjmftlosfiqpie  de  Ift  längs«  Fransige.  ^ 

(fl.  h.  Merlans)  Sjngl.  p,  57,  {Weinhafts)  Sprachwvr- 
selo  (Augsb.  1831.)  p.  126  — 29.  Tnpart.  I,  31«. 

Bei  Acre  fuhrt  nns  Hr.  v.  R.  ein  sächsisches  f  ?) 
Ach  er  auf,   das   wahrscheiolich  unser  gewohnliches 
Acker  ist.  Mii  acna  hal  acte  nichts  gemeio. 
sab  A<)fcer. 

Alhdtre  muU  es  sieh  gefalleo  lassen ,  aneh  hier  nM^h 
vom  d  aT£p7/Ttxdr  und  Kaßelv  herzukommen,  parceque 
les  V€(S€S  ddlhdtre  etoient  si  polls ,  si  unis  (!)  quils 
gU^soient  enire  les  mamsil    Wie  kaoo  ein,  gescheuter 
Mann  solche  nugaa  2u  Markte  tragen!    Aber  freilich 
das  EtymoL  tnagnum  (sub  v.  *^XaßdcrT^ov)  sagt  es  ja , 
nnd  citirt  togar  den  Erfinder  dieser  ErkiSrnng ,  Metho- 
dius, und  eine  Menge  gelehrter  Leute  sagen  es  ihm 
nach,    Jetioch  iiaiten  meliieie  üaraa  noch  nicht  einmal 
genug,  und  ersannen  andre  nicht  minder  gelehrte,  aber 
eben  deswegen  nicht  minder  unhaltbare  Etymologien, 
wie  bei  VoTa:  Etf/moh  und  enm  Theil  auch  bei  See- 
mann Manud.  sub  h.v.  zu  ersehen  ist^  obwohl  Letz-* 
terer  auf  dem  richtigen  Wege  war,  als  er  bemerkte, 
alabaaler  sey  ein  durch  seine  Weifse  ausgezeichneter 
Stein.  Wahrscheinlich  ist  Pün.  H.  N.  13,  2.  oder  aect  3. 
die  sehr  unschuldige  Veranlassung  zu  diesem  etymologi-  ' 
sehen  Mifsgriffe  geworden.   Alabaster  ist  nichts  mehr 
und  nichts  weniger  als  ein  weifsei   Stein.  Glückli- 
cherweise haben  wir  zur  Erhärtung  unserer  Erklärung 
nicht  etwa  bios  den  gesunden  Menschenverstand  für  uns 
—  der  bekanntlich  nicht  immer  seine  volle  Anerkennung 
findet,  —  sondern  ebenfalls  eine,  und  Ewar  entschc^i- 
dende,  Stelle  bei  demselben  Plinius,  ].  33.  c.  G.  oder 
sect.  33,  wo  er  sagt:  —  iiwenHur  spumae  laph  can- 
didae  nitentisque :  stimmi  appellant ,  alii  stibium  äln 
alabastrum.    Nun  ist  Spiefsglas  und  unser  Ala-* 
haste r  doch  wohl  nicht  eins,  beide  haben  also  ihren 
gemeinscbaftliehen  Namen  von  einer  ihnen  geafelnsehaft- 
liehen  Eigenschaft,  hier  von  der  Farbe.  Die  Homer  haben 
noch  ihr  albus ^  die  Sassen  oJf^  die  Franzosen  haben  noch 
aube  (albe),  wenn  auch  in  specieiler  Anwendung ,  nicht 


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n  reehnen  andre  <Mitn  geMr^nde  Aufldrflcke;  die  grie- 
chische Sprache  giebt  uns  noch  «las  einfache  aX(p6^f 
freilich  in  sehr  besondrer  Bedentiing,  allein  iirsprüng- 
Jich  konnte  dies  Wort  nichts  Anderes  bedeuten, 
ait  „Weifse,"  wie  eben  albugo  im  Lateio.,  dXrpog  =s 
UuKi^  im  Griechischen  aoch.  Wird  nun  irgend  ein  Be- 
Maaener  lieber  des  Methodius  (der  seinem  Namen 
wmg  Ehre  macht)  im  EtyntoL  gegebene  Erklärung 
ifloptiren  wollen:  nagä  t6  aXXocpavrig  tiq  nvai?  Die 
fioilttBg  asier  ferner  eeigt  bekanntlich  Aehidichkett^ 
«lez.  B.  mtrdasier  (taob-ähoHch,  olemtery  bleuäire 
fireifsartig),  rougedire^  maräire  =  einer  Mutter  ahn* 
lieh  (ohne  es  zu  seyn),  dem  Sinne  nach  ganz  entspre- 
chend der  Form  1  ttneus  (=  Patrlcns)^  welches  uns 
einige  hommes  doctiushm ,  die  jedoch  «voii  Vossius  ge- 
Mhrend  ab^eferiigi  werden ,  wirklieh  von  vi  und  Iri* 
Wi  berleitas,  jäniidi  den  fnuttfiaiaehen  Etymologen  9 
Hia  w.  IL  aiehi  ausgenommen,  die  die  maratref 
Sprache  und  Erfahrung  höhnend,  zu  einer  „mal  er 
atra"  machen,  Hr.  Auguis  in  «einem  P/»coi^ri^  p.  56* 
fiflfar,  indem  er  es  einen  terme  expresaif  neoot 

Das  einfache  aller  will  R.  dem  latein.  composUam 
ümhular €  verdanken.  Die  Sprachvergleichung  hätte 
ihm  die  verwandten  verba  aal-ire,  dX  -doßai ,  dX^ 
ioß^i^  dX-t^axm^  dXX-OfUU^  nnser  wallen  nnd 
fallen  aviftthrcn  mSasen,  in  denen  allen  nraptfinglicli 
blas  der  Begriff  der  Beweg» ng  lag. 

Bei  ^lleu  versucht  Hr.  v.  R.  selbst  eine  Erklärung 
aus  dem  griechischen  iXiii'begog.  Wer  wird's  ihm 
glauben f  Und  heifstso  was  etymologisiren ?  Biedern 
Aator  von  Hrn.  Mi  II  in  nnd  Ciavier  gegebene  Expli- 
cation,  als  bestehe  es  aus  dem  so  oft  iiiilsbrauchten  ot  pri- 
vativuiii  und  lorfum  (?)  =/ocZs,  oder  aus  a  und  leudes, 
tst  erstens  viel  früher  schon  vorhanden  gewesen,  und 
uater  Andern  bei  Becin.  ^6  v,  allodium  zu  finden, 
wo,  wer  Liebhaber  aolcfafer  Cnriositaten  ist ,  noch  einige 
weitere  finden  kann;  zweitens  ist  sie  falsch,  da  weder 


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088  Roquefort,  Dktioan.  et/inologique  de  la  iangue  ^rsmvai>e  &c. 

die  franxdft.  noch  selbst  die  lateia.  Sprache  solche  vocei 
hybridas  bildete;  überhanpft  ist  sie  gar  nicht  ans  dem 
Griechischen      holen,  obwohl  Becni.  behauptet:  qm 

elegantiorem  lileraturarn  cum  Jutisprudeidia  conjwi- 
gat  i  non  np^aturu7?i ,  esse  graecae  slirph,  quasi  aXXo 
tdioy.  Auf  die  Gefahr,  der  inelegantia  beschuldigt  zu 
werden,  schlägt  Hef.  einen  andern  Weg  vor,  nämlich 
.das  Wort  als  susammengesetsst  anzusehen  aus  91^11'' 
=  ganz  und  dem  alten  ,,0d"  =  Eigenthum,  das 
sich  noch  in  Kle5n-od  findet,  wobei  blos  das  einiges 
Bedenken  erregen  könnte ^  dafs  das  Wort  alleu  gewöhn- 
lich mit  frone  verbunden  ist,  allein  wir  sagen  im  Deut- 
schen auch  „freies  Eigengut  oder  Eigenthum;"  da  ja 
bekanntlich  auf  manchem  Bigenthume  Lasten  haften. 

Amputer  leitet  H.  von  puiare  richtig  her;  dies  aber 
unrichtig  yon  %£i5dof(ac ,  die  einfachere  Form  von  einer 
bereits  umgebildeten  und  verlängerten,  die  ohnehin  gar 
nicht  hierher,  sondern  su  Formen  wie  %v^iiriVf  ßv^oc^ 
ßiv^oQy  fundiis  y  f  ut-aille  u.  s.  w.  gehört.  Das  deutsche 
putzen  wurde  ganz  vergessen. 

Das  unschuldige  anire  gewährt  nach  Hrn.  v.  R.  dem 
Blicke  und  der  Seele  quelque  chose  d'affreux!*) 
Angeführt  wird  antrum  als  von  dem  griech.  dvTpov 
kommend.  Und  diesej?  ?  —  Wenigstens  die  griechische 
und  lateinische  Forin  werden  auf  gleicher  Linie  stehen 
und  sbsh  auf  ein  Zeitwort  wie  ^aivm^^  gähne,  zurück- 
fiihren  lassen.  Denn  dafs  die  Gutturale  häufig  wegfiel, 
ist  bekannt.  In  antre  wird  also  eben  so  wenig  etwas 
Grauenerregendes  liegen,  als  in  Kluft  von  klaffen,  in 
Grube  oder  Bcrobs  von  graben.  ; 

(Dtr  Bۤehlufs  folgt.) 


*)  Man  vergL  weiter  oaten  urcueä^ 


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\^  44.    HEIDELB.  JAHRB.  b.  LITERATUR.  18SI. 


Lloqucfort y  Dictionnaire  cttjmologique  de  la  langue 
Fraiifoise  und  Deyhle,  Fr anzosiach"  Deutsches 

Wörter  buch* 

(Be$cklu/9,) 

Arhre  wird  ganz  schnlgerecht  als  Banm  im  eag-^ 
Sien  Sinne  definirt,  ^)  wiewohl  es  ttrsprQng^Hch  gewifs 

vorerst  überhaupt  etwas  Geuaciistnes,  d.  h.  Hohes  oder 
Gerades  anzeigte,  wie  etwa  alius ,  celitus.  Es  lautet  im 
Altpersischen  orwer  und  ist  mit  gramen,  Gras,  cresco, 
englisch  to  grow  verwandt.  So  verhält  es  sich  z.  R  mit 
deaAasdrflclien  Spv^j  Bofü^  derb,  der  (sc Baum,  z.B. 
IQ  Hold  er  )  9  slaw.  Derewo,  die  sich  auf  ein  Zeitwort 
wie  Tp^(j5o,  Tt^'jicö  (ursprünglich  dick  machen)  zu- 
rückführen lassen  müssen» 

Warum  bei  ar^te  eine  ganz  specielle,^)  also  eine 
abgeleitete  Bedeutung:  oa  de»  poiasomf  und  es  doch 
herleiten  von  aristo  ^  und  dann  erst  ein  zweites  ar^te 
aufstellen  in  der  Bedeutung  von  barhe  "de  tcjü  du  ble9 
Heifst  dies  vielleicht  die  Sprache  metaphysisch  behan- 
deln? Hier  konnte  Hrn.  v.  R.  sein  eigenes  cr^te  oder 
uaser  deutsches  Grath  (Grätfaen  z.B.  eines  Haus^, 
elaer  Maner)  oder  auch  das  englische  uright,  Angela» 
areht ,  zurechtleiten. 

Arroi  soll  von  radius  kommen.  Warum  verschmähte 
er  das  italienischte  arrido ,  das  deutsche  Gerät  he? 
Auf  jeden  Fall  konnte  er,  bei  seiner  Vorliebe  fkir  griech« 
änd  latein. ,  XQ^f^  beiziehen.  —  Ferner  leitet 


Nur  Boiite  in  seinem  DicttODO.  gpelit  noch  genauer  sn  Werke, 
indem  er  togar  die  AtaidebBang  licetinBit,  ati-dSe«Mt  de  6— iO 

**)  Wir  werden  weiter  aotea  am  gelioiigeia  Orte  mehrere  aaffil' 
lende  Beispiele  dieser  Art  beibristgen. 

XXYL  Jalug.  r  Heft.  44  . 


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090  Roquefort»  Oictionnftire  ^t^mologique  de  la  langue  Fran^aite 

er  halance  voq  hilcuix  her,  aUerdiogs  sehr  wahrschein- 
lich für  den,  der  blos  nach  Gleichlauten  eiymologisirt 
Wie.,  glanbt  Hr.  v.  dafs  Wörter  mit  so  breiter  Be- 
deutung, als  bäUmcer  hat,  Ton  einem  so  speciellen,  ans 
irgeiul  einer  Ecke  hervorgeholten  latein.  Worte  entstanden 
geyn  ?  Was  wurden  die  Drutschen  dazu  sagen,  wenn 
ihnen  irgend  ein  Grammatiker  die  Wörter  wagen, 
wegen  (d,  h.  be- wegen)  von  dem  metallenen  oderhöl- 
sernen  Instrumente  (das  davon  den  Namen  hat,  weil 
es  wagt,  d.  h.  sich  bewegt)  herleitete?  Wollten 
wir  bizarr  seyn  ,  so  sagten  wir  grade  umgekehrt ,  hilanx 
sey  ebenfalls  von  halancer^  und  nur  aus  Mifsverständnifs 
durch  6is  und  lanx  erklärt  worden.  Es  wäre  wenig- 
stens immer  noch  wahtsidieinlicher.  Und  dafs  die  röm. 
Spruche  Wörter  hart,  dte  nur  durch  das  frauKösische 
erklärt  werden  können,  wer  will  es  läugnen,  wenn  er 
«or«  und  sort  vergleicht  und  das  Zeitwort  dazu  sucht?  — 
Balance  ist  von  balancer  gebildet,  wie  avance  von 
.  manceTy  und  hat  selbst  wieder  ein  zwar  veraltetes  Pri- 
mitiv haier,  dessen  Bzistenz  aber  noch  aus  „balant** 
erheHt  und  in  ftolfer  nur  etwas  verändeii  wt.  Dies  eiu- 
fache  halcr  ist  =  dem  griech.  ßdKX€Li>  und  unserm 
wallen,  iinfl  beide  sind  eins  mit  aller  (cf),  so  sicher 
wie  Bach  nichts  anders  ist  als  Ach.  Zu  diesem  Pri- 
mitiv gehört  auch  halayer  (ungefähr  wie  Bu  kehre 
nogi(Si)\  ferner  das  provinsieUe  halooher  srs  laogstm 
dahinschlendem  (dafs  ^  in  der  Kutsche  fesehieht,  wie 
die  franz.  Lexika  angeben,  ist  nicht  wesentlich).  Auch 
Galoches  mufs  hierher  gehören,  obwohl  die  iPran- 
zosen  es  viel  gelehrter  durch  Gallicae  erklären.  F«mer 
h^ldmquin,  so  wie  das  Italien,  baldachino,  m  wel- 
chem Hr.  V.  R.  die  Etymologie  aus  Bagdad  *)  holt!  Er 
geht  gern  weit  (cf.  Bimgie),  Beide  Formen  sind  ur- 
sprünglich deutsch  und  =:  Wall-  (d.h.  wallendes)  Dach. 


*)  Oü  Vm  ftM^puH  def  dr9f9  dt  diver i€9  99iihmn,  appeUtf  \ 
•el0i»  Minage,  Söftytoiilctt.  Demascb  wive  «In  wAt  ^em  ein*  \ 
farbigen  Tacke  gcbUdeter  BaMachia  k«ia  Baliaehia. 


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und  Oejbte,  Frans.  -  DeuUchet  Wörtorbadk  691 

Daqum  ist  dne  andern  Form  für  daU,*)  Za  derselben 
Fmüie  gehörcB  endiich  auch  Baleme  und  PluMne, 
welche  leletere  Hr.  A.  luid  D.  unter  baieme  stellen ,  ob- 
wohl nach  der  von  R.  dabei  gegebenen  etymologischen 

Erklärung,  als  käme  es  von  rpao.**)  Baleme  —  ba- 
laena  —  und  phaLene  bezeichnen  ursprünglich  nichts 
als;  etwas  Wallendes,  d.h.  sich  Bewegendei.  Soiat 
ja  auch  <hakii  eine  andere  Form  für  fbdKaita^  und  vor* 
trefflich  kommt  unsrer  Behauptung  das  sn  Stalten ,  dab 
£e  Phalene  anch  ii  itSTOfidyri  -^vyv  heifst. 

Bei  Bateau  führt  Hr.  v.  R.  zur  Erklärung  und  Her- 
leitung"  (las  griechische  y:t3ar6g  an.  Dieses  aber  gehört 
2aai  Stamme  cav,  cojff'  (cavus^  coffre  u.  s.  w.),  hateau 
dagegen  se  hwUe,  hotte,  le  baai,  englisch  ioal^  Bool 
(welehes  Hr.  y.  R.  anch  richtig  angeftthri  hat). 

lieber  Verwandtschaft  and  Abstammung  von  Bots 
scheint  R.  zweifelhaft  Mit  ßcharHsiv  jedoch  hat  es  nichts 
tu  thun.  Es  ist  dasselbe  mit  dem  französ.  bouquet, 
humon^  bocage,  dem  hoUäod.  bosq,  unaerm  BuacJi, 
welches  Einige  von  dem  qpatern^r6iiactfa  herleiten  wollen. 
!^1  richtiger  eiehen  wir  Alles  na  Zeitw4lrtef n ,  wio 
noUa  (TüotGj) ,  cjpvco  {v/.ri),  facio,  faire,  fasen. 

Bei  boucle  giebt  R.  zur  Erklärung  bucula.  Allein 
dadurch  wird  eigentlich,  wie  bei  allen  ähnlichen  Fällen, 
aiohts  erklärt.  Boucle  isl  unser  Wickel,  verwandt  mit 
Bi^,  and  also  auf  biegon  nuriicknuf&hren. 

Um  iougie  SU  erklären,  wandert  Hr.  v.  R.  bis  nach 
der  afrikanischen  Stadt  Bugia ,  allwo  die  Franzosen  Wachs 
aad  Wachslichter  geholt  hätten !  Er  hätte  es  näher 
haben  können,  wenn  er  poix  vergleichen  oder  unser 
Waehs,  weich  nicht  verschmäht,  oder  vielleicht  gc- 
bont  hätte. 

fiteäEBr,  sagt  Hr.  v.  R,  sey  ein  onoma^opie;  manch* 

Baal  nennt  er  dies  auch  im  mol  J^actice.  ***)  Mit  diesen 

*)  Welches  bei  Hrn.  v.  R.  von  Dos  herkommt! 

^  Die  Phalene  leuchtet  ja  nicht  von  selbst.  Hr.  y.  R.  macht  öfters 
'  «olaile  Geiankenaprünge,  so     B*  M  der  Erkünmip  voa  Houi, 

*^  Maeliitt  «In  aekv  uDgeachicktev  Aoaärntk. 


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9d2   Ro^aeforl,  DiciioBoaire  eijmologigae  de  la  Ungue  Fran^aUe 


sogenannten  Onomatopees  oder  Xaturlauten  wurde  von 
jeher  eio  groffies .Unwesen  getrieben,  und  wird  es  na- 
mentlich TOli  unserm  Verf.  Ref.  glaubt  und  der  Beweis 
dnfttr  ist  nicht  weit  herzuholen ,  dafs  dieClasse  derselben 
sehr  gering  ist.  Warum  soll  bouilUr  darunter  gehören? 
Und  wird  dann  unser  sieden  nicht  auch,  und  scheinbar 
mit  mehr  Recht ,  darunter  gehören?  BoulUr  wird  ver- 
wandt seyn  mit  nnserm  wallen,  sowie  ^iuv  Ursprünge 
lidi  gewifs  nichts  bedeutet  hat  als  sieh  bewegen,  was 
ans  dem  damit  nahe  verwandten  ^>7r  hervorgeht.  *) 

Es  sej  uns  erlaubt ,   hier  noch  einige  der  auffal- 
lendsten Roquefort'schen  Onomatopees  aufzutühren: 
Abot/ement,  wovon  sodann  aboyer !   Baker,  onoma- 
topee  du  aan  des  livres;  was  fangen  wir  dann  mit  nn- 
serm  Knfs  an,  der  scheinbar  so  gana  anders  lautet  und 
doch  dasselbe  Wort  ist  (die  Oestreicher  sagen  Bosserl , 
die  Perser  und  Türken  Los).    Catacornhes,  sagt  er, 
sey  ein  Naturlaut,  dessen  ausdrucksvolle  ( piltoresquea!) 
Töne  (pittoresk  freilich  für  den,  der  kein  Griechisch 
versteht)  den  Schall  des  Sarges  ansdrücken,  wenn  er  von 
Stufe  au  Stufe  auf  den  scharfen  Kanten  derselben  hinab- 
rollt und  pidtslich,  mitten  awischen  den  Gräbern, 
Halt  macht.    Was  wurde  uns  ein  solcher  Erklärer  nicht 
Alles  aus  dem  so  anspruchlosen,  obwohl  noch  schauriger 
lautenden  tearaxofit^evopaL  herausbringen?    Nicht  viel 
weniger  schauerlich  schildert  er  uns  das  Onomaiopäe 
^ataracte,  obwohl  er  am  Ende  die  richtige  Erklärung 
gie6l  So  soll  Qaqtie  ein  Onom,  seyn.  Dann  ist  Schlag 
auch  eines;  und  was  fangen  wir  sodann  mit  schlagen 
und  legen  an?    Sind  vielleicht  colaphus,  Klapps  und 
alapa  auch  Natnrlaute?  —  Und  kommt  xokdnT&  voft 


*y  Alle  WSrtvr  BSnUch,  die  Lebea  bentdlaea»  beieMMta  vermt 
aichti  ale  Beweg nng;  io  dlea  noaieeieelie«  CHefeen  (e.AdM«) 
iit  l^iMii  s=  thiiDy  haod^loj  ee  iit  vivo  webe,  d.h.  be- 
wege mieli;  uod  wild  Bwiechen  9^*i  and  t^fu  die  Spiaehplii- 
leeephie  einen  «aden  Untenciued  etatnireB  nie  einen  will- 
knlifliclien,  Yennittelit  der  AocMle  wie  eo  tiiafig  <—  be- 
meriilich  geoiaebtenf 


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iiiid  Deyhle,  Frans. -DeotechM  Wörterbucli*  IM 

colaphua  w.  oder  umgekehrt?  Aber  leider  etelU 
Hr.  T.  IL  (und  ihm  nachsehreibend  Hr  D.)  die  Sache 

sehr  häufige  grade  auf  den  Kopf,  jedoch  nicht  blos  hier, 
wie  wir  später  sehen  werden.  So  heifst  ferner  Croas- 
scmeni  f  obwolil  es  unter  corbeau  steht,  ein  onoma* 
iopee*  Diese  beiden  Wörter  aber  gehören  zu  einer 
'grofsen  Familie,  der  wir  das  griech.  yrjp^'iio  (xi^p-do) 
oder  yap'VG)  zu  Grunde  legen  dürfen;  dazu  sodann 
unsre  krei- sehen,  schrei -en,  das  franzos.  cri~cr,  das 
latein.  grwmio  ;  hierauf  die  davon  gebildeten  Substantive 
xdp  al  (cor-bcauj  und  X7?p-v4  (gleichviel  ob  mil 
Scimabei  oder  Mund;  gebildeter  nennt  den  x^gy^  der 
Römer  praec-onefh,  einen  S-prech-er).  JSndiich 
rechnen  wir  hierher  noch  grenouitte  (st  garanule)^ 
rana  si.  garana,  und  yovQovvi^  welches  letztere,  so- 
viel ich  weils,  im  Neugriech.  Griinzer,  d.  h.  Schwein 
bedeutet  Hält  Hr.  v.R.  auch  cano  (verwandt  mit  j^alvQf 
gthne)  für  ein  onomaiopee,  weil  man  sagen  kann  rana 
cmät  —  Auch  cosaer  ist  ihm  ein  mol  factiee,  wSh* 
rend  esseine  Abstammung  von  quatio  (catw,  cüiio)  an 
der  Stirn  trägt  und  mit  dem  Italien,  cozzare  und  cozzo 
{cousse ,  secousse)  verw  andt  ist.  —  Crachat  ferner 
heifst  ein  onom,  und  steht  vor  crachcr  (so  wird  speien 
von  Speichel  kommen?)  Gerade  so  heifst  erotdemeni 
m  wiomaiop^e,  und  steht'  vor  croüler;  und  an  rauter 
wird  gar  nicht  gedacht  —  welches,  beilftuflg  gesagt, 
höchst  falsch  unter  roue  steht       Doch  genug  davon^ 

Bercieau,  sowohl  Lanbe  als  Wiege,  konunf  dem 

Uro.  V.  R.  von  brebiSy  parccquc  les  premicres  ber^ 
geries  etaient  construites  avec  des  hranches  ctctrbrcst 
Berceau,  die  Laube,  kommt  entwedw  von  bergea 
oder  wohl  richtiger  von  virgula  (italien.  pergola},  vir* 
guUwn,  BerceaUf  die  Wiege,  kommt  von  bercer^  d.h« 
verser  =:  versare,  gleichsam  verseBum, 

Brker  soll  von  ßol^m  kommen.  Es  wird  zu  bre« 
eben  gehdfen,  so  wie  froher  in  der  Bedeutnog  4ier 

h  peau  (^dune  feve).    Süddeutsch  sagt  man  bret- 


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694  Roquefort  9  Diclioonaure  dlymologlque  de  la  laogue  Fran^alie 

sehen;  niederdeutsch  ist  Brist  (Brest)  s=  Mangel,  und 
bryta  »  brker* 

Brusque  kommt  nicht  vom  italieo.  hrusco^  sondern 
ist  mit  diesem  auf  bruit  zu  beziehen?  Wie  kann  Hr.  y.R. 
an  la-brusca  denken!  Diese  Buchstabenjägerei  hat 
eben  die  Etymologie  so  sehr  und  so  lange  in  Mifscredit 
gebracht» 

Bei  cncher  hören  wir  Du  Cange's  Ableitung, 
quasi  rn  sacco  sese  (?)  abscondere,  Saccus  gehört 
höchstens  neben,  wohl  besser  unter  cacher,  was  na- 
türlich nicht  so  zu  verstehen  ist,  als  käme  saccuB  un- 
mittelbar von  cacher.  Mit  diesem  verwandt  und  es  er- 
klärend sind  xiii^mf  schützen,  hegen,  Kasse,  Kiste, 
caidse,  Schutz,  Hut,  coase^  goussc^  housse,  Hose  n.s.  w. 

Chee  wird  nach  R.  aus  capsa.  Warum  nicht  ans 
eosoL  Calfater  kdnnle  mit  Umgehung  aller  neu- 
griechisdien  und  arabischen  Wörter  unser  ki  elf  Ottern 

bejn.  —  Cercueil  soll  von  adp^  kommen !  Es  ent- 
spricht g-enau  iiriserm  Zargel,  Sarg  (gleichsam  Sär- 
gel).  Sarg  bedeutete  ursprünglich  überhaupt  eine  Ver- 
tiefung, einen  Trog,     B»  zu  Wasser  u.8.w. 

Ccrcmonie  soll  von  ;^a/f>o  kommen !  Der  erste  Theil 
des  Wortes  möchte  verwandt  seyn  mit  gcro,  dem  nie- 
dersächsischen göra,  dem  engl,  to  char ;  die  andre 
Hälfte  mit  munu9,  — ^  Was  hat  aber  cerfeuil  mit  ;^a/p(9 
gemein?  Es  ist  unser  Kerbel,  von  kerben  (admeiden), 
▼erwandt  mit  earpo,  ndgcpa^  xsigo,  wegen  der  einge- 
schnittenen Blätter.  Dahin  gehurt  auch  charpie  und  char- 
pente,  —  Chaine  \on  catena^  und  dies?  von  xa^^'  iVal 
oder  von  xdd^fioc.  Sehr  wahrscheinlich  ist  es  auf  gadden, 
gatten  (=  verbinden)  zurückzuführen.  —  Chkthe  soll 
kommen  von  ehcum  s  menibrane  dtm  grtm  de  gre^ 
nade!  Bs  ist  verwandt  mit  siech,  shcm,  Com^ 
biner  gehört  viel  eher  zu  binden  (prov.  binnen)  als  zn 
compono;  conge  (italien.  cofljg^cfo)  zu  concesaia,  aber 
nicht  zu  commealiis. 

Ofrv^e  finden  wir  unter  carps^  weil  sie,  aacfaOujac, 


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uüd  De^ble,  Franz. -DcuUcliea  Wörterbucb.  68ft 

corporis  uiolcstia  {corp^e)  «eye.  Aber  wie  soll  man 
nachher  den  Ausdruck  corvees  de  corps  erkläret),  der 
och  doch  fiadat?  Näher  «cheiot  der  Sache  die  Evklä- 
nog  durch  eorrogare  su  kommen,  schon  deswegen, 
weil  corvee  im  Romanischen  auch  tram,  suite ,  queue 
bedeutet.  Wir  woiieu  vorerst  die  mitte) lat.  Formen  cor- 
veia ,  corrueia ,  corrua ,  coi^vata  anführen .  sodann 
darauf  achten ,  wie  nahe  diese  letstte  Form  unsrer  pro- 
vinsiellen  Aerwel  für  Arbeil  steht.  loh  bin  ftberxeugt, 
wir  seiieo  in  corvee  nnr  eine  a^dre  Form  von  dem  alem. 
and  fränk.  Araheit ,  schwed.  Ji-fwode,  angels.  ear- 
foeth.  Dazu  pafst  1)  die  Bedeiituiig;  ager,  cf.  I)n- 
Caoge  t.  1.  p.  610.  ed.  Basii. ;  denn  in  ganz  ähnlichem 
Sinne  sagt  man  auch  Tagewerk,  nealatein*  dnatnum, 
tmsL  joftmäl ,  anch  Tage  wand,  Tagewimn  (cor- 
lamiHrt  in  Crewana,  überhaupt  s  ein  Stück  Feld  in 
€iaer  bestimmten  Gegend  ) ;  2)  die  in  der  romau.  Sprache 
davon  noch  übliche  Bedeutung^  suite,  train,  indem 
dies  dann  blos  das  p  f  1  i  c  h  t  g  e  mäfs  e  Geleite  bedeutet ; 
3)  dafs  eOfWe  figiirlich  für  etwas  Listiges  gebraucht 
wird,  gerade  wie  unser  Arbeit,  besonders  früher,  z^ft 
Theuerdank  (s.  Adelung):  wie  er  den  Helden  bsingea 
kunt  in  Schaden,  Angst,  Not  und  Arbejt. 

Diese  Proben  von  der  Art,  wie  Hr.  v. R.  etymologisirt, 
aisgen  genügen.  Wir  gehen  zum  zweiten  Punkte, 
der  Kritik  über  die  Anordnung  einzelner 
Wortfamilien.  Hier  zeigt  sich  m  der  franz.  Sprache 
allerdings  eine  nicht  unbedeutende  Schwierigkeit,  indem 
manchmal  bei  einem  Worte  zwar  derselbe  Stamm ,  aber 
bald  in  lateinischen,  bald  in  griechisclien ,  bald  in  ur- 
tpriogiichen  französischen  Formen. zum  Vorschein  kommt; 
man  TergieidM  nur  z«  B.  Wörter  wie  eoeur,  oreUle, 
hrefy  cmr€9  Uer.  Ja  selbst  schon  einfachere  führen 
eine  gewisse  Buntheit  herbei ,  wie  etwa  nur  chev€i, 
neben  dem  auch  das  (wiewohl  nur  landschaftlich,  näm- 
lich uiederbietagnesche)  W^ort  caval ,  das  latein.  ca- 
iollus  vorkommt  In  solchen  Fällen  hätte  Ref.  die  lat. 
Pom  (wenn  auch  provinzielle  oder  veraltete)  Form 


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696  Roquefort,  Dictiounaire  t^t^mulügi^^ue  de  la  iaügue  Fran^auc 

vorausgestellt,*)  um\  dann,  nach  Aufführung*  der  davon 
herkommendeo  Wörter ,  gesagt:  voa  Cfwal  i^t  gebildet 
cheval,  and  aater  die§eB  sodann  die  »nmittelbar  davon 
herstemoiendeu  gestellt.   Schwieriger  wird  die  Anord* 
Dung  da,  wo  das  lateinische  oder  griechische  Primitiv 
fehlt,  wie  z.B.  bei  coeuVy  wo  kein  cor,   wohl  aber 
ein  cordhil,  dagegen  das  griech.  cardia  sich  findet. 
Hier  wäre  es  wohl  iur  die  Deutlichkeit  und  Brauchbarkeit 
des  Buches  am  gerathensteo,  die  yerschiedeoen  Familien 
genau  auseinander  zu  halten,  die  aus  dem  Griechischen, 
oder  Lateinischen  beizuziehenden  Primitive  in  Klammern 
beizusetzen  und  zu  erklären,  und  diesem  das  mit  ihnen 
zunächst  Verwandte  unterzuordnen,  sodann  durch  Ver- 
weisungen den  wechselseitigen  Zusammenhang  und  die 
Yerschiedeoen  Verwandtschaften  klar  zu  machen*  Sehen 
wil*  nun  an  einem  Worte,  wie  R.  und  D.  hier  Terfahren. 
Sie  stellen  z.  B.  das  mit  dem  Deutschen  zunächst  ver- 
wandte Deminutiv   oreille  (Oehrle)   als  Stammwort 
voraus  und  or^uen  ihm  unter  1)  was  unmittelbar  davon, 
2)  was  von  auris,  3)  was  von  ovgy  4)  was  von  mdio 
herkommt,  wobei  Scouier,  das  doch  Ton  auacutto.  ab- 
zuleiten ist,  von  Beiden  erst  noch  anter  acouatique  ge^ 
stellt  wurde.    Dieses  Verfahren  giebt  den  einzelnen  Ar- 
tikeln ein  mehr  oder  w  eniger  krauses  und  buntes  Ansehen, 
und  macht  namentlich  das  De^h lasche,  aller  etwa  mo- 
tivirenden  Fingerzeige  entbehrende  Buch  schon  deswegen 
riemlich  unbrauchbar»   Hätten  jedoch  die  Verff*  sonst 
nur  nach  festen  Grundsätzen  verfahren,  so  wSre,  wie 
gesagt,  in  der  nicht  unbedeutenden  Schwierigkeit  dieses 
Punktes  gewlssermafsen  eine  Rechtfertigung  oder  Ent- 
schuldigung zu  linden.    Allein  auch  die  übrige  Organi- 
sation beider  Werke  zeigt  sich  gleich  unTolIkoninten  und 
fehlerhaft,  indem  1)  häu%Stammwdrt«r  aufgestellt  wur- 
den ,  die  keine  rind ;  2)  das  zusammen  Gehörende  (wovon 
oben  schon  Beispiele)  häufig  falsch  geordnet  und  darge^ 
stellt  ist;  3)  was  zusammengeordnet  ist,  häufig  gar  nicht 
susammengehört.   Dies  ist  nun  zu  beweisen« 

^)  Unj^efähr  wie  Hr.  v«  Ht  bei  aräer  hat« 


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1)  Häufig  werden  als  StammwMer  solche  ao^estelh, 
äekeiDe  sind.  Wir  meinen  natürlich  nicht  eolche,  die 
m  andern  Sprachen  als  composifa  herübergekommen, 

in  der  französischen  kein  Primitivuin  haben,  wie  z.B. 
Ähfikiuer,  Aboljr,  Abominable ,  weil  dies  vielleicht  zu 
viele  Schwierigkeiten  darböte.  Aber  was  soll  Ahattre 
als  Stammwort f  (Hr.  O.  hat  dies,  so  wie  noch  einige, 
aiB  rechten  Orte).  —  Was^fre^s»  das  so  gut  unter  eeder 
g<eh5K  als  proc^s,  was  Aberration,  Abander,  ^iccent 
(welches  eben  so  gut  zu  ehanter  g-ehoit  als  caresse  zu 
ckerir).  So  ist  ferner  AccoitUer  zu  com,  ital.  conto  ^ 
deutsch  Kaote ,  zu  stellen,  denn  davon  kommt  es,  nicht 
aber  von  aecwniiare,  worauf  schon  die  Cönstrnction 
faecomier  de  quelquun  aufmerksam  machen  konnte. 
Accuaer  wollen  wir  gelten  lassen,  wiewohl  auf  jaser, 
das  engl,  chatter,  und  auf  die  lateinischen  Stämme 
suas^  und  eac«s-  (causari)^  so  wie  besonders  auf 
causer  und  kosen  (verwandt  mit  dem  griech.  ^eor- 
aXiiv)  Rttckaicht  sn  nehmen  war.  Ador^  sollte  nicht 
fsfrennt  seyn  von  Oracle^  ortthon  n.  s.  w.  Angohse 
findet  sich  als  Stammwort  neben  anxiclc  ;  dafs ,  bei 
bei  gründlicher  Behandlung,  angle  eigentlich  d^zn  ;L:;e- 
hörte,  wollen  wir  nie iit  geltend  machen;  armillet  findet 
sich  nebea  arme,  als  Stamm;  Atäel  gehört  su  Haui 
(ohnehin  ist  es  die  apfitere  Form).  Atäeur  ist  getrennt 
voa  Aaioräe  (wahrscheinlich  weil  letzteres  nicht  helfet 
Autorschaft?),  Avoir  von  Avidite ,  brauche  u.  s.  w. 
von  bras y  cependant  und  coup  paradiren  jedes  als 
SUmm Wörter,  so  auch  croitre,  das  als  incAoal.  unter 
oreer  su  etelien  ist. 

2)  Das  Zusammengehdrende  ist  häufig 
'tisch  geordnet  und  dargestellt  Wir  wählen,  wie 
auch  bisher,  die  Belege  zu  dieser  Behauptung,  wie  sie  uns 
^Uig  unter  die  Augen  kommen,  und  verweisen  zugleich 
auf  das  oben  gelegentlich  der  Onomatopees  Beigebrachte. 
Almrher  iSi  als  Stammwort  hin*  und  Alles  darnnter- 
geslellt,  was  Ton  dem  einfiichen  aor6er  oder  wie  die 
FranasQsea  sagen;  sorbir,  sskmmi  absorber^  herkommt; 


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086  Roquefitfl»  Dktioiuiaire  ^mologi^oe  de^Uiilwigue  Fraofaite 

9orhlr  selbst  aber  ist  gar  nicht  aogegebeo,  und  sorhet 
gleht  für  sich.  Aeholicbe  locooseqaeDZ  bei  AUu^fm^ 
noter  dem  iOumn  und  eluder  eteht;  bei  jissister,  wo 
zudem  noch  8 ist  er"  bei  den  Franzosen  im  Gebrauche 
ist ,  aber  freilich  als  terme  de  palais  !  Besonders  häufig 
aber  begegnen  ivir  diesem  Unwesen  auch  bei  compositis 
aus  der  griecbiecfaen  Sprache;  so  findet  sich  unter  w^i»- 
drogyne  gestellt;  j^ndrakle,  j^ndramame,  Androma- 
que,  j^nS'omide,  androtanue  (Hr.  Deyhie  hat  diese 
Wörter  zafällig  nicht  aufgenommen,  also  diesen  Fehler 
zufällig  vermieden).  Gleiche  Verkehrtheit  bei  ^ii- 
thropologie  (hier  folgt  Hr.  D.  leider  seinen^  Originale). 
Unter  JpoBtaaie,  Abfall  vom  Glauben,  findet  sidl 
bei  Beiden  jipoai4me,  das  Geschwftr!  *) 

*)  Eben  so  Tenifioftfg  nad  der  Metaphysik  der  Spraelie  genifti 
eetsen  Beide  anter  Arehi  =r  Ers  •  .  *,  dae  Wort  ^ditoreAle« 
nnterBtftlessdie  lieilige Schrift,  hihUographt^hM»' 
moMt  Binclierkemier  n.  e.  w.  (Hr.  t.  R.  noeli  verafiiilliger« 
weil  er  wenlgetene  flffiho»  aad  denen  erste  Bedeotwig  anfihrt). 
So  etebt  nnter  Trmditeur  (BibelTerr&tber),  Trm4iii99$ 
Uebergftbe  eines  Gnts;  noter  Cotnit^ne»  mit  der  Soane 
aufgehend  (beift.  jedoch  wieder  motiTlrt  dnrch  das  Grio- 
chische),  Wörter  wie  eosmoeratc^  eotmogoni«,  cosssopo* 
Ute  u.  s.w.;  nnter  dteau,  Meisel,  steht  dieider,  entschei- 
den; nnter  Dve,  Hernog,  nnter  andern  ahduett^r.  Ab- 
niehmutkei»  9duguer,  ersiehen  ii.e.  w«  Unter  Prslds« 
der  Drnide,  grnerle»  Forstamt;  dryopt4rid9,  Farn- 
kraut; unter  cupide^  geldgierig,  der  Gott  Ciipitfon;  Com 
wird  erklärt  durch  Schote,  und  darunter  steht  gousse  :=  Hosen- 
sack  (aber  das  Zauberwort  fehlt ,  das  den  BeRcn  In  die  Ecke 
bannt  und  ans  ihr  hervorrafft;  so  steht  bei  Trabe  xuerst  der 
Begriffs- FenersaulCt  und  dann  kommt  travie,  dae  Fach, 
enfraoe#>  FeBsoln  u.  s.w.;  so  ist  Traire  äbereetzt  dnrch 
Melken,  und  darunter  gestellt  unter  andern;  traj^on.  Strich, 
Iratt,  Pfeil,  tratt^,  Abhandlung,  attrait,  Reix, 
eontrde,  Geg:end  (etwa  weil  in  manchen  Gegenden  Kiihe 
weiden,  und  diese  gemolken  werden?)  —  Unter  L^gwßr^  Ter- 
machen,  steht  allc^^r^  anführen  u.  s.  w. ;  unter  Biereure, 
Mereier  der  Krämer;  unter  Orhcy  Bahn  eines  Kometen, 
erorhitant ;  unter  Fagin  die  Mu  ttc  rscheide,  gaine  die  Mes- 
ser scheide.  Lexika  solcher  Art  bcifsen  etymologische  per  aali« 
pAro^tn. 


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uimI  DeykU,  Fmis.>  D«tttocliM  Wört«riia«ih.  m$ 

Micht  miflder  iidklageiMwerth  ist  die  Asordoueg  oder 
fielmehr  Unordnung  in  manchen  andern  Wortfamilien, 

wo  die  gewöhnlichste  Kenntnifs  von  der  Wurtbiidung 
vor  unzähligen  IVlifsgriffen  hätte  schützen  können.  Davon 
nor  wenige  Belege:  AiUeurs  (von  aliorsum)  ist  als 
Slammwort  aufgestellt  von  aliener;  ^llefa^'e  als  Stamm* 
wort  won  aiteler;  so  steht  bercer  nnter  berceau  (a  oben); 
(Ummer  unter  Qdmmaiionf  eoncupiscetä  unter  Cmu»!- 
fiseence,  cHier  (xe^c})  i^at^^r  caca.  Unter  ca/6^e  findet 
sich  capse,  case,  casaque,  caseme,  chez  (s.  oben 
cacher).  CeUre  steht  unter  celeräe,  cmena  und 
mendie  unter  cendre ,  chrque  nnter  cercfe  (dem 
Demln.  won  -cirfue) ;  chmA  (romanisch  audi  cd,  eaUt, 
tmd)  nnter  ehaleur;*)  cabrer  unter  chiwe,  —  so 
wird  gaison  fprov.)  von  Gais,  bocken  von  Bock ,  dtaaa) 
von  ai^ ,  hüpfen  von  '/ttttoc  kommen. 

Aufser  diesem^  durch  das  ganze  Buch  sich  fortzie- 
heodeo ,  Gebrechen  fallt  bei  der  Prüfung  einaelner  Wort- 
boiitien  oicht  weniger  auf,  dafs  auch  das  allemächst 
Verwandte  durchaus  nicht  msammen-,  und  dem  es  be~ 
dingenden  Worte  untergeordnet,  sondern  mit  gleicher 
Planlosigkeit  und  Sorglosigkeit  beliebig  irgendwo  unter 
den  als  Stamravrort  aufgestellten  eingeschoben  ist,  also 
dem  Ueberblicke  die  ndthigenSub*  undSubsubdivisionen 
indit  gegeben  sind.  80  finden  sich  s.  B»  unter  Dirne  in 
gleicher  Linie  nach  einander  aufgeführt  domeatique, 
domesticite  und  domestiquement ;  domatne  und  do- 
fnanial;  domicile,  domiciliaire ,  domiciUer  und  domi- 
oilie  (!);  d»m^er  und  dornfficaUm.  Dieser  Fehler » 
M^grofs  er  ist,  wflre  noch  erträglicher,  wenn  die  zu- 
■ichst  zusammengehdrenden  wenigstens  immer  unmit-» 
Wbar  unter  einander  ständen  ;  aber  auch  hierin  sogar 
herrscht  blinde  Willkühr.  Decaclieter  z.  B.  und  reca- 
^heter  sind  von  cacheter  durch  drei  Wörter  anderer 


*)  Gelegentlich  sey  bemerkt,  wie  scharf  das  Dict.  de  VJcademie 
van  1B17.  diese  beiden  Ausdrücke  definirt:  bei  ehaud  sagt  es: 
qui  a  d9  la  chakwi  bei  ekaleur:  QuaUU  de     ^i»  chaud. 


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160  Aoqaefort,  Dicitoniiaife  Ajinolcgigae  de  la  langne  Fnafalte 

^Bedeiituii^,  nämlich  cacheiie,  cackot  und  caohoUerie 
getrenpt ,  und  zwischen  capmlaire  und  umcapsidah'e 

stehen  nicht  weniger  als  iwuu  und  dreifsig  ,  zwischen 
locuht  'ii  c  und  triloculuire  bei  Hrn.  I).  acht  und  vierzig. 

Doch  gehen  wir  zu  unserm  letzten  Punkte,  da  Ts 
nlmlich  das  unter  eine  Familie  Zusammen- 
gestellte häufig  gar  nicht  zusammengehört. 
Allerdings  ist  es  sehr  schwierig,  manchmal,  ohne  das 
ausgebreitetste  Sprachstudium ,  kaum  möglich ,  hier 
überall  den  rechten  \Ve^  zu  finden  oder  festzuhalten. 
Auch  reden  wir  hier  nicht  von  solchen  Fällen, 
Benrtheilende  vielleicht  blos  eine  andre  Ansicht  hätte 
als  der  Beurtheilte  (also  als  Hr.  v.  IL,  denn  Hr.  D.  hat 
nur  sehr  selten  eine  eigene);  sondern  vot\  solchen,  wo 
der  Fehlgriff  durchaus  am  Tage  liegt  und  notorisch  nach- 
gewiesen werden  kann. 

So  hndet  sich  z.B.  waier  AbeiUe  das  Wort  Abigeai, 
\9L  jibigeatus ;  unter  j^cre  (lat.  acer)  das  grieob.  ^ertöte 
(Hr.  D.  hat  diese  2  Fehler  vermieden);  unter  Babi 
(Geschwätz)  das  Wort  Bave  (Geifer),  wahrscheinlich 
weil,  wer  plaudert,  manchmal  geifert?  Babiller  und' 
Babil  ist  unser  päppeln,  Gepappei;  Bave  aber  ge- 
hört zu  Buo  (Imbuo),  zu  dem  alfr.  ive,  zu  ibe  (Ebbe), 
zu  evisr  und  zu  abee,  welches  letztere  Hr.  R.  falsch 
▼on  apertura  herleitet,  da  nicht  die  Oeffnung  ab 
solche  so  heifst,  sondern  in  sofern  Wasser  herausläuft. 
Dazu  gehört  auch  das  engl,  eavcs  =  Wasser  vom  Dache 
und  das  ital.  inafjiare,  besprengen. 

Unter  BaCy  weiches  im  Deutschen  auch  Trog  und 
Schüssel  bedeutet,  und  verwandt  ist  mit  Becken, 
Becher,  und  auf  ein  Zeitwort  znriickgefiihrt  werden 
mufs,  wie  biegen,  gehört  nicht  Bar^^z^e^  welches  mit 
bahre,  fahre,  5rop - f i;o/itat  verwandt  sej^n  wird.  Unter 
Bader  steht  liubcciley  weil  die  Etymologen  letzteres 
gewöhnlich  von  Bacidus  (gewifs  falsch  —  so  auch  Ref. 
iioch  in  seiner. letzten  Ausgabe  des  lat  Sch.wb.)  herleiten. 
So  leitet,  ich  glaube  ironisch,  Hr.  v.  impoteni  von 
potencea  (Krücken)  lier. 


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und  Dejhle,  Frans. -Oealieh««  Wörterbooh. 

Brouet  g^ehört  nicht  unter  hohe.  Jenes  ist  verwandt 
mit  unserm  Brühe,  nieders.  Broi,  unserm  Brei,  holl. 
Broye,  Brue;  verwandt  mit  brauen.  Wie  kommt 
fcroer  pote,  onser  Pfote  (pftlss.  Pote,  lat  jued-j  pes) 
later  poi'f  .Weil  Hn  v.  R,  e^  erklärt :  .  mam  elifiee 
comme  un  pot  !  Wie  kommt  ferner  pot  unter  hoire? 
Selbst  wenn  pot  mit  poc-uhim  verwandt  ist,  dürfte 
Qoch  sehr  die  Fragte  sejn,  ob  letzteres  nicht  eher  zu 
Bech-er,  Beck-en  gehört  (s.  oben). 

Falsch  steht  Trebucher  unter  ßois;  da  es  zu  ire^ 
pigner,  trip-udiare ,  tripp-elo  gehört.  Oder  was 
halte  Ic  trt buchet y   die  Goldwage,   mit  60/«  gemein? 

Unter  hörne  finden  wir  sub-orrier  !  so  unter  cou- 
fki  parc!  es  ist  nämlich  der  Rest  dieses  soi  disanl- 
Campositums  ( — marir)^  dem  ersten  Franzosen,  der 
es  aaszusp  rechen  wagte ,  im  Halse  stecken  geblieben 
aad  hat  sich  bis  jetzt  keiner  ähnlichen  Erlösung  zu  er- 
freuen gehabt,  wie  jene  Töne  im  Müiichhausenisclien 
liorae.  Parc  gehört  bekanntlich  zu  Pferch,  bergen 
(=:  hegen). 

Brassert  unser  braten»  d.  h.  braven,  griech. 
jS^a^o ,  steht  unter  Bras !  Was  soll  femer  Troc  unter 
nfwshe^  der  Tausch,  unter  dem  Spiefs,  Zapfen 

UQ(1  Hauzahn?  Wahrscheinlich  ist  dies  Troc  mit 
fragen  verwandt,  im  Begriffe  yon  unserm  anbrin- 
gen, oder  dem  griech.  TunqiüitQ  (von  m(»afii>},  dem 
hMo.  muifxre. 

Was  soll  unter  Bure,  grobes  Tuch,  die  andre 
Bedeutung  Schacht?  In  der  zweiten  Bedeutung  ist 
es  verwandt  mit  fahren,  Fuhre  (letzteres  wird  in 
^en  nieders.  Mundarten  auch  statt  Furche  gebraucht). 
Wassel!  unter  hure  ferner  bourrer,  welches  eher 
vmdt  ist  mit -bohren,  fero$  was  ferner  bomrasque, 
jhs  htein.  bereä»,  das  griech.  ßoppdgj  in  Dalmatten 
jeld  noch  bora,  und  auf  ein  Zeitwort  zu  redncieren  wie 
Marren,  purren  =  brummen;  was  endlich  hourri- 
9«e,  latein.  ßurricus,  und  wie  veredus  wahrscheinlich 
^uf  ein  Zeitwort  wie  fera  zurückzuführen  ? 


Yifi  Roqiivfbvt,  DictiMiuilf«  MyiD«logiqiie  de  In  Inogm  Fran^iiie 

Cancan  (das  latdn.  quamquam)  floden  wir  unter 
canard;  sarcasine  (von  o-apxd^Q  und  dies  von  oalga 
aber  nicht  von  crcfp?)  unter  rercucit!!  so  wie  auch 
MrcilCf  Riodileischstein ,  sarcotique ,  fleischmachead 
iiiid  eio  halb  Duteeod  ähnlicher.  -  Uoter  Chat  i tebt  -cAo- 
tmäter;  werden  wir  im  Dentochen  ki teein  nnfer 
Katze  (kitze)  seteen.  Chatatatter  ist  eben  mit  ob- 
serni  kitzeln  dasselbe  Wort,  verwandt  mit  dem  lateia. 
tHillo ,  angels.  citelan,  engl,  kittle  und  tickle.  Unter 
ch^re,  Mahlzeit,  Bewirthung,  freundlicher  Bmpfiing, 
Steht  acaridtre  (von  acer)  und  accarer,  von  xdpa 
SS  confronter,  Igmrer  (Staraos  gnar^}  findet  sich 
unter  cwmoHre;  cretie,  mit  cxcip,  ord,  ordw  ca  yet" 
wandt,  unter  craie;  decrepH  (allerdings  ein  crux  m- 
terpretum)  nebst  a^ejjusculum  unter  crepe,  Flor!  Unter 
cuhme  der  gneux,  denn  er  ist  reduä  ä  en  demander 
les  reates.  (Snete^. gehört  zu  qk^er  {fue^er)  italieo. 
quesiare,  und  ist  verwandt  mit  dem  deutschen  geizige 
denn  im  Lettischen  heifst  geidziu  noch:  ich  begehre. 

Unter  Curie  (Curia,  verwandt  mit  y6pog  ^  und  zu 
reduciren  auf  xi^o  (xelpa)^  schere,  d.  h.  trenne, 
scheide  ab),  steht  Decurie  (von  decemy  Za  trennen 
wnren  Curer  =s  curare  und  eurer  =s  reinigen;  letz- 
teres ist  eins  mit  ecurer  (welches  keinesweg^s  ein  compos. 
ist)  und  unserm  scheuern,  engl,  scour.  Unter  logie 
(vom  griech.  Xoyog),  löge,  loger  u.  s.  w.  Louvoyer, 
lavieren,  unter  loup ;  Mite ,^  das  deutsche  Made, 
Motte,  steht  unter  Midas,  weil  dies  die  grieeh*  Form 
desselben  Wortes  ist.  Das  griechische  aber  samrot  dem 
deutschen  und  französischen  läfst  sich  reducieren  auf 
das  alte  Zeitwort  maten  z=:  zernagen.  Parvis  ferner 
und  parc  stehen  unter  paradia;  unter  poule,  Henoe, 
unterwandern  pulluler,  imUBsm,  potM  (unser  fett), 
pulpe.  Unter  trabe  das  Zeitwort  eetraper,  das  zu 
straff,  streif,  gehört  Unter  trois  z.B.  tris  (von 
frans,  wie  trepas  aus  transpassus^y  tr csser  (andere 
Form  für  dresser)^  und  um  unter  den  unzähligen  Mifs- 
griffen  nur  noch  einige  zu  bemerken ,  unter  temr :  ap- 


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1 


und  Oeyhle,  Frans.  -  DtuUclie«  Wörterbactu  tfS 

partement  (von  pars)^  coniigu  (zu  tago^  tango,  tigojj 
iestmer  (vom  ob§ol.  almo),  reticence  (von  tacere). 

WeoD  ouD  über  diese  beiden  Bücher  schiiefeüch  * 
mh  ein  bestimmtee  Urtfaeil  aufzusprechen  ist,  so  läfst 
sich  dem  Ro q u  efort'schen  ,  seiner,  obwohl  sehr  oft 
irrigen  et^  molog-ischen  Erörterung  weg^en ,  ein  wenn  gleich 
Mhr  zweideutiger  Werth  oicht  ganz  absprechen,  nicht 
gmchnet  manche  historische  Notizen,*)  deren  Ausfuhr- 
lidikeit  jedoch  zum  Theile  im  MirsrelrhäUnisse  mit  der 
Behandlung  der  ubrigea  steht.  Dagegen  Hirüftte  ich  dem 
Üejhl ersehen  Auszuge,  ein  Dutzend  Berichtigungen 
etwa  abgerechnet,  kaum  irgend  eine  Seite  abzugewinnen 

es  mufste  denn  der  der  Wohlfeilheit  seyn  (da  er  nur 
XL  rhein.  kostet),  von  der  es  empfohlen  werden  könnte, 
ka  Gegeniheile  sind  wir  im  Interesse  der  Jagend  und  ^ 
«iner  gedeihlichen ,  d.  h.  vernünftigen  Heranbildung  der- 
selben durch  Sprachen,  selbst  durch  neuere,  genöthigt, 
eia  förmliches  Anathema  über  dieses  ganz  «verunglückte 
Werk  aosansprechen,  und  den  Hrn.  Verf.  aufzufordern  | 
vorerst  selbst  gründlichere  Stadien  auf  dem  Sprachge* 
bisle  so' machen,  die  er  es  versucht,  Andere  darauf  zu 
führen;  da  ein  Wörterbuch  der  französischen  Sprache, 
selbst  nur  in  dem  Umfange,  wie  Hr.  1).  ihn  sich  steckte, 
allerdings  sehr  grofse,  und  nach  des  Hef.  Ansicht  selbst 
fiillme  Schwierigkeiten  hat,  als  ein  ähnliches  der  gri&- 
cUsehen  oder  lateinischen  Sprache.  Der  Uaterzeicbaete, 
die  verehrten  Leser  um  Verzeihung  bittend,  wenn  er  ihre 
Geduld  hie  und  da  vielleicht  allzusehr  in  Anspruch  nahm, 
schliefst  mit  der  Bemerkung,  dafs  er  sich  erlauben  wird, 
seine  Ansichten  über  die  Art  und  Weise,  ein  solches  Buch  , 
Air  den  Schulunterricht  nützlich  zu  machen,  dem  Ur- 
^Ule  des  golehrlen  Publikums  in  dieser  Zeitschrift  bei 
Wer 'andern  Gelegenheit  vorzulegen. 

Karlsruhe,  den  20.  Mai  1833. 
^   Di.  E.  Kär  eher. 

*)  Aach  manche  witiige  Bemerlcnitg,  wie  s.  B.  bei  dem  Worte  Sbr- 
honne,  we  et  heilet:  faetUti  oü  Von  dispute  depuia  prcs  de  six 
emU  ans,  Sana  avotr  rien  condui  äocUwra  Ut  cotnpofCf&t  et 
pd  $oni  loin  d'avoir  tout  dit. 


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IM   Mm,  HimUbiMh  ier  pnfcl&ielMii  PUlowidüt,  Sier  Theit. 

Httudbuek  d0r  prakiitektn  PkUotophie  odtr  der  philoMo^ 
phiaehen  Zweklekre.  ZwtUer  ThtU»  Die  Btligioniphi' 
lo$ophie  oder  die  Welt9Weeklehre*  Odert  Bandhuch  der 
Religienephiloeephie  und  pkitoeephieehen  Jeethetik» 
Von  J.  Fr.  Friee.  Heidelbergs  hei  Ob*.  A-.  fFinter,  1882.  XH«. 

Schoo  längst  hätte  eine  Anzeige  Ton  diesem  wichtigen 
Werke  hier  erscheinen  sollen:  aber  zufällige  Hindernisse 
verzögerten  die  Ausführung  dieses  Vorhaben«;.  Der  Veri. 
liefert  nämlich  damit,  wie  auch  der  Titel  angiebt,  dea 
zweiten Theil  seiner  praktischen  Philosophie,  deren  erster 
die  Ethik  enthält,  yon  der  aber  bis  jetzt  nur  die  erste 
Äbthf  iliiiig ,  nämlich  die  SiUenlehre,  erschienen  ist,  so 
dafs  au  der  vollständigen  Darstellung  des  ganzen  Systems 
dieses  verdienstvollen  Denkers  nur  noch  die  2te  Abth.  des 
Isten  Theiles  der  praktischen  Philosophie,  der  die  phito- 
sophtsche  Rechts-  und  Staatslehre  enthalten  wird,  fehlt; 
Indessen  haben  wir  über  diese  Wissenschaften  schon  früher 
abgesonderte  Darstellungen  erhalten.  (Philos.  Rechtslehre. 
Jena  1804.  und :  Vom  deutschen  Bund  und  deutscher 
Staatsverfassung.  2te  Ausg.  Heidelberg  1832«) 

Was  non  die  hier  vorliegende  Darstellung  der  Reh* 
gionsphilosophie  und  Aesthetik  betriflRt,  so  beseichoel  dinr 
Verf.  gleich  im  Voraus  die  Eigeiithümlichkeiten  derselben 
in  der  Einleitung  durch  folgende  drei  Punkte:  1)  Verei- 
nigung der  Philosophie  der  lEieligion  mit  der  philosophi^ 
sehen  Aesthetik,  2)  Erhebung  des  Glaubens  Ober  das 
Wissen^  Darstellung  der  Religionsphilosophie,  nicht  als 
höchstes  Wissen ,  sondern  vielmehr  als  Philosophie  voa 
dem  Glauben  und  dem  Gefühl,  3)  Nicht  blos  Aussprechen 
dieses  Glaubens  oder  dieses  Gefühls,  sondern  auch  wis- 
senschaftliche Rechtfertigung  derselben  durch  Deduction 
aus  der  Theorie  der  Vernunft.  Damit  ist  denn  auch  ailet«^ 
dings  eine  sehr  bedeutende  EigenthfimlicAkeit  dieser  Re* 
ligionsphilosophie  bezeichnet,  durch  die  me  sieh  vod  den  * 
meisten  jetzt  herrschenden  religionsphilosophischen  An- 
sichten wesentlich  unterscheidet  und  mit  einer  Menge  ifl 
der  Theologie  und  Philosophie  geltenden  Vorurtheiien  in 
Widerspruch  tritt. 

(Die  Forteetmung  felgt.) 


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m  45.  HEIDELB.  JAHRB.  u.  LITERATUR.  183a 
Frie9,  Hmdbuek  der  pttdäkehenPhäoäcphie,  SrTA. 

Keine  von  deo  theologischen  Partheien  unseres 
protestautischen  Deutschlands  wird  mit  dieser  ßehand* 
lungsweise  der  Religionsphilosophie  sufriedeii  seya^  ob-» 
gleich  eiae  jede  doch  wieder  manche  ihr  sasagende 
BlenieiiCe  finden  wird.  Der  RationaHsmus,  insdmer 
gewöhulichen  Gestalt ,  wird ,  wenn  er  auch  in  dem  Stand- 
punkt der  Relig;ionsphilosoplite  selbst,  nämlich  in  dem 
lies  durchaus  seibststäudigen  Denkens  und  Strebens  nach 
eigener  Ueberzengung,  immer  einen  Anklang  finden 
wird,  doch  gerade  an  den  HauptsStzen,  worauf  diese 
BeHgionsphilosophie  gegründet  ist,  der  Erhebung  dea 
Glaubens  über  das  Wissen,  und  eben  so  an  der  Be- 
gröndung  der  Religion  auf  Gefühl,  so  wie  an  der  nur 
iithetischen  Entwickelung  der  religiösen  Ideen «  leicht 
Analofs  nehmen;  denn  ihm  gilt  der  Glaube  häufig  nur 
eine  niedere  religiöse  Erkenntaifsweise,  die  in  ein 
Wissen  verwandelt  oder  zu  einem  Wissen  erhoben  wer- 
den soll  5  oder  er  will  doch  den  Glauben  erst  noch  auf 
(iründe  und  Beweise  stutzen,  und  seinen  Inhalt  in  einem 
i^oUatändigen  YerstSndig  vermittelten  System  von  Dogmen  - 
dantelieo.^  Gefiihl  und  ästhetische  Auffassung  gilt  man- 
chen einseitigen  Rationalisten  als  Zeichfm  der  Schwär- 
merei und  des  Mysticismus.  Eben  «leswegen  aber  wird 
sich  durch  diese  Ansichten  vom  Glauben  und  Gefiihl  der 
Mysticismus  und  Supernaturalismus  zn  dieser 
Baligionsphilosophie  hingezogen  fählen.  Der  Snperna-^ 
taralismns  wird  sich  der  Beschränkung  des  Wissens  auf 
das  Irdische  und  der  Erhebung  des  Glaubens  Über  das 
Wissen  erfreuen ,  indem  er  den  freien  Vernunttglaubea 
Friess  in  seinen  blinden  Autoritätsglauben  umwandelt; 
«ber  auch  abgesehen  davon,  dafs  er,  sobald  er  diesen 
seinen  Irrthum  rDcksichtUcb  des  Glanbens  bemefkt^  sich 

XXVI.  Jahrg.  7.  Heft.  45  . 


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7W    Fries,  Handbuch  der  praktischen  Philosophie,  2ter  Thefl. 

mit  diesem  piötzlich  auf  den  Boden  des  entschiedensten 
Raiiooalismus  versetzt  seheo  wird,  mufs  auch  ihm,  wie 
dem  eiD8eill(|;en'^RallonaU6ina8,  die  Dor  äethetiicb-sym*' 
bolische  Bedeutung^  aller  Bogmen  dorchane  zowider  sejro, 
denn  in  den  filogmen  glaubt  ja  der  Sopernaturalismus  den 
verständig  ausgesprochenen  Inhalt  der  geoflfenbarten  re- 
ligiösen Wahrheit  zu  haben,  ihm  müssen  also  die  Dogmen 
durchaus  ganz  eigentliche  Bedeutung  haben.  Und  yitüu 
der  Mysticismue  eich  vieUeichl  hauptsächlich  gero  aa 
Aid  Ableitung  der  Retlgioii  aus  dem  Gefühl  tind  an  die 
philosophische  Rechtfertigung  der  Ahndung  als  religiöse 
TJeberzeu*;ui)gsweise  anschliefst,  da  er  in  diesem  GetTihl 
und  dieser  Ahndung  eine  dunlile,  geheimnifsvoile  Quelle 
Seioer  höheren  ioneren  Offenbarungen,  Visipnen,  Erfah- 
rangen  und  eine  psychologische  Bezeichnung  fttr  sein 
inneres  Ocht  zu  haben  wihnt,  so  mnlb  er  sich  doch 
auch  bald  wieder  davon  abwenden,  wenn  er  findet ,  dafs 
dieses  Fries'sche  Gefilhl  iu  seiner  näheren  Erklärung 
keine  einzige  dieser  Erwartungen  erf&iit,  und  er  muk 
Sogar  eine  feindliche  Stellang  dagegien  annehmen ,  vrem 
er  sieht,  ^e  diese  Ahndung  nur  eine  ästhetisch -^sym- 
bolische Bedeutung  hat,  mithin  sein  Anspruch  au  ein 
unmittelbares  Schauen  Gottes,  ein  unmittelbares  Verneh- 
ifien  der  ewigen  Wahrheit  selbst ,  ein  empirisches  Ver- 
hältnifs  des  Menschen  zu  dem  göttlichen  Seyn,  als  etwas 
ganv  Unmögliches  entschieden  abgewiesen  wfard.  Aber 
ungeachtet  dieses  theilweise  günstigen  und  theilwebe 
wieder  ungünstigen  Verhältnisses  tier  religionsphilosophi- 
schen  Artsicht  von  Fries  zu  unseren  theologischen  Pär- 
theien,  ist  sie  doch  von  nichts  mehr  entfernt,  als  von 
einem  schwankenden  and  schwächlichen  Streben  nach 
blofeer  Vermittlung,  and  Verdeckung  der  Gegensätze, 
und  Von  dtr  Begünstigung  eines  principlosen  ,  flachen 
theologischen  Justr-rnUieu,  das,  mit  Hülfe  künstlicher 
dialektischer  Spiele  und  gezwungener  allegorischer  Deu- 
tungen ,  die  Versöhnung  zwischen  historischer  Tradition 
lind  freiem  Benken,  tswischen  positiver,  kltkirchlicher 
Dogmatik  und  Philosophie  bewerkstelligt  zu  haben  siish 


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rühmt,  und,  ausgerüstet  mit  halber  philosophischer  Bil- 
dung und  halber  historisch- philologischer  Gelehrsamkeit 
sich  so  voroehm  breit  mache.  Vielmehr  ist  die  Grund- 
msichl  dieser  Reiif  ionq^iiosaphie  in  ihrem  tiefeten  In- 
flttii  ein  vdUig  entflchiedeoer  Rationalismiis,  waon 
■ü  damaier  nur  im  All|;emeinen  den  Grundsatz  des 
freien  Denkens,  und  nicht  eine  besondere  Art,  diesen 
anzuwenden  oder  einen  besonderen  Inhalt  der  religiösen 
Lehre  versteht  Dieser  Grundsatz  des  Rationalismus  ist 
ebea  deria  se  entschieden  eathaiten,  dafii  hier  die  reli- 
giösa  UiAerceugung  rein  auf  den  Glauben  ^egrflnddt 
ist,  denn  dieser  Glaube  ist  der  reinste  Ausspruch  der 
Selbstständigkeit  der  menschlichen  Vernunft,  er  macht 
ach  ganz  rein  durch  das  Selbstvertrauen  der  Vernunft  ^ 
darch  freie  Erhebung  der  Vernunft  ftber  ilire  sinnliche  Be« 
lehrSoktbeit  geltend.  Am  häufigsten  wird  die  Friesische 
IM^ionsansicht  wohl  darin  verkannt,  daft  sie  f&r  eine 
Gefühls  religion  gehalten  wird^  sowie  man  über  die 
Friesische  Philosophie  überhaupt  oft  das  oberflächliche 
Urtheil  vernioimt,  sie  sey  eine  GeCählsphilosophie.  Dies 
itt  in  einem  gewissen  Sinne  wohl  wahri  nur  nicht  in 
dm,  worin  man  diese  Ansdr&cice  gewdhnlich  nlmmi, 
difs  sie  der  Reflexioiis-  oder  der  Vcrstaiidesphilosophie 
eot|;egensteht ;  denn  auch  dies  ist  die  Fries'sche  Phi- 
losophie in  vollem  Sinne,  ihr  Phiiosophiren  ist  Heflectiren, 
uod>  es  gtebt  keine  andere  wisseaschafitüche  Erkenntnib 
Ar  sie,  als  eine  reflectirte^  mithin  auch  keine  wissen- 
ickaftliche  religiöse  Ueberzeugung ,  als  eine  rellectirte, 
selbst  der  Glaube  ist  reflectirte  Ueberzeuguug.  Das  Mifs- 
versiändnifs  hat  seinen  Grund  hauptsächlich  darin,  dafs 
^as  Verhäitnifs  der  natürlichen  Ansicht  des  Wissens  zu 
dw  idealen  Ansicht  des  Glaubens  hänfig  nicht  richtig 
«kaant  wird,  woraus  die  fabche  Anmafsung  der  Re- 
flexion entsteht,  dafs  alle  religiöse  Ueberzeugung  durch 
Begriffsbestimmung  und  Reweis  gewonnen  und  gesichert 
Werden  müsse.  Die  richtige  Ansicht  der  hirhebung  des 
GHaubens  fiblsr  daa  Wissen  fordert  hier  nur  eine  Wissel* 
üfaaft  Ton  dem  Ofamben,  nieht  eine  Wiaseqaehaft  des 


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19   FHei,  Uainftlracli  der  priOttiieliep  FbilotOflrfet  fiter TMl. 

Glaubens,  d.h.  eine  ivisdeiMchaftliohe  Dedvctioa  von 

dein  Rechte  und  dem  reinen  Gehalte  des  Glaubens,  aber 
nicht  eine  Verwandlung  des  Glaubens  in  das  Wissen.  Was 
die  Entwickelung  des  Inhalts  des  Glaubens  betrifft,  so 
atehl  Fries  io  dieser  Hinsicht  eben  durch  seine  nur 
Ästhetische  Darstellung  der  Ideen  auf  dem  freieeteu  ratio- 
naien  Standpunkt,  weil  hiernach  alle  Dogmen  nur  ästhe- 
tisch-symbolische Bedeutung  haben,  mithin  eine  über- 
natürliche Mittheiiung  der  ewigen  Wahrheit  in  bestimm- 
ten, begrifFsmäfsig  ausgesprochenen  Lehren,  der  Natur 
d^r  menschlichen  religiösen  Ueberseugungsweise  gant 
BSwiderlSuft,  und  jede  positive  ReligtoRsform  nur  als 
Symbol  des  Einen ,  unaussprechlichen  Glaubens  gilt 
Damit  steht  der  Verf.  freilich  so  ganz  über  der  jetzt 
geltenden  Auffassungsweise  religiöser  Angelegenheiten, 
ifideni  man  sich  durchaus  nicht  von  dem  Vorortheil  bs«- 
relbeii  kann ,  in  einem  nach  bestimmten  Begriflbn  darge* 
stellten  System  von  Dogmen  oder  religiösen  Lehrsätzen, 
sey  es,  ans  einer  angeblichen  Oflfenbarung  oder  aus  der 
Vernunft  eine  aiigemeio  gültige  wissenschaftliche  Dar- 
stellung der  ewigen  Wahrheit  zu  gewinnen,  dafs  er  flr 
ndthig  hält,  gleich  in  der  Vorrede  sich  dagegen  zu  ver* 
wahren,  dafs  er  „nicht  vor  das  Gericht  der  bestehenden 
Institutioneu  g^ezogen  werde,  so  wenig  auch  er  auf  der 
andern  Seite  sich  anmafse,  fijr  Ort  und  Zeit  nach  seinen 
aligemeinen  Ansichten  zu  entscheiden ,  was  nur  durch 
Geschichtskunde  und  Kenntnifs  der  wirklichen  Dingfrim 
Lieben  benrtheilt  werden  d&rfe.** 

•  Doch  nicht  geringeren  Widerspruch  wird  die  Fries*^ 
sehe  Religionsphilosophie  von  Seiten  der  herrschenden 
Ansichten  in  dem  Gebiete  der  Philosophie  selbst  zu 
erfahren  haben.  Die  aufserordentlich  verschiedenartigen 
Richtungen  der  Religionsphilosophie  unserer  Zeit,  mdchr 
teh  sich  etwa  auf  folgende  drei  Hanptrichtungen  euriick-» 
bringen  lassen;  die  Kantisch  c,  die  Jacobi'sche 
und  die  Schelling-Hegci  sche  oder  naturphilo- 
sophische: die  erstere  gründet  sich  hauptsächlich  auf 
Reflexion  und  logisch  demonstrative  Methode,  diasweite 


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warn,  UaMHuuk  4er  prakllMlm  PbllMO[^i«,  2lar  TMl.  «• 

henift  mch  auf  Gefühl,  Glaube,  unmittelbare  Vernunft , 

die  dritte  auf  transcendentale  Speculaliou,  intellectuelle 
Anschauiing^  oder  Dialektik.     Unter  diesen  nun  steht 
Fries  soHobl  historisch,  der  Entstehung  seiner  Lehre 
mdi,  als  auch  in  vieler  Hinsicht  der  Methode  nach» 
lAnitch  in  Hinsicht  der  kritisch -anthropologischen  Ma« 
Aede,  der  ersten  Classe  am  nächsten.    Fries  nennt 
sich  selbst  überall  einen  Schüler  Kants,  denn  er  ver- 
schmäht den  Kitzel,  durchaus  originell  zu  seyn,  keinen- 
Lehrer  zu  haben,  sondern  selbst  nur  Meister  zu  sejrn. 
la  der  Beligionsphilosophie  aber  hat  er  sich  in  wesent«» 
ichen  Pnnktfo  von  den  eigentlicK  Kan tischen  Lehren 
bsg^esagt.    Vorzüglich  darin,  dafs  er  die  Religion  nicht 
mehr  einseitig  auf  die  moralischen  Grnndüberzeugungen 
der  praktischen  Vernunft  stutzte  y  sondern  ihr  uumittelhar 
iadermenschlichen  Vernunft  ihren  Grund  anwies,  indem  ' 
er  eistUch  neben  dem  praktischen  Glauben  einen  gldch 
Boariltelbaren  speculativen  Glauben  nachwies,  und  da* 
dorch  den  oft  getadelten  Zwiespalt  der  Ka  n  tischen  Lehre 
zwischen  <ler  gänzlichen  Erniedrigung  der  theoretischea 
Bad  der  Erhebung  der  praktischen  Vernunft  aufhob; 
zweiteiM,  indem  er  den  praktischen  Glauben  selbst  nicht 
Mos  ab  moralische,  sondern  auch  zugleich  als  reltgidse 
Ueberzeugung  auffafste,  so  dafs  nämlich  die  Eine  Idee 
des  absoluten  Zweckes  einmal  als  natürliches  Zweckgesetz, 
ethische^  und  dann  als  ideales  Zweckgesetz,  religiöse 
Bedeutung  erhält    Eine  zweite!,  noch  wichtigere  Unter- 
nheidttttg  der  Friesischen  Lehre*  von  der  Kanlischen 
ht  die,  daft  Fries  sich  vollständig  von  der  logisch  de- 
monstrativen Methode  frei  gemacht  hat  und  alle  Beweise 
fär  die  religiöse  Ueberzeugung  durchaus  abweist.  Zwar 
hatte  ^dafär  Kant  schon  den  richtigen  Weg  gezeigt, 
lodern  er  die  Unfähigkeit  der  Vernunft  zur  Erkenntnifs 
des  Ewigen  nachwies ,  hauptsächlich  aber  4^r€h  die 
Mare  Unterscheidung  zwischen  Erscheinung  und  Sejn 
^^'1  sich.    Aber  er  verlor  das  richtige  Ziel  wieder  aus  den 
Äugen,  indem  er  zwar  die  Nichtigkeit  aller  theoretischen 
Beweise  für  das  Daseya  Gottiss  und  die  UasterblicbkeU 


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tiO.  FUmV  Hiii4biich  d«^  praktiiclMit  Philoiopiii««  Stejr  Thell. 

der  Seele  nowidenprechlich  darthat,  daoti  aber  aeiiw 

eigene  religiöse  Ueberzeugnng  doch  wieder  in  der  Form 
von  Beweisen,  nämlich  aus  moralischen  Postulaten,  recht- 
fertigte^ Fries  gründete  dagegen  die  religiöse  Ueber* 
Beugung  gaos  rein  auf  die  nnmittelbare  Verauoftttber- 
sengttDg  des  Glaubens,  der  Ober  dem  Wissen  steht, 
keiner  Begrilndting  durch  Beweise  bedarf  und  fUiig  ist, 
und  vollendete  dadurch  den  transcendentalen  Idealismus, 
den  Kant  nur  unvollständig  angedeutet  hatte. 

Mit  dieser  Ueberzeugungsweise  des  Glaubeos  nähert 
rieh  Fries  ,der  Jakobi'schen  Ansicht  Jakobi  war 
es,  der  suenit  der  damals  herrschenden  fcbehen  demoa- 
strativen  Methode  und  dem  Vorurtheile  für  die  Allgewalt 
der  Beweise  entgegentrat,  und  einen  Glauben  und  ein 
GefiUii  als  letzte  unmittelbare  Ueberzeugung  forderte. 
Darin  nun  harmonirt  allerdings  Fries  mit  Jakobi,  und 
es  ist  bekannt,  daft  man  ihu  deshalb  eines  Synkrelisäuis 
«wischen  Kant  und  Jakob!  b^chuldigt  hat.  Daflidiese  . 
Beschultlig;ung  grundlos  ist,  erg-iebt  sich  aus  den  bedeu- 
tenden Abweichungen  der  Fries'schen  Ansicht  von  dem 
Glauben  von  der  Jakobi 'sehen.  Diese  bestehen  darin, 
dafs  erstlich  Jakobi  unter  dem  Glauben  Jede  umnittel*  > 
bare  Ueberzeugnng  überhaupt  versteht,  also  a«eh  die 
sinnliche,  daher  er  Ihn  als  gleichbedeutend  mit  der  An- 
schauung nimmt;  Fries  dagegen  nur  die  unmittelbare  Ver- 
nunftüberzeugung darunter  versteht  und  ihn  daher  auf 
das  Bestimmteste  von  der  Anschauuilg  unterscheidet 
Femer  was  dieses  Glaliben  als  unmittelbare  Vernunft^ 
Überzeugung  selbst  betriffl,  so  erhebt  sich  Pries  darin 
weseotlich  über  Jakobi,  dafs  dieser  den  Glauben  nur 
schlechthin  als  Behauptung  ausspricht,  ohne  för  die  Gül- 
tigkeit dieser  Ueberzeugungsweise  irgend  eine  wissen^ 
schafttiche  Rechtfertigang  zu  geben,  Fries  dagegen 
liefeK  eine  vollständige  Deduction  aus  der  Theorie  der 
Vernunft,  dafs  der  menschlichen  Erkenntnifs  dieser  Glanbe 
notliwendig  inwohne,  dafs  er  einen  ursprünglichen  Be-* 
stanfdtheil  der  menschlichen  Veronnilt  ausmachOr  Dann 
aber  erhält  auch  in  der  Anwendung  derCHanbe  due  ganz 


/ 

9 

* 

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Fri^  H^adbudi  der  jiraLtisclicn  riiilofoyhie,  Z^ir  Tlie|^*  ''U 

andere  Becleuiung  bei  Fries  als  b^i  Jalcobi.  Nticlf 
ihin  borubl  dieStiniießerkenaliiiri^  eben  so  gut  auf  Glaob^ 
«Is  dia  r«iiie  VerDunrierkeoDloirs:  die  Sioownfchmiuaf 
hai  abo  dieselbe  objektive  Gültigkeit  als  die  Vernunft* 

erkeiiiiluifs ,  die  Sinnenwelt  oder  die  Natur  und  da«» 
Uebersifuilirhe  oder  Göttliche  stehen  als  zwei  verschie- 
dene Healitäten  neben  einander,  oluie  eine  möglich« 
wissep^pbaftUcbe  Einheit  beider,  Hi^r  läuft  also  di0 
WeltAuaicht  auf  eiueo  rohen  objektiven  Dualismus  bipiaus*^ 
Bei  Fries  hingegen  ist  die  Sinne^anschauung  nur  die 
menschlich  beschränkte  Erkeniituli^weibe,  die  daher  zwar 
auch  objektive  GiUtigkeit  hat  darin,  dafs  wir  wirkliches 
S^yn  darin  erkenneni  aber  nur  eine eubjektiv  beschränkte 
oljektivo  Gültigkeit,  so  dafs  sie  uns  nur  die  Oiiige  7eigl| 
vis  sie  liQS  erscheinen ,  nicht  wie  sie  au  sich  sind.  Der  ' 
Glftube  hingegen  ist  die  Anerkennung  eines  Sej^ns  aa 
sich,  eines  unbeschränkten  vollendeten  Se^ns,  der  aus 
4^  reinen  Vertrauen  der  Vernunft  auf  sich  selbst  ent* 
springt.  $Q  atebeo  8imieaw«|t  find  Ueit^rrinoUcbes  ^Is 
Eia  aad  dasselbe  8eyo  da,  das  üos  our  in  der  ersterun 
subjektiv  beschränkt  erscheint,  im  Glauben  als  lieber- 
sinnliches  seinem  Se^n  an  sich  oder  seinem  vollendeten 
Se^^n  nüch  gedacht  wird.  Der  Dualismus  ist  so  durch 
d^Q  transcendentaien  Idealismus  aufgehoben.  Endlich 
bli  Jfk^hi  giU  der  Glaube  al«  ^ue  objektive  ErkeuPt*- 
DlGi  des  Ewigen ,  Göttlichen^  er  ist  eine  unmittelbare  An- 
schauung des  Pivvigen,  hat  also  eine  realistische  Bedeu- 
tung; hiergegen  fafst  Fries  den  Glauben  durchaus  nur 
idfillüistisch,  er  enthält  keine  hphere,  iatelieciueüe  Jbir- 
kwulAiä  des  Göttlichen  selbst,  sood^rp  nur  eine  ideale 
Ifterkanoung  desselben,  eine  subjektive  Nothwendigkeit^ 
^oa  einem  Seyn  an  sich,  frei  von  den  Schranken  des 
Endlicheu  oder  Sinnlichen.  Der  Friesische  Glaube  ist 
^  kein  unniitteibares  Bewufstseyn  von  dem  Ewigen  und 
Gattlichen,  wie  manocheSchiUer  Jakobi's  (Clodi|is) 
%  reUgiöae  Ui^erseugung  als  ein  solches  fßßBßn ,  son- 
dern in  das  Bewufstseyn  kömmt  er  uns  nur  mittelbar 
4inch  B.elljB;;uon,  imd^war  nur  in  negativer  Forifi,  dua^h 


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tlS   Flies  f  Uandbucb  der  prakUsclien  Fbiiofopliie ,  2ter  TlieiL 

Va*neinaiig  der  Schranken  der  Endlichkeit.  In  der  J«« 
kobi 'sehen  Schule  wird  das  Ewige  und  GdUiiche  ge* 

wohnlich  als  das  letzte  Glied  in  der  Reihe  des  endKchen 
Daseyns  f!;edacht,  die  Freiheit  als  unbedingter  Anfang 
des  Bedingten;  nach  Fries  dagegen  steht  das  Ewige 
gjins  Ober  dieser  Reihe  des  Endlichen  und  Bedingten, 
es  steht  mit  diesem  in  gar  keinem  natürlichen  Zusan^-  : 
menhang ,  sondern  beide  sind  nur  subjektiv  verschiedene 
Ansichten  des  Einen  Seyns.  Zu  dem  Ewigen  kommen 
wir  nicht  durch  Vollendung  des  Endlichen  (dies  ist  und  ' 
bleibt  unvoliendbar),  sondern  dnrch  Verneinveg  der 
Schranken  der  Endlichkeit  ^ 

Am  meisten  steht  der  Verf.  in  Widerspruch  mit  der 
Identitätsphilosophie,  da  hier  schon  in  der  Me- 
thode zu  philosophiren  überliaupt,  in  der  ersten  Richtung 
des  Denkens  der  Widerstreit  e wischen  dogmatisch -spe- 
cuhtivet-ttttd  kritischer  Philosophie  stattfindet.  Manche 

■  Berührungspunkte  zwar  giebt  es  doch  auch  hier,  wie 
z.  B.  die  Erhebung  einer  höheren  Weltansicht  der  Ver- 
nunft über  die  niedere  des  refiectif enden  Verstandes ^ 
und  die  in  *ider  Schellingischen  Schale  gdtende 
isthetische  Auffassung  des  Religiösen.  Allein  noch  diese 
Berührungspunkte  verschwinden  wieder  bei  näherer  Be- 
trachtung. Denn  jener  höhere  Standpunkt  über  dem  end- 
lichen Verstand  soll  dort  selbst  wieder  ein  höheres  Wisseiiy 
eine  specnlative  Brkenntnifs  von  dem  Absoluten  seyPt  QQ^ 
jene  ästhetische  Ansieht  der  Schellingischen  Schale 

,  wird  als  unmittelbare,  intellectuelle  Anscliauung  des  Ab- 
soluten gefafst,  die  also  doch  wieder  dem  Wissen  zufällt 
Fries  hingegen 9  nach  seiner  Ansicht  des  transceoden- 
talen  Idealismus,  verwirft  durchaus  jedes  Wissen  von  de« 
Efwigen  oder  Absoluten ,  jede  Wissenschaft  aus  Ideaui 
sey  diese  auf  intellectuelle  Anschauung  gegründet,  WI6 
bei  Schell  in  g,  oder  auf  transcendente  Speculation, 
dialektische  Bewegung  des  reinen  Denkens 9  wie  bei 
HegeL  Ihm  gilt  als  ideale  Weltansicht  von  dem  Ab«* 
«oluteh  nur  eine  Anerkennung  desselben  im  Glauben  ^  der 
Uber  dem  Wibsen  steht ,  in  besUmmtea  Begriffen  uioM 


■ 


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MFg^esprochen  werden  kann,  und  keinen  andern  urissen* 

ßchaftlicheri  Ausspruch  zuläfst  als  einen  negativen,  in 
srhrankenverneinenclen  Ideen.  Einen  positiven  Ausspruch 
der  Ideen  giebt  es  nur  für  das  Gefühl,  die  Ahnditn]g^, 
deren  Ausspruche  jedoch  aar  ästhetische  ond  tymlMi- 
Ibcbe  Bedeutung  haben,  nur  als  Bild  des  Ewigen,  nicht 
als  (las  Ewige  selbst.  So  unterscheidet  der  Verf.  auf 
das  Bestimmteste  die  reine  ideale  Weltansieht  von  den 
mystischen  Philospphemen  jener  Schule,  welche,  die 
leeren  Formen  der  Einheit  der  Vernunft  für  das  Wesen 
der  Dinge  haltend  ,^  die  Ideen  selbst  hypostasiren.  Damit 
hingt  endlich  die  Differenz  zwischen  Fries  und  der  na- 
tnrphilosophischen  Religionsphilosophie  zusammen,  dafs 
diese  letztere  nie  von  dem  Pantheismus  loskommen  kann, 
dem  die  kritische  Philosophie  einen  festen  Theismus  ent- 
gegenstellt. Die  mystische  Abstraction,  die  Verwechs* 
long  des  Allgemeinen ,  des  Begriffs,  mit  dem  Wesen  ist- 
es,  die  Gott  für  das  Wesen,  die  Substanz  der  Welt  hält, 
statt  ihn  über  die  Welt  zu  erheben  als  den  Grund  der 
Welt  Die  leere  Abstraction  des  All  wird  hypostasirt 
nm  Wesen  alles  Daseyns.  Aber  nicht  durch  Znsammen* 
fassen  alles  Endlichen  kommen  wir  zu  der  Idee  des 
Ewigen ,  sondern  durch  Negation  der  Schranken  der 
£adiichkeit,  also  nicht  das  Äff  aller  beschränkten  Reali* 
täten  ist  die  nnbeschränkte  Realität,  sondern  vielmehr 
die  Negation  aller  Beschränkung  an  den  Realitäten  ist 
die  absolute  Realität ,  also  eine  Realität,  die  über  allen 
Beschränkungen  der  Weit  steht,  nicht  eine  Zusammeh- 
fittsung  derselben. 

Diesen  allgemeinen  Bemerkungen  f&gen  wir  eine 
kne  Ueberslcht  des,  Inf  VerhältniPs  su  dem  geringen 
aafseren  Umfange,  äufserst  reichhaltigen  Inhalts  dieses 
Werkes  bei. 

In  der  Einleitung  wird,  nächst  der  schon  ange« 
gAenen  Bea»ichnung  der  Eigenthttmliohkeit  dieser  Dar-  ' 
sMIung  (§.  1.),  die  Stellung  der  Religion^hllosophie 

im  S^htem  der  Philosophie  erklärt  (§.2  und  3.),  wonach 
HS  (nicht  zu  der  theoretischen,  sondern)      der  prakti^ 


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floheo  Philosi^lHe  gehdri,  UDd  xwar  hier  als  j^raklifloha 
Ideealehre  oder  Lehre  von  dem  SSweek  der  Welt  nebea 

der  Ethik  ais  praktischen  \aturlehre  oder  Lehre  von  dem 
Zweck  des  meDSchlichen  Lebens  bteht.  Nach  einer  vor- 
läuügeu  Gliederung  des  Ganzen  unserer  reügiöseo  Ueber- 
aeugungen  aach  den  metaphysischen  Kategorien  {§»4.)| 
wird  die  Aufgabe  der  ReligionsphiloMphie  in  ihrem  Ver^ 
käliidre  aar  Aesthetik  alher  beelimmi  (§.  5— T),  dnreli 
genauere  Erläuterung  der  Begriffe  vom  Glauben,  der 
Religion  und  der  Schönheit.  Besondere  Beachtung  ver- 
dient Iiier  die  Nach  Weisung  dais  die  Religkia 
ihrem  ps^ohelogiscben  Ursprung,  nach  dem  Heraen  oder 
dem  LuetgeAhl  gehört,  aleo  nicht,  nach  dem  Vorartheil 
vieler  Rationalisten,  ursprünglich  ein  Wissen  ist.  In  so» 
fern  aber  die  Religion  Gegenstand  der  Erkenntoils  wird, 
die  Religion  als  Ueberzeugung,  ist  Glaube;  im  Lebeo 
nad  in  der  Gemeinschaft  spricht  eich  die  Religion  in  der 
Ahndung  ätthetiach  als  Sjmliol  ane.  Cbarakteriatiacb.iit 
daHir  der  Sata  (8.  0.):  „die  Geieteskraft  der  Religioa 
liegt  in  der  Fr ö ni4iiigkeit  (dem  Herzen),  ihre  Be- 
rührung mit  der  Wissenschaft  giebt  siqh  durch  die  Lehre 
voni  Glauben,  ihre  äufsere  Gestaltung  aber  durch  die 
religiöse  8jmbolik''  (die  unter  der  Idee  derSehäo* 
heit  steht,  mithin  in  dar 'Aesthetik  ihre  philosophiaßbc 
Grundlage  findet).  —  Das  ganze  Werk  zerfällt  in  drei 
Bücher:  l)  Glaubenslehre,  2) philosophische Aeetbei^^ 
d)  die  positiven  Religionen. 

Erstes  Ruch:  GJaubenslehre.  Der  Verf.  bau* 
delt  hier  zuerst  (Abschn.  1.)  von  der  religiösen 
Ueberaeugung  im  Allgemeinen,  und  geht  dabei 
von  der  logischen  Lehre  von  der  Begründung 
der  Urtheile  (Kap.  1.)  aus.  Die  Aufgabe  für  die 
religiöse  Ueberzeugung  ist  nämlich  die:  etne  wissesr 
sehaftUche  Rechtfertigang  filr  Behaupliingea  au  finden, 
die,  ohne  sich  auf  Ansehauiingen  bernfen  ea  kdnnsat 
blüs  in  dem  Innern  der  Vernunft  ihren  Grund  haben.  ; 
Die  Lösung  dieser  Aufgabe  ist  weder  durch  Deuionstration 
(Naehwaisuag  in  der  Aaschauung))  noch  durch  Beweis 


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(hhMiung  ans  Prämissen),  sondern  mir  durch  De- 
(iuction  möglich,  d. I.  kritisch -anthropologische Nach* 
Weisung  aus  der  Theorie  der  Vernunft.  Die  Bedeutung 
dieser  eigenthOmlichen  Begrfindnngsweite  idealer  lUbmr^ 
seugiingaii  bt  swar  acfaea  von  Kant  «BeiiianDt  wordciii^ 
•berersi  von  Fries  In  ▼•Ilkommener Klarheit  und  Rieh» 
tigkeit  verstanden  und  an|S^ewendet  worden.  Die  durch 
diese  Deduction  gfewonnene  r(?ligiöse  IJeherzeug-un^s weise 
ist  der  G 1  a  u  b  e  und  die  Ahndung,  die  über  dem  VV  isaea 
itehen.  Zur  näheren  Verständigung  dieser  Begriffe  tt»- 
lancheidet  der  Verf«  die  logische  Bedeutung  vm 
Wissen,  Meinen  und  Glauben,  wonach  sich  der 
Glaube  nur  durch  einen  geringeren  Grad  der  Gewifsheit 
und  das  zur  Entscheidung  des  Urtheils  mitwirkende  sub- 
jektive Interesse  Von  dem  Ufisien  unterscheidet,  von  der 
metaphysischen  Bedertung  derselben.  Wissen  ist  hier 
dis  aaf  Anschauung  gegründete  Ueberzeugung  von  4om 
SiooJichen  oder  Natürlichen,  Glauben  und  Ahnden  sind 
Üeberzeugu Ilgen  von  dem  Uebersinnlichen  oder  Ewigen. 
Der  Glaube  ist  ursprünglicher  Vernunftglaubey  oicbt 
instorischer  oderUeberliefernngsglanbe;  er  kann  wissen- 
fldiaftlieh  nur  negativ  in  Ideen  ausge^sprochen  werden, 
■Ber  positive  Ausspruch  derselben  gehört  der  symboliscfe- 
ästhetischen  Ansicht  der  Ahndung.  Der  Glaube  und  die 
Ahadsng  deuten  anf  dem  Menschen  undurchdringliche 
religiöse  Geheimnisse  hin,  für  die  es  keine  höhere,  na- 
Midie  #<ler  ftbernatfiriiche  Einsicht  der  Eingeweihten 
gUi  Bs  gidkt  keine  fibernailirliche  Offenbarung,  keinen 
Unterschied  zwischen  profaner  uqd  heiliger  Geschichte; 
positive  Religion  ist  eben  so  natürlichen  Ursprungs  als 
die  natürliche,  und  unterscheidet  sich  nur  von  dieser 
Asroh  die  «hirch  historische  Tradition  und  Gemeinschaft 
Mrten  BUdee  und  Symbole. 

Im  2ten  Kapitel:  „Allgemeine  metaphysische 
Lehre  von  der  religiösen  Ueberzeugung,"  wird 
die  Deduction  der  religiösen  Ueberzeugung  selbst  aus- 
gefiahrt;  hier  treffen  wir  also  auf  den  Mittelpunkt  des 
•%stems  4*»  traoscendeotalen  idesiisanis  uml  db  Gmad- 
^  der  ReligMispUlesoplile.   Der  Ver£  konnte  sich 


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flu   Ffkt,  HtiidbMfc  4er  piaktiielMa  PbilOMypIue»  2lBr  TMt 

ifi€l«s6en  mit  Recht  auf  die  ToHständlgereo  Ainfthning^eo 

dieser  Deduction  in  seiner  Kritik  der  Vernunft  und  dem 
System  der  Metaphj^sik  berufen  (auf  die  wir  deshalb 
ebeDfalit)  den  Leser  yerweiseo) ,  und  durfte  sich  hier  nur 
mit  HerTorhebung  der  wichtigsten  Punkte,  auf  die  es 
ifaibei  ankömmt,  begnfl^en.  Der  Verf.  geht  von  dem 
aae  der  Kanti sehen  Lehre  bekannten  Unterschied  zwi^ 
achen  der  endlichen  Wahilult  der  Erscheinung  und  der 
ewigen  Wahrheit  des  Seyn  an  sich  aus.  Um  dies  Ver- 
hättnifs  näher  zu  entwickeln,  spricht  er  im  Besonderen 
1)  van  der  Beschränktheit  der  sinnlich- bedingten  fir^ 
kenntnifsweise  des  Wissens,  welcher  wesentlich  die  Form 
der  Unvollendbarkeit  und  Wesen losigk ei t  anklebt  (wofür 
aber,  zum  Schutze  gegen  lien  Skepticismus,  neben  dem 
Grundsatz  der  Beschränktheit  der  menschlichen  Vernunft, 
immer  auch  der  Grundsatz  des  Selbstvertrauens  der  Ver- 
MRftfestsahalteDist,  der,  über  die  sinnlichcD  Schraakea 
hinaus ,  anf  ein  davon  nnabhSngiges  Seyn  an  sich  hinibe^* 
deutet).  2)  Von  dem  negativen  Ursprung  der  Ideen, 
welche  nach  den  4  Kategorien  entwickelt  werden  (wobei 
flarauf  zu  achten  ist,  dafs  die  , Negation  nur  den  Aas- 
sprach  das  Glaubens  in  wissenschaftlicher  Porni  triffi^ 
während  der  Glaube  selbst  die  erste  affirmative  Uebei^ 
Zeugung  ist,  und  dafs  die  Negation  nur  die  Schrankea 
der  Endlichkeit  trifft,  welche  selbst  Verneinungen  siüd, 
so  dafs  also  die  doppelte  Negation  doch  die  affirmative 
Bedeutung  der  Ideen  wieder  herstellt);  3)  von  derSelbst- 
stindigkeit  des  Geistes :  nach  der  Negation  alier  Sdirankea 
der  Endlichkeit ,  d.  i.  aller  mathematischen  Bestimranogen 
von  Kaum  und  Zeit;  bleibt  nämlich  von  der  Körperwelt 
nichts,  diese  hat  also  kein  Seyn  an  sich  ,  es  bleibt  aber 
das  ich,  der  Geist,  da  dieser  nicht  blos  mathematisch 
bestimmt  ist,  in  ihm  also  behalten  wir  einen  Gegenstaod 
Ülr  das  Sayn  an  sich.  Ais  dieser  Jlednction  treten  daon 
als  oberste  Kriterien  unserer  idealen  Ueberzeugung  drei 
Grund^tze  heraus:  1)  das  Princip  der  Beschränkung  d^ 
Wissens  fSr  die  Idee:  die  Sinnenwelt  unter  Naturge- 
setaen  ist  nur  Erscheinung,  2)  das  Princip 'des  Glaa- 
bcBs:  dieser  Brscbeianng  liegi  derINnge  waliraa  Wsssn 


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1 


Friet,  Htndbuch  der  praktitchen  Pkildtophie,  Stor  TMl.  III 

zu  Grande,  3)  das  Princip  der  Ahndung:  die  Sinnen« 
\  weit  ist  eine  Erscheinung  der  Dinge  an  sich.  Hiernach 
werdeD  eodiich  noch  die  Philfisopheme  von  dein  Mate«* 
rialismiis,  Spiritualiamus  und  Dualiamua,  «od 
i  fiodein  Fatallsmna  und  Theismus  benrtheill,  und  .' 
;  das  letztere  gereclitfertigt.  —  Damit  ist  jedoch  nur  die 
;  speculaüve  Grundlage  des  religiösen  Glaubens  gegeben; 

dieser  erhält  jedoch  seine  praktische  und  mithin  erst 
(     entlieh  ^  reiigidse  BedeotUDg  durch  die  Kap.  3.  ent* 
i  «kkehe  Idee  vem  Zweck  der  Welt,  oach  welcher 
Religionsphilosophie  als  Weltzwecklehre  zu  behan- 
deln ist.    Der  Grundgedanke  von  der  Selbstständigkeit 
'.  des  Geistes  führt  zu  den  sittlichen  Zweckgesetzen ,  diese, 
I  ata  flothwendige  Zweckgesetze,  gelten  zugleich  als  Zweck- 
'  gvelie  der  Welt,  und  lassen  diese  ab  Reich  der  Zwecke 
I  tiefkeanen ,  ««ni  Grundsats  .der  besten  Welt  eatwickein. 
I  So  erhält  auch  hier  die  religiöse  Ueberzeugung  aus  der 
Sittlichen  ihren  Gehalt  und  ihre  Farbe,  doch  nicht  auf 
dem  Wege  des  Beweises ,  durch  sogenannte  moralische 
I  PMtiiiste,  sondern  nur  durch  Nachweisung  des  gleichen 
Ursprungs  der  reUgidsen  und  sittlichen  Ideen  in  den 
Msehlichen  €reiste. 

Im  2ten  Abschnitt  folgt  nun  die  „besondere 
Betrachtung  der  Grundwahrheiten  des  Glau- 
beos.''   Die  GrudMahrheiten  des  Glaubeös  können  zwar 
QU  bildlich  als  ästhetische  Weltbetraehtnng  ausgespfo« 
duB  werden,  aber  doch  nicht  in  beliebigen  Bildern.  Bs- 
•Biteseo  vielmehr  abgewiesen  werden  1)  alle  körperlichen 
I  Erstellungen  von  Gott,  Seele  u.  s.w.,  2)  alle  Bilder 
I  ^OQ Gluckseligkeit  und  irdischem  Gelingen,  3)  alle  Bilder 
'unmenschlicher  Cresetsgebung ,  juristisch -politische  5 
I  ^'  4)  nur  in  dem  reinen  siltlichen  Leben  darf  diese 
lidKge  Dichtung  ihre  Bilder  finden.   Nur  Pfiicht  und 
^e  geben  die  reinen  Grundgedanken  der  religiösen 
Dichtung."  (S.  92.)    Aus  allem  Menschlichen  ist  uns 
daher  das  allein  würdige  Bild  (aber  doch  Bikl!)  des 
^oulichen  die  rsine  Liebe,  das  Heilige  u.  Si  w.  .  Diese* 
^4uittngswelse  der  reügMssn  Wahrhelten  iit  1)  nleht  ^ 
'ttdi Beweise  zu  rechtfertigen,  sondern  nur  in  Erörte« 


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118   Mm,  HtndMi  der  pmktiiclwii  Pliilamffaie,  tür  IWI. 

Hingeo,  und  was  von  Kant,  in  Form  Ton  Bewmen  fir 
die  Rechtfertigung  der  lielig^ionswahrheiten  gegebea  wor- 
den ist,  ist  nur  unrichtig  in  Ansehung  der  Form  der 
Beweise,  meistens  aber  richtig  in  Aoedinog  der  Sadie 
eeihef,  aie  blofee  Erfirternng:.  Gans  zu  Trrwerfen  ist 
aber  2)  die  falsche  Dialeklik  der  neoplatönischeii  Ideea* 

lehre  (der  sich  auch  die  neuere  trausceotlentale  SpcC»" 
Lation  bedient),  die  die  allgemeinen  Vorstellungen  nicht 
blos  (wie  sie  sollte)  lür  analytische  Hülfsmittel  des  den- 
kenden Verstandes,  sondern  fftr  synthetische  BdLennt* 
nisse  wirklicher  Gegenstände  hält  (die  Abslraciionea  hy** 
postasirt),  und  deswegen  in  den  abstracten  Einbeitsfor^ 
men  eine  Erkenntnifs  des  ewigen  Seyn  selbst  zu  haben 
wähnt  (wie  Fichte's  moralische  Weltordnung,  Schel- 
lings  Absolutes,  Hegels  concreter  Begriff  ii.  s.  w.). 
lieber  Hegel  sagt  der  Verf*  in  einer  Aamerknog  S*  99: 
„Dasmf  den  Prenfsiscben  Scholen  verbreitete  Heg  e  Tscke 
Philosophem,  das  düngte:  und  geschmackloseste  unter 
allen,  die  in  der  Kanti. sehen  Schule  Beifall  faiulen, 
gestaltet  sich  in  der  grofsten  Härte  unter  diesem  Fehler. 
Von  der  Körper  weit  weifs  man'  da  nur,  dafe  es  das  An- 
dersseyn  des  Einen,  und  von  der  Geisteswelt ,  dafs  es 
das  Btosseyn  des  Anderen  sey."  *  « 

Die  religiösdn  Grundwahrheiten  stellt  der  Verf.  in 
drei  Ideen  dar:  Idee  der  Seele,  der  Freiheit, 
der  Gottheli)  die  aus  den  drei  Kategorien  der  Rela* 
lion  des  Wesens,  der  Ursache  und  der  Wechsel wirkuog, 
abgeleilei  eind.  .  • 

Kap.  1.  Die  Idee  der  Seele  ist speculativ :  Ewig- 
keit unseres  Wesens,  praktische:  höhere,  ewige  Be* 
sttoiniang  des  Menschen.  Der  Ewigkeit  unseres  Wesen!? 
.werden  wir  uns  bewnfet,  indem  wir  ein  Glauben  nur  als 
Petson,  als  Geint  anerkennen.  Damit  wird  die  pantbci- 
elische  Abstractbnswelse  verworfen^  wonach  die  Persin-* 
lichkeit  als  Einzelheit  nicht  durch  sich  selbst  besteht, 
sondern  erst  durch  den  Körper  gebildet  wird,  also  mli 
der  Vernichtung  des  Körpers  (im  Tode)  auch  wieder 
aufgehoben  und  in  die  Einheit  des  All  wieder  aufgelöst 
wird.  Aaf  der  «ndern  Seite  aber  wird  nach  die  Ansiohl 


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Frtet,  Handbucli  der  praktiichen  Philosopiiie ,  2ter  Xlieil.  719 

• 

des  getnelneQ  Lebens,  die  die  Idee  der  Ewigkeit  als  ein 
0aspyn  durch  alle  Zeit,  als  ein  künftiges  Leben  auffafst, 
lifewiesen,  denn  die  nvahre  Idee  der  Swigkdt  iit  nicbl 
dti  Bneyn  diireh  alle  Zeil ,  sondern  vielmehr  ein  Sayn 
tilier  der  Zeit  Daher  ist  die  Idee  des  ewigen  Lebens 
nicht  ei/2:^'ntlicii  als  Unsterblichkeit ,  sondern  vielmehr  als 
UnTerderblichkeit  des  Geistes  zu  fassen«  Dämonologie 
und  Eschatologie  sind  nur  Gegeostinde  der  tr&anienden 
Hiantaeie.  Ferner,  die  s.g.  Beweise  der UnaCerblichlMit 
der  Seele  sind  als  solche  ohne  Gültigkeit,  und  haben  nur 
als  Mittel  der  Belebung  dieser  Idee  Bedeutung.  Sie  sind 
theilsspeculative,  und  diese  verwechsein  die  Einzehdieit 
und  Identität  des  Ich  mit  der  Einfachheit  derselben 
(M.  Mendelaeohn);  (heiis  prakiteche,  ivetehe  alier* 
dings  die  bedeutendsten  sind ,  aber  ebenfalls  nicht  eigeni^ 
lieh  als  Beweise,  sondern  nur  als  Deduction  der  unauf- 
löslichen psjehologiselif^n  Verbundenheit  der  ethischen 
Zweckideen  von  der  persönlichen  Würde  mit  der  religiösen 
von  der  Ewigkeit  unseres  Wesena  and  unserer  Bestimmung. 

Kap.  8.  t<*reiheit  des  mensohlieheo  Willens 
iL  I.  w.  Die  Freiheit  darf  nur  negativ,  als  Unabhlngigkeii 
der  Wirksamkeit  von  den  Schranken  der  Natur,  gefafst 
werden.  In  dieser  negativen  Fassung  wird  leicht  die  so  ' 
oß  irrig  beurtheilte  Coilision  der  menschlichen  Freiheit 
mit  der  gdttliehen  Alimacht  vermieden«  Denn  die  Unab^  . 
hiiigigkeit  von  der  Natur  ist  dicht  absolate  Unabhängige 
keit,  und  ein  erschaffenes  Wesen ,  eine  Wirkung  der  hÖ<A* 
sten  Ursache,  kann  doch  frei  seyn  gegen  die  Natur.  Zur 
Qfiheren  Bestimmung  der  Freiheit  gegen  die  Natur  ist 
ferner  sehr  wichtig,  die  scharfe  Unterscheidung  cwischea 
idteier  und  ps^Chole^iseher  Freiheit ,  d.  i.  der  psychisch 
iMlagten  Kraft  der  Willkohr.  Diese  Anstchl  vm  der 
idealen  Freiheit  als  einer  gegen  die  Natur,  auch  die  psy- 
Aische,  unbedingten  Wirksamkeit,  hat  für  die  praktische 
Bestimmung  dieser  Idee  eine  sehr  wichtige  Folge,  ihre 
pnktbche  Bestimmung  erhält  nimlich  die  .  Freiheit  des 
WMens  in  dem  Gegensätze  von  gut  nnd  bda  Hier  folgt 

Wm  aus  der  idealen  Freiheit  des  menschlichen  Willena^ 
zugewandt  auf  praktische  Beurtheilung  des  eodlicheu  Le- 


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m  Frfet«  Itoibtoii  der  pffalitiielMNi  .PlitlflMiofliief  8fer  Tb«il* 

bens  des  Menschen,  die  Süntlhaftig^keit  aller  Mea- 
schen,  der  ursprüngliche  Hang  des  Men- 
schen zum  Bösen.  So  sehr  auch  (Ü^se  Aosichit  loit 
der  der  meifiteo  religids^freisinnigen  streiten  .mag,  so  mub 
sie  doch  ah  das  unTeriHeidliche  Ergebnifs  der  nnläugbar» 
sten  philosophischen  Coosequenz  zugestaoden  werden. 
Der  gewöhnliche  Einwurf  dagegen,  dafs  die  allgemeine 
Schwäche  und  Mangelhaftigkeit  alier  endlichen  Tugend 
nicht  Schuld  ^  soodera  noth  wendige  Folge  der  Eadlichkeü 
sey,  fällt  ans  dem  Gesichtspunkte  der  idealen  Freiheit  in 
Nichts  zurück,  da  eben  diese  Schwäche  aus  dem  idealen 
Standpunkt  der  Unabhängigkeit  von  der  Natur  als  freie 
Tliat ,  mithin  als  Schuld  za  beurtheilen  ist  Dagegen  aber 
wird,  auch  diese  reine  Idee  der  menschlichen  Sündhaftig* 
keit  von  allen  jenen  abergläubischen  Entstellungen  ttod 
JMifsdeu  tu  Ilgen  derselben  scharf  gereinigt.  So  wird  .sie 
entschieden  von  dem  Dogma  von  der  Verdorbenheit  de8 
seitlichen  Willens  und  dessen  Unfähigkeit  zum 
Guten  onterschieden  als  blos  ideale  Sfindbaftigkeiti 
so  wil  d  alle  Unterstülzuiig  des  Willens  durch  Zaubermittel 
religiöser  Gebräuche  und  göttliche  Gnade  als  abergläu- 
bisch abgewiesen,  so  wird  den  religiösen  Lehren  vonSüQ' 
denfall,  Erbsünde,  Bekehrung  und  Erlösung  alle,  wissen*- 
ncliafUiche  Wahrheit  abgesprochen  und  nur  bildliche  Be- 
deutung zugestanden.  —  Hiernach  sind  auch  die  Lehren 
von  der  Gnaden  wähl  und  Vorherbestimmung  zu 
beurtheilen*  Es  kömmt  nämlich  dafür  hauptsächlich  auf 
die  strenge  Unterscheidung  des  idealen  und  natürKcbeo 
Standpunktes  an,  von  der  dann  die  Unterscheidung  der 
religiösen  und  der  sittlichen  Beurtheilung  dieses  Verhält« 
nisses  abhängt  Von  dem  religiös  -  idealen  Standpunkt  aus 
gilt  nämlich  allerdings  Gnadenwahl  und  Y<n*herbestim* 
nmng ,  wenn  man  nimlieh  die  natürliche  Causalnothwen-» 
digkeit  des  psychischen  Lebens  ideal  als  Gnade  und  gött- 
liche V  orherbestiitimung  deutet ;  von  dem  sittlich  -  natür- 
lichen Standpunkt  aus  hingegen  gilt  einzig  die  Idee  der 
Selbststöttdigkeit  des  Geistes ,  hier  findet  göttliche  Kraft 
Stellen 

{0er  B€9ehlu/9  folgt) 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


IC.IA   HBiDBLa  JAHRB.  D.  UTERATUa  1881, 

• 


■  ,      '       ""       .  '  t=sssssas=ssssasssssssssssssssmsssa^ 

Fries,  Handbuch  der  praktiachenPhäosopIUe,  2rTlL 

■ 

Kap.  3.  Vom  Glauben  an  Gott.  Speculativ  ent- 
steht die  Idee  Gottes  durch  Negiiung  der  in  der  Kate- 
gorie der  Wechselwirkung  liegenden  Naturnothwendig^ 
keit  Die  Welt,  als  oichl  bestimmt  durch  wechselseitige 
Naturnoth wendigkeit,  ist  geschaffen,  also  bestimmt  durch 
Gott,  die  Ursache  der  Welt.  Diese  Hauptidee 
wird  dann  nach  den  Verneinungen  in  den  übrigen  Kate» 
goriea  näher  bestimmt;  quantitativ  als  das  einige,  ein- 
telne,  einfache  Wesen,  qualitativ  als  absolute  Realität^ 
nodalisch  als  nothwendigesDasejn.  Dieses  höchste  Ideal 
der  Vernunft  mufs  gegen  Einmischungen  und  Entstel- 
Inng-en  der  Wissenschaft  hauptsächlich  dadurch  gesicliert 
werden,  dafs  der  Theismus  gegen  alle  panthei- 
ftischeo  Ansichten  behauptet  werden,  d.h«  dafs  Gott 
alsU  rsach'e  der  Welt  (also  als  Wesen  über  derWelt)^ 
nicht  als  Substanz  der  Welt  (also  Wesen  iu  der  Welt) 
aofje^efafst  werde.  So  darf  Gott  der  Qualität  nach  nicht 
aJsAUheit  der  Dinge,  als  Inbegriff  aller  Realitäten,  soim- 
dern  als  unbeschränkte' Realität,  als  Negation  aller  Be- 
aeKrSnkurigett  der'  Realität  gedacht  werden*    Eben  s» 

mufs  die  Idee  Gottes  in  den  übrigen  Kategorieu  nicht 
durch  Ergänzung  oder  Vollendung,  sondern  durch  Ne«- 
gation  aller  Beschränkungen  des  Endlichen  gebildet  wer«* 
dttL  Für  den  Ausspruch  der  Idee  Gottes  ist  allerdings 
das  Bildliche  unvermeidlich,  aber  nur  ein  psychischer 
ünthropomorphismus  ist  zulässig,  durchaus  verwerflich 
siad  alle  mathematischen  Bestimmungen  aus  der  äufseren 
Natur.  Daher  warnt  der  Verf.  hauptsächlich  gegen  die 
Vevnischuttgen  der  Gotteslehre  mit  der  Naturlehre,  wie 
ik  in  der  naturphilosophischen  Mystik  Jaa  Böhmens 
und  Schellings  vorkommen.        Was  die  Beweise 

XXVL  Jahrg.  9.  Heft«  46 


üigiiized 


1 


m   Frl^,  Hanabiicli  tftr  piaktiicliea  I%iloio|fMe,  CtorTheil. 

für  das  Dasejii  Gottes  betrifft,  so  zeigt  der  Verf.  1)  rein 
logisch  <lie  Tlnmo^lK  Iikeit  derselben,  unci  2)  prüli  er 
die  gewühnliciiea  Beweise  metaphj^sisch ,  einestheils  ihre 
INichligkeil  als  Beweise,  anderoiheils  ihre  theil weise 
Wahrheil  als  Grdrtemngen  der  Idee  Gottes  auf weiseofl. — 
Für  den  speculativen  Ausspruch  der  Idee  Gottes  stellt 
iler  Verf.  zwei  Hauptgechiuken  auf.  Gott  ist  nämlich 
1)  Schöpfer  und  Erhalter  der  Welt,  2)  Herr  des  Schick^ 
sals  und  Lenker  der  Vorsehung,  Um  diese  V^orstelluogen 
voaNaturbegriffeii  freien  halten,  ist  1)  die  8ch«pfang 
nicht  als  ein  Act  in  der  Zeit  zu  denken,  sondern  als 
eui^e  Schöpfunjg;,  aufser  der  Zeit,  aber  auch  die  Welt 
darf  man  nicht  als  ewig  neben  Gott  denken,  und  Gott 
nur  als  ihren  Ordner,  sondern  die  Schöpfung  aus  Nichtö 
ist  hier  der  rein  ideale  Gedanke.  Bei  dieser  Gelegenheit 
erklirt  sich  der  Verf.  Ober  die  Wunder  dahin,  dafs  sie 
nur  dtchteriscli  gelten  können,  als  Ahndungen  des  Gött- 
lichen in  den  ürscbeinungen  der  Natur,  eigentlich  ^e- 
nörnmen  aber  etwas  ganz  Undenkbares  sind,  weil  ili^ 
Verounfl  gar  nicht  das  Vermiigen  hat,  etwas  in  der  Nator 
zu  beobachten,  was  doch  gegen  die  Naturgesetze  wSre, 
da  diese  Naturgesetze  die  (subjektiv)  noth wendigen 
Grundformen  unserer  Erkenntnifs ,  also  die  Bedingungen, 
unter  denen  Beobachtung  von  Naturerscheinungen  fi^r 
mdgUch  ist,  und  nicht  objektiv  gültige  Gesetae  des  We- 
sens der  Dinge.  2)  Die  richtige,  rein  ideale  Ansicht 
von  der  Idee  GoUes  zu  dem  Schicksale  ist  die, 
das  Schicksal  und  dessen  Nothvveodigkeit  die  subjektive 
(modaliache)  Nothwendigkeit  der  Naturgesetze  ist:  eben 
diese  aber  ist  für  die  Idee  zu  negireu ,  Gott-  also  steW 
dber  den»  Schicksal.  Dies  gilt  nicht  allein  gegen  des 
gemeinen  Fatalismus,  sondern  auch  gegen  unsere  neuel« 
Natur-  oder  Identitätsphilosophie,  die  Gott  einem 
heree  Gesetz  (Schicksal)  unterwirft  und  ihn  durch  d'^^^ 
Gesetz  zwingt,  sich  so  und  so  zu  offenbaren,  flieh  selbst 
lu  setzen  u.  a  w.  (so  euMeht  der  HegeTsche  Ctott  na^ 
den  Gesetzen  der  dialektischen  Bewegung  des  Dettksfli^ 


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Fbm,  ütfiidhiuih       innililiwlMii  Plilldto|plii»«  Ster  Theit  IM 

Die  Me«  GiHtes  «Is  Leakers  cl«tt  SchiokMii  mar«  0icli  kh 

sittliche  OrcJnang  aussprechen ,  deren  Ileri  Gott  ist;  aber 
auch  darin  ist  ein  nur  bihilicher  Aiilhropomorphismus^ 
der  voo  dem  Bilde  «ines  tneDSchlichen  SUates  berge- 
mMnmeQ  ist.  ^  Oamii  werden  wir  zu  der  praktischefe 
Bedeiitin]g  der  Idee  Gottes  hinübergeffalirt,  nseh  wel* 
eher  Gott  als  Gesetzgeber,  Beherrscher  und  Richter  im 
Reiche  der  Zwecke,  in  der  sittlichen  Ordnung  der  Dinge, 
III  deakea  ist.  Die  reiae  Grundidee  darin  ist  aber  die 
Idee  vom  hdohsten  Gate.  Hier  ist  das  subjektiv  be* 
ftiftunle  höchste  Gut ,  diis  Sittliche^  die  Tugend,  strenger 
zu  unt€!  scheiden ,  als  es  gewöhnlich  geschehen  ist  von 
objektiv,  d.  1.  religiös,  nach  dem  Zweck  der  Welt  be^ 
Mimmten.  Femer  sind  aus  dieser  Idee  des  höchsten 
Gutes  als  Zweck  der  Welt  alle  sinnlichen  Elemente  von  « 
GIlKckseligkeit  ganz  zu  entfernen,  und  namentlich  auch 
die  Kantische  Ansicht  von  der  Vertheilurig  der  Gliick- 
selig^keit  nach  Würdigkeit.  Objektiv  läfst  sich  der  Zweck  ^ 
der  Welt  nicht  wissenschaftlich  erkennen,  soiiderii  es 
,  Uftt  sich  nur  im  Glauben  rein  ideal  anerkennen,  dalb  ^ 
Welt,  ihrem  Seyn  au  sich  nach,  der  Idee  des  höch- 
rteö  Gutes  entspreche  • —  und  darin  liegt  die  höchste 
religiöse  Idee,  die  Idee  von  der  besten  Welt  oder 
<tsr  Optimismus,  unte^  dieser  Idee  aber  giebt  es  nur 
dtts  isthtftische  Unterordnung,  nur  in  der  Ahndung  läßt 
ti^  in  den  Erscheinungen  der  Natur  und  des  Meiischen- 
tebens  die  absolute  Zweckmäfsigkeit  wieder  finden.  So 
bleibt  als  höchstes  Geheimnifs  in  den  Ideen  der  Welt- 
tegierung  die  Zulassung  des  Bösen  im  Verhältiuls 
«r  Idee  von  der  besten  Welt  stehen ,  das  durch  keine 
fheodicee  gelöst  werden  kann;  und  als  derächt  reli- 
giöse Glaube  an  die  Vorsehung  gilt  die  reine  Entsag-ung  ' 
ftof  alles  irdische  Glück  bei  voller  Hingebung  an  die  , 
ViMteherrschende  ewige  Liebe.  Diesen  Gedanken  spricht 
Aa  folgende  Stelle  sehr  schön  aus,  die  den  Schlufs  der 
Glaubenslehre  ausnuicht  (S.155.)  :  „Wir  glauben  an  Vor- 
sehung und  allgütige  göttliche  Weitregieruog ,  deren 
^iger^  Liebe  wir  uns  treu  tlnd  demöthig  unterwerfen. ' 


üigitizeci  by  LjüO^Ic 


m   Frifli,  Handbiivh  ileT  prafciit«li«ii  PhilMphfe,  SterTbeil. 

Aber  wir  suchen  die  Hdlfe  dieser  Idee  nicht  in  dieser 

Zeitliclikeit  hoffend  oder  gai  (lurch  Gebete  schmeichelnd, 
sonciem  im  Glauben  an  ewig-e  Wahrheit  und  ewige  Selbst- 
ständigkeit des  Geistes,  liraft  deren  uns  die  ewige  Güte 
Rechtfertigung  und  Heiligupg  mdgUch  halten  wird.  AIIm 
kommt  uns  hier  darauf  an ,  gegen  Opferdienste  und  Eak- 
sündigungsgeb rauche  nur  den  Gedanken  an  die  ewigfe 
Wahrheit  festzuhalten.  Dieser  Glaube  soll  das  Vertrauen 
auf  die  ewige  Liebe  sej^n,  welches  dem  Menschen  in 
Gottergebenlieit  und  Andacht  leb^t.  Nicht  Vertröstungen 
Uttf  GIQck  und  Erdenfreuden  sollen  wir  lehren,  sondern 
den  einzig  reinen  Gottesgedanken  der  Erhebung  d« 
Geistes  über  alle  Wechsel  von  Freude  und  Leid.  Nur 
dieser  Glaube  tröstet  in  der  Zerstörung  alles  Erdenglilcks, 
nur  dieser  Glaube  hat  den  Tod  fiberwunden*"* 

Zweites  Buch.  Sqhönheitslebre.  Um  diese 
Anzeige  nicht  zu  sehr  ^auszudehnen,  sey  von  der  Sclida- 
heitslehre  nur  das  etwas  genauer  betrachtet ,  was  ssr 
näheren  Erörterung  des  Verhältnisses  der  Aesthetik  W 
der  Religionsphiiosophie  dient.  Dafür  kommt  es  zunächst 
auf  den  Lnterschied  zwischen  logischen  und  ästhe- 
tischen Ideen  an.  Bestimmte Erkenntnifs mufs Verei- 
nigung  Ton  Begriff  und  Anschauung  sejn:  Idee  ist  die 
Vorstellung  dessen,  was  über  die  Grenzen  dieser  be- 
stimmten Erkenntnifs  hinaus  liegt.  Logische  Ideeo 
nun  sind  Begriffe,  die  über  eine  mögliche  bestimmte 
Anschauung  hinansreichen,  wo  also  dem  Begriff  der  Fall 
der  Anwendung  in  der  Anschauung  fehlt,  ästhetische 
Ideen  sind  Anschauungen,  die  über  bestimmte  Begrifle 
hinausreichen,  wo  also  der  Fall  der  Anwendung  gegeben 
ist  ohne  den  bestimmten  Begriff,  worunter  er  gehört. 
Die  logischen  Ideen  gehören  <lem  Glauben,  der  Ghli- 
benslehre,  die  ästhetischen  Ideen  der  Ahndung  ^ 
Aesthetik.  Zur  Schllnheit  aber  kommt  es  auf  zweierlei 
an:  1)  auf  die  ästhetische  Idee  selbst,  2)  auf  die  Form 
derselben,  wodurch  sie  schön  oder  erliabeu  wird  An 
der  Form  der  ästhetischen  Ideen  ist  ferner,  wie  an  den 


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1 


Friet,  Huulbacb  der  pmluiidieii  FhiliMophie,  Ster  TheiL  W 

logischen  Ideen,  die  spekulative  und  die  'prak- 
tische oder  teleologische  Form  zu  untt  rscln  ideii. 
Diesperulative  ist  die  der  mathemati  scheu  Schön- 
heit, in  welcher  Gestalt  und  Spiel  die  beiden  Formea 
der  Schönheit  machen ,  welche  in  der  Einheit  in  der 
Amchauang,  ohne  beetimmlen  Begriff  der  Einheit,  be- 
steht, und  in  der  äufsei  (  n  \atur  ihre  Gegenstände  findet; 
die  teleologische  Schönheit  ist  die  Zweckmäfsigkeit  in  der 
Aoschauuog  ohne  bestimmten  Begriff  von  dem  Zweck, 
velche  ihre  Gegenatände  hauptsächlich  in  dem  geistigen 
Leben  und  dessen  Analogie  in  dem  Ausdruck  des  Lebens 
üüd  Organisiiius  in  der  Natur  findet.  Die  mathematische 
Schönheit  gehört  dem  Geschniack,  ihm  gefallt  das 
Bbenmafs  in  belebter  Gestalt  und  belebtem  Rhythmus, 
die  teleologische  Schönheit  gehört  dem  flathetischen 
QefihI,  ihm  g^llt  das  Lebendige  för  sich  und  be* 
sonders  das  Ideal  geistiger  Schönheit.  Vorzüglich  diese 
letztere  ist  es,  die  zu  der  Verbindung  der  Aestbetik  mit 
der  Reiigtonsphilosophie  fuhrt,  indem  sie  die  religiösen 
Zwecke  der  Welt,  die  als  logische  Ideen  im  GliToben 
ausgesprochen  waren,  in  der  Anschauung  nach  ästheti* 
sehen  Ideen  anerkennt,  oder,  indem  umgekehrt  in  der 
ästhetischen  Anerkennvng  der  Zweckmäfsigkeit  der  Er- 
scheinung^en  die  religiösen  Zweokideen  lebendig  werden. 
Mier  aiud  die  religiösen  Gef&hlsstimmongen  auch  zu- 
gleich die  Grandformen  der  ästhetivscheii  Ideen.  Der 
Gefuh Isstimm ung  der  Beg'eisterung  gehören  die  epi- 
schen Ideen,  der  Resignation  die  dramatischen 
Uean,  der  Andacht  die  lyrischen  Ideea  —  Dies 
-TethSltnirs  tritt  noch  klarer  hervor  durch  die  kritisch- 
anthropologische  Deductiüü  der  Schönheit,  die  der  Verf. 
§.  46.  liefert.  Das  Reich  des  Geschmacks  g^cliört  dem 
GaotemplatiTcn  Leben  des  Geistes,  dem  Herzen  oder 
Qemftth »  d.  h.  dem  Vermögen  der  Gefühle  von  Last 
Ittd  Unlust,  der  Welt  der  WQnsche  und  Hoffnungen, 
im  Unterschied  von  tiem  Gebiete  der  Thal  In  dem 
Herzen  liegen  als  ursprüngliche  Arten  iles  Wohlgefallens, 
die  des  Angenehmen,  des  Schönen.,  des  Guten  und  der 


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126   FrlM,  Uaiidiittoh  4er  prakiMcheo  Philotoiihi«,  2ter  Thoil. 

relative  Werthbegriflf  der  VolikommeDheil.  Mil  alles 
diesen  Arten  des  Wohlgefalleos  kann  sich  das  fisthelisehe 

Wohlgefallen  verbinden ,  in  sofern  die  icin  contenoplative 
Seite  derselben  für  sich,  ohne  Beziehung  auf  die  That, 
festgehalten  wird.    Es  erhält  seine  niedrigste  Sphäre  io 
der  sianliohen  Anregung  zu  VergnQgen  und  Sohmert; 
darüber  erhebt  die  Phantasie  die  Unterbaltong ,  das 
Wohlgefallen  an  dein  inneren  Spiel  geistiger  Thätig- 
keiten  untereinander;  aus  den  höheren  Werthurtheileo 
entwickeln  sich,  nächst  den  Spielen  des  Scherzes,  die 
Hersllchkeit  der  Liebe  und  enhöchst  der  Ernst  dcs  Glau- 
bens.    Diese  drei  beleben  aHe  Dichtung ,  sie  bilden  deo 
Stoff  für  die  ästhetische  Weltansicht.    Aber  die  Erhe- 
.bung  des  reinen  Wohlgefallens  an  dem  in  sich  SchÖneo 
über  den  niederen  Sinnengesehmack  ist  die  Aufgabe  der 
Ssthetischen  Kritik.    Indem  aich  mit  den  Interessen  der 
Phantasie  an  blofser  Unterhaltung  die  der  Zufriedenkeit 
verbinden,  nnd  diese  ihr  höchstes  Ideal  in  der  Selbst- 
zufriedenheit,  in  der  Zufriedenheit  unter  den  Ideen  des 
Wdtsweoks  finden,  erhält  die  ästhetisohe  Weltansioht 
ihren  Ernst  und  ihre  Vereinigung  mil  dem  religiten 
Gefühl.    Nach  ästhetischen  Ideen  sprechen  sich  die  reli- 
giösen Ideen  von  dem  Well/ weck  in  geheiligten  Sym- 
bolen aus,  die  für  den  Gebildeten  auch  nur  als  Symbole 
gelten,  fftr  den  Ungebildeten  leieht  als  ewiges  Sayn 
'  selbst  gelten  und  so  zu  Aberglauben  werden.  Daaait 
ist  endlich  die  hohe  Bedeutung  der  Schönheit  für  das 
öffentliche  Volksleben  klar:  sie  liegt  darin,   dafs  die 
religiöse  Stimmung  sich  in  der  ästhetischen  Weltansicht 
abspiegelt  und  in  ihr  lebendig  wird*  „Wir  finden  daher,*" 
keifst  es  8. „unter  den  drei  Elementen  dar  Religion 
die  Glaubt nsfehre  mehr  als  Angelegenheit  der  Erkennt- 
nifs,  die  Herzensreligion  der  Frömmigkeit  als  eine  Sache 
der  sittlichen  Ausbilduug,  die  Symbolik  des  Cultus  aber 
bleibt  die   eigenthiuiUche   poaitiTe  Reli- 
gionsangelegenheit und  das  Widitigste  in  der 
ästhetischen  Ausbildung  des  V^ölkerlebens.    In  unserer 
europäischen  Vöikerausbildung  ist  freilieli  die  ästhetische 


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Fric«,  UwidbiiGli  der  praltlltcbeii  Pbilotopbie,  2tor  Tbtil.  737 

i 

Ausbildung  des  däeailicheii  Lebens  von  der  Gewecbs* 
bildnng   ungemein  surflckgedrängt   (Slrafsenbaa  und 

Dampfmaschinen  können  wir  erfinden,  Kirchen  nur  erben 
und  imchahmen),  da!)ei  die  Geschmacksbildung  im  reli- 
giösen Leben  von  dem  verständigen  Interesse  der  Fort- 
bildung cier  Glaubenslehre  ttberwälligl  und  fUr  die  geniale  . 
Brfinfluog  meist  nur  untergeordnetes  Spiel  im  Dienst 
der  Laune  und  IVIocIe  geblieben  :  aber  die  Gescliichte 
der  Völker  zeigt  iilx  ia!!,  dafs  der  Genius  seine  grofsen 
Gestaltungen  nur  im  öiieotiichen  Dienste  des  Volks- 
lebens zu  schaffen  veripöge,,  dafs  jede  würdige  Ausbil- 
dung der  schönen  Kunst  nur  im  Dienste  der  Religioa 
gelungen  sej." 

Die  Scböoheitalehre  aerftilt  in  swel  Ahtheiloogen : , 

Analytik  des  Schönen  und  Erhabenen,  und 
von  der  schönen  Kunst.  Die  Iste  Abth.  handelt 
von  den  drei  ästhetischen  Ideen  besonders.  Kap.  1.  Die 
epischen  ftsthetischen  Ideen  begreifen  die  Schön- 
heit in  engerer  Berieotuug^  d.  i.  die  Anerkennung  der 
ewigen  Zweckmäfsigkeit  in  den  Erscheinungen,  unter 
der  Idee  der  Begeisterung  in  sich.  Dafür  betrachtet 
der  Verf.  näher  die  Verhältnisse  von :  Schönheit  und 
ADQebiaUchhei4)  Schönheit  und  Vollkommenheit  (SchÖU'« 
heh  Md  Brauchbarkeit,  Schönheit  und  das  an  sich  Gute, 
Miönheit  und  Regeimifiilgkeit,  Schönheit  und  Leben, 
Schönheit  der  Seele).  —  Kap.  2.  Die  dramatischen 
ästhetischen  Ideen  erhalten  ihre  Form  in  dem  Wi- 
jiersprucb  der  Erscheinungen  gegen  die  Ideen  der  ewigen 
Kveckmiifsigkeit ,  also  in  dem  Zweckwidrigen,  unter 
religiöser  Idee  der  Resignation.  Sie  begreifen  das 
Komische,  Elegische  und  Tragische  in  sich.  —  Kap.  3. 
Die  lyrischen  Ideen  vom  Erhabenen  sind  dieje- 
nigen, in  welchen  die  Ideen  der  ewigen  Wahrheit  un- 
*iittelbar  vergegenwärtigt  werden,  unter  der  Idee  der 
Aadac  h  t,  und  zwar  durch  die  Anschauung  des  Grofsen 
•b  Symbol  des  Absoluten.  —  Kap.  4.  \^on  dem  Ganzen 
^f,  ästhetischen  Weltansicht  unter  den  religiösen  Ge- 


* 

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728   FriM,  Uaodbach  dm  pwklische«  PbilMophie,  Xler  Xlieil» 

miitbssiiminuagen.  —  Die  zweite  Abtheilung,  voo  der 

schönen  Kunst,  bestimmt  zuerst  Kap.  1.  den  Begriff 
der  Kunstschönheit  im  Unterschied  von  der  Natur- 
schönheit, Kap.  2.  entwickelt  die  Arten  der  schönen 
Künste,  nämlich  der  Bildungsküuste,  und  der  Kfinste 
des  Genie*s,  Kap.  8.  handelt  von  den  Aufgaben  ao  die 
Künste  des  Geniels,  und  zwar  im  Besondern  die  Dicht- 
kunst, Tonkunst,  die  Schauspielkünste  und  die  bildendea 
Künste  (Gartenkunst  und  Baukunst ,  Plastik  oder  Bild- 
haaerei  und  Malerei).^ 

Das  dritte  Buch  handelt  von  den  positiven 
Religionen.  Sehr  gern  möchten  wir  auch  den  Inhalt 
dieses,  an  eigenthümlichen.  und  höchst  wichtigen  Ao^ 
richten  reichhaltigen  Abschnittes  näher  angeben,  aber 
die  unserer  herr^^c  henden  Denkart  zu  ungewohnte  und 
zum  Theii  ganz  neue  Beurtheiluugsweise  des  Verfs.  in 
diesen  Angelegenheiten  würde  uns  doch  zu  ausfllihrlir 
cfaeren  Erörterungen  nöthigen  ,  als  der  Ranm  hier  ga^ 
stattet.  Wir  verweisen  daher  nur  im  Allgemeinen  vof> 
zuglich  Theologen  auf  diesen  Tlieil  des  Werkes,  worin 
der  Verf.  einen  reichen  Stoff  zu  neuem  Nachdenken 
und  weiteren  Untersuchungen  fiber  die  grofseo  Fragea 
unserer  Zeil,  über  VernuiiS'l  und  Offenbarung,  positifS 
Religion,  historische  Grundlage  der  Theologie,  Mystik^ 
Cultus,  und  über  das  Verbältnifs  der  Kirche  zum  Staut 
*  niedergelegt  hat. 

•  '   •  '    -  .  if 

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«  ■ 


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KURZE  ANZEIGEN. 

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Jd  mimoriam  eeebiiae  ehrUHana«  imtoumtM:  inUrpnii9  Chri$t» 
Fr*  illgBn^  ord,  tk0oL  A.  I.  dwano.  —  Inetf  ^oiifl  Palearil 
de  eofiefUo  »ntvertall  et  II6ero  epi^tola  tmendatiu» 
edita  atque  prütfaiione  adnotaiionihuBqu4  illu§trttja* 
U  S.  4i  (LetpBig,  21.  Oet.  188S.) 

Das  Andenken  an  dca  Yortreff liehen  philosophischen  Humanisten, 

Palearius,  welcher  1570.  ein  Opfer  de«  vormallg-en  Dominikaner- 
In(juisitor«  ,  P.  Pius  V.,  geworden  ist,  und  über  welchen  »chon  Baj^le 
int  Dictionulrc  einen  inte  ressanten,  nur  in  den  Jahrzahlen  ni(  ht  gans 
riduiiren,  Artikel  gegeben  hat,  wird  von  Zeit  Zeit  mit  Kecht  er- 
neuert. 1804.  und  1805.  gab  der  ttclHianige  theologische  Hiinianist, 
Dr.  Gurlitt  im  4.  Bd.  des  Bio  r  ap  h  en ,  und  alsdann  in  einem  bc- 
sondern  Programm  seine  über  jenen  Märtyrer  der  Wahrheit  gpsam- 
melte  Nachrichten.  Auch  das  1.  Heft  der  (h  ider,  nicht  fortgesi  tzttn) 
Zeifsrhrift  für  gebildete  evangcltsrhe  Christen  von  Dr.  G  i  e  h  c  U- r 
u.  Aod.  gab  1823.  l^rinnerungen  an  den  edeln  Aonius,  welche 
haoptsächiich  aus  der  in  der  schönen  Amsterdamer  Aungnlic  Heiner 
^Opcra  ad  illam  editioncm,  quam  ipse  autor  *)  recensuerat  et  auxeiat^ 
eicuHa,  nnnc  novis  accessionibus  locupletata,"  (ap.  Henr.  Wettstenium 
iG9(i.  8.)  Torangesetzten  —  latein.  Biographie  genommen  ist.  Diese 
selbst  ist  RO  trcfTlich  geschrieben  und  in  gedrängter  Kürze  so  viel 
sagend,  dafa  sie  (etwa  mit  untergesetzten  £rläuterangcn  und  Be- 
legen aas  den  Werken  des  F.  seihst)  liesl>oders  abgedruckt  zu  werden 
Terdiente. 

Bei  der  Inquisition  zu  Rom  bestund  eine  Hauptanklage  gegen  P. 
ia  dem  Vorwurf  der  ihn  damals  verfolgenden  Franziskaner,  dafs  er 
ciHR  Germanis i  und  zwar  namentlich  mit  Oecolampadius,  Roterodamua, 
Melanchthon,  Luther,  Poraeranus,  Hurer  u.  A.,  qui  in  suspicioncm 
▼tM!ati  sint ,  gleich  denke.  In  seiner  Selbstvertheidigungs  -  Rede  an 
<<pn  Senat  zu  Siena  (Opp.  p.  83.)  hatte. F.  darnuf  die  sehr  freimüthige 
Antwort  rregeben :  Ego  vero  ex  theologis  nostris  tum  stupidum  arhitror  , 
e«ae  neminem,  qui  non  intelligat  et  fatcatur,  permulta  esse  in  his, 
ysoc  nh  Ulis  scripta  sunt,  digna  prorsus  omni  laude.  Sunt  enim  gra- 
viter,  accurate  et  sincere  scripta;  repetita  Tel  ex  patribna  Ulis  primi«. 


*)  Ist  diese  aus  der  litterar.  Welt  ganz  verschwunden?  Ich  be- 
sitze einn  Auseabe  Basileae  ap.  Jo.  Oporimim.  017  S.  in  8.  ohne 
.Tahrzahl  und  Vorred« »  die  anf  italieaieehem  Pafier  gedraekl 
«cbeiat.  P« 


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130      EpittoUun  AonU  FalearU  emend.  ed.  Or.  lUgoD,  Lipt. 


qui  praccepta  nobis  snliitaria  reliquerunt,  \*s\  ex  iiomiuentationibui 
Graecoriim  et  NoHtroniiu  hoininiira,  qui,  ctai  cum  columinibus  illis 
conTcrendi  nou  sunt,  (in)  inlcrprotatione  tanicn  nun  ncgiigendi  vi* 
dentur.  In  his,  quae  sunt  ex  coniuientationibus  sumia,  qui  (jcrmano» 
accusant,  Origenem,  Clirjsostomuni ,  Cyrilluui,  Irenaciiiu,  ililnrium, 
Augusttnum,  Hieronymuin  accusant.  Quos  si  ego  luihi  ad  imitandum 
|iro|)OSui ,  quid  obtundis?  quid  garrin,  quod  „cuin  Gcruianis  sen- 
tiain?"  So  Falearius  mitten  iii  Italien,  ungefähr  ums  Jahr  1540. 
(Denn,  leider«  Ut  keiner  seiner  Reden  oder  i:^|ii8leia  eine  Jahrsahi 
beigesetzt). 

Kincn  näheren  Beweis,  wie  herzlich  und  verständig  F.  mit  den 
genunnlin  D^iutschen  oder  vielmelir  mit  deuj  Kriist  für  das  Kirchen- 
▼erbesserungs- Uedürfnifs  übereinütiinmte ,  kannte  man  durch  Schell- 
horns  Amoenitates  historiae  ecrlesiasticBc.  T.l.  p.  425  —  462.  (lT87.)i 
wo  ein,  aber  ohne  des  Verfs.  Namen,  in  mehreren  Abschriften  an 
die  obgenannten  Männer,  auch  an  Calviuus  und  die  Schweizer 
überhaupt  gerichteter  Brief  mitgetheilt  und  cominentirt  ^vorden  iit 
Eben  diese  für  die  beiderseitigen  Reformatoren  ehrenvolle  fipistoli 
giebt  nun  der  —  um  die  theologische  Literatur  durch  mehrere  der- 
gleichen ausgesuchte  Erneuerungen  des  Alterthümlichen  (namentlich 
über  Soein)  und  durch  Leitung  einer  fruehtreichen  kirchenhistori' 
sehen  Gesellschaft  zu  Leipzig  und  deren  Zeitschrift  für  die  historische 
Theologie  —  sehr  verdiente  Verf.  des  hier  anzuzeigenden  Programtni 
deswegen  aufs  Neue,  weil  Er  aus  der  Wolfenbüttler  Bibliothek  durch 
den  thäti^^^en  Bibliothekar,  Sehönemann ,  eine  berichtigende  Abschrift 
von  dcrsehien  erhalten  hat.  Ein  eigenes  Verdienst  dabei  ist  die  voa  I> 
vorangestellte  historisch  beleuchtende  Einleitung  zu  der  für  die  Ge- 
schichte des  TridcntiNchen  Conciliums  zunächst  merkwürdigen 
(p.  Ii.  gewifs  mit  Rechi)  in^s  Jahr  1545.  geset'i&ten  Epittola.  Da» 
kommen  einige  von  dem  neuen  Editor  sehr  glücklich  gemacbtA  Wi<>* 
derheritellungen  der  richtigen  Lesart  in  dem  Briefe  selbst. 

Beiläufig  erlaube  ich  mir  noch  etliche  Vermuthungen  suff  Be- 
richtigung dieses  Textes  vorzuschlagen;  p.  13.  lin.  14.  „hthuie'*  •ti^t 
„isthue;"  lia.  19.  „ episcopatum oder  vielmehr  „ episcopium^^  itstt 
„cpiscopura;"  p.  14.  lin.  1.  „f  ae"  statt  „vel;''  p.  16.  lin.  8.  „ad  ur- 
Vitium"  statt  „ad  saevitiem;'^  p.  17.  lin.  23.  „Pontificis''  statt  ,fP«"- 
tificiae;"  p.  18.  lin.  24.  „in  loco  ad  id  ageadum  parato"  statt  1* 
quid  ag.  p. lin.  27.  „scriptas.  Priino  loco"  st.  „scriptas:  prioia  Im^ 
p.  19.  lin.  22.  ^^extiturum"  statt  „eoram;"  p.  20.  lio.  4.  aMcoutvarM'^ 
alatt  „assecutos;"  lin.  2&  „in  quibus  nunc"  statt  „in  quibiis  aoi|*" 

Der  Brief  ist  aus  Rom  selbst  und  schildert  aus  naber  lebhafter 
Beobachtung,  wie  sehr  Pabst  Paul  III.  daran  gedacht  habe,  dafi 
io  hoc  Concilio  de  majestate  ecclesiac  romanac  dequc  fortunis  omoiai^ 
jgpisGoporum  et  summorum  pontißcaoi  agatur.  Daraas  folgert  P  * 
dafa  also  freilicb  das  judicium  nicht  cupiditati  epiacopony»,  ipM^fljf^ 


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Uttum  quMam  torfui  conllcHint,  euja»  «spat  pwitlfoK  ffwimmiM, 
ilierlasseii  werden  sollte,  weil  diese  raembra  onnia  üspfCt  aaaeia 
«Ique  alligata  inservitint,  qnod  ejtta  «fta  •enliaal  m  ffmoque  percom- 
mode  viverßf  P.  macht  bierauf,  eigene,  wegea  dier  Laaheit  aller 
Mten  für  moralisclien  Ernst  und  ^üadliche  Verbesserungen  ^  leidar 
«nausfilhrbar  |*ebliebene  Vorevhlfige  t  wie  die  damaligen  Regentaa 
darcb  eine  Auswahl  der  railkhaten  Btichüfe,  alt  St^hiedsricbter, 
vesendieho  KlrchenverbMteraagaa  betbeiaafälirea «  Ffltebt,  Rächt 
aad  Maclift  gehabt  hittaa. 

Fftr  naa  Ist  die  merlcwtrdigata  Stelle  (p.  20.)  die  so  christ- 
liche und  verständige  Ermahaang  gegen  die  damalige,  In  Wahrheit, 
höchst  klägliche  Melaanga -Feiadachaften  xwiechea  dea  deatechea 
a«d  Sehwataer- Reformatoren  telbat»  aralche  grolbaathells  nur  ein 
tranacendent  melaphyaiaches  oder  superaataralistischaes  Kvt  in  den 
Graadtett,  wa  en  nicht  iat«  hineinfwpagaa  und  dann  wi&dur  nach 
doi  TerachUdaaateo  Deutungen  in  ihr  Tameintltch  christliches  Be« 
VffiliejB  haraaaholten.  Der  bedaehtvama  und  philologisch  aii%e- 
Härtere  Italiaaav  atallt  Ihaea  dagegaa  hMst  eindringlich  vars  Omaia 
Um  baaa»  fratraa«  imo  vero  necessaria  reip  christianae  rtm  ataeaa- 
taros  ▼idea«  li  ^aa«  MnMUm  habatia»  chriatiaaa  pietata  dapaaatia. 
idfertar  enlm  ad  aoa,  «eo  ab^ro,  a«a  vario  eavnaaa«  laagaaa  «an-  ** 
iMtiaaea  tfieaanalaneaiaa  eaie  later  vo« ,  ^uibaa  diacrepanlaa  aaa  ia  ^ 
Qiaai  acntantiaiii  aed  aa  Ia  eaadem  [^aldew}  lacnai  pafaitia  caavenira. 
Hfoil  fraina»  data  hoe  dirlata  »aatra  aaltem  pro  tempore,  ai  uaA 
cencarratort  ae  impetam  aaatlnere  poialat  adveraarU.  8t  tat  tantoa- 
qae  abaaaa  raiaaaae  Balgrlaalaa  aa4  rejeciatii,  ai  pra  apaatoMcIa  ia* 
üitatta  aerYaadla  defeadendo4|ae  cTangelia  aaa  meaa  aat  Idemqaa 
Miail  YeatrI  aeaaaa,  quid  aaan  aat  ad  aammaai  allamai  eaiwe  voa 
taatopera  dtatrahit  aa  dlajangit?  .  .  .  CoUlgite  Toa  per  Jcsum  Chrt*  ^ 
atam  ....  Defeadeada  anat  malta  lata,  qaae  aaperioribus  aaaia 
folcbra  illaatraatla  .  • . .  Si  qaa  ralerpref ationlt  varieiat  In  aliqaa  e«t 
«aplle  acriptoram  diTlaorani ,  ae  confodate  Toa.  Uaaaqaiaqae  ia  aao 
ieaaa  abnadet «...  Defaadite,  taeamlal  aa,  de  qaibaa  aoa  arraatem 
H  ragam ,  aed  atabUent  certamqae  aeatentlam  habetia.  Qaoa  aatmaa 
ipitatta  aamtaroa  eaae  eoa  hamlaeai  qqoa  ia  Italia,  GallUe  at^ae  Illap%* 
aijaacriptia  veatria  e](cilaatia,  al  aadieriat  OerqiaBoa  aan  mada  aaa 
«ae  diaaipatae  (^aod  primo  qaoqae  verbo  abjlciqat  adveraarli,  qao- 
vtlA  fiaoB  alt  diaienaiaala''  Deaa)  aed  Iii  Britaaaaa  atqae  Helvetioa 
«ae  eoi^ttactoa.  —  —  Deauoch  aber;  wer  blieb  aavarhatierlleb  1  IMa 
loraieiotliche  Orthodoxie  oder  daa  RechthabeawaUf  a  aber  Geheiai- 
inaatalatA;  wal^he  die  Bibel  nicht  offenbar  gemacht  hat,  warle  aber 
He  Thaalagea  dia  eigentlichea  Offeabarer  werdea  ta  hdaaan  alch  ao 
hnge  beredeten,  bla  aadUch  dar  gerade  Wenaaheaveralaad  darin  alcht 
Hagar  ala  Ualanahladerailib  finden  an  mfiaaaa,  «n  naaerer  Seit  abar- 
^^nd  elnaah. 


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732      Spitiolaiii  Aonii  PalearU  eueiid.  ed.  Or.  lUgea,  Li|>t. 

Merkwürdig  ist  es,  dala  P.  in  eben  (liescm  Brief  p.  IS.jvon  sich 
selber  schreibt,  als  ,,nobis^  qui  pro  thristo  cmori  possumus."  Die» 
war  bekanntlich  das  ünde  seiner  Lmifbahn  ;  das  schauerliche  Ende 
£ine8  von  Denen,  „deren  die  Welt  nidit  wcrth  war."    Ilebr.  11,  38. 

Unbekannter  scheinen  die  briditi  I?  riefe  zu  seyn ,  welche 
der  edle  Märtyrer,  mit  grofscr  Modcmtion  ,  aus  dem  Gefängnifs  an 
seine  (zweite)  Gattin  und  2  Söhne  gcerb rieben  hat.  Ich  gebe  des- 
wegen hier  diu  nicht  nnmerkwurdige  Notiz  davon,  welche  zugleich 
1570.  (statt  1569.)  als  sein  TodesjRbr  bekannt  macht,  aber  in  Deutsch- 
land, soviel  ich  sehen  kann,  nicht  in  Uralauf  gekttüUllQO  ittf  Mi 
Novelle  LeUerarie  delP  Amio  1745.  p.  328.  322».  230.  . 

Roma. 

Artieolo,  e  nemoria,  oopfata  dhi  «n  Ubre  di  San  GioTanni  d«*Fi6> 
ventioi  di  Roms. 

Laned\  a  d\  8.  Lnglto  1970«  «taeiido  atatii  cManftta  la  nostrt 
Compagnia  Domenica  nette  venendo  il  Laaadl  giorno  S.  dt  LagU« 
1570.  in  Tordinona,  ne  fa  dato  nelle  mani  coadeanato  a  marte  per 
via  di  giostizia  dalli  rainistri  della  aacra  lofaisbione  BieMor  Aonit 
Palea  rio  da  Verali»  abitante  in  f^oUe  dl  Vatdensa,  qaale  confesio 
o  cofltrito  domando  perdone  a  Oio,  ed  alla  atia  glariiMa  «andre  Ver- 
gine  Maria,  e  a  totla  la  Corte  del  Cielo,  e  diwe  Tolor  morite  dt 
buoD  Cristiano,  e  eredere  tntto  <|Qello,  ehe  crede  la  S.  Romana  Chieii. 
Noo  fece  testaraento  alcnno,  ae  non  che  ci  dette  le  dae  aotto  seritle 
icttere  scritte  di  sua  mano,  pregaadoeMe  mandaoeimo  alla  mogUe  e 
figlittoü  Booi  a  cdlle  di  Yaldenaa. 

Gopie  delle  Lettere  de  verbo  äd  Terbam. 

Consorte  mia  carissima. 
««Noa  voKrel  che  tu  pigliasse  dispiacere  del  mio  plaoere,  e  a  niali 
il  mio  bene.  i  wmuta  V  ora  che  io  pusui  da  gueste  vita  al  mio  Si^nore 
9  Padr9  9  Dia,  Io  vi  vo  tanto  allegramente ,  quanto  alle  nozze  tiel 
Figliulo  del  gran  Re  del  che  ho  sempre  pregüto  il  mio  Signore,  che 
per  ena  bonth  e  liberalitä  infinita  mi  conceda.  Siecht  la  miii  Con- 
•orte  dileltioelma,  confortatcci  dclla  volontä  di  Die,  e  del  mio  conr 
tealo,  ed  atteodete  alla  famigliuola  Sbigottita,  che  restcrä,  di  alle- 
,  varla  e  cueiodirla  col  timore  di  Dio,  cd  easerli  luadre  e  padrc.  I» 
era  gi4  di  iestaoraont  vecchio,  e  diKutile.  Bisogna  che  i  figli  cob 
la  Tirifc  e  col.endore  si  forniscano,  a  vivere  onoratamente.  Dio  l'adre, 
ed  II  Signore  nostro  Gesü  Cristo,  e  la  comunione  delio  spirito  banio» 
•la  eon  lo  spirito  Yostro. 

„Roma  11  d)  8.  dl  Lnglio  1520. 

Ttto  marito 
Aonio  Palearl." 

"  Sicque  Taltra  lettera  de  verbo  ad  vcrbum. 

„Lampridio,  e  Fcdnt,  ligliuoli  dikttissiriii ,   f]uesti  miei  signori 
curtcsissimi  insino  all'  ultiiiio  nou  uaacaao  con  esio  me  della  loto 


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EpittiilaiB  AonH  PftleitU  «mead»  ed.  Br.  nigoii»  Lipa.  M 

eartttte,  •  ml  pevmdttmo  che  io  vi  «criTa.  Pieee  a  Die  dl  ehie- 
narmi  *  te  per  qiietto  meno,  che  voi  ialendetete,  che  vi  pernk 
«pro  cd  anftvo ;  che  ee  tl  eemidenite  bene ,  essendo  eon  mia  aommtt 
cmlaiiveM  €  piaten,  per  confomarTi  alla  volontä  di  IHe,  vi  avete 
•■che  rei  a  coatentare.  La  Tirta  e  diligensa  Ti  laacio  per  patrlmonia 
eoB  qaeller  poche  ftwolth,  che  avete.  Noo  vi  laacto  debito«  inelti 
diiedeae  alle  velte ,  e  devono  dare.  Voi  Biete  emanclpatl  pift  di  dfci- 
dt»  aaaÜa»  aea  dete  tennti  a*iiiioi  debitl.  Itnaado  Ti  foaeere  chieeti 
rieorrete  a  Sna  Exceilenza  il  Sigaor  Daca,  che  neu  tI  laieerh  ihr 
tofto.  CThledl  a  Laca  Pridio  il  conto  dcl  dare  e  aTcre*  Gl  sono  la 
lele  dt  ▼oeCra  andre,  e  di  allevare  la  Toatra  terelitna,  come  Bio  tI 
hnk  la  graiia  aoa«  Salutate  Aspasia,  e  cor  Aoallla,  mle  figlmele 
lilettiMiaie  ael  Signore.  if^ero  wtia  H  oeeielaa.  Le  tpirlto  di  DIo  tt 
CMMOll  e  coneerri  nella  sua  grasia. 
nlN  Roma  il  di     Loglio.  IMG. 

Voatro  Padre 
Aoaio  Fakari.** 

SopraaerUta. 

,,A\\a  sua  cariftsima  Consorte  Mariette  Paleari  e  a  siioi  di- 
iiltiMiml  figliaoU  Larapridio  et  Pedro  Paleari,  a  Colle  vi  Val- 
dnaM«  in  Boijgo.  Tictno  a  S.  Caterioa.  Qucsta  notizia  puo  aerrire  per 
correggere  appreaao  il  Moreri  c  ii  Bajle  raoao  della  morta 
d'Aenio  Faieario  di  coi  fa  gr»n  disgrasia  Peaaer  viaeato  aei  ea- 
aak»  XVI. 

Demnach  hatte  doch  (a.  Bayle*a  Dictioa.  anter  den  Art.  Palea- 
rina)  81  ml  et  la  Epltome  Biblioth.  Gcaner.  recht,  dafe  1570.  dae 
Todaajahr  dieaea  Ana i den  war.  Von  der  IttqaUition  hatte  Er  achoa 
n  der  Oratto  pro  Se  ipao  geachriehea  s .  nt  Hca  iata«  di§iricta  m  oaiaa» 
mr^fi^fu,  de  maniboa  eorum  extorqneatar«  fui  pal  Uvimmi*  ita  eausU 
cradaÜMMie  /arire  dtd^eeranl.  Za  dea  Stellea  der  beiden  Abaellieda- 
'bfiafe  abort.  i'a  denen  Er  aelaem  Tode  ao  wondervoU  gelaaaen  entge- 
gen aleht,  verdient  aehr  TergUchen  an  werden,  wie  Er  im  Tanrort 
an.  acMier  Actio  in  Pootlficea  rem.  engt,  dafa  er  dieae  geaebaiehea 
habe,  nt,  ai  bene  Inatrnctnm  ad  mortem,  mora  prior  occapaaaet, 
paat  mortem  ctiam  prodeaaem  optlmia  fratrihna  mebf  qnornin  malla 
Tmtimonio  hoc  mederi  in  Cbnellio  capiebam.  Noch  atSrker  aprieht 
*Af  achon  in  Jener  Rede  p.  91.  dieaea  ana ,  wie  Er  Iftngat  suTor  fiber 
Im  Hittyrerthnm  gedacht  hatte.  Man  aieht  ana  dieaer  Hanptatelle 
•mlelch  die  Hanptrlchtoiig  aeiner  hnmaniatiBch-theologlacfaett  Aaf- 
iSraag  and  wie  Er  achoa  damala  daa  Chrlateatham  ala  meaalaaiache 
Thaobratle  nnd  die  Anwendungen  dea  Lebena  nnd  TiMea  Jean,  hiato- 
Haiffi  aafgefarat  hatte.  Er  bemft-alch  nämlich  anf  aelne  dem  Senat 
t»  SIena  vorgelegte  Theologica.  „In  IIa  de  aerle  et  ordlne  es  omni 
«iemitate  flnenti;  de  Repnblica  ante  mandl  principla  deaignata  con- 
^Ihiteqo'e  a  Den,  cvjua  das',  aactor  et  ^"^^erator  annreat  ^AHätntl 

» 

*  » 

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de  ItTn-  Jibrogata ,  et  grjiviRRimo  jugo  Bcrvilotiff,  diK»,(  nilrnus  tantum, 
qoantum  terapora  haec  iniscra  ,  in  qiiae  incidiniun  pi-rmiseruntt  non 
quantiim  certe  optabaniua,  ^iiod  in  iis  aperiendie  incuH  nullua  sit  pe- 
rirnjo  varunB.  Sunt  eniin  homine«  acerbi,  diiri,  criminosi,  apnd  tiwm 
nc  parens  qntdeni  et  Dens  snliiti«  nostrae  Cfiristus  ,  omnium  ^rentiuin, 
oinninTn  populrtnim  Kcx  ,  onini  ex  parte  laddarl  potest;  cujus  ex  murte 
quanta  comrnodd  alUitn  sint  huniano  freii(jri  ,  cum  hoc  ipso  artno  Thmcs 
scripsissem ,  ohjectum  Jn{t  in  accnsatione.  Quid  hfic  Ifuligniii»  dici, 
ant  excopitari  potest'^  Ajeham  ego,  ab  eo,  in  «juo  divinilas  inesset, 
y\hi  ruiii  Kanguine  pro  K.ilnte  noetra  tarn  amantcr  profusa «  nihil  nos 
(icbae  (de)  coelestium  voluntatc  dubitare ,  omnia  nobis  tranquilla  et 
quieta  po^se  polliceri:  offirmabarn  ex  rnonnnentis  veluBtissimig  et  eer- 
tiR^iiniR,  ßneiii  inaloriiiii  6886  factum,  notam  omnem  de^etniu  iin.  qul 
animo  in  Christum  crucifixum  conversi ,  ejus  fldei  sc  perniitterent, 
acquiescerent  proniissiH,  spe  pleiii  hnererent  in  uno,  qiii  faltcre  ncscit 
opinionem.  Hncc  ita  amara ,  dcti'stabilia ,  execranda  sunt  viRa  XII 
illiH,  non  dico  hnminibns,  ged  feris  iminanissimiff ,  ut  grriptorem  in 
ignein  deturban.' um  cenaerent:  quae  poena  gi  mihi  obeonda  egt,  pro 
tcf^ttrnnnin  dirio,  qnnd  festimnnium  existimftri  iltii  l  toIo  pntiug,  quam 
llbellum,  nihil  est  me  heatio«  P.  C  :  neque  enim  puto  Chrütinmm 
€886,  hoc  tempore  in  hctulo  mori:  parum  eit  accusari,  et  deduci  in  car- 
etrem:  virgis  caedi,  reite  suapendi,  insui  in  culleum^  ferU  objiei,  td 
%nMi  t9rftH  tttf  ifc^ly  •!  Mi  wupfMi^ik  vaHfot  1»  kumm  ut  pr9farmdM* 

Dr.  Paul««. 


StAmi$$tkuldin  %nd  Staatäpapitret  Mit  drH  JmMng9»t 
^miktiiUnd  9wel  VeBertftktm  det  tngtUekim  und  ftmutönvDktn 
■  iNMisii»  tett  djn»  «l(fteif  J^hunätifU  und  $h0  ZtuammtmtähMg 

uihr  im  eutopdUtht»  H^nd^  Wfkmlneudm  StwatepapdeM  $  ^ 

■  Unter  diesem  Titel  hat  Unterzeichneter  im  Fnilijahri^  1832.  eine 
Sehrift  dem  Drucke  übergeben,  üa  derselbe  aufgr fordert  wurde, 
davon  eine  Anzeige  in  diesen  Jahrbüchern  zu  marhen  ,  ko  tluit  *  r  c« 
hiermit,  um  zugleich  die  Gelegenheit  benutzen  zu  künncu,  Einige» 
der  Lcsewt'lt  nachtrSp-Urh  mitzuthcUen  ,  ^^  as  ihm  zur  Kritik  die«*' 
Schrift  nnthwendig  8(  luilnt  und  in  dt  r  Yorrtdc  nicht  erörtert  werden 
konnte.  Es  ff^cb^  der  Grunde  so  viele,  warum  ein  junger  Gelehrter« 
besonders  wenn  er  die  akademische  Lehrerlaufbabn  betreten,  »chrift- 
Htcllerische  Arbeiten  veröOentliehen  ninfs,  dafs  der  Unterzeichnetei 
von  diese«  ^Vi«  t^twtkMMit  nur  darauf  bedacht  se^a  su  muMCO 


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l^faobt,  dar«)  die  Kritik  fleioe  fiMirift ,  wnn  den  Oe^cnstani  094  4l0 
UDtersucliung  «elbit  betrilit,  Ton  dem  richtrgm  Standpiittkto  aus  Im« 
tMcbte.  £fl  giebt  aber  aaeli  gewisse  Oagaastaaii«  ,  übav  iMklio  mif 
«ia  geistreicher  Mensch  achtaii»«!!  kann  niifl  sollte,   während  mtm 
jede  andere  Schrift  uberhau|>t  unter  übrigens  glaish^i  Uiuetsnde« 
mit  Aecht  nach^der  EigeaihiitilichLeit  beartheilt,  wamit  sie  das  Bia^ 
kflrige  aniiebt  and  Neues  aagt.    Aa  diaaea  Klippe  aabfidert  dar 
jnn^c  Gelehrte  ftm  lakhtesten^  abar  «fiali  mmebor  ftUar«,  yiid  il«r 
Schiffbruch  wird  um  aa  oiibellvaUer,  je  mahflaamer  man  nach  Orip 
fpaalitit  ,  GeDialität  o.  s.  w.,  oder  wie  diese  Eigenschaften  alle  ga<- 
laoBt  werden,  gekrochen  ist.   GiicbUcbarwaiae  gah^ri  der  Gegen- 
itaiad  obiger  Schrift  nicht  sa  janat  Ciaata«  sondern  Torzüglich  %U 
fcraadera,  in  ileren  Behandlmig  man  schon  durch  Fleirs,  Beobach* 
tOBgsgabe,  Kenntnifs  der  LUnratur,  der  Staliaiik  «ad  Geschichte, 
ianb  anmofallges  Urtbeil  und  redlir.be  Ueberzevgang  von  der  Wabr^ 
Icit  der  ausgesprochenen  Meiaang  £t«as  leisten  kann.   Nach  dteaen 
lelitea  Oaaichtapankten  witnckl  Uaterzeiehnetef  obige  Schrift  heur- 
tkeilt  aa  aeben«  well  ihn  bat  der  Anaafbeitung  derselben  das  Streben 
Bach  jenen  Eigenscbalteo  beaMle*   Deradbe  varbebll  es  eich  niebtt 
M  ^aa  Sehrift  Aber  dieten  Qegenatand  nach  dem  clmsiscben  Werbe 
vtaKebanina  nar  na  laicbt  eine  ütne  pott  Amtnini  aejn  kann^ 
ni  «ebl  nnnh  aejn  mafa*  Allein  diaaea  GeacIdciL  könnte  Einen  nur 
tat  von  der  Yeriuanng  elnea  aekchen  Bnchea  nbimllen ,  wenn  man 
tkb  lani  Zweeke  geaetsi  bitte ,  die  Sache  beaser  an  maehen.  Dafe 
der  Vei L  dien  nicbt  von  ferne  im  Sinne  batte ,  das  sieht  man  leiebt 
ii  der  ganien  Geetalt  des  Bachea,  welche  Toa- jener  der  Schrift  Ten 
Ncbeaiaa  gana  abweifibt»  and  aa  dem  Inlftalte  seibat,  da  sie,  wae 
4is  Harateliang  des  Unbestrittenen  und  Unbestreiibarea  anbelangt, 
•icb  ia  gebAiureader  Seacbeidenheit  ala  Scbaldneria  bekennt,  und 
•ell^  im  Kampfe,  wo  er  Tachtigea,  Ernatea  and,  wie  alles  waa 
NelMBiaa  acbreibt,  aaa  inniger  Ueberzeugang  Bebauptetee  lietrifil, 
■itmSfsigem  Sei  bat  vertrauen  ficht,  vobl  eingedenk,  dafa  ea  keiae 
Maade  ist,  ia  der  ersten  Schlacht  obae  Feigheit  der  grdfsera  Kraft 
vsisbea  aa  mqssen.   Zwei  JHaaptfragea  achwebtea  dem  Yerf«  vor: 
«ilebea  Biaflara  bat  der  iatellectaelle,  mor^liache,  recbtlielie,  poli* 
Me  aad  wirtfascbaftitcbe  Zoataad  dea  Staate  anf  seiaen  Kredit?  -<* 
mk  walohen  Einflula  ha*  die  Beaatauag  dea  Staatakredits  oder  die 
iMmehald  auf  dea  Zueland  dea.  Staalea?  —  Der  J.  Yeraueh  baadelt 
i<m  Frage  ia  6  Abhaadlongen  ab ,  wovon  die  5te  am  ▼olaquoöeeeCea 
Vüdia  molbte,  da  äie  alle  Gegenstande  der  Fiaaaawiaienecbafft  be- 
iSbi,  nad  hier  iaalieeondere  die  ganze  Lehre  vom  Staatsacbaldea- 
v<Na  abbandelt  Der  VI.  und  letzte  Yeraach  hat  die  andere  Fragji 
>aa  Gegenstande.  Da  liei  beiden  Objekten  die  Grondlagen  dea  Staata- 
^Nüla  aad  der  Staataachnid  aaeh  die  Faadameate  der  Untersnehung 
kiMm,  eo  war  es  naturlieh,  dafa  der  Verf.  im  II.  Yeranche  die 


Üigiiizeci  by 


9tS  BiMBtlarIc,  ttMliwiMfliMteMielie  VettadM. 

Pffttge  über  die  Mitwirknngf  des  Staatsobereigentbanflrechtea  beim 
Stwiliteliuldeinretea  sergliederte.  Alle  bis  hierher  erörterten  Mo- 
ment» GoncOTrircn  bei  der  CursbiMang  der  8tWlt8pB|iiere ;  darmn 
•sehte  es  der  Vwf. ,  im  IV.  Verioehe  die  Regnlatoren  de«  Carses  der 
Staatspapiere  gmndsAtolieh  zu  entwickeln.  Dies  konnte  aber  nicht 
▼ollstandig  geschehen,  und  die  Schrift  würde  eine  Läcko  gehabt 
haben,  wenn  nicht  im  V«  Versuche  die  Handelsgeschifte  mit  des 
fitaatipnpleren  Icnm  erklSrt  ^worden  wären ,  da  sie  gerade  nnd  die 
dahin  einschlagenden  Operetlonen  den  Cnra  in  der^  Regel  am  meisten 
▼erfittdern. 

So,  glaaht  der  Unteraeichnete,  linden  sich  die  Gründe  von  dsr 
Entstehung  dieser  Tersnche'  in  ihnen  selbst.  Nur  der  III.  Versuch 
der  Verf.  gesteht  es  gerne      hat  so  etwas  Ton  einem  Fremdlinge 
in  där  Familie.    Doch  mochte  er  als  angenommener  Sohn  am  so 
mehr  Anerkennung  finden  dürfen ,  ale  sein  Wesen  mit  allen  übiig«tt 


Anders  Terhtlt  es  sich  mit  den  drei  Anhangen,  welche  wohl 
ale  drei  wesentliche  Pfeiler  des  gansen  Gebäudes  angesehen  werdes 
aolUen,  da  sie  die  Anssiige  aus  Vorarbeiten  sind,  mit  welchen  sWh 
der  Verf.  sn  dieser  Schrin  ▼orbereitete.  Bei  fleifsSgen  Stadien  kann 
man  um  das  Material  nicht  in  Verlegenheit  seyn ;  aber  schwieriger 
Ist  seine  Wahl ,  auch  schon  darum ,  well  sie  Cinem  oft  vebe  thut. 
Barum  erklärt  Untemeichneter  hier,  dafa  daraus,  dalb  er  Etwas 
nicht  angeführt  iiat%  nicht  gefolgert  werden  kann,  er  habe  es  nicht 
gekannt  Er  will  sich  aber  dadurch  nicht  für  unfehlbar  erklären, 
sondern  wird  vielmehr  Jede  gut  gemeinte  Zureehtweisung,  Mitthoi- 
Inng  und  Belehrung,  wie  schon  In  der  Vorrede  bemerkt  iit,  .nilt 
dem^grofsten  Danke  annehmen. 

Auch  hier  will  der  Verf.  wiederholt  um  Nachalcht  we««»  ^' 
Druckfehler  bitten,  unter  der  festen  Versicherung,  dafs  aufiicr  dea 
angeseigt^n  in  den  Zahlen  keine  rorkommen.  Später,  noch  aufge- 
fillene  Druckfehler  sind  unter  nndaren  auch :  S.  XI.  Z.  ^  »"^f^ 
GefnIIschaft  statt  Gesellschaft.  —  S.445.  Z;  la.  unten  essectii' 
statt  affectiv.  —  S.  49S.  Z.  8.  oben  Simonistni^  statt  SImenisten; 
und  Z.  10.  ▼.  unten  Capitalen  statt  Capitalien.  «-^  8.469.  Z.8.  r.o^icn 
Arbeiter  statt  Anbieter.  —  S.  Z.  Ü.  ▼.  oben  Yen  such  itait 
Versuch.  —  Im  ersten  Anhango,  besonderi  8.  M4.  nnd  5dft.  mchrni^* 
in  dem  etat.  Illlistr.  anstatt  in  den  etat  Itlnstr.  »  8.  S9t< 
itatt  a.  1668. 

Di.  E.  Baumatarh 


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xV.  4t    HEIDELB.  JAHRB.  d.  LITERATUR.  1833. 


'  Cour.  Steph.  Mattki99.    Bertm»  M  JUme.   1881.   VIU  una 
«18  Ä  8. 

Der  Verf.  dieser  tnil  auffallender  Ausfuhrlictikeit 
bearbeiteten,  vermehrten  und  aiifs Neue  revidirten  Preis-* 
Schrift  giebt  nicht  an ,  wie  die  Preisaulfgabe  der  Berliner 

theol.  Faciihät  gelautet  habe.  Wir  müssen  also  voraus- 
setzen, dafs  dreierlei  Beieuchtungen  der  christlichen 
Taufe,  eine  exegetischei  eine  dogniengeschi  cht  liehe  und 
eine  dogmatische  verlangt  gewesen  sey.  Der  dogmen- 
geschichtliche Theil  war  leicht  zu  bearbeiten.  Im  Exe- 
getischen hängt  der  Vvi  i.  am  HerkÖmmliclien,  eiinangelt 
noch  sehr  der  iogikalischeu  Methode,  unabhängig  den 
arsprüngiichen  Sinn  zu  erforschen,  und  mischt  überall 
seine  Dogmatik  ein.  Z.  B.  weil  der  jfidische  Tr<toelyt 
auch  eine  Waschung  (eine  Lustration)  als  Reiligungs- 
Zeichen  vor  dem  Opfern  an  sich  vornehmen  hiufste,  so 
bleibt  er  geneigt ,  dies  mit  der  Taufe,  wegen  welcher 
Johannes  doch  den  unterscheidenden  Namen  d  e  r  Tä u  f  er 
bekam,  doch  zu  identificiren.  Es  sey  ja  doch  bapiis-' 
mus  quid  am  gewesen  (S.  155.).  Jesu  Worte:  oi3t<o 
T'ftp  Tcpenov  eartv  i]iuv  ^Xr^^acrai  naaav  ^iKaioavvriv 
erklärt  S.  63:  ita  cmm  nos  dccet ,  otmie  verum, 
omne  jusium  quod  in  ritibua  inest  et  comprobare  et 
eamplere,  perficerey  ad  summum  gradum  veritatiB  peP^ 
iaeere.  Zugegeben,  dafs  auch  in  der  ethnica  et  judmea 
relhlo  manches  walir  und  recht  war,  woraus  könnte 
man  denn  sehen,  (LJs  Jesus  bei  dem  Aufdruck  aarja 
Jtxatoirwri  an  das  Gute  in  jenen  Religionen  gedacht 
tebef  und  wie  hätte  sein  Getauftwerden  als  Bestätigung 
and  Vollendung  von  jenem  verstanden  werden  können, 
dessen  mit  keinem  Wink  erwähnt  ist.  Dafs  die  heidnische 
und  judische  Reh'gion  deswegen  noth  wendig  gewesen 
sejr,  weil  sine  iilis  ipsa  religio  christiana  ab  homi' 
nibin  mieUectu  .  oomprehendi  nm  potuerit ,  ist  eine 

XXVI.  Jahrg.  8.  Heft.  4T 


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\ 

\ 

m      Mftimiet,  £i|»o»ilio  BaptiMUiUt  hihi  hi$U  dogamilica. 

dogmatische  FicCiou»  iivelche  den  Grumlsatz  varaus- 

setzen  niüfste :  Das  Wahre  kann  nicht  verstanden  werden, 
wenn  nicht  Irrthum  und  Halbwahres  vorher  geglaubt 
worden  ist. 

Am  meisten  zeigt  das  Ganze,  in  welche  Ubei^schwing 
lieh  dogmatische  BegrifFe  er  selbst  eingegangen  war/ 

S.  V.  lesen  wir:  extra  rclifi'ionem  nulla  est  salus!  und 
nach  (lein  Zusammenhang  wäre  unter  religio  wenigstens 
das  Wesentliche  der  Christ iana  ßdes  zu  verstehen.  Diese 
aber  ist  dem  ffrdfeten  Theil  der  Menschen  seit  IS  Jahr- 
hunderten nicht  einmal  historisch  beliannt  geworden,  bt 
also  denn  für  alle  diese  Nichtehristen  nulla  aalus?  oder 
liann  man  vielleicht  nach  dem  Verf.  auch  unwissend  die 
wahre  Religion  haben?    Wenigstens  l^n  wir  an  der 
nämlichen  Stelle  „rel^io  hommem  veluti  inscium 
ad  verBatem  duck.**    Und  clies  mQlste  freilich  möglich 
sejn ,  wenn  (nach  der  dogmatischen  Erklärung  S.  347.) 
die  Religiosität  dadurch  entstünde^  dais  der  göttliche 
Geist  sich  selber  im  Menschen  entfalte  (eese 
expticet )  nnd  zwar  nach  8.  808.  auf  diese  Weise ,  dafs 
Oott  in  der  Religion  seiner  selbst  sich  be« 
wufst  würde.    y^Deu8  m  religione  sibi  est  conscius 

Nach  der  Erfahrung  und  aller  Religionsgeschichte 
erkennen  wir,  dafs*  allerdings  die  Religion  in  einetn  Be- 
streben der  Menschen,  sich  mit  der  Gottheit  zu  ver* 
binden,  besteht.  „Religio  est  mtnna  inier  hominem 
et  deum  canfunciia'*  Aber  immer  ist  und  bleibt  diese 
Verbindung  eine  Vereinigung  des  Denken9  und  WollenSi 
nicht  ein  Verweben  und  Verflechten  der  selbst« 
ständigen  Wesen  ineinander.  Wie  sehr  zieht  der  Verfi 
das  Geistige  herab  in  das  Sinnlich  -  plianfastische ,  indem 
er  die  Erklärungen  geben  will:  humana  natura  cum 
dwina,  et  haec  cum  iUa  coniexiiur  .  •  •  ipsum  per 
deum,  quim  komme  versaina  humana  inneciit  dwkd$. 
Solche  Miterklärungen,  wie  wenn  durch  Religiosität  tlie 
Naturen  (Grottes  und  der  Menschen)  ineinaofier  ver- 
flochten wenden  mü&ten,  würden  die  besten  Menschen 


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Maltbiea,  Expotiiio  Qapiitmati«  biUl.  hiit.  dugmattoft.  739 

\m  dem  ächtreli^idseu  Besireben »  ioi  Wollen  und  Denken 
mit  dem  Wollen  Gottes  Eines  SU  werden,  ablenken,  wena^ 
ffM  sich  bereden  iiefreo^  dsA  die  Religion  in  einem 
cOKiexere  beider  Naturen,  der  göttlichen  und  der 
menschlichen  bestehe  und  eigentlich  nur  Gott  selbst 
im  religiösen  Menschengeist  Seiner  selbst  bewufst  sey. 

Sehr  alliuAhlig)  sehen  wir  in  aller  Religionsgeschichte^ 
Wtrden  die  Menschen  einer  würdigen  Idee  von 
der  Gottheit  sich  bewufst.  Aus  den  unvollkommenen 
Anwendungen  der  menschlichen  Verstand ijg^keit  und  Ver- 
flttoft  werden  die  so  lange  von  der  voükommneren  Idee 
ikst  Goti  in  viebirlei  Abstaftingen  entfernte  Religionen 
bigrMflich.  Wenn  aber  Gott  selbst  in  der  Religion  sich 
seiner  selbst  bewulst  würde,  so  niüfste  ja  wohl  die  Gott- 
heit sich  ihrer  selbst  richtig  bewufst,  und  dieses  ächte 
Selbsibewilfstsejn  Gottes  niüfste  wenigstens  in  dem  We«« 
Mtlicben^  jeder  durch  Goti  in  den  Menschen ,  c»tste* 
kindea  Religion  rein  enthalten  und  den  Menschen  in*8 
Bewufstseyu  gebracht  sv\n.  Da  dies  aber  nicht  so  ist, 
bomülste  es  unbegreilUcli  l/Ieiben,  warum  die  Religionen 
ia  «Ur  Wirklichkeit  meist  ein  der  Gottheit  so  unwürdiges 
Bswufstse;)^  vom  Gdttiicben  ,  besonders  vom  Heiligen  i 
(»dialten.  Wenn  Gott  es  ist,  der  in  der  Religion  9,si6i  * 
^^t  eomciu8  seu  ipsius"  so  müfste  ein  unwürdiges  Be- 
wiifstseyn  von  der  Gottheit  entweder  unter  den  Menschen 
gar  nicht  statt  finden,  oder  die  Schuld  mufste  auf  die 
Coitbeit  fallen  I-  daft  ewar  sie  selbst  ihrer  in  der  Religion 
liditig  bewufst  würde,  eben  dieses  Bewnfstseyn  aber 
nicht  in  dem  Menschengeist  entfaltete,  welcher  doch  die 
Religion  nur  durch  sie  bekommen  und  haben  könnte. 
Iteon  nach  &  804.  religimiB  idem  ab  aeterno  m  hi^ 
üorjn  «al  empUcitay  quum  det$»  in  aeternum  mi 
lltnme  sese  revelaverit.  Wer  mufs  nicht  mit  Brsiannen 
fragten:  Ist  denn  die  historia  —  ab  aetevTio^  wie 
sie  doch  seyn  müÜBte,  wenn  religio  in  ihr  ah  aeterno 
(iad  «i  neAsnnim)  explicUa  seya  sollte. 

Diese  soaderkire  Verwicklungen  der  Begriflfo  eni- 
stehen  blos  dadurch,  dafs  Gedanken,  die  aus  B^riffe^ 


üigiiizeci 


740       Mattbies,  Expositio  BaptismatU  bibl.  Iiist.  ftogmatica. 

Ideell  und  Sätzen  bestehen,  uud  nur  siod,  wenn  sie  von 
Denkendea  gedachC  werden in  jener  mehr  poetischen, 
als  phtlosophischeD  Sprache  und  Lehrmethode  immer 

•    personificirt ,  und  unvermerkt  so  behandelt  werden,  wie 
wenn  sie  etwas  an  sich  Bestehendes,  Handelndes  und 

.  sich  Mittheilendes  wären.  Dazu  kpninit,  dafs  alle  Augen* 
blicke  Aehnliches  mit  Aehnlichem  verwechselt  vnd  da- 
durch als  identisch  behatidelt  wird,  so  dars,  wenn  zwei 
Begriffe  gewisser mafsen  einander  gleich  sind,  9it 
plötzlich  in  g^anz  anderer  Beziehung  identiticirt  werdetf. 
Ein  solche«  Phantasiespiel  ist  es,  wenn  S.  304.  ffeJ^agt 
ist.:  ,)Es  war  von  Ewigkeit  her  nur  Eine  Religioa 
(s  nuW  tempori  obnoxia),  oder:  E3ne  und  ebeniKe* 
Selbe  Idee  von  Gott  hat  nach  und  nach  in  allen  Religionen 
sich  selbst  entfaltet  und  geoffenbart.  Eine  Idee  kann 
nicht  seac  explicare  et  revelare.  Jede  Idee  (oder 
VerniJiiftanschauung  eines  Möglichen,  welches  ent^edef 
um  der  Vollkommenheit  willen  wirklich  ist,  wie  die 
Gottheit  —  oder  seyn  und  werden  sollte^  ist  fiii^ 
gends  als  in  dem  Geiste,  in  welchem  sie  (mehr  otlci 
weniger  vollkommen)  gedacht  wird ;  und  so  ist  sie  immer 
Gedanke  der  sie  denkenden  Geister.    Man  kann  veran- 

.  lassen,  dafs  ein  Anderer,  welcher  denken  kann  and  wü^ 
eine  gleiche  Vollkommenheitsidee  denke,  aber  übcruH 
und  in  jedem  Einzelnen  ist  sie  doch  nur  Gedanke,  so 
erhaben,  aber  auch  so  manchfach  gedacht,  als  der  ein- 
zelne Geist  zu  denken  vermag.  Ebenso  ist  auch  iH^ 
Religion,  als  eine  andächtige-  Erhebung  des  G^isiss 
tQ  der  Idee  des  Vollkommnen ,  nirgends  wie  ein-  an* 
sich-seyn,  wie  ein  ah  arferno  esse,  sondern  nur  in 
jedem  einzelnen  Geist  vermittelst  seines  Strebens,  ('^^ 
Vollkommene,  besonders  das  Heilig -volHionrmiene,  zs 
denken  und  ihm  sich  selbst  verähnliclien  zn  "ivaHeAZ-Ideettt 
wie  etwas  an  sich  Bestehendes,  sich  MitthcfHend^ !n<l 
sich  selbst  Entfaltendes  zu  behandeln,  wäre  eine  poe- 
tische Methode  zu  philosophiren,  die  g  n  zu  schrn  II  in 
das  Phantasiren  unendlicher  Folgerungen  übergeht.  Wenn 
nämlich  nach  §.  31.  in  der  Religion  sich  Gott  isehier 


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Matdiict,  Ex|»08itio  BapÜtmitit  biU.  hUt  dognalioi.  141 

selbst  hewufst  wurde,  so  mufste  also  Gottes  Bewufstsejii 
voQ  sich  selbst  io  jedem  Religiösen  gerade  so  seyn,  wie 
es  der  Geist  desselben  fassen  oder  wie  es  stob  selbst  io 
dieseoi  entfalten  kannte.  Wäre  alsdann  dies  nicht  ein 
eiipeatlieher  Pantheismus  von  der  sonderbarsten  Art? 
üeberali,  in  jedem  Einzelnen  ,  niiifste  das  Selbstbewufst- 
ttjrn  der  Gottheit  seyn  und|  weil  doch  alle  diese  Geister 
ia?oUkoinmne  Individuen  sind ,  so  uiübte  es  in  jedem 
äs  anderes ,  seyn ,  nämlich  ein  mehr  oder  weniger,  voll- 
kotnmen  sich  Entwickelndes.  Der  Verf.  setzt  sich  auch 
aosdrücklicii  S.  305.  eine  tota  idea  der  religio  acterna 
aas  den  variia  expUcationis  momeatis  zusammen,  in 
teen  ih  plurea  religiones  non  dwha  ^dem, 
ied  \  , '  pesiia  (oder  gradweise  cottoeata)  sej.  So 
führt  (He  Phantasie,  als  die  Philosophie,  in  die  nicht 
platonische,-  sondern  alexandriuisch- scholastische  Ver-* 
Wandlung  der  Ideen  in  Substanzen ,  die  in  Gott  subsi- 
süeren  und  iM»gar  ans  dem  Bytbos  emanieren  sollen.  So 
weit  bringt  man  es,  wenn  die  Jug^end  sich  im  Phanta- 
sieren immer  nur  Aliij^lichkeiten  wie  Wirklichkeiten  er- 
scheinen läfst  und  sich  ihrer  Sonde rjbarkeit  freut,  weil 
man  das  beurtheilende  Reflectieren  in  einen  Mif$credit 
bringt,  woraus  selbst  bis  in  das  gemeine  Leben  hinein 
4te  gröfsten  phantastischen  Unklugheiten  entstehen. 

•  Etwas  sehr  Wahres,  sagt  der  Verf.  S.  341,  dafs 

die  chriatUche  Religion  die  Religion  des  Geistes 
isyn  soll.  Mar  der  Geist  nämlich  ist  fähig ,  ein  Ideal 
der.  Vollkommenheit  zn  denken  und  zu  verehren,  nur 
der  Geist  also  vermag  sich  zu  Gott  zu  erheben ;  und  das 
Christenlhuni  will,  was  in  keiner  andern  Volksreligion 
klar  wurde,  dafs  der  der  Heiligkeit  fähige  Menschen- 
gflist  sieb  selbst  als  das  Höchste  im  Menschen  erhebe « 
wollend  und  denkend  alle  andere  Kräfte  sich  unterordne, 
und  dadurch  sich  (lein  Göttlichen  möglichst  verähnliche. 
In  diesem  Sinne  stimme  ich  dem  Verf.  sehr  bei,  wo  er 
iebreibt:  Christiamta,  qui  JJeum  colii,  latus  in  spi" 
Titu  ine 98 e  acper  cum  numim  debet  accedere* 
Anek  ist  es  eben  so  gewifs ,  dafs  der  Menschengeist  sich 


üigiiizeci 


YIS      MalChtot,  Bxp«iUio  BapitiniBils  biM.  Iii«t.  dognMtkft. 

•  * 

die  Gottheit  soviel  möglich  als  den  „volikommrieD  Geisjt" 
zu  dcDken  habe.  Aber  um  so  weniger  ist  diese  psycho- 
logisch und  moralisch  wichtige  Beschreibung  dessen, 
was  der  Menschengeisi  nach  Jesu  Aufforderung  im  Geist 
und  in  der  Wahrheit  seyn  und  thun"  solle,  so  nnitu-* 
kehren,  dafs  am  Ende  der  religiöse  Geist  des  Menschen 
Nichts  seyn  niüfste  und  nur  Gott  als  Geist  etwas  in  ibsi 
wäre.  Um  äebt  gut  und  rechtschaffen  ^  aya&o^  xai 
diuaiog  m  seyn,  mufs  der  Geist  sich  gleichsm  in  sich 
Oelbst  zurfiekziehen  und  fragen ,  was  er,  wenn  er  ntclils 
als  Vernunft  und  Verstand  wäre,  als  recht  und  gut  er- 
kennen und  wollen  würde.  Dieser  geistigen  wohlbe- 
dachten Entscheidung  ist  das  Sinnliche  unteriuordneB. 
Der  Geist  regiert  es  alsdann  so,  dafii  es,  ium  ohne  ver- 
werfliche Neben rOcksichten  das  geistig  anerkannte  Mdg* 
lichbeste  zu  verwirklichen,  auch  alle  sinnliche  Kraft«  . 
anwendet. 

Aus  des  Verfs.  Umkehrang^  der  Begriffe  entsteht  es, 
«  daft  S.  848.  sagt:  Dens  in  komme  se  ipsum  amat 
(wie  wenn  Gott  als  der  gröfste  Egoiste  zu  denken  wäre! 
womit  verbunden  wird:  hämo  Dei  spirilum  sentit  in  ^ 
se  versantem  —  wie  wenn  eigentlich  nur  Gott  als 
Geist  im  Menschen  umginge?) 

Vermöge  solcher  ungehinderter  Bewegungen  der 
Phantasie  im  Absoluten  werden  S.  3G6.  auch  sonderbar  . 
versinnlichende  Idealisirungen  der  Trinitätslehre  gefol- 
gert. Die  infimta  mibstantia^  in  %velcher  vere-^Esse  el 
Cbgiifare  einerlei  sey,  ist  dem  Verf.  der  Vater.  (Dies 
wflre  demnach  die  eigentliche  Gottheit  9).  Durch  eideD 
ewigen  Akt,  sich  aus  sich  selber  heraus  zu  manifestlren, 
aeterno  se  ex  bemetipso  manifestandi  actu,  könne  dann 
dieser  Gott  nichts,  als  sich  selber  sengen  sniAi^ 
fiiai  9e  gignere,  und  dies  sey  unigeniims  filim^^,  k 
Omnibus  rebus  creatie  emn^aesfne  y  ab  emmi  ßse 
Uber y  suaque  sponte  in  omne  tempus  ugejis;  wozu  bei» 
läufig  noch  zu  bemerken  ist,  dafs  ;die  Zeit  aus  der 
Ewigkeit  Gottes  hervorgeht,  aber  auch  Eine  ewige 
Zeil  ist,  die  von  den  drei  Dimensionen |  G^eiiw*rt| 


Digiiizeci  by  LiüO^lc 


« 

ll«4UrfM,  Bifttili«  Bfiftiiiiiaili       Uü.  tfugiMMi^  %U 


Vergangenheit  uiul  Zukunft  frei  (und  Uoch  eiue  Z^i(?} 
wäfc 

Wie  deuii  nun  aber  das  driUe?  S.  367.  {lutworiel: 
Weil  Arner  GoH  niobl  nir  m  9€,  iondero  aqch  aus 
lieh  fidkt  se^,  so  sey  er  soglrich  einsipf  für  sich 

selber  —  pro  kernet  ipso,  nec  pro  alio  quoquam; 
folg^lrch  fsey  paler  pro  ßlio  et  JiUus  pro  palre,  damit 
alles  in  creaia  umuerßUate  ad  pairia  substantiam  [mh* 
4mAmmi]  xuriickg«he.  Nun  «ber,  weil  da»  absolute 
SqpQ  Gottes  sein  C^Uare  ist,  dieses  Cogitare  aber  dio 
retditai>  Dci  und  beides,  «las  Ksse  und  Cogitare  nur 
für  sieh  selbst  (pro  nuUo  alio)  ist,  so  sey  it^nito 
f^que  aeterno  ulvmsque  compleüm  vel  tmUuo  alierhrn 
ad  afteram  moftf  Gott  aaeb  —  8anciu9  ßmori$ 
9pirtiu9';  und  weil  pater  infinitua  Biftis  e$t  aeterno 
ßlio  und  JiÜun  in  onme  tempus  sutis  f  acit  pairi^  so 
sey  dieser  Gott  als  heiliger  Geist  omni  in  gener^ 
beatuB, 

Wäre  alles  dieses  mehr  ein  wirkliobes  PbilosopUrfio 
lii  ein  Phantasiespiel  (welches  deswegen  auch  bald  so, 

bald  anders  gestaltet  erschien),  wer  würde  alsdann  doch 
aof  irgend  eiue  Weise  waliischeiplicli  machen  könoeii, 
dafs  den  Urchristen  bei  der  Taufformel  Jesu  Christi  elwaa 
dieser  Art  zu  denken  möglich  gewesen  sey?  Was  ge- 
aehieht  also  durch  dergleichen  Deutungen  anderes ,  als 
dafs  man  drei  ut christlichen  Worten  drei  Deutungen  bei- 
legt, die,  wenn  sie  äufserst  richtig  wär^n,  doch  gewU's 
im  Urchristentham  und  lange  nachher  nicht  geahnet  war«- 
den  konnten  f  Aof  jeden  Fall  wSre  also  das  Urchristen- 
thum  durch  seine  drei  damals  ganz  anders  verstandene 
(Einweihungs-)  Worte  nur  die  V^eranlassung,  dafs  auch 
4is  Philosophiren  in  und  aus  dem  Absoluten  eine  Trias, 
eine  gana  andere,  denkbar  machte.  Dadurch  möchte 
dieses  Philosophieren  uwar  sehr  mysteriös  und  daher  fttr 
unsere  übervernünftige  und  verstandesscheue  Deceanien 
empfehleoswerth  scheinen,  doch  in  Wahrheit  nicht  christ- 
lich werden  können^  während  Denen ,  welche  die  ur- 
Bedeutung  der  Drei  in  der  TauHprmel  histo-^ 


üigiiizea  by  <«üü^lc 


9 


m      MatlliiM,  Ei|Mwitio  DBpUflBiaU«  Ubl.  bitt  dogvMtii». 

lisch  -  exegetisch  suchten,  wenigstens  der  g^ute  Wille, 
die  uiclii  istliclie  üreieiobeit  zu  Jincien  und  verstäiidig  zu 
lehren,  in  wohnte. 

Manche  Gnostiker  (nach  Kräften  tiefsinneode  Gott-  < 
heitskenner)  des  Alterthunis  waren  ofienbar  schon  auf 
jener  Bahn.  Nur  sahen  und  zeigten  sie,  dafs,  einmal 
ins  Abtolute  eingeg-angen,  man  schwerlich  einen  Grund 
habe,  dasselbe  auf  eine  Dreiheit  einzuschränken.  Zeu^t 
der  Vater  sich  selbst  (mhily  nisi  se  gignena  —  p.366.) 
als  Vnigemtua  ßius,  und  ist  das  wechselseitige  „Ge- 
iiugseyn"  des  Vaters  für  den  Sohn  und  ,.(las  Ge- 
nugthun" des  Sohns  für  den  V^ater  der  heilige 
Geist  —  der  Liebe  (S.  361.),  warum  sollte  iricht 
mfinito  et  aeterno  horum  trium  cmnplem  velmäM 
olterms  ad  aUerum  motu,  wie  Liebe,  so  auch  Glaube 
und  Hoffnung  (welche  vereint  in  Gott  ewiges  Ver- 
trauen auf  sich  selbst  sind)  als  ein  Viertes  in  der  Ewigen 
,  Causa  8Ui,  aus  dem  Seyn,  Denken  und  Lieben  ewig 
«ich  erzeugen  und  ewig  erzengt  seyn?  Oder  warum 
soll  d^sEsse,  als  Cogitare  (als  =  Geistseyn),  sich 
nicht  selbst  alch  ein  Scire  und  Veite  (z=  in  ein  Rich- 
tigwissen und  ein  HeiligwoIIen)  unterscheiden  muj^seu, 
und  dadurch  schon  eine  Dreiheit  in  sich  selfisf  haben, 
zu  weicher  sich  die  Liebe  als  ein  Viertes,  Einigendes, 
der  Glaube  aber  als  ein  ffinftes,  Terhalten  möchte! 
und  dergl  m.,  bis  vielleicht  das  Philosophireu,  weh  im 
Absoluten  immer  mehr  umschauend,  mit  Apokal.  1,  20. 
und  4,5.  wenigstens  auf  die  Siebenzahl  der  »wu- 
fcara  toi;  ^sov  kommen  könnte. 

Ich  beabsichtige  nichts  weniger,  als  eine  Ironie  gegen 
den  Verf.,  von  welchem,  da  indefs  die  Vorlesungen  He- 
gels  über  Religionsphilosophie  gedruckt  erschienen  sind, 
klar  ist,  dafs  er  dorti<re  Hauptgedanken  mit  Ernst  ge- 
fafst  und  in  der  Kürze  zum  Theii  deutlicher,  als  der 
erste  Offenbarer ,  ausgedrOckt  hat  „  Qui  vero  ideam 
dwmam  objeciive  aeae  ejppUcantem ,  divinum  per 
res  mundanas  trium pfi um  ag entern,  voluerit  con- 
templari^  ad  ^uem  alium  vhum,"  sagt  &  306,  „efim 


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MtUbie«,  £ipo6iiio  BnplHinatiti  bibl.  htst.  dognialica.  145 

debemus  relegare  (?)  nwi  ad  Hcgeimm ,  qui  tum 
de  pktrhnis  pkHosophiae  heia,  tum  de  hoc  mprimis 
urgwnefdOf  ui  m  digfkim  eai,  exposmi  m  Fhaenome^ 
wUogia  p.  «85-^741'*    (Die  Phäoomenologle  ist  b€*> 

kanotlich  schon  vom  J.  1807.) 

Meioe  Absicht  ist  hur  auf  die  Stellung  und  Methode 
der  verschiedenen  Bearbeitungen  der  Theoiogie^  wie  sie 

sich  unter  uns  zeigen,  nach  tinem  Hanptunlerschied  auf- 
merksam zu  machen.  Dafs  sie,  die  christliche  rheolo^icj 
als  Wissenschaft,  oder  wenigstens  als  ein  Strebeu  nach 
Wissenschaft  fiber  das  Verhältnis  des  Menschen  zu  Gott» 
mr  das  Knnstlbswahre  der  urchristlichen  Bibelreligioa 
empfinden  und  verehren  wolle,  doch  aber  ül)er  das  Po- 
puläre (der  Voiksverständlichkeit  angemessene)  hinaus- 
gehen inu$ise,  Hegt  im  Begriff  der  Religions wissen** 
stiiaft.    Die  Frage  und  Zeitaufgabe  ist  folgende: 

Ist  es  richtiger  und  besser,  anzuerkennen,  dafs  in 
sehr  altmähligen,  also  nicht  iofailiblen  Fortbildungsstufen 
die  biblische  Religionsoffenbarnng  vor  und  oach  Jesus 
Christus  dem  menschlichen  Geni&'th  das ,  was  darüber 
der  Menschenverstand  fafste  und  das  IVlenschenherz  mit- 
empfand ,  in  Lehren  und  hauptsächlich  im  Leben ,  im 
Thun  uod  Leiden  der  Besseren  Torgehalteo  hat?  ist  es 
besser,  daraus  m  folgern,  dafs  wir  also  auf  dieser  be*- 
g^Riienen  biblischen  Bahn  und  in  jener  der  Erfahrung 
und  der  Verständigkeit  gemäfsen  Richtung,  rationeil 
fortzuarbeiteu  haben,  das  ist.  dafs  man  mit  Anwendung 
aller  der  menschlichen,  zum  Erkennen  und  Wollen  des 
Wahren  und  Guten  wirkenden  Kräfte,  regefanäfsig  und 
lebenskundig  fortrScke?  Ist  es  demnach  besser,  daft 
Wän  z.  B.  <lem  AUen  nicht  das  Neue  entgegensetze,  aber 
aach  das  Neue  (von  religiösen  Kiasichten  und  Lmpiin- 
dangen)  durch  das  Alte  nicht  hindern  lasse,  dafs  man 
S.E  durch  die  Auctorität  des  Ueberlieferten  die  Neuerungn- 
flieht  zwar  zurückhalte  und  besonnener  mache,  aber  auch 
tl«r  Tradition  durch  so  manche  unläugbar  neuentdeckte 
Wahrheit  die.  Anmafsung  einer  uuverbesserlichen  Infalli-^ 


9 

üigiiizeo  by  Liüo^lc 


IM      IftMhftQt,  EiEiMMitio  BapUtmtM  bibl.  hitftrdogMlIci* 

bilität  abgewöhne,  clafs  man  aber  hauptsächlich  io  allem, 
was  doch  als  Reli^ionsöbeizeugungf  zum  allgemein  an- 
wendbaren Wisseo  gehört,  auf  Verständigkeit  (um  grüud* 
lieh  zu  uberzettgao)  und  auf  Verstindlichkeit  baU«)  um 
nkhl  blos  Worte,  sondern  das  Verstehen  su  Yerhreitent 

Oder  kann  und  wird  es  richtiger  und  besser  sej^o, 
wenn  man  ebenfalls  bei  dem  Bihlischverständlichen,  ab 
dem  Populären,  nicht  allein  stehen  zu  bleiben,  soadero 
zu  wissenschaftlicher  Ueberzeugung  weiter  fortzusehreiteo 
entschlossen  ist,  aber  durch  ein  IJeberschreiten  iu's  Ab- 
solute in  weit  mehr  Mysteriöses  und  eigentlich  in  selbst- 
gemachte Mysterien ,  wozu  aus  dem  Urobrisilicheo  höch- 
stens einige  Namen  geborgt  werden,  Merzngehen  strebt 
und  dann  doch  yon  einer  religio  spricht,  eo^ra  quam 
nuUa  Salus  est,  und  welche  also  doch  für  tlie  Goltan- 
dächtigen  allgemein  wahr,  faf$lioh  und  anwendbar  seyo 
Miüfste  ? 

Alle  diese  Freunde  einer  christliehen  Religionswis* 

senschaft  wollen  von  dem  Biblisch  bekannt  gewordenen 
ausgehen.  Der  Exegisierende  und  Kationalisirende  Theil 
erforscht,  was  dort  durch  Wort  und  That  wirklich  als 
Religion  gelehrt  worden,  sey,  unterscheidet  aber  das  gri* 
iRtig  bleibende  und  wesentliche  von  Zeitmeinungen,  welche 
jedoch  damals  nicht  blos  Einkleidung,  sondern  buch- 
stäblich geglaubt  waren  (wie  Dämonologie,  Messianische 
Herrschafts -Parusio  P.8.W.)  Durch  Abscheidung  sol- 
«her  Zeitmeinuttgen  zeigt  er  das  Wesentliche  als  deHo 
glaublicher,  und  vereinigt  damit  alles,  was  in  18  Jalv* 
hunderten  weiter  als  wahr  in  religiöser  Beziehung  aner- 
kennbar  wurde  und  werden  kann.  Der  idealisirende Theil 
der  deutschen  Theologen  dagegen  nimmt  auch  die  Zeit- 
meinungen, oft^(wie  in  der  Trinitäts-  und  Gottversdh* 
nungslehre)  blofse  patristische ,  nichtbiblische  Denk«* 
versuche  auf,  und  behandelt  sie  wie  Symbole  von  ge- 
heimnifsvoHen  Theilen  der  Gottesidee ,  die  man  entweder 
durch  ein  Hineinversetzen  des  endliche!»  Geistes  in  Gott 
als  absoluten  Geist  entdecke  >  oder  aus  einem  sogenanntea 


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christlichen  und  kiichliclien  BewuPslseyn  hervorrufe, 
uwmev  aber  als  das  christHch  tiefbte  zu  glauben  habe, 
«figeacblet  sie  ioi  Ur^hriitenthuin  uicbt  so  g^dlHoht  und 
Mki  so  denkbir  wareo. 

Der  Verf.  f^ebt  «ehon  in  EingaDg  EL  2*  zur  Rechl« 
fertigung  solcher  gewagter  Ausdeutungen    ein  eigenes 
Bekenntnifs.    Das  N.T.  nämlich  ist  ihm  wohl  „das  hei- 
lige DeokfBal ,  wodurch  Gottes  Worl  aofgegBeicbpol''  auf 
wm  köfnait    Es  eathalle  nicbl  our  alles,  was  ziim  from^ 
■ea  Glaubeii  hiareicbt,  sondero  aucb  die  Summe  aller 
christlichen  Dogmen ,  aber  —  wohl  zu  merken  !  alseine 
summa  nondum  plane  expoaita*    Nach  S.  5.  is( 
sogqr  der  einfache  Glaube  od«r  das  Wesenilichf;  (suh^ 
Umäia)  in  der  Bibel  mmdum  aecuraie  explicaia.  Daher 
ii(  ihm  dann  die  Kirche  die  weitere  Erklärerin  und 
zwar  nicht  durch  die  ratio  y  welche  alles  durcli  Einthei- 
luQg  erläutere  uod  die  l^i4ieit  zum  Zwe(;k  Uab^  (iu 
e^cleaia  ratio  rem  per  partes  eapUmet,  solam  ad 
impetrandam  umtaiem  lendensj^' sondern  auch  dadurch, 
ilafs  der  heilige  Geist  eine  zweite  und  höchste  Ein- 
heit gewähre,  und  endlich  eine  vollständige  Vollendung 
der  Wahrheit  bewirke  =  altera  autem  fidei  umtos ^ 
Jtwe  summa  est,  per  dwinum  spirUum  impetratur  ^  • 
fti  ftmam  denique  veritatis  perfecthnem  efßcH.  Man 
also  wohl,    dafs  erst  die  Kirche  und  in  ihr  der 
heilige  Geist  die  religiöse  Wahrheit  vollends  zur  Per- 
fection  bringen  soll,  welche  in  der  Bibel  nondiini  plane 
^XflUcata  wäre.    Unstreitig  Jcann  das  theolo]gische  Nach- 
Mkett  nicht  auf  das,  was  schon  vor  18  Jahrhonderten 
über  die  Religion  eingesehen  werden  konnte,  beschränkt 
^^yo.    Aber  sehr  bedenklich  wäre  es  zu  behaupten ,  dafs 
di«er  zur  ptena  veritatis  perfectio   führende  Geist 
fnad«  an  die  eeclesia  (man  weifa  atugleiob  nicht, 
*i  Welche?)  sich  binden  sollte.    Dies  behauptet  eigent*« 
lieh  nur  die  patristisch- katholische  traditionelle  Kirche, 
^ach  S.  4.  liegt  es  im  Begriff  der  eeclesia  m  Hit  ans ^ 
dafe  sie  immer  pr0  vera  f^de  wache.  Soviel 
^bst  Ree  welfa,  ist  nur  in  der  kathoHsehen  Kirche  der 


Üigiiizeci  by  LiüO^lc 


148       Pff*f.  BIftttbiM  Erkl&rttng  dm  Briaii  a»  die  Qßkim. 

Artikel  de  Ecclesia  der  erste  und  eig^entlicli  funda- 
mentale, weil  nur  eine  infallible  Kirche  immer  weifs, 
•  vfas ,  wena  ein  chrisliicher  Religioosartikel  oppugoirt 
wird|  die  Vera  ßdes  sey.  Jede  andere  Kirche  weilii, 
dar«  zwar  m  der  fides  als  Treve  für  den  von  Chri- 
stus offenbar  gemachten  Willen  der  heiligen  Gottheit 
Alle  übereinstimmen  können,  ülier  Wahrheit  der 
Giaubensartikel  aber  nicht  lias  ßewufstseyn ,  wel- 
ches Alle  oder  Viele  ?on  dem,  was  sie  in  sich  atifiiah** 
fiten*,  haben  kdnnen ,  sondern  nur  die  wissenschaftlich 
Geübten  urtheilen  köniieu  ,  ebendes%vegea  aber  uie  wie 
infaiiible  Wächter  des  Wahren  auftreten. 

Noch  weiter  geht  der  Verf«  S.  4^  indem  er  den  in 

der. Kirche  wirkenden  Geist  als  den  Gottes  Sohn 
zu  beschreiben  scheint.  ^,  Nunc  per  illitm  spiritunii 
qui  aetprnus  in  ecclesia  est  Dei  filius,  omne$ 
Christi  imitaiores  wmm  totum  conatüumi,  et  dUer 
üUeri  par  est;  Üa^  ui  neque  unus  sit  dominus,  neque 
ff  her  servus  f  sed  onmes  ipsi  suit  lam  servi ,  quam 
domini!* 

Doch  wegen  dieses  Strebens  nach  einer  plena  veri- 

iatis  perfectio  erwartete  Ree.  in  einer  neueren  exege- 
tischen Schrift  des  Verfs.  zu  erfahren,  was  tienn  die 
Kirche  und  der  Geist  ihm  zu  einer  genaueren  Erklärung 
der  urchrisllichen  substantia  ßdei  entdeckt  und  gleich- 
sam geoffenbart  haben  möge.  Aber  aufrichtige  zo  sagen, 
war  für  mich  in  der  so  eben  erschienenen 

♦ 

piBtlMwig  de$  BrkfBB  PanK  an  dU  OaUdtr,  nou  ۥ  8t^  MatthieB, 
aufierord,  Prof.  4er  TImU  au  ßreffswMc.  Mit  fre«o«derer 
Berücksichtigung  de»  Commeatare  von  Heiner.  Greifs- 
walde^  hei  Koeh.  1833.   138  S. 

« 

nicht  eine  einzige  Stelle  zu  finden,  in  weicher  spirUus 
pietdorem  veritaHs  perfectianem  effecissc  videatur. 
Nicht  einmal  von  den  ingeniösen  Krueiterungen  der 
Dofrmatik,  welche  der  dritte  AbschniU  der  Preisschrift 
nach  Hegel  und  Marheinecke  zu  geben  versucht  hat, 
findet  «ich  hier  irgend  eine  interessrate  Spur.  Ueber 


Digiiizeo  by  CjüO^lc 


4 


Vf^%\  Matthies  £rkUrung  dea  Briefs  an  die  Galatee.  . 

die  Wahrheit  deutet  S.  37.  auf  3  Quellen,  von  denen 
aber  nur  JBiiae)  die  längst  allgemein  bekaaute,  etwas 
Ifewihren  kann.    ,,In  GoU  nämlich,''  wird  gesagt,  „bat 
die  Wahrhreit  ^ihren  reinen  und  nngetrfibteo  UrqaelK" 
Daran  zweifelt  gewifs  Niemand,   der  irgend  wahrhaft 
Gott  denkt.    Wer  aber  vermag  aus  jenein  Urquelle  zu 
schöpfen?    So  fort  giebi  der  Verf.  eine  zweite  Quelle. 
Dl  Gotl  in  äeioer  ewigen  Gegenwart  lind  Wirkaanikett 
Geist,  ist,  ao  werde  gleiehfalla  die  Wahrheit  ta  clem 
Geiste   begriffen.     Dies  sagt  mit  andern  Worten 
wieder  das  Erste,  dals  in  Gott  (näniiich  als  Gei^t)  voll* 
kommen  die  Wahrheit  seyn  müsse.    Wer  z%veifelt^  dafs 
die  Wabrhett  im  Geiste  .Gottes  begriffen  werde  ?  Aber 
didareb,  daft  dort  alles  ▼ollkoinlnen  begriffen  ist«  erhält 
doch  unser  Geist  von  dem  allem  noch  keinen  Begriff. 
Das  dritte  ist,  dafs  die  ia  dem  Vater  unmittelbar 
begrfindete  Wahrheit  nun  aiajHe  von  dem  Vatef 
enpfangene '  in  dem  Sohne  olSenbar  geworden  it^,  _ 
^e  Snbstanz  dea  Evangeliums  ausmache  «nd  mit  4e^ 
aüg(eignet6n  Evangelio  zugleich  Eigenthum  des  Men- 
schen werde.    (Was  erhalten  wir  denn  nun  durch  diese  ^ 
künstliche  weitläuftige  UiiitH)hreibmigen  über  die  Wahr<^ 
Mt  anderes,  als  was  immer  gan^  einfach  zu  ^igcn  ist,, 
dafs  das  Urchristenthum  über  die  Religion  mehr  Geistig«» 
v^ahres  gegeben  habe,  als  die  Menschen  sonst  aus  dem 
Gdste  oder  aus  Gott  selbst  zu  schöpfen  vermocht  hatten?) 
Was  afi  dieser  N^achweisung  einer  dreifachen  Wahrheit^ 
qvelle  wahr  ist,  -erscheint  als  gar  nicht  neu,  wenn  gleieh 
erkünstelter  ausgesprochen;  was  aber  neu  daran  wäre, 
<iie  Entdeckung  einer  ersten  und   zweiten  Wahrheits- 
quelie,  ist  leider  weder  wahr  noch  nutzbar.    Wenn  in 
Golt  die  Urquelle' die  Wiahrfaeit  iet,  und  auch  GoU  ab 
fldst  sie  haben' mli'^  ao  wird  dadnnch  gar  nicht  a«ft 
gehellt,   wie  wetin  Der,  w^elcher  im  Neuen  Testament 
*N  Gottes  Sohn  zu  uns  redet,  diese  Wahrheit  aus  der 
iJrquelle  hatte.    Wir  erfahren  nur  beiläufig  und  dunkel, 
daft  der  Verf.  Gott  und  Vater  und  Geiat  eigentlich  Mmo^  ^ 
^ifcirt,  indem  er  die  Wahrheit  ab  unmittelbar  in  dem 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Vater  begründet  und  in  Gott  als  Geist  be|griiflfen  ang;iebt 
Da  er  alsdann  die  in  dein  Sohne  offenbar  gewordene  nur 
eine  von  dem  Vater  empfangeoe  nennt,  so  kÖnimt  dieser 
Sohn  in  eine  Abhängpigkeit,  welche  sokwer  Ktt  deokea 
Wi&ve,  da  ihm  S.  Sl.  eine  Wesensgleichheit  zeet^ 
kennt,  welche  der  Sohn  mit  dem  Vater  t heile.  Der 
philosophirende  Verf.  vergiiüt  demnach,  dafs  zwar  bei 
allen  andern  Wirklichkeiten  des  Wesentliche  (z.  B.  die 
Menschheil,  die  Thierbeit)  etwas  Generisohes  ist,  wel- 
ches In  den  einzelnen  Dingen  indlvidttell  existirt,  bb^ 
nur  von  den  Denkenden  dorther  als  das  den  Einzelnen 
gemeinschaiiliche  in  Einen  Gedanken,  in  einen  Gattungs- 
begriff, zusammengefaTst  wird,  weicher  aber  als  geoe- 
risoh  keine  Substaas  ist*  Gerade  da»  WeaeBtliebe  der 
Gottheit  hingegen ,  oder  die  Allvollkonunenheit,  ist  tticht 
ah  etwas  Generisches,  welchem  also  in  mehreren  gleich 
sehr  existiren  könnte,  sondern  nur  ai»  die  höchste  Eine 
Substanz  denkbar.  Deswegen  sagte  die  Kirche  nicht« 
Der  Vater  und  der  Sohn  habe  g^leichea  Weseft}  ^ 
dafs  die  essenita  Hwma  (die  Gottheit)  ini  Vater  wie  in 
dem  Sohne  sey  (wie  das  ^cnerische  Wesen  Menschheit 
in  h,  c.  individualisirt  seyn  kann  und  alle  Menscheo 
ymdem  esseniiae ,  ö^otiortoc  - sind.)  Vielmehr  sagte 
die  orthodoxe  Kirche  und  mulste,  wenn  sie  ihre  wissen* 
sehartiiche  Terminologie  yerstand ,  sagen :  Vater 
Sohn  und  Geist  seyen  Ein  Gott,  weil  sie  nicht  etwa  nur 
einander  wesentlich  gleich,  sondern  weil  sie  zu- 
gleich ö/AOu  nur  Seyen  in  Einem  und  ehendeoMsibeB 
Wesen,  in  eadmn  owm,  so  dafs  mtb^iwUia  el  e$8eiiU» 
dwma  manerhe  una  bleiben  sollte. 

Noch  unerwarteter  war  es  mir,  von  einem  solchen 
^onst  in's  Absolute  idealisirenden  Dogmatiker  8.  63.  20 
lesen;  Christus,  der  sttndenloaeiSfAB  Gottes ,  habe  SMX 
wegen  ansererSfinden  ein  flchwer|^eatrafter,  MTOfa* 
werden  können.  In  seinem  Krewasestode  wurden  alio 
die  Sünden  der  Menschlieit  bestraft.  Christ© 
widerfuhr,  was  eigentlich  uns  wiflerfahren 
mufste  n.  s.  w.    Wäre  der  Verf.  »it  dergleichen  £1^ 


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St&egHis,  Geach.    EigentlimiM  wm  WftM  n.  Jagd  iii;DMilMlil.  151 

gt^exi  beim  Woit  zu  nehmen,  so  niüfste  man  fragen: 
HaUeo  (leuD  eigentlich  alle  Mensohea  gekreuzigt  werden 
sollen?  Wäreo  alscfamii  die  Sünden  der  Menschheit  (vor 
Goli)  gesiraft  gewcsea?  ^  Aber  wieV  wo?  denkt 
sich  die  Schrift  und  das  Urchrifftenlham  Jesu  HinHeb- 
tung  als  eine  gütlliche  Strafe?  als  Bestrafung-  in 
BesiehuDg  auf  Sunden?  Nackt  autgelienkt  zu 
Werdeo,  war  nach  Mose  eine  abscheuliche  Todes«' 
srt)  nmrapa^  fiir  Menschen.  Oer  finibidrsie  söllte  vor 
Nacht  Allen  aue  den  Augen  Ht^ggeschaflt  werden.  Gre- 
schah  aber  dies  einem  Sütidlosen,  so  konnten  dieser  da- 
durch doch  nicht  ein  für  Gott  gestrafter  gewor- 
den sejrn. 

Doch  in  den  wahren  Takt  ftr  philologisches  und 

archäologisches  Exegesiren  ist  liier  gar  nicht  zu  denken. 
Ueberau  hängt  des  V  erfs.  Erklärungsweise  an  dem  längst 
Abgethanen.  Daher  ruft  er  hundertmal  gegen  die  Wi- 
oeriscben  £rklfirnngen tein :  «,Sonderbarl  Sonderbari" 
tu,  ohne  sonst  philologische  Methode  m  zeigen.  Von 
Meiner  Erklärung  des  Galaterbriefs  (Heidelberg  1831.) 
sagt  S.  V.  sehr  witsig :  „Paulus  weifs  mit  seinem  scharf 
aufgeklärten  Verstände  alles  Schwierige  und  Tiefe  in 
denmdeten  Fällen  dermafsen  su  verflüchtigen,  dab  det 
unbefangene  Blick  statt  des  biblischen  Inhalts  nicht  selten 
mancherlei  Milsgeburten  in  neugebildeten  Worten  er- 
bUckt,""    Eni  aUquidf  laudari  a  laudato  viro* 

Dr.  Paulus. 

t       I  r  II 

(ktchiebtliche  Darstellung  der  EigenthumsverhältniMß  ob  H^M  und 
Jagd  in  Deutschland  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Aushildimg 
der  Landeshoheit,  Mün  ^ersuch  von  Christian  Ludwig  Stieg' 
Uts,  der  Rechte  und  der  Philosophie  Doctor  und  Pricatdocenten 
an  der  Universität  Leiptig*  Leipzig ^  6ct  F,  A,  Broekhaus.  1832. 
1  mci  309  &  a. 

Wenn  gleich  in  den  zalilreichen  Schriften  Ober  Re- 
gdUät  der  Jagden ,  die  das  17te  und  18te  Jahrhundert 


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ISS  Stt«glUB»  Gefoh.  d.  ^gcatlmiiit  an  Wald  a.  Jagd  Ui  Daiiftelil. 

aiifasnmisen  hat,  immer  auch  manch«  brauchbare  fai« 

s  t  o  1  i  s  c  h  e  Notizen  Uber  die  Eigenthumsverhähnisse  an 
WaUi  und  Jagd  sich  linden,  so  fehlte  es  doch  bis  jetzt 
an  einer  zusammenhängenden  Geschiohie  dieses  Gegen- 
siandea.  Oeon  sowohl  Slisaera  Forst-  und  Jagdhiatorie 
als  Aolons  Geaehichte  der  Landwictfa^chaft  enthalten 
mehr  eine  Geschichte  der  technischen  «als  der  juristischen 
auf  Wald  und  Jagd  sich  beziehenden  Verhältnisse,  und 
zumal  auf  die  Frage  über  die  Veränderun^n ,  welche 
im  Eigenthuni  diesler  Geg^enstände  vorgingen,  *i$t'mir 
sehr  wenig  eingegangen.  Eine  sehr  willkommene  Er- 
scheinung inufs  daher  jedem  FVeund  des  germanischen 
Rechts  die  vorliegende  Schrift  seyn,  da  sie  einein  so 
interessanten  Gegenstande  eine  umfassende,,  sorgfältige, 
ganz  auf  die  Quellen  zur ückgeheodeXIntersnchung  widmet 

Eins  möchte  man  freilich  gleich  bei  Betrachtung  des 
Titels  bedauern,  dafs  nämlich  der  Verf.  Wald  und  Jagd 
nicht  in  allen  ihren  rechtlichen  Beziehungen, .soodera 
mir  in  ihren  dinglichen  betrachtet  hat.  Allein  thrfh 
leistet  in  der  That  das  Buch  in  dieser  Beziehung  mehr, 
als  der  l'itel  verspricht,  indem  der  Verf.  gelegentlich 
auch  auf  manche  nicht  dingliche  Verhältnisse,  Mriez»B. 
.Forst-  and  Jagdstrafen,  eingeht,  theils  bieten  diese 
letzteren  Im  Ganzen  wenig  Eigenthümliches  und  daher 
kein  bedeutendes  Interesse  dar,  allenfalls  mit  Ausnahme 
der  Lehre  von  den  Wald-  und  Jagdgerichten,  in  wel- 
cher Beziehung  aber  rücksichtlich  der  Marken  schon 
das  Hauptsächliche  in  einer  Reihe  von  Schriften  ge- 
schehen ist,  rflcksichtlieh  der  Forste  aber  bei  der  DQrf- 
tigkeit  der  Quellen,  wie  es  scheint,  wenig  Neues  zu 
h^en  se^^o  wird.  .  ... 

fr 

(Der  B6$ekluf8  jQl^t.J 


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StieglÜB,  Geschichie  des  EigenthumB  an  WulA  und 

Jagd  in  Deui^cUaML 

m 

Bin  zweiCes,  wa«  fnan- bei  Durchl^ung  der  Schrift 
wünsche«  möchte,  itjt,  dafs  der  Verf.  seinen  Gegenstand 
üodi  weniger  isoUrt,  noch  mehr  im  Zusammenhange  n^l 
dem  ganzen  iUirig#o  R«ohls£ii9Ulido  de»  Mittelalters  Jbcr 
liichtel  hüiie»  iii4kl|tfk  Wir  tageo  npch  weniger  liolirt; 
imn  gewiC^  leistet  die  Schrift  auch  in  dieser  Beziehung 
recht  viel.  Wir  müssen  jedoch  unser n  Verf.  auch  hiefr 
gegen  die  Ij ngen iigsamen  in  Schutz  nehmen.  Allerdinge 
M  es  die  höchete  Aiifgatie  de«  Heofatahistorikf»!  jei^p 
«Ottilie  IpMltiit  tor  «te  ei«  doreh  «He  eoderii  bedingt^ 
tnul  getragenes  zu  hetrachlen  und  darzustellen.  Wir 
glauben  aber,  hiervon  eine  Ausnahine  g-emacht  werr 
im  oiiiik,  wenn  die  Untersuchung  eieen  bisher  n^ch 
wenig  oifer  ger  iiiolil  beef belteteo  <iie|[ewit9Bd  betrifft 
-Vir  gieubieft,  def«  es  hisr  vieliaebr  Pflicbl  desl^emhepp 

iich  Bo  viel  als  möglich  an  die  unmittelbaren  Er- 
gebnisse der  Hauptquellen  zu  halten  und  durch  sorg-p 
iiüiige  Verarbeitung  dieser,  wobei  ja  bei  der  Ludieor 

htiigkm^  deiwelbeo  m  m  Q^lagmAmt  m  geietreichep 
IkmbjbeliiNiee  ele  fcfeleo  vfM,  ein  getreoss,  in<9gli9l|9i 

ebjektives  Bild  zu  geben,  Ideen  aber,  die-  sich  ihm 
fficksichtlich  des  Zusammenhangs  seines  Instituts  mit  au»- 
dmn  aufiduftugen,  von  iler  Haeptuntersuchueg  getrennt 

«  heAhe«  iiimI  hiosustellea«.  Gwt  Itflcbt  fiUirt  «Me  fiftrebap 
«idi  jeeer  «lissftigea  Bdiaadlungsweiee  w  eiBSpiliffW 

Ansichten,  die  dann  unwillkührlich  in  die  weitere  For- 
schung selbst  übergehen,  und  so  dem  späteren  Bearbeiter 
4$B  Vortbeii  entziehen,  eef  einer  feilen  Gruipdlage  ner 
Wicr  jEwrlguhsteMi  Vanßigtmiae  xmb  aber  wpU  dm 
^Bssagto  gekm,  «rene,  wie  im  r«illegelldwi  Pal}#^  nm 

nirtJabi«.  8.H4>it.  49 


Digiiizeci 


'    TU  SÜaglato,  Qetobkiite  d»«  £igfuUb«iiit 

IM»  dtm  Forscher  oboo  Unbescheidenheit  noch  keiae 
imifMeode  UeberschasuDg  «lief  altdeotocben  Hechtein-* 
Blilnte  iittd  ihr^r  geadudbllif^lieB  Bniwichriptiig  verlas- 
sen kann. 

Wir  wollen  nun  der  Schrift  im  Einzelnen  folgen,  be* 
'  .  aooders  das  hervorhebend ,  was  mr  Charakteristik  der- 
selben dient,  und  hie  und  da  unsere  Bedenken',  Wünsche 
und  eigene  Ansichfen  beifttgeDd« 

Der  Verf.  theilt  das  Ganze  in  drei  Abschnitte,  von 
denen  der  erste  den  Zeitraum  bis  zur  Entstehung  der 
Bannforste,  der  zweite  deo  bie  nur  Ausbildung  der  Lan- 
deshoheit ,  der  dritte  die  nach  it»  Butwickelung  der 
Landeshoheit  eingetretenen  Veränderungen  schildert 
Die  letzte  Abtheilung  ist  gewifs  durchaus  in  der  Natuf 
der  Sache  gegründet;  denn  sowohl  die  Forsthoheit  als 
die  Jagdhoheit  und  das  Jägdregal ,  als  die  drei  Institute^ 
urelebe  in  neuerer  Zeit  in  den  reditliohen  VeiMltniswu 
der  WSider  und  Jagden  Veränderungen  hervorgebracht 
'  haben ,  sind  ohne  *  weifel  einzig  als  Ergebnisse  der  aus- 
gebildeten Laudeshoheit  zu  betrachten.  Wohi-iiefse  sich 
dagegen  streiten  über  die  Zweckmäfsigkeit  -  vod  .fsihst 
RIchtigkdt  der  ersten  Abtheilung.  Deon  uraa  die  lelu-^ 
tere,  die  Richtigkeit,  betrifft,  so  bleibt  es  doch  immer 
Behr  zweifelhaft,  ob  nicht  schon  latige  vor  Karl  dem 
Grofsen  und  vielleicht  schon  in  der  ältesten  Zeit  das 
königliche  Eigentham  und  insbesondere  die  kteigUehen 
Wilder  eiaea  beaeadera  aiarken  Sehutsea  iNe 
Gesetze  Rothars  (c.  325  )  wenigstens  sprechen  einen  sol^ 
chen  für  einen  einzelnen  Fall  bestimmt  ans,  wie  auch 
der  Verf.  S.  41.  selbst  zugiebt;  das  ripuariache  Gesetz 
aber  acheint  im  tit.  60.  c.  S.  auf  die  Verletsuiig  des  U- 
'niglichen  Bigettthmna  die  Strafe  you  80  Soiidi  n  eetuea 
(▼ergi.  Rogge  Gerichtsverfassung  S.  43.  44.),  und  un- 
terscheidet im  tit  16.  die  siha  Regis  ausdrilcküch  Yon 
denen  der  Privatpersonen.  Zwar  wird  in  dieser  letzten 
Stelle  auf  jeden  Holz-  und  WilddiebttuM,  ehm  UMr- 
aekiad ,  wen  der  Wald  geUhrte ,  dieeeibä  Slmfe  tou 
16  Solid i  gesetzt ;  allein  dies  rührt  wohl  v<Mi  den  eigen- 


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'  tm  WM  iiMl  JagA  Iii  IkMitMliM. 


1Ü. 


dHMiebM  Aatlthteii^  iK«  mM  ibor  des  BmUs  vm 

Holz  anii  Wild  in  der  ältesten  Zeit  hatte  (quia  res  non 
possessa,  sagt  der  angeführte  Titel),  her,  und 
flchliefsl  nicht  aus,  dafs  die  Verleteyng  des  Grund  und 
Bofkmi  selbfll^  z.  B.  die  Aomdiing,  tm  waidiem  Faiie 
nmeuilinh  Iii  #0.  Q  S.  n  reden  icheint,  mit  hMierer 
Strafe  bedroht  war.  Was  aber  zweitens  die  Zweckmäs- 
sigkeit obiger  Eintheiiung  angeht,  so  will  Hell,  nicht 
mhehlen ,  da£s  es  ihm  besser  geschienen  hättei  wenn 
«kr  VerÜMser  oiir  zwei  Abschnilte,  die  Zeit  vor  wind 
4t  Zeit  B8.oh  der  Asebildung  d^r  Lundeebohelt  ige* 
QäH^hl,  und  im  ersten  nach  einer  allgemeinen  Einlei- 
tiiog  über  Wald-  und  Jagdeigenthum  Oberhaupt,  in 
drei  Tbeiiea  ¥oa  den  Privatwalduagea ,  Markwäldturo 
wi  Porfrteii  getrennt  gelieiidelt  hitie.  Manche  imange* 
■ihiie  SerMokelufig  und  Wiederholung  wfirde  dadereh 
▼ermieden ,  und  überhaupt  der  Verf.  genöttiigt  worden 
sa^Q,  den  Zustand  des  spätere»  Mittelalters  dem  der 
Ikesten  Zeit  enger  anzureihen  9  und  beide  noch  mehr 
VildMtfleeitillg  <liirch  einander  n  erlciftren«  Insbesondre 
iMdui^  wicf  wir  glauben,  die Murlkwilder  gann  anderes 
Licht  erhalfen  haben.  Dena  überall  wird  man  uns  nicht 
entgegnen,  «lafs  es  überhaupt  ziemlioh  gleichgültig  sey, 
welche  Abschnitte  inan  wAhiew  Nur  gar  zu  leicht  bringt 
dt  Zeitabeehttitt  Spaltung'  und  Sonderung  dahin,  wo 
IMitrgang  und  Verschmelzung  ist,  und  kann  so  eine 
|lUe  Reihe  von  Thatsachen  in  einem  schiefen  Lichte 
evscbeinen  machen. 

Naeh^eni^  der  Verf.  sich  im  §*  1.  einleitnogswtfise 
Ibar  dit  BeBobnffctaheit  der  Quollen  seines  Gegenstands, 
die  Zülässigkeit  des  Zurückschliefsens  aus  den 
Miellen  späterer  Zeit  auf  die  frühere,  und  über  die 
Gründe,  warum  die  ältesten  Volksrechte  so  wenig  Ober 
den  fiogiichen  Gegenstand  enthalten,  ausgesprochen  hat, 
Iwidsit  er  im  ^  2.  von  den  Altesten  Eigenthnmsverhält- 
slBfen  an  Grund  und  Boden,  und  erklärt  sich  hier  fQr 
4ie  Ansicht,  dafs  zu  Casars  Zeit  die  Deutschen  mit  ihren 
Asctkar«  gewochifeit  hätten  und  erst  später  eia  dauernder 


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privativer GrttodbeiiCB  eiagelireten  s^.  DafaIU£.|  Mao- 
nert  Mgend^  die  bekamite  Stelle  det  OiMr  ipoü  VdÜ 

kern,  die  auf  der  Wandernng  beg-rifTeo  siod,  versteht, 
hat  er  in  seiner  Geschichte  der  deutsehen  Reichsver* 
iissung  ausgesprochen  und  mufe  dabei  bleiben.  Bioe 
eeiche  Einrichlttttg  bei  einem  Velke  miinebinee ,  -  dai 

^  aeben  feale  Wohnsilce  genommen,  wQrrie  ohne  eine  aeil^ 
feine  Politik  und  eine  grofse  Macht  der  Obrigkeiten  niclit 
möglich  sej^n;  eralere  läfsi  sich  bei  den  alten  Deutschen 
nicht  wohl  annehmen,  vnd  gegen  leMere  alpeilen  die 
mehrfluihen  auadrficblichen  Zeöifnlaae  von' aaageddialer 
Volksgewait.  In  Folge  seiner  eben  erwähnten  Ansicht 
nimmt  nun  der  Vcrf  im  ^.  8.  weiter  eine  völlige  Gemcin- 
achaft  aller  Wälder  und  Jagden  an  und  giebt  höahstens 
sn,  dafe  ffineelne  Gemeinden  schon  W&lder  wie  gjwaa 
Fleren  In  Beailz  gfenemmen.  §.  4  ~T  entwiokeli  da«») 
wie  später  ein  Theil  von  Grund  und  Boden  in  dauernden 
privativen  Besitz  der  einzelnen  Freien  gekommen  ^  wie 
aber  daneben  das  Gesammteigenthum  fortbestanden,  und 
tiaa  Reche  der  Beniilcan^  deaseiben  ala  Zabeh^r  dea  Ba* 
aittsea  ¥oti  ichtem  Prlvateigealhiim  belraehtet  woräHHy 
wie  zu  <lie8em  Gesammteigentbume  insbesondere  auch  eia 
gtofser  Theil  der  Waldungen  gehört,  neben  diesen  G6- 
liieindewaldangen  (Marken)  aberauoh,  besonders  in  den 
liKttdera,  wo  die  lUmer  firiher  festen  P«Ai  gehabt) 
talwälder  besfanilen  bitten ;  wenn  gleksh  daa  EigealhttiA 
an  ihnen  noch  nicht  das  Recht,  jeden  Dritten  Ton  der 
Benutzung  derselben  auszuschliefsen ,  in  sich  gefafst 
habe.  Dieser  Zustand  soll  wenigatens  schon  ebt  Zeit  dar 
iltealeo  Voikarechte ,  alao  im  Saea  md  6ten  Jahrluinderte 
aoagebiMel  gewesen  Wir  glauben  jedoch,  daii 

vom  V  trf  sorgfältiger ,  als  es  geschehen,  zwischen  den 
Ländern,  welche  längere  Zeit  im  Besitz  der  Römer  und 
^enen,  weiche  dieses  nicht  geweaeo,  fa&tte  anleraehlertMi 
werden  wMm.  In  jenta graten  also,  namentii^  in  Mm 
URndem  weatlieh  mm  Rhein  and  südlich  von  der  Donaa 
finden  steh  schon  gleich  nach  derGröncJting  germanischer 

V  Staaten  überall  Privatwalduagen  erwähnt;  ao  aameatlieh 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


I 


m'4m  ültfcheiif  ff«piMiriieli«ii  ^  bainsclien,  iongobardi- 

flehen,  burguncHscheti  und  westg^othischeu  Gesetzen. 
Zw«ifelhafier  ist  es,  ob  es  auch  Mark  Waldungen  in  aüaa 
jus»  lüadaiii  gak  Voo  Volksgeieisen  erwähal  dar«- 
adbea  nr  daa  ripaameha  Getela  im  lit.  ir&  Deoa  die 
Mlcn  im  Bur|i;fOlidiacheii  und  We$«tgothischen ,  weiche 
der  Verf.  anführt,  reden,  wie  dies  schon  Grimm  *) 
richtig  bamerkt  hat,  luir  davon,  dafs  die  Wälder,  welche 
■a  Jea  amtebea  dam  rdmiachea  GiHabesitaer  uad  deai 
f  «aiiiMiJiati  AaqMa  bei  dar  Erakaraiig  des  Landes  g«^ 
tkeiiten  Landgütern  gehörten ,  nicht  t^eulUcr  getheiit, 
sondern  von  beiden,  ciem  Römer  und  Germanen,  ge- 
mdaschaftiich  beniUzt  werden  sollten.  Die  commarcham 
des  bairiachen  Geeetzbuehs  aber  eiad  wabiacheloHoh  our 
Bwlehagi  ikrsalhaa  Dorfgemarkang ,  ehM  weitere  Be- 
siehang  auf  in  ihrem  Gesammteigenthume  befindliche 
Waldungen,  vielleicht  auch  nur  Grenznachbareu.  Unser 
.  Verf.  findet  zwar  eine  Hindeutaog  auf  Gesammteigenthum 
«  sdani  Worte  aamfitfti^  welches  i»  XVI.  GL  l,  §.  I, 
aad  Griman  eine  in' der  siha^  welebe  in. XXL  11. 
vorkommt.  Allein  «las  exurtum  kann  eben  so  gut  von 
AnroduQgvonHaidegruud  als  vonAnrodung  eines  Waldes 
•aeiataM(e»  werdea,  die  silva  in  der  aadern  Stelle  aber 
fal  aar«  eiD»VriV8twaJd;  dem  daa  Geseta  aehreibt  VoTi 
4th  Dar  Bawohoer  einer  «ad  derselbe  Gemarkmig  (oder 
▼ielleicht  Grenznachbaren)  das  gegenseitige  Recht  haben 
sollen,  ia  des  andern  Walde  (sitva  aUerius)  Vögel 
ia  iui|«n*  Trotz  dieaea  Sobweigeaa  der  Volksreobte 
•gbabeii  wir  jaidoch  aoaehaiao  an  mHaeeo,  dafa  es  we*- 
ligstene  in  den  Landern  sBdIich  yoa  der  Donaa  oad  in 
denen  des  Unken  Rheinufers,  also  naiiientiich  bei  den 
Maiern,  Alemaoaeo,  Hipuariern  und  Saliern  überall  neben 
dinMaatwftldero  auch  Geaieindewaldungen  gab,  indem 
•dMelbaa  aiah  ia  diaaan  Gegendeo  noch  viel  epftiar  ynd 
M^r  zumTtieil  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  erlialten 

'  In  tteewlon .  mdoer  $cbrif|  aber  die  MarkgeneeMiia^liafleii, 
*  '   ia*  üw  •  WieiM  JaMMern  der  Idtevalar »  Bd.  45.  - 


> 

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M6  Sii^glili,  liMciaciite  dM  £%;wrilhiiM 

Iwbeii.  Wis  dsgiaf  M  das  wcMicIm  md 

betriff!,  80  mdgen  Bwar  dort  wegen  des  längeren  AufenW 

halU  der  Rdmer  die  Gemeinde  Waldungen  nichl  mehr  so 
häufig  gewesen,  seya,  dafs  sie  aber  gleichwohl  aucküori 
noch  vorgeluNnman ,  schliafeea  wir  aaa  aiMr  biaher  aaah 
niohl  -beaehtetoD  aehr  iolefasaaBtaa^  Stella  In  «ibmi  6«k 
aetee,  welches  Karl  der  Kahle  im  J.  844.  zu  Toulouse 
fijber  die  Verhältnisse  der  Spanier,  die  sich  im  fränki- 
achen  Reiche  angewedelt,  eriiefti  £§  heifst  dort:  JUe§i 
ek,  8eeundum  aniiquam  canau/Biudinem  uUfne 
paeeua  habere  ei  ligna  eueJere  ei  aqumnmn  daelat 
pro  suis  n€C€88iiatibus  ubicimque  pervcT^ire  potuermt , 
.  nertime  contradicerUe  juxta  priseum  morem  Sem- 
per deducere. 

Anders  aia  in  den  Lindern  aftdUnh  4m  OmIi 
und  weatllch  ▼am  Rheine  dürfle  aieh  dagegen  ni^  » 
aerer  Ansicht  die  Sache  im  iunern  Deutschland  verhalten 
'  haben.  Hier  glauben  wir  vor  dem  9ten  Jahrhunderte 
weder  Privat-  noch  Gemeindewaldungea  annohioam  aa 
kdnnen ,  sondern  «na  die  Wilder  fiberliaapt  am  «ngehaMr 
an  Umfang  denlien  so  missen ,  dab  an  eine  Vertheilnog 
derselben  an  Gemeinden  oder  gar  einzelne  Personen  und 
eine  Beschränkung  des  Nutzungsrechts  noch  ^ar  nicht 
gedacht  ward.  In  dem  sächsischen,  friesisdiea  omI  thih 
ringiadien  Gesetabuebe  wird  denn  amdi  ebeo  daawtfen 
nie  eines  EigenÜMMaia  an  Wildern  Erwihnung  gethao, 
und  eine  Stelle  im  thüringischen  scheint  uns  sogar  einen 
indirekten  Beweis  zu  liefern ,  dafs.  zur  Zeit  seiner  Abfas- 
sung noch  kein  solchen  beliannt  war.    Es  heiiki  nimiklb 

in  XVII,  2:  Si  homo  ,  quadübai  mtwhkumnam- 

ium  ad  eapkndaa  f^raa  m  ayfoa  poauerii  ^  ibique 
pecua  —  uüerms  captum  vel  mortmtm  fuerU ,  qui 
machinamentum  fecit ,  dammm  emendet.  Oefs  Je- 
mand für  Schaden,  der  einem  Thiere  auf  eeioMi  nignnn 
.  Grnad  und  Boden  zugeslolken,  einaiahea  ac^lt,  im  aehr 
«nwahiacheinlich ;  ea  kann  also  das  s^/i;a  wohl  nur  von 
Wäldern,  die  in  keines  Privat -Eigenthume  waren ver- 
standen werd«fi,  und  daa  iiuo  dies  nic)it  wadcQQÜiob 


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«B  Waid  unil  Jngd  io  PcnUfliilattd. 


(Migef&fi  ist,  bat  ^hAI  ia  nichts  anderem  seinen  Griud, 
tii  dafe  Ibarhaiipt  mcIi  ftr  kaim  Privalwäldar 

Seit  dem  9ten  Jahrhunderte  scheint  nun  aber  auch  im 
iaaern  Deutschland  Anbau  und  Bevölkerung  so  weit  vor-, 
geschritten  zu  seyn,  dab  man  an  die  Vertheilung  dec 
Wilder  *)  m  denkaa  aofiof  t  daher  finden  fiich  <fen 
ia  dwi  Urkanden  dieser  SSeil  die  enteo  %nreii  Von  6e« 
meinde-  und  Privatwäldern.  Unser  Verf.  hat  uns  von 
(leo  ersteren  mehrere  interessante  Beispiele  mit^etheilt« 
&  heUst  es  io  einer  Urkunde  von  806.  (S.  13a  Note  36.)« 
^  tradidi  —  patiiculqm  heredUaii»  ^  fftofrii  lor 
km  tue»»  id  eel  iatmm  emnftehmnhnem  (wahrscbein* 
lieh  Bifaug)  in  sylva,  que  dicitur  Hoissi  m  aqtälonaU 
ripa  fiuvii  Rurae  —  communionemque  in  eandem  sil^ 
Dom.  In  einer  andern  v.  J.  801.  (S.  133.  Note  12.): 
tindirft  'gmttmdam  kms^diUUh  meae  ^  m  väla  UaUr- 
i§im domimdkmemque  m  ayJvm  ad  supradMam 
mllam  perirnentea  cum  pastu  pleuissimo  Juxta  modu^ 
bm  curtilis  ipsius.  In  einer  dritten  v.  J.  ?98.  (S,  150l 
MfHke  2&^^ ;  tradidi  —  curtile  vnum  ,  et .  ditodeeimam 
jVM^  m  9yhHvn  qmi0  dicüur  Braclag  cum  paacm$, 
d  pkna  dominaikme.  Zwei  andere  Stelleo  aoi  dieser 
Zeit,  die  uns  aufgestofsen,  wollen  wir  nachtragen.  Es 
ll^in  den  Tra^t  Fiildens.  p.  125:  Fratres  Fulden- 
d^denmt^  —  «innsee  XXXIX.  omn  fonie  ad 
mUm  fmiatdvm,  quwdwmm^e  eoram^parth  ibidem 

i 

.  *)  Ucbcr  die  Art,  wie  man  dabeLsu  Werke  ging,  theilt  uae  der 
Verf.  S.  149.  Note  19.  eiae  iateretMirte  Stelle  ane  dea  Maamn. 
Boic.  \.  p,.  S82.  mit.  Be  Mflit  dart:  JMIKi  gvldaai  eaaet  4§ 
ChasteUn,  —  inf^restvs  cum  «ervii  et  rMlInlt  «rfi  «  üleraia 

vam  in  loco ,  qui  dieUur  Helngtrnpenga ,  ^  e*  eilt  «vna  — 
,  absQue  omni  contradictione  apprekemUt:  detft  nu»  ui  et  erat 
communem  silvam  de  legitimia  curtiferia  apprekmidere  t  cl  in  po- 
testatem  sui  juris  tarn  populari  more,  orÄomai  iciöo^  «letiMMi* , 
ignium  uttione  domorumque  edificatione,  qiUiM  tHstM'  dfal an  da 
eodem  loeo,  quod  her€dit4irio  jure  /^e^ilolMI  ntjaSM  PM  f^jc 


üigiiized 


Stlflglltk»-OMclilchli  det  iäigaitliiitta 


e«l  'ei  cum  Mlba  eonrnnmi,  quae  mmlte  tml  ki  pi»g4 

NUhogowe.    Pernef  in  F'ormul.  Golclüst  N.  15.  (Caf»* 

ciani  II.  p.  427.  c.  ^1) :  oiwKm  ntiUiaiern  id  est  in  pä9^ 
Ciäs,  *^  in  lignis  caedendh  et  in  omnihua ,  quibus 

hmo  in  ctmmoü  naUu  tUi  p^ewi.  HioSf  Imsitnl  ftwM 
ikiHoä  thmlils  das  Wort  iharckw  so  tdf ,  rfalti  «s-  aMIiI 
\^6h\  Hwas  anders  als  gemeinschaftliche  Wälder  bedeuten 
kann.  Z.  B.  Form.  cit.  N.  lt.  (Canc.  p.  425  c.  1.):  crcf- 
Jmetitia  cuncta,  pascuas,  marchas,  aquarumque  de^ 
eur$hnei.  N.  18.  (p.  426,  cl.)  V.  hobm  ti  tä$mi 
kwn  tunÜB      aiqHe  ctnn  ffätnähh  -  tnarotM  ad  tä^ 

dem  periineniihus, 

*   Sehr  interessante  Beispiele  von  MarkwMIdern  atf9  ^lüfl 
Ilten  Jahrhaoderte  bat  G  r  i  in  m  in  der  oben  aogeffthflaa 
AecetMten  gegebea   9«il  dem  Ilten  ^erdeft-Me  daM 
lAiftier  hioiio;er.    Wie  aehr  wfir«  M  wluaehm,  dalb$ 
besonders  was  die  Urkunden*  des  9ten  Ms  Ilten  Jahr-' 
hunderis  enthalten,  sorgföltig^  gesammelt  i%'ilrcle.  Wir  vei^ 
denken  es  unaerm  Verf.  einfgemDafsen,  dafs  er  aioh 
Muhe  ttlchl  unterzogvD,  da  ea  bei  Getegpaiihcat  *<lef  B#* 
titit^ung  jener  Urfcttnden  Mr  PrivatwMder,  Forate  uad 
Jag;(Ien  in  einem  hingegangen  %vSre.    Betonders  erläu- 
ternd für  die  Geschichte  der  Marken  w&rde  es  aber 
tinsres  Bedflaketia  ae^n,  wenn  man  eiitfe  IMler  tnehrei<«b 
Mariten  voti  der  ersten  Spur  ihrea  ¥tMlrommete  bis  arf 
^le  neneste  Zelt  verfolgte  und  dre  Teränderutigen ,  ivel^he 
init  ihnen  vorgegangen ,  die  Theilungen ,   welche  bei 
ihnen- statt  gehabt,  mit  Genauigkeit  auszamitteln  suchte^ 
Ea  bleibt  uns  noch  übrig,  auf  den  vom  Verf«  aufge* 
siellteo  Sats,  dafs  daa  Eigenthiim  an  PrivaturUldera ,  wo 
«s  überhaupt  vorkam,  doch  noch  nicht  das  Hecht,  jeden 
Dritten  von  der  Benutzung  derselben  auszusehliefteo ,  in 
sich  gefafst  habe,  genauer  aufmerksam  zu  machen.  Klar 
ist  dieser  bisher  noch  nicht  beachtete,  als  UeberbMbsel 
dar  früharen  Tdlligen  Freiheit  der  Waldbenutzung  zu 
betrachtende  und  eben  deswegen  gewifs  sehr  interessante 
Sata  ausgesprochen  in  der  L.  Burgund.  28v  1  ^   wo  es 
heilst:       quis  Burguadio  anU  Rmmmm^  tfftkmm  mn 


üigitizeci  by  LaüO^lc 


» 

Mmi^t  iwidcmät  ligna  4t4  ««wmm  4i9  jtMeniißh  ei 

rtan  potesiffttem ,  und  dann  sogar  enie  Strafe  auf  das 
Abhatten  Ton  Seiten  des  Waltieigenthflmers  gesetzt  wird. 
Da«6elbe  scheial  herVorMgeheii  «M  L.  Sah  27.  28c  &* 
fiib  orftorMi  f9»i  otamvni  fwm  ßterH  signaia  ptt* 
H/tM'f  •milltfiti  citAicte  h&b^m  iMtptnn^  #t  ywi»  m^iA 
annum  eam  capulaverit  —  solid,  III,  culpahiUs  judi- 
cdur.  Doch  liefse  sich  diese  Stelle  auch  von  Gemeinde^ 
waidungee  verstehen.  Endlich  wUnd  in  demsetben  Geselle 
«rf  i*  dem  ^ripuartsehen  Die  einer  Cmpoeitioii  dee 
PfefcttahtB  «tehemler  Btome/eoudern  nur  von  der  «chen  , 
Ifrfianenen  und  bearbeiteten  Holzes  geredet,  und  die 
Bufse,  welche  darauf  gesetet  wird,  ist  überdies,  wie 
auch  in  deo  loiigobardiecheii  Oeseteen,  iiii?erhAlliiii»^ 
Hifölg  gering,  wo¥m  dee  ripuerieche  Oeaels,  wie  itthon 
'Aea  erwähnt  ward,  als  Grund  angiebt:  qma  Ugnum 
mn  est  res  poBseasa, 

Im  §.  %,  und  9.  wird  nun  von  dem  Jagdrechle  gehan« 
Mt|  Md  der  Verf.  elellt  hier  Iheils  aMe.ia  defl  «iMlea 
fiMieliNin  irofkoAaMleiidAi  B^mmuiigeti  f ber^agdgege»- 
ÄtSnde  zusammen,  thell«  jaucht  er  zu  beweisen,  dafs  das 
Jagd  recht  auf  Privatgruridstticken  dem  freien  Eigen- 
thUmer,  in  Gemi^nde Wäldern  allen  Markg^Mssen  ge* 
Mnediafttieh  sagesrteiideii  faube,  Unfreie  aber  nie  Mlün 
jägen  dtl«4^;  Sclfwevti^h  ^ird  iMn  gegen  diese  Sitte 
etwas  Gegründetes  einwenden  kdnnen. 

§.  10»  redet  endlich  von  den  königlichen  Waldungen, 
ttiH)  es  sollen  dieselben  nach  des  VMfsk  Ansicht  damak 
Mehfttftiebte  von  den  Mirigen  Printlwililertt  verseiiiedeb 
fN^^sen  %efnt  Blil^  Ref.  hierin  andrer  Meinung,  hat  «r 
bereits  oben  ausgesprochen  uud  mit  Gründeo  zu  unter- 
fitüt:ien  gesucht. 

Wem  wir  bei  den  cehn  ersten  PMtgntfken  «nseres 
UKerk«  «AiMib  Minger  MS  Ye^mlt  haben,  so  kMtten  wir 
dlig^gen  bei  den  sehn  folgenden ,  welche  nadi  einer  Ein»- 
leitung  über  Jagd  und  W^ldvcrhültnlsse  des  sweiten 
Keitrann»  überhaupt  und  üket  die  (i^eiien  dieser  Seit, 


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7m  StiegUU,  Gescliicbte  de^  Elgen^niiif 

von  der  Eatstehiingf ,  Beschaffenheit  und  weiteren  Bnt- 
mckelun^  detr  liiMiafarste  haodeio,  desto  kurzer  se/D, 
<h  det  V«r£  gerade  «vf  dieee«  TlieU  eeiae  Jthuftmrfjbk 
ipawmdai,  umA  mr>  alt»  «bn«  Aaaudimmg  ceittw  Fat- 
schungen  uad  Ansichten  nicht  entgegeazutreten  wagea 
.  dürfen.    §.  IS.  redet  zunächst  von  der  Art,  wie  die 
Bttfinforst«  errichial  wurden  und  voo  dea  (irttodeii)  warum 
ilur .  ünfnmg  uaier  lUrl  dao  Groftan  fetalst  verdaa 
«ftiaaw   Auch  berührt  hier  der  Verf.  die  Mdeer*aehe, 
wn  Grimm  gebilligte  Ansicht,  dafs  die  Porste  aus  den 
Jheiligen  Hainen  der  Deu^hen  eut^taodeo  seym  uad 
•vhlirt  aich  gegen,  dieselbe,  weil  mm  Bieht  einsehe, 
eroiimi  dieie  Feiste  Mekt  tteuMttellNir  u  die  KJceh»} 
aeodera  aa  den  üLönigp  jiml       diesem  erst  dereh  Schaer 
kling  an  jene  geiiominen,  da  doch  in  dem  Capit  Car. 
de  partibus  Saxoniae  c.  h  ausgesprochen  sejr,   dafs  die 
Heehle  der  Tempel  in  grdfsereei  AIaCm  aef  die  Kirchs 
Abergegaiigen. /  Ge^lfa  ein  Einwand  tm  nioht.iiäbedw- 
tendem  Gewichte.    Der  Beispiele  von  Errichtung  von 
F<U'sten  giebt  der  Verf.  hier  und  in  den  folgenden  Para^ 
graphen  viele.    Wir  hätten  gewünscht ,  dafs  er  nach 
:VeUstäadigkeit  geetrebt  oder  ^lenCUle  seine»  Werlte  dm 
Speaialkaiie  ven  Deeieehiaod  init  Angebe  eller  bdnne^ 

gewordenen  Porste  beigefügt  hätte.  Dadurch  wäre  nichl 
unbedeutend  einer  Marken- Karte  vorgearbeitet  worden, 
weiche  immer  noch  zu  den  frommen  Wünschen  gehört 
und  freilich  anch  wofad  grIUeere  SehwierigkeileD  ka^> 
-  Ba  folgt  nen  von  §.  14  — IS.  eine  Schlldening  der  ««f 
die  Forste  sich  beziehenden  Rechtsverhältnisse  selbst, 
und  zwar  wird  in  §.  14.  zuerst  von  dem  Wesen  der 
Baenforste  im  Allgemeinen,  ihrer  Gröfse,  den  über  sie 
angestellte»  Beemten,  der.  Strafe  dea  KdnigabaaMi  W|d 
der  später  an  ihre  Steile  tretenden  geredet,  im  §.  16. 
aber  werden  die  J agd Verhältnisse ,  im  §.  16.  die  Wald^ 
Verhältnisse  in  den  Forsten  besonders  betrachtet.  Die 
Jagdgesetae  Karls  des  Gr.  und  die  Beatiaunuogea  4m 
Sadaranr  «iid  Sohwebenspiegela  werden  mMmaienge- 
stellt,.  V^leihMQg  der  Jegdgerechtigki^.eii  aadere  v(mi 


Digitizeci  by  LjüO^Ic 


«a  'YVaid  uad  Jiig4  in  üeuU«:hl«iid.  • 


SiiieD'  des  Forslbeirn  kommt  schoo  4fter  vor,  um\  selbst 
dipeifttchlosseoe  Zeit  wiftt  d«M  «nribfll  Die  Jagd*- 
kig»  wird  «Im  Foivthcm  ignyelnt;  dk»  Betdiria«* 

knng  des  Forstbanns  auf  gewisse  grdfsere  Thiere  aber, 
also  den  Unterschied  zwischen  hoher  und  niedrer  Jagd 
in  der  späteren  Bedeutung  leugnet  der  Verf.  Ar  diaaa 
2iti  Das  4mgdwk^  entteekte  mtSk  mok  llbar  eioge*^ 
ÜMIteleOnmdaticka,  doeh  mdil  in  der  BagfA  mur  ÜMf 
€Olche,  die  nicht  achtes  Eigenthum  waren,  so  dalk  also 
das  Jag-drecht  fortwährend  Ausflufs  des  ächten  Ei^en- 
tiMuas  bheb  iiad  nur,  da  gerade  damals  so  Yieie  Freie 
dkisa  leMava  aQ%akMi  vod.  mwS  g^mulkkm  ttod  ladt^- 
Mm  Gralbe  IbaHnigen ,  im  immwr  wemgwm  MUkIm 
coQcentrirt  %vurde.  Gesetze  über  die  Waldverhältnisse 
in  den  Forsten,  namentlich  iUier  Aoroduugen,  kommen 
^fofiilte  in  den  Capituiarien  Karls  des  Gr.  vor,  fehlen 
drit  gäaxlidi  im  dM  ftacbtebieheni  uml  is  deo  Ui^ 
hiadt»  dgr  gwiaahuu— ili  Erat  ala  lUe  Fotataadkr  dasdi 
Dtivastation  gelitten,  erscheinen  sie  wieder;  so  in  einer 
Urkiinde  des  Klosters  Maurmünster  vom  J.  1144.  und 
de«  Klosters  Lorsch  vom  J.  in  aiMOi  Geaate  Hai» 

ficto.VlL  l^iar  da«  Nirobatgier  Foiat»  in  Verof düwgcn 
Ladwigs  IV.,  Karb  IV.  und  Albaechts  L  u.  s.  w.  Anfso' 
BestimnauDgen  über  Aurodung  enthalten  diese  späteren 
Forstordnungen  dann  auch  scboa  Voraohriften  über  die 
Art  des  Holsäiaba,  der  Hutung,  besonders  nutSchwauiaii 
ttri  ider  BienauBiielil  fia  daa  Wäldani,  Nntanngsarten., 
a^iche  häufig  den  Umwohnern  daa  Forsts  gegen  gewisse 
Abgaben  (Forsthafer,  Forstzehnte)  und  Frohnden  (Forst- 
dienste) Ubarlassen  waren,  ächliefsiich  jiiacht  der  Veir^ 
iafiwiBriiaiMii  anC  die  Aehnlichkait  der  Waldbeantnngar 
mfcta  iB  den  Fmaian  mit  danan  in  dan  Marken  ^  «nd 
«rklärt  dieselbe  besonders  daraus,  dafs  viele  Forste  aus 
Marken  entstanden.  Interessant  ist  in  dieser  Beziehung, 
(ia£8  der  dreieicher  Forst  einmal  Mark,  ein  andermal 
du  Kaiaar  »banlar  M|rkar  übar  dan  Bfid^gar  Raicha* 
im  gaoannl  wird,  und  dafii  in  einer  IjFrkiinde  van  1819. 
fimml  geforstete  Markeu  d^  Grafen .  yon  Nasi>au  voiv- 


« 


Digitizec 


704  SiiegUia,  G«tt:hicUte  tiea  Ligenibaius 

koinaien.  Im  §.  17—19.  wird  nun  von  der  Krwerbuug 
der  Forste  durdi  gwfiidie  und  wdllicbe.Groräe  geredel^ 
imd  ak  &rwerbiiagtgiril|Kle  «otvraehaidel  dmr  V^rLkwhM* 
Hebe  Verleih tmg  nm  ReiobirfbreUn ,  kal«erliehe  Erihefr* 
lung  des  Por»trechtö  auf  eig-nem  Grund  und  Boden, 
eigenmächtige  EiafoESlung  toq  (xameinde Wäldern ,  eigen- 
mächtig» Verwandlung  etoe»*8]ir  AaÜNclii  Bad  -Verwalr 
tung  K^riragenen  Beidisfonila  in  eigaea  Basilcikaaik 

Der  nun  folgende  zweite  Abschnitt  handelt  im  §.  20 
bis  23.  von  den  Marken ,  und  cfer  Verf.  beschränkt  sicH 
hier  darauf^  eine  gedrängte  liebersicht  de§  in  Grimms 
RechtaaltertkDBiarB  und  in  laeinarficbrifit  ftbar  die  Maikr 
fpemteenacbaftaa  Bcfiadilchtn .  su  gebtat    W^r  hMMi 
freilich  gewünscht,  auch  Uber  die&en  interessanten  Ge« 
genstand  weitere  Aufschlüsse  zu  erhalten,  sehen  aber 
.ein  9  dafs  so  lange  oiebt  neue  ürkundaa  eugänglich  War- 
den,  beift  bedentaiMler  Fortaahrttt  möglicii  tat  Bm 
lla£  acilNtt  iai  aeii  dar  Herausgabe  aeioer  SohtiA  .Ui 
seiuen  germanistischen  Studien  nichts  Neues  aufgestofsea, 
als  eine  Aufklärung  des  ihm  und  auch  Grimm  unver- 
atimdlich  gewesenen  Worts  Schar,  walobie  wir  hier  nicht 
.moTMilbaUen,  wollatt.   £ia  heiAn  ia  einer  mir  handadirifi^ 
lieh  mitgetheilten ,  in  dem  Arehir  dea  Klosters  Cappel»- 
"   berg  in  VVestphalen  befindlichen  Urkunde  vom  J.  1S51: 
Unweraia  prae^entia  vimris  vel  audiluris  pateat  evt- 
deniet  quid  ego  Atnoldm.  de  Estene  «Jtea  dkim  4e 
.Kaniepe«  pr&pHa  a^  Bpmdm^m  v^kmMey  de  eamcnin 
et  beneplaeito  lAfnehe  uroris  mcc  legitime  Brunoms 
fiUi  nostrt  Julie  et  Gostike  ßliarnrn  nostrarum ,  ff^c 
.130»  heredum  et  eoheredum  nostrorum  Qmnmrn  vendi^ 
etjreaigmnd  riie  ei  raiiemduUier  juaio  MndManm^alo 
dmnino  praepeeUo  ei  'oeuümdm  KmpcfAergcimi  ^  gdb- 
decim  rasuras  lignorum  quod  vulgo  dwimt  vi/iin  8chmr 
holtfs  suas  [Leg.  tneas]  in  mcirka  tho  Bereh-Ka- 
mene  ud  -haUendum  ei  po^ideRdum  Ubere  herediUme 
ei  ib  p^rpiimmt  pro  mere  proprio  queä  vulgo  dimtHi 
ver  ejfm  dwelaeki  eygen  emm  eetrum  jurttm^  mUHkh 
Obus  r  aiiinentiis  et  oppmdiciiB  ^buacunque  pro  eerta 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


mn  Wid4  mnä  Jag«  U  DentMlilMidl.  M 

pmu^  Hmma'  mhkl  ad  mhmiaiem  meam  pläm  ira^ 

dka  et  sobitu  et  m  usus  michi  et  meis  heredifnt^ 
cessarios  jmsitn  et  canversa.  Aus  dieser  Stelle  geht 
nun  mit  Bestimmtheit  hervor,  dafs  das  Wort  Schar  nicht^ 
«itteh  frtther  behattpt«t«i,  Bof  da«  Maslrecht  beschrioki 
«•rdea  ihrf^  mmkro  ihib  es  a«eh  von  der  Beholeigmi; 
{gebraucht  ward,  und  al$o  gar  nichts  anders  als  ein 
irieeller  Antheil  an  den  iVlarknutznng'en ,  mithin  ganz 
gkichbedeatend  mit  dem  Worte  War,  Wahr  ist. 

•  im  drieten  Abaehohte  (§.  24— M.)  wird  eodlich  m 
rieft  EigeothaiiiftTefliäktiiaaeB  aa  Wald  und  Jagd  b«i  deä 
Privatgruiidstücken  geredet.  Der  ältere  Begriff  von  Wald- 
eigenthum verschwindet  nun,  der  neuere,  der  eines  aus* 
«kliaMichen  Rechtes,  tritt  an  die  Stelle.^  Die  Haupt- 
lHaiGli«  4ea  Uabergangs  aetet  der  Vert  io  di«  Aoabil'^ 
AiDg  d^r  Balmferate.  ^,l)eiiit,'**  aägt  er  &  143,  „dit 
Ärch  die  Einförstungen  erfolgte,  theils  gänzliche ,  theils 
nor  theilweise  Ausschliersung  der  Aogeseasenen  von  der 
fi€nfileiiog  der  Forste 'Unter  schweren,  kaotn  Sil  er* 
idiwingeiifleA  Strafen ,  tand  io  späterer  Seit  ancii  nni^ 
4or  Furcht  willkfihrlicher  harter  Ahndung,  mufste  eben 
sowie  der  Ümstattd ,  dafs  die  den  Umgesessenen  in  döH 
Forsten  verbliebenen  Nutzungen  nicht  mehr  wie  früher, 
jUhafblia  bloa  durch  ihr  BedfirfoiA  begrenzt,  oder  gav 
tt'Ihre'WIttklihr  gestellt  waren,  sondern  dafs  hiet#be^ 

feste  urkundliche  Bestimmungen  entworfen,  und  diese 
oft  unter  Form  von  Gnadenbriefen  ertheilt  worden,  «nd 
fkb  solche  Berechtigungen  durch  eben  solche  Erthei- 
hftgiiu  öfk  auch  andere,  als  die  nrspriingttch  Beredi^ 
tigten,  empüngen,  dteldee  etttes  filrmlichen  Bigenthmits  ^ 
nach  und  nach  erzeugen,  neben  dem  die  Erhaltung  aller 
dieser  Berechtigungen,  als  Rechte  Dritter  an  einer  freni- 
<len  Sache,  sehr  gut  bestehen  konnte.  War  aber  diese 
MM'mneB  BSgenthta»  an  Waid  in  einem  dem  ntasereii 
artie  liegenden  Sinne  einmal  dh,  160  konnte  sich  dieSeHi« 
atieh  nicht  auf  die  Bannforste  blos  beschränken,  und  ihr 
Uebergang  auf  die  den  Privatpersonen  zuständigen  Wälder 
ittAMgMieinett  ilichf  ansbiaiben.'*  Bestiligt  schehit  diese 

Üigiiizeci  by  LiüO^lc 


m  SÜcgUU,  GuckUkiß  dm  ISigoiiaiami 

AnädU  beaoodeM  imnh  eine  Stelle  im*  IniffMhes  LtiidU 

raohle,  wo  Privaiwälfler  Ba;D'DMiMr  geoiml 

dft  himm  wohl  dne  Hinclevtoiig^  ««f  den  FWsilMiBii  «A^ 

halten  ist.  Zur  Zeit  der  Rechtsbucher  findet  sich  naa 
jener  Begrifi:  eines  Eigeolbums  an  Wald  schon  ausge- 
bildet; als  Resl  des  älteren  Begriffs  erscheint  aber,  dtb 
Mch  dboD  dieaea  fteohtabtehm  Bbigriffo  ia  jeam  BigM» 
thum  hirter  geahndet  werde«  sollen,  wenn  eine  Mfihe« 
waltung  von  Seiten  des  Eigeothüiners  an  dem  Holze  statt 
gefunden.  Uebrigens  werden  die  Privatwälder  selten  als 
Ar  sich  allein  9tehoiidoBesit£iiagoa,  »ioiiahr  fasl  ianaer 
d«  Skbehdff  der  Hife  uod  AtclMr,  ud  swar  nicht  blas 
der  Freien,  sondern  auch  der  Hofhdrigen  erwähnt;  im 
letzteren  Falle  hatte  jedoch  der  Besitzer  natürlich  nur 
die  Rechte  am  Walde,  s weiche  ihm  der  Gutsherr  ein- 
geriuml.  RSokaidittich  4m  ^i^dftiato  onoht  dtar  Vurf. 
m  bawaisMi ,  dafs  auch  ia  di«aom  SMlmnm  die  Jagd  «w 

Regal,  dafs  ^ie  vielinehr  auTberhalb  der  Forste  stets  er- 
laubt, und  dafs  die  Jagd befugntfs  Pertinenz  des  Grund- 
hesiteea  und  swar  nur  des  ächten  Eigenth^ma  oder  dar 
Medkim  Lehiie  gew^aea  Der.Bewoia  dos  eiolea  StalM 
arird  besoodora  aiia  dea  Rechtridleh^  geführt,  dm4m 
zweiteil  aus  zahlreichen  Urkunden,  in  welchen  die  Jagd 
als  Pertinenz  vorkommt,  und  aus  altgemeinen  historischea 
Gtinden.  Eiowfirfe  der  Vertheidiger  der  Ragatität  wer«' 
diu  widerlegt  Wir  fikgm  alloii  dieses  Sllaoa ,  deM 
wir  vebedingt  beiatiiniiien,  nieiUa  hiaiii,  elf  <eHie  SteMe 
aus  den  Gesetzen  des  anjB>:elsächsischen  Königs  Caiiut,  in 
ireleher  trotz  der  früh  in  England  ausg;ebildeten  Forste 
die  völlige  Jagdfreiiieit  auf  eignem  Grund  und  Boden 
«aadrllölKlicli  wierkaoot  wird.  Sie  hiilet  (CawiaBl  IV* 
p.  310.  G  L):  Fefe  etiam,  ui  qwJihet  homo  sit  digm» 
venatione  sua  in  sylva  et  in  agria  sibi  proprüa ,  ac 
rnksiineat  quiübet  a  venatiane  meu  ubicmfue  paae» 
haberi  volo  pro  piena  muleia. 

Wir  koaaaeo  aor  dritten  Aibtheiha^:,  die  aad^  dar 
Eatwickelung  der  Landeshoheit  statt  gefundenen  Verän- 
denmgM  abliaodeliid ,  and  betliohränken  una  lii^y  dadio 


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ÜB  WaM  iia4  Ja§4  in  DeuUcälaiui.  W 

Uoiersucbung  oun  immer  fe^lercaBoden  gewiMi,  wmhf 
WIgiich  damf,  «im  Chmg ,  de»  d«r  Verf.  geiioMiMii 

rad  die  Resultate,  die  er  gewonnen,  ansudeulen.  $-30. 
fedet  von  der  Ausbildung  der  Landeshoheit  und  ihrem 
Biaflaft  auf  die  Wald  -  und  Jagdverhältaisse  im  Allge- 
Bigenthumiklie  Anaicliteii  aagl  der  Ver£ 
„iberLaBdeahoheU,  aiit  der  dieütmii  Jcriataa^ 
ehe  sie  den  Landesherrn  für  den  prmceps  des  römischen 
Rechts  anerkannten,  nicht  recht  wufsten,  was  sie  aufangen 
soUteai  ttod  die  sie  fiir  ein  merum  mixtum  knpe* 
rim,  waaeie  mil  rtoiachen  Amteideea  (pt'a^eoim  jirae- 
krit0 )  in  Verbindung  braobten ,  aaeahen ,  aua  der  sie 
aber  doch  endlich  ein  allg'emeines  Laiuleigenthum ,  über 
dessen  Wesen  nie  klare  Begriffe  bestanden,  durch  tlie 
Verbindung  von  grofsem  Privateigenthum ,  iehnsherrii^ 
chit  Gewa&  mmd  Regieruogsrechten  io  der  Hand  dee  Pfla« 
stobervorgerufeu,  biMeten;  Eiomiachungen  derLehaen 
des  römischen  Rechts,  namentlich  Anwendung  und  Aus- 
dehnung der  den  Vortheil  des  Fiscus  betreffenden  Vor- 
sobriften;  DenonstratioDOT  aua  dem  Staatszweeke ,  und 
«inaaiilioh  fiberiattftige  Au  Wendung  der  Lehre  vmn  öfibnl? 
Ktbea  Wohl :  diea  -waren  dieMeinenle,  die  tbeUa  UMt  fast 
gänzlicher  Unkenntnifs  der  innern  deutschen  Geschichte 
nod  der  deutseben  Rechtsinstitute,  theiia  aber  auch  %vieder 
a«f  einzelne  derselben,  die  dem  Leben  näher  lagen,  ge» 
giiodet,'  die  AuabUdung  der  RegalitStalehre  fiberhaupl 
blrvieriM-aehten.^  Nachdem  dann  §.31.  die  Terschiedeaen 
Ansichten  Anderer  über  die  Entstehung  der  Forsthoheit 
kurz  berührt^sind,  wird  in  §.32.33.  das  Wesen  der  Fort« 
haheit  genauer  entwickelt,  der  Unteiaebied  zwischen  Ihr 
ii#  dem  älteren  Ferstbana  gezeigt,  und  der  Inhalt  der 
daaeinen  wichtigeren  Forstordnungen  angegeben.  Ein 
zweiter  Abschnitt  (§.34 — 42.)  redet  dann  von  dein  Jagd- 
und  zwar  §.34.  und  35.  zuerst  einleitungs weise  von 
dem  Begriffe  und  der  Bntatehung  der  Regalien  überhaupt; 
Ah  fiaMehungs^rOnde  uimaait  der  Verf.  an  dai  grofte 
tteudeigenthuni  des  hohen  Adels,  Uebertragung  der  Re- 
galien  der  römischen  Kaiser  auf  die  Deutschen ,  und  Ver- 
leihang  derselben  von  diesen  letzteren  an  die  Landesherrny 


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I 


708   Stiegliti,  Geaeh.  d.  fiigenibuiii«  an  Wallt  n.  HgA  in  Deutschi. 

Mdlich  Aamaftttiigeii  der  Landesheria  ^  durch  Lehren  der 
imnBkm  von  einem  dmnmhm  terrUmrii,  von  d«t*  Beför- 
dhirattgf  de»  Mhirtlichen  WoMs  il  dgl.  nstarallW.   §.  M 

mlwickelt  nun  das  Wesen  der  Jagdhoheit  auf?  den  älteren 
Jagdordnungen,  §.  S7  —  40.  die  Entstehuoj^  des  eigeot<> 
liehen  Jagdregais  in  ein  igen  Ländern.  Vorbereitet  war  dk 
Jelztene  bctondeni  dnreh  das  Foraircful,  uidrai  I)ieil8  ndiM 
•n  deo  Porsten  sich  ^ianicIlMde  BeispiM  die  Idee  e\w$ 
schon  begründeten  Jagdregals  mit  hervorrufen  half," 
theiis  die  Grenzen  der  alten  Forste  leicht  materiell  ausge- 
dehnt, und  so  auclr  ia  andern  Landesdistrikteo  die -dm 
Laudetfaerrn  ia  jeim  znetebeede  Jagdbefiignifa  erwerihes 
'werden  keimfe  Fördernd  wirkte  daen  ein :  1)  die  Jagd- 
hoheit, indem  theils  die  Vieldeutigkeit  des  Worts  Wild* 
bann  benutzt  ward,  theils  das  in  der  Jagdhohßit  enthal- 
tene Recht,  die  Zeit  des  Jagens  zu  besliMMnen,  auf  deo 
Gedaoken  führe«  kooiite«,  dab  die  Staalfl^^ewali  das Ji^gM 
Mch  ganz  verbteteii  dürfe,  theib  der  allgemeiM  «ed  eo* 
bestimmte  Begriff  des  öffentlichen  Wohls  gar  manche  Be* 
schränkuug  des  Jagd  rechts  gestalleie«  2)  üer  Einfittf^  voa 
Aasiehle«  der  Recbtsgelehrtes.  jMAiuehe  DahiMi  M 
nilg^Mbee.  Eigeothom  des  Püreiea  aat  Liande  an«  Ml 
gründeten  dieise  Annahme  theils  auf  einzelne  Bei$pi«k 
kleiner  Territorien,  theilf«  auf  die  Analogie  des  dommium 
numdi,  welches  man  dem  Kaiser  sebou  zuzugestehen  ger 
wohol  war,  theMa  auf  die  grofse  AaedehmiBg  des  Lekos^ 
irefbaadee.  Andere  Jurbieadagegm  nahmen' das  Jagdregrf 
als  durch  Immemoriai Verjährung  von  Seiten  der  F^urstes 
und  stillschweigenden  Consens  der  Unterthanen  entstandefl 
an,  während  noch  andre  die  Regalität  aus  dem  Wold  des 
fiteata  herleiieleii ,  weil  Mine  dieralbe  die  Jagd  mrwüiMi 
Gelegeniieit  zur  Afbettlosigkeit,  mw  Verwilderfnig,  z« 
Streitigkeiten,  Meutereien  und  Aufruhr  gegeben  werde, 
and  weil  die  Jagd  eine  Vorschule  des  Kriegs  sey,  diese 
aber  der  Leitung  des  Fürsten  untergeben  seyn  müsse, 
findiich  nahmen'' viele  ilm  Gründe  ave  deoi  rünusch«! 
Bechie,  nnmcndkh  aus  den  Ornndsitoen  deaie||ie»..iber 
herrenlose  Sachen ,  her. 

.  (Die  PottMetMung  folgL}^ 


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N\4».   HEIDELB.  JAHRa  D.  UTERATUR.  183a 


Stiegiii»,  Ge^chiehie  de»  Eigenihuim  an  WaU  unä 

Jagd  m  Deutschland. 

Nachdem  daon  noch  im  §.  41.  gezeigt  worden ,  wiet 
9ch  die  A&sichi,  dafis  nur  Adliche  sur  Jagd  berechligt 
ttjo  könnten,  ausgebildet,  wie  die  Eintheilung  in  hohe 

nad  Biedere  Jagd  häufig  dazu  beigetragen,  wenigstens 
die  Regalität  der  erstereu  durchzusetzen,  und  wie  die 
imnier  häufiger  werdenden  Gaadexyagdeu  ebenfalls  die 
Idee  der. . Regalität  begünstigten,  werden  in  §•  42.  die 
hftdeatendsteii  praktifleben  Felgen  der  frQheren  Pteragra-* 
phen  in  folgenden  Sätzen  zusammengestellt:  Ij  Geineiu- 
rechtlich  ist  das  Ja^drega!  nicht;  weder  eine  allgemeine 
Gewohnheit  noch  ein  Reichsgesetz  läfst  sich  nachweisen; 
der  historische  Beiveis,  den  die  Juristen  zu  führen  ver* 
Sicht  haben,  ist  unrichtig.  2)  Seibat  in  den  Ländern, 
io  welchen  die  Regalität  besteht,  ist  sie  nie  durch  ein 
klares  Gesetz  eingelülirt  worden,  sondern  hat  sie  sich 
allmählich  ausgebildet;  als  Kriterium,  woran  die  Exi-» 
fUsßz  derselben  in  einem  einzelnen  Lande  zu  erkennen, 
mufs  daher  besonders  die  Vorschrift  betrachtet  werden , 
clafs  beim  Jagdrechte  im  Zweifel  die  Vermuthung  für  den 
Bei»itzstand  des  Landesherrn  streiten,  der  Unterthan  also 
den  Beweis  der  Verleihung  oder  unvordenklichen  Ver* 
jfiinihg  führen  mOsee.  3)  In  der  Regel  haben  jedoch 
die  Ritter  und  öfters  auch  die  Städte  zufolge  Ihres  be- 
deutenden Einflusses  auf  die  Landesregierung  wahrend 
des  16ten -Jahrhunderts,  kraft  allgemeinen  Privilegiums 
die  Jagd  auf  ihren  Gütern  behalten.  4)  Ist  iq  eiwlm. 
I^bnbriefe  die  Jagd  nicht  auadclicklich  erwähnt,  ae  kommt 
es  darauf  an,  ob  derselbe  vor  oder  na§ch  Entatehung  dee 
Jagdregals  verfafst  ist,  nur  im  letzteren  Falle  ist  dem 
Vasallen  das  Jagdrecht  abzusprechen;  wo  gar  lieine  Re- 
iXVI.  Hkr^  8.  Heft  49  ' 


üigitizeci  by 


gaiität  der  Jagd  statt  Imdet,  kaau  nie  eine  Nichtvcr- 
leihuog  angenommen  werden.  5)  Im  Zweifel  ist  nur  die 
'  nieder«  Jegd  ab  Terliehen  zu  betrachten.  6)  Das  öfters 
d«moii6trirte  Mit-  und  Vprjagdrecht  des  Landesherrn 
ist  nicht  begründet  und  widerspricht  sowohl  der  Natur 
einer  Gerechtigkeit  als  eines  Prekariums.  1)  Auch  die 
Jagdfolge  ist  öfters,  wenn  sie  von  Unterthanen  gegen  den 
Latideftberru  uuegefibt  werden  soll ,  an  ausdrückliche  Ver- 
leihung oder  uuv^rdmiküche  Verjährung  gebuodeo  worden. 
Im  §.  43.  spricht  der  Verf.  echlierslieh  seine  Vermuthuu- 
gen  aus  über  die  Veränderungen  in  den  Wald  -  und  Jagd* 
Terhättnissen ,  welche  die  nächste  Zukunft  bringen  dürfte. 
Br  hofft  und  erwartet  Heschränkung  der  Forsthoheit  auf 
eine  der  Natur  der  Sache  angemessene  j)olieeiiiche  Auf-* 
i^icht,  Aufhebung  der  Porstgerichtsbarkeit  Privatbereeh- 
ti^tcr,  sowie  der  Vorrechte  und  Begünstigungen,  welche  ^ 
den  landesherrlichen  Wahhm^^en^  gegen  die  Privatwal- 
dungen  zustehen,  Ablösung  der  Waldserviluten,  allge- 
meine Verpflichtung  eur  Ersetzung  des  Wildschadens, 
BeschrSnkung  derihgdhoheit,  Beschränkung  oder  selbst 
Aufhebung  des  Jagdregals  und  Rückkehr  zu  dem  alt- 
deutschen Grundsatze  durchgängiger  Verbindung  der 
Jsgd  mit  dem  Grundeigeathume. 


jl|f*teiip«  de  la  diplomatie;  ridigi  pr^alahlement  en  Sbauch«  pour 
Hrvir  de  base  et  de  gwde  aux  eonrs  de  diplomatie  theorique  et 
proeifuB.  Par  Hellmutk  ITinier.  Pwrü  tmd  Befliß  1830* 
läXXIund^S*  %. 

Die  Schrift  enthält  theils  einen  discours  preUmi- 
naite^  theils  einen  AbHTs  des  Systemes,  das  der  Verf. 
dmsaäelMrt  ausunftthren  ged«nkl  In  der  einleitung'  er- 
Mftvt  si(dh  d«r  Verf.,  der  ff  »her  Vortesuiigdn  tthtt  die 

Diplomatie  in  Paris  gehalten  hat,  über  die  GreiHllagen 
seines  Svstems.  In  dein  Abrisse  giebt  er  die  Einthei- 
lungen  und  den  Inhalt  der  einzelnen  Paragraphen. 


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Wialer,  Sy^kmt  4^  U  filplomatie.  III 

Die  Staatswisseusehift ,  sagt  d«r  Verf.,  zerf&llt  io 
iwei  TMle.  Dar  ^im  htudeil  voo  den  ioaereo,  der 
aadere  von  den  ftufeereo  Verhältnieseo  der  Staaten» 

Den  erstem  nennt  der  Verf.  die  Po  H  Ii Ic  (oder  die  Staats- 
wissenschaft in  der  engeren  Bedeutung*,)  den  letzteren 
die  Diplom atie.  Voa  der  Diplomatie  giebt  er  foU 
poden  Abrilii; 

Erster  Tbeil. 

Materielle  Diplomatie. 

Erstes  Buch.  * 
Philosophieche  oder  rationelle  Diplomatie. 

Erster  Abschnitt 
Natnrrecht  der  Staaten  oder  Metaphysik  des  äufserea 
Rechts  der  Staaten.  (Völkerrecht.) 

'  Zweiter  Abschnitt 

Natürliche  Politik  der  Staatea  oder  Metaphysik  der 
auswärtigen  Politik  der  Staaten.  (Hier  scheint  der 
Verf.  die  Völkermoral  abhandeln  zu  wellen.) 

Zweites  Bnch. 

Geschichtliche  oder  empirische  Diplomatie. 

Erster  Abschnitt 
Aenfsere  Statistik.    (Oarstellong  des  dermaligen  Zu* 
Standes  der  europäischen  and  der  amerikanischen 

Staaten  in  Beziehung  auf  iiue  auswärtigen  Ver^ 
bälloiss«.) 

zweiter  Abschnitt 
Positives  oder  praktisches  Völkerrecht   (Aach  hier 
wird  der  Verf.  nicht  blos  auf  Buropa ,  sondern  weh 

auf  Aiuerika  Rücksicht  nehmen.) 

Dritter  Abschnitt 
fmliw  oder  praktische  aaswärtige  Politik  der  (earo^ 
'  päiscben  und  amerikanischen)  Staaten« 

Zweiter  Theil. 
Pormelle  Diplomatie. 
Erstes  Bodi. 

Vtrwaiiiuig   der  lauswärtigeii  Angeüegenheiteu  der 

Saaten» 


üigitizeci  by  LjüO^Ic 


r>2  Winter,  Sytttoie  de  In  dlplomttie. 

Erster  Abschnitt  * 
Von  dem  Ministerium  der  auswärtigen  Angelegen« 

heiten. 

Zweiter  Abschnitt 
Von  diplomatischen  Missionen. 

1    Zweites  Buch.  . 
Praxis  der  auswärtigen  Angelegenhelten. 

Erster  Abschnitt. 
Von  dem  diplomatischen  Style  im  Allgemeinen. 

Zweiter  Abschnitti  . 
Von  den  einzelnen  Arten  diplömiUischer  Schriften. 

Dritter  Abschnitt. 
Von  den  Schriften^  welche  sich  insbesondere  auf  die 
Dienstrerrichtungen  diplonuitischer  Personen  be- 
sdehtt. 

Die  Idee,  welche  dem  Plane  des  Verls,  zum  Grunde 
liegt,  darfte,  nach  Retns  Urtbeüet  allerdings  Beifall 
verdienen.  Man  kann  zwar  darüber  streiten ,  ol>  der  Name, 
welchen  der  Verf.  für  die  unter  seinein  Plane  begriffe- 
nen Wissenschaften  gewählt  hat,  —  der  Name:  Diplo- 
matie, —  der  passende  sey,  obwohl  dieser  Streit  mehr 
deii  Worten  als  den  Sachen  gelten  würde..  Aber  so  Tiel 
ist  gewifs,  dafs  die  Staatswissenschaft,  wenn  man  sie  in 
Beziehung"  auf  ihren  Inhalt  eintheilt,  ganz  so  einzutheilen 
ist,  wie  sie  der  Verf.  eingetheilt  hat.  Und  ebensogewifs 
ist  es,  dafs  alle  die  Wissenschaften,  welche  der  Verf. 
unter  dem  Namen  Diplomatie  begreift,  für  denjenigen, 
welcher  sich  ftr  die  diplomatische  Laufbahn  bilden 
will ,  ein  unmittelbares  Interesse  haben.  Reft.  glaubt 
daher'  den  Verf.  zur  Ausführung  seines  Planes  auffor- 
.  dern  zu  dürfen  und  von  dem  Werke,  das  der  Verf. 
ankOndiget,  der  Wissenschaft  Gewinn  versprechen  zu 
können. 

Die  Ausführung  wird  den  Verf.  zugleich  die  beste 
Gelegenheit  und  Veranlassung  geben ,  den  Plan  einer 
nochmaligen  Prüfung  »Unterwerfen.  Wenn  dieser  auch ^ 
^  naach  Rctua.  Daf&rhalten,  die  Prüfung  im  Ganzen 


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Wülter,  Sjstetuc  de  la  diplomaiie* 


718 


^ewifs  bestehen  wird,  so  köunte  es  doch  der  Verf.  viel- 
leicht raibsam  liaden,  den  Plan  in  einigen  seiner  T heile 
n  Terlamea  oder  ebzniodem.  Man  kann  s.  B>  die  Frage 
aafweifen,  ob  es  nicht  in  dem  Inlerease  der  Leaer  oder 

Zuhörer  besser  seyn  würde,  den  Vortrag  des  allgemeinen 
Völkerrechts  (oder,  in  der  Kunstspraclie  des  Verfg., 
den  Vortrags  des  Natarrechis  der  Staaten , )  mit  dem  des 
positiven  Völkerrefchls  zn  vereinigen.  Zwar  ist  es  an 
sich  vollkommen  richdg^,  dafs  man,  (vfie  d^r  Verf. 
bemerkt,)  Wissenschaften,  die  ihrem  Inhalte  nach  von 
eioander  verschieden  sind,  auch  im  Vortrage  von  einander 
10  sondern  habe.  Aber  %vieV  wenn  die  eine  Wissen- 
Schaft  oor  eine  Anwendung  der  andern  ist  oder  die  andere 
imr  theilweise  modiflcirt  oder  genauer  bestimmt?  Soll 
der  Lehrer  in  einem  F'alfe  dieser  Art  nicht  auch  das 
sobjeclive  Interesse  oder  Bedürfnifs  der  Lernenden  be- 
iidksichftigen9  Noch  weniger  konnte  sich  Rft.  die  Zweifel 
bflsatworten,  welche  in  ihm  bei  dem  Theile  des  Planen 
entstanden,  den  der  Verf.  pohtique  naturelle  des  etals 
ou  metaphysique  de  la  politique  exterieure  de  tetat 
.  (erster  Theil ,  erstes  Buch,  zweiter  Abschnitt,)  über- 
whreibi.  Wenn  anders  Rft«  den  Vert  recht  verstandet! 
hat,  so  soll  die  Völkermoral  der  Gegenstand  dieses  Ab- 
schnittes sejö.  Abel  l)abeii  Völker  andere  Pflichten 
gegen  einander,  als  Rechtspflichten  ?  gehören  aber  nicht 
diese  insgesanmit  in  das  Völkerrecht?  Ist  die  Politik, 
4ie  anawärtige,  nicht  die  Kunst,  was  unter  V^ftlkem 
Eachtens  ist,  in*8  Werk  en  seteen,  oder,  in  Nothfllllen 
den  Staat  gegen  auswärtige  Feinde  um  jeden  Preis  zu 
vertheidigen  ?  Allerdings  giebt  es,  auch  wenn  man  das 
Wort  in  diesem  Sinne  nimmt,  theils  eine  allgemeine, 
thsiis  mnm  besondere  (auswärtige)  Politik  oder  eine  Po*» 
litik:der  und  der  in  der  Brfahrung^  bestehenden  Staaten. 
Doch  möchte  'sich  die  erstere  auf  einige  wenige  und 
sehr  einfache  Maximen  beschränken.  —  Auf  der  an- 
Isrn  Seite  dürfte  sich  dem  Verf.  bei  der  Ausfuhrung 
«Ines  Planes  die  Nothwendigkeit  aufdringen,  die  Vdl^ 
kergeschichte  von  der  diplomatischen  Statistik  zu  trennen. 


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4t4  Graberg     HfilitS,      Käinnreieh  ViMAo. 

Jedoch  alle  diese  Bemerliungen  treffen  nicht  das 
Wesen,  sondern  nur  einzelne  Theile  des  von  dem  Verf. 
TOrgelrg-ten  PiaoM  Nieniaod  ist  besser  im  Stande» 
diese  BemerküDgeo  m  prMeB  und  sie,  oaoh  Bflfiaikiii 
Bar  VerrolIfcommiiDig  der  Wisseisohaft  m  tmmtam^  ab 
der  Verfasser, 

XachariA 


J}as  Sultavat  Mogh.*rih '  ul-Aksä  oder  Kaiserreich  Ma- 
rokko. In  Bezuf^  auf  Landeft-,  Volks  -  und  Stacits  -  Kunde  be- 
tehrieben  v  on  J .  G  r  aber  ß;  von  H  emsö  y  vormaHgcm  kÖ  ntgliik 
schwedischem  Konsul  zu  Tanger  und  Tripoli  u  s.  f.  Aua  der  Hü^ 
lienischcv  Handschrift  übersetzt  von  Alfred  Bcmnont.  Stutt^wi 
und  Tübingen,  in  der  J.  Q.  CoUa'scb/tn  Buchliandlung»  . 

Ref.  \st  erfreut,  die  Leser  dieser  Riätter  anf  diese 
ivahrhafle  Bereicherung  der  ethnographischen  Literatur 
•fifinerhaam  machen  21t  könmi^  ivodurcb  die  Kemilnifs 
Landes  aufserordentlich  gefördert  wfrd,  mpeMaes 
trotz  seiner  Nähe  bei  Europa,  trotz  seiner  Wichtigkeit 
im  Allg(  jneinen  und  bei  der  Nachbarschaft  von  Algfier  in 
-den  jetzigen  Zeiten  in  s  Besondere  unbekannter  ist,  als 
snuche  der  cntlernteateD  und  für  Europa  bedcurtunga^ 
hisesten  Gegenden.  Der  VerC  desoeiben  hat  aioh  ab 
schwedischer  ConsuJ  sechs  Jahre  lang  in  Tanger  aufgCH 
hallen,  hat  daher  Gelegenheit,  das  geschilderte  Land 
und  Volk  genau  kennen  zu  lernen,  g-ehabt  und  hat,  wie 
das  vorliegende  Werk  bembt,  mit  Ftetfa  und  SeharÜBkili 
die  eiefa  darbietende  iSelegenbeit  benttst,  um  MiverM»* 
wpe  Angaben  über  dasselbe  einzuziehen.  So  wurde  er 
in  den  Stand  gesetzt ,  eine  alle  Theile  des  Staats  -  und 
Volks* Lebens  umfassende  Besdireibnng  jenea  Reiches 
so  geben  «nd  eiie  Menge  von  Irrrthllnnperti  md  nnrieii« 
tigm  AnflnebteB  m  yerbeeseni,  die  bb  jetil  Mer  dnseiNi» 
verbreitet  waren.  Den  reichen  Stoff,  w^elchen  der  Hr. 
Verf  uns  alsa  bietet,  bat  er  in  drei  Hauptabtheilutigeo 
vertbeilt:  Churographie  nimlicb,  EthnogtapWe  nnd  Rnk 
niographie. 


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In  jener  spricht  er  zuerst  über  die  geographische 
Lage,  die  Eiutheilung  des  Landes 9  seine  Kiifiteii  und 
SMbiifeQt  Berge  und  Thäler,  Flüsse  und  Seen,  und  fiigt 
M#  seliir  reicbbaiiwe  JJ#b«r»cht  der  Schriftsloller  «ller 
NiliMfltt  b«i,  walche  dat  Mogh'rib-oUAksa  (von  den 
Europäern  gfewöboüch  weniger  richtig  Marokko  genannt) 
eatweder  sj^stematisch  beschrieben  oder  in  Beisebeschrei- 
boogaa  gescbUderi  oder  auf  Karten  bildlich  darg09ltli( 
iudbeQ.    Von  dieaeii  bildlioheo  ^Darstellungen  ,  om  das 
hi^r  im  Vorübergehen  zu  bemerken  ^  hält  der  Verf.  die 
nach  für  die  genaueste,  welche  Michaelis  auf  seiner 
Karte  des  initteUändischen  Meer«s  und  der  aostofsandea 
Uadar  (Tübingen  1890«)  gegebes  hak   Aua  der  aehr 
gaaaaen  Beaohr^ibang  der  ch^rographiscbcu  Verfaftkniaie 
'  des  Landes,  welche  der  Hr.  V^erf.  giebt ,  heben  wir  nur 
die  folgenden,  allgemeinsten  Angaben  aus:    Das  ganze 
Reich  durchzieht  von  Nordost  nach  Südwest,  von  d^ 
Gfawft  Algiers  bia  an  die  Kftsteo  des  attairtiacheo  Ooeaw 
das  Atlas -Gebirge,  deseeo  HaHpUheit  von  den  Einge- 
boroen  A'drär  genannt  wird,  was  in  der  Sprache  der 
Urbe wohner  dieser  Gegenden  (der  amazirghischen,  deren 
athnographische  Verhäitoisae  wir  später  oaher  erwähnen 
Warden)  Berg  bedeoiet   Oarmai  glaubt  der  Hr«  Verf., 
sqr  durch  die  so  Unfige  Verwechaelung  dea  r  ntid  I  «nd 
dsrch  die  eben  so  gewöhnliche  Umgestaltung  des  r  am 
Ende  in  a  der  Name  des  ganzen  Gebirgszuges  bei  den 
Alten,  j4tU»  vnd  Montea  atkmtici  entstaaden,  und  aus 
diaean  Letsteaen  wieder  4«acli  Weglaaawig  der  eraliKi 
S^lbe  seine  BeoeMung  bei  den  Arabern  dea  Mfttelatlera, 
Lamta,  —  Durch  dieses  Gebirg  wird  das  gauze  Land 
in  zwei  Theile  zerspalten,  wovon  der  eine  nördlich 'ttod 
Wflstlich  Tom  Alias  die  Reicbe  Fez  nnd  Marokko,  der 
«Idere •  eildlicb  «od  Mlioh  von  jenem  Gebirge  sieben 
^nzelne,  fast  unabhängige  Proviossee  unteir  iter  Ober- 
hoheit des  Sultans  von  Marokko  umfafst.    Die  Gröfse 
beider  amsanimeD  genomnieD  schätzt  der  Hr*  Verf.  auf 
1^)2^  ,geegrafliiache  QimdrftI*  Meilen. 

Id  dem  jMveiifn  Abechnittci  schiWrrt  der  Hr.  Verf.  dat 


üigiii/eo  by 


I 


Klima  und  den  Boden  des  tVlogh'rib-ul-Aksa«  Auch 
er  stimmt  in  die  Lobeserhebungen  ein,  welche  alle  jener 
Länder  kundigen  Männer  dem  westlichen  Theile  des  ndrd- 
iicheo  Afrika  in  dieser  Hiasiebt  ertheilen.  Der  Alks 
schützt  (wenigstens  was  die  n(tardlii;h  von  ihm  gelegenen 
Provinzen  belrißt,  und  von  denen  ist  hier  eigentlich  allein 
die  Rede)  vor  den  heifseo  Südwinden  aus  dem  Innern 
und  das  Meer,  welches  von  zwei  Seiten  das 
liRQd  umgiebt ,  trägt  aarserdem  noch  aehr  viel  sor  MiK 
derung  der  Hitze  bei.  Daher  steigt  das  Thermometer, 
noch  selbst  in  einiger  Entfernung  von  der  Küste,  sogar 
io  der  heifeesten  Jahreszeit  selten  über  +  28°  R^aunu, 
80  wie  man  es  in  der  Ebene  noch  nie  onter  4^  4""  RiSaum. 
hat  feilen  sehen.  Auch  die  Beschaffenheit  des  Bodens 
ist  der  Fruchtbarkeit  aufserordentlich  günstig.  Die  Felder 
nur  5  bis  6  Zoll  tief  mit  hölzernen  Pflugschaaren  aufge- 
rissen, nie  gedüngt,  überhaupt  auf  das  Nachlässigste 
bearbeitet^  bringen  stets  wenigstens  20  bis  SOftltigea 
Ertrag,  in  besseren  Gegenden  WbisSOfthigen,  in  man- 
chen Jahren  sogar  100  bis  FiOfachen,  ja  Mais  in  man- 
chen Gegenden  mitunter  äOOfältig^eii.  Daher  ist  denn 
auch  der  Reichthum  an  Bodenerzeugnissen ,  ron  denen 
^er  Hr.  Verf.  im  dritten  Abschnitt  eine  Jn'a  Binzeine  ans^ 
geführte  Uebersicht  milthef It ,  aufserordentlich ,  und  die 

'  reichsten  Gegenden  Europa  s  bleiben  daneben  weit  zurück. 
Im  vierten  Abschnitte  der  ersten  Hauptabtheilung  schil- 
dert una  der  Hr.  Verf.  noch  die  Beschaffenheit  der  Ddrfer 
dea  hineren  Landea  und  der  Städte  in  den  Gegenden, 
welche  diesseits  dea  Attas  Kegeti  ^  namentlich  in  d^ient 
welche  weniger  entfernt  von  der  Meeresküste  sind.  Auch 
giebt  er  hierbei  eine  nähere  Beschreibung  der  bedeutea* 

,  deren  unter  diesen  Städten.. 

Hieranf  geht  er  zu  der  nweiten  H^plabtheiiung  des 
gamsen  Wei^kea,  au  der  Ethnographie  Uber.  In  den 
ersten  Abschnitte  dieses  zweiten  Theiles  beschäftigt  er 
sich  wieder  zunächst  mit  den  Zahlenverhältnissen.  Zwi- 
schen den  Angaben  der  bisherigen  Beschreiber,  welche 
bei  der  EinwohoersaU  des  ganaen  Mogh'rib^nNaksi 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Graberg  v.  Ueoisf»,  üa«  kaiserreich  Marokko. 


171 


zwischen  4  und  14  Millionen  schwenkten,  hat  er  eine 
Mittdaahl  von  9  Miiiionen  aufgefunden ,  durch  Be> 
v«ehnimgeii  V  deren  Grundlagen  und  Gang  er  nni  bei 
iReMr  Gelegenheit  näher  angiebt.  Diese  Bevölkerung 
glaubt  er  auf  die  einzelnen  Theile  des  Gebietes  so  ver- 
ibeilen  zu  können; 

im  Reiche  Ftz   3,200,000  auf   5543  OM. 

—  —     Marokko  ....   8,()00,000   —    3211  — 

—  Tafilelt  und  Siulschclioeta      700,000   —    1791  — 

—  A'drar,  Sus  ii.  s.  w.      .   .    1,000,000  —    3109  — 

Im  Ganson  8^,tNNI  anf  13,714  OmT 

Dies  würde  infi  Durchschnitte  eine  Bevölkerung  von  646 
Seeleu  auf  die  Quadratmeile  geben.  Diese  Dichtigkeit 
der  Bevölkerung  wäre  noch  immer  viel  geringer,  als  die  * 
▼on  Andalusien,  Algier,  Tunis,  der  europfiisehen  Türkei 
ist.  Nach  den  Grundlagen^  seiner  Berechnung  aber, 
welche  der  Hr.  Verf.  diesen  Angaben  vorausschickt, 
scheint  diese  Zahl  in  der  That  zu  geringe,  und  wir  müssen 
daher  entweder  jene  Grundangaben  modificireUf  oder 
mOsiien  aus  ihnen  sctilieTsen,  daft  die  Bevölkerung  des 
Mogh'rib-ul- aksä  in  dei  Wirklichkeit  viel  gröfser  ist, 
a^*^  die  hier  gegebenen  Zahlen.  Von  dieser  Einwohner- 
zahl kommen  etwa  500,000  auf  die  Städte  und  stadtähn- 
liphen  Ortschaften ,  und  hiervon  wieder  88,000  auf  die 
Stadt  Pas ,  50,000  auf  Meknes ,  30,000  auf  Marokko  u.  s  f. 

Oer  Ahstammung  nach  theill  der  Hr.  Verf.  die  Be- 
Wihser  io  folgend^  ClasaeD:, 

Amazirghen  oder  Mazirghen.  Sie  sind  die  ächten 
Abkömmlinge  der  fiitesen  Bewohner  des  ganzen  nördli- 
chen Afrika  von  dem  Nilufer  bis  zum  atlantischen  Well- 
meere.  Ihr  eigentlicher  Name  tritt  schon  bei  den  Alten 
i»  den  Formen  Mazyes,  Mazisci,  Mazjces,  Mazichi 
und  derg^l.  m.  hervor.  Im  Mogh'rib - ul -  aksä  zerfallen 
sie  in  die  Bereber  und  Tnariks  und  die  Schellöchen. 
Ieu9,  etwa  2,800,0M  Köpfe  stark ,  wohnen  am  nördli- 
chen  Abhänge  des  Atlas  in  den  fruchtbaren  'nifiiern, 
die  sich  von  dem  Gebirge  bis  in  die  Nähe  des  Meeres 


( 


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■* 

.berabsiebon;  diese,  etwa  lylSO^WA  Kdpfe  ttarki  vadium 

westlich  von  ihnen,  längs  des  westlichen  Abhang^es  des 
Atlas  bis  zum  Strande  des  alUati^heu  Oceans.  —  Süd- 
lich dea  Alias  laban  aiidere  sehr  zahlreiche  Amazirghen^ 
StänuDe^  deren  GrSlse  sich  aber  dttr<dutiä  nichi  aiidi 
nur  annähernd  in  Zahlen  angeben  lifst»  Die  Sprache  der 
Amazirgheu,  welcher  der  Hr.  Verf.  sehr  genaue  Studien 
gewidmet,  hat  nicht  die  geringste  Aehnlichkeit  mit  den 
semitischeD  Mundarten,  und  .unterscheidet  die  Amasir- 
ghen  dadnreh  str4Bng  von  clen  späteren  Biowanderarn  aas 
Asien.  Man  hört  diese  Sprache  jetzt  noch  in  ganz  Nord* 
afrika,  vom  Innern  Aegyptens  an  bis  zu  dem  Kap  Nun 
am  atlantischen  Ocean ;  vor  100  Jahrea  wurde  sie  auch 
>aoch  auf  den  canarischen  Inseln  gesprochen,  die  so  ia 
ethnographischer,  wie  in  geographischer  Beziehung  die 

Fortsetzung  des  Atlas  -  Gebii  ges  bildeten.  Die  Dialekte 
der  amazirghischen  Sprache  sind  übrigens  so  verschieden 
unter  einander,  dafs  z.  B.  Bereber  und  Schellöchen  sich 
nicht  ohne  DoUmeftscher  Tisrstehen.  —  —  Gröfstentheils 
sind  die  Amazirghen  im  MoghVib-ol-aksft  ^ast  ganz 
unabhängig  von  dem  Sultan  und  leben  unter  eignea 
Stammhäuptlingen  und  einem  fast  unbeschränkten  Grofs- 
Scheich  als  allgemeineu  Oberhaupte  in  stetem  Kampfe 
mit  den  übrigen  Bewohnern  des  Landes,  weil  sie  hinf^ 
ihren  steilen  Bergen  nicht  leicht  aufgesucht  und  fBr  ihre 
Angriffe  bestraft  werden  können. 

Zunächst  an  Zahl  liomu^  deoAmazirghen  im  I\fogh*- 
rib-ul-Aksa  die  Mauren,  die  sich  etwa  attf  i^äOfiM 
belaufen.  Der  Hr.  Verl  hält  sie  fiir  Abbanmlbige  der 
Einwanderer  von  Tersdiiedeneo  asiatischen  Stämnien,  die 
nach  und  nacli  in  Nordafrika  eingedruogen  sind.  Die 
ejrste  solche  Einwanderung  geschab  nach  ihm  schoii  lange 
vor  den  Zeiten  der  Römer,  und  as  waren  daber  schaa 
in  dieser  Zeit  die  jetzigen  Mauren  in  den  wostücfaea 
Theile  Nordafrikas  vorhanden.  Seitdem  haben  sie  aber 
alle  Einwanderer,  die  nach  und  nach  in  diese  Länder 
gekommen  sind ,  immer  wieder  ui  sich  aufgenommen  und 
sie  gIflsUcb  mit  ai^b  versdunoteeA.^  So  noch  aulotnt  die 


L 


Digitizeci  by  LiüO^lc 


Araber,   die  bei  weitem  die  üherwieg-endste  Zahl  «1er 
Eiawaoderer  ausiuacbten*    l>e8weg;ea  ist  auch  jetet  die 
Sprache  der  Mauren  ein  Diiilekl  40ft  ArabischeOt  aber 
mit  fielan  ffemilaB  BeimiscbnQgeii ,  vortSglicli  mit  dem 
Amtzirg^hisehen.    Den  Hauptbestandtheil  der  MMiren, 
die  jetzt  im  MoghVib-ul-  Aksa  wohnen,  bilden  die  Nach- 
kommen der  aui  Spanien  zttrück|^etri ebenen  Mobame* 
ihaer.  Daher  «laobeB  die  Mauren  tueh  jetat  noch  immor 
itn  gebüdetemi  Theil  der  Bewohner  des  MoghVib-ul* 
iktk  aus,  sind  die  vornehmsten  und  mächtijG>^sten  unter 
den  Einwohnern-  der  Stätite,  haben  die  bedeutendsten 
fiteilen  bei  der  Regierung^,  bilden  den  Kern  des  Heeres 
Ml  sted  die  einrigeii  Marokiianer,  die  mit  den  chriül« 
Kchfn  V^Ukem  in  venultelbarer  Verbindung  stehen.  Doch 
sind  sie  unter  dem  Einflüsse  des  unbeschränkten  Despo» 
ti^QS  and  ihrer  Stellung  zu  den  übrigen  Bewohnern  des 
Landes  nach  und  nach  tief  von  der  Bildungsstufe^  welche 
ihreVoreUeni,  die  Maaren  ^  inSpaabea  eiauahaien,  herab 
nd  9ogmr  in  edireekKche  Rohh^f  nad  eittUche  Verdor« 
fcenheit  versunken,  so  dafs  ihr  Charakter  jetzt  ein  Ge- 
misch fast  aller  hasseuswerthen  Eigenschaften  des  mensch* 
lichea  Geietee  ist,  adbat  derer,  von  denen  man  ihrer 
Biigegengeeelatheii  wegen  glauben  sollte,  aie  könnten^ 
b  demselben  Indiyidnam  nicht  aaglrioh  vorbeadeo  ^eya 
Sie  sind  furchtsam  und  doch  wieder  unbezwinglich  hart- 
nackig, anniaüseod  und  kriechend  demuthig,  grausam 
«nd  waUistig,  sebmutasig' nod  doeb  genufssüchtig^  hab* 
gierig  nnti  doeb  trag,  deewegen,  nmohae  Anstreagung 
ilne  Habgier  befriedigen  zu  können,  betrigerisdi  gegen 
Stärkere,  räuberisch  und  gewaltsam  gegen  Schwächere 
aa£    Knm,  nach  des  Um.  Verfs.  Schilderung  sind 
dbie  Mwren  eine  der  Terwm'fensten  Meascbenelaesen» 
4i  ee  aaf  der  ganaan  Brde  glebt 

Ihnen  zunächst  stehen  der  Abstammung  nach  die  utt* 
verinischt  o-ebHebenen  Araber,  die  theiKs  in  den  Städten 
^nen,  tbeüs  als  Beduinen  auf  dem  lüiade  ein  VVander« 
bten  fÜMO.  Ibra  Xahl  beIrSgl  im  Gaanen  etwa  740,000« 
Ha  habtti  aach  hier  ihra  iifi^Sngiiclian  SMten^  wia  ihre 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Sprache,  in  grofser  Reinheit  und  Unverändertheit  be- 
wahrt uuci  theilen  alle  Fehler  und  Tugenden  ihrer  Slam- 
inesgeBosseQ  in  dem  Ueimathlande  sowohl,  ai«  io  den 
TerachiedensIeD Gegenden,  in  die  sie  nach  md  naeiivoi^ 
gedrungen  eind« 

Hierzu  kommen  dann  noch  539,500  Juden,  120,000 
Sehwarze  aus  dem  Innern  Afrika  s ,  die  meistentheib» 
Sklaven,  doch  zum  Theai  auch  frei  geworden  sind  und 
Reichthiiin  und  Bedeutsamlieir  erlangt  haben ,  so  «i^  sie 
aoeh  ihrer  Treue  wegeo  die  elwa  10,000  Mann  staAe 
Leibwache  des  Sultans  bilden. 

Christen  giebt  es  nur  einige  hundert,  als  Konsuln, 
Kaufleute,  Handwerker  und  Dienstboten  bei  christlichen 
Herrschaften.  Nnr  in  Tanger,  TetoTan,  BI-AraischnBil 
Mogodore  finden  sieh  einige  Ausgewanderle  aus  Spaniel 
und  aiult  rn  europäischen  Ländern,  die  sparsam  von  ihres 
Einkünften  leben.  In  den  andern  Häfen  des  Reiches  ist 
es  ihnen  nicht  gestattet,  sich  aufieuhalten  und  ein  Haus  zu 
besitaen ,  sondern  sie  dftrfen  nur  anf  eine  besohräidiLte  Zei^ 
bei  Juden  sich  eimnielhen.  Diese  Strenge  soll  ihren  Ur» 
Sprung  in  dem  fanatischen  Eifer  des  Sultans  haben  uoJ 
In  der  Eifersucht  der  Muselmänner,  welche  die  Vorliebe 
ihrer  Frauen  fiir  die  Christen  sehr  nngern  benerk^i'- 
Ghristeosklaven  giebt  es  seit  20  Jahren  nicht  mehr,  uad 
selbst  die,  weiche  aus  den  nnabbingi^'^en  l*ro¥inven  dse 
Ifltiern  kommen,  werden  frei,  sobald  sie  die  Besitzungeö 
'  des  Sultans  von  Marokko  betreten.  Die  Abschaffung  der 
Christensklaverei  war  &n  TÖiiig  freiwilliger  Act  der  ma- 
rokkanischen Regierung  bei  Lebceiten  des  letntea  fMtMß 
Mnlai  Soleiman. 

Eben  so  vermindert  sich  die  geringe  Zahl  der  christ» 
liehen  Renegaten  (Ügi)  von  Tage  zu  Tage  mehr,  da- 
gegen  mehrt  sich  täglich  die  der  zum  Mohamedanismofi 
ftbertretenden  Juden  (Aslanii).  Beitierkenswerth  iat^  da6 
wenn  ein  Jude  Mohamedaner  werden  will,  er  snefSt'ko* 
kennen  mufs,  dafs  Jesus  Christus,  wenn  nicht  der  ScJm 
Gottes,  doch  sein  grofster  Prophet  vor  Mohamed  ge* 
Wesen  und,  dalii  das  Neue  Testament  die  Botschaft  Gottoi 


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.Ckaberg  v.  H«fn»ö,  da«  Kaiserreicli  Marokko.  9§t 

hti  damit  er  ciadarch  gleichitai  erst  Christ  werde  und  t»o, 
wie  die  Mohamedaaer  eagm^  der  Ordnung  der  ver« 
idnedeaeo  ReHgtonen  folge  «nd-die  Grade  ihrer  atafen« 
fronen  Volieodung  durchgehe. 

Im  sechsten  Abschnitte  geht  der  Hr,  Verf.  zur  Dar- 
ileUang  des  Ackerbau  s,  der  Viehzuobl»  des  Fiacbfangs, 
im  Jagd  Iber.  Alle  Mlieae  Gewerbe  werden  nalürlieh 
gni  roh  getrieben ,  nnd  Iroüs  der  Mfaerordeotlicben 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  befinden  sich  die  Ackerbauer 
oft  in  drückender  Araiuth.  Hierzu  träg't  die  Gewaltthä- 
tig;keit  der  Regierung,  die  Unsicherheit  des  Besitzes  uod 
dW  'Ferbol  der  Gelrieideaiiifohr  nach  ChrisleiiUodero 
feftiM  den  Geeetsen*  dee  Kerabs ,  waren  der  Seltan  nur 
einzelne  Ausnahmen  gestattet,  zu  gleichen  Theilen  mit 
der  Trägheit  der  Bewohner  bei,  welche  letzte  freilich 
wieder  eben  so  «ehr  eine  naAnriicbe  Folge  jener  übrigen 
VwhiitiiiM,  als  eine  Wirkung  des  lUi«a*e  uod  der  iir-r 
sprHgfiohen  EigeoCbUniKchkeit  der  Bewohner  ifft  — 

Gepflügt  wird  gewöhnlich  nur  mit  einem  Ocii&eri, 
deo  der  Lenker  des  Pflugs  mit  einem  spitzen  Stachel  an-» 
treibt.  Nur  wenn  BNin  tiefer  pflügen  will^  epannt  man 
itben  den  Ochsen  noch  ein  aoderea  Thier »  einen  £sel , 
da  Pferd,  eine  Knh  oder  eine  —  Frau.  Der  Hr.  Verf 
ttgt,  es  geschehe  dies  in  den  ärmeren  Gegenden  sehr 
b&Dfig,  und  er  habe  es  z.  B.  selbst  in  einem  Orte  Bahli*- 
reio  bei  Tanger  öfter  gesehen,  dafs  eine  Frau  in  der 
BUthe  ihrer  Jahre  und  ihrer  Kraft  mit  einem  Eeal  Oder 
MiaUliie^  nuaammengejocht,  fast  nackt  und  in  Schweift 
fibadet,  gekrümmt  den  Pflug  zog,  und  dafs  der  Lenker 
sie  eben  so,  wie  das  Thier,  durch  Stiche  mit  seineni 
Stichel  zum  schnelleren  Gdken  antrieb. 

:  Wdlehe  uflgeheure  Kff;gebnia6e  der  unendüdi  reiche 
BWkn  bei  einer  besseren  Bearbeitung  gewähren  würde, 
das  sah  der  Hr.  Verf.  an  einem  Acker  des  portugiesischen 
Coosuis  zu  Tanger,  welcher  gehörig  gedüngt  und  be- 
wtaen  dnd  ndl  abrgfUtig  auag^eeiicm  Smn»  beplel 
Mrdflr-irar»  Bier,  war  der  Erlrag  wirklich  gunn: 
(hnhlidu   Ein  K0raz.  B.  hatte  16(>  Halme  getrieben, 


Uigiiizeci  by  LiüO^lC 


yon  rfMien  einige  drei  Achre«  trugen ,  wdche  seMea  ku* 

sammea  weniger  als  40  Körner  enthielten.  Auch  Wein- 
reben gedeihen  vortrefilich.  Dip  Trauben  reifen  schon 
im  Juni.  Die  Mohamedaner  brauohe«  dieaeUwo  omr 
nur,  rnn  sie  frisch  oder  lüs  Ronoen  wm  essea,  eie  geben 
aber  auch ,  wie  die  Versuche  der  Christen  gezeigt  haben 9 
einen  vortreßlichen ,  feurigen  und  haltbaren  Wein.  Obst 
bringt  das  Land  fast  ohne  Pflege  in  unendlicher  FiUiei 
eben  so  Hanf,  Tabak,  Oei  u.  s.  f. ,  Icurs,  die  ganze  in's 
Biaeelife  geheode  fiehitdening  desAckerbaoea  und  selaar 
Ergebnisse,  wie  sie  der  Verf.  liefert,  bietet  überall  das-^ 
selbe  Bild  dar,  die  Natnr  nämlich  bei  der  schrecklich* 
Sien  Vernachlässigung  too  Seitea  der  Meascben  ii|  la^ 
ftag^laabHehesn  BeiehthameL 

Wir  hraachen  Icaani  weitem  crwihawa,  dafr  es  nü 
den  Künsten  und  Handwerken,  mit  denen  der  Hr.  Verf. 
sich  im  folgenden  Abschnitte  beschäftiget,  im  Allgemeinen 
sehr  schlecht  bestellt  ist,  da  sie  fastgaoa  von  dem  Mea* 
scheil  allelfi  abbäogeo^  uad  die  Natar  aur  ib-^rtiigereni 
Gtade  Unterstitanng  tdetea*  kano.  Doch  giebt  ca  •lali 
dem  trostlosen  Zustande  der  Gewerbe  im  Allgemeinen, 
im  Einzelnen  einige  Ausnahmen.  So  werden  zu  Fas  sehr 
schöne  ArbeiCeo  wo  Greldfaden  gemacht  aad  ia  ideha 
Proviffzeo  aehr  gesdiaiiackToUe  Teppiche  ^witiit ,  die 
in  Baropa  unter  dem  Nameo  Urkisohwr  Teppiche  bekaaat 
sind  Der  ausgezeichnetste  Zweig  der  Industrie  ist  aber 
die  Lederbereitung,  die  nach  der  Aasicht  des  Hrn.  Verfs. 
in  Pas  alles  iiberlrilft,  was  Europa  in  dieser  Art  keaai 
FreiKoh  liefert  tuoh  hier  die  Natur  wieder  die  besM 
Mittel  zur  Betreihuifg  dieses  Industriesweigs,  zwei  unbe- 
kannte Pflanzeng-attungen  nämlich,  Tizra  und  Tasaja, 
die  and  Atlas  wachsen,  vermittelst  dcreo  miaQ  selbst  aus 
L«wen-  md  PartfaerMlen  Leder  anaebt,  wAlb  wie  Selm«* 
Httd  weich  wte  'Sride.   Hat  je  doefa  crtae  der  tÜBtUm 

Lederarten  (Maroquin)  von  diesem  Lande  den  Namea 
und  wirii  wirklich  in  seltener  Vollendung  in  rlemselbea 
&bri€irt  Den  besten  rothen  Maroquia  liefert  Fas,  liea 
taMm  giftaea  T^äULt^  den  bestan  gdbeii  Masokhau  * 


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Weil  bedcatewder  uod  gewinareichar  fllr  da«  Mof h"- 

rib-ul-aksa  ist  aber  der  Handel,  vorzö/^lich  der  aus- 
wärtige, —  über  den  der  Hr.  Verf.  sehr  genaue  und 
schätzenswertlie  Nachrichten  mittheilt  Es  zerfällt  der« 
Mibe  eher  in  3  Theile :  1)  den  Handel  mit  dem  Innern 
m  AfHka ,  2)  den  Handel  mit  Europa ,  3)  den  mit  d^ 

•  Orient.  Der  erste  wird  durch  Karavanen  g-etriehen.  Aus 
etwa  100  bis  IM  Personen  und  1000  bis  1500  Kameeieo 
bestehend^  brechen  die  Calfite»  (einseliten  Karaganen) 
m  Marokko,  Tetovao,  Fas,  Tafileit  u.  s.  f.  airf.  Zu 
T\itla  und  Aklia,  am  Anfange  der  Wüste,  i^tofsen  sie  zu-' 

;  s^arnmeo,  um  gemeinschaftlich  als  Accabe  (Karavanen- 
Tereinigung) ,  miluoter  &00  bis  1600  Personen  und  16,000 
b»  30)000  Kam«eM  umfaMead,  die  Wftsle  zu  dureh« 
iUhMi  «nd  dedttroh  in  Btwae  die  Gefahren  dieser  Reise 
zu  vermindern.  Zu  derselben  Zeit  stoisen  auf  gleiche 
Weise  zu  Agabli,  dem  Hauptorte  der  Oase  von  Tnat, 
tr^^üien  in  der  Wüsle  die  Karavaneu  von  Algier,  Tunis, 
6iMida»i%  TripoK  Wnd  Fetüan'Msammen;  an  dem  Ende 

\  der  Wüste,  auf  den  Gremsen  des  Sudan  tritt  diese  Kant* 
vanenvereinigiing  mit  der  aus  Marokko  zusammen,  und 
vtretfiigt  setzen  beide  ihren  Weg  nach  dem  groFseu  Bia* 
nemnarkte,  Tombuktu  fort,  wd  sie  theiis  mit  den  ein- 
Intaiischeii  Kanfleuten  verkehren ,  theils  mit  den  Kauf  • 
leaten,  die  in  gleicher  Weise,  wie  sie  selbst,  aus  dem 
Süden,  aus  Senegambien,  aus  Guinea  u.  s.  f  erschienen 

I  sind  und  durch  Karavanen  die  Produkte  ihres  Landes 
zoni  Aoitaiisehe  herbeigfclhnftckt  haben.   Etwas  fabelhaft. 

I  Uiagt  die  SrMiMg  von  der  Art  des  Verkehres  an  man- 
cben  anderen  Orten  Nigritiens,  welche  (ler  Hr.  Verf.  mit-' 
theih.  Auf  eine  Seite  irgend  eines  Hügels,  sagt  er, 
steUensich  die  mogh'rebinischen  Mauren,  auf  die  andere 
Seite* die  4Selmmeii  von  Bern  und  andern  Ufiern  des' 

l  NbHfef^ If^iftr:  ^eiie  legen  ihre  Waaren  unf  den  Hi'igel 

i  uedetund  entfernen  sich  sodann.  Die  Neger  untersuchen 
sie  tind  legen  unter  jedes  Stück  Waare  so  viel  Gold- 
sUab,  als  sie  ^eben  vi^ollen»  ' worauf  auch  sie  sich  ent- 
feraen«  'Die  Maulrte  kdirM  uurftck,  und  finden  sie  den 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Goldsttnb  mit  dem  Werthe  de9  Gegeii9laiides  stimnieiid, 

so  uehmeri  sie  ihn  und  lassen  die  Wuare;  wenn  nicht,  so 
nehmen  sie  diese  zurück,  und  wird  das  Gebot  nicht  er- 
höht, so  ist  der  Haodel  zu  Ende  und  mao  treoat  sich. 
Igt  man  hiogegen  beideraeite  safriedeo »  iso  yereinea  sieb 
Maaren  und  Neger  und  reisen  vierzehn  Tage  mit  einaa* 
der.  —  Desto  schätzenswenlier  sind  die  Aug^aben  über 
die  Gegenstände,  welche  tJieser  Handel  umfafst  und  das 
Resultat  desselben  für  Marokko.  Der  Ur.  Verf.  meiaii 
dafa  etwa  für  eine  Million  Piaster  marokkaniachec  W^anHi 
durch  denselben  in  daa  Innere  Afrika^s  geflifaft,  dafll 
aber  flu  mehr  denn  zehn  Millionen  Erzeugnisse  desselbea 
nach  dem  Mogh'rib- ul-aksa  zurückgebracht  und  weiiig- 
ateos  zu  zwei  Drittheilen  wieder  mit^  grolsem  GeVfiM 
nach  iUgier  und  Tunis  (und  fiiiröpa»  nach  dem  voMo 
Foigenden)  abgesetzt  iverdea  9  so  dafa  also  dieser  Ver* 
kehr  für  das j\lo^hVib*Jul-ak$a  auiäeioidcatiich  vortbeii- 
haft  ist. 

Nicht  weniger  gewi  nur  eich  ist  auch  der  Handel  mit 
Europa ,  ao  isehr  der^elb«  auch  durch  AuafuhrTtfbt^  1 
bei  dem  Getreide  (wie  oben  schon  erwfihnt  wurden  M 
religiösen  Grüudeiij,  unerschwingliche  Zölle  (zuinTbeil 
100  bis  200%  des  Kaufpreises)  und  willkührliche  Be- 
druckungen der  Regierung  gehindert  wird.  Die  Ausfuhr 
besteht  tbeils  in  Naturprodukten  und  einigen  ILunaterzeaf- 
niesen  Marokko 8  selbst,  theik  in  den  durch  den  Biaaas* 
handel  eingeführten  Waai  en  des  Sudan ,  die  mit  ungs» 
heurem  Gewinne  an  tiie  Europäer  verkauft  werden.  Die 
Einfuhr  dagegen  besteht  in  europäischen  Manufaktur- 
wauren  (Leinwand,  Tuch,  Seidenwaajrett)^  in.Kolonial- 
waaren  und  Spezereien,  in  verschiedenen  Metallen  u.4^ 
und  in  etwa  130,000  Plaste la  in  baarem  Gehle,  wow 
der  Ueberschuls  der  Ausfuhrartikel  aufg^ewogen  wird. 
Ueber  dies  Alles  giebt  unser  Verf.  die  genauesten  Nach- 
richten» selbst  Preise  und  Zölle  der  eioselnen  Artikel) 
welch«  Angaben  alle  die  gieoaueate  BekaaulscbaA 
dem  Gegenstaude  verrathen. 

(Der  £«««i^lf»/«  fQlgU) 


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0 


iV.  50.  flEIDELB.  JAHRB.  o.  LITERATUR.  1833. 

Gr  ab  er  g  v.  He  ms  6^  das  Kaiserreich  Marokko» 

(Beachlufs.) 

Sehr  ioteressant  ist  auch  die  ziemlich  ausffihriiche 
MrilderaDg  des  Handels  mit  dem  Orieote,  wovon  wir 
Mge  charakCertstteche  Zuge  ausheben.  Sieben  Monate 
W  dem  Geburtsfeste  Mohammeds  vereinis!:en  sich  die 
Pilg^er,  welche  des  Propheten  Grab  besncheti  wollen,  in 
der  Stadl  Fas.  -  Bin  Theii  schifft  sich  eia,  um  die  Reise 
hii  Aegypten  ganz  oder  mm  Theil  zar  See  sarttckza-r 
legen,  bei  Weitem  der  gröftte  Tlieil  schlägt  den  Land- 
weg ein.  Die  Kaufleute,  welche  den  Zug  nur  des  Ge- 
winnes wegen  mitmachen,  oder  den  Handel  wenigstens 
mit  Uebung  der  Reifgionspflicht  verbinden,  machen  ihre 
Eiakänfe^  alle  Pilger  versehen  sich  wenigstens  mit  ihren 
MsMebedllrfnissen  bis  Tunis  und  Tripolis,  der  Emir^aK 
Ho(l8cha  übernimmt  ijie  Anführung  des  Zuges  mit  unum«  - 
schränicter  Gewalt,  selbst  dem  Rechte  über  Leben  und 
Ted,  Nachdem  noch  von  allen  Seiten  Pilgerzfige  dazu 
pMben  sind,  bricht  ^ieKaravane  auf,  zuerst  die  Ka- 
Biasieiwd  Maulesel  mit  <ien  Vorrlthen,  dann  die  Pilger, 
tJifi  aus  Armuth  oder  zur  Bufse  zu  Fufs  gehen,  endlich 
die  auf  Pferden  oder  Mauleseln  reitenden  Pilger.  Die 
filravane  zieht  durch  das  Innere  des  Landes  über  Kair* 
Ha' uaeh  Tripolis,  dann  nach  Alexandrien,  nachMeklra« 
Qiberall,  wo  die  Karavane  durchzieht,  schitefsen  sich 
Qeue  Züge  an ,  die  seitwärts  her  aus  andern  Gegenden 
ksttmen ,  eben  so  gehen  aber  auf  jedem  Punkte  andere 
9ige  ab,  die  ihr  Ziel  erreicht  haben ,  indem'  sie  sich  zu 
MST  kirzem  Reise,  nur  der  . Sicherheit  wegen,  der 
Karavane  anschlössen ;  doch  sind  diese  Abgänge  weniger 
zahlreich,  als  die  Zuflüsse,  und  der  Zug  erhält  zuletzt 
eine  ungeheure  Stärke.  Sechs  bis  sieben  Monate  währt 
(iwdluilteh  die  Reise,  während  derselbeu  wird  überall 

nVI^  Mag.  8.  Heft.  50 


Digiiizeci  by  LiüO^lc 


der  lebhafteste  Handel  getrieben,  die  Karavaue  ist  die 
Hawplverljiiuluno^  der  clurchzogeoen  Länder,  Kanflcute, 
die  sich  ihr  anschiossea,  trenaen  sich  9  wenn  sie  zu  dein 
Orte  ihrer  BestimmuDg  gekomineD  sind,  andere  kaofen 
10  jedem  Orte  und  verkaufen  in  dein  folgenden  mit  Ge- 
winn und  wiederholen  dieses  Geschäft  viele  Male,  bi« 
ßie  nach  Mekka  geiang^eu.  Hier  angekommen,  tiiftt  die 
Kaiavane  einen  J^braiarkt,  dem  uohl  keiner  der  ganzen 
.Welt  gleich  kommeA  img,  fünf  Monate  wifayri  er  jälir- 
li^,  und  über  200,000  Menschen  mi  mAw  als  100,000 
Kameeieo  besuchen  ihn  aus  allen  den  Theileii  tler  Enle, 
wollin  der  Moha^nniedanismus  sicii  verbreitet  hat.  Hier 
k^ufei^  die  Pilger  imo  wieder  Handeiagegeaatäude  der 
verechiedensten  Art,  dif  aua  allen  dieeen  degendeo  dert 
aiieammen  gebraeht  worden  sind ,  und  kehren  daiMi  wieder 
theijs  zur  See,  theils  zu  Lande  zurück.  Letztere  wieder- 
holen dabei  in  umgekehrter  Ordnung  ganz  den  Verkehr 
des  Herweges,  udi  (Caufen.  und  Verkaufen,  und  bringen 
endlich  die  buntaste  Mischung  Ton  Waarap  aua  MaUuif 
Alexandrien ,  Tunis ,  Algier  u,  s.  f.  nsit  nach  Hause.  • 

Zur  Vervollständigung  dieses  Ka])itels  dienen  noch 
die  Angaben,  welche  der  Hr.  Verf.  über  M Unzen «  Maafee, 
Gewichte  u.  s.f.  mittheiit,  so  wie  Ober  die  Art  9  via  Euro- 
päer aich  bei  dem  Haadel  mit  den  Giogebovoan  daaMagh- 
vib-ul-aksa  au  benehmen  heben.  Interessant  ist  hieruaisr 
diich  die  Angabe,  dafs  der  Sultan  von  Marokko  sogar  eine 
Art  iroo  Quarantäne  ux  seinem  Reiche  eiagetühst  hat.  Der 
Saltap  Mulai  Suleiman  verlieh  nämlieh  vor  etwa  304ab*ea 
de«  christhcben  Konsuln  au  Tanger  die  Befiignifii  eiav 
obersten  Senitäts- Junta  für  die  Seeseite,  und  die 
schlösse  dieser  Junta  werden  ohne  Appellation  an  Lokal- 
behördea  in  allen  Hafen  beobachtet.  Verdächtige  oder 
verpestate  Fahrzeuge  miiasatt  aUe  an  Tanger  QMraatiae 
hait^ap;  ain4  sie  zu  sehr  aagasf^kt,  sek  waadai»  efe  ahae 
Verai^  nach  Port-Mahoa  gesendet. 

Zum  Schlüsse  dieser  ethnographischen  Schilderung 
der  Bewqhner  von  Marokko  und  ihrer  Stammes-  und 
Gewerbsverhäitnisse,  atelit  der  ifr.  Ver£  unter  der  Auf- 


üigitizeci  by  LiüO^lc 


6rAb«rg  v.  Iii— KaiMit^lcb  Marokko.  787 

9chrif(  Civilisation  nocli  <lte  hervort reitendsten  Züge  aus 
ibran  Lebeo  (vorsäglich  detn  der  Maureu)  zuiaiii- 
meo,  dt6  m»  id  Slanil  fetMa  iftoiMti,  iber  Uii«  gmelK 
fcbaraieii»  ffildimg  Oterboupt  dii  Uvth^U  ru  Mllem  Wir 

drhalteii  daher  hier  neben  t  iner  Schilder ung^  ilirer  Sitten 
und  Gebräuche  im  Privatleben,  ihrer  Erholungen,  ihrer 
Piiiülieorerhäiiuisse  und  cieigl«  vcirzüglich  nähere  Nack- 
Mmdgm  tttier  die  8#rjg:e  dinttr  Vdlter  Mr  üniwidce- 
httg*  ihrer  ifeifliif  en  FAhigkeiteti ,  Itlr  Befriedigung  ihrer 
höheren  Bedürfuibse.  Die  obige  allgemeine  Scluiderun|^ 
der  Marokkaner,  vorzügiieh  der  Maureu,  reicht  aber 
hin,  uns  schon  im  Voraus  zu  überaeagen,  dafa  wir  hier 
Mil  viel  Tftiatliehea  finden  werden ,  dafli  woMt  eitlem 
Vdke,  "#16  das  geschilderte,  weder  die  geistigen  B#- 
dürfniss^  ^  noch  die  Anstalten  zu  deren  Befriedigung 
grols  se^n  werden.  So  ist  es  denn  auch  in  der  Thal. 
'  Iwar  giabt  es  nämlioh  in  Städten  imd  Dörfern,  weni^- 
stCDs  ia  den  dem  Meere  oiher  gelegeoefl  Gegeadan,  aalnr 
lahlreiohe  Blenftentarackiileo ,  annreder  Frivaüelhnien 
(Mesid  oder  Mektib)  oder  öffentliche  bei  den  Moscheeh 
(daher  auch  Dsciiamaa  genannt),  die  von  den  Knaben 
vom  gechfltan  Jahre  an  besaobt  werden^  sowie  Mädoheif^ 
Mialaurr  Pranen  geliattc«;  —  aber  in  aü^n 

Ummu  ArO^aHaa  Imfen  die  Viknäm  niehla,  ai»  dia  Veme 
des  Korain  au  iesen ,  auszusprechen,  aus  dem Gedächlnifs 
berauaageo  tind  abzuschreiben.-  Die  meisten  SchOler  ver- 
iMsan  ittescf  Schalen  aacb,  ariiaid  aie  ieien  aabraiben 
MnaariiF  Viele  bMbetf  aber  wdi  f  M0  aie  den  ganceii 
Koriin  auswendig  gdenvt^  haben  ^  dinn  gehen  sie  A^dl 
höheren  Lehraislallen  über,  den  Muda'ris  (Orte  des  Uitf- 
tSTfichls)  and  endlich  zu  der  lioben  Schule  in  Faa 
-felr<«^ei-?isa  ^Bana  dar  WeiAelt),  wo  von  förmlich  nnge- 
MHen  Lelirani  in  d^r  Ofanmunib  y  Tbaotogie ,  Logihi, 
Rhetorik,  Poesie^  Arithmetik,  Geortieftrie,  Aatieuunlie, 
ArzBeikunde  Unterricht  ertheilt,  die  Sagen  und  Cora- 
mentare  des  Koran  erläutert,  das  bürgerliche  und  geisl- 
Hcbe>  lieidi»  ndl  den  Procefsfonnen  gelehrt,  und  die 
ikitaHisriu^B  WlfAM  dnM  TUeb,  Fkib^  wd  A'Mm 


üigiiizeci 


(Plur.  O'iama,  bei  den  Europäern  gewöhnlich  Ulema) 
erÜieiU  werden.  Aber  da  die  Buchdruckerei  im  Mojg^h- 
rib-ul-aksa  nicht  bekannt  ist  und,  oni  die  sahireichen 
AbBcbreiber  oichi  vm  ihr  Brod  »i  briagen ,  «ach  nicbk 
eingeführt  wird,  so  aind  Bficher  selten  und  aMftererdeiil* 
lieh  th  euer,  ihre  Verbreitung  sehr  gehemmt,  daher  auch 
der  Kreis  der  Schriftsteller  (von  denen  der  Hr.  Verl.  für 
Jedes  Fach  die  bedeutendsten  anführt)  sehr  beschränkte 
und  religiöse  Vorurtheile  wetteifern  mit  der  etltliehtti 
EfttwQrdigung  des  Volkes,  jeden  geistigen  Anfeehweng, 
selbst  nur  bis  zur  Miitehnäfsigkeit,  zu  verhindern ;  daher 
bleibt  nicht  nur  die  Bildung  des  Einzelnen,  sondern 
.Sitte,  Lebensweise,  Arbeit  und  Vergnügung  des  ganaini 
Volkes  auf  dem  Standpunkte  kaum  halbgesiileter  Bir* 
baren,  und  denselben  Charakter  tragen  dann  auch,,  sowie 
alle  Anstalten  für  Sicherung ,  Veredelung  und  Verschö- 
oerung  des  Lebens,  so  auch  die  Einrichtiiog  und  Verr 
wakung  des  Staates. 

Von  diesem  letsteren  handeli  die  dritte  itnd  letcto 
Hauptabtheilung  des  vorliegenden  Werkes.  Im  Allge*' 
meinen  bietet  die  Einrichtung  des  marokkanischen  Staates, 
so  wie  der  Hr«  Verf.  sie  hier  schildert,  ntcht  viel  Eigen- 
thfimliehes  und  deswegen  Intereseantes  dar,  —  sie  gleiohl 
ciemiich  der  aller  fibrigen  mohanunedanisohes  Staaten 
des  Orients ,  und  aus  deren  Schilderungen  sind  uns  die 
meisten  ZQge,  die  ums  hier  begegnen,  schon  bekannt. 

Es  giebt  in  der  Welt  keinen  unbeschränkteren  Herri- 
scher, als  der  Theorie  und  Praxis  nach  der  Sollen  von 
Marokko  iet*  Wie  in  den  meisten  orientalisohon  Rdebiäl> 
bieten  sich  nämlich  auch  hier  Volkssitte  und  religiöse 
Lfeberzeugung  die  Hand,  um  den  Emir-al-Mumenin 
(Beherrscher  der  Rechtgläubigen),  den  Khalifat-Aliah 
fi  hhalkihi  (den  Statthalter  Gottes  auf  6rden),  den  Imam 
(obersten  Prieeter),  wie  die  Bewohner  d^  Mogh'rih- 
ul-aksa  ihren  Gebieter  nennen,  welcher  nach  ihrem 
Glauben  in  gerader  männlicher  Linie  von  Hhosein,  dem 
sweiten  Sohne  Fatme's,  der  einzigen  Tochter  Moham- 
meds, abstammt  9  Äber  jede  Beschrftnknng^^  mi  «erheben» 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Gräbel^  t.  Heuieu,  tiau  Kaiserreich  Marokko.  1§9 

Weder  ein  Mufti ,  noch  ein  Corps  des  Ulema  s  steht  mit 
|8wkfieriiiafsen  unabhängiger  Gewalt  nebeo  ihm«  wki 
»bea  den  Snitan  to  CoBstaDtiiiopel ,  da  er  der  reokl- 
■iMge  Nachfolger,  eowle  der  ielbltohe  Naehkoanne  des . 
Propheten  auch  in  kirchlicher  Bezieliung  mit  der  höch- 
sten Weihe  und  W^rde  geschmückt  ist.    Eben  so  wenig 
hat  eio  Di?an  in  politischen  Diogeu  einen  altherjgebrachten 
iiHpnicli,  mitaeioeoi  Halbe  gehört  n  werden,  ja  nicht 
damal  BUoieter  eriüireo ,  weiche  einen  bestfniniten  Wir-  , 
koDgskreis  besäfsen,  und  darin  modificirend  auf  die  Ent- 
schlfisse  des  Soltans  einwirken  könnten.    Ein  kleiner, 
nach  der  Laune  des  Sultans  gewählter  Rath  (Emd* 
nheHtey  die  Vereinigung  aitsender  Personen),  der  aua 
irg^end  enem  Oheime  des  Snltaas,'  einigen  Schreti»eni 
und  Rechtsgelehrten  und  den  obersten  Befehlshabern  der 
Leibwache  zu  bestehen  pflegt,  wagt  es  fast  nie,  auch 
aar  eiaeo  anderen  Rath  der  Meinung  des  Sultans  entge«  . 
genKasetzen  und  ist  nnr  bemfon ,  durch  stets  gleich  da- 
siithige  Billigung  denselben  in  seinen  etwa  wankenden- 
Entschlössen  zu  bestärkt  n.    Einige  Günslling;e,  mit  den 
vorzüglichsten  Hofämtern  bekleidet,  werden  bald  mit 
daain  lyeslimniten  Zweige  der  Verwaltung  beauftragt, 
m  me  dann  mit  einem  Schebe  von  SelhstsUlndigkeit  an 
handeln  vermögen ,  bald  aber  auch  nur  zu  unmittelbarer. 
Vollstreckung  der  Ikfehle  des  Sultans  ausersehen,  wenn 
derselbe  im  Gefühle  seiner  Maeht  und  Weisheit  es  vor« 
»ritt,  die  nnmittelbare  Leitung  aller  Zweige  der  Staats- 
fsrwaltangaeibat persönlich  zu  übernehmen.  Kurz,  auch 
nicht  der  Schein  einer  Beschränkung  stellt  sich  Üer  All- 
l^ewalt  des  Sultans  von  Marokko  entgegen.    Gesetze  sind 
uur  die  Ausflässe  seines  Willens,  er  übertritt,  ändert, 
maichiel,  erlieaert,  erläfst  sie  ganz  ^  nach  Willkühr, 
(■staltet  Ausnahmen  von  ihrer  Geltung ,  oder  UM  diese 
auch  rückwärts ,   und  in  Fällen,  die  eigentlich  nicht 
thrunter  gehören,  eintreten,  —  er  hat  nicht  nur  die 
Vsrwaltnng  des  Landes  unter  sich ,  er  ist  auch  tler  oberste  - 
BMnIer,  er  verhängt  willkihrlich  Strafen,  begnadtgi- 
dhr  Verbracher  oder  erhöht  die  von  anderen  Richtorn 


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nt  Graberg  v.  Hemidt  4i«  KaiMmM  HsMillli^ 

ausgesprochenen  Straftiii ;  in  Civilsachen  jB^^c^t  er  nach 
IVilikühr  der  einen  oder  der  anderen  Partliei  Recht  oder 
eignel,  um  den  Streit  auf  die  kürzeste  W^e  su  endeo^ 
«dl  den  sireitigeu  GegeostaiHt  salbst  m;  wie  68  Muld 
Sttleimao  im  Jahre  18S1.  unter  den  Augen  dee  Hniw  Vctfe 
2;u  Tanger  mit  einer  schönen  Jüdin  inachte,  um  deren 
Besitz  zwei  junge  [j<raeliten  stritten,  die  der  Sultan, 
nachdem  er  sie,  um  mit  Sachkenntnifs  zu  urtheilen,  in 
einem  Nebeusimmer  im  Staude  der  Natur  betraehlet  hatA% 
um  keinen  der  Beiden  auf  Kosten  des  Andern  begOnetigw 
zu  müssen,  selbst  behalten  zu  wollen  ericlirte.  Selbst 
durch  flie  Gesetze  der  R(  lig-ion  ist  er  aus  dem  oben  be- 
rührten Grunde  viel  weniger  gebunden ,  als  andere  Harri» 
scher,  weil  bei  seiner  erhabene»  Stellung  unter  dfu 
Glaubigen,  hei  seiuer^leibliehen  und  geistigen 'Veribiu* 
dung  mit  dem  Propheten  er  mehr  als  irgend  ein  Anderer 
im  Stande  ist,  einer  geinen  Absichten  ent^^preche nden 
Interpretation  allgemeine  Geltung  zu  versohaflfen  und  da-» 
durch  die  iGesetxe  nach  seinen  Wünschen  zu  wend^  und 
SU  drehen.  Im  Jahre  ISSStt.  erschien  nimHch  im  Reiche 
Tafilelt,  wo  schon  seit  langer  Zeit  die  ScherHfe,  d.h. 
die  Nachkommen  Moh.niimeils,  die  Herrschaft  hesafseu, 
ein  Mann,  Namens  A  li  Ben  Mohammed  Ben  A  li  Ben  Juauf 
aus  Jambo  bei  Medina  in  Arabien  gebürtig,  und  sieben 
und  zwanutgstet  Nachkomme  Alii  unil  J^^ate^e,  dbt 
Tochter  Mohammed's.  Diese  seine  hohe  Altstammung} 
seine  persönlichen* Eigenschaften  und  der  Umstand,  da(s 
unmittelbar  nach  seiner  Ankunft  auf  mehrjährige  Uik> 
fruchtbarkeit  eine  fruchtbare  Brndie  folgle  und  des 
Himmel  eo  selbst  seine  Schritte  so  segnen  eckien,  «e»> 
schafften  Ihm  die  Herrschaft  von  Tsfilelt,  woriii  iktt 
Kein  Sohn  Mulai  Schcriff  folifte,  der  als  der  eijs^entliehe 
Stifter  der  t);y'nastie  augesehen  wird.  Siege  und  Erobe* 
rungen  brachten  seinem  Enkel  Mulai  Arshid  die  Haff»» 
Schaft  Iber  das  gunse  Mogh'*rib*i|l-^uksL  Bei 'den 
Nachkommen  jenes-  MuM  Scheriff  ist  seitdem  die  Herr^ 
sdiaft  erblich  geblieben.  Diese  bilden  freilich  aclioa 
wieder  ein  ziemlich  zahlreicbes  Geschlecht,  da  die  Zahl 


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Ihir  WM  -Mtttai  Seh^riff  a(Mtainin<>ti<leti  Scherilfc  rfch  be-^ 

leits  auf  mehr  als  40,000  beläuit;  was  nicht  zu  verwun- 
dern ist,  da  /.  B.  Mulai  Scheriff  selbst  84  Söhne  und 
124  Töchter  hatte,  sein  Sohn  Tsmaa'il  aber,  cter  Nnch- 
triget  dm  oben  erwähnten  Muiai  Ar'shid  sog^ar  vaii  8600 
Vnuhn  wenigsten«  9258d(me  und  842  Tdchter  tt.  Agl  m. 
Gewöhnlich  folgt  dem  Sultan  sein  erstgeborener  Sohn, 
aber  iast  immer  mufs  er  gegen  mehrere  seiner  BrQder, 
die  alle  ihre  Parthei  -haben,  Krieg  führen,  und  der 
Mier  ihfien  bleibt  tniai  immer  Steger  und  Herrscher,  der 
fkh  des  Sohatzea  m  bemichtigen  weift.  D^r  jetzige 
Sultan,  Mulai-A'bd-er  rahhmän ,  war  beim  Ableben  Heides 
Vaters,  des  Sultan  Mulai  Hischam ,  noch  zu  jung,  um 
seinen  Oheim  Mulai  Suleiman  biodern  zu  köonea^  sich 
dcaThrdnes  bu  bemächtigen  ood  deoselben  bis  tuselttem 
IMe  (28.  November  1822.)  zu  behalten;  Da  aber  hin- 
tetiiefs  ihn  Mufai  Suleiman,  gottesfürchtig,  wie  er  war, 
durch  Testament  seinen  Neffen,  weil  er  ihn  ffir  den  rechte 
nlAiigen  Brbeo  uod  denjenigeD  hielt,  der  am  fähigsten 
wite,  das  Land  gut  zo  regieren  uiid  Friede  und  Hoiie 
in  üasselbe  zurückzuführen ,  die  durcli  einen  fdrchterli- 
cheo  Aufstand  aller  Bergvölker  seit  4  Jahren  auf  das 
SehfedlKctlste  gestört  waren.  In  dieser  Erwartung  täuschte 
er  sieh  avch- nicht,  und  der  jetzige  Sultan,  den  der 
fr«  Verf.  ganr  avfterordeotlich  erhebt,  stellte  die  Rahe 

MH  Kraft  und  Weisheit  wieder  her  und  regfierte  mit  einer 
bisher  unbekannten  Milde  und  Gerechtio^keit. 

Die  Staatsverwaltung  im  Einzelnen,  die  der  Hr.  Verf. 
weitläufig , und  sehr  g^enaa  beschreibt,;  trelteü  wir  hier 
tfehi  Weher  aöseinandersetzren  $  dieselben  Einrichtnngen 
und  Erscheinungen,  wie  in  andern  mohammedanischen 
Staaten  des  Orients,  beg-egnen  uns  auch  hier :  Statthalter, 
die  ihr  Amt  nur  als  Mittel  der  Bereicherung  ansehen 
und  vermittelst  der  Polizei,  Pinanzverwaltung,  Crimioral- 
jisUs  m4  Mflitäranfilhriing,  die  sie  in  ihren  Händen 
l^ereintgen ,  die  ihnen  Untergebenen  auf  das  Schreck- 
lichste drücken  und  quälen ,  um  ihre  Habgier  auf  deren 

Kkfisleii  «II  Stillen;  Cadhi's,  die  bei  der  Mangelhaftiä^eit 


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der  Gesetze  hm  Verwaltung  der  CivUfetiehteherkeil  dl , 
recht  erfreulichen  Gerechtigkeitssinn  und  grorsen  natOr» | 

licheo  Verstand  entwickeln ,  öfter  aber  auch  nur  fti  l 
ihren  eigenen  Vortheii  nach  WillkQhr  Recht  sprechea; 
eine  Regierung  endlich,  die  alle  diese  Beamten  gleichsam 
yiie  SchwSnmie  betrachtet ,  die  sie  erst  sich*  ToHsauges^ 
isftt,  um  sie  dann  In  die  kaiserliche  Schatzkammer  as§t 
zudrücken.  Auch  von  den  scheuslichen,  grausamen  Strafe? 
arten  wollen  wir  weiter  nichts  erwähnen ,  die  ohne  Ver- 
liältaif&zu  dem  Verbrechen  ganz  nach  Willkühr  verhänget 
werden,  so,  dafs  einem  weit  weniger  Schuldigen,  aber 
dem  Richter  Verhafsten  Mund ,  Nase,  Ohren  ▼ollSchielii4| 
pulver  geschüttet  und  dieses  angezündet,  oder  er  bis  al 
den  Hals  lebendig  vergraben  wird,   worauf  denn  alle 
seine  Feinde  an  seinem  Kopfe  ihren  Grimm  auslassen, 
oder  er,  an  den  Schweif  eines  Maultbieres  mit  den 
Fllben  angebunden,  todt  geschleift  wird  — «während 
ein  vorsätzlicher  Mörder  mit  Bewilligung  der  nftcF 
Verwandten  sich  durch  eine  gewisse  Summe  stratloi 
kaufen  kann  und  dergL  m.  —  Nur  von  einem  Verhältnif» 
wollen  wir  noch  einige  Angaben  des  Hrn»  Verfs.  wieder- 
holen, von  einem  Verhältnis,  welches  vorsSglich  scbarfii» 
chend  und  zerrüttend  auf  das  sonst  mächtige  marokkaWI 
nische  Kaiserreich  einwirkt.    Es  ist  das  die  Stellung  der 
^st  unabhängigen  amazirghischen  und  arabischen  Bcrgr 
und  Land -Bewohner  im  Innern  des  MoghVib-ul-aksi 

Sei  den  maurischen,  arabischen  und  jüdischen  Bew^ 
ern  der  Städte  und  Dörfer  findet  nämlich  unbeschrä 
die  strengste  Unterordnung  unter  die  Befehle'  des  Sultanl 
und  seiner  Beamteten  statt,  die  Idee  einer  freien  bürger* 
liehen  Gesellschaft  ist  hier  ganz  fremd.    Gans  anders 
ist  es  aber  bei  den  Übrigen,,  theils  nomadisirendeo,  thsil% 
auch  ansässigen  Bewohnern,  Torzüglich  im  Innern  di# 
Landes  und  in  den  Gebirgen.    Auch  sie  stehen  zwar 
unter  der  Gewalt  der  Statthalter,  des  Sultans  ig  den  Pro^ 
vinzen ,  wo  sie  sich  aufhalten ,  aber  neben  jen 
des  Sultans  gehorchen  si^  Horden  -  und  Stani 
Ql^rUuptern  aii8^U}r^^^^  auf  das. 


« 


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im  Innern  dieser  Slamme  hat  der  Statthalter  gar  keinen 
Eioflufs,  nur  über  den  Stamm  im  Allgemeinen  fuhrt  er 
die  Oberauüsicbt,  treibt  den  Tribut  von  ihm  eia,  beruft 
dk  Soldaten  9  itie  deraelbe  bei  einem  Kriege  su  stellea 
wpfficbtel  iai)-  hill,  uio  mllglich,  den  Laadfrieden  zwi- 
schen ihm  und  andern  Stämmen  aufrecht  und  dergi.  Am 
meisten  Finfluf««  hat  der  Sultan  noch  auf  die  nomadisi- 
Kodea  Beduinen- Araber.  Hier  ernennt  oder  bestätig! 
er  wenigstens  die  Scheikhei  die  Oberhäupter  der  ein-- 
nlaen  StiniDie,  euch  iet  ihre  Gewalt  beechrinkt,  und 
sie  noch  zum  Tlieil  tler  Civil  -  und  Criminal  -  Gerichts- 
bai keil  maurischer  Beamteten  unterworfen.  Dagegen  sind 
die  Oberhäupter  der  Berebern,  die  Amergaren ,  und  die 
im  Soheiiteheit,  die  Amncraaen ,  erblich  i  im  Innern 
ihrer  Sttoime  keiner  Obrigkeit  beachrinkt  und  daher 
fast  unabhängige  Lehnsfürsten.  Aber  was  hier  für  das 
Ansehn  des  Sultans  am  allerschädlichsten  ist,  —  sämmt- 
üdMAmazirghen- Stämme  in  diesen  Gegenden  erkennen 
ab  gemeineaines  OberbnupC  einen  von  ihnen  selbst 
idriiea  Greft^8eheifch  (Scheikh-K«bir)  an,  dessen 
Uaterthanen  nur  zum  Theil  auf  dem  Gebiete  des  Herr« 
Sehers  von  Marokko,  zum  grofseoTheile  aufserhalb  des- 
selben wohnen«  aDurch  diese  Stellung  ist  er  nun  von  dena 
MiaD  fast  gann  unabhängig  und  ein  geflÜhrlicherNeben* 
habler  för  dessen  Macht  Da  nun  dabei  diese  fitimoie 
iille  sehr  roh  und  kriegerisch  sind,  so  ruft  die  geringste 
Kleinigkeit  einen  inneren  Krieg  hervor.  Die  marokka* 
Discbe  Regierung  beliauptet  ihr  Ansehen  daher  nnr  d«p 
dMch,  dafs  sie  die  steten  Zwistigkeilen  zwiflclien  den 
daselaen  Stämmen  selbst  stels  nährt  und  unterhält,  und* 
^kh  so  Gelegenheit  bereitet sich  des  einen  g:egen  den 
sodern  zu  bedienen ;  eine  Vereinigung  derselben  würde 
di^angenblioiüiche  Vernichtiing  ihrer  Anctorität  herbei* 
Uvea,  da  jene  StSomie  nasammen  den  übrigen  Unter« 
tibnen  de  s  Sultans  weit  überlegen  sind ,  wie  das  der 
fürchterliche  Bürgerkrieg  in  den  letzten  I^gierungs- 
jßhrtü  des  vorigen  Sultans  beweist. 

Kidelzt  giebt  d#r  Hr*  Vcrf*  noch  eine  Uebmicht  der 


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6eM^  iiiidjMilitär?erlialliilB0e  des  m«rokkatil«oheii8lmM^ 
Aber  rtie  er  im  Jahre  1822 ,  wShreiHl  etnes  mebrmomi- 

liehen  Aufenthaltes  des  Hofes  zu  Tanger,  wo  er  sich  zu 
gleicher  Zeit  befand,  nähere  Erkundigiuiig  einzuziehea 
Gelegenheit  hatte.  Wae  stieret  die  Finanzen  betriffl«  eo 
glaubt  er,  daAi.die  Geeamititeimiabinen  des  Snltane  aas 
Steuern,  Zöllen,  Gesehenken  und  dergl.  sich  jährlich 
belaufen  auf 

2,600,000  Span.  Piaster 
die  Ausgaben  auf      990,000   —  — 

SO  dafs  ein  jährlicher  Ueber* 

schufs  von  wenigstens       1,610,060  span.  Piaster 

.  bliebe,  welcher  jährlich  im  Beit-el-mell  zu  Meknas 
begraben  wird.  i£s  ist  das  die  von  2000  Schwarzen  be- 
waehte  Schatzkammer;  des  Sullatts,  In  der  gttwöhnlieb 
gewifs  über  50  Millionen  spanische  Piaster  an  Juweten, 
Gold-  und  Silber -Stangen  und  geniiiuztein  Metall  ia 
spanischen  und  mexikanischen  Dublonen  und  Piastera 
hegen,  welche  Masse  nur  bei  aafserord entliehen  Gele» 
geubeiten,  Aufruhr ,  Bürgerkrieg,  einer  Thronvetäaiki 
rung  und  Kampf  um  die  JBrbfolge  vefmindert  m  wer« 
den  pflegt. 

Das  stehende  Heer  beträgt  jetzt  nur  noch  etwa  15.000 
bia  Mann,  wmnter  7—8000  Neger.    Es  lltgi 

in  den  Residencen ,  PeStung^en  and  SeehafeA  FestangeD 
mit  regelmäfsigen  Gariiisoaeü  giebt  es  24,  die  Befesti- 
gungen sind  aber  schlecht  unterhalten,  die  Geschütze 
nicht  znreichend  an  Zahl,  schlecht  aufgestellt  und  noefc 
Hehlechter  bedient»  Im  Kriege  kommen  m  dijssen  sie- 
banden  Truppen  die  Aufgebote  aus  den  kriegerisdMU 
Völkern  def  Militärprovinzen  und  im  Nothfall  aus  dem 
ganzen  Reiche.  Ohne  Mühe  können  M0,000  Mann  and 
mehr  aufgeboten  werden.  Die  Bewaffnung  eines  solcbea 
Heeres  ist  freilieb  eehleohl,  Diseipiin  unter  ihm  gir 
nicht  vorhanden,  aber  der  eiwieine  Soldat  ist  ein  ^ 
freßlicher  Reiter,  ein  ausgezeichneter  Schütze  und  bis 
zur  ToUkühnheil  verwegen.    Daher  mödite  im  lang 


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CMtalf  V.  HmüS,  ter  iUiiCtvMi  MftMlklM.  Ufr 


düMTOfl««  Kampfe        fiolches  Heer  zwar  jeder  g^re« 
gelten  Armee  encHich  unterlieg'en ,  sein  erster  Angriff' 
a|jer  ist  furchtbar  und  fast  unwiderstehlich. 

Die  Seemacht,  die  1193.  aoe  10  Fregatteo,  4  Briggs, 
Mfialeotten-und  19  Kanoitier-Sohaluppeii  bastend  ond 
mit  6000  g^esehickten  Seeleuten  bemannt  war,  zählt  jetzt 
rtfcht  mehr,  als  3  Briggs  oder  Goelelten  mit  ttwa  40 
Kanonen  uod  13  Kanooierschaiuppen.  Auch  sioci  es  nicht 
4Kte  Kriegaachiffe ,  üMider«  die  kleinea  Koraareoacliiff^. 
vaa  Priwtiatiten ,  die  tn  aeiobltB  Flüaaen  und  Meere»* 
QBtiefen,  vor  europäischen  KriegsschifFKn  sicher ,  lauernd 
den  Kauffahrern  der  gebildeten  VOiker  so  furchtbar  ge- 
worden sind ,  dafs  fast  alle  Nationen  sich  entschlossen 
kbea,  ckiroh  Geaoheake  und  Tribute  die  Frenodachafl 
inaTdkkaniaGheR  Kaiaera  a»^  erkaafenu  Mit*4er  Auf» 
Zählung  dieser  Geschenke  und  dtu  Traktate,  auf  denen 
sie  beruhen,  so  wie  der  Verträge  zwischen  Marokko  und 
dea  aaropiiaehen  Staaten  überhaupt,  und  einer  kurze«, 
•bar  aebr  lelirreiekeo  Gesehichte  dea  Mogh'rib-id^akai^ 
MB  wlcber  wir  oben  dl»  HaapCpnnkte ,  die  das  jetzige 
Kaiserhaus  betreffen,  mitgetheilt  haben,  schliefet  der 
,  Hr.  Verf.  sein  Werk. 
•  Aua  der  Vorrede  erfahren  Mfir,  dafs  dieses  Buch  Mir 
^knm  TheH  dea  Werkea  bildet,  woran  der  Hr.  Ver£  aeil 
lO^Jahreil  arbeitet,  welehea  eine  hiatoriack-geo^ra^ 
phbche  Beschreibung  <les  nördlichen  Theiles  von  Afrika 
enthatteD  wifd.  Das  Yoriiegemle  Buoh  ist  ursprüogUch 
hiKeaiaeh  geschriebea  und  wurde  von  Hro.  Aeotmont 
aia  fkr  ÜMAohrifk  dea  Hm.  VecfiL  iberaetzl  Di» 
Vabersetzung  ist  gröfstentheils  gut  uod  lädst  nur  selten 
ih  Sprache  durehhiicken ,  aus  welcher  sie  genommen 
wurtie^  Wir  wtnschen,  dafs  uns  entweder  Hr.  Graberg 
viati  BemsO  aelbat  teehl  bald  nait  ilam  Origiula  der 
^nge»  Tkeile  aeiiiea  Werhea  eder  Hr.  R«nnonl  mit 
dner  eben  so  gelungenen  Uebersetzung  von  denselben ^ 
wi«  die  dieses  Theiles  ist,  beschenken  möge. 


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/.  Ourliit'ti  MT».  Hr.  iet  PkO.  «.  TM.»  IVi/*  iNr»«f.  4^  ^«»^ 
Aasn^Kttt  II.  Prqf*  dtt  orkiitah  fachen  am  akßdemiteke»  Offmtuh 
«tum  *u  Hambwg^  arckä6lQgi9ehe  Sekriften,  getammät  wai 
mit  Jnmerkungw  ItghU^j  herawgegthen  wm  Corn^liuB  Müller, 
Dr,  tUf  'PMf  Prof,  am  Bamhmrg*  Ji^kmmeum,  d«  K^nigl.  Pkilol 
S*  s«  L$ipmig  und  dar  Qrofi^wogL  LtilL  Get*  m  leiut  EkrmmU» 
gimdci  der  ümiwk^  0§mUtok,  »u  Mpwig  tmntapend*  UU§/kd^ 
AUona,  bH  Joh  AMr.  Bammtrieh,  1831.   Fili  u.  4S2  S,  t»  gr,  & 

Wir  unterlassen  nicht,  die  durch  Zufall  verspätete 
Anzeige  dieses  neuen  Abdrucks  oder  dieser  SamnÜHOg 
archäolögischer SehriftaD  des  seL  Gurlitt  iiaclmtrag«^ 
iodetn  4)iese  BekioBlniaehung  einer  Reihe  von  (SckriflMy 
die  zwar  bereits  gedruckt,  aber  durch  ihre  Seltenheit 
einem  gröfseren  Publikum  wenig-er  zugänglich  waren, 
als  sie  es  verdieoien,  zugleich  das  beste  Mittel  ist,  das 
Andeoken  an  den  HingesehiedeheU  auf  eine  ehreovoUa 
Weise  unter  uns  dauernd  zu  erhalten ,  während  die  rei- 
chen Zusätze  oder  Xachweisungen ,  die  der  Herausgeber 
(so  getreu  er  auch  sonst,  und  mit  Recht,  seinem  Grund- 
satze war,  in  dem  Taxi  Gurlili's  selber  nichts  zu  äa* 
dern  und  denselben  vielmehr  so  zu  überliefern,  wie  et 
veh  Gurlitt  selber  ausgegangen  war)  übenill  beigefQgl 
hat,  den  Werth  und  die  Brauchbarkeit  des  Ganzen  nicht 
wenig  erhöhen.    Denn  Gurlitt's  Aufsätze  fallen  zum 
Theil  in  eine  Zeit,  wo  dieser  Zweig  der  Alterthumswis« 
eeosckafi  erst  ausgebildet  oder  vielmehr  erst  b^rfindil 
wurde.   Seit  dieser  Zeit  hat  sich  der  Stoff  und  da»  Mäk 
terial  durch  zahlreiche  neue  Entdeckungen  gewaltig  ver^ 
mehrt,  und  die  darüber  von  gelehrten  Forschern  ange- 
stellten Untersuchungen  haben  den  Standpunkt  der  ar* 
chäologischen  Wissensohaft  seit  dieser  Zeit ,  d.  h.  Mi^ 
Heyne  und  Winkelmann,  in  Vielem  gänciich  vei'f 
ruckt  und  verfindert,  so  dafs  manche  früher  in  Umlauft 
gebrachte  Ansichten  eine  völlige  Umgestaltung  erlitten 
haben«    Und  deshalb  haben  die  vom  Herausgeber  aoa 
der  neueren  Literatur  hinzugelllgteB  Nachweisungcfti  einiii^j 
um  so  grdfseren  Werth  und  verdienen  hin  so  eKei^Hym^ 
bare  Anerkennung,,  weil  sie  zur  Vervollständigung  des 
Ganzen  wesentlich  beitragen,  selbst  wenn  bei  der  tagiiclv 


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wtchsenden  Mmra  de§  Stoffs  ond  den  von  Tag  zu  Tag 
gemachten  neuen  Entdeckungen,  auch  hier  und  dort  Ein- 
zelnes nicht  aog^efilhrt  worden  und  somit  noch  weitere 
Zusätze  zu  diesen  Zusätzen  oder'  Nachlrägen  gemacht 
werden  kdunton*  . 

Es  eind  übrigens  in  diesem  Bande  folgende  Abhand- 
iuag;en  enthalten:  1)  AlJgemeine  Einleitung  in 
das  Studium  der  schönen  Kunst  des  Aiter- 
thums  ( ursprünglich  eine  Einladungs<;chrift  ra  den 
Sefaulfisierlicbketten  im  Kloster  Berge  1190,  zu  Magdo- 
burg  ersehienen).  2)  Ueber  die  Gemmenkunde  (auch 
jt^izt  noch  sehr  lesecsvverth,  zumal  bei  den  bedeutenden 
Zusätzen  und  Nachträgen  des  Herausgebers,  durch  welche 
der  Aufisatz  bedeutend  erweitert  worden  ist.)  S.  73 — 158. 
Difselbe  können  wir  auch  von  den  beiden  folgenden  Abr 
bandiungen  rflbmen :  „lieber  die  Mosaik,**  8.15701 
lind  „Versuch  über  die  Büstenkunde/'  S.  189  ff.; 
letztere  der  auj»führjichste.  Aufsatz  des  Ganzen,  da  er  bis 
8. 343.  reicht,  und  unter  Andern  auch  ein  Verzeichnifs 
der  noch  Torhandeoett  antiken  Kdpfe^  Hermen  und  Büsten 
zn  geben  sucht,  das  nicht  weniger  als  dreihundert  und 
fünfuntldreifsig  Nummern  zählt.  Auch  die  gesammte  Li- 
teratur dieses  Theils  der  archäologischen  Studien  ist  mit 
Genauigkeit  and  Vollständigkeit  verzeichnet.  Nun  folgt 
nach  das  ^Fragment  einer  archäologischen  Abhandlung 
Iber  Herkules  S.  843  iE,  und  eine  biographische  und 
literarische  Xotiz  von  Johann  Winkelmann  S.  371, 
erschienen  zuerst  als  Programm  1797.  zu  Magdeburg, 
vorauf  später  mehrere  Nachträge  erfolgten ;  unser  Herausg. 
Im  auch  hier  nicht  verabsäumt,  die  reichhaltige  Literatur 
der  seitdem  über  Winke imann  mchienenen  Schriften 
nachzutragen.  Und  so  wird  das  Ganze  eine  willkommne 
Gabe  ebensowohl  für  die  Verelirer  des  sei.  Gurlitt  als 
Ar  die  Freunde  der  Aiterthumskunde  zu  nennen  sejn. 

der;auA^ren  Ausstattung,  Druck  und  Papier  hat 
QVn  alle  Ursache  zufrieden  zu  seyn. 


* 


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im 


Battitc  hc   Studien.    Herausgegeben  von  der  Gefit^lhchaft  für  Pom- 
mansche  Geschichte  und  /iltctthumskundc     Zureiter  Jahrgang- 
^       Erstes  lieft.     Auf  husten    und   im   Selbstverlag  der  Ü^&dUchaft' 
6UUin,  inaa.    Gedruckt  bei  F.  Ihss*inland.         und  208  S.  in  8. 

Wir  müssen  bei  der  Anzeige  dieses  zweiten  Bandes 
Baltischer  Studien  auf  unsere  frühere  Anzeige  des  ersten 
Bandes  (Jahrgg.  1832.  No.  45.  S.  112  ff.)  verweisen, 
tincl-  freuen  nner,  den  dort  g«fiuf9erten  Wonsch  einer  bal- 
digen Fortsetsnng  dieser  Forschnngfen  erKfit  zu  sehiSii. 
Möge  der  rege  Eifer  für  Erforschung  vaterländis^^hcr 
Vorzeit,  wodurch  erst  das  Interesse  an  der  Gegenwart 
seine  wahre  Bedeutung  gewinnen  iiann,  stets  reichere 
Frttehte  2U  Tage  iSrdern  und  so  die  Gemüther  von  des 
stdrenden  Eindrücken  einer  geränseh vollen  Gegenwart  in 
die  stillen  flallen  der  Vor^i'elt  zurückführen.  Denn  «o 
allein  kann  das  Gute  wirklich  gefördert  werden,  indem 
Ton  der  richtigen  Auflassung  der  Vergangeohelt  und  (iem 
*  gründlichen  Studium  so  wie  der  Achtung,  die  %vir  de^ 
selben  zollen,  unsere  Wirksamkeit  in  der  Gegetmaif, 
wenn  sie  anders  eine  segensreiche  sej^n  soll,  abhängt 

Wir  haben  bereits  in  der  früheren  Anzeige  den 
Zweck  dieser  Blätter  angedeutet,  und  durch  nähere  An- 
gabe des  Inhalts  die  darin  voi  Ix  rrsc  lieade  Richtung  zu 
bezeichnen  gesucht  Auch  fernerhin  wird  die  Gesell- 
schaft im  Ganzen  dieselben  Zwecke  yerfolgea  und  dem- 
nach, wie  bisher,  ihr  Hauptaugenmerk  der  Erforschung 
Taterländischer  Vorwelt  zugewendet  haben ;  indefs  sollen 
auch  (He  Interessen  der  Gegenwart,  so  weit  Anlage  uhJ 
XJm&og  dieser  Studien  es  erlauben,  berücksichtigt  wer- 
den; es  soll  die  Vergangenheit  nicht  als  ein  in  sieh 
geschlossenes 9  voa  der  Gegenwart  ydUig  getrenntes  lie- 
trachtet  werden;  es  sollen  in  fhr  vielmehr  die  Keime 
aufgesucht  werden,  die  ihre  Saaten  und  Früchte  bis  aul 
unsere  Zeit  hervortreiben.  Die  vicl&chen  Interessen  der 
Gegenwart,  die  Anforderungen^,  die  mam  jetzt,  oft  dfki>> 
gender  als  je  ond  mit  mehr  Ungestüm  als  je,  an  ms 
snnächst  madhi,  welche  durch  ihre  amtliche  Stdhng 


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'  liklidig  mm^,  Sur  Btntf.  tm 

den  Beruf  haben,  darauf  einzugehen,  erfordern  eben, 
Ton  Seiten  der  lelztereo,  «vena  sie  nicht  durch  schnelles 
Hingeben  und  Gevihreii  den^  ganzen  SiaafsorganiiuiUB 
gefilbrIiclM  und  in  ihren  Folgen  oft  höchst  verderbiiche 

Wunden  8chla/E;;en  wollen,  eine  gründliche  Krror8cliung  ^ 
der  Zustände  der  Vergangenheit,  und  so  wird  sich  mit 
der  Berufsthäügkeit  ein  frei  uisseitöchaftliches  Streben, 
wie  es  durch  diese  Studien  genShrt  und  gefördert  werden 
soll,  frenndlich  vereinigen  lassen.  Daher  ist  denn  auch 
Behandlung  des  Stofls  für  staalswissensehaftliche  Zwecke 
Theil  der  zu  losenden  Aufgabe  in  diesen  Blättern  ge- 
worden ,  die  sich  nach  S.  Iii.  der  Vorrede  über  folgende 
Gegenstände  nun  erstrecken :  Verfassung  und  Verwal- 
tsng  des  Landes,  kirchliches  Leben,  rechtliche  Verhelf, 
nisse,  Ffandei  laul  \  tiktlir,  Kuii^t,  Wissenschaft,  Sitte 
nnci  Sprache  der  Bewohner,  auch  Kunde  der  natürlichen 
Beschaffenheit  des  Bodens  und  seiner  Erzeugnisse :  lauter 
Gegenstände,  die  historisch  sunächst  bebandelt  werden 
sollen  in  der  Art,  dafs  ihr  Hervortreten ,  ihr  allmShliges 
Ausbilden,  ihre  Eigenthümlichkeit  und  ihr  innerer  Gehalt 
erkannt  und  erfalät  werde..  Neben  der  streng  histori- 
flehen  Forschung  soll  aber  anch  die  Kunst  nicht  ausge« 
schlössen  seyn,  wovon  einige  Poesien  von  L.  Giesebrecht, 
ipslcke  #leseHi  Bande  S.  1.  79.  eingeschaltet  sind ,  einen 
erfreulichen  Beweis  geben. 

■ 

Zuerst  slofsen  wir  in  diesem  Bande  auf  eine  sehr  aus- 
fiilir liehe  Dai*stel!ung  des  Klosters  Bei  bog  hei  Treptow 
an  der  üega,  dessen  vielfache  mit  der  ganzen  Pommer- 
^^hen  GesdiJcbte  in  engem  Verband  stehenden  Schicksale 
hier  in  einer  umfassenden  Darstellung  besprochen  und  im 
Binzeinen  verfolgt  werden.  Dann  folgt  S.  81  ff.  ein 
Auszug  aus  der  (isländischen)  Laxdäia- Saga,  die 
zwar  erst  kürzlich  vollständig  herausgegeben,  in  Deutsch- 
land aber  schwerlich  näher  bekannt  seyn  dfirfte.  Es  mufs 
ttBB  daher  dieser  von  Hrur  Mohnike  verfafste  Auszug 
•m  so  erwünschter  seyn,  da  er  das  Wesentliche  des  In- 
halts genau  mittheilt  und  dabei  besonders  auf  das  Cha- 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


rakteristische  der  Sage,  einzelne  merkwürdige  Besonder« 
heiten  und  dergl.  m.  Rücksicht  nimmt.  Die  Hauptbege- 
benheiten der  Sage  fallen  um  das  Jahr  tausend  unserer 
Settrechunag,  oder  eigentiich  noch  etwas  früher;  die 
Abfassung  der  Sage  wird  in  das  dreisehnte  Jafarhoo* 
dert  verlegt. 

Nun  folgen  8.  101  ff.  Nachrichten  aber  den  Ro- 
st ocker  Landfrieden  und  dessen  Einflufs  auf  Pommern 
(von  L.  Giesebrecht)  gegen  den  Schlufs  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts.  Die  Hauptbestimmungen  dieses 
Vertrags,  der,  ausgegangen  1282.  von  BogislaT  und  Ni- 
colans  von  Werte alsbald  eine  unerwartete  Ausbreitung 
gewann  und  die  meisten  Herrn  und  Städte  der  ponimer- 
schen  und  mecklenburgischen  Lande  längs  dem  Gestade 
der  Ostsee,  bei  der  Zusammenkunft  zu  Rostock  am  Sonn- 
tage  vor  St.. Veit  1283»  (zunichst  gegen  Brandenburg) 
yereinigte ,  werden  mit  Verweisung  auf  "die  betreflendea 
Urkunden  S.  103.  mitgetheilt;  wir  sehen  daraus,  dafs 
dieser  Vertrag  im  Inhalt,  sowie  auch  in  den  für  das  Land 
heilsamen  Folgen,  dem,  was  in  Suddeutschiand  durch 
Rudolph  von  Habsburg  für  d6n  liSndfrieden  geschab, 
sehr  ähnlich  war. 

Einen  interessanten  Beitrag  zur  Kulturgeschichte  lie- 
fern die  Bemeri^ungen  von  F.  Kugler  8. 107  ff.  über 

die  altereu  Kirchen  Stettins,  deren  Bauart,  Styl 
u.  s.  w.  Von  ähnlicher  Art  sind  die  S.  114  ff.  von  Pur- 
gold gelieferten  Beiträge  zur  Münzkunde  Pom- 
merns, wobei  zunSchst  seltene  und  nnerkwürdige  älteife 
M&nzen  der  Städte  Anclam ,  Stralsund,  Demmin,  Stettin 
und  Greifswalde  angeführt  werden. 

(l>«r  B€99hluJ$  folgt) 


üigiiizeci  by  LjüO^Ic 


« 


H'.il.    HEIDELB.  JAHRa  a  LITERATUR.  188& 

Baltische  Studien,  Zier  Theil. 

Unter  der  ArulBcbrift:  Geschiclit liehe  De^k« 

mal  er,  erhalten  wir  einen  genauen  Abdruck  von  fünf 
ftr  (He  Gescliiclite  Poninieins  wichtigen,  bisher  nicht 
durch  den  Druck  b^anoi  gewardeoeiif  Urkunden  ia  lair 
ttiaiaoher  Sprache  9  wovon  die  ^hr  ersten  ans  den  Jahren 
IKI — 1284.  auf  den  oben  erwähnten  Landfrieden  und 
die  darauf  sich  beziehenden  oder  damit  ia  V  crbinduog  ste- 
henden Verhäitiiisse ,  als  V^erptändungen ,  Fehden  u.  dgl. 
Bich  beaieben  ;  in  der  fünften  bewilligt  ein  Pommerscher 
^pmog  der  Stadt  Stettin  die  A.olage  eines  Damms  und 
ik  Erhebung  eines  Zolls  auf  demselben,  unter  dem 
Ii  Novbr.  1299.  Aus  dem  Inhalt  dieser  Urkunde  er- 
sehen wir  schon,  zu  weicher  Bedeutung  und  Wohlha- 
benheit damals  die  StadtStettin  gelangt  war.  Künftighin 
iall  in  jedem  Heft  unter  der  oben  bemerkten  Aufschrift 
dae  Auswahl  der  wichtigsten ,  auf  die  Geschichte  Pom- 
merns und  der  Nachbarländer  bezüglii  hen,  noch  nicht 
gedruckten  Urkunden  niiilgetheilt  %verden,  dann  abeh 
dmeloe  Bruchatücke  Ton  Chroniken  u.  A.  der  Art,  wobei 
bmnidera  auf  solche  Denkmale  Rücksicht  genommen  wer- 
i^a  aoll,  welche  zur  Erkenntnifs  der  Verfassung^  des 
politischen  und  kirchlichen  Lebens,  des  Handels  u.  s.  w., 
kutz  %ur  nähereu  Kenutnifs  des  öffentlichen  Lebens  bei- 
Infgen ,  ckhcir  auch  das  Lebn$wesen  vor  Alleni  beachtet 
«erden  wird.  Der  Abdruck  dieser  alten  Urkonden  wird 
(wie  auch  die  in  diesejii  Band  mitgetheilten  hinreichend 
beweisen)  in  mögliclister  Treue  und  Genaingkeit  veran- 
^tet  werden,  also  mit  Beibehaltung  der  ursprünglichen 
flache,  der  Ijateini^hea  (worin  wohl  die  meisten  Ur« 
baden  dbgefafet  sind)  wie  der  niederdeutschen,  als  d^ 
Sprache  des  Volks.  Mit  vollem  Recht  aber  wird  ver- 
^^Qgt,  dftfis  man  den  alten  Urkunden  eine  gr/öfsere  Auf- 
UYl.  Jahrg.  &  Heft.  51 

r 

1 

1  * 

üigiiizea  by  LiüO^lc 


80»  ilAlÜAcbe  Stadien»  2Ur  Theil. 

merksamkeit  zuwende^  als  solches  bislier  meistetis  der 
Fall  war. 

Für  den  Sprachforscher  interessant  ist  der  folgende 
Aufsatz  von  W.  Böh m er,  Über  die  Niederdeutschen 
Mundarten  in  Pommern,  S.  139  ff.  Es  ist  nändich 
die  Ahsicht  des  Vereins,  einen  vollständigen  Ueberblick 
der  Mundarten  Pommerns  zu  gewioneo:  ein  Zweck,  der 
nicht  anders  als  du rcli  genaue  Nachrichten  über  die 
Mundarten  der  einzelnen  Gauen  und  Landschaften,  von 
eineelnea  in  densetbeo  lebenden  gebildeten  Männern  mitr 
gefdieilf,  erreicht  werden  kann,  auf  daft  dereinst 'eise 
ToHstSndige  Sammlung  zu  Stande  gebracht  und  dadufdi 
dann  ein  Ueberblick  des  Ganzen  möglich  gemacht  werde. 
Daher  wird  die  schon  früher  ausgegangene  Bitte  zu  Ein- 
sendung solcher  Beiträge  dringend  wiederholt;  da», 
was  bisher  eingegangen,  besteht  meistens  in  Beiträgen 
der  durch  den  Hrn.  Bischof  Ritsehl  daM  aufgefor- 
derten Landgeistliclien,  die  freilich  durch  ihre  Ver- 
hältnisse und  durch  ihre  Stellung  über  solche  Punkte 
zunächst  besser,  als  andere  Beamte,  Auskunft  geben 
konnten.  Es  wird  ein  genaues  Verzeiehntft  der  vaa 
dieser  Seite  dem  Verein  gemachten  Einsendungen  S.  14Sff. 
niitgetheiU,  dann  werden  S.  151  ff.  einijt>e  wichtige  daraus 
bereits  gewonnene  Ergebnisse  vorgelegt.  Dahin  gehört 
ZBTördersi  der  Hauptsatz,  den  wir  auch  hier  niederlegen 
woHen,'  dafs  nämlich  in  Pommern  „zwei  grindiich 
verschiedene  niederdeutsche  Mundarten  neben  einander 
bestehen,  in  denen  zugleich  alle  Unter-  und  Spielarten 
der  Provinz  begriffen  sind;"  die  eine  derselben  istmebr 
rund  und  leicht  -  rollend ,  die  andere  mehr  inreit,  ga* 
dehnt,  voll,  schwer  u.  8.  w.  Zur  Annahme  elftes  dfittift 
Hauptdialektes  (des  Zachaner)  scheint  allerdings  noch 
nicht  gehöriger  Grund  vorhanden;  dafs  übrigens  jene 
beiden  oben  genannten  Mundarten  sich  nicht  so  mit  cineai 
Male  und  scharf  von  einander  abschließen,  sondern  andi 
'ilellaeh  mit  einander  mengen ,  ist  eben  so  mittrMeh  äb 
begreiflich ;  indefs  sucht  der  Verf,  doch ,  so  weit  als 
möglich  9  die  geographische  I,iage  der  beiden  Mundarten 


Digitizeci  by  LaüO^lc 


wad  die  Diiirikte,  ia  wekheo  soDidwl  eine  oder  die 
aadere  stett  findet,  oiicliBuwcieeD ;  daran  knipfeo  eidh 
Mffa  andere  iDteremiite  Bemerkungen  über  Charakter, 
EigenthumlichkeiteD  dieser  Sprache  u.  A.,  worauf  wir 
Idermil  atifiuerksaoi  machen  wollen.  Den  Schlufs  bilden 
«oe  Reihe  von  eehr  neilc würdigen  Spiecbprobea,  ftheile 
in  fiecoie  (Vvlkelteder  und  dei^.  n«),  Iheile  in  Prosa, 
'  die  zu  interessanten  Vergleicliung^en  mit  andern  Mund- 
arten Stof!^  g^nug  darbieten.  Dahin  gehört  auch  dag^ 
&  1^2.  miigetheilte,  an  frischer  Einfalt  und  Gesinnung 
mii  den  gefeiertsten  alt^^engliachea  nnd  alt-achottiechen 
Balladen  welteifernde  Votti^ied,  dessen  Heldin  eine  pom- 
mersche  Herzogin  ist,  Sophie,  Tochter  des  Herzogs 
Wartisiav  VI.  von  Ponimern ,  der  um  1394.  starb ,  und 
erste  Gattin  des  Herzogs  Heinrich  d.  J.  Wir  verdanken 
die  Miltbeilang  dieses  Liedes  und  der  darauf  bezugli«- 
eilen  Naohrichten  fiber  die  Schioksale  der  genannten  Uer»- 
Zögin  dem  Hrn.  Kr etzsch man 

Den  SclUufs  des  Ganzen  nmclit  der  S.  177  ff.  von 
Hfo.  Hering  gelieferte  sechste  Jahresbericht 
der  Genellschafl  Der  Bericht  des  Stettioer  Aus- 
Schosses  verbreitet  sich  zunsichst  über  die  beabsichtigte 
UrkundensammlunjOf  des  Vereins  und  die  seit  dem  letzten 
Jahresbericht  eingegangenen  handschriftlichen  Denk^ 
fltf  er«  Ate  hier  tevgescbiagene  Herausgabe  eines  eigeneii 
pommerschen  Urkiindenbuchs  verdient  alle.  Beachtung^ 
und  läisi  die  Ausführung  um  so  mehr  wünschen,  als  der 
reiche  vorliegende  Stoff  an  Urkunden  nicht  füglich  in 
die  Zeitschrift  der  Gesellschaft  ganz  übergehen  kann 
aadnur  hdchstens,  wie  wir  auch  oben  bemerkt »  einaseloe 
fichtige  Urfcunden ,  mehr  als  Probe ,  in  dieselben  nach 
zweckmäPsiger  Auswahl  aufgenommen  werden  können. 
Daun  werden  in  der  zweiten  Abtheiiung  die  alterthumli- 
chen  Denkmäfer  aus  vorchristlicher  Zeit  (Burgwäile, 
Opferstätten,  Grabinäler  und  dergL),  worüber  nähere 
Berichte  eingegangen ,  aufgefißhrt,  und  bei  dem  grofsen 
Reichdium,  den  Pommern  an  Denkmalen  dieser  Art 
bssital^  der  Wunsch  einer  fortgesetaten  aufmerksamen 


§04 


Baliischd  Stadien,  2ter  Thoil. 


Beobachtung  derselben  ausgesprochen.  Unier  den  hier 
milgelheiUeD  Nachrichlea  haben  die  Uber  awei  heidniaehe 
Grabstätten  auf  der  Ostseite  des  Dorfes  Snckow,  1  Mtib 

nöi (Ii ich  von  Usedom  besondere  Bedeutung ,  desgleichen 
die  über  eiiit-n  bei  Virchow  im  Daiiihur^er  Kreise  ent- 
deckten Grauitbloek ,  dessen  Erscheinen  aut'  einer  an 
Steinen  ganz  armen  Feldmark  allerdings  sehr  avüMtiead 
Ist;  eb  es  ein  Opferstein  ivar  «der  nicht,  wagen  auch 
ivir  nicht  zu  entscheiden.  An  die  Angabe  der  nicht 
unerheblichen,  zahlreichen  Aulsülze,  die  nieist  aus  dem 
Gebiet  der  vaterländrsclien  Alterthums*  und  Geschichts- 
knnde  eingegang^en  sind^  reiht  .sich  der  Bericht  fiber 
die  Sammlungen  der  Gesellschaft  und  den  Zwaeha,  den 
selbige  theils  an  Büchern,  theils  an  IVIunzen  (römischen 
und  andern,  id  einzelnen  Gegenden  Pommerns  gefun- 
den), theila  an  alterthiimlichem Gerith,  smvohl  iuMetaii 
(darunter  ein  besonders  reicher,  von  Hro.  Dohrn  ia 
Hökendorf ,  woselbst  die  Gegenstände  ausgegraben  ww* 
den,  eingesendet),  als  in  Stein  und  Thon  (Aschenurnen 
und  dergl.),  endlich  an  Gemälden  und  Bildwerken  er- 
halten tiat,  woran  die  Angabe  der  Veränderungen  in 
dem  Personal  der  Gesellschaft  sich  schlieft! 

Möge  der  rühmliche  Eifer  des  Vereins  und  seiner 
würdigen  Vorsteher  überall  die  gerechte  Anerkennung 
linden  und  sein  Bestreben  durch  reiche  Resultate  ge- 
krönt werden. 

Chr.  Bähr. 


Straho*9  Erdhe$ehreihung  in  iitbenzekn  Büchern,  iVSvci 
heriehtigtem  grieehttehem  Texte  unier  Begleitung  kriti§cktr  vi4 
erklärender  Anmerkungen,  verdenUeki  nen  Ckrietepk  OMtUek 
Croekurd,  Deeter  der  PkShe,  und  vemude  Lekrtr  am  gymmiifli 
mu  Stralennd*  Ereter  Theik  Mit  einem  Bhii  geometritcber  R- 
guren,  Berlin  und  Stettin^  in  der  Mcolaieehen  Buekkandlnng, 
XC1V  und  587  8.  in  gr.  S. 

r 

Diese  deutsche  Bearbeitung  eines  der  wiehtigstet 

glriechischea  Schriltstelier  für  die  gesammte  Kunde  des 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Gmlniid,  Ucbenetsong  ii«t  Siraba,  laier  Tbdl*  80d 


AMerlhHiM  verdieai  keineswegs  uoier  die  gewöhnliche 
Kksse  von  Uel^erseteungen  gfestellt  zu  werden,  da  hier 
ein  schon  mehr  wissenschaftlicher  StaiHlpunkt  vorwaltet, 
welcher  dieser  Ueberselssung  gröfisere  Beachtung  und 
ttlbsl  Aiasseiehifaing  vor  andern  Werken  ähnlicher  Arl 
MwendieQ  muü.    Wae  der  Verf.  beabsichtigte,  das  - hat 
fr  hl  der  Einleitung  §.  11.  S.  LXV.  klar  und  bestimmt 
ausgesprochen:  „Zur  Aufgabe  und  Leistunis;^  hatte  ich 
mir  zunächst  gestellt,  eine  anstofsfrei  lesbare  und  den 
firandteaU  in  Sinn  uad  Form  treu  wiedergebende  and 
Mpit  zuMrlässige  Verdeutschung  zu  liefern,  welche  nicht 
aar  dem  der  griechischen  Sprache  unkundigen  Liebhaher 
der  alten  F]rdkunde  dieses  grofse  Schriftwerk  zugänglich 
machen  un<)  ihm  ia  ungestörter  Lesung  befriedigende 
iiiid  gennl^reicbe  Unterhaltmig  und  Beiehrung  gewähren, 
Mdern  auch  dem  gelehrten  Kenner  und  Forscher  den 
vielleicht  fehlenden  griecliischen  Text  einigcrmafsen  er- 
setzen, oder  auch  den  nicht  fehlenden  in  schwierigea 
Stellen  erleichtern  und  erhellen  könnte.''   Bei  der  grossen 
Verdofbedheit  des  Textes  war  aber  zur  Erreichung  diesee 
Zwecks  eine  kritische  Behandlung  und  Untersuchung 
nnei Urslich ,  und       erhalten  wir  mit  dieser  deutschen 
liebersetzung  zugleich  eine  tortlaufende  Kritik  des  viel-, 
fich  entstellt  auf  uns  gekommenen  Textes,  der  hier  viel* 
fach  gebesseit  und  berichtigt  erscheint,  so  dafs  in  dieser 
Riasicht  der  UeberseüBung  in  der  Reibe  der  kritischen 
Bearbeitungen  Strabos  eine  wesentlic  lic  Stelle  ge  bührt. 
Weniger  ist  in  Absicht  auf  die  Erklärung,  wir  meinen 
l^eg^se  und  insbesondere  sachliche  Erörterungen,  wie 
■e  bei  eiuem  solchen  Schriftsteller  sq  höchst  wOnscbens-- 
^tb ,  ja  nothwendig  sind ,  geschehen;  im  Grenzen  finden 
8»ch  solche  Erörterungen  nur  da,  wo  sie  durch  die  kri- 
tische Behandlung  des  Textes  hervorgerufen  und  so  in 
gswisBor  Hinsicbl  nothwendig  geworden  sind.    Wir  be* 
^ern  dies ,  unterlassen  aber  nicht,  die  Entspholdigung 
^  Verfs.  anzuführen ,  dafs  er  die  Masse  des  vorban*« 
^toeo  Stoffs  durch  solche  Anmerkungen  nicht  noch  mehr 
babe^sphwelleu  und  .  so  das  Cianae  üb^r  Gebühr  habe 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


80(i         Groskurd,  Uebersetsung  dM  Birabo,  ltte#  ThelL 

ausdehnen  wollen  (vergl.  p.  LXVIL)  Dafs  solche  Au- 
tnerkungen  auch  allerdings  mehr  Schwierigkeiten  haben, 
ab  dies  bei  den  kriliachen  der  Fall  ist,  leuchtet  du, 
Bomal  da  bei  Strabo,  wo  sich  im  Garnen  nooh  so 
wenig  eiiiigerinafbeii  bedeutende  Vorarbeiten  vorfinden, 
während  andererseits,  theils  durch  gebildete  Reisende, 
theils  durch  gelehrte  Forscher  des  Altertlmms  viele  sonst 
dunkle  Parthien  der  allen  Geeg^raidiie  jelat  in  ein  kttra 
Licht  gestellt  aind,  die  Schwierigkeiten  sich  hlufba. 
Diese  Forschungen  mufften  freilich  bei  einem  sachlichen 
Commentar  (den  wir  bei  Strabo  für  uoerlär$lich  und 
durchaus  nothwendig  halten,  wenn  ein  richtiges  Ver- 
•t&ndnilli  deaselben  und  eine  Auflassung  Im  (^ist  und 
Sinn  der  wiasenacbaftUchen  Alt^rthumskonde  err«ieht 
werden  soll)  benutzt  und  verarbeitet  werden,  was  hier 
nicht  geschehen  ist,  weil,  wie  gesagt,  der  Verf.  dies 
als  niifser  seinem  l^reise  Hegend  betrachtet  hat,  and  blas 
taf  das  Kritische  und  die  getreue  AuflhtMiBg  des  StMM 
seine  Sorgfalt  und  Aurmerkaamkeit  auf  eine  atlevdiogs 
rühmliche  Weise  gerichtet  hat.  Daher  ist  die  Ueber- 
aetzung  im  Ganzen  sehr  genau  und  getreu,  ohne  dafs 
jedoch  dem  Genius  der  deutschen  Sprache  eine  Gewalt 
angethan  worden  wäre,  und  wenn  auch  Aber  einaeina 
Stellen  Verschiedenheit  der  Ansicht  über  die  Richtigkeit 
der  vom  Verf.  gelieferten  Uebersetzung  oder  des  von 
ihm  eingeleiteten  kritischen  Verfahrene  statt  finden  sollte, 
so  wird  man  doch  im  Ganisen  keine  ^enü^AtAe  Uraaeka 
haben,  einen  Tadel  Aber  me  Arbelt  aue^predhea, 
die  den  Charakter  der  Gründlichkeit,  Genauigkeit  und 
Sorgfalt  an  sich  trfigt,  urui  dabei  v^n  solchem  Umfang 
ist,  dafs  wenigstens  einzelne  Verstölse  oder  Verirrungea 
sehr  veraeihlich  sind.  Auf  diese  Weise  gewinnt  ab«r 
die  Ueberaetaung  nicht  Mos  für  den  geblldelen,  aber  div 
griechischen  Sprache  nicht  kundigen,  Freund  des  Alter- 
thums ,  sondern  auch  für  den  gelehrten  Interpreten  6in 
Interesse,  das  noch  vermehrt  wäre,  wenn  die  oben  ge- 
wünschten sachlichen  Bemerkungen  hinzugekommeil  ni* 
ren.  Dagegen  ist  eine  aehr  auafBhrliche  EInMiQng  wratfi* 


L)igiiizeci  by  LiüO^lc 


geschickt,  welche  aufser  der  Dai  leguniv'  der  Grundsätze, 
nach  denen  der  Verf.  seine  Uebersetzung^  geliefert  hat, 
Ziigleich  alle  die  aligeiiieinen  auf  Strabo's  Person  und 
$tia  kijUerlasteiies  Werk  sich  beziehenden  Punkte  ab<* 
handelt  9  welche  in  seichen  Prolegomenen  behandelt  ea 
werden  pflegen.    Der  Verf.  führt  zuerst  das  Wenige  auf, 
Mas  wir  über  Stialio's  Person  und  seine  Familienverhält- 
Disse  wii»sen,  und  etstreckt  seine  Kritik  über  mehrere 
dwnii  in  Vefbindnng  stehende  Punkte,  wie  n*  B*  die 
Frage  nach  dem  Gehirte  -  und  Todesjahr  StraboV  Er-« 
fiteres  wird  auf  687.  u.  c.  oder  36.  a.  Chr.  verlegt,  ob- 
,  wohl  aus  andern  Ursachen,  als  die  von  iiorai  beige- 
'  brachteii  sind,  die  durch  des  Verfs.  Darstellung  als  un- 
haltbar erscheinen.  Das  Tndesjahr  wird  als  wahrscheinlich 
isf        1I.C.  oder  24.  p.  Chr.  bestimmt.    Auch  die  Zeit,' 
während  welcher  Strabo  sein  grofsentheils  noch  vorhan- 
deiies  Werk  schrieb,  sucht  der  Verf.  näher  zu  bestim- 
Sien,  und  daran  knüpfen  sich  weitere  Untersuchungen 
Iber  seine  Jugendbildung  durch  gelehrte  Studien,  fiber 
seine  philosophische  Bildung  (Strabo  war  nämlich  Stoi- 
ker),  über  die  Reisen  und  deren  VerlKiltnifs  zu  dem 
lüoteriasseoen  geographischen  Werke,  über  Plan,  An- 
lage nnd  Bestimmung,  über  Charakter  und  Bigenthfim- 
lichkeit  desselben,  über  dessen  Vorzüge,  wie  Gebre- 
chen ,  von  denen  es  so  wenig  wie  irgend  ein  anderes 
menscliiiches  Werk  frei  bleiben  konnte,  obwohl  in  ge- 
cingerem  Grade,  als  viele  ähnliche  Protjuctionen ,  und 
dergL  dl   Datier  ist  auch  (rine  Ueborsicht  des  Inhalts 
des  ganzen  Werks  nweekmifsig  eingescbeltei,  weil  diese, 
einen  UeberblicL  giebt,  der  die  Würdigung  des  Ganzen 
erleichtert  und  zugleich  elier  von  dem  Umfang  des 
Werkes,  dem  Plan  und  der  Anlage  uns  eine  Idee  geben 
kann.    Wie  wenig  in  Ganzön  seit  dem  Wiederauf- 
Milien  der  alten  Literatur  Strabo  behandelt,  wie  wenig 
för  ihn  bisher  geleistet  worden,   zeigt  <lie  im  lOl 
gegebene  üdbersicht  und  Beurtbeiluug  der  bisherigen 
Bearbeitungen  (deren  Ungenügendes  wohl  Jeder,  der 
mit  Strabo  aar  eanigerm^iMHi  bekannt  geworden  ist,  ^ 


Digitizeci  by  LiüO^lc 


m        EttcydopMie  im  Gen«  da  lll«ade.  IVine'  ^nmlmt. 

«ttlrani  erfahren  hat);  die  BeBchafieiiheit  üm  Textes,  . 

die  verschiedeneo   uns   bekannten  Handschriften ,  die 
.  übrigens  sänimtüch  aus  Einer  Quelle  zu  stammen  scheinea, 
und  anderes  der  Art  fällt  ebenfalls  in  den  Krei«  dieser  ^ 
UntersQchungen,  deren  Hauptmomente  wir  hier  nnr  in 
Allgemeinen  in  der  Ktlrze  ansndevten  versucht  haben. 

Ref.  wünscht,  sein  kurzer  Bericht  über  Inhalt  und 
Charakter  dieser  deutschen  Bearbeitung  Strabos  möge 
die  Leser  dieser  Blätter  von  dem  inneren  Gehalt  derselben  • 
überzeugen;  er  zweifelt  nicht,  dafs seine  Wuam)he9  bei«* 
dige  Fortsetzung  und  Vollendung  des  Ganzen  zu  sehen, 
von  allen  Denen  jeretheilt  werden,  welchen  diese  Bear« 
beitnng  zu  Gesicht  gekommen  oder  welche  dieselbe  näher 
geprfift  haben*  Auch  Druck  und  Papier  sind  aehr  b€> 
.  friedigend. 

Chr.  Duhr. 


Mncycloptdic  des  Gens  du  M  o  7i  d  e ,  repertoire  universel  des  seien- 
f€Sy  des  lettres  et  des  arts;  avcc  des  noticcs  sw  Ics  principuks 
familles  fnatoriqucs  et  sur  Us  personna^es  ctlcbrcs,  morts  et  vivans; 
par  une  sociite  de  Savans  de  dt'  t  ateurs  et  d*artistcs,  franfaü  et 
^irangera.  Tome  pr emier.  Paris.  Libraire  de  TreutUl  et  trürts, 
Rue  de  Lille  No.  17,*  Stmßhouj'g ,  grand  rue  i\'o.  15.  Londres,  30, 
Scho-  Square ,  J833.  13  und  400  in  gr.  8.  mit  dopp^lUn  Co-  • 
lumnen  auj  Jeder  Seite. 

Der  allgemeine  Beifall,  welcher  bei  uns  dem  Con* 
versationslexikon  zu  Theil  geworden  ist,  mag  uns 
entschuldigen,  wenu  wir  hier  auf  eine  ähnliehe  Ersehet« 
nnn^  in  Prankreich  anfinerksam  machen,  die  allerdingt 
durch  das  deutsche  Unternehmen  hervorgerufen  zu  seyn 
scheint.  Wollte  man  freilich  das  deutsche  Werk,  so  wie 
es,  auch  nach  den  mehrfachen  Aullageu,  die  es  erlitten 
und  den  mehrfachen  Nachdrücken,  die  davon  gemacht 
worden,  jetzt  ist,  mit  allen  seinen  Ungleichheiten  und 
allen  seinen  blos  auf  Deutschland  und  deutsche  Leser 
berechneten  Artikel,  die  oft  nicht  einmal  für  diese  ein 
allgemeines  Interesse  haben ,  auf  französischen  Boden 
verpflanzen,  so  wttrde  schwerlich  demselbeD  in  Frank« 


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Jsnrjrcioptifiie  de«  Gens  Uii  3JonUe.   Tome  preniier.  809 

rdch  ein  gleicher  Beifall  zu  Theil  werdeo.  Sollte  daher 
io  Frankreich  etwas  Aehniiche«  uateroommeo  werdeo ,  so 
ikrfte  weder  «ne  Ueberseteiini;  noch  ein  Aumg  deft. 
dütoehen  Werkes  i^^r^^ebeti  werdeo,  eoodero  e«  nmikte 
im  eigeDtlichen  Sinne  des  Wortes  ein  neues  Werk  ge- 
schaflen  . werden  ,  berechnet  zunächtit  auf  französische 
Leser  and  nach  derea  Gresehmack,  sowie  nach  deren 
MArfoim)  eingerichtet ;  m  komiten  deouiach  (wio  auch 
iiwliej^endem  Werke  geschehen)  wohl  einzelne  Artikel 
des  deutlichen  Werks  <Iari[i  aufgenommen  oder  in  verän- 
derter Gestalt  wiedergegeben  werden.  Die  meisten  Ar- 
tikri  bedurften  einer  völligen  Umarbeitung  in  den  obelf 
benrnkten  Besiehuogeo ;  zahlreiche  Artikel  des  deutsdien 
Werks  mufsten  gänzlich  wegfallen,  während  andere  hin-  » 
wiederum  eine  g^röfsere  Aufiuerk^ainkeit  und  Berück- 
sichtigung erhalten  aiufsten.  IManche  Artikel  des  lieut- 
sdm  Werkes  scheineo  eher  für  Gelehrte  vom  Fach ,  als 
ftr  gebildete  Leser  ausgearbeitet,  sie  ebthalteo  Oinge, 
die  viel  zw  speciell  für  ein  solches  Werk  sind ,  oder  wis- 
8en§chaftiiche  Deductionen,  die  solche  Leser,  für  die 
doch  das  Buch  seyn  soll,  in  der  That  wenig  anziehen« 
Aidere  Artikel  des  deutschen  Werket  beziehen  sich, 
an  Theil  io  unverhfiltnifiunärsiger  Breite  und  Ausileh- 
öung,  auf  die  nächsten  Zeitereignisse  und  einzelne  darin 
hervortretende,  sonst  unbedeutende  Personen,  welche 
wrf  diese  Welse  ni  einiger  Bedeutung  gelangen  und  ihren 
Mstso  leieht  verschollenen  Namen  im  Gedächtnifs  der 
Bbehwelt  einigermafeen  erhalten  wollen*  Zu  dieeen  und 
ähnlichen  Uebelständen  rechnen  wir  noch  die  grofse  Un- 
gleichheit in  den  einzelnen  Artikeln,  die,  was  freilich 
Uns  geringfe  Aufgabe  war^  vor  Allem  vermieden  werden 
mabte^  um  Ju  de»  Ganee  mehr  Gleichförmigkeit  zu 
bdagen;  es  mufste  ferner  In  allen  die  Politik  berfih- 
fenden  Artikeln  die  erforderliche  Ruhe  und  Mäfsigung 
beobachtet  .werden,  die  sich  nicht  von  den  luteressea 
des  Tags  und  .den  Leidenschaften  der  IVtenge  hinreifsea 
ttlst;  es  mulhte  daher  auch  die  in  dem  d^nlscheD  Werke 
baU.mehr  bald  minder  hervortreteinde  Vorliebe  für  eine 


« 


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« 


%19        Encjclopödie  des  Gen»  4«  Moude.  Tome  ftmut»» 

bestimmte  Parthei  wegfallen,  da  da§  Werk  keine&weg« 
ikizu  dieoea  soll,  polilische  Ansichten  unler  der  Menge 
^  m  verbretten,  eoodeni  gründliche  Belehrnng  imd  nili- 
liehe Kemiinifs  denen  su  geben,  die  durch  ihre  Stellung 
im  Leben,  thirch  vielfache  Berufsthätigkeit  abgehalten, 
nicht  selbst  aof  eigenem  Wegfe  dazu  gelangen  könTien. 
Diesen  Charakter  der  ÜDpartheiiichkeit  zeigt  das  freu* 
ssdsische  Werk  b  höherem  Grade  als  das  denteehe,  ead 
wir  klkinen  daram  wOnsehen ,  dafs  das  Werk  in.  FVank- 
reich  und  aufserhalb  Frankreichs  unter  der  Classe  vou 
Lesern,  für  die  e»  zunächst  bestimmt  ist,  recht  ver- 
breitet werde,  zumal  da  auch  die  Grfindlichkeit  (ohne 
Steifen  Pedantismus) ,  mit  welcher  die  einzelnen  Artikel 
^  Yon  «len  namhaftesten  Gelehrten  Frankmehs  assgearbcitet 
sind ,  dem  Werke  einen  eigenthümlichen  Charakter  uod 
Gehalt  giebt,  der  es  von  so  manchen  Machwerken  und 
niittelmäfsigen  Prodnctionen  der  französischen  Presse 
fadchst  vortheilhaft  unterscheidet  Es  sollte  eio  Weik 
geliefert  werden  (und  hierin  liegt  nach  der  Absicht  uad 
nach  dem  Plane  der  Herausgeber,  ein  wesentlicher  Un- 
terschied von  dem  deutschen  Werke),  welches  nicht  bios 
für  die  Conversation,  also  für  die Tagesiateressen  »«^ 
denn  fiber  diese  conversirt  man  —  beetimmt  sey,  sea* 
dern  welches  das  für  jeden  Gebildeten  Wissens  würdigste 
aus  den  verschiedenen  Zweigen  menschlicher  Wissen- 
schaft und  Kunst  enthalte,  also  eine  Art  von  Encykle* 
pädie,  niebt  fär  Gelehrte,  sondern  Skr  gebildete  Leser 
Jeden  Standes.  Daher  noch  der  Titel:  Ent^d^pedk 
des  gcns  du  Monde,  Doch  wir  müssen  wegen  des  Ein- 
zelnen hier  auf  den  ühf  rall  verbreiteten  Prospectus  ver- 
weisen; zur  Charakteristik  des  Gannea  mögen  die  eben 
vorausgeschickten  .Bemerkungen  dienen.  Was  aus  ds0 
deutschen  Oonversationslexikon  aufgenommen  w&rdm^ 
ist  durch  ein  beigefügtes  C.  L.  kenntlich,  was  unter  ver- 
änderter Gestalt  und  Form  daraus  entlehnt  ist,  bezeichnet 
dieChiffer  C.£>.M  (Conversationslexicon  mod^E^/  Aber 
die  meisten  Artikel  sind,  wie  bemerke,  neu  au^earbeitet; 
einem  jedeif  Artikel'  ist  der  Name  des  Verfassers  (eine 

* 

f 

üigiiizeci  by  LiüO^lc 


£Mi^el«|i4$4ie  det  Gewt  da  Monde.   Tome  pitauet.  bii 

löbliche  und  nachahmungftwfirdige  Einrichtung)  beige* 
filgt,  der  Kürze  vfegen  durch  einzelne  Zeichen,  deren 
Berfentnng  auf  einer  Taftfl  nach  dem  Discaura  prelimi^ 
nuire  angegeben  ist.  AVir  finden  darunter  die  Namen 
Artaud,  Berviile,  Depping  (der  eine  Reihe  sehr 
Mbitabarer  Artikel  bearbeitet  hat),  von  Eckstein  (von 
im  Unter  andern  ein  TortOglicher  Artikel  über  dheimrd 
ia dienen  Band  anfgenonftmen  ist),  Fetia  (der  inabcsun« 
(lere  die  ia  das  Gebiet  der  Musik  einschlägigen  Artikel 
geliefert),  Gence,  de  Joug,  Klaproth,  ferner 
Lebrun,  Lefebv re-Cauchy,  Matter,  Orfila, 
Pariaot,  Reiaaud,  SchnUzler  (der  die  sahlreieh* 
fltea  Artikel  aas  dem  Gebiet  der  Geschichte,  Myi\\f>- 
logie,  Geo^E^raphie  und  dergl.  geliefert  —  wir  machen 
hier  nur  auf  den  einen  Artikel  über  den  verstorbenen 
Eaiaer  Alexander  aufmerksam  •^),  Sinner,  Baron 
Walckenaer,  der  Über  geographisehö  Oegenstttnile 
(kntn  vergl.  z.  B.  den  Artikel  Afrique) ,  Reisen  u.  dergl. 
Artikel  geliefert,  u.  A.  Eben  so  bitten  w^r  z.  B.  die 
Artikel  Abrantes,  Adelaide,  Agier  u.  9u  aachzuiesen. 
Her  Artikel  Abmddr  ist  aas  leicht  an  errathenden  Orfta* 
doa  nicht  sehr  anaftthrlich  ausgefallen. 

Wir  wünschen,  dafs  das  Werk  in  der  Art  fort- 
geführt werden  möge,  in  welcher  es  hier  begonnen 
worden  und  sehen,  im  Vertrauen  auf  die  gelehrten 
MUitter,  welche  dem  iJntemehmea  beigetreten  ainil, 
MmI  isb  allerdings  dea«  FaMiknm  die  beste  Garantie 
über  die  Ausführung  des  Ganzen  geben  können,  mit 
Verlangen  der  baldigen  Fortsetziyig  und  Vollendung  ent- 
fi||en«  Mit  zwölf  Bänden  soll  das  Ganze  geschleaseo 
M^«    Vorliegender  Band  endigt  mit  Alexemder. 

'  Dvnck  und  Papier  hissen ,  wie  fiberbaupt  bei  fran* 
sddscben  Werken  der  Art,  die  fDr  ein  gpöfseres  Publi- 
kttin  l>esttmmt  sind ,  nicht  leicht  Etwas  zu  wünschen 
iMg.  Sinnentatelleade  Bruckfehler  sind  una  nickt  aaf« 
SMoGmi* 


üigiiizeci  by  LiüO^lc 


Juliiiib  Pngwrf^hri  €UtiJ4lngUng9.  Bm  Qßiithi  im  Mm 
Getängm  von  J,B,ji*  1V€$$9nberg.  Stuttg,  u*  Tüh*  M  Cotta, 
1831.  318  {n 

Lebie  Schiller  noch,  «o  wäre,  ich  begierig,  «eiii 
Urtheil  über,  diese«  für  die  mortliach  -  religiöse  Lebeai- 

philosophie  wichlige  Gedicht  zu  vcriiehineo.  Mehr 
UaodiuQg  und  einen  mehr  inotivirten  ZusammeDhang 
der  Breigoiese,  «eiche  dadurch  auch  poetisch  -  giauUft* 
eher  wOrden,  hitle  wohl  auch  Gr  verlangt.  In  Uebrigeo 
wurde  Er  walirscheitilich  seioein  Urtheil  die  Perde- 
runden  zum  Grunile  gelegt  iiaben,  die  Kr  mit  so  vielem 
Scharfsinn  in  seinen  Bapsodien  über  naive  und  senli«- 
meniale  Dichtung  der böhern Idylle  (des idylKsobea 
Epos)  gellend  zu  machen  sucht.  Er  verlangt  dort  vor 
Aiiem,  dafs  der  Dichter  nach  dem  Ideal  strebe.  ^Treibt 
iliii,"  sag-t  er,  „der  senümentalische  Dichtungstrieb,  so 
Stehe  er  nicht  eher  als  bei  dem  Höchsten  stille;  er  ver- 
flchmäbe  den  iio  würdigen  Aosweg ,  den  Gehalt  des  Ideals 
BU  verschlechtern,  nm  es  der  menschlicheii  BedOrftiglMit 
anzupassen,  und  den  Geist  auszuschliefsen ,  um  iiüt  dein 
Herzen  ein  leicliteres  Spiel  zu  haben.  Er  mache  sich 
die  Aufgabe  einer  Idylle,  welche  jeoe  Hirtenanschuid 
aneh  io^Subjecteo.  der  Cnltur  und  unter  allen  Bedia* 
gUDgen  des  rüstigsten,  feurigsten  Lebens,  des  ausge- 
breite(st(ii  Denkens,  der  raffinirlesten  Kunst,  der  höch- 
sten gesellschaftlichen  Verfeinerung  ausfuhrt,  welche, 
mit  Einem  Wort,  den  Menadien,  der  nun  einmal  nicht 
mehr.naeh  Arkadien  mrück kann,  bis  nneh.Biysinin 
fnhrt.  —  Rnhe,  fahrt  er  fort,  scfy  der  herracheode 
Eindruck  dieser  Dichtungsart,  aber  Ruhe  der  Vollen* 
duog,  nicht  der  Trägheit,  eine  Ruhe,  die  aus  dem 
Gleichgewicht,  nicht  aus  dem  Stiliatand  der  Kräfte 
ftierat,  und  vod  dem  Gefühle  eines  nncodUchen  VermA» 
gena  begleitet  wird.  Eben  darum ,  weil  aller  Widerstaad 
hinwegiallt,  wird  es  hier  ung^leich  schwieriger, 
die  Bewegung*  hervorzubringen,  ohne  welche  <loch 
keine  poetische  Wirkung  eich  denken  lälst.  Die  höchste 
Einheit  ronfa  seyn;  aber  sie  darf  der  Manchfidtigkeit 


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Jttliii*«  Sieben  Gesäuge  von  J.  H.  v.  WcMenberg. 

mcbts oehmeD ;  dasGenvüth  mufs  befriedigt  wer« 
<bo,  aber  ohse  dafs  dae  Sirebea  darum  auf- 
hdre." 

Diesen  Forclerung'eii  des  «elbstschaffenden  Kunstrich- 
terR  nähert  »ich  die  Pilgertaliit  des  Jünj»;lings,  Julius, 
wf  eine  edle  Weise.  AU  id^llij»dief>  üpos  ist  es  mehuc 
der  Motinieotaleo  ab  naiven  GaUnngr  angehörendL  8dfi 
Toriats  ist,  das  Rmn-meiischltohe  und  Mensefalieh« 
göttliche  in  seiner  Verklärung^  so  hervorzuheben,  dafs 
es  sich  über  der  V er \v Irrung  der  Zeiten  und  über  allen 
Giaoz  äufserer  Welterscheinungen  als  das  darstelle,  was 
aa§rer  Ltebe^  Achtung  und  Bewerbung  ewig  am  wür- 
digsten bleibt  Vieles  Merkwürdige  in  der  skhlbaratl 
Mitwelt  geht  an  Julius  bedeutungsvoll  vorüber;  Er  wird 
iaTheilnahiiie  an  dem  Wichtigsten,  was  vorgeht,  hinein- 
g^ogeii,  doch  nur  so,  dafs  seine  noch  unverderbte  Kraft 
tUarcfa  angeregt ,  geprift ,  geläutert  wird.  Der  Dichter 
will,  dafs  die  Klarheit  seines  Geistes,  die  Unschuld  seiner 
Gesinnung  und  Neigungen  nicht  nur  ungetrübt  bleiben, 
sondern  sich  gefördert  zeigen.  Er  lebt  nicht  in  Arkadien. 
Aber  Allen  wirkt  eusammen,  um  ihp  nach  Elysium  zu 
liiten.  Heitere  Ruhe  ist  der  vorherrschende  Bindruck. 
Diwe  jedoch  wird  Ihm  nicht  durch  Trägheit,  durch 
UDg-pstörten  Genuls,  durch  niiilsiges  Schvväi men  zu  Tlieil. 
Ihirch  alles  Grofse  und  Rühmliche  fühlt  Er  sich  ange- 
xogeo.  Auch  wo  auf  Seite  des  Gegners  Avk  edler  Zug 
hwvorscbiramert,  empfindet  Er  Theilnahme.  So  weil 
Er  dem  Eroberer  auf  seinen  Zügen  folgt,  ist  sein  Gemöth 
nur  dem  zugethan,  was  der  Förderung*  der  bessern  Men- 
schennatur  zuzusagen  scheint.  Erst  als  der  Schein  davon 
w  der  fividenz  verschwindet,  entschliefst  sieh  Julius, 

Rettung^  seines 'Bewufstseyns  ans  der  Krafllanwen« 
dnng  für  das  OelTentliche  zurücklrt  tend  ,  das  reine  Men- 
schengluck  in  den  ruhigen  Thäiern  der  Schweiz,  im 
süllea  Heiügthum  einer  unentweihten  Liebe  zu  suchen, 
•Diese,  schdn  in  den  leiden  der  unbefiingenen  K,in-> 
dorwelt  an  den  Ufern  des  Genfersees  erwacht ,  wird  im 
Verlauf  des  Lebens  mehrmals  auf  die  frohe  gesetzt;  sie 


L)igiiizeci  by  Liüü^lc 


814        Jttliaf.    Sieben  Gesänge  von  J.  H.  v.  Weasenberg. 

besteht  aber  die  Probe,  und  gewinnt  dadurch  an  Läu* 
terung  und  Starke.  Sie  empfängt  zuletzt  nach  emer  poo* 
tisch  malerischeo  Wanderung  4lurch  all  die  Naturwander 
des  ewif  idylliscbeit  Sohweiaef  lamh  "mt  dar  Kuppt  des 
Rigi  gleichsam  vom  Himmel  seibät  Weihe  und  Bekrftn« 
zungi  Die  Wahl  des  Rigi  für  den  begluckenden  Aus- 
gang  der  Idylle  darf  um  so  mehr  eine  gidckUobe  geaanat 
werden,  alä  auch  der  Rigi  es  war,  wo  im  Beginn  der 
Dichtung  dem  Knaben  Julius ^  als  Waisen  der  erste  TiM 
fiber  den  Verlust  seiner  Mutter  ia  die  Seele  gekom* 
men  war. 

Bis  dahin,  wo  seine  Liebe  ihr  Ziel  erreicht,  hat 
ihm  die  Freundschaft  das  Geleit  gegeben;  meist 
in  der  Gestalt  eines  würdigen  Erziehers,  dann  als  diem 
stirbt,  in  der  eines  edlen  Jöng-lin^s  Fianzesko,  der, 
selbst  schon  in  der  Schule  des  Leidens  geprüft,  tief  das 
BedHrfnifa  und  den  Werth  Achter  Freundachaft  fäUt 
und  sie  treu  bewihri 

Durch  diesen  Entwicklungsgang  wird  in  diesem  Ge- 
dicht die  Anerkennung  bezweckt:  dafs  reiner  Sinn  für 
Gott  und  Vaterland,  treue  Freundschaft  und  nie  eut- 
weihte  Liebe  die  Gestirne  sind,  die  dein  Menschen  nr 
hdehstmdgiichen  Gifickseligkeit  auf  Erden  den  Pfad  er» 
hellen ! 

Man  wird  vielleicht  dem  Dichter  entgegenhalten^ 
dafs  er  gerade  in  die  Episoden,  deren  allerdings 
in  das  Gedidit  Ter  webt  sind,  das  meiste  Leben,  dis 
maisle  Bewegung  gebracht  habe.  Was  aber  hindert  vai^ 
das  Ganze  als  eine  Vereinigung  von  lieblichen  Miniatur-^ 
bildchen  und  besonders  auch  von  ^tiicbea  Schilderungen 
zu  bettachten,  für  welche  die  ftufkere,  wenig  aftsgenuilte 
Leiiensgesobidile  der  Personen  gleichaaas  der  HahoMRi 
seyn  soll,  nm  sie  gemeinsam  zusammenzuhalten? 
bemerken  ist  zugleich,  dafs  die  Episoden  im  Julius  thdls 
als  nothwendig  erscheinen ,  wie  die  von  Fraozesko's 
Schicksalen,  um  den  prennd  in's  rechte  Licht  zu  siellso 
md  auf  die  Folgen  ihrer  Verbindung  vorsubereiten,  tinili 
dafs  sie  zweckmäfäig  wirken,  um  den  Eindruck,  den  dis 


/ 


Digiiizeci  by  LiüO^lc 


lalla».  SUben  Gesänge  von  J.  H.  y.  Weaaenberg*  81S 


Wehbcf  ebealieteea  «nf  dM-Geniitk  des  Julius  und  j«ilet 
Beschauers  maehen  sollen,  zo  verstärkeii.    Von  dieser 

Art  ist  die  Episode  von  dem  polnisctien  Krieg  uod  von 
im  Hektenniädchen  von  Zaragoza* 

EÜDigen  mag  tadelhaft  vorkommen ,  dafs  der  Dichter 

sich  mehrerer  Traumgesichte,  als  Maschinerie,  be- 
dient. Ist  denn  aber  die^^^es  ni<  ht  die  natürlichste  Ma- 
schinerie. Ist  nicht  durch  Träume  und  Ekstasen  mit 
der  wenigsten  Verletzung  der  Wahrscbeinlichlieit  das 
inbere  und  innere  Leben  und  selbst  die  irdische  Welt 
mit  der  übersinnlictien  zusammenzuknüpfen?  Da  die 
neuere  Poesie  auf  einen  glücklichen  Gebrauch  der  veral- 
teten Göttersagen  und  des  eigentlichen  Wunderglaubens 
vierzichten  mufs,  so  ist  nicht  wohl  abzusehen,  was  sie 
nreckmärsiger  an  ihre  Stelle  setzen  künnte,  aKs  Traum« 
gesiebte.  Nur  dafs  diese  mit  den  Verhältnissen  in  üeber- 
eiostimmung  stehen,  oder  gar  aus  ihnen  hervorzugehen 
den  Anschein  erhalten  müssen!  Jede  Dichtung  stellt 
ihre  Bauptpersonen  auf  höhere  Stufen,  über  die  gewöhn- 
liche Empfindung  und  Erfahrungswelt.  Sollen  Exaltirte 
nicht  auch  Seher  werden  können?  nicht  in  einem  halb« 
\Tachenden  Mittelzustand  zwischen  Sinnlichkeit  und  Gei- 
stigkeit ahnungsvolle  Anschauungen  haben?  War  der 
Sothusiasnius  der  alten  Welt  (wo  er  nicht  Schein  und 
Täuschung  war)  nicht  in  der  Exaltaliori  der  Seelenkräfte, 
io  dieser  iunern  Realität  gegründet?  Sind  nicht  die 
Neheim,  selbst  nach  der  Sprache  ^  Exaltirte? 

1d  wenigen  Gedichten  dieser  Gattung  werden  so  viele 
Beschreibungen  wirklicher  ^i aturseeneo  gegehon,  wie  ^ 
Idar.  Tadel  wurde  dies  Our  dan  verdienen,^  weae  diaie 
KitargiBiAälde  (deren  Urbilder  meist  in  der  fiebweiz  und 

llftlien  sind)  nicht  wahr  und  gut  gewählt,  und  nicht 
zugleich  sehr  passend  wären,  um  den  moralischen 
ruck  zu  erhöhen,  welcher  durch  diese  Schüde- 
niDgen  belebt  wird.  Dafs  der  Dichter  dagegen  um- 
rtAodliche  Beschreibungen  von  Schlachten  und  Gefechten 
möglichst  vermied ,  wird  man  ihm  mit  Recht  zum  Ver* 


Digitizeci  by 


816       Julius.   Sieben  Gelänge  vön  J«  H.  v.  Wcssenberg. 

■ 

(lieust  anrechnen ,  beioaders  weaa  inaa  m  die  Natur  seines 
Gedichts  denkt. 

Z«  .einer  VergleichuDg  iiiii  der  Luiee  ¥#n  Vof*  «ad 

mit  Göthes  Hermann  und  Dorothea  wird  weder  der 
Kunstbeiirtheiler  noch  der  Leser  veranlafst.  Auch  sind 
Vergieichungea  dieser  Art  weder  gerecht  noch  nalürlich,  : 
wo  das  Deue  K'onstwerk  weder  NacfaahniUDg'Doch  Rival 
der  andern  seyn  will.  Jene  unsterblichen  Iilyllen  be- 
schränken sich  auf  die  Schihlerun^  einer  Liebe,  die  im 
erstem  gar  kein  Hindernifs,  im  letztern  ein  nur  in  der  i 
Einbildung  bestehendes  yoründet,  das  desto  schöner  sich 
entfaltet  und  gehoben  wird ;  wobei  aber  die  grofeen  An- 
gelegenheiten der  Menschheit  bei  Vofs  nicht  berührt, 
von  Göthe  nur  benützt  werden,  um  die  zwei  Haupt- 
personen in  ihrem  iruüviduellen  liebenswürdigen  Lichte 
aus  der  übrigen  Weltverwirrung  hervorzuheben.  Der 
Dichter  des  Julius  hat  es  vorgesogen,  die  Verbindung 
dieses  jungen  Mannes  mit  der  schweizerischen  Luise,  die 
wir  seinen  weiblichen  Genius  nennen  möchten,  als  ilen 
schönen  Lohn  der  unversehrten  Bewahrung  seines  sittli- 
chen Charakters  bei  allen  Eindrücken  der  Welt,  in  die 
er  verflochten  ward ,  darzustellen.  Wesentlich  aber  ge- 
hörte es  zu  seinem  Plan,  die  bedeufendsten  Erscheinungeo 
der  neuesten  Zeit,  mit  Rückblicken  auf  die  Vorzeit  und 
auf  das  Eigenthumliche  verschiedener  Völker  in  einem 
treuen  Spiegel,  zu  zeigen.  Sie  sollten  sich  in  der  Seele 
seines  Julius  so  reflectiren,  dafs  das  wahrhaft  Grofssi 
Schöne  und  Edle  von  allem  falschen  Schein  sich  ablese 
und  scheide.  Es  sollte  mit  möglichster  Klarheit  ans  einer 
der  Wahrheit  und  Tugend  geweiheten  Dichtung  überali 
dies  hervorleuchten,  dafs  der  Mensch  trotz  allem  Wirr^ 
und  Wechseln  der  Zelten  die  Befriedigung  seiner  edlerb 
Natur  erreiclien  könne,  Wenn  er  aufrichtig  das  Göttliche 
verehrt,  in  dem  Menschen  seinen  Bruder  hebt,  und  un- 
verrückte  Treue  in  der  Liebe  bewahrt  \ 

« 

(Der  U«scA{u/«  /el4rt.J  V 

f 
* 
i 

Digilizeci  by  LiüO^lc 


N .  &2.   HEIDELB.  JAHRB.  d.  LITERATUR.  1888. 


Julius.   &ehen  Gesänge  von     H,  v.  Wessenherg 

(  B  e  6  c  h  luf  ß.} 

Iq  ein  Paar  Strophen,  welche  zum  Voraus  von  der 
Gewandtheit  des  Aasdrucks  nod  der  reinfliefsendea  Vefi* 
Jbildybg  (welche  in  der  gebandeneo  Rede  der  oeoeeten 
Zeit  bei  Vielen,  leider ,  zur  Seltenheit  geworden  ist!) 
eine  Probe  geben,  hat  der  Dichter  selbst  seinen  allg;e- 
meiuhin  wirksamen  und  wichtigen  Zweck  dem  Leser  zum 
Tkeil  eDtdeckt  und  die  dafür  aogeweudete  Mittel  an- 
gedeutet : 

An  uns  gin^  eine  grolHO  Zeit  Torübcr« 
Oft  reich  an  iloilnang,  düster  oit  und  wild. 
In  mancher  Seele  spiegelte  sich  irübcry 
In  andern  heiterer  ihr  fliehend  Bild. 
Ihr  Mifsfj^etön  zuckt  noch  durch  infinrhr  Fiber; 
•    Des  Weisen  Atip^e  nur  Ridit  Ülar  mnl  mild. 
Und  was  der  WcIbc  sah,  ein  edier  Richter, 
Zeigt  euch ,  von  ZauUcrglana  verklärt ,  der.  Dichter» 

Der  Dichter  warnt  im  Tielbewegtea  lieben. 
Wo  Täuschung  oft  den  Edelsten  belog* 
Ihm  ziemet,  das  mit  Strahlen  zu  umgebeb, 
Was  eitler  Wahn  mm  Staube  niederbog.  4 
Den  schönsten  Ruhm  soll  im  Gedicht  erschwebett 
Was  in  der  Welt  den  Blicken  sich  entzog. 
„Nichts  bringt  die  Zeit,  das  nicht  die  Zeit  begräbe| 
n^in  Stern  nor  eimfalet  ewiglicli      die  Liebe  1 

Der  Plan  und  Ueberblick  des  Ganzen  ist  folgender: 
Julias,  die  Hauptperson,  an  weicher  die  unserer  — 
viel  lernenden ,  unklar  empfindenden ,  aber  desto  weniger 
denkeudwolleadea  ~  Zeit  eo  odthige  Mltliche  Aue* 
tÜdung  gezeigt  wird ,  ist  so  ebeo  ale  Roabe  won  der 
sterbenden  Mutter  verlassen.  Ein  alter  Freund  der  El- 
tern aber,  ein  Schuler  Aeskulaps,  Eudor,  nimmt  ihn 
m  sich  imd  bildet  Geist  und  Herz  in  ihm  zuerst  durch 
Bewaadeniiig  der  Natur  and  ihrer  Wohlthättgea  Ordamii^ 

XXVI.  Jahrg.  8.  Heft.  Ö2 


ms       Julius.  Sieben  Getftoge  TOB  J*  U.  %  .  WeM«ik)l»«rg. 

>  im  Grofsen  und  Kleinen,  auch  durch  Einkleidung;  des 
Wabren  io  kindliche  Mährchen  und  Sinnbilder,  aUdano 
aber  durch  geschichtlich  bewährte  Musterbilder  nicht 

mir  der  ReclitschafFenheit,  sondern  auch  der  Lebenslhä- 

iigkeit  und  des  praktischen  Uqternehmungsgeistes. 

9,  Durch  lolcher  Bilder  Reih'o  führt  ihn  von  1¥eiien  i 

Ole.Hufld  Ettdet^e  «lif  lichien  HimmelihöhS 

Von  wo  mau  cah  den  Sohn  dee  Hw'gea  echteitfln« 

Die  Meneohheit  su  befrein  Tom  Sfindeuveli, 

Vm  für  das  'Gottesreich  sie  xn  bereiten.  —  - 

Wie »  wenn  nach  langer  Fahrt  aü  Iiund  und  See 

Pilgere  Aug*  entdeckt  Helmaiiiegefilde,  - 
Steht  J  u  1 1  tt  a  entiuckt  Tor  J  e  e  u  Bilde«'* 

\ach  dem  zuciteii  Gesang  führte  Eutlor  seinen  Pflege- 
sohn auch  durch  die  poetische  Welt  von  Homer  an  bi« 
zu  Tasso  und  Klopstocks  Messiade.  Zugleich  aber  wird 
schon  im  Kinderumgang  durch  jenen  ätherischen  Magae- 
tismus  zwischen  der  männlichen  und  weiblichen  Psyche, 
ein  geheimer  Zug  von  Liebe  gebildet,  die  in  der  ganzen 
Folgezeit  (auf  eine  freilich  mehr  wunderbare,  als  moti- 
virte  Weise)  die  Leiterin  und  Tugendbeschutzerin  seines 
Lebens  wird. 

Sympathie,  die  schon  in  Kiaderieiden 
Mit  leiser  Hand  gebeioie  Bande  iTehtt 
Dais  sie  Tor  Tausenden  einander  wihlen , 
Dafs  Eine  gans  wie  In  der  Andern  lebt, 
^    In  Beiden  jede  Wonn^  nnd  jedes  Qa&len, 
Wie  Klang  aus  Einer  Saite,  wiederbebt. 
Ihr  Engel  wachet  an  der  heiTgen  Quelle, 
DixlH  kein  Gtiwulk  trüb'  ihre  Aethcihtslle ! " 

Kaum  aber  tritt  Julius  in  die  Jüngllngsjahre,  als  das 
Sturmgewitter  geldgieriger  Freiheitspiraten  (matt  lt$e 
Leben  md  Abentheudr  Hanet  Clary^s  während  der 

Revohition,  übers,  von  Gleich.  1829.)  von  Frankreich 
her  den  Schweizerbund  zu  zersplittern  drohte.  Auch  Er 
mit  seiuen  Spielgenossea  eilt,  auf  des  Landhauptmaons 
▼Ott  Beding  Huf,  dem  Vaterland  zu  Hälfe«  So  tritt 
der  kunse  Freiheitskampf  bis  sur  UnterdHIdmaig  des 
kleinen  Hirtenvolks  der  Bergkantune  in  die  Idylle  als 
Aenderuog  der  Sceoe.    Auch  Julius  stürzt  und  wird  für 


Digiiizeci  by  LiüO^lc 


Ml  hinweggetragen  ;  atufr  LqIm  nebtt  dtr  Matter  §ind 
(^beufalls  Verjagt  und  bemühen  sich  jetzt  um  des  jungen 
Freundes  Verpflegung.  Eudor  führt  den  Genesendes 
fmh  Italien.  Denn  des  weiter  bliokeBden  Allea  Ahniuiy 
Iber  das  SchwraerUnd  ist: 

„So  lang  et  mnfs  nm  den  Kometen  irren, 

Dem  Frankreich  folgt ,  viril  nur  Betrug  es  kirren/* 

Uüverkennbar  ist,  wie  den  Dichter  selbst  sein  unzerstör- 
bares Italien  aasieht^  dessfio  Vergegenwärtiguig  jetal 
der  dritte  Gesang  gewidmet  wL 

„Italia!  Ein  Gottertraum  dem  Blicke 
Noch  jetzt,  wo  fremder  Waffen  Klang  dich  füllt» 
Und  d^einem  Volk  der  Weiterobrer  Tücke, 
In  Luflgestalt  von  Freiheit,  aich  verhüllt. 
Was  that  nicht  die  Natur  zu  deinem  Glucke, 
Du  sePge  Flur,  die  jede  Sehnsucht  Rtillt? 
Zum  ParadieB  bist  du  von  ihr  erküren!"  • 
So  rief  JEludor,  im  Heize  ganz  verloren.  ' 

Statt  der  vieleq  Lokalschilderuagen^  aaf  welche  wir  hier 
anr  hinweisen  können,  heben  wir  zwei  gedankenvolle 
Strophen  heraus,  die  in  jene  Zeit  der  Demfithigung 
fallen,  aber  immer  warnend  wiedertönen  müssen: 

„O  Rom!  Trub  tont  um  Dich  der  Völker  Klage. 

Zweimal  hat  Gott  ihr  Wohl  Dir  anvertraut. 

Und  zweimal  warfst  Du  in  des  Sehit  knals  Wage 

J}'m  Machtbegier,  die  in  die  Wolken  bant. 

GranitfcU  glaubtest  Du  die  Unterlrige, 

Du,  dem  vor  keinem  Abgrund  je  gegraut. 

Doch  zweimal  brach  den  Bau  die  Zeit  zusammen; 

Du  stehst  vcrAvais't.  und  rin^s  die  Welt  in  Flammen. 

Gesondert  sind  iiuf  vw]y;  beide  MiLohte, 

Von  Gott  zur  Ifut  der  Menschheit  a ii igeiiteUt. 

Da,  wo  Religion  und  Staat  die  Rtt  litc 

Sich  freundlich  bieten  ,  freuet  sn  h  die  Welt. 

Doch  wehe  dann  dem  menschlichen  Gcschlechte, 

Wenn  Leidenschaft  der  Beiden  Vinn  entstellt, 

{       Dafa  bald  die  Kirche  strebt  den  Stfiat  zu  meistern, 

yQ4  b»Id  dex  Staat  mit  Fesseln  droht  den  Qei^ 
■    •   '  Stern!** 

Der  Greis  Eudor  stirbt 

«,Das  Stanbgewand,  die  Tielbeweinte  Leiche» 
*  Beuteltet  Mise  bei  Taese'e  £ieiie. 


L)igiiizeci  by  LiüO^lc 


8id       Jnliai.  8l«bea  Gwiiage       J»  H.  W«MMberg, 

Wie  durch  eiii  Wunder  (denn  nnser  Dichter  schafft 
Wunder  ohne  Maschinerie  aus  dichterischer  Macht- 
▼ollkonuiienheil)  wird  dagegeo  im  yierten  Geesang  Julius 
plötzlich  mit  Frao^esko,  einem  wjlrdigen  Freunde 
vereint,  der  einst  nach  Tripoli  in'a  Harem  eines  BaMa 
geraubt  und  dort  der  Liebling  einer  ebenfalls  geraubten 
Zaire  geworden  war,  die  mit  ihm  entfloh,  aber  doch 
nicht  lebend  Italien  erreichen  konnte.  Beide  Freunde 
darphwaodera  jetzt  die  afidlieheren  NatDrherrlichkeitefli 
die  den  Dichter  selbst  so  innig  angezogen  haben: 

,>0  Nnpolis!  Italiens  FruhHng'sgarten  ! 

Warum  erstarrt  in  Deinem  Schoos  der  Geist 

Von  Winterfrost?   Wie  konnte  bo  entarten 

Dein  Volk,  das  nur  für  Raub  Geschick  noch  weiset? 

Des  Stromes  Abflufe  scheint  es  abzuwarten 

Mit  offnem  Muntl.    Das  sfifRc  Nichtsthun  heiTst 

Ihm  Glück.    Wils  Wunder,  bist  Du  längst  dem  Norden 

Und  Süd,  dorn  Ost  und  West  ein  Spielball  worden 

Hier,  gestehen  wir,  war  nns  die  Episode  von  dem 

Karthäuserinönch  Vs  5(1  —  57.  vorzüglich  ansprechend 

In  einer  Wundergrotte ,  dein  schauerlichen  Averons 
nahO)  sehen  die  Frennde  am  Ende  des  vierten  Gesangs 
unter,  eauberischen  Harmonil{a*8  Melodien  in  einer  weis- 
sagenden Fernsicht  halb  träumend ,  zum  Voraus  treiliich 
geschildert  Napoleons  Gestirn^  von  seinem  Anfsteigeo 
an  —  bis  zn  (lern  Eiland,  wo  , 

Anf  kahlem  Torsprung  taft  ein  dottrer  Krieger* 
Die  Woge  Maral;  Seht  Iiier  den  Weltbeiieger!   ^  . 

Sie  selbst  «olUen  bald  an  der  Kometenbaha  dieses  Sohns 
der  Revolution  Antlieil  nehmen,  welcher  allzngutmiithige 
Freiheitsfreiutde»  ebenso  wie  die  gezwungenen  Gewalt- 
herrscher, zn  Maschinen  seines  genievollen,  aber  nar 

um  80  mehr  verdammlichen  Egoismus  zu  macheu  wulste. 

Zuvor  läfst  ein  neues  Wunder  Franzesko  am  Vesav 
Vater  und  Schwester  seiner  Zaire  finden.  Flora  veran- 
laftt  beinahe  in  Julius 'eine  Untreue  gegen  das  Andenken 

an  Luise  und  in  Franzesko  eine  Eifersucht;  aber  eine 
glückliche  Traumerscheinung  entwölkt  die  Gemüther, 


» 

I 


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J  a  1  i  a  e.  Sieben  Getange  von  J*  H.  t.  WeMeaberg.  iU 

und  Flora's  Vater  (reibt  vorerst  beide  zo  neuer,  ^i'Qrdiger 
Tbatigkeit  io  das,  noch  räihselbafle,  Frankreich  hinüber: 

^  Am  SditaAi  erhoV  dar  GaetlreiiDil  hoch  den  BeehaSi 

»Auf  Washington'«  und  Koosiaiho'n  Wohl!*' 

Rief  er  begeletcrl  am.  ^Ubm  Bild  der  JEUeher 

Der  Meneehhelt  leuchte  hell  von  Pol  na  Pol  | 

Ee  itrable  Freiheit  nnter  nlle  Bächer, 

Doch  Schrechen  in  der  Willknhr  Capital!**  ^ 

Der  Alte  hatte  unter  beiden  Fnhnen 

Marat,  de«  Monechheit  eehSaem  Tag  na  aiiaea. 

Der  Raum  und  die  mehr  verflochtene  Verwicklung 

d^r  folgenden  Begebenheiten  erlaubt  uns  nicht,  weiter 

im  Einzeloen  sa  aeigen,  wie  die  Freunde,  denen  Luise 

and  Flor«    immer  ihre  Träume  waren,"  Mch  Jetst  doch 

auf  dea  Vaters  Antrieb  erst  noch  in  die  Wagnisse  des 

Lebens  unter  Napoleon  Sturzen,  wo  selbst  Corsika 

(S.  195.)  glaubte, 

An€h  ihm  eej  jelat  der  Freilwit  Tag  erechieaoa. 
LonKt  Frankrolcho  acliönea  Leo«  ein  Koree  dach! 
Bald  acht  ihr'Iha»  den  alle  Welt  bewundert, 
Den  Geaina  vielleicht  ffir  manch  Jahrhnadeiil 

Sie  landen  zu  Frejus,  wo 

,,Nochjitand  ein  JubeUiogren  an  der  Stelle 
Wo,  kehrend  ans  AL^ypten  war  au'«  Land 
Gestiegen  —  Frankreichs  Held,  wie  Morgenhclle 
Aus  finstrer  Nacht.    Froh  auf  dem  Stclzfufa  stand 
Ein  KricgRiiiiinn  dort;  gleich  der  geschwätzigen  Qaelic 
Pries  er  in  Einem  fort,  wie  er  am  Strand 
Des  Nilstroms  hU  \\  und  bei  den  Pyramiden 
Für  ew'gen  Huhm  gekäiii|ift  sam  Invaliden. 

Das  Frenndepaar  niaimt  jetzt  an  allen  Unternehmangeii 
Napoleons  AntheiL   Des  Dichters  Muse  aber  bleibt  par*  « 
theilos. 

„Der  Wahn  wai  ungeheuchelt,  dafs  Befreiung 
Der  deiitRohen  Stämme  Zweck  des  Krieges  sey. 
Voll  Mitleids  blickten  sie  auf  die  Entzweiung 
Der  Fiirsten,  auf  der  Völker  Sklaverei, 
Und  g^laubtcn  gvrn  der  schönen  Prophezeiung 
Von  Deutschlands  Rettung  aus  der  Barbarei. 
'  Wie  mancher  Dciitsche,  theilend  die  Bethörung , 
lUif,  fiegeo  Wunteb,  m  seinea  Volke  Entehrung.* 


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in       JbH««»  flielbea  CMbge  jmn     VL  WesMiilierg. 

Wm  teilt  tioh  Min« !  SoIm»  cMi  «KbluiieB 
Der  Fvetind  auch  sein  gelielitM  Vatarlaml* 
Von  aehdncr  Hoffbung  beide  tteracn  glühen .  , 
Froh  bieten  dem  Befreief  eie  die  Hand. 
.     «»Bef relet^!**  httldt»  Klang  ton  Hanlibalen; 
Boeh  ach  l  wie  oft  «h  epfit  als  Trag  etlcaant 
M Schön  lacht  der  Bl fithenstraach }  doch,  Wandrto  lange 
,,Nicht  lacch  darnach !  Still  lauert  drin  dtc  Schlange.^* 

Die  TälischuDg  dauerte,  wie  bei  Vieleü,  bis  ra  den 
gewaltamea  Uateroehimiiig^ea  gegen  Spanien. ,  An  sich 
betrachtet  ehid  diese  dem  Ree.  immer  wie  politisch  noth* 

wendig  ersciiienea.  Frankreich  liatin,  es  mag  nun  ab« 
solutistisch  oder  repräsentativ- monarchisch  seyn,  nie 
gleichgültig  dabei  bieih«^,  ob  es  in  seineiti  westlichen 
Rficken  nidit  Ton  dem  entgegengesetzten  8;f8tem  he* 
droht  werde,  und  also  zwischen  ewei  Feuern  stehe.  Ah 
lerdings  aber  wurde  die  Ausführung'  des  politischen  Ge« 
botSy  Spanien  sich  zh  assimiliren,  von  deui  neuen  Charie- 
magne  mit  eiiler  so  auffallenden  Betrftglvt^keit  versucht, 
dafs  jeder  Zeitbeobaphter  indignirt  seyn  und,  von  nnn 
,  an,  eine  Nemesis  nahe  erwarten  mufste.  Für  den  Dichter 
ist  diese  nnsre  beiläufige  Bemerkung-  b!os  Nebensache. 
Ihn  möchten  wir  vielmehr  fragen ,  ob  es  nicht  doch 
zweckmäfsig  gewesen  wäre,  von  der  äuFseren  kriegeri* 
sehen,  oder  politischen  Thitigkeit  der  beiden  Ilaiiptper- 
sonen  mehrere  einzelne  Züge  zu  schildern.  Allerdings 
ist  zwischen  der  Idylle  und  dem  Epos  ein  grofser  Un- 
terschied. Sollte  aber  dieser  nicht  auch  darin  bestehen, 
dafs ,  wenn  dss  Bpos  mehr  den  Zusammenhang  dc^  Ge- 
schehenen geben  mnfs,  die  Idylle,  wenn  äut^  abge- 
rissen, doch  einzelne  anziehende  Handlungen,  wie  cha* 
rakteristische  Miniatur -iGremulde,  mittheilen  kanu. 

Seinem  mehr  sittlieh  -^religidsen  Zweck  gemäfs  w  endet  • 
sich  der  Dichter  dahin,  dafs  bald  unter  der  Gewalt-* 
herrschaft  die  Ueppigkeit,  „die,  Fürstin  böser  ('een>'  ' 
durch  die  Tbat  bewiesen  habe. 

.  Mir  mufs  with  Allen  schmiegen« 

Mir  »iemffl,  den  Welt -Beweger  lu  beskgea« 


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Julius.   Sieiicn  Goftäoge  von  J.  H.  v.  Wes«eiibetig.  9^ 

Aach  gegen  Julius  werden  Netze  aufgestellt.  Die  be- 
leidigt^ GefalUuchi,  in  Jokontle  personiticirt,  reifst  das 
Freuodepaar  aaseinaofler.  Durch  höfische  ArgiisI  soll 
selbst  Lvise  getäuscht  werden.  Im  gansen  Gedichl 
streiten  der  böse  und  der  gute  Dämon  nie  angestrengter 
gegen  einander.  Ein  neues  Wunder  aber  brin«;t  Julius 
mit  Luise  bei  einer  Yogesischen  Heilquelle  zusainmeo^ 
doch  nur  so ,  dafs  gerade  jetzt  der  Eroberer  alle  seine 
Kämpfer  am  Fufue  der  PyreufiM  yersaminelt.  < 

^Den  Adlerblick  hat  Casar  langst  geweidet 
Voti  teincr  Sonnenhöhe  an  der  Gegner  Sclitna^hi 
Da  «teigt,  in  eines  Seraphs  Ghiiiz  verkleidtt« 
Die  Ehrsucht  tief  herauf  in  sein  Gemach, 
Und  haucht,  indem  lie  Lug  und  Trug  vergeudet. 
In  ihm  die  schluiumemden  Begierden  wach. 
^Dein  ist  die  Wolt,"  sagt  sie  im  Schmcichcltonc , 
«,FftUt  auf  dae  Haupt  Dir  noeh  Hiapaaiean  ürone/' 

'«»Sieh*  Wie  nie  wankt,  das  Spielaeog  elnea  Welbea, 
Uted  ihres  Mnetlinge;  allem  Volk  mmm  Uofcn! 
.Sie  fätU  Dir  an,  ein  Spiel  dee  Zeitvettreihee , 
Fuget  Da  aur  List  der  Drohung  Doonerton. 
Regt  sich  das  Vblkt  der  Waffen|(iana  betäub'  es! 
Der  Gnadenfulle  sey  d^r  Zahmheit  Lohn ! 
Die  Herrseher  werden  Deinem  Zweck  begegnen 
Und  ihre  Schwäche  Deine  CSvoTsmuth  segneti.'* 

Napoleon,  60  scharfeichtig  und  glucklich  in  der  Be- 
handlung der  Franzosen 9  der  Italiener  und  Deutschen, 
verfehlte  den  Charakter  der  Spanier,  wie  nachher  der 
Polen  und  Russen.  Er  scheint  mehr  die  gereiften  und 
überreifen,  als  die  halbcultivirten  Volkscharaktere  be- 
griffen und  die  Kunst,  ihrer  sich  lu  bemcistero ,  in  sich 
gehabt  zu  haben.  Das  Freundepaar  mufe,  bei  all  seiner 
patriotischen  Tapferkeit,  diese  Fehlgriffe  auch  in  der 
Belagerung  von  Zaragoza  mit  biirseik. 

In  Italien  war  indefs  auch  Vater  Alphotts  gestorben. 
Flora  wendet  sich  deswegen  zu  Luiden  in  ihr  Schweizer- 
land.  Den  Freunden  in  Spanien  begegnet  zu  gleicher 
Zeit  noch  eio  fUeUich  hergezaubert as  Abentheuer  iiiit 
einem  feirntticheii  Heldeaialidchen,  (tio  rron  lAcheuder 


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Liebe  auch  in  das  Kriegsspiel  getrieben  worden  Wir. 

Endlich  aber  sehen  beide  Freunde  (auch  im  Träumen  mit 

einander  tthereinstinimend  ) ,  was  jetzt  ihrer  würdig  sey. 

„Wie  mahnt  uns  jetzt  die  Gotlbeiit  —  Fttnnd,  ich  meinet 

Nicht  länger  lociten  durP  uns  Siegesriihra , 

Ein  tapfre«  Volk  mit  faltchem  Freibeitateheine 

Zu  machen  sa  der  Uersrchsnch t  Eigenthnin. 

|«afa  uehen  ana  in  ontre  Btillen  Haine » 

In  nnsrer  schSnen  Ao'n  Elysiura;^ 

linTs  mit  der  Myrlh*  ans  dort  den  Lorbeer  tautehea. 

Wo  tfoUYergeaaen  nnare  Quellen  ranaeben  !** 

ESoe  treffliche  Wendung  i§t  ee,  dafs  der  Dichter  sie 

jetzt  durch  Bearn  führt  und  ihnen  den  Gedanken  ein- 
giebt  — 

„Wie  war'  ea,  in  der  Troubadours  Gewände 
MDnrcbaögea  wir»  wertb  ihrer  Zeit«  die  Lande 

In  deo  Anmerkottgen  wird  bei  dem  Gebnrtalande  Hein- 
richs IV.  die  siiiDvolie  Anekdote  herausgehoben:  „Auf 
dem  Platze  zn  Pau  in  Bearne  wurde  Ludwigs  XIV.  Statue 
errichtet,  deren  Fufsgest eil  die  Bearner  mit  der  Inschrift 
verzieren  liefsen:  „Cehaei  est  peiH  ßls  de  noire  ben 
Roi  Henry!"  Nur  so  liefsen  sich  die  gaten  Bearner 
die  Schmeichelei  für  einen  Monarcheu  gefallen,  der 
UO  wenig  Volks  freund  war.** 

Aach  wir  möchten  hier  mit  dem  Dichter  einstimmen; 

ytWarmn  doelr  aehicbt  man  nicht  daa  Tbronea  Erbw 
Weher,  damit  aie«  fem  Tom  Sehmeieheltrug 
Und  Sieehtham  einea  Hofea,  daa  cnrerlien» 
Wae  Heinrichen  der  Liehe  aefadnev  Zog, 
Von  deaaen  Glans  die  Strahlen  nie  eraterhen, 
9rah  in  daa  Hen,  dafa  ffav  aein  Volk  ea  aehlogf 
Hier  ward  heim  Volhe»,  tren  and  heitert 
In  grofser  Bergnatar  die  Braat  ihm  weiter.^ 

Bei  Petrarka's  Quelle  schliefsen  die  beiden  Trouba« 
dours  die  Sängerfahrt  nach  ihrer  Liebe  Land 

„Und  nn  das  Felsportal  der  Quelle  b&n^en 
tyOie  Frenode  Jetit  die  Leier  mit  Gelängen.** 

Bald  aber  ~  — 

„Die  Miiflchen  staunen,  zweifeln,  steh  n  bctrolTen. 
„Kein  Scbeinbiid  ist».   Wir  sind  ea  Selbatr*  So  spricht 


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I 


JbIU«*  8Me»  CMuig«  von  J.  H.  v.  Wetsenberg.  M 

Mit  llarar  8tina  Jaliat ,  nmi  offea 

Sind  Site  Ann«  smii  Empfang.  Es  Meht 

Die  Thrin*  hervor.  O  Wonne  öber  Hoffen!  — 

Nur  eines  IriU  noch  in  die  Mitte.  Der  Dichter  selbst 
(wir  meUeo  uns,  das  folgende  schöne  Zwischeospiel^  das 
aber  eine  harte  PrQfangsseit  für  die  Liebenden  gewesen 

seyn  möchte,  kaum  anders  erklären  zu  können!)  i§t, 
seinem  Stande  gemäfs,  so  einzig  der  platonisch-religiösen 
Liebe  geweiht,,  dafs  er  es  nicht  zu  hart  findet,  vorerst 
noch  die  ganze  vereinigte  Karävane  von  Müttern  nnd 
Brattt|iaaren  durch  eine  Menge  schweizerischer  Natur- 
prachlgebiete  umherzuleiten,  bis  er  sich  endlich  beim 
herrlichsten  Sonnenaufgang  auf  dem  Ragi  die  ersehnten 
Beiohnungsworte  erlaubt  — - 

,,Hier,  wo  im  ßild  unf  strahlt  der  Liebe  Quelle, 
Ward'  auch  ihr  ew'gisr  Bund  gtMtih(t  Gott!" 
Die  Bräute  lächelten  ilir  Ja!  mit  Wonne, 
Und  nie  sah  eiuea  schuuerii  üund  die  Sonne. 

VoreinigenJahren  warRec.  bei  dem  Betrachten 
der  beiden  Heldengedichte  von  Pyrker  innig 

durch  den  Gedanken  erfreut :  So  wahrhaft  dichteriisch 
ist  also  ein  hoher  Wßrdeträger  der  Kirche,  welche  fiir 
das  Anschauliche  au$  der  Religiosität  das  Meiste  thun 
kann,  Ar  reine  Knnstempfindmigen  aasgebüdet  nnd  be« 
geistert  geworden !  Diese  Freude  erneuert  sich  ihm  in 
erhöhetem  Grade.  Ein  Mann  von  gleich  hoher  Stellung, 
dessen  kirchlich  wohlthätige  Wirksamkeit  Ihm  äufserlich 
frofse,  und  innerlich  noch  gröfsere,  Wurde  gewährt, 
▼ereinigt  hier  mit  einem  gleich  krftftigen  und  aufs  Feinste 
^gebildeten  Kunstgef&hi  den  Edelmuth  der  Ge- 
sinnung, dafs  ihm  Geschmack  und  Kunst  nur  deswegen 
höchst  Werth  sind ,  weil  sie  Ihm  Ideale  der  sittiichen 
Lebensthätigkeit  als  liebenswürdig  und  menschlich 
möglich  im  unvergänglichen  Glans  idyllischer  Dichtung 
aufstellen  lielfen. 

Dr.  P  auluün 


Digitizeci  by  LiüO^lc 


I 


886  C  L.  Bing'»  Uebcn.  r«  LeMUlij  M^Mraltei.  Ladwig«  XIV. 


KURZ£  ANZEIGEN. 


ßi§  monarchische  Staatsverfassung  Ludwigs  des  Vier- 
zehnten. Ein  geschichtlich -politisches  Gemälde  ^  nach  dem  Fran- 
zösischen der  zweiten  Ausgabe  des  Peter  Eduard  Leiaoiil0|* 
Leipzig  IbiH).  J.  C.  Hinrieks'sehß  B^kkandlung» 

Auf  diete  mit  Geist  und  dnrchdringendcin  Scharfsinn,  zugleich 
aber  mit  der  genauesten  Detailkenntnirs  entworfene  Schilderung  jenet 
Ideal«  TOD  absolatistitch -  g u t e n  Zeiten,  wie  sie  Ludwig  d.  Grolse  (?) 
zuerst  im  neuern  Stjl  hervorgebracht  hat,  macht  Ree.  wegen  dietM 
kochst  belehrenden  Inhalts,  absr  auch  deswegen  TorzägJiich  aufmerln 
•am,  weil  die  hier  gelieferte  Uebersetzung  wie  im  Original  zu  IfliSI 
und  mit  beleochtcnden  Moten  ausgestattet  ist.   Der  V6rf.  starb 

Paris  den  26.  Juni  1825.   Der  Uebersetzer,  welcher  dieses  seiner  Bear- 

  ^ 

bcitung  würdige  Werte  sc:bon  nach  der  Ausgabe  Ton  1816.  anssa- 
wülilcn  wufste ,  und  im  21.  und  22.  Bande  der  allgemeinen  politiscbea 
Animlen  WZ^.  und  1827.  bekannt  machte,  Ist  der  badische  geheiois 
K(  ferendär,  Karl  Ludwig  Ring.  Die  jetzige  Ausgabe  ist  TervoU- 
ätäiidigt  aus  der,  nach  des  Verfs.  Tod  mit  dessen  Yerbcsserungea 
erschienenen,  Ausgabe  seiner  Oeuvres,  Paris  182!). 

S.  XIV.  finden  wir  bemerkt ,  dafs  desselben  Verfs.  kritische  Ge- 
schichte der  beiden  Regierungen  nach  Ludwig  XIV.,  wozu  er  unter 
Napoleon  aus  dem  Archiv  des  nuswmrtigen  Ministeriums  htatorisclis 
Aktenstücke  «rhaltea  hatte,  nach  seinem  Absterben  unter  das  SigUl 
der  Rcgierui^  genommen  worden  ist.  Die  Vorrede  bemerkt  S.  XTt 
„Der  Verf.  dring^t  zu  tief  in  den  Gt;iät  einer  Regierung,  die  man  all 
musterhaft  anii;e8ehen  wissen  will,  und  erinnert  zu  nachdrücklich  tS 
die  ICcchto  der  gribti«;  moralischen  Elemente  der  Gesellschaft.  SehlS 
Iiistorischen  Arbuitcn  iiiurntcn  also  wi)fil  alH  furchtbar  crscheinSB« 
Jeder  unbefangcuc  Frcuiul  der  (Tcschichtc  mufte  um  mehr  mit  Us* 
geduld  wünschen,  dafs  jene  kiitischo  Geschichte,  so  wt'it  sie  tSS 
Lcinontey  vollendet  ist,  nicht  unterdrückt  bkihcn,  sondern  unter 
günstigen  poHtischen  Conjuncturcn  recht  bald  der  OciTentlichkeit  frei 
gegeben  werden  möge.*'  Ree,  fra^t  aii;^elcgentlich :  ob  die«  nicht 
der  Reformwoche  von  18S0.  bi  icitK  erfoI«^t  sey,  so  daf«  ch  auch  fit 
Deutschland,  und  zwar  am  bcstcu  durch  clieu  diesen  Uehtir&titfit 
fruchtbar  gemacht  wcrdeu  könuto. 

^  Dr.  Paulus, 


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Erster  u.  sweiter  Jahresbericht  d.  Sinzbeimer  GetcUf diaft.  827 


Erster  J ahresberic  ht  an  die  Mitglieder  der  Sin  zheimcr  Gesell- 
schaft zur  Erforschung^  der  vaterlüudisckcn  Denkmale  der  f  'orzeit 
von  Stadtpfarrcr  K.  li'Hhelmi  in  Sinzheim,  d.  Z.  Director  der 
Sinzheiincr  Gesellschaft  ^  inrJcf  Mttf*^lied  der  naturforschenden  Gc- 
sdhchnft  Sinsheim  Ib^l,  ai^f  KoaUu  der  GweOtchßfU  l»4  & 
in  gr.  8. 

Zweiter  Jahresbericht  an  die  MitgUeihr  der  Sinzheimer  Ge'- 
ielUehaft  zur  Erjorsdamg  der  vaterländischen  Denkmale  der 
Vorzeit  von  Stadtpfarrer  K*  WUhelmi  mSmmheim^e.    Mit  einer  * 
lilhographirten  Tofd,  Sinzheim  183S.   ^i^f  koete»  der  GeeeUsehßfU 

*Wii  haben  sclion  frülicr  in  diesen  Jahrbb.  Jahrj^.  1830.  TS*».  33. 
S.  52i.  bei  Gelegenheit  des  daselbst  angizpiprteu  >V(  rki'8  des  Hm. 
Statltjifarrcr  Wilhnlmi  nber  die  Geriuanischcn  1  odeslitif^cl  bei 
SiBfflirini ,  der  rühnilichea  IJestrebunj^en  dee  in  dieser  Stadt  durch 
die  i  hHti«»^keit  des  Herrn  Stadipfarrers  f^ehildeten  Vereins  f.ur  Kr- 
(orscbung  vaterländischer  Denkmale  der  Vorzeit  gedacht,  und  er- 
greifen crern  die  eich  uns  darbietende  Gelegenheit,  hier  einige  Nach- 
riebt 7u  bc  n  von  der  weiteren  Thätigkeit  den  Vereins  und  seines 
wurtliirtn  \orstther8,  von  dessen  Untcrguehuiigcn  wir  noch  weitere 
AufdchliisRe  über  die  in  llunkel  gehiilltc  Vorzeit  unserer  Ge'z^cndcn 
crwnrten  haben.  Seinem  unermitdetcn,  die  Spuren  der  Römischen, 
vti«  der  Germanischen  Zeit  verfolgenden  l:^iter,  and  seiner  Thätigkeit 
inBbmondrre  veitlanl<cn  wir  die  Erscheinung  der  beiden  Jahresbe- 
»irhie,  in  welchen  uns  Derselbe  xuvürderst  ;:^enaue  Naehrirhlen  mit- 
theilt über  den  Aufenthalt  der  Körner  in  den  Gegenden  des  Rheins 
und  Neckars,  über  deren  Hcerps^fii^e  und  deren  Ansiedelungen,  so 
weit  hiBtorisehe  Traditionen  und  lokale  Denkmale,  an  Ort  und  Stelle 
gefunden,  dies  zu  iM'Rtimmen  erlauben.  Entscheidend  durftexi  hier 
för  die  Folge  auch  die  weiter  südlich  bei  rioizfieim  entdeckten  Rö- 
mischen Niederlassungen  werden,  deren  fortgesetzte  Nachgrabung 
noch  manches  lur  die  Geschichte  nicht  unerspriefsliche  Resultat  zu 
Taj»p  fördern  und  die  Kenntnifs  der  Uiiniis«  iicn  Micderlassungeh  in 
Uit&cTn  Gegenden  nicht  Mctitü:  aufhellen  wird.  Aulserdem  aber  giebt 
UM  Ur.  Wilhcliut  noch  weitere  Nachricht  über  die  seitdem  statt- 
gefundene  Auldei  kung  mehrerer  Grabhügel  in  der  Nähe  von  Sinz- 
Mm,  welche  i[a  Ganzen  ähnliche  Resultate  lieferten  als  die  froher 
•H^gröbeni^  n  ;  ferner  über  mehrere  andere  in  der  N5he  licfiindlichc 
Atterthüiner  der  römischen,  wie  der  germanischen,  der  heidiiint htn , 
wie  der  ^hristliel^n  Vorzeit.  Diese  Angaben  werden  im  zweiten  Jah- 
»■esljrric  lue  fortgesetzt,  welcher  unter  Andenn  merkwürdige  Nach- 
richten über  die  römischen  Gräber  cnthiUt,  nelt^ho  kaum  eind 
h*lt»e  Viertcl«5tTinde  von  den  früher  geöllnetcn  vierzehn  deutschen  To- 
<lt»hiigeln  entfetfit  sind,  ferner  einen  mit  einem  Grundriis  begiei- 


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m  Faaor,  iber  GMe*t  Ipbigmiia. 

teten»  aufläirllchen  Bericht  fibeir  die  Aiiif|f«bdiig  im  FwidiiMiite 
einea  grfiraeren  rdmiichen  Geliftndee  in  der  SiiiBtieiiii«r  Stadtwaldnng 
(dorcii  Hrn.  Reehtepraktiltant  F.  Hecliinaiin).  In  Verbindung  dtniit 
stehen  ebenfalle  Machrichten  ttber  andere  im  Odenwaid  entdecktoi 
Beete  romiecher  Mijederlasinngen  und  Sparten  dereeiben.  Ucbe?  dieMn 
Nachrichten  und  Entdechnngen  von  ait- römischen  nnd  heidnifcbcn 
Besten  sind  al»er  keineswegs  dio  Denkmale  der  christlichen  Zeit  nnd 
des  Mittelalters  Ternachlassigt  worden.  -Dies  neigt  anl^er  andeio 
vielfachen  Beweisen,  welche  wir  In  den  Berichten  selber  nachnnletes 
bitten ,  auch  die  rühmlich«  Aufmerksamkeit  nnf  filtere  Gerichtaotd- 
nnngen  oiid  Ortsweistfinmer,  wie  dies  ijivs  dem  sWeiten  Jahresbericht  | 
ersichtlich  ist.  Hier  wird  nnmlleh  Tornngsweise  mitgetheilt  eine  lekr  ! 
merkwürdige  Urkunde»  eine  der  ältesten   TolUtandigen ,  schrill-  ' 
liehen  Gerichtsordnungen  des  sechsaehnten  Jahrhunderts,  welche  eni  | 
Hans  Pieiekert  Landschade  in  leinen  ehnrpfftlslschen  Lehensddrfets 
Ober-Aieholsheim  und  Heidensbaeh  einführte,  mitgetheilt  dufch 
Hrn.  Hofr.  Heck  er  na  Biishtersheim«  Dem  S.  15,  Ton  Hm.  Dr«  Batt  j 
aosgeap^ochenen  Wunsche  einer  spcciellen  Charte  dieser  Gegend  dM  I 
Odenwaldci ,  nnf  welcher  die  Niederlassungen'  der  Bdmer,  Ihre  StnilMn-  | 
nnd  Heereszuge  und  dergl.  m.  genau  angegeben  seyen«  Wnnechenirir  j 
baldige  Ausführung.  Vir  hoffen ,  diese  wenigen  Hittit'eilungen  nnd 
Andeutungen  ans  dem  reichen  Inhalt  dieser  beiden  JshresbericIHs  ' 
werden  genügen ,  nm  unsern  Lesern  von  dem  Zweck  der  GeseUi^Mifti  ! 
ihren  Bestrebungen  und  der  Bedeutung  der  bereits  gewonnenen  Be- 
snltate  einen  Begriff  nn  geben ,  und  damit  au  Fertsetanng  des  so  : 
jrähmllch  Begonnenen  aufanfordern*  Wir  nwelfeln  nicht«  dalb  ihre  j 
Bemnhupgen  mit  dem  besten  Erfolg  gekrönt  werden  und  unsere  Br-  j 
Wartungen,  das  Dunkel,  welches  bisher  die  frühere  Geschichte  na»  i 
perer  Gegenden  umgab,  erhellt  zu  sehen,  nicht  unerfüllt  bldbea. 

CÄr.  Bahr,  \ 


Veber  Göthe'a  Iphig  enia  ^  ein  ästhetisch  ~  literarischer  f^ersueh,  täi  ' 
Beitrag  zu  f^orstudien  über  Göthc ,   von  Karl  Heinrich  PudOT- 
yiU  tf.  161  &  8.   Marienwerder ,  bei  Baumann,  (broßck.) 

„So  lange  noch  Geschmack  und  Freude  am  hdhem  Sebdsss  | 
und  Erhabenen  ein  Erbtheil  des  deutschen  «Gemfi  theo  ist,  so  lang« 
wird  auch  Iphigenia  auf  Tauris,  in  dentecher  Zunge  Temonunent 
durch  die  inwohnende  Schönheit  und  durch  den  Ausdmek  der  erha- 
bensten Ideen  des  Henschengeistes  unvergängilcn  seyn***  Erkennt 
man  diese  Worte  des  Verfs.  an,  so  liegt  darin. auch  die  AnerkenpaaK 
der  Abdicht  seines  Buches*  Indem  wir  diese  Anerkennung  Toiani* 
•etxen,  nnd  voraasaetnen  mfiüeo,  weil  ja  das  Schone  nnd  aai*^ 


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Pttilort  Aber  Qdtlie's  IphfgVBie.  619 

Ntth««id%k€li  tnr  dwt  ine|i«elilielie  Leben  nicht  bewieien  und  ge* 
leiirt  werden  kann,  londern  in  dem  freien  Menecbengennfthe  aU  ein 
■nprnngliehee,  lebendiget  Wiesen  eich  entfaliel  nleo  nnler  eoleher 
Veranisetenng  aehen  iflt  nnr  daran? ,  vie  nneer  Verf.  eelnem  Zwecke 
laekgegttngen  iet,  „niit  Innigkeit  naeh  dem  ▼eredelten  Urbtlde  einea 
Riiapeoden  geatrebt  an  haben ,  nm  aneh  an  lelnem  Thjoile  einen  Weg 
bahnen  an  helfen,  anf  welchem  das  Toile  Veratandnife  der  grofmr- 
tjgen  Deakmale  nnterer  Literätnr  dem  gebildeten  Leaer  erleiobtert,  . 
aad  IG  die  reine  Flamme  der  Bewnndernng  nad  Liebt  fnr  allee  hei- 
milche  Schdne,  Grofce  und  Edle  genährt  werden.''  (S:  14.) 

In  der  Eialeitnag  iprlclit  er  erfrenliche  und  anregende  Worte 
übtt  die  Nothwendigiceit ,  bei  unserer  gelehrten  Schnlbildnng  die 
Hattersprache  niclit  an  Temachlässigen ,  sondern  sie  vielmehr  ao 
siaem'  Hanptgegenstande  des  Unterrichts  au  roacKen.  «»Die  gelehrte  * 
Welt,  so  wie  die  deutschen  Eraiehnngs-  und  Unterrichtsbehörden 
haben  diesen  Gegenstand  einer  roradglichen  Beachtnag  gewürdigt, 
nad  noch  unlängst  hat  sich  die  höchste  'preufsische  Anfoichtsbehorde, 
vielleicht  aagleich  durch  die  Wahrnehmung  geleitet,  dafa  durch  das 
heieingedrungene,  neoalexandrinische  Zeitalter  die  helterh,  freien, 
pradncIlTea  Anlagen,  erdrückt  an  werden,  in 'Gefahr  siad ,  darüber  ao 
weise,  und  umsichtig,  nls  nachdrücklich  ausgesprochen,  dalb  man  in 
dea  l^rgebnlssen  des  deutschen  Sprachunterrichte,  Inabesondere  in  den 
deatschen  Anfsätaen  der  fitir  die  llochschule  geprüften  Jünglinge 
die  Geiatesblttthe  der  Jugend  und  die  Stufe  ihrer  Ge- 
fammtblldnng  wahrnehmen  müge."  ( S.  5.)  Mochte  doch  „ die  ge- 
lehrte Welt"  überall  Im  Vatqrlande  jenen<* weisen,  umsichtigen  nnd 
aacbdrücklichen  Ausspruch  der  holten  prenfoischen  Behörde  behev-  - 
aigea  I  Was  Hr,  P.  sugleich  dabei  über  den  Unterricht  im  Altdent* 
sehen  sagt,  billigen  wir  gänallch.  Ohne  uns  jedoch  länger  bei  der 
Bialeitnng  aufanhalten,  gehen  wir  Joint  gleich  nur  eigentlichen  Un- 
tsrsachnng  über.  -  Sollen  wir  nun  von  dieser  ein  allgemeines  Vrthell 
ftUen;  so  ist  es  dahin  nusauspreehen ,  dafa  die  Untersnchnng,  hin- 
sichtlich desjenigen^  was  sie  wirklich  giebt,  noch  gar  Manchea  wfin- 
sdiea  läfst,  jedoch  hiiislchtlleli  der  Subjectivität ,  aus  welcher  aio 
hsrrofgeht,  eine  anerkennende  Zuneigung  nnsprechen  bann.  Natürlich 
geht* hieraus  hervor,  dafa  in  eraterer  Riosfeht  auch  manches  Sehäti^ 
bare  gegeben  wird.  Eben  well  wir  dem  gdatreichen  Verf.  in  letatere» 
BImicht  freundlich  entgegen  au  kommen  haben ,  aprechen  wir  «naofn 
«Bbefangenen  Tadel  ana.  Um  dlesei  allgemeine  Urthell  an  hegrfin- 
dsa,  gehen  wir  Jetat  genauer  in  die  Betrachtung  dea  Geleisteten  ein, 
■ad  da  finden  wir  denn  auerst,  dnlb  eich  der  Terf.  die  Totalan^ 
tchaaung  dieses  kdstlichea  Gedichte  nicht  beatimmt  geang  verdent- 
lieht  hat«  um  eine  aelbstständige  Einsicht  au  gewinnen,  und  nun 
Hsse  Einsicht  der  Art  vor  nun  au  entwickeln»  dafa  dieaes  schone  La- 
bmibUd  mit  allen  aeinen  grofsartigen  Hlnteigründen  sich  ala  eine. 


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BSQ  .        Piidor ,  über  tiöthe  s  ipbigeair. 

höhere,  idcLilische  Welt  vor  uhh  entfaltet,  und  die  Fif^nrcn  des  Bilücs 
al§  BewoluK  1  jener  ewigen,  in  sich  begründeten  Welt  sich  kund 
geben,  fio  diilö  jede  cinzehie  Person  nicht  blos  mitleidend  erscheint 
an  einer  vuii  verschiedenen  Personen  gebildeten  Handlung,  iondcro 
zugleich  Uli t wirkt,  dnfs  ein  Tolhtündiges  Bild  jene«  hubern  Lelums 
steh  in  unserer  Phantasie  darstellt.  Dies  letztere  ist  es  vorzuglich, 
WH8  der  Verf.  vcrnaciilassigt  hat.  Denn  gerade  das  ist  das  Kigen- 
thfiiuliehe  dieses  Diama's,  diifs  eg  sich  vor  dem  Hintergründe  eines 
groinartigen  und  reichen  Lebern»  bewegt,  indem  7;n<^lcieh  dieser  Mia- 
tcr'»rund  durch  tlic  uu ttretendcn  Personen  seihst  gleichsam  in  den 
Verdergrund  gezugen  wird,  und  sich  ilii  hIh  mitwirkende  höhere 
Mächte  zeigt.  Dieser  Hintergrund  besteht  aus  dem  Walten  der  Götter, 
Griechenland  und  dem  Volke  des  Thoas.  Um  dies  deutlicher  einzu- 
sehen, und  zugleich  den  dem  Verf.  gemachten  Vorwurf  zu  rechtfer- 
tigen, wenden  wir  unis  jetzt  zu  einigen  Personen  des  Drama,  in  so- 
fern sie  nämlich  als  von  dem  Verf.  schon  charaktejriurt  za  beur- 
theiien  sind. 

Bei  dem  Charakter  der  Iphigenie  ist  nicht  bedeutend  genng  dar- 
gelegt, wie  durch  dieselbe  eine  religiöse,  und  darum  acht  historische 
Idee  zur  poetischen  Anschauung  gelangt,  nnmlieh  die  Drlösung  eines 
alten,,  grofsnrti gen  Geschlechts  vom  schweren,  selbstTcrschuldetcn 
Schicksale.  Diese  bnttuiiruug  wird  durch  Iphigenien  vollbracht, 
einmal  dadurch,  dafs  sie  ferngehalten  wird  aus  der  heimischen  Le- 
bensweise ihres  Geschlechts ,  der  nach  nothwendigen  Gesetzen  des 
Daseins  selber,  die  auch  kein  Gott  ändern  kann,  eine  unheile t zeu- 
gende Gestaltung  ungenommen  hat,  und  zweitens^  dafs  es  ihr  eben 
dadurch  möglieU  wird,  mit  hoehBtcr  Reinheit  des  Gemüthes  und 
daraus  hervorgühciidem  unbedingten  Vertiauen  zu  den  Göttern  den 
Fluch  auszulöschen,  den  Tantals  £nkel  „mit  vollen,  wilden  Händen 
ausgesägt.*'  Indem  sie  nun  das  Selbstbewiilsisejn  dieser  ihrer  Be- 
stimiuung  hat,  welchen  eben  nur  in  dem  unbedingten  Vertrauen  za 
den  Göttern  beruht,  bildet  sie  so  den  schönen  Mittelpunkt  des  Ganzen. 
Dies  bat  der  Hr.  Verf.  nicht  bestimmt  genug  hervorgehoben.  Sie  ist 
durchaus  mehr  als  eine  edle  Jnnr>ii<au,  die  der  Neigung  ihres  reinen 
Herzens  folgt,  sondern  sie  ist  die  von  der  (Tottin  auserwählte  Prie- 
sterin, die  anerkennt,  dafs  die  Göttin  etwas  Höhere«  mit  ihr  vor- 
habe. Auch  Thuas  und  Ai'kas  sehen  immer  nur  das  M  cib  in  ihr, 
und  können  [n'ivh  daher  manches  in  ihrem  Betragen  nur  als  Stolz, 
Eigensinn,  weibliche  Schwache  erklären.  Hierin  liegt  besonders  eine 
Schönheil  des  Gedichtes,  die  hier  weiter  auseinander  zu  setzen,  es  ^ 
uns  an  Raum  fehlt.  —  Wir  wollen  nur  noch  bemerken,  (iafs  der 
Ur.  Verf.  auch  das  innere  VerhältniXs  des  Arkas  zu  dem  ganzen  Ge- 
dichte nicht  vollständig  aufgefafst  hat.  Gerade  durch  Arkas  kommt 
ein  bedeutendes  Mnment  in  das  das  ganze  Gemälde  hinein,  näm- 
lich d«r  Blick  auf  da«  Scythiscbe  Volk,  durch  weichen  gewaltig 


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* 


FfeniiirdnetlMBeii       4*  Ob.  A.  Hejm.  ^ta  ^1 

wirkenden  Hintergrund  besonders  die  Gestalt  der  Iphif^enie  und  dann 
die  detTlioas  liervorgfliolie»  wird.  Hierbei  zugleich  Arlmt  viel  cdl«r 
gsMt«n  all  Theas,  worin  sich  auch  wieder  die  Besonnenheit  daa 
^kbtera  ßeigU  Wir  mcUan  Uro.  mr  auf  falganda  W<»rto  det 
Af  k«i  wimetluam  i 

Des  K5nigs  anfg^ebrachtcr  Sinn  allein 

\   Bereitet  dieecri  Fremden  bittern  Tod 
*    Das  Heer  enlMöhnte  langst  von  harten  Opfer 
Und  von  dem  blut'^en  Dienste  Rein  Gtinüth. 

( IV.  Jufz.  2.  Auftritt.)  > 

Wie  konnte  (U  r  11  r.  \pr\\  sagen,  dafa  das  Murren  dea  Volks  dia 
£rneiierung  der  alten,  Mutigen  Fremdenopfer  verlange? 
'  Gern  gingen  wir  noch  weiter  in  der  Betrnrlittm^  nhcr  vorlie- 
gendes Buch,  wenn  wir  nicht  die  Grenzen  einer  Ii((«n8ian  zu  übcr- 
ichreiten  fürehteten.  Möchte  Hr.  P.  dies  dnreh  unsere  Hecension 
Angedeutete  nicht  ganz  «einer  Dcnchtan^  unwerth  halten,  wenjn  er 
einen  zweiten  Tlieil  iHiuljf  iten  sollte,  zu  dessen  Heransgabe  wir  ihn 
aufmuntern.  Allem  Anhtluin  naeh  war  ihm  folg^endes  Buch  niclil 
bekannt:  „Kleine  Abhandlungen ,  die  JPocsie  und  Kuasi  belreüao^, 
TOB  J.  D.  Falk.   Weimar  1803.'* 

Dr.  Aug,  Emst  ümbreit. 


Ailgemeinea  Fremdwörterbueh  oder  Handbuch  zum  Verstehen 
und  Vermeiden  der  in  unserer  Sprache  mehr  oder  minder  f^ebräuch- 
lichen  fremden  Ausdrücke  ,  mit  Bezeichnung  der  Aussprächet  der 
Betonung  und  der  nöthigsten  Erklärung  von  Dr.  J  oh.  Christ. 
Aug.  lleyse,  weil.  Schuldirector  zu  Maf^dtburg  und  Mitglied  der 
Gelehrten  -  Vereine  für  deutsche  Spruche  zu  Berlin  und  Frankfurt 
am  Main.  Erste  Abtheilung.  Von  A  bis  I.  Zweite  Abtheilung 
von  K  bis  Z.  IS^cbit  tinem  IS  achtrage.  Scchntc  rcchimufstge ,  »ehr 
vermehrte  und  verbesserte  Ausgabe.  Hannover  1833,  Im  Verlag 
der  BakiCschen  Hof  buchhandlung.    XVII  u.  444  und  44G     in  gr.  8. 

Wir  koniKMi  QMer  Im  diaMD  Jahrbb.  1828.  Na.  56.  p,  8fNlir.  ^ 
M  Avfecigc  der  fnnftea  Autgaba  aoageaprochaniM  Vrthail  uAier  dito 
TaUaandigkeit,  Zwaakaiafaigkalt  «ad  Grfiadllebkiit  dietea  Wditaf^ 
kaeha  ^  welchem  keia  aaderca  in  dieser  HIaaicht  aa  die  Seite  gcatelil 
vsfdea  baan»  aar  wled^rholea^  aaoial  da  diese  Vorsage  bei  der 
Muten,  Torllegeadea  Aasgabe  nocb  mehr  bervortreten.  Leider  aber- 
dlle  ela  ffar  die  WitBenschaft  au  frfiber  Tod  den  tbätigen  Terfaiaer, 
kild  aach  der  Vollendong  der  fnnften  Anagabe,  ebe  er  nocb  Haad 
ia  die  aene  aecbate  legca  konnte,  deren  Sraebeinen  wir  der  Tha- 
ft^eitaeiaeagelebrteaSobiw,  dea  Profesaora  Heyae  sa  Berlia,  Ter- 
^iiidna,  ^relclieai  nit  dem  flbrigen  Nacblafi  dea  veratorbenen  Vatera 


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I 


9S,t       FvMMliNhrtoribaeh  toü  J»  Oh.     Hi^m  «to  AMjgr* 

«ich  die  Sorge  f är  dieses  Werk  feiiflel ,  und  der  n\s  eine  Pfli^kt 
dflr  Piet&t  betrachtete,  sicli  demselben  mit  allem  Fleifs  und  Eifer  zu 
widmen.  „Ueberzeugt,^*  so  sagt  Derselbe  in  der  Yorfede  S.  XVI, 
^dafs  unbedingte  Vollendaag  hei  Werheo  der  Ait  anerreichbar  igt, 
lief«  ich  mich  durch  die  ungemein  gunstige  AiifnaiMDO  der  fralMM 
Aaagaben  and  den  hiaiiaglich  gesicherten  Aaf  des  BocIm  r  in  dem 
Strei^n  nach  fortwahrender  YerToIlLanininiing  nicht  aufhalten  und 
scheute  keine  Mähe,  sowohl  durch  Bereicherung,  aU  durch  Berich* 
tigung  den  Werth  des  Buches  noch  sn  erhöhen."  . 

Als  Beleg  dieser  Aeufserun^  und  nnsercs  eignen  Urtheilt  wollen 
wir  nur  den  einen  Umstand  anfuhren,  (iafs  blos  in  der  eraten  Ab- 
iheilung der  neuen  sechsten  Ausgabe  an  fünfzehnhundert,  in  der 
zweiten  (ohne  die  in  dem  Nachtrag  enthaltenen)  über  2250,  also  im 
Ganien  über  3700,  oder  richtiger  an  viertausend  neue  WMer  In 
Allem  aus  den  ▼erachiedeneteo  Gebieten  des  Lebens,  der  Wisaenschcft 
und  Kunst  hinzugekommen  sind  !  Aber  wir  müssen  auch  weller  be- 
merken, wie  der  ganze  Inhalt  des  Bache  einer  genauen  und  corgfftl* 
Ilgen  RoTision  von  Wort  zu  Wort  untenrorfen  worden  Ist  $  die  Be* 
weise  liegen  auf  Jeder  Seite  dee  Bache  vor.  So  elnd  manche  Irrthd« 
mer,  die  in  den  früheren  Auegaben  eich  oingeechlichen  halten, 
beseitigt,  Manches  in  der  Orthographie,  so  wie  in  Angabe  derQwm« 
tität ,  des  Geschlechts  nnd  dergl.  m.  berichtigt  und  Tervollstftndigl, 
und  dadurch  der  Innere  Gehalt  des  Bachs,  neben  seiner  mdgliehilen 
Vollstindigkoit,  nicht  Wenig  erhöht  worden.  Aus  diesen  Grfiadcn 
zweifeln  wir  nicht,  dafs  auch  dieser  nea^  Ausgabe  der,  verdienie 
Beifall  in  noch .  höherem  Grade  an  Theil  werde ,  als  dies  hei  dm 
früheren  Ausgaben  der  Fall  wAr,  und  dafs  die  mühevolle  Arbeit  dm 
Herausgebers  die  gebfihrend«  Anerkennung  finden  werde,  snmal  da 
auch  seinerseits  der  Verleger  keine  Mühe  gescheut  hat,  durch  eise 
ungemessene  infsere  Aamtattung  billige  Wunsche  lu  befriedigen  nnd 
dnher  auch,  wenn  man  Umfang  und  Gehalt  des  Werkes  bedenkt,  einen 
gewifb  höchst  billigen  Preis,  Ilm  die  Anschaffüng  lu  erleichtern  und 
die  Terbreltung  su  fördern,  festgestellt  hat.  Noch,  bemerken  wir, 
dnfs  wir  von  demselben  Herausgeber  ein  aunaehst  für  den  Achtdeut- 
■cheu  Spfuehsehatn  bestimmtes  Hnudwörtorhuch  der  dont- 
•choa  Sprache  nu  erwarten  haben,  das,  nach  einem  sehon  mit 
dorn  Vater  gemeinschafllleh  veittbredotflu  Flaue  untonoramen  und 
uungefflhrt  weiden  soU. 


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&ä  -  IIGIDELB.  JAHRa  o.  LITERATUR.  1833. 


Btr  Apostel  Paulus.  Erster  Theil  oder  chronologische  /?e- 
merkung en  über  das  Leben  des  Apostels  Paulua.  Ion 
Karl  Schräder.    Leipz,  1830.        u.  264  S.  mit  zwei  Charten. 

Schoif  als  Mitglied  de«  theolo^.  Semioars  za  Bonn 
1821.  wurde  der  Vei'f.  zu  chronologischen  Bemerkung^en 
fiber  das  Leben  des  Apostels  Paulus  veranlafst  und  seine 
Ariieit  als  i'reisschrifi  gekrÖQt.  Davon  giogea  in  der 
Folge  seiae  weheren  Untersucbiing^en  über  Leben -und 
Lehrart  des  Apostels  aus.  Und  welcher  Gegenstand  ans 
der  Geschichte  des  Uichrisienthums  ist,  neben  der  Ge- 
schichte Jesu  selbst,  wichtiger,  als  ein  heiteres  Forschen 
über  den  Mann,  welcher  das  Christenthum  der  jüdischen 
i^postel,  die  so  bald  wieder  der  ceremoniöseren,  auf 
Weltbezwingung  hoffenden  Theokratie  anhänglicher  sich 
bewiesen,  aus  der  sektenartigen  Abhängigkeit  vom  Ju- 
denthum herausarbeitete  und  auf  die  höheren  Grundsätze 
der  Yon  Satzungen  freien  Uebci zeugungstreue,  d.i.  auf 
deb  Geist  Jesu,  zurückführte?  Durch  seine  uoeigeD'* 
ailnge,  rastlose  und  kluge  Thäligkeit  war  ja  dieser 
Apostel  das  Organ  der  Vorsehung,  welches  durch  Be* 
freiung  der  christlichen  Religiosität  vom  pharisäischen 
Ceremoniendienst  und  durch  Hinweisung  auf  das  überaU 
mögliche  Gottverehren  durch  geistiges  Rechtwollen, 
darch  Stnaioavvn  sn  maxe&gy  die  Möglichkeit  zeigte, 
wie  die  christliche  Religion  eine  universale  seyn  kann, 
wenn  sie  sich  nicht  weder  durch  theologische  Metaphysik 
Qoch  durch  kirchliche  Herrschsucht  in  ausscbüefsende 
Meinungsgesellschaften  und  Kirchenparthien  verwandeln 
läfst. 

Der  Verf.,  oenrenwftrtig  evangelischer  Prediger  za 

Hörste  bei  Bielefeld  in  der  Grafschaft  Ravensb(  rg^,  liat 
diesen  hohen  Zweck  seiner  Forschungen  tief  empfundeu. 
£r  beweist  nebst  der  für  die  Aufgabe  nöthigen  Gelehr- 
samkeit und  vorurtheilsfreien  ForschuDgslust  eine  lebhafte 
Begeisterung  Ar  die  Hauptsachen ,  welche  auch  seinen 

XXVI.  Jahrg.  1».  Heft.  .53 


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834  Karl  Schräder,  über  die  Chronologie 

Au&druckso  hebt,  dafs  Licht  und  Wärme  dario  vereioigt 
fiiod ;  wodurch  Er  entweder  bei  einer  aufgeklärt  religiösen 
Gemeinde  odlar  zur  akademiscben  Ausbildiing  grfindlich 
beredter  ReligioBslehrer  vorzüglich  zu  wirken  tüAg 

seyn  wird. 

Während  dies  der  Eindruck  ist,  welchen  sein  Werk  . 
im  Ganzen  auf  den  Ree.  gemacht  hat,  erlaube  ich  miri 

ohne  irgend  von  dieser  günstigen  Beortheiluug  etwas  su- 
rOckzutiehiueii ,  utii  der  Sache  selbst  v%iUen  bei  einzelnen 
Stellen  einige  Bemerkungen,  welche  ich  f&i^  Berichti- 
gungen halte. 

Sehr  zweckmäfsig  isl 's ,  dafs  der  Verf.  zuerst  di« 
chronologi>(  hen  Data  und  Beweisstellen  über  die  Folge 
der  Hohenpriester,  der  Könige  und  der  römischen  Statt- 
halter in  Judäa  nebst  der  Zeitfolge  der  Imperatoren  bis 
Nero,  noch  ohne  unmittelbare  Anwendung  auf  die  Le- 
bensgeschichte des  Apostels,  S.  1  —  35.  vorausschickte 
und  festzustellen  suchte.  Dafs  S.  4.  die  Zerstörung  Je-  j 
rusalems  auf  den  September  Tl.  statt  10.  gesetzt  wird, 
Ist  wahrscheinlich  nur  Druckfehler  und  ohne  Knfiiife 
auf  das  Leben  des  Apostels. 


*)  Hr.  Repetent  Göschen  zu  Göttingen  macht  hierüber  io  seioea 
„Bemerkungen  tut  Chronolog^ie  des  N.  Test.**  theoL  Stadien. 
1S8L  Heft  4.)  S.  130-32.  eine  weitl&afiae,  an  lieh  richtige, 
aber  wahrscheinlich  für  Uro.  Schräder  ganz  enthelirliche  S&- 
riehtignng.  —  Ich  habe  hei  dieser  Gelegenheit  über  jene  Bt- 
msriLiuigen  auch  einige  auf  Meine  chronologische  Forschnih 
gen  sich  beziehende  Bemerkungen  beizusetzen. 

1)  Welfs  icbniclit,  'vrariiin  in  der  Vergleichenden  Tshslk 
Aber  die  Chronologie  des  N.  T."  S.  706.  neben  25  angeführtes 
andern  Berechnungen  gerade  Meine  Untersuchungen  abergangai 
sind.  Mein  Conmentar  war  1800—1895.  nach  langer  Zeit  dai 
erste  Werk,  wo  alle  die  Chronologie  der  Krangelifo  tietret- 
feadO'  Momente  neu  und  ansfiihrlich  antersncht  wurden.  Bie 
genan  entwickelten  Resultate  h&tten  um  so  mehr  in  die  Tabelle 
eisgetragen,  werden  sollen,  well  alle  dort  von  No.  10  bis  SS- 
folgende  Untersuchungen  sieh  selbst  mehr  oder  minder  aof  di« 
Meinigen  bcnegen  haben.  E^uen  nicht  allnn  gewdhnliolieB  CM 
Toa  Urandllchkeit  und  Sachstudinm  wagen  ihnen  auch  BIrjeaige 


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im  Leben  des  Apast.  Paulua.  ,  8^ 

Dafs  nach  S.  15.  llerodes  1.  im  J,  3.  €i?ite  Chr.  nat, 
oder  vor  Anfang  der  aera  Dyatmiana  et  vulgaris  und 


nicht  abzusprechen,  welche  dergleichen  mnhsamc  Ansubungen 
der  historischen  Interpretation  als  BemuhungeQ  tür  das  Nie- 
dere, nämlich  für  die  Wirklichkeit,  Lcachrieben ,  während  sie, 
freilich  viel  leichtei:,  in^s  Höhere  und  liefere  plicintastischer 
Meinungen  über  das  UebermenschUche  und  Unticbtbare  aber-, 
fliegen  oder  nntersinken. 

2)  Selbst  die  bedeutenden  Nachtrage  zu  den  chronologischen 
Untereachungen  des  Coniiueniais  und  deren  Ausdehnung  auf  die 
Apostelzeit,  wie  ich  sie  im  1.  Theil  Meines  exegetischen  Hand- 
buchs  (als  neuer  Bearbeitung  des  Gommentars)  gegeben  habe, 
hätte  wühl  der  neue  Vntersncher  %n  berücksichtigen  Ursache 
genug  gehabt,  da  sie  schuu  18«>0.  ]h  rausgekoiuuien  sind  und 
anderwärts  nicht  Tersuchte,  vieUcttigc  Coiubinalionen  über  diese 
giinze  Reihe  der  urchristlichen  Zeitverbältnisse  enthalten,  die 
mit  denen  Ton  Bengel,  Vogel  und  Süfskind  verglichen,  zu 
einer  fast  unerwarteten  Uebereinstimmnng  über  die  Hauptpunkte 
nahe  hinlt^iten.  Besteht  etwa  jene  aadachtToll  erscheinende 
Sentimentalität  für  das  Tiefe  darin,  dafs  man  gerade  das  gründ- 
licher forschende,  well  es  das  schwerere  seyn  uiufs,  ignorirt 
und  dem  gläubigen  Fublicmn  aaviel  iBöglidi  aus  den  Augen 
rückt  'i 

3)  Nur  einmal  wird  aiit  Meine  Untersuchungen  hingedeutet, 
aber  so,  dafs  Hr.  6.  weder  mich  noch  die  Sache  richtig  gefafflit 
hat.  705.  schreibt  Er:  Da  nnn  Süskind  mit  Dr.  Paulus 
von  der  (s.  Idelers  Handb  der  Chronol.  Th.  2.  S.  47  ff.  145  ff. 

Anm.)  nachweisbar  falschen  Ansicht  ausgeht) 
dafs  die  Jahre  der  Stadt  [=a&  ürbe  Cond.']  auch  da- 
mals noch  jedesmal  mit  dem  Fest  der  PaHiieOt  d.  h* 
dem  21.  April,  begonnen  hätten,  so  folgt'*  .  .  .  Die 
Sache  ist:  a)  der  Jahre  ab  Urbe  Condita  wurden  zwar  meh- 
rere oder  wenigere  angenommen,  aber  ihr  Anfang  war,  ob 
man  nach  Varro  ,  Plinius  8,  7.  u.  A.  oder  nach  den  Fastia  Ca- 
pitolin.  oder  nach  Dionyg.  vou  Halik.  aähit,  immer  das  Fruh- 
lingsfest  der  Palilien.  (s.  Hiccioli  Chronologia  rcform.  T.  I. 
L.  IV.  e.  2.  fol.  152    auch  Idelers  Lehrh.   d    (  hrnnol.  S.  'iSO. 

b}  Davon  mufH  der  t^hronolog  nur  u ntersclitiden  ,  dafs 
der  Anfang  des  bürgerlichen  Jahrs  der  Consuln  seit 
COl.  ab  U.  C.  auf  den  1.  Jan.  p;eBt't>it  war  und  daher  auch  jedes 
Jahr  unserer  aera  Dionys,  oder  vulgaris  mit  dem  I.Jan,  anfängt. 
Der  Abt  Dionysius  setzte  vornus :  Jcsuh  st  y  den  25.  Dec.  vor 
deot  Anfang  «einer  aera  geboren  >  konnte  aber  t  da  4io  fiifferens 

V 


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836  Karl  Schräder ,  über  die  Chronologe« 

zwar  kurz  vor  dem  Pascha  starb,  i9t  richtig,  und  es  j 
l^leibt  eben  deswegeo  das  ParadoxoQi  dafs  Jesus, 


nor  wenige  Tage  betreffe,  immer  da»  vom  1.  Jan.  bcginiiciide 
erite  Jahr  seiner  aera  Post  Chr.  ISat.  auch  aU  das  erste  | 
Lebensjahr  Jesu  geltend  machen.  Nur  weil  wir  dagegen 
jetzt  nat  hweiscn  können,  daf«  Herodes  I  kurz  vor  dem  Tascha 
des  Jahren  o.  ante  annum  1.  aerae  vulgaris  8.  Dionys,  starb, 
und  Jesus  wcnij^stens  2  bis  3  Monate  früher  geboren  seyn  niufa, 
ist  aiieh  m  il» ,  ihils  (wenn  Jean  Geburt  nicht  noch  bedeuteod 
weiter  vun  dem  Tode  A^B  Herodes  I.  cntleiut  war  —  welches 
anzunehmen  die  bei  Idelcr  ini  Lehrb.  d.  Chronol.  S.  425.  nach 
Keppicr  und  Miinter  bei  uüksirhtigte  grofsc  Planeten  -  Coo- 
juiiction  keinen  hinreichenden  Grond  giebt)  der  dritte  annv» 
turrens  ante  Chr.  iV.  dem  ersten  laufenden  Lebensjahr  Jesa 
gleich  war,  und  folglich  Jcnus  im  Lauf  des  1.  annus  Dio- 
nys, post  Chr.  N.  schon  vierjährig  wurde,  c)  In  diese  Be- 
rcclnumg  aber  hat  bei  mir  nur  die  aera  0!ympiadum  einigen 
EiniluTs.  Hr.  G.  irrt  deswegen  8ehr,  wciüi  meint,  dafs  ci 
Meine  Ansicht  stören  konnte,  gesetzt,  dafs  die  Palilieii  nicht 
immer  der  Änfan^j^  der  Jalue  ab  Urbe  Cond,  gewesen  wären. 
Für  Meine  Data  wurde  davon  nichts  Bedeutendes  abhängig  < 
»eyn.  d}  Endlich  klagt  Hr.  G.  ganz  ohne  Noth,  wie  wtini  Suls- 
kind  (oder  ich,  oder  irgend  ein  Sa^hvcrütuiidi^er )  unsre  jetit 
gewöhnliche  aera  Dionys.  Tcrdrangcn  wollte.  iSnr  in  den  Zeiten 
des  Urchristenthnms,  wenn  wir  manciies  andere  Gleichzeitige 
damit  zu  vergleichen  haben  (z.  B.  wenn  zu  fragen  ist,  wie 
alt  Jesus  im  15ten  RccrirrungNjAhr  (Jc8  i  ibcrius  war?  oder  mit 
welchem  Jakr  die  Apotjtelzeit  beginne?  wann  Pauli  Bekehrung 
geschehen  seyn  könne?  und  dergl),  ist  es  iiothwendig,  wohl 
•  daran  zu  denken ,  dal's  Jesu»  im  Lauf  des  1.  ann.  Diou.  schon 
vierjährig,  also  während  des  27.  Jahrs  unserer  aera  schon 
dreifsigjährig  geworden  ist,  dafn  ako  die  Apostelzeit  im  81- 
(nicht  im  23.)  a.  aerae  Dion.  anfing,  folglich  zum  Beispiel  der 

'   '  Tod  des  Agrippji  (Apg.  12.),  da  er  in's  J.  44.  DtoR.  fiel,  nach 
dem  lote«  Ostern  der  Apostelzeit  erfolgt  ist,  wo  also,  da  Faului 

'*  und  Barnabas  über  den  Versuch,  Heidenapostel  zu  seyn,  die 
Judenbekehrung  aber  den  jüdischen  Aposteln  zu  überiassea, 
.  sich  mit  Diesen  nach  Gal.  2,  9.  vereinigt  halfen,  das  14tL  Jahr 
seit  Jesu  Auferstehung  begonnen  hatte,  e)  Während  dtiuDiiJ^h 
alle  dergleichen  Zeitangaben  gar  wohl  immer  auf  den  i>a- 
railclen  anvus  Dionys,  zu  red uc Iren  sind,  so  vergowe» 
die  Exogetcn  und  die  Lehrer  der  Geschichte  des  Urchristeu- 
thans  nur  gar  sb  oft ,  dafs  für  die  dem  Urchmteathaoi  eigen- 


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im  Laben  dea  Afott  Pmlat* 

«richer  wesigstaDS  etliche  Monate  vor  dem  Tode  des 

Herodes  lETeboren  eeyo  niufs  im  Jahr  3.  ante  Chr. 
natum  geboren  ist.  Dafs  aber  in  dieses  Jahr  3.  der 
dionysischen  Aera  gar  keine  zu  Jeruealem  sichtbare 
Mondeekiipee  ftely  ist  lodeft  durch  die  astronomischen 
Untersvcbuiigen  Too  (dem  kflfdich  versforbeoeo)  Prof. 
Wurm  zu  Stuttgart  entschieden  und  im  6engei*8cheo  Ar- 
chiv 2.  Bds.  1.  St.  S.  34.  bekannt  gemacht  nvorden.  Die 
im  J.4.  ante  Chr.  iV.  zu  Jerusalem  in  der  Nacht  vom 
Uten  zum  ISteo  Mine  sichtbar  gewesene  partielle  Monds-  - 
iosternirs  darf  uns  aber  dennoch  nicht  bewegen ,  den  Tod 
des  Herodes  I.  um  Ein  Jahr  früher  zu  setzen;  wie  Ide- 
iers  Lehrbuch  der  Chronologie  (Berlin  1331.)  S.  423. 
deswegen  annimmt,  dafs  unsere  aera  mindestens  vier 
Jahre  zu  wenig  zähle« 

In  dieser  Beziehung  habe  ich  im  1.  Theil  Meines 
exegfetischen  Handbuchs  über  die  3  ersten  I>an^elien  < 
(Heideiberg  1830.)  &  2Ö6,  noch  vollständiger  als  läOS. 


thürali<:he  Hcfj^cbcnheitcn  der  M  irkli(  Ik  und  w^hre  Sj^nchronis- 
mus  iiitiuer  in  finrni  Jahr  zu  surlu  n  ist,  welches  tini  3.  über 
das  Dionysische  hiiuiua  laaft,  das  heilst ,  dals ,  z*  B.  was  im 
o.  Dion.  44.  geschah,  eigentlich  im  41.  Jahr  nnch  Jesu  Geburt, 
und  thcils  im  llStcn ,  theiis  iia  14.  Jahr  nach  ■einem  Tod  ^e- 
Hcheiicti  ist,  da  die  erste  Ostern  (=r  AuferBtehangstOfi^)  nach 
dem  Sascha  des  34sten  Lebensjahres  Jesu  eintraten. 

4)  Hr.  G.  drückt  sich  S.  707.  sehr  unrichtig  aus,  wenn  Er 
schreibt:  ,,Ich  rechne  die  Jahre  R  o  in  8  vom  I.Jan,  bis  zum 
81,  Dec."  Nicht  die  Jahre  der  Stadt  können  so  gerechnet 
werden,  aber  das  Jahr  der  Consuln  und  das  von  Julius 
Cäsar  verbesserte  lief  vom  I.Jan.  Idelers  Lehrbuch 
S.  328.  aä8. 

5)  Ueberhaupt  ist  nach  der  Natur  der  Sache  unmöglich, 
dais,  wie  S.  710.  annimmt,  ein  Chronolog,  z.  B.  Eur«  hius,  ver- 
schiedene aeras  ),trotz  iliirr  urrspiunglichen  Verschiedenheit 
mit  einem  und  ibcndcm selben  Datum  beginnen  und 
schliclscn  lasse."  Wer  kann  gegen  das  Ursprüngliche?  Man 
kann  nur  sagen,  in  dem  vom  1.  Jan.  beginnenden  onn.  Dion.  40. 
ante  Chr.  A'.  beginnt  die  185  Olvmpiade,  alser  erst  im  August, 
nirht  im  Jantmr  Auch  sind  Eusebius  uful  II ieroiij^mus  in 
diesen  Fragut  BeMchencr,  wie  wir,  keineswegs  aber  Zeugen. 


888  Earl  Sdiraile»,  ib6>  die  Chränologle 

in  der  Z.  Ausgabe  des  Commentara,  gezeigt  ^  dab  den- 
noch Heiotles  1.  ia  dem  durch  viele  andere  Data  genau 
bezeichneten  cmnns  dionysmnus  3.  gestorben  ist  und  nur 
seioe  Kraakheit  noch  von  der  Zeit  jener  MoadsÜDsteroifs 
an  (s.  Jo.8  Archaeol.  IT,  &  4«)  bis  in  die  Nähe  des 
Fascha,  welches  in  das  wirkliche  Gebartsjahr  Jesu  fiel, 
gedauert  hat.  Diese  zuverlässige  Unterscheidung  zwi* 
sehen  dem  wirklichen  Anfang  des  Lebens  Jesu  und  unsrer 
gewöhnlichen ,  erst  vom  Abt  Dionysius  (seil  a,  525.)  mit 
einem  Fehler  yon  8  Jahren  gangbar  gemachten  Zeitrech* 
nnng  hat  zwar  in  der  weitereli  ZeiientferaaDg.  keinen  her 
deutenden  Einflufs,  äudert  aber  doch  in  jener  Zeitnähe 
vielerlei  sonst  gewöhnlicli  angenommene  Synchronismen. 
Ich  habe  deswegen  keine  Mühe  gespart,  nm  durch  Ver- 
gleichung  Terschiedener  Data  im  exegetischen  Handbuch 
noch  weit  Tolktändiger ,  als  ehedem  in  Meinem  Com- 
mentar,  zu  zeigen^  dafs  das  dritte  Messiaspascha,  aa 
welchem  Jesus  gekreuzigt  wurde,  zwar  in  das  34steLe- 
ben^ahr  Jesu  lallt,  diesem  aber  doch  nur  das  31ste  Jahr 
der  aera  Dmysiana  parallel  ist.  Auch  die  Päbste, 
welche  seit  Pelagius  II.  a.  578  —  590.)  nach  In- 
dictionen  zählen,  beginnen  diesen  Indictiouen-Cyklus  vom 
1.  Jan.  OTtTij  3.  vor  Christi  Gebart,  und  da  die  Gehurt  Jesu 
wenigstens  um  Jblin  Paar  Monate  früher  als  Merodes  desL 
Tod  erfolgt  seyn  mnft,  so  rückt  der  Anfang  des  Lebens 
Jesu  ziemlich  nahe  nn  den  1*  Jan«,  als  den  AiAng  des 
Dionysischen  Jahrs. 

Nothwendig  hat  nun  diese  Berechnung ,  dafs  die 
Kreuzigung  und  die  Auferstehung  Jesu  als  der  Anfang 
dor  apostolischen  Zeit  auf  Ostern  31.  unserer  Zeitzählung 
und  nicht,  wie  gewöhnlich,  auf  d8«  oder  34.  amüDbm. 
zu  setzen  ist,  auch  bedeutenden  Einflufs  auf  die  wahr- 
scheinlichste Beantwortung  der  Frage :  wie  bald  Pan- 
ius  zum  Christenthum  fibergegangen  sej^n 
könnef  Verständiger  Weise  reduciren  wir  jede  andere 
Zeitangabe,  auf  unsere  kirchlich  unch  politisch  allgemein 
recipirte  aeruy  welche  auliser  Gebrauch  setzen  zu  wollen 
keinem  Exegeten  einfallt.    Dennoch  mufe,  wer  in  der 

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im  lieben  de»  Apost.  Paulu«. 


8a9 


ersten  Geschichte  des  Christenthums  das  Gleichzeitige 
riciiüg  vergleichen  will,  imaier  darao  denken,  dafsJesu 
Leben  um. 3  Jahre  früher  als  unser  Kalenderjahr  ange- 
fangen hal,  dafa  also  Jeaas  nichl  im  am.  Dion.  80.  aach 
rar  W  Jahre  alt  war,  dafs  die  Wiederbelebung  Jesu, 
der  Anfang  der  Apostelzeit,  die  Bekehrung  Pauli  u.  s.  w. 
früher  fielen ,  ala  man  gewöhniiah  rechnet  u«  s.  w. 

Der  Verf.  wurde,  nach  S.3T,  über  diese  Fragen  zum 
Voraus  in  eine  unrichtige  Bestimmung  verwickelt,  weil 
ersieh  durch  eine  Stelle  des  Josephus,  ArcliioL  18,  ft.d» 
(8. 62&  Kölner  Ausg.)  zu  der  Varaussetzung  bestimmen 
Hers,  dars  Herodes  Antipas  seineu' utiglücklichen  Krieg 
mit  dem  Araber- König  AreUs  erst,  nachdem  so 
eben  der  Tetrarch  Philippus  gestorben  war, 
unternommen  habe.  Der  Tod  des  Philippus,  welcher 
nach  Herodes  L  Tod,  also  öacb  dem  Pascha  des  Jahrs,. 
IQ  welchem  Jesus  schon  geboren  War,  Regent  der  Bata- 
näischen  Tetrarchie  wunle,  fällt  nach  der  Angabc  bei 
Josephus  in  sein  37.  Reglei  uiig^^jahr,  zugleich  aber  in 
das  ZO.  Regieruqgsjahr  des  Tiberius.  Dieses  eiuÜgtjB 
mit  dem  19.  August  Deswegen  mufs  Philippus  zwischen 
dem  April  und  August  des  armus  Dim*  34.  (oder  S  Jahre 
Qach  Jesu  Kreuzigung)  gestorben  seyn. 

Josephus  nun  (Aroh.  18,  T  S.  686.)  erzählt  die 

fanze  Geschichte  der  Herodias  allerdings  erst,  nach- 
dem er  den  Tod  des  Tetrarch  Philipps  nach  jenen 
nchtigen  Bestimmungen  angegeben  hat.  Auch  macht 
Jaaephnu  deo  Uebergang  von  der  Nachricht  über  das 
Bade  der  Regierung  des  auch  atfs  dem  N.  T.  vorthellhaft 
bekannten  Tetrarch  Philippus  zu  der  Geschichte  der  He- 
rodias durch  (he  Formel :  'Ev  Tovrc.)  Ss  (TTaaiai^oviriv 
Apexac  6  nerpatoi  ßaaiXivg  (Vater  der  ersten  Frau  des 
Herodes  Antipas)  xtti  'HooBr^g  (Antipatec  berüchtigt  wegen 
deren  Veratofoiog  und  der  Heirath  mit  Herodias,  der  Mör- 
derin Johannes  des  Täufers).  Verfehlt  aber  ist  dennoch 
'lie Zeitbestimmung,  indem  der  Verf.  folgerte ,  der  lieber- 
gug  der  Herodias  zu  dem  Tetrarch  Antipas  in  Galiläa 


Karl  Sclirader,  über  CluroBologi« 


mltese  nach  dem  Tode  des  Philippus  erfolgt  seyn,  da 
Josephns  vielmehr  nur  den  gansen  Verlauf  der  Geschichte 
der  Herödias,  wie  er  sieh  von  der  Zeit  des  Verliebt- 

werdens  bis  zum  Tode  des  Imperator  Tiberius  fort  ent- 
wickelte, mit  einem  Mal  zusammenfafst,  sein  iv  touto 
aber  bei  einem  Geschichtschreiber,  der  nicht  annalistisch 
erzähit|  nur  den  allgemeineren  Sinn :  $9,  tovto  sc.  }(govm 
t=s  in  diesem  Zeitraumi  ansdröckt  Hätte  der  Krieg 
wegen  der  Herodias  nach  dem  Tode  des  Philippas,  also 
in  der  zweiten  Hälfte  des  a.  Dion,  34,  begonnen,  so 
müfste  freilich  der  Täufer  Johannes,  welcher  durch  MiÜB- 
billigung  ihres  Uebergangs  aus  der  Ehe  mit  dem  ärmereo, 
in  die  mit  dem  reicheren,  Aber  Galiläa  und  Peräa  regie- 
renden Bruder,  sieh  den  Hafs  der  Herodias  spätesteos 
im  a.  Dion.  33.  zugezogen  haben  und  im  Jahr  34.  ent- 
hauptet worden  sejn.  Daraus  folgert  der  Verf.,  dafs 
die  Kreuzigung  Jesu  nicht  früher^  als  um  das  Pascha 
ami  Dkm  8&  erfolgt  seyn  könne.  Eben  dadurch  wird 
die  Möglichkeit  der  Bekehrung  des  Saulus  noch  Viel 
weiter  hinausgerückt  und  der  Verf.  auch  veranlafst,  zu 
behaupten,  dafs  Paulus,  welcher  bei  dem  Tode  des 
Stephanus  veavUKg  genannt  wird,  damals  erst  npcb 
junger  Mensch  von  ungeßhr  20  Jahren  gewesen  sej 

Dagegen  würde  fBr  mich  die  nächste  Bedenklicht 
diese  se^n,  dafs  einem  pharisäischen  Lehrjünger,  dessen 
Alter  von  dem  gewöhnlichen  Alter  eines  Habbinen  noch 
60  weit  entfernt  gewesen  wäre,  schwerlich  jene  grofse 
Vollmachten  nach  Damaskus  von  den  Hoiienpr|aslli|i: 
hätten  anvertraut  werden  kdnnen.    Noch  entscheidasiK 
aber  ist  dagegen ,  dafs  Jesu  Geburtsjahr  zuverlässig  tV 
dem  Tod  Herodes  des  I. ,  also  um  3  Jahre  früher  istf 
als  üTmus  1.  Dionjfs,  post  Chr,  iV.    Dafs  Jesus,  als 
sich  taufen  liefs,  ungefähr  30  Jahre  alt  warr^sgii 
Slstes  Lehenqahr  s  dem  a.  Dion.  28.  so  ebei^-getedigt 
hatte),  und  dafs  Er  am  dritten  Pascha  nach  diesem  An- 
fang, schon  im  a.  Dion,  31.  gekreuzigt  wurde.  Die  Ent- 
hauptung des  Täufers,  welche  nach  dem  suf^jj^iea  Mes- 

flaspascha  JFesn  erfolgte,  fiel  demnaoli  in  4m''fL/^*^^ 


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fai  Lebmi  4e«  A|iott.  'Eftillw. 


841 


oder  ii>  das  33ste  Lebensjahr  Jesn ;  <lie  Apostelzeit  aber 
begann  mit  den  ersten  Ostern,  im  «ilsteii  n.  Dionys*,  so 
dafs  die  L/mwandiung  des  ^auius  id  einen  Verehrer  Jesu 
als  des  geistig'  wahren,  eine  Universal reiigion  mdgiich 
flncbenden  idealischen  Messias  schon  im  Lauf  des  a. 
Dkm,  31.  oder  32.  geschehen  sej^n  kann. 

Nach  meinen  weiteren  Untersuchnngen  gestaltet  sich 
das  Verhältnifs  von  Herodes  Antipas  siir  He-» 
rodias  ond  zum  Täufer  Johannes,  zugleich  auch 

das  (I  e  s  A  r  e  l  a  s  zur  Stadt  Damaskus  im  dritten 
Jahr  nach  Saulus  Bekehrung,  Apostg.  9,  23. 
2  Kor*  11,  32.  —  wenn  wir  Arch«  18,  5,  1  —  4.  ge* 
Dauer  und  mit  Menschenkenntnifs  erwägen  —  so,  claft 
des  Täufers  und  des  Apostels  Paulus  Lehensgeschichte 
einige  aufklärende  Data  daraus  erhält,  welche  dieUiiter- 
suchung  b(  ioiiuen  und  mich  hier  zu  Mittheilungea  der- 
0eibea  veranlassen. 

« 

Herodes  Antipas,  der  jfingste  Sohn  Herodes  des  I., 

▼on  einer  Samariterin  Marthake  (Arch.  11,  1.  S.  584. 
17,  12.  S.  605.  It,  8.  S.  595.  —  hatte  des  Araber-Kö- 
nigs, Aretas,  Tochter  j^govov  tidn  noXvv  geheirathetf 
ehe  er  eine  gewisse ,  hier  wirksam  werdende  Reise  nach 
Rom  machte  (nicht  etwa  die  unter  Augustus,  um  Te« 
trarch  zu  werden,  sondern  eine  viel  spätere,  unter  Ti- 
.berius,  um  das  J.  Dion.  28.  joder  29.) 

•  Auf  dieser  Reise  nach  Rom  s  CTTukhofiEVo^  inl 
Pc3p?C9  i^kommt  er  abwärts^  in  die  Wohnung  eines 
„Herodes,  der  sein  Bruder  (Herodes  I.  Sohn),  aber 
nicht  von  Einerlei  Mutter  war/'  =  Kaxd'^ iTat 
tv  'Hpadovy  aSeXrpov  üVTog  ovx  oyLoyLtitgiov  sc.  oi- 
uav*  (Wo  diese  oext«  war?  wird  hier  nicht  bestimmt 
Nur  dab  sie  nicht  su  Rom  war,  wird  klarer.) 

Bei  diesem  Besuch  wird  Er  verliebt  in  Herodias, 
die  Fran  jenes  Herodes  (welcher  Matth.  14,  3. 
%üq  genannt  wird).    Die  I^erodias  ist  Tochter  des  Ari* 
Mobnlus,  eines  Bruders  jener  beiden  (Herodes),  Schwe- 
Agrip|ias  des  1.         dessen,  der  s^terUia  das 


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M  Karl  Selnvdtfr,  ib«r  die  GtuoMlogie 

gauze  Gebiet  Herocies  des  I.  wieder  vereinigt  bekam). 
Er,  Antipas,  wag-t  von  Heirathen  zu  sprechen.  Sie 
nahm  es  an.  Ueberaiaküafie  {avp^iiKoi^  Ycrinuthhch 
auch  mit  ihrem  Rfanoe^  dem  ärmeren)  werdeo  gemacht, 
dafe  eie'ln  dea  Tetrarchen  Haas  übergehen  wolle,  wann 
Er  von  Rom  her  (zurück)  gekommei/  seyn  würde. 
Herodias  und  ihr  erster  Mann  waren  demnach  damals 
nicht  au  Apm. 

lo  den  Uebereinkünften  zwiacbea  den  Dreien  war 
auch,  dafs  Antipas  die  Tochter  des  Aretas  ver- 
atofsen  solie  (exßaXeiv)  da  Er  sie  sonst  nach  judi- 
schem Gesetz  neben  der  Herodiaa  zu  behalten  die  Frei- 
heit gehabt  hätte. 

„Nun  schiffte  Antipas  nach  Rom"  =  xat  6 
(i€V  ei^  Txiv  FcofJLi^v  eTzXei ,  ravra  avv^e^evofm  Alles 
dies  war  also  noch  vor  dem  Wegschiffen  aus  Pa- 
lästina oder  SL^rien  gescheheiii  so  dafs  Flerodias  ' 
und  ihr  erster  Gemahl  dort  wo?  —  gewohnt  haben 
müssen.  Wahrscheinlich  in  Syrien,  wo  früher  (Arch. 
17 ,  12.  S.  610.)  bei  dem  Prätor  Varus  ein  Uerodes  Phi- 
lippus als  Privatmann  gelebt  hat 

Da  Antipas  von  Rom  zurück,  also  wieder  nach 
Syrien  und  Palästina  kam  =z  snave^cogst^  meinte  er,  die 
Araberin  wisse  noch  nichts.  (b)r  hatte  also  die  Herodtas 
nicht  von  Rom  mitgebracht!)  Diese  aber  hatte  schoa 
9fveTig  (Ausforacjbnng),  floh  m  ihrem  Vater,  fiber  die 
Burg  Machärus,  die  ,,damals  ihrem  Vater  zins- 
.  bar  war"  =  tote  tcö  itargi  a-btriq  t5^0TeA>?  —  und 
entdeckte  dem  Vater,  die  Absicht  des  Antipas  (als  noch 
nicht  vollzogen)« 

Aretas  fafste  nun  Feindschaft,  begann  aber  Krieg, 
nicht  unter  Erklärung*,  dafs  es  wegen  der  Tochter  ge- 
schehe, sondern  wegen  der  Grenzen  bv  tri  yri  rti 
FafiakiTiSi*  Sie  schickten  jcrrQarriyovQ  gegeneinander 
und  iM^a^n^  fevo^evrjg  9  ducp^agrt  ^ag  6  arparog  ^Qm* 
dov»    Dies  besonders  dufch  Verrätherel,  weil  einige  aus 

der  Tetrarehie  des  Philippus  (aus  Batanän  u/s.  w.)  ent- 

f 

K 

% 

1 


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tai  hdbem  Am  AfHMt.  Vaftl«t.  ßi$ 

flohene  In  HerodesHeer  mitgefochteu  hatten  —  (pvjaSeg 

Alles  susammeDgeiioinineii ,  miifii  abo  diese  Plueht 

und  des  RriejjfS  Aafan^  geschehen  se^n ,  ehe  die  Tochter 
lies  Aretas  verstofseu  und  Herodes  öffentlich  an  Antipas 
übergegangen  war.  Denn  wäre  dies  schon  geschehen 
gewesen,  so  würde  der  Araber  nicht  blos  Grenzsireitif- 
keilen  snr  Ursache  des  Kriegs  angegeben  haben. 

Wahrscheinlich  fiel  also  der  Kriegszug  des  Anlipas 
über  den  Jordan  hin  schon  in  die  erste  Zeit,  als  der 
Täufer  auftrat   Luk.  8,  14.  (ins  J.  Dion.  29.) 

Erst  während  der  Krieg  ausbrach,  ging  He|;odia$ 
öffentlich  zum  Tetrarch  Antipas  über. 

Damals,  als  Johannes  dies  getadelt  hatte  un«l  ge- 
fangen genommen  wurde  ^  war  Machärus  w  ieder 
in  des  Antipas  Gewalt,  so  dafs  Dieser  den  Täufer 
dort  gefangen  setzen  konnte,  a.  IXon  30 — 31.  Jesu 
33  —  34.  Der  Anfang  des  Kriegs  mufs  demnach  etwas 
früher  erfolgt  und  Machärus  dem  Araber  abgenommen 
worden  sejn. 

Nach  einer  allzu  unglücklichen  Schlacht  mit  Aretas 
erbittet  Antipas  vonTiberins  und  erhält  den  Befehl :  Vitel- 
lins,  der  Prätor  Syriens«  solle  den  Aretas  bekriegen  und 
lebend  oder  todt  dem  Imperator  liefern.    (Die  Schlacht 

stlbst  mufs  später  als  des  Täufers  Hinrichtung  im  a.  Dion. 
30,  doch  aber  so  nahe  erfolgt  seyn^  dafs  man  sie  als  Gottes 
Strafe  wegen  der  Enthauptung  des  Täufers  deuten  konnte.) 

VItellius  (dem  Antipas  auch  sonst  nicht  geneigt) 
üar  endlich  mit  einer  Hauptrüstung  gegen  den  Araber 
(Kleineres  mag  vorher,  um  Herodot  und  Tiberius  zu 
befriedigen,  geschehen  seyn)  erst  bis  Ptolemais  und  auf 
dasgrofse  Blachfeld  {^iyaTtiStov  vorgerückt,  als  er  zu 
Jerasalem  des  Tiberlos  Tod  erfuhr,  also  nach  10.  Märs 
37.  Dion. 

^  Damals  also,  da  Aretas  mit  Herodesf  und  dessen  Be* 
tthütaer,  Tiberius  im  Krieg  war^  der  syrische  Prätor 


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•44 


Kttl  Mfitef  filier  düie  ClMNHMlogi« 


aber  bis  37.  mit  dem  Krieg  wenig,  uncl  unter  Cajus  gar 
keinen  Ernst  inachte,  mochte  Aretas  wohl  Damas- 
kus occupirt  baben,  nämtich  3  —  4  Jahr«  nach  Jew 
Ted,  da  SaoJiu  aus  Arabieo  nach  Dama8ktts  mrOckkam 
und  die  Judes  gerne  dort  ihn  yerhaftel  hätten«  Apg.  9, 21k 
2  Kon  11,  32.  Gal.  1,  17.  Die  daaiaskenische  Gegend 
hatten  früher  die  Romer  zu  Antoaiu«;  und  der  Kleopatra 
Zeit. an  Herodes  (L),  noch  ehe  er  König  wurde,  ver- 
pachtet. Arch«  15,  &  S.  518.  Leicht  kann  sie  also  da* 
mab,  da  Saulua  dort,  3  Jahre  oach  seiner  Bekehrung, 
vom  arabischen  Ethnarch  (!)  verhaftet  werden  sollte, 
an  den  Araber -König  auch  verpachtet  gewesen  seyn. 
Selbst  dies ,  dafs  Aretas  Ober  (xamalitische  Gegenden 
Streitigkeiten  mit  dem  Tetrarch  von  Galilfia  und  Peraa 
haben  konnte,  seist  vbraus,  daGider  Araber  in  Nord- 
osten vonPeräa  (im  Damasoenischen  Arabien)  Be- 
sitzungen oder  Ansprüche  hatte.  Denn  vom  Peträi- 
scheu  Arabien  lag  Gamala  so  weit  weg  und  war  durch 
Perfia  vom  Gebiet  des  Peträers  so  abgeschnitten,  dsft 
durch  Gamala  Aretas  cum  Krieg  gegen  Antipas  keines 
Vorwand  hätte  bekommen  Iconnen ,  wenn  er  nicht  van 
einer  andern,  ais  von  der  Peträischen  und  Peräischen 
Seite,  nämlich  von  Damaskus  her  in  einer  Beziehung 
auf  das  Gamalitische  gestanden  wäre«- 

Diese  Momente  deutlich  zu  fassen,  ist  für  die  neu- 
testamentiiche  Geschichte  und  Chronologie  bedeutend* 
Aber  ssugieich  läfet  sich  auch  die  Fragte:  Weicher 
Herodes-Philippus  denn  der  erste  Mann  der 
Herodias  gewesen  seyf  der  Entscheidung  näher 
bringen  und  eine  Lücke  in  Josephus  Arch.  17,  1.  be- 
richtigen.*) 


*)  Ich  wcUb  wohl,  dar«  dergleichen  BemuhnogeB  am  geaaae 
Sachken ntDisse,  nm  die  Grundlagen  aller  hlttoriwli-piy- 
chologischen  Interpretation ,  nicht  nadi  dem  Zeilgeechmaclt 
Derer  sind,  welche  alles  aus  dem  reHglSaen  Bewuftteeyn  nad 
der  chrietUcb-evangeliechea  Geeinnaag  genomniea  haben  «ellMi 


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ini  Leben  4et  Apost.  Paalu«.      ,  845  - 

Nach  Arch.  17,  10.  S.  599.  war  <ler  Tetrarch 
PbiiippQs  ein  yvifjaLog  aSßXcpog  (=  ?oii  Vater  und 
Mttiter  her  Bruder)  de«  Archeiav8|  welchen  Au- 
pistss  saoh  dem  drilteo  und  leizteo  Testament  Herodee 
.ihiL  som  Bthnarch  von  Judäa,  Samaria  n.8.  w.  machte. 

Herodes  Antipas  war  auch  des  Archelaus  Bruder 
Tdn  derselben  Mutter,  einer  Samariterin,  Arch.17,1, 
Namens  Mai^hake,  Arch.  1?,  12.  S  605. 

Dennoch  sind  in  Josephus  Aufzählung  der  9  Frauen 
(welche  Herodes  L  zu  gleicher  Zeit  hatte)  und  der  Kinder 
derselben  Arch.  17,  I,  S.  584.  nur  Antipas  und 
Archelaus,  nebst  einer  Tochter,  Olj^mpias,  als  Kinder 
ebenderselben  Mutter,  der  Samariterin  (Marthake)  ge* 
nannt,  t^p  ds  sv  raig  jvvaL^i  HifU  tov  l^iiage&v 
&yovg  fua*  xat  naiSiC  avry  AvTi%ag  uai  Ap;^eAaog 
xai  ^xyyaTTiQ  OXvfinLag  ... 

Hier  mufs  also  der  NanM  des'' Philippos,  des 
nachmaligen  Tetrarch  von  Eatan ea  u.8.  w..^osgefaU 
Un  sejn.    Denn  als  yvi^aioq  adiXtpog  von  Archelaus  , 

rnUiste  er  dort  mitgenaont  erscheinen. 


ond  da«  übrige  nur  snr  nieder on  Wirliliclikeit  tecbaen.  Aber 
—  religioMs,  ebrUflichet  Bewiir«ttejo  mU  jeder  Cliriel  lishea. 
Wosn  dann  theologieelie  Stadien,  wenn  der  Leitrer  nieht  aucli 
noeli  maneliee  baben  eell ,  wna  der  Laie  nfciit  eo  leiclit  «icii 
erwerben  irnnn.  Allerdinge  teilte  keiner  bei  theplogiieben  Stu- 
dien bleiben,  der  Klebt  rellglSe«!,  eTaagelieebe  Geelnonag  baben 
will.  On  ne  pmä  pa9  DrolemeRt  UMogiea,  tam  wmr  de 
In  BtUgiim»  Aber  der  tlieolegfaebe  Lebrer  der  Nichtgelebrten 
ioll  sich  Bttgleich  w  allee  dae  bemüben,  wodurcb  er  dleten 
daa  Rellgldie,  beeeadere  daeBibllicbe,  veretänlllieher,  aneebfln-- 
Uchor,  glanblleber  an  machen  Termag.  Alidaaa  wird  der  geitl* 
liehe  Lehreretaad  die  Jetiige  Gefabr  abwenden,  fär  entbebrllch 
gebidten  in  werden.  Wer  In  eelner  Sache  eo  au  Hance  leC, 
.  dab  er  Grofeee  and  Kleince  den  Andern  aue  eelnem  Vorrath 
hervorheben  bann,  der  wird  ale  nnentbehrllch  gelten.  Matth, 
la,  ftS.  YoraftmUeh  deewegenp  Terbreifete  ilch  daa  Urchriiten- 
thom  eo  eciinell,  well  ee  mit  aelnen  moraliach*  heiligen  'Wahr- 
h^ten  ihf rall  hielatlech  anfltal  I 


• 


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846  Karl  Schräder,  über  die  Cliroiiologie 

Ebenderselbe  nachmalige  Tetrarch,  Philip- 
pus, war  aach  mit  Arch>elau8  awgleich  von  Heco- 
des  I.  im  xw«Uea  Testament  zut ftckgeaetat^  wd 
Antipater  sie  beide  dem  Vater  verdächtig  gemacht 
hatte.  Arch.  17,  8.  8.  &95.  Dagegen  hatte  Herodes 
damals  den  Jüngsten  (nach  K.  IL  S.  604.),  den  An- 
tipas  zum  Haupterben  ernannt.*  —  Im  dritten  und 
letzten  Teatament  hingegen  —  Arch.  17  ^  10.  S.  6881 
war  Archelaaa  ala  Haupterbe,  Aotipaa  als  Tetrarck 
Ton  Galiläa  und  Peräa,  Philippus  als  Tetrarch  tob 
Trachonitis,  Gaulonitis,  Batanäa  und  Paneas  bezeichnet. 
Man  sieht  also,  dafs  diese  Drei  gewöhnlich  miteinander 
verbunden  wurden,  und  überzeugt  sich  um  so  melir, 
dafs  in  der  Einen  Stelle,  wo  Philippus  auch  ab  jvnio^toi 
adskfpog  des  Archelaus  genannt  gewesen  seyn  mnb 
(S.  584^  Arch.  17,  1.)  dieser  Name  nur  auSjSfefallen  sejro 
kann.  Ayrtjra^  xac  ^^iki^nnog  xai  AQ)(^6Xaog  u.  s.  w. 
mfissen  als  Sdhne  der  Samariterin  genannt  gewesen 
seyn.  Diese  machte  Herodes  im  dritteo  und  leisten  Te- 
stament regierend.  Augostos  liefe  es  dabei ,  liiigeacblst 
Antipas  nach  dem  z w ei ieii  Testament  Haupterbe  zu  werden 
versrichte  (Arph.  17,  11.  S.  604.),  und  die  übrige  He- 
rodische  Familie  den  Archelaus  am  wenigsten  erhöht 
sehen  wollte» 

Dagegen  ist  nun. erst  derjenige  Herodes  Phi- 
lippus bestimmt  zu  finden,  welcher  als  Bruder  de» 
Antipas,  aber  nicht  als  Sohn  derselben  Mutter 

i=  ov^  oixo^qT^Log  f  die  Heiodias  zuerst  zur  Fras 
g*ehabt  hatte.  Dieser  Herodes  war  nach  Arch.  18,  T 
S.  62&  Sohn  der  Tochter  des  Hohepriestern 
Simon.  Als  solcher  ist  er  auch  Arch.  17,  1.  (S.  583. 
unten)  aufgeführt  Unter  den  9  Frauen  des  Herodes, 
die  er  nach  Ermordung  der  Mariamne,  zugleich  hatte, 
war  Doris,  Mutter  Antipaters  (des  noch  vor  dem  König- 
thum gebornen,  ältesten,  lange  intrikierendeu  Merodes - 
Sohns)  dio  erste,  alsdann  ^vyarriQ  tou  ctQx^^^i 
c|  ig  nai  Avowiiog  at>T^  (Herodi  I.)  y^aig  ey^yoviL 


4 


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4 


im  Leben  des  Apoit  Paola«. 


847 


Auch  Arch.  18,  7.  S.  628.  bemerkt  abermals,  dafs  der 
erste  Mao»  der  Herodias,  Soha  d€r  JVIariamiie  (Ii.))  Uec 
Tochter  des  Hoheopriestere  Simoo  geweeea  eey,  und 
dab  sie  eine  Tochter,  ftalame  gehabt  haben.-  (Diese 
Salome  wurde  nach  Arch.  18,  7.  S.  628.  oacMier  Ge- 
mahlin des  Tetrarch,  Philippus,  welcher  also  um  so 
gewisser  niclii  der  erste  Gemahl  der  Herodiaii  gewesen 
seyn  kana.  Er  müfste  seine  eigene  Tochter  geheirethet 
haben.) 

Den  Sohn  der  Hohenpriesterstochter,  Herodes  ge- 
nannt, hatte  Herodes  I.  im  ersten  Testament  Arch.  17,  4. 
&  &86.  zum  Haupterben  eingesetzt,  aui  den  Fall,  dafs 
der  znerst  eingeset^  älteste  aller  seiner  Söhne,  Anti- 
pater,  Dorissohn,  früher  stürbe.  Als  nachher  Herodes  L 
die  Mutter  Yerstiers  —  Arch.  17,  6.  S.  580.  —  strich 
er  auch  ihren  S^ohn  g^anz  aus  deai Testameat.  (Daher 
kaui  dann  Herodes  I.  später  darauf,  die  3  Söhne  der  Sa* 
maritanerin)  Archelaus,  Philippus  und  Antipas  regierend 
sn  machen.  Der  Herodes  der  Hohenpriesters- 
tochter aber  war  seitdem  Privatmann  und  nur 
ärmerer  Miterbe  am  Priv^tver mögen  des  Va- 
ters.) 

Da  der  erste  Mann  der  Herodias  nach  Joseph uss  aus- 
drücklicher wiederholter  Versicherung  Sohn  der  Hohen- 
priesterstochter  war,  nach  Matth.  14,  IL  aber  der  erste 

Mann  der  Herodias  auch  Philippus  hlers  und  eben 
«lieser  Philippus  der  Herodias  nach  Arch.  18,  7.  S.62& 
nicht  za  Rom,  sondern  an  einem  Ort  wohnte,  wo  ihn 
Antipas,  erst  nach  Rom  reisend,  besuchte,  ihm  die  He* 
i^ias  abdingte,  aber  bis  er  von  Rom  surOckkam,  noch 
fcei  ihm  liefs,  so  finden  wir  wahrscheinlich  eben  diesen 
(Herodes-)  Phil  ippus,  nach  Arch.  17,  12.  S.  610. 
in  Syrien  bei  dem  Prätor  Varus  sich  aufhaN 
tsod.  Dorl  war  ier  offenbar  Privatmann.  Der  Prätor 
fOhickt  ihn,  während  Archelaus  und  Antipas  vor  Augustus 
■•ö  die  Hauptherrschaft  stritten ,  aus  Syrien  nach  Rom, 
^leils  um  ilen  Bruder  (Archelaus) ,  welchem  Varus  wohl- 
wollte, beizustehen^  theils  um,  wenn  getheilt  würde 


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816  Karl  SeliTail«r » .ft^/d.  ClinnHi1#gie  Im  hihw  d.  Apoil.  Putvc« 

auch  einigen  Antlieil,  uoigav  Tiva,  zu  hekoiimien.  Währ- 
scheinlich  war  dann  derseifie,  nachdem  das  Herodesreich 
ohae  ihn  besetzt  war,  wieder  ia  Sj^rien  bei  dem  römi- 
sehen  Prfttor  voo  Syrien,  weicher  gewöhnlich  zu  Antio« 
chia  resMirte.  Bei  diesem  nähm  der  aus  Galiläa  meh 
Rom  reisende  Tetrarch  Antipas  Abschied,  wurde  dort 
in  Herodias  verliebt  und  konnte  wahrscheinlich  mit  dem 
ärmeren  Bruder  über  sie  accnrdiren,  so  dafs  <heser  sie 
mit  einem  Scheidebrief  entiiefs.  Johannes,  der  Täufec, 
sab^  strenger  der  Intrike  suf  den  Grund,  da  nach  jüdt* 
scher  Sitte  besonders  Ehen  mit  des  Bruders  Frau ,  wess 
diese  Kinder  hatte,  sehr  miisbiiügt  wurden. 

Ein  dritter  Herodessohn ,  auch  Philippus  genannt, 
war  nach  Arch.  IT,  1.  S.  584.  von  einer  Kleopatra,  einer 
Jerusalemitin ,  erzeugt.  Von  diesem  sagt  dort  Josephus 
ausdrücklich :  6g  xat  atnog  ev  Vq^ih  rgocpag  etx^v- 
Wahrscheinlich  blieb  dieser  zu  Rom/  Er  beweist  aöf 
jeden  Fall ,  dafs  Herodes  I.  zwei  Sdhne  von  vefschiedeneii 
Frauen,  Philipp  benannt,  hatte,  den  Tetrarch  und 
diesen  Kleopatrasohn.  Um  so  eher  ist  anzunehmen,  daft 
auch  der  Sohn  der  HohenpriesterstocIUer  diesen  Bei- 
oamen  haben  konnte,,  also  3  Philipp!  unter  des  He- 
rodes^  iSöhnen'  waren. 

Je  schwieriger  und  für  die  meisten  unangenehmer 
die  Eniwicklangen  solcher  Individualitäten  seyn  mögen, 
d«sto  nöthiger  ist  es,  dafs  Gefibtere  sie  durch  wieder- 
holte Uiitei>.iichwng  der  vorhandenen  UeberiieferungeD 
zu  entwirren  streben.  Von  dergleichen  iu  einander  ver- 
schlungenen Zeitumständen,  so  kleinlich  und  veraltet si« 
seyn  mAgeai  ist  nicht  selten  eine  zuverlässigere  Bis" 
sieht  in  bedeutendere  Begebenheiten  abhängig.  Geriw 
hier  iät  dies  sehr  der  Fall. 

i^Ücr  üeschlujs  folgU)  ' 


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N°.54.   HEIDBLB.  JAHRB.  D.  LITER ATUA.  188S. 

k 

•  X 

♦ 

I 

Karl  Schräder ,  über  die  Chronologie  im  Leben 

des  Apostel»  Paulus. 

r 

b  der  SpeciilgeiehichlA  der  Bnlelehiiiig  -  des  Chii« 
ftenilhmtis  durch  die  wesigea  Wirksamkeitsjahre  Jesu 
uüd  der  Apostel  bleibt  manches  sehr  dunkel  oder  ist  auf 
sehr  verschiedeae  Weise  zu  beurtheileo ,  je  nachdem  die 
rkhtig^e  Zeitrechnung  beobachtet  oder  zum  wenigsten 
iheraehen  wird ,  diiCs  vnsere  kircbUche  Chronologie 
«»D  der  wahren  Zeitrechnung  des  Lebeua  Jesu  immer 
um  3  Jahre  dilferirt,  folglich  die  Apostelzeit  nicht,  wie 
der  Verf.  S.87.  anniomit,  im  dionysischen  Jahr  35,  viel- 
mehr echoo  am  Ostern  des  Jahres  31.  unsrer  Aera  a»* 
fsbngen  hat  Daher  kann  und  mufs  dean  auch  dio  li»« 
ktoizeit  des  Apostels  Paulus  und  die  Zeit  seiner  Bekeh- 
«n^  um  mehrere  Jahre  früher  gesetzt  werden,  als  der 
Verf.  es  berechnet,  weil  er  sich  durch  eine  uabestimm- 
lere  Stelle  des  Josephus  sogar  zu  der  Voraussetzung  be-* 
Siefs  9  dab  die  Kreuzigung  Jesu  nicht  iqd  Dion» 
Mir  Sl^  sondern  imht  früher,  als  Ostern  8&  gesche-*  ^ 
hen  sey. 

Selbst  die  gewöhnliche  Voraussetzung,  dafs  die  Be- 
iiehrung  des  $aul  nicht  schon  im  ersten  Jahre  der  Apo* 
Hdsdt  s=3  zwischen  Ostern  mmi  Dion.  81.  und  32.  ge- 
Mhehen  eeyn  kdnne,  entsteht  nur  aus  einer  nichtpragma- 
tischen  Gewohnheit,  dais  man  als  Schriftausleg^er  für 
Erzählungen,  bei  denen  wir  jetzt  uns  ziemlich  lange 
anfzuhatten  pflegen ,  z.  B.  für  die  9  ersten  Kapitel  der 
A^telgeschichte,  auch  in  der  Wirklichkeit  eine  gtir 
laoge  Zeit  anzuDehmen  wie  durch  ein  Gef&hi  der  Zeii* 
lange  bewogen  wird.  Psychologisch  betrachtet  aber 
sind  vielmehr  die  Einrichtungen  der  Muttergemeinde 
za  Jerusalepi,  wie  sie  in  den  Kapiteln  1,  2,  3,  4«  bis 

nyi«  Mug.  9.  Hell/  54 


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Jl^  Karl  Schräder  f  über  die' Chronologie 

Vs  12.  ♦)  6,  6,  1,  8.  bis  Vs  3,  ind.  9,  1  —  22.  be- 
schrieben werden,  offenbar  Folgen  eines  nocli  ganz  fri- 
«cheq  Bathnsiasmos,  welcher  ntch  seiner  Nalor  achaeii 
das  Unerwartete  bewirkt,  aber  eben  deswegen  auch  nicht 
gar  lange  in  gleichem  Grade  fortdauert. 

Der  gewöhnli(  hen  Annahme,  wie  wenn  bis  zur  Be- 
kehrung des  Saulus  eiae  Reihe  von  Jahren  vergangeo 
wftre,  ist  auch  dies  entschieden  elntgegen,  dafli  die  sad* 
'dueäisoheii  Hohenpriester  und  Ma^ffiaten,  welche  Jesos 
mit  solchem  Ingrimm  ans  Kreuz  gebracht  hatten,  uii- 
ni^glich  nun  mehrere  Jahre  lang^  die  Verbreitung  dieser 
Neume8sianer  mitten  in  ihrer  Tempeistadt  mit  so  viel 
Nachgiebigkeit)  als  mao  gewöhnlich  veraussetsrt ,  hätten 
«ich  entwickeln  lassen  kdnnen.  Die  in  Apostg.  4,  C 
aufgezählten,  Hannas,  Caiphas  und  ,  wa^  an  dieser  herr- 
schenden Priesterfamilie  hing,  müf^iten  mit  einem  Male 
ihre  Natur  geändert  haben,  wenn  sie  nicht  schon  im 
ersten  Jahre ,  aber  methodisch  und  stnfenweise ,  auf  die 
Vemiehtuflg  einer  Pttithei  hingearbeitet  bitten,  dieehae 
Zweifel  nicht  einmal  zu  Jerusalem  sich  zu  bilden  und  zu 


*)  Die  Reile  6iimali«lt  tcasn  naeli  ihrem  Inhalt  9,  SS.  ST.  alchc 
For  ,deiB  Jahr  46. 41.  «e  geeproehcn  wotdea  aeya,  Jndae  Im 
tta  aach  Aich.  20,  a.  a  IHM»,  «nter  Tmim  «.BlOT.a9,  «eflihv 
dee  Jadas  Galil.  natev  der  Pracaratur  de«  Ateiandoffa  a«  41« 
fHier  47*  Dal^  Lakaa»  der  anter  den  Angea  dee  Faalua  aa  Rom 
«chrieb,  hier  Irrige«  eingetragen  habe,  Ist  gar  nicht  wahr- 
scheinlich.   Oer  Text  erfordert  nur  eine  Terheeeerte  fnter- 

Mcu  m^wmn  t^  eulav  fma  rmna,    Sa  ««It  Ist  die  Bada 
.  Tliiuidaa  aad  daüea  Anhaag,  AMaan  Vi^avt  «te  «eoa  0«' 
-    e^ala-^Snahliiagt  lapget  achon)  J^wSec  ^  JViA^syr'j^ 

Tpfi  a«ry|gia<pi^(  nater  <(airinlna  nach  des  Atphelaae  AbeelvaDS 
in»  a.  Hion.  8— >9»  lu  ofirm»  Aoov.  oti^  cBtTW^ntaiimo^  enewln» 
(Cr  eelbet  echon  lange).  Kot 

«i^Siy^ae.  Der  grurree  Anhang ,  der  den  Juda«  aelbat  üfcaiMt 
hatte,  wht  aeit  a.  Dana*  46*  ader  47*  aotetrent,  da  Alanvd"' 
Z  eeiaer  SShae  ing  and  hrevaigen  Her«.  Eingeiiif^rt  !•>  die 
Rede  GamaUels  vor  der  viel  früheren  Ervahanag  der  Diaiceoei 
and  des  Stephanas,  weil  Luha«  die  Welse,  wie  die  Saddncler 
gegen  die  12  Apostel  procedlrtea,  nasaannea  hatte  ÜMsaa  «aUss. 


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im  Leben  des  Anmi.  PaiiIua.  851 

bleiben  vermocht  h^tie,  wenn  nicht  die  grausame  Mifs- 
haadlung  Jesu  bei  vielen  vom  Volke  einen  Abscheu  gegen 
maß  Vetfolg«r  erweckt  hätte,  welcher  deo  Nachgeblie* 
beoen  wenigstene  mehr  SchntSy  ab  de  anfangs  sdbfl  ^ 
erwarteten,  gewährt  hat. 

Der  Verf.  rii<  kt  tiie  Bekehrung  des  Saulus  und  seine 
dreijährige  Abwesenheit  in  Arabien  «ehr  weit  hinaus  und 
«bait.deewegaa  einen  ziemlich  kurzen  Zeitraum  für  die 
ifl  Apostg.  9,  M.  und  Gal.  1,  21.  angedeuteten  Brfolge, 
dafs  der  3  Jahre  nach  seiner  Bekehrung  erst  nach  Jeru- 
salem auf  14  Tag-e  gekommene  Saulus  von  dort  nach 
Syrien  und  Cilicien  gekommen  sey,  bis  ihn  JBarnabaa 
Bit  Jahr  vor  dem  TiKie  dee  Königs  Agrippa,  aiao  im 
i.  Dien«  43.  in  die  Ifutterstadt  dea  Heidenchrislentfaums 
Antiochia  von  Tarsus  herüber  geholt  habe.  Er  nimmt 
deswegen  an,  dafs  8auls  Bekehrung  in  der  Mitte  desDion. 
Jahres  39.  erfolgt  sej,  nachdem  er  beinahe  4  Jahre  (?)  ^ 
diaChriaten  verfolgt  habe.  Für  den  Aufenthalt  in  Cili* 
den  aber  denkt  er  sich  dagegen  nur  ungefähr  ein  halbes 
Jihr;  und  doch  finden  wir  in  dem  späteren  bekannteren 
Leben  des  Apostels  keinen  Zeitraum,  wo  ihm  alles  das 
iiätte  begegnet  sejn  können,  was  er  Z  Kor.  11,  28'<«^8SL 
m^sich  selbst  andeutet 

Umgdiehrt  halte  Ich  deswegen  auch  aus  diesem 
flnmde,  weil  alle  jene  Lebenserfahrungen  einen  aiemn- 
.  ßch  langen  Zeitraum  voraussetzen,  die  Wahrscheinlich- 
keit für  überwiegend ,  dafs  die  Christianisirung  Sanis 
schon  gegen  Ende  des  ersten  Aposteljahrs,  seine  erste 
Baise  na^  Jerusalem  also,  da  er  8  Jahre  abwesend  ge- 
wesen war,  in  das  4te  Aposteljahr  oder  a.  DIon. 84.  ge«- 
Wlen  sey.  Seine  darauf  erfolgte  grofse  Thätigkeit,  von 
welcher  wir  aber,  wenn  sie  nicht  2  Kor.  11,  uns  in  den 
gedrftngtesten  Angaben  doch  gleichsam  vorgerechnet 
«Ire,  gar  nichts  wissen  könnten,  erhält  alsdann  in  seinem 
Ubenslanf  vom  a.  Dion.  85.  bis  42.  einen  Wirksamkeits* 
'aum,  wie  sie  ihn  nothwendig  zu  erfordern  seheint. 

Für  die  übrige  Berechnung  der  Lebenszeit  des  Apo- 
fitda  ist  nichts  nothwendiger,  als  eine  richtige  Bestim«^ 


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852  Karl  Schräder,  über  die  Chronologie 

.  mung  der  ersteo  Bekehrungen  in  Neu  -  Galatien ,  da 
Derbe,  Lystra  und  die  umliegende  Gegend,  wo  Paulus 
und  Barnabas^  schon  nach  Aposti^.  14,  V.  Christenge- 
meinden gesammelt  und  geordnet  haben ,  damals  un- 
streitig zu  Galatien  gehoi  teii  und  daher  der  Brief  an  die 
Galater  vor  jene  Zeit  zu  setzen  ist,  wo  nach  Apostg.  15. 
erst  wegen  der  Gemeinschaft  zwischen  Heiden  -  und  Ju- 
^denchristen  vier  Dogmata  oder  Bedingungen  festgeeetst 
wurden,  von  denen  im  Galatischen  Brief  noch  keine 

Spur  ist,  und  die  doch  Paulus  nach  Apostg.  16,  1  —  4. 
auch  nach  Deibe  und  Lvstra  zu  bringen  sich  lieeilte. 
Sonderbar  scheint  mir  dagegen  die  auch  in  den  neuesten 
Erklärungen  des  Galaterbriefs  grundlos  und  bioe  nadi 
der  Herkdmmlichkeit  beibehaltene  Hypothese,  dafs  GaL 
2,  1.  von  der  dritten  Reise  des  Apostels  nach  Jerusalem, 
d.i.  von  dem,  was  Apostg^.  15.  erzählt  wird,  zu  ver- 
stehen sey  und  also  in  der  i^eitordnung  diesem  (frühe- 
sten) Briefe  des  Apostels  vorausgehe.  Möchte  man  doch 
die  bei  jeder  Untersuchung  allein  zur  Wahrheit  fühl'ende 
Methode  auch  hier  anwenden ,  dals  wir  nämlich  niemals 
das  Herkömmliche  blos  deswegen ,  weil  es  das  Ange- 
wohnte ist|  als  feststehend  voraussetzen  und  alles  Andere 
nur  wie  eine  gewagte  Opposition  durch  allerlei  anaw»- 
chende  Antv^orten  zurückweisen  zu  dfirfen  'meinen,  da 
wir  vielmehr  immer  auch  das  Herkömmliche  zuvörderst 
nach  seiner  Begründung  strenge  zu  befragen  und  blos 
wenn  diese  hinreicht,  als  etwas  Festes  anzuerkeuuen 
haben. 

Gerne  beschränke  ich  mich  aber  hierüber'  auf  die 

Bitte,  das  in  meiner  Erklärung  des  Galaterbriefs  voll- 
ständiger Dargelegte  nicht  blos  umgehen,  sondern  prüfen 
zu  wollen,  weil  in  den  früheren  Theii  der  apostolischen 
Wirksamkeit  Pauli  ohne  die  wichtige  Zeitbestimmung 
der  galatischen  Bekehrungen  kein  heller  Zusanmienhang 
gebracht  werden  kann.  '  Eben  so  gewifs  hindert 
Vorurtheil ,  wie  wenn  der  Brief  an  die  Philipper  nicht 
aus  dem  Prätorium  zu  Cäsarea,  sondern  zu  Born  (wo 
doch  Paulus  nicht  im  Prätorium  verhaftet  war,  sondern 


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I 


im  Leben  d«e  Apoet.  Paula«.  85$ 

ugeBßhlomea  an  eineb  Wächter  in  eigener  Mieihe  wohaeo 
durfte)  geschrieben  worden  sey,  durch  mancherlei  damit 
verbundene  Umstände  eine  ineinandergreifende  Einsicht 
io  die  späteren  Briefe  und  das  Leben  des  Apostels  zu 
Rmd.  Darauf  aber  hier  einsngeheni  kann  der  Raum 
■Dg  nicht  erhinben. 

^  Der  schwierigste  Punkt  in  den  für  die  apostolische 
Chronologie  nothwendigeti  Voraiissetzungeu  scheint  in 
der  Besiioiuiuog  der  Prokuratur  des  Felix  als  Bruder^ 
von  Pallas  überSamarien  oder  über  ganz  Jndäa.za  liegen. 
Jesephns  giebt  weder  io  der  Archäologie,  noch  im  jfidt- 
sdien  Krieg  irgend  eine  Spur,  dafs  bei  den  Klagen,  die 
mau  gegen  <len  Procurator  Cumanus  hatte,  auch  Felix 
compromittirt  gewesen  sey.  Tacitus  hingegen  in  Annal. 
12,  54.  bemerkt,  beim  12ten  Regierungsjahr  des  Clau- 
dius, d.i.  bei  ann.  Dion.  äSt- — &3.  sehr  speciell,  daft 
die  Provinz  Palästina  eigentlich  getheilt,  die  naiio  6a- 
Ulaeorum  unter  Cumanus,  die  Samaritaner  aber  unter 
Felix  gestanden  hätteq.  Bei  Joseph us  ist  offenbar  Cu- 
manqs  eigentlich  für  die  Samariter  eingenommen  und 
vielmehr  den  Galiiäern,  durch  deren  Ermordong  die 
Smaritaner  den  Streit  r^ngefangen  hatten ,  und  den  Ju* 
dätjro,  welche  sich  der  Tempelbesuchenden  Galiläer  an- 
nahmen, mit  Unrecht  entgegen.  Davon  aber,  dafs  der 
jtetthalter  von  Sj^rien,  Quadratus,  den  Felix  mit  auf 
den  Bicbterstuhl  geisetzt  habe ,  ist  bei  Josephus  keine 
l^r.  Dennoch  aber  mfifste  aach  nach  der  Rede  des  ^ 
Paulus  Apostg-.  24,  10.  l'elix  ix  noXXav  eTO}v  xiJCTfig 
Tö  i^vet  TOVTC^  gewesen  seyn,  und  diese  Rede  scheint 
iaid  nach  Pfingsten  des  ann.  Dion.  55.  ausgesprochen 
ifardea  m  seyn,  so  dafs  zwischen  ihr  and  der  Absetzung 
des  Camanos  nur  das  Jahr  58.  und  54.  gefallen  seyn 
köante. 

•   Wenn  dennoch  Tacitus  recht  hat,   dafs  Felix  im 
Jahr  52.  jatn  pridem  Judaeae  impoßUus  gewesen  ,  sey 
isd  besonders  die  Samaritaner  ihm  untergeben  waren 
(Fefict  Samßriiae  pareretä)^  so  wäre  eine  Vereinigung' 
dieser  verschiedenen  Nachrichten  vielleicht  nur  -  dann 


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8M  lUtL  Sclifader»  über,  die  Chronologie 

flodf  lieh ,  weno  man  aniiehmen  dikfte ,  dafs  Felix  umf 
voa  Clandlua  eine  gewisse,  nostreitig  einträgliche»  Aof** 

sieht  aber  Judäa,  d.  i.  Palästina  überhaupt  und  besonderi 
über  Samarien  erhallen ,  aber  nicht  die  Obliege»heit 
gehabt  hätte,  .gewöhnlich  selbst  in  der  Provinz  gegen- 
wärtig ZQ  seyo.  Nach  Suetonins  vit.  Claud«  28.  war  fiiöi- 
lich  Felix  nicht  blos  durch  seinen  Brnder^  sondern  aadi 
für  sich  selbst  bei  Cäsar  Claudius  begünstigt.  Ckmdk» 
libertorum  praecipue  suspexii  .  .  .  Felicem,  quem 
cohortibua  et  alis  provinciae  Judaeae  prae- 
posuit  trhtm  regbunwn  mcnitum.  Einem  sokhao 
Gfinstling  konnte  dann  vielleicht  eine  der  Gewinnsadit 
erwünschte  Aufsicht  über  jene  zum  Aussaugen  bestlnMlfe 
Provinz  eingeräumt  seyn,  ohne  dafs  er  gewöhnlich  von 
Bom  abwesend  seyn  mufste.  So  etwas  mochten  auch  seine 
zwei  ersten  Frauen  wohl  leicht  anders  einleiten  können.  Ab 
Bude,  da  die  Anfragen  gegen  Cumanns  zu  heftig 
worden  waren ,  scheint  Felix  dann  doc^b  selbst  in  'W 
Provinz  gereis't  zu  seyn;  der  syrische  Prätor  Quadratus 
aber  war  wohl  klug  genug,  um  den  Günstling  des  Glau* 
dius  über  das,  was  in  dessen  Abwesenheit  geschekü 
war,  lieber  wie  Richter,  als  wie  Mitschuldiger,  m-tHh 
handeln.  Nachher,  da  im  Oktobeir  Dion.  S4.  Nerell 
gierung  anfing,  Agrippa  IL  aber  die  Tetrarchie 
Philippus  von  Nero  bestätigt  und  vermehrt  erhielt,  setste 
Nere  zugleich  den  Felix  zum  intgonog  el^  m^i^  koiKp 
*Iovdaion^9  d.  h-  ttber  den  ffrdftten  Theil  voi»  gao^l^ 
lästin^  Jid«  Kr.  2,  22,  S.  706.  Ton  da  in  fti«fstf»dril 
Felix  in  der  Provinz  seyn,  weil  Nero  dem  Pallas  tfB^ 
jeneb  Freigelassenen  überhaupt  nicht  sehr  geneigt  war. 
Als  nun  aberPanlus  nach  Pfingsten  des  folgenden  Jalires 
seine  Vertheidignngsrede  vor  Felix  Stt  halte»  ^katts, 
konnte  er  dennoch  darauf  sich  beziehen,  dafs  Peihf  i^t^ 
von  längerer  Zeit  her  unter  Claudius  ein  Richteramt  äWf 
das  jüdische  Volk  gehabt  habe.  Selbst  der  Ausdrssk 
des  Apostels,  dafs  Felix  „tw  tdvet  rovTta  seit  vielös 
Jahren  Richter  gewesen"  mj,  nohehltaMliigihi^h^ 
erkläret  zu  hsseo,  daft  Felix  besondei« 


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m§e»eUi  gewesto  iqrs  wlUei  Weil  «in  Hebräer  dim 
«8  80  eigieotUch  ra  86100111  «dyoc  rechoete. 
,  Folix  war,  so  glaube  ich  eine  Einst! miuu  11g  zwischea 
Tftoilss  und  Josephus  vermutheo  zu  dürfen,  unter  Clau- 
(UiM  mei«4  mit  seiiifia  voroehmeu  Frauea  zu  Hom,  den- 
noch  aber  „Judaeße  imposUu»,"  d.  i.  mit  dor  eiutrif* 
fichen  Aofsicbt  über  den  grdfeteo  Theil  von  Palästina, 
welcher  nicht  mehr  der  Herodischen  Familie  übergeben 
war,  ausgestattet,  jedoch  so,  dais  Cumanus  dort  gegen- 
wärtig se^Q  aiufste,  Felix  hing;egen  von  Rom  aus  uiög« 
liehst  die  Vortheilo  besonders  aus  Saniarien  bezog.  Den 
Ssoiaritanern  waren  überhaupt  die  Römer  günstiger,  ab 
dsn  Joden,  weil  dieselben  sich  ihnen  immer  eher  anbe- 
quemten. 

Nero  nahm  zwar  schon  in  seinem  ersten  Regierungs- 
jahr  ss:  Dien.  &5.  dem  Bruder  des  Felix,  Pallas,  die 
füTse  Verwaltung  der  Staatsrechnungen  ab.  Tac.AnnaL 
IS,  14.  Dennoch  fiel  des  Pallas  Ansehen,  so  lange 
noch  die  ihm  ganz  hiogeg^ebene  Agrippina  sich  erhielt, 
also  bis  in  das  5te  Neronische  Regierungsjahr  =  59, 
ttiofat  ganz,  wie  dergleichen  festgewurzelte,  reiche  Höf- 
luge  wenigstens  den  äuberfsn  Schein  der  Gunst  noch 
lange  zu  erhalten  verstehen.  Doch  war  Pallas  schon 
vor  dem  zweiten  Jahr  IVero's  (vor  dem  Okt.  55.)  nach 
Xac.  Ann.  lü,  23«  itaum  dem  Verdacht  einer  Verschwö- 
rang  g?gen  Nero  entgangen.  Und  eine  baldige  Zurück* 
teteung  auch  d^  Bruders,  Felix,  war  daher  (lange  vor 
des  Pallas  Vergiftung  =  a.  Dion.  62.)  bei  jeder  Voran* 
lassung  zu  erwarten.  Indefs  eHcligtt^  auch  wirklich ,  nach 
meiner  Zeitberechnnng,  schon  das  2te  Jahr  der  Verhaf- 
taug  des  Apostels 'zu  Cäsarea  nach  Pfingsten  nnni 
Dion*  67.  =  dem  Sten  Reg.  J.  Nero's,  wO  Apostg.  24,27. 
Velix  den  Pesttts  zum  Nachfolger  erhielt;  so 
dafs  Paulus  im  FXihjalir  58.  Rom  erreichte  und  im  Früh-  " 
jahf  60,  d.  h.  bald  nach  dem  Anfang  des  Oteu  Neroni- 
sehen  Regierungsjahrs,  jene  2  Jahre  sich  schlössen., 
weMie  Br  in  der  Verhaftung  zu  Bei» ,  nach  Apg.  2S|  80« 
«nC  eine  ziemlieh  leidUche  Weise  zugebiMlU  hftt.  Naob 


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^  656  Dr.  G.  W.  Böhmer 

Ermordung  der  Agrippina ,  wo  Sencca  und  Burrhus  nicht 
eininal  durch  halbe  ^Nachgiebigkeiten  das  dnrch  dei 
Knechtsioo  der  Meisten  gaoz  übermftihig  gemrd^n 
Kraftgenie  Nero's  vom  SdiltnimsteD  suHIcksciliaiteii  yer» 
mochten  (Tac.  Ann.  14,  13.  14.)  wäre  ohnehin  an  keine 
Schonung  gegen  Felix  mehr  zu  denken.  > 


Dafs  der  selbstdenkende  Verf.  in  den  beiden  folgen-  | 
den  Theilen  des  Werks  viele  interessante  Ansich- 
ten über  das  Leben  und  die  Lehre  dfs  Apo- 
stels theils  beweist,  theils  wahrscheinlich  m  macheii 
SBcht  vnd  dabei  dorchgän^i eben  soviel  Talent ,  als  Prei- 
sinn und  Darstellungsgabe  zeigt,  kann,- um  des  Raums 
willen,  hier  nur  angedeutet  werden.  Vielleicht  findet 
sich  eine  andere  Gelegenheit ,  besonders  Ober  Einen 
Hauptpunkt  in  der  Lehrdarstellung ,  oämiich  fiber  dM 
Ite  Kap.  dss  Bandes  8.  einige  nöthi^  scheinende  Unter» 
Scheidungen  mitzutheilen,  um  den  Grundsatz  desVerfs.: 
,,Der  Glaube  sey  nach  Paulus  die  wahre  Tugend  uod 
die  Tugend  sey  der  wahre  Glaube"  (&  188.),  mit  der 
Lehre  Ton  der  Ueberzeiigongstreue  in  diqenige 
Harmonie  zu  bringen  /  welche  nach  msiner  Binsid^t  die 
ächtpaulinische  ist. 

Dr.  Paulus, 

■ 

JFIe  QUich9tMung  der  Juden  mit  d^h  ekriMtUtheu  StuuU' 
hürgtrni  «aeft  tfrsr  Mb^kktU  md  WuhOokM  im  gUotüM' 
Ikhm  Beüpiüm  gez(dgt  von  Pr.  0,  IF.  Böhmer.  Geitüiem 
1888.'  FII«.iaS.  8. 

Der  für  Andeutungen  des  Guten  freisinnige  und 
kenntnifinreiGhe  Verf.,  weicher  bei  der  Umversitäts-Bi«- 
bliothek  zu  Gdttingen  den  bereits  bis  zum.  IZteo  Baads 

fortgeiückten  juridischen  Realkatalog  mit  anerkanntem 
Fleifse  bearbeitet,  giebt  hier  zuerst  einen  Ueberblick 
.  der  für  die  Verbesserung  der  Juden  und  ihres  Zustssdes 


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fdr  die  GleichtteUmg  der  iuübn  mit  den  Vebtigea.  891 

iMrkiHIrflfg'sieii  Sehriftiin  nnd  Verordnungen,  nnd  als* 
dami  8.  28.  bis  zum  Ende  Beispiele  von  moralisch  gutem 
Charakter  aus  specielleo  Uaudluogen  mancher  Mitglieder 
dieser  Nation.  Er  hatte  zu  einer  solchen  Schrift  um  so 
ttdur  Veraalaisiiog ,  da  sein  Grofsvater,  Juel*  Hea- 
oin^  Bdhmer,  der  uoTergefsIlohe  Darsteiler  and  Be- 
richtiger des  Jua  ecclesiaalicum  Proteatantmm^  sclion 
nOd  durch  eine  Dissertation  de  cauta  Jud,aeorum 
iolerantia  für  eine  umf^ichtige  bessere  Behandlung  der 
Mensehaft  .mit  philosophischer  und  staatsrechtlicher 
Giiadlichkeil  die  Bahn  gebrochen  hat. 

Das  allein  wahre  Mittel  dazu  ist  eigentlich  schon  in 
der  Reich^^polizeiordnung    vom   Jahr  1530« 
Tit.  27.  §.  12,  recht  gut  angegebeo.    Die  deutsche 
fieiclisregierung  wollte  dsmalen  schon ,  dafs  ^^sie  ihre 
Lsibeinahmng  haben  sollten."    ^^^fer  dann  Juden  bei 
ihm  leiden  will/*  sagt  der  weitere  Text,  „der  soll 
sie —  doch  dermafsen  —  bei  ihm  behalten,  dafs 
sie  sich  des  Wuchers  und  yerbotenen  wucher- 
litkeu  Kanfs  eothalten  und  ^mit  siem Hoher 
Hmdthierung  and  Handarbeit  ernähren,  wie 
eiae  Obrigkeit  dasselbe  einem  Unterthanen  und  dem  ge- 
nuinen Nutzao  zum  Besten  und  Träglichsteu  zu  sej^n  an« 
sehen  und  ermesseo  wird."    Ernährung  durch  ziem«- 
liehe  Handthieriing  und  Handarbeit-i  wie  sie 
dem  Einzelnen  und  dem  Ganzen  nützlich  ist,  dies  ist's,  was 
die  Staatsregierungen  nicht  vom  Belieben  der  Ungleich-  ^ 
gebliebenen  abhängig  bleiben  lassen  können,  vielmehr 
gegen  den  blos  vorgeblicheo  Ceremonienglauben  als  vorr 
ttofige  Bedingung  der  Menge  Torsohreiben  milssen. 
•  Böhmers  Dissertation  bemerkte:  dafe  diese  salu^ 
^erriina   c  onstitutio   hactcnus  plane  in  obser- 
^antiam  non   est  deducta ,  quanwis  optandum 
mei,  ut  deduceretur.    vergl.  dessen  Jus  eccl  protest, 
^  IV.  L  &  tiL  «.  §  a».    qnd  wahr  ist  ohne  Zweifel , 
difr  die  Anftmbme  zum  Handwerklemeo  und  in  Hand- 
^erksinnungen  häufig  erschwert  wurde.    Doch  aber  ist 
autder  an^a  Seite  auch  —  in  der  Wirkiictdieit,  da 


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888^  Dr.  O.  W.  Böbner 

maii  die  Menschen  nichl  aiiin  voraus  schon  so«  wie  .ab 
seyasoUea,  sradern  so,  wie  sie  siod,  m  nehnieii  hat  ~ 
nach  den  wählten  Ursachen,  waitint  es  bei  der  Aiffoafme 

211  1  laiulwei'kern  Schwierigkeit  hat,  zu  fragen.  Denn  ia 
dieser  ganzen,  meist  nur  einseitig  vieibe^^prochenen  Sache 
kann  es  dem  Mann  von  Herz  und  Kopf  gar  nicht 
«laraiif  ankommen,  die  Beschwerden,  welche  Juden  aod 
Christen  gegen  einander  habe«  kdnnen,  irgend  zu  hättfsa 
und  zu  steigern.  Vielmehr  iluirs  der  iil  der  Mitte  sle- 
heH<le  Unpartheiische ,  weder  von  einem  Sciieiu  der  Li- 
beralität noch  von  kirchiicheD  Vorurtheilen  geblendet, 
die  wirklichem  Ursachen  dieser  Milsverhätt- 
nisse  zu  erforschen  »uchen,  damit  diese  tfuvdr* 
derst  aus  der  Wurzel  gehoben  werden  ,  weil  sonst  eine 
nur  wörtliche  und  gebotene  Gleichstt^iliiBg  Derex, 
die  in  ihren  Sitten  uml  Erwerbsarteo  angleich  blei-' 
ben  wollen,  f&r  beide  Theile  voraussichtlich  durch 
Vermehrung  der  Unzufriedenheit  und  der  Zudrängüch- 
keit,  zum  gröfseren  Unglück  werden  müfste. 

Bei  Handwerkern  nun  bindert  vornämlich  der 
doppelte.  Wochenfeiertag*  Denn  wie  kMU  der 
Meister ,  w^her  am  Sonntag  nichl  arbeiten  lasseo  darf^ 
Jungen  nnd  Gesellen  annehmen,  die  auch  noch  amSoour 
abend  nicht  arbeiten  dürfen?  und  wie  kann  ubjerhaupt 
ein  jüdischer  Faaniiienvater  die  Seinigen  durch  Hand- 
arbeit ernähren,  wenn  er  unter  7  Tagen  2  der  Handarbeit 
nicht  widmen  darf..  Dies  ist  daher  sostrcstig  eise  Haupt* 
uvsaohe,  warum  bei  ivehem  der  gröfste  Theil  nur  durdi 

'    den  Hausir-  und  Sehacherhandel  sich  zu  ernähren  fort- 
fahrt.   Hieraus  aber  entsteht  eine  zweite  Hauptlirsache 

.  der  Nichtverbes«;eruug,  dafs  nämlich  die  an  dba  bansi* 
rende  Umherlaufen  nad  den  .Bewerb  durch  Zungenge- 
wandtheit  Gewohnte  meistens  alles  HandarhefiSea 
zu  beschwerlich  finden.  Denn  wäre  nicht  diese 
Arbeitsscheue,  so  könnten  die  mehreren  zu  andern 
unzünftigen  Handarbeiten  und  zum  Ackertea  ibergehea, 
bei  welchem  siie,  wenn  sie  ifan  nur  mit  eigener  Haad 
betreiben  wollten,  von  dem  Widerwillen  ,^  den  etwa  die 


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^  für  die  Gloicbatellung  der  Juden  mii  den  Uebrigen.  ifill 


Handwerksinnungen  g"eg*«^n  sie  höben  möchten,  nicht 
abhängen  würden.  Kaiser  Alexander  hat  deswegen  den 
Ntfel  auf  den  Kopf  g^tfoffm,  Indm  er  Glller«nvcfrb 
und  HMdarbeiten  ah  Mlflel^  in  der  StaeiriMIrgeraoh«!! 
illiMeiben,  vor^ichrieb,  aber  auch  das  eigene  Anbaoeii 
und  ßewirthschaften  forderte.  Anders  wird  die  Ab<re- 
wöhnung  von  der  eingewurzelten  Arbeitsscheue  demZulaii 
iberkssen  md  nie  terwirklicht  werden. 

Nicht  gerecht  genug  ist  der  Verf.  8.  M,  wenn  er 
meint:  ,,<lie  Regierungen  sejen  durch  das  Donner- 
wort  angeblicher  Zions  wacht  er  von  der  AiisfÖh- 
rmg  jenes  trefilichen  alten  Reichspoiizeistatuts  abgehalten 
werden.  Zum  Beispiel  io  Baden  sind  eile  einem  Birger 
flilnebte  Brwerbsarten  atieh  den'  eiAheimiachen  Juden  ^ 
die  auf  17,IN)0  angegeben  werilen ,  schon  seit  24  Jahren 
frei  ^eg(  ben;  dennoch  wird  statistisch  behauptet,  dafs 
io  dieser  langen  Zeit  die  Zahl  Derer,  die  sich  zum  Er- 
üttireD  dtirch  siemiiche  Hnodthleriing  und  Handarbeit  ' 
gewendet  heben neoh  nicht  auf  .  geetiegen  sey. 
Wovon  ernähren  sich  nun  die  flbdgen  16,0M?  Immer 
noch  von  jenem  als  jßdisch  verrufenen  Zwischenhandel?  . 
nn^eachtet  in  24  Jahren  eine  ganz  andere  Nachkommen* 
^aft  herangewachsen  seynrinlifote)  wenn  die  Bltero  so- 
jjMeh  auf  das  erleobte  und  vot»  der  Obrigkeit  gewaasehte 
Asndern  jener  gemeinschädlichen  Erwerbsweise  bei  ihrer 
Kindererziehong  ft'ei  .viiüg  und  dankbar  gedacht  hätten. 
Dauert  aber  der  Schacher  bei  ungefähr  16,000  immer 
ooebfort  (bei  einer  Zahl,  weiche  für  Beden  viel  gröfser 
.  mit  nnfevliilliiirsfaifsiger  iet,  als  wenn  in  Frankreich 
liilgefthr  150,000  gezählt  werden),  se  wird  kein  fUr 
beide  Theile  gleich  menschlich  und  rechtlich  Den-  - 
kender  anders  urtheilen  können,  als  dafs  diese  übergrofse 
ZftU  der  blofsen  Unterhändler  fftr  ihre  G^nden,  bo-^ 
iMer»  kr  denen  von  den  Südten  entfernteren  Ddifsrn , 
immer  venl^rblfeh  waren,  und  also  seil  1808. 
grofsentheils  aus  eigener  Schuld  auch  in  den  Nachge- 
mchsenen  bisher  verderblich  geblieben  sind 

KidnMA  manche  niohl  zu  Handwerkern  ttbergehea, 


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iü  Dr.  a  W.  adlimw 

weil  dies  imhr  Kesten  vernmehl,  so  Jctoaten  sie  deeb 

Tagelöhner  und  Haudaibeiter  beim  Landbau  sejii,  weaa 
sie  nicht  arbeitsscheu  wären ,  und  dazu  durch  den  dop- 
pellen WocheofeierUg  gleichsam  genöthigt  würden.  Ver* 
suchen  die  Stealen  diesem  betiarriiciien  Sciiaclierwesee 
Diir  iodirect  entgegen  zu  «rbelleo  ood  sogar  beschritt* 
kende  Miltel,  welche  die  Humanität  nicht  billigen  kaoD 
(z.  B.  V^erhi(  ten  der  V^erehelichung  vor  dem  35steu  Le- 
bensjahr) anzuwenden,  so  wird  es  dennoch  duroh  freien 
EotScbluA  nie  aufgegeben  werden 9  weil  die,  welche  in 
5  Tagen  sich  den  Lebensunterhalt  für  7  erwerben  sollen^ 
dies  ohne  ein  aursergewohnUches  Gewinnmittel  nicht 
leicht  möglich  finden.  Deswegen  also,  damit  jede  Ju- 
denfamiiie  nicht. durch  rabbinische  V^orurtheiie  genöthigt 
sey,  in  ö  Tagen  das  Möthige  für  7  Tage  sm  gewinaeU) 
ist  das  Verlegen  des  Wochenfeiertags  auf  den  Sonntag 
eine  Bedingung,  die  g^eratlezu  als  Staatsge^etz  anzuordnen 
nöthig  seyn  \^iicl,  und  auch  ^ar  wohl  befohlen  werden 
^  darf,  weil  es  nicht  ein  Eingriff  in  die  Religion  des  Jo- 
denthums.  ist,  vielmehr  der  am  Sonnabend  w  arbeitaa 
befehligte  Israetite,  dadurch  (s<  Ladenburg  uberGleicii- 
Stellung  der  Israeliten  Badens.  18ti3.  §.  5.)  nicht  aufhört, 
seiner  Religion  getreu  zu  seyn,  indem  (jetzt?)  sogar  die 
Rabbiuischen  Gesetzgerkläruogen  zugeben,  dafs«  wenn 
die  Obrigkeit,  s«B.  im  Kriegsstand,  ein  Verlegen  des 
Sabbats  befehle,  alsdann  der  Jude  von  jener  alterthfim» 
liehen  Tagsbestimmjing  dispensitt  sey. 

\ach  dieser  wohlthätigen  Absicht  machte  ich  aa 
einem  andern  Ort  die  kluge  Bemerkung  eines  alten  Kab- 
binen bekannter,  dafs  uwar  nach  der  Beschreibung  der 
Schöpfung  1  Mos.  1  U.2.  der  Schöpfer  am  letiien 
Tage  der  Woche  seinen  Sabbatstag  gehalten  habe ,  dafs 
aber  der  erste  Mensch,  welcher  am  6ten  Tage  ge- 
schaffen worden  war,  alsdann  gerade  den  ersten  Tag 
derjenigen  Woche,  die  er  erlebte,  als  seinen  .mensch- 
lichen Ruhetag  zu  feiern  hatte.  Dies  stimmt  mit  der 
Tradition  unläugbar  überein,  und  es  wird  also  auch 
nicht  einmal  die  alteJctbUmliche  Tageszäh* 


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für  liie  Gleichstellung  der  Juden  mit  den  Liebrigeo.  Mt 

luog  geködert,  weno  die  Landesobrigkeiten  fest- 
MlieD,  dafs  der  wocbeniliche  Ruhetag  ebeo  derjenige 
«rite  in  der  Woche  aeyn  eoile^  wie  Adam  a^inen 
ertteo  Woehentag^it  feiern  gehabt  habe. 

Für  die  Verständigten  (wenn  sie  nicht  aus  blofsem 
Eigendünkel  —  2  Mos.  32,  9.  ,34,  ».  6  Mos.  9,  6. 
ftr  Feetbaltung  desaen,  was  sie  aeibat  als  veraltert  er- 
keaaeo,  coDtrlLre  Vereine  atifteo  wolleo)  iat  es  ohaehia  * 
klar,  dafa  ea  nur  eine  fiophiaterei  wäre,  wenn  man  be* 
baupten  wollte,  dafs  den  wöchentlichen  Ruhetag  gerade 
auf  den  letzten  Wochentag  zu  verlegen,  eine  Reil- 
giooaaagelegenheit  sey*    Was  für  eine  Religion  vHkte 
Aea,  die  von  einer  Tagwihlerei  abhinge?  Und  waa 
niflite  man  yon  Menacheo  denken*,  die  daa  Unpaaienda 
ta  ihrer  Religion  zu  rechnen  versicherten,  nur  um  einer 
zeitgeniäfsen  Verbesserung  in  Nichts  nachzugeben?  Der 
Geist  und  Zweck  der  mosaischen  Geaetzgebung  iat^ 
dife  je  von  ?  Tagen  Einer  für  Menachen  and  Vieh  zur 
Briniinng  au^eaoiidert  aeyn  aolie.    Dieae  Verfügung 
itammt  ans  einer  äulserst  wohllhätigen  legislatorischen 
Klugheit;  und  es  ist  ohne  alle  Frömmelei  sehr  verwerf- 
liah,  dafa  die  Wochenfeier  bei  den  Christen  meist  nicht 
onhr  ein  wahrer  Ruhetag  für  die  körperlich  Arbeiten^ 
dftu,  aondern  ein  Tag  entweder  besonderer- Anatren- 
gungen  für  Menschen  und  Vieh  oder  eine  Feier  für  Aus^ 
Schweifungen  geworden  ist.    Diese  Verkehrtheit  nämlich 
entstund,  weil  man  vergessen  hat,  dafa  der  Ruhetag  um 
des  Menschen  willen  aejn  sollte,  nnd  weil  man  ihn  Uoe 
nach  Geboten  der  Kirche  an  betrachten  pflegte,  iber 
die  man  allmählig  anders  zu  denken  anfing,  weil  man 
(las  Mittel  nicht  mehr  für  den  Zweck  des  Ganzen  zu. 
halten  lernte.    Was  also  die  Chriaten  zu  wenig  thao> 
dadb  aollien  die  Juden  nicht.  Ungar  in  Viel  au  thiin  ver^ 
iukftt  aejn ;  und  diea  kann  geradezu  ala  Poltzeigeseta 
der  Staaten  verfügt  werden,  wie  auch  bei  Mose  nur  die 
Feier  Eines  Tages  unter  sieben  eine  Religionsverordnung; 
die  Bestimmung  des  Tags  aber  eigentlich  nach  4  ftioa 
l&»  .aB^a6.  Poiiaeigeseta  tet. 


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M8  Dr.  O.  If.  Baiimer 

Hat  alsdann  der  Familienvater  6 Tage,  utn  für  seinea 
Hausliait  erwerbtliäUg  zu  sejn,  so  VfwAen  ihm  auch  daza 
diejeaige  Arten  v^n  Arbeiten  nreieh«»,  durck  welche 
der  grfifste  Thetl  mioot  Mitbürger  ohne  dn  sehledi*- 
terdings  w«chfie{$eitig  Betrug  «nd  Hafii  erregende«  Scha- 
cher —  sich  zu  ernähren  hat.  Und  auf  diesem  Puakt, 
dafs  nicht  die  Erwerbsart  der  meisten  Juden  sie  arbeits- 
sefaeu,  mit  Schlauheit  gewinnsüchtig  und  dadurch  ga** 
hftssig  mache,  beruht  die  badeutcfiidste  Bedingung,  ohne 
welche  ein  Verwandeln  ihrer  In  allen  Lebeusfrerhiii*» 
nissen  und  Sitten  auffallenden  Ungleichheit  in  wahre, 
wirkliche  Gleichstellung  immer  unmöglich  bleiben  wird. 

Kommt  atadauo  noch  hinzu,  dafa  die  vielfach  ge» 
«bOekteu  auoh  von  denjeuiges  mancherlei  rabfaiDiscjica 
Oaremouiengefieteen ,  welche  ihnen  ao  viele  Koeten  und 
Quälereien  aufnöthigen,  durch  ein  durchgreifende»  Ge- 
setz des  Staats,  der  keine  dergleichen  Winkelgesetie 
und  fremdartige,  pedantische  Ceremonleugetueter  zuge- 
hen oder  gar  geltend  nuicheu  darf,  frei  gesprochen  ufld 
dagegen  geschützt  werden,  so  kaun  es  aiehl  lange  an- 
stehen, dafs  die  Mehreren  selbst  diese  reelle  Verbe^se" 
rungen  ihres  Wohlstands  dankbar  fühlen  und  zugleich 
dsroh  das  Abgewöhnen  einer  ^enge  widriger  Ungleich-» 
heiten  die  wahre  Gleichstellung  au  sieh  selbst  verwirk* 
liehen.  Wundern  mufs  man  sich  nur,  dafs  die  meisten 
Petenten  um  Gleichstellung  doch  nicht  dieStaatsgeselzge- 
bungum  Hülfe  zu  Mebung  jener  Ungleichheiten,  besonders 
um  iMichtsuhissung  vorurthmlsvoHer  Rabbi  nen  und  «n 
Botlasttttig  von  uuntttflen,  kostspieligen,  und  daher  aueh 
'mm  Sdiacher«-' Erwerb  hintreibenden  Äitsungen  gebeten 
haben,  sondern  nur  in  Eile  eine  Zulassung  zu  Anstel^ 
langen  erreichen  wollten,  die  fßr  den  gröfsten  ,  wahr- 
haft leidenden,  TheU  ihrer  Vottagenesaen  keine  Hfiife 
•   wftre.  ' 

Allerdings  haben  schon  manche  Einaelne  in  der  Na* 
tion  gezeigt,  dafs  sie  zur  Ausgleichung  jener  aostös*' 
sigen  Ungleichheiten  in  der  allgemeinen  Geistes-  and 
Sittenbiidung' Fähigkeiten  genug  haben«.  Aueh  müSkU 


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itir  die  Glciolialelluiig  der  Juden  mit  den  Uebrigen.  803 


gewife  der  zweite  Theil  der  Bdhmerisclien 
Sckrift,  die  Saaimlung  guter  Charakterzflg«  von  Eio*  * 
leinen  dar  Natioa ,  mck  dareh  Boeh  viele  «ndenr  wlhon- 
tischer  ertveif  liehe  s«r  Bhre  des  GMttliehe»  in  der  Meneoh- 
heit  vermehren  tasten.  Mir  j^elbst  ist  in  Meioem  Leben 
mehrmals  die  Freude  geworden,  dergleichen  (wenn  auch 
lafeerHch  heterogen  ereeheinende)  Ehreaminner  kennen 
av  leineB  «nd  sie  dam  anvorkommend  gar  gerne  anaoH 
flriehneBt^  wento  rie  gMeh  aieiit  nicht  ca  den  reicheren, 
und  uoch  weniger  zu  den  sogenannten  Aufgeklärten  ge- 
hörten; da  diese,  wie  neu  ihnen  der  erhaschte  Lichtschein 
fley,  durch  das  unveratäadige  Schwirren  and  SchwämMd 
der  Oianlingsehcft  ^errathen,  and  &B»  nach  in  so  eehr 
aDbeatfiimiten  BegrifRea  eehweben,  dafa  aie  Staatage- 
fellsch aftsvo rzüge  wie  Menschenrechte  for- 
dern zu  können  sich  bereden,  gegen  Diejenigen  aber, 
welche  ihnen  das  Ausfahrbare  klar  amhea  woltteo, 
dareh  Uageberdigkeii  bemerkHch  maebea,  -was  van 
ihaen^  wenn  m  roriievraohend  würden ,  ca  erwarten  wftre. 

Aber  auch  die  erfreulichsten  besseren  Erfahrungen, 
dafeso  manche  intellectueli  emporstrebende,  oder  durch 
Wils  schimmernde  Kdpfe  and  gewifs  auch  manche  rad^ 
Heb  reehtschaffisne  Heraen  einceln  sich  hervorheben, 
«Urde  es  nicht,  wenn  der  Verf.  ein  wait  vollafiadi«- 
geres  Musterbuch  solcher  Achtungswürdigen  beurkunden 
kÖQBte  I —  gerade  fQr  Das  ein  Beweis  seyn ,  was  auch 
von  arir  immer  angerathen  wurde,  dafs  ailerdinga  alle 
Ks,  velche  aich  im  Gesc^Hsehafdioh  -  beeseren  als 
fleieb  beweisen,  Binaelnen  und  PamiHeaweise  mit 
Vergnügen  durch  völlige  Gleichstellung  ausgezeichnet, 
die  öbrige  Menge  der  SchwerverbesserliQhen  aber  eben 
dadujroh  zum  Gleichwerden  aufgeregt  werden  sollten. 
Oder  sollte  es  denn  gesetzgeberisch  kluger  and  moralisch 
christlicher  seyn,  der  für  das  Unpassende  und  Wider- 
Villen  erweckende  dennoch  hartnäckigen  Masse  die  er- 
reichbare Belohnung  zuzuwerfen,  ehe  sie  das,  was  sie 
ieit  24  Jahren  thnn  kpnnten ,  ernstlich  benutzen  zn  wollen 
beiviam  habea?  ^ 

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864    Iii*.  G.  W.  Böhmer  fär  die  Glekhstellang  der  Juden  u.  s.  w. 

Nur,  versteht  es  sich,  clafs  die  fursorgende  Gesetz- 
gebung auch  ferner  alle  äufsern  HindernMse  niögilchst 
m  heben,  besonders  die  Vfriisiehnng  der  Tor  DecenQieii 
gegebenen^  Concessionen  nnd  ihrer  Folgen  kräftig  so 
betreiben,  voi nämlich  aber  niclit  durch  Legitimation 
vorurtheilsvoller  Rabbinen  neue  Hinderungen  zu  legali- 
siren  und  mehr  als  es  vorher  war,  auf  Kosten  der  Ge- 
meinden festtnsteilen  ^  die  Pflicht  habe.^  .  Wer  irgend 
Termag,  der  sinne,  nichi  auf  Streit  nnd  Wortgefechte, 
sondern  auf  sachkundiges  Entdecken,  worin  auf  beiden 
Seiten  die  Hindernisse  des  endlichen  ,  reellen  und  nicht 
blos  das  Regierenwolieo  oder  die  Dominirungslust  We> 
niger  befördernden  Besserwerdens  bestehen!  £r  eiiine  w* 
pattheiiMdi,  anf  welche  nicht  einseitige,  nnr  liberal  schri« 
nende  Weise,  sondern  auch  gegen  die  Mehrheit  Derer, 
die  den  schon  bestehenden  Staatsverein  constituiren ,  ge- 
recht ausfuhrbare  Hülfen  vorgeschlagen  werden  können? 
In  dieser  Gesinnung  bekenne  ich,  vorziigiich  anf  des 
begierig'  m  seyn ,  was  der  nber  das  die  Nationsl.* 
Absonderung  am  meisten  beweisende  Problem  von 
Ehen  zwischen  JJuden  und  Christen  bekannt  zn 
machen,  in  der  Vorrede  zusagt.  Oefientliches  vielsei- 
tiges Erwägen  wird  auch  hierüber  Licht  und  Rath 
schaffen.  Ich  bin  darauf  um  so  anfinerksamer ,  da  ish 
kurzlich  ein  schaodervolles  Factum  erfahren  habe,  wie 
ein  unabhängiger  und  sonst  belobter  jüdischer  Vater 
seine  einzige  Tochter  lieber  langsam  dahin  sterben  liefs, 
als  dafs  er  ihrer  Liebe  nn  einem'  Christen ,  gegeti  wel- 
chen sonst  nichts  einnuwenden  war,  die  dterliche  Hn-. 
wüligang  gewährte. 

14.  Jttii  1838. 

Dr.^  P au  ins:  ' 

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1 


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* 

N*.  55.    HEmBLB.  JAHRB.  o.  UTBRATUR.  ISU, 


Dtr  Jude.  Periodische  Blätter  für  Bdigion  und  GewutensßreiheUs 
In  zwanglosen  Heften  herausgegeben  van  Dr.  Gabriel  Hiesetr* 
Srtter.  Band.   Altona,  6«t  J.  F.  Hammerick.  18d2.  2U8  Ä\  4. 

Zu  der  Verbesserung*  des  inneren  und  iiufseren  Zu- 
staodes  des  jödlschen  Volks,  ins  Besondere  ia  Deutsch- 
kod,  mttsti wirken,  da«  rat  das  Ziel,  welches  der  Heraus* 
giber  dieser  Zeltsehrift  zu  erreichen  wfinscht  und  m 
erreichen  hoffen  darf.  Er  erklart  sich  über  diesen  seinen 
Zweck  ausführlich  in  einer  wohlg^eschriebeiiea  Ankündi- 
gong,  mit  welcher  die  Zeitschrift  beginnt.  Kr  fordert 
dirin  sngleicb  Andere  au  Beiträgen  auf;  und  schon  ist 
■dieser  Aufforderung  yon  mehreren  Seiten  entsprochen* 
worden. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dafs  der  Verf.  für  sein 
Velk  vollkommene  Heiigionstredieit  und  eben  so  alle  die 
pilitischen  und  bürgerlichen  Rechte  in  Anspruch  nlmmt^ 
vekhd  derchristlichen  Bevölkerung  der  deutschen  Staaten 
sastehn.  Dem  Verf.  ei^enthümlicher  ist  das,  was  er  (in 
der  Ankündigung^)  über  die  M(iglichkeit  der  Fortbil- 
dung und  Veredlung  des  Judenthumes  und  über  den 
Wag,  der  zu  diesem  Ziele  fährt,  änfsert.  Wir  können 
aas  nichl  das  Vergnügen  versagen ,  die  Hauptstelle  wört- 
lieh  mitzutheilen.  In  die  entschiedenste  Ab^eschlos* 
senheit  versunken  und  von  jeher  ohne  alU  u  Anspruch 
auf  Prosei j^tenmaclierei ,  hatte  das  religiöse  Leben  der 
Juden  in  früheren  Zeiten,  besonders  in  den  letzten  Jahr- 
handerten  der  Erschlaffung,  die  der  ssweiten  Hälfte  des 
▼origen  vorangehen,  kein  Aug-e  für  Alles,  was  rings 
umher  vorging,  kein  Bedlirfnifs  und  keine  Fähigkeit 
sich  nach  aufsen  zu  .vertreten.  Die  Ersten  aber,  die  au9 
dieser  Abgeschlossenheit  hervortraten,  gaben,  voll  Freude 
tber  die  gewonnene  Freiheit,  das  System,  von  liem  sie 
rieh  losgesagt ,  gern  dem  Spotte  Preis.  Unsere  Zeit  aber 
duldet  keine  Abgeschlossenheit;  sie  will,  dafs  keine  Er- 
scheinung sich  dem  Lichte  des  Tages  entziehe,  dafs 
n?l.  Jabig*  9.  Heft.  55 


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MS  Abi*  Mt,  Herauf.  Tftii  ftiitaer. 

jede  besondere  Richtung  sich  vor  dem  Richterstuhle  des 
Gesainmt-Bewufstseyns  der  Menschheit  rechtfertige,  und 
diejeuige,  die  sich  dieser  Pxüfuog  eutzUhea  sollte,  hätte 
sich  ctais  Todesurtheii  gesprochen«  Von  der  anderen 
Seite  hat  'die  jüngere  Generation  unter  uns  Iceinerlei  Ur- 
sache, dem  alten  Systeme,  dessen  Herrschaft  sie  sich 
niclU  erst  in  mühsamem  Kampfe  entwunden,  das  der 
freien  Entwickelung  ihrer  iiiiduug  l(eioe  Schwierigkeit 
in  den^  Weg  gelegt  ,  zu  grollen;  sie  vermag  es  ohne 
Hafa,  wie  ohne  blinde  Verehrung,  wenn  auch  nicht  ohne 
Liebe,  zu  beurtheilen.  Wir,  die  wir  dem  Gruodsatee 
des  F'orlschreitens  und  der  frciej«ten  Forschung  huldi- 
gen, wir  haben  uns  die  Aufgabe  zu  setzeui  die  Befuguifs 
dazu  aus  dem  Grund wesen  unserer  Religion  absuleiten, 
und  nachzuweisen,  wie  das  Haften  an  dem  starren  Bucl^ 
Stäben  des  Gesetzes  von  den  ewigen  unvergänglichen 
Wahrheiten  unsrer  Lehre  zu  trennen  ist.  Dafs  der  in* 
nere  lebendige  Gehalt  dieser  Lehre  durch  die  eigue- 
göttliche  Kraft  die  Form  zerbreche,  die  ihn  seit  Jahr- 
tausenden gefangen  gehalten ,  ihufs  das  Ziel  unseres  Stre- 
bens sej^n ,  und  darum  ist  es  wesentlicher,  dafs  das  Be- 
wufstsej^n  jenes  Inhalts  belebt  und  gestärkt,  dafs  der 
Funke  der  Begeisterung  für  göttliche  Wahrheit  in  d^ 
Gemüthern  angefacht,  als  dafs  einzelne  mangelhafte  For- 
men von  aufsen  bekämpft  und  zerstört  werden."  —  War 
diese  Ansicht  von  den  religiösen  Meinungen  und  von 
der  Zukunft  des  jüdischen  Volkes  hat,  verdient  vor  allen 
Andern  über  die  Ansprüche  und  Bedürfnisse  dieses  VoUus 
gehört  zu  werden.  .  '  * 

Man  wird  dem  Herausgeber  gewifs  beistimmen  i  weoa 
er  sein  Unternehmen  als  ein  zeitgemafses  darstellt.  Deaa 
die  jüdische  HevölkeruDg-  der  deutschen  Staaten,  (von 
diesen  Staaten  wird  in  dem  Folgenden  aliein  die  Hede 
seyn,)  hat,  im  Ganzen  genommen,  in  den  letztverAos* 
«enen  SO  oder  40  Jahren  in  mehr  als  einer  BesiehilV 
bedeutende  Fortschritte  gemacht,  und  gleichwohl  sind 
diese  Fortschritte  von  den  Gesetzgebungen  jener  Staaten 
noch  nicht  so  allgemein  oder,  uicht  in  dem  Grade .berück- 


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i  Der  Jade.   Ilerausgeg;.  von  Riesser.  861 

§ichtiget  worden,  wJe  sie  in  andere»  Beziehungen  ^lie 
mit  dein  Zn^itaiide  der  bfirg;erlichen  Gesellschaft  vorge^ 
gangenea  Veränd<^ruiig^ll  berücksichtiget  hab^n. 

lo  den  letztverfloMeneti  Tierzig  Jahren  haben  dich 
unter  allen  Ständen  und  Classen  der  bürgerlichen  Ge- 
sellschaft eine  Menge  neuer  Heen ,  vielseitigere  und 
freiere  Ansichten,  selbst  Kenntnisse ,  die  sonst  nur  dos 
Eigenthum  der  Gelehrten  ^der  der  Gebildeteren  waren  , 
verbreitet  Die  Begebenheiten,  die  Welthindei  spra- 
chen; sie  veranlafsten  selbst  den  kurzsichtigsten  Zu- 
schauer zum  Nachdenken,  zu  lJrth(  il(>u.  Das  neue  Licht 
giogaucli  den  Juden  auf.  Eine  bedeutende  Anzahl  junger 
Leute  aus  diesem  Volke  widmeten  sich  den  Wissenschaften, 
meist  gute  Köpfe  und  fleifsige  Schüler.  Diese  wendeten 
Dicht  selten  die  Kenntnisse  und  Einsichten ,  die  sie  auf- 
Schulen  und  Universitäten  gewonnen  hatten,  dazu  an, 
ihr  Volk  zu  unterrichten  und  aufzuklären ,  auch  wohl 
aufzuregen;  Viele  aus  ach  tu  ngs  werther  Liebe  zn  ihrer 
Nation,  Einige  einj;edenk  der  Demfithigungen,  welcl^e 
ihnen  selbst  in  den  Jahren  der  Kindheit  widerfahren 
waren.  (  Möchte  es  doch  unter  ihnen  nicht  auch  solche 
geben,  weiche  —  um  den  müdesten  Ausdruck  zu  ge- 
brauchen —  durch  eine  eckelhafte  Eigenliebe  und  Leicht- 
fertigkeit sich  und  ihrer  Sache  schaden!)  Andere  wirr-* 
den  schon  von  der  Schreibseligkeit  des  Zeitalters  err 
griffen. 

Auch  die  religiösen  Meinungen  und  Ueberlieferungen 
der  Juden  wurden  von  den  aus  der  Nation  hervorgegan- 
genen Schriftstellern  dffentlich  zur  Sprache  gebracht  Oer 
Jugendottterrieht  wurde  verbessert;  es  erschienen  Reli^ 

gionsschriften ,  in  welchen  das  Judenthmn  in  einer  ver- 
edelten Gestalt,  man  kann  sagen,  in  einem  christlichen 
Geiste  dargestellt  wurde.  Einige  dieses  Volks  hielten 
sich  an  den  Kern  der  Mosaischen  Gesetzgebung,  an  die 
Lehre  von  einem  einigen  Gotte.  Noch  merkwfii^dlger 
n^ar  die  Erscheinung,  dafs  an  einigen  Orten  eine  Anzahl 
jüdischer  Faitiilien  einen  religiösen  Verein  stifteten  ,  oder 
zu  stiften  beabsichtigten ,  dessen  Grundlage  ein  veredeltes 


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t 


068  D«r  Jade.  HmMgttg.  tod  RUiMr* 

Judenlhum ,  des  Deismus,  war.  So  geschah  es,  dafs, 
fast  unbemerkt,  ein  Mittelg^Iied  zuiseheii  Judeu  und 
Chrisieo  oder  eiaUebergaog  vom  Judentbuine  zum  Chri- 
iteDthmn«  ins  Lebeii  Iral.  Deoo  giebl  nicht  unter 
den  Christen  Einige  oder  Viele,  welche  das  Christeo- 
thuni  nur  als  eine  gemeinfafsliche  und  auf  das  Bedürf« 
nifs  der  Menschheit  im  Ganzen  berechnete  Einlileiduug 
des  Ueismus  betrachten? 

In  derselben  Periode  verbesserte  sich  in  den  meisten 
deutschen  Staaten  auch  der  ökonomische  Zustand  der 

{'indischen  Bevölkernng.  Der  Krieg  ist  demSpeculations* 
landel  besonders  gflnstig.  Ueberdies  fehlte  es  in  dieser 
Periode  nicht  an  Veranlassungen  zu  Geldgeschäften.  So- 
wohl an  jenern  Handel  als  an  diesen  Geschäften  nahmen 
die  jüdischen  Handelsleute  ganz  besonders  Theil.  Geld 
und  Gut  giebt  Macht  und  Mutb.  (Es  wäre  der  Mühe 
Werth,  den  Binflufs  genau  aussumitteln,  welchen  die 
Juden  in  Deutschland  und  in  ändern  europäischen  Staaten 
auf  den  Nationaluohlstand  gehabt  haben  und  noch  jetzt 
haben.  Er  wird  fast  allgemein  für  nachtheilig  gehalten. 
Dennoch  dürfte  er  auch  seine  Lichtseite  haben  Die 
Staalswirthschaftsiehre  hat  schon  so  manche  IrrthSmer 
und  Vorurtheile  aufg^r  deckt.  Vielleicht  kann  sie  auch 
über  diesen  Gegenstand  ein  neues  Licht  verbreiten.  Wir 
wünschen,  dals  die  Aufgabe  auch  in  der  vorliegenden 
Zeitschrift  nicht  unerörtert  bleibe.) 

Alle  diese  Veränderungen  mursten  zugleich  auf  die 
Sitten  und  das  Betragen  und  auf  die  gesellschaftliche 
Stellung  der  jüdischen  Familien  einen  wohlthfitigen  Ein-* 
flufs  haben.  Dafs  sie  diesen  Einflufs  gehabt  haben,  kaon 
Ree.  wenigstens  von  seinen  nächsten  Umgebungen  mit 
gutem  GewiSvSen  bezeugen.  Kr  darf  überdies  aus  meh- 
reren Gründen  vermntben,  dafs  man  dieselbe  Beobach- 
tung auch  anderwärts  geuiacbt  haben  werde.  Wenn  msa 
aus  dem  Schnluwinger  auf  die  UniversitSt  kommt,  so 
sucht  man  sich  vor  allen  Diiigeu  in  seinem  Aeufseren 
'seinen  neuen  CommiHtonen  gleichzusteliea. 


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Der  Jode.   HerauHgt  g.  von  Riesaer. 


81» 


Mit  allen  dief^em  soll  jedoch  nur  so  viel  behauptet 
werden,  dafs  sich  die  jüdische  iievöikeriing  der  deut- 
schen Staaten  im  Ganzen,  nicht  aber,  dafs  sie  »sich  io 
allen  ihren  Individuen  gehoben  hat  DöCh  wenn  es  auf 
ien  Höhen  Tag^  wird ,  verbreitet  eich  die  Helle  nach 
und  nach  auch  über  die  iViederungen.  Wenn  auch  die 
Besseren  und  Besten  des  jüdischen  Volks  —  und  der 
Herausgeber  der  vorliegenden  Zeitschrift  gewife  am  me^ 
Sten  —  darauf  mit  allen  Kräften  hinarbeiten  werden, 
diejenigen  Stammesgenossen ,  welche  noch  keinesweges 
anziehend  sind ,  weniger  abstofsend  zu  maclien,  8o  mag 
doch,  was  Einzelnen  zur  Last  gelegt  werden  kann,  nicht 
Mafsregeln  rechtfertigen,  welche  gegen  die  Juden  über- 
haapt  gerichtet  sind.  Das  ist  ja  eben  der  Streitpunkt ! 
Die  Gegner  der  Juden  sagen :  Ihr  se^rd  eine  Nation ,  ihr 
seyd  Fremdlinge,  denen  wir  die  Bedingiingen  nach  Ge- 
fallen vorschreiben  können,  unter  welchen  euch  der  Auf- 
enthalt im  Lande  gestattet  seyn  soll.  Die  StimmfUhrer 
des  jüdischen  Volkes  antworten :  Wenn  wir  auch  einer 
andern  Abstammung  sind,  als  diejenigen,  unter  welchen 
wir  wohnen,  so  ist  es  doch  unser  fester  Entsclilufs,  mit 
euch  ein  l)iirgerliches  Gemeinwesen  zu  bilden.  An  un- 
sere Abstammung  knüpfen  wir  nur  unsere  religiösen  Lieber« 
eengnugen.  Wir  wollen  in  Zukunft  —  oder  einstweilen, 
bis  dafs  ihr  erkennt,  dafs  wir  uns  auch  dem  Glanben 
nach  mit  einander  belreunden  können,  —  nur  eine  be- 
sondere Reli^iorisg'esellschaft  bilden.  Ist  es  nun  nicht 
ein  Widerspruch ,  in  weichen  ihr  euch  verwickelt,  wenn 
Ihr  euer  Verfahren  gegen  uns  mit  unserer  Nationalität 
vertbeidigel,  und  gleichwohl  Alles  tbut,  um  zu  vorhin«» 
dern,  dafs  sich  unsere  Nationalität  auf  die  Anliänglich- 
keit  an  die  religiösen  Ueberlieferungen  unserer  V  oreUern 
beschränke?  Die  Gesetze  dürfen  und  solieo  die  wider*  * 
teohtlicheu' oder- gefährlichen  Handlungen  Einzelner 
bestrafen.  Aber  ist  es  recht  und. billig,  wenn  man  eine, 
ganze  Klasse  von  Landeseinwohnern  unter  eine  strenge 
polizeiliche  Aufsicht  stellt,  weil  Eiuzclneu  dieser  Kla^^c 
nicht  zu  ti^ueo  seyn  mag? 


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$1%  Dar  Ja4«.  Ileraatgeff.  von  Eiew* 

Doeb^  wenn  Thalsadien  in  Frage  eCehn,  ist  mltaU- 

g'emeincn  Jit^hauptun^en  wenig;  odm  nichts  getlian.  Am 
besten  nbeizeri^t  ii  Zahlen.  Ke<\  kann  uenigstens  eine 
Thatsache,  weiche  gar  sehr  zum  Voriheiie  <ier  Juden 
fprioht,  durch  SSublen  beglaubigen,  Aua  den  trefilicben 
Criniinaltabell^n,  welche  daa  Groraherxoglich  Badenacba 
Justizministerium  alljührfich  bekannt  macht,  geht  hervor, 
dnfs,  wenn  jnan  tlie  Zahl  der  Vf^rbreclien  and  Verg"eben, 
welche  von  Chnalen  und  welche  von  Juden  im  Grois- 
herzogibome  begangen  werden,  mit  dem  ZahlverbäUniase 
swiachen  der  christlichen  und  der  jüdischen  Beydlkerung 
des  Landes  vergleicht,  die  bei  weitem  g^eringere  Zahl 
auf  die  letztere  kommt.  —  Wir  wünschen  übrigens,  dafs 
der  Herausgeber  der  vorliegenden  Zeitschriit,  sowohl  in 
dieser  als  in  andern  Be2iehttngen9  auch  auf  dieZabl^lt^ 
Statistik  seine  Aufmerksamkeit  richte,  z.B.  auf  die  Frage, 
ob  in  dem  und  dem  Lande  die  Zahl  der  Juden ,  welche 
sich  mit  einem  Handwerke  oder  mit  den»  Ackerbaue  be- 
schäftigen! in  einer  gewissen  Heihe  von  Jahren  zu-  oder 
abgenommen  habe. 

Gemfifs  ihrem  vielumfassenden  Zwecke  zeichnet  sieb 
die  Zeitschrift  durch  die  Mannigfaltigkeit  ihres  Inhaltes 
aus.  —  Sie  enthält  z.  B.  Nachri(  Ilten  von  den  Landtags- 
verhandlungen und  den  Gesetzen  der  einzelnen  deutschen 
Staaten,  welche  die  Verhältnisse  der  Juden  betreffea; 
und  es  sind  diese  Nachrichten  zugleich  mit  kritischen 
Bemerkungen  ausgestattet  ^famentlich  unterwirft  der 
Herausgeber  die  Verhandlungen  der  Stände  in  Baden, 
(1831  )  in  Baiern,  und  in  Hannover,  in  so  lern  ai^  sich 
auf  jenen  Gegenstand  bezogen,  einer  Prüfung,  diezwar 
streng,  vielleicht  auch  zuweileii  eioseitig;  abv  nicht 
bitter  oder  muthwillig  ist.  Eben  so  kommen  in  der 
Zeitschrift  mehrere  Abhandluiig^en  vor,  welche  einzelne 
Tlieile  <Ier  Verfassung  der  jüdischen  Gemeinden  ins 
Licht  setzen;  z.  B.  S.  15.  eine  Abh.  über  die  Rabbinent 
S.  106.  eiue  Abb«  über  das  Schulwesen,  ^i.  hat.  diesa 
Abhandlungen  mit  besonderem' Interesse  gelesen,  da  sia 
so  Manches  enthalten,  was  deiu  christlichen  Publipuiu 


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I 

Wehnert,  nb»  4.  Prenfi.  StMt«<»rg.  u.  $(MUi4iflaimcb«ft.  8Y1 

\ieniß;er  bekannt  ist.  Beide  Abliuntllurigen  siiul  zugleich 
für  die  eben  so  schwierigfe  als  inhaltsschwere  Frnt^e  vou 
Wichtigkeit,  oh  und  wie  die  Regierungen  zur  Verben- 
leroog  <le8  iaoerea  Zu«l%odes  der  jttdischeo  Gemeind«a 
beitragen  kdimen  und  sollen.  Mao  hat ,  (um  dieae  Be- 
merkung mit  einem  Beispiele  zu  bestätigen ,)  in  einigen 
deutschen  Staaten  cien  jüdischen  Gemeinden  des  Landes, 
den  einzelnen  und  der  Gesammtlieit ,  eine  Organisaüoo 
gegeben,  welche  ein  Gegenbiid  4>der  ein  NachbihI  von 
4er  Organisation  der  chriallichen  Reliffionegesellachaften 
Aber  vielleicht  hat  man  sich  nicht  genugsam  vor 
dem  Fehler  gehütet,  <lie  jüdischen  Rahbinen  den  christ- 
boheo  Geistlichen  gleichzustellen.  Die  Rabbiner  sind 
Dur  Schriftgelebrte,  Ihr  Elnflufa  i^  dem  Fortschreiten 
des  indischen  Volkes  schwerlich  günstig;  auf  jeden  Fall 
diirfle  es  nicht  gerathen  sejn ,  demselben,  der  ohnehin 
grofs  genug  ist,  durch  Staatso^esetze  noch  zu  steigern.  — 
Auch  Receusioneo  giebt  die  ^Zeitschrift;  z.B.  eine  Re* 
ceasion  von  Jost's  allgemeiner 'Geschichte  des  Israelit!« 
sehen  Volks.  —  Bndlich  machen  wir  noch  auf  eine  Bio« 
graphie  aufmerksam,  (S.  182)  welche  dem  frOhver-  ^ 
storbenen  Artbur  Lumlej  Davids,  den  Verfasser  einer 
Grammatik  der  Türkischen  Sprache,  zum  Gegenstande  hat. 

Schllefslich  wflnschen  wir  der  Zeitschrift  den  besten 

Fortgang,  auf  dafs  sich  der  Geist,  in  welchem  sie  redi^* 
£irt  ist«  immer  weiter  verbreite. 

Vthtrßsn  Gei$t  ätr  PreufiUckon  Sta^UorgOMiBaÜQn  und 
Siaat^dien^rBchoft»  f^om  Begimrungtraih  Dt,  fVthnert 
Potidam,  hei  Fercf.  Rkgßi.   1833.  106  S,  8.  >^ 

Die  Sohrift  enthält  zuvörderst  eine  prüfende  Dar* 
«leliung  der  preursischeoStaafsorganieation,  d.  i.  der  Or- 
ganisation der  Regierungs-  und  Verwaltungsbehörden 

der  preufsischen  Monarchie.  Der  Verf.  vergleicht  diese 
Ofganisatioo  mit  den  Grundsätzen,  welchen  die  Organi- 


4 


1 

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§11     WebiMri,  ftb.  d.  Preaf«.  Slftstiori;.  n,  Staatidienevaeliftf^ 

sation  derSiaatsverwaltung  in  einimi  jeden  monarchischen 

Staate  entsprechen  soll.  Er  zeigt  im  Einzelnen,  dafs 
und  warum  die  preufsische  Staatsorganisation  mit  diesen 
Grundsätzen  übereinstimme.  Die  Ausführung  ist  eben  so 
belehrend,  als  anziehend,  auch  für  das  Ausland,  fiür 
Mrelches  dieser  Theil  der  preufsischen  Verfassung^  au8 
mehr  als  einem  Grunde  der  Gegenstand  einer  besondern 
Aufmerksamkeit  ist. 

Dafs  der  Verf.,  ein  erfahrner  Geschäftsmann,  die 
preufsische  Staaisorganisation  aiis  eigener  Ei'fahrung  kennt 
md  sie  daher  nach  dem  Leben  schildert,  hfaucht  nicht 
erst  bemerkt  oder  versichert  zu  %verden.  Dagegen  wollen 
w\r  einige  Stellen  aus  der  Schrift  wörtlich  anführen,  aus 
welchen  sich  ergiebt,  wie  richtig  der  Verf.  die  Forde- 
rungAi  aufgefafsl  habe,  welche  man  an  die  Organisation 
der  Staatsverwaltung  eines  monarchischen  Staates  machisn 
kann.  „Grundregel  einer  wohiüberdachten  planmäfsigen 
Organisation  der  Staatsverwaltnng,*'  sagt  der  Verf.  S.  2, 
„ist  Erhaltung  der  Einheit  bei  unvermeidlicher  Tren- 
niing ;  die  Aufgabe  ist,  formelle  Einfachheil  mit-  innerer 
Lebendigkeit  und  organischem  Zusammenhang  zu  yer^ 
bindi  ii  ;  das  Svstem  besteht  in  durchg  reifender  Theilung 
nach  Heaibeziehungen ,  Centralisirung  der  Hauptm?issen 
in  den  Händen  Einzelner,  und  in  hierarchischer  Ordnung 
der  Mittet^  und  Unterbehörden  nach  geographisch -ge- 
bildeten Verwaltungsbezirken  und  in  Wechselwirkung 
'  gesetzten  Attiibutionen.**  —  „Das  monarchische  Priucip 
in  seiner  edleren  Bedeutung  fordert  Streben  nach  mög- 
lichster Uebereinstimmung,  um  das  Ineinandergreifen  aller 
Räder  der  Staatsmaschine  zu  sichern;  im  Mittelpunkt 
vereinigen  sich  die  Leitung  und  der  IJeberblick,  und 
durch  die  Zwischenräder  werden  die  verrcJiiedenen  Stufen 
in  einer  dem  Ganzen  anpassenden  Be\vei;iing  erhalten. 
Die  rationelle  Ausbildung  der  Staatseinrichtungskunst 
macht  in  iinserm  Jahrhundert  einen  Hauptgegenstand  des 
öffentlichen  Interesses  und  Nachdenkens  aus;  nach  Ver^ 
edlung  der  Staatseinrichtungen  strebt  die  Beweg-ung  des 
Zeitalters  ^  mit  dem  Bestreben  der  Regierungen  begegnen 


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Wehnort,  vib.  d.  PreoAi.  Staatnorg.  u.  Stiattdieoerscliaft.  81S 


sieh  flie  Wünsche  der  V  ölker;  und  es  kann  für  flie Sache 
des  reiuen  Künigttiums  nur  Gewinn  sejn,  die  8egnung;en 
einer  aufgeklärten  Staatsverwaltung^  und  den  Werth  der 
vom  Monarchen  ausg^ehenden  organischen  Einrichtungen 
den  Kraftäufserungen  der  aufgeregten  Geister,  die  sicll 
an  der  Grundlage  der  gesellschaftlichen  Verbindung 
selbst  versuchen  möchten,  entgegen  zu  stellen.  Keinem,- 
der  die  Gesinnungen  der  deutschen  Völker  heobachtet 
bat,  kann  es  entgangen  sej^ri,  dafs  der  Sinn  aller  Classen 
angleich  mehr  auf  administrative  Verbesserungen  als  auf 
Verfassungsfragen  gerichtet  ist ,  dafs  der  wahren  Theif- 
nahme  am  Gemeinwesen  in  den  Fortschritten  der  Hegie* 
roogskunst  ein  reelles,  würdiges,  erreichbares  Ziel  dar* 
gelmten  wird,  während  die  auf  das  Schrankenlose  ge- 
wendete Unruhe  meistens  fruchtlos  bleibt.*  Auf  niesem 
naturgemäfsen  Wege  kann  sich  die  Staatsdienerschaft 
berufen  fühlen,  in  ihrem  freien  Wirken  für  die  Interessen 
des  Staats  die  Höhe  der  Ginsicht  zu  repräsentiren ,  zu 
welcher  das  gesellschaftliche  Leben  durch  die  fortschrei* 
tende  Bewegung  der  Geister  vorgedrungen  ist.'*  Und 
S.  5:  „Die  grofse  F'rfahrwng  von  dem  unzertrennlichen 
Zusammenhange  der  staatsbürgerlichen  Freiheit  mit  einer 
nnerschütteriich  begründeten  Regentenmacht  verbreitet  . 
immer  mehr  das  Bedfirfnifs  der  Einheit  und  Ordnung  in 
derStaatsverbindung;  und  so  wie  die  festbegrOndeteRe* 
jfifierungsniaclit  die  sicherste  Gewiilirleistung  der  bürger- 
lichen Freiheit  enthält,  so  ist  a!ieh  wiederum  die  <reord- 
nete  bürgerliche  Freiheit  <ler  sicherste  Triiger  der  He- 
gfutenmacht    Die  wahre  Freiheit  ist  nichts  Anderes  als 
Herfschaft  des  Gesetzes;  eine  solche  kann  der  Regent 
am  so  leichter  geben,  als  sie  für  ihn  selbst  Gewinn  ist; 
]ede  andere  Freiheit  ist  nichts  als  die  Gewalt ,  eigen- 
mächtig zu  handein     Keine  Zeit  war  so  erfüllt  von  dem 
Drange  nach  Gesetzlichkeit,  nach  dieser  einzigen  wahren 
Sehotzwehr  rechtlicher  Freiheit,  als  die  neueste;  diese 
AnhängHchkeit  und  Ehrfurcht  für  das  Reich  der  Ge«  - 
setze,  die  feste  Ueberzeugung,  dafs  F'örst  und  Volk  im 
ties^tae  i^usammentreffen  und  im  Begriff  des  Staats  UQ* 


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§74      Welmert,  ib.  d,  Preafii.  SUfttiorg«  StaftMieneracliar^ 

serlrennlich  sind,  ist  die  etsie  Bediiigrungf  des  Flers  der 

Moiiai  chieen ,  und  von  Seiten  der  Völker  das  Palladium 
jiler  rechtmärsigen  Freiheit.** 

iu  dem  zweiten  Tbeiie  der  Schrift,  (voo.S.  86.  au,) 
ist  von  der  Stellung  und  von  dem  Charakter  des  Beara- 
tenstandes  in  Preufsen  die  Rede.  Die  Verfassung  wQr« 
diget  die  Beamten  nicht  etwa  zu  blofsen  !\la8chineo  herab. 
Sic  haben  viehiiehr,  der  V^erfasswng  nach,  diejenigfe 
Freiheit  des  Wirkens,  welche  die  Bedingung^  des  wahrea 
Patriotismus  ist^  und  das  einzige/Mittei^  Geist  und  Leben 
in  der  Staatsdienerschaft  zu  erwecken  und  zu  erhalten. 
Auch  aus  diesem  Theile  der  Schrift  wollen  wir  eine  Stelle 
(S.  91.)  wörtlich  anfuhren.  „Mit  diesen  organische» 
Einrichtungen  ^teht  die  ganz  eigeatliümliche  Bedeutung 
des  preufsischen  Staatsdienerstandes ,  als  des  gebildetsten, 
geistig  am  meisten  emaiicipirien  Theile  clor  Nation,  in 
enger  Verbindung.  Wie  ein  zahlreicher  Mittelstand  die 
Hauptstütze  <ler  Staaten  ist,  so  wird  wiederum  eine  den 
wahren  Anforderungen  des  Staatslebens  entsprechend 
gebildete  Staatsdienerschaft  der  Kern  und  die  Seele  des 
Mittelstandes ;  in  dem  Stande  der  Staatsdieoer-  stellt  sich 
im  Durchschnitt  der  Fond  der  Nationalbildung,  das  gei* 
stige  Element  des  öffentlichen  Lebens  dar;  und  es  wird 
im  preufsischen  Staat  nicht  verkannt,  dafs  der  Beamten- 
Stand  als  ein  tüchtiger  Vertreter  der  in  dem  Volke  woh- 
nenden Bildung-«  und  Einsicht  angesehen,  werden  kann, 
dafs  in  der  Beamten  -  Aristokratie  der  fähigste  und  talent- 
vollste Theii  der  Slaatseinwohner,  die  eigentliche  ideelle 
Kraft  des  Volksgeistes  zu  finden  ist.  Der  Mangel  an 
Brauchbarkeit  und  Tüchtigkeit  fvr  die  Staatsgesohafte 
aufser  dem  Beamtenstaode  und  im  eigentUoheu  Volk  isl 
so  fühlbar,  dafs  man  auch  bei  einer  etwa  Weiter  gehende« 
Elitwickelung  des  constiiutioneilen  Lebens  des  Mittels 
nicht  würde  entbehren  können,  vorzüglich  Staatsdiener 
zum  Wohl  des  geeellschaftlicheo  Zustandes  in  den  Ständs- 
versammlungen zuzulassen,  und  dafii  diese  gu tgesinntSt 
den  Gesammtvorrath  von  Gesobäftsübung  in  sich  scblies^ 
sende  Classe  ohne  Zweifel  bald  ein  Uebergewieht  über 


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jtB«  unpraktische  Volksvertreter  erlangten  wOrde,  die 

sich  €]urch  nichts  empfehlen,  als  flurcli  t^rheuclielten  oder 
wirklichen  Fanatismus  für  die  wandelbaren  Zwecke  einer 
repräsentativen  Oppositionssucht.'* 

Die  Stelle  ist  so  inhaitsichwer ,  dar«  sie  der  G^eo-» 
»laiHl  eines  äusfllhrliehen  Commentars  werden  könnte. 
Der  ßeamtenstand  ist  in  Prenfsen  und  in  mehreren 
anderen  deutsi  lien  Staaten  —  etwas  ganz  anderes,  als 
er,  um  eine  sehr  nahe  liegende  Vergleichung  zu  wählen, 
ii.B.  in  Frankreich  iat.  Zahlreich ,  gebildet  und  unter* 
riehtety  einet  bleibenden  und  atandeeniftrsigeo  Auskommens 
sattsam  versichert,  von  einem  rühmlichen  Korporations- 
geiste belebt,  mit  der  Nation  mannigfaltig  verschlungen, 
bildet  er  unverkennbar  eine  Art  von  National repräsenta- 
lien.  Wenn  die  Einführung  einer  reiehsstädischen  oder 
einer  Reprisentativverfiissung  oder  die  einer  solchen  Ver* 
fas8ung  zu  gebende  Einrichtung  in  Frage  steht,  so  ist 
fiabei  die  neue  Stellung  ,  welche  der  ßeamtenstand  du  ich 
eiae  &oicbe  Verfassung  erhalten  könnte ,  vielleicht  eben 
SS  sehr,  als  das  Interesse  des  monarchischen  Priocigs,  in 
firwagan^  zu  aiehn. 

Wir  glauben  genug  gesagt  zu  haben,  um  das  Puhli* 
cum  auf  die  vorliegende  treSliche  Schrift  aufmerksam 
Zjä  machen.  ^ 

Schliefslich  können  wir  den  WuQSch  nicht  bergen^ 
(mf$m  es  auch  unbescheiden  ist,  von  einem  Schriftsteller, 
der  so  viel  geleistet  hat,  noch  mehr  zu  fordern,)  daft 
es  dem  Verf.  gefallen  haben  möchte,  sich  auch  über 
Verhältnifa  zwischen  den  Gerichten  und  den  Kegie- 
rungs«  vod  Verwaltungsbehörden  zu  verbreitea  £$  sind 
la  dep  neueren  Zeiten  einige  Stimmen  laut  geworden, 
welehe  die  Selbsfst&ndigkgit  der  preufsiscben  Gerichte 
in  einigen  Beziehungen  zweifelhaft  gemacht  haben.  Wir 
^iind  tiberzeugt,  dafs  die  Sache  auch  eine  andere  Seite 

habe,  Auf  jedea  Fall  hätten  wir  gewünscht,  auch  über 
diesen  Gegenstand  vou  dem  Verf,  belehrt  zu  werden^ 

Xac  hariiL 


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876      Janke,  Abhandll.  über  Preufs.  Städte-Ordnung  u.  a.  w. 


Abhandlungen  über  einige  der  wichtigsten  Theile  der  Preufsischen  StädtC' 
Ordnung,  Städte-  VerwaHung  und  Kommunal  •  Verfassung.  In  Ver- 
bindung mit  Mehreren  herausgegeben  von  J.  K.  Th.  Janke,  Dr. 
der  Phil,  und  K.  Pr.  Regier ungsrathe  zu  Berlin.  Eine  Zeitschrift 
■  in  zwanglosen  Heften.  1.  u  II.  lieft.  Potsdam,  bei  Ferd.  liiegel. 
1833.  8. 

Ueber  den  Zweck  rlieser  Zeitschrift  erklärt  sich  der 
Herausgeber  so  :  Die  Zeitschrift  soll  das  Organ  werden, 
durch  welche  biedere  Vateriandsfreunde  ihre  Erfahrun- 
gen, Wünsche  und  Ansichten  über  die  Verfassung  und 
Verwaltung  der  preufsischen  8(äd(e  und  Gemeinden  (ins 
Besondere  über  die  k.  preufsische  Städteordnung)  zum 
Nutzen,  zur  Belehrung  und  Belebung  aussprechen.  — 
Nach  dem  Inhalte  der  vorliegenden  beiden  ersten  Hefte 
zu  urtheilen,  darf  Rft.  hoffen,  dafs  es  dem  Herausgeber 
gelingen  werde,  diesen  wichtigen  Zweck  zu  erreicheo. 

Das  erste  Heft  enthält  mehrere  Abhandlungen, 
welche  den  Herausgeber  zum  Verfasser  haben  und,  wenn 
auch  unmittelbar  nur  die  Stadt  Berlin ,  doch  zugleich 
Fragen  von  einem  allgemeinen  Interesse  betreffen,  z.B. 
die  Fragen  von  den  städtischen  Steuern,  von  der  Gewerb- 
freiheit, von  dem  Armen wesen.  Wir  wollen  aus  diesen 
Abhandlungen,  die  übrigens  Allen  empfohlen  werden 
können,  die  sich  (in  Prenfsen  oder  anclerwärts)  für  die 
Verwaltung  städtischer  Gemeinwesen  interessiren ,  nur 
Einiges  herausheben.  Die  Einwohnerzahl  hat  sich  in 
Berlin  seit  1815.  von  Jahr  zu  Jahr  bedeutend  vermehrt; 
zugleich  aber  auf  eine  höchst  bedenkliche  Weise  die 
Armuth.  (Der  Herausgeber  theilt  zur  Bestätigung  der 
einen  und  der  andern  Thatsache  mehrere  interessante 
Data  mit,  welche  aus  amtlichen  Berichten  entlehnt  sind. 
Sie  gehen  jedoch  nun  bis  zum  J.  1828.  Nach  den  poli- 
zeilichen Seelenlisten  lebten  in  fliesem  Jahre  innerhalb 
der  Ringmauern  von  Berlin  206,566  und  aufserhalb  der- 
selben in  den  engeren  Polizeibezirken  der  Stadt  15,10T 
Personen,  also  zusammen  219,673,  da»  Militär  nicht 
mitgerechnet.  Im  Jahre  1815.  betrugen  die  F^amilien 
der  Eigenthümer  und  Miethsleute  40,271 ,  im  Jahre  1828. 


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aber  49,935.  Vermehrung:  9664.  Im  Jahre  1815.  gab 
es  nur  ZIZ2  Familien,  die  Arinuthshalber  frei  von  der 
Kommunalsteuer  wareo,  iui  Jahre  aber  8556  solche 

Familien.  Vermehroiig:  6434.  Demnach  übertrugen 
80081  15  Pamilieo  «ioe  dürftige;  im  J.  1828.  mufsten 
4^2  Familien  die  Kosten  einer  dürftigen  Familie  über- 
nehmen.) Der  Herausgeber  vrrhrcitet  sich  ausfiihrlicli 
ober  die  Ursachen  dieser  beätorgliclieu  Zuaahuie  der  Ar- 
woi  und  seine  Ansichten  verdienen  gewib  alle  Beach- 
tag,  weonaie  auch,  der  Natur  der  Sache  nach,  nichl 
^gemein  Beifall  finden  dürften.  Die  Hauptursachen 
seheinen  die  im  J.  1811.  eingeführte  Ge w er bsf reiheii 
uad  die  von  den  Einwohnern  zu  entrichtende  Armen* 
taxe  n  se^n;  doch  sind  wohl  der  Uebergang  vom 
Kriegmistande  in  den  Friedenszusfand  und  das  in  allen 
Iffofeen  Staaten  bemerkbare  ZudrSngen  zur  Hauptstadt, 
(wo  Manche  ein  Eldorado^  zu  finden  glauben,)  —  viel- 
leicht auch  noch  eine  andere  tiefer  Hegende  Ursache, 
von  welcher  ich  an  einem  andern  Orte  zu  sprechen  ge- 
denke, kaum  von  geringerer  Bedeutung.  Auf  die 
erste  dieser  Ursachen,  auf  die  Gewerbsfreiheit ,  scheint 
UQs  der  Herausgeber  zu  wenig  Gewicht  zu  legen.  Wir 
sind  zwar  weit  entfernt,  die  Meinung  derjenigen  zu  thei- 
Ion,  welche,  (wie  der  Herausg. anführt,)  diese  Ursache 
Ohr  die  einzige  halten  oder  wegen  dieser  Folge  der 
Gewerbsfreihett  die  Wiederherstellung  des  Zunftzwanges 
verlangten.  Kein  Gut  ohne  ein  Uebel !  (Die  Religion 
ist  unser  höchstes  Gut  und  doch  —  tatUum  religio  po^ 
UiU  mtmdei*e  malorum?)  Wir  geben  auch  gern  zu, 
4ab  die  jGewerbsfreiheit  in  den  ersten  Jahren  nach  ihrer 
Einführung  nachtheiliger,  als  in  der  Folge  und  nachdem 
dgQe  oder  fremde  Erfahrungen  vorsichtiger  gemacht 
haben,  wirkt.  Aber  das  kann  schwerlich  geleugnet 
werden,  dafs  das  Zunftwesen  ein  Hemmnifs  der  Ueber- 
tAlkerung  und  der  Verarmung  ist.  Das  ist  vielmehr  der 
oiaiige  Grund,  mit  dem  das  Zunfitwesen  vertheidiget 
Werden  kann.  Das  Zunftwesen  gewährt  diesen  V  ortheil 
^ar  dadurch,  daii»  es  die  VervoUiiommnung 


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hI8      Janke,  Abhandll.  libcr  Prcufs.  Stildte-Ordnang  a.  «.  w. 


der  Gewerbe  verhindert.  Denn  wo  Gewerb^fiei- 
heii  besteht,  da  läuft  der  ältere  Meister  allemal  Gel^hr, 
seine  Kondschaft  über  kurz  oder  Uber  lang  an  den  jOn« 
geren  und  besser  unterrichteten  oder  thätigern  Meister 
zu  verlieren.  Gegen  dieses  mit  der  Gewerbsfreiheit  ver- 
bundene (Jehe!  ^iebt  t  s  vielleicht  nur  ein  einziges  Mittel, 
das  in  der  Macht  des  Staates  steht,  —  die  Aufnahme 
neuer  Börger  so  zu  erschweren,  dafs  nian  nüt  die, 
Wielche  ein  verhalt nirsmliftig  bedeutendes  Vermögen  nach« 
weisen  können ,  zuläfst.  Wir  wissen  recht  wohl ,  daft 
Über  dieses  Mittel,  als  über  eine  Be^cliränkurrg'  der 
bürgeriiciien  Freiheit,  von  gewissen  Leuten,  die  sich 
Freunde  der  Freiheit  nennen,  der  Stab  gebrochen  wer» 
den  wird.  Aber,  indem  man  für  die  Freiheit  streitet, 
vergifst  man  nur  zu  oft  der  physischen  Bedingunj[:;:en, 
ohne  weiche  die  äufsere  Freiheit  ein  Unding  ist.  Jrdoch 
die  Armentaxe  möchte  gleichwohl  die  wirksamere  Ur- 
sache seyn.  Auch  der  Herausg.  klagt  über  die  Unvoll* 
kominenheil  der  diese  Taxe  und  das  Armeuwesen  Uber* 
hanpt  betreffenden  preufsischen  Gesetze ;  er  fiigt  zugleicll 
mehrere  beachtungswerthe  V  erbesserungsvorschlä'ge  hin- 
zu: Wir  würden  aber  noch  einen  Schritt  weiter  gehn, 
.wenn  wir  auch  keineswegs  die  Schwierigkeiten  verken- 
nen ,  welche  oian  zu  besiegen  hat ,  sobald  man  eine  MafiiH 
regel,  die  man  bereits  ergriffen  hat,  wieder  zurück«» 
nehmen  will.  Eine  jede  Armentaxe  ist  ihrem 
Wesen  nach  ein  Uebel  und  ein  gröfseres,  als 
dasjenige,  welchem  man  durch  sie  abheifeo 
will.  Es  ist  bis  jetzt  wenigstens  dem  menschlichen  Ver« 
Stande  nicht  gelungen  und  es  wird  ihm  schwerlich 
gelingen,  den  nachtheiiigen  Folgen  einer  solchen  Taxe 
und  den  von  der  Verwaltung  der  Taxe  fast  unzertrenn- 
lichen Mifsbräuchen  vorzubeugen.  Warnend  ist  Eag^ 
lands  Beispiel ;  es  ist  bis  jetzt  dem  vereinten  Scharfsinne 
der  StaatsmSnner  und  der  Schriftsteller  dieses  Lande! 
nicht  gegluckt,  das  Uebel  zu  heilen  oder  auch  nur  dessen 
Fortschreiten  zu  hemmen.  Ein  Recht  auf  Wohfthä- 
ligkeii  macht  Bettler.   Aber,  was  an  die  Stelle  einer 


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Hak9^  AUiandll.  über  Pmf«.  Städte^Ordmuiff  u.  t.  w.  819 

Armenlau  setzen  f    Rehren  wir  zur  Weisheit  unserer 

Voreltern  xuriakf  Bei  diesen  war  die  Arrnenpflegfe  le- 
diglich uud  allein  eine  Angelegenheit  der  Kirche.  Das 
ist  sie  noch  in  mehreren  deutschen  Ländern,  und  das 
sollte  sie  wohl  flberall  sejn  oder  bleiben.'  Die  Geistli- 
chen kennen  in  der  Regel  die  Mitglieder  ihrer  Gemeinde; 
se  ivis^cn  zu  den  Herzen  <ler  vvohlHabendereii  zu  spre- 
chen; eine  Wohhhat  aus  ihren  Händem  empfangen,  wür- 
diget nicht  den  Empfänger  herab,  wie  das  von  andern 
Hfnden  vertbeillo  Almosen  u.  s.  w. 

Wir  haben  uns  bei  dem  Inhalte  des  ersten  Heftes  so 
hoge  verweilt I  dals  wir  den  lohalt  des  zweiten  nur  mit 
wenigen  Worten  angeben  können.  "Dieses  zweite  Heft 

enthält:  1)  Eine  AbhaiHÜiin^  des  Herausgebers  mit 
der  Ueberschrift :  Der  Preufsische  Städtebürger  und 
Stadtverordnete  nach  der  Städteorduuog  vom  19.  Novbr. 
1808.  (Ein  schätzbarer  Commeotar  zu  diesem  Gesetze 
10  Beziehung  auf  die  in  den  Gegenstand  der  Abhandlung 
einschlagenden  Stellen.)  2)  Grundzüge  einer  ländli* 
chen  Kommunalordiiun^  für  Preufsen.  V^om  Staatsrathe 
Krause  in  f^rfurt.  (Eine  treffliche  Vorarbeit  zu  einem 
Gesetze.  Durch  die  Mafsregeln  wegen  Auseinander- 
seCzong^der  ^utsherrlichen  und  bäuerlichelD  Verhältnisse 
ist  auch  hier  der  Weg  zum  Ziele  gebahnt.)  3)  Nach- 
richten von  <lefi  neueren  Sehicksalen  <ler  Stadt  Königs- 
berg. —  ]q  der  Ir'olge  wird  die  Zeitschrift  auch  Re- 
censionen  geben* 

Zachari ä.  ' 


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880  Sjiecuiaiive  Philotopiile. 

1)   Hegels  f'  orlesung en  iihcr  die  P kiloaophie  der  Reltf^^on, 

ficb,^t  eii^cr  Srhrift  über  die  lieweise  vom  Daseyn  Gottes,  heraus^e- 
^cbtii  von  Dr.  P  h.  M  a  i/t  t  i  ne  c  k  c.    -  Hände.    Berlin  1832. 

Z)  Die  Idee  der  Gottheit,  eine  philohouliiache  Abhundlung;  alg 
wh$en$ehofiUehe  Grundlegung  8u  emer  Philofophie  der  Beligion 
von  C.  H.  ti'eifse,  Prof.  ifar  PhUotopMe  «t  der  ümverntdi  n 

3)  Die  Grundlage  der  philosophische^  Religiontlekre 
dargestellt  von  J.  Th.  A.  Suabedissen  p  l^f*  'ti  Marbtwg, 

Marburg  und  Kassel  18'51. 

4)  J'  Erichson,   Professor   der  Philosophie  2U  Greif swalde  :  tiber 
'.  die  Theodicee,    über  das  moralische  und  üst  hetische 

Üebel,  Prohtemt  der  Tkeodiceef  über  den  Knd»week 
der  fi^elt.    Drei  Hedem »  zur  Feier  de»  (rtburMages  dt»  Kbm^ 
.  von  Prvnßcn  in  den  Jaktin  1880  —  82.  gehalten  an  der  ünivereliut 
•tt  GreiJ »walde^     ,  ^  . 

Steherlich  gehört  eu  den  bedeiitendsCen  Ersehen 
Illingen  der  gegenwärtigen  philosophischen  Epoche  (las 
überall  kundwerdende  Bestrc^ben,  den  bisherigen  Gegen- 
satz von  Glaubea  uqd  Frkennen  völlig  abzustreifen,  und 
auf  dem  Wege  reiner  VernonftrorschuDg  die  Religion  zur 
Wissenschaft  za  erheben.  Wohl  erkenn!  man  nämlich , 
dafs  nur  also  die  Heilung  der  vielfachen  Zweifel  und  Spal- 
tungen möglich  sey,  die  jetzt  nicht  nur  die  wissen«rliaft- 
lichen  Theologen y  sondern  das  innere  der  christlichen 
Gemeine  selbst  «erreifeen ;  d^fs  nur  ans  der  Klarheit  freies 
Brkennens  eine  lebendige  und  fortwirkende  Erneuerung 
wahrer  Religiosität  sich  erwarten  lasse.  Weniger  allgemein 
möchte  dageg*en  zu;^estanden  werden,  dafs  umgek( Int 
auch  die  Speculatioa  erst  dann,  wenn  sie  üasGemüth,  die 
religidsen  Anfordernngen  tief  und  ganz  zu  befriedigen 
vermag,  mit  Einem  Worte :  wenn  sie  eine  christliche 
geworden  ist  in  wahrem  und  lauterem  Sinne,  selbst  formell 
das  Siegel  der  Reife  und  V^ollendung  an  sich  trage.  Dafs 
übrigens  in  dieser  Forderung  die  Würde  des  Gedankens 
nicht  gefährdet,  derselbe  vielmehr  zu  seiner  höchsten 
Vollendung  aus  nnd  durch  sich  selbst  aufgemähnt  werden 
soll ,  versteht  sich ;  und  wie  vielfach  auch  in  dieser  Sphäre 
speculativer  Untersuchung  die  Differenz  der  Ansichten 
sey,  über  das  Priacip  reiner  und  unbedingter  Forschung 
selbst  findet  kaum  irgend  ein  Streit  mehr  Statt  . 

'    (Die  Fort»e%9ung  folgt,) 


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■ 


Jl\  56.   HEIDßLB.  JAHRB.  o.  LITERATUR.  1833. 


Speculative  Philosophie, 

(Fortsetzung») 

'         »  ■  •  * 

Dagegen  acheint  man  sich  von  manchen  Seiten  diese 
endliche  Versöhnung  von  Religion  und  Philosophie,  und 
die  damit  zusanimenhängeiide  Vollendung  der  letzteren 
näher  vorzustellen  ,  als  sie  wirklich  ist.  Man  möchte  den 
Anfang  für  das  Ziel,  die  erste  Aussaaf  für  die  Aerndte 
halten,  c|ie  Einzelne,  weil  sie  selbst  an  der  Zeit  sind, 
flchon  eimzQsammeln  sieh  anschicken.  Ja  mehr  noch  bilden 
Andere  sich  ein,  Feijg^en  lesen  zu  können  von  den  Dornen, 
Qod  Trauben  von  den  Disteln;  und  so  zuversichtlich 
flanben  sie,  die  eigensten  und  individnellsten  Lehren  in 
ihren  abstrakten  Formeln  eingefangen  zn  haben,  däfs  es 
Noth  thut,  indem  urir  im  Begriff  sind,  die  oben  ange^ 
führten  Schriften  Ober  Religionsphilosophie  zur  verglei- 
chenden Beurtheilung  zu  bringen,  vorerst  an  den  scharf 
ausgeprägten  Charakter  des  Christenjthums  zu  erinnern, 
damit  die  abstumpfende  ,  Auffassung  und  Auslegung  des- 
selben, die  sich  filr  philosophische  Behandlung  giebt, 
(larat^  gehörig  sich  contrastire. 

Das  Christenthum  an  sich  ist  gar  nicht  speoulativen 

Inhalts  oder  hat  die  Absicht  solcher  Unterweisung.  Das 
Kosmogonische  oder  iVIjthisehe  der  ältern  Religionen 
schliefst  es  gerade  aus;  nur ,  dafs  die  Welt  freie  Schöpfung 
des  göttlichen  Geistes  und  Willens  ist,  den  Gedanken 
der  Urpersonlichkeit  Gottes  fiber  der  Welt  hält  es  fest 
Wid  scheidet  sich  dadurch  von  jeder  pantheistischen  Re* 
h'gion  und  Weltansicht.  An  den  Menschen  vielmehr  ist 
es  gerichtet,  und  hegin nt  lehrend  eigentlich  erst  mit 
ihm,  wie  er  sich  findet  in  seinem  Selbstbewufstsejn  und 
Gewissen,  im  gesammten  Verhalten  zur  Natur  und  zu 
ach  selbst,  sey  s  im  Einzelnen  wie  im  ganzen  GescUechte. 

XXVI.  Jahrg.  9.  Hefl.  56 


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9 


Sil  SipeciilaUve  PhUotophie. 

Hier  kann  sieh  ihm  nnn  nicht  verbergen  das  Gelühl  der 
tiefen  Zerrissenheit  und  Ungenuge,  aber  auch  der  Schuld, 
und,  in  dieser  endlosen  Verflechlung,  der  forterbeoden 
Sünde.  Auf  der  einfachen  AnerketnitDifs  dieses  Faktums 
beruht  das  Christenthuui.  Dadurch  erhSIt  der  Gedanke 
einer  Erlösung,  Wiederherstellung  erst  Sinn  uihI  reale 
Bedeutung,  ist  nicht  blos  Allegorie  oder  in  Vorstellung 

Sehülltes  Philosophen!.  Ebenso  ist  es  dabei  nicht  out 
er  bioisen  Idee,  mit  dem  sul^ektivea  Gedaukea  einer 
tirlSsung  gethan,  sondern  Chnistus,  diese  Person,  ist 
der  Bürge  wie  der  Mittelpunkt  für  die  Wahrheit  der- 
selben; und  wie  die  Geschichte  in  Vergangenheit  und 
Gegenwart  erst  durch  dies  in  ihr  niedergelegte  und  sich 
verwirkiicheutle  Eridsuugselement  Inhalt  und  .Bedeutung 
empfangt ;  so  mflssen  auch  für  die  Zukunft  prophetische 
Weisungen  die  Gewifsheit  seiner  I  orlwirkung  und  seines 
endlichen  Sieges  bis  an  das  Ende  der  Tage  hinansführen. 
Dergestalt  ia  sielt  abgerundet,  aber  aus  Lehre  in  Wir- 
kung Stets  hinübergreifend,  ist  das  Christenthum  etwas 
durchaus Thatsä^hliches,  sich  selbst  berührende  und  neu 
erweisende  Energie:  es  beruht  auf  der  Anerkennung 
freier  Persönliclikeit ,  in  Gott  wie  im  Menschen,  deren 
iuuerfiter  Verkehr  mit  einander  die  Sphäre  seines  gehei- 
men offenbaren  Waltens  ausmacht  Daraus  ergiebt  sich 
der  Begriff  der  Kirche,  der  Gemeine,  des  Cultus  und 
des  Sacraments.  Die  erlösende  Anstalt,  auf  Christum 
und  seinen  Namen  g^i  iindet ,  ist  die  Kirche,  die  immer 
siegreicher  und  tiefer  diese  ibrltisung  in  der  Gemeine  zu 
VerMirklichefi  hat;  deren  gemeinsame  Heiligung  durch 
Lehr«,  Erbauung,  wechselseitiges  Beispiel  ihr  nie  auf- 
Mireiidelr  Oulfus  ist  Aber  das  Christenthum  richtet  stdh 
an  den  ganzen,  ungetheilten  Menschen:  auch  sein  un- 
mittelbar leibliches  Dasej'n  soll  geiveiht,  von  heilig^en- 
dem  Einflüsse  durchdrungen  werden.  Dies  ist  die  Idee 
^  S^cmmeuts  als  Taufe  miri  Abendmahl.  Aber  die 
ganze  irdische G^genw«rt ,  die  Ee1tlicbkeit,'ist  «efbst 
nur  Bruchstück  der  Ewiglieit;  lediglich  in  Bezug  auf 


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S|ieculativ6  Fhilo»opliie.  (tö<i 

dies«,  als  Vorbereitung  auf  das  Himmelreich,  isl  dem 
Irdischen  Werth  gegehw^  und  ohne  den  ernst*  und 
urahrgemeinten  GegeAnto  eines  Jenseils  und  Diesseits » 
eines  KOnftig  nnd  Jetzt  ist  der  Charakter  des  Christen* 

thuiiis  dahin !  Hieran  schliefst  f»ich  die  Lehre  von  einer 
innigeren  Vereinigung  mit  Gott  nach  diesem  Leben ,  oder 
eiaer  weitern  Entfernung  von  ihm.  Aber  mth  hier  wird  . 
SeligiLeit  und  Verdammnifs  an  die  ganze  ungetheiite  Per«^ 
sdnltchkeit  geknüpft;  es  ist  nicht  eine  yage  Unsterblich«- 
keit  der  Seele,  noch  wenijgfer  eine  abstracto  Ewigkeit  in 
Gott :  auch  die  Leibliciikeit  ist  unabtrennbar  vom  per- 
sönlichen liasieja;  sie  ist  nicht  zufällige  Hülle,  sondern 
£t  unvertausclibare ,  ausgqirägte  Wirklichkeit  der  Seele  « 
selber.  Dies  bezeichnet  die  Lehre  von  der  Auferstehung 
des  Leibes,  über  welche  die  BegriflFe  hergebrachter  Auf* 
kiärun«;  wie  bihlieri^er  Speculation  sich  noch  am  wenig- 
6teu  haben  zurechttiaden  köaneu« . 

Diese  HaaptzOge  reichen  hin ,  um  zu  bezeichnen , 

Vorauf  es  uns  ankommt.  An  sich  ist  nämlich  durch  das 
btoise  Zeugnifs,  dafs  Etwas  christlich  sej,  über  die  ob«  . 
jektive  Wahrheit  desselben  wissenschaftlich  noch  Michtt 
totschieden;  aber  es  handelt  sich  hier  dayon,  seinen 
wesentlichen  Gehalt  nicht  zu  verlieren,  welchen  eine 
rationalistische  Auslegung  wie  eine  abstracle  Begriffgiae* 
taphjsik  fast  gänzlich  nivellirt  nnd  ausgeleert  habe.  Jene 
hat  allerdings  sich  selbst  überlebt;  aber  an  ihreStelle  ist 
neuerlich  eine  speculative  Behandlung  getreten)  welche^ 
indem  sie,  wie  sie  sagt,  jenen  christlichen  Inhalt  denkt^ 
nicht  blüs  üb(M  ilni  denkt,  damit  zugleich  behauptet^ 
ihn  nach  seinem  objektiven  Ii«  stände  erst  gewonnen,  ja 
gerettet  und  wiederhergestellt  zu  haben.  Die  nachfol- 
'  gende  Vergleichnng  mag  zeigen,  ob  dem  in  der  That 
also  sey ! 

Niemand  verkennt,  dafs  wir  hierbei  besonders  die 
ireligionsphilosophischen  Arbeiten  der  Hegerschen  Sciiule 
im  Auge  haben.  Indem  wir  jedoch  jetzt  die  Darstellung^ 
des  Meisters  selbst  besitnen ,  anstreitig  das  Wichtigste  ^ 


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Speculative  Philosophie. 


was  über  diesen  Gegea&taod  seil  laoge  her  efschknen 
ist;  mofs  jener  Vorwurf  entweder  bestätigt  Ofler  saruck- 
genommen  werden.    Aber  selbst  im  ersteren  Falle  soll 

darin  kein  Tadel  liegen,  oder  eine  Anklage  in  gewöhn- 
lichem Sinne.  Mehr  oder  Anderes  nämüch  von  einem 
Erkenninifsstandpunkte  zu  verlangen,  als  er  darzubieten 
vermag 9  ist  baare  Ungerechtigkeit:  nur  sollte  er  selbst 
sich  nicht  zumnthen,  was  er  nicht  vermag ,  arö  wenigsten 
jedoch  über  seine  scharfgezogene  Grenze  hinübergreifen 
wollen  in  ein  Gebiet,  was  ihm  schleclithin  unzugänglkh 
bleibt.  Der  durchgreifende  Grundmangel  der  Hegel'- 
schen  Philosophie  besteht  darin ;  mit  der  Idee  von, Gott 
.  nur  bis  zum  Begriffe  des  logischen'Processes,  der  unend- 
lichen Weltdialektik  gelangt  zu  sejn ,  ohne  den  wahr- 
haften Begriff  des  absoluten  Geistes,  den  der  Persön- 
lichkeit, zu  finden  ;  überhaupt  das  grolse  Princip,  dafs 
Alles  Vernunft,  Gedanke  sey^  auf  das  Formelle 
iler  blos  logischen  Momente  des  Denkens  zurückbrin- 
gen zu  wollen.  So  wie  nun  an  einer  andern  Stelle  ein- 
dringlich gemacht  worden,  dafs,  bevor  die  Philosophie 
über  diese  abstracte  Auffassung  nicht  gründlich  und  voll« 
standig  hinausgebracht  ist,  an  eine  Versöhnung  derselben 
mit  Erfahrung,  Leben,  mit  allen  Richtungen  der  geisti- 
gen Bildung  nicht  zu  denken  sey;  und  dafs  gerade  bei 
diesem  Punkte  Hand  an's  Werk  gelegt  werden  miisse  zo 
der  rechten  Fortentwicklung:  so  ist  es  der  Zweck  ge- 
genwärtiger Abhandlung,  das  Gleiche  in  Bezug  auf  ihr 
Verhältnifs  zum  Christenthum  zu  zeigen :  nur  eine  Piii- 
losophie,  nicht  des  BegriflSes,  sondern  der  Freiheit,  kann 
auch  eine  christliche  werden.  Audi  in  den  FI e gel- 
schen Vorlesungen  über  Religionsphilosophie  tritt  dieser 
Grundniangel  des  Princips  noch  überall  hervor,  selbst 
hier  ist  ihm  Gott  noch  nichts  mehr  geworden^  als  der 
wohlbekannte  dialektische  Procefs  der  Idee :  als  Anderes 
ihrer  selbst  sich  entgegenzusetzen,  diese  ewige  Selbst- 
entzweiung eben  so  sehr  aber  wieder  aufzuheben,  und 
SO»  durch  die-Aeufserlichkeit  der  Natur,  zu  sich  selbst 


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Speciilative  Piiiiotoplue. 


886 


als  dem  Geisle  zurückzukehren.  Dieser  unendliche  Procefe 
der  Weh-  mid  Meiischwerduog  GoUes  ist  die  Schöpfung i 
die  Menschwerdung  seine  Personificatioo  und  sein  Be- 
wufstwerden,  und  tiies  das  höchste  Ziel  wie  dab  (jeheiainifs 
a!les  Daseins,  und  so  auch  des  Chiistenlhums.  Der 
Gott  christlicher  Lehre  isl  dagegen  der  ewig  per8Öo^ 
liehe:  er  hat  geschaiBTen  und  sich  offenbart ,  Mfeil  er  es 
wollte;  die  Welterlösung  ist  nicht  dialektischer  Mo- 
meot,  sondern  freie  Gabe  aü  den  Jreitiii  IMciischeugeist. 
Hiermit  ist  ein  andere  s  (jJe  hiet,  eine  neue,  jenem  For- 
raalismus  völlig  unzugängliciie  Betrachtungsweise  eröfiiiet. 
Zwar  spricht  Hegel  oft  davon,  and  auch  in  diesem 
Werke  ist  es  sein  wiederkehrender  Liebtingsgedanke :  dafs 
Gott  nicht  neidisch  sey,  dafs  er  sich  und  seine  Natur 
dem  Menschen  offenbart  habe.  Wie  kann  jedoch  N  eid- 
los igk  ei  t  dem  nachgerühmt  werden,  der  seine  Gabe 
sieht  vorenthalten  kann?  Denn  gleichwie  der  Begriff 
des  Grundes  die  weitere  Bestimmung  einschliefst,  nnr 
in  seiner  Folge  sich  su  manifestiren  und  wirklich  zu 
seyn  ;  so  liegt  es  im  Begriffe  dieses  Gottes,  sich  zu  of- 
feubareu,  falls  man  dies  nämlich  iiberhaujit  noch  Offen- 
barung nennen  mag:  denn  er  ist  selbst  nur  Mer  sich 
offenbarende  Procefs;  und  Alles  bewegt  sich  in. der  Noth- 
wendigkeit  des  apriorischen  Begriffs,  wie  ein  dialekti- 
sches Rechenexempel !  So  kommt  er  mit  der  vermeinten 
Tiefe  speculativer  Auflassung  eigentlich  nur  zu  einer  an- 
dern Art  rationalistischer  Accom'mndation  und  Verwü- 
8tung:  die  speciellsten  Lehren  und  Aeufserungen  Christi 
mOfsten  sich  bequemen ,  nur  im  Sinne  jener  Begriffsab- 
stiactionen  ausgedeutet  zn  werden.  Die  Ei  lüsunj"^  durch 
das  Christenthum ,  die  künftige  Seligkeit  ist  nur  das  ab- 
strakte Bewufstseyn  des  Menschen  von  seiner  Einheit 
mit  Gott ,  d.  h.  das  Bewnfstwerden  Gottes  in  ihm :  das 
Böse  und  die  Sllnde  das  formelle  Aufsergottsejn ,  die 
unmittelbare  Bcvvulhtlosigkeit  des  Menschen  über  jene 
Einheit ;  die  Unsterblichkeit  wird  aufgefafsl  als  die 
Ewigkeit  des  denkenden  Geistes  in  Gott,  das  Himmel- 


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M6  Slpeenlfttive  PMl^otophie. 

*  .  f  s 

reich  und  das  ewige  Leben  als  der  Zustand  fies  zui  Wahr- 
heit  gelangten  Bewulistsejns  in  der  Gegenwart.  Noch 
haltung^loser  wird  die  Deutung,  wenn  selbst  historische 
Thatsi^en,  wie  der  Tod  uod  die  Anferstebyag  Chri^U, 
als  MomeDle  des  Begriffes  behandelt  und  liir  die  dia« 
lektische  Explication  der  allgemeinen  Natur  Gottes  er- 
lilärt  werden:  sein  Tod  für  in  Gottes  Wesen  g-esetzte 
ewige  Negation )  seine  Auferstehung  von  den  Todteu,  als 
der  fernere  Moment,  diese  dialektische  Negation  wieder 
aufzuheben  und  sie  zn  überwinden.  Hat  je  ein  Doket, 
ein  Gnosüker  willkührlicher  und  nüchterner  allego- 
risirt ! 

Dennoch  steht,  was  nicht  zu  übersehen,  wissen- 
fichaftlich  betrachtet  der  abstracto  Begriff  am  ün- 
fange  der  yollendeten  Wahrheit,  und  nur  durch  jenen 
ist  auch  zu  ihr  zu  gelangen.  Es  ist  nämlich  der  grofse 
Gang  speculativer  Fortbildung,  das  Abstracte,  als  die 
Grundlage,  mehr  und  mehr  in  sich  zu  vertiefen,  und 
«ie  selbst  dergestalt  zur  Lebendigkeit  und  Freiheit  fort- 
jBUflihren.  So  ealhih  auch  jener  Standpunkt  die  Wahr*- 
heit,  nur  noch  in  ihren  allgemeinsten  Grundzögen  ond 
in  halber  Entwicklung  begriffen.  Und  dies  gilt  auch 
in  vollem  Mafse  von  der  Hegelschen  Beligionslehre, 
welche  nicht  nur  eine  ächt  speculative,  sondern  wahr^ 
haft  religiöse  Seite  darbietet  Daher  auch  das  Gepräge 
der  hohen  Resignation,  ja  der  Erhabenheit,  welches 
veredelnd  auf  ihr  ruht.  Sie  kann  als  vollendete  Mystik 
des  Begriffes  charakterisirt  werden,  nahe  verwandt  mit 
der  der  Phantasie  oder  des  Gemüths:  auch  sie  macht  die 
Einheit  der  Seele  mit  Gott  zum  Mittelpunkte  ihrer  Lehre, 
aber,  wie  dort  phantastisch  oder  hlos  gc  fühlToü,  so  hier 
nur  abstract  gehalten,  und,  worin  eben  das  Wesen  aller 
Mystik  besteht,  nur  noch  halbentwickelt,  und  nicht  zur 
Freiheit  und  Freudigkeit  lebendiger  Wahrheit  entfaltet. 
Daher  denn  auch  das  Anziehende  derselben  und  das  Ab- 
stofsende  zugleich  in  dieser  Verflechtung  lind  seltsamem 
Wechsel    Wenn  jedoch,  auch  dem  minder  Kundigen 


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Sl^ouiative  FbÜMoplile. 


^1 


fühlbar)  ein  vetborgenei  Gronilgebrecbeii  nviß  eio  ge* 
heimes  Web  das  Ganze  durchzieht ,  ja  wenn  es  stellen- 
weise in  einem  grellen  Mifstone  plötzlich  hervorbricht: 
»elbst  fiit^i^er  wird  beschwichtigt  durch  die  reine  und 
hohe  Religiosität}  welche  als  Gesinnung  überall  sic|i 
offenbart,  und  so  nahen  wir  dennoch  mit  anerl^ennendsr 
Verehr iing  und  Dankbarkeit  dem  reichhaltigen  Werke  zu 
deiseo  näherer  Betrachtung. 


Der  Plan  des  Ganzen  ist  mit  bewundernswOrdiger 
Kraft  und  Begrif&stetigkeit  entworfen  und  durchgeführt. 

Es  ist  ein  Unternehmen  so  neu  als  an  sich  von  der  gröfsten 
Bedeutung,  die  historischen  Erscheinungen  der  Religion 
mit  dem  Begriffe  zu  durchdringen,  um  sie  theils  in  ihrer 
scharfen  Sondernn||p  aufzufassen,  theiis  doch  auch  die 
Eine,  durch  sie  hindurchgehende  Grundidee  zu  recht  -  ^ 
fertigen.  Dennocli  zeigt  öich  hier  schon  in  der  Auffas- 
ßuiig  der  vorchristlichen  Religionen ,  viel  mehr  noch 
später,  die  Einseitigkeit  des  ganzen  Standpunktes  kennt* 
lieh  genug. 

Als  Aufgabe  di«fier  Vorlesungen  wirc)  bezeichnet 
<U.  S.  288.)  I  die  Vernunft  mit  der  Religion  zu  yerspb- 
osn,  und  diese  in  ihren  mannigfaltigen  Gestalten  als 

Doth wendige  zu  erkennen.  Religion  ist  —  i^as  als 
abstraktester  Ausdruck  Wahrheit  hat,  —  das  Be  w u  fs t- 
se^o  Gottes;  in  unmitteibarer  Weise  alsGiauben; 
Ml  veimittelter,  denkender,  als  Philosophie:  wfMlurcb 
dann  mit  Rei^hit  der  Religion  wie  jPhilosophie  derselbe  . 
Inhalt  vindicirt  wird.  *  Nun  kann  jedoch  die  Religion 
ihrem  Begriffe  unangemessen  sejn;  daraus  eigiebt  sich 
ii«r  dialektische  Procefs:.  dafs  die  dem  Begriffe  nicht 
SQtsprecbenden  Religionen  ans  sich  selbst  zur  absp- 
lutea  Religion  sich  Tollenden  noAssen»  Dieser  Foirtgang 
des  Begriffes  ist  zugleich  das  objektive  Hervorbringen 
der  wahren  Religion;  der  Geist  der  Weltgeschichte 


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888 


Speenlailve  Philotopbiv. 


real  181  rt  eben  jenen  dialektischen  Proceft^  und  es  ist 

seine  Arbeit  durch  Jahrtausende  gewesen,  ihn  zu  vollen- 
den. (I.  S.  119.  183.  184.)  —  So  erheben  sich  schon 
diese  Fundamentalerklärungen  nirgends  über  den  Be- 
griff des  absoluten  Processes  cur  Idee  der  Persönlich- 
keit und  einer  freien  Offenbarnng,  weiche  Bornirtheit 
der  Grundansicht  im  Folgenden  nur  noch  härter  und 
abschneidender  hervortritt. 

Aber  anch  die  einzelnen  beschränkten  Religionen, 
wiewohl  nicht  entsprechend  ihrem  Begriffe,  enthalten 

ihü  ueuigstens  in  sich;  sonst  wären  sie  Oberhaupt  nicht 
Religion.  Sie  sind  nur  besondere  Momente  des  Be- 
griffes: er  ist  da  in  ihnen,  aber  noch  nicht  als  völlig 
verwirklichter« 

Die  Unmittelbarkeit  iät  das  Natürliche:  daher  ist 
die  erste,  die  Religion  in  ihrer  Unmittelbarkeit,  — 
die  Naturreligion  ;  ihr  Staudpunkt  —  Einheit  des 
.Geistigen  und  Natfiriichen.  Eine  unmittelbare  Existenz , 
Sonne,  Thier,  Flufs  u.  s.  w«,  wird  als  Gott  gewufst. 
(I.  S.  202.)  —  Die  niederste  Form  derselben  ist  die 
Religion  der  Zauberei  (S.  220  ff.),  deren  Wesen  es 
ist,  daiis  das  Geistige  absolute  Macht  über  die  Natur 
habe.  Dies  ist  zunächst  jedoch  nur  noch  das  einzelne, 
empirische  Selbstbewnfiitsejn  dee  Menschen,  der  sich 
höher  weifs,  als  die  Natur,  und  so  durch  Vorstellung 
und  Willen,  unmittelbar  (magisch,  zauberisch)  einwir- 
ken  zu  können  glaubt  auf  dieselbe.  Dies  sej  die  „äl- 
teste" Weise  der  Religion,  und  ihre  wildeste,  roheste 
Form«  (&  Abgerechnet,  dafs  hier  und  an  andern 

Stellen  die  ganz  nnhistorische^  wiewohl  in  der  Conse- 
quenz  des  Priucips  liegende  Ansicht  hindurchblickt ,  dafs 
diese  Religion,  als  dem  Begriffe  nach  die  unvollkom- 
menste, auch  die  älteste  seyn  müsse:  so  scheint  mehr 
noch  in  der  ganzen  Auffassung  ein  Irrthnm  zu  liegen, 
der  weit  in  das  folgende  hinübergreift.  —  Nur  da  kann 
noch  von  Religion  die  Rede  seyn ,  %vo  der  Mensch 
über  sich  ein  Äilgewahiges  erkennt,  sich  ihm  unterwirf!^ 


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Spccolative  Philosophie.  889 

oder,  seine  Uebermacht  anerkeniu  ii<l ,  es  wenig-stens  zu 
seioein  Besten  zu  Jenkeo,  für  sich  zu  gewinnen  sucht. 
In  dem  Bewufetseyn  magischer  Gewalt  des  Meoscheo 
über  die  Natur  aas  sich  selbst)  wie  es  hier  darge«- 
stellt  wird ,  wäre  daher  das  letzte  Element  des  Religiösen 
ausgetilgt.  Aber  der  ganze  Begriff  ist  überhaupt  nur 
aus  falscher,  dem  Principe  des  Systemes  aecommodirter 
Auffassung  hervorgegangen,  wif  nicht  minder  der  des 
Petischdienstes.  (S.  237.)  Bs  giebt  nirgends  sol- 
ches Bewufstseyn  und  Verhalten  des  Menschen  zur  Natur 
Ueberau  vielmehr ,  auch  in  seiner  tiefsten  Erniedrigung 
und  rohesten  Gestalt,  scheuet  oder  verehrt  der  Mensch 
eine  unsichtbare  Macht,  ein  furchtbar  Unbeiianntes ,  das 
Ardemd  oder  stdrend  plötzlich  Aber  ihm  hervorbreehen 
'  kann.  Dies  nnentfliehbar  beengende  GefOhl  des  Menschen 
ven  seiner  Abhängigkeit  ist  jedoch  nur  die  erste  rohe 
Hülle,  der  Boden,  worin  die  Ofienbarung  des  Geistes 
Gottes  ihm  aufgeht.  Daher  ist  jenem  das  Göttliche 
noch  ein  Geheimes,  Verschlossenes,  schwer  zu  En trätli- 
selttdes:'  Alles  droht  ,^  weil  es  ein  Unbekanntes  ist;  daher 
jede  ahnungsvolle  Naturerscheinung,  jedes  merkwürdige 
Geschöpf  ihm  Symbol  dieser  Macht  wird,  und  so  schafft 
es  sich  Fetische,  die  Träger  und  gegenwärtigen  Sinn-* 
bilder  jenes  geheimnifsyollen  Waltens.  Aber  eng  ver- 
bunden mit  dieser  superstitlösen  Götterfurcht  ist  die 
Th  eurgie,  gleichfalls  ein' fast  durch  alle  Religionen 
sich  hindurchziehendes  Princip.  Die  Verehrung ,  der 
Cttltus  gewinnt  und  besänftigt  die  drohenden  Gewalten; 
da  meint  der  blinde,,  in  Aeufserlichkeit  erstarrte  Sinn, 
durch  die  Gebet-  und  Beschwörungsformel  selbst  diese 
Macht  sich  unterwerfen ,  zum  eigenen  Dienste  zwingen 
zu  können.  So  sind  die  Schamanen,  die  Naturzauberer 
aljier  Art  Theurgeo  im  rohesten  Sinne:  nicht  durch  ihre 
Persönlichkeit,  ihr  Selbstbewufstseyn  meinen  si^  Stürme 
und  Gewitter  beherrschen  zu  können,  sondern  durch  die  ^  ' 
Zauberformeln,  die  sie  erlernt  haben,  die  durch  alte 
Tradition  ihnen  überliefert  sind.    Ueberhaupt  ist  die 


V 


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Speonlative  PliilMO^I«. 


auch  Ton  Hegel  (I.  S.  81tt.)  angefilhrte  Teinpelinschrift 
zu  Sais  fler  Schlfissel  zu  allen  heidnischen  Religionen, 
zumal  den  roliesten  und  aberglaubigsten  :  „Ich  bin,  was 
war,  ist,  und  se;^u  wird:  aber  meinen  Schleier 
bat  noch  Niemand  gehoben." 

Als  die  zweite  Form  der  Naturreligion  wird  die 
jüdische  aufgeführt,  die  Religion  der  Phantasie. 
(S.  275  ff.)  Wir  müssen  es  tief  und  bezeichnend  nennen, 
wenn  von  dieser  gesagt  wird ,  dafs  sie  zwar  an  das  Hdchste 
der  Idee  erinnere,  aber  antch  die  Verkümmerung  an  sich 
trage ,  in  der  Zerflossenheit  der  einzelnen  Göttergestalten 
die  geisti^sfe  Einheit  nicht  festhalten  zu  können  ,  wodurch 
sie  zur  Miisgestalt  des  rohesten  Aberglaubens  herab- 
sinkt. Wirklich  sehen  wir  in  Religion  und  Philosophie, 
dafs ,  je  wahrer  ui|d  liefer  ein  ErkeBnlnifsprincip  an  sieb 
ist,  aus  seiner  abstracten  oder  einseitigen  Auffassung  m 
desto  widrigerer  Irrthum  hervorgeht,  wie  auch  gerade 
die  Verzerrung  der  edelsten  Gestalt  die  grauenvollste  und 
widrigste  ist.  So  wird  in  der  indischen  Religion,  aufser 
der  pantheisttschen  Grundlage:  (Brahm  ist  Alles;)  allss 
Uebrige  dnreh  die  Phantasie  endloe  and  oberflfichlich 
peisonificirt.  Grofse  Naturgegenstände,  sinnliche  Natur- 
gewalten ,  geistige  Leidenschaften  oder  Kräfte  werden 
phantastisch  als  die  Belhätigungen  Brahms  aufgefafst; 
und  so  entsteht  eine  nnendiichey  wiUkilhrlich  erdachte 
und  dem  Spiele  dev  Phantame  unterworfene  Gdtterwelt; 
welche  wieder  von  der  pantheii» tischen  Abstractioo  deä 
Einen  in  Aiieni  absorbirl  wird. 

Der  Begriffsübergang  yon  hier  ans  niun  Paraismns* 
als  der  Naturreligion  des  Outen  (S.  836,  3T.  342.) 

ergiebt  sich  nicht  ohne  einige  Härte.  Brahm  war 
das  noch  Bewufäte  und  Bestimmungsloseste,  die  ab- 
stracto Substanz.  Diese  mufs  zur  logischen  fieibst- 
bestlnunung  fortgehen ,  und  diese  Selbstbestimmung  Ist 
das  Gute.  Das  Gute  jedoch  in  der  Form  der  reiaeo 
Unmittelbarkeit  und  Natürlichkeit  ist  Licht;  iliesem 
Steht  der  Gegensatz,  das  Bdse,  als  die  FinsterDifs  ge- 


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SpMlatife  riiilMopMa. 


Ml 


gtoiber,  6.  w.  —  Wie  indeb  hier  schon ,  io  der  Sphäre 
der  Natnrreligion,  die  tiefe  ethische  Idee  des  Oeten 

!  sich  ergebe,  ist  in  der  That  nicht  abzusehen,  und  der 
angenommene  logische  Fortgang  frommt  hier  wenig. 
Es  ist  eine  der  tiefsten  Bestimmungen  toq  Gott,  zu  sagen: 
die  Macht  ist  das  Gute,  weshalb  allein  schon  dem  Par- 
sliiniis  ein  anderes  Begriffsverhältnirs  hatte  angewiesen 
werden  müssen.  Der  IIa  um  verbietet,  auf  das  Einzehie 
der  Deduction ,  wie  auf  weitere  Ausführungen  einzuge- 
hen; aber  selbst  äuCserlich  beurtheilt  kann  die  Stellung 
dieser  Religion,  bei  der  Reinheit  ihres  Cultus  und  ihrem 
I  dsrchaus  ethischen  Gepräge,  ewischen  der  Rohheit  und 
I  Ungeschlachtheit  indischen  und  ä<>^yptischeu  Aberglau- 
beos  nur  Widerspruch  erregen.  — 

Die  vierte  Form  ist  die  Religion  des  Ruthselsi 
die  äg-y  p  t  isc  Ii  e.    (8,  342.)     Hier  ist  das  (jiötUiche 
I  wieder  die  Macht;  diese  tritt  jedoch  in  verei  ti  z  eiieu 
SubjeiitiTittten  und  Existenzen,  an  Menschen,  Thieren, 
I  hervor:  -es  ist  die  Vermischung  von  Substantialitit  und 
i  Subjektivität.  (IL  S.S.)    In  sofern  die  göttliche  Macht 
I  in  dieser  Vereinzelung*  erscheint ,  kann  sie  es  nur  im 
Gegensatze  mit  den  i^aturgesetzen ;  hier  ist  daher  der 
Ort  der  W«nder,  während  dagegen  in  der  indischen 
ReKgion  Alles  wunderbar,  phantastisch  ist  (8.  848.) 
Doch  ist  es  «las  Höhere  der  ägyptischen  Religion  gegen 
die  persische  und  indische,  dafs  die  Momente  der  Affir- 
I  luation  und  Negation  des  Lebens  und  des  Todes,  welche 
io  diesen  auseinander  fallen,  oder  als  änfserlicher 
lUmpf  des  Guten  und  Bosen.,  des  Lichireiches  mit  der 
I  Piasternifs  erscheinen,  in  jener  zur  immanenten  Einheit 
'  des  Subjekts  vermittelt  werden.    Der  Gott,  üsiris, 
stirbt,  d.  h.  er  giebt  sich  dies  Aadersseyn  selbst:  die 
Negation  ist  ihm  eine  immanente,  und  dies  ist  das  H<^« 
here.    Die  dritte  Bestimmung  zn  diesem  Schmerz  und 
IWde  ist  aber,  ans  demselben  wiederaofzustehen. 
Auch  diese  ündet  «ich  in  der  ägyptischen  Reii<rio?i :  Osiris 
.  ersteht  ewi|;  von  dem  Tode ,  und  erscheint  so  als  da« 


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SpfcnUttTe  Philotopbie. 


freie  Subjekt,  als  die  unendliche  Persdnlicb«- 

keit  (S.  354.55.)  So  sehen  wir  die  ägyptische  Religion 
plötzlich  zu  den  höchsten  Begrifieii  hinaiif^t  klai  t ,  deren 
die  Fhiiosopbie  überhaupt  fähig  ist:  wir  tiudeo  hier  Be- 
eiimmungen,  wie  sie  bei  der  Aufiassuog  des  Todes  Christi 
gerade  also  wiederkehren ,  und  schwer  möchte  esseys, 
einen  durchgreifenden  Unterschied  hierbei  aufooweiseo. 
Vielmehr  müfste  man  nach  der  ganzen  Lage  der  Sache 
dem  ägyptischen  Symbole  sogar  den  Vorzug  lassen  vor 
dem  christlichen,  ueii  dort  der  Gott  in  der  VorstelluBg 
der  Gläubigen  ewig  stirbt  und  ewig  wiederaufersteht, 
der  Gott  in  Christo  jedoch  nui'  einmal!  (Man  \erg\, 
auch,  was  über  den  Begriff  des  Strebens  der  Gottheit 
in  den  alten  Religionen  überhaupt  gesagt  wird.  (S.  3ä2 
bis  859.) 

Die  zweite  Haupistute  ist  die  Religiuu  der  gei- 
stigen Individualität :  Gott  fängt  au,  in  die  Subjektivität 
einzutreten;  er  ist  nicht  mehr  absolute  Macht,  sondera 
Person,  und  der  Gedanke  ist  das  Herrschende  uod 
Bestimmende  der  Welt.  Aber  auch  diese  Stufe  durch- 
läuft mehrere  Formen: 

1)  eines  Gottes,  der  im  Gedanken ,  die  reine  unsian- 
liche  Subjectivität  ist.  Gott  ist  der  Eine,  nur  sich  selbst 
Gleiche ,  keinen  andern  neben  sich  habend ,  noch  Etwas 

duldend,  was  Selbstständigkeit  hättet  Er  ist  die  Weis- 
heit, die  sich  fortbestimmt  zur  Thätigkeit  aus  sich  selbst: 
er  erschafft  die  Weit  aus  Nichts,  aus  reiner  Allmacht; 
es  sind  keine  Kosmogonien,  wo  das  Natürlich  «Sinnliche 
Gestaltung  des  Göttlichen  ist.  Dadurch  werden  aber  die 
erschaffenen  Diuge  etwas  Aeufserliches,  Unwesentiichei;, 
in  Nichts  Verschwindendes,  nur  dazu  da,  um  Gottes 
Allmacht  zu  bewähren.  Es  ist  die  Religion  der  Erha- 
benheit, das  Judenthum,  als  deren  Charakteristisches 
es  bezeichnet  wird,  dafs  die  Natur  entgöttert,  za 
einem  Werthlosen  herabgesetzt  ist ;  Gott  hat  in  ihr  noch 
nicht,  wie  in  der  Religion  der  Schönheit,  der  grie- 
chischen, in  dieser  Aeufserlichkeit  sein  FürsichseyAt 


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I 


Speculatlve  Philosophie.  %9Z 

seine  wesentliche  Verwirklichung.  (IL  S.  51.)  Die 
Einheit  des  Ideeilen  und  Reelleo  isl  in  der  jüdischen 
Religion  nicht  nur  nicht  festgehalten,  sondern  ansdrück- 
lieh  negirt :  Gott  ist  wieder  in  ein  blofbes  Jenseits  hinaus- 
geruckt. 

2)  Dies  ergSnzt  die  Religion  der  Schönheit,  in 
welcher 'das  Endliche  und  NatQr  liehe  verklärt  ist  im 
Geiste,  dadurch  dafs  es  sein  -  Z  e  i  c  h  e  n  wird  ;  wobei  zu- 
gleich  das  \alörliche  selbst  sich  als  die  andere  Seite, 
als  wesentlicher  Moment  verhält  zur  göttücheri  Substanz. 
Es  ist  daher  wesentlich,*  als  freie  Subjektivität  in  dem 
Bfldlichen,  als  seiner  Manifestation,  zu  erscheinen:  dies 
ist  die  Weise  der  präsenten  Individualität,  der  Schön- 
heit. (S.  102.)  Aber  jene  Manifestationen  der  Schoulieit 
md  selbst  mannichfacher  Art;  und  so  tritt  sie  in  eine 
Vielheit  schöner  Götterindividualitäten  auseinander«  Aber 
ditrüber  schwebt  noch  das  Allgemeine  als  die  selbstlose 
Macht,  weisheitslos  nnd  unbestimmt  in  sich,  das  Fatam, 
die  kalte  Nothwendi^keit,  welcher  jene  Gestalten  der 
Schönheit  selbst  unterworfen  sind. 

8)  Diese  absolute  Macht  roufs  sich  zunächst  zum 

absoluten  Zweck  fortbestimmen,  zuvörderst  jedoch 
mit  dem  Mang-el ,  dafs  er  ein  von  Menschen  g-esetzter, 
iafserlicher ,  empirischer  ist,  der  Staat  und  die  Welt- 
herrschaft; die  Religion  der  Zweckmäfsigkeit, 
£e  römische.  (8. 180.)  Wesentlich  ist,  dafs  sie  bei  dem 
iafsern  Zwecke  stehen  bleibt.  Im  Christenthum  näm- 
Bch  ist  es  absoluter  Zweck,  dafs  alle  Menschen  zur  Er- 
keaatnifs  der  Wahrheit  kommen;  da  ist  der  Zweck  ein 
innerlicher,  er  nimmt  das  Individuum  in  sich  auf  und 
nacht  sich  mit  ihm  identisch.  Dort  hingegen  ist  er 
■ach  äufeerlich,  zwar  absolut,  abier  nur  in  Form  der 
Gewalt,  der  äufsern  Nothwendigkeit :  die  Freiheit  und 
(lie  Rechte  der  Individuen  werden  vielmehr  unterdrückt, 
ist  an  sich  die  Forderung  des  Höchsten  in  ihr  gesetzt, 
aimlich  Vereinigung  des  reinen  Ansichseyenden  nnd  der 
Zwecke;  aber  diese  Vereinigung  ist  nur  noch  eine  nn- 


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m 


göttliche,  rohe.  (S.  132.)  üie  römischen  Götter  sind 
daher  praktisclie,  nicht  tlieoretißche ,  prosaische,  nicht 
poetische  Gestalten,  obgleich  eben  deshalb  diese  Stufe 
an  Brfindung  iminer  neuer  Götter  äni  reichsten  ist  — 
Hierauf  folgt  eine  treffliche,  wenn  auch  nicht  durchaus 
neue,  Charakteristik  des  röniihchen  Geistes  in  Heligioa 
und  Staat;  und  so  wenig  uns  auch  das  Forinelle,  der 
dialektische  Uebergang^  aus  dem  Vorigen  genügt ^  80 
stehen  whr  doch  nicht  an ,  die  weitere  Ausführung  dieses 
Abschnittes  für  das  Trefflichste  des  ganzen  Buches  zu 
erklären. 

So  weit  die  Vorstnfen  zur  absoluten  Religion, 

dem  Christenthume.  Wir  öberlassen  es  Andern,  den 
Plan  und  die  Anordnung  des  Bisherigen  nach  ihrer  wis- 
senschaftlichen Berechtigung  und  der  Wahrheit  des  In- 
halts ausnihrlicher  zu  M^rdigen  :  uns  mufsten  kurze  Ao* 
deutungen  genügen.  Doch  können  wir  die  Stellung  der 
jüdischen  Religion  als  blofser  Vorstufe  zur  griechischen 
und  römischen  nicht  anders  als  unverträglich  finden  mit 
der  historischen  und  dogmatischen  Entwicklung  des  Chri- 
stenthums selbst  In  demselben  Mangel  der  Grundauf« 
fassung  ist  es  auch  zu  suchen,  dafe  gerade  die  charakfe* 
ristische  Seite  des  Judäismus  unberücksichtigt  geblieben 
ist:  die  prop heti scTie,  wodurch  es,  selbst  a?s  nn- 
vollendet  sich  hekeunenti,  auf  die  Zukunft  und  deren 
Vollendung  hinweist.  Dies  unterscheidet  die  jüdische 
Religion  nicht  minder  Ton  allen  übrigen,  als  ihr  urbild- 
licher Begriff*  von  der  Einheit  Gottes,  ihre  erhabene 
Symbolik  des  Schaffens  durch  das  Wort,  die  Idee  der 
Allmacht,  welches  Alles  Hegel  selbst  anführt,  um  e9 
sich  jedoch  wiederum  durch  den  ungehörig  eingemischlea 
Gedanken  des  Jenseits  und  Diesseits,  der  Nalurcntgdtte« 
rang  und  dergl.  zu  Terkummern.  Und  so  hätte  eine 
Religionsphilosophie,  die  in  der  That  das  Christliche 
zum  Mittelpunkt  macht,  vielmehr  von  der  scharfen  Son- 
derung des  Judenthums  von  allen  Natur -  und  Phantasie- 
religionen  auazugehen,  wodurch  sich  audi  eine  vdiUg 


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Specttlatlve  Philosophie. 


895 


veränderte  Grundaosicht  der  letztern  ergeben  mächte.  — 
Endlich  ist  vom  Herausgeber  schon  erwähnt  worden, 
dafii  die  nordische  Mjrthologie  nnd  der  Muhaimdanismiis 
in  dem  Plane  des  Ganien  fehlen.    Wenn  jedoch,  wie 

hier  behauptet  wird ,  alle  Momente  des  Begriffes  mit 
dem  Vorhandenen  schon  erschöpft  se^n  sollen ;  so  tödtet 
ein  überzähliges  Glied  die  ganze  Begriffsentwicklang  in 
ihrem  Keime. 

Aber  der  beengende  Gesichtspunkt  der  speculativen 
Gmndanslcht  irüt  in  der  Darstellung  des  Christenthnms 
nur  noch  deutlicher  hervor.    Inders  behaupten  wir  damit 

nicht ,  (lafs  die  HegeFsche  Ansicht  ch  sst^lben  eigentlicli 
falsch  sey:  Tielmehr  enthält  sie,  wie  jede  wahrliaft  spe- 
kulative Auffassung,  die  ernste,  tiefe  Wahrheit,  nur  nicht 
die  ganse  Wahrheit.  Nicht  was  er  positiv  erkennt; 
sondern  wie  weit  er  das  Erkannte  diirchflihrt ,  nicht  was 
er  beliaiiptet,  sondern  zu  wessen  Behauptung  er  nicht 
gelangt,  was  er  jedoch,  wegen  des  ausschllefsenden 
Geistes  seiner  Philosophie,  damit  zurückweist  und  ver- 
Uhignet,  ist  das  Element  des  Irrthums  in  ihm.  Er  bleibt, 
inrie  schon  angedeütet,  ftberall  nur  bei  der  änfserlichen, 
formellen  Seite  der  Wahrheit! 

Die  Religion,  heirst  es  hier  von  NeuM,  ist  das 

Selbstbewufstseyn  Gottes  von  sich  :  aber  erst  in  der  ab- 
soluten ist  die  letzte  Schianke  desselben  durchbrochen. 
Indem  der  Mensch  überhaupt  nur  von  Gott  weifs,  ist 
Gott  zwar  Bewufstseyn  im  Menschen,  aber  nur  an  sich, 
Aich!  für  sich.  Erst  indem  das  endliche  Bewurstseyn 
sich  selbst  als  Eins  weifs  mit  Gott,  ist  darin  Gott  auch 
für  sich  Bewufstsejn  geworden.  Es  ist  der  absolute 
Procefs  Gottes,  Sich  Gegenstand  zu  seyn,  aber  in  diesem 
Unterschiede  seines  seihst 'Sich  zu  wissen,  darin  also 
mit  sich  identisch  za  bleiben.  Der  Fortgang  zur  abso* 
teten  Religion  ist  selbst  eben  dies  Thun,  diese  entwik- 
kelte  Lebendigkeit  Gottes,  sich  zum  Wissen  seiner  selbst, 
zum  absoluten  Geiste  zu  macheu.    Das  Allgemeinste  fafst 


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806  Si^ttlative  PMlAmpliie. 

flieh  darin  als  Eins  mit  sich  im  Concretesteo ,  und  Gott 
hat  so  sein  Selbstbewufstseyn  in  der  christlichen  Ge- 
meine. (II.  &  15L  ö2  &  m  U.6.  w.) 

Hieraus  ergiebt  sich  die  bekannte  Deduction  der 
Dreieinigkeit.  Die  absolute  Idee  ist  a)  Gott  an 
sich,  in  seiner  Ewigkeit,  vor  Erschajffung  der  Welt  ge- 
dacht; eigentlich  eine  Abstraction  und,  wenn  dabei  ste- 
hen geblieben  wird,  eine  Einseitigkeit:  —  das  Reick 
des  Vaters.  Aber  Gott  uuterschcidet  sich  6)  absolut 
von  sich  selbst:  seine  Entzweiung.  Dies  ist  die 
Schöpfung,  als  Natur  und  als  Geist.  Aber  erst  iin  Geiste 
kommt  er  m  sich -selbst,  bereitet  er  sich  die  Versöh- 
nung dieser  Aeufserlichkeit :  so  ist  er  nicht  in  der 
Natur,  sondesn  erst  im  Geiste,  im  Menschen,  als  der 
Sohn  bestimmt.  —  Diese  V  ersöhnung  wird  jedoch  erst 
c)  in  der  Sphäre  des  Geistes  erreicht.  Das  endliche 
Selbstbewufstseyn,  der  Mensch  9  weifs  sich  darin  ab 
Eins  mit  Gott;  Gott  selbst  ist  Person,  Ich  geworden; 
die  unendliche  Versöhnung  des  Al^g^n^^^n^" 
creten,  näher  des  Menschen  mit  Gott,  und  damit  das 
Ziel,  der  absolute  Zweck  der  Schöpfung  ist  voll- 
bracht. Diese  Verwirklichung  und  Ausbreitung  ^es  gött^ 
liehen  Seibstbewafstseyns ,  die  geistige  Gegenwart 
Gottes  in  cler  Gemeine,  ist  die  l^hätigkeit  und  das 
Reich  des  heiligen  Geistes.  — 

Dies  ist  die  speculative  Grundlage  und  der  eigent« 
liehe  Inhalt  des  Ciuistenthums :  alles  Uebrige  besteht 
in  weitern  Expositionen  und  Anwendungen  desselbee. 
Wir  heben  noch  eioaseiue  charakteristische  Züge  dara^ 
hervor. 

? 

(Die  Fortietxung  folgt.) 


I 


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N^  57.    HBlDfiLB.  JAUUB.  d.  UitiHAi  ÜA.  1833. 


Speculative  Philosophie» 

(Fortaet  s  un  g,) 

Gott  Ui  aicht  blos  die  abstracle  Identität  des  ersten 
Moineals,  soodero  auch  der  uneadliche  Uotefeebiedi 
aber  aoch  dieser  nicht  uoversöhnt  mit  sich  und  von  sich 

abgefallen,  sondern  auf  dem  Gipfel  dieser  Entzweiung,  ' 
im  iVIeiisclien ,  stelU  er  sich  wieder  her,  und  wtifs  sich 
darin  als  Eins.  Diese  sich  ewig  unterscheideode  und 
darin  bei  sich  bleibende  Thätigiieit,  diese  uneodiiche 
Totalität  macht  Gott  zum  Geiste.  Es  ist  dies  das  „  S  p  i  e  1 
der  ewigen  Liebe*'  mit  sich  selbst,  wodurch  es  nicht 
2U1  Krnsthaftig^keit  des  Andersseins,  zur  wahren  Tren? 
nuiig  und  Entzweiung  kommt.  So  ist  es  grofs  und  wahr- 
liaft  gesagt,  wenn  es  hcifst:  ^ott  sejr  die  Liebe;,  aber 
man  mufs  nicht  stehen  bleiben  bei  dieser  einfachen  Be- 
stimmung, sondern  sie  analysirön.  IS»  liegt  eben 
darin  —  die  Entzweiung;,  die  doch  keine  Entzweiung 
ist,  der  Unterschied  Zweier,  die  für  einander  doch  nur 
Eins  sind ,  der  ewig  sicli  treutiende ,  und  doch  darin  als 
lilios  sich  wissende  absolute  Procefs!  —  Schwerlich 
jedoch  möchte  mit  solcher  „Analyse**  auch  nur  ange->  ^ 
streift  seyn  an  das,  was  im  christlichen  Sinne  göttliche 
Liebe  hei fst,  wo  Gnade,  Erlo^iiing,  Erbarmen,  kurz  die 
persöniichsteu  Eigenschaften  der  höchsten  Persönlich- 
keit gemeint  sind.  Was  hat  damit  das  hohle  Spiel  jener 
Selbstliebe  «oter  den  Gegensfttzen  des  absolntenPro«* 
ccsses  zu  schaffen?  Soll  sie  nichts  mehr  seyo,  als  das 
Unabweisliche  einer  exakt  durchgeführten  dialektischen 
Rechnung  in  Gott?  An  diesem  einzigen  Zuge  charakte- 
risirt  sich  der  Hegelianismus  aufs  Vollständigste.  Wer 
etwa  Brod  des  Lebens  von  ihm  erwartete,  dem.  reicht  er 
Stein,  die  regelrechte  Crystaltisation  seines  logischen 
Formalismus,  und  damit  jede  Erinnerung  an  einen  per- 

XXVL  Jahtg.  9.  Heft.  57 


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896  Specnlative  PIpUosophie*  . 

sönlichen  Gott  und  eine  freie  Ofleabaruiig  verstumme, 
werden  alle  darauf  deutenden  christlichen  Lehren  unge- 
echeat  in's  Abstracte  sttrackrersetzt ,  und  die  Bedeutung 
des  Thatsächlicheo ,  Coacreten ,  Vollen  ihnen  ausgemer- 
gelt. Es  ist  ein  vollständiger  Entleerun g^procefs  des 
Christenthums,  den  wir  nun  Schritt  vor  Schritt  zu  be- 
gleiten gedenken. 

Der -Mensch  ist  an  sich,  dem  Begriffe  nach,  gut, 
iveil  «r  Gottes  Ebenbild  ist;  aber  doch  sugleich  auch  in 
seiner  unmittelbaren  Natur  btee,  weiter  nur  ^lurch 
Entwicklung  der  Freiheit  aus  seiner  Substanlialität  heraus- 
treten kann  :  er  mufs  für  sich  selbst  erst  werden,  was 
•er  an  sich  schon  ist.  (S.  210  ü.)  üarin  liegt  aber  der 
Begriff  der  Freiheit,  mithin  iler  Gegensatz  des  Guten 

fid  Bdsen,  der  hiernach  an  jedem  fiümtelnen  zu  seiner 
risis  kommt«  Dies  geschieht  dadurch,  dafs  er  aus  der 
Natürlichkeit,  der  Selbstsucht  seines  Willens  heraustritt, 
Und  mit  der  Allgemeinheit  des  Willens,  seiner  Veroünf- 
ligkeit  1^08  wird.  Die  fernere  Dialektik  dieses  Gegen- 
gatees  ist  scharf  und  vortrefflich  durchgef&hrt ;  aber  es 
ist  auch  hier  nur  der  dialektische  Gegensatz.  In  der 
Wurzel  nämlich  und  nach  der  Schärfe  des  Begriffes 
bleibt  der  Unterschied  des  Guten  und  Bösen  lediglich 
ein  theoretischer./.  Als  blos  Sich  wissend,  ohne 
m^h  darin  als  Eins  zu  wissen  mit  Gott,  ist  der  Mensch 
böse.  Versetzt  er  dagegen  sich  in  das- Bewufstsey n 
dieser  Einheit,  so  ist  seine  Versöhnung,  Wiedergeburt, 
Erlösung  vollbracht  ;  die  sittliche  Umschaffung  des  Ge- 
mQtlis,  die  eigentliche  Wiedergeburt,  wird  dabei  von 
Hegel  keines weges  in  Abrede  gestellt  ;# aber  das  Pnocip 
isl  zu  abstfact-ohomSehtig,  um  sie  ^ntsoheidemt  in  deo 
Vordergrund  zu  stellen.  Aus  gleichem  Grunde  wird 
(S.  244.)  dem  Spruche:  „Liebe  Gott  über  Alles  und 
den  Nächsten  wie  Dich  selbst;"  überhaupt  Allem,  was 
als  moralisches  Gebot  ängesehen  werden  kann',  lind  waa 
deh  tbeils  schon  fm  AUen  Testament  ,  theils  auch  io 
andern  Religionen  finde,  ausdrücklich  die  Lehre  vorgfe* 
zogen:  „Trachtet  am  Ersten  nach  dem  Reiche  Gottes/* 


V 


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SpecnlattTO  Philoiophi«. 

dh.:  Werft  Euch  unmittelbar  in  die  Wahrheit,  v«r« 
setzt  Buch  schlechthin  in  die  intelleciuelle  gei* 
nil^e  Welt,'*  was  eben  nichts  Anderes  ist,  denn  jenes 

(abstracte)  Sich  als  Eins  wissen  mit  Gott?  Und  mit 
wie  warmer  lie^eisterung  der  Verf.  hier  und  an  andern 
Steilen  das  Erhabene  'dieser  Einsicht  andringlich  in 
machen  weife:  dennoch  kann  man  nicht  umhin,  sich  Ton 
einem  kalten  Hauche  angeweht  sn  fühlen,  wenn  man  anf 
die  Eisfelder  zurückblickt,  auf  welchen  man  sich  zu 
solcher  Höhe  erhoben,  und  auch  hier  nur  —  Eis  um 
rieh  erblickt! 

Ferner  wird  als  Hauptlehre  der  absoluten  Religion 
heryorgehoben :  dafs  die  Seele  nnsterblich  sey«  Aber 

noch  hier  bleibt  iiber  den  ei^nrentlichen  Sinn  dieses  Aus- 
spruches kein  Zweifel  übrig,  indem  die  nachfolgenden 
Bestimmungen  liinzutreten.  Das  freie  Subjekt  ist  unend-* 
UchesPursichseyn,  fther  die  Endlichkeit ,  Abhängigkeit, 
Aber  ttufsere  Umstände  erhaben,  von  Allem  schlechthin 
20  abstrahf ren  Uhig.  Das  Subjekt  hat  hierdurch  abso- 
lute Wichtigkeit,  ist  wesentlicher  Gegenstand  des  In- 
teresse Gottes;  denn  es  ist  die  reine  Gewifsheit 
seiner  in  sich  selbst;  es  ist  zwar  abstract,  aber  abstractes 
An  und  Ikr  sich  8eyn,  Dies  kommt  in  der  Gestalt  vor» 
«lab  der  Mensoh  als  6<^1st  unsterblich  ist 

Dies  mufs  aber  nicht  also  vorgestellt  werden,  als 
wenn  die  Unsterblichkeit  erst  später  in  Wirklichkeit 
trSte;  vielmehr  ist  sie  seine  gegenwärtige  Qualität; 
der  Geist  ist  ewig:^  also  schon  deshalb  gfegenwärtij^s 
lllr  ihn  als  den  Oenkemlen,  ist  das  AH  gemeine  6e^ 
genstand  ;  dies  ist  seine  Ewigkeit.  Der  Geist  hat  nicht 
in  seiner  Natürlichkeit  zu  verharren,  sondern  er  soll  sich 
zum  An  und  für  sich  se^n,  zur  Allgemeinheit  er- 
heben, und  diese  innere  Ewigkeit  ist  seine  ^^Unsterb- 
Nehkelt.*'  Der  Mensch  ist  durch  das  Erkennen  nnsterb- 
Uch ;  denn  nur  denkend  ist  er  keine  sterbliche,  thierischo 
Seele,  ist  er  die  freie,  reine  Seele  u. s.  w.  (S..219.  20.) 

Dies  ist  nun  ohne  Zweifel  eine  werthvolie,  aber  ganz 
distmete  Einsicht:  der  Begriff  der  apriorischen 


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900  Speculative  Phiiosopliie. 

Ewigkeit  ist  mit  der  höchsten  Scliärfe  ausgesprochen 
worden ,  und  es  ist  ganz  richtig ,  zu  behaupten ,  dafs 
der  Geist,  indein  er  aUgemeioe  Widirbeiten  erkennt,  d.h. 
indem  Idas  Allgemeine  in  ihm  znm  Selbstbewurstseyn 
lioinmt,  damit  an  sich  selbst  die  Sphäre  des  FJwigen 
'  betreten  hat:  er  lebt  in  der  allgegenwiirtigen  Welt  ewiger 
Wahrheiten.  Und  wie  es  ein  logischer  Widerspruch 
.  wftre,  zn  behaupteo,  dafs  etwa  fler  mathematische  Be- 
griff des  Dreiecks  sterben ,  oder  die  reine  Idee  des  Guten 
ader  der  Freiheitals  ein  einzelnes  Ding  vorgefunden  und 
irclisclier  Zerstörung  unterworfen  werden  können:  ebenso 
widersinnig  ist  es,  die  Einsictit  eines  ewig  Wahren  im 
erkennenden  Geiste  mit  den  Begriffen  der  Endlichkeit 
oder  Sterblichkeit  in  Verbindung  zu  bringen.  Deshalb 
hat  aber  auch  diese  Betrachtung  nicht  das  Gnifemteste 
zu  thun  mit  der  FVage  nach  der  Fortdauer  der  geistigen 
Persönlichkeit,  und  Hegel  hat  hier,  wie  viele  seiner 
Vorgänger,  zwei  ganz  entlegene  Begriffssphären  mit 
einander  verwechselt,  die  des  apriorisch  £wigen, 
und  der  unendlichen  Zeitdauer:  nur  diese,  der  indi^ 
viduellen  Seele  zugeschrieben  ,  heilst  ihre  Unsterblich- 
keit; jener  Begriff  dagegen  kann  zu  einem  versuchten 
Beweise  derselben  Nichts  beitragen  und  .ihm  Nichts  ent- 
ziehen :  es  ist  ein  ganz  anderes  Gebiet  weit  epeciellerer 
Fragen  und  Betrachtungen.  Dennoch  ist  zuzugeben, 
dafs  Hegel  weit  weniger  unbefangen  in  diese  Verweclir 
selung  gerathen  ist,  als  frühere  Denker,  indem  er  offen 
genug  ausspricht,  dafs  Unsterblichkeit  bei  ihpi  etwas 
ganz  Anderes  bedeute,  als  man  gewöhnlich  dem  Worte 
beizulegen  pflegt;  denn  die  Individualität  wird  hier 
vielmehr  absorbirt  und  verschlungen  in  der  abstracten 
Ewigkeit  des  geistigen  Processes.  Er  hat  eigentlich  nur 
das  Wort:  Unsterblichkeit  aufgenommen  ids  äuisere 
Decoration  seiner  Lehre;  weshalb  er  denn  auch  nicht 
unterläfst,  an  allen  Stellen,  wo  es  vorkommt,  den  Aua«' 
druck:  Ewigkeit  ihm  zur  gehörigem  Rectiflcation  bei-*- 
zufügen.  — 

Der  Mittelpunkt  chrisUicher  Lehre  ist  jedoch  tUe 


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SpecQlaiive  Pliiloiophle. 


Saheii  der  göttlichen  Natur  und  der  menschlichen  in 

Christo,  wodurch  der  Betriff  ilesSohne»  Gottes  erst  ein- 
zelne sinnliche  Realität  erhält  (IL  S.  231,)  Dies  ist  für 
die  Anschauung;  das  unmittelbare  Zeugnifs  und  die  Ge* 
wifeheUy  dafs  die  Versdhnang;  zwischen  Gott  und  Mensch*» 
heil  10  dieser  einzelnen  Person,  die  da  Mensch  zugleich 
und  Gott  ist,  Tollbracht  sej.  Der  sinnlich  erscheinende 
Gott  ist  Christus :  dies  „Ungeheuere,"  was  dem  V  erstände 
schlechthin  widerspricht,  dessen  Nothwendigkeit  aber 
gezeigt  worden,  ist  in  ihm  vollbracht.  Es  ist  darin 
fiiktlsch  ausgedrückt :  dafs  in  der  ewigen  Idee  das  An- 
derssein keinen  Eintrag  thue  der  Einheit,  die  Gott  ist. 
238.  39  ) 

In  der  Lehre  Christi  wird  ferner  unterschieden, 
dafs  sie  Anfangs  nur  als  abatracte  in  sich  concentrirte  Be- 
hauptung, in  eincelaen  Aussprüchen  energischer  Parrhesie, 

mithin  polemisch,  ja  revolutionär  auftreten  konnte,  wäh- 
rend sie  erst  später,  nach  dem  äufsern  Verschwinden 
seiner  Person,  im  Bewufstsejn  der  Geraeine  entwickelt 
und  vermittelt  werden  konnte.  Als  Kirchenlehre 
konnte  sie  also  erst  nachher  allm&hlig  ihre  äufsere  Vol«- 
lendung  erreichen.  —  Aber  seiner  Lehre  ist  auch  das 
Schickisal ,  das  er  als  endliches  Individuum  gehabt  hat, 
hinzuzufügen:  er  ist  Mensch  mit  aller  endlichen  Bedürf- 
tigkeit; aber  die  besondern  Neigungen,  Schwächen, 
wettlichen  Ihtereeaen  desselben  bleiben  ihm  ferff,  weil  er 
schlechthin  In  der  Wahrheit  ist,  weil  er  in  der  Endlich- 
keit des  Erscheinens  dennoch  Gott  bleibt.  So  raufs  er 
auch  das  Leos  der  endlichen  Naturen  auf  sich  nehmen: 
zu  sterben.  Aber  Christus  ist  zugleich  den  gesteigerten 
Tod  des  Missethäters  gestorben ;  die  Menschheit  ist  an 
Hun  auf  dem  änftersten  Punkte  erschienen.  Daran  offen« 
hart  sich  aber  die  furchtbarste  Paradoxie:  „Gott  ist  ge- 
storben; —  Gott  selbst  ist  todt."  Dies  ist  der  finch- 
terlichste  Gedanke,  dafs  alles  Ewige,  alles  Wahre  nicht 
ist,  die  Negation  siebst  in  Gott  eich  findet.  —  Aber 
gerade  hier  tritt  die  Umkehrung  ein':  Gott  nämlich  erhält 
Hch  in  dieser  äufsersten  Negation ,  nnd  steht  wieder  auf 


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*  SHcalaliv«  Philoiophi«. 

zum  Leben;  womit  die  Neg^ation  diefler  Ne^atioA,  der 

Tod  des  Todes  an  ihm  vollbracht  Ist.  Dies  ist  die 
Auferstehung  Christi.  „Die  Auferstehung;  gehört  we- 
«entlieh  dem.  Glauben  an:  Christus  ist  nach  seiner 
Auferstehung  nur  seinen  Freunden  erschienen ;  difse 
iet  niciit^  äufseriiche  Geschichte  fttr  den 'Ungflau-*  * 
ben,  sondern  nur  ffir  den  Glauben  ist  diese Grschei« 
nung,"  (S.  249.  50  ) 

Indem  hier  eine  Begebenheit,  welche  sich  zu  einev 
bestimmten  Zeit  und  unter  bestimmten  Umständen  ereignet 
haben  eoH»  als  die  nothwendige  SxpUcation  def 
Nator  Gottes  selbst  gefafst  wird,  haben  wir  nur  eine 
einzige  Frage  zu  thun  :  Behalt  jenes  behauptete  Factum 
des  Todes,  die  Auferstehung,  factiscbe  Wirklichkeit, 
oder  ist  es  nur  Symbol,  Allegorie»  mythiseile  IlftUe 
jenes  Philoso|ihenn8  ?  -Die  «nietet  angeÄbrten  WoM 
fcdontea  dergleichen  verborgenen  Sinn  allerdings  vermu- 
then  lassen:  doch  müssen  wir  diese  Auslegung  verwerfen 
in  Betracht  anderer  Stellen  (z.  B. :  „Die  Bedeutung  der 
Geschichte  ist,  dafb^  es  die  Geschichte  Gottes  selbst  ist. 
Gott  ist  die  absolute  Bewegung  io  sich  selbst,  die  det 
Geist  Ist,  nnd  diese  Bewegung  ist  hier  an  dem  In  di. 
vidtto  Torgestellt;'*  u.  s.  w.  S.  255.)    Aber  dadurch 
wird  die  BegrijfFeverwirrung  nur  norh   grofser ;  denn 
nach  dem  Sinne  der  Lehre  ist  jenes  Sterben  Gottes  und 
seine  Auferstehung  daraus  etwas  Immanentes,  ;£iwiges^ 
unendlich  Brneuertes :  es  ist  der  Proeefe  der  nbnolutea 
Selbstentäufsernng  Gottes  in  die  Weh,  und  ihrer  Zurück- 
nahme in  den  Geist.    Warum  bedarf  Gott  deshalb  noch, 
im  Individuo,  dies  Schicksal  zu  erleiden,  oder  im 
£inzelnen  dies  sgrmbolische  Spiel  mit  sieb  selbst  sü  tral«> 
benf   Dagegen  gehalten  verdiente  tust  der  Osirismythoft 
den  Vorsng;  denn  er  ist  klar  in  sich  nnd  bezeichnend: 
jedes  Jahr  stirbt  der  Gott,  aber  bei  der  wiederkehrenden 
Fruchtbarkeit  der  Natur  steht  er  wieder  aum  Leben  nut 
Hier  ist  wirklich  die  ewig  wiederkehrende  Tbat  der 
Belebung  das  Symbol  mgleich  nnd  die  faetisohe  Bewfth- 
rnng  der  Macht  des  Gottes. 


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Sjpeculalivc  Piiiiasopliio. 


Natürlich  k«uin  es  uns  nicht  eiiifallea,  Heg  eis 
Rechtglau bigkeit  in  Frage  zu  bringen;  nur  geseigt 
werde» y  wie  bei  dem  beetäodigeD  Ruckubereetzeo  histo- 
riseker  Lehreo  dee  ChristendiMms  los  Hohle  und  Ab- 
fitracte,  gerade  um  der  überall  dabei  zu  Tage  gelegten 
Orthodoxie  willen,  eine  Sprachverwirrung  entstehen 
müsse,  die  um  so- störender  ist,  als  demjenigen,  was 
dort  etwas  durchaus  BesUmmles  bezeichnel,  hiar  überaii 
sofort  eio  ioderer  8ion,  ein  quid  pro  quo,  stillschwei« 
gend  untergelegt  wird. 

Von  dieser  unwahren  Grundauffassung  abgesehen, 
ist  jedoch  fmi  durchaus  vortretilich ,  was  im  dritten  Ab« 
schnitte:  vom  Reiche  des  Geistes  (S..2ä1  ß.)  ab- 
gehaodclt  wird.  Dia  abeolote  Idee  im  Momeate  des 
Geistes  stellt  sich  in  der  Gemeioe  dar:  es  sind  die 
Subjekte,  die  im  Geiste  Gottes  btelien,  denen  aber  jener 
Inhalt,  als  göttliche  Geschichte,  gegenüber  steht,  die 
fbrnnaoh  den  Glaiibea  daran  haben  aoUen.  Hioraiis 
satsicht 

a)  ffcar  Begriff  der  Kirchenlehre,  welche  eunichst 

als  Autorität  gilt  und  so  verbreitet  wird  :  bei  dem  Be- 
stehen der  Gemeine  ist  die  Lehre  schon  fertig,  und  es 
ist  in  ihr  schon  enthalten  und  au%eesigt,  was  am  Indi- 
vidttum  als  solchem  hervorgebradit  werden  soll. 

6)  Aber  das  Individunm  ist,  selbst  noch  bewufstlos, 
dazu  bestimmt ,  dieser  Wahrheit  theilhaftig  zu  werden. 
Dies  spricht  die  Kirche  im  Sacramente  der  Taufe  aus. 
Er  sey  nicht  im  Elende  geboren,  und  werde  nicht  eine 
feindliche  Weit  antreffen ,  sondern  er  habe  sich  der  Ge- 
pnne  nnr  anzubilden,  die  aJs  sein  Weltzustand  schon 
vorhanden  ist  —  Aber  der  Mensch  mufs  zweiiii.il  ge- 
boren werden:  das  natürliche  Herz,  worin  es  befangen, 
ist  der  Feind,  d^n  es  bekämpfen  mufs.  Der  reale 
Schmern  seiner  Unaogemcasoidieit  iaa  Verhältnisse  zu 
Gott  ist  ihm  indessen,  wenn  nufcb  nicht  erspart,  doch 
gemildert V  denn  er  hat  sich  das  dargebotene  Element 
tler  Wahrheit  in  der  Kirche  nur  anzueignen.  (S.  270  ff.)  • — 
Das  Letzte      dieser  Sphäre  ist  aber  der  Genufs  dieser 


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Aneigoiing ,  der  Gegenwart  Gottes :  dies  ist  dasSacra- 
menl  des  Abendmahls,  in  welchem  dem  Menschea 
auf  sinnliche  Weise  das  Bewofstseyn  seiner  Versöhnung 
mit  Golt,  und  (las  Einkehren  des  göttlichen  Geistes  in 
ihn  gegeben  wird.  Die  lutherische  Vorstellung  desselben 
wird  übrigens  als  die  einzig  tiefe  gebilligt.  (S.  27&.) 

c)  Der  GeisI  hat  sich  endlich  jedoch  lur  allge«* 
meiilen  Wirklichkeit  m  realisiren.  Dies  enthalt  su- 
gleich  die  weitere  Entwicklung,,  Portbildung  und  üw- 
-Formung  der  Gemeine.  Die  göttliche  Wahrheit  tritt  in 
ihr  dem  ßewufstsejn  zunächst  als  eiu  Anderes  entge- 
gen, das  als  Autorität  dem  Glauben  verbleibt,  oder  durch 
Apdacht  dem  Einzelnen  angeeignet  wird.  Aber  dies  ist 
.  theils  etwas  Aeufserliches,  theils  etwas  Vorübergehendes, 
Schwindendes:  der  göttliche  Inhalt,  die  Wahrheit,  wird 
nicht  absolut  gewnfst,  sondern  nur  vorgestellt;  ihr 
'GenuTs  zerrinnt  in  ein  Vormals  der  Erinnerung  oder  einen 
jenseitigen  Himmel  der  Zukunft.  Der  Geint  aber 
hat  sich  schlechthin  als  die  Gegenwart,  als  erfttilte 
Wirklichkeit  zu  begreifen:  jedes  unklare,  trObe,  nur 
in  der  Vorstellung  oder  Sehnsucht  liegende  Jenseits 
fioU  aufhören.  So  mufs  die  Weitlichkeit  zum  Gepräge 
des  Geistes  umgeschaffen  werden.  Die  Wahre  Versdh- 
nnng,  wodurch  das  Gdttüche  sich  im  Gebiete  der  Wirk* 
lichkeit  realisirt,  besteht  in  dem  sittlichen  und  rechtli- 
chen Staatsleben:  dies  ist  die  wahre  Subaction  der 
Weltlichkeit.  (S.  279.)  Dann  hat  aber  auch  die  ideale 
Seite,  der  Glaube ,  sich  zu  entfalten  und  zu  reinigen. 
Die  Religion  in  der  Form  der  Wahrheit  und  Nothwen- 
digkeit  ist  aber  Philosophie.  Eist  darin  ist  die  christ- 
liche Wahrheit  vermittelt,  gerechtfertigt,  schlechthin 
bei  sich  selbst ;  alle  verworrenen  Vorstellungen  eines 
Dereinstigen ,  erst  noch  zu  BrfQllenden,  sind  verschwun- 
den. Die  Welt  und  in  ihr  die  Gemeine  sind  selbst  dtf 
realisirte,  manifestirte ,  gegenwärtige  Gott,  in  seiner 
vollen  Wirklichkeit.  — 

Und  so  begegnet  uns  noch  am  SchluSvSe  eine  tiefe 
Wahrheit,  verflochten  in  die  alte  einseitige  Harte.  Hegol  - 


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SpecnittlUe  PhiloKophie. 

wei9t  hierdurch,  wie  durch  seine  ganze  Philosopliie  mit 
Recht  alle  Jenseitigkeit  des  PJvv igen  zurück  ,  irrul  besteht 
auf  der  AÜgegenwart  Gottes  A'ie  auf  der  Einheit  de« 
fiwigeo  und  Endlichen,  In  dem  Sinne,  dafö  das  Endliche 
eben  dtts  uneDdlich  Schivindende  ,  Nichtige  nnr  die  Er-» 
flchetnung  »ey.  Dies  ist  die  wahre,  tiefe,  eben  so  spe- 
culative  wie  religiöse  Seite  seiner  Lehre,  und  diesen  Sieg 
des  Begriffes  durch  alle  Instanzen  durchgesetzt  zu  haben, 
macht  die  grofse  ßedentuog  derselben  aus.  Aber  damit 
UiigDet  er  zugleich  aus  blo8  formellem  Mifaverstande  ein 
gerade  bestätigtes  Jenseits  anderer  Art  und  Verwechselt 
Begriüf^,  die  in  entgegengesetzte  Sphären  fallen.  Er 
verwirft  die  Idee  des  Himmelreichs,  als  eines  Derein- 
stigen und  Zukünftigen ,  und  in  den  abstracten  Begriff 
der  Wirklichkeit  sich  einengend,  zertrümmert  er  damit 
Ar  Christeothum  wie  Speculation  den  andern  Grund- 
pfeiler der  ganzen,  umfassenden  Wahrheit.  Weil  Gott 
schon  im  Irdischen  sich  oliefd)art,  und  es  Nichts  giebt, 
als  seine  Wirklichkeit  und  Otienbarung :  so  bleibt  die 
Gegenwärt  darum  doch  nicht  die  höchste  Gestalt  der« 
selben;  «nd  weil  der  Mensch  schon  hienieden  seiner 
Bridsang  und  Versöhnung  mit.  Gott  Tersichert  seyn  soll 
und  kann,  und  aus  dem  Geiste  wiedergeboren;  so  mufs 
dies  darum  nicht- als  Vollendung,  als  höchste  Staffel 
seiner  Seligkeit  gelten,  and  alle  Verheifsungen  des  Chri« 
8tenthums  sich  nur  an  der,  so  oder  anders  beurtheilt, 
inuner  verkümmerten  Gegenwart  erschöpfen !  Wenn  wir 
vielmehr  frei  von  der  Selbstbornirung^  eines  mangelhaften 
Systemes  oder  einer  ein^^eitio  ( n  fTan)aufklärung  den  Men- 
schen in  seiner  Tiefe  auffassen;  so  findet  sich  das  Cha- 
rakteristische, dafs  gerade  das  Höchste  an  ihm  mit  ge* 
hrimer  Trauer  und  Sehnsucht  gemischt  erscheint,  dafs 
selbst  Liebe  und  Andacht,  die  reinsten  ßlüthen  seines 
Dasejns,  dies  Gefühl  der  Ohnmacht  des  über  sicli  Hinaus 
Verlangens  an  sich  tragen.  Nicht  Sich  sucht  und  hofft 
er  im  angestrebten  Jenseits  wiederzufinden,  sondern;  ein 
uaendlich  Hdheres  und  Besseres';  und  dies  ist  sogar  die 
Wurzel  aller  religiösen  wie  geistigen  Entfaltung*  Der 


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McDSch  iB  seinem  Ciefsleo  SeitotbbwttfsUejro  zeigt  eicb 
als  halb?olleadete8,  'mithin  ahnendes,  sehnsüchtiges  We- 
sen; und  wie  dies  der  Schiiissel  zu  einer  lebendig^ea 
Psychologie  ist,  so  kann  auch  die  Religion,  die  an  ihn 
als  einen  Solchen  sich  richtet,  nicht  verstanden  werden, 
ohne  diese  Einsicht  gegenwärtig  au  erhaiten.  — 

Haben  wir  es  nöthig  gefunden,  das  Wahre  und  Tiefe 
in  diesem  \\  erke  schail  abzuscheiden  von  dem  V  erfeiiltea 
und  alsciieii ,  von  Beidem  jedoch  als  gemeinschaftliche 
Mutter  die  Consequenz  des  Principes  erliaant,  welches 
Hegel  mit  scharfer  Klarheit  durchaofUhren  bemfen  war? 
so  verliert  dadurch  das  Werk  selber  Nichts  von ' seiner 
Wichtigkeit  und  B^fleutung,  vielmehr  wird  diese  nur 
genauer  iixlit  durcli  die  vollständige  hinsieht,  was  jenes 
Erkenntnifsprineip  zu  gewähren  vermöge,  und  was  durch* 
aus  nicht!  Und  so  wollen  wir  nicht  abschrecken,  son* 
dem  aufmahßen  zu  einer  selbstständigen  Anffassungf  dar 
hier  niedergelegten  Ansichten,  die  besonders  fÄr  jeden 
wissenschaftlichen  1  lieologen  nicht  ohne  die  bedeutend* 
sten  Anregungen  bleiben  kann.  Denn  auch  nach  unserer 
Ueberzeugung  bedarf  die  Theologie  jetzt  der  kleen, 
der  Tiefe,  nicht  nur  des  Gemftths,  sondern  a«eh  des, 
Gedankens ,  der  speculativeu  Behandhing.  Dies  kann 
nicht  besser  g-efördert  werden,  als  durch  scharfe  Sich- 
tung der  Principien,  Klarheit  über  die  Gonsequeozeu 
eines  jeden  Standpunktes^  nnd  die  Einsieht,  was  dar 
gegenwärtig  herrschenden  speculativen  Bildung  weseat* 
lieh  noch  fehle.  Uns  kam  es  darauf  an ,  diese  Einsicht 
auch  an  unserm  Theile  zu  fördern,  nicht  aber  die  leeren 
Wortgefechte  zu  erneuern,  die  von  Leuten  ohne  rechte 

.  Jb^insicht  angefacht,  desto  endloner  fortgesetzt  waidan 
können,  als  sie  selbst,  possirlich 'genug,  andemwahrai 
Pnnkte  der  Conlroverse  immer  vorbeischlageo. 

Für  die  Letzteren  erwähnen  wir  deshalb  noch  beson* 
ders  des  Anhanges  von  Hegel:  über  die  Beweise 

*  vom  Uaseyn  Gottes;  welche  ihnen  Uber  die  von  uns 
anger^te  Streitfrage  allerdings  Licht  geben  könnte  Die 
bekannten  Schnlbewrise  ftr  das  Daseyn  Gottes  bedenten 


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I 


ftSmIich  nach  Hegel  nichts  Anderes,  als  die  Entwick- 
lung und  Erheburi|[r  des  Be\vii(«stKeyns  aus  seiner  Un-  ^ 
mittel  bar keit  zum  Denken,  und  darin  zum  Denken 
des  Ewigen.  (S.  800.  301.)  Uiese  Erhebung  könne 
«alweder  vom  Seyn  siun  Begriffe,  oder  vom  Begriflfe  zum 
Seyn  fortgehen.  In  erstcreni  Falle  führe  das  Rewufst- 
se^u  des  Zufall if^cn  ,  endlichen  Sejns  auf  die  Gewi fsheit 
eioes  nothwendigen,  ewigen;  —  dieii  der  kosinolo- 
Ifisobe  Bewei§:  die  ürkeontnifs  einzelner  Endswecke 
erhebe  i^ieh  zur  Eiiwidit  ei  nee  abcioluten  Bndzwecke  ^  ~ 
tler  tel  eoloö^ische.  In  zweiter  Beziehuog ,  indem  vom 
reinen  Be^i^rifte  der  Wahrheit  und  Wirklichkeit  ausge- 
gangen werde,  darin  also  BegriO  und  Wirklichkeit  2MI-* 
Mmnenfalle,  enMeheder  ontoiogieche  Be%veis.  Ihnen 
«Hen  liege  dber  die  allgemeine  Bestimmung  zu  Grunde,  " 
dafs  das  unmittelbare,  endliche  Bewulstsejn  sich  in  sich 
seibfit  aufgeben  nuifs,  um  sicii  zur  Wahrheit,  zum 
Beoken  des  Ewigen  zu  erheben«  Uätte  nun  Hegel 
den  Inhnil  dieeerv  wie  ee  echeini,  gelegenllichen  Be- 
IreobUing  volletlindig  auezuAhreo  und  in  dae  Ganze  eelne«  « 
Sjstcmes  einzureihen  versucht;  ihr  Platz  wäre  nur  vor 
der  Logik  ^^cwesen,  als  die  wesentlich  einleitende  Vor- 
wisscDSQhaft  derselben ,  wodurch  er  derselben  zii-. 
gleich  einen  tieferji  und  weeenhafteren  Anfang  gesichert 
ttftle,  als  die  leere  Dialektik  des  Seyns  =  Nichte,  Diese 
immanente  Selbstentwicklung  des  Bewufstseyns,  und  darin 
der  Beweis,  dais  io  der  vermeintlichen  Enciiichkeit  ein- 
zeiaer  Dinge  und  Gegenstände  selbst  nur  dae  Absolute, 
Blrige^  als  ^aa  unendlich  sich  offenbarende,  erkannt 
«erde,  diese  ^akehr  in  die  allgegeuwirtige,  aliyersdh* 
sende  Wahrheit  ist  nämlich  die  laaggesuehte  erste 
Philosophie  (ph,  prima);  und  es  ist  merkwürdig, 
dafs  Hegel  am  Ende  seiner  Lautbahn  wenigstens  indi- 
lekt  hingedentfit  hat  auf  diese  wesentliche  Ergänzung  . 
«nt  Erweiterung'  selBea  jeweilige«  Standponlttes. 

(Die  Forttetsung'  folgt.) 

« 

t  ' 


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ilM  Utwng  W«ir  VI.  Von  Bebreit. 

Herzog  Weif  VI.,  letster  weißscher  Siammh0rrjn  SüädßmU^hland 

und  teine  Zeitgenossen.         F,  IV.'Behrens^  Htnogl,  BrmnmelM* 
DuirieUgerichts '  Auditor  w  Braunsehweig*  BrawMekwtSg 
Gedruckt  in  Her  zog  i.  H^mBenhaue-Buehdruckerei.   XVI  u.  276  &  8. 

Es  ist  eio  eigenes  Uagllick,  was  kaom  irgend  eise 
ahllere  Wissenschaft  mit  der  Geschichte  theilt,  dafs  sie, 
wohl  ihres  uaiien  Anschliefsens  an  die  allg^emeitien  Ver- 
häknisse  des  Lebens  wegen,  von  allen  auch  nur  einiger- 
niafsen  wisseoschafilich  Gebildeten,  gleichsam  wie  eio 
Gemeingut  angesehen  wird ,  %velclhes  man  nach  Ge£aliea 
bebauen  und  benutzen  könne,  auch  ohne  sich  ^ineft  be- 
sondern Rechtsgriind  für  dessen  Ausbeutung  erworben 
zu  haben.  '  Dem  verdanken  wir  es,  dafs,  was  in  anderen 
Wissenschaften  in  dem  Grade  wenigstens  gewifs  unerhört 
ist,  Leute,  die  auch  nicht  die  geringste  Mühe,  nicht 
die  geringste  Zeit  auf  das  Erwerben  der  stir  geschicht- 
lichen F^orschung  nöthigen  Vorkenntnisse  gewendet  haben, 
so  bald  sie  die  Lust  anwandelt,  sieh  unter  der  Zahl  der 
teutschen  Schriftsteller  zu  erblicken,  rasch  und  monter, 
ohne  Besinnen^Darstellungen  geschichtlicher  Gegeastfiode 
in  die  Welt  senden,^  und  dadurch  fast  jedes  Jahr  die 
geschichtlichen  Schriften  der  Zahl  nach  zur  gröfsten 
Masse  hinauftreiben,  mag  sonst  der  wirkliche  Gewinn 
eines  solchen  Jahresertrags  auch  noch  so  gering  gegen 
die  Früchte  an  andern  Zweigen  des  Baume»  Wissenschaft* 
lieber  Brkenntnife  seyn. 

Zum  Theil  tragen  davon  die  Schuld  aber  gewifs  mit 
die  gar  zu  glimpflichen  Urtheile,  die  nur  zu  häufig  über 
"  solche  leichte  Erzeugnisse  der  geschichtlichen  Literatur 
gefillU  werden«  Denn  wenn  ein  Schriftsteller  der  oben 
bezeichneten  Art  mit  Anwendung  des  iiiöglich  geringsten 
Pleifses  ein  recht  oberflächliches  iin<l  seichtes  Büchlein 
in  die  Welt  geschiekt  hat,  und  er  min  selbst  fürchtet, 
es  möchte  doch  vielleicht  Jemand  sich  unterfangen,  zu 
sagen,  dafs  das  Werkchen  eben  ein  recht  oberfiächlidiee 
und  seichtes  Bflchlein  sey,  so  sucht  er  diesen  harten 
Tadel  gewöhnlich  dadurch  von  sich  im  Voraus  abzuwen- 
deu,  dafs  er  erklärt,  er  verzichte- auf  den  Ruhm  selbst* 


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Uersog  Weif  VI.   Von  BeJireni. 


standigfer,  gelehrter  Forschung,  diese  anziistrlien  habe  • 
gar  nicht  iu  seinem  Zwecke  gelegen ,  sein  Buch  se^ 
Bichl  für  Gelehrte  rom  Fach  hesümiiit,  der  Ktasse  von 

'  ff 

Lesero,  ftr  die  er  geschrieben,  werde  dieee  Forschung 

(loch  nichts  nutzen,  es  komme  da  nur  auf  die  zueck- 
juälsige  ßenutzung  des  schon  von  Anderen  Erforschten, 
Mif  deutliche  Darstellung,  übersichtliche  Anordnung, 
aosprechende  Schilderung  und  dgl.  an,  — >  und  was  die 
Mjebten  Ausreden  weiter  sind.  Die  Beurtheiler  'aber 
«od  dann  gewöhnlich  auoh  menschenfreundlich  genu^, 
diese  Ausrede  gelten  zu  lassen ,  das  ^.choii  jg-ezückte 
Schwerl  entsinkt  ihrem  mitleidigen  Arme,  und  die  Er- 
kiirung  der  offenkundigen  Nutzlosigkeit  des  Werkchens 
Ysrwandelft  sich  wohl  gar  in  eine  Anerkennung,  dafs  der 
llr.  Verf.  den  bescheidenen  Ansprüchen ,  die  er  selbst 
nsr  an  sein  Werkcheii  gestellt,  vollkommen  und  auf  eine 
höchst  anerkennuugswerthe  Weise  genügt  habe.  Kef.  ist 
aber  der  Ansicht,  dafs  eine  solche  Milde  höchst  unzeitig 
lad  dem  Gedeihen  der  .Wissenschaft  selbst  höchst  nach- 
theilig  ist.  Sage  man  doch  ja  nicht:  ,,Ei  nun,  wenn 
eia  solches  Werkchen  keinen  Nutzen  bringt,  so  bringt 
es  doch  gewifs  auch  keinen  Schaden,  und  man  kann  ja 
den  Verf.  also  seine  unschuldige  Freude  gern  gönnen/'  — 
Jene  Schriftchen  sind  keineswegs  so  unschädlich ,  als  es 
scheinen  möchte,  der  Nachiheil,  den  sie  der  Wissen- 
schaft bringen,  ist  grofs  genug.  Erstens,  und  das  ist 
schon  oft  genug  gesagt  worden,  da  es  gar  zu  deutlich 
ia  die  Augen  föUt, ^erstens  verderben  sie  den  Geschmack 
ta  ernsteren,  streng  wissenschaftlichen  Werken,  da  ihre 
Verff.  bei  der  geringen  Achtung  vor  der  Wahrheit,  von 
der  sie  gewöhnlich  beseelt  sind,  leicht  ihren  Schriften 
einen  gewissen  Glanz  der  Dichtung  verleihen  können, 
den  seinem  Werke  zu  geben  der  gewissenhafte  Forscher 
im  Dienste  der  Wahrheit  verschmäht.  Leicht  bewirken. 
mt  daher,  dafs  jene  ernsteren  Werke  neben  den  ihrigen 
tfeoken  und  unerquicklich  erscheinen.  —  Dann,  wenn 
üas  auch  nicht  der  Fall  ist,  so  stillen  sie  wenigstens 
eben  so  gut.  den  Durst  nach  geschichtlichen  Darstel* 


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910  Heraog  Weif  VI.    Von  Behrens. 


Innren,  und  Mancher,  der  ohne  das  Bestehen  jener 
leichten  Werkchea  an  den  ächten  Queileo  der  Wahrheit 
seinen  DoraC  geldscht  hätte,  |rill  gar  nicht  au  ihnen 
heran ,  weil  er  durch  jene  schon  befriedigt  nnd  gesättigt 
ist.  Endlich,  nm  nur  noch  das  Eine  aufzufilhren,  bei 
dem  ärmlichen  Zostande  unserer  wissenschaftlichen  Lite- 
ratnr,  wo  bei  der  beschränkten  Theiinahme  an  wirklich 
gründlichen  Werken ,  nur  die  ungetheilte  Unterstützung 
derer,  die  dafür  noch  Sinn  und  Liebe  haben,  das  £iv 
scheinen  solcher,  Seht  wissetischaftlicher  Werke  ohne 
Opfer  von  Seiten  derer,  die  sie  der  Wissenscliaft  dar- 
bieten wolieo,  möglich  macht,  —  bei  diesem  ärmlichen 
Zustande  unserer  Literatur  verschliefst  ein  solches  ober«* 
Ilächliches  Werkchen  gar  oft  dem  besten  Buche  über 
denselben  Gegenstand  den  Weg  Kunl  Tageslichte,  und 
dieses  stirbt  vor  der  Geburt,  weil  die  durch  jenes  Zwit- 
tergeschöpf getheilten'  Kräfte  nicht  hinreichen ,  auch 
noch  dem  ächten  Kinde  der  Wissenschaft  zum  Leben  zu 
«yerheifen.  Also  gewifs  ist  es  nicht  gleichgültig,  ob 
solche  leichte  Schriftchen  von  Tage  zu  Tage  sich  mehren, 
und  es  ist  eine  wahrhafte  Pflicht,  zum  Nutzen  und  Ge- 
deihen der  Wissenschaft  die  gutmüthige  Nachsicht  bei 
Seite  zu  setzen  und,  so  viel  durch  rücksichtslose  Darle- 
gung der  Untauglichkeit  dieser  Büchlein  möglich  ist, 
von  dem  Herausgeben  ähnlicher,  die  Wissenschaft  nicht 
fördernder  Compositionen  abzuschrecken.  Dies  mag  Ref. 
entschulfligen,  wenn  er  für  die  Beurtheilung  des  in  der 
Ueberschrift  genannten  Werkchens  einige  Seiten  dieser 
Blätter  in  Anspruch  nimmt,  die  er  sonst  gern  der  An* 
seige  werthvollerer  Schriften  offen  gelassen  hätte. 

Die  Leser  dieser  Blätter ,  denen  die  Schrift  des 
Hrn.  B.  noch  nicht  selbst  vor  die  Augen  o;ekomnien  ist, 
werden  aus  diesen  Vorbemerkungen  schon  schliefsen, 
dafs  ihnen  hier  nieht  ein  Werk  von  wissenschaftKchM 
Werthe,  nicht  das  Brgebnifs  gründlicher  Porsobangen 
vorgelegt  werden  wird.  Diese  Vermuthung  wurde  auch 
der  fluchtigste  Anblick  des  Rnches  selbst  ihnen  bald  fast 
8ur  Gewifsheit  erheben,  wenn  sie  beim  Dorchblättern 


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Uersog  Weil  VI.    Von  Behrent. 


911 


desselboD  zutäiiig^  auf  die  ßemerkuogen  des  Hro.  Verft:. 
ttiefsen,  die  auf  seine  Ansichten  von  Queiienforsehung 
und  bisloriflche  Kritik  für  die  Geschichte  des  -MittelaUerii 
ichlieTsen  lassen.  Ref.  fBhrt  daher  einigte  davon ,  die 
ihm  gerade  wieder  in  die  Augen  lallen,  auf,  ehe  er  sich 
zur  Betrachtung  dessen  wendet ,  was  diese  Art  von  For-> 
icfauog  deno  wirklich  zu  Tage  gefördert  hat« 

So  Keigen  uns  gleich  die  ersten  Worte  des  Hrn.  Verfs., 

seine  Ansichten  von  Qnellen  j^eines  Geg^enfsfande«  und 
von  dem  Werthe  derselben,    und  wir  erfahren  dabei 
iiebefiher  auch,  wie  deutlich  ersieh  den  Zweck  des  Ci^ 
tireas  Ton  Belegsteilen  in  historischen  Darstellungen  ge^ " 
Bweht  hat 

Das  Werkchen  beginnt  nämlich  gleich  nach  dem 
Titel,  Dedication  n.s.  £  S.  3.  folgendermafsen : 

„Der  Verf.  erfDilt  "vor  Allem  die  strenge  Pflicht  jeder 
Geschichtschreibun^,  die  Quellen  der  erzählten  Thal- 
sachen nachzuweisen.  Doch  mufs  sich  diese  Nachwei* 
rang  besonders  des  Raumes  wegen  auf  die  wichtig- 
sten (!)  und  vorzüglichsten  (!)  früheren  (I!) 
Berichte  beschränken,  und  diese  können  hier  gleich  im 
Eingange  deshalb  genannt  werden ,  weil  gewifs  <Ier 
blofse  Geschichtsfreund  es  gerade  nicht  bedauert,  die 
meisten  Belege  einzelner  Thatsachen  an  ihren  eigentlichen 
Stellen  im  Fortlaufe  der  Geschichte  selbst  zu  vermissen 
and  es  dem  forschenden  Kenner  lieber  seyn  mufs,  sie  in 
ihrem  ganzen  Zusanuncuhauge  in  den  Quellen  selbst  auf- 
zusuchen, eine  Mühe,  die,  was  vorausgesetzt  werden 
darf,  durch  genaue  Kenntoifs  der  Zeit  sehr  erleichtert 
wird.** 

Nuü  kommen  die  Titel  folgender  Werke: 

1)  Ollom  jPWsaiyciisis  chrmicon  und  libb*  de  gesth 
BrUierici  I.  cum  contmuathne  RadeokA  ;       8)  ; 
ie  &  Btasio;  —  8)  Canradi  de  Lichienau  abbati» 

l^rspergenhis  chi^onicon;  —  4)  Sigismund  F'eyerabeuds 
Turnierhuch  ;  —  4)  Helferich  de  eomttum  Suev.  polat. 
TtUnng.famiUa;  —  6)  Leutneri  Aisl.  monaaierä  if  eaaO' 


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nt  Hwwog  Wdff  VI.  Von  Belwaif . 

fontani;  —  7)  Arscaii  Sulgeri  unuales  XwiJuUenses ;  — 
8)  Lucä  Grafensaal;  —  9)  Leihnitzii  Scriptores  verum 
Brunsvicensium ;  darin :  Anonymi  Weingarten8i6  hisloria 
de  Gue^  et  chronicon  a  Chr.  n.  uaque  ad  ann,  1197; 
—  LadisL  Smdhebn;  —  O/Ao  ei  Aoerh.  Morena;  — 
Ms  er.  Stemfradcnse ;  —  Excc,  ex  Arcnbcchii  chro- 
nico ;  —  10)  Mural ori  delle  antichitä  Estenst ;  — 
11)  OrigineB  Guelficaef  —  12)  SatUer  Geschichie.voQ 
Wuriemberg.  s 

Weniger  wundern  wird  man  sich  Qber  diese  wirklich 
possierliche  Zusammenstellung  freilieh  ,  wvnn  iiiaii  erst 
die  Anmerkung  S.  56.  gelesen  bat :  „Die  Geschichte  der 
Rheinpfalzgrafen  von  Toüner  und  die  Orlginee  Guelficae 
setzen  Gottfried'«  Tod  in  da§  Jahr  1148,  gegen  welche 
Angabe  aber  ein  anderes  Werk  Bedenken  erhebt.  ^  Denn 
das  von  Marquard  Freher,  einem  sehr  gelehrten  und 
fleifsigen  Geschiclitsiorscher  herausgegebene  Chronicon 
haureshameh8€y  weiches  jene  Quellen  an  Alter 
fibertrifft  und  daher  auch  wohl,  obgleich  diese  Fol- 
gerung schon  manchmal  getäuscht  hat,  In  seinen  Be- 
'  richten  zuverlässiger  seyn  möchte,"  u,  s.  f.  .Also  Toll ner, 
die  Origg.  Guelßeae  und  das  Chron,  Laureshameuse  l 
Denn  was  hat  Freher  mit  den  Angaben  <les  von  ihm  und 
bekanntlich  nicht  von  ihm  allein  herausgegebenen  Chron, 
Laureshamense  zu  Ihun  f  Wahrlich  eine  wat^re  Parodie 
auf  geschichtliche  Kritik,  die  freilich  aufser  der  obigen 
Zusammenstellung  unter  Anderem  auch  noch  153.  ein 
Analogon  findet,  wo  Hr.  B.  schreibt:  „wie  unter  Anderen 
Otto  von  Freising,  der  Mönch  von  Weingarten  und  Leib« 
nitz  sagen.**  Unwillköhrlich  ist  Re£  bei  dieser  Art  vou 
Quellenkritik,  namentlich  bei  dem  ernsten Untersuchungs- 
tone  des  Hrn.  Verfs.  in  der  oben  angeführten  Anmerkung 
das  Sprttchwort  eingefallen :  ^£r  hat  läuten  gehört,  aber 
nicht  zusammen  schlagen." 

(Die  ForttetMung  folgt,) 


V  I 


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f 

# 

ü'.  58.    HEIDELB.  JAUHB..O.  LITERATUR.  1833. 


Herzog  Weif  VI.    Von  Behrens. 

m 

(  F  o  r.t    e  t  s  un  g») 

Doch  nun  auch  etwas  über  die  Resultate  dieser  boa- 
derbareo  Arl  toq  Forschang,  die  in  der  That  so  ausge- 
fiülen  sind ,  wie  die  Leser  dieser  BiStier  sie  nach  diesen  . 

vodäutlgen  Notizen  erwarten  werden.  Zwar  ist  nänalich 
gar  inanche  Ai)g^al>t;  des  Hm  Veifs.,  manclie  einzelne 
Erzählung  richtig  Das  wird  Niemand  wundern.  £s 
fiebt,  was  so  den  Gang  der  Geschichte  im  Allgemeinen 
betrüBTl,  so  gute  und  ziemlich  zuverlässige  Vorarbeiten 
(wohin  z.  B.  die  Darstellungen  der  Schicksale  Heinrichs 
des  Stolzen,  Welfs  selbst  und  Heiiaiclisi  des  Löwen  im 
zweiten  Bande  der  Origines  Gueljlcae  gehören  ^  die  der 
Hr.  Verf.,  wie  er  S.  ä.  selbst  sagt,  vorzüglich  benutzt 
hat),  —  dafs  man  durch  deren  Benutzung,  auch  ohne 
die  Quellen  selbst  zu  studieren,  eine  wenigstens  zum*  ' 
grofseu  Theile  richtige  Erzählung  zusammi  nsetz(  n  kann, 
und  so  viel  hat  der  Hr.  Veif.  denn  auch  glücklich  zu 
Stande  gebracht^  —  aber  eben  so  viel  wenigstens,  was 
er  erzählt ,  ist  auch  nngewifs ,  ^heil weise  falsch  oder 
geradezu  unwahr. 

Um  mit  möglichster  Raumersparnifs  einen  hiniei- 
chenden  Begriff. von  der  unzähligen  Alen«;e  einzelner  , 
Irrthümer  zu  geben,  die  in  Hrn.  ß.s  Buche  sich  finden, 
will  Ref.  etwa  3  Seiten  aus  der  Mhte  desselben  nvillkühr- 
lieh  herausheben  und  ihren  einzelnen  Angaben  nach  etwas 
genauer  durchgehn,  daraus  wird  man  tluich  eine  ein- 
fache Multiplication  so  ohngetähr  einen  Uebeischlag 
▼an  der  Zahl  solcher  Irrt^ünner  im  ganzen  Buche  be- 
komaen; 

Wir  nehmen  dazu  die  Seiten  85  bis  87,  wo  mit  der  ^ 

Thronbesteigung  Konrads  des  Dritten  eine  neue  Epoche 
ia  der  Gesciiichte  des  weifischen  Hauses  beginnt, 
nvt  Jaliig.  9.  Heft.  58 


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914  Herzog  Weif  VL    Von  Behrens. 

Hier  heiist  e§ : 
„Dem  Herzoge  von  Schwaben,  Konrad  von  Staufen, 
bahnteo  jetet  (nämlich  nach  Lothars  Tode)  der  Neid 
und  die  Mifsganst,  welche  in  aller  Stärke  gegen  das 
Weifenhaus  aufwucherten,  den  Weg  zum  Kaiserthrone* 
Hier  ist  erstens  „Herzog  von  Scliwaben**  durchaus 
falsch.  Konrads  Vater  bekleidete  diese  Würde  wohl, 
aber  Konrad  nicht,  denn  nach  des  Vaters  Tode  eriiielt 
sie  Konrads  alterer  Bruder  Friedrich  (Oiio  Frismgenm 
hist.  Frideriei  L  I.  c.  10.)  und  behielt  sie  bis  zu  seineui 
Tode,  wo  sie  sein  Sohn  Friedrich  der  Rothbart  von  ihm 
erbte,  (ibid.  l.  I.  c.  39.) 

^Neid  und  Mifsgunst  u.  s.f.''  als  Grund  der  Wahl 
Konrads- ist,  am  Gelindesten  ausgedrückt,  schielend  inid 
lange  nicht  erschöpfend :  schielend ,  —  weil  die  Abnei- 
gung der  Fürsten  gegen  ileiiirlch  natürlich  und  nicht 
unverdient  M'ar;  nicht  erschöpfend,  —  weil  aufser  jenem 
Grunde  noch  manche  andere  Ursache  für  Konrad  mit- 

■  wirkte.    Hätte  der  Hr.  Verf.  die  Quellen  gekannt  und 

\  nur  ganz  einfach  wiedergegeben,  was  sie  selbst  aus- 
drücklich über  die  Ursachen  von  Konrads  Ueherwiegen 
sagen,  so  würde  <iies  hingereicht  haben,  Jedem  diese 

.  Ursachen  völlig  deutlich  zu  machen.  Man  würde  sehen, 
dafs  ein  Hauptgrund  allerdings  die  Uebermacht  war,  die 
Heinrich  schon  als  Herzog  von  Baiern  und  Sachsen  besaff, 
deren  weitere  Vergröfserung  die  Fürsten  natürlich  für 
ihre  bisherige  unabhängige  Stellung  besorgt  machen 
mufste.  Man  würde  aber  zugleich  auch  finden,^  dafs 
Heinrich  selbst  durch  sein  Betragen  (was  Hr.  B.  wieder- 
holt gegen  die  ausdrücklichen  und  unverwerftichen  Zeug- 
nisse der  Zeitgenossen  zu  beschönigen  sucht)  das  Gcwidit 
dieses  Grundes  aufserordentlich  erhöhte,  indem  er  ira 
Gefühle  seiner  Macht  die  Fürsten  stolz  behandelte ,  und 
vielfach,  namentlich  auf  Lothars  zweiteimZuge  in  Itelit«n, 

,  beleidigte,  den  Thron  gleichsam  wie  ein  IhmvonBechts 
wegen  gebührendes  Eigenthuni  ansprach,  und  eben  des- 
wegen die  Fürsten  nicht  einmal  um  ihre  Wahlstimmen 
ersuchen  mochte.   (Siehe  hierüber  unter  Anderen  die 


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Herzog  W«lf  VI.   Von  Beliren«.  ttl^ 

lusdrücklichen  und  deutlichea  Angaben  bei  BerthaUL 
Ziolfuldens.  in  Hejk  Mowum  Guelf.  Pars  hisL  p.  213. 
M  Olto  Frkmgen».  hiH.  FridX  Ub.  h  e.  22.  uiul  ekrmu 
i  VIL  c.  22.  u.  24.)  Mao  wird«  eatdlich  sehen,  dab 
noch  iDanche  sehr  wiiksame  Xebenursachen  hinzukamen. 
Dahin  gehört  z.B.,  dafs  der  Gruud  weggeiailen  war, 
.welcher  b«i  der  vorigen  Wahl  die  öffentliche  Meinung 
w  de«  Staufen  abgelenkt  hatte »  dafii  nftmlicb  der  Hab 
gegen  «las  fränkische  Königshaus  nnd  dessen  Angehdrige 
in  den  dieizchu  Jahren,  die  nun  seit  Heinrichs  des 
Fünften  Tode  veiiiojsjjea  waren,  nach  und  nach  seine 
Kraft  verloren  hatte.  (OUo  Frising.  hisL  FridL  I.  L  1« 
e*22.)  Dahin  gehört  auch,  -dafis  Adalbert  ypn  Mains, 
der  als  Kaneler  so  bedeutenden  Einflufs  auf  die^  Wahl 
hatte,  und  diesen  nach  Heinrichs  des  Fünften  Tode  gegen 
die  Hohenstaufen  geltend  machte,  jetzt  gestorben  war, 
md  daher  ihren  Wünschen  nicht  mehr  hindernd  ent«- 
gegentreten  konnte.  Dahin  gehört  endlich >  was  Hr.  B« 
im  Folgenden  nur  flichtig  andeutet  i  dafs  derPabst,  der 
damals  gleichfalls  gegen  die  Staufen  gewirkt  hatte,  aus 
Gründen ,  flie  in  Lothars  Geschichte  und  Heinrichs  des 
Stolzen  Charakter  und  Stellung  deutlich  genug  hervor" 
treten  9  jetfil  eifrig  fi&r  Konrad  arbeitete  und  durch  seinen 
Legate«  Theodewin  deseen  Erwabluag  auf  das  Wirk- 
samste unterstützte  u.  s.  f.  Kurz,  man  sieht ,  wie  unvoll- 
ständig und  selbst  fehlerhaft  die  obige  Angabe  des  Hrn. 
Verls,  über  diesen  (iegenstand  ist,  wie  er  den  richtigen 
Standipunkty  dem  die  Leser  denselben  betradtfen 
.mfifsten ,  Q»  ihii  iin~^  gehörigem  Lichte  m  eehen ,  ver- 
rückt ,  zagleich  aber,  wie  leicht  er  durch  dnige  Ver- 
trautheit mit  den  Quellen  seioe  Darstellung  hätte  ver- 
bessern und  vervollständigen  können^  so  dafs  sie  die 
einfirahsle  wd  klarste  Anschauung  der  wahren  Verhäit- 
nisse  gewährt  hätte*  ' 
Hr.  B.  fahrt  fort: 
„Ohne  Mühe  gewann  er  (Konrad)  die  Stimmender 
meisten  geistliobc^  und  weltlichen,  von  dem  Pabste  In- 

Aoeeiia  Ur  uufgereicieH ,  zum  TheU  gegen  Heinrichen 


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1 


916  llersog  Weif  VI.  Von  Behreaa. 

heftig  erbitterten  Fürsten  |  liefs  sich  in  den  Ostei  fasten 
^1138.  zu  Koblenz  wählen,  und  von  einem  päbstilclifn 
Gesandten,  dem  Kardinal  Theoduin ,  in  Aachen  salben 
und  krönen,  in  solcher  Eile,  dar«  Heinrieh  keine  Zeit 
hatte,  es  mit  G&te  oder  Gewalt  zu  hindern." 

Das  Bild,^  welches  sich  hiernach  der  Leser  von  den 
Vorgängen  vor  und  bei.  Konrads  Wahl  machen  mufs, 
wird  wieder  durchaus  falsch  seyn.  Es  ist  ganz  un<l  gar 
nicht  wahr,  dafs  Konrad  ohne  Mühe  die  Fürsten  zv 
seiner  Wahl  bestimmte,  es  bedurfte  aller  Anstrengung 
seiner  Freunde,  vor  Aileii  des  aus  Eigennutz  höchst  thä- 
tigen  Erzbischofs  Adalbero  von  Trier  (siehe  vorzüglich 
die  hier  aufserordentlich  lehrreichen  Genta  Treveyorunu 
in  Eceard  corp,  hkt,  Tom.  II.  colunm.  2199.),  es  be-- 
durfte  aller  mögliehen.  K'ynetgrtflTe,  z.  B.  des  Vorgr^feas 
vor  der  angesetzten  regelmäfsigen  Wahlversammlung 
(AmiaUsta  Saxo  ad  ami.  1138.  und  Otto  Frismgens, 
chron,  Vll,  22.),  um  die  Wahl  durchzusetzen.  Eben  so 
ist  ee  durchaus  nicht  wahr,  dafs  Konrad  die  Stimmen 
der  meisten  Fürsten  zu  seiner  Wahl  gewann:  denn  bei 
derselben  waren  aufser  ihm  nur  der  schon  genannte 
Adalbero  von  Trier,  Arnold  von  Köln,  Buggo  von 
Worma  und  Konrads  Bruder,  Friedrich  von  Schwaben 
anwesend,  und  diese  gaben  ihm  damals  allein  ihre  Stirn* 
men  (Geata  Trev*  JLL  vergl.  d.«llgeni,  Aaedrücke  fast 
aller  SEeltgenossen  fiber  die  geringe  Zahl  der  Wühler) ,  — 
erst  nach  der  Wahl  und  nach  der  Krönung ,  und  unter- 
stützt durch  das  einmal  Geschehene  gewann  Konrad 
nachträglich  die  Zustimmung  der  meisten  Fürsten ,  wobei 
denn  ,  freilich  die  Tom  Verf.  angedeuten,  vom  Hef.  obai 
-weiter  aüseinandergesetsten  Grfinde  bestimmend  aiif  sie 
wirkten. 

„Dieses  rasche  V  erfahren,  diese  dem  Baiernherzo^fe 
so  unerwartete  und  mifsfailige  Wahl  zerrifs-  alle  seine 
grofsen  Entwürfe,  alle  seine  glänzenden  Hoffouilgeo  von 
Hoheit  und  Glück.    Seine  Hoffnung  zum  ßrwerbe  des 

Kaisertbums  zerrann.    Denn  ihre  Schutzwehren  Avareo 

gefallen :  seine  hohen  Verdienste  um  das  Reich  galteo 


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Herzog  Weif  VI.   Voo  Bcbrem.  IUI 

dea  IVeiflero  und  HamrD  als  verächtliche  Kinschiueich- 
loogen  in  die  Kai§ergufisft;  seine  nahe  Verbindung  mit 
dem  Tortg^en  Kaieerhamie  ab  schlau  gewähltes  Mittel  zur 
Uoterdrttckung  der  reichsständischen  Gewalt  und  zur 
Anmafsungf  der  KaiserwOrde,  und  das  diese  Meinung 
bestätigende  Daseyn  eines  £rben  von  der  Kaisertocüter 
Gertrud,  so  wie  der  Empfang  der  Reichsklei nodien  von 
dem  sterbenden  Lothar «  als  der  stärkste  Antrieb  mc 
Vereitelung  seiner  hochfahrenden  Absichten.** 

Aus  diesem  Satze  können  unsere  Leser  zugleich  die 
Ausdrucksweise  des  Hrn.  Verfs.  kennen  lernen ,  die  un- 
nothige  Anhäufung  von  Redensarten  bei  Dingen,  die 
sich  ganz  einfach  sagen  lassen,  die  Uebertriebenheit  ia 
den  einzelnen  Aosdricken,  wodurch  immer  die  Hälfte 
der  Wahrheit  in  dem  Ge»^ag^ten  aufgehoben  wird,  endlich 
am  Sc  lilusse  der  langen  Phrase  die  bombastische  Steige- 
rung zur  völligen  Unverständlichkeit  oder ,  genau  genom« 
aen,  eigentlich  zur  völligen  Sinnlosigkeit. 

Was  ist  das  schon  fDr  eine  gespannte  Redensart: 
„die  Hoffnung  —  zerrann,  denn  ihre Schutzwelu ea  waren 
gefallen?"  ^Vie  schief,  wie  unwahr  geradezu  ist  der 
Satz:  ,,seine  hohen  V^erdienste  um  das  Reich  galten  — 
als  verächtliche  Einschmeichelvngen  in  dieKaisergunst?" 
Jene  Verdienste  um  ifos  Reich  erwarb  ja  Heinrich  oflW« 
bar  erst  nach  seiner  Vermählung  mit  Gertrud ,  und  da 
bedurfte  es  ja  doch  gewifs  keiner  Einschmeichelung  in 
die  Kaisergunst  mehr,*  da  Lothar  aus  Liebe  7u  seinem 
einzigeh  Kinde  ja  schon  nnaufgefordert  Alles  für  Hein- 
rich ihnn  mufste.  Was  ist  das  nun  wohl  ferner  für  eine 
grofse  Schlauheit,  die  in  der  Vermählung  mit  Gertrud 
zu  dem  angegebenen  Zwecke  lag,  eine  Schlauheit,  die 
in  ähnlichen  Verhältnissen  auch  der  Dömmste  besitzen 
w&rde?  Wie  völlig  sinnlos  ist  endlich  „das  diese  Mei- 
MDg  bestätigende  Daseyn  eines  Erben  von  der  Kaiser- 
toehter  Gertrud  wenn  man  diese  Redensart  nur  etwas, 
analysirt?  Die  Meinung  ist,  Heinrich  habe  Gertrud  ge- 
heirathet,  um  sich  dadurch  die  Kaiserwürde  zu  ver* 
schufen >  und  diese  Meinung  wird  dadurch  bestätigt, 


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918  Hersog  Weif  VI.   Von  Behren«. 

dafe  er  inii  ihr  einen  Sohn  erzeugt  hat.  Also  das  Daseyn 
eines  Sohnes  aus  H.'s  Ehe  mit  Gert rad  bestätigt  die  Mei- 
nung, die  man  hat,  von  der  Absicht,  ans  weicher  Hein- 
rich mehrere  Jahre  früher  jene  Ehe  sciilofs,  was 
ofieobar  uur  dann  einen  Sinn  haben  würde,  wenn  man 
annehmen  wollte,  H.  wurde  keinen  Sohn  gezeugt  haben, 
hätte  er  jene  Absicht  b0i  Eingehang  der  Ehe  nicht- 
gehabt. 

„Heinrich  dagegen,  vom  Hochgefühle  seiner  Macht, 
von  beleidigtem  Stolze  nnd  verletzter  Ehre  zur  muthig- 
sten  Gegenwehr .  und  zur  beharrlichsten  Vertheidigang 
seiner  Anspräche  an  den  Thron  aufgiernfsn,  tiMättB  die 
'  Wahl  Kohrads  von  Staufen  ftr  erschlichen  und  nichtig,- 
und  blieb  an  den  von  Konraden  zur  Auslieferung  der 
Reichski  ei  iu)deu  und  zur  Huldigung  nach  Bamberg  und 
Regensburg  ausgeschriebenen  Reichstagen  ans.  Kurs 
darauf  nach  Augsburg  vorgeladen,  erschien  er  tmr  pei^ 
sSttlich,  und  lieferte  die  Reichsitleinoden  aas;  weigerte 
aber  die  Abtretung  eines  Theiles  der  von  Lothar  empfan- 
genen Lehen,  was  der  neue  Kaiser  verlanjrte,  dem  die, 
vorher  noch  nie  einem  Reichsfürsten  verliehene  Herrschaft 
über  die  beiden  mächtigsten  deutschen  Länder^  Baiern 
und  Sichsen,  allzu  bedenklich  su  sejn  schien.  Zugleich 
nahm  Heinrich,  mit  einer  zahlreichen  Schaar  erschienen, 
in  seinem  Lager  aufserhaib  Augsburg  eine  so  drohende 
nnd  gefährliche  Stellung  ein,  dafs  I^onrad,  Arges  be- 
fürchtend, eines  Abends  nach  der  Mahlzeit,  ganz  in  der 
Stille,  ohne  sich  von  einem  der  anwesenden  Fürsten  m 
Terabschieden ,  in  Begleitung  eiuiger  Kltter  nach  Wäre- 
bürg  eilte.** 

Hierin  sind  wieder  mehrere  offenbare  Fehler.  Er- 
stens: Zn  Regeasbnrg  blieb  Heinrich  nicht  aus,  wie 
Hr.  B.  sagt,  sondern  erschien  dort  persdnlieh,  wie  wir 
Im  Oiio  Frhmgens.  (chrm.  f.  VII.  e.  28.)  Anden.  Gegeii 

diese  Auctorität  Ottos,  namenth'ch  in  einer  Sache,  die 
sich  in  Baiern  zutrug,  würde  Hr.  B.  seine  Meinung  nicht 
durcli  Dodechin's  Angabe  (Contm.  Martani  Scoti  ad  am. 
1188«),  dafe  nnr  die  Gesandten  cies  Königs,  von  Heinrich 


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HcKiOK  Weif  VI.  V«ii  BehroM.  919 

■X. 

urSckkehreDd ,   dorl  mil  Rmirad  sutammeog^etr^flfen 

Haren,  stützen  können,  wenn  ihm  auch  J>odechin^  Er- 
zählung; bekannt  gewesen  wäre,  was,  wie  das  gleich 
l?o%eada,8eigt,  oicbt  der  Fall  war. 

Zweitens:  Die  Hegaiien  lieferte  Heinrich  nicht  zu 
Anjö^bnr^,  wie  Ilr.  B.  sagt,  sondern  Hchon  zu  Reg^ensburg 
ab  (siehe  Otlo  Frmiagensw  L  L  (und  nach  demselben 
hmyim.  fVemgart  an.  Heß  Mm.  Ouelß  P,  Uai.  34.) 

wä  IMhekki  ih);  nur  kam  09  lu  keiMr  f&rm- 
Ifchen  Unterwerfung  und  zu  keiner  vüllstäodig'cn  Aus- 
söhnung, weil  Konrad  die  Versprechung-en  nicht  halten 
wollte,  durch  welche  er  die  Herausgabe  der  liegalien 
bewirkt  kalte  (siehe  Oiio  Fri^  L  L).  Vielleicht ,  dafii 
neh  «n  der  Naohriobt  atwae  Wabree  isi,  die  der  spStere 
älbericus  monach,  triam  fontium  (Leibnitz  /4ccesa, 
hist,  T.  11.  p,  283.)  seiner  sonst  ^anz  aus  Otto  Fri^.  ge- 
oonimenen  Erzählung  von  der  Zusamnaenkunft  io  Regene- 
burg  einflicht :  „  Konrad  habe  Heinrich  nicht  vorgelassen,*' 
difs  «Iso  KMrad  doreh  tlolse  Bebandlong  ecinee  frfiher 
Iberntächtigen,  jetzt  von  ihm  iberfiOgelieo  Gegners  die 
AussShnong  hinderte. 

Drittens :  Zu  Augsburg  erschien  Heinrich  überhaupt 
gir  nicht,  sondern  lagerte  sich  gleich,  ohne  in  die  Stadt 

zu  kommen,  wo  Konrad  war,  uiit  zahireichem  Gefolge 
•  der  Stadt  gegenüber,  am  rechten  Ufer  des  Lech*s.  Die 
Unterhandlungen  wurden  daher  nur  durch  Unterhändler 
gefBhrt^  die  sich  drei  Tage  Vergebiicb  bemfihten,  eine 
Versöhnung  zu  Stande  zu  bringen,  wie  dies  Alles  der 
Anon.  Weingart.  1.  l.  deutlich  genug  erzählt,  welcher 
hier  die  genaue  Erzählung  von  den  Vor^:ii)g;en  zu  Augs- 
burg (aus  der  die  anderen  Angaben  genommen  sind, 
die  der  Hr*  Verf.  hat)  seiner  S6nst  ganz  ans  Ottonia  Fri* 
smgensiB  ehren,  entlehnten  Darstellung  einflicht. 

„Hier  sprach  er  über  den  Herzog  als  einen  Reichs- 
Und  die  Acht  aus,  und  ihm  gleich  darauf  auf  dem 
fteicbstage  su  Goslar  Sachsen  und  Baiern  ab;  Jenes  be- 
kam Albrecht  —  —  dieses  Leopold  —  —  .** 


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920  H«nog  Weif  VI.  Von  Bduenf . 

Auf  dem  Reichstage  zu  Goslar  sprach  Konrad  Hein- 
rich dem  Stolzen  die  Herzogthiimer  Sachsen  und  Baiern 
gewiiis  nicht  ab.  Das  sagt  keine  einzige  Quelle.  Wäre 
dem  Antnymus  Wemgartenah  nach  Hefs's  Ausgabe  zu 
tränen,  8o  wären  sie  ihm  schon  xn  Wiirebnrg  abgesprcK 
eben  worden,  aber  es  fragt  sich,  ob  das  Mac.  des  iftis* 
nymus  diese  Angabe  selbst  überhaupt  hat,  denn  Leib- 
nitz's  Ausgabe ;  Script oi^es  Reruni  Brtmsvicetismm  Tum.  I. 
pag*  189.  hat  statt  duaäus  abjudicanlur  den  Singular, 
und  sollte  die  Angabe  auch  ächt  seyn,  so  ist  sie  doch 
offenbar  nur  ans  einer  nachlässigen  ZnsammensiehuDg 
der  aus  Ottonis  Frisingcnsls  chronicon  l.  VII.  c.  23.  ge- 
nommenen und  sonst  wörtlich  abgeschriebenen  Nachricht: 
„tandem  judicio  quorundam  principum  apud  Herbi" 
polhn  proacribäur  ac  in  proxima  luäwitate  domm 
m  palaiw  (leg.  pladio)  Goalarienai  äueafua  ei  ab' 
judicaiur^  entstanden.  Es  ist  hierauf  also  nichts  zu 
geben.  Wahrscheinlich  wurde  Herzog  Heinrich  in  Würz- 
bnrg  nur  in  die  Acht  gethan ,  womit  allerdings  der  Ver- 
lust der  Herzogthiimer  verbunden  war,  tiber  die  Herzog- 
thümer  aber,  da  cUe  Versammlung  auf  fremden  Qodea 
war,  nichts  Weiteres  verfügt,  dann  zu  Goslar  Sachsen  an 
Adalbert,  später  in  Baiern  Baierii  an  Leopold  ver- 
liehen und  damit  die  AbsetznnjSf  vollends  vollzogen.  (  Siehe 
Oltonis  Frismgemis  chronicon  L  1.  und  die  Zusätze  zu 
dessen  Nachrichten  im  Anonym.  WeingarU  L  L 

Auf  der  folgenden  Seite  (87)  finde«  sich  ferner  noch 
folgende  Irrthumer : 

53  Heinrich  eilte  —  aus  Baiern  — ,  wo  die  höchst 

abgeneigte  Stimmung  ihm  Gefahr  drohte  nach 

Sachsen."  Dies  war  gewifs  nicht  die  Ursache  seiner 
Reise, ^  sondern  er  wollte  ganz  natürlich  in  Konrads  Nähe 
seyn ,  um  sich  dessen  etwaigen  Unternehmungen  In  Saasen 
entgegenstellen  zu  können. 

„Seine  Ankunft  war  Vielen  unvermuthet,  aber  Allen 
erfreulich/'  Das  ist  wieder  gewifs  nicht  wahr,  denn 
Sachsen  bestand  gar,  nicht  etwa  aus  lauter  Anhängern 
Heinrichs,  Adalbert  hatte  eine  ziemlich  starke  Parädi 


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Herxog  Weif  VI.    Von  U«hrena.  921 

das  zeigen  die  Ereignisse  im  Anfange  desselben  Jahres 
1138,  in  dessen  Ende  vielleicht  Heinrichs  Ankunfl  in 
Ssehsen  noch  ßllU,  die  Vereilelung  der  von  lUcheiM 
sasgeschriebenen  SÜisaininenkiififl  m  Qiiedlinborg  durch 
%n  ( Annalist a  Saxo  ad  ann.  1138.),  die  Gefangenneh- 
mung seiner  Gegner  bei -Mimirberh  (ibid,) ,  die  Erobe- 
roog  von  Lüneburg,  Bardewick,  Bremen,  Nprdalbio- 
gieo  (HebnoU  chrm.  Skw.  LI.  e.  Ö4.)  u.s.f.  Diesen 
ihhängern  Adalberts  war  Heinrichs  Ankunft'  aber  doch 
gewifs  nicht  erfreulich. 

„ —  trieb  den  bereits  eingerückten  Grafen 
von  Anhalt  weit  über  die  sächsischen  Grenzen  hinaus." 
Dies  2ieägt  wieder  recht,  dafs  der  Hr.  Verf.  dgentUch 
gar  keinen  Begriff  von  Stellung  und  Lage  der  Personen 
und  Dinge  hat.  Klingt  es  docli  gerade,  als  ob  Adalbert 
in  Sachsen  wer  weifs  was  für  ein  Fremdliiif^  wäre,  der 
mit  irgend  einem  ausiändischen  Heere  über  die  sächsi- 
schen Grenzen  einrückt,  lim  das  Land  au  erobern; 
während  er  einem  sächsischen.  Geschlechte  entsprossen, 
ja  ein  Abkömmling  der  sächsischen  Herzoge,  im  Besitze 
einer  Menge  von  Gütern  in  Sachsen,  bekanntlich  ebenso 
viele  Ansprüche  auf  das  sächsische  Herzogthum  hatte 
md  Sachsen  wenigstens  eben  so  gut  angehörte,  als  der 
nur  von  mütterlicher  Seite  aus  Sachsen  stammende  Baiern* 
herzog  Heinrich ,  —  auch  seinen  Wohnsitz  in  Sachsen 
hatte,  so  dafs  er  unmöglich  in  Sachsen  einrücken,  son- 
dern höchstens  dort  sich  au9»breiten  und  Eroberungen 
machen  konnte,  so  wie  er  nicht  weit  über  die  sächsischen 
Grenzen  hinansgetrieben  werden  konnte ,  etwa  wie  man 
Ak  feindliches  Heer  hinaustreibt ,  sondern  g^dthigt 
wurde,  für  seine  Person  aus  Sachsen  zu  entfliehen,  als 
Heinrich  seine  Anhänger  besiegte,  ihire  und  Adalberts 
dgae  Burgen  eroberte  u.  s.  f. 

„H.  stellte  sich  in  Goslar .  ohne  Bedenkmi  ein  und 
argios.**  Heifst  das  nicht  den  Glanben  an  die  Vergif*» 
taug  HeiHrich's  bestätigen?  Da  doch  der  Hr.  Verf.  un- 
mittelbar darauf  sich  gegen  dessen  Wahrheit  und  w  ie  es 
scheint  für  die  Meinung  erklärt,  die  den  Tod  Heinrichs 


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9X2  '  BttMg  Weif  VI.  Vom  BdimM* 

dem  Grame  über  sein  Unglück  zuschreibt,  was  wii  idni^ 
genSy  trotz  dem  Zeugnisse  des  Auclarium  Gemhlacense 
ad  Jlmelmi  etUimuitionem  Sigeberii  Gemblacmäi»  (amt, 
1189.)  eben  so  weoig  mit  grober  Beslimiiilheit  behenpteii 
mlk^teii,  dft  die  g;aiuie  Angabe  letchl  ihren  Grand  it 
dem  Wunsche  des  Mönches  haben  kann,  seine  schöne 
moralische  Phrase:  „nec  attendens  Hlud  dictum  rnun- 
äanae  sapietUiae:  levius  ßi  paiientia,  quidqwd  nefoB 
eal  eorrigere^  aambring^n»  wie  dap  in  ianeend  andere! 
Stellen  bei  Schrifteteilern  des  Mittelalter»  der  Fall  isi 
Doch  wir  halten  ein,  denn  wir  würden  ein  dickes 
Buch  schreiben  müssen,  wollten  wir  in  dieser  Weise 
die  Fehler  alle  angeben ,  die  wir  beim  Durchgehen  von 
Hrn.  B.*8  Bache  bemerkt  haben.  Sa  wie  auf  «Uesea 
Seilen,  so  geht  ee  im  Durchechnili  dureh  das  gauie 

^  Buch  hindurch,  und  wir  sagen  gewiis  nicht  zu  viel, 
wenn  wir  behaupten,  von  einzelnen,  rein  factischen  An- 
gaben des  Hrn.  Verfs.  ist  vielleicht  niciU.viel  weniger  als 
^ie  Hälfte  geradexn  faieeh  oder  wenigstens  nicht  naelL«» 
wcisbar,  yon  iolchen  Darstellungen  aber,  die  auf  eiutti 
Combination  mehrerer  einzelner  Thatsachen,  auf  einem 
etwas  allgemeineren  Ueberblicke  über  die  Verhältnisse 
der  handelnden  Personen  und  dergl.  beruhen,  ist  fast 
keine,  so,  wie  sie  aus  reinem,  ungetrübtem  Anschauea 
der  Quellen  sich  ergeben  wftrdOf  enthält  fast  jede  irgend 
etwas  Schiefes,  Halbwahres,  Unknnde  der  eigentlichen 
Zeitverhältnisse  Verrathendes.  Die  ubergroise  Ausdeh-» 
aung,  welche  diese  Anzeige  so  schon  gewonnen  bat« 
bindert  uns  9  nu  den  bereits  mitgetheilten  Belegen  nedl 
neue  aus  dem  unerschfi^iclMNi  Schalxe  hlnnuanfHigenf 
den  das  Buch  daran  darbietet.  Die  Darlegung  der  PeMer, 
die  sich  auf  drei  einzelnen  Seiten  finden,  dispensirt  uqS 
aber  wohl  auch  von  der  Verpflichtung,  weiter  nachau- 
weisen ,  dafs  die  Resultate  der  Forschung  des  Hrn.  Ver& 
den  sonderbaren  Ansichtea  entsprechen ,  die  deiselbe^ 
wie  wir  oben  bemerkt ,  von  Forschung  und  Qnellen  und 

'   Kritik  damals,  als  er  sein  Büchlein  schrieb^  gehabt  zu 
haben  scheint. 


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Ucrsog  Weif  VI.   Von  BchrcBi« 


Ref.  könnte  hier  eigeollich  diese  Aozeig^e  schliefsen, 
deoo  mil  dem  Nachweise  voo  iler  UmniveHänigkeit  dt« 
mliegenden  Buches  in  allen  seihen  Angaben,  welchen 
Ref.  hinreichend  geliefert  zu  haben  glaubt,  ist  anch  zu- 
gleich nach<;(  wiesen ,  dafs  es  für  die  Wissenschaft  nutzlos 
und  zu  der  Klasse  von  BCichern  zu  zählen  ist,  die  wir 
im  Anfange  unserer  Anzeige  bezeichnet  haben  als  schad* 
liehe  Ensengnisse  desGlanbens,  zu  gescbiehllichen  Dar« 
Stellungen  bedürfe  es  eben  weiter  keiner  besonderen, 
gröndlichen  Vorbereitung,  einige  allgemeine  wissen- 
schaftliche Bildung  sey  dazu  völlig  hinreichend.  Doch 
woHen  wir  noch  einige  Worte  fiber  Hrn.  B.'8  Bttch  fili^ 
iUe  genOgsamen  Leute  sagen,  die  ihre  Ansj^Oche  an  ge- 
lehichtliehe  Werke  so  gar  sehr  zu  beschränken  wissen , 
dafs  sie  bei  allen  Fehlern  in  den  einzelnen  Angaben, 
denselben  doch  noch  einen  gewissen  Werth  beilegen, 
wenn  sie  nur  sonst  durch  Anordnung  der  Begebenheiteo, 
durch  die  Betrachtung  derselben  ¥on  allgenneinerem 
Standpunkte  ans«  dnrch  die  Art  der  Darstelhing  und 
Sprache  irgend  einer  an  sie  gerichteten  Forderung  ent- 
^rechen.  Auch  diese  leicht  befriedigten  Leute  würden 
nämlich  trotz  ihrer  Genfigsamkeit  nach  unserer  Meinung 
doch  ihre  Rechnung  nidit  bei  deat  Büchlein  des  Hro.  B« 
finden. 

'  Was  zuerst  die  Anordnung  der  dargestellten  Bege- 
benheiten betrifft,  so  scheint  uns  diese  auch  verfehlt  und 
so  eingerichtet  zu  sejn,  dafs  sie  durchaus  den  gerechten 
FVifderüngen  an  eine  Biographie  und  naoiouftKch  an  leino 
OimteihiDg  der  Schicksale  eines  Mannes  und  „seiner 
g^enessen  wie  sie  Hr.  B.  nach  dem  Titel  seines  Buches 
verheiTst,  nicht  entspricht,  den  Forderungen,  daf«  eine 
solche  Darstellung  ein  einiges,  leicht  übersehbares  Bild 
der  Schicksale  des  Mannes,  Ihres Zusummenhangcs  unter 
ücfa  md  auch  ihrer  Besielfungen  auf  die  VerbSitnisao 
der  Zeit,  in  der  er  lebte,  überhaupt  gewähre,  welche 
letzte  Forderung  namentlich  bei  einem  Manne  mit  Recht 
gesteih  \i^erden  kann,  der  so  tief,  wie  Weif  VI. ,  in  die 
allgemeinen  Breigwisse  seiner  Zelt  orngriif.  Der  Hr.  Verf. 

« 


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Herzog  Weif  VI.    Von  BehrenB. 

klagt  so  oft  über  Dürftigkeit  der  Nachrichten ,  über  die 
.  vielen  Fragen  hinsichtlich  der  Schicksale  Welfs,  welche 
unbeiiitworlei  bleiben:  —  dies  hätte  ihm  eineo  Fioger- 
seig  geben  kdmen ,  dab  er  die  Geschichte  eines  Mannet 
aus  dem  zwölften  Jahrhundert  nicht  so  behandeln  müsse, 
wie  man  vielleicht  flie  Geschichte  eines  in  den  neuestien 
Zeiten  Lebenden  behandeln  könnte,  %vo  viele,  reiche 
Quellen  fast  über  alle,  auch  die  einzelnsten Gestaltungeq 
seines  Lebens  Nachricht  geben ,  —  dafs  er  sich  nicht 
zum  Zwecke  setzen  müsse,  dieses  Leben  selbst  gleichsam 
isolirt  in  den  Mittelpunkt  der  Ereignisse  zu  stellen  und 
durch  alle  Perioden  und  Verhältnisse  hindurch  zu  ver* 
folgen,  wo  so  viele  vorkommen ,  von  denen  die  Quellen 
ihrer  Natur  nach  ganz  schweigen,  sondern  dafs  er  es  in 
seiner  höheren  Bedeutung  für  das  Allgemeine  auffassen, 
dieses  zum  Hauptgegenstand  der  Darstellung  machen  und 
das  Wirken  seines  Helden  gleichsam  nur  als  den  Stand- 
jHinkt  für  die  Betrachtung  des  Allgemeinen  benutsBcn 
mfisse.  Weif  des  Sechsten  ganze  allgemeinere  Bedeutung 
.besteht  aber  in  seiner  ftellung  zu  dem  beginoendeo 
Kampfe  seines  Hauses  mit  dem  Hause  der  Hohenstaufen; 
diesen  Kampf  mufste  der  Hr.  Verf.  in  den  Vordergrund 
seiner  JSrzählnng  bringen.  Dessen  Beginn,  dessen  Fort- 
gang, das  Einwirken  Welfii  auf  dessen  Entwickelung, 
sein  männliches  Ringen  in  diesem  Streite,  endiicli  sein 
verzweifelndes  Aufgeben  desselben  nach  dem  Tode  seines 
Sohnes,  sein  Lostrennen  von  den  weiteren  Schicksalen 
seines  Hauses,  sein  hoffnungsloses  Versinken  in  genuft« 
sllchtige  Schwelgeiei  nach  dem  Zerreifsen  jenes  Bandes, 
das  ihn  an  die  Schicksale  seines  Hauses  gekettet  hatte, 
das  mnfste  er  schildern,  und  er  konnte  uns  ein  sehr  an- 
sprechendes, sehr  schönes,  sehr  belehrendes  Gemälde 
vorführen«  Jener  Kampf  ist  für  unser  Vaterland,  ist  fir 
Italien,  ist  fikr  ganz  Buropa  so  unendlich  einflußreich 
gewesen,  sein  Entstehen,  sein  Gang,  seine  überraschen- 
den Wendungen  sind  so  anzidiend,  dlie  grofsen  Cha- 
raktere der  Einzelnen,  der  Corporationen ,  der  Ideen, 
die  in  ihm  hervorireteo^  so  interessant,  dafs  .sich  nicht 


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Ucroog  Weif  VI.    Vun  BehreiM. 

leicht  ein  schönerer  Stoff  finden  läfst,  die  Betrachtung 
d«s  erstell  Theiles  jeoes  Kampfes  von  dem  Standpunkte 
Welfs  aus  aufserdem  so  oeo^  so  eigenthOmlich  (da  man 
im  Aligemeioeo  denselben  immer  von  dem  gleichsam 

oflßciellen  Standpunkte  der  Hoheu^lauien  aus  zu  betrachten 
gewohnt  ist),  dafs  der  schöne  Stoff  dadurch  nur  an  Reiz 
uad  Interesse  hätte  gewinnen  kdonen.    Fiir  eine  solche 
Darstellang  wären  anfeerdem  auch  die  Quellen,  recht 
beofitat,  reich  genug  gewesen,  ein  schön  susammenhMn«* 
gendes  Ganzes  zu  geben,  Hr.  B.  würde  sich  nicht  über 
D8rftigkeit  des  Stoffes  zu  beklagten  gehabt  haben ,  wozu 
er  bei  dem  Wege,  den  er  gegangen  ist,  freilich  oft  genug 
I  Veranlassung  fand.    Hr.  B.  hat  iliesen  Weg  nicht  ein- 
\   geseblagen.   Jener  Kampf  selbst  ist  ihm  nur  der  Hinter*  . 
(   gruiifl  seines  Gemäldes,  er  geht  davon  aus,  eine  reg^el- 
I    rechte,  zusammenhängende  Biographie  Weif  s  von  seiner 
i   Gebort  bis  zu  seinem  Tode  zu  liefern,  ihn  zu  verfolgen, 
da  wo  er  in  jenem  Kampfe  hervortritt  und  da,  wo  sein 
f  Leben  bedeutungslos  dabinflieftt,  oder  wenigstens  sich 
1   nar  auf  untergeordnete  V^erhältnisse  bezieht.  Daraus  sind 
aber  neben  der  Verrin^ferung-  des  Interesses,  was  die 
Schrift  überhaupt  gewähren  könnte,  zwei  groise  Mängel 
des  Buches  entstanden. 

'  Erstens  hat  Hr.  B.  sich  seinem  Plane  gemäfe  geiiö* 
Ihigt  gesehen ,  auch  über  d  i  e  Verhältnisse  in  Welfs 
Leben,  über  die  Zeiten  desselben  zu  sprechen,  worüber 
die  Quellen  uns  durchaus  keine  Nachrichten  aufbewahrt 
btben,  wo'  er  sich  also  genöthigt  sah,  die  Lücken, 
welche  die  urkundlichen  Nachrichten  lieben ,  mit  reinen 
Vermuthungen  auszufüllen,  die  entweder  geradezu  auf 
Nichts  oder  nur  auf  ganz  allgemeinen  Verhältnissen,  die 

für  alle  Zeitgenossen  Welfs  gleich  gut  gelten,  be^ 

rahen. 

Re£  f&hrt  als  Beispiel  dafiftr  nur -das  an,  was  Hr« 

&17  u.  ff.  über  Welfs  Jugendschidrsale  sagt,  was  nur 
auf  ganz  vage,  allgemeine  Vermuthungen  gegründet  ist; 
dann  das ,  was  er  S.  33.  über  den  Aufenthalt  Welfs  in 
lUtaeA  feit  dem  Tode  seines  Vaters  anfährt,  was  si^ 


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m  Oersog  WeU  Vi.  V«n  Bdbrm.  ' 

uiedet'  theils  auf  ganz  uaskhere  Hj'potheeen ,  gröFsteu- 
Iheils  wohl  §ogar  auf  eioen  mirsverstah denen  Ausdruck 
des  Anonymm  Weingartemis  siüUi  (vergl.  QrigimB 
Guelßeiae  T«IL  ji«860.);  «Ddiich  das,  wus  ebenso  uner- 
wetdich  &  4&  über  Well*«  IVehrbaftoachvo^  enfthU 
wird. 

Der  zweite  Nachtheii ,  welcher  aus  der  Weise  her- 
vorgeht, wie  der  ür«  Verf.  seine  Aufgabe  betrachtet  hat, 
ist  die  Reiheofo^e,  ia  welcher  er  die  Begebeiiheite& 
iMähU ,  die  den  wahren  Zasamnieabang  derselben ,  m  wie 
die  ganze  Bedeutung  von  VVelfs  Wirken  in  einen  ganz 
verdüsternden  und  undeutlich  machenden  Sciiatten  sielU. 
So  wird  maa  bei  der  Anorduuiig ,  die  Hr.  B.  gewählt 
half  den  engen  ZasauiBienbang  gewife  nicht  ahnen,  ia 
dem  WelPe  und  seines  Bruders  Schicksale  such  in  den 
früheren  Perioden  ihres  Lebens  schon  zu  dem  begin- 
nenden Kampfe  mit  den  Hohenstaufen,  der  alle  ihre  eiii- 
2eioen  Kämpfe  und  Lebeusverhäitoisse  in  sich  aufnahm 
Md  gleichsam  verscblanjg,  siehm- 

Erstens  bleiben  schon  die  Ursachen  und  ersten  Ge- 
staltungen dieses  Kampfes,  sein  Zasammenhang  mit  des 
allgemeinen  Verhältnissen  der  damalig^en  Zeit,  mit  der 
Stellung  der  kirchlichen  und  politischen  Fartheien ,  MO  wie 
mit  der  Lage  der  einfinfereiobsten  PsmiUen  in  Deutsch- 
'  land  bei  der  Anordnung  und  Darsteliung  des  Hra.  Verfc 
durchaus  dunkel.  Denn  die  Erzählung,  welche  Hr.  B. 
'  davon  S.  IG  u.  ff.  gi<  ^t,  ist  durchaus  ungenügend.  So 
istz.ii.  eines  der  wichtigsten  Momente  in  der  Entstehuag 
des  Kampfes,  ja  das,  auf  welchem  die  Uebertraguiig 
der  schon  bestehenden  PeindseligkeiCen  zwischen  Lothar 
•und  Heinrich  dem  Fünften  auf  die  Hohenstaufen  eigent- 
lich ganz  beruht,  völlig  übergangen,  die  Verwand ti^chaft 
der  beiden  staufischen  Brüder,  Friedrichs  und  Jvonrads 
mit  Heinrich  dem  Fünften  nämlich.  —  Der  Leser,  %?el- 
€her  der  Verhiitniese  ni«lit  schon  kundig  ist,  übeisiebl 
daher  gewifs,  dafs  die  Hohenstaufen  nach  Heinrichs  ikfi 
Fünften  Tode  sich  etwa  in  derselben  Stellung:  befanden, 
in  welcher  wir  Heinrich  den  £tol2en  naqh  Lothars  Tone 


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Herzog  Weif  VI.   Y«n  Behren«.  S^27 

finden,  und  dafs  sie  auf  diese  Stellung  ganz  ihuliche 
ADsprfiche  grAiideteii,  wie  dieser  sie  bei  der  folgenden 
Throuerledigung  machte. 

Zweitens  übersieht  der  Leser  bei  Hrn.  B/s  Anordnung 
(und  darauf  wollten  wir  hier  vorzüglich  aufmerksam  ma- 
chen) gewtfs  auch,  dafs  schon  der  Kampf  um  die  Be- 
setstmg  des  Regensbtirger  Bisthums,  der  um  die  cal- 
^isciie  Erbschaft,  dss  Verfthreo  Heinrichs  gegen  Fried- 
rich von  Schwaben  zu  Zwiefalten ,  kurz  fast  alle  die 
Vorg-ang-e,  welche  aus  Heinrichs  des  Stol/c  ii  und  Welfs 
des  Seciisten  früheren  Leben  erzühlt  werden,  iu  näherer 
eder  fernerer  Beziebnog  nuf  Jenen  grofsen  Kampf,  das 
Hauptereignife'der  damaligen  Zeit,  standen.  Nachdem 
Dämlich  schon  S.  37.  der  Vorgang  zu  Zwiefalten,  S.  48. 
die  Regensburger  Fehde,  S.  56.  der  calvvische  Erbfolge- 
streit erzählt  worden  ist,  kommt  erst  S.  16.  die  erste 
aosföhrllcliere  Erwähnung  von  Lothars  Kampf  mit  den 
Staufen,  S.  77.  die  Brclhiung  von  Heinrichs  des  tStoIcen 
Vermählung  mit  Gertrud,  endlich  erst  S.  93.  eine  Be- 
trachtung über  den  Kampf  der  Weifen  und  Waiblinger, 
seine  Bedeutung  und  seine  Folgen ,  obgleich  die  mittel* 
bare  Entstehung  dieses  Kampfes  sich  schon  ans  den  Zeiten 
Heinrichs  des  Fünften  h^sehrieb  nnd  eine  frühere  Dar- 
-Stellung  der  Verhältnisse  desselben  alle  die  erwfihnten 
Ereignisse  erst  in  ihrem  wahren  Lichte,  ihrer  allgemei*' 
Deren  Bedeutung  würde  haben  erscheinen  lassen. 

Der  Hr.  Verf.  hat  also  durch  diese  Anordnungsweise 
Idch  selbst  die  Mittel  geraubt,  seiner  Darstelhing  Einheit 
and  Klarheit  zu  geben  nnd  auch  den  AnsprOchen  auf 
tJebersichtiirhk(  it  nicht  genügt,  die  man  mit  Recht  an 
eine  Darstellung  seines  Stuffes  machen  könnte.  Er  wird 
al!^,  wie  wir  oben  anführten,  auch  den  so  bescheidenen 
Ansprildten  derer  nicht  genügen,  die,  auf  Zttverlissi|(- 
keit  der  einzelnen  Angaben  und  auf  wissenschaftliche 
Forschungen  über  die  wahren  Thatverliältnisse  verzich- 
tend, nur  eine  klare  Uebersicht  über  den  Zusaomienhang 
der  cvnählten  Ereignisse  durch  das  Buch  gewinnen  möch- 
ten ,  noch  ihnen  wird  es  nicht  bieten ,  was  sie  eodmi , 


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m  ^  Uenw«  W«ir  VI.  Vor  Bubrcvi. 

ein  einiges,  zusammenhängendes,  leicht  QberschaubaraB 
Bild  der  Schicksale  Welfs  und  ihres  Einflusses  auf  die 
allgemeinen  Staats  Verhältnisse,  der  Umgestaltungen,  die 
sie  in  diesen  mit  herTorrufen  halfen,  so  wie  der  Art, 
wie  sie  von  ihnen  selbst  bestimmt,  Ton  ihnen  medificirt 
und  gewendet  wurden. 

Trotz  aller  der  Mängel,  die  wir  nun  bisher  in  dem 
'  Torliegenden  Schriftchen  gerügt  haben,  würde  dasselbe 
doch  noch  bei  einer  gewissen  Klasse  von  Lesern.  Gnade 
.finden  kfinnen,  wenn  es  den  Forderungen  entspräche, 
welche  diese  Leute  an  geschichtliche  Werke  machen.  Bs 
sind  das  nämlich  die  Leser  historischer  Schriften  (wie 
grofs  ihre  Zahl  ist,  zeigt  der  Beifall,  den  Werke  in  im- 
.eeren  Tagen  finden,  die  gerade  nur  ihren  Bedurfnissen 
■  angemessen  sind),  welche  auf  Gründlichkeit  der  For-  * 
schun^,  auf  Zuverlässigkeit  der  einzelnen  Angaben  ,  auf 
Wahi  iieit  der  Combinationen,  selbst  auf  Zweckmäfstis^keit 
.der  Anordnung  verzichten,  wenn  ihnen  dafür  nur  Ideen, 
-wie  sie. sagen,  d,h.  allgemeine  Betrachtungen,  Räsoa- 
. Demente,  Declamationen  u;6. £  moralischer,  religiiiser, 
philosophischer,  psychologischer  oder  endlich  politischer 
Art  geboten  werden.    Dann  Oberselieo  ^ie  ja  gern  den 
Mangel  der  erwähnten  Nebensachen.    Wer  wird  aber 
auch  beschränkt  genug  seyn,  bei  der  Nach  Weisung  grolser 
.Gesetze,  im  Leben  der  Menschheit ,  bei  der  Darstellinig 
neaer  Offenbarungen  des  Weltgeistes,  bei  der  Verfol- 
gung philosophischer  Grundsätze  durch  die  erzahlten 
Ereignisse,  oder  gar  bei  tler  Vertbeidigung  der  oder 
jener  politischen  Ansicht  noch  solche  Kleinigkeiten,  wie 
Wahrheit  der  Erzählung ,  oder  solche  Aeufserlichkelten, 
wie Uebersichtlichkeit  der  Zusammenstellung,  zu  verlan- 
gen? Wer  kann  dem  Genius  in  seinem  Flu^e  die  Berück- 
sichtigung solcher,  jeden  Aufschwung  hemmenden,  Ne- 
:  bendiflge  zumuthen?    Vor  diesem  Tribunale  könnte  also 
aelbst  eine  so  leichte  Arbeit,  wie  Hrn.  B.'8  Schrift,  noch 
gerechtfertigt  erscheinen;  haben  ja  doch  Bücher  da 
Beifall  gefunden ,  dit;  an  iiistorischem  Werthe  noch  weit 
unter  Hrn.  Bb's  Werkchen  standen. 

f  Der  B99ehluf$  folgt,} 


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N'.üO.   HElDBLa  MHRR  ».  UTBRATUR.  18ML 


Herzog  fVelf  VI.    Von  Behreni. 

Aber  trider  fehlt  dem  Torliegendea  Bfichleui  auch 

die  Art  von  Xorzugen,  die  vor  diesen  Richtero  ein 
güustiges  Urüieil  auswirkt  Denn  mögen  wir  auch  unsere 
Ansprüche  an  solche  Zuihateo  und  Eioschiebsel  in  hisio« 
rischeo  Werken  so  oiedrig^  ab  nsr  ininer '  mdglieh,. 
•lelien :  der  Inhalt  der  AbeehwelfongeD  von  der  Erzäh* 
]ung,  clie  wir  hei  iliii.  ß.  iinden ,  ist  doch  in  der  That 
zu  wenig  ansprechender  Art,  als  dafs  er  irgend  als  Ersatz 
der  übrigen  Mängel  des  Buches  dienen  könnte.  Denn 
dies  werden  weder  die  gar  alltäglichen  and  flachen  ^  mo- 
talischen  oder  psychologischen  Bemerkungen  thun ,  denen 
wir  hier  und  da  z.  B.  S.  20,  28,  84,  85.  u.  a.  a.  O.  be- 
feg;nen  ;  —  noch  die  Beiirtiieiliing-en  von  Verhältnissen 
des  Mittelalters,  die  auch  so  gar  keinen  Sinn  für  die 
£igenthalmlichkeiten  dieser  freilich  in  Denk  -  nnd  Hand- 
langsweise  von  der  unsrigen  ganz  verschiedeneii  Zeit 
Verrathen,  wie  die  sehr  gewöhnlichen,  durchans  nicht 
iodividualisirten  und  daher  unwahren,  tadelnden  Urtheile 
aber,  die  Geachichtscbreiber  des  Mittelalters  S.  IT  20. 
u.  a.  m.  a.  O.  die  eben  so  alltäglichen  Bemerkangen  über 
Waadergeschichten  S.  68,  ftber  Weib  Religiositf t  &  21. 
«ud  über  die  Wulfhildens  S.  71;  —  noch  die  auf  die 
gewaltsamste  Weise  herbeigeholten  Hindeutungen  auf 
politische  Verliälloisse  anderer  Zeiten,  wie  z»B.  das  wirk- 
lich komische  Hereinziehen  der  Lehren  von  dem  politi- 
flehen  Gleichgewichte  in  die  Betrachtung  so  ganz  ond 
dvrchans  verschiedener  Verhältnisse,  wie  die  des  stan* 
fischen  und  weifischen  Hauses  gegeneinander  waren,  in 
Vergleich  mit  den  btaatenverhältnissen,  wo  jene  Lehren 
ihre  Entstehung,  Ausbildung  und  Anwendung  gefniiden 
haben ,  S.  81«  —  noch  die  juristischen  Untersnchnngen 
8.80,  ob  „nach  dem  Artikel  18.  §.2.  des  hief  an^ 

XX Vi.  Jahr^ .  ^.  Heft.  50 


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MO  Swios  W«lf  ¥1.  Tum  .Bftoiif. 

vendbar^n  (!)  achwihischen  Lehotechla''.  Albredift 

vonCalwe  reclitlich  begründete  Ansprüche  auf  die  Lehne 
seines  verstorbenen  Oheims,  Gottfried  von  Caiwe  machen 
konnte;  — ^  noch  die,  gezwungen  genug ,  eiogescbobeae 
Tirade  zu  Erhebung  des  Bvaaiiicdiweig-LttneburgischeD 
RegenieuhauseS)  S.  12;  —  noch  alle  die  verechtedenen 
Ansichten,  Bemerkungen,  GefUhle,  Betrachtungen  u.s. f., 
die  der  Hr.  Verl.  aut  tUe  bezeichnete  Weise  hier  und  da 
aogebrachl.bat.  Also  wir  zweifeln^  ob  Hrn.  B.  s  Schritt- 
ehe»,  soivie  es  ist,  selbst  als  Lese-  and  Ustoffhaitimga- 
'biieh  Beifall  fiadaa  wütde. 

Dazu  kommt  noch,  um  endlich  auch  trüber  noch 
ein  Wort  zu  ^agen,  daT^  auch  Hrn.  B.s  Sprache,  die 
äufsere  Form  seiner  Barste!  iung.  im  Uinaeinen ,  nicht  daau 
beiträgt,  das  Lesen  seines  Buches  angenehm  zu  machen. 
Zwar  ist  BÜmlich  mAHgemeinen  seioe  Breähfaittgs weise 
:lu»inesweg8  unangenehm,  Tielmehr  ist  sie  flieftend  und 
klar  und  wohl  verständlich.  Aber  nur  gar  zu  oft  wird 
ihr  ruhiger  Fortgang  unterbrochen.  Bald  steigert  sich 
in  doD  BeGtamationen  und  Tiraden  des^Hrn.  Verfs.  seine 
^  Spuaohe  mm  »irefständUebea  Bombast,  bald üällt  sieia 
aeine«  ktitischea '  Untarsuobungen  und  Betvacbtungen 
unter  den  Erzählungston  herab,  so  dafs  durch  das  ganze 
W  erkeine  höchst  unangenehme  Ungleichheit  derScbreib- 
art  herrscht,  die  desto  unangenehmer  aalßiUt,  je  weniger 
durch  das  in  den  Abschweifungen  roü  der  Braihhing 
Gieholene  irgend  ein  Ersatz  für  deren  Unterbreehuiig 
gewährt  wird. 

Fast  von  allen  Seiten  sah  sich  sonach  Ref.  genÖthigt, 
•alschiedenen  Tadel  über  das  vorliegende  Werkcheo 
ausBUsprechea^  Warum  er  überhaupt  ein  Urtkcil  ahaa- 
geben  flir  PIKoht  hielt  und  die  uDhedaateade  BrsdMi* 
Bung  nicht  vielmehr  ganz  mit  Stillschweigen  überging, 
hat  er  auf  den  ersten  Seiten  dieser  Anzeige  angeführt, 
dafs  er, aber  ein  anderes  Urtheil  der  Wahrheit  gemä/s 
über  daß  Scbriftehen  aiebt  fiilleii  koonle,  damn  wki 
taieh  Jeder,  der  sich  etwas  aähW  mit  liistaffisehea  For- 
schungen, namentlich  gerade  über  den  bebandeiten  Zeit- 


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ül 


ftm  lic)0chäf)ligt  hat,  schoo  durch  ÜGchtig^  Ansicht 
des  Buches  leicht  überzeugen,  uod  wird  bei  näherer 
Oarchsicht  desselben  unseren  Tadel  gewifs  auch  in  jedem 
sioielaeD  Funkle  gegründet  finden.  Ja  Ref.  ist  versi* 
cherif  dab  dar  ihm  sonst  vdUig  unbekannte  Hr.  Verf., 
wtao  er  rieh  seit  dem  Erscheinen  des  Buches  noch 
weiter  mit  historischen  Arbeiten  beschäftigt  und  sich 
teitdem  vielleicht  mit  den  Erfordernissen  geschichtli* 
ober  Forschung,  ao  wie  mit  den  daau  nöthigen  Vor* 
kaantttissen  oimgarnMilien  rartraut  gemacht  bat,  selbst 
die  Wahrheit  des  oben  ausgesprodiOMQ  Urtheils  fiber 
ssia  früheres ,  mit  ^ai  zu  grofser  Flüchtigkeit  und  gar 
zu  wenig  Vorkeantnis^en  verfafstes  Werk  anerkennen  wird. 
Möge  Hr.  B.)  ist  die  Voraussetzung  gegriiodet,  dafs  er 
«oh  noch  weiter  mit  geschichtlichen  Arbeiten  beschtt- 
tigt  hat ,  derpinst  die  Ergebnisse  aaioar  rriferen  und  mit 
etwas  mehr  Aufwand  you  Zeit  und  Mühe  angestellten 
Forschungen  über  irgend  einen  Theil  unserer  vaterländi- 
schen Geschichte  bakaoat  machen,  damit  Hei.,  ohne 
der  Wahrheit  2u  nahe  n  treten ,  dnroh  Anerkenoong 
der  bessern  Leistungen  des  Hrn.  B.  den  enisohiedenen 
Tadel  aufwiegen  könne,  den  er  über  das  vorliegende, 
unreife  Erzeugnifs  einer  flüchtigen  Schrissteilerlaune  aus^ 
^echea  mufste. 


9^9lMMig9  4Miunfc  9wr  Amlag9,  FtrÜgnng  und  nctierat  Nta$am* 
iMAm^  4er  g^krfg»  oder  iogMOimtm  orlMtfeAen  Bnmnßn. 
MfitmOMh  mif  etgtm  BrflAnm§t  g€gHhM  md  fUf  die  prdb- 
Heeke'JtmdUnmg  tarMtet  wm  jL  Pen  Btruehmmnmt  M»m. 
^ünet^.  BttMm^hf  JRtitffr  d.  M9nigß.  CtH(-  F«r4i«aitr  u"d 
Sokw  4»  S>  Bruekmann,  /relUteet*  Mit  MX  ^dntq/Ua* 
Bemrmm  1888.  X  u.  888  &  8. 

Reines  und  in  hinlänglicher  Menge  vorhandenes 
QtteUwasser  gehört  unter  die  aotbwendigsten  Bediirfnisae, 
wurde  daher  von  den  ältesten  Zeiten  an  vud  wird  ttoeh 
gegenwärtig  vorzüglich  geschätzt,  und  wenn  sich  Men- 


■ 


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Braekinaiiii,  Aber  Bohrbranlien. 


sehen  wegeo  anderweitiger  Bequemlichkeiteo  oiler  Vcw- 

theile  entschliefsen,  an  Orten  zu  wohnen,  wo  jene«  man« 
g;elt,  ohne  hierüber  viel  und  anhaltend  zu  klagen,  so  ist 
dieses  nur  aus  der  Macht  der  Gewohnheit  zu  erklären, 
iadem  der  Mensch  nach  einer  höchst  schätzenswerUien 
naifirlichen  Anlage  sich  willig  in  alle  Verhältnisse  ftgt, 
ja  sogar  in  ihnen  zufrieden  und  selbst  glöcklioh  ist,  so- 
bald er  sie  aus  innerer  üeberzeugung  als  uotlnvendig 
erkannt  oder  sich  von  früher  Jugend  an  damit  vertraut 
gemacht  hat.  Inswischen  regt  sich  doch  an  allen  Orten, 
wo  jenei  nothweudige  Bedllrfnifs  mangelt,  ziemlich  all* 
gemein  und  bei  Vielen  sehr  stark  der  Wunsch  nach'  einer 
Verbessci  iiiijs;  in  dieser  Hinsicht,  man  pflegte  daher  alle- 
zeit wiederholte  Versuche  neuer  Grabungen  anzustellen, 
und  nahm  oft  seine  Zuflucht  zu  künstlichen  Filtrirungen, 
ohne  jedoch  dem  tJebel  hierdurch  gründlich  abzuhelfen. 
Es  ist  daher  merkwürdig,  dafs  man  das  so  nahe  liegende 
und  treÜliche  Mittel  des  Böhlens  für  diesen  Zweck,  mau 
darf  wohl  sagen  gar  nicht  benutzte,  ohngeachtet  das- 
selbe schon  seit  1671.  in  Modena,  Frankreich  und  ver- 
muthlich  schon  weit  früher  in  der-Umgebung^  von  Wien 
nicht  bloa  praktisch  angewandt,  sondern  auch  schon  da- 
mals durch  Cassini  öflfenttich  bekannt  gemacht  wurde, 
und  das  Bohren  in  die  Erde  im  Allgemeinen  unter  die 
seit  undenklichen  Zeiten  üblichen  Operationen  gehart  Erst 
seit  wenigen  Jahren  suchte  man  in  England  und  in  America 
hfiufig  die  Quellen  durch  Bohren  auf,  in  Frankreich 
wurde  die  Sache  durch  nähere  Untersuchung  der  in 
Artois  seit  mehr  als  100  Jahren  üblichen  Methode  des 
Brunnengrabens  allgemeiner  bekannt ,  von  den  FransQOSeo 
kam  Kunde  davon  zu  den  Teutschen ,  und  in  dem  ge* 
genwärtigen  Augenblicke  geben  Hunderte  erbohrter, 
oder  nach  jenen  sogenannter  Artesischer,  Brunnen 
einen  reichlichen  Ersatz  für  die  dabei  aufgewandten  Ko- 
sten. Insbesondere  haben  Garnier  und  nachher  Herl- 
cart  de  Thurjr  durch  ihre  ausführlichen  Werke  den 
Gegeiistand  cur  allgemeineren  Kenntnifa  gebracht,  in 
Teutachlaod  aber  erschienen  adir  bald  mehrere  Schräfiieii 


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Brnekinatoii ,  Aber  Bobrbriihii«!. 


98S 


über  dteees  interessante  Problem.  Peinige  dersetben  be» 
handelten  die  Aufgabe  als  eine  rein  physikalische  und 
meehanische  blos  im  AUgemeioen,  weil  das  Publicum 
rieh  einmai  dafür  interessirte,  und  die  darüber  bekauot 
gewordeneo  Schrifteo  begierig  las,  die  meisten  be« 
sebrieben  das  ▼on  ihnen  bei  selbstgemächten  Versuchen 
angewandte  Verfahren,  nur  wenige  behandelten  die  Sache 
in  einem  weiteren  Umfange,  und  verbanden  die  Resul- 
tate fremder  und  eigener  Erfahrungen  ear  JBrreicbnDg 
dner  zweclc|^emMlieD  Vollständiglieit 

Unter  diese  letztere  Classe  gehört  das  Torliegende 
Werk,  dessen  Charakter  hiermit  also  im  Allgemeinen  be^ 
zeichnet  ist ;  es  mufs  jedoch  zugleich  berücksichtigt 
werden,  dafs  die  Verfasser  zunächst  nicht  beabsichtigten, 
die  Aufgabe  streng  wissenschaftlich  zu  behandeln,  son^ 
dem  Ttdmehr  gebildete  Hydrofecten  und  Banmeister  mit 
dem  Ganzen  bekannt  zu  machen,  die  zahlreichen  Regeln 
beim  praktischen  Verfahren  anzugeben,  die  vielfachen 
Werkzeuge ,  deren  man  sich  bei  ungleichen  Tiefen  und 
bd  verschiedenen  zu  durchbohrenden  Erd-  und  Fels-- 
Arien  mit  Vorlheil  bedient,  genau  zu  beschreiben,  und. 
jeae  dadurch  in  den  Stand  zu  setzen ,  ohne  stets  wieder- 
holt eigene  Erfahrungen  zu  sammeln,  vielmehr  mit  Si- 
cherheit und  hioiäogücher  Gewifsheit  eines  günstigen 
Erfolges  an  geeigneten  Orten  die  vorhandenen  Quellen 
diirdb  Bohren  aufousuchen.  Nicht  leicht  aber  konnte 
jemand  einen  nXheren  Beruf  zur  Abfassung  einer  solchen* 
allseitig  genügenden  praktischen  Anweisung  haben ,  als 
die  Verfasser,  denn  beide  hatten  bereits  theils  gemein- 
stdiaftUch  theiis  einzejn  an  mehreren  Orten  unter  sehr 
abweichenden  Bedingungen  durch  ungleiche  Erd-  und 
Fels -Lager  und  bis  m  bedeutenden  Tiefen  wirkliche 
Bohrversuche  mit  günstigem  Erfolge  ausgeführt,  als  sie 
C8  unternahmen,  dem  Publicum  das  vorliegende  Werk 
zu  übergeben.  Wenn  man  ferner  hinzunimmt,  dafs  die 
Verfasser  sich  vorher  mit  der  Torhändenen  Literatur  über 
diesen  Gegenstand  bekannt  gemächt,  aber  nicht  die 
fremden  Angaben  unverändert  wiedei-gegeben ,  sondern 


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984 


V.  BmdiiiMiaii,  Aber  BolirbrnBBeii. 


vorher  kritisch  geprüft  haben ,  aurserfiem  aber  hlnliiig«- 
Hch  gewissenhaft  sind,  so  dafs  ihre  Erfahrungen  volles 
Vertrauen  verdienen,  so  ist  hiermit  alles  dasjenige  an<^ 
l^egebeni  wonach  sich  der  Werth  der  vorKegendea 
Schrift  Ton  selbst  beurtheiten  läfat. 

Nach  dieser  allgemeinen  B^zeichniing  dea  Inhata 
würde  es  überilü^ig  sejn,  alles  Einzelne  namhaft  anzu«- 
geben,  und  Ref.  begnügt  sich  daher  mit  einer  kurzen 
Ueberaicht  der  wesentlichsten  ^  hier  tereinieo  Unterstt*» 
chungen.  Das  WeriL  beginnt  mit  eiMr  nur  populiren, 
keineswegs  «rechdpfenden ,  aber  für  d«ii  Yorlieganden 
Zweck  genügenden  Betrachtung  über  den  Ursprung-  der 
Quellen  aus  den  Hydrometeoren,  <lie  hit^r  allerdings  am 
rechten  Orte  ist,  weil  hierauf  eben  lüe  Kennaeichan  be- 
ruhen, ob  man  nach  Wahrscheinliohkeitsgriodeii  an  frgaiMl 
dneiB  gegebenen  Orte  Qaellea  an  ^warten  habe;  w- 
gleich  ist  in  einer  iVnmerkung  gezeigt,  wie  sich  die  aus 
einem  Rohre  von  gegebener  Weite  abfliefsende  Wasser- 
menge  berechnen  lasse,  um  den  bei  Vielen  herrschenden 
und  oft  schwer  feu  beseitigenden  Glaaben  m  berichtigen, 
als  ob  diese  blos  Ton  der  Weite  des  Ausguftrohres  ah> 
hänge,  da  doch  die  Druckhöhe  von  einem  noch  viel 
wensentlicheren  Einflüsse  dabei  ist.  Es  folgt  dann  eine 
allgemeine  Beschreibung  der  10  Bohrbruonen,  welche 
durch  Brnckmann  den  Valerie  Heilbronainttglikeb* 
ticheni  Brfo^  hergestellt  warden,  deren  reichHohw 
Wasser  nicht  blos  im  Allgemeinen  xam  Betriebe  melirer 
.  Gewerke  benutzt,  sondern  tngleich  ah  ein  Mittel  tur 
Sicherung  gegen  das  Gefrieren  anderer  Betriebswässer 
verwandt  warde,  und  wofür  die  Gesellschaft  enr  Aaf* 
munteraiig  Taterliadischer  Indttatrie  ia  Baris  die  jgoldetie 
Medaille  als  Belohanng  snericannte.  Hierauf  ibigt  ^eti 
S.  04.  an  das  ganze  beim  Bohren  der  Brunnen  aneuweo- 
clende  Verfahren,  also  auch  eine  vorausgehende  Aniei- 
tnng,  die  Schachte  bei  den  Bohrbrnnneu  abaabauen,  da 
es  aus  vielen  Chründen  Tortheilhafter  ist^  annror  Siasa 
aolchen  Schacht  niedei^gehen  aa  lassea,  «ad  ia  dissefli 
daaa  areiter  zu  bohren ,  als  sofort  von  der  Erdoberflaoha 


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aii  den  Bohrer  einzutreiben.    Die  von  bis  174.  fol- 

gende ßeitchreibuiig  deg  Verfahrens  beim  Bohren »  der 
daai  erforderliefawi  Gerälbschaften ,  der  antuw€nd«ndea 
VonicbteiiMifirrtffela,  der  Uttifsniittel  ^  deren  man  sich 
bd  mof  lieben  Schwierigkeiten  und  Unijrlilckeiailen,  z  B. 
beim  ßrechea  einer  SüiDge  bedient  luid  dergl.  m.,  über- 
g-eht  Ref.  mit  Stiliscliu  eigeii ,  da  sich  keiu  kurzer  Auszug 
daraus  niittheilen  läbiy  uiul  alle  Angaben  praktisch  sehr 
braucbbar  «tod ,  weswegen  es  keiner  &Bnier|Kungen  darflber 
bedMf. 

Eine  vorzügliche  Beachtung  verdient  die  von  S.  174. 
an  gegebene  Anweisung;,  die  in  geringerer  Tiefe  er- 
boUrlen  Quellen,  die  uicbt  bis  zur  Höhe  der  in  gros* 
ierer  Tiefe  aufgeschlosseneD  empersleigen ,  und  letzteren 
anfterdiin  an  Ergiebigkeil  nackstefaen,  desgletcheo  solobe 
Brd-  und  Stein- Lager,  in  denen  sich  das  aufsteigende 
Quellwasser  wieder  verliert,  so  dafs  es  sich  nicht  über 
die  Oberfläche  der  Erde  oder  auch  nicht  bis  zu  derje« 
nigen  UiUie  erliebt,  die  es  ohne  aolcbe  Ableitungen  er- 
rekdieD  wQrxIe,  auf  «ae  EweekmftTsige  und  sichere  Weise 
abzuscbliefiieo ,  und  somit  das  Wasser  lirferer  Quellen 
bis  zur  möglichen  erreichbaren  Höhe  abgesondert  auf- 
steigen zu  machen.  Obgleich  nämlich  keineswegs  jede 
Bohrung  überhaupt  eine  Quelle  nothwendig  aufschliefst, 
auf  all^  FaU  «ber  uicbl  jedereeii  eine  über  die  Brd- 
ober  fliehe  auafliel^de  liefern  kaoo ,  so  ereignet  es  sich 
doch  sehr  oft,  dafs  man  mehrere  Quellen  in  ungleicher 
Tiefe  antrifft,  von  denen  die  tiefsten  wo  nicht  in  der 
Be^el,  doch  in  sehr  vielen  FäUeo  das  meiste  und  das 
am  hoohsteo  anftleigeDde  Wasser  2u  geben  pflegen«  Wenn 
im  Falle  mehrerer  in  uugleichen  Tiden  *erbohrter  Quellen 
alle  bis  zur  nämlichen  Höhe  aufsteigen,  so  vereinigt  man 
ihr  gesammtes  Wasser  in  eine  gemeinschaltliche  Ausgufs- 
rühre ,  findet  es  sich  dagegen ,  dafs.  die  liefer  liegeudea 
mehr  Wasser  nnd  höher  aufsieigendes  ^geben,  als  die 
flneher  liegenden,  durch  die  letsleren  aber  abgeleilet 
und  an  Reicfaihum  uml  Höhe  vermindert  werden,  <Mler 
Wenn4as  Wasser  der  Queiieu  durch  lockere  Erdschichten 


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930  '  V.  ftnickmaiiD»  übe'  Bohrbfoonea« 


und  zerklüftete  Felslager  abfliefst,  so  mofs  das  der  ergie- 
bigsten gegen  diese  Abflüsse  gescfafiteft,  und  für  sich  snr 
grdfsten  erreichbaren  Höhe  ge£5rdert  werden ,  woea  hier 

bestimmte,  deutliche  und  praktisch  ausführbare  Anwei- 
fiungen  ertheilt  werden.    ladefs  steigen  auch  manche 
reiche  und  in  den  grdfsten  für  den  vorliegenden  Zweck 
rithlichen  Tiefen  aufgefundene  Quellen  nicht  über  die 
Oberfläche-der  Erde  empor,  sondern  bleiben  mehr  oder 
weniger  tief  unter  derst3lben  stehen.    In  diesen  Fällen 
hat  raaa  auf  allen  Fall  einen  Pumpbrunoen  in  der  Hegel 
mit  gutem  trinkbaren  Wasser,  welches  wohl  im  Ailge* 
meinen  am  besten  durch  eine  gewöhnliche  Pumpe  ge^ 
fordert  wird,  denn  selten  mdchte  es  rfithlieh  oder  über« 
haupl  nur  möglich  sejn,  dasselbe  durch  ein  Wasserrad 
oder  einen  Stofsheber  zu  heben,  weiche  nach  der  hier 
mitgetheilten  Angabe  durch  den  Ueberflufs  der  Quelle 
eelbst  bei  vorhandenem  Ablauf  getrieben  werden  sollen. 
Ein  Wasserrad  dürfte  uimlich  in  der  Regel  zu  viel  Wasse» 
erfordern,  auch  dessen  Anlegung,  noch  dazu  in  der  unter 
diesen  Umständen  und  für  eine  solche  Anlag-e  nie  unbe- 
trächtlichen Tiefe,  mit  grofsen  Schwierigkeiten  verbun- 
den seyn,  der  Stofsheber  aber,,  dessen  Anlage  gleiohfaiie 
unter  den  in  solchen  Fällen  meistens  vorwaltenden  Vm^ 
standen  keineswegs  leicht  seyn  würde,  ist  für  die  prak-> 
tische  Ausführung  noch  immer  nicht  hinlänglich  erprobt, 
so  dafs  man  mit  völliger  Sicherheit  auf  die  vollständige 
Erreichung  der  erwarteten  Wirkung  rechnen  dürftsi 
denn  so  vollendet  auch  die  Theorie  desselben  ajafter  den 
vom  Verf.  genannten  Männl^rn  namentlich  durch  V.Langs- 
dorf, E^telvvein,  Brunacci  und  Andere  dargestellt 
ist,  so  gaben  doch  die  angestellten  Versuche  keineswegs 
die  durch  Rechnung  gefundenen  Resulioite  bleibend,  nni 
es  scheinen  noch  nicht  genugsam  erforschte  Hindernisns 
obzuwalten,  welche  das  Spiel  der  Ventile  hemmen,  und 
dann  einen  Stillstand  der  Maschine  erzeugen,  worin  ohne 
Zweifel  der  Grund  liegt,  warum  dieser  höchst  sinnreich 
ausgedachte,  so  einfache  und  bequeme  Apparat  bisher 
so  sehen*  in  Anwendung  gebracht  wurde.   Ref.  wftrde 


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N 

V.  Brackmaan,  ühtr  Bohrbrunnen.  Stö? 

fiir  (Iir<;pn  Fall  des  alten  Sohoti's  vervielfältigeode 
Rid-Sinier-Maflchine  fir  am  meisten  geeignet  halten, 
welche  mit  eioem  geringen  Vc^rlnste  4iir  die  Reibung 
Wawermengen  liefert,  die  im  umgekehrten  Verhältnisse 
der  Höhen  zu  dem  Betriebswasser  stehen,  lieber  die 
Kosten  des  Bronnenbohrens  sind  blos  allgemeine  Be- 
trachlangen  mitgetheilt,  wie  eich  auch  bei  den  ungiei** 
chen  Preisen  des  Materialetf  an  Terechiedeoen  Orten  nicht 

andeis  erwarten  läfst. 

Vielfache  Belehrung  für  Praktiker  enthält  die  fol- 
gende Beschreibung  der  verschiedenen  anderweitig  Ton 
im  Vei^mern  gebohrten  Brunnen ,  n&mlich  zwei  z«  £r- 
hngen,  zwei  Bu  NQrnberg,  einer  zu  Crailsheim,  wobei 
nigicich  die  durchbohrten  Schichten  und  die  Tiefe,  iu 
welcher  die  Quellen  gefunden  winden,  nicht  blos  ange- 
geben, sondern  auch  durch  eigene  Zeichnungen  versinn« 
licht  eind.  Hieran  schüefsen  eich  dann  die  folgenden  Be- 
sehretbungeo  sonstiger  Bohrungen,  namentlich  in  Teutsch- 
land und  in  Frankreich,  mit  jedesmaliger  Angabe  der 
dabei  vorgekommenen  geogno^tischen  Verhältnisse.  Na- 
meBtlicli  sind  für  die  in  Frankreich  angelegten  zahlrei- 
chsn  Bronnen  die  gediegenen  Werlte  von  Garnier  und 
Hericari  de  Thury  nach  der  dujrch  Waldauf  von 
Wslldenstein  gelieferten  Uebersetzung  benutzt.  Hier- 
bei findet  man  zugleich  eine  durch  Figuren  erläuterte 
Beschreibung  der  in  Frankreich  gebräuchlichen  VITerk*  . 
mge,  welche  verschiedentlich  von  denen  abweichen, 
deren  sich  die  Verff.  des  vorliegenden  Werkes  zu  be- 
dienen pflegen,  fedoch  haben  die  letzteren  meistens  den 
Vorzug  grofserer  Einfachheit  und  daher  anch  minderer 
Kostbarkeit.  Von  den  übrigen  ßohrbrunnen  in  England, 
io  den  Niederlanden,  bei  Wien,  in  Italien,  selbst  in 
Africa  und  hauptsächlich  in  den  Nordamericanischen 
Staaten  werden  blos  kürze  Nachrichten  gegeben,  aus- 
führlicher dagegen  ist  die  Mittheilung  des  Verfahrens, 
welches  die  Chinesen  seit  mehreren  Jahrhunderten  beim 
brbohren  ihrer  Salz-  und  i^'euer  -  Brunnen  anwenden, 
nach  Intbert,  wobei  nuin  eben  so  sehr  die  kunstlose 


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i^im  V.  Brackmunn ,  über  BobibrooDeD. 

Eriiaduiigsgabe  der  Chiuesen ,  als  iDsbe80iiilei*e  ihre  ganz 
unerreichbare  beharrliche  Geduld  bewundern  muFs.  Ei- 
nige Zweifel  9  welche  «ao  hier  gegea  die  Aiehiigkeil 
der  EnsihluDg  geäuberl  findet,  dürften  indeA  nicht  weU 
durchaus  begründet  seyn ;  □amentUch  sollen  nicht  Bam- 
busrohren, sondern  metallene  angewendet  werden,  was 
jedoch  minder  wahrscheinlich  ist,  da  tuan  in  jenen  Ge- 
genden die  ersteren  sehr  allgemein  in  Anwendung  bringt, 
mit  mehrerem  Grunde  wird  aber  in  Abrede  gesteilt, 
dafs  man  einen  abgebrochenen  Bohrer  durch  neue  all- 
mählig  zermalmen  könne ;  allein  wenn  man  bedenkt, 
dafs  hierzu  der  Angabe  nach  filnf  bis  sechs  Monate  erfiar* 
derlich  rind,  io  wird  man  in  der  That  sweifeihafik,  ab 
nicht  auch  hierbei,  wie  beim  gtäia  oavai  btpidemf 
das  Unglaubliche  durch  unüberwindliche  Beliai  rlichkeit 
möglich  wird. 

Den  Beschlufe  des  ganzen  Werkes  machen  einige  Zu- 
gaben ,  welche  zwar  nicht  von  bedeutendem  wiasctnechaft- 
ilchen  oder  technischen  Werthe,  aicher  aber  vielen  Le^ 
Sern  8ehr  willkommen  sind.  Hierunter  gehoreu  die 
Reductiou  der  in  verschiedenen  Ländern  üblichen  Fufs- 
mafse  auf  die  im  Werke  gebrauchten  würtemberg'scheo, 
Indem  eich  der  würtemberg'ache  Puili  zum  parieer  wie 
0^75  zu  1  verhält^  desgleichen  die  Literatar  Mer  die 
Bohrbrunnen,  die  bis  auf  einige  italienische  Werke  nach 
sehr  vollständig  ist,  ferner  eine  Uebersicht  der  Lage- 
rungsverhäitnisse  der  vorzüglichsten  Gebirgsformationeo, 
hauptsächlich  nach  v.  Le«nhard's  GrundzQgen  der 
Oeognoaic  und  Geologie,  und  endlich  noch  man  Ab» 
hancTlung  Iber  die  Bigenthilmliehketten  der  Quellen  nebsl 
ihrem  V  orkommen  in  den  verschiedenen  Gebirgsarten, 
wobei  Wald  auf  v.  Wal  den§t  eins  bekanntes  Wedi 
Qber  die  Bohrbrunnen  benutzt  ist. 

Vl\r  wiederholen  nochmals,  dafs  dieaea,  einen  Michst 
wichtigen  technischen  Ciegenstand  albehig  behandelnde 
Werk  für  den  Praktiker  vom  gröfsten  IVulzea  und  uo- ' 
gleich  belehrentler  ist,  als  irgend  eins  der  anderweitig 
bekannt  gewordenen*    Druck  und  Papier  sind  sehr  gut, 


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GuizeUi  Spec.  prin«.  geo.  jur.  Hum.  ilc  del.  et  poea.  939 

aufseniem  aber  And  die  Zeichnungen  von  den  erfor- 
derlicheD  Apparaten  auaaehmend  deutlich ,  so  dafa  eio 
geibter  KOnatter  sie  hiemach  und  «iH  fieniKfeung  der 

hinzug^efuc^ten  Beschreibung  sehr  gut  und  mit  Sicher- 
heit verfertigen  kann,  ein  für  die  Auweaduog  höchst 
wichtigea  £rforderiiife. 

M  u  u  c  k  0. 


KURZE  ANZEIGEN. 


Spteiamm  pHncipiorum  generalivim  JurU  Rusiiae  de  delir  th  et  poenia  ad 
mtUm  redactorunu  Stripsit  Herrn.  Guizeiti,  S.  C.  \L  Imp,  Aut- 

Diese  Abhandlung-,  welche  der  Verl.  hei  r  Jurigtcnfncultat 
zu  Koni|j^bbtr(;  zur  Erlangung  der  Doctorwurdc  einreichte,  enthält«- 
einen  willkomniLnen  Beitriip;-  zur  Erweiterung  und  Berechtigung  un- 
serci  KciirUfiifs  dus  russischen  Strafrechts.  Der  Verf.  hat  in  derselbe 
die  Vorschriiteii  dieses  Rechts  über  diejenigen  Gegenstände,  welclie 
in  dem  allgemeinen  1  heile  des  Criminalrechts  abgehandelt  werden, 
zoiaintnengestellt.  Er  handelt  daher  Tun  dem  Begrifie  und  der  Ein- 
theilung  der  Vcrgeiien;  von  der  Zurechnung;  von  dem  Yersnche  de» 
Vergehen;  von  den  Theilnebmern ;  von  den  Strafen  u.  f.  ir.  —  Ref. 
will  Einiges  aus  der  Abh.  herausheben ,  was  von  einem  Bllgemeiiierea 
Interesse  sej'n  dürfte.  I^och  immer  sind  die  GescMe  dt«  Katcert 
Alexis,  des  Sohnes  Michaels,  v.  29.  Jan.  1649.  (Uiosheiiia)  die  Grund- 
lage des  russischen  Criminalreelitfl*  In  der  Rcja«!  weiden  aack  die 
schwersten  Verbrechen  nicht  mit  dem  Tode  beetrnft.  Doch  leidet 
diese  Regel  gewisse  Ausnahmen.  Desto  lahlreiclior  sind  die  Arten 
der  die  personliche  Freiheit  treffenden  Sfmf^n.  An  der  Sjiitse  dieeoK 
Strafen  steht  die  Venreltttng  aaeh  Sihlvien,  ireleh«  wfedernm  swel 
Gtfede  hat,  indem^  der  Verbreclier  entwedar  an  affentllehea  AHbelten 
•d«r  com  Anhaue  den  Lsadee  irwnvtheill  wird.  Aach  fcdrperUche 
Zochiigungen  sind  In  tmcliindeaen  Aastafnngen  anaw  'den  gneelsti- 
elitn  Strafarten.  Jedoch  siad  gewiM  SfAnde  doaneiben  niehl  nntar« 
iNrrtto.  Dnh  AitrMMttiea  der  Naeenfldgel  l$i  durah  ein  £diet  vom 
H.  Oec.  1811.  aurgcliohaa  Warden. 


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940 


Feuerbacli'«  kleine  Schritten.   Abtb.  2. 


Anselm'' t   von    Feuer  b  ac  h   kleine  Schrien   vei  ni{s(hten  InhaiU, 
Zweite  Abtheilung,   Nürnberg,  bei  J.  A»  Stein.    18ö«i.  8. 

Mil  V«rgnftgeB  leigM  wif  4i«t«  F^irtieltviig  «iner  S^mtnlmg 
•a«  diu  gewffs  Vielen  willkomnteii  tmyn  win!.  IHe  in  dieser  Fert« 
eetaong  ealhaUeneD  Schriften  dee  den^Wiweneehaften  nn  frah  eet- 
riMenen  Verfe.  haben  vielleicht  ein  noch  gröfeeret  oder  doeli  ein  der 
Gegenwart  noch  nihev  liegend ee  Intereeee«  all  die  Schriften  der  ^nlea 
Abthelinng.  Wenn  aie  aneh  inegesammt  bereite  früher  In  Drnd[  ci^ 
echienen  waren ,  lo  waren  ele  doch  gröfetentheilc ,  entweder  in  Zdt- 
■chriften  oder  einseln  abgedruckt,  nicht  nach  Verdienet  bekannt  ge* 
worden.  —  hi»  Schriften  dieeer  Abthetinng  elnd  folgende:  ,yErkl&> 
rnng  über  meine  angeblich  geänderte  Uebersengnng  ii 
Aneeh'ung  der  Geech wornen-Gerichte.  (9er  Verf.  erklärt, 
dafe  er  eelne  den  Schwurgerichten  günstige  Meinung  nie  geändert 
hnbe.  Aber  nie  liahe  er  dieie  Gerichte  unbedingt  oder  unter  einer 
Jeden  Voranesetsnng  nngeprieeen )  —  ITeher  die  obersten  £pts* 
eopnlrechte  der  |»rotostantieehen<  Kirche.  (Sehr  nusffihr- 
lieh  und  befriedigend.)  —  Worte  des  Dr.  Martin  Lntherjiber 
christliche  Freiheit,  sittliche  Sucht  and/ Werkheiiig- 
keit  —  Rellglonsbeschwerd  e  n  der  Protestanten  la 
Baiern  im  Jahre  1822.  (Auch  die  unmittelbar  rorhfrgeheaden 
beiden  AbhsndU*  jcheinen  mit  besonderer  RucItsiGht  auf  Raiern  aui- 
gearl»eitct  worden  zu  seyn.)  —  IbI  denn  wirklich  Karl  der 
Grofee  im  Jahre  193.  von  Regenshurg  aus,  durch  des 
Altrafthlgraben,  an  Schiff  nnch  Wurnhurg  gefahreaf 
(Der  Verf.  neigt,  dafs  die  Nachricht  ron  einer  solchen  WuMerfahrt, 
welche  In  einigen  Chroniken  Torkomnit,  falsch  eey.) 


Gesr  Ii  icht  liehe  Gern  aide  aus  dem  lihc  i7ikr€  isc  liaierm. 
Erstes  Heft:  Das  hiningcr  Thal.  Entworfen  von  J oh.  Georg 
Lehm  ann,  protest.  Pfarrer  zu  H'cifsenheim  am  Hcrfz.  Auf  Kosten 
des  f  'c) fassers.  Heidelberg,  gedruckt  und  in  Commission  bei  Georg 
Heichard.  1832. 

Der  Hr.  Vorf.  will  unter  diesem  Titel  nach  und  nnoh  die  0fr- 
•chichte  mehrerer  ein^ner  Gegenden  und  Orte  ans  der  Nachbanchaft 
seines  Wohnortes  damtellen.  So  wie  dieees  Heft  die  Geschichte  4m 
leininger  ThalsB  enthält,  so  will,  er  In  dem  nächeteu  die  Sehlcfciile 
des -durkhoimer  Thaies  emählen  und  dtrin  eino  aueführliche  'Gi- 
oshichte  der  Stadt  Därkhelm  und  die  Qesehnlbttng  ihrer  reimnlia 
Umgebungen,  die  Haupt- Momente  aus  der  GesehiditiC  der  Grafsehtft 
Pfeffingen ,  dann  die  Geschichte  der  Grafocbaft  Limburg  (welcher  der 
Hr.  Verf.  (wenn  Ref.  nicht  Irrt,  schon  frfiher  eine  eigene  Monograpfai« 
gewidmet  hat),  der  Hartenburg,  endlich  eine  BesChKeihung  desTkalet 


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Lehmaaip»  Qetcliicbtl*  Gcrnftlilfl  a.  «i>  Mlieiiikreite  Mermi.  iHl 

fui  lier  aiil  demselten  In  gvtcbkfctllcli«»!  Zlivtniiiiwliftnge  afohc-nileai 
Bug  Franlceniteiii ,  netit  ftllen  älter  diese  Geilend  im  Monde  des 
Telkee  lebenden  Sagen  lielern. 

TenEoglidi  beelinnu'  der  Hr.  Verf.  dteee  kleinen  SebtHlett  den 
Unrebnern  der  dnrin  gesdillderten  Gegenden  eelbit  und  deren  Knch- 
liren ,  doi^li  nnch  Fremden ,  welehe  die  'releliett  nnd  echAnen  Finren 
längs  der  weiwrelciicn  Hardt  tieenclien  und  eich  Aber  die  Seblckinle 
«■lerrlehten  wollen,  dnreb  welehe  die  mbirefehen  Bnrgen  md  Ht6«ter 
mieb  nnd  nach  die  Gestalt  erhielten,  in  der  eie  Jetxt  so  viel  snr  Vcr- 
••diteetiinp  Jener  reisenden  Gegenden  beitragen ,  oder  Aber  die  Bege- 
bmlieHen  der  Stidtehen ,  welche  in  sefaneller  Attfefnanderfolge  ihm 
ihm  gastlieben  Schoos  dfibeui.  Diese  Bestimmung  hat  der  Hr.  Verf. 
■mhllssig  bei  seiner  Arbeit  im  Auge  behalten  nnd  daher  die  geo- 
graphische Anordnungeweise  nleht  im  Allgemeinen  auf  die  Tcrthel- 
Isag  der  Materien,  unter  die  einnelnen  Hefte  n.^dergl.  besehrinht, 
•SBdem  sie  nneh  in  den  einaelnen  Heften  selbst  bis  nuf  das  Einaelnsto 
dsrchgefährt*  Wir  erhalten  daher  (  i^  e  ntlich  nicht  eine  Geschichte 
d«  leintnger  Thaies,  oder  des  klelneb  Gebietes,  an  dem  es  gehörte, 
^er  des  Grafenbanses ,  wdNshes  es  Jahrhunderte  lang  besessen  hat,  . 
•ssdsrn  Aber  das  Alles  hören  wir  nur  gelegentlich  cinselne  Bemer- 
ksogen ;  den  Hanptfaden  aber  bildet  die  speciellste' Geschichte  der 
Bargen,  Klöster,  Dörfer  u.  dgl.  in  jenem  Thale,  kurz  jedes  eiosdnen 
Pttshtfs,  der  nur  Irgend  einer  aelbstständigen  Geschichte  fähig  ist 

Das  Werbchen  beginnt  mit  der>Beschreibong  nnd  Geschichte  der 
Feste  Geniel nin gen  am  Eingange  des  Thaies,  einer  Feste,  die 
Mireh  interessnnt  ist,  dafs  sie  seit  dem  Jahre  1506.  xwiscfaen^den 
Qrtfea  von  Leiningen  Und  dem  Bischöfe  tou  Worms  getheilt  war,  so 
dds  die  erstore»  die  nördHche  Hilfto,  die  'Bischöfe  die  endliche  be- 
tilhea  nnd  die  Grenae  dieser  Besitnongen  auch  iurserllch  dadurch 
heieichaet  wurde ,  dafi  die  Grafen  ihren  Antheil  mit  Kalk  bewerfen 
Itdhsn,  wahrend  der  wormsische  Antheil  d>e  rohen  Steine  seigte. 
IHmn  fahrt  uns  der  Hr.  Verf.  in  das  liebliche  Thal  selbst,  dem  ran- 
•cbeaden  silberhellen  Karlebach  eatgegen  und  glebt  uns  eine  körne 
BNebrelbung  ron  dessen  Tordersten  Theile  mit  dem  Bisehofs- 
*blde,  dem  Hinkolsteine,  dem  Silberthalo,  dem  Malhofe*, 
dsa  verschiedenen  Mfiblen,  die  langst  des  Karlebachs  das  Thal  bele- 
hm,  dem  Dorfe  Karlsbeig  u*  s.  f.-  So  gelangen  wir  -nu  einem  der 
^'"FlgvganstAnde  der  Darstellung ,  an  der  Feste  Alt-Iiolningen. 
^mu  Beschreibung  und  Geschichte  wird  aiemllch  wolflönfig  g^ben, 
nd  damit  werden  nebenbei  mancherlei  Notinen  fiber-dle  Grafen  ron 
Milngen,  ihre  friheren.  Besltaer,  rerhunden.  Dann  fuhrt  nun  der 
A^?erf•  nach  dem  Kloster  Höninge'n,  welches  oEne  halbe  Stnado 
Ha  AU-Iieiningen  entferat  liegt.  Hierbei  rerweilt  Hr.  L.  mit  sichle 
Uiher  Vorliebe  und  giebt  uns  auerst  eine  genaue  Beschreibung  ron 
^  Ueberrsston  dieses  Klosters  und  daan  euie  weltlinfige  Darstellung 


IMS    UbiMn,  GcMlitelill.  Ckmil««  «*  4.  Blifiialiraite  Mena. 

seiner  Geachiehie  yqh  aeiner  SliffiiB<(,  velche  der  Verf.  in  4at  Jahr 
1120«  setzt,  an  bis  cum  6.  Jan.  1569,  wo  der  letzte  Prmr  Arnold  usd 
die  noeh  übrigen  Klostergeistlichen  da«  Kloittr  den  Grafon  tm  ht^ 
singen  als  Stiftern  und  Landesht:rren  "Vrrfiirtw ,  selbst  su  der  evan- 
gelischen Kirche  übertrat«*  und  als  Pfarrer  nngestalH  wurden.  Oer 
Prior  Arnold  z.  B  wurde  zum  Pfarrer  für  Honiagfa  aelliat  ernaaot 
und  ihm  70  Galdan  Ci^id«  freie  Kost  und  einige  sonstige  Vortheile 
•als  Besoldung  angewiesen.  Mit  derselben  Ausführlichkeit  schildert 
der  Hr.  Verf.  die  Geschichte  der  lateinischen  Schule«  welche  im  Jahn 
1573.  van  den  Grafen  PhiU|>p,  Reinhard  und  Georg  in  Höaisgei 
«alhsjt  errichtet  und  mit  dem  gröfsten  Tbeile  der  Einkünfte  des  ehe- 
valfgen  Klosters  dotirt  wurde.  Diese  letztere  Erzähl nn^r  ist  aicht 
•hne  Interesse,  Torzüglich  durch  die  Darstellung  der  INoth  und  der 
Bedrängnistc ,  mit  denen  diese  Anstalt  während  des  dreifsigjährij^n 
Krieges  und  sonst  au  kämpfen  hatte,  se  wie  durch  die  Mittheilssg 
Bweier  Lectioosverzeichnisse,  des  einen  aus  den  ersten  Zeiten  der 
Schule,  des  andern  vom  Jahr  1614,  aus  denen  wir  die  geringen  Air 
Sprüche  kennen  lernen  ,  die  man  damals  an  eine  solche  Wissenschaft* 
liehe  Vorbereitungganstait  machte.  Nach  dem  ältesten  Verzeichsiiee 
waren  nämlich  alle  Schüler  nur  in  2  Klassen  getheilt,  und  obgleich 
jede  derselben  täglich  (i  Unterrichtsstunden  hatte,  so  wurde  von  Klaa- 
sikern  z.  B.  doch  in  <l<;r  ganzen  Schale  nichts  gelesen,  als  Cicere's 
Briefe,  Reden,  und  Ca(o  and  PlutnrcVs  Buch  über  die  Ereiehiin«! 
•  der  Kinder.  Anhangsweise  folgt  nun  endlich  noch  die  Geschichte  >on 
Grünstnclt,  wrlclirs  ei/;entlich  nicht  zu  dem  leininger  Thalc  eelbit 
gehürt,  sondern  etwa  eine  lialbe  Stunde  vaa  deaaea  Ausgange  entlerat 
liegt 

Alle  (Hlsc  kleinen  Speeialgcschichtcn  hat  der  Hr.  Verf.  recht 
^leifsig  nnd  genau  aiis^^c nrbrltet  und  dabei  die  Quellen  ,  die  dafür  vor- 
handen sind,  ziitn  Tlitil  niu  h  nii^edrucktc,  «ort^^ara  benutzt.  Anfser- 
dem  unttrstijtzU;  ihn  hicrljt  i  gowohl,  als  vorzüglich  bei  der  HcHi  brei- 
bunj»  de«  ^(■■;^cn\väi  tif;(  n  Znslaii(!<  N  der  einzelnen  Ptmkte  hciuc  Hiil«er«t 
genaue  KenninilH  di-r  Orth vcriiiiltiiissie  in  diesen,  «eitur  Uciin.uh  so 
nahe  |2;elcgenen  Crei;endin.  Kurx  d.iK  Liü<:hlcin,  welches  kcitun  Aa- 
spruch  darauf  macht,  eine  ^Mrklieiie  Bcruichcrunp  der  hlHttirischcn 
Literatur  zu  seyn,  wird  doch  gewifs  von  Jedem  dum  oben  angegebenen 
beschränkten  -Zwecke  ang-eraesaen  gefunden  werden.  Viellefrht  wäre 
ee  diesem  Zwecke  et]tK|>rechend  (und  bei  der  Fortsetzung  dieser  kleiaefl 
Sammlung  möchte  Ref.  dem  Hrn.  Verf.  rathen .  auf  diese  Bemerkoeg 
Rücksicht  zu  nehmen),  wenn  Hr.  L.  sieh  eine  etwas  pjrfifscre  Ge- 
drängtheit zur  Regel  gemacht  hätte,  damit  nicht  der  Leser  durch  gar 
zu  viele  Kleinigkeiten  ermüdet,  ehe  er  im  Stande  iat«  dia  interaMaa- 

terea  Angabea  aus  denselben  herausaufinden. 


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Btiiiim  %mm  nipennnt ,  «i«  N»  Sul. 


MS 


pMä  Amotmi  «6  llhuin*  driÜM  |»Mlot«fiA0nMi  Ai  alM«  «mtMrWfffle 
Mltrlol«  IfÜMml«  AAMMia  le^fme  imp09rmtim  §erif9k  Nie»- 
immt  9mml,  YVeiwrmj^,  »eminarit  regit  pkilologiei  «oMb  oi^ii«- 
ffat.  ffoiifiae.  TVpli  Cbrott  Geor^tt ,  M»CCCXXMi.  9^  S.  in  gr.  %. 

Uator  d«B  mlÜTelclieii  V«i«idbcii,  dlie  Ffagn««te.  Titlomrr 
tdiriftotaltot  m  Mauneln  mmä      «nliMn ,  vi«  «le  in  2oitt« 
•iMhinMi  «M,  «imH  ▼•rlNH«ii4ft  ScIiMfl«  W^lolie  die  Bniffliiliclie 
■4m.  IHchters  Rhinn««  ratlwU,  ff«wtr«  «im  viihinlidi«  Stell«  «in, 
blen  «io  sowohl  durch  Vollständigkeit  ond  rnfBioend«  B«iiMdliiag 
dct  Gegenstandes,  als  durch  einen  classisehen  Vortrag  sich  ansxeich- 
■et,  und  in  uns  den  Wunsch  erweckt,  den  Verf.,  der  mit  diessnn^ 
Vsrsneh  naerst  In  der  gelehrten  Welt  nnfgetreten  ist,  noeh  öfters 
««r  diesem  Felde  tn  erblicken.  Ole  Znsaoiaienstellang  nnd  ^rdrte^ 
mg  der  wenigen  ans  dem  Leben  des  Dichter«  Rhiamis  (den  «ine 
Angabe  bei  Saidas  an  einem  Zeitgenossen  des  Sratostbeaes  macht, 
ilie  awlschen  276—196.  a.  Chr.  seist)  bekannten  Angaben,  eröffnet, 
wie  billig,  das  Ganae,  dann  folgt  die  Angabe  der  Schriften  ond  der 
teans  nn«  erhaltenen,  freilich  leider  sehr  vahadeateaden  Brnchstücke. 
Calsr  die  Cksönge  episoher  Art  fuhrt  der  Vetf«,  anfi  Mmiyv^aiuC, 
'ISigaadäkk^  esevoAiK«,  'A%dyuif  'Wawmi  anter  diesen  Titeln  n&mllch  * 
Skid  eine  Awahl  Fragmente  ^othandea,  neben  andern,  von  deaea  es 
aabskannt  ist,  welchem  Gedichte  sie  angehörtem.  Ole  messenlsoiien 
ftis^nge  «fhalten  dadurch  «ine  besoadere  Bedeutung,  dnfs  Pansanlas 
WS  ilinen  hanptsäahllch  seiaa  BsisteUnag  der  messenischea  Kriege 
gmeinmen  hatt  ein  Piwikt,  den  der  Verf.  mit  Recht  näher  behandelt 
asd'esörtavt  hat  Ueber  die  Herakleen  sind  unsere  fdachrichlso  au 
divfiig,  als  dnl«  wir  nber  Anlage,  Inhalt  und  Gang  demelben  nähere 
•  Aafsehluasa  erwarten  oder  nenn  Vermutbungen  wagen  durften«  £her 
lilst  stcb  dUes  bei  den  drei  andern  Gedichten  thua ,  so  wenig  genau 
vbr  and»  im  Gaaaen  über  deren  Inhalt  unterrichtGt  sind.   Es  waren 
4iN  aweifelsohse  Geübte«  wie  sie  jenes  Zeitalter  der  alexandrini- 
«iben  Paa^ie  lieferte,  benchreibende  Poeme,  erzählende  Epea»  hislo- 
iifcb<.gsogTapblfQh'>iii7thisQhen  Inhalt«,  in  sofern  in  ihnen  die  alten 
Tmdiliaaap  aber  Ursprung  nnd  Sehiaksalo  der  heUenischcn  Stfimme» 
«ber  ^sraa  erste  Sitae  und  Anlagen  von  Städten  und  dcrgL  m^  ba^ 
hsnddt  wurden,  und  die  Dichter  in  der  Darstellnag  uiid  Eratählang 
dieser  Gegenstände  ihre  Gelehnamkeit  nnd  ihre  geographisch -histo- 
tiscben  Kenntnisse  an  den  Tag  zu  legen  suchten.    In  wie  weit  dies 
sneb  bei  den  bemerkten  Gedichten  des  Rhianus  der  Fall  gewesen, 
erlauben  indefs  die  wenigen  Bruc*  stucke  kaum  näher  zu  bestimmen. 
Is  der  aweiteo  Abtheilung  bringt  der  Verf-  (Hc  Stellen  bei,  in  wel- 
chen des  Rhianns  als  eines  Grammatikers  nnd  Kritikers  gedacht  wird, 
der  eine  leider- anr  au  wenig  uns  bekalinte  Reconsioa  der  homeri- 


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944 


WotMl,  Alle«  oinI  Neue«. 


•dien  Geilielile  lieferte,  die  selbst  Wolf  «eU  Köber.anscblagea  m 
rodtsen  glaubte,  ole  ghaliche  RecenueneM  aallerer  GraiDmatiker  jcnw 
SSeltalteMu  —  I«4er  dritten  nod  letzten  Ablheit nag  fübrt  derYerf. 
die  bei  Stobfiu«  und  in-  der  Anthologie  befindliehen  fipigrämme  auf, 
das  einiig  velUtändige,  wm  wir  besitzen,  und  was  nne  sugleich  über 
das  poetische  Talent  dieeet  Dichter^  cinigerm^rsen  artheilen  läfst. 
Der  Verf.  hat  mit  Benutenng  der  früheren  Erklärer  die  inm  ¥cr- 
etftndnifs  nöthigen  Erörterungen  bei  jeden  fipigramm  beigcfüg^i  omi 
so  einen  voUständit^en  kritisclHexegiclieciiea  Comnieotar  geliefert,  wel- 
cher äberall  die  Beweise  ciaes  grAndlieiien  «nd  amfaeeendeo  Sprtdi- 
aindiume  eatbilt. 


Altes  und  yeues.  Blätter  für  die  Jugend,  zur  Beförderung  wahrer 
Vtratandes  •  und  liLyzcnsbiUlun^  ha  uus^cgcben  von  lf\  U^etzel, 
Director  der  hohem  Stadtschule  zu  Barmen.  {Der  Ertrag  ist  zu 
wohlihätigta  Zwecken  bestimmt.")  In  Comniinsion  bei  C,  J.  Beekir 
in  Elberfeld.    U  u.  Zs  quartalhefi^  1831.   I*i3  und  Sb  6\  m  8. 

£•  «ollen  diese  Blätter  9,in  sorgfältig  gewählten  Ersähloages, 
gnten  Gedichten,  Lebensbeschreibungen,  Merkwärdigketten  ans  der 
Lander-,  Volker-  and  Naturkunde  der  Jagend  eine  angenehme  asd 
nntaliche  Lektüre  dnrbieten  and  das  Herz  auf  Gottesfurcht  und  vikis 
Främmigkeit  binlelten."  Yfit  glanben  wohl  das  Urtheil  aussprecbM 
an  können,  dalk  dieser  Zweck  durch  den  Inhnlt,  und  dnreh  die  Alt 
und^Weise  der  Behandlung  erreicht  sey,  and  nehmen  kein  BedeiAss, 
diese  Blätter  de^alb* denen,  für  welche  sie  besliianit  sind,  an 
pfehlen ,  als  eine  nntxUche ,  belehrende ,  den  Sinn  auf  höhere  Ge^s- 
•tftnde  richtende  Lecture.  Auch  die  einseinen  Gedichte  (a.  B.  öksr 
die  Blumen,  das  Frühlingslled,  Winterlied)  empfehlen  eich  darpk 
einen  einfachen,  das  kindliche  Gemüth  anspreehenden  Sinn.  Unter 
den  Ertählungen  machen  wir  aufmerksam  auf  Heft  I*  S.  14 : 
hat  der  Herr  Jesus  die  Kinder  so  lieb,**  oder  die  ausfilhriiche  ürssb- 
lung  S.  49  ff.:  ,«Der  merkwürdige  Bauersmann.  Eine  wahre  nnd 
lehrreiche  Geschichte,"  oder  Heft  II.  S-  18  fi.  auf  die  grofscre  Ertsk- 
lung  „Johann  Christian  Stahlschmid's  Leben  und  Schicksale  an  Wetter 
and  WBL  Lande.**  —  Wir  wdnsehen  dem  Unternehmen/  segensreickM 
Fortgang. 


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N'.W.   HBiDBLB.  MURa    UTERATU&  18M. 


DeAgobardi.  arcJiiepisropi  hugdufiensis  y  vita  et  scriptis.  Com^ 
ment.  pertun.na  ad  Itist.  eccl.  scculi  IX.  quafa  in  Acad.  Ludovietana 
ad  summos  in  phihü.  hvnorcs  rite  capessendoa  a.  18S1.  publ  defcndit 
€nr.  Bern.  Uundcslmgen.  P.  I.  Agob.  vitam  continent. 
6'iti««en^  bei  Lichtcnba'^cr.   94  8* 

Unter  den  jungen  Männern,  welche  ihren  auf  kir- 
chengeschichtliche Forschungen  verwenrleten  Fleifs 
neuerlich  durch  gute  Frobeschriften  bewiesen  haben  ^ 
Terdieni  der  Verf.  nicht  nur  durch  die  Bearbeitung,  son- 
dern vorziiglich  auch  durch  die  Auswahl  des  Gegen- 
stands dieser  Schrift  eine  rühmende  Ausseichnung.  Aue 
dem  MittelaNer  \si  lür  unsere  Zeit  hauptsächlich  nur 
der  spätere  T  Ii  eil,  von  Pipin  und  Karl  dem 
Grofsen  an,  einflursreich  und  in  diesem  Betracht  eines 
besonderen  Studiums  Werth.  Wozu  hilft  es  sonst,  dü- 
stere Zeitalter,  wie  das  sechste  und  siebente  Jahrhundert , 
zu  (hil (  h forschen ,  wenn  ihre  Wirkungen  bis  aut  unsere 
Zu^iaiuie  herab  fast  von  keiner  Bedeutung  mehr  sind  und 
solches  Bemühen  etwa  nur  durch  die  Richtung  auf  das. 
IjDÜbersehbare  und  die  unbegrenzte  Wahrheit,  dafs  doch- 
alles Menschliche  in  einem  Zusammenhang  stehe,  für 
Die  gerechtfertigt  scheineii  iikx  hie,  welche  überall  vom 
Ei  anfangen  wollen  und  daher  kaum  bis  zur  Henne  selbst 
kooiineo? 

I^Ag^g^D  ^  Epoche  der  Losreifsung  des 
Westen  vom  morgenländischen  Kaiserthum 
flir  die  indefs  gewordene  europäische  Staatenwelt  nicht 

nur  an  sich  der  wichtigste  Scheidepunkt ,  sondern  auch 
deswegen,  weil  «lurch  den  Charakter  der  Regierung 
Karls  des  Gr.,  in  welcher  sein  gleichsam  hausväterlicher, 
immer  erst  vom  Einzelnen  in's  Ganze  übergehender  «nd 
dennoch  genialer  Ordnungsgeist  vorherrscht,  eine  sehr 
gründfiche  und  ziemlich  schnelle  Verbesserung  des  ganzen 
staatsgesellschaftlicheo  und  kirchlichen  Zustands  vorbe- 
reitet war. 

Dafls  aber  dieses  Begonnene  keine  |  oder  vielmehr 

XXTI.  Jahrg.  10.  Ueft.  60 


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schädliche  FrlIciUe  trug,  iiod  durch  diese  nichi  nur  die 
CaroliDgische  Dyoasiie  su  Grunde  ging,  eondem  aych 
Üir  Jahrhunderte  ZerrfiUungen  des  Regineots  und  Zef» 

Stückelungen  der  Staaten  veranlafst  waren,  davan  lag  die 
Schuld  fast  aliein  in  der  Person  und  Kegierungsart  seines 
Nachfolgers,  des,  zum  Unheil  für  ihn  und  für  Alle,  nur 
aberglaubig  frommen  Ludwigs.  Diese  Quelle  der  Uebel 
ist  demnach  eines  Torzüglich  geneuen  Studiune  und  der 
Vergleich ung;  mit  dt  in  werth,  was  nach  dem  Regier 
•  rungstjpus  Karls  des  Grofsen  zu  erwarten  gewesen  wäre, 
weil  derselbe  nach  der  Arl  wahrhaft  grofser  Geister 
durch  umfassende  Verbesserung  der  einseiaen  Theile  ein 
tilchtiges  Ganzes  zu  schaflfen  angefangen  batta 
,  Traurig  genug  ist  es,  dafs  gerade  das,  wodurch 
Karl  alle  weiteren  Verbessertino tii  möglich  machen  wollte, 
nämlich  die  Verbreitung  gelehrter  Kenntnisse 
unter  der  sogenannten  Geistlichkeit  deswegen 
das  Gegefltheil  wirkte,  weil  mehr  die  Kirche,  als  die- 
Religion,  und  mehr,  ein  Lernen  Air  das  Wissen  als  eine 
Bildung  der  Gemüther  für  christliches  Rechtwolieu  und 
üechthandeln,  zum  Ziele  jener  Bestrebungen  gemacht 
war^  und  weil  zugleich  die  sogenannten  Weltlichen 
laeiflt  noch  als  eine  sich  absondernde  Kaste  in  der  ange- 
wöhnten Barbard  'ttflfl  Rohbeit  zurQckbliebeo.  1km 
kam  dann  die  h^sondere  ungliickvoUe  Fügung,  dafs  ge- 
rade die  Hauptperson,  welche  Karls  Werk  hätte  fort- 
setzen missen^  durch  das  ihr  von  Kindheit  auf 
eiogeprägte  Erlernen  und  Verehren  der 
Kenntnisse  des  Clerus  ein  Knecht  deuselbeo 

geworden  w  a  r. 

Es  ging  hier  noch  schlimmer,  als  bei  Kaiser  Va- 
ieutinian,  welcher,  weil  er  selbst  wenig  gelernt,  aber 
mturiichea  Verstand  genug  hette,  um,  wie  viel  ihm 
frfifaer  erlernte  Kenntoisse  nützen  könnt|;n,  zu  begrafea, 
nun  den  Thronfolger,  Gratian,  ilesto  eifriger  zum  Ge- 
lehrten bilden  liefh,  dadurch  aber  dem  Reiche  nur  einen 
Mann  vorbereitete,  welchem  die  Mufse  bei  weitem  lieber 
war,  als  das  Regieren.  Auch  Karl  hatte  im  früheren 
kriegerischen  Und  ritterlichen  Hof  leben  wenig  gelernt. 


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Ar.  |I«ttdlMlktgeB,  villi  Agobferfli,  Atefciej^t  Ingdift.  ttt 

aker  «loidi  eigentbimltehe  G«ilA«0ktift  WuAto  Er  ah 

ein  ohne  Geräusch  uberall  thätigcr  Regent  für  Vieles  die 
Kenntnisse  Anderer  beflacht.^am  zu  benutzen  und  znm 
Tiieit  selbst  noch  sieh  anzueignen.  Gar  sehr  betrieb  er 
«6  dagegeu ,  dafs  der  Sohu  Lodwig  desto  mehr  eiogelernl 
md  «ingeOhi  haben  wihe.  Oer  einzige  Fehler  war,  daft 
der  Vater  «ricfats  Von  seinem  Geiste  in  ihn  ttbertrageti 
konnte.  Auch  um  das  Regieren  einzulernen,  versetzte 
ihn  Karl  frühzeitig  als  TJnterregeoten  na'ch  Aquitanien, 
und  viel  Löbens  Terbreitete  sich  von  dort  ftber  das  unter 
Lodwigs  Namen  gefißhrte  Regiment  Aber,  wie  ei  bei 
irilMweiehen  uttd  schwachen  Geinfithern  zu  geschehen 
pflegt,  Lud\vig  selbst  kl liie  niclit ,  zu  regieren,  sondern 
nur  durch  die  vom  Vater  ihm  Ziip;egebenen  regiert  zu 
Werden.  Dies  offenbarte  sich,  da  ihm  Karl  die  grofse 
Aufgabe,  eine  Iregonnene  Staatareform  über  die  dtei  so 
verschiedenen ,  so  grolben  Reichsbestandtheile  weiter  M 
f&hren,  htnterltefs. 

Luduig  ;i^eliÖrte  mit  seinem  immer  wankenden  und 
doch  immer  wieder  auf  sich  selbst  zurückkommenden 
Eigensinn  überdies  unter  die  Nachahmer^  weldhe  dae 
Madige  Gesdiiclc  huben,  das ,  was  Tön  Andern  pMsead 
uilt«riiom«neo  %nir,  gerade  nnter  den  unpastsend^ten  Urti-' 
stSnden  ebenso  machen  zu  wollen.  Karl  hatte  die  gerst«* 
liehen  und  weltlichen  mit  ihm  zugleich  gesetzgebenden 
Magnateli  wechselsweise  durch  einander  in  Schranken 
gelialteii ,  die  Gei^tKchen  aber ,  yomllmlich  ditteh  die 
de«  WeMHehen  fehleaden  Kenntftlsse  den  Mangel  det 

Sut^rlichen  Macht  zu  ersetzen  angeti  ieben.  Ludwig  war 
für  seine  Person  den  Studien  und  Uebungen  der  Geist* 
lichkeit  so  ergeben,  dafs  er  einen  tiefen  Respect  vor 
ihrem  Stande  haben  mufste,  dennoch  waf  Er  sogleich  so 
herrisch,  daft  Br  selbst  manche  Im  Einzelnen  sehr  will- 
kührlich  behandelte,  noch  mehr  aber  seinen  Höflingen 
und  Rittern  Eingriffe  in  ihr  Anseht  ii  und  Stiftungsgut 
zuliefs,  die  als  Neckereien  der  (Jebermächtigen  desto 
liefer  aufreihen.  Schon  aber  begann  jet2t  die  weniger 
ai^cSabave  Uebeirmaeht  der  Studien  und  die  Kraft  des 


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946        Dr.  Uundeabftgen,  Tita  Agobardi,  iircliiepi  Liiydae. 

Worts  oder  Berecitamkeit  gegen  die  Unkundigeren  zu 
wirkeD.  Aufserdem,  dafe  die  Verstaodefibildaog  allein 
Dicht  besser,  sondern  nur  anch  für  das  Schlechte  ge- 
wandter und  mittelreicher  macht,  wurde  «luch  der  zum 
Lernen  angetriebene,  g;eistlirhe  Stanc!  meist  durch  Em- 
porkömmlinge aus  den  ungebildetsten  Kiabseu  übeilülU, 
deren  Sitten  und  Leidenschaften,  wie  sie  erziehungslos 
erwachsen  waren ,  roh  und  ungebändigt  blieben ,  durch 
die  erworbenen  Renntnisse  aber  nur  um  so  eher  die  in- 
neren und  äufseren  Mittel ,  ihre  Selbstsucht  bis  zum 
IJebermuth  zu  befriedigen,  erhalten  konnten.  Ueberdies 
bestund  alles  nur  ans  zwei  Ständen,  deren  jeder  als  Kaste 
zusammenhielt,  dem  andern  entgegenstand,  an  einen 
dritten  Stand  aber  noch  gar  nicht  denken  liefs.  Alle 
Machlhabeiulen  im  Reiche  theihen  ^ich  nur  in  die  beiden 
Klassen,  welche  als  weltliche  und  geisliche  unterschieden 
wurden,  und  nur  im  äufi^ersten  Fall  aus  der  übrigen 
Menge  die  henrorstecbendsten  unter  sich  aufnahmen ,  die 
Menge  selbst  aber  in  der  Unmacht  zn  erhalten  strebten. 
J]ald  nachdem  Karl  nicht  mehr  die  Wage  hielt,  zeigte 
es  sich  durch  die  schiiininsten  Erfahrungen,  wie  gefähr- 
lich es  ist,  wenn  die  zur  Wissenschaft  fortschreitenden 
Kenntnisse  meist  nur  einer  gewissen  Kaste  angehören  und 
darin  znnftmäfsig  getrieben  werden,  so  dafs  die  Unwis^ 
senden  unter  den  Mächtigen  auch  wieder  ihre  eigene 
Kaste  dagegen  bilden  und  geltend  zu  machen  suchen. 

Zwischen  diesen  zweierlei  Kasten  stund  nun  der 
schwache  Ludwig  wie  eingezwängt  und  meinte,  seinen 
Vater  möglichst  bald  auch  darin  nachahmen  zn  können« 
dafs  er  sein  Reich,  in  STheile  zerstückelt,  seinen  Söhneq 
uiittrgab,  den  äll(  sten  sogar  als  Mitkaiser  annahm  und 
unbedachtsam  genug  voraussetzte,  die  Dankbarkeit  (diese 
ohnehin  unter  den  Menschen  so  seltene  Tugend!)  werd^ 
jene  erhobenen  Machthaber  immer  ans  Pietät  zur  folg- 
samsten Unterordnung  unter  ihn  bewegen.  Statt  des 
Einen  Hofes,  von  dem  man  mit  Recht  witzelte,  daft 
die  aulu  für  die  Meisten  nur  eine  olla  sey,  drängten 
sich  nun  um  vier  Throne  alle  Die,  welche  als  Güu$t- 


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Or.  HuDdeshagen ,  v.ita  Agobardii  Archicpi  Lugdac.  949 


iinge  sich  Klerikaiisch  oder  HiUerüch  auf  KosteD  des 
Volks  SU  erheben  und  also  dieses  zu  unterdrücken  ver- 
mochten.   Murrend  Termehrteii  sich  die  Klagen  fiber 
Xfangel  an  Gerechtigkeit  und  Staatsverwaltung.  Weil 
man  in  einem  solchen  Zustande  gerne  nimmt,  wo  etwas 
zu  finden  ist,  so  wurden  auch  die  Klagen  immer  schreien- 
der, dafs  die  Kaiser,  die  Könige  und  ihre  Ritterschaften 
besonders  die  Kirchen-  und  Klostergfiter  wie  etwas  nur 
ikr  sie  Gesammeltes  behandelten  und  die  Mftnner  des 
Kriegs  und  Hofes,  wenn  sie  im  Dienste  der  Welt  gleich-  • 
sani  ausgedient  hatten,  in  die  heiligen  Pfründen  Gottes 
oder  der  Kirche  eingedrängt  würden.    Da  es  dem  Klerus 
an  äofeerer  Schutzmacht  fehlte,  so  wuchsen  diese  Be- 
schwerden im  Stillen,  bis  Gelegenheit  2ttr  Gewalt  ent-^ 
stand.    Doch  bereitete  sich  der  Klerus  für  diesen  Fall, 
der  nicht  ausbleiben  konnte,  dadurch  vor,  dafs  die  Mei- 
auog,  Ludwigs  Aegierungsrecht  sey  „von  Gott,"  aber 
eben  deswegen  auch  den  Stellvertretern  Gottes,  denKir- 
chenhänptern ,  aur  Beurtheilung  unterworfen,  in  ihn 
selbst  und  in  die  Glaubigen  festgepflanzt  wurde. 

Endlich  entwickelte  sich  die  miihsaHi  zurückgehaltene 
Zwietraeht.  Ludwig  vermählte  sich  auts  Neue,  wurde 
jetzt  auch  noch  von  der  zweiten  Gemahlin  Jutlith  und 
Deren  gewaltthatigem  Günstling,  Graf  Bernhard  von 
SepCimania,  beherrscht,  bekam  einen  Sohn,  Karl,  und 
sollte  nunmehr  auch  für  Diesen  ein  Regierungsiaiul 
schaffen.  Die  drei  Besitzer  hatten  nicht  Lust,  etwas  ab- 
zutreten; ihr  Interesse  Tiehnehr  war,  alle  Regierungs- 
fehler Ludwigs  öffentlich  auszustellen.  Jetzt  wurde  vor* 
nämlich' ein  kirchlicher  Zelote,  Wala,  der  als  naher 
Verwandter  ( consobrmus  Caroü  M.  patrui  cius  filius. 
Uta  ff  aide  f.  442.  auch  Schwager  des  Grafen  Bern- 
hard) unter  Karl  und  Ludwig  vielen  Einflufs  gehabt, 
and  da  er  diesen  verlor sich  mit  vollem  mönchi- 
schen *)  Ernst  zu  dem  ineinander  wirkenden  gallischen 

*)  Juxta  itrofe  sRioiu  ni  tiionBKdf  rini  nr^ununtose  monthM ,  nc  nostruiit 
alHfiHfi  [tropriaui  v(»liintuttm  stqm  rctur.    Altoquin  ,  njcbat,  quo- 
iiiuUo  riitionem  pro  aliquo  reddiluroä  i^io  (Alibas)  nhi  et  potesta- 
4m  cornorh  «iit     volwniattm  i)ropm  nrfrttrti  mihi  reiinauat,  Vita 
Walae.  f.  459. 


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IM       D«.  Hutd^luigeD,  yIU  Agobardi «  Arclilepi  LvgdM. 

Uiui  deutscheu  Doppelkloster  Coivai  zurückgezogen  hatte, 
dazu  benutzt,  dafs  er  auf  einem  Reichstage  829.  (IVote 
zur  FHa  WcUae  Jol  867.)  zuvorderst  ,,vqd  8eiteo  GU»itas" 
(oder  d«f  Kiroke),  JUndwl^  Rcigieriiiiff  ate  kircken-» 
vivberisch  aofriff,  wagegeo  «r  dm  qpätcvbia  Iummv 
mehr  yerfolgteo  Plan,  dafs  die  Kirche  mit  allen  ihren 
einmal  an  Gott  abgetretenen  Besitzungen  in  die  mdgiichsie 
IJuabhängigkeil  von  dem  ganzea  weltlieboii  Regtmeat 
Yersetzi  werden  müfste,  als  das  eindige  Gege&iniltel  hmw-* 
Tarbllekea  ftef&  Wala,  ala  ein  strtog  eoihakBamar  Mdneli, 
veriangle  fvdMidi  nur,  dafs  die  Rircheii^üter  nicht  blos 
nach  Belieben  des  Kaisers  und  der  Weltlichen  gemifs- 
braucht  mrerdeu  sollten,  dafs  vielniidbr  durch  besüinnUe 
Verabfiedaeg  und  Theilaog  von  der  Baccb»  abjg^velu 
«ftrdei.  ai  ^uid  (rgÜonahUüer)  ad  mua^-määiiBe  €aM- 
benahm  met  y  nod  daft 

^en  sejn  sollte,  ad  sevularia  tramvolare.  VHa  Wahle, 
f.  470.  Dieses  Streben  nach  kircblkJm*  Selbstständig- 
keit aber  imilfte  um  so  auffallender  seyi»,  waii  die  Natioa 
der  Franke«  toq  jeher  daa  heidalsGhe  nod  naebber  das 
chrietlkhe  Priesterthom  nicht  sehr  andSchtig  zu  behan- 
deln gewohnt  war.  Jetzt  hingegen  fühlte  der  Klerus 
die  unter  Karl  erworbene  Macht  der  Kenntnisse,  die 
HofgeistHchkeit  besonders  benutzte  ihreStelluDg  (£  471.)| 
und  das  Guter  selbst  wucde  AiiMel  wm  Sdiihniiistett,  laeB 
Ludwig  tau  Kindheit  auf  ein  Kne^  diss  pfUfflseheu 
Aberglaubens  gewordea  war  und  selbst  die  seit  Pifun 
gewöhnlicU  gewordene  heiligend -schützende  Fatinel: 
„Von  Gottes  Guaden  '  buchstäblich  sieb  sa  erbbirea 
liefs,  wie  wenn  die  Bisebdfe  als  Goitas  SteUTeriiete 
von  seiMV  Regierungamiee  Reebeueeluift  m  fordhm, 
uad  ihn  duveh  Rlrchenbufte  zu  degradSreo  befugt  uaren. 
Unübersehlicbe  Verwirrungen  und  der  soiiderbafste Par- 
theieuwechsel  waren  hiervon  die  Folgen 

Bafd  (c.  a.  830.  Väa  Wahe  foL  477.)  vereinifta 
sich  Alles  wider  den  schwachen  Kaiser  und  den  Anbang 
seiner  JucUth«  Graf  Bernhard  (  über  welcben  Pascbasiiis 
f.  473.  als  tyrumma  naso  =  der  seine  grefse  Nase  hoch- 


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l>rk  Uttüdetbagou ,  vüa  Agolimnll,  Arckiept  Inigda«.  9&1 


trug,  spottet)  Ilüchlete  nach  Spanien ,  dieKaiseha,  deren 
SeliJi'Kftrl  tmn  ihm  nmachreiben  eiq  lotereme  liatt#, 
nvfele  sieh  durch  den  Rloirter^ühleier  Tom  T^de  reiten , 

Lodwig  selbst  sollte  das  ßet^piel  der  Merovinger  er- 
neuern und  die  Mönclistonsur  annehmen.  Aber  in  Kur- 
zem zeigte  sich's,  ciafs  das  blosse  Verwechseln  der  Kiaen 
Regierung  mit  Ureieo  andern  oiohts  verbessere  und  nur 
die  Fabel  deaeo,  am  kraakeo  Beiir  einmal  6cli«o  ge^ 
wdbnten.  Fliegen  erneuere.  Das  Volk,  so  gutmflfliig , 
wie  die  kursfsiclitige  Mengte  iniiuer  zu  ^^ej^n  pflegt,  fühlte 
gegen  den  mifshandelteu  Kaiser  Mitleiden  nnd  die  Män- 
ner, denen  ee  wirklich  mit  dem  Verbessern  in  Staat  und 
Kirche  Eraet  war,  ifewauden  zweimal  die  HlllfD  der 
Mehrheit  so  weit,  daffi  der  abg^etste  und  durch  die 
feferlichste  Pönit(  nz  selbst  des  Rerhts,  Rittei  waffen  2u 
tragen,  beraubte  Pius  doch  wieiier  auf  den  Thron  ge- 
setzt wurde.  Aber  wider  Wala  und  die,  wie  gewöhn* 
Keh«  kleine  Pbrthie  der  Ordniingsfreande  aus  beiden 
Easlen  stunden  bald  wieder  awei  eigennQtrigere,  tou 
denen  die  eine  das  F%eich  förniUch  unter  dem  Namen 
Gottes  in  eine  ilenschaft  der  Prie«;ter  verwandeln  woUte, 
die  andere  aber  bei  den  drei,  o<ie.r  vierfach  getheiiten 
Höfen  und  Regierungen  ihren  Vertheil  sicherer  im  Kriege* 
und  Hoftlienet  m  finden  glaubte« 

Agobard  nahm  durch  Schriften  und  persönliche 
Thätigkeit  für  den  Vortheil  der  Kirchenkasle  auch  an 
der  Parthei  der  weltlichen  Feinde  Ludwigs  grofseu  An- 
theil.  Deswegen  konnte  der  Verf.  mit  Recht  das  Leben 
dieses  Brebischolll  als  die  Schiltlermig  der  ganzen  Zeit , 
fua  der  wfr  indefk  eine  psychologisch^*  historische  Skizze 
gaben,  mit  hinreichender  Auswahl  so  bt^haiulelii ,  dafs 
wirklich  die  Biographie  des  Einzelnen  von  der  Geschichte 
seiner  Mitwelt  mehr  als  von  ihm  selber  enthält,  und  also 
eigentlich  in  das  Stuiünm  jenes  Zeitalters  einleitet,  wo 
der  Kampf  der  weltlichen  Kast^  zunftchst  die  ungleich- 
artigen Nachfolger  des  grollen  Karl  zu  Grunde  richtete, 
Deutschland  alsdann  zum  Wahl  reiche  oder  zum  Spielbali 
der  Greistliefaen  und  Weitiicheo,  aus  Staatsbeamten  in 


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StaalsajiUbesilzer  verwandelten  Magnaten  machte,  und 
auch,  bis  auf  die  Zeiten  der  vorsichtigeren  Habsburger 
herab,  in  jenen  unbeschreiblich  verderblichen  Streit  mit 
der  Pabßtmacfat  uad  in  Aomafwog  einea  Rechts,  fibcr 
lUilien ,  welches  ohne  Reichselande  war ,  in  RdmersilgeD 
m  despotisiren ,  verwickelte. 

Das  noch  für  unsere  Zeiten  "Wichtigste  wird  im  Ka- 
pitel XII.  S.  67  —  82.  riclitig,  zugleich  aber  doch  so 
dargestellt,  dafs  wir  gerne  eine  noch  bedeutendere  Aih 
Wendung  daran  knüpfen  mochten.  Pamals,  da  Ludwig 
seine  Judith  und  ihven  Bernhard  wieder  an  sich  gezogen 
hatte,  und  deswegen  833.  seine  Sohne  auls  Neue  be- 
waffnet gegen  ihn  anrückten,  kam  auch  der  römische 
,,8unimus  Dei  Ponfifejß"  (fol.  484.)  (iregor  IV»,  wahr* 
scheinlich  durch  Lothar,  den  Kaiser  und  König  von  Ita- 
lien, aufgeregt,  zur  Theilnahme  wider  den  Vater  Lud^  i^ 
in  Bewegung.  Wala's  Parthie  hielt  (foL  479.)  sehr 
darapf ,  dafs  die  erste  Theilung  des  Reichs  und  die  Er- 
nennung Lothars  zum  Mitkaiser  apostolica  saiis  aucto^ 
ritate  ßrmata  gewesen  sey.  Wala  hatte  auf  die  Wahl 
des  Pabsl  Eugen  grofsen  Einflufs  gehabt  (foL  464.)  9  da 
er  Anfange  818.  dem  Lothar  als  paedagogus  beigeg  eben 
(f.  462.).  Lebeihaupt  war  die  zelotische  Parthie  Walas 
weit  mehr  dem  entfernten  apostolischen  Stnid,  ais  denen 
aus  der  ^lähe  bekannten  fränkischen  Metropolitanen  zu- 
gethaa  Des  Pabstes  Aufenthalt  im  Heere  der  Söhne  bei 
Colmar  machte  Aufsehen,  und  selbst  die  fr&nkische  Geiet- 
lichkeif  war  in  der  Meinung,  ob?  und  wie  weit  er  sich 
in  ein  Richten  über  diesen  Streit  einzulassen  hätte?  sehr 
getheilt.  Eine  beträchtliche  Anzahl  von  Bischöfen  hatte 
den  gedemOthigten  Ludwig  wieder  auf  den  Thron  ge« 
setzt,  weil  sie  selbst  durch  ihn  Alles  zu  beherrscbeii 
hoffte.  Sie  war  «laher  gegen  den  Pabst,  wenn  er  mii 
kirchlichen  Waffen  die  Söline  zu  unterstützen  suchen 
w^urde,  höchst  aufgebracht.  Dieser  Theil  des  fränki« 
sehen  Klerus  war  noch  so  wenig  an  die  Idee  von  einem 
Universnl  -  Episkopat  Roms  gewohnt,  dafs  sie  Gregor IV« 
(f.  4btt.),  wie  in  der  viia  PiiLudimci  bezeugt  ist,  hn* 


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Dff.  liua(l««hBgen »  yiu  Agobardi,  Arcbiopi  Lufdae.  969 

drohteu,  weott  er,  um  zu  excomtnunicirea  (Ludwig 
fkirch  Kirchenfemlt  z«  befehden),  hergekommen  wtr«, 
solifte  Er  vielmehr  als  excommunioirt  wegsusiehen  haben. 
Aach  wnPete  Gregor  selbst,  nach  «einer  ephiohi  an  die. 
Bischüfe,  dafs  sie  ihm  in  ihren  Sprengehi  Jemand  (d.  h. 
Aohäoger  Ludwigs)  zu  excommuniciren ,  nicht  geslaUen 
woUten.  Sogar  der  fromme  Ludwig  behandeiie  ihn,  da 
der  Pabst  endlich  ihm  in  seinem  Lager  einen  Besuch 
nacfate,  ohne  alle  gewMinliche  Bhrenbeeeugungen  (foL 
48i).j,  weil  er  unberufen  und  nicht  wie  seine  Vorfaiiren 
nur  voctttuü  z=z  auf  Betehi  des  Hegenteo,  vor  ihn  ge- 
kommen sej. 

Dennoch  ereignete  sich  hier  der  sonderbarste  pllüa- 
iiohe  Wechsel  der  Ansichten  und  Erfolge.    Nach  der 

liber  diese  Thatsachen  oniiibar  sehr  f^lanbwürdigen  Le- 
bensgeschichte des  Wahl  (die  von  seidciii  Begleiter,  Pa- 
schasius  Hadbert,  ebeataiis  Mönch  im  deutschen  Corvey, 
verfafst  in  MabUlons  Actu  sanotorum  ordhm  Benedict^ 
See.  IV.  P.  I.  /.  489.  nachzusehen  ist),  wurde  der 
vorher  lange  von  der  Kaiserin  Jndüh  verfolgte  Wala  aus 
seiner  Zurückgezo^enheit  in  jenem  Kloster,  Deutsch - 
Corvey,  durch  Gesandte  des  Pabstes  und  der  Könige, 
ia  (las  Lager  der  letzteren  zu  kommen,  genöthigt,  wo 
CT  den  Pabst  durch  jene  Bischöfe  sehr  in  Furcht  gesetzt 
antraf.  Wala  und  Radbert,  wie  dieser  selbst  als  „comea 
mremotus"  erzählt,  übergaben  dem  Pabst  „einige 
durch  die  Autorität  der  heiligen  Väter  befe- 
stigte Schriften  seiner  Amtsvorfahren,  nach 
welchen  Niemand  widerspi-echen  könne,  dafs 
Er  (der  Pabst)  die  Vollmacht,  ja  Gottes  und 
des  heiligen  Petrus  und  seine  eigene  Auto- 
rität dafür  habe,  um  an  alle  Völker  für  den 
Glauben  Christi  und  den  Frieden  der  Kirche, 
für  Verkündigung  des  Evangeliums  und  Be« 
ttitigung  der  Wahrheit  zu  gehen  und  zu 
sehieken  [folglich  auch  nan  vocatu»  zu  kommen], 
und  dafs  auch  in  Ihm  alle  die  überwiegende 
Autorität  dcö  seiigeu  Petrus  und  eine  leben-* 


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Dr.  Uundeshagen,  vila  Agobardi,  ilrcliie^i  Lugdae. 

Alge  VoUriiacht  sey,  damit  Alle  von  Ihm  sich 
cichteii  lassen  mürsien,  Kr  selbst  aber  van 
Miemaiid  bb  rieklen  say« 

Leickt  krt  bu  f  laubeB ,  wa»  Radberl  hinziMctet,  ilalk 
der  Pabst  diesen  Schriften*)  froh  und  dankbar  bei- 
gestimmt  habe  und  cla  du  ich  sehr  ermuthigt  worden  sey. 
Alle  Erwartung^  aber  übertrifft  es,  dafs  hierauf  Radbert 
§•  18.  fol.  490.  Tersichern  konnte,  der  Pabst  sey  Bwar 
xmk  Lwdwig  obm  BSekt'Bod  ehae  EbrenfoeBeBgong  io 
das  Lager  der  Söhne  zarftekgekommen ,  in  der  darauf 
folgenden  Nacht  aber  hätten  durch  eine  be- 
sondere Wirkung  Gottes  (!)  den  Kaiser  alle 
die  Seinigen  mit  einemmale  verlassen  Bod 
sich  mit  deaa  Lager  des  Milkaisers  Lotksr  sbs. 
Italieit  (a  pariejtlhrum  ei  Pemi^Sei»)  bbio  BretaB* 
nen  Aller  so  vereinigt,  dafs  dieser  nunmehr 
den  Vater  cum  Justina  aua  ohne  Schwert- 
Htreich  gefangen  nehmen  und  sich,  okoe  eiBsa 
Heichstagakesch^Bfs,  BBm  alleiaigeti  Ober- 
baBpt  des  Reiche  (auf  eine  Zeit  lang)  erheben 

k  o  n  n  t  e^ 


*)  Ich  e«be,  wegeoidei  Merkvärdigkeit,  wörilicb,  waA  Pascijasiui 
Esdbertaa»  alt  Auffenzeuee  von  dem  Verlauf,  erzahlt  t  „Ohlau 
•aaellMlmo  pontifici.   Satis  TeneraMUter  cai»  maf^na  aloerilate 

ne«  excepit,  qnia  rrnriabator  et  ipae  animo,  pro  tiiHbas,  qaae 
repercrat,  qitalia  nuiiqiiam  prius  credere  potuiHHet.  (!!)  Ter- 
retatur  auitm,  ^od  valde  dolendom  eAt,  ab  Augost»  et  ab 
MnllMia  attie,  etasm  oft  EpitcopU,  qui  aibi  [aldb  unteveiBMite] 

K'flie  (i\i\im  Tenisaimua ,  deztraa  dederunt  (so  geoau  weifi  et 
8oha»!),  qTiod  nnanimpB  esse  ad  reRifitendum  his,  qni  ad- 
verso  erant ,  llegibiis  filiig,  Prlncipibus  «t  pupiilo.  IiMopet 
consiliabiuitur  ürniaiUea  (prob  dolor!)  quod  eundem  j4postolicum, 
mdtf  ni%  weaht»  «eneraf »  -dep^ner^  thhmrmtt.  Erat  enrm  ibi 
Faihur  [Ebba  al«  Gegner  de«  mit  Jeremias  TergHchenen  Wala] 
et  reltrini  ,  Pridein  rnm  JuRfina  (Judith)  sentientea.  Qlllbof 
auditis  pontijes  pturinuiui  iiiirabatiir  et  oere6otur. 

„Unde  et  ai  dMiaMt  nonnulla,  eanctaram  patrsm  auctafl» 
täte  firmata,  jMraedecessommyue  conscripta,  quiluis  nullus  con- 
tradrcere  possit  ,  quod  Kjns  cRsct  pdtPstriR,  inio  Dci  et  b.  P^tn 
Apostoli  ^  Nuaquc  auctoritii!«  ^  tre,  mittcre  ad  omne&  genies  ^ro 
ficlti  Cbristi  et  pace  ecclcsiarum ,  pro  praeäicatione  evanf^cUi  et 
otierNMie  waümth,  et  in  e»  eaaet  anifiAr  tautvrUag^  kt&ti  JMri 
escelkm»  et  poteatas  yiva^  a  quo  oporttni  utä^$naa  imHovri  its» 
ad  ipse  a  nemine  judicandus  esset.'* 

„Quibiifl  proPccto  8cripti$  grataaler  accepit  [verm*  aceeieitj 
et  valdo  confortatu$  eat.^* 


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* 


Dr.  UuoüeshagcD,  vita  Agobardi,  Arcbiepi  JLttgdae. 

Paschasius  mgi  uns  zwar,  dafs  diese  hnmutatio  mentia 
mguloinm  8ine  ulliu»,  quantum  rescire  p^9tui, 
perauamioue  mui  eathertatione  geschehen  «ey; 
iBMfe  vaUe  dihtenlo  m4  euudem  Powtifieem 

nimua  pro  miraculoy  und  Einer  der  Römer  ihnen 
entgegen  gesuugea  habe:  Ihxtera  Dmnmi  fecit  vir'* 
UUtm  Sfc. 

Sehr  wichlig  aber  wird,  in  diMem  ZiMnmenhaDg,- 
die  Frage:  Vdn  welcher  Art  .denn  jene  nomnnlla 

sanctorum  patj'um  auctoriiate  Jirmata  praedeces" 
SQrum  (ponttficis)  cons cript  a  gewesen  se>  n  möfs- 
teu,  die  dem  Pabi^te  so  viel  Ernr^ulhigung  gegeben  hätten, 
und  die  doch  wohl  auch  auf  Jenas  ptötsUcha,  sonst  fast 
labsjtraiffiche  Uebergehan  Darer,  qui  pridia  iam  fprteB 
erlmt  ei  conatanies ,  vom  Vater  zu  den  Söhnen  Einflufs 
gehabt  haben  möchten. 

Charakteristisch  ist  es,  dafs  der  Hauptinhalt  jener 
Sehriften  in  dem  Satze  bestand :  Von  dem  Pabste  aiüfsiep 
flMi  AllO)  Er  abar  sieh  fon  Ntemand  richten  laaseii 
(a  quo  oportebat  ukiversos  ßtdwari ,  iia  ut  ipse  a 
nemine  ju  die  an  du s  esset).  Bekanntlich  geht  dieser 
Satz  von  mifsgedeuteten  Worten  des  Apostels  IKor.  2, 15. 
aus,  welcha  im  lateinischen  Kirchentext  sagen:  „Spi^ 
tituaii»  mdem  Judicai  amnMt«  ei  ip^e  a  nemine 
jmdieetur^  An  diaStetle  des  Pneunwtlsehen,  d.  i.  des 
ChristHch -^vernünftigen,  welchen  allerdings  die  anima- 
lifich- sinnKehe  Denkart  =  das  -i^v^ixor,  nicht  richtig 
zu  beurtbeile»  varnMig,  setzte  der  Klerus  oder  die  Geist* 
Hohkeit  gar  mi  gerne  sich  aelbat,  wie  wem»  sie 
aHain  nad  gewife  die  Gelatigen  wdreo.  {So  viel 
hängt  üft  an  einem  Titel,  an  einem  Kunstwort!)  Auch 
IWhaslus  Hadbert  seihst  (eben  der,  welcher  nicht  nur 
die  Transsabstantiationslehre  in  ihrer  handgreiflichsten 
Sestah  vorzutragen  angefangen  hat,  son«|er»  auch ,  s.  Gie- 
Klar  K.6.,iIL  Periode  §.  14»  8.  90.  etne  Nonne  belehrte^ 
daf^  Ckfieiue  wie  cAvuafl»  vhceribus  cenceptue^  ebeniKO 
minme  et  clcmso  utero  natus  gewesen  sey)  erklärte 
jene  Stelle  gar  zu  gerne  von  der  biscliiiflichen  über  alles 
andere  Urtheil  erhabenen  Autorität 


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i>56        Dr.  Uundeshagfen,  vita  Agubauli,  Aicluepi  Lugdafe» 

Nicht  das  Ehrenvollste  ist  es,  dafs  Gratians  Deere- 
tum  Di'st.W.  cm,  6.  deo  auffallendsten  Satz;  Si  Papa 
9uae  et  fratemae  aabäi  negUgens  deptehenditur  in* 
«lifo  .  .  nihilomimta  immmerabiles  popido9  catervatim 
secum  ducit  primo  mancipto  g  enenna  e ,  cum 
ipso  plagis  muliw  in  aetemum  vapulaturus  [vapula- 
turosi^],  hujus  culpaa  istic  redarguere  prae» 
sumit  mprtalium  nullus,  quin  cunetoa  ipse 
judicaturua  a  nemine  €8t  judicandua,  mn 
deprehendafur  a  ßde  devkia  —  unserm  deutschen 
Apostel,  Bonifacius,  zuschreibt,  welcher  kaum  da- 
durch zu  rettea  sejn  möchte,  dais  Le  Plat  in  Dias* 
de  apuriia  in  Graiiano  canonibus  e.  10.  diesen  conoo 
-als  perperam  Bonifacio  Mariyri  tributua 
beseichnel  (s.  CoUectio  Praeatantior,  operum  jua  Ca-» 
non'ic.  illustranihim  T.  XVl.  p.  932.  Mainz  1790.  4.), 
aber  keine  Gründe  für  diese  Ehrenrettung*  des  Bekehrers 
aogiebt^  welcher  our  dadurch  entschuldbar  scheint,  weil 
E!r  ohoe  Rom  aeiae  Art  von  Christiaaisiruog«  nicht  für 
ausführbar  halten  mochte. 

Dennoch  ist,  wie  bekannt,  die  besonderste  Anweu- 
duü^  jenes  Satzes  von  iler  römischen  Universal -Juris- 
diction und  Exemtion  =  vom  „judicari  universos ,  ita 
ut  ipse  a  nemme  judicandua  esset  ^  auf  den  römischen 
Oberbischof  etwas  eigenthumlich  Charakteristisches  in  den 
-^Pseudo- Isidorischen  Dekretalien,  welche,  wie  Blonde!  . 
in  seinem  Pseudo- Isidorus  (Gent  1628.)  von  S.  77.  an 
augenscheinlich  gemacht  hat,  erst  nach  dem  Jahr  830. 
bekannt  geworden  sind.  Eine  erneuerte  (vergl.  in  der 
angef.  CoUectio  Mogunt,  Btaaci  Com,  de  Canon,  laidori 
meroatoria  c,  S.  p,  20.)  Aufmerksamkeit  scheint  uos 
demnach  die  Frage  zu  verdienen  :  ob  sich  nicht  durch 
diese  Stelle  der  Lebensbeschreibung  Wala's  eine  weiter 
zu  verfolgende  Spur  ergebe,  dafs  dieser,  der  Vereiniger 
des  gallischen  und  sächsischen  Benediktiner^Klosters 
Cörvey,  die  Person  war,  welche  wenigstens  einen  be* 
trichtlichen  Theil  jener  Pseudo  -  Isidorischen  Aufsätze 
conscripta)  dem  Pabste  zuerst  zu  seiner  eigenen 


I 


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Djr.  Huodethagen,  y/iin  Agolmrdi,  Arnfaiepi  Lugtlae.  ^  95? 

Erniuthiguog  vorgelegt  und  dadurch  auch  in  dem  Lager 
Ludwigs  eiDen  so  plötzlichen  Schlag  möglich  gemacht 
habe?  EDjtstehen  konnte  dieser  nicht,  ohne  etwas,  was 
auch  den  damals  Ludwig  beherri^chenden  Theil  der  Bf-  . 
scliofe  mit  einem  Male  niederschlagen  und  von  ihren 
Drohungen,  den  Pabst  seihst  zu  excommuniciren ,  zur 
demüthigen  Machgiebigkeil  bewegen  konnte.  Der  Titel : 
„coMcripta  praedeceaaarum'*  und  „ßrmaia 
Baaeimwn  pairum  auciorUate^  kann  nichts  treiFender 
bezeichnen ,  als  den  gröfsten  Thefl  jener  Pseudomdo- 
riana,  welche  fast  alle  tlen  älteren  römisthen  Bischöfen 
vor  Siricius  namentlich  beigelegt  und  zugleich  aus  man- 
cherlei pstristischen  Stellen  compilirt  sind.  Das  dritte 
AofFallende  ist,  dafe  diese  praedeceaaorum  eo|i* 
ieripta  dem  Pabste  selbst  nnbekannt  waren  und  ihm. 
erst  durch  Wala  vorgelegt  wurden.  Gerade  so  zrigt  es 
die  übrige  Geschichte.  Vom  Jahre  8t^5.  findet  sich  bei 
Mmsi  XIV.  fol  513  — 5ir  eine  epiatola  Gregorn  IV. 
TOD  88Ö.  in  der  Sache  Aldricfas  von  Mans,  welche  offen-* 
bar  pseudo* isidorisch  klingt  s.  Le  Plat  Dias,  l  c.  c,  17. 
p.  881.  Hatte  Wala  833.  jene  seine  (vennuthlich  noch 
nicht  vollständige)  Sammlung  dieser  Art  Gregor  dem  iV. 
auf  dem  sogenannten  Lttgenfeld  zwischen  Strasburg  und 
Basel  das  erste  Mal  so  annehmbar  gemacht,  so  kann  jene. 
ajnaiola  vmn  J.  885.  die  erste  Anwendung  von  Rom  aus 
gewesen  se^n,  den  Walaschen  Fund  versuchsweise  zu 
benutzen. 

Noch  eine,  Zeitlang  nachher  war  man  dennoch  damit 
von  Rom  aus  sehr  behu^am.  Nach  Msstricht  Hkiw. 
Jhttia  eccL  (Halae  1719.  a)  8.  217.  citirte  Leo  IV. 

«wischen  847  —  855.  immer  noch  Dekretalien  von  Siri- 
cius an.  Selbst  Pabst  Nicolaus  I.  beruft  sich  im  J.  863. 
nur  noch  auf  Dekretalien  seit  Siricius,  doch  mit  cleni 
Zusatae-:  «»ac  ceietarum  romanae  aedia  ponlificum!* 
•i  Mwi  XV.  fol.  874.  Erst  im  Jahre  864  und  87ö.  ist 
Nikolaus  I.  entschlossen,  sich  auf  alle  dergleichen  De-' 
kretalien  entschieden  zu  berufen,  vgl.  SchrÖckhs  K.G.  22. 
S.  161  — 155.    Und  dieses  Mannes  Charakter  konnte  es 


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•Jlerdiogs  mit  sich  briogeii,  dafs  er  esdHoh  das^  ww 
fichoo  Hüter  den  Franken  glefchsam  wie  eine  Enldeokung 

in  Umlauf  gekommeD  war,  nunmehr  auch  von  Ram  aus 
IV ie  etwas  Anerkanntes  zu  behandeln  wagte  und  ver- 
mochte. 

Der  Verf.  bat  nach  dem  gansen  Inhalt,  seiiicr  Disi 
eich  in  jenee  von  einer  langen  Ziiktitift  echwasgeres Zeitn- 
aher so  gut  htneikisiiidiertf^zQgleidi  beweist  er  auch  ia 

der  Beurtheiiung  der  gewählten  Hauptperson  des  in  der 
That  zweideutigen  Agobards  eine  so  rühmliche  Unpar* 
theilichkeit,  dafs  wir  Ihn  vorzüglich  anfmuntern  mÖohteOi 
der  Geschichte  Wala'e  .fiberhavpt  und  beaon«- 
ders  allem,  was  jene  praedecessornm  t^^fi* 
scripta  und  ihre  pseu d is i dor isc he  Wirksam- 
keit betrifft,  vollständig  nachzuspüren.  Es 
ist  ein  wahrer  Mangel,  dafs  jene  psendisidoriscbe  Dekre* 
taliensamniong  nnr  in  den  ConcUieneammlvngea  mrslreBt 
zu  finden  und  «tse  oichi  leicht  in  einen  volbiftndigca 
Ueberblick  zu  fassen  ist,  da  nur  die  ganz  selten  gewor- 
dene Collect io  Concilwrum  quatuor  gener aliufn  von  Jac. 
Merlin  (Colomae  1530.  T.  JLIL  4n  ki.  Fol.)  sie  hnzn* 
eamaenhängenden  Abdruck  gegeben  iiatte.  fiine  neue 
Ausgabe  von  dienern  Autor  etassicus  dee  rdmi- 
echen  Curialrechts,  aus  tieferen  NachspQrvngen  ia 
der  Geschichte  und  besonders  aus  Blondeis  Pseudisidorus 
so  vollständig  und  partheilos  wie  möglich  beleuchtet, 
wird  ein  grofses  Verdienst  für  die  nächst  bevorstehenden 
Zeiten  ueyn.  Man  beruft  eich  bei  der  gegenwirtigefl 
Vernachlässigung  der  kircheureohtllchenStmlien'Mireioi 
allzu  unbestimmte  Weise,  wenn  z.B.  in  unsern  Repräsev» 
tativ- Verfassungen,  welche  jede  fremde  Gesetzgebung 
ausschliefsen  müssen,  von  der  kirchlichen  Discipün  die 
Rede  ist,  Qbcrhanpthln  «if  kanoniadMe  Recht,  und  sucbt 
dadurch  (wie  neuerlich  in  der  Würtembergisoben  SMude» 
Versammlung  am  11.  März  1833.  s.  Allg.Ztg.  Beil.  No.t6l 
S.  303.)  Minister  und  Stände  von  der  gesetzgeberischen 
Aufsicht  über  die  Kirchen  Verfassung  xurückzuschröckea. 
Man  hat  in  dieüLenkordate  den  weil  «Uiiili  hnUnii  i|[<jml 


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Ar.  IlaMteliagtfi,  vite  Agobardi,  Ardileiii  Lvgdat«  9S9 

rfnick  Ton  fieobaektung  ^er  Canonum,  fui  vigtnt  sich 
enredeo  laso^a.  Mao  verwahrt  sich  tii8g<eli«ini  gegen  ifle 

gemeinschaftliche  Veronlniing  der  deutschen  Hheinländi- 
sehen  Regiei untren  vooi  30.  Jan.  1830.  iiml  hofft  in  Her 
Stille  ndit  diesem  Scbeinrecht  weiter  dagegen  vorzu- 
rücken. Fragt  man  aber  gena«er,  sd  soll  aicfa  dasMeiate, 
wogegen  Bittwe&dnngea  nach  dem  besseren  Geiste  des 
KeitaUers  ndtfaig  sind,  doch  genau  genommen  nur  anf 
die  vermeintliclie  Gesetzgebung  jciu  r  Dekrefalien ,  deren 
Uaäcfatheit  jetzt  keki  Sachkundiger  mehr  zu  bezweifeln 
wagt,  und  auf  die  weiteren  Folgerungen  gründen ,  welche 
diaa  v&ä  Pfibsicii  Mid  Ceaeiiien  auf  die  falsche  Vwaus- 
fotaang  ,  daft  dort  eine  «mite  Kirchengesetzgebung  ent» 
haltea  gewesen  sey,  bona  ßde  gebaut  werde».  Soll 
denn  nun  aber,  unabänderlich  für  Kirclie  and  Staat  Das 
▼erbindiieh  seyn,  dessen  nnächter,  dunkler  Ursprung  von 
Nimand  miriir  geleugnet  werdea  kann?  Mttfe  nicht  em 
GebSnde^  das'aüf  eittem  sotchen  Fundamente  errichtet 
worden  ist,  vom  Gründe  ans  untersucht  und  das  einge- 
schobene Unhaltbare  abgetragen  werden,  gerade  damit 
das,  was  vor  der  ächten  Gese}zgebungs^ Klugheit  ge- 
reohtferligl  werden  kann,  desto  williger  beobachtet 
werden  kMne! 

^  In  der  Verzweiflung ,  die  pseudisidorische  Sammlung 
als  Schrift  nicht  mehr  vertheidigen  zu  können.  ver~ 
SBcht  man  wohl  gerne  die  Behauptung,  dafs,  wenn  auch 
ilie  Form  yoächt  sey,  doch  der  lohalt  nichts  anderes 
gcliOf  •  ois  was  damals  längst  lo  den  Verhältnissen  des 
Iränkischen  Reichs  zn  der  römis'chen  Kirche  Gewohnheits- 
recht gewesen  scy.  Wollte  man  aber  auch  über  den 
grorsen  Unterschied  zwischen  unbemerkt  gangbar  gewor- 
denen GewohttbeitoB  und  schriftlich  bestimmtfM,  gesete* 
Uchen  Aussprüchen  wegsehen,  so  zeigt  das  oben  gegebene 
WniafscheGeschichtfragment,  daft  ein  grofterTheil  der 
fränkischen  Bischöfe  jene  Unternehmung  des  Pabstes 
Gregor  IV.,  sich  als  Richter  unter  dem  Vorwand:  für 
den  Frieden  der  Kirche  und  für  die  Wahrheit!  in  die 
Staatsverhältnisse  KU  mischen,  und  als  einer,  der  Von 


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ttSO       Ar.  H«iide«iMig«St  vita  ^AfoliiArdi ,  Ar«lii«fi  l^igdae. 

Niemand  gerichtet  werden  dürfte,  zu  erscheinen,  keines- 
Wegs  anerkannt  war.    Es  zeigt  sich ,  dafa  Gregor  IV. 

selbst  diese  pr aedccessorum  conscripta  nicht 
gekannt  hatte.  Und  war  dann  gleich  der  Glaube  an  die 
Kenntnisse  und  die  Kechtlichkeit  des  (in  der  Haupt- 
sache allerdings  über  sein  Zeitalter  erhabenen)  Wala  sogar 
bei  den  Gegnern  damals  so  stark,  dafs  sie,  an  der  Gültig«? 
keit  jener  Schriften  als  Kirchengesetee  gar  nicht  swei- 
felnd,  in  Einer  Nacht  auf  die  Seite  des  Papstes  und  der 
Söhne  wider  den  \  ater  überzutreten,  für  unvermeidlich 
hielten,  so  darf  doch  eine  solche  höchst  unkritische  lieber* ' 
eilnng  gewifs  nicht  die  Wurzel  einer  nnabänderlicben  Vei- 
bindlichkeit  filr  die  jetzt  nicht  mehr  so  kurzsichtige  Naeh- 
welt  bleiben.  Aiit  anerkannt  uuächte  Gesetze  und  deren 
Folgen  gegenwärtig  sich  noch  zu  berufen,  kann  wenip;- 
stens,  in  der  europäischen  Ausdehnung  der  Hationalität 
über  die  Länderstrecken  zwischen  den  Pyrenäen  und  den 
'  Karpathen,  nicht  mehr  zeitgemäfs  nnd  zulässig  sejn. 
Der  Geschichtforscher,  statt  um  so  vielerlei  andere 
verschollene  Dinge  sich  zu  IjeküiniiK  lii ,  kann  der  Gesetz- 
gebung unsrer  Zeit,  welche  allzuoft  durch  dunkle  CiU- 
tionen  des  mittelalterlichen  Geistes  in  Schauder  verseist 
wird,  keinen  wichtigeren  Dienst  leisten,  als  wenn  er  der- 
gleichen spectra  so  recht  in  ihrer  ersten  BrscheinuDg 
mit  historischer  Unbefangenheit  er^tdtt,  enthüllt  und 
dadurch  die  Zurückweisung  derselben  in  ihre  Ungültige 
keit  bei  den  nunmehrigen  Gesetzgebuogsbehörden  um  to 
augenscheinlicher  rechtfertigt.  Es  kann  gewifs  nicht  fehlss, 
dafs  —  wenn  junge  Männer  von,  der  Art,  Wie  sich  Insr 
der  Verf  zeigt,  die  sonst  so  wenig  gelesenen  Schriftsteller 
des  9ten  und  lOten  Jahrhunderts  mit  einem  auf  die^ea 
universulhistorischen  Gegenstand  scharf  gerichteten  ÜiiiCk 
und  mit  dem  Gedächtnifi^  eines  Blondels  durchforedMS, 
diese  meist  absichtlich  im  Dunkeln  gehaltene  Alatorle  mx 
vollen  und  wolijthätigsteo  Klarheit  durchzuführen  isL 

Dr.  Paulus. 


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HEIDELB.  JAHRB.  b  UTERATUR.  18UL 

■ 

Die  Probleme  der  Staatakunat,   Philosophie  und  Physik, 
Zur  Herbeiführung  einea  teaaeren  Zustandes  für  Füraien  tmd  f^ölker^ 
ff^issenschaft  und  Leben  auf  das  befriedigendste  gelost,    f^'on  K.  F. 
Hauer.    Leipzig,  {bei  Chvtn.  AoUmann,   183S.    1U8  S.  ti.  IF 
Forrede,  8. 

Mit  einem  wahrhaft  peinlichen  Gef&hle  noternimmt 

Reft.  die  Anzeige  dieser  Schrift.  Der  (uns  gänzlich  un- 
bekannte, wahrscheiniich  noch  jugendliche)  Verf.  ist 
vnatreitig  ein  guter  Kopf;  auch  Kenotoisse,  besonders 
in  den  Natarwissenschaftett ,  Terräth  er;  ihm  liegen  die 
Meinungen,  zu  welchen  er  sich  beicennt,  am  Herzen;  er 
hat  die  Sprache  in  seiner  Gewalt;  die  Schrift  enthält 
eiiii«»e  dem  Inhalte  und  dem  Vortrage  nach  trefliiche 
Steiieo*  Auf  der  andern  Seite  gehört  die  Schrift  zu  der 
Klasse  derer,  in  welchen  der  Verfasser  dem  Verstände 
und  der  Auflclirung  den  Krieg  ankündiget ,  damit  er  in 
der  Ideenwelt,  die  er  sich  selbst  geschaffen  hat,  desto 
ungezügelter  walten  ,  die  Geg^enwart  vor  einem  Richter- 
Stuhle,  den  er  selbst  hingestellt  hat,  desto  entschiedener 
anklagen  könne.  Besonders  ein  Gedanke  hat  sich  Rftn« 
•beim  Durchlesen  dieser  Schrift  wiederholt  aufgedrungen« 
Möge  doch  der  Himmel  unser  liebes  deutsches  Vaterland 
vor  einer  jeden  inneren  Erschütterung  bewahren!  Wie 
viele  einander  geradezu  widersprechende  Vorstellungen 
TOn  dem ,  was  den  deutschen  Staaten  noth  thut,  gähren 
auch  in  den  besseren  Kdpfen!  Wie  ganz  anders  lauten 
die  Stimmen,  die  hin  und  wieder  in  Norddentschland,* 
und  die,  welche  am  Rheine  ertönen.  (Die  Vorrede  der 
Schrift  ist  von  Berlin  datirt.)  Während  von  den  Kijien 
das  Mittelalter  und  eine  auf  die  Verschiedenheit  der 
Stände  gegründete  Verfassung  und  der  politische  Werth 
p*ober  Körperschaften  gepriesen  wird,  wird  von  Andern 
das  Sj'stem  der  französischen  Revolution  und  die  Reprä- 
sentativ Verfassung  und  die  Einheit  des  Volks  bis  zum 
Himmel  erhoben.  Die  Einen  scheuen  die  Andern  lieben 
nVLJahfK«  10.Hefl.  61 


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die  fremde  Weisheit.   Uoter  der  Einheil  Deutsclilaiids 

denken  sich  die  Einen  etwas  anders,  als  die  Andern.  Und 
kommt  es  dann  zu  Vorschlägen,  die  ins  Einzelne  /^ehn, 
da  setzen  wir  uns  pur  2«  oft  dem  Vorwurfe  aus,  welcher 
IIII9  von  AusläiiderB-  gemacht  zu  werden  pflegt,  dafs  wir 
uns  mehr  durch  die  Speculation  als  durch  praktische 
Kenntnisse  auszeichnen. 

Rfl.  glaubt  den  Inhalt  der  vorliegenden  Schrift  kurz 
so  baaLeichuen  zu  können :  Die  Schrift  enthält  eine  neue 
Auflagades  Systeme»  deftPaAtkeismaa^  Diese  neue  Auf« 
läge  HBterscl^tdel  sieh  tm  den  ftlleten  hauptsichlicli 
dadurch,  dafs  sie  thmls  auf  die  Physik  nach  ihrem  cier-< 
maligen  Stande,  theils  auf  den  dernialigen  geseilschaftli- 
cheo  Zustarxi  der  europäischen  Menschb^t  Hücksicht 
ttimml  ^  IVft  will  offen  gestehen,  dafs  er  da«  System 
4c»  Fanlheismus  für  ilas  einsige  hält,  iitelohen  das  Rälhsel 
der  Well  auf  eine^  e«nsequente  Weise  zu  Ideen  vemag. 
Hiera)it  bekennt  er  sich  nicht  zu  diesem  Systeme.  Drrm 
ist  das  eine  Gewährleistung  für  die  Wahrheit  dieses 
Systemes,  dafs  es  auf  eine  jede  Frage  ein» Antwort  giebt? 
ihir  Geistesitvanke^  der  eine  fixe  Idee  bat,  ▼ermag  Dicht 
etiten  Allen,  was  ihm  widerfiihrt,  nach  dieser  Idee  z« 
erklären.  Aber  ist  deswegen  seine  Grundidee  richtig? 
Jecioch,  hiervon  auch  abgesehn,  dürften  einige  der  frü- 
heren Auflagen  desselben  SystemeS|  z.  &  dio  Darsteliraig 
Spinoca'n,  der  hier  in  Frage  stehendes  vorauaieha  seyn. 
(Wir  naciien  den  Verf.  nameolKeh  auf  SpinozaVi  traoiaM 
theologicO'polilicus  aufau  rkbam.  Nirgends  findet  man 
vielleicht  das  Wesen  des  Staates  im  Geiste  des  panthei- 
Stiscken- Systemen  besser  dargestellt,  als  in  dieser  Ab- 
handlung.) Wie  kommt  der  Verf.  z«  dem  Begrlfllb  .edef 
wi«  eriüilvt  eit  das  Daseyn  des  Materiet  Reft.  hat 
darüber  in  der  Schrift  keinen  Aufschluß  gefunden.  Oder 
hat  sich  nicht  der  Verf.,  wenigstens  in  der  Darstellung, 
ein^  Sprunges  schuldig  gemacht,  wenn  er,  zum  MeO" 
•ekcifr  Ibrtsobreileni] ,  an  die  Idee  des  durch  die*  ganze 
Natni!  verbreiteten  Lebens  sofoit  die  Ideen  des  iUebli 
und  der  Sittlichkeit  reiht? 


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1 


Ranct,  die  Wobleme  d.  Staatilr.,  Philo«,  a.  Phyilfer.  MS 

Es  ist  schwer,  von  einer  Sc  lu  ift,  wie  die  vorlie- 
gende ist,  einen  Auszugs  zu  gel)en.  Doch  will  Rft.,  um 
«Oer  Fflieht  Dachzukommen,  die  einem  jeden  Rftn.  die 
erste  seyn  seilte«  den  ?ei*9ih^h  ftiachea,  ans  der  Schrift 
wetffgsteiis  die  HaupfflätKe«  (so  riel  al#  m^lich  mit  den 
eigenen  Worten  des  Verfs.,)  herauszuheben. 

I)  Rinleitung*.  l>re  höchste  Aufgabe  des  Menschen 
ki  die  Erforschung  und  vernünftige  Entwickelun^  dessen, 
was- wir  Letien  aennei».  Dre  Wisseoschaft  hat  das  Leben 
ztt  erklären,  sie  soN  der  Spiegel  desselben  seyn.  Da  sie 
V»n  dem  zeitlichen  Leben  zu  dessen  Ursprünge,  d.  i.  zu 
dem  ewigen  und  g^öttüclien  Lehen  aufsteigen  mufs,  so 
ist  sie  zugleich  die  Wissenschaft  von  Gott.  Sie  kann 
aiteh  durch  den  Namen:  Philosophie,  bezeichnet  wer- 
ckir.  —  Ii)  Das  Leben.  Dieses  iist  das  Erscheinen 
des  Urgefstigen  in  der  Wesenheit  itnd  Kdrpertichkeit 
Behfifs  der  unendlich  mannigfachen  Uebung  der  ewigen 
aiilebentligen  Kraft  Daher  iiberali  Mothweudigkeit  uqd 
Z#eekmiMgkett«  Die  Körper  sind  diejenigen  materiellen 
Werkeenge,  durch  welche  dai9  IJrgeistige  wirksam  wird 
vtid  im  Ldif»n  ersehetnl  Iii)  Das  Lebensprincfp. 
Djs^  Princip  alles  Lebens,  das  ürgeistig-e  oder  Allbele- 
bende, kann  nur  ein  Wesen  sej^n,  welchem  das  Leben  als 
ein«  Eigenschaft  zukommt.  Dieses  Wesen,  (Ckitt 
sAer  dle.Wdlseele,)  muA  sich  in  alten  Kärpem,  je- 
dock,  d«  dfe  Kdrper  unendlichen  Ufodificationen  unter- 
fteg^n,  in  unendlichen  Modificationen  otteiibaren.  (Der 
Unterschied,  den  man  zwischen  belebten  und  nicht  be- 
lebten Körpern  macht,  ist  daher  ein  Unding.)  Daa 
Wesen^,'  welche»,  erfahrnngsmäfsig  in  jedem  Kdrper 
an  finden  ist,  ist  der  WärmestoflT;  dieser  ist  das  sinnlich 
efkennbare  Lebensprincip;  er  ist  geistiger  Art,  da  ihn 
keine  Kunst  zu  zersetzen  vermag.  Steigerungen  dieses 
lebensprincipes  sind  die  Wärme,  dann  das  Licht.  Die 
Verschiedenheit  der  Kdrper  beruht  auf  der  Verscbie- 
denlieit  desrfirrarde»,  rn  welchem  sich  jener  Sidff  in  ihrne»  " 
sAbbart  und,  ohne  dafs  sie  irntergehn,  offenbaren  kann. 
Wvklich  seibstleuchtende  Wesen  und  Körper  oder  Licht-» 


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9M       lUiiiert  dt«  Probleme  d.  Slaatak.,  Pblbw.  n.  Pbjeilu 

wesen  nnd  Licbtkdrper  kUniien  auf  anderer  unvollkom« 

nienen  Erde  nicht  vorhanden  sejrn.  Die  uns  bekannten 
^  Lichtkörper,  die  ihre  Lebensgeister  alä  Licht  ansstrahlen, 
sind  die  Sonnen.  —  IV)  Die  Luftbai tigkcit.  Sie 
besteht  in  derjenigen  Eigenschaft  gewisser  Körper  (&E 
der  Fische,  der  cartesiacben  Taucher, )  Teroidge  welr 
cher  dieselben  in  gewissen  Behältnissen  ein  dOnneres  Ele- 
ment enthalten,  das  deni  äufseren  dichteren  ElenieDte, 
in  welchem  der  Körper  sich  bewegt,  das  Gleichgewicht 
hält  und  dadurch  dem  Körper  das  Vermögen  derSchweb- 
barkeit  verleiht.  Die  Erde  ist  ein  solcher  Kör^r.  Sie 
ist  nicht  dicht,  sondern  voll  unermefsiicber,  ein  hdclut 
dünnes  Element  enthaltender  Gcfafse.  So  erhält  sie  sich 
im  Schweben  In  ihrem  Innern  liegen  Feuer  und  Wasser 
in  einem  ewigen  Kampfe.  Darin  besteht  das  Leben  der 
Erde«  —  V)  Die  fieweg.ung.  Sie  iaidas  auf  allge* 
meinen  oder  besonderen  Gesetsen  beruhende  Vor-,  Rfick- 
oder  Seitwärtsgehen  eines  Körpers  im  Räume.  Sie  he- 
ruhl  auf  der  Lebenskraft  und  ist  eine  Aeufserung  dieser 
Kraft.  Je  höher  ein  Körper  auf  der  Stufenleiter  der 
Körper  steht,  desto  freier  i^  seine  Bewegung.  —  VI)  Die 
Wahrnehtnbarkeit  der  Körper,  ^in  jeder 
Körper  hat  ein  Wahrnehmungsvermögen,  d.  i.  die  Fä- 
higkeit, wodurch  er  von  der  Aufsehwelt  gewisse  Ein- 
drücke empfängt  und  sich  mit  ihr  in  Berührung  zu  setzen 
vermag.  Dieses  Vermögen  ist  eine  nothwendige  Folge 
von  dem  durch  die  ganze  Natur  verbreiteten  Leben  nad 
von  der  Einheit  dieses  Lebens.  Gleichwohl  steht  dieses 
Verintigeu  nicht  allen  Köipeiii  in  gleichem  Grade  noch 
in  einer  jeden  Beziehung  (oder  in  Beziehung*  auf  alle 
Sinne)  zu.  —  VII)  Der  Sonnenkörper.  Der  Verf. 
stellt  hier  die  Sonne  als  den  Repräsentanten  des  bshh 
benden  Principe  in  unserem  Sonnensysteme  dar.  —  VlIQ 
Der  Lichtglanz  der  Körper.  Was  mau  gewöhn- 
lich Farben  nennt,  ist  die  Art,  wie  sich  die  den  Kör- 
pern inwohnende  Wärme  oder  Lebenskraft,  (als  ein  mehr 
oder  weniger  nuttes  Licht,)  dem  Auge  offenbart.  Die 
Farbe  ist  daher  auf  das  Innigste  in  das  Leben  eines  jeden 


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Bauer,  die  Probleme  d.  StaaUk.,  Thilos,  a.  P|iyftik.  9<>5 

Körpers  verwoben.  —  IX)  Magnetismus  und  Eiek- 
tricität  /  Sie  sind  das  Mhtel,  durch  welches  die  Le- 
bensgeister gleichartiger  oder  verwandter  Körper  in 
Gleichgewicht  erhallen  werden.    Wirkt  dieses  Mittel  in 

der  Form  der  Wiiniie  und  erkennen  wir  es  l)Ios  an  dieser 
Wirkung,  so  wird  es  magnetisches,  wirkt  es  in  der 
Form  des  Lichts,  so  wird  es  elektrisches  Flutdum 
genannt.    Der  Verf.  handelt  hier  noch  von  Sternschnup- 
pen,  Irrwischen  und  einigen  andern  Naturerschei*- 
nimgeii,  auch  von  den  Heilungen  durcli  Magnetismus.— 
X)  Die  Wechsel  rieh  tu  n  gen   (oder,   in  der  ge- 
wöhnlichen Sprache  der  Physiker,  von  der  Polarität) 
der  Körper.    Die  ganse  Schöpfung  ist  eine  grofse 
Einheit    Ein  jeder  einselne  Körper  steht  in  einer  dop- 
pelten Beziehung,  in  einer  geistigen,  vermöge  wel- 
cher er  dem  Alllebendijjfen  oder  der  Gesammtheit  arrjfje- 
hört,  und  in  einer  körperlichen,  auf  welcher  seine 
individuelle  Existenz  beruht  und  vermöge  welcher  er 
einer  andern  Gesammtheit,  der  des  Materiellen,  ange- 
hört   Diese  beiden  BigenthQmlichkeiten ,  von  welchen 
die  eine  auf  das  Jenseits,   die  andere  auf  das  Diesseits 
gerichtet  ist,  zusammen  nennt  der  V  erf.  die  Wech&»el- 
richtungen  der  Körper.    (In  dem  Menschen  zeigen  sich 
diese  zwei  Wechselrichtungen  in  dem  Kampfe  zwischen 
der  göttlichen  nnd  irdischen  Natur  des  Menschen.)  Die 
eine  utul  die  andere  Richtung  mufs  in  einem  bestimmten 
Punkte  ronrentrirt  seyn ;  sie  müssen  also  ihre  Pole  Iriben. 
Soest  würde  die  eine  und  die  andere  Richtung  nicht 
einer  bestimmten  Regel  unterworfen  sejn.    Aber  beide 
Richtungen  und  ihre  Pole ,  das  Göttliche  und  das  Tr- 
dische,  stehen  in  ununterbrochener  Wechselwirkung  mit 
einander.  —  XI)  Die  Menschwerdung  Gottes. 
Sie  ist  das  Erscheinen  Gottes  in  der  Menscldieit  über- 
haupt   Der  Mensch  ist  seiner  geistigen  Natur  nach  das 
Ebenbild  Gottes.    In  ihm  offenbart  sich  Gott  selbst ,  so 
mmi  auf  unserer  Erde  eine  solche  Offenbarung  möglich 
war;  durch  ihn  erhielt  die  Schöpfung  auf  unserem  Pla- 
neten ihren  Schiufsstein ,  ihren  Endzweck.    Mit  dieser 


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Absicht  steht  die  MeBSchweriliing:  Jesu  io  einer  uRiiiili- 

telbaren  V^erbinilung.  „Aus  der  Tiefe  der  Philosophie 
'  8cliö|irten  wir  dieGewifsheit,  dafi»  eine  Offenbarung  GoUe^ 
im  IMixMBcheD  nickt  niir  möglicii,  sondern  dafs  sie  notb- 
wendii^  und  wirklich  eingetreten,  die  JMoiBaUcliie  Mjttbe 
also  kein  Traum  der  Binhitdungskraft  sej!:.  Die  gleiche 
Möglichkeit  eiiiei  zweiten  Offenbarung  ist  also  nicht  nur 
eben  so  vorhanden,  sondern  diese  zweite  Offenbarung 
erweiset  sich  sogar  ebenfalls  als  nothweudig,  weil  es 
di6  Seibeterhaitung  des  Göttlichen  im  Menschen,  die 
FOrsorge  dafdr  galt,  dafs  nicht  aller  Znaammeohang  zwi>> 
sehen  Goii  und  seinem  irdischen  Ebenbilde  sich  auf- 
löste." —  XU)  Die  e i  s  t i  e  Form.  Die  verschie- 
denen Formen  und  Gestalten  der  Kär|i«r  sind  die  ver- 
echiedenen  Arten,  wie  sich  das  Lebßn  o4er  Galt  in  dar 
Materie  offenbart.  Die  Yerschiexlenbeit  die^  Offenbar 
rungen  (oder  der  Körper)  beruht  a^jf  der  Verschiedenheit 
der  Materie,  in  welcher  und  durch  welche  die  Lebens- 
kraft wirkl.  Ueberau  aber  wirkt  sie  zweckinäfsig ,  iiod^ 
wenn  auch  vereinsBelt,  doch  smgleich  als  ein  Ganaes*  Wir 
(dürfen,  annehmen,  ^^dafa  ee  auch  eine  CeDtraleonne  gebe^ 
auf  welcher  Gott  selbst  im  reinsten  Lichte  throne."  *^ 
Xill)  Der  Staat.  Schon  die  Thierwelt  bietet  uns  eio 
Bild  der  Staatenwelt  dar.  Indem  Üiber,  Bienen  uimI 
Ameisen  ein  V^olk  bilden ,  hat  ihr  Leben  ein  gemeia^ 
«chaftlichea  Ziel ,  einen  Mittelpunkt,  in  dem  jedee  indir 
vidoelle  Interesse  yerschwindet  Oer  Staat»  der  van 
Älenschen  gebildet  wird,  mnfs  auf  eine  ähnliche  Weise 
der  Anlialts-  und  Mittelpunct  der  gesellschaftlichen Thä* 
tigkeit  wie  der  menschlichen  oder  sittliclien  VervoUr 
kommnnog  eeyn/  Der  erete,  jedoch  nntergoorA* 
nete  Zweck  des  Staates  beflieht  si«h  also  auf  die  TU^ 
tigkeit  oder  auf  die  inateriellen  Interessen  der  Börger. 
Die  Interessen  der  Einzelnen  müssen  innerlich  an  einander 
geknüpft,  die  Einzeioen  durch  einen  materiellen  Voriheil 
au  einander  gebunden  a^n.  Eine  eolche  Verbindung  der 
Biozelnen  finden  wir  in  der  GemekideYeppfafeung  nicht 
einmal  ia  der  Idee,  vielweniger  der  Wirklichkeit  nach; 


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wflU  «b«r  legt  sie  «ich  um  tl«r  vi  4ee  verachicdcflM 

Stenden  unfl  Korporationen  ,  durch  deren  Auiliehung  also 
eifi  Staat  seinen  Zweck  nicht  nur  nicht  errt^icht,  sondern 
gwlich  verfehlt.  Indem  übrigens  die  Stande  und  Kor*, 
porationen  wiederum  Thette  eines  Gadmi  tnail«  des  ilmaB 
ihren  BeeitK  garantirl,  machen  sie  in  diesem  Ganzen  den 
Staat  aus;  cltr  Schulz,  den  sie  in  diesem  Ganzen  ge- 
niefsen,  erzeugt  ein  moiaiisches  Band,  den  I'ati iotiMiius. 
Der  zweite  und  höhere  Zweck,  die  sittliche  Vollen- 
duog,  hat  zum  Gegenstande,  deu  Menschen  zum  Gatl- 
liehen  empor  zn  heben  und  ihn  an  dieses  zu  fesseln. 
Durch  das  sogenannte  Auiklärungssystem  wird  dieser 
Zweck  gänzlich  verfehlt;  die  Bildung  des  VeivStandes  ist 
viehnehr  nur  in  so  weit  an  ihrem  Orte,  als  sie  sich  auf 
(\en  ersten  Zweck  beziehl.  Der  Urquell  der  sittlichen 
Vollendung  ist  das  Gemülh ;  das  Band ,  das  siUliche  In- 
dividuen zn  einem  Ganzen  vereiniget,  ist  die  Kirche. 
Die  llcligion  ist  das  lebendige,  innige,  zweifellose  liias- 
seyn  unseres  geistigen  Individuums  mit  Gott,  das  Leben 
des  Theiles  im  Ganzen  und  des  Ganzen  im  Theile,  ein 
«nbewurstes  Leben  in  Gott.  Die  wahre  Civitisatien  be- 
steht darin,  dab  Alle  zu  jener  friedlichen  Gemeinschaft 
hiostreben,  bei  der  das  Privatinteresse  in  tias  aligemeine 
Wohl  verschwimmt  und  jeder  Zwiespalt  eine  Ausnahme 
von  der  Regel  ist.  Auf  diese  Civilisatioa,  auf  das  innere 
Leben,  auf  das  Leben  in  Gott  sind  die  Gesetze  und  Re* 
gierungsmafsregeln  vorzugsweise  zu  berechnen. 

Ref.  hat  den  Verf.  sprechen  lassen,  ohne  ihn  durch 
irg-end  eine  Bemerkung  oder  Frage,  oder  auch  nur  durch 
ein  Fragzeichen,  zu  unterbrechen.  Auch  jetzt  will  er 
das  Urtbeil  über  die  Billigkeit  oder  Unbilligkeit  des  zn 
Anfange  dieser  Anzeige  ausgesprochenen  'Tadels  dem  ^ 
Leser  gänzlich  anheimstellen.  Eben  so  wenig  will  er  den 
schneidenden  und  selbstgefälligen  Ton  rügen,  in  wel- 
chen der  Verf  sehr  oft,  und  schon  auf  dem  Titel,  ver- 
fallen ist.  wird  die  Zeit  kommen,  wo  der  Verf.  selbst 
der  Meinung  seyn  wird ,  dafs  es  ei uen^  andern  und  bes- 
seren Weg  gebe ,  wie  man  Aufsehen  erregen  oder  seinen 


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988       Bauer,  die  Prablene    SlwUk,,  Pkiioe.  n.  Phjeilr. 


Sehrifteo  Eingang  TerachaffeD  Miine.  Newton  sagtet 
Ich  komme  mir  vor,  wie  ein  Kind,  das  an  dem  Ufer 
des  Oceans  mit  Kieselsteinen  spielt.  Und  das  sagte  ein 
'Newton!  —  Doch  der  Verf.  ahadet  (io  der  Vorrede) 
«elbaft  seine  nahende  Bekehrung« 

Der  Verf.  bemerkt  in  der  Vorrede,  dafs  die  ß;egen- 
wärtige  Schrift  der  Vorläufer  eines  gröfseren,  jedoch 
erst  nach  Jahren  erscheinenden  Werkes  seyn  solle.  Da 
Rft  wQnschte,  den  Verf.,  einen  Mann  von  Talent,  3er 
iVissenschafl  zu  gewinnen,  so  erlaubt  er  sich,  an  ihn 
eine  Bitte  zu  richten ,  —  die  Bitte ,  dafs  der  Verf.  doch 
vor  allen  Dingen  Kant  s  Kritik  der  rennen  Vernunft  Stu- 
dieren wolle.  Nicht  als  ob  Rft  die  Absicht  hätte,  den 
Verf.  zu  einem  Proselyten  der  Kantischen  Philosophie 
zn  machen;  (obwohl  diese  Philosophie,  entkleidet  von 
ihren  Aufsen werken ,  nur  einen  Commentar  zu  den  Aus- 
sprüchen der  Schrift  enthält:'  Unser  Wissen  ist 
Stückwerk,  d.  L  auf  die  Erfahrung  beschränkt.  Der 
Glaube  allein  macht  seligi  d.  i.  der  wahrhaft 
moralische  Mensch  vermag  seine  Ahndungen  einer  fibä» 
sinnlichen  Welt  in  Glaubenswahrheiten  zu  verwandeln.) 
Sondern  weil  Rft.  überzeugt  ist,  dafs  jenes  Werk  das 
Schnlbucli  eines  jeden  denkenden  Kopfes 
seyn  sollte.  Und  warum  ?  Weil  es  die  Lehre  durch 
die  That  prediget,  dafs  man  sich  wegen  eines  jedeo 
Wissens  oder  Erkenntnisses ,  das  man  zn  besitzen  .oAtf 
errungen  zu  haben  glaubt,  vor  allen  Dingen  die  Frage 
vorzulegen  habe:  Wie,  auf  welchem  Wege bist  Dn^l 
diesem  Wissen,  zu  diesem  Erkenntnisse  gelangt?  ^ 

Zaehariä. 

n:.t* 


•  i; 


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mie,  dto  T«lktaiHiferftiietfit  M0 


Dr.  Lud.  Thilo,  oril.  LtAnr  d.  flUtot.  o.  4.  ümh,  JMa».  ^ 
JVefttl  efnoB  Anhange:  ht  FHedrieh  Murhard  d»  MompUaturf  — 
BrMlai»,  6ej  Fr.  AenfM.  1888.  286  ^.  8. 

Wer  wi?d  nicht  g;ern  die  Stimme  eines  Veteranen 
Iber  die  hdchsten  Fragen  der  Staatswiweoschaft  yer« 

nelimen?  Die  Stimme  eines  Mannes,  der,  (wie  er  selbst 
in  der  Zuei^nungssclirift  sagt,)  „fast  au  das  Ende  seines 
akademischen  Lebens  gestellt»'  in  fliese  Schrift  gleichsam 
sein  politisches  Testament  niedergelegt  hatf  Wenn  auch 
dieselben  Fragen  schon  oft  und  yiel  besprochen  worden 
sind,  so  ist  doch  eine  neue  Erörterung  derselben,  wenn 
sie,  wie  die  vorliegende,  mit  Verstand  und  Mäfsigiing 
angestellt  wird,  um  so  willkommener',  da  in  Deutschland 
die  Literatur  eine  ihr  eigenthttmliche  und  eine  andere 
Stellung  zur  öffentlichen  Meinung  hat,  als  z.B.  in  Franic- 
reich  oder  in  Grofsbritannien. 

Man  kann  den  Verfasser,  als  politischen  Scliiiftsteller, . 
vielleicht  so  charakterisiren  :  Er  ist  ein  F'rt  und  der  durch 
Stände  oder  Kammern  gemäfsigten  Monarchie.  —  Wir 
wollen  jetzt  versnchen,  eine  linrze  Uebersic^t  des  lohaits 
der  Schrifi  zu  geben. 

Es  giebt  zwei  Wege,  zu  einer  Verbesserung  des 
Staats  zu  gelangen ,  den  Weg  der  Gewalt  und  den  Weg 
des  Rechts.  Der  letztere,  der  allein  erlaubte,  wird  sich 
von  selbst  eröffnen  und  ebnen,  wenn  bei  einem  Volke 
die  Ueberzeugung  von  derZweckmäfsigkeit  und  Ausfuhr* 
barl^eit  einer  Veränderung  mit  der  Zeit  allgemein  ge- 
worden ist.  —  'Der  Staat,  wenn  auch  ein  Werk  der 
Menschen ,  hat  dennoch  den  aus  dem  Wesen  der  Mensch- 
heit hervorgehenden ,  also  in  dem  Plane  der  Vorsehung 
Hegenden  Zweclc,  den  Men^hen  die  Entwiclieiung  ihrer 
geflammten  Anlagen  und  Kräfte  möglich  zu  machen ,  ihre 
Sttf  dem  Bedfirfnisse  der  Kultnr  und  Civilisation  bem- 
henden  Ansprüche  in  wirkliche  Rechte  zu  ver- 
wandeln. —  Die  Staatsverfassung  ist  die  Gewährleistung 
für  die  Uebereinstimmuog  des  Staates  mit  seinem  Zwecke; 
Diejenigen  irren  also,  welche  auf  die  Beschaffenheit  der 


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I 


im  Thilo«  4i»  \Mm9W€^Mi. 

Verfaismig  k«ia«D  oder  n«r  aioen  geringes  Werib  l9g&^ 
So\i  iilier  cifie  Verta»mng  tliese  Oe^ihrletstung  anthalteo, 

so  inufs  sie,  io  der  Monarchie ,  einerseits  den  Willen  des 
Volks  und  andererseits  die  Sanction  des  Fürsten  für  sich 
babeu.    Durch  die  Sanction  des  Fürsten  wird  der  Wiiie 
4ß$  Völte^  aa  sich  nur  ein  Wüte  £inaelii^,  «llereraC  tu 
einem  aJIgMieinea  und  ainsigen  Willen.  • —  Die  in  der 
Staatsgewalt  enthaltenen  besonderen  Gewalten  sind  die 
gesetzgebende,   die  richterliche  und  die  voilzieheude 
Gewalt.    Wenn  auch  das  Volk  bei  der  Gesetzgebiiiig 
vaiuiUeibar  oder  mittelbar  su  hdren  ist,  so  ist  «s  «loCh 
ein  Irrthmn,  ihm  4leswegea  die  gesammle  Staalsgewalt 
beizulegen.    Der  Verf.  zieht  hierauf  eine  jede  dieser 
-  G(  wallt  11  iur  sich  in  ßetrachtung,  z.  B.  in  Beziehung  auf 
die  hVage,  wie  eine  jede  derselben  zu  organisiren  sejTi 
damit  sie  das^  was  an  sich  Rechtens  ist«  verwirkliche. 
Diese  Gewalten  sollen  einander  atehl  fliehen  oder  befein- 
den, sondern  ixi  einander  wirken,  auf  denselben  Zweck 
hinarl)eiten.    Der  Fürst  ist  der  Mittelpunkt  dieser  Verei* 
nigung  f  der  Schiuisstein  des  Gebäudes*  —  Im  Staate 
bestehen  zwei  MächloY  der  Wille  des  Volks  und  der 
Wille  des  Fürsten,  dieser  Wille  aber  ist  der  hl^herd 
Dem  Plirslea  kommt  die  Soaveräaetfil  and  Kwar  von 
Rechtswegen  zu.    Diese  aber  besteht  in  dem  ansschliefs- 
liehen  Rechte,  die  Gesetze  zu  ^nctioniren  und  in  dem 
Httbedingiea  Veto.    Der  Souverän  steht  nicht  über  den 
Gesetze  ia  dem  Siaaet  dafe  er  es  fUr  erlaabi  hallen 
dürfte  Y  die  Geselle  sa  verleisea.    Dagegen  kann  ef 
wegen  einer  Verletzung  der  Gesetze  nicht  zur  Verant- 
wortung gezogen  werden.    Jedoch  uimiht  der  Verf.  von 
dieser  Regel  die  Verletzung  des  Staat^rundgeset^ 
aas.  —  Wollte  man  dem  Volke  die  Souveränetat  beUo* 
ipea,  so  mffiftte  man  aaaehmen,  dafs  seia  Wille  waseol* 
lieh  ein  daig^r  und  ei«  nul  dem  Reehtiigmtae  iftberela« 
stiainiender  Wille  wäre, 

Ref«  hat  seinen  Zweck  erreicht,  wenn  diese  Andeu- 
tungen ftbor  dea  Inhalt  der  -Schrift  hinreichen,  d4f 

PabHeam  aaC  die  Sohrift  selbst  und  aaf  die  VetaiOsi« 


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%  *  * 

I 

SthiiHWww,  ai€r  8la«l  ihmI  AtaatovitMMliftfl.  fit 

mg-eo,  die  m  zu  weitereo  Erörterungeo  enthält,  auf- 
iii*irksam  zu  machen.  Er  bemerkt  nur  noch ,  dafe  «ler 
Verf.  dau  Ueith  Seiner  Arbeit  durch  die  Berücksick« 
iiguijg  und  Beurtheilii«^  «Ur  Meimiqf  an  Andertf  tiiohl 
meaig  erhöht  hat 

Der  Inhalt  des  Anlian^es  kann  in  das  Wörtchen:  Ja! 
9immmeug4tzQg^a  Wiarden« 

Zmvhariiä. 


Vtber  den  Charakter  und  die  Aufgaben  ttnaerer  Zeit  in 
Ueziehung  auf  Staat  und  S  t  et  at  s  wis  8  en  6  c  Ii  af  i,  I.  Il^t^ 
f  om  Staate  überhaupt  und  die  Gt  srhirlue  keiner  H  isscnfichaft.  f^on 
Fr,  Schmitthennerf  Prof.  der  KameralwisaenKhaft  in  Gietsen, 
Gieuftn,  bti  G.  K  Beyer.  212  S.  8. 

Anfipnichslos  kündiget  der  Verf.  seine  Arbeit  (in 
der  Vorrede)  an.  Aber  die  Arbeit  ist  so  ausgefallen, 
dafs  s\e  gegründete  Ansprüche,  auf  die  Aufmerksamkeit 
d«»  Piibiicttm8  bat.  Wir  kennen  keine  Schrift,  welche 
eine  so  gute  und^  voltatändige  Ueberaicht  der  ^esamm- 
ten  Geschichte  der  Staatswissenschaft  enthielte,  als  die 
vorliegende.  Uud  besoudtrs  wegen  dieser  Uebersicht 
können  wir  die  Schrift  mit  gutem  Gewissen  allen  deueu 
empfehlen,  -welche  sich  der  Staatswissenschaft  widmen 
wollen  oder  gewidmet  haben  Möchte  sich  doch  der 
Vttt.  entscIiRersen ,  diesen  Theil  seiner  Schrift  in  einem 
Jröfseren  Werke  noch  mehr  auszuführen.  Er  weifs  recht 
wohl,  (das  beweist  die  vorliegende  Schrift,)  dafs  die 
Qeschichte  lier  Staatswissenschaft ,  oicht  ohne  zugleich 
die  Geschichte  der  Staaten  und  der  Völker  ssu  berück-» 
sichtigen,  mit  Erfolg  vorgetragen  werden  kann.  Auch 
die  Geschichte  der  übrigen  Wissenschaften  würde  in 
eintai  gröfseren  Werke  dieser  Art  nicht  unbeachtet  blei- 
ben dürfen.  Die.  staatsuissenschaftiiche  Literatur  nimmt 
▼on  Tag, zu  Tag  an  Umfang  zu;  man  kann  sagen ,  auf 
eine  fast  beängstigende  Weise.  Desto  mehr  werden  Werke 
über  die  Uteratui^  der  Wissenschaft  Bedfirfnifs.  VieU 


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t 


•tt        flcliiBiltliMaflr,  filier  8tMl  iind  SUmtivtitenMhaft. 

l«Mii  würde  es,  radmm  eeya ,  das  Werk  mit  der  Ge^ 

schichte  der  Wissenschaft  bei  den  Völkern  des  heu'« 

tigen  Europa  zu  beginnen,  des  Mittelalters  aber  und 
des  Einflusses  der  griechischen  und  der  römischen  Lite- 
ratur auf  die  der  Völker  deutschen  Ursprungs  nur  in 
der  Einleitung  zu  gedenken. 

Den  Inhalt  des  vorliegenden  ersten  Heftes  bezeichnet 
schon  der  Titel  genugsam.  Oer  Verf.  hat  dasselbe  in 
^wel  Bücher  eingetheilt.  Das  erste  Bach  (8.1  —  48.) 
handelt  von  dem  Wesen  des  Staates,  von  dessen  Zwecke^ 
von  der  Entstehung  der  Staaten ,  von  dem  BegrifFe  und 
den  Theilen  der  Staatswissenschaft  Das  Buch  enthält 
zwar  gröfsteolheils  nur  Bekannteres;  doch  ist  dieses  mit 
'Klarheit  dargestellt.  Das  zweite  Buch  bat  die  Ge- 
schichte der  Wissenschaft  zum  Gegenstande. .  Der  Ver£ 
macht  drei  Hauptperioden:  I)  Die  alte  Welt,  (der 
Orient,  die  Griechen,  die  Römer, )  II)  das  Mittelalter, 
III)  die  neuere  Zeit.  Von  den  ersten  beiden  Perioden 
sagt  der  Verf.  nur  wenig;  desto  ausführlicher  ist  er  bei 
der  dritten  Periode.  In  dieser  verbreitet  er  sich  über 
die  Literatur  aller  der  Nationen,  welche  an  der  Spitze 
der  europäischen  Cultur  stehn;  auch  spricht  er  von  den 
Fortschritten  der  Wissenschaft  iii(  Jit  etwa  blos  im  Ganzen, 
sondern  so,  dafs  er  die  verschiedenen  Theiie  der  Wis« 
senscbaft  unterscheidet. 

„  Das  zweite  Heft  (dieser  auf  drei  Hefte  berechneten 
Schrift)  wird  eine  Statistik  der  politischen  Interessen 
und  Potenzen  der  Gegenwart  und  eine  unbefangene  Prü- 
fung der  inneren  Wahrheit,  der  Bedeutung  und  Macht 
der  herrschenden  Doctrinen  geben.  Das  dritte  endlidi 
soll,  so  weit  es  aus  den  Vorzeichen  in  der  Gegenwart 
möglich  ist)  die  Gestalt  der  Zukunft  deuten." 

ZaehariA 


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des  ddeig  et  4u  marriages ,  et  8ur  Uura  rapportt  cstre  «lur  el  ov«c 
lef  §aim$  ete,  par  U  doeteur  Brächet,  de  Lyon,  Qm/rage  cou^ 
rmmi  par  VAcademie  roy.  det  Bcienees,  arts  tt  hettw-httree  de  Lyon» 
l9«i,  ImprMMrM  de  Louie  Petrin,  16SS.  79  8.  ^ 


2)  De  la  distrtbtitton  pur  mois  des  conceptions  et  des  naiasances  de 
Vhomme,  eonsidcr^e  dans  ses  rapports  avee  les  saisona  ^  avcc  les 
elimatSt  avec  le  retour  periodique  annuel  des  Jogues  de  travail  et  . 
de  repos  ,  d\iboiidance  et  de  raretc  des  vivres  et  avec  quelques  in- 
stitutions  et  coutumes  sociales  i  par  L,  R,  yHlermö.  18S1.  IUI 

Die  Statistik  wird  nicht  mehr  als  ein  Gegenstaml 
der  Neugierde  betrachtet,  ihr  segensreicher  Einflufs  auf 
medicinisch- polizeiliche  Einrichtungen  ist  allgemein  an- 
erkannt ond  gebfihrend  gewürdigt.  Vor  allem  verflankea 
wir  Männern,  wie  Hofmanh,  Villernne,  Queteleft 
und  Reiffenberg  sehr  gediegene  Arbeiten  und  Unter- 
suchungen,  deren  Ergebnisse  zu  ferneren  Forschungen 
anspornen.  . 

Dr.  Brächet,  dem  ärztlichen  Publicum  rühmlichst 
bekannt  durch  seine  gekrönten  Schriften  über  die  Con- 
vuisionen  der  Kinder,  über  den  Mohnsaft,  über  die 
Functionen  der  GaogliennerYen,  errang  einen  neuen  Lipr«- 
.  beer  durch  die  statistischen  Untersuchungen  Ober  seinen 
Geburtsort  Givors,  eine  kleine,  an  der  obern  Loire 
frnchtl>ar  gelegene  Stadt  von  6000  Seelen. 

Eine  Znsammenstellung  der  Geburten  innerhalb  der 
JAre  1803  bis  1830.  nach  Monaten,  Geschlechtern 
^•s.  w.  zeigt  an,  dafs  die  meisten  Geburten  auf  die  Mo* 
Date  Januar,  Februar,  März,  April,  Mai,  Oktober, 
November  und  December  kommen,  woraus  hervorgeht, 
^  der  Winter  ond  der  Frühling  für  die  Empfängnif» 
günstiger,  als  der  Sommer  und  der  Herbst  sind,  was 
^beils  durch  unsere  socialen  Verhältnisse  bedingt  seyn 
^^S^  theils  aber  auch  tiefer  in  der  Natur  begründet  ist« 
Sehnliche  Resultate  erhielten  Viller m^  und  Qoe* 
^elet,  was  um  so  bemerkenswertfier  ist,  als  diese  Letzten 
we Untersuchungen  in  Ländern  und  Provinzen  machten, ^ 


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9T4  VfHMmid«  SHüM^wb  de  OlvoM. 

weIciM  dmh  den'dharakter  de»  Bmffm  nwi  <ter  B«« 

^'ohner  wesentlich  ver«(chieclen  von  dem  Departement  der 
Loire  sind. 

Die  männlicheD  Gebttrten  überwiegfeH  hier  bedmieiid 

die  weiblichen,  indem  sie  sich  wie  11  :  10  verhaken ^ 

iode(s  in  andern  Gegenden  sich  ein  Verhäjtoifii  }S»Z  :  21 
herausslellt.  * 

Oie  Jahreszeiten  scheinen  Indessen  ohne  Einiluft  avf 
die  Erzeugung  der  Geschlechter  zu  sej^n ,  indem  in  Giyors 

wenigstens  sich  nichts  Bestinmites  hei^ussteJIte 

Die  unehelichen  Geburten  zu  den  ehelichen  verhalten 
sich  wie  1 : 45,  ein  in  Vergleich  zu  andern  Gegenden 
und  Städten  sehr  gunstiges  Verhältnifs. 

Auf  103  Geburten  kommt  eine  Zwillingsgeburt,  und 
von  8  Kwiltingskindern  starben  7  innerhalb  der  ersten 
beiden  Wochen  nach  der  Geburt. 

Durch  eine  grofsere  Sterblichkeit  zeichneten  sich  die 
Jahre  aus,  in  weichen  Mifserndten  statt  hatten  irnd  wo 
in  Folge  einer  bedeutenden  Ueberschwemmuirg  tri  der 
Nihe  der  Stadt  Simpfe  entstandeo«  welche  von  den  Bie* 
wohnern  noch  nebenbei  zum  Flachsrösten  hermtzt  t?UT* 
den.  Nach  Beseitigung  <lieser  Foci  einanatwnh  ver- 
minderte sieh  die  Mortalität  auf  sehr  airfiallende  Weisen 

Rucksichtlich  der  Monate  wurde  die  geringste  Sterb- 
Kchkeit  im  April,  Juni  und  December,  die  stärkste  im 
August  und  September  wahrgenoHamen  (was  von  deo 
BeobachtuKgen  in  andecn  Grc^enden,  wie  Paris  und  die 
preuftieche  Rlieinprovinz ,  wesentlich  abweicht.,  indem 
hier  die  dblei  ersten  Monate  des  Jaiw»  durch  eim  ao^ 
fallend  große  Sterblichkeit,  der  August  und  der  Sep- 
ten^ber  dagegen  durch  eine  sehr  ger  inge  Mortalität  sich 
^nneuaeichDea  pflsges.  Kef.)  Die  Bezieich nung  der  Ui»« 
sacbett  dlqaes  gseiheiB  Stisrblichhett  in  de»  jer^tMinaleii 
beidei»  Monaten  ist  der  Verf.  uns  sefaiddig  gebUtsben; . 
wenigstens  können  wir  die  von  ihni  angedeuteten  nicht 
als  genügend  anerkennen  und  sind  im  äegeatheil  sefar^ 


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geneigt^  hier  den  Einfluß  versteckter,  an  Oertlichkeiten 
gebundeoer  Schädlichkeiten  zu  vermuthen. 

Wie  überall ,  so  starben  auch  hier  mehr  Ihdividuen 
mdMiKch'en,  at»  wetbltehen  Geschreeht»,  und  swar  Im 

VerhSltnils  von  41  :  40.  Der  Januar  war  besonders  ge- 
fährlich den  Mäuuerfl,  der  August  und  September  den 
Frauen*. 

Awsh  in  OiTors,  Mtie  in  mnikm  Gegrnden,  trifft 

die  grdf^te  Sterblichkeit  das  Kindesaher ^  indem  der 
vierte  Theil  HämmtHcher  Sterl)(-lälle  auf  das  erste  Le- 
Imiijabr  und  »wei  Fünftheiie  auf  die  drei  ersten  Le- 
bensjahre kommen.  Mit  dem  vierten  Jahre  zeigt  sieb 
iMaa  merklich  geringere  Morlaiität  bis  mm  dreiftigsten 
49hre,  wo  eine  auffatteifcde.  Zunahme  derselben  wieder 
ricbtbiir  wird. 

Atfgust,  September  und  October  waren  den  kind- 
lichen Alter  vorzugsweise  geföhrlich,  Februar,  April 
uod  OcCober  waren  es  am  weni^sien,  eine  Thalsache, 

welche  die  heifsen  Sommeiiagü  als  den  Kindern  nicht 
zuträglich  bezeichnet,  aber  mit  den  in  anderen  Län- 
dern g^emachten  Beobachtungen  im  Widerspruch  ist. 
Der  (Jeberflufs  an  Brennmaterialien  in  Givors  erklSri 
vielleicht  einigermafsen  die  geringere  Sterblichkeit  im 
Winter,  läfst  aber  die  auffallend  grofse  Sterblichkeit  iu 
den  Sommermonaten  un^örtert. 

Es  erreichie»  m^r  Fraiien,  «is  Männer,  ein  hohe«, 
AJter,  das  mitijere  Lebensalter  inGivdrs  betiug  ZStJahr« 

MOtl  ist  analog  dem  in  Schweden. 

Eft  fielen  nur  sechs  Selbstmorde  in  der  Migegebenei» 
Zeil  veir,  Ükmf  bei  Männern ,  worwiter  ein  eintuidsfe» 
benzig  jähriger,  uiid  1  bd  Wanen.    Bs  erscheint  alü 

«ne  grofse  Lücke,  dafs  der  Veif.  es  sich  nicht  hat  an- 
gelegen servil  lassen,  zu  ermitteln,  wie  viele  Indivi- 
duen in  dieser  Zeit  durch  Ungliicksfälle ,  durch  die 
natürlichen  Blattern  und  andere  eontagiose  Krankheiten, 
durch  Hydrophobie,  durch  acute  und  durch  chronische 
Krankheiten  ihr  Leben  eingebüfst  haben,  wodurch  wir 


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tm  yUimtf«  Stotirtique  de.Givim. 

gewib  maDcheo  AuftchlHfs  über  die  namhaft  ^ mnachlcn 
Abweichungea  Yon  andera  Sfädteo  und  Gegenden  er- 
halten hätten. 

Die  Zahl  der  geschlofisenen  Ehen  in  diesen  28  Jahrea 
ist  10<t7.  Ausgezeichnei  reich  an  neuen  Ehen  warea 
die  Jahre  1812.  und  1818, 'und  ewar  deshalb,  weil  die 

Ehe  Yor  der  Conscription  schützte. 

Die  meisten  Ehen  kemnien  auf  die  Garnevalemcoate 
Januar  und  Hornung,  die  wenigalen  auf  den  Mirz,  in 

welchen  did  Fasteneeit  jf)£lllt.  In  137  Fällen  hatte  nur 
eine  bürgerliche,  aber  keine  kirchliche  Trauung  statt 
gefunden. 

Die  Geburten  zu  den  Sterbefilllen  verhielten  aioh 
im  Allgemeinen  9:6,  die  minnliehen  Geburten  zu  den 

weiblichen  11  :  10,  die  Sterbefalle  bei  den  Männern  zu 
denen  beim  weiblichen  Geschlechte  40  i  39.  Auf  eine 
Ehe  kommen  4t%  Geburten. 

Zu  bedauern  ist  es,  dafs  der  Verf  nicht  die  Ver- 
hältnisse der  Ehen ,  Sterbefalle,  Geburten ,  des  Alters  zu 
den  verschiedenen  Ständen  ermitteln  konnte. 

Die  zweite  Schrift  enthält  die  Resultate  einer  Zu* 

sammensteliung  der  Geburten  innerhalb  einig-er  Decea- 
nien  in  vielen  Ländern  Europa'«.  In  Frankreich  kom- 
men die  meisten  Geburten  auf  den  Monat  Februar, 
den  sweiten  Platz  hat  der  März,  nächst  diesem  der 
Januar,  hierauf  der  April,  der  November,  der  Septem- 
ber; die  wenigsten  Geburten  fallen  dem  Julius  anheim, 
dann  folg;6n  der  Junius,  der  August,  der  Mai,  der 
Oetober,  der  December.  Dem  geniäfs  finden  die  niei- 
eten  Coneeptionen  statt  im  Mai,  Juoi,  April,,  die  we^ 
Bigsten  im  Ocipber,  September,  November.  ~ 

(Der  B99ehluja  folgt,} 


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Vl\  62.   U£10£LB.  JAHRB.  d.  LITEHATIJR.  1888. 


ViU^rme,  iSMißß^pn  de  Qktar$.  , 

An«  einem  Vergleiche  der  Zahl  der  Geburten  in  den* 

nördlichen  und  südlichen  französischen  Departe- 
Bieots  ergiebt  sich  eine  gröfsere  Empföngnifs  wahrend 
der  Wintermonate  für  die  südlichen  Provinzen,  indefs  in 
den  nördlichen  mehr  Empfängnisse  in  den  Sommermo- 
naten, namentlich  im  September,  erfolgen.  Aehnlicho 
Hesuhatc  lief  ern  andere  Lancier ,  nur  ist  in  Coppeidiagen , 
Holland,  Belgien,  Eng-Iand  u.  s.  w.  nicht  der  Februar, 
sondern  der  März  an  Geburten  der  reichste,  weichem 
letaten  rücksichtlich  der  Conception  der  Junina  entspricht^ 
und  In  Boenos-A^res  kommen  die  meisten  Geburten  auf 
die  dortigen  Wintermoaate  Julius,  August  und  September, 
die  wenigsten  auf  die  dortigen  Sommermonate  Januar, 
Februar  und  März, 

Aus  diesen  und  ähnlichen  statistischen  Zusammenstel- 
lungen glaubt  Ville  rnie  bicli  zu  dem  Schlüsse  berech- 
tigt, dafs  die  letzte  Hälfte  des  Frühlings  und  der  Anfang 
des  Sonimers,  die  Zeiten  der  Volksfeste,  .  Gelage  und 
häufigen  Gesellschaften,  sowie  ein  mäbiger  Beischlaf, 
für  die  Fortpflanzung  günstige  Momente  seyen,  wäh- 
rend der  Spätsommer  und  der  Anfang  des  Herbstes,  die 
Pastenzeit,  die  durch  Theurung  der  Nahrungsmittel  aus- 

f ezeichneten  Zeitabschnitte  einen  entgegengesetzten  Ein- 
ofs  zn  Oben  scheinen. 

Auch  die  Nähe  bedeutender  Sümpfe  sind  der  Zeu- 
gung nicht  förderlich ,  wenigstens  fand  der  Verf.  in  den 
anMmpfeo  reichen  Landstrecken  eine  ungewöhnlich  ge- 
ringe Geburtenzahl.  —  DieSumpfausdünstnngen  gehdren 
zu  den  schwächenden  Einflüssen  und  können  schon  ai^ 
dLesem  Grunde  die  Fortpflanzung  nicht  begünstigen. 
XXVI.  Jaliti^.  10.  Heft.  62 


1 


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SfeMilatiT«  PMlOMpbi«. 


Ein  Umstand,  der  auch  einigermafsen  für  die  grös- 
sere Geschlechtslust  im  Früliiiiig  und  Frflhsoininer  spricht, 
ist  die  um  diese  Zeit  in  Frankreich  beobachtete  unge- 
wöhnliche Hittfigkml  der  Nethsttobt,  welolle  nr  KennW 
nife  der  dortigen  Gerichte  icem. 

'  Die  gröfsere  oder  ^geringere  Zahl  der  iu  niancheo 
Zcitperiodea  netveschlossenen  Ehen  ««iheint^  nicshl  we- 
«eQtUck  auf  die  Zahl  der  Geburten  in  infloiii»n,  ja  m 

scheinen  sogar  auiser  aller  Beziehung  zu  stehen,  wenig- 
gtens  ergiebt  bich  nichts  Bestimmtes  aus  d^  hier  mifge- 
4b«Uten  Schiffern. 

'  V  i  1 1  e r  m  e  verspricht  ähnliche  Untersuchungen  über 
'  'dRe  Mortalität  im  Allgemeinen ,  über  die  Sterblichkeit 
'eines  jeden  Alters,  über  die  Krankheiten  tn  Besiehung 
m  den  Jahreszeiten,  Klimans,  welche  zusamiAen  dib 
Bruchsteine  tu  einem  amfrssenden  Werke  Ober  Hygiefnu 
publica  und  Mediciualpolizel  abgeben. 

Hey  f  eider.. 


♦ 

1>  Bmgtl»  y9ri9»ung$n  üttr  äiß  Pkilo40pki9  der  R§ligi9n, 
neSft  dner  Schrift  ^er  dh  Beweiee  vom  Pofey»  Gnitea^  kertmig- 
9on  Dr.  Pk.'Markeinee^e  u.  9.W. 

t)   Die  Idee  der  Gottheii,  von  C.  H,  H  eif%e  u.  <.  10. 

Die  Grundauge  der  philoeep&ieehen  Beligienelehrf 
dargeetdtt  nen  J.  7A.      Süubedieeen  ü'  e, 

4)  J.  Erickson  ,  über  die  Thtodiceci  über  das  m  oraltsche 
und  ühthetische  Ucbel,  Probleme  der  Theodicee}  über 
den  Endzweck  der  U  elt  u.  s.  w, 

(Sorteetgung  der  im  vorigen  Hejt,  abgebrochenen  Recension.) 

*  Diese  Betrachtungen  leiten  «um  Werke  des  Prof. 
Weifse:  „Ueber  die  Idee  der  Gottheit''  hin- 
über, in  welchem  uns  nicht  nnr  eine  scharfe  EiDsicbt 
über  den  charakteristischen  Mangel  de»  Iiege1*schM 


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flttndpii^lflS  wigegmUlit,*)  Modtrn  das  rnghaUh  dio 
bestimmte  Aufgabe  tu  losen  beginnt,  wiseeaftohaft«* 

lieh  über  jenen  Standpunkt  hinaus  zu  gelangen.  Alle 
die  Ideen,  welche  wir  in  der  Hegel 'sehen  Heligions- 
pbilosophie  theils  verkümmert ,  theils  nicht  erreichl 
Bfiheo,  die  Qe^riffe  eini^  götdicben  Persönlicblieit  jen- 
seits der  Welt,  einer  freien 'Schöpfung  und  Offenbarung 
Gottes,  einer  substantiellen  Individualität  des  krtalürlichen 
Geistes,  mithin  auch  einer  eig;entlichen  Unsterblichkeit 
desselben,  finden  wir  hier  in  den  Vordergrund  gerüclit) 
und  zu  leitenden  Hauptideen  gemacht;  und  so  verdieal 
diese  Schrift  um  desto  gröfsere  Aufmerksamkeit,  als  sie 
nicht  nur,  was  wir  bisher  allerdings  als  die  Hölie  der 
gegenwiirtigen  Philosophie  betrachten  durften,  weiter- 
führt und  fortsetzt,  sondern  bestimmter  noch  dabei  die 
eigentlichen  Lebens-  und  Wendepunkte  zur  Sprach^ 
bringt,  die  nach  wissenscliaftlicbcm  Rechte  eben  jetzt 
an  der  Tagesordnung  zu  seyn  Terdienen.  Aber  noch 
näheres  Interesse  gewährt  sie  dem  Referenten,  der,  iq 
ähnlichen  Untersuchungen  und  Darstellungen  begriffen^ 
die  erfreulicbste^Bürgschaft  fiir  sein  eigenes  Streben  darin 
findet,  nicht  nur  in  der  allgemeinen  Grundansicht,  soii- 
dern  auch  in  vielen  speciellen  Resultaten  dem  Verf.  zu 
begegnen.  In  Betracht  dieses  Eiiiv(^rständnisses  jedoch 
und  des  aufrichtigen  Dankes ,  welchen  er  ihm  bei  dem 
Studium  seines  Werkes  für  vi d fache  Belehrung  scliuldig 
geworden,  glaubt  er  sein  Bedenken  gegen  einzelne Theile 
der  Darstelinng  um  so  weniger  zurückhalten  zu  dSrfen ; 
und  überhaupt  kann  es,  bei  der  Beengtheit  und  Paithei* 


aigc9tUqhe  Grense  4e«  PanthctamBs  miil  4c«  philoiopliiicliea 
Tbmniiii ,  mit  bepoDderer  Räcltticht  suf  Hegel«  ReligioiuH 
Philosophie^*:  in  Senglere  r^ligiöeer  Seiteohr ift*  Haina 
ISaS.  Befl  I.  II.  III.,  welche  nicht  nur  eine  ilnrchgreifeade  Bc'* 
.  .feuebtang  den  He  gePechen  Stanäponkle,  eeoilern  auch  eine 
iraifere  Äaeffihrung  mancher  iai  oben  ervähnten  Werke  ange« 
demeten  Ueenr  en0ifilt,  welche  man  init  ider  Hanptfchrlfl  ait 
'  '  aef|glaichi0  wshi  tftan  wird« 


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\  -  ' 

■ 

i 

Mi  8|Mc«iaÜT0  PlOlütoplii». 

lichkeit,  die  jetzt  ärger  als  je,  die  einzelnen  pbiloßopht- 
scheu  Be8trebungea  auseinander  hält,  sogar  nicht  ohne 
Belehrung  seyo,  jetsi  wie  künftig  denselben  wesent- 
liehea  lokalt  yoa  iwet'  veftohMdcmn  Sttten  battacbM 
SB  acheik 

'  Zur  Orientirung  über  des  Verfs.  Ansichten  ist  Fol- 
gendes Torausatuschicken :  die  ap^culaliye  Theo- 
logie bildet  nach  ihm  eiuen  besondern,  und  Bwar  den 

letzten  Theil  der  Philosophie  des  absoluten  Geistes.  Sie 
selbst  zerfallt  aber  in  drei  Theile :  1)  die  I(lee  der 
Gottheit,  weiche  im  gegenwärtio  en  Werke  ausgeführt 
ist;  2)  die  Philosophie  der  Keligion,  worin  die 
Gottheit  in  ihrer  cöncrefen  Offenbarung  nach  den  ein- 
zelnen Reli/nifionen,  oder,  wie  der  Verf.  (S.  12.)  sich 
ausdrückt,  nach  ihrem  ,,Erfahrung8begrifFe"  erkannt 
wird;  3)  die  religiöse  Ethik^  welche  das  substan- 
tielle Verhaltnifs  des  Menschen  zu  Gott,  den  Begriff 
des  Guten  und  Bdsen ,  der  Erlösung  u.  s.  w.  zu  unter- 
suchen hat  (S.  312.  73.)  —  Ihrerseits  schliefst  sich  die 
Speculative  Theologie  nach  dem  Verf  an  die  Aesth  etik 
an,  aus  Gründen,  welche  der  weitere  Verlauf  darlegen 
wird.  Ueberhaupt  nämlich  zerffillt  nach  ihm,  die  Lehre 
Tom  absoluten  Geiste  in  die  Idee  der  Wahrheit,  wdche 
'  in  der  Wissenschaft;  der  Schönheit,  welche  in  der 
Kunst;  der  Güte,  welche  in  der  Gottheit  die  ihr  ent- 
sprechende Realität  findet  So  bildet  die  speculative 
Theologie  nicht  nur  den  Schlnfsstein  dee  ganzen  S^fste- 
mes ,  sondern  alle  Hauptfragen  der  Specnlation  können 
erst  hier  in  letzter  Instanz  ihre  Auflösung  finden.  Alles 
Vorhergehende  ist  daher,  wenn  auch  nicht  von  blos 
problematischer  Wahrheit,  doch  lediglich  Vorbereitung 
auf  den  höchsten  Standpunkt,  der  erst  am  Ende  des 
Ganzen  erreicht  wird. 

Gegen  diese  Gesamoitanordnung  desSj^stemes  können 
wir  einiges  Bedenken  nicht  zurOckhalten.  Hiernach  schieae 
Dflmlich  fast  das  Ende  des  Systemes  ein  neuer  Anfaug 

zu  werden,  xler  von  hinten  Alles  aufzulösen  und  uui^u- 


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Speculalive  Philosophie.  ■ 

gesUiten  droht,  was  bisher  in  ihm  ausgemacht  war.  Die 
Ideen  nämlich,  deren  Erdrlemng  der  Verf.  bis  an's 
Ende  aufspart,  Wie  jene  der  Persdoliohkeit  Gottes,  der 
Schöpfung;,  der  freiMi  BatwicKlung  der  Kreatur  aus  sich 
selbst  u.  s.  w. ,  sind  von  so  fundamentaler  Bedeutung, 
dafs  sie  durch  das  gesammte  System  iiinciurchgreifen  und 
ihm  das  charakteristische  Gepräge  aufdrücken.  Falls 
mn  dieselben  erst  dann  cur  Sprache  kommen ,  wenn  alle 
speciellen  Fragen  der  Natur-»  und  Geistphilosophie  be- 
reits erledigt  sind  :  so  bleiben  sie  entweder  ohne  rück- 
wirkende und  berichtigende  Kraft  für  die  ganze  Ansicht  - 
10  ihren  früheren  Theiien,  wie  es  allerdings  nach  strenger 
GoBseqiiene  sich  Torhallen  müTsle;  und  wir  haben  dann 
swei  Philosophien,  nicht  E^ne.  Oder  es  wird  jenes 
höchste  Resultat  schon  stillschweigend  für  die  früheren 
Theile  des  Sj^stemes  anticipirt,  sie  bereiten  durch  ihren 
Inhalt  jene  höchsten  Ideen  vor,  und  leiten  ihre  wissen* 
.schaftliche Begründung  ein,  ^ie  denn  das  Letztere  wirk* 
Kch  die  Meinung  unseres  Verfs.  ist:  so  bleibt  wenigstens 
der  unbequeme  Zirkel  übrig-,  dafs,  wenn  zuerst  von  der 
Folge  zum  Grunde,  von  der  Welt  zu  Gott  autge- 
«ti^en  worden ,  nachher  anf  irgend  eine  Weise  der  Rück- 
weg von  Oben  herab  gesucht  werden  miiili^  nm  auf  die 
einzig  speculative  Art  des  Beweises  das  Begründete  wie- 
derum aus  seinem  Grunde  hervorgehen  zu  lassen.  Immer 
wird  man  daau  gedrängt  werden,  nachdem  man  den 
Gipfel  gewonnen,  nach  das  Vorhergehende  darnach  von 
Nenem  nmziigestalten ,  wodurch  die  Form  des  Systeme» 
äufeerlich  auseinanderweicht  —  Wir  erkennen  jedoch 
in  dieser  Anordnung  eigentlich  nur  ein  noch  nicht  abge- 
streiftes Erbstück  aus  der  Heg  ei  sehen  Lehre  vom  ab- 
SC^luten  Geiste,  welches  dort  ganz  am  Platze,  hier  aber 
schlechthin  zu  beseitigen  seyn  möchte.  Dort  ist  es  uämr 
lieh  Gott  selbst,  der  sieh,  wie  auf  den  vorhergehenden 
Stufen,  so  auch  in  den  Momenten  des  absoluten  Geistes 
dialektisch  vollendet;  daher  er  auch  nur  im  kreatiii  liehen 
Bewufstseyn  Person  wird.  Weifse  erhebt  sich  ent- 
scheidend über  den  Begriff  des  absoluten  Processcs  ztfr 


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mz  Speculativ«  Pliilovoplii«. 

Ideeller  göttlichen  Persönlichkeit:  damit  gewinnt 
Alles  eio  aadere§  Ansehen,  und  wie  er  dadurch  dem 
LeichoaiD  jener  Phi(|^ophie  suerst  Leben  und  Beseelung 
einlHinchte;  eo  ist  dieseldee  «dbatvlel  z«  umBchaifleiid 
für  die  gesammte  Grundansicht  in  allen  ihren  TheHen, 
um  bis  ans  Ende  aufgespart  zu  werden.  Vielmehr  ist  es 
oach  unserer  Ueberzeugung  schon  die  Aufgabe  der  Onto* 
logie  oder  Metaphy§ik,  als  .der  Lehre  von  den  ewigen 
Ideeo  ~  däeaelbe,  was  Hegel  die  Logilc  genmt 
hat  ^  den  Begriff  der  Gottheit  bis  zn  jener  Höhe  flu 
vollenden,  wodurch  sie  sich  in  ihrem  Fortgange  zu  spc- 
■Ottlatifer  Theologie  verklärt.  Der  Schlufsstein  der  letz- 
teru  wi#e  daher  die  Idee  der  absoluten  Persönlichkeit 
Gottes,  woms  sidi  der  Begvilf  der  freien  Soh^pfanf « 
als  Basis  der  Natur •  tttid  Geistphilosophie,  und  damit 
der  Uebergang  in  die  concreten  Theilc  der  Philosophie 
naturgemäfs  ergebeu  wurde.  Aber  auch  unsern  Veif* 
-hält  Ret  dieser,  wie  er  meiot,  einalg  folg«riehtigea 
Anerdoung  dee  S^pstemes  weniger  abgeneigt ,  indem  er 
(S.  13  ff.  u.  sonst)  ausdrficktich  su  erkennen  glebt:  im 
die  speculative  Theologie,  selbst  in  der  von  ihm  gege- 
benen Steliung,  zur  reinen  Metaphysik  aurückza- 
kehren  scheine  9  dafs  mati  ihre  Begrifieeniwicklungra 
«b«trakt  logische'  nennen  ktene^  ohne  jedoch  dabei 
on  vergessen t  ^daft  sie  empirische  ThatsaeVen 
vor  sich  und  hinter  sich  habe"  Es  ist  nicht  zu  ver- 
kennen, dafs  in  den  letzten  Worten  der  Hauptgrund 
liegt,  warum  der  Verf.  die  speculatite  Theniogfie  hinter 
die  Aesthelak^  mithin  an'sBnde  desAystemes  gestetii  hat, 
Jene  Tör  eie  fallenden  „empirischen  Thatsachen**  sind 
ihm  nämlich  die  in  der  Aesthenk  abg(  f(  iteten  Begriffe 
der  Schönheit,  des  Genius,  der  Liebe,  der  Giate.  weiche 
aich  in  der  Idee  der  Gottheit  dialektisch  coneeatriren, 
mithin  dieser  ihre  Entstehung  geben,       Sollte  tndeft 


*)  S.  «Jilee  der  Gottheit,**  S.  88-*- 56.  und  »«Abrifs  meine« 
■tems*!  in  Weifae^s  Schrift;  ,»öber  da«  VerhUtofb  de»  PMl- 
l(ai|M  W  Piiitotophie,*'  8.74.  79 9  —"eio«  Sehrift»  wddbe 


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m 


sieh  ftidtfli,  wie^Rcf.  in  eigenen  Derelellnngm  Bu  zeige» 
iiofti  dnik  jene  Idee  aneh  Anf  kOrserin  Wege  und  an 

anderer  Stelle  sich  wissenschaftlich  eotvvickein  lasse,  so 
glaubt  er  gerechtfertigt  zu  sejn,  wenn  er  jene  Gründe 
zwar  Aaerkiennend^  doch  nicht  von  ihnen  fiberseugt^  f&r 
sieb  von  dieoer  Anordnung  keinen  GebriMich  macht 

Wir  geben  vorerst  eine  zusaminenged räumte  lieber- 
Bwhl  des  Gedankengangs,  bevorworieod  jedoch,  dafr 
manobfls  Einzelne,  b^eadera  dieinteneflapnteoJiiatAriacbfQ 
Erorleningen  der  Schrift,  Übergang^  werd«n  mufa 

Die  Abhandlung  zerfallt  in  drei  Hauptabsehniite , 
von  denen  der  erste  den  pa n theistischen  Standpunkt 
darstellt  IMeser  gebt  dialektisoh  in  den' zweiten,  dett 
Deisnfna  über,  welcher  sich  ab  direkten  Gegenatle 

des  ersten  erweist:  beide  volleu<len  sich  endlich  in  dem 
dritten,  vermittelnden,  der  Idee  der  (iottlieit.  Jedem 
dieser  Standpunkte  entspricht  zugleich  nach  des  Verfg. 
Behauptung  eine  der  bekannten  Beweiafornien  Ar  den 
Sasejn  Gottes,  dem  pantheistiechen  der  ootolegfache, 
dem  deistisehen  der  kosmologische ,  dem  vermittefadeHf 
endlich  der  teleolojs^ische,  wodurch  diese  Beweise  nicht, 
wie  gewöhnlich,  blos  vereinzelt  betrachtet,  sondern  als 
in  einander  ftbergehende  und  sich  erginzende  nacbge-' 
wiesen  werden. 

Der  Begriff  der  Gottheit  ist  abzuleiten  aus  den  Yor- 
hergehenden  Ideen  der  Wahrheit  lind  der  Schön- 
h^U,  welche  in  der  Idee  des  Gnten  Tcrrntttelt  werden; 
WShrend  aher  bei  jenen  ihre  RealHit  eich  «mptrisch 
and  faktisch  von  selbst  erweiset;  ist  für  diese  dagegen 
der  Beweis  der  Realität  erst  zu  führen.  Aber  in  welcher 
Weise?  Aus  der  Idee  des  Urguten  selbst  mufs  das 
Sayn  desselben,  aelne  Realität  erscbhisaen  werdent 
ditteir  Gedankengang  ist  vorgebildet  In  dem  ontotogi- 


«b^slMiij^t  mU  il€r  kier  a«g«B«iglcQ  ▼o^slictoi  ^mtdßu  «aft«, 
«m  die  wimiilicliaftlichem  Annohteo  des  Yerft.  ia  Ibren  gaaian 
2a«amraen1iaage  tn  filiertehea*  • 


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scheo  Beweise:  derSchlufg  von  den  Begrifl(B  mf 

f|«8  Sciyn  Golt«8»  welcher  hier  indeb  eolwiokell,  mnd 
Ton  seinem  änfeerlichen  sjllogistischea  Formalisimis  be* 

freit  werden  nuifs. 

Der  Welt  in  ihrer  Tofalitit,  wiefern  in  ihr  da«  Oote 

sich  zun  erscheinenden  Existenz  herausbildet,  kommt 
Schönheit  zu.    Die  schöpferische  Kraft  derselben  in 
der  Weit  ist  aber  Eines  und  Dasselbe  mit  Jenem  Einlieits* 
principe  der  weltlieheb  Dinge :  in  Gott  iui  das  hdoiiete 
Princip  der  Schönheit,  weshalb  er,  mit  AoedrSeken  ,- die 
sich  aus  der  Aesthetik  von  selbst  zur  Entlehnung^  dar* 
bieten,  der  Welt^enins,  oder  auch  das  alte  Kreaturen 
zur  Schönheit  verknüpfende  Band  der  Liebe  genannt 
werden  kann.  (8.  62.63  )  —  Wir  haben  diese  SteUe 
herausgehoben,  um  die  nähere  Anknfipfnng  unseres  Verfiu 
an  die  Aetthetik  zu  zeigen,  wodurch  freilich  in  diesem 
Znsammenhange  sein  Standpunkt  gerechtfcrtig-t  erscheint. 
Bei  uns  tritt  an  die  Stelle  jenes  Begriffs  der  Schönheit 
der  rein  ontologische :  der  Einheit  in  der  Unendlich- 
fceit,  oder  populär  ausgedrfickt :  der  Wbhlordnnog,  der 
Harmonie  {noa^og),  worin  in  höchster  Abstraktion 
dasselbe  Princip  ausgesprochen  ist,  was  sich  in  sinnli- 
cher Erscheinung  als  Schönheit,  in  der  Geisterwelt 
als  sittliche  Weltordnung,  in  Gott  als  höchste  Vor- 
eehnng  nunifestirt.   Je  weniger  wir  deshalb  selbst  den- 
Umweg  darch  die  Aesthetik  nothwendig  finden,  um  so 
mehr  müssen  wir  im  nächsten  Fortg.mg^  des  Werkes  darin 
einen  Absprung,  ja  ein  Rückgreiien  in  das  Abstrakte  und 
blos  Metaphysisdie  erblicken,  wenn  er  nach  einer  so 
ästhetisch -geistigen  Auffassung  der  Idee  der  Gottheit 
(S.  66  ff.)  die  Untersuchung  über  ihr  Verhältnifs  zu  Zeit 
und  Raum  folgen  läfst,  wiewohl  wir  dem  darin  Ausge- 
führten dem  Inhalte  nach  vollkommen  beistimmen«  Es 
ist  nämlich  unsers  Erachtens  eines  der  gröftten,  aber 
▼erbreitetsten  specnlativen  Vorurtheile ,  die  räumlich-- 
zeitliche  Existenz  dem  Absoluten ,  als  dem  Dinge  an  sich 
abzusprechen,  und  es  so  zu  einem  wahrhaft  Unwirkli- 


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dm,  j«  w«iHi  num  den  Beg-riff  flcMrfer  enrSgen  wolU«^ 

in  sich  Widersprechenden  zu  machen;  und  es  verräth 
Ton  Seiten  unseres  Verf^.  die  tiefste  Einsicht  in  die  bis- 
herigen Gebrechen  der  Speculatioii,  dafs  er  diesem  tra- 
ditioDelleo  VoriirlbeUe  kfihn  entgSBg^Dlritt  Sayn  heiÜBt 
nach  ihm:  10  der  Zeit  scyn,  cLh.  eine Vergangeiiheiti 
Gegenwart  und  Zukunft  haben.*)  —  Deshalb  würde  ich 
jedoch  den  Ausdruck:  A  u fse r zeitlichkeit  (S.  70.  71. 
?ergL  auch  S.  77.)  auf  die  apriorische  Begriffswelt  nicht 
«Dweodbar  findeo,  ujnzn  bezeicbneii,  dafs  sie,  alsbloW 
Begriffe,  das  noch  nicht  Wiricliche  rind:  ich  würde  den 
Ausdruck:  Nicht-  oder  U  nzeitl  ichkei  t  für  dieses 
Verhältnifs  bezeichnender  finden,  in  dem  Sinne,  dafs 
sie  noch  ZU  abstrakt  sind,  um  etwas  Wirkliches  =  Zeit- 
lioiies  zu  bezeichnen,  iviewobi  in  ihnen  die  Grundlage 
aller  Wirklichkeit  enthalten  ist  Dennoch  ist  Gott  eben 
die  Einheit  jener  Xicht- Zeitlichkeit  und  der  unendli- 
chen Dauer  in  der  Zeit,  weil  er  nicht  blos  der  aprio- 
rische Begriff,  sondern  damit  zugleich  auch  die  volle 
Wirklichkeit  ist  Gleicherweise  yerhält  es  sich  mit  dem 
Begriffe  des  Raumes,  und  so  „bildet  sich  dasSeyn 
Gottes  in  die  Formen  der  Zeit"  (und  des  Raumes) 
»»hinein,  §o  gewifs  es  ein  Wirkliches  ist."  (S.  78.)  — 
Bies  ist  damit  zugleich  der  wahre  Kern  der  ontologischen 
Beweisführung:  der  Beweis  der  Raum-Zeitlichkeit 
Gottes  ist  zugleich  der  seiner  Allgegenwart,  oder 
der  absoluten  Wirklichkeit  seiner  Idee.  Damit  nun 
der  Sache  nach  einverstanden,  finden  wir  nur  den  oben 
angeführten  Ausdruck  nicht  ganz  bezeichnend,  ja  viel- 
leicht Mifsverständnife  erweckend.  Zunächst  ist  nämlich 
das  Absolute  sich  selbst  das  Formgebende;  nicht  aber 


*)  S. ,« Abrift  meinet  Systems**  a. a.O.  8. 96«  „Esisteos  und  * 
Wirklichkeit  iet  nur  derajenigea  muiehreiben,  vae  entweder 
noter'  der  Fenn  der  Zelt  geietst ,  oder  der  beharrliche  Orttnd 
elnee  unter  dieeev  Form  Geeefsten  iet,  d«  h.  fnr  dae  et  eine  Vor- 
gnnaenfa^t,  Gegenwart  und  Znknnft  giebt.**-  Idee  d«  Gott b* 
8>  88«  88* 


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986  S|i«cnlitive  FliilMopliie. 

failflet  es  steh  ein  in  ifgend  eine  ((pIo9  vortiismMtsettdQ) 

Form.  Wesentlicher  jedoch  ist  überhaupt  nicht  einmal 
zu  sagen:  ilafs  Gott  eintritt  oder  sich  einbildet  in  Raum 
und  Zeit,  als  ob  beide  irgend'  etwas  w&Yea  neben  eder 
au  FS  er  ilini.  Vielmehr  ist  «u  eefgen,  wad  unsere  onto* 
logifvehe  Rmtm-  und  Zeiltheorfe  nachzuweisen  gedenkt, 
welche  bisher  freilich  mehr  nur  in  polemischer  Beziehung 
von  uns  dargestellt  werden  konnte:  wie  das  A^^solute, 
als  thatkräftig  sieh  auswirkendes,  die  unendliche  PfiHe 
des  Daseins  in  sich  vollsiehf  und  ist,  deren  aosgelaerta 
Form  unser  Denken  als  Räumlichkeit  und  Zeitlichkeit 
fafst,  welche  an  sich  selbst  jedoch,  d.  h.  als  leere,  Wi- 
dersprüche sind,  und  in  flen  Begriff  der  weseo- 
haften,  realen  Unendlichkeit  zurücklaufen.  Gott  ist 
die  absolute  Allwtrklichkeit,  d.  h.  Alidauer  uud  All-' 
rSumlichkeit;  das  schlechthin  Raum  und  Zeit  Schaf« 
f en d  -  Erf ß I ! end e.  Dies  ist  unseres  Erachtens  die 
bleibende  Wahrheit  des  pantheistischen  Standpunkts, 
und  es  wird  hierdurch  in  unserer  Metaphysik  dasJeDiga 
geleistet)  was  etwa  mit  dem  ontoiogischen  Beweise  Ter* 
glichen  werden  könnte:  die  Idee  Gottes  hat  siqh  als  die 
unendliche  Wirklichkeit  nachgeuiesen. 

Hierdurch  betreten  wir  mit  uuserm  Verf.  die  BegriA* 

Sphäre  des  Deismus  (IL  Abtheil.  S.  139  ff.),  als  dessen 
historischer  Repräsentant  Leibnitz  bezeichnet  wird. 
P,amit  bctgegp^n  wir  jedoch  uoerwar^  «iaem  Rückschritt 
auf  eineo,  wie  wir  glaubten,  f&r  immer  Aberwundenen 
Standpunkt,  welchen  der  Verf.  zwar  als  dialektisch  noih- 
wendig  nachweisen  will ,  ohne  uns  jedoch  von  dieser 
Nothwendigkeit  überzeugen  zu  können.  Um  nämlich  die 
Begriffe  der  A ufser wel tlich keit  (?)  und  Persön- 
lichkeit Gottes  abzuleiten,  knüpft  er  an  die  Form  dss 
kosmologischen  Beweises  an ,  woraus  ein  Gegenüber,  eia 
Gegensatz  sich  ergeben  soll  zwischen  dem  Grunde  der 
Welt,  Gott,  und  der  Welt  selbst.  (S.  158.)  Am  Be- 
griffe der  Welt  soll  sich  die  GewiMieit  eines  jensei- 
tigen Grundes  derselben  ergebe? ,  ^^weil  eben  dieSchün- 


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heil  die  Aufbewahreriri  jenes  in  flfem  WelthegrifFe  unter- 
gegangenen, aber  als  Forcleriing  eines  Höheren,  nie  zu 
Tertilgemlen  Ei nheit8begri ffefl  ist/'  Die  Oioge  der 
WeK,  wiefern  sie  diesiftf  f^hdl -edtbellrten,  frftren  n-» 
ftltige;  diese  Eullilifgkeit  jedoch  hebe  fifcll  selbst  auf 
durch  die  in  der  Welt  gesetzte  Schönheit,  worin  die 
Gewirsheii  eines  geistig  Ab<;oluteo  als  eines  Jens  et  ^  .. 
tigen  ausgesprochen  sey.  (8.159.)  Wartttn  jedoeh  der 
tetstere  Betriff  damit  als  jenseitiger,  aiifserwelti« 
Rchier  bezeichnet  wird ,  ist  nicht  absnsffien.  Der  Be^ 
gtiff  des  „Grundes"  erweiset  sich  diaielctisch  viehnehr  * 
als  wirklich  nur  in  seinem  Begründeten;  der  Begriff  der 
„Einheit"'  (des  lebendi^on  Einens)  ebenso  ab  nur  in  der 
Wirklichkeit  seines  Vielen  gegenwärtig:  Und  so  ist 
jenes  v^meintliche  Gegenttber  ewischen  Gott  und  Wek 
durch  <lie  Dialektik  jener  ße^i  ifF*^f)estimmunjcren  vielnu  hr 
wieder  aufgehoben  und  vernichtet,  was  auch  des  Verfs. 
schliefeiiehe  Meinung  ist,  wfthr«nd  er  Iiier  mir  eineU 
flwisefaenstandpunfct  einnimmt,  der  nach  «nserm  Dafür- 
Mten  gar  -fc^ne  |>Mk»sophfsehe  Bedeatang  hat.  Whr 
■werden  vielmehr  mit  den  Ausdrücken  von  extramundan 
und  iutramUndan  an  die  Vorstellungen  erinnert,  mit  vvel- 
dien  sich  etwa  Jacobi  noch  herumschlug,  die  aber 
teheu  Lessing  kurzweg  für  ungeoiefsbar  erklärte, 
vni  sich  in  diesen  Gk^enstSnden ,  was  auch  jetet  noch 
2U  beherzigen,  „Alles  natQrlich  ausgebeten  haben  %vollte." 
Soll  darin  aber  der  wesentliche  Begriff  des  Deismus 
bestellen )  so  sind  wir  völlig  der  Meinnng,  ihm  als  einer 
Ittbraachbaren  Ansicht  damit  fiir  imikial'  den  Abschied 
BS  ^^en.  Allerdings  bat  der  Verf.  recht,  wenn  er  in 
Rolchetn  Deismus  die  Wurzel  der  gewöhnlichen  rationa» 
iistischen  Ansichten  findet,  und  behauptet,  dais  Gott 
damit  in  ein  Unbekanntes,  blos  Geglaubtes  sich  ver« 
Modle;  aber  wir  leugnen,  dafs  es  ein  speculativer  Stand* 
punkt  sey,  noch  mehr,  dafs  er,  als  der  höhere,  den 
Pantheismus  widerlegen  könne.  Doch  ist  die  Betrachtung 
wichtig  und  wesentlich ,  zu  der  sogleich  ubergegangen 
wird,  dafs  ^rst  durch  den  Begrff  der  göitltehen  P«r-» 


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r 

gdalichkeit  (im  DdtDiüs)  m  Miitd  gegeben  wefde, 

dem  Pantheismus  „entgegenzutreten."  (S.  161.)  Nur 
meinen  wir,  bedarf  es  gar  nicht,  eines  Theils  eines  sol- 
chen Eütgegentretens,  andern  Theiis  ein^  solchen 
deiatischen  PeradlDlichkeit  Gottes,  wenn  vom  panthei* 
«tischeo  Standponlit  auf  den  theislischen  in  der  Thit 
dialektisch  übergangen ,  jeder  derselben  also  mit  dem 
andern  wahrhaft  vermittelt  und  zu  einem  höhern  drttteo 
erhoben  wird.  Was  am  Pantheismus  wahr  ist,  die  un- 
verbrüchliche Einheit  (Sottes  mit  der  Welt,  bedarf  iiiclit 
'  erst  wieder  an%ehoben  oder  zweifelhaft  gemaeht  n 
werden,  sondern  es  wird  durch  den  Theismus  nur  Weiter» 
gefuhrt,  damit  aber  berichtigt  uiid  verklärt,  indem  Gott 
hier  zugleich  als  der  ur persönliche  begriffen 
firird.  Wie  Gott  als  Substanz  Eins  ist  mit  der  Welt, 
SO  erbebt  ersieh  über  dieselbe  als  Subjekt,  d«fa.  naeh 
unserer  Terminologie :  als  absolutes  Selbst  und  Allbe- 
wulhtse^u  :  und  es  ist  das  tiefe  und  doch  sonnenhelle 
Mysterium  der  Person,  des  Selbst  in  Gott  wie  in  (ier 
Kreatur,  dafs  es  das  Aussondernde  zugleich  und  das 
frei  Vereinende,  —  das  Unterscheidende,  aber  gerade 
im  Unterschiedenen  Bindende  ist^  Aus  diesem  Theis- 
mus aber,  der  zugleich  pantheistische  Grundlage  hat, 
mufs  sich  die  neue  Philosophie  erheben,  in  der  diese 
den  Leib,  jener  die  Seele  des  Ganzen  bildet,  und  woriO) 
was  sonst  nur  Gegenstand  eines  Glaubens,  oder  entferoteS 
Ziel  einer  aufdämmernden  Sehnsucht  war,  hier  der  einzig 
stichhalteede  Gegenstand  des  freien  Erkennens ,  ja  der 
unmittelbar  vergegenwärtigenden  Anschauung  wird.  Wir 
brauchen  fortan,  über  Gottes  Geist  und  seine  Absichten 
nicht  mehr  specnlativ  oder  phantaslisch«- ahnungsvoll  si 
träumen:  er  .ist  vielmehr  allgegenwärtig  und  aller* 
kennbar  in  jedem  Zuge  der  Welt;  das  Tiefste  und 
Höchste  ist  damit  das  Fafslichste  geworden,  und  jeder 
wahrhafte  Gegensatz  zwischen  £rkeanea,  Glauben,  An* 
schauen  darin  aufgehoben. 

Aus  gleichem  Grunde  scheint  tpns  von  diesen  Dsii* 
mus  aus  ein  neues    dialektisches  Umächlagen  des  Deii- 


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nw  imd  Mckgaiif  in  den  nintbefmim^  (iS.  IM  ff.) 

gleichfalls  nicht  noth wendige,  weiche  nach  unterm  Verf. 
io  deu  beiden  Formen  des  Identität«i8ji)teaies  (als  teleoio- 
^i<;chem  Pantheismus)  und  der  dialektisch  speculativen 
Methode  (inUef^l)  beziehen  sollen,  üa«. leiste S^ttm 
wird  abslrakter  Bef  riffspantheismus  genannt,  ond  ala  die 
leiste  Spitze  und  als  Endresultat  aller  auf  dem  ontologi- 
sehen  Standpunkte  zurückbleibender  oder  vom  kosmolo- 
gischen  auf  ihn  wieder  zurücksinkender  Theologie  be- 
seicbnet  (S.  229.)  Allerdings  verharren  jene  Systeme 
noch  auf  dem  über  wiegend  pantheistiseben  Standpunkte; 
aber  wir  mflaaen  sie  schon  als  wesentliche  Vorstufen  er* 
kennen  zur  wissenschaftlichen  Vermittlung  des  Pantheis- 
mus und  des  Theismus.  Schellings  Naturphilosophie, 
—  so  lange  er  nämlich  nur  diese  Seite  hervorhob;  später 
hat  bekanntlich  der  tieftinnige  Urheber  derselben  die 
gerechte  Erwartung  eines  weit  höhern  Abschlusses  seiner 
Philosophie  erregt;  —  hatte  das  Absolute  unter  dem 
Begriffe  des  absoluten  Lebens,  der  immanenten  V  ernunft 
^irt,  und  damit  die  anendlich  wichtige  Idee  desDyna* 
Huschen  in  die  Wissenschaft  eingeführt  Hegel  sog 
schon  deutlicher  die  HGlle  hinweg  von  dem  tiefsten  Ge- 
heimnisse: er  bezeichnete  gleich  Anfangs  die  absolute 
Idee  geradezu  als  das  Subjekt,  den  absoldten  Geist; 
aber  mit  charakteristischem  Mangel  verkümmerte  er  sied 
selbst  nachher  diese  Entdeckung , .  indem  er  jenen  ur- 
Idbendigen ,  alle  Erkenntniik  erlösenden  Gedanken  noch 
als  etwas  Abstraktes  behandelte :  das  absolute  Denken 
bleibt  bei  ihm  nur  der  dialektische  Procefs,  der  logisch 
formelle  Gedanke ^  der  sich  noch  nicht  in.  Gott  zur  abso- 
luten ^  in.  der  Kreatur  zur  unendlich  concreten  Persön- 
lichkdt  befreit  hat  — 

'  Aus  Jenem  y^ROckgange"  soll  sich  ab^  die  Erhebni^ 
hl  den  htehsten,  Alles  vermittelnden  Standpunkt  erge- 
ben: dies  ist  der  teleologische  Beweis  oder  die 
Idee  der  Gottheit.  (III.  AbtheiL  S.  234  ff.)  Er 
kenunt  durch  eine  dialektische  Ableitung  des  Begriffes 


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der  Dreieinigkeit     Slüode,  und  ist^  wie*  ^ev  Wie|ii%8le 

und  inhaltsreichste,  so  auch  derjeuige,  bei  welchem  wir 
mit  ta^i  diiichgüngiger  Beistimaiunii;  verweilea  kpQpeji. 

Der  von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit  wirkliche  Gott  ist 
allein  der  dreieiiiige;  sonst  wäre  er  wieder  ntir  das  leere 
Ahstraktum  des  Deismus.  Gott  nämlich,  als  Persdnlich- 
keit  gedacht,  ist  hierin  nicht  blcs  einfaches  Seibstbe- 
wnfstseyn,  was  wiederum  ein  Abstraktum  wire,  sondern 
die  Beziehung  auf  Anderes,  und  zwar  auf  andere 
PersÖidiehkeit  ist  damit  in  ihm  gesetzt..  Dies  abflute 
Verhäitniis  zu  sich  selbst  ist  als  die  zw  eite  Persönlich- 
keit in  Gott  zu  fassen,  aber  das  Verhältnifs  zu  derselbe)^ 
als  einer  ibin  andern,  mithin  als Schdpfung ,  Kreatur^ 
die  zweite  Persönlichkeit  ist  daher  eben  so  sehr  das  Ob- 
jekt, als  der  realisirte  Zweck  der  Schöpfung.  Sie  ist 
das  der  Schöpfung  eingepflanzte  GegenbÜd  des  göttli- 
chen Geistes;  kreat  ürlieher  Geist,  »aber  zu  gleicher 
Odttirchkeit  mit  jenem  berufen.  Damit  wird  jedoch  det 
einseitige  Begriff  eines  Zweckes  aufgehoben:  was  Ziel 
oder  Zweck  der  Schöpfung  ist,  wird  zugleich  als  die 
achlechthio  anfanglose  und  ewige  Selbstbestimmung,  das 
immanente  Wesen  Gottes  begriffen.  —  Diese  zweite  Per- 
ednlichkeit  Gottes  in  der  Wett  wfirde  jedoch  mit  der 
ersten  einen  Gegensatz  bilden,  und  wir  damit  in  einen 
Dualismus  verfallen,  wenn  nicht  ein  dritter  Moment  in 
Gott,  gleichfalls  als  Persönlichkeit,  gesetzt  wäre,  in 
welcher  sich  die  Einheit  jener  beiden  ausdrückHch  be- 
währt und  befhätiget..  (S.  211.)  So  erhalten-  wfr  eioe^ 
dreifachen  Mittelpunkt  der  Selbstheit  in  Gott,  —  eine 
dreifache  Ichheit,  woraus  sich  die  alte  Triniläls- 
iehre  Ton  Vater,  Sohn,  und  Geist,  dem  letztern ^  .a|$ 
ausdrücklich  ausgehend  zugleich  von  Vater  und  Sohn,-^ 
spccttitiav  abgeleitet  findet  (8. 9t3  )  Das  t^e^riofpche, 
die  W^t  schöpferisch  ordnende  und  zusammenhaltende 
Bewufstseyn  ist  nur  Eines,  die  der  Welt  gegenüber«*- 
stehende  FersönUchkeit  def  Vaters:   die  zweite,  der 

kv^atörliolie  ßmi^  ab^r  ^Wl  G<^taicbk#i^ ^brsiMWint» 


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«bo  an  «gIi  oder  dm  Begriffe  nach,  Bios  lail*  jener, 

ist  der  Soho;  ciie  thatkräfüge  Einheit  beider,  das  Er- 
heben des  kieatüriicheu  Geist«>s  zur  Göttlic)ikeit,  ist  die 
driUe  eerstm,  der  Geist  (&  ?&> 

In  (lieber  Deduction  könnte  die  Behauptung;  einer 
drei  fach  eu  Ichheit  in  Gott  allerdings  unerwartet  er* 
scheinen,  und  wir  glauben  sricht,  dafs  speculatiT  oder 
auch  nacli  dem  kirchlich  dognnithcheii  Sprachgebrauche 
die  Sabstantlirung  des  Geistes  als  drittes  Ich  in  Gott 
ern  adSquater  Ausdruck  sey.  Rr  ist,  und  deshalb  heifst 
er  ausdrücklich  der  heilige  Geist,  auch  nach  W  ei  Ts  es 
Darstelhjng  die  hergestellte  Einheit  zi^ischen  cfein  gött- 
lichen ond  kreafUriichen  Ich,  die  yerwirkllchte  SohO'- 
Schaft  des  Mssteren,  urodnrch  berde  wesentlich  Eins, 
nämiich  Zwei  sijid  ohne  innere  Trennung,  Tiehiiehr  im 
Bande  der  Liebe  geeinigt,  wodurch  erst  die  Erlösung 
voll  bracht  ist  —  Bs  ist  hier  nicht  der  Ort,  nach  diesen 
Prflmissen  unsere  Ansicht  von  der  Trhiitit  weiter  darzii« 
legen ;  wir  wollen  nur  aufmerksam  machen  :  dafs  hier- 
nach Gott,  unter  der  Kategorie  des  Weltschöpfers 
gefafst,  noch  gar  nicht  als  Drei  einiger  bu  denken  sey. 
£r  ist  als  solcher  nur  die  weltsciidpferische  Vernmi£l, 
der  JbogoS,  der,  im  Anfange  bei  Gott  und  Goti  selbsl, 
dennoch  dem  Begriffe  nach  von  ihm  zu  unter8cheide|i 
ist:  diese  schöpferische  Offenbarung  in  die  Welt  ist  die 
unmittelbare  und  ewige  Folge  seioes  Seyns,  —  liacl| 
bildlicber  Analogie^  der  ewig  und  allein  Gezeugte 
in^moroHOQ  nai  ßovayiPVQ)j  der  ewige,  Soliq  des 
Vaters,  durch  den  alle  Dinge  sind.  Diese  Einsicht 
von  dei  ewigen  SelbstefFenbarung^  dt  r  g^öttlichen  Vernunft 
als  Weit  war  jeflocb  auch  der  tiefem  Speeulatioa  des 
Aiterthoms  keineswegn  fremd,  wie  ja  selbst  der  Aii»t 
drucks  L^gos  oder  Nas  nur  nus  platonischer  und  arir 
stotelischer  Philosophie  sich  in  die  jüdisch -christliche 
Gnosis  fortgepflanzt  hat.  Aber  entschieden  blieb  dem 
Alterthume  die  fernere  Erkeuatnifs  Gottes,  dafs  er  der 
Welterldser  eey,  versagt:  diese  ist  die  eigen  thümüch 


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998  8pecBlativ0  PhilMplile. 

christliche,  den  Begriff  Gottes  erst  vollendende,  so  wie 
er  auch  hierin  erst  als  Dreieiniger  gefafst  werden  kann. 
Daraus  ergiebt  sich,  mit  welchem  Rechte  die  alten  Kir- 
chenlehrer behaapten  konnten,  daDi  in  der  Tdaität  nidift  • 
nur  das  charaktertaiieche  Mysterium  des  Chrislenihnms 
enthüllt,  sondern  auch,  dafs  die  Einsicht  in  dieselbe 
allein  dem  Christenthume  vorbehalten  sey,  weil  Gott 
erst  in  ihm  sich  gaoz  nnd  nach  allen  Richtungen  seiaoi 
Weeene  offenbarl  habe.  Aua  demselben  Grunde  köaoio 
wir  auch  nicht  ganst  dem  Satse  beislimnien :  „  dafs  dia 
Dreiheit  der  Personen  in  Gott  wäre,  auch  wenn  es  keine 
Welt  noch  Schöpfung  gebe"  (S.  269.);  wodurch 
fast  wieder  an  den  deistischen  Standpunkt. eines  Gegen- 
salses  und  einer  Trennung  Gottes  und  der  Well  erioserl 
SU  werden  schebt  Doch  bezeichnet  jener  Satx  Tiefradir, 
wie  der  folgende  Zusammenhang  ergiebt,  dafs  die  Mo- 
mente des  Unterschiedes,  die  Nacheinanderfolge  im  Be- 
griffe Gottes  als  in  absoluter,  aber  nicht  todt  mechani^ 
scher,  sondern  lebendiger  Einheit  su  denken  sind. 

Vom  Begriffe  der  Schöpfung  redend  (S.  216  fl.), 
setEt  der  Verf.  nätnüch  sogleich  hinzu,  dafs  dieser  19 
dem  Vorhergehenden  schon  mittelbar  gefunden  serf: 
der  dreieinige  Gott  ist  zugleich  der  schaffende  und  ck» 
.  Verhältnifs  der  Welt  zu  ihm  ist  darin  gleichfalls  ge- 
geben. Hier  jedoch  ergiebt  sich  der  Begriff  der  Frei- 
heit als  ein  schlechthin  uniyersaler:  auch  den  selbst- 
(bewuftt-)  losen  Natnrdingen  wird  sie  zugeschriebsa. 
Unter  Freiheit  ist  nämlich  nicht  die  Eigenschaft  schon 
fertiger  Geschöpfe  zu  verstehen,  sondern  der  eigentliche 
Hergang  des  Werdens  und  Entstehens  dieser  Geschöpfe' 
selbst,  —  ihre  sich  yollziehende  Selbstgestaltungi 
die  jedoch  nicht  Ihrer  realen  Nothwendigkeit  entgegen^ 
gesetzt,  Tielmehr  mit  dieser  identisch  ist  (S.  2S6.) 


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N°.  63.   HEIDELB.  J  A 1 1 UB.  u.  LI TEK ATUR.  1833. 


Sptculative  Philosophie. 

(  F  o  r  l  8  t  l  z  u  n  ((. ) 

9  ■ 

Der  Verf.  unterBcheidet  nämlich  zwisclieu  der  apriori- 
sehen  oder  logisch •  abstrakten  Nothwendigkeit ,  tind  der 
realen,  in  beMimmter  Weise  erfttilten;  eine  Unterschei- 
dung, welche  zugleich  auch  erst  die  rechte  Einsicht  in 
den  vorhin  aufgestellten  Begriff  der  Freiheit  giebt.  Die 
Nodi wendigkeit  eisterer  Art  ist  die  eines  dialektischen 
Fortschreitens  im  Begritie^  des  reinen  GedankenS| 
Meile  wir  überhanpt  den  ewigen  Wahrheiten  zuer- 
keiiQM.  Die  andere  dagegen  ist  die  einer  positiven,  der 
Kreatur  verliehenen  Aüla<;  f  ^  die  Summe  von  Kräften, 
Welche  das  Wesen  eine$  Dinges  ansmachen,  und  dessen 
Natur  und  Entwicklung  absolut  bedingen.  Die  letz* 
tero'lst  innerKch  Eins  mit  seiner  Freiheit,  ja  sie  ist  selbst 
Mr  das  von  innen  her  treibende  Princip  derEiftwicklung, 
in  welcher  die  Kreatur  ihre  positive  (eigenthiimiiche) 
Wii kliclikeit  behauptet  und  ausfiillt.  Hieraus  ergiebt 
sich  unserm  Verf.  der  Begriti  der  Schöpfung.  (S.  293«) 
Die  göttliche  SebÖpferthätigkeit  giebt  nämlich  den  za- 
reicheiideil  Grund  nur  der  Mdglichkeit,  nicht  der 
V^irklichkeit  der  Geschöpfe :  jene  reale  Noth wendigkeit, 
die  Anlage  derselben,  ihre  materkt  prima  ist  aus 
Gott;  die  Entwicklung  aus  ihnen  selbst,  d.h.  ihre 
Verwirklichung  ist  ihre  Sache.  „Die  aus  dem  Wesen 
Jhries  Schöpfers,,  wie  aus  einer  Basis  sich  herausarbei- 
tende Kreatur  ist  demnach  ein  Höheres,  als  ihr  Schöpfer, 
wiefern  dieser  iKinilK  h  in  keiner  andern  Bestimmung, 
als  der  des  Grundes  oder  der  iVlaterie  gedacht  würde. 
Das  vfrahrhaft  Höchste  aber,  oder  der  als  Gott  da- 
seiende Gott  ist  allein  der  frei  über  der  Schöpfung, 
die  zugleich  sein  Werk  und  triebt  sein  Werk  ist,  schwe- 
bende, allumfassende  und  selbstbewufste  Gottesgeist,,  in 

UVI.  Jahrg.  10.  Heft.  83 


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8iP«cii1iiif e  PbU««»ph{ie. 

welchem  aUe  neu  entstehenden  Geschöpfe  p raformirt, 
alle  vorhandenen  aber  als  in  einer  höhern  Einheit  des 
Erkennen«  oder  der  Idee  vereinig  t  sind."  (S.  — 
Darin  iiegi  aber  Eiigleich  die  Unlerscheidung ,  in  wiefero 
die  Schöpfung^  in  Göll  als  ewig,  innerhalb  des  kreaMIr» 
liehen  Daseyns  als  zeitlich,  d.h.  in  der  Zeit  anfan- 
gen tl  zu  (lenken  ist:  was,  der  Scilöpferidee  nach,  ewig 
und  untheilbar  in  Gott  ist,  wird  ersi,  Yolieiaht  sich  ia 
eigener  finlwicl&elttng ,  hat  demnach  da  jB^inoen  la 
der  Zeil. 

Hieraus  ergiebt  sich  der  Begriff  der  göttlichatt  Ver- 
Ziehung  (S  309  —  337),  weiter  der  Erlösung. 
(S.  337  —  378.)  Audi  d^bei  Irilt  jexloch  als  leitende  . 
Grundidee  hervor  die  ununterbrochene  Fortwtrku^gGol«' 
lea  in  die  Well,  in  lebendiger  Wechselwirkung  nail  der 
frei  sich  entwickelnden  Kreatur.  Und  so  ist  auch  der 
Gedanke  „des  zum  Besten  Lenkens,"  oder  der  besten 
Welt,  wie  er  der  Idee  der  Vorsehung  su  Grunde 
li^l,  hier  nichl  in  gewöhnlicher  Weise  zu  fassen,  als 
wenn  Göll  unler  den  oneDdlicb  möglichen  WeUpiansa 
den  besten  hervorgesucht  hätte,  um  ihn  nun,  in  alles 
Theilen  fertig  und  präfonnirt,  ein-  für  allemal  hinza- 
stellen;  sondern  dieJLeilung  und  Wahl  des  festen,  d.h. 
des  absolut  Guten,  gestaltet  und  steigert  «ckfoii« 
während  nach  dem  jedesmaligen  Resulliile  der  vorher«* 
gehenden  Schöpfung:  es  ist  eine  wirksame 'IXeberwiB-* 
d  u  n  g  der  relativ  widerstrebenden  Elemente  in  der 
Schöpfung,  ein  stetes  Hervorrufen  des  Guten  aus  dem 
BöseU)  Mifsleitelen,  indem  ein  relativ  WidergöllUchtf 
in  der  zum  Bösen  erregten  Freiheil  allerdings  afiauel*^ 
kennen  ist  ~  Darin  ist  zugleich  schon  der  Begriff'  der 
Welte  liösung  gegeben.  Höchster  oder  absoluter  End- 
zweck der  Schöpfung  ist  Gottgleichheit  des  Geschöpfs^ 
cL  h.  Einheil  des  kreatürlichen  Ich  s  mit  Gott.  Die  Welt 
ist  im  Sohne  gesohaffBo;.  Gott  bat  ihr  «eint  GbeiibiUI'» 
lichkeil  aufgedrAckt  (S.  345.)  Hier  finde«  jedock 
eine  Art  von  Antino  nii  e  Statt:  die  Freiheit  der  Meh 
selbst  verwirklichendeo  Geschöpfe  lä&l  fttr  Göll 


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«inen  üfoment  der  Zufätlig;keit  zurück.  Dennoch  ist 
jener  „Zweck''  ein  abi^oiuter,  a  priori  not h wendiger, 
fluithin  nicht  niohtoejrntonnender,  und  so  ist  er  obeo  so 
,  sehr  der  Anfang  ddr  fieböpAiDif.  dem  Begrifte  naeh, 
als  «r,  irerwirktichl^.erslallmähltch  und  in  ua#nd- 
lieber  Steigerung"  erreicht  wird.  (S.  357.)  Da  ist 
denn  nur  <Ier  Moment  der  Zeit,  der  einzelnen  Verwirk- 
lichung ein  Zufälliges,  nothwendig  aber,  dafs  überhaupt 
der  Zweck  der  Schöpfung  erreicht  werde,  weil  er  ip 
Gott,  an  aich,  schon  vollende!  ist  Aber  ilas  Hufs^re 
Wann  hat  sich  Gott  rorbehalten. 

Die  Gottgleiohheit  der  Kreatur,  als  ihre  absolute 
Bestimmung,  kann  aber  nur  bedeuten  ihr  Hr schaffe nseyn 
zur  gleichen  Ewigkeit,  oder  zur  Uasterblichkeit. ' 
Diese  kann  jedoch  blos  als  d^r  Preis  oiner  seibstthätigso 
Erfüllung  ihror  gottverlieheneQ  Bestimmnugerreicht^wer^ 
den ;  der  Mensch  erwirbt  sich  erst  durch  Freiheit  seine 
Unsterblichkeit  (S  352.);  durch  die  Wiedergeburt  zur 
geibligen  Absolulheit.  Diese  durch  die  Offenbarung  im 
Gewissen,  im  religiösen  Triebe,  in  den  geschichtlichen 
Rsllgionen  durchzasetsen  und  zu  vollenden,  ist  diß  Th^t 
der  WelterlösuQg,  für  welche  alle  aodaro  Weltzwecke 
Inipr  vorbereitende  Stufen  sind.  Daher  eine  doppelte  Te^ 
leolog^ie  des  Reiches  der  Natur  und  des  Reiches  der 
Gnade,  welche  dennoch  in  einander  greifen.  Hieran 
|»9hliefst  sich  die  Einsicht  in  die  Möglichkeit,  und 
cTurch  die  Freiheit  der  Geschöpfe  bedingt,  die  Wirfc^ 

iicjl^keit  des  Bdsen^  Es  ist  .picht  ein  blos  relativer 
kfatigel,  ein  Substanzloses,  sondern  ei«i  Begriff  voHsuV 
^  stantiellem,  ja  gci>tig^  absolutem  Inhalte.  Das  Böse  ist 
nicht  ein  abstrakt  IJngöttliches,  sondern  positiv  Wi- 
dergöttiich  es ,  dessen  allgemeine  Möglichkeit  den- 
•floh  in  dem  Wesen  Gottes  wie  der  Schöpfung  liegt,  in 
^r  .  Wurzel  der  Selbstbeit  ebeO}  wodHrch  die  Kreslnjr 
OTT  Gottgleichheit  berufSen  ist :  so  kommt  das  Gute  wie 
■  das  Base  nicht  blos  äLirsci  lich  oder  als  eine  zufällige  Ein-' 
zelheit  zur  Schöpfung  hinzu;  sondern  es  ist  der  tiefe, 
iMMBente  Verlauf  derselben,  duri^  die  Freiheit  und 


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99$  SpeoaUtive  PUtoMplito. 

deren  Krisis  hiailurch  das  Gute  aus  positiver  Ueberwin- 
duog  des  Böseo  hervorgehen  zu  lassen ,  wodurch  der 
Begriflfder  Brlösuog^iDe  universale,  die  giuise Schöpf KOf 
«mfassende  Bedeutung  erheken  hat  — 

Wir  haben  in  kurzem,  freilich  zumTheil  verblafstem 
Abrifs  die  Hauptgedanken  der  Schrift  wiedergegeben  i 
und  mdchten  hier  beinahe  unsern  Bericht  achliefsen ,  um 
die  betleutenden  Anre^un^en,  die  darin  enthalten  sind, 
vorerst  nur  zu  weiterer  Beherzigung  und  Erwägung  zn 
empfehlen.    Mancher  Begriff  wird  freilich  noch  näher 
durchbildet,  mancher  zu  scharf  gefafste  Ausdruck  be-* 
richtigt  und  eingeschränkt  werden  mQssen;  indefs  ist 
dies  Sache  der  weitern  Verhandlung,  wenn  nur  der  lei- 
tende Grundgedanke  des  Ganzen  gezündet  hat.    Es  ist 
der  Begriff  der  Person  Ii chkeit, .  in  Gott  wie  in  der 
Kreatur»  und  die  Binsicht  über  das  Verhältnifk  beider  su 
einander,  welche  eben  sosehr  die  rationalistische  Jen« 
seitigkeit  Gottes  und  den  Begriflf  eines  mechanischen, 
wie  AeuCseres  zu  Aeufserem  sich  verhaltenden  Schaffens 
und  Wirkeus  der  Gottheit  in  die  Welt  ausschliefst;  als 
den  blos  pantheistischen  Begriff  einer  Identität  beideri 
oder  einer  dialektisch  processirenden  Selbstvollendnng 
Gottes  im  Menschengeisfe  abweist.    Eins  ibt  die  Kreatur 
mit  Gott  in  ihrer  Uran  läge  (was  hier  nach  dem  Vor- 
gang der  alten  Mystiker  die  materia  prima  genannt 
wird)  9  aber  aus  dieser  sich  entwickelnd »  kommt  sie  enr 
Wirklichkeit  durch  sich  selbst;  die  Wurzel  ihres 
Daseyns  ist  die  Freiheit,  d.  h.  dasjenige  Princip  ist 
hier  zum  universalen  gemacht,  was  erst  in  der  selbst- 
bewufsten  Kreatur  als  eigentliche  Freiheit  hervortritt  ^ 
(Und  hier  glauben  wir  allerdings,  dafs  der  Verf.  den  an 
weit  gefafslen  Begriff  der  Freiheit  näher  zu  speciaHsirso 
hätte,  —  wiewohl  er  ihn  selbst  schon  gelegentlich  eio- 
•    schränkt  und  berichtigt;  *)  —  besonders  wenn  er  nach 
seinen  Grundprämissen  eine  Philosophie,  der.  Natur  aus* 


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wMkwm  geiiickto,  woM  sich  ihm  nvImeiMMMi 

geben  würde,  dafn  im  Gebiete  der  Schwere  und  der 
elementaren  Phjsik  recht  eigentlich  die  Nothweridi|^keit 
herrscht,  welche  erst  ia  der  Welt  des  Organischen  io 
Selbstentwicklung,  dem  erttea  Analogon  der  Frei- 
heit, in  dar  eeliietbewnftten  SchOpftang  in  Freiheit 
rieh  anfldet)  Von  der  letzteren,  dem  kreatürlichen 
Geiste,  deshalb  anch  der  eigentlichen  Schöpfung,  gilt 
jedoch  Alles,  was  der  Verf.  ferner  entwicket.  Jeder  ist 
ihre  Krisis  und  Entscheidung  selbst  übergeben :  sie  ist 
ttnancipirt  durch  Gott,  und  doch  bleibt  sie  Bins  mit  ihm. 
Er  hat  ihr  ein  Pfund  Terliehen,  mit  dem  sie  wuchern, 
oder  es  verderben  lassen  kann.  Sie  steht  frei  Gott  ge* 
genüber ,  dennoch  kann  sie  sich  nicht  losreifsen  von  ihm, 
weil  die  Kraft  zu  jener  Selbstthat  nur  die  verliehene  ist 
Uad  so  vermag  die  wildeste  Selbsterhebung  die  ewigen 
Grundfesten  der  Schöpfung  nicht  zu  erschüttern,  wie*» 
wohl  ihre  Freiheit  eine  wahre  ,  und  ihre  Seligkeit  oder 
Verdammnifs  ihr  eigener  Ertrag  ist.  Dadurch  ist  aber 
der  Begriff  der  Vorsehung,  der  Wellerhaltung  und  Br* 
lösnng  erst  ein  lebendiger  und  Gottes  würdiger  gewor«* 
den,  der  bisher,  wenn  er  gedacht  werden  sollte, 
immer  an  den  entgegengesetzten  Klippen  zu  scheitern 
firohte:  entweder  zu  einem  abstrakten  Determinismus  zu 
erstarren,  oder  in  ganz  anthropopathische t  Gottes  VqIU 
kommenheit  einschränkende  Vorstellungen  ausuuarten« 
Hier  ist  Gott  in  der  empörten  Freiheit  allerdings  ein 
relativer  Widerstand  geboten;  er  hat  die  mirsleitete  that- 
kräftig  zu  überwinden,  die  beschränkte,  in  sich  unge« 
^  Qttgsame  zur  Vollendung  emporzuführen :  der  Gedanke 
einer  göttlichen  Vorsehnng,  Leitung,  Brldsnng  wird 
damit  ein  allgegenwärtiger,  wirksam  naher  und  Töllig 
Verständlicher.  Der  Weltplan  Gottes,  sein  orilnendes 
Schaffen  und  Entwickeln  ist  nie  abgeschlossen;  dennoch 
ist  er  kein  mechanisches  Nachbessern  oder  Einfilgen  eines 
nachträglichen  Gliedes  in  die  ewige  Ordnung,  sondern 
das  Hervorrufen  und  Bnlfalten  der  Kräfte  des  Guten, 
die  als  das  Ursprüngliche  und  einzig  Reale  Iq  der  Kreatur 


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vonioigegebeii  ^imI.    Wir  kteMtn  clabtl  «a  dm  All»" 

^ipi  uch  (lesTimäus  erionern:  dafs  Gott  8ej,  der  aus  AU^m 
das  Bessere  herrorrtife,  d.  h.  das  iirgpiüng^Hch  Gute, 
als  das  oiir  noch  nicht  akitiaiisirle  Wesen  jeiier  .likrfiaiur» 
Dae  tel«öla0iache  Pruietp  wird  dMinruh^  wm  m 
Msei^  Veit  rkhlig  beseichnMf  mm  ielilecliihin  «nivct« 
iüdeiii  es  das  ontologische  und  kosmologische 
dialektisch  überwondeO)  damit  aber  zugleich  in  aicb 
mfgeaommey  hat  ^ 


Vielfach  verwand!  mit  dem  Standpunkte,  de#  den 
t^ieologischeo  Begriff  der  Schöpfung  suni  durdh- 
greifenden  macht,  kann  die  Behandlung  der  sp^culatltr- 
reli^L^iÖsen  Hauptprobleme  gelten,  wie  sie  sich  In  den  Ab- 
handlungen Jbrichsons  iiber  die  Theodicee  iin- 
deo.  Sie  sind  voni  Standpunkte  des  religiös- 
SstKetischen  Bewufstseyns  aufgefafst,  welches  durch 
die  Räthsel  und  Widerspruche  der  erscheirtendeA  Welt 
sich  hiuclui  chkämpfend,  dennoch  an  der  Idee  dt  r  ewigen 
Harmonie  und  Schönheit,  in  der  geistigen  wie  der  natür- 
lichen Schöpfung,  sich  über  jene  Zweifel  erhebt.  £s  isi 
der  Sieg  deü  urspruugiichea  Gotteshewufsisejrns,  der 
eingeborenen  Religiosität  fiber  die  einzelnen  Härten  <ter 
Erscheinung,  und  die  Beruhigung  eines  durch  FrÖm- 
itiigkeit  geläuterten  und  befestigten  Vernunftglaubens^ 
indem  sich  hier  das  Bekenntnifs  aufdrängt,  dafs  die  ein- 
seinen  Incongrtteozen  der  Welt,  als  gegründet  in  dem 
unendlichen  Zusammenhange  der  binge,  uls  fiiozdne 
uiierforschlich  bleiben,  aber  in  jener  höhern  Einsicht  • 
verklärt,  nicht  mehr  ein  Grund  des  Zweifels  und  deir 
Anklage  werden  kdnnep. 


'}  „lieber  die  pbilosopliiache  Idee  des  OptiiiiisiiiuR,  oder  der  bestea 
Welt;"  Gr«if8W.  1827  (N.  I):  „über  die  Theodicee;''  Dai. 
183(K  (N.  Tl.):  „über  da«  moralische,  theoretische  und  ästhc- 
ti8(he  Vfhet;*'  Das.  1S31.  (No.  III.):  t^^het  den  Endcveck 
der  Welt;"  Dat.  18ft2.  (No.  IV.) 


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Ünleugbar  ht  dieser  Stunclpuitlii  der  «llgemeio«* 

menschliche  zu  nennen,  weil  va'  austliücklich  davon 
absieht,  jenes  ur<;prihigliche  Gottesbewufstse^o  selbsl 
Speeiilaliv  begrQaden  oder  vermitteln  zu  wollen.  Den- 
weh  hat  er  fieinemito  ffir  die  Speculatipn  ein  doppeltes 
Interesse.  Zuerst  nSmllch  tritt  er  als  ursprüngliche That-* 
stehe  <les  Bewiifstseyns  in  den  Umkreis  ein,  welchen  die 
SpeculatTon  anzuerkennen  und  zu?n  Gegenstande  ihrer 
Untersuchung  zu  machen  hat:  sodaun  aber  wird  er  be- 
Senders  lateressant  darcfa  die  Tiefe ,  dorch  die  religiöse 
denialität  mit  Einem  Worte,  mit  welcher  er  die  re- 
ligiöse Wahrheit,  weiclie  zugleich  die  acht  speculative 
ist,  über  die  endlichen  Reflpxioiisbestimmnngen  hiiiaus- 
ffihrt  und  selbst  im  Ausdruck  deri^elben  die  Einseitig- 
keiten überwindet,  welche  ans  der  vereinzelten  Anwen^ 
dang  der  Kat^orien  anf  sie  entstehen.  Dies  unbewafste 
Zeugnifs  der  Wahrheit  für  sich  selbst  und  dai  in  der 
thatkräfti^e  Sie^   des  Religiös  -  speculatlven   iiber  die 
mangelhafte,  am  Gegensatze  zwischen  Glauben  und  Er- 
Itennen,  zwischen  Empirie  und  Speculation  h^tnäclcig 
fifiSdialteDde  Terstandesbildung  unserer  Seit  ist  gerade 
jetzt  von  der  gröfsten  Bedeutung.    Bekannt  ist,  da(b 
jener  Standpunkt  der  religiösen  Unmittelbarkeit  beson- 
ders durch  Jacobi  repräsentirt  wird  :  von  diesem  wurde 
er  indefe  polemisch  gegen  die  Speculation  gerichtet,  in- 
dem er  denselben  Inhalt  nicht  einmal  approximativ  in 
den  philosophischen  Systemen  wiedererkennen  mochte, 
vielmehr  selbst  mit  den  Waffen  der  Reflexion  und  unter 
einseitiger  Anwendung  der  Kategorien  die  l^eculation 
zu  widerlegen  suchte.    Anders  der  Standpunkt  Erich- 
Sons,  der  durchaus  und  fiberall  auf  harmonische  Verei* 
nignng  der  verschiedenen  Richtungen  des  Geistes  dringt 
(No.  IV.  S.  8.  und  sonst)  und  sich  zur  wichtigen  Einsicht 
erhebt,  dafs  die  vermeintlichen  Gegensätze  des  Erken- 
nens, als  Glauben  und  Speculation,  wie  nicht  minder 
eine  sinnig  forschende  Empirie,  doch  nur  Einen  Ge- 
genstand und«  Inhalt  haben,  die  göttliche  Idee,  die 
eben  das  allein  und  absolut  Wirkliche  ist 


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1000        ^  Speculative  Philo»o()l»ie. 

(No.  IV.  S.  16.  17  ff.)    Dies  ist  der  wahre  und  höchste 
Weltbegriff,   wofür  nach  ErichsoA  die  specuiaüve 
W,eUphilo8opbie  („Kosmologie'')  d«o  ayriorischfiii  Be-^ 
weis  (d.  i.  aus  den  reinen  BefprifCfn  Yon  Gott  und  im 
Wiriclichkeit  auf^erGoU);  die  Theodicee  deoBewM 
aus  der  wahrhaften  Erkenntnifs  der  Gegebenheit 
zu  liefern  hat.    So  erhält  vor  allen  Dingen  die  Theo- 
dicee  selbst  eine  höhere  Bedeutung  als  gewö)iiiUeb».iil 
ist  nicht  eino  fiide,  Rechtfertigung  Gottes  w^en  ^er 
eimseln^n  Weltmaogel,  sondern  durchbildete  qpoenbiäff 
Theologie:  sie  hat  Gott  in  seinen  nnendlichen  BigeiH 
Schäften  und  in  seinem  ewigen  Verhältnisse  zur  Welt  all- 
seitig zu  erkennen;   weshalb  auch  jene,  die  Gott  für 
wissenschaftlich  unerkennbar  erkläreOy  die  Probleme  der 
Theodicee  für  unicisbar  erklären  müssen.  (NobUUL'fii.ö|ff) 
In  diesen  Problemen  behandelt  er  mm,  nach  der 
Anordnung,  den  Ursprung  des  s.  g.  metaphysisches 
Uebels,  oder  der  Endlichkeit  der  Geschöpfe  überhaupt, 
sodann  das  physische   und    moralische  Uebel, 
jcndlich  das  Mifsverhältnifs  zwischea  V^die^si  und  Gl^i^ 
In  der  Welt,  wozu  nachher  noobt  msorm  Veft..^g0f 
IhBmIich  (N0.IIL  &  21.),  der  Ursprung  det  tsil^ 
tischen  Uebels  oder  der  Häfslichkeit  binzttkomait 
Doch  nach  seinen,  besonders  in  den  letzten  Abhandlun- 
gen, mit  Kraft  und  Klarheit  durchgeführten  Einsichteo 
ierhebt  sich  der  Ver£  alsbald  über  dne  so  p^^puläre  4^ 
fiissung,  —  Die  sogenannten  Anklagen  Gottes  wegen  .ÜV 
Endlichkeit  der  Kreatur,  wegen  der  Schranken  Wftlf 
Wissens  und  Vermögens  zerfallen  ohnehin  in  Nichts::' 
sind  Produkt  einer  modernen  Hypochondrie,  und  mehr 
in  subjektivem  Mifsgefühle  als  im  Thatbestande  gegruiir 
det:  und  jene  „Schranken"  beklagen  die  am  meiste 
welche  nicht  einmal  dijese  selbstthätig  und  .fldb^^i^ri|^ 
send  auszufbllen  im  Stande  sind.  —  Wenn  dabeir  iPMiH 
gefragt  wird  (No.  IV.  S.  18ff.),  was  absoluter  Endzure^^ [ 
der  Welt  sey?  so  ist  die  rechte  Antwort:  die  ünend?' 
lichkeit  des  Daseyns  ist  sich  selbst  Zweck,  die 
Volikommenheit.des  Qai^en  duri^h  dpa.  Ptyl^ij^^ 


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Bi«9ttioeii  'i/uA  dm  Gtmp»,  ivt4iireh  di»  Fn^e  nach 
mnßm  be«OBdero  Eodawtiiky  und  das  ibniioh  hu* 

tende,  in  diesem ZusammenhaDge  sogar  absurde  Problem : 
warum  Gott  geschaffen,  aiigewiesen  ist.  DieSchöpfuog 
ist  ein  System  von  Zwecken:  jedes  Geschöpf  ist  Zweck 
ia.siob  nad  dennoch  auch  Zweck  für  das  Gan^e;  Aüm 
diaol,  entwicMiid  nad  v^lendeod.,  den  Gimzan^  tiiid 
anpfangt  diesen  Dienai  von  ibm  anrAck.  Di^  kaiua  maft» 
mit  populärem  Ausdruck  für  diese  sich  selbst  geuiefsende 
Positivität  alles  Daseins,  die  Glückseligkeit  der 
Geschöpfe  nennen,  und  diese  mit  uosctroi  Varf,  als  End- 
sweck  der  Sch^yfuiig  bezeichnen,  wenn  amn  dapnit  nar 
uehta  AeulheMav  Acddeiildl  dam  Trelandcfa,  aandern 
das  Selbatgeftthl  der  eigenen  Lebenaharaoaie  und  Voll*^ 
kommenheit  mch  denkt  Hierdurch  erledigen  sich  von 
selbst  jene  Fragen  wegen  der  UnvoUkommenheit  der 
IVelt,  VI  egjen  der  Zulassung  des  Bösen.  Der  Wid^spruch» 
die  Negation  ist  selbst  in  fler  FiMie  des  Positiven  |^esetz(, 
weil  dies  nicht  eili  todi  Feriigea^  sondern  SelbslentfaU 
tUBg,  Leben,  Freihält  Ist;  mithin  den  Kampf  der  Ge- 
gensätze in  sich  trägt  und  sie  tliatkräftig  überwindet. 
Dies  giebt  der  hergebrachten  theologischen  Vorstellung 
von  der  göttlichen  Zulassung  des  Bösen  eine  positive 
Bedeutung:  es  ist  nicht  blos  das  negatiye  Gewähren- 
lasien;  das  Zuaehen,  was  immer  Gottes  nnwQrdig  wäre» 
sondern  in  der  zum  Bösen  verkehrten  Freiheit  das  Her- 
vorarbeiten einer  Krisis  (wie  in  Krankheiten),  um  au 
der  Ueberwindung  des  Widerstandes  (der  Versuchung) 
das  Gute  sich  befestigen  und  verklären  zu  lassen.  Keine 
positive,  aeibstkräftige  Wirklichkeit  ohneUeberwältigung 
von  Gegensätzen,  was  sogar,  vorandentend  fllr  das  Gei- 
slerreich, dnrch  alle  Naturprocesse  hindnrchgeht:  dies 
ist  dei  po5!.i  live  Begriff  der  Verklarung,  welche  immer 
Danke],  Disharmonie,  \Vi<Iersland  voraussetzt,  wobei 
wieder  niir  die  verkehrende  Reflexion  abzuhalten  ist^ 
dafs  dieser  Consequenz  zufolge  das  Böse  sey,  damit 
jene  Verlüäru  ng  zu  Stande  komme.  Jedes  solche  damit 
▼avliselii-  hi  dem  6edank«n,  Aufy  daa  Positive  eit^  Leben^ 
diges,  der  Eiutwicklung  Unterworfenes  ist, 


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»  * 
„Weher  also  zuletzt  nodi  der  irTtfiafA9^  Rr  hl 
onvermeiillich ,  weil  die  Wursrel  des  Denkens  die  Frei-' 
heii  ist,  und  so  kann  es  sich,  wie  dies«  zum  Bösen, 
alw  tauch  zur  theoretischen  Gottesscheu  verhärten,  ilh 
ihre  Bimeicigkeil  und  WUllilIhr  hertiiickig:  fe^hült  gegeil 
die  höhere  Idee  der  Einheit,  tfnd  w)e  eineil  fiifiieliTerA 
stricliten  Irrlhum  des  Willens,  so  g\ehi  es  einen  Eipen- 
sina  des  Oenkens,  von  dem  Beispiele  genug  gefunden 
werden  in  der  Geschichte  de»  MeinenB.  Hier  eher  er« 
beitet  kkh  d^r  Widerspruch  von  selbst  henmr,  der 
diese  Verhärtfmj**  IM,  und  io  die  «ilgemeine  W«liA«lt 
wieder  ziii  iickleitet.  Aber  es  ist  eben  das  ^rofse  Werk 
mifassenderSpeculation,  gegen  die  Einseitigkeit  des  Wi- 
derspruches nicht  nur  tolerant  zu  seyn,  Bondern  ihn  sogar 
in  sich  aufeunehmen  als  einen  Moment  im  (j^esammtim 
Systeme  der  Wahrheit.  So  ist  andt  hier  die  Wfoaenseliaft, 
die  allversöhneade  und  erkennende  Specolatkon,  die 
beste,  ja  die  einzige  Theodicee. 


Wenn  sich  die  Bedeutung  der  eben  entwickelten  Ao- 
slcht  darin  ergab,  dafs  ihr  Verfasser,  durch  die  Inten* 
flitlit  seinea  religiös  •  ästhetischen  Bewufstseyne  yeleiteli 
«ler  höchsten  speculatiTen  Weltanschauuo^i;  mit  Kraft  sicK 

bemächtigte,  und  so  einen  Gehalt  in  sic  h  anticipirte,  der, 
streng  wissenschaftlicli  behandelt,  freilich  einer  tiefero 
Unterbauung  bedurft  hätte;  weshalb  wir  auch,  wenigstens 
in  der  Darstellung,  manchmal  ein  Schwanken  und  Zurück« 
sinken  in  die  Auffassung  und  Ausdrucks  weise  gewöhnter 
Ueflexionsphilosopliie  bemerken  konnten :  so  zeigt  sich 
in  dem  Werke  von  Suabedissen  das  Streben  nach 
methodischer,  von  Grund  aus  aufbauender  Behandlung. 
Aber  auch  hier  begegnet  uns  noch  ein  Kampf  zweier 
Elemente,  nicht  unähnlich  dem  vorhergehenden,  der 
sich  mehr  im  Formellen  ausspricht.    Der  tiefe  Sinn,  der 


*)  «Gtiuidsttgo      H>Ues9»id«eliea  BalijiiMialalim.**  llarlHWf.ia^ 


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specnletive  Takt  des  Verfs.  hat  ihn  fast  überafl  richtig 
geleitet  auch  bei  iin||«nü|^en(iem  Begriff^^anfKlruck ,  wie 
mch  denn  überhaiipt  di«  Wahr  hei  t  dem  tiefer  sinnenden 
aül  sinaigon  Geist«  «ionab  «nhnsengl  iäfet ,  odcI  ak  At^ 
Unfi'A  ikrfaolltvnDg  dcs.Oawittlia  «der  d^k  PhpnlMS 
da  und  dort  in  i^ielfiuDbeii  Kß^en  uns  beg^egnet.  Abe^ 
in  solcher  Form  bleibt  eh  nur  eine  isolirte  Erhebung, 
eiageschlassea  in  einea  ■  besondera  Winkel  des  txeistes, 
tbia  Varibehr  mit  detn  gesammten  Brimmad  und  der 
gtwalintaa  WsHamMit. ,  Viehnahr  -ataht  4b&  ftenkttt^ 
weil  noch  nicht  durchgeiWirt,  mit 'setnea  Vorartheilaflr 
nml  Einseitigkeiten  ihr  noch  gegenüber,  mannigfach 
sie  bekämpfend  and  sie  irre  machaod  an  sich  selbst.  Sm 
iil  eis  Toröbergehendes  Leuchten,  nicht  die  Alles  Ii»"-  ^ 
iMida  «od  durdidriogeiifl»  Klathcit  sduMchCaiaMT 
vad  aeibstgeivisser  Vernunftansieht.  Dieser  Zwiespalt, 
der  geheimer  oder  olfeobarer  durch  unsere  gau/f^  reli- 
giös-'wissenschaftiieba  Bildung  sich  hindurchzieht,  ist 
aaab  im  vorliegenden,  sonst  trefilichen  Werke  nicht g^W 
aMgsyttclaas  i  htw  liegt  er  beaoidert  hm  lnoMignietttey 
Aar  Form  m  dem  speeaiatiyeii  Ittlialleb  Aar  Oedaake»«  . 
fortgang  ist  meist  nur  ein  äufserlicher,  die  Begriffsbe- 
stiairauDgen  gehen  hervor  aus  einseitiger -Anwendung  der 
KaAegori«,  wodurch  sie,  atatt  daa  Pfiflcip  dae  Fort- 
toiur^taia  und  NlheriNistiniineBa  in  rieh  aelbat  au  habm,* 
kloa  neben  nnd  gegen  einander  gestellt,  in  Wider- 
spruch mit  sich  gerathen. 

Weifs  der  Mensch  voh  Gott,  und  wie  und  was 
weifs  er  von  ihm?  Von  dieser  Frage  wird  angehoben, 
obna  jedoch  das  Varhiknifa  daa  wieaendea  Snbjefcts  mm 
gewofsteo  (Hrjekia  tfefer  zn  beeeiehnen.  Bs  wird  nur- 
zurückgeschlosseo  vom  Seyn  des  Bedingten  auf  ein  Un- 
liedingte«:  es  ist  das  Urweseo,  welches  nun  ferner 
als  Urgrund,  als  Urleben,  wdiich  als  Urgeiai 
fertbestimml  ivird  (§§.  6~16.);  nnd  d«r  Verf.  beaaierki 
riohtig ,  dalb  erat  widern  das  Unbedingte  ah  Umeiat, 
Wrwissen  erkannt  wird,  es  Gott  i»>t,  in  dem  Sinne, 
in  weichem  die  Religion  von  ihm  weife.   „Gott  ist  von^ 


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MM  Spcjotoliw  MiilMtpiiir 

seinem  Geiste  aus  der  lebendige  Gott,  nnd  9»  eih 
zeugt  sich  der  rechte  Begriff  seiner  Persdnlichkeit.  Sie 
ist  seine.  Lebendigkeit  ab  ciine  soiclie  gedacht,  deren 
Grund  und  Wesen  «e  Geialigkeit  sey."  (§.50^ 
Biditig;  dMh  bfoibi  weh  hier  der  Bew6»,  daft  CM 
der  Urgeist ,  das  UrwIssen  ist  (  §.  19.)  fast  n*r  ittaNsrileh 
und  formell,  weil  er  nicht  immanent  entwickelt  ist  aus 
dem  Begriffe  des  Urwesens  selber,  wor^u^  sich  das  wich- 
Üg9j  aiiein  spaoidaiive  VerhjUtn|flr  ergeben  hiitta,  dato 
der  Fortachcilt  ymtt  absliaktm  Ba§nff  nmm  csMiialara^ . 
wai  miilii«  wahre»,  ngleieh  der  Riekgang  in  dsi 
wahre  „Wesen"  und  den  Grund'*  jen^  Begriflfes  ist; 
durch  weiche  Betrachtung  die  ganze  Form  des  (hier 
MMT  fefOiellea)  Beweises  eine  eigentUeli  apeculalive  B#« 
dalaag  erhalten  hätte.  —  Ala  Urgruad  aber,  flhit 
de»  Verf.  fort,  iai  und  beMügC  eich  der  Ui geist  mir  n 
aeinem  Werke,  und  so  ist  dieHelt  nicht  geschiedeo 
von  Gott  (§.  38.):  dennoch  wiril  sogleich  wieder  hinza- 
Ufeaelat,  data  Gott  nicht  die  Welt  ist,  und  nicht  mr- 
Wialt  gehört,,  ck  er  bioa  der  Urgrund  dereeJben  itf. 
h  dlaaem  Niehtgeschiedenaeyn  and  dooh  nieht  IKttsseyD 
Gottes  und  der  Welt  liegen  offenbar  gegenseitig  sich 
aufhebende  Bestimmungen,  die,  b los  also  neben  einaa* 
der  gestellt,  nicht  umhin  können,  zu  einem  äufsern  Wi- 
dempruche  fortgetrieben  an  werden.  Die  Art  jedeoh, 
wie.  dieser  nothwendige  Gegensatz  gelöst  wird  —  witk* 
lieh  gelost  aber  nm^s  er  werden,  und  wenn  es  nur  auf  che 
formellste  Weise  geschieht:  dafs  Gott  in  der  Welt  das 
Andere  aeiner  selbst  ist;  —  diese  Art  begründet  etat  die 
rechte  Einsicht  io  das  Wesen  des  Theismiia*  Die* 
selbe  Frage  kehrt  indefs  bei  dem  Ver£  nnr  in  anderer 
Gestalt  wieder,  wenn  er  Gott  für  Einheit  erklärt  im 
blofsen  Gegensats^e  zur  Mannigfaltigkeit,  abermals  ohne 
zur  innern  Veimittlung  beider  Begriffe  fortzugehen. 
(  40.)  Doch  nach  hier  fehlt  eigentlich  nicht  die  richp- 
üge  Einsicht;  sie  ist  nur  unausgesprochen  swiiM^hen  den 
Zeilen  zu  lesen.  Wenn  es  näiiilich  heifst:  daTs  Gott  an 
aich  keine  Mannigfaltigkeit  von  Jiräften,  Eigenschaften 


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Specnlative  PhikMophie.  \Wi 

0.  s.  w. ,  (sondern  Lirt  irihett ;  alle  Mannigfaitigkeit  da- 
gegen  nur  in  der  Weit  zu  suchen  :  nachher  aber  gleich- 
mM  hinzugesetzt  wird :  dafa  sieh  der  Begriff  Gottes  hi 
•dnem  VerliiltfliM  s«r  JVelt  m  der  Betfteh'inDg 
m  einer  solchen  MannigfaltigJtelt  entwickelt  oder  ver- 
deutlicht: so  sehen  wir  nicht  ein,  warum  —  nicht  blofi 
in  unserer  (subjektiven)  BeUachtuag ,  sondern  real  uaA 
wirklich  die  Einheit  Gottes  sich  nicht  aeitei  in  dme 
«wiiditelie  Mannigfiiltigkaii  «iner  Welt  explieiri  «ttd 
,,ve7deiiilich«^  hah^n  sollte.    Di^ESRheit  ,,8ch«int'^  skh 
oicht  blos  zur  Mannigfaltigkeit  zu  er^chliefsen,  wodurch 
wir  plötzlich  in  eine  fast  eleatische  Abstraktton  eines 
Isefta  Sias,  Jte SoheiBwelt  emet^-^b^m  » liBsrea  Vielbeil 
ilHi  gegenüber,  swriicksiidcea :  soodera  beide  fieilehi 
dhrahdringen  sich,  «wd  ihre  Trenming  epwSohst  was 
blos  aus  einseitiger  Betrachtung  dieser  Kategorien. 
Ebenso  zeigt  sich  derselbe  Gegensatz  unaufgelöst  in  der 
entscheidenden  Untersuchang,  wie  sich  Gott  zu  Ranni  . 
md  SSett  Terhalte»  (§.  49.)    „Gott  ist  nieht  seHiich.  und 
iiieht  rkamlieli,  da  er  ▼ieinehr  der  Grand  aller  xeMI* 
chen  und  räumlichen  Wirklichkeit  ist;  da  sie  also  in  ihm 
sieht,  er  nicht  in  ihr.    Aber  er  ist  darum  nicht  von 
4er  Zeitliehkeit  and  Häamlichkeit  gesehieden 'W^s,  er« 
Ar  wirlfiet  also  aiebt  i  n  der  SEeit  and  Ite  Raaaie,^  als 
ei^-ein  weilliohes,  also  zeitllehes  and  riimlicliee 
Wesen:  er  wirket  auch  nicht  in  die  Zeit  und  den  Raum, 
als  stände  er  neben  und  aufs  er  der  Welt.    Aber  er 
wirket  zeitlicher  und  räam  lieber  Weise ,  da  dis  ZeitUebe 
aad  BiaiAUoIiey^  also  aaeh  Zeit  and  Raam,  aas  aelaem 
Wiffcen  fet       So  stehet  die  Zeit  aad  des  Raa»-  ia  der 
Ewigkeit,  weil  alle  zeitliche  und  räumliche  Wirklichkeit 
in  dem  ewigen  Leben  stehet"  u.  s.  w.    Man  sieht, 
die  einzig  richtige  Erkenntnifs  dieses  Verhältnisses  liegt 
ua  lüateig;raade,  als  aoeolwielieite  Primsse:  ikfe  Gott^ 
als  die  aoeodlichs  IVir klichkeit,  daeZeitraadRanih 
Schaffende  sey  in  dem  oben  von  uns  entwickelten 
Sinne.    Deshalb  sind  alle  von  Saabedissen  aufgeführ- 
ten negativen  Bestimmungen  richtig,  aber  sie  schliefsea 
sich  zu  keinem  vollständigen  and  darcliaiw  begrqiüchen. 


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tt^MI»  -   ■- »- 

«WD  vpmnMivv  iiiiiinM|HiiB* 

positiven  ResuiUte  zusammeu,  mreehalb  immer  el^as 
Mystisches,  ünbegreifüches,  der  schärfern  F'assun|ö^  Wi- 
(lerslrebeiules  in  jenen  Behaaptiiogen  zurückbleibt  ^ 
deioherweise  läfst  uns  seioeijs^r«  von  4*0  IfigrasduiftMi 
CMtfls  (§§.  äl^M.)  aar  ▼ereiimile  AlMtraheiMm  «bw 
Iceoneo,  welehe,  neben  einander  gestellt,  nicht  aus  einan- 
der entwiekelt,  in  dieser  Aeul^erlichkelt  sich  gegenseitig 
beschränken  oder  aulheben  :  die  ü  u  veränderlich^ 
IwU  Gottes  &  B.  D^beo  seiner  Ali  wir  kenm'keU,  die 
(hier  ^abstrakt  gefiUiito)  Allmecht  neben  der  gflsidi'» 
fiills  behaupteten  Freiheit  der  Kreatur  «um  Bösen. 
So  hat  auch  der  Begriff  der  göttlichen  Alhvisseiiheit, 
(eines  „  Vorh  er  wissene  auch  des  Unwahren  und  üten^ 
§.57.)  Hl  «lieser  Darstellung  greise  Sehwierigketlen^  erftr 
^elmelur  er  läpl  sieb  in  einen  enbegreillielien  H^gang 
anf,  weil  er  nicht  aus  einer  dialektischen  Ineinandef«' 
arbeitung  der  Ideen  des  Urgrundes  und  des  Urbewufet«* 
seyns  hervorgegangen  ist. 

.Wir  glauben,  dereh  das  bisherige  den  phiiosopbt^ 
soken  Sbmiiptfiikt  des  gegenMrtigen  Werks-  biorachend 
ehsrakterisir«  zu  haben;  aneh  bler  ist  nämlich  das  ia^ 
teressanteste«  zu  sehen,  wie  die  Idee  der  Wahrheit  die 
^  ^reden  Feroien  und  Gegensätze  eines  nnvoUstandigea 
Denkens  ziir  Lfige  macht  eed  in  efeh  auffteibtr  Aber 
sieht  bei  ihran  Wideieprnobe  soll  es  bleiben «  irielmtbr 
wird  erst  jenseile  desselben,  aber  durch  iltn  hindurch, 
die  freie,  den  Gegensatz  versöhnende  Wahrheit  ernta- 
gen;  in  dieser  £iosicht  liegt  die  grofse  Bedeutung  de^ 
gegenwärtigen  specnkitiven  Umsehwuages  auch  Cttr  du  ^ 
Beligionsphiloeeptlie.  Bka  jedes  Begriffsabstraktnoi  iskf  j 
wne  es  isl^  iwr  im  Gegebsatse  nm  Andern;  tnebien  I 
solche  Abstraktionen  (iaher,  als  Eigenschaften  einem 
ud  demseliien  Subjekte,  wie  hier  Gott ,  beigdegt,  ma- 
cbeti  dies  zu  einem  Sttsemmen  BntgegengeeetstflSt 
d«  h.  einem  Wtderspniche.  l**)  •  Aber  jeae  bebenftets-Bs* 


')  Auf  diese  Efnsicfit,  im  Vorfeclpchm  p^csaj^t,  prtindet  »teil  rfi« 

t«iie  metaphTtiscbe  Fiction  durdh  «iae  Aeike  ander^jr  erklfrcB 
eSer  bsgrciincA  maoiivii  ^411* 


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1 


Sonderheit  des  Abstrakten  i&t  nur  Erdictiluog  eines  uu- 
voli^üdeleii  DeokeDf» :  NtclUi  ist  dergestalt  vereinzell, 
meiern  aU  Beisooderee  es  nur  IViom^n  t  der  leben'* 
d%aii  £iab«U,  dni  subteb»!  i«  c)er  PeiMolichfcaU  ihre 
Verwirklichung  findet.  So  ist  4i«idee  des  Lebens  und 
der  Persönlichkeit^  zuliüchst  der  göttlichen,  der 
letzte,  Alles  ansgleichendf)  lind  versöhnende  Aufschlufs, 
und  \fir  sind  diesem  Punkte  der  spe^lativen 

^ipkecie  mm  Ceoljrufli  d««fiiimQiiiiidg:edafiltnn0  wiaiiir 

jr^rgedrungea 

Im  Begriffe  der  göttlichen  PersÖniichkeit  erkennen 
mt  nämiicb  zugleich  die  Basis  und  dcui  Anfaog  einer 
n4iri«tlichen  Phiiggyphie^  aber  darin  auch  allein  und 
wwiiMaftiich.  JBrat  hlnratts  «rfiabt  sich  die  M^slicbMl 
«iiNM*  eigentliehmi  (d.h.  freiwilligea)  Off«nbar«iig 
(iottes,  nicht  nur  in  der  Natur  und  im  Menschengeiste, 
sondern  auch  in  der  dritten  Form  eines  besondern  Sich* 
offenbarens  an  denMenscbea;  ohnn deron Aneckoontoils 
ib»  P^iive  4e«  Chrisleatbiiiiia  mmw  etvaa  Pafaduas, 
der  frriea  VeraunfieioBidii  Wlderslrebaiiriaa  bebitt,  iii4 
^0  entweder  rationalistisch  als  Fabel  und  Mythe  angesehen 
oder,  wie  es  bei  H  eg e  I  geschieht,  als  die  Vorstellungs- 
l)üile  xim  Begrilfes,  deMMMb  aJ«  das  Geringere  und 
Warihkiaei'e  babaodeU'wnrd««  mafe  Hiw  dagegen  wir^ 
^roh  die  PbilosQfihle  salbsl  darauf  gedrungen,  jHiaa 
positive  Offenbarungselement  zunächst  überhaupt  nur  als 
etHfas  Bedeutsames  anzuerkenno«  alhnählig  auch  es 
imaer  verständlicher  zu  finden,  endlich  es  wijrjclich  za 
veiatebaa.  £oia4  dtoAnark^aiiinife^daer  CeiatefWfil,  «Ua 
4rib'Tilbor  die  Graoaeo  laeiwohiicbar  V<iNkoRimenhei^ 
♦ber  iiie  Extreme  des  menschlich  Guten  und  Bösen  erhebt, 
«aerläfeiiche  Voraussetzang  des  Christenthams,  wie  jeder 
positiven  Religion  :  d«^  hier  bezeichneta  Gr undaasi^bl 
läbt  abaTraiae  aakbaAMilieatlDifii  akbl  aar  fibrigi  aMH 
ijtaaia  ergiabi  aioh  so^nrar  au»  derselben,  ab  auie  naMr«- 
liehe  Consequenz.  Aber  dringender  wird  noch  eine  vöi- 
lij?e  Umgestaltung  der  Psychologie  nach  diesen  Prämissen 
nötbig,  um  über  eine  Menge  bedeutender,  aucb  in  die 


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1006 


Religion  ei ng^ reifender  Fragen  besseren  Aufschlufs  geben 
zu  könaen ,  als  bisher  Vemiioft  uind  Metaphysik  es  ver- 
mochte. So  sind  ohne  die  richtige  Einsicht  in  das  Ver- 
'  hiltniA  too  Setzte  irad  Leib  und  iwn  dem  unbedingfti^ii  XJn^ 
terworfen^eyn  des  D  u  n  k e  I  •  S eei  i  s  c  h  e  n  (d.  h.  Lrib- 
Ik  lien)  unter  die  iVlacht  des  bewufsten  Geistes  manche 
Lehren  des  Christenthunns  und  uiaoche  "vrunderbar  ge- 
'nannte  Thatsachen  des  gesteigerten  intelligenten  Lebens 
linbegnsiiidi  oder  iddersprethend ;  ftberhaopt  dirfto  «ioe 

.  tiefere  Psychologie ,  wie  sie  schon  die  Reife  der  Witseih* 
Schaft  verlangt }  und  worauf  selbst  die  dring^endsten  That- 
sachen hinftthren,  in  den  sogenannten  Geheimni«^sen  der 
Religion  einen  nnerwarteten  AuCschlufs  versprechen,  aa^ 
iiientlich,  was  den  Glanben  an  peraöaliehe  Poitdauer, 
tel^nnden  mit  der  Lehre  Ton  der  Atiferatehnng  diHf  Lliibes 
betrifft.  Jener  wie  diese  bleibt  gleich  unbegreiflich,  ja 
begriffs widrig,  so  lange  man  noch  an  der  gewohnten  An- 
ifiicht  einer  Doppelbett  des  Menschen  oder  gar  eines  Ge- 

.  gensatses  von  Kdrper  «nd  Geist  halltet  s  tiann  ist  der  leüi* 
Hkhe Tod  äieTrennnng  jener  Doppelheft-,  niid ^amU 

.  offenbar  die  Vernichtung  (oder  der  Ruckfaii  in  die  hlofse 
Potenz)  für  jene  Hälften,  die  nur  mit  einander  zu  exislireil 
vemidgen»  Nach  unsern  psychologischen  Ansichten  da- 
gegen besteht  der  Mensch  in  keinem  Sinne  ans  Seele 
md  Leib;  sondern  er  ist  nur  l^eete  ~  oder  anch  Leib* 
lieh  k ei t;  denn  diese  ist  jene.  Die  Einheit  der,  zu 
einem  in  sich  selbst  abgegrenzten  Ziele  zusammenwir- 
kenden SKiele  nennen  wir  ßberhanpt  Seele,  Mittelpunkt 
des  Orgttnimas,^  deren  Selbstandwirkiing  im  RHvpnie; 
wie  sie  vom  Abgriffe  der  Wirklichkeit  Überhaupt" u«ab^ 
trennlich  ist,  als  das  erscheint,  was  wir  Kdrper,  Masse 
nennen.  Nach  dieser  Ansicht  ist  der  Tod  organische 
Krisrs,  Failenlassen  einer  bestimmten  Form  seelischer 
.  Selbstgestaltnng ,  worin  die  Wnrsel  des  Men§cfaett/die 
IrnKvidnalttlt;  ificht  nur  nicht  angetaslet  ^wlrd ,  viddidMr 
sich  steigert  und  (leiblich)  weiter  entfaltet.  —  '     •  ~ 

iDer  Bfthlufa  folgt.) 


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\'.  64.    HEIDELB.  JAHRB.  d.  LITERATUR.  1838. 


Speeulative  Philosophie. 

* 

(  Be9thluft.} 

Wie  damit ,  was  man  sonst  viel  zu  abstrakt  Unsterb- 
lichkeit der  Seele  zu  nenueo  püegely  eine  weil  tiefere 
Begründung  erhält,  liegt  am  Tage:  hier  fiihrt  die  ganze 
Nator  dieseo  Beweie.  Das  MeDScheDlebeti  ist  nur  das 
Sichentfalteo  aus  innerer^  induridtteller  Anlage  in  das 
Licht  des  Bewufütsejns,  nach  einem  Grund-  und  Ur- 
typus,  dessen  Kraft  und  Verwirklichung  weit  über  die 
Grenzen  unmittelbarer  Gegenwart  und  Erscheinaog  des 
Menschen,  hinausreichl:  (wobei  wir  aar  Erläateruog  nur 
an  die  inneren  Lebensrechoungen  der  Somnambulen  nach 
einer,  wie  sie  es  bezeichnen,  dem  Menschen  einge- 
pflanzten Grundzahl  erinuern  wollen.)  Iti  jenem  sich 
entfaltenden,  organisch* seelischen  Bewufstwerden  des 
Menschen  liegt  aber  auch  seine  Selbetentecheidnn^ 
im  Verhähnifa  zu  Gott,  und  der  wahre  Punkt  der  sitt- 
lich-religiösen  Lebenskrise  fällt  gleichfalls  hierher.  Wenn 
wir  aber  oft  genüge  im  Falle  sind,  bei  intellektuell  oder 
sittlich  tief  verworrenen  Individualitäten,  denen  wir  nicht| 
iiad  die  sich  nicht  helfen  können,  sur  Einsicht  zu  kom* 
men:  dafa  hier  nur  eine  höhere,  die  eigenwillige  Selbst-* 
Verstrickung  lus^ende,  durch  eine  Gegeakrise  die  gel*^ 
stige  Ge^tiindiieit  hersttlieode  Erg-änznng  aus  ihrem 
schöpferischen  Ursprünge  her  helfen  könne;  so  haben 
wir  damit  den  Begriff  eines  erlösenden  Gottes ,  gleichsam 
als  psychologisches  PostuUt,  gefunden,  und  stehen  an 
der  Schwelle  eines  Geistermysteriums,  wo  Seelenlehre 
nnd  Religion  sich  uneru artet  begegnen  und  in  fortge- 
setzter Wechseldurchdringung  die  Aussicht  in  Wahrheiten 
bieten,  von  denen  die  bisherige  Begriflismetaphysik  sich 
noch  Nichte  träumen  läfst  Wir  können  diese  AndeU'* 
tungen  und  Perspektiven  hier  nicht  weiter  verfolgen; 
\vir  wollen  nur  hinzusetzen,  da&  uns  hier  die  Grenze  der 
XXVI.  Jaiirg.  IQ.  Heft.  64 


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IMO    .  Undley,  SjttM  BoUuiik. 

gegen wärügea  wissenschaftlichen  Bildung  bezeich- 
net scheint  Was  bis  jetzt  darüber  hinausgegangen  ist 
in  jeoes  Gebiet,  Mrar  unentwickelte  Ahnung,  hervorge-, 
rufea  durch  halbbewufste  Sehosucbi  des  unbefriedigten 
Geistes,  dfter  noch  ein  in  die  Hülle  barocker  Phantasie 
eingehülher  Halbwahn.  Das  Dämmernde  und  Gährende 
soll  davon  abgeschieden,  und  hier  vor  Allem  der  feste 
.Boden  der  Wirklichkeit,  der  klare  Begriff  und  die 
Beobachtung  nicht  verlassen  werden.  Dabei  ist  es  aber 
von  der  bdchsten  Bedeutung^  m  sehen,  me  Speculatteu 
und  höhere  Naturbetrachtung  gleicher  Weise  sich  der 
Religion  zu  nähern  und  in  sie  überzugehen  beginneu. 
Wie  weit  diese  Wechselwirkung  gediehen,  eben  so  sehr 
aber  anch,  welche  Kluft  dabei  noch  sn  fiberwinden  sey, 
dies  isn^ zeigen  war  der  Zweck  der  gegenwärtigen  Beaf- 
theiiung,  welche  deshalb  nicht  die  alten  Gegensätze  zu 
bestätigen  oder  zu  vergröfsern  trachtet,  sondern  auf  ebe 
nahe  erreichbare  Zukunft  und  iu  ihr  auf  eine  tiefere 
Versöhnung  und  BefriedigUDg  der 'Geister  hinsuweiseo 
beabsichtigt  *) 

Fichte. 


Einleitung  in  das  natürliche  System  der  Botanik:  oder 
tystematische  Uebcraitht  der  Organisation  ^  natürlichen  Verwandt- 

*  $chafien  und  geographischen  Verbreitmig  des  ganzen  Pflanzen- 
reichs,  nebst  Angabe  des  ISutzens  der  wichtigsten  Arten  in  der 
Heilkunde ,  den  Künsten  und  der  Haus-  und  Feldwirthschajt.  ^on 
John  Lindley,  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  mu 
London  u.  i.  i/j.  Jus  dem  IhigHivhen.  H'eimat$  im  Verlage  de* 
Landes  -  Indu&triti-  Comi)toirs,  103^.    524  S.  8. 

Die  Lehre  von  dem  natürlichen  Systeme  dea  Ge^ 
wäehsreiches  ist  in  Deutschland  längst  verbreitet,  und 

wird  schon  geianme  Zeil  hindurch  auf  den  Universitäleu 
öffentlich  vorgetragen;  seitdem  Cassel  im  Jahre  1817. 

*)  Da  öher 

J.  F.  Fries  Handbuch  der  Hcligions  •■  Philosophie  und  philosO' 
^      phUtkm  Jestketik 

«cbon  (in  No.  44. 4&.  46  )  von  einem  andern  Reo.  berichtet  VM^tn» 
8o  konnte  dieses  Werk,  den  Getelten  dee  Inatitate  gemire«  nickt 
mit  in  diese  Gemmintreceneinn  anfgenommcn  wsvden. 


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Lindley,  System  der  Ooianik. 


1011 


sein  Lehrbuch  der  natörlichen  Pflanzen-Ordnung  schrirfi, 
ist  eine  ganze  Reihe  anderer  Werke  gefolgt)  die  deiiH 
selben  Gegenstände  gewidmet,  dennoch  von  gans  ver-* 
tthiedenen  Gmmlsäteen  ausgehen  nnd  von  sehr  nnglei- 
chem  Werthe  sind.  Schwieriger  fand  diese  berühmte 
Lehre  in  Fuf^laiid  l^in/;;ing,  untl  unser  Hr.  Verf.  *«pricht 
TOD  einer  grofseu  Menge  tief  gewunselter  Vorarüieile^ 
die  man  zu  bekämpfen  tiabe,  nm  ihr  Eingang  sn  ver^ 
schaffen;  ja  zn  der  Zeit,  als  der  Drnck  des  yorltegenden 
Werke«  angefangen  wurde  ( 1830.)  existirte  auf  den  brit- 
tischen  Inseln  noch  keine  in  englischer  Sprache  geschrie- 
bene Einleitung  zur  Kenntnirs  der  natürlichen  Familien 
des  Gewächsreiches,  und  erst  seit  Kurzem  ist  eine  Ueber* 
SMzung  von  Richard's  Nauveattx  Eldmens  de  Boia^ 
nique,  toq  Clinton  bearbeitet,  in  London  herausge- 
kommen. 

Bei  einem  zum  allgemeinen  wissenschaftlichen  Ge- 
brauche bestimmten  Wexke,  meint  unser  Hr.  Verf. ,  müsse 
rnn  vorzuglich  swei  Gegenstände  im  Auge  behaHen, 
nkn  müsse  nämlich  erstens  die  Wissenschaft  der  Po- 
pularität nicht  aufopfern^  dann  aber  zweitens  die 
^^arhe  den  Studierenden  so  leicht  machen,  als  es  die  Be- 
schaffenheit, des  Gegenstandes  nur  immer  zulasse.  Beiden 
Anforderungen  glaubt  Hr:  Prof.  L.  besonders  dadurch 
genügt  m  hiibeli,  indem  er  eine  Clavia  mabftica  ver* 
fertigte,  durch  deren  Hfilfc  <lie  Familien  auch  von  An- 
föngern,  in  sofern  nie  nur  auch  die  kleinsten  Organe  der 
Pflanzen  genau  zu  unterscheiden  wissen,  bald  aufge- 
fiiBdeo  und  bestimmt  werden  kann,  In  welche  jedes  eiii- 
seine  ClewMchs  gehdre.  Bs  ist  ihm  nicht  entgangen, 
dafs  auf  diese  Weise  das  naüii liehe  System  in  ein  künst- 
liches umgewandelt  uird,  und  er  ^ucht  sich  auch  auf 
mancherlei  Weise  deshalb  zu  entschuldigen. 

Die  Einleitung  enthält  znvdrderst  eine,  doch  such 
ivirklich  gar  zu  dürftige  Geschichte  der  Pflansensysteme, 
und  sodann  anf  sehr  ausführliche  Weise  eine  /Vuseinander- 
selzüng  der  Vorzüge  des  natürlichen  Sj«stcnjs  Tor  dem 
allbekannten  des  Linne,  wo  jedoch,  für  einen  Deut« 
9Qhtn  UMlgiteos ,  gsr  nichts  Nenes  beigebracht  IdrdL 


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.  1012 


UndUj,  Sjiten  der  Botanik. 


Gewifs  ist  übrigens,  dab  die  Pflanseokonde  heot  zu  T^e 

eine  viel  scliwierig-er  zu  erlernende  Wissenschaft  gewor- 
den ist,  als  sie  es  noch  vor  zwei  Jahrzelieuten  war,  und 
Hr.  Prof.  L.  hat  vollkommen  Recht,  wenn  er  sagt :  es 
giebt  keiodWiMeiiflchaft,  welche  jeioe  mehr  auf's  Kleinste 
gerichtete  Beobachtung ,  eine  grdftere  Geduld  bei  Un* 
-tersuchungen ,  oder  eine  fortlaufendere  Uebung  des  Beur- 
theiiungsverinögens  erforderte,  als  die  der  Botanik.  — 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  fleifsi^euud  scharf- 
sionige  Erprterong  des  verschiedeoeo  Grades  toq  Wich- 
tigkeit  derCharaklere,  welche  die  einzelnen  Organe  zar 
Uestinmniii|^  der  Affinitäten  liefern,  sie  sind  deshalb  ein- 
zeln von  der  Wurzel  bis  zum  Embrjo  des  Saamens  durch- 
gegangen und  ans  dem  gedachten  Gesichtspunkte  kritisch 
beleuchtet  worden.  Vprtrefilich  ist  der  Grundsatz,  dab 
Charaktere  von  rein  phygiologischer  Natur,  d.  b.  solche, 
die  von  Verschiedeaheit  in  dem  Innern  anatomischen  Bau 
hergeleitet  sind,  einen  gröfsern  Werth  haben,  als  Ab- 
weichungen in  Form,  Stellung,  Zahl  und  dergi.,  wel- 
ches blofse  Veränderungen  äufeerer.  Organe  sind;  nvr 
mnfa  man  bedauern ,  dafe  der  Hr.  Verf.  diesen  Grundsatt 
in  der  praktischen  Ausfuhrung  ganz  vergessen  zu  haben 
scheint,  und  bei  den  einzelnen  Ordnungen  doch  nur 
höchst  selten  darauf  zurückkommt 

Was  nun  die  Ausführung  oder  Anordnung  des  Sysleii» 
betriflk,  so  theiit  L.eämmtliche  Gewächse  in  Vmctdares 
und  Cellularea ,  und  die  ersteren  wieder  in  Ejcogenen 
und  Endogenen,  wie  schon  viele  Andere  vor  ihm;  allein 
die  weitere  Unterabtheilung  ist  neu,  denn  die  Exogeoeo 
zerfallen  blos  in  zwei  und  zwar  höchst  ungleiche  KlaMo, 
die  Anghspemda  und  Grymnospermia ,  welche  letatere 
nur  zwei  Ordnungen  Enthält  —  die  Coniferae  und  Cy- 
cadeae  —  während  die  Augiospermia  226  Familieo  in 
sich  begreift;  sie  werden  wieder  zerspalten  in  Polnpe- 
talacy  Jpetalae,  Acklamtdeae  und  Monopeialae ,  woria 
man  die  alten  bereits  von  Jnssien  benutzten  Anord- 
nungen wieder  erkennen  wird.  Die  Polypetdkte  ihrei^ 
seits  zerfallen  wieder  nach  DecandoUes  Vorgang  in 
TluUamißorae  und  Cal^c^rae,  deren  jede  wieder  zwei 


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Liodiejr,  Sjatem  der  Botanik.  lOlS 

Unterabtheilungen  —  die  Apocarpac  und  ^neorpae'^ 
hat.  Die  ISodog^eneo  siod  in  zwei  Uoterclassen  gebracht, 
die  Obanaceae  und  Petalöideae,  so  wie  die  Zellen- 
gewSchse  \n  FiUcoideae  y  Mmcoidcue  und  Apkylluc  ge- 
theilt  sind. 

Die  (] putschen  Bearbeiter  des  natürlichen  Pflanzensy- 
Sterns  haben  grofsentheils  sich  bemuht,  nachzuweiseii , 
welche  Familie  des  Gewächsreiches  als  die  am  meisten 
entwickelte  und  am  vollkommensten  ausgebildete  ange* 
sehen  werden  müsse,  ohne  dafs  deshalb  die  Ansichten 
übereinstimmten,  indem  bald  die  Leguminosen,  bald  die 
Rof^aceen ,  bald  die  Aurantiaceen  für  die  vollkommensten 
,  aller  Pflanzen  ausgegeben  wurden,  während  Decan- 
dolle  sein  System  mit  den  Ranunculaceen  beginnt  Hr. 
Prof.  L.  hat  um  diesen  Gegenstand  aicb  wenig  beküm- 
mert, und  scheint  es  Oberhaupt  nicht  der  Mühe  werth 
zu  halten,  deshalb  sich  in  specieile  Untersuchungen  ein- 
zulassen. Fr  fang;t  mit  den  Araliaceen  an ,  und  hätte 
eben  so  gut  eine  jede  andere  Familie  aus  der  Abtheilung 
der  Exogenen  an  die  Spitze  des  Systems  stellen  können ; 
allein  gerade  diesen  Gegenstand  vernachlässigen,  heifst 
oflfenbar,  dtC' wichtigste  und  erste  Rücksicht,  ja  die 
Basis  des  natürlichen  Systems  aus  den  Augen  setzen.  — 
Musterhaft  ist  übrigens  die  specielle  Bearbeitunjs^  der 
einzelnea  Ordnungen;  nach  Angabe  der  Literatur  folgt 
die  Diagnose ,  dann  die  Erörterung  der  etwa  vorhan- 
denen Anomalien,  hierauf  der  wesentliche  Charakter^ 
die  Verwandtschaften,  auf  deren  Aosmittelnng  beson- 
derer Fleifs  und  Scharfsinn  verwendet  ist,  die  Angabe 
des  Vaterlandes  und  der  geographisrhen  Verbreitung, 
sodann  der  Heilkräfte  und  anderer  Eigenschaften.  Zum 
Schlüsse  werden  jedoch  bei  jeder  Familie  nur  einige 
wenige  Gattungen  als  Beispiele  genannt,  so  daft  man 
also  hier  (ein  Hauptmangel !)  eine  Tollständlge  Anftähr- 
long  und  Eintlieilung  sämmtlicher  Genera  in  die  natür- 
lichen Familien  nicht  suchen  darf. 

Sehr  zweckmäfsi^  ist  es,   dafs  bei  jeder  einzelnen 
Familie  Uire  Bestandtheiie  und  Heilkräite  erörtert  werden^ 


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I 


1014  Liodley»  System  der  Botanik. 

indem  gerade  diese  Verhältnisse  äufserst  brauchbare  Wioke 
Ober  die  Aoordoung  selbst  und  die  naturlichen  Verwandt* 
t^aften  abj^eben  k&ioen,  nur  ist  m  bedanerii,  dafs  uos«r  Hr. 
Verf.  nicht  immer  am  besten  unterrichtet  8U  seyn  CM^elnt, 
auch  hängt  er  unveirückt  an  den  Aussprücheu  Decan- 
doiies,  denen  er  gleich  Orakeln  folgt,  und  doch  hat  der 
Genfer  Botaniker  seiner  Theorie  zu  Gefallen,  mancherlei 
Dinge  geänfsert,  die  eine  genaue  Prftfnng  nicht  «usfaaltoA; 
ja  schon  bei  der  «weiten  Familie,  die  der  UnaJ>dtiferen, 
kommt  dieser  Luisland  vor,  indem  Hr.  Prof.  L.  nach- 
spricht: „Die  Saamen  der  Dolden  sind  in  keinem  Falle 
Gefahr  bringend ,  und  gewöhnlich  ein  erhitzendes  und 
angenehmes  Gewürz."  Die  Unrichtigkeit  dieses  Sataes 
luit  lUf.  aehon  früher  gegen  Deoandolle  oaehgfewio- 
sen,  und  die  jüngsten  Untersuchungen  haben  dies  noch 
mehr  bestätigt,  denn  gerade  in  den  Saamen  des  Conlum 
maculatum  oder  des  gemeinen  Schierlings  (die  Hr.  De- 
caodoUefilr  ontchädUqh  ausgiebt)  ist  das  Conüot  jm 
so  iuflierst  heftig  und  giftig  wirkanite  Substanu,  weil 
reiner  und  reichlicher  enthalten ,  als  in  den  übrigen 
Tlieilen  der  Pflanze.  Das  Gummi  ammonkicmn  leitet 
liindley  noch  von  Heracieum  gunimiferum  ab,  und 
zeigt  dadurch »  dals  ihm  die  i^ieueren  Nachrichten  iber 
die  Mntterpflaase  dieaea  Gumniiharaea  uabekaant  ge- 
blieben sind.  Die  Paeonien  sind  hier  noch  mit  den  Ra- 
nuncnlaceen  vereinigt,  worüber  man  sich  um  so  mehr 
wundern  wird,  da  an  andern  Orten  um  viel  geringerer 
Merkmale  willen»  als  die  sind,  welche  die  HaaunkelD 
voa  den  Qiohtresen  treanan ,  neue  FWmlian  toq  nasena 
HrOi  Verf.  aufgestellt  worden.  Die  Saamen  der  AquUegki 
werden  von  ihm  einfach  tonisch  genannt,  ein  Fehler, 
den  er  hatte  vermeiden  können«  eben  so  wie  Ur.  Decaa- 
dolle,  wenn  Beide  die  Schriften  des  Liane  fleiAigsr 
geleten  hätten.  — 

Bei  den  Nymphaeaceea  vermiAt  man  gams  die  dath 
wohl  zu  beachtenden  Ansichten  der  Hran.  Bartlin^ 
und  Schultz  über  die  Stellung  die.eer  Familie  im  Sj^- 
steine,  wie  denn,  überhaupt  uns^r  Hr.  VeiC  aaläer  Mar* 


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I 


(ius  uud  Link  kaum  aocU  irgend  eiaea  andera  «Wut-  ^ 
süaen  Botaaikef  kennt. 

Die  CiljrcftBtheeii  bilden  eine  von  Liadley  neaaaf- 
gMiallle  Ordoong ,  die  auch  toq  mehreren  ScbrIfMd« 
lern  angenommen  worden  ist;  sie  stehen  hier  zwischen 
den  Winter een  und  Monimieen,  und  doch  sagt  der  Hr. 
Verf,  selbai,  Jussieu  habe  Rechi  gehabi,  aie  zu  den 
Rmoeen  su  Bahlen,  da  keiM  andere  Ordmag  mit  ihnen 
ofliar  verwandt  aey;  eben  ao  sonderbar  ist  es,  daft  daa 
Arom  der  Calycaniheen  nur  den  Blumen  zugeschrieben 
wird,  da  dieses  doch  vorzugsweise  in  der  Rinde  seinen 
Site  hat.  Dafs  die  Berberideeni  namentlich  die  Beeren 
vaa  Berberi»  vulgaris  ihren  eauren  Geschmack  von  der 
SaaerkleeaiMe  erhatle» tollen 9  ist vietteiebt anr  ein 
Schreibfehler.  — 

Nach  Ehrenberg's  Vorschlag  ist  die  neue  Fa- 
QÜlie  der  Reaumurieen ,  bios  aus  den  Gattangen  Reau" 
naria  vad  Ualolaehae  bestehend ,  au%enemme«9  was 
froher  auch  achaa  Kunth  gethan  hatte;  ktaterer  atelll 
«e  zwischen  die  Hjpericeeci  und  Guttiferen,  Lindiey 
zwischen  diese  und  <lie  Saxifr.ii^een.  Die  Gattung  BauerS) 
von  Robert  Brown  zu  den  Cunouiaceen  gerechnet, 
ist  biar  an  einer  eigenen  Faaiiiie  erhoben ,  wozu  besorg 
im  der  abweichende  Habitiia,  nebst  einigen,  doch  ei>ea 
ükbt  sehr  bedeutenden  Verschiedenheiten  im  Baae  dev 
mäanlichen  Genitalien  die  Veranlassung  gaben.  Bei 
den  Grossularieen  verweilt  der  Ur*  Verf.  lange,  um  ihre 
Varwandtackaft  mit  denCacteeä  nachzuweisen;  ev  hebt 
die  wenigen  Anniherungspunkte  beider  Faniilien  redii 
florgftitig  heraus ,  vergifst  aber  gana  die  auberaidenl^ 
liehe  Abweichung  beider  in  Hinsicht  der  Vegetationsari 
und  der  Eigenschaften,  wenn  man  auch  den  ao  gewaltig 
abweicbeodea  Habitus  (der  so  oft  den  Grund  zur  Auf- 
staUnng  neuer  Gruppea  abgab)  hier  för  gana  anbedea* 
Itad  iMltea  will ,  and  doch  der  Unterschied  awisehea 
einem  Johannisbeerstrauch  and  einer  Fackeldistel  ist 
Harüch  nicht  klein  !  Betrachten  wir  aber  ihre  vorherr- 
sehenden  Beatandthdile,  die  Cacteeu  haben  reichlich 


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t 

1016  Lindlej,  Sjttem  der  Botanik. 

einen  Milchsaft,  der  den  Grofsularien  ganz  fehlt,  die 
scharfen  und  pnrgirendeni  hantröthenden  Eigenschaften 
jener I  tvird  mau  bei  diesen  Tergeblich  eiichen.  Stark 
riechende  fitheriech-öligre  Thelle  sind  häufig' bei  den 
Grofsuiarieen,  den  Fackehli^telo  mangeln  sie  ganz.  Mmmt 
man  nun  noch  auf  die  GrciFse  und  Schönheit  der  Blume 
der  Cacteen ,  auf  itire  eigenthümliche  Art  des  Oeffiiens 
und  Schliefsens  derselben  Rficicsicht ,  so  wird  mao  ge* 
stehen  müssen,  dafs  die  ylelbeliebte  Nebeneinanderstei- 
lung  der  Grofsularien  und  Cacteen  eine  hpchst  untiatür- 
liehe  ist  Schicklich  konnte  man  die  Grofsularien  die 
Myrten  des  Nordens  nennen,  und  deoigemäfs  ihnen  eine 
Stelle  im  System  anwrisen. 

Aus  der  Ghttnog  CXrcaea  hat  Lindl ey  eine  eigeae 
Familie  gebildet.  Man  wird  dies  nur  billig-ea  niüäseo, 
denn  der  Unterschiede  derselben  von  den  Oenotheren,  zu 
denen  man  sie  bis  jetzt  rechnete ,  sind  so  viele  und  so 
deutliche,  dafs  man  sich  Wundern  mufs,  warum  diese 
Trennung  nicht  schon  frfiher  yorgenommen  wurde.  Da 
Unsef  Hr.  Verf.  offen  gesteht,  dafs  ihm  die  Eig-enscliaßea 
der  Circaea  unbekannt  seyen,  so  muls  man  ilin  atif  die 
Schriften  der  alten  Botaniker  verweisen ,  wo  er  sie  ange- 
aeigt  finden  wird;  auch  über  die  Eigenschaften  der  Sa- 
mydeen,  Sanguisorbeeoi  Celastrineen,  Passifloreen,  Or* 
diideen  und  so  vieler  anderer  ist  er  nur  höchst  unvbll- 
ständig  unterrichtet ,  indem  er  kaum  etwas  mehr  anfuhrt, 
als  sein  Vorbild  Decandolle  darüber  gesagt  hatte. 

Die  Aufstellung  und  Erörterung  der  Pomaceen  ab 
eigene  Familie  rührt  von  npserm  Hrn.  Verf.  her,  der 
diesen  Gegenstand  schon  im  Jahre  1821.  auf  sehr  goifi«- 
gende  Weise  bearbeitete.  Die  Amygdaleen  sind  hier 
ebenfalls  als  eigene  Ordnung-  behandelt,  sie  sollen  sich 
von  den  Rosaceen  und  Pomaceen  durch  ihre  Drupa,  durch 
die  ein  Schleimharz  liefernde  Rinde  und  die  Gegenivaft 
der  Blausäure  unterscheiden,  welchen  letzteren  Umsfaad 
der  Hr.  Verf.  als  ein  Hauptmerkmal  ansieht  und  mehrmals 
wiederholt;  aliein  er  hat  vergessen,  dafs  diese  Säure 
auch  bei  den  Pomaceen  vorkommt,  namentlich  in  den 


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Linilley,  Syalem  der  Botanik. 


lOil 


Saanien  der  Quitten  und  in  den  Hiumen  von  Sorbuf 
amcuparia,  und  andern. 

Wenig^a  PflaosenfiiinUten  sind  90  TielfUtig  in  den  Sy- 
stemen der  Botaniker  herumgeworfen  worden,  als  die 
Resedaceen;  nirgeucis  haben  sie  eine  sichere  Stelle.  Hr. 
Decandolle  hat  sie  schon  da  und  dorthin  gestellt, 
ohne  dafa  er  sie  stehen  lielse ;  Bariling  bringt  sie  z wi- 
sehen  die  Poljrgaleen  und  Famariaceen ;  Kunlh  zwi- 
schen die  Capparideen  und  Datisceen;  Reichenbach, 
der  sie  charakteristisch  genug  CoUocarpicae  nennt,  theilt 
sie  den  Cruciferen  zu,  und  dürfte  damit  am  richtigsten 
ihre  nächste  Affinität  angedeutet  haben,  wenn  gleich 
ihre  Stelle  neben  den  PapaTeraoeen  schwerer  zu  ver* 
theidigen  seyn  möchte.  Schulz  setzt  sie  zwischen  die 
Droseraceae  und  Turner aceae ;  Hefs  zwischen  «liese 
und  die  Violarieae;  Richard  zwischen  die  Flacour- 
iianae  und  Cappartdeae;  Don  hat  auf  ihre  Verwandt- 
schaft mit  den  Rsnuncnlaceen  auftnerksam  gemacht,  und 
besondere  hat  man  die  g'enaueste  Affinität  zwischen  den 
Gattungen  Reseda  und  Dclph'mmrn  finden  wollen.  End- 
lich setzt  sie  unser  Hr.  Verf.  neben  die  Euphorhiaceeii ! 
Doch  das  ist  noch  nicht  Alles  und  die  Zeit  ist  noch  nicht 
gekommen ,  die  ihnen  eine  ruhige  Stelle  versprechen 
iännte. 

Als  eigene  Familie  (BrcxiaCeae)  stellt  Hr.  Prof.  L. 
die  Gattung  Brexm  anf ,  worüber  Ref.  ans  Mangel  an 
Autopsie  dieser  madagaskarischen  Pflanze  nichts  sagen 
kann;  aacb  die  Gattung  Siaphylea  hat  der  Hr.  Verf», 
getrennt  von  den  Celastrineen,  zu  einer  eigenen  Gruppe 
erhoben,  was  sich  allenfalls  vertheidigeu  läfst,  sowie 
die  Aufstellung  der  neuen  Familien  der  ISepentheae , 
Nitrariaceae  und  Pyrolaceae.  Ais  neue  und  eigene 
Familien  sind  ferner  die  Scaevoleae  und  Brunoniaceae 
behandelt,  nachdem  sie  vorher  mit  den  Goodenovieen ' 
vereinigt  waren. 

Die  sehr  ausgezeichnete  Bearbeitung  der  Boiagineen 
oder  Asperifolien  von  Schräder  in  Göttin^ren  kennt 
unser  Hr.  Verf.  nicht ;  eben  so  wenig  die  ungemein  fieis- 


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11118 


Liadie^,  System  der  Botanik. 


eige  und  grundliche  Bearbeitung  der  Caryophyileea  von 
Bartling;  auch  das,  was  fiber  die  Eigenschaften  dieser 
lelzten  Familie  gesagt  wird ,  hätte  bei  weitem  vollstän- 
diger nnd  geaaaer  sejn  kdonen  unir  soilen^ 

'Wie  schwierig  die  Abtheifung  der  Endogenen  .in  gut 
dharakterisirte  Gruppen  ist,  fuhUen  alle  Botaniker,  die 
•ich  diesem  Geschäfte  unterzogen ;  was  unser  Hr.  Verf. 

hier  Neues  und  Eigenes  liefert,  besteht  hauptsächlich  in 
der  Aufstellung  der  Gillesiaccae y  als  einer  eigenen  Fa- 
milie, die  Gattungen  GilUeaia  und  Mieraia  enthaltend, 
die  bisher  mit  des  Asphodeleen  yereinigt  waren. 

Man  hat  bei  der  Erscheinung  des  vorliegenden  Bu- 
ches in  England  grofse  Lobeserhebungen  von  demselben 
in  Deutschland  verbreitet,  schon  frühzeitig  die  zu  iie-* 
femde  Uebersetzung  angekündigt,  weshalb  denn  aach 
grofse  Dinge  davon  erwartet  nnd  gehegt  wurden ;  man 
düille  sich  jedoch,  \yie  dies  unter  dergleichen  Umständen 
so  oft  geht,  nicht  ganz  befriedigt  finden.    Dennoch  ist 
Lindie^'s  Einleitung  eine  wahre  Bereicherung  der  bo- 
tanischen Literatur,  in  der  ihr  eine  ehrenvolle  Stelle 
gebohrt,  denn  sie  enthält  viele  neue  und  eigene  Ansichten 
über  den  Bau  und  die  Structur  der  Fruchttheile  so  man- 
cher Familien ,   nicht  wenige  scharfsinnige  Beobach- 
tungen und  Andeutungen  über  die  wahren  Affinitäten  der 
Ordnungen;  sie  ist  dem  deutschen  Botaniker  besonders 
noch  darum  schätzbar,  weil  man  hier  gesammelt  findet, 
was  in  den  englischen,  zum  Theile  sehr  kositbaren,  bei 
uns  wenig  verbreiteten  Schriften,  über  die  Kenntnifs  der 
natürlichen  Familien  des  Gewächsreiches,  enthalten  ist. 
Gar  sehr  mufs  man  übrigens  bedauern,  dafs  der  anonyme 
Uebersetzer  der  Botanik  wenig  kundig  zu  seyn  scheint; 
wenigstens  hat  er  nirgends  Notizen  und  Nachträge  bei* 
gefügt,  so  zahlreich  auch  die  Gelegenheiten  sind,  die 
fast  bei  jedem  einzelnen  Abschnitte  sich  dazu  darbieten* 


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I 


Mbekiavol.   Pur  Ariaud.  IHd 

Mac  h  i  avcl ,  9on  gcnie  et  ses  errcurs.    Par  A.  F,  4t%aud*  Parii» 
mi.   T,  /.   Xi  tt.  4^^       T.  IL  537  ^.  ». 

Nie  Bind  Tielleicht  su  Einer  Zeil  Qber  Bioen  Geg^ea-* 

siaml  zwei  so  verschiedene  und  doch  miteiuaruler  so  ver- 
lr;in^liche  Werke  geschriebeo  worden,  als  dieses  Ruch 
ukeK  das  Lebea  de«  Maehiavell  und  die  CharakierUtik 
die§e6  Maooee  in  den  bistorischeo  Schriften  dee  unter- 
«eiohoeieo  Referenten,  die  neulich  aveg^egeben  wurden. 
Hier  schreibt  ein  Franzose  und  ein  Deutscher,  der  eine 
ein  älterer,  der  andere  ein  jüng^erer  IMann ;  der  eine 
durch  eine  Keibe  von  Werken  über  itaÜeuische  Maierei » 
Antiquitäten,  Poesie  bekannt  und  seine  Werke  eeibel 
f  esucbl,  der  andere  kaum  aua  dem  Dunkel  herrortretend 
ttod  durch  einen  im  Mifsverständnirs  über  sich  selbst 
begonnenen  früheren  Versuch  bei  einer  Klasse  von  Ge- 
lehrten ein  wenig  discreditirt;  der  eine  vormals  iranzö* 
Bischer  Gesehäftsträg;er  in  Florenz,  Wien  und  Horn,  der 
aridere  ein  simpler  deutscher  Privatdocent ;  den  einen 
macht  sein  langer  Aufenthalt  in  Italien  und  ein  langes 
Studium  des  ilurcntiiiischeii  Staatsinannes  zu  seinem  Uu- 
ternehmen  hinlänglich  befugt,  der  andere,  der  kaum 
acht  Monate  in  ItaHen  anwesend,  seine  2eit  awischea 
Kunst,  Aiterthum  und  mittelattrige  Literatur  theilte, 
schrieb  in  dieser  Zeit,  ohne  andere  als  allgemeine  Vor- 
Studien  gemacht  zu  haben ,  nicht  allein  sein  ganzes  Gut- 
achten über  den  Maehiavell ,  sondern  auch  eine  Geschichte 
def  flofenUnischen  Historiographie  d-tzu ;  der  eine  ist  in 
einem  Hauptfach  ctea  Helden  seines  Werkes  erfahren  und 
bewandert,  der  andere  in  einem  anderen  Fache  dessel«^ 
ben,  so  hofft  er  wenigstens,  kein  Fremdling.  Dies  sind 
Gegensätze  in  der  Persönlichkeit  der  zwei  Autoren  ;  sie 
mufsten  grofte  Verschiedeoheiten  in  ihren  beiderseitigen 
Werken  hervorbringen.  Daan  kommt,  daft  die  beiden 
Verfasser  beinahe  ihre  Nationalität  ausgetauscht  nicht 
haben,  nur  zu  haben  scheinen.  Der  Franzose  schreibt 
ein  Opus  von  zwei  Bänden  ,  der  Deutsche  fafst  sich  etwa 
in  den  achten  TheÜ  dieses  Raumes  zusammen;  jeuer  be* 
nialat  seiii  Buch,  um  in  Noten  md  Text  gelegentlich 


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1020 


Macbiavel.   Far  Aruud- 


politische  Ansichten  und  Meinungen,  Erörterungen  ein- 
zelner PuQCte  aus  der  neueren  Zeit,  Räson neinents  über 
Charaktere  tiod  Begebenheiten  der  alten  Geschichte  nie- 
derzulegen,' der  andere  verfolgt  seinen  Zweck  vielleicht 
mit  allznvieler  Strenge  und  Kürze.    Haben  uns  nicht  die 
Franzosen  vorgeworfen,   wir  verstünden  kein  Buch  zu 
machen,  weil  wir  mit  unserer  rniilen  (ieielirsamkeit  den 
Leser  plagten,  mit  unserer  breiten  Weitläufigkeit  den 
Leser  langweilten,  mit  unserer  Achtlosigkeit  im  Styl  deo 
Leser  verletzten,  mit  all  unserer  Anstrengung  zd  keinem 
Ziel,  ZD  keinem  Resultat  gelangten f   Wohlan,  dieser 
Franzose  besitzt  eine  crude  Gelehrsamkeit,  wenn  ei  auch 
den  Leser  nicht  eben  damit  plagt,  der  Deutsche  plagt 
vielleicht  den  Leser ,  aber  gewifs  nicht  mit  cruder  Ge- 
lehrsamkeit;  der  Franzose  verfahrt  mit  einer  breiten 
Weitlänfigkeit ,  sollte  sie  auch  nicht  eben  lang^weileo, 
der  Deutsche  aber,  falls  er  langweilt,  thut*s  znverlSssig 
nicht   durch  breite  Weitläufigkeit;   der   Franzose  hat 
eigentlich  gar  keinen  Styl,  sondern  er  läfst  fast  immer 
den  Machiavell  selbst  reden,  der  Deutsche  behandiclt 
nicht  selten  den  Machiavell ischen  Text  selbst  da,  wo  er 
fibersetzt,  mit  einiger  Freiheit;  der  Franzose  gesteht  es 
bescheiden  selbst,  dafe  er  mit  seiner  grofsen  Anstren- 
gung zu  keinem^ Ziele  kommen  wollen,   der  Deutsche 
meint  ganz  treuherzig,  mit  seiner  ungleich  kleineren 
Anstrengung  zum  Ziele  gekommen  zu  seyn.    Hr.  Ar  taud 
ist  ein  Mann,  der  seinen  Machiavell  mit  einer  scrttpa-> 
losen  Gewissenhaftigkeit  und  Genauigkeit  geJesen  bat; 
noch  mehr,  er  hat  den  ganzen  Procefs,  der  seit  drei-* 
hundert  Jahren  vor  dem  Publicum  anhängig  ist,  dujch- 
studirt;  er  widmet  den  Schriften,  die  pro  und  contra 
erschienen  sind  ,  mehrere  hundert  Seiten  seines  zweiten 
Bandes,  während  der  Deutsche  diese  Angrifife  und  V«g 
theidignngen  ganz  knapp  von  sich  abwies;  Hrn.  Ar  tri» 
entgeht  nicht  die  kleinste  Falte  in  Machiaveirs  Heiml 
nicht  die  versteckteste  Zeile  in  seinen  Schriften ,  nicht 
der  kleinste  Fehler  in  seinem  Gedächtnifs.    Macht  er 
einen  lateinischen  Schnitzer,  Hr.  Ar  taud  corfiortiärl 


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Uftcbiavel.  Par  Artand.  1021 

braucht  er  in  seinen  Briefen  ein  f^ara^ieieches  Wdrtcben, 

so  freut  es  Hrn.  Artaud  und  er  zweifelt  nicht,  dais  er 
vortrefflich  Französisch  gesprochen  hahe ;  beg^eht  er 
einen  historischen  Irrthum,  Hr.  Artaud  spOrt  ihn  auf; 
citirt  er  den  David  falsch,  Hr.  Artaud  weist  ihn  za- 
recht; apielt  ein  gewisses  Pillenrecept  in  MachiaveU's 
Leben  eine  ^^e wisse  Kolle,  Hr.  Artaud  läfst  es  von 
Chemikern  und  Apothekern  machen;  die  Rede  führt 
Hrn.  Artaud  airf  ein  Gebetbucii  der  Königin  Anna  von 
Bretagne,  er  beschreibt  es,  wie  es  noch  existirt,  in 
6ei'.ier  Eigenscliaft  ah  Präsident  der  Gesellschaft  der 
französischen  Bibliophilen ;  soll  eine  Stelle  aus  Commines 
citirt  werden,  so  läfst  sie  Hr.  Artaud  in  derselben  Ei- 
genschaft in  altcü  Cliaraktercn  drucken;  jedem  kleinen 
Tractat  in  Machiavell's  Werken  weist  er  nach  chronolo- 
gischer Forschung  seine  Steile  an ;  nicht  das  kleinste 
Fragment  ist  in  seiner  allgemeinen  Analyse  unberücksich- 
tigt geblieben;  keine  Unterschrift  in  MachiaTelFs  Briefen 
und  Berichten  ist  fibersehen,  denn  der  er&hrene  Diplo- 
mat weils,  ilafs  unter  seines  Gleiclieii  die  zarteste  Beob- 
achtung der  Regeln  der  Etiquette  herrscht,  und  dals 
ans  dem  Uebergang  von  einem  jjUnterthäpigen  Diener, 
zu  einem  blofsen  Diener  Machiavell"  auf  gestiegenen 
Rang  und  Selbstgefühl  in  dem  ilorentioischen  Secretär 
zu  schliefsen  Ist  Was  hat  nun  der  Deutsche  hiergegen 
zu  setzen?  Dafs  er  seinen  Autor  kennt,  trotz  dem  Hrn. 
Artaud,  würde  er  wohl  nicht  gerne  bezweifelt  sehen; 
dafs  er  seines  Autors  Fehler  nicht  übersehen  hat,  giebt 
er  hier  und  da  zu  verstehen,  lehnt  es  aber  ab,  sie  zu 
bekritteln ;  dab  er  aber  Citate,  Unterschriften  und  jedes 
Bruchstiickchen  mit  so  diplomatischer  Genauigkeit 'er- 
wogen, mit  so  chronologischer  Schärfe  an  die  richtige 
Stelle  gewiesen  habe,  das  darf  Er  nicht  behaupten  wollen, 
der  von  fünf  bis  sechs  Werkchen  des  Machiavell  gar 
nicht  redet,  der  von  den  Büchern  über  den  Krieg  eher 
handelt,  aU  vom  Fürsten,  oder,  wie  uns  Hr.  Artaud 
künftig  zusagen  keifst,  von  dem  Büchlein  über  dleFüc- 
stenthüfuer«    Der  französische  Verfasser  giebt  eine  voll-f 


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im  Maeliiftvel.  Bmr  Artaail. 

Ständige  Analyse  <ler  sämmtlichen  Werke  Machiavells; 
eine  minuliose  Erörterung  seiner  Legationen  und  Nego- 
'  tialionen,  meistenthells  mit  den  treu  ttbersetzteo  Worten 
ded  Atttora  selbst;  sein  GrundsatK  ist  dabei,  es  gäbe 
nichts  Rielnes  in  dem  poKtischen  Leben  eines  solchen 
Genies.  Dafs  bei  einer  so  j^rüudlichen  Ausführung  na- 
mentlich dieses  letzteren  Theiis  von  Machiavell  s  Werken 
der  Verf«,  viele  Leser  zu  ermüden  fürchten  mufste^  war 
natürlich  nnd  wird  von  Jhm  selbst  geäufsert;  dagegen 
bekennt  sieh  huch  der  Deutsche  f&r  diese  Methode  im 
Allgemeinen,  nur  dafs  er  sie  nicht  so  kleinlich  wird  aus- 
gedehnt wissen  wollen.  Ihm  scheint  es,  als  ob  in  un- 
serer Welt  der  Bücher  und  der  Gelehrsamkeit  in  der  Fülle 
und  Masse  nicht  das  Wissen  bestehen  kdnne»  als  ob  der 
Stein  der  Weisen  nicht  sowohl  durch  Aufschichten  ab 

durch  Wegräumen  und  Ansscheiden  zu  ftnden  sejn  müsse. 
Er  hat  sich  deshalb  scherlich  darum  ^j^ekümtnert ,  wenn 
hier  so  viel  Gewicht  auf  mancherlei  der  kleineren  Pro- 
dnete  des  Florentiners  gelegt  wird ,  wenn  der  Verf«  des 
französischen  Werkes  z.  B.  ( 1 ,  202.)  in  den  Deoelinsiea 
'  die  „höchste  Poesie"  findet,  denn  dem  Deutschen  niifs- 
hagt  an  diesem  Ausspruch  der  Geschmack  des  heutigen 
dichtenden  und  lesenden  Puhl icu ms,  das  für  Poesie  nimmt| 
wa0  irgend  ein  junger,  unruhiger  und  leidensohaftlichsr 
Mensch ,  aufgeregt  durch  die  Frische  seiner  ungestOm- 
men  Empfinclungeii ,  nicht  selten  durch  Unmiith  über 
seine  Verhältnisse,  durch  gestörte  Ideale  m\i  heifsern 
Blute,  mit  lieberhafter  Laune,  mit  erbitterter  Seele  ia 
Verse  bringt,  die  ihm  die  gemachte  poetische  Sprache 
einar  kaum  «mporgeblihten  Literaftur  biet^rt,  lo  Reime, 
die  ihm  ans  der  nämlichen  Quelle  zufliefsen,  in  Gedan- 
ken, die  allzuoft  R(  miniscenzen  derselben  Art  scheinen. 
Diese  Heftigkeit ,  dieser  patriotische  Eifer,  diese  glatten 
Reime 4  diese  scharfsinnigen  Antithesen,  diese  Allegorlee, 
sprfidiwdrtliche  Sentenzen  und  Witzworte  l'elzen  auch 
in  Machiaveirs  Versen ,  allein  der  Reiz  ist  kein  poeti- 
scher. Di^s  also  und  dergleichen  üels  den  deutschen 
Verf.  unbesorgt,  allein  wie  mochte  ihm  wohl  zu  Muthe 


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« 


MftoliitT«!.  ftrAftutd.  im 

werden,  als  er  hier  den  halben  Band  des  Werkes  eines 
Diplomaten,  eines  ehemaligen  Geschäftsträgers  in  FIo« 
renz,  Wien  und  Rom  über  einen  Diplomaten,  über  das 
Muster  aller  Geschähslräger  vor  sich  sah?  Genrifn, 
ohne  Besorgnifs  ging  er  nicht  an  das  Bach,  denn  wie 
leicht  konnte  er  mit  seinen  unerfahrenen  Paar  Jahren 
sich  in  jener  Beurtheiliing  der  Gesandtschaft 'an  Cäsar 
Borgia  die  gröfsten  Biöfsen  gegeben  haben,  so  altklag 
er  sich  auch  dabei  antustellen  scheint;  doch  ging  er 
darum  nicht  minder  in  dem  ernsten  Wunsche  daran, 
wirkliche  Aufklärung  inid  Belehrung  zu  finden.  Aber 
hier  fand  er  sich  g^etäuscht;  zu  seiner  Freude  vielleicht? 
nein,  vielmehr  bis  zum  Mifsmuth,  denn  durch  die  Ver« 
gleicbung  dieses  Buches  belehrt  zu  werden  ^  wäre  ihm 
anendlich  wichtiger  gewesen,  als  sich  durch  sie  etwa  ein 
wenig  geschmeichelt  zu  sehen.  Die  nationale  Eitelkeit 
scheint  Hrn.  Artaud  veranlafst  7.u  haben,  Machiavells 
Gesandtschaft  am  französischen  Hof  ausführlicher  als  alle 
andere  za  verhandeln)  und  dabei  allerhand  Puncto  genau 
EU  besprechen ,  die  man  fOr  unbedeutend  halten  machte. 
Er  hebt  dort  den  Geiz  der  florentinischen  Signorie  her- 
vor, der  den  Gesandten  immer  in  Xoth  und  Schulden 
bringt,  allein  er  scheint  wirklich  übersehen  za  haben, 
bei  all  seiner  sonstigen  GrÜndlichkeiS|  dafs  der  Geld* 
uiangel  von  anderen  Gesandten  nicht  so  empfunden  ward , 
wie  von  Alachiarell ,  der  aus  Grundsatz  volle  und  offene 
Uäode  an  den  Legaten  forderte.  Hier  dagegen,  in  der 
liegation  an  den  Herzog  Borgia,  die  weit  wichtiger  ist  ' 
vod  weit  lehrreicher,  wo  wir  zuversichtlich  in  die  Schlan- 
genwege des  diplomatischen  Verkehrs  nfiher  eingeführt 
'  zu  werden  hofften,  hier  zeigt  uns  Hr.  Artaud  weder 
das  änffFitliche,  kleine  Benehmen  der  Signoren,  noch 
den  schärferen  Blick,  das  gesunde  Urtheil ,  die  peinliche 
Lage  des  Machiavell ;  dort  rühmte  er  an  dessen  Berichten 
die  Unersohrockenheit,  den  Wahrheitssinn,  den  Patrio- 
tismus, und  verwechselt  dabei  die  Zeiten,  die  damals 
mehr  ertrugen  als  heute,  hier  aber  übersieht  er  die 
Feinheit  der  BatbsChläge ,  den  Tact  in  seinen  Vorwürfen 


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IIM  Macbia^eL  Par  Artaoii. 

lind ,  ah  Alles  nichts  helfen  will ,  die  un; estümme  For- 
derung' der  Abberufung,  die  nichts  anderes  bezweckt, 
als  die  Sigiioren  zu  entschiedeneren  Mafsregeln  anzu- 
feuern, während  Hr.  Artaud  dies  ganz  anders  und  ganz 
Übel  m  deuten  scheint.*)  Man  hätte  denken  solleui 
fiber  den  Redekampf ,  über  die  VerhandlungskonsC  zwi- 
schen dem  Herzog;  und  dem  Secretär  hier  mehr  zu  finden, 
als  die  blofsen  Andeutungen  des  deutschen  Verfs. ,  allein 
man  iindet  selbst  die  Andeutungen  nicht.  Wo  dieser 
lauter  Schlauheit,  Lisi^  Vorsicht  zwischen  Beiden  sieht, 
sieht  Hr.  Artaud  Freundschaft;  wo  der  Herzog  mit 
einem  gezeigten  Vertrauen  den  Florentiner  einzunehmea 
und  cordial  zu  machen  sucht,  sieht  Hr.  Artaud  Inti- 
mität; wo  der  Herzog  den  Secretär  zu  übertölpein  sucht, 
sieht  Hr.  Artaud  gar  nichts.  Die  Unmöglichkeit,  io 
der  sich  Machiavell  findet ,  das  Geheimnift  des  Herzogi, 
das  Dunkel,  in  das  er  sich  huUt,  zu  durchdringen,  wird 
nicht  erwähnt,  wohl  aber  des  Breiten  über  eine  Geleits* 
Versicherung  für  die,  florentinischon  Jiaufleute  gehandehi 
die  in  der  ganzen  Geschichte  eine  ganz  unnöthige  Epi- 
sode ist;  was  der  Herzog  durch  sein  auffallendes  Alleiih 
stehen,  durch  die  Art,  wie  er  ganz  auf  sich  selbst  ruht, 
auf  MachiavelFs  politische  Ansichten  wirken  konnte;  was 
des  Herzogs  Plane  seyen;  was  für  Reden  über  seine  Plaae 
gingen,  wird  nicht  henrorgehoben :  und  doch  ist  es  nur 
dies,  was  die  Signoren,  was  selbst  den  Machiavell  io 
diesen  Unterhandlungen  vor  den  Snlsersien  Vorwürfen 
schützen  kann. 

iDer  Bt§9htuf$  folgt,} 


•)  Er  cicfieint  daffir  zu  halten,  diifs  Manhinvell  etwas  von  de9 
Herzoi»-«  Planen  pfCMiifet  «clt^^r  gemerkt  hätte,  und  dafs  er  de«- 
balbf  um  seine  Seele  zu  retten,  ao  un^-cduldig  von  seiner  Seile 
vegbe^phrt  hätte.  I,  114.  II  a  pcut-etre  exagcrc  i  etat  de 
d^tresse  oü  il  e'est  vu  dans  ccttc  missioii ;  il  a  plcurf^  misinre, 
comrac  un  veritablc  enfant :  il  a  manifeste  le  plus  opinütre 
emprcssemcnt  de  sortir  de  cet  et^ir»  I«e  ctime  appa^tiABt 
loat  eutler  k  C^tar  Borgia« 


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N".  65.   HEIDELB.  JAHHB.  o.  UTERATUR.  183% 


Sfachiavel.    Par  Artaud. 

(  B  e  9  c  h  lufa.) 

Bei  Gelegenheit  der  Erwähnaug  des  Hofaianiies,  der 
dem  Secretär  eioige  vertraulichci  Mittheilungen  •  macht 
(p.  105u),  io  Bezug  aaf  die  Geschicklichkeit  der  Leute» 
lütt  denen  der  Herzog  umgeben  ist  (p.  104.),  stimmen 
die  \  erfr.  einmal  zusammen.  Gleich  nachher  aber  wird 
bei  Hrn.  Artaud  über  die  Bundesartikel  und  die  Unter- 
handiungea  des  Herzogs  mit  seinen  Feinden  leicht  weg«- 
fe^oDgen,  und  sein  Benehmen  gegen  Florenz  bleibt 
m  Räthsel;  Dab  der  Verf.  des  französischen  Werks 
übrigens  den  Machiavell  in  dieser  Sache  theilnahm-  und 
schuldlos  sieht,  ist  natürlich,  da  keiner  anders  kann, 
der  dieQoeUen  durchliest;  aoch  dafs  er  ihm  kein  Ver- 
brechen daraus  macht,  wenn  er  sein  Mifsfallen  in  dem 
berüchtigten  Document  nnterdrftckt,  ist  erkiSrlich,  da 
auch  er  dies  Document  als  einen  amtlichen  Bericht  an- 
sieht, in  den  kein  Lob  und  kein  Tadel  gehört,  und  da 
er  weifs,  wie  wenig  man  einen  Menschen  nach  seinem 
Anftreteo  in  einem  Amte  beurtheilen  mufs,  das  ihm  ,,die 
Regeln  der  strengsten  Convenienz ,  des  Ernstes  und  der 
Kälte,  und  Rücksichten  auf  unwissende,  eitle  und  pe- 
riodisch wechselnde  Magistrate  auferlegt." 

Ich  komme  zurück,  um  meine  summarischen  AnS'- 
q[»ritehe  im  Eingang  zu  erhärten.  Der  franzdsische  Autor 
neht  sich  dem  ganzen  Europa,  das  in  den  Angelegen- 
heiten des  Machiavell  seit  dreihundert  Jahren  als  ein 
permanentes  Assisengericht  constituirt  ist,  um  den  grofsen 
Procefs  Uber  den  Mann  zu  instruiren ,  gegenüber,  und 
tritt  —  weder  als  Ankläger  noch  als  Vertbeidiger  euf^ 
sondern  er  scheint  bestellt,  die  Acten  zu  rendiren,  ia 
Ordnung  zu  redigireu  und  den  Geschwornen  zur  leich- 
teren Ueberiiicht  Yorznlegen.  Der  Deutsche  sitzt  ia  der 
'   UVI.  Jahif.  10.  Heft.  65 


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1026  MachiaTe).   Par  Artaad. 

Jury,  resiimirt  und  giebt  sein  Votum  bereits  ab,  und 
mufs  nun  gewärtig  sejn,  ob  die  übrigen  Mitglieder  mit 
ihm  oder  gegen  ihn  öder  gar  oicbi  stimmen,  und  dem 
Fransosen  beifallen  werden,  der  wieder  von  vorne  zu 
untersuchen  anfangen  will.  Kenne  ich  meine  Deutschen 
recht,  so  werden  bei  ihiKii  Stiiinnen  in  jedem  Sinne 
fallen  9  bei  tleni  letzten  aber  wird  es  sein  Verbleiben 
haben.  Hier  sieht  also  Hr,  Artaud  in  einem  greftto 
Vortheile.  Zudem  gewinnt  er  durch  die  grofte  Gewis- 
senhaftigkeit^ mit  der  er  an  seine  Aufgabe  geht,  durch 
die  hohen  Begriffe,  die  er  davon  hat,  durch  seine  wahr- 
haft deutsche  Bescheidenheit  jeden  Uörer  und  Leser 
eben  so  sehr,  als  der  Deutsche  durch  sein  vorlautes  Ab- 
stimmen uad  seine  wahrhaft  franBöriseheV  ^as  mdohte 
ihn  kränken ,  aber  doch  nicht  eben  deutsche  Anmafsung^ 
abstofsen  könnte.  Hr.  Artaud  f^^fri  in  seiner  V^orrede, 
er  wolle  des  grofsen  Processes  säuimtliclie  Aktenstücke 
dem  Publicum  wieder  Yorlegen,  und  sie  mit  den  erforw 
derlicben  Erläuteraingen  und  Evdrterungen  begleiteo. 
Nichts  wolle  er  tibergehen,  er  werde  den  Dichter,  ijss 
Politiker,  d(?n  Moralisten,  den  belustigenden  Erzähler, 
denComöden,  den  Strategen ,  den  Historiker  MachiaveU 
TorfUhren;  Alles  in  diesem  Universalgenie  hütte  er  beur- 
iheilen,  oder  vielmehr  vorlegen  mfissen,  um  demPnbli- 
eum  das  Urtheil  möglich  zu  machen.  „Er^n  (intred 
p.  XI.),  remluj  malgrt^  quelques  resisiances  ^  ä  placet 
mon  nom  en  tele  de  cet  ouvrage,  jai  Menti  Im  n^ceS' 
m$e  de  pnmvet  au  fmWo  le  respect  fue  je -parte  ä 
#e8  ddemom;  je  tiai  rien  negUge  pour  eopciier  ass 
'Mettiiony  pour  meriler  sa  bieftveillance  y  et  pour  rem** 
plir  ma  täehe  en  komme  dhonneuTy  en  komme  scru- 
puleux  ohservateur  des  rdgles  preacrites  en.tmts  po^^ 
peur  ies  hahkude»  de  Im  eeciete  chmme,  m  hmame 
ja»  asfm'aä  A  Are  Im  par  les  eepräs  jugiee  ei 
reux.  Je  rlcd  rien  omisy  rien  Imasei  en  arriere,  d 
temps ,  1Ü  veHles  y  m  sollieitafmm ,  ni  prih*e9,  m  »acrh 
ßcea,  pour  achever  cwwetmbi&nent  ume  tdche  difß- 
eile,  que  tmä  le  'monde  ne  paunmä  pmß  entrepreudre, 


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JÜAGliiavei.  Far  Arbiad. 


^  älaqueUe  je  me  suis  devoue,  carps  et  bient,  mec 
k  fht8  emkr  äbandon."    Gewifti  dies  ist  sehr  ehrea«- 
Werth;  und  Ref.  muh  bekennen 5  dab  diese  Unverdros- 
senheil,  dieser  redliche  Kifer  durch  das  ganze  Buch 
durchgeht,  das  uns  eigentlich  mehr  an  die  Forschungen 
neuerer  englischer  Gelehrten  erinnerte»  als  an  fraiizd- 
ä§che.   Wenn  uns  der  umackere  Mann  seine  Aktenstficke, 
woerexoerpirt,  roijt  mehr  Umsicht  ezcerpirt  bitte;  denn 
nach  dem,  was  der  erwähnte  Geschworene  im  Gedächt- 
oifs  hat  auä  dem  irilheren  Lesen  der  ganzen  Acten ^  kam 
€8  ihm  vor,  als  ob  viele  sehr  wichtige  Dinge  in  den 
Sebstten  gestellt,  viele  sehr  unwichtige  herausgeliobea 
^enj  daztt*^  hat  der  Belichterstatter,  der  im  Grofsen  dem  ' 
PnUicum  das  IJrthciil  freilassen  wollte,   im  Einzelnen 
allzuviel  geurtheilt.    Mir  dünkt,  dafs  er  zu  sehr  sich  an 
^  einzelnen  Fälle  gehalten  hat  mit  seinen  Vertheidi^ 
gungen,  und  an  das  Gamse  der  Handlungen  und  der  Ab- 
riekten  des  Angeklagten  zu  wenig ,  oder  eigentlich  gar  < 
•icht;  mir  dünkt,  dals  er  sich  dadurch  des  gröfsten 
Vortheüs  hegeben  hat,  dessen  er  sich  vor  einer  Jury 
bedienen  konnte,  bei  der  die  moralische  UebenBeugung 
gib;  die  abgerissenen  Worte  des  Maohiavell,  vereinaell 
lUaentirt^  brechen  ihm  de«  Hals,  ohne  all^  Rettung ;  des 
Mannes  Maximen,  Leben,  Werke  im  Ganzen  setzeu  ihm 
<)ie  Börgerkrone  auf.  Wenn  er  den  Heiden  seines  Buchs  im 
Allgemeinen  €harakterisiriy  was  tbut  er?  Er  zählt  (p.  1.) 
uf,  wai  er  niöht  AUeier  war;  ein  praktischer ,  ein  theo« 
relis^her  Staatssluin,  ein  tiefer  Conuuentalor  das  Plato^ 
des  Aristoteles ,  des  Titus  Livius,  des  Tacitus,  des  Sal- 
lu&t,  des  heiligen  Thomas ,  ein  Hersteller  der  Comödie, 
ein  Novellist ,  ein  erotischer  und  satyrischer  Foet,  ein 
Qfierraildlicher  Vertheidiger  der  vernfinftigen  Rechte 
seines  Landes,  ein  durchdringender  und  scharfer  Beoh* 
achter  der  Sitten  des  civilisirten  Europa  seiner  Zeit,  ein 
grofser  Historiker,  ein  Universai])nl)licist ,  ein  Stratege. 
Aber  armer  Machiavell,  wenn  nicht  ein  gemeinsamer 
Mittelpunkt  da  ist  ,  auf  den  sich  alle  diese  disparaten 
Eigenschaften  concentrfren  lassen ,  wenn  0ie  ntcht  alle  in 


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1028  Machiavel.  Far  Artaad. 

derselben  Peripherie  gröfsere  oder  kleinere  Räume  be* 
schrieben,,  wenn  nicht  die  Enge  des  Einen  durch  die 
Weite  des  anderen  dieser  Räume  bedingt  und  entsehnl« 

digt  würde,  welch  eine  kömmerliche  Stelle  würde  dann 
der  treuliche  Mann  in  vielen  dieser  Qualiläten  einnehmen! 
Der  tiefe  Commentator  des  Plate,  des  heiligen  Thomas! 
der  Novellist,  der  Poet!  Doch  dies  mag  so  hingehen. 
Allein  schlimmer  Ist's,  dafs  Hr.  Artaud  sich  anf  dl« 
A^ertheidigung  einzelner  politischer  Lehrsätze  des  Ma- 
chiavell  einläfst,  indem  er  sie  aus  dem  Ganzen  heraus* 
reifst.  Wenn  er  für  den  florentinischen  Secretär  über« 
hanpt  sich  in  günstiger  Stimmung  zeigt,  so  bedenke 
jeder  Lesef ,  dafs  der  Mann  weit  entfernt  ist  von  diplo^ 
malischer  Nichtachtung  moralischer  Vorschriften  ,  im  Ge- 
gentheil  hat  es  mich  überrascht,  einen  so  strengen  Sit* 
fenrichter  in  ihm  zu  finden  und  einen  so  vortrefilichen 
Begriff  von  der  modernen  politischen  Moral  von  ihm  zu 
bekommen,  wie  ich  ihn  in  meinem  Leben  nicht  gehallt 
habe.  Man  lese  nur  seinen  Abscheu  gegen  einen  Cäsar 
Borgia,*)  seinen  Abscheu  gegen  die  Doctrin  des  Ma- 
chiavell,  dafs  unter  gewissen  Umständen  Wort  haltea  • 
unklug  sey.  Wenn  er  aber  den  Machiaveli  8u  retteo 
meint  gegen  den  Vorwurf  einer  Vorliebe  ftr  den  Herzog, 
indem  er  aufspürt,  dafs  er  ihn  mit  den  Namen  eines 
Verstellers,  eines  lauernden,  lockenden  Basilisken  be- 
legt, so  werden  sich  wenige  seiner  Leser  beruhigt  ffihlea; 
und  wenn  er  mit  Vergleichong  der  heutigen,  ihm  in  so 
gutem  Lichte  erscheinenden  Sitte      das  einzelne  CSipitel 

*)  I,  US»  Ce  mUörable  sant  patrie,  esptee  de  brigand  m  Ifl 
titea,.  at  doot  od  pouvait  4ire  qu^il  dtait  sans  pöre  ,  puiiqo'il 
na  ponvait  nommer  le  sien ,  ne  manquaU  pas  d'ane  «orte  de 
talent,  d*dloqaence  et  d'babiletd  en  affaires,  möme  il  MViit 
panir  Jaitemenl,  —  tnaU  tontes  ce«  coneiddration«  ne  tmoit 
.  qa%  Taeenaer  eoeore  ploa  de  n^aToir  paa  chercbd  k  fonder 
aatoritd  qae  protegeaient  tant  de  puiaaancea ,  aar  la  fiddlitd  k  u 
fol,  et  aar  cea  Tortna  doht  quelques  princea  de  ce  tempa-la  Inl 
doanaienl  rexemple. 

*•)  I,  350.    Aujourd'hui  —  il  n'tat  plus  permit  de  incntir.  üo 
diplomate  qui  fluivrait  de  tellcs  maxime«  serait  le  jouet  de  »on 


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MachiATeL  Par  Artaad. 


1029 


über  d«D  Wortbruch  bestreitet,  so  wird  ihm  eben  eo 
wenig  Jemand  betpflichten ,  der  dies  in  seinem  richtigen 

Zasammenhan^  sieht.  Wenn  er  (I,  p,  220.)  dem  Ma- 
ciiiavell  den  schnellen  Ueberf^ang^  zu  den  Mediceero  vor- 
wirft, so  liätte  er  auch  da  nicht  übersehen  sollen,  welche 
allgemeine  GmndsätEe  den  Florentiner  dabm  leiten;  hier 
ist  ein  Punkt,  wo  die  Kenntoifs  der  Sitte  jener  Zeiten 
wieder  mmmgänglich  war.  Auch  p.  811.  yeftheidigt  er 
in  solch  einer  8chwachen  Weise  wieder  den  Machiavell 
gegen  die  Anklage  seiner  Neigung  zu  Borgia  ;  er  wünscht 
nur,  dafii  Machiavell  sich  oftner,  deutlicher,  bitterer 
über  ihn  geinfsert  habe,  und  doch  glaubt  er,  dafs  das 
biscfaen  moralische  Mirsfallen ,  was  er  in  feineo  Aeufim- 
rangen  fiber  ihn  findet,  das  sonstige  politische  Wohlge- 
fallen aufwiegen  könnte.  Hier  sind  wir  im  Mittelpunkt 
der  Kritik  des  Hrn.  Artaud  angekommen.  Er  wägt 
hin  und  her,  Wahres  gegen  Falsches,  gutes  gegen  Böses 
in  den  Schriften  des  Machiavell,  und  denkt  mit  dem 
Srsteirea  dem  Letcteren  ein  siegreiches  Gegengewicht 
zu  halten.  Dies  liegt  in  seinem  Verfahren,  es  liegt  anch 
siemlich  deutlich  in  einer  Stelle  auf  I,  p.  293.  ausge- 
druckt *)    Er  legt  daher  auf  Machiaveirs  humanere 


paye  et  des  aiitrcs  natioiis;  rhommo  en  place,  qui  pasuertiit 
pour  manquer  ä  sa  parole,  qui  «e  complairait  dane  cctte  poli- 
tiquc  d^une  si  petttc  dchelle,  comparaitrait  de^'ant  nn  tribunal 
qin  rend  ausai  ses  arröta:  mille  journaax  proclameraient  tous^ 
les  matiDs  ^ca  nouvelles  perfidies.  On  ne  tromperait  pas  troU 
fois  saiiB  etre  demasqad.  Aajourd^hni  let  prlticipciux  diptomatet 
de  TEnrope  sont  des  hommes  aussi  distiDgoes  par  ia  droiture 
de  leur  esprit  que  par  leors  talents;  et  la  «ociätö  ne  refoit-elld 
pa«  ton»  les  jnura,  daos  sons  sein,  des  mtnUtres ,  qui  eoitvcnt 
Ofit,  U-  lualin  mC'rae,  discut^  les  affaires  de  TEtat?  La,  Ics 
femmes ,  It  s  hommea  de  lettres,  les  propridtaireä  d  une  fortune 
iiide'pendautü ,  Ics  bons  espriis ,  mille  puissances  diverses  fe- 
raient  jastice  du  menteor  et  de  l'impie. 

*)  Je  ne  dis  pas ,  qu*en  continuant  d*exaniiiier  les  principaotes, 
nous  ne  trouviitna  matiere  ä  obeervatinns  tres - scrieuses  sar 
pluBieurs  prdceptes  iniques  qa'il  y  Huia  lieu  de  combattre,  <:onime 
!•  fiuneaz  cbapitre  18.  lor  ia  maniere  de  inaiiiteoir  sa  paroie ; 


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ICttO  IHaehisTel.  Fftr  Artend. 

Doctrinen  eine  gana  besondere  Bedeutung ;  seine  Be>- 

kämpfung  der  Confiscation  ist  eine  derselben,  die  ihm 
sehr  schwer  in  die  Wagschale  fallt.  Hr.  Artaud  ver- 
xeiht  dem  Machiaveü  seine  Lehre  vom  Wortbruch  wegen 
der  von  der  Confiscation;  er  vergiebt  ihm  das  Unredit, 
das  er  mit  seinen  Urtbeilen  hier  und  da  den  Frannesea 
thutj  wegen  seiner  sonstigen  Welt-  und  Völkerkenntnifs; 
er  hält  ihm  seine  Träume  über  italische  Einheit  zu  Gute^ 
weil  sie  von  Patriotismus  zeugen ,  nnd  weil  er  nioht  ein« 
iieht,  dafs  ein  MachiaveliiscKer  neuer  PSrat  in  dergl^ 
eben  Bedenkliehkeiten,  wie  Er  sie  (I,  41S.)  vorbringt, 
gar  leicht  Rath  schaffen  kann ;  Hr.  A  r  t  a  u  d  entschuldigt 
MachiavelTs  frühere,  im  Exil,  in  der  Noth,  in  gröiserer 
^  Jugend  geschriebene  Schriften  mit  seinen  qpSteren,  reft» 
feren;  die  Discnrse  mit  der  Kriegcknnst)  den  Quiraoani 
mit  dem  Gutaebten  an  Leo  X. ,  mit  der  Instmetion  an 
Rafael  Girolaino;  den  Fürsten  (11,  170.)  mit  der  Ge- 
schichte, und  er  hat  nicht  gesehen,  dafs  in  der  Ge^ 
schichte  die  Lehre  vom  neuen  Fürsten  an  verschiedenen 
Beispielen  deutlicher,  klarer  vorgetragen  wird,  als  ia 
dem  Fürsten  selbst,  der  alle  Kdpfe  zu  verwirren  be- 
stimmt scheint  Er  meint  mit  seiner  chronologischen 
Reihe  der  Machiavelischen  Schriften  die  Inconsequenz 
darin  zu  erläutern  und  zu  entschuldigen;  die  Verände- 
rungen in  denselben  sind  successtv;  er  meint  (I,  p«  9116.% 
Machiavell  habe  allmShIig  seine  verschiedenen  politi- 
scheu  Lehren  modificirt,  verlassen,  wieder  ergriffen  und 
unier  neuen  Gesichtspunkten  dargestellt,  bis  er  zuletzl 
bestimmte  Ansichten  festgehalten  habe.  Diese  besUnraitea 


mai«  Je  ne  saorai«  trop  diSplorer  qo^on  ait  bi  peu  lu  cet  ouff^gei 
et  que  surtout  on  connaisse  si  imparfaitement  en  France  cetto 
qnanttte  de  pftges  (noquunics,  animeee  et  brölantes,  qni  foar- 
millent  dam  ce  traitd.  Je  fmirai  reiamen  de  ee  cfaapitre,  ea 
faisant  observer,  qiie  tous  lea  jngetneDs  portdi,  Ici  eor  ia  France, 
«i  Ton  excepte  la  petite  dnreld  sialigne  qiM  1«  eardinal  i'^tait 
bien  Btttrde  par  aa  proTocation ,  oiiVeat  an  caractii«  d'urfraoite' 
et  de  (^rftTite',  qui  portent  bien  plM  avaat  la  CMvktHMi  dam 
reaprit  mteie  du  lecteor  Irao^oia*  ^* 


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mi 


AMiohlM  in  teiueD  Gesohichls  •  und  KriegsbAcherD  aber, 
Mgt  der  deutsche  Autor,  sind  die  niihlichen,  die  io  den 

Discurseii  und  im  Principe  Üü^en;  die  grufsere  Reife  in 
ersteren  Weikcri  trkennt  er  an,   die  gröfsere  ürdiiung 
auch,  eine  Veränderung  der  GrundiäUe  und  Oociria 
wiithif  aaeb  oichl  die  kleinste.    Wenn  Hr.  Artand  ge* 
legeotKeh  bedauert,  dafii  man  so  viele  AuMpröche  dem 
Machiaveil ,  niclit  aber  dem  Tacitus  oder  Aristoteles  ver- 
dacht habe,  aus  denen  er  die  nämlichen  entlehnte,  so 
lyilte  ihn  eben  dies  auf  deo  Weg  leiten  müssen,  auf 
dam  eioBig  zu  eioer  richligeo  Analcht  des  Machiaveil  zu 
gelangen  iat    Bei  jenen  eah  man  die  guten  Principien 
Torherrschend ;  das  sah  man  auch  in  den  Discursen, 
und  hat  deshalb  diese  immer  geloht,  obgleich  sie  um 
hmu  Haar  besser  sind,  als  der  Fürst,      es  sey  von  Grund« 
sMh»  oder  Foraohung,  oder  Styl  die  Rede.  Studium 
der  'Geschichte  Uberluiupt ,  om  dies  recht  deutlich  zu 
sagen,  dann  Studium  der  italischeu  und  lloreniinischeD 
Geschichte  im  Besonderen,  dann  Studium  der  Werke  des 
Machiaveil  und  die  Erforachuog  des  obersten  politischen 
Gruttdaatses  des  Staatamannee,  uud  des  Einheitspunkte« 
in  dem  moralischen  Charakter  des  Meoacben  kann  allein 
zu  einem  Urtheil  über  diesen  IVIann  berechtigen.  Das 
Studium  der  Gescliichte  besitzt  Hr.  Artaud  nicht  in 
den  Döthtgen  Maafse,  das  Studium  der  Werke  des  iVIa- 
chiavell  vielleicht  in  allni  grofaem;  einen  politischen 
Gh^undsaiz  hat  er  nicht  gefiinden ,  sondern  nur  Wider* 
Spruch  und  Schwanken ,  Wahrheiten  und  Paradoxen.  W  er 
mit  Machiaveil  über  seine  politischen  Sätze  philosophirend 
räsopniren  und  um  die  Wette  diviniren  will,  dem  wendet 
er  verichtlieh  den  BfidKea  und  zeigt  Uin  auf  griechisi^o 
und  römische  Oeschicble,  wo  seine  Lehren  Thateo  sind, 
und  Glück  und  Grörge  biachlen;  er  will  nicht  erst  ahnen 

*)       frent  den  Kcl\  ungemein ,  dafs  tnuh  » iix  r  Noti»,  die  er  in 
.diesem  Werke  gefunden  hatr,  (l<  r  voitreil liehe  llahlinnnn  iu 
.  eeinen  Vorlesuiijjjen  eine  AniiteiKL  iilx  r  den  Fürateii  des  iM.itlua- 
^ell  au«2U8prccheii  püegt,  die  luit  der  Beiuigeu  ganz  öbeiein- 
BMtmaeii  •cbeint. 


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1088 


MBchiavel.   Par  Artaad. 


und  rathen ,  was  mdglich  uad  im  Reich  dos  Peielhetirai 
ttt§fBhrbar  ist,  er  weife,  w«8  möglich  war  ttnd  aosge- 
führt  worden  ist,  und  lauscht  sich  nur  darin  ^  daft  er 

meiot,  alles  m6g;Iich  Gewe^eae  müsse  immer  möglich 
seyn.  Wenn  man  mit  dem  Machiaveil  um  seine  morali- 
schen Sätze  zaaken  will  und  auf  sein  blutendes,  von 
des  Vaterlands  Schicksal  gertthrtes,  menschliches  Hers 
bauend ,  allerhand  sentimentale  Milderungen  seiner  harten 
Predigten  zu  erhalten  hofHt,  so  wiederholt  er  kalt  sein 
sed  ego  censeo  —  deoo  er  wuFstp  voraus,  weil  man 
mit  dem  neuen  Calo  das  ungerechte  Schwert  nicht  zog 
gegen  den  Feind,  gegen  welchen  ein  Vertijgnngskrieg 
DOthwendig  war,  darum  muftte  mn  bedrohtes  Land  der 
sieg'endeD  Kraftlosigkeit  und  Schwäche,  dem  Geiz  und 
dem  Eigennutz  erliegen.  So  ungefähr  würde  der  deutsche 
Verfasser  urtheilen,  der  vielleicht  mit  seinem  kleinen 
Werkehe.  (ai  parva  ma^  campimere  licet)  ineme 
ähnliche  Lage  kommen  dOrfke,  wie  MachiaTell -selbst 
Weder  Machiavelli  war  seine  Wahl  als  das  Ideal  eines 
Menschen  oder  Schriftstellers  oder  Staatsmannes,  noch 
das  aragonische  Volk,  dessen  Geschichte  er  in  demselben 
Bande  historischer  Schriften  behandelt,  als  das  Ideal 
eines  Volkes.  Aber  die  Eigenschaft  der  Kraft  und  Con« 
Sequenz,  die  in  dem  Manne  und  in  dem  V^olke  herrscht, 
die  war  seine  Wahl,  die  schien  ihm  als  Muster  der  Ge- 
genwart vorgehalten  werden  zu  müssen,  die  allerhand 
Tugenden  kennt,  aber  Beharrlichkeit  und  energische 
GrundsKtua  nicht  kennt  Dieser  Mann  und  dieses  Volk 
wiesen  ihn  vielfach  auf  das  römische  Alterthum.  Auch 
Rom  gehört  nicht  zu  seinen  Idealen;  er  hat  daher  die 
griechische  acncpQOGrvvri  neben  die  p&fiiqy  vielleicht  hier 
und  da  nicht  ohne  Zwang,  gestellt  Gegen  die  Ait 
Ton  Beurtheilung  aber,  wie  sie  in  Artaud*s  Werk  «cb 
findet,  und  gegen  die  Art  von  Büchern,  wie  Artaud's 
Buch  eines  ist,  hat  derselbe  sein  eigenes  Buch  und  die 
Beispiele  seines  Autors  ausdrücklich  gerichtet  Er  hat 
die  Gegenwart  im  Auge  und  die  Vergangenheit  ist  ihm 
besonders  als  Lehrerin  der  Gegenwart  wichtig.  Br 


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Sehwdkart,  nairimonii  comei^atia«  deflnitio.  IMS 

mnfste  daher  urtheilen,  nicht  blos  wieder  auf  die  ver- 
flossenen JahrhuDflerte  das  Publicum  zurnckweisen ,  wie 
Artaud  thut.  Aber  herzlich  kann  er  auerketmen ,  dab 
sich  die  beiden  besprochenen  Bücher  aufs  BeaCe  Ter- 
tragen,  dafa  Jedes  von  beiden  so  eiemlich  Alles  giebt, 
was  das  Andere  nicht  giebt,  und  dafs  sich  doch  die 
allg:emeinen  Endurtheile,  auch  in  vielen  Fällen  die  ein- 
zelnen, hier  und  da  durch  ein  ei^nies  Zusaminentreffea 
fast  bis  auf  dieselben  Woria  eateprechen. 

Gervinua, 


KÜRZE  ANZEIGEN." 


F.  C,  Sehweikart  fr.  mnirimimH  eoRfdmitlM  d^^ialMo.  M&nig^, 
1832«  15  5.  8. 

Ref.  Im  die  hier  ansaieigende  Schrift  mit  besonderem  Intercsie, 
da  «e  ihn  in  Gedanken  an  die  ferne  Ostsee  zn  einem  alten  geehrten 
Freunde  x^rsetste.  Hätte  doch  der  Körper  da«  Uenachen  Flügel,  wie 
■ein  Wort  —  D«r  Verf.  beatimnit  den  Begriff  der  Gewiasenaehe 
(riöblis)  so,  dafa  ale  nacfi  dem  Jur«  eanonieo  diejenige  Ehe  aey, 
deren  Ahaebliefaang  kraft  einer  in  ^bro  «eaaejeiifiae  erhaltenen  Dia- 
penaation  nieht  die  geaetriielien  Pdrmliclilielten  beobachtet  worden 
aind.  Er  bandelt  nngleieb  Ton  den  FiUea,  in  weleben  eine  Diapea« 
eation  dieaer  Ar^  ertheilt  na  werden  pflegt.  —  Vor  wen%en  Moiiatea 
bani  eine  aolcbe  Ehe  Tor  den  engiiacben  Gerichten  nnr  Spracfie.  Din 
Ehe  war  in  Rom  von  einer  Engländerin  ex  dispentatione  papaH  ein- 
gegangen worden ;  ohne  Znatimmniig  der  Mutter  i  welche  alch  mit 
der  Tochter  nnglelcb  in  Rom  aufhielt;  Ton  einem  für  die  Trauung 
beeondera  berollmächtigtcn  Geiatlichen.  Oer  Fnlt  hatte  noch  mehrere 
andere  Iceineaw^  erfreuliche  Eigenthfimlichkeiten.  Vgl.  die  TImea 
T.  16.  Mai'  1883.  Baa  cngliache  Recht  wendet  dea  Qmadaatas  hocnt 
ftgit  «efnmy  auch  auf  läen  an. 


1  «• 


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Nmpoletm  und  O«  dkwtotiMilMi  SfnsttteMtfai.  Bkt  Erhmndn^  4kr 
dm  Rechttbeatand  der,  in  NaptMom  JitfiragCt  tkim  ^uthmktktn 
Capitalachuldner  ertkeiHen  ^ittung.  UH  Jnmerkungm  kerumg9' 
geben  von  Ferd*  Carl  Sehweikart,  oaipreufi*  Trihunahatke md 
ord.  Prof,  der  Rechte  zu  Königsberg,  —  Königsb,  5.  99^*  Vuur, 
18S3.   110  S.  %. 

■  Di^  Schrift  hat  eine  Ton  den  Tieleo  Kechtsstreitigkeiten  sum 
G^enstandii,  zu  welchen  die  von  Napoleon  verfugte  Ginsiehnng  der 
oharheMiechen  Capitalien  YeraalaiBUDg-  gegeben  hat.  Das  in  dieser 
Sache  (von  der  JuristenfacaltAt  ^eu  Konigsberf^)  gefprochenr  UrtheU 
entochied  für  die  Schuldaer»  aliio  far  die  Gültigkeit  der  auf  dm 
Titel  der  Schrift  beseichneten  Quittung.  Die  rechtliche  Ausfuhruai 
iat  gründlich  und  ao  antgearbeitet ,  dafs  die  Schrift  einem  Jeden  em- 
pfohlen werden  banUt  fir  welchen  die  allgemeine  Streitfrage  eia  aa- 
mittelbarea  oder  mittelbaree  Interecse  hat. 


Dtti  revohttiendre  und  emeHMwnM  IfVaKea  eder  der  Idberaiüem 
mneerer  ZtU,  Fen  Bd.  Höniek§,  Or.  der  PkUoe,  Deeeam,  l« 
i.  C  meeke  a.  Seku.  1888*  4S  &  8. 

Eine  mit  Wärme  und  in  blühender  Sprache  gi  s(  In  I«  lu  nc  Ab- 
handlung über  die  politiRchen  Hauptfragen  deg  Taga  l  ]>cyr  Yerfi 
•fthreibt  im  Geiate  der  Jt'arUiei  de«  rechten  Mitteia. 


Gramaiaticae  arabicae  Elementa  et  formarum  doetrine 
per  tm^utas  deetripta.   la  mum  praelectionum  digemii 
Füllers,  Ph.  Dr.  privatkn  deeeM  m  üiiivenitaie  Bonuenti 
Bemm  40  &  4; 

Je  einfacher  das  Graniniatikalische  der  orientalischen  Sprachea 
gelehrt  werden  kann,  desto  besser.  Nicht  nur  dürfen  die  ohnehis 
nicht  allziizahlrcichen  Liebhaber  derselben  nicht  durch  entbehrliche 
Künstlicbkeiten  zurückj^escbröckt  werden.  Auch  die  Natur  dieier 
Sprachen  selbst  ist  nicht  für  eine  auegekünsteltc  Regeluuifsigkeit. 
Nur  was  zur  Bestimmung  des  Sinnes  genau  beachtet  werden  maftt 
ist  gleich  anfangs  festzuhalten.  Ueber^viülea  Andere  uia<^  man,  in- 
sofern es  freier  Sprachgebrauch  ist,  üeobaclitungen  machen,  ubei  dea 
Namen  von  Kegeln  oder  Gesetzen  oder  dann  wieder  von  Ausnahmen 
und  Anomalien  sollte  man  nie  dafür  gebrauchen*  In  den  orientali' 
öchc absprachen  sind  die  freien  Naturspiele  der  Sprechenden  noch  hör- 
barer und  sichtbarer  gohiiebeu.    Ist  doch  auch  im  Arabischen  die 


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Dr.  VnlUvt  UMbur.  anOK.  GrMiMiik. 


§Mm9f9  P«Mtetioii  nwt  i^traii  Vnpmiigt  vmA  immer  eine  uiiia- 
reichende  Beseiclmniig  deteeD,  wm  die  lebeede  AiiMpmche  nicht  dem 
4Qge,  «onderD  dem  Ohr  gegehen  hatte.  Deewegep  geitehe  ich»  dafe 
minhy  der  icli  einet  ia  alle  die  Sablilitäten  von  Dans,  Hiller»  Scht- 
lard-Speidel,  Schräder  o:    w.«  trota  einem,'  eingeweiht»  aar  deeto 
miihsBmer  das  Nethige  voa  dem  Znfalllgea  selbttaaeeheiden  gelernt 
■nd  alt  Pfof.  erientatinm  an  Jena  mit  einem  die  Erleichternng  ha* 
lobaenden  Erfolg  gelehrt  hatte ,  «eit  der  doeh  eo  Itaaatreieli  gewor- 
denen MMieehen  0i«mmati1i  mainee  vormaligen  Zali^iien »  Dr«  Vater» 
vor  mehrerea  eoldieB  aaefabrliehen  Kanatwerkaa  ein  walwee  Sehaa- 
dem  ergreift»  weil  am  Ende  ja  doch  nar  die  Coaeaeaatoa  ia  den 
meisten  Failea  als  alter  Text  gelten  können,  die  Massoretiscbe  Pnncta- 
tien  aber  mit  allea  ihren  PunctUchkeiten  aad  Aaomaliea  yiel  au  spat 
iit»  um  über  die '^ältere  Auesprache  des  langst  ausgestorbenen  Dia- 
lekt« anch  aar  elae  aaverläeeige  Ueberliefernng  gewähren  an  können. 
Aarserdem  eiadi waren  die  orsprnnglieh  noch  von  Orientalen  ver- 
fafsten  Grammatiken  durch  Tiele  Ihnen  eigenthilmliche  Kunstworte, 
velche  aber  meist  Metaphern  sind »  die  das  Wesentliche  der  Sache 
nicht  beschreiben,  das  aller  Erleichterung  bedürftige  Erlernen  der 
mit  'dem  IHebriischea  Terwandten  Dialekte.    Deswegen  machte  ich 
wboa  IIW,  eiaen  Versach,  die  arabische  Grammatik  anscm  occiden- 
taliachea  Spradilehren  fibalioher  in  der  Kirao  darsaoteilen  I  Wosa 
s.  B.  das  Anfaihlea  voa  fast  drei  Dutnend  Wortformen  anter  der  an- 

deutlicfaeo  Benrnmagi  Pluraiia  fraeta  j^^uJl^jAi\%  »  Sind  doch 

diese  Fermea  niehte  anderen  als  fliomtao  eolfeetsaa»  welche  in  das 
Wörterbuch  gehören. 

D«  Verf.  wird  für  8eine  Schüler  in  der  That  Viele»  dadurch  er- 
leichtert habeu,  dafs  er  ihnen  das  Meiste,  was  vor  dem  Lesen  ein- 
zelner Texte   überschaut    und    dcui  GedächtnilB    ein <:^epräg"t  werden 
mufs,  tnbellarlscli  vor  Aii;^x-n  legt.    An  dieaeii  i'uriucn  kann  aiK  h  um" 
Lestf  n  das  Lesen  •clbat  für  den  Anfang  geübt  und  das  Auge  an  die, 
leider!  neue  Schrift2Ü*;e  j^ewöhnt  werden.    Denn  Fertigkeit  im  Lesen- 
letneo  und  da«  Aubwendigwissen  der  gewöhnlichBten  Wortformen  mufs 
Mrohl  berichtigt  seyn  ,  ehe  mau  zu  den  Texten  übergeht  ,   hei  denen 
man  sich  ^(  rne  um  den  Sinn  und  daher  desto  weniger  um  das  nöthige 
QediichtniisM  erk  hcknmmert.    Iii tihcn  bei  eineia  neuen  Abdruck  auch 
die  schon  bemeikten  Pluraiia  irregularia  weg,  die,  weil  die  liedeut- 
eamkeit  der  yielerlei  Formen  doch  nicht  im  Allgemeinen  angegel^en 
Werden  kann ,  ohnehin  jedesmal  lexikalisch  aufgesucht  werden  mÜKäcn, 
so  kann  vielicicht  dagegen  bei  denea  p.  38.  S9.  hlos  arabisch  ange- 
gebenen Adverbien  ,   Präpositionen  ,   Cunjunctionen   die  Bedeutung, 
ohne  welche  sie  dem  Schüler  nieht  wohl  etwas  nut/en  kiMinen,  bci- 
getchri^ben  werden.   Auch  mochte  ihre  Menge  eher  in  cirie  alpha- 
belisoke,  iaikctiarieche  Reihe  -^u  sLeUejK  »ej^n,  wodurch  die  L^bereicht 


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1036  Tetzner,  Geschichte  für  Schulen. 

'  zu  erleichtern  tat.   Wir  bemerket  hier  zugleich ,  dftft  4«r  Terff.  «Hh 

ücn  >  orrath  lesbarer  Texte  durch 

Haretki,  M oallaca  cum  scholiis  Zuzenii  e  cudicibu.s  Parisiensibut 
et  Ab  ulolae  carmina  duo  tnedita  e  codicc  ])etropülitano.  Edidit, 
latine  vertit  et  commentario  instrujcU  J  o,  Füller 8,  Tjfpts  regiii 
arabicis.   gr.  4.   (1  Kthlr«  16  gr.) 

und  darch 

Torafa0  M^mUaca  e*  Zu»am  icluiUh  mieh  Pariier  HandaditifleB 
(mit  einer  Auevahl  Rdeiceeeher  Noten,  dem  Leben  des  Dichten 
nnd  einem  nrabiechen  Wortregister  anegeetnitet) 

verdienstlich  Termehrt  hat.  Schade  nur,  flafs  diese  Abdrücke«  un- 
geachtet die  konigUcheu  Typen  dazu  benutzt  werden  dtirflen,  doch 
um  80  hohe  Preise  verkauft  werden.  Das  zweite  kostet  2  Rihlr.  8  gr. 
Wird  nicht  der  Buehhandel  die  grundliche  deutsche  Gelehrsamkeit 
und  dadurch  sich  selbst  durch  die  immer  steigende  Freiserhöhuog 
ersticken?  - 

Or.  P  o  tt  I  V  f . 


1)  ^ll^emesne  0efeAicJlfe  fiSr  fidr^ertcAnlsn,  Smmmiem  nad 
Sslfrstuneerrteftf.  ^en  A  Theodor  Toiguer,  Sebulendireetor  ss 
Lofi^eafalea.  Lrip^ig,  M  F^.  Ckn$U  Dürr^  1881.  8.  SreUt 
Bändoh^  Um  ^aate»  def  JHertkumi,  X  n.  198  S,  ZweiUt 
BdndeAen.  GcicAteAle  des  ülttfdottm.  n.  19$  $.  Driti9ß 
Bändthm,  GeeeHekto,  der  nmerea  Zelt.       n.  868  & 

2)  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Allgemeinen  Geschichte,  he^ 
sonders  in  Bürgerschulen ;  nach  dem  grbfseren  Lehrbuche  von 
D.  Th eodor  Tetzner,  Schulendirector  zu  LangenaaUa*  Leiptigf 
bei  R'.  Chrut.  Därr^  1822.   FJU  n.  218  5.  tn  8. 

Bächer  der  Art  müssen  sich  vor  Allem  durch  eine  einfache  und 
leicht  faisliche  Oarstellunf^  empfehlen ,  welche  zwischen  dem  streng 
gelehrten  Ton  und  dem  Trivialen  klüglieh  die  Mitte  zu  halten  weift; 
ihr  Haaptinhalt  mufs  sich  auf  klare  Darlegung  der  Fakta  und  Nach- 
weisnng  ihres  Zusammenhangs  erstrecken,  ohne  gelehrten  Prunk  und 
ohne  gewisse  Reflexionen,  welche  dem  Gatzen  den  Schein  des  Gel  ai- 
reichen !geben ,  in  der  That  aber  nur  die  Mängel  goschichtlicbcr 
Forschung  bedecken  sollen.  Es  ^verdient  dies  vor  Allem  Beachtoig 
in  einer  Zeit,  wie  die  unsrige,  wo  man  lieber  durch  glänzende  Ti- 
raden  prunkeii,  und  den  Leser  einzunehmen,  als  durch  einfache, 
getreue  Erzählung  zu  belehren  sucht,  wo  mau  sich  der  Geschiihte 
als  eines  Vehikels  zu  bedienen  sucht,  um  gewisse  politische  An- 
•ichten  zu  verbreiten  und  die  Maaae  für  bettimmto  Abaiciiten  an 


I 


I 

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TeUner,  Geschicbto  für  Schalen. 


1037 


Winnen,  wo  man  «ich  nicht  scheot,  rlie  einzt  lntn  Faktn  der  Gescliicht« 
nach  eiiieitt  bestimmten  Sinn  zn  modeln,  oder  durrh  deren  theilweise 
Verschweigang  in  einem  andt;ra  Licht  darzustellen,  oder  wo  mnn 
dem  Faktum  durch  die  heigefugten  Reflexionen  einen  ganz  andern 
Sinn  unterzulegen  sucht,  hios  in  der  Absicht,  den,  der  nicht  die 
Mittel  und  die  Zeit  besitzt ,  die  historische  Wahrheit  aus  den  Qnellea 
■ellMt  sn  ermitteln,  za  tauaehen.  Wenn  raanebe  Werlte  in  dicaem 
Geiate  and  in  dieaer  Tendenz  geacbrielien ,  in  der  nenern  Zeit  za 
einem  Anaeben  gekommen  alnd,  daa  aie  Ton  Seiten  ihn»  biitorlaeben 
Gebnlta  nimmermehr  verdienten,  ao  iat  diea  ein  beklagenawerthea  * 
Zeiebcn  anaerer  Zelt«  dem  nur  dnrch  grilndliche  Jngendbildang  und 
fortgeaetste  Selbatbildang  mittelat  bmncbbnrer  Hnlfamittel,  ao  vie 
durch  die  Wiederkehr  atrengerer  hfiaalicher  Zoebt  nnd  einea  dadurch 
erweebten  beaaeren  Sinne ,  abgeholfen  werden  bann.  Vorliegendeo 
Bach  gehdft  ao  den  Hälfamitteln ,  die  wir  inr  Erreichang  dieaee 
Zwccbea  nie  brnachbnr  nnd  geeignet  empfehlen  bdnneni  frei  too 
den  oben  berührten  Gebrechen ,  iat  der  gewaltige  Stolf  der  Geachiehto 
hier  mit  matindiger  Anawabi «  wie  ea  die  Beatimmang  de»  Bocha 
«rforderte,  behandelt,  die  Thntanchen  aind  einfkeh  enihlt,  der  in- 
nere Zaaammenbmg  der  Fabta  ao  klar  nla  mftgÜeh  aachgewieaen, 
ao  dnfa  der  Leaer  su  einer  Uaren  Anachnuang  der  Begebenbeitea 
gelangt  und  ^ber  deren  Zatammenbang ,  Bedeutung  nnd  dergl.  aich 
aelbst  ein  UrtheU  au  bilden  im  Stande  ist.  Denn  der  Leser  soll  hier 
nicht  für  ein  oder  die  andere  politische  Ansicht,  die  gerade  im  Geiste 
der  Zeit  iat,  gewonnen,  sondern  über  die  Vr rr^nn^enbeit  getreulich 
belehrt  werden.  Dabei  wird  auch  aberall  auf  Caltar-  und  Bildnngs- 
geichichte,  Sitten  und  üinrichtnngen  n.  dergl.  m.,  ao  weit  es  dem 
Zweck  und  der  Bestimmung  des  Buchs  entspricht ,  verdiente  Rück- 
aioht  genommen.  Daa  erste  Bnndchen  umrafst  nebst  einer  allge«  ^ 
OMinen  Einleitung,  worin  der  Begriff  der  Geschichte,  die  Häifswit- 
aenschaften  derselben  und  Anderes  der  Art  berührt  ist,  die  Staaten 
des  AlterthuniH  in  vier  Abschnitfen,  wovon  der  erste  bis  auf  Cyros, 
der  zweite  bis  anf  A1rxanrt(»r  den  GroTfipn  reicht,  der  dritte  zunächst 
das  rnmistlif  Reich  bis  auf  Atigitfit  br greift;  im  vierten  wird  die 
Geschichte  bis  auf  den  Untergang'  des  Hbondläniliät-Iieri  Reichs  fort- 
geführt. —  Das  zweite  Bändehen  enthält  das  Mittelalter,  bis 
cur  Reformation  durch  Lnther  und  Zwingli  reichend,  in  drei  Ab- 
Bcbnitten ,  wovon  der  erste  bis  auf  den  Untergang  des  karoHngietihen 
Hauses,  der  zweite  bis  an  das  Ende  der  Kreuzzti^«,  der  dritte  dann 
'  bla  auf  die  Reformation  reicht.  —  Dan  dritte  Bändchen  ist  in  vier 
Abacbnitte  eingetheilt,  deren  erster  die  tvirehenreformation  eriählt 
and  bis  auf  den  Anfanp^  des  dreilNlfrjiihripcn  Kriej^es  reicht,  der 
SWeite  von  da  bis  auf  den  Tod  liodwig'«  XIV.,  der  dritte  bia  auf  den 
Anfang  der  französischen  Kevolution,  welche  selber  Gegenstand  des 
▼ierlen  Abachaittes  ist,  worin  die  Geschichte  bia  anf  die  neueate 


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1038  K.  F.  W.  Lanz»  Laleinisdie  Leatliücher. 


Zeit  herab  geiülirt  ist.  Eintin  jeden  Bfindchen  einil  aufter  der  voran- 
geschickten  Ueberticht  (ies  Inhalts  nacU  deu  tsloaelaeii  AbichnitteB 
und  Paragraphen  gcuaue  Ucgiaicr  beigefügt. 

No«  t,  ist  eine  aweckmifaige  SSugabe,  beatimmt«  dem  Schüler 
iD  die  Hände  gegeben  na  werden*  nli  ein  Unltpunkt,  an  welchen 
der  weitere  Ünterriebt  eich  anlEOÜpft,  oder  als  eine  Grundiage,  auf 
welelier  dann  der  Unterricht  weiter  fortgebant  werden  liann«  £ia- 
tbeilnng  und  Anordnung  des  gesainmten  Stoib  ist  daher  hier  un- 
verändert geblieben,  naturlich  konnte  aber  in  den  einzelnen  .Ab- 
acbnitten  .nur  das  Bedeutendere ,  was  Ton  allgemeinem  Interesse  und 
allgemeinem  Einflnfs  war,  hervorgehoben  werden.  Hält  man  diesen 
Standpunkt  fest,  so  wird  man  diesem  Leitfaden  Brauchbarkeit  and 
Nfilslichkelt  nicht  absprechen  können. 


1)   Lai9ini§ehe9  L99€bueh  für  dk  unteren  Mta$g€»  der  Gj^nma- 
slen  ff  SU  M*  F,  W,  hunz,   JOadamur  und  H'^Shmrg»    Druck  aad^ 
Ferlag  von  Ii.  &  Lans,   183$.   Xf^I  und  S48  S,  <i»  gr.  S. 

S)  Lüteinls  chea  Lesebuch  für  die  mittleren  Klassen  der  Byrnna- 
sien  von  K.  F,  fV.  Lanz.  Darmstadt  und  Leipzig»  Druck  tmd 
Ferlag  von  M,  W,  Leeke.   1838.   JT  «ad  293  &  tu  gr.  8. 

4 

*■ 

Ohne  (lafä  wir  hier  die  Giündo  ausführlich  darlegen  können, 
mit  welclicj»  der  Verf.  in  der  Vorrede  die  Erscheinung  dieser  Lese- 
bücher zu  rechtfertit^en  bemüht  ist ,  glauben  wir  doch  versichern  zu 
können,  (icils  diisulbc  nicht  aU  überflüssige  oder  nutzlose  Grsctiei- 
'  nungen  ljutrachten  sind,  dafs  vielmehr  der  Verf.,  ein  stetes  Fort- 
schreiten vom  fiteren  zum  Schwereren  beabsichtigend  ,  uod  von 
Stufe  7A1  IStuIt!,  von  St  hritt  zu  Schritt  den  Knaben  in  der  iRteisi;- 
schan  Sprache  weiter  führend  ,  ein  brauchbares  und  /.weckmafsig  ein- 
gerichtetetes  LeäeLuch  für  deti  Unterricht  im  Lateinischen  zu  liefern 
suchte,  welchem  ans  diesem  Grunde  auch  eine  allgemeinere  Verbrei- 
tung und  Einführung^  an  arulcm  Orten  als  Ihirmstadt  zu  wünschen 
ist.  Der  ^au/a'  StolV  ist  in  drei  Abschnitte  getheilt;  im  ersten  stehen 
solche  Srttze  und  Stucke,  \v(»  ein  gut  latein^cher  Ausdruck  von  der 
wörtlichen  Leber tra^unf^  uenif^er  abweicht  oder  doch  leicht  atifje- 
fundes  werden  kann,  wie  z.  B.  das  Einfachere  aus  der  Syntax  der 
Casus,  leichtere  PaiLicipiaieonKtructionen  und  dergl.  ra.  Zuerst  kom- 
luen  Sententiae,  dann  Dicta  mtmurnhilia,  dann  Fabulae  und  darauf 
^arratiunculae  (kurze  Erzählungen).  Unter  dem  Texte  stehen  hier 
und  dort  bt  i  schweren  Formen  die  InfinitiTe  angegeben.  Im  zweiten 
Abtcbnide  p^eben  die  Aninerkungea  schon  freiere  Wendtinj^en  an  und 
suchen  dem  Scliüler  mehr  oaehznbelfen  a  sonst  iuMlea  sich  noch  hier 


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im 


tatlliw  vkr  VstmlillMnlvBgait  4te  wir  .eboa  bei  dem  ertien  Ab- 
ichnilt  ugflgfib«!!  babea.  Im  dritten  Abtcbaitte  werden  die  An- 
nerbnngen  (und  mit  Recbt)  eeltener  i  damit  der  Schuler  sich  eclbet 
n  Bndea  lerne  nnd  an  Selbstotindigbeit  sich  gewöhne.  Aach  hier 
diieeellien  Wer  Unlerabtheilungen ;  die  SentenÜae  entbellen  meist  knme 
8itse  ebn«  schwere  Yerblndnn;,  durch  ihren  Inhalt  benelehnend  und 
ism  HemnrSren  daher  Torsagsweise  geeignet  $  die  Dieta  et  /«eia 
mmorabitim  bilden  dfena  in  den  eehon '  mehr  aasammenhflttgendeB 
DiMtellQngen  in  den  thMae  (an  deren  Stelle  im  dritten  Abschnitt 
M)^9Um  ftammen)  nnd  Norratlttiieiifae  die  Mitte,  welche  letsteren 
beiendera  nnm  scbriftliclien  Uebersetaen  oder  doch  dberhaopt  inr 
Bildnng  des  dentsehen  8ty1s  geeignet  sind.  Die  Eraäblnngen  in  der 
letitea  Abtheilnng  des  dritten  Abeehaltte  (aus  Justin  entlehnt)  geheii 
in  die  Anfinge  der  Qeeehichte  Aber,  und. so  enthilt  dann  der  vierte 
Abschnitt  tnnmmunia  kUttmae  HMmnme  «r  Enir&ph  exurpta.  Oena 
dafs  Eatrop  tou  Knaben  mit  Interesse  gelesen  werde»  Ist  eine  Brfali« 
rang,  die  auch  unser  Verf.  gemacht  bat  Eine  biaaebbaro  Zugab« 
^  ist  das  beigcfögte  Wörterveraeichnifs. 

No.  2.  Auch  da«  andere  Lesebuch ,  das  an  das  eben  erwähnte 
sich  unmittelbar  anseht ielst,  ist  nach  gleichen  Gmndsätaen  ansgear- 
beitet,  nnd  namcntUch  ein  stetes  Fortschrelten  vom  Leichteren  zum 
Schwereren  durch^än^i^  hcriicbsiehtigt,  auch  durch  reichhaltigen 
Stoff  der  Lehrer  in  deo  Stand  gesetzt ,  leicht  uberall  bei  der  Lecture 
die  gehörige  Auswahl  au  treffen.   Auch  hier  findet  eine  gleiche  Ab- 
tbeilung  des  Stoffs  statt;« die  beiden  ersten  Abschnitte  sind  Torsuga* 
weise  anm  schriftlichen  Ucbertragen  bestimmt.   Bio  erste  Äbtheilung 
des  ersten  Abschnittes  enthält  //pophtkegmata  et  narratimu  nlac ,  die 
EWeite  Narrationes  et  DeaeriptioMBp  die  dritte  Epistolae  (aus  Cicero), 
die  Tierte  Loci  moralea  et  sententiae^  wie  z.  U.  De'^deo  et  pietate,  De 
phtute^  He  grato  animo^.De  morte  Jjrc  ;  in  dem  zweiten  Abschnitt 
stellen  zuerst  die  Xarratiunculae  et  deacriptiones ,  dann  Oratiunculae^ 
dann  Epistolae  und  dann  Loci  moralee.   Der  dritte  Abschnitt  schliefst 
sich  in  Absicht  auf  den  Stoff  genau  an  den  vierten  des  ersten  Band- 
chens an,  und  giebt,  wie  jener  eine  Uebersicht  der  römischen,  ao 
dieser  daa  Wichtigste  aus  der  griechischen  Geschichte;  auerst  kom- 
men Uragmenta  historica,  aus  Justin  entnommen,  And  swar  mit  Weg^ 
laasang  des  rhetorischen  Schimmers,  der  sich  hier  nnd  dort  bei  die- 
sem Schriftsteller  findet,  und  dann  folgen  ^itae  exceüentium  impera~ 
torum  aus  Cornelius  Nepos.   Wir  wünschen  dem  Bestreben  des  Verfs., 
ein  durch  Mannigfaltiglteit  dee  Stoffs  und  zwecicmäfsige  Auswahl  so- 
wie passende  Anordanng  branchbares  Uebungsbuch  geliefert  zu  haben« 

die  Tordionte  Anerkennung  und  seinem  Buche  allgemeinere  Verbreitung. 

\ 

t 


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«i 

R€marqu€§  tur  qtuifmß»  pa9$ag9»  de  VJnikoUgU 

8tohi9  par  CkarU»  Jugm$t€  Boving,  doeimnr  w  pMIm,  ä 

SS  &  Iii  8. 

la  dieser  Schrift  behandelt  der  Verf.  eine  Anrahl  von  Stellen 
au8  der  Anthologie  des  Stobäue  in  iritisch- exegetischer  Hineicht 
und  mit  Itpfionderttr  Rücksicht  auf  die  (bisher  nicht  gekannten)  Va- 
rianten eiucs  Ürusscler  Manuscrlpts,  das  allerdings  für  die  Kritik 
des  Textes  von  Belang  ist,  dcHstii  der  Verf.  auch  früher  bei  einer 
andern  Gelegenheit  bereits  gedacht  hatte.  Vergl.  Jahn  s  und  See- 
hode'«  Jahrbb.  Su|>pl.  1,3.  p.  344.  i>ie  Bemerkungen  und  Urtheile 
des  Verfs.  zeigen  von  gründlicher  Sprachkenntoifs  und  richtigem 
Takt;  weshalb  sie  allerdings  grüfsere  Beachtaog  ▼erdienen.  —  Wir 
erinnern  bei  dieser  Gelegenheit  noch  an  eine  andere  Schrift  dei- 
■elbeo  Verfassers: 

Mir«  4^  iUr.  F.  Gnidii,  tur  THai  dt  ^«meignmtnt  en  Mgifm  (fv 
Ch.  Btving).  firturtOet,  cAes  J.  P.  BMuM,  UbniM,  futdek 
Momtttgn$,  /Vo.  U.  ISSS.  Sl  &  mgr»9. 

Wer  sich  ein  Bild  von  dem  trauri/^en  Zustande  machen  will, 
in  welchen  die  hohena  BiidiingRaiistalten  in  Belgien,  für  welche 
■  die  holländi8(-he  Regierung  so  Viel  pethan  hatte,  seit  der  Revolu- 
tion, die  dicHCR  Lnnd  von  Holland  I<tfirir8,  gerathen  sind,  der  lese 
dieses  Schreiben  cinctt  ruhigen,  Wrilirheitliebenden  Mannes ,  um  daitiu^ 
xn  erkennen,  wie  eben  diise  Revolution,  die  dem  Lande  die  Frei- 
heit (d.  h.  die  Zügellosigkeit  und  Ungebunden hcit)  zu  gehen  sieb 
rühmte,  die  cur  wahren  Freiheit,  zu  der  Freiiiclt  des  Geistes  bil- 
denden Anstaltan,  die  frniier  einer  so  sorgsamen  Pflege  sich  erfrev- 
ten ,  seretöri  hwL  Die  Folgen  difter  Zeretörong  werden  nicht  am- 
Ueilieii.  Umer  V«rr.  sieht  if e  wolil  ein ,  und  daher  teine  woK^ 
Miiitaii  Bemerkungen,  denen  wir  aar  Berüebeielitignng  wonidii 
kennen. 


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ti'.  6ö.    HEUiELB.  JAHRB.  a.  UTfiRATUR.  1888u 


Ä  Liftri  Sapientiae  Alexandrina  indule  per  per  am  as- 
terl«.  Seriptit  C.  h/U\  Grimm,  philos.  Dr.,  TheoL  Baetal  et 
in  Aemd.  Jmtemi  privatim  docena,   Jenae  39  S.  8. 

Der  Verf.  hat  in  den  5  ersten  §§.  sehr  richtig  dar- 
;ethao,  dafs  das  Buch  der  Weisheit,  die  So^ta  ia 
Gott  zwar  schon  etwas  .stärker,  als  im  Anfang  der  Sa- 
iomon.  Sprüche  Kap.  8,  12.  22  —  3L  9,  1  —  18.  ge- 
schieht, personificire,  aber  doch  noch  nicht  wie 
eine  wirkliche  Person  in  oder  änfser  Gott,  so 
wie  es  bei  Philo  häuß^  p;eschieht,  vorbestellt  habe.  IMan 
Sieht  hierdurch  am  b(  steii  auf  dem  unlau^baren  histori- 
schen Wege,  wie  ailmählig  aus  der  eiutacheu  Voraus- 
setzung, dafs  in  Gott  höchste  Weisheit,  wie  hdcbste 
Wahrlieit«  gedacht  werden  müsse,  zuerst  das  poe* 
tische  Spiel,  von  jener  Wdsheit  wie  von  einer 
Person  zu  reden,  gefiel,  weil  überhaupt  die  mei- 
sten Menschen,  statt  reiner  Gedanken,  sinnliche  Vorstel- 
lungen sich  gerne  vordalten  lassen  und  ihnen  daher  durch 
Poesie  als  ein  scheinbares  Wiridichmacben  der  Mög^ 
Rchkeiten  und  durch  Oratorie  als  Ueberrednngskunsl 
sine  ]\lenge  Irrmeiuuogea  wie  Philosopheme  unterscho- 
ben werden. 

Am  weitesten  geht  im  Weisheitsbuch  diese  Personi- 
fication  der  Sophia  in  zwei  Stellen,  wo  sie  (8,  3.) 
Mitleben   mit  Gott   habend,   avfxßmaiv  %€oS. 

€;tot;üa  und  (9,  4.)  die  der  göttlichen  Throne 
Beisitzerin  t«i^  iov  '^eov  ^^oycmv  'KdgtdQoq  ge- 
iiaaut  wird*  Doch  so  lange  das  Hauptwort  ein  Femioinum 
wfir,  konnte  davon  nioht  so  leicht,  wie  von  einem  ,,deu8 
iecundarma"  gesprochen  werden,  und  diettbrigsn  Pr»- 
dicate,  welche  ^yder  mit  Gott  lebenden  Beisitzerin  seiner 
Throne"  beigelegt  werden,  zeigen  imiiK  r  noch  deutlich 
genug,  dafs  der  Verf.  sie  nur  wie  eine  poetische 
Person  dachte.  Zwar  sagt  er  7,  22,  auch:  „in  ihr 
ist  Geist,  iv  airt^  meviia^  aber  dies  sagt  bei  weiten! 

XXYl.  Jahrg.  11.  H«l|.  66 


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1041'  Or.  Grimm,  Vom  niclitaleMiidriii.  Vrapr.  d.  B.  der  Weiibdi 

noch  nicht,  dafs  sie  selbst  ein  besonder  bestehen- 
der Geist  spvn  sollte.  Da  Geist  oder  Geistigkeit  immer 
das  Höchste  auch  im  meoschiichen  Wesen  bedeutet,  so 
oniftte  auch  dem  Gotte^wesen  ein  Geist  (Ps.  139,  1. 
Spr.  18,  4«),  und  sodann  weiter  auf  poetische  Weise 
auch  der  personificirten  Weisheit  mav^ia  oder  Geistig«» 
Iceit  zugeschrieben  werden. 

j 

So  lange  die  in  diesem  Dogma  gebrauchten  Worte: 
chochmah,  ruach,  8ophia  und  pneuma  Feminina  oder 
Neutra  waren,  wurde  es  noch  nicht  so  leicht,  sie  in  eine 
selbstständige  Person  zu  veruandeln.  Zum  Unglück  gab 
es  denn  aber  auch  ein  Masculinum,  durch  welches 
ebenfalls,  wiewohl  anfangs  seltener,  die  durch  Wolleo 
und  Befehlen  wirkende  und  ordnende  Kraft  Gottes  aus» 
gedrfickt  werden  konnte.  Die  Veranlassung  dazu  wurde 
schon  durch  das  sogenannte  Schöpfungslied  1  Mos.  I .  ^ 
gegeben«  Kürzer  und  energischer  konnte  dort  der  Ge- 
danke: „Was  Gott  will,  das  wird  und  istT'  nicht  aue- 
gedrfickt  werden,  als  durch  das  bekannte  „Gott  sprach: 
Es  werde!  und  es  ward.^  Daraus  nun  entstund  uYimit« 
telbar  der  Ausdruck  im  Psalm ,  dafs  durch  Ciottes 
„Wort"  "Iii  Alles  geworden  sej^.  Nachher  aber  bil- 
dete man  im  Chaidfiiscben  und  im  VbIkedialekt  ans  dem 
hebräischen  Amar  das  dem  Dabar  gleichbedea- 

tende  K"^22''22  iVieimera.    Jetzt  war  schon  ein  Anlafs 

gegeben,  Gott  und  Meimera  des  Jehovafa  gewis- 
sermafsen  von  einander  zu  distinguiren,  ungefilhr  so, 

wie  man  den  redenden  und  dadurch  wirkenden  Gott  von 
dem  denkenden  und  wollenden,  gleichsam  als  einem  noch 
ruhenden ,  menschlicher  Weise  zu  üistiguiren  wagen  mag. 

Nun  aber  wurde  dieses  „Wort**  auch  griechisch 

Ausgesprochen  als  6  Aojog,  und  jetzt  hatte  man  eio 
Masculinum,  von  welchem  weit  eher,  als  von  <ier  £o<^ta 
oder  ratio  dwina,  wie  von  einer  wirklichen  Person  oder 
Subsistenz  zu  reden  war.  Wie  viele  Meinungen  bildet 
man  zunSchst  aus  der  Sprache!  Denn  entstehen  gleidi 
die  Sprachzeichen  zuvörderst  auis  dem  Geilachten,  so 


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I 


Ui.  CUimiD,  vom  DichiBlexuodria.  lirapr.  4.  B.  der  Weipheit*  104^ 

wirken  dann  doch  lUe  Zeichen  der  Gedaektsn  wieder  auf 
da«  Denken  zurftck,  welches  ohoe  den  schnellen  Go« 
bmob  dar  Worta,  als  bed^tssnisr»  absr  «Ii  Mm  vkl- 
destigpr  Zeichen,  nur  sehr  lan^^satn  Wirken  könnte^ 

Zwar  hat  dann  doch  ilas  \\  eisheit^huch  auch  den 
Aoyog  imnner  noch  als  das  Ternüafti^e  Willens- 
worl  Gottes,  der  Sophia  parallel  gestellt,  wie  |L  8, 
1*^2.  D»,  der  du  das  alles,  machtest  in  djeinem  Logos 
(s=  Denk-  und  WiHenswort),  hast  auch  dnrch^  die 
Sophia  {::^  Weislieit)  den  Menschen  ausjg^erüstel."  o  TiotT?- 
aag  ja  %avta  iv  Xo'^co  aou  xai  nj  crorpia  xaTcaxfiua- 
9^  tov  dcy^pQaroy.  Audi  redet  sie  III,  12.  den  Herrn 
sa,. dessen  Logos  Alles  heile  c  6  trog^  uvfitf 
l^fog  6  nawa  l&ptevog,  VergL  Pa  127.  Jes.  5&,  11. 
Ps.  147,  15.  Denn  Gott  ist  dort  6  navrav  (To^ti^q 
==  der  Heiland  von  Allen.  Bei  den  Alexandrinern 
aber  wurde  (man  weiis,  da  Aristobuls  FragiQea(e 
nichts  vom  Logos^  babon,  nicht»  wie  lange  schon  vpr 
Philo)  Gewohnheit,  alle  Geister,  durch  welche 
Gatt  redend  und  wirkend  gedacht  wurde, 
Logoi  zu  nennen,  gleichsam  Vernunftsprecher, 
lieber  diesen  dachte  man  sich  dann  einen  höchr 
sten  Logos,  wie  unmittelbar  aus  GoU  auf  eine  eigene 
W«is^,  picht  durch  SchafFen,  sondern  durch  Zeugen, 
d.i.  durch  Fortpflanzen  wesentlicher  Aehnlichkeiten  — 
hervorgegangen,  so,  dals  durch  Ihn  Gott  alles  und  alles 
Uebrige,  alles  Gewordene  habe  machen  und  werden  las- 
sen, weil  Gott  selbst  (so  meinte  man  Gott  aufs  Höchste 
ehren  ni  kdnaen !)  für  das  Schaffen  fili#|r  ei^aelneu  Dinge 
viel  sn  erhaben  wäre. 

Durch  dies^  sonderbare  Vornrtheil  wollte  man  Gott 
Oie  gröfste  Vollkommenheit,  Heinheit  (Abgeschieden- 
heit) aller  Materie  und  von  allem  Unvollkommenen 
tterhaupt  «ischreibeo ,  während  man  ihm  doch  dadorob» 
dafs  nicht  sein  bldbes  unmittelbares  Wollen  flir  altes, 
was  ist,  genügend  seyn  sollte,  gerade  das  Gegentheil, 
eine  grofse  Beschränktheit  und  Unvpiikommenheit  an* 

dichtete  und  ««gleich  nel  9«  sionlicb  «ich  beredete«  wie 


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1914  Dr.  Grimm,  vom  nicbtal.exandrin.  Unpr.  d.  B.  der  Weisheit. 

irain  die  Materie  aa  sich  veruareinigead  wäre.  Dennoch 
wurde  dorch  diese  eiamal  angenoknmeDe  (pbantattkche) 
Voriamteangen  eofori  eine  sonderbare  Untersdieidnog 

hervorgebraclii.  Der  aus  Gott  liervorgegangene,  alles 
schaffende  und  rentierende,  höchste  Logos  mafste  ja  wohl 
als  voll  Weisheit  gedacht  werden.  Man  tingirte 
sich:  GoU  habe^  als  weiser  rovs^  oder  in  seiner 'ewi<^ 
gen  Sophia  (Sprüche  8,  19.20.  8,  22.)  Ton  AUeni> 
was  werden  sollte,  in  sich  Urbilder,  iSeag  tdtcov^  oder 
generische  Ideale  =:  apx^eTvna  -^evixa»  Da  er  nun  durch 
,,den  in  seiner  Art  einzigen Logos  =  Ao^o^  ^oyo- 
jtvm^  alles  Uebri^e  verwirklichen  lassen  wollte,  haira 
OtbVL  alle  jene  generische  Ideale  von  dem  Wesenlliclico 
aller  Dinge,  welche  werden  sollten,  in  jenen  Logos  con» 
centrirt.  So  ausgestattet  sey  Dieser  aus  dem  Gotteswesen 
als  ein  zweiter  Gott  für  klles  „Unvollendete" 
{aTtXiq)  hervorgegangen,  so  dafs  er  nun  für  sich  sub- 
ai stire  =  tJ^eo^axai.  Leicht  aber  mufste  es  doch 
diesen  phantastisch  Phtlosophirenden  zu  Alexandrien  bei* 
'  fallen,  dafs,  wenn  gleich  der  ersterzeugte  Logos  =tjrp«- 
TOTOXo^,  alle  Ideale  der  weltlichen  Dinge  aus  dem  Got- 
teswesen in  sich  herüber  bekommen  habe  und  deswegen 
rio  detts  mleritiediifs  sey,  dennoch  Gott  seibat  nicht 
dine  Weisheit  seyn  kdnne.  Daher  triffk »an  denn 
bei  Philo  die  Sonderbarkeit  an,  dafs  eine  ätherische 
Soepta  in  Golt  geblieben  ist  und  der  hervorgetretene 
Aoyo^  nur  aus  dieser  'Locpia  erzeugt  und  ausgegangen 
oegm  sollte,  um  das  ftitestd  aller  wirklichen  Dinge  =  si^ic* 
ßvraTog  rmp  dvrmr  m  seyn.  Dem  Philo  ist  es  nioht 
zu  viel ,  jene  innere  inwohnend  gebliebene  Weisheit 
Gottes  die  Tochter  Gottes  zu  nennen,  dabei  aber 
doch  De  profug.  T.  L  653.  ed.  Mcmg.  zu  behaupten, 
sie  sey  „männlich  und  ein  Vater^  welcher  sie 
and  erzeuge  in  Seelen  das  Lernen,  die  Zucht,  die 
Wissenschaft,  die  Gesinnung  und  lobenswürdige  Hand* 
langen/*  •  ' 

^  Zu  Philo's  Zeit  hatte  also  die  alexandrinische  Gott- 
beitslehre  nicht  nur  zwei  W^sheiten  Gottes,  Bine  in 


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I 


Dr.  Grimm,  vom  aichtaloxandrin.  Lc«yr.  d.  ü,  der  Weisheit.  l#45 

ihm  geblieben  und  ^ioe  als  UateigoU  ans  ibm  hervor- 
febiaohte  =3  ^pocpoptxog^  «ondero  68  war  nahe  dabei, 
dafe  aach  die  in  GrpU  gebliebene)  wenn  aie  einmal  ala 
Mann  und  Vater  =z  dcppr^v  undnartiQ^  angepominea 
war,  zu  einer  wirklichen  Person  innerhalb  dea  Got- 
tes weaens  ausgebildet  werden  konnte. 

Bis  dabin  kam  ea  jedoch  erst  vollends  durch  die 
popnlftrernnd  nichtalexandrimsch-philosc^liirenden»  an» 
üarianisdien  Kirchenviter,  denen  es  nicht  mehr  genug 
war,  den  aus  der  Gottheit  hervorgegangenen  Logos  als 
<)as  höchste  Mittelwesen  zu  betrachten.  Vielmehr  meinten 
sie,  jeoeo  Dualismos  Ton  zweierlei  göttlichen  Weisheiten 
(te  immanenten  and  der  als  Logos  emaoirten)  dadorch 
SMMMitbeistisch  aufheben  zu  kdnnan,  dab  cKe  ganse  Weis- 
heil  Gottes  im  Gotteswesen  ^  iydia'^eTog  sey,  aber 
doch  als  eine  eigene  Person  innerhalb  dieses 
Wesens  sobsistire.  ^ 

Diese  ganse  historische  fintwichtang  ist  besonders 
Ar  msere  Zelten  md  flr  die  speculatiye  Tendenz 
derselben  wohl  zu  bedenken.  Es  wird  nämlich  dadurch 
g:eschichtlich  unverkennbar,  dafs  das  religiöse  Alter- 
thum  nicht  etwa  tiefe  geheimnifsvolle  Ideen  von  der 
Gottheit  geabnet  hatte,  sondern  dafs  vielmehr  das  end- 
Keh  ▼ersoohte  Denken  eines  persöalichen  Logos  im 
Gotteswesen  selbst  nur  das  Prodact  der  Phantasie 
war,  durch  welche  die  Gotteskraft,  Weisheit,  zuerst 
aar  als  eine  poetische,  alsdajin  wie  eine  wirkliche  ,  aber 
aas  Gott  faerrorgegangena  .und  untergeordnete  Person 
gedacht  oder  vielmehr  rersinniiebt  wurde,  bis  man  end- 
lich die  emanirte  Person  wieder  snrack  nnd  in  Gott 
hineinversetzte. 

Auch  nach  diesem  Wagestück  der  patristischen  Hjper- 
phymk  dachte  man,  —  zum  Beweis,  woraus  diese  Phan- 
tasiespiele entstanden  waren  —  lange  noch  den  als  zweite 
Person  in  der  Gottheit  anerkannten  Logos  wie  einen 
Sohn,  welcher  doch  minor  patre  sejn  müsse.  Nor 
der  Vorwurf,  dadurch  der  heidnischen  Mythologie  vom 
Jvpiter  und  dessen  untergeordneten  Söhnen  ähulich  z.a 


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1M6   0r.  Grimm ,  vom  nichtaiexandriQ.  Urspr,  d.  B.  der  Weisheit. 

werden,  und  das  bessere  Streben  nach  einer  Monar<* 
ehie  in  Golt  Ahrle  endlich  bis  dahin,  dafs  Vater 
nndSohn  einander  gleichgesetct  (pariflcirt)  sejn  mAfstefi, 

und  dafs  das  Gottes wesen  als  Suf)staüz  uur  Eines  sey, 
wenn  gleich-  drei  Subsistenzen  (Hypostasen)  darin  als 
persönlich  unterscheidbar  bestünden.  Die  patristische 
Dialektik  meinte  r  es  sey  ebenso  mdgiieh  und  denkbar, 
dafs  Drei  Ein  Wesen  Seyen,  wie  es  freilich  denkbar 
und  der  Erfahrung  gemäfs  ist :  dafs  in  drei  ISinzelnen 
Einerlei  (aber  nicht  Ein  und  dasselbe)  Wesen  verwirk- 
licht sej,  so  dais  das  Wesen~ dreimal  da  ist,  wie  die  drei 
eiaselnen  P^sonen.  Sie  ahneten  aber  dnrch  diesen  Pehl'^ 
^  begfriff  nicht  etwa  tiefe  Geheimnisse;  vielmehr  verwedl'* 
selten  sie,  in  ihrer  etwas  stumpfen  Dialektik,  das  unitum 
mit  dem  unum  hlemqiie  oder  nahmen,  wie  manche  Na- 
turphilosophen,  das  denkbare  V  ereiatseyn  fiir  wesent^ 
liehe  Identität  oder  fiinerieiheit 

Deswegen,  da  dieser  erst  poetische  und  alsdann  ohne 
Beweis  eine  aus  Gott  hervorgegangene  Weisheit  m  eine 
Person  verwandelnde  Ursprung  des  kirchlichen  Begriffs 
Logos  historisch  unbestreitbar  ist,  kann  derselbe  auch 
nicht  m  einer  Grundlage  specnlativer  Bntdecknilj;  Isines 
inneren  Verhältnisses  in  Gott,  nämlich  sweier  Personen 
in  Einem  und  Ebendemselben  Wesen  gemacht  werden. 
Wenn  eine  philosophische  Speculation  dieses  versucht, 
so  hat  sie  weder  den  Sinn  des  urehristlichen  Satzes: 
V  0€oc  "^iv  o  KoyoQ  für  sich ,  noch  entdeckt  sie  nach  phi'- 
losojf^hischer  Methode  eine  Kwetheit ,  die  im  Gottesweseti 
bestehCi  Wir  wollen  diese  beiden  Behauptungen,  weil 
die  historische  Aufklärung  dafür  im  Vorhergesagten  ent- 
halten ist,  kurz  verdeutlichen. 

Sagt  der  philosophirende  Theolog :  Gott  ist  ~  Lo- 
gos, so  ist  gegen  diesen  Ansdrnck  al6  >Bezeicbming  deb 
gdttlichen  Seyns,  da(W  es  nämlich  ein  Seyn  der  vollkom** 
men  wirksamen  Weisheit  sey,  nichts  einzuwenden.  Er 
bedeutet,  dafs  die  Gottheit  zu  denken  ist  als  wesfenl- 
^  liehe  Weisheit  und  zwar  als  sprechende,  d.i. 
nicht  blos  deilkende,  sonderta  durch  Wi'as^n  iftr« 


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^  Dr.  GriMin,  vom  aichtalezandtiii.  Unpr.  d.  B.  der  Weieheit  104V 

» 

kende  WeiiheU.    In  diesem  Satze  ist  demnach  Logos 
als  gleichbedeutend  mit  H^orpLa  gedacht,   wie  dies  der 
frühere  einfache  Sion  der  Gottesverehrer  auch  noch  im 
Weisheitobucji  g^ewesen  ist.    Erst  weilerhia  findet  man 
als  alexandrinisch-jftdische  Vorstellung^  eioeo  aus  d^r 
Weisheit  Gottes  zfjr  Weltbilduiig  hervorgegaiigeneo  ,  vor 
allem  übrigen  VVcrdeii  für  sieh  seyenden  persönlichen 
Logos.    Diesen  meinten  freilich  die  Alexandriner,  wenn 
€1  gleich  niifi^Diia  geofilenbert  wftre,  als  einen  Mittelgott 
denken  zu  mttsaen,  weil  eie  nach  apecnlativer  Methode 
als  unlätigbar  voraussetzten,   dais   der  eigentliche 
Gott,  der  ungezeiigte  ewige  Vater,  mit  dem  Werden 
und  Bleiben  aller  uichtvoilkonamenea  Dinge  nichts  uja~ 
aittelbar  sn  thu  haben  könne.    Da  aber  diese  Voraus* 
setBung,  wodurch  man  in  der  Gottheit  die  höchste, 
reinste  Vollkommenheit  zu  behaupten  meinte,  vielmehr 
dem  Wollen  nnd  W  irken  der  Gottheit  eine  Unvollkom- 
meaheit,  nämlich  eine  nicht  unmittelbare  Wirksamkeit 
auf  aliee,  zuschreibt,  so.  ist  das  vermeintliche  Philoso- 
fbem  nur  ein  Versach,  etwas  in  der  Gottheit  als  mög- 
lich zu  denken,  das  bei  genauerer  Beurtheilong  als  nicht 
gotteswürdig  und  folglich  als  uichtmöglich  aitzuerkennen 
ist.  ,Da8  sehr  gut  gemeinte  alexandrinische  Philosophen!, 
iwischen  Gott  und  die  Welt  einen  Mitteleott  zu  setzen, 
ist  demnach  blos  ein  Versuch  der  menschlichen  Denk- 
kraft,  in  sofern  sie  Möglichkeiten  ersinnt,  das  ist,  der 
Phantasie.  Die  Möglichkeiten ,  welche  dieselbe  zu  denken 
proponirt,  können  aber  nicht  für  Wirklichkeiten  gehalten 
werden,  w^nn  die  genauere  Bei^rtheilung  den  dafiir  an- 
genommenen Grmid,  weswegen  sie  zu  denken  seyen^  . 
unhaltbar  findet 

Ind^  war  zur  Zeit,  als  das  Urchristenthum  sich 
aufser  Palästina  verbreitete,  dieser  Glaube  an  einen  Logos  , 
als  einen  zweiten ,  die  Weltschöpfung  vermittelnden  Gott, 
Unter  dea  hellenischen  Juden  allgemein  bekannt.  Ferner  *  i 
ist  es  unverkennbar,  dafs,  wo  die  zwei  unter  der  Auto* 
ritüt  des  Apostels  Johannes  kanonisch  gewordenen  Theite 
des  Neuen  T/s,  zuerst  die  Apokalypse  19,  14.  uud  dauu 


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1048  Hr.  Gvunm,  vom  nichtalexandri«.  Ujrtjpr.  il*  8u  der  WeiAbeit. 


der  Prolog;  des  Evangeliums,  den  Logos  MoUes  als  Ei- 
nerlei mit  dem  MessiasgeisI  beschreibeo ,  sie  diesen  Na«« 
tnen  ohne  nlle  weitere  Erklärnng,  also  -offenbar 
nach  der  damals  bekannten  und  keiner  ßegriffsbestim- 

ttiung  beciiirfenden  Bedeutung,  also  nach  tiei  alexandri- 
nisch- jüdischen  Theologie,  ausgesprochen  haben.  Of- 
fenbar ist  auch  durch  den  Zusammenhang  im  Prolog, 
dafis  dort  dieser  Logos  ah  ein  persönlicher  Gott  (durch 
den  Satz:  &eo(  o  Aofog  =  ein  Gott  war  der  Log€s) 
▼on  dem  Verf.  de9  Prologs  gcgiavbt  wurde,  aber  als  ein 

Gott,  der  von  6  dem  Gott  au  sich 

=  avTo'^eoCy  zu  unterscheiden  vnd  in  Beziehung 

auf  denselben  =  npög  top  ^iüVj  wirklich  da  sey.  Da 
noch  überdies  derselbe  als  der  Log-os  beschrieben  wird, 
durch  welchen  ohne  Ausnahme  alles  Das  geworden 
eey,  was  geworden  ist  (also  alles  aufser  Ihm  selbst, 
der  nicht  ein  gewordenes»  sondern  ein  aus  Gottes 
Weisheit  gezeugtes  und  in*8  Besondere  emanirtes  seyn 
sollte),  —  so  bezeichnen  alle  diese  Prädicate  zusammeo 
genommen  gerade  den  Logos,  welchen  zu  denkeü  oder 
Tielmehr  philosophisch  zu  dichten  die  Alexandrinerj 
aber  ohne  genflgenden  Grund,  eingeführt  hatten. 

Wer  nun  jenen  Logos  des  Prologs,  als  urchrist- 
lich gedacht,  za  weiteren  philosophisch  -  chnstlicheD 
Lehrentwicklungen  anwenden  will,  der  mQfste  demnach 
ihn  gerade  in  jenem  alexandrinischen  Sinn  als  eine  aufser 
dem  Gotteswesen  existirende,  "über  allem  Gewordenen 
als  Gottes  Organ  für  alles  .Werden  stehende  Person  an- 
nehmen, durch  welche  alles,  was  wurde,  geworden 
eey«  Wer  hingegen  dem  Ausspruch:  „der  Logos 
war  ein  Gott"  einen  andern,  ,wenn  auch  höheren, 
Sinn  beilegt,  der  hat  wenigstens  gewifs  nicht  den  Logos 
des  johanneischen  Pro!o|2:s  zur  Basis  seines  weiterenPhi- 
losophirens,  und  kann  daher  nicht  ohne  Widerspruch  der 
historischen  Interpretation  dies  andeuten,  dafs  er  eioeu 
nrchristlichen  Satz  philosophisch  weiter  analege,  oder 
sogar  aus  dem  speculatiTen  Philosophiren  über  Gott  et 
begründen  wisse. 


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I 


Or.  Chrlmm,  tmb  alclitale3UH4ria.  Urtpr.  d.  8.  der  WeUfaeil.  1049 

Ueberdies  kann  auf  keine  Weise  behauptet  werden, 
dafs  das,  was  in  jenem  Prologe  von  6  AoyoQ  prSdicirt 
ist,  im  eigentlichen  Sinn  urchristlich  und  nicht 
blos  der  venneintUcb  TerDunCtvoUe  Glaube  Dessen  war, 
welchem  jener  Prolog  zuzuschreiben  ist  Denn  sammelte 
gleich  der  Verfahr  desselben  aus  den  Ueberlieferungeo 
von  Jesus  selbst,  die  ihm  wahrscheinlich  vom  Apostel 
Johannes  angegeben  oder  hinterlassen  seyn  mochten, 
alles,  was  nach  der  Tradition  Jesus  über  seine  Person 
Verherrlichendes  ausgesprochen  hatte,  so  ist  doch  in 
diesem  allem  nicht  nur  keine  Andeutung,  daA  der  Mes^  . 
siasgeist  mit  den  Eigenschaften,  weiche  die  Alexandriner 
ihrem  Logos  beilegten,  von  Jesus  gedacht  worden  sey. 
Vielmehr  hatte  Jesus  weder  die  Benennung  Logos  ge- 
braucht, noch  von  sich  selbst  behauptet,  dafs  durch  ihn 
als  Messiasgeist  Gott  sein  Vater  alle  werdenden  Dinge 
geschaffen  habe.  Schreibt  doch  Jesus  die  Macht, 
ihm  die  Seinigen  zu  erhalten,  nach  Joh.  10,  28.  29. 
nicht  sich,  sondern  dem  grdfseren  Vater  zu,  da  viel- 
mehr der  schaffende  Logos  Macht  genug  für 
dieses  in  sich  selbst  gehabt  hätte. 

Sehr  achtungswerth  ist  die  Redlichkeit  des  johannei- 
schen  Prologisten,  dafs  er,  so  sehr  begeistert  er  selbst 
von  der  Vorstellung  eines  weltschaffenden  Untergottes 
war,  doch  dieses  nur  in  Steilen,  wo  er  selber  spricht, 
ausdruckt,  durchaus^aber  nichts  davon  in  die  Oberliefertea 
Reden  Jesu  hinein  legte.  Eben  so  sehr  ist  es  (besser 
als  gewöhnlich  geschieht)  zu  bemerken,  dafs  der  Pro- 
logist, indem  er  jenen  Logos  und  den  Messiasgeist  für 
einerlei  Person  hielt  und  unbedenklich  ideotificiiley  den- 
noch bei  weitem  von  der  späteren  Meinung,  wie  wenn 
in  Jesus  d  r  e  i  erlei,  nämlich  der  Logos,  der  mensch- 
liche Geist  und  der  irdische  Leib  zu  denken  wäre, 
entfernt  blieb.  Da  er  V.  14.  bis  zur  Menschwerdung 
seines  Logos  fortgerückt  ist,  sagt  er  vielmehr  keines- 
wegs, dafs  der  l^gos  Mensch,  dv'h^&nog^  sondern 
nur,  dafs  er  ein  lebender  Leib,  (ja^S,  geworden, 
also  der  Logos  incarnirt  (aber  nicht  evav^QGi^xsiti^ 


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1050    Dr.  Gritnnii  vom  Dtchtalexandrin.  ürspr.  d.  B.  der  Weisheit. 


sey,  und  dafs  er  in  dieser  Wohnung,  nämlich  des 
Leibs y  unter  ihnen  gelebt  habe  und  von  ihnen  betrachtet 
wurde«"  Nehmen  wir  also  die  Sache,  wie  e»  seyn  soll, 
genau,  so  ist  1)  das  Denken  fiber  den  Logos  überhaupt, 

nicht  im  eig^entlichen  Sinn  urchristlich,  weil  selbst  Der, 
Welcher  dafür  eingenommen  war,  weder  die  Benennung, 
noch  die  Eigenschaften  seines  Logos  mit  Aussprüchen 
von  Jesus  Christus  zu  belegen  gewufst  hat.  Noch  we- 
niger -urchristlich  aber  ist  es  2)  wenn  die  Speculatiou 
einen  Logos  entdecken  zu  kömien  meint,  welchef  als 
Person  in  dem  Gotteswesen  sey.  Denn  der  Prolog  spricht 
Tielmehr  von  einem  auf  alexandrinische  Weise  denkbares 
Logos,  welcher  aufser  Gott  als  ein  Mittelwesen  swi-» 
sehen  Gott  und  all^n  Geschaffenen  seyn  sollte.  Er  ge- 
braucht daher  nicht  ilen  Ausdruck:  6  Ao'^og  rjv  iv  to 
d£(p>  sondern  nur  ^^6^  tqv  ^ebv  ^  wo  TtQOQ  dem  hebräi- 
schen       =:  ad  correspondirend , .  nicht  einmal  mit 

7[aga  verwechselt  werden  kann.  Wobei  zu  bemerken 
ist,  dafs  auch  im  ersten  Johannes -Brief  1,  2.  der  näm- 
liche Ausdruck  -qv  ^gbq  röv  naviga  gewählt  ist  3) 
weicht ,  wer  den  Logos  als  Person  in  Gott  mit  eiuero 
ganzen  Men^ichen,  also  mit  einem  menschlichen 
Geist  un<i  Körper  ia  Verbindung  denkt,  selbst  von 
dem  Prologisten  Ab^  der,  seinen  Logos  nur  mit  einer 
<rap|  als  Wohnung,  axnvv*  in  Verbindung  gesetzt  hat. 

So  gewifs  demnach  eine  philosophische  Speculatioo, 
welche  den  Logos  als  eine  Person  im  Gotteswesen  est* 
deckt  zu  haben  glaubt,  nicht  mit  Dem  ObereinkonHOl, 
was  wir  historisch  als  urchristlich  anerkennen  mOMei 
oder  könnten;  eben  so  gewifs  ist  ferner  ein  solches  Phi- 
losophema,  wenn  man  es  auch  blos  für  sich  betrachtet, 
als  eine  philosophische  Entdeckung  über  die  Gottheit 
gründlich  zu  iegitimiren,  nicht  möglich.  Man  sagt  wohl: 
Wenn  Gott  sich  selbst  ewig  anschaut,  oder  denkt,  so 
ist  dadurch  ein  alter  ego  ewig  wirklich.  \V  as  Gott  als 
seyend  denkt"^  das  ist  eine  Wirklichkeit.  (Der  Ewig- 
sich  Denkende  wäre  alsdann  der  Vater  und  der  durch 


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■ 


Dr  ChrtmiD,  vom  oichlalexandriii.  Lirspr.  d.  B.  der  WeiilieiL  lOSil 

Gottes  des  Vaters  ewi^^es  Selbtterkennen  i^leich  ewig 
Seyenile  wftre  der  Sohn  iip  neDoen ,  so  dafe  )Kwei  einander 
gleiche  PersiMien  ein  Ego^  md  ein  AUer^Ego  der 

ewige  Gott  seyn  inufsten.)  Wäre  die  Voraassetzung' 
dieser  tief^^innigen  Deduction  richtig,  clafs  nämlich,  wenn  ' 
Gott  sich  selbst  als  wirklich  denke  oder  anschaue,  eben 
dumit  das  Anschauende  und  das  Angeschaute  wi«  eine 
vefschtedene  Wirklichkeit  oder  Snbsistene  (Perecm,  Wy- 
postasis)  wirklich  seyn  müsse,  so  müfsten  nun  von  Ewig** 
keit  h^r  jene  beiden  Pej-soneo  entweder  sich  selbst  nicht 
ferner  als  wirklich  gedacht  haben  oder  es  m&fste,  so- 
imld  sie  sich  ewig  wieder  daditen ,  abermata  eine  gleich 
.  ewige  Pereon  in  Gottes  Wesen  da  gewesen  seyn.  Dieser 
Versuch  ,  zwt;!  oder  diei  Personen  im  Gotteswesen  plil» 
iosophisch  denkbar  zu  machen,  müfste  demnach  viel 
weiter  führen.  Wenn  dadurch ,  dafs  das  Gotteswesen 
lieh  seliMt  anschaut  oder  sich  selbst  offenbart ,  es  wie 
Vater  und  wie  Sohn  ist  und  nun  wegen  dieser  Unter- 
scheidung ewig  zwei  Personen  als  Gült  subsistirten ,  so 
mfifste  ja  wohl  auch  die  Person  Sohn  wieder  die  Person 
Vater  sich  zum  Gegenstand  des  Anschauens  oder  Den- 
kens machen.  Auch  würde  der  Vater  sich  ferner  selbst 
als  Vater*  und  der  Sohn  sich  weiteifort  als  Sohn  an- 
schauen müssen.  Sind  aber  durch  die  Selbstanschauung 
Gottes  zwei  Personen  ge\^«orden,  so  mfifste  ja  wohl 
durcii  die  Selbstanschauuog  des  Vaters  auch  wieder  etwas 
liemonlich^subsistirendes  und  ebenso  durch  die  unver«- 
meidltche  Selbstanschaunng  des  Sohns  ein  persönliches 
subsistiren,  welches  als  das  Angeschauete  sich  zum  An- 
schauenden wie  ein  Andet-es  verhielte.  Und  wo- 
durch sollte  speculativ  zu  bestimmen  seyn,  dafs  die  zwei 
Personen  sieh  mit  einander  nur  noch  einmal  als  wirk- 
Kdi  20  denken  hfitten,  und  dafs  deswegen  der  Geisi 
die  dritte  Person  in  der  Gottheit  wäre?  Wo  ftndd  die 
philosophische  Speculation  überhanpt  gleichsam  eine 
Grenzbestimmung,  dafs  jenes  göttliche  Denken  seiner 
Selbst  nur  drei  PerMb^  und  nicht  mehrere  in  seinem 
^igen  Seyn  ewig  zu  Verwirklichen  h^tte? 


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Dr.  Grimm ,  vom  nkblalexandrio.  lirapr.  4.      der  Wcisheii. 

Dr.  Marheinecke  schrieb  im  §.  169.  seiner  Grond- 
lehren  der  cbristlicheo  Dogmatik  (Berlin  1819.)  „indem 
6o4t  «ich  selbst  erkeoneod  nioh  gleichsam 
selbst  objectiTirt,  ist  dieser  Andere,  der  sein  roil- 
koinine08te8  Gegeobild  ist,  selbst  wiederum  doch  nur 
aus  ihm.  Mithin  sind  zwar  Bei  ci  e  als  Geg;enstand 
und  Grund,  nicht  aber  dem  Wesen  nach  ver» 
schieden."  Dasa  kommt^  dafs,  ungeachtet  eine  dritte 
Person  gar  nicht  nrcbristllch  ist  (denn  das  Heilig» 
geistige  in  der  Taufformel  ist  urchristlich  nirgeads 
als  eine  Person  gelehrt!),  und  ungeachtet  ein  nvevua 
'  als  Person,  wie  6  Aoyocy  nicht  einmal  alexandrinisch, 
auch  nicht  vom  johanneischen  Prologisteo  ons  ftberiiefert 
^t ,  sondern  bekanntlich  nur  kirchlich  und  später  ange- 
nommen wurde,  doch  die  Speculation  auch  dieses  3^ 
rechtfertigen  oder  vielmehr  aus  sich  selber  tu  deducireo 
versucht  Und  wie  Dies?  Man  mufste  wohl«  da  die 
Heiligkeit  das  disiinctive  Prädicatdes  Pnenma,  wet- 
.  ches  der  chrtstlicheTänfli ng  anzverkennen  erinnert  wnrdS) 
erwarten,  dafs  das  Heilige  im  Verhältnifs  des  Vaters 
und  Sohns  gegeneinander,  als  der  Grund  der  dritten  Per- 
son 8|ieculativisch  zu  entdecken  seya  möchte.  Aber  nein! 
Der  ewige  Vater  und  Sohn  soll  auch  ein  ewiges  Dritte« 
durch  die  ewige  Liebe  innerhalb  des  gdttli* 
chen  Wesens  so  splrirt  haben,  dafs  der  Geist  als  die 
dritte  Person  eigenthümlich  und  hypostatisch  sej.  S.  eben- 
daselbst §.  469  und  472.  Welch  willkuhrliche  Fictioa, 
da  in  Beziehung  auf  das  heilige  Pnenma  nie  m  "der 
Bibel  von  der  Liebe,  die  zwischen  Gott  Vater  und 
dem  Gottessohn  Jesus  ist,  ein  Wort  gesagt  wird. 

Wäre  aber  dennoch  dieses  zweimalige  Objectiviren 
durch  die  Speculation  philosophisch  begründet,  somifste 
man  an  diese  so  viel  wissende  Enldeckungsknast  aar 
noch  die  Frage  richten;  wie  sie  denn  darzuthon  ver* 
möge,  dais' nicht  nach  ihnlicher Weise  jene  drei  Pef^ 
sonen  des  göttlichen  Weseos  sich  selbst  noch  einmal  ob- 
jectiviren  mufsten,  um  jetzt  —  etwa  die  Wahrheit 
ails  das  ewige  Erzengniis  des  Vaters,  Sohns  und  Geist« 


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Dr.  Grimm,  vom  Dtchtalexandrin.  Utgyr.  d.  B.  der  Weisheit.  105S 

ebenfaUs  im  Gotteswesen  hypostatisch  zu  machen;  be- 
sonders da  neuerdings  ein  so  grofses  Gewicht  auf  das 
Wort  J  esu  gelegt  wird^  dafser*  yy  Ich  bin  die  Wahr- 
heil" nach  Joh.  14,  6.  ausgerufen  habe,  wodurch 
rieh  für  die  wesenlHc^he  Wahrheit  wie  Gott  er- 
klärt haben  soll.  Wäre  dies,  würde  wohl  ebendie- 
selbe Speculation  wenig;stens  noch  zwei  weitere  Personen 
mit  gleichem  Reclit  anzunehmen  haben«  lienn  nach  der 
«Dgefuhrten  iSteile  hatte  Jesus  zuerst  gesagt:  ,,lch  bin 
der  Weg,**  alsdann:  „und  die  Wahrheit i**  und  ebenso 
endlioh :  „  auch  d  a  s  L e b  e  n."  Oder  sollte  es  etwa  dieser 
speculativen  Philosophie  schwerer  werden,  einen  we- 
sentlichen Weg  und  ein  wesentliches  Leben  zu  denken, 
als  eine  wesentliche  Wahrheit  oder  als  einen  Geist,  der. 
TOO  Vater  und  Sohn  persönlich  nnlersehieden  Wflre, 
ungeachtet  doch  gemfk  Gott  Vater  ein  ewiger  Geist  ge- 
wesen seyn  muft  und  als  solcher  nicht  von  sioh  selbst 
unterscheid  bar  seyn  ka  nn. 

Nur  weil  die  dogmatischen  sowohl  als  die  spe- 
culativen (das  was  so  sej'n  inufs,  von  oben  herab  er- 
schauenden) Hyperphysiker  fast  imoier  an  die  Intel- 
ligenz (=  das  denkende  Erkennen  oder  Wissen)  allein^ 
nicht  aber  auch  an  das  Wollen  oder  die  innigste 
Selbstbestimmungskraft  zu  denken  pflegen,  wird 
es  erklärbar,  warum  man  nicht  neben  der  zur  besondern 
Person  gemachten  Intelligenz,  dem  Logos,  auch  als 
dne  dritte  Person  den  Willen  (die  ßovXn  oder  evdo' 
xta)  quasi  - philosophirend  aufstellte«  Da  der  Wille 
Gottes  ohne  Zweifel  eine  heilige  Geisteskraft  ist, 
so  würde  es  für  die  speculativen  Kenner  dessen,  was  in 
Gott  ewig  sejn  mufs,  räthlicher  und  um  vieles  wahr- 
scheinlicher sejn ,  auf  die  dritte  Hypostase  durch  Per- 
eonificirung  des  heiligen  Willens,  darin  Vater  und 
Sohn  seyn  mufe,  hinznleiten,  da  ^  das  heilige 
Pneuma  ans  der  Liebe  zwischen  Vater  und  Sehn  zu 
deduciren,  nicht  einmal  in  den  Prädicaten  des  Hagion 
Pneuma  einen  Schein  von  Anhaltnng  hat.  —  —  Wieviel 
anders  und  besser  würde  sioh  dbeihaupt  das  vermeii^. 


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liehe  theologische  Wissen  aogefuilt  und  g>eslahet  haben, 
wenn  die  Tiefsinoig'en  mehr  an  das  Wollen  und 
Sollea  des  Guten  gedacht,  und  nicht  blos  aof  der 
^inen  Seile  Ober  dem  eilmäohligen  Deakeiif  arf 
der  andern  über  dem  Böeewollen  wie  brütend  ge- 
sessen hätten,  so  dafs  ihr,  den  aHf^in^uten  Gott  Vater 
fast  vergesi!iendes  Sj^stem  ,  neben  dem  nur  durch  lolelii- 
genz  schaffenden  Logos  den  leidigen  Diabolos  ai« 
nbeolnt  böaen  Willen 'zum  HaHpigegenetaad  bei 

Genug !  Dieee  vermeintlieh  speculative  VerwicklitD* 
geu  höreii  von  selbst  auf,  sobald  mit  historischer  En* 
denz  anerkannt  ist,  dafs  vom  Logos  als  einer  weltschaf- 
feoden  Person  Jeeiia  eeldfit  nichts  gesagt  hat ,  der  alexaa* 
driniache  Logos  aber  nur ,  weil  vorher  die  Weiebeit 
Gottee  dichterisch  pereonificirt  war,  endlich  ale  eiae 
wirkliche  Person  gedacht  worden  ist,  ohne  dafs  für  diesen 
durch  damalige  speculative  Dogmatiker  gewagten  Sat2 
eine  Art  von  Offenbarung  nachgewiesen  werden  kann. 

Dr.  Marbeinecke  hat  awar  in  der  „vdlUg  Mi 
anagearbeitetea  Auflage  -aeiner  Grvadlehf  en  der  ebrist- 
liehen  Dogmatik''  die  den  Bejsatz :  „als  Wissenschaft'' 
erhalten  hat,  die  beiden  oben  angeführten  Stei- 
len (wir  wissen  nicht,  nach  welcher  Inspiration  eiues 
beeeern  Wiasene?)  weggelassen«  in  Wabrbeil  ab#r 
flichis  ▼erbeaeert  Denn  nonmehr  erkllirt  §.208:  „Weno 
Gott  in  seiner  innern  Offenbarung  betrachtet  werde  als 
Denken  rein  für  sich ,  nur  sich  darin  vernehmend,  so 
sey  er  Vernunft  zsz  koyog ,  vorgestellt  als  Soho." 
JBtne  Krfciimng,  die  man  im  Altertham  von  Seiten  der 
Kirche  an  verkeiaem  beliebt  hat,  in  sofern  der  wegey 
ADmarslicbkeit  verbafste  Bischof  vonSamosata  sich  Vater, 
Logos  und  heil.  Geist  als  drei  Kräfte  im  Gotleswesea 
zu  denken  beschuldigt  war.  Dieser  Verketaerung  weicht 
der  §.210«  dadurch  aus,  dalli  der  Sohn  ein  Anderer 
ganaaal  wird,  ta  welchem  sich  das  Weean  (GoM^) 
aelbet  anschaue«  als  daa  Wissen  Sei-Ues  Wesens  bi 
sich  selbst  unmittelbar  zurückgehe  und  in  der  Bewegun|( 
au  seinem  andern  Seya  j(8icb)  zugleich  sieh  fi^iM 


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Dr,  Grtain,  Tom  nicbtalci^ndriii.  Ur»pr.  d.  B.  der  Wciiheit.  105$ 

l^leich  mache«  Diesem  üele  Speculiren  —  oder  lline'm- 
Bchaueo  in  das,  was  durch  Gottes  ewig^  AnKchaueii 
ftioer  selbst  in  GoU  ewig  b^o  und  sich  bewegen  raOsse  — 
mögen  wohl  Die  vereteheo ,  welche  sich  ihres  Verstandes 
mehr,  als  es  mir  gelungen  ist,  entäufsert  und  ent- 
selbstigt  haben.  Doch  verstehe  ich  glücklicher  Weise 
noch  soviel,  dafs  auf  jeden  Fall  auch  dieser  neuausgear- 
bsiteten  Dognuitik  ah  speculativer  Wissenschaft^  d^ 
Sohn  wie  ein  Anderer  (also  imaernooh,  wie  ein 
Mer-ego  des  Vaters)  geblieben  ist,  wenn  gleich  er 
jetzt  auch  als  Vernunft  dargestellt  \\ird5  und  doch 
die  Vernunft  ohne  Zweifel  in  Gott  selbst  ewig  se^o  mufs 

aad  nicht,  als  otyectivirt,  siir  nnterschddbaren  Person 
werden  kann. 

Man  kann  nicht  anders,  als  über  diese  erkQnstelten 

Widerspruche  um  so  ^mehr  erstaunen,  weil  sie  doch, 
nach  <lein  eigenen  ßekenntnifs  in  §.426,  nicht  einmal 
sia- biblisch  aufgegebenes  Rätbsel,  sondern  nur  ein 
kirchlich  selbstgemachtes  sind.  Denn  S.  863. 
wird  (ganz  leise)  das  Bekenntnifs  abgel^t:  ^Wer  die 
Wahrlieit  ^on  der  Einheit  Gottes  in  drei  Personen  nicht 
zunächst  aus  dem  Unterricht,  dem  Wissen  und  Glau- 
ben der  Kirche  habe,  den  könne  die  heil.^chrift 
an  und  filr  sich  dieselbe  nicht  lehren,  obgleich 
sie  ihr  nichts  weniger,  als  fremd  sey.  Matth.  28,  19. 
2  Kor.  13,  13.  Joli.  15,26.    „Der  Geist  sey  es,  wel- 

-  eher  Gott  als  den  dreieinigen  schon  im  alten  ßunde, 
obgleich  noch  verborgen,  erkennen  gelehrt  habe;.,  ins 
neuen  Bunde  habe  er  ihn  viel  klarer  und  nnverkennbarer 
geoffenbart;  in  der  Kirche  aber  erst  diese  Lehre 
in  die  Form  des  Wissen s  erhüben,  jedoch  auf 
eine    zwar    nie    der    abstracten^  Vorstellung, 

'  aljier  dem  Begriff  vollkommen  genügende  Weise. 
Vier  blichst  sonderbare  Gradationen-!  Dort  wo  die 
Kinder  der  ersten  Offenbarungsseilen  noch  am  wenigsten 
eine  Lehre  zu  erratlien  vermochten,  und  also,  dafs  sie 
ihnen  recht  bestimmt  ausgesprochen  worden  wäre,  be- 
durft hätten,  soll  sie  ihnen  gelehrt,  aber  noch  ver* 


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Dr.  Griiuiu,  vom  nichtalexandrin.  Urspr.  d.  B.  der  Weisheit 


borgen  zu  erkennen  geg-eben  worden  seyn  Ein 
Erkenneniehrea,  das  doch  eia  verborgenes  sey, 
begreift  nuo  freilich  wieder  der  arme  Versteod*  git 
nichl ! 

Die  zweite  Gradation  wSre,  dafs  Gott  als  der  Drei- 
einige im  neuen  Bunde  durch  den  Geist  viel  klarer  und 
unverkennbarer  geoiieabart  sey.  Dennoch  weifs  gewifs 
Dr.  M.  eben  so  wenig,  als  z.  B.  det  ehrwürdige  Knapf 
in  seiner  Dogmatik»  eine  Btbelstelle  anzugeben,  in  wel<* 
eher  Gott  Vater  als  eine  besondere  Person  und  nicht  als 
Gott  überhaupt  verständen  werden  mQf^ite.  Eben  so  ge- 
wifs  ist  biblisch  keine  Stelle  nachzuweisen,  wo  das  Prih 
dfcat  des  lebendigen  Gottessohns  etwas  anderes ,  als-des 
Messias  nach  der  Verwandtschaft  seines  Wis- 
sens nnd  Wöliens  mit  Gott  bedeute,  wie  der  ju- 
dische Hohepriester  Matth.  26,  63.  dif^ses  Wort  ge- 
braucht und  so  gebraucht  hat,  dafs  es  auch  Jesus  selbst 
V.  64.  durch  ein  „Wie  Du  sagst '  von  sich  bejaht  and 
nicht' anders  erklärt  hat. 

Die  dritte  Gradation  ist  freilich  wichtig.  Nur  dU 
Kirche  und  diese  erst,  nachdem  man  3  Jahrhunderffe 
hindurch  nichts  Bestimmtes  gewufst,  sondern  nur  man- 
cherlei Erklärungsversuche  gemacht  hatte,  brachte  es 
endlich  dahin ,  dafs  der  Lögos  in  das  GotCeswesen  zu* 
rOckgedacht  und  auch  die  Unterordnung  der  zwei  andern 
Personen  unter  den  Vater  alhnählig  in  eine  i^arität  vef- 
wandelt  wurde.  Ist  denn  aber  nun  dem  Protestanten 
die  Kirche  eine  Off enbareriu  Ton  Lehren,  die  „der 
Bibel  nur  nicht  fremd"  wären?  Känn  die  Kirche 
Geheimniftlehren ,  die  anders  nicht  als  wenn  sie  geoffisn» 
hart  sind,  den  Menschen  bekannt  sejn  können,  dennoch 
wissen,  ohne  dais  die  Bibel  sie  deutlich,  als  geoffenbart, 
enthält?  Und  war  es  denn  wahrhaftig  der  Geist? 
odervielmehr  nach  der  klaren  Kirchengd^chichte ,  die 
Mächt  der  Hoftheologir,  was  eine  Zeiuang  alle  WaR 
arianiscii,  endlich  aber  doch  homousianisch  machtet 

euer  B9§€kluf8  folgt,}. 


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\°.  67.   ilEIDELB.  JAHRa  o.  LITERATUR.  1833. 


9t.  Qrim  m,  vom  fdchidlexandrm9chen  Ursprung  des 

BucJis  der  Weisheit 

(BetchlufB.) 

Ein  grofses  Glück  aber  oiiife  es  sejro,  dafs  die 
Kirche  diese  Lehre  Bwar  viel  beitiiiMBter  nd  begreif- 
eher  ftte  die  Bibel  geoSmlmt  hat- und  eie  doch  nie 

tof  ei  De  der  abstracten  Vorsteliuog  genügende  Weise  zu 
geben  Termochte.  Denn  daher  stehen  jetzt  dergleichen 
^eculativ- philosophische Theologea  auf  der  vierten 
Dad  hdchsten  Stufe,  am  jenes  Dreieinige  als  ein 
Philoeopbem  cv  oflEenbarent  das  ihre  Vernvnfk  nodi  weit 
bmer  zu  objectiviren  wisse ^  als  selbst  die  Kirche,  die 
es  doch  besser,  als  die  Bibel  vermocht  hatte. 

Zur  nöthigsten  Beleuchtuog  aber  für  diese  speculative 
Gebeimnirsoffenbarnng  isl  wenigstens  noch  an  berühreii, 
darch  welche  tiefsinnigste  Einsichten  der  qpecnlative 
Wisser  an  Berlin  seit  1827.  —  diese*  viert»  Stnfe 
seiner  abstracten  Vorstellung  von  den  drei  Personen  in 
dem  Einen  göttlichen  Wesen  erstiegen  hat. 

Sein  §.  205.  schickt  als  eine  grofse  Entdeckung  voraus, 
dtfi)  ^in  der  wahren  Religion  die  Mehrheit  nicht 
mehr  die  Negation  der  Einheit,  sondern  die 
Differenz  sey  und  dafs  die  Eiaheit  nicht  mehr 
die  Negation  der  Mehrheit  ^ey,  sondern  die 
Identität  des  Unterschiedenen.''  Höret,  ieseti 
snd  leset  wieder«  was  diese  viererlei  Sätze  bedenten 
sollen.  Allerdings  klinge  sie^  durch  ihre  Sdiallworte 
▼on  Negationsdifferenz  und  Identität ,  zum  Erstaunen  tle& 
sinnig.  Aber  warum  suchen  sich  doch  Die,  welche  sol- 
chen Klingklaog  anhören  oder  ies^n,  nicht  ohne  Stannen 
deutlich  zu  machivif  was  denn  eigentlich  dadurch  ?  und 
ob  damit  Wahres  oder  baarer  Unsinn  gesagt  w^rde?  Wir 
wollen  das  Gewirr  entwiokehi.   Hat  denn  je  ehi  Terstln- 

UVL  Jahrg.  Ii.  lieft.  CT 


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Iiis  Dr.  Chrfami,  Tom  nushtttleMiufariii»  Unpr«     B.  il«r  Wewbeit 

diger  Mensch  gdDQiat :  9»die  Mehrheit  sey  eine 
Negation/der  Einheit?"  Hat  erät  die  fiS^geDaaBte 
Begriffsphilosophie  uns  Uebrige  von  diesem  M iisbe- 
griff befreit?  oder  hat  nur  sie  selbst  erst  den  IVJifs- 
begriff  erfunden,  wie  wenn  irgend  einem  Denker  das 
Weaentliche  der  Mehrheit  Inder  ,,Negalion'*  der 
Einheit  m  bestehen  scheinen  könnte  f  Werniclit  obstu- 
pescirt  ist ,  wird  so/v^ieich  sagen  :  Die  Mehrheit  ist  — * 
weder  in  der  Religion  noch  sonst  —  Negation  fler  Ein- 
heit ;  Mehrlieit  kl  überall  nicht  durch  ein  Verneinen  der 
Einheit;  deaa  Mehrheit  ist  Yielaaehv  ein  Wieder*, 
holen,  ein  Denicon  vnd  Wiederdenken  der 
Einheit!!  Ebenso  ist  umgekehrt  weder  in  der  wahrea 
Religio»,  noch  in  irgend  einem  Denken  —  die  Ein- 
heit Negation  der  Mehrheit»  Wenn  mau  die 
. Mehrheil  nei^rte-,  an  hlMbe  niehteltwa  die  Einheit,  Sen- 
dern es  bleibt  das  Hebe  „BOehls;'  Ke  Einheit  aber 
ist  yielmehr  immer  die  „Wursel"  der  Mehrheit; 
denn  durch  1  und  1,  ist  Mehrheit. 

Eben  ^  unrichtig  ist  die  vermeintliche  Begriffsbe- 
etimniiii|^9  laut  welelier.  die  Mehrheit  die  Diffe- 
renn  dter  Einheit  seTn  soli*  kt  denn  die  Meiivhelt 
dadurch,  dafe  in  der  Einheit  eines  tohi  andern  unter- 
schieden wird ,  also  das  Eins  gleichsam  in  Theile  getheilt 
werden  kann?  Vielmehr  sobald  irgend  eine  Grofse, 
ohne  andere  Beeiehung gesetzt  wird,  ist  Einheit  gesetit 
B  i  n  h  eil  iet^dar  erste  Begriff  bei  jeder  Grüfte,  hi  sefero 
rie  gesetat  rnid  nteht  wiederhelt  wird  ist  also 
keineswe^  ,,die  (dentitat  d  es  Unterschied  enen-" 
Denn  wenn  Einheit  gedacht  wird  ,  geht  kein  Unterschei- 
den Toraus;  viehaehr  ist  das  Eine  immer  das  Erste.  N«r 
wenn  es  wieder  gedacht  wird^  wd  nmm  A  ven  A  an- 
tersehmlet^  so  entsteht«  aladann  dl«i  DIfferemf, 
wegen  welcher  eine  Mehrheit  zu  denken  ist. 

Traurig  ist's,  dafs  dergleichen  specuiative  Verwir- 
rungen den  Verständigen  zu  d^gleiohen  Auseinander- 
setzung hoehtralmider  Iradiimw .  nadrigeo  ^  weil  die 
Zeiterfidmmg  seigt ,  dnfe  gar  m  vidb^  »  Genandeakflo 


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ftr.  Orim,  vom  Bichtekianiiiii«  Urtpr.  d.  B»  der  Weiiheit.  IW) 

ungeübt,  dergleichen  speculative  Prämissen  wie  Grund- 
wahrheiten anstaunen,  die  ja  wohl  wahr  se^n  niUrstea, 
weil  sie,  so  kategorisch  avigeipieolMi,  über  allen  Ver- 
stand wdi  iD  da«  Ueberver^äodife  hinaus  gehen  aollaa. 
Allerdings  «imliob  yarsteht  eine  grofse  Mehrheit  der 
seit  ungefähr  zwei  Decennien  Nachgebildeten  nicht  mehr, 
was  sie  sonst  wohl  verstanden  hätte,  jetzt  aber  nur  so 
gaoz  dumpf  anschaul«  seit  .der  hochfliegettde  Ueberver- 
•tead  der  Spmlalioo ,  sich  den  Tiid  Vermnift  f&r  s«ne 
spitsflodlge  BegriflgfKrmmuigeD  «nmfeead,  das  Ver- 
Ständigsejri  und  die  Uebung  in  Zerlegung  und  Prüfung 
der  Begriffe,  wie  etwas  Niederträchtige»  |  in  Verrufne- 
bffaohi  hat 

Bioam  s^lohen  apecaialiven  Dogmatiker  iai  nao  fimüeh 
daran  gelegen ,  dafc  ainh  der  gläubige  Shhärar  dareden 

hsse:  die  Einheit  sey  Identität  des  Unterschiedenen.  Denn 
Wenn  dies  so  wäre,  so  könnte  er  alsdann  1,2,3  Per- 
sonen als  unterschieden  angeben  und  doch  behaupten, 
dafs  daduroh  dia  JBiaheit,  weil  al«  ideaütät  des  Untere 
•ohiadeaM  nsy,  gnr  nicht  gestdrt  iperde.  Dnhar  wird 
es  ihm  ein  leichtes,  a6  jene  Prämissen  mit  gr<Aer  Zu- 
versicht seine  „Dreiheit  in  der  Einheit  anzuliängen«  So 
Dr.  M.  Man  höre  und  erwäge.  „In  der  christlichen 
Religiitot'  §agt  Er,  „ist  Gott  in  aeiner  abstracten 
Uaterneliiadatoaighoit  und  grundlosen  Uamitlei* 
barlEeit  torgeateilt  als  Vaten  Er  ist  in  der  Un- 
terscheidung seiner  von  sieh  unendlich  mit 
sich  identisch  =  Gott  in  Gott!** 

Soll  nicht  auch  diesen  Misciimaseh,  wer  noch  seinen 
Vaiiland  ifevittet  hat ,  ein  inschen  ansainanderiayen  V 
Was  heHM  denn 'dies:  ^,  ünteiaelieidnng  Safawr  Ten 
Sich?"  Wer,  wenn  er  nicht  ein  Doppelgänger  ist, 
kann,  auch  nur  im  Denken,  sich  ^on  sich  selber  so  unter- 
scheiden ,  dafs  dadurch  Einer  und  —  ein  Änderer 
wflrdef  Bin. fielst,  ein  selbstbewufstea  leh^  mag  aicli 
als  ein  fisttnan  «nd  dinn  aveh  naidi  aatnen  veancUededalan 
Kräften  und  Deziehvngeir  bctrachic»  9  aber  weiin  n.  B. 
der  Geifil  sitb  selbst  von  seinem  Denken  oder  Wollen 


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1000    Dr.  Grimm,  vom  niehtalexandrin.  Urspr.  d.  B.  der  Weiiheit 

oder  Wirken  onlei^heiflet,  so  unterscheidet  er  nicht 
sich  von  sich  selbst,  sondern  ^ine  oder  die  andere  seiner 
Kräfte  betraehtet  er,  in  sofern  sie  von  den  übrigen  vef- 
iehleden  ist  iedm  soioko  Kraft  ia|  atsdcnn  mit  den  aar 
dem  ia  dem  Einen  Wesen,  ^s  sie  aasmachen;  ni»- 
mand  aber  kann  sagen ^  wenn  die  Vernunft  oder  der 
Wille  vom  Geist  unterschieden  wird,  da£s  alsdann  doch 
der  ,,Geist  im  Geiste**  acgr^  wie  Dr.  M.  behaupten 
will,  4bü  Gott  in  Ooll  aay,  weaa  GoU  als  Vater  fich 
▼oe  aicli  aalber  MimciMid«-  wid  decA  nneodlich  ndft 
sich  identisch  bleibe.  * 

Der  speculative  Wortkünstler  versteht  hier  nicht  ein- 
mal sein  eigeoes  fijwtefli^  Kaob  dieaaai  ist  Vater  die 
Bezaieheynif  einer  •  Per ees,  eisch  eioea  Unter- 
acheidbifteBt-  CtdH,^  Ibier  beHaohlet,  ist  also  niobt 
in  einer  abstracten  Unteischiedslosigkeit. 
Denn  wie  wird  Gott,  nach  diesem  speculativen  8;ystein, 
Vater?  Gerade  dadurch ,  daüs  Gett-aioli  aeibar  anschaat 
«hI  min  iieh  ala  den  Ansohaveodas  vee  dem  Aageachanten 
ebatrtoi  untamAieidet  Omnafii^wirB  gerade  daa  Ge* 
gentheil  von  Dem  su  sagen,  was  Dr.  M.  —  in  seinen 
Wortformeln  sich  selbst  verlierend,  so  hingesch rieben 
hat.  Gott  ist  (in  dem  System)  als  Vater  vorgestellt  — 
gerade  wegen  seiner  abslMelett  „Unter- 
acheMImrfceH^'*  dmr^  welche  er^  vfioh-aeltei  tn- 
aefalNieBid,  dicpea  angoseliiMrte  Seibat' ab  Sohn  betraeUol 
und  daher  l^iler  ist ,  weil  Er ,  der  sich  selbst  Ab- 
schaoeade,  dadmrcli  sich  zum  Sehn  hat  (oder  haboo 

Wenn  ^mm  diei  nach  dem  Sjafem  te  -lal»  ao  kaaa 
man , ,  damaalbea  gemilk,  nieht  sagen t  Oeit  iai  in 
Gott^  sondern:  der  Vater  und  der  Soho  ist  in  Gott 
Denn  der  sich,  selbst  Anschauende  und  dc^  Objectivirte 
oder  Angeschaute  (Gott)  ist  in  dieser  Unterscheifinag 
dennoeh  Aar  nüjaJiiobe  Ge^tt  DacUvob  wäre  daoo 
niohtm  4ee>S^»  4^  waarflWie U«leinQliM  in  dar 
mendlMien4dMili4^  Vielmehr  iaI  4er  Vnter,  als 
Person,  jobei*  so  sehKiwiorderi  Sohn  Goties  des  Vaten 


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Dr.  OffiBim,  Tom  nichtalexandrin.  Unpr.  d.  ü.  der  VVeüheii.  1061 

auch  der  unendliche  (oSmIich  persönliche)  Unterschied 
in  der  unendlicbeo  Ideotität  (nämlich  der  GoUein- 
keit).  Oer  Eine  WMenlilebe  €tott  onlendiflidet  sich 
ak  Vater  (oder  als  dm  sich  ielbst  Ansohaoewien)  ehern 

m  sehr  Ton  dem  angeschauten  Selbst  oder  dem  Sohn, 
als  der  Sohn  für  unendlich  oder  ewig  unterschieden 

gelten  mufs. 

Dadurch  aber  wird  dem  «neh  nicht  „Gott  ava 
Gett/'  vietmehr  «ird  Dir  Vater  aad  Sohn  atia 
Gott,  wenn  der  stell  selbei  anselMNiaiide  Gott  deswegen 

Vater  ist ,  \i'eil  der  von  ihm  Angeschaute  als  Sohn  zu 
betrachten  seyn  soll. 

Das  dritte  speculative  Spiel wevh «über  den  Geist  als 
Person  iai  noch  amMkrbarer;  und  aehen  der  JieiL  Baal-* 
lins  war,  wie  bekimil,  nieht  mnsonsl  Iber  der  Per- 
sönlichkeit des  Geistes  in  grofser  Veriegenheit,  da 
Gott  an  sich  absolut  Geist  und  heilig  seya  mufs  und 
folglich  kau»  w  aageo  ist,  wie  er  als  eine  dritte 
Person  In  eineui  mteradieidlMiren fiHnn  Geial  aegmsidL 

Dr.  ML  aehrelblt  ,,Goit  aber,  dieldeatittt  der  Iden- 
tität nnd  Difi^erenz,  ist  vorgestellt  als  Geist  Er  ist  Der 
in  und  aus  Gott  Seyende  und  so  für  sich. 
In  der  wahren  iieligion,  welches  die  Gbriatliohe  ist, 
sffenbaH  »eh  Göll  als  der  'Dreieinige." 

Wie  »ttssen  wir  dies,  nm  nIeht  bloÜM  Wette  m  baben^ 
entwirren  und  verstehen,  dafe  Gott  sey  *dlie  Iden- 
tität der  Identität  und  Differenz?**  Allerdings 
ist  der  sich  Selbst  Anschauende  nnd  der  angeschaute 
Selbst  (dem  Worte  nach)  nur  in  einem  Schein  von 
Dl  i f «  r  en 8.  Denn  wer  sich  aelbsl  ansehnnt ,  der»bleibt 
gewifs  Er  Selbst,  nnd  wird  dadurch  nieki-ein  Andmr. 
Wenn  also  der  Unterschied  zwischen  Vater  und  Sohn  auf 
diesem  Ans<äiauen  und  Angeschautseyn  beruhete,  so  wäre 
dadurch  in'^r  Identität  nicht  das  Geriogete  feiadart, 
nnd  d^r  siieciriatfTe  Philosoph  aoMa  acliDn  dam  ge- 
wShbt  seyn,  w4l*-80  oft  nnd* Viel  gesagt  ist,  daft  der 
Vorstellende  und  das  Vorgestellte,  Subjekt  und  Objekt, 
Eines  und  ebendasselbe  sey.   Dies  ist  wenigstens  alsdann 


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1062   Or.  Grimm,  toih  nichtalexaiidriii.  Urvpr.  4.  B.  Wtltk«ft 

durchaus  wahr,  wenn  der  Vorstellende  sich  sich  selber 
zum  Objekt  macht  Die  Differenz  ist  Vater  und 
Soha  Diese  Differenz  aber  ist  nur  durch  eine  Selbst« 
«DterscheMug  des  Selbei  tob  eich  aelbst,  dee  sieh  selbst 
ansohanendeB  von  0ieh  dem  edbetairg^eMiiaalen  Selbst. 
Diese  Differenz  ist  demnach  immer  Identität.  Ihr  Sinn 
ist:  der  Eine  Gott  ist  Vater  und  Sohn!  Wie  aber  nun 
eio  Dritter,  ein  persönlich  davon  untersoheidbarer ?  und 
Bwar  eitt  heiliger  Geist  9  Wie  eoil  dieser  TonCtott,  Aera 
vollkommenen  G^lit,  in  eine  Diflereas  zu  brinfen  eejoT 
Ist  nicht  yieliiiehr  Gott,  der  ToUkommene  Geist,  die 
höchste  Itlentität  der  (an|5fenommenen)  persönlichen  Dif- 
ferenz ,  die  das  System  Vater  und  Sohn  nennt  ?.  Dr.  M.  aber 
ist  noch  ebinud  wider  sich  selhel  oder  wider  eein  Syslemi 
indem  er  die  diftle  Person ,  den  QMst ,  dadnrch  gezeigt 
haben  will,  dafs  Dieser  die  Identität  der  Identität  und  Dif- 
ferenz in  Gott  sey.  Der  in  Gott  Seyende  ist  in  diesem 
System  der  Vater ,  der  aus  Gott  Seyende  ist  der  Sohn. 
Diese  beide  sind  and  bleiben  identisch  sa  Gott'eelbsti 
Am  sich  Selbst  nnschanende  nnd  der  angeeokaale  Selbsi 
Also  i0t  die  Auflösung  dieser  Differenz  in  die  Identitit 
als  Gott  unmöglich  ein  Grund  einer  dritten  Person,  die 
der  heilige  Geist  seyn  soll.  Denn  dieser  soll  ja  wohl  aus 
Vater  und  Sohn  ansgehen,  aber  nicht  Vater  und  SoIm 
seyn.  Br  coli  aach  nichi  ihre  Diffievens  oder  Unter- 
soheidbafkeit  anflieben  nnd  in  Identität  verwandt,  ▼iefr- 
mehr  soll  er  selbst  ein  Dritter,  ein  Unterscheidbarer 
seyn. 

In  H^iefern  er  ein  Dritter  sey,  gerade  dies  ist  in  det 
Schrift  immor  angedeutet,  indem  er  der  Heilige 
oder  Hefligwollende  genannt  wivi.    Wobb  efoo 

alle  diese  Künsteleien,  die  allerding^s,  wie  Dr.  M.  seihst 
bekennen  miifs,  n?jr  eine  Oflenbarung  (nicht  der  —  leider 
unmündigen  — M.irche,  sondern)  derjenigen  Kirchenväter 
ist ,  welche  am  Bade ,  -nicht  durch  den  Chisi  fiotlas, 
eondern  dnrrii  die  nietet  hervsehenden  HofftiiriMre  herr- 
schend geworden  und  die  Meinungsherrsch^rin  geblieben 
ist  Woau  also  die  Verschwendung  all  «Ucser  specalativeo 


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Or.  GfflMi«  vom  aiditftlexaiMliiii.  Unpr.  d.  B.  der  Weiibeit.  MI 

Verwieklttogen  uod  Widerspiildhet  um  nnr  das  Rilri« 
fltiBCh- kirchliche  gegen  da§  Biblische  flur  Diejenigen 
noch  eine  Zeitlang  scheinbar  zu  machen ,  die  durch  der- 
gleichen Wort-  uodBegriffiiineagerei,  wie  durch  ein  tiefet 
Ocaim,  stauneod  oder  gar  atepid  gemacht  werdeaküDDea. 

Liaan  wir  all  daa  Garede  toq  Diffarans,  dia  doch 
Mandtftt  aey,  und  sogar  Ton  Ideatität  der  Identität  und 
Differenz,  in  Das  auf,  was  dadurch  g:esagt  seyn  soll,  so 
ist  durch  die  schwerverständlichsten  Aitötrengungan  der 
SpaouialiiHi  nichts  gesagt,  ak  nra^  liligst,  oliae  dafs  aa 
ifgaad  jemand  ac|iwtadala  mucbl^  ala  baare,  klare 
biUische  nod  veniOBftige  und  wohlveratftadlicha  Wahr- 
heit erkennbar  wurde  und  von  Vielen  in  jeder  Kirche 
erkannt  ist.  Die  biblische  Dreiheit  ist  unverkenn- 
bar. Es  ist  duicfagäagig  der  naialicba  Gott,  wel- 
ahor  ala  Vater  Terehrt  wird,  weil  allea  durdi  Um* 
bt,  weil  foaaondera  die  Geister,  seine  Sühne  aeyn  oder 
werden  sollen,  und  weil  der  Messias  Jesus  im  vorzüglichen 
SioD  sein  geistiger  Sohn  war.  in  eben  diesem  nach  Joh. 
17, 3.  aUeinwahren  Gott- Vater  ist  aber  vorzüglich  zu  ver- 
ehraoaaioe  ailwallMde  Waiabeit  iiadaiine  heilige 
Wilieaakraft»  Dieae  werden  In  der  UbUachen  Sprache 
oft  personificirt.  Durch  sie  beide  ist  Gott  „Geist'* 
=  vollkommen  wissend  und  vollkommen  Avollend.  Nur 
ist  sein  «Geiat,  ^der  besser:  „ßr  als  Geist''  nicht 
oa  Dritles,  aeodem  Gott  iat  \«el8)ieitmist  ond  Heilig* 
kailageiat  ria  ü^n  und  ebenderselbe  Golt  u%d  i^toIU 
kommner  Vater  im  Himmel."    Matth.  5,  48. 

Dafs  aber  das  vollkommene  Wiss^  vollends  ^^fanz  wie 
eine  Peraoa  gedacht  worden  ist,  dies  bat  nur  die  nüfin 
langene,  unkritische  Specnlation  oder  Pseudonymoa 
Cbmie  dei^AleKandriBer  und  der  Uber  Jean  Setbataohil- 
demng  hinausgehende  {ohanneische  Prologtst  zu  rechir 
fertigen  oder  zu  verantworten.  Möchte  also  doch  ja  nie 
weiter  behauptet  werden,  dais  Dies  „zur  wahren  Reli-* 
gieo  gebiie,*'  oder  gar  daa  Wahreate  in  dem  Christen- 
Anm  aey»  Weift  man  doekunr  nUsaaefar,  dnreh  weldie 
geistlose ,  den  Stot  durch  die  Kiroiie  mrvMtepde  Pbäm^ 


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und  HoftchraDzenkinipfe  es  kirchlich  geworden  i§t  Niin» 
meiir  aber  verursacht  es  einen  grofseo  Theil  der  leidigea 
Unkirchlichkeit ,  die  sich  weder  durch  eio  Gebieten 
.  noch  durch  eio  Veraiuoimen  jener  uobAbUscben  Kirchea- 
gDods  Torbeesern  «ad  ia  Liebe  dessen,  was  oieht  kirch* 
lieh  sejra^  sollte  9  imiwsDdelo  Itfst.  So  yerkÜDstelt  und 
über  allea  VerstaDd  hinausstrebend,  jene  —  nur  patri- 
stisch- kirchliche  —  Lehrverwickiongen  des  3.  4.  &ten 
Jahrbaucieris  «osere  speculativeo  Köpfe  zu  werden  ver- 
führen, so  euifsohiist  der  biblische  &m  über  eine  Trias 
(Dreiheil)  Gottes 'nod^deren  Verbindnog  mit  dem  Logos 
ia  Jesus.  Einfachheit  aber  ist  der  Ciiarakter  der  Wahr« 
heit,  besonders  der  Ar  Alle  nöthigeni  der  reli« 
giösen. 

Die  Philosophie^  mteir  dem  Mei^Beo  einer  wie  von 
oben  heeab  (quari  i  spemUa  md  jmt  upeeula)  alles, 
was  in  Gott  and  aufser  ihm  seyn  müsse,  erschauenden 
Speculation  ist  auf  dem  Wege,  sogar  in  Auslegung  und 
Ausschmückung  von  .Kirchenmeinungen,  welche  in  den 
Zeitan  des  Sinkens  und  Fallens  de^  wissenschaftlichen 
und  Isfhüiseliep  Geistesbildung  Ober  die  biblisoh*chris>» 
liehen  Religionslehren  Imausgehen  wdlten,  sieh  Ton 
jener  Einfachheit  des  Wahren  in's  Unabseh- 
bare  zu  verlaufen.    Um  so  mehr  ist  es  die  Anf- 
g;abo  und  das  Verdienst  geschichtlicher  ^  pluhilofisoh 
«nd  psycbologisoh«  begrOndetor  Fofsehn^pen«  theils  dss 
mdi^gbjatFaoltisehet  wiedasUnblblisohe,  leider,  kiroh« 
lieh  geworden  ist ,  aachzuweisen ,  theils  aber  auch  daran 
zu  erinnern ,  dafs  am  Ende  doch  alle  jene  speculativ  er- 
kdnslelAs  Biaiektik  keineswegs  eine  Vertheidiguog  dessen 
«t,  wtts  jene  kirohlicheo  SKtne  behaupiMi.   Cted  doeh 
diese  niebl  dnroh  Vernunft  und  Ideen  glaoUid»  f*w»« 
den,  sondern  nur  als  eine  durch  bischöfliche  und  höfiscbe 
Intriken  der  Kirche  aufgezwungene  Giaubcnstradition  so 
lange  noch  fortdauernd,  als  man  die  klare  Wabriieit  ans» 
snnproohoo  und  das  Uoihristentbuiii.  durch  W^gremigasf 
dar  patristiseheafSstionon'md  MeinungsfclBsto  wimlsr* 
zustellen  Scheue  hat  Was  iiUf t  die  T  i  us  c  hu  n  g ,  dss 


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Ar.  flfffaw,  TO«  aielitftl«kBa«lrui.  Uispr.  d.  B,  4er  Weiibtit.  IMi 

Kircheatuiii  fiailureh  erhalten  zu  wolleo,  dafs  man 
Dogmen  eioen  Sinn  aosukünsteln  versucht,  den  die  Kirche 
nie  gehabt,  nie  beabsichtigt  hat?  Waa  kann  es  auf  die 
Dauer  helfen,  wem  man  Idealiiatorphilbw^hieD  VDd  tpa- 
eaiative  BegriflB^piele  dadsrcb  sw  empfehlen  iuchl,  da(s 
darin  die  Worte  Dreieinigkeit,  Versöhnung  u.  s.  w.  in 
einem  völlig  unkirchlichen  Sinn  wiederscballen ,  in  der 
Menge  aber  doch  das  unbiblisch- aberglaubige  gangbar  er- 
ballen,  und  deoUebergwgio  dasUrchriatentbumf  s,B. 
dem  besser  uaterriehteten  Judkn  oder  dem  den  reinen  Leh« 
reo  Jesu  redlich  ergebenen  Theisten  sichvverci  jiiachen? 

Auch  um  der  dogmatischen  Anwendung  willen  war 
es  demnach  wohl  der  Mähe  werth,  dafs  der  Verf.  einen 
aeueii  Pleifs  a«f  das  apokiyphische  Weisbeitebuch  wen- 
dete. Um&At  nnn  nfimlich  dmr  GManhengang  und  den 
Ton  desselben  ganz,  so  kann  nirgends  her  deutlicher 
werden,  wie  allmähüg  in  der  Phantasie  jener  Zeit  das 
Personificiren  der  l^^ea  in  Gott  dem  Verwandeln  jener 
Gottedkmft  in  eine  wirUiehe  Person  ganz  nahe  kam. 
Wo  der  «Ite  Ver£  noch  an  das  Feminkmm  ^^Weisheit'' 
denkt,  da  ist  sie  ihm  nor  eine  Beisitzerin,  eine  Midebendo 
bei  Gott,  in  welcher  er  aber  doch  schon,  wie  in  einer 
Person,  ein  eigenes  itvEVfta  zu  denken  versucht  So- 
bald er  aber  ^as  Masculinum  Ao^'o^  dafür  substituirft, 
SS  winl  ihm  dieser  (aber  freilieh  nicht  dnrch  Philoso- 
phiren, sondern  nur  po^lsch)  fast  gase  -eine  Person; 
jedoch  nicht  eine  von  der  Gottheit  zu  einem  auf^^er  und 
neben  Gott  bleibenden  Subsistiren  ausgehende.  Die  auf- 
fallendste Stelle  dieser  Art  ist  18,15.  16.  Der  Verderber, 
welcher  die  Erstgebornen  der  Aegyptier  in  der  Ansauge* 
neeht  getddtet  Imbe,  ist  dem  Verf.  „der  allvermllgeode 
l^igos  CfOttes  —  6  ütavrodvvoifiog  Xoyoc  tov  ^eov  — - 
welcher  vom  Himmel,  von  den  herrschenden  Thronen 
(Gottes)  als  ein  entsdieidender  Krieger  mitten  in  das 
WS  Verdorben,  bestimmte  Land  sprang,  als  mn  scharfes 
Schwert  tragend  den  gltttlloben  Befehl ,  dem  nicht  aW 
zuweichen  ist.  So  stund  er  und  erfUIUe  dies  alles  mit 
Tod.  Er  reichte  an  den  Himmel;  war  aber  doch  auf 
die  £rde  getreten." 


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MS    Dr.  QtliBiii,  tom  alehteleiaaififl«  Vtvpr.  d*  B.  i«r  IMiMi 

Für  uns  Occidcntalen ,  die  wir  das  populär  uad  poe- 
tisch Gesagte  gar  zu  geroe  als  dogmatischen  Ernst  und 
GeheimoiAlehre  nehmen,  sind  gerade  dergleichen  Bei- 
spiele am  meielea  nMiigf,  um  ans  den  Uebergang  ?om 
Peraonifidrai  in  wirkliche,  imterechetdbare  Pertonen  ab 
möglicii  und  orientalisch  gewöhnlich  zu  zeigen.  Ent- 
stehen doch  auch  in  unserm  Philosophiren  viele  blos 
scheinbare  Schwierigkeiten  ane  der  Gewohnheit,  allzneft 
Vernnoft,  Versland,  Willen  «.s-w.  wie  Personen  eineo^ 
der  gegenüber  Bnetellen,  woraof  dann  erst  die  Gegen- 
sätze derselben  mit  grofser  Konst  gelöst  werden  solieu, 
während  es  vielmehr  nur  Ein  Menschengeist  ist,  der  in 
all  jenen  seinen  Wirksamkeiten  nur  mit  sich  selbst  au 
thnn  hat  Eben  durch  solche  historische  Nachweisniy 
aber,  dab  die  angeblichen  Personen,  Logoe,  Pneums 
Hagion,  nur  aus  poetischen  Personificationen  entstanden 
sind,  müssen  wir  uns  um  so  mehr  warnen  lassen,  sie 
Dicht  wie  hyperphysische  Wirklichkeiten  uns  vorzuhal- 
ten, deren  Nothwendigkeit  in  Gott  die  Specnlation  sa 
erklSren  habe,  Tornimlich  damit  .die  Kirche,  welche  de 
rieh  als  Personen  kQnstlieh  genug  ausbilden  liefs,  da- 
durch aber  doch  nur  etwas  Patristisches  und  Unl)ibli- 
sches  erhalten  hat,  auf  eine  scheinbare,  den  Mystiker 
und  den  Denkscheoen  täuschende  Weise  noch  eine  Zeit- 
lang  recht  behalte  onil  nicht  vielmehr  —  dlnrch  8tiU» 
sidiweigen  ~  davon  entwöhnt  werde. 

Der  Verf.  berücksichtigt  auch  noch  andere  in  dem 
Weisheitsbuch  bemerkbare  Lehrmeinnngen  als  nicht - 
alejuindrlnisch.  Sobald  man  einen  Logos  als  einen  Geis! 
annahm ,  der  alle  nur  WeltschopAing  ndthige  Id^n  oder 
Urblldor  ans  der  Weisheit  Gottes  in  seine  Persfolichkell 
-  herüber  erhalten  habe,  so  erschien  in  diesem  Philoso* 
phicren  Alle«!,  was  g;eworden  ist,  auch  die  Materie,  als 
eine  Emanation  der  Geistigkeit  des  Logos ,  so  wie  auch 
bei  den  Indern  *)  alles  Gewordene  aus  den  geistigen  GM- 


*)  Ich  kann  nirbt  nndora,  als  mich  nchr  wundern,  daPB  in  deu 
9, Kosmogonischon  Aoaiclit^n  iler  Inder  amd  He- 


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Or.  Griuiiu,  vom  ntciiialexandrin.  Urapr.  d.  B.  der  Weisheit.  1061 

tern  hervorgeht,  die  sich  selber  als  Körper  geslalteil. 
Denn  wo  die  Körper,  wie  bei  den  loci^ra,  nyr  für  Phä- 
mmieiui  (fitr  tnata,  wie  sie  es  neoaen)  gehalteo  werden, 
kann  auch  das  Mat«riett«  ah  Wirkung  oder  flenrorbrie* 
gung  von  Geistern  gedacht  werden.  Im  Wetdieltflfcveh 
hiogegen  wird  11,  9.  die  materielle  Welt  vorgestellt  als 
^1  vXrig  AfjLopcpov.  Sein  Verfasser  setzte  demnach  wie 
Ilios*  1,  2.  das  Dasejn  einer  Erdenmasse  voraus,  welche 
Wiste  and  grauenvoll  da  gelegen  habe  nl9  ein  Abgrund , 
fib^  welchem  der  GeisI  Gottes,  aimlioh  die  bildende, 
die  Elemente  dem  Chaos  herrormfende  Denk-  und 
Wtilenflkrafi  Gottes,  sich  bewegt  habe  oder  die  prima 
m^rijc  gewesen  sey*    Von  Ideen  hingegen  als  von 


1>räer,''  von  Prof.  Johansen  zu  Kopenhagen  (Altona  1S33.) 
die  Indische  Vorttellung,  wnlcliB  nanli-S.  4.  auRdriicklteli  sagt: 
„Ursprünglich  war  dieaea  AU  wir|UI«h  Gaiat  (Seele,  soal)^ 
ulUin  .  .  Anderea  aia  er  vav  nichts  da«"  mit  der  alt- 
hebräisch cn  identificirt  werdan  aoll,  wo  doch  der  Verf.  aelbat 
sagt ,  daff«  man  aus  den  Worten  Genna.  1.  and  Hiob  S6,  T.  dia 
Vorstellung  lerne:  dafa  Daobel  dae  Weltall  amgab,  dara 
Gewässer  exiatiitea  (and  ein  Tehom  a-olMTI«la  aaA 
Breite  war,  weloliea  «)■  aio  nfuiitai^  af  ttupenJkum  TOm  Geial 
nur  bewegt,  nicht  erseogt  wnrdc).  Bf enaifch  war  znerat  der 
Geist  Alles  und  durch  ihn  wird  allea  wie  eine  Abspiegelung, 
die  ebendeswegen  nur  eine  Eracheinang  ist  Aithebr&iieh 
ist  die  Aercz  |>ni^  von  y)']  (daa  Untere,  woiaof  gegangen' 
wird)  schon  da  ala  etwas,  zu  wekhcra  der  Geist  hinzukuiuiiit 
und  aus  welchem  Gott  nach  and  nach  hUht^  HlmmeUgowölb, 
^eerwasser,  Gestirne  u.  s.  w.  hervorruft  und  als  bestehende 
Wirkliehkeitcn  an  Ort  und  Sti  11c  zu  gehen  gebietet.  Alles  diea 
emanirt  nicht  au«  Gottes  geistiger  Substanz,  sondern  an« 
dem  Tohu  va  Oulm  oder  Tchora.  Nur  der  Menschen  g  e  i  s  t 
wird  dem  Erdenbild  von  Gott  aus  ihm  selbst  eingehaucht.  Was 
kann  in  dieser  ersten  Inspiration  dentlicber  seyn.  als  dieses 
Unterscheiden  ,  dafs  das  Geistige  dem  Altbebraer  aus  dem  Gei- 
•iigcn  kam,  daa  Materielle  aber  als  Mischung  vorlag,  die  nur 
des  Geistigen  zum  Scheiden,  Herworrulen,  Ordnen  bedurfte. 
r\m  Ißt  »»"ab.  weich  seyn,  im  Tlhcl  also  Wüicli  raachen.  ^ 
Dieg  hütte  die  Ranch  Gottes  zu  bewirken,  die  Masse  tra da- 
bei zu  machen.  (Auch  die  syriRelio  «cdcutnng  beruht  auf 
W  e  i  ah  hoi  t  Dahor  ena-britonde  Mutterliebe,  Mitleiden  u.  b.  w.) 


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1MB   Dr.  Gtinun,       «{«hteleuMMa.  Utvpr«  d. 8^  to  WMmH. 

wesentlichen  Urbildern  für  alle  Arien  der 

Dinge  denkt  das  Wefsheltsbuch  Dichts. 

Das  Resultat  ist,  dafs  das  „Sophia -Buch**  also 
nicht  in  die  Zeiten  za  versetzen  sey,  in  weichen  die 
alexaDdriaische  Tbeolegie  «Irf  die  Weise  plaioaisirte, 
wie  wir  es  am  meistea  in  den  Philonischen  Sohriftes 
finden.  Daraus  schliefst  Hr.  Dr.  Grimm  auf  einen  pa- 
lästinischen Verfasser,  der  in  der  makedonischen 
Zeit  mit  griechischer  Sprache  und  Denkart  bekannter 
geworden  eey.  la  die  Uateieclieidaiig  tom  alexandrini* 
sehen  Philoniafaren  bewogen  aveh  mich  aHe  diese  Grttnde, 
einiaustimmen.  Es  viäre  aber  vielleicht  ein  Drittes  noch 
wahrscheinlicher. 

Das  ganze  Bach  nämlich  enthält,  wenn  ich  nicht 
irre,  ebensowenig,  etwas  CharaIcierisliBchea  anäPalistias, 
als  ans-  Aegypten«  .4Seine  Hauptrichlnng  ist:  Volkdbe- 
herrscher V  die  es  bald  als  Könige  und  Richter,  bald  ak 
«^Ty raunen**  anredet;  Ivamend  aufzuforderu ,  dafs  sie 
gerecht  regieren,  besonders  aber  das  \oUil  Gottes,  wel- 
ches 18,  13.  der  Sohn  Gottes  genannt  wird,  nicht 
»ifsliaBilehi  saUten«  Deswegen  wird  aa  viele  «Ite  Beispiele 
erintteii>  Wie  Gott  die  Voreltern  als  die  Rechtha* 
bende  =  Stxatovg  immer  geschützt  und  gerettet  habe. 
Daher  die  Uinweisungen  auf.  die  ägyptischen  Plagen, 
die  aber  doch  gar  nicht  so  eingekleidet  sind-,  wie  weaa 
Aegypteahiid  dem  -Besdir^iber  naher  b^iml  gewesen 
wäre.  atelh  aadi  die  Abgdtieaei  überhaupt 
meist  als  Bilderdienst,  selten  als  Thierverehmng ,  dal 
Religion  der  Söhne  Gottes  gegenOber. 

Es  wäre  demnach  leicht  möglich,  dafs  der  Urheber 
dieser  Abwarnui^en  «n  - damalige  Tyrannen  ebensoipiU 
anAer  CaUMM,  ^als  avfser  Aegypten  ,  folglich  ein  jft- 
disch  -  griechischer  Gelehrter  im  syrisch- makedonischeo 
Reiche,  etwa  noch  vor  den  Zeiten  des  Äntiochus  Epi- 
phanes  gewesen  seyn  möchte ,  als  die  Nation  durch  ihre 
aohlimme  Lage^  zwischen  (Syrien  and  Aegypten  von  bei- 
derlei heidniseliett  Dynastien  her  manches  Tyrannisdieh 
doch  aber  noch  niciht  so  viel  zu  leiden  Iiatte,  ak  spä- 


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Dr.  GfiMi,  T4MB  BiehtelmaMa.  Vttpr.'d.  B.  der  Webheit  1M9 

terhin  zur  Makkabäerzeit ,  auf  welche  noch  keine  An- 
spielung vorkömmt.  Bei  einem  aus  diesem  Gesichtspunkt 
wiederholten  Durchlesen  des  Weisheitbachs  ist  mir  we-  . 
aigslcos  nichts  5  was  dieser  Verm«llninf  entgegeastfinde^ 
wäi  aber  manches  Torgehomme« ,  was  mir  dadurch  er^ 
klärbarer  erscheint  Ich  unterwerfe  diese  Ansicht  der 
Prüfung  hauptsächlich  deswegen,  weil  es  oft  denlJeber- 
blick  jener  Zeitbegebenheiten,  und  besonders  die  zeitge- 
mabe  Ansicht  der  Ei^tebinifr  <*nd  Verbfeitnng  des  Ur* 
ehristenthoBM  n  bindeni  aeheint  |>  daÜEr  man  nm  die  Zeit 
zwischen  Alexander  und  dem  Urchristenthum  gewöhnlich 
Dur  an  Palästiaa  oder  Aegypten  denkt,  nicht  aber  zu- 
gleich die  vom  Euphrat  an  durch  Asien  und  Griechen- 
bind  bis  nach  Rom  und  nach  Afrika  zerstreute  grofl» 
Menge  meist  gräcisslf ander  Jndea  in  Reobanng  nimmt, 
«oter,  denen  manches  Apokrjphische  entstanden  seyn 
kann,  da  in  der  That  der  Hellenismus  der  uns  bekannten 
griechischen  Apokryphen  und  Pseudepigraphen  von  dem 
aeatestamentlieiien  Idiom  besonders  des  Matthäus,  Petrus^ 
Jakobns  auf  mauch^rlei  Weise  vetschiedeu  ist  Die  Frage 
also  ist:  Sollte  nidrt  jene  unter  SalemaMS  Namen  an 
auswärtige  Herrscher,  als  Bedränger  des  Volks  Gottes 
gerichtete  Abwarnnng,  jene  Lobpreisung  der  die  „Söhne 
Gottes die  Juden,  immer  lehrenden  und  schützenden 
Getteswuisbeit,  eb^r  antiochaulach;,.  4ds  alexan- 
driniseli  oder  palistMnsch  sejuV  Mau  deuke^  wie  grofs 
die  Zahl  der  Juden  zu  Antiochia  war,  in  dieser  Mutter- 
kirche des  freieten,  panlinischen  Urchristenthums,  ohne 
welches  das  Christentbum  wieder  zur  Judepsecte  (Apg. 
Sl,  SMh^Sö»)  herabfesunkeiL  wäre  und  nie  das  hätte 
werden  Monan,  dessen  Forts«hrelte&  »ur  Welt- 
religion—von Ammon  so  eben,  widir  und  frei- 
müth^^  zu  scliUdern  angelangen  hat. 

Dn  Paulu$. 


II  » 


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IflO  Mm,  «I  ]l<uii«  Icgun  MUali».  Bd.  BImü* 

I«««  l>0t  Jtftftoteoriim  et  HomanaruiB  le^ttai  CoUmtio* 
S  cotftd6tt«  manittcitpttt  Ftnrfoftoiieim  tt  Fereettenti  nt^vt  repertit 
avfitum  Qique  emtndatam  tdidit,  noiU  indicihutqu9  iüuttrwH  Fri- 
derieuM  Blume,  HamhtitgeMk,  m  Jeademim  Geof^a  JhtgtiiU 
AtiU90»a9r,  9kign*  Brft.  Hmnovratfim  B9gi  ab  mtUmk  cMt.  fitftt' 
«  a f »  lii}Miiatt  J^h^  mnt.  mUXCXMXUi.  JLLFiU  m  W  8. 

Dab  die  vorliegende  Ausgabe  der  CoHatio  sehr 
Vieles  Vor  ihren  Torgängerionen  voraus-.  Iiaben  müssei 
deutet  schoD  das  Titelblatt  derselben  ao,  wornach  hier 
zwei,  erst  seit  etwa  zehn  Jahren  bekannte^  Haadschrifteo 
derselben  benutzt  \vordeQ  sind. 

Die  Ausgabe  zerfallt  in  vierTbeile:  in  Prolegomeoai 
den  Teit  der  Collatio  mit  Anmerkiingen ,  Bxourans  crl- 
tid  und  Ittdices.  Die  Prolegomena  aind  in  drei  Kapitel 
eingetheilt,  von  welchen  das  erste,  de  Origme  Colla" 
tionis  öberschrif  bpR ,  von  dem  Verfasser  der  Collatio, 
.  von  ihrem  Zwecke,  von  ihrem  Titel  und  von  ihrea 
Quellen,  handelt.  '  Es  zeigt  hier  der  Hr.  Heraosgebsr, 
dafe  Cnjas  keineswegs,  wie  mait  so  Mi' behauptete, 
(Schütting,  Jurisprud.  antejust.  pag.  t2T.  not  1. 
Zimmern,  Gesch.  d.  röm.  Frivatrechts.  Tbl.  1.  T 
Anm.  26.  —  Schweppe,  Rechtsge&ch.  3.  Aufl.  S.  211. 
Anm.  1.)  geradezu  ^Is  gewifs  angenoriiroen,  dafs  der 
Jurist  Licinius  Rufinus  der  Verfasser  der  CMttttio 
sey,  sondern  ihn  manchmal  wohl  nnr  der  Kurze  Wegen 
so  genannt  habe,  und  iiberhaupt  von  der  Wahrheit  dieser 
Autorschaft  nicht  überzeugt  gewesen  s^.  Hat  doch 
schon  Pithou  in  der  Vorrede  seiner  Angabe  der  Col- 
hitla  eine  solche  Absurdität  von.  sich  gewiesen!  Dift 
sich  In  Deutschland  ein  Manuscript  def  Cöllatttl  vorfinde, 
welches  Licinius  Rufinus  als  Verfasser  nenne,  steht 
zwar  in  Cujactt  Recitat,  solemn.  äd  Pauli  Quaest 
Hb,  XI.  I./.,  wie  sie  Marq.  Freher  sechs  Jahre  nach 
dem  l\»de  ihres  Verft.  zu  FranidiiH  herausgegeben  iiat; 
allein  der  Hr.  OAR.  meint,  es  sey  dies  woU  eher  eia 
Zusatz  von  Freher,  als  eine  Erzählung  von  Cujas, 
indem  der  Letztere ,  wenn  er  eine  solche  l^i'achricht  er- 
halten hätte»  gewifs  AUes  aufgeboten  haben  würde,  um 


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Mm.  et  Rom.  Icgam  coUatio.  isd.  Blurii.  mi 


di«8  Mamwoiipt  oihar  besichtiyeii  m  k^nneo.  *)  Die 

Verfertigung  der  Collatio  setzt  der  Ilr.  Herausgeber  an 
das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  und  hält  es  für  nicht 
unwahrscheiolich 9  dafs  der  Verfasser  derselben  ein  Cle» 
riker  gewesen  eey«  Es  habe  dee  Bueh  wohl  dazu  dienen 
sollen,  die  Ueberelnstimaanng  des  moiuecben  nnd  rdmi- 
sehen  Rechts  in*8  Licht  zu  setzen,  um  so  zu  zeigen, 
dafs  für  Christen  die  Kenntnifs  beider  von  Nutzen  sey. 
Oafo  der  ttrsprüngliche  Titel  des  Werks  gelautet  habe:  . 
„itemDei,  quamDornnm»  (Smßeua)  dedii  adJdojfsen" 
damit  stimmen  nun  aneh  die  vom  Hrn.  OAR.  beniitaten  neu 
entdeckten  Haodsohriften  überein;  fast  alle  Ausgaben 
der  Collatio  kennen  ihn,  wenn  sie  ihn  auch  nicht  auf 
dem  Titelblatte  führen.  Die  Stellen  des  mosaischen  Rechts 
ttnd,  wie  der  HrtHerantgeber  annimmt,  vomCompilator 
der  Collatift  entweder  ans  dem  Gedftcbtniise  oder  ans 
irgend  einer,  une  nicht  bekannten,  griechischen  Ueber- 
Setzung  des  Pentateuch  entnommen,  indem  sie  sowohl 
Ton  der  Hieronymianischen  Uebersetzung  als  von  allen 
übrigen  bekannten  bedeutend  abweichen.  Die  aus  dem 
römischen  Rechte  entlehnten  Fragmente  sind,  wie  be- 
kannt^ nur  GMeke  ans  den  fünf  im  Citirgesefne  begün- 
stigten Juristen  und  den  drei  Codices;  Paulus  und 
Ulpianus  sind  am  meisten  benutzt;  nächst  ihaeu  der 
Gregorianns  Codex.  **} 

^)  Diese  Ansicht  des  Hrn.  Hernusfi^eliers  scheint  dadurch  bestätigt 
zu  werden,  dafs  der  ^an/e  Satz,  welcher  die  Erzählung  von 
jenem  in  lieutschland  befindlichen  Mftauscri|ite  enthält«  in  der 
Lyoner  Ausgabe  der  Cujasischen  Werke  ▼on  1614  (Tom.  I. 
p.  IWb)  weggelassen  worden  ist ;  über  den  Gmnd  dieser  Weg- 
fassuRff  oiürite  jedoch  das  Verhältnirs  dieaer  äatgßbo  sn  der 
Frankfurter  vom  Jahre  159(>  entscheiden. 

**)  Es  sey  Ref.  erlaubt,  hier  noch  herauszuheben,  dafs  der  Hr. 
Herausgel^r  durch  eine  scbarfsinniij^e  Conjectur  einen  neuen, 
gchlagenden  Beweis  daffiir  beigebracht  hat,  ialk  die  Zeit  der 
Abfassung  des  Gregorianischen  Codex  wohl  an  dto  Ende  des 
dritten  oder  den  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  gesetzt  werden 
müsHe.  Es  wird  nämlich  in  der  Collatio  (Tit.  I.  Kap.  10.)  ein 
Rescript  aus  dem  Grej^orianischen  Codex  un|^efübrt;  da  aber, 
*  we  «MM  den  Nesen  dee  reaeribireadeü  Kaisers  lesen  Rollte, 
■teht  in  der  Pithee*tehen  AnegelM:  „Qwd^n  dnm,''  in  den  beiden 
neuentdeckten  Manuscripteii :  „quod  ei  DiVA'."  Der  Hr.  OAR. 
hat  nun  (vgl.  die  der  Ausgabe  beigegebenen  Scriptnrae  Specim, 
Ulf  1.)  treulich  geieigt,  dafs  diese  Worte  unzweifelhaft  aus 

\ 

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107t  Mm.  et  RmB.  legnm  c^Uttlo.  VÜL  BkuaB» 

Im  zweiten  Kapitel  wird  von  den  Mann  Scripten 
der  Collatio  gesprochen.  Nachdem  die  Nachrichten  über 
die  Handschriften ,  welche  der  Erzbischof  Hinkmar 
'  Ton  Rheims,  Tilius,  Contins  und  Charondas 
gesehm  haben,  mitgetheilt  wordeo,  wird  TOir  derjenigen 
gehandelt,  nach  welcher  Peter  Pit hon  seine  Ausgabe 
(1573.)  veranstaltete.  Die  Resultate  der  höchst  fleirst- 
gen  Untersuchung  gehen  dahin,  dafs  man  nicht  weifs, 
wo  dieses  Manuscript  gefunden  und  wohin  es  später 
gebracht  worden  ist  QowiA  isl  aber,  dafs  dasselbe 
Cujas  auf  einige  Zelt  Iberiasson  imrd,  weicher  es  mit 
einer  gedruckten  Ausgabe  collationirte;  dies  Cujasische 
Exemplar  findet  sich  noch  in  der  Bibliothek  der  Stadt 
Ber  n.  Es  enthielt  die Pithou'sob^ Handschrift  aufser  der 
ColbUio  nocli  das  Diotatana  da  coasiliariis,  die  Collatio 
de  tnloribns  nnd  einige  Justinianeipcfae  Novellen ,  hatte 
sehr  häufig  dieselben  Fehler  and  Irrthumer  des  Abschrei- 
bers, wie  die  beiden  neuerlich  aufgefundenen  Codices, 
war  aber  wohl  älter,  als.dleief  ud  am^nile  der  Collatio 
▼oUsl&ndiger. 

(#«r  B€9€klMf$  folgt)' 


^yDwel  ei  DNN."**  «itotandeB  •Ind;  er  glaubt   Mu  nach  ^et** 
der  Name  des  Kaiser«  Maximiänu»  autgefalleii ,  nnd  die  übrif^en 
drei  Zeichen  für  „dommi  nottri^^  zu  leaeii  seyen.    Auch  wird 
man  es  wirklich,  wenn  man  die  Züge  der  Handschriften  ai-  < 
■icbt,  für  sehr  leicht  möglich  halten,  daf«  aus  di  ein  qu  eni- 
•taadeii ;  dalb  tlbet  4       il«in  Ab— halber  «Ar  oft  statt  el 
•etat  sey,  dafür  brinp:t  der  Hr.  Herausgeber  mehr«»  Beispiele  hd. 
DaMelbe  Rescript  Rteht  auch  im  juBtinianeischen  Codex  (L.  5.  C 
ad  Ug,  Com.  de  »icar.  [9,  16.])  und  trä^t  hier  die  Namen  der 
Kaiser  Diocletian  und  Maximian  an  der  Stirnc.    Mannte  nui 
aber  OregnrlasM  diese  Kaiser  „ifemAil  «efft^^*  m  nmU  «r  antsr 
ihrer  Regiening  seinen  Codex  verfertigt  haben ;  überdies  werden 
an  einem  andern  Orte  der  Collatio  (Tie.  VI.  Kap.  4.)  cbenfall" 
bei  einer  Stelle  aas  diesem  Codex  dieselben  Kaiser  ^.nobilianm 
Csworet**  genannt.   Es  mag  hier  nech  bemerkt  werden ,  dafsbi 
der  Cujasischen  Ausgabe  toq  1586  die  Worte:  ^^quod  n  dsal* 
num"  in  den  Text  aufgenommen  sind,  am  Rande  aber  ,,/sip' 
DiocL  ei  Maxim.^^  steht;  die  Ljoner  Ausgrabe  von  1593  dagegen 
läfst  die  Worte  qu,  t  d.  gans  weg.    Van  de  Water  in  seioea 
CMiM.  Jm.  nm.  Mb  I.  9.  IS.  (nicht  tik.  U,  wie  bei  Sc^ltf« 
steht)  Terwandelte  das  quod  •<  in  „^uod  ett"  (es  seilte  sich  aoi 
das  vorhergehende  ,,r€ffcri[ptuiii**  hjnsiehen),  und  wollte  in  den 
Zeichen  düm  üe  Manen  dar  ffilgpr  f^Wesirtiont  el  Mufi- 
mianV')  find««« 


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I 


N*.  «a    HfiiDELB.  JAHRa  a  LITERATUR  188& 


Moa.  et  Rom.  legum  eoUatio.   Ed.  Blumii. 

Der  Hr.  Herausg-eber  zeigt  ferner,  dafs  das  Manu- 
script,  weiches  als  ein  Legat  von  Scaliger  in  der 
Bibliothek  zu  Lejden  aufbewahrt  wird ,  eine  von  diesem 
Gelebrieo  verfertigte  Abschrift  des  Pithou  sehen  Codex 
sej;  voD  dieser  Reliqitfe  ist  aiieb  in  der  jetrigenAnspiba 
fiabrauch  gemacht.  *—   Nach  diesen  Untersuchungen 
kommt  die  Reihe  an  die  beiden  erst  neulich  entdeckten 
Manuscripte.    Das  erste  derselben,  aus  dem  eilften  Jahr- 
I  hunderte,  wurde     Wien  inf  Herbste  des  Jahres  1822 
,  von  Hrn.  Prof.  von  LaneizoUe  aufgefanden,  nnd  ist 
whon  längst  Ton  Hrn.  Geh.  Jusl  Rath  Bxener  in  der 
Zeitschr.   für  geschieht!.  R.Wiss.  Bd.*  V.  S.  338 
bis  357  genau  beschrieben  worden«.  Das  zweite  ent- 
deckte der  Hr.  OAR.  Blume  selbst  im  October  1822 
io  der  Bibliothek  dei  Domkapitels  zn  VercellL  Diese 
HandscbriR,  deren  auch  der  Hr.  GJR.  Biener  in  der 
Gesch.  der  Nov.  öfters  (S.  72,  229,  234,  605,  606.) 
erwähnte,  und  welche,  eben  so  wie  die  Wiener  (nur 
dafs  es  bei  dieser  erst  in  den  Addeodis  geschah,)  schon 
ia  der  zweiten  Ausgabe  des  Veroneser  Gajus  benutzt  wor- 
den ,  ist  —  wenigstens  nach  des  Hm.  Herausgebers  Mei- 
nung —  vor  der  Mitte  des  eilften  Jahrhunderts  verfertigt, 
fast  ganz  ohne  Abkürzungen  geschrieben,  selten  mit  Gi- 
pitalbuchstaben^eziert.    Die  Handschrift  besteht  ans 
rerschiede.nen  l^oilen.   Der  erste  Quatenio,  welcher 
erst  später,  wahrsöheinMeh  als  der  ursprQngliche  ver<* 
Joreo  gegang-en  war,  jedoch  von  derselben  Hand  —  wie 
das  Folgende,—  geschriebeti ,  eingeschoben  wurde, 
fiugi  so  ans  ,^Ine^^uttt  mnum  regimum  et  cwäatwnf 
m  quibus  Mfietorum'  Apösto^Mn'  dtor^ra  reqtdes^ 
cirnt;^^  und  kurz  darauf  steht:  ,yIncipU  e:Bpo8itio  quoi^ 

UYl.  Jahrg.  XL  Heft.  .  68 


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1 


1074  Mos.  et  Hoin.  legum  eollalio.   £d.  BLuoiii* 

tuor  evcmgeliorum der  Inhalt  ist  theÜs  theologisch, 
theils  juristisch;  daran  schliei'st  sich  das  Prooemiuni  der 
justiDiniiekcbeo  loetiliilion^o.  Der  swmle  Quaternio  be- 
ginot  tnilIeD  im  rnhalteTerzeicfanisse  von  Julians  Novellen, 
und  fährt  (laiiü  mit  dein  Index  der  Titel  der  Collatio  fort 
Nach  Julians  Epitome ,  welche  bis  Const.  128  oder 
Cap.  585  geht,  steht  noch  als  Anhang  dazu  und  unter 
Fortsihiiuig  der  Capilelzableo :  1)  die  Nov.  94;  2)  eine 
Sonuna  der  Nov.  fi&;  8)  Nov.  114, 148,  188;  4)  Sammi 

der  Nov.  121;  5)  der  Anfang  des  Dietatum  de  consi- 
liariis;  6)  endlich  ein  Xu^zug  aus  einer  Constitution  de? 
Codex  ttftd  ein  anderer,  dessen  Quelle  ixich  unbekannt 
ist;  ^)  dann  eine  Abkiirzongf  aus  einer  Interpretatio  des 
iheod.  Codex ,  und  ein  Stllckchen  aus  Paulus ,  wel- 
ches sich  auch  in  der  Collatio  (Tit.  XIV.  Kap.  2.  §.  3.) 
findet.  Auf  diese  Anhänge  zu  Julian  folgt  eine  Abhand- 
hing  de  mcestis  moralischen  lohaits,  dann  eine  Ver- 
urandfscbaftstafel ,  mit  einem  Zusätse  aus  den  Laogobar* 
dischen  Gesetzen,  welcher  von  neuerer  Hand  ge- 
schrieben —  mit  den  Worten  endigt:  y^Anihrosius  judex 
hmc  (sie!)  legem  scrm  (sie!)  m  hoc  Ubro*'  Nach 


*)  „Lex  im.  DXCIII.  Consiitutio  Metridiati.  Pupiilis  Tel  adaltit 
res  8UUB  nec  vendi  nec  clonari  Tel  commutari  licet  nec  coai 
fratfe  «uu."  Dafs  dies  ein  Auszug  aus  L.  4.  C  de  praed.  min, 
(5,71.)  nev,  hat  Hr.  Prof.  Rudorf f  entdeckt,  wie  der  Hr. 
OAR.  in  den  Gott.  Gel.  Anzeigen  v.  17.  Sept.  1833. 
St.  150.  151.  nacliträglicb  onvähnt.  —  „IIXCCC.  Lex  I.  /nip.  Jn- 
iontno  (hIc!)  /i.  Muciano.  Minor  quod  absque  tutore  Tel  cara- 
tore  vendidit  vel  obligavit,  dum  ad  legitimam  aetatem  Tenerit, 
restituitar  illi.'*  (Ref.  ist  darauf  aufmerksam  gemacht  irordeo, 
dafs  das  /4ntonino"  Tielleicht  ein  ähnlicher  barbarischer  tifh 
luinaliv  se;^,  wie  jeneR  ..Trumero"  in  der  Wff^nrr  HS»;  Zeit- 
schrift f.  gcsch.  RW.  Bd.  Y.  S.  355.  ^Zh) 

,  ^,BXCV.  De  donatMMt  Donatio  dir«cta  eat^  nbi  fai  pmiBMti  m 
Ilona  (ta)  traditur«  Quod  hI  donator  quartaui 'aUii  tiM  reser- 
TBTerit,  donatio  non  TalebU."  Hrn.  OAR,  Bl.  ■«lba|  verdanken 
•mir  die  Machweisuog,  dafs  die  (eehr  merkwürdige)  Inlerpie- 
tatio  in  L.  1.  Tkeod.  Cod.  d«  donnf.  (S,  12.)  die  Qnelle  diMcr 
Worte  iii.  Man  aehe  die  Torbln  angeMrtoii  Mtt  JMt  Ana. 


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Mm.  H  Rom.  Icgnm  coU«ti#.  Ed*  Biuteli;  109S 

allm  dicieif  Sifioken  fimlet  sich  denn  unsre  Coliatio  auf 
vier  und  zwanzig  und  einem  ha Ibeir  Blatte,  von  Tit  Vjt 
Kap.  4.  §.  1.  an  zwar  von  derselben  Hand,  aber  we- 
niger schön  gesohrtebeQ.  Da§  ganze  Matiuscript  achliefsl 
MiU  emigeo  Bemerktiogeii,  mm  der  Jarispmdeiiz  ond  4er  • 
M#val  entoommeo.  Zn  bemerken  isl,  dafe  eowoht  zu 
Julian  als  zur  CoUatio  Marginal«  und  Interiineargiossen 
sich  vorfinden;  diejenigen  zur  Coliatio  hat  der  HnUerau^ 
geber  (p.  XXXiiL)  abdrucken  lassen. 

Im  letzten  Abschnitte  dieses  Ckpitels  stellt  der  Hr. 

Herausgeber  Belrachtunfi;en  über  die  Individualitäten  des 
Phhou'schen  und  der  beiden  neuentdeckten  Codices  an, 
durch  welche  er  seine,  gewiß  richtige,  Meinung, 
dafs  alle  drei  von  einem  gemeinschaftlichen  alten  Codex 
abstammen,  zu  befestigen  sucht.  ^Es  ist  zu  demZweeke 
ani^er  Anderm  noch  eine  Tabelle  beigefügt, 
welche  sowohl  die  tiiach  die  Sorglosigkeit  der  Abschrei- 
ber, als  auch  die  durch  die  zweideutigeii  SchriftzOg;e 
des  alten  Muttercodex  entstandenen  Verwechselungen  der 
Bnchstatien  anschaulich  macht  So  z.  B.  gehört  zu  der 
erstem  Arf.,  dafe  quo  nobis  statt  canubns,  .htn^fieUs 
statt  een^fteiis,  cogahtr  statt  cognaio»,  zu  der  itfweiten, 
dafs  z.  B.  seductos  für  sed  vetus,  regulis  für  secuUs, 
et  grandes  für  execrandas,  valcre  et  für  sua  heres 
«si,  derwea  abdieant  iur  d€u$  eradicavit  geschrieben 
itonle»  wk 

Im  dritten  Capitel  endlich  handelt  der  Heraus- 
geber Von  den  Aus<^aben  der  Coliatio.  Die  Edfitio 
prineeps  ist  bekanntlich  von'  P.  Pithoir  Tom  J.  1579; 
Me  Mgmden  10,  *}  von  denen»  im  Anhamgd  (p.  806^  SM.) 


Ref.  hat  von  di«t«n  Aufgaben  mir  8  geechen;  die  liiedge  Uni« 
wnUtsbiSliotWk'beeitsI  mfr  5  daviAi,  namlicb  die  von  1589, 
1M8«  ms.,  um,  Vm,  Wo  Mus^  von  IGGU  ist  in  Hugo*s 
Indes  fonliapi  beider  Amsterdamer  von  1698  (No.  55.)  gele- 
gtottilicb  enrÜiat;  »ie  findet  sieb  in  den  Qri$ici  tacri.  LondinL 
1868^.  FaL  Tom.  VIII.  pag,  150 — 211;  dagegen  ist  daselbst  die 
Aufgabe  yfom  M88t  welebe  tef  d«r  Fraabforter  Sanmlttng  der 


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1076 


Mos.  ei  iiom.  leguiu  cuilulio.    Ed.  Biuniii. 


ein  chronologisches  V  erzeichnifs  steht ,  sind  mehr  oder 
weniger  auf  diese  gebaut  Interessaut  ist  folgeode  Notia^ 
aaf  welche  der  Hr.  OAR.  (pag.XU.)  aubnerktein  tnaobi 
Rittershueius  sagt  in  dem  eeioer  Ausgabe  yoo  Pavli  Sco- 
tent.  vorausgeschickten  Prooemiuni  (bei  Schulting  p.  194.), 
er  habe  in  seine  Ausgabe  alle  Stellen  aus  den  Sententiae 
von  Paulos,  welche  sich  irgendwo  Torgefanden  bäUeo, 
aufgenommen;  —  „pra^erea  iUae,  fuae  stmt  apui 
lidmum  Rufinumy  m  modo  is  esi  auetor  (JoUatkum 
illius  legum  Judaicarum  et  Romanarum ,  quae  e.rtat  ^ 
edita  prhnum  a,  P.  Pühoeo :  et  nupet*  a  me  in  En^ 
chiridion  Juris  Quadripariitum  relata  est!' 
*  Zufolge  dieser )  im  Juni  1504  geechrlabeneo,  Steile 
mllAte  ein  solches  Enchhidum  erschienen  seyn;  all^ 
der  Herausgeber  bemerkt,  dafs  er  nie  Ton  einem  derar- 
tigen Werke  des  Rittershus  Etwas  gehört  habe;  und 
auch  Ret  hat  nirgends  die  geringste  Spur  davon  aufBa* 
den  kdnnen.  6  c  ko  1 1  i  n  g  Mist  die  Worte  des  Rittershus 
abdrucken,  ohne  eine  Anmerkung  dazu  uu  machen,  wie 
eres  doch  sonst  bei  fehlerhaften  Angaben  zu  thun  pfle^-t; 
sollte  dies  etwa  dafür  sprechen,  dafs  er  eine  solche 
Sammlung  gekannt  habe?  —  Hatte  vielleicht  Rittershus 
ein  derartiges  Werk  im  Mauuscripte  fertig,  ohne  daft 
es  je  gedruckt  ward? 

Was  nun  endlich  die  jetzige  Ausgabe  der  Coliatlo 
selbst,  von  welcher  diese  Anzeige  Kunde  geben  soll, 
betrifft,  so  iKli  ihre  Dekonomie  gans  dieselbe,  welche 

bisher  gewöhnlich  war,  nur  dafs  die  Capitei ,  d.  i.  die 
einzelnen  (mosaischen  oder  römischen)  Stellen,  wo  es 
geschehen  konnte,  wieder  In  Paragraphen  abgetbeiU 
sind,  um  das  Citiren  bei  den  gröftern  Fragmenten  zu 


Critid  tacri  eneliien,  aiciit  ▼•iwidMMt.  Dia  Aufgabe 
S.  V.  CieenvM,  mMe  der  Hr.  OJR.-  Hugo  (No.  M.)  tfflv 
J.  VStl  BoOieiU,  der  Hr.  DAR.  Blnme  alier  te  eise  Mil 
(p.  XLI.  net.  S.)  in  4ae  Jahr  ISTl,  das  aadre  Mal  (S  106.)  ia 
dae  J.  1ST2  tetst,  ffilirt  anf  dem  Titel  dae  Jakr  1S7  \  die  De- 
dication  dei  Verlegen  lit  ft^ilieli  vom  Deeemri^  lSVl* 


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Mo«,  et  Rom.  leguni  collaiio.  £«l.  Hluniii.  1071 

erleichtern.  Der  Text  selbst  beruht  auf  dea  beiden  neu-  , 
eotdeckteo  M«ou§cripten  und  der  Scaligerischen  Ab* 
achrift;  D«r  da,  wo  der  Text  derseibea  augenscheinlich 
verdorben  ist,  hat* der  Herausgeber,  wenn  durch  Con- 
jeetoralkrkik  unbezweifelt  der  richtige  aufgefunden  ward, 
diesen  hergestellt.  Die  Abweichung  der  einen  Hand- 
schrift von  der  andern  ist  in  den  für  die  Lesarten  be- 
stimmten  Noten  auf  das  Genaueste  an^emer4(t.  —  Wie 
sshr  der  Tesrt  durch  die  Wiener  und  VeiceUeser  Hand«» 
Schrift  gewonnen  Imi,  werden  einige  Beispiele  von  bteher 
oorrupteo  Stellen,  deren  wahre  Lesart  uns  jetzt  bekannt 
wird,  hinlän^iich  zeigen.  80  z.  B.  ist  nun  der  richtige 
Text  jener  Stelle  aus  des  Paulus  Uh,  sing,  de  mfuriis, 
wo  derselbe  von  der  durch  die  zwölf  Tafeln  festgesetzten 
Strafe  der  Iigiiriett  sprichl  (TU.  IL  Kap.  &  §.  &),  in 
jenen  beiden  AI anuscripten  enthalten.  Denn  während  man 
bisher  am  Ende  dieser  Stelle  die  keinen  Sinn  gebenden 
Worte:  „Qitae  lex  generalis  fuit  libero  trecentaa  scr- 
t'os  CL  poenam  subito  sextei^tiorum ^  las,  welche  Jak. 
Qodofredus  durch  eine  sehr  gewagte  Conjectur  ganu 
verindern  wollte  (welche  Conjectur  von  S.  van  Leeuvea 
ia  seine  Ausgabe  aufgenommen  ward,  worüber  Ihm  Schul» 
Ung  in  der  Praef.  so  bittere  Vorwürfe  macht):  finden 
wir  nun  folgenden  Satz:  ,,Quae  lex  generalis  fuit; 
fuerunt  et  speciale s ,  velut  illai  fpsi  quis  os 
fi'egii  libero ,  ,  ireeewtos ,  *)  (si)  servo,  CL  poenam 
ssinto  oesteriioTwn^  —  Bbenso  ist  die  in  Ifl.  X.  Kap.  2.  ^ 
§.  3.  schon  von  Pithou  wahrgenommene  Lücke  in  beiden  * 
Handschriften  nicht  vorhanden  ^  indem  diese  folgenden 
Text  liefern:  „In  mandati  vero  judicio  dolus,  non 
eiiam  culpa  dedueitur :  quamvis  singula-- 
riter  denotare  liceat,  in  tutelae  judicio 
utrumque  deduci,  cum  ooiiuo  pupillif  non 
otiam  tutoris  utilitas  m  admimstratione  veroeiur!*  — 
TO.  XV!.  Kap.  2.  §.  8.  wird  die  Lücke,  welche  sich 
früher  vor  den  Worten:  „altera  dtnndiam"  befand ^ 


*)  Co4.  Vhi4.s  COC$  TldUiebti  ^trMeatotum'*t  - 


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1098  Mm.  Ol  Rmd.  legam  callaUo.  £4  Blanii. 

von  dem  Vercelleser  Codex  gani^  ebenso  au^gefüUt,  wit 
wir  sie  min  schon  längere  Zeit  in  dem  Verooesischeo  Grajus 
lesen.  —  Zu  vielen  Conjecturen  g^b  frflher  aacb  4is^ 
Steile  mXVL  Kc^l.  §.  2.  AolaA,  welch«  m  b«tete< 
„Earum,  gutman  ieBiwumda  rumpuniur  m$  mHte 
JIujU  ,  ipao  quidem  jure  testamenti  decedmU.  ^  Dafs 
von  allen  Conjecturea  keine  den  richiigea  Sinii  dieser 
Worte  hergestellt  hat,  zeigen  nun  unsere  beide»  Uaod« 
fldiriflteii,  in  welchen  jene  Stelle  felgeademHifte«  gefsfet 
ist:  ^,E<irmn*^  {der  Hr.  Heretifigeber  setssl  initSchiiUiflf : 
,,quorum  testamenta  rmnpuntur  aut  mrita 
fiunAy  ipao  quidem  jure  testati  decedunt ,  aed  per 
conaequentias  sublato  teatamenio  inieaiüii 
rfecednftf."  Doch  diese  Brisfiele  n»ogen  gmUigm 
DaA  es  dagegen  auch  noch  sehr  viele  eerrupte  Lestrfca 
gibt,  die  aus  den  beiden  neuaufgefundeoen  Handschrif- 
ten nicht  verbessert  werden  können,  läfst  sich  leicbl 
denken ,  da  sie  ja  —  wie  schon  oben  bemerkt  ward 
lidehstwahrscheinlieh  mit  dem  Pitbon  tchea  Codex  Bioet 
alten  Codex  sar  gemeinechaftlichen  Quelle  gehabt  habeo, 
welcher  die  Ursache  mancher  Fehler  gewesen  seyn  mag. 
6o  steht  denn,  um  nur  dieses  Beif^piei  herauszuheben, 
in  der  bekannten  Stelle  aus  Gajus  (TiL  XVI*  Kap.  2. 
wo  derselbe  von  der  Erbfolge  derGentilen  i^richt,  aedi 
im  Cod.  Verc :  —  prima  eommeniario  ei  ttUinnim 
est;"  im  Cod.  Vind.:  „—  —  primo  commentarw  re- 
apandit  et  ultimum  eat;"  der  Verooesische  Gsyus  hat 
bekanntlich  diese  Worte  jetzt  geheilt»  Viele  solcher 
Terdorbenen  Lesarten  6io4  aber  aneh  derch  die  echsrf» 
einoige  Conjectnralkritik  des  Hm.  OAR.,  von  wekher 
wir  schon  oben  ein  Beispiel  anzuführen  Gelegenheit  hat- 
ten, glücklich  gehoben;  ejs sey  uns  erlaubt ,  noch  einiger 
ähnlichen  Conjecturen  hier  zu  erwähnen.  Tit.  I.  Kap.  6. 
§.  3.  stehen  folgende  Worte  ans  einem  Rescrlpte  Hadrian'% 
welches  von  Ulpian  anfgenommen  ward ,  Ober  den  Un- 
terschied von  vorsätzlichem  imd  casuellem  Todschlage: 
„E  re  itaque  comtituendum  est,  et  quo  Jerro  percus- 
aU  ipaa  funditu»;'  so  liest  Piihon;  ,9^a  frottdi* 


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Mo^  m  Rm.  l^w  c«lUüi».  K4.  BliuBii.  i«W 

Im/'  die  Wieoer,  iiikI  ,Ji>8a  fradiUtg"  die  VercellMer 

Handschrift  Der  Hr.  Herausgebe i  hat  den  Namen  des 
Todschlägers  y^Epafroditua^  herausgefunden.  TiL  X. 
üaj^  2.  §.  6.  heifst  eä  in  allen  Handschrifieo;  »it  e- 
spondit  deposäa  si  subripiattir,  dommu8  domui 

habei  ßo*ii  actkmem  Schon  Ciyas  vermuthete 

riclitig,  dafs  das  rcspondil  aus  eiiK  ui  IX  mit  einem  Queer- 
striche  entstftnden  sey,  was  sowohl  respojidU  ais  (wie 
es  hier  heiisen  mufs)  res  bedeuten  kann;  das  domui 
blieb  aber  eio%SteiQ  des  An^iofses;  der  Herausgeber 
rSamt  ihn  hinweg,  indem  er  „€0  nomine"  dafhr  liest 
jfV/.  XV.  Kap.  2.  §.  2.  wild  !)ei  dem  Senatusconsulte 
Oher  die  Mathematici  gesagt,  es  sey  streitig  gewesen, 
ob  auch  schon  die  Kenntnifs  von  dergleichen  Dingen 
oder  blos  das  öffeniliche  Lehren  derselben  zn  bestrafen 
sey ;  früher  sey  man  der  letztern  Ansicht  gefolgt;  ,,p09tetM 
var  'iutum ;  nec  dmsnnahin d u m  est ,  noiinimqunm  in- 
repsisse  in  usum ,  ut  et  mm  jiroßterentiir  et  publice 
r epr eilender ent"  Pithou  meinte,  es  müsse  rcspon- 
derent  heifsen;  allein  nach  den  Schriftzügen  der  bei- 
den neuen  Handschrifken  (reprebereni  Vind.  ruberem 
Verc.)  hat  die  Conjectur  des  Hrn.  OAU.,  zu  lesen:  „se 
jn'arhrrent  "  Alles  für  sich.  FJs  finden  sich  aber  frei- 
lich noch  in  manchen  Stellen  verdorbene  Lesarten,  deren 
Sehwierigkeiten  noch  immer  nicht  gehoben  sind.  So 
s.  B.  gehört  hierher  jenes  Fragment  ans  L^Ipians  Werfte 
de  oliicio  Proconsultis  (Tit.  Vlll.  hup.  7.) ,  wo  davon 
gesprochen  wird ,  dafs  durch  ein  Senatusconsult  die 
Strafe  der  Lex  Cornelia  de  faisis  auch  über  Die  verhängt 
werde,  welche  etwas  Anderes,  als  ein  Testament  he- 
trilglicherWeise  zusiegelten  u.s.  w.;  wo  es  denn  in  §.2. 
ferner  heifst :  „Item  qui  ob  iiistruendam  udvotationetn, 
testimoruave  pcctmiam  avcepcrit ,  pactfmw  fueril^  so* 
detatem  eoi&rit  y  atU  aliquam  delationem  intcrpo- 

suerit"  .  Cujas wolUe dies  ^fdekUionem"  der L, 20. 

ad  Leg.  Com.  de  faU.  (48,  10.)  folgend,  in  „oftb*- 
gationem*'  verwandelt  wissen;  den  Schriftzügen  würde 
es  näher  kommen «  wenn  wir  ffte^tutionetn   lesen  wollten. 


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leSO  Mm.  et  Aom.  legom  coUailo.  £d.  Blamii. 

Ob  aber  diese  Coiqeciar  beaehtiingswerCh  eey,  des  ibei* 
läbft  Ref.  der  Entocheiduag  too  Ksndigerem.  — 

Einen  Commentar  zur  Collatio  wollte  der  Hr.  Heraus- 
geber oicht  liefern,  soudera  er  hat  blos  in  den  Noten 
meistens  solche  Paralellstellen  angeführt,  welche  bei  | 
Scholtiiij^  entweder  gar  nicht  oder  fehlerhaft  aDgegeb€0 
sind.  . 

Am  Ende  des  Werkes  finden  sich  (p.  147  — 155.)  I 
die  Imdices  Kapitulorum  abgedruckt,  wie  sie  in  der  I 
Wiener  und  Vercelleser  Handschrift  stehen.  Ihnen  feigen  J 
(p.  156'— -164.)  eilf  ESivetirstts  crkici,  worin  dieGrfinde  \ 
für  die  Aufnahme  einiger  schwierigerer  Conjecturen  in  ^ 
den  Text  entwickelt  werden.  Zuletzt  endlich  (p.  165 
bis  finden  wir, die  reichhaltigsten  Indices,  wofär 

dem  Hrn.  Herausgeber  nicht  genug  gedankt  werden  kann, 
da  solche  Arbeiten!  so  mfihselig  sie  sind,  einen  sebf  j 
bedeutenden  Werth  haben.  Das  erste  derartige  Tef-  | 
zeichnifs  ist  ein  ganz  vollständiger  Index  reruin  et  uer- 
horum^  das  zweite  ein  Index  personarvm  unter  den 
Rubriken:  Imperatorum  nomioa;  Consulum  nomina;  Fro- 
consules ,  Vicarii 9  Legati ;  Jiireconsnltorum  nomina;  Mi- 
lites ;  Privat!  pagani ;  Populi ,  Proyinciae  i  Urbes ;  >  m 
drittes  ist  der  Index  fontmm  CoUathms  in  Beziehung 
auf  mosaisches  und  römisches  Recht;  das  letzte  ist  eDd- 
lieh  der  Index  Auctorum ,  in  ^vcJchem  zuerst  alphabe- 
tisch alle  Schriften  verzeichnet  sind,  in  denen ^  mehr 
oder  weniger,  Rücksicht  auf  die  Coliatio  genommen  ifit;^ 
dann  dasselbe  Veneichnifs  in  chronologischer  Ordnunf* 
Als  Zugabe  erhalten  wir  eine  schdn  gearbeitete  Probs- 
achrift  aus  dem  Wiener  und  Vercelleser  Manuscripte.  ^ 

Druck  und  Papier  sind  sehr  schdn.  Die  bedeatüp 
deren  Druckfehler  sind  in  den  Corrigendia  angegeben;  « 
kann  hier  etwa  noch  hinzugefügt  werden ,  dafs  p. 

1.  9.  V.  unteu  patri  zu  lesen  ist  statt  patria,  ' 

Es  würde  unbescheiden  seyn,  wenn  Ref.  zum  Schlmie 
■ochjrgend  ein  Lob  Uber  die  Arbelt  des  Hrn«  HenH# 
gebers  aussprechen  wollte.   Aber  den  Wunsch  kana 


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Jikg ,  vom  G«liraaeli  iler  BtianiiUel  btl  der  Ckfeirt.  MB! 

iifehl  Überdrücken ,  dafs  derselbe  durch  seinen  neuen 
Beruf  nicht  verhindert  werde,  recht  bald  mit  der  Er- 
füllung seiner  die  Geschichte  der  Pandekten,  die 
A^rimensoren  und  die  Leges  Langobardorum 
btftreifeiideD  Verq[irechiiog6Q  das  jurittiscbe  Publicuni 
Stt  erfreuen; 

Dr,  D  cur  er. 


Z€Um,  bei  Immanuel  fVebel:  Dafe  der  Q^hrmnek  innerer  Uei»' 
mittel  »ur  Beförderung  der  Qehurt  dee  Kiudee  miiid- 
fruehtloe  und  geeunden  Fmuen  eogar  eehddlieh 
eeffs  naehgefoeaen  van  Dr*  Jehmm  CkriUian  Gottfried  Jorg, 
KMgl  Sdeke»  Hofrathe,  ordmft  Prefeeeor  der  GAwUhülfe  an 
der  ünieenfMlt  wn  Leipzig,  JHreeier  der  daeigen  SntHndvmgeteknk 
m,  e,  w.  1888.  Fili  n.  9»  &  (PreU  54  kv:) 

Es  ist  nicht  20  verkenDen,  dab  regelmäfsig  verhu* 

fende  Geburten  sowohl  von  Laien,  als  auch  von  Heb- 
ammen und  Aerzten  mit  mehr  Aufwand  von  Arzneien  be- 
handelt  werden  |  als  die  Natur  dieser  allerdings  schweren, 
aber  doch  rein  gesiindheitgeniäfsen  Verrichtung  fordert 
«od  verträgt  —  Baudelocqne'a  Zeller'a,  Bo€r*8| 
Mai's,  Weidmannes,  W.  J.  Schmitl^a,  Ndgeie's 
uud  Jürg's  Beiiuihung^eii ,  der^Natur  ihre  Rechte  zu  vin- 
diciren,  jeden  Eiugriif,  mechanischen  wie  dynamischen, 
in  den  gesundheitgensärsen  Verlauf  der  Geburt  abzuweh- 
ren y  wird  imflner  noch  nicht  gehörig  gewflrdigt  Zwar 
ist  man  in  neuerer  Zeit  grobentbeila  von  dem  fibermäfei- 
gen  Eingreifen  mit  mechanischen  HUfsmittehi  in  den 
normalen  Act  des  Gebärens  zurückgekommeu ;  allein  man 
hat  sich  auf  einen  andern  Weg  verirrt :  '  man  g^lauht 
Dämlich  die  Geburt  durch  sogenannte  dynamische  Mittel 
modeln  au  dürfen  und  zu  können.  —  Diesen  nicht  blos 
tanfitcen,  sondern  oft  schädlichen  Gebrauch  (Mifs^ 
braoch)  von  inneren  Mitteln  su  beachrinken,  und  die 
Anwendung  der  Reizmittel  während  der  Geburt  fast  ganz 
ZU  verbannen,  ist  der  Gegenstand  vorliegender  Blätter. 


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IM     M|C>  vom  GdbnMMb  4er  fttiimHUl  M  dtr  fi^luiit. 

MU  R«clil  tedelt  der  Hr.  Verf.  ia  lier  Eisieilwif  ^ 

dafs  manche  Hebammeabücher  ein  ^^atjzes  Register  von 
Arzneimitteln  (worunter  sogar  sehr  eingreifend  wir- 
kende sind)  autsteileo,  welche  deo  Hebanuneo  zum  be- 
liebiges Gebrauche  io  die  HSode  fegebeii  werden  sol- 
len; und  dafs  LehrbOcher  der  Gebortahfllfe  filr  Aersie 
diesen  zuniuthen,  einen  reichlich  gefülllen  Arzneikasten 
nachzutragen  I  wenn  sie  zu  einer  Gebärenden  gerofeo 
werden. 

■  Der  verdienstvolle  Hr.  Verf.  sucht  in  drei  Kapiteln 
nachzuweieen  :  Erstens ,  dais  das  regelmafsig  verlaufende 
Geburtsgeschftft  der  Unlersliltoting  durch  innere  ArzoeieD 
nicht  bedQrfe;  zweitens,  dafli  ee  nomögiich  eey,  die 
regelmäfsige  Geburt  des  Kindes  mit  sonst  unschädlicheo 
inneren  Mitteln  zu  unterstützen  oder  zu  beschleunigen) 
und  drittens,  dafs  es  schädlich  sey,  gesunde  Gebäreode 
mit  reisenden  Arsneimitteln  za  behandeio. 

In  dem  ersten  Kapitel  giebt  uns  der  Hr.  Verf.  seioe 
Ansicht  über  das  Streben  des  Uterus  bei  der  Geburt 
Das  Gebärorgao  strebt  nach  ihm  in  jedem  eioselnen  ge- 
eundheitgemfiften  Gehurtsfalle,  möge  dieser  auch  hin- 
sichtlich der  Zahl  und  Stärke  der  Wehen  und  der  Zeit- 
dauer des  Verlaufs  noch  so  verschieden  se^o,  dahin  i  die 
ftufseren  Eitheile,  die  Häute  nebst  der  Placenta,  todt- 
zodrficken  (Aasdrock  des  Hrn.  Verfk) ,  und  den  FMs 
erst,  nachdem  dieses  bewerkstelligt  worden  ist,  an  die 
Aufsenwelt  zu  drängen.  So  lange  die  Wehen  die  Fötal- 
placeuta  an  ihrer  Peripherie  durch  den  Druck  nicht  ge- 
tödtet  haben ,  oder  so  lange  eich  nicht  eine  wirklidie 
Regel widriglieil  in  das  Gebnrtsgeschftft  mischt,  eder 
ein  dem  Leb'en  der  Motter  oder  des  Kindes  drohender 
-Zufall  die  schleunige  Entbindung  verlangt;  so  lange  ist 
Niemand  berechtigt,  an  dem  Gange  der  Verrichtung) 
eey  dieser  auch  noch  so  langsam ^  zu  meistern:  denn  nor  • 
erst  (?),  oachdem  die  fiarseren  Eiorgaoe^  die  Hinte 
gfimlich,  die  Plaoenta  aber  nur  oberflächlich,  abgester- 
bea  sind,  und  letztere  allen  Verkehr  (?)  mit  dem  Uterus 


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JöTiK«        Geiirancti  der  MeismiUel  bei  4w  Oebiirt  itM 

dhg^broohem  faal,  b^iiinl  ciiaier  seine  Kräfte  im  kocb- 
fteo  Omde  ativustrengen,  nm  sich  des  «lynamisch  schop 
gelreiiDfeii  und  dadarcll  völlig  enifremdetea  Pfleglings 
zu  entledigen. 

Id  dem  zweiten  Kapitel  sucht  der  Hr.  Verf.  die  ITn* 

nioo;Iichkeii,  die  regelmäO^ige  Geburt  des  Kindes  mit 
sonst  uDSchädiiehen  inneren  Mitteln  zu  unterstutzen  und 
zu  Uescbleunigen,  darzuthun.  Er  sagt;  ^Sehe  ich  mich 
in  den  Handbüchern  des  alten  und  neuen  Arznei vorrathes 
miii  so  erblicke  ich  nirgends  ehien  aatfirlichen  oder 
kfinstlicben  »edicinischen  Stoff  als  auf  die  Gebirmutter 
wirkend  aufgeführt ,  der  nicht  zugleich  auch  eines  ihrer 
Nachbarwerkzeuge  oder  den  ganzen  Körper  in  Aufregung 
§^$»U  Deswegen  fühle  ich  mich  auch  zu  behaupten  be- 
Wfigen,  dafs  jede  Art  Ton  innerer  Medicin5  bestehe  sie 
werur  sie  w»lle,  welche  weder  die  nro-  oder  ch^lo" 
poetischen  Gebilde ,  noch  das  Gesammtgefafssysteni  des 
Organismus  aus  der  gewöhnlichen  Stirninuog  heraus - 
und  zu  einem  schnelleren  Fördern  der  ihnen  obliegenden 
Verrichtungen  mit  fortreiist,  auch  unvermögend  ist,  die 
Thätigkeit  des  Uterus  besonders  abzaSndern."  Auf  diesen 
Satz  gestützt,  behauptet  der  Hr.  Verf.,  dafs  weder  das 
Castorenm ,  noch  das  Seeale  comutum  eine  eigenthüm- 
liche  arzneiliche  Wirkung  auf  den  Uterus  anbringe  und 
unterhalte,  —  Uniäugbar  ist  man  früher  zu  weit  gegan- 
gen, wenn  man  einzelnen  Arzneimitteln  eine  blofse  spe- 
zifische Wirkung  auf  ein  bestimmtesOrgan  zugeschrieben 
hat;  aber  zu  verkennen  ist  es  nicht,  dafs  gewisse  Mittel 
in  einer  besonderen  Beziehung  zu  den  Functionen  ein- 
zelner Organe  (die  sogenannte  topische  Wirkung  innerer 
Arzneien)  stehen,  und  dahin  vorzugsweise  ihre  Wirk- 
samkeit verbreiten.  Dies  hat  der  scharfirinnige  Vogt 
Iq  seinem  Lehrbuche  der  Pharmakodynamik  so  klar  nach- 
gewiesen, daft  darüber  kaum  mehr  ein  Zweifel  zn  er- 
heben ist. 

Buisiehtlieh  der  Wirkaog  des  Bibergeils  acheiot  der 
Hr.  Verf.  ganz  übersehen  zu  haben,  dab  nicht  hU» 


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1084      Jörg,  Tom  Gebrai|ch  der  Reizmlttal  M  dar  Gelmrt. 

durch  die  AssimilationsorguDe ,  sondern  auch  durch  die 
Vermittelung  der  Nerven  die  Arzneien  mit  ihrer  Kraft 
um  organiacheo  Leben  gelangen. 

Dem  Mutterkorne  spricht  der  Hr.  Verf.  nicht  nur  alle 
Weben  beihätigende  Wirksamkeit  auf  da»  Gebärorgao 
ab ;  aottdero  er  sucht  andi  noch  durch  angesCelhe  Ver- 
suche dar^uthun,  dafs  es  durch  seine  Wirkung  auf  dea 
oberen  Theil  des  Darmkanals  die  Thätigkeit  des  Uterus 
schwäche  und  lähme.  Allein  der  Hr.  Verf.  hat  die  Beob- 
achtungen Ton  Prescot,  Atlet,  Ives,  Löwenhardt, 
Brunatti  und  Anderen  nicht  gehörig  beriicksicbllgl 
and  gewGrdigt ,  und  durch  seine  Versuche  an  gesunden 
männlichen  Individuen  zu  einem  etwas  einseitigen,  theo- 
retisclien  Räsonnemeut  sicli  hinreiften  lassen,  auf  welches 
gesit&tzt  er  das  Kind  mit  dem  Bade  ausschüttete.  Bea 
gdiört  nieht  zu  den  blinden  Verehrern  des  Mntterkonis» 
«nd  glaubt  gern,  dalk  bei  seinem  Darreichen  sehr  hftollg 
«las  Cum  hoc  mit  dem  Propter  hoc  in  Bezug  auf  die 
erfolgte  Thaisache  verwechselt  worden  ist;  allein  seine 
Beobachtungen  erlauben  ihm  nicht,  dessen  Wirksamkeit 
auf  die  Geburtslliätigkeit  an  Jengnen. 

Im  dritten  Kapitel  weist  der  Hr*  Verf.  die  Schädlich- 
keit des  Darreichens  der  reisenden  Arsneimittel  bei  ge» 
Sunden  Rreifsenden  nach.  —  Die  Geburt  beginnt  mei* 

stens  des  Abends  oder  in  der  ersten  Hälfte  der  Nacht* 
zeit,  »ie  regt  den  Assimilationsapparat  auf,  bewirkt  häufig 
Uebeikeit,  Neigung  zum  Erbrechen,  wirkliches  Erbre- 
eben,  benimmt  die  Eislast;  erzeugt  ein  allgemeines  Aa^ 
geregiseyn,  Wallung,  Erhitcung  des  Oesanamtorganii^ 
mus,  vermehrten  Durst  und  dergi.  Bs  darf  daher  nicht 
wundern ,  wenn  unter  solchen  Verhältnissen  und  bei  deoi 
während  der  Geburt  auf  die  Geschlechts-  und  die  be- 
nachbarten Theile  erfolgenden  Drucke  das  Darreichen 
▼on  erhitzenden  Mitlein  Congestion,  Entzündung  und . 
Fieber  erzeugt.  Kein  erfahrner  Geburtshelfer  kann  diese 
nachiheiligen  Folgen  des  Gebrauchs  von  Reizmitteln  io 
Abrede  stellen. 


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B»ii4l »  Aber  Ffl«ielpeiMUalMber.         •  IMI 

Der  Hr.  Verf.  verdiente  deshalb  für  diese  Abhand- 
luog  aiien  Dauk,  selbst  auch  von  denjenigen,  die  sich 
mit  ihm  über  seine  oft  vorgetragene  Oxjgen- Theorie, 
über  sdiie  Ansicht  in  Bezug  «iif  das  Streben  des  Gebär- 
Organs  wfihrend  der  Gebort,  fiber  die  Versettang  den 
Milcbsloffs  und  ikber  die  WirkiNinikeit  einzelner  Mlttd 
.  nicht  vereinigen  können.  Durch  seine  Warnung  vor  dem 
«nnöthigen  Gebrauche  der  Medtcamente  während  der 
Geburt  hat  er  sich  ein  neues  Verdienst  erworben.  £§ 
dürfte  sich  überhaupt  der  Milbe  lohnen,  einmal  im  Gänsen 
ciiie  Abhandlung  Sber  das  zn  schreiben ^  was  die 
Geburtshelfer  am  Geburtsbette  nicht  thun 
sollten. 

Dieses  Schriftchen  ist  dem  durch  die  Heransgabe  der 
sämmtlichen  Werke  grieehischer  Aerzte  Verdienten  Hrn. 
Prof.  Dr.  Karl  Gottlob  Kfihn,  Senior  der  medicinischen 

Facuität  zu  Leipzig,  am  Tage  seines  fünfzigjährigen 
Promotion^ttbiläums  gewidmet  worden. 

Dr.  Franz  Ludwig  Peiat 


Bondip  ihr.  E»,  «la«  FrUatlpMUekialfUbtr  und  dm  BeihttT 
fukrtn  In  diutt  MrmikktH*  Bme  M^nognqikm  nmeh  efpenen  Bnkr 
aehltuingtn  m  epüfewueA«»  wul  Mfundkdim  JFSIIfli».  fikrlm  ISSS. 
gr.  8.   (2  Rthlr.  4  gr.) 

Die  yorliegende  Schrift  beschiWgt  sich  mit  der 

Darstellung  einer  Krankheit,  die  f&r  den  praktischen 
Arzt  um  so  interessanter  sejn  mufs,  als  man,  obgleich 
sie  in  neuerer  Zeit  immer  häufiger  aufzutreten  scheint, 
in  ihrer  Erkenntnifs  noch  so  weit  zurück  ist,  dafs  ihr 
selbstständiges  Bestehen  noch  von  Vielen  in*  Zweifel  ge- 
zogen wird.  Da  nun  nnserm  Verf.  reichliche  Gelegenheit 
zu  Theil  geworden  ist,  diese  Krankheit,  theils  spora- 
disch, theils  epidemisch,  zu  beobachten,  so  theilt  er 
uns  hier  seine,  bei  dieser  Gelegenheit  gemachten  Er- 
fahmgen  mit;  und  Ref*  rnnfe,  um  seine  Ansicht  Uber 


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19Bi  Bmü,  FViotgiyitoehiiMIdter, 

I 

«len  Wetth  des  Bacbe»  sogteicb  in  der  Kftm  aimiispre- 

ehen,  bekennen,  daCs  uns  in  diesen  Mhtheiiungea  eio 
recht  vollständig-es  Bild  des  Frieselpi  techiailiebers  nach 
seiner  äul'seren  Seite  hin,  wie  uns  dasselbe  in  der 
Efscbeinun^  nämlich  entgegentritt,  dargeboten  wird, 
und  daA  dteBeobachtmigeD  desVerffi,  SMreif  Bef.  de»- 
selben  ans  eig;Q6r  ErfabniDg  zu  Mgen  wetmag^  trabt 
und  der  Natur  getreu  sind.  Hiermit  ist  aber  auch  die 
beste  vSeite  des  Buches  bezeichnet.  Denn  was  der  Verf. 
über  Pathologie  und  Therapie  der  in  Hede  stehend^a 
iS^rankheit  miUhailt,  iai  weit  entfernt  darrotty  anch  aai 
ttiäfiigen  AnaprSchen  genügen  zn  Unnm  Anfserdem, 
dafs  eine  Nachweisung  der  Anknüpfungspunkte,  dnrcA 
welche  das  Frieselpetechialfieber  mit  andern,  in  der  ärzt- 
lichen Weit  sehr  wohl  bekannten  Krankheiisformen  in 
Beziehung  tritt,  gänzlich  vermif^t  wird,  ist  das  eigeot- 
Jicb  Patbologüeha  im  höchsten  Grade  dürftig  behaiMieli, 
und  daa  Therapeutiacba  bis  auf  einiges  Wenige ,  wo  dea 
Verf  unmittelbare  Beobachtung  richtig  geleitet  hat, 
ungeachtet  eineji  sehr  bedeutenden  Breite,  eigentlich 
ohne  allen  wissenschaftlichen  Werth.  —  Mit  diesem 
harten  Urtheiie  soll  übrigens  keineswegs  dem  Verf.  28 
nahe  getreten  werden;  sondern  vielmehr  mufs  es,  weoD 
man  billig  seyn  wfll,  anerkannt  werden,  wier  sdvr  dier 
Gegenstand  selbst  einer  wisseaschaftlichen  Behaudluag 
bis  jetzt  noch  widerstrebt. 

Da  es  nun  nicht  unsre  Absicht  ist,  in  das  Eiuzeloe 
des  Werkes  tiefer  einzugehen,  so  erlauben  wir  uns,  hier 
einige  Bemerkungen  über  das  Frieseipetechialileber  mit 
einfliefiien  zu  lassen,  welche  bei  Denjenigen,  die  dasselbe 
ans  «gner  Anschauung  kennen  sAi  fernen  'noch  kein^  Ge- 
legenheit gehabt  haben «  und  unter -der  etwas  fremdartig 
klingenden  Benennung  etwas  allzu  Beschränktes  sich 
denken  möchten,,  der  Sache  vielleicht  ein  gröfseres  lo- 
teresse  geben. 

Keinem  Arzte  kann  es  unbekannt  se;^u ,  in  welchei 
Bttukei  von  jeker  die.  LdMre  von  den  Nervenfiabtr 


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BoBdi ,  aiMr  FriflMlp^Uekialfieber.  li§1 

(diesea  Begriff  im  Sinne  der  älteren  Schule  genommen) 
gehüllt  ist,  und  wie  man  ^ich  vieinUtig  bemüht  hat, 
dieses  pathologische  Chaos  zu  lichten.  Was  ältere,  grofse 
Aente  hierfür  gethan  habeo,  bezieht  eich  nur  auf  die 
ModilitiU\  mit  der  dieses  pathologische  Rdlhsel  in  die 
Erscheinung  tritt.  Mau  s^jiach  von  einem  Unfieber  mit 
erhöhter,  und  von  einem  Unfieber  mit  verminderter  Sen- 
sibilität, ohne  dafs  man  damit  der  ErkenntDifsdea^eigent- 
iwbea  Weaena  viel  näher  gerfickt  wäre.  In  neneref  Zeil 
8cheinl  man ,  dnrch  genauere  Nacbfereehungen  avf  -  den» 
Felde^  der  pvithologischen  Anatomie  vorzüglich,  etwas 
^  weiter  vorgedrungen  zu  seyi^ ;  und  wie  überhaupt  in  der 
WifiseDich^l  schon  Vieies gewonnen  ist,  wenn  man  ein- 
nal  zn  sondern  begiimt,  so  glaabt  Ref.  niehi  au  fiel  nn 
wagen  mit  der  Behauptung,  dafs  die  Lehre  vom  Unfieber 
erst  in  neuerer  Zeit  eigentlich  einen  patliologischen  Boden 
gewonnen  hat.  Jedem  fällt  von  selber  ein,  wie  ^vielfach 
tia  Toa  Gastro  -  EnterUk ,  von  Febris  enlericO'-pUui^ 
foaa,  TO«  sporadischem  und  Abdominal- Tjrphns  n.  s.  w. 
die  Rede  gewesen,  ^nd  die,  diesea  Forschungen  m 
Srunde  liegenden  Thatsachen  anch  keineswegs  ein  Ei- 
genthum  der  neueren  Zeit,  so  mufs  man  doch  die  Art 
lad  Weise,  mit  welcher  sie  in  Betrachtung  gezogen 
weiden  y  maA  die  ihnen  somit  ertheille  pathoh^sche  Be» 
deutong  als  ein  Eigentham  der  Neneren  anepkennefft.  — 
Hier  glauben  wir  nun  auch  den  Gesichtspunkt  suchen 
zu  müssen ,  von  welchem  auch  für  unser  Frieseipetechial* 

fieber  das  gehörige  Licht  ausgebt.  Betrachten  whp 

aIniHcb  die  unter  den  ai^deuteten  Benennungen  neuer-- 
lieh  aufgeführten  besonderen  Krankheits- Zustände  etwas 
genaucfr,  so  läfst  es  sich  schwerlich  verkennen,  dafs 
durch  alle  eine  gewisse  pathologische  Gleichartigkeit  * 
sich  hindurchzieht,  welche  die  Ansicht  gestatten  möchte, 
alle  diese  einzetq  namhaft  gemachten  Krankheits*Formen 
aar  als  verschiedenartige  Stufen  Eines  und  desselben 
Krankheits  -  Processes  zu  betrachten,  w^elchen  Krank- 
heits - Procefs  wir  selbst  wieder  nur  als  einen  exanthe- 
■uatischen,  als  einen  in  einem  besonderen  Miasma  oder 


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« 


1^  Bondi,  über  FrieMlpetoohialfieber. 

CoQtagium  bei^odeten  anfsufiisseD  vermögen t  and  ge- 
rade mit  diesem  Contagium  scheint  uneer  Frieselpete« 
chialfieber  in  einem  nahen  und  viel  innigeren  Verhältnisse 
SU  stehen 9  als  bisher  allgemein  anerkannt  worden.  So 
subjektiir  und  einseitig  diese  Ansicht  andi  fürs  Bnte 
acheioeo  mag,  und  so  wenig  Re£  bis  jetd  selbst  noch 
im  Stande  ist ,  dieses  objektiv  zu  begründen ,  so  ist  sie 
doch  zu  innig  mit  seinen,  über  das Frieselpetechialfieber 
ihm  gewordenen,  Erfahrungen  verknüpft»,  als  dafs  er 
sich  enthalten  könnte,  dieselbe  hier  auszusprechen.  Nar 
bittet  er,  durch  allzugrofse  Ausdehnung  dieser  Ansicht 
ihn  nicht  mifszuverstehen.  Denn  soweit  Ref.  davon  ent- 
fernt ist,  jeden  Fall  des  Frieselpetechialfiebers  für  ein 
Nervenfieber  zu  erklären »  eben  so  wenig  kann  es  ihm 
einfallen,  behaupten  so  wollen,  dafs  man  die  Quelle 
alles  und  jeden  Unfiebers  in  dem  Contagium  des  Priesa^ 
Petechialfiebers  suchen  müsse,  da  gewifs  auch  noch 
andere  Coatagien  ein  achtes  Unfieber  zu  produciren 
vermögen.  Nur  davon  hält  er  sich  durch  Erfahrung, 
ftberzeugt,  dafs  das  FrieselpetedKatSeber  als  solchfll 
pathologische  SEustSnde  zu  erzeugen  vermag ,  wie  fli 
die  Neueren  mit  den  oben  angeführten  ßenennungea 
bezeichnet  haben,  und  <lafs  dasselbe  den  neuerlich  so 
vielfach  besprochenen  Zuständen,  hei  welchen  maai 
durch  die  krankhaften  Entartungen  delr  Schleimhaut  der 
Eingeweide  geleitet,  den  Sitz  der  Krankheit  im  Uoter> 
.  leibe  gesucht  hat,  recht  eigentlich  zu  Grunde  liegen 
Ja  selbst  Schönlein's  Abdominal -Typhus  scheint  ihm 
nur  der  Cblminations-  Punkt  dieses  pathologischen  Fie* 
oasses  n  sejm.  — 

C0tr  BßMcklu/M  folgt.) 


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N*.  ea   HBIDELB.  JAHRB.  n.  UTERATUR.-  188S. 


"         I  '  ■'■  — — —  ■■— ^— — —  ■■      I  .— 

Bondi,.  über  Rieselpeiechia^ber. 

4 

1Mb  ttbrigens  Ref.  seioe  Idee  Tom  FrieselptiteGlml* 

fieber  nicht  bios  an  das  eigeütliche  Friesel- Exanthem , 
sondern  ^  ieIII1ehr  au  das  Krankheitsbild  imGanzeo  knüpft, 
-glaubt  er  nicht  besonders  versichern  zu  müssen,  da  eine 
solche  Einseitigkeit  oicht  weniger  tadelnswerth  sejn 
wSrde^  «le  jene  ee  gewesen  iet,  welche  ihr»  Aufmerkr  ' 
samkeit  ledigltch  den  Geschwüren  des  Dannkanab  2Ur 
gewandt  hat.  Uebrigens  gehört  das  Exanthem  doch  so 
wesentlich  zum  Ganzen,  dafs  diejenigen  Fälle,  in  wel- 
chen es  nicht  bemerkbar  ist,  oder  wo  es  vielmehr  eine 
RIchtiMig  nach  Innen  genommen  hat,  fast  eben  so  wenig; 
avfhfireo,  Prieselfieber  su  eeyn,  als  di^enigen  Fälle  des 
l^fplm  eaniagioBu9y  hei  denen  kein  fixantbetti  erscheint^ 
aufhören ,  zum  Typhus  (jonlag.  zu  gehören.  •—  Ref. 
begnügt  sich,  den  Zusammenhang  ties  Frieselpetechial- 
fiebers.  mit  andern  bekannten  und  bedeutenden  Krank- 
heiten angedeutet  zu  haben ,  und  hofft  übrigens  mit  Ver- 
Inmen^  dab  die  ZeU  nicht  mehr  -allzu  fern  seyn  möge, 
ni  welcher  die  Pathologie  kein  Urfieber  mehr  kennt, 
welches  sie  nicht  auf  eine  ganz  specielle  pathologische 
Quelle  zurückzuführen  vermag. 

Nach  dieser  Abschweifung  sey  es  uns  erlaubt,  einige 
abgebrocbene  Bemerkungen  film  das  Frieselpetechial- 
fielfer  am  eigner  Erbhrung  mitzotheilen.  — *  Da&  die 
Krankheit  ansteckend  ist hat  auch  Ref.  sich  mit  Sicher- 
heit überzeugt.  In  einem  Orte  namentlich  war  es  ihm 
möglich,  den  Gang  der  Krankheit  Anfangs  von  Haus 
zu  Uaus  zu  verfolgen.  —  Dalk  die  weifse  und  rothe 
Farbe  des  Exanthems  keinen  sehr  wesentlichen  Unter- 
sohied  bedingt,  und  dalk,  so  wenig  er  Anfimgs  auch  in 
diese  Ansicht  sich  finden  konnte,  das  gewöhnlich  söge- 

\XV1.  Jahrg.  11.  Heft.  69 


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1090 


Bondi,  ülier  FrieielpetachialüeUer. 


nannte  Scbarlachfriesel  (dessen  Verschiedenheit  von  dem 
eigentlichen  Scharlach  schon  Hahne  mann  mit  Recht 
behauptet  hat)  liier  aogereihet  werden  mfiase,  daTon  hat 
Rrf.  aufter  Anderem  vorzilflich  aach  der  Umaland  über- 
zeugt, dafs  er  in  einer  und  derselben  Familie,  ja  in 
einem  und  demselben  Zimmer  gleichzeitig  Frieselkranke 
mit  weifsem  und  Andere  mit  schariachrothem  Exanthem 
M  behandeln  kalte.  Vielleicht  ist  die  rothe  Farbe  dü> 
MlbM  mit  einem  ncuteren ,  nnd  die  weüke ,  toystallMh 
Bißfichaffenhett  des  Fri^sels  mit  einem  mehr  schleichen 
den  Verlaufe  verbunden.  —  Was  die  Behaodluag 
anbelangt  I  6o  liann  nicht  dringend  genug  darauf  an^ 
«erksam  gemacht  werden ,  wie  wichtig  es  ist,  die  hi«r 
Sb  Mendlieh  iMcbaren  flehleiaiflichea  des  Magens  lad 
der  Eingeweide  nicht  durch  reizende  Arzneimittel,  be- 
^sönders  im  Anfange,  zu  verletzen.  Emukwa  sind  hier 
oft  das  einzig  Anwendbare.  £6  giebt  Falle,  wo  %  &• 
titrt  siäriai.  in  mehreren  UaBen  dolai*  n^di  sn  m- 
iKeod  9bt  die  Schldmhaut  Ist,  änd  wo  omid  slfttt  des  üf. 
ammon,  avisat,  den  L»ja.  C.  (X  suec.  wählen  muls.  *} 


*)  Hiele  enorme  Reiibarkeit  der  inneren  Setüteimfliehen  fit  ge- 
#ire  aneh  bSallg  ^e  Vnache  dee,  unter  den  Mte*  Anwiditeii 
nüf  düMi  VUüm  BiWdiler  gins  jUtnlieli  erftigsndea  Mm. 
Ref.  will  hier  aar  einen  FeU  der  AH  niftteileB.  Sia  adkr 
luAftlfer  nnd  «onet  gerander  Meim  hatte  seit  einigen  Tagen 
dae  IVieielfieber*  war  nber  eo  wenig  krank  dabei»  dnft  er  Uo* 
das  Bett  hütete»  ebne  daT«  ich  ibm  Amnei  in  Teroidnee  Nr 
nStlilg  eraebtete.  Dae  fiiimthem  ataad  in  der  ecfadneten  BM» 
BMi  «ilaabte  M  Bua  wogea  mehrtägiger  tteatopfneg  «Ii«* 
atergone  Hr  1  la\  Seaneeblitter  tinier  eelaett  damn  Olit  te- 
«liea  «n  laieea»  und  dieiee  den  Tag  über  na  Teriehroa.  Oft« 
aber«  g^en  meine  Yomchrift,  die  angegebene  Uenge  Smt»» 
nur  mit  wenig  Wmer  kochen  lieAs  nnd  so  anf  einmal  sn  uät 
nalim»  so  entstanden  alsbald  Anfiriliken  des  üttgeaa»  Idtpi- 
siMlefbett»  Bangigkeiten  n.  s.  w. ,  and  der  IBmii  %ar  mb  ^e- 
^igen  Sünden  eine  Leiche»  ohne  hei  dkaem»  ssast  silr 
romieht%ea  Kranben  eine  andere  Urionhe  hfitIA  enttsblit 
den  können.  —  Bei  einer  anderen  Kranken»  die  dien  s«  aiAe- 
dentend  erkrankt  war,  entstanden  aal  ein  Ql9»  Weinss,  dtf 
Ihr  von  mir  Terbeten  war»  fast  alle  feafiaie  der  ChOlM  ^ 
baldiger  Ted* 


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CkMtie  der  AngelaacliMa.  UNtt 

Wie  iu  ähnlichen  Fällen  ein  Meister  der  Kunst  gehandelt 
hat,  läfst  sich  an  einer,  vor  mehreren  Jahren  in  den 
Heideib.  klin.  Anualen  mitgetheiUen  Abhandlung  über 
jFe6r.  enierico^piiuito^a  des  irefilicheo  Puch  eil 
meben.  —  AderUtoe  mQchieii  selten,  und  dann,  ab 
mehr  revulsivisches  Mittel ,  our  in  geringer  Menge  und 
mit  grofser  V  orsicht  zulä^ssig  seyn.  Desto  häufiger  und 
driageoder  aber  sind  gewöhnlich  örtliche  Blutentlee- 
ruogea  durah  Blutegel  auf  den  Unterleib  9  die  Broel, 
«der  aueh  den  Kopf,  angezeigt  Diese  bilden  eine  Hanpi- 
hSlfe  und  werden ,  -wenn  sie  indicirt  sind ,  nie  ohne  den 
grüfsten  Nachtbeil  unterlassen.  —  Die  sogenannten  iVer- 
vma  niUien  wenig  (vielleicht  gar  ^iichts!),  und  dies 
Wmge  nur  in  dem  epiteren  Verlaufe.  —  Nutaen  glaubt 
ML  auch.^ften  Ton  einer  frühseitig  gereichten  Gabe 
«aiger  (4  nnd  5)  Grane  Calomel  mit  etwas  Ophsm  in 
Substanz  gesehen  zu  haben.  Wenigstens  schien  diese 
Methode,  das  Calomel  zu  verabreichen,  hier  immer  der 
gewöhnlichen ,  nach  welcher  ee  in  kleinen  nnd  öfterfl^i 
Gaben  gereicht  wird^  vorgezogen  werden  su  müssen. 

Dr,  Weber. 


80hmidt.JProf.  ä«F  BachU  »u  J«na.  Bnitr  TheU.  ihn  IM 
«c&if  V^ibentimtng  ^nihtOtend,  Leipzig  18SI.  X€IF  u,  804  S.  8. 

Ikif,fbegnAgt«ich  mi  einer  vorläufigen  Aoneige  des 
iS  dtoBSü  ersten  Theil  des  genannten  Werkes  Geleisteten 
Wfid  Bezweckten ,  und  behält  sich  vor ,  nach  Erscheinung 
<les  zweiten  Bandes  ausfnhrlicher  clnrauf  zurückzukom- 
men. Dieser  erste  rheii  enthält  auiiser  dem  Xexite  der 
Gesetze  und  der  dieutschen  Ueberaetnung  desselben  (die 
der  Verf.  49  wsern  Augen  weit  wieniger  Ursaohe  gehabt 
Ntte  w  entschuldigen;  als  die  lateinische,  die  er  zuerst 
«a  ihrer  Stelle  zu  geben  dachte)^  eine  ausführliche  Ein- 
^^U^y  .die  »tbeUe  Aber  die  vorhajadenen  Ausgaben  und 


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1092  UcttcUe  der  Angelsachsen. 

Handschriften  der  angelsächsischen  Gesetze  Auskunft  ge- 
ben, Iheils  als  Aiihaltpunkt  bei  den  ErlftuteniDgen  in 
«weiten  Abtheilnng  dienen  wAV  Da  nao  diese  Einlei- 
tung den  Hanptgegenstand  bilden  würde,  den  wir  M 
bei  Beurtheilnng  dieses  Bandes  vorsetzen  konnten,  80 
finden  wir  uns  um  so  mehr  bewogen,  eine  nähere  Erör- 

'.terong  ihres  Inhalts  vorerst  zu  unterlassen;  mit  den  darin 
enthaltenen  Artikeln  über  die  Geschichts-  und  Reehts- 
quellen  der  Britten  und  Angelsachsen  wollte  der  Verf. 
besonders  die  Aulklärung  des  „so  oft  verkannten  Ver- 
hältnisses des  wälischen  Rechtes  zu  dem  angelsächsi- 
schen'' fördern;  dies  wird  von  einer  anderen  Seite  h«r 
auch  in  den  Erläuterungen  geschehen,  imd  dort  wiiH 

, sehen  wir  den  Verf.,  der  zugleich  als  liiatoriecher  Pei^ 
scher  und  als  Rechtskunrliger  das  Allgemeine  und  Be- 
sondere kennt  und  vergleichen  wird,  vorzüglich  gerue 
zn  hören ;  da  hier  zuverlässige  Rechtsdenkmäler  beider 
Vöikerstännne  nebeneinander  zu  halten  sind,  und  nicht, 
wie  in  der  Geschichte  derselben,  über  Werth  oder  Uli- 
Werth  der  Quellen  gezweifelt  und  gestritten  werden  nvri^ 
so  ist  in  diesem  Felde  ohne  Zweifel  zu  einem  weit  zu- 
verlässigeren Resultat  zu  kommen.  Ref»  freut  sich  oiia 
auf  diese  zu  hoffenden  Anfschlilase,  er  Icann  aber  eben 
darum  nicht  gut  vor  deren  Erscheinung  ein  besämattf 
ürtheil  über  das  Allgemeinere,  was  die  Ei alei lang  ent- 
hält, aussprechen,  znmal  da  er  nicht  die  Üble  Gewohn- 
heit mauchcr  Recensenten  bat ,  ein  Buch  von  vorn  herein 
mit  der  Absicht  zu  lesen,  den  Verf.  zu  belebreu,  mnl 
nicht  vielmehr  Ton  ihm  zu  lernen.  Da  der  Verf.  ein  Imf 
jähriges  Studium  auf  diese  Gesetze  verwandt  hat,  van 
deren  Wichtigkeit  „für  die  Kenntnifs  der  Grundlagen 
des  deutschen  Rechtes'*  er  so  sehr  mit  Recht  iiberzeiigt 
ist,  so  würde  es,  noch  dazu  fttr  einen  Nich^uriaten,  aa- 
mafsend  sejn,  ohne  weiteres  über  ErgebniM,  die  sich 
auf  eine  genaue  Renntnifs  des  Einzelnen  stdtsen^  abspre* 
eben  zu  wollen.  Sonst  können' wir  nicht  leugnen,  dnb 
wir  über  Manches,  was  hier  über  die  Geschichts-  und 
Rechtsquelien  der  Britten  gesagt  wird,  eioe  etwas  aO: 


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Getetse  der  Angelsacbtcn. 


weichende  Meinung  haben,  die  sich  uns  auf  dem  Wege 
der  Vergieichuog  der  Geschichte  verschiedener  kelti* 
scher  nod  anderer  Stämme ,  uod  bei  der  Brwägnog  des  * 
Charakters  der. gallischen  Nationen,  wie  er  sich  auch  in 
der  neueren  Zeit  noch  trotz  Vermischung  und  fremder 
Coltur  erhalten  hat,  aufdränis^te;  und  manches  wird  auch 
nach  den  versprochenen  Erläateruogen  freilich  übrig 
bleiben was  uns  zu  widerlegen  scheint  So,  um  nns 
darchaiis  nur  an  das  Allgemeinere  za  halten ,  werden  uns 
die  Sagen  bei  Nennius  und  Jeffry  v.  Monmouth  gar -zu 
weit  weggeworfen.  Wir  wollen  gewifs  nicht  behaupten, 
dafs  davon  ein  historischer  Gebrauch  zu  machen  sey, 
allein  wenn  man  diese  Werke  so  ganz  aufser  allen  Bezug 
mit  den  alten  ächten  Sagen  in  den  Bar4enliedern  nnd  hi- 
storischen Triaden  setzt ,  so  könnte  man  sie  wohl  auch 
Überhaupt  verschmähen  wollen  als  Quellen  zur  Kenntnifs 
der  eigenthüiiulichen  Natur  uod  der  Cuitur  dieser  Völker. 
Usd  dies,  glauben  wir,  würde  eben  so  gefehlt  seyn, 
als  wenn  wir  n  ähnlichen  Zwecken  die  grofsen  epischen 
Gedichte  ans  dem  Sagenkreise  der  Nibelungen,  des 
Dietrich  von  Bern  u,  dcrgl.  nicht  wollten  gelten  lassen; 
auch  diese  trennt  eine  eben  so  gewaltige  Kluft,  wie  die 
wtiischen  Bardenlieder  von  den  späteren  Sagen  bei  Jeffrjr, 
▼o«  dar  Geschichte  der  historischen  Helden  nicht  nur, 
sondmi  auch  ohne  Zweifel  von  solchen  älteren  deutschen 
Liedern ,  die  gleichzeitig  unter  den  Gothen  existirt  haben 
müssen I  wie  unter  anderen  deutschen  Stämmen,  und 
deren  einfachere,  historischere  Natur  bei  Jornandea, 
Paul  Warnefried  «nd  Anderen  ganz  offenbar  ebenso 
dnrehscheint ,  wie  in  den  alten  wälischen  Bardengesän- 
gen. Wir  hätten  also  hier,  und  auch  nachher,  wenn 
der  Verf.  die  Frage  über  das  Alter  der  Molmutinischen 
Gesetze  berührt,  mit  gröfserer  Bestimmtheit  seine  An- 
irichi  übctr  .die  firaachbarkeit  und  den  Werth  dieser 
Werke  im  AUgemeinen  gehört;  und  in  Bezug  auf  die 
letzterwähnten  Gesetztriaden  scheint  es  uns,  als  oh  auch 
ohne  Kenntnifs  der  galischen  und  wälischen  Sprachen, 
so  viel  aus  dam  Geiste  und  dem  Inhalte  dieser  Reste  ganz 


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/ 


1094  Gesetze  der  Angelsachsen. 

klar  einzuseheü  6ey,  dafs  weder  so  eigenfhttmiiche ,  jeiler 
anderen  nationellen  Cultur  so  ganz  fern  stehende  und  fremde 

* Eioiichtungeo 9  iioch  auch  solch  eine  Porm,  Ivie  die,  m 
welcher  jene  Eiiiricbtnngen  uns  Qberliefert  sind,  niemita 
und  nirgends  könne  ersonnen  werden ,  auch  wenn  deiil 
Ersinnenden  noch  so  viele  und  genaue  Kenntuisse  dei 
Aiterthuri\s  zu  Gebote  ständen,  unter  deren  Voraussetzung 

,  der  Ver£,  wie  ie«  echeint,  geneigter  wäre,  «ne  Erdieh** 
tnng  ansnnehmen,  was  wir  eigentlich  nicht  Verstehen, 
da  unserer  Einsicht  nach  eine  Fiction  dieser  Art  eher  ^ 
aus  den  jüdischen  und  allenfalls  spartischen  Gesetzen  das 
hätte  entnehmen  müssen,  was  sie  in  den  heimischea 
Sitten  von  Wales  nicht  Torgeftrod<in  hätte,  von  deaoi 
der  Verf.  hier  gans  absusehen  scheiM.  was  uns 
dafs  er  sich  um  den  späteren  und  gegenwärtigen  Zustaod 
von  Wales  wenig  gekijmniert  hat,  obgleich  ihm  dieb 
Ton  wesentlichem  Aiutzen  gewesen  wäre,  da  man  hier 
mit  einem  Volke  stt  thun  hat,  dai  sdnen  uralten  Siüaa 
so  treu  anhängt.  Der  Verf.  hüte  also  hfef  Viel  (lositi?^  , 
sprechen  können,  ja  sollen,  damit  nicht  wieder  von  gräm- 
lichen Pedanten,  die  nie  in  ihren  Büchern  was  anderes 
als  todte  Buchstaben  finden,  ein  ähnliches  Gezänk  auf» 
gebracht  Werde,  wie  Uber  Osman's  Gesinge;,  denn  er* 
dichten  und  ersinnen  konnte  man  wohl  in  riner  Brfl  fsR 
reger  Einbildungskraft  eine  romantische  Welt,  deren 
Theile  man  aus  der  heimischen  Sitte  und  aus  allerhand 
alten  Ueberlieierungen  und  fremden  Vorstellungen  be^ 
terogeo  zusanimensetzte,  so  dafli  «beU  dämm  dito  jg^ 
schickteste  Hand  des  gefstrettibsteta  Coiti]|MDfalsteli  *ausW' 
chenSchdpfnng^en  die  Unnatur  nie  g^nz  verbannen  k^aote, 
allein  ersinnen  kann  man  nicht  ein  so  öbereinstimmendes, 
geschlossenes,  consequentes  Gemälde  eia^  häuslichen, 
Familien-*  und  Staatslebens,  ilas  ebeü  si  MM  die 
meine  Natur  der  Menschen  Hü  UiMslanito,  ^  genat^ 
bestimmt  und  mit  vielen  einzelnen ,  über  alles  mensehtit:^ 
Erdenken  erhabenen  Besonderheiten  die  nalionelle  Coltor 
eines  sehr  eigenthümlichen  Völkchens  absjpiegeH;  wir 
meinten  mit  unserem  vor  eiaigm  Jidiren  lü  dtoier  9^ 


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idurift  g:«g^6beiieD  Abbild  dieses  Gemildss,  iDdem  wii^ 
ünn  jmm  Gestell  gabeo,  eben  nichts  anderes  errei- 

clien ,  als  mit  Gntkieitlung  des  Inhalts  von  der  beschwer- 
lichen äufseren  Form  jenen  inneren ,  lebenvollen  Zusam- 
meohaog  desto  deuliicher  zu  macfaen,  der  die  Aechtheit 
«ad  dae  Alter  dieser  Triaden ,  sdbsl  die  Aeo|itheU  und 
das  Aller  des  Wesenilichen  an  der  Form  dieser 
Denkmäler  jedem  verbürgen  muFs,  der  von  Leben  und 
Wirklichkeit  andere,  als  aus  Büchern  geschöpfte  Be- 
griffe hat.  Halte  der  Verf.  sich  auch  nach  der  Er- 
scheinungsfona  alter  Gesetee  in  alten  VöUcern,  B.  unter 
bdern,  elwas  umgesehen,  so  würde  er  auch  nicht  so 
sehr  daran  zweifeln ,  dafs  diese  molmatinischen  Tria- 
den wirkliche  Gesetze  waren ;  und  warum  er  $ie  grade 
(p.  XXXVII.)  „unter  dem  Gi^^ichtspui^iktje  hi/stn^^jipcher 
Lriirgedachte"  auflassen  will ,  yerstebea  wir  aiicb  mphi 
leohl,  da  wiv  von  Historischem  gar  Dichte,  und  von 
Lehre  und  Gedicht  im  Grunde  eben  so  wenig  darin  fin- 
den. Man  mufs  nur  an  solche  alte  Reste  nicht  unseren 
Begriff  von  Gesetz  halten,  sondern  den  des  Volkes,  aus 
dem  sie  stemmen;  und  eben  so  in  diesen  Triaden  nicht 
von  poetischer  Aaffassnog  reden,  diu  eio  Waliser ,  der 
aa  seine  Bardenlieder  gewöhn!  ist ,  gewifs  nicht  darin 
finden  würde;  und  eben  so  darf  man,  da  in  diesem 
Volke,  wie  der  Verf.  seihst  bemerkt,  idsyr  Hang  nach 
eioem  gowissea  siltUchen  Lehrton  so  gewöhnlich  ist, 
Bichl  dämm  wd  Am  solche  besrnfsto  md  in  bestimmtep 
Iwecken  gemachte  Daratdlnng  schliefseo ,  wie  p.  XL 
geschieht.  Sehr  gründlich  ist  der  Paragraph  üb&c 
die  beiden  Hauptquellen  der  angelsächsischen  Geschichte, 
den  Beda  nad  die  Sachsenchronikf  und  ibi*  V^blUtoib 
n  steh  oad  Ca  aaderen,  firiUieim  oder  .^terMt 
«hichlHchen  Werken.  Höchst  ansHehend  jTahden  wir 
äuch  die  Znsanwienstellung  der  wenigen  Züge ,  die  wir 
^us  der  altsächsischen  Verfassung  kennen ,  mit  den  Grui^d- 
2igen  der  angelsächsischen ,  deren  Hauptveränderungeu 
««schachlUck  oad  einfach  icrklirl  srerden.  Dlsse  Ab- 
^danitte  qpamasB  nnaerfo  ganae  Erwarlung  auf  die  euh . 


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Eeloen  näheren  AmAhrnDgen  in  dem  zweiten  Tiieüe, 

den  der  Verf.  hoffentlich  recht  bald  uachkommen  lassen 
wird.  In  jedem  Falle  werden  wir  in  dem  Ganzen  ein 
Werk  besitzen,  das  dem  deutschen  Fieiise,  unserer 
Gründlichkeit  und  Umsicht  Ehre  macht  nnd  geeignet 
ist,  die  Engländer  zu  beschSmen,  die^nf  diese  so  wich* 
tigen  Gegenstände  nie  einen  entsprechenden  Eifer  Yer> 
wandten. 

O^rvinua. , 


t  >  t 

1)  GrunMiM  dir  Mti§or9iogk  m  näktMr  BtakHumg  otff  UMmI- 
lami»  CUmo.  BHt  8  Kt,,  «tW  vergUMtndm  Tkermmnefinedi 
imfl  meAfir«!  TMUmh  Fom  Dr.  <7.  Schühler^  Prof,  d»  Mo. 
Tübingen,  mekrmrer  gMkrUm  Gudtiehi^tm' BOigUede.  tti  IrH- 
grirender  der  aügtmtüim  Bne^ßdopiUit  d$r  getammim  Lmd 
imd  ffamwbikiekt^  der  DmUeken.  Leipzig  18tl.  SM  S.  VL  8^ 

2}  Lehrbuch  der  Meteorologie  von  L.  F,  Kävitz,  Professor  an  der 
vereinigten  Friedriche- Lnhenität  zu  Halle,  Erster  Band  mit  S  Ii- 
thographirten  Tafeln.  Halle  1831.  XFI  u.  510  S.  Zweiter  Band 
mit  a  lithographirten  Tafeln,   Halle  i.832.   XX  u.  Ö9d  S,  gr.  8. 

Bei  der  Anzeige  dieser  beiden  Werke  der  neuestto 
physikalischen  Literatur,  die  einen  so  allgemein  als  wich- 
tig anerkannten  Gegenstand  behandeln,  und  woyon  das 
aweite  schon  durch  seinen  blofsen  Umfang  die  Anfaml^ 
samkeit  des  Publiconul  erregen  mnliiy  werden  manchs 
Leser  dieser  Zeitschrifk  eine  ansfllhrliehe,  ins  Einselse 
eingehende,  Beurtheilung*  erwarten ,  und  sich  über  die 
wenigen  Blätter  wundern,  woraa£sich  Re£  beschränkt. 
Allein  diese  Kürze  ist  nichts. weniger  als  eine  Folge  der 
Bedentnngslnsigkeit  des  Gegensla^hs  oder  der  Maflgd^ 
haftigkeit  sdner  Behandlung,  sondern  wird  vtelseitf 
durch  das  Gegentheil  hiervon  nothwendig  geboten,  wie 
eine  nähere  Bezeichnnng  beider  Werke  bald  ergeiiea 
wird. 

Die  Meteorologie  wird  zwar  von  mancfaen  für  leichl 
gehalten,  die  kein  Bedenken  tragen,  mit  ihi*en  Bridi*» 

rungen  einzelner  Luftersqheinungen  hervorzutreten  oiei 


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MetoorologieeR  vo«  SekAblttr  nuA  V«b  Ktetli..  IM. 

gar  mit  dem  allerschwerafen  PreUeme,  aiiiilioh  einer 

Voihersagung  der  Witterung,  den  Anfang  zu  machen; 
genau  betrachtet  .«rehört  sie  jedocli  zu  den  schwersten 
physikalischen Disciplinen,  und  wer  einmal  anfäogt,  sicl:^ 
ernflilidi  daipit  su  beichäflig^B  |  behält  meistens  ketnci 
Zeit  SU  andarn  eigenen  Forschungen  übrig.  Die  Uteren 
Werke  über  diese  Wissenscheft  sind  durch  die  unglaub- 
lichen Erweiterungen  und  Umgestaltungen  der  Physik 
unbrauchbar  geworden,  selbst  die  kurze  Uebersicht  von 
J«  T«  Majer  und  die  Beiträge  von  Lampadius  liegcA 
10  sn  wdter  Ferne,  in  den  neuesten  Zeiten  hat  ach  keioi 
gewiegter  Physi|^er,  yermathlieh  aus  dem  angegebenen 
Grunde,  auf  ihre  anafllhrliche  Bearbeitung  eingelassen, 
vielmehr  beschränkte  man  sich  auf  dasjenige,  was  einige 
Handbücher  der  Physik  als  gelegentliche  Erörterungen, 
oder  in  einer  eigenen  Abtheilung  enthalten.  Eine  solche 
findet  sich  namentlich  bei  den  neuesten  Handbüchern 
d«r  Physik  von  Baum g a rtner  und  dem  dee  Ref.  selbst, 
auch  Ist  es  wohl  an  sich  klar,  dafs  alle  «nr  Meteorologie 
gehörige  Untersuchungen  in  der  g-rofsen  physikalischen 
Encykiopädie,  dem  jetzt  herauskommenden  neuen  phy- 
aikaUschen  Wörterbuche,  nicht  fehlen  dürfen,  die  fibri- 
gene  Re&  unter  die  schwersten  ihm  nug^llenen  Auf- 
gaben rechnet  Die  groben  Schwierigkeiten  liegen  haupt- 
sächlich darin,  dufs  eine  gründliche  Behandlung  der- 
meteorologischen  Erscheinungen  ohne  eine  hinlängliche 
Kenntnifs  der  physikalischen  Gesetze  gar  nicht  möglich 
iat,  dafe  dann  aber  eine  kaum  übersehbar^  Masse  von 
liatarialiea  verliegi,  die  überall  serstreuet  nur  mit  Mühe 
gesattmelt  werden,  und  eineeln  genomaMn  leicht  irre 
fuhren,  weil  alle  Erscheinungen  im  unglaublich  g^rofsen 
Xiiiftkreise  mit  einander  zusammenhängen.  Das  Publicum 
wird  es  daher  dankbar  anerkennen,  wenn  Gelehrte  sich 
4ttm  Genchifite  unterziehen,  Ordnmig  und  Zuaammenhang 
4b  daa  Ganse  n  bringen. 

Die  beiden  hier  amrairigeoden  Werke  sind  nach  rfnem 
ganz  verschiedenen  Plane  bearbeitet,  indefs  haben  die 
Verfasser  von  beiden  sich  seit  längerer  Zeit  ernstlich  mit 


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1098         Metaonriogieeii  von  SchüMw  und  wim  Kirnte. 

dem  Studium  der  Meteorolog^ie  beschäftigt.  Wenden  , 
wir  uns  zuerst  zu  No.  1 ,  so  hat  bekaantlich  der  Verf. 
desselben  seit  vielen  Jahren  mit  grofser  Anfmerksaaikeit 
eigene  Beobachtnngen  aogestelU  nnd  auch  andere  ^ 
unmittelbaren  Vergleichnng  ivegen  hieren  veranlaftt;  es 
sind  daher  vorzugsweise  viele  hierdurch  erhaltene  Re- 
silitate  von  ihm  hier  aufgenommen,  uud  als  eine  Folge  der 
anderweitigen  Studien  desselben  ist  zu  betrachten,  dab 
Iberall  der  Znsammenhang  der  Witternng  mit  dem  Garten-^ 
iind  Feld-Ban  nachgewiesen  wird.  Bei  der  Wichtigkeit 
einiger  Kenntnifs  der  Meteorologie  für  die  Landwirth* 
schafi  ist  daher  dieses  Werk  allen  denen  vorzugsweise 
zu  empfehlen,  dl«  sich  gegenwärtig  zum  grofsen  Vor- 
Iheile  für  die  filaatswirthschaft  im  Ganzen,  ernatlich  «ad 
nach  wissenschaftlicher  Vorbereitung  mit  der  Agricnitar 
beschäftigen.  Als  hiermit  zusammenhängend  ist  es  dann 
auch  anzusehen ,  dafs  das  ganze  Werk  in  zwölf  Capitel 
eingetheiit  ist,  denen  die  Witterungsverhältnisse  der  ein« 
Keinen  Monate  Ton  einigen  Orten  in  Teotsehland ,  vea 
denen  hinlänglich  lange  fortgesetzte  Beobacbturigen  be- 
kannt wurden,  neb^t  den  monatlichen  Erscheinungen  ia 
der  belebten  Natur  hinzugefugt  sind.  Die  einzelnen  Ca- 
pitel handeln  nach  einer  allgemeinen  Eüoieitnng  zaent 
Tom  Drncke  der  Luit  nnd  dem  Bäromeler  nr  Messosf 
desselben.  Hierb^  ist  nicht  Mos  daa  Widitigste  ilbir 
dieses  für  den  Landbau  höchst  nützliche  und  fast  unent- 
behrliche Werkzeug  beigefügt,  sondern,  was  für  den 
vorliegenden  Zweck  am  wesentlichsten  ist,  ea  sind  aiiob 
die  wichtigsten  Regcdn  angegeben ,  nach  deneo  ans  4m 
Veränderungen  desselben  auf  die  naidifolgendo  Wüte* 
rung  mit  gröfserer  oder  geringerer  WahrscheinlichlMit 
geschlossen- werden  kann.  Hierbei  vermifst  Ref.  indefi 
swei  Dinge.  Zuerst  sind  die  gewobnlicbea  Barometer 
meistena  seMecht,  nnd  doch  ^kann  man  nehr  leicht  m 
einem  für  solche  Beobachtungen  gans  vorzOglidien 
langen ,  wenn  man  eine  wenigstens  1,5  Lin.  weite  Rdhia 
mit  reinem  Quecksilber  füllt,  auskocht,  in  einem  ge- 
wöhnlichen Gbse  mit  Quecksilber  autrichtet,  letataiei 


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XfltoiHFoldgieeii  von  Sdidbler  qmI'  fon  K&mlB.  1099 

geg;ezkdea  Stauh  durch  eine  Bedeckung'  schützt,  erstere 
aber  ab  einem  Brette  mit  einer  Skale  versieht  Solohe 
tiannte  der  erfahrne  Placidus  Heinrich  eig^enl« 
Hohe  Barometer,  fhaea  gleichen  die  jetst  ttblioheii 
NeraialbaromeCer,  und  man  iRndet  den  Ort  der  Skale 
leicht  vermittelst  eines  gewöhnlichen  Mafsstabes,  da  es 
für  den  vorliegenden  Zweck  oiobt  einmal  nöthigist,  die 
absolute  Höhe  des  Quecksilbers  mit  völliger  Schärfe  zu 
bestimmen.  Zweilena  hat  aicli  Ref.  bisher  stets  roefa^r 
tberseugt,  dafs  seine  frühere  Angabe  einen  hohen  Grad 
von  Sicherheit  gewährt,  nämlich  bleibend  heiteres  Wetter 
ist  zu  erwarten,  wenn  das  Barometer  Morgens  um  U  Uhr 
am  höchsten  steht  |  dann  etwas  fiiUl  und  Abends  wenig 
.wieder  steigt,  Teränderliches  dagegen,  wenn  es  bei  Tage 
Migt  nnd  Nachts  oder  Morgens  ftllt.  Der  Grund  hier- 
von ist  för  den  Sachkenner  leicht  begreiflich. 

Im  dritten  Capitel  wird  von  den  Winden,  und  zwar 
nur  sehr  kurz  von  den  Passatwinden  und  den  Moussons, 
gar  nicht  von  den  heifsen ,  desto  ansführlicher  von  den 
veiinderlichen ,  mit  Rdcksicfat  auf  ihr  Verhalten  zur 
Witterung  gehandelt.  Auf  ähnliche  Weise  sind  die  übri- 
gen meteorologischen  Aufgaben  untersucht,  nämlich  die 
Teipperatur,  sowohl  die  mittlere,  ohne  BAcksicht  auf 
ftre  Auffindung  durch  Quellen  Wirme,  als  anch  die  ^er- 
ünderliche  tägliche  und  jährliche,  dieHygrometrie,  die 
Verdunstung ,  wobei  die  eigenen  Beobachtungen  des 
Verfs.  einen  schätzbaren  Beitrag"  zu  tliesem  noch  wenig 
bearbeiteten  Gegenstande  liefern ,  die  Luftelektricität, 
worüber  der  Verf.  beinnntlich  viele  dgene  Untersuchnn» 
fBn  bereits  mitgethdll  hat,  die  Wolken  mit  Rücksicht 
ÄSf  Howard*8  Bezeichnungsart  derselben,  die  H^dro- 
meteore  mit  der  hierfür  sehr  zweckmärsigen  Ausführlich- 
keit,  die  leuchtenden  Meteore,  wozu  aufser  den  Gewit- 
^  ttttd  Wirbelwinden  andh  der  H§hniueh  wd  Moor-^ , 
^Ipf  getoiMi  irt,  isndHeh  der  Biniofe  des  Mondes  auf 

Witterung  und  auf  die  organische  Natur,  beides 
Wifeh  der  Ansicht  des  Verfs.  bekanntlich  sehr  bedeutend, 
and  auletat  aUgemeiae  WiUerungsregela. 


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IM         HettfOtolugiM  T0tt  Sehobler  iiad  tob  Kiatt. 

Aus  dieser  Uebersicht  ergiebt  sich  also  im  Ganzen, 
dafs  diese  kleine  Meteorologie  das  Wichtigste  und  Nütz- 
licbsle  dieser  Wissenschaft  klar  und  für  die  praktische 
Anwenduog  sehr  sweekmäfsig  geordnet  enthält ,  mithm 
den  Oilettanian»  namctttlich  den  A^roMBMDy  unbeduigt 
vorzngs weise  enipfohlen  werden  kann. 

Von  einem  ganz  verschiedenen  Charakter  ist  das  Werk 
No.  2.    Der  Verfasser  desselben  hat  früher  die  Physik 

im  ganzen  Umfange  studirt,  und  ist  dem  Publicum  weg-en 
seiner  gründlichen  Kenntnifs  dieser  Wissenschaft  hinläng- 
lich bekannt.  Schon  seit  längerer  Zeit  beschäftigten  iho 
einzelne  zur  Meteorologie  gehörige  Untersuchungen  vor- 
zugsweise, zuletzt  aber  hat  er  mit  höchst  regem  Eifer 
und  mit  juji^endücher  Kraft  diesen  speciellen  Zweig  er- 
griffen,  eiue  Frucht  dieser  Bemühungen  ist  das  yorlie- 
gende  Werk,  und  gegenwärtig-  widmet  er  schon  zum 
zweitenmale,  unterstützt  durch  'die  bekannte  Liberalität 
des  die  Wissenschaften  allseitig  thStig  fordernden  prens- 
sischen  Gouvernements,  alle  seine  Zeit  und  Kräfte  fort- 
gesetzten meteorologischen  Beobachtungen  auf  den  Gipfeln 
der  Schweizer-Alpen*  Während  der  Arbeit  zeigte  es 
Mch  nämlich t  dafs  manche  Probleme,  namentlich  Aber 
die  Beschaffenheit  der  Atmosphäre  in  bedeutenden  Höhen, 
noch  keineswegs  ganz  im  Klaren  sind,  und  dafs  es  hier- 
über noch  immer  an  hinlänglich  genauen  anhaltenden 
Beobachtungen  fehlt,  wie  schätzbar  auch  die  Resultate 
sind,  die  wir  den  angestrengten  Bemühungen  eines 
de  Saussüre,  de  Lüc,  Leop.  yon  Buch  und  ins* 
besondere  Alexander  v .  H  u  in  b  o  1  d  t  verdanken.  Von 
dem  Eifer  und  der  Beharrlichkeit,  womit  unser  Vcif. 
diese  Aufgabe  zu  lösen  abermals  unternommen  hat,  läist 
sich  allerdings  viel  erwarten« 

Die  beiden  bishei'  erschienenen  Bände  enthalten  kei- 
neswegs die  Meteorohigie  v#llstindig,  viebadir  nur  sni 
einige  Theile  derselben,  das  Ericbeinen  der  Fortsetiu^ 

wird  nach  dem  eigenen  Geständnisse  des  Verfs.  dadurdi 
verzögert ,  dafs  er  selbst  zuvor  den  Schatz  seiner  Erfidi- 


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I 


Mtieorologieea  iroB  SeMbler  und  vda  Rimlt.  lUH 

ruDgen  durch  anhaltende  Beobachtung'en  ip  der  Schweis . 
und  Italien  vermehren  will,  da  zwar  die  Masse  der  vor- 
handenen Materialien  kaum  übersehbar  ist,  man  aber 
dennoch,  gerade  bei  wichtigen  Problemen,  oft  aus  Mana- 
ge! ao  fpstbegrflndeteD  Thatsacbeo,  nicht  zur  Entscheid 
duog  kommen  kann.  Bs  läfst  sich  daher  auch  olcht  be- 
stimmen ,  ob  zur  Vollendung  des  ganzen  Werkes  noch 
ein,  oder  was  immerhin  möglich  ist,  noch  zwei  Bände 
von  gleichem  Umfange,  als  die  beiden  vorliegenden,  er- 
forderlich seyn  werden.  Nichtkeoner  könnten  hiernach 
TO  der  Voraussetzung  verleitet  werden,  als  ob  diese 
grofse  Ausdehnung  eine  Folge  der  Weitläuftigkeit  im 
Vortrage  sey,  die  nähere  Einsicht  der  Sache  zeigt  jedoch 
aug^enfallig,  clafs  die  Ursache  in  nichts  anderem,  als  im 
Umbnge  der  Sache  selbst  zu  suchen  sej,  denn  der  Styl 
ist  einfach  und  rein  didactisch,  und  bei  manchen  Unter- 
suchungen sind  sogar  blos  die  Hauptresultate  kurz  mit- 
getheilt,  ohne  die  Aufgabe  bis  znr  definitiven  Entschei- 
dung zu  bringen,  wie  z.  B.  gleich  im  Anfange  des  ersten 
Theiles  bei  der  Frage  über  das  stets  gleichbleibende 
Verhillnifs  der  Bestandtheile  der  atmosphärischen  Luft 
und  Über  die  Zulässigkeit  des  Daltoa'schen  Gesetzes, 
wobei  auf  die  ausführlichere  Behandlung  dieses  Gegen*- 
Standes  im  neuen  physikalischen  Wörterbuche  verwiesen 
wird.  Allerdings  sind  die  hier  .behandelten  Abschnitte 
mit  einem  hohen  Grade  von  Vollständigkeit  und  ansfübr* 
licher,  als  man  es  sonst  findet,  bearbeitet,  die  zählrei- 
chen vorhandenen  Materialien  sind  aus  den  weit  zerstreu- 
ten Quellen  mit  seltener  Beleseuheit  gesammelt,  überall 
Aber  gewahrt  man  nicht  blos  eine  leicht  nur  Verwirrung 
erzeugende  MiCtheilnng  derselben,  sondern  der  Ver£  hat 
zugleich  die  Muhe  nicht  gescheuet,  sie  zu  ordnen,  die 
schiechteren  von  den  guten  zu  sondern,  und  die  letzteren 
2Ur  Begründung  aligemeiner  Gesetze  zu  vereinigen.  Auf 
diesem  Letzteren  beruhet  ohne  Zweifel  ein  vorzüglicher 
Werth  dieses  Werk^,  wodorch  es  sich  von  allen  früheren 
nntersthridet ,  dafs  nähilich  die  rinzelnen  meteorologi- 
schen Erscheinungen  nicht  isoUrt  stehen ,  sondern  dafs 


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fibmll  iht  ZasttffimeDhang  nicht  etwa  aas  allgemeinen 
uiibegruncleteD  Pnncipien  und  unerwiesenen  kosmischen 
Kräften  abgeleitet,  sondern  aus  vohlbegründeten,  klaren 
und  einzeio  leicht  Terständlichen  Thatsacheo,  im  Ein- 
klänge mit  noerfayintea  pbyaikaiiachea  Geadami  und  nit 
Benatsnng  des  Ckloib  eotwicMt  ist 

Die  bereits  behandelten  Abschnitte  betrefij^n  die  che* 
mische  Beschaffenheit  der  Atmosphäre,  dann  eine  allge- 
meine Uebersicht  der  Temperatnrverhältnisse,  demnächst 
die  Winde  und  endlich  die  Hydrotneteore  im  ersten 
Theile.  Bei  den  letzteren  ist  die  von  Gasparin  zuerst 
in  Anregung  gebrachte  Unterscheidung  in  Sommerregea 
and  Winterregen  weiter  entwickelt^  bei  den  Winden 
aber  ist  die  verändeiliclie  Richtung  derselben  mit  deo 
sie  bedingenden  Temperaturen  und  Hjdrometeoren  in  Ver- 
bindung gesetzt,  auch  bedarf  es  kaum  der  Erwähnung, 
dab  überall  die  brauchbaren  Vorarbeiten  beoittst  and 
die  Meinungen  Anderer  kritisch  geprfifl  sind.  Der  zweüe 
Theil  enthalt  eine  genauere  Untersuchung  der  Tempe- 
raturen zur  schärferen  Bestimmung  der  isothermischen 
Linien,  mit  einem  am  Ende  aus  Erman's  Beobachtno- 
gen  hinzogefttgten  Nachtrage ,  dann  ftber  difs  (Schwan-, 
kungen  des  Barometers  and  endlich  über  die  elAtri* 
sehen  Erscheinungen  in  der  Atmosphäre.  Auf  allen  Fall 
fehlen  also  noch  die  gesammten  leuchtenden  Meteore, 
and  wenn  der  Verf.  obendrein  den  tellurischen  Magoe- 
tismos  mit  in  den  Kreis  seiner  Untersachungen  ziehen 
eollte,  was  bei  dem,  gegenwärtig  kaum  mehr  zweifel- 
haften Zusammenhange  desselben  mit  der  Temperatar 
sehr  zu  vermuthen  ist ,  so  läfst  sich  hiernach  der  Um- 
fang der  noch  zu  erwartenden  Abtheilungen  mindestens 
ohngefahr  schätzen,  insbesondere  wenn  man  hinzaninunly 
dafls  ans  dem  reidien  Schatze  der  seitdem  angesteflteo 
eigenen  Beobachtung  en  des  Veifs.  nodi  ifricäiti^e  Nach«* 
träge  hervorgehen  müssen. 

Sesehrinkea  eich  also  die  AfOqprilche  des  ersten  dsr 

angezeigten  Werke  auf  Leichtigkeit  und  Be<iuemli^itik^l 


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Brief w«€bsel  zwiielieA  Ueinr.  Voft  und  Jean  JPanl.  1108 

der  Uebersicht,  80  lassea  sich  bei  dem  zweiteo  Voll« 
•tilDdigkeil  mid  Tiefe  eis  wesentliche  Vorzuge  belrach^ 
teD,  und  jirenn  jenes  dem  grofeeo  Pttblicimi  als  sehr 
brandbbar  empfohlen  werden  kann,  so  darf  dieses  da- 

gegeo  io  keiner  Bibliothek  derjenigea  fehlen,  die  sich 
selbst  mit  der  Meteorologie  beschäftigen,  oder  zu  einem 
eigeaeo  Urtheile  über  die  £rscheiauogen  im  Luflkreise 
gdai^geii  wollen. 

M  u  n  c  k  e. 


Brief wech$el  %wi»ohen  Heinriek  ^ofs  und  Jean  Paul, 
Bmmgegehen' von  Jbra harn  Foft.  Mit  Beinr.  yof$*9{vokllg9- 
tnjjBTmiem}  Bildnife,  BvidtWerg,  bei  WkiUr,  1833.  148  &  «V 8. 
(Frei«  1 11.  18  kr.). 

Das  Wort  der  MenschenliennUiift :  Zeige  mir, 
mit  wem  Dn  umgehst,  so  weifs  ich,  wer  Do 

bist!  wird  besonders  in  den  Rfickerinnerungen  an  den 
frühe  von  uns  geschiedenen,  Ton  Manchen,  weil  Er  fQr 
Ostentation  allzu  bescheiden  und  schüchtern  war,  leicht 
mifskannten  Verf.  bewährt.  Er  war  Göthens  und  Schil- 
lers Schfitding  und  Hausfreund,  Jean  PauU  Frevudy 
▼leler  vertrauteren  Gemflther  Vertrauter,  der  Genosse 
ihrer  Freuden  und  Leiden.  Charakteristisch  besonders 
ist  es,  wie  geschätzt  Er  war  von  den  gleichalterigen 
Gelehrten  gleicher  F'ächer ,  und  wie  Er  dies  ohne  Eifer- 
sncht,  duroh  fördernde  Theilnahrae  an  ihren  Arbeiten 
Terdiente»  Weil  Er  nach  seiner  Bedlicfakeit  gerne  auf 
MaDgelhaftes  sie  pritatiin  anftnerksam  machte,  mbtt  aech 
in  öffentlichen  Urtheilen,  Hecensionen,  Notizen,  mehr 
auf  die  Sache  der  Wissenschaft,  als  auf  die  Person 
achtete,  und  nur  aus  entschuldigeBder  Gntmüthigkeit 
schonend  war,  wenn  nicht  Anmafsangen  ma  schärferer 
Rüge  aufforderten. 

In  seinem  Briefwechsel  sprach  Er  sich  oft  viel  kecker 
oder  entschiedener  aus,  als  im  schneller  wechselnden 


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IIH       BnUmtchutl  swiMlim  Hclnr*  V«ft  iib4  Harn  Pml. 

Gespräche,  wo  6r,  was  ihm  airfBel,  erat  hfai  ood  her 

bewegen^ und  nicht  voreilig  beantvvorteo  wollte.  Des- 
wegen wird  auch  die  Fortsetzung  der  Briefe  und  Brief- 
aosztlge  (die  nicht  durch  Weglassen  kräftiger  Urtheile 
allzu  achenend  seyn  dürfen)  vieles  Treffeade.  zum  Wort 
bringeo.  Soli  die  Wahrheit  jgewiniien,  so  mvfa  mao- 
ehes,  was  suerst  mib  rasa  gesagt  ist  und  desto  «u- 
partheiischer  und  rücksichtloser  gedacht  war,  uicht  allzu 
lange  nachher  auf  den  Dächern  (des  Publicums)  laut 
werden. 

Jean  Paul  vollbrachte  zweimal  frohe  und  erfreuende 
Wocheain  Heidelberg,  Vormittags  arbeitend ,  wie  wenn 
er  BU  Hause  w5re,  alsdaon  in  dem  von  Ihm  begeisterten 

Umgang  belebend  und  hochgefeiert.  Schon  beim  ersten 
Hiersejn  war  Heinrich  VoHs  sein  ßdua  Achates.  Daher 
dann  ein  ununterbrochener  .  Briefwechsel ,  inhaltsreich 
besoüdera  durch  des  Lernbegierigen  wohliiberdachte  Mit* 
theilungen  über  seine  Arbeiten  an  Sliakespeare,  Aeschj- 
los  und  (S.  125.)  Aristophanes,  auch  über  neuere  Ger 
genstände  <ier  schönen  Literatur,  die  er,  als  thäliger 
Recensent,  berücksichtigte.  Er  strebte  natürlich  dar- 
nach, über  seine  Methode  und  einzelne  eigenthüniüche 
Ansichten  dem  «^charfsiQuigen  ästhetisch  -  philosophischen 
Freund  in  der.  Ferne  ein  Urtheil  möglich  zu  machen 
und  belehrende  Winke  abzugewinnen*  Gerade  deswe- 
gen werden  diese  Briefe  sehr  interessant ,  vornämlich 
als  Conimentar  zu  Vofs's  Studien  über  Shakespeare ,  in 
welchem  Er  durch  historisclie  Forschungen  und  dich* 
terisches  Mitempfinden  so  einheimisch  war,  wie  die  w^ 
nigsten  englischen,  mehr  gelehrten,  als  poetisch  sjaoh 
pathisirenden  Ausleger  diesios  dramatisoh  verwirlclicheu^ 
den  Genies. 

4  •  » 


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70.  UEIDELB.  JAHRB.  v.  LITERATUR.  1833. 


Briefwechsel  zwischen  Hcinr.  Vojs  und  Jean  PauL 

(  Be»  e  hlu/s.) 

Maa  lese  zuerst  die  heitere  Sccoe  auf  einem  Reise« 
aiisfliig  zwischen  Dienheim  und  Mainz,  wo  ein  Paar 
einen  «^Mdster  Vofs"  kennen  lernen  ^  der  ihre 
Bichterbibel  noch  mehr,  als  sie  selbst,  in  Saft  und  Blut 
verwaiideil  hatte.  Dies  zeigt  dann  der  Briefwechsel  selbst 
durch  Expositionen  ül)er  den  Sturm  8*  17,  über  den 
Sommernachtlraum  37,  über  Romeo  und  Julie  S.  40 
hi842,  über  Lear  und  Machet  S*  44.45,  über  die  histo* 
rischer  Einleitungen  bedürfenden  Geschichtdrama*8  von 
König;  Johann  bis  H^fini  ich  VIII.,  S.  84.  85,  vgl.  S.  5.  6, 
vorzüglich  aber  S.  58  —  62.  über  Hamlet,  wo  V.  an- 
scheinende Widersprüche  in  dessen  Handlungsweise  da- 
darch  auflöat,  dafa  Er  zeigt,  der  Dichter  wollte  Hamlet 
nicht  blos  Walinsinn  spielen  lassen.  Er  gebe  ihn  ab 
wirklich  wahui»innig,  nur  so,  dafs  der  junge  H.  (anders 
als  der  Greis,  Lear)  noch  volle  Kraft  zu  sinnen  und  zu 
grübeln  behielt,  während  aein  Herz  in  Stücke  zerapmn- 
geu  und  aafgelöait  iat. 

Diesheifst  psychologisch  interpretieren!  Die 
philologisch  kritische  Sjlben-  und  Wortklauberei,  das 

Kleiaste  herabgestiegene  Detailstudium  mufs  aller- 
diogs  vorausgegangen  und  erst  beendigt  seyn.  Aber  den 
nralh  alsdann  der  Erklärer  nicht  in  diesen  Kfimmel-' 
hafitgkeiten  (wie  Reitz  sie  nannte)  stecken  lassen  oder 
gHi*  verlieren ,  wie  jetzt  manche  das  Nene  Testament  nur 
um  der  Partikeln jagd  willen  zu  commentiren  scheinen, 
^^och  weniger  .darf  er,  was  sein  Originaldenker  gedacht 
I^en  mftsse,  a  priori,  das  heifst  eigentlich  nur,  nach 
eigenen  Phantasien  —  construiren.  Die  Phantasie  des 
Brklärers  mufs  .so  in  die  des  Dichters  eingedrungen  seyn, 
dafs  er  nur  aus  Diesem  Stelle  für  Steile  nachweisen  kann, 
UVLJalirK.  11.  Heft  19 


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lim      BrfofpediMl  wtrMhitm  UOmt.  y«b  und  Jeu  iVwl. 

welches  Charakterbild  demselben  durchaus  vor|[^eschwebt 
habe,  nach  welcher  bestimmt  gedachten  Persönlichkeit 
er  jedesmal  seine  Personen  reden  und  handeln  iieis.  Dies 
that  Vofs;  und  Jean  Paul  erwiederte  (S.  66.):  „Ueber 
Hamlel  hast  Du  kästlich  und  geoiai  erraihen.  Wer  sich 
(so)  wahnsinnig  stellt,  war's  und  Wirdes  und-  ist's.'' 

Ebenso  ist  die  allgemeinere  Charakteristik  über  Sha- 
kespeare und  seine  Bearbeiter,  S.  42  —  44.  58,  trefl'end. 
Zugleich  aber  wird  Calderon,  S.  19  —  23,  hochge> 
achtet  S.  33b  erklärt  Jean  Paul:  In  der  Caiderons- 
Uebeffseisang  hat  schon  Schlegel  nmsikaüach  viel  gel«* 
stet ,  unendlich  mehr  Gries.  Da  ist  wahre  ^Seelefr- 
musik. 

Aber  auch  vieles,  was  uns  näher  berührt,  tritt  hier 
ins  Licht.  Nicht  nur  Notizen  über  Jean  FauTs  spä- 
tere Werke,  sein  Leben,  den  Kometen  a»8.  w.«  sonders 
auch  Urtheile  ober  einzelne Zeitprodocte,  wie  Kranse's 
Sophismen  fGr  den  Nachdruck  8.  9,  11,  Müllner*« 
Yngurd  S.  23.  29,  Schröder  S.  95,  Zoega  S.  üa, 
Walter  Scott  S.  141.  134.  138,  die  Schauspiele  von  Hou- 
wald  S.  120,  den  (zu  wenig  belianntgewordeneo)  Hufs, 
Ton  Schier,, Grillparners  .Ahnfrau  &  63,  woS«67« 
Jeen  Paul  „mit  rother  byiantinischer  Kaiserdinte"  un* 
terschreibt,  welcher  auch  an  mehreren  Stellen  des  Vaten 
Vofs  Sprachgediegenheit  und  Lebersetzerskraft  ganz  an- 
dere würdigt ,  als  es  die  Frivolität  Mancher  anerkemien 
will,  die  ohne  ihn  nicht  mündig  geworden  w&ren.  s. 
S7.  Auch  von  den  späteren  Schriften  dieeea  Albneialeii 
eohreibt  Jean  Paul  6.  87:  „Auch  hier  ist  die  Vos- 
eische  Prosa  ein  Goldbarren  für  den  deut- 
schen Sprachschatz,  sowie  Euer  Gesammt-Sha- 
kespeare  uns  ihn  und  die  Sprache  zugleich  erneuert. 
Durch  Eure  Keckheit,  den  einsilbigen  Brittejh 
der  ja  eelber  im  fiDglischen  für  die  Britten  ein  SImi 
Voll  drängendes  Treibboln  ist  (S.  92.)  in  einen  eia- 
sylbigen  Deutschen  zu  verwandeln,  gewiool 
un8re  Sprache  wahrhaft,  deren  Wasser  Andere  so  weoiiri 
wie  das  pl^sische,  einer  Zusammendrückung  fthig  halAeo- 


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Streben  nach  G  e  d  r  ä  n  g*  t  Ii  e  i  t  kaan  die  Sache  der 
Zeilschriftsteller  nicht  sevn,  die  nur  einem  oberflächli- 
cheo  l^ubiicum  durch  französireude  leichtverstäadiicha 
Wilsigkeit  Kursweü  miichen  wollen,  tun  die  Menge  tag- 
tiglich  an  ihrer  table  dfhote  %u  yersaminelB, 

Die  späteren  Aufsätze  voo  J.  H.  Vofs,  aaf  welche 
Richters,  des  Sprachforschers,  Urtheil  sich  hier  bezieht, 
find  besonders  die  beiden  über  Frita  Slolberge 
Uebergang  (nicht  nuin  rtaiiichen  Kirchenweeen  allein, 
Madern)  t»r  hierarchisch  arielokratisehen  Unfreiheil  und 
zu  einem  unglaublich  weit  ^getriebenen  Hang,  auch  An- 
dere, und  gerade  die  Vorzilglichen,  ebenso  unfrei  zu 
BMcheo*  Oer  Uebergang  an  sich  wäre  Privatsache 
Qod,  vom  Standpnnci  der  Geiatesfreiheit  aus  betrachtely 
iadiTidueller  Irrihum  gewesen,  S.  87.  Aber  Proeo« 
lytenmacherei  ist  die  arge  Lust,  Andere  in  Fesseln 
20  locken ,  S.  89.  Vor  dieser  mufs  zu  jeder  Zeit,  wie 
vorSeelenverkäuierei,  ofTen  und  kräftig  gewarnt  werden» 
Sie,  diese  Tochter  der  BigenoQtsigkeit  und  Herrsch» 
saehl,  hingt  sich  an  jeden  Aoctorttälsglauben  der  Einell 
wie  der  Andern  Kirche  und  macht  ihn  durch  die  Mei* 
nung  von  einer  mystischen  Kraft  zum  AUeiuseligmachen 
NOtiriach. 

Griber  di^  Gesinnung  und  die  Menschenkenntnidii 
i«i  weither  Jene  Vossisdie  Rettungen  der  protestantiaohefi 
Vhmk^  und  Lebensfreiheit  geflossen  sind,  geben  hiet 
mehrere  Briefe  des  Sohns,  welcher  nach  S.  89.  91.  Stol- 
berg als  Einen  „Mann  Ton  unwiderstehlicher 
Antiehungskraf t**  von  Kindheit  an  so  verehren  ge* 
wahM  wu?,  a  69^64.  97.  IttL  die  unaaittalbarMeD 
Beobachtungen.  „Und  Den  Mann,  schreibt  H.  VoA 
S.90,  den  noch  jetzt  viele  unchristliche  und  überchrist- 
ticbe  Christen  als  einen  Heiligen  zu  verehren  vorgeben. 
Den  haben  Aristokratismus  [Kastengeist]  und  Aflerreli- 
gion  zu  Dem  gemacht,  was  er  nun  ist;  sie  habm  all  die 
sdlen  Keime  erstickt,  die,  Ton  der  Sonne  des  Bürger« 
smas  gereift,  die  erstaunenswerthesten  Früchte  getragen 
bitten,  Sie  haben  ein  MeisterbUd  zertrümmert  Stolberg 


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\ 

t 

I 

>    1108      Btl«fvMhMl  «wImIi^  Heiar.  ¥üb  «nd  Jcm  BmmU 

lieb'  ich  sosehr,  als  je,  das  heifst,  den  alten  Stolberg» 
der  aber,  obgleich  lebend ,  nicht  mehr  auf  Erdeo  ver« 
weilt' 

Am  Vater  sah  der  io  dieser  Aqgelegeoheit  am  weoig* 
8ten  voreingeaommeDe  Soho,  wie  Er  dem  Freu  ml  ver» 

traut,  täglich  die  Wahrheit  des  Worts:  „Wo  gutes  Ge- 
wissen ist,  da  ist  wahre  Hube.  S.  98.  Nichts  Persönli- 
ches rührt  Ihu  in  dieser  Sache.  Ich  bewundere  (wS.  85.) 
kl  des  Vaters  Schrift  den  ruhigen  Ton,  der  milde  isti 
wo  Milde  ausreicht  und  doch  eine  grofse  Kraft  im  Hia» 
terhalt  ahnen  läfst ,  manchmal  aber  auch  derbe  i^t  und 
doch  nicht  aus  Leidenschaft  Kraft  vergeudet.  W  ie  sehne 
ich  mich,  fügt  Er  gemiithvoil  hinzu,  über  religiöse 
Gegenständ e  einmal  Deinen  Posaunenton,  iheurer 
Jean  Paul,  zu  Ternehmen!  Die  meisten  Theologen 
schweigen.  Wohl  uns,  dafs  wir  noch  Laien  haben,  wie 
Du,  die  zu  reden  wissen.  Das  Wort  hat  die  Weit  er- 
schaffen; das  Wort  wird  sie  erhalten!"  — • 

Und  geratle  dieser  Punct  mag  der  leiste  seyn,,  auf 
den  wir  wegen  des  reichen  Inhalts  dieser  Briefe  aaf- 
merksam  machen,  weil  er  unstreitig  der  wichtig-ste,  der 
universellste  ist.  Warum  sollte  es  Ree.  verhehlen,  wie 
Werth  ihm,  für  die  Sache  zuvörderst,  aber  auch  für  dis 
Person,  die  Steile  S«  68.  von  Jean  Paul  ist,  wo  Er  unter 
dem  7.  Jan.  1819.  an  Vofs  den  Anfirag  giebt:  „Paulas 
grufse  von  mir  recht  herzlich  ,  und  sage  ihm,  dafs  aieia 
Studium  seines  Commentars,  so  wie  das  wieder- 
holte von  Lessing,  mich  immer  stärker  gegen  dis 
nenen  Ueborchristen,  wie  Kanne,  Ibicms  a.s«iK 
erbittern,  wie  es- schon  mein  diesjähriger  Nsu- 
jahrsanfsatz  im  Morgenblatt  zeigt  Ach,  hätien 
wir  kein  anderes  Christenthum  ,  als  in  den  vier  Evange- 
lien wörtlich  steht  und  also  keine  drei  Ckristenspultuages. 
Wie  Tie!  Blut  und  Nacht  wäre  dem  armeb  Biirppa  er- 
spart worden." 

Dartiber  erwiedert  S.  18.  H.  Vofs  sehr  richtig:  „Die 
Glorie  um  Christus  und  die  Apostel  ist  köstlich  für  den 
Maler,  Dichter,  religiösen  Menschen ;  aber  der  Wahr* 


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Briefiroeliiel  swiicben  Uttlor.  Vofs  und  Jean  Paul.  1109 

heitliehencle,  cier  sich  nicht  mit  dunklen  (be- 
fühlen [mit  dein  doch  nur  erst  aus  Aogewohaheiteo  ent- 
stehenden religiösen  Bewu&tseya]  begnOgt,  will 
aseh  historisch  wissen,  wer  €hristus  war,  ob, 
wie  alte  Mystiker  sagen,  vergötterter  Mensch,  oder  ver- 
menschte r  Gott."  Man  bedenke  nur,  dafs  ein  mit  dem 
Logos  persönlich  und  untrennbar  vereinter  Menschen* 
geist  uns  Uebrigen  nie  ein  Beispiel  seyn  könnte,  was  wir 
als  Menschen  bq  werden  vermögen.  Wenn  in  Jesus  der 
Messiasgeist  nicht  wahrer  Menschengeist,  sondern  ein 
Wesen  einer  höheren  Gattung  (nach  Schleiermacher) 
mit  einem  solchen  m  Einer  Person  vereinigt  gewesen 
wäre ,  wie  könnte  er  andern  Mensch engeistern  im  Leben 
aad  Sterben  gezeigt  haben,  was  aooh  ihnen  möglich  und 
mn  der  Wahrheit  willen  Pflicht  sey. 

Der  Briefsteller  hat  nur  Einen  Zweifel  (S.  70  ).  Es 
sey  nicht  (mit  Paulus)  vorauszusetzen,  „dafs  die  Facta 
in  den  Evangelien  so,  wie  sie  sich  in  Wahrheit  zuge* 
tragen,  enthalten  Seyen,  dafs  also  deäi  Interpreten  blos 
aafgegdben  sey,  die  Facta  durch  Aufstellung^ einer  rieh« 
tigen,  und  Hinweiß^räumung-  einer  verdunkelnden  Ausle- 
gung von  aller  veiclunkeliHlen  Umklei<lung  zu  entliulleu."^ 
Jtslr  erklärt  sich  (S.  71.)  für  uberzeugt,  dafs  schon  die 
Bfangelien  Jesus  in  einer.  Glorie  vorstellen,  die 
Bf  im  Leben  nicht  hatte,  mit  Einern  Wort,  dafs  sie  uns 
statt  der  objectiven  Wahrheit  häufig  nur  ihre  sub- 
jective  Ansicht  davon  g-eben." 

Ich  bedaure  sehr,  dafs  mich  der  Freund  niemals 
,  hierüber  mit  Ihm  mich  su  besprechen  veranlafste.  Ich 
würde  vorerst  ihn  gewarnt  haben,  sich  nicht  durch  die 
immer  wiederklingenden  Kunstworte  von  Objectivität 
wnd  Sobj  ecti  vität  blindlings  im  Kreise  hei  umrühren 
zu  lassen.  Jeder  hat  nur  das,  was  er  auigefafst  hat, 
also  das  Subjective,  zum  Object.  Die  Aufgabe 
jst  nur,  daft  der  Bewnfttseyende  das,  was  in  ihm  selbsl 
ihm  vorgehalten  (objicirt)  nnd  als  wirklich  oder  als 
wirklich  -  gewesen  aufgenöthigt  ifit ,  vollständig  auffasse, 
betrachte  .und  in  Gedanken  oder  Begiiiien  festhalte.  An 


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Uli      BiMiracliMl  iviielieB  Heiar.  YoU  aod  Ifwh 

flieser  Vollständigkeit  des  Aiiffassens  oder  Subjectivirens 
.  (=  Festhalteos  ia  sich  als  dem  Subject)  wird  aach  der 
Redlich «bewurstseyende  oft  durch  allerlei  Ursacheo  4er 
Serstresimg ,  durioli  ScbnelligkeU.  ki  der  Thathandliivg^ 
durch  die  MeiDiin^,  maoches  EiDflufereiche  nur  f&r  Ne>* 
benumstand  zu  haitea  oder  die  Wirksamkeit  von  Haupt- 
Ursachen  nicht  zu  kennen,  g^ehindert.  So  mögen  wohl 
die  Apostel  und  E?angelisieQ  auch  s^lt^o  das  subjective 
Objeot  gam  geftftt  haben.  Sie  waögw  B.  niehl  deaft- 
Hch  sieh  g^daohl  haben  9  wi^  Tiel  das  glawbenavoile  Vef* 
trauen  auf  die  Messiaskraft  pbjsisch  vermochte,  und  dafe 
eben  deswegen  die  meisten  He  Hungen  vermeintlich  dä- 
noDiscber  Besitzungen ,  welche  daskals  das  schwerste 
achleneii,  im  der  Thal»  weil  Yor  depi  Mesaiaa  alle  Di» 
monien  weichen  mvfiBlea,  die  Mchteaten  waren»  Sia 
mögen  schnell  wirkende  angewandte  Mittel  ,  die  bis- 
weilen nur  überhanpthin  (als  Oele,  Speichel,  BSder) 
genannt  werden »  als  Nebensache  betrachtet  und  daher 
meist  nichl  geauan^  haben ,  wie  gie  ftb^rhauLj^t  daa»  vat 
geheilt  wurde»  flnfserat  unbestiaunt  laaaen  und  das  Meiila 
den  Dämonen,  die  vor  dem  Messias  nicht  Stand  halteo 
*  konnten,  zuschreiben.  Daran  aber,  dafs  sie  das,  was  sie 
auffafsten,  redlich  überliefern,  habe  ich  nie  zu  2w«i£ela 
Grund  gelftuiden»  folglich  in  ihren  lieberlieferangan 
nicht  leicht  etwaa  Unrichtiges ,  aiMideis  nuv  UqtoUiMik 
digkeit  vorauszuaetaen  Ursache  gehabt  Daraus  folgt, 
dafs  man  das  als  Factum  Angegebene  festeuhahen,  irohl 
aber  manches  nicht  Angegebene  zeitgeaiäfr  hiawBiidefikea 
und  die  KOrze  zu  aufiiiKren  hailk 

Sie  ftherliefern  auch  i!o^u  dea^61air)e>J(eM  nicM» 
anderee,  als  wae  mau  daaiala  dem  MessiasgeisI,  ali 
Tbrzüglichstem  menschlichen  Gottessohn  glaubte,  ari» 
deswegen  auch  Jesus  um  die  Herrlichkeit,  weichest 
vor  der  Menschwerdung  als  präexistireoder  zum^  Messias 
bestimmter  Menschengeist  bei  dem  Vater,  ala  dem  lUeir 
»igen  Gott,  gehabt,  ala  um  etwas,  das  Er  nach  dasi^ 
Tode  wieder  erhalten  könne  (Joh.  11,  3»  7.)  und  gar 
nicht,  als  um  etwas  bittet,  das  wie  eijue g^tfttipha  Maftaf 


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i 


BciefwecliMi  zwiMben  UeUr.  Vofa  und  J«aa  PmL  Uli 

oder  Pefson  immer  antrennbar  mit  Ihm  verbunden  ge- 
wesen wSre.  Aach  Vob  fand  sehr  richtig  S.  97.  dae 
Haipiresultat :  „Nie  spricht  Christus  von  seiner  wunder- 
vollen Geburt,  von  der  Dreieinigkeit,  vom  Büfsen  für 
die  Weitsündea,  von  einer  VVuaderkr^t  des  Abendmals, 
TOB  seiner  Himmel-  und  Höllenfahrt,  von  seioer  Alir 
niaseaheil.  Eioeti  Sohn  seioes  biiBinllscbeii  Vaiere  neaut 
Er  ddh  und  fiMrdert,  dafs  Alle  (in  der  gottgetreuen 
Gesinnung)  leben,  wie  Er,  damit  auch  sie  Gottes 
Söhne  Seyen."  (Matth.  5,  9.  Eom.  8,  14}  Was  die 
[^iiliach*  scholastische  Theologie  als  das  Uncntbehr- 
lichale  am  vollstäodigsteo  weib,  darüber  kanii  sie  ans 
Jesu  Mniide  nichts ,  oder  kau»  doige  verwaodte  Worte 
oachweiseo. 

Noch  an  mehreren  vollständigeren  Stellen  über  ReU- 
fioa  imd  ächtes  Christenthun  isl  der  ganze  Briefwechsel 
reich.  Jean  Paol  wollte  beaoocUra  im  Lessingischeo  Sina 
dariber  sehreiben,  8.  77.  Wie  antimjslisdi  diese»  ge<- 
Worden  wäre,  hauptsächlich  nachdem  m^'Stische  lieber- 
ipannungen  auf  Geist  und  Leib  seines  Sohns  so  verseh- 
rend gewirkt  hatten ,  ist  aus  der  so  gebaUvollea  n-WAhir**  ^ 
heil  ans  Jean  Pauls  Leben*'  Heft  8.  sn  ersehen. 

Genug.  Beide  in  der  Geinüthlichkeit  und  Wahrheitn- 
forschung  so  verwandte  Geister  verliefsen  uns,  während 
sie  noch  vieles  vorbereiteten.  Um  so  wönschens werther 
hrti's,  dafi»  ihre  ReHqoieii  (¥0»  Vofs  auch  Aussige  aus 
•sdern  interessanten  Briefen,  Receasionen  and  Program« 
men)  sorgfältig  gesammelt  werden.  Dem  biedern 
Heinrich  Vofs  gebührt  ein  Have,  anhna  Candida  f 
wie  £r  selbst  es  8.  88.  über  Jean  Pauls  Si^wiegervater 
«Mprach: 

—  —  heiligen  Sclüaainier 
«chlall  Er.  Scheiden  von  uaa  Gute ,  so  aoniit     niclii  T«4. 

Dr.  Paulu9. 


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1112       Selbstbiographie  voh  Dr.  Aug.  1  riedr.  Wilh.  Crome. 


üelbstbio^r  ap  h  ic   von   Dr.  August   Friedr.  fVilhelm  Crome, 
Senior  der  Luivo aiidt  Gicbsr^n.    Stuttgart ,  bei  Metzler,  1833, 

Cromes  Namen  wird  io  den  Jahrbüchern  der  Wie* 
eeoschaft  itr  ehrenTollem  Andenken  bleiben.  Die  Linder- 
kunde verdankt  ihm  ungemein  Viel,  und  seine  Schriften 
in  diesem  Fach  haben  anerkannten  Werth,  ^ein  g-röfstes 
Verdienst  besteht  aber  darin,  dafs  er  einer  der  ersten 
und  Yorsilglichsten  Begründer  ,diese§  höchst  nütetichea 
Lehrfachs  in  den  Hallen  des  akademischen  Stttdioms 
war,  und  dafs  er  beinah'  ein  halbes  Jahrhundert  vor- 
trefflichen Unterricht  darüber  ertheihe.  Dadurch  lebt 
er  im  dankbaren  Andenken  von  Vielen;  dadurch  hat  er 
sidi  aber  anch  Ansprach  erworben,  im  Andenken  der 
Nachwelt  fortznleben.  Durch  seine  Selbstbiographie  hat 
er  sich  selbst  ein  schönes  Denkmal  gesetzt  Sic  ist  ein 
treuer  Spiegel  seines  cdehi  Lebens,  Bestrebens  und  Wir- 
kens. Schmucklos  und  doch  anziehend  ist  die  Erzählung 
seiner  Jiigendbildnng,  seiner  Lehrjahre,  seines  Auieat» 
halte  und  Wirkens  im  Basedow'schen  Pbilantropin  et 
Dessau,  einer  merkwürdigen  Anstalt,  über  die  er  uns 
manches  Interessante  mittheilt,  und  die  für  ihn  eine  gute 
Vorschule  iür  seine  lange  akademische  Laufbahn  zu  Gies- 
een  war«  Das  Eintönige  dieser  Lanibahn  verschwindet 
in  seiner  Erzählang  durch  die  vielen  Episoden,  dk 
eich  in  dieselbe  verflechten,  worunter  vorzüglich  seio 
Verhältnifs ,  in  das  er  zu  Kaiser  Leopold  IL  auf  der 
Krönung  zu  Frankfurt  kam,  und  seine  Sendung  an  deo 
Feldherrn  Bernadette  zur  Unterhandlung  der  Neutralitat 
der  Darmstädtischen  Lande  die  Aufmerksamkeit  in  Ab* 
Spruch  nimmt.  Was  Kaiser  Leopold  ihm  in  einer  lan^ 
Unterredung  über  seine  Vcrualtiing  in  Toskana  niit- 
tbeüte,  gereicht  diesem  helidenkenden ,  humanen  Für- 
sten zu  grofser  Ehre.  Crome  entsprach  dem  Vertrauea 
des  Kaisers  durch  seine  vortreffliche  Verdeutschung  des 
italienischen  Werks  über  jene  merkwürdige  Staatsverwal* 
tung.  Im  Umgang  mit  dem  französischen  Feldherrn  ge- 
wann er  dessen  ganzes  Vertrauen  und  seine  besondere 
Zuneigung,  wodurch  er  in  den  Stand  gesetzt  wurde, 


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SeltMtbiograpbie  Toti  Or«  Au^.  Frtedr.  Wilh.  Cromc.  IIIS 

seiner  Regierung",  seinem  Land  und  besonders  der  Uni- 
versität Glessen  erspriefsUrhe  Dienste  zu  leisten.  Auch 
seine  spätere  Reise  in  der  Schweiz  und  8ein  Aufenthalt 
bei  Pestalozzi  zu  Ifferten  lieferten  seiner  Selbstbiographie 
anstehenden  Stoff.  Ueberhaupt  macht  diese  den  Leser 
mit  manchen  merkwürdigen  Zeitgenossen  bekannt  Wie 
er  selbst  in  seiner  Wissenschaft  unaufhörlich  weiter  strebte, 
und  wie  er  sich  Mühe  gau,  den  Unterricht  darüber  der 
akademischen  Jugend  recht  nützlich  zu  machen,  ist  aus 
seiner  eigenen  Erzählung  abzunehmen »  so  wie  mehrere 
seiner  Schriften  es  beurkanden.'  Von  seinen  Privatto- 
genden, seiner  rasttosen  Thätigkeit,  heitern  Lebendig- 
keit und  grofst  u  Herzensgöte  können  diejenigen  zeugen, 
die  in  uäherm  Ver  hältnifs  mit^hm  standen.  Sehr  vielen 
Menschen  hat  er  freudig,  mit  eigener  Aufopferung  von 
Kraft,  Zeit  und  Geld  geholfen  und  genützt.  War  er 
seinen  Frennden  ein  treuer  Freund,  so  zeigte  er  g^geu 
seine  Feinde  stets  die  gröfste  Versöhnlichkeit  und  seine 
Rache  bestand  nur  im  Wohlihun  ,  so  weit  er  es  ver- 
mochte. Den  akademischen  Jünglingen  aber  war  er 
ein  uneigennütziger,  väterlich  gesinnter  Rathgeber  und 
Freund,  und  die  Lebendigkeit ,  Klarheit  nnd  Bündigkeit 
.seiner  Vorträge,  wozu  er  sich  jedesmal  gewissenhaft  und 
mit  Sorgfalt  vorbereitete,  waren  ganz  geeignet,  den 
Lerneifer  zu  wecken  und  zu  beleben.  —  Das  erste  Werk, 
wodurch  er  sich  in  der  literarischen  Welt  rühmlicli  be- 
kannt machte,  ist  seine  Froduktenka r te  von  Eu- 
ropa mit  ihren  Erläuterungen,  eine  Arbeit,  wie  noch 
keine  war  versucht  worden,  und  die  überall  Bewunde- 
mg"  und  Nacheiferung  erweckte.  Die  dritte  Ausgabe 
erschien  zu  Hamburg  1785.  und  die  vierte  hei  Cotta  zu 
Tfibiiig^en  1804.  Von  seinen  andern  Werken  verdient 
hier  vorzüglich  das :  Ueber  die  Kulturverhältnisse  der 
ciiropäischen  Staaten,  Leipzig  1792,  ferner  die  Ueber-* 
sieht  d^r  Staatskrftfte  der  sämmtlichen  europäischen  Län- 
der mit  einer  neuen  Verhlltnifskarte  von  Europa.  Leipzig 
1818,  und  die  Geographisch- statistische  Darstellung  der 
Staatskrafte  der  sämmtiichen ,  zu  dem  deutschen  Staaten- 


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1114       Ltleinitcln  ScbvlgrMMiMlUr,  viM>  BlalbUnlwM. 

bunde  gehörigen  Lioder«  4  Bde.  Leipzig  1810— >18S1. 
rühmliche  ErwähiiUDg.  Das  vollständige  Verzeichnirs 
seiner  Schriften  ist  der  Selbstbiographie  ang^ehängt  — 
Sein  achtzigjähriges  Leben  (er  ward  geb.  115d.  und 
sUvb  1833.)  fiel  in  einen  Zeitrmm ,  der  filr  die  geislig% 
wimmieliaftliche,  siUliohe  ond  potilische  Bildung  uad 
Gestaltung  der  Menschheit  von  der  höchsten  Bedeutuog 
und  Wichtigkeit  ist.  Er  hat  Vieles  und  Grofses  erlebt, 
und  durch  redliche  und  unennudiiche  Verwendung  seiner 
Talente  in  seiner  Sphäre  dasn  mitgewiritl,  4alii  das 
Wahre  und  Gute  die  X>berhand  gewinne  und  der  Perl- 
schritt der  Menschheit  gefördert  werde.  Er  ging  mit 
dem  BewuTstseyn  zu  den  Vätern :  nicht  umsoost  .gelebt 
zu  haben.    Ehse  eeioeni  Ciedäcbtoifa ! 


Laieinische  Schulgrammatiken. 

für  aXh  CUutm^  im  mm»  faßUakm  md  4m  ünt^niM:  ttWä^ 
«emdbii  fbrvi  der  Dan^eOimg.  SwrMiei  «m  Ferdinmnd  filtli- 
imkauMf  Prefetwr  am  Lsfcttm  au  OvuUma.  Mit  dnm  Ferwmi 
wm  X  C.  Orelll  ZüHek,  M  OnU^  FßfiU  u.  Comp,  1888.  Ifl 
und  888  8,  in  gr,  8. 

Die  Gesetze  unseren  Institntn  verweisen  una  bei  dia- 
aem  Werke  auf  dne  blcdhe  Belalio«  seinea  Inhalts,  seiaar 

Einrichtung  und  BestinDmung;  und  indem  wir  diese  in 
liefern  suchen,  hoflfen  wir  durch  eiue  nähere  Angabe  der 
Beschaffenheit  dieser  Grammatik  nnaeie  Leser  in  deD 
Stand  zu  seinen »  selbst  zu  beurtheileii,  in  wiefeni  dmeh 
diese  neue  Graauiialik  die  Maase  der  Torhanilepett  nad 
mit  jeder  Messe  aich  mehrenden  Lehrbücher  der  late^ 
nischen  Sprache  ohne  Noth  vermehrt  worden  ist,  oder 
ob  durch  Charakter  und  Anlage,  eigeathümliche  Ein- 
richtnng  oder  Behandlnngsweise  das  Eraeheinen  diastf 
,  Granunatik  hinUngliidi  gerechtferliyl  eraeheinen  kaaa 
Daa^  Vorwort  des  Hrn.  Prof.  Orelli  enihftk  tre0Ucli0 
Winke  für  Aufstellung  eioer  iateiuischeu  Schulgrammatik 


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^«Melnitche  Sotmlgranmatlli ,  m  F;  Blmbtnihaiiii.  1119 

4 

wwie  eines  umfassenden  lateinischeB  Lexikons.'^)  Für 
jene  siel It  er  drei  Haupterfordermsse  auf:  Klarheit  in 
der  ^esainiuten  Darstellung,  anschauliche  Vorlegung  tier 
Paradigmen  und  Beispiele  und  eine  besiiminte,  in  s  Auge 
fallende  Abiheilung  in  drei  Curse.  Ferner  fdnd  aufsec 
Aodemi  dasu  erforderlich :  bericbligte  Texte  der  A119- 
gabee  der  etnselnen  Autoren ,  daiiB  wo  möglich  gute 
Specialgrammatiken  und  Speciallexika  über  die  einzelnen 
Autoren,  was  uns  noch  60  «ehr  fehlt,  so  nÖthig  dies 
Httch  wäre,  damit  in  einer  solchen  umfassenden  Gram* 
loelik  die  Bigenlbuml  ich  keilen  der  bedeuteodereo  Schrift^ 
stellet  mehr  hervorgehoben  werden  kdnnlen  nod  nicht 
Allee,  so  sti  sagen,  Aber  Einen  Leisten  geschoren  würde. 
Auch  niüfste  man  billig  weit  mehr,  als  bis  jetzt  gesche- 
hen ,  auf  die  italische  Sprache  zurückgehen,  die,  mag 
sie  nun  aus  dem  Verderbnifs  und  der  Entartung  der  ge- 
bildeten Schriftsprache  Rom's,  oder  eus  der  ursprQug* 
liehen  Mwuma  raelica  ( Ungua )  hervorgegangeu  seya, 
doch  laMner  noch,  namentlich -in  den  älteren  Werken 
der  Literatur,  so  iVlanches  enthält,  was  dem  lateinischen 
Sprachforscher  manches  Verhältnis  erst  recht  klar  wer-  / 
den  läfst. 

Der  Ver£  hat  vor  Allem  jeilen  drei  eben  bemerkten 
Hinptfofderuogeii  vs  genSgea  gesucht,  die  Regeln  cnnd 


•  *)  Der  Plan,  den  Hr.  Orelli  zar  Anlage  einet  Lexikon«  macht,  bt 
karBlich  Mgender:  Eine  GeMUaelMift  ¥«b  20 ^aO  Philelcgoa 
iatlviid«t  fileli  neM  Zusieh aag  vaa  SifflUPten  in  der  Jnrispre- 
deoz,  den  Natuvwieseoschaften  a.  «.  w.;  an  der  Spitze  des  Gaoaaa 
itelll  ^la  Hauptredactor  mit  einigen  Gehälfen;  zuTÖrderst  wer- 
den Geiner  und  Forcellini  Terscbmolzen,  der  Text  in  den  Bei- 
spielen nach  den  neuesten  Ausgaben  berir1it?p;t ;  jeder  der  ein- 
zelnen Mitarbeiter  übernimmt  einen  und  (l*^n  andern  Schrift« 
itelier  zu  bearbeiten ,  wob^i  auch  die  bisher  so  sclir  ver- 
DacdilaMigten  Kirchcmritcr  zu  Rathe  gezogen  werden  mÜR8en, 
Beeg-leichen  die  Inschriften  u.  A.  Die  Redactiim  würde  dann 
alle  diese  Heiträge  zu  einem  organischen  Gan/.ta  vereinen.  Sa 
wurde  freilich  etwas  ganz  Andcrca  zu  Stande  l^oiiimen,  al«?  alle 
die  bisherigen,  meist  in  der  Ausführung  luiisgliickten  oder  ge-> 
beittMteo  UBtejenehmungQO  ähnlicher  Art. 


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1116 


Lateinische  Schulgratnmatik ,  von  F.  Bleibimhaus. 


Überall  einfach,  klar  und  mit  der  Bestimmtheit  gegeben, 
welche  sie  der  Fassungskraft  des  Jünglings  empfiehlt; 
wie  denn^n  dem  Mangel  der  meisten  neuen  Grammatiken 
(bei  aller  Anerkennung  ihrer  sonstigen  Vorzuge)  hin- 
sichtlich des  Formellen,  welches  den  Forderungen  der 
Jugend  nicht  entspricht,  indem  bei  den  Einen  Alles  zu 
abstract  ist  und  dadurch  die  leichte  und  richtige  Auffas- 
sung erschwert,  bei  den  Andern  hingegen  methodische 
Behandlung  und  eine  systematische,  den  Ueberblick  er- 
leichternde Anordnung  des  StofTs  allzusehr  vermifst  wird, 
Damentlich  auch  bei  den  meisten,  mehr  oder  weniger, 
„jener  kurze,  präcise  P^ormelstyl,  welcher  die  mnemo- 
nische  Fafslichkeit  und  Behaltbarkeit  der  Regeln  so  sehr 
begünstigt,"  der  Verf.  des  Erscheinen  einer  neuen  lateini- 
schen Grammatik  hinlänglich  gerechtfertigt  glaubt.  Seine 
Grammatik  ist  Schulgrammatik  im  umfassendsten  Sinne 
des  Worts,  in  sofern  sie  für  alle  Classen  eines  Gymna- 
siums berechnet  ist  und  darum  das,  was  für  die  eine,  sowie 
das,  was  für  die  andere  Classe  bestimmt  ist,  bei  einem 
jeden  einzelnen  Falle  durch  Ziffern  am  Rande  bemerkt, 
so  dafs  Lehrer  wie  Schüler  das  leicht  herausfinden  kön- 
nen, was  für  sie  pafst  und  was  für  ihre  Classe  gehört 
Dadurch  freilich  ist  die  Klippe  vermieden,  für  eine  jede 
Classe  eines  Gymnasiums  eine  besondere  Grammatik  zu 
schreiben,  was  oft  nicht  einmal  gut  ausführbar,  oder 
auch  selbst  unnöthig  ist,  auch  dem  Schüler  ohne  Noth 
den  für  Bücher  zu  machenden  Kostenaufwand  (der  doch 
immer,  wo  möglich,  auf  Bücher  gerichtet  werden  soll, 
die  für  ihn  einen  bleibenden  Werth  auch  für  die  Zukunft 
haben)  vermehrt.  Freilich  konnte  dadurch  auch  den 
Beispielen  bei  jeder  einzelnen  Regel  (die  hier  auch  stets 
in*8  Deutsche  übersetzt  werden)  nicht  der  Umfang  und 
die M annichfaltigkeit  gegeben  werden,  welche  den  Lehr- 
büchern von  Bröder  (um  nur  diese  gerade  zu  nennen) 
und  Ramshorn  einen  so  grofsen  Beifall  verschafft  hat; 
daher  man  versucht  seyn  möchte,  beim  Gebrauch  vorlie- 
gender Grammatik  noch  ein  anderes,  durch  eine  schöne, 
aus  den  besten  Classikern  entlehnte  Beispielsammlun^ 


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\ 


LateinUclie  SchulgraminaUk ,  \on  F.  ßieibimhaas.  1117 

ausgezeichnetes  Lehrbuch  zu  empfehlen.  Auch  sind  jedem 
Abschnitt  Fragen  beigeiügt  über  das  im  vorherg;ehenden 
Bemerkte,  damit  Lehrer  wie  Schiller  in  den  Stand  ge* 
setst  §ejen,  in  der  Schale ,  wie  prifatim  eine  Hepetition 
ies  Durchgegangenen  anzustellen. 

Die  Anordnung  der  einzelnen  Materien  hat  manches 
KigeothUmiiciie  und  von  der  bisher  eingeführten  Weise 
Abweichendes.  Zwar  zerfallt  auch  hier  das  Ganze  in 
swei  Theile,  in  den  etymologischen  und  syntaktischen, 
wozu  noch  ein  dritter,  welcher  Prosodik  und  Metrik* 
enthält,  hinzukommt,  nebst  einem  Anhang*:  die  Genus-* 
regeJo  in  Versen.  Der  erste  Theil  enthält  die  Lelire  von 
den  Buchstaben,  von  der  Ortophonie,  Orthographie 
ndbst  den  Abbreviaturen  (reeht  befriedigend)  und  von 
Formenlehre  im  engern  Sinn,  welche  erstens  die 
veränderli(  Jh  n  Redetheile  (Substantive,  Ailjective,  Zahl- 
w^ter,  Pronomina  und  Verba^  < —  also  Declinatlon  und 
Coiyugatioa)  in  sich  schliefst,  dann  sweitene  die  an- 
veräoderlichen ,  als  da  sind  Adverbien,  Präpositionen, 
Conjunctionen ,  Interjectionen.  Nun  folgt  ein  letzter  Ab«^ 
schnitt  dieses  ersten  Theils:  Etymologie  im  engern  Sinn 
oder  VVortbildungslehre;  wo  wiederum  in  zwei  Unter«* 
abiheilnngen  von  der  Ableitung  und  dann  von  der  Zu- 
tManmensetsnng  der  Wörter  gehandelt  wird. 

Der  zweite  Theil,  die  Syntax  oder  Wortffigangs- 
lehre,  zerlnlli  in  drei  Theiie,  in  die  Uebereinstimmungs- 
lehre,  in  die  Bestimmungslehre  und  in  die  Lehre  von 
der  elgenthiimlichen  Wortfügung,  der  sogenannten-  Sgn-^ 
tfUfis  amata.  Die  Uebereinstimmungs lehre  soll  zeigen, 
wie  die  verschiedenen  Redetheile  eines  Satzes  in  ihren 
Formen  mit  einander  übereinstimmen,  und  sonach  wird 
dann  von  der  Uebereinstimmung  der  Nomina,  der  Verba 
(d»'h.  des  Verbnms  mit  dem  Subjeat),  und  drittens  der 
Antwort  mit  der  Frage  kirzUch  gehandelt.  Die  Beettm-f 
iMings-  oder  Rectionslehre  ist  natürlich  weit  amfassen** 
der,  da  sie  die  Kegeln  angiebt,  nach  welchen  ein  Wort 
die  Form  des  andern  bestimmt  oder  regiert.  Also  zuerst 
von.  der  9«^.vteDg  der  Nomioa,  d.  h.  vom  dem  Ge- 


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11  ti       UUelaiwbe  ScinlgrunMtflr,  von  F.  BleibiahtM. 

brauch  der  verschiedenen  Casus,  dano  von  der  Bestim-  ^ 
mung  des  Verbum,  wo  vom  Numerus  und  den  Personen, 
vom  Genus,  vom  Gebrauch  der  Tempora  ttad  Modi^ 
TOD  Gerundium,  Supinum  und  Parlicipmm  gehauMi 
wird.  Darauf  folgt  die  Lehre  Tom  Gebrauch  der  hr» 
llkein:  der  Adverbien,  Präpositionen  und  Conjunctionen, 
über  FVage  und  Antworten,  uutl  ülje^r  die  Oratio  ohliqucu 
Im  dritten  Abschnitt  kommen  alle  Abweichungen  vom 
gewöhnlichen  Sprachgebrauch  vor,  d.  h.  von  den  Regiia 
der  Uebereinaümmungs-  wie  der  Beslimmungelehre.  Ab 
einen  vierten  Theil  kann  man  den  nun  folgenden  Ab- 
schnitt von  den  Archaismen  rechnen,  der  eigeiulich  auch 
unter  den  dritten,  unter  die  Lehre  von  cien  Abweichua« 
gen  gehört  Bs  werden  diese  Arobaismea  durcbgangan, 
wie  aie  in  fiohreibnog,  in  Flesion  und  Verbindung  der 
Wörter  vorkommen.  Auch  sind  am  Schlufs  einige  Proben 
aus  älterem  Latein  (z.  B.  den  Zwöifta feigesetzen  u. 
Lieder  der  Arvaiischen  Brüderschaft,  Grabschrift  der 
Scipionen  n*  A.)  mitgetheilt  und  dem  Gänsen  ein  Aohaog 
beigefügt)  weither  Regeln  Uber  die  Construotion  der 
Wörter  eines  Satzes,  zum  Behuf  des  Uebersetzeas  iUI 
dem  Lateinischen  in  das  Deutsche  enthält.  Der  fönfte 
Abschnitt  enthält  die  eigenthumlich  lateinische  Wort- 
fÜ^nff)  worin  nach  einer  Uebersicht  von  den  Zeitalteni 
der  hiteiaiechen  l^rache  und  Angabe  der  in .  ein  jedes 
fallenden  Autoren  von  dem  eigenthQmlichen  Gebrauch  , 
der  Redetheile  (der  Substantive,  Adjective,  Pronominn, 
Verba  und  Partikeln),  von  der  Häufung  und  Weglassuog 
der  Wörter,  ven  der  Stellung  der  Wörter  wie  lierSWei 
▼on  de»  Perioden ,  von  den  eyntaktiechen  Figuren  >  hi 
den  fehlerhaften  Abweichungen  und  endlich  vom  riai* 
sehen  Kalender  gehandelt  wird» 

Der  dritte  Haipttheil  des  Ganzen  beschäftigt  6i(^h 
mit  der  Prosodik  und  Metrik ,  «o  dafe  in  jener  die  allge- 
meinen und  besondern  Regeln  nebet  den  Angubeti  ttbii 
dichterische  Freiheiten ,  vorgetragen  werden ;  in  diesf 
von  den  Versfüfsen,  von  dem  Verse  und  von  den  Vers- 
arten im  liitaaelnen  sowohl  als  in  VerbiadttQ|^  mebrenr 
derselben  in  Gedichten  gehandelt  wird. 


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Xitoia.  SebtlgnBnmtilt  tm  Krebt-Oeiit  Ito  A««.  1119 

Wir  haben,  am  voseren  Lesern  eine  Vorstellang^  v<hi 

der  Einrichtung  und  Anordnung;,  weiclie  der  Verf.  be- 
folgt hat,  zu  geben,  die  Beihefolge  def  einzehien  Ab- 
schniUe  geoau  aogegeben,  müs^ten  aber  die  Prüfung  des 
BinselneD  ans  denroben  bemerkten  Grunde  andern  Bläl<> 
tern  Oberlassen-.  Eben  so  wenig  Itfeoeo  \Yir  hier  Uber 
die  Anordnung  des  gesammten  SU^s,  der  freilich  zu 
manchen  Bemerkungen  bei  einzelnen  Lehrm  Veranlage 
sung  gehen  durfte,  uns  ausfühi licher  erklSren,  ohne  den 
uns  angewiesenen  Kaum  zu  überschreiten.  Wir  winschen 
Abrigans  dem  Verf.  Anerkennung  seiner  Leistungen  und 
«eines  rfihmlichen  Bestrebens »  ein  den  Unterricht  in  der 
lateinischen  Sprache  wesentlich  fSrtlern des  Hulfsbuch  zu 
liefern,  seinem  Werke  aber,  das  auch  in  Druck  und 
Papier  sehr  befriedigend  ausgefallen  ist,  und  dessen  Ge* 
brauch  ein  sehr  ausführliches  Register  erleichtert,  eine 
firanndliche  Aufnahme. 


II)  Lüi€inische  Schulgrammatik  %um  Gebrauche  für  alle  Kltw 
Ben  von  Johann  Philipp  Krebg,  Doct.  d,  Philos,  u.  Profmw 
ä,  aUen  Idter,  hmmogL  Gymnas,  su  IVeilhurg.  Dritte  ufn-^ 
§[9Uth€ii€te  Auegnhc  von  Dr.  Eduard  Gei«t,  G^wmmnaUehrer 
mmGkisen,  Giesaen  1833.  Druck  und  Vertag  aoa  Georg  tHedriük 
H<af0r,  Fater.  XU  mmd  S4S  &  m  gr,  ^ 

Die  hier  in  der  dritten  Auflage  anzuzeigende  Schul- 
graminatik  hat  sich  bereits  in  früheren  Auflagen  von 
leiten  ihrer  Brauchbarkeit  so  ben'ährt,  dafe  wir  nähere 
Bekanntschaft  mit  ihr  bei  den  Männern  von  Piach  wohl 
voraussetzen  dürfen,  und  also  hier  blos  die  Veränderun- 
gen in  der  Kürze  zu  bezeichnen  hahen ,  wodurch  die 
neue  Auflage,  deren  Bearbeitung  wir  der  einsichtsvollen 
Tfaätigkeit  des  Hrn.  .Dr.  Geist  verdanken ,  von  den  frü* 
heren  sich  unterscheidet  Dieser  näiillidi  hielt  vor  Allem 
die  Bestimmung  der  Grammatik  für  alle  Classen  fest; 
er  verwirft  die  Ansicht  derer,  welche  für  die  unteren 
Classen  ein  anderes  grammatisches  Lehrbuch  Terlangen, 
und  hält  ein  zwischen  den  ausfuhrlicheren  und  kleineren 
Grammatiken  in  der  Mitte  stehendes,  die  Bedürfnisse 


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1190     IiBtein.  SchnlgrummMJc  ?oii  Rrebt-Mil.  Ate  AoA, 

aller  Classen  gleichmäfsig^  berücksiGhti^endei  Lehrbuch 

fÄr  den  Schulg-ebrauch  am  geeignetsten;  höchstens  sejr 
für  die  allerersten  Anfangsgründe  ein  kurzer,  meist  blos 
Paradigmen  eolhalleoder  Ausziig-  nöthig;  Schülern  der 
obersten  Klasse  aber  wohl  räthUch ,  auch  ausführlichere 
GrammatikeD  nebenbei  kennen  zu  lernen.  Nach  diesen 
Grundsätze  ist  nun  auch  der  Verf.  bei  der  neuen  Bear- 
beitung dieser  Grammatik  verfahren,  welche  für  die 
verschiedenen  Ciassen  einer  und  derselben  Lehranstalt 
diep^  SolL  Der  Terständige  und  einsichtsvolle  Lehrer 
wird  dann  gewifs  auszuwählen  wi^en,  was  für  rine  jede 
Ciasse  bei  der  Benutzung  der  Grammatik  am  meisten 
nöthig  ist.  Der  Uebergaiig  von  einer  Grammatik  zur 
andern  beim  Schulunterricht  hat  manche  Unbequemlich- 
keiten und  zieht  sogar  manche  Nachtheiie  herbei,  die 
kein  aufmerksamer  Schulmann  übersehen  wird.  Aus  die« 
sem  Grunde  können  auch  \\\\  nicht  anders  als  diesea 
Ansichten  des  Verfs.  beistimmen. 

Im  etymologischen  Theil  finden  wir,  und  dies  mit 
Recht,  die  Bedürfnisse  der  untern  Ciassen  —  und  für 
diese  soll  ja  auch  die  Grammatik  seyn  mehr ,  als  in 
den  früheren  Auila<>en  geschehen  war,  herucksichtiigtt, 
es  werden  die  Paradigmen  so  vollständig  als  möglich 
geliefert  und  bei  allen  lateinischen  Wörtern, .  bei  Decli- 
nationen  und  Ckinjugationen  die  deutsche  Bedeutung  hin- 
zugeftigt ;  es  ward  endlich  auch  in  di&r  äufsern  Einrieb« 
tung  Manches  veräiulert,  um  die  Uehersicht  und  das 
Erlernen  zu  erleichtern,  wie  wir  denn  z.  B.  darunter  auch 
die  hier  vorgenommene  Abtheilung  nach  Capitel  rechneo; 
es  wurden  ferner  lexikalische  Uebersicbten  {  <lie  früfasr 
fehlten ,  beigeffigt  u.  A.  der  Art.  Als  die  wichtigsten  1^ 
Sätze  bezeichnet  der  Verf.  selber  S.  V:  eine  UebeisiclU 
der  Genitivbildnng  in  der  dritten  ÖecHnation ,  ein  Ver- 
zeichnifs  der  Defectwa  CmihuSy  vollständige  Augaiie 
der  Bildung  der  Perfecta  und  Supina,  Verzeichnila  der 
Deponentia^  der  Impersonalia,  der  Adverbien,  Präposi- 
tionen und  Conjunctioiien.  Dazu  kommt  noch  der  ebeafalls  . 
früher  vermifste  Abschnitt  über  die  Wortbildung, 

(Der  Be9€hluf8  folgt.} 


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N".  tl.    HEIDELB.  JAHRB.  u.  LITEHATÜR.  1833. 


lUu^  Sckulgramtnatik.  von  Krebs- Qeist.    Z.  AiM. 

*  ■ 

{  B  e  6  c  hluf  8.J  V 

« 

Im  andern )  syntaktischen  Theiie,  ist  zwar  auch 
die  frühere  Anordnung:  beibehalten  worden  und  konnte 
attch  nicht  füglich  g^eändert  werden;  doch  finden  wir 
auch  hier  manche  Aenderüngenf,  welche  die  Rücksicht 
auf  den  Schuigehraiich  zu  erforflern  schien.    Dahin  ge- 
hört das  rühmliche  Streben  na(  h  grölserer  Kürze  und 
Deutlichkeit  im  Vorfrage  der  Regein ,  und  dabei  insbe- 
sondere auf  das  Bedeutendere  hinzuweisen,  oder  viel* 
mehr  das  Bedeutendere  vor  dem  minder  iVichtigen  be- 
meiklich  zu  machon.    Dadurch  aber  ward  es  QÖthig.i 
einzelne  Regeln  umzustellen,  andere  ganz  nea  zu  bear- 
beiten 'und  dergL  m.    An  die  Stelle  des  nun  weg'gefal- 
ienen  Anhangs  von  der  Constroctibn  der  Wdrter  sind 
zwei  neue  Abschnitte  gekommen,  der  eine  über  Bedeu-* 
tung  und  (»ehiauch  einiger  liesonders  wicbti*^en  P;irti- 
el  n ,  der  andere  über  die  grammatischen  Figuren. 
Die  den  einzelnen  Regeln  beigefi)gten  Beij^piele  haben 
keine  wesentliche  Veränderung  erlitten;  auch  die  kriti-^ 
aefcreii  and  artdern  Bemerkungen  sowie  die  Verwetsungeii 
auf  Schriften  neuerer  Gelehrten,   die  nach  dem  ersten 
Plane  des  Hrn.  Verfs.  als  zu  einer  Schul^rammatik  un- 
passend,  wegfallen  sollten,  sind  geblieben  aus  Rück-^ 
stchlflii,  die  wir  vollkommea  billigen  missen,  da  wir 
im  Geg^entheil  ihr  Wegfallen  bei  dem  mannichfachen 
Nutzen-,    den  solciie  V^erweisungen  immerhin  gewähren 
können,  als  einen  Nachtheil  betrachtet  haben  würden. 
Im  Ganzen  werden  sich  überhaupt  wenig  Stellen  ünden, 
in  denen  nicht  die  bessernde,  berichtigende  und  jrer« 
mehrende  Hand  des  Hrn.  VerK  bemerMich  wäre,  der 
Alles  gethan  hat,   um  seiner  Grammatik  in  der  neuen 
Gestalt  möglichste  Voltendung  zu  geben,  der  daher  auch 

XlLVl.  Jahrir.  IL  Heft.  ?1 

♦  - 

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■ 

im  GcrlBcli,  Lateinische  ScliulgraimniUllr. 

alle  seither  erschienenen  Grammatiken,  so  wie  andere 
darauf  bezügliche  Schriften  sorgfällig  für  seinen  Zweck, 
80  weit  es  dienlich  walTi  beuutet  hat  So  hoffen  wir 
denn  mit  dem  Verf.,  ^^dals  die  RreBaische  Grammatft 
auch  in  ihrer  neuen  Gestalt  unter  ähnlichen  Werken  ihren 
Platz  behaupten  und  beim  Jugendunterricht  mit  Erfolg 
werde  gebraucht  werden  können."  Bio  auafuhrliches 
Woriregisler  erleichlert  deu  Gebrauch« 


IH)  La  t  ci  n  t  s  c  he  Schulgrammatik  für  A  nfün^er  un  d  Geübitfe 
von  F.  D.  Ger  lach.  Erste  JbtheUung.  Formenlehre. 
Zweite  JbiheUung,  Syntax.  Ua$el,  in  der  Sckweigbäuset' 
»eken  BuehhandL   1839.   XU  v.  178.  52  S.    FlII  u  278     in  8» 

Der  Verf.  ciitschlofs  sich  zur  Herausgabe  diefcr 
Schulgrannnalik  in  Folge  einer  von  Seiten  der  V  erl^gs- 
bttcbhandlung  an  ihn  gestellten  Aufforderung  um  8o  eheri 
al«  er  selbst  schon  seit  längerer  Zeil  mit  Ausarbekos; 
etiles  umfassenden  LebirbuchS  der  lateinischen  Sprachs 
beschäftigt  war,  als  dessen  Vorläufer  wir  nun  gewisser- 
mafsen  dieses  Werk  betrachten  können.  Bei  dem  jetzigen 
Standpunkt  der  lateinischen  Grammatik  und  allen  den 
daraitf  gerichteten  Forschungen  wird  das  Hauptgeschift 
das  Herausgebers  einer  f&r  den  Schnlgebraneh  besttnun- 
ten  Grammatik  auf  Methodik  und  geschickte  Anordouug 
so  wie  auf  zweckmäfsige  Kehaudlung  des  vorhandenen 
Stoffs  gerichtet  seyn  müssen,  und  eben  aus  diesem Gruode 
Wird  vorliegende  Scbulgrarnnsatik  neben  ihren  feabkrei- 
chen  Schwestern  besondere  Aufmerksamkeit  rerdiensS) 
indem  sie  neben  der  zweckmäfsigen  Einrichtung  und  As- 
Ordnung  des  Ganzen  auch  durch  einen  klaren  und  fafs* 
lichefi  Vortrag  sich  auszeichnet,  und  darum  einen  sichern 
nnd  vielfachen  Nutzen  bei  dem  Unterriebt  venpricbt 
Allerdings  Ist,  wie  der  Hr.  Verf«  in  der  Vorrede  ririitif 
bemerkt,  nur  eine  zwiefache  Abstufung  des  UnterrieMi 
denkbar,  wovon  die  erste  sich  rein  an  die  geschichtliche 
Auffessttttg  des  Gegebenen  hält,  die  zweite  dagegen  mehr 
den  Innern  Zusammenhang  der  Sprachgeselae,  theUsis 


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der  allgemeinen  Sprachlehre,  theils  in  der  Eigenthüm- 
Uchkeit  der  besondern  Sprache  und  des  SchriftMteHers 
Dachzuweisen  hal^  jeoe  sÜHzt  ^ch  insbesondere  auf  daa 
Gedächtnifa,  «od  wird  ohne  dessen  HCife  atets  mangd- 
liftft  bleiben;  aileb  hal  die  VeroaohUasigung  wohl  geord- 
neter GeddchtnIfelibHngen  grofee  Nacbtheile  bei  dem 
Unterricht  hervorgebracht,  und  wird  sie  überall  hervor- 
bringen, wo  sie  nicht  in  dem  g-ehörigen  Grade  beröck- 
sichtigt  wird.  Und  wenn  in  dieser  Beziehung  der  Verf. 
&  V.  unter  Anderin  bemerkt:  „welchen  grofsen  Einflufa 
BameDllich  wohlgeordnete  Gedächtnifattbungen  auf  die 
ganse  innere  Anabildung  auatiben ,  liat  die  neuere  Päda- 
gogik fast  ganz  verkannt,''  so  hat  er  ieliler  ein  wahrea 
Wort  geredet,  und  es  gehört  dies  mit  zn  den  beklagens- 
vkerthen  Erscheinungen  und  Verirrungen  unserer  verbii'* 
daten  Seit,  die  in  ihrem  elenden  SelbatdAnkel  nichts  mehi^ 
acheut  ala  Mfthe  und  dar  nichta  leichter  iai,  ala  übeir 
Allea  abzusprechen.  Man  zog  es  nSmlich  vor,  statt  der 
f&r  petlantisch  und  altmodisch  verschrieenen  Gedächt- 
nifsitbüfigen,  den  andern  Weg,  den  sogenannten  philo- 
sophischen, einzugehen,  es  sollte  dem  Knaben  philpao^ 
iphiach  Allea  begreiflich  gemacht  «erden,  er  aotite  den 
Grund  einer  jeden  Sache  begreifen  lernen,  er  aoUte  ao 
zum  Seibatdenken  angeleitet  wertlen  iiber  Gegenstände, 
deren  tiefere  Auffassung  ein  gründlich-historisches  Wissen 
voraussetzt,  das  ihm  noch  abgeht,  und  eine  gewisse  phi- 
losophische Bildung,  die  aelbat  nur  daa  Produkt  einer 
gut  gnleit^tfMi  JSralehung  und  einer  gewiaaen  Reife  der 
Jahre  aeyn  kmm*  Man  braucht  nur  aelbat  ala  tiehret  in 
dem  Falle  gewesen  zu  seyn,  einer  solchen  Methode  beim 
Unterricht  zu  folgen ,  man  wird  bald  sich  überzeugt , 
haben,  wie  wenig  dabei  herauskommt,  wie  der  Schüler, 
in  den  Elementen  und  in  allen  Formen  vernachlässigt, 
demungeachtet  über  Allea,  waa  er  nicht  i^eifo  ufid  nicht 
•verateht,  wegzuräsonnireu  angelernt  wird,  was  unaere^ 
Erachtens  für  ihn  selbst  und  seine  ganze  folgende  Bil- 
dung weit  nachtheiliger  ist,  als  wenn  er  gar  nichts  ge- 
lernt hätte«   Dhimit  iat  nun  aber  nicht  geaagt^  ala  weaa 


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Gerlach,  Lateinische  Schulgramniatilf. 


hei  der  andern  Metbode  jene  GedSchtnifsöbiingen  rein 
mecbauisch  sej'n  sollten.    Gerade  das  Geistlose,  was  deo 
Gegnern  dieser  Methode  Anlafs  zu  Tadel  i^egeben ,  soll 
durch  eine  sweekmäßiigfe  Behandln ng;swei§e  Termieden 
werden.    „Es  soll  (wir  gebraueben  bier  gern  die  Worte 
des  Verfs.)  vielmehr  durch  passende  Zusammensteliiiog 
des  Gleichartigen  eben  ein  inneres  liewurslseyn  der 
Spracbgesetso  erstBUgt  werden,  weloheft  höher  anMschla- 
gen ,  als  alles  angelehrte  Risonnement"    Wir  Qhergebeft 
die  Yon  diesem  Standpunkt  ausgehenden  weiteren  Be- 
merkungen des  Verfs.  über  den  zweckmäfsigeri  Gebrauch 
seiner  Grammatik  beim  Scbuigebrauch ,  und  fli:  dies* 
falsigf^n  Anweisungen,  die  er  dem  Liehrer  giebt^  wir 
bilten.  diese  lieber  beim  Verf.  selber  nachmlesen,  der 
übrigens  in  der  Anordnung  des  Stoflb  der  gewMi»- 
licbtn  Ordfiiing  folgt,  ohne  dafs  wir  jedoch  irgendwo 
die  deutlichen   Beweise  gründlicher  Erforschung  der 
Sprachgesetze  in  dem  fafslichen,  dem  G^ichtskreis  des 
Schillers  angemessenen  Vortrag  vermissen.    Von  einer 
Zugabe  von  Beispielen  oder  Betegen  bei  den  einzelueR 
Lehren  (wie  sie  uns  das  gröfsere  Lehrbuch,   das  der 
Verf.  beabsichtigt,  wohl  erwarten  läfst)  konnte  natürlich 
in  vorliegendem  Theile  der  Formenlehre  nichl  wohl  die 
Bede  seyn,'  doch  findet  sich  bei  der  Lehre  Von  des 
Zahlwdrtern,  Pronominen  und  Partieipien,  die  aller» 
dings  ohne  Einsicht  der  Anwendung  in  den  einzelnen 
Stellen  nicht  wold  verstanden  und  vollkommen  begriffen 
werden  kann,  eine  aus  den  besten  Schriftstellern  zweck» 
mfifsig  zusammengetragene  Auswahl  von  Belspi^ettv  dii^ 
wenn  sie  der  Lehrer  betifi  Unterricht  mit  seinen  4Sclil" 
lern  analysirt,  gewifs  von  wesentlichen  Nutzen  seyn  wird. 
Die  Abwandlung  der  Nenn-  und  Zeitwörter  ist  io  einem 
eignen  Abschnitt  am  Schlüsse  angehängt. 

Bei  dem  zweiten  Theii,  welcher  die  Syntax 
enthalt ,  ivar  des  Verfs.  Streben  vor  Allem  darauf  ge- 
richtet, die  Gesetze  der  Wortfügung  möglichst  klar, 
bestimmt  und  <ieutlich  vorzulegen,  jedoch  nicht  aul 
Kosten  tier  Griindlichkeit  ^  im  Gegenthoil  soll  darck. 


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« 

Gerlacli,  UileUi^lie  SchulgrammfiÜk.  «lUft 

A (101(1  II uti|i^  und  Zu$fainiii(>n8telluu^  cle»  Schülers  eigenes 
.Vachderikeri  geweckt  und  gefordert,  dadurch  aber  die 
richtige  Auffassung  der  Regei  erleichtert , werden.  Dazu 
(litßDtauch  die  mit  vieler  Sorgfalt  und  Umsicht  hier  ge- 
troffene Aiifiwahl  von  Beispielen,  die  einer  jeden  Regel 
beigegeben  hiiid;  aus  ilinen  soll  sich  der  Schüler  die 
Regel  recht  anschaulich  inachen.  Dafs  der  Verf.  die 
zahlreichen  V  orgänger  auf  diesem  Felde  theii weise  benutzt 
hat,  wird  ihm  O^iemand  verargen,  da  er  es  auch  offea 
in  der  Vorrede  erkUrt;  warum  sollte  das  Gute  und  Rich- 
tige, das  Andere  bereits  erkannt,  verworfen  oder  Ijei 
Seite  gelegt  werden?  Aber  man  wird  auch  manches 
Eigeatbumliche  finden,  das  Resultat  umfassenderer  Por- 
sehun^fMi,  die  uns  in  einem  gröfseren  Lehrbuch,  womit 
der  Verf.  umg«ht,  dereinst  mitgetheilt  werden  sollen. 
Dafs  wir  der  Erscheinung  fliese«  umfassenderen  Werkes 
mit  grofsem  Verlangen  entwr^efiselieu ,  brauchen  wir 
unsere  Leser  wohl  nicht  noch  besonders  zu  versichern; 
wir  wünschen  aber  dem  Streben  des  Verfs.,  der  ein  Buch 
zu  liefern  suchte j  welches  zwischen  ekier  rein  empiri- 
schen und  einer  streng  scientifischen  Darstellung  der  . 
Syntax  die  richiige  Mitte  halten. soll ^  die  wohlverdiente 
Anerkennung  und  Beachtung. 

Was  den  Inhalt  der  zweiten  Abtheilung  und  die  An- 
ordnung des  Ganzen  betrifik,  so  folgtauf  die  Lehre  der 
Verbindung  von  Subject  und  Prädicat,  die  Lehre  der 
siozelnen  Casus  (Nominativ,' Accusativ,  D«iüv  ,  Ablativ, 
Genitiv) ,  dann ,  riach  einem  kurzen  AbsclBiitt  über  die 
fiodeutung  der  Verbalformen,  die  Lehre  vom  Gebrauch 
der  Tempora,  Participia,  des  Supinums  und  Infinitivs, 
dann  des  Imperativs,  Indicativs  und  Conjunctlvs;  dann, 
die  Lehre  von  der  V  eibindung  der  Sätze,  insbesondere 
durch  Relativa,  dann  von  Copulativsätzen ,  Disjunctiy- 
sätzea,  Folgerungssätzen,  Adversativsätzen,  Comparativ- 
sftteen,  Satze  mit  Zeitpartikeln,  Causalsät^e,  Absichla- 
und  Folgesätze,  Ooncessiv-,  Cöoditional -  und  Interro- 
gativsätzen, nehbt  einem  Anhang  über  Periodeubau^ 
griliiiaiatische  Figuren,  Prosodik  uud  Metrit^. 


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IIM  Prognniiiio  ali«r  Clc«ro 

Ad  examina  holemnia  in  gymnasio  Hanovicnsi,  ivvitat  Dr.  Augu- 
8tu8  Fe  r  diu  au  d  US  Sold  an.  Praemissae  sunt  quaestioues 
criticae  in  Ciceronia  orationcm  pro  Li^ario.  Hannoviae, 
ex  officina  t^pographica  orphanotropJtei,  MDCCCXXXIII,  2d  6. 
in  groß  4.  ' 

Actus  solennes  gymnasii  regii  Tlipontini  prid.  CuUnd.  Scptcmbr. 
MDCCCXXX.  rite  hahendos  indicit  Ernestus  V  ict  or  Kduar  - 
tius  Vügfsl,  in  schola  Latina  cum  f^ymnasio  juncta  primae  claibii 
prucceptor.  P  r  aemit  t  unt  ur  o  b  s  c  r  v  a  t  ion  e  $  ad  aliquot  ti- 
ceroni$  locoB,  Bipgnti,  tifpi»  üitUrianiM,  MfiC(!CXXX»  ^ 
in  gr,  4. 

JHu9  90lmmmjggmm.  regü  BipomihU  dU  Aug,  MDCCCXXXU. 
nie  ktAmidoM  —  imdkU  Joannen  H^nrieue  Hertel^  gf/mimH 
reUür  «f  proftnor.  Praemiitiiur  parietüM  leellent«  ui 
M.  T.  CicßreniB  Tu9üulana$  ditputationes,  excerpta  e  co- 

OrMi  editione  diligentimm€  •Mifuf».  Pm*  , 
tjoiil0  I,  eodieit  nvtiütm  et  Hin'  pHm^.  varim  hefunm  «pfttM. 

4}  Lecliffsft  T»m«sae.  SeriptÜ  Jmt9nin$  Bauwut arh.  (Qui- 
tk$  tM»  9ghmmia  gywmatn  RfOwgetwU  —  imdkUNMamiiehMit' 
mr,  gymnoMÜ  i^wifootu9).  Friburgi,  typia  FHdcnci  WagneH,  IStt. 
52  51  in  8. 

Index  ac  reccnsio  aliquot  codi  cum  Mss.  in  Lycei  Constan- 
tiensis  bibliotheca  repositorum  nec  non  Cic^ronianae  lectionit 
specimina  e  cod.  nostro  desumta  notisque  iritici^  instructe.  Pro- 
gramma  j  quo  •  ad  examina  autumii(dia  —  perhunmniter  invitnl 
Franci»cu»  IVeifsgerber,  philol.  in  lyceo  Prof-  societati  Bi- 
burg, hist.  scrut.  adicriptua.  Vonataniiaa:  ad  luLum  ßodüu»  Ss 
^ißcma  Bßmnharfiiana^  MDCCCXXXil,  U  S,  in  8. 

Wir  verbinden  hier  mit  einander  eine  Reihe  voa 
PrograoiDien ,  welche  sich  sämmtiicb  auf  Krllik  und  Er- 
klärong  des  Cicevo  beziehen  wi  im  dieser  Hiaetoht 
schätzbare  Beitrfige  mthalten»  die  w>hl  racdi  ehen 
gröfseren  PnUftam  bekannt  n  werden  wMimeii. 

No.  1.  Der  uns  bereits  durch  andere  Leistnng-en  auf 
dem  Gebiete  der  Römischen  Literatur  r&hmlichst  be- 
Icannte  Verf.  behandelt  eine  Reihe  Ton  Stellen  der  Rede 
Pro  Ligurhj  in  kritisch -exegetischer  Hinsicht,  womU 

sich  manche  schatzbare  grammatische  uutl  sprachliche 
Bemerkungen  verbinden.  Für  die  Kritik  benutzte  l>©r- 
ielbe  die  Coliationen  zweier  Hsiadscliriftea  der  Wolfen- 


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voo  boldan,  Vogel,  Hertel,  Baumstark  u.  Wcifsgerbcr.  1127 

bttUler  Bibliothek,  des  Cod.  Gudianus  II,  der  au«  dem 
vierzehaten  J«hrhiindert  stammt  und  ohne  Zweifel  zu  <i«n 
▼orallgiiehereii  Handsehrifloii  Cicero's  gehdrt,  wie  auch 
emtie  öftere  Uebereinetimmuog  mit  4m  Erfurter  Codex 

beurkundet,  uad  einer  ehedem  Helmstädt'scheu  Hand- 
schrift aus  ilem  fünfzehnten  Jahrhundert  ¥on  untergeord- 
netem Werthe.  Dabei  wurden  die  verschiecUoeu  äUereo 
und  neueren  Ausgaben  «orgfähig'  zu  Rathe  gezogen,' jaod 

■dl«  ▼mchiedeDeii  Bearbeiter  dieses  Rede  b^agt,  so 
dafs  wir  in  der  Vollstäiidigkeit  der  krilifichen  Behaod* 
lung  Nichts  vermissen.  Mit  Umsicht  und  B€SoiHieaheit 
prüfend  ist  der  Verf.  iiberali  auf  Wiederherstellung  des 
iirsprftagiichea  Textes  bedacht ,  nach  der  Grundlage  der 

'auf  uns  g;ckemDieBeii  Handscbriftea  und  ohne  wilfiiiihr* 
liohe  ll^euerQDgssuoht;  was  in  «ns  den  Wunsch  err^t 

4ittt,  Ten  dem  Verf.  dereinst  eine  YolletSndige  Bearbei- 
tung dieser  Rede,  so  wie  der  Rede  Pro  Dcjütaro  ^  wo- 
mit sich  Derselbe,  wie  wir  aus  dem  Vorwort  ersehen, 
schon  längere  Zeit  beschäftigt  hat ,  zu  erhalten.    In  vor- 
lie^^endem  Programm  werd«n  folgende  Stellen  in  mehr 
oder  minder  aiwfllhrileher  Weise  behandelt :  Cap.  1.  §.  1. 
(wo  tcf  In  den  Worten  »westigaium  €»i  id,  qMd  iaie-' 
bat  vertheidigt  und  beibehalten  wird),  I,  §.  2,  wo  der 
Verf.  sich  für  die  Lesart:  8ed  tarnen  hoc  conJUetdem 
für  ita  ow^tentem  entscheidet  und  gleich  darauf  für 
^«  enim  Ligatma,  wo^  f;ewMinlieh       igUur  l^ß* 
rAis;  auch  die  Lesart:  „Legatm  m  jäfrkHxm  cum  C. 
Conaidio  profectu»  est  "  wo  etnijg^e  HnndschrviUm 
cum  Consule  Comidio ,  andere  cujh  proconhulc 
Conaidio,  wird  mit  überwiegenden  Gründen  gerechtfer- 
tigt.      II,  §.6.  wird  quum  prodo  vertheidigt,  wofür 
Andere  pröbo  haben,  und  über  die  Lesart fooe  im  Ver- 
folg ,  sowie  'über  die  Stellang  des  ProniNnep  hoc  Einige« 
•bemerkt  —  II,  §.8,  wo  die  Lesart:  „n&n  dmbHem  -ift- 
c^re,  de  Ligarn  non  audeam  cenßleri"  vertheidigt 
wird,  um  so  mehr,  da  die  Autorität  der  besseren  Hand- 
schriften dafUr  spricht.  —  IV.  Haec  admirahilia  sunt  etc, 
liäjt  'ea  der  Verf.  aip  beslen,  dein  Vext  iron  W^sli^  «n^ 


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Fjrugraiume  üh«r  Cicero 

Orelli  zu  folgen.  —  IV,  §.11,  wo  der  Veif.  im  Gansteo 
der  Lesart  von  Schütz  und  Orelli  Ueilrill.  —  V, 
§.  13.  hall  der  Verf.  tgmeeai  für  besser  als  das  gs-  ^ 
ivöhnitche  Ignoscaktr^  und  eben  so  gleich  darauf  durm 

für  licliligci  als  das  von  Eini^eu  aufgenommene  gra- 
vius.  —  Cap.  VIL  §.  20.  wird  die  Vui^ata:  „A'erf 
tarnen  Ligarium  senatum  iäem  legaverat"  verlh ei- 
digt. §.  21.  hält  der  Verf.  für  agebat  im  Ganzen  rieh* 
tiger  agebani  uod  vertheidigt  gleich  darauf  ipsarum*  ' 
Mit  Ausführlichkeit  wird  Cag.  VIII.  §.  24.  behandelt  | 
uud  eben  so  IX,  §.  20.  (wo  die  Beibehaltung-  von  par- 
tibus  in  Schutz  ^enomiiH  n  wird.  Dageg^eu  XI,  §.  31. 
hält  es  der  \  erk\  iür  geratliener,  roguntium  wegzuiasseo. 
—  XII,  §.  35.  wird  zwar  tum  (in  den  .Worten  qualk 
tum  T.  Ligarm»  quaeator  urbanus  fuerii  erga  l«j 
vertheidigt,  aber  in  den  folgenden  Worten  hält  es  der 

^  Verf.  fui  besser,  cogilanlcui  zu  strtiichen.  —  Cap.  XIL 
§.  36,  wo  die  Vulgata  „nisi  ut  in  eum  tui  i^ludiosum 
et  bonum  virum  Judicares"  in  Schutz  genommen  wird. 
Bei»der  kritischen  Erörterung  dieser  Steile  kommt  der 

.  Verf;  auch  auf  manche  Punkte  der  Grammatik  und  des 
Sprachgebrattchs $  wir  erinnern  hier  nur  Beispieldhalber 
an  die  Bemerkung  S.  7.  über  den  Gebrauch  des  Piono- 
men  Ts  und  das  Schwankende  in  den  Bestimmungen  der 
neueren  Grammatiker  darüber;  S.  9«  über  den  Gebrauch 
von  enitn  oder  S.  20.  über  ^uamquam. mit  folgendem 
Coigunctiv;  Auch  Ober  legatua  uatl  legaiio  fiadep  sieh 
nähere  Nach  Weisungen  S.  16.  —  Am  Schlufs  Ist  die 
vollständige  CoUation  des  Coiiex  Gudianus  mit  dem  Orel- 
li sehen  Texte  mitgetheiit. 

.  No,  2.  verdient  mit  gleichem  flechte  als  ein  schätz- 
barer Beitrag  zur  Erklärung  des  Cicero  bezeichnet  is 
werden  I  da  wir  hier  eine  gleich  umfassende  und  «ib- 
sichtige  Behandlung  des  Gegenstandes,  verbanden  mit 
gründlicher  Sprachkenntnifs ,  die  sich  in  mancheu  für 
Grammatik  uud  Sprachgebrauch  nicht  unwichtigen  Be- 
merkungen beurkundet,  antreffen«    Die  einzelnen  Stel-  | 

len^  die  hier  beb<indeU  werden,  sind  ans  versehiedenen 


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4 


von  Sol4aa*  Vogel,  Ucrtol,  IlMiiiwtiitk  u.  Woiftgerbcr.  11X9 

fidurifle»  Cicero'8  i^eoömmeOf  ihre  lärärtening  giebt 
Geh'genheit  zu  -  mHoehen  andern  Bemerkungen  ,  oder 

Erörterung^  anderer,  geltigeutlich  angelührten  Stellea. 
Zuerst  wird  bt-liandell  Brut.  l\%  §.  16,  wo  der  Verf.  in 
der  KrkiäruQg  xier  Worte  ex  Jiovk  fructibus  dieSciiüizi- 
$che  Erklärung  rorsieht,  und  insbesondere  den  Sinn  und 
die  Bedeutung  der  Worie:  exuaiusque  flo9  aiii 
veterie  uberiettia  exaruit,  welche  so  vielfach  An«. 
Stöfs  bei  (ieu  Kritikern  erregt  haben,  näher  zu  erörtmi 
bemuht  ist.  Eine  eben  8o  ausfuhrliche  Erörteruiig  ii^t 
der  Steile  V,  §.  19,  zu  Theil  geworden.  —  In  Cap.  V, 
^21.  will  der  Verf.  mit  Wetzei  statt:  mä  sane,  m 

.pai€9^  Ubera  lieber  lesen:  aui  plane,  ai potea,  Vbera, 
Qod  die  von  ihm  beigebrachten  Stellen  sprechen  aller- 
dings für  diese  Lesart.  —  Vill,  §.33.  vertheidigt  der 
Verf.  die  Vulgata :  „verumtatnen  nulura  uu/f^is  lum 
(Andere  tunc)  ccmique  nowmnquum  quam  aul  (An- 
dere haud)  vfüione  aUqua  auf  (ullo)  Observation^ 

ßabair  _  XXX,  &  114.  vertheidigt  der  Verf  gleich-  . 
falls  die  Vulgata  phnoaophmtm  de  'ae  ipaorum  ophuo  . 
u.  s.  w.  —  XL.  §.  147.  schlägt  der  Verf.  vor,  zu  lesen: 
quo  utebaiur  perfamiiiariler  Scaevola  nosler ;  ilage- 
gea  XLVL  §.  llk.  hält  auch  er  die  bereits  von  meh- 
rern  aodfMrn  Kritikern  verdächtigten  Worte:  ict  est,  ad 
naairt^a  revertanmr  für  ein  uonfitxes  Glossem,  und  sucht 
darauf  zu  zeigen,  wie  solche  erklärende  mit  einem  id 
est  eingeleiteten  Zusätze  in  Cicero's  rhetorischen  und 
philosophischen  Schriften  meist  richtig  sey<^n  und  V  er- 
dacht erregen  dürften,  was  z.  B.  in  den  Episteln  schon 
weit  eher  der  Fall  sey;  wofür  denn  auch  die  Gründe 
aogieAhrt  werden,  nebst  einer  Brdrtemng  S.  15.  Aber 
die  andern  Bedeutungen  und  Beziehungen,  in  welchen 
Cict  i  ü  ein  id  est  oder  hoc  est  anzuwenden  pflegt,  ins- 
besondere häufig  soll  es  mit  dem  darauf  folgenden  Zusatz 
der  Rede  eine  gewisse  Kraft  und  Eleganz  verleihen, 
und  dient  «laher  bald  zur  Ironie,  bald  -zuni  Gegensatz, 
<Nler  auch  e^  wird  fast  ganz  gieichbedenteud  mit  dem 
ßipf^cben  Cap.  LVl,  f.  204,  ^^ieht  es  der  Verf. 


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illMI  .  Prag ffMMie  Aker  €i«ero 

inil  Bll6ailt  (wie  frOher  sohaa  Schate  ▼emuitlnl^ 

Bu  lesen:  „ui  laocrcUem  m  aeerrimo  ingenio  Theo« 
pompi  et  lentissi/no  (fQr  lenissimo)  Ephori  di- 
xiase  $radiium  est'*  —  LVIU,  §.212,  erklärt  sieb  der 
Verf.  gegien  den  von  Orelli  var|^schlageoeii  Zusate  oon- 
mdares  nach  den  Worten  2  cujus  qmaiuor  ßUL  —  In 
der  Stelle  LXV,  §.  288.  wird  im  Ganzen  ^ie  Vulg^ata 
vertheidigt  und  der  schnelle  Uebergaog'  von  einer  Coii- 
struction  in  die  andere  oder  Tieluiehr  die  Abwechsluog  , 
fai  derselben  durch  mehrere  geelg^nete  Beispiele  ilacbga-  ' 
wieaen*    Uebrigena  sireichl  auch  yn^er  Vevf»,  «od  «war  • 
mit* Recht,  -das  mnftehla  quad  vw  den  Werten:  gradm  I 
tuos  et  quasi  progressus  etc,  —   LXXXIV,  §.  289. 
seigt  der  Verf.  die  Schwierigkeit^  das  Wert  etantem  \ 
fsfSed  in  coniHium  veniant,  ad  »ianiem  judicem  dh 
^wd  €tcr)  befriedigend  «1  erkIftfeO)  mid  eehlägt  daher 
lieber  ^or  bu  kaens  ad  o^eitmniem  judwenu  —  In 
der  Stelle  ad  Attic.  1 ,  16.  §.  12.  schlägt  Derselbe  vor« 
statt  ,,quacum  abiem  comulatu  sum  domrnn  reduotus" 
m  lesen:  quae  quum  abiem  conaula tu  etc.,  und  in 
4er  (Steile  In  Verrem  Act  IL  Üb.  11^  M.  §.  13&  wüi 
er  für  aeei  dct^c  iltedbei*  lesen  aeeedere  (bei  welehw 
Gelegenheit  auch  gute  Bemerkungen  über  <len  Gebrauch 
ven  excedere  und  intueri).     In  der  Steile  De  Nat 
Deerr.  11,4,  ^  12  :  ,^l4aque  mter  onmes  mnnum  gm- 
tum  3umma  eweUU;  onmäma  mim         etkninl  «kr 
Verf.  Bwaf  loa  Ganzen  der  you  Vieterina  Vergesehtageoeo 
Interpunction  dei  Stelle  bei,  jedoch  mit  Beibehaltung 
des  von  Victorius  verworfenen  Wortes  Summa,  nnd  des- 
halb macht  er  den  Vorschlag,  die  Stelle  lieber  aa  m 
lesen  und  abeiithellen :  „liaqiue  bder  omneä  eüiiiwnw  ' 
.  genihm  summe  <semiai  (onm^nm  emm  dumlMm  all  . 
ei  hi  ankno  quasi  iasculptum ) ,    esse  Deas"    Fir  | 
Summe  spricht  die  Stelle  der  Rede  Pro  Quinct.  XIX.  ; 
§.  61.    In  einer  andern  Steile  derselben  Schrift  De  alt  : 
Peorr.  I,  8.  §.24,  welche  bei  dieaer  Gelegenheit  a«- 
f&hrÜcher  behandelt  wird,  erklärt  sieh  der  Verf.  gagan  \ 
Qreliii  i|nd  vertheidigt  die  Wei  te;  nulla  geita  est  neqae 


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VOM  Soliian,  Vogel,  Rertol,  Bmwilart  n«  W«ibgerlier.  IWH 

tarn  majisuei wo  Orelli  immansueta  aufgeuotn- 
men  haUei  wa»  unser  Verf.  als  unciceroiiianisch  yerwirft, 
ittdem  Cicero,  wem  er  (wie  Orelli  behauptet)  eine  Sie»- 
gerung  hier  hüte  «Bwendeo  woileD,  Heber  dafür  ein 
Imn  fera^  tarn  hnmania  fresetet  haben  wUrde.  De 
republ.  I,  20.  §.  33.  weist  der  Verf  zuvörderst  aus  »neh- 
rern  ähnlichen  Stellen  nach,  wie  wir  an  den  Worten 
rogemm  —  quaeretnus  lehnen  Anstofs  n^lunen  dürfen, 
imlem  nun  Mieren  in  ähnlicher  Weite  aef  den  CotgtmcÜT 
Phi<!seniie  da«  Futonun  Indtcatiiri  folge.    Die  aficbatfoU 
g^enden  Worte :  spero  nos  ad  haec  ipsa  via  perve»- 
turos  «ind  nach  dem  Verf.  80  aafzufasssen :  spero  nos 
fenrnduros  vid  (d.i.  ratume  et  ordme  rei  accoma- 
Ado)  ad  hmee  Ipaa  —  quae  nunc  mHmi.    In  ftha* 
Kcher  Weise  koimnt  vid  bei  Cieevo  De  finn.  II,  14.  $.44. 
vor;  und  darum  vertheidigt  auch  der  Verf.  in  dei  Stelle 
De  Legg.  I,  13.  §.  37.  das  von  andern  Kritikern  be- 
•trilteiie  oder  fQr  unciceronianiach  gehaltene  Her  aer- 
ffioim,  mit  ROcIisichC  aaf  .De  orat.  II,  &7.  §.  234,  wo 
wir  Miere  di$pM§aitoniB  linden.   Der  Verfinser  ergreift 
diese  Gelegenheit,  um  an  einer  Reihe  von  Stelhn  zu 
zeigen,  wie  mifblich  es  sey,  einzelne  Auvsdrücke  oder 
Redensarten  als  anciceronianisch  zu  bezeichnen,  woAr 
rieh  doch  Belege  und  Beweise  bei  näherer  Untersnchaag 
aUlBnden  laam,  wie  dies  in  den  fiiafaeha  hier  aufge* 
Ahrlen  Stellen  der  Fall  ist,  wo  man  wider  allen  P'ug 
und  Recht  den  Text  in  der  Meinung  änderte,  derselbe 
enthaile  eine  niciit  ciceronianische  Ausdrucks  weise«  Wir 
Manen  darane  lernen,  mit  welcher  Vorsiclii  omui  aolche 
ITrtbeHe  eieh  erlanben  soll. 

No.  3.  giebt  zuvörderst  eine  sehr  genaue  Beschrei- 
bung einer  in  der  Zweibrficker Gymnasiunigbibliothelc  be- 
findifohen  und  von  den  Zweibrücke rn  Herausgebern  des 
Oieem,  die  eich  iaat  -gana  an  Braestia  Jlecension  hielten, 
ao  gut  wie  gar  nieht  beaalden  Handaehrift  Jer  Tue- 
cula  H'en  Cicero'S.  Die  Handschrift,  welche  dasgatise 
Werk  vollständig  entiiält,  ist  sehr  scfiÖn  geschrieben 
Ufid  sqU  amtlitiiaieilitoli  apch  vor  <h»s  dreia«it|n|eMirtinad^rt 


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t 

* 

IIIS  X  ProjgMHmte  dlMr  Cic«f0 

gehören.  Weitere  Vermuthungeii  über  clen  Ort,  Hid 
die  Zelt,  wo  und  wann  die  Handschi  itt  gescliriebeo, 
wagt  der  Verf.  aus  Mangel  an  Daten  eben  so  wenig  ak 
über  deo  Schreiber  oder  ar^prungiichea  Besitzer  der- 
selbeo.  fkost  werden  wir  sorgfältig  über  die  Beschaf- 
fenheit der  Handschrift  und  die  darib  befolgte  S^hrri* 
bung,  Orthographie  u.  dergl.  in.  unterrichtet,  und  dann 
folgt  von  S.  5.  an  die  genaue  und  voilsländige  Coilatioo 
der  Handschrift  im  ersten  Buch  mit  dem  Orelliscbsn 
Texte;  Dafii  die  Htiidisehrift  für  die  Geisiftitung  des 
Textes  von  Bedeatoog*  ist,  mag  ans  dem  einzigen  I5n* 
stand  hervorgehen,  dafs  in  diesem  ersten  Buch  der  Text 
der  Handschrift  an  nicht  weniger  als  dreihundert 
Stellen  von  dem  OrelH*^chen  abweicht.  Bei  einer  neuen 
Bearbeilong  der  Tuscvknen  (Ivir  bttben  eine  solche, 
deiti  Vernehmen  Bach,  Ton  Htn»  Reciar  Moser,  der 
uns  schon  so  manche  schätzbare  Bearbcitui)g;en  der  phi- 
losophischen Schritten  Cicero  s  geliefert  hat ,  in  Kurzem 
eu  erwarten)  wird  daher  vorliegende  Coilation  nicht  über* 
sehen  wierden  dürfen ,  und  der  Verdiente  HeraiWKeber 
dieses  Programme  dürfte  sibh  dann  auch  eher  entecblies- 
sen,  seine  zwar  iiöchst  mühsame,  aber  für  die  Kritik  der 
Tuscuianen  sehr  erspriefsliche  Arbeit  auch  auf  die  übfi* 
gea  vier  Böcher  auszudehnen.  - 

No.,4  fihie  Heptae  von  Stellen  aus  Cicero'e  Btur 
ins  wird  hier  kritisch  wie  exegetieeh  behaadrit^  «ad 
damit  eine  Reihe  von  weiteren  Bemerkungen  in  Verbin« 
ihinfr  g^ebracht.  Wir  wollen  aiK'h  hier  die  behandelten 
Stellen  augeben ,  da  eine  nähere  Kritik  bei  diesem  Pro- 
.  ducte  des  Inlands  uns  nicht  verstattet  ist,  und  wir.blss 
die  Aufmeffksamkeit  der  Freunde  Cicero's  auf  diese  kri- 
tischen Versuche  lenken  möchten.  —  Zuvdrderst  Cap.  I, 
§.  2 ,  wo  sich  der  Verf  gegen  Orelli  für  die  von  Cor- 
radns  vorgeschlagene  Verbesserung  entscheidet  und  seine 
Gründe  dafißr  ausfiihriicber  eniwickelt.  —  Dann  Cap.  Ii 
§.3,  wo  Lamfains  Lesart  gegen  Ellendt  in  Scbuli:  ge- 
nommen wird ;  Cap.  I ,  §.4,  wo  Insbesondere  die  Wolle: 
f^auo  magw  quam  SMort^m  cipium  tempore  '  ^riir* 


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ieri  werden;  II,  §.  6.  wo  der  Verf.  die  Lesart:  ^tkunc 
auiem  mit  praeter  ceteros  auf  cum  paucis  etc,"  für 
die  richtige  hält  und  bei  dieser  Gt^le|!^enheit  auch  über 
die  P^rüket  aut  und  deren  Gebrauch  Biuiges  bemerkt 4 
dann  aber  insbesondere  die  Worte :  quum  farmn  pojnilf 
ttmimii,  quod  fui99et  quasi  iheatrum  illiuB  mgenii 
näher,  mit  Rücksicht  auf  das  Veihältnifs  der  Tempora, 
behandeit.  —         §•  ^-  ^^^^  Verf.  herstellen  aiä 

ierrore  (für  errore)  hommum  aui  timore.  —  II,  §.8. 
nimmt  der  Verf.  die  von  mehrere^i  Kritikern  engt  foch- 
lese  Lesart  rebus  ampUasimh  honoribus  in  Schnta 
and  sncht  weni^tens  en  zelten ,  däfs  sie  nieht  unlalei* 
nisch  ist.  Zuletzt  wird  die  Stelle  Cap.  IV,  §.  16.  aus^ 
lUhrlicher  kritisch  und  exegetisch  behandelt 

No.  &  Der  von  Freiburg  an  das  Ljceum  zu  Consta  na 
verseilte  Verf. ,  wo  ihm  avch  augleloh  die  Aufsicht  üb^ 
die  Gjrmnasialbibliothek  anvertraut  wurde «  giebl  uns  in 
diemm  Prog^ramm  einen  erfreulichen  Beweis,  wie  er  in 
seiner  neuea  Stellung  sich  der  Wissenschaft  ersprieisllcli 
und  nützlich  zu  machen  sucht  Er  ertheilt  uns  zuvor- 
derst Nachricht  von  einigen  bisher  unbekannten,  inCSon- 
atana  befindlichen  Handschriften.  Wir  bemerken  darunter 
1)  eine  «ehr  schön  geschriebene  Handschrift  dea  vier* 
zehnten  Jahrhunderts,  welche  Cicero's  Schriften  De 
Amicitiay  Paradoxa ,  Cato  major,  XII  Sapientum  epi- 
taphta  C'iceronis,  SaMust's  Catiiina  und  Jugurtha,  sowif- 
einiges  Andere  enthält.  2)  Eine  Handschrift  aus  dem 
Anfang  dea  sechscebnten.  Jahrhuiideria,  welche  die  mit 
▼ieien'  (und  wie  der  Verf.  versichert»  den  berdts  ge^ 
druckten  bei  weileaa  vonsuziehenden)  Scholien  verse-» 
henen  Satiren  des  Horatiu^,  die  ebenfalls  mit  Scholien 
versehene  Grorgica  Virgils  und  einiges  Andere  enthält, 
mter  amiern  cies  Erasmus  Stultitiae  laua,  offenbar  noch 
vor  dem  Druck  geschrieben«  .  Auch  eine  auf  nenn  Per^ 
gnmentbtättem  in  gr.  PoJio  enthaltene  Biblia  Paupertan 
verdient  Beachtung^,  eben  so  ein  deutsch  -  latetnbches 
Lexikon  von  Joh.  Roiler  in  Pforzheim  aus  1499,  interes-» 
saoiljür  den  deutschen  Sprachforscher.    Unter  den  alten 


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1194  Ports,  Iwfcli'  Oat  toeUüfcall  - 

Mf  d«r  BMiolheli  befladlldM»  Brucken  imcU  der  Veit  I 

S.  4.  mit  Recht  aufiiierksain  auf  die  eeltene  Bolo^ncsei  ! 
Ausgabe  der  Briefe  <les  jöng^ern  Plinius  von  Philipp 
Beroaldas  uui  1488^  auf  deren  Werth  noch  neuerdings 
J.  C.  OreUi  (a  Plimi  Epietolae  seledt  Turict  1831. 
p.  VI.)  hingewieieu.  Aoe  jener  znetst  erwikniea  Ctoemr 
nlanischen  Handschrift  theilt  nnn  der  Ver£  von  S.:7.  u 
eine  sehr  sorgfältig  gemachte  Collation  der  Schrift  De 
AmicHia  mit  und  begleitet  diesellje  mit  eigt  neu  kriti- 
eehen  Erörteruogeo »  welche  dem  Text  dieser  vielgeie- 
eenen  Schrift  an  mehreren  Stellen  eine  beaaer«  Gealik 
geben ,  oder  auch  die  eingeführte  Leaart  gegen  falsoke 
Aenderongen  nchlltsen' adlen.  Wir  winsiAen,  dafa  d«r 
Verf.  diese  Bemerkungen  weiter  fortsetzen  und  uns  auch 
ans  der  andern  lianilschrift  das  mittheilen  möge,  was 
für  Kritik  und  Erklärung  des  üoratius  nnd  Virgiiiits 
darin  von  Belang  äch  findet. 

Chr.  Bähr. 


Jrchii  der  V^ettUekaft  fir  dHtre  BeBthichUkwid*  nf 

Ikifdt'denmg  «Amt  GemmmHmigtike  der  qmäUmmkriften  deuiichr 
G0$ökUktm  de^  MUkHidief,  keraMgtgeben  «Mi  O.  H.  Pertz. 
StekMtem  Bwd€$  erttct  6i«  viertes  H^t.  fJannover,  in  der 
BMutkM  Hof^hkähdlmig.  1832.   FUl  u.  024  gr,  8. 

Indem  wir  bei  dem  beschränkten  Raum  dieser  Blätter 
nur  Weniges  ans  dem  reichen  Inhalt  dieser  in  Eiuta 
Band  vereinigten  Hefte  asAhrcn  kennen,  hoffen  wir  docb 
damit  wenigstens  nnsern  Leeern  einen  Begriff  von  du 
Thätigkeit  und  den  Leistungen  des  verdienten  Heraa»* 
gebers  zu  geben  und  eine  Uebersicht  dessen,  was  .^ein« 
unermödete  Thätigkeit  im  Verein  mit  einigen  andern  Ge- 
lehrten für  die  denteohe  Geschichte  und  deren  Qaellen- 
etttdiuni  insbesondere  geleistet  hat  Ohnedem  ist  selfait 
der  Inhalt  meistens  von  der  Art,  dafk  er  keines  Ansmgi 
fähig,  vielmehr  eigene  Einsicht,  wozu  wir  hier  auffiMP' 
dern  möchten  |  erheischt   So  enthalten  gleich  die  aesB- 


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zehn  ersten  Nummern  oder  die  zveihunderlfünfzig  ersten 
Seiteo  lauter  ii^lcfatige  VcrzeichnL«se  der  in  verschie- 
denen Bibliotbekeo  des  la-  und  Auslaudes  befiiiflli- 
efaen,  für  di«  deuteche  Geechkhle  mehr  oder  miader 
bedeiileiidett  nmd  mciet  uogebmiiten  oder  ubeimtilen 
Hendschrifltes ,  deren  Kunde  wir  grofsenthells  erst  den 
BemDhungen  des  Herausgebers  verdanken,  der  mit  eben 
80  viel  Treue  als  Genauigkeit  sich  diesem  schwierigen 
amd  mihevollen  Geschäfte  einer  Anfzeichnung  der  Hand- 
oehriften  auf  eeineit  Reisea  mtet sof  eii  hatte.  Ueber  die 
Handechriften  der  Wolfcnbfittler  Bibliothek  giebi  Hn 
Oberbiblif>thekar  Ebert  zu  Dresden  Nachricht,  Uber 
die  der  gräfl.  Plettenberg'schen  Bibliothek  zu  Nordkirchen 
(raeist  fiber  westphäiiscbe  Geschichte)  Hr.  Dr.  Trofs 
in  Hamm ,  Ober  die  der  Bambei^er  Bibiiolhek  Hr.  BibL 
Jic>,  über  die  zu  Prealau  auf  der  OentralbibUolhek 
(das'* «weite  VerseichDjft)  und  Aber  die  ebendaselbst  auf 
der  Bibliothek  zu  St.  Elisabeth  (worunter  ein  Cassiodorus 
und  Jornandes)  befindlichen  Hrn.  Prof.  Steng^el;  über 
die  der  Hamburger  Stadtbibliothek  Hr.  Archivar  Lap- 
penberg;  Von  dem  Herausgeber  selbst  erhalten  wir 
men  Auszog  aus  dem  Verzeichniiii  d^r  Handsehrifieii 
flos  Wiener  Hof-  und  Stiüttsarchivs  (meist  dslerreidtisehe 
und  benachbarte  Diplome,' Urkonden ,  Chroniken),  und 
einen  ähnlichen  Auszug  aus  Martin  Georg  und  Jul.  Niclas 
Kovachich  v.  Schenfcwilsil eperlorium  expedithms  diph* 
maiho  Uietariae  per  artMva  el  bibUoiheeas  Htmgm^ 
riae,  Traw^J^ankie,  SUwomae  ei  Croatme  anrn»  181A 
uaque  1816,  femer  ein  Verzelchnffs  der  zu  Pesth  im 
Museum  des  Hrn.  Niclas  von  Jankovich  befindlichen 
Handschriften  zur  deutschen  Geschichte  (sehr  bedeu- 
tend und  reieh  besondere  an  dstreichtschen ,  salzburgt* 
sehen ,  nirnbergisobeu  und  andern  Chroalkon ,  Urkunden 
iiiid  Bricfimmmlungen) ,  ein  fthnliehes  der  im  Stift  Admoot 
in  Steiermark  befindlichen,  und  Nachträge  zu  den  Be- 
merkungen fiher  die  in  tjieben  östreichi»^chen  Stiftern 
(Heiltgenkreuz,  Lilienfeld,  Kloster  Neuburg,  Göttweih, 
Mdlk,  Seitenstetten,  Kremsmilnster)  befindlichen  Hand- 


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lia«  Peru,  AM.  «.fieiallMilk  f.' MrtMto  Geiohichttitande.  Gr  Ud. 

"Schriften,  endlich  Verzeichnisse  der  auf  den  Bibliotheken - 
zu  Göttingen,  Cassel,  Halle,  Leipzig  (auf  der  üaihs- 
bibliothek  wie  auf  der  UniTersitätsbibliothek),  in  ilem 
geheimen  Archiv  2u  Dreeideii  und  in  der  Sammfong  des 
russ  Kanzlers  Grafen  Romanzow  zu  St  Petersburg  befliid* 
liehen  Handschriften.  An  diese  Verzeichnisse  schliefseo 
sich  an  die  über  die  beiden  ersten  Bände  der  Monumenta 
in  fien  Gott.  Anzeigen  gelieferten  Berichte  des  Hrn.  Pertz 
in  einen  wiederhohen  Abdrnek  nmi  danrn  ein  Befiehl 
über  den  Stand  der  Arbeiten  lier  Getellschäft  fikt  filiere 
deutsche  Geschiclitskunde  am  Schlufs  des  Jahrs  18^. 
Bas  Erscheinen  der  beiden  Bande  der  Monumenta  v.er* 
danken  wir  fast  einsig  den  iinermfideten  Bemilhuogen  des 
Henusgebers  dieser  Hefte,  und  wm  er  in  dieser  Berne* 
hing  geleistet  bat,  hat  nnch  mit  Recht  afierwirts  dre 
Anerkennung  gefunden,  die  ihm  in  jeder  Hinsiclif  ge- 
bührt. Es  ist  bekannt  und  liegt  zu  Jedermanns  Einsicht 
vor,  welch  eine  Masse  der  für  die. dentsche  Geschichte 
wichtigsten  Denkmale  hier  entweder  um  erstenmal  ab» 
gedrnckt  oder  doeh  in  einer  so  wesentlich  verbesserten 
und  berichtigten  Gestalt  erscheint,  dafs  wir  wohl  über 
den  glücklicher  Erfolg,  der  die  ungemeinen  BemuhuiH 
*  l^n  des  Herausgebers  gekrönt  hat,  staunen  müssen,  der 
nns  sogleich  die  erfreuliche  Versichemog  dca  Brachdnew 
der  fibrigen  Bände  der  Monumenta  in  unnnterbrocheocMr 
Reihenfolge  glebt,  da  Alles  hierzu  bereits  so  vorgear- 
beitet ist,  dafs  nur  äufsere  Hindernisse  einen  Aufschub 
in  der  Bekanntmachung  herbeifuhren  dürften.  So  soll 
die  ganze  swelte  Abtheiiung  des  Wjeri»,  welche  die 
simmtlachM ,  Lateinjecii  nod  Deutsch  geschriebenen  G«^ 
setze  von  den  Volksrechten  des  fünften  und  sechsten  Jahr- 
hunderts bis  zu  den  Rechtsbüchern  de^s  dr^lzehtiten  aod 
bis  zu  den  Städterechten  der  folgenden  Jahrhunderte  herab 
enthalten  wird ,  binnen  wenigen  Jahren  vollendet  im  Dmek 
erscheinen,  wfthrerid  zugleich  die' Arbeiten  von  den  fiil^ 
gendeii  Händen  ununterbrochen  fortgehen  und  eine  gleiche 
Aussicht  zur  baldigen  Bekanntmachung  uns  eröflneiL ' 

(D^r  Bt9€hiu/9  folgt,} 


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« 

N^  12.   HBIDBLB.  JAHRB.  d.  UTERATUIL  183& 


Periz,  Archiv  der  OeseUschaft  für  deutsche  Ge- 

.  schkhtskunde,    9^  Bd, 

% 

(  tietchluf9.) 

la  clieAbtbeilung  der  Geschichtschreiber  falleo 
I  nicht  wenig««  als  fünf  uoü  neunzig  Werke,  deren 
'  B«kaan(maohvDgf  in  den  übrigen  Bänden  demnächst  er- 

Mgeo  soll;  es  sind  darunter  nicht  wenige  Inedita;  unter 
den  übrigen  ist  keines,  welches  nicht  durch  Verglei- 
ehuog  von  noch  unbenutzten  Handschriften,  die  bei  meh- 
im  wichtigen  Schriften  in  grdfserer  Anzahl  vorhanden 
lilid,  bedeutend  gewinnen  wird.    So  wird  des  Enno^ 
diu«  Panegj'ricus  auf  Theodorich  in  einer  nach  einer 
londoner  Handschrift  verbesserlea  Gestalt  erscheinen, 
Jordan  es  De  rebus  GeticiSy  nach  nicht  weniger  als 
Beanzehn  Handschriften,  Gregorius  Turonensis 
(Hkimia  eecleriaMca  Franemtm)  nach  ^en  beiden 
la  Moutecasino  und  zu  Rom  befindlichen  Handschriften, 
die  Gesta  pontificum  Romanorum  nach  eilf  Handschrif- 
teo,  die  Gesta  regum  FraaoQrum  uach  mehr  als  drei* 
zehn,  des  Fanins  Oiaconns  Geschichte  der  Longo- 
bavdea.naehaeohnehn  Handschriften,  LuHprandiHiaioria 
9m  t^mporis  nach  neun  Codd. ,  Sigeberti  Gcmhlacensis 
ohronicon  cum  corämuatwwbus ,  nach  acht  Haudschrif- 
tea  nebst  ungedruclUiir  Fortsetzung  bis  zum  Jahr  1150« 
(von  Hm«  Prof.  Stengel),  Adami  Bremensis  historia, 
a^h  Tier  Handschriften  (von  Hofr.  Dahlmann),  Ecke-^ 
iatdi  ckt^meen^  ebenfalls  naeh  «eben  Handschriften, 
die  Gesta  Trevirorum  nach  neun  und  zwanzig  Hand- 
schriften, worunter  neunzehn  TrierWhe,  dann  OUonis 
Frismgensis  cbnmcon  und  bisleria  ¥riäerwi  I.  u.  dgl 
Batii  die  Heranagabe  der  meisten  dieser  Solviften,  mii 
Aasnahme  eihiger,  welche  die  HiM.  Stensel,  Dahl- 
Biann,  Lappenberg  und  einige  andre  Gelehrte  übernommen 

XXVi.  Jahrg.  H.  H«ll.  12       ; : 

s  • 


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Uli  FiNfta»  Ml¥  4n  ^P^tehM 

■  ►  ^ 

Jidien,  vfio  dem  Hmnagttber  des  Cfaiiiseo,  Hrn.  Hofnih 
Perfz  zu  erwarten  ist,  bedarf  wohl  kaum  auch  eiaer  be- 
joadern  Bemerkaog^. 

Bedea(«odes  haben  wir  ebenfalte  in  der  8 weiten 
Abtheilnog,  welche  die  Geeetie  begreiß",  za  erwarten. 
Hier  eoll  demnliehet  entcheioen  das  Bdidum  Theodorim 
(von  Hrn.  Prof.  Walter),  die  heg'es  H  isigothorum  (nach 
zwei  Codcl.  von  Demselben),  die  hex  Burgundiomm 
(nach  neun  Handschriften  von  Prof.  Bhine),  die  Lex 
Sälkm  ^lipUB  t$  neentiw  (nach  mnw  mid  dreiUg 
lIhMacliHften )  ,  vöti  Hra^  JMMh  PeNs ,  »  der  aUoh 
tite  LeJt  Tkurmgarum  und  die  hex  Saxonum  zu  liefern 
Obfefhömmen  h«t,  dergleichen  die  Lex  Ribnarmrum  nach 
dreiiseho  HaoiteehrifteB;  die  hex  Alemannorum  in  vier 
Bi^^niiOBeii  naoli  ReuDaehoflandaehriftea  vta  HYn.>Pffet 
Wklter ,  4el-  iNich  die  Lern  Ba^wmimm  nch  neaa 
Codd.  litfern  will;  Hr.  Prof.  Blume  wird  die  Edkta 
rcgum  Jjong<}/)ar darum  nach  vierzehn  Handschriften  und 
die  fiystema tische  Lombarda,  ebenfalls  mit  Benutzung 
kahlrisicher  Codd  liefleni,  Hr.  Prof.  Falok  di«  LeOtFri- 
^kHHtm,  wMii  iiiveh  mililf  MeDg;e  von  Cbpituktien,  aaeh 
viele  ungedrnckte,  kommen,  deren  Samttilnn^  Und  Her* 
aiisg-abe  Hr.  Hofrath  Pertz  übernommen  hat ;  ferner 
M&raulß  tormulae,  F^malae  Aietnamnicae  und  As- 
deres  ^hk  Alft^  ferner  dfis  deutsch  geookridieteB  BeehH* 
Mtli^^  wie  der  Sachsebapioifet,  4lor  Scfawabea* 
apiegei,  die  Richtsteige  (wovon  z.  B.  der  Sachsen- 
spiegel schon  ganz  fertig  2uin  Druck  daliegt).  Audi 
l&lr  die  Herausgabe  der  deutschen  KönigS'P'  i|od  Kti* 
aferttrkttnden  Ist  eohon  so  Viel  geftehdraii,  dab  wir 
ftlNr  das  «iM  t^selain  Mnrf&hren  fBr  nOdiig  halten«  wk 
MrMla  All^t  #ad  Deutschlands,  Italiens  und  FNat 
l*eichs  Archive  Ittr  die  Urkunden  der  Merovingcr  nod 
Carolioger  enthalten,  vollständig  benutzl  ist  oder  dacli 
ieltier  Bearbeitung  mit  M#ehatef|i  entfagansieht. 

Bio  «toHe  AMitdilonif :  ftriafe,  eailttlt  trichi  «i* 
ft%br  Iiis  ä^b<^  und  d^eiftig  Nmiimrn,  damnte#  Gm- 
aiodor's  labri  variarum,  deren  Anigabe  wir  ntch 


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für  deutsche  Getchichtt&unde.   6tcr  13 d. 


1180 


\\tTtthn  Handschriften  zu  erwarten  haben ,  ferner  die 
Episiolae  Mcumi,  Cctroli  Magnt,  ebenfalls  nach  zahl-* 
reichen  BandfcMtf t«a  ^  die  Epiai^ae  SMiatdt  mich  dem 
Original  u  iMii,  4«tiD  «Hier  aadern  ilie  EpkMae  Frl'" 
deriei  II.,  Peiri  de  Vinea,  ConradilV.^  Manfred}, 
Conradhti  (worunter  r.wel  bis  dreihundert  un^edrucktc), 
aus  den  päbstlichen  Regesten,  und  wohl  an  siebenzig 
Ihtuisohrifteti^  deren  Bearbeitmig  Hr.  Btbliothekar  Dr. 
Behmer  fibelPMiiifiieii  hat. 

Aas  der  ffinfleR  Abtheilung,  A Iterthfimer,  fGhreo 
wir  nur  an :  CaroU  M,  Breviariwn  imperü  aus  dem  Ort-  ^ 
giaal  zu  WoifenbuUtel ,  die  Traditiones  Sangallerwes 
UBÜ  Hiraaugien^eB ,  meUrert  fi/^crologia  und  Cateti* 
dATM,  Cmrmhtä  u.dg4  m.  Aneh  ^Bt  Oeögrapkas  Ra^ 
vmma»  wird  aus  einer  Pariser  Handschrift  berichtigt  er- 
scheinen ,  uad  in  der  letzten  IVuminer  sind  auch  Runen, 
au« Salzburger,  Vaiicanischen,  Pariser,  St.Gaiier,  Brfis* 
seier  und  Londoner  Uaad89hrifteii  «othelted. 

Wer  iollte  olcht  wBascheii^  durdl  thfttige  Milwir^ 
kang  AUer^  die  Ar  vaterlftndisdle  Geschichte  efti  In^ 

teresse  habea ,  das  grofsartige  Unternehmen  gefördert 
110(1  voileodet  zu  sehen.  In  einer  Zeit,  wie  die  unsrige, 
ist  zwar  nicht  die  er^ealiche  Aussicht,  ^wie  aie  ooch 
vor  wenigen  Jahren  war,  ata  die  Interessen  des  Taga 
Md  der  Politilc  Qoeh  nicht  die  Gemfither  von  den  ern-> 
Sien  Sludien  der  Wissenschaft  allzusehr  entfremdet  und 
einer  sogenannten  praktischen  RIchtUbg  zugewendet  hat* 
tsu,  welche  in  ihrer  unmittelbaren  Beziehung  auf  die 
Qegetiwart  gern  ai€h  der  Milbe  einer  grundlichen  firlbr* 
schung  der  die  Gegenwart  bedingenden  ZostSnde  der 
frbh^rn  Zeit  etltschlägt  uad  lieber  in  allgemeinen  (nichts 
sagenden)  Räsonrtements  sich  gefilllt,  als  einer  sorg;fäl- 
tigen  Brgründung  des  Einzelnen,  wodurch  das  allge- 
meiae  Ürtheil  heMmiiit  ^eHeft  eoll,  naehgeht  Wir 
heSlM  hideft  aMh  hnmef ,  der  «Mite  Ciiaililtflef  iinierel^ 
Nation  und  der  ihr  in  wohnende  Sinn  f^r  grOadfiche  Wis«> 
senschafl  und  Bildung  werden  den  endlichen  Sieg  über 
ciea  wiche  Leichtigkeit  davon  tnigee. 


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Die  fibrigen  AnftStae  die§ei  BandM  «nd  theih  rfi« 

Hierärischeo ,  theils  literarisch -antiquarischen  Inhalts, 
TCin  No.  XXII.  an  bis  No.  XLV  .  incl.,  wir  erinnern  hier 
nur  an  des  Hrn.  Ritter  von  Lang  Naehriobten  über  deo 
Otto  Frisingeosis  NOi  XXII ,  an  ibehf  ere  gediegene  Auf- 
eitze det  Hm.  Archivar  Dr. Lappeoberg,  über  die  be- 
vorstehende Ausgabe  des  Albertus  Stadensis  und  diesen 
Autor,  über  die  ebenfalls  bevorstehenden  Ausgaben  des 
Helmold  und  fies  Arnold  von  Lübeck,  sowie  mehrere 
noph  ongedruekte  Chroaikeo  aua  norddeutechep  Gegen- 
den ,  desgleicheo  au  die  Beechrdbungen  des  alten  Main- 
gau's  und  «les  Sinugau's  von  dem  vor  einiger  Zeit  ver- 
storbenen g^elehrten  Domkapitular  Dahl  (No.  XXXIX 
und  XL.),  die  Nachrichten  des  Hrn.  Prof.  Strahl  über 
,  Ruftlanda  äiteete  Gesandtachaftea  in  Deutachland,  sowie 
über  die  deutschen  in  Rufisland  und  das  erste  Freund- 
schaftsbündnifs  zwischcu  Rufsland  unti  Oestreich  unter 
Friedrich  III.  und  Maximilian  I.  (No.  XLI.),  endlich 
einige  Aufsatze  des  Herausgebers  (No.  XXXVI.),  Vor- 
rede des  Liber  Biancas  aus  dem  Original,  uqd  XXXV 1, 
die  Vorrede  zu  den  Kamroerbfichero  dea  Salshurgischen 
Domcapiteis  vom  Jahr  1497.  aus  dem  Originell. 


.  Fo»  JpoU^miuB^  d9m  RkodUr,  Mm  dtm  Fwmt^fH  dn  ör- 
fdknfl  wtdHdiekM  «o»  Dr,  iViUmann^  CHefMrtr  am  katktU' 
•cften  Gynmiutftiii  mu  E6ln*  Köln  18S2*  l>mcft  und  Vtrlag  mn 
AT.  l>n-Jlfont-SeJtotider|'.  JT J  u.  140  &  8.' 

Gin  Gedicht,  wie  des  Apoiloniua  Argonauticat  welr 
ehea,  ungeachtet  der  schon  späteren  Zeit  der  Abfassviif 

und  der  durchweg  darin  vorherrschend eo  historisch- 
antiquarisch-gelehrten Tendenz  an  so  manchen  Schön- 
heiten reich  ist,  und  nachdem  woblbegründeten  Urtbeü 
oinea  Leasing,  Jacobs  und  Anilern  so  viel  Anaiahfailii 
hat,  das,  wenn  auch  gleich  Plan  und  Anlage  und  aelM 
die  Ausführung  Manches  zu  wünschen  übrig  lä&t  (wss 


1 


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ApolliNiliik  Argonantenftilirt,  too  Willvm.  1141 

übrig^ens  mehr  dejii  (leisle  jener  Zeit  ziiztisch reiben  ist, 
und  in  der  Art  und  Weise,  iu  der  man  die  Poesie  damals 
behandeite  und  betrieb,  seine  Entschuldigung^  findet), 
doch  im  Eiozelkieo ,  io  der  Schilderung  einzelner  Cha- , 
rakteriB,  Begebnisse,  Gegenden  ii.s.  w.,  in  Mirstellung 
der  Affecte  und  Leidenschaften ,  viel  Treffliches  dar- 
bietet^ und  darum  selbst  von  spateren  Dichtern  vielfach 
nachgeahmt  worden  ist,  verdiente  gewifs  eine  Verdeiit» 
schung,  welche,  Sinn  und  Geist  des  Originals  so  getreu 
als  nidglich  wiedergebend ,  die  des  Griechischen  Unkuo— 
digen  mit  diesem  rroduct  Aiexandrinischer  Poesie  be- 
kannt machte,  Andere  aber  zu  tieferem  Eingehen  und  _ 
gründlichem  Studium  desselben  veranlaiste,  da  ein  sol- 
ches, selbst  abgesehen  Ton  dem  gelehrten  Nutzen,  schon 
TOD  dem  poetisch -ästhetischen  Standpunlite  aus,  gewifs 
sehr  lohnend  ist.  Es  kann  hier  nicht  der  Ortsejn,  die 
allgemeineren  Fragen  über  den  poetischen  Werth  der 
Argonautica  und  andere  damit  in  V^erbindung  stehende 
Punkte  näher  zu  erörtern  und  so  Etwas  zur  richtigen 
Würdigung  dieses  Gedichts  beizutragen ,  das  lange  Zeit 
vernnchlässigt ,  erst  in  neueren  Zeiten  wieder  hervorge- 
zogen und  von  der  Verunstaltung  des  Textes  jetzt  eini- 
germafsen  durch  die  Bemühungen  mehrerer  namhaften 
Kritiker  (insbesondere  zuletzt  von  Wellauer)  befreit  und 
dadurch  lesbar  geworden  ist :  was  freilich  die  erste  Be- 
dingung  einer  Uebersetzung  ist,  die,  wie  vorliegende, 
auf  Richtigkeit  und  Treue  Anspruch  macht  und  mög- 
lichste Wörtlichkeit  sich  zum  .Gesetze  gemacht  und  auch 
dies  in  soweit  erfüllt  hat,  dafs  man  bei  näherer  Eijinsicht 
ond  Prüfung  gewiüs  Ursache  hat,  mit  des  Uebersetzere 
Leistungen  zufrieden  zu  seyn ,  zamal  wenn  man  die 
grofsen  Schwieri^^keiten  in  Krwägung  zieht,  welche  na- 
mentlich in  metrischer  Hinsicht  hier  hervortreten.  Und 
ehen  diese  Sorgfalt  des  Uebersetzers  in  Berücksichtigung 
der  Gesetze  der  Metrik  mag  es  entschuldigen ,  wenn  in 
der  Üebersetzung  einzelne  Härten  hie  und  da  bemerklich 
sind ,  die  bei  fortgesetztem  Studium  und  wiederholter 
Durchsicht  vielleicht  in  der  Folge  verschwinden  werden. 


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SehM  die  Blogaogsverse  kdnnen  in  diwer  Uinticht 

geführt  werden.  Dagegen  fehlt  es  auch  nicht  an  aoileru 
besser  gelungeaeii  Stdieo,  wie  z.  R  I,  48&  ff.: 

—  Jeitö  Tertttclite 

Or^ßumt  «in  LM,  die  Gnitmri^  [Y]  hochaaf  fa  M  Linkfln  ge* 

liehen. 

,»Sieli,  er  iMtaog,  wie  4ie  £rd*  uod  der  Flimmcl  hucIi  nech,  w 

wie  dfi8  Weltnieer 

Unter  einander  gcraificlit  Torinals  in  Einer  Gestaltung, 

Aus  dem  verderblichen  Streit  sich  entwickelte,  jegliches  ändert; 

Dann,  wie  im  Aeiher  unnoeh  die  hebarrlicheo  Zeichen  behaiipten, 

Alle  Gestirne  Tcrcint  und  der  Mond  und  die  Bahnen  der  Sonne^ 

IfVie  das  Gebirg  aufstieg,  wie  rauschende  Ströme  geworden. 

Wie  Erdnyinplieii  «igleieh,  wie  jegliches  Wdfmehm  erseogt 

ward*" 

Oder  die  Stelle  von  der  Dnrchfahrt  der  Argeitaatea  dnrdi 

die  Sjmplegaden ,  II,  549  ff.: 

Alp  ea  dem  Schlund  sie  gelan^^te«  der  kaum  hinsiehendee  Ein- 
fahrt , 

Welcher  von  rauhem  Geklipp  auf  den  doppelten  Seiten  ametngt  iit, 

Und  ajs  von  unten  herauf  uiubrandete  striidelnde  Meerfluth 

Je(zo  das  Sphil)'  ^uf  4^r  Fahr^  t  and  eie  vofif  ajrte  fuJir^D 

Zagen, 

Und  aael»  iMrrile  dee  Qeldee  der  wild  anprallenden  Felsen 
Btals  aa  da«  Obr  aaschlag  «Qd  Tarn  FInihteliwall  tos'tfp  die  Hf« 
Jelso  erhob  n.  s.  w. 

Bine  fthnliche  Btelie  kommi  IV,  98»  ffi  vor  bei  der  Be- 
eehreibung  Toe  den  iBehwinimeiideit  Fdfeea,  mraas  irir 

einige  Verse  ausheben  wolleo: 

9»A)s  nea  der  Slrdmang^  (vewalt  lii  den  irrei|dea  Felfen  bi^^ 

schofs, 

Haben  den  Saum  des,  QfßwtmtVn  s|q  emuar  biü  aom  gläai en^ 

iiniee, 

Hoch  am  Gcklipp  und  im  Sturz  aufbrandjender  Wogen  gestaltel^i 
Stemmten  sie  sich  kraftvoll  allwärta  in  gemefsner  Entfemnn^. 
Siebe,  da»  Schiü  trieb  hoch  in  den  Strömungen  $  rings  das 

wge 

Qlamte  ^idi  i»aicliend  empr  und  es.  sobUig,  |aA|t  tosend  ^ 

Felsen « 

Und  eie  tedifarten  anjelit  das  Oewolfc ,  BeigsCellea  Teii^eicbNr, 

Wietoam  «atergctanehl;»  in  die  tiefesie  Tief«  [f]  desÜ- 

grunds 

Sanken  sie  «sin,  wenn  jetzo  die  wjiitbende  Bmadaag.  ompeitli^'' 


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A^lionim  Argonautpiifalurt,  von  Willniaiiii.  114^ 
Btwat  angestofsen  mad  wir  bei  IV,  ItflB* 

 Allen  im  Busen 

Starrte  das  Hers  graueaToU,  ood  e«  blaTst'  um  die  Wange 

Erbivleliep.' 

Oder  hfti  XV,  1612 

« 

-—  —  mril  der  K4lrper  wir  hoeh  tm  de|n  Haniite 

Ring»  um  d«i  Rdckea  herab  uwA  die  Uniiaviigett  M«  tirdani 

Bauohe 

Völlig  den  Göttera  an  Wucht»  den  beseligten ,  etaiiDea|l  geihn^ 

■ 

Oder  bei  den  schOoeo  Schlursworien  des*  Ganzen ; 

„HeldeDfireschlecht,  Heil  dir»  o  beseligtes!    Mo^e  dan  Lied  l^icr 

Immer  too  Jahre  zu  Jahr  einschmeicheloder  kiingeu  den  Mea« 

eohen  I 

Jelao  nah'  ich  bereite  dem  to  licht  anfetrahlenden  Ziele 
Euerer  Leiden  und  Mnh*n.  Nicht  b&nmetea  neue  Gefahren 
Brohend  eich  auf,  eeit  ihr  yoa  Aegina*e  Strande  gusegelt, 
Nicht  mehr  hemmten  der  Sturm*  Aniiämpfuiigea;  eondern'in  Ruhe» 
'  An  Kekro|iiii^r  I<ande  hfamfC  aiid'  an  Aull»  fl^tef  ert 
Zviichap  Kdbnia  hindoreh  and'  6pnntiechen  Stedten  der  Lolcter» 
Beyd  ihr  erfreut  an  die  Kuate  von  Pagaaal  niedergeetiegea/* 

wo  freilich  an  dem  dritten  Verse  Manche  mii  uns  Austofs 
oebmen  verdien. 

Eine  Abhandlung  ül)er  das  Leben  des  Apollonius  ist 
dem  Ganzen  v()ranj»^estellt ;  deu  einzelnen  Büchern  gelien 
genaue  Uebersichten  des  Inhalts  voran.  Die  Zugaben 
S*144iP.,  nöthig  gemacht  dureli  den  Inhalt  des  Ge- 
dichts, eptbatten  eine  Reihe  von  erlclSrenden  Anmerfcun* 
gen  und  Notiveii  sam  Yers^ändnifs  der  zahlreichen  in 
dem  Gedicht  voricommenden  mythischen  Naiuen,  Ort«»- 
iiamen  wie  Personennamen,  oder  manclier  dunklen 
tlien  u.  dgl.  Die  Uebersetzung  des  Aescbyleiscben  Aus- 
drußk»  j[Pf'ometb.  7.)*  navrJx'^^V  ^vqoq  atXagi  den 
kuasihmiühmißn  PeuergUpz  (&  kdnn^Q 
wir  idchl  bItilgeB,  wenn  gleich  Vofe,  den  der  Ver£ 
fol^t,  so  übersetzt  hat.  Auch  die  S.  X.  hingeworfene 
Aeuiserung  :  ,,d;ils  der  Römer  Virgilius  des  ApoHonius 
Ar^i^aj^Uci^  zum  unverkennbaren  Vprl^ild  bei  Anlage  der 
\AueiM|d*  gjaüibU,"  fautbäit  nach  unffi^reni  l^OMmDH  si» 


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i 


U44  PiiUiftogUr. 

Viel;  übrigens  iöl  es  sehr  zu  billigen,  dafs  der  Verf.  ia 
den  Zugaben  sorglallig  auf  die  Virgiiischea  Nachbildiin* 
gen  eineeloer  Stellen  hingewiesen  hat  Weichert  in  der 
Abliaiidliing  über  Leben  und  Schriften  des  Apolloniue 
S.  465  ff.  und  Balfoort^in  Specim.  de  Apollon.  Rhod. 
laudd.  poett.  p.  70  ff.  haben  darüber  ein  IVlehreres  ge- 
sagt  Dafe  Virgil  viele  einzelne  ZOge,  Bilder,  Sehii- 
dernngen  ii.  dergl.  aus  Apollonios  entlehnt  oder  auf  eine 
mehr  oder  minder  eigenthümliche  Weise  ihm  nacbge« 
bildet  hat,  wird  darum  Niemand  leugnen  wollen.  — 
Druck  und  Papier  sind  befriedigend,  obwohl  die  Verse 
mit  etwas  kleinen,  jedoch  sehr  deutlichen  Lettern  auf 
weifsem  Papier  abgedruckt  sind. 


KUFxZE  ANZEIGEN.  ' 

1)   Methodik  für  Elementarl9kr$r  ^  oder  W^^weistr  auf 
Vnterrichtefeldem  der  Folksachule.     Entworfm  wnt  Sä.  Ermt 
Ludw.  Schweiitr,  Dir.  dw  Burger  -  Schule  u.  Insp.  des  Land- 
§chullehrer-Seminart  zu  Weimar.    Zetls,  69t  J.  Wdbti,    1833*  S* 
i  Vni  II.  3S1  S,  lieft«!  einer  Ta&eUe>. 

OaftBfiidffiili  cioMBaeliei,  w«tehei  des  I«e1iv«rii  lo  denVelit* 
•ebiil«n  ptaklUch  die  beeten  Helhoden  für  jedes  eiraelne  Fach  «a- 
glebt»  i«t  swar  eebon  dnrcli  Andere«  die  wie  Denselt  Zerre naer, 
Harnie'eb  fn  der  Vorrede  genaoat  sind,  10  befriedift  wardeo,  dafi 
ein  nenep  Buch  der  Art  an  sieh  nnnöthig  scheint,  allein  der  Yer^ 
dee-vorliegenden  erhielt  Ton  Seiten  der  dortigen  Oberschul bclidide 
den  Anftrag,  eine  solche  Methodik  zu  entwerfen,  und  eine  Concor- 
renz  sohsher  Lehrbucher  kann  immer  dem  nieht  kleinen  PuLliknoi 
willkommen  seyn.  Der  Hr.  Verf.  rfes  vorliegenden  erklHrt  in  der  Vor- 
rede, dafs  es  Ihm  weniger  auf  Neuheit  als  auf  Brauckbarkeit  an- 
komme, dafg  er  nicht  an  eine  allein  seligmachende  Methode  glanl^et 
und  de  Tg  er  die  Rolle  des  Eklektikers  g-ewühlt  habe.  Das  beweist  er 
auch  schon  in  der  Einleitung  bei  den  Begriffen  :  Erziehen  ,  l  nter- 
richten  »md  dc8een  verschiedenen  Formen,  wobei  ^'ej;en  Einseitig- 
keiten in  der  AuM  endung  mit  Recht  gewarnt  wird*  Ueber  Fianmafsig- 
keit  des  Unterrichts,  AafangS"  und  Zielpooct  und  Weg  von  jenem 


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9 


PMagogUi.  114S 

4 

•V  4lf«tai,  BaacktichUgiiiiir  «ier  ▼eracHediMo  BcdurfiiiMe,  Enrek-  ^ 
Innf  dei  Inlervue  o.«.  w.  höFi  man  den  nicht  nur  beletenen,  ton- 
dem  BBcb  aelbtCdealcenden  iind  wohlerfahrnen  Schalmann  sprechen, 
Ow  Boeberverzeiclioir«  über  rüclagogik,  Dialektik  und  Methodik  iit 
lach  «eiC  etwa  1813  noch  bei  weitem  nicht  vollständig.  , 

ütater  Abacbnitt.   Unterrichtsgegenstände  der  Volksschale»  hei 
welchen  es  vorxugs weise  auf  Fertigkeiten  ankoniiut:  Lesen,  wobei 
der  Verf.  mit  Recht  mehr  verweilt,  und  sehr  praktisch  belehrt,  in- 
dem er  unbefangen  über  die  verschiednen  Methoden  urtheilt,  s.  B  ioi 
§einen  Gegeuerinnerungen  gegen  das  Schreibeodlesenlernen ,  —  Sin* 
g«n,  dabei  die  Würdigung  des  Gebrauchs  der  Ziffern  und  des  der 
Noten,  —  GedächtniTsübungen,  —  Schreiben,  —  Zeichnen;  alles 
aasfiihrlH-lier ,  als  es  nuthig  sclieinen  mochte,  aber  mit  uniiii ltf>1!mr 
pralitiRcheii  Regeln.  —  Zweiter  Ahschn.  —  Gegenstände,  welehc  vor- 
zugsweise die  Geistcscultur  belürdein  :  Formenlehre,  —  Rechnenun- 
terrirht,  —  Denk  iibunf^en ,  —  deutsrhe  Sprache,  —  Religion;  ebenso, 
nur  möchten  >vir  nicht  alles  sohin  gelten  lassen.    Wenn  %.  11.  untt  r 
den  Denkfiliu Ilgen  Collisionsfälle  zur  Uebung  des  UrtheiU  voi  l;?  It  gt  , 
werden,  so  ist  das  eine  Aufgabe  für  Eleinentarschüler ,   ilu'  (  t>ias 
nicht  viel  weniger  Verkehrtes  wäre,  als  wenn  man  in  andern  Schulen 
aufgeben  wollte,  die  beste  Staatsverfsssun^  zu  entwerfen.    Wa»  der 
Verf.  über  den  Religionsunterricht  sagt,  uiid  mancher  £in^vcndung 
unterliegen,  und  wenn  er  den  Abraham  einen  Fol^theintc n  nennt, 
und  von  dessen  Familiengott  spricht,  so  ist  das  ni(  hl  das  P^inzige, 
was  selbst  die  Partheiansicht,  welche  hier  durchhiirkt,  nicht  billigen 
wird.    Wenn  er  nun  gar  einen  Katechisinus  a  erlangt ,  worin  nach 
dem  ersten  GlauhcnHNiUz ;  ,,ich  glaube  «üi  Gott,^^  der  zweite  heifera 
toll:  „ich  glaube  an  mich     und  hinzufügt,  dafs  „wir  diesen  klaren, 
trostreichen  Glauben  an  Gott  und  uns  Jesus  Christne  verdanken,** 
•0  hat  er  es  da  freilich  nicht  mit  dem  Zeitgeist  ▼erdorben ,  wie  aber 
döa  Geiste  dea  Cbrlalentbana  aoldief  Unlairidit  gefalle,  tat  eine 
•■deie  Frage. 

Der  driita  Abaeknitt  befalat  die  gemeianntiigan  Kenatniiae:  — 
HMMsbenkande,  Unterrtelit  Aber  den  Körper  and  aber  dU  Sealn, 
iuaer  in  der  Getcbiobtei  in  der  Geographie,  in  der  Nalnrfcnndei 
überall  gute  pralttiache  Orandafttsa,  ttater  oinaciiaa  andern,  wdeheit 
vir  ans  Gründen«  die  wir  biar  alclil  wiederholen  wollen ,  oielit  bat- 
■liaiBien  kdnnan. 

IKa  Sahkifabamarkvng  daa  Um.  Yarfa.  antfciiftat  swar  davali 
ibra  Beecbeidanbait  dan  Kritiker,  iadaaaen  itano  Mn  daali  niahi  oan- 
^in,  an  fragen  i  W9av  die  Anafabrlichkeil,  womit  die  Iialtigegon^ 
•t&nde  salbat  nnd  die  Gedanken  über  die  Zweck mafsigkeit  daraoUiaa 
ia  den  Vnikiicluilen ,  wla  auch  über  die  Art  ihrer  Behandlung  Tor^ 
getragen  wardan,  da  dieaea  allea  bekannte  Saoheo  sind,  und  sieb 
Kttia  Radiär,  walche  aia  angaben,  in  den  ilaaden  dar  Sahnllabrar 


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Pädagogik 


iNjAndeiif  Gut  iit  ei  allerdings ,  wenn  ilor  erlUhrne  DelnilimuiB  mIm 
ftbwelelienda  iüoitichten »  aeine  erprobte»  VerfahnmgeweiM  n.  dergl. 
ntittheilt»  aber  diaae«  bomita  doch  wabl  aof  eiaam  käraafan  Weg» 
gaaabehaii*  Aaeh  aaban  wir  nicht,  waram  io  viela  Seiften  mit  der  Uta- 
fatar  bedruckt  aind,  die  daeh  weder  Tollatandig,  nach  mit  einer  Am« 
Wahl  daateht?  Oaa  Schlalkwort  «»VorwATta,"  TerUngi  wenIgeleM 
inebr,  nad  nrüchte  wabl  daranf  ffAhran,  daib  die  l»avaita  la  daaLehM 
elngacrataaen  Lehren  aneh  ia  dam  Leben,  aowabi  la  dea  (fcniliaficB, 
ata  unter  den  Lehtera  der  Tolfcsaebalcn,  wie  wir  das  an«  den  gote« 
Krfolge  bereits  kennen,  gefordert  werden,  wo  aieh  daan  auch  das 
fachte  Varat&ndniDi  dea  Vorw&rtaachraltena  ia  uaaerm  Scbalwona 
argtabt. 


O  IFarfa  un  44ufick9  Biütitr  und  Brmiek^ri^ntn,  Rm 

jßrtmmHniMg  inidf  4nhsitupgf  durch  treue  Erfüllung  tftra»  Aa#atfl^ 
n/ct  für  dm  WM  de$  Faterlandw  thäiig  mitzuwirHn»  5SrJbip/b- 
tM»  in  der  Buekkandfun§(  der  ^aiekungnuieta^t,  1883.  12.  (ft 
tt.  88  &   Freie  8  gr.) 

Worte  iu'\t  Wärme  schon  gesprochen,  welche  swar  beknnnte 
lind  belobte,  aher  noch  \  ]v\  7n  woni«-  bfachtete  und  befolgte  Lehren 
enthalten,  und  w<?k*h(  r  wir  nnn  crfrcticii ,  weil  sie  hoffentlich  vielo 
Leserinnen  finden.  Denn  fichim  Hns  Adifsere  empfiehlt  sie,  wozu  (iu 
gehört,  dal's  man  sie  bald  d mchliefiüL  Die  mütterliche  üestimmüng, 
in  dem  häireltchen  Kreise  die  Kinder  zur  sitiUchen  Freiheit,  zur  Re- 
ligion, %tim  edlen  Streben  zu  bilden,  sie  Tor  falschem  Enthusiasuu» 
2tt  bewahren,  dapet^en  waliren  Patriotismus  in  ihnen  zu  erwecken, 
ein  glückliches  Faiiiilienleben  zu  bcjä^riinden ,  den  Einfi^if« ,  dee  vint 
treue,  liebevolle  Mutter  aof  die  Söhne  hat,  »um  Segen  derselbe  zu 
benutzen,  das  wird  vorerst  an  dau  Herz  gelegt,  worauf  dann  die 
Betrachtung^en  für  solHie  firmeherinnen  folg-en.  „Stille,  häiiKÜche  Ta- 
genden sind  die  Grundlage  einer  acht  weiblichen  Erziehung;  sie  iifld 
der  schönste  Sehmuck  unsers  Geschlechts,  und  dienen  daau  ^  alle  an« 
dem  Vorzöge  zu  erhöhen.''  (S.  5.)  Allerdings  eine  längst  aiierkaMdl 
Wahrheit,  aber  moft  aio  nicht  eben  jetat  und  auf  solche  Weise  «ia- 
derholt  werden?  Vernehmen  wir  ja  dooh  die  laute  Forderung  sogar 
ffir  Vallnacbutan  i  daa  weihliche  Geaeblaeht  aalle  für  die  Theilaahw 
aa  dea-  politacbaa  fingen  gebildet  werden  II 

Bbaaaa  iat  aa'  gaaa  aalCgcartfk ,  dafa  4ia  Laaaidaaaa  dla  bavih^ 
tan  Iiahraa  dar  phyiiaalian  Bnriiahung  biaa  mikt  mabram  BMIIam 
aanunaagaalalH  lladea.  Vaa  daa  ald^lMiaa  wird  aadaaa  aaafabili^ 
geeprocfaen,  aad  daa  antt  ffaia^a  BaaMMbaageo ,  a.  B>  S*  S8I. 
daa  vlala  Moialiaireii,  aad  voa  dar  itaabfan  ikri,  aan  Oabanaai 
l$aw«hnea,  Waa  Aber  Frahaiaa ,  GbataklaiMdaag,  WaMieitaUikat 
PMlabttrava,  WoMvallaa,  fialbatbaharraaboag  o»  a.  w.  getagt  Mf  N- 


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I 


Pädagogik.  IUI 

«teht  nicht  IiIm  in  einm  allgewtin««  RAMiiiBMitaiit,  m  Ist  ms  da» 
Mm  ia  ilaa  Loben  goopMclwo ,  sBm  TMl  oncfa  at»  im  EMk*^ 
nng  de«  Ree.,  wie  insbetoBdens  aber  djo Stmfott dep  Kiadort 
Eben  hierin  werden  noch  fcuuBg  auch  setbil  tob  Mutten,  di«  Mk 
ifitk  Maat  als  Jßrzleherinned  geltend  machen,  grofae  FdUor  hsgas^ 
gen;  and  aichl  niimler  in  dera  S.  ^  f^.  ierähviaa'  Panct,  wie  to»» 
kehrt  c«  Viele  anfangen ,  die  Bich  dai  heranmafasende  Klari'  im 
Freunde  soziehen  möchten.  So  hat  ma  auch  rorzöglich  angespro- 
chen, was  die  Verfasserin  (?)  über  das  Zartgefobi,  aatbat  zartaii^ 
nig,  m^t  (S.  61  fgg.)  —  Doch,  wir  wollen  die  Leserianea  selbst  nr* 
tbeilen  la^iRen.  Und  wenn  dann  eine  oder  die  andree  Ragt,  r*  das  Alles 
MisRen  wir  ja  6rli(>n  Innpi-f» ,  f*8  Kind  pote  Lehren,  aber  wararii  so 
eiwttg  mnU  It'^vn'i"  so  tragen  wir  da;j;^rgen  nur:  „habt  ihr  aiirh 
diese  faulen  Ltliren  befolgt?"  Die  seltnen  Mutter,  welche  das  be- 
jahen lionnra,  werde«  sich  dann  Gliirk  wünschen,  und  in  ihrer  scluinen 
Wirksamlieit  gefördert  fühlen.  Wer  ch  aber  weifs,  wie  selten  nucii 
tster  den  Frauen,  deren  Bildung  ruhinenswerth  ist,  diejenigen  sind, 
die  sich  wahrhaft,  auf  Ersiehung  verstehen,  der  freut  sich,  wenn 
ihaen  die  Pflicht,  sich  darüber  belehren  zn  lassen,  an  das  Hers  ge* 
Isgt,  und  durch  Fjolchc  Itleine  Schriften,  die  auf  ihren  Fntz-  oder 
Arbeitstischchen  wenig  Uaam  und  Zeit  verlan/^en ,  auch  erleichtert 
wird.  Sie  mögen  allenfalls  vorerst  den  Schlnfs  lesen:  Unmöglich 
Itann  ich  die«  kleine  Werkchcn  beendigen,  ohne  die  Mütter  und  iir- 
iieherinnen ,  iu  deren  Hände  ich  es  gebe,  nochmals  daranf  aafraerk- 
üni  gemacht  xn  haben,  welcher  wicbiige  Berof  ihaoa  tob  der  Vor^ 
MbOflg  auferlegt  ist,  und  wic-vial  Ooiaa  sto  I«  ilmi  lilr  die  Gegen- 
«iif  aad  Nacbwall  «i  stiften  Tom^n,  wenn  alo  ihn  ftren  nndl 
SnrSiienlMlfll  offiilen ,  und  dabei  atets  die  unlüna  BeatiaMnong  do» 
Ilaieif,  jJiao  Varedlsagr  nnA^  Belligiing,  im  Ange  htOMmJ^  idior  du 
Bialb,oigBntlieii  Itt^ilmafi  niobt  Mofto  fioffaaioo  aaya» 


^!  Er  Ziehung  eh  üc  hl  ein  y  oder :  Anweimng  zur  Erziehung  der  Kin' 
der  für  den  Bürger  und  Landmana ,  vom  VerJ^.  dßr  Schivelmer 
biblischen  JUstorica  nach  Hübner.  SchtLelm,  bei  Spher^*  18äö.  8. 
(VUI  u.  215  S.) 

^  gniea  ¥olMneIk  Wir  «dtawchon  oä  in  die  Hände  rom 
Mtidvigen  nnd^v-  Hohen.  Alle  können  daraaa  lernen,  und  keinLeseas 
Ipm  £rzielinngspfltchten  obliegen,  wird  es  acs  der  Haad  legeB)  <dNM 
et  filidea  adr'Hand  an  nelimen,  und  ohne  nicht  nur  daiana.Tiel  wm 
■elaer  Freude  anJenien,  sondern  auch  jene  Pflichten  recht  lebendig 
sa  fahlen.  Denn  es  enthält  die  Lehren  fär  die  körperliche  and  gei«  " 
«ii^  Bniehung,  und  wie  sie  weiter  in  Gapiteln  hier  vorgetragen 
«Mdan^  miger  s|rsteaiaiia«dl ,  als  nherall  tecfat  firajbüsflii  eioginU 


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1148  Pidagogik. 

feiid  Hill  anstehend,  so  daft  der  Verf.  in  fraiem  Ergnfo  Wcl  Tietti- 
chee  mittliellt  Anoh  eprielil  ftberall  daa  Leben  de«  Christenglanben 
tändafcki  nnd  bei  den  nieht  karg  angefnbrten  Beispielen  feiilt  nicbt 
die  Hinweieniv  anf  dae  Bililisehe.  Die  kemlinfte  Spraclie  macht  ot 
fnr  \g«nieiBe  Derfbevohaer  wie  fir  hoehgebildeie  Sifidter  an  eher 
angenehm  teistiadliehen  Ijeetfire*  Se  iet  ee  na«di  Inhalt  nnd  Peim 
ein  wahres  Völkebach. 

Wir  witiea  |a,  daft  untere  Eraiehnngskenntaieee  noch  immer 
aum  Erstaunen  wenig  verbreitet  sind,  nicht  blos  wenige  nnter  der 
niederen  Yolkielntse,  die  doeh  ihr  heiliges  Recht  darauf  crlicnnee 
■eilte,  sondern  nach  in  den  vornehmen  StänHm  ,  welche  die  Bächer 
und  Anweisungen ,  die  vielleicht  in  ihren  Bibliotheken  stehen ,  oft 
am  wenigsten  benutzen,  weil  sie  meinen,  dafe  sie  das  Allee  ja  schoe, 
auch  wohl  besser  würsten.  Dieses  nicht  su  grofse  Buch  wird  ihoeo 
leichter  zu  durchblättern  seyn,  und  dann  wird  ihnen  manches  io  die 
Augen  fallen,  das  sie  tiefer  hereinzieht.  So  etwa  gleich  aiif  der 
ersten  Seite.  „!Vlanchc  MeriRrhrn  thun  viel  fiir  ihre  Kindtr,  avoIIpq 
sich  aber  über  Einzelnes  ni(  Iit«  RFigt  ii  lassen  ;  z.  B.  eine  unreinliche 
Mutter  macht  dur<;h  diesen  Fehler  manches  sonstii^e  Gute,  das  ihren 
Kindt  in  nutzen  konnte,  kraftloa.  Ein  Vater,  der  mit  seinen  Vorge- 
setzten immer  in  Streit  lebt,  erzieht  keine  p^ehorsninc  Kinder."  (lit 
das  immer  der  Fall?)  —  ,,$ara  und  Rt^bekkn  hatten  nicht  den  Glas- 
ben  ihrer  Männer,  —  darum  wurden  anch  ihre  Söhne  —  wenigstem 
nicht  wie  Abraham.  Wir  finden,  dafs  auch  Jakobus,  Johannes  üui 
Timotheus  fromme  Mntter  hatten."  S.  l92.  leuen  wir:  Man  laue 
namentlich  keinen  Sohn  Tfarrer,  auch  nicht  Schullehrer  werden, 
desBon  Muttei'  blos  irdisciien  Sinti,  aber  keine  i'ieude  an  der  Ehre 
Gottes  und  der  Ausbreitung  seines  Reichs  hat.  Eigentlich  sollten 
überhaupt  nur  die  Söhne  wahrhaft  frommer  Mütter  studieren."  Dafi 
diese  Verschrlft  ia  ilirer  Allgemeinheit  nicht  gelten  kann  ,  sagt  schoa 
die  Erfahrung,  nnd  was  einige  Seiten  weiter  der  mit  der  christlieba 
Kraielinng  ee  so  ernsüieli  meinende  Terf*  bei  Gelegenheit  des  Üidm 
Scfanerses  üVer  Qiftratlieae  Kiader  als  wahiiiafi  geiatllclieB  Tml 
effgt>  läTsI  decli  daran  denken  t  dafs  eogar  verirrtoa^angealieiilea  aiekt 
eine  geisllielie  Wirksanikeil  für  die  Zakuaffe  abgesproehen  weidsi 
darf.  Ee  läfbt  eich  noch  Einiges  nnsstellen»  auch  bei  den  Regeln  flr 
die  physische  Erkiebang,  was  nicht  immer  so  strenge  genommen  wer- 
den dnrfy  indeskea  wiird  dne  gmde  niebt  an  MilVgriffen  Terlmten.  Wir 
Voltten  nnr  biermit  den  Wnnoeh  ansspreeben,  dab  eiao  eoldie  A>* 
weieaag  für  dae  Volk  sieb  aaeb  vor  Jeder  übertriebeaen  Fordemg 
Initen  mnese.  Dngegen  mdeblen  wir  nnsem  Lesern  Ton  Jedem  Blatts 
Probea  voa  dem  cbristlicbea  Gelato  nnd  praktlaeben  Sinne  diM 
Belehrungen  hier  absehreiben. 

Wir  wöllea  nnr  noch  Weniges  herauf  greifen.  S.  90 :  „  Maacbs 
£itera  wetden,  wenn  sie  dieeee  Baeli  leeen«  danken:  Adi,  das  M 


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Pädagogik. 


1141» 


Vorschriften,  nlles  Vorschriften,  die  für  Andere  passen  raugen,  aUer 
für  mich  nicht"  —  worauf  der  Verf.  treffenden  Bescheid  g-icht.  ~ 
S.  101 :  „Die  Eltern  wisHcn  oft  nicht,  wie  wi(  liti«;;  Munrhes  au  ihnen 
den  Kindern  ist,  und  wann  die  Stunde  int.  wo  Ein  Wort  von  ihnen 
den  Funken  der  Gottesliebc  \m  Herzen  dtr  iiinder  anbiascn  könnte.** 
—  S.  127:   „Liue  reiche  und  schöne  Sprache  der  Mutter,  die  sich 
leine  Schimpfwörter,   keine  niedrigpe  AuHdrnckQ  erlaubt,  bildet  dna 
Kind  sehr."  —  S.  175  fg.  über  Zuclit  und  Strafen  der  Kinder,  insbe- 
sondere S.  179:  „Schlagen  soll  man  eigentlich  nur  bei  bestimmter 
Widersetzlichkeit  der  Kinder.  —       Wohl  den  Eltern,  die  dann  be- 
•oanen  «lad,)  bei  dea«ii  da«  Kind  fühlt :  Biein  Widerstand  wird  nicht 
Mfen«  Ich  habe  «a  öfter  gesehaii,  dafa  wenn  -die  Kleinen  bei  den 
ctaton  Seblagen  sogleich  Fnrchl  und  Ehrfurcht  tot  den  Eltern  be-. 
tarnen,  hernach  keine  Bchldge  n5chig  waren.**  —  S.  MOt  „1^^  Sohn 
kinpft  mit  dem  Vater,  bia  der  Vater  atlrht,  and  dann  ainkt  er  e#* 
•ohdpfl  ven  den  Wnndea  dieaea  Kampfea  nieder,  alehk  die  Fehler, 
die  er  dnbei  gemacht,  glanU  nnn,  er  dorfe  nlchte  'miMUligen,  waa 
der  Vntar  f nr  gut  gehalten ,  ersieht  lelne  Kinder  wa  adurachen  Men* 
•chea,  lebt  ohne  Frendo  nadiatlrbt  ohne  Motb.** 

Im  Anfange  dieser  Vorschriften  sind  auch  nicht  jene  wichtigen 
Punete  übergangen,  über  welche  ein  helliger  Schleier  geworfen  ist, 
aber  alo  aind  mit  einem  bewnndernawnrdigen  Zartgefühl  raweit  be- 
merkt, ala  ee  doch  die  Vorbareitnng  inr  Kindarerslahnng  erfordert. 
Btt  Anhang  spricht  Aber  die  Behandlong  ▼erwahrloaeter  Kinder, 
wann«  Toratindig,  nur  fir  drtllche  Verhiltnlaae  mehv  beatimmt,  and 
wie  daa  ganse  Eniehungsbächlein  ich!  ohrlatllch. 


4)  Pahelbuek,  Fünfzig  Faketnför  KimUr*  in  BOdem,  g^setefawt 
wm  04 $0  Speck t€r,  jiVeftff  «Inent  wmMtkttftm  Anhange»  üaai- 
ftvrg,  hei  JFVlerfr.  Pertkee.  9,  (48  S.) 

Ein  reelitcR  Kindcrbucli,  wie  wir  c«  längst  wünschten.  Kind- 
lich die  Sprache,  kindüdi  der  GoiRt,  und  das  ebenso  recht,  dafs  es 
darum  christliche  Eltern  für  ihre  Kinder  geeignet  finden,  auch  wohl 
selbst  gerne  in  die  Hand  nchtnen  werden.  Denn  die  Probe  des  Kindli- 
chen ist ,  dafs  es  auch  das  Geraüth  des  Erwachsenen  erbaut.  Ree.  wurde 
bei  dem  Durchlesen  dieser  Fabeln  in  neinc  Kindheit,  wo  er  an  der 
Mutter  Schoofs  Fabeln  las  und  Kinderlieder  lernte ,  angenehm  zurück- 
versetzt, und  freut  sich,  in  diesem  Buche  noch  ein  besseres  seinen 
Enkeln  znsenden  zu  können.  Auch  die  liilder  nind  besser  ,  uIh  man 
sie  ehemals  hatte;  nie  sind  sauber  radirt,  mit  Recht  nicht  illuminirt, 
auf  jedem  Blatte  über  der  kurzen  Fabel  stehend«  und  werden  gewifa 
die  Kleinen  erwecklich  ansprechen.    Z.  B,  sehe  man  ^en  KnKbeii,, 


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UM  JAMgat,  Qwg|M|iliifl. 

Jer  eis  MdH  Mi  Joügm^Vdgelä  «altecki  Mrt.  OMi  dUm^  mt 
imd  Mgls 

„Knabe,  ich  bitt*  dich  so  sehr  ich  kanii:- 
O  rühre  mrin  lileincs  Nest  nicht  an  ! 
O  sieh  nicht  mit  deinen  Blicken  bin! 
Es  liefen  ja  meine  Kinder  drin, 

«ie  wcrdflii  enclireebca  und  ingatlicb  scbfei^Ht 
^ehn  du  acbanat  mit  den  grotwa  Aufen  Iierelä. 

Wohl  eihe  der  Knabe  dae  Neetchen  gcra  ; 

Doch  stand  er  behutsam  still  von  fern. 
Da  kam  der  arme  Vog^el  znr  Ruh% 
Floa  hia  nad  deckte  die  Kleinen  zu, 
Und  aah  m  firanndlieh  den  Knaben  an: 
Hab'  Dank,  dab  da  ihnen  kein  Iield  gvthan.«* 

Wai^  es  iüt  4ieee  BläUer  schicklich,  so  möchten  wir  taoeh  üf 
gleieh  folf^ende  Liener  Fabeln :\,Wandersniann  nnd  Lerche**  hlerb«- 
aelM,  nie  Beleg,  win  sie  wmth  dem  EnracbMnen  etwaa  sagen«  Mdb 
dia  Deebc»  dbb  Bachab,  iat  aablr  nnnehend  dnrcb.  die  hedantiaitta  mI 
nletUehea  Anahaekan ,  «ad  babibfend  danOr  die  kiadwaiaiiiga  B«rta^ 
la  Tenea. .  . 

Oer  Anhangv  entbSli  kindlich-  and  chrittlich-icli^na  Lfcdart 
wakhe  nach  achea  da«  8 jährige  Kleine  gefna  aaawendig  leraea  fWi 
weaa  de  ein  lieber  Mnnd  ihm  Toraagt..  Dan  Lied:  ,«Jaea«  segnet 
die  Kiader»'*  gehört  beaoadara  ia  die  Kleinkinderechala,  ^€)Uijf» 
Kiadergewife  aaeh  dem  bekaantea  Bilde,  daa  an  der  Wand  Itigh 
nit  Innigkeit  hinichanen  werden.  80  aind  meKrere  C^endiichten  aii 
dem  Erangeliam  gawaUl.  Daaa  fa|gen  niich  einige  Sailaa  mm- 
a^che.  Die  Nachachrift  an  die  Eltern  giebt  den  rechten  CklifP^ 
dteaea  Kinderbnchea  ao  an ,  wie  ihn  der  Unteraeichnete  aiehl  bfip 
annngeben  wnfate.  *«.. 

Sa  A  w 


Erster    Curaus   des    Unterrichts    in   der   Geo graphie  Ät 
L.  y.  Jüngst,  Lehrer  am  Gymtuuium  stu  Bi«l^el4*  f'**^%^it 

IHM  Bmibr  Khld  dbdli  luiifliilillKi  Vaa^Mblliil 

— 1,.,  tri, aft * hfci * j jj-ttju  ^ätA  aaa^A^tji*Ai4»u4_  fc---*«-*  — -  ^  d^'a^^]Mt^ 
■  aar  varnervnang  nao  TTieaampinag  ueUu  iraiarfwuia  jm  am 

gra|>Bib  ttedUlat  M  üraHleÜ,  Sohflid  HittlbnIilUl  fftf  4äB  'G^MM^i^^ 

aina  la  anan  wniiaaaanviQiaiian  inainpifBiMii  ninnt  vma  ssqhbbi 

dattt  Ibifc  tttt(iiitMhilieh,  to^laMril^  ireoh  te  «A  ttUi  iMR 

Ibbita  «iner  IHähf^  Vob  Iffataed  bM  JahfMüMeft  bkltKttymFm 

grorsen  Zahl  det  Sldlttatt  tiad  de^  AÜKMttilibhbit  des  i^fäfßtM^ 

Unterrichtb  ktintti^ll  idaten  fügltch  mtehrtei'e  btebenelnbiidtö  bijl>ti#i 

aM  diaienidich  kaan  «ach  dam  wllbgaadaa  BüilUm  jffjtUf^ 


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Sl«ig«rlM,  De  vra  UmfoHmafiti^  1151 

«icbi  «ligMpmicliwi  irenlaii,  in  ■olpn  et  «Ina  9)lge|iieliie  Uebi^nicht 
der  Lander-  nad  TdLfcerkmub  «atliftlt.  et  aller  iblee  für  die 

Schaler  keetimiii^  eeya  k^an ,  Udcm  der  liejtrer  den  Inlinit  ofieehin 
irissen  male,  oder  ttun  Mersn  nnderweitig^  unentbehrlicbe  Hnlfs- 
mittel  sa  Gebote  stehen»  eo  iet  die  fo  JSeiten  lange  Venrede  and  Ein«- 
leitnng  nebit  den  hiningcfügten  Uebungen  aberAussig ,  and  wäre  ee 
bester  gewesen»  diesen  Raum  für  eine  weitere  Aoefuliraiig  der  Geo- 
gftllbie  ««n  ftnrepa  sa  benataen. 


meniatib*  Sar^i  6.  H*  L.  St^ig^erihal,  Canrevtor*  CetUk 
MDCCCXXXli,  tfflh  G.  R  F,  SeknUH,  (Nehit:  JahnB-BetUlä 
über  das  Lyceum  der  Siadt  CeUe*  womit  u,  s.  1».  eiaibidet  Dt,  Lad- 
wig  Philipp  Büpeden,  IKreclor^  SO  ^  in  4. 

9ft8  Wort  •rra^.anaTußoXij  kommt  bekanntlich  bald  in  allgeiiiei- 
nerem  Sinn  voa  jeder  Tor  Gericht  deponirtco  Summe  Tor,  bald  in 
8|>cciellem  Sinn,  wo  ca  eine  bestimmte  in  einem  bcstiuiiiitcn  Fall 
oder  l^i'orer«  deponirte  Summe  bedeutet ,  wie  dies  z.B.  insbesondere 
bei  Erbscliaflsföllen  und  Erbscfiftftsstreitigkeiten  der  Fall  war.  Daher 
aetereucht  der  \tit,  in  dieser  Icsenswerthen  Abhandlung  den  Ge> 
braiieh  und  die  Bedeutung  des  Woilä  zunächst  in  diesen  Fallen ,  mit 
rteter  Rucksicht  auf  andere  damit  verwandte  oder  auch  in  ahali* 
elen  Beaiebangen  gdlirauchte  Aasdrücke  (wie  a.  R  dia/uux^nfia),  sa 
dab  daa  flaaae  einen  aebr  achalabaren'  lleitrag  an  der  in  iiaufcHai 
ZflUea  awar  neMM  beliaad^len,  lAer,  ibver  eigenen  Sdbwierig- 
keitea  wegen ,  neeh  inmer  nicht  genng  erdrierlen  Mira  des  Atli» 
sehen  fWeeses ,  liefeit«  die  nicht  sowohl  dnreh  allgemeiae  Bisen- 
BonenU  ala  dareh  gräadlieha  £r6r«erung  (wie  iaiehae  Ider  gesahahaM 
iet)  der  einwelaan  hier  ▼otbanknenden  Anedrfieite,  daraa  flbhtaneli 
oad  Aawendaag,  anfgahallt  werden  kann.  —  Me  beigafigten  Seh«l«- 
aacfarichtea  geben  ehie  genana  Uabarsieht  dar  IiebrgageMteda  all 
dsai  Ljcevm,  «ad  litofarh  aagleiefa  die  erfreaUeiiali  Beweise  taa  dar 
Thitigknt  nad  deft  laitgaaetetan  Bemühnngen  dee  Ditactara  «nd^dar 
8oMbeii6rda*«  die  Amdalt  isnidv  Aaha  an  bafeMn  «nd  im  UvMMh 
den  Stande  an.  aifaalMli. 


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1168^  liidleM  Atlici  v^n  A.  Bftttunliflk 

Mndiw  Attiei  odertprahittekt  AnhUung  sut  Hektigen  Menung  tad 
Ausspräche  ixt  'OrUMsekkn  F«fUi2ttiui,  «If  ftetonrfmrSBMdkiwA' 
tigung  d»  AUi$eh9n  DieHer*  Aw  dvm  BngHtektn  hearheiM  «o» 
Dr,  Anton  Bonmtt ark,  €hofikenogi*.Bad,  Fresßuar  am  Gymiia- 
Wirai  c»  FHÜInKfg*  tMhwrgf  ünw^nidithiMmidlimiC  nmd  Bnekr 
druekeni  der  GcMdier  Groot.  1888.  XiF  n,  182  ^.  ^  gr,  8. 

Der  Hr.  Verf.,  der  bereits  früher  im  Jahr  1830.  in  einem  Index 
Prosodiacus  Latinae  Unguae  antibarbarus ,  für  die  richtif^e  AuHnprcube 
des  Lateinischen  ein  Verzelchnifs  Ton  Wörtern  geliefert  iintte,  liereo 
Torletzte  Sjrlbe  leicht  unrichtig  auagcsproclien  wird  (s.  Heidelb.  Jahrb. 
18^1.  No.  12.  p.  190.) 7  hat  in  dieser  Schrift,  welche  -  'Heine 
deutsche  Bearbeitung  eines  in  England  unter  folgern". ^^^^^    Vtel  er- 
.flchiencncn  Büchleins;    Indkes  /ittici.    Or  ad  fluide  to  tke  yuantity  of 
the  greek  penultima  t  chiefly  with  rejcrcncc  to  attic  writers      Oxford  et 
London  1824,  ist,  einen  ähnlichen  index  Prosodiacus  der  Uriechi- 
B  (  h  0  n  Si>rache,   zunächst  was  die  richtige  Ati»sprachc   der  Tor- 
letzten  Sylbe  betrifft,  geliefert.    Die  Nützlichkeit  und  Brauchbarkeit 
«ines  solchen  Bttchleias,  zumal  för  aolclic,  w«lche  uieh^  in  dem  Bs* 
•its  guter  Wdrtetbiclier  iind ,  in  densn  dl»  Qninilt^  der  Sjibca 
■ieh  angegebea  findet«  dua  aber  aaeh  inibafondere  bei  dem  Srlerica 
'der  Spraeiie ,  ^wo  eiae  faleelie  Aoeeptaeiie  a<»eii  dftorer  irarfceaiart, 
•ale  im  Iiatelnieehea,  reejitfertigl  binlanglioh  dae  CreelielBeB  dieetf 
Schrift  ia  deateehem  Gewaed,  aamat  da  sie  dareh  die  Th&tigkeft  des 
•deatsclieii  Heraotgebei«  atelit  wenig  gewonaen  iial^  Otfreelbe  bit 
«icht  bloe  die  eiaielnea  Warter  ia  iliren  Formen  gcna«  angegebta 
•ad  mit  dea  aötiiigea  Accentea  Tereeliea ,  eowie  die  Haa|itbedeBlaeg 
•hiaaagefigt«  eondera  aach  maaeliee  UeberflOMiga  3vegselaefeen ,  Am- 
dn»f  wa*  aötfaig  eebiea,  liinaagefngt  aad  lo  da«  Hangalbaile  «P^ 
gftaat«  aach  eiaselae  IrrthäaMr  dee  eagÜ^ieliea  Verfaeeera  berlebt%tt 
«ad  81»ecatt  die  aeaeetea  in  Pisateehlaad  aber  dieeea  Faabt  etiebie- 
Maan  Farecbaagea  mit  gewohnter  Sorgfiilt  nad  Gaaaaiglrait  benatiC. 
Vm^  eo  ambr  mnDrta  ee  eae'lnfrcnidefl ,  S.  T.  der  Torrede  aater  Aa* 
dern  die  Worte  zu  lesen:  „zumal  da  nicht  blos  ehedem,  sonders 
aalbet  jetzt  noch  in  gar  ninnclien  Schalen  die  barbarische  Sitte 
herrscht,  das  Griechisohe  einseitig  nach  den  Accenten  zu  Jeaen.^ 
Ref.  hält  im  Gegeotlie^l  diese  barbarische  Sitte ^. der  die  alten  Grie- 
ehen  erweislich  eben  so  gut  wie  die  Neugriecheo  gehaldigt,  für  dil 
einzig  richtige,  die  zugleich  allein  eine  feste  Norm  abaogelien,  ead 
den  Schüler  vor  MifsgrifTeit  jeder  Art  aa  bewabrea  Temng.  — >  OfBSk 
und  Fapier  sind  aehr  befriedigend* 


j 

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I 

I 

N*.T8.   MBIOmiB.  JAHRB.  ik  LITERATUR.  189^ 


Beiträge  zur  Ke  nntn  iß  de!?  K  atholiciamut  und  zur  För- 
derung der  Sache  det  Lichtes  und  der  fVahrfieit  ^  oder 
Kritik  der  7}euet,fen  uvd  merkvürdigstcn  Erscheinungen  avs  dem  Ge- 
biete der  katholischen  Theologie  von  C,  M.  Eisen  9c  h  ni  i  d ,  Prof. 
zu  Schveinfurt  a.  M,  Leipzigs  bti  G,  frolbr^cht,  IBSS.   X  ti.  2^8  S, 

Nach  seincjn  vielfnclK  n  historischen  Beleuchlungfen 
des  katholischen  Kircheiiglaubetts^  des  CtUtus  und  der 
Kircheo Verfassung  aus  den  Quellen  der  römischeo  Kircbey 
worauf  auch  UDsere  Jahrbücher  öfters  aufinerksam  ge- 
macht haben,  fafste  der  unermüdete. Verfasser  den  gewiA 
ffir  beide  Kirchen  fruchlbaren  Kntj«ehlufs,.in  befM>nderQ 
Heften  merkwürdige  Erscheinungen  auf  dem  Gebiet  der 
katholischen  Theologie  des  Inlandes  unfl  Auslandes  be- 
kannter zu  machen,  sie  durch  Beurthei laugen  und  weitere 
Notizen  zu  beleuchten,  nichtige  Documenle,  die  den 
KAlhdictsiiius  der  neuesten  Zeit  charakierisirea ,  zu  sam- 
meln und  die  BemOhungen  der  heiter  denkenden  Katho- 
liken iür  Verbreitung  des  Lichtes  ebenso  wie  die  An- 
strengungen der  Verdunkelung  ins  Licht  der  OetieatiichT 
beit  zu  stellen. 

Das  erste  Heft  dieser  Beiträge  enthält  Vd  Nummeni 
folgenden  durchgängig  merkwOrdigen  Inhalte ;  1)  Ka- 
tholische Grundsatze  Uber  die  Ehe  von  Mich.  Witt- 
mann,  Weihbischof  zu  liegensburg;  —  2)  Sjstera  der 
katholischen  Doginatik  von  Dr.  Klee;  —  3)  Hoiniüen 
des  h.  Chrjsostomus,  aus  dem  Griechischen  übersetzt  vqq 
Wilh*  Arnoidi;  —  4)  Domdecan  Joseph  Weber, 
Tonr  Christoph  Schmid;  —  5)  Beleuchtung  einer 
ROge  in  der  Schrift:  Paradoxen  der  Zeit,  Frankfurt  hei 
Wesche;  —  6)  Die  literarische  Stellung  des  Protestanten 
BU  dem  Katholiken  vom  geistl.Rath  und  Prof.  Dr.  Salat; , 
—  7)  Lieber  die  grofse  Verschwörung  gegen  das  Chri« 
otenthum  von  Fr.  Geiger;  —  8)  Suüo  Spirito  cmiu 
papale  che  produBse  Rifarma  .  • .  come  riäuUa.  de 
motu  euei  ciasäici,  maeahne  de  Dante,  Petrmrca, 

XXVI.  Jahrff.  12.  Huft.  .18 


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11§4         Eiseuscluniclft  Kritik  der  neuetUn  Ltscheiuungen 

JBacaccio.  Disquisizioni  di  Gabriele  Rosetti, 
Prof^  di  Lelleralura  itaUana  nel  Collegio  del  Rc  m 
iMdrm  .  .  Landra,  1832.  XV  und  460  &  in  8.  b« 
Treiittel  u.  Warz  u.  Richter;  —  9)  1)  Sendschretben  an 
deo  Hrn.Brzbi8chof  Boll,  von  Dr.  R.  A.  Preiherm  vod 
Reichlin- M  el  (legg,  —  2)  Act  des  Uebeitrittes  und 
der  Aufnahme  des  Dr.  v.  R.  M.  aus  der  römisch  -  katho- 
lischen in  die  evangelisch -protestantische  Kirche;  — 
10)  Reeensionen  der  Röntgsbergerlsoheo  kleinen  Schlif- 
fen :  1)  Concilien  und  Btichöfe,  oder  die  oeve  Reforim- 
thw  in  Deutschiami.  MUncheR  1882,  —  2)  Auch  eis 
Wort  über  Rehgions-V'ereiiiigung,  —  'S)  Haniiibal, 
oder  Beiträge  gegen  den  neu  aufstreliendeu  Obscuran- 
lismuf} ,  herausgegeben  von  Pfarrer  Königsberger. 
1  ^ft,  Heft ; —  11)  Die  Freiheit  der  katholischen  Kirche 
hl  llj^ftrlemberg ,  von  eiBem  katholischen  Getetltchen, 
Ulm ,  1882 ;  —  12)  Schreiben  Pahst  Gregor»  XIV.  »n 
die  Erzbi«K.liöfe  und  Bischöfe  in  Baiern  ge^en  die 
gemischten  Ehen;  —  13)  Rundschreiben  Gre 
gors  XV!.  an  alle  PaCriarcheo,  Primaten,  Erzhiscböfe 
Md  Bischöfe.  Zur  Ankündigung  s^ner  Stuhlbesteigung 
und  Andeutung  der  zu  befolgenden  hierarchiselL-cttflfr- 
llstischen  Grundsätze. 

Die  piibstlichen  Sendschreiben  sitnl  vollständig  mil- 
getheiit  und  mit  Bemerkungen  begleitet  Von  dem  Send- 
schreiben des  ür.  und  Prof.  von  Reichlin^iVteldegg 
an  den  Erzbischof  zu  Preiburg  und^ron  dessen  Veranlas- 
sung ist  ein  summarischer  Bericht  erstattet,  i»d4  das  bsi 
dem  fjebertritte  abgelegte  Glaubensbekenotnifs  des  RM. 
über  die  zwischen  beiden  Kirchen  fortbestehenden  LV 
terscheidungsl ehren  in  13  bestimmt,  kräftig  ttnd  ge- 
mäfstgt  ausgedrückten  Sätzen  mitgetheilt.  Die  Ihesio- 
gischen  Schriften  von  Weihblsehof  Wtttmanii  wd 
IVof.  Klee  sind  ausffihrlioh  und  mit  GrftndHcbkc^t  gB- 
prfift.  Bei  der  ersten  besonders  widerlegt  E.  dHrch  Bf^ 
idärurrg  aller  Jesus  als  den  Sohn  Gottes  oder  dertiottheit 
betreffenden  Bibelstelleir 'die  gegen  neuere  Protestanten 
dfters  vovgebrachte  Einrede,  wie  wena  hm  DeM^ttaa 


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in  der  liatliAtisclifn  Theologie. 


(ier  symbolische  Glaube  au  die  Gottheit  Jesu  versehwud* 
den  sey«  Durch  eine  dem  Wort  und  Sinn,  auch  der 
irdheateu  Dogtnenfrelheit  gentäbere  Exege^  ^«iff^  <He 
Debereinstiintnong  d^s  protestatitischen  Ralionali^mus  mit 
ften  biblischen  Urkbnden ;  wobei  hauptsächlich  auch 
dies  zu  bemerken  isi ,  dafs  die  Urheber  der  Reformation 
nur  die  im  MiUelaiier  ausgebildete  Lehren  der  päbstli- 
cheo  Kirche  genauer  geprüft  haben,  weswegen  das 
Wesentliche  ihrer  symbolischen  Confessiönen  in  den  (för(* 
dauernd  wahren)  Gegensätzen  gegen  den  Papismos  he^ 
steht,  fttr  tttchfere  andere  Erforschungen  des  Ursprung* 
liehen  Christenthutus  aber  damals  nicht  nur  die  Zeit, 
sondern  auch  die  philologischen  und  philo'^nphischen 
Vorübungen  fehlten,  folglich  auch  darin  nichts  neueS 
Bleibendes  entdeckt  werden  konnte. 

Mit  gebflhrendem  Ernste  und  mii  GrfindlichkeU 
sind  (No.5.)  die  Vorwürfe,  welche  dem  Verf.  wegen 
verfälschter  Darstellung  der  katholischen  Glaubenslehre 
in  den  Paradoxen  der  Zeit  gemacht  wurden,  zurecht 
gewiesen.  Unbefangen  und  hochachtungsvoll  sind  die 
Verdienste  des  Domdecans  Weber  für  die  Verbr^f- 
tätig  des  Lichtes  und  fUr  die  Förderung  der  christitch^M 
Tilgend  (No.  4.),  ^owi<^  die  Bestrebungen  dtr  ffetge* 
ginnten  kathol.  Geistlich ki  it  von  VVürtemberg  (iVo.  Ii.) 
und  die  Arbeiten  des  heftig  angefochtenen  freisinnigen 
baierischen  Pfarrers  Königsberger  (Xo.  10.)  gewürdigt. 

Sehl"  rrterkitttrdig  sind  die  Zeugnisse  von  Verdorb^d- 
heil  ttes  fdmrfschen  Hofes,  welche  die  Schrift  des  Pt6t 
Gnbrief  Rosetti,  eines  geborn^n  Katholiken,  thtft 
den  antipäbstfichen  Geist,  welcher  die  Reformation  her- 
vorgebracht, und  über  den  Einllufs ,  den  jeneV  antirö- 
mische Geist  in  der  Literatur  Europa*'«  und  vorzüglich 
in  Italien,  besonders  in  Dante,  Boccacio,  Petra rka  u. s.w. 
bewirkte,  untef  No.  8.  iiefert  Die  dhma  Cömedia  yon 
Daafte  ist  nach  Rosettt  eine  niaSkirte  Paraphfasif  .  dfev 
Offenbarung  des  Johannes  ^  angewandt  auf  dlaS  Pabsl^ 
thtinl.  Die  Apokalypse  theilt  sich  in  drei  Hauptscenen: 
Gemilde  der  verkehrten  Welt  in  Babj^lon;  Gemälde 


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Biteatchmids  Kritik  der  aeUMlen  firtcheiDOiigeD 

des  Gerichtes  und  der  Strafe  BabyloD^ ;  Gemälde  dM 
neuen  Jerusaltüns,  welches  an  Jerusalems  Stelle  Ulli 
Dies  vergleicht  R.  mii  (len  drei  Haupttheilen  der  ver- 
sch leierten  Paraphrase  Danle's«    Die  Holle  en [«spreche 
dem  ersten,  das  Fe^feuer  deiu  zweiten ,  das  Paradies 
dem  dritten  GemSide.    Man  rechnete  1000  Jahre  des 
^,  Reichs  Christi und  da  diese  mit  der  Zeit  Sylvesters  II. 
sich  zu  endigen  schienen,  so  wuidt^  geglaubt,  dafs  nun 
Satan  auf  kurze  Zeit  gelöst  se^,  aber  das  ihm  verfallene 
Babyion  seinem  Sturz  nahe  seyn  müsse.    Von  Rosetti 
werden,  der  Reihe  nach,  Zeugnisse  genug  aus  den  frii- 
-hern  Jahrhunderten  angefiihrt,  in  denen  der  päbstliche 
Hof  dem  heidiiischeü  ßahylon  iiiul  dem  Hofe  des  Satan 
verglichen  und  die  wohlthätiije  Wirksamkeit  dieses  Kin- 
heitspuoktes  der  kalholisciien  Kirche  gar  nicht  anerkannt 
wurde;  uämüch  die  Zeugnisse  des  Claudius,  Erzbi- 
schofe  yoa  Turin  (a.  820  —  889.)»  <ies  Mdnchs  Lam- 
bert von  Aschaffenburg,  des  englischen  Garmeliten 
Wilhelm   Djsse,    Arnulfs,    Bischofs  von  Orleans, 
Franz  P  e  t  r  a  r  k  a  (s,  dessen  Ephtolae  und  das  Memoire 
pour  servir  ä  la  vie  de  Petrarque.  tan  1351.),  Aiiiert 
▼OD  Capitaneis,  Legaten  des  Innocenz  VIII.,  Francesco 
Negri  von  Bassano,  Jacob  Aconzio  vonTrient,  Ro* 
bert,  Bischofs  von  Lincoln  (a.  1258.),  Eberhard, 
Erzbischofs  von  Salzburg,  s.  Aretin.  Anna!.  Buch  T 

Sonderbar  genug  ist's,  dafs  auch  unsere  deut- 
schen Romantiker,  welche  so  emsig  die  Sänger  des 
Mittelalters  wieder  erwecken  wollten,  immer  auf  Deu- 
tungen eines  geheimen  Sinns  derselben  hin-  , 
weisen,  aber  auf  solche,  wodurch  Liebe  so  der  mittel- 
alterlichen Hierarchie  geweckt  werden  sollte.  Nicht  nur 
Rosetti  zeigt,  dafs  jene  Gehe  im  spräche  vielmehr  anti- 
römisch  war.    Schon  Gingui  ne  schreibt: 

'  '„Fast  alle^  Eklogen  Petrarkas  sind  räth^elhaft 
und  geheimnifsvolL  Ohne  Schlüssel,  den  man  nicht 
Immer  findet,  ist  es  unmöglich ,  sie  sn  verstehen  .  .  • 
Einige  sind  wahre  Satjren,  wie  die  sechste  und  siebente, 
wo  Fabst  Klemens  VI.  augenscheinlich  unter  dem  >^aoien 


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in  der  iMitliolUchcn  Tlaulo^ie-       _  1157 

Mition  (mUlSy  sanft,  ^utig  —  eletnena)  dargesteiU  ist 
In  der  ersteren  wirft  ihm  der  heil.  Petrus  unter  dem  Xa- 
men^Pamphilius  mit  Harle  den  Zustand,  der  Lauigkeit 
vor ,  in  welchem  sich  die  Heerde  befinde*   (Hhi.  tiL  ^ 
JFIial  Fol  II.  p,  «T) 

In  der  zweiten  Kkloge"  (fährt  Gingueiie  fort)  „tritt 
Mition  auf  in  «1er Sceiie  mit  einer  Nj' niph  e  Ep^,  d.h.  mit 
derStstdt  Avignon  (Epicureu),  Die  Nymphe  durchgeht 
die  Kardinäle  der  jRelhe  nach ,  welche  unter  Sinnbildern 
▼ersteckt  sind ,  die  tod  dem  Hirtenleben  stammen ,  unil 
malt  sie  mit  den  hSPslichsCen  Zügen  und  schwärzesten 
Farben.  Der  Inhalt  der  folgenden  Eklogen  ist  sehr  ver- 
schieden, und  doch  trifft  man  darin  sehr  lebhafte  Züge 
gegen  Aviguon  und  den  Hof  daselbst.  Er  läfst  den 
Kardinal  Coloooa  unter  Ganymed  s  Namen  sprechen ;  er 
spricht  selber  unter  dem  des  Amj^klas.«  ... 

In  einer  andern  Ekloge  y  die  Conflictatio  betitelt ,  ei*- 
zählt  ein  Hirte  einen  Zwist  des  Pan  und  de«  Artikus. 
Letzterer  macht  dem  Pan  Vorwürfe  wegen  der  Gunst- 
bezeugungen,  die  er  von  Fanstula  erhält,  uud  der 
Fanstula  wegen  der  Gefälligkeiten ,  die  sie  ihm  spendet 
Unter  Pan  und  Artikus  ist  der  Köni<^  von  England  ver- 
standen, unter  Faustnla  (die  Gattin  des  Faustuhis,  eine 
Anspülung  auf  die  römische  Lupa)  der  pabstliche 
Hof.  — 

Unter  dem  Schilde  dies(^r  Geheimsprache  cirkuiirte 
dieses  Hirtengedicht  in  der  Welt.  Die  Päbste  waren  da- 
durch gräulich  getroffen,  und  Petrarka  schlummerte 
rnhijg.    Die  Päbstler  lasen  es,  wie  wir  die  Bukolika 

eines  Theokrit  lesen,  und  die  Witlersacher  des  Pabstes 
sogen  neuen  Hafs  daraus.  —  .... 

Petrarka  selber  hat  sehr  deutlich  gestanden ,  dafs 
seine  Bukolika  den  nämlichen  Inhalt ,  wie  seine  Briefe 
haben ,  jedoch  unter  einem  täuschenden  Gewände.  Und 
er  setzt  noch  hinzu,  dafs  er  seine  Hirtengedichte  so  Ter* 
mummt  habe,  theils  um  den  Gefahren  zu  entgehen, 
theils  nm  dem  Geschmacke  seiner  Zeit  zu  hul<llgeii,  der 
eine  solche  Darstellungsweise  liebte.    Wenn  Päbstler  es 


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nS8        Eimicbmidt  Kritik  der  neuwles  KrtebetDOOgen 

nicht  TerstandeDi  8o  war  doch  den  Widersach des. 
Pabstes  das  Ganze  desto  leichter  eii  ent^iflTern;  dies  aber 

war  nur  möglich  dutcli  IJtbcreiukunft  über  eiue  ge- 
meinsame Geh  (Einspräche.  —  .... 

Schon  Boccaccio,  der  mit  Pe^rj^rka  fast  nur  Eine 
Seele  ausmachte,  hatte  der  Welt  gesagt,  da^a  in  den 
Bulielilia  seines  Freondea  ein  Kern  Ter  borgen  aey,  ^ 
Speise  für  wenige  Zahne ,  während  die  anfsera  Schaala 
för  alle  wäre.  Iii  dem  vic  rzehiiten  Buche  seiner  Genea- 
logie der  Götter  läfst  er  verschiedene  Blitze  leuchten  , .  . 
So  heilst  es  auch  im  zehnten  Hauptstück.:  Es  ist  Thor- 
heit|  zu  glauben,  dafa  die  Dichter  un|er  dof  Hülle  üßt 
Worte  nichts  yerborgen  haben :  dafii  aie  piir  fti^tUUffi 
Fabeln  gedichtet  hätten,  jlie  nichts,  ala  die  Aulaeqaeife  | 
vorstellten.  Wer  ist  so  unwissend ,  dafs»  weim  er  unsero 
Dante  ^ehv  oft  die  verwickelten  Knoten  der  heiligen 
Theologie  Ipsen  sieht,  er  niciU  nur  den  Philosophen, 
(Sondern  auch  den  Theologen  ap  ihm  gewahr  ift  ird?  Oder 
«ua  welchem  Grunde  hatte  er  woiil  gedichtet,  me  Grifaa 
jenen  Wagen  aqf  die  Höhe  einea  Berges  achleppt ,  be- 
gleitet von  sieben  Leuchtern  und  eben  so  vielen  Nym- 
phen, nebst  dem  übrigen  Theile  des  Triumph-Pompes? 
(Gerade  dieser  Theil  des  Dante  scheu  Gewebes,  sagt 
Rosetti,  auf  wichen  Boccacio  die  Aufmerke mkeit  rigi^tey 
sey  der  Schlüssel  zu  dem  Ganzen.)  Wer  indchte  ao  eia- 
ftitig  sejrn,  zu  glanbeq,  der  berflbn^te  Petrarka  habe 
89  viele  Nachtwachen,  Mühe  und  Suidium  daran  ge- 
setzt, um  in  seinen  Bukoljka  zu  dichten,  dais  ein  Pain' 
philius  und  Mition  und  andere  fabrlä4i$ige  Hirten  mit- 
einander sängen?  Ich  köpote  au<4)  meiner  Hirtenge- 
dichte erwähnen )  deren  Sinn  ich  genau  weifSf  aber  idi 
lialte  es  für  besser,  «n  schweigen.'*    So  BocC9cia^ 

Ernste  Erwitgung  verdienen  anch  die  ^itgemäfi^, 
ana  der  Schrift  des  geistlichen  Raths  und  Profej^sofS 
.  Pr.  Salat:  „Die  literarische  Stellung  de$  Protestanten 
zu  dem  Katholiken"  (Landshut.  1831.  702  S.  in  8.)  anter 
No.  6.  ausgehqbenen  Steilen.    In  Hiosii^ht  apf  di«  VlVh 

knngen  des  Volksglanbeni  an  das  ojm^  <^pm'^^m  io 


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der  Kiodertaufe,  die  Kraft  tlw  Sacrameiito  echoo  ao 
mad  für  aich,'  «oabhftngig  too  der  Geaionuiig  de$  Ena« 
pfangers  «las  Heil  wirkeoi  vad  wonach  die  geteuften , 

voa  aller  Schuid  gert  iuigtt u  Kinder  bei  ihrem  Tode  so- 
gleich in  den  Himmel  komiiien  sollen,  werden  sehr  be» 
heraiguugswerthe  Thateachen  initgetheiii*  Neuerli(^h  erali 
mübU  Salat,  fielen  wieüar  T^kltuDgen  getaufter  un\ 
mfijHllger  Kinder  vor*  In  der  Gegend  too  bindshttt 
schlug  ein  fionet  wackerer  Familienvater  zwei  seiner  Kin* 
der  todt;  das  dritte  liefs  er  leben,  weil  es  ihm  schon  so  alt 
geworden  und  zur  Vernunft  gekommen  schien,  (Infs  der 
Vater  besorgt  ivar,  es  möchte  eine  Sünde  begangen  haben» 
Bei  IMUagen  gab  eine  Multer,  auch  eine  Verehlicht6| 
illrea  zwei  Kiodevii  den  Tod,  oder,  wie  eio  sagte^  das 
ewige  oder  'himmlische  Leben.  Schon  vor  längerer  Zeit 
hörte  eine  Mutter,- welche  vier  unmündige  Kinder  hatte, 
eine  Nachbarin,  die  eines  durch  uvn  Tod  verloren,  sich 
damit  trösten:  Sie  habe  ja  nun  einen  Engel  im  Himmel 
«lad  einen  Furbitter.  Diese  Bede  ergriff  sie.  Die  Vor-* 
Slolliing  bemliebtigle  sich  ihrer  Phantasie,  und  lieis  kei^ 
BtM  Schlaf  io  ihre  Augen  konttneo«  Aufttehend  sodaaBf 
sieht  sie  ihre  Kiirder  noch  schlafen,  und  schlägt  sie 
alle  todt,  springt  dann  auf  die  Gasse  und  schreit:  Jetzt 
habt^  ich  auch  Bogel  im  Himmel ,  auch  Fürbitter,  uod 
ich  habe  vier! 

In  Ansehung  des»  Ueber^Aogfs  der  Schuld  derStamm- 
eltern  auf  die  Ntf chkommed  vorsiMdite  Proi  Klee  (  No«  2« 
47  ^  4g.)  den  Anelofs  der  Vern^fl  durch  die  Hypo^ 
'tiieSe  des  Trailucianismus  zu  heben,  nacli  der  nicht 
blos  das  Körper-,  sondern  auch  das  Seelenleben  durch 
die  Ajeltern  erzeugt  werde.  Aus  dem  geuetisch  iunigea 
ZosammeDhaailp  der  Kinderseele  mit  ihren  Gütern  werdo 
die  Uebertffsgting  der  gelstil^  Blj^enheiteo«  also  a«cb 
dos  Verderbnisse  der  Seele  erklärbor^  (BrsI  schafft  maa 
sich  das  Räthsel  einet  angebornen,  vererblichen  Sdod^ 
haftigkeit,  und  alsdann  macht  die  Speculation  alle  mög- 
liche Anstrengungen ,  um  den  selbstgemachten  KnOteo 
Ml  Idee»!)   Am  einem  Act  clor  Natorthätigkeit  den.Utv 


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Kiieaaeboiid«  Kritik  der  nncitmi  EfMkeinnagen 


Sprung  des  geisti^Q  Wesens  absnieiten ,  ist  ein  meli- 
physischer  förmig,  ftsraßaaig  eig  aXXo  yevog.  Aoeh 
wäre  die  Theorie  von.  Erbsunde,  verglichen  mit  der  von 
dem  Tauf^acrament,  im  Wider^ipruch  mit  dem  System. 
Fromme  christliche  Eltern  himl  durch  die  Taufe  voo  der 
ErbsQade  frei  gemscht  und  können  durch  ihre  fromme 
GesiDnan^en  uod  tvgeiidhalleii  Wandel  eine  hohe  filefe 
in  der  christlichen  Vollkommenheit  erreicht  haben.  Nach 
dem  Traduciauiümus  MÖrden  von  frommeu  geieioigten 
Seelen  der  Eltern  nur  unschuldige  fromme  Kinderseelen 
hervorgebracht  werden.  Umgekehrt  mllfste  durch  .die 
lange  Eeihe  der  Erzeugungen  Ton  sfindhafteD  SHsni 
jedes  folgende  Geschlecht  schlimmer  ab*  das  iwhergo* 
heode  ( avia  petnich9ior )  werden »  ohne  es  vermeidet 
in  können. 

In  der  katholischen  Dogmatik  wird  ferner  die  Erb- 
sünde nicht  blos  als  ein  unabwendbares,  schuldloses  Erb* 
übel ,  sondern  als  eine  durch  Zeugung  fortgepflanats 
Schuld  gelehrt,  welche  den  Kindern  Verwetünng  vor 
Gott  and  ewige  Verdamoliing  »izieht,  wenn  sie  nicht 
dorch  den  christlichen  Glauben  nnd  durch  die  Taife 
gehoben  wird.  Genug.  Es  würde,  wie  Salat  bemerkt, 
das  moralische  Uebel  gerade,  ja  g^anz  wie  ein  physi- 
sches vorgestellt.  Waltet  da  nicht  der  haare  Materia«- 
lismus? 

In  Hinsicht  der  Restauration  der  Mendican- 
tenklöster,  welche  der  Seelsorge  Aushülfe  leisten  99U 
len,  macht  der  g.  R.  Salat  aufmerksam  a)  auf  den 
rohen,  für  die  Sittlichkeit  so  verderblichen  Alierglauben, 
nach  welchem  der  Mönch  sein  Gebet  als  Surrogat  aa- 
bietet,  wenn  die  beschränkte  Gutmfithigkeit  klagt,  daüi 
man  vor  Arbeiten  nicht  beton  kdnne;  wo£ir  sodann  die 
Gabe  von  Getreide,  Schmals,  Butter,  Bier  11.  «.w.  desto 
reichlicher  aoslalien  soll.  Bs  Hegen  ThatsacHen  ver, 
dafs  hin  und  wieder  auch  ein  weit  Aergeres,  das  nicht 
genannt  werden  soll,  in  die  Familie  kam.  h)  Wird  auf- 
merksam gemacht  auf  die,  im  Ganzen  so  drückende  in-« 
directe  Steuerabgabe,  welche  unansweiehlich  dort^  wo 


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in  4«r  UlliQlltciieii  TIaeologie.  lUU 

I 

ein  solches  Rlosler  errrtchtet  wird,  eutsCeht  Wenn  von 
der  Aushülfe  in  der  Seel sorge  gesprochen  wird, 

so  entste  ht  die  Frage  ,  was  zur  Bildung'  des  Volkes,  man 
möge  die  religiöse  oder  moralische  ins  Auge  fassen  ,  er- 
forderlich se^?  welche  Vorbereitung  uod  weiche  Keoat- 
nife  des  Volkes?  weicher  Segen  kann  von  den  sogemiaaUNi 
y^Sntlelpredigten  der  Mdnche,"  von  der  Möochsmoral 
flir  die  Büdu^ig  des  Volkes  erwartet  werden? 

Die  gute  Sache  der  wechselseitigen  Aufklärung  wird 
sehr  gewinnen,  wenn  der  verdiente  Verf.  seine  Beiträge 
zur  För<ierung  des  Lichtes  fortsetzt,  mit  unbefangener 
Wahrheitsliebe  auch  die  in  katholischen  Schriften  nio* 
deryeiegte  Wahrheit  aas  Lieht  sieht,  die  Irrungen  aber 
mit  wissenschaftlicher  Grindlichkelt  beriohtigeä  hilft. 

Der  Druck  ist  im  Ganzen  correct;  doch  fielen  fol- 
gende, nicht  angezeigte  Druckfehler  auf:  S.  26.  Z.  15. 
von  unten  vereint  statt  verneint  .S.  Z.  ^  P^'g* 

statt  pori.  S.  123.  1&  v.  u.  ist  nach  „erwie^^en, 
dallB"  ein  wichtiger  Zusatz  einsoiohalien  ttötbig,  nämlich 
dieser,  daik  —  „in  den  Verhandlungen  sn  Constanz 
,  (Sess.  19.)  und  in  dem  Lateran.  III.  Can.  16.  jene  Lehren 
bestimmt  ausgesprochen  sind worauf  alsdann  weiter 
folgt,  dafs  auf  dem  IV.  Concii  im  Lateran  und  auf  der 
K«V.  zu  Lyon  im  Jahr  1245.  wie  zu  Constanz  eben  diese 
Grundsätze  in  Anwendung  gebracht  wurden.  Das  Decret 
des  Constaozer  G>ncilittnis,  welches  auch  Mansi  Tom« 
XXVII.  foI.?91.  aufbewahrt  hat,  sagt  darQber,  ifafk  der 
kaiserliche  Geleitsbrief  dem  Hufs  nicht  zu  halten  gewesen 
sey,  bestimmt  dieses:  c  um  Jo.  Huf s^ßdem  orthodox  am 
perimacUer  o/^ugnans  se  ah  omni  salvo  con- 
iltt#ltt  et  priviiegio  reddiderii  alienum  nee  - 
■mliqua  eibi  (j^ei)  fidee  aut  promiaaio  de  Jure 
ne$utaU,  dhmo  vel  humano  fuerit  in  praejudi^ 
dum  catholicde  fidei  o  bserv  and  n  wodurch 
als  Grundbegriff  des  katholisch  oeknnienischen  Concils 
ausgesprochen  ist,  dafs  kein  Versprechen,  wenn  es  dem 
hathoiiGianban  znm  Präjudiz  wäre,  gehaHen  werden  aolle. 

Dr.  Pa^ulue, 


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im 


Vmknt  die  Sündloäigk^it  Jesu.    Eine  apologetisehe  BetraehtuHg 
vm  Dr.  C.  Vilmann,  ord.  Prof.  der  Theol.  zu  Halle.  ZweiUr 
verbesserter  und  vermebrtv  AMruck,   Homburgf  6ei  FrMr.  Perllm^ 
8.  (144  &> 

Dogmeo,  welche  dki  Orthodoxie  festhiell,  zu  btr 
havpten  oder  ausmtofsaa,  war  die  iheologlaehe  Bewe* 
gung  des  Zeilf eiste«  io  sdoein  aufeinander  Mgendea 
Proteus -Weehsei.  Wie  viel  oder  wenig  die  WalirhA 
flabei  einwirkte,  mag;  eine  uubefaiigne  Geschichte  der 
Tlieologie  enthilffen ;  für  cÜe  unbefangene  Würdigunjg; 
der  Dogmen  scheint  die  Zeit  gekommen  zu  aeyo»  Oie 
vorliegende  Monographie  ist  eio  Beweis  hiervon ;  sehen 
der  KWeite  Abdruck  derselben  «aeh  wenigen  Jabren,  mehr 
die  Schrift  selbst  aber  wird  den  Leser  mit  dieser  Uebeiw 
zeii*iuiig  erfreuen.  Sie  geiiört  in  die  Reihe  der  vor- 
züglichen, welche  wir  der  neuen  Generation  von  Theo- 
logen verdanken  ,  auf  die  wir  älteren  mit  froher  Hoff nuo^ 
sowohl  für  die  Wissenschaft  «Is  Ar  das  Leben  des  ChfH 
etenthttuis  hinbiieken  mdg e»; 

Der  Inhalt  der  Schrift  betrillt  die  Person  dessen ,  auf 
welchen  sich  das  Christenthum  gründet,  lind  ist  also 
mit  Recht  von  dem  Verft  ,,eine  apologetische  Be- 
trachtung" genannt.    Wie  das  hier  abgehandelte  Dogms 

mit  der  Wahrheit  und  Göttlichkeit  unserer  lieiligen  Re- 
ligion zusainnicnlKinge 5  ist  wohl  schon  auf  den  ersten 
Blick  klar,  liier  aber  wird  dieser  Zusammenhang  exege- 
tisch,  philosophisch  und  historisch  zur  Deutlichkeit  ent- 
wickelt ;  schon  die  Einleitung  legt  es  vor  Augen. 

Der  erste  Abschnitt  erklärt  und  begründet  den  Be- 
griff der  Sünd|osig^neBt  Jesa,  mit  feiner  Uoterscheidunf 
TM  Uneündliehheit,  welche»  beides  da#  Griechische 
'Atsc/EftstprirtTf«  in  sidi  schltefiMk  Denn^Mdes  Ist  Piair 
eejn  von  Binde,  jenes  von  wirklicher  im-  laneren  wie  isi 
Aeufseren,  dieses  von  dem  Habitus,  von  derjenigen  Be- 
schailenheit ,  woraus  die  Sünde  hervorgeht.  0a  aua 
meine  Abiiandlong,"  sagt  der  Hr»Ver£,  nicht  sowohl 
darauf  gerichtet  ist,  zu  beweisen,  dafs  Jesns  keine  sftnd« 


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liaf^^NaUiranlage  Jbeso«Keu  (wiewohl  dies  auch  notfiw  emiig 
vpraiisgeseW  werilta  miifs,  weQo  er  ^ttriti^iifrei  «e^n 
«oli),  «pudern  vielmehr,  liaft  er  aichl  wirklich  ip 
sei tiem  Denken,  Wollen  umIThun  gesQndig;!  habe,  so  ist 
der  Ausdruck  Siindlosi^keit  ang^ouesseuer.'*  Der  Leser 
wiril  indessen  jeue  Paientliese  noch  durrh  v'in  Fin<;(^- 
^eicbeii  verstärken,  wenu  er  weiterhin  üoiiet,  dais  dei* 
Bevreiji  in  der  Thai  j^nes  mit  eiuschMefiit,.  ßo  gßwif« 
io  dem  Wesen  der  reinen  Siftiichkeit  liegt,  die  in  Gott, 
„dem  Urquell  nicht  blot  aUesSeyns,  sondern  auch  all^r 
Heiligkeit"  begründet  ist,  und  zu  welchem  ja  „jeder 
Mensch  in  seinem  Ursprung  und  in  seiner  ganzen  he- 
il^of^Atwicklung  in  lebendigem  Verbältoirs  steht*'  (ß,  18«). 
iMlijcli  sagt  der  Verf.  weiter:  qichtß  hindere  die  An* 
oalim^f  ftihf^  duroh  die  Eiiiwirkmig  der  schöpfei^iscbeii 
weltordnenden  Causalitftt  io  oiQem  beatimmten  Indlvi» 

duuiii  die  allgemeine  Fortpflauziing  des  HanjS^es  zur  Sünde 
unlerbroclieti  uüd  das  sittliche  Vennögeti  in  ursprüngli- 
^her  Iii|,eg^rität  wieder  hergestellt,  auch  ei«e  solche  Fülle 
iittlicber  Kraft  niedergelegt  nnd  fortwährend  leb^dig; 
^rbulten  wordeo  sny,  dfifs  dieselbe  Impht  und  upgebemoit 
ia  iBeokenieser  Reiobeil  und  götMicher  Schönheit  siofi 
entfalten  konnte"  Wird  aber  das  angenommen,  so  ist 
hiermit  Heiligkeit  behauptet,  wie $ie ^Qch  unser  Verf. 
ebe^i  fo  aMgc messen  nennt,  und  djese  — wie  verbÄlt  sie  . 
siph  w  jener  ti eiferen, Einheit  mi  dem  Vater?  -~  Oais 
m  ia  Jeiiv  ivirUi^b  erschieQei>i  des  ist  too  dem  Verf. 
auf  eine  schon  äiifteriich,  aber  vollkommen  für  den,  der 

deo  Geist  dei»  Christenthums  in  sein  Denken  aufgenom- 
men hat,  genugende  Weise  erwiesen.  Der  Leser  wird 
des  in  diesem  ganzen  Abschnitt  finden,  und  vielleicht 
di#fl^lben  Stellen  mit  dem  Ref.  untersUeicben ,  wie  S.  SS. 
des  %eugm(9»  das  in  der  Vereweifleng  4»  VerrAthm 
Judas  liegt,  ued  &85,  dafe  die  Apostel  kein  solebes 
sittliches  Ideal  hätten  schildern  können,  wenn  sie  es 
nicht  in  dem  Herrn  gt  st  liaut  hätten;  S.  27,  wie  die 
Seelengröfse  Jesu  sich  in  den  schwierigsten  Verhältnissen 

bekuRdft«  „wo  er  mit  «weifelloeei  Bube  «^e  Becble  und 


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I 


Wahre  zu  ihm  wable;*'  insbesondere  auch  die-Anineck. 
8»  S9.  Uber  das  allgemein  Urbildliche  in  Jesu  5  ^so  dab 
er,  obwohl  es  seine  Bestimmung  mit  sich  brachte,  dem 

männlichen  Geschlecht  anzugehöreo,  doch  auch  für  das 
weibliche  ein  zureichendes  Muster  der  reinen  Sittlich- 
keit ist,"  uod  über  ilas  Verhältnifs  zu  den  besonderen 
Pflichten ,  und  über  das  Ganze ,  den  Geist,  des  sittti- 
chen  Lel^ns;  &  Sl-— 88,  wie  das  Allgemeine  in  dem 
Individuellen  seines  Charakters  dasteht,  und  das  afe  Ein- 
heit dtr  Gottesliebe;  „der  Charakter  Jesu  ist  göttliche 
Liebe  in  reinmenschlicher  Erscheinung."  Dann  weiter  die 
Widerlegung  der  Einwürfe,  besonders  für  die  Wahrhaf- 
tigkeit seines  eignen  Zeugnisses  iber  sibh  selbst,  das  der 
Verf.  so  schön  entwickelt  (S.  89  fg.)r  dafs  wir  es  unter 
das  Beste  in  dem  ethischen  Gebiete  rechnen  wQrden, 
wenn  es  nur  noch  etwas  scliärfer  und  tiefer  ausgefDhrt 
wäre.  Heiligkeit  und  Wahrhaftigkeit  ist  an  sich  Eins, 
und  das  in  einem  wesentlicheren  Sinne,  als  es  der  ge- 

'  wohnliche  nimmt,  in  jenem  biblischen  der  dAifdcto. 
Eben  dahin  führt  der  Verf.  in  seiner  kurzen ,  aber  wie 

'  es  uns  scheint ,  richtig  getroffenen  Erklärung  der  äfiagria 
Joh.  8,  46.  vergl  mit  V.  47  und  44,  und  1  .loh  1,  8, 
wo  er,  auf  jenes  Tiefere  hindeutend,  bemerkt,  dafs  der 
Gedanke  zum  Grunde  liege:  so  wie  die  Unwahrheit  und 
der  Irrthum  aus  einer  sündhaften  Neigung  des  Willeos 
hervorgegangen,  ebenso  fordere  die  reine  Erkenataib 
der  Wahrheit  Sllndenfreiheit,  und  Jesus,  wenn  er  aadi 
etwa  Pehllosigkeit  der  Brkenntnifs  unter  jener  d[xaQria 
gemeint  habe,  sich  doch  dabei  zugleich  eine  Pehllosig- 
keit des  Willens  beilege,  und  jene  nur  in  sofern  behaupte, 
als  er  „sich  das  aus  Gott  sej^n  im  eminentesten  Sinne  die 
Tollkommenste  Verbindung  mit  Gott^  ein  Leben  uuSUIhI 
in  Gott  zuschreibe;"  ferner,  dafaer,  indem  er  sieh  die 
Wahrheit  nennt,  „nicht  blos  die  Richtigkeit  sirfser 
Lehre  bezeugen  wolle,  sondern  dars  in  ihm  die  höchste 
religiöse  und  sittliche  Wahrheit  Leben  geworden  sej" 
Der  Leser  wird  auch  die  weiteren  exegetischen  Andeu- 
tungen  in  diesen  Blittern  belehrend  finden;  und  Riesel  er 


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.TIi«ol«gie.  1166 

in  der  ^nm.  S.  43:  ^wenn  wir  das,  was  diese  Stellen 
flessen  ungeachtet  in  sich  fassen,  besonders  dit^  Joliaii- 
oeischeo ,  in  ein  Ganzes  zusatn  tuen  fassen  ,  so  ergiebt 
üch  doch  eine  Grösse  der  Sillllchkeit  ^  die  nicht  leicht 
voD  Jesu  aaf  eioen  «odero  dflrfte  Ubergetragen  werden*' 
it*8.w«,  8o  wird  er  dieses  „nicht  leicht^  ans  denselben 
Gründen  in  ein  ,,gar  nicht  '  verstärken.  Auch  w'iid  es 
der  Leser  folgerichtig  finden,  dafs  „die  Machteinheit 
des  Sohnes  mit  dem  Vater  die  W  i  i  1  enseinheit  noth- 
wendig  mit  einschliefse,  weil  überhaupt  In  ^r  keiner 
Beziehong^  Einheit  eines  TemQnftlgen  Wesens  mit  Gott 
statt  finden  kdnne,  anftier  in  sofern  sie  durch  dleWIllens» 
einheit  vermittelt  sey,  wo  aber  diese  mit  dem  göttlichen 
Willen  ist,  da  müsse  auch  nothwentli^  vollkommene 
Freiheit  von  der  Sünde  seyn."  —  Auf  diescu  Funct  wer- 
den wir  noch  einmal  zurückkommen. 

Der  zweite  Abschnitt  fuhrt  den  Beweis  aus  den 
Wirkungen  des  Christenthums,  und  vergleicht  mit  dem- 
selben andere  Religionen  hinsichtlich  der  Idee  der  Sünd- 
losigkeit.  Es  wird  geaeigt,  dafs  in  der  christlichen  Re«- 
llgion  eine  neue  geistige  Schdpfung  ausgegangen,  das 
eigentliche  Leben  itiGott,  und  dafs  dieses  aui  die  Pei.süa 
Jesu,  durch  welche  auch  seine  Lehren  erst  ihre  Bedeu- 
tung und  Kraft' erhalte,  zurückgeführt  werden  müsse; 
ferner:  dafs  „alle  christliche  Ideen  in  gewissem  Betracht 
in  <lem  menschlichen  Geiste  präformirt  und  daher  auch 
mehr  oder  minder  In  den  vorchristlichen  Religionen  und 
Philüsophieen  angedeutet  Seyen,"  und  dafs  nur  in  dem 
Christenthum  die  Sehnsucht  des  Herzens  nach  dem  Voll- 
kommiien  befriedigt  werde;  endlich  dafs  die  Idee  der  ^ 
^  Heiligkeit,  die  auf  dem  Gebiete  des  heidnischen  Glau- 
bens fehle,  durch  die  historische  Erscheinung  Jesu  sich 
nunmehr  als  Thatoache  entwickelt  habe  ^  wodurch  denn 
,,nicht  blos  Gesetzinäfsigkeit  und  Rechtschaftenheit,  son- 
dern freie,  schöpferische  Liebe  des  Guten"  bewirkt  wird. 
^Eioe Sittenlehre,  wie  die  christliche  (S.66.)9  die  eben 
auch  nicht  biofse  i«ebre|  -  sondern  ein  ^euer  sittlicher. 


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11(1«  Thcoliigie. 

Geist  ist^  wird  nicht  ersonnen,  ist  nicht  einseitiges Pro- 
duct  des  Nachd(  nkenii,  sondern  allseitiges  Werk  des 
Gemüthes,  Geistes  und  Lebens,  sie  ist  Lebe  dt«' 
ichöpfungf,  ttnd  wenn  in  dieser  SehOpfdb^  «itf  hoher 
heif iger  Geisc  if  altet ,  so  ntuft  tt  merrt  in  d^ni  Schöpfer, 

in  Christo,  gewesen  sej^n.**  i 

I 

Drill  er  Abschnitt-  Widerlegung-  der  Einwürfe, 
««erst  der  geschichtlichen,  dann  der  philosophisehea 

Das  Treffliche,   was  der  Verf.  gegen  die  ersleren  und 
hiernach  über  die  Entwicklung  Jesu  in  seiner  Geistes- 
bildung, über  die  falsche  Ansicht  and  den  Ausdruck  ¥oa 
eineoi  Plan  Jesu  ,  und  über  die  Vereuchungigeschichle 
engt  —  Aber  letstere  noch  in  einer  eignen  Beilagt, 
worin  er  die  parsboliechen ,  mythischen  und  andere  Auf« 
faj^!^ungen  derselben  prült  und  die  seiiiige,  Objectiviiuii^ 
einer  inneren  That§ache  bei  klarem  ßewufstse^n,  reciit- 
fertigt  —  fifaerläfst  Ree.  dem  Leser,  ohne  auf  etwas  1 
weiter  einsngehen,  als  auf  den  Begriff  einer  Versu-  ! 
cfcung  dee  Helligen.    Dafs  es  hierbei  auf  deii  Begriff 
des  Bäeo  anfcomnre,  ▼ersteht  dich.    Der  Hr.  Verf.  gieM 
ihn  aucli  richtig  nnd  in  i^einen  wichtigsten  Beziehungen 
Än,  wenn  er  sagt  (8.79.):  .,I)a9  Böse,  die  Sünde  ist 
theits  der  Mangel ,  thetls  das  Entgegengesetzte  dt»  Gih 
ten*^  (soweit  erkenne»  es  Auch  die  Weisen  des  Heideih 
thume),  „das  Besüimmtwertlen  des  freien  Wesens  in  Aeiner 
gtLttZea  Lebensrichfnng'  aus  einem  andern  Grunde,  als 
dem  der  Liebe  zu  Gatt  und  seinem  Willensgesetze'  (so- 
weit erkennen  es  jpne  nicht,  weil  diese  Liebe  und 
kenntnifs  erst  in  und  mit  Christus  erschienen  ist),  es  ist 
das  Leben  der  von  Gott  und  seiner  heiligen  Ordnuif 
sieb  abldsenden  Selbststtcht**  (bis  in  diese  liefere  Bi* 
*  kenntolft  desr  Bdsen  kamt  nur  je«e  SelbsCerkenotniA  Mkk 
ren,  welche  der  heilige  Geist  in  dem  Christen  bewirl<)i 
Auch  sind  wir  mit  dem  Hrn.  Verf  einverstanden,  ffafs 
die  adp^  nicht  das  dem  Ufensehen  anhaftende  Böse  sey, 
nicht  die  Sinnlichkeit,  wie  manche  in  ihrer  Theologie 
oAsr  PMIoeopMe  es  j^eaonMnen»  wohl  «IM,  dMA  in  der 


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ardg^  das  BÖse  seinen  Ursprung"  nehme.    Dieser  Punct 
kann  nur  in  der  freien  Selhi^tbehtiminung  liegten,  in  wel- 
cher die  Versucliung  mit  eioem  Heize  Andringt,  den 
aber  erat  ein  freies  Anfnebfneo  mm  eigenilichei»  Reis 
moht,  eben  an  clem»  was  nnaere  Sprache  aa  ziemlieb 
mit  dem'  Worte  Gelflaien  -IteseiehnNüt.    Hlf^nrnt  ist  der 
Abfall  von  dem  göttlichen  Wiüen  und  da^  Wallen  der 
Selbstsucht  geschehen.    Soweit  vermögen  wir  <len  Ur- 
sprung der  Sünde  in  dem  Me  nschen  zu  erkeuaen.  Und 
Meroacb  muf^  sieh  die  Uneindliolikeit  bei  «ler  Venu«* 
ehung  dorch  die  Abweisnnp  dea  Reizes  eben  in  dem 
Pttßete  bewShren,  wo  daraelbo eindringen  oili^r  beetinttn» 
ler,  wo  er  zum  Reize  werden  will.    Die  Sprache  des 
N.T.,  insbesondere  im  liumerbriefe ,  sagt  dasselbe,  nur  - 
in  jener  anschauiicheo  Weise,  welche  das  christÜGho 
Selbstbewufstseyn  g;ewährt.    Ebenso  denkt  ea  nncfa  «naev 
Verf.,  wie  besondert  S.81«  (die  Annierkitng  iai  nkhl  «a 
iheraehen)  zeigt.    Nur  vermifkt  Rea  etnigea  in  der 
Schärfe,   wenn  es  z.B.  vorher  heifst:  „Der  Gedanke 
des  Bösen  ist  an  sich  betrachtet  indifferent;  er  ist  selbst 
schon  böse,,  wenn  er  sich  in  der  Seele  des  Menschen 
erzengt f  oder^  wenn  er  mit  theilnehmender  Nei- 
gung gehegt  wird,  —  —  er  ist  aber  nicht  b^se,  wenn 
er  nur  ein  gegebener,  von  aufsen  an  den  Geist  ge- 
brachter ist"  u.  s.  \v.    Wie  aber  ist  das  letztere  mög- 
lich?   Ist  er  doch  Gedanke!  wird  also  gedacht,  und 
nur  Denken  erzeugt  den  Gedanken.    Wird  aber  eine 
äufserlicbe  Brfahrung'  gemeint,  welche  sich  dem  Rein- 
gnten  darbietet ,  wie  ea  der  Verf.  gemeint  zu  haben 
acheinl,  da  er  S.  8T.  sagt:  „selbst  dieser  Gedanko  war 
Jesu  seinem  Ursprünge  nach  ein  fremder,  weswegen 
er  ihm  als  Teufel  objectivirt  gegenübersteht,'  so  mnf^ 
man  allerdings  das  zugeben,  da  Jesus  ja  nothwerrdig 
das  Böse  der  Meo^hen  wnfste,  und  in  dem  Wesen, 
das  sich  absolut  dem  Willen  und  dem  Reiche  Gottes 
widersetzte,  den  noviqgög  erkannte.    Nur  kommen  wir 
damit  nicht  weiter  als  dahin,  dafs  Jesus  das  Sündigen 
als  möglich  ansah;  und  auch  \iier  siud^  wir  verlegen, 


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1168. 


.  wie  der  Reio^te,  wenn  wir  ihn  nicht  »igleich  flir 
den  Alhvisseiulea  halten,  das  Böse  (t6  tcovtiqov)  auch 
nur  denken  könne,  da  er  es,  indem  er  es  der  Wahr- 
heit, nach  —  nicht  hlos  als  äiiisere  Ersoheiauog^  soa« 
dem  als  in  dem  freien  Wesen  vorgehend  —  in  seinem 
Denken  erzeugen  miib.    Tief  und  wahr  isl  (S  88.) 

der  Punct ,  auf  welchem  in  der  Versttchung  die  Sttadle 
beginnt,"  als  der  bezeichnet,  „wo  das  herantretende 
Böse  -anfängt  einen  wirkliehen  Eindruck  auf  das  Ge- 
möth  zu  machen,  wo  es  für  das  Leben  irgendwie  be- 
stimmend wiH,"  und  richtig  wird  von  der  ,,ge8et** 
widrigen  Lusl""  gesagt,  dais  sie  noi^^'d  Mos  cur  SOnd« 
filhre,  sondern  diese  schon  yoran^et^e,  dal^  es  also  ^ 
flie  innere  Sünde  selbst  sej,  die  zur  Sünde  lockt "  Aber 
dabei  bleibt  immer  noch  dunkel,  was  mau  unter  dem 
„herantretenden  Bösen**  zu  denken  habe?  —  Doch  wir 
mfissen  bei  dieser  Frage  hier  abbrechen,  und  zwar  fra« 
gend :  welcher  Theologe  oder  Philosoph  hat  sie  noch 
beantwortet? 

Was  dieser  Abschnitt  über  das  Besondere  in  dem 
grossen  Berufe  Jesu  sagt,  was  er  theils  Eur  Richtig- 
stellung des  Ideals  von  sittlich  ▼bllkommenem  Ban- 
deln, theils  zur  Lösung  tier  bekannten  Vorwürfe,  die 
man  einigen  seiner  Handlungen,  z.  B.  der  Tempelrei- 
nigung, machen  wollte,  klar  auseinandersetzt,  und  wie 
er  die  de  Wettische  Ansicht,  welche  in  das  Sinnliche, 
also  in  dfe  Natur  das  Bösic  setzt,  siegend  widerlegt, 
empfehlen  wir  der  Aufmerksamkeit'  der  TheoIogebJ 

Der  vierte  Abschnitt  enthält  die  Folgerungen  ia 
Beziehung  auf  die  Lehre  und  das  Werk  Jesu  ,  und  sie 
erhöhen  durch  ihre  klare  Ableitung  und  praktische  An-' 
Wendung'  den  Werth  dieser  Monographie. 

(Dßr  H€9cklnf9  folgt,} 


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74.    HEIDELB.  JAHRB.  a  LITERATUR.  IMS. 


Dr.  C.  Ulimann,  über  die  SänMoBigkeU  Jesu. 

Sie  hat  in  der  Entwicklung  der  theologischen  Wis* 

senschaft  noch  einen  eignen  Werth,  den  wir  hier  nur 
andeuten  können.  Der  eine  PuDCt  ist  die  philo<iophische 
Seite,  welche  die  Dogmengeschichte  in  den  nionotho« - 
leiischea  Streitigkeiten  nicht  Ubersehen  darf.  Ein  zwei- 
ter 9  dem  zunächst  liegender  Puncl  ist  das  heilige  Band  9  . 
Welches  Gott  mit  dem  Menschen  einigt,  und  das  in 
dem  Gottmenschen  als  das  grofse  Mj'sterium  der  Mensch- 
heit erscheint.  Wir  kennen  sehr  gut  jene  rationalistische 
Denkart  in  ihrer  Consequenz,  welche  den  Menschen  von 
Gott  losreifst,  um  ihn  ganz  in  sein  Selbst  hioeinzn« 
nieheo,  uad  sich  blos  durch  sich  festhalten  zu  lassen. 
Wir  wissen  auch,  dafs  aus  der  Kantischen  Philosophie 
eine  Richtung  hervorging,  welche  diese  Autokratie  als 
das  Höchste  aufstellte.  Wir  erfuluen  aber  auch  einen 
höheren  Schwung  hierin,  während  die  gemeine  Denkart 
in  jener  Selbstvergötterung  hängen  blieb,  es  war  jener, 
wie  er  genannt  wurde,  intelligible  Fatalismus,  in  weU 
cheii  einer  der  schärfsten  Denker  unter  den  Kantischen 
Philosophen  gerieth  —  zu  seiner  Ehre  sey  es  gesagt  — » 
K.  Chr.  E.  Schmid,  welcher  die  Autonomie  der  prakti- 
schen Vernunft  so  in  ihrer  Reinheit  vorstellte,  dafs  sie 
die  Freiheit  des  Menschen  zur  Noth wendigkeit  machte. 
Nor  ein  Schritt  weiser,  so  sehen  wir  eine  sittliche  Wil** 
lensthätigkeit,  die  von  oben  herab  gewirkt  wird,  und 
die  sich  nur  dadurch  von  der  Annahme  einer  Gnaden- 
wirkung unterscheidet,  dafs  sie  von  unten  herauf  in 
dieses  Wunder  führt ,  wenn  man  anders  folgerichtig 
denkt  Aber  freilich  kann  sich  der  Pelagianismus  diese 
Conseqnenz  nicht  gefallen  lassen,  weil  er,  anf  dieser, 
Spitze  angelangt ,  sich  in  das  Nichts  der  Ichheit  stilraen 

XWh  Jahrg.  12.  Heft  U  '  . 


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1170  Tlieelogie. 

inürste,  wfihrencl  der  Augustinianismub  von  Gott,  dem 
Urquell  alles  Guten  ausgehend,  in  seiner  Consequeni 
herabsteigend  in  die  Freiheit  des  Menschea,  diese  nur 
erhebt  und  sichert — ?  Jener  hohe  Aufschwung  im  Gebete 
des  Augustinus :  qtUs  Domine  dat  mihi  alierum  Te,  ni 
eam  a  Te  ad  Te  f  (wenn  ich  anders  die  Worte  richtig 
behalten  habe)  bieten  denfi  speculativen  Denker  in  der 
Theologie  eine  Aufgabe  dar.  —  Das  ist  der  Pur.ct,  auf 
welchen  wir  oben  noch  einmal  zurück  zu  kommen  ?er- 
sprachen,  aber  blos  um  ihn  als  Aufgabe  SQ  bezeichaen. 

Wir  könnten  noch  an  mehrere  j«(dcher  Puncto  erinnern, 
unter  andern  auch  den,  dafs  das  Sittliche  in  dem  Denken} 
das  Zusammentreffen  des  Guten  mit  dem  Wahren  tiefer) 
als  bisher  geschehen,  aufgezeigt  werden  mdge. 

Wie  die  Theologie  im  Fortschreiten  begrifien  sejf, 
davon  giebt  die  vorliegende  Schrift  einen  erfreulichen 
Beleg.  Was  der  Verf.  S.  46  fg.  wahr  und  schdn  Aber 
den  sittlichen  Glauben  an  Jesnm  spricht,  „dafs  er  See- 
lenerhehung  lordere,  freie  Begeisterung  für  das  göttlich 
Gute  und  Schöne,  das  sich  uns  im  Leben  Jesu  durch 
Wort  und  That  ofifenbart,  lebendiges,  zuversichtliches 
Ergreifen  der  Liebe,  die  uns  in  ihm  entgegenkommt" 
und  was  er  von  dem  Zusamm'engehdren  dieser  Gesinanif 
mit  den  iufseren  Beweisen  für  die  Göttlichkeit  der  diriit- 
'  liehen  Religion,  von  der  Verbindung  „des  Erlösers 
und  der  zu  Erlösenden,"  durch  denselben  Geist,  durch 
w«dGhen  er  sie  sucht  und  sie  ihn  finden ,  was  er  too 
dem  anscheinenden  Zirkel  in  der  Beweisführung  der 
Apologeten,  der  aber  vielmehr  ein  ans  dem  Mittelpuict 
der  Wahrheit  selbst  hervorgehender  und  in  sich  selbst 
sich  vollendender  Organismus  ist,  —  was  der  Verf. 
von  allem  diesem  berührt,  darin  spricht  sich  die  Ueber- 
zeagung  eines  christlichen  Theologen  aus,  der  zugleich 
ein  Beispiel  von  dem  wahren  Portschreiten  in  der  Tk0h 
logie  giebt  Denn  das  ist  nicht  etwa  ein  ferfgefaeodes 
An-  oder  BinfQgen'  in  den  Zeitgeist',  je  nachdem  der 
Wind  wehet  und  wieget,  sondern  ein  unbefangenem Aof- 


I 

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Bnehliolti,  JaH«t.  AbhaBillungen.  1171 

nehmen  alles  dessen »  was  die  historischen,  exegeti- 
schen, philosophischen  Forschungen  darbieten,  und  der 
hierin  sich  frei  entwickelnde  Glaube.  Die  vorliegende 
Schrift  ist  nämlich  nicht  blos  ein  2ter  Abdrncl^,  sondern 
eine  verbesserte  Abhandlung,  in  welcher  der  i^elehrte 
Verf.  selbst  eine  entschiednere  Brkenntntfs  der  Heib- 
wahrheii  darlegt 

Schwarz. 


JmrUtische  Abhandlungen  au»  dma  6«6tMe  dn  keatigw  Rdmi^ 
sehen  Reebts  von  Dr.  Alexander  August  von  Buchholta^ 
Professor  der  Rechte.  Königsbergs  im  Farlage  dtt  Gßbrüdtr  Bfm- 
träg9r,   Fili  u,  400       gr.  8.  IMS. 

Ebenso  wie  die  vom  Verf.  im  Jahre  1831.  heraus- 
gegebenen „Versuche  über  einzelne  Theile  des  Römi* 
schen  Rechts.  Berlin  u.s.  w."  im  juristischen  Publicum 
die  gebiihremle  Anerkennung  banden,  werden  auch  Tor- 
liegende  Abhandlungen,  die  als  die  versprochene  Fort« 
Setzung  der  genannten  Versuche  zu  betrachten  sind,  ge- 
wifs  mit  flem  Beifalle  aufgenommen  werden,  den  sie  SO 
aehr  verdienen.  Der  Zweck  des  Verfassers  bei  Heraus- 
gabe des  Buches  ist  im  Allgemeinen  kein  anderer,  als 
der,  den  jeder,  besonders  ein  akademischer  Lehrer » 
der  Abhandliingen  herausgiebt,  im  Auge  hat.  Aber  eine 
dem  V^erf.  cigenthumliche Tendenz,  die,  wenn  das  Buch 
richtig  beurtheilt  werden  soll,  besonders  hervorgehoben 
werden  mufs,  ist  folgende:  £r  beabsichtigt  durch  seine 
Abhandlungen  auf  die  in  den  jetst  gewöhnlichsten  Hand* 
and  LehrbQchern  über  römisches  Recht  Torkommendeo 
irrigen  Begriffsbestimmungen,  unrömisohen  Eintheilan- 
gen ,  falschen  Ansichten  und  unrömischen  Darsteilungea 
einzelner  Lehren  aufmerksam  zu  machen,  und  durch  ein 
«tetes  Zurückgehen  auf  die  Quellen  selbst,  der  richtigen , 
jilber  ganz  oder  theiiweise  verkannten ,  Ansicht  Eingang 
EU  verschaffen  —  und  so  eine  den  Anfordeningen  der 
iHrissenschaft  und  dem  jetzigen  Umfange  unserer  Qaellen 
entsprechende  compendiarische  Darstellung  des  itimi- 


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IIIS  iiuchhüitz,  jurist.  Abhandlungen. 

sehen  Rechts  vorbereiten  und  verallgemeinern  zu  helfen. 
Dieser  Zweck  des  Verf&  bringt  es  dßüü  natürlich  mit 
Steh}  dafs  durchgehends  auf  die  besseren  Compendiea 
eines  Thibaut/MahleDbruch,  Mackeldey,  Warn* 
kdnig,  Seufferl  und  Anderer  Rücksicht genömmei 
ist  — -  nur  zwei  neuere  I.(  lu  büclier  sind  in  dem  Buche 
gar  nicht  berücksichtigt,  *)  —  uud  man  liann  (iie  vor- 
liegeadea  Abhandlungen  selbst  als  eine  Materialkritik 
über  einzelne  Theile  unserer  Lehrbucher  betrachten.  Ans 
dem  Zwecke  des  Boches  erklärt  es  sich  aber  auch ,  wenn 
manches  scheinbar  Unbedeutende  und  anderwärts  schon 
Bekannte  einen  Platz  gefunden  hat:  denn  es  sollte  auch 
auf  dies,  in  sofern  es  die  Mehrzahl  oder  einige  einfliifs- 
reiche  Lehrbücher  nicht  berücksichtigten ,  wiederholt 
aufmerksam  gemacht  werden. 

Was  min  die  Tendene  des  Buches,  wie  sie  eben  her- 
vorgehoben worden  ist,  anbctrifflt,  so  wird  sie  bei  Allen 
volle  Anerkennung  finden,  welclie  nicht  alles  das  ver- 
werfen 9  von  dem  man  nicht  sogleich,  wie  man  sich 
wohl  auseudrackeo  pflegt,  einen  praktische»  Nutze» mit 
Häqden  greifen  kann;  welche  vielmehr  yon  dem  grofm 
Nutzen  fiberzeugt  sind ,  den  einet  klare,  yeti  fr^ndartlgm 
Ansichten  uud  Bedeweisen  reine  Darstellung  des  römi* 
sehen  Rechts,  sowie  es  uns  durch  Justinians  Com- 
pilation  (neben  welcher  jedoch,  wie  sich  versteht,  anch 
die  andern  noch  erhaltenen  Rechtsqnellen  an  benulxeo 
tiud)  überliefert  ist,  fttr  die  Bildung  der  Jugend  und 
die  Anwendung  des  Rechts  selbst  nethwendig  haben 
mufs.    Darüber  sind  die  Stimmfähigen^^)  im  Gebiete 


*)  Dies  sind:  Ii  ai  in  berger  Jm  Romanum  privatum  idque  purum 
und  Mayer's  Lehrbuch  der  Institutionen  und  Rechtsaiter- 
thoner. 

Wir  machen  hier  nur  uuf  Ana  aufmerksam,  was  Bcthmann» 
Hollweg  in  seiner  sefarr  leeenairertben  Vomde  som  GronA* 
risKn  für  Vorlesungen  über  gemeinen  deutschen  CiTiljprocerif 
Bonn  1B3S.  und  Schilling  in  seinen  Bemerkungen  über  rd- 
uische  Rechtsgeschicbte  S.  24  — 26.  über  den  VorUieil  der  ge- 
■ehichtliclieii  Behandliing  d^  rfimiscbfiD  Rftclito  luid  ciaer  ve* 
germanisehen  Attflclit«ii  reiaea  Daritellaag  jene«  Rechtei 
sagt  halivn. 


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Baehholta,  jnrift.  AbhaoilinageB.  1122 

» 

der  Rechtswissenschaft  längst  einige  und  es  wäre  gewife 
ilberflüssig,  hierflber  ooch  eio  Wort  zu  sprechen. 

Aber  auch  die  Ausflihrung  der  einzelnen  Abhand- 
lungen selbst  läfst  im  Ganzen  nichts  zu  wünschen  übrig; 
bei  einem  Schriftsteller,  wie  Hrn.  Prof.  v.  Buchholtz, 
läfst  «ich  nicht  anders  erwarten,  als  clafs  er  mit  sorgial'- 
tiger  Berücksichtigung  der  Quellen  und  Lileratur  gear- 
beitet hat  Uebrigens  hat  der  Verf.  in  den  meisten  Ab- 
handlungen weniger  den  Gang  einer  ausführlichen  Un« 
tersuchung,  die  luis  den  Ideengang  des  Verfassers  von 
Anfang  bis  zu  Ende  reproducirt,  gewählt,  als  vielmehr 
seine  Ansichten  nur  kurz,  jedoch  genügend  entwickelt 
Tadeln  dagegen  müssen  wir,  dafs  der  Verf.  sich  hier 
und  da  undeutlich  un^ungenau  äusgedrfickt  hat.  (So 
heiftt  es  B.  auf  8.  817:  „dagegen  steht  dem  Bmphy« 
teuta  wegen  seiner  Contractsverbindlichkeit  eine  beson- 
ders benannte  Klage,  die  emphytmiticarui  acth ,  zu 
U.&  w*^"  statt  dafs  es  heifsen  sollte:  dagegen  steht  dem 
dommua  emphyteu8€Q9  wegen  der  Contractsverbindlich- 
keiten  des  Emphyteata  n.  s«  w.)  Offenbare  Versehen  sind 
es  aber  wohl  nur,  wenn  der  Verf.  S.  86.  Note  18&.  bo« 
hauptet,  dafs  die  Collatio  von  der  testamentarischen  Erb- 
folge auf  die  Intestaterbfolge  ausgedehnt  worden  sey, 
indem  hier  gerade  das  umgekehrte  Verhältnifs  statt  ge- 
funden hat;  femer  wenn  er  8.  212.  Not  18.  sagt,  dafs 
ein  extrmeaa  nach  const  10.  C.  VUl,  48l  nie  mehr 
die  vSCerllche  Gewalt  Uber  das  Adoptivkind  erwerben 
kdnne,  von  dessen  Gegeiitheii  er  bich  leicht  durch  einen 
Blick  in  die  Abhaadl.  von  Lohrs  im  Magazin  Bd.  IIL 
No.  XI.  uud  in  Schillings  Bemerkungen  über  römische 
Reohtsgeschlchte  S.  428.  hätte  überzeugen  können;  fer* 
ner,  wenn  er  sagt,  8.  879,  dafs  Vater  und  Sohn  in  Be*> 
siehung  auf  das  pecuihtm  profeetithm  in  dem  Verhält* 

uisse  von  Piopiietar  und  Fruktuar  ständen. 

Wie  sich  die  Versuche  des  Verfs.  meist  auf  das  Sa- 
chenrecht beziehen ,  so  beschäftigen  sich  die  Abhand- 
lungen des  gegenwärtigen  Randes  mit  dem  Familien-, 
Erb-  und  Obligationenrechte  in  folgender  Beihenfolgei 


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1114 


Bachhoits«  Jurist.  Abhan41itagmi. 


I  WiJiiii  unterscheiden  sich  die  hereditatU  p€Utio  iind'ilic  rei 
vindicatio?  S,  1  — 16  — -  II.  lo  welchen  Fälleil  wird  eine  Erbschaft 
traDKmittirt?  S  27  —  95.  —  ITT.  Veln  r  die  noch  jetzt  geltenden  Un- 
terschiede zwischen  Cognaten  und  Ai^natrn.  S.  Dß— 105.         IV. Haftet 

der  Fiacus  über  den  Vermogensbetrag  Jfnianrfcs ,  der  ohne  sonstig« 
Erben  verstarb?    S.  106—111.  —  V.  Wem  ist  zur  Strafe  die  fett«- 

menti  factio  entzogen,  und  Wer  heifst  inteatabilis?   S.  112—121.  

VI.  Ueber  die  gesetzlichen  Enterbungsursachen  der  Kinder  und  der 
Eltern.    S.  128  —  148.  —   VII.  Ueber  die  Besch  ran  l<  im  ^  des  jus  ac- 

crescendi  hei  der  testamcnturihcben  tirbfolge.   S.  14Ü— 155.    VIII. 

Ueber  ein  Paar  Falk-,  in  welchen  der  Ahzn^  der  falcidischen  Qoart 
wegfällt.    S.       — lüÜ.  —   I\.  Ueber  den  Btigriil  eines  rechtlichen 

Geschäfts  und  eines  VennilchlnisÄCs  insbesondere.    S.  160  168.  — 

X.  Uiljer  die  Dauer  der  dotis  cautuc,  icd  nun  numeratae  r^uerdu  unt! 
exctjitio.  S.  169  — 178.  —  XI.  Ueber  die  Ilückforderungsrechte  der 
Frau  an  ihren  Dotalsachen,  und  über  deren  Verjährbarkeit.  S.  179  — 
186.  —  XII.  Ueber  den  Widerruf  der  Schenkungen  an  die  Kinder, 
'  veiHi  ihf  Matter  streite  Elie  eingegangen  ist.  S.  187  — 191. 
XIIL  KdniiMi  Kinder  ra  einer  iNitati?en  Ehe  für  legitime  Kinder 
geltenY  S.  192  —  198.  —  XIV.  Ist  der  am  hundert  zwei  und  acht- 
^sigaten  Tage  Geborne  im  siebenten  Monate  gebore»  ?  S.  199—  206.  - 
XV,  Ueber  die  allgemeinen  Gmndaftlse  bei  der  Adoptio».  S.  207  -  Tiii. 
—  XVI.,  Ueber  swe!  ahgebllohe  Fälle  dea  Verlustes  der  vaterlichen 
Gewalt  8.  121^881.  —  XVII.  Ueber  die  Einwilligung  des  \d  >ptiv- 
kinlea  nnr  Snnnclpatioa.  S.  282—241.  —  XVIII.  Ist  bei  der  Legi- 
tfaintion  dnreli  naehforgende  Ebe  die  Einwilligung  der  Kinder  noth- 
wendigf  S.  248—248.  —  XIX.  Beitrag  zn  der  Lehre  von  der  Ver- 
nnTeernng  der  Güter  Minderjähriger  (zur  Erklärung  der  c.  8.  C.  si  major 
faeku.  5,  74.)  S.  249-- 261.  —  XX.  Wer  ersieht  einen  Pupillen,  und 
#ie  endigt  die  Tutel?  S.  262  -  26a  XXI.  Glebt  ea  im  Jastinia> 
aeiiehett  Rechte  «In^a  Mm  äomttf  8.  269  '-274.  EXIL  Ueber 
die  EiatfaeUitng  dar  yoeto.  8.  275-289.  -  XXUI.  Baitnig  ku  der 
Lehre  von  den  geaetillehen  Zinsen.  S.  290—298.  -*  XXIV.  Ueber 
die  Anfhebung  der  MIetha  wegen  ndthiger  Reparaturen  nnd  nuTar- 
hergesehcner  Bedarf nfiie  dea  Vanniethera.  S.  299—394.  —  XXV. 
Ueber  die  Unterschiede  awleehcto  der  Em|>hyteaaia  and  Enaarliaiaa. 
S.  :^05  -  322.  -  XXVI.  Uabnr  den  Begrüf  dea  imMnaMt  AMa» 
S.  -  ^9.  —  XXVII.  Wem  etebt  tlie  fmtiva  enadcifw  anf  &249 
liia  346.,  —  XXVlil.  Auf  was  für  eine  Sebald  wird  eine  besaUte 
Summe  abgerechnet?  S.  847  —358.  —  XXIX.  Bnitrag  sar  Lehre  Ton 
der  Verjährung  der  Klagen  und  Saehen  der  Kirchen.  $.  899— 86a  — 
XXX.  MUcellen.  S.  869  ^490. 

Es  kann  unsere  Abj^icht  nicht  se^n,  jede  eiozeloe 
Abhaodliuig  einer  aiisführiichea  Kritilt  zu  «nterwerfeib 


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BuchbolU»  juriit  AhiiaiMllaJigea.  1115 

Dmsa  Zwecke  dieser  Jahrbücher  gemärs  müssen  wir  uos 
darauf  beschränken,  den  Inhall  der  wichtigeren  AufsStse 
kurz  anzudeuten ,  und  dadurch  unsere  Leser  aufsumun* 

tern,  das  Weitere  bei  dein  \  erf.  selbst  nachzulesen. 

In  No.  II.  sucht  der  Verf.  au  der  Hand  der  Geschichte 
und  mit  Anwendung  einer  im  Ganzen  sorgfältigen  Exe« 
gese  der  einzelnen  hier  einschlagenden  Stellen  die  Lehre 
Ton  der  Transmissian  der  Erbschaft  zu  entwickein.  Das 
Recht,  eine  Erbschaft  zi|  transmittiren,  besteht  ihm  darin, 
dafs  ein  zur  Erbschaft  Berufener  sein  in  Erfahrung  gezo- 
genes, aber  nicht  ausgeübtes,  Wahlrecht,  die  ihm  de* 
ferirte  Erbschaft  anzutreten  oder  auszuschlagen  auf  seine 
Erben  ül^er  trägt.    Nach  dieser  Begriffsbestimmung  find 
viNi  der  Transmission  aosauscheiden  die  transmiasio  ex 
Jure  euk^hf  ex  eapHe  infantiae^  ex  capUe  resUtU' 
iloitla  ia  mtegruiiiy  llieodosiana  und  andere  F^älle,  die 
man  gewöhnlich  hier  aufzuzählen  pflegt.    Mit  der  hier 
entwici^eiten  Ansicht  können  wir  uns  nur  theil weise  für 
einverstanden  erklären.    So  halten  wir  es  nicht  für  nö- 
thig,  dafs  der  Erbe,  der  transidittlren  soll,  Wissenschaft 
YQn  <l«r  Delation  gehabt  habe,  da  es' die  const,?.  G.  VI, 
30   iiiclit  sagt,  obwohl  sich  der  Verf.  auf  sie  ganz  ije- 
sonders  beruft  und  die  const.  19.  C.  eod.  eher  entgegen- 
zustehen scheint.    Ebenso  können  wir  es  nicht -billi- 
gen»  wenn  der  Verf.  das  Recht  des  Erben,  die  die* 
sem  deferirte  Erbschaft ^aussiischlagen  in -seine  Begriifs- 
beslimmang,  wohl  mit  Röcksicht,  auf  const  19.  cit. 
aufgenommen  hat,  da  doch  das  Wesentliche  der  Trans- 
missionsfalle nur  in  dem  Rechte  der  Antretung  beruht. 
Da^cg^  glauben  wir  allerdings,  dals  man  die  /rans« 
msssio  ex  jute  euüatia  (wie  dies  auch  die  gewöhnliche 
Anuiehi  ist),  die  iramnu  ex  capUe  mfani.  and  die 
iremmn,  Theedosima  tob  den  Transmissionsfällen  ganz 
au^cheiden  solle;  denn         beiden  letztgenannten  ent- 
halten nur  Rechte  zum  Voitheil.e  der  Väter  und  der 
Kinder,  nicht  der  Erben  überhaupt,  was ,  wenn  ein 
eigeoilicheff  Traaamissionsfall  angenommen  werden  sollte, 
der  Fall  s^viKfigte.   Erklärt  werden  vom  Verf.  in  chro- 


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1176  Biicliholta«  jiifitt.  AbliaadliiiigeD* 

nologischer  Reihenfolge  folgende  Stellen :   I.  fr.  5.  D. 
XXX VU,  4.  [Julianas].  —  II.  fr.  80.  pr.  D.  XXIX,  t. 
[AotoninusPius].  —  III.  fr.  53.  pr.  D.  XXIX,  2.  [Gajos]. 
—  iV.  fr.  4.  I)  X\IX,  5.  [Papinianus].  —  V.  fr.  6. 
§.  1.  D.  XXXVlli,  25.  ihhI   fr  42.  §.  3.  IX  eod.  [ül- 
piaous  uad  Papinianus,  el«^entlich  ein  Hesoriptvon  Marc- 
Aurel].  —  vi.  Const.  1.  C.  II,  51.  [Severus  et  Antonia 
Qus].  —  VIL  fr  86.  pr.  D.  XXIX,  ä  [ PaplnUiitts].  ^ 
Vm.  fr.  12.  D.  XXXVII,  10.  [Pap.].  —  IX  fr.  1«L  D. 
XXVIII,  2.  [Afiicanus]  und  fr.  84.  D.  XXIX,  2.  [Pa- 
pinianus]   ein  sehr  ung^enügender     er elniguugs versuch 
beider  scheinbar  einander  widersprechenden  Stellen. 
X.  fn  1.  §.  1.  D.  XXXVIII,  .11.  [ÜJpianus]  ein  gewöhn- 
lieh  ganz  übersehener  Tvansmtsaioitsfaü ,  auf  den  der 
Verf.  zuerst  unter  den  Neueren  aufmerbam  nuu^t  ^ 
XL  fr.  4.  §.3.  D.  XXX VII,  4.  [Paulus].  —  XII.  Const. 
19.  pr.  C.  VI,  30.  [Paulus  nach  der  Relation  von  Ju- 
stinian].  ~  XIII.  Const.  18.  §.  1.  C.  VI,  aU,  [trana* 
missio  ex  capite  infontiae].  —  XIV.  Con^t.  nnic  C.  VI, 
52.  [transmiaah  Theodoskmä]^  von  welcher  der  Verl 
mit  Recht  bemerkt,  dafs  sie  eigentlich  nichts  weiter  ala 
eine  gesetzliche  Subslifntion  zum  Voitiieile  der  Descen- 
denten  des  einges(  tzlen  Desceudenten  enthalte.  —  XV. 
Const.  19.  C.  VI,  30.  und  Nov.  158,  \tranaui,  Jusiinio' 
neaj  —  XVI.  Const.  8.  C.  VI^,  61.  —  XVIL  Const.  34. 
CUI,  28;   Als  Resultat  diesier  Auafllfarungen,  welehe 
man  in  dem  Buche  selbst  nachlesen  mufo,  stellt  d^rVerf. 
folgendes  aul ;  Xach  den  uns  erhaltenen  Quellen  scheine 
die  Lehre  von  der  Transmission  der  Erbschaft  zuerst 
von  Julian  und  zwar  für  den  Fall  erwähnt  zu  «cjta,; 
dafs  ein  im  Testamente  instkuirfer  BmunidfeiU9  waget 
der  Ungewil^heit ,  ob  seinem^  Testator  ein  präterirter 
9UU8  geboren  werden  wird,  oder  nioht,  bis  an  aeinea 
Tod  nicht  habe  antreten  können.  (Xo.  I.)  Denselben  Fall 
erwähnten  auch  Paulus    (No.  XI.)    und  Papiuian 
(No.  IX.).    Ja  der  letztere  gebe  (No.  Vlll.)  jedem  in- 
stituirten  Erben  das  Recht  der  Trananrission  in  dem  Falk^ 
dafa  derselbe  wegen  der  Erscheinung  eines  iriahei'  nnbe?» 


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BuclihuUx,  juriHt.  ^bhanUlutigcii.  .^^^^ 


kannten^  unmündigen,  Sohnes  des  V^erstoi beneii ,  der 
mit  der  contra  tabuUts  bonorum  possessio  auftrat,  die 
ihin  isiifefaUeoe  Erbschaft  bis  ab  seiuen  Tod  nicht  er- 
werben kdooe.    Viel  weiter  §ej  Ulpiao  tbeila  io  der 
Interpretation  des  Scti  Orphilianl  (Nüi.  X.)«  thells  iq 
der  des  Scti  Siiianiani  (i\o.  IV.)  gegangen  (die  Stelle, 
welche  der  Verf.  unter  IV.  erklärt,  gehört  übrigens  Pa- 
gifiian,  nicht  Ulpian  an,   und  es  waltete  daMer  hier 
ein  Versehen  ob).    Den  SchtuTssteio  in  der  Gesctiicbte 
der  TransmifsioB  bilde  Juatiniaae  Verordnung 
Const  19.  G.  dt  (No.  XV.).   SaomtUche  vor  Justi- 
nians  Gesetzgebung  aufgekommene  und  von  ihm  auf- 
geführte Transmissionsfciile  enthielten  aber  lauter  Jura 
sing-ularia  und  seyeti  deshalb  strict  zu  interpretiren  und  . 
nicht  anf  alle  der  Aatretnng  ent^^egienstebende  juristische 
Hiaiienriflse  auszudehnen ,  wie  dies  gewöhnlich  geschehe* 
Die  Richtigkeit  seiner  Ansteht  ergebe  sieh  besonders  ans 
fr.  3.  §  «i'^   I)-  XXIX,  5,  worin  Ulpian  ganz  «ieuiiich 
sage ,  dafs ,  wenn  noch  ein  anderes,  selbst  juristisches 
Hiodernifs  Ursache  der  Nichtantretuag  gewesen  sey,  als*  . 
dano  dieTransmifisioin  der  Erbschaft  gar  nicht  statt  finden 
lUHuie.    Für  unser  heutiges  Recht  aber  mftsse  man  nach 
dem  Aileni  folgende  Grundsätze  aufstellen  (S.  89 — 94.) : 
Sey  dem  Erben  seine  Designation  zum  Erben  bekannt 
geworden,  so  stehe  allen  Erben,  wenn  sie  innerhalb  der 
gesetzlichen  oder  erbetenen  Deliberationsfrist,  oder  in* 
nerhalh  der  voni  Testator  ihnen  gesetzten  Frist  gastorbeii 
sejen,  das.  Recht  zu,  diese  noch  nicht  vollendete  Deli- 
berationsfrist auf  alle  und  jede  ihrer  Erben  zu  transmit*« 
tiren.    Wenn  aber  Jemand  nach  Ablauf  der  erbetenen, 
der  vom  Testator  oder  Gesetz  gegebenen  Deliberations- 
frist- gestorben  sey,  so  finde  nur  in  folgenden  Fällen 
TniBsmission  der  Erbschaft-Statt:  1)  Wenn  ein  Desceb** 
deart  Instftuirt  und  nngewib  sey,  ob  dem  Testator  ein 
posthumus  geboren  werden  werde,  auf  den  der  Testator 
gar  keine  Rücksicht  genommen  habe ,  und  wegen  dieser 
Ungewifsheit  der  institnirte  Sohn  nicht  antreten  könne 
und  darüber  sterbe.    Hier  transmittire  er  ^eio  Antra- 


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im 


tmgsreeht  auf  Mine  Erben.  2)  Wenn  gegen  irgend  einen 
tettnmenfarischen  Erben  ein  UnnUindiger  uifltrete,  der 

sich  für  ein  erbfähiges  Kiiic!  <les  Testators  ausgebe, 
dessen  Kindschaft  aber  zweifelhaft  sey,  so  solle,  wenn 

V  vor  der  Entscheidung  des  Prix^esses  über  diese  Kind- 
schaft und  Erbschaft, der  eingeseti^  Erbe  sterbe,  der* 
selbe  eeioe  Ansprttche  auf  seioe  Erben  traosmiilireai 
8)  Wenn  eine  Mntter  ohne  Teslmnenl  sterbe,  uftd  ven 
ihren  Kindern  beerbt  werden  solle,  diese  alier  deshalb 
nicht  antreten  kuunten,  weil  eine  Status  (fKicstio  (das 
Gesetz  spricht  aar  von  einer  quaestio  über  den  staim 
famiUM)  gegen  die  Mutier  vorgebracht  werde,  imd  sie 
wfthrend  des  Processes  stürben,  so  werde  das  ihnen  de-^ 
fertrte  Erbrecht  auf  Ihre  Erben  transmhtlrt.  Damit  seyen 
aber  auch  alle  Fälle  der  Transmission  der  Erbschaft  nach 
heutigem  Rechte  erschöpft.  Denn  die  Bestimtuungen 
des  Scti  Silaniaai  sejen  nicht  aiehr  anwendbar.  Uie 
aber  aufeerdem  von  den  Neueren  noch  hierhergezogeoea 
Fiile  Seyen  entweder,  wie  Na  II,  XliL  und  XVL,  Rechte 
der  VSter,  oder,  wie  No  X,  XII,  XIV.  und  XVU, 
Rechte  der  Kinder,  oder,  wie  No.  III.,  Folgen  des 
Salzes,  dafs  eine  Erbschaft  nicht  theilweise  angetreten 
werden  könne,  oder^  wie  No.  V.,  es  werde  bereits  die 
Erbschaft  von  dem  ersten  Erben  als  erworben  fingiri, 
oder  endKoh  wie  No.  VI«  und  VIL,  es  kdnnten  die&bea 
reeliYuM»  m  miegrum  er  persona  deftmeii  verlongea  ' 
Diese  kurze  Inhaltsangabe  von  No.  IL  zeigt  wohl  hin- 
länglich, wie  vieie  eigenthOmliche  Ansichten  der  Verf. 
hier  entwickelt  hat,  und  wir  hoffen,  dafe  «ie,  wenn  sie 

/  noch  nicht  alle  gebilligt  werden  künneu,  nickt  nube' 
rfloksiehtigt  bleiben  werden. 

In  No.  III.  wird  uns  eine,  jedoch  Manches  «u  wie» 
sehen  übrig  lassende,  Zusammenstellung  der  im  neuesteo 
Rechte  zwischen  Agnaten  und  Coguaten  statt  findenden 
Verschiedenheiten  gegeben :  wodurch  er  nachzuweisen 
sucht,  dafs  beide  auch  jelnt  noch  nicht  v^Hg  und  in 
jeder  fietiehung  gleichgestellt  Bßjm»  Wer  hat  4mm . 
dies  je  behauptet!  ' 


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I 


BaelihiiUs,  Jurttt.  AjkhM^lHBg««.  1119 

In  No.  IV.  ffiQhrt  der  Verf.  mit  besomlerer  Rfidcsiolil 

auf  Co  US  t  5.  C.  X.  10.  aus,  dafs  der  Fiscus,  det  in  die 
bona  vncantia,  als  Erbe  (?)  succedire,  über  den  Be-» 
stand  der  Masse  hatte. 

Unter  No.  V.  fiodct  sich  folgende  AiisAhrung:  Zur 
Strafe  eey  die  HHameMf^eih  aeikfa  our  entiQfeo  des 
Sdhofti  der  Hochverrlither,  Leuten,  weiche  in  Biiil^ 
schände  lebten,  Pasquillanten  ,  den  in  Heiden  oder  J«-( 
den  verwandelten  Christen  and  den  zu  den  IVlanichäern 
und  Donatisten  gehörigen  Ketzern,  Intestabiles  wurden 
ftber  nicht  bios  dia Pasquillanten  genannt,  sondern  auch 
die  Manichäer,  Donatisten  and  die  Sdlme  der  Hacliver- 
vä«her. 

In  No.  VI.  giebt  uns  der  Verf.  einen  Beitrag  zur 
Erklärung  der  Nov.  115.  folgenden  Inhalts:  Da,  wo  in 
der  Novelle  bei  den  Enterbungsursacben  der  jb«ltern  gegen 
ihre  Kinder  nur  der  Sohn  genannt  sey,  müsse  niaa  die 
euuBm  exberedaiHmis  auch  aur  auf  diesen  beschränken^ 
wie  in  Cap.  S.  §.  4.  fk  T  lOl  18.  <—  Ebenso  müsse  man 
bei  den  Enterbungsursachen  der  Kinder  gegen  die  El- 
tern streng  bei  den  Worten  des  Gesetzes  stehen  bleiben, 
and  demgemafs  sey,  wenn  nur  dem  Sohne  das  Enter* 
bungsrecht  gestattet  werde,  wie  Im  Cip.  4.  §.  3.  4,  eine 
Aiideimiing  auf  andere  Kinder  ansvlässig.  Das  Eni- 
e^bnogarecht  endlich  stehe  regelmäfsig  nicht  beiden  EU 
tern,  sondern  nur  dem  von  ihnen  zu,  gegen  welchen, 
das  Kind  sich  vergangen  habe.  Daher  gebe  die  nur  ^ 
dem  Einen  der  beiden  Eitern  zugefügte  Injuria  nicht 
^m  Anderen  das  Recht  der  Enterbung. 

tJnter  No  IX.  glebt  der  Var£  eine  Kritik  der  ton 
dMi  Nonaren  aufgesteltteit  BegrÜfsbesIxniraQngen  dnes 
rechtlichen  Geschäfts  und  eines  \  eruiächtnisses  insbeson- 
dere, und  findet  sie  sämmtllch  unzureichend.  Er  selbst 
giebt  von  dem  ersten  folgende  Definition ;  ein  rechtlichat 
Geachäft  ist  eine  Willenshandlung  (einer  oder  mehrer 
VefMinen),  welche  in  eesetalicher  Perm  die  Emfrfte* 
dung ,  Aendemng  oder  Aufhebung  Ton  redilHohen  Ver- 
hUltntSBen  bezweckte;  von  dem  anderen  aber  stellt  er 


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diese  DttfinilioD  auf:  Vermäi^htaife  ist  jede  ia  einein  leteten 
Willen  engeordoeite  Scheiikuii^ ,  welche  nicht  eine  ifi* 

recte  oder  indirecte  Universalsuccession  in  das  Yermdgea 
des  V^erstorbenen  begfrunde. 

X.  Eine  sorgfäUige  Interpretation  der  Nov* 
fährt  deo  Verf.  zu  dem  Resultate,  dafs  sämmtliche  Bs- 
etiminiingea  dieser  Nov.  sich  nur  auf  die  pmrela  nm 
tmmeraUte  doth  besiehen,  mid  dafs'<laher  die  in.  der 
const.  C.  V,  15.  fQr  die  exceptio  non  maneratae 
dotis  festgesetzte  Zeit fi  ist  umgeändert  sey, 

XL  Nur  unbewegliche  Dotaisachen,  welche  bei  d& 
Ttemamag  der  Ehe  unmittelbar  an  die  Frau  fallen  solitcOi» 
Seyen  während  der  Ehe  der  ordentlichen  Veijäbraag 
entzogen.  Bewegliche  Dotalsachea  aber  se^en  weder 
der  ordentlichen,  noch  der  aufserordentlichtän  Verjäh- 
ruug  entzogen;  jedoch  köiiue  der  Frau  und  nur  dieser, 
wenn  sie  die  Dos  zurückfordere ,  erst  von  der  Treonang 
der  Ehe  an  die  Einrede  der  Verjährung  entgegengesetzt 
werden.  Dies  folge  aus  const.  30.  G  V,  und  Rei 
stimist  dem  Ver£  Im  Wesentlichen  bei. 

XIIL  Der  Verf.  bestreitet  die  gewöhnliche  Ansicht, 
dafs  bei  der  putativen  Ehe  schon  nach  Römischem  Rechte 
derjenige  Theil,  der  sich  in  gutem  Glauben  befinde, 
aber  auch  nur  dieser  alle  Rechte  eines,  wahren  Eheg^atteo 
habe,  die  Kinder  hingegen  in  fidtiebung  auf  beide  Eher 
gatten  als  recbtmäfsige  Kinder  angesehen  werdan  mib» 
ten.  Seine  Hauplbeweisstellen  gegen  diese  Ansicht  sind 
const.  23.  §.  5.  C  V,  4.  und  const  3.  C.  V,  18. 

XV.  Bei  der  Adoption  im  allgemeinen  Sinne,  d«  h* 
mglcdch  bei  der  Arrogation  und  der  AdofttioD  .im  en-^ 
geren  Sinne*  |^ge  man  drei  Ornadsalce  aufansifUail» 
ans  dteen  sich  alle  bei  derselben  ^orkoittmeiiden  Beoblsr 
regeln  als  Folgesätze  ableiten  lassen  sollen :  die 
Adoption  ahme  die  Natur  nach  —  die  Adoption  sej  ein 
subsidiäres  Mittel,  sich  ein  Ktnd  zu  verschaffen  —  und 
die  Adoption  müsse  weder  dem  Adoptivfcinde,  noch  eiueni 
Dritten  nadbtheiiig  seyn.  Der,Ver£  nntersncht  nuiif  eb 
and  in  wieferp  man  die  einaelnen  Sitae*  jene»  RegelQ 


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Bucbholis,  juritt.  Abhandlungen.  üb! 

iicliti^  subsMmirt  habe,  und  ob  sie  sowohl  fiir  die  Aiio- 
gatio,  als  für  die  Adoptio  im  eogereii  Sinne  gültig  sej'ea« 
XVL  Unrichtig  sej  es»  wenn  überall  der  8atz  aufge« 
•teilt  werde,  dar«  die  v&terliche  Gewalt  sur  Strafe  ver^ 
leren  gehe ^  wenn  dc¥  Vater  «ein  Kind  aussetze:  denn  die 
const  2.  4.  C.  VIII,  52,  mit  welcher  letzten  Codexstelle 
die  Nov.  153.  irleiitij^ch  sey,  sprächen  überall  nur  von 
SdaYen.  Auch  in  dem  Falle,  wenn  der  Vater  seine  Toch- 
ter swinge,  sich  Preis  zu  geben,  gehe  die  Täterliche 
Gewalt  nicht  ipso  jure  verloren,  sondern  erat  auf  die 
erhobene  Beschwerde  der  Tochter  durch  den  yon  der 
väterlichen  Gewalt  befreienden  Ausspruch  des  Richters, 
wie  dies  hervorgehe  aus  const.  6.  C.  XI ,  40. 

In  NaXVII.  findet  sich  ein  Angriff  auf  die  gemeine 
Meinung,  dafs  die  Binwilligung  des  Adoptivkindes  sur 
Bmanelpation  nicht  nöthig  sey. .  Nach  dem  allgemein 
ausgesprochenen  Satze  des  Römischen  Rechts:  ßUtmfa'* 
milias  emoncipari  rnvHus  non  cogUur  y  und  da  die  für 
diese  angebliche  Ausnahme  angeführten  Stellet]  const.  10. 
pr.  C  VIH,  4SL  u,  a.  nichts  bewiesen  (V),  müsse  man 
,  die  Einwilligung  .des  AdoptiTkiodes  smr  Emsncipation  für 
nfithig  eracjbteo»  • 

XVIII.  Gründlicher,  als  es  hier  geschehen  ist,  hätte 
nachgewiesen  werden  sollen,  dafs  auch  das  kanonische 
Recht  zur  legHimatio  per  subsequens  matrimonium 
Einwilligung  der  zu  legitimirenden  Kinder  voraussetze. 
Dieckes  Beiträge  zur  Legitimation  durch  nachfolgend« 
Ehe  No.  II,  die  sich  Uhr  die  entgegengeselate  Ansicht  ent- 
scheiden, sind  von  dem  Verf.  nicht  berücksichtigt  worden. 

XIX.  Von  der  bekannten  const.  3.  C.  V,  14.  giebt  der 
Verf.  hier  folgende  Auslegung :  die  Bestimmungen  des 
Gesetzes  bezogen  sich  nur  auf  mündige  Minderjährige, 
diferlei,  ob  die  Veräufserang  von  dem  Minderjährigen 
selbst,  verstehe  sich  mit  Einwilligung  des  Curators,  oder 
Von  dem  Curator  vorgenonunen  worden  sey.  Jedoch  sej 
das  Gesetz  auf  solche  Nicliiigkeiten  zu  beschränken, 
welche  aus  dem  Mangel  eines  gerichtlichen  Veräufse- 
magsdecrets  entsprängen.   Von  den  Worten  t  atmmsUm 


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I 

V 

I 

litt  Bnehholls,  jart«l»  Abhsmllaiigen. 

*        ■  I 

Ins  zu  Ende  enthalte  die  Constitution  aber  darchaus  nicht 
eine  neue  Disposition ,  sondern  lediglich  eine  Bestätigung^ 
des  bislang  geltenden  Rechts.  Mit  dieser  Erklärung 
stimmen  v/W  uberein.  Darin  mnd  wir  jedoch  mit  Ha- 
dorff ^  das  Recht  der  Vormitiidsohaft,  Bd.  IL  S.  4411. 
eiaer  MeiDoog,  fbfe  man  das  Gesetz  aoch  anf  Unorihi* 
dige  beziehen  müsse. 

XXII.  Nicht  blos  mit  der  Eintheilung  der  pacta ,  wie 
die  Uebersehrift  angiebt,  sondern  auch  mit  der  der  con- 
tracttm  beschäftigt  sich ,  wenn  auch  nur  zu  kieioem 
Theiie^  die  vorliegende -Abhandliliig*  Zu  den  pacim 
praeiorkt  laesen  eich  nacfaf  des  Verls.  Ansicht  mitGewtft^. 
heil  nur  zählen:  die  constituta  pecunia ,  da^  receptum 
der  Sachen  eine^  Reisenden,  und  das  pactum  über  einen 
aafsergerichtiichen  Eid.  LegHhna  pacta  seyen  das  simple 
Versprechen  einer  «las  nach  cooet.  (>.  C.  V,  11,  das  Verspre- 
cheo  einer  Sqheniiuiig  nach  coiist.35.  U  Vlii,  64.  nnd  seit 
Jastinian  das  Compromire.  DiejMiclii  ncfpeelif  endlich 
gehörten  nicht  zu  den  pactis  nudis,  sondern  würden 
diesen  in  const  10.  C.  II ,  3.  g-eradezu  entgegeng;esetzt 

XXIV.  Der  Vermiether  dürfe  nicht  bios  wegen  no* 
thiger,  sondern  auch  wegen  unn9thigerHeparatoren  kun- 
digen*  Zwischen  beiden  Ffiilen  finde  nur  der  Unterschied 
ftati,  dafe  er,  wenn  er  wegen  nöthiger  Reparaturen  Itün^ 
dige,  blos  das  damnum  emergens,  wenn  er  aber  wegen 
unnöthig'er  Reparaturen  ki'indi^e,  das  omne  quod  interest 
dem  Miether  ersetzen  müsse.  Auch  sey  es  dem  Vermiether 
gestattet,  wegen  Torhergesehener  Bedürfnisse  die  Mietbe 

.  (eines  Hauses)  zu  kündigen:  denn  dt9  Gesetz  (const  & 
C.  IV,  65.)  wisse  nichts  Ton  der  gewdhuKchea  Beschrän- 
kung, dafs  er  nur  weg-pn  unTorhergesehener  Bedürfnisse 
kündigen  dürfe.  Uebrigens  macht  der  V  erf.  mit  Recht 
darauf  aufmerksam,  dafs  man  die  const.  3.  cit.  auf  das 
Conmodat,  wie  man  wohl  thne,  nicht  ausdehnen  dürfe, 
weil  zw  ein  Jus  shgulare  enthalte  und  ein  solciiee  stnet 
interpretirt  werden  müsse.  ' 

XXV.  Es  wird  hier  eine  fleifsige,  jedoch  zu  sehr  ins 
Einzelne  gehende  Zuszauneostellung  der  Verschiedenhei- 


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Buolili«!!«,  j«riaA.  AJibMlfauig«».  litt 

teil  zif  Ischen  Emphyteusis  und  Siiperfiom  gegebeo.  Mit 
Reclit  isl  ftbrigm  fom  Verf.  die  Behauptung  au%«ateite 
mnd  bewieeoD,  daft  Geg^ensfand  der  Emphyteaaia  sowohl 

ein  Grundstück  wie  ein  Gebäude  sejii  könne,  während 
als  Object  der  Superficies  nur  ein  Gebäude  vorkomme: 
wovon  man  oft  wegen  fr.  pr.  ü*  VllI,  3.  das  Ge- 
gentheil  behauptet 

XXVL  Ueber  den  Betriff  des  po$s^$ioma  furtum 
giebt  der  Verf.  folgende  Ansicht,  welche  mit  der 
Hrn.  O.A.G.R.  Marezoll  im  Arch.  Bd.  Vlll.  gegebenen 
wesentlich  ubereinstiiiimt :  Gewöhnlich  ver«i(ehe  man  unter 
possessionis  furtum  den  Fall,  wenn  der  Dieb  seine  eigene 
bewegliche  Sache  aus  dem  fremden  rechtlichen  Besiico 
entwende;  Diese  Oefloition  sejr  aher  niehi  richtig,  da 
alle  sehr  aahireich  hierfür  angefthrte  Steilen  dnrchane 
nicht  sagten,  dafs  ein  solcher  Fall  zum  possessionis  fur- 
tum gehöre.  Im  Gegfcntheile  zahlten  die  Institutionen 
(§.  10.  iV.  1.)  und  Gajus  (Comment.  Iii.  §.  200.)  die 
Entwendung  des  Verpfanders  der  Terpfiindeten  Sadie  ana 
dem  fioMtara  des  Pfand^Iäubigera  aum  rei  furtum*  Da- 
gegen  gebe  uns  Theophilus  die  richtige  Erkllrong  an 
die  Hand,  welcher  statt  einer  Erklärung  des  possessionis 
furtum  folgende  Beispiele  anführe :  wenn  ich  dnsjenige, 
was  mir  als  Faostpfand  oder  zur  Aufbewahrung  hingege- 
ben ist.  wie  ein  Eigenthömer  besitze.  Auch  in  nnserem 
CJorp»  Jur.  fehle  ea  an  Beispielen  filr  die  ¥on  Theophi  I  na 
aufgeführten  Frille  nicht ,  nnd  hiernach  mflsae  man  den 
Begriff  des  possessionis  furtum  so  gfeben :  Derjenige  be- 
geht ein  possessionis  furtum,  welcher  zwar  im  Besitze 
einer  beweglichen  Sache  sich  befindet,  aber  nicht  in  einem 
solchen,  der  mit  allen  juintischen  Wirkungen  veinehen  ist, 
nnd' eich  wider  sein  besaares  Wiaaen  in  habaftohtigar  Ab- 
sicht einen  Besitz  mitToHen  juristischen  Wirkungen  durch 
eine  äufsere  Handlung  zueignen,  also  seine  Detention  oder 
seinen  Interdictsbesitz  in  Usucapionsbesitz  corpore  et 
animo  verwandeln  will.  Verwandlung  der  Detention  in* 
biofiien  Ittterdictabeaitn  genüge  noch  nicht  zum  Begriffe  des 
poaaeäsioms  furtum,  weil  ja  Theophilna  verlange, 


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flafs  der  possessionis  für  ate  dominus  besitae.  Aileia  wie 
hieraus  dies  Requisit  der  Verwandlung  der  naturalis 
possessio  in  den  üsucapionsbesitz  folgte,  sehen  wir  nicht 
MI,  da  doch  der  jenige  gewifo  auch  als  dowäauB  besitzt, 
4tir  aioh  den  Interdictsbesits  corpore  et  ammo  aomaGit, 
fphiie  das  Recht  eioee  Aodereo  aimerkenoen,  UebrigcoB 
bemerkt  der  Verf.  mit  Hecht,  dafs  das  possessionis  fur- 
tum mit  dem  Verbrechen  der  Unterschlagung  nach  gemei- 
nem Rechte  übereinstimme,  indem  der  Unterschlagende 
ja  seinen  Natnralbesitz  in  Civilbeiitz  (?)  .verwandle. 

XXVIL  Dem  PfaadgKiabiger  stehe  nut  die  eondicüo 
meertif  nicht  aber  die  cofufticlib  futUva,  welche  blas 
dem  dominus  gegeben  sey,  zu. 

XXIX.  Vertheidigung  der  jetzt  gewöhnlichen  Ansicht, 
dafs  die  vierzigjährige  Verjährung  der,  Kirchen  und  an- 
derer ihnen  gleichgesetsten  Orte,  wohin  auch  die  Hoqpif 
tftier  und  Sttflnngea  zum  Loskaufe  der  Gefangenen 
bürten,  bles  an  die  Stelle  der  10-,  SO-  nnd  80jährigen 
praeseriptio  gesetzt ,  und  dafs  das  den  Kirchen  des 
Abendlandes  in  Nov.  9.  gegebene  Privilegium  durch  No- 
▼elle  III,  jedesfailfi  aber  darch  die  s.  g.  Fmgmatiea 
mmctio  aufgehoben  sey. 

XXX.  Unter  den  ftiiscallen  seichnen  wir  ans  die^r* 
hiining  dea  fr.  2.  D.  XXXUI,  2.  und  die  ISemerkilog  über 
fr.  11.  §.  1.  D.  XXIX,  1,  auf  dessen  Inhalt  gestützt  der 
Verf.  gegen  die  gewöhnliche  Ansicht  behauptet,  dafs  nur 
derjenige  Soldat  gültig  testiren  könne,  welcher  de  siatu 
SUD  f  amiliae  incertua  aejr.  Andere  BemerknUgea das 
Verfs.  hfitten  wir  dagegen  gerne  Teriairst 

•  Möge  denn  diese  kttrae  Inhaltsangabe,  durch  wekbe 
wir  unser  oben  ausgesprochenes  günstiges  Urtheil  bestä- 
tigen zu  mfissen  glaubten,  dem  Buche  recht  viele  Leser 
gewinnen  und  ihnen  dieselbe  Belehrung  zu  Theil  wenka, 
welche  wir,  wie  wir  mit- Vergni^gen  gestehen»  darais 
gewonnen  haben  . 


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NM&   HEIDELB.  JAHRa  o.  UTERATUR.  1888. 


Archiv  für  die  neuste  Gesetzgebung  aller  deutschen 
Staaten.  Unter  Mitwirkung  vieler  Gelehrten  in  Deutschland  her- 
ausge^eben  von  /Alexander  Müller,  Großtherzogl.  Sachsen' ff^ ei" 
marisehent  Hcgiti  un^ s- Rothe,  l  bis  llltvr  Uand^  und  If'ten  Bandes 
Istes  Heft,  Mauist  bei  Kupjerberg.  IWoL  gr*  8.  (Preis:  jeder 
Band  9  il) 

In  einer  Zeit,  wo  Alles  nach  Gesetzen  sclueit,  wie 
weiland  die  li^iaeliten  in  der  Wüste  nach  Wasser  und 
Brod,  und  wo  tagtäglich  so  vleJe  Produkte  erzeugt  wer- 
den, welche  dorch  ihren  schnellen  liotergao^  diegrofse 
Zeit  Yoll  kleiner  Menschen  auf  das  genaueste  beurkun- 
den, ist  gewifs  kein  Buch  zweckmafsiger  und  zeitge* 
linäfser,  als  ein  Archiv  für  die  neueste  GesLtzg;ebung' 
Deulscldands.  Durch  ein  solches  Archiv  müssen  aber, 
wenn  es  den  Bedürfnissen  entsprechen  soll ,  folgende 
Zwecke  erreicht  werden:  1)  Es  mufs  dadurch  den  Ge- 
setzgebern der  übrigen  deutschen.  Staaten ,  wo  Über 
diesen  oder  jenen  Gegenstand  noch  keine  Gesetze  Vor-» 
banden  sind,  die  Möglichkeit  gegeben  werden,  alle  vor- 
handenen mit  Leichtigkeit  zu  erhalten,  und  zum  Zweck 
der  Bearbeitung  der  neuen  zu  benutzen.  Die  gehörige 
Benutzung  kann  aber  durch  den  biofsen  Text  nicht  er- 
£iell  Werden,  sondern  dazu  gehören  auch  die  Motive, 
welche  den  Gesetzgeber  znr  Passung  des  Gesetzes  im 
Ganzen,  und  aller  einzelnen  Artikel  bestimmten.  Hülfs- 
mittet  zum  richtigen  Ver«!tandnifs  sind  daher  die  Ent- 
würfe, die  etwa  darüber  abgegebenen  Gutachten  und 
Bemerkungen  der  Collegien ,  Universitäten  und  einzelner 
Gelehrten,  die  vielleicht  darauf  erfolgte  Abänderung 
des  ersten  Entwurfs,  die  Anreden,  mit  welchen  die 
Minister  den  Ständen  die  Gesetzcsent würfe  vorzulegen 
pflegen,  die  Commissionsber iclite  und  die  Debatten  der 
Stände,  sowie  alle  Bemerkungen,  welche  von  solchen, 
die  bei  der  Gesetzgebung  ein  Wort  mitzureden  haben, 
gemacht  werden,  und  endlich  alle  sonstigen  Materialien, 

XXVI.  Jahrg.  12.  Heft.    -       '  75 


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U85         Malier»  Mkir  far  dia  MSttl«  Ctottifg^biiiig 

die  etwa  aufflerdem  dabei  noch  bennlst  ivorden  «od. 
Während  nun  der  Text  der  neueren  deutschen  Gesetze 
im  Ganzen  noch  mit  ziemlicher  Leichlicrke  it  zusammen 
zu  bringen  ist,  indem  fast  in  allen  deuthcluu  Staaten  of- 
ficieile  oder  wenigstens  Privatsammlungen  angelegt  sind, 
io  iet  es.  rein  uatnöglich ,  alle  Materialien  Eur  Interpre« 
lation,  mraue  der  Geist  dieser  Gesetae  au  entnehmen 
Ist,  sich  zu  verschaffen.  Es  mufste  daher  ein  Archiv 
der  deutschen  Gesetzgebung  vor  allen  Dingen  aufser  dem 
Text  auch  auf  diesen  Punkt  seine  Aufmerksamkeit  richten. 
Auf  diesem  Wege  würde  2)  die  Wissenschaft  liehe 
Behandlung  des  neueren  deutschen  Hechts  allein  niöglicli 
und  fruchtbar  werden,  indem  nun  die  Gelehrten  die  Ge- 
setze selbst  in  ihrem  Geiste  stuflieren ,  das  Gemeinschaft* 
liehe  zusammenstellen,  das  Abweichende  ausscheideo, 
und  so  einen  Uebeiblick  über  das  gesammte  neuere 
deutsche  Recht  gewähren  könnten.  Dadurch  wiirde  ferner 
3)  der  allgemeine  praktische  Gebrauch  erleichtert, 
ja  ganz  aHein  möglich  geoiacht  werden.  Die  Uoterthaaea 
der  verschiedenen  deutschen  Staaten  kommen  so  vielfach 
mit  einander  in  Berührung  durch  Verträge,  Ehen,  Krb- 
schatten  u.  s.  w. ,  dafs  unter  wenigen  Keclilslallen  sich 
immer  einer  beiludet,  der  nach  flen  Gesetzen  eines  an- 
deren deutschen  Staates  zu  beurtheilen  ist.  Da  nehmen 
die  wechselseitigen  Communicatianeo  kein  Ende,  bis  dia 
Proeefskosten  den  Werth  des  Streitobjekts  ilbersteigea 
Aufser  dem  praktischen  hätte  ein  solches  Archiv  4)  auch 
einen  hohen  historischen  Werth,  indem  die  Nach- 
welt daraus  die  Methode  unseres  Zeitaltera,  G^etze  zu 
Stande  zu  bringen,  vollständig  kennen  leroea  und  die 
Fähigkeit  respecttve  Un&higkeit  dessaibeu  zur  GeseU- 
gebung  beurtheilen  könnte,  und  endlich  die  MaiterialieB 
zu  einer  vollständiji» en  deutschen  äufscren  und  inneren 
Rechtsgesehichte  vor  sich  lieg^en  hätte.  Damit  könnte 
sogar  5)  auch  ein  partieulärer  Zweck  erreicht  wer- 
den, wenn  die  ^ozelnen  Riefte  je  die  Gesetzgebuqg  eiasi 
besonderen  Staates  umfafsten,  und  zugleich  als  bewdori 
Archive  ftlr  die  einzelnen  deutschen  Staaten,  aiisgegeb«o 


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der  d«D(ichM  Statten.  1189 

virden,  wodurch  zugleich  für  das  unmittelbar  praktische 
Interesse  der  Juri.nien  der  einzelnen  Staaten  gesorgt  würe. 
Oadurch  würde  zugleich,  was  auch  zu  beriicksichtigen 
ist,  das  pccufiiäre  Interesse  des  Verlegers  auf  jeden  Fall 
gedeckt  seyn,  indem,  wenn  uodi  das  Ganze  Iraiie  sekr 
grofse  Abnahme  fände,  sich  doch  auf  einen  bedeutenden 
Absatz  in  jedem  einzelnen  Staat,  dessen  Gesetzgebung 
gerade  die  eiiizelneii  Hefte  umfafste,  rechnen  liefse.  End- 
lichwörde es  noch  ü)  eiiieni  ephemeren  Zwecke  ent- 
sprechen, weit  die  durch  die  Zeitungen  angeregte  Neu- 
gierde alsbald  befriedigt  werden  konnte. 

Sollte  ein  Archiv  für  fite  neue  deutsche  Gesetzgebung 
allen  diesen  Zwecken  entsprechen,  so  müfste  es  beiläufig 
so  angelegt  werden:  1.  Seinem  geographischen  Umfang 
nach  umfafst  es  alle  deutschen  Staaten.  Es  beginnt,  wo 
in  jedem  einzelnen  Staate  eine  neue  Gesetzgeb ungspe* 
riode  anlangt,  also  in  den  constitutionellen  mit  der  £in- 
fiihrung  der  Verfasisung.  Die  einzelnen  Gesetze  werden 
chronologisch  von  dieser  Zelt  an  aufgenommen.  Dem 
Anfangspunkt  geht  eine  statistische  Uebersicht  des  bis- 
herigen Rechtszustandes  voraus.  Die  Gesetze  werden  so 
behandelt,  dafs  die  äufsere  Geschichte  vorausgeschickt, 
der  Text  nach  der  authentischeD  Ausgabe  abgedruckt^ 
in  den  Noten  die  Motive  zu  jedem  Artikel  aus  den  oben 
bezeichneten  Materialien  aufgenommen,  und  io  geßll- 
figer  Form  gehörig  zusammengestellt  werden.  II.  In 
clciii  zweiten  Theil  eines  jeden  Heftes  werden  schrift- 
stellerische Abhandlungen,  Beurtheilungen,  Anwendung 
und  deren  gute  und  schlechte  Folgen,  Modificatiooen 
^lurch  die  Praxis,  neue  Vorschläge,  und  endlich  haupt- 
sacblich  vergleichende  Abhandlungen  der  versctiiedenen 
Gesetze  aufgenommen.  Für  die  gleichförmfge  Behand- 
lung des  ersten  und  Haupttheiis,  nämlich  der  Gesetze 
selbst,  müfste  aus  jedem  deutschen  Staate  ein  Gelehrter 
gewonnen  werden,  der  das  Ganze  in  gleichem  Sinn  be* 
inilcMte,  wiliffend  fftr  den  zweiten  Tli^ii  alle  geeigneten 
AiMnindItfngen'  aufjg^eflOfnmen  werden  Manien.  III.  Bas 
ganse  Archiv  erseheint  Heftweise,  wie  es  das  vorhan* 


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IIBS  Mitller,  Archiv  ffir  die  Dcneito  GeMtsgebniig 


dene  Material  und  das  BcdüriuiLs  erheischt,  und  zuar 
immer  unter  doppelten! Titel ,  als  deutsclies  Archiv,  und 
als  Archiv  der  Particularstaatea ,  was  ja  sehr  wohl  durch 
Tmchiedene  Seitenzahlen,  zur  Bequemlichkeit  des  CiU- 
rens,  dislioguirt  werden  könnte.. 

Betrachten  wir  das  vorliegende  Archiv  nach  den 
Zwecken,  denen  es  entsprechen  könnte,  und  nach  der 
Anlage,  wie  sie  seyn  sollte ,  so  umfafst  es  höchstens  den 
letzten  Zweck ,  und  dem  ersten  Hauptzwecke  wird  nur 
sehr  unvollkommen,  oder  gar  nicht  ^^euQgt.  Es  sind 
Gesetze  aus  diesem  oder  jenem  Staate,  wie  sie  gerade 
dem  Herausgeber  in  die  Hände  kamen,  neuere  früher 
und  ältere  später,  Kritiken,  llebersichten  über, die  Ge- 
setzgebung einzelner  Staaten,  Vorschläge  u,  s.  w.  ohne 
Ordnung  und  Zusammenhang ,  ohne  Plan  und  Auswahl 
aufgenommen.  Ein  solches  Uiiterachmen  kann  und  soll 
für  die  Ewigkeit  angelegt  werden,  darf  aber,  wenn  es 
brauchbar  sejrn  und  bleiben  soll,  nicht  nach  der  Confu- 
sionsmethode,  sondern  mit  Plan  und  Umsicht  und  mit 
dem  Streben  nach'  möglichster  Vollständigkeit  einge- 
richtet werden.  Nur  durch  Einen  Umstand  mag  der 
Herausgeber  einigeniiafj^en  entschuldigt  werden ;  näm- 
lich durch  die  ungeheure  Ungeduld  iini^r  rrr  Zeit.  Bios 
das,  was  dem  aagenbücklicben,  dem  Tagesbedurfnisse 
entspricht,  findet  Absatz  und  Le^er;  und  alle  grofsarti- 
gen  Unternehmiingen  scheitern  an  dem  leidigen  Streben 
nach'  Wechsel  und  Neuheit^  Was  wird  unsere  Nachwelt 
dazu  sagen?  Werden  wir  wohl,  was  gewifs  nicht  hoch 
geschworen  ist,  ein  Institut  auf  sie  verpflanzen?  Wann 
wird  auf  das  Aprilenwetter  einmal  ein  anhaltender  Mai 
folgen  ?  Die  der  Ewigkeit  trotzenden  Institute  der  Vor- 
zeit haben  wir  mit  aller  Macht  sertrümmert,  und  noch 
ist  kein  haltendes  Fundament  gelegt  zur  kfinftigen  Auf« 
erbauuug ! 

Nach  dieser  Abschweifung  will  Ref.  den  Beweis  füh- 
ren, dafs  das  Archiv  in  seiner  jetzigen  Anlage  eine  ephe- 
merii;  Ersclieiuuug  ist,  die,  wenn  nicht  Plan  und  Anlage 


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I 


der  dedUchen  Stuten.  ~  1189 

In  dasselbe  kommt,  aucii  bald  wieder  ihre  Etuischaft 
erreichen  mufs.  Nichts  ist  leichter,  als  diesen  Beweis 
zu  fuhren,  er  ergiebt  sich  aus  der  blofseii  Angabe  des 
lahaits. 

Der  erete  Band  enthält:  die  knrhefleleclie  Verfaiftonge* Urkunde  ' 
vom  5.  'Jan.  1831.  und  kritiache  Bemerkungen  darüber  vom  Advo- 
katen Martin  an  Hamberg;  —  die  YerfaMungsorkonde  den  Konig- 
reiehe  Sachien  vom  4.  Septbr.  1881.  nnd  kritische  Bemerkungen  dasa 
von  Ruder;  *r  die  k6nigl.  eächtiscbe  Verordnung, 'die  Einrichtung 
der  Hiniateriai-Departemeate  und  die  darauf  bezug  habenden  pro  vi- 
aoriechen  Tbrkehrongen  betreffend,  vom  7.  Novbr.  1881«  und  Bemer- 
kungen darfiber  von  Demaelben;  —  kdnigl.  aachiiache  Verordnung 
wegen  der 'Errichtung  det  Staatarathea  vom  16.  Novbr.  1881,  und 
Noten  dasu  von- Demae Iben;  —  einen  Veberblick  öber  Preufsena 
Provinsial  -  Stfinde  und  die  desfalla  beatehenden  allgemeinen  nnd  be- 
aonderea  geaetsliehen  Bestimmungen  nebst  einigen  Winken ,  vom  * 
Herausgeber;  —  die  königl.  preuTsische  Kabineta  -  Ordre  vo|ii 
4*  Decbr.  1831,  betreffend  die  genaue  re  Beoluirhtung  der  Grensen  avi- 
achen  landeshoheitlichen  und  fiscaliachen  Rech ts verbal tniaaen ,  mit 
eiliem  kritischen  Anhang  über  die  Frage :  ob  nnd  wie  su  unterachei- 
den,  sey  zwischen  dem  Landesherrn  und  dem  Staatsfiscus,  dann  swi* 
sehen  landeshoheitlichen  nnd  fiscalisrhcn  Rechtsverhältnissen,?  Von 
Johann  Ludwig  Kl  über;  —  Zar  Geschichte  der  Gesetzgebung  Aber 
öffentliche  Gcdfinkeniiiitthrnun«;^.  Von  Dr.  Paulus;  —  PftTugcaetz 
für  das  GrorsIi«*rzo!^thum  Hiidm  nehmt  tlcr  He«^«  iituliin!^  (trs  Hr2,te- 
rnngficntwurf«  und  den  darübt  r  erstatteten  ricliten  der  I.  iinii  Ilten 
Kannncr  der  badischen  Standi?  des  Jahre«  1H31;  —  Bemerkungen 
über  den  neuen  haierischen  Entwurf  eint«  GeHet/biielis  iibi  r  das  Ver- 
fahren in  Slrafsaehen.  München  1831.  Von  D  r  e  n  e  h  ;  —  Wie  können 
die  Gesetzgebungen  die  Judenschaft  veranlassen,  die  ndttii^e  Verlu- 
gnng  des  wöchentlichen  Rnhetags  auf  den  ersten  Wochchtag  nach 
der  biblischen  Andeutung  über  den  ersten  Sabbat  gewissenhaft  vor« 
zuziehen?  Von  Dr.  Paulns;  —  Wie  kann  die  neuere  Gesetzgebung 
am  besten  da«  Sehacheia  der  meisten  Juden  ohne  Gewalt  abändern? 
Von  üenistjlben;  —  Sachsen  -  Gotbaische  Verordnung  ubi  i  lÜc  Ab- 
lösung; der  Huthen  und  Triften  und  über  die  Besömmrung  der  Brache, 
Toni  *i  Jan.  ISä'Z,  und  Bemerliungen  darüber  von  Ruder;  —  Sachsen- 
Gothuisehe  Verordnung,  die  Vertheilung  der  Gemeinheiten  snm  Behuf 
ihrer  Cultiviruag  betveilbad.  Vom  2»  Jan»  18SS,  mit  Bemericnngon 
von  Rüder;  —  kdnigl.  Säcbaiachea  Geaeta  über  die  Errieliliing  der> 
liandrentenbank  vom  lt.  Mir«  1832,  und  Boniericungen  dann  von 
Rüder;  —  Fovtaetaung  der  itritiacben  Beroerltungen  über  daa  Staate- 
grandgeseta  Karlieaaena,  von  dem  Advolcaten  IMaTt^n  au  Hambarg  $ 
—  Uabefoinhunft  aator  den  Uforataaten  dea  Rheine  und  auf  die  Schiff- 


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1190 


IIAller,  Avcbiv  for  die  tuateU  GUMtigelmag 


fftbrfc  Fliitie«  sieh  besiehende  Ordonng.    Ifftch  «Itiklle» 

T«te 

Der  Inhalt  des  zweiten  Bandes  inI  folrrondcr :  Zur  ReTieiea  det 
preorsischen  Hypothekenwesens.  Von  Dr.  Grarell;  —  mr  preoM* 
ichen  Gesetsgebnng.  Nachgebote  bei  Subha8tati4»nea«  von  Dr.  Gri- 
vell;  —  getchichtliche  und  krifisclie  Bemevknngen  sa  der  Ueber- 
eiakunft  unter  den  UfcrRtaiiten  dos  Rbeiaa  und  auf  die  Schifffabit 
dietei  Flusses  sich  beziehende  Ordnung;  —  Gesetz  für  das  konig> 
reich  Sachsen ,  über  Ablüsunj^cn  und  Gcoieinheitstheiliuigen  Tom 
17.  Marz  1832,  und  kritische  Hcmcrliungen  über  dasnelbe  von  Rü- 
der; —  pesrtzlif  lic  MürRrrj^cln  der  deutsclicrf  f^tindes^ersammlung 
zur  AuitcclitliaUun^  dtr  Ordiiuii^:  und  Ruhe  im  deutscher  Bunde;  — 
Ansichten  über  die  rcvidirtc  SUidtcurdnun^  tiir  die  prcufBischc  Mo- 
narchie vom  11.  März  1831,  im  Vergleiche  mit  der  alteren  Städte- 
ordnung vom  lÜ'Novbr.  IHdB,  nacli  ihrem  Verhältniase  zum  Ganjeo 
der  i)rcuRRis(  hen  Staatsverfassung  und  nach  iiirer  Bedeutung  für  das 
conBtitiitionelle  Leben  in  Preufsen.  Von  Heiahard.  Als  Anbaog 
die  revidicte  Slddteuidining  vom  17.  März  1831;  —  künigiich  säch- 
sisches Gesetz.,  die  i'ublicattiiu  und  Einführung  der  nUgemoittcn 
Städteoiilnun^if  betreflend,  vom  2.  Februar  18ij2;  —  kriüsche  Bemec- 
kungca  über  diese  Slfidteordnung  von  Friedrich  von  B  ü  1  a  u. 

Der  drttto  Band  üniiafst :  Bcmerkutigen  zu  dein  k.  k.  östreichi- 
scben  Präsidial vortm^^e  über  die  Mafsregeln  zur  Aatrcchtlialtan<v  der 
gesetzlichen  Oirlruiri<^r  und  Hohe  im  deutschen  Bunde  und  übet-  dieHe 
Mafsregeln  selbKt,  von  W  an  ge  n  h  c  i  in  ;  —  die  Civil  -  und  Olminal- 
Geselzgebung  des  GrofNhcrzogthums  Uebbeti  srll  (ter  Zeit,  (lu  daitnc  Ibe 
zu  den  constiiutinneilen  Stttuten  gehört,  von  dem  llofgerichta -Advo- 
katen Ilojjp  in  Darmstadt;  —  Gesetr,  über  die  Verfassung  und  Ver- 
waltun«];'  der  Gciueinden  im  Giufsht rzti^Lliuüi  Baden,  und  das  (xeaeta 
über  die  Hechte  der  Gcmeindebiirgcr  und  die  Erwerbang  des  Burgst*^ 
rechts;  —  die  Verfassungsgesetze  des  Grofshersi^tlianis  Hessen»  bi- 
atoriscb- kritisch  Itelenchtet  von  Prof.  D».  Waifa  in  Giefsen;  — 
daa  badiacha  Gaaata  ibar  dia  Farmaii  dar  WaUa«  a«  daa  varaabia» 
danan  CtoiMiiiidciiiitara  und  dar  Abgaardaalaa  dar  afturtalAigtrAlebMi 
Einwafcnav  In  eiaar  Gameioia 'aad  der  Aaanärkaf ;  Bnüaehaa  Ga- 
aaCa  aber  dia  Aafffaebong  daa  Blotaabntea  «nd  äbar  dia  Avfbabung 
daa  Zehaten  van  Naabrfichaa  mit  eiafgan  dem  Vrapriiiigo  «nd  dar 
Aafbebttag  der  Zebalen  Aberbaniit  galteadan  BeaMvbangcti «  toh  dam 
Baranagabar;  —  Badiacbaa  GaaaU  übet  dia  Attfhabaag  dar  Um* 
ranfvabadan ;  die  CUvil  -  aad  CrlmhialgaaatagabUQf^  daa  Gitafabaa» 
aagtbQON  HaMen  aeit  dar  Zeit,  da  daaielba  a«  daa  eanatitniianallaB 
Staaten  gebdrt  Van  dam  Hafgerialitsadvakalen  Bopp  in  Barmaiadt 
Fartaetanag.  .  Zratea  Kapital,  Gaaaia,  den  NavaiaabnAan  vom  nanea 
Aorodongaa  betreflend.  Zweltea  Kapitel.  Geiala  iragan  Abldanag  dar 
Prirataebatan.    Dritlea  Kapital.    GceHa,  den  Aibbanf  fiaanlilchar 


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il«r  lieoUcheii  Staaten.  1191 

Grundrenten  Lctreffend.  Viertes  Kapitel.  Gtsttx  über  die  Aufhebung 
der  8ogenanntcn  Fornluatioo»- Strafen.  Funftea  Kapitel.  Gesetn  ül»«r 
die  an  die  Stelle  tkr  Confiecatinn  des  ganzen  Vermöf^ens  trctendeo 
Strafen  der  DeRcrteure  und  Rctrwritur«;  —  Bcnkschritt  an  die  deut- 
schen ßundesfürsten  conntitntioneiier  Staaten;  —  KurhesBiRchcs^ftc- 
tetz,  die  Bürger^arden  betreüend,  vom  23.  Jun.  1822;  —  das  liekru-  ' 
tirung^Rgetetx  für  Kurhesseii,  vom  10.  Juli  1832;  —  kritische  Be- 
merkungen ulier  diese  Krieg^n^pgctsic  KurheMens  von  dem  Advoltatea 
Martin  zu  ilambcrj^;  —  übersichtliche  Barstelluiig  der  wurtemb. 
Gesetzgebung  zur  Entfernung  der  Grundeigentbumsbelastungen ;  — 
Kurheasificbes  Staatsdlenstgesetz  Tom  8.  März  I8S1. 

,  Bea  vierten  Bandes  Istes  Heft  enthält:  Beweis ,  dafs  in  dem 
Bandesbcschlufs  vom  lü.  Septbr.  1819.  die  .Bundesglieder  zu  Einfüh- 
rung oder  Beibehaltung  der  Censur  sich  nicht  verpflichtet  haben;  — 
Censurv erordnung  im  Ilerzofrtbuni  I^leiningen  von  1832;  —  Ucber- 
sicht  der  prcufsishbtiu  Stdulüverwaltung ,  vom  Syndikus  K  lenze  in 
Untersen ;  —  Badische  Gesetze  über  die  Gendarnfterie ,  die  Alilitär- 
dienerpragmatik,  über  das  Sehuldencontrahiren  d<^r  Ofüziere,  über 
die  Einführung  von  Etappengeldern  an  die  beurlaubten  Soldaten, 
über  die  Widersetzlichkeit  gegen  die  öü'entliche  Gewalt  und  über 
£hrenkränkungen.  Unter  der  Rubrik  :  Zur  Kircbengesetzgebung, 
worden  die  neuesten  kirchlichen  Verordnungen  für  Preufsen,  Han- 
nover, Würteoiberg,  Baden,  Grofsherzogthnm  Hessen ,  Sachsen- WeN 
mar-Eisenach,  Nassau,  Sachaen-Gatha-Attenborg  und  Koburg  initge^ 
theilt;  —  äberstchtUche  Oaratellanj[f  der  MUit&r- ond  Kriegs  Verfas- 
sung des  dentsehen  Bundes,  aus  dem  Gmiehtspunlcte  des  SflentUehen 
Reelits,  und  mil  einigen  koemo|iotltisehen  Annerltungen ;  —  köhigl. 
baierlselie  Terordonng  Tom  28*  Navbr.  18^  ia  Betreff  der  Prüfungen 
W  dea  ioUlndUclieo  HochscIialeB,  nil  Bemerkungen ;  —  Hannöve;- 
,  riscbe  Verordnimg  übdT  die  Prüfung  und  Aostellung  der  Advokaten; 
—  neuestes  Gesets  des  Cantons  ZArIch  vom  2S.  Brachmonai  1831. 
i!>es  die  Bedingungen  der  Verhafinng  und  der  EntlUssung  aus  dem 
Variiaftt  nttgeliietlt  mil  Bemerkungen  über  das  Vefffassungareolii 
TU«  Vittef  DiaUr|.  <—  B«disehe  Geeestae  Aber  die  jeweilige  tbelV« 
weise  Erneuerung  der  Stäudevers^immlung  in  beiden  Kammern»  nlier 
die  Civilliste,  die' Abschaffung  der  bürgerlicbea  Züchtigung»  über 
die  Aufhebung  des  Strafticngeldes »  die  Aufhebung  der  Strafsenbau-« 
Militär-  und  Gerichtsfrohnden ^  —  TnbeUe  über  die  Kreise  und  die 
Aei^ffiaentntioa  der  Mrandenburgischen  Provhnialstinde. 

Alles  gut  und  schön ,  scd  nunc  non  erat  his  locus, 
ruft  Horaz  dem  Herausjo^eber  zu ,  nichts  steht  am  gehö- 
rigen Platze.  Ein  Plan  von  diesem  Archiv  ist  dem  Ref. 
nicht  zu  Gesicht  gekommen;  er  kano  daher  blos  tiach 
dc(ip  Inhalt  nrtheiien ;  allein  gerade  demnach  liegt  ihm , 

« 

4  ' 


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111KB  Schafer,  Trierische  Flora. 

wie  die  eben  angegebene  Uebersicht  beweist,  gar  keiner 
zum  Grunde.  Die  einzelnen  Abhandlungen  zu  beur- 
Iheilen,  gestattet  weder  der  Raum  dieser  Blätter,  noch 
liegt  e8  io  der  Intentioo  des  Unterzeichneten,  da  es  be- 
reits anderwärts  geschehen  ist  Er  wünscht  daher  dem 
Unternehmen  eine  zweckniälsigere  Einrichtung;  und 
daraus  wird  sich  der  guiv  Füitgang  von  selbst  ergeben. 
Papier  und  Druck  sind  gut,  nur  sind  zuweilen  in  dea 
ersten  Bänden  ^ie  Lettern  nicht  vollständig  ausgedruckt 

Dr.  Huck, 


Tr  i  er  i  s  c  h  c  Flora  oder  kurze  Beschreibimg  der  im  Regiertin  f^s  be- 
zirke Trier  wild  wachsenden  Pflanzen  y  von  M.  Schäfer,  Lehrer 
der  Matkematik  und  Naturgeschichte  am  Gymnasium  zu  Trier. 
Erster  Theil,  1  — lOfc  Klasse,  Zweiter  Thcil,  10  — 22«te  Klasse, 
1826.   Dritter  Theü,  Z^ste  Kiaate,  1829.   Trier,  bei  J,  J,  LintM. 

Kein  Land  hat  so  viele  Floren  einzelner  Provinzen, 
Districte  und  Städtegebiete  aufzuweisen,  wie  Deutsch- 
land,  kein  anderes,  Frankreich  nicht  ausgenommen,  ist 
in  botanischer  Hinsicht  so  vielfach  durchsucht  und  be« 
schrieben  worden,  wenn  gleich  wohl  noch  gar  manches 
zn  thnn  übrig  seyn  dürfte.  — 

So  zahlreiche  Floren  Mir  haben,  eben  so  verschie- 
den ist  der  Geist,  der  in  ihnen  herrscht,  und  wenn 
man  von  einem  neaen  Werke  <ler  Art  Kunde  erhält,  so 
ist  sehr  daran  gelegen,  zu  erfahren,  was  denn  darin 
eigentlich  zu  suchen  sej;  denn  wenn  gleich  alle,  darin 
übereinstimmen ,  dafs  sie  die  Pflanzen  der  durchsuchten 
Gegend  systematisch  aufzählen,  so  ist  doch  die  Art  und 
Weise  der  specielien  Ausführung  unendlich  verschieden. 
Wenn  wir  sehen,  dafs  der  eine  Botaniker  vorzüglich 
darauf  ausging,  neue  Art*en  aufzufinden,  oder  in  deren 
Ermanglung  solche  selbst  zu  bilden ,  sein  wertbes  mihi 
fiberall  anzubringen,  gefällt  sich  ein  Anderer  im  Gegen- 
theil ,  recht  viele  alle  und  längst  anerkannte  Speeles  ein- 
zuziehen, seine  Vorgänger  überall  zu  hofmeistern;  jener 


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Schafer,  Tneriadie  Flom* 


möchte  gern  als  ein  Erfinder,  ilieser  als  ein  grofser  Be» 
formalor  ang^esehen  sejn ,  und  einem  solchen ,  meint  er, 
stehe  eine  Dosis  Grobheit  recht  ^ut  an.  —  Der  eine  Flo- 
riste  giebt  uns  schätzbare  Aufschlüsse  über  die  g'eogno- 
stische  Beschaffenheit  seines  Districtes,  über  das  Ver- 
häitnirs  der  Pflanzen  zu  den  Gebirg^sarten,  auf  denen  sie 
wachsen,  sowie  über  eine  Menge  anderer  Umstände) 
welche  .die  Geographie  des  Gewächsreiches  erläutern; 
ein  An^derer  dagegen  berührt  von  dem  Allem  nichts.  Dort 
sehen  wir  eine  Flora,  in  der  die  Varietäten  und  Spiel- 
arten sorgfältig  aufgesucht,  geordnet  und  beschrieben 
slody  so  dafs  daraus  wichtige  Winke  über  das  Wachs- 
thvm  und  das  Verhalten  einzelner  Arten  und  Gattungen 
entnommen  werden  kdnnen;  hier  finden  wir  eine  andere, 
wo  die  Varietäten  kaum  berührt  oder  als  unbedeutende 
Kleinigkeiten  ganz  weggelassen  sind.  Während  der  eine 
FJoriste  die  Monstrositäten  und  MifsbÜdungen  der  Ge- 
wächse kaum  kennt,  oder  sie  absichtlich  übergeht,  maciit 
ein  Anderer  gleichsam  Jagd  auf  solche  abnorme  Bildun- 
gen, and  während  er  sich -außerordentlich  Yiel  darauf 
SU  gut  thut,  zieht  er  aus  seinen  Beobachtungen  mit 
Hfilfe  seiner  Weisheit,  die  thörichtsten  Schlüsse.  Der- 
gleichen Gegensätze  liefsen  sich  noch  eine  grofse  Reihe 
anführen:  wir  wollen  sie  jetzt  aber  nicht  weiter  erörtern, 
sondern  zu  unserer  Trier  sehen  Flora  ubergehen.  Sollte 
Ref.  einzeln  zergliedern,  was  derselben  mangelt,  und 
dem  Geiste  des  Zeitalters  gemäfs  daran  wfinschenswerth 
wäre,  so  wQrde  dieses  eine  lange  Abhandlung  erfordern, 
die  sich  aber  bedeutend  abkürzen  läfst,  wenn  man  den 
St^^l  umkehrt,  und  einfach  berichtet,  was  sich  in  den 
Torliegenden  dreien  ziemlich  starken  Bänden  wirklich 
vorfindet,  und  dies  möchte  hauptsächlich  Folgendes  seyn: 
Im  ersten  Theile  befinden  sich  schätzbare  Angaben 
über  die  Gebirgsarten  4er  Trierischen  Lande,  über  die 
Höhe  einzelner  Punkte,  über  die  Temperatur- Verhält- 
tii«;se,  die  Fruchtbarkeit  einzelner  Districte  u.  s.  w. ,  sie 
scheioen  sämmtUch  von  dem  Hrn.  Prof.  St  ein  Inger  in 
Trier  herzurühren;  femer  eine  kurze  Anleitung  zunp 


I 

% 


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UM        Bohts,  Qmhiebl«  ter  iieseni  ^MiCidM«  FoMie, 


Slndimn  d«r  Boteniki  insbamidere  der  Termi^iologie^  ~ 
Die  Pflanzen  sind  nach  Linn^a  System  geordnet /dte 
Gattungsmerkmale  ausfuhrlich  angegeben,  die  Arten  mei- 
stens kenntlich  und  g;ut  besehrieben,  Fundort  und  Blöthc- 
seit  beigesetzt ,  hie  und  da  auch-  etwas  von  dem  Nutzen 
und  Gebraiichaart.  Es  ist  keine  neue  Art  geschaffen, 
keine  alte  eigenmftcfallg  eingezogen.  Auf  den  krjrpto* 
gamischen  Theil  acheint  der  Rr.  Verf.  Tiefen  Pfeife  und 
*  Zeit  verwendet  zu  liaben,  wie  er  denn  auch  fÖr  die 
phanero^amische  Section  schon  einige  Nachträj^e  lieferte, 
BO  dafs  das  Bestreben ,  nützlich  zu  werden,  unverkennbar 
ist.  Anlkngern,  welehe  in  jener  Gegend  sich  mit  der 
Pflansenknnde  bekannt  mieben  wollen,  wird  dieses  Bueli 
wesentliche  ülenste  leisten,'  und  kann  in  dieser  fflnsiclit 
bestens  empfohlen  werden. 


€ktchicite  äer  neuem  deutschen  Poesie.     P^ortesungen  9ün  jtmgm»i 
fVilhelm  Hohtz,   pöiting$n,  18^2.  IF  u.  U9  8,  8. 

Gttchichte  dw  dnttsehen  Nathnal  -  Literatur  mit  Prohem  #Br  dtutschtm 
DiehtkwMi  md  B^rßdiumkwt,  Fon  Dr,  Karl  Her*  og>  ivtm,  ISSL 

Das  letztgenannte  dieser  beiden  Werke  umfafst  das 
ganze  Gebiet  der  deutschen  Poesie  und  behandelt  die 
neuere  Zeit  mit  unverhältnlfsmärsiger  KOrse ;  das  ersteie 
bescliäfligt  sich  nfit  dieser  aussehliefslich.  Auch  wir 
wünschten  in  diesem  Anfsatze  bei  dieser  neueren  Periode 
besonders  zu  verweilen.  Nicht  leicht  wird  sich  eine  Ma- 
terie unter  nnsern  literarischen  Erscheinungen  auffinden 
kssen,  die  häufiger  und  einförmiger,  mit  mehr  Liebe 
vnd  mehr  Ineompetenz,  bei  gleich  grofsen  Vorarbeiteu 
Im  Binzeinen  mit  gleich  kleinem  Erfolge  im  Ganzen  wire 
beliandelt  worden,  als  di^  Geschichte^unserer  National» 
titeratur;  und  wenn  sich  von  irgend  einem  abgetrennten 
Theile  derselben  dasselbe  mit  noch  gröfserem  Nachdruck 
behaupten  Üfst,  so  ist  es  gewifs  die  äleschichte  der  auf» 
blühenden  poetischen  Bildung  im  vorigen  Jahrhundert» 
Wir  halten  daher  jeden  kleinen  Fingerzeig,  der  hier 


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and  Heimg,  flThitlrtB  dsr  dtMlMli«i  NaÜMl-UHfltDr*  Utt» 

wmf  MM  W^i«  aufnarinm  DUMhl  uod  auf  wlMKge  SSM» 
4«ute(  y  für  onTcrielillicli  wid  aiitttlMMnswerih ,  iiiifl 

darum  haben  wir  uns  zum  iViederschreiben  der  folgenden 
Andeutungen  entschlossen,  die  nur  für  niehiß anderes  an- 
l^esehen  werden  müssen,  ais  für  AndentvitgeD.  Der  Ge- 
danke, der  uns  bei  dem  Niederschreiben  derselben  leitet^ 
bedingt  da»  Verhftllnife  dieses  Autetasa  m  iten  Mgm 
Werken,  die  wir  unter  vielen  aus  Tefachiedenen  Grftnden 
als  Repräsentanten  wählten,  der  Gedanke  nämlich,  es 
sey  in  Recensioneo  von  Schriften  über  eine  erst  werdende 
Wissenschaft  von  gröfserer  Wichtigkeit,  dafs  man  »ich 
imt  dem  beschäftige,  was  in  deoaelben  fehle,  als  mit 
de«»,  vag  darin  falsch  «nd  achlef  wj^  weil  Mangel  nnil 
UnvollfliftatUgkeh  kinfig  ein  rntocferea  Urtheil  bedingt, 
nicht  aber  von  diesem  bedingt  wird.  So  wird  auch  Jeder 
ans  unseren  Bemerkungen  über  ilas  Manj^elnde  in  diesen 
Literargeschichten  unser  Urtheil  über  iliren  Werth  leicht 
enathen ,  womit  wir  imdeesen  mehr  aaf  das  Ersiere  deuten, 
ah  anf  das  Letztere,  dat  namentlich  In  der  letifen  ' 
ilode  triel  anapnichloser  mehr  einen  elnfiichea  Faden 
durch  die  Geschichte  der  schonen  Literatur  geben,  ab 
diese  selbst  vollendet  vorleben  v^ill. 

Unser  Tadel  trifft  zuerst  die  Titel  nicht  nur  difjser 
beiden ,  sondern  fast  aller  Werke  über  diesen  Gegenstand« 
Diese  Böcher  näögen  allerhand  Verdienste  hjaboi,  allcia 
geacbiehliiche  haben  nie  fast  gar  keine.  Sier  verfoigeo  chro* 
nelegisch  die  Taitchiedenen  Dichinngsarten,  sie  neiSMl 
Hl  chroRologfscher  Reihe  die  Schriftsteller  hintereinander, 
wie  andere  die  Büchettitel,  und  charakterisiren  dann, 
wie  es  anch  sejr,  Dichter  und  Dichtnng.  Das  aber  ist  keine 
GeacfcBetiie ;  es  ist  kainn  das  Gerippe  ra  einer  GeBchichte* 
INwchgreireocl  iet  aelbat  die  Bebaodlnsg  hi  Manan'a  «od 
Wachlers  Venmehen  nicht  hrstonseh ,  mm  hängen  aibniTiel 
oder  neigen  mindestens  zu  ästhetischer  Beurtheiiung  und 
verlieren  darüber  den  Gesichtspunkt  des  Ge«ehichtschrei - 
bers.  Mit  ästhe^cher  Kritik  hat  der  Literarhistoriker 
gar  ntchtnnn  thvn,  and  das  mögen  eiob  doch  am  meisten 
diejenigen  gesagt  seyn  lasse»,  die  von  eigenean  Urtheil 


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TAIlig  eDibUMM^  von  den  noiliBliolMteo  KiiMtrichleni  die 

nnftholichsten  AassprQche  Aber  ihaliche  Dlchlang'en  ia 
Einem  Buche  über  Liteiaijs^eschichte  zucainjiientragen. 
Die  Aestheliß"  ist  dein  Literarhistoriker  nijr  Hillfsmittel , 
wie  dem  politischen  Geschichtschreiber  flie  Foiitik*  Nut 
ihre  allgemeinslen ,  nnr  ihre  überall  als  gültig  aaerkaaolei 
Geaelse  dürfen  ihm  gellen,  nnr  die  allgemeinste,  unbe- 
eireitbarete  Anwendung  datf  er  dayon  machen.  Da  nnd 
dort  aber  mufs  er  sich  feste  Ansichten  schaffen,  und  das 
ist  freilich  in  dem  Einen  wie  in  dem  Anderen  dieser  Hülfs- 
mittei.  schwer ,  und  wenigstens  ist  man  in  der  Aesthetik 
nicht  so  leicht  damit  fertig,  wie  in  der  Politilc ,  weil  hier 
wenigstens  die  CSonsequenn  von  Lehrbüchern  und  Grnnd- 
sitsen  hittfiger aneatreffen  ist,  wfihrend  dort  bei  keinerlei 
Parthei  ein  autorisirtes  Handbuch  gelten  mochte,  uud 
die  Aiisbihhing-  einer  eigenen,  selbsithtändigen ,  bestimm- 
teu  Ansicht  in  diesem  Fache  nur  die  Frucht  eines  langen 
nnd  reifen  Nachdenliens ,  eines  feinen  und  unverdorbenea 
Geschmacks  seyn  kiinn.  Wer  sich  aber  eben  diese  Wis- 
senschaft und  deren  Grenzen  deutlich  gemacht  hat,  der 
wird  weniger  versucht  werden,  in  ein  historisches  Werk 
ein  ästhetisches  Urtheil  überall  einzustreuen,  so  wie  der 
ächte  Geschichtschreiber  überhaupt  keine  politische  Farbe 
zeigen  darf;  viel  weniger  aber  wird  er,  wie  das  in  dem 
Buche  von  Bohtz  der  Fall  ist,  mit  der  ärmlichen  An- 
sieht  einer  Schule,  oder  wie  Andere  thun,  mit  den  ge- 
borgten Ansichten  der  verschiedensten  Kunstrichter, 
seine  Geschichte  ausstatten  wollen.  Der  ästhetische  Benr- 
theiler  zeigt  uns  eines  Gedichtes  Entstehung ,  sein  inneres 
Wachsthum  und  Vollendung  in  sich  selbst,  seinen  ahtt^ 
luten  Werth  dem  Ideal  gegenüber, « sein  Verhiitnifs  sa 
dem  künstlerischen  Charakter  des  Dichters  überhaupt 
Der  Hwtoriker  zeigt  seine  Entstehung  aus  der  Zeit ,  aus 
deren  Ideen,  Bestrebungen  und  Schicksalen ,  sein  inneres 
Verhältnifs  —  Entsprechen  oder  Widerspruch  —  mit 
diesen,  seinen  Werth  für  die  Nation,  seine  Wirkung  ia 
Mitwelt  und  Nachwelt ;  er  vergleicht  es  zunächst  blos  mM 
dem  Höchsten,  was  diese  Zeit,  diese  Nation,  ia 


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✓ 

und  HtnMig,  GMdiieIrte  der  dtBfi^M  Ntli«i»l-IitoffttDr.  lliY 

dieser  €hittung  geleiitel  hat;  erseigt  sein  eng^eres  Ver- 
hältnifs  zu  dem  Dichter,  sein  Entstehen  aus  diesem, 
sein  historisches  Verhältnifs  zn  ihm  und  seinen  übrigen 
Werken;  behandelt  er  nicht  bios  diesen  Einen  Dichter, 
SO  mufs  er  je  nach  seinem  Gesichtskreis  das  Verhältoifii 
von  Didier  ood  Gedieht  zu  der  Zeit,  wa  der.Nntion,  zu 
der  europäischen  Cvltur,  zu  der  gesammten  Meuschl^eit 
erörtern. 

Von  solch  einer  weiteren  Ansicht  aus  hat  uns  noch  Nie- 
.  mand  eine  Geschichte  unserer  Literatur  dargeboten.  Das 
einzige  Werk  von  einiger  Bedeulung,  das  uns  durch  hi^ 
aiorisohe  Behandinug  'Wenigstens  hier  und  da  einiges 
Genfige  thun  kann,  bleibt  immer  Manso's  Veraaeh.  Im 
Mittelalter  fehlt  es  ihm  weit  zu  viel  au  KeiHitnils  utid 
Lectöre,  dagegen  sagte  uns  theil weise  die  Darstellung 
fler  ersten  Jahrzehnte  des  vorigen  Jahrhunderts,  wo  er 
freilich  gute  Vorarbeiten  hatte,  immerzu;  in  der  letzten 
Zeit  fehlt  dagegen  wiejder  aller  Blick  auf  das  innere  Ge- 
triebe und  die  ungeheure  Bewegung  der  Geister,  wäh- 
rend die  Leere  und  Kälte  der  vorhergegangenen  Jahre 
nicht  gut  in  der  Darstellung  zu  verfehlen  war.  Und  doch 
mangelt  ^Ibst  hier  die  Nachweisung  aller  Gründe  und 
Quellen  der  Erscheinungen ;  es  mangelt  durchgehends 
die  Uebersieht;  selten  ist  den  handelnden  und  produci- 
renden  Literaten  und  Dichtern  ihre  rechte  Stelle  ange- 
wiesen. Besonders  Eines  sehr  wesentlichen  Fehlers  machte 
sich  Manso  schuldig',  der  überall  schädlich  einwirkte. 
Durch  seiue  Vorliebe  für  die  letzte  Dichtungsperiode 
verleitet,  eilt  er  unaufhörlich  vorwärts  und  versäumt,  das 
Vergangene  festzuhalten.  So  erscheinen  -denn  hier  z.  B. 
'Halier  und  Hagedorn  als  durchaus  anregende  und  bahn- 
brechende Männer.  Sie  sind  es;  aber  sie  ruhen  auf  Einer 
Seite  ganz  auf  den  Früheren.  Wir  werden  es  wohl  unten 
noch  einmal  behaupten,  dafs  die  Periode  von  den  Schwei- 
Bern  bis  auf  Klopstock  eine  Art  von  Vorspiel  von  der  wirk- 
sameren und  erfolgreicheren  Epoche  ist,  die  mit  Lessing 
beginnt;  wif  können  dies  weiter  rfickwärts  Ähren  und 
behaupten ,  dafe  auch  Haller  und  Hagedom  in  ähnlicher 
Weise  wie  Klopstock  zugleich  die  Grundsteine  eines  spä^ 


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IIW 


leren  md  die  Sdhiaftstme  elnee  frtherea  0<M«det  eied, 

und  dafs  sie  sich  zu  Günther  und  Brockes  ähnlich  ver- 
halten, wie  Göthe  zu  den  regellosen  Genie«  und  den 
ecbmachtenden  Ljrikera  der  Göttingischea  Zeil.  Und  so 
wie  diese  beidea  Mioner  BOthweodlg -von  zwei  Seiten 
geseiieB  werden  mteeo,  so  Ut  dies  mit  jedem  anigc^ 
seichnelen  und  Tefdienleren  Dtehter  oder  Kritiker  der 
froheren  Und  der  folgenden  Zeit  der  Fall:  mit  Klop^tock, 
der  in  dem  Messias  ganz  Fmpfindnnjv  war  und  dann  in 
seinen  Bardietten  kurz  nad  kalt  ward;  mit  Göthe,  der 
erst  in  Götz  und  Werlher  ganz  zwischen  die  wilder  6e» 
nialltftt  und  die  ▼erscliwlinaieiide  Weloltlieit  der  jmgee 
Dichter  d«malij|^r  Zeh  getheill  war,  und  denn  in  der 
Iphigenie  zu  klassischer  Ruhe  und  Besonnenheit  gelaif^te 
und  daher  von  Schillers  Räoliern  äufserst  unangenehm 
berührt  ward ;  mii  Schilter,  dessen  verschiedieoe  Epachen 
Jedermann  kennt ,  und  so  mit  vielen  Amlem.  So  mufs  ' 
man  nach,  nm  die  heterogenen  Btschetanagen  «nd.  die 
deeh  gleich  willige  Aufbafrme  der  veischiedenfttsfi  Dinge 

in  der  schweizerischen  Perioile  zu  erklären,  durchau!?  die 
entferntere  Zeit  und  den  entfernteren  Baum  nicht  aus  deo 
Augen  verlieren.  Wir  werden  onten  beibringen,  wie  viele 
Berücksielitigung  hier  die  provindelle  Entwicklmig  der 
LiteraA«r  verdient;  hter  bemerken  wir,  dafs»  wenn  rnsn 
die  Sdielde  des  IT  und  18.  Jahrhunderts  gehöri]^  «a 
betrachten  vergifst  und  unbemerkt  läfst,  wie  damals  der 
Mangel  an  originalen  Werken  der  schönen  Literatur  tole-  ' 
rant  machte,  es  schwer  begreiflich  ist,  wie  Günther  neben 
Brockes,  Malier  neben  Hagedorn,  Gottsched  eine  Zsi^ 
/hing  lieben  den  Schweleern  so  friedtidt  «nd  gleiokansr* 
kennt  best Aen  konnte«.  Damals  suchte  man 
neue  Bücher,  und  in  jedem  Buche  etwas  Neues.  Wielaiwl 
spricht  es  in  seinen  früheren  Jahren  geradezu  aus ,  dafs 
er  nur  das  Neue  und  inomer  etwas  Nenes  von  <lem  Dichter 
verlangt  I  und  darin  sucht  er  besonders  auch  Rlopetechs 
Vorcttg.  Man  Cifhinte  sogar  meinen ,  iir  der  Drstti^geiw 
sehen  Dicbtknnst  sey  dh^e  Fardermg  wunderlich 
wickelt  in  die  Theorie  übergegangen.  Nun  durlleD  die 
Sdiweizer  imr  englische  Blätter  nadudunen;  Gettseked 


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9 


durfte  mir  wie  Ofits  auf  di#  Alten  rarwatoeat  wenn  «r 
auch  nicht  das  Geringste  davon  Yerstand;  er  darAe  nur 

auf  die  Franzosen  schiaipfen,  wenn  er  auch  in  Allem  sie 
copirte;  er  durfte  nur  die  Engländer  wie  Wieland  heraus* 
«^eichen,  wenn  er  auch  den  iranzöiirenden'Afidison,  wie 
dieser  den  Shaflesbni^  varzUglich  im  Auge  balle;  kurz, 
man  durfte  nur  etwas  Neaes  anregen,  um  dea  Beifalls 
eidier  nu  seyn,  wie  Gettsched  besondera  In  seinen  BemA- 
hung'en  um'^i  Theater  erfuhr.  So  machte  deau  auch  Haller 
viel  Aufsclun,  im  Grunde  nur,  weil  tr  den  Ton  der  eng*- 
liacheo  Uialektiker  und  malerischen  üichter  angab;  denn 
data  seinen  Biehlungen  viele  Poesie  inwobne,  scheint  er 
selbst  nicht  geglaubt  nu  haben ,  and  wenn  ea  aoch  einfi 
'  ecMagienderen  Beweises  bedHrfle,  wie  wenig  dicbteii^ 
sehen  Gesclimack  er  hatte,  eines  untriig;li(:heren  Zeug- 
.oisses,  als  es  seine  Gedichte  ablegen,  so  sind  es  seine 
-  ästhetischen  Urtheile,  die  er  in  den  Göttinger  Anzeigen 
.  g^elegentlich  niedergelegt  hat.  Es  ist  also  nur  Form  und 
Material 9  worin  er  ein  Verdienst  hat,  und  das  nftmlidie 
^ilt  V0a~  Hagedorn.    Auch  die  kritischen  Werke  der 
Schweizer  konnten  überraschen,  als  sie  1140.  an  die  Stelle 
von  Gottscheds  hölzerner  lli(  htkunst  eine  Theorie  setzten, 
die  dem  materialistischen  Zeitgeschmack  ganz  angemessen 
war;  denn  damals  betrieh  man  in  Frankreich  und  England 
die  Vergleichung  der  bUdendea  und  redenden  Kfinale 
überJiaupt  sehr  eifrig.    Dies  Alles  konnte  aber  natftrli^ 
zu  keinem  eigentlichen  Grundsätze  der  Dichtkunst  führen; 
man  trieb  sich  von  einer  Reget  zur  anderen  und  fapdsich 
am  Ende  nicht  weiter  als  vorher.    Hier  |ieht  man  deut^ 
Jich  9  dals  diese  Zeit  ganz  der  sogenannten  scbiwachea  ^ 
angehfirti  wo  das  Mechaoieehe  Aberall  vea'waUetet  Sine 
neue  Epoche  bringt  oder  bereitei  offenbar  erst  Klopatodk; 
Man  hat  an  ihm  allerhand  gelobt  und  getadelt,  man  hat 
ihm  unzählige  Seilen  abgewonnen,  man  hat  die  poetische 
Sprache  gqiriesen,  die  orieolaUschen  Bilder  bewundert, 
die  nordisclie  Mj^thologie  veracbniAht  als  eine  schlechte 
Neuerung,  man  hat  die  Versart  zu  greisen  Renelutionep 
benutzt,  man  hat  deo  Stoff  getadelt  als  z|i  wenig  sinnlich, 
oder  bestaunt  als  grofs  und  erhaben,  man  hat  die  Ortho- 


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1200    Bohts,  CSfMcMehle  4er  arae»  demticbflii  Poeiie  a*  t^wA 

doxie,  die  poetische  Unwahriieit,  des  ewige  Einerlei, 

den  lyrischen  Schwung  vürfrpwotfen  :  die  flaiiptwirkuDg 
aber,  die  namentlich  der  liistori^^che  Beurtheiler  hervor- 
heben tnufste,  hat  raan  nicht  gesehen.  Ks  war  die,  dafs 
der  Messias  eine  gewisse  grofse  Periode,  jene  Zeit,  welche 
die  Arndt,  Andreä,  Speoer,  Mosheim  und  die  Kirchen- 
liederdichter darstellen,  vollendete,  wie  Werther  und 
Faust  später  eine  andere,  und  dafs  durch  dies  Gedicht 
der  üebergaug  von  den  religiösen  Tendenzen  zu  ästlieti- 
schen  veraniafst  war,  was  nie  Klopstockianer  seihst  nachher 
milUnmuth  betrachteten,  so  natürlich  es  auch  war,  daf% 
da  einmal  die  Religion  zu  einem  Gegenstand  des  schdnen 
Denkens  geworden  war,  Wieland  von  seinen  früheren 
christlichen  Aufsätzen  aus  zu  seinen  späteren  unchristli- 
chen kommen  mufsfe.  Seitdem  der  Mes^iias  erschien, 
gewann  nicht  allein  aut  der  Kanzel  die  geistliche  Bered- 
aamkeitHerz  und  Gefühl,  statt  des  früheren  Dogma,  auch 
In  der  Dichtliunst  ward  nicht  mehr  wie  vorher  der  Regel 
und  dem  Verstände  Alles  eingeräumt,  sondern  der  Em- 
,  pfindung.  Und  obgleich  die  feurig -andächtige  Muse,  die 
überall  mehr  auf  die  Empiindung  als  auf  die  Phantasie 
wirkt,  gerade  das  ist ,  was  dem  Messias  als  Gedicht  scha-  , 
det,  indem  man  eben  dadurch,  wie  es  die  Literaturb  riefe  i 
ausdrücken,  vor  lauter  Empfindung  gar  nichs  empfindet 
(ein  kaltes  Feuer  nennen  sie  die  ähnlichen  Cramer^scheo 
Oden  sehr  treffend),  so  mufs  man  gleichwohl  gestehen, 
dafs  diese  dictirende  Empfindung"  doch  wieder  des  Dichters 
Hauptverdienst  ist,  indem  von  der  Kälte  und  Leere  der 
herkömmlicheQ  Dichtung  um  jeden  Preis  auf  Wärme 
und  Gefühl,  von  dem  Materiellen  auf  dasPsjohische  über- 
geführt werden  mullste,  was  nicht  anders  geschehen  konnte, 
als  Indem  man  von  Lehrgedicht,  Bnsählung,  Beschreib 
bnng  und  Naturschilderung  auf  das  Moralische  des  Men* 
sehen  überleitete ,  indem  man  den  inneren  Menst  hen  zum 
Gegenstand  der  Dichtung  machte,  so  dals  also  Kiopstock 
eine  Erlösung  des  Menschen  in  mehr  als  Einem  Sinne 
vollbracht  hat 

(Di9  F«rtfcfs«lig  folgt,) 


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N'.  m    HEIDELB.  JAHRa  o.  LITERATUR.  1833. 

Bohtz,  Geschichte  der  neuern  deutschen  Poesie ,  und 
Herzog,  GeschhiUe  der  deutschen JScUhmd-Literatur» 

(Fortietzun^.) 

So  ongeiUhr  würden  wir  uns  den  inneren  Znsani-  * 
menhang  der  Erscheinungen  jener  Jahre  denken;  hieraus 
^  würden  wir  nni«^  die  wSrmere  oder  kältere  Aufnahme  der 

verschiedenen  Dichter  und  Gedichte  erklären.  Mango  hat' 
sehr   lichtvoll  den   fiufseren   Zii«saminenhang  erzählt, 
aliein  sobald  er  sich  von  da  entfernt,  geräth  er  sogleich 
itf  ästhetischet  Räsonnement,  und  unser  historisches  In'^ 
feresse  isl  ans.    Daraus  folgen  dann  Irrthüiner  über  Irr- 
fhAmer,  Mängel  dof  Mängel»    Manso  erkennt  2s  B.  nicht 
an,  dafs  die  Ausstellungen  der  Gottschedianer  an  der 
seraphischen  Poesie  von  Einer  Seite  einen  sehr  gute?if  irund 
hat;  sie  war  allerdings  von  jenem  Sin  neu  fieb  er  be- 
gleitet, wie  esTiiiler  nennt,  das  nachher  eine  so  linge- 
mefn  bedeutende  Rolle  zu  spielen  anfing.    Im  Gefolge 
dieser  sublimen  Dichtung  begannen  nachher  so  Viele,  ein 
sogenanntes  Poetische,  reine  Hirngespinste,  verwirkli- 
chen zu  wollen  ;    die  unnatürliche  Andächtelei  Anderer 
rief  im  Gegensatz  die  Freigeisterei  hervor,  und  nun  be- 
gann jener  denkwürdige  Kampf  zwischen  den  Anhängern 
am  Alten  und  den  Nenerern,  swischen  den  Anakreontikern 
md  Seraphikern,  den  Theologen  und  Lessing ,  den  Christ- 
lichen lind  Griechischen;  ein  ganz  neuer  Scliwung  kam 
durch  die  njitionelle  Erhebung  im  siebenjährigen  Kriege; 
jene  abentheuerliciien  und  auffallenden  Schicksale  einea 
Kleist,  Brandes,  Bode,  Bürger,  der  Karsohin  n.A.  bilden 
eine  ganz  neue  Reihe  von  Erscheinungen;  jenes  krank- 
hafte Wesen  der  Zelt  kommt  hinzn,  das  sich  Von  der 
träumerischen  Hypochondrie  eines  Hölty  bis  zu  der  furcht- 
baren Reizbarkeit  eines  Zimmermann  in  unzähligen  Abstu-  , 
fungen,  in  dem  frühen  Tod  der  Cronegk,  Brown,  Hölt^, 
EUaa-Schlegel ,  Abbt  u.  A.  in  seinen  härtesten  physischen, 

XXVL  JtHag,       Heft.  76 

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r 


lin       BohUt  GettbicbUi  der  seam -iletttmJieti  Pomm« 

wie  in  den  härtesten  geistigen  Wirkung^en  in  den  Stecken- 
pferden des  Lavater,  den  Räthselri  und  Geheimnissen 
Hamanns,  den  Grillen  Basedows,  dem  baioeken  Wesen 
und  dem  spätem  Wahnsinn  des  Lenz  u.  s.  w,  beohachteo 
läfei  Der  Freiheitsgelst,  der  sich  in  den  jiuigen  Poeten ' 
regte,  die  Schrankeolosigkeit  ihres  Beetrebene ,  die  Zfi- 
gellosigkeit  ihres  äufseren  Treibens,  die  Regellosigkeit 
ihres  poetischen  Wirkens,  der  Geschmack  an  der  niedrig- 
sten Volkspoesie,  (ler  Umsturz  allej»  Heiligen ,  dieVerach- 
tiing  der  KiopstQck  und  Geliert,  die  trüber  ii^s  warea 
i|iit  Christentbum  und  Bibel ,  durchkreuzen  sich  aut's  Wil- 
deste lind  Wunderlichste  mit  der  FrÜminigkeit  eines  Hajkr 
und  den  fixen  Ideen  des  Lavstc^  Qnd  der  Magnetilw, 
der  poetische  Materialismus  mit  denr>  luftigsten  Spiritua- 
lismus, das  Rationale  mit  (iem  Supernaturaleu,  der  derbe 
Menschenverstand  mit  Empfindsamkeit,  der  weiche  Fairi4>- 
tisinus  der  Iselin  iniit  dem  ebrenvesten  Wesen  uocl  Wirken 
des  tüchtigen  Mdser ,  der  streng  sittliche  Hermes  und  die 
Gdttinger  mit  WieUind ;  in  Klinger ,  in  dem  Verfasser  des 
Gdiz  und  Werther,  in  dem  Verfasser  der 'fandeleien  und 
des  Ugolino  lagen  die  streitenden  Elemente  nebeneinander; 
in  den  öffeptlichen  Beurtheilungen  wechselte  das  lahmste 
Toleriren  mit  den  härtesten  Angriffen  in  den  latemtar- 
briefeQi  den  Frankfurter  und  Züricher  Blftttem  —  und 
wer  könnte  alle  diese  feindseligen  Richtungen  «ad  ColB* 
sionen  aufzählen ,  wer  so  im  Fluge  diese  ganze  merkwür- 
dige Gährung  andeuten,  die  mit  nichts  zu  vergleichen  ist 
als  mit  der  Reformation,  mit  der  griechischen  Zeit  am 
Sokrates  oder  mit  einer  politischen  BeTolntioiiy dieso 
grenzenlose  Verwirrung,  in  der  mir  das  Eäne  grofartige 
Bestreben  nach  dem  Sieg  des  Humanen  in  allen  Verhält- 
nissen gleichmäfsig  durchblickt,  diese  ungeheuere  Bewe- 
gung, die  so  manches  treffliche  Talent  vernichtete,  irrte 
Hqd  dahinrifs,  und  ia  der  nur  der  Eine  Lessing.  ioipsr 
aufrecht  erscheint,  dieses  wunderj^are  ReformaticH|8«  uad 
Revolntionsgenie,  der,  im  Besita  des  ¥oQslep  Variraiieas 
der  Nation,  mit  sicherer  Hand  unter  dem  Brand  der  Erde 
die  Zügel  nie  verlor,  nie  die  grade  Bahn  verli^#, 


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sidh  nicht  Tom  H<»clinrath  berfihreii  Heft  «od  gvade  da, 

als  ihm  Deutschland  fast  allein  huldige,   als  ihm  lUe 
Ulbert  und  Gleim  ihr  „Shakespeare- Lessiii^"  zuriefen, 
iM^aante,  kein  Dichter  za  seyn ,  und  der  sich  auch  nicht 
Kleiomutfa  beugen  iiefs,  sondern,  als  Göthe  schon 
aitt%etreten  urar,  seinen  Nnlhen  «ohfieb  und  In  «einer 
fiphälre  leistete,  was  neben  ^^dienem  noch  Werth  behielt 
Wo  ist  nun  der  Literarhistoriker,  der  diesen  grofsen, 
ungeheuren  Kampf  lies  bescheidenen,  redlichen  Wirkens 
mii  der  Arroganz,  des  Genies  mit  der  Hegel  und  dem 
herkommen  im  Aesthetischen  und  Moralischen,  der  Kraft 
mit  der  Schwäche,  der  Einfalt  nnd  Natnr  mit  Unoatnr  und 
lifelseherZier^enohildert iiat?  geschildert?  nein,  dernur 
eine  Spur  davon  merken  liefse,  dafs  ein  solcher  Riesen* 
kämpf  gekämpft  ward  ?     Und  wir  sprechen  von  Literar- 
g^eschichten !  Wir  reifsen  einzelne  Dichter  und  Literaten 
auseinander  und  schreiben  statt  einer  Geschichte  eine 
Hiihe  Ton  Biographien;  wir  geben  Mhetische  Kritiken 
und  lassen  den  geschichlüchen  Znsammeahang  liegen; 
wir  meinen  Alles  gethan  zu  haben,  wenn  wir  einen  grofsen 
Poeten  nothdurftig  aus  sich  charakterisirt  haben ,  wir  ver- 
gessen aber,  dais  in  der  Geschichte  Alles  aneitmnderhängt, 
fHtd  Niemand  etwas  ist,  aufser  durch  das  Ganze  und  in 
den  Gänsen,  dem  er  aqgebdrt.    Die  Literargeschichte 
hat  es  so  gut  wie  die  politische  mit  Massen  eu  thun,  nnd 
in  ihren  Kriegen  geht  auf  die  in  der  Linie  Kämpfenden 
so  gut  der  Geist  der  oh  eisten  Fiihier  über,  wie^in  denen 
der  politischen  Geschichte,  und  dieser  iiiut  alsdann  erst 
Am  rechten  Wunder.  Nur  dafs  es  unmöglich  ist,  Alles  zu 
4BSett,  Was  gesofariebeo  wird,  maeht,  difs  man  freilieh 
liet  dem  Vorragendsten  verweilen  mufs.  Doch  haben  die 
Geschichtsclireiber  unserer  Literatur  alle  nadi  der  Reihe 
unendlich  viel  zu  wenig  gelesen,  als  dafs  sie  eigeiiliich 
befugt  Seyen I  mitzusprechen;   sie  haben  jene  niederen 
Begtonen  ganz  versäumt  und  in  der  Luft  gepflügt;  und 
wenn     sich  an  den  BÜkthen  der  anfgeschossenen  Bäume 
erfreuten^  fiel  ^le -Gittern  ein,  auf  Stamm  nnd  Wurzel  zn 
aditen ,  die  in  demselben  Boden  haften,  wo  auch  das  viele 


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Bohtz,  Geiehicbte  iler  oeuern  denUcfaen  Poesie, 


kleine  Strauchwerk  wuchs,  das  iimher  wuchert  und  seiue 
an  verächtlichen  Blumen  und  Früchte  auch  gegeben  hat. 

Sehr  viele  Werke  über  unsere  schöne  Literatur  haltea 
sich  an  das  rein  Materielle,  and  so  lange  die  Vorarbeiten 
nicht  geschlossen  sind ,  so  ist  dies  auch  gewifs  das  wfta* 
schenswertheste.  Allein  warum  greifen  wir  dies  grade  in 
diesem  Fache  so  verkehrt  an,  waruni  unterbleibt  g-rade 
hier  so  manches  so  sehr  Nothwendige?  Noch  wissen  wir 
nicht,  was  uns  Koch  s  Literaturgeschichte  ersetzen  könnte, 
nnd  Niemand  begiebt  sich  an  eine  neue  Anflageiind-^Beai> 
beitnng  dieses  vergriffenen  Buches,  lieber  iiifsere  Be« 
fSrderungsmittel  der  poetischen  Cultur  im  vorigen  Jahr- 
hundert, über  gelehrte  Anstalten,  Gesel Isshaften,  fürst- 
liche Gönner  und  Beschützer,  über  Buchhandel  und 
Aufnahme  des  Gelehrte nstandes  fehlt  uns  durchaus  eine 
belehrende  Zttsammenstellnng;  nnd  welch  ein  weitesFeitl 
der  schönsten  Erlüuterung<en  wfirde  eine  systeimaiiadi 
geordnete,  literarische  Statistik  eröffnen,  die  yns  ttber 
das  Verhaltnifs  und  die  stufenmäfsige  Steigerung  des  In« 
teresses  an  belletristischen  W  eikeo  von  dem  Wissenschaft- 
lichen und  nachher  über  das  Umgekehrte  belehrte  uad 
beqneineHJebersichten  UHe«  Wer  weifs  nicht,  Ton  w«t* 
eher  Bedeutung  von  di^er  letsten  Seite  die  ersten  beden* 
fenderen  Zeitschriften  waren ;  und  was  die  Torbergehenden 
Bemerkung*en  betrifft,  so  hat  man  zur  Erklärung  der  lan- 
gen inneren  J^ei.nnung  ifnsier  Literatur,  auch  nachdem 
Klopstock,  Lessing  und  Wieland  Bahn  gebrochen  hatten, 
nie  genug  hervorgehoben,  wie  vielen  Antheil  daran  jene 
flufteren  Hindernisse  hatten.  Man  mufs  nur  sehen ,  wie 
noch 'der  gute  Götz  «ich  fürchtet,  mit  seinem  Auftreten 
als  Dichter  Patrone  und  Gönner  zn  beleidigen,  wie  alle 
jungen  Talente,  «m  bekannt  zu  vvertlen ,  das  Ansciilieisea 
an  berühmtere  Männer  suchten,  wie  sich  der  einsichtige 
Lessing  mit  Begierde  an  daa Gerücht  von  Joa^hslL  Ge* 
lehrtencoloiiie  in  Wien  Klammerte,  wie  er  mit  dem  unter* 
nehmnngslustigen  Bode  den  Plan  einer  Gelehrtenbneit^ 
handlang  fafste ,  wie  er,  von  der  matten  Theilnahme des 
Hamburger  Pubiicums  an  seinem  Theater  empört,  enl 

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and  Utmogi  Cretcbichtc  der  dcuUchcii  NatiooaMJteratur.  IZUü 


Deutschland  ganz  verlasijeu  und  Latein  schreiben  will,  und 
dano  die  Poesie  wirklich  mehr  und  mehr  verläfst,  zu  der- 
selben Zeil,  als  nicht  lange  nachher  seit  dem  achten 
JahrBcheDtplölslieii  und  auf  Binnsal  alieHinderoisse  weg* 
nUlen,  alles  Fordernde  zusammenEUgreifen,  alle  Talente 
wach  zu  werden  und  die  productive  Kraft  in  ihnen,  wie 
In  dem  Publicum  Tlieilijahine  und  Interesse  gleich  grofs 
zu  werden  schienen.  Der  eigentliche  Krkläruogsgrund 
dieser  Erscheinung,  jener  anfänglichen  Hemmang  und 
dieses  nachfolgenden  achrankenlosen  Ourchbruchs,  liegt 
■freilieh  nicht  in  den  Aeufserlichkeiten ,  von  welchen  wir 
reden ;  allein  die  Erscheinung  selbst  ist  nie  genug  hervor- 
gehoben worden;  nie  hat  man  gezeigt,  wie  das  innere 
Bestreben  den  äufsereo  Widerstand  bemeistert  hat.  Schiller 
und  Vofe  haben  gejauchzt,  dafs  keine  Mäcenaten  unsere 
Literatur  geschaffen ,  sondern  die  Masse  der  Nation  sie 
iselbst  eneugtliat ;  Gothe  hat  bemerkt ,  wie  erst  die  ehren» 
volle  Stellung,  die  ein  Haller  und  Hagedorn  in  der  Gesell« 
Schaft  einnahm,  wie  die  Achtung,  die  Uz,  Rabener, 
Weifse  sich  im  (lesciiälthieben  erwarben,  wie  die  sittliche 
Reinheit  und  Würde  Klopstocks  es.dalün  brachten,  dafs 
^das  Dichtergenie  sich  seine  eignen  Verhältnisse  schaffen, 
'  den  Grund  sn  einer  unabhängigen  Würde  legen  konnte;" 
Moser  und  wie  viele  Andere  haben  gegen  des  grofsen 
Friedricli  Sclirift  über  die  deutsche  Literatur  sich  erho- 
ben, —  warum  hat  man  diese  und  so  viele  andere  ein- 
uloe  Winke  nicht  benutzt ,  um  uns  ein  anschauliches  Bild 
TOS  diesen  an-  und  widerstrebenden  Elementen  eu  geben? 
Warum  bat  man  sich  z.  B.  so  gerne  ein  Geschäft  daraus 
gemacht,  den  ehrlichen  Friedrich  Nicolai,  indem  man 
unbiliig^cr weise  ihn  nacli  seinen  Schriften  beurtheilte,  an- 
zufeinden ?  Dafs  er  sich  unbefugter  Weise  in  das  Treiben 
derächten  Dichter  und  Philosophen  einmischte,  mufs  man 
ihm  mit  demselben  Lächeln  vergeben  ^  womit  man  Rod- 
BMrs  poetisch  producirende  Periode  betl*achtet;  man 
mufs  aber  das  anderweitige  Verdienst,  das  er  um  die 
deutsche  Literatur  hat,  darüber  nicht  vergessen,  nicht 
vei^esseo  dio  aufserordeatliche  Wirkung,  die  seine  ge- 


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It06       BahtB,  Oflidiiclito  der  «evetii  ^wtadmrn  Peetfo« 

lehrten  Zeitungen,  auch  abgesehen  von  ilirem  Gehalte, 
hervorbrachten,  und  die  groijse Entfernun»*  dieses  Mannes 
von  allem Eigeaautz  und  Seibst^cbt»  8e  ist  auch  Gleims 
Wirken  toii  dieser  Seile  der  Anregnig^  mehr,  ab  der 

'  eigneo  Produclioo,  nul*  von  Gftth^  mit  der  gttbiihreadett 
Würdigung  anerkannt  worden ,  der  in  seiaer  Selbstbiogrs^ 
phie  überhaupt  so  schätzensueithe  Winke  über  die  Ent- 
wicklung unserer  Poesie  im  vorigen  Jahrhundert  ^e^eben  . 
hat,  dafs.  es  wahrhaft  betrübend  ist,  claiis  auch  fast  gar 
kein  Gebrauch  davon  gemacht  ward  vm  irg^d  eineni 
unserer  Literarhisteriker,  und  es  ist  nur  ni  klar,  dab  sie 
'  ihrer  blos  hindeutenden  KGrze  wegen,  die  nur  durch  die 

'  genaueste  Kenntnifs  der  Zeit  und  die  ausgebreitetste  Lek- 
tiae  suppiirt  werdeil  kann,  sehr  selten  yersiamlen  worr 
den  sind. 

An  diese  Ausstellungen  knOpfit  steh  eine  andere  ao ,  die 
auch  auch  mehr  den  lUhm^n^  als  das  Geniälde  selbst  ao« 
geht.  Es  ist  eine  der  ersten  Aufgaben  des  Geschichtschrel^ 

bers,  dafs  er,  lange  es  ohne  Zwang  geschehen  kano, 
den  Gründen  der  Begebenheiten  nachforscht.  Nun  reden 
zwar  alle  unsere  Literaturgeschichten  Ton  einer  schwäbi- 
schen',, einer  schlesischen ,  einer  schweiaerischeu  Periode, 
allein  auch  nicht  Einem  ist  es  eingefallen,  ein  wenig 
nachzudenken,  warum  denn  grade  jem  Minnepoesie  vom  - 
Süden,  warum  denn  jene  Rinthe  ira  11.  Jahrhundert  grade 
von  Schlesien,  warum  die  Bewegung  im  18.  Jahrh.  von 
der  Schweiz  ausging?  Wir  sagen,  keiner  dachte  nach, 
wavuni  dies  Allee  geschah ;  wir  gehen  noch  weiter  mmi 
glauben  behaupten  an  hdnnen ,  daA  vor  Grimra  m 
«namlen  elafiel,  dafs  es  im  MittehiHerin  Bezug  aui  die 
Miii  iepoesie  geschah;  und  dafs  in  der  neuesten  Periode 
linsc  re  Literatur  besonders  dem  Umfang  nach  dem  Nordea 
angehört  und  den  Süden  ausschliefst,  scheint  wenigsteas 
unsern  Literarhistorikern  noch  gar  nicht  eingefiiUeil  au 
aeyn.  Gleichwohl  würde  es  jedem ,  der  nur  nach  <tcr 
ndthtgen  eigenen  Durchsicht  der  Quellen  ans  Werk  ge-- 
gingen  wäre,  aus  tausend  Anzeigen  ijl>erklar  geworden 

ti<7u,  dafs  damals  die  thütigsten  Literaten  selbst  dws 


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und  Heriag,  Getcliiubte  der  .dealtcben  NaU<niaT-Litcratttr.  ISOt 

Pactum  sehr  gut  kannten.  Wenn  man  sich  nttr  die  Namen 

und  Geburtsorte  der  Männer  ersten  und  zweiten  Ranges  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert  zur  Lebersicht  geordnet  hätte, 
SO  würde  man  das  Verhältaifs  zwischen  Nord-  und  Süd- 
deutschen wie  Vier  zu  Eins  gefunden  haben.  Und  wenn 
auch  unter  diesem  Pflnftel  sehr  bedeutende  Namen  ge- 
fiinden  werden,  so  mufs  man  nicht  vergessen ,  dafe  so 
viefe,  dals  Schiller,  Abbt  U.A.  nach  dem  Norden  gezogen 
wurden,  dafs  Wieland  und  Richter  unter  die  Verderber 
der  Literatur  gehören,  oder  dafs  sie,  we,nn  dieser  Aus- 
Spruch  hart  oder  einseitig  scheint,  nur  vorzugsweise  fUr 
den  Süden  geschrieben  haben ,  was  man  sich  in  Bezug  auf 
Wieiand  deutlich  machen  kann,  wenn  man  weifs,  was  er 
für  die  W  iener  Dichter-  uiul  Lesewelt  an  und  für  sich  und 
durch  Alxinger  u.  A.  geworden  ist;  und  in  Bezug  auf  Jean 
Paul  mufste  man  in  unseren  Tagen  aufmerksam  werden, 
von  weicher  Bedeutung  seine  Schriften  auf  die  politisch 
Angeklagten  in  Rheinbalern  waren,  welchen  Oebrauch 
fliese  davon  machten,  welchen  Werth  sie  darin  suchten. 
So  hat  sich  Niemand  je  damit  beschäftigt,  den  allgemeinen 
und  gleichartigen  Charakter  der  schweizerischen  Literaten 
dieser  Zeit,  jene  Weichheit  oder  hypochondrische  Son*- 
derbarkeit  in  den  Gefsner,  Zimmermann,  Lavater,  Iselin/ 
Sulzer,  Bodmer,  Pestalozzi ,  selbst  Joh.  v.  Müller  u* A.  zu 
scbtldern ,  geschweige  ihn  zu  erklären ,  obgleich  schon 
Abbt  meinte,  dafs  die  allerdings  auffallende  Literatur- 
blütbe.in  der  Schweiz  aus  besonderen  Ursachen  nachweis- 
lich sej.    Eben  dieser  Abbt  hat  auch  schon  auf  eine 
deutsche  Literargeschichte  angetrafi;en  ^  welche  Rficksicbt 
auf  die  provinzielle  Entwicklung  legte;  keiner  aber' hat 
seinen  Wink  befolgt.  Er  selbst  ist  ein  Schwabe,  und  er- 
kannte zu  seiner  Zeit  sehr  deutlich ,  dafs  sein  engeres 
Vaterland  der  steigenden  Bildung  in  Deutschland  nicht 
gleichmäfsig  folg^e;  und  er  suchte  sehr  treffend  die  Ur- 
sache in  dem  Hafs  des  Fremden,  in  den  engen  häuslichen 
Verhältnissen,  indem  Ein*  und  AbschlieFsen  untereinan- 
der sogar  im  Dialect.  Dies  ist  die  Ursache,  warum  Wien 
und  Stuttgart,  wenn  mau  will  auch  München,  nur  spät 


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« 

1208        Bohts,  Qetebichte  der  neue  tu  dcntfchen  Poesie« 

und  später  eiaen  kleinen  Kreis  unter  sich  ähnlicher  und 
mehr  und  mehr  das  Sinken  der  Literatur  bezeichnender 
Dichter  erhielten,  wie  denn  auch  jetzt  noch  von  dort  aiieio 
fast  alle  Poesie  und  poetische  Kritik  auszug:ehen  scheiot. 
Auf  Wien  besonders  wirkte  Wieland  sehr  bedeutend;  wie 
Göthe  andeqtet,  weil  man  es  da  nicht  so  ernsthaft  mit  der 
Unterhaltung  nehme,  wie  die  Deutschen  sonst  tliua,  und 
die  Nachfolg;er,  die  er  dort  anregte,  schlugen  mehr  oder 
minder  seinen  Ton  an.  Wie  es  aber  um  die  Bildung  ia 
Wien  überhaupt  stand,  mufs  man  Von  Denis  hören,  oder 
von  Nicolai ,  der  noch  1769.  schrieb »  man  dürfe  da  fast 
alle  englischen  und  znm  Theil  franzdsischen  Schriften 
nicht  lesen,  und  Platons  Phüdon  sey  kürzlich  confiscirt 
worden:  und  damals,  als  das  Gerücht  von  Josephs  Ge- 
lehrtencoionie  sich  verbreitete,  zweifelte  jeder  ruhige  nod 
uberlegende  Mann  sogleich  oder  deutete  den  ganzen  Plan 
auf  ein  Finanzproj«  ct.  Von  Schwaben  sagt  auch  Wieland, 
dafe  man  da  ^, einen  Poeten  f&r  einen  Zeitverderber  und 
unnützen  Mensehen,  und  einen  Philosophen  für  einen 
Schwätzer  und  verdachtigen  Grubler,  beide  Wissen- 
schaften abei  für  brodiose  Künste  halte,  mit  denen  sich 
ein  kluger  Mensch  nicht  viel  einlasse.'*  In  Baiern  schien 
^  die  Poesie  in  Nürnberg  bereits  mit  dem  Orden  der  Pegnits- 
schSfer  nnd  den  weiland  berShmten  Poeten  Claj ,  Hars- 
dörfer  und  Sigmund  von  Birken  ausgeathmet  zu  haben. 
Was  den  Oberrhein  angeht,  so  schrieb  Götz  ans  der  Ge- 
gend von  Kreuznach  an  Ramier,  er  lebe  in  einem  JLande^ 
wo  alle  schönen  Wissenschaften  verachtet  Seyen  und  md 
achtzehn  Stunden  Wegs  kein  Bnchladen  und  keine  gate 
Bibliothek  sich  fönde.  Und  später  bemerkt  er  in  einem 
anderen  Briefe,  dafs  er  auf  einer  Reise  in  die  Pfalz  ge- 
funden habe,  dafs  es  auch  da  mit  der  schönen  Literatur 
nicht  fort  wolle.  —  Auch  im  Norden  lassen  sich  die  eio<- 
zelnen  Gegenden  sehr  gut  charakterisiren.  Die  später$ii 
Schleper  ^  wjeGarve,  Manso  u«  A.  verknfipft  ein  einsiges 
Band  und  bezeichnet  eine  einzige  Richtung.  In  Hamburg 
war  Hagedorn,  wenn  mau  ihn  zu  den  vorausgegangeneD 
Meoantes,  Postel,  Feind,  Heraus  und Brockes  stellt,  eine 


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und  Uerioer»  Geichtchle  der  deutacheo  NatioaaUIiiltnitiir.  UQO 

eignet)  aber  nicht  uoerkiärlicbe  firscheiouiif,  eben  wie 
Haller  in  der  Schweiz,  wenn  man  ihn  mit  den  nachfol- 
genden Bodmer  und  Gefsner  vergleicht    So  ist  es  eine 

ül>rig;ens  anerkannte  Sache,  wie  die  verschiedenen  Schulen 
in  Leipzig,  Halle,  Jena,  Höningen^  Berlin  und  Weimar 
einen  bestimmten  Charakter  an  sich  tragen,  und  dies  sind 
die  eigentlichen  und  alleinigen  Heerde  unserer  Literatur. 
Und  grade  hier  möchten  wir  iibrigens  das  Blatt  umwenden. 
Denn  bei  diesen  Schulen,  wo  sich  freilich  das  Locale, 
das  man  überall  sonst  vernachlässigte,  a'ufd langte,  hat 
man  über  diesem  äulsern  Vereinigungspunct  die  innere 
Trennung  übersehen.  Wie  thöricht  ist  es,  um  nur  Ein 
Beispiel  anzuführen,  die  Mitarbeiter  an  den  Bremischen 
Beitragen  nebeneinander  abzuhandeln,  einen  Gärtner ,  der^ 
nur  zusammenband  und  kritisirte,  mit  einem  Elias  Schle- 
gel, der  stürmisch  producirte;  diesen,  der  im  Drama  auf 
dem  Gottsched  scheu  Weg  fortfuhr  mitSchmid,  der  zu 
Lessing  und  den  ersten  Erweckern  der  klassischen  Studien 
gehört,  Cramer  und  Adolph  Schlegel,  die  frommen  Kan- 
Kelredner,  mit  dem  verwundenden  Epigrammatiker  Käst^ 
ner,  den  besonnenen,  auf  Verpflanzung  der  Englischen 
Literatur  bedachten  Ebert  mit  Rabener  und  Geliert,  die 
JErsten,  die  durch  ihre  Popularität  auf  die  Gesammtheit 
der  Nation  wirkten. 

Diese  Erörterung  über  die  Localitäten  und  di^  pro- 
vinzielle Gestaltung  unserer  Literatur  flihrt  von  selbst  auf 
die  Periodenabtheilung ,  die  wir  in  unseren  Literaturge- 
schichten herrschend  ßnden.  Herkömmlicherweise  theilt 
man  in  sieben  Zeiträume  ab^  Dies  geschieht  nur  nach 
ganz  äufserlichen  Merkmalen.  Wenn  man  nach  innerer 
Noth wendigkeit  hätte  scheiden  wollen,  so  hätte  man  vor 
Allem  zwei  grofse  Abschnitte  bezeichoen.mflssei^y  von' 
denen  man  allenfalls  die  ersten  Jahrhunderte  unserer  Ge- 
schichte bis  zu  den  ersten  Spuren  der  schwäbischen  Poesie 
noch  hätte  trennen  mögen.  In  diesen  zwei  Perioden  kam-, 
pfen  im  Grofsen  die  zwei  Elemente,  die  unsere  Poesie  und 
Literatur  Jbihlen.  Das  Eine  Ist  national ,  von  fremdem 
Einflufsungetrabt,  das  Andere  ist  fremd  und  na^chgeahmt; 


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IBIO        Bohta,  €l«i€hichte  der  nenern  deatocliMi  Poesie, 

r 

jenes  ruht  aof  dem  reinen  und  uogemicrchten  Theil  div 
Nation ,  dieses  snf  dem  von  Gattlern  und'Rdmem  inficirltti 
Tlieile ,  jenes  auf  der  Mitte  und  dem  Norden  von  Deutsch- 
land ,  (Heftes  auf  dem  Süden  und  den  Extremitäten.  Bis 
auf  die  Refonnatioa  hin  war  das  Fremde  siegreich;  der 
bürgerliche  Gesang  des  15.  nnd  16.  Jahrh.  Tertnocbfe 
niehl,  es  zu  swhigen.  Doch  brach  Luther  nnd  HansSaclli 
und  der  erwachende  Sinn  fttr^s  Afterthnm  nnd  für  dasidtt 
Nationeüe  seinen  Sieg,  obgleich  Luther  den  strirmischeren 
Aulkiärern  später  nicht  folo;en  wollte  und  Hans  Sachs  in 
seinen  letzten  Jahren  vorzugsweise  zu  der  Erneuerung  der 
mittelaltrigen  Romane  und  Sagen  im  Drama  schritt  Wie 
sich  früher  das  natronale  Epos  nnd  der  Volksgesaog  ftt^ 
achtet  neben  der  Poesie  der  höfischen  Dichter  forllll^ 
wegte,  j<o  zog  sich  jetzt  der  ächtdeutsche  Kircheng'esanj; 
mit  mehr  Anerkennung  neben  dem  französischen,  spaui- 
srhen,  niederländischen  oder  italischen  Geschmacli  Ilia} 
der  im  17.  Jahrh.  herrschte,  und  auf  ihm  ruhte  di«  gaan 
Stimmung,  aus  welcher  Klopstocks  Messias  «rwndttr,  im 
Gedicht,  das  die  De^tschen  auf  die  verwandteren  ßof^- 
iänder  und  von  da  leichter  auf  sich  selbst  wies.  Im  vo- 
rigen Jahrhundert  entschied  sich  der  Sieg  in  der  Literator 
für  die  Seife  des  rein  i\ationalen,  und  i^i^id  sich  (Iis 
literarische  Treiben  abkühlte  und  in  ättä4^<6i^^tee  ditö 
Politische  an  cRe  SteUe  trat,  saheär  ii^Ii^,' 'WwTo  je^ 
anderen  Falle,  die  erste  Erregung  von  der  Grenze  BP 
^('hon ,  liiid  die  Tendenz  i^t  (jine  ausländische.  Jepei 
Kampf  nun  mufste  je  nach  dem  Vorhjemchen  des  Nirtw- 
nellen,  oder  des  Freunden  geschieden' Verden,  unddleitt 
Abtheiinttgspumcl  ffTge  nacfi  t>ii4^^t  Ai^M^  wolta 
Sacfaseb^  Yolksthamlich6  S<^i^ 

eintreten,  wo  unter  den  Volksbüchern  der  Euienspie^Äi 
Faust,  diis  Laienbuch  die  «relesensten  und  beliebtesten 
wurden,  d.  Ii.  eben  diejenigen,  welche  der  LoCalitIt nach 
anf  dem  Norden  V|^;DetttsehkQih:si^ea  (denn  tmsili^ 
l^eühti^hingöliil  soiittV  Sstlu«» 
^IHfihgen  ,'BrabliNld^tiireig  ,  it^^  seine  Abd^^ 

8tüdte;  der  Süden  kennt  nur  Schwaben  und  OestrieidUft 


mitl  nwf  äuiiiekiii9weit0  wdhmni  Hatfs  SmIis  «in  g^ewitM 

bairischeh  iJorf  in  jenem  Sinnen  zu  g-ebrauclien) ;  und  cla- 
neben erscheinen  noch  Fortunat  und  der  ewige  Jude,  in 
d«noD  der  groise  Sturz  cie«  Hitter-  »ad  Judenthum»,  der 
zwni  Haupthindeniiite,  die  das  Bürgcrthum  steh  ans  dem 
Weg  viinnen  iimfiitey  nur  ganz  diniliel  und.  wie  sefUlig 
sIl^ortsIrt'Bu  seyit  «elMint  Voa  d«  an  iat  im  IT  Jahrh. 
nirgends  das  Sireben  zu  verkennen,  die  Sprache  und  den 
Geschmack  vom  Ausländischen  zu  befreien,  und  dieser 
Kampf  ward  desto  heftiger,  je  deutlichere  Begriffe  man 
nach  «od  nach  von  dem  Alterthmne  und  von  jener  ptaati- 
ndhen,  natttrlieh-elnlacbenKaail  bekam,  dledemOeifl^ 
sehen  viel  verwandter  war,  als  die  romantische  der  Süd^ 
läiitlci.  Wir  enthalten  uns,  unsertn  Zwecke  gemäfs,  aller 
Bemerkungen  über  die  frühere  Zeit,  und  verweilen  nur 
bei  der  letzten  Periode,  müssen  uns  aber  hier  durchaus 
gegen  jede  Abtrennung  der  segenannten  schlesischen  2eit 
TOB  der  neuesten  erklären«  IMan  mufs,  wie  wir  sahen, 
VM  Klop^ock  und  Lessing  an  scheiden  and  die  folf^ende 
Periode  der  schlesischen  so  gegenüberstellen,  wie  das  alle 
Nationalepos  dem  aus  dem  Französischen  Uebertragenen. 
Denn  um  diese  Zeit  fing  man  überall  an,  die  Reste  des 
MftItelaUers  aufs  Neue  zu  erschüttern,  ata  die  Spanier  an 
de»  frannMsehen  Poetik  zu  zweifeln  begannen ,  als  Di- 
derot, ]a  selbst  Voltaire  an  d«r  HerrlichketI  desfrannM« 
sehen  Drama's  auszusetzen  fanden,  alsCacnult  und  IVfercier 
licssings  Dramaturgie  übersetzten  und  herausgaben,  als 
der  antike  Geschmack  von  den  Deutschen  treuer  und  reiner 
eafafkl  und  g^end  gemacht  wa?d.  Auf  die  ganze  Zeit  vor 
4im.nher  blicken  die  Litemtorbriefe  mit  völligem  Reeht 
als  auf  eine  solche  zurück,  wo  unsere  schöne  Literatur  mk 
der  europäischen  überhaupt  gleichen  Schritt  hielt,  indem 
ihre  Producte  aus  dem  gleichen  bald  da,  bald  dort  in 
Buropa  hernchendea  Geiste  entsprangen ,  bald  aus  frem- 
4len  Literaturen  übertragen  und  nachgeahmt  waren ,  wel«> 
ehea  letztere  sich  bia  auf  unsere  Tage  fortgesetzt  bat,  wo 
wir  bis  in  persische,  indische  und  chinesische  Poesie  in 
.Uebersetaungen  und  Nachahmungen  von  Göihe,  Platen, 


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BMierl  ik     iftrilokyef&bri  wurden»   Im  lY.Jahrh.  ttu 

geht  der  grefeere ,  im  18ten  imner  nach  ein  grefeer  TheH 
unserer  Literatur  mit  der  des  Auslands  den  jgfleichen  Gan^, 
wie  im  Mittelalter  das  Epos  der  Minnesänger.  Es  bedarf 
nar  der  JBrinneruog  aa  die  Verpflanzuag  der  Italiener 
Guarioi  wnA  Marino,  an  dae  Verhält oife  von  Opitz  nnr 
fraacfisi^eiiaa  «nd  niederlindischeb  Literatur;  wir  brau^ 
eheo  nur  auf  Mescherosch  and  Viliegas  zu  yerweUen,  Mir 
auf  die  Sonette  und  Lieder  von  Fh  inmiiii»;  u.  A.  aufinerk- 
»am  zu  machen,  auf  Weklierlins  Pio&odie,  auf  den  Madri- 
galcharakter des  Opitz  sehen  Sinuengedichts ,  auf  die 
irilegorieetien  SpteleraieBi  die  echwQlatige  Sprache ,  die 
wnnderlichen  Bilder,  die  Vorliebe  fttr  das  trochiisehe 
Mafs ,  um  sogleich  einasmehen ,  dafs  damals  bald  dee  eines 
bald  des  anderen  Landes-Liteiatur  uns  das  Muster  abgab, 
eben  wie  im  löten  die  meisten  Anakreontiker  von  dea 
Franzosen,  die  Epiker  von  don  Engländern,  die  Fabel- 
dichter von  Lafontaine ,  Andere  von  Andern  sich  letleD 
lieben,  Das  Kirchenlied  nnd  jede  ernstere  Dichtnag,  die 
ans  dem  damaligen  äufserlichen  und  innerlichen  Zustand 
in  Deutschland  unmittelbar  Hofs,  steht  diesen  frenuieii 
Poesien  als  ächtnatioual  in  bescheidner  Dunkelheit  gegen- 
über, eben  ivie  unter  den  vielen  Poeten  um  Klopstecks 
ZeitBabener,  Geliert  und  Gleim  eich  dadurch  hervor- 
hoben ,  dafii  sie  den  Stoff  ihrer  Satjreu,  Bmlhlungen  udl 
Lieder  aus  deutschen  Verhältaissen  nahnrai,  deutsciM 
Charaktere  zeichneten,  deutsche  Thaten  und  Helden  be- 
sangen. Man  darf  auch  nur  den  Ton  und  die  Gegenstande 
der  Lieder  des  Simon  Usch  neben  die  iler  nationeilerai 
Lyriker,  und  Grjpbins  ernste,  g^gen  das  irdiecho  ge- 
richtete Poesie  neben  Claudius  hallen,  um  da  wie  dort  dm 
Gegensatz  dieser  Schtnatlonalen  Dichtungen  gegen  die  dea 
fiQdländern  nat  hje;eahmten Tändeleien  recht  zu  empfinden. 
Viele  dieser  Schlesier  suchten  mit  Anstrengung  und  nicht 
ohne  Talent  das  Bessere.  Man  führte  die  Alteu  im  Mundfl^ 
wich  aber  in  jeder  ihrer  Regeln  au»  Mtfs*  oder  Unve»- 
stand  ab ,  uAd  bUeb  in  jeder  Grdfee  aus  Schwfichu  nrick 
Im  Anfang  des  18.  Jahrh.  begann  man  diesen  Zustand  der 


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und  Henog,  GMlikM«  dtor  denteehen  fl«tiMil-UI«Niliir.  im 

Schwachheit  und  der  Verirr  ung^  zu  empfinden;  man  rang 
oach  einer  Hohe  und  hatte  sich  im  Dunkel  verlaufen ;  eine 
lange  Zeit  dauerte  es,  dafs  Alle  trotz  ihrer  Erschlaffung 
iminer  noch  den  steilen  Weg  zum  (^ipfel  fortkencbten, 
Hmner  nach  dia  ewige  ^iinkelheU  amber  flr  vorüberge» 
hmde  Dimmrniig  hielten  ^  bie  endlich  ei«  glllciclieher 
Kopf  auf  den  Gedanken  kam ,  mit  einem  weiten  Umwege, 
aber  sicher,  die  verirrte  Menge  zurückzuführen,  beim 
Herabsteigen  sich  erholen  zu  lassen  und  dann  ciengradea 
Uehien  Weg  wieder  aufwärts  zu  leiten.  Nicht  alle  folgten  - 
den  netten  Führern,  ihreSifachfelger  aber  beherrschen  die 
^fttare  Zelt,  .die  aber  nnr  Ton  eben  diesen  Fihnirn  an 
datirt  werden  darf.  Man  liebt  diese  Zeit  mit  dem  Namen 
der  Periode  der  Selbstständigkeit  zu  belegen;  dann  mufste 
man  sie  auf  die  Zeit  von  Göthe  verlegen,  wenn  man  es 
|»enau  nimmt,  oder  auf  Lessing*,  wenn  man  das,  was  vor- 
bereitend für  diese  SeliMStstäiidigkeil  gesichah,  hisMisiehett 
will.  Denn  Er  Ist  es  eigenllidi,  der  alle  Kerintaife  den 
Auslandes  und  des  Alterthums  zum  erstenmal  so  in  sich 
aufnahm,  dafs  sie  von  seiner  unverwüstlichen  deutschen 
Natur  bewältigt  ward  ,  und  der  auf  diese  Art  von  original 
dentsehen  Producten  Begriff  und  Muster  gab.  Wir  müssen 
lldrigens  dabei  bemerken,  dafs  auch  seine  Erscheinang 
mebt.  unerklSrIich,  nichts  unvorbereitet  ist.  Die  ganee 
Zeit  von  dem  ersten  Auftreten  der  Schweizer  an,  ihre 
Kritik  um!  Bodmers  Poesie,  Liscows  bittre  Satjre,  der 
Leipziger  und  Haiier  neue  Dichtung,  und  Klopstocks  ge<« 
niales Hervortreten ,  ist  nichts  anders  als  ein  niifsluagener 
und  soh wacher  Versuch,  ein  Vorspiel  von  dem, -was 
nnchher  durch  die  Kritik  der  Berliner,  durch  Lfossing, 
durch  die  mannichfaltigen  neuen  Producte  der  Dichter, 
endlich  durch  Göthe  erreicht  ward.  Was  aber  jene 
grandlose  Abtrennung  des  17.  und  18.  Jahrb.  hauptsäch- 
Ueh.  begründen  half,  das  ist  die  Ansicht,  die  besonders. 
▼M  Bfaaso  ausgegangen  su  seyn  scheint,  als  ob  unsere! 
pnotische  Literatur  der  letaten  SEeit  ans  der  Kritik  berv^nr- 
gegangen  sey.  Keine  ächte  Dichtung  ward  je  durch 
Kritik  hervocgernfen.  Was  mögen  auch  die  jächweizer  auf 


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1214         Mohtz,  Geichichte  der  neuem  deutscheo  l'oesie, 


den  achtzehnjährigen  Klopstock  gewirkt  haben,  was 
Sulzer  oder  Lessiug  oder  Herder  auf  den  gleichaltrigeo 
Göthe,  als  Beide  mit  ihren  Meisterwerken  hervortraten! 
Es  ist  eine  Wechselwirkung  ohne  Zweifel,  welche  zwi- 
schen Kritik  und  Dichtung  bei  uns  statt  hatte;  es  war  na- 
türlich, dafs  das  unbestimmte  Gefühl,  es sey  etwas  Anderes 
Noth  als  Gottscheds  kalte  Reime,  durch  die  bestimmten 
Aussprüche  der  Schweizer  verstärkt  wurde,  und  so  die 
allgemeinere  Abneigung  gegen  das  Hergebrachte  Klop- 
stock bestimmen  und  leiten  half ;  und  dafs  Göthe  in 
Bezug  auf  Lessing  in  einem  ähnlichen  Fall  war,  bezeugen 
seine  jugendlichen  Kritiken  sehr  deutlich,  allein  darum 
ging  weder  Klopstock  aus  Breitinger,  noch  Göthe  aus 
Lessing  hervor.  Dabei  hat  die  Kritik  der  Schweizer  und 
Lessings  eine  doppelte  Seite.  Die  schweizerische  ist  weit 
mehr  ein  Rückblick  auf  die  Vergangenheit,  wie  auch  Les- 
sings, wie  überhaupt  alle  Kritik.  Die  Schweizer  suchen 
nach  Regeln  unter  Franzosen  und  Engländern  und  halten 
daran  das  bisher  Geleistete;  dies  ist  ihr  Hauptgeschäft; 
gelegentlich  deuten  sieilen  Menschen  als  den  wahren  Ge- 
genstand der  Poesie  an ;  Klopslock  nahm  ihn  zum  Gegen- 
stand seines  Gedichtes,  dies  ist  aller  Zusammenhang  zwi- 
schen Beiden ,  und  dies  ist  ein  innerer,  ganz  allgemeiner, 
der  zu  gleicher  Zeit  die  Anakreontiker  umschlingt,  \oq 
denen  sich  die  Schweizer  alsbald  lossagten.  Genau  so  ists 
später.  Lessing  führte  auf  die  Regeln  der  Griechen  zurück 
und  supplirte  und  interpretirte  den  Aristoteles  mit  eignem 
Nachdenken;  mit  <len  hier  gewonnenen  Resultaten  die 
Franzosen  sammt  allen  ihren  Nachbetern  zu  vernichten, 
dem  greulichen  LJngeschmack,  der  von  diesen  herstammte, 
ein  Ende  zu  machen,  ward  seine  Hauptaufgabe;  dabei 
ahnte  er  und  rang  nach  einem  selbstständigen  Princip  der* 
Poesie;  erst  Göthe  aber  schuf  eigentlich  dichterisch  nach 
einem  Ideal  der  Kunst,  und  das  Schaffen  der  Einbihlungs- 
kraft  allein  macht  den  Dichter,  was  man  schon  bei  Klop- 
stock« Auftreten  ahnte,  aber  bespöttelte.  Le^^ing,  von 
seinem  aufserordentiichen  Kopfe,  von  der  Erbärmlichkeit 
des  V^orhandenen,  von  der  Begeisterung  der  Zeit  hinge- 


% 

K 

und  Httrsof  >  GM^lohlo  dw^ilaliMMii  l<li»lMiuiM«lt0r»liir'  ISIS 

rusen,  gab  seUisi  poetiteh«  Muster;  als  er  aber  recht 

deutlich  beiueü  Beruf  zum  Kritiker  einsah ,  sah  er  auch 
ein,  dafs  er  zum  Dichter  nicht  berufen  sej  und  legte  in 
4ej:  Dramaturgie  jenes  Geständaifs  ab^  das  iho  als  Selbst- 
kenuer  so  hoch  ehrt^  wie  nuirEiue  seiner  Handlungen  oder 
J^chrifteii  iba  als  Meoscben  oder  Denker  und  Sd^reiber« 
Der  schwache  Bofliiier  konnte  kindisch  auf  einen  poeti* 
sehen  Ruhm  pochen,  nachdem  er  einen  sehr  mäfsigen 
kritischen  verdient  hatte;  nicht  so  Lessing ,  nicht  so  die 
um  die  Literaturbriefe  Versammelteo,  die  ihre  poetische 
Blöfse  selbst  belächelten.  Aus  der  Kritik  ist  Deutschland 
wendlicb  viel  Gutes  erwachsen,  aber  eigentliche  Poffiie 
nlcbt.  Aus  der  Kritik  konnte  ein  Bamler,  ein  Gots,  und 
im  höchsten  Falle  Lessings  Nathan  hervorgehen,  und  so 
sehr  wir  dies  Werk  und  die  Gedichte  jener  Männer  an 
ihrer  rechten  Stelle  zu  schätzen  wissen,  so  wenig köaueo. 
wir  von  ihnen  rühmen,  dafs  sie  eigentliche  Poesie  sind^ 
Wir  könnten  es  uns  erklären ,  wenn  sich  Lessing  ganz  von 
der  Dichtkunst  nach  der  Erscheinung  des  Werther  w  eg- 
g;ewandt  hätte,  und  wir  müssen  es  in  ihm  als  eine  uoge--  . 
meine  Stärke  der  Beurtheilung  und  Weite  der  Empfiodung 
anerkennen,  wenn  er  bei  seinem  klassischen  Sinne,  bei 
adiier  Geringschätaung  eoloher  „kleingrefteui  vericht« 
lich-aehfltxbfren  Originale,  die  ein  körperliches  Be4ürf- 
nifs  so  schön  in  eine  geistige  Vollkommenheit  verwandeln, 
eine  Wirkung  unsrer  christlichen  Erziehung,"  den  Wer- 
ther als  ein  warmes  Product  rühmt,  wenn  er  bei  seinen 
Forderungen  an  Maafs  und  Besonnenheit  sich  darauf  freuty 
die  kritischen  Hunde  sich  an  dem^Ugolino  zerbeissen  an- 
sehen,  wenn  er  bei  seiner  Liebe  zur  plansten  Klarheit  die 
Panhistorie  des  llaman  gelten  lafst,  wenn  er  bei  seinem 
eiofach  klassischen  Geschmacke  den  Plan  des  Nicolai  kaum  x 
zu  begreifen  schien,  als  dieser  sich  mit  seinem  Almanach 
aler  Volkslieder  über  die  Bänkelsänger  lustig  maehan. 
wr^Utei  ein  Plan  freilich ,  der  b^  der  «lamaligen  nnd  aalba^ 
beute  lioch  andauernden  Sucht,  dergleichen  Volkslieder 
blind  zu  bewundern,  weniger  begreiflich  war,  so  dals  wir 
uns  erinnern,  eben  diesen  Ahnanach  unter  den  schätzbaren 
Sammlungen  solcher  Gesänge  gana  ernsthaft  citirt  ger  . 


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12111     Bohlt»  Clefdkielite      rieum  ifenticheii  Poctie t.  w. 

ftintlefi  m  haben.   Die  Kritik  war  vortrefflich  <fasu  ge- 

macht,  V  Oi  urtheile  wegzuräumen  ;  konnte  zerstören,  aber 
nicht  aufbauen.    Ein  Gottsched  o(l(  r  eine  französische 
Academie  konnte  auf  den  hirnlosen  Kiofall  kommen,  nach 
ihren  Vorschriften  nad  Mustern  könne  man  Gedichte  nach 
Belieben  machen,  allein  ein  Leasing*  wnfete  wohl  m 
trennen,  mid  Solzer  bekennt  als  den  Hanptcweck  seines 
Werkes,  den  Künsten  mehr  Renner  oder  wahre  Liehhaber 
zu  verscha (Ten  ,  weil  er  von  einer  reg^ern  Theiluahine  eine 
grülsere  Blüthe  derselben  erwartete.    Man  muih  aber  nur 
sehen,  wie  sich  Göthe  zn  Sulzer  Terhdit  in  seinen  Kritiken, 
nnd  wie  er  selbst  Lessings  Verdienste  anznerkennen-  anr 
langsamsten  Ist,  um  einnisehen,  wie  weit  der  Sehte  DicMer 
Tom  Kritiker  enlfcnit  ist;  man  iiiufs  nur  auf  die  vorsieh*' 
tige  Art  zu  arbeiten,  und  auf  die  Stellung  Ramlers  zu 
allen  Dichtern  der  kritischen  Schule  achten,  die  nichts 
Ton  dem  „kfihnen  Warf  und  ersten  Gnfs'*  wollten,  die 
„ein  talentvoller  Mann  in  {Poetischer  Prosa' ssn  empfehlen; 
in  prosaischer  Poesie  ausznQben  begann nieben  den  Pluft 
der  Dichtung  bei  GÖthe,  wenn  er  einmal  mit  einem  Ent- 
wurf zn  Ende  gekommen  war,  neben  der  Dichtergabe,  die 
sich  bei  diesem  in  seinen  Jugendjahren  am  reichlichsten 
angerufen  einstellte,  „un%villkllhrlich,  ja  Wider  WiAea' 
hervt>rtrat'?  und  dann  jene  Poesien  hei'yorbrachte  ,  flir  die 
er  selbst  die  gröfste  Ehrfurcht  zu  haben  gesteht  Wenn 
man  dies  erwägt,  so  wir«!  man  b(<4  reifen,  dafs  die  Kritik 
an  den  Werken  der  Kunst  keinen  unn)iiteibai  en  Einflufs  übt.- 
Vielmehr  wäre  es  eine  Aufgabe  des  Historikers  gewesea^ 
m  seigen,  wie  dieTerschiedenartige  Kritik  der  Schwelser, 
.  4er  Berliner,  Lessings,  Humboldts  erst  durch  die  ycA^' 
schiedenartige  Torausgegangene  Poesie  veranlai^t  Wsr. 
Dann  würde  er  gefunden  habe,  dafs  jene  Hauptepoche  der 
Berliner  z.  B.  eine  ganz  natürliche  Folge  der  Klopstock- 
SChen  Dichtung  war.  Neben  dieser. bestanden  die  Werke 
der  Rabener,  Geliert,  Gleim  und  Us,  die  mehr  auf  einO 
ernstere  oder  leichtere  praktische  Lebenspfailosophie  aoi-' 
gingen ,  als  anf  religiöse  Moral ,  an  denen  meist  cter  Vov^ 
stand  mehr  Antheil  hatte,  als  die  Einbildungskraft  ' 

(Dit  FortsetMung  folgt.)      *  '  " 


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1. 


N«.n.    HBIDELB.  JAHRa  ».  LITERATUR  1883. 


Bohtz,  Geschichte  der  neueyn  deutschen  Poesie ,  und 
Herzog,  Geschichte  der  deutschen  National'Liieraiur* 

,  (l'ortuvtzun  g.) 

Wie  oacbber  «lie  ümpfiuduDg  uad  £itipfiiideiei  dorch 
tlie  seraphische  Poesie  Überhaad  Dahm,  warf  sich  der  g^e- 

sunde  Menschenverstand  gegen  sie  auf,  und  seine  Piuducte 
siod  schiechCe  Dichtungen  und  bessere  Kritik.  Dem  stol- 
zen Fiu^  der  Jünglinge  jener  Zeii|  .die  nicht  zu  zü^cini 
aicbt  gleichmäfsig  fortzuschreiten .  nicht  vertrauensvoll 
am  wagen  wiifstea,  bekämpfteo  die  Literaturbriefe;  sie 
flihhen  aber  wohl ,  dafs  jene  Poesien  eben  so  wenig  Werth 
waren,  welche  Fruchte  des  unverdrossensten  FleUses  und 
Nachtleukens  waren,  die  aus  Köpfen  kamen,  die  vom 
Nachschlagen  müde  waren,  aus  tländeu  iio^eai  die  die 
Sprache  nichl  zu  behandeln  wufsten.  Dieser  gesunde 
Menschenverstand  rifs  eine  Zeitlang  Alles  an  sich ;  man  fiel 
aus  dem  Uebernrafs  in  der  Bmpfindung  in  das  der  Be- 
trachtung. Beide  beherrschten  die  englische  Poesie,  bald 
getrennt,  bald  vereint,  und  dies  i^t  dahci  die  Zeit,  die 
die  englische  Literatur  so  aurserordentiich  bei  uns  in  Auf- 
nahme brachte-;  es  isl  daher  auch  die  Zeit,  wo  Lessing  mit 
jeveiR  Ingrima,  den  man  in  seinen  Briefenr  rechl  kennen 
lernt ,  die  französische  Poesie  so  meisterlich  in  aller  ihrer 
Blöfse  darstellt,  nachdem  man  bereits  in  dem  Erscheinen 
des  Messias  begriilen  hatte,  wie  Moser  sagt,  was  tlieEng- 
laader  damit  wollen,  wenn  sie  deu  Franzosen  vorwerfen^ 
6ie  bitten  wohl  Veerse,  aber  keine  Poesie;  es  ist  die  Zeit, 
wo  andi  Mendelssohn  mit  gleichem  Eifer  die  Witzphiloso» 
phle  der  Franzosen  angriff.  Aus  allem  diesem  aber  ist  klati 
dafs  die  Kritik,  wie  die  kritische  un<l  die  eigentlich  künst- 
lerische Poesie  Erscheinungen  sind  ,  die  nebeneinander 
erät  erklärt  seyn  wollen,  und  dats  keineswegs  die  letzte 
ans  der  »ersten  erklärt  werden  kann.  Sehr  trefilich  hat 
das  Lqssing  von  sich  selbst  gesagt.  Er  war  unwillig,  wenn 
lilaB'-alle  Regel  und  Kritik  völlig  verwerfen  wollte,  weil 
sie  ihm  den  poetischen  Genius  nothdürftig  ersetzte;  noth* 

.  Jahrg.  12.  Ueft.  -  Vt 


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1»18 


Bohti»  CktcMdite  der  neam  donttebf«  Poetle, 


dürftig  sageo  wir  9  denn  er  Tergteicbt  sefb«!  die  Kritik 

mit  der  Krücke,  die  der  Lahme  sicli  nicht  gerne  Ter« 
spotten  läfst,  tlie  ihn  aber  gleichwohl  zwar  etwas  fördert| 
doch  nicht  eben  zum  gewandten  Läufer  macht. 

Innerhalb  der  Perioden  tbeilen  verschiedene  Literar* 
hietoriicer  in  verschiedener  Weise  wieder  ab,  mehrere, 
worunter  auch  Herzog,  nach  den  biehtnagsarlen.  Die 
Geschichte  wür(ie  Terlangen ,  ilafs  man  nicht  allein  (die 
lyrischen  ^  epischen  ,  didactischen  ,  dramatischen  \l  a. 
Dichter  in  chronologischer  Reihe  vorführe,  sondern  dafs 
man  auch  unter  diesen  Dichtungsgattungen  selbst  die  zeit* 
gemäfee  Entwicliiung  nachweise.  Alieiu  hier  würde  wieder 
Jedermann  in  grofte  Verlegenheit  kommen ,  da  sich  in  der 
neueren  Zeit  die' Gattungen  der  Poesie  in  der  Thai  sieht 
deutlich  von  einandf^r  trennen,  sonderni>ei  der  allgemei- 
nen Nachahniungssucht  zugleich  alle  Muster  der  Alten  oder 
der  Franzosen  und  Engländer  eingeführt  wurden;  und 
hierzu  kommt,  was  wieder  die  Literaturbriefe  vortrefiUch 
beoierkien,  dafs,  obgleich  diese  letztgenannten  Nationen 
bereits  früher  zu  ihrem  Ziele  gekomnien  waren,  doch  spä- 
tere Poeten  sich  noch  unter  die  älteren  Sieger  eindrängtea 
und  zwar  mit  üblem  Erfolge,  dais  die  Deutschen  unglück- 
licherweise Zeitgenossen  dieser  letzteren  waren,  die  der 
zweideutige  Geist  der  Nachahmung  als  Muster  priesy  dab 
dann  diese  in  ihren  Stoffen  und  Formen  nachgeahmt.  Mg- 
lieh  auch  allerhand  verspätete  oder  verfrühte  Gattungen 
cnltivirt  winden.  Man  müfste  also  hier  sehr  vorsichtig 
auf  die  Art  achten,  wie  sich  die  Perioden  der  verschie- 
denen Dichtungsarten  in  einander  schlingen,  man  atü&te 
besonders  auf  die  H6he  ihrer  Bedeutung  achtM,  um 
'  sicherer  zu  urtheilen.  Wer  sich  hier  einfach  durehhelta 
woHte,  dürfte  auf  die  Zeitrechnung  nicht  so  genau  achten, 
müfste  also  z.  B.  die  Fabel  neben  der  moralischen  Erzäh- 
lung* und  dem  Lehrgedicht  vor  Klopstock  abbandeln  und 
sich  nicht  scheuen,  Lessing,  .Willamov  uad  Pfeffel  vor 
diesen  zu  stellen;  er  müfste  dann  das  fipoB  und  die  Lyrik 
vorführen,  und  von  da  auf  das  Drama  kommen,  wo  er  die 
Gott8c|ied,  Schlegel  und  Cronegk  zu  Lessing,  Weifte 
und  Göthe  zurucltschieben  dürfte.    Allein  darin  liegt 


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—  r ' 

^  und  Hanogt  GMehMte  der  detttschw  Natianal-Literatar.  Itt9 

wi^er  keioeriei  Reis  htstoriseher  Oarstelluo^,  die  aar 

wie  (las  Leben  selbst  c/iirch  die  scheinbar  chaotische  Mail- 
nichhiUig-keit  der  Erscheinungfen  hindurch  aus  dei  Ferne 
ein  Gesetz  der  Entwicklung  soll  blicken  lassea.  Mao  würde 
eiflstweiien  gut  thun,  sich  ao  das  Ailgemeineresu  halten^ 
und  am  besten  schiede  man  vielleiebt  zwischen  epischer 
und' lyrischer  Dichtung  allein,  indem  man  in  jene  jede 
Art  von  poetischer  Eiziililung;,  in  diese  die  dramatische 
Poesie  einschlössp,  fiach  der  allgemeinen  Unterscheidung', 
dafs  in  jenen  Gattungen  mehr  das  Object,  in  diesen  mehr 
lias  Subject  herrscht*  Durch  diese  EintheHuhg,  die  in 
der  Natnr  der  Sache  einfach  liegt,  auf  die  man  sogar 
schon  durch  das  ganz  entsprechende  idfterliche  Merkmal 
hingeleitet  wird,  dals  in  den  früheren  Jahrzehnten  des 
vorigen  Jahrhunderts  fast  kein  Dichter  mit  seinem  Namen 
auftrat,  bis  die  selbststäodigeren  Genien  auch  hier  eine 
Aentlerung  des  Herkommens  herbeiftlhrten ,  durch  diese 
E[intheilung,  sagen  wir,  w&rde  man  mancherlei  Vortheile 
gewinnen,  wie  sie  deon  z.  B.  ein  eigenes  Licht  verbreitet 
über  die  Art  des  Trauerspiels  und  (xedichts,  die  sich  allzu 
frühe  in  die  epische  Zeit  eindrängten,  und  über  das  Epos, 
das  Wieland  und  Ab^inger,  später  einführten.  Sehr  ge- 
wundert hat  es  uns  aber,  warum  Niemand  je  auf  eine  der 
fjruobtbarsten,  wo  nicht  die  alleryortheilhafteste  fiinthei«- 
Jung  verfallen  ist,  eine  Eintheiinng,  deren  innere  Noth» 
wendigkeit  und  äufsere  Bequemlichkeit  gleich  grofs  ist. 
Wir  meinen  die  Abtheilun^  nach  dem  herrschenden  Geist 
der  Nachahmung  und  dem  Geschmack  an  fremden  Lite* 
raturen.  Wir  würden  erst  die  herkömmliche  Neigung  zum  * 
FranaSsisckea  hervorheben ,  dasu  besonders 'Gottsched 
gebrauchen.,  seine  Wirksamkeit  in  und  aus  ^en  Leipziger 
literarischen  Gesellschaften,  seine  Richtung  gegen  die 
schwülstigen  Nachahmer  der  italienischen  Schäferpoesie, 
den  frostigen  Anstand  in  seinen  Gedichten  und  Schau« 
Spielen,  dasFachwerk  seiner  Dichtkunst;  und  wir  würden 
uns  durch  sein  Anpreisen  der  Engländer,  durch  seinen 
Zoru  Aber  die  PrauBosen,  als  sie  unsere  Schaubühne  n 
verachten  wagten,  so  wenig  irren  lassen,  als  nachher 
durch  Wjelands  verwunderte  Aeufserungen  darüber,  dafs 


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IM        Bohtt,  Qesebichte  der  Heuern  denlaeben  Feeeie* 

man  ihm  fransflsificheii  Geschmack  j^orwllrfe,  so  wenig  als 

durch  unsere  heutigen  Demagogen ,  die  Ober  die  Praoseeea  . 
eifern  und  doch  ihrem  ganzen  Treiben  nach  Iceineu  an- 
deren politischen  Götzen  verehren  als  jene  Wir  wurden 
im  Gegentheil,  sobald  wir  in  Fabei  und  Erzählung  die 
Nachahmer  de« Lafontaine,  im  Gedicht  Hagedorn .  Gotter, 
Jacobi  und  Aehnliehe,  i)m  Drama  Blies  Sehlegd ,  Cro« 
negk  und  Weifse  genannt  hätten,  von  selbst  finden,  dafli 
diese  IVlänncr  fast  alle  zwischen  dem  Französischen  und 
Englischen  schwanken,  weil  in  der  That  die  Blüthe  des 
französischen  Geschmacks  schon  mit  der  V  erbannung  der 
Sprach  mengerei  aufzuhören  begonnen,  hatte;  dem  Weeeii 
nach  aber  waren  noch  Alle,  diesem  letstereo  ergeben. 
Hagedorn  hatte  sich  an  englischen  Mustern^zo  bildenGe- 
legenlieit,  aber  er  neigte  mehr  zu  den  Pelisson,  Pavillon, 
Chapelle  und  Ch;tu[ieu;  Golter  wies  ausdrücklich  von 
Shakespeare  auf  das  kunstmälsigere,  elegantere,  in  seinea 
Wirkungen  sanftere  Drama  der  Fransoaen  zurück,  ob- 
gleich er  mit  Glück  englische  Dichtungen  nachahmte  oder 
ttbersetste;  Elias  Schlegel  erkannte  wie  Gottsched  die 
englische  Bühne  an,  schrieb  aber  doch  so  gut  wie  dieser 
seine  Stücke  voll  Monotonie,  Schalheit,  steifer  Declama- 
tion,  Phrasen  und  Pathos,  und  ebenso  gehört  Weilse  ganz 
io  diese  Reihe,  obgleich  er  bei  Shakespeare  in  dieSchnle 
ging.  DieSpitaee  dieser  Klasse  wOrden  unstreitig ThQmmel 
«nd  Wielaud  ausmachen,  die  bei  aller  OriginalltlU  ta 
Form  und  Manier,  doch  dem  Geist  nach  ganz  französisch 
sind.  Wieland  insbesondere  i«it  es  sehr  schwer,  eine 
geeignete  Steile  anzuweisen ,  weil  er,  auf  eine  ganz  eigne 
Weise  passiv  und  receptiv,  durch  Alles  erreglich  und  er- 
regt, stets  wechselt  and  von  der  Zeit  jeden  kleinen  An- 
druck annimmt  und  sich  besonders  da  ku  gefallen  echeinti 
wo  im  Geschmack  selbst  Uebergang  und  Schvvauken  vor* 
herrschend  ist.  In  seiner  frommen  Periode  vereinigt  er 
.  zuerst  den  Christen  mit  dem  Schöngeist  und  schwankt 
swischen  den  „Stillen  im  Lande"  und  den  heiteren  Le- 
bensphilosophen ;  Shalteebnry  ist  aetn  Muater  nnd  Vor^ 
Inid,  der franzdalrende Engländer;  denShnkeepeare  über- 
setzt er,  zwingt  sich  in  eine  Bewunderung  und  iät  ihm 


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und  Hersog,  Geaehichte  der  deuticliea  NatioiuiULiientHr/  1|21 

nicht  gewachsen,  will  ihn  einfOhren  und  zieht  ihn  herab, 
eia  anglisirender  Franzose ;  sein  Epos  schwebt  zwischen 
dem  Bltfranzö!»i«>chen  Hotnan  und  dem  späteren  italieai- 
8chcn  epischen  Gedichte;  iin  AUerthum  treibt  er  sich 
dort  besonders  gerne  herum  ^,  wo  die  Römer  gräctsirea 
und  die  Griechen  romanisiren ;  dort  spieleo  seine  philoso- 
phischen und  anderen  Romane <  die  alle  zwischen  Altem 
~  und  Modernem  schwanken;  und  der  Grnnd  seiner  Natur 
ist  ein  gleiebniärsiges  Verhöhnen  des  Ideeiien  und  des* 
Reellen.  Dieser  entscheidende  Charakterzug  aber  ist  gaox 
französisch.  —  Wir  würden  dann  das  Vorherrschen  des 
Boglischen  verfolgen.  Die  Schweizer  würden  hier  in  iliren 
moralischen  und  ästhetischen  Schriften  zu  beachten  seyn, 
die  ersten  keck  unternüinmeneu  Uebersetzungen  des  Milton 
und  Butler  von  Bodmer,  die  Gedichte  von  Haller,  das 
philosophische  Lehrgedicht  überhaupt,  und  der  deutsche 
Milton,  Klopslock,  dann  die  epochemachenden  Erschei- 
nungen, die  jetzt  eilig  und  gewichtig  aufeinander  folgen^ 
Youngs  Nachtgedanken  von  Ebert,  die  Verpflanzung  des 
Shakespeare,  den  Lessing  empfahl,  und  Wieland,  Lenz, 
£scheaburg  u.A.  ganz  oder  einzeln  einführten,  dieUeher- 
setzung  desOiisiao  durch  Denis,  Stolberg  u,  A.,  die  Bai* 
ladensammlung  von  Percy,  die  CJebersetzung  von  Thom- 
son, die  Lessing  einführte,  und  die  Uebertragung  des 
Dorfpredigers ,  Yoricks  und  Tristram  Shandjs  durch 
Bode.  Jedes  einzelne  dieser  Werke  lirachte  ungehenre 
Revolutionen  hervor.  Welche  Wirkung  Young  machte, 
mufs  man  im  Nordischen  Aufseher  lernen,  wo  man  sein 
Buch  dicht  neben  die  Offenbarung  Jobannes  setzte;  0»- 
ahins  Benutzung  im  Werther  ist  sehr  bezeichnend ;  iShake- 
speare  führte  erst  unser  Drama  und  unsere  Bühne  zu  Natur 
und  Wahrheit  über,  da  dorch  ihn  besonders  auc  h  nnsere 
Schauspieler,  unter  denen  selbst  ein  Kckhof  allen  Schil- 
derungen nach  noch  ganz  im  französischen  Styl  agirte, 
an  dem  hergebrachten  Spiel  irre  gemacht  wurden;  die 
Percy'sche  Sammlung  rief  ähnliche  in  Deutschland  her- 
vor, zugleich  mit  jenem  Geschmack  am  Volkslied;  und 
den  ausgebreitetsten ,  urnii  aucli  nicht  den  wohlthätigsten 
£influjfs  ilbteu  wohl  die  eoglischeu  Roaiaue..   Man  kaua 


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m       Bthti.  Geschichte  der  neuem  deattchen  Poette, 

nicht  sagen,  dafs  Herraes,  Hippel,  Jean  Paul  liäUen  un- 
sere Richartlson  und  Sterne  sevn,  oder  sie  nachahmen 
woiiea,  so  wenig  als  JÜlopstock  dea  Miiton,  allein  sie 
schrieben  doch  im  Geiste  von  jenen,  und  ?)ei  Hermes  ist- 
es  förmlich  ausgesprochene  Ansicht,  dafs  der  eoglische 
Geschmack  der  unsere  sey.    Non  darf  man  nnr  bei  allen 

Dreien  den  gesuchten  und  gekünstelten  Witz,  die  Paia- 
doxien,  die  Emfindelei  neben  viel  Wahrheit,  Menschen- 
kenntnifs  und  ächter  Empfindung  betrachten,  so  wird  so- 
gleich klar,  dafs  hier  zum  Theii  gar  keine  als  eioe  höchst 
.materiaUstische  Poesie,  oder  doch  wenigstens  nirgends 
jene  Poesie  gefunden  wird ,  die  den  Eindruck  der  Ruhe, 
der  Heiterkeit,  der  Kraft,  der  Versöhnung  mit  dem  Leben 
hinterläfst.  Eben  das  thut  aber  die  englische  Poesie  fast 
überall,  sie  spannt  und  reizt,  und  man  geht  von  ihr  ver- 
6timmt|  trübe  und  miTsmuthig  hinweg.  Neb eo  diesem 
Tom  englischen  Genius  Beherrschten  müfste  man  dann  die 
beiden  Elemente  behandeln ,  welche  die  durchaus  selbst 
ständige  und  acht  deutsche  Poe{*ie  Göthe's  und  Schillers 
vorbereiteten.  Das  Eine  ist  national ,  das  Andere  altklas- 
sIscIl  Die  deutsche  Nation  begann  von  der  Zeit  des  sieben- 
jährigen  Krieges  an  sich  selbst  zu  fühlen.  Die  Lieder  des 
^Grenadiers  und  der  Amazone,  die  Oden  Ramlers  an  den 
grofsen  König,  die  Minna  von  Barnhelm,  die  mit  einem 
ungeheuren  Enthusiasmus  aufgenommen  ward,  gaben  un- 
serer Lieder-  und  Dramendiclitunff"  einen  vorher  nicht 
gekannten  Schwung.  Dies  war  übrigens  vorübergehend, 
nnd  wir  gestehen ,  dafs  mehr  das,  was  im  Leben ,  in  Krieg 
und  FVieden  geschah,  uns  bei  Behandlung  dieses  Punktes 
interesstren  würde,  als  das,  was  in  der  Literatur  hervoi^ 
trat.  Die  Hermannias  von  Schnnaich,  der  Hermann  von 
Schlegel,  dieBardiette  von  Klopstock,  die Ueberfölirung 
der  nordischen  Mythologie,  was  Zimmermann  vom  Na- 
,  tionalstolz,  Abbt  vom  Tod  für's  Vaterland,  Moser  nnd 
Iselin  von  Patriotischem  schrieben ,  ging  doch  meist  spur- 
los vorüber  und  ist  zum  Theil  sogar  carricaf urartig  gefun- 
den worden,  und  gewifs  nicht,  mit  Unrecht.  Alfein  die 
nationale  und  kriegerische  Erhebung  in  jenem  Kriege, 
besonders  über  die  Franzosen,  der  Heldentod  eines  Dich- 


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und  llcrsog,  Qeflchichte  (lur  deuUchoB  Mational-Ititerfttnr.  182) 

fers,  der  poetische  Schwung  ia  dem  Jugendlebed  der 
GöUiager,  die  Wirkung  der  ailgeineii^en  Aufregung  auf 
jede  Art  von  LebeneverhäJtnissen,  die  Ausbildung  der 
fi^niche^nd  des  Stjis,  die  Durchbrechung  aller  Schran- 
ken zwischen  Ständen,  Seelen  und  Corporatiouen ,  die 
siegende  Stimme  der  \atur  und  Einfachheit,  dab  Seibst- 
gefQhl  der  Denker  und  Philosophen  den  Ausländern  ge^ 
genuber,  der  kerndeutsche  Charakter,  hrsonders  der 
Nordländer  und  ihrer  Sehriflen ,  eines  Moser  ^ '  Vol^, 
Hermes,  Claudius  u.  A.,  dies  Alles  war  viel  wichtiger, 
war  von  ungemeiner  Folge  und  half,  den  Sturz  des  Frem- 
den zu  beschleunigen  und  da^  freudige  Selbstgefijhl  der 
deutschen  Schriftsteller  zu  steigern.  Glücklicherweise 
begegnete  dem  Uebermuth,  der  aus  der  Bänkelsängerei 
und  Shakespeare wuth  oothweadig  folgen  muGste,  das  er«  ' 
wachedide  Studium  der  Klassiker;  man  ging  in  Leasings 
fruchtbare  Benutzung  desselben  ein.  Homer  erschien, 
und  wer  da  weifs,  welchen  Einiiurs  dieser  und  Italien  auf 
Göthe  gehabt  hat,  und  welchen  die  Engländer,  Hans 
Sachs  und  die  lebendige  Umgebung  in  Deutschland,  der 
hat  den  Schlüssel  zu  der  nun  plötzlich  erscheioenden  Mau- 
nichfaitigkeit  und  Selbst8tän<Iigkeit  und  Originalität  der 
Göthischen  Schriften  in  seinen  früheren  Perioden.  Zu- 
gleich wird  sich  Jeder  leicht  von  der  ächten  Deutschheit 
in  Göthens  und  Schillers  Werken  (die  darin  liegt,  dais^  hie 
mit  der  klassischen  Form  der  Altenden  geistigen  Ausdruck 
der  Neueren  io  ihren  Kunstwerken  ganz  eigenthumlich 
verbauden)  überzeugen ,  der  sie  in  ihrer  Unvergleichlich-  . 
keit  neben  alle  Dichter  aller  Zeiten  hält,  während  in 
Deutschland  vor  ihnen  unter  Lessing  kein  dichterischer 
und  literarischer  Name  war,  dem  man  nicht  im  Alterthum 
oder  io  mittlerer  und  neuerer  Zeit  sein  Vorbild  angewiesen 
hätte,  oder  der  ee  sich  nicht  selbst  gewählt.  So  ward 
Klopstock  unser  Mtiton,  Wieland  unser  Shaftesbury,  Kant 
unser  Sokrates  (und  wer  unter  unseren  Philosophen  spürte 
nicht  einige  Lust  nach  diesem  Ehrentitel!),  Lavater 
träumte  sich  zum  Christus,  Herder  vielleicht  zu  David 
und  den  Propheten,  Joh.  v.  Müller  zumThucydides ;  aber 
Gdthe  und  fiehiller. blieben  ewig  sie  selbst»  ~  Wer  die 


1 


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1224         Bohtz ,  Geschichte  der  neoern  dcuUnhen  Poesie  , 

Literatur  auch  noch  nach  ihnen  verfolgen  wollte,  der 
würde  wieder  auf  Nachahmung  und  Uebersetzung ,  alleio 
auf  sklavischere  Nachahmungen  und  auf  treuere  Ueber- 
setzungen  treffen,  als  in  den  Zeiten  vor  Göthe.  Er  würde 
finden,  dafs  vorher  die  Verpflanzung  der  fremden  Pro- 
ducte  auf  der  einen  Seite  zu  immer  und  immer  freieren 
Nachbildungen  führte,  und  auf  der  anderen,  dafs  man 
dabei  von  der  charakteristisch- verschiedenen  Nation  auf 
die  verwandtschafllich  -  nähere  und  dann  auf  die  eigene 
deutsche  überging,  aus  der  man  damals  nichts  nahm,  als 
den  Hans  Sachs;  ebenso,  dafs  man  von  der  unserer  Ge- 
wohnheit näheren  romantischen  Dichtung  zu  der  unserer 
Natur  näheren  klassisch- objectiven  zurückkam.  Vergliche 
man  damit  den  Gang  der  späteren  Dichtung  nach  Schiller, 
so  würde  sich  herausstellen,  dafs  hier  alle  Originalität 
ganz  aufhört,  alles  active  Schaffen  ein  Ende  hat  und  die 
Kunst  der  Nachahmung  und  der  Uebersetzung  fremder 
Originale  allgemein  wird.  Man  würde  also  schon  zwischen 
der  platten  Copirung  des  geselligen  Lebens  in  unseren 
modernen  Romanen  und  der  Naturtreue  in  deo  IfTlandi- 
sehen  Stücken  oder  in  Hermes'  Romanen  einen  grollen 
Unterschied  finden  ;  man  würde  sehen,  dafsTiek  mit  dem 
Reproduciren  unserer  mittelaltrig  deutschen  Kunst  an- 
fing; Göthe  den  Reinecke  Fuchs  behandelte,  und  dafs  in 
diese  Zeit  die  Wiederbekanntmachung  der  alten  Schätze 
f^llt;  nun  geht  es  im  Krebsgang  zurück,  ein  neuer  über- 
setzter Milton  von  Bürde  erscheint,  ein  neuer  Wetteifer, 
den  Shakespeare  zu  übersetzen,  und  der  Geschmack  an 
Bj^ron,  den  selbst  Göthe  zu  theilen  anfangt,  eine  so  ver- 
schiedene Natur;  Göthe  und  Schiller  bemühen  sich  um 
Voltaire,  Racine  und  Diderot;  Gries  und  Andere  treten 
auf  mit  Uebersetzungen  des^Calderon,  Lope  de  Vega,  Cer- 
vantes, Camoens,  Ariost,  Dante,  Tasso,  Göthe  mit  Ben- 
venuto Cellini ;  das  Altfranzösische,  die  Poesie  der  TroiH 
badours  findet  Aufmerksamkeit;  der  galische  Ossian  wird 
übersetzt;  nebenher  geht  noch  VVieland  mit  seinen  alt" 
fränkischeren  Uebersetzungen  aus  dem  römisch -griechi- 
schen Alterthum ,  seinem  Lucian  und  Horaz,  die  darum 
an's  Parodische  grenzen ,  weil  in  dieser  Art  von  Uebertra- 


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und  Hertfig,  Gmldchte  der  deutochen  lfatloiial*LlUfitar, 

gung^  der  fremile  Geist  nur  aufgenommeD  und  mit  ei^iiem 
Sinn  und  eigner  Darstellung  wiedergegeben  wird.  Vofs 

aber  ging  iiiid  das  isi  uiigemeiii  charaklerisliscli  — 

von  seiner  l'rülieren  poetischen  Treue  in  IJehersetzung  der 
Alten  zu  einer  philologischen  Worttreue  und  noch  engerem 
Anschiurs  an  8  Original  zurück^  und  dies  eben  unter- 
scheidet,  die  U^bersetzungen  dieser  späteren  Zeiten  von 
den  frftheren;  unterscheidet  den  So  Ig  er  von  Stolberg, 
Thiersch  von  Gedike,  Hirzel  von  Foister,  Heinrich  Vofs 
von  Humboldt,  den  Shak(  ^jicarc  der  Vofs  von  Schlegels, 
ihren  Aristophanes  von  WolF.  So  Jiam  man  auf  treuere 
Uebertragungeo  der  hebräischen  Dichtungen  und  er- 
reichte weder  mehr  die  Innigkeit  des  Luther,  noch  auch 
nur  den  Schwung  des  Gramer.  Wir  sagten  schon  oben, 
dafs  Hammer,  Rückert,  Göthe,  Platen  und  die  Ivt  niier 
des  Sanskrit  uns  noch  tiefer  in  den  Orient  zuriicktührteii 
durch  Arabien,  Persien,  Indien  bis  China.  Kaum  wird 
wbA  nun  noch  etwas  übrig  sejn.  Und'  glücklich  genug 
trifft  sich  s  ja ,  dafs  nun  andere  Interessen  an  die  Tages- 
ordnung zu  kommen  scheinen ,  als  poetische ;  und  so 
möchten  wir  denn  den  Kreislaui  unserer  schönen  Literatur 
vollendet  haben,  bis  etwa  Zeiten  kommen,,  in  denen 
Lfttxus  und  Verdorbenheit  satirischen  Talenten  grofse  Ge- 
genstände bieten. 

Das  historische  Element  hat  nuin  nicht  allein  im  Gan- 
zen, sondern  im  Besonderen  auch  bei  der  Charakteristik 
'  der  einzehien  Hauptdichter,  deren  Werke  eine  geschicht- 
liche Entwicklung  gestatten,  aufser  Acht  gelassen.  Hier 
lic)gt  gerade  die  Aufklärung  über  das,  was  der  Aesthetiker 
niemals  geuUgend  lösen  kann,  verborgen.  Wie  können  wir 
uns  anders  als  auf  historischem  Wege  auf  die^wechselnde, 
scheinbar  confuse  und  doch  so  wirkungsvoll  und  bedeu- 
tend in  das  gemischteste  Treiben  der  Zeit  eingreifende 
l'hätigkeit  Leasings  belehren;  wie  anders  über  die  poe-  , 
tischen  Zweifel,  das  historische  und  philosopliische  Stu-^ 
dium  Schillers,  wie  anders  Ober  die  merkwürdige  Verän» 
dernng,  die  in  Wieland  nach  seiner  ersten  engen  Ver-» 
Bindung  mit  Bodmer  eintrat?  Kein  Scharfsinn  des 
JiuusU  ichtcrs  wird  von  den  Sympathien  einen  natürlichen 


r 


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1226        Bohtot  Getchiehto  der  Oettern  dentecliea  Piieeief 

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Uebergang  sa  Wielaods  §pätereii  Sacheo  entdecken ,  wenn 
er  nicht  in  hiitorischer  Forschung^  Wielands  Briefe,  beion- 

deis  (He  an Ziininermann,  zurHaad  nimmt,  aus  denen  man 
sehen  kann,  welch  eine  eigene  Bewegung  in  ihm  vorging, 
wie  in  der  That  die  grofse  Veränderung  nicht  „durch 
äufsere  Umstände  veranlafst  war,  dafs  er  sich  nicht  aus 
Absichten ,  nicht  mit  Gewalt  in  die  spStere  Denkon^rt 
versetzen  muftte,"  dafs  er  also  nicht  die  tiefe  Verachtung 
verdiente,  die  ihm  Lessing  für  diesen  Fall  drohte,  son- 
dern dais  sie  wirklich  „durch  innere  Triebfedern,  durch 
den  eignen  Mechanismus  seiner  Seele"  erfolgt  ist,  in  wel- 
chem Falle  der  abgemessene,  wortwägende  Kritiker  nie 
aufhören  zu  wollen  aussagte,  sich  über  ihn  zu  verwun* 
^  dern.  Sollen  wir  mit  Wenigem  an  einem  auffallenden 
Beispiele  zeigen,  wie  viel  hierauf  ankommt,  so  liegt 
uns  Niemand  nälierals  Göthe.  Dieser  Mann  hat  in  einigen 
Theilen  seiner  Selbstbiographie  wahrhafte  Muster  von 
geschichtlicher  Erklärung  der  Entstehung  einiger  seiner 
dichteWschen  Werke  niedergelegt,  die  es  bei  ihrer  er- 
schöpfenden Attsffihrlichkeit  noch  auffallender  machen » 
dafs  sie  Niemanden  je  auf  eine  ähnliche  Weise  die  Literar- 
geschichte zu  behandeln  angeregt  haben.  Wir  meinen  na- 
mentlich seine  Auseinandersetzung  dessen,  was  im  Volke 
und  in  seiner  näheren  Umgebung  zusaitimenwirkte  auf  die 
Entstehung  des  Götz  und  des  Werthen  Bs  ist  ewig 
Schade,  dafs  dies  einzelne  Theile  geblieben  sind.  Göthe 
hatte  in  der  That  so  wenig  Sjnn  fQr  fiistorisches,  als  eine 
ächte  Künstlernatur  nur  immer  haben  kann.  Bei  dem  Ge- 
danken aber,  sein  Leben  zu  beschreiben,  schien  er  wirk- 
lich aus  sich  selbst  herauszutreten  und  lieferte  im  ersten 
Eifer  eine  trefiliche  Arbeit,  die  aber  in  ihrem  Fortschrei- 
ten mehr  nn4  mehr  die  Abnahme  der  anUlngliehen  Wörme 
zeigt  Es  war  ihm  gelungen,  sich  selbst  und  seine  Dich« 
tun|2fen  wie  ein  ihm  selbst  fremdes  Wesen  und  Wirken  zu 
beleiH  Ilten ,  leider  setzen  nur  die  so  ganz  anders  lautenden 
Tags-  und  Jahreshefte  die  ersten  Bände  seines  Lebens 
fort,  and  den  im  Nach  lab  erschienenen  vierten  Band  toq 
Dichtung  und  Wahrheit  entstellt  schon  jene  ekle  Sdbst- 
gefilligkeit ,  jene  Verbindung  entfernt  liegender  Dinge  aus 


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« 

l 

und  Henog,  Qeiclilcbte  der  detittcben  Natioiuil-IiltaHiiar.  Ittl 

dem  Hang,  dem  Uubedeutt  luUttn  eine  tu  tj^iiinige  Bedeu- 
tung unterzulegen,  jene  F^erleitung  der  oberflSchlichsten 
8achen  aus  den  geheimsten  Grüdden,  jene  Anknüpfung 
der  tiefsten  Betrachtungen  an  die  schalsten  Gegenstände! 
wie  er  denn  s.B.  dort  ein  langes  Capitel  Ober  denSpinora 
haf ,  über  die  fernsten  Gründe  unseres  Abscheti's  vor  eines 
Menschen  iinvernünftigein  Handeln  gegen  alle  sittlichen 
Gesetze,  um  uns  seine  Empfind  unseren  über  den  —  Ber- 
liner Nachdruck  seiner  Werke  zu  erklären.  Zugleich  zeigt 
er  da  in  seinen  Bemerkungen  über  die  Entstehung  des 
Egmont,  wie  wenig  in  dein  aiten  Geiste  fortgefahren  war. 
Gelegentlich  erklSrte  er  sich  gans  bestimmt  gegen  die 
chronologische  Orduurig  in  der  Herausgabe  seiner  Schrif- 
ten ;  und  solcher  Züge  liefsen  sich  mehrere  anheben,  die 
es  beweisen,  dal's  er  der  historischen  Beurtheiiuug  nicht 
geneigt  war.  Um  so  sorgßiltiger  mufs  man  seine  Winke 
benatsen ,  die  zn  den  grdfsten  Anfschlfissen  führen.  Woll- 
ten wir  umstindlich  und  weitlaoftig  seyn ,  so  könnten  wii^ 
aus  einer  Masse  von  Verhältnissen  in  seinem  Jugendleben, 
die  auf  seine  späteren  W  erke  Einflufs  hatten,  die  Erspriefs* 
liebkeit  einer  historischen  Beleuchtung  derselben  darthun. 
In  seinem  Umgange  erkennt  man  bald. die  sarkastisch -bit- 
teren und  menschenToracht^nden,  wie  die  milden  und 
heiteren  Figuren  seiner  Dramen  oder  Romane ;  in  dem 
verdorbenen  Mittelstand  der  alten  Reichsstadt  das  Vorbild 
der  Mitschuldigen,  die  durch  diesen  niedrigen  Gegen- 
stand so  befremdend  als  eine  Krstlingsar bei t  sind;  in  sei-* 
nem  kunstsinnigen ,  der  Natur,  der  Einsamkeit  ergebeneu 
Wesen  lag  die  fiiirgschaft  flir  das  Gelingen  des  Werther^ 
so  wie  der  Grund  su  dem  Millingen  des  6dts,  dessen 
Thema  einen  der  Geschichte  und  der  V  aterlandsliebe  we- 
niger fremden  Mann  zu  erfordern  schien  ,  aus  seiner  Kunst 
und  Uebung,  die  verborgensten  Triebfedern,  Leiden- 
schaften und  Neigungen  in  sich  selbst  zu  belauschen,  ent- 
standen jene  lyrischen  Gedichte,  so  wie  aus  deuTischge* 
wohnheiten  setner  Jugendfreude  jene  „lebenden Sin nge<* 
dichte,"  lind  aus  seinen  mjstisch-kabbalistischen  Studien 
PO  Vieles  im  Faust,  was  Alles  ohne  Coinmentar  nicht  zu 
verstehea  ist;  seine Knabenschwäriuereien  über  Religion  . 


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1228         Bofaiz,  Geschichte  der  neuern  denUchen  Poesie, 


versprechen  schon  den  Künstler,  der  das  Heiligste  dem 
Princip  der  Kunst  unterzuordnen  v^eifs,  aus  seinem  Ge- 
schmack an  Hans  Sachs,  aus  seiner  Gewissenhaftigkeit  im 
Versbau,  aus  seiner  Abneigung  gegen  das  Freiheitswesen 
der  Göttinger,  aus  seinen  Studien  im  Spinoza,  aus  seiner 
Theilnahme  an  den  Frankfurter  gelehrten  Anzeigen,  kurz 
aus  tausend  Zügen,  Verhältnissen,  Zuständen  und  Bege- 
benheiten lassen  sich  die  verschiedenartigsten  Züge  in 
seinen  Werken  und  die  Werke  selbst  erklären.  Wir  wollen 
'nur  Einen  Punct  noch  etwas  näher  angeben,  der  seine 
letzte  Periode  betrifft,  die  so  manchen  Verehrer  an  ihm 
irre  machte.  Wir  sagten  oben,  Götlie  kennt  keinen  Sinn 
'  für  das  Historische.  Es  offenbart  sich  das  nicht  allein  in 
seinen  Werken,  sondern  mehr  noch  in  seinem  Leben.  Der 
Mann,  der  mit  der  vollkommensten  IVatur  eines  bildenden 
Künstlers  die  Gegenstände  nur  im  Raum  und  nicht  in  der 
Zeit  zu  sehen  gewohnt  war,  konnte  wohl,  ohne  eine  Zer- 
theilung  seiner  Thätigkeit  im  Streben  nach  Universalität 
beklagen  zu  dürfen,  seine  Bestrebungen  in  der  Kunst  auf 
die  Natur  übertragen  und  darum  doch  innerhalb  seiner 
eigenthümlichen Sphäre  bleiben,  er  konnte  aber  nicht  die 
Begebenheiten  weder  der  Vorwelt  noch  der  \litwelt  zum 
Gegenstand  seiner  Betrachtungen  machen,  und  konnte  also 
z.  B.  die  merkwürdigste  politische  Umwälzung,  die  er  er- 
lebte, für  eine  zufallige  Begebenheit,  den  Streit  der  da- 
maligen Zeit  für  einen  Zank  um  äufsere  Verhältnisse  halten. 
Der  Gegensatz,  den  das  neue  Leben  in  Deutschland  seit 
der  Revolution  zu  Göthe's  vergangenen  Jahren  bildete, 
war  aber  auch  zu  grell ,  als  dafs  er  nicht  den  energisch« 
sten  Mann  hätte  erschüttern  sollen.  Man  denke  sich  die 
Lage  von  Deutschland  in  jenen  friedlichen  Jahren  der  auf- 
blühenden Literatur,  in  welche  die  Nation  sich  ganz  ver- 
senken durfte,  jene  gemüthliche  Ruhe  und  Toleranz,  die 
Ständeunterschied  und  Rangwesen  nicht  stören  konnte, 
man  denke  hinzu  den  Zustand  von  Frankfurt  selbst,  wo 
auch  alle  Ungleichheit  aufgehoben  war,  dann  den  Aufent- 
halt in  Italien,  und  die  ausschliefsende  Beschäftigung  mit 
der  Kunst,  die  es  eigen  hat,  dafs  sie  den  Menschen  still, 
ruhig  und  friedlich  macht :  nun  kommt  er  zurück,  und 


nnd  Beiaog,  Oeidiichte  der  demachMi  Natioml-Llterafur.  im 

findet  jene  Ruhe  in  Deutschland  aufs  ärgste  getrübt;  die 
Masse  des  Volks  erregt,  da  er  nur  Wohlfahrt  von  dem 
wohlgesinnten  Beförderer  der  inneren  Zustande  hofft;  tlie 
Aiifmerksamkeit  auf  ganz  andere  Dinge  gerichtet,  als  ihn 
prade  jetzt  am  lebhaftesten  beschäftigen ;  das  Pubticnin 
▼on  Schülers  ersten  Stiicken  angesprochen,  die  ihn  dahin 
zurückzuweisen  scheinen,  von  wo  er  sich  mit  so  vieler 
Mühe  losgerung^en  hatte;  rliizu  ward  er  selbst  recht  mitten 
in  den  Strudel  geworfen,  indem  er  die  Campagne  nach 
Frankreich  mitmachte.  Die  Wirkungen  dieses  jähen 
Wechsels  waren  daher  aufserordentlich.  Er  ward  zurück* 
gezogeil ,  seinen  Freunden  lästig  und  beschwerlich ,  mif»«' 
muthig  über  die  „Betrügereien  kühner  Phantasten 
und  absichtlicher  Schwärmer,"  und  verwundert  über 
,,die  Verblendung  vorzüglicher  Menschen  bei  ihren  fre- 
chen Zudringlichkeiten;"  er  sah  gespensterhaft  die 
greulichsten  Folgen,"  mit  Schreck  gewahrte  er,  wie  die 
revolutionären  Gesinnungen  in  edle  deutsche  GiemOther 
eindrangen.  Er  hatte  nicht  den  Muth  und  nicht  die  Natur, 
diesen  Begebenheiten  fester  iti's  Gesicht  zu  sehen,  er 
konnte  „als  Dichter  den  rollenden  Weltereignissen  nicht 
nacheilen  er  rettete  sich  vor  jedem  neuen  grofsen  poli- 
tischen Vorfall  in  die  Kunst,  in  die  Natur,  er  warf  sich 
in  ein  anderes  Extrem ,  und  dlibei  war  ihm  die  sittliche 
oder  vaterländische  Bedeulnng  der  Begebenheit  ganz 
gleich  <j;  ii Ii ,  \\  i>  er  denn  in  den  Befreiungskriegen  anfing, 
chinesische  Geschichte  zu  treiben.  So  hatten  ihn  weder 
Friedrichs  noch  Catharinens  Kriege,  noch  Corsika ,  noch 
Amerika  interessirt,  nnr  in  sofern  das  Geschehende  die 
gröbere  Gesellschaft  berührte;  mit  Zeitungen  foefiirste  er 
sich  nie.  „In  allen  wichtigen  Fällen,''  sagt  er  in  einer 
aufserordentlich  aufschlnfsreit hen  Stelle,  „sind  die  am 
besten  daran,  die  Parthei  nehmen.  Der  Dichter  aber,  der 
seiner  Natur  nach  unpartheiisch  bleiben  mufs,  sucht  sich 
von  den  Zuständen  beider  Theile  zu  durchdringen ,  wo  er 
dann,  wenn  Vermittlung  unmdglleh  wird,  sich  entschliefsen 
mufs,  tragisch zn enden.^  ^  Anderswo  heifst  es:  „Einem 
productiv- thätigen  Geifste  wird  m-an  es  zu  Gute  hnlten , 
wenn  ihn,  der  die  einheimische  Literatur  thätig  förderte, 


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IMO        BabU,  Cktchicbte  dw  ncaera  4«iitaelieil  PmiU« 

der  UiüBtors  alles  Besiehendeii' schreek^  ohne  dab  <tie 
mindeste  AhDong  zq  ihm  apriche,  was  deno  Besseres,  ja 

nur  Anderes  daraus  folge.o  solle.  Man  wird  beisiinaroen, 
wenn  es  ihn  verdriefst,  dafs  sich  dergleichen  Influenzen 
bis  Deutschland  erstrecken,  und  verrückte,  ja  unwürdige 
Personen  das  Heft  ergreifen."  Diese  innere  Lage  des 
groben  Mannes  nun  kann  allein  seine  Werke  aus  dieser 
Periode  erklären«  MTir  wollen  auch  iiierfiber  noch  wenige 
Winke  beifügen,  wo  möglich  um  klarer  zu  machen,  was 
wir  unter  historischer  Behandlung  einer  Literatur  verste- 
hen. GöMie  hatte  während  der  Campagne,  in  deren  Schil* 
derung  er  ein  so  tref! lichtes  Bild  von  jenen  Unter nehmua- 
gen  giebl,  ein  Mährchen  entworfen,  oder  eine  wvnderliche 
Brsählung  von  einer  Reise  Ton  sieben  Brüdern  verschie« 
denen  Charakters,  eine  Erzählung,  die  in  Verwicklung, 
Verwoi reiilieit,  Abentheuerlichkeit  und  Planlosigkeit  eio 
Bild  von  unseren  eigenen  Zuständen  abgeben  sollte.  Da* 
mala,  bemerkt  Göthe,  se;y  es  ihm  gans  unmöglich  gewe- 
sen^ seine  eigne  Iphigenie  nur  zu  lesen.  Sein  Grofskophla 
behandelt  die  Geschichte  des  Halsbands.  In  einer  h^eren 
Region  treffen  wir  auf  das  Nämliche,  was  uns  bei  den  Mit- 
schuldigen empören  kann.  Ein  gemeiner  Stoff  ohne  Glei- 
chen sollte  erst  in  eine  Oper  gebracht  werden,  und  ward 
dann  ein  Lustspiel ,  das  mh  Aufwand  geschrieben  ist,  und 
¥Ott  dem  ea  uns  nicht  wundert,  wenn  es  den  Zuschauern 
Ekel  statt  Lachen  erregte.  60  ist  es  aueh  widerlich ,  im 
Büigergeneral  grofse,  wenigstens  schreckliche  Dinge  in 
einer  kleinen,  niedrig-komischen  Art  behandelt  zu  sehen. 
Wir  leugnen  auch  nicht,  dafs  uns  behaglicher  zu  IVlulhe 
ist  bei  dem  I ei denscbaftlicti«'n Sturm,  der  Wildheii,  Grau* 
samkeil,  Blutgierde,  deasOinntbaiisnms,  den  man  damals 
(z.  B.  in  den  Cocarden  «•  A.)  auf  die  Bibne  brachte,  jda  ia 
Göthes  Aufgeregten ,  wo  keine  Kraft  ist,  die  solchen  Zeiten  , 
eignet,  keine  Schwärmerei,  als  spurweise  in  jener  Gräfin, 
die  aber  dabei  doch  über  eine  Contusion  ihres  Sohnes  io 
Ohnmacht  fallt,  kurz,  wo  jeder  Zug  Schwachheit  und 
jede  Figur  fast  eineCarrionlnr  ist  BineSMilang  beschtf- 
tigte  sich  Gdtbe  dann ,  von  der  Welt  soricbgescheiiohli 
aus  .dem  Laude  der  Kunst  eatfernt|  mit  der  Natur,  arbeitete 


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ftberseiae  ifetamorpho««  derPflaoset  trieb  vergleicheode 
Aoatomie  and  hfilt  «ich  spSter  an  seine  Farbenlehre  wie  an 

einen  Balken  im  SchiÜbrncli.  Reineke  Fuchs  gehört  in 
diese  Zeit.  Er  ^ey  ihm,  sa;];t  Göthe,  zu  rechter  Zeit  be- 
gegnet £)r  habe  sicli  aus  dem  gröfsten  Unheii  zu  reiten 
gesacht,  indem  er  die  ganse  Welt  für  nichteivördig  er- 
klärle.  Hätte  er  sich  bisher  an  Strafsen-,  Marict-  nnd 
Pöbelanftritten  übersättigen  müssen,  so  sey  es  wirklich  er- 
heiternd gewesen,  in  den  Hof  -  und  Regentenspiegel  zu 
blicken,  denn  trüge  auch  hier  das  Menschengeschlecht 
seine  ungebeiichelte  Thierheit  ganz  natürlich  vor,  so  gehe 
lioch Alles  wenn  nicht  musterhaft,  doch  heiter  su,  and 
der  gute  Hamor  fühle  sich  nirgemls  gestört.  Wir  gestehen, 
dafs  ans  eine  Anwendung  dieses  Gedichts  in  dieser  Art  im 
höchsten  Grade  beleidigt.  Der  Humor  einer  reiuea  und 
unschuldigen  Zeit,  die  im  Grunde  nichts  oder  wenig  von 
dem  iaUiguantea  Wesen  empfand,  das  hier  geschildert 
wird,  an  eine  Zeit  gehalten,  die  sich  von  dem  Uebenna&e 
desselben  da,  wo  man  es  seit  Jahrhauderten  gefühlt  hatte, 
n  befreien  sachte,  kann  nicht  anders  als  beleidigen.  Es 
giebt  eirKi  zweifaclie  Periode  derSatjre,  deren  erste  in 
solche  Zeiten  fällt,  wo  man  eine  allgemeiner  werdende 
Ver<lorbenheit  mehr  ahnt  und  (iirchtet,  die  zweite  in 
solche,  wo  man  die  allgemein  gewordene  im  Gefühl  des 
fiedärfnisses  der  Aenderung  und  der  RQckkehr  sor  Einfalt 
und  Natur  unertrfiglich  findet  Jener  ersten  Periode  gehört 
der  Reinecke  Fuchs  an,  und  um  einen  neueren  Satiriker 
mu  nennen,  Rabener;  jener  zweiten  Hutten.  Jene  erste  Gat- 
tung ist  ironisch  warnend  und  wird,  wo  sie  wie  bei  Ra- 
bener mehr  didaclisch  ist,*  leicht  langweilig ,  diese  oweita 
iel  bitter  und  beifsend ;  dort  weht  man  im  Hintergrund 
eine  kindlich  einftUige  Zeit,  auf  der  die  Thorheit  vor- 
gröfsert  ihr  Spiel  treibt;  hier  zeigt  der  Dichter  im  Hin- 
tergrund ein  früheres  goldnes  Zeitalter  und  hält  die  ge- 
genwärtige Corruptiou  daneben.  Aus  einer  solchen  früheren 
Zeit  rückte  also  Göthe  jenes  Gedicht  in  eine  solche  spätere, 
nnd  schob  daher'auch  hier  und  da  Stellen  ein,  die  ganz 
dem  Geiste  desselben  widersprechen;  so  wird  z.B.  nur 
von  den  Ffailen  dort,  und  nur  vou  einem  gewissen  Theiie 


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Bofcto»  CkuMohte  der  MWtn  i^MuA  Poetie' v.  ••w. 

der  Pfaffen  ein  so  übles  Bild  eaiworfete,  wie  ia  einigea 

Güthe'schen  Versen  von  der  Allg-enieinheit ,  z  B. : 

Doch  diiR  Rf  hlifiiniäle  find  ich  den  Onnkt  1  des  irrigen  Wahnes  u.s.w. 

8ehr  richii^  bemerkt  Göthe  irgendwo,  ciafs  ein  grofses 
Unglück  in  der  Welt  gewöholich  von  lächerlichen^  oft 
auf  derSlelle,  gewifs  aber  hinterdrein  belachten  Umstän«  - 
den  begleitet  sey.  Das  Ueble  aber  ist ,  dafs  Gdthe ,  wo  er 
diei$er  Grfahi  utig'  denStoft'zu  einem  Gedichte  abgewinnen 
will,  überall  das  Unglück  s(  n)st,  und  nicht  die  begleiten- 
den lfmetände  blos  in  den  Kreis  des  Lächeriichea  zu  sehr 
hereinzieht,  und  das  sieht  man  auch  der  Behandlung  dieser 
Gegenstände  leicht  an,  die  überall  mehr  bitter  und  ver- 
steckt,  als  heiter  und  offen  ist.  Mit  der  Zeit  indessen ,  als 
der  erste  bittere  Eindruck  sich  etivas  versüfste ,  trat  eine 
andere  Stimmung  in  Göthe  ein  und  mit  ihr  eine  andere 
Gattung  von  Werken.  Er  resignirte.  Seine  Hesignatioo 
hnfte  zwei  Seiten,,  wie  jeile.  Wer  bei  Thucjdides  Ofier 
Villani  die  Wirkungen  solcher  allgemein  schreckenden 
Begebenhelten  auf  die  Manschen  gelesen  hat,  der  wird 
besondeis  auffallend  bemerkt  haben,  wi«;  sich  leicht  engere 
Kreise  zusammendrängen,  wo  bald  Frivolität,  Leichtsinn, 
Lebensgenufs  obsiegt,  bald  tiefere  Betrachtung  der  sittii' 
.  eben  Natur  des  Menschen  veredelnd  hervortritt  und  ernster 
und  In  sich  gekehrter  macht  Des  Thucydides  und  des 
Villani  Schilderung  nicht  allein,  sondern  ihre  Werke 
selbst,  dann  Boccaccio  und  das  letzte Schriflcheii  Madiia- 
veir»  sind  Producte,  die  solchen  Zeiten  und  solchen  Stim- 
mungen angehören.  Auch  Göthe  bietet  uns  f  ür  beide  Seiten 
etuen  Zuwachs»  Die  Ausgewanderten  eriunem  viel  an  das 
Oeeameron ,  auch  scheint  uns  Einaelnes  im  Meister  hier- 
her SU  gehören.  Die  Gegenseite  bildet  dann  die  natllriiche 
Tochter,  und  das  herrliche  Gedicht  Hermann  und  Doro- 
thea, nut  das  zugleich  <h  r  durch  denUmefanjy  mit  Schil- 
ler erhöhte  Schöpfungstrieb  so  vortheilhait  einwirkte,  dais 
daraus  dies  unvergleichliche  Werk  erwachsen  konnte ^ 
das  allerdings  unter  setner  Umgebung  sehr  fremd  hervor- 
ragt. Doch  hier  wollen  wirabbrechen,  aus  Furcht,  allzu- 
weit abzugerathen. 

{Der  li€tchluf9  folgt) 

\ 

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N>.  78.    HEIDELB.  JAHRa  o.  Ul  ERATUR  1833. 


Bohiz,  Geschichte  der  neuem  deutschen  Poesie ,  und 
Herzog,  Geschichte  der  deutschen NatimtU^lateraiwr» 

(^li  e9  c  hl  u/s,} 

Nücli  Eine  Sache  iiaben  wir  auf  dem  Herzen,  die  uns 
immer  besonders  wehe  that.  Wenn  wir  in  vielen  uoserer 
Literatur  bücher  alles  eigeoe  Urtheii  alizuhäniig  vermifsteo, 
80  geschah  es  nns  fast  immer ,  dalGs  vfo  wir  ja  einmal  eines 
antrafen ,  wir  es  lieber  wieder  Termifst  hätten*  Wir  deuten 
anf  die  thdrichlen  Erhebungen  und  Herabsefaungen  der 
Göthe,  Vofsu.Ä.,  auf  die  kindischen  Befehllungen  der 
Romantiker,  auf  die  ewigen  Zfiukereien  über  Göthe  und 
8chiller  und  tausend  Dinge  der  Art,  die  an  der  Tagesord- 
nung sind.  Bs  wilrde  nns  ekeln,  wenn  wir  auf  die  Jäm* 
merlichkeiten  näher  eingehen  wollten,  die  eine  Erörte- 
rung dieser  Dinge  mit  sich  fihren  würde.  Wir  müssen  nur 
bei  dieser  Gelegenheit  bedauern,  dafs  bei  so  gewichtigen 
Stimmen ,  die  Ober  alle  jene  und  andere  F'ragen  durch  die 
allerbefugtesten  Beurtheiler  abgegeben  worden  sind ,  das 
Geschrei  der  Zwerge  und  Pygmäen  immer  fortdauern 
kann,  die  sich  mit  lästiger Zudringlichlceit  herbeidrängen. 
Warum  sind  denn  Humboldt's  ästhetische  Versuche  ein  so 
vergessenes  Buch  bei  uns  und  warum  werden  es  seine 
Briefe  mit  Schiller  so  bald  se^n,  die  zwei  merkwürdigsten 
Ehrendenkmale,  die  jemals  grofsen  Männern  von  Zeitge- 
nossen gesetzt  worden  sind  ?  Dahin  sind  wir  schon  gekom« 
men ,  dafs  eine  etwas  schwierige  Form  und  Untersuchung 
nns  von  solchen  Warken,  die  unser  wärmstes  Interesse  an 
unseren  gefeiertsten  Namen  angehen,  abschreckt?  Dann 
wehe  uns  und  unserer  gepriesenen  Gründlichkeit,  vvean 
dem  so  ist!  Und  wie  sollte  es  anders  seyn,  da  wir  in  der 
That  lieber  dasBüchieio  von  Göthe  zur  Hand  zu  nehmen 
flcheinen,  oder  was  des  Gestorbenen  Freunde  nicht  auf- 
hdrcm,  darüber  zu  publiciren,  wie  er  sich  räusperte  und 
'  spuckte.  Von  Nationalapostaten  lassen  wir  unser  Volk  be- 
llecken und  unsere  Duldung  ist  nicht  die  Verachtung  der 

XXM.  Jahrg.  12.  Ueft.  18 


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UM 


BohtSi  GMcUdite  der  nettm  dentwhea  P«eiie, 


Niederträchtigkeit  dabei;  unordentliche  Genien  beUUn* 

pfen  unsere  romantische  Schule,  wenn  auch  mit  gerech- 
ten, doch  flicht  mit  ehrlichen,  nicht  mit  erlaubten  Waffen; 
wiide  Geister  ohne  Klarheit  und  ohne  Wissen  reifseo  uo- 
eere  grdfsten  Heroen  in  denKotb;  anhruchige  Junglinge 
'  nehmen  es  eich  faemus ,  ihre  moralischen  c£«rai(tere  so 
verdammen ;  hilmlose  Schwärmer  vermissen  in  ihnen  ihre 
politischen  Tollheiten  und  knüpfen  daran  ihre  Verurlhei- 
lung;  beschränkte  literarische  Factionäre  und  Finsterlinge 
grollen  über  die  Köpfe,  die  uns  aus  Armseligkeit  unfl  Doo- 
keiheit  herausrissen  !    Dergleichen  drängt  sich  in  unsere 
Literargeschichten  ein,  statt  dafs  diese  dazu  da  sind,  der- 
gleichen abzuwehren,  diesem  Unwesen  su  steuern,  und 
wo  es  erttfithAfte,  naturliche  Spaltungen  und  nicht  bks 
thörichlc  ileibungen  sind,  zu  vermitteln  und  aufzuklären. 
Wo  wäre  ni!n       Literarhistoriker,  der  dies  gethan  hätte? 
Mit  gieichgüitigeui  Lobe  gelien  sie  an  Jedem  vorüber,  der 
ihnen  vorkommt,  oder  sie  (ragen »  so  viel  an  ihnen  ist, 
noch  bei «  den  Zwiespalt  grdfser  sn  machen.   Sie  hätten 
finden  sollen,  und  erklaren,  warum  der  Streit  Über  den 
Vorzug  Göilu 's  und  Schillers  ein  natürlicher,  ein  nie  ganz 
zu  bescitigiuder  ist,  sie  hätten  aber  mit  Benutzung  der 
genannten  Werke  von  Humboldt  dem,  der  hier  Vermitt* 
lung  und  Aufklärung  suchte,  von  Einer  Seite  her  eiiM 
einleuchtende  Belehrung  geben  können,  und.  wenn  sie 
wfifsteii,  was  literarhistorische  Studien  sind,  auch  noch 
von  einer  anderen  Seite.  Sie  hätten  sich  des  kOnstierischeo 
Charakters  in  Göthe  annehmen  sollen,  und  daraus  das  er- 
läutern, was  in  seinen  Schriften  von  moralischer  Seite  ab- 
stöfst,  ausgehend  von  seinem  eigenen  Gmndsats,  dafs, 
„wer  sittlicli  wirke,  keine  seiner  BemQhuogeo  verliere, 
dafs  aber,,  wer  kOostleriseh  verfahre,  in  jedem  Werke  Alltf 
verloren  habe,  wenn  es  nicht  als  ein  solches  anerkannt 
wil  d.  '  Man  müfste  in  ähnlicher  Weise,  wie  oben  verj;uchl 
ward,  seinen  politischen  Charakter  ans  den  Umstanden 
erläutern  und  überhaupt  jede  Forderung  au  den  Dichter 
ablehnen,  die  ihn  als  Dichter  nicht  angeht  Man  möfste 
bei  Humboldt  lernen,  den  einfältigen  Tadel,  dafs  Schüler 
in  einem  gewissen  Sune  kein  Dichter  sey,  in  seinen  grdbleo 


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«ad  HttiMg»  GMeliichte  der  deaUeben  Nalional-Literatur.  1285 

Ruhm  umzuwandeln.  Man  iiiüfste  voo  Niebuhr  und  Gothe 
hören,  dafs  es  Vors  ist,  der  mit  seinem  Homer  dahin 
brachte,  dafs  hinfort  iu  aüen  Nationen  durch  uos Deutsche 
die  VermiltluDg  der  Kunde  des  Allerthums  g:eschehett 
▼OD  Oöthe  and  Schüler  inufii  inaD  £hrfiirchc  yot 
dem  Natardlchler  lemeo,  der  so  wie  Er  das  Griechen- 
thum  im  Gelang  nachahmt,  von  Humboldt  mufs  mau 
hören,  dafs  solche  Verdieni»te  die  höchsten  sind,  die 
sich  ein  Mensch  erwerben  kann.  Man  mufs  Qberhaupt  erst 
loben  lernea,  ehe  man  tadelt,  und  jedes  Ding  von  jeder 
Seite  nehmen.  Das  ist  desGeschichlsebreibers  Pflicht  rot 
aadereil«  Die  unseren  aber,  die  in  diesem  Felde  arbei- 
teten, betrachten  den  Einen  Gegenstand  von  da,  den  an- 
deren von  dort,  trauen  flabei  bald  selbstvergnQglich  nur 
ihrem  eignen  Auge,  bald  allen  zugleich,  loben  Alles  aus 
Gutmüthigkeit  oder  tadeln  Einzelnes  aus  Partheisucht, 
haben  weder  die  Fähigkeit,  auf  eignen  FOfsen  zu  ruhen, 
ooch  auch  nur  sich  eine  wirkliche,  taugliche,  feste  Stfitze 
mu  suchen.  Man  kdnnte  mit  einigem  Receptionsvermdgen 
und  sonst  einfachem  Sinn  und  Taete  eine  sehr  gute  deutsche 
Literarf^eschichte  zusammensetzen  ohne  viel  eignes  Zu- 
thun,  denn  es  ist  zerstreut  sehr  vieles  Material  da,  das 
nur  der  Verarbeitung  harret  Niemand  walkte  es  nur  zn 
übersehen,  geschweige  zn  benutzen. 

Das  Gedankenloseste  ist  anstreitig,  wenn  man,  wie 
z.  B.  ßohtzthut,  die  einzelnen  Poeten  hiutereinander  auf- 
stellt, über  jeden  wenige  abgeschriebene  Sentenzen  giefst 
und  dann  auf  Einen  Liebling  Alles  zusammenhäuft,  was 
man  iiber  ihn  gedacht  oder  geträumt  hat.  Wozu  bemüht 
man  hier  alle  Dichter  und  Dichterlinge  in  die  Gesellschaft 
des  Einen  Heros  and  läfst  sie  eine  erbärmliche  Rolle  spie- 
len ,  um  allenfalls  ein  Paar  Romantiker  desto  mehr  hervor- 
heben zu  können.  Man  mufs  die  Dichter  des  vorigen  Jahr- 
hunderts, die  vor  Göthe  und  Schiller  die  Literatur  mit 
Mühe  und  Schweifs  auf  ihre  Höhe  brachten,  mit  ehr* 
fürchtigem  Danke  auch  in  ihren  untergeordneten,  oft 
fruchtlosen  Bestrebungen  betrachten,  denn  auf  ihnen  fub- 
ten  jene  Grofsen ;  die  anderen ,  die  nach  erreichtem  Gipfel 
stracks  begannen  abwärts  zu  gehen,  darf  man  mit  Recht 


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ItW        Bobts,  Gotcliiclite  der  neaern  deattehen 

mit  andern  Augen  ansehen.  Es  ist  was  Schönes,  zu  dem 
Ehrentempel ,  dessen  Grundrifs  die  Nation  entwarf,  Steine 
und  Ziegel  getragen  zu  haben  ;  nachdem  er  vollendet  und 
decorirt  war,  so  reich,  so  schön,  sogeschaiackvoll,  wie 
es  ebeo  der  Bauende  vermochte,  war  es  dn  schlechtes 
Verdienst,  gleich  wieder  das  Dach  abzutragen,  am  mit 
sfldiichem  Brauch  eine  platte  Decke  an  die  Stelle  m  seteeo, 
die  das  ung-estüme  Klima  im  Augenblick  brach  und  zer- 
störte. hÄuG  tliciilerische  Sprache  schaffen,  eine  ganze 
Nation  in  die  Gemüthsstimmung  zu  setzen,  dafsder  Künst- 
ler in  ihr  Anklang  findet  für  seine  Werke,  isl  eine  schwere 
'fiaobe;  mit  einer  gemachten  Sprache,  mit  aoagebildetem 
Reime  und  Verse  geborgte  Gegenstände  aus  unbeholfeoeB 
Zeiten  neu  zu  schmucken ,  ist  ein  leichtes  Ding.  Wer 
überhaapt  betang^en  in  einem  philosophischen  System, 
ängstlich  in  einem  moralischen  Frincip,  eingezwängt  in 
eine  ästhetische  Vorstellungsart  an  die  Behandlung  der 
Geschichte  geht,  der  verkenne  doch  seinen  Bernf,  der 
mlfsbraoche  doch  seine  Zeit,  der  Tergeude  doch  seine 
Kräfte  nicht,  denn  er  wird  es  nie  zu  etwas  bringen.  Denn 
der  Geschichtschreiber  mufs  durchaus  frei  seyn  und  in 
jeden  Standpunct  sich  finden  können.  Wer  einen  Zweig 
der  Geschichte  behandelt ,  mufs  ihn  der  Gegenwart  ge- 
genüber betrachten,  in  der  er  lebt,  and  ihr  gemäTs  mnfe 
er  ihn  bearbeiten.  Tausend  Seiten  kann  er  der  Geschichte 
abgewinnen  und  Eine  mufs  er  wählen ,  von  dieser  Eioeo 
aus  mufs  er  seitir  Hru  su  Hun^  innerlichst  beleben,  iMan 
darf  liv.v  zugreiiiAi;  aus  Jeder  Art  der  Darstellung  läT^i 
sich  eine  tiefere  Erfahrung  pichen.  Der  einfachsten  chro- 
nologischen Behandlang  einer  deutschen IiUniirgeschichle 
liefse  sich  am  sichersten  die  Nachweisiiing  abgewi 
wie  die  jD;rdfsere  Masse  ihrer  ProdbcteiU^dem  und 
lieimibclLem  nach/2fenlmU  isl,  und  wie  die  kleinere  Zahl 
sei bstständi «-er  Werke  Nachahmung  bewirkt  hat.  Nimmt 
man  dabei  die  Werke  mehr  zum  Faden  als  die  Verfasseri 
io  läfst  sich  vortrefilich  zeigen ,  wie  in  einer  hellen  Zeil 
der  Instinct  der  Nation  in  der  G^/ß^H^g  der  Dich 
eben  so  wirkt ,  wie  in  der  dunkeielsn ,  in  der  die  Persöih 
lichkeiten  der  Dichter  ganz  veräphwindcu.  Hebt  mau  bio* 


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atti  Henog,  Getcbichtc  der  deutschen  National-Literatur.  1237 

graphisch  die  Schriftsteller  hervor,  so  kann  man,  iodein 
man  die  vorarbeitenden  und  nachahmenden  kleineren  Gei- 
ster um  die  wenigen  Gröfsten  versammelt,  das  schönste 
Gemälde  TOD  bewnfstem  Schaffen  und  Wirken  bedeutender 
Männer  entwerfen«  Achtet  der  Geschichtschreiber  auf  das 
Periodische ,  so  kommt  es  ganz  auf  ihn  an ,  ob  er  uns  die 
regellose  Verschlingung  von  Ursachen  und  Wirkungen 
darstellen  will,  die  doch  eine  unsichtbare  Hand ,  die  sie 
so  räthselhaft  knüpfte,  am  Ende  einfach  Idst,  oder  ob  er 
es  wagen  will,  dieser  Hand  schon  in  derSchfirzong  des 
Knotens  zu  folgen.  Reizt  ihn  das  Locale,  so  kann  er  unSy 
je  nachdem  er  es  gerade  fttr  gut  findet,  überreden  ,  niir 
das  rein  deutsche  Gebiet  habe  eine  rein  deutsche  Dicht- 
kunst gepflegt;  oder  er  greift  es  von  einer  anderen  Seite, 
leugnet  uns  alle  Eig-enthünilichkeit  und  Nationalität,  und 
beweist,  dafs  wir  gar  keine  nationale  Poesie  haben,  oder 
führt  ans,  dafs  wir  ewig  zwischen  Nationalem,  Romanti- 
schem, Christlichem,  Griechischem  schwankten,  and 
dafs  nur  die  yerschtedenen  Mischungen  dieser  Elemente 
die  verschiedene  Gestaltung  der  Dichtkunst  bedingte.  Will 
er  in  der  Literargeschichte  dem  nationalen  Charakter  auf 
die  Spur  kommen,  so  kann  er  in  einem  gewissen  Sinne  . 
sagen,  dafs  nur  das  Mittelalter  die  Deutschen  als  eine  Na« 
iion  zeige,  dafs  sie  nur  damals  eine  nationale  Kunst  ge- 
habt ;  er  kann  aber  auch  behaupten  mit  eben  so  viel  Recht, 
nur  die  neuere  Zeit  habe  unsere  nationale  Kunst  geschaf- 
fen, das  Weltbürgerliche  darin  sey  eben  unser  Charakter, 
nach  jenem  Lessingischen  Ausspruch ,  es  schiene  unsere 
Eigenthümlichkeit  zu  seyn,  keine  haben  zu  wollen.  Man 
könnte  zeigen  wollen ,  wie  sich  einfach  unsere  Dichtkunst 
¥on  den  Schlacken ,  die  ihr  aus  der  Zeit  der  Barbarei  an- 
klebten ,  reinigte  und  zuletzt  dem  strengsten  BegriflPe  aller 
Kunst  sich  näherte,  oder  man  könnte  nachweisen,  dals  sie 
stets  von  Wissenschaftlichem,  von  der  Arbeit  des  Verstan- 
des, von  dem  Antheil  des  Gedankens  zu  viel  Spuren  an 
sich  behielt.  Es  könnte  sich  Einer  zum  Ziel  setzen ,  unsere 
Kunst  ewig  unter  der  Herrschaft  moralischer  oder  reli- 
giöser Tendenzen  zu  zeigen,  ein  Anderer  könnte  darstellen 
wollen ,  wie  sie  sich  nach  langem  Kampfe  aus  der  Abhän- 


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ms        Bahti,  Ckfclilchte  der  nenern  deattdien  Pomie» 

gijß^keit  von  Philosophie  und  allerhand  Wissenschaft  zur 
eigenen  Gesetzgeberin  erhob.  Unsere  letzte  Periode  na- 
mentlich könnte  einer  mit  der  allgemeinen  europäischen 
Geistesrevolutioo,  je  nach  seiner  Ansicht,  in  Zusammen- 
hang  oder  GegensatsB  briogen;  er  kdonte  sie  darstellen , 
wie  sie  vollendete,  was  die  Reformation  für  allgemeine 
geistige  Freiheit  zu  wirken  begann ,  oder  wie  sie  för  bSr- 
gerliche  Freiheit  zu  beginnen  scheint,  was  die  politischen 
Bewegungen  scheinen  vollenden  zu  soüen ;  er  könnte 
weissagen,  dafs  diese  letzte  Zeit  die  deutsche  Literatur 
so  2ur  Herrscherin  über  Europa  maclien  wird,  wie  en  einst 
die  italienische  and  fransösiscbe  waren. 

Wer  könnte  alle  die  Gesichtspunkte  auflRihreii,  ans 
denen  eine  so  reiche  und  vielseitige  Materie  zu  hehandela 
wäre!  Kaum  wüfsten  wir  aufser  Manso auch  nur  Rinen  Manu 
ZU  nennen,  der  in  einer  deutschen  Literargeschichte  einem 
Plan,  einem  bestimmten  Gedanken,  undsey  eaaucii  einem 
unstatthaften  Gedanken,  gefolgt  wäre.  Wir  müssen  aber 
sngeben,  dalk  Mulh  dazu  gehört,  am  in  einem  bistori* 
sehen  Werke  einen  jener  angedeuteten  oder  ähnlicher  Ge- 
danken einseitig  zu  verfolgen,  denn  nicht  Jeder  besitzt  die 
Kunst,  neben  der  Einen  Seite,  die  er  ins  Licht  stellt, 
auch  die  andere  im  Schatten  dergestalt  zu  zeigen,  dafs 
dem  Beschauer  von  seibat  einiaillt ,  nun  dürfe  er  nnr  den 
Gegenstand  oder  seine  Stellung  verludern ,  so  könne  ihm 
jener  auch  in  einem  anderen  Lichte  erscheinen.  Dieser 
Einfall  des  Beschauerä  darf  nie  störend  laut,  aber  unter- 
drückt darf  ei  eben  so  wenig  werden.  Wir  meinen  indessen 
auch  gar  nicht,  dafs  es  so  besonders  und  unter  allen  Um- 
ständen zu  empfehlen  wäre,  die  Geschichte  in  dieser 
Weise  zu  behandeln,  weil  so  allzu  leicht  wiilkfihrlich  ge- 
schaffne Ideen  in  den  Stotf  hineingetragen  werden;  und 
eigentlich  sollte  dergleichen  immer  nur  Versuch  und  Vor- 
arbeit bleiben.  Wer  darstellend  verfahren  will,  mnfs  erst 
die  Idee,  die  ihn  dabei  leiten  soll,  in  seinem  Gegenstande 
forsdiend  gefunden  haben,  und  je  mehr  sie  diesen  bisio 
seine  kleinsten  Einzelheitett  durchdringt,  desto  mehr  wird 
«r  die  Eine  Grundidee  getroffen  haben,  die  gerade  diese 
Reihe  von  Begebenheiten,  die  er  sich  zum  Vorwurf  nahm, 


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nnd  Hermog,  Gctehiclite  der  dcuUclien  XtiatiooAULitmlur. 

darchdriogt,  iii  ihnen  mr  tirschttitiung  k<Niiint,  «e  mit 
den  Weltereigniseen  in  Zusammenhang  bringt.  Wer  aber 
wird  uns  einmal  die  grobe  Aufgabe  zu  lösen  snchen,  unsre 
schone  Literatur  durch  alle  Hemmungen  <lui  ('h  zu  geleiten 
von  der  Zeit  ihres  ersten  ErscheifK^ns  zu  dein  Punkt, 
wo  sie  sich  dem  ailgemeiusteu  und  reint»ten  Charakter  alier 
Kunst  näherte,  wosip  ausschliefsiich  die  Wirkung  auf  die 
Phantasie  su  ihrem  Zweck  machte,  wie  keine,  als  die 
^griechische ,  vor  ihr;  zu  zeigen,  wie  der  Druck  von 
IWöiichtliuni  und  Scholastik,  die  unbillige  Freiheit  unter 
dem  Hitterlhum,  die  Fesseln  unter  dem  Gewerbstainl  sie 
nicht  zu  dem  Ziel  bringen  konnte,  zu  dem  sie  seit  der  He« 
formation  langsam  anfangs  und  träge,  dann  unter  den  ärg- 
sten Bewegungen  und  Umwälzungen  gelangte,  zu  dem« 
Ziele,  keines  Fremden  Sklav,  keiner  Wissenschaft  Unter- 
ihan,  sondern  frei,  ihr  eigner  Herr  und  ihrer  selbst  Herr 
zu  seyn;  nachzuweisen  (was  sich  hier,  aber  noch  nicht  an 
politischer  Geschiclite  von  Deutschland  na(  hwj  isen  liil^it), 
wie  diese  Literatur  und  die  Nation  mit  ihr  zur  Selbstsiän« 
digkeit,  zur  literarischen  Herrschaft  in  Europa,  zur  Er* 
reichuMg  der  Zeit  kam ,  wo  die  Deutschen  mit  Entfaltung 
aller  ihrer  Gaben  den  neuen  Ideen ,  die  die  griechischen 
Philosophen  und  Christus  an  die  Stelle  der  Alten  setzten, 
die  Hand  reichten,  eben  den  Ideen,  die  allein  die  Deut- 
schen in  ihrer  Reinheit  zu  verwirklichen  geschaÜen  waren, 
denselben  Ideen,  die  durch  dieselben  Deutschen,  als  ihre 
barbarischen  Ahnen  die  alte  Well  umstürzten,  mit  anter 
ihren  Trümmern  begraben  zu  werden  drohten ,  die  aber  in 
der  That  nur  durch  das  Dazwischentreten  der  römischen 
und  romanischen  Nationen  eine  ungeheurti  Unterbrechung 
litten,  bis  die  verständige  Richtung,  aufweiche  dieGrie- 
chen  die  Menschheit  geleitet  hatten  und  der  die  Deutschen 
ihrer  Eigenthumlichkeit  nach  von  je  geneigt  waren,  von 
diesen  mit  freiem  Bewu&tseyn  wieder  eingeschlagen  und 
der  grofse  Zusammenhang  der  Menschheit  auf  eine  höchst 
merkwürdige,  tlas  tieiste  Denken  in  Anspruch  nehmende, 
die  weiteste  Empfindung  mit  Staunen  nnd  ßewuodtung 
ausfüllende  Weise  aufs  Neue  dargethan  ward. 

Gervinus, 


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mO      Wendtt  über  die  üauptperiodeo.  der  schonea  EmMl. 

KURZE  ANZEIGEN. 

Veber  die  Hauptperiodtn  der  Beköntn  Kunetf  oder  die  Amtt, 
Ifli  Zantfe  der  fPeUgeteläehte  dargeeUlU  von  Amadeue  Wendi, 
Bofr*  V.  Fro/.     Piitfo».  tft  GeUmgen.  Leipzig  18$1.   FcHfltf  m 
ilm^r.  BartA.   IF/1 11.  SU  jiL  m  gr.  8. 

Diese»  Bach  verdankt  sein  Entiteben  zmn  Theil  den  Torletoo- 
gen,  welche  der  Hr.  Verf.  auf  der  Vaivenitfit  ku  Göttingen  gehalten, 
iodem  er  die  ichriftliehe  Grundlage  dereellien  «pftter  "weiter  aiiafainrte, 
in  der  Abaieiiti  gebildeten  Leeem  aller  CSaieen,  welehe  die  Be* 
trachtang  der  Konat  ia  weltbiaterisober  Oedentnng  intereiairt,  elae 
VebetairJit  dee  Crangee  9  welcben  die  ecbono  Knnat  im  weiten  Slaaf» 
(mit  EinMibliire  der  DicbtlEnnat)  ven  ibrem  Umpmnge  an  bia  hierbei 
genommen,  in  die  Hände  an  geben  und  durch  Sebildernng  ibnr 
Hanptperiodea,  als  der  Momente  der  Bntwicblvng  ihrer  Idee  —  la- 
gleich  die  SteUaog  der  begabteefen  Geieter»  durch  welche  aie  ge- 
wirkt, und  die  Bedeutung  der  herrllcbateu  Denluvftler,  io  welchen 
sie  sich  geäufeert  hat,  in  aofem  dies  eben  aas  einer  eoleheu  Uebei- 
■iebt  lierrorepringen  kann,  andeutend  zu  beseicbnen.*'  — 

Zavörderst  stellt  daher  der  Verf. ,  che  er  zu  dem  Einzelnen  der 
hietorlMhen  Uarstcllong  adireitet,  die  allgemeinen  philoeophischen 
Begriffe  auf  über  Ursprung  nnd  Wesen  der  Kunst,  sowie  deren  VttP- 
liältnifs  zar  Religion,  nnd  Wissenschaft ,  und  theilt  dann  das  gaam 
Gebiet  in  drei  Perioden  ab,  die  der  Yorgriech  i sehen  Kunst,  eine 
l^iiileitungspt'riodc,  die  der  gri  ech  i  h  chcn  oder  clasRiBrhcn  unddiedef 
gc(r manischen  Kiin^t,  Nach  diesen  drti  Perioden  iöt  der  gcsainmto 
Stoff  in  der  nun  folgenden  Uebcrsicht  Ijchandelt.  Bei  der  creicn  Pe- 
riode kommen  wiederum  mehrere  allgemeinere  Punkte  zur  Sprache, 
wie  z.  B.  über  Anfang  und  Beginn  der  Kunst,  über  deren  ersten  lo- 
halt  und  Gegenstand,  über  das  SvmbollBche  u.  dergl.  m.;  und  darauf 
folgen  BcniL'tKungen  über  die  Kuiiät  der  Inder,  Aegypter,  Ferseri 
Ilebräcr,  ja  selbtit  Einiges  über  Chinesen  und  Fhönicier. 

In  der  Periode  der  griechischen  oder  classischen  Koast 
sacht  der  Verf.  vur  allem  den  Charakter  dieser  Kun^tpeiiodo ,  ns- 
nientlich  das  vorherrschende  plastische  Element  nachzuweisen,  nnd 
obwohl  freilich  im  Ganzen  etwas  kurz,  eine  Uebersicht  der  griechi* 
acben  Poesie  nach  ihren  Hauptelementen  mit  einer  kurzen  Charakte- 
liatilc  lu  UdSeni.  Neeh  apfirlicber  iat  aber  dae  ausgefallen ,  wai  am 
Schlflüe  lUeiee  Abiehniltei  ftber  die  Mmer  genagt  wird ,  und  wem 
gleich  ofieBbaxelrrtbumer  oder  faliohe  Angaben  nad  Urtbeile  dnrcbaai 
nicht  angetroffen  werden,  so  wird  dae»  waa  wir  hier  leaen,  kaum  all 
hefffiedigend  angesehen  werden  können.  Daiielbe  gilt  Ton  den  Bt* 
merbungen  8. 128.  nnd  12d.  über  Btrurlsch«  Knnat,  waa  wir  indcft 
hier  uiQ  il»  ireniger  filiel  deuten  wollen,  ali  geraiie  hier  der  ia  der 


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Wendt,  übet  die  HanptpiBrIodeii  der  tcbonen  Erntet*  IMi 


neneiteti  Seit  gevonnene  Reichthum  von  Werkes  der  Knnet  dee  altes 

Etrurlens  uns  ganz  andre  Be^iffe  von  dem  wird  geben  können,  wa« 
dieses  Volk  Tordem  in  Kunst  und  Wissenschaft  geleistet  hat.  Mooh 
ist  da«  gewaltige  Haterial  Itanm  bekannt  und  uotereacht  worden, 
jetit  «teben  wir,  so  sa  Mgen,  ooch  an  der  SebweUe  oaeerer  Keantaife 
dieaes  alten  Landes. 

Mit  grofserera  Umfang  und  mehr  Ausdehnung  hnt  der  Verf.  die  mo- 
derne Kunst  oder  wie  er  sie  bezeichnet,  Hie  p^cr manische,  behan- 
delt, und  hier  insbesondere  manche  Parthicn  des  Mittrlnltors  in  ein 
•ehr  helles  Licht  gesetzt;  weshalb  wir  diese  gröfsere  Ausführlichkeit, 
deren  zufälligen  Grund  auch  die  Vorrede  nachweist,  durchnus  nicht 
tadeln  woUeo.   Wir  wollen  auf  das  Passende  oder  Unpassende  der 
hier  für  die  dritte  Periode  gewählten  Ueberschrift  (zumal  da  sie  für 
uns  Deutsehe  so  ehrend  ist)  nicht  weiter  eingehen,  aber  wohl  mussea 
wir  aufmerksam  machen  auf  die  diesen  Abschnitt  einleitende  Unter- 
suchung, worin  der  Verf.  die  Ge/^ensätze  des  Christenthums  und  Hei- 
denthums, wie  sie  in  Kuiiät  und  W  isäunscbaft  hervortreten,  bedingt 
durch  den  Grundcbarakter  und  die  Grundverschiedenheit  beider  Reli- 
gionen, eatwickelt,  und  gern  möchtea  wir  hier  unsern  Lesern  längere 
Abeehaitte  ndttbdtot  aU  Probe  der  Darstellung,  wenn  der  Umfang 
dieaev  Blfttter  ealdiea  Teratattete.  ladieaem  Slaa  bat  aiteb  der  Verf. 
4hw  Rktertbttni  aafgaftUbt,  S.  14S  ff*»  aaneatlieh  ia  eelaem  Gegeniats 
mvm  Helicaieebea  Ritter    oad  Heldeatham»  welchen  eich  aaaaehrt 
im  Kampf»  der  phjaieehea  Kraft  mit  der  eatg^aotdieadea  Natai» 
gevalt  aafeere  (obwohl  eia  aittliebee  Elemeat  aaeh  hier  kelaeawege 
▼erlcaaat  werdea  darf)»  während  der  chriatUehe  Held  für  eine  un- 
sichtbare Macht  and  für  eine  höhere  Welt  himpfl.  „Die  griechi-> 
aehea  Heldea  Tereammelt  eia  Kampf  far  Schdaheltt  die  aich  der 
Grieche  aaeh  wahrhaft  erworben  hat;  die  ehrietllchea  Hehtea  rexw 
hindet  der  Glauheaakampf  an  dem  Grabe  dea  Erlöse»;  und  wie  dort 
eia  Homer  die  untergegangene  Heldenzelt  schildert,  so  wird  hier  die 
ganze  romantische  Poesie  ein  begeisterter  Nachhall  des  Ritter th  ums." 
(  S.  Idjl  ff.)   Mit  vielem  lotemMO  wird  man  die  daran  sich  knüpfende 
Schüderaag  dea  Ritterthumt,  wie  es  in  der  Religion  begruadet,  in 
Iiiel>e  zunächst  und  Treue  sich  kund  giebt,  lesen,  und  wir  rechnen 
diese  Darstellungen  mit  zu  den  gelungensten  in  dem  ganzen  Buch. 
Dahin  gehört  aurh,  was  der  Verf.  über  Uomantik,  und  über  die  Fol- 
gen und  Wirkungen  de«  romantischen  Geiste»,   über  die  von  diesem 
Geiste  durchdrungenen  oder  TielmcKr  aus  ihm  hervorgegangenen  Poe- 
sien, die  Uittergedichte  des  Mittelalters  u.  9.  w.  bemerkt.  Historisch 
betrachtet  (so  sagt  Derselbe  S.  151.)«  ist  die  romantische  Kunst 
die  uri$|>rungliche  Darstellung  jenes  ritterlichen  Lebens  als  eines  wirk- 
lichen, vergangenen ,  nach  seiner  freien  Mannigfaltigkeit ,  beherrscht 
und  geleitet  durch  die  unsichtbaren  Mächte  der  Religion ,  Liebe, 
X^hre,  'I'aprerkoit  und  Treue;   auf  abt^elcitete  Weise  ist  sie  aber  die 
Pai'ätellung  des  Lebcua  uücrUau|ii  in  di^äcrn  Geiste  u.  s.  w.  Der 


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1M8      Woiidt,  fiber  di«  Huptperioden  der  tcluteeB  Kmiti 


Terf.  sucht  darauf  weiter  daa  Varhiltaift  dea  fUmaiitiichen  sam  Aa* 

tikcn,  und  die  vcrgchiodeneo  Gentaltunj^en  dea  Romantischen  unter 
den  Vdlkero  ia  Frankreich,  Spanien,  Italien,  England  und  Dentsch- 
laad  nachzuweisen;  dann  char.ikterisirt  er  die  efiische  Poesie  des  Mit- 
telaUeri  (mit  hesonderer  liücksicht  auf  Dante),  und  durchgeht  die 
Tcrschiedenen  Nehenarten,  dann  die  lyrische  Poesie,  die  Minne-  aal 
Meistersänger,  das  VoUialied ,  die  didaktische  Poesie,  worauf  er  sich 
zur  Tonkunst  wendet,  zur  christlichen  Baukunst  sowie  zur  christli- 
chen Malerei,  die  nach  den  vcmchiedenen  Schulen,  der  italicnisrlipa 
nnd  deutschen,  der  niederlfmdiRclif n  .  nicdcrrheinischcn  und  oberdeut- 
Bchen  Schule  tlurt  ligangca  \<  ird.  Am  St  hJfjfB  wird  auch  über  H0I7.- 
schneido  -  und  Kii[)f«'rRterliL'rli  iihhI  F^iiii^cH  angeführt.  ISach  dieser 
im  Ganzen  gewU«  LeiViedigcudea  Schiltlrnuiii:  antemurht  der  Verf. 
die  irrHachon  ,  welche  den  Untergang"  dieser  Periode  iiud  die  Entwik- 
Icelung  einer  neuen  herbeigeführt  haben,  wobei  denn  auch  auf  den 
Protenlantisinus  S.  203  fT.  gehörige  Rücl^nif^ht  genommen  wird.  In 
der  oiodcrnen  Ünnst  erseheint  deiri  Verf.  at»  hervortretendes  Priiui{) 
die  Naturwahrheit  und  daa  Charakteristische  (S.  208.  24)9.)  ,  und  beides 
sucht  er  nun  in  den  einzelnen  Erucbeinungen  der  Kunst  nnd^Poesic, 
wie  sie  jene  Zeit  Ik  rvorgebracht ,  nachzuweisen.  Diilicr  wird  die  ge- 
flammte neuere  Poesie  der  Spanier,  Engländer,  VrnnAOHtn  und  Deut- 
schen durchgangen,  es  werden  die  einzelnen  hier  hervortretendca 
Geister  nach  ihren  Bestrebungen  gewürdigt,  und  die  verschiedenen 
Richtungen  der  Poesie  bis  auf  die  neueste  Zeit  herab  rerfolgt,  daher 
aach  Aber  ttinili  und  Schauspielkunst,  se  wie  aber  die  jetzt  so  vor- 
iierraehende  Neigung  für  dea  Ronan,  iubeeoBdere  den  bletorleeben , 
6ber  die  Novelle  In  ihren  Terachiedenen  jArten,  dae  Ndlhige  beinerkt 
Dann  folgt  die  Gcachiclite  der  Maaifc ,  ebenfalla  nach  den  einaelBW 
Nationen,  den  Italienern,  Franaoaen  and  Dentacben,  aach  liier  wiedsr 
mit  Bernckflichtlgung  der  elnielnen  antgeneiehneten  Mianer,  die  ani 
entgegentreten ,  ao  wie  einer*  Charakterietik  ihrer  Leiatongen.  Oaiaa 
achtieftt  lich  eine  Ueheraicht  der  bildenden  Kfiaate^  deieii  Batwiek- 
iang  and  Stellang  In  neuerer  2eit ,  wobei  natdrlieh  der  Hmletel  ia 
ihren  yenehiedenen  Zweigen  eine  grSfbere  Aaaffihrang  sa  Thell  go* 
worden  iet,  öbrigene  auch  Belliet  die  Kapferatoeherkaoat  and  die  Li- 
thographie nicht  äbergangen  lat. 

Noch  dürfen  wir  aber  Ton  dem  Werke,  dessen  Inhalt  wir  ia 
einigen  allgemeinen  Umrissen  mehr  angedeutet  als  ausgeführt  habea, 
nicht  scheiden,  ohne  aaf  die  hochet  ieaena-  und  bcherzigongswertbea 
Schliirshemerkungen  einen  Blick  zu  werfen;  sie  betreffen  die  Stellang 
der  Kunst  Im  Leben  der  gegenwärtigen  Menschheit  und  suchen  die 
einzelnen  verschiedentlich  früher  darüber  ausgesprochenen  Bemer- 
kungen zu  einem  Ganzen  oder  zu  einem  allgemeinen  Resultate  zu 
verbinden,  das  ancli  auf  ihre  nfiehste  Zukunft  binwriHt.  In  dieser 
Hinsieht  wird  als  einflufsreieh  und  tM^enttiuiiilieh  in  der  neueren 
Seit  hervorgehoben  die  Stellung  der  Kunst  zur  Wiaecnacbafti 


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.  Wendt»  über,  die  llaiiptporioden  der  ichöneo  Kaoat.  1BI8 

die  nich  aocii  imbeioiidere  in  der  grefeem  Bedentnnfp«  die  du«  ÜU 
dnctiiiciie  gewonnen,  liemaettolit,  nnd  eelltet  nitf  die  Ijrieelie  Poesie 
ihren  Sinflofe  geanfnert  hat,  in  lirr  Movelle  aber  ^an<  Ikceondcm  her- 
vertritt; et  wild  ferner  hier  anfmer1i«ani  gemacht  anf  den  Beiehthnnv 

der  in  neuer  und  neueeter  Zeit  rrr1)reiteton  Kenntniiee  nnd  WiHsen- 
aehnff  rn  ,  welche  der  Kunst  als  Stoff  sirh  darbieten  und  oft  die  Wir- 
liun^  äiir«crii,  dafs  die  Kunst  nn^tat  und  gleichgültig  nach  Tersclnc- 
denen  Seiten  «ich  hinwendet.  Während  der  Künstler  früher  den  Stoff 
nicht  «nwiihl  wühlte ,  aU  vielmehr  von  ihm  erfiillt  war,  in  soferti  er 
aelbfitthatig  au»  ihm  hervorging,  sich  in  ihm  cntwicl^eKe  und  den 
Gehalt  seines  Innern  at'.sinHchte,  dnlicr  auch  der  Künstler  sich  ge- 
driing^pn  ffihltc,  dfts,  müh  in  seinem  Innern  Ifl^,  für  die  AnKclmuung 
nus/ii  liildeti  und  darzustellen,  keine  Schwierigkeiten,  die  Rieh  der 
AuBbiUliing:  ent^ej^ensteÜten  ,  7a\  »»  hfuen,  sondern  mit  Zum  rsi«  lit  und 
BegcisteVung  alle  UindernisHe  xn  überwinden,  so  ist  jetzt  diese  ile- 
gcisterun^  wohl  kaum  mehr  wieder  zu  gewinnen.  Der  unmittelbare 
Boden  des  Künstlers  (sagt  der  Verf.  S.  371.)  bleibt  die  G«'^(  n«  art, 
ond  uur  durch  das  Mittel  gegenwartiger  Weltanschauung,  die  zu- 
gleich Beine  cigenthiiinlichc  ist,  kann  er  auch  die  fremde  iiuriitKnen 
und  bigreifeu.  Der  in  der  Gegenwart  errungene  Standfionkt  soll  i\m 
Vergangene  nach  seinem  Innern  Sinn  fassen,  das  Gefie.hichtliehe  nach 
seiner  Bedeutung  im  Ganzen  sowohl  als  für  die  gegenwärtige  Mensch- 
heit darstellen ,  und  zugleich  auch  den  tiefern  Sinn  der  Naturerscliei- 
Blingen ,  ond  deren  Beziehung  auf  das  gegenwärtige  Menschendaseyn 
Baespreehen.  Darum  ersebeint  nnterm  Verf.  als  Aufgabe  der  Kunst 
für  die  nächste  Zalcnnft:  „dnreh  begeisterte  VergcgenwArtigung  und 
freie  Verbindung  der  Gestalten  der  Geschichte  und  Natar  dar- 
luatellent  wie  dieselben  dem  Mensehengeiste  im  Lichte  der  Idee, 
oder  de«  höchsten  Welt-  nnd  Selbstbewofstaejns  erseheinen.*'  In  der 
weiteren  Ansführang  und  Begründung  dieser  Ansicht  (die  wir  In  dem 
Bncli  sellier  nacbsulesen  bitten)  Icomrat  der  Verf.  auch  auf  den  Vor- 
wurf, womit  man  den  Verfall  der  Kunst  lu  erweisen  suchte^  dalb 
nämlich  die  Uechanili  in  der  Kunst  sich  in  einer  schwindelnden  Höbe 
erhoben  und.  von  Geist  und  Gefühl  abgesondert  habe ,  er  lierfihrt  aa- 
gleich  auch  einige  andere  Punkte,  welche,  wenn  mau  sie  auch  nicht 
gerade  als  die  Kunst  hemmend  und  ihrem  Fortschreiten  hindernd  be- 
zeichnen wollte,  doch  immerhin  die  schwierige  Stellung  erkennen 
lassen,  welche  die  Kunst  in  nnsern  Tn^en  gefnPst  hat.  Zu  diesen 
Hindernissen  rechnet  der  Verf.,  und  mit  Recht,  die  Beziehung  der 
Kunst  zur  Kritik,  welche  hinwiederum  durch  ihre  Bralehuug  zum 
Wissen  bedingt  ist;  seine  Bemerkungen  über  das,  was  als  Schel»- 
und  Arterkritik  nur  als  hemmend  jede  freie  Knnstentwickhing  und 
Kunstiiufsernng  betrachtet  werden  niufs,  wahrend  die  wahre  Kritik 
dem  Talent  und  der  Kunst,  die  nur  durrh  einseitige  Reflexion  leiden 
bann,  nimnieruichr  Gefahr  bringen  kann,  verdienen  \or  Allfm  He- 
heraigneg*    üin  weiteres  ilindcruirs  —  und  wer  möchte  ihm  nicht 


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Deattclie  LMebäcIier  far  nntere  o.  bdliero  GynrnUlclaMea. 


darin  beistimmen?  —  sieht  der  Verf.  in  der  in  der  letzten  Zeit  so 

vorhcrrflchend  gewordenen  Richtung  der  Meng^e  auf  das  Aeufsere  und 

Sinnliche,  auf  l'runk  und  künstlichen  Glanz:  ein  Umstand,  der 

eben  so  jetzt»  "wie  in  andern  Perioden  tind  unter  andern  Völkern  der 

Vorceit,  als  ein  Zeichen  der  Abnahme  des  guten  Geschmacks,  de« 

Verfalls  der  wahren  iiraft  einer  Nation  betrachtet  werden  kann  und 

UBS  darum  mit  webmuthigem  BHck  in  die  Zuliunfi  etfuIU,  zumal 

als  neben  dieser  gemeinen  Verirrnng  noch  eine  andre,  weit  pefähr- 

lichure  sich  verbreitet,   welche  sclbit  die    Besseren  verstrickt  bat, 

and  die  der  Verf.  aU  die  äbthctiüche  Manie  uilcr  die  Kunstvergotte- 

rung  bezeichnet,  in  sofern  sie  dem  thorigten  Wahn  sich  hingiebt« 

das  Leben  nacb  der  Kunat  gestalten  ap  wollen.   Auch  über  dieae 

Yerirruog  arlilArt  «ich  dar  Hf.  Varl,  in  bafriedigaadar  W^aa,  Daa 

£odr«aaltat  dar  gamaa  in  diaian  to  Yatdiaflattialraii  and  abao  ao  aelic 

dorch  aiaa  anslebanda  Darttellungswalta  aieh  enpfablaadall  Wadke 

behandeitea  Unterioehang  woUan  wir  mit  dan  aignan  Wortan  daa 

Yarfa.  ancb  ala  Sablofa  nnaarar  Arne  ige,  dia,  wir  wiadarbalan  aa« 

nieht  aawabl  aiaa  Kritik  diam  Warkaa«  ala  aina  Andautaag  daa  rai- 

cbaa  laliclti  liafam  and  damit  ain  waiteraa  Sindioai  dataalban  Tan»» 

laaian  aolU  baiffigaat 

„Die  Kanst  lost  lieb  auerst  Ton 'dar  Natar  ab  im  Orient,  uad 
strebt  das  noch  mals-  und  formlose  Ideell,  welches  der  Geist  in  der 
Ahnung  ergriffen ,  im  Mafs  und  Formlosen  darzustellen.  In  der 
antiken  Kunst  steigt  der  Geist  bildend  herab  in  das  Sichtbare,  um 
ain  menscblichea  Ideal  in  menschlicher  Gestalt  m  ▼eräufsern;  be- 
seelte Form  und  Gestalt  ist  sein  Strrbrn.  Ward  liirr  der  Geist  Ge- 
stalt, so  wird  in  der  neuen  oder  g-cr manischen  Kunst  die  GcHtalt 
wiederum  vergeistigt:  die  Kunst  geht  wieder  hinaus  über  die  räum« 
licha  Form  uad  aaebt  im  Wacbaal  daa  Zeitlicbaa  daa  Gaiat 

„Die  Natur  iat  somit  der  Boden  aller  Kuast|  dia  beiaalta 
Farm  thra  Mitta,  —  dar  Gaiat  ihr  ZiaL'*  — 


1)  Deutschea  Lesebuch  für  untere  Gymnaeialelateen  und 
Bürgerschuten,  Ztfeiltf  verekukrU  Auflage.  Trier  bei 
J.  J.  IdnU.  XU  wd  424  S.  m  gr.  8. 

2}  HaittacAaa  LeaaftaoA  für  höhere  Gymnasialetaseen. 
Herausgegeben  von  den  Lehrern  des  Gymnasiums  9U  7W«r.  SVftr 
1827,  bei  J.  J.  Ltnts.    / ///  und  504  S.  in  gr,  8. 

Bei  Rüchern  dieser  Art  kommt  es  vor  Allem  auf  zweckmäTsi^ 
Auswahl  des  Stoffs  und  eine  verstandige  Anordnung  desselben  an. 
Abar  bai  dar  gawaltigaa  Marne  daa  aar  Aatwabl  ▼orHegeaden  Stoffs 
vad^ai  den  varaehiadeaarti^en  Rucksichtan«  die  oft  dabei  in  Betracht 
gezogen  werden  müssen  ,  zeigt  sich  hier  am  meisten  die  Schwierig- 
keit, hier  ist  die  Klippe,  an  der  so  Manche  scheitern,  die.  statt  ein 
die  Bildung  des  Schulers  wahrhaft  förderndes  Hülfsmiltel  zu  lierern, 
durch  dia  Art  und  Weise  ihrer  Auswahl  aft  gerade  das  Gegentheil 
von  dem,  was  sie  beabKirhtigcn  .  hewirken  und,  auch  ohne  dafa  sie 
CS  wollen,  oder  in  ihrer  KuvMirhti^'^k eit  daran  denken,  einen  höchst 
verderblichen  Samen  ausstreuen.  Daiuni  freuen  wir  uns,  in  den  beidea 
abaa  angezeigten  Lesebüchera  Werke  ^efuadaa  au  babaa,  die  jedem 
Scholar  in  die  Hand  gegeben  werden  können  ader  Tielmefar  gagebea 


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DcBticlia  LeMbAcher  für  untere  u.  höhere  GymiiaeialclaMeo.  1245 


werden  lollen,  um  nnff  Yetstand  und  Gemüth  der  Jugend  ihirch  solche 
MüRtrr  rinrnwirJicn ,  und  ihren  Sinn  für  das 'wahrhaft  Srhöne  zu  be- 
leben und  zu  erwärmen.  Denn  eine  solche  Erweckung  des  Sinnes  zum 
Edlen  kann  nicht  wohl  anders  als  durch  solche  Lesebücher  bewirkt 
werden.  Wenn  nun  bei  Ko.  1.  eine  Verp^leichung  der  vorliegenden 
zweiten  Ausgabe  mit  der  früheren  im  Kin/,t  !nrn  nirlit  /iilätsRifi:  iRt , 
80  kann  die  Behan]>tiing:  genügen,  dafs  der  Grundcharakter  in  beiden 
Ausgaben  sich  unverändert  erhalten,  dafs  der  Standpunkt  des  Ganzen, 
eo  wie  die  leitenden  Ideen,  nnvernicltt  geblieben,  die  Auswahl  telbev 

fanz  mit  Rücksicht  auf  das,  wra  jug^cndliche  Bildung  wahrhaft  för- 
crt  .  veranstaltet  worden,  der  Inhalt  beider  AuRf^Hlten  aber  in  sofern 
verschieden  ist,  als  in  die  neue  Ausgabe  erofsenlbeiis  neue  Lese- 
'  stucke  aufgenommen  worden  sind,  welche  daher  diese  Ausgabe  in  der 
'  That  als  eine  ganx  neue  bezeichnen  lassen ;  denn  einen  unveränderten 
Abftrnrk  der  rrKtf-n  Auflage  railsrieth  die  Krwagung,  „dafs  auch  den 
eehaltvollBien  Arbeiten  der  besten  Schriftsteller  ein  längerer  Ge- 
brauch eine  gewisse  Trivialität  aufklebt,  so  dafs  der  verlorene 
Reis  der  Neuheit  —  auch  die  Lust  eines  tieferen  Eindringens  in  die 
Sache  verdrängt.  So  bleiben  denn  Verstand  und  Ilcrz  ohne  Nuhrnng. 
Wifsbegierde  und  durch  sie  Lernlust  habe  ich  in  p;<  n:cnwärtiger 
Sammlung  durch  Auswahl  von  Stucken  zu  reizen  gesucht,  die  durch 
das  Interesse  des  Stoffs,  den  sie  behandeln  und  dareh  die  Art,  wie 
sie  denselben  behandeln,  das  jugendliche  Gemöth  anaiehen,  spannen 
und  gespannt  erhalten."  —  Dafs  dem  Ilerausgeber  dies  auch  «jelnn- 

6en ,  wird  ein  einsichtsvoller  Richter  nicht  in  Abrede  stellen  können. 
Ite  von  dem  Verf.  getroffene  Auswahl  zeigt  von  Einsicht  und  Urthell, 
und  sucht  die  Forderungen  des  Verstandes,  wie  die  des  Herzens 
gleichmäisig  zu  befriedigen,  um  durch  eine  solche  Verbindung  den 
oben  bemerkten  Zweck  7,u  erreichen.  Wir  wollen  deshalb,  so  weites 
die  Grenzen  dieser  Blätter  erlauben ,  den  Inhalt  und  die  einzelnen 
Abtheltnagen  desselben  naher  angeben,  es  mag  diese  Angabe  als  Beleg 
unseres  oben  ausgesprochenen  Urtheils  über  die  ZweckmaPsigkcit  des 
Buchs  dienen.  Andere,  die  dasselbe  noch  nirht  kennen,  darauf  hin- 
weisen und  so  allgemeinere  Verbreitung  und  Einführung  desselben  an 
den  Orten,  wo  es  noch  nieht  eingeführt  ist,  veranlassen* 

Zuerst  kommen  Fabeln  in  gebundener  und  dann  in  ungebundener 
Rede,  letztere  von  Meifsner  und  Lessin?,  crstere  in  reicherer  Anzahl, 
meist  von  den  ausgezeichnetsten  Männern  in  diesem  Zweige  der  Li- 
teratur, als  PfefTel,  Zcune ,  Weifse,  Gleim,  Lichtwebr  U.A.  Dann 
folgen  Erzälihinp:en  in  poetischer  Form  (Mehrcres  von  Herder,  Gel- 
iert, Pfeflel,  Kind,  auch  von  Collin*«  Gedicht  auf  Kaiser  tVfaxiinl- 
lian  I.  auf  der  Marlinswand  u.  A.),  so  wie  in  ProRn  ,  innl  zwar  hier 
eine  Reihe  morgcnländischer  Sagen  (zunächst  von  Herder  und  Kram- 
macher) ,  dann  einselne  geschichtliche  Ersählungen  von  J.  v.  Müller, 
Schiller,  Heinslus  u.  A.  Daran  reihen  sich  Beschreibungen,  d.h. 
Schilderungen  einzelner  merkwürdijren  Länder  und  Gegenden,  oder 
merkwürdiger  Naturerscheinungen  und  Ereignisse.  Dafs  in  dem  nächst- 
folgenden Abschnitt:  Parabeln,  ans  Rrnmnnaeber  die  Hanptanswnhl 
genomnen  and  dann  Einiges  von  Herder  beigefügt  ist,  wird  man  nur 
billigen  können  An  Briefen  ist  eine  grofsc  Mannigfaltigkeit  ge|[c- 
ben,  und  zwar  für  di*-  vcrf^chn dcnsten  Fälle;  es  sind  theils  erzäh- 
lende, theils  beschreibende  liriefe,  dann  wiederum  Empfehlnngs- 
oebreiben,  GIneliwänschnngsschreiben,  Trosthriefe,  belehrende  Schrei- 
ben n.  dgl  ,  so  dafs  für  jeden  F  ill  ein  passendt  ^  Mnstcr  sich  vorfindet. 
Den  lieschlufs  in  der  sechsten  Abtheilung  machen  Gedichte  verschie- 
dener Art,  Hjmnen,  Lieder  und  zwar  eben  sowohl  geistliche,  als  an- 
dere vermischten  Inhalts,  deren  Arnnhl  nntirlieh  bedentender  iat,  nnd 
welche  mit  einer  Annäht  Elegien  sehlieraen. 


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1246  Deatoche  LeMbödier  för  miten  a.  kÜMve  GjniBasialcliMaB. 


No.  2.  kann  al«  Ate  uniiiittelliiire  Fortsetzung  betrachtet  -werden; 
dean  roU  üvr  Zweck,  der  da»  er«i  geoaniite,  lür  Schüler  der  untern 
Gymnaaialchi^sea  bestimmte  Werk  hervorrief,  volUtändig  errtiicbi 
werden»  «o  mafste  auch  für  die  Fol^^c,  d.  h.  fnr  die  iMilieren  Gymna- 
•ialrlnsRen  durch  ein  almlichefl  Werk  g^e80r;_it  werden,  rfeMen  *Nt>th- 
wendigkeit  fuifi  si»  manchen  Grändcn  ,  die  wir  liier  nicht  weiUfr  ans- 
Kuführen  bmuchco,  eialeuclitend  ist.  £6  war  hier  iiu  Ganzen  nach 
denselben  Grundsäisen  ta  verfahren «  da  der  Zwmck  «in  gleicher  Ut, 
üb8chon  die  Rückglcbt  auf  das  gcreiftere  Alter  der  Schüler  in  dar  Alie- 
führunjo;:  nicjjt  ubersehen  werden  durfte,  um  hiernach  eie  geeig^nete 
Auswahl  KU  bestimuien.  »Wir  waren  bedacht,''  Ragen  die  Heraus- 
^ber,  „In  diese  Sammlang  varsfiglieli  diejeiiigrü  j.oetieeben  nnd  pra- 
saisclien  Stücke  aufzunehmen,  worin  der  schon  ^e::bte  Verstand,  die 
kühne  Einbilduni^Hkrart  und  die  reizbare  Fuiiitindun«^  dcb  Jün^linirs 
mehr  Mahruufi  finden,  und  dies  in  der  unabänderlichen  Absicht,  die 
jnnf^en  Gamimer  sneret  für  Alles,  was  grofs,  edel  und  erhaben  ist, 
einzunehmen,  dann  sie  selbst  fähiger  zu  machen,  die  holiea,  manüi- 
erhen  Ideen  aus  sich  zu  schöpfen  and  auf  eine  des  Gegeniitandcs  wür- 
dige Art  ästhetisch  auszudrücken."  Wir  haben  diese  Worte  absicht- 
lich niitgethetlt ,  weil  darin  Jflan  und  Zweck  der  UerauMgeber  klar 
ausgesprochen  ist ,  und  vollen  nan  dorch  nähere  Angabe  dea  inlialta 
zeiß^en ,  wie  die  Herausgeber  diesen  ihren  Zweck  erreicht  und  in 
den  Erwartungen,  die  wir  von  ihrer  Einsicht  hegen  konnten,  nicht 
.suruckgcblieben  sind.  In  die  Anordnung,  d.  h.  in  die  Folge  der  ein- 
seinen  AbeehnfUe  wollen  wir  uns  bei  der  paetlicbea  Abtheilnng  so 
wenig  wie  bei  der  prosaiscbeo  (denn  in  diese  beiden  Haupttheile 
zerfällt  das  Ganze)  einlassen,  da  wir  vergeblich  nach  einem  Finthei- 
lungsprincip  gesucht  haben,  im  Ganzen  auch  aui  Ende  so  Viel  auf 
die  streng  regelrichtige  Eintheilung  nicht  ankommt,  wenn  nur  die 
einzelnen  einem  solchen  Abschniti  zugatlieilten  Stücke  gut  gewählt 
sind  ,  wa«  hier  doch  keinem  Zweifel  unterliefet.  Die  poetische  Ab- 
thciiun^  rnlliält  meist  Stücke  un^serer  <  liiKsint  h4"n  Dichter,  nnd  zwar 
solche,  die  auf  das  jugendliche  Geiuutb  ciueu  Eindruck  muclica  und 
ae  erhaben  Itönnea.  XnersI  Icommen  Lieder,  dann  Oden,  Hymnen, 
und  darauf  Elegien,  worunter  wir  mehrere  der  berühmtesten  \on 
Schiller  und  Matthison  nicht  vermissen;  nun  folgen  einige  Proben 
aus  Lehrgedichten,  Satiren,  Epigramme,  dann  poetische  Erzählungen 
und  Beaclireibnagen ,  die  Epopee  nnd  das  Rittergedicht  nebet  einigen 
Romanaeo  und  Balladen  (von  Schiller),  darauf  einige  dramatieche 
Stacke  aus  Schillers  Wallenstein,  Jinip^fmn  V4ui  Oilcinis  u.  s.  w. 

Die  prosaische  Abtlieilung  beginnt  mit  einigen  Stucken  didakti- 
schen Inhalts  (besonders  aus  Schiller,  Herder  u.  A.)*  dann  folgen 
Beschreibaagen  (von  Zimmermann,  Bngge,  Forster),  charakteristische 
Erz^hhint^en  (von  Stolberg,  Heeren  B.  A.}»  and  anm  Bescblttfa  einige 
Proben  rednerischen  Inhalt« 

Ganz  besonders  müsseu  wir  aber  noch  auf  den  Anhang  aufmerk- 
sam machen ,  der  den  Rest  des  Baches  von  S.  485  1t,  an  fallt  nnd 
eine  kurze,  aber  durch  gedrängte  Angabe  der  Haaptmemente  recht 
zweckmäfsig  für  den  Gjmnasialunterricht  eingerichtete,  übersicht- 
liche Darstellung  der  Literärgeschichte,  der  Sprach-,  Dicht-  und 
Radcknnst  der  Deatsehen  entn&lt,  also  keineeweg«  eine  trockne 
Theorie  der  redenden  Künste  (was  immerhin  für  junge  Gemüther  so 
•Wanig  AnzJeficndes  hal),  sondern  einen  historischen  üebcrhlick  an- 
aeror  Literatur  nach  ihren  verschiedenen  Perioden  von  ihren  ersten 
Anfängen  und  Elementen  an  bis  aaf  die  neueste  Zeit  herab.  Die 
Hauptmänner,  die  iu  einer  jeden  einzelnen  Periode  besonders  tbatig 
und  einflursrcich  auf  die  Bildung  der  Sprache  und  Literatur  waren, 
werden  hervorgehoben  und  ihre  Werke  im  Allgemeinen  bezeichnet. 


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KaUmth^lieriiM  von  Trede. 


1S47 


Utiv.h  f.'n'hvn  Perioden  int  das  ganze  Gebiet  abgetheilt,  die  erste,  dae 
bardisch -j^othisrhc  Zeitalter  voo  113  p.  Chr.;  die  zweite,  das  frän- 
kische Zeitalter  von  7(i8  — I1S7;  die  dritte,  das  Zt-itnlttr  der  Minne- 
sänger oder  achwäbischen  Dichter  bis  1S4() ;  die  \ierte,  das  Zcilall«r 
der  Meistersänp^cr  bis  152S  ;  dir  riiiifte,  das  Zcitaiter  der  V  i)lk8|H)csio 
und afl#bluhenden  WiffseiiHi  Viatieii ,  bis  Hi'l^i;  die  sechste,  das  ZnfaUer 
widerstrebender  Meinungen  über  den  Geibt  der  Poesie,  bis  llbti;  die 
•iebente«  dai  Zeitalter  der  clastitehen  Literator.  So  giebt  dieser 
Graadrifs  da«  Wesentlichste  von  dem,  was  in  den  obern  Gymnasial- 
classen  über  diesen  Zweig  nhzuhandeln  ist;   scbr  Twerhinätsig  sind 


jeden  der  oben  bemerkten  Perioden  einaelne  Sprach  proben  beigefügt. 

Sa  ndchte  auch  dieaee  Yfcrk  billigen  Anforderungen  genogend 
nnd  dem  oben  bemerkten  Zwcel  «  'ner  tüchtigen  Jnp;endl)iidung  ent- 
sprechend erscheinen,  fjeeif^net,  jugnidliehe  Gemüther  vor  so  manchen 
Gefahren  zu  bewahren,  die  ihnen  jvUl  mt-hv  als  sonst  drohen,  und 
ihrem  Geiet  eine  für  alle«  Edle  and  Gute  empfänglitbc  Richtung  an 
geben.  Wie  viel  hängt  für  das  ganze  Leben  von  driii  Keim  ab,  der 
w  jogendiichen  Seelen  diurch  Bueher  der  Art  frühzeitig  gelegt  wird  1 


Kalant  hepbcrusa   aus  den  Plönischen  Deel amatiomkr eisen  in  die 

f'röfsere  i§'elt  eingeführt  und  mit  einif^en  Worten  »wr  Deklamat&rik 
efcleitet  von  Dr.  L.  Trcde,  der  P!i'>n.  Gekhrtenschule  Conrector. 
mn  1^29.  Gedruclet  und  verlegt  durch  A.  A.  lUüller.  LXXf'iU 
u.  4ti2  8.  in  gr.  8. 

DicHes  Uebunj^-shurh  enthält  lauter  poetische  Stücke ,  denen 
eine  fant  80  Seiten  lad^e  Einleitung:  Kinige  Worte  zur  DeLla- 
matorik,  Torangeeetst  itt.  Oia  poeliachcn  Stacke  selber  sind  man- 
nirhfaeh  ausgewählt,  und  werden  in  dieser  Fülle  der  gemachten  Mit- 
theilungen reichlichen  Stoff  zu  Deklamationsüburin^en  abgeben.  Zuerst 
kommen  dramatische  Scenen  au«  verschiedenen  Stucken,  dann  Mono- 
loge (too  Gdthe,  Sehiller,  Körner,  Grillparier  u.  A.);  darauf  Dich- 
tungen Cfntter  Gattung  in  zwei  Ablheilangen,  deren  erste  Balladen, 
Romanzen  und  Legend«-n ,  die  an<!er<"  aber  Sinngedichte ,  Klrgien  und 
Lieder  enthält;  dann  Üichtungen  heiterer  Gattung,  ebcnfuÜs  in  zwei 
A1>theilungen :  1)  Ernstes  in  heiterem  Gewände;  2)  Heiteres  und  fio- 
misches,  von  den  verschiedensten  Diebtern.  Bin  verständiger  Lehrer 
wird  eine  7.v rckniärwige  Auswahl  unter  dem  liie  r  reiehlieh  dargebo- 
tenen Material  ^  f Behufs  der  Deklamation!« Übungen »  au  treffen  tlod 
dadurch  das  tiuch  nützlich  zu  machen  wissen. 


Dit  he$si8chen  Hiti^rbur^en  und  ihre  Besitzer^  von  6.  Landau* 
Mit  vier  Ansichten  (und  etner  Fi^nettt)  Zweiter  Band.  ffoMei» 
in  der  Luckhard'schen  Hof  buchhandlung,   1833.   428      in  8. 

DtT  erst«  Band  dieses  Werkes  ist  bereits  in  No,  ß.  8  67.  ff. 
Jahrg.  18«^^.  angezeigt  worden,  nu^  welche  Anzeige  wir  um  so  eher 
Terwelsen  müssen ,  na  der  Verf«  aueh  in  diesem  Bande ,  seinem  ur- 
sprfingliehen  Plan  getreu,  sich  nicht  blos  auf  eine  Bes<  hreibung  der 
bald  mehr  bald  minder  erhaltenen  Burgen  des  hessisei  en  I^andes  be- 
schränkt bat,  Kondern  damit  di(^  Geschichte  derselben  verbindet,  *?o 
wie  die  Geschichte  der  Geiichiecbter,  deren  Sitz  jene  ßur<;en  waren, 
so  weit  dieselbe  nach  geschiehtliehen  Spuren  sieh  verfolgen  lafst:  ein 
Unternehmen ,  bei  dem  Mangel  an  Quellen  oft  sehr  schwierig ,  das 
aber  der  Verf.,  wie  schon  trüber  bemerkt  worden,  auf  eiae  sehr. 


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1248     G«  Iisndao  ,  die  hemitcheii  Ritlerliai^tt.  Clor  Baad 


befriedigende  Weise  aasgefuhrt  und  damit  seiaem  Werke  zut^Ieich 
ein  höheres  geschichtliches  Interesse  pegeben  hat.  Auch  bei  diesem 
Bande  fehlen  nicht  vor  der  Beschreibung  jeder  einzelnen  Bar^  die 
poetischen  Einleitungen,  aatn  Tbell  von  dem  Verf.  selber,  snm  Theil 
aus  andern  nirhtcrn  passend  aasgcwalilt.  Den  Anfang:  raa^Ht  die 
^/^  Stunde  von  Allundorf  unfern  der  Gren/c  «i;e!egene  Burg  Altcn- 
•tein,  die  zum  Theil  nur  noch  erhalten  ist,  aber,  wie  schon  der 
Naiae  aadeatet,  in  offenhar  lehr  alte  Zeit  gehört;  die  erete  gescbiehi- 
liche  Kunde  ist  Ton  dem  Jahr  1S29.  Dann  folgt  das  auf  der  Titel« 
▼igneite  dareestrlltc  Fü  rs  t e n ste  in  ,  Ij/j  Stunde  von  Eschweg^e, 
noch  ziemlich  wobl  erhalten  und  jetzt  als  Staat«>gut  in  Pacht  gege- 
ben; daraaf  Wildeclr,  4  Stnndeto  vaa  Rotenburg,  der  Sommer- 
aufenthalt  des  Landgrafen  von  Heeiea-Rotenburg ,  dessen  Vorfahren 
hier  an  die  Stelle  der  alten  Burg,  deren  schon  im  dreizehnten  Jahr- 
hundert Erwähnung^  geschiebt,  und  von  der  jetzt  nur  wenige  Reste 
sichtbar  sind,  im  Jahr  1727.  ein  neues  Jagdschlofs  aufführten,  dessen 
reisende  Aaeticht  in  die  nahen  und  fernen  Umgebungen  hier  mit 
Rcf  lit  hervoig^choben  wird,  nachdem  zuvor  die  Gescliiehte  drr  ältrren 
Burg  erzählt  ist.  Auf  Wildeck  folgt  die  nnch  mit  einer  Abbildung 
ausgestattete  Kaiserpfalz  zu  Gelnhausen,  deren  Beschreibung 
mit  Recht  ei|ien  gröiseren  Umfang  einnimmt;  dana  Lieberg  (nr- 
apraaglich  Liebes  bürg),  zwei  Stunden  von  Nidda,  auf  einem  ab- 
gestumpften ßaealtkefjel  erbaut,  jetzt  aber  fast  gänzlich  zerstört,  in- 
dem aus  den  gewaltigen  Trümmern  und  den  festen  noch  sichtbaren 
Ornndmaoern  aar  noeh  ein  Thurm  sich  mächtig  erbebt.  Dan  liea- 
sische  Freiherrngeschlecht,  das  hier  seinen  Sitz  hatte,  kommt  zuent 
im  dreizehnten  Jalirhundert  vor.  Sohr  ausführlich  ist  die  GcHrhtrhte 
des  in  der  hessiKchen  Geschichte  berühmten  Geschlechts  der  von 
Buchenau  beliandelt.,  deren  Schlois  in  ileiu  gleichnamigen  Dorfe 
aa  deiaea  höchster  Stelle  hervorragt.  Doch  gehört  das ,  was  von  Ge- 
bäuden jetzt  sichtbar  ist,  in  die  Zeilen  des  IG.  und  17.  Jahrhunderts. 
Nur  noch  in  spärlichen  Resten  ist  die  Dens  hurt;  bei  dem  gleich^ 
namigen  Dorfe  im  Thale  des  Flüfschens  Gilsa ,  vorhanden,  desglei- 
chea  Beneeaoteia,  bei  dem  gleichnamigen  Staategate,  awei  «na- 
dea  TOn  CasseL  Bedeutender  ist  die  Altenbur^,  bei  FelBberg,  von 
der  auch  (wie  von  Rncljenau)  eine  Abbildung  beip;cfügt  ist;  sie  liegt 
in  Niederhessen,  da  wo  die  Edder  und  Schwaim  sich  vereinigen,  auf 
einem  Basaltkcgel ,  ist  aber  seit  fast  zwanzig  Jahren  töIKs'  in  Trüm- 
mer ;  die  Uqigebangen  sind  aehr  angenehm,  die  Aussicht  von  der 
Höhe  herab  sehr  ausgedehnt  nnd  vielfach«'  Abwecbslnn!»-  darbietend. 
Von  der  einst  licdedtendcn  Burg  Fraueiiberg,  die  iVj  Stunde  von 
Marburg  entferot  auf  einem  Basaltkegel  erbaut  war,  ibt  nur  noch 
wenig  vorliaadea.  Naa  folgt  Naambarj^,  dicht  an  der  Waldeek« 
sehen  Grenze,  über  dem  gleichnamigen  Stadtchen  gelegen.  I^lit  Aus- 
führlichkeit wird  hier  die  Geschichte  des  freiherrlichen  Geschlechtes 
der  von  Uertinsshausen ,  die  mit  der  Geschichte  der  Burg  zusamraen- 
liftngt ,  behandelt.  Oati elbe  hat  der  Yerf.  bei^  der  Geechiclite  der 
Schauenburg,  deren  wenige  Trümmer  von  einem  hohen  kegelfor* 
migen  Basallf eisen ;  drei  Stunden  südlich  von  Cassel,  hcrabschauen, 
gettian.  Hier  wird  nämlich  mit  mögliclister  Genauigkeit  die  Ge> 
■cliichte  einet  der  bedeutendsten  adeligen  Oeaclilcehter  Jleieene ,  der 
von  Dalwig*!,  dessen  zweiter  Stammsitz  dieze  Barg  ||eworden  war, 
durchgangen  und  auch  durch  beigefügte  Stammtafeln  näher  erläutert; 
die  jetzigen  B^itzungen  der  Familie  Rind  S.  357  ff.  vei-zeichnct  Den 
Beschiufti  machen  die  Burgen  Wallenste  in,  ehemals  AUwallen- 
atein«  nad  Keaeaetela*  elicmBle  N eavalleiiAflia »  too  dar  anteo 
tat  aach  eiaa  aett«  Alibildaag  lieigefAgl, 


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